UnIvV.or Toronto LIBRARY LIBRARY UNIVERSITY OF TORONTO denfunde und Klimatologie x Sale, = 2 ut 5 4 „ Win 1 * 4 0 y 5 „ De la e M i N n * der eee Bodenkunde und Klimatologie von Gu ſtav Heyer, 1 — * Großherzoglich Heſſiſchem Proſeſſor der Forſtwiſſenſchaft an der Ludwigs⸗Univerſität und Oberförſter der Oberförſterei Gießen. , 7 2/7 1. Mit 183 in den Text eingedruckten Holzſchnitten, einer lithographirten ſchwarzen und zwei Farbentafeln. Erlangen. a Verlag von Ferdinand Enke. a? 1856. N: BE EMS LE L Der Verfaſſer der vorliegenden Schrift ift von der Anſicht ausgegangen, daß die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie blos den Einfluß anzugeben haben, welchen der Boden und die Meteore auf die Waldvegetation äußern, daß aber die Lehre von der Entſtehung des Bodens und von den Meteoren ſachgemäß der Geognoſie und Meteorologie zugetheilt werde. Wenn er trotz⸗ dem die beiden letztgenannten Wiſſenſchaften in ſeiner Schrift abgehandelt hat, ſo beſtimmte ihn hierzu die Ueberzeugung, daß wir bis jetzt keine Lehr⸗ bücher der Geognoſie und Meteorologie beſitzen, welche dem Bedürfniß des Forſtmanns vollkommen angepaßt wären. Wahrſcheinlich wird ſich dies bald ändern; einige Naturforſcher haben angefangen, blos für das forſtliche Publi⸗ kum zu ſchreiben, und es iſt zu erwarten, daß den Schriften von Döbner und Schacht bald Werke mit ähnlicher Tendenz auf andern Gebieten der Natur⸗ wiſſenſchaften folgen werden. Die Lehre von der Entſtehung des Bodens und von den Meteoren hat der Verf. in einen „Vorbereitenden Theil“ verwieſen, den Einfluß aber, wel- chen dieſelben auf die Waldvegetation ausüben, in einem „Angewandten Theil“ abgehandelt. Die einzelnen Bücher dieſes letzteren Theils entſprechen den gleichnamigen Rubriken des „Vorbereitenden Theils“; nur das Buch „vom Druck der Luft“ kommt blos in letzterem vor, weil es hauptſächlich wegen des Zuſammenhangs der barometriſchen Erſcheinungen mit der Temperatur und den Hydrometeoren, ſowie wegen der barometriſchen Höhenmeſſung eingefügt wurde. Der Einfluß des Bodens auf die Waldvegetation wurde getrennt, nach ſeiner chemiſchen und phyſikaliſchen Wirkung, abgehandelt; die Gründe, welche den Verf. zu einer ſolchen Sonderung beſtimmen konnten, wird der geneigte Leſer am beſten aus dem Buche ſelbſt entnehmen. 7 Die Haupt⸗Aufgabe, welche der Verf. der vorliegenden Schrift ſich ftellt hat, beſteht darin, die Naturwiſſenſchaften in eine engere und unmitt Pr * VI Vorwort. bare Beziehung zu dem praetiſchen Forſtweſen, namentlich zum Waldbau zu bringen, in ſo weit letzterer die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie als Hülfswiſſenſchaft vorausſetzt. Dieſes Ziel hat er bei der Abfaſſung des angewandten Theils fortwährend im Auge behalten. Die Naturwiſſenſchaften haben bisher mehr dazu gedient, die bereits durch die Erfahrung gefundenen Regeln zu erläutern und zu begründen als neue Normen für die Bewirthſchaftung der Wälder feſtzuſtellen. In⸗ deſſen iſt der Dienſt, welchen ſie hierdurch dem Forſtmann leiſten, ſchon groß; nur Derjenige, welcher die Urſachen der Erſcheinungen kennt, iſt ſich der Gründe ſeiner Handlungsweiſe bewußt, und ſteht nicht rathlos da, wenn die Erſcheinungen in veränderter Form auftreten. Die Beziehungen, in welchen die Naturwiſſenſchaften zu der ſorſtlichen Praxis ſtehen, werden ſich aber deutlicher zeigen, wenn man einmal anfängt, an die Stelle zufälliger Beobachtungen, wie ſie der Augenblick von ungefähr darbietet, genaue ſtatiſche Unterſuchungen zu fegen. Möchten die Bemühungen des Herrn von Wedekind und des Vaters des Verf., C. Heyer, welche ſchon vor Jahren mit bedeutenden peeuniären Opfern das Feld der forftlichen Statik einer allgemeinen Bebauung zu öffnen ſuchten, bald von dem verdienten Erfolge begleitet ſein; möchten insbeſondere Diejenigen, welche eine raſche und gründliche Fortbildung unſerer Wiſſenſchaft wünſchen, wohl bedenken, daß der einzige Weg, welcher hier zum Ziele führt, in der Anſtellung forſtſtatiſcher Unterſuchungen beſteht. Schließlich ſtatte ich noch Herrn Ferdinand Muhl, * Forſt⸗ meiſter des Steiermärkiſchen Forſtvereines zu Gratz, meinen herzlichen Dank für die Unterſtützung ab, welche er mir bei der Ausführung der am Schluſſe des Werkes befindlichen Tafeln zu leiſten die Güte hatte. Gießen, im November 1855. Guſtav Heyer. 3 Felt Einleitung. Begriff, Eintheilung und Literatur der forſtlichen Bodenkunde und Klimatologie. S. 1. Vorbereitender Theil. Die Lehre von der Entſtehung und den Eigenſchaften des Bodens und von . den Meteoren. I. Buch. Eutſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. 1. Abſchnitt. Einleitung. 1. Erklärung der Erdgeſtalt. 3. Entſtehung der neptuniſchen und plutoniſchen Geſteine. 4. Textur, Structur, Abſonderung und Lagerung der Geſteine. 5. Relatives Alter der Geſteine. 7. Verſteinerungen. 7. I. Abſchnitt. Die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine. 9. — II. Abſchnitt. Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde bis zur Gruppe des Dilupiums leinſchl)). 1. Einleitung. 12. 2. Grauwackengruppe. 13. a. Untere Grauwacke (Cambriſches Syſtem). 14. b. Mittlere Grauwacke (Siluriſches Syſtem). 14. c. Obere Grauwacke (Devoniſches Syſtem). 14. 3. Steinkohlengruppe. 17. a Berg⸗ oder Kohlenkalk. 17. b. Steinkohlenformation. 17. 4. Permiſche Gruppe. 20. a. Das Rothe Todtliegende. 20. b. Kupferſchiefer. 21. c. Zechſtein. 21. d. Vogeſenſandſtein. 21. 5. Triasgruppe. 21. £ a. Bunter Sandſtein. 21. de pw» VII Inhalt. b. Muſchelkalk. 23. c. Keuper. 24. 6. Juragruppe. 25. a. Lias. 25. B. Jörn, 25 7. Kreidegruppe. 27. a. Wälderthon. 27. b. Quaderſandſtein. 27. c. Kreideformation. 28. 8. Molaſſegruppe. 29. a. Braunkohlenformation. 29. b. Grobkalkformation. 31. c. Tegelformation. 31. 9. Gruppe des Diluviums. 31. IV. Abſchnitt. Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 1. Allgemeines. 33. 2. Gruppe des Granits. 34. a. Granit. 34. b. Syenit. 35. c. Granulit. 36. 3. Gruppe des Grünſteins. 36. 4. Gruppe des Felſitporphyrs. 37. 5. Gruppe des Melaphyrs. 38. 6. Gruppe des Baſaltes, Phonoliths und Tra chyts. 39. a. Baſalt. 39. b. Phonolith. 42. e. Trachit. 43. 7. Gruppe der Vulkane. 44. V. Abſchnitt. Die auf die Diluvialgruppe folgenden Veränderungen der Erdoberfläche, ausſchl. der vulkaniſchen Erſcheinungen. Gruppe des Alluviums. Einleitung. 46. J. Kapitel. Bodenbildung durch mechaniſche oder phyſttaliſche Kräfte. 1. Wirkung der Wärme. 47. a Die Wärme im Allgemeinen. 47. b. Einfluß der Wärme auf die Geſteine. 50. 2. Wirkungen der Schwere. 52. a. Allgemeines über die Schwerkraft. 52. b. Einfluß der Schwere auf die Geſteine. 53. Schuttkegel. 53. Bergſtürze. 54. Einwirkungen der Flüſſe auf ihr Bette und ihre Ufer. 54. Mechaniſche Niederſchläge der Flüſſe. 56. Bach⸗ und Flußgeſchiebe. 56. Deltabildungen. 57. 3. Wirkungen des Stoßes. 59. a. Im Allgemeinen. 59. a b. Einwirkung des Stoßes auf die Geſteine. 59. Be Lagunen. 60. Dünenbildung. 60. Flugſand. 61. . WW Inhalt. IX II. Kapitel. Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 1. Bodenbildung durch Thiere. 61. 2. Bodenbildung durch Pflanzen. 63. A. Ver weſung der Pflanzen bei vollſtändigem Zutritt der Luft. 63. . Beftandiheile der Pflanzen. 63. N Die Bedingungen der Ver weſung. 63. Die Verweſung des Holzes beginnt mit einer Zerſetzung des ſtickſtoffhal⸗ tigen Beſtandtheils. 64. * e 2. .Die Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz überträgt ſich auf die ſtick⸗ ſtofffreien Beſtandtheile des Holzes. 64. f. Vorgang bei der Zerſetzung der ſtickſtofffreien Subſtanzen im Holze. 65. g. Belege für die Richtigkeit der oben entwickelten Theorie der Holzverwe⸗ ſung. 66. h. Die Verweſung des Holzes geht um ſo langſamer von Statten, je weiter ſie vorgeſchritten iſt. 66. 5 j. Beförderungsmittel der Verweſung. 67. B. Verweſung bei Abſchluß der Luft. 69. C. Verweſung bei unvollſtändigen Zutritt der Luft. 69. Huminſubſtanz und Ulminſubſtanz, Humin⸗ und Ulminſäure, Geinſäure, Quellſäure und Quellſatzſäure. 70. D. Torfbildung. 72. a Begriff von Torf. 72. b. Bedingungen für die Torfbildung. 72. c. Benennung der Torfmoore nach ihrer äußern Erſcheinung. 75. a. Hochmoore. 75. B. Keſſelmoore. 75. . Wieſenmoore. 75. 9. Meer⸗ moore. 75. d. Unterſcheidung des Torfs nach ſeiner innern Beſchaffenheit. 75. c, Moostorf. 75. 8. Raſentorf 75. 7 Pechtorf. 76. J. Papiertorf. 76. é. Baggertorf. 76. e. Nachwachſen des Torfs. 76. III. Kapitel. Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 77. (Verwitterung im engern Sinne des Worts). 1. Allgemeines. 77. 2. Die Agentien der Verwitterung und ihre Wirkung bei den einfachen Geſtei⸗ nen. 78. A. Chemiſche Wirkung des Waſſers. 78. a. Verwitterung durch Aufnahme von Kryſtalliſations- und Hydratwaſ— fer. 78. c. Anhydrit. 78. 8. Eiſenglanz. 78. b. Auflöſung der Geſteine in reinem Waſſer. 79. a. Steinſalz. 79. 8. Gyps. 79. . Kohlenſaurer Kalk. 79. B. Verwitterung durch Oxydation. 80. a. Eiſenſpath. 80. Olivin. 80. . Magneteiſen. 81. 9. Eiſenkies, Pyri Markaſit. 81. N C. Verwitterung durch Dedorydation (Abgabe von Sauerfioff). 2. Vorgänge bei der Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile im Holze. 64. u. x Inhalt. | * a. Desoxydation ſchwefelſaurerer Salze. 82. 8 Entſtehung des Raſeneiſen⸗ ſteins. 82. D. Verwitterung durch Kohlenſäure. 84. a. Allgemeines. 84. b. Einwirkung der Kohlenſäure auf kohlenſaurem Kalk. 84. Tropfſteine. 85. Kalktuff und Kalkſinter. 85. Brunnen⸗ und Flußwaſ⸗ fer. 86. Anhang: Bildung des Dolomits. 87. c. Einwirkung der Kohlenſäure auf phosphorſaure Salze. 88. d. Einwirkung der Kohlenſäure auf eiſenhaltige Foſſilien. 89. 3. Verwitterung des Feldſpaths, e der Hornblende, des Augits, Talks und der Kieſelgeſteine. 90. A. Verwitterung des Feldſpaths. 90. a. Wichtigkeit des Feldſpaths. 90. b. Zuſammenſetzung des Feldſpaths. 90. c. Orthoklas. 90. 8. Albit. 91. 7 Labrador. A. J. Oligoklas. 91. e. Der bei der Verwitterung des Feldſpaths bleibende Rückſtand 1 Thon. 92. d Zuſammenſetzung des Thons. 93. e. Vergleichung des Kaolins mit friſchem Feldſpath. 93. f. Vergleichung unvollſtändig zerſetzten Feldſpaths mit friſchem Feldſpath. 94. g. Der Feldſpath wird durch Kohlenſäure zerſetzt. 94. h. Verwitterung des Albits, Oligoklaſes und Labradors. 95. i. Die Zerſetzbarkeit der Feldſpathe nimmt zu mit ihrem Natrongehalt, Feldſpathe, welche Natron und Kalk zugleich beſitzen, find beſonders leicht aufſchließbar. 96. 4 k. Die übrigen Beſtandtheile der Feldſpathe. 96. Anhang: Bildung der Zeolithe. 97. Verwitterung des Glimmers. 98. 8 Verwitterung der Hornblende. 99. Verwitterung des Augits. 101. . Verwitterung des Olivins. 102. „Verwitterung des Talks. 102. Verwitterung der Kieſelgeſteine. 103. 4. Fa ee der Felsarten. 104. A. Im Allgemeinen. 104. a. Die Verwitterbarkeit einer Felsart hängt von der Verwitterbarkeit ihrer Beſtandtheile ab. 104. b Schiefrige Geſteine zerfallen leichter in kleinere Fragmente, als maſſige Geſteine. 104. c. Poröſe Geſteine verwittern leichter, als derbe. 104. Der Feuchtigkeit ausgeſetzte oder mit Gewächſen oder Humus bekleidete Geſteine verwittern leichter, als nackte Felſen. 104. e. Eiſenoxydulhaltige Geſteine verwittern leicht. 104. a . Kryſtalliniſche Geſteine. 105. * „ Verwitterungsfähigkeit zuſammengeſetzter Felsarten. 105. 7 5 Inhalt. a XI B. Verwitterung der Felsarten insbeſondere. 106. a. Granit. 106. a b. Granulit. 107. e. Syenit. 107. d. Gneiß. 107. e. Glimmerſchiefer. 107. . Thonſchiefer. 108. g. Grauwacke. 109. h. Grünſteine. 109. i. Felſitporphyr. 110. k. Melaphyr. 110. 4 J. Trachyt 111. - m. Phonolith. 112. n. Bafalt. 113. o. Lava. 114. p. Sandſteine. 115. Anhang. Erklärung der Tafel I. 115. II. Buch. Unterſcheidung des Bodens nach ſeiner äußern und innern Beſchaffenheit. J. Abſchnitt. Characteriſtik des Bodens nach der Lagerſtätte. 117. 1. Urſprüngliche und ſecundäre Lagerſtätte. 117. 2. Wurzelbodenraum und Untergrund. 117. A. Verhältniß zwiſchen Wurzelbodenraum und Untergrund. 118. B. Oberflächiger Zuſtand des Wurzelbodenraums. 119. N. Abſchnitt. Unterſcheidung des Bodens nach der Lage. 120. 1. Oberflächengeſtaltung des Landes. 120. A. Hoch⸗ und Tiefländer, Gebirgsländer, Hochebenen. 120. B. Tiefländer insbeſondere. 120. C. Gebirgsländer insbeſondere. 120. D. Hochebenen insbeſondere. 123. 2. Geographiſche Länge und Breite, Erhebung über die Meeresfläche. 123. 3. Abdachung. 124. 4. Expoſition. 126. m. Abſchnitt. Claſſifieation des Bodens nach 1 A b ſtammung von den Muttergeſteinen. 126. IV. Abſchnitt. Claſſification der Bodenarten nach ihren vorwal⸗ tenden Beſtandtheilen. 127. 1. Einleitung. 127. a N 2. Aufzählung der Bodenarten. 128. . * A. Thonboden. 128. | B. Lehmboden. 129. C. Kalkboden. 130. D. Gypsboden. 131. E. Mergelboden. 132. F. Talkboden. 133. XII Inhalt. G. Eiſenboden. 133. H. Sandboden. 133. 1. Humusboden. 134. a. Begriff von Humus. 134. b. Eintheilung. 135. c. Humus, gebildet bei vollkommenen Zutritt der Luft. 135. 1. Fruchtbarer Waldhumus. 135. 2. Haidehumus. 135. 3. Heidel⸗ beerhumus. 135. 4. Stauberde. 135. 6. Humus, gebildet bei unvollkommenen Zutritt der Luft. 136. 1. Humusſubſtanzen dieſer Art. 136. 2. Die fruchtbare Erde enthält keine Humusſäuren. 136. z Anhang: Nitrolin. 138. * 3. Eigenſchaften der Humusſäuren. 139. 4. Eintheilung der Humus⸗ arten, welche ſich bei unvollſtändigen Zutritt der Luft zu den verwe⸗ ſenden Organismen gebildet haben 140. Saurer Humus, unauf⸗ lösliche Humusſäure, adſtringirender Humus. 140. V. Abſchnitt. Claſſification des Bodens nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 141. Gewicht der Erdarten. 141. Feſtigkeit und Adhäſion des Bodens. 144. Volumsverminderung des Bodens durch Austrocknen. 146. Feuchtigkeitszuſtand des Bodens. 147. Bedingungen. 147. Waſſeraufnahmefähigkeit. 147. Waſſerzurückhaltende Kraft. 150. Waſſerdampfabſorptionsfähigkeit. 151. Claſſifikation des Bodens nach feinem Feuchtigkeitsgehalte. 153. 5. Wärme des Bodens. 153. A. Erwärmungsfähigkeit. 153. B. Wärmehaltende Kraft der Erden. 155. 6. Sonſtige Eigenſchaften des Bodens. 156. 7. Zuſammenſtellung der Reſultate über die phyſiſchen Eigenſchaften der Erden. 158. * e S III. Buch. Die Beſtandtheile der Atmoſphäre. 160. 1. Begriff von Atmoſphäre. 160. 2. Quantitatives Verhältniß von Sauerſtoff und Stickſtoff. 160. 3. Die Luft iſt keine chemiſche Verbindung von Sauerſtoff und Stickſtoff. 162. 4. Kohlenſäure. 163. 5. Ammoniak. 166. 6. Waſſerdampf. 166. 7. Salpeterſäure. 166. 8. Luftſtaub. 167. hlenwaſſerſtoff, Waſserſoſſgas 169. ie. 170. Inhalt. IV. Buch. Licht. 1. Theoretiſche Anſicht über das Weſen der Lichtes. 173. 2. Fortpflanzung des Lichtes. Reflexion, Zerſtreuung, Brechung des Lichtes. 173. 3. Intenſität der Beleuchtung. 174. V. Buch. Wärme. I. Abſchnitt. Von der Wärme im Allgemeinen. 176. Theoretiſche Anſicht über das Weſen der Wärme. 176. Ausdehnung der Körper durch die Wärme. 176. Thermometer. 177. Thermometrograph. 178. Speeifiſche Wärme und Wärmecapaeität. 179. Latente Wärme. 180. Fortpflanzung der Wärme. 181. Erkalten. 185. I. Abſchnitt. Gang der täglichen Temperatur der Luft. 185. * 9 , 9 1. Länge des Tags in den verſchiedenen Breiten und den Jahreszeiten. 185. 2. Regeln für die Temperaturbeobachtungen. 188. 3. Directe Beobachtungen über den Gang der tägl. Temperatur der Luft im Schatten. 189. 4. Reſultate der Beobachtungen über den Gang der täglichen Temperatur. 194. 5. Mittlere Tagestemperatur. 198. Ill. Abſchnitt. Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. J. Monatliche Wärme. 202. 1. Gang der monatlichen Wärme. 202. 2. Die mittlere Wärme eines Monats. 202. II. Wärme im Laufe des Jahres. 202. 1. Gang der jährlichen Wärme. 202. A. Allgemeines. 202. 6 202. B. Gang der jährlichen Wärme in der nördlichen gemäßigten und Polarzone. 203. C. Gang der jährlichen Wärme innerhalb der Wendekreiſe. 204. D. flächen an ſind. 204. a. Orte an der See haben kühlere Sommer. 205. b. Orte an der See haben wärmere Winter. 205. „ „ 2 an Orten, welche nahe an großen Waſſer⸗ 2. Mittlere Jahrestemperatur. Methoden zur Beſtimmung derſelben. 207. IV. Abſchnitt. Vertheilung der Wärme über die Erdoberfläche. Begriff der iſothermiſchen Linien. 209. Die Meeresſtrömungen. 210. Nähere Deutung des Laufs der Iſothermen 213. Die Iſochimenen. 218. Iſotheren. 219. Mn. 220. Temperatur des Bodens. 220. a. Temperatur der Bodenoberfläche. 220. b. Temperatur des Bodens in der Tiefe. 221. 9 E e e 209. xIv | g Inhalt. 8. Temperaturabnahme mit zunehmender Erhebung über die Meeresfläche. 224. . Urfachen dieſer Temperaturabnahme. 224. f „Größe der Temperaturabnahme. 226. Reduction der Temperatur auf das Meeresniveau. 228. Schneegrenze. 229. e. Gletſcher 231. VI. Buch. Winde. 1. Begriff und Benennung der Winde. 234. Geſchwindigkeit des Windes. 225. Urſachen der Winde. 235. Land⸗ und Seewinde. 238. 2 Locale Windrichtungen. 239. na u Der Aequatorial- undder Polarluftſtrom, Paſſate. 270. * Die Region der Calmen oder Windſtillen. 243. Windverhältniſſe in Europa. 243. Temperatur der Winde. 245. 10. Stürme. 246. VII. Buch. Hydrometeore. J. Abſchnitt. Von der Verdunſtung. 248. 1. Dunſt, Dampf. 248 i 2. Maß der Verdunſtung. Abſolute und relative Feuchtigkeit. Beförderungsmittel der Verdunſtung. 249. Spannkraft der Dünſte. 253. Gewicht des Waſſerdampfes. 255. 5 Hygrometrie. 256. 5 Gang der abſoluten und relativen Luftfeuchtigkeit im Laufe des Tages. 261. Gang der abſoluten und relativen Luftfeuchtigkeit im Laufe des Jahres. 262. Verſchiedenheit nach Maßgabe der geogr. Länge und Breite. 262. Nach der Erhebung über die Meeresfläche. 264. g Feuchtigkeit bei verſchiedenen Winden. 264. II. Abſchnitt. Von den wäſſerigen Niederſchlägen. 265. 1. Urſachen der wäſſerigen Nieder ſchläge. 265. 2. Nebel. 266. 3. Wolken. 267. a. Entſtehung der Wolken. 267. b. Schweben der Wolken. 267. c. Wolkengeſtalten. 267. 4. Regen. 270. 5. Schnee. 270. 6. Hagel. 272. 7 8 e . O go . N E pa S O na m Thau und Reif. 274. a „Regenmenge. 277. * a. Begriff. 277. b. Regenmeſſer. 277. e, Einflüffe, welche die Regenmenge beſtimmen. 279. ſtandtheile des Meteorwaſſers. 286. * * Inhalt. XV Pr f VIII. Buch. Electricität. Electriſche Anziehung und Abſtoßung, poſitive und negative Eleetrieität. 288. Gute und ſchlechte Leiter der Electrieität, Iſolatoren. 289. 5 Electriſcher Schlag und Funken. 289. : Urſachen der Electrieitätsentwicklung. 290. Electrieität der Atmoſphäre. 290. Gewitter. 291. IX. Buch. Druck der Luft. 1. Schwere der Luft. 293. 2. Das Barometer. 293. 3. Reſultate der Beobachtungen am Barometer. 295. 4. Urſachen der Schwankungen des Barometers. 298. . 5. Barometriſche Höhenmeſſung. 299. N 8 E e Angewandter Theil. Gegenſeitiger Einfluß des Bodens und der Meteore einerſeits und der Waldvege⸗ r tation anderfeits. I. Titel. Wirkung der einzefuen Factoren des Bodens und des Klimas X Buch. Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. I. Abſchnitt. Von der Keimung. 310. I 1. Beſtandtheile des Samens. 310. 2. Chemiſche Veränderungen, welche die Beſtandtheile der Samen bei der Keimung | | ! hi erleiden. 314. 3. Bedingungen für den Eintritt des Keimaetes. 316. * a. Sauerſtoff. 316. b b. Feuchtigkeit. 318. e. Wärme. 320. 4. Dauer der Keimkraft. 321. II. Abſchnitt. Von der Ernährung. 322. 1. Die Ernährung der Pflanze von vorn herein geſchieht auf Koſten der Nahrungs⸗ ſtoffe, welche im Samen aufgeſpeichert ſind. 322. 2. Beſtandtheile des Holzes. 323. a. Structur des Holzes. 323. d. Chemiſche Zuſammenſetzung des Holzes. 325. Urſprung des Kohlenſtoffs in der Holzfaſer. 327. Geſchichte der Entdeckung der Kohlenſäure⸗Aſſimilation. 330. Ein direeter Beweis für die Affimilation der Kohlenſäure. 331. Geſchwindigkeit der Kohlenſäure ⸗Abſorption. 332. Ein Uebermaß von Kohlenſäure ſchadet der Vegetation. 332. Bei Nacht ſcheiden die Pflanzen Kohlenſäure aus und nehmen Sauerſtoff auf. Die Wurzeln der Pflanzen müſſen mit Sauerſtoffgas in Berührung ſein. e = N w — XVI Inhalt. 10. Kafking des Waſſerſtoffs und des Sauerſtoffs in der Holzfaſer. 336 11. Urſprung des Stickſtoffs. 338 XI. Buch. Chemiſcher Einfluß des Bodens auf die Vegetation. 1. Aufzählung der anorganiſchen Beſtandtheile der Holzgewächſe. 342. 2. Vertheilung der anorganiſchen Stoffe innerhalb der einzelnen Theile der Holzge⸗ wächſe. 343. 3. Gegenſeitiges Verhältniß der anorganiſchen Stoffe. 345. 4. Einfluß des Bodens auf die Quantität und Qualität der anorganiſchen Beſtandtheile der Holzpflanzen. 348. 5. Urſprung der anorganiſchen Beſtandtheile in den Vegetabilien. 350. 6. Die Pflanzen behalten die von Außen dargebotenen anorganiſchen Stoffe nach Be⸗ dürfniß und Auswahl zurück. 351. 7. Die anorganiſchen Beſtandtheile in den Pflanzen find eine nothwendige Bedingung für die normale Entwicklung derſelben. 353. 8. Welche Rolle ſpielen die ſog. Aſchenbeſtandtheile in dem Organismus der Pflanze? 354. 9. Chemiſcher Einfluß der organiſchen Beſtandtheile des Bodens auf die Waldvege⸗ tation. 363. a. Die löslichen Humusſubſtanzen können von den Wurzeln der Fragen aufge⸗ nommen werden. 363. b. Die löslichen Humusſubſtanzen find als direetes eee rer die Pflan⸗ zen ohne befondere Bedeutung. 364. c. Wahre Bedeutung des Humus für die Vegetation. 366. . Die aus feiner Zerſetzung hervorgehenden gasförmigen und anorganiſchen Stoffe tragen zur Ernährung der Gewächſe direet bei. 366. 6. Die aus dem verweſenden Humus ſich entwickelnde Kohlenſäure trägt zum Aufſchluß der mineraliſchen Beſtandtheile des Bodens bei. 368. XII. Buch. Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation 1. Phyſiologiſcher Einfluß des Lichtes auf die Vegetation im Allgemeinen. 369. 2. Verhalten der Waldbäume gegen das Licht. 372. a. Holzarten, welche in der Jugend des Schattens bedürfen. 372. b. Holzarten, welche in der Jugend Schatten ertragen. 373. c. Lichtbedürfniß der Holzarten in den übrigen Lebensaltern. 374. d. Einfluß des Bodens und des Klima's auf die Lichtbedürftigkeit der Wald⸗ bäume. 377. XIII. Buch. Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. 1. Bedeutung des Waſſers für die Vegetation. 379. 2. Saftfeuchtigkeit. 380. 3. Aufnahme der Feuchtigkeit durch die Gewächſe. 382. * 4. Verdunſtung der Gewächſe. 383. 5. Das Aufſteigen des Saftes; Rolle, welche die Verdunſtung hierbei ſpielt. * * 6. Einfluß des Regens insbeſondere. 393. 7. Einfluß des Thaues insbeſondere. 395. 8. Schnee», Duft⸗ und Eisanhang insbeſondere. 397. . Schneeanhang. Die Schädlichkeit deſſelben hängt ab: 398. | Ne Von der Holzart. 398. 8. Von dem Holzalter. 398. 7. Von der Meeres⸗ f 9. Inhalt. f XVII höhe. J. Von der Expoſition und dem Winde. 399. s. Von dem dichteren oder lichteren Stand der Bäume, der Waldbehandlungsart ꝛc. 399. b. Duft⸗ und Eisanhang. 400. Hagelſchaden. 401. XIV. Buch. Einfluß der Luftſtrömungen auf die e e 1. Günſtiger Einfluß des Windes. 402. a. Luftwechſel. 402. b. Einfluß der Luftſtrömungen auf die Befruchtung der Gewächſe. 403. c. Einfluß des Windes auf die Verbreitung der Samen bei der natürlichen Ver⸗ jüngung. 404. d. Beſeitigung der Bodennäſſe. 404. 2. Schädliche Wirkungen des Windes. 405. * 6. a. Entführung der Kohlenſäure und des Laubes, Beſchleunigung der Humuszerſetz⸗ ung. 405. b. Austrocknende Winde. 406. c. Mechaniſche Wirkungen des Windes. Seewinde. Stürme. 407. Die Gefahr des Windwurfs und Windbruchs hängt ab: c. Von der Holzart. 408. 3. Von dem Holzalter. 410. . Von der Jahres ⸗ zeit. 410. J. Von der Erhebung über die Meeresfläche. 411. e. Von der Erpofition. 411. C. Von dem Abdachungsgrade. 413. 7. Von der Beſchaffen⸗ heit des Bodens. 414. 9. Von der Umgebung. 414. . Von der Betriebs⸗ art und der Waldbehandlung. 414. . Buch. Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. . Einleitung. 417. Einfluß der Wärme auf die periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation. 417. a. Allgemeines über die Wirkungsweiſe der Wärme. 417. . Unterfuhung, ob die Effeete der Wärme den Temperaturgraden RG propor⸗ tional ſeien. 419. c. Voraus beſtimmung der periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation nach der Summe der Quadrate der Temperaturen. 420. d. Ausgangspunkt für das Zählen der Temperaturen. 422. e. Wichtigkeit der Wärme für das Reifen der Früchte. 423. f. Verſpätung der Vegetationsphaſen mit zunehmender Pol⸗ und Meereshöhe. 424. Einfluß der Wärme auf die Holzmaſſenerzeugung. 428. * „Einfluß der Wärme auf die Nebennutzungen der Holzbeſtände. 429. „Hitze. 430. Holzart, Holzalter. Jahreszeit. 430. Verſengen des Nachwuchſes im Umkreis frei⸗ ſtehender Bäume durch Reflexion der Sonnenſtrahlen. 431. Abräumen des Bo- denüberzugs, Bearbeiten, Kurzhacken des Bodens, Umbruch durch Schweine. 432. Wegnahme der Waſſerreiſer an den Mutterbäumen 432. Baldiger Abtrieb der Samenbäume ſchützt gegen Dürre. 433. Anzucht zärtlicher Holzarten mittelſt Voranbaus unempfindlicher Holzarten 433. Im Schluſſe erzogene Pflanzen lei⸗ den vorzugsweiſe von der Hitze. 433. Rindenbrand 433. Maßregeln gegen d ſelben 434. Austrocknung des Bodens, namentlich im Umkreiſe freiſtehende Bäume. 434. K Einfluß der Vodenwärme. 435. ii XVIII Inhalt. 7. Froſt. 435. A. Nützliche Wirkungen des Froſtes. 435. B. Schaden des Froſtes. 436. a. Allgemeines über den Erfriertod bei den Pflanzen. 436. b. Umſtände, von welchen das Erfrieren abhängt. 437. a. Temperatur. 437. Tropiſche Gewächſe können bei Temperaturen über O9 erfrieren, die in der gemäßigten und kalten Zone heimiſchen Gewächſe halten niedrigere Tempe⸗ raturen aus. Schneller Uebergang der Kälte zur Wärme, und umgekehrt, ſchadet am meiſten. 5. Jahreszeit. 437. Außer der Saftzeit iſt die Kälte weniger gefährlich. Früh⸗ und Spätfröſte. 5. Tageszeit. 438. Früh⸗ und Spätfröſte treten meiſt kurz vor Sonnenaufgang ein. Wärme⸗ ausſtrahlung der grünen Theile der Vegetabilien. J. Witterung, insbeſ. Wind. 438. Bei bedecktem Himmel und bei bewegter Luft aud die Fröſte ſelten. An⸗ . wendung des Rauches zum Verhüten der Fröſte. In Thälern, Mulden ꝛc. mehr Froſtſchaden, als auf freien Höhen. Fröſte auf Culturſtellen mit hö⸗ herem Anwuchſe. Fröſte im Gras und ſonſtigem Unkraut. g & Holzart und Holzalter. 440. Claſſification der Holzarten nach ihrer Empfindlichkeit gegen die Fröſte. Er⸗ frieren älterer Buchen auf naſſen Standorten. Herbſthieb beim Niederwald Junge Pflanzen ſind gegen den Froſt empfindlicher, als ältere. Die Baum⸗ blüthen ſind gegen den Froſt empfindlich. N g. Beſtandsſchluß. 441. Bäume, welche aus dem Schluſſe in freien Stand gebracht werden, erfrieren leichter. Schutz des jungen Nachwuchſes durch die Mutterbäume gegen die Fröſte. Voranbau von nicht empfindlichen Holzarten, 7. Beſchaffenheit des Bodens. 443. iu Naſſer, ſchwerer Boden beſonders zu Fröſten geneigt. Verdunſtungskälte in feuchten Lagen. Berechnung derſelben. Ständige Froſtſtellen. Arrondirung von zu eultivirenden Blößen. Höhe, bis zu welcher die Verdunſtungskälte ſich erſtreckt. As 9. Expoſition. 446. Oſt⸗ und Südoſtſeiten. 1. Meereshöhe. 446. N Frühfröſte in Hochlagen. Fröſte auf Plateau's. c. Eintheilung der Fröſte nach der Größe ihres Verbreitungsbezirkes. 447. Land⸗ und Localfröſte. d. Froſtriſſe. 447. N e. Ausfrieren der Pflanzen. 449. VI. Buch. Einfluß der Electricität auf die Waldvegetation. 453—457. XVII. Buch. Einfluß der Lage und der phyſicaliſchen Beſchaffenheit des Bodens auf die Waldvegetation. ngliche und ſecundäre Lagerſtätte. 458. 1 1. Inhalt. XIX Wurzelbodenraum und Untergrund. 459. Tiefländer. 459. 5 Gebirgsländer. 460. . R Hochebenen. 463. * Geographiſche Länge und Breite, Meereshöhe. 463. Abdachung. 464. . Erpofition. 468. 9. Phyſikaliſche Eigenſchaften der Bodenarten. 469. II. Titel. Geſammtwirkung der Factoren des Bodens und des Klima's. XVIII. Buch. Verhalten des Bodens und der Meteore zur Waldvegetation. 1 Einleitung. 470. I. Abſchnitt. Begriff der forſtlichen Standortsgüte. 471. 1. Vorbemerkung. 471. 2. Die wichtigſten Faetoren der Bodengüte find Feuchtigkeit, Wigränzigkeit, Locker ⸗ heit und Humushaltigkeit. 472. 3. Andere Anſichten über die Factoren der Bodengüte. 478. a. Bedeutung der mineraliſchen Zuſammenſetzung des Bodens für die Waldvege⸗ tation. 478. Vergleichung der Landwirthſchaft mit der Forſtwirthſchaft. a. Düngung. 479. 8. Beackerung. 481. 7. Brache. 481. J. Wechſelwirth⸗ ſchaft. 481. ; b. Bedeutung der geognoſtiſchen Abſtammung des Bodens für das Gedeihen der Waldvegetation. 489. 4. Sonſtige Factoren der forſtlichen Standortsgüte. 492. a. Wärme. 492. b. Luftfeuchtigkeit. 495. e. Luftſtrömungen. 495. U. Abſchnitt. Erhaltung und Mehrung der forſtlichen Standorts⸗ güte. 496. 1. Auswahl der Holzart. 496. Theorie der reinen Beſtände. 497. Theorie der gemiſchten Beſtände. 498. Boden⸗ ſchutzholz. 500. Waldmäntel. 500. ö 2. Maß der Beſtandsdichte. 501. 3. Auswahl der Betriebsart. 503. 4. Umtriebszeit. 505. N . 5. Maßſtab für die Zwiſchennutzungen. 505. 6. Natürliche und künſtliche Verjüngung. 506. 7. Wechſel der Holzarten. 506. ; 8. Beſeitigung oder Einſchränkung der Waldftreunugung. 509. 9. Herſtellung eines geeigneten Maßes von Boden⸗Feſtigkeit oder Lockerheit. 516. a. Maßregeln zur Verminderung einer übermäßigen Bodenlockerheit. 516. b. „ „ allzugroßen Bodenfeſtigkeit. 516. ö . Abſchaffung der Waldwaide. 516. 8. Kurzhacken. 516. y. Umbruch mittelſt zahmer Schweine. 517. J. Hainen des Bodens. 517. Hackwald⸗ und Röderlandbetrieb. Brennen der Biermann'ſchen Raſenaſche. 518. 6. bearbeitung bei der Anzucht von Agriculturgewächſen auf Wa und. 520. 90 g E e be 4 . er * xx Inhalt. Temporärer und ſtändiger Waldfeldbau. 521. 10. Herſtellung des nöthigen Maßes von Bodenfeuchtigkeit. 522. a. Beſeitigung einer ſchädlichen Bodennäſſe. 522. a. Urſachen der Bodennäſſe. 522. 8. Ableitung des Waſſers in offenen Gräben und Kanälen. 524. 7. Ableitung des Waſſers in Unterdrains, Drainröhren, oder mittelſt Verſenkung. 526. d. Sonſtige Maßregeln zur Verminderung einer allzugroßen Bodenfeuchtigkeit. 527. b. Beſeitigung einer ſchädlichen Bodentrockenheit 528. 0 Il. Abſchnitt. Unterfuhung der forſtlichen Standortsgüte (Boniti⸗ rung). 528. 1. Begriff und Zweck der Bonitirung. 528. 2. Verfahren zur Bonitirung. 528. a. Direete Unterſuchung der Factoren der Standortsgüte. 528. a. Unterſuchung ſämmtlicher Faetoren der Standortsgüte. 528. 8. Bonitirung nach Maßgabe der chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 530. b. Bonitirung des Bodens nach ſeinem vegetabiliſchen Ueberzuge. 534. c. Bonitirung des Bodens nach Maßgabe des auf ihm befindlichen Holzbeſtan⸗ des. 536. XIX. Buch. Einfluß der Waldungen auf den Boden und das Klima. 1. Einfluß der Waldungen auf die Zuſammenſetzung der Luft. 545. 2. 5 0 PR „ „ Temperatur der Luft und des Bodens. 546. 8 = 1 „ „ Sommertemperatur. 547. Wintertemperatur. 547. RR 1 5 „ „ mittlere Jahrestemperatur. 548. Be ; „ „ Hydrometeore. 553. a. „ „ „ „ „Regenmenge. 553. 8 > u „den Waſſerreichthum der Quellen, Flüſſe u. Seeen. 556. c. 5 P „die Lavinen. 565. 4. Einfluß der Waldungen auf die Winde. 566. 2 Einleitung. Begriff, Eintheilung und Literatur der forſtlichen. Bodenkunde und e e 1. Begriff. Die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie lehren den wechſelſeitigen 4 Einfluß kennen, welcher zwiſchen dem Boden und dem Klima einerſeits und der Waldvegetation anderſeits beſteht. Unter „Klima“ verſtehen wir mit \ A. v. Humboldt die Geſammtwirkung der Meteore, unter Meteor (von wereogos — Alles, was über der Erde iſt und vorgeht) die Atmoſphäre und die in ihr vorkommenden Erſcheinungen. 2. Eintheilung. Die forſtliche Bodenkunde und Kliniatologie wird ſachgemäß in zwei Theile gegliedert, von denen der erſtere die Wirkung des Bodens und der Meteore im Einzelnen angibt, während der andere ſich mit dem Geſammt— einfluß beſchäftigt, welchen der Boden und das Klima auf die Waldvegetation oder dieſe auf die erſtgenannten äußern. Bei dieſer Eintheilung iſt die Kenntniß der Entſtehungsweiſe und der phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften des Bodens und der Meteore vor: ausgeſetzt, und eigentlich dürften dieſe Gegenſtände beim Vortrage der forft- lichen Bodenkunde und Klimatologie nicht abgehandelt werden, weil fie be- reits in beſondern Theilen der Naturwiſſenſchaften — der Geognoſie und Me⸗ teorologie — ihre Stelle finden. Da aber dasjenige, was der Forſtmann aus dieſen beiden Disciplinen für den vorliegenden Zweck zu wiſſen nöthig hat, in den naturwiſſenſchaftlichen Lehrbüchern gewöhnlich entweder zu umfangreich , oder zu kurz dargeſtellt wird, ſo erachtet es der Verfaſſer, nach dem Beiſpiel Heyer, Bodenkundr. 1 2 Begriff, Eintheilung und Literatur der forſtlichen Bodenkunde und Klimatologie. anderer Autoren, dermalen für zweckmäßig, diejenigen Sätze aus der Geognoſie und Meteorologie, welche in der forſtlichen Bodenkunde und Klimatologie An⸗ wendung finden, in einem „Vorbereitenden Theil“ vorauszuſchicken. Der „An⸗ gewandte Theil“ wird dann unſere Wiſſenſchaft jo, wie fie unter 1. wan wurde, enthalten. 3. Literatur. Kein Zweig des Forſtfachs iſt ſo in der Journalliteratur bearbeitet wor⸗ den, wie die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie. Die Lehrbücher, von welchen wir nachſtehend die beſten aufführen, behandeln mehr dasjenige, was wir in den „Vorbereitenden Theil“ verwieſen haben. ; Die Bodenkunde in land- und forſtwirthſchaftlicher Beziehung, vor J. Chr. Hundeshagen. Tübingen 1830. Die Lehre vom Klima in land- und forſtwirthſchaftlicher Beziehung, von J. Chr. Hundeshagen, herausgegeben von J. L. Klauprecht. Karls⸗ ruhe 1840. Luft⸗, Boden- und Pflanzenkunde in ihrer Anwendung auf Forſtwirthſchaft, von Th. Hartig. (Bildet den erſten Band der gten Auf⸗ lage des von Th. Hartig herausgegebenen „Lehrbuchs für Förſter“ von G. L. Hartig). Stuttgart und Tübingen 1851. Gebirgskunde, Bodenkunde und Klimalehre in ihrer Anwen- dung auf Forſtwirthſchaft, von C. Grebe. Eiſenach 1853. Vorbereitender Theil. Die Lehre von der Eutſtehung und den Eigenſchaften des Bodens und von den Meteoren. Erſtes Buch. Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Erſter Abſchnitt. Einleitung. . Erklärung der Erdgeſtalt. Die in neuerer Zeit mit großer Beſtimmtheit nachgewieſene Zunahme der Erdtemperatur von der Oberfläche nach dem Mittelpunkt hin, die Erſchei⸗ nungen der warmen Quellen und Vulkane und die Beſchaffenheit der foge- nannten plutoniſchen Geſteine (von denen wir demnächſt handeln werden) machen es ſehr wahrſcheinlich, daß die Erde früher einmal feuerflüſſig geweſen ſei. War dieſes, wie man kaum bezweifeln kann, der Fall, dann mußte die⸗ ſelbe, in Folge der täglichen Umdrehung um ihre Axe, eine ellipſoidiſche Ge⸗ ſtalt annehmen. Dies geht aus nachſtehender Betrachtung hervor. Offenbar haben diejenigen Punkte der Erde, welche am Aequator liegen, eine größere Geſchwindigkeit, als die Punkte in der Nähe des Pols, denn erſtere beſchrei⸗ ben in der nämlichen Zeit einen viel längern Weg, als die letztern. Die Schwerkraft, welche an allen Theilen der Erde wirkt, ſucht die Körper dem Erdmittelpunet zu nähern, durch die Umdrehung der Erde wird den Körpern das Beſtreben mitgetheilt, ſich in der Richtung der Tangente von der Erde zu entfernen (Centrifugalkraft). Beide Kräfte, die Schwerkraft und die Cen⸗ trifugalkraft, wirken einander entgegen. Da nun, wo die Centrifugalkraft am ſtärkſten iſt, wie am Aequator, wird die Schwerkraft am meiſten von ihrer Quantität einbüßen; die Körper werden demnach um ſo ſchwerer ſein, je 1 175 4 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. näher ſie dem Pole liegen. Denken wir uns, die Erde ſei flüſſig geweſen Fig. 1. und zerlegen wir dieſelbe in lauter kommunicirende Röhren PCA, fo mußte die Flüſſigkeit im Aequa- torialſchenkel A0 leichter fein, als im Polarſchenkel PO; zur Herftellung des Gleichgewichts war es deß⸗ halb nothwendig, daß die Flüſſigkeit im Schenkel PC ſank und in den Schenkel 40 eintrat, welcher Umſtand deſſen Verlängerung zur Folge hatte. Die zuverläſſigſten Meſſungen haben ergeben, daß die Länge der Polaraxe zu derjenigen der Aequatorial⸗ axe ſich verhält, wie 288: 289. 5 2. Entſtebung der neptuniſchen und plutoniſchen Geſteine Bei fortſchreitender Erkaltung wurde die Oberfläche der Erde feſt. Es liegen viele Gründe für die Annahme vor, daß die ſogenannten kryſtalli— niſchen Schiefergeſteine (Thonſchiefer, Glimmerſchiefer und Gneiß) das erſte Erſtarrungsproduet ausmachen. Dieſe Geſteine wurden durch das mitt⸗ lerweile condenſirte Waſſer und die in demſelben gelöfte Kohlenſäure zerſetzt. Soentſt anden wieder neue, von den urſprünglichen verſchiedene, Geſteins⸗ arten, welche man, mit Rückſicht auf ihre Bildungsweiſe, neptuniſche oder auch i edimentäre (aus Waſſer abgefegte), oder auch, da fie in regelmäßi⸗ gen Schichten abgelagert ſind, normale Geſteine genannt hat. Die neptu⸗ niſchen Gebilde erzeugten ſich, wie die in ihnen enthaltenen Reſte von Ani⸗ malien beweiſen, zum größten Theil auf dem Grunde von Meeren und Seen. Sie zeigen in ſo fern eine große Regelmäßigkeit in ihrer Aufeinanderfolge, als die relative Lage eines ſedimentären Geſteins gegen das andre immer die näm⸗ liche bleibt. Diejenigen neptuniſchen Bildungen, welche nach der Art ihrer Entſtehung und ihres Fortkommens zu einander gehören, hat man, zur leich⸗ tern Ueberſichtlichkeit, in Gruppen vereinigt. Man unterſcheidet: die Grau⸗ wacken⸗, Steinkohlen-, Permiſche-, Trias», Jura-, Kreide-, Molaſſe-, Diluvial- und Alluvial-Gruppe, wobei von den älteſten Gebilden ausgegangen iſt. Die Gruppen zerfallen wieder in Formationen, die Formationen in Glieder. Indeſſen kommen dieſe Gruppen an den we⸗ nigſten Orten der Erde in der angegebenen Ordnung vollzählig vor, oft fehlen einzelne Gruppen oder Formationen. So trifft man z. B. die Molaſſe manch⸗ mal unmittelbar über der Grauwacke, fo daß alſo die Steinkohlen⸗, Pere Trias⸗, Jura- und Kreidegruppe nicht ausgebildet find. Da die äußerſten Lagen der Erdoberfläche bei ihrer Erſtarrung ſich zu- ſammenzogen, ſo wurde die innen befindliche Flüſſigkeit zuſammengepreßt. Sie entwich, indem ihr Druck Spalten und Riſſe in der feſten Kruſte bildete. Durch dieſe Oeffnung drang nun auch tropfbar flüſſiges Waſſer ein; dieſes verwandelte ſich in Berührung mit dem heißen Kern in Dampf, welcher, ver⸗ 1 Einleitung. 5 möge ſeiner Expanſionskraft, ſowohl die Kruſte hob, als auch Parthien der gig. 2 heißen Flüſſigkeit an die Oberfläche em⸗ nr porführte. So entſtanden die plutoni- ſchen Eruptivgeſteine, von denen man die jüngern vulkaniſche nennt. Weil ſie keine regelmäßige Schichtung zeigen, hat man ihnen auch die Benennung „abnorme“ Felsarten zugelegt. Die flüſſigen Ausbrüche aus dem Erdinnern fanden nicht ſämmtlich auf einmal, ſondern in verſchiedenen Zeiträumen ſtatt, und die in jedem derſelben ent⸗ ſtandenen Felsarten weichen hinſichtlich ihrer Zuſammenſetzung von den früher gebildeten ab. Die einmal vorhandenen plutoniſchen Geſteine gaben wieder Material zur Bildung von neptuniſchen Geſteinen ab. Auch die plutoniſchen Geſteine hat man, vorzüglich nach der Zeit ihrer Entſtehung, in Gruppen geſchieden. Dieſe Gruppen ſind, von der älteſten zur jüngſten gerechnet, folgende: Granit, Grünſtein, e Mela⸗ phyr, Baſalt, Vulkaniſche Gebilde. 3. Textur, Structur, Abſonderung und Lagerung der Gefteine. a. Textur und Structur. Die Geſteine ſind theils einfache (wenn ſie nur aus einer und der⸗ ſelben Mineralart beſtehen), theils gemengte. Nach der Art, in welcher die Theile verbunden ſind, unterſcheidet man a. Körnige Textur, wenn das Geſtein aus einzelnen Körnern zuſammengeſetzt iſt, deren Länge, Breite und Höhe nicht ſehr verſchieden iſt. Haben die Körner Kryſtallform, fo heißt das Geſtein Ery- ſtalliniſch; oolithiſch (Fig. 3.) wird es genannt, wenn die Körner kleine Kugeln bilden. Se . ß. Dichte Textur. Die einzelnen Theile laſſen ſich mit bloßem Auge be mehr herausfinden. Schieferig nennt man ein Geſtein, welches ſich nach einer Richtung hin vorzugsweiſe leicht trennen läßt, porphyrartig, wenn aus einer gleich⸗ artigen Grundmaſſe einzelne Kryſtalle hervortreten, blaſig, wenn Höhlungen in ihm vorkommen, mandelſteinartig, wenn dieſe Höhlungen mit einem 6 Entſtehung der feften Erdrinde und des Bodens. Mineral ausgefüllt ſind, druſig (Fig. 4.), wenn die Höhlungen eine Kryſtallbekleidung haben, breecienartig, wenn das Ge- ſtein aus eckigen Bruchſtücken eines andern Geſteins ſich gebildet hat, eonglomeratartig, wenn die Kanten der Bruchſtücke abgerundet ſind. 5 b. Abſon derungs formen. Viele Geſteine zeigen ſich in regelmäßige Stücke geſchie⸗ den, abgeſondert. Die Abſonderung iſt eine Folge von Zu⸗ ſammenziehung. Dieſe fand ſtatt beim Erkalten einer heißflüſſigen Maſſe oder beim Verdunſten des Waſſers aus einem waſſerhaltigen Geſtein. Die bemerkenswertheſten Abſonderungsformen ſind: Fig. 5. a. Die unregelmäßig-maſſige, wenn das Ge⸗ ſtein aus formloſen Stücken beſteht. Dieſe Abſon⸗ derungsart findet ſich vorzüglich bei Granit, Syenit, Grünſtein, Porphyr, Melaphyr, Baſalt, Phonolit, Trachyt, Lava. e 6. Die plattige, wenn die abgeſonder⸗ ten Stücke eine verhältnißmäßig ge⸗ ringe Dicke beſitzen, ohne daß gerade eine bedeutende Längenausdehnung vor⸗ handen iſt. 7. Die kugelige; häufig in Verbindung mit d. der concentriſch-ſchaligen. Nicht blos plu⸗ toniſche Geſteine (Granit, Porphyr, Baſalt u. ſ. w.), ſondern auch ſedimentäre Bildungen (Grauwacke, Sandſtein, Gyps, Kalk) haben dieſe Abſonderungs⸗ form aufzuweiſen. e. Die ſäulenartige, (Fig. 8. Baſaltſäulen). Schichtung iſt eine beſondere Art der Abſon⸗ derung, die am meiſten mit der plattigen überein⸗ kommt, ſich aber von dieſer dadurch unterſcheidet daß die einzelnen Lagen des Geſteins nicht gleich⸗ zeitig, ſondern nach einander gebildet worden ſind. Die Schichten ſind entweder blos durch leere Räume Einleitung. 7 — Klüfte —, oder durch Lagen eines andern Geſteins getrennt. Die Schichten beſttzen unterſchiedliche Dicke, faſt immer iſt aber die letztere (die Mächtigkeit) nur ein geringer Bruchtheil der Längenausdehnung der Schicht. Alle Lagen der Schichte ſind, ſo lange ſie nicht gewaltſam verſchoben wurden, einander parallel. c. Lagerung. Fig. 9. Stehen die Lagen einer Schicht mit ihrer Längserſtreckung ſenkrecht auf der Breite oder | ö | || Dicke einer andern Schicht, fo heißt die Lage- | | | | rung übergreifend. Sind die Lagen gewun⸗ g 5 den, ſo unterſcheidet man Mulden (A) und Sättel (B). Den Winkel, welche Fig. 10. eine Schicht mit der Horizontalen bildet, nennt man ihr Fallen, B B die Richtung, welche die Längen⸗ N ausdehnung einer Schicht einſchlägt, II ihr Streichen; die Durchſchnitts⸗ a 8 linie der Schichtenfläche mit der Hori⸗ zontalen iſt die Streichungslinie. Die Richtung des Streichens gibt der Winkel, den die Streichungslinie mit dem Meridian bildet, an. Das Streichen bleibt innerhalb eines Gebirgszuges von der nämlichen geognoſtſchen Beſchaffenheit gewöhnlich daſſelbe, während das Fallen die mannigfachſten Verſchiedenheiten zeigt. g 4. Relatives Alter der Geſteine. Von mehreren auf einander liegenden ſedimentären Schichten find ſtets die zu unterſt befindlichen die ältern, d. h. die zuerſt gebildeten, die oberen die füngern. Die relative Lage der Felsarten gibt daher ein Mittel ab, um ihr Alter zu beurtheilen. Wie ſchon bemerkt, zeigt ſich bei den neptuniſchen Fels⸗ arten in ſo fern eine große Regelmäßigkeit in der Lagerung, als die gegen— ſeitige Stellung der Schichten, wenn dieſe, was indeſſen ſelten vorkommt, nicht gewaltſam geſtört worden iſt, immer dieſelbe bleibt. So findet ſich z. B. die Kreide ſtets über der Grauwacke, nie unter derſelben. Dies kann auch zufolge der Entſtehungsart der Sedimentärgeſteine gar nicht anders ſein, denn wenn eine Ablagerung aus Waſſer ſtattfand, ſo mußte dieſe ſtets über die bereits vorhandenen Schichten erfolgen, fie konnte nicht unter denſelben hin⸗ weg ſich bilden. Wenn ein plutoniſches Geſtein ein anderes plutoniſches oder ſedimen⸗ täres durchſetzt hat, ſo iſt das durchſetzte immer älter, als das durchſetzende. 5. Verſteinerungen. Kommen zwei neptuniſche Geſteine von gleicher oder ſehr ähnlicher Zu⸗ ſammenſetzung an verſchiedenen Orten vor, und iſt die Beſtimmung des Al⸗ U 8 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ters aus den Lagerungsverhältniſſen nicht möglich, ſo bietet die Kenntniß der Verſteinerungen oder Petrefacten immer ein Mittel zur Feſtſtellung des Alters dar. Unter dieſen verſteht man Reſte von Organismen, welche blos in den neptuniſchen Gebilden ſich vorfinden. Sie konnten ſich bis auf die Gegenwart nur dadurch erhalten, daß fie feſt vom Geſtein eingeſchloſſen wur⸗ den, welches dem Sauerſtoff der Luft den Zutritt verwehrte. Dadurch wurde die Verweſung abgeſchnitten. Von ſehr vielen organiſchen Reſten ſind nur die Formen übrig geblieben; die organiſche Materie iſt verſchwunden, an ihre Stelle traten Mineralien, wie Schwefelkies, Opal, Feuerſtein, Kalkſpath, dich⸗ ter Kalk, Sandſtein u. ſ. w. Man muß ſich denken, daß die organiſche Ma⸗ terie nur allmählig austrat und daß das ausfüllende Mineral ebenſo nach und nach ſich anſetzte. Nur jo läßt ſich erklären, wie in ſehr vielen Verſtei⸗ nerungen ſowohl die äußern Formen, als auch die innere Organiſation (z. B. Zellen und Gefäße beim verkieſelten Holze) ſich eonſerviren konnte. Mitunter ſind die Verſteinerungen auch nur Abgüſſe von Pflanzen und Thieren. Fähr⸗ ten von Säugethieren, Vögeln, Amphibien finden ſich gleichfalls in Abgüſſen. | Noch am häufigſten hat ſich die organiſche Materie von Pflanzen, ob⸗ wohl mit veränderter Zuſammenſetzung erhalten; in allen foſſilen Vegetabilien iſt die relative Quantität des Kohlenſtoffs gegenüber dem Sauerſtoff und Waf- ſerſtoff überwiegend geworden. Foſſile Knochen haben gewöhnlich den phos⸗ phorſauren Kalk bewahrt, die leichter zerſtörbare Leimſubſtanz dagegen iſt ver⸗ ſchwunden. i Sr Die zuerſt gebildeten Geſteine enthalten am wenigſten Betrefacten, und dieſe ſelbſt befinden ſich auf einer niedern Stufe der Organiſation. Je jünger die geognoſtiſchen Gebilde ſind, um ſo mehr nimmt der Artenreichthum der in ihnen begrabenen Organismen zu. In den jüngſten Gebirgsformationen finden ſich auch Säugethiere, doch, ausſchließlich des Alluviums, niemals Ueberreſte von Menſchen. Die Arten der den Verſteinerungen zu Grund liegenden Organismen kommen gegenwärtig nicht mehr auf der Erde vor, wenn auch die Geſchlech— ter mitunter mit den noch jetzt lebenden übereinſtimmen. Von den foſſilen Pflanzen und Thieren finden ſich Exemplare in Ge- genden, welche nach ihrem gegenwärtigen Klima nicht geeignet ſein würden, den nämlichen lebenden Geſchlechtern zum Aufenthalt zu dienen (ſo z. B. Mammuth's, Elephanten in Sibirien). Für dieſe Thatſache mangeln bis jetzt genügende Erklärungen. Eher ſchon läßt ſich das Vorkommen von Verſtei⸗ nerungen auf hohen Gebirgen (wie z. B. im Himalaja auf 16,000“ Meeres⸗ höhe) begreifen, da das Studium der Geognoſie ergeben hat, daß in vorge- ſchichtlicher Zeit vielfache Hebungen der Geſteinsmaſſen durch die von Innen thätigen Kräfte der Erde ſtattfanden. ' Jede Geſteinsgruppe beſitzt ihre eigenthümlichen Arten von Petrefacten, die ſich in keiner andern Gruppe oder Formation wiederfinden, die Verſtei⸗ Die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine. 9 nerungen können daher, worauf jchon oben hingewieſen wurde, zur Beſtimmung und Klaſſificirung, ſowie zur Altersermittlung der Geſteine dienen. f Dendriten ſind Ueberzüge von Eiſen, Mangan und andern Metalloxyden in Geſtalt von Pflanzenabdrücken. Sie erſcheinen ſowohl im Innern, als auch auf den Kluftflächen der Geſteine. Zweiter Abſchnitt. Die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine. (Thonſchiefer, Glimmerſchiefer und Gneiß). 1. Entſtehung. Es iſt bereits ſchon früher Angeben worden, daß wahrſchennlcher Weiſe die ſogenannten kryſtalliniſchen Schiefergeſteine, nämlich Thonſchiefer, Glimmerſchiefer und Gneiß es waren, welche die erſte Erkaltungskruſte der Erde bildeten. Nachdem es einmal erwieſen iſt, daß die Erde früher heiß⸗ flüſſig war, fo iſt man gezwungen, ſich nach denjenigeu Bildungen umzus ſehen, welche die erſte ſolide Oberfläche der Erde ausgemacht haben, und da die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine unter allen neptuniſchen Formationen ge⸗ lagert find, fo liegt nichts näher, als jene für das erſte Erſtarrungsproduct zu halten. Die Maſſe der kryſtalliniſchen Schiefergeſteine beſteht faſt immer aus deutlichen Schichten, gerade fo, wie fie ſich bilden mußten, indem der heiß- flüſſige Erdkörper von Außen nach Innen langſam erkaltete. Indeſſen gibt es auch Gneiße, denen man eine eruptive Bildung zuſchreiben muß. 2. Zuſammenſetzung. Die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine führen ihre Benennung von dem kry⸗ ſtalliniſchen Gefüge. Sie unterſcheiden ſich dadurch von den meiſten Schiefern in den Sedimentärformationen. Der Gneiß beſteht aus Feldſpath, Quarz und Glimmer. Er ſtimmt hinſichtlich ſeiner Gemengtheile vollſtändig mit dem Granit überein, unterſcheidet ſich aber von demſelben durch die ſchiefrige Structur. Der Feld- ſpath iſt im Gneiß meiſt feinkörnig enthalten und manchmal mit dem Glim⸗ mer auf das Innigſte verbunden, ſo daß beide mit unbewaffnetem Auge kaum zu unterſcheiden ſind. Nicht ſelten fehlt der Quarz gänzlich. Der Glimmer findet ſich gewöhnlich in abgeſonderten Straten und bedingt dadurch die Schieferung; iſt er mehr gleichförmig im Geſtein zertheilt, ſo geht dieſes, und wenn außerdem die ſchiefrige Structur aufhört, in Granit über. Dieſer Ueber⸗ gang findet ſowohl allmählig, als auf einmal ſtatt. Oft auch ſind im Gneiße die Glimmerblättchen zu Häufchen vereinigt. Je mehr der Glimmer vor⸗ herrſcht, je abgeſonderter in parallelen Schichten derſelbe vorkommt, um ſo vollkommener iſt die Schieferung. 10 Entſtehung der feflen Erdrinde und des Bodens. Der Glimmerſchiefer beſteht aus Quarz und Glimmer; auch bei ihm wird die ſchiefrige Struetur gerade ſo, wie beim Gneiß, vorzüglich durch den Glimmer bedingt, doch kennt man auch deutlich geſchieferte Varie⸗ täten dieſes Geſteins, in denen der Glimmer zurücktritt und ſogar ganz fehlt. Durch Aufnahme von Feldſpath geht der Glimmerſchiefer in Gneiß über. Iſt in jenem der Glimmer durch Talk oder Chlorit vertreten, ſo heißt das Geſtein Talk» oder Chloritſchiefer. Der Talkſchiefer iſt gewöhnlich höchſt fein- körnig. Er fühlt ſich fettig an. Auch der Talkſchiefer zeigt wieder Ueber⸗ gänge in Gneiß und auch in Thonſchiefer. Der Chloritſchiefer kommt in ſeinem Anſehen dem Talkſchiefer ſehr nahe, unterſcheidet ſich aber von dem⸗ ſelben durch die mehr grünliche Farbe. Der Thonſchiefer beſteht nach den Unterſuchungen von Sauvage aus Chlorit, einem Thonerdeſilikat, aus Quarz nebſt Eifen- und Mangan⸗ oxydhydrat, denen kleine Mengen Feldſpath und Glimmer beigemengt find. Ziemlich richtig drückt ſich die Zuſammenſetzung des Thonſchiefers auch folgen⸗ dermaßen aus: er hat die Elementarbeſtandtheile des Gneißes plus Talk. Sehr viele Thonſchiefer ſind durch Kohle ſchwarz gefärbt. Man kennt von unſerem Geſtein folgende ausgezeichnete Varietäten a) den Dachſchiefer. Dünne Platten, welche wieder aus ganz feinen abſpaltbaren Blättern beſtehen. Farbe ſchwarz, blauſchwarz, grünlich oder grau. b) Wetzſchiefer. Dieſer iſt nicht ſo ſpaltbar als der vorige, aber fein⸗ körniger. Er beſteht vorherrſchend aus Kieſelerde. Von Farbe iſt er heller. Er geht häufig in Dachſchiefer über. c) Griffelſchiefer iſt ein in dünnen Säulchen e Thonſchiefer. d) Fruchtſchiefer. In dem Geſtein finden ſich ſchwarzgrüne Flecken von der Größe einer Linſe. Der Thonſchiefer geht in Talkſchiefer, Chloritſchiefer, Gneiß, Glimmer⸗ ſchiefer über. Iſt der Quarz in ihm vorherrſchend, fo hat man Kiefel- ſchiefer. Dieſer bricht gewöhnlich beim Zerſchlagen in Paralleltrapezen. In der Grauwackengruppe kommen Thonſchieferarten vor, welche denen der vorliegenden Gruppe ſehr ähnlich find, ſich aber durch weniger kryſtalli⸗ niſches Gefüge und durch Verſteinerungen von dem Thonſchiefer der kryſtalli⸗ niſchen Schiefergeſteine unterſcheiden. 3. Nebengeſteine. Die kryſtalliniſchen Schieſergeſteine find ſehr häufig von Quarz-Gängen und Schnüren durchzogen, wodurch das Geſtein ein geadertes Anſehen erhält. Wohl in den ſeltenſten Fällen mag das Material der Quarzgänge aus dem heißflüſſigen Erdinnern emporgedrungen ſein, viel wahrſcheinlicher iſt es, daß dieſe Gänge und Schnüre auf neptuniſchem Wege entſtanden find. Mit auf gelöſtem Kieſelſäurehydrat beladenes Waſſer ſickerte in die Spalten des Ge- Die kryſtalliniſchen Schiefergefteine. 11 fteines ein, das Waſſer verdunſtete und die unlösliche Kieſelerde blieb zurück. Die Quarzſchnüre zum wenigſten, welche oft nur in Lamellen von der Dicke des Papiers in dem Thonſchiefer vertheilt ſind, können unmöglich einen an⸗ dern Urſprung haben. Auf Kluftflächen findet ſich nicht ſelten auch kohlen⸗ ſaurer Kalk als Kalkſpath. Dieſer iſt unter jeder Bedingung ein neptuniſches Produet und wahrſcheinlich aus dem Thonſchiefer ſelbſt durch den Verwitter⸗ ungsprozeß entſtanden. Auch Schwerſpathgänge (ſchwefelſaurer Baryt) kom⸗ men im Thonſchiefer vor. Urkalk oder körniger Kalk findet ſich, wiewohl im Ganzen nicht häufig, in der Gruppe der kryſtalliniſchen Schiefergeſteine, vorzugsweiſe im Gneiß, als Ganggeſtein. Der Urkalk hat kryſtalliniſches Gefüge; er war offenbar, als er ſich bildete, in feuerflüſſigem Zuſtande. Durch ſtarken Druck wurde er ge- hindert, ſeine Kohlenſäure an die Atmoſphäre abzugeben. Bei Auerbach im Odenwalde kommt ein bedeutender Gang der Art im Gneiß vor. 4. Bergformen. Der Gneiß bildet gewöhnlich ebene Lagen oder ſanft anſteigende Hügel mit wellenförmigem Zuge, doch iſt er auch von Schluchten durchſetzt, welche den vom Gneiß eingenommenen Gebieten viel von ihrer Einförmigkeit nehmen. Der Gneiß tritt bisweilen eruptiv auf und erſcheint dann in derben Brocken. Der Glimmerſchiefer zeigt eine ſchon unregelmäßigere Oberflächengeſtal⸗ tung, als der Gneiß, mit welchem er indeſſen die wellenförmige Geſtalt der Höhen gemein hat. Die Thäler im Glimmerſchiefergebiet ſind noch ſchroffer eingeſchnitten und die Höhen ſtellenweiſe mit ſpitzen Zacken beſetzt. Dieſe be- merkt man vorzüglich da, wo des Geſtein mehr aus Quarz, als aus Glim⸗ mer beſteht. Der Thonſchiefer e e die Formen der vorgenannten beiden Geſteine. Gewöhnlich bildet er halbkugelförmige Berge oder ſteile Spitzen und Grate. Da, wo er vom Waſſer zerriſſen ift, zeigt er oft ſehr romantiſche Parthien — tief eingeſchnittene Thäler mit ſteilen Abhängen oder überhängenden Flußufern. 5. Verbreitung. a Die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine nehmen ſehr bedeutende Gebiete auf der Erde ein und kommen nicht blos in Europa, ſoudern auch in Aſien, Afrika und Amerika in ausgedehnten Lagern vor. Sie finden ſich in den Alpen, welche ſie hauptſächlich zuſammenſetzen, im Schwarzwald, Böhmer Wald, im Rieſengebirge, Mähriſchen Gebirge, den Sudeten, dem Erzgebirge, dem gichtelgebirge, im Harz, Odenwald, in Sachſen u. ſ. w. Das Geſtein, welches die Hauptmaſſe der höhern Berge des Taunus (Falb⸗ berg, Altkönig) zuſammenſetzt, gehört der Gruppe der kryſtalliniſchen Schieferge⸗ ſteine an, wenn auch ſeine nähern Beziehungen zu dieſen noch nicht hinlänglich erkannt ſind. Vordem hielt man es für einen Glimmerſchiefer, in welchem der * Pd 12 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Glimmer durch Talk vertreten ſei, bis Liſt auf den geringen Bitterdegehalt auf⸗ merkſam machte. Nach Liſt beſteht das Taunusgeſtein aus Quarz und einem eigent⸗ thümlichen Mineral, von ihm Sericit geuannt, welches ſich durch Seidenglanz und grünlich weiße Farbe auszeichnet. Der Sericit kommt ſtellenweiſe auch in derben Maſſen vor. 6. Metamorphismus der kryſtalliniſchen in Die auffallende Structur, ſowie die Uebergänge, welche die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine in andere Felsarten, oft in ganz allmähligem Verlaufe zeigen, haben zu der Vermuthung Veranlaſſung gegeben, daß dieſelben nicht mehr in der’ Zuſammenſetzung vor uns liegen, welche fie bei ihrer urſprünglichen Ent⸗ ſtehung beſaßen. Viele der ausgezeichnetſten Geologen nehmen daher an, daß zwar das urſprüngliche Material der fraglichen Geſteine in nichts anderem, als in der erſten Erſtarrungskruſte des heißflüſſigen Erdkörpers beſtanden habe, daß dagegen daſſelbe im Verlauf der ungeheuren Zeiträume, welche von der erſten Conſolidirung der Erdoberfläche bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ver⸗ floſſen find, mannigfachen Veränderungen und Einflüſſen ausgeſetzt geweſen ſei. Als diejenigen Kräfte, welche dieſe Veränderungen bewirkten, werden bald die gewöhnlichen Agentien der Verwitterung, wie Kohlenſäure, Waſſer, Sauer⸗ ſtoff, bezeichnet, bald werden aber auch dafür außergewöhnliche Erſcheinungen, wie das Aufſteigen von Gaſen und Dämpfen aus dem Erdinnern, welche die ganze Maſſe des Geſteins durchdrungen haben ſollen, zu Hülfe genommen. Jedenfalls läßt ſchon der Gehalt an Kohle, den die Thonſchiefer oft ganz an ihrer Oberfläche zeigen, auf bedeutende Veränderungen, welche das urſprüng⸗ liche Bildungsmaterial erfahren haben muß, ſchließen. Man muß annehmen, daß die Kohle erſt nach der Erkaltung des Geſteins in daſſelbe hineingekom⸗ men iſt, denn bei einem hohen Hitzgrad und bei Gegenwart von Metalloxyden wäre die Erhaltung der Kohle als ſolcher unmöglich geweſen. Welche von den oben angegebenen Hypotheſen die richtigere ſei, dies iſt ſchwer zu ent⸗ ſcheiden. Trotz der Unentſchiedenheit der obſchwebenden Frage hat man die Benennung: „kryſtalliniſche Schiefergeſteine“ ſehr häufig mit: „Metamorphiſche Geſteine“ vertauſcht, ſo daß letztere a jetzt faſt häufiger gebraucht wird, als erſtere. Dritter Abſchnitt. Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde bis zur Gruppe des Diluviums leinſchl.). 1. Einleitung. Wie früher bereits angegeben, ſcheinen die kryſtalliniſchen Schiefergeſteine die älteſten geognoſtiſchen Bildungen der Erde zu ſein. Nach ihrer Entſteh⸗ ung fanden nachweislich viele Hebungen und Senkungen des Landes ſtatt die Vertiefungen füllten ſich mit Waſſer an und bildeten Meere und Seen, Die neptunifchen oder ſedimentären Gebilde. Grauwackengruppe. 13 in welche, wie heutzutage, Flüſſe und Bäche einmündeten. Durch Froſt, Rei⸗ bung des Waſſers u. ſ. w. wurden die vorhandenen Geſteine zerkleinert, durch die Verwitterung aufgelöſt; ihre Fragmente führten die atmoſphäriſchen Waſſer den Flüſſen ꝛc. zu, letztere ſetzten fie nun wieder in den großen Waſſerbaſſins ab. So entſtanden auf deren Grunde Ablagerungen von Schlamm und größern oder kleineren Geſteinsbrocken, in Verbindung mit Reſten von thieriſchen und pflanzlichen Organismen, welche entweder in dieſen Meeren und Seen gelebt hatten, oder vom Lande her in ſie hinein geſchwemmt wurden. Die erdigen Ablagerungen erhärteten entweder durch ein in ihrer Maſſe befindliches Cä⸗ ment (Kieſelerde, Kalk, Eifenoryd u. ſ. w.) oder blos in Folge des Drucks der über ihnen laſtenden Waſſerſäule. Nach der Beſchaffenheit des Waſſers, wel⸗ ches in dieſen Seen ꝛc. enthalten war, unterſcheidet man, mit Zuhülfenahme der Verſteinerungen, Süß- und Meereswaſſerformationen Die Geſteinsbildungen dauerten indeſſen nicht immer bis zur vollſtän⸗ digen Ausfüllung des Waſſerbaſſins fort, oft wurden ſie durch Hebungen unterbrochen, welche den See in einen Berg oder Hügel verwandelten. In den neu entſtandenen Baſſins fanden nun wieder neue Abſätze von erdigen Subſtanzen ſtatt, während die höher gelegenen Localitäten in ihrem frühern Beſtand blieben. Durch abermals erneute Senkungen wurden nun wieder die letzten in Seen, durch Hebungen die erſtern in Berge umgewandelt. Daher kommt es denn, daß nicht alle geognoſtiſchen Bildungen gleichmäßig über die Erde vertheilt ſind, ſondern nur hie und da auftreten. Urſprünglich mußten alle abgeſetzten Schichten eine horizontale Lage einnehmen; dieſe wurde aber vielfach geſtört, theils durch die ſchon vorhin erwähnten, von Elie de Beaumont mit großer Beſtimmtheit ausgeſprochenen und nachgewieſenen Hebungen, theils aber auch durch die Ausbrüche pluto- niſcher Geſteine. ? Wir wollen nun die geognoftiichen Gruppen, die wir in Formationen und Glieder zerfällen, nach der Reihenfolge, in welcher ſie entſtanden ſind, betrachten. 2. Grauwackengruppe. Dieſe zerfällt in drei Formationen: die untere Grauwacke oder das Cam⸗ briſche Syſtem, die mittlere Grauwacke oder das Siluriſche Syſtem, und die obere Grauwacke oder das Devoniſche Syſtem. Die in der Grauwackengruppe vorkommenden Geſteine ſind Schiefer und Sandſteine (von ähnlicher Zuſammenſetzung, wie der Thonſchiefer), Kiefel- ſchiefer, Kalk, Anthracit, Dolomit u. ſ. w. Die Bergformen der Grauwacke ſind durch ihre Einförmigkeit aus⸗ gezeichnet. Flach abgerundete Berge mit teraſſenförmigen Abſätzen, mitunter auch ſchroff eingeriſſene Thäler, ſind das Wenige, was zur N der Oberflächengeſtaltung dieſer Geſteinsgruppe dienen kann. f 14 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. a. Untere Grauwacke (Cambriſches Syſtem). * a Die älteſten neptuniſchen Gebilde, welche ſich aus der Zerſtörung der kryſtalliniſchen Schiefergeſteine erzeugten, beſtehen aus einer Reihe von Kalken und Schiefern, die Sedgwick unter der Benennung: „Cambriſches Syſtem“ vereinigte. Dieſe Formation iſt bis jetzt vorzüglich in England nachgewieſen worden, in Deutſchland kommt ſie gleichfalls vor, iſt aber noch nicht ſtreng von den übrigen Formationen der Grauwacke getrennt worden. Die Kalke des Cambriſchen Syſtems beſitzen in England keine bedeutende Mächtigkeit, eine deſto größere die Schiefer, welche dem Thonſchiefer der kryſtalliniſchen Schiefergeſteine in ihrer Zuſammenſetzung ſehr nahe kommen, ſich aber von dieſem durch weniger kryſtalliniſches Gefüge unterſcheiden. Sie gehen häufig im Glimmerſchiefer und Gneiß über. Die Schichten des Cambriſchen Syſtems befinden ſich durchweg nicht mehr in ihrer urſprünglichen horizontalen Lage; fie fallen meiſt ſehr fteil, in England faſt ſenkrecht ein. Petrefaeten kommen in den Geſteinen dieſer Formation nur ſehr wenige vor. Neuere Geologen vereinigen das Cambriſche Syſtem wieder mit der fol- genden Formation. b. Mittlere Grauwacke (Siluriſches Syſtem). Die Formation der mittlern Grauwacke, von Murchifon als Siluri⸗ ſches Syſtem bezeichnet, reiht ſich unmittelbar an die vorhergehende an, un: terſcheidet ſich aber von derſelben vorzüglich durch andere Lagerung der Schich⸗ ten, ſowie durch einen verhältnißmäßig größern Reichthum von Petrefacten. Das Siluriſche Syſtem iſt beſonders in England ausgebildet, woſelbſt es eine beträchtliche Mächtigkeit beſitzt. Aber auch in den Pyrenäen, in der Bretagne, Fig. 11. im nördlichen Rußland, in Schweden und in Deutſch⸗ land kommt es vor, obgleich es hier noch nicht gehörig von der folgenden Formation geſondert worden iſt. Im Harz, an der Eifel und in Böhmen will man Geſteine auf⸗ gefunden haben, welche den Siluriſchen Schichten Eng⸗ lands entſprechen ſollen. Die Felsarten dieſes Syſtems beſtehen, wie die des vorhergehenden, aus Schiefern nnd Kalken. Von Petrefacten führen wir an von Korallen: die Geſchlechter: Limaria, Cyathophyllum (Fig. 11.) (caespito- sum), von Brachiopoden Lingula, Terebratula (unguis, inter- plicata), Orthis (virgata, grandis) von Gaſteropoden Lito- rina striatella, von Cephalopden: Orthoceras duplex. e. Obere Grauwacke (Devoniſches Syſtem). Das Devoniſche Syſtem enthält die nämlichen Geſteine, wie die beiden vorhergehenden Formationen. Grauwackenſandſtein, Grauwackenſchiefer, Kalke, > Die neptunifchen oder ſedimentären Gebilde. Grauwackengruppe⸗ 15 Kieſelſchiefer, Anthraeit charaecteriſiren es. Die kryſtalliniſchen Schiefer werden ſeltener, an ihre Stelle treten conglomeratartige Bildungen. Untergeordnet kom⸗ men auch Lager von Mergel und Dolomit vor. Auch das Devoniſche Syſtem ift vorzugsweiſe in England (Devonfhire, daher der Name) entwickelt und erreicht dort eine Mächtigkeit von über 10,000 Fußen. In Deutſchland hat es eine kaum geringere Verbreitung, und höchſt wahrſcheinlich gehört ein Theil des Harzes und das ſogenannte Rhei⸗ niſche Uebergangsgebirge vorzugsweiſe der obern Grauwacke an, wenn auch ſeine Schichten nicht ganz vollkommen den Engliſchen entſprechen. In dem Rheiniſchen Syſtem, welches für uns von beſonderer Wichtig⸗ keit iſt, hat man folgende Unterabtheilungen dieſer Formation unterſchieden. c. den Spiriferenſandſtein. Er iſt beſonders entwickelt am Rhein, im Lahnthale, im Dill- und Weilthale im Naſſau'ſchen. Auch ein Theil der Vorberge des Taunus, zwi⸗ ſchen Friedberg und Butzbach, führt Spiriferenſandſtein. In der Wetterau iſt dieſes Geſtein gleichfalls verbreitet. Die Glieder des Spiriferenſandſteins beſtehen hauptſächlich aus ſehr grob⸗ körnigen Grauwacken, in denen Quarz vorwaltet, ſowie aus Thonſchiefern von mehr oder minder kryſtalliniſchem Gefüge. Kalke kommen nur ſelten vor. Die Schichten der Grauwacke und des Thonſchiefers wechſeln gewöhnlich mit einander ab; ſie befinden ſich durchgängig in einer von der horizontalen abwei⸗ chenden Lage, oft find fie in Winkeln bis zu 909 geneigt. Quarz und Braun⸗ eiſenſtein ſind häufig anzutreffen. Fig. 12. Die Petrefacten gehören größtentheils der Familie der Brachiopoden an. Als eine ſehr characteriſtiſche Verſteinerung mag hier Spirifer ee genannt werden. Die Mächtigkeit diefer Formation beträgt in den Rheingegenden an 1000 Fuße. Der Spiriferenſand⸗ ſtein bildet flachhügelige Gebirge; indeſſen entſtehen in ihm durch Einwirkung des Waſſers ſehr ſteile Schluchten, wie z. B. das Wiſ⸗ perthal, das Lahnthal von Balduinſtein an bis nach een hin, das Rheinthal von St. Goar bis Bonn. 8. Stringocephalenkalk. Dieſe Formation iſt ausgezeichnet durch das Vorherrſchen von dichten, im Bruch fplitteigen Kalken, welche durch Eiſen- und Manganorhd oft mar⸗ morartig geſtreift find. Der Kalk iſt ſehr rein, er hat nur wenig Bittererde Hund Spuren von Kieſelerde, Thonerde und Alkalien. Sein Vorkommen be⸗ ſchränkt ſich auf kleinere Becken. Häufig ift der Stringocephalenkalk in Schal- ſtein eingelagert, wie z. B. bei Wetzlar. Kalkſpathadern durchziehen vielfach x 16 Die Entſtehung der Erdrinde und des Bodens. das Geſtein; auch auf den Kluftflächen findet ſich Kalkſpath, wahrſcheinlich erſt im Laufe der Verwitterung entſtanden. Der Stringocephalenkalk kommt beſonders entwickelt in Naſſau, Heſſen und der Eifel vor; er findet ſich auch im Harze. Fig. 13. Die characteriſtiſche Verſteinerung für dieſe Formation iſt Stringocephalus Bur- tini Defr. (Fig. 13). Einzelne Kalkfelſen be⸗ ſtehen nur aus Polypen, z. B. Calamopora polymorpha. f Ein weiteres Glied dieſer Formation iſt der Dolomit, eine Verbindung von kohlen⸗ ſaurer Kalkerde mit kohlenſaurer Talkerde. Er erſcheint hier mit kryſtalliniſchem Gefüge. Die Gebirgsformen des Dolo⸗ mits ſind ſehr maleriſch; der Stringocephalenkalk zeichnet ſich durch Höhlen aus. i Die Kalke der eben betrachteten Formation find von Schiefern begleitet, die man nach der in ihnen vorkommenden Cypridina serratostriata Cypri⸗ dinenſchiefer genannt hat. Die Schichten find meiſt ſehr geneigt und be⸗ ſtehen ſowohl aus Thonſchiefern, als auch aus Kieſelſchiefern. Letztere ſind ganz beſonders reichlich von Kalk- und Quarzadern durchzogen. Die Cypri⸗ dinenſchiefer kommen in den Ardennen, der Eifel, dem Hundsrück und dem Naſſau ſchen, ſowie auch im ee Heſſen vor. J. Poſidonomyenſchieſer. Die Geſteine dieſer Formation ſind wieder Kalk, Grauwacken⸗Sandſtein, Schiefer und Schieferthon. Letzterer beſteht aus einer mehr erdigen, als ſtein⸗ artigen Maſſe von gelber oder bläulicher Farbe; oft iſt er durch Kohle ſchwarz gefärbt. Der Schieferthon kommt gewöhnlich in ganz dünnen Lagen zwiſchen dem Grauwackenſandſtein und dem Schiefer vor und vermittelt ſo den Uebergang dieſer beiden Geſteinsarten. Auch der Poſidonomyenſchiefer beſitzt nur noch an den wenigſten Orten ſeine urſprüngliche horizontale Lage. Sehr häufig trifft man Windungen, oft Fig. 14. find die Schichten ganz umge⸗ 5 ſtürzt und neigen ſich in verſchie⸗ denen Winkeln gegen die Hori⸗ zontale. Der Poſidonomyenſchiefer iſt ver⸗ hältnißmäßig reich an organiſchen — Reſten. Von den Pflanzen hat | — — iſich übrigens faſt nur der Kohlen- ſtoff erhalten, der den in mitunter nicht unbedeutenden Lagern vorkommen⸗ den Anthracit bildet. a Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde. Grauwackengruppe. 17 u ; Fig. 15. Von Petrefaeten nennen wir diejenige Art, welche der Formation die Benennung verliehen hat, nämlich Posidonomya Becheri. Die Pflanzenreſte im Poſidonomyenſchiefer rühren von Acotyledonen her, unter denen Ca- lamites Suckowii hervorzuheben iſt. Die Formation des Poſidonomyenſchiefers kommt vorzüglich in England, Ruß⸗ land, Weſtphalen, im Harz, am Rhein, in Naſſau und Heſſen⸗Darmſtadt vor. Das Cambriſche, Siluriſche und Devoniſche Syſtem umfaſſen diejenigen Gebilde, welche Werner unter dem Namen „Uebergangsgebirge“ vereinigt hat. In England tritt als ein ſehr bemerkenswerthes Glied des Devoniſchen Syſtems der alte rothe Sandſtein auf, von welchem Parallelbildungen in Sachſen und Weſtphalen bekannt ſind. Wahrſcheinlich iſt aber auch die Rhei⸗ niſche Grauwacke von ihm nicht viel unterſchieden. In England erreicht der alte rothe Sandſtein (Old red sandstone) die Mächtigkeit von 10000 Fußen. Das Geſtein beſteht vorzugsweiſe aus einem Conglomerat, welches die näm⸗ lichen Fragmente, wie die Grauwacke enthält. Mit demſelben wechſeln Lagen von Mergeln und Kalken. 3. Steinkohlengruppe. Die Steinkohlengruppe umfaßt zwei Formationen: a. Den Bergkalk oder Kohlenkalk, auch Encrinitenkalk, wegen der darin vorkommenden Petrefacten genannt. Er beſteht hauptſäch⸗ lich aus einem ſehr feſten, durch Kohle ſchwarz oder mindeſtens dunkel ge— färbten Kalkſtein, der oft Bitumen enthält und dann beim Zerſchlagen einen üblen Geruch entwickelt. Mit dem Kalk wechſeln Lager von Mergeln und Sandſteinen. In dem Kalkſtein kommen nicht ſelten feuerſteinartige Brocken, ähnlich wie in der Kreide (ſ. u.), vor. Die Formation des Kohlenkalks iſt be⸗ ſonders in England entwickelt, wo fie. bis zu 2000 Fußen über das Meer an- ſteigt. Auch in Rußland, Belgien, an der Maas, in Weihen, an der Eifel, bei Aachen, an der Ruhr tritt dieſelbe auf. Fig. 16. Von Verſteinerungen nennen wir die Ge- ſchlechter Pentatremalites, Poteriocrinus, Actini- ocrinus, Productus, Spirifer (glaber Fig. 16). Einige Geognoſten erkennen den Kohlenkalk nicht als eine ſelbſtſtändige Formation an, ſondern betrachten ihn als ein Glied der 11 For⸗ mation. b. Die oteikteste fee Diefe ift ausgezeichnet durch den großen Reichthum an foffilen Pflanzen. überreſten, welche durch den Vermoderungsprozeß in die ſogenannte Steinkohle Heyer, Bodenkunde. 2 18 Die Enſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. umgewandelt worden ſind, die gegenwärtig aus dem Innern der Erde ge- wonnen und als Brennmaterial benutzt wird. Die Pflanzen, welche die Stein⸗ kohlen bildeten, find lauter untergegangene Arten, der Mehrzahl nach Acoty⸗ ledonen oder Monocotyledonen, Dicotyledonen fehlen, mit Ausnahme der Nadelhölzer, von welchen einige Arten vorkommen. Baumartige Equiſetaceen, Farnkräuter und Lycopodien machen vorzugsweiſe die Flora der Steinkohlen⸗ Fig. 17. formation aus. Von Equifeten iſt zu nennen das Ge⸗ ſchlecht Calamites mit eylindriſchem, hohlem, bis 1 Fuß dickem Stamm ohne Aeſte, von Farnkräutern die Genera Sphe- nopteris, Odontopteris. Neuropteris, Pecopteris (aquilina Fig. 17.) und Cyelopteris. Das Geſchlecht Sigillaria (hexa- gona Fig. 18.) ſcheint auch zu dieſen zu gehören Die innen hohlen Sigillarienſtämme haben oft eine Länge von 50 Fu⸗ ßen und mehr als 1 Fuß Dicke. Von Lycopodien iſt das Geſchlecht Lepidodendron mit ſpiralförmig geſtellten Blatt ſtielnarben ausgezeichnet. Auch Palmen hat man in den Steinkohlen entdeckt. Von Nadelhölzern nennen wird ie mit den Araucarien verwandten Geſchlechter Voltzia und Al- bertia. Ä ; Daß die Steinkohlen aus Pflanzen entſtanden ſeien, darüber kann nicht der geringſte Zweifel beſtehen. Eine an⸗ dere Frage aber iſt die, auf welche Weiſe die Umwandlung der Pflanzenfaſer in die feſte ſchwarze und dichte Maſſe (die Steinkohle hat ein fpecififches Gewicht von 1,3) er⸗ folgt ſei. Gewiß iſt der Prozeß der Steinkohlenbildung von dem der gewöhnlichen Verweſung unterſchieden. Keinenfalls hatte die Luft vollſtändigen Zutritt, ſonſt würde der Waſſer⸗ ſt off in den Steinkohlen vollſtändig verſchwunden fein. Wir müſſen annehmen, daß die Steinkohlenbildung unter Waſſer oder unter einer dicken Lage von Erde vor ſich gegangen ſei. Liebig ſtellt auf die Erfahrung hin, daß in Steinkohlenwerken ſowohl Sumpfgas, als auch Kohlenſäure anzutreffen ſind, die Theorie auf, die Stein⸗ kohle habe ſich aus der Holzfaſer erzeugt, indem ſich Sumpfgas, Kohlenſäure und Waſſer von derſelben getrennt hätten. Nach Gay Luffae iſt die Formel des Holzes — Cs Ha On hiervon ab 3 Sumpfgas 77 " 3 Waſſer „ „9 Kohlenſäure bleibt als Rückſtand die Steinkohle, deren Zuſammen⸗ C He | Ha O3 ‚Co 0¹8 in Summe Cia Hy 0 Ca H 055 Ill ſetzung fich durch die Formel: Ca His 0 ausdrückt. Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde. Steinkohengruppe. 19 Eine nicht minder intereſſante Frage iſt die, ob die Pflanzen, aus denen die Steinkohlen entſtanden find, an der gegenwärtigen Lagerſtätte der letzteren ſich erzeugt haben. Die bedeutenden Maſſen von Steinkohlen, welche an manchen Orten zuſammengehäuft ſind, ſcheinen nicht für dieſe Annahme zu ſprechen; es gibt Kohlenlager von 500 Fußen Mächtigkeit. Welche unge⸗ heuren Zeiträume müßten dazu gehört haben, bis blos aus abgeſtorbenen Ve⸗ getabilien, deren Volum außerdem noch durch den Vermoderungsprozeß und den Druck der obern Schichten vermindert wurde, ſo hohe Lagen ſich bilden konnten. Biſchof berechnet, daß für das Steinkohlenlager von Saarbrück dazu ein Zeitraum von über 10 Millionen Jahren erforderlich geweſen ſein würde. Es hätten förmliche Berge allein aus Pflanzenüberreſten über die Oberfläche des Bodens ſich erheben müſſen. Außerdem wechſeln aber die Steinkohlenflötze ſtets mit Lagen von Erde (Thon, Lehm, Sand), deren Bil⸗ dung unerklärlich iſt, wenn man die Steinkohlen nur für den Humus eines Urwaldes anſieht. Viel wahrſcheinlicher iſt es, daß die Pflanzen, aus welchen die Steinkohlen entſtanden ſind, in Becken, Seen u. ſ. w. zuſammengeſchwemmt wurden, daß ſie alſo von ſogenanntem Treibholz herrühren, wie es noch heut zu Tage viele große Flüſſe (3. B. der Amazonenſtrom) mit ſich führen. Dieſes Treibholz konnte ſich ſo lange am Spiegel des Waſſers ſchwimmend erhalten, bis es durch den Verweſungsprozeß mürbe geworden war. Dann beluden ſich alle ſeine Poren mit Waſſer, es wurde ſpecifiſch ſchwerer, als das Waſſer, ſank unter und wurde in dem Seegrund begraben. Man darf übrigens nicht annehmen, ein Steinkohlenlager ſei aus einem einzigen ſchwimmenden Floß entſtanden. Ein ſolches Floß hätte bei manchen Lagen die Höhe von 3000 — 4000 Fußen erreichen müſſen. Mitunter findet man die Stämme noch auf⸗ rechtſtehend; hier muß man annehmen, daß plötzlich eine Verſenkung des Bo⸗ dens ſtattfand, wie ſie die Geſchichte der Geognoſie häufig nachgewieſen hat. Viele Steinkohlenlager mögen auch wohl aus Torf entſtanden ſein. Für dieſe kann man daher eine Erzeugung auf ihrer gegenwärtigen Lagerſtätte an⸗ nehmen. Wie ſchon angegeben, befinden ſich in den Steinkohlenlagern erdige Zwiſchenglieder. Hierzu gehören Thonſchiefer, Sandſtein, Kalk, Schieferthon, plaſtiſcher Thon, Lehm und Sand. Die einzelnen Steinkohlenflötze erreichen, wie das von Aveyron, oft die Mächtigkeit von 100 und mehr Fußen. Mit den Zwiſchengliedern hat das Steinkohlengebirge von Neweaftle in England eine Mächtigkeit von über 4000 Fußen, das von Wales aber doppelt ſo viel. Zu Newceaſtle wechſeln 40 Flötze mit Thonſchiefern und Sandſteinen, zu Mons 115 Flötze. Die Steinkohlenformation iſt über alle Theile der Erde, ſelbſt über die kälteſten Erdſtriche (3. B. Spitzbergen), verbreitet, was eine große Gleichmäſ⸗ ſigkeit des Klima's in den verſchiedenen Zonen zur Zeit der Steinkohlenent⸗ ſtehung vorausſetzt. Man will jene durch die innere Wärme der damals noch 2 * 20 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. are: nicht ſo weit abgekühlten Erdkugel erklären. — Beſonders entwickelt und mächtig kommt die Steinkohlenformation in England vor. In Deutſchland findet ſie ſich bei Aachen, an der Ruhr, bei Kreuznach, Fig. 19. Saarbrück und in Schleſien. In den Cordilleren reichen die Steinkohlenlager an die Schneegrenze (bis zu 13000 wöhnlich horizontal; doch trifft man auch Mulden und Fig. 20. laufen nicht immer parallel; ſehr häufig kommen Zickzack⸗ V HZ Fuß Meereshöhe); ein Beweis, daß hier eine Hebung ſtatt⸗ gefunden hat. N =] , Die Ablagerungen der Steinkohlenformation ſind ge⸗ ET] Vf; Sättel, Die einzelnen Schichten eines Steinkohlenlagers ver⸗ bildungen und Verwerfungen der Schichten vor. _ 4. Permiſche Gruppe. > Diefe Gruppe führt ihre Benennung vom Gouver⸗ , nement Perm im nördlichen Rußland, woſelbſt fie beſon⸗ e ders ausgebildet iſt. Sie umfaßt folgende Formationen: a. Das Rothe Todtliegende. 5 Es beſteht hauptſächlich aus einem faſt immer ſehr grobkörnigen, con⸗ glomeratartigen Sandſtein. Brocken von Thonſchiefer, Glimmerſchiefer, Gneiß, Kieſelſchiefer, Granit, Syenit, Grünſtein, Porphyr, Grauwacke, Quarz, Kalk ſind durch ein eiſenhaltiges oder kalkiges Cement oder auch durch Frag⸗ mente der eben genannten Geſteine verkittet. Die vorherrſchende Farbe dieſes Conglomerats iſt die blutrothe bis rothbraune, ſeltener die grünliche oder graue. Die Schichten des Sandſteins ſind oft durch Bänke von rothem Schie⸗ ferthon getrennt. Dieſer erreicht manchmal eine bedeutende Mächtigkeit und ſetzt ſich bis in den Sandſtein fort. Letzterer geht bisweilen in förmlichen Schiefer über. Die Benennung: Roth-Todtliegendes rührt von den Thüringer Bergleuten her. Nachdem ſie den erzführenden Kupferſchiefer und das Weiß⸗ liegende (ſ. u.) durchſunken hatten, kamen fie auf eine durch ihre rothe Fär⸗ bung ausgezeichnete Schichte erzfreien (todten) Geſteins, welche das Liegende des Kupferſchiefers und des Weißliegenden bildete. — Verſteinerungen kommen im Rothliegenden nur wenige vor. Stämme von ähnlichen Bäumen, wie die der Steinkohlenformation, finden ſich in verkieſeltem Zuſtand. An der Bildung des Rothliegenden ſcheinen die Porphyre großen An⸗ theil gehabt zu haben. * Ueber dem Rothliegenden befindet ſich an manchen Orten ein Sand⸗ ſtein von der nämlichen Beſchaffenheit, aber von hellerer Farbe, das ſoge⸗ nannte Weißliegende. Es iſt reich an Kobalt- und Nickelerzen Seine Mächtigkeit geht ſelten über 100 Fuße. * Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde. Permiſche Gruppe 21 Als ein dem Rothliegenden untergeordnetes Glied erſcheint an vielen Orten Dolomit und ein blaugrauer Kalk von unbedeutender Mächtigkeit. Die Formation des Roth⸗Todtliegenden kommt in Thüringen (z. B. bei Eiſenach, am Kiffhäuſer), bei Magdeburg, Dresden, in Böhmen, am Harz, im Großherzogthum Heſſen (Vilbel, Niddathal, Langen) vor und erreicht im Gan⸗ zen die Mächtigkeit von 3000 Fußen. b. Der Kupferſchiefer beſteht aus ſchiefrigem Mergel, in welchem häufig Kupfererze (Kupferglanz, Kupferkies) zerſtreut ſind. Das Geſtein iſt gewöhnlich ſehr bituminös und enthält Abdrücke von Fiſchen. Die Formation des Kupferfchiefers beſitzt ſehr geringe Mächtigkeit von 1 — 2, höchſtens 3 Fußen, in welcher fie über nicht unbedeutende Strecken fortzieht, was auf große Ruhe in der Natur während ihrer Bildung ſchließen laßt. Sie kommt unter andern im Großherzogthum Heſſen (Herrſchaft Itter), in Kurheſſen (Richelsdorfer Gebirge), im Mans⸗ feldiſchen u. ſ. w. vor. e. Der Zechſtein. Ein dichter grauer, blaulicher oder brauner, ſtark von Bitumen durch⸗ drungener Kalk von 20 — 40 Fuß Mächtigkeit, in dem oft Lager von Eiſen⸗ ſteinen, auch Gyps, Steinſalz und Dolomit anzutreffen ſind. Im Groß⸗ herzogthum Heſſen bei Bleichenbach in der Wetterau und bei Itter, ferner im Mansfeldiſchen, bei Bieber u. ſ. w. In der Wetterau hat man nachſtehende Glieder unterſchieden, die von unten nach oben folgende Ordnung einhalten: Eigentlicher Zechſtein, Mergelerde, Zechſteindolomit, bituminöſer Kalk. Die beiden letztgenannten Glieder find reich an Bittererde, während dieſe dem ei- gentlichen Zechſtein faſt gänzlich fehlt. Fig. 21. Von Petrefacten iſt beſonders bemerkens⸗ et werth und characteriſtiſch: Produetus aculeatus. (Fig. 21.) d. der Vogeſenſandſtein. Er wurde früher von dem bunten Sand⸗ ſtein nicht unterſchieden. Kommt in den Vo⸗ geſen und im Schwarzwald vor. 5. Triasgruppe. N Dieſe enthält drei wohlunterſchiedene Formationen, die zum Theil ſehr große Länderſtrecken überdecken. a. Bunter Sandſtein. { Die unterfte Formation diefer Gruppe. Er befteht aus Quarzkörnchen, | die durch einen Kitt von Eifenogydhydrat, Kalk, Thon oder Kieſelſäure zufam- 22 »Die Entſtehung der feſten Erdrinde des Bodens. mengehalten werden. Nach dem Kitt richtet ſich auch zumeiſt die Farbe des Geſteins, welche die rothe, ſeltener die weiße, grünliche, bläuliche oder graue iſt. Die Farbe iſt nicht immer einförmig, oft wechſeln hellere und dunklere Parthien mit einander, ſo daß das Geſtein ein gebändertes Anſehen erhält. Doch findet die Streifung nicht immer in einerlei Sinne mit der Schichtung ſtatt. Der bunte Sandſtein iſt feinkörniger, als der Vogeſenſandſtein, doch hat man von erſterem auch grobkörnige Varietäten; zuweilen ſind ſelbſt dicke Quarz⸗ brocken oder Thonklumpen in ihm enthalten; wenn dieſe ausgewaſchen wer⸗ den, entſtehen Höhlungen in dem Geſtein. Der bunte Sandſtein kommt in dickern und dünnern Schichten vor, die mit einander abwechſeln und häufig durch Lagen Glimmers getrennt ſind. Die Feſtigkeit des Geſteins iſt eine ſehr verſchiedene; einige Sorten erhärten erſt an der Luft, andere beſtehen blos aus einem Haufwerk von Quarzbröckchen, welche nur ſo neben einander gela⸗ gert ſind. Ein ſehr characteriſtiſches Glied der SER des bunten Sandſteins ſind Lagen von rothem Thon, welche gewöhnlich bald über oder unter einer Reihe von Geſteinsſchichten befindlich ſind, bald aber auch mit letztern ab⸗ wechſeln. Dieſer Thon fühlt ſich zart an; er iſt ſtark von Eiſenoxyd durch⸗ drungen. Weitere Glieder Bi Anhydrit (waſſerfreier Gyps), Gyps, Stein- ſalz, Mergel. Wo der bunte Sandſtein mit Baſalt in Berührung gekommen iſt, da hat er (wie am Wildenſtein bei Büdingen in Oberheſſen) mitunter die ſäulen⸗ artige Abſonderung mit dem Baſalt gemein. Der bunte Sandſtein bildet gewöhnlich, wo er in geringen Maſſen auf⸗ tritt, kegelförmige Berge mit ſteilen Abhängen und iſt dann oft mit loſem, durch die Verwitterung des Bindemittels getrennten, Sande überſchüttet. In größern Maſſen bildet er weite Plateau's und plumpe, abgerundete Berge, die nur nach der Ebene hin ſteiler abfallen und von Waſſerhohlriſſen durch⸗ zogen ſind. Im Odenwald iſt der öſtliche Theil des bunten Sandſteingebirges eben und ſanft abgeflacht, der weſtliche dagegen ſteil. An der Hardt findet das umgekehrte Verhältniß ſtatt. Die Thäler im bunten Sandſtein ſind mitunter auch ſchroff und ſtark gekrümmt und verlaufen meiſt radienförmig vom Hauptſtock des Gebirges aus. Die Berge dieſer Formation ſind oft mit großen Fels⸗ blöcken überdeckt. g ’ 9 ö Die Mächtigkeit des bunten Sandſteins beträgt über tauſend Fuße. Er ſteigt im Schwarzwald bis zu 3600, im Speſſart bis zu 1400, an der Werra über 800, zwiſchen dem Harz und dem Thüringer Wald über 1000, im Odenwald bis zu 1500 Fußen Meereshöhe an. Er überdeckt in Deutſchland an 500 Quadratmeilen. Der bunte Sandſtein nimmt das Gebiet zwiſchen dem Rheiniſchen Schiefergebirge, dem Harz und Thüringer Wald ein. Der größere Theil von Kurheſſen gehört dieſer Formation an, die ſich außerdem Die neptuniſchen oder ſedimentären Gebilde. Triasgruppe. 23 noch an der Hardt, im Speſſart, Odenwald, Schwarzwald, dem ſüdweſtlichen Theil des Fichtelgebirges u. ſ. w. findet. Organiſche Reſte ſind im Ganzen ſelten Fig. 22. 2 in dieſer Formatien, als einige der bezeich⸗ a nendſten Petrefaeten mögen Voltzia he- terophylla (Fig. 22.) Calamites arenaceus, Aethophyllum speciosum genannt wer— den. Thierfährten haben ſich im bunten Sandſtein wohl erhalten. b. Der Muſchelkalk. Er beſteht aus einem bläulichen oder grauen, meiſt dünnſchiefrigen Kalkſtein, in welchem an manchen Orten große Quan⸗ titäten verſteinerter Muſcheln vorkommen, daher der Name. Indeſſen iſt das Geſtein nicht überall fo reich an Petrefaeten, und es gibt ſehr vielen Kalk, welcher zufolge ſeiner Lagerung in dieſe Formation gehört und doch gar keine Muſcheln enthält. Der Kalk iſt mitunter wellenartig gebogen, da- her der Name Wellenkalk. Der Muſchelkalk führt als untergeord⸗ nete Glieder Dolomit, Anhydrit, Gyps und Steinſalz. So befinden ſich z. B. die bedeutenden Steinſalzlager von Wimpfen in dieſer Formation. Der Muschelkalk bildet im ſüdweſtlichen Deutſchland und den Vogeſen zuſammenhängende ſich ſanft abflachende, mit wellenförmigen Erhebungen be— feßte Ebenen. Im nördlichen Deutſchland kommt er in mehr iſolirten Gebirgs- zügen vor, die nicht ſelten ziemlich ſteil abfallen. Die Thäler dieſer Gebirgs⸗ formation ſind, wie die der vorhergehenden, meiſt eng und ſteil. Die Verbreitung des Muſchelkalks geht nicht fo weit, als die des bun- ten Sandſteins. In Deutſchland nimmt der Muſchelkalk etwa 360 Quadrat⸗ meilen ein. Er findet ſich im ſüdlichen und öſtlichen Schwarzwald über dem bunten Sandſtein bis zu einer Höhe von 2300 Fußen, im Odenwald bis über 1000 Fuße, zwiſchen letzterem bis in die Gegend von Schweinfurt hin, am öſtlichen Abhange der Rhön, am weſtlichen Abhang des Thüringer Waldes und des Fichtelgebirges, am Leinethal in der Gegend von Göttingen, im nordweſtlichen und nördlichen Theil des Horzes, in den Vogeſen und im Hardtgebirge. 24 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. N Von Petrefacten, an denen dieſe Formation viel Fig. 23. reicher iſt, als die des bunten Sandſteins, nennen wir fol⸗ gende: Encrinites liliformis (Fig. 23.), Ceratitesnodosus, Delthyris flabelliformis, Pecten laevigatus. Ex e Keuper. Der Keuper iſt ein in den untern Lagen feinkörniger, in den obern dagegen mehr grobkörniger, gewöhnlich gelb⸗ lich gefärbter Sandſtein. Er macht das hauptſächlichſte Glied der nach ihm benannten Formation aus. Mit dieſem Sandſtein kommen Lagen von Mergeln, die meiſt eine grüne oder röthliche Farbe beſitzen und ſchiefrige Abſon⸗ derung zeigen, vor. Gyps, Steinſalz, Dolomit, Anhydrit finden ſich ebenſo in dieſer, wie in den beiden vorhergeh⸗ enden Formationen. Der Keuper iſt vorzüglich charac⸗ teriſirt durch die ſogenannte Lettenkohle. Sie beſteht zu unterſt aus geſchiefertem, bituminöſen Thon, der nach und nach in eine ſchwarze erdige Kohle mit mattem Bruch übergeht. Die Lettenkohle hat zu geringe Mächtigkeit, als daß ſie zu Brennmaterial abgebaut werden könnte. Ihrer chemiſchen Zuſammenſetzung nach ſteht die Lettenkohle zwi⸗ ſchen der Steinkohle und der Braunkohle. Mit der Lettenkohle wechſeln Lager von Mergelſchiefer. Der Keuperſandſtein liegt ſtets über der Lettenkohle. In Deutſchland überdeckt die Keuperformation etwa 350 Quadratmeilen; ſie nimmt alſo nicht ſo bedeutende Gebiete ein, als der bunte Sandſtein und der Muſchelkalk. Der Keuper ſteigt in Thüringen bis 1000 Zuß, im Schwarzwald bis zu 2400 Fußen an. Der Keuper bildet flachhügelige Gegenden, doch ſind die Abhänge der Berge meiſt ſteil, weniger da, wo der Mergelſchiefer vorherrſcht. Die Keuper⸗ formation findet ſich in Schwaben und Franken, im nordweſtlichen Deutſch⸗ land in Begleitung des Muſchelkalkes, in Thüringen, bei Paderborn u. ſ. w., ferner nordweſtlich vom Harz bis in die Umgebung von Osnabrück, am weſt⸗ lichen Abhang der Vogeſen. Fig. 24. 5 An Petrefacten iſt der Keuper nicht reicher, als der Muſchelkalk. Folgende nennen wir als bezeichnende: Gervillia socialis (Fig. 24), Equisetum arena- ceum, Mya matroides, Pterophyllum Jaegeri. Die neptunifchen oder ſedimentären Gebilde. Juragruppe. 25 6. Juragruppe. Dieſe, welche eine etwas geringere Verbreitung, als die Triasgruppe be⸗ ſitzt, theilt ſich in folgende Formationen: a. Lias. Die Liasformation beſteht aus Kalken, Schieſern und Sandſteinen. Von dieſen liegt der Liaskalk zu unterſt. Er erreicht eine Mächtigkeit von 100 Fig. 25. Fußen. In ihm finden ſich Reſte von Sauriern (krokodilartigen Geſchöpfen). Der Liaskalk iſt ſehr reich an Bitumen. Beſonders bezeichnend für ihn iſt das Vor⸗ — : kommen von Gryphaea arcuata (Fig. 25.) KR. S in unzähligen Exemplaren. Der Liaskalk SS) findet ſich, außer in England und Frank⸗ reich, am Fuße der Würtembergiſchen Alp, bei Baſel u. ſ. w. 8 Der Liasſchiefer hat eine bedeutendere Mächtigkeit, als der Liaskalk. Er bildet Schichten von 500 Fuß Dicke, ſo z. B. in Würtemberg. Dort kommen ſehr viele Muſcheln aus der Gattung Posidonia in ihm vor, weßhalb dieſer Schiefer auch die Benennung Poſidonienſchiefer führt. Mit dem Schiefer wechſeln Lager von Mergeln. Auch zwiſchen Karlsruhe und Heidelberg findet ſich der Liasſchiefer. Der Liasſandſtein iſt das oberſte Glied der Liasformation. Er kommt in der Schwäbiſchen Alp, in Baiern u. ſ. w. (aber nicht in England) vor. Seine Mächtigkeit geht bis zu 200 Fußen. Pflanzenüberreſte in einem ſtein⸗ kohlenähnlichen Zuſtande ſind dem Liasſandſtein eigen. Die Hauptmaſſe dieſes Geſteins bilden compacte Mergel. Der Lias formirt flachhügelige Gegenden. b. Jura. Das characteriſtiſche Geſtein dieſer For⸗ mation iſt der ſogenannte Jurakalk, ein erbſengelber oder bläulicher Kalkſtein von ſehr feinem Korn, aus deſſen reineren Varie⸗ täten die lithographiſchen Steine gefertigt werden. Eine Abart des Jurakalkes iſt der Oolithenkalk. Dieſer beſteht aus Körnern von der Größe einer Erbſe, die durch ein kalkiges Cement verkittet ſind. Daher die Benennung Erbſenſtein). Man hielt ſie früher für verſteinerten Fiſchrogen und nannte deß⸗ 26 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. halb das Geſtein Rogenſtein. Neuerdings hat ſich die Bildung dieſer Körner erklärt; dieſelben erzeugen ſich nämlich noch gegenwärtig an manchen Orten. Wenn ein Sandkörnchen in den Strudel eines kalkhaltigen Waſſers geräth, ſo erhält es ſich in dieſem einige Zeit ſchwebend, wobei ſich ſo lange Kalk um daſſelbe herum anſetzt, bis ſeine Schwere ſo bedeutend geworden iſt, daß der Strudel es nicht mehr zu tragen vermag und es zu Boden ſinkt. Hier nun werden die Körner verkittet. Die Mächtigkeit des Jurakalkes beträgt an 4000 Fuße. Die Formation der Juragebirge iſt ſehr auffallend. „Schon in der Ferne,“ ſagt v. Leonhard, „verkünden, namentlich beim ſchweizeriſchen Jura, Höhen und Geſtaltverhält⸗ niſſe eine, von nachbarlichen Bergreihen weſentlich verſchiedene, Zuſammen⸗ feßung des Innern. Einem gewaltigen Damme gleich, ſteigt der erhabene Rücken der ausgedehnten Maſſe mit faſt ununterbrochener Einförmigkeit von dem Ufer der Seen oder aus Ebenen bis zu 4000 Fuß über den Meeres⸗ ſpiegel empor. Abgeplattete Gipfel, oft zu Plateau's ſich ausdehnend, be⸗ grenzt durch ſenkrechte Abfälle, thurmähnliche eingekerbte Bergkämme, ſeltſame Schichtenſtellungen und das wild Aufgethürmte der Felslagen vermehren das Maleriſche des Anblicks.“ In England herrſchen die oolithiſchen Kalke vor, die Dicke der Schichten ſteigt daſelbſt bis zu 1300 Fußen an. Man hat da⸗ ſelbſt folgende Glieder dieſer Formation unterſchieden, die wir, von unten nach oben gerechnet, anführen. c. Unterer Oolith. Beſteht aus mergeligen, oft glimmerhaltigen Sandſteinen oder auch loſen Sandlagen, in welche nach oben hin Kalke ſich eindrängen, bis das ganze Geſtein in einen derben Kalkſtein übergeht. Häufig ſind die Oolithe dieſer Schichten eiſenſchüſſig. 8. Oxfordthon. Zu unterſt in dieſem Glied liegen mergelige, eiſenhaltige Kalke, dann folgen bis 500 Fuß mächtige Lager eines blauen Thons (der eigentliche Ox⸗ fordthon), hierauf Sand und Sandſteine mit kalkigem Bindemittel und end⸗ lich der Corallenkalk (Coral-rag), ein, wie ſchon der Name andeutet, an Corallen reicher Kalkſtein, der in der Gegend von Oxford etwa 150 Fuß Mächtigkeit erlangt. ! 7 Kimmeridger Thon, Er befteht aus bituminöſen Mergeln und Thonen, die bis an 600 Fuß mächtig ſind und hie und da Braunkohlen enthalten. d. Portlandkalk. a 0 Ihn ſetzen vorzugsweiſe hellgefärbte derbe Sandſteine zuſammen, die mitunter oolithifch, zuweilen erdig und zerreiblich find und nicht ſelten kieſelige Die neptunifchen oder ſedimentären Gebilde. Kreidegruppe. 27 Concretionen enthalten. Baumſtämme kommen in Dorſetshire, manchmal noch in aufrechter Stellung, im Portlandkalk vor. In Deutſchland ſind nicht alle Glieder ſo ausgebildet wie in England. Im Fränkiſchen Jura unterſcheidet man zuerſt Lagen von Sandſteinen, die dem untern Oolith entſprechen, hierauf Thon, äquivalent dem Oxford⸗ thon, und endlich bedeutende Lagen eines Fig. 27. vielfach von Corallen durchzogenen Kalkſteins. m Die Dolomitbildung tritt im deutſchen Jura häufig auf. Im Dolomit finden ſich Höh⸗ len, wie diejenigen von Muggendorf, Gai⸗ lenreuth und Streitberg. Steinſalz und Gyps ſind ſtets Begleiter der Juraſſiſchen Ge⸗ bilde. Von Petrefacten führen wir an: Pecten disciformis, das Geſchlecht Ammonites (A. Bucklandi, Fig. 27), das Geſchlecht Belem- nites (B. giganteus, Fig. 28.). 7. Kreideg ruppe. Dieſe Gruppe führt ihren Namen von dem bekannten Mi⸗ neral Kreide, welches in der oberſten Formation vorkommt. Die Kreidegruppe iſt über große Länderſtrecken hin verbreitet. In Europa kennt man ſie in England, Frankreich, Spanien, Ita⸗ lien und in Deutſchland. Man theilt ſie in drei Formationen. a. Der Wälderthon iſt die unterſte von dieſen. Beſondere Ausbildung hat er in Eng- land erlangt, doch finden ſich Parallelgebilde in Weſtphalen und in Sachſen. Die Formation des Wälderthons beſteht aus Kalk⸗ ſteinen, ausgezeichnet durch ihren Reichthum an Petrefacten, Schie⸗ ferthonen, loſen eiſenſchüſſigen Sandlagen, Sandſteinen und Tho⸗ nen, von denen letztere in ſehr bedeutender Mächtigkeit auftreten. b. Quaderſandſtein. . Diefe Formation befteht vorzugsweiſe aus einem ſehr cha⸗ racteriſtiſchen Sandſteine von heller (gelblicher oder grauer Farbe, der gewöhnlich eiſenſchüſſig iſt. Der Quaderſandſtein führt ſei⸗ nen Namen mit Recht von der eigenthümlichen Structur ſeiner Gebirgsmaſſen; oft beſitzen dieſe täuſchende Aehnlichkeit mit auf geführten Mauerwerken, wie z. B. in der Sächſiſchen Schweiz. Die Quader⸗ ſandſteinberge ſind ſchroff und ſteil, ihre Wände ſtreben öfters faſt ſenkrecht in 9 28 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. 5 die Höhe. (Fig. 29, Lilienſtein in der Fig. 29. Sächſiſchen Schweiz). Auch finden ſich mitunter einzelne freiſtehende Säulen von geringer Dicke, aber deſto größerer Höhe. Höhlen oder Gewölbe von unbedeutender Ausdehnung kommen im Quaderſandſtein⸗ e gebirge vor (Kuhſtall, Prebiſchthor in der Na Sächſiſchen Schweiz). Tief eingeſchnittene ARE N Schluchten find dem Quaderſandſtein der Seeächſiſchen Schweiz beſonders eigen. Im Harz (Teufelsmauer bei Blankenburg) treten mehr loſe Blöcke von be⸗ deutenden Dimenſionen auf. Das Material des Quaderſandſteines in Deutſch⸗ land iſt faſt immer feinkörnig und ohne Glimmer auf den Schichtungsflächen. In England erſcheint der Quaderſandſtein mit Grünerdekörnchen durch ſeine ganze Maſſe hin durchdrungen, weßhalb man dort das Geſtein Grünſand nennt. Im deutſchen Quaderſandſtein kommen dieſe Grünerdekörnchen ſelten und nur an manchen Orten vor. Fig. 30. Zwiſchen dem Quaderſandſtein findet ſich in Sachſen ein eigenthümlicher mergeliger Kalk in plattenförmiger Ab⸗ ſonderung, der Pläner. . Der Karpathenſandſtein gehört gleichfalls in die eben betrachtete Formation. Petrefacten: Pinna tetragona, Terebratula octoplicata (Fig. 30.), Ammonites Rhotomagensis, Scaphites aequalis. ! e. Die Kreideformation iſt characteriſirt durch das Vorkommen der bekannten Kreide. Dieſe beſteht aus erdigem kohlenſaurem Kalk, dem häufig Thonerde, Kieſelerde u. ſ. w. i beigemengt ſind. Die Kreide conſtituirt keine dig. 31. hohen Gebirge, ſondern nur Plateaus oder einzelne Felſen (Inſel Rügen). Kieſelige Con⸗ eretionen — Feuerſteine und Opale — kom⸗ men in Kreide ſehr häufig vor (Fig. 31. ein ringförmiger Feuerſtein von der Inſel Rügen) und ſind für dieſelbe ſehr bezeichnend. Nicht ſel⸗ ten enthält die Kreide Grünerdekörnchen. Die Kreideformation findet ſich ſehr mächtig in Eng⸗ land, Frankreich, Weſtphalen, im nördlichen Deutſchland, in Belgien u. ſ. w. entwickelt. Die neptuniſchen oder ſedimeniären Gebilde. Molaſſegruppe. 29 Fig. 32. Petrefacten: Ostrea serrata, vesi- eularis, Spondylus spinosus (Fig. 32.) Terebratula carnea, Pecten quinquecosta- tus, Belemnites mucronatus. 8. Molaſſegruppe. a. Die Braunkohlenformation umfaßt eine Reihe von Gebilden, welche in ihrer Lagerung unmittelbar auf die Kreide⸗ formation folgen. Sie enthalten ungeheure Schichten von plaſtiſchem, grau oder grün⸗ lich gefärbtem Thon und Reſte von Pflan⸗ zen, deren Vermoderung ſoweit vorgeſchritten iſt, daß ſie eine braune oder ſchwarzbraune Färbung angenommen haben, — die ſogenannten Braunkoh⸗ len. Sie ſtammen ihrer größten Maſſe nach von dikotyledoniſchen Bäumen her; Ahorne, Eſchen, Ulmen, Eichen, Pappeln, Weiden, Nadelhölzer, aber ſämmtlich mit keiner der jetzt lebenden Arten übereinſtimmend, bildeten vor⸗ zugsweiſe die Baumvegetation der Braunkohlenformation. Von manchen Stämmen hat ſich noch vollſtändig die Holzſtructur erhalten; die Jahrringe a und Holzzellen können ſehr häufig ganz deutlich unterſchieden werden. (Fig. 33. Ein Schnitt im Sinne des Radius durch das foſſile Holz von Pinites ponderosus.) Auf die Wahrneh⸗ mung hin, daß Kohlenſäure ſtets in den Braun⸗ kohlenlagern ſich findet, hat Liebig folgende ſehr wahrſcheinliche Hypotheſe der Braunkohlenbildung gegründet. Er geht von der bekannten Zuſam⸗ menſetzung der Laubacher Braunkohle aus, welche enthält Kohlenſtoff 57 - 28 Waſſerſtoff 6-03 Sauerſtoff 36 - 10 Aſche 0.59 100 - 00 und wofür fi: die Formel C33 Ha 01s berechnet. Dieſe leitet Liebig aus der Gay⸗Luſſacſchen Formel des Eichenholzes (Ci HA 024) in der Weiſe ab, daß er 1 Aeg. Waſſerſtoff und 3 Aeg. Kohlenſäure von letzterer abzieht. Als Reſt bleibt dann alſo die Formel der Braunkohle. Hierbei wird aber angenommen, daß die Luft wenigſtens ſo viel Zutritt zu der Braunkohle hatte, um den Waſſerſtoff zu Waſſer zu oxydiren, daß dagegen ſämtlicher Sauer⸗ ſtoff der Kohlenſäure aus der Holzfaſer ſelbſt herrühre. ellen Te 30 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. 5 Formel des Holzes == Ci RZ hiervon ab 1 Waſſerſtoff und 3 Kohlenſäure = C, H 0, bleibt als Reſt Braunkohle CH Daß die Braunkohlenlager in einigem, wenn auch unvollkommenem Zuſammenhang mit der Luft ſtehen, hat die Beobachtung nachgewieſen; auch führen die Tagwaſſer, welche von oben her zu den Braumkohlen hinabſickern, immer Luft mit ſich. Die Mächtigkeit der Braunkohlenlager iſt ſehr verſchieden. Sie er⸗ reichen an einigen Orten die Ausdehnung von 150 Fußen. Die einzelnen Flötze ſind durch Lagen von Thon getrennt; dieſe kommen in Schichten von der Dünne einiger Linien bis zu mehrern Fußen vor. Viele von dieſen Tho⸗ nen find unter dem Einfluſſe der vermodernden Braunkohlen ihres Eifen- gehaltes beraubt worden; fie eignen ſich dann vorzüglich zur Porzellanberet⸗ tung. Beſonders gilt dies von denjenigen Thonen, welche durch ihre ganze Maſſe hin mit Fragmenten von Braunkohlen durchdrungen und dadurch dun⸗ kel gefärbt ſind. Die Ueberlagerung der Braunkohlen mit Thon iſt unzweifelhaft die Ur⸗ ſache ihrer Erhaltung geweſen. Durch den Thon wurden die Holzſtämme von der atmoſphäriſchen Luft faſt gänzlich abgeſchnitten, ihre Zerſetzung konnte daher nur in ſehr geringem Maaßſtabe von ſtatten gehen. An manchen Or⸗ ten erhielten ſich die Braunkohlen durch Baſalt, der über ſie hinfloß und dann erſtarrte. (Laubach, Meißner). Durch den heißflüſſigen Baſalt wurden die Thone mitunter gebacken, Abdrücke von Pflanzentheilen conſervirten ſich in Folge dieſes Umſtandes bis auf die gegenwärtige Zeit (Münzenberg in der Wetterau). Auch die Braunkohle ſelbſt erlitt in Berührung mit dem Baſalt Veränderungen; fie erſcheint an den Gontactftellen geradezu in Kohle ver⸗ wandelt. Die bedeutende Mächtigkeit vieler Braunkohlenlager deutet darauf hin, daß nicht die ganze Summe der Gewächſe, aus denen ſie entſtanden ſind, an der gegenwärtigen Lagerſtätte ſich erzeugt habe; wir müſſen hier, wie bei der Steinkohle, annehmen, daß ein Zuſammenflößen ſtattfand. Für diejenigen Braunkohlenlager, welche, wie das von Dorheim in der Wetterau, aus foſſilem Torf beſtehen, läßt ſich eine Erzeugung auf dem jetzigen Fundort zugeben. Die Braunkohlen find immer von Steinſalz, Gyps, Schwefeleiſen, Schwefelcaleium und Alaun begleitet. f Die Braunkohlenformation findet ſich in Böhmen, in der Lauſitz, in Kurheſſen am Meißner, bei Ringkuhl, am Habichtswalde, in der Wetterau (Salzhauſen, Dorheim, Langgöns, Laubach), im Weſterwalde und noch an vielen andern Orten. Die neptunifchen oder ſedimentären Gebilde. Diluvium. 31 b. Grobkalkformation. Sie iſt jünger als die eben betrachtete Braunkohlenformation und beſteht haupt⸗ ſächlich aus einem derben, im Bruch rauhen Kalkſtein von heller gelbliche oder graulicher Farbe, der an vielen Orten durch einen ungeheuren Reichthum von foſſilen Muſcheln ausgezeichnet iſt. Unter dieſen ſind die Geſchlechter Nummulina, Cucullea, Miliola zu nennen. Auch Reſte von Säugethieren, Fiſchen, Pflanzen kommen in der Grobkalkformation vor. | Der Grobkalk conſtituirt keine hohen Berge, er füllt mehr Fig. 34. Baſſin's und Becken aus. Mainz, Kaſſel, Paris u. ſ. w. Petrefacten: Cerithium plicatum (Fig. 34.), Litorinella acuta. 8 e. Tegelformation. Auch dieſe enthält einzelne Braunkohlenlager, doch von ſo geringer Mächtigkeit, daß nur ſelten der Abbau ſich lohnt. Die ausgezeichneten Glieder dieſer Formation ſind Thone (der ſog. Tegelthon in Böhmen hat der Formation den Namen ver⸗ liehen) Sand, Sandſteine, Süßwaſſerkalke, Gyps und Mergel. Auch die ſogenannte Nagelfluhe, ein in der Schweiz in bedeu⸗ i tender Mächtigkeit auftretendes Conglomerat, Fig. 35. ſcheint ihrem Alter nach in die vorliegende For⸗ mation zu gehören. Die Gebilde der Tegelfor⸗ mation kommen in England, Frankreich, Böh⸗ men, bei Wien, Mainz, Caſſel vor. Petrefaeten: Petunculus pulvinatus (Fig. 35.), die Geſchlechter Helix, Bulimus, Palu- dina, Planorbis u. ſ. w. Außerdem kommen mehrere, zum Theil wahrhaft gigantiſche Wir⸗ belthiere, wie Mastodon, Dinotherium, Me- gatherium vor, deren Knochen man ziemlich vollſtändig erhalten fand. 9. Gruppe des Diluvinms. Die auf die Molaſſegruppe zunächſt folgenden Veränderungen der Erd⸗ oberfläche nennt man die Diluvialbildungen. Sie fanden theils unter dem Einfluß der gewöhnlichen Kräfte der Verwitterung ſtatt, theils verdanken ſie ihre Entſtehung gewaltigen Fluthen, welche durch Hebungen und Senkungen des Landes und des Meeresgrundes hervorgerufen wurden. Die bedeutendſte Fluth dieſer Art ſcheint aus Südweſten gekommen zu ſein, darauf deutet wenigſtens die in dieſer Richtung zugeſpitzte Geſtalt der meiſten Continente (Afrika, Aſien, Südamerika, Europa) und vieler Inſeln hin. Durch dieſe 32 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Fluthen wurden Theile der bereits vorhandenen Geſteinsarten disloeirt und in manchen Gegenden zuſammengehäuft. Zwei merkwürdige Formationen dieſer Art laſſen ſich unterſcheiden — der Löß und die erratiſchen Blöcke. Die Lößformation findet ſich vorzüglich in den Niederungen der Flüſſe und an den flachen Küſten mancher Meere, doch iſt ſie auch über größere Länderſtrecken, entfernt von den Flüſſen und dem Meere, verbreitet. In Nord⸗ deutſchland beſteht ſie aus Geſchieben mannigfacher Art, deren abgerundete Form deutlich darauf hinweiſt, daß ſie in bewegtem Waſſer an einander gerie⸗ ben worden find. Der eigentliche Löß ift ein ſehr feinkörniger Lehm mit vorwiegendem Kalkgehalt. Durch Regenwaſſer oder durch Bäche werden faſt ſenkrechte Schichten von ihm abgelöſt, daher die Benennung. Der Löß findet ſich im Rheinthal von Baſel bis Bingen, aber er verzweigt ſich auch in die Seitenthäler des Rheins und geht ſelbſt bis in die höhern Gebirge hinauf, in denen er freilich nur neſterweiſe vorkommt. Bezeichnend für den Löß find Knollen von Mergel (die ſog. Lößkindel). Der Löß nimmt das Waſſer begierig auf und verwandelt ſich damit in einen ſchlammigen Brei, ebenſo ſchnell trocknet er aber auch wieder aus. Eine Menge a Süß⸗ waſſerconchylien findet ſich in den Lößablagerungen. a Neben dem eigentlichen Löß kommen noch Geſchiebe, Rollſteine und dergl. vor. Häufig, indeſſen nicht immer, laſſen ſich in der Nähe des Fundorts dieſer Geſchiebe die Muttergeſteine auffinden, von denen ſie ſtammen. Oefters ſind die Geſchiebe durch Süßwaſſerquarz und Raſeneiſenſtein verkittet. An manchen Orten herrſcht der Süß waſſerquarz vor und erſcheint dann mit⸗ unter in großen, von Höhlungen durchzogenen Blöcken, die wie angefreſſen ausſehen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Süßwaſſerquarze von der Verwitterung feldſpathartiger Geſteine herrühren. Die Kohlenſäure, gelöft in Waſſer, ſchied aus dieſen die Kieſelſäure ab; letztere wurde vom Waſſer fort⸗ geführt und ſammelte ſich local an. Auch Süßwaſſerkalkbildungen finden ſich in dieſer Formation. — Viele Lehm- und Thonlager gehören hinſichtlich der Zeit ihrer Ent⸗ ſtehung der Diluvialperiode an. Daſſelbe gilt von Knochenanhäufungen, die ſich in manchen Höhlen finden. Die Geſchöpfe der Diluvialzeit ſind höher organiſirte Arten; verſchiedene Säugethiere von mitunter rieſenmäßiger Größe, deren Gebeine 190 jetzt an vielen Orten ausgegraben werden. Pallas fand in den Eisablagerungen Sibiriens ſogar ein mit Fleiſch und Haut wohlerhaltenes Mammuth. Die plutoniſchen und dulfaniſchen Felsarten. 2 Fig. 36. Die erratiſchen Blöcke (Fig 36, ein ſolche Block von der Infel Moen) find Felſenfragmente von unterſchiedlicher Größe. Sie werden ſowohl unter und auf den Geſchieben der Lößformation, als auch auf den Geſteins⸗ bildungen früherer geologiſcher Perioden angetroffen. Faſt immer ſind aber die Muttergeſteine, von welchen ſie ſtammen, von der gegenwärtigen Lager⸗ ſtätte dieſer Blöcke weit entfernt. So iſt die ganze Norddeutſche Ebene mit erratiſchen Blöcken verſehen. Das Material derſelben ſtimmt ſo vollſtän⸗ dig mit den Graniten, Gneißen, Syeniten und Porphyren Scandinaviens über⸗ ein, daß man ihren Urſprung aus Schweden und Norwegen gar nicht in Zweifel ziehen kann. Verſchiedene Hypotheſen find über die Art des Trans⸗ ports aufgeſtellt worden. Die Beobachtung, daß in manchen Thälern der Schweiz durch Gletſcher bedeutende Geſteinsbrocken fortgeſchoben werden, gab zu der Annahme Veranlaſſung, daß auch die erratiſchen Blöcke der Norddeut⸗ ſchen Ebene auf dieſelbe Weiſe aus Scandinavien hinweggeführt worden ſeien. * + © 84 Ze Vierter ati Die lateuiſchen und die vulkaniſchen ten. 1. Allgemeines. Diejenigen Felsarten, welche ihren Urſprung aus einer feuerflüſſigen Maſſe herleiten und dabei eruptiv auftreten, zeigen keine regelmäßige Schich⸗ tung, wie die neptuniſchen, oder auch ſelbſt wie die kryſtalliniſchen Schiefer⸗ geſteine. Auch ihre Abſonderung iſt in den meiſten Fällen eine unregelmäßig maſſige, weßhalb man dieſelben auch als Maſſengeſteine bezeichnet. Die Textur dieſer Geſteine iſt kryſtalliniſch, doch beſitzen die Kryſtalle oft ſo geringe Dimenſionen, daß ſie mit bloßem Auge nicht unterſchieden werden können. Heyer, Bodenkunde. 3 3 Eutſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Die Kräfte, durch welche das Material der plutoniſchen und vulkaniſchen Fels⸗ arten durch die feſte Erdkruſte emporgetrieben wurde, ſind bereits Seite 4. angegeben worden. Das relative Alter der kryſtalliniſchen Maſſengeſteine wird nach dem bekannten Alter derjenigen neptuniſchen Gebilde geſchätzt, welche von ihnen durchſetzt worden ſind. Bei dieſem Vorgange fand entweder Schmelzung, oder Aufrichtung, oder Umſtülpung der letztern ſtatt. Das durchſetzte Geſtein iſt immer älter, als das durchſetzende. Findet ſich eine Schicht neptuniſchen Urſprungs über ein plutoniſches Geſtein gelagert, und iſt erſtes von letzterm nicht durchdrungen worden, ſo iſt das ſedimentäre Geſtein jünger als das plu⸗ toniſche. Uebrigens fanden die Eruptionen der Geſteine letzterer Art nicht gleichmäßig, ſondern in verſchiedenen Epochen ſtatt, und auch die Geſteine einer und derſelben plutoniſchen Gruppe zeigen deutliche Altersunterſchiedlichkeiten. Auch die Maſſengeſteine haben ſich mitunter gegenſeitig durchſetzt; man hat hierdurch Aufſchlüſſe über das relative Alter dieſer Geſteine unter ſich erhalten. Die Maſſengeſteine müſſen, zufolge ihres Urſprungs, frei von Petrefacten ſein. Wenn man dennoch manchmal, wiewohl in ſeltenen Fällen, Verſteine⸗ rungen in ihnen angetroffen hat, ſo rühren dieſe immer von Bruchſtücken der Sedimentargebülde her, welche durch die plutoniſchen Felsarten durchſetzt wor⸗ den ſind. Die Erkaltung der Maſſengeſteine fand, ſowie die der Eryftallinifchen. Schiefergeſteine, von Außen nach Innen ſtatt. Die Maſſengeſteine nehmen im Ganzen nicht ſo ausgebreitete Gebiete ein, als die ſedimentären Gebilde. Oft treten ſie nur in Stöcken oder Gän⸗ gen auf. | In dem Folgenden werden wir nun die einzelnen plutoniſchen und vul⸗ kaniſchen Felsarten nach ihrem Alter abhandeln, wobei wir von den zuerſt gebildeten zu den jüngern übergehen. 2. Gruppe des Grauits. In dieſe rechnet man drei Felsarten, deren relatives Alter noch nicht gehörig ausgemittelt worden iſt, den Granit, Syenit und Granulit. a. Der Granit. * Bufammenfegung. Der Granit beſteht aus Feldſpath, Quarz und Glimmer. Man unter ſcheidet folgende Abarten: 1) Protogyn. Er enthält Talk anſtatt des Glimmers. 2) Pechmatit. Der Glimmer iſt in einzelne Neſter zurückgedrängt. 3) Schriftgranit iſt ein Pechmatit, in welchem Quarz und Feld⸗ ſpath ſo verbunden ſind, daß ſchriftähnliche Figuren entſtehen. 4) Greiſen iſt ein Granit, in welchem der Feldſpath fehlt, beſteht alſo blos aus Quarz und Glimmer. Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 35 Der Granit erſcheint grob⸗ und feinkörnig. Oft treten einzelne Kry⸗ ſtalle in ſo bedeutenden Dimenſionen hervor, daß dadurch das Geſtein ein porphyrartiges Anſehen erhält. 8. Verbreitung. Der Granit findet ſich in Deutſchland in den Alpen, m Barker, im Erzgebirge, im Böhmer Wald, im Mähriſchen Gebirge, in den Sudeten, im Baieriſchen Wald und im Fichtelgebirge, im Harz, im . Wald, im Speſſart, Odenwald und Schwarzwald. 5 7. Bergformen. . Dieſe ſind höchſt mannigfacher Art. Im Allgemeinen bildet der Granit da, wo er mit bedeutenden Maſſen auftritt, plumpe, abgerundete Berge; auf dieſen aber und da, wo er nur in kleinern Parthien erſcheint, zeigen ſich zackige ſchroffe Felſen mit ſteilen Abhängen und Klippen (Roßtrappe im Harze). Die Wände der Thäler ſind oft ſteil, tief eingeſchnitten und mit einzelnen Felsvorſprüngen beſetzt. Zuweilen finden ſich auf den Granitgebirgen ſoge⸗ nannte Felſenmeere, d. h. Haufwerke von Granitblöcken, die auf und neben einander liegen, wie im Fichtelgebirge, im Böhmerwald u. ſ. w. Abgerun⸗ dete Blöcke dieſer Art nennt man auch Wollſäcke. Die Granitberge ſind ge⸗ wöhnlich mit ſogenanntem Granitgrus bedeckt, d. i. in kleine Brocken zer⸗ fallener Granit. > J. Verhalten gegen andere Felsarten. Von Granit ſind nur die ältern Sedimentärgeſteme (nebſt den kryſtalli⸗ niſchen Schiefergeſteinen) durchſezt worden. Wahrſcheinlich gehen die Granit⸗ eruptionen nicht über die Grauwackengruppe hinaus, d. h. nach Ablagerung dieſer Gruppe hörten die Graniteruptionen auf. Daß der Granit bei ſeinem Hervortreten an die Erdoberfläche oft ſchon ſo weit abgekühlt war, um eine ſelbſtändige Form bewahren zu können, beweiſen die ſchroffen Felszacken auf den Gipfeln vieler Berge. Dann hat der Granit aber auch wieder in ganz feinen Adern und förmlich netzförmig manche Geſteine durchdrungen, was wieder auf eine Dünnflüſſigkeit zur Zeit feiner Verbreitung in dieſen Ge⸗ ſteinen hindeutet. Durchſetzungen von Graniten durch Granite gehören kei⸗ neswegs zu den Seltenheiten und kommen u. A. bei Heidenberg, am Mont⸗ blane (Durchſetzung von Granit durch Protogin) vor. 1 b. Der Syenit a. beſteht aus 8 und e e Durch Aufnahme von Quarz und Glimmer bilden ſich Uebergänge in Granit. 8. Seine Verbreitung iſt geringer als die des Granits. Er findet ſich im Erzgebirge, in Sachſen, Thüringen, im Odenwalde u. ſ. w. y. Die Bergformen des Syenits find einfacher als die des Granits. Ein Felſenmeer von Granitblöcken findet ſich bei eh im Odenwalde. 9 a 36 Entftehung der feſten Erdrinde und des Bodens. e. Der Granulit f enthält blos Feldſpath und Stine Häufig auch Granaten, und be⸗ ſizt eine geringe Verbreitung. Er kommt im Erzgebirge und im Odenwald eee vor. Der Granulit . kent nur hagelges m; 3, Gruppe des 4 ER J ä 5 i Unter den plutoniſchen Gebilden ſchließt ſch die l des Stun zunächſt an die des Granits an, ſo zwar, daß auch noch während der Pe⸗ riode der Graniteruptionen Ausbrüche von Grünſteinen erfolgten. Auch in ihrer Zuſammenſetzung ſtehen manche Grünſteine den geäniüſchen n (insbeſondere dem Syenit) ſehr nahe. ie a. Die Geſteine der Grünfteingruppe find folgende: a. Amphibolit. Beſteht vorzugsweiſe aus dunkelgrüner bis ſchwar⸗ zer Hornblende, zu welcher bisweilen etwas Albit, Quarz und Glimmer hinzukommen. 56. Diorit. Nach Roſe ein körniges Gemenge von Albit und HDornblende. 5 . Serpentin. Beſteht aus Kiefelfäure, Tabterde, Eiſen⸗ oxydul und Waſſer. d. Gabbro. Körniges Aggregat aus Labrador oder Sauffurtt und aus Diallag oder Smaragdit. e. Hyperit. Enthält een und Labrador in ge =; | Gemenge. 5 Tb. Eklogit. Enthält Smaragdit und Granat > . Aphanit. en Raten e aus Bornötenbe und Albit.“ ö Diabas oder eigentlicher Grünſtein. Kötniges Gemenge von Labrador: oder Oligoklas-Feldſpath mit Augit und Chlorit. Eine Abart des Diabaſes iſt der Schalſtein, von en Fer ne r ſpäter die Rede ſein wird. . Verbreitung. Auch die Grünſteine ſind über die ganze Erbe verbreitet, doch nehmen ſie nicht fo bedeutende Gebiete, wie die Geſteine der Granitgruppe ein. Sie finden ſich in dem Rieſengebirge, den Sudeten, dem Erzgebirge, im Fichtel⸗ gebirge, im Harz, im Rodhargebirge, im Odenwald, in Naſſau (Schalſtein), in den Alpen (Serpentin). c. Verhalten gegen andere Geſteine. Von den Grünſteinen ſind nachweislich die kryſtalliniſchen Schieferge⸗ ſteine, der Granit, das Steinkohlengebirge und die Formation des Rothliegen⸗ den durchſetzt worden. Sehr merkwürdige Veränderungen erlitt der Thon⸗ Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 37 ſchiefer in Contact mit den Grünſteinen. Er wurde gebleicht, in Jaspis ver⸗ wandelt und vielfach gebogen und gewunden. Dabei drang der heißflüſſige Grünſtein oft in ganz dünnen Lamellen zwiſchen die Lagen des Thonſchiefers ein. Kalk, in Berührung mit Grünfteiu, nahm kryſtalliniſches Gefüge, Sand⸗ ftein die bei dem Grünſtein häufige maſſige, knollige, kugel⸗ und ſäulenförmige Abſonderung an. Der Schalſtein erſcheint oft zwiſchen Lagen von Stringoce· phalenkalk eingekeilt (Naſſau). d. Bergformen. - Die Grünſteine treten uber der Erde ſelten in geößern Maſſen wf ſon⸗ dern kommen mehr in kleinen Kuppen zu Tage. Dagegen ſind viele andere Geſteine, namentlich kryſtalliniſche Schiefergeſteine, durch Grünſtein gehoben worden, und es iſt in dieſem Falle die Oberflächengeſtaltung durch die Grün⸗ ſteine bedingt. Berge der Art zeigen von ihrem Fuße an eine kreisbogenför⸗ mige Anſteigung, während den Gipfeln die Geſtalt von flachen Kegeln eigen iſt (Rodhargebirge). Die Schalſteine formiren im Ganzen ebenes, oder doch nur hügeliges Land. Der Serpentin ſoll in Rußfanz und Sibirien bedeutende Berge zuſammenſezen. N Die Grünſteine ſind ausgezeichnet durch ihren Reichthum an n Rufe und 93 (Harz, Nordamerika). > 4. Gruppe des gerfitparphnre, a. Zufammenſetz ung. cr. Der eigentliche Felſitporphyt beſteht aus einer dichten Grund⸗ maſſe und aus eingewachſenen Kryſtallen (Einſprenglingen). Die Grundmaſſe iſt ein ſcheinbar gleichartiges, höchſt inniges Gemenge von Feld⸗ ſpath, Quarz und Glimmer, die Einſprenglinge beſtehen aus Kryſtallen von denſelben Mineralien, alſo gleichfalls Feldſpath, Quarz und Glimmer. Je nachdem eines oder das andere von dieſen vorherrſcht, nennt man den Porphyr: Feldſpathporphyr: Quarzporphyr, Glimmerporphyr. f Früher unterſchied man nach der dichtern oder lockerern Conſtitution der Grundmaſſe: Feldſteinporphyre und Thonſteinporphyre. Dieſe Ein⸗ theilung muß, da ſie nur auf der mehr oder weniger vorgeſchrittenen Verwit⸗ terung beruht, fallen gelaſſen werden. 8. In die Gruppe des Felſitporphyrs gehört auch der Pechſtein und Pechſteinporphyr. Dieſe beſtehen aus der in einander gefloffenen Maſſe des Porphyrs. nee Die Porphyre find ſehr weſentlich 9 durch das Vorkommen von oft ungeheuren Conglomeratmaſſen, welche entſtanden ſind durch Einwir⸗ kung der Porphyre auf ſedimentäre Geſteine. So beſteht das Conglomerat im Schwarzwald und den Vogeſen aus Brocken von Porphyr und rothem Sandſtein nebſt rothem Thon. Dieſes Conglomerat geht ganz unmerklich in 38 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. den Sandſtein über. In Sachſen beſteht das Conglomerat aus Porphyr und Thonſchiefer. Die Formation des Rothliegenden ſcheint ihre Entſtehung zum größten Theil den Porphyren zu verdanken. f Die bei den Porphyren gewöhnlichen Abſonderungsformen ſind neben der maſſigen die kugelige, plattige und ſäulenförmige. Es giebt Säulen von 60 Fuß Länge bei einem Durchmefjer von nur wenigen Sollen, b. Verbreitung. Der Porphyr findet ſich allenthalben, doch ſelten it in größern zuſammen⸗ hängenden Gebieten. In den Alpen, in Tyrol, im Schwarzwald, den Vo⸗ geſen, an der Nahe bei Kreuznach, im Odenwald, im Thüringer Wald, im Königreich Sachſen, im Harz (Auerberg bei Stolberg), in e den Su⸗ deten, im Rieſengebirge. e. Verhalten zu andern Geſteinen. Daß die Porphyre Veranlaſſung zur Bildung von Conglomeraten gege⸗ ben haben, iſt ſoeben erwähnt worden. Durchſetzungen andrer Geſteine von Seiten des Porphyr hat man vielfach beobachtet und zwar beim Granit, Thonſchiefer, Gneiß, Glimmerſchiefer, buntem Sandſtein u. ſ. w. N d. Bergformen. . Der Porphyr bildet ſelten abgerundete Berge, ſondern meiſt einzelne klippenartige Höhen mit ſcharfen, zackigen Kanten, oder doch, wo dieſe Spitzen fehlen, kegelförmige Erhebungen, die faſt immer unter einem ſtarken Winkel anſteigen. Die einzelnen Porpbtbenge erſcheinen dabei iſolirt und ohne Zu⸗ ſammenhang. 5. Gruppe des Melaphyrs. a. Bufammienfegung. Auch der Melaphyr beſteht aus einer Grundmaſf e und aus Ein ſprenglingen. Ueber erftere ift man noch nicht recht im Klaren. Sie ſcheint zum größten Theil aus Labrador zu beſtehen. Ihre röthlich⸗braune Farbe verdankt fie einem Gehalt von Braunſpath (Ca 0 CO Mg 0 0 02 +Fe0C0,). Iſt fie gründlich gefärbt, jo rührt dies von Chlorit her. Die Einſprenglinge ſind wahrſcheinlich nur Producte der Verwit⸗ terung. Sie beſtehen aus Braunſpath, Kalkſpath, Schwerſpath u. ſ. w. und kommen in Form von Mandeln vor. Der Melaphyr iſt ſtellenweiſe vollſtändig von Blaſenräumen durchzogen. Kugelige Abſonderung tritt nicht ſelten auf. — b. Verbreitung. In den ausgedehnteſten Maſſen kommt der Melaphyr in den Alpen vor, woſelbſt er viele ſedimentäre Geſteine gehoben hat. Er ſteht dort in einem ſehr innigen Verhältniß zu den Dolomiten. Außerdem findet er ſich im Hundsrück, Odenwald, Thüringer Wald, Sachſen, Schleſien und Böhmen. 0 Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 39 e. Bergformen. In den Alpen bildet der Melaphyr da, wo er zu Tage tritt, anſehnliche, abgerundete Berge. Im übrigen Deutſchland nimmt er meiſt ebne Lagen ein, aus denen ſich einzelne Kuppen erheben. d. Durchſetzungen 5 find u. A. bei Oberhohendorf in Sachen (im Rothliegenden) und im Plauen⸗ ſchen Grunde bei Dresden (im Syenit) bemerkt worden. Der Melaphyr umfaßt diejenigen Geſteine, welche man früher Augit⸗ porphyr, Mandelſtein, Trapp, Trappmandelſtein genannt hat. 6. Gruppe des Bafaltes, Phonoliths und Trachyts. . Baſalt. c. Zuſammenſetzung. Nach neueren Unterſuchungen beſteht der Baſalt aus Labradorfeld— ſpath, Augit, Magneteiſen und einem waſſerhaltigen Thonerde— filieat (Zeolith). Hierzu kommt noch, wiewohl in nicht conſtantem Verhält⸗ niß und nicht gleichmäßig durch die Maſſe des Geſteins vertheilt, Olivin, der ſowohl in mikroſcopiſch kleinen Partikeln, als in Klumpen von der Größe eines Kinderkopfes auftritt und ſich durch ſeine grüne Farbe aus⸗ zeichnet. Der Baſalt iſt ſtellenweiſe ganz und gar von mehr oder weniger großen Blaſen durchzogen, die häufig mit Zeolithen (Meſotyp, Chabaſit, Thomſonit, Epiſtilbit, Harmotom u. ſ. w.) ausgekleidet ſind. Zuweilen zieht ſich ein Strich von größern Blaſen durch das kleinlöcherige Geſtein hindurch. Fig. 37. Treten die einzelnen Beſtandtheile ſo auseinan⸗ 5 der, daß ſie deutlich unterſchieden werden können, ſo heißt das Geſtein Dolerit, ſind ſie dagegen innig und bis zum Unkennbaren gemengt — Ana- meſit. Nicht ſelten iſt Nephelin ein Begleiter des Dolerits (Katzenbuckel im Odenwald). Eine der häufigſten Abſonderungsformen des Ba- faltes iſt die prismatiſch ſäulenförmige mit fünf oder ſechs Seitenflächen (Fig. 37.). Die Dicke der Säulen dig. 38 ſchwankt von weniger als einem Zoll bis zu mehreren E Fußen. Auch die Längenausdehnung iſt ſehr ver ſchieden. Meiſt ſind die Säulen gegliedert, zuweilen ſind dann die Ränder einer ſolchen Säule übergrei⸗ fend, ſo daß die obere Fläche derſelben eine Vertie⸗ fung hat (Fig. 38.). Auch kommen im Zickzack ge⸗ bogene Säulen vor. Die Säulen ſtehen nicht immer ſenkrecht auf die Erdoberfläche, ſondern gehen häufig 40 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ” radienförmig von einer kleinen Baſis aus und neigen ſich dann in einem Bo⸗ gen wieder zur Erde. Wir haben ſchon früher erklärt, daß die Säulenbildung nichts Anderes, als eine Abſonderung ſei; ſie wurde durch einſeitige Erkaltung der heißflüſſgen Maſſe hervorgerufen. Indeſſen ſetzt die ſäulenförmige Abſon⸗ derung eine Gleichartigkeit des geſchmolzenen Materials und langſame Abküh⸗ lung voraus. In Irland und Frankreich beſteht die Oberfläche großer Län⸗ derſtrecken nur aus den Köpfen ſolcher Baſaltſäulen; ſie bilden die ſogenann⸗ ten Rieſendämme. Daß der Baſalt in Berührung mit buntem Sandſtein auch den letztern zur Abſonderung in Säulen veranlaßte, haben wir bereits an einem andern Orte erwähnt. — Auch die plattige und kugelige Abſonderung tritt beim Baſalte nicht ſelten auf; am häufigen kommt aber die unregel⸗ mäßig maſſige vor. Begleiter des eigentlichen Baſaltes ſind bie Wade, Baſalt⸗Conglo⸗ merate und Tuffe. Unter Wade verfteht man eine erdige Abänderung des Baſaltes mit grünlicher, gelb-brauner oder röthlicher Farbe und flachmuſch⸗ ligem, rauhem Bruch, häufig durch eingewachſene Kryſtalle, z. B. von Augit, Magneteiſen, Glimmer, Hornblende, Feldſpath ein porphyrartiges Ausſehen annehmend. Die Wacke fühlt ſich etwas fettig an und hinterläßt, wenn man ſie mit dem Nagel eines Fingers reibt, einen glänzenden Strich. Auch Bla⸗ ſenräume, zum Theil mit Kalkſpath, Arragonit oder zeolithartigen Mineralien ausgefüllt, kommen in der Wacke vor. Ob dieſelbe eine urſprüngliche Bildung oder ein Produkt der Verwitterung des Baſaltes ſei, iſt noch zweifelhaft. Ge⸗ wöhnlich erſcheint die Wacke als ein die Baſaltſtöcke einhüllender Mantel. Sie conſtituirt mitunter beträchtliche Gebirgsmaſſen. — Der Baſalttuff hat mit der Wacke große Aehnlichkeit, nur ſind in ihm die Einſprenglinge vor⸗ herrſchend, und die Wacke macht nur den Teig, durch welchen ſie verkittet werden, aus. Erhält das Bindemittel die Oberhand, ſo geht der Tuff in Wade über. — Das Baſalteonglomerat enthält denſelben Kitt, außer⸗ dem aber Fragmente von Baſalt. Auch dieſe Geſteinsart findet ſich mitunter iſolirt vom eigentlichen Baſalt, in Gängen und Spalten, öfters auch für ſich allein kleinere Berge zuſammenſetzend. Der Baſalt iſt von Farbe kohlſchwarz, blauſchwarz oder grünſchwarz. Die blaſigen Varitäten Nane gewöhnlich hellere (graue, röthliche) Färbung. b. Verbreitung. Die beiden größten Baſaltlager in . haben die Auvergne und das Vogelsgebirge aufzuweiſen. Außerdem kommt der Baſalt in kleinen Kuppen durch faſt alle Gebirge hin zerſtreut vor. In größerer Häufigkeit erſcheinen die Eruptionen des Baſaltes in dem Gebiete zwiſchen der Eifel und dem Erz⸗ gebirge. Die hohe Rhön, der Weſterwald und das Vogelgebirge beſtehen faſt ganz aus Baſalt. Böhmen beſitzt eine ſehr große Zahl von Baſaltkuppen. Andere Orte ausgezeichneten Vorkommens ſind der Habichtswald und der . Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 41 Meißner in Kurheſſen, der Thüringerwald, das Fichtelgebirge, die Sächſiſche Schweiz (Großer und Kleiner Winterberg), das Erzgebirge, der Odenwald, das Siebengebirge bei Bonn, die Eifel, der Kaiſerſtuhl im Breisgau. — Der Dolerit kommt ſehr ſchön am Katzenbuckel im Odenwald, bei Weiches im Vogelsgebirge, Auſſig in Böhmen, auf den Fardernoor; der Anameſit unter andern bei Steinheim in der Nähe von Frankfurt a. M., in Böhmen e. 7 Bergformen. Wo der Baſalt in größern Maſſen auftritt, wie im Vogelsgebirge und im Weſterwald, da bildet er Plateaus mit wellenförmiger Terraſſirung und weniger ausgezeichneten Spitzen. Das ganze Gebirge erſcheint als ein Kugel⸗ ſegment. Iſt aber der Baſalt vereinzelt aus andern Gebirgsformationen, ins⸗ beſondere den ſedimentären, hervorgebrochen, ſo zeigt er eine von der vorigen f f £ ganz verſchiedene Geſtal⸗ Fig. 39. tung; ſeine Berge ſind nämlich alsdann auffal⸗ lend kegelförmig (Fig. 39, die Baſaltkegel Gleiberg und Vetzberg bei Gießen) und häufig iſt deren Spitze aus nach oben hin con⸗ vergirenden Säulen zu⸗ ſammengeſetzt. 8 2 9. Verhalten zu andern Geſteinen. Der Bäſalt durchſetzt alle ſedimentären Schichten, mit Ausnahme der Diluvialgruppe, ferner alle bis jetzt aufgeführten plutoniſchen Geſteine. Erſtere find dadurch an den Berührungsſtellen häufig umgeändert worden. Sand⸗ ſtein wurde geſchmolzen, zuſammengebacken und gefrittet oder nahm die ſäu⸗ lige Abſonderung des Baſaltes an; Thon und Schieferthon wurde in eine ziegelartige, Thonſchiefer und Grauwacke in eine ſteingutähnliche Maſſe ver⸗ wandelt und gleichfalls nicht ſelten ſäulig abgeſondert, Braunkohlen verkohlt. Merkwürdiger Weiſe zeigt der bunte Sandſtein in Contact mit Baſalt häufig eine hellere Färbung. Der Feldſpath und Quarz des Gneißes wurde in Be⸗ rührung mit Baſalt geſchmolzen. Alle dieſe Thatſachen weiſen unwiderleglich darauf hin, daß der Baſalt in feuerflüſſigem, geſchmolzenem Zuſtand aus dem Erdinnern emporgedrungen iſt. Der Baſalt hat viele Aehnlichkeit mit der Lava der noch heutiges Tages thätigen Vulkane, ſeine Oberfläche erſcheint öfters, gerade wie die Lava, verſchlackt. In dem Franzöſiſchen Baſaltgebiete hat man frühere Krater und Baſaltſtröme beobachtet, gerade wie am Veſuv oder Aetna. Im Vogelsgebirge findet ſich ein ſogenanntes Felſenmeer, welches aus unge⸗ heuren Baſaltblöcken beſteht. Indeſſen erfolgten die Ausbrüche des Baſaltes nicht alle gleichzeitig; es laſſen ſich verſchiedene Perioden in denſelben unter⸗ P f 42 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ſcheiden. Durchſetzungen von Baſalt durch Baſalt ſind an vielen Orten z. B. bei Lauterbach im Großherzogthum Heſſen, aufgefunden worden. Auf die Beziehungen des Baſaltes zur Braunkohlenformation wurde ſchon früher aufmerkſam gemacht. 5 Als ſpecielles Beiſpiel für die Durchſetzungen ſedimentärer Bildungen durch Baſalt führen wir den Ziegenkopf am Habichts⸗ wald an. a, a in Fig. 40. be⸗ deuten Braunkohlen- Thon und Sand, b, b das eigentliche Braunkohlenla⸗ ger, e compacten Baſalt, d Bafalteonglomerat. b. Phonolith. c. Zuſammenſetzung. 5 kind, Der Phonolith führt feine Benennung von dem Griechiſchen i — Klang und Aldos S Stein; zu Deutſch heißt alſo Phonolith Klingſtein; dieſe Bezeichnung rührt davon her, weil die Platten dieſes Geſteins beim Schla- gen mit dem Hammer einen hellen Ton hören laſſen. Er beſteht aus einer Grundmaſſe mit Einſprenglingen. Erſtere iſt aus einem Kali-Natronfeld⸗ ſpath und einem Zeolith zuſammengeſetzt. Die Einſprenglinge werden von glaſigem Feldſpath, den man Sanidin nennt, gebildet. Der Phono⸗ lith beſitzt meiſt eine graue Farbe, doch kommt auch die gelbgraue und röth⸗ liche vor. Eine für den Phonolith beſonders characteriſtiſche Abſonderungs⸗ form iſt die plattige; doch findet ſich auch die ſäulige, kugelige und am häufig⸗ ſten die unregelmäßig maſſige Die Phonolithplatten ſind oft ſo dünne, daß ſie, wie Schiefer, zum Dachdecken benutzt werden. Druſenräume ſind nur ſelten mit Zeolithen ausgekleidet. N B. Verbreitung. f Der Phonolith nimmt nicht ſo bedeutende Strecken Landes ein, wie der Baſalt; indeſſen findet man ihn in einzelnen Kuppen durch das ganze Baſalt⸗ gebiet hin. In größerer Ausdehnung trifft man den Klingſtein in dem Rhön⸗ gebirge (Milſeburg, Pferdekopf) und in Böhmen (Biliner Stein, Teplitz, Carls⸗ bad). Außerdem kommt er bei Andernach, am Kaiſerſtuhl bei Freiburg, in Schottland, Ungarn, Spanien, auf Teneriffa u. ſ. w. vor. | 5 7. Bergformen. — Dieſe ſind denen des Baſaltes ähnlich, doch bildet der Phonolith eher freiliegende maſſige Berge, als der Baſalt. Sehr characteriſtiſch zeigt ſich die Bergform des Phonoliths an der Milſeburg; von fern geſehen gleicht ſie einem Die plutonifhen und vulkaniſchen Felsarten. 43 beladenen Wagen. Steile Abhänge auf der einen und allmähliges Anſteigen auf der andern Seite machen die Phonolithberge ſchon von weitem kenntlich. Verhalten zu andern Geſteinen. Der Phonolith durchſetzt die nämlichen plutoniſchen und ſedimentären Gebilde, wie der Baſalt und auch ſehr häufig den letzten ſelbſt, während um⸗ gekehrt Durchſetzungen von Phonolith durch Baſalt ſeltener vorkommen. Des⸗ halb iſt jener auch wahrſcheinlich in den meiſten Fällen das jüngere Geſtein. Sandſteine und Thone haben in Berührung mit dem Klingſtein die beim Baſalt beſchriebenen Veränderungen erlitten. Tuffe und Conglomerate finden ſich im Phonolithgebiet ſeltener. c. Trachyt. cr. Zuſammenſetzung. Die Grundmaſſe des Trachyts beſteht aus Magneteiſen und Feldſpath; in dieſer finden ſich Einſprenglinge von Sanidin. Letzterer beſitzt zuweilen ſehr beträchtliche Dimenſionen; Stücke von der Größe einer Wallnuß bis zu der⸗ jenigen einer Pomeranze ſind nichts ſeltenes. Die Farbe des Trachyts iſt die nämliche, wie die des Phonoliths. Seltenere Einſprengſinge ſind Hornblende und Glimmer. Oft iſt der Trachyt porös und ſelbſt blaſig, und auch Druſen⸗ räume bis zu einem Fuß Weite kommen vor. Die Abſonderungsformen des Trachyts ſind die unregelmäßig maſſige, ſäulige, platten⸗ und auch wohl die kugelförmige, doch trifft man die fäulige nicht ſo häufig, wie bei dem Baſalt an. Der Trachyt geht öfters in Phono⸗ lith über. Auch von Trachyt kennt man Tuffe und Conglomerate. 6. Verbreitung. In Deutſchland kommt der Trachyt ſehr vollſtändig entwickelt im Sie⸗ bengebirge bei Bonn (Drachenfels, Wolkenburg) vor. In der Rhön finden wir ihn am Pferdekopf, in Böhmen, Ungarn, auf der Inſel Teneriffa (Pie de Teyde). In der Auvergne wird eine Reihe von Gebirgsgipfeln von einem dem Trachyt verwandten Geſtein, dem Domit gebildet (Puy de Dome). Mit dem Domit nahe übereinſtimmend iſt der Andeſit der Cordilleren von Ame⸗ rika. Die höchſten Berge dieſer Kette (Chimborazo Pitchincha u. ſ. w.) beſte⸗ ER hen aus Andeſit. Auch der Dawalaghiri Fig. 41. in Aſien ſoll ein Trachytberg ſein. 7. Bergformen. Dieſe ſind denen des Baſaltes ähn⸗ lich, nur mehr dom- und glocken- als ke⸗ gelförmig. (Fig. 41. Pic de Teyde auf Te- neriffa). Große durch Klüfte getrennte Blö⸗ cke kommen ziemlich häufig im Gebiete des Trachyts vor. f * 44 ‚Entftehung der feften Erdrinde und des Bodens. J. Verhalten zu andern Geſteinen. Der Trachyt durchſetzt die nämlichen Formationen, wie der Baſalt und Phonolith. Gegenſeitige Durchſetzungen von Trachyt und Baſalt ſind häu⸗ figer, als von Trachyt und Phonolith. 7. Gruppe der Vulkane. a. Sufammenfegung der vulkaniſchen Wine Die Geſteine, welche die Producte der Vulkane ausmachen, ſchließen ſich in ihrer Zuſammenſetzung ſehr nahe an Baſalt, Phonolith und Trachyt an. Die Auswürflinge der Vulkane beſtehen in Lava, Obſidian, Bimsſtein, Pechſtein, Perlſtein, Traß, Tuff, Lapilli u. ſ. w. Alle dieſe Geſteine find Doppelfilicate von kieſelſaurer Thonerde mit kieſelſauren Alkalien oder kie⸗ ſelſaurem Kalk. 5 Die Lava hat die größte Aehnlichkeit mit den Schlacken unſerer Hoch⸗ öfen. Der Obſidian beſitzt das Anſehen eines ſchwarzen, auch wohl blauen, gelben, rothen Glaſes, er hat vollkommen muſchligen Bruch und durchaus kein kryſtalliniſches Gefüge. Er kommt ſowohl in dicken Brocken, als in kleinern Körnern vor. Oft iſt der Obſidian ganz und gar von größern und kleinern Blaſen durchzogen; man nennt ihn alsdann Bimsſtein. Dieſer ſchwimmt wegen der vielen lufterfüllten Räume, die er enthält, auf dem Waſſer. Der Traß beſitzt erdige Beſchaffenheit und das Anſehen von Mauermörtel, er iſt leicht zerreiblich. Man kann ihn als erdigen Trachyt betrachten. Die Lapilli ſind kleinere Fragmente der Lava; oft beſtehen ſie ganz aus Augit oder Magnet⸗ eiſen. Die Oberfläche der vulkaniſchen Berge in der Nähe der Krater iſt oft mehrere Fuß dick von den Lapilli bedeckt. b. Verbreitung. Man unterſcheidet die Vulkane in 911000 ene und noch thätige: Don letzteren finden ſich in Deutſchland keine; dagegen hat man unzweifelhafte Spuren von erloſchenen Vulkanen bemerkt, wie z. B. in der Eifel in der Um⸗ gebung des Laacher See's, nicht weit von Andernach am Rhein. Die Eifel iſt weſentlich ein Baſaltgebirge, welches ſich indeſſen von andern baſaltifchen Bildungen (wie z. B. Vogelsgebirge, Rhön u. ſ. w.) durch häufige Schlacken, Obſidian, Bimsſtein u. ſ. w. unterſcheidet. Die Eifel enthält viele ausge⸗ brannte Krater, die zum Theil mit Waſſer angefüllt ſind und kleine Seen bil⸗ den. Man nennt ſie Maare. Wir führen hier nur das Bertricher, Wein⸗ felder, Meerfelder und Pulver⸗Maar an. Auch der Laacher See iſt nichts an⸗ deres, als ein ſolches Maar. Vielfach iſt der Boden in der Eifel mit Sprün⸗ gen durchzogen, aus welchen Kohlenſäure ſtrömt. — Ein anderer bemerkens⸗ werther erloſchener Vulkan iſt der Kammerbühl bei Eger in Böhmen. Wenn demſelben zwar der Krater fehlt, ſo iſt doch die vulkaniſche Natur des Ge⸗ — Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten. 45 birges durch eine große Menge Schlacken bewieſen. — Auch in der Auvergne iſt die Oberfläche vieler Baſaltberge förmlich verſchlackt. Von den noch jetzt thätigen Vulkanen unterſcheidet man nach der Art ihrer Verbreitung wieder Central⸗ und Reihenvulkane. Zu erſteren gehört die Gruppe des Aetna, Veſuv und der Lipariſchen Inſeln, ferner die Vulkane Islands (Hekla), diejenigen der Canariſchen Inſeln. Sie ſind um einen gemeinſamen Mittelpunkt gruppirt. Reihenvulkane finden wir in dem großen Gebirgszuge der Anden, welcher von Mexiko aus über Guatemala nach dem Feuerland auf der Weſtküſte Amerikas hinläuft. Wir nennen von ihnen nur den Acongagua, Chungara, Antiſana, Cotopaxi, Tolima und Jorullo. Auch die Inſel Japan enthält Reihenvulkane. e. Näheres über die vulkaniſchen Erſcheinungen. Der Ausbruch eines Vulkans iſt gewöhnlich durch vorhergehende Erd— beben angedeutet, welche in einer wellenförmigen Erhebung und Senkung der Erdoberfläche beſtehen und ſich in den meiſten Fällen weit über das von den Auswürflingen des Vulkans erreichbare Gebiet hinaus erſtrecken. Die Erd⸗ beben richten häufig bedeutende Zerſtörungen an. (Erdbeben von Liſſabon im Jahr 1755.) Tritt ein wirklicher Ausbruch des Vulkans ein, fo. bemerken wir zuerſt, daß aus dem Krater große Dampfmaſſen ausgeſtoßen werden, welche Steine u. ſ. w. mit ſich emporſchleudern. Dann erſcheint eine Feuerſäule, welche höchſt wahrſcheinlich von entzündeten brennbaren Gaſen herrührt, hierauf folgt erſt die glühende Lava. Während dieſer Ereigniſſe durchzucken Blitze die Luft, auch fällen heftige Regengüſſe. Die Lava fließt den Seitenflächen des Vul⸗ kans entlang und erkaltet erſt nach längerer Zeit. Oft wird ſie von ausge⸗ ſchleuderter vulkaniſcher Aſche (mineraliſchen Urſprungs) überdeckt. Die wenigſten Vulkane ſind fortwährend in Thätigkeit, oft vergehen von einem Ausbruch zum andern Hunderte von Jahren. Einige Vulkane werfen nicht Aſche und Lava, ſondern Schlamm und Waſſer aus. Solche finden ſich vorzüglich in Italien und Sieilien. Man nennt ſie Salſen. Auch Kohlen⸗ waſſerſtoffgas, Stickgas, reines Waſſerſtoffgas, Hchweffnknſerſtoff werden von einigen Vulkanen entwickelt. Die vulkaniſchen Eruptionen unterſcheiden ſich von den plutoniſchen nicht blos nach der Zeit ihrer Thätigkeit, ſondern auch noch hauptſächlich dadurch, daß die plutoniſchen Ausbrüche aus einer und derſelben Oeffnung nur ein⸗ mal ſtattfanden, während die Eruptionen der eigentlichen Vulkane ſich öfters wiederholen. 8 Ueber die Urſachen der vulkaniſchen Erſcheinungen können wir nur Hy⸗ n potheſen aufſtellen. Da, wie wir ſpäter ſehen werden, die Wärme von der Erdoberfläche aus nach dem Mittelpunkt in ſolchem Maaße zunimmt, daß ſchon 46 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens in einer Tiefe von etwa 12 Meilen ſämmtliche Metalle und auch diejenigen Körper, welche die Auswürflinge der Vulkane bilden, geſchmolzen ſein müſſen, ſo werden wir darauf hingewieſen, die Lava ꝛc. als Fragmente des heißflüſ⸗ ſigen Erdkerns anzunehmen. Die bedeutenden Quantitäten von Waſſerdampf, welche bei jeder vulkaniſchen Eruption aus dem Kater aufſteigen, laſſen uns vermuthen, daß die Erhebung der Lava u. ſ. w. durch die Expanſion des Dampfes bewirkt wurde. Ob nun Waſſerdampf einen Beſtandtheil des Erd⸗ innern ausmacht, oder ob der Dampf von Waſſer herrührt, welches, etwa durch Spalten, aus dem Meere u. ſ. w. zum heißen Erdboden hinabſickerte, dies läßt ſich bis jetzt noch nicht entſcheiden. Für die letztere Annahme ſpricht Fig. 42. indeß der Umſtand, daß die meiſten Vulkane nicht ſehr weit vom Meere entfernt ſind. Der Kegel eines Kraters kann auf zweifache — Weiſe entſtanden fein, entweder durch Auffüllung der Auswürflinge (Aufſchüttungskrater Fig. 42.) Fig. 43. oder durch Erhebung des urſprünglich ebenen Bo⸗ dens (Erhebungskrater Fig. 43.). Leop. v. Buch 5 hat nachgewieſen, daß die Krater der größern Vul⸗ az NS kane in den meiſten Fällen der letzten Klaſſe an⸗ N gehören. d. Bergformen. Von der Geſtaltung der Oberfläche im Gebiet der erloſchenen Vulkane war bereits unter b die Rede. Die Gipfel der ausgebrannten und noch thä⸗ tigen Vulkane ſind meiſt kegelförmig, ähnlich denen des Baſaltes. Oft iſt ein ſolcher Kegel noch einmal mit einem Wall umgeben, gebildet durch Einſturz eines Theiles der Kraterwand. Bei den noch thätigen Vulkanen wird die Geſtalt der Oberfläche des Kraterberges bei jedem Ausbruch durch Hebungen und Senkungen ſowohl, als auch durch die Auswürflinge verändert. 5. Verhalten zu andern Gefteinen. Vulkane durchſetzen alle bisher betrachteten neptuniſchen und plutoniſchen Bildungen und ſelbſt die neueſten Formationen ſedimentärer Art, von welchen im folgenden Abſchnitt die Rede ſein wird. Fünfter Abſchnitt. Die auf die Diluvialgruppe folgenden Veränderungen der Erdoberfläche, ausſchließlich der vulkaniſchen Erſcheinungen. Gruppe des Akluviums. Einleitung. N Nach der Ablagerung der bedeutenden Maſſen von Kies, MR Löß, Thon, Sand, Geſchieben, erratiſchen Blöcken, welche wir unter der Gruppe Die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten 47 des Diluviums betrachtet haben, war die Erdoberfläche fortwährend neuen Veränderungen ausgeſetzt. Dieſe ziehen ſich bis in die gegenwärtige Zeit hin⸗ ein — mann nennt ſie Alluvionen. Obgleich dieſelben auf allen Theilen der Erdoberfläche ſich bemerken laſſen, ſo ſtehen ſie doch in der Größe des Effects den Veränderungen, welche bei der Bildung der bisher betrachteten Formationen ſtattfanden, nach. Indeſſen ſind ſie für den Menſchen von der allergrößten Wichtigkeit, denn durch ſie wurde die Oberfläche der Erde in kul⸗ turfähigen Zuſtand gebracht und fähig gemacht, ſich auf größere Strecken hin mit Gewächſen bebauen zu laſſen. Es iſt die Bildung des Acker- und Wald⸗ bodens, welche in der Periode des Alluviums vor ſich ging. Der Boden iſt ein Product der Zerkleinerung der Geſteine. Dieſelben ſind im Laufe der Zeit in eine erdige, zerreibliche, formbare Maſſe zerfallen, in denen man häufig noch Fragmente des Muttergeſteins findet. Man nennt den Prozeß, in Folgen deſſen die Felsarten in Boden ver⸗ wandelt werden, die Verwitterung; die Kräfte, welche die Bodenbildung veran⸗ laſſen, unterſcheidet man in a) mechaniſche oder phyſikaliſche, b) chemiſche und c) or ganiſche. — Erſtes Kapitel. Bodenbildung durch mechanische oder phyſtkaliſche Kräfte. Unter den phyſikaliſchen Kräften, welche bei der Zerkleinerung der Ge⸗ ſteine thätig waren und es noch ſind, ſpielen die Wärme, die Schwere und der Stoß die vornehmlichſte Rolle. Geringern Einfluß üben Electricität und Magnetismus aus. 1 Wirkung der Wärme. a Die Wärme im Allgemeinen. 5 8 Sehen wir hier von den Verſuchen, die Urſache der Wärme zu erklären, ab, und halten wir nur ihre Erſcheinungen in ſo weit feſt, als ſie uns hier von Wichtigkeit ſind. Es iſt bekannt, daß die Körper, indem ſie ſich erwär⸗ men, an Volumen (Rauminhalt) zunehmen und daß umgekehrt Wärmeent⸗ zug eine Volumsverminderung zur Folge hat. Die Aenderung des Volumens unter dem Einfluß der Wärme iſt für jeden Körper eine andere. W 48 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Fig. 44. Um die Ausdehnung, 8 welche die Körper unter dem d Einfluß der Wärme erleiden, zu meſſen, kann man ſich des Apparates (Fig. 44.) bedie⸗ nen. Der Körper wird in 4 3 Form einer Stange a b zwi⸗ 0 ſchen eine feſte Widerlage Po DE b und den kürzern Arm ac eines Hebels gebracht, deſſen längerer Arm e d ein um den Gradbogen d f beweglicher Zeiger iſt. Wird der Körper a b erwärmt und dehnt er ſich aus, fo verſchiebt er nur den He⸗ belsarm a und den Zeiger c d, weil ja die Widerlage b unverrückbar iſt. An dem Gradbogen d f liest man das Maaß der ſtattgehabten Ausdehnung ab. Da die feſten Körper ſich verhältnißmäßig nur wenig durch Wärme ausdehnen laſſen, fo muß man den Zeiger e d recht groß nehmen, damit die Volumsvermehrung ſtärker in die Augen fällt. Nach der angegebenen Methode hat man gefunden, daß Glas von 0 bis 100 o Celſ. erwärmt, um Trop feines urſprünglichen Volumens ſich aus⸗ dehnt. Bringt man alſo eine Glasſtange die z. B. 1200 Zoll Länge bei der Temperatur von 00 beſitzt, auf die Temperatur 100°, jo hat fie nun eine Länge von 1201 Zollen. Die Geſteine dehnen ſich bei weitem nicht ſo ſtark aus, wie die Metalle, ſo beträgt z. B. die Ausdehnung des Zinks zwiſchen o und 1000 4, während die des Kalks (Mormors) nur 1705 iſt. Man nennt den Bruch, mit welchem man die urſprüngliche Länge eines Körpers multi⸗ pliziren muß, um ſeine Vergrößerung für irgend eine er von Tempera⸗ turgraden zu erhalten, den Ausdehnungscoeffieienten. 770 iſt alfo der Aus⸗ dehnungscoefficient des Marmors für den Temperaturunterſchied von 0 bis 100 Graden. b ö Wenn k den Ausdehnungscoefficienten eines Körpers blos nach einer Richtung, z. B. der Länge nach bezeichnet, ſo muß man dieſen Coeffieienten dreimal nehmen, wenn man die Ausdehnung des Körpers nach ſeinem ganzen Volum erhalten will. Denn es ſei z. B. die Seite eines Würfels Ses, jo ift fein Volum s3; bei der Ausdehung unter dem Einfluß der Wärme nimmt jede Seite und s. k zu; ihre ganze Länge tft demnach s sk und das Vo⸗ lum = (s [IE) 2 = (1 + ) 5 ss (IKT 3k 2 + K 9) Da k eine ſehr kleine Größe iſt, ſo kann man die höhern Potenzen deſſelben gegen die niedern vernachläſſigen; es bleibt alſo nur s® (1 + 3 k) = s® + s33k übrig, womit der vorhin ausgeſprochene Satz erwieſen iſt. Beträgt das Volumen eines Marmorwürfels 1 Kubikzoll bei der Temperatur von 0 Gra⸗ den, und wird der Würfel auf 100 Grade erwärmt, ſo nimmt ſein Volum um 1. 3. 1900 = Tub Kubikzolle zu. 6 Bodenbildung durch phyſikaliſche Kräfte. 49 Nicht kryſtalliſirte, gleichförmig dichte Körper dehnen ſich nach allen Rich— tungen gleichmäßig aus. Anders iſt dies bei ſolchen Kryſtallen, welche nicht dem regulären Syſtem angehören. Dieſe dehnen ſich oft nach einer Axe hin ſtärker aus, während ſie ſich in der Richtung einer andern Axe ſogar zuſam— menziehen. So dehnt ſich der Kalkſpath von 0 - 100 in der Richtung der Hauptaxe um 0, 00286 aus, während die Ausdehnung der darauf ſenkrechten Nebenaxen S0,00056 iſt. Die Veränderung des Winkels eines Kalkſpathkryſtalls kann dadurch bis auf 8 ¼ Minuten anſteigen. Wenn man eine gewöhnliche Schwe— felſtange, wie ſie im Handel vorkommt, in der Hand erwärmt, ſo vernimmt man ein deutliches Kniſtern; es rührt von der ungleichen Ausdehnung der Kryſtalle her, aus denen die Schwefelſtange beſteht. Aus der nämlichen Ur⸗ ſache brechen ſehr häufig die Axen an Locomotiven ab. Das urſprünglich amorphe Eiſen der Axen nimmt bei öfterem Fahren der Wagen in Folge der fortgeſetzten zitternden Bewegung kryſtalliniſches Gefüge an. Das Waſſer folgt von 4° Celſ. an bis zum Siedepunkt den Geſetzen der Ausdehnung feſter Körper; d. h. ſein Volumen nimmt, wenn auch nicht ganz regelmäßig, zu, wenn es von 4 bis zum Siedepunkt (100°) erwärmt wird. Dagegen zieht es ſich, wenn es unter 4° erkältet wird, nicht weiter zu⸗ ſammen, ſondern dehnt fi) von da an wieder aus. Das Waſſer erreicht alſo bei 4 feine größte Dichte. Dieſes ebenſo merkwürdige, als wichtige Ver— halten läßt ſich ſehr ſchön beobachten, wenn man ein thermometerähnliches Fig. 45. Gefäß theilweiſe mit Waſſer anfüllt und es den Temperaturen von 8 bis 0 Graden ausſetzt. Von s bis 40 fallt das Waſſer, von 40 bis 0e fteigt es / Jwieder in die Höhe. Die nebenanftehende Curve (Fig. 45.), in welcher die Abſeiſſen die Temperatu⸗ u ren, die Ordinaten die denſelben entſprechenden Waſſer⸗ ſtände (ſie ſind umgekehrt proportional der Dichte) anzeigen, macht dieſes Verhältniß graphiſch anſchau⸗ lich. 0 2 4 6 4 70 72 N 16 Bei einer Temperatur von 0“ C. verwandelt ſich das Waſſer gemeinig⸗ lich in Eis; indeſſen hat man durch vorfichtiges Abkühlen das Waſſer felbft bis zu 100 unter dem Gefrierpunkt flüſſig erhalten. Eis von 0» nimmt einen 1,0526 mal größern Raum ein, als Waſſer von gleicher Temperatur. Bei weiterer Erkältung unter 0o zieht das Eis ſich zuſammen, die Fälle ausge⸗ nommen, wenn es durch andauernde Einwirkung des Froſtes kryſtalliniſch wird, wie man dies beim Gletſchereis und beim Flußeis beobachtet hat. Das ſpe⸗ eifiſche Gewicht des Eiſes beträgt nach Royer und Dumas 0,950; nach Oſann 0,9268. 8 \ N Heyer, Bodenkunde. 4 50 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. b. Einfluß der Wärme auf die Geſteine. | Aus den oben angegebenen Erſcheinungen bei Temperaturveränderungen läßt ſich entnehmen, welchen Einfluß die Wärme auf die Zerkleinerung der Geſteine äußert. Viele Felsarten beſtehen nur aus Kryſtallen, wie Granit, Syenit u ſ. w. und dieſe Kryſtalle gehören, da ſie nicht aus denſelben Mi⸗ neralien gebildet ſind, (z. B. Feldſpath, Quarz, Glimmer im Granit) häufig verſchiedenen Syſtemen an. Wir ſahen ſo eben, daß die Kryſtalle ſich nach jeder Axe ungleich ausdehnen, wenn ihre Temperatur ſich ändert. Da dieſe Ausdehnung mit unwiderſtehlicher Gewalt vor ſich geht, ſo muß das Geſtein berſten. In der That finden wir faſt alle Felsarten mit feinen Riſſen durch⸗ zogen. Auch mag ungleiche Erwärmung bei verſchiedener Dichte in einem und demſelben Geſtein häufig Veranlaſſung zum Entſtehen von Spalten und feinen Riſſen gegeben haben und noch geben. Die meiſten Geſteine ſind ſchlechte Wärmeleiter, d. h. wird ein Theil von ihnen erwärmt, ſo pflanzt ſich die Wärme auf die dieſem zunächſt liegenden Theile nur langſam fort. Der wärmere Theil ſucht ſich auszudehnen, der kältere leiſtet Widerſtand, es erfolgt daher ein Berſten, gerade ſo, wie wir es wahrnehmen, wenn wir ein gewöhnliches Trink— glas auf den heißen Ofen ſtellen. Biſchof hat die Poroſität der Geſteine Rn mehrere ſehr ſinnreiche Verſuche nachgewieſen. Er zerſchlug einige Säulenbaſalte vom Mendeberg bei Linz und bemerkte kleine Waſſertröpfchen auf den Bruchflächen. Anfangs vermuthete er, es ſeien Regentropfen, überzeugte ſich jedoch ſogleich, daß dem nicht ſo ſei, denn der Himmel war heiter und die Tropfen zeigten ſich auch nicht auf den Außenflächen des Steins, ſondern blos auf den friſchen Bruch⸗ flächen. Nöggerath hatte dieſelbe Beobachtung an den Baſalten des Unkler Steinbruchs gemacht; ebenſo erzählt uns Hundeshagen, daß er in den dichten Säulenbaſalten des Calvariberges bei Fulda ſehr häufig mit Flüſſigkeit ge⸗ füllte Druſenräume gefunden habe. Alle dieſe Erſcheinungen deuteten darauf hin, daß Poren oder feine Spalten in den Baſalten vorhanden waren, durch welche das Waſſer ein⸗ drang. Biſchof unterſuchte nun auch andere Geſteine, als den Baſalt, auf ihre Poroſität. Dazu bediente er ſich folgender Reaction. Da er die Bemer⸗ kung gemacht hatte, daß in den Druſenräumen immer atmoſphäriſche Kohlen⸗ ſäure ſich anſammle, ſo übergoß er die Geſteine, welche er auf ihre Poroſität prüfen wollte, mit Salzſäure; ein Aufbrauſen verrieth ihm die Gegenwart von Kohlenſäure und ſomit auch von Poren. Natürlich kann dies Verfahren nur bei ſolchen Geſteinen angewandt werden, welche nicht ſchon in ihrer Zuſam⸗ menſetzung Kohlenſäure enthalten. Eine andere, von Biſchof angegebene Methode, um die Poroſität der Geſteine nachzuweiſen, iſt folgende. Er legt die Stücke in ein mit ſehr ver⸗ dünnter Schwefelſäure gefülltes Gefäß und bringt es unter die Luftpumpe. Die Luft wird hierdurch aus den Poren des Geſteins ausgetrieben; bei nach⸗ Bodenbildung durch phyſikaliſche Kräfte. 51 herigem Hinzuleiten dringt die durch den Luftdruck gepreßte Säure mit Ge⸗ walt in die Poren. Nun wäſcht Biſchof die Steine ab, trocknet und zer⸗ ſchlägt fie und prüft die Bruchflächen mit befeuchtetem Lakmuspapier *). Er hat jo gefunden, daß die Trachyte des Siebengebirges bis auf 1— 1 ½ Zoll Tiefe von der Säure durchdrungen wurden, alſo porös waren. a Suckow hat nach einem andern Verfahren den Sibiriſchen Schriftgranit und aus dem Granit von Karlsbad ſtammende Exemplare von Feldſpath, welche außen noch ganz geſund und friſch erſchienen, unterſucht und auch in dieſen feine Riſſe gefunden. 8 1 Wie wir in den vorigen Abſchnitten geſehen haben, ſind einige Geſteins⸗ arten (z. B. Melaphyr, Baſalt, Phonolith, Trachyt, Dolerit u. ſ. w.) mit Druſenräumen verſehen, welche ſich ſchon bei der uranfänglichen Bildung dieſer Geſteine erzeugten. Außerdem beſitzen die plutoniſchen und vulkaniſchen Felsarten Abſonderungsklüfte, die ſedimentären Gebilde dagegen Kluftflächen zwiſchen den Schichten. a Sowohl in die feinen Riſſe, als in die Abſonderungs- und Schichtungs⸗ klüfte dringt das atmoſphäriſche Waſſer ein. Indem es gefriert, macht es die Geſteine berſten. Der Vorgang iſt folgender. Zr Fig. 46. Denken wir uns in irgend einem Geſteine (Fig. 2 3 46.) eine Höhlung a b e mit Waſſer angefüllt. Wenn .,. die Temperatur der Luft ſinkt, ſo werden zuerſt die 2 7 D I, , äußern Lagen des Steins, die der Luft zunächſt aus⸗ , , geſetzt ſind, abgekühlt; das Waſſer gefriert daher zu⸗ N ,, erſt in dem Raum a b. Das hier gebildete Eis ſchließt a 4 = , das im Raum b e befindliche Waſſer eben fo gut, wie , ® die ſteinerne Wand der Druſe ab. Schreitet nun die 2 Kälte nach dem Innern des Steins vor, ſo gefriert 2 auch das Waſſer in be und dehnt ſich dabei, wie wir ⸗ N. a wiſſen, 1.0526mal aus; wäre der Raum ab frei, fo könnte die Ausdehnung nach dieſer Richtung hin er⸗ folgen; da ab aber geſchloſſen iſt, ſo wird der Stein geſprengt. Gerade eben⸗ ſo iſt der Vorgang be iden feinen Ritzen und Spalten. (Springen der mit einem Stöpfel verſchloſſenen Glasflaſchen in ungeheizten Zimmern im Winter.) Der Effeet, den die Eisbildung hinſichtlich der Zertrümmerung der Fel⸗ ſen hervorbringt, iſt wirklich großartig. Nur bemerken wir ihn in den Ge⸗ birgen weniger, weil wir dort weniger darauf Acht geben. Anders iſt es bei künſtlich zugehauenen Steinen, die einen beſtimmten Zweck erfüllen ſollen (wie z. B. Grenzſteinen, Monumenten ꝛc.). Dieſe werden mehr controlirt. Wie viele Grenzſteine werden nun aber durch den Froſt (Eisbildung) abge⸗ * ) Dieſes wird bekanntlich durch Säuren geröthet. 1 52 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ſprengt! In der Umgegend von Gießen, wo man zu Grenzſteinen, kleinen Säulen an den Banquets der Chauſſeen u. ſ. w. blaſigen Baſalt verwendet, wird in jedem Winter eine gar nicht unbedeutende Anzahl dieſer Steine auf die angegebene Weiſe ruinirt. ö Gerard erzählt uns, daß im Himalaja-Gebirge die Trennung des Ge- ſteins in Folge von Eisbildung im großartigſten Maaßſtabe ſtattfinde. Felſen von bedeutendem Umfange wurden losgeſprengt, Grund und Boden der Päſſe in welchen ſich jene Felſen finden, waren mit ungeheuren Haufwerken ſolcher Trümmer bedeckt. 2. Wirkungen der Schwere. a. Allgemeines über die Schwerkraft. Die Schwere iſt eine Kraft, welche die Körper nach dem Mittelpunkt der Erde hinzieht. Sie wirkt demnach im Sinne des verlängerten Erdhalbmeſſers. Die Fallrichtung eines in der Luft befindlichen Körpers ergibt ſich, wenn man ſeinen Schwerpunkt mit dem Mittelpunkt der Erde durch eine Linie verbindet. Die Richtung der Schwere iſt auf die Oberfläche allenthalben ſenkrecht. Eine Ebene, welche mit dieſer Senkrechten einen rechten Winkel bildet, heißt eine Horizontalebene. Die Schwere iſt eine eontinuirliche Kraft; d. h. ſie wirkt in einem fort. Wenn deßhalb ein Körper aus einer gewiſſen Höhe abwärts fällt, ſo nimmt ſeine Geſchwindigkeit immer zu. 1 Durch Verſuche hat man gefunden, daß die Geſchwindigkeit g, welche ein fallender Körper nach Verfluß von einer Sekunde annehmen und beibe- halten würde, wenn von da an jede weitere Einwirkung der Schwere auf⸗ hörte — 30 Pariſer Fußen iſt. Wirkte aber die Schwere fort, jo wird nach Ablauf der zweiten Secunde die erlangte Geſchwindigkeit doppelt ſo groß, nach drei Secunden dreifach u. ſ. f., im Allgemeinen die Endgeſchwindigkeit » nach Ablauf von T Sekunden Tmal jo groß fein, alſo v=gT. Es wird in der Phyſik bewieſen, daß die von einem fallenden Körper durchlau⸗ fenen Wege den Quadraten der Zeiten, innerhalb welcher das Ne ſtattfand, proportional find. Es iſt der Weg 8 Sg, hieraus 2 = —, 8, TVN Fig. 47. Befindet ſich ein Körper auf einer ſchiefen Ebene A B, die mit der Horizontalen A C einen Winkel CAB = a bildet, (Fig. 47.), ſo wird er, wenn die Reibung es nicht ver⸗ 6 hindert, abwärts gleiten. Die Schwer⸗ kraft des Körpers, welche durch D F vorgeſtellt iſt, wirkt ſenkrecht auf die Horizontale A C; zerlegen wir die⸗ ſelbe in eine Kraft D E parallel und 0 eine Kraft D G ſenkrecht zur ſchiefen Ebene, ſo wird erſtere das Herüͤb⸗ Bodenbildung durch phyſikaliſche Kräfte. 33 gleiten des Körpers nach A hin bewirken; da indeſſen dieſe Kraft nur ein Theil der geſammten Schwere des Körpers iſt, jo kann das Herabgleiten nicht mit derſelben Geſchwindigkeit, wie beim freien Fall erfolgen. Die ſenkrechte Kraft D G drückt den Körper auf der ſchiefen Ebene an; fie bewirkt die Rei⸗ bung. E D wächſt, D 6 uimmt ab, je größer der Neigungswinkel & wird. Iſt die Neigung gering, jo nimmt mit D G die Reibung zu und überwiegt dadurch das Beſtreben der Kraft D E; der Körper kann nicht herabgleiten; er bleibt auf der ſchiefen Ebene liegen. b. Einfluß der Schwere auf die Geſteine. Wenn durch die Wirkung der wechſelnden Temperatur, ſowie durch ches miſche Kräfte, von denen im dritten Kapitel ausführlich die Rede ſein wird, die Felſen in kleinere Trümmer zerfallen ſind, ſo rollen dieſe, ſobald ſie nicht auf einer horizontalen oder doch einer von dieſer wenig abweichenden Ebene befindlich ſind, abwärts. An den Ueberhängen der Felſen ſtürzen die Geſteins⸗ brocken ſenkrecht in die Tiefe, an den Abhängen gleiten ſie über das Geſtein hin und zerbröckeln auch dieſes noch durch die Reibung und den Stoß, mit welchem ſie es treffen. Je weiter ein ſolcher Geſteinsbrocken abwärts rollt, eine um ſo größere Geſchwindigkeit nimmt er unter den fortdauernden Ein⸗ fluß der Schwere an; er kann dadurch ſelbſt bei kleiner Maſſe eine bedeutende Bewegungsgröße erhalten und größere Steine im Abwärtsgleiten fortreißen und zerftüdeln. Der Grus und Sand, welchen man am Fuße der Felſen, Hügel u. ſ. w. bemerkt, verdankt der Schwerkraft ſeine gegenwärtige Lager⸗ ſtätte. Je abſchüſſiger und glätter die Seitenflächen ſolcher Felſen u. ſ. w. ſind, um ſo weniger können die vom Felſen abgelöſten Geſteinsfragmente ſich auf ihnen erhalten, um ſo bedeutender ſind auch die Anhäufungen am Fuße der Felſen. Regen⸗ und Quellwaſſer, welches von den Anhöhen in die Thäler ſich ergießt, trägt gleichfalls zum Transport der Geſteinstrümmer weſentlich bei, und zwar ſowohl durch den Stoß, den es auf dieſelben, angeregt durch die Schwere, ausübt, als auch dadurch, daß es die Oberfläche glättet und ſomit die Reibung zwiſchen dem gleitenden Körper und der Unterlage vermindert. In letzterer Beziehung ſind Eis und Schnee von noch größerer Bedeutung, als das flüffige Waſſer. Schuttkegel. Wenn auf der Höhe der Berge während des Winters bedeutende Schneeanhäufungen ſtattgefunden haben und dieſe im Frühjahr plötzlich ſchmolzen, jo entſtehen Gießbäche von mitunter ſehr beträchtlicher Hef⸗ tigkeit. Dieſe ſchieben mit großer Gewalt die Geſteinsbrocken, welche ihnen in 54 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Fig. 48. a dem Weg ſtehen, abwärts, laſſen 5 dieſelben aber im Thale am Fuß des Berges liegen. So bilden ſich die Schuttkegel (Fig. 48.), welche man in faſt allen Ge⸗ birgen, vorzüglich am Fuße von Hohlriſſen, die den Wildbächen zum Bette dienen, findet. In der Schweiz, in Tyrol, im Jura kommen dieſe Schuttkegel be⸗ N f ſonders häufig vor. Bergſtürze. Wenn ein Hügel oder Berg aus Felſen beſteht, jo zer⸗ kleinert ſich immer zuerſt die Oberfläche deſſelben; nachher erſt dringt die Ver⸗ witterung nach dem Innern vor. Denken wir uns die feſte Maſſe eines Bergs 55 Fig. 49. mit Gerölle oder aufgeſchwemm⸗ tem Land bedeckt, welches für Regen =, Schnee- oder Duell waſſer durchdringlich iſt. Die Oberfläche ab (Fig. 49.) des fe⸗ ſten Geſteins wird in dieſem Fall ſchlüpfrig gemacht werden und die aufgelagerte weichere Maſſe a e 930 abwärts rutſchen. Die nämliche Erſcheinung tritt aber ſchon dann ein, wenn die Unterlage von undurchlaſſen⸗ dem Thon gebildet wird. So entſtehen die gefürchteten Bergſtürze. Bekannt iſt derjenige des Roßbergs, dem Rigi gegenüber; er fand am 2. Sept. 1806 ſtatt, nachdem anhaltende Regengüſſe den Boden vorher erweicht hatten. Die obern Bodenſchichten des Roßbergs beſtehen aus Nagelflue, welche das Waſſer leicht durchſickern läßt, unter dieſer befindet ſich Mergelthon. An 2. Sept. 1806 glitt die Nagelflue in einer Breite von 1000 Fußen und etwa 100 Fußen Höhe von dem erweichten und ſchlüpfrig gewordenen Thon ab. Die Maſſe wälzte ſich auf die Dörfer Goldau, Buſſingen und Hülloch und ſtaute den Lowerzer See dermaſſen an, daß bedeutende Ueberſchwemmun⸗ gen erfolgten. Die Trümmer der Nagelflue bilden jetzt im Thal einen Hügel von 200 Fußen Höhe. b it, Einwirkungen der Flüſſe auf ihr Bette und ihre Ufer. Zwiſchen dem Waſſer eines Fluſſes und den Uferwänden findet beſtändig Rei⸗ bung ſtatt. Daher kommt es denn auch, daß das Waſſer in der Mitte eines Fluſſes raſcher ſich bewegt, als an dem Ufer. Durch die Reibung werden fortwährend Theile des Ufers abgelöſt und vom Waſſer fortgeführt. Je ſtärker das Gefäll, je bedeutender die Waſſermaſſe iſt, um ſo mehr fallen die Verän⸗ derungen in's Auge, die durch Einwirkung der Flüſſe auf ihre Ufer hervor⸗ x Bodenbildung durch phyſikaliſche Kräfte. 55 gerufen werden. Die meiſten deutſchen Flüſſe enthalten die größte Waſſermenge zur Zeit der Frühjahrs- und Herbſtregen; beim Rhein dagegen treten die Fig. 50. Ueberſchwemmungen im Sommer ein wenn der Schnee in den Alpen, wo er entſpringt, ſchmilzt. Macht das Bette eines Fluſſes eine ſtarke Krümmung, To‘ ſucht der Fluß die Spitze des Winkels a (Fig. 50.), den die Uferwände bilden, abzuſtoßen; dadurch wird die Länge des Bettes verringert, zugleich aber auch der Fluß reißender gemacht, weil nun auch ſein Gefälle zunimmt. Steine, Sand u. ſ. w., die ſich in dem Flußbette befinden, werden durch die Gewalt des Waſſers fortgewälzt. Stürzt ein Bach oder Fluß eine Anhöhe mit ſteilem Fall hinab, ſo höhlt er die Stelle, an welcher das Waſſer aufſchlägt, aus; das überhängende Geſtein ſtürzt nach, nun finden wieder Aushöhlungen u. ſ. w. ſtatt; ſo kommt es denn, daß viele Waſſerfälle im Laufe der Zeiten rückwärts ſchreiten. Ein ſehr eklatantes Beiſpiel von dieſem Vorgange liefert uns das Zurückſchreiten der Fälle des Niagara. Eine der großartigften Veränderungen, welche unter dem Einfluß der Schwere und des durch die— . Fig. 51. N ſelbehervorgerufenen Stoßes des Waſ⸗ ſers noch gegenwär⸗ tig ſtattfindet, er⸗ blicken wir im Fort⸗ rücken der Niagara- fälle. (Fig. 51.) Der 5 5 Niagara bildet be⸗ Ontario See kanntlich die Ver⸗ bindung des Erie- mit den Ontario-See in Nordamerika. Beide find etwa 12 Stunden von einander entfernt; der Niveauunterſchied beträgt 330 Fuße. Das Bett des Fluſſes beſteht aus einer 70 Fuß dicken harten Kalk⸗ ſteinplatte a; unter dieſer befinden ſich weichere Schiefer des Siluriſchen Sy⸗ ſtems b. Der Fluß hat vom Erieſee aus bis zu den berühmtem Cataract nur wenig Fall; hier aber ſtürzt er ſich aus einer Höhe von 150 Fußen in das Thal herab. Durch die ungeheure Gewalt des Waſſerfalls wird der unter dem Kalkſtein befindliche Schiefer zertrümmert und nach der Richtung des On⸗ Fall Niagara Erie See tario fortgeführt; der Waſſerfall ergießt ſich dann über die unterminirte Kalk⸗ ſteinplatte. Iſt die Aushöhlung des Schiefers ſo weit vorgeſchritten, daß die Platte das Gewicht des Stromes nicht mehr zu tragen vermag, ſo löst ſie ſich ab und ſtürzt in die Tiefe. So kommt es denn, daß die Waſſerfälle immer mehr nach dem Crieſee hin rücken. Dieſes Rückwärtsſchreiten 56 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ſoll jährlich gegen 4 Fuße betragen. Es wird erſt dann aufhören, wenn nicht mehr der Schiefer, ſondern der Kalkſtein ganz allein die Baſis des Flußbettes ausmacht. N Nach Ampere ſtürzen am Niagarafall in jeder Secunde 69000 Tonnen Waſſer nieder. Die Waſſerkraft kommt der Kraft von 4533344 Pferden gleich, iſt etwa 19mal größer, als die geſammte Triebkraſt, über welche Großbritannien verfügt, und mehr, als alle Fabriken, Mühlen u. ſ. w. der Welt treiben würde. / Mechaniſche Niederſchläge der Flüſſe. Die Flüffe entſtehen aus Bächen, die ihrerſeits wieder eine Quelle zum Urſprung haben. Auf dem Wege, den das Quellwaſſer durchwandern muß, um bis zu dem Fluſſe zu gelangen, beladet es ſich mit feinen Erdtheilchen aus dem Bette oder den Uferwänden der Bäche. Treten ſtarke Regengüſſe ein und iſt der Boden in dem Gebiete eines Fluſſes lehmig, ſo werden die Bäche getrübt. Das Regen⸗ waſſer ſtürzt über das bebaute Land hin, ſchwemmt die Erde fort und führt ſie in die Bäche, zuletzt auch in die Flüſſe hinein. Feinere Theilchen von ge⸗ ringerem abſolutem Gewicht werden vom Waſſer getragen; ſie bleiben in ihm ſuſpendirt; größere, ſchwerere werden nur auf dem Bette des Fluſſes fortge- wälzt oder fortgeſchoben. Das ſpeeifiſche Gewicht der meiſten Geſteine iſt 2—3 - mal größer, als das des Waſſers; ſie verlieren alſo etwas weniger, als die Hälfte ihres Gewichtes im Waſſer Darin liegt die Urſache ihrer verhältniß⸗ mäßig leichten Tranſportabilität in Bächen und Flüſſen. Man hat Unter⸗ ſuchungen über dieſe Eigenſchaft angeſtellt und iſt dabei zu folgenden Reſul⸗ taten gelangt. Es bleiben unbeweglich liegen: feiner Schlamm bei 3 Zoll Geſchwindigkeit des Waſſers, feiner Sand bei 6 Zoll, grober und eckiger Sand bei 8 Zoll, abgerundete, gerollte Kieſel von 1 Zoll Durchmeſſer bei 2 Fuß, eckige eigroße Kieſel bei drei Fuß Stromgeſchwindigkeit. Kieſelerde feſte Ge⸗ ſteinsbrocken werden im fließenden Waſſer immer an einander gerieben und dadurch abgerundet, auch wenn ſie ſich nicht von der Stelle bewegen. Im Rhein vernimmt man beim Untertauchen ganz deutlich ein Kniſtern in Folge des Aneinanderſchlagens der Kieſel. Davon rührt alſo die abgerundete Form der Bach- und Flußgeſchiebe her. Tritt ein mit getrübtem Waſſer angefüllter Fluß über ſein Ufer und kommt das Waſſer zur Ruhe, ſo ſetzen ſich die ſuſpendirten Theilchen, welche nur durch die Bewegung des Waſſers in der Schwebe erhalten wurden, ab. Sie überziehen dann das an die Flüſſe ꝛc. angrenzende Gelände in Geſtalt eines feinen Schlamms. Nach und nach wird das Erdreich dadurch erhöht; ſelbſt tiefe Thäler füllen ſich aus. Die ebene Fläche der Wieſen u. ſ. w., welche zwiſchen Bergen oder Hügeln eingeſchloſſen ſind, iſt auf ſolche Weiſe entſtanden. Daß nicht gerade ungeheure Zeiträume dazu gehörten, um Aus⸗ füllungen dieſer Art zu bewerkſtelligen, beweiſt folgende Beobachtung. Nahe an dem Flußbette der Lahn bei Gießen fertigte man vor einigen Jahren eine Bodenbildung durch phyſikaliſche Kräfte. 57 Grube für das Fundament einer Eiſenbahnbrücke. In etwa 10 Fuß Tiefe fand man zugehauene Pfähle, die offenbar von Menſchen bearbeitet geweſen waren. Es hatten alſo die Abſätze der Lahn im Laufe der geſchichtlichen Zeit eine Erhöhung des Landes um mindeſtens 10 Fuße zu Stande gebracht. Ueb⸗ rigens erfolgt der Abſatz von ſuſpendirten Erdtheilchen nur ſehr allmählig. So kann man das Waſſer der Rhone noch 6—7 engl. Meilen weit im Meere an ſeiner Färbung erkennen; der Chineſiſche Meerbuſen wird in ſeiner ganzen Ausdehnung vom Gelben Fluß gefärbt; der Amazonenſttom läßt ſich noch 300 engl. Meilen von ſeiner Mündung deutlich vom Meere unterſcheiden. Der von den Flüſſen abgeſetzte Schlamm iſt indeſſen nicht blos mineraliſchen, fon- dern auch organiſchen Urſprungs; abgeriſſene Theile von Vegetabilien werden ebenſo vom Waſſer fortgeführt, wie Erdpartikelchen u. ſ. w. Größere Ströme, wie der Amazonenſtrom, Orinoco und Miſſiſſippi transportiren ſogar große Baumſtämme aus den Urwäldern Süd- und Nordamerikas. Die Gerölle und Geſchiebe, welche in die Flüſſe hineingeführt werden und in denſelben mit dem Eintritte jeder ſtarken Fluth weiter wandern, er⸗ Fig. 52. höhen nach und nach das Flußbette. Bezeichnet (Fig. 52.) a die Linie des höchſten Waſſerſtandes vor der Ver⸗ F ee durch @ u. ſ. w. neuerdings bis b reicht, der Fluß nunmehr bei dem höchſten Waſſerſtande bis e ſteigen, d. h. über ſeine Ufer treten. Dadurch entſtehen Ueberſchwemmungen. Jedes Mittel, welches die Verſandungen des Flußgrundes abhält, verringert zugleich die Gefahr der Ueberſchwemmungen. In dem nämlichen Maße, als das Flußbette ſich er⸗ höht, muß man die Uferwände aufthürmen, damit die Wahrſcheinlichkeit des Eintritts von Ueberſchwemmungen nicht vermehrt werde. Durch fortgeſetzte Verſandungen und Uferbauten iſt das Bett des Po über die Ebene der Lom⸗ bardei zu liegen gekommen; die Stadt Ferrara befindet ſich unter dem Waſſer⸗ ſpiegel dieſes Fluſſes. — Durchſchneidet ein Fluß auf ſeinem Laufe einen See, ſo ſetzt er die größern Geſchiebe ab. So dienen dieſe Seen dazu, um das Flußwaſſer zu klären und Verſandungen auf längere Zeiträume hinaus⸗ zuſchieben. Freilich können die Seen den Fluß nicht mehr vor den Geröllen u. ſ. w. ſichern, die er nach feinem Austritt aus dem See aufnimmt. Für den Rhein dient der Bodenſee, für die Rhone der Genferſee, für die Aar der Brienzer- und Thuner See, für die Reuß der Vierwaldſtätterſee zum Ab⸗ ſatz der feſten Beſtandtheile. Deltabildung. Eine höchſt merkwürdige Erſcheinung, welche die meiſten größeren Ströme und ſelbſt auch kleinere Flüſſe zeigen, find die Delta's. Man verſteht unter dieſen Anhäufungen von Geſchieben, Erde u. ſ. w. an der Mündung eines Fluſſes. Sie erfolgen immer in Geſtalt eines Dreiecks, deſſen 58 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Fig. 53. eine Spitze in die Mündung des Fluſſes hinein⸗ ragt, und führen ihre Benennung von der Aehn⸗ lichkeit ihrer Form mit dem Griechiſchen Buch⸗ ſtaben Delta (4). Sie entſtehen in folgender Weiſe. Wenn ein Fluß a (Fig. 53.) in das Meer b oder in einen See einmündet, jo wird ſein Waſſer aufgeſtaut, es kommt in Ruhe; die im Waſſer ſuſpendirten Theilchen, welche nur durch die Bewegung im Schweben erhalten wur⸗ den, können ſich jetzt abſezen. Hat das Meer zugleich Ebbe und Fluth, ſo wird das Waſſer ſogar in den Fluß zurückgetrieben. Diejenigen Flüſſe, welche an ihrer Mündung kein ruhiges Meer finden, bilden auch, wie z. B. der Amazonenſtrom, kein Delta. An der Mündung dieſes Fluſſes geht die heftige Aquatorialſtrömung in der Richtung von Norden nach Süden vorbei, ſie führt das Waſſer des Amazonenſtromes ſogleich in das offene Meer. Sl, Der Ganges beſitzt von allen Flüſſen das größte Delta. Es hat eine Länge von 320 Kilometern und iſt faſt ebenſo breit. Das Delta des Miſſi⸗ ſſippi hat eine nicht viel geringere Ausdehnung und vergrößert ſich ver⸗ hältnißmäßig am ſtärkſten von allen Deltas, vorzüglich durch Baumſtämme, die der Fluß aus den Urwaldungen Nordamerikas nach der Küſte des Meeres hinführt; dieſes Delta ſoll jährlich um 1000 Fuße voranſchreiten. Ein großer Theil von Holland beſteht nur aus dem Delta des Rheins, der nach einer Berechnung Horner's jährlich 53 Millionen Kubikfuß feſte Maſſe (an Schlamm) transportirt. Das bekannteſte Delta iſt das des Nil. Es hat einen Flächen⸗ raum von 400 Quadratmeilen. Seine Spitze liegt bei Kairo. Der ine Arm des Nil mündet bei Roſette in einer Breite von 1800 Fußen, der andere Arm bei Damiette in 900 Fußen Breite in das Mittelländiſche Meer ein. Das zwiſchen dieſen beiden Flußarmen befindliche Land iſt von vielen Kanälen durchſchnitten. Vor dem Delta, längs der Küſte des Meeres hin, läuft ein Wall von kalkigem Sandſtein. Anfangs Juli ſteigt das Waſſer des Nil in Folge von heftigen Regengüſſen, die in Oberegypten ſtattfinden; der höchſte Waſſerſtand tritt gegen Ende September ein. Während dieſer Zeit iſt das ganze Delta überſchwemmt. Der Fluß führt Ir feines Volu⸗ mens an Schlamm mit ſich; dieſer ſchlägt ſich auf der Fläche des Delta nie⸗ der; dadurch hat ſich dieſelbe ſeit Anfang der chriſtlichen Zeitrechnung um 6½ Fuß erhöht. Auch das Delta des Po zeigt eine bedeutende Zunahme. Die Stadt Adria hatte in den Römerzeiten einen Hafen, jetzt liegt ſie etwa neun Stunden vom Meere entfernt. ä Bodenbildung durch phyſtkaliſche Kräfte. 59 3. Wirkungen des Stoßes. f 1 a. Im Allgemeinen. Wenn eine Maſſe m, welche durch irgend eine Kraft die Geſchwindigkeit e er⸗ halten hat, gegen eine andere MafjeM anjtößt, fo vertheilt ſich die Geſchwindigkeit e, die jedem Theilchen von m innewohnt, auf die beiden Maſſen m Mz es reſul⸗ tirt hieraus für die Geſammtmaſſe m Meine einzige Geſchwindigkeit 5, welche ſich, wie die Phyſik lehrt, durch den Ausdruck 7 Barden berechnet. Iſt die die Maſſe M gegen die Maſſe m ſehr groß, ſo wird der Werth des Bruches 15.4. 11 ſehr klein ausfallen, „kann dadurch, wenn M groß genug iſt — Null werden; d. h. die in Bewegung begriffene Maſſe m kommt zur Ruhe. Setzt ſich aber den beiden bewegten Maſſen ein Widerſtand entgegen, der die Be⸗ wegung zwar nicht momentan aufhören macht, fie aber doch von Secunde zu Seeunde verlangſamt, fo kommen fie endlich ebenfalls zur Ruhe. Die Rei⸗ bung, die ſich immer erzeugt, wenn die Oberflächen zweier Körper auf einan⸗ der hingleiten, wirkt in dieſer Weiſe; fie iſt es, welche die Bewegung der Kör— per auf unſerer Erde nach und nach zum Verſchwinden bringt. Von den Kräften, welche Bewegungen verurſachen, haben wir bereits die Schwere kennen gelernt. Auch der Einfluß der Wärme ſetzt ſehr häufig Materien, insbeſ. die Luft und das Waſſer in Bewegung. Die Winde find in den meiſten Fällen, eine Folge der ungleichen Erwärmung zweier Luftſchichten, wie wir ſpäter ausführlich nachweiſen werden. Auch die Meeresſtrömungen, von denen ebenfalls demnächſt noch einmal die Rede ſein wird, werden durch die locale Erwärmung des Meerwaſſers hervorgerufen. Eine conſtante Bewegung beſitzt das Meerwaſſer in der Ebbe und Fluth. Dieſe verdankt hauptſächlich der Anziehungs- (Schwer-) Kraft des Mondes gegen unſere Erde ihre Entſtehung. Der Mond zieht das Waſſer des Mee⸗ res hinter ſich her. Sechs Stunden lang entfernt ſich das Waſſer von den Küſten, das iſt die Ebbe, hierauf ſteigt es wieder ſechs Stunden lang, und dieſes Anwachſen nennt man die Fluth. Die Winde und Stürme ſetzen das Meer ebenfalls in RER fie wühlen es auf, erzeugen Wellen, deren Höhe bis 8 Fuße betragen kann, und wälzen die Wogen gegen die Küſten, wodurch Brandungen entſtehen, wenn ein ſteiles Ufer das Andringen des Waſſers hindert. b. Einwirkung des Stoßes auf die Geſteine. Unterhöhlung und Abflachung der Meeresküſten. Das ent⸗ weder durch Winde und Stürme, oder durch die Fluth in Bewegung ge⸗ ſetzte Meer reibt beſtändig an den Küſten. Beſtehen letztere aus Felſen von weicher Beſchaffenheit (3. B. Kreide, Sandſtein, Schiefer) ſo werden ſie unter⸗ höhlt, es bildet ſich ein Ueberhang und zuletzt ſtürzt ein Theil des Felſen in das Meer. Sind die Küſten weniger hoch, ſo daß die Welle über ſie hinaus⸗ 60 Die Entſtehung der Erdrinde und des Bodens. ſchlagen kann, ſo verſchafft ihnen die Fluth nach und nach eine geringere Neigung; ſie flacht, mit einem Worte, die Küſten ab. Dabei werden die Ge⸗ ſchiebe, welche auf dem Sande liegen, durch die Fluth hinauf, durch die Ebbe heruntergewälzt, an einander gerieben und zerkleinert. Ein eigenthümliches Geräuſch, welches man an Küſten dieſer Art in einem fort vernimmt, rührt von dem Aneinderſchlagen der Strandgeſchiebe her, es deutet uns an, wie raſch die Zerkleinerung dieſer Geſteinsbrocken vor ſich gehen muß. Uferwälle, Lagunen. Beſteht der Meeresboden aus Sand, Kies oder Gerölle, ſo werden dieſe Materialien ſowohl durch die Fluth, als auch durch Stürme auf die Küſte geſchleudert. Die gröbern und ſchwereren Gerölle dringen am weiteſten landeinwärts, und bilden Hügel, Uferwälle, der feinere, leichtere Sand bildet die Abflachung dieſer Hügel nach dem Meere hin. Oft werden die Auswürflinge des Meeres verkittet (gewöhnlich durch Kalk), ſie formiren dann einen feſten Damm, der den Zerſtörungen der Meereswogen mit Hartnäckigkeit widerſteht. Nicht ſelten hat das Land hinter dem Uferwall 8 eine Vertiefung, die | Fig. 54. mit Waſſer ange⸗ Meer Uferwall Lagune füllt iſt, dieſe Waſ⸗ ſerbehälter nennt man Lagunen. (Fig. 54.) Faſt an allen Meeresküſten finden ſich ſowohl die Ufer⸗ wälle, als auch die Lagunen. Die friſche Nehrung und die Kuriſche Nehrung in der Oſtſee ſind Uferwälle im großartigſten Maßſtabe; die hinter ihnen befindlichen Lagunen führen die Benennung: Haffe. Dünenbildung. Von den Uferwällen ſind die Dünen wohl zu unter⸗ ſcheiden. Erſtere entſtehen vorzugsweiſe durch die Wirkung der Wellen, letz⸗ tere durch die Bewegung und den Stoß des Windes, obgleich der Dünenbil⸗ dung immer die Formation eines Uferwalles vorausgeht. Unter den Dünen verſteht man Hügel von feinem Sand, welche längs der Meeresküſte und oft Fig. 55. in mehreren Reihen hintereinander hin⸗ ziehen. (Fig. 55.) Der Wind treibt den Sand immer weiter landeinwärts, wenn er nicht durch Gewächſe u. ſ. w. befeſtigt wird, es ver⸗ ſchwinden dadurch die Dünenhügel an manchen Stellen, während andere in weiterer Entfernung vom Meere aufgebaut werden. Zur Dünenbildung darf der Sand nicht zu ſchwer ſein, damit ihn der Wind noch fortführen kann. 100 der größten Sandkörner, an der Däniſchen Küſte geſammelt, wogen 666— 2600 Milligramme. Die Abflachung der Dünen nach dem Meere hin beträgt Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 61 gewöhnlich 50 — 100; landeinwärts fallen die Dünen viel ſteiler ab; die Bö⸗ ſchung beträgt hier faſt conftant 30%, höchſtens 40%. Die Höhe der Dünen richtet ſich nach der Stärke des Windes und der Größe der Sandkörner; ſie wechſelt von 20 bis zu 100 Fußen; in einzelnen Fällen ſteigt ſie ſelbſt bis zu 300 Fußen an. An manchen Orten iſt das Vorrücken der Dünen nach dem Innern des Landes ſehr bedeutend; an der Küſte von Frankreich bei dem Gaskogner Meerbuſen beträgt es 60 — 72 Fuße im Laufe eines Jahres. Große Strecken bebauten Landes, ſelbſt ganze Dörfer ſind ſchon durch die Dünen überſchüttet worden. „Mimiſan, ein Dorf im Departement des Lan⸗ des, erzählt Cuvier, kämpft ſeit 20 Jahren gegen die Dünen; und einen mehr als ſechzig Fuß hohen Sandhügel ſieht man gleichſam vorrücken. Im Jahre 1802 verbreiteten ſich die Seen hinter den Dünen über fünf ſchöne Land⸗ güter, die zu St. Julien gehörten, ſie haben ſeit der Zeit eine Römiſche Heer⸗ ſtraße bedeckt, welche von Bordeaux nach Bayonne führte und welche man noch vor ungefähr vierzig Jahren ſah, wenn die Waſſer niedrig waren. Der Adour, der einſt bei Vieux Boucaut floß und am Cap Breton in's Meer fiel, hat ſeinen Lauf um mehr, als tauſend Toiſen verändert.“ Die Dünen in der Nähe von Saint-Pol⸗de⸗Leon in der Betragne haben ſeit dem Jahre 1666 einen Weg von ſechs Stunden zurückgelegt und den ganzen Küſtenſtrich mit einem Sandmeere bedeckt, aus dem nur noch die Spitzen einiger Kirch⸗ thürme und Kamine hervorragen. Elie de Beaumont. Flugſand im Innern des Landes. Die Oberfläche vieler Länder beſteht aus Lagen von Sand, der häufig dem Meere ſeinen Urſprung ver⸗ dankt. So kann die große Norddeutſche Ebene, die Lombardei, die Weſtküſte von Frankreich (zum Theil) als der Boden eines nun nicht mehr vorhan- denen Meeres angeſehen werden. Sind ſolche Sandgegenden den Winden ausgeſetzt, ſo verändern letztere beſtändig die Geſtaltung der Oberfläche, wenn der Sand nicht mit Gewächſen bekleidet iſt, die ihm durch ihre Wurzeln u. ſ. w. eine größere Conſiſtenz verleihen. Der Sand wird von einem Orte zum andern verweht und überdeckt, ebenſo wie der Dünenſand, auch ſolche Länder⸗ ſtrecken, welche urſprünglich keine Sandlager enthielten. Gewöhnlich geht die Verſandung von den ſogenannten Sandkehlen aus. Dieſe ſind Hügel, deren Höhe bis zu 20 Fußen betragen kann. Zweites Kapitel Vodenbildung durch organiſche Kräfte. Die Organismen, welche entweder eine Neugeſtaltung der Erdoberfläche, oder auch eine Veränderung der bisherigen Geſtalt derſelben hervorrufen, ſtam⸗ men ſowohl aus dem Thier- als auch aus dem Pflanzenreiche. 1. Bodenbildung durch Thiere. Obgleich die Leiber aller verendeten und verweſten Thiere in ſo fern auf die Geſtaltung der Oberfläche des Bodens einen Einfluß äußern, als die Mi⸗ 62 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. neralbeſtandtheile der Leichname dieſe Oberfläche erhöhen, ſo ſind es doch nur wenige Animalien, welche in auffallender Weiſe zur Bodenbildung beitragen. Von beſonderer Wichtigkeit ſind: a. Die Infuſorien. Dieſe ſind mikroſcopiſch kleine Weſen und ſtehen auf einer ſehr niedern Stufe der Entwickelung. Sie leben ſowohl in ſüßem, als auch in geſalzenem Waſſer und kommen unter den verſchiedenartigſten klimatiſchen Verhältniſſen, bei der größten Hitze und Kälte, ja ſelbſt im Eiſe noch fort. Ihre Vermehr⸗ ung, die bei einigen Arten durch bloße Theilung ſtattfindet, iſt eine ungeheure. Für uns haben nur diejenigen Infuſorien Intereſſe, deren (gallertartiger) Körper mit einem Panzer aus Kieſelerde umgeben iſt, wie die Bacillarien mit den Arten: Galionella, Navicula, Bacillaria. Xanthidium, von ihnen ſollen 41000 Millionen erſt den Raum eines Kubikzolles füllen. Nach dem Tode dieſer Thierchen bleiben die Kieſelpanzer zurück; es bilden dieſelben mitunter ſehr beträchtliche Anhäufungen. So ſoll nach Ehrenberg ein großer Theil der Stadt Berlin und auch Potsdam blos auf die Reſte von Infuſorien gebaut ſein. In der Lüneburger Haide fand man ein 250 Schritt langes, 150 Schritt breites und bei 20—28 Fuß Tiefe noch nicht durchſunkenes Lager von feinem Sand, der ſich als ein Aggregat von Infuſorienreſten herausſtellte. Neuere Unterſuchungen haben ergeben, daß der Trippel, Polirſchiefer, die Kieſelguhr, manche Feuerſteine u. ſ. w. blos aus Infuſorienpanzern beſtehen. Dies gilt auch von der gemeinen Kreide. Aller Schlamm von Teichen, Gräben u. ſ. w. enthält Infuſorien in großer Menge. b. Die Korallen. Die Korallen gehören zu der Klaſſe der Zoophyten. Einige Arten, auf die wir hier allein Rückſicht nehmen, wie Millepora, Astraea, haben in ihrem Innern eine ſteinige Maſſe, welche vorzugsweiſe aus kohlenſaurem Kalk be⸗ ſteht. Dieſe Thiere leben im Meere; ſie heften ſich entweder an einem Felſen der Küſte oder an den Boden des Meeres an und bauen von da aus nach der Oberfläche des Waſſers hin. Das Vorkommen der Korallen iſt faſt nur auf die heiße Zone beſchränkt, über den dreißigſten Grad der Breite gehen ſie nicht hinaus. Die Korallen leben nicht in ſehr tiefem Waſſer; 30 Fuße ſcheinen die größte Tiefe zu ſein, in welcher ſie noch gedeihen. Sie verlangen durch⸗ aus bewegtes Waſſer. Die Korallen leben geſellig in großer Anzahl, die ſtei⸗ nernen Maſſen, welche ſie hinterlaſſen, bilden die ſogenannten Korallenriffe. Dieſe beſitzen verſchiedenartige Geſtalten. Sind fie oval oder rund und ſchlieſ— ſen fie in ihrem Innern Meer ein, jo nennt man fie Atolls oder Lag u⸗ nenriffe, befindet ſich in der Mitte eine Inſel oder Inſelgruppe, ſo heißen fie Dammriffe, ziehen fie parallel mit den Küſten, jo werden fie Küften- riffe genannt. — Die Korallen bewirken oft die Entſtehung von Inſeln. Wenn ſie nämlich eine gewiſſe Meeresſtrecke abgegrenzt haben, und letztere von Sand, * Bodenbildung durch n Kräfte. 63 Rufen u. ſ. w. durch die Meereswogen ausgefüllt wird, ſo bildet ſich zu⸗ letzt ein feſter Grund, auf welchem Gewächſe, deren Samen durch das Meer oder den Wind dahin geführt werden, wurzeln können. Auf dieſe Weiſe ſind viele Inſeln in der Südſee entſtanden. Wahrſcheinlich beſtehen viele Kalke früherer geologiſcher Perioden (fo z. B. der Stringocephalenkalk im Devoniſchen Syſteni) nur aus Korallenäſten, die ſpäter durch Infiltration von kalkhaltigem Waſſer verkittet wurden. 2. Bodenbildung durch Pflanzen. Welch bedeutenden Einfluß die Vegetabilien auf die Erhöhung der feſten Erdrinde in frühern geologiſchen Perioden äußerten, haben wir bei der Stein⸗ kohlen⸗ und Braunkohlenformation geſehen. Allein noch gegenwärtig tragen die Pflanzen, vor Allem die Waldbäume, ſehr zur Bodengeſtaltung bei. Von den Felderescentien gilt dies weniger, weil der Landwirth den größten Theil der jährlichen Production erndtet und vom Felde hinwegnimmt. In den Waldungen bleibt dagegen entweder die ganze Quantität des jährlich abfallen⸗ den Laubes und des dünnen Reiſiges, oder doch ein Theil davon liegen. Die Veränderungen, welche in den abgeſtorbenen Theilen der Vegeta⸗ bilien vor ſich gehen, ſind verſchieden, je nachdem die atmoſphäriſche Luft mit ihrem Sauerſtoff Zutritt hat, oder mehr oder weniger abgeſchloſſen iſt. A. Verweſung der Pflanzen bei vollſtändigem Luftzutritt. a. Beſtandtheile der Pflanzen. Das Holz, die Blätter, Nadeln, die Rinde u. ſ. w. enthalten neben Waſſer und Luft ſtickſtofffreie, ſtickſtoffhaltige Verbindungen und anorganiſche Stoffe (die ſogenannten Aſchenbeſtandtheile); die eigentliche Holzfaſer beſteht bei veifem - Holze aus der ſogenannten Celluloſe, dieſe iſt ſtickſtofffrei, und der inkruſtiren⸗ den Materie oder dem Lignin, welches geringe Mengen von Stickſtoff enthält. Im Saft kommen gleichfalls ſtickſtoffhaltige Subſtanzen (vornehmlich Albumin, Fibrin, Caſein) vor. Nach Gay⸗Luſſaec drückt ſich die Zuſampenſezung des une durch die Formel C30 H22 022 aus, in welcher übrigens keine Rückſicht auf den Stickſtoff genommen iſt, wel⸗ cher nach Chevandier im Durchſchnitt ein Gewichtsprozent des Holzes ausmacht. b. Die Bedingungen der Verweſung ſind Sauerſtoff (der gewöhnlich, wenn auch nicht immer, von der atmoſphä⸗ riſchen Luft genommen wird), Feuchtigkeit und Wärme. Ueber das zur BVer- weſung nöthige Temperaturminimum liegt nur die Beobachtung Bouſſingaults vor, welcher daſſelbe nach mehrern Verſuchen auf 9— 100 feſtſtellen zu können glaubt. Die Angabe anderer Schriftſteller, wie z. B. von Bronn, nach wel- chem die Temperaturgrenzen für den Verweſungsprozeß zwiſchen 5° und 300 liegen, beruhen nur auf Muthmaßungen, aber nicht auf wirklichen Beobach⸗ tungen. Wahrſcheinlich iſt es aber, daß bei oder unter der Kälte des Gefrier— 64 Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. punktes die Verweſung aufhört. Hohe Temperaturen wirken ebenfalls der Verweſung entgegen, weil bei ihnen das in den Pflanzen befindliche Waſſer verflüchtigt wird. Aber auch bei Gegenwart einer hinreichenden (ſich ſtets er- neuernden) Menge von Feuchtigkeit wird der Verweſungsprozeß immer durch den Eintritt des Siedepunktes unterbrochen. e. Die Verweſung des Holzes beginnt mit einer Zerſetzung des ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheiles. Die organiſche Chemie lehrt, daß ſtickſtoffhaltige Körper viel leichter in ihre Elementarbeſtandtheile zerfallen, als ſtickſtofffreie, wovon wahrſcheinlich die complizirtere Zuſammenſetzung erſterer die Urſache iſt. Man hat ſogar Gründe für die Annahme, daß die ſtickſtofffreie Subſtanz des Holzes für ſich allein gar nicht der Verweſung fähig ſei. Alle Holzconſervationsmethoden, welche die Zerſetzung des ſtickſtoffhaltigen Körpers im Holze aufheben, machen auch den ſtickſtofffreien unverweslich. Beim Auslaugen und Flößen des Hol⸗ zes wird die ſtickſtoffhaltige Subſtanz zum großen Theil entfernt, deßwegen dauert geflößtes Holz länger als ungeflößtes. — Ein Beiſpiel von der Wir⸗ kung ſtickſtoffhaltiger Subſtanzen auf ſtickſtofffreie liefert das Stärkemehl, wenn man es mit Kleber (dem ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheil der Getreideſamen) behandelt. Das gewöhnliche Stärkemehl enthält nur eine geringe Beimengung von ſtickſtoffhaltigen organiſchen Körpern. Wenn man es mit Waſſer zu einem Kleiſter kocht und ſich ſelbſt überläßt, ſo verwandelt es ſich in einigen Wochen unter Entwicklung von Kohlenſäure und Waſſerſtoffgas in Krümelzucker; aber in Berührung mit Kleber und bei einer Temperatur von 60 geht das Stärke⸗ mehl ſchon in acht Stunden in Krümelzucker über. d. Vorgänge bei der Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile im Holze. i Wenn bei Gegenwart von Feuchtigkeit und Wärme die ſtickſtoffhaltige Subſtanz des Holzes von dem Sauerſtoff in Angriff genommen wird, ſo ent⸗ wickelt ſich Kohlenſäure und Waſſer. Der Stickſtoff ſelbſt kommt gleichzeitig in Freiheit. Er tritt entweder unverbunden als Gas aus; dieſer Fall ereig⸗ net ſich vorzüglich im Sonnenlichte und bei Abweſenheit von Salzbaſen — oder er vereinigt ſich mit dem Waſſerſtoff der organiſchen Subſtanz und bildet mit derſelben Ammoniak. Der letztgenannte Prozeß iſt der am häufigſten vor⸗ kommende. Sind aber ſtarke Baſen in hinreichender Menge zugegen, wie Kali, Natron, Kalk, Bittererde u. ſ. w., ſo prädisponiren dieſe das Ammoniak zur Bildung von Salpeterſäure, welche ſich mit den Baſen vereinigt. Häufig geht auch das Ammoniak in Salpeterſäure über, ohne daß Mineralbaſen vor⸗ handen wären; in dieſem Falle wirkt es ſelbſt als Baſe und vereinigt ſich mit der erzeugten Säure. Der Phosphor und Schwefel der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz ee ſich in Phosphorwaſſerſtoffgas und in Schwefelwaſſerſtoffgas. 8 e. Die Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz überträgt ſich auf die ſtickſtofffreien Beſtand⸗ theile des Holzes. Indem der ſtickſtoffhaltige Körper des Holzes der Wirkung des Sauer- Bodenbildung durch organiſche Kräfte 65 ſtoffs anheimfällt und aus ihm neue Producte (Kohlenſäure, Waſſer, Ammo— niak u. ſ. w.) ſich entwickeln, wird ſeine Zuſammenſetzung aufgehoben. Die Bewegung der Atome überträgt ſich auf die Atome des ſtickſtofffreien Be: ſtandtheils. Dadurch werden dieſe befähigt, theils unter ſich, theils auch mit dem Sauerſtoff der Luft oder anderer N he Körper Verbindungen einzugehen. t. Vorgang bei der Zerſetzung der Riekofffesien Subftanzen im Holze. Da das feſte Holzgerippe bei Weitem zum größten Theile ſtickſtofffrei iſt, ſo haben wir es hier recht eigentlich mit der Zerſetzung des Holzes zu thun. Nehmen wir vorerſt an, die Verweſung werde bewirkt durch den Sauer— ſtoff der Luft. Da der Waſſerſtoff im Holze eine viel größere Verwandtſchaft zum Sauerſtoff der Luft, als der Kohlenſtoff des Holzes beſitzt, ſo iſt es wohl nicht weahrſcheinlich, daß der Sauerſtoff der Luft direct mit dem Kohlenſtoff des Holzes ſich verbinde; es tritt vielmehr ſicherlich der Sauerſtoff der Luft zuerſt an den Waſſerſtoff des Holzes, um mit dieſem Waſſer zu bilden. Indem nun ein Theil des Waſſerſtoffs aus dem Holze hinweggenom— men wird, erleidet die Zuſammenſetzung des letztern eine merkliche Veränder— ung. War nämlich vorher der Sauerſtoff und Waſſerſtoff im Holze im Ver⸗ hältniß zur Waſſerbildung vorhanden, ſo erſcheint dieſes Verhältniß nunmehr aufgehoben; ein Theil des Sauerſtoffs iſt disponibel geworden. Da bei der Verweſung des Holzes immer auch der Sauerſtoffgehalt des letztern abnimmt, ſo iſt es angemeſſen, dieſen Sauerſtoff zu dem Kohlenſtoff des Holzes hinüber— treten zu laſſen, um mit dieſem Kohlenſäure zu bilden. Dieſe Annahme wird um ſo mehr gerechtfertigt, als bei der Verweſung des Holzes immer Kohlen⸗ ſäure entwickelt wird. Hiernach wären alſo die erſten Produete der Verweſung des Holzes (abgeſehen von den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen desſelben) Waſſer und Koh⸗ lenſäure. Um aber den Verweſungsprozeß in ſeinem ganzen Verlaufe verfol⸗ gen zu können, müſſen wir die Formel des Holzes zur Hülfe nehmen. Dieſe iſt nach Gay⸗Luſſae C36 Haag O22. Da ein Atom Kohlenſtoff zwei Atome Sauerſtoff zur Bildung von Kohlenſäure bedarf, ſo müſſen wir dem entſpre⸗ chend zwei Atome Sauerſtoff der Luft zu zwei Atomen Waſſerſtoff des Hol« zes hinübertreten laſſen, damit ſich zwei Aequivalente Waſſer erzeugen. Die zwei überſchüſſigen Aequivalente Sauerſtoff (des Holzes) verbinden ſich dann mit einem Aeg. Kohlenſtoff zu 1 Aeg. Kohlenſäure. Man erhält alſo CO + 2 H 0. Ziehen wir dieſe von der Formel des Holzes ab, fo ſehen wir, was im Rückſtand bleibt: Formel des Holzes 036 nat 04 hiervon ab die durch die Verweſung ausgeſchiedenen Producte CH 0, ſo bleibt Rückſtand Cas Hao 025 Heyer, Bodenkunde. 5 66 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Denken wir uns, der Austritt von C H, O, finde aber⸗ mals ſtatt, ziehen wir alſo N f 6 15 0 ab, ſo bleibt . N 11 pn Die Zerſetzung des Holzes i in der angegebenen Weiſe kann der Theorie nach ſo lange vor ſich gehen, bis aller Sauerſtoff und Waſſerſtoff ausgetre⸗ ten iſt. Da die 22 Aeg. Sauerſtoff des friſchen Holzes 11 Aeg. Kohlenſtoff bedürfen, um mit ihnen 11 Kohlenſäure zu bilden, fo blieben alſo Ca; als endlicher Rückſtand der Verweſung des Holzes. Dieſe 25 Aeg. Kohlenſtoff werden ſich unverändert erhalten, weil die Kohle bei gewöhnlicher Temperatur keine Verbindungen mit andern Körpern eingeht; den Reſt C,, nennt Liebig „Moder“. Uebrigens ſcheinen ſehr lange Zeiträume dazu zu gehören, bis das Holz gänzlich in Moder ſich verwandelt hat. Denn die weiße zerreibliche Maſſe aus im Innern faulen, viele hundert Jahre alten, Eichen iſt gewöhnlich nur um 1—2 Aeg. Kohlenſtoff ärmer, als das Holz. Daß indeſſen die Holzſubſtanz wirklich im Laufe der Zeit auf Moder reduzirt werden kann, dapon geben uns die Lager von Graphit (faſt vollkommen reinem Kohlenſtoff), dere n organiſcher Urſprung durch ihr Vorkommen in neptuniſchen Formationen erwieſen iſt, Beleg. Die ſchwarze Farbe des Waldbodens rührt an vielen Orten, (nicht immer) von organiſchem Kohlenſtoff her, welcher gleichfalls als Moder ange⸗ ſehen werden kann. ar Belege für die Richtigkeit der eben entwickelten Theorie der Holzverweſung⸗ Die Unterſtellungen, welche wir ſo eben bezüglich des Prozeſſes bei der Verweſung des Holzes gemacht haben, find rein theoretiſche; um ihre Rich⸗ tigkeit nachzuweiſen, müſſen wir die vorhin durch fucceffive Subtraction von CH, 02 von Cas Ha Oaa enthaltenen Formeln mit den durch wirkliche Unterſuchung gefundenen Formeln von in Zerſetzung begriffenem Holze ver⸗ gleichen. Es fand Meyer den aus Eichenholz gebildeten Humus zuſammengeſetzt aus Cas Bao 040, Will dagegen die Maſſe aus dem Innern eines Eichen ſtamms S C Hs 08, ſo daß die unter f. gebildete theoretiſche Reihe C36 Ha 092 Cas Ha 020 C34 Us 01s auch durch die Praxis beſtätigt wird. h. Die Verweſung des Holzes geht um fo langſamer von Statten, je weiter fie vorge⸗ ſchritten iſt. Je öfter der Austritt von 1 Aeg. Kohlenſäure und 2 Aeg. Waſſer aus dem Holze erfolgt iſt, um ſo einfacher wird die Zuſammenſetzung des zurück⸗ bleibenden Reſtes; in dem nämlichen Maße nimmt aber auch die Anziehung der einzelnen Atome gegen einander zu, wodurch ſowohl die Verbindung des Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 67 von außen her kommenden Sauerftoffs mit dem Waſſerſtoff des Holzes, als auch das Losreißen von 1 Aeg. Kohlenſtoff und 2 Aeg. Sauerſtoff (als Koh: lenſäure) aus dem Holze ſchwieriger gemacht wird. Bekanntlich widerſtehen organiſche Körper um ſo eher dem Angriff feindlicher Agentien, ſie zerfallen um ſo weniger leicht in ihre Elementarbeſtandtheile, je einfacher ihre Zuſammen⸗ ſetzung iſt. Darin iſt denn auch die Urſache zu ſuchen, warum die durch ihre complizirte Zuſammenſetzung ausgezeichneten ſtickſtoffhaltigen organiſchen Kör— per (wie Albumin, Fibrin, Caſein, Leim u. ſ. w.) ſo leicht in Zerſetzung über⸗ gehen. Nachdem die Holzfaſer einmal ka den Act der Verweſung in einen zerreiblichen Zuſtand verſetzt worden iſt, erhält fie ſich ſehr lange in demſelben, ohne merkliche Quantitäten von Kohlenſäure abzugeben. Ja es ſcheint, als ob der völlige Austritt des Waſſer- und Sauerſtoffs aus dem Holze noch nicht in hunderten, ſelbſt tauſenden von Jahren erfolgen könne. Den reinen Kohlenſtoff, wie er nach der Theorie (C4 ;) zurückbleiben ſollte, finden wir nur in den ältern Formationen als Graphit; ſchon die Steinkohle, ſeit deren Ent- ſtehung vielleicht Millionen von Jahren verfloſſen ſind, und auch die Braun⸗ kohle, enthalten neben Kohlenſtoff noch Sauerſtoff und Waſſerſtoff. i. Beförderungsmittel der Verweſung. Wie unter 2 bemerkt worden iſt, ſind Sauerſtoff, Wärme und Feuch⸗ tigkeit Bedingungen der Verweſung. Sorgt man dafür, daß dieſelben in er— höhtem Maße vorhanden ſind, ſo wird die Verweſung beſchleunigt. Bei gehörigem Feuchtigkeitsgehalte wirkt deßhalb Luftzug ſehr auf die Verweſung ein. Um jeden verweſenden Körper bildet ſich eine Schichte von Kohlenſäure, welche die atmoſphäriſche Luft mit ihrem Sauerſtoff abſchließt. Durch den Luftzug (Wind) wird dieſe Kohlenſäure entfernt, an ihre Stelle tritt wieder die ſauerſtoffabgebende Luft. In geſchloſſenen Holzbeſtänden iſt die Luft viel ruhiger, als über dem freien Felde, über Blößen oder ſolchen Flächen, auf denen kahler Abtrieb ſtattgefunden hat, und auch ruhiger, als in nicht geſchloſſenen Beſtänden. In erſtern wird aus dieſem Grunde der Hu— mus ſich länger erhalten können. Waldmäntel hemmen den Luftzug und tragen ſomit zur Conſervation des Humus bei. Zu ſtarker Wind hält übri⸗ gens die Verweſung zurück, weil er die organiſchen Körper ihrer Feuchtigkeit beraubt. Trocken gehaltenes Holz, Laub u. ſ. w. bleibt lange Zeit in beinahe un⸗ verändertem Zuſtand, wie man an Möbeln, eingemauerten Balken ꝛe. ſieht. Mangel an Feuchtigkeit mag hauptſächlich die Urſache ſein, warum Buchen⸗ laub in den gewöhnlichen Fällen langſamer verweſt, als Eichenlaub. Der Baumſchlag der Buche iſt viel dichter, als derjenige der Eiche; in Buchwal⸗ dungen gelangt deßhalb weniger Regen und Thau an den Boden. Die Blät— ter der meiſten Laubholzarten verweſen (verlieren ihren Zuſammenhang) binnen 5 * 68 Die Entſtehung der fejten Erdrinde und des Bodens. 1—2 Jahren, während in geſchloſſenen Buchenwaldungen das abgefallene Laub ſich 5 und mehr Jahre erhält. Aber die Buche beſitzt auch unter allen Laubhölzern den dichteſten Baumſchlag. In Gebirgen, in welchen den größeren Theil des Jahres eine nebelfeuchte Luft herrſcht, verweſt (wie im Vogelsge⸗ birge) das Buchenlaub in 1—2 Jahren, alſo eben fo ſchnell, wie das Eichen⸗ laub. Immerhin iſt es aber doch möglich, daß die Verweſung des Buchen⸗ laubes auch noch durch andere Urſachen, welche in ſeiner Textur, ſeinen Saft⸗ beſtandtheilen u. ſ. w. liegen können, verzögert wird. Nadeln verweſen im Ganzen langſamer, als Laub; aber auch bei den Nadeln finden ſich Unterſchiedlichkeiten nach der Holzart. So verweſen die Nadeln der Lärche wohl ebenſo ſchnell, als das Laub der Eiche, Erle u. ſ. w. In jungen Kiefernbeſtänden ſcheinen die Nadeln langſamer zu verweſen, als in ältern, was ohne Zweifel in dem größern Schluß der jüngern Kiefernbe⸗ ſtände, durch welchen, wie durch das Laubdach der Buche, der Regen abge⸗ halten wird, beruht. In Fichten- und Weißtannenbeſtänden bleibt der Boden viel länger, als in den Kiefernwaldungen mit Nadeln bedeckt, was dem dich⸗ tern Schluſſe jener zuzuſchreiben iſt. Bei jüngern Fichten und Tannen ſchützen die bis zum Boden herabhängenden Aeſte die abgefallenen Nadeln gegen Be⸗ feuchtung durch Regenwaſſer, Thau u. ſ. w. Sind das Laub, die Nadeln u. ſ. w. mit der Erde vermiſcht (3. B nach erfolgtem Untbruch durch Schweine, nach dem Roden der Stöcke) ſo verweſen dieſe Subſtanzen um ſo eher, je lockerer der Boden iſt, wobei wir aber vorausſetzen, daß an der nöthigen Feuchtigkeit kein Mangel ſei. Daher verzehrt ſich der Humus ſchneller in Sand-, als in Thonboden. Die Boden⸗ lockerung, welche ſtattfindet, wenn der Waldboden zeitweiſe der landwirth⸗ ſchaftlichen Benutzung überlaſſen wird, hat immer eine Beſchleunigung der Verweſung zur Folge. Im Hochgebirge herrſcht nicht allein im Durchſchnit des ganzen Jahrs, ſondern auch in den Sommermonaten eine geringere Temperatur, als in der Ebene. Deßwegen ſchreitet auch die Verweſung des abgefallenen Baum⸗ laubes, des Mooſes, der Nadeln u. ſ. w. im Hochgebirg weniger raſch vor; es ſpeichern ſich hier unter ſonſt günſtigen Verhältniſſen bedeutende Quan⸗ titäten von Humus auf. Die Verweſung des Holzes hängt ſicherlich auch von der Dichte ſeiner Textur ab; deßhalb dauern weiche Holzarten im Ganzen weniger lange im Freien aus, als harte. Doch gilt dieſes Geſetz nicht für alle Holzarten; das ſpeeifiſch ſchwere Buchenholz z. B. hält ſich nicht lange, wenn es der Feuch⸗ tigkeit und Luft ausgeſetzt wird. ö Harzreiches Nadelholz widerſteht der Verweſung länger, als harzarmes. Das Harz iſt keiner weitern Verweſung fähig; es muß vielmehr, weil es ſich aus dem Terpenthinöl durch Sauerſtoffaufnahme gebildet hat, ſchon als ein Product der Verweſung angeſehen werden. Das Harz ſchützt die Holzfaſern, Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 69 welche es umgibt, gegen den Zutritt der Luft. Wachs, Gerbſäure, Torfſäure, Humusſäure ſcheinen ebenfalls die Verweſung aufzuhalten; die Säuren wahr— ſcheinlich deßhalb, weil ſie ſelbſt den Sauerſtoff begierig aufnehmen. Die im Saft enthaltenen Alkalien befördern die Verweſung; einmal durch ihre Fähigkeit, Waſſer aus der Atmoſphäre anzuziehen, zum andern aber dadurch, daß ihre baſiſchen Eigenſchaften die Holzfaſer zur Bildung von ſäure⸗ artigen Körpern veranlaſſen. Letzteres gilt auch von den alkaliſchen Erden. B. Verweſung beim Abſchluß der Luft. Eigentlich iſt die Luft bei der Verweſung niemals vollſtändig -auöge- ſchloſſen, weil die organiſchen Körper in ihren Zellen, Gefäßen, Poren u. ſ. w. immer etwas Luft enthalten. Indeſſen iſt die Menge dieſer Luft gering. Wenn Holz u. ſ. w. durch Erde, Waſſer u. dergl. außer Berührung mit der Atmoſphäre geſetzt ift, wie z. B. bei Brückenröſten u. ſ. w. zu ge- ſchehen pflegt, ſo hält es ſich ſehr lange Zeiträume hin in faſt unverändertem Zuſtande; erſt nach Tauſenden von Jahren nimmt die Oberfläche eines ſolchen Holzſtückes das Anſehen der Braunkohle an. Die Pfähle des Roſtes einer Brücke, welche Germanikus über den Rhein ſchlagen ließ, fand man vor kurzer Zeit noch ganz wohl erhalten. Stämme, welche von vielen Fuß hohen naſſen Torfſchichten überlagert ſind, haben kaum eine merkliche Veränderung in Bezug auf die Farbe, * und den Zu⸗ ſammenhang des Holzes erlitten. C. Verweſung bei unvollſtändigem Zutritt der Luft. Mit Saft erfüllte Holzſtücke, welche nicht gehörig austrocknen können, (3. B. weil fie nicht entrindet worden find) nehmen in ihrem Innern eine dunklere (graue, ſchwärzliche) Farbe an, werden mürb und verlieren ihre Con⸗ ſiſtenz. Man nennt dieſen Aet der freiwilligen Zerſetzung des Holzes: das Verſtocken. Es kommt vorzüglich bei aufgeklaftertem dickſpaltigem Holze und an ſolchen Orten vor, welche nicht hinreichend dem Luftzug exponirt ſind. Auch die abgeſtorbenen innern Holzlagen von noch lebenden Bäumen find häufig dem Berftoden unterworfen. Bei dieſen geht die urſprüngliche dunklere Färbung der verſtockten Stellen im Laufe der Zeit in eine hellere, weißliche bis gelbe, über. Verſchiedene Pilze und Schwämme finden ſich im— mer im verſtockten Holze ein und ſcheinen die Zerſetzung weiter fortzutragen, wenn ſie auch nicht als die primitiven Urſachen des Verſtockens angeſehen werden können. Chemiſche Analyſen haben ergeben, daß verſtocktes Holz (z. B. aus dem Innern von Bäumen) eine Zuſammenſetzung beſitzt, welche ſich durch die Formel C40 His O14 ausdrücken läßt. Man hat dieſe Materie Ulminſubſtanz genannt. Sie iſt vielfachen Veränderungen unterworfen, je nachdem Alkalien, Feuchtigkeit und Sauerſtoff auf ſie einwirken können. Unter Umſtänden, deren Bedingungen aber noch nicht gehörig ermittelt worden find, geht die Ulmin- Die Entſtehung der fejten Erdrinde und des Bodens, ſubſtanz in Huminſubſtanz C40 IIIis O18, Ulminſäure C40 H14 O12, Huminſäure Cao Hi2 012 Geinſäure C40 Hi 014, Quellſäure C24 Ha 06, Quellſatz⸗ ſäure Cas Ii 2 044 Über. Hierbei entwickelt ſich gewöhnlich Sumpfgas (leich⸗ tes Kohlenwaſſerſtoffgas S CH,). Genauer, als beim Holze, hat man die Ueberführung der Ulminſubſtanz in die ſogenannten Humusſäuren beim Zucker unterſucht. Dieſer liefert, wenn man ihn mit Säuren und Baſen nach einander behandelt, die nämlichen Producte, als das bei unvollſtändigem Zutritt der Luft verweſende Holz. 1. Ulm inſubſtanz und Hum inſubſtanz. Wird gewöhnlicher Rohrzucker mit verdünnter Schwefelſäure längere Zeit bei einer unter dem Siedepunkt liegenden Temperatur erwärmt, fo ver⸗ wandelt er ſich in eine braune unlösliche Materie, welche ſowohl ihrem äußern Anſehen, als auch ihrer Zuſammenſetzung nach die größte Aehnlich⸗ keit mit der vorhin erwähnten Ulminſubſtanz hat. Gleichzeitig entſteht Amei⸗ ſenſäure und Waſſer. Man kann ſich denken, aus 7 Aeg. Rohrzucker bilde⸗ ten ſich 2 Aeg. Ulminſubſtanz, 2 Aeg. Ameiſenſäure und 43 Waſſer. Rohrzucker — C2 Hi 1 0113 7 Aeg. Rohrzucker = Oe Ulminſubſtanz — C4 H 0143 2 Aeg. Ulminſubſtanz — C803 2028 Ameiſenſäure = C H O;; 2 Aeg. Ameiſenſäure —= C H 06 Waſſer — H O z 43 Aeg. Waſſer ort H. Oas Summe — 7 Rohrzucker — Cs H27 077 Kocht man die Ulminſubſtanz noch weiter mit Schwefelſäure, ſo ver wandelt ſie ſich in N Huminſubſtanz = CH 5015 Dieſer Umwandlungsprozeß findet in der Weiſe ſtatt, daß 1 Aeg. Sauerſtoff der Luft zu dem Sauerſtoff der Ulminſubſtanz tritt, daß dagegen ein zweites Aeg. Sauerſtoff der Luft ſich mit einem Aeg. Waſſerſtoff der Ulminſubſtanz zu 1 Aeg. Waſſer verbindet, welches ausgeſchieden wird. Es iſt nämlich Ulminſubſtanz E 0—II = Huminſubſtanz oder Cyo H, 6 0, 4 <-HE0 Cyo H. 5 01 5 2. Ulmin und ulminſänre, Hum in und Hum inſäure. Betrachten wir nun die Umwandlungsproducte der Ulmin- und Hu⸗ minſubſtanz. A. Ulminſubſtanz. Behandelt man dieſe mit kochendem kohlenſaurem Natron, ſo entſteht a) Ulmin. Es hat die Zuſammenſetzung der Ulminſubſtanz, nämlich ff Bodenbildung durch organiſche Kräfte. | 71 C40 16014 und iſt unlöslich. Durch Kochen mit concentrirtem Ae tz⸗ natron geht es in ulminſaures Natron über. b) Ulminſaures Natron. Man ſcheidet die Ulminſäure von dem Na- tron durch Zuſatz von Schwefelſäure ab; nämlich Ulminſaͤure + Natron SO, Die Ulminſäure wird in dem vorliegenden Falle als eine braune gal— lertartige Maſſe gefällt. Sie löſt ſich in reinem Waſſer. Es iſt die Zuſam⸗ menſetzung der N Ulminſäure = C,H, 4014 Man kann ſie ſich entſtanden denken aus dem Ulmin, von welchem zwei Aeg. Waſſerſtoff ſich mit ebenſoviel Sauerſtoff zu 2 Aeg. Waſſer verbunden und abgeſchieden haben. B. Huminſubſtanz. Behandelt man dieſe mit kohlenſaurem Natron, ſo bildet ſich a) Humin. Es iſt unlöslich und beſitzt genau die Zuſammenſetzung der Huminſubſtanz, demnach C4 His 015. Mit eoncentrirtem Aetznatron behandelt, geht es in huminſaures Natron über. b) Huminſaures Natron. Man ſcheidet die Huminſäure von dem Natron mittelſt Schwefelſäure ab. Huminſäure + G Auch die Huminſäure iſt in reinem Waſſer löslich. Ihre Formel iſt Oo H, 2 01 2* Sowohl Humin und Huminſäure, als auch Ulmin und Ulminſäure fin⸗ den ſich in der Natur, obwohl der Uebergang des Humins in Huminſäure und des Ulmius in Ulminſäure hier in anderer Weiſe erfolgt, als im Labo⸗ ratorium unter Anwendung künſtlicher Reagentien. 8 3. Geinſäure. Die huminſauren Salze gehen unter der Einwirkung der Sauerſtoffs in manchen Fällen in Geinſäure —= C4 Hi 4012 über. 4. Quellſäure und Quellſatzſäure. Beide ſind von Berzelius in Quellen gefunden worden; ſie ſcheinen je⸗ doch, ſo wie die Geinſäure nur in geringen Mengen vorzukommen. Auch treten die beiden Säuren neben Huminſäure auf. In reinem Zuſtande kennt man ſie noch nicht, weil ſie nicht von mhingendem Ammoniak befreit wer⸗ den können. 72 Die Entjtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Es iſt die Zuſammenſetzung 1 des Quellſäurehydrats S CH 2016 + 3 OH. des Quellſatzſäurehydrats S Cs. 2044 + 2 OH. D. Torfbildung. a. Begriff von Torf. Der Torf bildet ſich aus abgeſtorbenen und mehr oder weniger der Zer⸗ ſetzung bei unvollſtändigem Luftzutritt anheimgefallenen Pflanzen. Häufig kommen hierzu auch noch Mineralſtoffe, wie Sand, Thon, Lehm, Kalk, Eiſen⸗ kies, Eiſenvitriol, Blaueiſenerde, Eiſenocker u. ſ. w. Nach Regnault iſt die Zuſammenſetzung des Torfs von Vulcaire mit Aſche ohne Aſche Kohlenſtoff 57.03 60.40 Waſſerſtoff 5.63 5.86 Sauerſtoff 31.76 33.64 Aſche 5.58 re 100.00 100.00 hierfür berechnet fich biegformel C44H, 1013. Die Aſche, welche der Torf beim Brennen hinterläßt, rührt zum ge⸗ ringſten Theil von den Pflanzen her, aus denen der Torf entſtanden iſt, iſt vielmehr von außen (als Sand, Erde, Staub u. ſ. w.) hinzugekommen. Die guten Torfſorten ſind ärmer an Aſche, als das Holz, weil der Torf beſtändig vom Waſſer ausgelaugt wird. Die Torfaſche zeichnet ſich durch ihren Mangel an kohlenſaurem Kali aus. Viele Torfarten enthalten auch harzige und wachsartige Stoffe, deren Menge im Durchſchnitt 1—2 Prozente beträgt. Das ſpecifiſche Gewicht des ausgetrockneten Torfes ſchwankt zwiſchen 0,3 und 09. 5 Alle Torfarten enthalten Hun mu Quell⸗ und Quellſatzſäure. b. Bedingungen für die Torfbildung. Sowohl die chemiſche Zuſammenſetzung des Torfs, als auch das Vor⸗ kommen der Huminſäure, der Quell- und Quellſatzſäure deuten darauf hin, daß der Prozeß der Torfbildung nicht bei vollſtändigem Zutritt der Luft ſtatt⸗ findet. Denn im letztern Falle würden die genannten Säuren fehlen, auch könnte der Waſſerſtoff ſich nicht in ſo bedeutendem Uebergewicht über den Sauerſtoff erhalten haben. Wahrſcheinlich findet beim Torfe die Verweſung ganz oder zum größten Theil auf Koſten des Sauerſtoffs ftatt, den die Torf pflanzen ſelbſt beſizen. Vergleichen wir nämlich die vorhin entwickelte Formel des Torfs mit der Gay-Luſſac'ſchen Formel des Holzes, fo können wir uns den erſtern entſtanden denken durch Austritt von 5 Aequivalenten Kohlenſäure und 1 Aeq. Waffer. Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 73 Eichenholz S (36H22022 f hiervon ab 5 Kohlenſäure — C, 910 und 1 Waſſer H O in Summe Cs H 011 ſo bleiben CH Nehmen wir nun an, daß 2 Aeg. Sauerſtoff von der Luft geliefert worden ſeien und fügen wir dieſe dem ſo eben erhaltenen Reſte zu, ſo er⸗ gibt ſich C31H 41013 = Torf. Hauptſächlich iſt es ſtagnirendes Waſſer, welches die Luft bei der Bil⸗ dung des Torfes abſchließt. Torflager werden ſich daher vorzüglich an ſolch en Orten erzeugen, welche zwar noch eine hinreichende Temperatur zur Entwick⸗ lung der Vegetation, aber vor Allem ſtehendes Waſſern beſitzen, welches den Torf zum größten Theil des Jahres hindurch von der Luft abſchließt. Vorzüglich geeignet für die Torfbildung find Hochgebirge, in denen eines⸗ theils bedeutende Niederſchläge von meteoriſchen Waſſern erfolgen, anderntheils aber auch die niedrige Temperatur der Luft ein raſches Verdunſten dieſes Waſſers verhindert. Finden ſich an ſolchen Orten Felsarten, welche aus Mangel an Zerklüftung das Waſſer nicht in die Tiefe ſickern laſſen, oder bil⸗ det daſelbſt Thon *) einen undurchlaſſenden Untergrund, jo ſtauen ſich die Waſſer an und verurſachen Sümpfe. In dieſen wachſen Pflanzen, meiſt niedrig organiſirte Arten. Aber auch ebene Flächen mit geringer Neigung gegen die Horizontale und mit undurchlaſſendem Untergrund haben Torf⸗ lager aufzuweiſen. Einige der gewöhnlichſten vorkommenden Sumpfgewächſe ſind. Erica tetralix, Calluna vulgaris, Vaceinium uliginosum, Vaccinium Oxycoccos, Vaccinium vitis idaea, Andromeda polyfolia, Empetrum ni- g rum, Ledum palustre, Salix rosmarinifolia, Eriophorum vaginatum, gra- eile, verſchiedene Carex- Arten, wie Carex paludosa, stricta ete., Ranun- culus, Nymphaea, Alisma, Hydrocharis, Sagittaria, Potamogeton, Calli- triche, Hippuris, Ceratophyllum, Chara, Lemna, Drosera, Juncus, ver- ſchiedene Hypnum⸗Arten, wie Hypnum fluviatile, cuspidatum u. ſ. w. meh⸗ rere Equiseta; vor Allem aber die Gattung Sphagnum mit den Arten — 1 Unmittelbar auf Thon bemerkt man die wenigſten Torflager, in den meiſten Fällen finden ſich dieſelben auf Sand, unter welchem in einiger Tiefe der Thon hin⸗ ſtreicht. ö 74 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ceymbifolium (Fig. 56.), molluscum. squarrosum, acutifolium, cuspida- tum u. ſ. w. Dieſe Pflanzen erzeugen ſich ſo⸗ wohl auf dem Boden der Sümpfe, als auch auf der Oberfläche des Waſ⸗ ſers. Sie ſinken, wenn ſie im Herbſt abſterben, entweder auf den Boden des Sumpfes, oder tauchen doch ſo weit unter, daß ſie vom Waſſer bedeckt ſind, oder werden endlich von den Herbſtwaſſern überſtaut. Nach Forch⸗ hammer ſoll in Dänemark das Wachs⸗ thum der größten Torfmoore nicht ſelten in der Weiſe vor ſich gehen, daß die Oberfläche eines See's ſich mit einer Moosdecke überzieht, welche auf dem Waſſer ſchwimmt und zu⸗ weilen ſo dick wird, daß ſie einen Menſchen zur Noth tragen kann. Der⸗ gleichen Moore heißen „Hangeſack“ im Munde des Volkes. Wind und Fluth führen Sand und Schlamm über dieſe Moosdecke hin, der auf ihr entſtehende Marſchboden wird immer dicker. (Bronn, Geſchichte der Natur. II. 351). N Schwimmende Inſeln von Torf, die in der eben angegebenen Weiſe ſich bilden, findet man übrigens noch an vielen andern Orten. „In dem Gerdauer See in Preußen befand ſich lange eine ſchwimmende Torfinſel, ſo groß, daß 100 Stück Vieh darauf waideten. Sie wurde 1707 in mehrere Stücke zerriſſen und jetzt ſind nur noch geringe Reſte davon übrig. (Bronn).“ Sämmtliche Europäiſche Gebirge enthalten Torfmoore; am reichſten daran iſt die große Ebene, welche ſich von Belgien und Holland an den Küſten der Nord- und Oſtſee vorbei bis nach Rußland erſtreckt. Dieſe Ebene bildete wahrſcheinlich früher den Grund eines Meeres, ſie iſt jetzt noch nicht bedeutend über dem Meeresſpiegel erhaben und beſitzt demnach die geeignete Beſchaffen⸗ heit zur Entſtehung von Sümpfen. Auch in Irland, Schottland, Norwegen und Schweden kommen bedeutende Torfmoore vor. Bodenbildung durch organiſche Kräfte. 75 In den Ebenen der Aequinoetialgegenden fehlt der Torf gänzlich, wahr- ſcheinlich deßhalb, weil die daſelbſt herrſchende hohe Temperatur ein völliges Verweſen der zur Torfbildung tauglichen Pflanzen bewirkt. Nur auf dem Plateau der Anden, wo die mittlere Temperatur nicht über 80 bis 10° C. be⸗ trägt, fand Bouſſingault Seen mit Torfgrund. e. Benennung der Torfmoore nach ihrer äußern Erſchein ung. Man unterſcheidet: . Hochmoore. Nachdem eine Vertiefung, ein Sumpf durch Torf aus⸗ gefüllt worden iſt, findet in vielen Fällen noch eine fortgeſetzte Torfer⸗ zeugung ſtatt, trotzdem, daß jetzt die Pflanzen nicht mehr von einem Waſſerſpiegel bedeckt ſind. Dieſe Erſcheinung hat ihren Grund in der Capillarität der Torfmoore; es wird beſtändig Waſſer aus der Tiefe auf⸗ geſogen und die abgeſtorbenen Pflanzen find hier ſo ſtark mit Waſſer imprägnirt, daß ſie förmlich davon triefen. Durch dieſes Waſſer werden fie vor der vollſtändigen Verweſung geſchüzt. Das Anwachſen des Moors über den Waſſerſpiegel hinaus kann zehn bis zwanzig Fuße be⸗ tragen. Nach dem Rande hin nimmt die Höhe eines ſolchen Hoch⸗ moors ab, weil hier die Capillarität viel geringer, als in der Mitte iſt. In Rußland kommen Hochmoore von ſehr bedeutender Ausdehnung vor; ſo ſoll das Torfmoor, welches die nördliche Küſte Aſiens be⸗ grenzt und angeblich 300 Meilen Länge und 100 Meilen Breite be⸗ ſizt, als ein Hochmoor angeſehen werden können. Der Boden der Torfmoore iſt wenig fruchtbar; ſeine Vegetation beſteht gewöhnlich aus einzelnen verkrüppelten Kiefern, Birken und Weiden. Keſſelmoore. Hier ift der Torf in eine keſſelartige Vertiefung zwiſchen Anhöhen eingelagert. Seine Mächtigkeit kann bis 15 Fuße betragen. Oft iſt der Keſſel durch den Torf vollſtändig ausgefüllt. Die Baum⸗ vegetation dieſer Moore iſt ebenſo, wie die der Hochmoore, gering; da⸗ gegen liefern ſie Gras und Waide. 7. Wieſenmoore. Sie liegen meiſt in großen Ebenen, welche von unbedeu⸗ tenden Anhöhen umgeben find, oder an den Seiten der Flüſſe. Ihre Ausdehnung iſt gewöhnlich größer, als diejenige der Keſſelmoore. d. Meermoore. Dieſe befinden ſich an der Küſte des Meeres. d. Unterſcheidung des Torfs nach ſeiner innern Beſchaffenheit. Je nach der Oertlichkeit gibt es eine zahlloſe Menge von Torfarten. Die Hauptklaſſen derſelben find folgende: a. Moostorf. Er beſteht vorzüglich aus den Stengeln und Blättern von Sphagnum, welche der oben beſchriebenen unvollſtändigen Verweſung anheimgefallen ſind. Seine Farbe it manchmal ganz hell, wie die des friſchen Mooſes. S8. Raſentorf. Ne wird durch Gras, Schilf u. ſ. w. gebildet 76 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. 7. Pechtorf. Er iſt mit Erdharz imprägnirt und hat einen muſcheligen Bruch. d. Papiertorf. Er beſteht aus vermoderten Blättern, Mooſen, Gras u. ſ. w. und läßt ſich in dünne Schichten trennen. e. Baggertorf. Dieſer beſitzt durchaus keinen Zuſammenhang und unter- ſcheidet ſich dadurch weſentlich von den vorgenannten Torfarten. Man formt den Baggertorf in Klötze, wenn er techniſche Verwendung finden ſoll. Der Baggertorf kann als ein organiſcher Schlamm angeſehen werden. e. Nachwachſen des Torfs. Dafür, daß der Torf noch gegenwärtig ſich erzeugt, gibt das Nachwach⸗ ſen deſſelben in ausgeſtochenen Torflagern ſchlagenden Beleg. Die Quantität des jährlichen Zuwachſes iſt indeſſen außerordentlich verſchieden nach den Ge⸗ wächſen, welche zur Torfbildung beitragen. Am bedeutendſten iſt das Nach⸗ wachſen bei ſolchen Torflagern, welche aus Sphagnum⸗Arten beſtehen. Dieſe Pflanze treibt nämlich aus einem und demſelben Stengel immer neue Aeſt⸗ chen und Würzelchen, ſobald der untere Theil abſtirbt. So kann man in manchen Torflagern Sphagnum⸗Stengel von zehn und mehr Fußen Länge verfolgen. — Rechnet man bei dem Abſtich eines Torfmoors auf Wiederer⸗ zeugung des Torfs, ſo hat man vor Allem darauf zu ſehen, daß der Torf nicht bis auf die nackte Erde herausgenommen wird, ſondern daß eine, wenn auch dünne, Torfſohle erhalten bleibt. Mit dem Abſtich des Moors darf nur ein temporäres, kein gänzliches Ableiten des zur Torfbildung unumgänglich nöthi⸗ gen Waſſers verbunden ſein. Uebrigens ſoll ein mäßiger Feuchtigkeitsgrad die Torfbildung weit mehr begünſtigen, als vollkommene Ueberſchwemmung. Bode bemerkt, daß in Kurland ein vor 120 Jahren ausgeſtochenes Torflager, welches ſeitdem mit Waſſer angefüllt und ohne Abfluß war, einen Nachwuchs von 21 Fuß Dicke hatte, während dieſer in Torfgruben mit Waſſerabfluß 4 — 41 Fuß, alſo beinahe das Doppelte betrug. Es iſt übrigens auch einleuch⸗ tend, daß in einer blos naſſen Lage die zur Torfbildung geeigneten Pflanzen beſſer vegetiren werden, als in einem See. Zweckmäßig iſt es auch, die Vege⸗ tabilien, welche die oberſte Bekleidung des Moores ausmachen, nach erfolgtem Abſtich auf die ſtehenbleibende Sohle auszubreiten. Wir geben nun einige Notizen über den Nachwuchs des Torfes: Im Jahre 1804 wurde ein Torfſtich zu Gundolzen am Bodenſee er⸗ öffnet; nach Verlauf von 22 Jahren hatte ſich eine neue Torflage von 24 Fuß Dicke gebildet. Die nämliche Zuwachsgröße fand man in einem Torf⸗ lager zu Gayenhofen. (Mayer) Van Marum beobachtete, daß in einem Waſſer⸗ becken in ſeinem Garten in fünf Jahren eine vier Fußhohe Torfſchicht durch Conferva rivularis (?) und Myriophyllum entſtand. — Nach de Luce fticht man in den Oſtfrieſiſchen und Bremiſchen Mooren 15 — 20 Fuß lange und Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 77 6 Fuß tiefe Gräben, die ſich binnen 30 Jahren wieder mit Torf füllen. Fr. Hoffmann erzählt, daß das Altwarmbrücher Moor bei Hannover zum zweiten Mal ſeit 50 Jahren abgeſtochen wurde. Der Torf, welcher dort 10—12 Fuß hoch ſteht, wovon nur 8 Fuß weggenommen wurden, hat ſich erweislich in 50 Jahren wieder erzeugt. An den noch jetzt in Betrieb ſtehenden Torfmoo⸗ ren bei Greifswalde erkennt man, daß ſie, jedoch nur bis zur halben Tiefe ſchon einmal abgeſtochen worden ſind; der in den früheren Gruben faſt bis zur Oberfläche des Moors nachgewachſene Torf unterſcheidet ſich augenblicklich von dem darunter liegenden durch gelbere Farbe und geringere Dichte. — Die hölzerne Brücke des Germanikus fand man vor noch nicht langer Zeit von einer 2—4 Fuß hohen Torfſchicht bedeckt zwiſchen Valke und dem Klo⸗ ſter Ter Apel im Drenthe⸗Departement der Niederlande. (Bronn). Ign einigen ältern Torfmooren findet man Baumſtämme, zum Theil in vertikaler Stellung, ſo daß kein Zweifel darüber beſtehen kann, daß dieſe Stämme in dem Boden des Moores ſelbſt wurzelten und ſpäterhin durch den nachwachſenden Torf eingehüllt wurden. Drittes Kapitel. Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. (Verwitterung im engeren Sinne des Wortes). 1. Allgemeines. Wenn man zwei Körper mit einander in unmittelbare Berührung bringt, ſo wirken ihre Beſtandtheile in vielen Fällen auf einander ein, ſo daß zwei neue Körper entſtehen, welche von den urſprünglich vorhandenen weſentlich verſchieden ſind. Setzt man z. B. zu einer Auflöſung von Gyps eine ſolche von kohlenſaurem Ammoniak, ſo entſteht kohlenſaurer Kalk und ſchwefelſaures Ammoniak. S803. + Cao CO, + AmO Dieſe Wirkungsweiſe findet indeffen nur dann ftatt, wenn die beiden Körper mit einander in unmittelbarer Berührung find. Hierdurch unterſcheiden ſich die chemiſchen Kräfte ſehr weſentlich von den phyſikaliſchen Kräften, welche wie z. B. die Schwere, der Magnetismus, ihren Einfluß auch in die Ferne äußern. Es iſt klar, daß die Veränderung, welche zwei Körper durch chemiſche Aetion erleiden, um ſo durchgreifender und vollſtändiger ſein müſſe, in je innigerer Berührung die beiden Körper ſich befinden. Dieſes Verhältniß wird dann am meiſten erreicht, wenn die beiden Körper eine recht große Ober— fläche beſizen. Sind ſie z. B. flüſſig, ſo können ſie ſich an allen Punkten berühren, weil den Flüſſigkeiten die Möglichkeit einer vollſtändigen Durch⸗ 78 Die Entſtehung der feſten Erdrinde des Bodens. dringung gegeben iſt. Deßwegen bringt der Chemiker diejenigen Subſtanzen, welche einer chemiſchen Aetion unterworfen werden ſollen, wo dies nur immer thunlich iſt, in Auflöſung. Befinden ſich die Körper nicht in Auflöſung, ſo kann durch Pulvern ihre Oberfläche vermehrt werden. Wie ſehr die chemiſche Wirkung irgend eines Körpers auf einen ada von der Größe der Oberflächen abhängt, wird folgendes Beiſpiel lehren. Ein Kubikzoll Eiſen, deſſen Seite 1 Zoll lang iſt, beſitzt im Ganzen eine Ober- fläche von 600 Quadratlinien (dec.) walzt man dieſen Cubikzoll in ein Blech von 1 Linie Dicke aus, ſo iſt die Oberfläche des letzten mehr als 2000 Qua⸗ dratlinien groß. Eiſen verbindet ſich mit dem Sauerſtoff an ſeiner Oberfläche und roſtet. Offenbar wird die Menge des gebildeten Roſtes der Größe der Oberfläche proportional ſein, ſich demnach bei den eben genannten Formen wie 600: 2000 S 6: 20 verhalten. Gibt man aber dem Eiſen die Geſtalt eines ſehr feinen Pulvers (durch Reduetion des Oxyds in Waſſerſtoffgas), wo⸗ durch ſeine Oberfläche außerordentlich vermehrt wird, ſo entzündet es ſich an der Luft, indem es ſich an allen Punkten mit dem Sauerſtoff verbindet und verbrennt vollſtändig zu Oxyd. Die mechaniſchen Kräfte arbeiten den chemiſchen dadurch vor, daß ſie die Geſteine zerkleinern, alſo, mit andern Worten, ihre Oberfläche vergrößern. 2 Die Agentien der Verwitterung und ihre Wirkung bei den ein⸗ 0 fachen Geſteinen. A. Chemiſche Wirkung des Waſſers. a. Verwitterung durch Aufnahme von Kryſtalliſations⸗ und Hydratwaſſer. Verbindungen von Baſen oder Säuren in beſtimmten Verhältniſſen mit Waſſer nennt man Hydrate und bezeichnet dieſes Waſſer mit aq; mit Salzen oder Hydraten verbundenes Waſſer, welches die Kryſtallgeſtalt bedingt, nennt man Kryſtallwaſſer. (OH) ö . Anhydrit = waſſerfreier Gyps S CaO 803. Er kommt in vielen neptuniſchen Formationen, hauptſächlich in der Tri⸗ asgruppe vor und ſetzt mitunter ganze Berge zuſammen. Durch Aufnahme von 2 Aeg. Waſſer verwandelt er ſich in Gyps S CaO, SO, —+ 20H. Hier⸗ bei vergrößert ſich fein Volum, ohne Aenderung der Kryſtallgeſtalt. Es -ift wahrſcheinlich, daß die meiſten Gypſe aus Anhydrit auf die eben angegebene Weiſe entſtanden find. Der Anhydrit iſt in Waſſer nur ſehr wenig auflös⸗ lich; durch chemiſche Bindung von Waſſer erhält er aber die Löslichkeit des Gypſes und kann nun für die Vegetation wirkſam werden. . 5. Eiſenglanz = Fe,0; findet ſich in vielen Geſteinen, z. B. Kalk, Grauwacke, Schiefer, vorzüglich aber als acceſſoriſcher Gemengtheil plutoniſcher Felsarten, z. B. des Granits Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 79 Durch Aufnahme von Waſſer geht der Eiſenglanz in 2 Brauneiſenſtein —= 2 Fe. O; + 3 aq = Eiſenoxydhydrat über. g b. Auflöſung der Geſtei ne in reinem Waſſer. Die meiſten Mineralien beſitzen eine nur geringe Löslichkeit in reinem (d. h. kohlenſäurefreiem) Waſſer. Da übrigens die Menge des meteoriſch nie⸗ derfallenden Waſſers nicht unbedeutend iſt (nach Schübler fallen auf 1 Preuß. Morgen nahe an 4 Millionen Pfund Waſſer als Regen, Schnee u. ſ. w.) und da die Feuchtigkeit durch Nebel, Wolken u. ſ. w. bis in die höchſten Ge⸗ birge geführt wird, ſo ſind die Veränderungen, welche die Geſteine unter dem Einfluß der Feuchtigkeit im Laufe der Zeit erleiden, nicht zu überſehen. . Steinſalz = CINa. Es kommt in ſehr bedeutenden Maſſen im Zechſtein und in der Triasgruppe vor. Das Steinſalz iſt in Waſſer löslich. In feuchter Luft zieht es Waſſer an und zerfließt darin. Dieſes Zerfließen tritt in noch höherm Grade bei dem durch Chlorcaletum und Chlormagneſium verunreinigten Salze ein. In manchen Gegenden, z. B. in den Ruſſiſchen Steppen iſt der Boden auf große Strecken hin mit Steinſalz imprägnirt. 5. Gyps = 80 Cao + 20H —= ſchwefelſaurer Kalk + 2 Aeg. Waſſer. Die Farbe des Gypſes iſt meift weiß oder röthlich, aber auch grau bis ſchwarz, ſeltener gelb. Nach der Textur unterſcheidet man dichten Gyps, ohne alles kryſtalliniſche Gefüge. Dieſer kommt am we⸗ nigſten häufig vor; f blätterigen Gyps (Fraueneis), faſerigen Gyps, ſchaumartigen Gyps (Bergmehl). Von allen ſchwefelſauren Salzen tritt der Gyps in den größten Maſſen auf. Er kommt in den ältern ſedimentären Formationen vom Old red Sand- stone an aufwärts vor. Am häufigſten findet man ihn in den Formationen des Zechſteins und der Triasgruppe; hier ift er ein faſt nie fehlender Beglei- ter des Steinſalzes. In der Formation des bunten Sandſteins wechſellagert er oft mit den bekannten rothen Thonen. Auch in der untern Abtheilung des Keupers iſt der Gyps häufig in Begleitung von Dolomiten anzutreffen. Der Gyps iſt in Waſſer löslich. 1 Theil Gyps braucht 460 Theile Waſſer zur Auflöſung. 7. Kohlenſaurer Kalk = CO, CaO. Eines der verbreitetſten Geſteine und in überaus großen Maſſen vorkommend. Wir finden ihn in der Grauwackengruppe als Uebergangs⸗, in der Steinkohlengruppe als Berg - oder Kohlenkalk; im Zechſtein als bituminöſen Kalk, in der Trias als Muſchelkalk, in der Juragruppe als Jurakalk, in der Kreidegruppe als Kreide, in der Molaſſe als Grobkalk, in den Diluvialgebilden als Süßwaſſerkalk, in dem Allu- vium als jüngſten Meereskalk, in der Gruppe der kryſtalliniſchen Schieferge- ſteine als Urkalk oder körnigen Kalk. 80 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Der kohlenſaure Kalk erſcheint entweder amorph oder kryſtalliſirt, als Kalkſpath und Arragonit. Von den Kryſtallformen des erſtern kennt man über 300 Varietäten; ſie laſſen ſich indeſſen alle auf das Rhomboeder, wel⸗ ches von ſechs gleichen Rhomben eingeſchloſſen iſt, zurückführen. Der Arra⸗ gonit weicht in ſeiner Kryſtallgeſtalt weſentlich von der Urform des Kalkſpaths ab, unterſcheidet ſich von dieſem auch durch größere Härte und ein bedeuten⸗ deres ſpecifiſches Gewicht. Nach Freſenius braucht ein Theil kohlenſaurer Kalk zu ſeiner Löſung 10601 Theile reinen (kohlenſäurefreien) Waſſers. * B. Verwitterung durch Oxydation. a. Eiſenſpath = Fe, CO, S kohlenſaures Eiſenoxydul. Der Eiſenſpath findet ſich mitunter in ſo großen Maſſen, daß er (wie in der Gegend von Siegen) zur Bereitung des Stahls verwandt wird. Seine Farbe iſt gelblich, er iſt härter, als der Kalkſpath. Mitunter kommt er in nierenförmigen Anhäufungen vor; alsdann führt er die Benennung Sphäro⸗ ſiderit. Der Eiſenſpath verliert allmählig ſeinen Gehalt an Kohlenſäure, Eiſenoxydul nimmt Sauerſtoff auf und es entſteht, indem gleichzeitig wee gebunden wird, Vrauneiſenſtein = — 2 Fe 03 * 3 aq. 8. Olivin. Er findet ſich hauptſächlich im Baſalt und iſt für dieſen, mit wenigen Ausnahmen, ſehr characteriſtiſch. Obgleich der Olivin nur ein aceeſſoriſcher Beſtandtheil des Baſaltes iſt, ſo kommt er doch in den meiſten Baſalten in ſolcher Häufigkeit vor, daß er die Conſtitution des letztern weſentlich bedingen hilft. Die Baſalte des Vogelgebirges in Heſſen enthalten durch ihre ganze Maſſe hin zerſtreut Olivinkörner: ihre Größe wechſelt von mikroſcopiſcher er- heit bis zu der Größe eines Kinderkopfs. Der Olivin iſt für die Verwitterung des Baſaltes von um ſo größerer Wichtigkeit, als er, ſelbſt leicht zerſetzbar, die Zerſtörung dieſes Geſteins haupt⸗ ſächlich einleitet und befördert. Iſt der Olivin aus einem Stück Baſalt her⸗ ausgewittert, ſo erſcheint es nun durch und durch mit druſenartigen Räumen verſehen, in welche das Waſſer einzudringen, und, indem es gefriert, dieje— nigen Erſcheinungen hervorzubringen vermag, welche wir früher ausführlich betrachtet haben. Man kennt zwei Varietäten des Olivins — den eigentlichen Olivin und den Chryſolith. Beide beſitzen übrigens die nämliche chemiſche Zuſammen⸗ feßung. Die weſentlichen Beſtandtheile des Olivins find Kieſelſäure, Mag- neſia und Eiſenoxydul. Es läßt ſich folgende Formel für den Olivin auf ſtellen: Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 81 10 (3Mg0, Si O) + 3 Fe O, SiO, welcher als prozentiſche Zuſammenſetzung entſpricht: 8 Kieſelſäure .. . . 41,19 Talkerde 50,27 Eiſenoxydul .. 8,54 x 100,00 Die Verwitterung des Dlivins geht in der Weiſe vor ſich, daß das Eiſenoxydul in Eiſenoxydhydrat ſich verwandelt Das Eiſenoxydul nimmt alſo ſowohl Sauerſtoff, als Waſſer auf. Dabei wird das Mineral gelb bis braun und zerfällt in eine zerreibliche, erdige Maſſe. 11 Für die Zerſetzbarkeit des Olivins gibt feine Auflöslichkeit in Salzſäure einen Maßſtab; daß der Olivin in der That leicht verwittert, beweiſt ſein Vorkommen im Baſalte des Vogelsgebirges. Dort gehören nämlich die un⸗ zerſetzten Olivine zu den Seltenheiten. Wir haben hier die Verwitterung des Olivins nur inſoweit betrachtet, als ſie auf einer Oxydation des Eiſenoxyduls beruht. Die Wirkung der Kohlen⸗ ſäure auf dieſes Mineral werden wir ſpäter abhandeln. 7. Magneteiſen = FeO + Fe,0, = Eiſenozydulogyd. Das Magneteiſen, welches ſich durch die Eigenſchaft, das Eiſen anzu⸗ ziehen auszeichnet, findet ſich vorzüglich im Baſalt, zu deſſen weſentlichen, Beſtandtheilen es gehört; es nimmt oft 16—188 davon ein. Außerdem tritt aber das Magneteiſen noch im Trachyt, in den Laven und als aceeſſoriſcher Beſtandtheil vieler plutoniſchen Geſteine, wie des Granits, Gneißes auf. In vielen Gegenden kommt es als Magneteiſenſand vor, entſtanden aus der Ver⸗ witterung des Baſaltes und der Lava. In Lappland ſetzt es ganze Berge zuſammen. An der Luft verändert ſich das Magneteiſen, indem es ſich höher oxy⸗ dirt. Das Eifenorydul verwandelt ſich in Oxyd. Fe O + Fe, 0 2 Magneteiſen — Fe O Fe 0, | — 3 (Fe,0,). O der Luft Aus zwei Aequivalenten Magneteiſen entſtehen alfo drei Aequivalente Eiſenoxyd. d. Eiſenkies, Pyrit, Markaſit = Fe 82 = Schwefeleiſen. Dieſe Mineralien finden ſich häufig acceſſoriſch in plutoniſchen Geſteinen, beſonders aber auf Klüften. Die Verwitterung des Schwefeleiſens erfolgt in der Weiſe, daß, unter gleichzeitiger Abſcheidung von 1 Aeg. Schwefel, 1 Aeg. Sauerſtoff zu dem Eiſen und 3 Aev. Sauerſtoff zu dem reſtirenden Schwefel treten, wodurch ſchwefelſaures Eiſenoxydul Eiſenvitriol entſteht 8 s 4 )=S-+ FeO, SO, 00, N 7 = Heyer, Bodenkunde. 6 82 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Dieſe Verbindung kann aber nicht für ſich beſtehen; ſie bedarf zu ihrer Conſtitution noch 6 Aeq., nach andern Chemikern 7 Aeg. Waſſer. Wir er⸗ halten alſo aus dem Eiſenkies Fe O, S03 + 6 OH oder 70H. Durch die Aufnahme von Waſſer wird das urſprüngliche Volumen des Eiſenkieſes bedeutend vermehrt. Die Folge dieſer Volumsveränderung iſt ein Berſten der Felsarten, in welche der Eiſenkies eingeſprengt war. C- Verwitterung durch Desoxydation (Abgabe von Sauerftof). Da, wo organiſche Materien bei Abſchluß der Luft fich zerſetzen, wird der Sauerſtoff theils aus der organiſchen Subſtanz ſelbſt, theils aber auch von andern ſauerſtoffhaltigen Körpern genommen. Letztere ſind entweder Baſen, oder Salze mit Sauerſtoffſäuren. a. Desoxydation ſchwefelſaurer Salze (Eiſenvitriol, Gyps, ſchwefelſaures Kali, Natron, ſchwefelſaure Magneſia). Die Desozydation beruht hier darin, daß ſowohl der Säure, als der Baſe Sauerſtoff entzogen wird, wodurch Schwefelmetalle entſtehen. Da⸗ her rührt z. B. die große Menge von Schwefelcaleium S ScCa in den Braun⸗ kohlenlagern. In den Braunkohlen iſt bekanntlich der Gyps eine häufige Er⸗ ſcheinung. Er gibt zur Verweſung der Braunkohlen 4 Aeg. Sauerſtoff her; es entſteht Schwefelcalcium 803, Ca 0 - 40 = SCa. In den Braun⸗ kohlenwerken der Wetterau findet man große Knollen von Schwefelcaleium, welche ſich aus Gyps gebildet haben. An der Luft oxydiren ſich die Schwefelmetalle wieder zu ſchwefelſauren Salzen; iſt aber Kohlenſäure und Waſſer zugegen, ſo werden ſie zerſezt. Es entſteht ein kohlenſaures Salz und Schwefelwaſſerſtoff, z. B. S Ca 8 0 C02 Kommt der Sa dae mit der Luft zuſammen, ſo wird der Schwefel abgeſchieden, indem gleichzeitig Waſſer ſich bildet H 8 5 O der Luft. In vielen Braunkohlenbergwerken der Wetterau findet man oft finger⸗ hohe Schichten von Schwefel, welche auf die angegebene Weiſe entſtanden ſind. 6. Entſtehung des Raſeneiſenſteins. Wir handeln die Bildung des Raſeneiſenſteins oder Sumpferzes hier ab, weil ſie durch einen Desoxydationsprozeß eingeleitet wird. Der Raſeneiſenſtein gehört der Alluvialgruppe an und bildet ſich gegenwärtig noch, wie Hausmann, wenigſtens für Schweden, nachgewieſen hat. Der Raſeneiſenſtein kommt ſo⸗ wohl in einzelnen Brocken und Blöcken, als auch in ganzen Bänken vor, Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 83 weiihe entweder die Oberfläche des Bodens bilden, oder in geringer Tiefe unter demſelben hinſtreichen. Stellenweiſe iſt der Raſeneiſenſtein ſehr verbreitet, in Norddeutſchland, z. B. in Mecklenburg gibt es ganze Diſtricte, deren Be⸗ ſtände auf Raſeneiſenſtein ruhen. Vorzüglich findet er ſich in Torfmooren und Sümpfen, daher auch die Benennung: Sumpferz. Nicht ſelten bietet der Raſeneiſenſtein das Verkittungsmittel für Conglomerate dar. In Schweden, im Odenwalde u. ſ. w. benutzt man ihn auf Eiſen. Die weſentlichen Beſtandtheile des Raſeneiſenſteins ſind Phosphorſäure und Eiſenozyd. Phosphorſäure findet ſich überall da, wo thieriſche oder pflanz⸗ liche Organismen verweſen, wie alſo vorzugsweiſe in Sümpfen. Das Eiſen⸗ oxyd dagegen wird durch fließendes Waſſer in der Form von Doppelt kohlen⸗ ſaurem Eifenogydul zugeführt. Das Eiſenoxydul findet ſich in der Natur viel ſeltener, als das Eiſen⸗ oxyd. Letzteres geht mit Kohlenſäure keine Verbindung ein, dazu muß es erſt zu Oxydul reduzirt werdeu. Wie Kindler beobachtet hat, ſind es vorzüglich organische Subſtanzen, welche dem Eiſenozyd einen Theil ſeines Sauerſtoffs entziehen. Er bemerkte, daß die durch Eiſenoxyd gelb gefärbte Erde an Ab⸗ hängen da eine hellere Farbe beſaß, wo Wurzeln ſie durchzogen und leitete hieraus den richtigen Schluß ab, daß das dunklere Eiſenoxyd feinen Sauer⸗ ſtoff zur Verweſung der Wurzeln abgegeben habe, in Folge deſſen das ſeltene Eiſenozydul entſtand: er Nas Guns; Aus einem Aeg. Eiſenoxyd erhält man alſo hier 2 Aeg. Eiſenoxydul. Die Wirkung 1—2 Linien dicker Wurzeln erſtreckte ſich auf einen Kreis von 1—2 Zoll Durchmeſſer. Kommt nun Kohlenſäure und Waſſer mit dem Eiſenozydul in Berühr⸗ ung, jo entſteht doppeltkohlenſaures Eiſenoxydul — 2 CO, Fe O, welches, wiewohl in geringer Menge, in Waſſer löslich iſt. Gelangt dieſes in Sümpfe oder an andere Orte, an denen Phosphorſäure ſich vorfindet, ſo verbindet ſich letztere mit dem Eiſenoxydul, wobei dieſes gleichzeitig Sauerſtoff aufnimmt und wieder in Eiſenoyyd übergeht. So entſteht alſo phosphorſaures Eiſenoxyd. Zu dieſem kommen noch Kieſelſäure, etwas Thonerde und Waſſer Analyſen von Raſeneiſenſtein. (a und b zwei Varietäten aus der Nähe von Leipzig; ſie wurden unterſucht von Erdmann). 0 a b iſenoxy Manganoryd | ‚8100 60.50 Phosphorſäure 10.99 9.57 Kieſelſäure 920 5.95 Thonerde 0.41 0.73 Waſſer 28.80 23.95 100.50 100.70 ö 25 84 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. D. Verwitterung durch Kohlenſäure. a. Allgemeines. Mittelſt der ſtarken Säuren, welche wir in den Labaratorien darſtellen, und unter Anwendung von hohen Temperaturen ſind wir im Stande, faſt ſämmtliche Mineralien und Geſteine in ihre einfacheren Beſtandtheile zu zer⸗ legen. In der Natur finden ſich dieſe Säuren in freiem Zuſtande theils gar nicht, theils in ſehr geringer Menge und außerdem verdünnt mit Waſſer vor. Dennoch erleiden die Geſteine dort die nämlichen Veränderungen, wie in unſern La⸗ barotorien unter der Einwirkung ſtarker Säuren. In der Natur werden dieſe durch die Kohlenſäure vertreten, welche in ihrem Verhalten gegen die Metalle als die ſchwächſte aller Säuren bekannt iſt. Was aber der Kohlenſäure an In⸗ tenſität fehlt, das bewirkt ſie denn doch in der Länge der Zeit; dazu kommt noch, daß ſie über alle Theile der Erde verbreitet iſt. Die Luft enthält an und für ſich einen conftanten Gehalt an dieſer Säure; was die Pflanzen bei ihrer Ernährung davon abſorbiren, wird durch den Verweſungs- oder Ver⸗ brennungsprozeß wieder hinreichend erſezt. Die Kohlenſäure verbreitet ſich ; nach dem Gefe der Diffuſion der Gaſe in alle Regionen des Luftkreiſes; ſie findet ſich ſelbſt auf den höchſten Bergen. In Waſſer gelöſt dringt ſie in die feinſten Spalten der Geſteine ein und bewirkt ſo eine Zerſetzung ſelbſt im Innern der Gebirge. Sie iſt ohne Zweifel das wichtigſte Agens der Ver⸗ witterung. b. Einwirkung der Kohlenſäure auf kohlenſauren Kalk. Die Verbreitung des kohlenſauren Kalks wurde bereits S. 79. be⸗ trachtet. Wir ſahen weiter, daß in 10601 Theilen kohlenſäurefreien Waſſers 1 Theil kohlenſaurer Kalk ſich löſt. Bei weitem löslicher iſt der kohlenſaure Kalk in kohlenſäurehaltigem Waſſer. Biſchof hat darüber Verſuche angeſtellt. Auf der Bleiweißfabrik zu Burgbrohl wurde Kohlenſäure in große mit 4—6 Ohm Waſſer gefüllte Bütten geleitet, in welche überſchüſſiger Kalk geſchüttet war. Biſchof erhielt folgende Reſultate. Angewandter Kalk Dauer des Durch- In 10000 Theilen Waſſer waren ſtrömens der Koh- neutraler kohlenſaurer Kalk auf. lenſäure gelöſt 1. Kreide 1 Stunde 11.15 Theile 2. desgl. N 9 3. desgl. 8:0 , 4. durch Fällung aus einem Kalk⸗ ſalze dargeſtellter Kalk 3—4 , 2809 „ Aus dieſen Verſuchen ergibt ſich, daß die Löslichkeit des Kalkes in koh⸗ lenſäurehaltigem Waſſer von feiner Zertheilung abhängt. Der durch Fallung aus einem Kalkſalz dargeſtellte Kalk hat die Geſtalt eines Pulvers, er beſitzt eine ſehr große Oberfläche, welche mit der Kohlenſäure in Berührung treten kann. — Für die Kalke, wie ſie in der Natur vorkommen, kann man das Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 85 Löslichkeitsverhältniß der Kreide gelten laſſen und annehmen, daß in 10,000 Theilen kohlenſäurehaltigen Waſſers 10 Theile neutraler kohlen⸗ ſaurer Kalk ſich löſen. Uebrigens löst ſich nicht der neutrale kohlenſaure Kalk als ſolcher, in dem Verhältniß von Tov, ſondern der doppeltkohlenſaure Kalk. In Berührung mit der in Waſſer aufgelöſten Kohlenſäure nimmt nämlich der einfach kohlen⸗ ſaure Kalk noch ein Aeg. Kohlenſäure auf. Wären die 4 Millionen Pfund Regenwaſſer, welche im Laufe eines Jahres auf einen heſſ. Morgen ( Hectare) niederfallen, vollkommen mit Kohlenſäure geſättigt (was indeſſen nicht der Fall iſt), ſo würden dieſelben 4000 Pfund kohlenſauren Kalk aufzulöſen vermögen. Tropfſteine. Wenn mit Kohlenſäure geſchwängertes Waſſer durch ge⸗ borſtene Kalkfelſen durchſickert, ſo löſt es, wie erwähnt, Kalk auf und erweitert ſo immer mehr die Spalten, durch die es fließt. Nach und nach verdunſtet es aber wieder und mit dem ſich verflüchtigenden Waſſer geht die gelöſte Koh⸗ lenſäure fort; der Kalk ſchlägt ſich an andern Stellen des Felſens nieder. Dieſe Abſätze vergrößern ſich durch das Hinzukommen von neuen Kalklöſungen; fo bilden ſich die Stalactiten oder Tropfſteine in den Höhlen (Baumanns- und Bielshöhle im Harz). Gewöhnlich iſt der Boden über ſolchen Höhlen mit einer Decke von Pflanzen bekleidet, welche, wenn ſie verweſen, Kohlenſäure entwickeln, die vom Regen⸗ und Schneewaſſer aufgenommen wird. In vie⸗ len Geſteinen, beſonders denjenigen, welche Kalk enthalten, wie Baſalt, Syenit, Grauwacke u. ſ. w. findet man die Abſonderungs- und Schichtklüfte mit koh⸗ lenſaurem Kalk bekleidet, oft ſogar gänzlich ausgefüllt. Dieſe Kalkabſätze ſind in ähnlicher Weiſe wie die Tropfſteine, entſtanden. t Kalktuff und Kalkſinter. Viele Quellen beſitzen ſchon bei ihrem Erſcheinen auf der Erdoberfläche einen Gehalt an doppeltkohlenſaurem Kalk, der, wenn das Waſſer verdunſtet und wenn mit dieſem das eine Aequivalent g ee entweicht, als neutraler kohlenſaurer Kalk ſich niederſchlägt. CO; + Cao C02 + Waſſer 75 So entſtehen Kalktuff und Kalkfinter. Wie G. Roſe bemerkt, ſetzt ſich derſelbe aus kalten Quellen ſtets in der Geſtalt des Kalkſpaths, aus heißen dagegen in derjenigen des Arragonits ab. Ungeheure Mengen von Kalkſinter liefern die Carlsbader Quellen. Die 50% C. warme Quelle von San Filippo im Großherzogthum Toskana hat einen Bergrücken von 24 bis 30 Metern Höhe und einem Kilometer Länge von Kalkſinter aufgehäuft. Bei Tivoli conſtituirt der Kalktuff (Travertin) Hügel von 120 bis 150 Metern; auch in Ungarn finden ſich große Maſſen des Travertins. Nördlich von Euböa befindet ſich eine Anzahl warmer Quellen, deren jede einen Hügel von Kalkſinter um ihre Oeffnung abgeſetzt hat. So hat ſich ein kleiner Bergzug gebildet, der nahe an 20 Metern über das 86 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Meer anſteigt. Von den Rogenſteinen, welche gleichfalls durch Abſatz von kohlenſaurem Kalk aus Quellen entſtanden ſind und noch entſtehen, haben wir ſchon früher gehandelt. ' Brunnen- und Flußwaſſer. Alle Gewäſſer haben einen Gehalt an kohlenſaurem Kalk. Dieſer iſt als doppeltkohlenſaures Salz in Löſung. Da der Kalk ſo weit verbreitet iſt und auch die Kohlenſäure nirgends fehlt, ſo ſind überall die Bedingungen vorhanden, unter denen die Gewäſſer Kalk aufnehmen können. Am größten iſt der Kalkgehalt in dem ſtehenden Waſſer von Brunnen. Von jenem rühren die Bodenabſätze in den Kochgeſchirren her, die man ge- meinhin irriger Weiſe als Salpeter bezeichnet. Dieſe Abſätze ſind nichts an⸗ ders, als kohlenſaurer Kalk, welcher durch die Kohlenſäure des Brunnenwaſ— ſers gelöſt war, aber durch die beim Kochen ſtattfindende Wallung zugleich mit der Kohlenſäure ausgetrieben wurde. Das Kochen bietet daher ein Mittel dar, um ein Waſſer von Kalk zu befreien. Es wird in der Bierbrauerei nicht ſelten angewandt. Kalkhaltige Waſſer nennt man harte, weil der Kalk mit den Seifen beim Waſchen eine unlösliche Verbindung eingeht. In ſolchem Waſſer kochen ſich Hülſenfrüchte nur ſchwierig weich, denn auch mit dem Le⸗ gumin (Caſein) bildet der Kalk eine feſte Verbindung. Säuerlinge ſind etwas reicher an Kalk, als ſüße Waſſer. Biſchof hat 33 Säuetlinge in der Eifel unterſucht und darin bis 0,0006 Theile Kalk gefunden. Die Flüſſe werden durch die Quellen geſpeiſt und erhalten daher aus dieſen Kalk. Allein da das Flußwaſſer beſtändig und meiſt in raſcher Bewegung iſt, ſo wird die Kohlenſäure ausgetrieben und der unlösliche neutrale kohlen⸗ ſaure Kalk muß zu Boden ſinken. Daher erklärt ſich der geringe Kalkgehalt des Flußwaſſers. So enthält z. B. das bei Emmerich geſchöpfte Rheinwaſſer noch nicht rododo an kohlenſaurem Kalk. Je weiter ein Fluß in feinem Lauf fortſchreitet, um ſo mehr nimmt ſein Kalkgehalt ab. f Die Mengen von Kalk, welche durch die Quellen den glüſſen zugeführt werden, ſind nicht unbedeutend. Biſchof hat darüber intereſſante Berechnun⸗ gen angeſtellt. Im Waſſer der Pader, in welcher ſich die ſämmtlichen Pader⸗ quellen vereinigt haben, fand B. 39189 feines Gewichts kohlenſauren Kalk. Nach angeſtellten Meſſungen beträgt die Menge des in einer Minute fort⸗ fließenden Waſſers dieſes Fluſſes 1074450 Pfund, worin alſo 271,4 Pfund kohlenſaurer Kalk enthalten ſind. Hieraus berechnet ſich, daß dieſer Fluß in einem Jahre einen Kalkwürfel von nahe 93 Fuß Seite dem Gebirge entzieht. Aus der Waſſerergiebigkeit der Lippe und Alme und deren Kalkgehalt (urs und 35a) berechnet ſich, daß dieſe beiden Flüſſe dem Kalkgebirg jährlich einen Würfel kohlenſauren Kalks von wenigſtens 51½ Fuß Seite entziehen. Das Meerwaſſer erhält ſeine Mineralſalze ohne Zweifel zum größten ! Theil durch die Flüſſe. Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 87 Anhang. Bildung des Dolomits. Obgleich der Dolomit nicht dem Alluvium, ſondern früheren geologiſchen Formationen angehört, ſo wollen wir ſeine Bildung doch hier abhandeln, weil ſie gleichſam auf einem Verwitterungsprozeſſe beruht, hervorgerufen durch die Einwirkung der Kohlenſäure auf magneſiahaltige Kalke. Der Dolomit iſt ein Doppelſalz, beſtehend aus kohlenſaurer Kalkerde und kohlenſaurer Magneſia, nach der Formel CO 2, CaO + CO,, Mg O. Das Zeriſſene, Aufgeblähte, Zerſtörte in der Struetur des Dolomits hat von jeher die Geologen beſchäftigt. Man ſchien Zweifel darüber zu hegen, ob der Dolomit eine neptuniſche Bildung ſei, denn der ganze Character der Dolomitgebirge deutet mehr auf ein Entſtehen unter Beihülfe des Feuers. Leopold von Buch gab dieſen Ver⸗ muthungen einen beſtimmten Ausdruck (Abhandlungen der Academie der Wiſ⸗ ſenſchaften zu Berlin aus den Jahren 1822 und 1823); er erklärte den Do⸗ lomit für einen Kalkſtein, welcher durch Magneſiadämpfe, entwickelt aus den Augitporphyren, in ein neues Geſtein, den Dolomit, umgewandelt worden ſei. Die Theorie L. von Buch's machte großes Aufſehen und fand anfangs viele Anhänger, ſpäter aber eben ſo viel Widerſpruch. Man wandte mit Recht ein, daß die Talkerde nicht verflüchtigt werden könne und daß die Trennung der⸗ ſelben von der Kieſelverbindung im Melaphyr und die nachherige Vereinigung mit dem kohlenſauren Kalk zwei Erſcheinungen ſeien, von welchen die eine die andere ausſchließe. Verfolgt man die Anſicht von Buch's, jo muß ange⸗ nommen werden, daß ein Aeg. Kalkerde ſich verflüchtigt habe und daß an deren Stelle 1 Aeg. Magneſia getreten ſei. Hier läßt ſich allerdings fragen, ob denn die Hitze, welche die Verflüchtigung der Kalkerde bewirkte, geſtattet habe, daß ſämmtliche Kohlenſäure zurückbleibe. Bekanntlich entweicht die Kohlenſäure beim Kalkbrennen ſchon in einer Temperatur, bei welcher die Kalk⸗ erde ſich unverändert erhält; man kann aus kohlenſaurem Kalk mittelſt der Hitze wohl die Kohlenſäure, aber nicht die Kalkerde verflüchtigen. Es bleibt daher immer viel wahrſcheinlicher, daß der Dolomit auf naſſem Wege entſtanden ſei. Wenn ein mit Magneſia reichlich (bis zu 10%) ver⸗ ſehener Kalk, wie ſolcher häufig vorkommt, der Einwirkung von kohlenſäurehal⸗ tigem Waſſer ausgeſetzt iſt, ſo wird ſowohl die Kalkerde, als auch die Magneſia aufgelöſt; aus der Löſung kryſtalliſirt beim Verdunſten des Waſſers neben koh⸗ lenſaurem Kalk (a) ein Salz, welches mehr Magneſia enthält, als das ur- ſprüngliche Mineral. Dieſes Salz iſt der Dolomit. Neue Ueberſtrömungen von kohlenſäurehaltigem Waſſer löſen nun den kohlenſauren Kalk (a) auf und führen ihn fort, während der Dolomit, als ein ſehr ſchwer lösliches Salz zu⸗ rückbleibt. Auf dieſe Weiſe ift höchſt wahrſcheinlich der Dolomit entſtanden, und es erklärt ſich auch durch den , eee d die oben bezeichnete eigenthümliche Structur des Geſteins. Der Dolomit verwittert langſam, viel langſamer, als der kohlenſaure Kalk. N 88 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. e. Einwirkung der Kohlenſäure auf phosphorſaure Salze. 8 Die phosphorſauren Mineralſalze kommen in der Natur in geringer Menge vor; am häufigſten findet man ſie im Raſeneiſenſtein, ſeltener als Apatit und Wawellit. Der Apatit iſt eine Verbindung von 3 Aeg. baſiſch Phospherſes Kalk mit 1 Aeg. Chlorcalcium oder mit Fluorcalcium. Die Formel iſt demnach für den Chlorapatit: Ca Cl + 3 (3Ca0, PO,) für den Fluorapatit: Ca FI + 3 (3Ca0, PO;) Manchmal ift auch Chlorecaleium mit Fluorcaleium gemengt. Nach der Formel berechnet ſich die prozentiſche Zuſammenſetzung des Chlorapatits des Fluorapatits Chlorcalcium 10.62 Fluorealeium 7.69 Phosphorſaurer Kalk 89.38 Phosphorſaurer Kalk 92.31 Nach Biſchof löſt ſich 1 Theil Apatit in 393000 Thl. mit Kohlenſ. geſätt. Waſſers. Bi „ nach ſtarkem Schütteln in 96570 „ „ „ 6 Im Wawellit iſt die Phosphorſäure an Thonerde gebunden; der Phos⸗ phorſäuregehalt beträgt im Durchſchnitt 35 Prozente. Nach Biſchof iſt die phosphorſaure Thonerde in kohlenſäurehaltigem Waſſer, wiewohl in äußerſt geringer Menge, löslich. Die Knochen enthalten über 50 Prozente baſiſch bhnepharſng Kalk (3 CaO, PO,) in Verbindung mit phosphorſaurer Magneſia. Biſchofs Unterſuchungen über die Löslichkeit des phosphorſauren Kalkes in den Knochen ergaben: * 1 Theil gebrannte Knochen, welche meh: rere Jahre gelegen und wieder Kohlen⸗ ſäure angezogen hatten, gepulvert, brauch⸗ ten zur Löſung 2823 Thl. mit Kohlenſ. geſätt. Waſſers. 1 Theil friſche Ochſenknochen, geſchabt, 4610 „ „ „ „ „ „R desgl., nachdem fie 18 Tage lang in mit Kohlenſäure geſättigtem Waſſer 1 gelegen hatten 4030 „ „ © 3 m „ „ desgl., als Hobelſpähne, eben jo lange in Waſſer gelegen, nnn Re 1 „ „ Mgeekochte Ochſenknochen, eben jo lange in Waſſer gelegen, rei e 6 * Zum Aufſchluß der Knochen trägt vorzüglich die im Boden aus verwe⸗ ſenden Pflanzen, ſo wie die aus dem faulenden Knochenknorpel ſich entwickelnde Kohlenſäure bei. Da die Aſche aller Pflanzen Phosphorſäure enthält, ſo müſſen wir ſchlie⸗ ßen, daß auch jede Ackererde einen Gehalt an phosphorſauren Salzen befige. Genaue Unterſuchungen haben denn auch nachgewieſen, daß wohl kein Ge⸗ Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 5 89 ſtein, welches zur Bildung der Ackererde beitragen kann, frei von Phosphor: ſäure iſt; ſpeciell wurde fie unter Andern in der Kreide, im Muſchelkalk, Do⸗ lomit, in verſchiedenen Varietäten von kohlenſaurem Kalk und Dachſchiefer nach⸗ gewieſen. Wenn, wie vielfach angenommen wird, die kohlenſauren Kalke der neptuniſchen Formationen Korallen- und Infuſoriengebilde ſind, ſo erklärt ſich der Phosphorſäuregehalt dieſer Kalke ſehr leicht, denn in den Infuſorien hat H. Roſe phosphorſauren Kalk mit Beſtimmtheit nachgewieſen und in den Ko- rallen iſt nach Silliman der Phosphorſäuregehalt gleichfalls nicht unbedeutend. Poriten Madreporen Aſtreen Kohlenſaurer Kalk 89,9— 95,4 92,8—95,1 91,1—96,6 Phosphate u. Fluorüre 0,7 — 2,1 0,5 — 0,9 0,3 — 2,1 Organiſche Materie 2,1— 9,4 4,3 — 6,6 3,2 — 8,3 d. Einwirkung der Kohlenſäure auf eiſenhaltige Foſſilien. Das Eiſen iſt in der Natur überaus verbreitet, es kommt in allen kry⸗ ſtalliniſchen und in allen ſedimentären Geſteinen vor. Vom Baſalt z. B. bildet es als Magneteiſen einen integrirenden Beſtandtheil; das Bindemittel vieler Sandſteine und Conglomerate iſt Eiſen. Auch findet es ſich ſtock- und gangförmig in ſehr großen Lagen, oft beſtehen ganze Berge nur aus Eiſen⸗ ſteinen. Der Raſeneiſenſtein überdeckt, wie wir geſehen haben, ganze Länder- ſtriche. Die bemerkenswertheſten Vorkommenheiten des Eiſens ſind: 1. Eifenogyd = Fez03, als Eiſenglanz, Eiſenglimmer, Rotheiſenſtein, Roth⸗ eiſenocker. 2. Eiſenozydhydrat S Fe,0; + Waſſer. (Die Anzahl der Waſſeräqui⸗ valente ſchwankt bei den verſchiedenen Varietäten), als Brauneiſenſtein, Blrauneiſenocker, Gelbeiſenſtein; Bohnerz. 3. Schwefeleiſen (verſchiedene Mengen Eiſen und Schwefel), als Magnet⸗ kies, Eiſenkies, Strahlkies u. ſ. w. 4. Schwefelſaures Eiſenozydul = 803, FeO. 6 OH oder 7 OH — Eiſenvitriol. 5. Kohlenſaures Eiſenozydul = e FeO als Eiſenſpath und Sphä⸗ roſiderit. 6. Phosphorſaures e e im Raſeneiſenſtein. \ Diejenigen von diefen Verbindungen, welche, wie der Eiſenvitriol, nicht ſchon an und für ſich in reinem Waſſer löslich ſind, werden durch Kohlen⸗ ſäure aufgeſchloſſen (als doppelt kohlenſaure Salze) oder ſind doch in kohlenſäure⸗ haltigen Waſſer löslich. Damit übrigens das Eiſenoxyd in Verbindung mit der Kohlenſäure treten könne, muß es zuerſt zu Oxydul reduzirt werden, denn die Verbindung von kohlenſaurem Eiſenoxyd exiſtirt nicht. Die Desorydation übernehmen verweſende organiſche Subſtanzen. Um die Löslichkeit des doppeltkohlenſauren Eiſenoxyduls zu beſtimmen, ſtellte Biſchof ähnliche Unterſuchungen, wie mit dem kohlenſauren Kalk an. Sphäroſiderit wurde gepulvert, in mehrere Ohm Waſſer eingerührt und 9 90 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Stunden lang Kohlenſäure durchgeleitet. Auf dieſe Weiſe hatten 1000 Theile Waſſer 6,0755 Theile kohlenſaures Eiſenoxydul als Bicarbonot aufgelöſt. Das doppeltkohlenſaure Eiſenoxydul wird durch Gewäſſer fortgeführt. So finden wir es denn auch in den meiſten Brunnenwaſſern und in vielen Mi⸗ neralquellen (Stahlwaſſern). In Berührung mit der Luft, oder wenn das Waſſer verdunſtet, entweicht zuerſt 1 Aeg. Kohlenſäure und es ſchlägt ſich ein⸗ fach kohlenſaures Eiſenoxydul = FeO, CO, nieder. Dieſes verliert unter gleich⸗ zeitiger Oxydation die Kohlenfäure und nimmt dann noch Waſſer auf, wo⸗ durch Eiſenoxydhydrat entſteht. Letzteres findet ſich häufig als Bodenſatz in Gräben; oft ſchlägt ſich an den Ausflußmündungen der Quellen fo viel da- von nieder, daß dieſe verſtopft werden. (Ludwigsbrunnen bei Großkarben.) 3. Verwitterung des Feldſpaths, Glimmers, der Hornblende, des Angits, Talks und der Kieſelgeſteine. 7 A. Verwitterung des Feldſpaths. f a. Wichtigkeit des Feldſpaths. Von allen Mineralien hat der Feldſpath den bedeutendſten Einfluß auf die Bildung des Bodens gehabt, weil er in faſt allen Geſteinen und dazu in großen Quantitäten vorkommt. Er findet ſich in allen plutoniſchen Eruptiv⸗ geſteinen; von den kryſtalliniſchen Schiefergeſteinen enthalten ihn Thonſchiefer und Gneiß. Die Grauwacke, der alte rothe Sandſtein, das alte rothe Todt⸗ liegende beſtehen zum größten Theil aus Fragmenten plutoniſcher, feldſpath⸗ führender Geſteine. Viele Sandſteine enthalten ein thoniges Bindemittel, wel⸗ ches von der Verwitterung des Feldſpaths herrührt. Letzteres gilt auch von dem meiſten Thon und Lehm in Alluvium und andern geognoſtiſchen Gruppen. b. Zuſammenſetzung des Feldſpaths. ü Die Kernform des Feldſpaths iſt die ſchiefe rhombiſche Säule, welche von ſechs rhombiſchen Flächen begrenzt wird. Der Feldſpath iſt ein Doppelſalz, beſtehend aus einem kieſelſauren Alkali (Kali, Natron), oder kieſelſaurem Kalk und aus kieſelſaurer Thonerde. Außer⸗ dem enthält der Feldſpath noch geringere Mengen von Eiſen-, Mangan⸗ und Talkerde. In neuerer Zeit hat man auch einen unbedeutenden Gehalt an Phosphorſäure darin gefunden. Die wichtigſten Arten des Feldſpaths ſind: . Der Orthoklas. Man bezeichnet ihn gewöhnlich als Kalifeldſpath, obgleich nicht ganz mit Recht, weil in ihm auch etwas Natron vorkommt. wee Varie⸗ täten des Orthoklaſes ſind: 1) der gemeine Feldſpath, ausgezeichnet wr. perlmutterartigen Glasglanz oder durch Silberſchein. 2) der glaſige Feldſpath, welcher als Einſprengling in einigen plutoniſchen Geſteinen (z. B. dem Trachyt) auftritt. f Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 91 Die ideale Zuſammenſetzung des Orthoklaſes iſt: Kieſelſäure 65.21 Thonerde 18.13 Kali 106.66 100.00 hiefür berechnet ſich die Formel 5 Si O3, KO + 3 Si Os, Al, 915 ö ß. Der Albit, 8 : auch wohl Mn pg genannt. Neuere Mer ae haben übrigens auch im Albit Kali nachgewieſen. Von Farbe iſt der Albit weiß, auch röth— lich oder grau. Er iſt durchſichtig bis durchſcheinend. Von dem Orthoklas unterſcheidet er ſich auffallend durch federartige Streifung ſeiner Blätterlagen. Die ideale Zuſammenſetzung des Albits iſt: Kieſelſäure 69.09 Thonerde 19.22 Natron 11.69 100.00 Dieſer Zuſammenſetzung entſpricht die Formel Si O3, NaO + 3 Si 03, Alz 03 7. Labrador, auch Kalkfeldſpath genannt, obwohl er neben Kalk auch Natron und etwas Kali enthält. Er führt ſeine Benennung von der Küſte Labrador, wo er in großen Blöcken vorkommt. Durch Säuren läßt ſich der Labrador, wiewohl nicht ganz vollſtändig, zerſetzen. : Die ideale Zuſammenſetzung des Labradors ift Kieſelſäure 53.42 Thonerde 29.71 Kalkerde 12.35 Natron 4.52 100.00 Hierfür berechnet ſich die Formel: SiO,, Na O + Si Os, Al, 02 + 3 (SiO,, Ca 0 + Sis, Alz O-) d. Oligoklas (oder Natronſpodumen). Der Oligoklas war früher weniger beachtet, weil man ihn mit den an— dern Feldſpathen verwechſelt hatte; neuere Beobachtungen haben ergeben, daß er in vielen Geſteinen vollkommen die Rolle des gemeinen Feldſpaths einnimmt. Aus den vorhandenen Analyſen berechnet ſich die Formel Si O3, Na O + 2 Si O3, Alz O3. 92 Die Entftehung der feſten Erdrinde und des Bodens. und hiernach iſt die ideale Zuſammenſetzung des Oligoklaſes Kieſelſäure 62.64 Thonerde 23.23 Natron 14.13 100.00 e. Rückblick. Stellen wir die für die geldſpathe erhaltenen BE zuſammen, fo erhalten wir Orthoklas = Si 03, KO + 3 Si 03, Alz 03. Albit — Si O, Na O + 3 Si O3, Al, Os. Labrador = Si 03, Na O + Si 03, Al, O 3 (Si O,, Ca 0 + Si Os, Al, 03) Oligoklas — Si O3, Na O + 2 Si O3, Alz O3. c. Der bei der Verwitterung des Feldſpaths bleibende Nückſtand iſt Thon. Wir haben ſo eben geſehen, daß die Feldſpathe Thonerde enthalten. In der Natur kommt dieſe außerdem in dem Thon vor, deſſen reinſte Varietäten die Porzellanerde und der Kaolin ſind. Die meiſten Thone ſtammen von zer⸗ ſetzten Feldſpathen ab. Hiefür ſprechen folgende Gründe: cc. Man hat Feldſpathe aufgefunden, welche ganz die Kryſtallform dieſes Minerals beſaßen, aber in ihrer Zuſammenſetzung in ſo weit verändert waren, als zwar die Quantität der Thonerde ſich gleich geblieben war, dagegen der Gehalt an Kieſelſäure, Alkalien oder Kalk abgenommen hatte. Die Zuſammen⸗ ſetzung dieſer Feldſpathe hatte ſich derjenigen des Kaolins genähert. g 8. In manchen Gegenden, welche vorzügliche Kaolinlager enthalten, wie z. B. bei Aue in der Nähe von Schneeberg in Sachſen kann man den Ueber⸗ gang des Feldſpaths in Thon ſehr deutlich wahrnehmen. Die obern Lagen des Bodens ſind faſt reiner Kaolin, dann kommen Schichten, welche ſich durch größern Gehalt an Kieſelſäure und Alkalien auszeichnen, hierauf zerſetzter Feldſpath in der Kryſtallform dieſes Minerals. — Ein ähnliches Vorkommen hat der Verf. in den Syenitlagern des Odenwaldes (z. B. bei Neunkirchen) und im Granit (bei Darmftadt), jo wie im Harz (am Brocken) beobachtet. konnte den Uebergang des Feldſpaths in dieſes Geſtein in Thon und Lehm leine Abänderung des Thons) genau verfolgen. Bei Neunkirchen beſtehen 1—2 Fuße der oberſten Bodenſchichte aus Lehm, dann folgen zerreiblicher Feldſpath und Hornblende, hierauf die nämlichen Mineralien, aber in dickern Brocken; zu unterſt ſteht der Syenitfels, obwohl ſchon etwas zerſetzt, aber doch noch in ſolcher Conſiſtenz an, daß er nur mit einigem Kraftaufwande in Schollen ge⸗ trennt werden kann. — Beſonders auffallend zeigt ſich der Uebergang des Feldſpaths in Thon auf Baſaltgebirgen (Vogelsberg, Weſterwald u. ſ. w). Das ſtellenweiſe ſehr ausgedehnte Vorkommen von Sandlagern, an de— nen man deutlich bemerken kann, daß ſie ihren Urſprung von feldſpathführen⸗ den kryſtalliniſchen Geſteinen in der Nähe der Sandablagerungen ableiten, Bodenbildung durch Gemiſche Kräfte. 93 deutet darauf hin, daß der Feldſpath entfernt worden ſei. Wenn wir nun weder in näherer, noch in fernerer Umgebung dieſes Sandes Feldſpathlager, dagegen große Thonanhäufungen finden, fo müſſen wir ſchließen, daß der Feld- ſpath aufgelöſt und als Thon fortgeführt worden ſei. — So enthält z. B. der Diluvialſand der Bergſtraße Quarz und den nämlichen dunkeln Glimmer, welcher den Granit des Odenwaldes und beſonders den in der Umgegend von Darmſtadt auszeichnet. Dieſer Sand iſt alſo gewiß aus dem Granit entſtan⸗ den. Aber wohin iſt der Feldſpath gekommen? Er findet ſich ebenfalls nicht weit von Darmſtadt als Thon in großen Ablagerungen. V. Die aus feldſpathführenden Geſteinen hervorkommenden Quellen ent⸗ halten Natron, Kali, Kalk, Kieſelſäure. Zieht man dieſe Stoffe vom Feld⸗ ſpath ab, ſo bleibt Thon zurück. d. Zuſammenſetzung des Thons. Es iſt eben angedeutet worden, daß Kaolin das endliche Produet der Zerſetzung der Feldſpathe ſei. Indeſſen findet man den Kaolin nicht ſo häufig. Thon und Lehm dagegen treten faſt überall und in großen Maſſen auf; der fruchtbarſte Ackerboden beſteht zumeiſt aus Lehm. Wir können nun Thon und Lehm als vermittelnde Glieder zwiſchen Feldſpath und Kaolin an⸗ ſehen. Wir werden alsbald erläutern, warum der Kaolin ſo ſelten in größern Lagern erſcheint. Forchhammer hat für den Kaolin die Formel 3 Alz O;, 4 8103 + 6 OH aufgeſtellt. Nach derſelben berechnet ſich die prozentiſche Zuſammenſetzung in ziemlicher Uebereinſtimmung mit den Analyſen Forchhammers und Berthiers: Kieſelſäure 47.028 Thonerde 39.233 Waſſer 13.739 100.000 Uebrigens enthalten ſelbſt ſehr reine Kaoline und Porzellanerden immer noch Antheile von Eiſen, Mangan, Kalk, Bittererde und Alkalien. e. Vergleichung des Kaolins mit dem friſchen Feldſpath. Nachdem wir uns dafür entſchieden haben, daß der Feldſpath bei ſeiner Zerſetzung zuletzt in Kaolin übergehe, ſo haben wir nur die Formeln dieſer beiden Mineralien von einander abzuziehen, um die Producte zu erhalten, welche bei der Verwitterung des Feldſpaths frei werden. Da wir annehmen müſſen, daß die Thonerde nicht aufgelöſt werde, ſon⸗ dern im Rückſtand bleibe, und da der Kaolin 3 Aeg. Thonerde enthält, jo verdreifachen wir die Formel des Feldſpaths. 3 Feldſpath = 3 Al, Os, 9 SiO + 3 KO, 3 SiO, — 3 Al, Os, 12Si0, + 3 KO 1 Kaolin = 3 Al, O03, 4 SiO. es ift alſo fortgeführt worden 8 SiO, 3 KO 94 Die Entſtehung der feften Erdrinde und des Bodens. 0 Die Verbindung 8 SiO,, 3 KO iſt in der Chemie unter dem Namen des Waſſerglaſes bekannt. Aus der Vergleichung des Kaolins mit dem Feld⸗ ſpath geht nun hervor, daß bei der Umwandlung des letztern in erſtern nicht blos die mit dem Alkali verbundene, ſondern auch ein Theil der zur Thonerde gehörigen Kieſelſäure entfernt wird. Der Kaolin bildet ſich alſo nicht etwa in der Weiſe, daß einfach kieſelſaures Kali von der neutralen kieſelſauren Thon⸗ erde des Feldſpaths ſich trennt. Hierbei iſt es jedoch aus Gründen, welche ſpäter entwickelt werden, angemeſſen, zu unterſtellen, daß zur Bildung des Kaolins keine von der mit dem Kali verbundenen Kiejelfäure verwandt werde, ſondern daß der Kaolin lediglich aus der kieſelſauren Thonerde durch Aus⸗ treten eines Theils der Kieſelſäure und Aufnahme von Waſſer entſtanden ſei. f. Vergleichung unvollſtändig zerſetzten Feldſpaths mit friſchem Feldſpath. Wir haben bisher das letzte Zerſetzungsproduet des Feldſpaths, den Kaolin, mit dem friſchen Feldſpath verglichen. Es muß von Intereſſe fein, auch die Zwiſchenſtufen in's Auge zu faſſen. Craſſo hat mehrere Arten unvollſtändig verwitterter Feldſpathe (aus dem rothen Porphyr von Ilmenau, dem Granit von Karlsbad nnd dem Syenit von Geiſing bei Altenberg) unterſucht. Um Craſſo's Analyſen mit denen von friſchem Feldſpath zu vergleichen, nahm Biſchof an, die Thonerde in den zer⸗ ſetzten Kryſtallen ſei noch die nämliche, wie diejenige des unzerſetzten Feld⸗ ſpaths. Er reduzirte hiernach die Analyſe von Craſſo und zog das Reſultat von der Zuſammenſetzung des Orthoklaſes ab. Man erhält alsdann und wenn man zugleich von den in geringerer Menge vorkommenden Nebenbeſtandtheilen des Feldſpaths abſieht: f Orthoklas Zerſetzter Feldſpath bleibt Reſt. Kieſelſäure 65.21 32.50 32.71 (8 Aequiv.) Thonerde 18.13 18.13 0.00 Kali 16.66 2.60 13.86 (3 Aequiv.) 100.00 53.43 46.57 Der Reſt, welcher bei der Verwitterung entfernt wurde, beſteht aus 8 8103 + 3 KO, demnach aus Waſſerglas, wie auch ſchon für die Umwandlung des Feldſpaths in Kaolin gefunden wurde. x g. Der Feldſpath wird durch Kohlenſäure zerſetzt. Wir fragen jetzt, wodurch die Abſcheidung des kieſelſauren Kali's aus dem Feldſpath bewirkt werde. Die Analogie deutet darauf hin, daß dies durch eine Säure geſchehe, denn Labrador wird durch Salzſäure theilweiſe zer⸗ ſetzt, und auch die übrigen Feldſpathe werden von der kochenden Säure etwas angegriffen. i In der Natur findet ſich dieſe Säure nicht im freien Zuſtand; hier wird ihre Stelle von der Kohlenſäure eingenommen. Dieſer müſſen wir in der That die Verwitterung des Feldſpaths hauptſächlich zuſchreiben. Zwar iſt Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. N 9⁵ die Kohlenſäure von geringer momentaner Wirkung, aber ſie vermag dennoch im Laufe der Zeit große Effeete hervorzubringen. Bei der Zerſetzung des Feldſpaths durch Kohlenſäure verbindet ſich dieſe mit einem Theil des Alkali's, und es ſcheidet ſich die Kieſelſäure entweder als Hydrat ab (der Prozeß geht nur bei Gegenwart vom Waſſer vor ſich), oder ſie vereinigt ſich mit dem zurückbleibenden kieſelſaurem Alkali, welches dann gleichfalls austritt. Uebrigens darf man ſich nicht denken, die Umwandlung des Feldſpaths in Kaolin erfolge auf einmal, ſo daß bei der Berührung der Kohlenſäure mit dieſem Mineral ſogleich ſämmtliches kieſelſaure Alkali ausgeſchieden werde und der Kaolin zurückbleibe. Der Zerſetzungsprozeß findet vielmehr nur ganz all⸗ mählig ſtatt. Am beſten begreift man dieſen, wenn man die Formel des Feld⸗ ſpaths mehrmals anſchreibt. Da aus 3 Aeg. Feldſpath 8 SiO,, 3 KO frei werden, ſo zerlegen wir die Kieſelſäure der beiden letzten Aeq., ſowie fie mit der Thonerde verbunden gedacht werden muß, in 2 SiO, und 1 SiO,. SiO, KO + Al, O5, 3 SiO; SiOs, KO + Al, Os, 3 SiO, SiO, KO + Al, O3, 3 Si03 S103, KOI + Al, Os, 3 SiO, Sios, KOI + Al, O,, 2 50s S102 SiO,, KOI + Al, 03, 2 SiO,Si0;| Wir ſehen alſo, daß, wenn auch bei einem Theil des Feldſpaths die Kaolinbildung erfolgt, doch noch eine Portion unzerſetzter Feldſpath zurück⸗ bleibt. Je weiter die Verwitterung unter dem Einfluß der Kohlenſäure vor⸗ ſchreitet, um ſo mehr nimmt die Quantität des Kaolins gegenüber dem un⸗ zerſetzten Feldſpath zu. Die zurückbleibende Verbindung wird alſo immer reicher an Thonerde und ärmer an kieſelſaurem Alkali. Man findet in der Natur faſt keinen Kaolin, welcher ganz frei von Al⸗ kali wäre. Es muß daher derſelbe als unvollſtändig zerſetzter Feldſpath angeſehen werden, wenn auch der Zerſetzungsprozeß ſchon ſehr weit vorge⸗ ſchritten iſt. Dies gilt in noch höherem Maße vom gewöhnlichen Thon, wie er in der Ackererde vorkommt. 8 Bh. Verwitterung des Albits, Oligoklaſes und Labradors. Der Zerſetzungsprozeß, wie wir ihn bisher dargeſtellt haben, gilt haupt⸗ ſächlich für den Orthoklas. Bei Albit, Oligoklas und Labrador finden übri⸗ gens die nämlichen Vorgänge ſtatt, nur mit dem Unterſchiede, daß die beiden erſteren vorzüglich Natron, der Labrador dagegen neben Natron auch Kalk ab⸗ gibt. Indeſſen wird durch die Zerſetzung des Labradors nur dann das Na⸗ tron frei werden, wenn Kohlenſäure in hinreichender Menge vorhanden iſt. Im andern Falle löſt ſich blos der Kalk auf, weil dieſer eine größere Verwandt⸗ ſchaft zur Kohlenſäure beſitzt. Daß der Kalk aus dem Labrador als Bicar- bonat fortgeführt wird, brauchen wir nicht weiter auszuführen. 96 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. 1. Die Zerſetzbarkeit der Feldſpathe nimmt zu mit ihrem Natrongehalt; Feldſpathe, welche Natron und Kalk zugleich beſitzen, find beſonders leicht aufſchließbar. Wenn wir uns ein Urtheil darüber bilden wollen, welche Arten von Feldſpath am ſchnellſten aufgeſchloſſen werden, ſo müſſen wir ihr Verhalten zu einer ſtarken Mineralſäure prüfen. Die Wirkungen der Kohlenſäure geben nämlich, weil ſie nur in kleinem Maßſtabe erfolgen, nicht augenblicklich einen deutlich wahrnehmbaren Effect; fie werden erſt nach längerer Zeit ſichtbar. Orthoklas wird nur in feingepulvertem Zuſtande und nach monatelangem Kochen von Salzſäure angegriffen, Albit und Oligoklas widerſtehen der Säure bei weitem nicht in dem Maße, wie Orthoklas. Labrador wird durch Salz⸗ ſäure auch in der Kälte, jedoch nicht vollſtändig, zerſetzt. Oligoklas enthält immer etwas Kalk (2—4%), obſchon nicht fo viel, als Labrador (12%). Hier⸗ aus geht denn die Richtigkeit des oben ausgeſprochenen Satzes hervor. In Uebereinſtimmung hiermit ſtehen die Reſultate der Unterſuchuugen Struve's, welche zeigen, daß aus feldſpathführenden Geſteinen vor zugsweiſe Natron extrahirt werde. Struve fand a a Kali Natron 1) In einem Phonolith vom Rotheberge bei Brüx, im fri⸗ ſchen Zuſtand 3.45% 9.70% in demſelben, verwittert 5.44 „ 3.26 „ 2) In einem andern Phonolith, friſch | 3.10 „ 6.69 „ in demſelben, verwittert 8 6.68 „ 3.80 „ 3) In einem Baſalt, friſch 1.35 „ 7 in demſelben, verwittert 2.62 „ 2.31 „ k. Die übrigen Beſtandtheile der Feldſpathe ſind, wie vorhin angegeben, Magneſia, Mangan, Eiſen, und Phosphorſäure. Da die Magneſia im Kaolin ſich nicht mehr findet, ſo müſſen wir ſchließen, daß ſie aus dem Feldſpath fortgeführt worden ſei, und es liegt nichts näher, als anzunehmen, daß ſie durch die in Waſſer gelöſte Kohlenſäure in doppelt⸗ kohlenſaure Magneſia verwandelt und dann vom Waſſer aufgenommen wor⸗ den ſei. Das Magneſiabicarbonat iſt etwas löslicher, als das Kalkbicarbo⸗ nat; 10000 Theile Waſſers löſen nämlich ungefähr 13 Theile neutrale kohlen⸗ ſaure Magneſia auf. Was das Eiſen anlangt, ſo zeigen die wenigſten Feld⸗ ſpath⸗Analyſen einen Gehalt an Eiſenoxydul, indeſſen kann man annehmen, daß die meiſten Feldſpathe ſchon zum Theil verwittert ſind (wobei ihr Eiſen ſich höher oxydirte) und daß bei der chemiſchen Analyſe das Eiſenoxydul oft für Oxyd genommen wurde, was um ſo weniger befremden kann, als der Aufſchluß im Laboratorium in der Glühhitze erfolgt, bei welcher das Eiſen⸗ oxydul in Oxyd übergeht. Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß das Eiſen im Feldſpath urſprünglich als Oxydul enthalten iſt. Wenigſtens deuten die ver⸗ ſchiedenen grünen und bläulichen Färbungen ganz friſcher Feldſpathe auf Eiſen⸗ Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 97 oxydul. Iſt der Feldſpath een ben ſo zeigt dies eine ſchon begonnene Oxydation an. Merkwürdiger Weiſe . die Oxydation der Feldſpathkryſtalle ſehr häufig im Innern. Es bildet ſich dort ein rother Punkt, der ſich immer mehr vergrößert. Auch das Mangan mag in dem ſeichen Feldſpath nur in der Form von Oxydul enthalten fein. Als ſolches wird es, gerade wie das Eiſenoxydul, von kohlenſäurehaltigem Waſſer aufgelöſt und fortgeführt. Iſt nicht genug Koh⸗ lenſäure, dagegen Sauerſtoff vorhanden, fo geht das Manganoxzydul in Man⸗ ganorydhydrat über. Dieſes kann dann wieder durch ng Stoffe re duzirt werden. Die Phosphorſäure it im Feldſpath entweder an Kalk abet an Thon⸗ erde gebunden. Die beiden phosphorſauren Salze löſen ſich, wie oben ange⸗ geben, in kohlenſäurehaltigem Waſſer. Anhang: Bildung der Zeolithe. Unter den Zeolithen verſteht man Mineralien, welche den Zeldſpathen nahe verwandt ſind, ſich aber von ihnen characteriſtiſch durch einen beſtimmten Waſſergehalt unterſcheiden. So iſt z. B. der Meſolith als ein waſſerhaltiger Labrador zu betrachten. Zieht man nämlich von dem Meſolith ſein Waſſer a2). ab, jo zeigt er faſt vollſtändig die Zuſammenſetzung des Labradors: Labrador Meſolith Kieſelſäure 53.42 53.35 Thonerde 29.71 29.67 Kalk 12.35 10.97 Natron 4.52 6.01 100.00 100.00 Die Zeolithe ſind überaus verbreitet; ſie machen einen conſtanten Be⸗ ſtandtheil des Baſaltes und Phonoliths aus. Auch finden ſie ſich ſehr ſchön kryſtalliſirt in den Druſenräumen, beſonders des Baſaltes. Einige der wichtigſten Zeolithe ſind: Pektolith, Analzim, Faujaſit, Epi⸗ ſtilbit, Chabaſit, Meſotyp, Lehuntit, Brevezit, Thomſonit, Harmotom, Me⸗ ſolith. Ueber die Entſtehung der Zeolithe hat man zwei Anſichten. Einige nehmen an, das Waſſer, welches die Zeolithe enthalten, ſei mit den heißflüſſigen Geſteinen, in denen die Zeolithe ſich finden, aus dem Erdin⸗ nern heraufgekommen, aber durch den Druck der Geſteinsmaſſe ſelbſt zurückge⸗ halten und vor dem Entweichen in Dampfform geſchützt worden. Andere geben dies, und zwar aus dem Grunde nicht zu, weil die Zeo⸗ lithe ſich auch ganz an der Oberfläche der Felsarten finden, wo kein Druck vorhanden ſein konnte, um das Waſſer zu eomprimiren. Die Anhänger dieſer | Anſicht ſehen die Zeolithe gleichſam nur als Verwitterungsproducte der Feld⸗ N ſpathe an. Das Waſſer, ſagen fie, ſei von außen durch die feinen Riſſe, wie . Heyer, Bodenkunde. 7 98 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ſolche von Biſchof an vielen Geſteinen nachgewieſen worden ſind, hineinge⸗ kommen. Die Zeolithe werden durch Salzſäure faſt ganz zerſetzt. Es iſt demnach wahrſcheinlich, daß Kohlenſäure, wenn auch erſt nach 9 Zeiträumen, das Nämliche bewirke. B. Verwitterung des Gfimmers. a. Vorkommen. } Der Glimmer, ein dem Feldſpath nahe verwandtes Mineral, iſt gleich dieſem überaus verbreitet. Als weſentlicher Beſtandtheil findet er ſich im Gra⸗ nit, Glimmerſchiefer und Gneiß, acceſſoriſch im Syenit, außerdem im Thon⸗ ſchiefer, in der Grauwacke und in vielen Sandſteinen, die ihn zum Theil ſtra⸗ tenförmig, zum Theil durch die ganze Maſſe hin zerſtreut enthalten. Glimmer iſt ein Beſtandtheil der Grundmaſſe des Porphyrs, in welchem er auch als Einſprengling vorkommt. Die Parallelſtructur vieler ſchieferiger Geſteine wird durch Lagen von Glimmer bedingt. Nach ihrem Verhalten gegen das Licht unterſcheddet man einaxigen und zweiaxigen Glimmer. Letzterer kommt häufiger vor, als erſterer. b. der chemiſchen Zuſammenſetzung nach unterſcheidet man: cr. Kaliglimmer. 8. Magneſiaglimmer. 7. Lithionglimmer (Lepidolith). Die Zuſammenſetzung des Glimmers iſt außerordentlich ſchwankend. Deß⸗ halb beſitzt man auch keine allgemeine Formel, welche für alle Glimmerſorten gleich gültig wäre. Nur beiſpielsweiſe führen wir die hypothetiſche Formel des Glimmers nach G. Roſe an. Nach dieſem iſt Kaliglimmer S KO, Si + 4 (Al, Os, Si0s), Magneſiaglimmer — 3 (MgO, Feo, KO) Sios + (Al O3, Fe, O3) SiOz. Der Lepidolith hat für uns keine Bedeutung, weil er nur ſehr ſelten vorkommt. Wie die Feldſpathe, ſo ſind auch die Glimmer Doppelſalze von Kiefel- ſäure verbunden mit einer Baſe von der Zuſammenſetzung RO (wie Kali, Lithion, Magneſia, Kalk, Eiſenoxydul) und Kieſelſäure, verbunden mit einer Baſe von der Geſtalt R. Os (wie Thonerde und Eiſenoxyd oder Mangan⸗ oyyd). In vielem Glimmer kommt auch Fluor, wahrſcheinlich an der Stelle des Sauerſtoffs, vor. Nachſtehend geben wir die Analyſe eines Kaliglimmers () von Broddbo bei Fahlun, nach H. Roſe und eines Magneſiaglimmers (U) aus Sibirien, nach Klaproth. Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 99 1 II Kieſelſäure 46.10 42,50 Thonerde 31.60 11.50 Eiſenoxyd 8.65 22.00 Manganoxyd 1.40 2,00 Talkerde — 900 Kali 8.39 10,0 Flußſäure 1.12 — Waſſer 1.00 — Glühverluſt — 100 98.26 98.00 e. Verwitterungsprozeß. Der Glimmer zerſetzt ſich — man weiß nicht aus welchen Urſachen — nur ſchwierig. Dies zeigen alle Granite. In dieſen findet ſich der Glimmer ſelbſt dann noch, wenn der Feldſpath ſchon weich und zerreiblich geworden iſt, faſt unverändert. Glimmer, welcher ein aufgequollenes Anſehen angenommen und ſeine Spaltigkeit verloren hat, iſt ſchon weit in der Verwitterung vorgeſchritten. Wenn aber auch der Glimmer ſelbſt ſich nur ſchwierig zerſetzt, ſo be⸗ günſtigt er doch da, wo er ſtratenförmig zwiſchen den Schichten auftritt, ganz vorzüglich die Zerklüftung der Geſteine. Dieſer Umſtand macht ſich beſonders bei den Sandſteinen, der Grauwacke, dem Glimmerſchiefer und Gneiß geltend. Es haften die Schichten an den mit Glimmer belegten Stellen nicht feſt auf⸗ einander; das Waſſer dringt leicht ein und ſprengt, wenn es gefriert, die Schichten von einander. Die Analyſen friſchen und verwitterten Glimmers mit einander zu ver⸗ gleichen, um daraus den Vorgang bei der Verwitterung dieſes Minerals zu entnehmen, iſt unthunlich, weil die Zuſammenſetzung des Glimmers zu ſehr ſchwankt. Wahrſcheinlich hat aber der Verwitterungsprozeß des Glimmers die größte Aehnlichkeit mit dem des Feldſpaths, d. h. die Kieſelſäure wird als Hydrat und in Verbindung mit Kali entführt, Magneſia, Eiſen, Mangan wer⸗ den als Bicarbonate ausgeſchieden werden und zuletzt wird Kaolin im Rück⸗ ſtand bleiben. C. Verwitterung der Sornblende. a. Vorkommen. Im Syenit, im Hornblendeſchiefer, verſchiedenen Grünſteinen, aceeſſo⸗ riſch im Granit, Baſalt u. ſ. w., außerdem in vielen ſedimentären Geſteinen (Grauwacke, Altem Rothtodtliegenden, altem rothen Sandſtein u. ſ. w). Sehr verbreitet. ̃ b. Zuſammenſetzung. Dieſe läßt ſich durch die allgemeine Formel RO, SiO, + 3 RO, 2 SiO, 100 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. ausdrücken. Man hat zwei Arten von Hornblende unterſchieden — thonerde⸗ freie und thonerdehaltige. 8 c. Thonerdefreie Hornblenden. 1. Neutrale kieſelſaure Kalkerde und zweidrittel kieſelſaure Talkerde — Cao, SiO, + 3 Mg0, 2 SiO, Dieſer Formel entſpricht die Zuſammenſetzung Kieſelſäure — 60.50 Kalkerde = 12.43 Talkerde == 27.07 100.00 Hierher gehören Tremolit, Strahlſtein, Grammatit. 2. Neutrales kieſelſaures Eiſenoxydul und zweidrittel kieſelſaure Talkerde. Feo, Sios + 3 Mg0, 2 SiO, e Zuſammenſetzung: Kiefelfäure — 58.79 Talkerde == 26.31 ente IE = 14% 100.00 Hierher gehört der Antophyllt. a 3. Neutrales kieſelſaures Natron (Kalk, Talkerde, Manganoxydul) und zweidrittel kieſelſaures Eiſenoxydul. NaO, SiO, + 3 FeO, 2 SiO; Prozentiſche Zuſammenſetzung: Kieſelſäure — 50.34 Eiſenoyydul S 38.30 Natron lern 100.00 Hierher gehört der Arfvedſonit. 3. Thonerdehaltige Hornblenden. Obgleich der Thonerdegehalt dieſer Hornblenden ſehr verſchieden iſt (er ſchwankt von 4— 260% ) fo läßt ſich doch für fie die obige Formel RO, Sios + 3 RO, 2 SiO, benutzen, wenn man annimmt, daß die Kieſelſäure durch die Thonerde erſetzt werden könne. Dieſe Annahme erhält übrigens dadurch einige Berechtigung, weil die Thonerde und Kieſelſäure demſelben Kryſtallſyſtem an⸗ gehören und ihre Atomvolume in einem einfachen Verhältniß zu einander ſtehen. - Außer den vorgenannten Beſtandtheilen hat man auch etwas Fluor in den Hornblenden gefunden. e. Verwitterungsprozeß. Ueber die Verwitterung der de liegen wenige Beobachtungen vor; übrigens weiß man, daß ſie ſich leichter, als Glimmer zerſetzt. Der Ver⸗ faſſer ſah im Odenwalde Syenit von anſcheinend friſcher Beſchaffenheit; bei Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 3 101 näherer Betrachtung ergab es ſich aber, daß die Hornblende ſchon ganz erdig und zerreiblich geworden war. Thonerdehaltige Hornblenden mögen das mit ben Feldſpathen gemein haben, daß bei der Verwitterung die Thonerde vorzugsweiſe zurückbleibt. Die Kieſelſäure, die Alkalien, alkaliſchen Erden und Eiſen nebſt Mangan werden entführt, wenn nicht die beiden letzten ſich höher oxydiren. Daſſelbe gilt auch, abgeſehen von der Thonerde, für die thonerdefreien Hornblenden. Genau läßt ſich der Gang der Auflöſung wegen der ſchon angeführten verſchiedenartigen Zuſammenſetzung der Hornblende nicht verfolgen. Man hat nämlich darüber keine Gewißheit, ob das verwitterte Exemplar in ſeiner ur⸗ ſprünglichen Zuſammenſetzung mit dem friſchen, welches zur Vergleichung be⸗ nutzt wird, identiſch war. Indem wir auf dieſen Umſtand aufmerkſam machen, führen wir Gö⸗ ſchen's und Madrell's Analyſe einer friſchen und verwitterten Hornblende vom Wolfsberg bei Cernoſin in Böhmen an. N friſche Hornblende verwitt. Hornblende. Kieſelſäure 40.27 44.03 Thonerde 16.36 14.31 Eiſenoxydul 15.34 25.55 oxyd Kalkerde 13.80 10.08 Talkerde 13.38 2.33 Waſſer 0.46 3.44 99.61 99.74 Wie man ſieht, hat der Gehalt an Kalkerde und Talkerde abgenommen, während das Eiſen in eine höhere Ozydationsſtufe übergegangen iſt. D. Verwitterung des Augits. * a. Vorkommen. Nächſt Feldſpath, Glimmer und Hornblende iſt der Augit eines der ver⸗ breitetſten Mineralien. Als weſentlicher Beſtandtheil kommt er in manchen Grünſteinen, wohl auch im Melaphyr, im Baſalt und in den Laven vor; außerdem findet er ſich fragmentariſch in vielen ſedimentären Geſteinen. b. Zuſammenſetzung. In ſeiner chemiſchen Eorfinukon ift der Augit der Hornblende fo ähn⸗ lich, daß man in neuerer Zeit verſucht wurde, die verſchiedene Kryſtallgeſtalt dieſer beiden Mineralien auf Rechnung einer langſameren oder raſcheren Er⸗ kaltung beim Uebergange aus dem geſchmolzenen in den feſten Zuſtand zu bringen. Indeſſen hat man auch beim Augit, ſowie bei der Hornblende nöthig, eine Vertretung der Kieſelſäure durch Thonerde anzunehmen. In dieſem Falle würde die Formel der Augite 3 RO, 2 SiO, fein. Auch der Augit kommt mit und ohne Thonerde vor. * 102 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. . Thonerdefreie Augite. Hierher gehören: Diopſid, Malakolith, Hedenbergit. Dieſe enthalten Kieſelſäure, Kalkerde, Talkerde, Eifenorydul und Man⸗ ganoxydul in wechſelnden Verhältniſſen. Je nach dem Vorherrſchen des einen oder des andern dieſer Stoffe unterſcheidet man: Kalk⸗Talk⸗Augit, Kalk⸗Eiſen⸗ Augit, Kalk⸗Mangan⸗Au git, Eiſen⸗Mangan⸗Augit, Kalk⸗ Talk-Eiſen⸗Augit. 3. Thonerdehaltige Augite. Hierher ſind zu rechnen: der gemeine Augit, Diallag und Hyperſthen. Dieſe enthalten, neben Thonerde, alle Beſtandtheile der thonerdefreien Augite. An Alkalien ſind die Augite ſehr arm; nur in dem von Gmelin unter⸗ ſuchten fanden ſich ungefähr 3½ % an Kali und Natron. e. Verwitterungsprozeß. Ueber dieſen hat man, wegen der ſchwankenden Zuſammenſetzung des Augits, keine zuverläſſigen Anhaltspunkte. Indeſſen laſſen ſich nach Analogie der Zerſetzung anderer, ähnlich zuſammengeſetzter raten, folgende Muth⸗ maßungen aufſtellen. a. In allen Augiten find Eiſen und Mangan in der Form von Oxy⸗ dul enthalten. Dieſe werden alſo entweder als Bicarbonate durch kohlenſäure⸗ haltiges Waſſer entführt werden, oder ſich höher oxydiren. B. Die Alkalien gehen als kohlenſaure oder kieſelſaure Salze fort. 7. Talk⸗ und Kalkerde werden als doppeltkohlenſaure Salze austreten. d. Die Kieſelſäure wird als ſolche, oder in Verbindung mit den Alka⸗ lien entführt werden. 8. Die Thonerde wird ganz, oder zum größten Theil zurückbleiben. Aus dem Umſtand, daß der Augit nur ſehr wenig von Salzſäure auf⸗ gelöſt wird, läßt ſich auf die Zeitdauer ſchließen, welche die Kohlenſäure zu ſeiner völligen Zerſetzung braucht. E. Verwitterung des Olivins. Von dem Vorkommen des Olivins iſt ſchon S. 80. die Rede geweſen. Es wurden dort die Veränderungen abgehandelt, welche der Olivin durch Oxydation des Eiſenoxyduls und durch Waſſeraufnahme erleidet. Wir haben hier noch ſeine Verwitterung unter dem Einfluß der Kohlenſäure zu betrachten. a. Iſt genug Kohlenſäure, aufgelöſt in Waſſer, vorhanden, fo wird das Eiſenoxydul des Olivins als Bicarbonat entführt. ß. Die Bittererde geht gleichfalls als doppeltkohlenſaures Salz fort. Der Olivin wird durch Salzſäure vollſtändig zerſetzt. Hieraus ergibt ſich ein Maaßſtab für die Wirkung der Kohlenſäure auf dieſes Mineral. F. Verwitterung des Talks. a. Vorkommen. Der Talk bildet einen Beſtandtheil des Talkſchiefers (Quarz und Talk) = Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 103 und vertritt im Protogin⸗Granit und Gneiß den Glimmer. Häufig kommt aber auch der Talk ſelbſtſtändig in größern Maſſen vor. Er fühlt ſich fettig, ähnlich wie Seife, an. b. Zuſammenſetzung. Die weſentlichen Beſtandtheile des Talks ſind Kieſelſäure und Bitter⸗ erde; letztere wird indeſſen häufig von Eifenorydul theilweiſe vertreten. Außer⸗ dem kommen im Talk noch Kalkerde, Thonerde, Kali und Waſſer vor. Von dieſem weiß man aber noch nicht, ob es ein weſentlicher oder zufälliger Beſtandtheil des Talks ſei. Wahrſcheinlich iſt der Talk bereits ein Verwitter⸗ ungsproduct und aus Hornblende oder Augit entſtanden. Daher erklärt ſich auch wohl die ſchwankende Zuſammenſetzung der Talke, für die man bald die Formel Sioz, Mg, bald 5 SiO,, 6 Mg aufgeſtellt hat. Dem Talk nahe verwandt iſt der Chlorit; nur tritt in dieſem die Thonerde als weſentlicher Beſtandtheil auf. Von dem Chlorit hat man zwei Arten, den eigentlichen Chlorit und den Ripidolith unterſchieden, letzterer ent⸗ hält 1 Aeg. Thonerde mehr, als erſterer. Die Zuſammenſetzung beider läßt ſich aber durch die Formel 2 Sio 5 R 2 Al. 0, + 3 0; ausdrücken, wenn man annimmt, daß ein Theil der Kieſelſäure durch Thon⸗ erde vertreten werden könne. c. Verwittterungsprozeß. Die Verwitterung des Talkes kommt ſo ziemlich mit derjenigen des Olivins überein. Nur zerfällt der blättrige Talk leichter in kleinere Fragmente, als der Olivin, während letzterer etwas leichter von Kohlenſäure aufgeſchloſſen wird. Die Verwitterung des Chlorits (einjchl. Ripidolith) iſt derjenigen des Feldſpaths ähnlich; die Baſen von der Form RO werden als doppeltkohlen⸗ ſaure Salze aufgelöſt, oder auch, wenn fie Eiſen und Mangan find, höher oxy— dirt. Die Kieſelſäure wird als Hydrat in Freiheit geſetzt. 6. Kieſelgeſteine. Zu dieſen rechnen wir alle diejenigen Geſteine, in denen Kieſelerde ohne Verbindung mit einer Baſis den vorherrſchenden Beſtandtheil bildet, alſo die eigentlichen Quarzite, Feuerſteine, den Jaspis, Kieſelſchiefer, die Grundmaſſe vieler Sandſteine u. ſ. w. Die reine Kieſelerde löſt ſich, wiewohl in ſehr geringer Menge, in kohlen⸗ ſauren Alkalien bei gewöhnlicher Temperatur (ſchneller aber in der Siedhitze) auf. In der Natur kommt die Kieſelſäure aber nur ſehr ſelten (z. B. im rei⸗ nen Bergkryſtall) ganz rein vor; meiſt iſt ihr etwas Eiſen und Mangan bei⸗ 104 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. geſellt, von denen die Kieſelgeſteine gewöhnlich ihre Farbe erhalten. Außerdem „kommen in den meiſten Geſteinen dieſer Gruppe Spuren von Thonerde, Kalt erde, Bittererde, Alkalien, Phosphorſäure, Schwefelſäure und Chlor vor. Die Verwitterung, bei welcher die Oxydation und Waſſeraufnahme des Eiſens und Mangans eine große Rolle ſpielen, erfolgt na den befannten, im Vorhergehenden entwickelten Regeln. 4. Verwitterung der Feldarten. A. Im Allgemeinen. a. Die Verwitterbarkeit einer ee hängt von der Verwitterbarkeit ihrer Be · ſtandtheile ab. So zerſetzt ſich zum Beiſpiel ein Syenit, deſſen Feldſpath Labrador iſt, leichter, als ein Syenit mit Orthoklas. i b. Schiefrige Geſteine zerfallen leichte in kleinere Fragmente, als maſſige Geſteine. Hierauf iſt früher ſchon hingewieſen worden. An den Schichtungsflächen hängen die Geſteine nicht ſo feſt zuſammen. Dringt das Waſſer in die Spal⸗ ten und gefriert, ſo werden die Schichten von einandergeſprengt und zertrüm⸗ mert. Der chemiſche Zerſetzungsprozeß geht übrigens bei den geſchieferten Felsarten häufig nicht ſo ſchnell von ſtatten, als der mechaniſche. So zerfällt z. B. der Kieſelſchiefer ſehr leicht in kleinere Stücke, aber dieſe erhalten ſich lange Zeit unverändert, weil die Grundmaſſe des Geſteins Quarz iſt. N c. Poröſe Geſteine verwittern leichter, als derbe. Dies erklärt ſich ganz einfach aus der großen Oberfläche ſolcher Ge⸗ ſteine. Jene bietet dem Sauerſtoff der Luft und der Kohlenſäure mehr An⸗ griffspunkte dar. So verwittert der blaſige Baſalt des Vogelsgebirges viel ſchneller, als der dichte Säulenbaſalt; der mit vielen Blaſenräumen verſehene Melaphyr von Darmſtadt verwittert in bei weitem kürzerer Zeit, als das derbe Geſtein aus der nämlichen Gegend. 7 d. Der Feuchtigkeit ausgeſetzte und mit Gewächſen oder Humus bekleidete Gesteine ver⸗ wittern leichter, als nackte Felſen. Zu dieſem Satz liefert beſonders das Verhalten der Felsarten in den Gebirgen den Beleg. Freiſtehende vegetationsloſe Kuppen erhalten ſich Jahr⸗ hunderte unverändert, während mit Moos, Laub, Gras u. ſ. w. bedeckte Felſen augenſcheinlich ſchneller der Zerſetzung anheimfallen. Das Waſſer löſt in Verbindung mit der aus den verweſenden Pflanzen ſich entwickelnden Koh⸗ lenſäure die meiſten Mineralien auf, wie im Vorigen ausführlich . worden iſt. e. Eiſenoxydulhaltige Geſteine verwittern leicht. Das Eiſenoxydul hat das Beſtreben, in Oxyd Über & jer- Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 105 ſetzt ſich beiſpielsweiſe der eiſenreiche Granit von Korſika leichter, als der an Eiſen ärmere Granit vom Melibokus. Auf die große Rolle, welche der Schwefelkies bei der unn ſpielt, machen wir hier nochmals aufmerkſam. 1. Beſteht ein Geſtein aus Kryſtallen, ſo erleichtern dieſe die mechaniſche Zertrümmerung. Wegen ihrer ungleichförmigen Ausdehnung bei Temperaturveränderungen. Wir verw eiſen in dieſer Beziehung auf S. 49. g. Die Verwitterungsfähigkeit einer zufammengefegten Felsart ift nicht immer der An- zahl ihrer Beſtandtheile proportional. Den entgegengeſetzten Satz hat Sundeh gen ausgeſprochen. Die von demſelben angeführten Belege ſind aber keineswegs entſcheidende Beweiſe. So beruht die Unveränderlichkeit der reinen Kieſelgeſteine (Quarze u. ſ. w.) nicht auf ihrer einfachen Zuſammenſetzung, ſondern darin, daß ſie, zufolge ihrer che⸗ miſchen Natur, mit Sauerſtoff und Kohlenſäure, den hauptſächlichſten Agentien der Verwitterung, keine Verbindungen eingehen. Enthält der Quarz fremd⸗ artige Beſtandtheile (Eiſen, Mangan u. ſ. w.), ſo erleichtern dieſe allerdings die Verwitterung, aber nicht diejenige der Kieſelſäure, blos ſie ſelbſt zerſetzen ſich, weil ſie zu dem Sauerſtoff Verwandtſchaft haben. Dieſe Nebenbeſtand⸗ theile verwittern aber eben ſo leicht, wenn ſie nicht im Vereine mit freier Kie⸗ ſelerde vorkommen. Andere Behauptungen, welche Hundeshagen zum Belege ſeiner Anſicht vorgebracht hat, wie z. B. daß der Dolomit raſcher verwittere, als der körnige Kalk, ſind vollſtändig unrichtig. Dagegen laſſen ſich viele Beiſpiele dafür anführen, daß die Complexität der Zuſammenſetzung einer Felsart nicht unter allen Umſtänden der Verwitter⸗ ung günſtig ſei. So zerſetzt ſich der aus vielen Elementen beſtehende Glimmer ſchwieriger, als der chemiſch einfachere kohlenſaure Kalk oder Gyps. Hundeshagen ſuchte ſeinen Anſichten über die Verwitterbarkeit der zu⸗ ſammengeſetzten Felsarten durch Annahme eines geogalvaniſchen Prozeſſes eine Stütze zu geben. Man weiß, daß bei der e Berührung ungleichartiger Körper Electricität entwickelt wird und daß die Wirkung der letztern bedeutend wer⸗ den kann, wenn man die ungleichartigen Körper zu einer Kette ordnet. Hun⸗ deshagen iſt überzeugt, daß die zuſammengeſetzten Felsarten ſolche Ketten bil⸗ den und daß die Electrieität, welche durch dieſelbe erregt wird, eine Zerſetzung der Salze in Baſen und Säuren und der Oxyde in das betreffende Radical und in Sauerſtoff zu Wege bringe. Er überſah aber dabei, daß ſolche gal- vaniſche Ströme, wie er ſie vermuthet, noch nirgends nachgewieſen ſind, oder daß dieſelben auch nur bei einer beſtimmten regelmäßigen Ordnung der Glie⸗ der einer Kette auftreten, keineswegs aber dann, wenn dieſe Glieder bunt durch einander gewürfelt ſind, wie dies in den Felsarten der Fall iſt. Jedenfalls 106 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Beben. kann der geogalvaniſchen Thätigkeit erſt dann Gewicht in Bezug auf die Ver⸗ witterung beigelegt werden, wenn genauere Unterfuchungen über dieſelbe nach⸗ gewieſen haben, daß ſie wirklich beſtehe. B. Verwitterung der Felsarten im Beſonderen. a. Granit. a. Zuſammenſetzung. Dieſe wurde ſchon S. 34. angegeben. Hiernach beſteht der Granit aus Feldſpath, Quarz und Glimmer in kryſtalliniſchem Gefüge. Der Feldſpath iſt theils Orthoklas, theils Oligoklas und Albit. Mitunter werden die Orthoklas⸗ körner von Albit oder Oligoklas wie von einer dünnen Schale eingehüllt. Der Glimmer iſt Kali- oder Magneſiaglimmer, nur in ſeltenen Fällen Lepidolith. Im Protogin iſt der Glimmer durch Talk vertreten; im Greiſen fehlt der Feldſpath. ß. Verwitterungsprozeß. Dieſer ſetzt ſich aus der Verwitterung der einzelnen Beſtandtheile des Granits zuſammen. Dabei ſpielen die acceſſoriſchen Mineralien im Granit, wie Talk, Chlorit, Hornblende, Eiſenglanz (Eiſenglimmer), Magneteiſenerz, Granat, Pinit, Turmalin, Apatit u. ſ. w. und unter dieſen beſonders die Eiſen⸗ verbindungen eine nicht unbedeutende Rolle. Von den vorherrſchenden Be⸗ ſtandtheilen des Granits verwittern am leichteſten die Feldſpathe nach der Rangordnung: Oligoklas, Albit, Orthoklas. Viel länger hält ſich der Glim⸗ mer. Die Verwitterung des Quarzes beſteht hauptſächlich in der Oxydation des demſelben beigemengten Eiſenoxyduls. Der Anfang in der Verwitterung des Granits manifeſtirt ſich durch Mattwerden der Feldſpathkryſtalle. Sie verlieren ihren Glanz und werden zer⸗ reiblich; zuletzt gehen ſie in eine kaolinartige Maſſe über. Doch dauert dieſer Prozeß eine lange Reihe von Jahren; er wird aber abgekürzt, wenn der Feld⸗ ſpath viel Eiſen enthält. Oft iſt der Feldſpath ſchon ganz erdig geworden, während man an dem Quarz und Glimmer kaum eine Spur der Zerſetzung wahrnimmt. Wenn der Feldſpath ſeinen Zufammenhang verloren hat, ſo zerfällt das Geſtein zuerſt in dickere Brocken, dann in kleinere Fragmente (Granitgrus). Einige Granite verwittern leicht, andere ſchwerer, ohne daß ſich immer die Urſachen dieſes abweichenden Verhaltens auffinden ließen. Indeſſen ſchei⸗ nen doch die quarzreichen Granite der Zerſetzung am meiſten Widerſtand zu leiſten. ö y. Die Berwitterungsproducte beftehen aus kohlenſauren oder kieſelſauren Alkalien, kohlensaurem d Kalk, Eiſen Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 107 und Mangan und kohlenſaurer Magnefia, freier Kieſelſäure, ſchwefel⸗ und phosphorſauren Salzen, Eiſen⸗ und Manganorydhydrat. b. Granulit. N cr. Zuſammenſetzung. Quarz und Feldſpath. dlesſorſc, aber ſehr begechnerd, Granat. 5. Verwitterung. Dieſe ſcheint, nach den Beobachtungen, die der Verfaſſer im Odenwald zu machen Gelegenheit hatte, ſchwieriger, als die des Granits von ſtatten zu gehen. e. Syenit. . Zu ſammenſetzung. Der Feldſpath iſt meiſt Orthoklas, oder Labrador. Oligoklas und Al⸗ bit kommen ſeltener vor. Nach Deleſſe beſteht der Syenit in den Vogeſen aus Hornblende und aus zwei Feldſpathen, nämlich Orthoklas und Andeſin (in letzterm 5% Kalk, 2% Kali, 7% Natron). + ß. Die Verwitterung des Syenits hat mit der des Granits, in welchen der Syenit häufig übergeht, Vieles gemeinſam. Auch von dieſem Geſtein gibt es Varietäten, die ſchneller, und andere, welche leichter verwittern. d. Gneiß. ck. Zuſammenſetzung. Die des Granits, aber mit ſchieferiger Structur. 3. Verwitterung. Wie alle geſchieferten Felsarten zerfällt der Gneiß ziemlich ſchnell in Brocken und kleinere Fragmente. Dagegen ſcheint die chemiſche Zerſetzung langſamer, als beim Granit zu erfolgen. e. Glimmerſchiefer. Beſteht aus Quarz und Glimmer. Aceeſſoriſch enthält er Feldſpath, Hornblende, Granat und verſchiedene Eiſenverbindungen. Von ihm gilt, wenn man vom Feldſpath abſieht, beinahe das Nämliche, wie vom Gneiß. Der ganze Act der Verwitterung fällt hier faſt allein dem ſchwerzerſtörbaren Glim⸗ mer anheim. Doch liefert der Glimmerſchiefer oft einen ſehr mürben und nicht ſelten auch tiefgründigen Boden. Einige Glimmerſchiefer ſcheinen ſogar leichter zu verwittern, als der Gneiß. 108 Die Entftehung der feſten Erdrinde und des Bodens. f. Thonſchieſer. a. Zuſammenſetzung. (S. S. 10.) Alle bis jetzt unterſuchten Thonſchiefer enthalten Waſſer, ſcheinen daher, da letzteres auch in den zunächſt der Erdoberfläche liegenden Schichten vor⸗ kommt, zum Theil ſchon der Verwitterung anheimgefallen zu ſein. Viele Thonſchiefer brauſen mit Säuren, ſie enthalten kohlenſauren Kalk, welcher ſich höchſt wahrſcheinlich erſt durch die Verwitterung gebildet hat. Der Thonſchiefer läßt ſich mittelſt Salzſäure in einen zerſetzbaren und und unzerſetzbaren Theil trennen. Beide enthalten Kieſelſäure, Thonerde, Ei⸗ ſenoßyd, Mangan, Kalkerde, Talkerde, Kali und Kohle. 1) der durch Salzſäure zerlegbare Theil hat ſo ziemlich die Zuſammenſez⸗ ung des Chlorits, insbeſondere des Ripidoliths. Seine Menge beträgt 10-30%. Er iſt als ein feiner Staub durch das ganze Geſtein verbreitet und bedingt, neben der Kohle, vorzüglich die Farbe deſſelben. Die grün⸗ lichen Nuancirungen vieler Thonſchiefer rühren von ihm her. 2) der durch Salzſäure nicht zerlegbare Theil kann als ein Thonerdeſlikat (welches ungefähr die Zuſammenſetzung Al, 03, Si Os beſitzt) betrachtet wer⸗ den, dem Quarz, etwas Eiſen- und Manganoxydhydrat, ſowie Fragmente von Feldſpath und Glimmer beigemengt ſind. Die Quantität des Quarzes ſchwankt von 25—50% , die der übrigen Beſtandtheile des Theils 2. zwiſchen 30 und 500%. Da die Zuſammenſetzung des Thonſchiefers ſo ſehr veränderlich iſt, fo laſſen ſich Formeln für denſelben nicht wohl aufſtellen. 3. Verwitterungsprozeß. Die Zerlegbarkeit des Thonſchiefers durch Salzſäure gibt einen Maß⸗ ſtab für den Grad der Verwitterung, deſſen er fähig iſt. Nach verſchiedenen Analyſen verhalten ſich der Theil 1 zum Theil 2 = 28,98 : 71,02 30,53: 69,47 5 29,73: 70,27 3,216 : 76,39 24,48 : 75,52 f 25,31 : 74,69 Da die Kohlenſäure eine der Salzſäure ähnliche Wirkung hat, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß der Theil 1. nach und nach durch kohlenſäurehaltiges Waſſer aufgelöſt und fortgeführt werden kann. Die Verwitterungsproduete des Thonſchiefers wären demnach: kieſelſaures und kohlenſaures Alkali, kohlen⸗ ſaure Kalkerde und Magneſia, freie Kieſelſäure, kohlenſaures Eiſen⸗ und Man⸗ ganorydul und Eiſen⸗ und Maganopydhydrat. ö Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 109 Die meiſten Analyſen geben das Eiſen im Thonſchiefer als Oryd an. In⸗ deſſen ſcheint dieſer Stoff auch häufig als Oxydul vorzukommen. In dieſem Falle wird es durch Oxydation und Aufnahme von Hydratwaſſer eine wichtige Rolle ſpielen. i Sehr häufig werden die Thonſchiefer von Quarzſchnüren durchzogen, welche wohl nur als ein Verwitterungsproduet angeſehen werden dürfen. Wie wir oben bemerkt haben, wird bei der Zerſetzung des Thonſchiefers durch Koh⸗ lenſäure ein Theil der Kieſelerde in Freiheit geſetzt; dieſe nimmt Waſſer auf und löſt ſich alsdann. Verdunſtet das zur Löſung dienende Waſſer, und geht gleichzeitig auch das chemiſch gebundene Waſſer hinweg, ſo bleibt unlösliche Kieſelerde zurück. Si 0.4 La. Daß dieſe ſich vorzüglich in den Spalten des Geſteins niederſchlagen mußte, iſt begreiflich. Es bedarf kaum noch einer Bemerkung, und die Benennung des Thon- ſchiefers macht uns ſchon darauf aufmerkſam, daß dieſes Geſtein, zufolge ſeiner Structur, ſehr leicht von eindringendem Waſſer geklüftet wird. g. Grauwacke. Sie kommt als Grinnscelöirfänleher und als Grauwackenſandſtein vor und ſtimmt, abgeſehen von dem größern Quarzgehalt, in ihrer Zuſammenſetzung und in ihren übrigen Eigenſchaften (auch die Grauwacke erſcheint nicht ſelten mit kryſtalliniſchem Gefüge) fo ſehr mit dem Thonſchiefer überein, daß die Dar⸗ ſtellung ihrer Verwitterung nur eine Wiederholung des über den Thonſchiefer Geſagten ſein würde. h. Grünſtein. c. Zuſammenſetzung. In die Gruppe des Grünſteins gehören (S. 36.) der Amphibolit, Diorit, Serpentin, Gabbro, der eigentliche Grünſtein oder die Diabaſe, der Schalſtein, der Hyperit, Eklogit und Aphanit. In dieſen Geſteinsarten kommen folgende Mineralien vor: 1. Feldſpath, (Labrador, Albit, Sauſſurit, Oligoklas). 2. Hornblende. 3. Augit (Diallag, Hyperſthen ꝛc.) 4. Chlorit. 5. Kalkſpath. ß. Die Verwitterung der vorſtehenden Mineralien haben wir früher ſchon betrachtet. Die Producte der Verwitterung der Grünſteine ſetzen ſich aus denen ihrer Beſtandtheile zuſammen. f Sehr viele Grünſteine enthalten Waſſer, welches ſie im Laufe der Ver⸗ witterung aufgenommen zu haben ſcheinen. 8 110 Die Entſtehung der feften Erdrinde und des Bodens. Ueber die Natur des Schalſteins iſt man noch nicht vollftändig im Reinen. Er enthält rundliche, oft erbſengroße Körner von Kalkſpath. Wahrſcheinlich iſt er durch Einwirkung des Grünſteins auf Grauwacke, mit welcher der Schal⸗ ſtein immer zugleich vorkommt, entſtanden. Daß bei der Bildung des Schal⸗ ſteins ein Verwitterungsprozeß thätig geweſen ſei, darauf deutet ſchon der Gehalt an kohlenſaurem Kalk hin. I. Felſitporphyr. N c. Zuſammenſetzung. (S. 37.) Feldſpath, Quarz und Glimmer bilden die Grundmaſſe und Enſpteng linge. Zu den aceeſſoriſchen Beſtandtheilen gehören Hornblende, Eiſenkies, Eiſenglanz, Eiſenrahm, Magneteifenerz. 5. Verwitterungsprozeß. Dieſer ergibt ſich leicht, da wir die Zerſetzung des Feldſpaths, Quarzes und Gimmers bereits kennen. Die Verwitterung des Porphyrs beginnt ge⸗ wöhnlich damit, daß die Einſprenglinge aus der Oberfläche des Geſteins durch Froſt ꝛc. 2c. gehoben werden. In die Oeffnungen dringt nun leicht kohlen⸗ ſäurehaltiges Waſſer ein. Auch die Oxydation der Eiſenverbindungen ſpielt beim Porphyr eine große Rolle; ſie macht ſich beſonders bei den blauen Por⸗ phyren bemerkbar, welche alsdann eine röthliche Farbe annehmen. — Schon früher wurde bemerkt, daß die Benennung „Thonſteinporphyr“ für ſolche Porphyre gilt, welche ſchon von der Verwitterung gelitten haben. k. Melaphyr. c. Zuſammenſetzung. (S. 38.) Der Melaphyr iſt ausgezeichnet durch den gänzlichen Mangel an Dad Er vermittelt den Uebergang von den Porphyren zu den Bafalten. Zeolithe kommen indeſſen ſelten im Melaphyr vor. Aceeſſoriſche Beftandtheile, des Melaphyrs ſind: Eiſenglimmer, Kalkſpath, Braunſpath, Eiſenglanz, Eiſenrahm, Eiſenſpath. ß. Verwitterung. Sie fällt zum größten Theil mit derjenigen des Labradors zuſammen, aus welchem die Grundmaſſe des Melaphyrs vorherrſchend beſteht. Wahr⸗ ſcheinlich rühren die Kalkſpathmandeln, an welchen der Melaphyr ſo reich iſt, nur von der Zerſetzung des Labradors her, während der Braunſpath gleichzeitig aus den Beſtandtheilen des Labradors und des Chlorits ſich gebildet hat. — Die blaſige Structur des Melaphyrs begünſtigt ſeine Verwitterung ausnehmend. Friſche Exemplare dieſer Felsart beſißen meiſt eine grünliche Färbung; iſt das Geſtein in der Zerſetzung ſchon weiter vorgeſchritten, ſo geht jene in eine rothe oder braunrothe über. Der Melaphyr verwittert verhältnißmäßig viel leichter, als der Felſitporphyr. Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. - 111 1. Zraspt. Tack a. Zuſammenſetzung. Der Trachyt läßt ſich mittelſt Salzſäure zerlegen. 1. Der zerſetzbare Theil beſteht, aus Magneteiſen und glaſigem Feldſpath. 2. Der nach der Behandlung mit Salzſäure im Rückſtand bleibende Theil kann als ein Albit angeſehen werden, in welchem das Alkali zur einen Hälfte aus Natron, zur andern Hälfte aus Kali und Kalk⸗ erde beſteht. Im Trachyt des Siebengebirges fand man das Verhältniß des Theiles 1. zum Theil 2., wie 12, 51: 87, 49 und zwar: im Theil 1. in 2. im Ganzen. Kieſelſäure 46,11 70,22 67,09 Thonerde 4,58 17,29 15,63 Eiſenoxydul 29,88 Oxyd. 0,82 Fe 0, Fe, 03 4,59 Eiſenh. Titanſäure 2,95 — 0,38 Kalkerde 3,33 2,09 2,25 Talkerde 4,66 0,41 0,97 Manganorydul 1,20 — 0,15 Kali 1,58 3,71 3,56 Natron 1,47 5,62 5,07 Waſſer, Chlor u. ſ. w. 2,96 2 0,45 98,72 100,16 100,14 Zu den Einfprenglingen des Trachyts gehört vor Allem der glaſige. Feldſpath oder Sanidin, außer dieſem kommen Hornblende, Glimmer, Granat, Olivin, Nephelin, Meſotyp, Chabaſit, Augit, Kalkſpath und Quarz (letzterer ſelten, am häufigſten noch im Trachyt des Siebengebirges) vor. Domit iſt eine Abart des Trachyt, welche in der Auvergne (Puy de Dome) auftritt. Das Geſtein iſt weicher, als Trachyt, jedoch klingend. 8. Verwitterung. Analyſen von zerſetztem Trachyt, welche mit ſolchen des friſchen Geſteins verglichen werden könnten, ſind noch nicht angeſtellt worden. Die in der Grundmaſſe des Trachyts eingeſprengten Sanidinkryſtalle ſind für die Verwitterung dieſer Felsart von großer Wichtigkeit. Der Luft ausgeſetzt, bröckeln ſich nämlich dieſe Kryſtalle leicht aus (wie man an den Mauern des Kölner Doms bemerken kann) und nun ſchreitet die Verwitterung raſch vorwärts. Der durch Salzſäure zerlegbare Theil iſt es, welcher zuerſt der Zerſetzung durch Kohlenſäure anheimfällt. Die poröſe Structur vieler Trachyte erleichtert dem Sauerſtoff der Luft und dem mit Kohlenſaure geſchwängerten Waſſer den Zutritt. 112 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. m. Phonolith. . Zuſammenſetzung. Wie der Trachyt, ſo läßt ſich auch der Phonolith mittelt: Salzfäure zerlegen 1. in einen zeolithartigen Beſtandtheil, “eg ungefähr die Zuſammenſetzung des Meſotyps beſitzt und 2. in einen im Rückſtand bleibenden Raki-Natronfelbfpath, den man als Sanidin anſehen kann. Das Verhältniß des Zeoliths zum Feldſpath iſt nicht eonſtant, was wahrſcheinlich daher rührt, weil der Zeolith ſich leichter lerſezt, als der Feldſpath. Mehrere Analyſen ergaben 1: 2 = 55,33: 44,87 48,97 : 51,03 3747 : 62,53 18,59 : 81,41 e 15,84 . 84,16 4, 21 95, 79 Nachſtehend die Zuſammenſezung eines Phonoliths nach C. Gmelin: 1. een Ganzes. Kieſelſäure 38,574 66,2911 61,901 Thonerde 24,320 16,510 17,747 Eiſenoxyd 11,346 2,338 3.806 Mangonoxyd 2,194 0,896 0,774 Kalkerde i 1,802 Spur 0,029 Natron 12,656 4,960 6,182 Kali 5 3079 9,249 9,006 Titanfäure 0,620 — 0,098 Waſſer und f Org. Subſtanz 4 11 1 0806, 99,295 100,294 99,478 Im Phonolith kommen von Zeolithen in Druſenräumen vor: Apo⸗ phyllit, Chabaſit, Comptonit, Desmin, Natrolith, Analeim. Olivin und Augit finden ſich nur ſelten in ihm. Der Phonolith erſcheint mehr in dichten compacten Maſſen, dagegen iſt ihm ſchieferige Struetur und plattenförmige Abſonderung mehr eigen, als den übrigen plutoniſchen Felsarten. 8. Verwitterung. Aus einer Analyſe eines verwitterten Phonoliths, welche C. Gmelin angeſtellt hat, ergibt ſich, daß der in Salzſäure unlösliche Theil 1. bei der Verwitterung faſt gar keinen Veränderungen unterliegt, während der in Salz⸗ ſäure lösliche Theil 2. nicht blos Kieſelſäure, Kalk, Kali und Natron, ſondern auch etwas von ſeiner Thonerde abgibt. Letzteres kann nicht befremden, wenn man erwägt, daß die Zeolithe — und der Theil 1. ſpielt die Rolle eines ſolchen — von Salzſäure zerſetzt werden. — Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 119 Es wurde ſchon früher darauf aufmerkſam gemacht, daß, nach Struves Entdeckung, von den Alkalien vorzugsweiſe das Natron ausgeſchieden wird. Der Phonolith verwittert, einzelne Fälle ausgenommen, im Ganzen leicht. u. Baſalt. cc. Zuſammenſetzung. Der Baſalt beſteht (S. 39.) aus Labrador, Augit Magneteiſen und einem waſſerhaltigen Thonerdeſilikat (Zeolith). Hierzu kommt, wiewohl in veränder⸗ lichen Mengen Olivin oder Chryſolith. In einem Baſalt vom Fichtelgebirge fand man das Verhältniß dieſer Mineralien folgendermaßen: Magneteiſen 11. 54 1 Olivin 8. 30 47. 78. Zeolith 27. 94 Labrador 21. 34 1 a 30. S r 8 100. 00 Der Baſalt läßt ſich durch Salzſäure zerlegen in einen auflöslichen Theil, welcher das Magneteiſen, den Olivin und Zeolith und etwas Labrador um- faßt, und in einen unauflöslichen Theil, welcher den Reſt des Labradors und den Augit in ſich begreift. Der Baſalt iſt ausgezeichnet durch das Vorkommen von Zeolithen, er iſt reicher an dieſen, als jede andere plutoniſche Felsart. 8. Verwitterung. Von den Beſtandtheilen des Baſaltes verwittert vorzüglich leicht der . Olivin. Wie wichtig er in dieſer Hinſicht für die Verwitterung desBafaltes iſt, wurde ſchon angedeutet. Nächſt dem Olivin zerſetzt ſich am früheſten der zeolithartige Beſtandtheil des Baſaltes, ſowie das Magneteiſen durch Sauerſtoffaufnahme in Oxyd übergeht. Dann folgen der Labrador und Augit. Ebelmen hat friſchen und verwitterten Baſalt von einerlei Fundſtätte analyſirt und gefunden: friſcher Baſalt. verwitterter Baſalt. Kieſelſäure 45,9 43,2 Titanſäure 1,0 1,2 Thonerde 16,2 18,9 Manganoryd 0,3 0,3 Eiſenoxydul 13,0 14,6 Talkerde 6,3 5,6 Kalkerde 10,3 8,2 Natron 3,6 1,4 Kali 18 0, Waſſer 2,4 6,7 100,5 100% Heyer, Bodenkunde. 8 114 Die Entſtehung der feſten Erdrinde und des Bodens. Man ſieht alſo, daß der Gehalt an Kieſelſäure, Eiſen, Talkerde, Kalk, nebſt Natron und Kali abgenommen, dagegen der Waſſergehalt zugenommen hat. Die größere Menge Thonerde im verwitterten Baſalt rührt daher, daß dieſelbe in verhältnißmäßig geringem Maße weggeführt wurde, wodurch ſie ſich relativ anhäufen mußte. Die begonnene Verwitterung des Baſaltes macht ſich zuerſt an einem gelben Ueberzuge des Geſteins bemerkbar, der an Säulen oft damaseirt er⸗ ſcheint. Manche Baſalte, z. B. die ſäulig abgeſonderten, widerſtehen lange der Verwitterung, andere zerſetzen ſich ſchneller. Nicht ſelten bemerkt man, daß ganze Felſen in kleine, haſel- bis wallnußgroße Trümmer zerfallen ſind. Viele Thone des Diluviums und der Molaſſe verdanken dem Baſalte ihre Entſtehung. Der blaſige Baſalt wird öfters bei ſchon weit vorgeſchrittener Verwit⸗ terung durch Waſſeraufnahme ſo weich, daß er ſich mit dem Meſſer ſchneiden läßt. An der Luft erhärtet er wieder. Lava. a. Zuſammenſetzung. Die Auswürflinge der erloſchenen und noch thätigen Vulkane enthalten ſo ziemlich die nämlichen Beſtandtheile, wie der Baſalt, nur iſt der in der Lava vorkommende Feldſpath nicht blos Labrador, ſondern auch Oligoklas. Augit und Magneteiſen, auch Olivin, kommen in allen Laven vor. Die amorphe Lava läßt ſich, wie der Baſalt, durch Salzſäure theilweiſe zerlegen. Neben, die Zuſammenſetzung einer Lava von Niedermendig am Laacher See. Durch Salzſäure zerſetzbar. nicht zerſetzbar. Kieſelſäure 21,10 25,16 5 Thonerde 9,21 7,21 * Eiſenoxyd 2,63 oxydul 4,01 N Kalkerde 3,16 0,63 Natron 4,54 2,43 Kali 0,86 225 Phosphorſäure 1,80 1,10 Ehlor Spur — Magneteiſen 13,27 — Talkerde und Manganoxydul — 2,23 56,57 42,77 ß. Verwitterung. Dieſe hat mit derjenigen des Baſaltes die größte gps Nur verwittert die Lava viel ſchneller, als der Baſalt. In Italien, am m: Bodenbildung durch chemiſche Kräfte. 115 und Aetna ſind oft ſchon nach 100 Jahren die erkalteten Lavaſtröme mit einer üppigen Vegetation bekleidet. Die vulkaniſche Aſche insbeſondere bietet wegen ihrer Kune den Agentien die Verwitterung viele Angriffs- punkte dar. p. Sandfteine. . Zuſammenſetzung. Die Sandſteine beſtehen entweder aus den verwitterten Trümmern anderer Felsarten (wie viele Grauwacken, der alte rothe Sandſtein, das Rothtodtlie⸗ gende, viele Sandſteine der Trias- und Kreide-Gruppe) oder fie find durch chemiſchen Niederſchlag von Kieſelſäure aus Gewäſſern entſtanden. Hierher gehören wahrſcheinlich die meiſten bunten Sandſteine, der Quaderſandſtein, Kohlenſandſtein u. ſ. w. Das Bindemittel der Sandſteine letzterer Art 1. fehlt entweder ganz, und die einzelnen Quarzkörner ſind in dieſem Falle nur zuſammen gekittet, 2. oder iſt Kieſelerde, 3. oder Kalkerde und Talkerde, 4. oder Thon, 5. oder Eiſen in den beiden Oxydationsſtufen, vorzüglich aber als Oxyd. — 5B. Verwitterung. Die Zerſetzung der conglomeratartigen Sandſteine ergibt ſich aus dem Vorhergehenden. Die Verwitterung der durch chemiſchen Niederſchlag der Kieſelſäure entſtandenen Sandſteine reducirt ſich hauptſächlich auf eine Verän⸗ derung in der Zuſammenſetzung des Bindemittels. Kalk und Talk und Eiſen⸗ oxydul werden von kohlenſäurehaltigem Waſſer aufgelöſt, wenn das Eiſen⸗ oxydul ſich nicht höher oxydirt; aus dem Thon, den wir nur als ein unvoll⸗ ſtändig zerſetztes feldſpathartiges Mineral anſehen dürfen, werden Kieſelſäure, Alkalien, Kalk, Bittererde u. ſ. w. durch Einwirkung der Kohlenſäure wegge- nommen. Die ſchiefrige Structur der Sandſteine kommt ihrer mechaniſchen Zertrümmerung ſehr zu ſtatten. Anhang. Erklärung der Tafel 1. Dieſe Tafel hat keinen andern Zweck, als den, eine Ueberſicht des rela— tiven Alters der neptuniſchen und plutoniſchen (nebſt vulkaniſchen) Bildungen zu geben. Von den neptuniſchen Gruppen und Formationen find ſtets die oberen jünger, als die unteren; bei den plutoniſchen und vulkaniſchen Ge⸗ bilden läßt ſich das Alter nach dem Alter derjenigen ſedimentären Formatio⸗ nen bemeſſen, welche von jenen durchſetzt worden ſind. So ſind z. B. die Vulkane jünger, als der Baſalt, weil jene noch das Alluvium durchdringen, während der Baſalt nur die Molaſſe durchſetzt hat. 8 = 116 Die Entſtehung der feſten Erd rinde und des Bodens. Indeſſen mangelt es noch ſehr an verbürgten Beobachtungen, um das Alter der plutoniſchen Geſteine unter ſich und im Verhältniß zu den neptuni⸗ ſchen Formationen mit Sicherheit feſtſtellen zu können. So iſt es z. B. nach neueren Unterſuchungen ſehr wahrſcheinlich, daß der Granit noch jüngere Gruppen, als die Grauwacke durchſetzt hat. Bei der Aufſtellung der Tabelle I. hat man ſich vorzüglich an die Angaben von Bernhard Cotta gehalten, welche das Reſultat einer umfaſſenden Reihe von Beobachtungen ſind. Der geneigte Leſer wird gebeten, diejenigen Aenderungen, welche ſich durch conſtatirte Unterſuchungen im Laufe der Zeit ergeben ſollten, in der Tabelle I. nach⸗ zutragen. 0 Zweites Bud. Unterſcheidung des Bodens nach ſeiner äußern und innern Beſchaffenheit. Erſter Abſchnitt. Character iſtik des Bodens nach der Lagerſtätte. 1. urſprüngliche und fecundäre Lagerſtätte. Der aus den Geſteinen durch den Verwitterungsprozeß entſtandene Bo- den blieb theils auf der urſprünglichen Bildungsſtätte liegen, theils wurde er durch Gewäſſer, Winde u. ſ. w. fortgeführt und an einer andern Stelle wie⸗ der abgeſezt. Regen- und Schneewaſſer, austretende Bäche nahmen die leichter beweglichen Fragmente der zerſetzten Geſteine mit ſich und ließen ſie erſt wieder in den Ebenen zur Ruhe kommen. So ſind die großen Alluvi⸗ onen in den Thälern des Mains, Rheins, der Elbe, Oder u. ſ. w. erzeugt worden. So ſtammen die großen Thonlager der Wetterau in Heſſen von zerſetztem Baſalt aus dem Vogelsgebirge ab. Hiernach kann man den Boden eintheilen a) in ſolchen, welcher ſich noch auf ſeiner urſprünglichen Bildungsftätte befindet; b) in ſolchen, welcher eine ſecundäre Lagerſtätte eingenommen hat. Den Boden der erſtgenannten Art bezeichnet man auch wohl als Ge⸗ birgsboden. Dieſe Benennung ſollte übrigens fallen gelaſſen werden, weil ſie leicht zu dem Mißverſtändniß Veranlaſſung gibt, als ob damit der im Ge⸗ birge befindliche Boden gemeint ſei. Den Boden auf ſecundärer Lagerſtätte heißt man auch Schwemmboden oder aufgeſchwemmtes Land. 2. Wurzelbodenraum und Untergrund. u Diejenige Bodenſchichte, welche die Pflanzen noch mit ihren Wurzeln durchdringen, nennen wir den Wurzelbodenraum, die unter dieſem liegenden Schichten den Untergrund. Andere bezeichnen den Wurzelbodenraum als * | 118 Unterſcheidung des Bodens „Obergrund“ oder „Dammerde“. Beide Ausdrücke ſcheinen nicht geeignet zu ſein, letzterer ſchon deßhalb nicht, weil Viele unter „Dammerde“ einen humus⸗ haltigen Boden verſtehen. A. Zwiſchen dem Wurzelbodenraum und dem Untergrund können fol⸗ gende Verhältniſſe ſtattfinden a) Beide ſind gleichartig und zwar Fig. 57. a. ſchwer durchdringbar (Felſen, Thon). Fig. 57 a. ß. leicht durchdringbar (Sand, Lehm u. ſ. w. oder zerklüfteter Fels in der Tiefe.) Fig. 57 b. f b) beide ſind ungleichartig. | 9 1 a. Wurzelbodenraum ſchwer, Untergrund leicht durchdringbar (Fig. 57 c), z. B. wenn Thon über Sand liegt. Dieſer Fall kommt in der Natur weniger häufig vor, öfter dagegen derjenige, daß Raſeneiſenſtein oder Ortſtein über große Strecken Landes in geringer Tiefe unter der Oberfläche eines für ſich leicht durchdringbaren Bodens hinzieht. g. Untergrund ſchwer, Wurzelbodenraum leicht durchdringbar. (Fig. 57 d) Dieſer iſt der gewöhnlichſte Fall. Er tritt ein, wenn z. B. Thon oder Felſen unter Sand, Lehm u. ſ. w. liegen. 0 7. Der Wurzelbodenraum oder der Untergrund, jeder für fich, beſtehen aus abwechſelnden leicht und ſchwer durchdringbaren Schichten. (Fig. 57 e). Selten finden die ſchroffen Abſätze ſtatt, welche wir ſo eben angenommen haben; viel häufiger kommt es vor, daß ſchwer- uud leicht durchdringbare Schichten allmählig in einander übergehen (Fig. 571). Bei der Mehrzahl der Waldböden nimmt die Lockerheit des Erdreichs mit der Tiefe ab. Dies rührt zum Theil von dem größern Druck her, welchem die untern Schichten ausge⸗ ſetzt ſind; dann werden aber auch die obern Bodenlagen mehr durch den Hu⸗ mus, durch den Winterfroſt und durch die chemiſche Verwitterung gelockert. Bilden Felſen den Untergrund, ſo iſt es ſehr wichtig, wie die Schichten einfallen. Man unterſcheidet f Nor Fig. 58. Fig. 59. Fig. 60. N borizontale (fühlige) Fig. 58. | geneigte (flache) Fig. 59. und enkrechte (ſaigere) Fig. 60. Stellung der Schichten. ; — nach der Lagerftätte. 119 Nach ihrem Verhalten gegen das Eindringen des Waſſers nennt man den Wurzelbodenraum und Untergrund durchlaſſend oder undurchlaſ— ſend. Einen undurchlaſſenden Untergrund liefern plaſtiſcher Thon, nicht zer⸗ klüftete Felſen, oder eine horizontale und oft auch eine geneigte Stellung der Schichten. Erſtere bewirkt ein Aufſtauen, letztere ein ſchnelles Abziehen des Waſſers. 0 | Den Wurzelbodenraum nennt man, je nach feiner Mächtigkeit, flach⸗ gründig oder tiefgründig. Dieſe Bezeichnungen ſind aber relativ, ſie hängen von der Wurzelverbreitung der Gewächſe ab. Es kann z. B. ein Boden für die Eiche zu flachgründig ſein, welcher für die Fichte hinlängliche Tiefgründigkeit beſitzt. B. Was den innern und oberflächlichen Zuſtand des Wurzelboden⸗ raums, abgeſehen vom Untergrunde, anlangt; jo laſſen ſich folgende Unter⸗ ſchewungen begründen: a) Nackt heißt der Boden, wenn ihm jede Bekleidung durch Ge⸗ wächſe fehlt, wund wird er genannt, wenn ein Theil der obern Bodenkrume auf natürlichem oder künſtlichem Wege entfernt worden iſt. Erſteres geſchieht z. B. durch ſtarke Platzregen, Ueberſchwemmungen ꝛc. namentlich auf geneig⸗ ten Lagen, letzteres durch Werkzeuge (Hacken ꝛc.), durch Schweineumbruch ꝛe. b) Die oberflächliche Bekleidung des Wurzelbodenraums kann durch Gewächſe mannigfacher Art bewirkt werden. Hinſichtlich der Forſteultur, namentlich der Beſtandsbegründung, iſt es von Wichtigkeit, ob dieſe Gewächſe groß oder klein ſind, ob ſie ſich dicht ſtellen, ob ſich ihr Wurzelſyſtem zur Ver⸗ filzung neigt ıc. Die gewöhnlichen Sträucher, welche auf dem Waldboden vorkom⸗ men, ſind Roſen, Brombeeren, Himbeeren, Schlehen, Weißdorn, Hartriegel, Beſenpfriemen, Rainwaiden ꝛc. Dieſen kommen mehrere Farnkräuter, wie der Adlerfarn, an Größe faſt gleich. Zu den niedrigen Sträuchern (ſogen. Erdſträuchern) ker die Haide, mehrere Vaceiniumarten, wie die Heidel- und die Preißelbeeren, dann die Alpenröschen im Hochgebirg ıc. Sie leben geſellig, ſtellen ſich ſehr dicht und verfilzen mit den Wurzeln den Boden. Daſſelbe gilt von vielen Kräutern, wie z. B. dem Weidenröschen, dem rothen Fingerhut ꝛc., Gräſern, Simſen, Binſen ꝛc. 8 Von den Mooſen ſtellen ſich zwar die Aſtmooſe und die Sumpfmooſe ſehr dicht, doch bilden ſie noch einen verhältnißmäßig lockern Teppich im Ver⸗ gleich zu den Widerthonen, den Schildflechten und Cladonien. 120 Unterſcheidung des Bodens Zweiter Abſchnitt. Unterſcheidung des Bodens nach der Lage. 1. Oberflächengeſtaltung des Landes. A. Hoch- und Tiefländer, Gebirgsländer, Hochebenen. Die Oberfläche der Erde bildet keine vollkommene Ebene, ſondern iſt ſtellenweiſe mit Erhabenheiten verſehen, die man, je nach Knie Größe, Hügel, Berge, Gebirge nennt. Ebenen, welche ſich nicht viel über die Meeresfläche erheben, oder ſogar noch unter derſelben liegen, nennt man Tiefländer, im Gegenſatz zu den Hochländern. ö N Ein Tiefland iſt z. B. die Lombardei, Ungarn, Holland und Belgien, ein großer Theil von Rußland — ein Hochland: Schweden und Norwegen, die Schweiz ic. Das Niveau des Tieflandes im weſtlichen Aſien liegt 300 Fuße unter dem Meeresſpiegel. Es umfaßt eine Fläche von 10000 Qua⸗ dratmeilen. | : Aus dem Begriff des Tieflandes geht hervor, daß daſſelbe keine bedeu⸗ tenden Erhöhungen des Bodens enthalten kann. Die Hochländer dagegen können ſowohl mit einzelnen Hervorragungen verſehen ſein (Gebirgslän- der), als auch eine mehr ebene Fläche beſizen (Hochebenen, Plateaus). B. Tieftänder insbeſon dere. Man unterſcheidet a) Küſtentiefländer, an den Küſten des Meeres. Sie N eine ge⸗ ringe Breite. b) Stromtiefländer, längs des Stromlaufes und zwar entweder auf beiden Ufern, oder nur eines derſelben umfaſſend. Beiſpiel: das Strom⸗ tiefland des Rheins. c) Tiefländer im Binnenlande. Sie find die ausgedehnteſten. (Un⸗ garn, Norddeutſche Ebene). Oft erſtrecken ſie ſich quer durch einen Con⸗ tinent von einer Meeresküſte zur andern hin. Wenn Küſtentiefländer einen ſandigen Boden haben, ſo bilden ſich Dünen (S. 60), durch welche die Oberfläche des Landes eine wellenförmige wird. In der Norddeutſchen Ebene iſt das Tiefland mit großen (erratifchen) Blöcken überſäet. Die Stromtiefländer be⸗ figen gewöhnlich fruchtbares, aufgeſchwemmtes Land, den ſogenannten Aueboden. Die eontinentalen Tiefländer find entweder kultivirtes Land, oder grasreiche Weiden (Prärien in Nordamerika, Llanos und Pampas in Südamerika) oder vegetationsarme Steppen, oder von Gewächſen gänzlich entblöſte Wüſten. C. Gebirgs länder insbeſondere. a. Berge, Hügel. Die Gebirge werden von Hügeln und Bergen zuſammengeſetzt, die durch Schluchten und Thäler von einander getrennt ſind. Die bemerkenswertheſten Formen der Einzelberge laſſen ſich folgendermaßen klaſſifieiren: nach der Lage. 121 die kegelförmige, wie ſie öfters beim Baſalt vorkommt. die paraboliſche Form. Der Berg hat die Geſtalt eines paraboli- ſchen Kegels. Dieſer Art find z. B. die durch Grünſtein gehobenen Kie⸗ ſelſchieferberge in Heſſen und Weſtphalen. 7. Die parallelepipediſche Form. Die Seitenwände des Bergs ſteigen ſenkrecht oder doch beinahe ſenkrecht in die Höhe, der Gipfel iſt abge- plattet. Dieſe Form beſitzen viele K e e der Sächſiſchen Schweiz. d. die kugelſegmentige. Die Oberflche des Bergs hat e Geſtalt des Mantels eines Kugelſegments. Dieſe Form tritt ſehr häufig auf; ſie iſt z. B. den Baſaltbergen, welche ſich aus baſaltiſchen Maſſenge⸗ birgen erheben, eigen. e. Hörner nennt man ſolche Berge, welche eine bedeutende Höhe im Verhältniß zu ihrer Baſis beſitzen. Hieraus geht hervor, daß die Sei- tenwände der Hörner ſcharf anſteigen. In den Alpen bilden ſie mit⸗ unter Winkel von 50, 60, ix jelbft 700 mit der Grundfläche des Bergs. b. Gebirge. S 8 Begrenzungs-Linien und Flächen der Gebirge. Rücken nennt man die obere Fläche der Gebirge, von welchen aus die Gewäſſer ihre Richtungen in die Ebenen nehmen. Der Fuß des Gebirges bezeichnet die Grenze deſſelben und der Ebene, aus welcher es ſich erhebt; die Flächen zwiſchen dem Fuß und Rücken werden die Abfälle des Gebirges ge- nannt. Letztere ſind gewöhnlich nach der einen Seite hin ſteiler, als nach der andern. So z. B. fallen die Alpen und Pyrenäen ſtärker nach Süden, als nach Norden, der Odenwald und Schwarzwald, desgleichen die Gebirge Scandinaviens ſtärker nach Weſten, als nach Oſten, die Vogeſen und der Jura ſtärker nach Oſten als nach Weſten ab. Unter Gipfelhöhe verſteht man die Höhe des höchſten Punktes, unter Kammhöhe die Erhebung der Rückenlinie über eine benachbarte Ebene oder über die Meeresfläche. Päſſe ſind Quereinſchnitte in den Gebirgsrücken; ſie bilden den bequemſten Verbin⸗ dungsweg zwiſchen den Abfällen des Gebirges. B. Volumenvertheilung der Gebirge. Man unterſcheidet Kettengebirge, welche eine größere Erstreckung in der Länge, als in der Breite haben, und Maſſengebirge, bei denen dieſe beiden Dimenſionen nicht viel von einander verſchieden ſind. Das größte Kettengebirge bilden die Anden von Südamerika; ihre Längserſtreckung beträgt 900 Meilen bei einer Breite von ungefähr 15 Meilen. Der Thüringer Wald, der Odenwald, die Alpen gehören zu den Kettengebirgen; zu den Maſſengebirgen: der Schwarzwald, das Vogelsge— birge, der Weſterwald. 122 Unterſcheidung des Bodens 7. Die Richtung der Gebirgsketten iſt entweder 1. eine parallele, wie beim Odenwalde. Oder t 2. eine transverſale. Von der Hauptlängserſtreckung des Gebirges aus laufen nach beiden Seiten hin parallele Ketten, deren Richtung auf die 5 Gebirgsrückens ganz oder beinahe rechtwinklig iſt. Beiſpiel: die pen. 3. Eine radienförmig divergirende. Die Ketten verlaufen, wie die Radien aus dem Mittelpunkt eines Kreiſes, doch können die einzelnen Ketten eine unterſchiedliche Länge beſitzen. Beiſpiel: Cantal. Auch das Vogelsgebirge, obgleich mehr zur Gruppe der Maſſengebirge gehörend, zeigt ein radienförmiges Auseinanderlaufen ſeiner Aeſte. c. Thäler, Schluchten. Die Thäler ſind rinnenförmige Einſchnitte im Gebirge. Ihre Entſteh⸗ ung beruht entweder auf Auswaſchungen durch das vom Rücken oder Schei⸗ tel der Berge abfließende Waſſer, oder auf der Bildung von Spalten in Folge einer Erhebung oder Senkung des Bodens. Bei jedem Thal unterſcheidet man die Thalſohle, d. i. die Grundfläche der Rinne, und die Seitenwände oder das Gehänge des Thals. Die Thalſohle beſitzt gewöhnlich da, wo das Thal entſpringt, eine geringe Neigung, letztere verſtärkt ſich dann in dem Maße, in welchem das Thal von ſeinem Ausgangspunkte ſich entfernt. Doch kommen vorzüglich in größern Gebirgen auch ſolche Thäler vor, welche gleich an ihrem Entſtehungspunkte eine bedeutende Neigung beſitzen. — Oft wird das Gefälle der Thalſohle plötz⸗ lich durch ſenkrechte Abſtürze unterbrochen, welche man Thalſtufen nennt. Fließt ein Bach ꝛc. durch ein ſolches Thal, jo bildet ſich an der Thalſtufe ein Waſſerfall. Zuweilen nimmt auch das Gefälle an einer Stelle des Thales wieder zu; iſt die Steigung bedeutender, als das vorherige Fallen der Thal⸗ ſohle, ſo entſteht hinter der Steigung thalaufwärts ein See oder Teich. 8 Die Wände des Thals bilden verſchiedene Winkel mit der Horizontalen. Es gibt Thalgehänge, welche unten faſt rechtwinklig an die Thalſohle ſtoßen, während ihr oberer Theil abgeflacht iſt und ebenſo häufig kommt der umge⸗ kehrte Fall vor. Je enger die Thäler ſind, um ſo ſteiler erheben ſich gewöhn⸗ lich die Gehänge. Je nach der Breite der Thalſohle laſſen ſich Thalengen und Thal⸗ weitungen unterſcheiden. Beide gehen oft in einander über. Hat die Thal- ſohle eine kreisflächenartige Figur und ſteigen, wie gewöhnlich, die Gehänge ſteil in die Höhe, ſo nennt man das Thal ein Keſſelthal. ö Die Richtung der Thäler gibt zu den Benennungen: Längen⸗ und Querthäler Veranlaſſung. Jene (wie z. B. das Rhonethal) laufen mit dem Rücken des Gebirgszuges parallel, dieſe bilden mit demſelben oder auch mit den Längenthälern einen rechten Winkel. Thäler, deren Richtung zwi⸗ nach der Lage. a 123 ſchen diejenige der Längen- und Querthäler fällt, nennt man auch wohl diagonale Thäler. Beginnt ein Thal am Rücken des Gebirges und ſetzt es ſich bis zum Fuße deſſelben fort, jo heißt es ein Hauptthal; Nebenthä⸗ ler ſind ſolche, welche in ein Hauptthal einmünden. Die Höhe durch welche zwei Thäler von einander getrennt werden, nennt man ein Joch. Kleinere Thäler von geringer Längserſtreckung bezeichnet man als Schluch⸗ ten oder Klingen. In der Schweiz heißt man ſie 155 wohl Toſel. D. Hochebenen insbeſondere. Unter einer Hochebene (einem Plateau) verſteht man eine ebene Fläche von verhältnißmäßig bedeutender Ausdehnung, welche mindeſtens 800 —1000 Fuße über den Meeresſpiel erhaben ſein muß, und keine größeren Hervor⸗ ragungen (Berge) enthalten darf. Die Längen- und Breitendimenſionen der Hochebenen können eben ſowohl gleich, als verſchieden ſein. Die Plateau's geſtatten den Gewäſſern nur langſamen Abfluß, ſie ſind deßwegen zu Ver⸗ ſumpfungen und zur Torfmoorbildung ſehr geneigt. Wird ein Plateau durch ein Tiefland begrenzt, ſo ſteigt es aus dieſem gewöhnlich nicht allmählig, ſondern in teraſſenförmigen Abſätzen auf. Deutſchland hat mehrere nicht unanſehnliche Hochebenen, wie z. B. die Bayeriſche, Fränkiſche, Böhmiſche. Ihre Meereshöhe beträgt zwiſchen 1000 — 2000 Zußen. Uebrigens enthält faſt jedes Gebirge kleinere Flächen, die als Hochebenen betrachtet werden können, wie z. B. der Harz, Schwarzwald, das Vogelsgebirge (Oberwald) u. ſ. w. Die größten Hochebenen kommen in Centralaſien, in Nord- und Süd⸗ amerika vor. Sie beſizen an 16000 Fuße Meereshöhe. 2. Geographiſche Breite und Länge, Erhebung über die Meeres⸗ fläche. Die Lage eines Ortes auf der Erdoberfläche wird beſtimmt: a. durch ſeinen Abſtand vom Aequator; man nennt dieſen Abſtand die geographiſche Breite oder Polhöhe, rechnet ſie nördlich und ſüdlich vom Aequa⸗ tor und drückt fie in Graden, Minuten und Secunden aus, indem man ſich vom Aequator durch die Mittagslinie des Ortes nach dem Pol hin einen Kreis gezogen denkt. So ift die Breite des Aequators Soo, die des Poles S 90°. b. durch ſeinen Abſtand von einem den Aequator in einem rechten Win⸗ kel ſchneidenden Halbkreiſe, welchen man gewöhnlich durch die Inſel Ferro ge⸗ legt denkt. Hiernach unterſcheidet man öſtliche und weſtliche Länge. Ueb⸗ rigens zählen Viele von dem Meridian aus, welcher durch die Hauptſternwarte ihres Landes geht, ſo z. B. die Franzoſen von dem Meridian von Paris, die Engländer von dem Meridian von Greenwich aus. Ueber die Methoden zur Beſtimmung der Länge und Breite eines Ortes gibt die mathematiſche Geographie Anleitung. 124 Unterſcheidung des Bodens c) durch ſeinen ſenkrechten Abſtand von der Meeresfläche oder deren horizontaler Verlängerung. Man nennt dieſen Abſtand auch wohl die abſolute Höhe des Ortes, während man unter relativer Höhe den ſenkrechten Abſtand von der barten eines erg: Ortes verſteht. Die Ermittlung beider Arten von Höhen geſchieht entweder auf baro⸗ metriſchem, oder auf trigonometriſchem Wege, wovon ſpäter ein Mehreres. 3. Abdachung. a. Begriff. Unter dieſer begreift man die Neigung einer Fläche oder Linie gegen den Horizont. Das Maß der Neigung nennt man die Böſchung und drückt dieſe durch einen Bruch aus, deſſen Zähler die ſenkrechte Entfernung AB ei- nes Punktes A der Fläche oder Linie über einer horizontalen CD, auf welche die Neigung bezogen wird, bildet, deſſen Nenner durch die Entfernung BC des Fig. 61. Scheitels des Neigungswinkels von dem 10 Fußpunkt der Senkrechten AB vorgeſtellt wird. (Fig. 61.) Sit blos der Neigungswinkel & bekannt, ſo erhält man das Böſchungsver⸗ hältniß in der Tangente des Neigungswin⸗ kels ck. Gewöhnlich gibt man dem Bruch, durch welchen die Böſchung ausgedrückt wird, den Zähler S 1. In dieſem Falle wird der Nenner durch die Cotangente des man | winkels gebildet. 8 b. Beſtimmung der Abdachung. Dieſe erfolgt am genaueſten mit Hülfe einer Waſſerwage, oder eines Theodoliten, deſſen Höhenkreis mit einer Röhrenlibelle verſehen iſt. Hat man dieſe Inſtrumente nicht zur Hand, ſo leiſtet folgendes Verfahren da, wo es Fig. 62. b nicht auf große Genauig⸗ keit ankommt, gute Dienſte. B Geſetzt, es ſei die Böſchung w Dom der Bergwand AB zu ber ſtimmen. (Fig. 62.) Man begebe ſich auf den Punkt A und halte eine (mög⸗ lichſt lange) Latte ab von bekannter Länge horizontal nach der Bergwand hin, hierauf meſſe' man den Abſtand a A. War z. B. ab = 20, aA = 10%, fo iſt das Böſchungsverhältniß J, wodurch angedeu⸗ 0 nach der Lage. 125 tet wird, daß auf 2 Fuße horizontaler Entfernung 1 Fuß ſenkrechte Höhe kommt. Der Neigungswinkel wäre, da ſeine Tangente D Aus er Mil: 0,5 ift, 200 34, Auch mittelft der gemeinen Setzwage und des Hoßfeldſchen Meßbrett⸗ 905 Bi ſich die Abdachung beſtimmen. Zu diefem Ende muß letzteres mit Fig. 63. einem Gradbogen ver— ſehen fein. In E (Fig. 63.) e. bringt man einen Stab an, und merkt fih auf demſelben einen Punkt e, deſſen Höhe über E gleich der Höhe iſt, in welcher das Auge a des Beo⸗ bachters über dem Boden ſich befindet. Man viſirt nun über die obere Kante des Brettchens hin, bis man den Punkt e in der Verlängerung dieſer Kante erblickt. Der Winkel ı cb d, den das Loth in feiner jetzigen Lage b e mit der urſprünglich ſenkrechten Richtung bd bildet, iſt der Neigungswinkel des Ber- ges. Denn es iſt ebd = be = 1 R; zieht man von beiden fbd = Ihd ab, jo bleibt ebf — ebd. . Benennungen für die Abdachungsgrade. Bildet die Oberfläche des Bodens mit dem Horizonte einen Winkel von 1—5 9, ſo nennt man die Neigung ſanft abhängig, " 97-109, " " " " " mä Bi 19 it ei , „ 10—1 50, 1 " " m. " ſt ei [, S nn Y ſehr fteil, „ 20400, „ „ 3 „ außerordentlich ſteil. Die meiſten Flüſſe haben ein Gefäll von nur wenigen Minuten; ſo beträgt dasjenige des Rheins von Straßburg bis Dortrecht / Fuß auf 1000 Fuß Stromlänge, alſo etwa 1 Minute 8 Secunden. Steigt das Gefäll bis auf mehrere Grade, ſo entſteht ſchon ein Waſſerfall. Beim Abſchätzen der Böſchungen nach dem Augenmaße irrt man ſehr leicht; gewöhnlich wird das Gefäll größer angeſprochen, als es wirklich iſt. Eine Neigung von nur 10 Minuten oder ¼½44 iſt für das Auge ſchon wohl bemerkbar. Ein Fußpfad von 31 Grad Neigung (Yıss) läßt ſich auf feſtem Boden nur mit Mühe erſteigen; über 37 Grad (½¼33) Neigung hin⸗ aus kann man Abhänge kaum mehr erklimmen. 126 Klaſſiſikation des Bodens In Frankreich hat man als Maximum der Neigung für Chauffeen Yo = 2 Grad 52 Minuten angenommen. Die größte Steigung der Engliſchen Eiſenbahnen beträgt 1 Grad 22 Minuten (½6). 4. Expoſition. a Man verſteht unter dieſer die Richtung einer geneigten Fläche nach der . Himmelsgegend. Gewöhnlich unterſcheidet man blos Nord, Süd, Oſt, Weſt und die zwiſchen dieſen liegenden Nordoſt, Nordweſt, Südoſt, Südweſt. Zur Beſtimmung der Expoſition dient die Magnetnadel (Compaß), deren Richtung indeſſen nicht genau von Norden nach Süden geht, ſondern periodiſchen Schwankungen um die Meridianlinie unterworfen iſt. Gegenwärtig iſt die Abweichung eine weſtliche und beträgt ungefähr 170. Wenn man alſo mit⸗ telſt eines Compaſſes die Himmelsgegend beſtimmen will, ſo hat man ſich die Richtung der Magnetnadel um 170 weiter nach Oſten hin zu denken. Dritter Abſchnitt. Klaſſiſikation des Bodens nach ſeiner Abſtammung von den Muttergeſteinen. 1. Die Erfahrung, daß ſämmtliche Bodenarten, abgeſehen von ihren organiſchen Beſtandtheilen, aus den Geſteinsarten entſtanden ſind, welche ur⸗ ſprünglich die feſte Erdrinde zuſammenſetzten, hat zu einer Klaſſifikation der Bodenarten nach ihrer Abſtammung von den Muttergeſteinen Veranlaſſung gegeben. So hat man Granit-, Gneiß-, Glimmerſchiefer-, Porphyr⸗, Baſaltboden u. ſ. w. unterſchieden. Dieſe Eintheilung läßt ſich nicht bei allen Bodenarten durchführen, weil von den wenigſten bekannt iſt, von welchen Ge⸗ ſteinen ſie abzuleiten ſind, ſo z. B. nicht für das meiſte aufgeſchwemmte Land, den Thon u. ſ. w.; mit der erwähnten Klaſſification kann übrigens nur ein ſehr allgemeiner Begriff von den Eigenſchaften der Bodenarten gewonnen werden, und zwar aus folgenden Gründen: a) Iſt die Zuſammenſetzung der Felsarten zu ſchwankend, als daß aus irgend einer von ihnen immer der nämliche Boden ſich bilden könnte. So ent⸗ hält z. B. der Granit oft faſt nur Quarz, und der Feldſpath nebſt dem Glim⸗ mer ſind zurückgedrängt, oder es herrſcht umgekehrt der Feldſpath vor. Ge⸗ ſetzt aber auch, das Verhältniß dieſer drei Mineralien im Granit bleibe über⸗ all eines und daſſelbe, ſo zeigen doch wieder die Feldſpath- und Glimmer⸗ arten fo viele Unterſchiede unter ſich, daß unmöglich alle Granite die nämliche Bodenart liefern können. Noch größer muß die Abweichung bei den aus Hornblende oder Augit zuſammengeſetzten Felsarten ſein, weil von dieſen bei⸗ den Mineralien thonerdefreie und thonerdehaltige Varietäten beſtehen Oft hängen die Eigenſchaften eines Bodens hauptſächlich von den aceeſſoriſchen Beſtandtheilen des Muttergeſteins ab; wie ſehr aber der Gehalt an dieſen dif⸗ ferirt, iſt früher ſchon bemerkt worden. So überwiegt z. B. ſtellenweiſe der nach feiner Abſtammung von den Muttergeſteinen. 127 Olivin im Baſalt alle übrigen Beſtandtheile dieſer Felsart, während an an- dern Orten der Olivin faſt gänzlich fehlt. Oft enthält der bunte Sandſtein nur zuſammengefrittete Quarzkörner ohne Bindemittel; ein anderes Mal herrſcht letzteres (z. B. als rother Thon) ganz und gar vor, ſo daß auch nicht ein Quarzkörnchen in mehreren Kubikfußen des Geſteins zu bemerken iſt, b) liefert eine und dieſelbe Felsart, je nach dem Grad der Verwitter⸗ ung, in welchem ſie ſich befindet, ſehr verſchiedene Bodenarten. Halten wir wieder den Granit feſt; wie viele Glieder liegen zwiſchen dem Feldſpath und Kaolin! Hat der Feldſpath eben angefangen, erdig und zerreiblich zu werden, ſo ſind ſeine Eigenſchaften ganz andere, als wenn er ſchon in plaſtiſchen Thon übergegangen iſt. e) Bleiben die Producte der Verwitterung einer Felsart nicht immer bei einander. So iſt es denn möglich, daß aus einem Geſtein Bodenarten von den abweichendſten Eigenſchaften ihren Urſprung nehmen. Denken wir uns z. B. der Feldſpath des Granits gehe in Kaolin oder doch in Thon über und dieſer werde durch Waſſer weggeſchwemmt, ſo entſteht auf der einen Seite aus dem Granit ein Thonboden, während auf der andern Seite ein aus Quarz und Glimmer zuſammengeſetzter Sandboden ſich bildet. Ebenſo kann aus Baſalt, der urſprünglich gar keinen Quarz enthält, neben Thonboden ein Quarzſandboden entſtehen, wenn die bei der Zerſetzung des Feldſpaths frei werdende Kieſelſäure in unlöslichem Zuſtand ſich abſcheidet. Viele Quarz⸗ ſand⸗ und Thonlager in der Molaſſe ſind auf dieſe Weiſe aus der Verwitter⸗ ung des Baſaltes hervorgegangen. 2. Trotzdem, daß der Klaſſification der Bodenarten nach ihrer Abſtam⸗ mung von den betreffenden Muttergeſteinen viele Schwierigkeiten entgegen⸗ ſtehen, findet man dieſelbe doch häufig angewandt und ſie hat auch, wenn man ſie mit gehöriger Vorſicht und innerhalb der richtigen Grenzen gebraucht, ihren Nutzen. Nur darf man in dieſem Falle keine zu feinen Unterſcheidungen machen und die Bezeichnungen der Bodenarten nur nach den Hauptgeſteinen vornehmen. Auch ſetzt man dabei voraus, daß die unlöslichen Producte der Verwitterung an der Lagerſtätte des Muttergeſteins verbleiben. Vierter Abſchnitt. Slaffiitation der Bodenarten nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 1. Einleitung. Die Erfahrung und Beobachtung haben dargethan, daß eine nur ge⸗ ringe Anzahl von Mineralbeſtandtheilen als vorherrſchende Ingredienzien der Bodenarten auftreten. Diefe find: Thon, Lehm, Kalk, Gyps, Sand, Eiſen, Magneſia und Humus. Je nachdem der eine oder der andere von dieſen Beſtandtheilen vorwaltet, ſpricht man von Thonboden, Lehmboden, Sandbo⸗ den u. ſ. w.; daß auch hier Uebergänge ſich zeigen, indem eine Bodenart zwei dieſer Hauptbeſtandtheile { in gleichem Maße enthält, liegt auf der Hand. 128 Klaſſifikation der Bodenarten his \ 2. Folgende Bodenarten find nach den angegebenen Nennen unter⸗ ſchieden worden: N | A. Thonboden. a. Begriff von Thon. ** Wir machen hier nochmals darauf aufmerkſam, daß man unter Thon nicht Thonerde, ſondern zerſetzte feldſpathartige Mineralien verſteht. Je nach⸗ dem die Zerſetzung dieſer mehr oder weniger weit vorgeſchritten iſt, ſind auch die Eigenſchaften des Thons andere. Der reinſte Kaolin z. B. enthält gar keine Alkalien mehr, während der fruchtbare Thon der Ackererden noch ſehr viel von dieſen beſitzt. Durch die Cultur wird der Thon nach und nach in Kaolin umgewandelt, weil die Pflanzen dem Thon die Alkalien und alkaliſchen Erden entziehen. b. Urſprung des Thons. Alle diejenigen Geſteine welche thonerdehaltige Mineralien beſitzen, kön⸗ nen Thonboden liefern; ſo z. B. der Granit, wenn er arm an Quarz iſt, oder dieſer durch Waſſerfluthen von den Verwitterungsprodueten des Feld- ſpaths und des Glimmers getrennt wird, ferner unter ähnlichen Bedingungen der Syenit, Grünſtein, Felſitporphyr, Melaphyr, Baſalt, Phonolith und Tra- chyt. Ja es können ſelbſt Sandſteine, welche als Bindemittel Thon in größe rer Menge enthalten, zur Entſtehung von Thonboden Veranlaſſung geben. In dieſem Falle muß eine Trennung des Thons von dem Sand vor ſich gehen. b Manche an Thonerde nicht ſehr reichen Geſteine ſind mit einer thon⸗ erdehaltigen Erdrinde bedeckt. Oft läßt es ſich an ſolchen Stellen nach⸗ weiſen, daß die Thonerde nicht von andern Localitäten herbeigeführt worden iſt. Man kann daher nur annehmen, daß ein Auslaugungsprozeß ſtattge⸗ funden habe, in Folge deſſen die Thonerde im Rückſtand blieb. Solche Geſteine, an welchen man dieſe Erſcheinung beobachtet hat, ſind namentlich Kalke, auch ſelbſt, wenn fie nur 19% Thonerde beſitzen. Der Kalk wurde durch kohlenſäurehaltiges Waſſer hinweggeführt. Allerdings mögen während — dieſes Vorgangs Tauſende von Jahren verfloſſen ſein. Man wird indeſſen in der Annahme eines ſolchen Zeitraums nichts Monſtröſes finden, wenn man erwägt, daß auch die Bildung des Thons aus Feldſpath unzweifelhaft e eine ungeheure Zahl von Jahren erfordert hat, ſelbſt für den Fall, daß in vor⸗ geſchichtlicherzeit die Bedingungen der Verwitterung in 1 Maße vorhanden geweſen ſeien. c. Vorkommen des Thons. In großer Häufigkeit findet ſich der Thon in den Diluvial- und Allu⸗ vialbildungen; allein auch ältere geognoſtiſche Formationen, wie z. B. die Mo⸗ nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 129 Kaffe, Kreide, der bunte Sandſtein u. ſ. w. haben mitunter bedeutende Eur lager aufzuweiſen. d. Reameiden des Thons. Der Thon beſitzt gewöhnlich eine weißliche, bläuliche oder graue, iſt er ſtark mit organiſchen Reſten vermengt, eine ſchwarze, enthält er viel Eiſenoxyd⸗ hydrat, eine rothbraune Farbe. Er hängt an der Zunge an und entwickelt beim Anhauchen den ſo⸗ genannten Thongeruch, herrührend von abſorbirtem Ammoniak. Der eigentliche Thon befindet ſich in einem Zuſtande ſehr feiner Ver⸗ theilung. Wenn man eine thonerdehaltige Erde mit Waſſer anrührt, ſo blei⸗ ben die Thontheilchen in dieſem ſuſpendirt, während die gröbere, ſchwerere Erde, z. B. der Sand, zu Boden fällt. Oefteres Anrühren und Abgießen der trü- ben Flüſſigkeit auf ein Filter bietet daher ein Mittel dar, um den Thon aus einer Erdart vollſtändig zu entfernen und ſomit ſeine Menge zu beſtimmen. Man nennt dieſe Operation das Schlämmen. Beim Austrocknen ſchwindet der Thon, d. h. er zieht ſich zuſammen und erhält Sprünge. Ganz ausgetrocknet iſt der Thon mitunter ſteinhart und ſchwer zu bearbeiten. Angenäßt iſt er ſchlüpfrig und hängt den Ackerwerk⸗ zeugen (Pflug, Hacke) hartnäckig an. Man nennt den Thon plaſtiſch, formbar, weil er ſich kneten und in 10 liebige Formen (3. B. die Töpferwaaren) bringen läßt. E Mit dem Nagel eines Fingers 1 glättet ri der e Der Strich iſt glänzend und eben. 7 e. Arten des Thonbodens. Je nach der Reinheit des Thons unterſcheidet man c. ſtrengen Thonboden. Er ſoll 75-90% Thon, * „ aber nur feinen Sand und ſonſt keinen untergeordneten Beſtandtheil bis zum Be⸗ trag von 5—10% enthalten. (Hundeshagen.) ß: Gemeinen Thonboden. Dieſer ſoll 50 — 70% Thon enthalten. B. Lehmboden. a. Begriff. Unter Lehm verſteht man eine Mengung von kalkhaltigem Thon mit Sand in dem Verhältniß von 30 — 500% eigentlichem Thon, nicht über 5% Kalk und im Uebrigen Sand. Letzterer braucht nicht gerade Quarzſand zu ſein, er beſteht meiſt aus unzerſetzten ae: 8 Geſteins, aus welchem der Lehm ſich gebildet hat. b. Eintheilung des Lehmbodens. Man unterſcheidet c. ſtrengen Lehmboden mit 50 65% f reinem Lehm; 5. gemeinen Lehmboden mit 35—50% reinem Lehm. Heyer, Bodenkunde. 0 5 a 9 * 130 Klaſſiſikation der Bodenarten e. Kennzeichen des Lehms. Der Lehm hat in ſeinen Eigenſchaften am meiſten Aehnlichkeit mit dem Thon; es iſt deßhalb wichtig, die Merkmale zu kennen, welche ihn vom Thon unterſcheiden. Der Lehm iſt nicht fettig anzufühlen, er glättet ſich unter dem Na⸗ gel nicht ſo vollkommen, wie der Thon und ſchwindet beim Austrocknen nicht beträchtlich. Sehr characteriſtiſch für den Lehm iſt ſeine rothbraune bis braune Färbung. Sie rührt von Eiſenoxydhydrat her, welches der Lehm ſtets und zwar etwa zu 5% enthält. Dieſes Eiſen, ſowie die Sandtheile verleihen dem Lehm die Eigenſchaft einer geringern Formbarkeit. d. Urſprung des Lehms. Der Lehm iſt, gleich dem Thon, aus ſolchen Felsarten entſtanden, welche thonerdehaltige Mineralien führen. Wahrſcheinlich hat ſich aus ihm zuerſt der Thon durch fortſchreitende Verwitterung, oder auch durch einen natür⸗ lichen Schlämmprozeß gebildet. Der Lehm kann ſich entweder noch auf der urſprünglichen Lagerſtätte ſeines Muttergeſteins befinden, oder er iſt durch Waſſerfluthen von dieſem hin⸗ weg und an andere Orte geführt worden. Letzteres gilt insbeſondere von der Mehrzahl Lehmablagerungen in den Thälern und Flußniederungen. Der Löß des Rheinthals (ſ. Diluvialgruppe) beſteht aus nichts Anderem, als ſehr feinen Fragmenten der Felsarten, welche dieſes Thal einfaſſen. C. Kalkboden. . a. Begriff. Ueber die Menge kohlenſauren Kalks, welche erforderlich iſt, damit ein Boden als Kalkboden bezeichnet werden kann, weichen die Angaben der Agro⸗ nomen ſehr ab. Schübler ſchreibt den Bodenarten dieſer Klaſſe über 20% Kalk zu, während nach Andern der Kalkboden 30—75% davon enthalten ſoll. Der kohlenſaure Kalk iſt im Boden entweder in der Form von kleinen Steinchen und Sand, oder in ganz fein zertheiltem Zuſtand enthalten, wie man ihn durch Fällung eines Kalkſalzes mit kohlenſaurem Ammoniak dar⸗ ſtellen kann. Die Eigenſchaften des eigentlichen Kalkbodens können nur durch dieſen fein zertheilten Kalk beſtimmt werden. Nimmt man blos letzteren in Rechnung, ſo möchte ſich der Kalkgehalt des Kalkbodens viel geringer her⸗ ausſtellen, als oben angegeben iſt. Ueberhaupt fällt die Mehrzahl der Kalk⸗ böden mit den Lehmböden zuſammen. b. Urſprung des Kalkbodens. Der Kalkboden kann ſich aus allen eigentlichen Kalkgeſteinen, vom Ur⸗ und Uebergangskalk herauf bis zu den Kalkſchichten der Alluvialformationen _ bilden. Aber auch plutoniſche Geſteine, insbeſondere diejenigen, welche Lab⸗ nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 131 rador enthalten, und Sandſteine mit kalkigem Bindemittel können zur Ent⸗ ſtehung des Kalkbodens beitragen. Schon in der Lehre von der Verwitterung wurde gezeigt, daß der Kalk aus den Geſteinen durch kohlenſäurehaltiges Waſſer als doppeltkohlenſaures Salz aufgelöft wird. Wenn mit dem verdunſtenden Waſſer zugleich die Koh- lenſäure ſich entfernt, oder wenn letztere durch die Bewegung des Waſſers aus⸗ getrieben wird, fo ſchlägt ſich neutraler kohlenſaurer. Kalk in Geſtalt eines fei⸗ nen Pulvers nieder. 8 Sehr irrig iſt die Anſicht, als ob aller Boden auf Kalkgeſtein auch im⸗ mer Kalkboden ſein müſſe. Solcher Boden kann von andern Orten her auf dieſes Geſtein angeſchwemmt worden ſein. Aber, wenn dies auch nicht der Fall iſt, ſo kann doch die aus der Verwitterung des Kalkgeſteins entſtandene Erde ſo viel an andern Beſtandtheilen außer Kalk enthalten, daß ſie gar nicht in die Gruppe des Kalkbodens gehört. Iſt z. B. der Kalk reich an Thon und Kieſelerde und dabei der Ueberrieſelung durch Waſſer ausgeſetzt, ſo wird ſich viel eher ein Lehmboden aus dem Kalkgeſtein erzeugen. e. Kennzeichen des Kalkbodens. Aus dem Vorſtehenden ergibt ſich, daß die Eigenſchaften der meiſten Kalkböden mit denen des Lehmbodens zuſammenfallen. Der Kalkboden brauſt, wenn man ihn mit einer Säure, z. B. Salzſäure befeuchtet; dieſe Eigenſchaft zeigen aber auch noch andere Böden, welche keinen Kalk, aber kohlenſaure Magneſia oder kohlenſaure Alkalien beſitzen. Im eigentlichen Kalkboden, welcher ſich durch größere Trockenheit von dem Lehmboden unterſcheidet, zerſetzt ſich der Dünger ziemlich ſchnell, weil er durch die baſiſche Kalkerde zur Bildung von Humusſubſtanzen disponirt wird. d. Eintheilung. ö Je nachdem Thon, Lehm oder Sand dem Kalkboden in größern Men⸗ gen beigemiſcht iſt, unterſcheidet man c. Thonigen Kalkboden, B. Lehmigen Kalkboden (die meiſten Kalkböden), 7. Sandigen Kalkboden. D Syßpsboden. a. Begriff. Er zeichnet ſich durch einen Gehalt an Gyps (ſchwefelſaurem Kalk) aus. Der Gyps kann in dieſer Erdart entweder in Form eines feinen Pulvers, oder in gröbern Theilchen enthalten ſein. b. Urſprung des Gypsbodens. Der Gypsboden entſteht hauptſächlich aus der Verwitterung des Gypſes indem dieſer von Waſſer aufgelöſt, und, wenn dieſes wieder verdunſtet, als 9 * 132 Klaſſiſikation der Bodenarten Pulver abgeſetzt wird. Die Gypslager in der Zechſtein-, Trias⸗, Jura⸗ und Molaſſegruppe geben vorzüglich zur Bildung von Gypsboden Veranlaſſung. Dieſer entſteht aber We wenn ſchwefelſaure Salze auf kohlenſaure 14 einwirken. e. Eigenſchaſten. gr Vom Gypsboden gilt, was auch ſchon für den Kalkboden gejagt wurde; es bilden nämlich die im Gyps vorkommenden aceeſſoriſchen Beſtandtheile ge⸗ wöhnlich den eigentlichen Boden, während der Gyps ſelbſt von dieſem einen kleinern Theil ausmacht. Diefe Thatſache erklärt ſich einfach, wenn man die große Löslichkeit des Gypſes in Rechnung zieht E. Mergelboden. a. Begriff. Unter Mergel verſteht man einen kalkhaltigen Thon oder Lehm, ver⸗ mengt mit Sand. Folgende Analyſen geben die Zuſammenſetzung von ſieben Mergelarten, welche am linken Rheinufer von Mainz bis Worms vorkommen. Kohlenſ. Kalk 12,275 14,111 18,808 20,246 25,176 32,143 36,066 Kohlenſ. Magneſia 0,975 Spuren 1,228 3,211 2,223 1,544 1,106 Kali 0,087 0/82 0/092 „191 0,105 0,01 0,163 Waſſer 20036 2,146 2,111 1,311 1,934 1,520 1,555 Thon, Sand, 84,525 82,830 76,827 74,325 69,570 64,214 60,065 Eiſenoxyd Ammoniak 0,0047 0,0077 0, 0988 0,0768 0,0736 0,0955 0 0579 7 99,9027 99,1767 99,1648 99,3608 99,0816 99,6175 99,0129 b. Urſprung. - Der Mergel ift aus der Verwitterung kalkhaltiger Feldſpathe ze. 1 B. des Labradors), oder thonhaltiger Kalke entſtanden. Er kann aber auch durch Zuſammenſchwemmen von Kalk zu Thon, und umgekehrt gebildet worden ſein. Der Mergel kommt in vielen Formationen, nicht ſelten ſogar als ein ausgebildetes und wichtiges Glied, vor. So in der Grauwackengruppe, wo er mit Kalk⸗ und Sandſteinen abwechſelt, in der Steinkohlenformat. on, der Formation des Kupferſchiefers (dieſer iſt ein, häufig mit Kupfererzen verſehener ſchieferiger Mergel), der Triaspruppe (gwifchen dem Keuper- und bunten and⸗ ſtein oft in 300 — 400 Fuß Mächtigkeit), in der Jura- und 1 der Kreidegruppe (Plänermergel). f e. Kennzeichen. Der Mergel brauſt mit Säuren wegen ſeines Gehaltes an kohlen. ſaurem Kalk. Er iſt zum Theil geſchiefert, theils tritt er ſtaubartig auf. Letz⸗ terer ballt ſich, wenn er befeuchtet wird. Von Farbe iſt der Mergel grau, röthlich, bräunlich oder graugelb. | Ana ee nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 133 4. Eintheilung des Merzelbodens. 5 | Nach dem relativen Gehalt von Thon, Kalk m Sand unterſcheidet man: . Thonmergel mit 50— 753 Thon, 25— 258 kohlenſauren Kalk, 0 - 53 Sand. i 5. Kalkmergel „ 10— 2598 „ 75 — 909 „ 1 0-103 Sand. ö 2 7. Sandmergel bis 108 ::; 10—508 „ " 50 — 75 Sand. F. Zalthoden. a. Begriff. Er ſoll wenigftens 108 toblenſaure Magneſia enthalten. Gunbethager b. Urſprung. Der Talkboden entſteht vorzüglich aus Augit-, Hornblende⸗, Glimmer⸗ und Chloritgeſteinen. Dolomite möchten ſeltener, als man gewöhnlich annimmt, Talkboden liefern, weil der Dolomit ſehr we verwittert. e. Kennzeichen. Die Bittererde im Talkboden läßt ſich nur A die Genie Analyſe nachweiſen. er G. Giſenb o den. ga. Begriff. Er ſoll wenigſtens 10g freies, durch Säuren Ae dee Eiſenoxydhy⸗ drat enthalten (Hundeshagen). Sprengel ſchreibt ihm 15308 1 8 58 zu. b. Urſprung. a Der Eiſenboden kann aus allen eiſenhaltigen Geſteinen entſtehen. Er findet ſich häufig auf ſecundärer Lagerſtätte. c. Kennzeichen. ö Braunrothe Färbung und rauher Bu U. Sandboden. a. Begriff und Entſtehung. Man verſteht unter Sandboden eine ſolche Erdart, in welcher höchſtens 108 abſchlämmbare Theile, im übrigen aber Sand, enthalten find. f Der Sand entſteht entweder durch unvollſtändige Verwitterung oder durch mechaniſche Zertrümmerung der Geſteine, oder durch chemiſchen Nieder⸗ ſchlag von gewiſſen Mineralſubſtanzen (Kieſelerde, Kalk, 9 x. 00 welche in Flüſſigkeiten aufgelöſt waren. > 134 - Glaffifieation der Bodenarten Die Größe der Sandkörner darf eine Linie nicht überſchreiten; haben fie etwas ſtärkere Dimenſionen, ſo geht der Sand in Kies über. Der meiſte Sandboden hat ſich nicht auf ſeiner gegenwärtigen Lager⸗ ſtätte gebildet, ſondern iſt dahin durch Waſſer, Winde u. ſ. w. geführt worden. Die am häufigſten vorkommenden Sandarten ſind: Quarzſand, Kalkſand, Glimmerſand, Eiſenſand, Muſchel⸗ ſand (aus zertrümmerten Muſcheln an den Geſtaden des Meeres) u. ſ. w. b. Kennzeichen des Sandes bilden ſeine Körner- oder Schuppenform (letztere bei Glimmerſand) und ſein geringer Zuſammenhang. Die übrigen Eigenſchaften des Sandes werden in der Folge namhaft gemacht werden. c. Eintheilung des Sandbodens. Sind dem Sand Thon, Lehm, Kalk, Mergel oder Humus beigemengt, ſo unterſcheidet man, wenn dieſe Stoffe in ſo beträchtlichen Mengen auftreten, daß ſie die Eigenſchaften des Sandbodens theilweiſe aufheben: a. Thonigen Sandboden, ß. Lehmigen Sandboden, 7. Kalkigen Sandboden, d. Mergel⸗Sandboden, e. Humoſen Sandboden. Nimmt aber der Sand in dem Thon-, Lehm-, Kalk-, Mergel⸗ und Hu⸗ musboden eine mehr untergeordnete Stelle ein, ſo ſetzt man dieſen Bodenar⸗ ten das Wort ſandig vor; man ſpricht alſo in dieſem Falle von ſandigem Thon⸗, Lehm-, Kalk⸗, Mergel⸗ und Humusboden. 1. Humusboden. a. Begriff von Humus. Mit dem Wort Humus werden verſchiedenartige Begriffe verbunden. Sauſſure verſteht unter demſelben die erdige, ſchwarzbraune Materie, mit welcher abgeſtorbene Theile von Vegetabilien bedeckt ſind, nachdem ſie einige Zeit an der Luft gelegen haben. Schübler und mit ihm die meiſten Agro⸗ nomen haben, wenn ſie von Humus im Allgemeinen reden, immer die Hu⸗ musſäuren im Auge. Offenbar iſt es angemeſſen, das Wort Humus in der Bedeutung zu nehmen, welche ihm der Landwirth und der Forſtmann unterlegen. Dieſe verſtehen aber unter Humus weder die Sauſſure'ſche Materie, noch die Humus⸗ ſäuren allein, ſondern fie begreifen unter demſelben alle in Zerſetzung begriffe⸗ nen organiſchen Subſtanzen. In dieſem Sinne wollen auch wir das Wort Humus erklären. nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 135 b. Eintheilung. Je nachdem der Humus von Pflanzen oder von Thieren ſtammt und nach den Pflanzenarten, ſowie nach den Umſtänden, unter welchen die Ver⸗ weſung vor ſich geht, iſt auch die Qualität des Humus unterſchiedlich. Es laſſen ſich folgende Eintheilungen machen: 4. Humus, gebildet bei volkommenem Zutritt der Luft. Dieſe Humusart, welche wir der Kürze halber den eigentlichen Humus nennen wollen, iſt am meiſten verbreitet. Sie entſteht hauptſächlich durch die abgefallenen Blätter und Nadeln der Bäume und Sträucher, durch das den Boden in Nadelwaldungen bedeckende Moos und durch andere krautartige Ge⸗ wächſe, Gräſer, Farnkräuter u. ſ. w. In den Waldungen tragen die dünnen Zweige der Bäume viel zur Humusbildung bei, in ſo weit fie nicht von den Leſeholzſammlern dem Walde entnommen werden. Der bei vollkommenem Luftzutritt aus abgeſtorbenen Pflanzen erzeugte Humus reagirt weder als Säure, noch als Baſe; er ſteht in ſeinem chemi⸗ ſchen Verhalten der Holzfaſer, aus der er ſich gebildet hat, am nächſten und ſtimmt mit dieſer um ſo mehr überein, je weniger die Verweſung vorgeſchrit⸗ ten iſt. Er enthält den Sauerſtoff und Waſſerſtoff ſtets im Verhältniß zur Waſſerbildung. Im Verlaufe ſeiner Zerſetzung, welche bei Gegenwart von Feuchtigkeit, Sauerſtoff und bei einer gewiſſen Wärme erfolgt, nimmt der Koh⸗ lenſtoffgehalt, gegenüber dem Sauerſtoff und Waſſerſtoff, relativ zu. Daher rührt denn auch die ſchwarze Färbung mancher humusreichen Walderden. Von dem eigentlichen Humus laſſen ſich wieder folgende Modificationen unterſcheiden: 1. der fruchtbare Waldhumus , vorzugsweiſe ae: aus Blättern, Nadeln, Moos ıc. 2. der Haidehumus, auch Wachshumus genannt. Einige Gewächſe, zu denen vorzüglich die Haiden (Calluna vulgaris und Erica Tetralix) und die Alpenroſen (Rhododendron ferrugineum und hirsutum) zu zählen find, enthalten Wachs oder wachsartige Stoffe, welche bei der Verweſung der Holzfaſer ſich nur wenig verändern. Sprengel will im Haidehumus 10— 123 Wachs gefunden haben. Dieſer Humus ſagt nur wenigen (am meiſten noch einigen Neuholländiſchen) Pflanzen zu. 3. der Heidelbeerhumus, gebildet aus Vaccinium Myrtillus und Vaceinium vitis idaea, kommt in ſeinen Eigenſchaften dem Haidehumus ſehr nahe. 4. Die Stauberde. Sie entſteht aus mehreren Flechten, von denen wir Cenomyce (Ach.) rangiferina (Cladonia rangiferina Hoffm.) Fig. 64., Klaſſification der Bodenarten C. pyxidata, uneinata, subulata, ſowie Pel- tidea(Ach.)-apthosa, canina, horizontalis, polydactyla nennen, und zeichnet ſich, wie ſchon die Benennung fagt, durch ftaubartige e Beſchaffenheit aus. Die Stauberde ift ge⸗ wöhnlich trocken und daher dem Gedeihen der Holzarten nicht förderlich. 8. Humus, gebildet bei unvollkommenen Luftzutritt. 1) Humusſubſtanzen dieſer Art. Wenn organiſche Körper bei unvoll⸗ ſtändigem Zutritt der Luft verweſen, fo bil⸗ den ſich, wie wir früher geſehen haben, Ul⸗ min und Humin, Ulminſäure und Humin⸗ ſäure, Geinſäure, Quellſäure und Quellſaßz⸗ ſäure und viele andere, noch nicht näher be⸗ kannte und unterſuchte Säuren, zu denen unter andern die Torfſäure gehört. Gerbe⸗ ſäure hält ſich an den Orten, welche der Bildung der Humusſäuren günſtig ſind, lange in unzerſetztem Zuſtand, während ſie an freier Luft und bei Gegenwart einer angemeſſenen Wärme zuerſt durch Sauerſtoffaufnahme in Be übergeht und dann, wie die Holzfaſer, Kohlenſäure und Waſſer entwickelt. 2 2) Die fruchtbare Erde enthält keine Humusſäuren. Viele Agronomen ſind der Anſicht, der Humus der fruchtbaren Acker- und Walderde beſtehe vorzugsweiſe aus den eben angeführten Humusſäuren; dabei machen fie die Unterſtellung, die abgeſtorbenen Organis- men durchliefen in ihrer Zerſetzung die obige Scala vom Ulmin an bis zur Quellſatzſäure. Durch Liebig iſt zuerſt der Nachweis geliefert worden, daß die um ſäuren der fruchtbaren Ackererde faſt ganz fehlen, daß ihr Vorkommen haupt ſächlich auf Torfmoore und Sümpfe beſchränkt iſt, welche, wie man weiß, weder den Agriculturgewächſen, noch auch den meiſten Waldbäumen zuſagen, und daß daher die Fruchtbarkeit eines Bodens nicht von der Gegenwart der Humus⸗ ſäuren abhängt. Liebig zog eine gute Ackererde mit kaltem Waſſer aus; er ne daß noch nicht 100000 an organiſcher Materie gelöſt wurde. Folgende Worte Liebigs mögen die Richtigkeit ſeiner Anſicht beſtä⸗ tigen. „Die Tropfſteinhöhlen in Franken, in der Umgebung von Baireuth, Streitberg ſind mit fruchtbarer Ackererde bedeckt; der Boden über dieſen Höh⸗ len iſt mit verweſenden Vegetabilien, mit Humus angefüllt, der bei ka: - nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 137 wart von Feuchtigkeit und Luft unausgeſetzt Kohlenſäure entwickelt, die ſich im Regenwaſſer löſt. 8 Das mit Kohlenſäure angeſchwängerte Regenwaſſer ſickert durch den pordfen Kalkſtein hindurch, der die Seitenwände und Decken der Höhlen bildet und löſt bei dieſem Durchgang eine der Kohlenſäure „ e Menge von kohlenſaurem Kalk auf. In dem Innern der Höhle angekommen, dunſtet von dieſer Auflöſung das Waſſer und die überſchüſſige Kohlenſäure ab, und der Kalkſtein, indem er ſich abſcheidet, überzieht Wände und Decken mit Kryſtallkruſten von den mannigfachſten Formen. An wenigen Orten der Erde vereinigen ſich aber in gleichem Grade, wie an dieſem, alle Bedingungen zur Erzeugung von humusſaurem Kalk, wenn der Humus in dem Boden in der a in der Form von Humus⸗ fäure vorhanden wäre. Verweſende Vegetabilien, Waſſer und Kalk in Auflöſung ſind vor⸗ handen, allein die gebildeten Stalactiten enthalten keine Humusſäure, ſie find glänzend weiß oder gelblich, zum Theil durchſichtig, wie Kalkſpath und laſſen ſich zum Glühen ohne Schwärzung erhitzen. In den alten Burgen in der Nähe des Rheins, der Bergſtraße und der Wetterau bieten unterirdifche Gewölbe aus Sandſtein, Granit und Ba⸗ ſalt aufgeführt, eine ähnliche Erſcheinung, wie die Kalkhöhlen dar. Dieſe Gewölbe oder Keller ſind bedeckt mit einer mehrere Fuß dicken Lage von Dammerde, in der ſich verweſende Vegetabilien befinden. Das Regenwaſſer, welches auf dieſe Gewölbe fällt, nimmt die gebildete Kohlen- ſäure auf, ſickert durch die Erde hindurch, löſt durch ſeinen Kohlenſäurege— halt den Kalkmörtel auf; dieſe Auflöſung verdunſtet auf der Innenſeite der Gewölbe nieder und überzieht ſie mit kleinen und dünnen humusſäure⸗ freien Stalactiten. R Es find dies aber durch die Natur gebaute Filtrirapparate, in denen wir das Reſultat eines, Jahrhunderte oder Jahrtauſende fortgeſetzten, Ver— ſuches vor Augen haben. Wenn das Waſſer die Fähigkeit beſäße, auch nur ein Hunderttauſend⸗ theil feines Gewichtes an Humusſäure oder humusſaurem Kalk aufzulöſen, ſo würden wir beim Vorhandenſein von Humusſäure die Decken dieſer Ge⸗ wölbe und Höhlen damit überzogen finden, allein man iſt nicht im Stande, auch nur die kleinſte Spur davon wahrzunehmen. Wenn man zuletzt er⸗ wägt, daß die Humusſäure oder ihre Salze ſich mit brauner Farbe im Waſſer löſen, daß das Quell- und Brunnenwaſſer völlig klar und farblos iſt und beim Verdampfen nur Salze, die durch Mineralſäuren gebildet ſind, aber keine Humusſäure hinterläßt, ſo kann man an der Abweſenheit der letz⸗ ten in der Acker⸗ und Gartenerde nicht zweifeln. Das Waſſer unſerer Quel⸗ len und Brunnen iſt Regenwaſſer, welches durch den Boden ſickernd ſeine 138 Claſſiſication der Bodenarten ganze auflöſende Kraft für die humusſauren Salze äußern müßte. Wäre humusſaures Kali in dem Boden vorhanden, fo müßte alles Quell- und Brunnenwaſſer, in einer gewiſſen Tiefe geſammelt, beſtimmbare Mengen da⸗ von enthalten, allein ſelbſt in dem, kohlenſaure Alkalien enthaltenden, Sel⸗ terſer und Fachinger Mineralwaſſer, die aus dem Boden einer ſumpfigen Wieſe hervorquellen, der reich an vegetabiliſchen Stoffen iſt, läßt ſich keine Spur Humusſäure nachweiſen.“ Wenn trotzdem Sprengel, Mulder, Hermann und andere Chemiker in faſt allen Ackererden Humusſäure gefunden haben, ſo beruht dies lediglich in der von dieſen Analytikern angewandten Methode zur Darſtellung der Hu⸗ musſäure. Sie laugten nämlich die zu unterſuchenden Erden mit kohlenſau⸗ ren Alkalien bei gewöhnlicher Temperatur, oder in der Siedhitze aus und ſchlu⸗ gen das gebildete humusſaure Alkali mit einer Säure nieder, z. B. Humusſäure I Alkali Schwefelſäure. Allein unter den nämlichen Umſtänden erhält man aus grünem, unverweſtem Holze durch Behandlung mit kohlenſauren Alkalien einen der Humusſäure ganz ähnlichen Körper, weil die inkruſtirende Materie auf der Innenfläche der Holzzellen in Alkalien ſich löſt. Man kann daher nicht daran zweifeln, daß die Humusſäuren, welche die genannten Chemiker aus fruchtbaren, dem Zu⸗ tritt der Luft zugänglichen Ackererden dargeſtellt haben, nicht als ſolche im Bo⸗ den enthalten waren, ſondern erſt durch Einwirkung der angewendeten Alka⸗ lien auf die im Boden vorfindlichen Reſte von Organismen gebildet wurden. Das Vorkommen der eigentlichen Humusſäuren möchte alſo auf Sümpfe und Torfmoore oder überhaupt ſolche Orte beſchränkt bleiben, in welchen der Sauerſtoff der Luft nicht gehörig zu dem verweſenden Körper gelangen kann. Anhang. Nitrolin. Hermann will aus faulem Holze einen ſtickſtoffhaltigen Körper abgeſchie⸗ den haben, welchen er als Nitrolin (aus nitrogenium und lignum zuſammen⸗ geſetzt) bezeichnet. Nach Hermann enthält das Nitrolin Kohlenſtoff 57,20 Waſſerſtoff 6,32 Sauerſtoff 24,28 Stickſtoff 12,20 100,00 welcher procentiſchen Zuſammenſetzung die Formel Css H 40 O16 Ns entſpricht. Hermann iſt der Anſicht, der Stickſtoff des Nitrolins werde aus der Luft genommen. Es iſt höchſt unwahrſcheinlich, daß das Nitrolin als ſolches in faulem nach ihren vorwaltenden Beſtandtheilen. 139 Holze enthalten ſei; da Hermann daſſelbe durch Behandlung des Holzes mit kochendem kohlenſaurem Kali erhielt, ſo muß man vermuthen, daß das Nitro⸗ lin erſt durch die Einwirkung des Kali's auf die Holzfaſer gebildet worden ſei. Dafür, daß der Stickſtoff des Nitrolins aus der Luft ſtamme, hat Her⸗ mann keinen Beweis geliefert; dieſer Stickſtoff ſtammt entweder von Ammo⸗ niak, welches alle Humusſubſtanzen aus ihrer Umgebung abſorbiren, oder von den proteinartigen Stoffen im Holz und in dem Safte deſſelben. Das Nitrolin iſt nach Hermann weder in Säuren, noch in Waſſer lös⸗ lich und beſitzt noch deutlich die Structur des Holzes. 3. Eigenſchaften der Humusſäuren. Ueber die Zuſammenſetzung der Humusſäuren weichen die Anga⸗ ben der Chemiker außerordentlich ab. Es fanden Kohlenſtoff Waſſerſtoff Sauerſtoff Sprengel in der Humusſäure aus Torf dargeſtelllltt 58,00 2,10 39,90 Peligot in der Humus ſäure, erhalten durch Zuſammenſchmelzen von Sägeſpähnen mit Atzkaliui . . 72,70 6,10 21,20 Wanne Humusſäure aus Zucker dat⸗ e 0 4,70 37,70 Mulder, Humusſaure aus Torf „ 68,96 3,45 27,59 Sämmtliche Humusſäuren (Ulmin⸗ und Huminſäure, Geinſäure, Quellſäure und Quellſatzſäure) nehmen Ammoniak begierig auf und halten es ſehr feſt. Die Eigenſchaften der Humusſäure ſind am genaueſten von Sprengel unterſucht worden. Er ſtellte die Humusſäure dar, indem er getrockneten und zerriebenen Torf mit Ammoniak digerirte und dann aus dem entſtandenen humusſauren Ammoniak die Humusſäure durch Salzſäure abſchied. Letztere fiel in ſchwarzen Flocken nieder. Durch wiederholtes Waſchen mit Waſſer reinigte er ſie von der anhängenden Salzſäure. Die Sprengel ſche Humusſäure bildet eine ſchlüpfrige, ſchwarzbraune Maſſe, die 9573 Waſſer enthält. Beim Austrocknen ſchwindet fie ſtark und zeigt dann mufdeligen Bruch. 1 Theil dieſer Säure lößt ſich in 150 Thei⸗ len ſiedenden, in 2500 Theilen Waſſers von 18° Cels. und in 6500 Thei⸗ len Waſſers von 0%. Durch Austrocknen und Gefrieren verliert fie ihre Lös⸗ lichkeit in Waſſer. Aus dieſem wird ſie auch von allen Mineralſäuren, der Phosphorſäure ausgenommen, abgeſchieden. An der Luft verweſt ſie, indem fie Sauerſtoff aufnimmt, wobei fie, wie die Holzfaſer, Kohlenſäure und Waſ⸗ ſer liefert. Die Humusſäure röthet Lakmuspapier und ſchmeckt ſchwach ſäuer⸗ lich. Das ſpecifiſche Gewicht der getrockneten Humusſäure iſt — 1,444. Sie iſt unfähig, zu kryſtalliſiren. 149 Klaffifiention des Bodens Die Humusſäure geht mit den meiſten Baſen Verbindungen ein. Die humusſauren Salze werden aber wieder durch Gefrieren des zu ihrer Aufld- ſung dienenden Waſſers zerlegt, wobei die Säure als ein amm; Pul⸗ ver zu Boden fällt. Alkaliſche Salze. Die Salze, welche aus der Verbindung der Humusſcure mit den Alka⸗ lien entſtehen, ſind viel löslicher, als die Humusſäure ſelbſt; 1 Theil Salz be⸗ darf 5—10 Theile Waſſer zur Auflöſung. Es enthalten Humusſäure Alkali Humusſaures Kali 3,4 7,6 2 2 Natron 92,8 12 1 Ammoniak 89,3 10,7 Salze der Humusſäure mit alkaliſchen Erden. Von dieſen haben nur der humusſaure Kalk und die humusſaure Mag⸗ neſia Intereſſe für uns. Erſterer enthält 92,6 Humusſäure und löß't ſich in 2000 Theilen kalten Waſſers; die Tee Magneſia hat 93,5% . - fie bedarf zu ihrer Löſung nur 160 Theile kalten Waſſers. Humusſaure Thonerde. Sie beſitzt einen Humusſäuregehalt von 91,28 und iſt in 4200 Thei⸗ len Waſſer löslich. Die e der eee e mit pn ne iſt eine ſehr innige. Humusſaures Eiſenozyd N ö enthält 85 Humusſäure und lößt ſich in 2300 Theilen Waſſer. Humus⸗ ſaures Eiſenoxydul iſt bei weitem löslicher. z Humusſaures Manganozydul enthält 86,89 Säure und löſ't ſich in 1450 Theilen Waſſer 4. Eintheilung der Humusarten, welche bei unvollſtändigem Zutritt der n zu verweſenden Organismen ſich gebildet haben. Von den bisher gemachten Eintheilungen kann folgende Seftehen bleiben: Saurer Humus, d. i. ſolcher, welcher freie, in Waſſer gelöfte Hu⸗ musſäure enthält. Er findet ſich auf ſehr naſſem Boden, in Sümpfen, auf Torflagern, u. ſ. w. Man erkennt ihn an der braunen Färbung des Waſſers. Unauflösliche Humusſäure. Mit dieſer Benennung bezeichnet man ſolche Humusſäure, welche ihre Auflöslichkeit in Waſſer durch Ge⸗ frieren oder Austrocknen verloren hat. Adſtringirender Humus. Er beſteht vorzugsweiſe aus Gerbeſäure, welche durch Waſſer von der Luft abgeſchloſſen iſt und deshalb nicht verweſen kann. Abgefallenes Erlen- und Eichenlaub gibt unter den ge eigneten Perhältniſſen zur Bildung dieſer Humusart Veranlaſſung. Uebrigens irren Diejenigen, welche glauben, der Humus in den Eichen⸗ nach feinen phyſiſchen Eigenſchaften. 141 waldungen ſei ſtets ein adſtringirender; überall da, wo der Boden nicht mit ſtagnirendem Waſſer bedeckt iſt, verweſt die Gerbeſäure in ſehr kurzer Zeit. Die von mehreren Agronomen gewählten weitern Eintheilungen in milden, oxydirten und todtkohligen Humus übergehen wir, weil ſich mit die⸗ ſen Ausdrücken keine Begriffe verbinden laſſen, 2 dem gegenwärtigen Stande der Wiſſenſchaft angemeſſen wären. N Fünfter Abſchnitt. Klaſſiſikation des Bodens nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 1. Gewicht der Erdarten. Vorbemerkung. Die Beſtimmung des Gewichts einer Erde kann man entweder a. blos auf die feſte Maſſe derſelben, oder b. auf die in einem gewiſſen Volumen enthaltene Erdmenge beziehen. Hiernach unterſcheidet man das ſpeeifiſche Gericht (a.) und die Ge⸗ wichte gleicher Volumina (b.). Letztere find um deßwillen für die Agro- nomie von befonderer Bedeutung, weil man, wenn verſchiedene Erden hin- ſichtlich ihres Gewichts verglichen werden ſollen, immer gleiche Raummengen derſelben im Auge hat, ohne dabei von den leeren Räumen 8 den Erdpartikelchen zu abſtrahiren. A. Spezifiſches Gewicht. Das einfachſte Verfahren zur Beſtimmung deſſelben iſt folgendes: Man füllt ein Fläſchchen (Figur 65), welches mit einem eingeriebenen . und der Länge nach entweder in der Mitte fein durchbohrten Fig. 65. oder ſeitwärts mit einer Rinne verſehenen Glasſtöpſel a ver⸗ = . F ſchloſſen werden kann, mit Waſſer und wägt es. Dann gießt man das Waſſer aus und bringt die zu unterſuchende, gewo⸗ @ gene Erde auf den Boden des Fläſchchens, füllt daſſelbe wieder mit Waſſer und ſetzt den Stöpſel vorſichtig auf, ſo daß ein Ueberſchuß von Waſſer durch den feinen Kanal des Stöpſels 0 entweichen kann. Man nimmt das ausfließende Waſſer mittelſt Löſchpapier hinweg und reibt die Außenſeite des Fläſchchens ſorgfältig ab. Es ſei das Gewicht des blos mit Waſſer gefüllten Fläſchchens = a „ „ Fläſchchens mit Waſſer und Erde b das Gewicht der trockenen Erde = fo iſt a — (b—e) das Gewicht des verdrängten Waſſers, * men gleich demjenigen der Erde iſt, und rc (be) drückt das ſpezifiſche Gewicht der Erde aus. 142 Klaffifitation des Bodens Es ſei z. B. a 2 100, b = 93, e = 5 Gramme, fo iſt N = 2, 4 = dem ſpezifiſchen Gewicht der zu unterſuchenden Erde. a — (b—e) B. Gewichte gleicher Volumina der Erden. Um dieſe zu erfahren, bringt man die Erde in geometriſch einfache ö Formen, z. B. Cubikzolle, Fuße ꝛe. und wägt dieſelben. Man muß aber dafür Sorge tragen, daß die Erde nicht zu ſehr zuſammengepreßt wird. Es iſt von Intereſſe, die Erde in trockenem und naſſem Zuſtand zu unterſuchen. Um ſie in letzten zu verſetzen, befeuchtet man ſie auf einem Filter mit Waſſer; als völlig durchnäßt kann die Erde dann angeſehen werden, wenn ſie das aufgenommene Waſſer nicht mehr tropfenweiſe abfließen läßt. C. Reſultate einiger Unterſuchungen über das Gewicht verſchledener Erdarten 0 verdanken wir Schübler. Er operirte mit folgenden Subſtanzen: a. Quarzſand, b. Kalkſand, a c. feiner pulverförmiger Kalkerde, aus gebranntem Kalk erhalten, welcher durch langes Liegen an der Luft wieder in vollkommen kohlen⸗ ſauren Zuſtand übergegangen war. d. Lettenartigem Thon, aus 45 % Sand und 55 % Thon beſtehend. e. Lehmartigem Thon, mit etwa 24 % Sand und 76 % Thon. f. Gypserde, durch feines Pulveriſiren von natürlichem weißem Gyps erhalten. g. Klayartigem Thon, 10 % Sand und 90 % Thon enthaltend. h. Reinem Thon, ohne Sand, aus 58 % Kieſelerde, 36,2 % Thonerde und 5,8 % Eiſenoxydul beſtehend. i. Schieferigem Mergel, aus der Würtembergiſchen Keuperformation, mit 84,8 % eiſenhaltigem Thon, 6,5 % kohlenſaurem Kalk, 7,2 % kohlenſaurer Magneſia und 1,3 % weniger eng gebundenen Eiſenoxyd beſtehend. k. Humus ſäure, aus Miſtjauche dargeſtellt. l. Kohlenſaurer Magneſia, durch Präeipitation mittelſt Alkalien aus ihren Auflöſungen in Säuren erhalten. Die ſo von Schübler darge⸗ ſtellte kohlenſaure Magneſia hat indeſſen keineswegs diejenige Zuſam⸗ menſetzung, wie die im Boden vorkommende. Jene iſt nämlich eine Verbindung von kohlenſaurer Magneſia mit Magneſiahydrat, entſprechend der Formel: MgO, CO, HO--Mg0, HO. Es find deshalb die Reſultate nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 143 der Schübler'ſchen Unterſuchungen bezüglich der Eigenſchaften der Bitter⸗ erde weggelaſſen worden. m. Leichte, fruchtbare, ſchwarze Gartenerde, beſtehend aus 52,4% Thon, 36,5 % Quarzſand; 1,8 Kalkſand; 2,0 % Kalkerde und 7,2 % Humus und organiſchen Ueberreſten. n. Gewöhnliche fruchtbare Ackererde, beſtehend aus 51.1% Thon, 42.7 % Quarzſand, 0,4 % Kalkſand, 2,3 % Kalkerde und 3,4 % Humus und organiſchen Ueberreſten. | Es iſt zu bedauern, daß Schübler zu ſeinen Unterſuchungen über den Humus nur die (unlösliche) Humusſäure und nicht auch den eigentlichen Waldhumus (welchen er als „organiſche Ueberreſte“ bezeichnet) verwendet hat. Specifiſches Gewicht. Gewicht eines Kubikdecimeters Erdarten. Waſſer = 1 Erde. Kilogramme. Bei 600 C. getrocknet. Angenäßt. Kalkſand 2,722 2,085 2,605 Quarzſand 2,653 2,044 2,494 Gyps, gepulvert 2,331 1,676 25,350 Thon mit 45% Sand 2,601 1,799 2,386 Thon mit 24% Sand 2,581 1,621 2,194 Thon mit 10 % Sand 2,560 1,423 2,156 Reiner Thon 2,533 1,376 2,126 Feiner kohlenſ. Kalk 2,468 1,006 1,758 Humusſäure 1,370 0,632 1,428 Gartenerde 2,332 1,449 1,744 Acekererde 2,401 1,537 2,810 Schiefr. Mergel 2,613 2,048 f 2,600 b. Otskuffton diefer Nefultate, Aus den angeführten Unterſuchungen Schüblers ergibt ſich: a. Der Sand iſt ſowohl trocken, als naß die ſchwerſte von allen Bodenarten und von den Beſtandtheilen zuſammengeſetzter Böden. b. Die Thonarten ſind um ſo leichter, je weniger Sand ſie enthalten. c. Die Humusſäure hat das geringſte ſpecifiſche und abſolute Gewicht. d. Die beim Landmann gebräuchliche Benennung eines ſchweren oder leich⸗ ten Bodens kann ſich weder auf das ſpecifiſche, noch auf das abſolute Gewicht der Erdarten beziehen, da die obigen Reſultate mit dieſen Be- zeichnungen geradezu in Widerſpruch ſtehen. Wie wir ſpäter ſehen werden, beruhen dieſe Benennungen auf der größern oder geringern Conſiſtenz der Erden. i 144 Klaſſifikation des Bodens 2. Feſtigkeit und Adhäſion des Bodens. 2 Hrn . A. Feſtigkeit. A. Begriff. Unter der Feſtigkeit oder Conſiſtenz eines Bodens verſteht man den Zu⸗ ſammenhang ſeiner einzelnen Theile. Sie äußert ſich durch den Widerſtand, den der Boden ſolchen Inſtrumenten entgegenſetzt, mittelſt deren man ihn zu trennen ſucht, wie z. B. dem Pflug, der Hacke, den Spaten, Pflanzen⸗ bohrern u. ſ. w. Die verſchiedenen Grade der Feſtigkeit bezeichnet man mit den Ausdrücken: ſtreng, zähe, gebunden, locker, mürbe, loſe se. b. Methode zur Unterfuchung der Feſtigkeit. Zur Unterſuchung der Feſtigkeit eines Bodens kann man ſich folgenden Apparates bedienen. Aus einer Unterlage a (Fig. 66) erhebt ſich ein Träger be, auf Zig. 66. welchem ein Hebel de ruht, an deſſen einem Ende eine Bleikugel d befeſtigt iſt, während an der andern Ecke eine Wagſchale f hängt Dieſer Hebel dient als Wagbalken und nimm ſo lange eine freie Lage ein, als die Schale k nicht mit Gewichten belaſtet wird. Bei g iſt ein unten ſpatelförmiges Eiſen g h mittelſt eines Stiftes in den Hebelsarm de ſo befeſtigt, daß es ſich frei bewegen kann und immer lothrecht hängt, wenn auch der Hebelsarm ſelbſt ſeine Lage verändert. Dieſes ſpatelförmige Eiſen gh ift 8 Durchſchneiden der auf einer Platte liegenden Erde beſtimmt. * Man gibt letzterer die Form eines Parallelpipedons mittelſt einer Vor⸗ richtung, ähnlich derjenigen, welche zum Anfertigen der Lehmſteine gebraucht wird. \ Um das Maß der Feſtigkeit einer Erde zu beftimmen, legt man in die Schale k fo lange Gewichte, bis die Erde von dem Spatel gh durchſchnitten worden iſt. B. Adhäſion des Bodens. a. Begriff. Man verſteht unter etshäflen. des Bodens die Eigenſchaft deſſelben, an andern Körpern, mit welchen er in Berührung gekommen iſt, anzuhängen. Sie iſt wichtig für die Beackerung. Erdarten, welche ſtark an den Pflug, die Hacke, den Spaten ſich anhängen, ſind der vermehrten Reibung AR ver⸗ hältnißmäßig ſchwer zu bearbeiten. nach ſeinen vhyſitaliſchen Eigenſchaften. | 145 b. Unterſuchung des Maßes der Adhäſton. * Hierzu dient eine Wage (Fig. 67.), deren eine Schale a aus einer Fig. 67. Scheibe von Holz oder Eiſen (den zu den Ackerwerkzeugen vorzugsweiſe verwendeten Ma⸗ teralien) beſteht. Man ſetzt die Schale a auf die zu unterſuchende, durchnäßte Erde und legt auf die Schale b fo lange Gewichte, bis a von der Erde getrennt wird. e. Reſultate über die Feſtigkeit und Adhäſton der Erdarten. Feſtigkeit Adhäfion im trockenen an eine Fläche von 1 Quadratdeeimeter. Erdarten Zuſtand, die des Eiſen Holz. Thons S100 Kilogramme. geſetzt. Quarzſand 0, 0,17 0,19 Kalkſand 0,% 0,19 0,20 Feine kohlenſ. Kalkerde 5,0 0,65 39 Gyps, gepulvert 7,3 0,49 0,53 Humusſäure 8,7 0,40 0,42 Thon mit 45 % Sand 57,3 0,35 0,40 Thon mit 24% Sand 68,8 0,48 0,52 Thon mit 10 % Sand 83,3 0,78 0,86 Reiner Thon ohne Sand 100,0 1,22 1,32 Gartenerde 7,3 0,29 0,4 Ackererde 33,0 0,26 0,28 Schiefriger Mergel 23,0 0,22 0,25 d. Diskuſſion der Nefultate, Aus der vorſtehenden Tabelle ergibt ſich Folgendes: cr. Thonerde beſitzt die größte, Sand die geringſte Feſtigkeit, letzterer wird ſich deßhalb auch leichter bearbeiten laſſen. Die Feſtigkeit der Humusſäure iſt gering; wenn Schübler einen Verſuch mit dem gewöhnlichen indifferenten Waldhumus angeſtellt hätte, ſo würde er deſſen Feſtigkeit gewiß größer gefunden haben, denn die zu dem obigen Verſuch benutzte Humusſäure war durch Fällen aus einer Auflöſung dargeſtellt worden, daher ſehr fein zertheilt, während der aus verweſtem He var, Bodenkunde. 10 146 vv 7. 8. Klaſſiſikation des Bodens Laub, Moos 20, gebildete Humus zum Theil noch die Holzfaſerſtruktur beſitzt, alſo jedenfalls mehr Zuſammenhang hat. In der That nimmt auch der Forſtmann allgemein an, daß der Humus die Extreme der Bodenfeſtigkeit vermittle, alſo einem lockeren Boden mehr Feſtigkeit und einem feſten Boden mehr Lockerheit verleihe. Die Adhäſion des Bodens an Holz iſt größer, als diejenige an Eiſen, was ſowohl von der größern Oberfläche des verhältnißmäßig rauhen Holzes, als auch von der Eigenſchaft des letztern, Waſſer aus dem Boden ſchnell in ſich aufzunehmen, herrührt. Die Adhäſion des Thons richtet ſich nach der Feinheit ſeines Korns; feine Kalkerde zeigt eine größere Adhäſion, als manche Thonarten. Daraus erklärt ſich die ſchmierige Beſchaffenheit des eigentlichen Kalk⸗ bodens. . Der trockene Sand iſt gänzlich ohne Adhäſion an die Ackerwerkzeuge, wie man ſich leicht durch einen Verſuch überzeugen kann; wird der Sand aber angenäßt, ſo nimmt er die Eigenſchaft der Adhäſion, wenn auch in geringem Maße an. Da die beim Landmann üblichen Benennungen eines ſchweren und leich⸗ ten Bodens weder auf das ſpezifiſche, noch auf das abſolute Gewicht der Erdarten ſich beziehen können, dagegen mit der größeren oder geringern Feſtigkeit und Adhäſion im Einklange ſtehen, ſo muß man annehmen, daß der herrſchende Sprachgebrauch die Beiworte „ſchwer“ und „leicht“ bei den Bodenarten im Sinne ihrer Bearbeitungsfähigkeit nimmt. Es iſt kaum nöthig, zu bemerken, daß die Feſtigkeit des Bodens ſich vermindert, wenn er im feuchten Zuſtand vom Froſt getroffen wird. Das in den Zwiſchenräumen der Erde befindliche Waſſer nimmt bei ſeinem Uebergang in Eis einen größern Raum ein; es werden dadurch die Parti⸗ kelchen des Bodens von einander getrennt und zerkleinert. Schübler fand, daß der Winterfroſt die Feſtigkeit des Thons um 50 % verringert. Iſt dagegen der Boden bei Eintritt des Froſtes trocken, ſo erleidet ſeine Feſtig⸗ keit kaum eine Veränderung. Es ſcheint übrigens, als ob mit der Abnahme der Feſtigkeit eine Vermehrung der Adhäſion verbunden fei. 3. Volumsverminderung des Bodens durch Austrocknen. Im naſſen Zuſtand nehmen die Erdarten einen größern Raum ein, als im ausgetrockneten. Die Volumsverminderung oder das Schwinden erfährt man durch Meſſung der Dimenſionen, welche die regelmäßig geformte Erde erſt in naſſen und dann im trocknen Zuſtand beſitzt. Schübler erhielt bei ſeinen Unterſuchungen folgende Reſultate: g nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 147 g 1000 Raumtheile geben 1000 Raumtheile vermindern durch Austrocknen ihr Volumen um Quarz⸗ und Kalkſand, Gyps 1000 0 Theile. Feiner kohlenſaurer Kalk 950 N W Thon mit 45 % Sand 940 60 „ Thon mit 24% Sand 911 39 „ Thon mit 10 % Sand 866 Bi % Reiner Thon ohne Sand 817 1883 „5 Humusſäure 800 200 „ Gartenerde 851 MI 5; Adererde 880 0. „ Schiefriger Mergel 965 95 Wie man ſieht, iſt die Volumsverminderung am größten bei der Hu⸗ musſäure (20 %) und den Thonarten. Es erklärt ſich hieraus zum Theil das Schwellen des Torfes, wenn derſelbe von Waſſer durchdrungen wird. 4. Feuchtigkeitszuſtand des Bodens. A. Bedingungen. Der Feuchtigkeitszuſtand des Bodens hängt ab: a. zunächſt von der Menge Waſſer, welche dem Boden zur Aufnahme in ſeine Zwiſchenräume dargeboten wird. Orte, die im Niveau des Waſſers oder unter demſelben liegen, erhalten mehr Feuchtigkeit, als ſolche über dem Waſſerſpiegel, weil bei letztern das Waſſer nach den tiefer gelege⸗ nen Punkten abfließen kann. Solche Gegenden, welche reich an mete⸗ oriſchen Niederſchlägen ſind, wie z. B. die Weſtküſten von Europa Hochgebirge u. ſ. w., beſitzen ebenfalls öfter einen feuchten Boden. b. Davon, ob das aufgenommene Waſſer dem Boden auch verbleibt. Geneigte Lagen bewirken ein Abziehen der Feuchtigkeit nach der Tiefe hin; Sonne und Wind begünſtigen die Verdunſtung. c. Von der Eigenſchaft des Bodens, Feuchtigkeit in tropfbar flüſſigem und gasförmigem Zuſtand in ſich aufzunehmen und dieſelbe zu halten. Dieſe Eigenſchaften verdienen eine nähere Betrachtung. B. Waſſeraufnahmefähigkeit. a. Begriff. Pr Man verfteht unter ihr das Vermögen eines Bodens, mehr oder weniger Waſſer in ſeine Zwiſchenräume aufzunehmen, ohne es tropfenweiſe wieder ab⸗ fließen zu laſſen. Die obige Beziehung rührt von Hundeshagen her. Schübler wählte ſtatt derſelben den Ausdruck: „Waſſerhaltende Kraft des Bodens“. Da dieſe Benennung aber leicht mit „Waſſerzurückhaltende Kraft“ verwechſelt werden kann, ſo haben wir den von Hundshagen eingeführten Terminus vorgezogen. N he 10 * 148 QAlnaſſiſtkation des Bodens b. Methode zur Unterſuchung der Waſſeraufnahmefähigkeit. f Fig. 68. Man bringt etwa 20 Grm. Erde (nicht zu viel, weil ſonſt das Waſſer durch den Druck der Erde ausgepreßt wird), nachdem fie bei etwa 20— 300 längere Zeit hindurch getrocknet worden iſt, auf ein in zuvor angenäßtem Zuſtand gewogenes Filter (Fig. 68.) und gießt dann Waſſer auf die Erde. So⸗ bald das Waſſer nicht mehr tropfenweiſe abfließt, wiegt man die Erde ſammt dem Filter. Netzt die Erde ſich nur ſchwierig an (wie z. B. manche Mergel, welche ſich mit Waſſer zuſammen⸗ ballen), ſo iſt es rathſam, dieſelbe, ehe man ſie auf das Filter gibt, in einem Gefäße mit Waſſer anzu⸗ rühren und dann deſſen Inhalt auf das Filter zu ſpühlen. Die durch das aufgenommene Waſſer bewirkte Gewichtsvermehrung der Erde zeigt die Waſſeraufnahmefähigkeit derſelben an. Die Rechnung wird folgendermaßen geführt: Gewicht der getrockneten Erde — a Gewicht des angenäßten Filters — b Gewicht des angenäßten Filters und der naſſen Erde — c, fo ift aufgenommenes Waſſer = e — (a + b). Es ſei z. B. a = 20, b S 5, C S 35, ſo iſt e — (a + b) 35 — (20 + 5) = 35 — 25 = 10; und 100 Gewichtstheile Erde haben 28,6 Theile Waſſer aufgenommen. Die Berechnung der Wafferaufnahme-Fähigkeit nach Gewichtsprozenten der Erden liefert übrigens kein klares Bild von dem in Frage ſtehenden Ver⸗ halten. Wir ſind nicht gewohnt, den Boden ſeinem Gewicht nach anzuſehen; wir reden nicht von einem Pfund Sand, von einem Pfund Thon. Wenn wir zwei Bodenarten in Bezug auf ihre Eigenſchaften vergleichen, ſo haben wir immer gleiche Volumina im Auge. Dies geſchieht auch immer, wenn von den Erträgen verſchiedener Felder die Rede iſt; wir vergleichen dieſelben flächen⸗ weiſe (nach Morgen, Ackern, Aren u. ſ. w.), aber nicht nach dem Gewicht der Erde auf dem Felde. Die Fläche aber iſt nur ein Ausdruck für das Volumen, vorausgeſetzt, daß die Tiefgründigkeit des Wurzelbodenraums ſich nicht ändert. Es iſt daher durchaus erforderlich, daß man die Wafferaufnahme-Fähig- keit der Erden auf das Volumen derſelben bezieht. Da wir die Gewichte glei⸗ cher Volumina der Erden kennen, ſo geſtaltet ſich die Reduetion der Gewichts⸗ prozente auf Raumprozente ſehr einfach, wie folgendes Beiſpiel zeigt. Es ſei die Waſſeraufnahme-Fähigkeit des Quarzſandes nach Ge⸗ wichtsprozenten — 25 gefunden worden; da ein Kubikdeeimeter naſſen Quarz⸗ ſandes 2,494 Kilogramme wiegt, jo find in demſelben 0,499 Kilogramm Waſ⸗ nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 149 ſer enthalten (125: 25 = 2,494: x 0,499). Da eine Gramme — 0,001 Kilogramme den Raum von 1 Kubikeentimeter einnimmt, ſo werden alſo in 1000 Kubikeentimetern (— 1 Kubikdeeimeter) des naſſen Sands 499 Kubikcentimeter von Waſſer ausgefüllt; die Wafjeraufnahme- Fähigkeit dieſer Erde beträgt demnach in Volumprozenten 49,9 (nach der Proportion 1000: 499 S 100: x —= 49,9). c. Neſultate einiger Unterſuchungen über die Waſſeraufnahme⸗Fähigkeit nach Gewichts und Volumprozenten. Waſſeraufnahmefähigkeit. 1 Kubifdecimeter der angenäßten Gewichts - Volum⸗ Erde enthält Kilogramme Erdarten. Prozente. Waſſer Erde Quarzſand 9 49,9 0,499 1,995 Kalkſand 29 58,2 0,582 2021 Gyps, gepulvert 27 50,1 0,501 1,855 Thon, mit 459 Sand 40 68,2 0,682 1,654 Thon, mit 249 Sand 50 73,0 0,30 17464 Thon, mit 109 Sand 61 81,7 0,817 1,339 Reiner Thon ohne, 70 87,5 0,875 1,251 Feiner kohlenſ. Kalk 85 80,8 0,808 0,950 Humusſäure 190 035 0,935 0,493 Gartenerde 89 82,1 0,821 0,923 Ackererde 52 74,5 0,745 1,435 Schiefriger Mergel 34 66,0 0,660 1,950 d. Discuſſion dieſer Nefultate. c. Von allen Beſtandtheilen des Bodens zeigt der Sand die geringſte Waf- ſeraufnahme⸗Fähigkeit. Das günſtigere Verhalten des Kalkſands, gegen⸗ über dem Quarzſande, ſcheint indeſſen mehr auf der größern Feinheit des Korns, als auf der mineraliſchen Beſchaffenheit des Kalkes zu beru⸗ hen. Nach angeſtellten Unterſuchungen kann die Waſſeraufnahme⸗Fähig⸗ keit des grobkörnigen Sandes ſich bis zu 20 vermindern, während fie bei ſehr feinem Sand bis auf 40 f ſteigen kann. g. Die Gypserde zeigt ein dem Sande ähnliches Verhalten; dies kann nicht auffallen, wenn man bedenkt, daß durch Pulveriſiren eines Minerals im⸗ mer nur eine Art Sand erzeugt wird. Der Thon nimmt um ſo mehr Waſſer auf, je weniger Sand er enthält. Die verhältnißmäßig große Waſſeraufnahme⸗Fähigkeit der Kalkerde er⸗ klärt ſich aus dem feinzertheilten Zuſtand, in welchem ſie ſich befindet. Da der Kalkſand hierin der Kalkerde, wie ſie zu den obigen Verſuchen angewendet wurde, nachſteht, ſo ergibt ſich hieraus, daß die Waſſerauf⸗ nahme⸗ Fähigkeit eines Kalkbodens je nach der Form, in welcher der Kalk ſich befindet, ſehr verſchieden ſein kann. S. 150 Klaſſiſikation des Bodens &. Die größte Waſſeraufnahme⸗Fähigkeit kommt der Humusſäure zu. Sie wird übrigens in dieſer Eigenſchaft noch von dem bei vollkommenem Luftzutritt gebildeten Humus übertroffen, wie Schübler durch beſondere Verſuche nachgewieſen hat. 100 Theile der feinen, durch faules Holz in alten Bäumen gebildeten Erde ſollen ſogar gegen 200 und gewiſſe lockere Torferden 300 —360 Theile Waſſer aufnehmen. t. Der ſchiefrige Mergel zeigt eine geringe Waſſeraufnahme⸗Fähigkeit. Er kann daher benutzt werden, um einen Boden wärmer und trockner zu machen. C. Waſſerzurückhaltende Kraft. a Begriff. Man verſteht unter der waſſerzurückhaltenden Kraft eines Bodens die Eigenſchaft deſſelben, mehr oder weniger ſchnell auszutrocknen. b. Methode zur Unterfuhung der waſſerzurückhaltenden Kraft. Auf eine mit erhöhtem Rand verſehene Scheibe breitet man die durch⸗ näßte Erde aus und bringt fie in ein Zimmer von 15—20$ Temperatur, ge⸗ ſchützt gegen Luftzug. Der Gewichtsunterſchied, den die Erde nach Verlauf von einigen Stunden zeigt, gibt die Menge der verdunſteten Feuchtigkeit an. Nach Beendigung des Verſuchs trocknet man die Erde vollſtändig unter An⸗ wendung künſtlicher Wärme aus und erfährt ſo durch abermaliges Wiegen die Quantität Waſſer, welche zu Anfang des Verſuchs in der Erde enthalten war. Es ſei z. B. das Gewicht der durchnäßten Ede . . . = 310 6 5 derſelben Erde nach 24 Stunden 260 5 z der völlig ausgetrockneten Erde — 200 ſo war die Menge des in 24 Stunden verdunſteten Waſſers ß re. und der Waſſergehalt der duchuügten Erde zu Anfang des Verſuch s. et ee Von 110 Theilen Waſſers nd alſo 50 Theile verdunſtet, das macht 45,5 8. e. Neſultate einiger unterſuchungen über die waſſerzurückhaltende Kraft. N Die Erden wurden auf einer Fläche von 10 Quadratzoll ausgebreitet, man wandte von jeder gleiche Gewichtsmengen (200 Gran) an. Die Tem⸗ peratur des Zimmers, in welchem der Verſuch vorgenommen wurde, betrug 180,75 Cels. f Von 100 Theilen abfor- Vom 100 Theilen aufge: birten Waſſers verdun- nommenen Waſſers ver⸗ ſteten bei 180, 75 in 4 dunſteten 90 Theile bei Erdarten. Stunden 180,75 in Quarzſand f 88,4 4 Stunden 4 Minuten Kalkſand 75,9 4 ur 2 nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 151 Gyps, gepulvert 71,7 5 Stunden 1 Minuten Thon, mit 459 Sand 52,0 6 106 ü Thon, mit 248 Sand 45,7 7 „ 52 * Thon, mit 109 Sand 34,9 „„ 4 Reiner Thon ohne Sand S 11 zi, Feiner Kalk | 28,0 12 93.0688 ° Humusſäure 20,5 RR N, = 39 1 Gartenerde 24,3 14 Ex 49 m Ackererde 32,0 Be „5 1 Schiefriger Mergel 68,0 1 8 d. Discuſſion dieſer Nefultate. : a. Am ſchnellſten trocknen die Sandarten, ſowie der ſchiefrige Mergel und der Gyps aus; man nennt ſie darum hitzige Böden. g. Am längſten halten Humusſäure und feine Kalkerde das aufgenommene Waſſer zurück, nach ihnen zeigen die Thonerden die größte waſſerzurück⸗ haltende Kraft. 7. Die Eigenſchaft der Erdarten, das aufgenommene Waſſer langſam zu verdunſten, ſteht mit der Waſſeraufnahmefähigkeit ſo lange in gleichem Verhältniß, als die Erden dünne Schichten bilden. Bei dickeren Erdla⸗ gen verdunſtet aber, wie Schübler durch weitere Verſuche dargethan hat, um ſo weniger Waſſer, je conſiſtenter die Erde iſt. So enthält eine naſſe, zolldicke Thonſchichte nach Verlauf von einigen Tagen immer noch mehr Waſſer, als die Humusſäure. Das iſt der Grund, warum Thon den ſogenannten „kalten“ Boden bildet. D. Waſſerdampfabſorptionsfähigkeit. a. Begriff. Die meiſten Erdarten beſitzen die Eigenſchaft, Waſſerdampf aus der At⸗ moſphäre aufzunehmen und an ihrer Oberfläche zu verdichten. Nach allgemein chemiſchen Geſetzen wird die Abſorptionsfähigkeit durch die Größe der Boden- denoberfläche, mit andern Worten, durch den Grad der Zertheilung, in wel- chem die Erdkrume ſich befindet, bedingt. Die Condenſation des Waſſerdampfs beruht in dem vorliegenden Falle lediglich auf der Anziehung der Materie“) und muß wohl unterſchieden wer⸗ den von der Thaubildung. Letztere findet dann ſtatt, wenn Waſſerdampf durch ) Einige Salze, wie z. B. kohlenſaure Alkalien, beſitzen die Eigenſchaft, Waſſerdampf anzuziehen und denſelben, nachdem er ſich verdichtet hat, feſtzuhalten. Sie kommen aber in den meiſten Böden nur ſehr ſpärlich vor, ſo daß die Größe der Abſorptions⸗ fähigkeit durch ſie kaum merklich geändert werden kann. 152 Klaſſiſikation des Bodens Berührung mit kältern Körpern in ſeiner Temperatur herab und da⸗ durch verdichtet wird. b. Methode zur nn Man breitet die getrocknete Erde auf einer Scheibe a b aus, welche über Fig. 69. einem Waſſerbehälter A B auf Trägern ruht. Ueber die Scheibe wird eine Glasglocke ge⸗ ſtülpt, welche noch in das Waſſer hinein reicht. Die Erde wird vor dem Verſuche und nach Ablauf einer gewiſſen Stundenzahl ges wogen; die Gewichtszunahme gibt die Menge des abſorbirten Waſſers an. Der Verſuch muß, wenn er praktiſche Bedeutung haben ſoll, bei gewöhnlicher Temperatur (15 — 200) vorgenommen werden. | e. Nefultate einiger Unterſuchungen über die Abſorptionsfähigkeit der Erden. Fünf Gramme der auf einer Fläche von 360 Quad⸗ tatcentimeter ausgebreiteten Erde abſorbirten in 12 Stunden 24 Stunden 48 Stunden 72 Stunden Erdarten. 155 Centigramme. Quarzſand nA 0,0 0,0 0,0 0,0 Kalkſand 1,0 1,5 1,5 1,5 Gyps, gepulvert 0,5 0,5 0,5 0,5 Thon, mit 453 Sand 10,5 13,0 14,0 14,0 Thon, mit 249 Sand 12,5 15,0 17,0 17,5 Thon, mit 108 Sand 15,0 18,0 20,0 20,5 Reiner Thon ohne Sand 18,5 21,0 24,0 24,5 Feiner kohlenſaurer Kalk 13,0 15,5 17,5 17, Humusſäure 40, 48,5 55,0 60, Gartenerde, 17,5 22,5 25,0 Ackererde Feng; 11,5 11,5 Schiefriger Mergel 12,0 14,5 15,5 15,8 d. Diskuſſion diefer Nefultate, a. Die Abſorptionsfähigkeit der Erden hangt von dem Grade ihrer Zerthei⸗ lung ab; fie iſt bei dem Quarzſand gleich Null. Feinkörnigere Sandar⸗ ten (zu Waden der bei den obigen Verſuchen angewandte Kalkſand ge⸗ hört) zeigen aber gleichwohl die Eigenſchaft, Waſſerdämpfe zu verdichten. 6. Die Abſorption iſt beim Beginn des Verſuchs am ſtärkſten; ſie nimmt dann fortwährend ab und iſt nach einigen Tagen beendigt. Werden die Erden in dieſem Zuſtand dem Sonnenlicht ausgeſetzt, ſo 180 ſie einen Theil der aufgenommenen Feuchtigkeit wieder ab. nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 153 v. Am größten iſt die Abſorptionsfähigkeit bei der Humusſäure; nach wei⸗ teren Verſuchen iſt ſie indeſſen für den gewöhnlichen erdigen Humus nicht viel geringer. Auch die Thonarten verdichten viel Waſſerdampf an ihrer Oberfläche. Ihnen ſteht in dieſer Hinſicht der feine kohlenſaure Kalk und der ſchiefrige Mergel ziemlich nahe, während der gepulverte Gyps mehr mit den Sandarten übereinkommt. E. Claſſification des Bodens nach ſeinem Feuchtigkeitsgehalte. Man nennt den Boden 5 a. dürr, wenn er, zerrieben, bei Luftzug ſtaubt. Die geringe Feuchtigkeits⸗ menge, welche er enthält, verleiht ihm keine dunklere Färbung. b. trocken, wenn er zwar nicht ſtaubt, aber auch keine dunklere Färbung beſitzt. e. friſch, wenn er beim Zuſammendrücken in der Hand Spuren von Feuchtigkeit hinterläßt. d. feucht, wenn das Waſſer beim Zuſammendrücken tropfenweiſe ab⸗ fließt. e. naß, wenn ſämmtliche Zwiſchenräume des Bodens mit Waſſer ange- füllt ſind, ſo daß es von einer herausgenommenen Scholle durch ſein eigenes Gewicht abfließt, ohne daß hierzu ein Zuſammendrücken der Erde nöthig wäre. 5. Wärme des Bodens. A. Erwärm ungsfähigkeit. a. Begriff. Werden verſchiedene Bodenarten unter einerlei Verhältniſſen einer Wär⸗ mequelle, z. B. den Sonnenſtrahlen, ausgeſetzt, ſo nehmen dieſelben nicht alle die nämliche Temperatur an. Je höher eine Erdart bei gegebener Tempera⸗ tur ſich erwärmt, um ſo größer iſt ihre „Erwärmungsfähigkeit“. b. Einſtüſſe, durch welche dieſe Eigenſchaft bedingt wird. Auf die Erwärmungsfähigkeit influirt q. die ſpecifiſche Wärme jeder Erdart. Man verſteht unter jener dieje⸗ nige Wärmeſumme, welche nöthig iſt, um die Temperatur der Einheit des Volums, oder des Gewichts Erde um 1 Grad zu erhöhen. Uebri⸗ gens iſt der Unterſchied in der ſpeeifiſchen Wärme der Bodenarten fo gering, daß wir ihn bezüglich der Erwärmungsfähigkeit außer Acht laſ⸗ ſen können. 5. Die Farbe des Bodens. Der Einfluß der Farbe wird unterſucht, indem man in die künſtlich ge⸗ färbten Erden (zu Schwarz eignet ſich Kienruß, zu Weiß feine Bittererde), Thermometer eingräbt und an dieſen die Temperaturerhöhung, welche die Sonnenſtrahlen bewirken, beobachtet. Nach den Verſuchen Schübler's erwärmen ſich die ſchwarzgefärbten 154 Klaſſiſikation des Bodens Erden ſtärker, als die grauen und dieſe wieder ſtärker, als die weißen. Die Temperaturunterſchiede dieſer drei Farben betragen 1—8 Grade. Werden die verſchieden gefärbten Erden auch ſtundenlang dem Sonnen⸗ licht ausgeſetzt, ſo erreichen ſie doch nie dieſelbe Temperatur; die heller⸗ gefärbten Erden bleiben immer kühler, während die ſchwarzgefärbten ſich am meiſten erhitzen. Viele Geſteine beſitzen von Natur eine dunkle, ja ſelbſt ſchwarze Farbe, ſo z. B. Thonſchiefer und Kupferſchiefer, welche Kohle enthalten, Ba⸗ ſalt, deſſen ſchwarze Farbe von Augit herrührt u. ſ. w. Bodenarten, welche aus dieſen Geſteinen entſtanden ſind, ohne daß durch den Ver⸗ witterungsprozeß die dunkle Farbe ſich verloren hat, zeichnen ſich durch ihre verhältnißmäßig bedeutende Erwärmungsfähigkeit aus. 7. Die Feuchtigkeit des Bodens. Naſſe Erden können ſich nie fo ſtark erwärmen, als trockne, einestheils , weil das Waſſer eine größere ſpecifiſche Wärme, als die feſte Subſtanz des Bodens beſitzt, anderntheils aber auch deshalb, weil ein Theil der aufgenommenen Wärme zum Verdunſten der Feuchtigkeit benutzt wird und deshalb für die Erwärmung des Bodens verloren geht. Die durch die Verdunſtung des Waſſers entſtehende Temperaturermedrigung der naſſen Erde gegenüber der trockenen beträgt 5—7 Grade. Hieraus geht ferner hervor, daß die waſſerzurückhaltende Kraft einer Erde die Erwär⸗ mungsfähigkeit beeinträchtigt. Um den Einfluß der Farbe und Feuchtigkeit auf die Temperaturer⸗ höhung der Erden zu ermitteln, brachte Schübler dieſelben in Gefäße von 4 Quadratzoll Oberfläche und + Zoll Tiefe und ſetzte fie, theils künſtlich gefärbt, theils mit Belaſſung ihrer natürlichen Farbe, in naſſem und trockenem Zuſtand dem Sonnenlicht aus. Die Verſuche wurden in der zweiten Hälfte des Monats Auguſt zwiſchen 11 und 3 Uhr an⸗ geſtellt, während die Temperatur der Luft im Schatten zwiſchen 220 bis 250 wechſelte. Temperaturmaxima der oberſten Erdſchichte bei natürlich gefärbter bei trockener Erde, Oberfläche, bei weißer, . Erdarten: naſſe Erde trockne Erde. Oberfläche. Quarzſand, hellgelblichgrau 37,2 44,7 43,2 50,9 Kalkſand, weißlichgrau 37,4 44,5 43,2 51,1 Gyps, weißgrau 36,2 43,6 4,5 51,2 Thon, mit 458 Sand, gelblich 36,7 44,1 42,4 49,7 Thon, mit 249 Sand, gelblich 37,2 44,5 42,1 49,5 Reiner Thon, ohne Sand, gelblichgrau 37,4 44,6 41,9 49,1 Bläulichgrauer Thon (mit 10 Sand) 37,4 44,6 41,2 48,9 nach feinen phyfikaliſchen Eigenſchaften. 155 Kalk, weiß 35,6 43,6 43,1 50,7 Humusſäure, bräunlichſchwarz 39,7 47 ,4 42,5 49,4 Gartenerde, ſchwärzlichgrau 37,5 45,2 42,4 50,2 Ackererde, grau 36,9 44,2 42,0 50,0 Schiefriger Mergel, bräun⸗ f lichroth 38,7 46,2 42,4 50,7 d. Die Lage. Den Einfluß der geographiſchen Länge und Breite, ſo wie der Meeres⸗ höhe auf die Erwärmung des Bodens werden wir ſpäter abhandeln und hier nur die Expoſition und Abdachung berückſichtigen. Die Intenſität der Erwärmung einer Fläche durch die Sonnenſtrah⸗ len iſt dem Sinus des Winkels proportional, unter welchem dieſe Strah⸗ len die Fläche treffen. Blos innerhalb der Wendekreiſe fallen die Sonnenſtrahlen auf die Horizontalebene ſenkrecht auf; in allen übrigen Breiten nehmen ſie eine ſchiefe Stellung gegen die horizontale Fläche der Erde ein. Auf den Seitenflächen der Hügel und Berge dagegen fallen die Sonnenſtrahlen weniger ſchief auf; ja fie können, je nach der Jahres- und Tageszeit und nach dem Abdachungsgrade, eine ſenkrechte Richtung einnehmen. In der Mitte des Sommers ſteht die Sonne gegen 12 Uhr ungefähr 600 über dem Horizont; hat nun eine Bergwand eine Abdachung von 30 Graden, ſo wird ſie durch die Sonnenſtrahlen in einem rechten Win⸗ Fig. 70. kel getroffen. (Fig. 70.) Dieſes Verhältniß findet bei ſteileren Einhängen auch ſchon im Vorſommer und noch im Nachſommer ſtatt. Südſeiten (reine Süd⸗, Südoſt⸗ und Südweſt⸗ ſeiten) erhitzen ſich begreiflicher Weiſe ſtärker, als Nordſeiten, (reine Nord-, Nordoft- und 8 Nordweſtſeiten). Beträgt die Abdachung eines nördlichen Einhangs 600, 0 wird die Erde, wenn die Sonne 60° über dem Horizont ſteht, eben nur von den Sonnenſtrahlen raſirt, bei tieferem Stand der Sonne aber gar nicht mehr von deren Strahlen getroffen. Im Winter, wenn die Sonne oft nur 200 über den Horizont ſich erhebt, erhalten rein nördliche Einhänge von 200 Neigung ſchon kein directes Licht mehr. B. Wärmehaltende Kraft der Erden. a. Begriff. Man verſteht unter der wärmehaltenden Kraft des Bodens die Fähig⸗ keit deſſelben, nach erfolgter Erwärmung die angenommene Temperatur längere Zeit zu bewahren. b. Methode zur Unterſuchung der wärmehaltenden Kraft. Dieſe beſteht ganz einfach darin, daß man gleiche Volumina (z. B Prismen) der Erden anfertigt, ſie erwärmt und durch ein in die zu prüfende 156 Klaſſiſikation des Bodens Erde tauchendes Thermometer die Temperaturabnahme neben der Zeit, inner⸗ halb welcher dieſelbe erfolgt, beobachtet. c. Reſultate. Wir geben dieſelben nach Schübler. Er erwärmte die Erden bis auf 62,5 und beobachtete in einem geſchloſſenen Zimmer die Zeit, welche fie be⸗ durften, um bis auf 21,2 ſich abzukühlen; die Temperatur der Luft in dem Zimmer betrug 16,2. Die Erden wurden in blecherne Gefäße von 595 Ku⸗ bikeentimeter Inhalt gebracht. Wärmehaltende Länge der Zeit, während welcher Kraft, die des 595 Kubikeentimeter ſich von Kalkſandes 62,5 bis auf 2192 abkühlten, — 100 geſetzt. wenn die Temperatur der umge⸗ Erdarten. benden Luft S 160,2 betrug. Kalkſand 100,0 3 Stunden 30 Minuten. Quarzſand 95,6 n 99 Gyps, gepulvert 73,8 . 34 5 Thon, mit 453 Sand 76,9 2 41 7 Thon, mit 248 Sand 71,8 2°", Yes Thon, mit 10 Sand 68,4 27 24 = Reiner Thon, ohne Sand 66,7 „„ 17 Feiner kohlenſ. Kalk 61,3 9 10 = Humusſäure 49,0 F 5 Gartenerde 64,8 9889 16 1 Ackererde 70,1 2: „ To „ Schiefriger Mergel 98,1 Pe d. Discuſſion diefer Nefultate. c. Im Allgemeinen ſcheint die wärmehaltende Kraft dem abſoluten Gewicht der Erden proportional zu ſein. g. Die Sandarten beſitzen die größte wärmehaltende Kraft; ihnen ſteht der ſchiefrige Mergel am nächſten. 7. Der Humus hat die geringſte wärmehaltende Kraft. J. Die wärmehaltende Kraft der Thone iſt geringer, als die des Sandes, aber größer, als die des Humus. 6. Sonſtige Eigenſchaften des Bodens. Von dieſen verdienen genannt zu werden das galvaniſche re elee⸗ triſche Verhalten der Erden und ihre Fähigkeit, Sau erſtoffgas und Am⸗ moniak an ihrer Oberfläche zu verdichten. a. Nach Schübler ſind die reinen Erden, Sand, Kalk, Gyps im trocknen Zuſtande Nichtleiter der Electricität, während die Thonarten als Halblei⸗ ter und die zuſammengeſetzten thonhaltigen Erden als ſchwache Halblei⸗ ter auftreten. Es ſoll übrigens der Gehalt von etwas Feuchtigkeit und 1 nach feinen phyſikaliſchen Eigenſchaften. 157 Eiſenoxyd, welche ſich in allen Thonarten finden, der Grund dieſer Er⸗ ſcheinung ſein. Ferner fand Schübler, daß durch Reiben alle Erden negative Eleetriei⸗ tät entwickeln, wenn man trockene längliche Stücke derſelben mit einem Meſſer ſchabt und die feinen abſpringenden Theilchen unmittelbar auf die Scheibe eines Eleetrometers fallen läßt; das Volta'ſche Strohhalmelee⸗ trometer zeigte bei dieſem Verfahren gewöhnlich Divergenzen von 4—5 Graden. Eis, auf dieſelbe Art behandelt, gab poſitive Electricität. b. Im naſſen Zuſtand beſitzen alle Erdarten die Eigenſchaft, Sauer ſtoff⸗ gas der Atmoſphäre zu entziehen und zu verdichten, was hauptſächlich auf einer chemiſchen Verwandtſchaft des Drygens zu mehreren Beſtand⸗ theilen der Erden (Humus, Eiſen⸗ und Manganoxpdul), aber auch auf der rein phyſikaliſchen Anziehung, welche feſte Körper gegen Gaſe äußern, beruhen kann. Es ſcheint indeſſen dieſe Eigenſchaft für den Ackerbau und die Wald⸗ wirthſchaft ohne Bedeutung zu ſein. Um die Erden auf ihre Fähigkeit, Sauerſtoffgas aus der Luft zu abſor⸗ biren, zu prüfen, brachte Schübler dieſelben in mäßig befeuchtetem Zu⸗ ſtande in gläſerne Flaſchen. Nachdem letztere mehrere Tage einer Temperatur von 150 — 180 ausgeſetzt waren, unterſuchte Schübler die Luft in den Flaſchen auf ihren Sauerſtoffgehalt. Er fand c. daß ſämmtliche Erdarten durch Austrocknen die Eigenſchaft, Sauerſtoff zu abſorbiren, einbüßen. 8. Daß der Humus die größte, Sand und pulveriſirter Gyps die geringſte Sauerſtoffabſorption zeigen. Die Thonarten ſtehen in der Mitte zwi⸗ ſchen Sand und Humus; ſie abſorbiren um ſo mehr Sauerſtoff, je we⸗ niger Sand ihnen beigemengt iſt. 7 c. Die Fähigkeit, das in der Atmoſphäre enthaltene Ammoniak zu ver- dichten, iſt vorzüglich dem Thon, dem Mergel und dem Humus eigen. Die Humusſäure bindet das Ammoniak chemiſch und hält es mit gro⸗ ßer Begierde feſt. Der beim Anhauchen des Thons ſich entwickelnde ſog. Thongeruch rührt von abſorbirtem Ammoniak her, welches durch die Feuchtigkeit des Athems ausgetrieben wird. Nach Krocker enthält Mergel Te bis „4; Prozent Ammoniak, Lehm 1000 bis 1000 " 11 Sand Tide bis „5 0 Liebig berechnet, daß in einem Hectare thoniger Erde bei einer Tiefe von 25 Centimetern 10000 Kilogramme, in einem ganz ſandigen Terrain dagegen noch über 2000 Kilogramme reines Ammoniak enthalten ſind. 158 Klaſſiſikation des Bodens 7. Zuſammenſtellung der Reſultate, zu welchen die Unterſuchungen e 3 z] Austrocknen. Speeiſiſches ©. . Feſtigkeit im Be aaa von 10 1000 Haumtheite Erdarten. Gewicht. ©: 2 teodnen Fug Lr es 5 — = n3= = Waſſer 1 8 5 5 ie g 2 acht 5 25 5 2 * '® ss 83 Kilogramme. Kilogramme. 2 Quarzſand 2,653 2,044 2,494 0,0 0,17 0,19 1000 0 Kalkſand 2,722 12,085 2,605 0,0 0,19 0,20 1000 0 Thon mit 458 ee 2,601 1,799 2,386 57,3 0,35 0,40 | 940 60 on mit 248 N Thom 2,581 [1,621 2,194 68,8 0,48 0,52 | 911 89 on mit 108 g 1 Sand 1 2,560 1,423 2,156 83,3 0,78 0,86 866 114 einer Thon E 2,533 1,376 2,126 100,0 1,22 1,32 817 183 Feiner kohlen⸗ i de Kalk 2,468 1,006 1,758 5,0 0,65 0,71 | 950 50 epulvertet Gyps 2,331 1,676 2,350 773 0,49 0,53 1000 0 re 1,370 10,632 1,428 8,7 0,40 0,42 | 800 200 iefriger Mergel 2,613 2,048 2,600 23,0 0,22 0,25 965 95 Gartenerde 2,332 1,449 1,744 7,6 0,29 0,34 | 851 149 Ackererde 2,401 [1,537 2,810 33,0 0,26 0,28 880 120 nach feinen phyſikaliſchen Eigenschaften. 159 über die phyſikaliſchen Eigenſchaften der Erden geführt haben. e Waſſerzurückhaltende a » Br Baflerdampfabforp: | "mern | Wärmehal- Waſſeraufnahme | 3 88 tionsfähigkeit. bei natürlich tende ft, ähigkeit 2 5 Gleiche Gewichtstheile gefärbter die des Kalkſan⸗ Gewichts. Bolum: | 3 8 2 32 2 Erde abſorbiren Oberfläche des = 100 ge · Prozente. S 5 E 82 & & in Stunden R jet. sa: | 822 a n „ n 5 |® 25 49,9 88,4 | 4 St. 4 M.] 0,0] 0,0| 0,0| 0,0 37,2 44,7 95,6 29 58,2 75,9 4 „44 „ 1,0 1,5] 1,50 1,537, 444,5 100,0 40 68,2 52,0 | 6 „55 „ 10,513,014, 14,006, 7 44,1 76,9 50 73,00 45,7 7 „ 52 „ 12,515, 17,0 17,5 37,2 44,5 71,8 61 81,7 34,9 10 „19 „ 15,018,0 20,020,537, 4 44,6 68,4 70 87,5 31,9 11 „ 17 „18,521,024, 24,5 37,5 44,7 66,7 85 80,8 28,0 12 „51 „[13,015,5|17,5117,5|35,6143,6| 61,3 27 50,1 71,75 „ 1, 0,5 0,5] 0,5 0,536,2 43,6 73,8 190 93,5 20,5 17 „ 33 „ 40,0/48,5 55,0 60,039,747, 49,0 34 66,0 68,0 | 5 „ 53, 12,014,515, 15,8 038,7 46,2] 98,1 89 82,1 24,3 14 „ 49 „ 17,522,525, 26,0 37,5 45,2 64,8 52 7 4,5 32,0 11 „ 15 „| 8,011,5/11,5/11,5 36,9442] 70,1 Drittes Bud. Die Beſtandtheile der Atmoſphäre. 1. Begriff von Atmoſphäre. Die gasförmige Hülle, welche den feſten Erdkörper umkleidet, nennt man Atmoſphäre (von ’eruos-Dunft und ayalga- Kugel), gemeinhin Luft. Sie beſteht aus Gaſen (welche weder durch Druck, noch durch Abkühlung zu Flüſſigkeiten ſich verdichten laſſen), aus Dämpfen und aus kleinen Par⸗ tikelchen feſter Körper — dem ſogenannten Luftſtaub. Die weſentlichen Beſtandtheile der Luft bilden die beben Gaſe Sauer⸗ ſtoff und Stickſtoff. Außer dieſen und dem Luftſtaub enthält die Luft zu allen Zeiten und an allen Orten Kohlenſäure, Ammoniak und Waſſerdampf, ſeltener und nur in ſehr geringen Mengen Kohlenwaſſerſtoff und freies Waſ⸗ ſerſtoffgas. 2. Quantitatives Verhältniß von Sauerſtoff und Stickſtoff. Die Menge des Sauerſtoffs und Stickſtoffs in der Luft kann ſowohl dem Raum (Volumen), als auch dem Gewicht nach beſtimmt wer den. Es fanden Sauſſure. Brunner Sauerſtoff 21,05 19980 Volumtheile Stickſtoff 78,95 78,93 1 100,00 100,00 1 Dumas und Bouffingault. Sauerſtoff 23,07 5 Gewichtetheile. Stickſtof! 76,93 * 100,00 Rundet man die obigen Zahlen auf ganze Stellen ab, fo ergibt fich die Zuſammenſetzung der Luft, wie folgt: Beſtandtheile der Atmofphäre. 161 5 In Raumtheilen in Gewichtstheilen Sauerſtoff 2¹ 23 Stickſtoff 79 77 100 100 Die Zuſammenſetzung der Luft ſcheint, was ihren Sauerſtoff⸗ und Stick⸗ ſtoffgehalt anlangt, allerwärts über dem feſten Lande die nämliche zu ſein. Gay Luſſac fand die von feiner Luftreiſe aus einer Höhe von 21000 Par. Fußen mitgebrachte Luft gerade ſo beſchaffen, wie die Luft von Paris. Ebenſo kam Brunner zu dem Reſultate, daß die Luft auf dem Faulhorn in 8000 Fuß Meereshöhe gerade ſo zuſammengeſetzt ſei, wie diejenige der Ebene. Die Luft auf dem Antiſana (in 16600 Par. F.) und auf dem Mont Cenis iſt nach A. v. Humboldt in ihrer Zuſammenſetzung nicht anders beſchaffen, als die Luft in Paris. Zu den nämlichen Ergebniſſen kam Bouſſingault, als er die Luft zu St. FE de Bogota (in 2643 Metern) und zu Ibagué (1333 Meter Meereshöhe) analyſirte; für Bogota fand er 20,65 % und für Ibagué 20,7 % Sauerſtoff. Die Abweichung dieſer Zahlen von den vorhin angegebenen liegt in der Grenze der unvermeidlichen Fehler. Selbſt in mit Menſchen erfüllten Räumen, wo ſtändig Sauerſtoffgas durch das Athmen verbraucht wird, wie in Theatern, Hörſälen, Hoſpitä⸗ lern u. ſ. w. ſoll nach Gay⸗Luſſae, v. Humboldt und Davy die Luft nicht merklich verſchieden ſein von derjenigen, welche ſich außerhalb im Freien be⸗ findet. Dieſe Uebereinſtimmung beruht auf dem raſchen Wechſel der Luft welcher durch die Ritzen der Fenſter, Thüren u. ſ. w. erfolgt. Vereinzelt ſteht die Angabe von Leblane da, welcher in der Luft eines Hörſals für Chemie nach dem Schluſſe der Vorleſung nur 21,96 Gewichtsprozente Sauerſtoff ge⸗ funden haben will. Die in Waſſer gelöfte Luft enthält 32 / Sauerſtoff und 68 % Stickſtoff; ſie iſt reicher an Sauerſtoff, als die atmoſphäriſche Luft. Das Waſſer löſt alſo verhältnißmäßig mehr Sauerſtoff, als Stickſtoff, auf. Hum⸗ boldt und Gay⸗Luſſac fanden 5 in deſtillirtem Waſſer 32,9 9 Sauerſtoffgas im Seine⸗Waſſer 319 8 1 „Regenwaſſer 31,0 8 1 Der Schnee enthält in feinen Poren, zwiſchen den Kryſtallen, Luft. Läßt man den Schnee in einem luftleeren Gefäße ſchmelzen, fo ſammelt ſich die Luft über dem Schneewaſſer an. Sauſſure, Sennebier und Bouſſingault unterſuchten die Luft im Schnee von den Alpen, dem Chimborazo und im Schnee von Paris, ſie fanden nur 16—19 % Sauerſtoff, was nicht auf⸗ fallen kann, wenn man bedenkt, daß das Waſſer, welches durch Schmelzen des Schnees entſteht, mehr Sauerſtoff, als Stickſtoff löſt. Eben dieſer Um⸗ ſtand erklärt auch, warum die Luft dicht über dem Meere weniger Sauerſtoff beyer, Bodenkunde. 11 162 Beſtandtheile der Atmoſphär. enthält; es fand Lewy bei 570567 nördl. Breite und 8022“ öſtlicher Länge von Paris nur 22,57 I Sauerſtoff, dagegen die Luft in Kopenhagen gerade jo zuſammengeſetzt, wie die Luft zu Paris. Der Regen ſcheint übrigens der Luft keine beträchtliche Menge Sauerſtoff zu entziehen, wenigſtens fanden Dumas und Bouſſingault die Zuſammenſetzung der Luft nach anhaltendem Regen ganz normal. Auch die Luft über Sümpfen ſoll nicht weniger Sauerſtoff enthalten, als diejenige auf den Bergen. Die Vergleichung der älteren Luftanalyfen von Thanérd und v. Hum⸗ boldt mit den neuern von Dumas und Bouſſingault hat ergeben, daß das relative Verhältniß von Sauerſtoff und Stickſtoff in der Atmosphäre ſeit vierzig Jahren ſich nicht geändert hat. Der Sauerſtoff dient den Menſchen und Thieren zum Athmen; er wird außerdem von abgeſtorbenen Organismen verbraucht, wenn dieſe faulen oder verweſen. Den Verluſt, welchen die Luft hierdurch erleidet, gleicht aber wieder der Vegetationsprozeß aus; die Pflanzen nehmen, wie wir ſpäter ſehen wer⸗ den, die beim Athmen, bei der Fäulniß und Verweſung gebildete Kohlenſäure auf, halten deren Kohlenſtoff zurück und geben den reinen Sauerſtoff wieder aus. Aber wenn ſelbſt ein Erſatz des Sauerſtoffs durch die Vegetation nicht ſtattfände, ſo würde doch, unter der Vorausſetzung, daß ein Menſch täglich ein Kilogramm Sauerſtoff zum Athmen verbraucht, und daß die zum Fäulniß⸗ und Verweſungsprozeß verwendete Sauerſtoffmenge das dreifache der von 1000 Millionen auf der Erde lebenden Menſchen betrüge, nach Ablauf eines Jahr⸗ Mine ee e 7 1 5 Sauerſtoff verloren habe, wie Dumas mit Schärfe nachgewieſen hat. 3. Die Luft iſt keine chemiſche Verbindung von Sanerſtoff und Stickſtoff. Für dieſen Satz gibt es folgende Beweiſe: a. Das Verhältniß des Sauerſtoffs und Stickſtoffs in der Luft entſpricht nicht den chemiſchen Aequivalentenzahlen. Denn in dieſem Falle müßten auf 23 Gewichtstheile Sauerſtoff nicht 77, ſondern 40,48 Ge⸗ wichtstheile Stickſtoff kommen. b. Stellt man künſtlich ein Gemenge von Sauerſtoff und Stickſtoff nach den nämlichen Verhältniſſen her, wie dieſe beiden Gaſe in der Luft ent⸗ halten ſind, ſo erfolgt keine Volumsverminderung, welche man doch ſtets wahrnimmt, wenn zwei Gaſe in einem andern Volumverhältniſſe als von 1: 1 ſich verbinden. So bilden z. B. 2 Raumtheile Waſſerſtoffgas und: 1 Raumtheil Sauerſtoffgas 2 Raumtheile Waſſerdampf; 1 Raumtheil Stickſtoffgas und 2 Theile Waſſerſtoffgas geben 2 Raumtheile Ammoniakgas. Beſtandtheile der Atmoſphäre. 163 e. Dieſes Gemenge zeigt die nämlichen phyſikaliſchen und Hemiichen gg ſchaften, wie die ächte atmoſphäriſche Luft. 4. Kohlenſäure. Sie beſteht aus Kohlenſtoff und Sauerſtoff, deren relatives Verhältniß durch die Formel CO, ausgedrückt iſt. Ihrer prozentiſchen Zuſammenſetzung nach enthält die Kohlenſäure: ö 1 111 Kohlenſtoff 27,27 Sauerſtoff 72,73 100,00 Wenn Sauerftoff mit Kohlenſtoff zu Kohlenſäure ſich verbindet, ſo nimmt letztere keinen größern Raum ein, als das Sauerſtoffgas, aus welchem ſie entſtanden iſt. Die Kohlenſäure iſt bei gewöhnlichem Luftdruck ein Gas. Ihr ſpeei⸗ fiſches Gewicht beträgt 1,52, wenn dasjenige der Luft — 1,00, das des Sauerſtoffs = 1,1057, das des Stickſtoffes = 0,972 iſt. Bei einem Druck von 36 Atmoſphären läßt ſich die Kohlenſäure zu einer Flüſſigkeit verdichten, welche an der Luft raſch verdunſtet, wobei eine ſchneeartige Maſſe ſich bildet. Die Kohlenſäure löſt ſich in Waſſer auf. Dieſes nimmt ſtets das gleiche Volumen von ihr auf, einerlei, ob dieſelbe in dichtem oder dünnem Zuſtand ſich befindet. Verdichtet man die Kohlenſäure durch Druck (ohne ſie in den flüſſigen Zuſtand zu bringen) und löst ſie dann in Waſſer, ſo enthält dies alſo um ſo mehr davon, je ſtärker der angewendete Druck war. Vollkommen flüſſige Kohlenſäure löſt fich aber nicht in Waſſer auf, ſondern lagert ſich über demſelben, auch nach vorherigem Schütteln ab. Nach Couerbe ſoll das Waſſer ſchon bei 7 Atmoſphären Druck nicht mehr das fieben-, ſondern nur das fünffache Volum Kohlenſäure aufnehmen und überhaupt bei noch höherem Druck die abſorbirte Menge Säure immer kleiner ausfallen. Die Kohlenſäure verbindet ſich mit vielen Baſen zu Salzen, von denen die doppeltſauren durch ihre größere Löslichkeit ausgezeichnet ſind. In der Luft verbreitet ſich die Kohlenſäure nach dem Geſetz der Diffuſion der Gaſe nach allen Richtungen hin; obgleich ſie ſelbſt ſchwerer, als die Luft iſt, ſo dringt ſie doch aufwärts bis zu den beträchtlichſten Höhen. Der Kohlenſäuregehalt der Luft iſt übrigens vielfachen und fortwährenden Schwankungen unterworfen. Abends iſt mehr Kohlenſäure in der Luft enthalten, als am Mittage, was daher rühren mag, weil mit dem Verſchwinden des hel⸗ len Tageslichtes die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die Pflanzen aufhört und die durch die Wurzeln der Gewächſe aufgenommene unverändert durch 11 * 164 Beſtandtheile der Atmoſphäre. die Blätter ausgeſchieden wird. Sauſſure fand den Kohlenſtursgehet der Luft in Volumprozenten: Am 22. Mai Mittags 0,0581 Abends 0,0623 „ T. Juli „ 0,580 „ 00620 „ 3. Septbr. „ 00561 „ 0,0601 „ 6. Novbr. „ 0,0430 „ 00486 im Durchſchnitt wie 21: 23. Im Sommer enthält die Luft rr Kohlenſäure, als im Winter, wahrſcheinlich deshalb, weil im Sommer der Verweſungsprozeß durch die höhere Temperatur beſchleunigt wird. Sauſſure fand im Januar 1809 0,0457 im Juli 1811 0,0647 ff „ie la DATID „ „ 1812 0,0425 „Auguſt 1810 0,0779 „November 1810 0,0425 b 1 Im Durchſchnitt Sommer zu Winter S 7: 6. * Ueber dem Meere beſitzt die Luft viel weniger Kohlen. ſäure, als über dem Lande, weil fie vom Waſſer abſorbirt wird. In der Luft über der Oſtſee konnte man nur Spuren von Kohlenſäure auffinden. Ueber dem atlantiſchen Ocean fald Lewy die Luft bei Tage reicher an Kohlen⸗ ſäure, als des Nachts. Dieſer Unterſchied beruht wahrſcheinlich darauf, weil die im Meerwaſſer gelöſte Luft mehr Kohlenſäure (12 — 19 Theile in 10,000 Volumtheilen Luft) enthält und weil bei Tage durch die Sonnenwärme etwas von dieſer Luft entbunden wird. Die Luft auf den Bergen enthält Kohlenſäure. Dies beſtätigen die Unterſuchungen, welche Sauſſure mit Luft angeſtellt hat, die er auf dem Montblane ſammelte. Auch in der von Gay⸗Luſſae bei ſeiner Luftreiſe aus einer Höhe von 21000 Par. Fußen mitgebrachten Luft ließ ſich dieſelbe nachweiſen. Nach mehreren Verſuchen Sauſſure's ſcheint ſogar die Luft auf Bergen etwas mehr Kohlenſäure zu enthalten, als die Luft in der Ebene. Er fand in Volumprozenten auf dem Col de Faueille 0,0443 0,0454 0,0369 0,0360 0,0422 0,0395 (963 Meter über dem Genfer See.) b zu Chambeisy 0,0414 0,0415 0,0387 0,0322 0,0355 0,0315 Die Sauffure'fhen Erfahrungen find in neuerer Zeit durch Lewy und Schlagintweit beſtätigt worden. Erſterer fand zu St. Maria (Neugranada) im Meeresniveau 0,0 4616 Volumproz. Kohlenſ. zu Monſerrate in 3193 Meter Höhe. . 005215 4 u zu Bogota „ 2645 „ „ Me ele rd 0,0 * Schlagintweit fand in den Alpen auf freien Erhebungen zwiſchen 9700 und 13000 Bar. F. im Minimum 0,0594, im Maximum 0,095 Volumprozente. Beſtandtheile der Atmofphäre. 165 Die Luft in Höhen von 4218, 5086 und 5925 Par. F. in Wallis und Pie⸗ mont enthielt reſp. 0,0497, 0,0480, 0,0475 Volumprozente Kohlenſäure. Nach längerem Regen ift die Luft ärmer an Kohlenſäure, als bei trockenem Wetter, weil das Regenwaſſer die Kohlenſäure auf- löſt. Nach ſtarkem Thau ſoll dagegen die relative Menge derſelben in der Atmoſphäre ſteigen. Auch bei ſtarkem Wind hat man eine Vermehrung des Kohlenſäuregehaltes der Luft bemerkt. Aus vielen Unterſuchungen Lewy's ergibt ſich der mittlere Kohlenſäure⸗ gehalt der Luft in Frankreich bei heiterm Wetter zu 0,05144, nach Regen zu 0, 03586 Volumprozenten. Die Luft in den Zwiſchene zu men des Bodens iſt reich an Kohlenſäure. 0 Cen und Lewy verſenkten eine Brauſe in den Boden von Acker⸗ land Centimeter tief; die Luft wurde mittelſt eines langſam wirken⸗ den Aſpirators aufgeſogen. Sie fanden in derſelben 22 bis 23 mal ſo viel Kohlenſäure, als in der Luft über dem Boden, ja ſogar bei friſch gedüngtem Lande 245mal ſo viel. 5 Nimmt man das Mittel aus allen Tages- und Jahreszeiten, ſo findet man, daß in 10000 Theilen Luft 5 Volumtheile und 8 Gewichtstheile Kohlenſäure enthalten find, was 0,05 Volum- und 0,08 Gewichtsprozente ausmacht. Quellen der Kohlenſäure. Man muß annehmen, daß ſchon zur Zeit der Grauwackengruppe eine gewiſſe Quantität Kohlenſäure der Atmoſphäre eigenthümlich war, denn damals gab es ſchon Pflanzen, und dieſe bedurften der Kohlenſäure zu ihrer Ernährung. Indeſſen hätte der Kohlenſäuregehalt aus der Atmoſphäre endlich verſchwinden müſſen, wenn nicht eine Quelle des Erſatzes dageweſen wäre. Eine ſolche liefert vornehmlich der Verweſungspro— zeß. Wir haben früher geſehen, daß der Kohlenſtoff abgeſtorbener Vegetabi⸗ lien in Kohlenſäure ſich verwandelt. Auch durch die Verbrennung des Holzes, des Torfes und der Steinkoh— len wird eine große Menge Kohlenſäure der Luft zugeführt. An vielen Orten ſtrömt kohlenſaures Gas aus Erdſpalten, z. B. in der Eifel. Wahrſcheinlich entwickelt ſich daſſelbe tief im Erdinnern, indem kohlen⸗ ſaurer Kalk in der Glühhitze mit Kieſelſäure in Berührung kommt. Letztere verbindet ſich mit der Kalkerde und treibt die Kohlenſäure aus. Nach Tromms⸗ dorff exhalirt allein die Kaiſer⸗Franzensbadquelle bei Eger jährlich 10512 Ku⸗ bikmeter Kohlenſäure. Die Quelle bei Nauheim in der Wetterau entwickelt täglich 3160 Kubikmeter Kohlenſäure. 166 Beſtandtheile der Atmoſphäre. 5 Ammoniak. Dieſes iſt eine Verbindung von Stickſtoff mit Bafferftoff, Seine got⸗ mel iſt NII3z. Es kommt in der Natur faſt immer in Verbindung mit Säu⸗ ren, vornehmlich mit Kohlenſäure — in letzterem Falle als anderthalb kohlen⸗ ſaures Ammoniak = 3 CO; + 2 NH, + 2 OH vor. Nach Gewittern fin⸗ det ſich auch ſalpeterſaures Ammoniak S NO, + NH, + OH in der Luft. Es erzeugt ſich nämlich, wenn die Funken des Blitzes durch die feuchte At⸗ moſphäre ſchlagen, Salpeterſäure, welche ſich mit dem Ammoniak verbindet. Schwefelſaures Ammoniak entſteht, wenn kohlenſaures Ammoniak mit ſchwe⸗ felſauren Salzen, z. B. mit Gyps, in Berührung kommt. Die beiden Baſen tauſchen dann ihre Säuren um. SO, + cao >< CO, + NH; Das Ammoniak bildet ſich, wenn ſtickſtoffhaltige Substanzen (vorzüglich Animalien) bei Abweſenheit ſtarker Baſen verweſen. Sind dagegen letztere, z. B. Kali, Natron, Kalk, Bittererde zugegen, ſo geht das Ammoniak in Sal⸗ peterſäure über, welche ſich mit den Baſen verbindet. Einige Körper, wie Thon, Mergel, Humus, ſind ausgezeichnet befähigt, Ammoniak an ihrer Oberfläche zu verdichten. Die Quantität des in der Atmoſphäre befindlichen Ammoniaks ift ſehr gering; nach Gräger ſoll in 100000 Theilen Luft 1 Theil Ammoniak ent⸗ halten ſein. Regen⸗ und Schneewaſſer zeigt immer Spuren von Ammoniak. Das nach vorhergegangener Trockenheit zuerſt fallende Regenwaſſer iſt reicher an Ammoniak, als das ſpäter nachfolgende. Nach einigen Regengüſſen iſt die Luft von Ammoniak faſt gereinigt; das folgende muß erſt wieder durch den Fäulnißprozeß geſchaffen werden. Setzt man Schwefelſäure in einem weiten Gefäße der Luft aus, ſo sig fie ſich bald ammoniakhaltig. 6. Waſſerdampf. Von dieſem werden wir ſpäter, bei der Betrachtung der Hydrometeore, ausführlich handeln. Vorerſt wollen wir nur das bemerken, daß die Luft zu allen Zeiten und an allen Orten Waſſerdampf enthält. Seine Quantität wechſelt aber mit Tages- und Jahreszeit und iſt auch nach der geographi⸗ ſchen Länge und Breite verſchieden. 7. Salpeterſäure. Sie findet ſich vorzüglich nur nach Gewittern in der Atmoſphäre; bei dieſen erzeugt ſie ſich, wie früher ſchon angegeben wurde, dann, wenn der Blitz durch die mit Waſſerdampf angefüllte Atmoſphäre ſchlägt. u * Beſtandtheile der Atmoſphäre. 167 Die Quantität der Salpeterſäure in der Luft iſt immer unbedeutend und kann nur im Regenwaſſer nachgewieſen werden. Liebig fand unter 77 Regen⸗ waſſern, die in der Nähe von Gießen aufgefangen wurden, nur 19 ſalpeter⸗ ſäurehaltig, davon rührten 17 von Gewitterregen her. In den durch häufige und ſtarke Gewitter ausgezeichneten Aequinoctialgegenden ſoll, nach Bouſſin⸗ gault, die Luft reicher an freier Salpeterſäure ſein. hi: 8. Luftſtaub. (Aerolithen.) In der Atmoſphäre ſchweben zu jeder Zeit und an allen Orten, in der Ebene und auf den Gipfeln der Berge kleine, nur bei ſtarker Beleuchtung ſichtbare feſte Partikelchen, welche nichts anders, als losgeriſſene Theile von organiſchen und unorganiſchen Körpern ſind, die durch ihre geringe Schwere ſich ſchwebend erhalten können. Dieſer Luftſtaub rührt zum größten Theil von der Verbrennung des Holzes, der Steinkohlen, vornehmlich aber des Tor⸗ fes her. Durch den Luftzug, auf Koſten deſſen die Verbrennung ſtattfindet, wird ache, Kohle u. ſ. w. mechaniſch in die Atmoſphäre entführt. In der Nähe von thätigen Vulkanen werden oft große Quantitäten von Aſche in der Luft wahrgenommen, die bei ſtarkem Wind mitunter ſehr weit transportirt werden. So trieb die Aſche des Vulkans Coſiguina in Nicaragua im Jahr 1835 bis nach Jamaika. Die Aſchenauswürfe feuerſpeiender Berge find manch⸗ mal ſo bedeutend, daß durch dieſelben die Luft verfinſtert wird. Dieſe Aſche trägt mitunter zur Bodengeſtaltung ſehr weſentlich bei. | Neben dem eigentlichen Luftſtaub kommen in der Atmoſphäre lebende, organiſirte Weſen — die Infuſorien — vor, welche ſich auf dieſem Wege von einem Ort zum andern verbreiten. Daß fortwährend organiſche Stoffe in der Luft vorhanden ſind, läßt ſich dadurch nachweiſen, daß man ſalpeterſaures Silberoxyd derſelben ausſetzt. Dieſes nimmt nach kurzer Zeit eine violette Färbung an. Doch iſt es ſehr unwahrſcheinlich, daß es eine conftante organiſche Verbindung ſei, welche dieſe Reaction hervorbringt und von Zimmermann Pyrrhin genannt wor⸗ den iſt. Der nachtheilige Einfluß der Sümpfe und Moräſte auf die Geſundheit des Menſchen rührt gewiß weniger von der Gegenwart organiſcher Stoffe in der Luft über dieſen Localitäten her, iſt vielmehr der Verdunſtungskälte, die überall an ſtehenden Gewäſſern auftritt und der großen Menge Kohlen⸗ ſäure zuzuſchreiben, die ſich durch Verweſen der an ſolchen Orten reichlich vorhandenen organiſchen Körper erzeugt und bei mangelndem Luftzug ſich anhäuft. Sehr viel Rauch wird in die Luft gebracht durch das in vielen Gegen⸗ den Deutſchlands, vorzüglich aber in Weſtphalen, Oſt⸗ und Weſtpreußen und in Holland übliche Brennen der Torfmoore. Sicherlich iſt dieſes die Veran⸗ laſſung des ſogenannten Höh enrauchs, auch Haarrauch, Heerrauch, trockner 168 Ä Beſtandtheile der Ntmofphäre. 1 * Nebel u. ſ. w. genannt. Jedermann kennt dieſe Erſcheinung. Sie tritt ge⸗ wöhnlich im Vorſommer ein. Bei heiterem Wetter und wolkenloſem Himmel trübt ſich die Ausſicht auf die am Rande des Horizonts liegenden Berge; ſie ſehen aus, wie von einem graugelben Flor umzogen. Die Sonne ſcheint matt, ihr Licht ſpielt ins Röthliche. Lange Zeit wurden für die Entſtehung des Höhenrauchs fernliegende Urſachen geſucht. Man ſchrieb denſelben bald der Electricität, bald mineraliſchen Ausdünſtungen des Bodens zu. Neuere unbefangene Beobachtungen haben aber außer allen Zweifel geſetzt, daß er nur durch das Moorbrennen veranlaßt werde. Um den Torfboden zur Kul⸗ tur vorzubereiten, ſchält man ihn mit Hacken ab, trocknet die Schollen, ſetzt fie auf Haufen und zündet ſie an, wobei man ein Brennen derſelben mit lichter Flamme zu vermeiden ſucht. Es entwickelt ſich daher und beſonders dann, wenn die Schollen noch nicht völlig trocken ſind, ein ſehr ſtarker Rauch, der durch den Wind fortgeführt wird. Das Moorbrennen iſt, ebenſo wie das Ueberlandbrennen und Schmoren der Hackwaldungen, ſchon ſeit ſehr langer Zeit üblich; in den Hackwaldungen des Odenwaldes kannte ma ſchon vor 800 Jahren, wie ſich durch Urkunden nachweiſen läßt. Gewöhnlich tritt der Höhenrauch im mittlern und ſüdlichen Deutſchland bei Nordwind ein; ehe dieſer zu wehen angefangen hat, zündet man in den Moorgegenden die Schol⸗ len nicht gern an, weil ſie erſt durch den Nordwind gehörig getrocknet werden. In ſehr dürren Jahren zeigt ſich die Erſcheinung des Höhenrauchs mit beſon⸗ derer Stärke, weil dann das Moorbrennen vorzugsweiſe leicht von Statten geht, auch Waldungen, Haiden u. ſ. w. in Brand gerathen. ö Großes Aufſehen machte der Höhenrauch im Jahre 1783. Kämtz ſchildert denſelben nach den Angaben von Brandes folgendermaßen: „Die⸗ ſer Höhenrauch erfüllte an manchen Orten die ganze Atmoſphäre ſo, daß man Gegenſtände, welche nur 4 Meile entfernt waren, an manchen Tagen entweder gar nicht, oder wenigſtens nur blau und nebelig ſah. Die Sonne erſchien durch ihn roth und glanzlos, fo daß man fie ſelbſt um Mittag an⸗ ſehen konnte; gegen die Zeit des Auf- und Unterganges verbarg ſie ſich ganz im Nebel. Am früheſten, nämlich am 29. Mai, wurde er in Kopen⸗ hagen beobachtet, wo eine Reihe von heitern warmen Tagen vorausgegan⸗ gen war. Hier trat er alſo nach heiterm Wetter ein, während er an den meiſten Orten nach einem Gewitter kam, an einigen Orten nach einem kal⸗ ten Winde und in England bei anhaltend regnigem Wetter. In Rochelle wurde er am 6. und 7., in Dijon am 14. Julius beobachtet, nachher aber war die Luft am erſten Orte wieder frei von Nebel bis zum 18. Um die Mitte des Junius iſt die eigentliche Zeit, wo er ſich faſt allenthalben auf einmal zeigte, indem er zwiſchen den 16. und 18. Junius in den meiſten Gegenden von Deutſchland, Frankreich und Italien beobachtet wurde, am 19. Junius wurde er in Franecker und den Niederlanden geſehen, am 22. in Spydberg in Norwegen, am 23. auf dem St. Gotthard und in Ofen, Beſtandtheile der Atmoſphäre. 169 am 24. in Stockholm, am 25. in Moskau, gegen Ende des Junius in Syrien und am 1. Julius am Altai. Der Nebel erſtreckte ſich alſo über ganz Europa bis nach Afrika, Syrien und in's Innere von Sibirien. Nach Toaldo und Lamanon bedeckte er das Adriatiſche Meer und einen Theil des Atlantiſchen Oceans, jedoch letztern nicht über 50 Meilen weit vom Lande. Dagegen erzählt van Swinden, daß ein von Norwegen nach Holland fahrender Schiffer, der am 19. Junius dort abreiſte und am 2. Julius hier ankam, ſich vom 25. bis 30. Junius vom dickſten Nebel um⸗ geben fand. In England war er eben ſo dick, als auf dem Continente. Der Nebel erſtreckte ſich an mehreren Tagen bis über die Alpen, denn auf dem Gotthard, dem Saleve, auf dem 6200 Fuß hohen Ventoux und auf den Alpen der Dauphine in 10000 Fuß Höhe hat man ihn beobachtet; doch hat man zu andern Zeiten die Spitzen der Alpen darüber hervorragen * ſehen, während ihr Fuß verdeckt war. In einigen Gegenden ſcheint er nicht ſo hoch geſtiegen zu ſein, denn Marcorelle ſagt, bei Narbonne habe er nicht die Höhe von 400 Toiſen erreicht, habe daher mit der Gegend, wo Gewitter entſtehen, in keiner Verbindung geſtanden, und dieſem Um⸗ ſtande müſſe man es zuſchreiben, daß die dortige Gegend fo wenig Gewit— ter hatte. Dagegen fand Toaldo in Padua, daß er nicht bis zur Erde her- abging, ſondern aus den höhern Theilen der Atmoſphäre zu kommen ſchien und ſo ſcheint er ſich auch in Rom gezeigt zu haben. — Weder Wärme, noch Regen vertrieben den trockenen Nebel, ſelbſt als es am 20. Junius in Franecker ſo heftig regnete, daß es in einer halben Stunde 20 Linien hoch Waſſer fiel, dauerte er fort; doch glaubte man allemal einige Ab⸗ nahme des Nebels nach Gewittern zu bemerken. Die Winde waren meiſt nördlich, aber an vielen Orten herrſchte faſt in der ganzen Zeit Windſtille.“ 9. Kohlenwaſſerſtoff, Waſſerſtoffgas. Wenn organiſche Subſtanzen unter Waſſer bei theilweiſe gehindertem Luftzutritt verweſen, jo erzeugt ſich leichtes Kohlenwaſſerſtoffgas — CH,, auch Sumpfluft genannt. Dieſes, ſo wie das ſchwere Kohlenwaſſerſtoffgas oder das ölbildende Gas — CH entweichen auch bei unvollſtändiger Verbrennung der Heiz⸗ und Leuchtſtoffe. Bouſſingault will den Kohlrnwaſſerſtoff in der Luft, wenn auch in ſehr geringer Menge, gefunden haben. Waſſerſtoffgas wird von einigen Vulkanen Amerika's in nicht unbeträchtlicher Quantität aus: geſtoßen. Aber ſchon in einiger Entfernung von dieſen Vulkanen kann man es nicht mehr in der Luft nachweiſen. Durch den Blitz wird es eben ſo we— nig, wie das Kohlenwaſſerſtoffgas verbrannt, weil die große Menge des dane— ben befindlichen Sauerſtoff⸗ und Stickgaſes dem entzündeten brennbaren Gaſe ſogleich Wärme entziehen und deſſen Temperatur ſo weit erniedrigen würde, daß die Verbrennung ſtocken müßte. 170 Beſtandtheile der Atmoſphäre. 10. Endiometrie. Unter dieſer verſteht man die Unterſuchung der Luft auf ihre Beſtand⸗ theile. a. Um den Sauerſtoffgehalt zu ermitteln, gibt es folgende Verfahren: a. Volta's Eudiometer (Fig. 71.) beſteht aus einer graduirten Röhre; Fig. 71. die in ihr enthaltene Luft, welche auf ihren Sauerſtoff⸗ gehalt zu unterſuchen iſt, hat man durch Queckſil⸗ A ber geſperrt. Zu dem anfänglich vorhandenen Luft quantum AB läßt man etwa halb fo viel Raumtheile, alſo ar ; : —, Waſſerſtoffgas eintreten, jo daß jetzt das — 2 ii Queckſilber bis C reicht. Am obern Theil der Röhre B find zwei Platindrähte eingeſchmolzen, um einen elec- triſchen Funken in das Gemenge von Waſſerſtoffgas und Luft hineinſchlagen zu laſſen. Dadurch wird der Waſſerſtoff entzündet, er verbrennt mit dem Sauer⸗ ſtoff zu Waſſerdampf, welcher an den abgekühlten Wänden der Röhre ſich abſetzt. Man muß darauf Acht haben, daß das richtige Verhältniß vom Waſſerſtoff zum Sauerſtoff getroffen werde. Hat man zu wenig Wafferftoff hinzugege⸗ ben, ſo wird nicht ſämmtlicher Sauerſtoff verbrannt; eine zu große Menge von Waſſerſtoff hindert aber die Verbrennung, weil durch den überſchüſſig zugeſetz⸗ ten Waſſerſtoff Wärme abſorbirt und dadurch das der Verbrennung fähige Gasgemenge unter die Anzündungstemperatur abgekühlt wird. Wie vorhin, ſo wird auch bei dem gegenwärtigen Verſuch die Flüſſigkeit durch den Druck der äußern Luft gehoben; das Queckſilber fteige bis D, jo gibt der Raum CD das Volum des verſchwundenen Sauerſtoff- und Waſſerſtoffgaſes an. Da dieſe ſich nun bekanntlich im Verhältniß von 1: 2 verbinden, jo iſt klar, daß 1 des Raums CD von Sauerſtoffgas erfüllt geweſen fein muß; 4 CD ift alſo auch die Menge Sauerſtoffgas, welche in der zu unterſuchenden Luft enthalten wat Da durch den electriſchen Funken die Röhren nicht ſelten zerſprengt wer⸗ den, ſo hat man folgende Methode angewandt, welche dieſen Uebelſtand beſei⸗ tigt. Man läßt ein aus Pfeifenthon und Platinſchwamm geknetetes Kügel⸗ chen in die Röhre ſteigen, nachdem dieſelbe mit Luft gefüllt und Waſſerſtoff zugegeben iſt. Der Platinſchwamm iſt nichts anderes, als fein zertheiltes Pla⸗ tin; dieſes beſitzt die Eigenſchaft, Sauerſtoff an ſeiner Oberfläche zu verdichten, ſo daß letzterer gleichſam flüſſig wird. In dieſem Zuſtand mangelt ihm die Repulſivkraft und er verbindet ſich nun bei gewöhnlicher Temperatur mit dem Waſſerſtoff zu Waſſer. 8. Sauſſure bediente ſich zu feinen eudiometriſchen Unterſuchungen eines 2 Beſtandtheile der Atmoſphäre. 171 mit einem Hahnen verſchloſſenen Glasballons; in dieſem befanden ſich mit Waſſer benetzte Bleiſchrote. Durch Schütteln wurden dieſe mit der Luft des Ballons in innige und wiederholte Berührung gebracht; ſie oxy⸗ dirten ſich. Nun öffnete Sauſſure den Hahnen unter Waſſer; die Menge Waſſers, welches an der Stelle des (zur Oxydation des Bleies verwende⸗ ten) Sauerſtoffs getreten war, gab ihm den Sauerſtoffgehalt der zu prü⸗ fenden Luft an. 7. Das Verfahren von Dumas und Bouſſingault beſteht darin, daß Fig. 72. man der Luft ihren Sauer⸗ | ſtoff mittelft glühenden 0 Kupfers entzieht. Letzte⸗ Is res befindet ſich in der Ausbauchung einer Glas⸗ röhre (Fig. 72.), welche mit einem luftleer gemachten N i Ballon A in Verbindung ſteht. Nachdem das Kupfer durch eine e e zum Glühen erhitzt iſt, öffnet man den Hahn b; nun ſtrömt die Luft über das Kupfer und gibt ſämmt⸗ lichen Sauerſtoff an daſſelbe ab; der Stickſtoff ſammelt ſich in dem Bal⸗ Ion A. Die Gewichtszunahme des Kupfers gibt die Menge des Sauer- ſtoffs an. Damit man aber wiſſe, welchem Quantum Luft dieſelbe ent⸗ ſpricht, läßt man letztere aus einem Gaſometer B von ee räum⸗ lichen Inhalt ausſtrömen. b. Den Stickſtoffgehalt geben die ſämmtlichen zur Beſtimmung des Sauerſtoffs angewendeten Verfahren ebenfalls an, wenn man die Luft vorher von ihren Nebenbeſtandtheilen gereinigt hat. Den Waſſerdampf nimmt man durch Chlorcalcium, die Kohlenſäure durch ätzendes Kali hin- weg. Der Apparat von Dumas und Bouſſingault geſtattet, den Stick⸗ ſtoff ſowohl zu wiegen, als zu meſſen. Zu letzterm muß aber der räum⸗ liche Inhalt des Ballons A (Fig. 72.) bekannt fein. c. Kohlenſäure. Zur Beſtimmung dieſes Gaſes kann der Apparat Fig. 72. benutzt werden, wenn man ihm noch eine ausgebauchte Glasröhre e beigibt. In a wird Aetzkalk und in e mit Schwefelſäure befeuchteter Asbeſt gebracht. Letzterer befreit die Luft von ihrem Waſſerdampfgehalt , während der Aetzkalk die Kohlenſäure bindet. Sobald der Hahn b ge- öffnet wird, dringt die Luft in die Röhre; fie verliert über e ihr Waf- ſer und über b ihre Kohlenſäure. Aus der Gewichtszunahme des Kal⸗ kes ergibt ſich der Kohlenſäuregehalt der Luft für ein Volumen gleich dem des Gefäßes A. d. Ammoniak. Seine Menge ift fo gering, daß es nur im Regenwaſ—⸗ ſer mit Sicherheit quantitativ nachgewieſen werden kann. Man dampft 172 Beſtandtheile der Atmofphäre. das Waſſer mit Salzſäure ab, es bildet ſich Salmiak, den man wägt. Aus ſeiner Menge läßt ſich die des Ammoniaks berechnen. Waſſerdampf. Die einfachern Verfahren zur Beſtimmung des Waſ⸗ ſerdampfgehaltes der Luft werden wir in dem Abſchnitt über die Hydro⸗ meteore kennen lernen. Auch der unter „ angegebene Apparat (Fig. 72.) kann zur Ermittelung des Waſſerdampfes dienen. Man hat den mit Schwefelſäure befeuchteten Asbeſt vor und nach dem Durchgang der Luft zu wiegen. | Salpeterſäure. Ihre quantitative Beftimmung iſt eben jo mißlich, wie diejenige des Ammoniaks und erfolgt am beften aus dem Regen⸗ waſſer. Kohlenwaſſerſtoffgas und Waſſerſtoffgas werden nachgewie⸗ ſen, indem man die Luft über erhitztes Eiſenoxyd ſtreichen läßt. Dieſes wird zu Metall reducirt. Viertes Buch. Licht. 1. Theoretiſche Anſicht über das Weſen des Lichtes. Der Eindruck, den leuchtende Körper auf unſer Auge machen, wird von den Phyſikern in verſchiedener Weiſe erklärt. Einige nehmen nach dem Vorgange Newtons an, das Licht ſei eine ſehr feine Materie, welche von dem leuchtenden Körper nach allen Richtungen ausfließe (Emanationshypo— theſe). Andere find der Anſicht, das Licht beſtehe nur in den Schwingungen | | einer ſolchen Materie, die durch den ganzen Weltraum verbreitet ſei. Sie nennen dieſelbe Aether. Der leuchtende Körper verſetze letztere in Schwing⸗ ungen, ähnlich denjenigen, welche ein tönender Körper in der Luft bewirkt; wenn dieſe Vibrationen in unſer Auge gelangten, verurſachten fie den Ein- druck des Sehens, (Vibrations-Hypotheſe, von Descartes und Snellius begründet und vorzüglich von Euler weiter ausgeführt). Die letztgenannte Erklärungsweiſe ſcheint die richtigere zu ſein. 2. Fortpflanzung des Lichtes. Das Licht pflanzt ſich von den leuchtenden Körpern nach allen Rich⸗ tungen hin in geraden Linien fort. Trifft es auf andere Körper, ſo wird es entweder reflectirt, oder, wenn es der Körper durch ſeine Maſſe hin paſſiren läßt, gebrochen, d. h. es ändert ſeine urſprüngliche Richtung. gig. 73. Die Beobachtung hat darge⸗ than, daß der Einfallswinkel h BOA, welchen der auf eine Fläche . f MN auffallende Lichtſtrahl BO ON (Fig. 73.) mit den Einfallsloth N A0 (d. h. der Senkrechten b auf MN) bildet, gleich dem Re⸗ s N flexionswinkel 400 iſt. Der 174 Licht. Lichtſtrahl BO wird alſo in der Richtung 00 weiter fortgepflanzt. Dies findet indeß in bemerklicher Weiſe nur bei glatten Flächen ſtatt. Rauhe Oberflächen können aus lauter kleinen glatten Flächenſtückchen zuſammengeſetzt angeſehen werden, von denen jedes das Licht für ſich refleetirt. Weil aber die Anzahl dieſer kleinen Flächen ſehr groß iſt, ſo erhält jede eine verhältnißmäßig nur geringe Menge von Licht. Die Reflexion des Lichtes auf rauhen Flächen nennt man die Zerſtreuung deſſelben. Fig. 74. Paſſirt ein Lichtſtrahl BO (Fig. 74.) aus einem A 5 durchſichtigen-Medium ein anderes, ebenfalls durch⸗ ſichtiges von größerer Dichte, fo wird er ge brochen und zwar dem Einfallslothe AP genähert, ſo daß er jetzt die Richtung 00 einſchlägt. Dieſe 8 behält er fo lange bei, als ſich die Dichte des Me- ‚10 diums nicht ändert. ce ıP ' > 3 al 3. Intenſität der Veleuchtung. a. Die Stärke der Beleuchtung einer Fläche nimmt im Ver⸗ ö hältniß des Quadrates der Entfernung, in welcher die Fläche von dem leuchtenden Punkte ſich befindet, ab. f Fig. 75. Es ſei in 0 (Fig. 28) M die Lichtquelle, von ihr gehe eine beſtimmte Menge am Licht aus. Die Fläche MN x o erhält im Ganzen ebenfo- viel Licht, als mn, obgleich 5 fie weiter von 0 entfernt N iſt. Allein die Lichtmenge vertheilt ſich bei MN über eine größere Fläche, hier fallen alſo die Lichtſtrahlen nicht ſo nahe neben einander, als auf mn, wodurch nothwendig die Inten⸗ ſität der Beleuchtung vermindert wird. Offenbar geſchieht Letzteres in dem Maße, als MN die Fläche mn an Größe übertrifft. Nun verhält ſich nach einem bekannten Satze der @lehentargeomettir. Og? : 06? = mn : MN. Aus dieſer Proportion folgt unmittelbar der Beweis des obigen Satzes, denn was für die ganze Fläche MN gilt, bezieht ſich ar auf jeden Theil derſelben. Wir können auf MN ein Stückchen = mein“ = mn abgrenzen; die Beleuchtungsintenſitäten von min“ und mn verhalten ſich daher wie die Quadrate ihrer Entfernungen vom Punkte O. > Licht. 175 b. Die Stärke der Beleuchtung einer Fläche ift dem Sinus des Winkels proportional, unter welchem die einfallen- den Lichtſtrahlen die Fläche treffen. N 76. TE: 78. Daß um fo weniger Lichtftrahlen auf eine gegebene Fläche MN auffal- len, je ſchiefer dieſelbe gegen die Strah⸗ len gerichtet iſt, ergeben die Figuren 76, 77, 78. Das Maß, in welchem die Beleuchtungsſtärke abnimmt, ergibt | ſich aus Folgenden: 0 a e. = Fig. 79. Es ſei B“ C (Fig. 79) ein Stückchen der M' Fläche MN, ſo klein, daß die Lichtſtrahlen M A C, A B., welche daſſelbe treffen, als pa⸗ A ce ® rallel betrachtet werden können. Wird die Fläche MN um den Punkt B“ gedreht, fo daß fie nun die Lage M’ N’ einnimmt, jo fällt l dieſelbe Lichtmenge, welche früher dem Flä⸗ chenſtück B C’ zu Theil wurde, auf die Fläche BB“. Die Intenſität der Beleuchtung vom BB’ iſt darum kleiner, als diejenige vom BC. X N weil BB’ größer, als BC iſt. Es verhält ſich BB“: BC = 1: sin. CBB’ = 1: sin. ABN, weil x C BB’ = 4 ABN“ iſt. Bezeichnen wir daher die Beleuchtungsſtärke von B’C mit a, fo ift die Beleuchtungsſtärke von BB“ = a sin ABN“, w. z. b. w. Fünftes Buch. Würme. Erſter Abſchnitt. Von der Wärme im Allgemeinen. 1. Theoretiſche Anſicht über das Weſen der Wärme. Höchſt wahrſcheinlich beruht die Wärme, gerade ebenſo wie das Licht, in den Schwingungen eines Aethers, doch iſt es bis jetzt noch nicht gelungen, ſämmtliche Phänomene der Wärme auf die Vibrationstheorie zurückzu⸗ führen. Eine große Zahl dieſer Erſcheinungen läßt ſich nach dem gegen⸗ wärtigen Stand der Wiſſenſchaft nur durch die Annahme eines Wärmeſtoffs erklären. Man denkt ſich unter dieſem eine ätherartige höchſt feine, die Körper leicht durchdringende, unſichtbare Materie ohne Gewicht. 2. Ausdehnung der Körper durch die Wärme. Die Wärme beſitzt die charakteriſtiſche Eigenſchaft, die Körper auszudeh⸗ nen. Man kann ſich vorſtellen, der Wärmeſtoff dringe wie ein Keil zwiſchen die kleinſten Theilchen (Atome) eines Körpers und treibe ſie auseinander. Nimmt die Wärme ab, wird der Körper kälter, ſo verläßt ihn ein Theil des Wärmeſtoffs, die Atome nähern ſich einander wieder und das Volumen des Körpers vermindert ſich. Es iſt Shen früher (S. 48.) en worden, daß der Koeffieient für die kubiſche Ausdehnung, welche ein Körper durch Erwärmung erleidet, dreimal ſo groß iſt, als derjenige für die lineare Ausdehnung. a. Feſte Körper dehnen ſich nur von Oo bis zu 1000 regelmäßig aus; über 100 hinaus verändert ſich der Ausdehnungscoefficient fortwährend. Kry⸗ ſtalle, welche nicht dem regulären Syſtem angehören, zeigen aber ſchon un⸗ ter 100 eine ungleichförmige Ausdehnung nach ihren verſchiedenen Axen. Bon der Wärme im Allgemeinen. 177 b. Flüſſ igkeiten zeigen hinſichtlich ihrer Ausdehnung durch die Wärme ein noch viel unregelmäßigeres Verhalten, als feſte Körper. Doch finden auch hier Verſchiedenheiten, je nach der Natur der Flüſſigkeiten, ſtatt. Queckſilber dehnt ſich nur zwiſchen 00 und 1000 gleichmäßig aus; über 1000 wächſt ſein Ausdehnungssoefficient. Höchſt eigenthümlich und in klimatologiſcher Hinſicht wichtig iſt die Aus⸗ dehnung des Waſſers. Wir haben ſie in der nebenanſtehenden Figur 80 (Fig. 80.) graphiſch dargeſtellt. Die Abſeiſſen bedeuten die Tempe⸗ g raturen, die Ordinaten geben die Länge einer Waſſer⸗ / ſäule zwiſchen 0° und 16% an. Man fieht, daß Waſ⸗ fer von 00 Temperatur ſtärker ausgedehnt ift, als Waſ⸗ fer von 40, der Ausdehnungscoefficient des Waſſers nimmt alſo von 0° bis 40 (genau 4,108) ab. Da die Dichte eines Körpers ſich vermindert, wenn er aus⸗ gedehnt wird, und die Ausdehnung des Waſſers bei SA b e 4 am kleinſten iſt, jo geht hieraus hervor, daß das Waſſer bei 40 feine größte Dichte erreicht. Ein Kubikfuß 2c. Waſſer von 40 wird daher ſchwerer wiegen, als ein Kubikfuß ꝛe. Waſſer von 00. Ueber 40 hinaus nimmt aber der Ausdehnungseoeffieient wieder zu, und ſomit auch die Dichte des Waſſers ab. Nahe bei 80 hat es beinahe dieſelbe Dichte, als bei 0%. Gegen den Siedepunkt hin wächſt der Ausdehnungscoefficient des Waſſers. e. Die Gaſe dehnen ſich bei gleicher Temperaturzunahme faſt gleichmäßig aus; nur diejenigen, welche ſich zu Flüſſigkeiten verdichten laſſen (die Dämpfe) zeigen in der Nähe des Punktes, wo ſie ihren Aggregatzuſtand ändern, einige Irregularität. Im Mittel kann als Ausdehnungscoefficient der Gaſe die Zahl 0,00 366 — 24: genommen werden. Wenn die Temperatur eines Gaſes in einer arithmetiſchen Reihe zunimmt, ſo wächſt ſein Volum nach demſelben Geſetz, alſo gleichfalls in arithmetiſcher, und nicht in geometriſcher Progreſſion. Will man den Raum » beſtimmen, welchen ein Gas, deſſen Temperatur to und deſſen Volum » beträgt, bei der pet o einnehmen wird, jo muß dies nach der Proportion: | 273 U: e aus welcher 273 + AE = 1) folgt, geſchehen. 3. Thermometer. Vorrichtungen, welche dazu dienen, um Temperaturen zu beſtim⸗ men, nennt man Thermometer. Da die Körper, wenn ſie erwärmt werden, ſich ausdehnen, ſo kann das Maß der Volumsvermehrung zur Beurtheilung der Temperaturerhöhung dienen. Uebrigens eignen ſich nur diejenigen Sub- Heyer, Bodenkunde. 12 178 Bon der Wärme im Allgemeinen. ſtanzen zweckmäßig zu Thermometern, deren Volumen gleichmäßig mit der Temperatur wächſt, wie dies z. B. bei dem Queckſilber zwiſchen dem Gefrier⸗ punkt und dem Siedepunkt des Waſſers der Fall iſt. Das Queckſilberthermometer beſteht aus einer. mit Queckſilber gefüllten oben geſchloſſenen, unten mit einer kugelförmigen Ausbauchung verſehenen Röhre, welche an allen Punkten gleiche Weite beſitzt (genau calibrirt ift.) Es hat zwei feſte Punkte. Den einen erhält man, wenn das Inſtrument in ſchmelzendes Eis eingetaucht wird; man bezeichnet ihn mit 0 und nennt ihn den Gefrierpunkt. Den andern Punkt gibt die Verlängerung der Queckſilber⸗ ſäule an, wenn man das Thermometer den Dämpfen von ſiedendem Waſſer ausſetzt. Dieſen letzten Punkt nennt man den Siedepunkt. Reaumur theilt das Intervall zwiſchen dem Gefrierpunkt und dem Siedepunkt in 80, Celſius in 100 Grade. Wir werden uns ſtets, wenn nicht ausdrücklich das Gegen⸗ theil bemerkt wird, der Celſius'ſchen Eintheilung (der centefimalen) bedienen. In England ift das ältere Fahrenheit ſche Thermometer noch ziemlich allgemein im Gebrauch. Der 32. Theilſtrich ſeiner Seale entſpricht dem Nullpunkt des Reaumur'ſchen und des Celſius'ſchen Thermometers. Der Nullpunkt des Ther⸗ mometers von Fahrenheit liegt 32° unter dem Gefrierpunkt; er wurde durch Eintauchen des Inſtruments in eine Miſchung von Schnee und Salmiak be⸗ ſtimmt. Zwiſchen dem Nullpunkte und dem Siedepunkte liegen bei Fahren⸗ heits Thermometer 212 Grade. Zur Reduction der Angaben dieſer drei Ther⸗ mometer dienen folgende Gleichungen no C D no R = (32 + g ne F; no R A no C S (32 + 4 n) F; no F = g (n — 32) R 3 (n — 32) C. Da das Queckſilber bei — 45 C erſtarrt, fo kann das Queckſilberthermometer nur bis etwa 409 benutzt werden, für Temperaturen unter 40 nimmt man ein Weingeiſtthermometer. 4. Thermometrograph. So heißt ein Inſtrument, welches die Beſtimmung der höchſten und nied⸗ rigſten Temperatur während eines gewiſſen Zeitabſchnitts dadurch erleichtert, daß auf ihm das Maximum ſowohl, als auch das Minimum ſtzirt bleiben. Fig. 14. Für meteorologiſche Beobachtungen, — — iocmpfiehlt ſich der ogg S metrograph (Fig. 14.) ; Zwei Thermometer find auf eine > Platte aufgeheftet. Das eine, zur — Srxforſchung des Mazimums beftimmt iſt mit Queckſilber gefüllt. Am Ende der Oueckſilberſäule befindet ſich ein kleiner eiſerner Cylinder a b (ein Stückchen Bon der Wärme im Allgemeinen. 179 Eiſendraht). Wenn die Temperatur ſich erhöht, fo fteigt das Queckſilber in der Röhre und ſchiebt den Eiſen⸗Cylinder vor ſich her. Nimmt die Temperatur wieder ab, ſo tritt das Queckſilber, indem es ſich zuſammenzieht, nach der Ku⸗ gel hin zurück, nimmt aber den Eiſendraht nicht mit ſich, weil Eiſen keine Ad⸗ häſion an Queckſilber befißt. Der Eiſen⸗Cylinder wird demnach an dem Orte des Temperaturmaximums liegen bleiben. In dem zweiten Thermometer befindet ſich Weingeiſt anſtatt Queckſilber. Die Stelle des Eiſen⸗Cylinders wird hier von einem Glasſtäbchen ed einge- nommen, deſſen beide Enden mit Knöpfchen verſehen ſind. Das Stäbchen bleibt, wenn die Temperatur ſinkt, ſo lange liegen, bis der Weingeiſt das der Kugel zunächſt befindliche Knöpfchen d erreicht hat. Jetzt wird das Stäbchen, wenn die Temperatur noch weiter ſich erniedrigt, vom Weingeiſt nachgezogen, weil dieſer eine große Adhäſion zu Glas beſitzt. Steigt die Temperatur wieder, ſo verändert das Glasſtäbchen doch nicht ſeinen Ort. Letzterer bezeichnet des⸗ wegen das Minimum der Temperatur. Um den Thermometrographen zu neuem Gebrauche herzurichten, neigt man ihn auf die linke Seite; es fällt alsdann der Eiſen-Cylinder auf das Ende der Queckſilberſäule und das Glasſtäbchen kommt an das Ende der Weingeiſtſäule zu liegen. 5. Speciſiſche Wärme und Wärmecapatität. Umdie Temperatur verſchiedener Körper um eine gewiſſe Anzahl Grade zu erhöhen, bedarf man ungleiche Wärmemengen, z. B. für Waſſer 30mal ſo viel, als für Queckſilber. Man ſagt deshalb, das Waſſer habe eine größere Wärmecapaeität, als das Queckſilber. Die Wärmemenge, welche nöthig iſt, um die Temperatur irgend einer Subſtanz um 10 zu vermehren, nennt man ihre ſpeeifiſche Wärme. Man bezieht dieſelbe auf diejenige des Waſ⸗ ſers, indem man die fpeeififche Wärme dieſer Flüſſigkeit — 1 ſetzt. Nimmt man alſo die Wärmemenge, welche einem Pfund, Loth u. ſ. w. Waſſer eine Temperaturerhöhung von 10 verleiht — 1 an, fo iſt z. B. die ſpeeifiſche Wärme des Queckſilbers für die nämlichen Gewichte — 30. Braucht man, um die Temperatur von g Gewichtstheilen eines Körpers um t Grade zu erhöhen eine Wärmemenge = m, ſo iſt für ein Gewicht 8“ deſſelben Körpers zur Hervorbringung der Temperatur t, eine Wärmemenge m nöthig. Iſt die Wärmecapacität des Körpers unveränderlich und ſoll feine Temperatur auf ( gebracht werden, fo bewirkt Letzteres eine Wärme⸗ U — m menge m e Bei den meiſten Körpern ändert ſich die Wärmecapaeität mit der Tem⸗ peratur; fo beträgt z. B. die ſpecifiſche Wärme des Platins zwiſchen 0% und 12 * 180 Bon der Wärme im Allgemeinen. 100° — 0,03350, zwiſchen 0% und 3000 — 0,0355. Die ſpeeifiſche Wärme des Waſſers bleibt für die Temperaturen von 1—200 conſtant, von 20—100% ift fie = 1,0197. Um die Wärmecapacität eines Körpers zu beſtimmen, gibt es verſchie⸗ dene Methoden. Eine von dieſen beſteht darin, daß man den Körper, deſſen Gewicht g und Temperatur t bekannt fein muß, mit einem Gewicht 8“ Waſ⸗ fer von der Temperatur “ zuſammenbringt und die Mitteltemperatur T der Miſchung oder Mengung unterſucht. Aus dieſer läßt ſich dann die fpecififche Wärme jenes Körpers herleiten. Kommt letzterer nämlich mit dem Waſſer in Berührung, ſo gibt er an daſſelbe Wärme ab oder nimmt ſolche auf, je nach⸗ dem ſeine Temperatur höher oder niedriger, als diejenige des Waſſers iſt. Die Temperaturen gleichen ſich auf dieſe Weiſe aus. Nehmen wir an, daß wäh⸗ rend des Verſuchs keine Wärme verloren gegangen ſei, ſo muß die Wärme⸗ ſumme nach erfolgter Ausgleichung der verſchiedenen Temperaturen noch die nämliche ſein, wie die Wärmeſummen der beiden Subſtanzen vor dem Ver⸗ ſuche. Bezeichnen wir die ſpeeifiſche Wärme des Waſſers, wie üblich, mit 1, diejenige des fraglichen Körpers mit s, ſo iſt T (gs + g. 1) S gts + gt. 1; hieraus von 800 gemengt und als Ausgleichungstemperatur 200,397 beobachtet, ſo wäre, wenn man dieſe Werthe in obige Formel einführt s=10 er 0,033 die ſpecifiſche Wärme des Queckſilbers 2 (20,397 — 800 i Will man die Wärmecapacität eines Gaſes beftimmen, fo kann man entweder annehmen, fein Volumen werde durch einen mit der Temperatur wachſenden Druck auf einerlei Niveau erhalten, oder es laſte auf ihm ein eon⸗ ſtanter Druck, welcher dem Gaſe geſtattet, ſich auszudehnen. In letzterem Falle hat die Wärmecapacität einen höheren Werth, als in erſterem, weil zur Volums⸗ vermehrung an und für ſich Wärme erforderlich iſt. 6. Latente Wärme. Wenn ein Körper aus dem feſten Zuſtand in den flüſſigen oder luftför⸗ migen übergeht, ſo nimmt ſein Rauminhalt zu. Die Ausdehnung erfolgt hier durch Wärmeaufnahme. Man kann ſich die Sache ſo vorſtellen, als wenn der Wärmeſtoff zwiſchen die Atome des Körpers eindringe und dieſe ausein⸗ ander treibe (2.) Die Wärme alſo, welche ein Körper abſorbirt, wenn er ſei⸗ nen Aggregatzuſtand ändert, wird dazu verwendet, um die Atome auseinander zu halten. Sie kann durch das Thermometer nicht wahrgenommen werden, und wird deshalb latente Wärme genannt. g iv Bon der Wärme im Allgemeinen. 181 Wenn man 1 Pfund zerſtoßenes Eis von 0% Temperatur mit 1 Pfund Waſſer von 790 (genau 790) miſcht, ſo ſollte (nach 5) eine Mitteltempera⸗ 0° 3 e — 5 390,5 entſtehen. Dies iſt aber nicht der Fall. Man erhält 2 Pfund Waſſer von 00. Die 79 Wärmeeinheiten, welche das Waſ⸗ ſer beſaß, wurden daher blos zum Schmelzen des Eiſes verwandt, und da keine Temperaturerhöhung ſich beobachten läßt, ſo muß man ſchließen, daß 79 Wärmeeinheiten dazu erforderlich ſind, um die feſten Theile von 1 Pfund Eis ſo weit zu lockern, daß ſie flüſſig werden. Die latente Wärme des Eiſes iſt alſo = 79. Um 1 Pfund Eis zu ſchmelzen, braucht man demnach eben jo viel Wärme, als um einem Pfund Waſſer von 09 eine 8 von 79° zu ertheilen. Wird eine gewiſſe Quantität Waſſer längere Zeit auf dem Siedepunkt erhalten, ſo verwandelt ſich nach und nach alle Flüſſigkeit in Dampf, deſſen Temperatur indeſſen nicht mehr als 100 beträgt. Wohin kommt die Wärme, welche die Dampferzeugung erfordert? Sie wird dazu verwendet, um das grd- ßere Volum, welches der Dampf einnimmt, herzuſtellen. Dieſe Wärmemenge (die latente Wärme des ſiedendheißen Waſſerdampfes) iſt ſo groß, daß man mit derſelben das gleiche Gewicht Waſſer von Oo auf 536% erwärmen könnte. Das Waſſer verdunſtet auch bei Temperaturen unter 100, ja ſelbſt das Eis verdunſtet; die Dämpfe entweichen mit der Temperatur, welche das Waſſer oder Eis beſitzt, aus dem ſie ſich gebildet haben. Indeſſen bleibt ſich die la⸗ tente Wärme für Dämpfe von verſchiedenen Temperaturen nicht gleich; um z. B. 1 Kilogr. Waſſer von 50% in Dampf von 500 zu verwandeln, iſt ſo viel Wärme nöthig, als um 1 Kilogr. Waſſer von 0% auf die Temperatur von 5720 zu bringen. Nachſtehend theilen wir die latente Wärme des Waſſer⸗ dampfes für die Temperaturen von 0% bis 2000 mit. Temperatur. Latente Wärme des Dampfes. 0⁰ 606 50° 572 100° 536 150° 501 200° 464 7. Fortpflanzung der Wärme. Die Wärme kann von einem Körper auf den andern in zweifacher Weiſe übergehen, nämlich durch Leitung und durch Strahlung. a. Leitung der Wärme. Wird ein Körper an irgend einer Stelle erwärmt, ſo überträgt ſich die Wärme von einem Theilchen zum andern durch Leitung. Man kann ſich 182 Bon der Wärme im Allgemeinen. denken, der Wärmeſtoff verbreite ſich in den leeren Räumen zwiſchen den Atomen. Pflanzt ſich innerhalb der Theile eines Körpers die Wärme in weite Entfernung von der erwärmten Stelle fort, ſo nennt man dieſen Körper einen guten Leiter, wie z. B. die Metalle. Schlechter leiten ſchon die Steine uud Erden, Holz; zu den ſchlechteſten Leitern gehören Wolle, Seide, Stroh, trockenes Laub und Moos. Zur Prüfung der Wärmeleitungsfähigkeit bediente ſich Ingenhouß des Fig. 81. neben verzeichneten Apparates. In einem Kaſten, 2. welcher durch die Oeffnung a mit heißem Waſſer gefüllt werden kann, ſind von verſchiedenen Kör⸗ : — pern angefertigte Stäbe eingelaſſen, deren Ober⸗ — I flächen man mit Wachs überzogen hat. Nach⸗ dem das Waſſer eingefüllt iſt, erwärmen ſich die Bine 111 Enden der Stäbe, welche in das Waſſer hinein⸗ eee ragen; die Wärme pflanzt ſich nach der Richtung der Enden um ſo weiter fort, je beſſer die Stäbe die Wärme leiten. Dabei ergeben ſich genaue Verhältnißzahlen für die Wärmeleitungsfähigkeit der ver⸗ ſchiedenen Stäbe, wenn man die Länge mißt, bis zu welcher das Wachs ab⸗ geſchmolzen iſt. Geſetzt, es ſeien die Stäbe von Silber, Kupfer, Eiſen, Por⸗ zellan und Holz, ſo wird man finden, daß das Wachs am weiteſten an dem Silberſtab, ſchon etwas weniger an dem Kupferſtab, noch weniger am Eiſen, dann am Porzellan, und am allerwenigſten am Holz abſchmilzt. In Bezug auf ihre Wärmeleitungsfähigkeit folgen ſich alſo dieſe vier Subſtanzen in der nämlichen Ordnung mi welcher wir fie vorhin aufgeführt haben. Flüſſigkeiten und Gaſe leiten die Wärme ſehr ſchlecht. Trotzdem ver⸗ breitet ſich in ihnen die Wärme ziemlich raſch von einer Stelle zur andern. Dies rührt aber blos daher, weil die Theilchen der Flüſſigkeiten und Gaſe ſehr leicht verſchiebbar find, weshalb die durch Erwärmung leichter gewordenen Schichten in die Höhe ſteigen. Dieſen Vorgang ſieht man ſehr ſchön, wenn in einem Glasgefäße Waſſer, in welches man Sägeſpähne geworfen hat, er⸗ hitzt wird. Die Spähne tauchen dann vom Boden des Gefäßes in die Höhe bis an die Oberfläche des Waſſerſpiegels. Waſſer leitet die Wärme viel beſſer, als trockene Luft. Die Wärme⸗ leitungsfähigkeit der letzteren nimmt daher zu, wenn ſie mit Waſſerbläschen beladen iſt, wie z. B. bei ſtarkem Nebel. b. Wärmeſtrahlung. Die Wärme kann ſich von einem Körper auf den andern direkt über⸗ tragen, ohne daß ein zwiſchen dieſen Körpern befindliches Mittel die Leitung Bon der Wärme im Allgemeinen. 183 übernimmt. Wenn man z. B. in eine luftleer gemachte Glaskugel (Fig. 82.) Fig. 82. ein Thermometer verſenkt, welches oben von den Glas⸗ g wänden feſt umſchloſſen iſt, und dann die untere Fläche der Kugel durch heißes Waſſer erwärmt, ſo bemerkt man, daß das Queckſilber im Thermometer ſteigt. Die Erwärmungkann aber hier nicht durch Leitung des Glaſes an der Stelle, wo es das Thermometer berührt, bewirkt worden ſein, denn letzteres zeigt eine höhere Temperatur, als das Glas an der Verbindungsſtelle. Man ſagt in dem oben angegebenen Falle, die Wärme habe ſich durch Strahlung fortgepflanzt und bezeichnet mit dem Ausdruck „Wärmeſtrahl“ die Rich⸗ tung von dem erwärmten Körper zu der Wärmequelle. Die Fortpflanzung der Wärme durch Strahlung geht viel raſcher von Statten, als diejenige durch Leitung. Wenn man in einiger Entfernung von einem heißen Ofen ein Thermometer anbringt, ſo ſteigt deſſen Temperatur viel höher, als die Temperatur der Luft, welche den Ofen umgibt; hiervon kann man ſich leicht überzeugen, indem man plötzlich einen Schirm vor den Ofen ſtellt und vor dieſem die Temperatur der Luft beſtimmt. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Wärmeſtrahlen die nämliche enen wie das Licht beſizen, welches 70000 Meilen in einer Secunde durchläuft. Die Erſcheinungen der ſtrahlenden Wärme haben Vieles mit denen des Lichtes gemeinſam. So unter Anderm: Daß die Intenſität der Erwärmung einer Fläche im Verhältniß des Quadrates der Entfernung, in welcher die Fläche von der Wärme⸗ quelle ſich befindet, abnimmt. Daß der Einfallswinkel der Wärmeſtrahlen dem Reflexionswinkel gleich iſt. Daß die Stärke der Erwärmung einer Fläche dem Sinus des Winkels proportional iſt, unter welchem die einfallenden Wärmeſtrahlen die Fläche treffen. Die Wärmeſtrahlen, welche einen Körper treffen, werden entweder c. durchgelaſſen. Subſtanzen, welche dieſe Eigenſchaft beſitzen, nennt man diathermane, im Gegenſatz zu den athermanen, denen ſie fehlt. Der diathermanſte Körper iſt das Steinſalz. Doch läßt es nicht ſaͤmmtliche Wärmeſtrahlen paſſiren. Man fand, daß von 100 Theilen der aufgefallenen Wärme durchgehen ließen: Steinſalz 92 Theile Flußſpath 78 „ Kalkſpath 39 „ Glas N Bergkryſtall 38 „ Gyps 16 5 184 Bon der Wärme im Allgemeinen. Alaun 9 Theile. Glimmer 20 „ . Eis Br), Die noch übrigen 8 Theile werden vom Steinſalz nicht abſorbirt (denn es tritt keine merkliche Erwärmung deſſelben ein), ſondern refleetirt. Dieſes Mineral verhält ſich demnach gegen die Wärme ebenſo, wie die durchſichtigen Körper gegen das Licht. Die Diathermanſie oder die Fähigkeit, Wärmeſtrahlen durchzulaſſen, iſt übrigens nach der Natur der Wärmequellen verſchieden. Bergkryſtall läßt von den Strahlen einer Lampe 38 %,, von denen eines glühenden Platin⸗ drahtes nur 28 % paſſiren. * * ß. Reflectirt. Die athermanen Körper werfen um fo mehr von den aufgefallenen Wärmeſtrahlen zurück, je glätter ihre Oberfläche iſt, während bei den diathermanen Subſtanzen die Politur das Durchgehen der Wärmeſtrahlen erleichtert. Stellt man zwei metallene Hohlſpiegel einander gegenüber und bringt man in den Brennpunkt des einen eine glühende Kohle, ſo entzündet ſich ein Stück Zucker in dem andern Brennpunkt, während die Spiegel nur unmerklich erwärmt werden. Bei rauhen Oberflächen findet, gerade wie beim Licht, eine Diffuſion der Wärmeſtrahlen ſtatt; d. h. dieſe werden nach allen Seiten hin unregelmäßig zerſtreut. 7. Abſorbirt. Diejenigen Wärmeſtrahlen, welche bei ihrem Auffallen auf irgend eine Subſtanz nicht durchgelaſſen oder refleetirt werden, dienen zur Erwärmung der Subſtanz und werden ſomit abſorbirt. Es iſt klar, daß ſolche Körper, welche ein großes Reflexionsvermögen haben, die Fähigkeit der Abſorption in geringerem Maße beſitzen; bei den athermanen Subſtanzen ergänzen ſich dieſe beiden Fähigkeiten zu 1; d. h. wenn eine Wärmemenge = 1 auf einen Körper auffällt, fo iſt die refleetirte Wärmeſumme + der abſor⸗ bitten = 1. Dies ergeben auch folgende durch Verſuche ausgemittelte Ver⸗ hältnißzahlen Reflexionsvermögen. Abſorptionsvermögen. 0 Meſſing 100 Silber 90 10 Zinn 80 20 Stahl 70 30 Blei 60 40 Kienruß 0 100 Die abſorbirte Wärme bleibt nicht in den Körpern, ſondern wird wieder ausgeſtrahlt, wenn die Umgebung eine niedrigere Temperatur beſitzt. Das Ausſtrahlungs vermögen iſt dem Abſorptſionsvermögen pro⸗ portional. Diejenigen Körper alſo, welche viele Wärme verſchlucken, geben dieſelbe auch eben fo leicht ab. Dichte Körper befigen das Ausſtrahlungsvermögen in geringerem Grade, als minder dichte. Wird die Oberfläche eines Körpers Von der Wärme im Allgemeinen. 185 geritzt und dadurch ſeine Feſtigkeit vermindert, ſo ſtrahlt er die Wärme beſſer aus, als vorher. Um das Ausſtrahlungsvermögen verſchiedener Subſtanzen zu meſſen, über⸗ zieht man die Seiten eines hohlen Metallwürfels, mit einer dünnen Schicht derſelben; nun füllt man kochendes Waſſer in den Würfel und beobachtet mit einem Thermometer die Temperatur in gleichem Abſtand von jeder Seitenfläche. Es ergab ſich für Kienruß das Ausſtrahlungsvermögen — 100 „ Bleiweiß 3 7 — 100 " Hauſenblaſe 1 I = 91 " Tuſche „ 1 — 85 „ Gummilack „ 1 . „blankes Metall „ * ln Die grünen Blätter der Gewächſe ſind vorzugsweiſe zur Abſorption der Wärmeſtrahlen disponirt; eben ſo leicht emittiren ſie aber auch die aufgenom⸗ mene Wärme. Auch die Wärmeſtrahlen werden, wenn ſie Media von verſchiedener Dichte zu paſſiren haben, gebrochen. 8. Erkalten. Gibt ein erwärmter Körper an ſeine kältere Umgebung Wärme ab, ſo geſchieht dies theils durch Leitung, theils durch Strahlung. Newton war der Anſicht, daß die Wärmemenge, welche in einer beſtimmten Zeit entbunden wird, der Temperaturdifferenz zwiſchen dem erwärmten Körper und ſeiner Umgebung direct proportional ſei. Dulong und Petit fanden das Geſetz nur bis 400— 500 beſtätigt. Ueber dieſe Br hinaus geht das Erkalten weit ſchneller von ſtatten. Bei einer Temperatur von ſinkt das Thermometer in einer Minute um 240° 100,69 220° 80,81 200° 79,40 180° 6°,10 160° 40,89 140° 30,88 120° 30,02 100° 20,30 80° 10,74 Zweiter Abſchnitt. Gang der täglichen Temperatur der Luft. 1. Länge des Tages in den verſchiedenen Breiten und Jahreszeiten. Tag und Nacht entſtehen durch die Drehung der Erde um ihre Axe, welche ſie in vier und zwanzig Stunden vollendet. 186 Gang der täglichen Temperatur der Luft. Im Laufe eines Jahres macht die Erde den Weg um die Sonne. Während dieſer Zeit iſt die Dauer des Ne Tags und der Nacht in unſern Brei⸗ * ten beſtändigen Veränderungen unter⸗ A worfen, die hauptſächlich darin ihren Grund haben, daß die Erda xe PP’ (Fig. 83.) eine ſchiefe Stellung gegen die Ebene ihrer Umdrehungsbahn MN ein- N nimmt, welche fie während der Dauer M N des Jahres beibehält. Dieſe Neigung m — gibt der Winkel PBN an; feine Größe beträgt gegenwärtig 66032'. Die Erdbahn bildet eine von der Figur des Kreiſes wenig abweichende Ellipſe, in deren einem Brennpunkt die Sonne ſteht. Da die Sonne ſo ſehr weit von der Erde entfernt iſt (im Mittel unge⸗ fähr 21 Millionen Meilen), ſo können die Sonnenſtrahlen als unter ſich und mit der Ebene der Erdbahn parallel angeſehen werden. Innerhalb des Laufes eines Jahres werden die Sonnenſtrahlen den Aequator zweimal ſenkrecht treffen, es findet dies am 21. März nnd 23. September ſtatt. Am tiefſten unter dem Aequator ſteht die Sonne am 23. Dezember, am höchſten den 21. Juni. Durch den Uebergang von einem dieſer vier Punkte zu den folgenden werden die Jahreszeiten gebildet. Betrachten wir nun den Stand der Sonne in den vier Jahreszeiten. a. Winter. Die Erdaxe bildet mit der Ebene der Erdbahn einen Winkel von 66032“, der Aequator AA“ (Figur 83.) macht daher mit derſelben Ebene einen Winkel = 900 — 660 32 223028“. Da die Sonnenſtrahlen parallel mit der Erdbahn einfallen, ſo bilden auch ſie bei dem tiefſten Stand der Sonne (am 23. Dezember) mit dem Aequator einen Winkel von 23028“ Fig. 84. Die Erde kann annähe⸗ il 00 N Sonnenſtrahlen bilden ei⸗ 1 D 0 nen Cylinder, welcher die Erde in dem größten Kreiſe BB’ berührt. Alle Punkte der Erde, welche von die⸗ | 6. ſem Kreiſe nach der Sonne N * N rend die hinter BB’ befind- 87 liche Halbkugel dunkel iſt. Gang der täglichen Temperatur der Luft. 187 Zieht man durch P und P“ mit AA’ die Parallelen BD und B’D/ ſo grenzen dieſe zwei Kugelſegmente ab. Das obere wird die nördliche Polar⸗Zone, das untere die ſüdliche Polar⸗Zone, BD wird der nördliche, B’D‘ der ſüdliche Polarkreis genannt. Aus Fig. 84 ergibt ſich, daß die nördliche Polarzone am 23. Dezember 24 Stunden lang Nacht, die ſüdliche Polarzone ebenſolange Tag hat. Die Länge des Tags auf der nördlichen Halbkugel AB PDA“ ift kleiner, als die der Nacht; dabei nimmt die Tageslänge um ſo mehr zu, je näher ein Punkt auf der Erdoberfläche an dem Aequator liegt. Auf letzterm (AA find Tag und Nacht einander gleich. Vom Aequator an nach dem Südpol P hin nimmt die Tageslänge wieder zu. Legt man durch den Punkt C, wo die Sonnenſtrahlen die Erde recht⸗ winklich treffen, einen mit der Erdbahn parallen Kreis CC“, ſo iſt dieſer der Wendekreis des Steinbocks. Winkel CO B = A O PS 1 R; zieht man von Beiden. „ A0 B= AO ab, fo bleibt AO CS B OP Die Entfernung des Polarkreiſes BD vom Pol P beträgt demnach 230 28°. Der Abſtand des Polarkreiſes BD vom Aequator AA’ beträgt 900 — 230287 —66° 32“ b. Sommer. Am 21. Juni haben wir die entgegengeſezten Verhältniſſe vom 23. De⸗ Fig. 84. zember, wie Fig. 84. veran⸗ ſchaulicht. Die ſüdliche Polar- zone hat an dieſem Tage 24 Stunden lang Nacht, die nörd⸗ liche Polarzone 24 Stunden lang Tag. Auf der nödlichen Halbkugel iſt der Tag länger, auf der ſüdlichen dagegen 0 8 kürzer, als die Nacht. Am ö Aequator dauert der Tag wie⸗ der, wie vorhin, eben ſo lange, wie die Nacht, alſo 12 Stunden. Legt man durch den Punkt E, wo die Sonnenftrahlen die Erde recht⸗ winklig treffen, einen mit der Erdbahn parallelem Kreis EE“, fo iſt dieſer der Wendekreis des Krebſes. „ Serbſt und Frühjahr. Am 23. September und am 21. Mürz fallen die Sonnenſtrahlen ſenk⸗ ANZ | > ; h in N Nm Hl! 0 | 188 Gang der täglichen Temparatur der Luft. — recht auf den Aequator. (Fig. 86.) Tag und Nacht ſind dann auf der ganzen Fig. 86. Erde gleich. Nur die beiden 8 5 8 Punkte P und P am Pol ha⸗ f ben, weil ſie eben noch von den Sonnenſtrahlen raſirt werden, 24 Stunden lang Tag. Alain li 0 Die beiden Pole haben abwechſelnd / Jahr Tag und ½ Jahr Nacht. Die Dauer des Tages für verſchiedene Breiten zeigt die nachſtehende Tabelle. * —————— >" — m m ——— —————— m — Monat Dauer des Tages in der Breite von 0° 100 20° 309 400 45° 500 60°. 70? Januar 12,0 11,5 10,9 9,6 9,5 9,0 8,4 6,4 — Stunden. Februar 12,0 11,7 11,5 11,2 10,6 10,2 9,9 8,9 6,8 4 März 12,0 12,0 11,9 11,9 11,8 11,8 11,7 11,6 11,3 m April 12,0 12,1 12,4 12,8 13,1 13,3 13,6 14,3 15,8 0 Mai 12,0 12,5 12,8 13,5 14,3 14,7 15,3 16,9 21,5 5 Juni 12,0 12,6 13,2 13,9 14,8 15,4 16,1 18,4 24,0 15 Juli 12,0 12,5 13,1 13,7 14,5 15,1 15,7 17,7 24,0 1 Auguſt 12,0 12,3 12,5 13,1 13,6 13,9 14,3 15,3 17,6 September 12,0 12,1 12,1 12,2 12,3 12,3 12,4 12,6 12,9 October 12,0 11,6 11,6 11,3 11,0 11,0 10,6 9,9 86 November 12,0 11,1 11,1 10,5 9,8 9,8 88 72 3,0 Dezember 12,0 10,8 10,8 10,1 9,2 9,2 7,9 5,5 — Unter der Breite von 67 19“ dauert der längſte Tag 30 Tage, unter 690 34 Breite 60 Tage, unter 730 5, Breite 90 Tage, unter 770 38“ Br. 120 Tage, unter 820 55, Br. 150 Tage, unter 880 38“ Br. 180 Tage unter 90 Br. 6 Monate. 2. Regeln für die Temperaturbeobachtungen. Wenn man den Gang der täglichen Temperatur der Luft mittelſt des Thermometers beſtimmen will, ſo ſind Vorſichtsmaßregeln zu beobachten, ohne welche das gefundene Reſultat nicht richtig ſein würde. a) Das Thermometer darf nicht direet von der Sonne beſchienen werden. Denn in dieſem Falle gibt es nicht die Wärme der Luft, ſondern die Temperatur an, welche ihm ſelbſt durch die aufgefallenen Sonnenſtrahlen Gang der täglichen Temperatur der Luft. 189 ertheilt wird. Dieſe iſt aber immer höher, als jene, weil das Glas mehr Wärme abſorbirt, als die Luft. Bei ganz reinem weißem Glaſe beträgt die Differenz immer noch einige Grade. b) Das Inſtrument darf nicht im Zimmer hängen, weil in einem ſolchen, ſelbſt wenn Thüren und Fenſter geöffnet ſind, ſtets Wärmeſtrahl⸗ ung von den Wänden ſtattfindet. Beobachtet man von einem Gebäude aus, ſo muß das Thermometer auf der Nordſeite deſſelben in einer ziem⸗ lichen Entfernung von der Wand angebracht ſein. Steht ein Haus gegen⸗ über, ſo erhält man unrichtige Reſultate, weil dieſes die Sonnenſtrahlen nach der Nordſeite des Nachbarhauſes, wo das Thermometer aufgehängt iſt, reflectirt. In engen Straßen, die ſich ſpäter, als die freie Luft erwärmen, ſoll man gar keine Temperaturbeobachtungen zu dem angegebenen Zwecke vornehmen. a e) Das Thermometer darf nicht zu nahe am Boden angebracht fein. Der Boden erwärmt ſich bei Tage ſtärker, als die Luft, bei Nacht dagegen kühlt er ſich mehr ab. Das Thermometer wird alſo bei Tage die Temperatur zu hoch, Nachts dagegen zu niedrig angeben. Der Unterſchied kann mehrere Grade betragen. 5 Six beobachtete ein Thermometer 6 Fuß vom Boden und in 220 Fuß Höhe auf einem Thurm; er fand, daß die höchſte Tagestemperatur am Bo⸗ den 79,9, auf dem Thurm nur 7,1, die niedrigſte Temperatur am Boden 20,6, auf dem Thurm 30,1 betrug. Iſt der Boden feucht, ſo kühlt er ſich Nachts in noch weit höherm Maße ab, als die Luft, weil durch die verdunſtende Feuchtigkeit Wärme gebunden wird. Eine Bekleidung des Bodens mit Gewächſen befördert ebenfalls die Verdunſtung und ſomit die Erniedrigung der Temperatur. Daniell brachte einen Thermometrographen dicht über einem Raſen, einen andern mehrere Fuße über demſelben an. Der Unterſchied in den kleinſten Werthen beider Inſtru⸗ mente betrug nach dem Mittel dreijähriger Beobachtungen im Januar 1,99 April 3,4 Juli 3,0 October 2,7 Februar 26 Mai 2,3 Auguſt 2,9 November 2,0 März 3,1 Jauni 2,9 September 2,0 Dezember 1,9 3. Directe Beobachtungen über den Gang der täglichen Temperatur der Luft im Schatten. Die älteſten Beobachtungen ſind diejenigen, welche Chiminello in Padua in den Jahren 1778—1780 mit Unterbrechungen angeſtellt hat. Sie erſtrecken ſich auf die Dauer von 16 Monaten. Mit Ausnahme von 12 Uhr des Nachts bis Morgens 4 Uhr, während welcher Zeit nur eine Beobachtung ftattfand, wurde das Thermometer alle Stunden abgeleſen. Für die fehlen⸗ den Stunden interpolirte Chiminello nach der Regel von Lalande. Padua liegt in 450 23“ nördlicher Breite. 190 Gang der täglichen Temperatur der Luft. Die erſten genauen Temperaturbeobachtungen nach Chiminello wurden 1824 und 1825 im Fort Leith bei Edinburg von engliſchen Officieren auf Brewſter's Veranlaſſung unternommen. Fort Leith liegt in 550 58“ nördl. Breite. Vorzügliche Beobachtungen über den Gang der täglichen Wärme in Halle verdanken wir Kämtz. Er zeichnete mehrere Jahre hindurch den Stand des Thermometers von 6 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends alle 1—2 Stun⸗ den auf. Die fehlenden Werthe ergänzte er nach einer ſehr zweckmäßigen Interpolationsformel. Halle liegt in 50% 31“ in Breite. Tab. I., II. und III. enthalten die Notirungen von Padua, Fort Leith und Halle. 8 191 Gang der- täglichen Temparatur der Luft. Stunde. Mittag 12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 M. Nacht 1 2 . 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Mittel Januar 40% 4 5,44 5,60 5,52 5,19 4,80 4,45 4,11 3,80 3,65 3,49 3,35 3,25 2,98 2,98 2,76 2,72 2,38 2,30 2,15 2,37 2,84 3,58 4,43 3,71 Februar 60,44 6,70 6,91 6,95 6,56 6,11 5,88 5,67 5,42 5,07 4,78 4,50 4,28 4,18 3,88 3,68 3,48 3,25 3,06 2,91 3,12 3,86 4,99 5,67 4,89 Gang der täglichen Wärme in Padua. März 90,38 9,66 9,91 10,10 9,87 9,47 9,01 8,64 8,27 7,86 7,43 7,13 6,83 6,62 6,23 5,96 5,63 5,37 5,16 5,40 6,91 6,97 8,77 8,82 7,13 April Mai 140,68 230,39 15,13 15,43 15,70 15,65 15,50 14,92 14,43 13,62 13,17 12,69 12,28 11,97 11,49 11,17 10,95 10,57 10,20 10,25 10,76 11,74 12,80 13,56 14,09 13,03 23,57 23,65 23,65 23,31 29,57 21,47 20,29 20,14 18,58 18,17 17,78 17.44 16,93 16.60 16,22 16,05 16,26 17,52 19,14 20,26 21,31 22,09 22,85 19,97 * — Juni 950,08 25,19 25,21 25,17 24,68 23,93 23,18 22,08 21,45 20,21 19,78 19,61 19,31 19,17 18,93 18,58 18,54 19,94 20,40 21,83 22,74 23,48 24,00 24,72 21,93 Juli 30,01 30,47 30,73 30,48 29,59 29,11 27,82 26,64 24,80 24,14 23,97 93,39 23,02 22,49 22,06 21,65 21,34 21,89 23,47 25,36 26,37 28,10 28,92 29,52 26,06 Auguſt 260,62 26,97 27,45 27,55 26,83 25,90 24,46 23,19 22,17 21,53 21,09 20,57 20,00 19,95 19,42 18,98 18,49 18,49 19,13 20,52 22,06 24,85 25,17 25,76 22,79 Septem⸗ ber 219,06 21,56 21,93 21,97 21,35 20,38 19,42 18,60 18,50 18,09 17,65 17,33 16,68 16,39 16,07 15,76 15,46 15,05 15,20 16,15 17,39 19,11 19,67 20,33 18,38 October 16⁰%50 17,10 17,43 17,47 17,34 16,23 15,60 15,09 14,86 14,59 14,27 14,07 13,94 13,85 13,63 13,42 13,18 12,94 13,00 13,21 13,91 14,69 15,56 16,16 14,92 Novem⸗ ber 100,25 10,75 10,92 10,50 9,64 8,64 7,92 7,58 7,32 7,12 6,83 6,66 6,56 6,43 6,28 6,15 6,04 5,95 5,87 5,75 6,52 7,70 8,74 9,62 7,78 Dezem · er 50,71 6,21 6,41 5,94 5,27 4,76 4,25 4,03 3,79 3,52 3,26 3,10 2,97 2,80 2,64 2,61 2,53 2,44 2,39 2,30 2,59 3,43 4,16 5,15 3,84 Gang der täglichen Temperatur der Luft. 192 796 6001 LE'6 006 59˙8 17˙8 59 ˙8 08'8 88˙8 88˙8 86,8 14.8 5 725 556 6906 2601 89/0 9601 81˙TII 60/TI 17 98˙⁰T 20 GEF Li HL 9171 89˙81 98181 3071 69¼TI PII 197/TI1 SL TI 0051 9181 8771 89˙51 9881 86˙81 99.81 80⁰⁰1 18 /I 19˙91 89˙91 98.91 16˙91 Gıcı 8G<1 209 WAS gay rg nt ee enen 102g bug 09 FL sı'cl 0g'; , 2 November 98 ,; 8 . 27 December 1 3 2 Das Maximum der täglichen Temperatur tritt alſo in den Sommermo⸗ naten durchſchnittlich etwas ſpäter ein, als im Winter. Doch zeigen ſich auch hier Abnormitäten. In Pondichery findet das Maximum im Februar und März Vormittags zwiſchen 9 und 10 Uhr ſtatt, weil um dieſe Zeit ein kühler Seewind die Temperatur ermäßigt. Am Aequator tritt nach Horner das Maximum um 1 Uhr, nach John Davy zur Mittagszeit ein. Humboldt beobachtete es in Süpampriie um 2 Uhr Nachmittags. e. Das Minimum der täglichen Temperatur erfolgt im Durchſchnitt des Morgens kurz vor Sonnenaufgang, im Winter etwas früher, als im Sommer. In nebelreichen Gegenden ſinkt die Temperatur auch oft noch kurze Zeit nach dem Aufgang der Sonne. Dies läßt ſich folgendermaßen erklären. Dichte Nebel hindern die Ausſtrahlung der Boden- und Luftwärme; wenn nun Morgens frühe die Nebel von der Sonne aufgelöſt werden, ſo findet plötzlich eine Wiederausſtrahlung nach der freien Atmoſphäre hin ſtatt. d. Die Temperaturveränderungen von Stunde zu Stunde befolgen keine genau 2 tiſche Neihe, weil die Zunahme der Temperatur dem Sinus der Sonnenhöhe, die Abnahme dagegen der jedesmal ſtattfindenden Temperatur proportional iſt. Nach den Beobachtungen in Padua ſteigt im jährlichen Mittel das Ther⸗ mometer : von 5—6 Uhr Vorm. um 00.37, fällt von 2—4 Uhr Nachm. um 0.51 I 6—8 n " " 1.41 " " 4—6 " n 1 1.36 " 8—10 " " " 1 88 " " 6—8 "n " " 1 .19 " 10—12 " "n " 1.31 " " 8—10 " " 7 0.86 „ 12—2 „ Nachm. „ 0.62 Gang der äglichen Temperatur der Luft. 197 fällt von 10—12 Uhr Nachm. um 0.60 NN 122 en , 0.52 W e. 1 „ 0.48 " n 4-5 " " " 0.07 Man fieht, daß in der Nähe des Maximums (2 Uhr Nachm.) und des Minimums (5 Uhr Vorm.) Steigen und Fallen weniger raſch von Statten geht, als in einiger Entfernung von dieſen beiden Punkten. Der Gang der Temperatur befolgt alſo das in der reinen Mathematik längſt bekannte Geſetz, wonach die Funktionen in der Nähe ihrer größten und kleinſten Werthe nur allmählig zu⸗ und abnehmen. e. Der Unterſchied zwiſchen den täglichen Temperaturextremen iſt am größten in den war⸗ men, am kleinſten in den kalten Monaten. Dies ergibt folgende Ueberſicht: Padua Forth Leith Halle Zürich Januar 30,45 1,48 1,36 40.0 Februar 4,04 1,98 4,22 4.7 März 4,94 3,42 5,06 6.5 April 5,50 5,88 7,90 8.2 Mai 7,60 4,77 9,33 9.5 Juni 6,67 4.63 9,26 8.7 Juli 9,39 5,38 9,21 9.5 Auguſt 9,06 4,21 8,92 8,3 September 6,92 4,47 8,03 7,3 October 4,53 2,71 6,77 6,3 November 5,17 2,24 3,45 3,5 December 4,11 1,28 2,09 33 Die Differenz des täglichen Magimums und Minimums der Tempe⸗ ratur iſt am größten am kleinſten für London 2. Juli 1. Januar „ Paris 29, 29. December „ Genf Kin 2. „ „ Avignon 1 „ 1. Januar „ Palermo . 25. December Mittel 17. Juli 24. December. In der Polarzone iſt der Unterſchied der täglichen Temperaturextreme durch alle Monate hin nahe derſelbe. Dies erklärt ſich folgendermaßen. Wenn im Sommer die Sonne gar nicht oder nur kurze Zeit unter den Horizont tritt, ſo kann beinahe gar keine Abkühlung der Atmoſphäre ſtattfinden; und wenn im Winter die Sonne gar nicht oder nur kurze Zeit über den Horizont 198 Mittlere Tagestemperatur. fteigt, ſo kann wiederum keine Erwärmung erfolgen. Somit hält ſich der in terſchied der Extreme in allen Jahreszeiten nahezu gleich. Zur Beſtätigung dieſes Geſetzes diene die folgende Tabelle, welche die Differenz der monatlichen Temperaturſchwankungen für Enontekis (680 n. B.) in Lappland angibt. Januar 4.96 Juli 4.56 Februar 4.96 Auguſt 4.06 März 7.16 September 4.53 April 5.40 October 4.93 Mai 3.91 November 4.43 Juni 4.03 December 5.76 An Orten in der Nähe des Meeres iſt die Differenz zwiſchen dem täg⸗ lichen Maximum und Minimum kleiner, als im Binnenlande. Das Meer er- wärmt ſich, wie wir ſpäter ſehen werden, bei Tage nicht ſo ſtark, als das Land, Fig. 87. 1877 7 = Au MER 25 / Padua N 1 20 0 — — — RN - N 15 7 | * Leith — g N ER. 100 A TE, 12 4 8 12 4 11 Uhr dagegen kühlt es ſich auch Nachts nicht ſo ſehr a5 Auch treten die täglichen Temperaturextreme am Meer etwas ſpäter ein, wie die nebenanſtehende gra⸗ phiſche Darſtellung (Fig. 87.) des Gangs der täglichen Wärme für Padua und Fort Leith in dem Monate Juli zeigt. 5. Mittlere Tagestemperatur. a. Begriff. 5 Wir haben im vorigen Paragraphen geſehen, daß die Temperatur im Laufe eines Tages fortwährend ſich ändert. Theilt man aber die Zeit von 24 Stunden, welche einen Tag ausmachen, in kleinere Abſchnitte z, , “% ... fo kann innerhalb dieſer die Temperatur t, t“, 1%. ., als ſtationär angenommen werden, wenn nur dieſe Zeitabſchnitte die richtige Größe erhalten. In der Mittlere Tagestemperatur. 199 Nähe von dem Maximum und Minimum kann man ſie etwas weiter auseinander⸗ legen, weil an dieſen Punkten die Temperatur nur allmählig zu⸗ oder abnimmt. Nun habe man beobachtet: BR während der Zeit 1 die Temperatur t 7 n n 1 . 1 v „ I 7 * 7 5 0 und ſo fort, ſo iſt die Summe aller Temperaturen während eines Tages 9 Sri“ "+... (1. Geſetzt, die Temperatur ſei innerhalb 24 Stunden eine und dieſelbe und —=T geweſen, ſo wird die Summe der täglichen Wärme =I (r -“ 3 (2. ſein. Haben (1. und (2. gleichen Werth, ſo folgt aus T (E T. „ Sri rr +...... rt TUT A e e eee T nennt man die mittlere Tagestemperatur. Dieſe gibt uns alſo an, wie groß eine (eingebildete) conſtante Temperatur ſein muß, damit die Wärme⸗ ſumme im Laufe eines Tages gleich derjenigen ſei, welche ſich ergibt, wenn der Thermometerſtand fortwährend ſich ändert. b. Methode zur Beſtimmung der mittleren Tagestemperatur. c. Hat man ſtündliche Beobachtungen angeſtellt, wie dies z. B. Chimi⸗ minello für Padua, Kämtz für Halle gethan haben, ſo erhält man aus Gleichung (3. unmittelbar die mittlere Temperatur des Tages, wenn man in jener 1 = 2 τ . I ſetzt. Es iſt dann ET RR 24 Man erhält alſo aus ſtündlichen Aufzeichnungen des Thermome⸗ ters die mittlere Tagestemperatur, wenn man die beobachteten: un, turen addirt und die erhaltene Summe durch 24 dividirt. So iſt z. B. die mittlere Tagestemperatur des Monats Mai zu Halle = (16,26 + 16,85 + 17,09 + 17,14 + 16,84 + 16,35 + 15,73 + 14,90 + 14,00 + 13,05 + 12,08 + 10,88 + 9,67 + 8,64 + 7,96 + 7,81 + 8,21 + 9,05 + 10,20 + 11,31 + 12,53 + 13,63 + 14,61 + 15,54): 24 —= 12,93. ß. Die halbe Summe der beiden täglichen Temperaturer. treme gibt die mittlere Tagestemperatur ziemlich genau an, wie fol- gende Ueberſicht, entnommen aus den Beobachtungen Chiminello's, zeigt. 200 Mittlere Tagestemperatur. Padua. Medium aus 24 Medium aus dem ſtündlichen Beo⸗ täglich. Maximum bachtungen und Minimum Differenz Januar 9071 30,84 + 00% 13 Februar 4,89 4,93 + 0,04 März 7,73 7,63 — 0,10 April 13,03 12,95 — 0,08 Mai 19,97 19,85 — 012 Juni 21,93 21,88 — 0,05 Juli 26,06 26,04 — 0,02 Auguſt 22,79 23,02 + 0,23 September 18,38 1 + 0,13 October 14,92 15,20 + 0,28 November 7,73 8,38 + 0,60 December 3,84 4,35 + 0,51 Durch Anwendung des Thermometrographen wird die Herleitung der mittleren Tagestemperatur aus den täglichen Temperaturextremen außerordentlich erleichtert, ſo daß ſie in der That jeder andern vorzuzie⸗ hen iſt. Die Abweichung von dem wahren Mittel beträgt nach ihr im Durchſchnitt noch nicht 0,2 Grad. . Beobachtung der Tageszeit, um welche eine der mittlern Tageswärme gleiche Temperatur ſtattfindet. Dieſes Verfahren würde, wenn es ſich als practiſch erwieſe, den großen Vorzug der Einfachheit beſizen, denn es macht nur eine einzige Beobachtung nöthig. Kämtz hat die Zeit genauer berechnet, um welche die mittlere Ta⸗ gestemperatur in Padua und Leith eintritt und folgende Werthe ge⸗ funden: Morgen Abend Padua Leith Padua Leith Uhr Uhr Uhr Uhr Januar 10,2 10,3 8,7 7,8 Februar 10,1 9,9 9,7 7 2. 96 99 9,2 8,6 Apri 9,5 90 9,1 8,8 Mai 76 9,0 7,6 9,0 Juni 74 8,8 7,1 8,6 Juli 75 8% 7,1 8,9 Auguſt 82 ͤ 7,4 8,5 September 8,8 9,1 7,9 8,2 October 94 9,2 7,5 6,8 November 9,2 9,6 6,6 7,7 December 9,6 9,5 7,5 6,2 Mittlere Tagestemperatur. 201 Wie man ſieht, weichen die Stunden der mittlern Tagestempera⸗ tur nicht allein für verſchiedene geographiſche Breiten, ſondern auch bei einem und demſelben Ort innerhalb der verſchiedenen Monate von ein- ander ab. Das ſo eben angegebene Verfahren möchte ſich deßhalb und außerdem noch aus dem Grunde wenig empfehlen, weil es das jorg- ſame Abwarten einer beſtimmten Zeit erfordert. Die Ermittlung dieſer Zeit, welche für jeden Ort eine andere iſt, ſetzt die Kenntniß des Gangs der täglichen Temperatur voraus. Hat man dieſen aber einmal beſtimmt, ſo erhält man die mittlere Temperatur ganz einfach nach der Methode unter a. . Man nimmt aus e Beobachtungen, welche an verſchiede— nen Tagesſtunden angeſtellt worden find, das Mittel und corrigirt die⸗ ſes nach den Tafeln für Padua, Halle u. ſ. w. Es ſei z. B. für einen Ort x in Deutſchland an irgend einem Tage die Temperatur um 6 Uhr Morgens S a, um 2 Uhr Nachmit⸗ tags = b, um 9 Uhr Abends — c, für Halle und die nämlichen Tagesumben — ip B, C gefunden werden, jo ift das Mittel aus den erſten drei Besuchte => . 1 3 +. — d, aus den drei letzten für Halle = rar = D. Es ſei die wahre Mittel temperatur von Halle S d, fo iſt d — D der poſitive oder negative Unterſchied, welchen man zu d fügen muß, um die 5 Mitteltem⸗ peratur für den Ort x zu erhalten. Geſetzt, es wäre an einem Tage des Monats Seren K 12.12, b = 18.30, e —= 15.36 gefunden worden. Nach Tabelle III. beträgt für Halle A = 11.19, B = 18.59, C = 14.10; alfo iſt d — 15.26, D = 14.63; es iſt d = 14.46, demnach o — D = — 0.17; dieſen Werth zu d = 15,26 addirt, gibt die wahre Mitteltempe⸗ ratur des Ortes x zu 15,09 an. Wenn man mit keinem Thermometrographen verſehen iſt, ſo leiſtet das eben beſchriebene Verfahren gute Dienſte. Doch muß man in der Auswahl der Stunden, an welchen die Beobachtungen anzuſtellen ſind, vorſichtig ſein. Aus den früher mitgetheilten Tabellen für Padua, Fort Leith und Halle läßt ſich leicht ermitteln, welche Stunden in jedem Monat zu derartigen Obſervationen am meiſten ſich eignen. 202 Gang der monatlichen und jährlichen Wärme, Dritter Abſchnitt. Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. J. Monatliche Wärme. 1. Der Gang der monatlichen Wärme iſt der Art, daß die Tem⸗ peratur von Anfang des Monats bis zum Ende deſſelben entweder iſteigt oder fällt, mit Ausnahme derjenigen beiden Monate, in welchen das Maxi⸗ mum oder Minimum der jährlichen Wärme eintritt. Der normale Gang der monatlichen Temperatur ergibt ſich indeſſen nur aus mehrjährigen Beobach⸗ tungen, in welchen ſich einzelne Irregularitäten ausgleichen. 2. Die mittlere Wärme eines Monats findet man am ge⸗ naueſten, wenn man die mittlere Wärme der einzelnen Tage addirt und die Summe durch die Anzahl Tage, welche einen Monat ausmachen, dividirt. Die mittlere Temperatur eines Monats wechſelt von Jahr zu Jahr; ſo war z. B. der Februar im Jahr 1849 in unſern Gegenden ſehr kalt, der nämliche Monat im Jahr 1850 auffallend gelind. Um das richtige Mittel zu erhalten, nimmt man daher aus mehrjährigen Beobachtungen den Durchſchnitt. II. Wärme im Laufe des Jahres. 1. Gang der jährlichen Wärme, A. Allgemeines. Es würde die Ueberſichtlichkeit erſchweren, wenn man die jährliche Wärme von Tag zu Tag verfolgen wollte; man nimmt deßhalb die mittlere monat⸗ liche Wärme zum Anhaltspunkt. Dadurch erhält man noch den Vortheil, daß die jährliche Temperatur in regelmäßigerem Verlaufe ſich darſtellt. Vom rein theoretiſchen Standpunkt aus betrachtet, ſollte man meinen, die Wärme müſſe von Frühjahr an bis zur höchſten Sonnenhöhe ſtetig ſteigen; die Auf⸗ zeichnungen der täglichen Wärme ergeben dagegen oft rückgängige Bewegun⸗ gen, die von manchen zufälligen Störungen, z. B. Winden, Regentagen u. ſ. w. herrühren. In dem monatlichen Mittel gleichen ſich dieſe Abnormitäten aus. Nach der ſo eben empfohlenen Methode erhält man alſo eine graphiſche Darſtellung des Ganges der jährlichen Wärme, wenn man die Ape der Abſ⸗ ciffen in 12 gleiche Theile, entſprechend der Anzahl der Monate, zerlegt, in den Theilungspunkten Ordinaten erhebt und dieſen eine ſolche Länge gibt, welche der Temperatur der betreffenden Monate proportional iſt. Indeſſen darf nicht überſehen werden, daß bei dieſer Darſtellungsweiſe die wahren Maxima und Minima der jährlichen Temperatur ausfallen. Um ſie ſichtbar zu machen, was in klimatogiſcher Beziehung mitunter wichtig iſt, muß eine beſondere Curve verzeichnet werden. Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. 8 203 B. Gang der jährlichen Wärme in der nördlichen gemäßigten Zone und in der nördlichen Polarzone. a. Das Minimum der Temperatur tritt nicht mit dem niedrigſten b) Stand der Sonne (23. Dezember) ein, ſondern fällt etwas ſpäter, bei⸗ nahe in die Mitte des Januar. Die Urſache dieſer Erſcheinung liegt da- rin, daß die unbedeutende Wärmezunahme in den auf den 23. Decem’ ber folgenden Tagen durch die viel ſtärkere Ausſtrahlung überwogen wird' Der kälteſte Tag tritt ein: in Enontekis am 20. Januar; in Upfula am 16. Januar; „ Chriſtiania „ 17. * „ Paris „ 12. fr „ Turin Fell. > 5 „ Padua „ 14. 5 „ Rom . „ Capſtadt, 6. „ Im Mittel am 13. Januar. Das Maximum der jährlichen Temperatur fällt nicht auf den 21. Juni, an welchem Tage die Sonne ihren höchſten Stand erreicht, ſondern in den Monat Juli. Es muß demnach die Wärmezunahme einige Zeit nach der höchſten Sonnenhöhe immer noch größer ſein, als der Wärme⸗ A verluft, welchen die Atmoſphäre durch Ausſtrahlung ihrer Wärme in den Weltraum erfährt. Es läßt ſich gerade ſo, wie wir es für den Eintritt des täglichen Temperaturmaximums gethan haben, der Beweis führen, daß, wenn die Wärme bis zum 21. Juni ſteigt, ſie einige Zeit nachher ihren größten Werth erlangen kann. Der wärmſte Tag tritt ein: in Enontekis am 26. Juli in Upſala am 21. Juli „ Ehriftiania „ 20. „ „ Paris 1 1%, „Turin 1 „ Padua „ 26. „ „ Rom „ 1. Auguſt „ Capſtadt „ 4. Auguft- Im Mittel am 27. Juli. Von dem kälteſten Tag an ſteigt die Wärme bis zum wärmſten und und kehrt darauf wieder zur Temperatur des kälteſten Tages zurück. Am geringſten iſt die be in der Wärme in der Nähe der beiden Temperaturextreme. Fig. 88. Die Verzeichnung der neben 5 ftehenden Fig. 88. verfinnlicht das relative Steigen und Fal- | len der Temperatur in einzel- N nen Monaten. Die erſte Or⸗ | | 14. A8, S.0, O-N, N.. D. dinate gibt an, um wie viel Jr, F. M-, MA A- M, M, J., die mittlere Temperatur des | Februar diejenige des Ja⸗ nuar übertrifft, die folgenden | zeigen ebenſo die Temperatur | differenzen der e Monate. 204 Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. c. Gang der jährlichen Wärme innerhalb der Wendekreiſe. Fig. 89. g Die Temperatur in der heißen M_ A M A.. gone ſollte, da die Sonnen⸗ ſtrahlen zweimal des Jahres auf jeden Ort ſenkrecht ein⸗ fallen, zwei Maxima haben. Die Hydrometeore, welche in- nerhalb der Wendekreiſe eine ; - wichtige Rolle ſpielen, ändern 7 A aber diefen Gang der Tempe⸗ AA vatur, wie er ſich aus der Theorie ergibt, weſentlich ab, 2 wie die Verzeichnung in Fig. 7 89. für Batavia (60 12“ ſüdl. N Breite) augenſcheinlich macht. » [I 8 ben | / / + / » E E 8 — — — sus rr 8 Da unter den Wendekreiſen die Höhe der Sonne über dem Horizont während den Jahreszeiten nicht ſo ſehr differirt, als in der gemäßigten und noch mehr in der kalten Zone, ſo können auch die Unterſchiede zwiſchen den monatlichen Temperaturen, ja ſelbſt zwiſchen dem jährlichen Maximum und Minimum daſelbſt nicht ſo bedeutend ſein. In der That ſehen wir aus Fig. 89, daß die Temperatur von Batavia ſich zwiſchen 250 und 260,7 bewegt. Dagegen fand Parry bei ſeiner Nordpolexpedition als höchſten Thermometer⸗ ftand + 15%5, als niedrigſten — 47,7, fo daß alſo der Unterſchied 639,2 betrug. Wie die Temparaturextreme mit der Breite zunehmen, zeigt folgende Zuſammenſtellung. Ort. Breite. Wärmſter Monat. kälteſter Monat. Unterſchied. Cumana 10027 290,1 260,7 20.4 Funchal 907 auf Madeira f 39037 | 24,2 17,8 6,4 Rom 41530 25,0 5,6 19,4 Stockholm 59020’ 17,8 5,1 22,9 Enontekis gast in Lappland 68030 15,3 18,1 33,4 Db. Gang ber jährlichen Wärme an Orten, welche nahe an großen Waſſer⸗ flächen gelegen ſind. Seeklima. Da die Luft nur ungefähr ein Drittel von der Wärme der Sonnen⸗ ſtrahlen, welche ſie paſſiren, abſorbirt, ſo muß ihre Temperatur hauptſächlich von der Erwärmung des Bodens herrühren, welcher ſowohl durch Leitung, als auch durch Strahlung ſeine Wärme den Luftſchichten mittheilt. Die Eigen⸗ ſchaften des Waſſers weichen, was Erwärmung und Erkaltung anlangt, ſehr Gang der jährlichen und monatlichen Wärme. 205 weſentlich von denen des feſten Bodens ab; hieraus folgt, daß Orte an der See anders temperirt ſein werden, als Orte im Binnenlande. Da die Luft über dem Meere nicht ſtagnirt, ſondern durch Winde von einer Stelle zur andern getrieben wird, ſo erſtreckt ſich der Einfluß, den die Temperatur großer Waſſerflächen auf die Erwärmung der Luft über dem Lande ausübt, nicht blos auf die Küſtengegenden, ſondern iſt oft noch in weiter Entfernung von dieſen bemerkbar. Die vorzüglichſten Eigenthümlichkeiten des Seeklima's, in ſo weit daſſelbe durch die Wärme bedingt wird, ſind folgende: a) Orte an der See haben in den Sommermonaten eine geringere Lufttemperatur, als Orte im Binnenlande, welche mit jenen unter gleicher Breite liegen — und zwar aus folgenden Gründen: cr. Das Waſſer beſitzt eine viel größere Wärmecapaeität, als die feſten Körper; d. h. es bedarf mehr Wärme, als dieſe, um ſeine Temperatur bis zu einem gewiſſen Punkte zu erhöhen. Wenn wir (S. 179.) mit ſpezifiſcher Wärme diejenige Wärmequantität bezeichnen, welche ein Körper aufnehmen muß, damit feine Temperatur um 19 fteigt, jo er⸗ fordert: Waſſer 1.0000 Kalkſpath 0.2170 Arragonit 0.2018 Dolomt 0.2179 Gyps 0.2728 Adular 0.1861 Albit 0.1961 Labrador 0.1926 Augit 0.1938 Bergkryſtall 0.1894 Luft 0.2669 Kohlenſäure 0.2210 Die Temperatur des Waſſers der Seen und Meere kann alſo nie ſo hoch ſteigen, als diejenige des feſten Landes. Die nämliche Wärme⸗ menge, welche die Temperatur eines Pfundes Waſſer um 19 erhebt, fteigert die Temperatur der gleichen Gewichtsmenge Feldſpath oder Kalk um 5 Grade. ß. Das Waſſer gibt die aufgenommene Wärme viel langſamer ab, als der feſte Boden. Letzterer beſitzt ein größeres Strahlungsvermögen, während das Waſſer ſeine Wärme mehr durch Verdunſtung verliert. b) Orte an der See haben wärmere Winter, als Orte im Binnenlande. Die Urſachen dieſer Erſcheinung ſind folgende: c. Das Waſſer nimmt, in Folge ſeiner großen Wärmecapaeität und wegen 206 Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. ſeiner Durchſichtigkeit, eine viel größere Wärmeſumme in ſich auf, als der feſte Boden. Die Wärme der Sonnenſtrahlen wird nur an der obern Fläche des letztern abſorbirt; in die tiefern Erdſchichten dringt die Temperatur nur mittelſt Leitung vor. Dagegen gelangen die Sonnen⸗ ſtrahlen weit unter den Spiegel des Waſſers, denn nach Ed. Schmidts Berechnungen muß man 117 Fuß tief in das Meer hinabſteigen, 9 die Sonne nicht heller erſcheint, als der Vollmond. Durch den Wellenſchlag wird den unteren kälteren Waſſerſchichten die Temperatur der oberen wärmeren ſchnell mitgetheilt. Da die Temperatur des Waſſers, wegen ſeiner hohen Wärmecapacität nicht ſo bedeutend ſteigen kann, als diejenige des Bodens, ſo wird jenes auch nicht ſo ſchnell erkalten; denn ein Körper gibt um ſo mehr Wärme an ſeine Umgebung ab, je größer die Temperaturdifferenz zwiſchen ihm und dieſer Umgebung iſt. Außerdem beſitzen aber auch die feſten Körper ein viel größeres Wärmeſtrahlungsvermögen, als die Flüſſigkeiten. Aus allem Dieſem folgt, daß zwar die See ſich langſamer er⸗ wärmt, als das Land, dagegen aber auch die einmal angenommene Temperatur viel länger, ſelbſt bis in den Winter hinein, beibehält. Sie gibt ihre Wärme erſt in der kältern Jahreszeit wieder ab, und zwar mittelſt der Waſſerdämpfe, welche ſich durch die Verdunſtung entwickeln. Die Dämpfe theilen der Luft über dem Lande ihre Wärme mit, wenn ſie mit ihr in Berührung kommen, oder ſie verdichten ſich zu Regen, der den Boden erwärmt. Das an der Oberfläche der Seen und des Meeres befindliche Waſſer erkaltet und ſinkt dann, weil ſein ſpezifiſches Gewicht zugenommen hat, nach der Tiefe hinunter; dafür ſteigt aus dieſer wärmeres Waſſer in die Höhe. Dieſer Umſtand, welcher in der Beweglichkeit der einzelnen Theile flüſſiger Körper beruht, macht das Waſſer der See zu einer ſehr nachhaltigen Wärmequelle. In dem Meere findet der Wiedererſatz des kälter gewordenen Waſſer durch wärmeres aus der Tiefe fortwährend ſtatt, weil das ſpezifiſche Gewicht des Meereswaſſers zunimmt, wenn feine Temperatur ſinkt. Das füße Waſſer der Landſeen leiſtet einen etwas geringern Effect, als das Meerwaſſer. Da es nämlich bei 4% ſeine größte Dichte erreicht, ſo wird an dem Grunde eines ſolchen Sees das wärmere Waſſer (von 4,1) ſich aufhalten, während über ihm kälteres, aber ſpezifiſch leichteres Waſſer ſich befindet. c) Der Unterſchied der täglichen Temperatureßtreme iſt geringer für Orte an der See, als im Binnenlande. Nach dem Vorhergehenden läßt ſich dieſes leicht erklären. Die nach⸗ ſtehende Ueberſicht für Padua (im Binnenlande) und Leith (an der See) zeigt beiſpielsweiſe das Maß der Abweichung. Gang der monatlichen und jährlichen Wärme. 207 Unterſchied der täglichen Unterſchied der täglichen Monat Temperaturexktreme Monat Temperaturextreme Padua Leith N Padua Leith Januar 30 45 1047 Juli 9. 50,10 Februar 4,00 1,96 Auguſt 8,96 4,08 März 4,75 3,38 September 6,88 4,47 April 5,23 5,67 October 4,49 2,71 Mai 7,60 4,55 November 5,17 2,24 Juni 6,67 4,34 Dezember 4,11 1,28 Fig. 90. | | 300 25 7 5 \ 25 Padua 20 . 0 N 2 7 Leith 100% 12 T 7 S 1 Uhr Fig. 90. veranſchaulicht recht deutlich den Einfluß des Seeklimas auf den Gang der täglichen Wärme. Im Winter liegt das Minimum der täglichen Tem⸗ peratur nicht ſo tief, dagegen das Maximum höher bei Orten, welche Seeklima haben. 2. Mittlere Jahrestemperatur. Die Methoden zur Beſtimmung der mittlern Jahrestemperatur ſind folgende: a) Man addirt die mittlere Temperatur jedes Tages durch das ganze Jahr hin und theilt die Summe durch die Anzahl der Tage (365). Das nämliche Reſultat ergibt ſich, indem die Summe der mittleren Monat- temperaturen durch 12 dividirt wird. In beiden Fällen find aber mehr- jährige Beobachtungen nöthig, wenn die gefundene Zahl die richtige ſein ſoll, denn die mittlere Temperatur eines und deſſelben Monats weicht in verſchiedenen Jahrgängen oft gänzlich ab. Trotzdem iſt aber der Fehler doch nicht ſehr bedeutend und überſteigt ſelten die Größe von 1,5 Grad. Man fand. für Paris die mittlere Jahrestemperatur, berechnet aus 21 Beobachtungen — 10,81 und im Jahr e Abweichung vom Mittel 1806 120% + 1727 1807 1076 — 0,05 208 Bang der monatlichen und jährlichen Wärme. im Jahr Jahrestemperatur Abweichung vom Mittel 1808 10,35 — 0,46 1809 10,64 dl 1810 10,62 — 0,19 1811 11,97 — A 1812 9,89 — 0,82 1813 10,24 — 0,57 1814 9,80 — 101 1815 10,49 — 0,32 1816 940 ud 1817... 2070044 — 0,40 1818 11,39 ee 1819 11,12 on 1820 9,81 — 1,00 1821 11,06 — 0,25 1822 12,10 — 1,29 1823 10,40 — 041 1824 11,15 = 1825 11,67 — 0,86 1826 11,44 — 0,63 - Da die mittlere Jahrestemperatur kleiner, als das Maximum und größer als das Minimum aller im Laufe des Jahres ſtattfindenden Wärme⸗ grade iſt, ſo muß zweimal des Jahres eine Temperatur herrſchen, welche der mittlern Jahrestemperatur gleich kommt Den Zeitpunkt, wenn dieſes geſchieht, fand man für Enontekis am 28. April und 22. Oktober „ Chriſtiania „ 3. Mai „ 14. „ * Up ſala n 22. " „ 1 8. " „ Mancheſter „ 27. „ 8 5 n Paris " 18. n " 23. 77 „ Turin e . 7 n Padua 17 20. n " 15. " " Rom n 1. " n 24. u „ Capſtadt „ Aa! . A Im Mittel am 24. April und 21. Oktober, alſo im letzten Drittel dieſer beiden Monate. Hieraus ergibt ſich denn ein abgekürztes Verfahren, um die mittlere Jahrestemperatur zu beſtimmen. Man beobachtet nämlich blos die Tem⸗ peratur im April und Dtcober und nimmt daraus das arithmethiſche Mittel. Doch müſſen die Beobachtungen mehrere Jahre fortgeſetzt werden. Die nachſtehende Tabelle enthält die Angabe der mittlern Jahres⸗ Vertheilung der Wärme über die Erde. 209 temperatur, hergeleitet aus 12 Monaten und aus zweien (April und October), ſowie den Unterſchied zwiſchen beiden Berechnungen. Orte. Mittel aus Mittel aus Differenz. 12 Monaten. April u. October. Berlin 19,93 79,30 + 0,63 Fulda 8,28 8,50 — 0,22 Tübingen 8,68 9,00 — 0,32 München 8,80 9,10 — 0,30 Hamburg 8,90 8,55 0,35 Erfurt 8,08 8,60 0,48 Frankfurt a. M. 9,83 9,60 0,23 Stuttgart 10,00 9,75 0,25 Würzburg 10,41 10,90 — 0,49 Man kann demnach die mittlere Jahrestemperatur für einen Ort, an dem man blos im April und October Beobachtungen angeſtellt hat, herleiten, wenn man die obige Differenz für einen benachbarten Ort, welche nach ſeiner Lage ꝛc. mit dem vorigen übereinſtimmt, kennt. Vierter Abſchnitt. Vertheilung der Wärme über die Erde. 1. Begriff der Iſothermiſchen Linien. Wenn die Maſſe der Erde feſt, eben und durchaus von gleichartiger Be⸗ ſchaffenheit z. B. von Eiſen wäre, ſo müßten alle Orte, welche auf einem und demſelben Breitegrad liegen, einerlei Wärme beſitzen. Dies iſt aber nicht der Fall, die Erde beſteht aus Waſſer und Land, und wenn wir diejenigen Punkte der Erdoberfläche, welche gleiche mittlere Jahrestemperatur haben, mit Linien verbinden, jo bemerken wir, daß dieſe faft nirgends mit den Parallel- kreiſen zuſammenfallen. Humboldt hat zuerſt die Verzeichnung ſolcher Linien, die er Iſothermen (von Jos gleich und Heguòs warm) nennt, auf einer Charte ausgeführt. Die Abweichungen der iſothermiſchen Linien von den Parallelkreiſen rühren hauptſächlich von der ungleichen Vertheilung von Waſſer und Land her. Wir haben früher geſehen, daß dieſe beiden Subſtanzen weder in der Art der Erwärmung, noch des Erkaltens oder der Wärmeabgabe an ihre Um⸗ gebung mit einander übereinſtimmen. Außerdem wird der Lauf der Iſother⸗ men durch die Richtung der Gebirgszüge, die vorherrſchenden Winde, durch die Hydrometeore, ganz beſonders aber durch die Meeresſtrömungen bedingt, welch’ letztere wir nun etwas näher betrachten wollen, da von ihnen früher noch nicht die Rede war. beyer, Bodenkunde. a 14 210 Veelrtheilung der Wärme über die Erde. 2. Die Meeresſtrömungen. f Die Maſſe des Meeres wird nicht blos durch die Winde und den Wellen⸗ ſchlag bewegt, es gibt conſtante Strömungen mitten im Meere. Man kann ſie mit den Flüſſen des Landes vergleichen, nur daß ihre Ufer nicht aus feſtem ‚ Erdreich, ſondern aus Waſſer beſtehen. Suchen wir die Urſachen der Meeres⸗ ſtrömungen auf. 9 In der Gegend des Aequators, wo die Sonne zweimal im Jahr ſenk⸗ recht über der Erde ſteht, wird die größte Hitze erzeugt; es muß deßhalb auch das Meer dort eine Temperatur annehmen, welche die in andern Breiten überſteigt. 0 Indem die Waſſermaſſe am Aequator erwärmt wird, dehnt ſie ſich aus, ſie erlangt eine größere Höhe. Letztere bedingt nach dem Geſetz der Schwere und des Gleichgewichts ein Abfließen nach denjenigen Flächen, deren Niveau niedriger liegt; das erwärmte Waſſer wird alſo ſeinen Zug nach Nor⸗ den und Süden nehmen. Allein die Richtung des Abfluſſes ſteht nicht ſenkrecht auf den Aequator; die Paſſatwinde, welche in einem Gürtel um den Aequator Jahr aus, Jahr ein in öſtlicher Richtung wehen, treiben das Waſſer nach Weſten hin. Wir werden ſpäter ausführlich von dieſen Winden reden. A. Aequatorialſtrom im Atlantiſchen Ocean. Die Waſſermaſſe, welche unter dem Aequator im Atlantiſchen Welt⸗ meer zwiſchen Afrika und Amerika erwärmt wird, wendet ſich, unter dem Einfluß der Paſſatwinde zuerſt rein weſtlich. Sobald ſie an die Küſte von Südamerika anſtößt, theilt ſie ſich in zwei Arme, von denen der eine nach Norden, der andere nach Süden ſeinen Lauf nimmt. a. Golfſtrom. Der nördliche Arm verfolgt zuerſt die nordöſtliche Küſte von Südamerika, dann tritt er in das Caraibiſche Meer und durch die Straße von Pucatan in den Mexikaniſchen Meerbuſen ein, deſſen Küſten er fortwährend begleitet, bis er ſich zwiſchen Florida und Cuba wieder in das offene Atlantiſche Meer er⸗ gießt. Dabei ſchließt er ſich bis 380 — 390 Breite noch an die öſtliche Küfte von Nordamerika an; von dort an wendet er ſich aber öſtlich. Er gelangt nach der Bank von Neufundland und von da nach den Azoren. Jetzt wird ſeine Richtung wieder ſüdlich, bis er an die Stelle gelangt, von der er ſeinen Urſprung genommen hat. Nach ſeinem Austritt aus dem Mexikaniſchen Meer⸗ buſen führt dieſer Arm des Aequatorialſtromes den Namen „Golfſtrom“. Doch nicht die geſammte Waſſermenge des Golfſtroms kehrt in den Aequatorialſtrom zurück; ein nicht unbeträchtlicher Theil wird weiter vorwärts getrieben und gelangt an die Küſten von Irland, Norwegen, Island und Spitzbergen, ja ſelbſt noch bis nach Novaja Semlja. In dieſe Gegenden Meeresſtrömungen. 211 bringt der Golfſtrom Früchte aus ſüdlichen Klimaten und große Mengen von Treibholz. Im fünfzehnten Jahrhundert wurden Leichname von Indianern an die Küſten der Azoren ausgeworfen. Dieſer Umſtand beſtärkte bekanntlich Columbus in ſeiner Meinung, daß weſtwärts noch ein bewohntes Land liegen müſſe. 1682 wurde ſogar ein Kahn mit Eskimo's an die Küſte von Schott⸗ land getrieben. Der Aequatorialſtrom beſitzt an der Küſte von Afrika eine Geſchwindig⸗ keit von 10 geographiſchen Meilen in 24 Stunden (bei den Inſeln St. Tho⸗ mas und Annabon) und eine Temperatur von 23%. Dieſe Geſchwindigkeit, vermehrt ſich aber, je weiter er vordringt, weil beſchleunigende Kräfte auf ſie einwirken, während die Temperatur des Stromwaſſers gleichfalls ſteigt. An der nördlichen Küſte von Südamerika legt der Strom 17 geographiſche Mei⸗ len in 24 Stunden zurück; feine Wärme beträgt hier 28%. Im Caraibiſchen Meere ſoll ſeine Temperatur auf 320 ſteigen (Berghaus), was aber zu be⸗ zweifeln iſt. Sobald der Golfſtrom in das offene Meer eintritt, nimmt ſeine Breite zu, aber in dem nämlichen Verhältniſſe vermindert ſich die Geſchwindigkeit ſeines Laufes. Auch ſeine Temperatur muß ſich erniedrigen, doch geſchieht dies nur allmählig; in 400—41“ nördlichen Breite beträgt fie noch 22,5, während die des Meeres außerhalb nur 17% ausmacht. Neufundland, wel⸗ ches vom Golfſtrom nur berührt wird, hat eine Temperatur von 8 Graden, der Golfſtrom ſelbſt beſitzt aber in der Nähe der Bank noch eine Temperatur von 16 Graden; daher entſtehen die dicken, undurchſichtigen Nebel, mit denen die Bank von Neufundland den größern Theil des Jahres bedeckt iſt. b. Braſilianiſche Strömung. Der ſüdliche Arm des Aequatorialſtroms fließt an der Küſte von Bra⸗ ſilien hin und iſt bis zur Ausmündung des Rio de la Plata noch deutlich wahrnehmbar. Hierauf wendet er ſich aber öſtlich und geht um das Vor⸗ gebirge der guten Hoffnung herum. ' B. Kaltwafſerſtröme im Atlantiſchen Ocean. Die Waſſerleere, welche am Aequator durch den Abfluß nach Norden und Süden (Golfſtrom und Braſilianiſche Strömung) bewirkt wird, muß, wenn das Gleichgewicht nicht geſtört werden ſoll, durch Zufluß wieder ausge⸗ glichen werden. Ein ſolcher findet theils in der Tiefe des Meeres, theils aber auch an deſſen Oberfläche ſtatt. a. Labradorſtrom. Das nördliche Eismeer ſendet einen Strom kalten Waſſers nach dem Süden hin. Er iſt in der Gegend von Spitzbergen bemerkbar, paſſirt mit ſchon größerer Geſchwindigkeit die Küſte von Grönland und vereinigt ſich mit 14 * 212 . Vertheilung der Wärme üder die Erde. einem aus der Hudſonsbay kommenden kalten Strom. Längs der Oſtküſte von Nordamerika fließend, keilt er ſich zwiſchen dieſe und den Golfſtrom und bewirkt dadurch hauptſächlich deſſen Ablenkung nach den Europäiſchen Küſten. Der Labradorſtrom ſetzt ſich bis zum 40ten Breitegrad fort; in manchen Jah⸗ ren treiben Eisſchollen bis in dieſe Gegenden. Wir werden ſpäter ſehen, daß die Temperatur der Oſtküſte Nordamerika's überall da erniedrigt iſt, wo der Kaltwaſſerſtrom fließt. b. Guineaſtrom. Er beginnt zwiſchen den Azoren und der Portugiſiſchen Küſte, bewegt ſich von Norden nach Süden an der Afrikaniſchen Küſte her, berührt die In⸗ ſeln des grünen Vorgebirges und biegt dann in den Meerbuſen von Guinea ein, wo er ſich mit dem Aequatorialſtrom vereinigt. Da der Guineaſtrom an ſeinem Urſprung mit dem Golfſtrom in Verbindung ſteht, ſo vermittelt er den Kreislauf des Waſſers im nördlichen Atlantiſchen Ocean. Nach einer unge⸗ fähren Rechnung braucht ein Waſſertropfen, welcher an der Weſtküſte Afrikas ſeinen Lauf beginnt, drei Jahre, um durch den Aequatorialſtrom, den Golfſtrom und den Guineaſtrom bis zu der nämlichen Stelle zurückzugelangen. c. Kapſtrom. Dieſer Strom kommt eigentlich aus dem Indiſchen Meer. Er geht durch die Straße von Mozambik zwiſchen der Oſtküſte von Afrika und der Inſel Madagaskar hindurch, biegt um das Cap der guten Hoffnung und begleitet dann die Weſtküſte Afrika's bis zum Meerbuſen von Guinea, wo er ſich zu⸗ ſammen mit dem Guineaſtrom in den Aequatortialſtrom des Atlantiſchen Oceans ergießt. d. Gap: Horn Strömung. Sie entfteht im ſüdlichen Eismeer, geht am Cap Horn vorbei und dringt bis zum Rio de la Plata, jedoch in unbedeutender Stärke, vor, ſo daß ſie der Braſilianiſchen Strömung geradezu entgegengelept iſt. C. Warmer Aequatorialſtrom im Großen Oeean. Im Großen Ocean wird zwiſchen den Wendekreiſen das Waſſer gerade ſo erwärmt, wie im Atlantiſchen Weltmeer; die Paſſate treiben es in der Richtung von Oſten nach Weſten fort. An den Polpyneſiſchen Inſeln viel⸗ fach zerſplittert, gelangt dieſer Strom ſüdwärts in das Indiſche * wäh⸗ rend er nach Norden hin die Küſten von Japan beſpült. D. Kaltwaſſerſtröme im Großen Ocean. Die durch den Aequatorialſtrom im Sofern" Ocean vella Waſſer⸗ leere zwiſchen den Wendekreiſen wird durch zwei Kaltwaſſerſtröme erſetzt, nämlich Iſothermen. 213 a) durch die Meyikaniſche Strömung. Sie zieht in nordſüdlicher Richtung an der Küſte von Galiſbrmien und Mexiko vorbei. b) Durch den großen Peruſtrom. ö Er nimmt ſeinen Urſprung im ſüdlichen Eismeer und begleitet die Weſt⸗ küſte Südamerika's bis nahe an den Aequator. Sowohl durch Gejchwindig- keit, als auch durch die Kälte des Waſſers iſt dieſer Strom ausgezeichnet. Humboldt fand in der Breite von Callao feine Temperatur gleich 150,5, während die des Meeres außerhalb der Strömung 260.— 280,5 betrug. 3. Nähere Deutung des Laufs der Iſothermen. Wenn man eine Karte anſieht, auf welcher die iſothermiſchen Linien verzeichnet ſind, ſo bemerkt man folgendes: a) In der Nähe des Aeqators ſowie im Allgemeinen auf der ſüdlichen Halbkugel ſtimmen die Iſothermen noch am meiſten mit den Parallelkreiſen überein. Das erſtere erklärt ſich aus dem ſchon früher gewonnenen Reſultat, daß innerhalb der Wendekreiſe ſowohl die täglichen, als auch die jährlichen Temperaturextreme nicht ſo weit auseinanderliegen, als in der gemäßigten Zone. Verſchiedenheiten in der Erwärmung des Meeres und des feſten Lan— des können daher dort auch nicht ſo bedeutend werden. Was den zweiten Punkt anlangt, ſo hat dieſer in dem Vorherrſchen des Waſſers auf der ſüdlichen Halbkugel ſeinen Grund. Wir haben hier einen gleichartigen Körper, der ſich gleichmäßig erwärmt. Fänden die Mee⸗ resſtrömungen nicht ftatt, fo würden die Iſothermen auf der ſüdlichen Halb- kugel, ſoweit ſie nicht über das Land gehen, völlig mit den Parallelkreiſen zuſammenfallen. b) Im Allgemeinen gilt das Geſetz, daß die Iſothermen im Innern der Feſtländer ſich ſenken, dagegen im Meere wieder höher fteigen. Dies will nichts anders ſagen, als daß unter einerlei Breite die Luft über dem Meer eine größere mittlere Jahrestemperatur hat, als Orte auf dem Lande. Wir bemerkten ſchon früher (S. 205.), daß das Seeklima zwar durch kühlere Sommer, aber auch durch wärmere Winter ausgezeichnet iſt; der eben angedeutete Verlauf der Iſothermen beweiſt, daß die Temperaturerniedrigung im Sommer durch die Temperaturerhöhung im Winter überwogen, daß alſo durch die Nähe der See der mittlern Jahrestemperatur ein höherer Werth verliehen wird. Den Einfluß PR Waſſerflächen auf die Wärme einer Gegend be- merkt man ſehr deutlich an den großen Seen im Innern Nordamerika's. 214 Vertheilung der Wärme über die Erde. In der Nähe dieſer Seen hebt ſich die Iſotherme von 50 in auffallender Weiſe; ſie fällt nach der Oſtküſte dieſes Continentes um 36 Meilen. c) Abgeſehen von einigen Störungen, deren Urſache wir in den Mee⸗ resſtrömungen erblicken, gehen die Iſothermen an den Weſtküſten der Continente und Inſeln höher hinauf, als an den Oſtküſten, d. h. die Weſtküſten haben unter glei⸗ cher geographiſcher Breite eine höhere mittlere Jahrestemperatur, als die Oſtküſten. Wie wir ſpäter bei der Betrachtung des Regens und der Winde ſehen werden, erzeugt die am Aequator aufſteigende warme Luftſäule bei ihrem Vordringen nach den Polen in der nördlichen Halbkugel einen Südweſtwind, in der ſüdlichen Hemiſphäre aber einen Nordweſtwind. Dieſer Wind, welcher aus den heißeſten Gegenden der Erde ſtammt, beſitzt eine hohe Temperatur. Er führt gewöhnlich, weil er über ausgedehnte Meeresflächen hinſtreicht, große Mengen von Feuchtigkeit mit ſich, denen gleichfalls eine höhere Temperatur eigen iſt. Begreiflicher Weiſe muß der Südweſt⸗ und Nordweſtwind in den beiden Hemiſphären immer zuerſt die Weſtküſte der Länder treffen. Ergibt an di eſe Wärme ab, theils indem er ſich mit der Luft über den Küſten miſcht, theils aber auch, indem ſeine Feuchtigkeit über dem kältern Lande ſich verdichtet und als Regen zu Boden ſinkt. Die Temperatur der Weſtwinde wird übrigens um ſo mehr erniedrigt, je weiter ſie in das Innere der Continente vordringen, und wenn hohe Gebirgsrücken ſich ihnen entgegenſtemmen, an denen ſich die Feuchtigkeit vorzugsweiſe abſetzt. So iſt es zum Beiſpiel mit dem Ural, welcher die Grenze zwiſchen Europa und Aſien bildet, der Fall; jenſeits dieſes Ge⸗ birges ſinken die Iſothermen ſehr raſch nach dem Innern des Aſiatiſchen Feſtlandes. Die Oſtküſte von Nordamerika, alſo diejenige Seite des Landes, welche zuerſt von Europa aus kultivirt wurde, iſt bis zum fünfunddreißigſten Grad der Breite verhältnißmäßig viel kälter, als die Weſtküſte von Europa, wie die folgende Zuſammenſtellung zeigt. Oſtküſte von Weſtküſte von Nördl. Breite. Nordamerika. Europa. Mittlere Jahrestemperatur. 25° 240,30 220,71 30 22,44 21,40 35 18,54 18,68 40 12,94 16,91 45 5,94 13,38 50 1,90 10,68 55 — 1,76 75 60 — 5,60 4,99 65 — 9,60 0,65 70 — 15,70 0,10 Vertheilung der Wärme über die Erde. 215 Nordamerika verdankt die höhere Temperatur feiner Oſtküſte vom fünf- unddreißigſten Grad der Breite an nur der Wärme des Golfſtroms, welcher dieſe Küſte erſt zwiſchen 38—39 Grad verläßt. Die Wärme dieſes Stroms trägt, neben derjenigen der Südweſtwinde, auch ſehr viel zur höheren Tem⸗ peratur der Europäiſchen Weſtküſte bei, und es iſt nicht zu läugnen, daß, wie neuerdings ein geiſtreicher Naturforſcher behauptet hat, die mittlere Jah⸗ reswärme Europa's um mehrere Grade ſinken würde, wenn der Golfſtrom, etwa mittelſt eines Durchſtichs der Landenge von Panama, einem Abfluß in den Großen Ocean finden ſollte. Die Temperatur der Oſtküſte Nordamerika's wird aber noch durch die Kälte des Labradorſtromes deprimirt. In manchen Jahren dringt dieſer ſehr weit ſüdwärts vor. „So fiel im Jahr 1842 in Süd⸗Carolina die Baum⸗ wollenerndte ſchlecht aus, weil eine beträchtliche Anzahl ungewöhnlich großer Eisberge von der Hudſonsbay und der Baffinsbay nach Süden herabgeſchwom⸗ men war und die See, ſowie die Luft in jener Gegend ſehr abgekühlt hatte.“ ELyell: Reifen in Nordamerika, S. 112). Die Nordamerikaniſche Weſtküſte iſt wärmer, als die Oſtküſte, in Folge der Einwirkung der Südweſtwinde. Doch gilt dies nicht für die niederen Breiten. Hier zeigt ſich eine Erhöhung der mittlern Jahrestemperatur zu Gunſten der Oſtküſte. Die Urſache dieſes Verhaltens tragen der Mexikaniſche Kaltwaſſerſtrom, der Kalifornien und Mexiko abkühlt, und der Golfſtrom, der den ſüdlichen Küſten der Vereinigten Staaten eine höhere Wärme mittheilt. Folgende Zuſammenſtellung gibt an, unter welchen Breitegraden die beiden Küſten Nordamerika's von den Iſothermen geſchnitten werden. Iſotherme Weſtküſte Oſtküſte von 250 150427 22000 20 27 43 31 38 15 36 15 37 48 10 45 09 40 45 5 53 28 45 26 0 62 38 52 30 BER 74 52 59 37 Auch die Temperatur Südamerikas zeigt eine Abweichung von der Regel, nach welcher die Oſtküſte kälter ſein ſoll, als die Weſtküſte. Wir haben früher geſehen, daß an der Küſte Braſiliens bis zum Rio de la Plata ein Arm des warmen Aequatorialſtromes fließt, während an der Weſtküſte der kalte Peruſtrom ſich bewegt. Daher rührt es denn, daß z. B. die mittlere Jahres⸗ wärme von Callao, dem Hafen von Lima, unter 120 ſüdliche Breite nur 200, diejenige von Rio Janeiro in Braſilien unter 230 ſüdlicher Breite 230,2 be⸗ trägt. Obgleich alſo Rio Janeiro 110 oder 165 geographiſche Meilen weiter 216 Vertheilung der Wärme über die Erde. vom Aequator entfernt iſt, als Lima, hat es doch eine um 30,2 höhere Jah⸗ restemperatur, als dieſes. In Europa bieten Norwegen und Schweden eine vorzügliche Gelegen⸗ heit, um die Temperaturverhältniſſe der Oſt- und Weſtküſten zu prüfen. N. Breite. Mittl. Jahrestemp. Bergen (Norw.) 60023 6% 7 Söndmör (Norw.) 620307 5,28 Drontheim (Norw.) 63026’. 49,29 Upfula (Schweden) 59052“ 50,2 Falun (Schweden) 60039 40,4 Umea (Schweden) 630507 10,96 Die Zahlen ſprechen ſehr deutlich aus, da die Weſtküſte ae wärmer iſt, als die Oſtküſte. d) Der Wärme⸗Aequator — fo nennt man biejenige Linie, welche die Punkte der größten Jahreswärme auf der Erde mit ein⸗ ander verbindet — fällt nicht mit dem Erd-Aequator zuſammen. Der Wärmeäquator liegt größtentheils auf der nördlichen Halbkugel, wahrſcheinlich deshalb, weil dieſe mehr Land enthält, als die ſüdliche Hemi⸗ ſphäre. Das Land erwärmt ſich im Sommer viel ſtärker, als die See; freilich ſtrahlt es im Winter auch mehr Wärme aus; man bedenke indeſſen, daß dieſer Verluſt in der heißen Zone nicht bedeutend ſein kann, weil dort die Temperaturen des Sommers und Winters nur um einige Grade differiren. Der Wärmeäquator erreicht im Atlantiſchen Ocean feine größte Höhe an den Weſtindiſchen Inſeln, ſenkt ſich hierauf durch das Atlantiſche Meer hin bis an die Küſte von Guinea, ſteigt wieder in dem innern Afrika, von wo aus er ſich bis faſt nach Oſtindien auf gleicher Höhe hält, fällt bei den Moluccen, wo er den Erdäquator ſchneidet, unter welchem er bis 155°. weſtlich von Paris bleibt, und hebt ſich dann wieder nach den Weſtindiſchen Inſeln hin. Die mittlere Temperatur des terreſtriſchen Aequators beträgt 280,3, wobei angenommen iſt, die ganze Wärme dieſer Linie ſei auf alle ihre Punkte gleich⸗ förmig vertheilt. e) Der Nordpol iſt nicht der kälteſte Punkt der nördlichen Halbkugel. . Es beſteht vielmehr, nach Dove, ein kälteſter Fleck, welcher im Jahres⸗ mittel ſich von der Melvilleinſel nach dem Eiskap hin erſtreckt, ohne 1 zu erreichen oder den Pol zu berühren. Vom Januar zum Juli wandert der Kältepol von Aſien nach Amerika und kehrt in der zweiten Hälfte des Jahres nach Aſien zurück. Ueber die Temperatur des ſüdlichen Polarkreiſes iſt nichts Näheres bekannt. Brewſter nahm zwei Kältepole an; einer befinde ſich im Norden von Amerika und habe eine Temperatur von — 190,7, der andere über Aſien Iſothermen. 6 217 mit — 170,2. Zu dieſer Unterſtellung gab der Umſtand Veranlaſſung, daß die iſothermiſchen Linien ſich um ſo mehr krümmen, je näher ſie dem Pol kommen. Sie bilden zuletzt zwei getrennte Aeſte, die ſich gar nicht mehr berühren. Allein dieſes Verhalten iſt doch nur ein ſcheinbares und ver- ſchwindet, wie Dove gezeigt hat, wenn man die Erde in der Polarpro⸗ jection verzeichnet und die Iſothermen hinreichend verlängert. f. Die Temperatur der ſüdlichen Halbkugel iſt niedriger, als die der nördlichen. Zur Vergleichung mögen folgende Zahlen dienen: Jahreswärme. Breite. Nördl. Halbkugel. Südliche Halbkugel. 00 260,5 260,5 10 26,6 25,5 20 25,2 23,4 30 21,0 19,4 40 13,6 12,5 Dieſe Thatſache wurde ſchon früher geahnt, ift aber erſt in der letzten Zeit zur Evidenz bewieſen worden, ſeitdem eine größere Anzahl von Tempe⸗ raturunterſuchungen auf der ſüdlichen Halbkugel bekannt geworden iſt. Die geringere Wärme der ſüdlichen Hemiſphäre wollte man anfangs von der kürzern Dauer ihres Sommers herleiten. (Der Unterſchied beträgt ungefähr eine Woche und wird bekanntlich durch das Vorrücken der Tag- und Nacht⸗ gleichen und die Bewegung der Abſidenlinie der Sonnenbahn bewirkt, ver: möge welcher die Punkte der kleinſten und größten Entfernung der Sonne von der Erde nicht immer auf dieſelben Punkte der Ekliptik zu liegen kom⸗ men). Doch ſcheint dieſer Umſtand nicht von großer Bedeutung zu ſein. Richtiger iſt folgende Erklärung: Die nördliche Halbkugel iſt gegen den Pol hin faſt allerwärts von Land umſchloſſen, die kalten Waſſerſtröme und Eis- ſchollen der aretiſchen Zone können nur auf der Waſſerſtraße, die zwiſchen Grönland und Spitzbergen ſich hinzieht und durch die Inſeln Spitzbergen und Island unterbrochen iſt, nach Süden vordringen, denn die Behrings⸗ ſtraße zwiſchen Oſt⸗Aſien und Weſt⸗Amerika iſt wohl zu enge, um bedeutende Waſſermaſſen durchzulaſſen und kann deßhalb hier nicht in Betracht gezogen werden. Dagegen iſt der Süden überall frei; die Eisberge des Südpolar⸗ meeres können ungehindert bis an den Aequator vordringen, und die nach Süden zugeſpitzte Geſtalt des alten und des neuen Continentes, welche von einer größern Ausbreitung des Meeres nach Süden hin begleitet iſt, gibt ihnen vollſtändig Raum, ſich nach allen Seiten hin zu vertheilen. Auch die Meeresſtrömungen mögen Manches zur höhern Temperirung unſerer Hemiſphäre beitragen. Der warme Aequatorialſtrom dringt nämlich ſeiner größern Maſſe nach in nördliche Gegenden; ein Arm, der ſüdlich geht, 218 Vertheilung der Wärme über die Erde. verſchwindet ſchon in 400 ſüdlicher Breite, während an der Weſtküſte von Südamerika der kalte Peruſtrom ſich hinzieht und das Feuerland gleichfalls von einem Polarſtrom umſpült iſt. Dove berechnet die Mitteltemperatur der nördlichen Halbkugel zu 15,05, die der ſüdlichen Halbkugel zu 13,6. Er ſchreibt dieſe ungleiche Vertheilung der Wärme dem Umſtande zu, daß auf der ſüdlichen Erdhälfte ſich mehr Waſ⸗ ſerdampf entwickele, welcher vorzugsweiſe auf der nördlichen Halbkugel zur Condenſation gelange, und hier ſeine latente Wärme abgebe. Sonach müßte auch die Regenmenge auf der nördlichen Erdhälfte größer ſein, als auf der ſüdlichen. g. Die Wärmeabnahme, welche vom Aequator nach dem Pol Hin ftattfindet, erreicht ihren höchſten Werth zwiſchen dem vierzigſten und fünfzigften Breitegrad. Sie beträgt zwiſchen 0100, 10-20, 20 — 30, 30—40, 40— 50, 50—60, 60— 70, 70-80, 80-90 Temp. Gr.— 0,12 1,4 4,2 7, 8,2 6,4 7,9 5,1 2,2 Anmerkung. Die Mitteltemperatur der ganzen Erde fin. det Dove — 149,6 Celſ. Die Geſammtwärme, welche an der Erdoberfläche das Jahr über herrſcht, würde hinreichen, um eine Eisſchicht von 14 Metern Höhe, mit welcher man ſich die Erde bedeckt zu denken hat, zu ſchmelzen. 4. Die Iſochimenen. a. Begriff. Als wir die Iſothermlinien zogen, betrachteten wir die Vertheilung der Wärme auf das ganze Jahr, mit einem Worte, den Totaleffect, welchen die Wärme erzeugt, wenn man die Temperaturen der ee Jahreszeiten auf einander ausgleicht. Dieſe Darſtellungsweiſe verſchafft uns allerdings einen Ueberblick über das Klima im Ganzen, in ſo fern dieſes aus dem Zuſammenwirken verſchie⸗ dener Factoren (hier der Wärme) entſpringt. Allein ſie reicht nicht aus, wenn es ſich darum handelt, den Einfluß der Wärme auf die Vegetation zu ermitteln. Das Gedeihen der Gewächſe hängt nämlich viel weniger von der mittleren Jahrestemperatur, als vielmehr von der Wärme der Jahreszeiten ab. Unter Iſochimenen (von Jos gleich und xetuch Winter) verſteht man Linien, welche diejenigen Orte verbinden, denen die nämliche Winterte tur zukommt. Zum Winter rechnet man aber klimatologiſch die Wende De cember, Januar und Februar. * b. Lauf der Iſochimenen. Man kann die Iſochimenen als Curven bezeichnen, welche den Iſother⸗ men ähnlich ſind; nur finden wir bei den erſtern alle ſüdlichen Biegungen viel 3 Iſochimenen und Iſotheren. 219 ſtärker ausgeprägt. So hat z. B. die Iſochimene von 00 faſt die nämliche Geſtalt, wie die Iſotherme von Oo, allein dieſe ſchneidet Amerika noch unter: halb der großen Seen, jene erſt in Labrador. Beide heben ſich an der Küſte von Norwegen bedeutend nordwärts und ſinken dann wieder im Innern von Rußland und Aſien, beide heben ſich, wenn ſie ſich von der Oſtküſte Aſiens zur Weſtküſte Amerika's wenden. Im Innern der Feſtländer biegen ſich die Iſochimenen ſtark nach dem Aequator hin, was in der ſtärkeren Abkühlung des Bodens, im Vergleich mit der See, ſeinen Grund hat. 5. Iſotheren. a. Begriff. Iſotheren nennt man die Linien, welche Orte mit gleicher Sommerwärme verbinden (von Js %s Sommer). Zum Sommer rechnet man een die Monate Juni, Juli und Auguſt. b. Lauf der Iſotheren. Da die Iſochimenen im Innern der Continente ſich nach dem Aequator biegen, die Iſothermen aber nicht fo tief herabſinken, ſo müſſen an der reſpee⸗ tiven Hebung der letztern die Iſotheren ſchuld ſein. In der That finden wir, daß die Iſotheren im Innern der Länder aufwärts ſteigen und nach dem Meere hin ſich ſenken. So hat das durch ſeine verhältnißmäßig hohe mittlere Sbersta eee ausgezeichnete England kühlere Sommer, als viele Orte in Scandinavien, welche 100 nördlicher gelegen ſind. Die Inſel Man (in 540 12“ nördlicher Breite, welche eine höhere mittlere Jahrestemperatur (90,97) beſitzt, als Krakau (in 500 04“ Breite, mit 8,0 Jah⸗ reswärme), hat doch eine geringere Sommertemperatur (15,1) als Drontheim (in 630 26“ Breite mit 16,3 S.⸗Temp.) Der Lauf der Iſotheren im Innern von Aſien läßt eine Ausnahme von der vorhin aufgeſtellten Regel wahrnehmen. Sie beginnen nämlich dort wieder etwas zu fallen. Dies rührt von den kalten Luftſtrömungen her, welche von den hohen Gebirgen Central⸗Aſiens (Himalaya u. ſ. w.) wehen. Die aus dem Indiſchen Meere kommenden Südweſtwinde ſetzen an den ſchneebe—⸗ deckten Gipfeln der genannten Gebirgskette ihre Feuchtigkeit ab und verlieren mit dieſer einen großen Theil ihrer Wärme, ſo daß ſie in die Aſiatiſchen Step⸗ pen als kalte Winde gelangen. Das auffallend ſtarke Anſteigen der Iſotheren im Norden von Europa erklärt ſich ſehr einfach durch die längere Dauer des Sommer⸗Tages in höhern Breiten. 220 Vertheilung der Wärme über die Erde. 6. Monatsiſothermen. a. Begriff. Unter den Monatsiſothermen verſteht man Linien, welche die Orte glei- cher monatlicher Wärme verbinden. Dieſe, von Dove eingeführte Benennung iſt ſprachlich nicht ganz richtig, weil man unter Iſothermen ſchon die Linien gleicher Jahreswärme begreift. b. Lauf der Monatsiſothermen. Auf die Grundlage einer größern Anzahl von Temperaturbeobachtungen und mit Hülfe von Interpolationen hat Dove den Lauf der Monatsiſother⸗ men dargeſtellt. Dieſe Linien ſchließen ſich, was die kälteren Monate betrifft, den Iſochimenen, hinſichtlich der wärmern Monate aber mehr den Iſotheren an. Die Linien für die Herbſt⸗ und Frühlingsmonate bilden die Uebergänge zwiſchen beiden. 7. Temperatur des Bodens. a, Temperatur der Bodenoberfläche im Sonnenſchein. Die Erde erwärmt ſich vermöge ihrer großen Abſorptionsfähigkeit für die Sonnenſtrahlen viel ſtärker, als die Luft, welche den letztern größtentheils Durchgang geſtattet und ihre Wärme hauptſächlich erſt wieder vom Boden durch Leitung oder Strahlung empfängt. Schübler ſtellte darüber Beobach⸗ tungen in den Jahren 1828 und 1829 zu Tübingen an. Er brachte ein Ther⸗ mometer, von weißem Glaſe angefertigt, unmittelbar an den Boden, bedeckte aber deſſen Kugel eine Linie ſtark mit Erde. Die Angaben dieſes Inſtrumen⸗ tes wurden zwiſchen 12 und 1 Uhr notirt. Temperatur der Erdoberfläche der Luft Monate im Sonnenſchein im Schatten Unterſchied Januar 12,2 — 4,1 16,3 Februar 30,1 6,1 24,0 Marz 37,5 8,1 29,4 April 49,7 16,5 33,2 Mai 55,1 19,6 35,5 Juni 59,7 24,0 35,7 Juli 63, 27,4 36,1 | Auguft 54,5 20,5 34,0 N September 48,7 20,0 28,7 October 27,1 6,0 21,1 ’ November 22, 4,5 18,1 December 15,1 2,0 17,1 Mittel 39,6 12,9 26,7 Temperatur des Bodens. 221 Man ſieht aus dieſen Zahlen, daß das Temperatur-Minimum und Mari- mum des Bodens, wie das der Luft, in den Januar und Juli fällt. Die höchſte Wärme der Erdoberfläche, welche Schübler beobachtet hat, fiel auf den 16. Juli des Jahres 1828; ſie betrug 67,5 Celſ. bei 25,6 Luft⸗ wärme im Schatten. Weſſely will in den unteren Regionen der Alpen Tem⸗ peraturen bis zu 65,0 in den oberen bis zu 400 beobachtet haben. B. Temperatur des Bodens in der Tiefe. Die Oberfläche des Bodens wird ſowohl durch die Sonnenſtrahlen, als auch durch die Luft, welche mit ihr in Berührung iſt, erwärmt; die Tempera⸗ tur pflanzt ſich durch Leitung bis in die tieferen Bodenſchichten fort. Da aber die Erde ein ſchlechter Wärmeleiter iſt, ſo wird eine an ihrer Oberfläche be— wirkte Temperaturerhöhung ſich nicht momentan den untern Schichten mit⸗ theilen. Indem die Wärme von Partikelchen zu Partikelchen übergeht, braucht fie Zeit, und zwar um fo mehr, je weiter der Punkt von der Oberfläche ent- fernt iſt. Daher kommt es denn, daß eine an der Oberfläche des Bodens ftattfindende Zunahme oder Abnahme der Temperatur nicht auch ſogleich in der Tiefe wahrgenommen wird. So wird der Eintritt des täglichen Tempera- turmaximums der Luft 1 Deeimeter unter der Bodenoberfläche 3 Stunden ſpäter bemerkt. In noch größern Tiefen bleibt die Temperatur um einen weit längern Zeitraum hinter der Lufttemperatur zurück. Es fand Quetelet in Brüſſel in der Tiefe von das jährl. Maximum das jährl. Minimum Metern am 22. Juli 23. Januar 0,19 3 3. Februar 0,45 „ 11 0,75 „ 5. Auguſt 3 1,00 PUR u W 4 u 3,90 „ 12. October 22. April 7,80 „ 12. December 18. Juni In einer Tiefe von 8 Metern treten demnach die jährl. Temperatur⸗Maxima und Minima faſt ein volles Halbjahr ſpäter ein, als an der Oberfläche des Bodens. Doch verurſachen auch die Materialien, aus denen der Boden be— ſteht, einige Unterſchiede, wie man aus den nachſtehenden Beobachtungen von Forbes in Edinburg erſieht. Bodenart. Das Temperaturmaximum trat ein in 1,0 5 1,9 BL... 7,8 Metern Tiefe Sandſtein am 5. Auguſt 19. Auguſt 11. September 11. November Dolerit am 6. „ 2. Sept. 17. October 8. Januar Sand am 31. Juli 24. Auguſt 7. „ 30. December Der poröſe Dolerit leitet alſo die Wärme nicht ſo gut, wie der dichtere Sand⸗ ſtein. Auch der loſe Sand bildet einen ſchlechten Wärmeleiter; die Anoma⸗ EZ 222 Vertheilung der Wärme über die Erde. lien, welche er bis zu 1 Meter Tiefe zeigt, rühren wahrſcheinlich von dem Ein- dringen der Luft und des Waſſers in ſeine Zwiſchenräume her. Die Unterſchiede der täglichen Temperatur verſchwinden in unſern Ge⸗ genden ſchon in 4 Meter Tiefe. Wenn man ein Thermometer 4 Meter tief in den Boden einſenkt, ſo hält ſich dieſes von einem Tag zum andern ſtatio⸗ när; erſt nach Verlauf von mehreren Tagen gibt es die, ſchon bedeutenderen, Temperaturveränderungen an. In der Tiefe von 1 Meter verſchwinden ſelbſt die wöchentlichen und in 2 Metern die monatlichen Temperaturdifferenzen. In acht Metern Tiefe bemerkt man nur noch die jährlichen Maxima und Mi⸗ nima und in 20—24 Metern bleibt die Temperatur das ganze Jahr hindurch eine und dieſelbe. Im Keller des Obſervatoriums zu Paris befindet ſich 27,6 Meter unter der Oberfläche des Bodens, ein Thermometer, welches 1773 von Lavoiſier dort aufgeſtellt wurde und ſeit dieſer Zeit fortwährend die conftante Temperatur von 110,82 zeigt. Innerhalb der Tropen trifft man aber ſchon in einer Tiefe von 1—4 Metern eine conſtante Temperatur an. Indeſſen iſt die Wärme des Bodens an der Stelle, wo die jährlichen Aenderungen verſchwinden, nicht gleich der mittlern Jahrestemperatur der Luft an der Bodenoberfläche. Die Bodenwärme behauptet einen etwas grö⸗ ßern Werth in Folge des Einfluſſes, den die Centralwärme des gegenwärtig noch heißflüſſigen Erdkernes auf die feſte Rinde unſeres Planeten äußert. Genaue Unterſuchungen haben ergeben, daß die Wärme um ſo mehr zunimmt, als man ſich, von der Erdoberfläche ausgehend, dem Erdmittelpunkt nähert. N So fand man in Bohrlöchern zu Pregny bei Genf (Pregny liegt 1400 Fuß über dem Meeresſpiegel) und zu Rüdersdorf in der Mark Brandenburg folgende Temperaturen: Tiefe unter der Unter⸗ Tiefe unter der Unter⸗ Bodenoberfläche Pregny ſchied Bodenoberfläche Rüdersdorf ſchied 0 Meter 9,750 0 Meter 80,50 1 10,500 „ 10,00 * 10,625 Ey. 13,44} 1,49 1 11,000 Ba". 14,93 62 „ 11,875 DER Die, 1036 ar: 93 „ 13,125] 1250 155 „ 1775 1,89 124 „ 14,2121 1,087 186 „ 19,127 1,37 155 „ 15,250) 1.088. mer 20,73) 1,61 186 „ 16,3123 1,062 248 „ 22,341 1,61 A 17,250 an. 23,50 Wir ſehen alſo, daß die Temperatur in geradem Verhältniſſe mit der Tiefe zunimmt. Nach dem Mittel aus den vorzüglichſten Beobachtungen muß man 31 Meter oder 100 Pariſer Fuß tief hinab ſteigen, damit ſich die Tem⸗ Temperatur des Bodens. 223 peratur um 19 Celſ. erhöhe. Doch findet man auch Unterſchiede, je nach der Natur des Bodens. Das Geſetz der Wärmezunahme mit der Tiefe fand man ſogar in dem gefrornen Boden von Jakuzk in Sibirien beſtätigt. Die mittlere Jahrestem⸗ peratur beträgt daſelbſt — 9,7; im Sommer thaut der Boden nur bis zu 4 Metern Tiefe auf. Im Jahr 1830 legte Ermann hier einen Brunnenſchacht an, der aber erſt 1837 beendigt wurde. Man fand in 15 Metern Tiefe — 60,9 2 23 " " —5,0 „ 36 " n —2,5 „116 " „ —0, Nehmen wir an, das Geſetz der Wärmezunahme gelte auch für ſolche Tiefen, bis zu welchen man noch nicht gelangt iſt. Berechnen wir hiernach, wie tief man in die Erde einzudringen hat, um Waſſer ſiedend und Eiſen ge⸗ ſchmolzen anzutreffen. Der Siedepunkt des Waſſers liegt bei 1000. Geſetzt, das Waſſer an der Erdoberfläche habe eine Temperatur von 0°, ſo würde in 31.100 = 3100 Me⸗ tern Tiefe das Waſſer ſieden müſſen. 3100 Meter ſind aber etwas mehr, als eine habe Meile. — Das Eiſen ſchmilzt bei 1200; um an den Punkt zu ge⸗ langen, wo dieſes geſchieht, müßte man alſo 31.1200 237200 Meter (etwas über fünf Meilen) tief unter die Erdoberfläche hinabzuſteigen haben. Man ſieht hieraus, daß die feſte Kruſte nur einen kleinen Theil der Maſſe unſeres Planeten ausmacht und daß der größere Theil der Erde in heißflüſſigem Zu⸗ ſtande ſich befinden muß. Da die Temperatur des Bodens in einiger Tiefe (20 — 24 Metern) ſta⸗ tionär iſt, ſo hat man vorgeſchlagen, die mittlere Jahrestemperatur eines Or⸗ tes aus der Temperatur ſeiner Quellen, die aus einer ſolchen Tiefe aufſteigen, abzuleiten. Dieſes Verfahren, obgleich es nur eine einzige Beobachtung er⸗ fordert, iſt indeſſen nicht ſehr empfehlenswerth, denn es macht ſich in der Tiefe, in welcher die Unterſchiede der jährlichen Wärme zu verſchwinden an⸗ fangen, ſchon der Einfluß der innern Erdwärme geltend, wie aus den nachſte⸗ henden Beobachtungen Quetelets in Brüſſel erſichtlich iſt. Tiefe Jahresmittel 0 Meter 90,90 058 „ 9,71 138. 4 10,07 2,21 „ 10,31 3088 „ 11,16 12,00 „ 11,99 24,00 11,88 Dann kann man aber nie barüber vollſtändig verfichert fein, ob denn die Quelle wirklich aus der oben bezeichneten, oder aus einer größern oder ge⸗ 224 Vertheilung der Wärme über die Erde. ringern Tiefe komme. Im erſtern Falle würde die Quelle eine Therme und ihre Temperatur ſchon anſehnlich höher, als diejenige der Luft an der Ober⸗ fläche des Bodens ſein; im andern Falle aber erhielte man, je nach der Be⸗ obachtungszeit, ſchwankende Temperaturen. Das Waſſer der gewöhnlichen Senkbrunnen eignet ſich am allerwenigſten dazu, um aus ſeiner Temperatur die mittlere Jahreswärme eines Ortes herzuleiten; dieſe Brunnen werden von Tagwaſſern geſpeiſt, deren Temperatur überaus veränderlich iſt. Da unter den Tropen ſchon in einer Tiefe von ½ bis ¼ Metern die Temperatur des Bodens conftant iſt, jo läßt ſich in dieſen Gegenden die mitt⸗ lere Jahrestemperatur noch am erſten durch Beobachtungen der Temperatur des Bodens ermitteln. Die meiſten Temperaturangaben, welche uns Bouſſin⸗ gault und Humboldt für Orte der heißen Zone mitgetheilt haben, ſind auf dieſem Wege erlangt worden. 8 8. Temperaturabnahme mit zunehmender Erhebung über das Meeresnivean. a. Urſachen dieſer Temperaturabnahme. Es iſt eine allgemein bekannte Thatſache, daß die mittlere Jahres⸗Tem⸗ peratur um ſo mehr abnimmt, je weiter man ſich von der Erdoberfläche in radialer Richtung entfernt. Gebirgsgegenden ſind rauher, als Ebenen, der Winter iſt in ihnen nicht allein ſtrenger, ſondern er beginnt auch früher und hört ſpäter auf. Unter dem Aequator gibt es Berge, welche mit ewigem Schnee bedeckt ſind. Luftſchiffer müſſen ſich mit Pelzkleidern verſehen, damit ihnen in den höhern Schichten der Atmoſphäre die Glieder nicht erfrieren. Die Temperaturabnahme mit der Erhebung über die Meeresfläche läßt ſich folgender Maßen erklären. c. Die Atmoſphäre wird zum Wenigſten durch die Sonnenſtrahlen di⸗ reet erwärmt, da fie nur einen geringen Theil der Wärme, welche dieſe Strah⸗ len begleitet, abſorbirt. Nach den Unterſuchungen von Pouillet gelangen we⸗ nigſtens zwei Drittel der Wärmeſtrahlen, welche die Sonne unſerem Planeten zuſendet, auf die Erdoberfläche. Die Luft erwärmt ſich hauptſächlich auf Ko⸗ ſten der letztern. Die höhere Temperatur, welche die Erde annimmt, theilt ſich der Luft, die mit ihr in Berührung ſich befindet, durch Leitung und den ent⸗ ferntern Schichten durch Strahlung mit. Wir haben alſo die Erdoberfläche als die hauptſächlichſte Wärmequelle für die Atmoſphäre anzuſehen. Denken wir uns die Erde von lauter concentriſchen, ihrer Oberfläche parallelen Flächen umgeben, ſo werden dieſe um ſo weniger ſtark durch die von der Erde ausgehenden Strahlen erwärmt werden, je weiter ſie von dem Erdmittelpunkt entfernt ſind. Denn je mehr die Wärmeſtrahlen in die Höhe dringen, um ſo ſtärker divergiren dieſelben. Das Maß der Erwärmung für zwei ſolche Flächen iſt dem Quadrate ihrer Entfernungen vom Erdmittelpunkt umgekehrt proportional. Bedeutet r den Erdhalbmeſſer, be eine Fläche ganz Abnahme der Temperatur mit der Erhebung über die Meeresfläche. 225 “ Fig. 91. nahe am Niveau des Meeres, ad eine Fläche — in einer Entfernung h von der vorigen, ſo „ verhält ſich die Erwärmung der Fläche be zu 3 derjenigen der Fläche ad —(+h)?:?=r-+2rh+h?:r DB u Zi und, wenn wir ha als ſehr klein im Verhält⸗ niß zu den beiden vorhergehenden Theilſätzen vernachläſſigen r — rt; r — Der Erdhalbmeſſer am Aequator iſt 6376851 Metern; es ſei h = 4000 Metern, fo iſt 2 . r 8000 a en ige Ver⸗ — 6376851 0,00125 und das obig hältniß wird N. — 1,00125 : 1 Man ſieht, daß dieſe Urſache für ſich allein die raſche Abnahme der Tempe⸗ ratur mit der Erhebung über die Meeresfläche nicht erklären kann. 8. Wenn ein Sonnenſtrahl die Atmoſphäre durchbricht, fo wird ſowohl ein Theil ſeiner leuchtenden, als auch ſeiner wärmenden Kraft abſorbirt, und zwar ift die Abſorption um fo ſtärker, je dichter der Theil der Atmoſphäre itt, welchen er durchdringt. Die untern Luftſchichten ſind die dichteſten, weil auf ihnen der Druck der obern laſtet; die Mathematik lehrt, daß die Dichte in geometriſcher Reihe abnimmt, wenn die Höhen in arithmetiſchem Verhältniß zu⸗ nehmen. t Es folgt hieraus, daß eine Luftſchichte um fo weniger von der Wärme der Sonnenſtrahlen abſorbirt, je weiter ſie in vertikaler Richtung von der Meeresfläche entfernt iſt, und hieraus wieder die Abnahme der Temperatur in den höhern Regionen des Luftkreiſes. f Indeſſen iſt hiermit wohl die größere Kälte in der Luft ſelbſt, aber nicht an der Oberfläche der höhern Gebirge erklärt. Da nämlich die Sonnenſtrah⸗ len auf dieſen weniger geſchwächt anlangen, als in den tiefer liegenden Ebe⸗ nen, fo ſollte man eher vermuthen, daß die Temperatur auf Bergen höher” ſei, als am Niveau des Meeres. Dies iſt auch in einer Beziehung wirklich der Fall. Wenn man an einem und demſelben Tage bei heiterem Himmel die Kugel ei nes Thermometers in einer Tieflage und auf einem Gebirge der directen Wirk ung der Sonnenſtrahlen ausſetzt, ſo findet man, daß es im Ge⸗ birge höher ſteigt. Im Schatten beobachtet, zeigt es dagegen eine geringere Temperatur im Gebirg, als in der Ebene. Es muß demnach noch eine Ur⸗ ſache der Temperaturabnahme mit zunehmender Meereshöhe beſtehen. Dieſe möchte wohl in Folgendem beruhen. be per, Bodenkunde. 15 226 Vertheilung der Wärme über die Erde. 7. Bekanntlich wird, wenn die Dichte eines Körpers durch irgend eine Urſache, z. B. Druck vermehrt wird, Wärme frei. Hierauf beruht u. A. das Erhitzen der Keile, Aexte u. ſ. w. bei fortgeſetztem Gebrauche, ferner die Mög⸗ lichkeit, zwei Holzſtücke zu entzünden, wenn man ſie längere Zeit an einan⸗ der reibt. Die Gaſe verhalten ſich in dieſer Hinſicht ebenſo, wie die feſten Körper, wie mittelſt des pneumatiſchen Feuerzeuges nachgewieſen werden kann. In einen Cylinder von Metall paßt genau ein Stempel, an deſſen Bi 92. unterer Fläche ein Stückchen Zunder befeftigt iſt. Stößt man den „Stempel mit Gewalt in den mit Luft gefüllten Hohleylinder, ſo wird die Luft comprimirt und die freigewordene Wärme bringt den Zunder zum Glimmen. Ebenſo wird aber Wärme gebunden, wenn ſich die Dichtigkeit eines Körpers vermindert. Die Wärme, welche der Körper alsdann aufnimmt, dient aber nur zur Volumsvergrößerung, d. h. um die Atome von einander entfernt zu halten; mit dem Thermometer kann ſie nicht wahrgenommen werden. Wenn man ein gewiſſes Luftquantum in dem oben beſchriebenen Cylinder (Fig. 92) durch den Stempel ſperrt und nun plötzlich den letzten eine Strecke weit in die Höhe zieht, fo dehnt ſich die Luft in Folge ihrer Elaſtieität aus, ihr Volumen vermehrt ſich, aber in demſelben Moment ſinkt ihre Temperatur, weil ein Theil ihrer eigenen Wärme latent gemacht wird. Wenn die am Boden befindlichen Luftſchichten durch die Sonne, die Strahlung der Erdoberfläche u. ſ. w. erwärmt werden, ſo ſteigen ſie aufwärts, ſie bringen ihre Temperatur mit in die Regionen, bis zu welchen ſie ſich erheben. Aber in dieſen ſind ſie einem geringeren Druck ausgeſetzt, ſie dehnen ſich deßhalb aus und dabei wird ein Theil ihrer freien Wärme latent. Das iſt die hauptſächlichſte Urſache, welche bewirkt, daß die Luft in der Höhe niemals die Wärme beſitzen kann, wie in der Tiefe. b. Größe der Temperaturabnahme. Die Höhe, um welche man aufwärts ſteigen muß, damit das Thermo⸗ meter um eine beſtimmte Größe, z. B. um 10 ſinke, iſt verſchieden nach der Tages⸗ und Jahreszeit, nach der geographiſchen Breite und Länge, der Con⸗ figuration des Bodens, der Umgebung ze. a. Tageszeit. Hierüber liegen Beobachtungen vor, welche im Monat Juli auf dem Col du Géant (in 3330 Metern) und zu derſelben Zeit in Genf und Cha⸗ mouni angeſtellt wurden. Die Größe der Erhebung, welche erforderlich iſt, damit das Thermometer um 10 Celſ. ſinke, fand man iin Abnahme der Temperatur mit der Erhebung über die Meeresfläche. 227 Stunde Erhebung Stunde Erhebung 12 (Mittag) 148 Meter 12 (Mnacht) 171 Meter 2 140 „ 2 (nach Mn.) 189 „ 4 142 „ „ 210 „ 8 w 141 „ 6 105 „ 8 143 „ e 80 „ 10 5 187 10 27% 160 „ Aus dieſen Zahlen geht hervor, daß die nöthige Erhebung um 2 Uhr des Nachmittags am kleinſten iſt, alſo zu der Zeit, in welcher das Maximum der Temperatur in der Ebene ſtattfindet. Dieſes Verhältniß war vorauszuſe⸗ hen; die Größe der nöthigen Erhebung muß nämlich in dem Maße abnehmen, in welchem der Temperaturunterſchied zwiſchen dem obern und untern Punkte größer wird. Die größte Erhebung iſt erforderlich Morgens um 4 Uhr; zu dieſer Zeit tritt im Juli das Minimum der Temperatur ein. 8. Jahreszeit. In den kältern Monaten muß man höher ſteigen, damit die Tempe⸗ ratur um 19 ſinke, als in den wärmeren Monaten. Beobachtungen von d'Aubuiſſon vom Jahr 1818 auf dem St. Bernhard ergaben: ü Monat Erhebung Monat Erhebung Januar 221 Meter Juli 142 Meter Februar 214 „ Auguſt 1490 „ März 29 September 164 „ April 21 Oetober 2 „ Mai 222 „ November N „ Juni 210.53 December 246 „ y. Geographiſche Breite und Länge. Dieſe üben in ſo fern einen Einfluß auf die Temperaturabnahme mit der Erhebung über die Meeresfläche aus, als die Erwärmung der untern und obern Luftſchichten für verſchiedene Orte eine andere iſt, je nach den Winden, der Klarheit der Luft, der Beſchaffenheit der Bodenoberfläche, der Nähe der See ze. Beſtimmte Geſetze laſſen ſich hier im Allgemeinen nicht geben. Es fand die nöthige Erhebung für 19 Temperaturabnahme: Humboldt innerhalb der Wendekreiſe 190 Meter d Aubuiſſon in den Alpen 203 „ Sauſſure das. 7 „ Ramold in den Alpen K n Gay⸗Luſſae Paris (auf G.⸗L. Luftreiſe) 171 „ Dalton London . Klauprecht theilt für Deutſchland insbeſondere folgende Angaben mit (Klimatologie 150, 151): 15 ® 228 Vertheilung der Wärme über die Erde. Rhön in Franken (Bauer und Schön) 295 Par. Fuße Speſſart (Klauprecht) 404 „ Würtembergiſche Alp (Schübler) 398 „ 7 Fichtelgebirge (Brand) 880 „ 8 Fichtelgebirge (Weiß) 419 „ „ Sachſen. Oberwieſenthal 512 RRS 5 Altenburg 40 „ „ Freiberg 507% „e Die Beobachtungen Humboldt's innerhalb der Aequatorialgegenden haben ergeben, daß die Größe, um welche man ſich erheben muß, damit die mittlere Temperatur um 10 abnehme, in den verſchiedenen Regionen der Atmoſphäre nicht die nämliche iſt. Er fand nämlichh von 0 bis 960 Meter die nöthige Erhebung 164 Meter „ͤ ũ7 ß „ 290 „ %% RSG „ 228 „ „„ te „ 129 „ ee 1 e v0 Sn d. Configuration des Bodens. Umgebung. Auf Plateau's ſcheint nach Humboldt's Beobachtungen die Wärmeab⸗ nahme nicht ſo raſch von ſtatten zu gehen, als auf iſolirten Bergen. Es fand derſelbe nämlich auf den Hochebenen von Quito die nöthige Erhebung für 10 240 Meter Mexiko 5 248 „ Popayan is 250. St. Fe de Bogota ? 251 Dieſe Erſcheinung erklärt ſich ſehr einfach. Ein ſpitzer iſolirter Berg bietet den ihn umgebenden Luftſchichten mehr Berührungspunkte dar, es wird ihm durch dieſe beſtändig Wärme entzogen, wenn auch ſchon die Oberfläche eines ſolches Berges ſich ſtärker erwärmt, weil die dünnere Luft über ihm den Sonnenſtrahlen weniger Wärme durch Abſorption entzieht. Anders iſt es mit den Plateau's. Auch auf ihnen nimmt der Boden eine höhere Temperatur an, allein die Luft iſt hier länger mit der größern Berne fläche in Berührung und erwärmt ſich daher nach und nach. e. Reduction der Temperatur auf das Meeresniveau. Die Kenntniß der Abnahme der Temperatur mit der Höhe iſt von der größten Wichtigkeit zur Beſtimmung des Laufes der Iſothermlinien. Wollen wir die Temperatur zweier Orte vergleichen, ſo müſſen wir dieſe unter gleichen Verhältniſſen anſehen; wir dürfen alſo, um zu ermitteln, in wie weit die Iſothermen von den Parallelkreiſen abweichen, nicht einen Punkt in meeres⸗ gleicher Lage und einen andern, tauſend Meter höhern, unmittelbar vergleichen. Schneegrenze. 5 229 Der Einfachheit halber reduzirt man die Temperaturen am beſten auf das Niveau des Meeres. Um die Rechnung vornehmen zu können, muß man aber für den be⸗ treffenden Ort die Höhe kennen, welche der Temperaturabnahme von 19 entſpricht. Dieſelbe beträgt z. B. für Quito, deſſen mittlere Temperatur 15,6 iſt, 240 Meter; Quito liegt 2914 Meter über den Meeresſpiegel; da auf 240 Meter 1“ Temperaturabnahme kommt, jo kann man ſich denken, Quito beſitze, wenn . im Niveau des Meeres liege, eine Temperatur von 15% + 240 = 15% 121 27%. d. Schneegrenze. Wir haben vorhin geſehen, daß die Temperatur mit der Erhebung über die Meeresfläche abnimmt; ſelbſt unter dem Aequator kann man, wenn man ſich um das gehörige Maß von der Erdoberfläche in vertikaler Richtung entfernt, zu einem Punkte gelangen, wo die mittlere Temperatur — 00 iſt. Man ſollte nun denken, in ſolcher Höhe müßte ſämmtlicher Waſſerdampf in der Luft gefrieren, feſt werden und Schnee oder Eis bilden. Die hypothetiſche Annahme, daß durch die mittlere Jahrestemperatur von 0 Grad die Schneegrenze beſtimmt werde, iſt aber, wie die Beobachtung ergeben hat, nicht richtig; denn man kennt Orte, deren mittlere ZJahrestem- peratur unter 0% liegt und die trotzdem im Sommer ganz frei von Schneeſind. Offenbar iſt die Sommerwärme in ſolchen Gegenden, deren Temperatur im Jahresdurchſchnitt 00 beträgt, höher, als die Temperatur des Geftier- punktes. Wenn alſo auch hier im Winter und auch wohl im Frühling und Herbſt Schnee fällt, ſo wird dieſer doch, wenigſtens zum Theil, im Sommer wegſchmelzen. Es hängt daher die Schneegrenze von der Höhe der Sommer⸗ temperatur und von der Menge des gefallenen Schnee's ab. Man kann deßhalb im Allgemeinen ſagen, die Schneegrenze beginne da, wo im Winter, Frühjahr und Herbſt mehr Schnee fällt, als im Sommer ſchmilzt. Iſt die Sommerwärme ſo hoch und der Schneefall ſo gering, daß ſämmtlicher Schnee im Sommer vergeht, ſo kann ein Ort außerhalb der Schneegrenze liegen, obgleich ſeine mittlere Jahrestemperatur weniger, als 00 beträgt. So findet man z. B. bei Enontekis in Lappland noch Fichtenwald— ungen, es wird daſelbſt noch Getreide gezogen, obgleich die mittlere Jahres temperatur — 2,7 iſt. Wäre der Boden das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt, ſo würde es unmöglich ſein, ihn zu bebauen. Daß die Schneegrenze am Aequator höher liegen muß, als in der ges mäßigten und in der kalten Zone, iſt begreiflich, denn wie oft kann man dort, wo die mittlere Jahrestemperatur 280 beträgt, 200 —300 Meter (mittlere Er⸗ hebung für die Temperaturabnahme um 10) zurücklegen, bis die Temperatur auf 0 Grad geſunken iſt. 230 Vertheilung der Wärme über die Erde. Im Innern der Länder rückt die Schneegrenze gewöhnlich höher auf⸗ wärts, als an den Küſten. Dies rührt einestheils daher, weil die Sommer⸗ temperatur im Binnenlande höher iſt, anderntheils aber von dem größern Schneefall an den Küſten, welcher der Meeresfeuchtigkeit ſeinen Urſprung verdankt. Norwegen hat bekanntlich bei gleicher Breite eine höhere mittlere Jah⸗ restemperatur, als Schweden. Allein Schweden beſitzt heißere Sommer und in Norwegen ſind die wäſſerigen Niederſchläge bedeutender. N Die Pyrenäen und der Kaukaſus liefern eine treffende Beſtätigung für den vorhin ausgeſprochenen Satz, daß die Schneegrenze durch die Menge des gefallenen Schnees beſtimmt werde. Obgleich die mittlere Jahreswärme in den Pyrenäen höher iſt, als im Kaukaſus, ſo liegt doch in dem erſtgenannten Gebirg die Schneegrenze 2000 Fuß tiefer. Dies rührt daher, weil in den Pyrenäen, die von dem feuchten Südweſtwind des Atlantiſchen Oeeans be⸗ ſtrichen werden, mehr Schnee fällt, als im Kaukaſus, wo der aus Afrika kom⸗ mende Südweſtwind trocken iſt. Der nördliche Abhang des Himalaja wird von kalten, wenig Feuchtigkeit mit ſich führenden, Winden getroffen, der ſüdliche Abhang dagegen von den Mouſſons, welche das Indiſche Meer paſſirt und ſich auf dieſem mit Feuchtigkeit beladen haben. Deshalb liegt an dem nördlichen Abhang die Schneegrenze faſt 4000 Fuß höher, als auf der ſüdlichen Seite dieſes Ge⸗ birgszuges. Auf iſolirten Bergen geht die Schneegrenze gewöhnlich höher hinauf, als inmitten einer Reihe von gleichhohen Bergen. Die äußeren Berge halten die Sonnenſtrahlen ab; auch wird die Temperatur durch die großen Schnee⸗ maſſen eines ganzen Gebirgsſyſtems erniedrigt. Wir brauchen kaum zu bemerken, daß die Schneegrenze keine unver⸗ änderliche Linie iſt, ſie erhöht ſich oder ſinkt von einem Jahr zum andern, je nach der Maſſe des Schneefalls und der Höhe der Sommertemperatur. Um die mittlere Schneemenge zu beſtimmen, muß man deshalb aus mehrjährigen Aufzeichnungen den Durchſchnitt nehmen. Wenn man ſich vom Aequator aus weit genug nach Norden oder Sü⸗ den hin begibt, ſo kommt man endlich zu einer Region, wo die Schneegrenze im Meeresniveau liegt. Die Linie, welche die Grenze des ewigen Schnees in meeresgleicher Lage auf der nördlichen Halbkugel bezeichnet, geht bei Spitz⸗ bergen bis etwa 800 —810 der geogr. Breite hinauf. Ueber Aſien und Amerika ſenkt fie ſich bedeutend herab. Da die ſüdliche Halbkugel überhaupt kälter, als die nördliche ift, fo trifft auf jener die Schneegrenze auch früher im Mee⸗ resniveau ein, wahrſcheinlich zwiſchen 670— 710. Nachſtehend einige ee über die Höhe der Schneegrenze in ver ſchiedenen Breiten. 1 Gletſcher. 231 Breiten. Breite Schneegrenze in Metern. Bei Quito 0⁰ 4824 Vulkan Purace 2018’ 4688 Vulkan Tolima 40460 4670 Sierra Nevada di Merida 80 5° 4550 Abyſſinien 13010‘ 4287 Mexiko 199 4500 Himalaya, nördl. Abhang 31° 5067 1 ſüdl. Abhang 310 3956 Hindu⸗Kho 340300 3956 Sierra Nevada de Granada 37010“ 3410 Etna 370 0% 2905 Argäus⸗Berg in Kleinaſien 380 3262 Ararat . 39042 4318 (?) Pyrenäen 43° 2728 Elbruz (Kaukaſus) 43021‘ 3372 Alpen ’ | 46° 2708 Altai 50° 1070 Vulkan Schevelutſch (Aleuten) 5640“ 1600 Nördl. Ural 590407 1460 Aldan (Sibirien) 600550 1364 Norwegen 6062 1560 Oſter Jökul (Island) 65% 936 Norwegen 67° 1266 5 70° | 1072 Inſel Mageroe 71° 120 Spitzbergen 80°81° 0 e. Die Gletſcher. Die Schneegrenze bildet überall eine der Horizontalen ziemlich parallele Linie. Von der Schneegrenze aus ziehen ſich aber Eismaſſen bis weit in die Thäler hinab — man nennt ſie Gletſcher. Wenn im Winter Schnee fällt, ſo wird eine große Menge deſſelben in die Thalſchluchten, welche zwiſchen den Bergen befindlich ſind, zuſammen⸗ geweht Dieſer Schnee bleibt auch im Sommer liegen, weil ihn die Sonne, gehindert durch die Bergwände, nicht erreichen kann. Auf den Bergen da— gegen ſchmilzt der Schnee; das gebildete Waſſer ſickert in die Schneemaſſen der Thalſchluchten ein und durchdringt ſie nach und nach. Indem dieſes Waſſer ſich mit dem Schnee mengt und gefriert, entſteht das Gletſchereis, welches ſich durch geringe Sprödigkeit und körniges Gefüge vor dem gewöhn⸗ lichen Eiſe auszeichnet. Die Körner, in welche das Gletſchereis beim Zer- ſchlagen zerfällt, haben die Größe einer Wallnuß. BB2: Vertheilung der Wärme über die Erde. Das meiſte Gletſchereis ſtammt aber von dem Firn ab. Diefer findet ſich am Ausgangspunkte des Gletſchers, in der Höhe des Gebirges. Der Firn beſteht aus rundlichen, erbſengroßen Körnern von Eis. Sie bilden ſich ſchon nach einigen Tagen aus dem friſchgefallenen Schnee. Der Firn wird durch die Bewegung des Gletſchers, von welcher wir ſogleich reden wollen, in die Tiefe geführt und dabei nehmen die Eiskörner an Größe zu, eng mehrere ſich verbinden. Die Gletſcher reichen mit ihrem Ende bis in das bebaute Land hire fie berühren die Felder, auf denen man alle Agriculturgewächſe erzieht. Der Grindelwaldgletſcher im Berner Oberland geht bis 1000 Meter über die ere resfläche hinab. Die Gletſcher zeigen eine höchſt merkwürdige Erſcheinung, nämlich fe bewegen fich von der Höhe des Gebirges nach der Tiefe hin. Bei dieſer Be⸗ wegung, die man auch das Vorrücken der Gletſcher nennt, verhalten ſie ſich ganz, wie die Flüſſigkeiten, z. B. wie das Waſſer in einem Strome, ſo daß man ſie in der That Eisſtröme nennen kann. In der Mitte bewegt ſich das Gletſchereis ſchneller, als an den Rändern, woran jedenfalls die Reibung, welche zwiſchen demſelben und dem anſtoßenden feſten Boden oder Geſtein ſtatt⸗ findet, die Schuld trägt. Wenn man deßhalb quer über den Gletſcher eine gerade Linie zieht, die zu der Längenaxe deſſelben rechtwinklig iſt, jo bildet dieſelbe nach einiger Zeit eine Curve; die beiden Enden am Rande bleiben zurück und die Mitte der Linie rückt nach der Tiefe hin vor. Die Größe des jährlichen Vorrückens eines Gletſchers iſt nicht unbe tend; fie ſoll an 100 Meter betragen können. Im Sommer und bei warmem Wetter geht das Vorrücken ſchneller von Statten, als im Winter und bei Froſt. Oft werden durch die Bewegung des Gletſchers die Felder an deſſen unterem Ende verdeckt und dadurch der Cultur entzogen. Wenn am Rande Fig. 93. des Gletſchers Felſen eh = — befinden, jo fallen oft Stüde von diefen auf das Eis und werden dann von demſelben weiter ge⸗ tragen. Am untern Ende im Thal bleiben ſie liegen, wenn das Eis ſchmilzt. Man nennt die Schutt⸗ haufen, welche hierdurch entſtehen, Moränen. Von den Erklärungen, welche über das Vorrücken der Gletſcher gegeben worden ſind, hat wohl diejenige am meiſten für ſich, welche ſie von Gletſcher. 233 der eigenen Schwere dieſer ungeheuren, auf einer geneigten Ebene befindlichen, Eismaſſen ableitet. Das von den Bergen kommende Waſſer dringt bis zur Sohle des Gletſchers, ſeine Wärme, verbunden mit derjenigen des Bodens, auf welchem der Gletſcher ruht, löſt das Eis auf. Nachdem der Zuſammen— hang zwiſchen dem Eis und der Unterlage aufgehoben worden iſt, beginnt das Rutſchen der Maſſe. Aus den meiſten Gletſchern kommen an ihrem Fuße Bäche, oft von bedeutender Stärke, hervor. Durch das fortwährende uUm⸗ kryſtalliſiren des Eiſes bei jeder Temperaturveränderung wird die Bewegung der Maſſe erleichtert. Nimmt der Gletſcher über einer Unterlage von Felſen feinen Weg, fo ziehen die Steine, Rollſtücke u. ſ. w., welche immer in das Gletſchereis ein- gefroren ſind, Furchen in den Felſen, ſo daß ſich an dieſen der Gang früherer Gletſcher deutlich verfolgen läßt. f Die untere Grenze eines Gletſchers wird durch das Schmelzen des Eiſes im Sommer bedingt. In warmen Sommern tritt dieſe Grenze zurück, in kalten ſchreitet ſie vor. In Scandinavien und ganz beſonders in Spizbergen erſtrecken ſich die Gletſcher oft bis an das Meer und ſtürzen dann beim Vorrücken ſtückweiſe in daſſelbe hinein. Die Eisberge, welche auf dem Meere ſchwimmen und durch Strömungen oft bis in niedere Breiten getrieben werden, beſtehen zu— meiſt aus Gletſcherfragmenten. Oft tragen dieſe Eisberge Felsſtücke; dieſe noch gegenwärtig zu beobachtende Thatſache gibt vielleicht über den Transport der erratiſchen Blöcke aus Scandinavien nach der Norddeutſchen Ebene Aufſchluß. i 5 * Sechſtes Buch. Winde. 1. Begriff und Benennung der Winde. Eine in Bewegung begriffene Gasmaſſe nennen wir einen Wind. Wir nehmen den Wind durch den Druck wahr, den er auf unſern Körper ausübt, ſo wie durch die Bewegung hängender und ſchwebender Gegenſtände, wie ; B. der Windfahnen, der Wolken u. f. w. Der Wind wird benannt nach der Himmelsgegend, aus welcher er kommt, nicht nach derjenigen, welche er zu erreichen ſtrebt. Einen Wind, der vom Weſten nach Oſten weht, bezeichnen wir als Weſt- und nicht als Oſtwind. g Die Benennung der Winde, wie ſie bei den Wetterfahnen gebräuchlich iſt, zeigt die nebenſtehende Windroſe. (Fig. 94.) Für die Metereologie wäre es am zweckmäßigſten, wenn man die Windrichtung in Graden des Kreiſes ausdrückte, der die vier Himmels gegen⸗ den verbindet. Zur Beſtimmung der Windrich⸗ tung dient die Windfahne. Wenn man dieſe mit einer langen Axe in Ver⸗ bindung bringt, welche in das Zimmer eines Gebäudes hinunterreicht und einen Zeiger hat, ſo erſpart man ſich das mühſame und doch zugleich ungenaue Einſchätzen der Windrichtung. Der Zug der Wolken zeigt gleichfalls die Richtung des Windes an; um dieſe richtig einzuſchäzen, läßt man das Bild der Wolke in einem Spiegel ſich wiedergeben, auf den eine Windroſe eingravirt iſt. W Geſchwindigkeit und Urſachen der Winde. 235 Die Windfahne zeigt übrigens nur die Richtung des Windes in der Region an, in welcher ſie aufgeſteckt iſt. Häufig wehen in den obern Luft⸗ ſchichten ganz andere Winde, als in den untern. So fand z. B. der Verf. am 4. Januar 1851 auf dem Schiffenberg bei Gießen die Wolken aus Südweſt kommend, während der unmittelbar am Boden wehende Wind ein rein nordöſtlicher war. Kämtz führt in ſeiner Metorologie J, 161 mehrere eclatante Beiſpiele von entgegengeſetzten Winden an. 2. Geſchwindigkeit des Windes. Zur Meſſung der Geſchwindigkeit des Windes dienen die ſogenannten Anemometer. Unter den verſchiedenen Inſtrumenten dieſer Art empfehlen ſich wohl am meiſten die hydrometriſchen Flügel von Woltmann. Sie haben die Einrichtung der Windmühlen; die Flügel drehen ein Rad mit einem Zeiger; letzterer gibt die Anzahl der Umdrehungen nach Verlauf einer gewiſſen Zeit an. Um aber den vom Zeiger beſchriebenen Weg auf den vom Wind wirk⸗ lich zurückgelegten beziehen zu können, bewegt man das Inſtrument zuerſt in ruhiger Luft mit einer bekannten Geſchwindigkeit und ſieht nach, um wie viel der Zeiger in der Zeiteinheit vorrückt. Ueber die Geſchwindigkeit der Winde hat man folgende Beobachtungen gemacht. N 8 N Ein kaum wahrnehmbarer Wind legt in der Sekunde einenWeg von 0,5Mtrn. zurück. 1 eben 7 15 4 nn [2 7 7 51 1—1,5 n " ” angenehmer 75 non 77 + nn 2—2,4 n 7 „ lebhafter „ „ „ „ F 7 7 ſtarker „ „ „n 15 „5 „ Dig 7 10 heftiger 77 n nn n + 7 14—16 n 7 1 Sturm 1 LER}; 70 ” m 25 " 5 0 heftiger Sturm . n 1 1 m 30 7 75 n Orkan n N 1 + n 36 " 7 der ſtärkſte O rkan » „ mn 7 n " 45 N n 3. Urſachen der Winde, Ein Wind kann entſtehen a. In Folge der Temperaturdifferenz zweier Luftſäulen. Fig. 95. Nehmen wir an, die beiden Luftſäu⸗ i h len abe d und bc el beſitzen gleiches d 2 „ Volum, Gewicht, gleiche Temperatur und Höhe. Nun werde die Säule a bed erwärmt, z. B. durch die Sonne; ſie dehnt ſich aus bis g h und ein Theil von ihr fließt über auf ee. Jetzt iſt aber das „Gleichgewicht geſtört, denn im Anfang 1 b waren die beiden Luftſchichten gleich ſchwer; 236 Winde. nach eingetretener Erwärmung auf der einen Seite hat die andere Säule einen Theil der Luftmaſſe von der benachbarten erhalten, ohne ſelbſt etwas verloren zu haben. Nach dem Geſetz des Gleichgewichts im Allgemeinen und der kommunicirenden Röhren insbeſondere muß deshalb die Luft aus der Säule be ef nach e d hinüberſtrömen. Wir haben daher zwei einander ent⸗ gegengeſetzte Winde; die warme Luft fließt oben und die kalte unten ſeit⸗ wärts ab. Ein Beiſpiel von der eben angeführten Entſtehungsart der Winde ſieht man im Kleinen, wenn man ein Licht einem Ofen nährt. Unten, nahe am Boden neigt ſich die Flamme dem Ofen zu, oben, nach der Decke des Zim⸗ mers hin, wendet ſie ſich von ihm ab. Die Geſchwindigkeit, mit welcher die kältere Luft ſeitwärts abfließt, läßt ſich nach den Geſetzen der Pneumatik berechnen. Eduard Schmidt hat dies in ſeiner Mathematiſchen und Phyſiſchen Geographie II, 334) gethan. Da die Entwicklung ziemlich weitläufig iſt, ſo beſchränken wir uns darauf, blos die Reſultate, zu denen Schmidt gelangt iſt, mitzutheilen und verweiſen Diejenigen, welche ſich von der Richtigkeit der Rechnung überzeugen wollen, auf das vorhin angeführte Lehrbuch. 1 Wenn man mit 9½ 0 die Dichtigkeiten zweier Luftſäulen bezeichnet, ſo iſt nach Schmidt die Geſchwindigkeit 300 f 3 1 5 1215 Par. Fuß, oder, wenn p/,p® die Barometer⸗ ſtände vorſtellen, 5 p'—pe = 5 1215 Par. Fuß. Bleibt z. B. p“ unverändert — 336° und wird per 335, jo iſt u 5 Par. aß, = 334 „ „ „ 7,3 „ „ = 333 „ „ „== 10,9 „ „ — 332 9 = 14,6 „ , = 331 „ „ „= 18,8 „ „ = 330 „ „ „== 23,1 „ „ = 329 „ „ „ = 238 „ „, — 324 „ = 45,0 , , Fällt alſo das Barometer um 1 Zoll, ſo entſteht ein Wind mit einer Geſchwindigkeit von mehr als 40 Fußen. b. Durch plötzliche Verdichtung der in der Luft enthaltenen Waſſerdämpfe. Das Gewicht q einer Luftſäule, in welcher Waſſerdämpfe enthalten ſind, ſetzt ſich zuſammen aus dem Gewicht a der Luft allein und dem Gewicht b des Waſſerdampfes. Es iſt alſo g = a + b Urſachen der Winde. 237 Verſchwindet b, indem der Dampf ſich zu Waſſer verdichtet, ſo bleibt nur noch a=g—b. 8 War die Luftſäule vor dem Regen im Gleichgewicht mit einer andern, ſo muß, nachdem der Waſſerniederſchlag erfolgt iſt, dieſes Gleichgewicht ge⸗ ſtört ſein; es erfolgt ein Druck nach der Seite hin, auf welcher der Regen gefallen iſt. | Doch muß die Quantität der in der Luft befindlichen Feuchtigkeit ſchon einigermaßen bedeutend ſein, wenn nach ihrer Condenſation ein merk⸗ licher Wind auftreten fol. Enthielte z. B. eine Luft von 336““ Baro⸗ meterſtand „I; Feuchtigkeit, jo würde durch deren Verdichtung das Barometer auf 331““ ſinken. Wäre gleichzeitig an einem andern Ort der Barometer⸗ ſtand 336% nnd an beiden Orten die Temperatur gleich, fo entſtünde ein Wind mit einer Geſchwindigkeit von 18,8 Fußen. Hierbei iſt aber der niemals eintretende Fall angenommen worden, daß mit dem Regen ſämmt⸗ liche Feuchtigkeit niedergeriſſen werde. Die Geſchwindigkeit des Windes kann aber doch bedeutend werden, wenn, wie dies gewöhnlich der Fall iſt, die Barometerſtände ſchon vor dem Regen eine größere Differenz zeigten. Am 15. Dezember 1850 fand in und um Gießen ein Sturm ſtatt, der unzweifelhaft von der Verdichtung von Waſſerdämpfen herrührte. Nachdem die Luft acht Tage lang mit einem undurchſichtigen Nebel angefüllt geweſen war, trat mit dem Wechſel des Windes plötzlich Regen ein, ſämmtlicher Nebel fiel zu Boden. In der Nacht entſtand ein heftiger Sturm, der ſich erſt gegen Morgen legte. Am 16ten zeigte ſich, in Folge der Verdunſtung, wieder Nebel, am 17ten regnete es von Neuem und am 18ten erhob ſich abermals ein Sturm von beinahe derſelben Heftigkeit, welche den Sturm vom 15ten ausgezeichnet hatte. Entſteht ein Wind, ſo wird er früher an einem Orte bemerkbar, der in der Richtung liegt, nach welcher hin der Wind geht, als an dem Orte, der in der Richtung liegt, aus welcher der Wind kommt. Franklin wurde einſtmals um 7 Uhr Abends in Philadelphia durch einen heftigen Sturm aus Nordoſten an der Beobachtung einer Mondsfinſterniß N Boston W Ser 0 ® Philadelphia 8 gehindert. Nach dem Schreiben eines in Boſton wohnenden Freundes hatte dieſer Sturm erſt um 11 Uhr ſeinen Anfang genommen. Aber Boſton liegt 238 N Winde. nordöſtlich von Philadelphia. Nehmen wir an, es ſei ſüdweſtlich von Phila⸗ delphia der Druck der Luft durch irgend eine Urſache vermindert worden, ſo mußte natürlich die Luft früher von Philadelphia, als von Boſton aus zuſtrö⸗ men, deshalb war der Sturm an jenem Orte eher bemerkbar. 4. Land⸗ und Seewinde. Zu denjenigen Winden, welche durch lokale Erwärmung oder Abkühl⸗ ung der Luft entſtehen, gehören die Land- und Seewinde. Wie früher gezeigt worden, erwärmt ſich die Luft bei Tage über dem Lande weit ſtärker, als über der See. Sie wird alſo dort auch mehr ausge⸗ dehnt, erlangt eine größere Höhe und fließt ſeitlich ab. Letzterer Umſtand vermindert aber ihr Gewicht; es fließt deshalb die kälterere, ſchwerere Luft von der See zu, daher herrſcht bei Tage ein Seewind. In der Nacht erkaltet das Land ſtärker, als die See, es tritt nun der umgekehrte Fall ein, d. h. der Wind weht vom Lande nach der See hin und man hat alſo in der Nacht einen Landwind. Da zur Erwärmung der Luft durch die Sonne Zeit nöthig iſt und da die Abkühlung nicht auf einmal, ſondern nach und nach vor ſich geht, ſo zeigt ſich der Seewind nicht ſogleich nach Sonnenaufgang, ſondern erſt 1—2 Stunden ſpäter. Ebenſo tritt der Landwind erſt einige Stunden nach Sonnenuntergang ein. Unter den Tropen beſitzen die Land⸗ und Seewinde eine größere Heftig⸗ keit, als in höhern Breiten, wo man ſie oft nur während des Sommers be⸗ merkt. Doch ſind dieſe Winde ſelbſt noch an der Küſte von Grönland bekannt. Auch an größern Seen, wie z. B. an denen der Schweiz hat man ſie wahr⸗ genommen. ö | Freiliegende Inſeln im Meere genießen bei Tage einen Seewind, der radienförmig vom Meer nach ihrem Mittelpunkte hinläuft. Zwei diametral Fig. 96. gegenüberliegende Orte der Inſel haben deshalb direet entgegengeſetzte Winde (Figur 96). Ebenſo ſtrömt Nachts der Wind vom Mittel⸗ punkt der Inſel aus radienförmig über das Meer. Im Frühjahr bemerkt man häufig, wenn eine größere Wolke am Him⸗ mel ſich bewegt, eine Erſcheinung, die einerlei Urſache mit der Entſtehung der Land- und Seewinde hat. Man mag von irgend einer Seite in das Bereich des Wolkenſchattens treten, überall kommt einem der Wind von der Wolke aus entgegen. Dies rührt daher, weil die Luft unter den Wolken nicht von den Sonnenſtrahlen getroffen wird und deshalb kalt bleibt. Locale Windrichtungen. 239 Grenzt ein Wald an ein Feld oder an eine Blöße, ſo bemerkt man, wenn die Luft ſonſt ruhig iſt, bei Tag einen leichten Wind aus dem Walde, bei Nacht dagegen einen Luftzug vom Felde oder der Blöße nach dem Wald hin. Nach dem ſo eben Vorgetragenen kann man ſich die Urſache dieſes Win⸗ des leicht erklären. Die Mouſſons im Indiſchen Meere fallen wohl auch in die Gruppe der Land⸗ und Seewinde. Es weht nämlich dort vom April bis zum Octo⸗ ber ein ſüdweſtlicher, vom October bis zum April ein nordöſtlicher Wind. Während des Sommers erhitzt ſich das Feſtland von Aſien mit ſeinen dürren Steppen ſtärker, als die See. Der Wind ſtrömt daher vom Meere aus nach dem Lande hin. Im Winter findet der umgekehrte Fall ſtatt. — Doch ändert die eigenthümliche Configuration der Indiſchen Halbinſeln die eben angeführten Windrichtungen öfters ſtellenweiſe ab. 5. Locale Windrichtungen. Hohe Gebirge, tief eingeſchnittene Thäler geben oft den Winden eine andere Richtung, wie wir durch das folgende Beiſpiel erläutern wollen. Neh⸗ men wir an, es herrſche ein Südwind, welcher in ein von Süden nach Nor⸗ den verlaufendes und dann nach Oſten hin ſich fortſetzendes Thal eindringt. Fig. 97. Der Wind prallt an der nordwärts vorgeſchobenen Wand zurück; da N aber ſtets neue Luftmaſſen nachfol⸗ a AH: gen, ſo ſuchen die zuerſt angelangten einen Ausweg und finden dieſen in dem öſtlichen Zweig des Thales. Die Bewohner deſſelben empfinden daher den urſprünglichen Südwind als Weſtwind. — In Gebirgen, wo der Widerſtand, den eine hohe Bergwand dem An⸗ prallen des Windes leiſtet, oft noch durch Hochwaldungen vermehrt wird, welche die Kämme und Gipfel be- decken, und wo die Thäler verſchie⸗ dene Richtungen einhalten, wird die auf dem flachen Lande herrſchende Windrichtung immer abgeändert. Daher rührt denn auch die Erſcheinung, daß Stürme, welche in der Ebene durch⸗ ſchnittlich immer aus einer und derſelben Richtung beobachtet wurden, im Gebirg aus ganz anderen Himmelsgegenden kamen. In tiefen Bergſchluchten erwärmt ſich die Luft ſpäter, als auf dem fla⸗ 240 | Winde. chen Lande; der Wind ſtrömt daher Vormittags aus ſolchen Schluchten na dh der wärmeren Ebene hin. Der Wiſperwind am Rhein verdankt dieſem Umſtande ſeine Entſtehung. Fig. 98. — N wie C ur o Schwalb Wie D Rhein © Bingen O Ob- Ingelheim Mainz — Bei Lorch mündet das Thal des Wiſperflüßchens aus; dieſes entſpringt im Herzogthum Naf- ſau bei Schwalbach und erſtreckt ſich in einer Länge von etwa ſieben Stunden in der Richtung sbaden von Nordoſt nach Südweſten. Es hat hohe Ufer, die tief in die Bergmaſſe des Taunus ein⸗ geſchnitten ſind. Die Strahlen der Sonne können des Morgens | nicht bis auf den Grund des Wiſperthales gelangen; die Tem⸗ ach peratur bleibt deßhalb daſelbſt niedrig, während die Luft des Rheingaues ſich ſchon erwärmt hat. Die kalte Luft ſtrömt daher aus dem Wiſperthal den Rhein hinauf und iſt beſonders in Bingen, ja ſelbſt noch in dem ſeitwärts vom Rhein gelegenen Oberingelheim bemerkbär. Der Wiſperwind beginnt nach Sonnenaufgang und hält ungefähr 8 Stunden lang an; alsdann hört er auf, weil nun auch das Wiſperth al erwärmt iſt. 6. Der Aequatorial⸗ und der Polarluftſtrom, Paſſate. Fig. 99. 1 4 Wie wir bei der Lehre von der Ver⸗ theilung der Wärme über die Erdoberfläche geſehen haben, herrſcht die größte Hitze in der Gegend des Aequators A A. Die Luft wird deßhalb hier am ſtärkſten erwärmt werden; ihr ſpeeifiſches Gewicht vermindert fi) und fie ſteigt in die Höhe. Vadurch vermehrt aber die Luftſäule in dieſer Ge⸗ gend ihre Länge, ein Theil dieſer Luft wird nach den Polen P hin abfließen. Die erwärmte Luft behält, indem ſie nach Nord und Süd vordringt, lange Zeit die am Aequator herrſchende Um⸗ drehungsgeſchwindigkeit bei, ſie nimmt nur langſam die den höhern Breiten eigenthümliche Geſchwindigkeit an. Dieſe Luft beſitzt daher im Verhältniß zu derjenigen, welche fie auf ihrem Wege trifft, eine zweifache Geſchwindigkeit, Aequatorial- und Polarluftſtrom. 241 Fig. 100. Fig. 101. N „ = W N oO W — a Me 8 8 einmal eine ſolche in der Richtung von Süden nach Norden a auf der nörd⸗ lichen Halbkugel oder von Norden nach Süden e auf der ſüdlichen Halbku⸗ gel, zum andern eine Geſchwindigkeit in der Richtung von Weſten nach Oſten (b). Da ſie dieſen beiden Richtungen nicht zugleich folgen kann, ſo entſteht nach dem Geſetz des Parallelogramms der Kräfte eine zwiſchen Süd und Weſt fallende Strömung, die man im Allgemeinen als eine ſüdweſtliche ef (Fig. 100) bezeichnet. Genau ebenſo ergibt ſich aus dem Aequatorialluft⸗ ſtrom auf der ſüdlichen Halbkugel eine nordweſtliche Strömung gh (Fig. 101). Ob die Richtung dieſes Luftſtromes eine mehr nördliche (reſp. ſüdliche) oder weſtliche ſei, hängt einmal von der Geſchwindigkeit ab, mit welcher die heiße Luft des Aequators nach den Polen hinfließt, zum andern aber von der Größe der Umdrehungsgeſchwindigkeit der Luft in den verſchiedenen geogr. Breiten. Nach neueren Meſſungen beträgt die Größe des Erdhalbmeſſers am Aequator 6376851 Meter und der Umfang der Erde 40067054 Meter. Die Erde dreht ſich um ſich ſelbſt in 24 Stunden — 24.60.60 — 86400 Sekunden; demnach iſt die Geſchwindigkeit eines Punktes am Aequator 2 40067054 — 464 Meter. Für eine andere Breite iſt der Halbmeſſer r des „ 86400 Fig. 102. Parallelkreiſes — R cos 6, wenn ß die Breite bezeich⸗ 3 net, der Parallelkreis ſelbſt iſt = 2 R cos g. Mittelſt „ dieſer Angaben läßt ſich berechnen, daß die Geſchwindig⸗ 0 % N eit eines Punktes in 300 Breite in einer Sekunde — 402 4 \ Meter, in 609 Breite — 232 Meter ift. Zwiſchen 300 und 600 Breite iſt demnach der durchſchnittliche Unter: ſchied in der Umdrehungsgeſchwindigkeit der Luft für 1° 5 Metern, und dieſe Geſchwindigkeit iſt gerade fo groß, als die eines Windes, welcher ſich erzeugt, wenn das Barometer plötzlich um 3 Par. Linien fällt. Heyer, Bodenkunde. 16 242 Winde. Da die Sonne ſich niemals aus dem Bereiche der Wendekreiſe entfernt und gerade innerhalb des von dieſen eingeſchloſſenen Gürtels ihre größte In⸗ tenſität entwickelt, ſo muß die ſüdweſtliche Luftſtrömung auf der nördlichen und die nordweſtliche auf der ſüdlichen Halbkugel beſtändig im Zuge ſein. Wenn aber die Luft vom Aequator nach den Polen hin abfließt, ſo wird das Gewicht der über dem Aequator ruhenden Luftſäule vermindert; es muß deßhalb, zum Erſatz dieſes Verluſtes, die kältere und ſchwerere Luft von den beiden Polen zuſtrömen. f Dieſe hat auf der nördlichen Hemiſphäre urſprünglich die Richtung von Nord nach Süd; allein, da ſie ihre geringere Umdrehungsgeſchwindigkeit nach den niederen Breiten mitbringt, ſo wird ſie daſelbſt gegen die Luft, welche eine größere (der niedern Breite entſprechende) Umdrehungsgeſchwindigkeit be⸗ ſitzt, zurückbleiben, alſo im Verhältniß zu dieſer Luft nach Weſten voraneilen. * 105. 8 Aus dieſer öſtlichen (m) und der urfprüng- lich nördlichen Richtung (n) reſultirt nach | dem Geſetz des Parallelogramms der Kräfte eine nordöſtliche Richtung (o) des Polar⸗ 9 ſtroms auf der nördlichen Halbkugel. 77² N Ebenſo erzeugt der Polarſtrom auf der ſüdlichen Halbkugel eine ſüdöſtliche Strömung. Man nennt die beiden letzterwähnten Winde: Paſſate. Auf den erſten Anblick hin ſollte man wohl glauben, auf der nördlichen Halbkugel müſſe 1 100 in ben untern Regionen der Nordoſtwind, in den obern der Südweſtwind wehen. Dies iſt aber nicht der Fall. Der Südweſtwind er⸗ kaltet immer mehr, je weiter er nach Norden fortrückt, er wird 2 und ſinkt herunter, bis er endlich den Boden erreicht. In der gemäßigten Zone müſſen deßhalb der Nordoſt- und der Sud⸗ weſtwind einander begegnen, und es hängt von der relativen Stärke des einen oder des andern ab, welcher von ihnen die Oberherrſchaft behalten ſoll. Es ift deßhalb die gemäßigte Zone der ſtändige Kampfplatz dieſer beiden Winde. In der heißen Zone, zwiſchen den Wendekreiſen, iſt der Kampf der weſt⸗ lichen Winde mit den öſtlichen noch nicht ſo lebhaft, weil die erwärmte Luft hier gerade in die Höhe ſteigt. Der Südweſt weht oben, der Paſſat unten. Daher tritt in dieſer Zone nur der öſtliche Wind (Paſſat) als herrſchend auf. Auf höhern Bergen in der Nähe der heißen Zone kann man dagegen auch den obern Aequatorialluftſtrom wahrnehmen. So bemerkt man z. B. auf dem Pie von Teneriffa Südweſtwind, unten am Fuße des Berges Nordoſtwind. Die Paſſate gehen übrigens noch über die Grenze der beiden Wende⸗ kreiſe hinaus, doch iſt ihre Region nicht überall gleichbreit. So dringt der Windverhältniſſe in Europa. 243 Nordoſtpaſſat im Atlantiſchen Meer bis zum 28 — 30 Grad der Breite, im Großen Ocean dagegen nur bis zum 25. Grad vor. Im Sommer liegt auf unſerer Halbkugel die Grenze des Paſſates etwa 2—3 Grade weiter nördlich, im Winter eben ſo viel weiter ſüdlich. Die Paſſate ſind jedoch erſt in einiger Entfernung vom Lande wahrnehmbar. 7. Die Region der Calmen oder Windſtillen. Da, wo der Nordoſt- und der Südoſtpaſſat zuſammentteffen, entſteht ein rein öſtlicher Luftſtrom, indem die nördliche und ſüdliche Geſchwindigkeit ſich gegenſeitig aufhebt. Allein dieſer rein öſtliche Strom iſt wenig bemerkbar, weil ſich hier, in der Nähe des Aequators, die Luft bedeutend erwärmt und ſogleich ihren Weg in die Höhe nimmt. Deßwegen heißt dieſe Region die der Windſtillen oder Calmen. Sie liegt (ähnlich wie der Wärmeäquator) et⸗ was nördlich vom terreſtriſchen Aequator und umfaßt einen Gürtel von etwa 12 Breitegraden, ſo daß der Nordoſtpaſſat in 90 nördl. Breite, der Südoſt⸗ paſſat in 30 ſüdl. Breite beginnt. 8. Windverhältniſſe in Europa. 5 Wie wir oben bemerkt haben, iſt die Gegend zwiſchen den Wendekreiſen und dem Polarkreis, alſo die gemäßigte Zone, der ſtändige Kampfplatz des Aequatorial⸗ und des Polarluftſtromes, alſo der ſüdweſtlichen und nordöſtli⸗ chen Winde auf der nördlichen Halbkugel. Die übrigen Winde entſtehen in den meiſten Fällen nur dadurch, daß einer dieſer beiden Hauptluftſtröme in den anderen überſpringt. Dabei hat man die Beobachtung gemacht, daß der Wind viel häufiger von Süd über Weſt, Nord und Oſt, als in umgekehrter Ordnung wechſelt. Das Geſetz der Winddrehung erklärt ſich ganz ein⸗ fach in folgender Weiſe: Geſetzt, es habe Nord⸗ oder Nordoſtwind geweht und dieſer werde nun durch einen Südweſtwind verdrängt, ſo wird letzterer immer mehr eine weſtliche Richtung annehmen, je weiter er nach Norden kommt, Fig. 104. denn er beſitzt eine größere 1 Umdrehungsgeſchwindigkeit im | Sinne von Weit nach Oſt, als die Luft in höheren Brei⸗ ten. Läßt aber jetzt der weſt⸗ liche Luftſtrom nach und tritt an ſeine Stelle der Nordoſt, W 0 ſo wird letzterer den Weſtwind 2 e nicht plötzlich, ſondern nur all⸗ e, mählig verdrängen und es wird, nach dem Geſetz des Paralle⸗ logramms der Kräfte, zuerſt ein Nordweſt⸗, dann ein Nord⸗ 8 | wind entftehen und zuletzt erſt 16 * 244 Winde. der reine Nordoſt auftreten. Dieſer nimmt aber, je weiter er nach Sü⸗ den vordringt, eine mehr öſtliche Richtung an, weil die Differenz zwi⸗ ſchen ſeiner urſprünglichen Umdrehungsgeſchwindigkeit und derjenigen der Luft in niederen Breiten immer größer wird. Gewinnt der Südweſt wieder über den Nordoſt die Oberhand, ſo treten, ehe der reine Südweſt zum Vor⸗ ſchein kommt, wieder die Zwiſchenwinde, nämlich Oſt, Südoſt und Süd ein. Wir ſehen alſo, daß das Geſetz der Windedrehung mit der Umdrehung der Erde von Weſt nach Oſt zuſammenhängt; würde die Umdrehung die entge⸗ gengeſetzte, alſo von Oſt nach Weſt ſein, ſo fände gewiß auch die Drehung des Windes über Süden und Oſten ſtatt. Die Häufigkeit irgend einer Windrichtung innerhalb eines gewiſſen Zeit⸗ abſchnittes bleibt ſich für die verſchiedenen Länder Europa's nicht gleich. Durch die Configuration des Landes, durch die Nähe der See, durch hohe Gebirgs⸗ rücken oder flache unbewaldete Strecken wird die Richtung des Windes häufig modificirt. Die nachſtehende Tabelle gibt an, wie oft unter 1000 Winden der Nord, Nordoſt, Oſt, Südoſt, Süd, Südweſt, Weſt und Nordweſt geweht habe. a Summe N. N. O. O. S. O. S. S. W. W. N. W. der öſtlichen der weſtl. 1 Winde England 82 111 99 81 111 225 171 120 291 576 Frankreich u. Niederlande 126 140 84 76 117 192 155 110 300 457 Deutſchland 84 98 119 87 97 185 198 131 304 514 Dänemark 65 98 100 129 92 198 161 156 327 515 Schweden 102 104 80 110 128 210 159 106 294 475 Rußland und Ungarn 99 191 81 130 98 143 166 192 402 501 An dieſe Zahlen knüpft Schouw folgende Schlüſſe: Die weſtlichen Winde (N. W., W., S. W.) haben über die öftlichen (N. O., O., S. O.) in ganz Europa die Oberhand. Der Weſtwind iſt häufiger, als der Oſtwind. Das Uebergewicht der weſtlichen gegen die öſtlichen Winde nimmt vom Atlantiſchen Meere gegen das Innere von Europa hin ab. Es beträgt z. B. für England 1: 1,7; für Rußland und Ungarn 1 : 1,2. Doch macht Frank⸗ reich von dieſer Regel eine Ausnahme. Betrachtet man die Vertheilung der Winde auf die vier Jahreszeiten, ſo ergibt ſich, daß im weſtlichen und mittlern Theil von Nordeuropa das Uebergewicht der weſtlichen über die öſtlichen Winde im Sommer viel bedeu⸗ tender, als im Winter und Frühjahr iſt. In den öſtlichen Theilen (Rußland und Schweden) ſcheint dieſes dagegen nicht der Fall zu ſein. Die weſtlichen Temperatur der Winde. 245 Winde find im Winter mehr ſüdlich, im Sommer mehr nördlich, oder gerade Weſt. Doch machen auch hier Rußland und Schweden eine Ausnahme. Daß das Uebergewicht der weſtlichen über die öſtlichen Winde im Oſten von Europa (Rußland) nicht ſo bedeutend iſt, als im Weſten, ſoll nach Schouw daher rühren, weil der Südweſt⸗ oder Weſtwind, je mehr er in das Innere des Europäiſchen Continents vordringt, um jo mehr in feiner Stärke ge⸗ ſchwächt wird durch die Gebirge, welche ſich ihm entgegenſtellen. In dem ebenen Rußland findet der Nordoſtwind kein ſolches Hinderniß; es muß daher der Weſtwind gegen ihn im Kampfe unterliegen. — Daß im weſtlichen Europa im Sommer die weſtlichen Winde die öſtlichen überwiegen, ſoll in der ver⸗ ſchiedenen Erwärmung von Meer und Land ſeinen Grund haben. Die Tem⸗ peratur des Bodens ſteige im Sommer höher, als die des Meeres, es werde deßhalb die kältere, über dem Meer ſchwebende Luft nach dem Lande hinſtrö⸗ men. Der Oſtwind könne, obgleich aus dem kälteren Norden kommend, dieſe Rolle nicht übernehmen, weil er ſich, wenn er über das Ruſſiſche Feſtland geht, erwärme, wodurch er höher, als der Weſtwind temperirt werde. — Daß die weſtlichen Winde im Winter mehr ſüdlich werden, als im Sommer, wo ſie mehr rein Weſt oder Nordweſt ſind, komme daher, weil im Winter der Boden weniger ſtark erwärmt werde, deßhalb kein Zuſtrömen der Luft aus Weſt oder Nordweſt nöthig ſei. 9. Temperatur der Winde. Die Winde bringen die Temperatur der Gegenden mit, aus welchen ſie wehen. Deßwegen ſind bei uns die Südwinde im Allgemeinen warm, die Nordwinde kalt. Der Oſtwind hat die Eigenthümlichkeit, daß er im Sommer wärmer, als der Südwind, im Winter dagegen faſt eben fo kalt, als der Nord- und Nordoſtwind iſt. Der Oſtwind kommt über die große Ruſſiſche Ebene, die wegen Mangel an Feuchtigkeit im Sommer ſich ſehr ſtark erwärmt; wie wir ſpäter ſehen werden, iſt dieſer Wind zugleich ſehr trocken, er löſt alſo die Wol⸗ ken auf und ſtellt eine reine, ungetrübte Luft her. Die Sonnenſtrahlen kön⸗ nen deßhalb ungehindert zum Boden gelangen und dieſen erwärmen. Im Sommer ift dagegen der Süd⸗ und Südweſtwind gewöhnlich feucht und von Wolken begleitet, welche die Strahlen der Sonne von der Erde abhalten. Da nun die Erdoberfläche im Sommer mehr Wärme von der Sonne empfängt, als ihr durch die Ausſtrahlung verloren geht, ſo iſt klar, daß der heitere Him⸗ mel, den der Oſtwind herſtellt, eine ſehr ſtarke Erwärmung der Luft herbei⸗ führen muß, während durch die trübe Witterung bei Süd- und Südweſtwind die Temperatur erniedrigt wird. Im Winter iſt es anders. Zu dieſer Jah⸗ reszeit iſt die Wärmeausſtrahlung vorwiegend und es wird deßhalb durch den bedeckten Himmel bei Süd⸗ und Südweſtwinden die Erde vor Erkaltung ge⸗ ſchüzt. Die nachſtehende, für Carlsruhe entworfene, Tafel gibt die bei den ver⸗ 246 Winde. ſchiedenen Winden nn Temperaturen an. Die Grade beziehen ſich auf die Reaumur'ſche Scale. N. N. „ . S. . W. N. W. Mittel Winter —105, —2% —2% 1% 30, 403 3 1% 10% Frühling 94 9,2 114 13,9 13,7 11,7 10,8 104 113 Sommer 17,9 19,3 21/0 20,1 19,4 19,1 19,2 18,5 194 Herbſt 94% 8,6 9% 110 11,5 114 1% 8 u Jahr 95 9, 95 10,9 12,1 125 1s % Im Winter, wenn die Sonne, ihres niedrigen Standes halber, wenig Kraft hat, hängt die Temperatur der Luft hauptſächlich von der Windrichtung ab. Doch kommen auch wohl Anomalien vor. So brachte z. B. der anhal⸗ tende Südwind im Winter 1843 ſehr kaltes Wetter. Der heiße Sirocco in Italien und der Solano in Spanien find wohl mit Unrecht von dem Samum der Wüſte Sahara abgeleitet worden. Da der Sirocco ſich nicht auf derjenigen Küſte der Inſel Sieilien, welche Afrika zunächſt liegt, ſondern erſt im Innern des Landes in größter Stärke zeigt, ſo iſt es nach Kämtz wahrſcheinlich, daß er auf den unbewaldeten Felſen Siei⸗ liens entſteht. Ebenſo erzeugt ſich der Solano wohl in Spanien ſelbſt, deſ⸗ ſen ausgedehnte dürre Steppen im Sommer eine ſehr hohe Temperatur an⸗ nehmen. 10. Stürme. Die heftigſten Stürme (Orkane, Hourrakans, Duragans), welche eine Geſchwindigkeit von 43 Metern in der Sekunde erreichen, kommen nur in der heißen Zone, ganz beſonders aber in der Region der Calmen vor, woſelbſt ſie ihre Entſtehung der plötzlichen Verdichtung des Waſſerdampfes, mit wel⸗ chem die Luft in dieſen Gegenden ſtark beladen iſt, verdanken. Dieſe Orkane ſind immer Wirbelwinde, deren Drehungspunkt eine fortſchreitende Bewegung hat. Ihre Kraft iſt ſo groß, daß durch dieſelbe nicht blos Bäume entwurzelt, ſondern ſelbſt ſteinerne Häuſer umgeworfen werden. Außerhalb der Wendekreiſe erreichen die Stürme dieſe Heftigkeit nicht; wahrſcheinlich überſteigt die Geſchwindigkeit der Stürme in unſern Gegeudes niemals 30 Meter in der Sekunde. 5 In der gemäßigten Zone treten die Stürme vorzüglich zur Zeit der Aequinoctien, alſo gegen das letzte Drittel der Monate März und September, ein. Sie entſtehen alsdann in Folge der großen Temperaturdifferenzen, welche zwiſchen den Wendekreiſen und den nördlichen Breiten herrſchen. Im Winter erkaltet die Atmoſphäre, ſowie der Boden in unſern Gegenden und in der Polarzone; zur Zeit des Frühlingsäquinoctiums befindet ſich die Sonne ge⸗ rade über dem Aequator und ſteigt nachher über die nördliche Halbkugel. Es wird deßhalb in der Nähe des Aequators eine ſtarke Erwärmung eintreten und ſowohl die erhitzte Luft mit großer Gewalt nach Norden, als auch die Stürme. ! 247 kalte Luft von den Polen nach dem Aequator hinſtrömen. Es entfpinnt ſich ein heftiger Kampf zwiſchen dem Südweſt- und dem Nordoſtwind, welcher erſt dann ein Ende nimmt, wenn die Temperaturen ſich gehörig ausgeglichen haben. Im Herbſt finden ähnliche Verhältniſſe ſtatt; die Sonne begibt ſich dann auf die ſüdliche Halbkugel und die Luft in der Polarzone iſt ſchon ſtark erkaltet, während ſie in der gemäßigten Zone eine noch verhältnißmäßig hohe Temperatur behauptet. e Die ſtärkſten Stürme kommen in Deutſchland aus ſüdweſtlicher, weſtli⸗ cher und nordweſtlicher Richtung, wobei der Sturm von Südweſt nach Nord⸗ weſt ſich dreht. In Küſtenländern gehen die Stürme aber ſtets vom Meere aus. Außerhalb der Aequinoetialzeit halten die Stürme die angegebenen Rich⸗ tungen nicht immer ein. So war z. B. der heftige Sturmwind im Juli 1841, der großen Schaden anrichtete, ein rein ſüdlicher. Daß durch Thäler und Berge den Stürmen oft abweichende Wege an⸗ gewieſen werden, haben wir ſchon früher erwähnt. Siebentes Buch. Sanne ae a & Erſter Abſchnitt. K Von der Verdunſtung. 1. Damit, Dampf. Die flüffigen, ja ſelbſt auch viele feſte Körper, beſitzen die Eigenſchaft, bei gewiſſen Temperaturen in den gasförmigen Zuſtand überzugehen. Tritt letzterer blos an der Oberfläche ein, ſo heißt der Prozeß Verdunſtung; findet er aber durch die ganze Maſſe der Flüſſigkeit ſtatt, ſo nennt man ihn Ver⸗ dampfung. Indeſſen unterſcheidet weder der gewöhnliche, noch der wiſſen⸗ ſchaftliche Sprachgebrauch dieſe beiden Ausdrücke ganz genau. Dampf bildet ſich nur, wenn die Flüſſigkeit zum Sieden gekommen iſt. Aus Waſſer erzeugt ſich Dunſt bei jeder Temperatur, man hat gefunden, daß ſogar das Eis ver⸗ dunſtet. 2. Maß der Verdunſtung. Die Menge Dunſt, welche in einem gewiſſen Raum, z. B. einem Ku⸗ bikfuß, ſich bilden kann, wenn genug Waſſer zur Dunſterzeugung vorhanden iſt, hängt blos von der Temperatur dieſes Raumes ab und nimmt mit dieſer, wiewohl nicht in geradem Verhältniſſe, zu. Deßhalb kann im Sommer die Luft viel mehr Feuchtigkeit aufnehmen, als im Winter. Die nachſtehende Ueberſicht zeigt, wie viel Waſſerdampf bei den angege⸗ benen Temperaturen in dem Raume eines Kubikmeters höchſtens enthalten ſein kann. Bon der Verdunſtung. 2 249 Temperatur Gewicht des Dampfes Gramme — 909 1,5 —10 2,9 0 5,4 10 9,7 20 171 Fig. 105. In neben ftehender Fig. bedeuten die Abſeiſſen die Temperaturen, die Ordinaten die größte Menge Dunſt, welche bei dieſen Temperaturen auf⸗ genommen werden kann. Wie man N Fa fieht, wachſen die Feuchtigkeitsmengen wi in viel ſtärkerm Verhältniſſe, als die 5 Temperaturen. Fr Enthält die Luft gerade fo viel Ba: Feuchtigkeit, als fie bei der beftehen- den Temperatur aufzunehmen vermag, i a ſo ſagt man, ſie ſei geſättigt. Iſt die eo 5 10 15 20 25 30 35 Menge Waſſer, welche verdunſten kann, eine begrenzte und unzureichende, ſo wird die Luft ſich nicht mit Feuchtigkeit ſättigen können. Abſolute Feuchtigkeitsmenge wird die Quantität von Waſſerdampf genannt, welche eben gerade in der Luft befindlich iſt. Unter relativer Feuchtigkeit verſteht man das Verhältniß der abſoluten Feuchtigkeit zu der bei der betreffenden Temperatur überhaupt aufnehmbaren Dampfmenge, alſo zu dem Waſſerdampfmaximum. Die relative Feuchtigkeit läßt ſich daher durch einen Bruch ausdrücken. Es ſei z. B. die Temperatur — 10% und es ſeien in einem Cubikmeter Luft 5 Gramme Dampf enthalten, ſo iſt die relative Feuchtigkeit 297 — 0,515. Je mehr dieſer Quotient 1 ſich nähert, um jo U feuchter iſt die Luft, um ſo näher ſteht ſie alſo dem e © iſt der Quotient klein, ſo ſagt man, die Luft ſei trocken. Um die Größe der Verdunſtung zu ermitteln, bedient man ſich der ſog. Atmometer, d. h. Verdunſtungsmeſſer. Das Inſtrument beſteht ganz ein- fach aus einem Gefäße, welches mit einer Scale verſehen iſt und mit Waſſer gefüllt wird. Für genauere Unterſuchungen, insbef. beim Eiſe, muß aber die Menge der verflüchtigten Feuchtigkeit durch das Gewicht beſtimmt werden. Die Verdunſtung wird befördert a. durch Wärme. Es verd unſtet daher mehr Feuchtigkeit in den Sommermonaten, als im 250 Hydrometeore. Frühling, Herbſt und Winter, mehr im Sonnenſchein, als in dem Schatten. Die folgenden Verſuche von Schüßler und Stark e das Verhältniß ge⸗ nauer an. Monat Verdunſtung in Zollen Verhältniß von im Schatten im Sonnenſchein u b a b Januar 0,46 Februar 0,51 März “174 4,18 April 2,42 6,44 1: 2,64 Mai 2,99 N 1 2.248 Juni 3,41 755 1,924 Suli.. 4,31 8,15 1: 1,88 Auguſt 3,44 8,22 17 239 September 2,24 7,32 11299 October 1,41 4,25 1: 3,03 November 0,53 2,82 | December 0,50 b. Durch Verminderung des Luftdruckes. N — Es kann zwar der leere Raum nicht mehr Waſſerdunſt aufnehmen, als der lufterfüllte; allein in letzterm verdunſtet das Waſſer bei weitem nicht ſo ſchnell, als in erſterem, weil die Luft die aufſteigende Bewegung des Dunſtes hindert. Dieſe findet im luftleeren Raume mit einer Geſchwindigkeit von 500 —600 Metern in der Sekunde ſtatt. Je dünner alſo die Luft iſt, um jo ra⸗ ſcher wird die Verdunſtung von ſtatten gehen. Deßhalb verflüchtigen die Blätter der Bäume auf Bergen, bei gleicher Temperatur, mehr Feuchtigkeit, als in der tiefer gelegenen Ebene. Früher war man der Anſicht, der Waſſer-Dampf und Dunſt löſe ſich in der Luft gerade fo auf, wie ein feſter Körper in einer Flüſſigkeit, alſo z. B. Zucker in Waſſer. Dieſe Theorie mußte aber fallen gelaſſen werden, als man ſah, daß Waſſer im Vacuum der Luftpumpe viel ſchneller verdun⸗ ſtet, als im lufterfüllten Raum. — Woher kommt es aber, daß der W ſerdampf, deſſen ſpecifiſches Gewicht — 0,62 iſt, wenn man das der Luft ! ſetzt, ſich ſelbſt an der Erdoberfläche vollſtändig mit der Luft mengt, während er doch, ſeiner größern Leichtigkeit halber, ſich in die höhern Re⸗ gionen der Atmoſphäre begeben ſollte? Dies rührt von der ungleichen ſpe⸗ cifiſchen Expanſivkraft des Waſſerdampfes und der Luft her, die ſich gegen⸗ ſeitig in's Gleichgewicht des Druckes zu ſetzen ſuchen. Die Higenſchaft der Gaſe und Dämpfe, ſich vollſtändig mit einander zu mengen, nennt man Diffufion. Von der Verdunſtung. 251 Durch 0 Wenn ein feuchter Körper langere Zeit mit der Luft in Berührung iſt, Jo nimmt dieſelbe jo viel Dunſt auf, als der herrſchenden Temperatur entſpricht, nachher hört die Verdunſtung auf. Wird aber die mit Feuchtigkeit geſättigte Luft durch Wind entfernt und an ihre Stelle eine trockene Luftſchicht gebracht, ſo kann die Verdunſtung von Neuem vor ſich gehen. Daher kommt es, daß auf ungeſchützten Bergen, überhaupt in exponirten Lagen der Boden ſo ſchnell austrocknet, während Thäler und Mulden die Feuch⸗ tigkeit viel länger halten. Die Winde befördern die Verdunſtung um ſo mehr, je ſtärker ſie wehen und je trockener ſie ſind. Schübler fand die Menge des innerhalb 24 Stun⸗ den verdunſteten Waſſers, bei 1 TI Fuß Oberfläche: im Durchſchnitt des Jahres im Sommer im Winter bei Südwind 6,29 C. 2. 12,65 C. 3. 1,02 C. Z. „ Südweſt 8. 8 9,85 2 =; „ Weſt 1 12,26 „ 1 „ „Nordweſt 9 1271 5 0,90" „ „ Rord 84 „ 1293 % 190° „ „Nordoſt 1290 „ e „ " Oſt 9,76 77 15,50 „ 1,65 7 „ Südoſt f 5 0 „ air 0,86 „ Hieraus geht hervor, daß die Verdunſtung im Sommer bei Nordoft-, Oſt⸗ und Südoſtwind, im Winter dagegen bei Südweſtwind am größten iſt. Die Oſtwinde ſind deßhalb ſo trocken, weil ſie zuerſt über die dürren Aſiati⸗ ſchen Steppen ſtreichen, dann ihre Feuchtigkeit am kalten Uralgebirge abſetzen und auf ihrem weitern Wege durch die Ebenen des Europäiſchen Rußlands ſich nicht wieder mit Feuchtigkeit beladen können. Daß bei Südweſtwind im Winter die Verdunſtung verhältnißmäßig ſtark ift, rührt blos von der höhern Temperatur dieſes Windes her. Weiter fand Schübler, daß aus einem Behälter, in welchem die Ober⸗ fläche des Waſſers 1 Pariſer Quadratfuß 1 innerhalb 24 Stunden verdunſteten bei windſtillem Wetter bei windigem Wetter im Winter 0,98 Cubikzolle 3,91 Cubikzolle „Frühling 8,51 „ 11,68 „ „ Sommer 11,92 > 19,84 1 „ Herbſt 1 14,94 F im ganzen Jahr 6,65 13,32 ſo daß alſo bei windiger Witterung im Mittel doppelt ſo viel Waſſer verdun⸗ ſtete, als bei Windſtille. In geſchloſſenen Holzbeſtänden hält ſich die Feuchtigkeit mehr, als auf Blö⸗ a Hydrometeore. ßen oder in räumlich ſtehendem Holze. Waldmäntel wirken der Verdunſtung entgegen. f e d. Durch Vergrößerung der verdunſtenden Oberfläche. Dies iſt an und für ſich klar, denn bei der gewöhnlichen Verdunſtung entwickeln ſich keine Dämpfe im Innern, ſondern nur an der Oberfläche der Flüſſigkeit. Schübler ſtach einen Raſen, beſtehend aus Poa annua, in einer Größe von einem Quadratfuß aus, brachte ihn in ein eben ſo großes Gefäß und beſtimmte ſeine Verdunſtung durch öfteres Wiegen. Gleichzeitig beobachtete er die Verdunſtung einer eben ſo großen Waſſerfläche. Er fand * die Verdunſtung in 24 Stunden Tag Waſſerfläche Gras Verhältniß Bemerkungen. 28. Juli 10,3 37,3 1:361 28. 5 15,7 44,0 1: 2,80 Das Gras war den Tag zu⸗ 30. 12,8 BDA 102 DER vor, den 27. Juli, begoſſen 1 17,2 43,9 1 : 2,55 worden. 1. Auguſt 174 469 1: 2,69 3 28,3 Ni heiß, Mittags + 24% R. 1 17,0 151. 1 088 Das Gras fing den 3. zu 1 21,8 e welken an, es wurde am Abend 7% 9,9 I dieſes Tags aufs neue begoſ⸗ 1 5,3 165.7 17009709 fen, wodurch es ſich erholte, 2 16,4 27,8 1: 1,68 nur einzelne Blätter ſtarben ab. Wir ſehen, daß der Raſen zwei- bis dreimal ſo viel verdunſtete, als eine gleich große Waſſerfläche und können uns dies nur durch die größere Oberfläche des Graſes, welche der Luft mehr Berührungspunkte darbietet, erklären. Uebrigens verhalten ſich nicht alle Pflanzen ſo wie die Gräſer, von den meiſten Craſſulaceen z. B., iſt es bekannt, daß ſie Monate lang auf einem ganz dürren Standort vegetiren können. Wäre bei dieſen Pflanzen die Ver⸗ dunſtung ſo groß, als beim Graſe, ſo würden ſie bald ihre eigene Saftfeuch⸗ tigkeit verloren haben und abſterben. Die Verdunſtungsfähigkeit der Pflanzen hängt von ihrer innern Textur und ganz beſonders von der Beſchaffenheit der Epidermis ab. Doch kann im günſtigſten Falle eine Pflanze nur ſo viele Feuchtigkeit an die Atmoſphäre abgeben, daß dieſe damit geſättigt iſt. Dieſes Maß erleidet keine Ueberſchreit⸗ ung. Wohl kann aber die eigenthümliche Beſchaffenheit einer Pflanze bewirken, daß dieſe weniger verdunſtet, als zur Sättigung der Luft erforderlich iſt. Die Verdunſtung des Raſens, welchen Schübler zu dem vorhin angeführten Ver⸗ ſuche benutzte, verminderte ſich in dem Maße, als die Reife des Graſes heran⸗ Bon ber Berbunftung. 253 rückte. Cs gab alſo die große Oberfläche des Graſes zwar die gif einer ſtarken Verdunſtung ab, doch war dieſelbe nicht die einzige Bedingung ierfür. he Völlig durchnäßter Boden verdunſtet, nach den Beobachtungen Schüb⸗ lers, von vorn herein mehr Feuchtigkeit, als eine gleich große Waſſerfläche, weil, wie Schübler ſehr richtig bemerkt, die unebene Oberfläche des Bodens der Luft mehr Berührungspunkte darbietet. Sobald aber der Boden ober⸗ flächlich abgetrocknet iſt, kehrt ſich das Verhältniß um. Im Winter, wo die Erde mehr mit Feuchtigkeit geſättigt iſt, verdunſtet der Boden durchgängig ſtärker, als das Waſſer, wie die folgenden Verſuche, welche im Jahr 1796 im botaniſchen Garten zu Genf angeſtellt wurden, ergeben. Jahreszeit Ein Quadratfuß ver⸗ Verhältniß dunſtet in 24 Stunden Erde Waſſer „Winter 3,75 C. Z. 0,96 C. 3. 1: 0,25 Frühling 5,24 „ 18,16 „ ER | Sommer 9,47 „ 27,90 „ 12,94 Herbſt 5,08 „ 24,46 „ 1: 4,81 „In dem nämlichen Jahre fielen zu Genf 24,8 Par. Zoll Regenwaſſer es verdunſteten von einer Waſſerfläche 44,7, von einer gleich großen Erd⸗ fläche 14,9 Zoll; über ½ oder 9,9 Zoll des gefallenen Regens verflüchtigte ſich daher nicht durch Verdunſtung von der Erdfläche, ſondern lief von dem Erdreich ab, oder drang in die Tiefe, wo es zur Bildung von Quellen oder zur Ernährung von Vegetabilien verwandt werden konnte.“ Schübler. e. Durch Trockenheit der Luft. Wenn die Luft einmal mit Feuchtigkeit geſättigt iſt, ſo hört die Ver⸗ dunſtung auf. Je trockener alſo die Atmoſphäre iſt, um ſo mehr Feuchtigkeit wird von Seiten des Bodens, des Waſſers und der Pflanzen verflüchtigt werden. Wird die geſättigte Luftſchichte, welche einen zur Verdunſtung geeig⸗ neten Gegenſtand umgibt, entfernt, ſo beginnt die letztere von Neuem. f. Durch eine dunkle Farbe des verdunſtenden Gegenſtandes. Dunkel gefärbte Körper erwärmen ſich ſtärker; enthalten ſie in ihren Zwiſchenräumen Waſſer, ſo theilt ſich dieſem die höhere Temperatur mit und es verdunſtet ſchneller. Deshalb iſt z. B. durch Kohle, organiſche Reſte oder Eiſen dunkel gefärbter Thon im Allgemeinen trockener, als weißer oder grauer Thon. 5 3 Spannkraft der Dünſte. Läßt man in den obern leeren Raum einer Barometerröhre (Fig. 106.) 3 254 b Hy drometeore. Fig. 106. welche unten in ein Gefäß mit Queckſilber taucht, etwas Waſſer f treten, ſo verdunſtet ein Theil deſſelben augenblicklich und es cr ſinkt das Queckſilber in der Röhre um einen Betrag, der von der herrſchenden Temperatur abhängt. Die Schwere des Waſ⸗ ſers und des Dampfes kann nicht die Urſache dieſer Erſcheinung ſein, man muß ſie vielmehr der abſtoßenden Kraft — Spann⸗ kraft, zuſchreiben, welchen den kleinſten Theilchen des Dunſtes inne wohnt. Hat ſich nicht ſämmtliches Waſſer im Vacuum verflüchtigt, ſo enthält letzteres offenbar das Maximum von == Dampf, welchen es bei der beſtehenden Temperatur aufnehmen kann, und der Dampf hat für dieſe Temperatus das Maximum feiner Spann⸗ kraft erreicht. Letztere wird durch die Differenz zwiſchen dem Stande des Queckſilbers in der zu dem obigen Verſuche benutzten Röhre und in einem andern Barometer gemeſſen. So beträgt z. B. bei einer Temperatur von 100 das Maximum der Spannkraft des Waſſerbampfes 9,5 Millimeter; d. h. das Queckſilber im Vacuum der Barometerröhre wird durch Waſſerdampf von 100 um 9,5 Millimeter herabgedrückt. Taucht man die Röhre etwas weiter in das Queckſilber ein, ſo wird dieſes in der Röhre ſelbſt ſteigen; gleichzeitig verdichtet ſich ein Theil des vorhin gebildeten Dampfes, ohne daß die Spannkraft des übrig bleibenden abnimmt. Zieht man dagegen die Röhre etwas aus dem Queckſilber heraus, ſo erzeugt ſich mehr Dampf, allein ebenfalls ohne Aenderung der Spannkraft. War dagegen ſchon ſämmtliches Waſſer in Dampf übergegauͤgen, ehe man die letzterwähnte Manipulation vornahm, ſo vermindert ſich die Spannkraft des Dampfes. Damit alſo der Waſſerdampf bei irgend einer Temperatur das Maximum ſeiner Spannkraft erreichen kann, iſt es erforderlich, daß genug Waſſer zur Dampfbildung vorhanden ſei. — Wird eine gewiſſe Menge Dampf erwärmt, ſo nimmt die Spannkraft deſſelben zu, ſie kommt aber nur dann auf das Maximum ihres Werthes, wenn noch Flüſſigkeit zugegen iſt, aus welcher ſich ſo viel neuer Dampf bilden kann, als der erhöhten Tem⸗ 0 peratur entſpricht. Wird eine mit Dampf geſättigte Luftſchichte abgekühlt, ſo ſchlägt ſich Waſſer in tropfbar flüſſiger Geſtalt nieder, gleichzeitig ſinkt die Spannkraft des zurückbleibenden Dampfes. | Durch Verſuche hat man das Maximum der Spannkraft des dampfes bei verſchiedenen Wärmegraden ermittelt. Wir theilen die nen Reſultate in der nachſtehenden Tabelle mit und bemerken zum Ver derſelben noch, daß die mit mm. überſchriebenen Zahlen angeben, um wie viele Millimeter die Höhe des Queckſilbers im Barometer bei der neben ange⸗ fügten Temperatur ſinkt, wenn im Vaeuum des Barometers jo viel Waſſer⸗ dampf ſich befindet, als dieſer Raum bei jener Temperatur aufzunehmen vermag. Gewicht des Waſſerdampfs. a 255 Temperatur Gr. Spannkraft Temperatur Gr. Spannkraft Grade mm. Grade mm. — 20 1,8 16 5 8,4 — 19 1,4 9 ir — 18 1,5 10 9,5 — 17 r un 298 10,1 — 16 1,8 12 10,7 — 15 1,9 13 11,4 — 14 2,0 14 12,1 — 13 2,1 15 12,8 — 12 2,3 16 / 13,6 — 11 N ©; 14,5 . m 10.2 2.6 18 15,4 —9 2,8 19 16,3 He 3,0 20 17,3 — 7 3,2 21 18,3 — 6 3,5 22 19,4 — 5 3,7 23 20,6 — 4 3,9 24 21,8 — 3 4,1 25 23,1 — 2 4,4 26 24,4 — 1 4,7 27 25,9 0 5,0 28 27,4 * 1 5,4 29 29,0 912 5,7 30 30,6 3 6,1 1 32,4 4 8 32 34,3 5 6,9 33 36,2 6 7,4 34 38,3 7 79 35 40,4 4. Gewicht des Waſſerdampfes. Iſt die Spannkraft des Waſſer⸗Dampfes oder Dunſtes bekannt, fo läßt ſich daraus das Gewicht deſſelben für ein beſtimmtes Raummaß, z. B. den Kubikmeter, berechnen. Es wiegt nämlich ein Kubikmeter Luft bei 0° Tem⸗ peratur und 760 Mm. Barometerſtand 1299 Grammen. Da der Waſſerdampf bei gleicher Temperatur und gleichem Barometerſtand nur 0,62 vom Gewicht der Luft hat, fo wiegt ein Kubikmeter Waſſerdampf nur 1299. 0,62 2805,38 805,38 760 16 | Gramme. Von 00 bis to dehnt fich der Dampf im Verhältniß von 1:1--0,00366t Gramme. Bei einem Mm. Spannkraft beträgt dieſes Gewicht 258 N Hydrometeore. aus, in dem nämlichen Verhältniß wird er aber leichter, es iſt deshalb das Gewicht eines Cubikmeters Dampf bei to und b 2 ewich rs Dampf bei to und b Barometerſtand 000366 U Gramme. ; Nachſtehend theilen wir eine Tabelle mit, in welcher angegeben ift, wie viel der in dem Raum eines Cubikmeters enthaltene Waſſerdampf wiegt, wenn dieſer Raum bei der nebenangefügten Temperatur mit Dampf geſättigt iſt. Temperatur Gewicht des in 1 C. M. Temperatur Gewicht des in 1 C. M. enthaltenen Waſſerdampfs enthaltenen Waſſerdampfs Grade Gramme Grade Gramme — 20 1,5 ag 8,7 — 19 1,6 9 9,2 — 18 1 10 1 BA 1,9 11 1 1 2,0 12 10,9 ER 2,1 13 11,6 JR „ 14 12,2 — 18 2,4 15 13,0 — 12 2,6 16 13,7 2 2,7 17 14,5 — 10 2,9 18 15,3 e 1 19 16,2 5 3,3 20 17,1 5 3,5 21 18,1 We. 3,7 22 19,1 ze 4,0 2° Vals: 20,2 a 4,2 24 21,8 1 4,5 25 22,5 3 4,8 26 23,8 FT 5,1 27 25,1 0 5,4 | 28 26,4 + 1 5,7 29 27,9 2 6,1 30 29,4 3. 6,5 31 31,0 4 6,9 32 32,6 5 7,3 33 ; 344 © 6 14 34 36,2 7 8,2 35 38,1 5. Hygrometrie. Die Hygrometrie hat zum Zwecke, die abſolute Menge des in einem gewiſſen Volum Luft enthaltenen Waſſerdampfes, jo wie den relativen Feuch⸗ Hygrometrie. 257 tigkeitsgrad zu befiammnen. Die hauptſächlichſten Arten von W ſind folgende: a. Der Brunner ſche 3 Ein Gefäß A (Fig. 107.) von bekanntem Rauminhalt ſteht in Verbind⸗ ung mit einer Röhre, in welcher ſich trocknes, abgewogenes Chlorcaleium a Fig. 107. befindet. A ift mit Oel gefüllt; ſobald der Hahn — b geöffnet wird, fließt dieſes ab, indem die f — Luft in die Röhre einſtrömt. Das Chlorcaleium hält alle Feuchtigkeit der Luft zurück, wenn man nur dafür ſorgt, daß das Oel nicht zu ſchnell abfließt. Nach Beendigung des Ber ſuches ergibt die Gewichtszunahme des Chlor⸗ caleiums, wie viel Waſſerdampf in einem Luftraum A enthalten war. Der Brunner ſſche Apparat gibt ein directes und zuverläſſiges Reſultat, iſt dagegen wegen des Zeitaufwandes, den jede einzelne Unterſuchung erfor⸗ dert, nicht mehr anwendbar, wenn man den Feuchtigkeitszuſtand der Atmo⸗ ſphäre öfters, z. B. täglich, ermitteln will. b. Das Sauſſure'ſche Haarhygrometer. A * Ein durch Kalilauge oder durch Aether von den anhängenden Fett⸗ theilchen befreites Menſchenhaar wird mit dem einen Ende um eine Rolle a Fig. 108. geſchlungen, die mit einem Zeiger e verſehen iſt (Fig. 108), an dem andern Ende an einem Träger b befeſtigt. Das Haar hat F die Eigenſchaft, ſich in feuchter Luft auszudehnen, in trockener dagegen zu verkürzen. Beide Zuſtände macht der Zeiger an einem ſeitwärts angebrachten Gradbogen bemerklich. Um eine Scale für dieſes Hygrometer zu conſtruiren, bringt man es zuerſt in einen mit Waſſerdampf vollſtändig geſättigten und dann in einen künſtlich getrockneten Raum. Es werden dadurch auf dem Grad⸗ bogen zwei Punkte fixirt werden, die man mit 100 und 0 be⸗ e zeichnet. Die zwiſchen dieſen beiden Punkten befindliche Länge wird dann in 100 Grade eingetheilt. Tre Das Saufjure'jche Hygrometer hat vor dem Brunnerſchen Apparat den großen Vorzug, daß es die Anſtellung eines beſondern Verſuchs überflüſſig macht, weil man den Feuchtigkeitszuſtand der Luft bei ihm durch bloſes Ab- leſen erfährt. Dagegen leidet es an dem Mißſtand, daß nicht alle Inſtru⸗ mente dieſer Art gleichen Gang haben. Dieſer ändert ſich ſogar bei einem und demſelben Hygrometer im Laufe der Zeit, weil das Haar, wie alle organiſchen Körper, von dem Sauerſtoff der Luft angegriffen und in den Zuſtand der Verweſung verſetzt wird. Heyer, Bodenkunde. 17 258 Hydrometeore. 4 Daniell's Hygrometer. Wir haben oben geſehen, daß es für jede Temperatur ein Maximum der Feuchtigkeit gibt, welches die Luft aufnehmen kann und daß dieſes Maxi⸗ mum mit der Temperatur wächſt. Beſitzt die Luft die Temperatur t und ift ſie nicht mit Feuchtigkeit geſättigt, fo gibt es jeden Falls eine niedrigere Tem⸗ peratur 1, für welche der vorhandene Waſſerdampf zur Sättigung ausreicht. Es handelt ſich daher nur darum, ( ausfindig zu machen. Iſt dies geſchehen, ſo kennt man auch den Feuchtigkeitsgehalt der Luft bei der Temperatur t, vorausgeſetzt, daß man ſchon früher das Feuchtigkeitsmaximum für jede Tem⸗ peratur ermittelt habe, wozu 3. und 4. die Anleitung gibt. Daniell hat einen Apparat erdacht, welcher zur Beſtimmung von ( die⸗ nen kann. Er beſteht aus zwei Kugeln a und b (Fig. 109), welche durch Fig. 109. eine Glasröhre verbunden ſind. Die Kugel a iſt f zur Hälfte übergoldet und mit Aether gefüllt; b iſt mit Mouſſelin umwickelt Träufelt man auf die Kugel b etwas Aether, jo verdunſtet dieſer ſehr raſch und bindet dabei Wärme. Dies hat zur Folge, daß die Aetherdämpfe, welche aus a fortwährend aufſteigen und nach b überdeftilliven, ſich verdichten. n Es erzeugt ſich deshalb neuer Dampf in a und der — zurückbleibende Aether erkaltet ebenſo, wie dies bei der Kugel b der Fall war. Iſt die Temperatur von a ſo weit geſunken, daß der Sättigungspunkt der Luft, welche a umgwbt, um etwas weniges überſchritten wird, ſo ſchlägt ſich ein Theil des Waſſerdampfes auf der Vergoldung nieder. Man nimmt ihn als einen leichten Thau wahr. Das in die Kugel a hineinragende Ther⸗ mometer ce gibt die Temperatur an, bei welcher die Luft ihren Sättigungspunkt erreicht hatte. Nehmen wir an, die Temperatur der Luft, welche durch das auf dem Träger befindliche Thermiometet t beftimmt wird, ſei vor dem Verſuche S200 geweſen und es habe das Thermometer in der Röhre e bei dem Eintritte des Waſſer⸗Dampf⸗Niederſchlags auf a eine Temperatur von 100 angezeigt, jo iſt klar, daß die Luft nur ſo viele Feuchtigkeit enthielt, als bei der Temperatur von 100 zur Sättigung hingereicht hätte. Aus der unter 4. mitgetheilten Tabelle erſehen wir, daß ein Kubikmeter Luft bei 200 im Maximum 17,1 Gramme Waſſer aufnehmen kann; in dem vorliegenden Fall enthält ſie aber nur 9,7 Gramme in einem Kubikmeter, der relative Feuchtigkeitszuſtand dieſer Luft iſt demnach — 114 57, oder fie ift etwas mehr als zur Hälfte geſattigt. Auch das Daniellſche Hygrometer eignet ſich wenig zu fortgeſetzten Beobachtungen, weil jede Beſtimmung des Feuchtigkeitsgehaltes der Luft mittelſt dieſes Inſtrumentes die Anſtellung eines eigenen, zeitraubenden Ver⸗ zu a nme Hygrometrie. ö 259 ſuches nöthig macht. Iſt die Luft weit von ihrem Sättigungspunkte entfernt, ſo gelingt es oft gar nicht, einen Niederſchlag auf der Vergoldung zu erzeugen. Von den Mißſtänden der bis jetzt beſchriebenen Hygrometer iſt frei d. Auguſt's Pſychrometer. Zwei Thermometer a und b (Fig. 110.) ſind neben einander aufgehängt; die Kugel des Thermometers a iſt mit Mouffelin überzogen, welcher in das Fig. 110. mit Waſſer gefüllte Gefäß e hinabreicht. Iſt die Luft, welche die Mouſſelinhülle umgibt, mit Feuchtigkeit nicht geſättigt, ſo wird der Mouſſelin einen Theil des Waſſers, welches er mittelſt Haarröhrchen kraft aus dem Gefäß e emporzieht, verdunſten, und zwar wird die Verdunſtung um ſo ſtärker ſein, je weiter die Luft vom Sättigungs⸗ punkte entfernt iſt. Beim Uebergang des Waſſers in Dampf oder Dunſt findet aber eine Bindung von Wärme ſtatt, in Folge deren das Thermometer a ſinkt. Der Stand von a erniedrigt ſich begreiflicher Weiſe um ſo mehr, je ſtärker die Verdunſtung, oder je weniger die Luft mit Feuchtigkeit geſättigt war. Sank z. B. das unn in Thermometer um 50, fo enthält die Luft weniger Waf- \ ſerdampf als wenn es nur um 3° finkt. Die Menge der verdunſteten Feuchtigkeit wird — ſo kann man ohne merklichen Fehler annehmen — der Anzahl Grade proportional ſein, um welche der Stand des Thermometers ſich erniedrigte. Iſt d die Differenz zwiſchen den beiden Thermometern, ſo läßt ſich die Menge der verdunſteten Feuchtigkeit durch ed ausdrücken, wobei e ein conſtanter, durch Verſuche zu beſtimmender Factor iſt. Die Dampfmenge W, welche die Luft zunächſt der Mouſſelinhülle ent⸗ hält, ſetzt ſich demnach zuſammen aus der urſprünglich in der Luft vorhanden geweſenen Feuchtigkeit x, aus der neuerdings gebildeten Quantität Waſſerdampf ed. Es iſt ſonach Wx cd, xX W — ed. e hat man durch Verſuche — 0,65 gefunden. Es ſei z. B. die Temperatur des trockenen Thermometers (a) — - 150, die des naſſen (b) = 109, fo iſt d—=5, W = 9,7 (ſiehe 4.), ed = 5.0,65=3,25, x 9,7 — 3,25=6,45 und relative Feuchtigkeit — 130 — 0,49. [4 Man hat Tabellen im Voraus berechnet, aus denen ſich ſogleich der Feuchtigkeitsgehalt der Luft für eine beſtimmte Differenz der beiden Thermo⸗ meter entnehmen läßt. Seite 260 enthält eine ſolche Tabelle. 17* 260 Hydrometeore. Temperatur der Luft. Differenz der Temperaturen des trockenen und befeuchteten Thermometers. Grade Celſ 0 | 1 | 2 3 4 5 8 9 — 0 1,5 0,8 O1 2 19. 1,6 0,9 0,2 — 18 158 1,0 03 — 17 189 11 0, * 20 1,2 0,5 18 21 1,4 0, — 14 2,3 1,5 0,8 = 48 2,4] 1,6 0,9 0,1 2 2,6 1,8 1,0 03 11 ae. s — 10 29) 241 431008 9 3,1] 2,3 1,5 07 uuns 3,3 2,5 1,7 0,9 0, RP n eee ien N 3,7 2,9 21 1,3 05 En 40 3,1 2,3 1,5 0,7 1 4,2] 3,4 2,5 1,7 0,9 04 ns 4,5 3,6 2,8 1,9 11 08 Br 4,8] 3,9] 3,0 2,2 14 085 un 5,1] 4,2 3,3 2, 1,6 08 19 5,4 4,5 3,6 2,7 1,9] 1,0] 02 1 5,7 4,7] 3,8 2,9 2,1 1.2 04 2 6,1] 5,1 4,1 3,2 2.3 1.4 05 3 6,5 5,4 4, 3,4 2,5 1,6 0,7 4 6,9] 5,8 2,8 3,7] 2.7] 1,8 10 5 CE RR „% i a aa 5 a 4 EB u 6 7,7] 6,6] 5,5 4,5 3,4] 2,4 14] 0.5 7 8,2 70 5,9 4,9] 3,8 2,8 1,8 08 8 8,7] 7,5 6,4 5,3 4.2] 3,6 2,1 1,1] 02 9 9,2 80) 6,9 5, 4,6 3,5 2,5 1,5 95 10 9,7] 8,5 73] 6,2] 5,1] 0 29) 197 08 11 10,3 9,1 7,9 6,7 5,6 4,4 3,3 2,3 1,2 02 12 10,9 9, 8,4 7,2 6,0] 4,9 4,8] 2,7 1,7 06 13 11,86 10,3 9,0] 7,8 6,6 5,4 4,3 3, 2,1 10 14 12,2 10,9 9,6 8,3 7, 5,9 4,8 3,6 235] 14 15 13,0 11,6 10,3 9,0 7, 6,5 5,3 4,1] 3,0 1,9 16 13,7 12,3 10,9 9,6 8,3 70 5,8 4,6] 3,5 24 17 14,5 13,1 11,6 10,3 9,0 7,7) 6,4 5,2 4029 18 15,3 13,8 12,1 11,0 9,86 8,3 70) 5,8 4,6 34 19 16,2 14,7 13,2 11,7 10,3 9,0 7,7 6,4] 5,1] 39 20 17,1 155) 14,0 12,5 11,1] 9,7 83) 70] 5,8 45 21 18,1 16,5 14,9 | 13,4 11,9] 10,5 9,1 7,7 64, 54 22 19,1 17,4] 15,8 14,2 12,7 11,2 9,8 8,4 7 58 23 20,2 18,5 16,8 | 15,2 13,6 12,1 10,6 9,2 7,8 64 24 21,3 19,5 17,8 16,1 14,5 12,9 1,4 100 8,5 72 25 22,5 20,6 18,9 | 17,1 15,5 13,8 | 12,3 10,8 9,3 79 26 23,8 21,8 20,0 18,2 16,5 14,8 13,2 11,6 10, 8,7 27 25,1 23,1 21,2 19,3 17,5 15,8 14,2 12,6 11,0 95 28 26,4] 24.4 22,4 20,5 1% 16,9 | 15,2 13,5 11,9 10,4 29 27,9 25,8 23,7) 21,7 19,8 18,0 16,3 14,6 12,9 11.3 30 29,4] 27,2 25,1 23,0 21,1] 19,2 17,4 15,6 13,9 12,3 3 31,0| 28,7 26,5 24,4 22,4] 20,4 | 18,5 | 16,7 15,0|13,3 32 32,6 | 30,3 28,0 25,8 23,8 21,7 19,8 17,9 16,1 14.3 33 34,4 31,9 29,6 27, 25,2 23,1 21,1 19,1 17.315, 34 36,2] 33,7| 31,2 | 28,9 26,7 24,5 22, 20,4 18,5 | 16,6 35 38,1 355' 33,0 30,6 28,2 26,0 23,8 21,8' 19,8 17,8 Gang der abjoluten und relativen Luftfeuchtigkeit. 261 6 Gang der abſoluten und relativen Luftfeuchtigkeit im Laufe des Tages. a. Abſolute Feuchtigkeit. Hygrometriſche Beſtimmungen der abſoluten Feuchtigkeitsmenge, welche die Luft im Laufe des Tages enthält, haben folgende Geſetze ergeben: a. Im Winter findet das Minimum der abſoluten Dampfmenge zur Zeit des Sonnenaufgangs, das Maximum zur Zeit der größten Tages⸗ wärme, alſo einige Stunden nach Mittag ſtatt. — Dieſes Verhältniß iſt an und für ſich einleuchtend, denn die Luft kann um ſo mehr Feuch⸗ tigkeit aufnehmen, je höher ihre Temperatur iſt. Sinkt die Wärme gegen Abend hin, ſo muß ſich ein Theil des Dampfes in der Luft nie⸗ derſchlagen und dies dauert die ganze Nacht hindurch bis zum Sonnen⸗ aufgang fort. g. Im Sommer treten einige Anomalien ein, welche durch den einige Zeit nach Sonnenaufgang ſich erhebenden warmen Luftſtrom hervorgerufen wer⸗ den. Das Minimum der abſoluten Dampfmenge findet zwar auch bei Son⸗ nenaufgang ſtatt, allein die Feuchtigkeit der Luft nimmt jetzt nicht bis zur Zeit der höchſten Tageswärme, ſondern nur bis 8 oder 9 Uhr zu. Nach dieſer Zeit läßt zwar die Verdunſtung, durch welche die Luft mit Waſ⸗ ſerdampf geſchwängert wird, nicht nach — ſie ſteigert ſich vielmehr mit zunehmender Sonnenhöhe — allein die größere Erwärmung auf der Erdoberfläche bewirkt, daß die Luft mit Lebhaftigkeit in die Höhe ſteigt und die Dünſte mit ſich reißt, wodurch ſich die Feuchtigkeit an der Erdoberfläche, wo wir beobachten, vermindert. Es tritt deshalb um 8 oder 9 Uhr ein Feuchtigkeitsmaximum ein. Nach dieſem Zeitpunkt fängt die Erdoberfläche wieder an, zu erkalten und die Luftfeuchtigkeit an derſelben nimmt wieder zu, indem der aufſteigende Luftſtrom nach⸗ läßt. Dies dauert bis gegen 9 Uhr Abends, zu welcher Zeit wieder ein Maximum der abſoluten Feuchtigkeit eintritt. Während der Nacht ver⸗ mindert ſich die Verdunſtung in Folge des Sinkens der Temperatur und des durch daſſelbe hervorgerufenen Niederſchlags von Waſſerdämpfen; dies dauert bis Sonnenaufgang, wo, wie wir oben bemerkt haben, ein Feuchtigkeitsminimum eintritt. Im Sommer finden alſo zwei Minima und Maxima der abſoluten Feuchtigkeit ſtatt; die beiden erſtern ſtellen ſich bei Sonnenaufgang und Nachmittags gegen 3—4 Uhr, die beiden letztern Vormittags um 8—9 und Abends gegen 9 Uhr ein. b. Relative Feuchtigkeit. Man verſteht unter dieſer das Verhältniß der in der Luft wirklich vor⸗ handenen (abſoluten) Feuchtigkeit zu der bei der herrſchenden Temperatur 262 Hydrometeore. überhaupt aufnehmbaren. Je größer die relative Feuchtigkeit iſt, um ſo weni⸗ ger Waſſerdampf braucht aufgenommen zu werden, damit der Sättigungs⸗ punkt eintritt. i Obgleich der abſolute Feuchtigkeitsgehalt der Luft im Sommer größer, als in den übrigen Jahreszeiten iſt, ſo herrſcht doch im Sommer eine gerin⸗ gere relative Feuchtigkeit, als im Frühling, Herbſt und Winter; in letzterm iſt die Luft durchſchnittlich am feuchteſten. Dieſes Verhältniß erklärt ſich ganz einfach, wenn man bedenkt, daß zwar in der wärmern Jahreszeit die Verdun⸗ ſtung ſtärker iſt, als in der kältern, daß dagegen bei der höhern Temperatur der Sommermonate das Maximum der Feuchtigkeit ſteigt, welches die Luft enthalten müßte, wenn ſie geſättigt ſein ſollte. Die Verdunſtung nimmt alſo im Sommer nicht in gleichem Maße, wie die Temperatur zu, ſondern bleibt hinter dieſer zurück. In Anſehung der Tageszeiten hat die Beobachtung zu folgenden Re⸗ ſultaten geführt. Die größte relative Feuchtigkeit tritt in allen Monaten bei Sonnenaufgang ein, die größte Trockenheit (geringſte relative Feuchtigkeit) fin⸗ det zur Zeit des täglichen Temperaturmaximums, alſo einige Stunden nach Mittag ſtatt. In der nachſtehenden Tabelle (S. 263) theilen wir eine Ueberſicht der abſoluten und relativen Feuchtigkeit mit. Sie rührt von dem verdienſtvollen Kämtz her und gilt für den Beobachtungsort Halle. Die Spannkraft des Dunſtes (abſolute Feuchtigkeit) iſt in Millimetern (mm) ausgedrückt. 7. Gang der abſoluten und relativen Luftfeuchtigkeit im Laufe des Jahres. Hierüber find unter 6, b ſchon einige Andeutungen gegeben worden. Die nebenſtehende Tabelle zeigt uns, daß die abſolute Feuchtigkeit im Januar am kleinſten iſt, von da an bis zum Juli ſteigt und nachher wieder bis zum Januar fällt. Die relative Feuchtigkeit erreicht ihr Minimum im Auguſt, ihr Maximum im December. Im Winter iſt alſo die Luft feuchter, als im Sommer. 8. Verſchiedenheit der abſoluten und relativen Feuchtigkeit nach Maßgabe der geographiſchen Länge und Breite. Da die Wärme vom Aequator nach den Polen hin abnimmt, ſo muß auch der abſolute Feuchtigkeitsgehalt der Atmoſphäre um ſo kleiner werden, je weiter man ſich vom Aequator entfernt. Dieſen Schluß beſtätigen die Beob⸗ achtungen. Was dagegen die relative Feuchtigkeit anlangt, ſo läßt ſich für dieſe keine ſo allgemeine Regel aufſtellen. Sie hängt gar ſehr von dem Um⸗ ſtande ab, ob ein Ort genug Waſſer beſitzt, um die Verdunſtung auf die Dauer unterhalten zu können. In der Nähe des Meeres, der Seen und Flüſſe, Mo⸗ räſte ꝛc. iſt die Luft feuchter, als im Binnenlande. So zeichnet ſich z. B. die SN 11 O — in 20 0 4 bun ST unc 81 Gang der abſoluten und relativen Luftfeuchtigkeit. und 263 S Abſolute Feuch⸗ tigkeit 0 S 00 D D 00 02 OD DO mn D DDD DDD 2 D Fan EN SD . = S NED 8 D D DD D D D D DDD D- D DDr De Relative Feuch⸗ tigkeit 22 ˙ o o * — —— D D N 232282 Abſolute Feuch⸗ tigkeit oa —_ 00 00 00 00 00 00 00 DO 00 = III I SSS SSS SSS SSS over own wo na non u ww ine Relative Feuch⸗ tigkeit = Seen — 2 — Ce} SZ 1 ge own S ep Abſolute Nau, tigkeit 2 222 O O O O O 2888888 38K SYS SS 83838 2 D DOD DDD D D De Relative Feuch⸗ tigkeit SS SSS S SSS SSS SSS D e ru u5B SSD DDr oo oo» 88828 DOIPFODODDILODUP,O OD DT Abſolute Feuch⸗ tigkeit IFF D SSS SEE SSS e SSS Relative Feuch⸗ tigkeit FFT Abſolute Feuch⸗ tigkeit Relative Feuch⸗ tigkeit SS SSS 2.0009 = 4 1 4 99 8 6 tigkeit [Relative Feuch⸗ tigkeit Abſolute Feuch⸗ tigkeit S 88888 SD SS O S * S Relative Feuch⸗ tigkeit ung S S S S S S S D222 22 8888838888883 9.1088 Abſolute Feuch⸗ tigkeit e won F 19 9% %%% gs. dg Relative tigkeit 8 6 8˙“½79 L001 6,89 ra pi 6,59 9111618968“ S YS SS D Y SY Y S S Y SY Y Y Y Y S = D D S S IT TEE 222 8e 2 8822828 4 2 S — Rr S 1 99˙6 160 Abſolute Feuch⸗ tigkeit 00 0 E =2 00 00 00 * 8 ao BREEFPSZTROFER-ODRZEROATISE DDD Dur map Relative Feuch⸗ tigkeit D S e e e e eee 7 pe We Ten © -ı 00 00 © © * TTT Abfolute Feuch⸗ tigkeit 8 00 00 00 00 00 0 00 22222828888 DRAFRSEATIFERRLERSDEIFRELEESE vo nbopn tr un nopun a PuPpäu Relative Feuch⸗ tigkeit SSO =. aa a on neee S2 S 2 2 SSL 38889328 Abſolute Feuch⸗ tigkeit O2 00 00 DEE 00 D S D = SS S SSA SSR SSS Relative Feuch⸗ Dre erento tigkeit wg r D ww SSS EES S2 SSS OSS ee 288882822 Abſolute Feuch⸗ tigkeit @ 00 00 002 cn 00 00 00 00 00 OD CD CD On 06 00 © 00 00 00 00 SSS SS SS SSS SSS SSS S SS SSS - pn e DDD DD = Relative Feuch⸗ tigkeit agwaaogg) aagopg eee, Unbnzz WG 264 Hydrometeore. Luft in der Ruſſiſchen Ebene durch große Trockenheit aus, während England das ganze Jahr hindurch einer ſehr feuchten Luft genießt. Ein ähnliches Ver⸗ hältniß nehmen wir zwiſchen der Wüſte Sahara und den Weſtindiſchen In⸗ ſeln wahr. f 9. Verſchiedenheit der abſoluten und relativen Feuchtigkeit nach der Erhebung über die Meeresfläche. Der abſolute Feuchtigkeitsgehalt der Luft nimmt mit der Höhe ab, wie die Beobachtungen der Meteorologen nachweiſen; die relative Feuchtigkeit da⸗ gegen zeigt ſich bei hellem Wetter geringer, bei trübem Wetter größer, als in der Tiefe. Im Durchſchnitt längerer Zeiträume, z. B. mehrerer Monate ſtellt ſich ein größerer relativer Feuchtigkeitsgehalt mit der Erhebung über die Mee⸗ resfläche heraus. 10. Feuchtigkeit bei verſchiedenen Winden. Es iſt eine allgemein bekannte Erfahrung, daß der Feuchtigkeitsgehalt der Luft mit dem Winde wechſelt. Wir haben auch hier wieder zwiſchen ab⸗ ſoluter und relativer Feuchtigkeit zu unterſcheiden. Erſtere wird um ſo größer ſein, wenn der Wind mit einer hohen Temperatur über waſſerreiche Gegenden hinzieht, weil er in dieſem Falle viel Dampf aufnehmen kann. Die relative Feuchtigkeit dagegen vermindert ſich in dem Maße, als der Wind höher tem⸗ perirt iſt und wenn derſelbe über waſſerarme Localitäten ſtreicht. In Deutſchland ſind im Sommer Nordweſt, Südweſt und Weſt die (relativ) feuchteſten, Nord, Nordoſt, Südoſt und beſonders Oſt die trockenſten Winde. Dieſe, durch die Beobachtung feſtgeſtellte Thatſache erklärt ſich ſehr einfach aus Demjenigen, was früher über die Iſotheren und über die Tempe⸗ ratur der Winde bemerkt wurde. Im Sommer iſt nämlich das Innere des Europäiſchen und Aſiatiſchen Continentes wärmer, als das Meer; die Feuchtig⸗ keit, welche der Oſtwind aus Aſien mitbringt, ſetzt er an dem hohen Uralge⸗ birge ab, ohne ſie auf ſeinem fernern Laufe wieder zu erhalten, da die Ruſſiſche Ebene arm an großen Waſſerflächen iſt. Der Südweſt dagegen ſtreicht über das Mittelländiſche Meer, wo er eine hinreichende Menge Feuchtigkeit aufnimmt. Dieſe tritt relativ um ſo ſtärker hervor, als der Südweſt im Sommer beinahe um 2 Grade kühler, als der Oſtwind iſt. Noch feuchter iſt der vom Atlanti- ſchen Meer kommende Weſtwind. Im Winter finden wir entgegengeſetzte Verhältniſſe. Zu dieſer Jahres⸗ zeit ift nämlich der Oſtwind feuchter, als der Weſtwind. Es erklärt ſich die⸗ ſes aus der niederern Temperatur der öſtlichen, gegenüber den weſtlichen Win⸗ den, wodurch der Thaupunkt jener herabgeſtimmt wird. Im Frühjahr und Herbſt ſind Nord, Nordweſt, Nordoſt und Weſt die feuchteſten, Süd, Südweſt und von Allem Oſt die trockenſten Winde. Von den wäſſerigen Niederſchlägen. 265 Die nachſtehende, auf vierjährigen Beobachtungen beruhende Zuſam⸗ menſtellung von Kämtz gibt die relative Feuchtigkeit der acht Hauptwinde in den verſchiedenen Jahreszeiten an. Der Beobachtungsort iſt Halle. Winter Frühling Sommer Herbſt Nord 89,5 75,0 67,6 78,7 Nordoſt 917 72,3 674 82,6 Oſt 92,6 66,9 5 Ri Südoft 85,5 71,4 66,3 79,2 Süd 83,0 10,3 67.4 76,2 Südweſt 81,9 70,3 69,9 78,6 Wet 80,9 71,7 714 80,6 Nordweſt 83,2 73,4 68,8 82,7 Zweiter Abſchnitt. Von den wäſſerigen Niederſchlägen. 1. Urſachen der atmoſphäriſchen Niederſchläge. Wie wir im erſten Abſchnitt geſehen haben, iſt die Menge Waſſerdampf oder Dunſt, welche in einem gewiſſen Raume und bei einer gewiſſen Tempe⸗ ratur ſich bilden kann, eine genau begrenzte. Für jede Temperatur gibt es ein Feuchtigkeitsmaximum; iſt dieſes erreicht und ſinkt die Temperatur nachträglich, ſo muß ein Theil des Dampfes in den tropfbar flüſſigen oder feſten Zuſtand übergehen. 8 So enthält z. B. ein Kubikmeter Luft bei 200 Wärme im Maximum 17,1 Gramme Waſſerdunſt, bei 10% dagegen nur 9,7 Gramme. Wird die bei 200 geſättigte Luft auf 10 erkältet, jo müſſen ſich demnach 17,1—9,7 = 7,4 Gramme niederſchlagen. War aber die Luft bei 200 nicht geſättigt, ent⸗ hielt ſie z. B. nur 15,0 Gr. Feuchtigkeit, ſo ſchlagen ſich, wenn die Tempera⸗ tur auf 10» ſinkt, nur 15,0 — 9,7 = 5,3 Gramme nieder. Enthielt endlich die Luft bei 200 Temperatur 9,7 Gramme Dunſt, fo wird in dem angenom- menen Falle gar kein Niederſchlag erfolgen, denn bei 100 Temperatur können ſich gerade noch 9,7 Gr. Feuchtigkeit in der Luft aufhalten. Ein Niederſchlag des Waſſerdampfs wird alſo um ſo eher eintreten a) je mehr der in der Luft befindliche Waſſerdunſt dem bei der betr. Temperatur möglichen Maximum gleichkommt, b) je größer die Temperaturerniedrigung iſt. Wenn die Luft an irgend einem Orte mit Waſſerdampf geſättigt iſt, ſo entſteht ſo lange kein Niederſchlag, als ihre Temperatur ſich nicht ändert. Wer⸗ den dagegen zwei Luftmaſſen von verſchiedener Temperatur mit einander ver⸗ mengt, ſo ſetzt ſich augenblicklich ein Theil des Dampfes ab. Denn die bei⸗ 266 : Hydrometeore. den Luftmaſſen gleichen ihre Wärme gegen einander aus; während die Tem⸗ peratur der einen ſteigt, nimmt ſie Feuchtigkeit auf, welche ſie von der andern, deren Temperatur fällt, empfängt. Da aber die Dampfmenge, welche ſich in einem gegebenen Volumen Luft im Maximum aufhalten kann, in ſtärkerem Maße, als die Temperatur zunimmt, ſo muß die wärmere Luftmaſſe bei der Ausgleichung auf die Mitteltemperatur viel mehr Feuchtigkeit abgeben, als die urſprünglich kältere Luft bedarf, um bei der Ausgleichungstemperatur von Neuem mit Dampf geſättigt zu ſein. Es ſeien z. B. die Temperaturen der beiden Luftmaſſen 200 und 100; nach erfolgter Mengung haben ſie die ge⸗ meinſchaftliche Temperatur von 150. Die Luft von 15° nimmt hierbei eine Dampfmenge von 13,0 — 9,7 = 3,3 Gr. pro K. Meter auf, die Luft von 20° gibt 17,1—13,0 = 4,1 Gr. p. K. M. ab, alſo werden 4,1—3,3 = 0,8 Gr. Waſſerdampf p. K. M. ausgeſchieden. a 2. Nebel. Wenn aus irgend einer der vorhin angegebenen Urſachen die Luft ſich eines Theiles ihres Waſſerdampfs entledigen muß, und wenn die Temperatur⸗ erniedrigung, welche hierbei ſtets eintritt, nicht bedeutend iſt, ſo verdichtet ſich der Waſſerdampf in Geſtalt kleiner Bläschen, welche innen mit Luft gefüllt ſind. Schweben viele ſolche Bläschen nahe neben einander in der Luft herum, ſo nennt man das Ganze Nebel. Die Nebelbläschen laſſen ſich leicht in dem aus heißen Flüſſigkeiten auf- ſteigenden „Schwaden“ mittelſt der Lupe unterſcheiden. Aus der Art, wie das Licht von ihnen refleetirt wird, gelang es, ihren Durchmeſſer zu beſtimmen, den Kämtz durchſchnittlich S 0,00082658 Zollen fand. Doch ſollen die Ne⸗ belbläschen im Winter größer, als im Sommer fein. Die Dicke der Hülle beträgt nach Kratzenſtein 0,0000025 Zolle. Der Nebel erzeugt ſich beſonders häufig über ſtehenden und fließenden Gewäſſern, Sümpfen und überhaupt über naſſem oder feuchtem Boden und gegen Abend. Um dieſe Zeit hat die Luft ſchon viel Wärme durch Ausſtrah⸗ lung verloren, während die Temperatur des Waſſers nahezu dieſelbe geblieben iſt. Es bildet ſich aus dem wärmern Waſſer Dampf, welcher in den kältern Luftſchichten unmittelbar über dem Waſſer zu Nebel verdichtet wird. Iſt die Luft gegen die Ausſtrahlung ihrer Wärme geſchützt, wie es z. B. in Waldun⸗ gen der Fall iſt, ſo bildet ſich oft ſelbſt auf feuchtem Boden kein Nebel. Blößen oder jüngere Beſtände in Tieflagen, welche von höherem An⸗ wuchſe umgeben ſind, neigen vorzüglich zur Nebelbildung hin. Der Schutz⸗ beſtand hemmt die Luftbewegung, durch welche die kältere Luft an ſolchen Lo⸗ calitäten von wärmerer erſetzt werden könnte. Die dem Windzug exponirten Berge ſind deßhalb auch viel weniger von Nebeln heimgeſucht, als die Nie⸗ derungen. f Länder in der Nähe der See leiden in der kältern Jahreszeit mehr von Wolken. i 267 Nebelwetter, als Orte im Binnenlande. Das Meerwaſſer hält die im Som⸗ mer erlangte Temperatur länger an, es iſt deßhalb auch im Herbſt und Win⸗ ter wärmer, als das Land. Die Dämpfe welche ſich aus dem Meerwaſſer erzeugen, verdichten ſich, ſobald ſie das Land erreicht haben. Daher rühren die dichten Nebel, in welche England einen großen Theil des Jahres hindurch gehüllt iſt. So verdanken die Nebel von Neufoundland dem warmen Waſſer des Golfſtromes ihre Entſtehung. 3. Wolken. a) Entſtehung der Wolken. Die Wolken ſind nichts Anderes, als Nebel, der ſich in einiger Höhe über der Ebene befindet. Hiervon kann man fi) am beſten überzeugen, wenn man ein Gebirge bei trübem Wetter be- ſteigt. Man ſieht ſich dann oft in die Mitte einer Nebelmaſſe verſetzt, die von den Bewohnern der Ebene als Wolke geſehen wird. Die Wolken entſtehen aus der Feuchtigkeit, welche ſich aus dem Boden, aus den Gewäſſern, den Gewächſen u. ſ. w. als Dampf entwickelt. Auch der Verbrennungs- und Athmungsprozeß, die Ausdunſtung der Menſchen und Thiere bilden eine Quelle für die Erzeugung von Waſſerdampf. Dieſer, mag er nun von der einen oder der andern Urſache herrühren, ſteigt wegen ſeines geringeren ſpecifiſchen Gewichtes in der Luft aufwärts, bis er in Regionen gelangt, deren niedrige Temperatur ihn zur Verdichtung zwingt. N b) Schweben der Wolken. Da die Nebelbläschen gegen zweihun- dertmal ſchwerer ſind, als die Luft, ſo müſſen ſie ſogleich nach ihrer Entſtehung nach der Erdoberfläche hin fallen. Dies geſchieht auch unter allen Umſtänden, wenn ſchon der Widerſtand der Luft, der bekanntlich in quadratiſchem Ver⸗ hältniß mit der Fallgeſchwindigkeit wächſt, die Stärke der letztern mäßigt. Warum erhalten ſich aber, kann man fragen, die Wolken in der Schwebe? Dies beruht auf der höhern Temperatur der untern Luftſchichten. Sobald das Nebelbläschen in eine ſolche angelangt iſt, wird es, vorausgeſetzt, daß die Luft nicht ſchon mit Feuchtigkeit geſättigt iſt (in welchem Fall, wie wir ſpäter ſe⸗ hen werden, Regen einttitt), wieder in Dampf verwandelt, der abermals feinen Weg in die Höhe nimmt, bis er von Neuem zu Nebel verdichtet wird. Auch der von der Erdoberfläche aufſteigende warme Luftſtrom trägt dazu bei, die Wolken ſchwebend zu erhalten. Er ertheilt den Nebelbläschen eine Geſchwin⸗ digkeit in einem der Fallrichtung entgegengeſetzten Sinne. Wahrſcheinlich beſtehen die Wolken, welche am weiteſten von der Erd— oberfläche entfernt ſind (Cirri ſ. u.) aus Schnee und Eis. Daß dieſe feſten Körper ſich in der Luft ſuſpendirt erhalten können, beruht auf den e Urſachen, welche das Schweben der Nebelwolken bewirken. c) Wolkengeſtalten. Die Wolken erſcheinen bekanntlich in den ver⸗ ſchiedenartigſten Formen, doch ſtehen dieſe in ſehr genauem Zuſammenhang mit der Witterung, ſo daß die Kenntniß wenigſtens der hauptſächlichſten Wol⸗ 268 Hydrometeore. kengeſtalten für die Meteorologie von Wichtigkeit iſt. Die nachſtehende Claſ⸗ ſification verdanken wir Howard. Sig, 111. a. Die Federwolke — Cirrus. — = Sie beſteht aus zarten weißen Streifen, die entweder einander parallel laufen oder etwas gebogen ſind und an den Enden gewöhnlich divergiren, ſo daß dieſe das Anſehen von gekräuſelten Locken gewinnen. = - Die Federwolke ift gewöhnlich am weite⸗ ſten von 10 Cwoberſache entfernt, nach den Meſſungen von Dalton und Kämz ſteht fie oft in 20000 Fuß Höhe, wo, wie wir wiſſen, die Temperatur unter den Gefrierpunkt geſunken iſt. Deßwegen müſſen wir auch annehmen, daß der Cirrus aus Schnee oder Eis beſteht, und dieſer Schluß wird durch die optiſchen Phänomene, welche derſelbe erblicken läßt, beſtätigt. Der Cirrus rückt gewöhnlich nur langſam vom Platze, was ebenfalls auf ſeine weite Ent⸗ fernung von der Erdoberfläche ſchließen läßt; denn wenn zwei Gegenſtände von gleicher Geſchwindigkeit in ungleicher Entfernung an uns vorüber paſſi⸗ ren, ſo ſcheint der uns zunächſt befindliche eine größere Geſchwindigkeit, als der andere, zu haben, weil bei jenem der Geſichtswinkel zwiſchen zwei Sta⸗ tionen ſich in der nämlichen Zeit um einen größern Betrag ändert und wir die Geſchwindigkeiten von Objeeten, deren Entfernung uns unbekannt iſt, nach der Aenderung dieſes Geſichtswinkels ſchätzen. Erſcheint die Federwolke nach andern dichtern Wolken, ſo Pier ſie den Eintritt von gutem Wetter an; tritt ſie aber nach anhaltend heiterm Himmel auf, ſo hat ſie e eine Veränderung der Witterung im Gefolge. 6. Die Haufenwolke — Cumu⸗ lus. — Ihre Geſtalt ift kugel, öfter noch halbkugelförmig mit einer der Horizontalen parallelen Grundfläche. Die Haufenwolke hat einen dunkeln, oft ganz ſchwarzen Kern, aber helle, oft durch die Sonnen⸗ | j ſtrahlen vergoldete Ränder. Häufen ſich mehrere ſolcher Wolken am Horizont zuſammen, ſo glaubt man oft beim er⸗ ſten Anblick ein fernes Gebirge zu ſehen. 8 Im Sommer tritt die Form des Cumulus am häufigſten auf; die Hau⸗ fenwolke entſteht zu dieſer Jahreszeit vorzüglich durch den aufſteigenden war⸗ men Luftſtrom, der die Dünſte raſch mit ſich in die Höhe nimmt, bis fie fi in den kältern Regionen des Luftkreiſes verdichten. Deßwegen erzeugt ſich dieſe Wolkenart meiſt des Morgens, bleibt den Tag über am Himmel ſtehen, indem ſie fortwährend wächſt und ſinkt gegen Abend, wenn der aufſteigende Luftſtrom nachläßt, herunter, wobei fie ſich in den wärmern Luftſchichten auf Wolken. 269 löſt und verſchwindet. Geſchieht dieſes nicht, ſo häufen ſich die Cumuli zu Regenwolken an und es tritt trübes Wetter ein. Die Haufenwolke ſteigt bis zu Höhen von 4000 bis 9000 Fußen; oft ſteht ſie aber viel tiefer, namentlich des Abends, wo ſie bis zu 3000 Fußen herabſinkt. Deßwegen ſcheint ihre Geſchwindigkeit mitunter ſehr bedeutend zu ſein. Fig. 113. y. Die Schichtenwolke — Stra me = == tus. Sie hat mit der Federwolke einige Aehnlichkeit, unterſcheidet ſich aber von dieſer durch ihre größere Dichte und durch dunklere Farbe. Dabei beſitzt ſie eine grö⸗ ßere Längenausdehnung, ſo daß ſie ſich re pie ein langer Streifen ausnimmt, der mit der Horizontalen parallel verläuft. Oft verdeckt ſie den Horizont ganz, beſonders in feuchten Thälern und Niederungen, und läßt den obern Theil des Himmels frei. Die Schichtenwolke erhebt ſich nicht ſo hoch, wie die Fe⸗ der⸗ und Haufenwolke. Sie entſteht gewöhnlich des Abends und die Nacht hindurch, auch bei Tage nach Gewittern. Fig. 114. d. Die Regenwolke — Nimbus. Sie beſitzt eine eintönige, graue oder blau⸗ graue, nach unten hin dunklere Färbung und verwaſchenen, undeutlichen Saum, ſowie eine unregelmäßige, doch maſſenhafte Figur. Sie ſchwebt in geringer Höhe über der Erdoberfläche. Die bisher aufgeführten Wolkengeſtalten ſind nicht immer ſo ſcharf aus⸗ geprägt, als wir ſie eben geſchildert haben, ſehr oft geht eine Form in die andere über. Die bemerkenswertheſten Zwiſchenſtufen ſind: e. Die federige Haufenwolke — Cirro-Cumulus. — Sie beſteht aus kleinen abgerundeten Wölkchen, welche in größerer Anzahl neben einander gelagert ſind. Man kann ſich vorſtellen, ſie ſei aus der Federwolke durch Zuſammenballen der Faſern entſtanden. In der Volksſprache nennt man n diese Wolken „Schäfchen.“ Man ſieht ſie als eine Vorbedeutung für das längere Anhalten von heiterm Wetter an. 270 Hydrometeore. Fig. 116. ’ b. Die federige Schichtenwolke Cirro-Stratus (Fig. 116). Sie bildet einen horizontalen Streifen, der aber nicht, wie der Stratus, dicht iſt, ſondern aus lauter kleinen ſchmalen unter ſich paralle⸗ len Wolkenſtückchen beſteht. * J. Die geſchichtete Haufenwolke _ — Cumulo-⸗Stratus. (Fig. 117). Sie beſteht aus aufeinandergethürmten Wol⸗ kenmaſſen von größerer Höhe, als Grund⸗ fläche, die obere Parthie iſt überhängend. Man kann ſie ſich aus der Vereinigung mehrerer Haufenwolken, über welche Cirro⸗ Strati gelagert ſind, entſtanden denken. Die geſchichtete Haufenwolke zeigt öhm Regen an, der aber oft erſt nach einigen Tagen erfolgt. 4. Regen. Wir haben unter 3, b geſehen, daß die Wolken ſich nur dann ſchwe⸗ bend erhalten, wenn die unter ihnen befindliche Luftſchichte nicht mit Waſſer⸗ dampf geſättigt iſt. Im anderen Falle ſinken die Wolken allmählig zum Bo⸗ den herunter, dabei vereinigen ſich mehrere Nebelbläschen zu einem Tropfen Waſſers, indem ihre Wandungen in einander verfließen. So entſteht der Regen. Oft bemerkt man aber auch Regen, ohne daß Wolken am Himmel ſte⸗ hen. Dieſer Fall tritt dann ein, wenn eine warme geſättigte Luftſchichte mit einer viel kältern plötzlich vermengt wird. Der Niederſchlag erfolgt dann mo⸗ mentan, die Nebelbläschen fließen ſogleich nach ihrem Entſtehen in Tropfen zuſammen. Der Regen ohne Wolken tritt am häufigſten im Frühjahr auf, wenn der kalte Polarſtrom mit dem viel wärmeren Aequatorialſtrom kämpft. Am kleinſten ſind die Regentropfen in dem ſogenannten Staubregen, größer ſchon in dem mehrere Tage andauernden Landregen, am größten in dem Platzregen. 5. Schnee. Die Wolken, welche in Regionen ſchweben, wo die Temperatur unter dem Gefrierpunkt ſteht, enthalten keine Nebelbläschen, ſondern Schnee und ſelbſt Eis. Schnee bildet ſich, wenn der in der Luft befindliche Waſſerdampf gefriert. Wie wir früher geſehen haben, enthält die Luft ſelbſt bei Tempera⸗ Schnee. 271 turen, welche unter dem Gefrierpunct liegen, Waſſerdampf. Es wird deßhalb, wenn die Temperatur ſo weit ſinkt, daß Schnee entſteht, nicht mehr Dampf in feſter Form ſich abſcheiden, als der Ueberſchuß über das Feuchtigkeitsmaxi⸗ mum beträgt, welches ſich bei der herrſchenden Temperatur in der Luft auf⸗ halten kann. Durch einen Schneefall verliert alſo die Luft keineswegs ihre ſämmtliche Feuchtigkeit. — Die Schneeflocken fallen bei warmer Witterung größer aus, als bei kalter, ſie beſtehen aus kleinen nadelförmigen Kryſtallen, deren Form dem hexagonalen Syſtem angehört. Gewöhnlich ſtoßen ſechs ſolche Kryſtällchen wie die Radien eines regelmäßigen Sechsecks in einem Punkte zuſammen, oft ſind aber auch dieſe Radien ſeitwärts wieder mit Na⸗ deln beſetzt, ſo daß die mannigfaltigſten Geſtalten entſtehen. Fig. 118 enthält Fig. 118. einige derſelben nach einer von Scoresby . entworfenen Zeichnung. Da die Menge Feuchtigkeit, welche die Luft aufzunehmen vermag, mit der Tem⸗ peratur wächſt, ſo muß auch die Menge Schnee, welche in der Zeiteinheit, z. B. in einer Viertelſtunde, fällt, größer bei war⸗ mer, als bei kalter Witterung ſein, und in der That beſtätigt die Beobachtung dieſen Schluß. Gleiche Gewichtsmengen Schnee lie⸗ fern beim Schmelzen gleiche Quantitäten Waſſer; bildet man aber von dem Schnee, jo wie er gefallen ift, gleiche Volumina, fo erhält man beim Thauen deſſelben von dem großflockigen mehr Waſſer als von dem feinen nadelförmigen, weil erſterer ſich dichter zuſammenballt. Schübler brauchte bei 10 Verſuchen im Minimum 10,1; im Maximum 22,3, im Mittel 14,1 Raumtheile Schnee, um 1 Raumtheil Waſſer zu erzeugen. Eine 14 Zoll hohe Schneelage wird alſo beim Schmelzen im Mittel eine Waſſerſchichte von 1 Zoll Höhe geben. Die Menge des fallenden Schnees nimmt mit der Erhebung über die Meeresfläche zu; es fallt demnach mehr Schnee im Gebirge, als in der Ebene, Gar häufig ſchneit es in den höheren Regionen des Luftkreiſes, während es in den Tieflagen regnet; die Schneeflocken ſchmelzen dann, ehe ſie an die Erdoberfläche gelangen. In den Alpen kommt unter 2000 Fuß ein Schnee⸗ fall im Sommer nie vor, während bei 4000 bis 5000 Fußen Meereshöhe be⸗ reits kein Monat mehr ſchneefrei ift. Die Küſtenländer Europa's, welche den feuchtwarmen Südweſtwinden ausgeſetzt find, haben bei gleicher Meereshöhe und gleicher Breite mehr Schneefall, als das Innere unſeres Continentes. Deßwegen fällt in dem milderen Norwegen im Winter mehr Schnee „als in dem rauheren Schweden. i In Frankfurt a. M. beträgt die Regenmenge des Winters durchſchnitt⸗ 272 Von den wäſſerigen Niederſchlägen. lich 5,5 Par. Zolle. Nehmen wir an, dieſes ſämmtliche Waſſer ſei aus Schnee entſtanden und dieſer den ganzen Winter hindurch liegen geblieben, jo würde er eine Schichte von 5,5.14,1 Zollen — 6,42 Fußen gebildet ha⸗ ben. Doch häuft ſich in der Gegend von Frankfurt der Schnee ſelten höher, als 1½ Fuße an, ausgenommen die Stellen, wo er durch den Wind zuſam⸗ mengeweht wird. Wenn einmal zu Geboſtad in Norwegen der Schnee 20“ hoch lag, ſo iſt dies, nach v. Buch, nur ein extremer Fall; an den Küſten von Bergen hat man nie mehr als 4 Fuß hoch Schnee geſehen. — Nach Weſſely ſoll aber die Schneelage in den Oeſterr. Alpen bei 5000 —6000 Fuß Meereshöhe 5—7 Fuß Höhe erreichen. ‘ Im Gebirge fällt beim Eintritt der kältern Jahreszeit der Schnee früher und bleibt länger liegen, als in der Ebene. An Orten, welche gegen die Sonne geſchützt ſind, wie z. B. an nördlichen Abhängen in Schluchten, im Innern von Fichten- und Tannenbeſtänden, hält ſich der Schnee oft bis in den Sommer hinein. In den Alpen, vorzüglich aber in den Polargegenden, bemerkt man öfters rothen Schnee. Dieſe Färbung rührt von einer Alge — Haematococcus nivalis, her. „Die abſolute Aequatoralgrenze des Schnees erreicht in den Ebenen des alten Continents ſchwerlich den 30ten Grad; im neuen aber faſt den Wendekreis des Krebſes, denn man hat auf den nördlichen Weſtindiſchen In⸗ ſeln Beiſpiele von Schnee gehabt; wenn man aber ſolche Oerter ausſchließt, wo der Schnee zu den höchſt ſeltenen Phänomen gehört, die in vielen Jahren gar nicht eintreffen, fo darf man die Aequatorialgrenze in Europa auf 400, in Amerika auf 300 beſtimmen“. Schouw, Pflanzengeographie, 386. 6. Hagel. Vom Hagel unterſcheidet man zwei Modificationen, nämlich a) Die Graupeln, rundliche, bis zwei Linien große, Körperchen von zuſammengeſickertem Schnee. Sie fallen vorzüglich im Frühling, auch wohl im Herbſt und Winter. g b) Den eigentlichen Hagel. Er ſtimmt darin mit den Graupeln über⸗ ein, daß ſein Kern faſt immer aus zuſammengeballtem Schnee beſteht, unterſcheidet ſich aber von ihnen durch die äußere Schale, welche ſtets Eis iſt. Oft wechſeln auch coneentriſche Eis- und Schneeſchichten. Die Größe der Hagelkörner iſt ſehr unterſchiedlich. Gewöhnlich beträgt ſie zwei Linien, aber es iſt ſchon Hagel von mehreren Zollen Durchmeſſer gefallen. Bei dem Hagelwetter, welches 1822 die Umgegend von Bonn ver⸗ heerte, hatten die Körner, nach Nöggeraths Meſſung, einen Durchmeſſer von 11 ½ Zollen und wogen bis 13 Loth. Die Temperatur der Hagelkörner beträgt nach Pouillet — 09,5 bis — 40. Die Hagelwolken laſſen ſich leicht von den andern Wolken durch die graue Farbe nnd die zerriſſenen Ränder unterſcheiden. Sie ſchweben in, Hagel. 275 geringer Höhe über den Boden und laſſen oft, auch ſchon ehe der Hagel fällt, ein eigenthümliches klapperndes 3 hören. Meiſt folgen Gewitter auf den Hagel. Innerhalb der gemäßigten Zone hat man die Erſcheinung des gels in jeder Meereshöhe beobachtet, doch ſind die Hagelkörner in der Ebene ge⸗ wöhnlich größer, als im Gebirge, was wahrſcheinlich daher rührt, weil ſich während des Fallens Waſſerdämpfe an ihrer Oberfläche condenſiren. In der heißen Zone tritt der Hagel in meeresgleicher Lage außerordentlich ſelten auf, öfter zeigt er ſich im Gebirge. Die gewöhnlichen Hagelwetter dehnen ſich nicht über größere Strecken Landes aus; ſie beſchreiben einen Streifen, der viel länger, als breit iſt. Hagelwetter, wie das von 1788, welches Frankreich in einer Länge von 100 geogr. Meilen bei einer Breite von 1 bis 1½ Meilen durchzog, gehören zu den Seltenheiten. Manche Orte ſind dem Hagelſchlag vorzugsweiſe ausgeſetzt, ſo daß ſie faſt alljährlich davon betroffen werden. Der Hagel entſteht viel häufiger bei Tage als bei Nacht. Was die Jahreszeiten anlangt, fo weiſen die Beobachtungen nach, daß es in Deutſch⸗ land öfter im Frühling und Sommer, als im Winter und Herbſt hagelt. Dieſes Verhältniß bleibt aber für die übrigen Europäiſchen Länder nicht das⸗ ſelbe; in England fällt der Hagel zumeiſt im Winter, doch beſteht er daſelbſt vorzüglich aus Graupeln; auch in Deutſchland kommt der eigentliche Hagel mehr im Sommer vor, während im Frühjahr mehr Graupeln fallen. Entſtehung des Hagels. Die ältern Phyſiker hielten den Hagel für gefrorne Regentropfen und meinten, er bilde ſich in dem Falle, wenn es über einer unter den Gefrierpunkt erkalteten Luftſchichte regne. Dieſer An⸗ ſicht ſteht in jo ferne nichts entgegen, als es in der That zuweilen vorkommt, daß die Luft in der Höhe wärmer iſt, als in der Tiefe; beſonders geſchieht dies leicht im Frühjahr, wenn der Polarluftſtrom mit dem Aequatorialſtrom kämpft; durch die Winde werden dann beide mit einander vermengt. Unrichtig iſt es aber, den Hagel für gefrornen Regen zu halten, da doch der Kern jedes Hagelkornes, wie wir vorhin geſehen haben, aus Schnee beſteht. | Es macht wenig Schwierigkeit, zu erklären, wie der Schneekern ſich bilde. Wir wiſſen ja, daß in den höhern Regionen des Luftkreiſes die Wol⸗ ken nicht mehr aus Nebel, ſondern aus Schnee oder Eis beſtehen. Es brau⸗ chen daher nur die Schneeflocken, etwa unter dem Einfluß einer höhern Tem⸗ peratur oder des Windes, ſich zuſammenzuballen, und die Schneekerne ſind fertig. Nicht ſo leicht iſt aber die Beantwortung der Frage, woher die mitunter ſo bedeutende Eismaſſe komme, welche den Schneekern umgibt. f Volta hat darüber eine ſehr ſinnreiche Theorie aufgeſtellt. Er nimmt zwei Wolken⸗ ſchichten an, von denen die kältere, Schnee enthaltende, ſich in einer gewiſſen Diſtanz uber der wärmeren, aus Nebelbläschen beſtehenden, befinde. Dieſe beiden Wolken ſollen mit entgegengeſetzten Eleetrieitäten geladen fein. Fällt Heyer, Bodenkunde. 18 274 Hydrometeore. nun, ſo ſagt Volta, eine Schneeflocke aus der obern Wolke zur untern her⸗ nieder, ſo ſetzt ſich die Feuchtigkeit der letztern an der kältern Schneeflocke ab und gefriert gleichzeitig; das Kügelchen, welches ſich gebildet hat, befigt jetzt die Eleetrieität der untern Wolke und wird deshalb von dieſer abgeſtoßen und der obern Wolke wieder genähert; hier angekommen, ſinkt ſeine Tempe⸗ ratur, jo daß es, nachdem es die Electrieität dieſer Wolke angenommen hat und wieder zur untern Wolke zurückgekehrt iſt, eine neue Quantität Feuchtig⸗ keit in Eis verwandeln kann. Der Prozeß ſoll ſo lange dauern, bis das Hagelkorn durch die eleetriſche Anziehung und Abſtoßung nicht mehr ſchwe⸗ bend erhalten werden kann und wegen ſeiner vermehrten Schwere zu Boden ſinkt. Man ſieht auf den erſten Blick die Schwäche dieſer Theorie ein. Wenn nämlich die Electrieität der beiden Wolken fo bedeutend iſt, daß durch fie die Hagelkörner unaufhörlich in Bewegung gehalten werden können, ſo müßte nothwendig eine Ausgleichung der beiden Eleetrieitäten 8 wie wir dies z. B. bei den Gewittern beobachten. Die Meteorologie hat bis jetzt noch keine ae Elbrig für die Entſtehung des Hagels gegeben. 7. Thau und Reif. Die Luft enthält zu allen Zeiten Waſſerdampf. Wird ſie unter die Temperatur des Sättigungspunktes abgekühlt, ſo erfolgt, wie wir geſehen haben, ein Niederſchlag in der Form vom Regen oder Schnee. Ragen Körper in die Luft hinein, welche aus irgend einer Urſache ſtärker erkalten, als die Luft ſelbſt, ſo wird die Luft, welche mit dieſen Körpern in Berührung iſt, durch Strahlung und Leitung Wärme verlieren, alſo kälter werden. Ueber⸗ ſchreitet dabei die Temperaturerniedrigung den Sättigungspunkt, ſo ſetzt ſich der Waſſerdampf dieſer Luft an den kältern Körpern ab. Man nennt den Niederſchlag Thau, wenn er in flüſſiger, Reif, wenn er in feſter Fo erfolgt. Doch iſt es durchaus falſch, den Reif als gefrornen Thau anzuſehen weil bei der Reifbildung der Waſſerdampf unmittelbar aus dem gasförmigen in den feſten Zuſtand übergeht, ohne vorher die Form eines Liquidums an⸗ genommen zu haben. Sinkt aber die Temperatur nach erfolgter Thaubildung auf oder unter den Gefrierpunkt, fo entfteht der Eis anhang, an den Bäu- men, oder das Glatteis, auf dem Boden, doch erzeugt ſich das leßtere auch bei förmlichem Regen, wenn die Temperatur des Bodens unter 0° fteht. » An, reichlichſten beſchlagen ſich diejenigen Körper mit Thau, welche ein großes Wärmeausſtrahlungsvermögen beſitzen. Zu dieſen gehören vor allen die grünen Theile der Vegetabilien, wie die Blätter und die jungen Triebe. Thau und Reif. 275 Bei heiterm Himmel ſinkt ihre Temperatur in den Sommernächten gewöhnlich 2 bis 3 Grade unter diejenige der Luft; auf den Cordilleren, in 2000 bis 3000 Metern über dem Meer beobachtete Bouſſingault beim Graſe ſogar eine Temperaturerniedrigung von 5 bis 6 Graden, was wahrſcheinlich der geringeren Dichte der Luft in dieſer Höhe zuzuſchreiben iſt, welche die Aus⸗ ſtrahlung erleichtert. Rauhe Körper verlieren mehr Wärme durch Strahlung, als glatte; deswegen beſchlägt ſich gelockerter Boden ſtärker mit Thau, als unbearbeitetes Erdreich. i Wenn der Himmel mit Wolken überzogen iſt, ſo thaut es nicht. Die Fig. 119. Wärme, welche die Pflanzen nach den 3 höhern Schichten der Atmoſphäre hin ausſtrahlen, wird von den Wolken auf⸗ It gefangen und wieder nach der Erd⸗ | oberfläche zurückgeworfen. (Fig. 119.) Die Temperatur der Pflanzen kann ü deshalb nicht in dem Maße ſinken, daß der Thaupunkt eintritt. ||| N Es ift ein nothwendiges Erforderniß für die Thaubildung, daß die Luft nicht in Bewegung begriffen ſei. Findet ein Luftwechſel, z. B. durch Wind, ſtatt, ſo wird die kalte Luft in der Umgebung der Pflanzen ſogleich durch wärmere verdrängt; die letztere kommt dann auch mit den Pflanzen ſelbſt in Berührung und hebt die durch die Ausſtrahlung bewirkte Temperaturerniedrigung wieder auf. Deswegen thaut es ſtärker in den vor Luftzug geſchützten Thä⸗ lern, als auf den Höhen. c N Die Menge des Thauniederſchlags iſt um ſo größer, je mehr Feuchtig⸗ keit die Luft enthält. Deswegen fällt der Thau am reichlichſten in den Aequi⸗ noctialgegenden. „In den heißen Ländern übernachtet man ſelten in einem freien Waldplatze, ohne beſtändig das Waſſer von den umgebenden Bäumen rieſeln zu hören, wenn die Nacht der Strahlung günſtig iſt. Unter vielen Beobachtungen dieſer Art kann ich eine im Fort von Cauca gemachte anfüh⸗ ten. Die Nacht, die ich hier am Eingange der Feſtung zubrachte, war aus⸗ gezeichnet ſchön, dennoch regnete es in dem Walde, welcher in der Entfern⸗ ung von einigen Metern lag, ſehr ſtark, und man konnte bei ſtattfindendem Mondſcheine von den obern Zweigen der Bäume das Waſſer herabrieſeln ſehen. — In den Steppen von San Martin hielt es mir oft ſchwer, behufs der Höhenaufnahme der Geſtirne einen künſtlichen Horizont von ſchwarzem Glaſe anzuwenden, in demſelben Augenblicke, wo der Apparat unter den freien Himmel kam, ſchlug ſich auf der Oberfläche des Glaſes eine ſo große Menge Waſſer nieder, daß es nach allen Seiten herabfloß, man mußte ſeine Zuflucht zum Queckſilber nehmen, um von dem Geſtirne, welches man eben beobachtete, ein Bild zu erhalten.“ Bouſſingault. 18 * 276 Hydrometeore. Die Häufigkeit der Thauniederſchläge wächſt mit ſteigender Meereshöhe, dagegen nimmt die Menge des Thauwaſſers in eben dem Maße ab. Der eigentliche Thau bildet ſich nur durch Verdichtung des in der Luft enthaltenen unſichtbaren Waſſerdampfes. Iſt die Luft mit Nebel erfüllt, ſo ſchlägt ſich dieſer an kälteren Gegenſtänden oft gerade ſo nieder, wie der Thau, es vereinigen ſich in dieſem Falle die Nebelbläschen auf der Oberfläche des erkalteten Körpers. Hierbei wird mitunter eine ſo beträchtliche Menge tropfbar flüſſigen Waſſers gebildet, daß z. B. unter Bäumen ein förmlicher Regen entſteht, wie dies der Verf. in der Gegend von Frankfurt am Main gar oft beobachtet hat. Einiges Striche an der regenloſen Küſte von Sul erhalten ihre Feuchtigkeit blos durch die Verdichtung der Nebel. Um die Menge des Thaues zu beſtimmen, bedient man ſich der ſoge⸗ nannten Droſometer. Die einfachſte Vorrichtung dieſer Art beſteht in einem umgeſtürzten Hohlkegel von lackirtem oder verzinntem Blech, deſſen engere Oeffnung in eine graduirte Glasröhre reicht. Dieſes Inſtrument, auf welches wir unter den „Regenmeſſern“ noch einmal zurückkommen werden, gibt aber geringere Thauniederſchläge nicht mehr an, weil dieſe auf dem Trichter hängen bleiben; will man dieſelben beſtimmen, ſo trocknet man die Feuchtig⸗ keit mit, vorher gewogener, Baumwolle ab und berechnet die Menge des Thaues nach der Gewichtszunahme der letztern. — Oft iſt es von Wichtig⸗ keit, irgend eine Subſtanz auf ihre Fähigkeit, ſich mit einer größern oder ge⸗ ringern Menge von Thau zu beſchlagen, zu unterſuchen; in dieſem Falle ſetzt man den betreffenden Körper, nachdem man ihn gewogen hat, auf eine me⸗ tallene Unterlage und wägt ihn nach Beendigung des Verſuches nochmals. Ueber die Quantität der Thauniederſchläge ſind bis jetzt noch wenige Unterſuchungen angeſtellt worden. Flanguergues fand, wie uns Schübler mittheilt, im Jahre 1823 zu Vivier im ſüdlichen Frankreich die Menge des gefallenen Thaues — 2,9 Par. Linien, d. h. der ſämmtliche Thau von dieſem Jahre würde eine Schichte von 2,9 Linien Höhe gebildet haben. Es thaute im Jahre 1823 zu Vivier an 125 Tagen die mittlere Menge des an einem Tage fallenden Thaues betrug daher 0,023 Linien Höhe; der ſtärkſte Thau fiel im Oeto⸗ ber, wo ſeine Menge an einzelnen Tagen 0,04 Linien Höhe betrug; im ganzen Monat October fielen an 19 Tagen 0,75 Linien hoch Thau. — Nach Weſſely beträgt die aus zehnjährigen Beobachtungen beſtimmte Thaumenge zu Gra 0,03 bis 0,19, im Mittel 0,12 Wiener Zolle, oder 0,4% des atmoſphäriſchen Geſammtniederſchlags. Der Reif ſoll ſich zu Kremsmünſter (am Fuße des Nordabfalles der Alpen), nach 49 jährigen Beobachtungen auf die 4 Jahres⸗ zeiten folgendermaßen vertheilen Winter 0,50 Frühling 5,40 Regenmenge. 277 Sommer 0,06 Herbſt 5,60 In Graz fiel im Laufe von 21 Jahren der letzte Reif am 30. März (Min.) und 21. Mai (Max.) — 25. April (Mittel.) „ efte „ „ 17. Sept. (Min.) „ 20. Nov. (Max.) — 14. Oct. (Mittel.) In unſern Gegenden iſt das Thauwaſſer durch ſeine Reinheit ausge⸗ zeichnet; in den ſalzigen Steppen Rußlands zeigt der Thau, nach der Angabe des Naturforſchers Pallas, oft einen bedeutenden Gehalt an Kochſalz. Der Honigthau, mit welchem die Blätter von manchen Pflanzen, z. B. den Linden, im Sommer oft in reichlicher Menge bedeckt ſind, beſteht aus Traubenzucker und Mannit. Er rührt entweder von krankhaften Aus⸗ ſcheidungen zuckerhaltiger Säfte, oder von den Exerementen gewiſſer Blattläuſe her. Der Zucker wird durch zwei Höcker am Hinterleib abgeſondert. Der ſogenannte Mehlthau ſoll aus kleinen Pilzen beſtehen. 8. Regenmenge. a. Begriff. Den Ausdruck „Regenmenge“ hat man bisher nicht blos auf den wirk⸗ lichen Regen, ſondern auf alle wäſſerigen Niederſchläge, alſo auf Thau, Reif, Schnee ꝛc. bezogen. Auch wir wollen das Wort in dieſer Bedeutung nehmen. Die Menge Regen, welche auf eine gewiſſe Fläche, z. B. den Hectare den Morgen, im Laufe eines Jahres, Monats oder Tages gekommen iſt, wird entweder durch das Gewicht des Waſſers (Kilogramme, Pfunde u. dergl.) ausgedrückt, oder man gibt, was gebräuchlicher iſt, die Höhe der Waſſerſäule an, welche die geſammte Regenmenge einnehmen würde, wenn von derſelben gar nichts durch Abfluß, Verdunſtung ꝛc. verloren ginge. Wenn es alſo z. B. heißt: in Paris beträgt die jährliche Regenmenge 563 Millimeter, ſo ſagt dies nichts Anderes als: ſämmtliche meteoriſchen Niederſchläge vom Jahre könnten eine Schichte Waſſer bilden, welche überall in Paris 563 Mm. Höhe beſizen würde. Hierbei iſt alſo, wie man ſieht, die Angabe einer Fläche gar nicht nöthig. Aus der Höhe der Regenmenge läßt ſich aber das Gewicht des Waſſers für irgend eine Fläche, z. B. den Hectare leicht berechnen. Der Hectare enthält 100. 100 210000 Quatratmeter; die Regenmenge pro Hec- tare beträgt alſo 10000. 0,563 = 5630 Kubikmeter, oder, da ein Kubikmeter Waſſer = 1000 Kilogramme wiegt, 5630000 Kilogramme. b. Regenmeſſer. Regenmeſſer, Ombrometer, werden die Inſtrumente genannt, mittelſt welcher man die meteoriſchen Niederſchläge (Regen, Schnee ꝛc.) auffängt und zugleich bemißt. Die gebräuchlichſten Apparate ſind folgende: 278 Hydrometeore. a. Regenmeſſer mit graduirter Glasröhre. Fig. 120. Ein von lackirtem Blech gefertigter Trichter, deſſen obre Weite AB bekannt iſt, (Fig. 120.) ſteht durch die enge Oeffnung bei c mit der graduirten Glasröhre e in Verbindung. Der Regenmeſſer wird an einem freien Orte aufgeſtellt; von Zeit zu Zeit mißt man das Waſſer i Me in der Röhre und gießt es, nachdem dies geſchehen ift, aus. Hat ſich der Trichter mit Schnee gefüllt, ſo wird g 1 dieſer mittelſt einer zuvor gemeſſenen Quantität warmen | Waſſers geſchmolzen, wenn man nicht vorzieht, den Apparat ins Zimmer zu nehmen und den Schnee hier aufthauen zu laſſen. Bei Reif kann man warten, bis ihn die Tages- oder Sonnenwärme flüſſig macht. Die Regenhöhe h in der Glasröhre muß nun auf die obere ED Fläche der Trichteröffnung bezogen werden; dies geſchieht indem man h mit Br multiplizirt, wobei DE den Querdurchmeſſer der Röhre vorſtellt; es iſt alſo die wirkliche Regenhöhe hh. 8 Dem Trichter kann man eine Weite (AB) von 2 bis 3 Deeimetern, der Röhre einen Durchmeſſer von 1—2 Centimeter geben. Um bei ſtarken Schneefällen keine Verluſte zu erhalten, wird auf dem Trichter noch ein ½ Meter hoher eylinderförmiger Aufſatz, gleichfalls von lackirtem Blech, angebracht. „ 8. Horner's Regenmeſſer. Dieſes Inſtrument enthält, wie das vorige, einen Trichter p, welcher das Waſſer auffängt. Dieſes fließt aber nicht in eine Röhre, ſondern in eine Fig. 121. meſſingene Schaufel a, welche von einer andern, eben ſo großen Schaufel b durch die Quer⸗ ſcheidewand e getrennt iſt. (Fig. 121.) Die beiden Schaufeln ruhen vermittelſt der Stäbchen d und e auf den Trägern k und g. Bei h und i befinden ſich Gewerbe, welche eine auf⸗ und niedergehende Bewegung ſowohl der Schaufel a, als auch von b geſtatten. Nehmen wir an, die beiden Schaufeln ſeien aus der horizontalen Lage gebracht worden, und es ſtehe a höher als b, fo wird das Waſſer aus der Trichteröffnung p in die Schaufel jo lange ſtrö⸗ men, bis ſie die Ueberwucht erhält und ſich in einem ſpitzen Winkel gegen die Horizontale neigt. Bei dieſer Gelegenheit gießt ſie aber ihr Waſſer aus, dieſes läuft auf den Boden einer Kammer Regenmenge. 279 in welcher die Schaufelvorrichtung aufgeſtellt iſt. Nun ſteht die Schaufel b höher, als a, ſie füllt ſich ebenfalls nach und nach mit Waſſer, bis auch ſie endlich niederſinkt und ihr Waſſer verliert, worauf wieder an a die Reihe kommt. Die Säulchen k und! dienen dazu, um die Schaufeln beim Nie⸗ dergehen zu arretiren und um die Stellung der Schaufeln ſo zu corrigiren, daß immer eine beſtimmte Quantität Waſſer, z. B. 1 Kubikzoll entleert wird. Weiß man nun, wie oft jede Schaufel ihr Waſſer ausgeleert hat, ſo kennt man auch die Regenmenge, welche in den Trichter gelangt iſt. Es handelt ſich alſo nur noch darum, jede niedergehende Bewegung der Schau— feln aufzuzeichnen und dieſes kann das Inſtrument leicht ſelbſt verrichten. In der That haben wir hier in der Schwere des Waſſers eine Kraft, welche eben ſo den Zeiger eines Zifferblattes in Bewegung zu ſetzen vermag, wie dieſes durch das Gewicht an einer Uhr geſchieht. Die Anzahl des Fallens der beiden Schiffchen, auf die eine und die andere Seite, wird durch zwei Zahnräder von gleichem Durchmeſſer gezählt, von denen das eine dicht hinter dem andern befindlich iſt. (Fig. 122.) Mit Fig. 122. dem Charnier i, welches feſt an e hängt, iſt ein Haken m verbunden. Sinkt nun die Schaufel a, jo zieht der Haken m das Rad um einen Zahn zurück; gleichzeitig hindert der Haken n, daß es nach der andern Seite überfällt. Das vordere Rad A enthält 50, das hintere 51 Zähne; da jedesmal zwei Entleerungen dazu gehören, um das Rad um einen Zahn zu drehen, ſo wird das 50er Rad nach 100 Ausleerungen eine ganze Rotation vollendet haben. Zum Meſſen der Anzahl dieſer Rotatio⸗ nen des 50er Rades dient das 51er Rad. Dieſes iſt feſt mit der Axe, welche den Zeiger y trägt, und dem 50er Rad verbunden, während letzteres auf der Axe nur ganz loſe ſitzt; da ein Haken nun ſtets einen Zahn beider Räder zugleich faßt, ſo ſind nach 50 Hin- und Hergängen 50 Zähne von jedem Rad angezogen worden, und das erſte Rad iſt Imal, das andere nur 39 mal herumgegangen. Dies gibt der Zeiger y zu erkennen, indem er nun um 1 Theilſtrich zur Rechten des Nullpunktes ſteht. Bei einer folgenden Rotation des 50er Rades rückt er wieder um 1 Theilſtrich fort e. Somit können alſo 5100 Ausleerungen abgeleſen werden. Hierin liegt in der That der größte Vorzug des Horner'ſchen Regenmeſſers, gegenüber dem unter er beſchriebenen. Dagegen hat jener den Nachtheil, daß bei ſtarkem Regen das Schiffchen durch den Stoß oft früher umgekippt wird, ehe es die normale Quantität Waſſer aufgenommen hat, und daß die hängenbleibenden Waſſer⸗ tropfen Unrichtigkeiten veranlaſſen. e. Einflüſſe, welche die Regenmenge beſtimmen. Die Regenmenge iſt nicht allerwärts gleich; ſie zeigt beträchtliche Ab⸗ 280 Hydrometeore. weichungen nach der geographiſchen Breite, der Nähe des Meeres, dem Laufe der Gebirgszüge, der Erhebung über die Meeresfläche, den herrſchenden Win⸗ den, der Tages- und Jahreszeit u. ſ. w. a. Verſchiedenheit der Regenmenge nach Verhältniß der geographiſchen Breite. Sieht man von den Störungen ab, welche die übrigen, eben ange⸗ führten Einflüſſe bewirken, ſo bemerkt man, daß die Regenmenge vom Aequator nach dem Pol hin abnimmt. Die folgenden Notizen mö⸗ gen zum Belege dienen. eg Breite Orte Regenmenge in Mmetern 12020 Inſel Grenada 2844,9 18 56 Bombay 2350, 23 09 Havanna 2320,7 29 57 New ⸗Orleans 1270, 32 46 Charlestown 1210,9 38 43 Liſſabon 685,5 44 50 Bordeaux 650,0 48 46 Stuttgart 56629, 3 52 31 Berlin 530,1 55 00 Copenhagen 468, 59 51 Upſala 392,4 Regentage. Die Anzahl der Regen, welche im Laufe eines Jahres ſtattfinden, nimmt vom Aequator nach dem Pol hin zu, wie ſich aus der nachſtehenden Zuſammenſtellung von Schübler ergibt. Orte Regentage a Orte fegen un Verona 8⁴ Mannheim 145 Montpellier 85 Würzburg 141 Orange 94 Mainz 140 Turin 100 Trier 146 Chambery 114 Metz 159 St. Bernhard 107 Düſſeldorf 132 Genf 103 Hagenau 166 Wien 114 Regensburg 130 Prag 109 Erfurt 128 München 137 Göttingen 162 Augsburg 148 Wartburg 161 Straßburg 153 Ilmenau 181 Stuttgart 155 Berlin 171 Tübingen 110 Hamburg 136 Giengen 143 Cuxhafen 145 Regenmenge. 281 Orte Regentage Orte Regentge Jena 178 Rotterdam 187 Brüſſel 164 Moskau 168 Dünkirchen 157 Petersburg 181 Dichtigkeit des Regens. Da die Regenmenge mit der Breite ab⸗ nimmt, dagegen die Anzahl der Regentage mit der Breite wächſt, ſo können offenbar die Regengüſſe in höhern Breiten nicht ſo viel Waſſer liefern, als in Gegenden, welche näher am Aequator liegen. Die durchſchnittliche Dichte des Regens erhält man durch Diviſion der in Tagen, Stunden dc. ausgedrück⸗ ten Zeitdauer des Regens in die geſammte Regenmenge. Für die folgenden Orte ergibt ſich die aus dem jährlichen Durchſchnitt ermittelte Dichte des Re⸗ gens, wenn man diejenige von Petersburg S 1 ſetzt: Orte Dichte des Regens Orte Dichte des Regens Turin ö 3,71 Regensburg 1,77 Padua 9 Wien 1,51 Orange 3,22 Berlin 1,23 St. Bernhard 5,44 Prag 1,58 Genf 2,80 Paris 1,44 Augsburg 2,60 London 2,81 Stuttgart 1,63 Copenhagen 1,03 Mannheim 1,45 Petersburg 1,00 ß. Einfluß der Seenähe auf die Regenmenge. Orte, welche am Meer liegen, werden von den feuchten Seewinden getroffen, welche zu Niederſchlägen geneigt ſind, alſo die Regenmenge vermeh⸗ ren. Je weiter die Winde in das Land vordringen, um ſo trockener werden ſie, ſo daß Binnenländer eine geringere Regenmenge genießen, als Küſten oder freiliegende Inſeln. Es beträgt z. B. die jährliche Regenmenge an der Weſtküſte Englands an der Oſtküſte Englands 915,5 Mmeter l 686,7 Mmeter an der Weſtküſte Frankreichs in Schweden 650,0 476,6 in Rußland 364,1 Auch die Zahl der Regentage nimmt ab, je weiter ein Ort im Innern des Continentes liegt. So regnet es z. B. im Laufe des Jahres in Petersburg 181mal „Moskau 168 „ „ Kaſan 90 „ „ Jakußzk 60 „ 7. Einfluß der Gebirge. Die Gebirge bieten ein natürliches Hinderniß für den Zug der Regen⸗ wolken dar, ſie laſſen ihnen Zeit, ihre Feuchtigkeit abzuſezen. Daher kommt 282 Hydrometeore. es, daß die Küſte von Norwegen bei weitem mehr Regen erhält, als das jenſeits der Kijölen liegende Schweden. Vergleichen wir beiſpielsweiſe die Regenmenge von Bergen und Stockholm. 1 Bergen Stockholm 2250,4 Mmeter 518,8 Mmeter Ueberall, wo ein Land von Gebirgen durchſchnitten wird, finden ſich oft ganz nahe bei einander Localitäten, an denen die Regenmenge und zwar mitunter nicht unbedeutend differirt. So regnet es z. B. in dem von hohen Bergwänden eingeſchloſſenen Heidelberg erfahrungsmäßig viel öfter, als in dem frei gelegenen Mannheim. d. Einfluß der Erhebung über die Meeresfläche. Da es nur dann regnet, wenn die Luft mit Feuchtigkeit geſättigt iſt, ſo folgt hieraus, daß die Regentropfen während ihres Falles von der Höhe nach der Tiefe ſich fortwährend vergrößern müſſen. Directe Beobachtungen beſtätigen dieſen Schluß. In dem Hofe des phyſikaliſchen Obſervatoriums zu Paris ſind zwei Regenmeſſer, der eine zu ebener Erde, der andre 28,5 Meter höher, aufgeſtellt. Im Durchſchnitt von 22 Jahren betrug die Regen⸗ menge im obern Regenmeſſer im untern Regenmeſſer Verhältniß 507,41 Mmeter 576,79 Mmeter 1: 1,36 Doch iſt das Verhältniß nach den Jahreszeiten verſchieden. Es geſtaltet ſich für den obern untern Regenmeſſer im Winter 8 1,006 „ Frühling — 1 5 1,004 „ Sommer = 1 N 1,016 „ Herbſt a | 8 0 860 Trotz dem, daß die Regenniederſchläge in der Höhe geringer, als in der Tiefe ſind, erreicht doch die jährliche Regenmenge im Gebirge einen größern Betrag, als in der Ebene. Es kann dies blos daherrühren, weil es dort mehr Regentage gibt“). Wenn nämlich eine Wolke über die Ebene zieht, jo fallen wie wir früher geſehen haben, die Nebelbläschen, aus denen ſie beſteht, unauf⸗ hörlich nach der Tiefe hinunter; iſt hier die Luft mit Feuchtigkeit gefättigt, jo *) Oder weil hier der Regen längere Zeit anhält. Die Meterelogen ſollten nicht blos die Tage notiren, an denen es regnet, ſondern zugleich die Zeitdauer bemerken, während welcher es geregnet hat. In manchen Gebirgen mit großer Regenmenge iſt die Zahl der Regentage von der in der Ebene wenig verſchieden. Man hat hieraus auf eine größere Dichte des Regens im Gebirge geſchloſſen, was offenbar unrichtig iſt. Oft regnet es im Flachland nur einige Stunden, während der Re⸗ gen an demſelben Tage im Gebirge gar nicht nachläßt. Regenmenge. 283 entſteht ein Regenniederſchlag, und die Tropfen wachſen während ihres Falles; hat aber die Luft in der Tiefe den Thaupunct noch nicht erreicht, ſo löſt ſich der Nebel wieder zu unſichtbarem Waſſerdampf auf und kehrt zur Wolke zu⸗ rück, wo der letztere ſich von neuem verdichtet. Im Gebirge iſt die Tempera⸗ tur niedriger, als in der Ebene, dort findet das fallende Nebelbläschen dieſe warmen, vom Thaupunct entfernten Luftſchichten nicht ſo häufig, als in der Ebene, und das iſt der Grund, warum Nebel- und Regentage dort häufiger eintreffen, als hier. Es mangelt an vergleichenden Notizen über die Zahl der Regentage im Gebirge, ſo daß wir den eben ausgeſprochenen Satz nicht ge⸗ nau numeriſch belegen können; doch iſt es jedem Reiſenden bekannt, wie ſel⸗ ten heitere Tage auf höhern Bergen ſind, und daß es hier gar häufig regnet, während die Ebene blos bedeckten Himmel hat. Nachſtehend einige Anhaltspuncte über die Regenmenge in Hochlagen. Orte Höhe Jährliche Regenmenge Tegernſee 730 Meter 1331 Mmeter St. Bernhard 2474 „ 1601 „ Freudenſtadt im Schwarzwald 700 „ 1545 „ 256 „ „ e Würtemberg 430 „ 1 TB... SI. & Einfluß der Winde. Sowohl die Häufigkeit, als auch die Menge der Regenniederſchläge hängt von den Winden mehr, als von jeder andern Urſache ab. Warme Winde, welche ihren Lauf über Meere oder größere Seen genommen haben, find be- ſonders zu Niederſchlägen geneigt; ſie laſſen einen Theil ihrer Feuchtigkeit fah⸗ ren, ſobald ihre Temperatur ſich ermäßigt, mag dies nun durch Vorrücken des Windes in höhere Breiten oder durch Zuſammentreffen mit einem andern, kälteren Winde geſchehen. Je weiter ein Wind in das Innere der Continente vordringt, um ſo mehr nimmt ſein Feuchtigkeitsgehalt ab, um ſo weniger häufig kann er dann Regen bringen. Dies iſt beſonders dann der Fall, wenn der Wind höhere Gebirge paſſirt hat, auf denen ſein Gehalt an Waſſerdampf abgeſetzt worden iſt. So erhält z. B. der ſüdliche Abfall der Alpen viel mehr Regen von den Südwinden, als der nördliche. Ob ein Wind häufig Regen bringt, hängt eben ſo wohl von der Häu⸗ figkeit, mit welcher dieſer Wind weht, als auch von feiner fpecififchen Geneigt⸗ heit zu Niederſchlägen ab. Die letztere erfährt man, wenn man unterſucht, wie oftmal ein beſtimmter Wind wehen muß, bis ein Niederſchlag erfolgt. Die nachſtehende Tafel gibt für mehrere Orte unter a an, wie oft unter 100 Winden, die im Laufe des Jahres wehen, der Nord, Nordoſt u. ſ. w. Regen, Schnee ꝛc. bringen; in der Spalte b dagegen iſt ausgeworfen, wie oftmal der Nord, Nordoſt u. ſ. w. wehen muß, bis ein Niederſchlag eintritt. 284 Hydrometeore. Berlin Erfurt Carlsruhge Prag Mannheim Würzburg a b a b a b 3 or a b 0% b Nord 4,1 5,8 7,2 85 69 5,3 7,3 43.68 6,1 64 8,3 Nordoſt 40 8,1 77 73 96118 35 9,2 5,8 84 38.112 Oſt 49 88164 9,1 17 13,7) 2,5 13,5 74 6,3 6,2 89 Südoſt 4,9 6,9 3,7 10,2 1,0 48 4,4 12,7 13,3 33 89 5,3 Süd 10,2 38 7 7,8 309 3,8 9,1 78 149 27 16,2 44 Südweſt 32,8 2,8 17,7 6,8 56,8 2,9 24,8 5,1 23,3 2,7 249 41 Wet 24,8 4,2 28,5 5,8 170 35 23,6 4,3 16,2 2,9 230 5,4 Nordweſt 144 4,5 11,8 37 40 44 248 3,8 12,3 4,6 106 68 1000 1600 100,0 100,0 100,0 100,0 Man ſieht hieraus, daß die Mehrzahl der Regenniederſchläge im Laufe des Jahres bei Südweſt und Weſt ſtattfinden; dieſe beiden Winde bringen aber auch viel öfter Regen, als eine gleiche Anzahl von den übrigen Winden, denn ſie brauchen z. B. in Berlin nur 3 bis 4mal (Spalte b) zu wehen, bis Regen eintritt, während der Nordwind faſt 6 mal, der Nordoſt über 8 mal, der Oſt beinahe 9 mal zu wehen hat, ehe ein Niederſchlag erfolgt. Auch auf die Heiterkeit oder Trübe des Himmels üben die Winde einen regelmäßigen Einfluß aus. Beobachtungen zu Kopenhagen ergaben folgende Reſultate, wobei wieder in Spalte a ausgeworfen iſt, wie oft von 100 Win⸗ den jeder der 8 Hauptwinde heiteren, bewölkten oder überzogenen Himmel bringt, während die Spalte b zeigt, wie oft jeder der genannten Winde we⸗ hen muß, damit einer von den drei unterſchiedenen Zuſtänden des Himmels eintritt. a a Heiterer Himmel Bewölkter Himmel Ueberzogener Himmel a b a b a b Nord 15 2,7 6 2,7 5 42 Nordoſt 19 3,2 9 2,4 8 3,9 Oft 29 4,0 16 2,6 20 2,7 Südoſt 6 7,1 6 2,1 7 2,7 Süd 7 7,7 9 2,1 10 2,5 Südweſt 8 14,3 21 2,0 22 2,4 Weſt 8 16,6 26 1,9 25 25 Nordweſt 8 4,6 7 1,6 3 6,0 100 100 100 Hieraus ergibt ſich, daß Süd und Südweſt am wenigſten oft heiteres, Wetter bringen; dieſes kommt vielmehr mit dem Nord, Nordoſt und dem Oſtwind. In Deutſchland ſind die Verhältniſſe die nämlichen, wie zu Ko⸗ penhagen. t. Einfluß der Tages- und Jahreszeit. In Europa regnet es durchſchnittlich am Tage, in den Aequatorialge⸗ v Regenmenge. 285 genden mehr bei Nacht. So fand Bouſſingault zu Marmato im Jahr 1837 die Regenmenge im Monat am Tage (Mmeter) in der Nacht (Mmeter) October 34 151 November 18 208 December 2 159 Was die Vertheilung des Regens auf die vier Jahreszeiten anlangt, ſo zeigt dieſe in Europa große Verſchiedenheiten. R An den Weſtküſten unſeres Continents, alſo in England, Norwegen, den Niederlanden, dem weſtlichen Frankreich fällt die größte Regenmenge im Herbſt, was wahrſcheinlich daher rührt, weil das im Sommer erwärmte Meer ſeine Temperatur bis in den Herbſt hinein bewahrt und in dieſer Jahreszeit viele Dämpfe entwickelt, die ſich über dem kälteren Land niederſchlagen. Bis die vom Atlantiſchen Ocean kommenden Winde nach Schweden, Rußland und Deutſchland gelangen, ſind ſie eines großen Theils ihrer Feuchtigkeit be⸗ raubt. In den ſo eben genannten Ländern, ſowie in Dänemark ſind dagegen die Sommerregen vorherrſchend. Im füdlichen Italien und Frankreich iſt die im Sommer fallende Regenmenge verhältnißmäßig ſehr klein, weil in dieſer Jahreszeit der von der Sahara kommende warme Luftſtrom die Wolkenbildung verhindert; dagegen erreicht in dieſen Ländern die Regenmenge des Herbſtes einen höhern Werth. Dies gilt auch für den, ſüdlichen Abhang der Alpen. Die nachſtehende Tabelle gibt die Zahlenverhältniſſe für die Vertheilung des Regens in den vier Jahreszeiten. Regenmenge in Millimetern. Lander Winter Frühling Sommer Herbſt Weſtliches England 239,6 1710 221,6 283,3 Oeſtliches England 166,5 145,0 171,1 204,1 Weſtküſte Frankreichs 185,7 140,9 170,2 246,5 Südliches Frankreich \ und Italien 1952 194,2 133,2 291,7 Nördliches Frankreich und Deutſchland 126,5 1480 229,7 174,2 Scandinavien (ausſchl. Norwegens) 81,4 76,1 170,7 148,4 Rußland 408 59,9 166,7 972 Wie wir oben gejehen haben, regnet es, unter ſonſt gleichen Umſtän⸗ den, im Gebirge mehr, als in der Ebene; wir müſſen jetzt hinzufügen, daß der Ueberſchuß hauptſächlich auf den Sommer kommt. Wenn man den Gang der Regenniederſchläge durch die einzelnen Mo⸗ nate eines, oder ſelbſt mehrerer Jahre verfolgt, ſo bemerkt man viel größere Unregelmäßigkeiten, als im Gange der Temperatur In Deutſchland fällt die geringſte Regenmenge an einigen Orten im Januar, an andern im December 286 Hydrometeore. und Februar; die größte tritt, je nach der Localität, ſowohl im Juni, als auch im Juli und Auguſt ein. Die Waſſermenge, welche bei einzelnen Regengüſſen fällt, überſteigt manchmal den jährlichen Durchſchnitt um das Vielfache. So beobachtete man zu Bombay (jährl. Regenmenge 2380 Mmeter) an einem Tage im Jahre 1819 einen Regenfall von 162 Mmetern; zu Brüſſel fielen am 4. Juni 1839 in drei Stunden 160 Mmeter. 9. Beſtandtheile des Meteorwaſſers. Das Regen-, Schnee- und Thauwaſſer enthält nicht blos reines Waſſer, Waſſerſtoffoxyd, ſondern außerdem noch verſchiedenartige organiſche und anor⸗ ganiſche Subſtanzen, welche in ihm entweder gelöſt, oder blos ſuſpendirt ſind, und zum größten Theil aus der Luft ſtammen. Doch iſt es wahrſcheinlich, daß einige von dieſen Stoffen ſchon in dem Waſſer enthalten waren, aus de⸗ nen ſich die Dünſte entwickelten, welche ſpäterhin den Regen, Schnee und Thau bildeten. Wie früher bemerkt wurde, fällt in der Nähe der Ruffifchen Salzſeen ſalziger Thau; es muß daher ein ſalzhaltiger Dunſt aus dieſen Seen aufgeſtiegen ſein. Auf dieſelbe Weiſe können Natron, Kali u. ſ. w. in das Meteorwaſſer gelangen. Es liegen bis jetzt nur ſehr wenige Unterſuchungen des Regen-, Schnee⸗ waſſers u. ſ. w. vor, auch haben die Analytiker die verſchiedenen Modifica- tionen der meteoriſchen Niederſchläge nicht immer von einander geſondert. Bertels unterſuchte ein Jahr lang jeden Monat das Regen- und Schnee⸗ waſſer auf ſeinen Gehalt an feſten Beſtandtheilen und berechnete hieraus un⸗ ter der Annahme, daß daſſelbe jährlich eine Höhe von 3 Preuß. Fußen — 0,9417 Meter bilde, die Geſamtmenge an feſten Stoffen für den Magde⸗ burger Morgen. Wir theilen ſeine Reſultate, reduzirt auf den Franz. Hec⸗ tare mit. Nach Bertels kommen auf 1 Hectare Kohlenſaure Kalk erde 178 Kilogramme u Talterde . ; 5 g x 51 5 Rum vun, / DD u ö Gyps ; 3 8 Ze 8 Eiſenoxyyd . 5 8 ? \ g 0 22 * „„ da 0 Bi 21 * Kieſelerde N 1 A Organiſche, Stickſtoff enthaltende Körper 1 ei Kali, als kohlenſaures berechnßte 3838 fi Verluſt (kohlenſ. Ammoniak, Humusſäure) 19 465 Woge Merkwürdiger Weiſe enthielt das Schneewaſſer ſtets mehr feſte Beſtand⸗ theile, als das Regenwaſſer. Beſtandtheile des Meteorwaſſers. 287 Die Analyſen von Bertels werden durch diejenigen von Barral vervoll⸗ ſtändigt. Der letztere unterſuchte das Regenwaſſer, welches im Hofe des Ob⸗ ſervatoriums zu Paris vom erſten Juli 1851 bis zum 30. Juni 1852 gefallen war. Nach Barral kommen auf 1 Hectare 46,3 Kilogramme Salpeterſäure 13,8 A Ammoniak. Der Stickſtoffgehalt beträgt 12,5 Kilogramme für die Salpeterſäure 10,0 5 „ das Ammoniak Die Ammoniakmenge nahm in den Monaten ab, in welchen die Menge Sal⸗ peterſäure zunahm. Dieſes fand immer bei Gewittern ſtatt. (S. S. 167.) Die Menge des Chlors betrug 11 Kilogramme. Dieſes entſpricht 18,1 Kilogrammen Kochſalz, alſo bedeutend weniger, als Bertels gefunden hat. Vielleicht erklärt ſich dieſe Differenz dadurch, daß die Localität, wo Bertels das Regen⸗ und Schneewaſſer auffing, Hinterpommern, näher am Meere liegt, als Paris. Andere Naturforſcher haben ebenfalls beobachtet, daß das Regenwaſ—⸗ ſer in Gegenden am Meere viel mehr Kochſalz enthält, als im Binnenlande. Die im Regenwaſſer ſuſpendirten Stoffe enthielten in / Jahr 1,2 Ki⸗ logramme Stickſtoff (pro Hectare). Jod fand man blos im Regenwaſſer des Juni, und zwar 150 Milligramme pro Heectare. Qualitative Analyſen, welche im Laboratorium zu Gießen angeſtellt wur⸗ den, haben außer den vorgenannten Stoffen noch Phosphorſäure, freie Koh⸗ lenſäure, Natron und Mangan nachgewieſen. Achtes Buch. Electricität. 1. Electriſche Anziehung und Abſtoßung, poſitive und negative Electricität. Wenn man eine mit Wolle geriebene Harzſtange A (Fig. 123) einem Fig. 123. Hollundermarkkügelchen a, welches an einem Seidenfaden aufgehängt iſt, nähert, ſo beobachtet man, daß das Kügelchen von dem Harz an⸗ fangs angezogen, dann aber abge⸗ ſtoßen wird. Der nämliche Vorgang 5 0 zeigt ſich, wenn anſtatt der Harz⸗ en — eine Glasſtange genommen wird. Bringt man aber die Glasſtange an die Stelle der Harzſtange, nachdem das Kügelchen bereits von dieſer abgeſtoßen worden iſt, ſo wird man finden, daß die Glasſtange nicht ſo, wie das Harz wirkt, d. h. daß ſie das Kügelchen nicht ebenfalls von ſich entfernt hält; ſie zieht es vielmehr an und ſtößt es wieder ab, gerade ſo, wie wenn die Harzſtange vorher nicht thätig gewe⸗ ſen wäre. Man erklärt dieſe Erſcheinungen, indem man annimmt, das Glas und Harz enthielten eine feine, unwägbare Materie, die Electrieität, welche ſich in zwei verſchiedenen Zuſtänden, die als „poſitiv“ und „negativ“ bezeichnet wer⸗ den, äußern könne. So lange das Glas oder Harz noch nicht gerieben iſt, halten ſich, fo ſagt dieſe Hypotheſe, beide Electrieitäten im Gleichgewicht; durch das Reiben werden ſie von einander getrennt; beim Harze tritt die negative, beim Glaſe die poſitive an die Oberfläche der Stange. Man nimmt nun weiter an, daß Körper, welche mit ungleichnamigen Electrieitäten behaftet ſind, einander anziehen, während die gleichartigen Electricitäten einander abſtoßen. Wird die mit freier negativer Electrieität verſehene Harzſtange dem Hollun⸗ dermarkkügelchen genähert, jo kommen auch deſſen Electricitäten aus dem Zu⸗ ſtand der Ruhe; die poſitive ſammelt ſich auf der Oberfläche des Kügelchens an; es wird deßhalb daſſelbe von der Harzſtange angezogen; nachdem die Berührung erfolgt ift, gleicht ſich die poſitive Eleetrieität des Hollundermarks mit der negativen des Harzes aus; letzteres behält aber, wegen ſeiner größern Electriſcher Schlag und Funken. 289 Maſſe einen Ueberſchuß von negativer Electrieität zurück, und da die nämliche Electrieität jetzt im Hollundermarkkügelchen frei vorwaltet, fo wird dieſes ab- geſtoßen. Hat man anſtatt des Harzes Glas zu dem Verſuche verwandt, ſo find blos die Electricitäten, welche nach einander auftreten, die entgegenge- ſetzten von den fo eben angenommenen. Wird dagegen die Glasſtange dem Kügelchen erſt dann genähert, nachdem es bereits von der Harzſtange abge- ſtoßen worden iſt, ſo wird es von jener angezogen, denn das Glas enthält pofitive, das Kügelchen negative Eleetrieität. 2. Gute und ſchlechte Leiter der Electricität, Iſolatoren Wird ein Hollundermarkkügelchen an einem Metalldraht, anſtatt wie vorhin an einem Seidenfaden aufgehängt, und nähert man nun dem Kügel⸗ chen eine Glas⸗ oder Harzſtange, fo findet wohl eine eleetriſche Anziehung, aber keine Abſtoßung ſtatt. Man erklärt dieſe Erſcheinung, indem man an⸗ nimmt, das Metall beſitze die Eigenſchaft, die frei gewordene Eleetrieität des Hollundermarkkügelchens abzuleiten, während die Subſtanz des Seidenfadens die Entfernung der Electrieität verhindere. Aehnlich wie das Metall wirken Kohle, Fleiſch, grünes Holz, Waſſer, feuchte Erde, Dämpfe — man nennt fie deßhalb gute Leiter der Electrieität; der Seide analog verhalten ſich Haare, Federn, Glas, Harz, Schwefel, Bernſtein, trockenes Holz und trockene Luft; dieſe Subftanzen werden deßhalb als ſchlechte Leiter bezeichnet. Zwiſchen den guten und ſchlechten Leitern ſtehen die Halbleiter; zu dieſen gehören u. a. Kalk, Feldſpath, Gyps, gewöhnliches lufttrocknes Holz, Papier u. ſ. w. Iſt ein electriſch gewordener Leiter (3. B. Eiſen) mit einem Nichtleiter (3. B. Glas) jo verbunden, daß jede Berührung des erſtern mit andern guten Leitern unterbrochen wird, ſo verhindert der Nichtleiter das Entweichen der Glectrieität, Er wird, wenn er zu dieſem Zwecke dient, Iſolator genannt. 3. Electriſcher Schlag und Funken. Nähert man einem eleetriſirten Nichtleiter oder einem iſolirten electrifch ge— wordenen Leiter den Knöchel eines Fingers der Hand, ſo fühlt man ein Ste⸗ chen in demſelben, welches zu einem förmlichen Schlage werden kann, wenn die Maſſe des electrifirten Körpers groß genug iſt. In letzterm Falle ſieht man zugleich einen Funken überſpringen; in der Dunkelheit laſſen ſich ſelbſt noch kleinere Funken wahrnehmen, die bei hellem Tageslicht nicht bemerkt werden. Durch das eben beſchriebene Verfahren oder durch unmittelbare Berüh⸗ rung kann einem electriſirten Körper nach und nach alle Electrieität entzogen werden. Während dieſelbe aber bei guten Leitern von einem einzigen Puncte aus entfernt werden kann, vellieren die ſchlechten Leiter ihre Electrieität immer nur an der Stelle, wo ſie zu dem ableitenden Gegenſtand überſpringt; um alſo Nichtleiter vollſtändig ihrer Eleetrieität zu berauben, muß man alle Punete ihrer Oberfläche mit Leitern in Verbindung bringen, z. B. eine geriebene Glas⸗ oder Harzſtange der ganzen Länge nach mit dem Finger beſtreichen. Heper, Bodenkunde. 19 290 Electrieität. 4. Urſachen der Electricitätsentwicklung. Die Electrieität kann in den Körpern durch mannigfache Urſachen er⸗ regt werden; von dieſen haben für uns nur die Reibung, die Verdampfung und die Verbrennung Intereſſe. Von der Reibungseleetrieität iſt ſchon gehandelt worden; wir müſſen noch hinzufügen, daß alle Körper durch Reibung in den eleetriſchen Zuſtand verſetzt werden können, daß man die frei gewordene Electricität bei guten Lei⸗ tern aber nur dann wahrnimmt, wenn ſie durch Iſolatoren geſchützt ſind. — Auch durch Reibung von Flüffigkeiten und Gaſen, z. B. zweier Luftſchichten, kann Electrieität entwickelt werden. 5 Wenn reines Waſſer in einem Gefäße verdampft, ſo entſteht nur durch die Reibung des Dampfes an den Wänden des Gefäßes Eleetricität; dieſe tritt um ſo reichlicher auf, je enger die Oeffnung iſt, aus welcher die Dämpfe entweichen. Enthält aber das Waſſer noch andere Subſtanzen in Auflöſung, von denen es ſich bei der Verdampfung trennt, fo wird ſchon allein durch dieſen Prozeß, ganz abgeſehen von der Reibung, Glectrieität frei. Dabei ent⸗ weichen die Dämpfe mit poſitiver Eleetricität, * der Rückſtand negative Electrieität zeigt. Bei allen chemiſchen Verbindungen und 3 tritt eine Entwick⸗ lung von Clectricität auf. Wird Holz, Braunkohle, Steinkohle, Torf ıc. ver⸗ brannt, fo bilden ſich Waſſerdampf und Kohlenſäure, beide mit poſitiver Elee⸗ tricität; die Aſche, ſowie die nicht verbrannte Kohle erſcheinen mit negativer Electricität beladen. 5. Electricität der Atmoſphäre. Wenn man bedenkt, daß das Waſſer der Flüffe, Seen und Meere nie⸗ mals rein iſt, ſondern immer aufgelöſte Salze enthält, wenn man weiter er⸗ wägt, welche ungeheure Mengen von Brennſtoff auf der Erde conſumirt werden, ſo kann es nach dem Vorhergehenden nicht auffallen, daß in der At⸗ moſphäre zu allen Zeiten freie Electrieität gefunden wird. Dieſe iſt bei heite⸗ rem Himmel ſtets poſitiv. Die Stärke der Luftelectrieität ändert ſich fortwährend, doch laſſen ſich gewiſſe periodiſch wiederkehrende Schwankungen beobachten. Ebenſo, wie der Waſſerdampfgehalt, zeigt die electriſche Spannung zwei Maxima und zwei Minima. Die erſteren treten einige Stunden nach dem Sonnen-Aufgang und Untergang, die letztern eben ſo viel vor dieſen beiden Momenten ein. In den unteren Luftſchichten iſt die Eleetrieität im Winter ſtärker, als im Sommer; die obern Luftſchichten zeigen das entgegengeſetzte Verhalten. Bei trübem Wetter nimmt die Spannung der Electrieität ab, weil feuchte Luft ein größeres Leitungsvermögen, als trockene beſitzt. Winde und Gewitter ſtören den regelmäßigen Gang der Luftelectrieität. Alle atmoſphäriſchen Niederſchläge — alſo Thau, Reif, Schnee, Regen, Gewitter. 291 vorzüglich aber der Hagel — ſind electriſch, desgleichen der Nebel und die Wolken. Im Sommer ſoll der Regen häufiger negativ, im Winter mehr po⸗ ſitiv electriſch ſein. Der Nebel und die Wolken enthalten faſt immer poſitive Electricität. 6. Gewitter. a. Urſachen der Gewitter. Daß die beim Gewitter auftretenden Erſcheinungen, wie Blitz, Donner, Einſchlag ꝛc. blos auf electriſchen Vorgängen beruhen, wurde zuerſt von Frank⸗ lin in überzeugender Weiſe dargethan. Er ließ im Jahr 1752 zu Philadel⸗ phia einen gewöhnlichen Drachen, deſſen Schnur von Hanf und angenäßt, alſo leitend, am untern Ende aber von Seide (iſolirend) war, aufſteigen. Nach⸗ dem eine Gewitterwolke in das Bereich des Drachen gekommen war, erhielt Franklin aus der Schnur Funken von beträchtlicher Länge. Zugleich ließ ſich ein Kniſtern hören, ähnlich demjenigen, welches man vernimmt, wenn man einer geriebenen Glas- oder Siegellackſtange den Knöchel eines Fingers oder ſonſt einen Leiter nähert. b. Blitz, Donner, Rückſchlag. Nach dem Vorhergehenden müſſen wir annehmen, daß die Gewitterwol⸗ ken viele freie Electrieität enthalten. Dieſe wird aber auf die Electrieität der⸗ jenigen Leiter, welche in der Nähe der Wolke befindlich ſind, vertheilend ein⸗ wirken, alſo die ungleichnamige Electrieität anziehen und die gleichnamige ab⸗ ſtoßen. Wenn die Wolke dem nunmehr gleichfalls mit freier Eleetricität behafteten Körper ſich hinreichend genähert hat, jo vereinigen ſich beide Elee— trieitäten unter lebhafter Feuererſcheinung — Blitz. Der letztere verurſacht, indem er die Luft erſchüttert, den Donner. Der Blitz kann ſowohl von einer Wolke zur andern, als auch von einer ſolchen zur Erde, oder auch umgekehrt von der Erde zur Wolke überſpringen. Immer ſucht der Blitz den nächſten und beſten Leiter, d. h. denjenigen auf, an deſſen Oberfläche durch Einwirkung der vertheilenden Gewitterwolke am meiſten Electricität ſich angeſammelt hat. Kirchen, hohe grüne Bäume wer⸗ den deßhalb vorzugsweiſe vom Blitz getroffen, während dürre Bäume, als Nichtleiter, von demſelben mehr verſchont bleiben. Zieht die Gewitterwolke ab, ohne daß eine Ausgleichung der Electrici⸗ täten durch den Blitz erfolgt iſt, fo tritt die erregte Eleetricität in dem andern Leiter wieder in den Ruhezuſtand zurück. War ſie in bedeutender Spannung vorhanden, ſo erfolgt auf dieſem Leiter eine wahrnehmbare Erſchütterung, die man, weil ſie öfters von ähnlichen Wirkungen, wie der Blitz ſelbſt begleitet iſt, mit „Rückſchlag“ bezeichnet. e. Geographbiſche Verbreitung der Gewitter. a Am häufigſten treten die Gewitter in den tropiſchen Gegenden, nament⸗ 19 * 292 Gewitter. lich während der Regenzeit auf; ihre Anzahl nimmt vom Aequator an mit der wachſenden Breite, wiewohl in keinem regelmäßigen Verhältniſſe, ab. In einem Jahr ereignen ſich durchſchnittlich Gewitter N zu Calcutta Patna Smyrna Padua Straßburg Paris Petersburg 60 53 19 17,5 17 13,8 9,2 In dem Meer bei Spitzbergen nahm Capitän Philipp von Ende Juni bis Ende Auguſt 1773 weder Blitz noch Donner wahr. Nach Scoresby finden in dieſer Breite niemals Gewitter ſtatt. Auch in Island en ſie zu den größ⸗ ten Seltenheiten. ’ a An einem und demſelben Orte bleibt die Anzahl der Gewitter zwar nicht von Jahr zu Jahr, aber innerhalb größerer Zeitperioden ziemlich con- ſtant. So beobachtete man zu Paris von 1785 bis 1805 durchſchnittlich jährlich 12,2 Gewitter 757 1806 77 1815 7 " 14,9 " „ 1816 „ 1825 5 „ 1 „ 1828 „ 1837 N „ ee, Die jährlichen Extreme gingen von 6 bis 22. Die Anzahl der Gewitter wird, abgeſehen von der Breite, auch noch durch die Nähe des Meeres und hauptſächlich durch die Configuration der Bodenoberfläche beſtimmt. Größere Berge halten die Gewitter auf, oder zer⸗ theilen fie, wenn fich ſeitwärts von ihnen Thäler befinden (Wetterſcheiden). Daher rühren die großen Verſchiedenheiten hinſichtlich der Anzahl der Gewit⸗ tertage in einem und demſelben Lande. So haben z. B. - Lüneburg Berlin Erfurt Mannheim Augsburg Münden Wien 20,2 17 141 20,8 22,4 22,7 16,0 Gewitter. In Deutſchland fällt die Mehrzahl der Gewitter in den Sommer. Die Vertheilung auf die vier Jahreszeiten drücken die folgenden Zahlen im großen Durchſchnitt für viele Localitäten annähernd aus. Von 100 Gewittern kom⸗ men auf den Winter 1,9 den Frühling 22,4 den Sommer 67,7 den Herbſt 8,0 In Frankreich ſind die Sommergewitter nicht ſo häufig, im innern Rußland gehören die Wintergewitter zu den großen Seltenheiten. An der Norwegiſchen Küſte und an der Oſtküſte des Adriatiſchen Meeres fallen dagegen die meiſten Gewitter in den Winter. * In den Alpen ſoll die Zahl der Gewitter mit der Erhebung über die Meeresfläche zunehmen. In den Hochbergen geht der Gewitterregen, beſonders im Herbſt, oft in Schnee über. Neuntes Buch. Druck der Luft. 1. Schwere der Luft. Daß die Luft ſchwer ſei, läßt ſich durch folgenden Verſuch nachweiſen. Man fülle eine Glasröhre von etwa 82 Centimetern Länge, welche an einem Fig. 124. Ende zugeſchmolzen, am andern offen iſt, mit Queckſilber, ſchließe 1. die Oeffnung mit dem Finger, drehe die Röhre um und tauche di fie in ein Gefäß mit Queckſilber; dann ziehe man den Finger hinweg. Man wird bemerken, daß das Queckſilber ſogleich et⸗ was fällt, ohne bis zu dem Spiegel des Queckſilbers im Ge⸗ fäße herabzuſinken (Fig. 124). Iſt z. B. der Verſuch am Ufer des Meeres angeſtellt worden, ſo hält das Queckſilber eine Höhe von ungefähr 76 Centimetern (760 Mmetern) ein. Die Erſcheinung, welche der eben beſprochene Verſuch darbietet, läßt ſich nur durch die Schwere der Luft erklären. Die letztere laſtet nämlich auf dem Spiegel des Queckſilbers im Gefäße, ſie hält zufolge dieſes Drucks dem Queck⸗ ſilber in der Röhre das Gleichgewicht. In der That ſinkt dieſes augenblick⸗ lich, wenn man eine Luftblaſe in den Raum oberhalb a eintreten läßt. 2. Das Barometer. Jede Veränderung des Luftdrucks muß ſich an dem Apparat Fig. 124, wahrnehmen laſſen. Nimmt der Luftdruck zu, ſo ſteigt das Queckſilber, ver⸗ mindert er ſich, ſo fällt es in der Röhre. Zu meteorologiſchen Beobachtungen dienen die ſog. Barometer, welche nichts anders, als Modificationen des Inſtrumentes Fig. 124 ſind. Man unterſcheidet Gefäßbarometer und Heberbarometer. 294 Druck der Luft. Das Gefäßbarometer beſteht in einer gekrümmten Glasröhre, deren kürzerer offener Schenkel zu einer Kugel erweitert iſt (Big. 125). Dieſes In⸗ Fig. 125. ſtrument taugt indeſſen nicht zu ganz genauen Beobachtungen, weil der Queckſilberſpiegel im Gefäß mit dem Wechſel des Luft⸗ drucks ſeine Höhe ändert. Fällt nämlich das Queckſilber in der Röhre, ſo ſteigt der Spiegel im kürzern Schenkel, während er, umgekehrt, fällt, wenn das Queckſilber in der Röhre ſteigt. Da der Luftdruck durch den Unterſchied zwiſchen der Höhe des Queck⸗ ſilbers in beiden Schenkeln gemeſſen wird, ſo erhält man alſo immer einen Fehler, wenn der Nullpunct der Scala nicht genau mit dem Spiegel des Queckſilbers im Gefäße übereinſtimmt. Die Größe dieſes Fehlers vermindert ſich aber in dem Maße, als der Querdurchmeſſer des Gefäßes den Durchmeſſer der Röhre übertrifft. Zu ganz genauen Beobachtungen, wie ſie insbeſondere für barometriſche Höhenmeſſungen nöthig ſind, verwendet man das Heberbarometer (Fig. 126). Es unterſcheidet ſich von dem Ge⸗ fäßbarometer dadurch, daß der kürzere Schenkel gleiche Weite mit dem längeren beſitzt. Die Höhe der Queckſilberſäule kann bei dem Heberbarometer auf verſchiedene Weiſe gemeſſen werden, je nachdem die Scala ver⸗ ſchiebbar oder feſt iſt. Im erſtern Falle ſtellt man den Nullpunet der Scala in eine Linie mit dem Niveau des Queckſilbers im kürzern Schenkel und lieſt dann ohne Weiteres die Höhe ab; im andern Falle mißt man die Höhe der beiden Spiegel und ſubtrahirt die gefundenen Größen. Dieſe Regel gilt aber nur dann, wenn der Nullpunet der Scala un⸗ terhalb des Spiegels der kürzern Röhre angebracht iſt; hat der Null⸗ punct, wie bei vielen Barometern dieſer Art, ſeine Stelle zwiſchen den beiden Queckſilberſpiegeln, jo lieſt man die Höhen aufwärts (für den längern Schenkel) und abwärts (für den kürzern Schenkel) ab und addirt beide Werthe. Damit man nur eine oder keine zu breite Scala nöthig habe, gibt man dem längern Schenkel eine Biegung in der Mitte, wie Fig. 126 zeigt. (Barometer mit verſchiebbarer Glasröhre ſind nicht zu empfehlen.) N Der beobachtete Barometerſtand bedarf einer Gorrectur wegen des Ein- fluſſes, den die Würme auf die Länge der Scala und der Queckſilberſäule ausübt. Da die Scala mit zunehmender Temperatur ſich ausdehnt, ſo wird ſie die Länge der Queckſilberſäule bei höheren Temperaturen geringer angeben als bei niedrigern Temperaturen. Um übereinſtimmende Angaben zu erhalten, = 2 En . — — 9 fd ITT üttüituntt ffn eee - — e Dee ——PP— — p r er a a Reſultate der Beobachtungen am Barometer. N 295 drückt man die Scalenlänge für eine beſtimmte Temperatur aus, und da der normale Werth des neufranzöſiſchen Maßes, welches wir auch hier zu Grunde legen wollen, nur für die Temperatur von 0% gilt, ſo reduziren wir die Länge der Scala auf die Temperatur von 00. Gewöhnlich iſt die Scala der Barometer von Meſſing angefertigt; dieſes ſich für 10C. um Metall dehnt ſich für 54000 54000 Maßeinheiten (3. B. Mmetern) wird deshalb bei der Temperatur von to gleich 54000 t Maßeinheiten ſein. Iſt 8 der bei der Temperatur te mit⸗ telſt einer meſſingenen Scala gemeſſene Barometerſtand, ſo wird er ſich für die Temperatur von O9 in 6“ umändern und dieſen findet man nach der Proportion 54000 : 54000 + t = 8: 6%; hieraus 54000-H1 1 5 4 Ke Ba Iſt die Scala auf das Glas der Barometerröhre eingeätzt, ſo kann die Correctur wegen der Ausdehnung der Scala wegfallen, denn das Glas dehnt ſich für 1°C. nur um ſeiner Länge aus; eine Länge von 1 g 16100 feiner Länge aus. Auch die Länge der Queckſilberſäule reduziren wir auf den Werth, wel⸗ chen fie bei der Temperatur von 00 haben würde. Das Queckſilber dehnt N 1 fi für 10. um 5550 Maßeinheiten wird daher bei der Temperatur von 19 gleich 5550 Pt Maßein⸗ heiten geworden fein; ift 8 wieder der beobachtete Barometerſtand, fo findet man den für die Temperatur O00 geltenden durch die Proportion 5550 + t : 5550 f: 6“, hieraus — 5550 age 5550-Ft 5 ſeiner Länge aus; eine Queckſilberſäule von 5550 3. Reſultate der Beobachtungen am Barometer. Da ſowohl die Temperatur, als auch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft ſich fortwährend ändert, ſo kann das Barometer nicht immer den nämlichen Stand behaupten. Nun findet aber eine gewiſſe Regelmäßigkeit im Gange der Luft⸗Wärme und Feuchtigkeit ſtatt; es läßt ſich deßhalb vermuthen, daß auch die Schwankungen des Barometers eben ſolchen Regeln folgen werden. Da aber an einem und demſelben Ort die Höhe der Queckſilberſäule im Barometer um einen viel geringern Betrag ſich ändert, als bei dem Thermo⸗ meter, ſo muß man eine größere Anzahl von barometriſchen Beobachtungen 296 Druck der Luft. anſtellen, um in den erhaltenen Mittelwerthen die regelmäßigen Schwank⸗ ungen gegenüber den unregelmäßigen deutlich hervortreten zu laſſen. ne a. Schwankungen des Barometers im Laufe des Jahres. Die Beobachtung hat ergeben, daß der Barometerſtand innerhalb 24 Stunden zweimal einen höchſten und zweimal einen niedrigſten Werth erreicht, Auf der nördlichen Hemiſphäre tritt durchſchnittlich Das erſte Minimum um 3 Uhr 45 Minuten Morgens weite 5; „ EB 5 Nachmittags „ erſte Maximum „ 9 „37 5 Morgens „ zweite 5 110 11 5 Abends ein. Dies ſind die Mittelwerthe; verfolgt man den Barometerſtand durch die einzelnen Monate des Jahres hin, fo ergibt ſich, daß in der kälteren Jahres- zeit das erſte Minimum und das erſte Maximum etwas ſpäter, das zweite Minimum und das zweite Maximum etwas früher ſtattfinden, als in den wärmeren Monaten. Die Größe, um welche die Schwankungen des Barometers ſich bewe⸗ gen, nennt man ihre Amplitude. Dieſe nimmt im Sommer einen höhern Werth an, als im Winter; fie vermindert ſich außerdem vom Aequator nach den Polen hin, wie die nachſtehende Zuſammenſtellung zeigt. Orte Lima Cairo Mailand Frankfurt a/ M. Abo Breite 12003 30002“ 45028“% 50008’ 60027 Tägliche Amplitude 2,71 Mm. 1,54 0,75 7. are 0,26 In größerer Erhebung über die Meeresfläche verſchwindet das zweite Minimum und das erſte Maximum, ſo daß hier nur ein Minimum und ein Maximum im Laufe von 24 Stunden eintritt. Auch die Amplitude der täg⸗ lichen Schwankung iſt auf höhern Bergen geringer, als an tiefer gelegenen Punkten, ſie beträgt z. B. auf dem Faulhorn nur 1,09 Mm., während ſie in Zürich — 1,56 Mm. iſt. b. Monatliche Schwankungen. Die Amplitude der monatlichen Schwankungen iſt im Winter größer, als im Sommer, ſie nimmt vom Aequator nach den Polen hin zu. Dieſelbe beträgt z. B. im Mittel für Batavia (6127 S. B.) 2,98 Mm.; für Rom 17,15; für Paris 23,66; für London 27,88; für Naes in Island 35,91 Mm. c. Jährliche Schwankungen und mittlerer jährlicher Barometerſtand. Verfolgt man das Barometer durch den Lauf eines ganzen Jahres, ſo bemerkt man, daß es in den Wintermonaten viel höher ſteht, als in den Sommermonaten. In den höhern Breiten, außerhalb der Tropen, zeigt der Barometerſtand bei verſchiedenen Winden. 297 Barometerſtand zwei Maxima, im Januar oder Februar und September oder October, von denen aber das erſtere viel ſtärker ausgeprägt iſt, als das letztere; die Minima treten in den Sommer⸗ Mm. 756 55 51 750 JIFMAMI IAS ON D Fig. 127. — NY Batavia Rom Wien Paris Berlin London Abo des Winters. monaten und im November ein, in N den erſteren wieder viel deutlicher, als in dem letztgenannten Monat, 7 wie ſich aus der nebenſtehenden Curve (Fig. 127.), welche für Halle gilt, erſehen läßt. Die Amplitude der jährlichen Schwankung wächſt vom Aequator nach dem Pol hin, die Amplitude des Sommers iſt kleiner, als die Mittlere Amplitude der Barometerſchwankungen. Winter Sommer 2,80 Mm. 2,71 Mm. 1 u 5 26,78 „ 13,02 „ 30,45 „ 17,11 5 33,07 „ 1788.45 35,15 „ 20,32 „ Si „ 19,76 „ Der jährliche mittlere Barometerſtand iſt unter dem Aequator am klein⸗ ſten, er nimmt bis zu 30— 400 Breite zu und dann wieder noch bis etwa 700 Breite ab. Vielleicht fteigt er nun gegen den Pol hin, doch liegen noch nicht genug Beobachtungen vor, um dieſe Vermuthung zur Gewißheit zu machen. Unter dem Aequator 300 — 400 Breite 50° 56° 64° 15° Mittlerer Barometerftand 758 Mmeter 762 bis 764 760 758 (Reikiavig) 752 (Inſel Melville) 758 d. Barometerſtand bei den verſchiedenen Winden. Beobachtet man neben dem Stand des Barometers zugleich die Wind— richtung, ſo nimmt man bald einen auffallenden Zuſammenhang zwiſchen beiden wahr; d as Barometer ſteigt nämlich bei Nord-, Nordoſt⸗, Nordweſt⸗ 298 Druck der Luft. und Oſtwind, es fällt bei Süd, Südweſt, und Südoſt, wie die folgenden Beobachtungen, welche zu Paris angeſtellt wurden, zeigen. Windrichtung Süd Südweſt Weſt Nordweſt Nord Nordoſt Oſt Südoſt Mittl. Barometerſtand752,757 753,227 755,950 758,412 759,776 759,672 757,221 754,300 Unterſchied zwiſchen dem für alle Richtungen geltenden mittleren Barometerſtand von 756,414 Pim.—3,657—3,187—0,464-+1,998-+3,362-+3,258-+0,807— 2,114 4. Urſachen der Schwankungen des Barometers. Das Barometer gibt nichts Anderes, als den Druck der über ihm laſten⸗ den Atmoſphäre. Jede Gewichtsveränderung der letztern muß deshalb das Barometer ſteigen oder ſinken machen. Unter den Urſachen, von welchen der Stand des Barometers abhängt, nehmen die Wärme und die Feuchtigkeit die erſte Stelle ein. Durch die Wärme wird die Luft ausgedehnt, die verticale Höhe der Atmoſphäre nimmt zu; dies hat aber zur Folge, daß die erwärmte Luft ſeit⸗ lich abfließt. Es bleibt alſo an der Stelle, wo die Temperaturerhöhung ſtatt⸗ fand, eine Luftmaſſe von geringerem Gewichte zurück, das Barometer wird hier ſinken. In der That lehrt die Beobachtung, daß die Werthe des Barometer⸗ und Thermometerſtandes einander gewöhnlich entgegengeſetzt ſind; wenn alſo z. B. das Barometer ſteigt, ſo fällt das Thermometer. Denken wir uns die Luft von ihrem Waſſerdampfgehalt befreit, ſo müßte, nach dem eben Geſagten, der Stand des Barometers den entgegen⸗ geſetzten Gang von dem des Thermometers einhalten. Wenn wir dagegen bei dem Barometer im Laufe des Tages nicht ein Mazimum und Mini- mum, wie beim Thermometer, ſondern deren zweie wahrnehmen, ſo kann dieſe Anomalie nur von dem Waſſerdampfgehalt herrühren. Dieſer zeigt in der That im Sommer ein zweimaliges Steigen und Fallen im Laufe eines Tages, gerade ſo wie wir es beim Barometer beobachten. Die Veränderungen im Drucke des Waſſerdampfs überwiegen alſo die Veränderungen im Druck der trockenen Luft. Im Winter tritt das Minimum der abſoluten Feuchtigkeit bei Sonnen⸗ aufgang, das Maximum zur Zeit der größten Tageswärme ein, während der Druck der trockenen Luft gerade zu den entgegengeſetzten Tageszeiten ſeinen kleinſten und größten Werth erreichen müßte. Aus der Combination des Druckes von Waſſerdampf und trockner Luft gehen hier zwei tägliche Maxima und Minima hervor, ſo daß der Gang des Barometers im Winter ſich im Weſentlichen nicht von dem im Sommer unterſcheidet. Barometriſche Höhenmeſſung. 299 Was den Wechſel des Barometerſtandes durch das ganze Jahr hin anlangt, ſo erklärt er ſich in analoger Weiſe. Der Druck der trocknen Luft iſt im Sommer kleiner, als im Winter, der Druck der abſoluten Feuch⸗ tigkeit der Atmoſphäre iſt aber im Sommer größer, als im Winter. Wird der Druck von beiden addirt, jo ergibt ſich der unter c dargeſtellte eigenthüm⸗ liche Gang des Barometerſtandes. Daß das Barometer bei nördlichen Winden ſteigt, bei ſüdlichen da⸗ gegen fällt, erklärt ſich ganz einfach aus der Temperatur dieſer Winde. Die füdlichen Luftſtrömungen find wärmer, als die nördlichen, es wird bei ihnen die Atmoſphäre mehr nach der Höhe hin ausgedehnt und fließt ſeitlich ab. Wehen die kälteren nördlichen Winde, ſo ſtrömt die Luft von oben zu und ihr Druck vermehrt ſich. > Noch ein Umſtand ift es aber, dem man das bedeutende Fallen des Barometers bei Süd- und Südweſtwind zuzuſchreiben hat. Dieſe beiden Winde enthalten nämlich vorzugsweiſe viel Feuchtigkeit, weil ſie ihren Weg über größere Waſſerflächen genommen haben. So lange der Dampf noch in egpandirtem Zuſtand in der Luft ſchwebt, vermehrt er die Spannkraft der letztern; ſie läßt aber nach, wenn er in tropfbar flüſſigen Zuſtand übergeht, denn der Dampf nimmt, nachdem er ſich condenſirt hat, einen viel kleineren Raum ein. Der Süd⸗ und Südweſtwind entledigen ſich auf ihrem Wege nach höheren Breiten fortwährend ihres Dampfgehaltes; mit jedem Regen⸗ guſſe, den ſie bringen, muß daher das Barometer ſinken. 5. Barometriſche Höhenmeſſung. Das Barometer gibt den Druck der Luftſäule an, welche über dem Spiegel des Queckſilbers in der Röhre laſtet. Da die Länge dieſer Luftſäule mit der Erhebung über die Meeresfläche abnimmt, ſo muß demnach der Ba⸗ rometerſtand ſinken, wenn das Inſtrument von einem tiefer gelegenen nach einem höhern Punete gebracht wird. Dieſer Schluß beſtimmte ſchon Pascal, das Barometer zum Höhenmeſſen zu benutzen. Zu dieſem Zweck muß man aber zuerſt das Geſetz aufſuchen, nach welchem der Barometerſtand mit zus nehmender Erhebung über die Meeresfläche ſich erniedrigt. Daß nämlich das Fallen der Queckſilberſäule für gleiche Höhenintervalle nicht das nämliche ſein werde, läßt ſich leicht einſehen, weil die Dichte und ſomit auch das Gewicht der Luft von unten nach oben hin ſich nicht gleichbleibt, ſondern fortwährend ab- nimmt. In welchem Maße vermindert ſich aber das Gewicht der Luft in der Höhe? Um dieſe Unterſuchung vorzunehmen, müſſen wir zuerſt das Mariot⸗ te ſche Geſetz entwickeln. 300 Druck der Luft. a) Mariotte'ſches Geſetz. Fig. 128. Wenn man in eine gebogene Glasröhre (Fig. 128.), 0 i deren kürzerer Schenkel geſchloſſen, deren längerer Schenkel 5 offen iſt, etwas Queckſilber ſchüttet und dann die Röhre ſo neigt, daß etwas Luft aus dem kürzern Schenkel in den längern übertritt, ſo kann man es dahin bringen, daß das Queckſilber in beiden Schenkeln bei a gleich hoch ſteht. Die Luft in dem kürzern Schenkel iſt alſo jetzt blos dem Druck der Atmoſphäre ausgeſetzt. Schüttet man nun weiter Queck⸗ ſilber zu, ſo zieht ſich die Luft in dem kleinern Schenkel auf ein geringeres Volumen zurück. Beobachtet man den Queck⸗ ſilberſtand in dem längern Schenkel, nachdem die Luft in bH b dem kürzern bis b, alſo auf die Hälfte ihres urſprünglichen Raumes zurückgedrängt worden iſt, ſo wird man finden, daß die Höhe be der Queckſilberſäule gleich dem eben herrſchen⸗ den Barometerſtande, alſo z. B. = 760 Mm. geworden iſt. Unter dem Drucke von zwei Atmoſphären nimmt alſo die Luft nur noch die Hälfte ihres Volumens ein. Fährt man mit dem Zugießen von Queckſilber fort, fo ergibt ſich, daß unter dem Druck von 3, 4, 5. Atmoſphären des Volumen der in dem kürzern Schenkel eingeſchloſſenen Luft nur noch Ye, Ye, % „ des urſprünglichen beträgt. Hieraus folgt das Geſetz: die Volumsverminderung einer com primirten Luftmaſſe iſt dem Drucke, welcher auf ihr laſtet, proportional. Unterſuchen wir jetzt die Dichte oder das Gewicht der comprimirten Luft. Nennen wir das Gewicht eines Raumtheiles, z. B. 1— der unter dem Drucke von 1 Atmoſphäre ſtehenden Luft g, jo wird der nämliche Raumtheil unter dem Drucke von 2, 3, 4 Atmoſphären 2g, 38, 48 „ . n wiegen, denn er enthält ja jetzt mal, Zmal, Amal ſo viel Luft, als bei 1 Atmoſphärendruck. Es geht alſo hieraus hervor, daß die Dichte, oder das Gewicht eines gleichen Raumtheils Luft dem auf ihr laſtenden Drucke proportional iſt. b) Wenn die verticale Erhebung über irgend einen Punet der Atmoſphäre in arithmetiſchem Verhält- niſſe zunimmt, fo nehmen die Barometerjtände in geometriſchem Verhältniſſe ab. Beweis. Es ſei A (Fig. 129.) ein Punet auf der Erdoberfläche, e ein ſolcher Barometriſche Höhenmeſſung. 301 Fig. 129. in der Höhe; die Buncte d, e, . . .. ſtehen alle um die Größe h von einander ab. Die Barometerſtände in e, d, e, f, g ſeien B, Bi, Ba, Ba, 2 Obgleich die Dichte der Luft von unten nach oben abnimmt, g + Ba jo können wir doch die Dichte derſelben innerhalb jeder einzelnen Schichte, z. B. innerhalb ed als gleichbleibend annehmen, wenn [ 7 Ba wir nur h einen gehörig kleinen Werth geben. Nun ift e B. der Luftſchichte ed de ef 3 Gewicht B—#, B,—B, B2—B3 B,—B, . d + Bi Aus dem Mariotte'ſchen Geſetz folgt: B— B.: B.— B= Bi: B,; hieraus S B BB2— Bi B= BBI Ba, BB. B12 ut 3 Ferner iſt nach dem nämlichen Geſetz 3 Bi— BZ : Bz B = BZ: Ba; hieraus 2 5. 555 und, wenn man für B, feinen eben gefundenen 1 Werth ſetzt, Bi =pr Ebenſo findet man a B. ; B= Fe Es iſt alſo für die Höhe Ac Ach Ac+2h Ac-+3h Act4h..... = Die B74 der Barometerſtand B Bi ER SEEN oder auch in n 00 650 BCI TJ Wir ſehen alſo, daß die Barometerſtände in einer geometriſchen Reihe abnehmen, wenn die Höhen in einer arit hmetiſchen RAR wachſen, wodurch unſer obiger Satz erwieſen iſt. Der Quotient jener fallenden geometriſchen Reihe in 8 5 —, und wir er⸗ halten das nte Glied der Reihe, welches um (n—1) h von dem erſten Glied abſteht, wenn wir dieſes mit GT multipliziren. 302 Druck er Luft. e) Ableitung einer Formel für die barometriſche Krems meſſung. Fig. 130 Es ſei der Höheabſtand der beiden Punkte M und N, für wir welche man durch wirkliche Beobachtung die Barometerſtände b fi und b“ gefunden habe, zu beſtimmen. (Fig. 130.) 1 Sehen wir zu dieſem Zwecke b als das erſte, b“ als das nte Glied einer Reihe an, fo werden nach dem Obigen zwiſchen M und N gerade (n—1 ) h liegen. Nun ift B n—1l b 5 n ( B Nehmen wir auf beiden Seiten die Logarithmen, fo ift log. b“ log. b-+(n—1) (log. Bi log. B), hieraus log. b“ — log. b log. B, — log .B 2 Multipliziren wir die beiden Glieder dieſer Gleichung durch A h=h fo ift = log. b“ — log. b e : Es ſtellt aber (n—1) h die gefuchte Höhe MN vor, weil zufolge unſerer vorherigen Annahme n—1 Luftſchichten, jede von der Dicke h, zwiſchen M und N liegen. Es iſt alſo auch log. b. — log. 5 log. b — log, b’ JJC ĩͤ ( In dieſer Gleichung ſind b“ und b durch die Beobachtung gegeben, h bedeutet eine Höhe, um welche man ſich erheben muß, damit der Barometer⸗ ſtand B in B. übergehe. Da der Ausdruck 1 8355 5. in der obigen Formel conſtant iſt, alſo bei jeder barometriſchen Höhenmeſſung gebraucht wird, ſo kann man ihn ein für alle Mal berechnen. Nun hat man gefunden, daß man ſich am Meere, wo der Barometer⸗ ſtand = 760 Mmeter beträgt, um 10,467 Meter erheben muß, damit das Barometer um 1 Mm. ſinkt. Es iſt alſo h = 10467 Mm.; und B=760 Mm. BI 759 Mm. und h 10467 log. B — log. Bi 0,0005718 MN = 18305 (log. b — log. b) n—1 = 2 18305 Meter und =” d) Correetur der berechneten Höhe wegen der Tempe⸗ ratur und dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Nur dann, wenn die Temperatur der Luft 00 beträgt, reicht eine Barometriſche Höhenmeſſung. 303 Erhebung von 10,467 Metern hin, um das Barometer um 1 Mm. fallen zu machen. Hat die Luft eine höhere Temperatur, ſo iſt ſie auch leichter, und es wird dann h einen größern Werth, als 10,467 M. annehmen. Die Luft dehnt ſich für 10 um tz ihrer Länge aus; eine Luftſäule von 10,467 M. Höhe wird demnach bei einer Temperatur von 2 eine Höhe von 10,467 (+75) erlangen. Nimmt die Temperatur der Luft von M nach N hin ab, wie dies ge— wöhnlich der Fall iſt, ſo ändert der Quotient 5 BED Tor feinen Werth. Um dieſe Aenderung in Rechnung zu ziehen, müßte das Ge⸗ ſetz, nach welchem ſie erfolgt, bekannt ſein. Da dies aber bis jetzt nicht der Fall iſt, ſo hilft man ſich in der Weiſe, daß man annimmt die Wärme ſinke von M nach N gleichmäßig und es halte die Temperatur der ganzen Luftſchichte MN das Mittel aus den Temperaturen t und ( der Beobach- tungsorte M und N. Wir erhalten unter dieſer Vorausſetzung die Höhe 10467 9) 1 2 MN 0,0005718 ( 273 (log. b — log. b) = MN = 18306 CHE (log. b — log. b) = MN—33,526 (546-Ht-Ht‘) (log. b — log. b)) Nun wäre auch noch der Feuchtigkeitsgehalt der Luft in Anſchlag zu bringen, indem die Größe von h wechſelt, je nachdem die Luft mehr oder weniger Waſſerdampf enthält. Da aber die Feuchtigkeit nicht ſo regelmäßig mit der Höhe zu oder abnimmt, als wir dies bei der Wärme unterſtellen konnten, ſo iſt ihr Einfluß auch nicht wohl anders in Rechnung einzuführen als daß man den Coefficienten 33,526 nach Maßgabe der Beobachtungen modifizirt, welche man bei der barometriſchen Meſſung von geometriſch be— ſtimmten Höhen gemacht hat. Nach den Unterſuchungen von Gauß u. A. iſt der Coefficient 33,526 mit Rückſicht auf die Luftfeuchtigkeit in 33,666 um⸗ zuändern, und es lautet nun unſere Formel MN 33,666 (546-FHt-H1) (log. b — log. b) B, fortwährend e) Correetur der beobachteten Barometerſtände wegen der Ausdehnung der Scala und des Queckſilbers. Die beobachteten Barometerſtände b und b’ bedürfen einer Correctur wegen der Ausdehnung der Scala und des Queckſilbers. Es ift unter 2 ge- zeigt worden, wie man dieſe Verbeſſerungen ausführt. Um die Rechnung zu erleichtern, hat man Tabellen (S. 304) entworfen, aus welchem die 1 85 Correcturen zuſammen in einem Anſatze ſich entnehmen laſſen. 304 Barometriſche Höhenmeſſung. Gorreetur für die Temperatur von 5% 8 = 2 Barometerſtand. 1020 | 30 40 66 ¼ 70 | go 90 mm. mm. mm. mm. mm, mm. mm. mm. mm. 0,097 | 0,194 | 0,290 | 0,387 | 0,484 | 0,581 | 0,678 | 0,775 | 0,872 0,098 | 0,195 | 0,293 | 0,391 | 0,488 | 0,586 | 0,683 | 0,781 | 0,879 10 | 0,098 | 0,197 | 0,295 | 0,394 | 0,492 | 0,591 | 0,689 | 0,788 | 0,886 15 10,099 0,198 0,298 | 0,397 | 0,496 | 0,596 0,695 0,794 | 0,893 20 | 0,100 | 0,200 | 0,300 | 0,400 | 0,500 | 0,600 | 0,700 | 0,800 | 0,901 25 0,101 | 0,202 | 0,303 | 0,403 0,504 0,605 | 0,706 | 0,807 | 0,908 30 | 0,102 | 0,203 | 0,305 | 0,407 | 0,508 | 0,610 | 0,712 | 0,813 | 0,915 35 0,102 | 0'205 | 0,307 | 0,410 | 0,512 | 0,615 | 0,717 | 0,820 | 0,922 40 | 0,103 | 0,207 | 0,310 | 0,413 | 0,516 | 0,620 | 0,723 | 8,826 | 0,930 45 | 0,104 | 0,208 | 0,312 | 0,416 | 0,520 | 0,625 0,729 0,833 | 0,937 50 | 0,105 | 0,210 | 0,315 | 0,420 | 0,524 | 0,629 | 0,734 | 0,839 | 0,944 55 | 0,106 | 0,211 | 0,317 | 0,423 | 0,529 | 0,634 | 0,740 | 0,846 | 0,951 60 0,106 | 0,213 | 0,320 | 0,426 | 0,533 | 0,639 | 0,746 | 0,852 | 0,959 65 0,107 | 0,215 | 0,322 | 0,429 | 0,537 | 0,644 | 0,751 | 0,859 | 0,966 70 0,108 | 0,216 | 0,324 | 0,433 | 0,541 | 0,649 | 0,757 | 0,865 | 0,973 75 0,109 | 0,218 | 0,327 | 0,436 | 0,545 | 0,654 | 0,763 | 0,871 | 0,980 80 | 0'110 | 0,219 | 0,329 | 0,439 | 0,549 | 0,658 | 0,768 | 0,878 | 0,988 85 0,11 0,21 | 0,332 | 0,442 | 0,553 | 0,663 | 0,774 | 0,884 | 0,995 90 ‚0111| 0,223 | 0,334 | 0,445 | 0,557 | 0,668 | 0,780 | 0,891 | 1,002 95 0,112 0,223 0,336 | 0,449 | 0,561 | 0,673 0,785 0,897 | 1,010 700 0,113 | 0,226 | 0,339 | 0,452 | 0,565 | 0,678 | 0,791 | 0,904 | 1,017 05 0,113 0,228 | 0,341 | 0,455 | 0,569 | 0,683 | 0,797 | 0,910 | 1,024 10 | 0115 0,229 | 0,344 | 0,458 | 0,573 | 0,688 | 0,802 | 0,917 | 1,031 15 0,115 | 0,231 0,346 0,462 | 0,577 | 0,691 | 0,808 | 0,923 | 1,039 20 0,116 0,232 | 0,349 | 0,465 0,581 0,697 | 0,813 | 0,930 | 1,046 25 0,117 0234 | 0,351 | 0,468 | 0,585 | 0,702 | 0,819 | 0,936 | 1,053 30 | 0.118 |0,236 | 0,353 | 0,471 | 0,589 | 0,707 | 0,825 | 0,943 | 1/060 35 0,119 |0,237 | 0,856 | 0,474 | 0,593 | 0,712 | 0,830 | 0,949 1068 40 | 0,119 | 0,239 | 0,358 | 0,478 | 0,597 | 0,717 | 0,836 | 0,955 | 1,075 45 0,120 0,240 0,361 | 0,481 | 0,601 | 0,721 | 0,842 | 0,962 | 1,082 50 0,121 0,242 | 0,363 | 0,484 0,605 0,726 | 0,847 | 0,968 | 1,089 55 0,121 0,244 | 0,365 | 0,487 | 0,609 | 0,731 | 0,853 | 0,975 | 1,097 60 0,123 | 0,245 | 0,368 | 0,491 | 0,613 | 0,736 | 0,859 | 0,981 | 1,104 65 0,124 | 0,247 | 0,370 | 0,494 | 0,617 | 0,741 | 0,864 | 0,988 | 1,111 70 0,124 0,249 | 0,373 | 0,497 | 0,621 | 0,746 | 0,870 | 0,994 | 1,118 75 0,125 | 0,250 | 0,375 | 0,500 | 0,625 0,750 0876 | 1,001 | 1,126 80 | 0,196 | 0,252 | 0,378 0,504 | 0,629 | 0,755 0,881 | 1,007 | 1,183 85 | 0,197 | 0,253 | 0,380 0,507 | 0,633 | 0,760 0,888 1,014 | 1,140 90 | 0,127 | 0,255 | 0,382 | 0,510 | 0,637 | 0,765 | 0,893 | 1,020 | 1,148 95 | 0,198 | 0,257 | 0,385 | 0,513 | 0,641 | 0,770 | 0,898 | 1,026 | 1,155 800 0,129 | 0,258 | 0,387 0,516 0,646 ! 0,775 | 0,904 ! 1,033 | 1,162 Druck der Luft. 305 Die Anwendung dieſer Tabelle wird ſich am beſten durch ein Beiſpiel zeigen laſſen. Zu Gießen wurde am 13. Mai ein Barometerſtand von 747,5 Mmetern beobachtet. Die Temperatur des Queckſilbers im Barometer und der meſ⸗ ſingenen Scala gab ein am Inſtrument befindliches Thermometer zu 180, an. Es wäre alſo, wenn wir die Länge der Scala auf die Temperatur von Oo reduziren, der Barometerſtand 540004186 7475 54018,6 54000 54000 Reduziren wir jetzt die Länge der Queckſilberſäule auf die Temperatur von O0, jo iſt 5550 5550 5550-186 747,758 2 2 55686 747,158—745,26. Führen wir nun die beiden Correcturen auf einmal mit Hülfe unferer Tabelle aus. Dazu ſuchen wir zuerſt in der mit „Barometerſtand“ überſchrie⸗ benen Vertikalſpalte 747 auf, und nehmen, weil dieſe Zahl ſich nicht findet, die zunächſtliegende 745. Dann fahren wir in der Horizontalſpalte, deren erſtes Glied 745 bildet, fort und nehmen die Correctur für 1%, Dieſe beträgt 0,120; dieſe Zahl multipliziren wir mit 10, um vorerſt die Correctur für 10° zu erhalten. 747,5— 747,758 Letztere beträgt alſo a 1,200 In der nämlichen Spalte finden wir die Cortectur für go ; 0,962 und für 0,6=0,721 . 0,1 = 5 5 ? h 0,072 Die Geſammtverbeſſerung für 180,6 Geteägt alfo ! 2,234 Dieſe ziehen wir von dem beobachteten Barometerſtand — 747,5 Mmeter ab und erhalten dann den corrigirten Barometerſtand 747,5 — 2,234 745,266. Die kleine Differenz von 0,006 rührt daher, weil wir in unſerer Tafel für 747,5 geradezu 745 haben gelten laſſen, während, um ganz genau zu verfah⸗ ren, die Werthe für 747,5 mittelſt Interpolation zwiſchen 745 und 750 hätten geſucht werden müſſen. Liegt die beobachtete Temperatur unter 0e, jo muß, wenn man ſich der Hülfstabelle bedient, die Correctur nicht ſubtrahirt, ſondern addirt werden. 1) Beiſpiel einer barometriſchen Höhenmeſſung. Um ein Beiſpiel von der Anwendung unſerer Formel zu geben, wollen wir den Höhenunterſchied zwiſchen Gießen und der Spitze des drei Stunden von dieſer Stadt liegenden Dünsberges berechnen. Am 13. Mai beobachtete man den Stand des Barometers zu Gießen 8 . b — 7475 Mm. Ne a B auf dem Dünsberg „, Heyer, Bodenkunde. 20 306 Druck der Luft. die Temperatur der Seala und des Queckſilbers im Barometer Gießen. Ä 0 1 = 1896 Dünsbergg i T 70 die Temperatur der Luft zu Gießen . . { t 1 * „ „ auf dem Dünsberg 5 E meh Wir reduziren zuerſt den Stand der Scala und des Queckſilbers im Barometer auf die Temperatur von 00. Für die Station Gießen iſt dies bereits oben geſchehen, wir fanden 5 b b = 745,266 Mm. Für den Barometerſtand der Station Dünsberg beträgt die Correctur: für 10% ai. 1,150 u „ o 0,023 Zuſammen 1,750 Daher corrigirter Barometerſtand —= 717,0—1,750 = 715,250 Mm. Es iſt alſo der geſuchte Höhenunterſchied MN = 33,666 (546-L14,8 718,3) (log. 745,266 — log. 715,250) = — 33,666. 579,1 (log. 745,266 — log. 715,250) und log. MN = log. 33,666 + log. 579,1 blog. (log. 745,266 —log. 715,250) — 2,5416660, alfo MN = 349 Meter. 4 8) Einrichtung der zur Höhenmeſſung beſtimmten Baro— meter. Von den verſchiedenen Barometerſorten eignet ſich allein das Heber⸗ barometer zum Höhenmeſſen. Es muß nur noch eine Vorrichtung an dem⸗ ſelben angebracht werden, um das Ausfließen des Queckſilbers aus dem offenen Schenkel beim Transport zu verhüten. Gay⸗Luſſae ſchmilzt zu dem Ende den kürzern Schenkel der Barometer⸗ Fig. 131. röhre oben zu und läßt ſeitwärts (Fig. 131.) eine ganz feine Oeff⸗ a MN nung, durch welche zwar die Luft eintreten, aber das Queckſilber nicht entweichen kann. Beim Transport kehrt man das Inſtru⸗ ment um, ſo daß der kürzere Schenkel vollſtändig von Queckſilber erfüllt iſt. 1 Eine andere Vorrichtung, welche gleichfalls ſehr gute Dienſte 0 leiſtet, iſt folgende. Die Röhre des kürzeren Schenkels beſteht aus zwei Theilen, welche durch einen eiſernen Würfel mit einander verbunden ſind. Der Würfel iſt zweifach durchbohrt, einmal in der Richtung der Barometerröhre (um die Communication der beiden Theile des kürzeren Schenkels herzuſtellen), zum andern ſenkrecht auf die vorige Richtung. In die letztere Oeffnung iſt ein eiſerner Hahn eingelaſſen. Will man das Barometer zum Trans⸗ Barometriſche Höhenmeſſung. 307 port herrichten, ſo neigt man es, bis das Queckſilber den langen Schenkel erfüllt, und ſchließt dann den Hahn zu. Damit aber das Queckſilber noch etwas Spielraum habe, wenn es ſich bei zunehmender Wärme ausdehnt, iſt an dem Theile des Hahns, welcher ſich innerhalb der Durchbohrung des Würfels befindet, ein Stück Kautſchouk eingelaſſen. Jedes gute Barometer enthält noch ein Thermometer, um die Tempe⸗ ratur der Seala und des Queckſilbers in der Barometerröhre zu beſtimmen. Das Ganze iſt in eine Hülſe von Holz gegeben, welche mit einem Deckel verſchloſſen werden kann. Fig. 132. ; Abgekürztes Barometer von Kopp. - Dieſes Inſtrument arbeitet nicht mit der Genauig- keit, wie das vorhin beſchriebene Heberbarometer; dagegen hat es den Vorzug einer größern Trans⸗ portabilität, weil es nur 0,3 Meter lang iſt und ſich mit ſeinem Gehäuſe in eine Rocktaſche ſtecken läßt. Das Kopp'ſche Barometer (Fig. 132.) beſteht aus einer kürzern oder längern Glasröhre a und b, welche durch eine gebogene engere Röhre e von demſelben Material verbunden ſind. In die Röhre a paßt ein Kolben d; die Röhre b enthält immer noch eine engere Glasröhre e, welche 6 Centimeter von ihrem untern Ende mit einem Platindraht um⸗ wickelt iſt, deſſen eine Spitze m ein wenig tiefer, als die andere n ſteht. Die Röhre e iſt graduirt. Zwiſchen a und b befindet fich ein kleines Ther⸗ mometer f, welches noch + 50% und — 300 anzeigt. Die Röhre e iſt mit Queckſilber gefüllt; dieſes ragt auch noch eine kleine Strecke mit in a und b „ hinein. Zieht man den Kolben d in die Höhe, ſo tritt das Queckſilber aus b gänzlich heraus und b füllt ſich mittelft der Oeff⸗ nung bei e mit Luft. Drückt man jetzt den Kolben d wieder abwärts, jo ſteigt das Queckſilber in b auf, wird aber durch den Druck der in der Röhre b eingeſchloſſenen Luft (die nicht entweichen kann, weil b oben feſt verſtopft iſt) in die Röhre e hineingetrieben. Offenbar ſteigt das Queckſilber in e um ſo höher, je größer die Dichtigkeit der in b befindlichen Luft iſt. Um den Stand unſeres Inſtrumentes auf denjenigen eines großen Ba⸗ rometers beziehen zu können, iſt es durchaus nöthig, daß in der Röhre b bei jedem Verſuch ein gleich großes Volumen Luft abgeſperrt wird. Um dieſe Bedingung zu erfüllen, drückt man den Kolben ſo weit abwärts, bis der Spie⸗ gel des Queckſilbers in der Röhre b die Spitze m erreicht und lieſt dann die Höhe ß des Queckſilberhubs an der Scala der Röhre e ab. Drückt man jetzt den Kolben nochmals etwas tiefer, ſo kommt das Queckſilber in der Röhre b a 20 * [2 308 Druck der Luft. bis an die Spitze n zu ſtehen, gleichzeitig ſteigt es aber in e etwas höher als das erſte Mal, nämlich bis 8“. So geftattet alſo die Vorrichtung der zwei Spitzen, zwei ſich controlirende Meſſungen kurz hinter einander vorzunehmen. ; Die Reduction auf den mittelft eines großen Barometers beobachteten Barometerſtand geſchieht einfach in der Weiſe, daß man ein für alle Mal das Verhältniß von 8 und 8“ zu dem gleichzeitig ſtattfindenden wirklichen Baro⸗ meterſtand B feſtſtellt. Es iſt B . N = 5 Hätte man nun ein anderes Mal an dem Kopp'ſchen Inſtrument den Stand des Queckſilbers in der Röhre e gleich 8“ und 6“ gefunden, ſo wäre der wirkliche Barometerſtand BS DDR CI —B 3 6“ oder und B — Get * ) 2 Die Coefficienten e und c“ theilt der Mechanikus, von welchem das Inſtru⸗ ment bezogen wird, mit. Das Kopp' ſche Barometer iſt gewöhnlich auf ein hölzernes Brettchen be⸗ feſtigt, welches zugleich den Deckel eines Käſtchens bildet. Paßt man den Deckel ein, ſo befindet ſich der Glasapparat im Innern des Käſtchens. Da das abgekürzte Barometer den Luftdruck nur bis auf 2—3 Mmeter genau angibt, ſo iſt es zur Beſtimmung kleinerer Höhendifferenzen nicht an⸗ wendbar; größere laſſen ſich mit ihm nur dann ermitteln, wenn man ſich einen = von 20 bis 30 Metern gefallen laſſen will. Regeln für die zum Zweck der Höhenmeſſung an zuſtel⸗ lenden barometriſchen Beobachtungen. Wir haben oben geſehen, daß der Stand des Barometers fortwährenden Schwankungen unterworfen iſt. Soll die mittelſt dieſes Inſtrumentes abge⸗ leitete Höhendifferenz zweier Orte ihrem wahren Werthe entſprechen, ſo iſt es deßhalb nöthig, daß die Beobachtungen zu gleichen Tagesſtunden angeſtellt werden. Steht aber nur ein Barometer zur Verfügung, ſo eile man ſogleich von dem einen Orte zum andern und bringe, wenn der Unterſchied zwiſchen den Beobachtungszeiten beträchtlich iſt (z. B. mehrere Stunden beträgt), eine nach dem täglichen Gang des Barometers zu bemeſſende Correctur an der einen oder andern Beobachtung an. Bei abnormen Witterungsverhältniſſen z. B. bei ſtarkem Wind, bei Ge⸗ wittern, bei Hagel ꝛc. darf keine barometriſche Höhenmeſſung vorgenommen werden, weil unter dieſen Umſtänden die Schwere der über den beiden Beob⸗ 5 6 Barometriſche Höhenmeffung. - 309 achtungsorten laſtenden Luftſäulen nicht blos von der Meereshöhe ab- hängt. Das genaueſte Reſultat erhält man immer, wenn man den mittlern jähr⸗ lichen Barometerſtand der Rechnung zu Grunde legen kann. Wenn blos eine oder nur wenige Beobachtungen angeſtellt werden kön⸗ nen, dann dürfen die beiden Orte nicht weit von einander entfernt liegen, weil man ſonſt nicht darüber verſichert ſein kann, ob nicht zur Zeit der Beobach⸗ tung verſchiedene Witterungsverhältniſſe an den beiden Stationen geherrſcht haben. Auch müßte dann unter Umſtänden die mit wachſender Polhöhe zu: nehmende Schwere der Luft in Rechnung gezogen werden. Die Verminderung, welche die Schwere der Luft mit der Erhebung über die Meeresfläche erfährt, kann immer außer Acht gelaſſen werden, weil die Höhendiſtanzen, welche wir meſſen, nicht jo beträchtlich find, daß die Vernachläſſigung dieſer Veränderlich— keit der Schwerkraft einen bemerkenswerthen Fehler im Reſultate der Rechnung zu verurſachen im Stande wäre. Angewandter Theil. Gegenſeitiger Einfluß des Bodens und des Klima's einerſeits und der Waldvegetation anderſeits. Erſter Titel. Wirkung der einzelnen Factoren des Bodens und des Klima's. Zehntes Buch. Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. Erſter Abſchnitt. Von der Keimung. Der Einfluß, den die Beſtandtheile der Luft auf die Vegetation ausüben, macht ſich ſchon bei der Keimung geltend. Man verſteht unter dieſer dieje⸗ nige Entwicklung des Samens, welche die Entſtehung einer neuen W zur Folge hat. 1. Beſtandtheile des Samens. Die Samen unſerer Waldbäume enthalten ſämmtlich die Anlage zu der neuen Pflanze, beſtehend in dem Würzelchen (Radicula) und der Stamm⸗ knoſpe (Plumula), welche aber häufig nicht deutlich ausgebildet iſt und ſich dann auf einen bloßen Vegetations-Punet reduzirt, wie es z. B. bei der Buche und Eiche der Fall ift, während die Plumula der Haſelnuß ſchon Blätter, die⸗ jenige der Wallnuß ſchon einen Trieb mit Seitenknoſpen zeigt. Außer der Stammknoſpe und dem Würzelchen enthalten aber die Samen noch die ſoge⸗ nannten Samenlappen oder Cotyledonen, und dieſe füllen bei manchen Sa⸗ men, wie z. B. der Eiche, Buche, Roßkaſtanie, Wallnuß 2c. den größern Theil Bon der Keimung. 311 des Fruchtgehäuſes aus. Alle Laubholzarten, ſowie die Eibe, enthalten nur zwei Samenlappen, die übrigen Nadelhölzer dagegen deren mehrere, z. B. die Kiefer und Tanne 5—7, die Fichte 6—10. Würzelchen, Stammknoſpe und Samenlappen ſind bei manchen Samen noch einmal von einer weichen, weißen oder gelblichen Schichte, dem Sa- meneiweiß, umgeben, welches mit der Anlage zu dem neuen Pflänzchen durch die Spitzen der Samenlappen oder Keimblätter in Verbindung ſteht. Dieſes Sameneiweiß oder Albumen beſitzen die Nadelhölzer, das Getreide ze. Sowohl in der Radicula und Plumula, als auch ganz beſonders in den Samenlappen und in dem Sameneiweiß hat die Natur alle diejenigen Stoffe niedergelegt, welche das junge Pflänzchen zu ſeiner erſten Entwicklung und ſo lange bedarf, bis es ſich ſelbſtſtändig ernähren kann. Dieſe Stoffe ſind: a. eine ſtickſtofffreie Subſtanz — Stärkemehl (Amylon), Dextrin, oder in deren Vertretung ein Oel. b. eine ſtickſtoffhaltige Materie. Fig. 133. Das Stärkemehl kommt in größter Menge in den Samenlappen der nicht ölhal⸗ tigen Samen, z. B. in den Roßkaſtanien, Eicheln vor, ohne daß es in jenen ganz fehlte. Die Cotyledonen der Buche, von denen Fig. 133 ein kleines Stückchen bei 200 maliger Vergrößerung zeigt, enthalten eine nicht un⸗ beträchtliche Menge Amylon; es iſt hier in den Zellen zerſtreut in kleinen Kügelchen ent⸗ N halten, die in unſerer Figur durch ſchwarze IS Pünetchen vorgeftellt find. Im Würzelchen ICH. nn . a) der Buchel dagegen nimmt das Stärkemehl nur einige genau begrenzte Zel⸗ lenſchichten ein. Fig. 134 zeigt einen Schnitt durch die Radicula, parallel der Axe, bei 20 facher Vergrößerung, Fig. 135 einen Querſchnitt nach der Linie AB, Fig. 134. Fig. 135. 312 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. Fig. 136 einen Theil des letztern bei 200 facher Vergrößerung. Zwei bis 4 Reihen beinahe viereckiger Zellen (b) am äußern Rande enthalten die Stick⸗ ſtoffmaterie, dann kommen viele faſt kreisrunde Zellen a, in welchen ſich Stärkemehl befindet (e zeigt eine ſolche Zelle mit Stärkemehlkörnern, ſtär⸗ ker vergrößert). Hierauf folgen die viel kleinern ſogenannten Cambiumzellen b, welche wieder mit ſtickſtoffhaltiger Materie gefüllt ſind und dann wie⸗ der Amylon- führende rundliche Zellen a, die ſich bis zum Mittelpunkt erſtrecken. Die Formen, unter welchen das Stärkemehl in den Samen auftritt, ſind überaus mannigfach. In der Buchel z. B. erſcheint es in ſehr kleinen Kügelchen, in der Roßkaſtanie dagegen in viel größern, meiſt birnförmigen Partikelchen, die aus concentriſch gelagerten Schichten zu beſtehen ſcheinen. Das Stärkemehl iſt eine Verbindung von Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſerſtoff. Nach Aequivalenten berechnet drückt ſich ſeine Zuſammenſetzung durch die Formel Cs H, Os aus. Sauerſtoff und Waſſerſtoff find alſo in ihm im Verhältniß zur Waſſerbildung vereinigt, ohne daß man übrigens ſa⸗ gen könnte, es ſei eine Verbindng von Kohlenſtoff mit Waſſer. Die prozen⸗ tiſche Zuſammenſetzung iſt: Kohlenſtoff 44,91 Waſſerſtoff 6,11 Sauerſtoff 48,98 100,00 Von Jod wird das Stärkemehl tiefblau gefärbt; es läßt ſich durch die⸗ ſes Reagens ſehr leicht in den Pflanzen entdecken. Das Dextrin ſchließt ſich in ſeiner Zuſammenſetzung an das Stärke⸗ mehl an; der prozentiſche Gehalt an Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſerſtoff ift genau der nämliche; dagegen zeigen die Verbindungen, welche das Dextrin mit andern Körpern eingeht, die doppelte Aequivalentenzahl, weßhalb man die Formel des Dextrin's — Ci H10 O10 ſchreibt. Die Oele find theils fette, theils flüchtige. Die Grundlage von erfte- ren bilden drei Stoffe, das Elain oder Olein, das Stearin und das Marga⸗ rin. Man nimmt an, daß dieſelben Verbindungen einer Säure mit einer Ba⸗ ſis — dem Glycerin ſeien. Hiernach wäre z. B. Stearin S ſtearinſaures Glycerin. Es iſt Elainſäure — C44 Hao 04, Stearinſäure — Ces Iss 05, Margarinſäure — Cog Hes O6, Glycerin = Cs HA O0. 5 Keimung. 313 Die fetten Oele theilt man in trocknende und nicht trocknende. Zu er- ſtern gehören das Fichten- und das Wallnußöl, zu letztern das Bucheckern⸗ und das Hajelnußöl. Von den flüchtigen Oelen unterſcheidet man ſauerſtofffreie und ſauerſtoff⸗ haltige. Unter den ſauerſtofffreien Oelen, deren Zuſammenſetzung durch die Formel Cs 4 ausgedrückt iſt, verdient ganz beſonders das Terpenthinöl we— gen feines häufigen Vorkommens genannt zu werden. Die Samen der Na⸗ delhölzer verdanken ihren aromatiſchen Geruch hauptſächlich dieſem Oel. Das Oel iſt, wie das Amylon, in Zellen eingeſchloſſen. Es tritt in dieſen in um ſo größerer Menge auf, je mehr das Amylon fehlt. Die Zellen der Cotyledonen der Buchel ſind ganz mit einem hellgelben Oel erfüllt, die Samen der Nadelhölzer mit einem mehr weißlichen Oel. Die ſtickſtoffhaltigen Materien, welche in den Samen vorkommen, gehören in die Gruppe der Proteinkörper. Sie beſtehen aus Kohlenſtoff, Sau⸗ erſtoff, Waſſerſtoff, Stickſtoff, Schwefel und (häufig auch) Phosphor. Die beiden letztgenannten Elemente treten in ihnen nur in verhältnißmäßig ge⸗ ringen Quantitäten auf, ſind aber mit den drei übrigen Beſtandtheilen ſo feſt verbunden, daß man ſie nicht von ihnen trennen kann, ohne die Zuſammen⸗ ſetzung der Proteinkörper gänzlich aufzuheben. Es exiſtirt alſo z. B. kein ſchwe⸗ felfreies Protein. In den Samen finden ſich die Proteinkörper theils als eine körnige Ma⸗ terie in den Zellen (namentlich den an die Samenſchale angrenzenden) abge⸗ lagert, theils gelöſt in dem Zellſaft vor. Sie laſſen ſich in beiden Fällen leicht an der roſenrothen Farbe erkennen, welche ſie annehmen, wenn man ſie mit concentrirter Schwefelſäure und Zucker behandelt. Einige zeigen noch weiter die Reaction, daß fie ſich in Berührung mit Salzſäure nach einiger Zeit blau färben. Alle Proteinkörper unterſcheiden ſich von den ſtickſtofffreien Subſtanzen, welche wir vorhin aufgeführt haben, ſehr weſentlich durch ihre complizirte Zu— ſammenſetzung; und es hängt von dieſer wahrſcheinlich die Fähigkeit der Pro— teinkörper ab, ſich ſehr ſchnell zu zerfegen, wenn fie des Einfluſſes der Lebens— kraft beraubt und mit der Luft in Verbindung gebracht werden (Verletzen der Samenſchale von Früchten, Zerquetſchen der Zellen ꝛc.) Die wichtigſten Proteinkörper, welche in den Samen vorkommen, ſind folgende: a. Das Pflanzen-Eiweiß oder Albumin = C400 Hzıo Nso 0120 + P + 8, wobei aber P und S blos die Gegen— wart von Phosphor und Schwefel anzeigen und nicht etwa Aequiva⸗ lentenverhältniſſe vorſtellen ſollen. Das Albumin iſt löslich in Waſſer, gerinnt aber bei einer Temperatur von ungefähr 700. Es kommt vor⸗ züglich in den ölhaltigen Samen vor. 314 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. b. Das Pflanzenkaſein oder der Pflanzenkäſeſtoff unterſcheidet Das Pflanzenfibrin hat die nämliche Formel, ſich von vorigem ſeiner chemiſchen Zuſammenſetzung nach nur durch das Fehlen des Phosphors. Das Caſein iſt gleichfalls in Waſſer lös⸗ lich; beim Erhitzen gerinnt die Auflöſung aber nicht, ſondern zieht nur eine Haut an der Oberfläche; durch die Schleimhaut des Kälbermagens wird es durchaus zum Gerinnen gebracht. Es findet ſich neben Albu⸗ min in den ölhaltigen Samen z. B. den Haſelnüſſen, aber auch in den Samen der Leguminoſen, z. B. der Robinien, der Beſenpfrieme. Liebig wies nach, daß das früher als eine eigenthümliche Subſtanz unterſchie⸗ dene Legumin mit dem Caſein identiſch ſei. wie das Albumin, enthält aber etwas mehr Schwefel, als dieſes. Es iſt im Pflanzenſaft blos unter dem Einfluß der Lebenskraft gelöſt, ſcheidet ſich aber ſogleich in Form eines gelatinöſen Niederſchlags ab, wenn der betreffende Pflan⸗ zentheil zerſtört, alſo z. B. die Zelle, in der es enthalten iſt, geöffnet wird. Das Fibrin kommt in größter Menge in den Samen der Cerea⸗ lien neben Pflanzenleim vor, welcher ihm klebende Eigenſchaften ver⸗ leiht, weßhalb es denn auch Kleber genannt wird. Der Pflanzen⸗ leim theilt die Zuſammenſetzung des Fibrins, er iſt in Waſſe 2 5 In den ölhaltigen Samen tritt er häufig neben Albumin a Um zu zeigen, in welchen Quantitäten die vorbemerkten Stoffe in den Samen vorkommen, theilen wir die Analyſen der Eicheln und der Roßkaſtanie mit. Früchte von Quercus Robur Früchte von Aesculus Hippocastanum nach Brande nach Hermbſtädt Stärkemehl 20,28 Stärkemehl 35,42 Pflanzenleim 18,00 Eiweiß 17,19 Gerbſäure 2,86 Gummi 13,54 Faſer 7,15 Fettes Oel 1,21 Extraetipſtoff 51771 Faſer 19,78 und Waſſer b Extractivſtoff 11,45 100,00 98,59 In den Samen der Fichte finden ſich anſtatt des Stärkemehls bis 24 Prozente Oel. 2. Chemiſche Veränderungen, welche die Beſtandtheile der Samen bei der Keimung erleiden. Bei einer gewiſſen Temperatur, und wenn die Samen mit Feuchtigkeit und Sauerſtoff in Berührung ſich befinden, beginnt eine merkwürdige Ver⸗ änderung mit den Stoffen vor ſich zu gehen, welche in den Samen abgela⸗ gert ſind. Der Sauerſtoff, mag dieſer nun aus der Luft, oder irgendwo anders Keimung. | 315 herrühren, tritt zuerſt an die ſtickſtoffhaltige Subſtanz (ſ. S. 64) und leitet bei ihr einen Zerſetzungsprozeß ein, während die ſtickſtofffreien Materien, wie Amylon und Dextrin wegen ihrer einfacheren Zuſammenſezung dem Angriffe des Sauerſtoffs Widerſtand leiſten. In Folge des jo eben erwähnten Zerſetzungsprozeſſes bildet ſich Kohlen— ſäure. Die Luft, welche die Samen umgibt, ändert dabei ihr Volumen nicht, weil die Kohlenſäure den nämlichen Raum einnimmt, welchen der in ihr ent— haltene Sauerſtoff für ſich behauptet haben würde. Der Stickſtoff der Pro- teinſubſtanzen vereinigt ſich mit dem Waſſerſtoff zu Ammoniak. Folgende Zah— len, welche ſich aus einem Verſuche ergeben, den Bouſſingault mit Erbſen anſtellte, machen das Verhältniß, in welchem die Elementarbeſtandtheile bei der Keimung abnehmen, anſchaulich. Erbſen Gramme Kohlenſtoff Waſſerſtoff Sauerſtoff Stickſtoff Erden u. Salze vor dem Keimen 2,237 1,040 0,137 0,897 0,094 0,069 nach dem Keimen 1,075 0472 0065 0397 0072 0,069 Veerluſt 1,162 0,568 6,072 0,500 6,022 0,000 Wie ſchon früher bei einer andern Gelegenheit (S. 64) auseinander— geſetzt wurde, überträgt ſich die Bewegung, in welche die Atome des ſtickſtoff— haltigen Körpers durch die Verbindung mit dem Sauerſtoff gerathen, auf die ſtickſtofffreie Subſtanz. Das Amylon geht dadurch in Dextrin en indem ſich je zwei Aequivalente des erſteren vereinigen. eee ai > 3 5 2 Stärke — C13 Hie Oo — 1 Derkrin. Ganz reines Amylon wird für ſich allein und ohne Gegenwart einer ficftoff- haltigen Subſtanz niemals in Dextrin verwandelt. Der eben dargeſtellte Prozeß läßt ſich ſehr leicht an einem Samen ver⸗ folgen, welcher, wie z. B. die Roßkaſtanie, viel Stärkemehl enthält. Hat man der Kaſtanie die Bedingungen zur Keimung gegeben und unterſucht man die— ſelbe von einem Tage zum andern unter dem Mieroſcop, ſo findet man, daß die Zahl der Stärkemehllörner nach und nach abnimmt und daß an ihre Stelle eine ſchleimige Subſtanz, Dextrin, tritt. Unmittelbar aus dem Dextrin kann ſich die Membran zu neuen Zellen entwickeln, denn dieſe beſitzt genau die Zuſammenſetzung von jenem, nämlich Ca Hio O10 In den ölhaltigen Samen iſt das Amylon durch Oel vertreten. Auch dieſes geht unter dem Einfluſſe der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz in Dextrin über. Sehr ſchön läßt ſich die Abnahme des Oelgehaltes bei den Samen der Na— delhölzer verfolgen; ſchon einige Tage, nachdem die Keimung eingeleitet wor— den iſt, verſchwindet der aromatiſche Geruch des Samens, welcher von Ter- penthinöl herrührt. In einigen Samen, z. B. denjenigen der Getraidearten erfährt das 316 Einfluß der Atmofphäre auf die Waldvegetation. Dextrin noch eine weitere Veränderung; es verwandelt ſich unter Aufnahme von zweien Aequivalenten Waſſer in Traubenzucker. Dextrin = Ci Ho 010 2 Waſſer == Ha 02 Traubenzucker — Ca Hi 012 3. Bedingungen für den Eintritt des Keimactes. Dieſe wurden bereits unter 2 angegeben. Sie ſind Sauerſtoff, Feuch⸗ tigkeit und ein gewiſſer Wärmegrad. a. Sauerſtofſ. f Warum die Keimung nicht ohne Sauerſtoff vor ſich gehen kann, läßt ſich aus dem Vorhergehenden (2) entnehmen. Der erſte Act des Keimpro⸗ zeſſes beſteht ja immer in der Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz, was auf Koſten des Sauerſtoffs geſchieht. Die Samen werden alſo auch in einer ſauerſtoffreichen Atmoſphäre raſcher keimen, als in einer an Sauerſtoff armen. Um jeden keimenden Samen bildet ſich, wie oben bemerkt wurde, eine Schichte Kohlenſäure, herrührend von der Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Ma⸗ terie. Dieſe Kohlenſäure mengt ſich nur langſam mit der umgebenden Luft, ſie ſchließt den Samen von der Berührung mit dem Sauerſtoff der letztern ab. Jedes Mittel, welches geeignet iſt, die von dem Samen entwickelte Koh⸗ lenſäure zu entfernen, muß deßhalb eine Beſchleunigung der Keimung be⸗ wirken. Sauſſure wandte zu dieſem Zweck gebrannten (ſeiner Kohlenſäure be⸗ raubten) Kalk an. Er brachte die Samen unter eine Glasglocke und ſtellte neben ſie eine Schale mit Kalk. Die Samen keimten hier viel ſchneller, als ohne dieſe Vorrichtung, unzweifelhaft aus dem Grunde, weil der Kalk die ſich entwickelnde Kohlenſäure begierig aufnimmt. 5 Es erklärt ſich aus dieſem Verſuche, warum eine ſtark mit Humus ver⸗ ſetzte Erde, welche ſonſt ſo wohlthätig auf die Vegetation wirkt, für den Keim⸗ act nicht in gleichem Maße vortheilhaft iſt. Aus dem Humus geht ja ſtets ein Strom von Kohlenſäure hervor, welcher den Sauerſtoff der Luft von dem Samen abſchließt. Der Forſtmann ſoll daher, wenn er ſeine Culturſamen auf ihre Keimfähigkeit prüfen will, nicht gerade eine humushaltige Erde ver⸗ wenden. Sand, welchem man es nicht an Feuchtigkeit fehlen läßt, wird viel ſchneller ein Reſultat liefern. . Ein Gas verbindet ſich mit den Beſtandtheilen eines feſten Körpers nie ſo ſchnell, als eine Flüſſigkeit, denn die abſtoßende Kraft, welche den Gastheil⸗ chen eigen iſt, tritt der innigen Berührung der beiden Subſtanzen hindernd in den Weg. Gelänge es, einem Samen flüſſigen Sauerſtoff zuzuführen, ſo müßte offenbar die Keimung deſſelben beſchleunigt werden. 5 Es iſt bis jetzt noch nicht gelungen, den Sauerſtoff durch Compreſſion zu verflüſſigen. Wohl kann man aber dieſes Element in einem Zuſtande dar⸗ Keimung. 317 ftellen, welcher nahe an den der Flüſſigkeit grenzt, wenn man es aus Waſſer abſcheidet, alſo den mit ihm im Waſſer verbundenen Waſſerſtoff durch ein an- deres chemiſches Agens hinwegnimmt. Man benutzt dazu die Verwandtſchaft des Chlors zum Waſſerſtoffe. Reines Waſſer wird von Chlor nur in der Siedhitze zerlegt, es entſteht 01 cl Salzſäure und Sauerſtoff wird frei. Iſt dagegen das Waſſer mit einem organiſchen Körper verunreinigt, ſo erfolgt die Verbindung des Chlors mit dem Waſſerſtoff auch bei gewöhnlicher Temperatur. Die organiſche Subſtanz beſizt nämlich Verwandtſchaft zum Sauerſtoff; indem fie ſich deſſelben zu bemächtigen ſucht, erleichtert fie dem Chlor die Trennung des Waſſerſtoffs. N 1 / > Organ. Subftanz Chlor Der im status nascens aus dem flüſſigen Waſſer freiwerdende Sau- erſtoff muß gleichſam als flüſſig angeſehen werden; er wirkt, weil er eine in- nigere Berührung geſtattet, weit kräftiger, als im gasförmigen Zuſtand. Humboldt fand, daß Samen von Kreſſe (Lepidium salivum) in Chlor⸗ waſſer in 6—7 Stunden, dagegen in gewöhnlicher Luft erſt nach 36—38 Stun⸗ den keimten. In erſterem bildeten ſie nach 15 Stunden 1,5 Mm. lange Wür⸗ zelchen, während man ſie bei den andern kaum bemerkte. Ein Teig von Braunſtein, Salzſäure und Waſſer, in welchen man die Samen legt und dann auf 620 bis 750 Celſ. erwärmt, ſoll nach Humboldt ähnliche Dienſte leiſten. Es wird nämlich hier gleichfalls Chlor entwickelt. Braunſtein iſt Manganhyperoxyd — Mn 04; bringt man ihn mit 2 Aeg. Salzſäure (Ch, Hz) und Waſſer zuſammen, fo entſteht zuerſt Manganchlorid (Mn Clz) und Waſſer (02 Ha). Ci H. + Mn 02 = Mn Ch + 02 Ha Das gebildete Manganchlorid kann als ſolches in der Hitze nicht beſtehen; es zerlegt ſich in Manganchlorür und in Chlor, welches frei wird. Mn Cu, = Mn Cl Cl In Schönbrunn brachte Humboldt die Samen von Clusea rosea, bei welchen man die Einleitung des Keimprozeſſes vergeblich verſucht hatte, mit— telſt dieſes Teigs zum Aufgehen. Verſuche, welche der Verf. mit mehrern Baumſamen anſtellte, führten zu keinem ſo günſtigen Reſultat. Bei Eicheln und Roßkaſtanien ſchien das Chlor die Keimung nur in unbedeutendem Grade zu beſchleunigen; Bucheln, Samen von Pinus sylvestris, Abies excelsa und Abies pectinata in Chlor⸗ waſſer gelegt, quollen zwar ſtark auf, keimten dagegen gar nicht. Es erklärt ſich dieſe Erſcheinung vielleicht durch den Oelgehalt der Samen. Das Oel 318 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. nimmt den Sauerſtoff begierig auf und verdickt ſich, indem ſich Harz bildet. Betrachten wir beiſpielsweiſe den Vorgang beim Terpenthinöl (C, Hy) 8 Aeq. Terpenthinöl — (Co Hy hierzu 6 „ Sauerſtoff — 00 iſt = 1 Aeg. Silvinſäure + 2 Waſſer — C40 II32 08 Denn Silvinſäure iſt C40 Hzo 04 b. Feuchtigkeit. Die Feuchtigkeit dient vor allem dazu, damit die Samen aufquellen, ihr Volumen vermehren und ſomit dem Sauerſtoff der Luft mehr Angriffspunete darbieten. Vielleicht hat aber auch die Feuchtigkeit noch eine chemiſche Wir⸗ kung; es iſt nämlich nicht unwahrſcheinlich, daß der Sauerſtoff der Luft nicht direct an den ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheil der Samen tritt, ſondern daß zuerſt das Waſſer zerlegt wird, worauf denn der aus dem letzteren freiwerdende Sauerſtoff erſt eigentlich die Zerſetzung der Proteinverbindungen im Samen vornimmt. Nach dieſer Anſicht, welche ſchon von Gmelin ausgeſprochen worden iſt, würde der Sauerſtoff der Luft ähnlich, wie das Chlor wirken. 3 2 * Org. Subſtanz O der Luft Da aber hier kein neuer Körper (Salzſäure), ſondern wieder Waſſer ent- ſteht, jo läßt ſich die Richtigkeit dieſer Theorie nicht beſtimmt nachweiſen; fie findet ihre hauptſächliche Unterſtüzung in der Frage, warum der Sauerſtoff der Luft nicht für ſich allein, ohne die Gegenwart von Belle, die Keimung veranlaſſen könne. Das Maß von Feuchtigkeit, welches die Samen zu ihrer Entfaltung be⸗ dürfen, iſt ſehr verſchieden. Einige ertragen durchaus keine Näſſe, andere, wie die Samen von Vicia, Pisum und diejenigen der eigentlichen Waſſerpflanzen bejigen die Eigenſchaft, unter Waſſer zu keimen. Sie vermögen übrigens nicht, für ſich allein das Waſſer zu zerlegen, ſondern nehmen den Sauerſtoff aus der im Waſſer gelöſten Luft. Dieſe iſt bekanntlich viel reicher an Sauerſtoff, als die gewöhnliche atmoſphäriſche Luft, ſie enthält nämlich anſtatt 21 Volum⸗ prozenten deren 32 von dieſem Gas. — Als Sauſſure Samen von Alisma Plantago und Polygonum amphibium in ausgekochtes Waſſer, welches durch Queckſilber geſperrt war, legte, fand die Keimung nicht ſtatt. Dieſes Waſſer war durch das Sieden ſeines Luftgehaltes beraubt worden. — Die Samen von Lemna erheben ſich während der Keimung an die Oberfläche des Waſſers; andere ſchwerere Samen bleiben jedoch am Boden liegen. Unreife Samen keimen oft ſchneller, als vollſtändig gezeitigte; es iſt dieſe Erſcheinung dem größern Feuchtigkeitsgehalt der erſteren zuzuſchreiben. Indeſſen iſt es nicht vortheilhaft, unreife Samen zu Culturen zu verwenden, weil in dieſen, wie ſpäter ausführlich nachgewieſen werden ſoll, noch zu wenig Keimung. 319 Amylon, Dextrin oder Oel gebildet ift. Auch find unreife Samen, eben we⸗ gen ihres größeren Feuchtigkeitsgehaltes, mehr dem Faulen ausgeſetzt. Das Bedecken der Samen mit Erde nach der Ausſaat hat nicht blos zum Zweck, dieſelben gegen die Nachſtellungen der Thiere (Vögel, Mäuſe ꝛe.) zu ſchützen, ſondern es geſchieht, und zwar hauptſächlich, in der Abſicht, um ihnen die zur Keimung erforderliche Menge Feuchtigkeit zu ſichern. Deßhalb verlangen die Samen in leichtem, zur Austrocknung geneigtem, Boden (z. B. Sand) eine ſtärkere Bedeckung, als in bindendem Erdreich (z. B. Thon). Bringt man aber die Samen zu tief unter, ſo keimen ſie gar nicht mehr, weil ſie dann von dem Sauerſtoff der Luft abgeſchloſſen ſind. Unterſuchungen über die zweckmäßigſte Tiefe, in welche die Samen einzulegen ſind, nach Maßgabe der verſchiedenen Bodenarten, wären ſehr wünſchenswerth. Ein Verſuch mit Ahornſamen, welchen Klauprecht in Carlsruhe anſtellte, gab folgendes Reſul⸗ tat. Oben aufgeſäet — der Boden war eine ſandige Gartenerde — keimte der Samen zwar verhältnißmäßig ſchnell, die Pflänzchen litten aber nachher von Trockniß und gingen der Mehrzahl nach ein. Einen Zoll unter der Erde entwickelten ſich die Pflanzen ſchon kräftiger, bei zwei Zollen am ſchönſten, bei drei Zollen dagegen blieben viele aus. Schleiden hat Verſuche mit Sa⸗ men von Agrieulturgewächſen vorgenommen. Leinſamen keimte bei 5 Zoll Erdbedeckung gar nicht mehr, Weizen entwickelte ſich von 1 bis 3 und 4 Zoll immer kräftiger, je tiefer er lag, von 5 bis 7 Zoll dagegen immer küm⸗ merlicher. Bei 7 Zoll blieben die Pflanzen ohne Aehren, bei 8 Zoll keimten ſie gar nicht mehr. Wie ſchon bemerkt, iſt ein zu tiefes Unterbringen der Samen aus dem Grunde nachtheilig, weil dieſelben dann nicht die zur Keimung erforderliche Quantität Sauerſtoff erhalten, aber nicht etwa deßhalb, weil der Keimprozeß nur bei Gegenwart des Lichtes vor ſich gehen könnte. Wir ſehen ja, daß die Samen ſich ganz im Dunkeln entfalten. Auf der andern Seite iſt aber auch die von Sennebier ausgegangene Anſicht, daß das Licht der Keimung ſchädlich ſei, nicht richtig. Sauſſure ließ Samen unter zwei Recipienten keimen, von denen der eine durchſichtig war, während der andere nur ein zerſtreutes Licht durchließ. Beide Samen entwickelten ſich gleich kräftig. Wenn alſo die Kei⸗ mung bei direct einfallendem Lichte gehindert wird, ſo iſt die Urſache davon nicht in dem Lichte ſelbſt, ſondern in der Wärme zu ſuchen, welche das Licht begleitet. Gar oft erſcheinen nach einer Lockerung des Bodens, nach dem Roden der Bäume ꝛc. an manchen Orten Pflanzen, welche ſonſt hier fehlten. So überziehen ſich z. B. auf dem Kieſelſchiefer des Heſſiſchen Rodhargebirges die Böſchungen von neu angelegten Wegen mit Digitalis purpurea (dem rothen Fingerhut), auch wenn dieſe Pflanze in weiter Entfernung nicht vorkommt. Man muß annehmen, daß die Samen des Fingerhutes von früherer Zeit her in der Erde lagen und durch die Bedeckung mit Laub, Humus, Erde u. ſ. w. 320 Einfluß der Atmofphäre auf die Waldvegetation. am Keimen gehindert waren. Auch bei Spartium scoparium (der Beſen⸗ pfrieme) und bei Senecio vulgaris (der gemeinen Kreuzwurz) hat man in derſelben Gegend, ſowie im Odenwalde die nämliche Bemerkung gemacht. Bohutinsky beobachtete in Böhmen das plötzliche Erſcheinen und Ueberhand⸗ nehmen von Himbeeren auf abgetriebenen Schlägen, in denen vorher keine Himbeere zu ſehen war. Er brachte Erde aus 300 jährigen Buchen-, Tannen⸗ und Fichtenbeſtänden in Miſtbeete und nach 3 Wochen ſproßten die Sanne hervor. e. Wärme. Der Keimprozeß iſt von vorn herein blos chemiſcher Natur; der Sauer⸗ ſtoff vereinigt ſich mit der ſtickſtoffhaltigen Subſtanz, und hierzu iſt, wie bei jeder andern chemiſchen Verbindung, eine beſtimmte Temperatur unerläßlich. Nach den Unterſuchungen von Edwards und Colin keimen Getraideſamen nicht mehr bei einer Temperatur, welche niedriger, als 505 R. liegt. Hohe Kälte grade ſchaden den gehörig abgetrockneten und noch nicht gekeimten Samen gar nicht, oder doch weit weniger, als eine geſteigerte Hitze. Nach den beiden genannten Naturforſchern keimt Getraide nicht mehr bei einer Temperatur, welche + 360 R. überſteigt, wenn ſchon bei dieſer Temperatur die Keimkraft ſich noch nicht verliert. In heißem Waſſer wird die letztere ſchneller zerſtört, als in Dämpfen oder in trockener Luft von der nämlichen Wärme, wahr⸗ ſcheinlich deßhalb, weil die Berührung des Waſſers mit den Samen inniger iſt, als die von Dämpfen oder Gaſen. | Ueber die Grenzen der Temperaturen, bei welchen die Samen der Wald⸗ bäume noch keimen, ſind bis jetzt noch keine directen Unterſuchungen angeſtellt worden. Wir führen die Frühlingsſaaten gewöhnlich im März und April aus, und in dieſen Monaten herrſcht im mittlern Deutſchland eine Temperatur von durchſchnittlich 4 bis 12 Graden. Vielleicht bedürfen die Samen von denjenigen Holzarten, deren Blätter ſpät austreiben, einer größern Wärme — doch iſt dies blos eine Vermuthung, deren Beſtätigung von genaueren Unter⸗ ſuchungen abhängt. — Wird Nadelholzſamen bei einer Temperatur unter 44° C. ausgeklengt, fo leidet feine Keimkraft nicht, bei Anwendung einer grö⸗ ßern Wärme findet aber eine zu große Austrocknung ſtatt, welche ihm We theilig wird. Der Verlauf des Keimactes iſt von einer gewiſſen Wärmeſumme ab⸗ hängig, welche während dieſer Periode eintreten muß. Deßwegen keimt in Schweden das Getraide im April geſäet in 16 — 18, im Mai in 8—9, im Juni in 6—7 Tagen. — Da die Frühlingswärme nur allmählig in den Bo⸗ den eindringt, ſo brauchen die Samen in der Tiefe mehr Zeit zum Keimen, als nahe unter der Bodenoberfläche. Nach den Verſuchen von Schleiden be⸗ trug bei Getraide und Hülſenfrüchten der Unterſchied im April 10 — 14, im Juni 4—7 Tage. So wenig die Samen ſelbſt von Froſt zu leiden haben, um ſo empfind⸗ — 1 Keimung. 119 321 licher find dieſelben, wenn das Würzelchen fich bereits entwickelt hat. Ueberall da, wo Fröfte zu fürchten find, wie in naſſen Lagen, an Südoſtſeiten u. |. w. ſollte man deßhalb die Frühjahrsſaat, bei welcher die Samen ſpäter auflau⸗ fen, der Herbſtſaat vorziehen. Diejenigen Samen, welche man gewöhnlich nicht obenauf ſäet, ſondern ſorgfältig mit Erde bedeckt, wie Eicheln, Kaſtanien, Welſchnüſſe, Bucheln, Ahorne ꝛc. laſſen ſich vor dem frühen Keimen dadurch ſchützen, daß man ſie etwas tiefer unterbringt. Vor Allem iſt aber darauf zu ſehen, daß ſie nicht hohl zu liegen kommen; hat man z. B. Eicheln unterge⸗ pflügt, ſo muß der Boden noch einmal mit einer Walze oder einer umgekehr⸗ ten Egge überfahren werden. Denn im Boden pflanzt ſich eine Abnahme der Temperatur viel langſamer fort, als in der Luft, weil die kältern Luft⸗ ſchichten ſchwerer find, als die wärmeren und jene, in Folge der Verſchieb⸗ barkeit der Gastheilchen, zu Boden ſinken können. 4 Dauer der Keimkraft. Einige Samen verlieren ihre Keimkraft ſehr ſchnell, wie z. B. Eicheln und Bucheln; andere, zu denen vorzüglich die Getraidearten und auch einige ölhaltige gehören, bewahren ſie lange Zeit. Getraide, welches man aus Egyp⸗ tiſchen Mumien genommen hatte, ließ ſich noch zum Keimen bringen, obgleich es ein Alter von beinahe 3000 Jahren erreicht hatte. Im Durchſchnitt er⸗ halten ihre Keimfähigkeit: Eicheln und Bucheln ½, Hainbuchen 3—4, Kiefern 2—3, Fichten 5—6, Tannen ½—1½, Lärchen 2—3, Rüſtern, Erlen und Birken /½—1½, Ahorn und Eſchen 2—3 Jahre. Doch hängt die Dauer der Keimkraft ſehr von der Behandlung der Sa⸗ men und der Methode der Aufbewahrung ab. Unreife Samen verlieren ihre Keimfähigkeit ſehr ſchnell, wegen ihres größern Waſſergehaltes, der den Ein⸗ tritt von Fäulniß veranlaßt. Einige Samen, wie z. B. diejenigen von Bir⸗ ken, Obſttreſter ꝛc., erhitzen ſich, auf Haufen gefchichtet, ſehr ſchnell und büßen dann an geimkraft ein. Es beginnt nämlich, ſo lange dieſe Samen noch das volle Maß ihrer natärlichen Feuchtigkeit enthalten, in Berührung mit dem Sauerſtoff der Atmoſphäre ſogleich die Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen Sub⸗ ſtanz, der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff der letztern verbrennt gleichſam mit dem Sauerſtoff der Luft und die dabei auftretende Wärme kann bedeutend werden, wenn viele ſolcher Samen dicht auf einander liegen. Dieſer nachtheiligen Er⸗ hizung begegnet man, indem man die Samen dünn ausbreitet und öfters umſchaufelt. Alle guten Methoden für die Aufbewahrung der Samen laufen darauf hinaus, eine oder mehrere Bedingungen der Keimung zu entfernen. Dahin gehört alſo, daß die Samen gehörig abtrocknen, obgleich ſie auch nicht zu ſtark austrocknen dürfen, weil ſie ſonſt das zur Keimung erforderliche Maß von Feuchtigkeit verlieren. Nachdem die Samen lufttrocken geworden ſind, bringt man ſie in Behälter, welche gegen das Eindringen der Feuchtigkeit Heyer, Bodenkunde. 21 322 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. Schutz gewähren. Die verſchiedenen Vorrichtungen, welche man zu dieſem Zweck ausgedacht hat, werden in der „Forſtbenutzung“ abgehandelt. Beiläufig bemerken wir noch, daß das Vermengen der Samen mit Kohlenpulver, wel⸗ ches hie und da zur Anwendung gebracht wird, nichts anders zum Zwecke hat, als die Samen trockner zu erhalten; die Kohle abſorbirt nämlich allen Waſſerdampf, welcher mit ihr in Berührung kommt, ſie verdichtet Bere A an ihrer Oberfläche, Zweiter Abſchnitt. Bon der Ernährung. 1. Die Ernährung der Pflanze von vorn herein geſchieht auf Koſten der Nah⸗ een welche im Samen anfgeſpeichert ſind. So lange die Samen im Keimen begriffen ſind, und bis zur vollſtändi⸗ gen Entwicklung des Würzelchens und Stengelchens nimmt die junge Pflanze keinerlei Nährſtoffe, mit Ausnahme des Waſſers, aus ihrer Umgebung auf. Man kann Samen in Eiſendraht, in Roßhaaren, oder auf Löſchpapier keimen laſſen, in einer Atmoſphäre, welche ganz frei von Kohlenſäure iſt. Wurzel und Stengel, ſowie die erſten Blätter werden gebildet blos aus denjenigen Stoffen, welche die Natur in den Samen ſelbſt niedergelegt hat. Das Sa⸗ meneiweiß und die Samenlappen bilden die Vorrathskammer für die ſtickſtoff⸗ haltige ſowohl, als auch für die ſtickſtofffreie Subſtanz. Den Antheil, welchen insbeſondere die Samenlappen an der Ernährung haben, wies Bonnet (Un⸗ terſuchungen über den Nutzen der Blätter. Deutſch von Boeckh, Ulm 1803. S. 110 ff.) durch folgenden Verſuch nach. „Ich habe anfangs Auguſt in ei⸗ nem mit Gartenerde angefüllten Kaſten Schminkbohnen und Haidekorn ger ſäet. Sobald die Samen aufgegangen waren, nahm ich mehreren Schmink⸗ bohnen die Samenlappen, ebenſo mehreren Haidekornpflanzen die Samenblätter. Ich bediente mich hierzu einer ſcharfen Scheere. Andere Pflanzen, ſowohl der erſten, als der andern Art, ließ ich in ihrem vollkommenen Zuſtand, um die nöthigen Vergleichungen anſtellen zu können. — Ungefähr 12 Tage nachher habe ich die erſten Blätter der Schminkbohnen, die ihre Samenlappen behalten hatten, gemeſſen und dieſelben 3½ Zoll lang und eben jo breit gefunden; die Blätter der Schminkbohne, die ihrer Samenlappen beraubt waren, hatten aber nur eine Länge von 2 Zoll und eine etwas geringere Breite. Eben die⸗ fer Unterſchied, oder ein ähnlicher, zeigte ſich bei dieſen Pflanzen während ihres Ernährung der Holzgewächſe durch die Beſtandtheile der Atmoſphäre. 323 ganzen Wachsthums. Immer konnte man ſie ſehr leicht unterſcheiden. Die Schminkbohnen, die in ihrem vollkommenen Zuſtand geblieben waren, haben mehrere Blüthen getrieben, mehrere und größere Hülſen angeſetzt, als die⸗ jenigen, welche ihrer Samenlappen beraubt worden waren. Das Abſchneiden der Samenblätter hatte beim Haidekorn weit bemerkbarere Folgen, als das Abnehmen der Samenlappen bei der Schminkbohne. Faſt alle, welche dieſe Operation ausgeſtanden hatten, ſind zu Grunde gegangen.“ 2. Beſtandtheile des Holzes. Die Stoffe, welche in den Samen abgelagert ſind, reichen nur eben zur Bildung des Würzelchens, Stengelchens und der erſten Blätter hin; nachdem ſie verbraucht ſind, iſt die Pflanze bezüglich ihrer Ernährung und insbeſondere ihrer Maſſenmehrung auf die äußere Umgebung angewieſen. Die Frucht der Eiche enthält ſicherlich nicht das Material zu einem ganzen Eichbaum von vielen Kubikmetern Holzmaſſe; woher, fragen wir, nimmt die Pflanze die Stoffe auf, mittelſt deren ſich ihr Volumen eine Zeit lang fort⸗ während vergrößert? Um dieſe Aufgabe zu löſen, müſſen wir zuerſt die Structur und Zuſam⸗ menſetzung des Holzes unterſuchen. a. Structur des Holzes. Mit unbewaffnetem Auge betrachtet, ſcheint das Holz aus einer bald mehr, bald weniger dichten, von größeren oder kleineren Poren durchzogenen Maſſe zu beſtehen. Unterſucht man aber das Holz mit einem Mikroſeop, ſo bemerkt man, daß es ein Aggregat von ſehr kleinen zellen-oder röhrenförmigen Körperchen iſt. Dieſe kleinen Röhrchen und Zellen laufen theils mit der Axe des Stam⸗ mes oder der Zweige parallel, theils ſtehen ſie winkelrecht auf dieſelbe. Im erſten Fall beſtehen fie entweder aus einer continuirlichen Röhre und werden dann Längsgefäße genannt, oder fie find durch Querwände geſchieden und heißen dann Zellen. Sind die Scheidewände ſchief, ſo nennt man ein Aggregat von ſolchen Zellen Prosenchym, ſind ſie, was im Holze ſeltener vorkommt, rechtwinklig zur Längswand der Zelle, ſo heißt es Parenchym. Die auf die Längs⸗Gefäße oder Zellen rechtwinklig ſtehenden Zellen werden Spiegelfaſern oder Markſtrahlen genannt. Iſt, wie es häufig ſtattfindet, eine größere Zahl der Markſtrahlenzellen zu einem Bündel vereinigt, ſo laſſen ſich die letztern zuweilen mit bloßem Auge wahrnehmen (z. B. bei der Buche, Eiche); ſie zeichnen ſich dann durch lebhaften Glanz aus und führen daher den Namen Spiegelfaſern. Häufig iſt die Länge der Markſtrahlenzellen nicht 21 * 324 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. n Fig. 137. Fig. * viel bedeutender, als ihre Höhe. WN e Das Mark beſteht meiſt nur aus de 0 82282 Zellen, welche eben ſo breit, als 1 11 doch und lang find. (Zig. 187, ein U N Querſchnitt, Fig. 138. ein Längs⸗ 60100 DOO TINO ſeanit durch das Mark der Platane N S bei 40facher Vergrößerung). 5 N IOR | Betrachten wir nun die elementare Textur einiger Holzarten mit Hülfe des Fig. 139. Mikroſcops. Figur 139 zeigt uns einen Quer⸗ ſchnitt durch das mehrjährige Holz der Buche bei 40facher Vergrößerung. Die rundlichen Oeff⸗ nungen, welche wir hier erblicken, ſind nichts } anderes, als die Höhlenräume der durchſchnit⸗ tenen Längsgefäße. Wir bemerken größere (a) und kleinere (b) Oeffnungen; erſtere gehören L weiten dünnwandigen Gefäßen und letztere engen f dickwandigen Zellen an. | ft Bei den weichen Holzarten find die weiten 5 5 Gefäße gewöhnlich durch die ganze Breite des : 80 5 Jahrrings ziemlich gleichmäßig vertheilt; bei den harten Holzarten (Buche und Eiche) beginnt dagegen der neue Jahrring ſtets mit weiten Gefäßen und endigt mit engeren Zellen. g 5 Außer den ſo eben genannten rundlichen Oeffnungen laſſen ſich aber noch andere von länglicher Figur (e) wahrnehmen, dieſe gehören den Mark⸗ ſtrahlenzellen an. 1 Die Nadelhölzer beſitzen gar keine Gefäße, ſondern blos Zellen. Hi liegen aber die weiten Zellen nicht zwiſchen den engern vertheilt, ſondern es beſteht der Anfang des neuen Jahrrings ausſchließ⸗ lich aus weitern, eckigen Zellen (a) und endigt mit engeren (b) von gleicher Form (Fig. 140. Quer⸗ ſchnitt durch das Holz der Kiefer bei 40 facher Ver⸗ größerung). . Da die einzelnen Theile der Jahrringe 10 gleichmäßig von Markſtrahlen durchzogen ſind, ſo können die letztern auch nicht alle aus dem Mark entſpringen; es erzeugen ſich mit jedem neuen Jahr⸗ ring neue Markſtrahlen, welche ſich in keinem Zu⸗ 8 ſammenhang mit dem Mark befinden. eng Führen wir nun einen Schnitt durch irgend einen Diameter parallel mit der Axe des Stammes oder Zweiges, ſo erken⸗ nen wir die Beſchaffenheit der Wände der Längs-Gefäße und der Markſtrah⸗ Ernährung der Holzgewächſe durch die Beſtandtheile der Atmoſphäre. 325 lenzellen. Betrachten wir zuerſt einen Längsſchnitt durch das Holz der Pla⸗ hit Fig. 141. tane (Fig. 141, bei 150facher Vergrö⸗ j ßerung). Es ftellen a, a zwei weite Gefäße vor, ihre Wände ſind mit zier⸗ — lichen Bildungen beſetzt, bald beſtehen G, fie aus kleinen, mehr oder weniger re⸗ gelmäßig zuſammengereiheten Tüpfeln, „% bald aus treppenartigen Querſtreifen. e Inm jüngſten Holz, zunächſt dem Mark kommen auch ſpiralige Windungen vor; dieſe fehlen aber durchaus in den Jahr⸗ ringen des mehr als einjährigen Hol⸗ zes, ſowie bei den Nadelhölzern. b ſind die engen prosenchymatiſchen Zellen. Parenchymzellen enthalten nur wenige Holzarten, wie z. B. die Eiche. e eſtellt wie vorhin beim Querſchnitt die Markſtrahlen vor. Die letztern ſetzen ſich bis in die Rinde fort und löſen ſich nur im Frühjahr, wenn der Saft in die Bäume ſteigt und um Johannis, wenn er zum zweitenmal faſt eben ſo reichlich ſich aufwärts bewegt, zwiſchen Holz und Rinde. Fig. 142 zeigt einen Schnitt parallel der Tangente des Umfangs, die Ovalen e ftellen den Querſchnitt durch einige Bündel Markſtrahlen vor. In vorzüglicher Größe ſind die Tüpfel beim Na⸗ delholze entwickelt; (Figur 143, Längsſchnitt durch das Holz der Kiefer im Sinn des Diameters). Sie ſind hier ſowohl den Markſtrahlenzellen, als auch den Längsgefäßen eigenthümlich, kommen aber bei letztern e nur auf der Seite vor, welche nach den Markſtrahlen : olelle hin gerichtet if. 5 © b. Chemiſche Zuſammenſetzung des Holzes. ——̃— Il Iii Ser EE O10 oh MM nen wollen. Die Die röhrenartigen Elementarorgane der Pflanzen ſind in der Mehrzahl der Fälle keine urſprüngliche Bil. dung, ſondern aus Zellen von gleicher Höhe und Breite durch Reſorption der Querſcheidewände entſtanden. Dieſe Zellen beſtehen in ihrer erſten Anlage aus einem ganz dünnen Häutchen, welches wir Membran nen⸗ vorhin genannten Zeichnungen auf den Wänden der 326 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. Gefäße erzeugen ſich erſt ſpäterhin durch Ablagerungen aus den Saftbeſtand⸗ theilen. Die Membran (auch Celluloſe genannt) iſt immer fettoffeei; fie enthält Kohlenſtoff, Waſſerſtoff und Sauerſtoff, letztere beiden im Verhältniß zur Waſſerbildung. Die Formel iſt C Ho O10 alſo abſolut gleich derjenigen des Dextrin's. Doch kann man die Celluloſe nicht als ein Kohlenſtoffhydrat anſehen, denn Waſſerſtoff und Sauerſtoff ſind in ihr nicht als wirkliches Waſſer enthalten. Die Celluloſe wird durch concentrirte Schwefelſäure auf⸗ gelöſt; ſie färbt ſich blau, wenn man ſie mit verdünnter Schwefelſäure 1 Jod behandelt. Die Ablagerungen, durch welche die Wand der Gefäße verdickt erſcheint, enthalten beim Holze neben Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſerſtoff immer Stickſtoff. Indem ſie die Membran nicht durchaus, ſondern nur ſtellenweiſe bekleiden, entſtehen die ſpiraligen, treppenförmigen, ringartigen ꝛc. Zeichnun⸗ gen; Tüpfel bilden ſich da, wo die Ablagerung entweder gar nicht, oder in allmählig vermindertem Maße erfolgt. Oft löſt ſich in der Mitte des Tüpfels die Membran ſpäter ganz auf, ſo daß dann das Gefäß an dieſer Stelle eine wirkliche Oeffnung beſitzt. 8 Die Ablagerungsſchichte, deren Formel nach chemiſchen Unterſuchungen durch Cs Hz O00 vorgeſtellt iſt, wird in der Sprache der Phyſiologie „in⸗ eruſtirende Materie“ oder „Lignin“ genannt. Sie unterſcheidet ſich dadurch weſentlich von der Celluloſe, daß fie ſich nicht in Schwefelſäure, wohl aber in Aetzkali und Salpeterſäure löſt und daß Jod und Schwefelſäure * blaue Färbung bei ihr hervorbringen. Betrachten wir nun die Holzfaſer, als ein Aggregat von Celluloſe und Lignin, im Ganzen, fo iſt klar, daß dieſelbe Kohlenſtoff, Sauerſtoff, Waſſer⸗ ſtoff und Stickſtoff enthalten muß. Hierzu kommen aber, was wir bisher unerwähnt gelaſſen haben, gewiſſe unorganiſche Subſtanzen, nämlich Kali, Natron, Kalk, Magneſia, Thonerde (2), Eiſen, Mangan, Phosphor, Schwefel, Chlor, Kieſelerde. Dieſe ſind aber viel mehr in der ineruſtirenden Materie, als in der Membran enthalten; ſie laſſen ſich von der Holzfaſer nur durch Ein⸗ äſcherung vollſtändig trennen. Gay Luſſae fand die Zuſammenſetzung der Eichenholzfaſer durch die Formel Ci I22 Oz ausgedrückt; er überſah aber bei dieſen Analyſen den neuerdings von Chevandier mit großer Beſtimmtheit nachgewieſenen Stickſtoff. Da das Holz nur ein Aggregat von Celluloſe und Lignin iſt, ſo kann man eigentlich keine chemiſche Formel für ſeine Zuſammenſetzung aufſtellen. Indeſſen bietet der Gebrauch derſelben in der Phyſiologie manche Vortheile dar und ift auch ganz unſchädlich, wenn man nicht vergißt, daß die Formel nur ein veränderter Ausdruck für die prozentiſche Zuſammenſetzung fein ſoll. Nach der obigen Formel wären auch im Holze der Sauerſtoff und Waſſerſtoff im Verhältniß zur Waſſerbildung enthalten; indeſſen haben genaue Z Ernährung der Holzgewächſe durch die 3 der Atmoſphäre. 327 Analyſen gezeigt, daß dieſes nur beim Ebenholze (Diospyros Ebenum) der Fall iſt, die übrigen Holzarten enthalten alle ein Plus von Waſſerſtoff. Der Betrag dieſes freien Waſſerſtoffs, wie man ihn auch wohl nennt, iſt am größten bei dem harzreichen Nadelholze und bei den weichen Holzarten, weß⸗ wegen dieſe auch mehr Flamme beim Verbrennen entwickeln, als z. B. Bu⸗ chen⸗ und Eichenholz. Der Stickſtoffgehalt im Holze beträgt nach Chevandier durchſchnittlich ein Prozent. Sieht man von den Aſchebeſtandtheilen und dem freien Waf- ſerſtoff, deſſen Quantität bei den weichen Holzarten bis über 1% vom Geſammtgewicht des trockenen, aſchenfreien Holzes ausmachen kann, ab, ſo geſtaltet er die prozentiſche Zuſammenſetzung der Holzfaſer ſolgendennaßen: Kohlenſtoff 51,65 Waſſerſtoff 5,26 Sauerſtoff 42,09 Stickſtoff 1,00 ’ "100,00 Das Holz enthält aber außer dem Faſerſtoff im Innern der Gefäße noch Waſſer und die ſogenannten Saftbeſtandtheile, auf welche wir ſpäter zurück⸗ kommen werden, ſowie auch Luft. Die Mengen von dieſen ſind ſehr verän⸗ derlich nach Holzart, Standort und Jahreszeit. . 3. Urſprung des Kohlenſtoffs in der Holzfaſer. Ehe wir entwickeln, woher der Kohlenſtoff des Holzes ſtammt, müſſen wir den Standpunkt feſtſtellen, von welchem wir bei den folgenden Unterſuch⸗ ungen ausgehen werden. ö Die Chemie hat die zuſammengeſetzten Körper in ihre Elemente zerlegt, von denen man bis jetzt 62 kennt. Man nimmt nun an, daß dieſe Elemente ſich zwar mit einander verbinden, aber nicht in einander übergehen können. Aus Sauerſtoff kann alſo kein Stickſtoff, aus Waſſer kein Kohlenſtoff entſtehen, wie noch Hundeshagen vermuthete. Nach den Sätzen, welche der heutigen Chemie zur Grundlage dienen, haben wir daher auch daran feſtzuhalten, daß alle Elementarſtoffe, welche ſich in der Pflanze finden, ihr als ſolche von Außen dargeboten werden müſſen. Eine große Anzahl fehlerhafter Hypotheſen über den Urſprung des Koh⸗ lenſtoffs fällt von vorn herein in ſich zuſammen, wenn man ermittelt, wie groß die Quantität des Kohlenſtoffs fein kann, welche der Wald zu produ- ziren vermag. Nach den Unterſuchungen des Verf. lieferte ein Hectare Kiefernwald, mit 60jähriger Umtriebszeit behandelt, an Haubarkeits⸗ und Zwiſchennutzungen durchſchnittlich folgenden e * 328 Einfluß 1 auf die Waldvegetation. 1 — Scheitholz Prügelholz Stockholz Reisholz g 8,10 1,60 1,13 1581 Stere, wobei zu Scheitholz alles Holz über 125, zu Prügelholz das von 75—125, zu Reisholz dasjenige unter 75 Millimetern mittleren e ee: wurde. In dem vorliegenden Falle wog 1 Stere getrocknetes Scheitholz 275, Prügelholz 287, Stockholz 270, Reisholz 310 Kilogramme. Hieraus berechnet ſich das Gewicht der jährlichen Erndte an trockenem Kiefernholz: Scheitholz 2227,5 Kilogramme . Prügelholz 459,2 . N 5 Stockholz 305,1 „l f * Reisholz 561,1 ur 3552, 9 „ Nach den Unterſuchungen Chevandiers enthält in 100 Theilen Kohlenſtoff Waſſerſtoff Sauerſtoff Stickſtoff Scheitholz 52,15 6,16 40,59 1,10 Prügelholz 52,15 6,18 41,09 0,58 Reisholz 50,97 6,02 42,41 0,60 Nehmen wir nun an, daß die Zuſammenſetzung des Stockholzes gleich derjenigen des Scheitholzes ſei (was ohne merklichen Fehler geſchehen kann), ſo ergibt ſich für die jährliche Produktion der verſchiedenen Sortimente pro Hectare Kohlenſtoff Waſſerſtoff Sauerſtoff Stickſtoff x 9 Scheitholz 1161,6 137,2 904,2 24,5 Kilogramme Prügelholz 239,5 28,4 188,7 2,6 1 Stockholz 159,1 18,8 123,8 3,4 6 Reisholz 286,0 33,8 237,9 3,4 0 1846, 218,2 1454,6 33,9 ? - Ein Hectare Kiefernwald produzirt alſo unter den angegebenen Berhält niſſen jährlich 1846, 2 Kil. Kohlenſtoff. — Dieſe Quantität Kohlenſtoff kann nicht eee en von 14 Boden ſtammen. | In Hannover, an den ufern der Oſt⸗ und Norbſee, in der Mark Brandenburg, im weſtlichen Frankreich ꝛc. befinden ſich Flugſandſtrecken von großer Ausdehnung, auf welchen keine größeren Gewächſe vorkommen, welche den Boden mit Humus bereichern könnten. Dieſer Boden enthält oft ſo u organiſche Reſte, daß er nach dem Glühen kaum eine Schwärzung hi ißt. Und doch erndtet man von dieſem Boden, wenn man den Sand re beruhigt und ihn mit Kiefern in Cultur bringt, jährlich eine Quantität Kohlen⸗ ſtoff, die der oben angeführten ſehr häufig nicht nachſteht. wee menen rührt unmöglich aus dem Boden her. 1 f Ernährung der Holzgewächſe durch die „. der Atmoſphäre. 329 Die Aſche und Lava, welche die Vulkane auswerfen, iſt berühmt wegen der Fruchtbarkeit, die ſie im Laufe der Zeit erlangt. Auf den verwitterten Lavaſtrömen des Veſuv wächſt ein herrlicher Wein — Lacrimae Christi ge- nannt. Im Val Demone am Aetna, auf alten Lavaſtrömen, trifft man rie⸗ ſenhafte Kaſtanienbäume, untern andern den Castagno di Cento Cavalli, welcher in fünf Theile geſpalten iſt und deſſen Krone 180 Fuß im Umfang hält. Auf der ganz vulkaniſchen Inſel Stromboli wächſt ein vorzüglicher Wein. Die Aſche und Lava kommen aber frei von Kohlenſtoff aus dem Krater, weil die Gegenwart von Sauerſtoff und eine ſehr hohe Temperatur die Kohle nicht unverbunden beſtehen laſſen, ſie vielmehr in Kohlenſäure umwandeln würden, welche als Gas entweichen müßte. Der Kohlenſtoff, welchen die Gewächſe beſitzen, die auf Lava und Aſche vegetiren, kann nicht aus dem Boden ſtammen. . Die erſten Pflanzen, welche auf der Erde erſchienen, konnten ihren Kohlenſtoff unmöglich organiſchen Reſten des Bodens entziehen, denn es gab keinen Urhumus. Oder iſt es denkbar, daß der Schöpfer zuerſt abgeſtorbene Theile von Organismen vor den lebenden erzeugt habe? Auf guten Standorten kann beim Buchenhochwalde im Alter der Mann- barkeit jährlich eine Erndte von 1000 Kilogrammen waldtrockenen Laubes er⸗ folgen. Nehmen wir an, es ſei beim Abtriebe eines Buchenhochwaldes der Laubabwurf von 10 Jahren in noch unverweſtem Zuſtande erhalten, ſo wür⸗ den ſich auf einem Hectare 1000 Kilogramme Laub vorfinden, welches etwa 6% Aſche und 20% Feuchtigkeit beſitzt. Nach Abzug der beiden letzteren blieben 7400 Kil. Holzfaſer, welche ungefähr 3848 Kil. Kohlenſtoff enthielte. Wollte man nun nach dem Abtrieb der Buchen Kiefern anbauen, ſo würde der 10jäh⸗ rige Laubvorrath gerade nur hinreichen, um den Kiefernbeſtand etwas über zwei Jahre mit Kohlenſtoff zu verſehen. Der Boden und die Atmoſphäre ſind die beiden Media, in welche die Pflanzen hineinragen; da der Kohlenſtoff im Boden zur Ernährung der Gewächſe nicht genügt, ſo müſſen wir ſeine Quelle in der Atmoſphäre ſuchen. Reicht denn aber der Kohlenſäuregehalt der Luft hin, um die Vegetation auf der ganzen Erde mit Kohlenſtoff zu verſorgen? Die Antwort auf dieſe Frage kann nur mittelſt Rechnung gegeben werden. Nimmt man die Größe eines Erdmeridians zu 40 Millionen Metern an, ſo iſt die Oberfläche der Erde, wenn man letztere als vollkommene Kugel Wkachtet, 509 296000000000 O Meter. Denkt man ſich, die Erde ſei an⸗ ſtatt mit Luft, mit Queckſilber von dem am Meere herrſchenden Barometer- ſtand, alſo von 0,76 Metern Höhe umgeben, ſo berechnet ſich das Volumen dieſer Queckſilbermaſſe zu 387064960000000 Cubikmetern. Das ſpezifiſche Gewicht des Queckſilbers iſt S 13,5; in der Luft find dem Gewicht nach 330 Einfluß . auf die Waldvegetation. 0,0008 Theile Kohlenſäure enthalten; in letzterer hat man 0,2727 Kohlenſtoff; hieraus ergiebt ſich das Gewicht des in der Kohlenſäure der Luft befindlichen Kohlenſtoffs gleich 113 9970000000000 Kil. oder circa 1140 Billionen Kilo⸗ gramme. Nehmen wir weiter mit Humboldt an, daß das Feſtland 0,266 der Erdoberfläche betrage, ſo berechnet ſich die Ausdehnung der zur Pflanzenpro⸗ duction möglicher Weiſe geeigneten Geſammtfläche zu 13547273600 Heetaren und die Ouantität des auf derſelben erzeugbaren Kohlenſtoffs zu ungefähr 27 Billionen Kilogrammen, wobei aber angenommen wurde, daß auf dem Hee— tare nicht, wie in dem vorhin berechneten Beiſpiele 1846,2, ſondern noch mehr, nämlich 2000 Kilogramme Kohlenſtoff produzirt würden. Der Kohlen⸗ ſtoffgehalt der Atmoſphäre würde alſo hinreichen, um die Vegetation des ge- ſammten Feſtlandes, bei einer jährlichen Erzeugung von 2000 Kil. Kohlen⸗ 1140 5 . ftoff pro Hectare 7” 42,22 Jahre lang mit Kohlenſtoff zu verſehen. Hierbei blieb aber außer Acht, daß die großen Wüſten in Afrika und n keinen Pflanzenwuchs von Bedeutung beſitzen. Die vorſtehende Rechnung beweiſt zur Genüge, daß die in der Amo⸗ ſphäre ſtets vorräthige Menge Kohlenſäure den Bedarf der Vegetation voll⸗ ſtändig zu befriedigen vermag. Freilich würde in 42 Jahren der vorhandene Kohlenſtoff abſorbirt fein, allein faſt ſämmtlicher Kohlenſtoff, welcher aus der Atmoſphäre in die Pflanze übergeht, kehrt in Folge des Verweſungs⸗, Ver⸗ brennungs- und Athmungsprozeſſes wieder in dieſelbe zurück. Ja es kommen hierzu täglich neue Quantitäten Kohlenſäure, denn wie viel Steinkohle, Braun⸗ kohle und Torf wird fortwährend aus der Erde gefördert und verbrannt! Wir haben jetzt noch zu unterſuchen, ob die Kohlenſäure denn auch wirklich von den Pflanzen aufgenommen und, im bejahenden Falle, in wel⸗ cher Weiſe ſie aſſimilirt werde. 4. Geſchichte der Entdeckung der Kohlenſäure⸗Aſſimilation. In der Mitte des verfloſſenen Jahrhunderts (1747) beobachtete Bonnet, daß die Blätter einer Weinrebe, welche er in ein mit Brunnenwaſſer gefülltes Gefäß brachte, Gasblaſen entwickelten, ſobald die Sonne das Gefäß beſchien. Sie kamen theils aus der Blattfläche ſelbſt, theils aber auch von den Stie⸗ len und Zweigen. Beſonders ging das Gas von der untern Seite der Blätter aus. Mit Sonnenuntergang verloren ſich die Blaſen; am folgenden Morgen, als die Sonne ihre Strahlen auf das Glas warf, erſchienen ſie wieder. Dies dauerte einige Tage fort, dann hörte die Exhalation gänzlich auf. \ Bonnet hielt das Gas für gewöhnliche Luft, die an den Blättern ſich angehängt habe. Er beſtrich letztere wiederholt mit einem Pinſel, um die Luft zu entfernen — ein Verfahren, welches er bei einem andern ähnlichen Verſuch mit Erfolg angewandt hatte. Trotzdem fand die Gasentwickelung ſtatt. Als Aſſimilation der | 331 indeſſen Bonnet das Waſſer auskochte und nach dem Erkalten die Blätter abermals hineinbrachte, zeigten ſich keine Blaſen mehr. Er hauchte jetzt durch ein Rohr Luft in das Waſſer; die Gasentwickelung trat alſobald ein. Bonnet wußte ſich von dieſen Erſcheinungen keine Rechenſchaft zu ge⸗ ben. Seine Erklärungen gingen von der Vorausſetzung aus, die Blaſen enthielten gemeine atmoſphäriſche Luft. Im Jahre 1771 wies aber Prieſtley, der Entdecker des Sauerſtoffs, nach, daß das Gas, welches die Blätter im Sonnenlicht ausſcheiden, reines Oxygen ſei. f Sennebier erklärte 1792 den Urſprung des Sauerſtoffgaſes, welches die Pflanzen unter den angegebenen Verhältniſſen von ſich geben. Er zeigte, daß nur in ſolchem Waſſer, welches Kohlenſäure enthält, die Gaserhalation ftatt- findet; er erklärte hiermit, warum das Aufſteigen der Blaſen nach einiger Zeit aufhört; er wies nach, daß die Sauerſtoffgasentwickelung dann gerade ihr Ende erreicht, wenn ſämmtliche in Waſſer gelöſte Kohlenſäure von den Pflanzen aufgenommen iſt. Nun wußte man auch, warum in ausgekochtem Waſſer keine Blaſen von den Blättern aufſteigen; dieſes Waſſer war durch das anhaltende Sieden von feiner Kohlenſäure befreit worden. Daß die Gas⸗ entwicklung von Neuem vor ſich ging, wenn Bonnet Luft in das ausgekochte Waſſer blies, kann nach Sennebier's Interpretation nicht mehr befremden — die ausgeathmete Luft enthält ja immer Kohlenſäure. Es blieb nun noch zu erklären übrig, warum bei Nacht die Sauerſtoff⸗ entwicklung ſtille ſteht. Ingenhouß, indem er die Verſuche Bonnet's ſowohl im Hellen, als auch im Schatten wiederholte, kam zuerſt darauf, daß im Dunkeln oder des Nachts eine Luftart produzirt werde, welche zur Unterhal- tung des Athmungs⸗ und Verbrennungsprozeſſes untauglich ſei. Der von Bonnet angeſtellte Verſuch beweiſt, daß die Pflanzen durch ihre Blätter die Kohlenſäure aufnehmen. Aber auch durch die Wurzeln kann dieſes Gas in die Pflanzen gelangen vermittelſt des Waſſers, welches von jenen aufgeſogen wird und immer Kohlenſäure enthält, wenn es auch nur kurze Zeit mit der atmoſphäriſchen Luft in Berührung war. Sennebier ließ kohlenſäurehaltiges Waſſer von dem unteren Ende eines abgeſchnittenen Pfir⸗ ſichzweiges aufſaugen und fand ſelbſt hier, bei verletzter Pflanze, Entwickelung von Sauerſtoffgas. 5. Ein directer Beweis für die Aſſimilation der Kohlenſäure. Daß der Kohlenſtoff in den Pflanzen wirklich von der atmoſphäriſchen Kohlenſäure herrühre, brachte ſchon Sauſſure durch mehrere directe Verſuche zur Evidenz. Dieſe ſollen aber hier nicht angeführt werden, weil dieſelben, wegen der Mangelhaftigkeit in der Methode der Analyſe organiſcher Körper zu Zeiten des genannten Naturforſchers, doch nicht als entſcheidend angeſehen 332 Einfluß 2 auf die Waldvegetation. werden können. Bouſſingault, dem der ganze Apparat der heutigen Wiſſen⸗ ſchaft zu Gebote ſteht, hat die Sauſſure ſchen Verſuche wieder aufgenommen. Er ſäete fünf Erbſen, zuſammen 1,211 Gramme wiegend, in Thon, welcher zur Entfernung aller organiſchen Reſte gebrannt und dann gepulvert und friſch geglüht war. Nach 30 Tagen waren die Schoten reif. Die davon geernd⸗ teten Erbſen nebſt dem Kraut und den Stengeln wogen trocken und nach Abzug der Aſche 4,41 Gramme. Bouſſingault unterſuchte ihren Gehalt an Kohlenſtoff, Sauerſtoff, Waſſerſtoff und Stickſtoff. Er trocknete hierauf andere Erbſen, die genau von derſelben Beſchaffenheit, als die geſäeten, waren und beſtimmte ihre Aſche; auf dieſe Weiſe fand er, daß 1,211 Gramme friſcher Körner nach Abzug des Waſſers und der Aſche 1,072 Gramme wiegen muß⸗ ten. Auch von dieſen ſtellte er den Gehalt an Kohlenſtoff, Sauerſtoff, Waſ⸗ ſerſtoff und Stickſtoff feſt. Die Berechnung ergab: 4 Kohlenſtoff Sauerſtoff Waſſerſtoff Stickſtoff Samen zur Saat 1,072 0,515 0,069 0,442 0,046 Erndte 4,441 2,392 0,289 1,645 0,115 Gewinn durch die Cultur 3,369 1,877 0,220 1,203 0,069 Es waren alſo 1,877 Grammen Kohlenſtoff aufgenommen worden, die nur von der in der Atmoſphäre enthaltenen Kohlenſäure herrühren konnten. 6. Geſchwindigkeit der Kohlenſäure⸗Abſorption. Ueber die Geſchwindigkeit, mit welcher die Pflanzen der Luft die Koh⸗ lenſäure entziehen, beſitzen wir Nachricht durch einen Verſuch Bouſſingault's. Dieſer leitete einen mit zwanzig Blättern verſehenen Zweig eines Weinſtockes in einen Ballon. Durch eine geeignete Vorrichtung konnte er die äußere Luft in den Ballon treten laſſen und die ihrer Kohlenſäure beraubte wieder durch neue erſetzen. Die Luft außerhalb des Apparates enthielt 0,0004 Kohlenſäure; dagegen diejenige, welche mit den Blättern der Weinrebe in Berührung ge⸗ weſen war, nur 0,0001. Es war in vier Stunden 60 Litern Luft die Koh⸗ lenſäure bis zu dieſem geringen Reſt entzogen worden. Als Bouſſingault den Verſuch bei Nacht anſtellte, fand er keine Ver⸗ minderung des Kohlenſäuregehaltes der Luft. 7. Ein Uebermaß an Kohlenſäure ſchadet der Vegetation. Welch' wohlthätigen Einfluß die Kohlenſäure auf die Vegetation aus⸗ übt, ergibt ſich ſehr deutlich aus folgendem ſehr ſinnreichen Verſuch von Sauſſure. Dieſer leitete zwei Zweige einer lebenden Rainweide (Ligustrum vulgare) in zwei Ballone; in einen der letzteren brachte er gebrannten Kalk, welcher bekanntlich die Kohlenſäure mit großer Begierde an ſich zieht. Nach drei Monaten waren die Blätter des Zweigs, welcher ſich in dem mit Kalk verſehenen Ballon befand, abgeſtorben und abgefallen; der andere Zweig hatte ſich erhalten. F Aſſimilation der Kohlenfäure. 333 Man ſollte nach den Reſultaten dieſes Verſuchs vermuthen, die Maſſe⸗ zunahme einer Pflanze müſſe um ſo größer ſein, je mehr Kohlenſäure die Luft enthalte, in der fie ſich befindet. Die Sauſſure ſchen Verſuche beſtätigen dieſe Vermuthung keineswegs. Unſer Gewährsmann fand, daß in einer Luft, die zum zwölften Theil Kohlenſäure enthielt, das Wachsthum zwar freudi⸗ ger war, als in der gewöhnlichen Atmoſphäre, daß dagegen die Pflanzen in % Kohlenſäure nur zehn Tage, in ½ dieſes Gaſes nur ſieben Tage lebten, nachher aber abſtarben und verwelkten. Dieſe Verſuche wurden im Sonnenlicht angeſtellt; in ſchwachem oder zerſtreutem Licht wirkte ein Uebermaß von Kohlenſäure noch weit verderblicher. In ½ Gas erhielten ſich die Pflanzen nur 6 Tage, in ½ nur 4 Tage. Es erklärt ſich nun, warum Pflanzen an ſolchen Orten, welche ſehr reich an Kohlenſäure ſind, nicht wohl vegetiren können. So erzählt Liebig von den Grünſchwalheimer Wieſen in der Wetterau, das Gras wachſe dort kümmerlich, es zeige eine gelbe Farbe; dies rühre unzweifelhaft von der Gegenwart einer großen Menge Kohlenſäure her. Wenn man ein Loch von 20—25 Fuß Tiefe bohre, ſo entwickle ſich daraus ein Strom kohlenſauren Gaſes, deſſen Geräuſch beim Ausſtrömen man auf mehrere Schritte hin deutlich höre. In dem eben erzählten Falle war die Kohlenſäure-Entwicklung aus dem Erdinnern eine ungewöhnlich reichliche; die Kohlenſäure, welche ihren Urſprung dem in Zerſetzung begriffenen Humus (Laub, Moos, Unkräutern, den abge⸗ fallenen dürren Baumzweigen) verdankt, tritt wohl nie in ſolchem Maße auf, daß ſie der Vegetation ſchädlich werden könnte. Den Kohlenſtoffgehalt eines zehnjährigen Laubabfalls haben wir vorhin beiſpielsweiſe zu 3848 Kilogrammen berechnet; letztere erfordern, um Kohlen⸗ ſäure zu bilden, 10261 Kil. Sauerſtoff, welche einen Raum von 7210 Kubik⸗ metern einnehmen. Die Luftmaſſe in einem Wald von 1 Hectare (S 10000 U Metern) Fläche und 25 Metern Baumhöhe enthält 250000 Kubikmeter; da nun die Kohlenſäure den nämlichen Raum einnimmt, wie der Sauerftoff, welcher zu ihrer Bildung verwendet worden iſt, ſo würde die den obigen 3848 Kil. Kohlenſtoff entſprechende Kohlenſäure dem Volumen nach 2 6 — 0,0029 der Luftmaſſe des Waldraumes betragen. Addiren wir diefe Zahl zu dem mittleren Kohlenſäuregehalt der Luft (— 0,0005), jo erhalten wir 0,0034. Wenn alſo der Kohlenſtoffgehalt eines zehnjährigen Laubabfalls ſich auf ein⸗ mal in Kohlenſäure verwandelte, ſo würde letztere nur 0,0034 von dem Volu⸗ men der in dem Waldraum enthaltenen Luft ausmachen. Da nun nach dem Verſuche Sauſſure's 5 = 0,08333 Kohlenſäure der Vegetation noch zuträglich iſt, ſo folgt, daß wir unbedenklich Alles aufbieten können, um den Humus⸗ reichthum des Waldes zu vermehren, und daß alle Kohlenſäure, welche ſich aus dem Humus entwickelt, der he na niemals 1 = zer ſondern dieſelbe begünftigen muß. ö t 334 Einfluß der Atmofphäre auf die Waldvegetation. 8. Bei Nacht ſcheiden die Pflanzen Kohlenſäure aus und dehnen Sauer⸗ ſtoff auf. Es iſt ſchon angegeben worden, daß die Pflanzen die Kohlenſäure nur im Sonnenlicht zerſetzen. Im Schatten, oder im Dunkel der Nacht findet die Aufnahme der Kohlenſäure durch die Blätter nicht mehr ſtatt; es zeigt ſich vielmehr, was ſehr merkwürdig iſt, der umgekehrte Prozeß — die Pflanze ſcheidet Kohlenſäure aus. Man weiß, daß es der Geſundheit nachtheilig iſt, in Zimmern die Nacht zuzubringen, in welchen Blumen ſtehen; es iſt die ausgeſtoßene Kohlenſäure, welche einen ſchädlichen Einfluß auf den thieriſchen Organismus ausübt. Verſchiedene Erklärungen ſind über die Urſache der nächtlichen Ausſchei⸗ dung von Kohlenſäure gegeben worden. Eine ſehr verbreitete iſt diejenige, welche dieſen Prozeß mit ſcheinbar ähnlichen Vorgängen des animaliſchen ve bens in Analogie zu bringen geſucht hat. Liebig war wohl der erſte, welcher den wahren Grund dieſes auffallen⸗ den Verhaltens fand. Da die Pflanzen durch die Wurzeln auch in der Däm⸗ merung und des Nachts Kohlenſäure aufnehmen können, ſo iſt es ganz na⸗ türlich — ſagt Liebig — daß dieſes Gas gleich dem verdunſtenden Waſſer abgeſondert wird. Bei Tage wird die Kohlenſäure in der Pflanze zurückge⸗ halten; Nachts, wenn der Aſſimilationsprozeß aufhört, iſt keine Urſache vor⸗ handen, welche dem Austreten der Kohlenſäure durch die Poren der Blätter ein Hinderniß entgegenſetzen könnte. Deßhalb finden wir auch die Atmoſphäre bei Nacht kohlenſäurereicher, als bei Tag. Es muß hier noch einer andern, mit Beſtimmtheit zuerſt von Sauſſure nachgewieſenen Erſcheinung gedacht werden; die mit der nächtlichen Kohlen⸗ ſäureexhalation in Verbindung gebracht worden iſt — wir meinen die Auf⸗ nahme von Sauerſtoff, welche gleichzeitig neben dem Entweichen der Kohlen⸗ ſäure von Statten geht. Liebig iſt wieder der erſte geweſen, welcher die Ur⸗ ſache der Sauerſtoffabſorption genügend erklärt hat. Bei Nacht, ſagt er, ſteht der Vegetationsact in ſo weit ſtille, als die Pflanzen die Aſſimilation der Koh⸗ lenſäure ausgeſetzt haben; die Gewächſe verhalten ſich dann gleichſam wie ab⸗ geſtorben und fallen der Wirkung des jeden Organismus angreifenden Sauer⸗ ſtoffs anheim. Es iſt bekannt, daß der indifferente Stickſtoff, das Waſſerſtoff⸗ gas, daß eine Menge anderer Gaſe eine eigenthümliche, meiſt ſchädliche Wirkung auf die lebende Pflanze ausüben. Iſt es nun denkbar, daß eines der kräftig⸗ ſten Agentien, der Sauerſtoff, wirkungslos auf eine Pflanze bliebe, ſo bald ſie ſich in dem Zuſtand des Lebens befindet, wo einer ihrer eigenthümlichen Aſſi⸗ milationsprozeſſe aufgehört hat? — Man weiß, daß mit der Abweſenheit des Lichtes die Zerſetzung der Kohlenſäure ihre Grenze findet. Mit der Nacht be⸗ ginnt ein rein chemiſcher Prozeß, in Folge der Wechſelwirkung der Luft auf die Beſtandtheile der Blätter, Blüthen und Früchte. Dieſer Prozeß hat mit dem organiſchen Lebensprozeß in der Pflanze nicht das geringſte gemein, denn Einfluß des Sauerſtoffs. 335 er tritt in der todten Pflanze ganz in derſelben Form auf, wie in der leben⸗ den. — Es läßt ſich mit der größten Leichtigkeit und Sicherheit aus den be⸗ kannten Beſtandtheilen der Blätter verſchiedener Pflanzen voraus beſtimmen, welche davon den meiſten Sauerſtoff im lebenden Zuſtand während der Ab- weſenheit des Lichtes abſorbiren werden. Die Blätter und grünen Theile aller Pflanzen, welche flüchtige Oele enthalten, die ſich durch Aufnahme des Sauer⸗ ſtoffs in Harz verwandeln, werden mehr Sauerſtoff aufnehmen, als andere, welche frei davon ſind. Andere wieder, in deren Safte ſich die Beſtandtheile der Galläpfel befinden oder ſtickſtoffreiche Materien, werden mehr Sauerſtoff auf⸗ nehmen, als die, worin dieſe Beſtandtheile fehlen. Die Beobachtungen Sauſ⸗ ſure's ſind entſcheidende Beweiſe für dieſes Verhalten; während die Agave americana mit ihren fleiſchigen geruch- und geſchmackloſen Blättern nur 0,3 ihres Volums Sauerſtoff in 24 Stunden im Dunkeln abſorbirt, nehmen die mit flüchtigem verharzbarem Oel durchdrungenen Blätter der Pinuus Abies die 10 fache, die gerbſäurehaltigen der Quercus Robur die 14 fache, die bal⸗ ſamigen Blätter der Populus alba die 21 fache Menge des von der Agave americana eingeſaugten Sauerſtoffs auf. 9. Die Wurzeln der Pflanzen müſſen mit Sanuerſtoffgas in Berührung fein. Für die Wurzeln der Gewächſe ſcheint das Sauerſtoffgas eine unerläß⸗ liche Bedingung des Beſtehens zu ſein; es wird von denſelben aufgenommen — zu welchem Zwecke — iſt unbekannt. Sauſſure ſammelte Luft, welche mit Wurzeln in Berührung geweſen war, und fand ſie ſauerſtoffärmer, als die gewöhnliche. Er hat aber auch den Beweis dafür geliefert, daß die Pflan⸗ zen zu Grunde gehen, wenn ihre Wurzeln nicht mit Sauerſtoff in Berührung ſind. Er nahm mehrere Roßkaſtanienpflänzchen mit den Wurzeln aus der Erde und ſteckte letztere durch den engen Hals einer gläſernen Flaſche, deren Inneres mit deſtillirtem Waſſer bis zu ½ angefüllt war. In den Raum über dem Waſſer wurde bei drei verſchiedenen Gefäßen dieſer Art Kohlenſäure, Stickſtoff und Waſſerſtoffgas gebracht; die untere Oeffnung der Flaſchen war durch Queckſilber geſperrt. Drei andere Pflanzen von Aeseulus wurden in ähnliche Gefäße, deren oberer Raum indeſſen mit gewöhnlicher Luft angefüllt war, gebracht. Die Pflanzen, deren Wurzeln mit Kohlenſäure umgeben wa⸗ ren, ſtarben nach ſieben oder acht Tagen, die in dem Waſſerſtoff und Stickſtoff gingen etwas ſpäter, nach 13 oder 14 Tagen, aber gleichzeitig zu Grunde. Die Pflanzen, deren Wurzeln mit gewöhnlicher Luft in Berührung waren, erhielten ſich drei Wochen, zu welcher Zeit Sauſſure den Verſuch beendigte, vollkommen friſch. ' Dieſe Beobachtungen erklären zur Genüge, warum man das Begießen der Gartenbeete im Sommer ununterbrochen fortfegen muß, wenn man es einmal begonnen hat und man nicht Gefahr laufen will, die angebauten Ge⸗ wächſe zu verlieren; ſie erklärt, warum Pflanzen in gar nicht genetztem Lande 336 Urſprung des Waſſerſtoffs und Sauerſtoffs in der Holzfaſer. ſich unter Umſtänden länger erhalten können, als ſolche in einem Boden, den man nur eine Zeit lang begoß. Es bildet ſich nämlich ſogleich nach dem er⸗ ſten Beſprützen des Beetes eine harte Rinde, welche die Luft verhindert, in die Tiefe bis zu den Wurzeln zu dringen; dieſe muß von Zeit zu Zeit er⸗ weicht werden, damit die Luft wieder Zugang erhält. Das fortgeſetzte Be⸗ gießen hat alſo nicht blos den Zweck, die Pflanzen mit Feuchtigkeit zu ver⸗ ſehen, ſondern auch den eben ſo wichtigen, ihren Wurzeln Sauerſtoff zuzu⸗ führen. Auf dem Felde, welches man nicht begießen kann, erzeugt ſich dieſe Rinde oft nach Platzregen; ſie iſt die Urſache mancher Krankheiten der Ge⸗ wächſe. Wenn man die Erdrinde mit der Hacke oder mit ſtarken Rechen zer⸗ kleinert, ſo erreicht man die Lockerung des Bodens nachhaltig und eben ſo gut, als durch fortgeſetztes Begießen. Füllt man über den Wurzeln eines Baumes Erde auf, ſo wird der Sauerſtoff abgeſchnitten, und der Baum geht zu Grunde, wenn er nicht das Vermögen beſitzt, eine hinreichende Anzahl von neuen Wurzeln aus dem mit Erde bedeckten Theile des Schaftes zu entwickeln. Blos durch Auffüllen von Erde wurde der bekannte ſchöne Tulpenbaum zu Heidelberg zum Abſterben gebracht; die nämliche Erſcheinung beobachtete der Verf. an mehreren großen Roßkaſtanien auf dem Kirchhof zu Wimpfen im Thal; nachdem man dieſen Platz planirt hatte, gingen die ſchönen Stämme, welche die einzige pe des Platzes bildeten, binnen Jahresfriſt zu Grunde. 10. Urſprung des Waſſerſtoffs und des Sauerſtoffs in der Holzfaſer. Wir reden jetzt nicht von der Saftfeuchtigkeit, welche etwa 40—50 % von dem Gewichte des friſch geſchlagenen Holzes ausmacht, ſondern von dem Waſſerſtoff und Sauerſtoff, welche neben Kohlenſtoff und Stickſtoff integrirende Beſtandtheile der Holzfaſer ſind. Der Waſſerſtoff des Holzes ſtammt unzweifelhaft zum größten Theil von dem Waſſer, denn wir kennen keine andere Waſſerſtoffverbindung in der Natur, welche allerwärts in ſo reichlichem Maße vorkäme, um die Vegetation vollſtändig mit Waſſerſtoff verſehen zu können. — Bouſſingault behauptet zwar, Kohlenwaſſerſtoffgas in der Luft nachgewieſen zu haben, auch ſollen einige Vulkane Amerika's reines Waſſerſtoffgas ausſtoßen; aber einmal iſt es unerwieſen, ja vom Waſſerſtoffgas höchſt unwahrſcheinlich, daß diefe Gaſe aſſimilirbar ſind, zum andern iſt ihre Menge ſo unbedeutend, daß wir hier gar kein Gewicht auf dieſelben legen können. Auch der Waſſerſtoff des Ammo⸗ niaks kann nicht hinreichen, um den Pflanzen allen Waſſerſtoff zu liefern. Wir fanden früher, daß 1 Hectare Kiefernwald 218,2 Kil. Waſſerſtoff und 33,9 Kil. Stickſtoff produziren könne. Dieſen 33,9 Kilogr. Stickſtoff entſpre⸗ chen nun, wenn man ihn vom Ammoniak ableitet, 7,2 Kilogr. Waſſerſtoff (das Ammoniak enthält 21,39 % Waſſerſtoff), es fehlen alſo 2 211 Kil. Waſſerſtoff, welche nur von dem Waſſer herrühren können. Waſſerſtoff und Sauerſtoff in der Holzfafer. 337 Der Waſſerſtoff iſt, wie ſchon oben bemerkt wurde, ein nie fehlender Beſtandtheil der Pflanzenfaſer; er kommt ferner in den organiſchen Säuren und Baſen vor. Ebenſo iſt der Sauerſtoff ſehr verbreitet, doch fehlt er in eini- gen Oelen. Um uns eine Vorſtellung von der Aſſimilation dieſer beiden Stoffe zu verſchaffen, wollen wir uns zuerſt an die Zuſammenſetzung der Celluloſe hal⸗ ten und nachher erſt die Holzfaſer im Ganzen betrachten. Die Formel der Celluloſe iſt C. 2 Hio O10. Den Kohlenſtoff der Celluloſe kann man ableiten aus 12 Aequivalenten Kohlenſäure und den Waſſerſtoff aus 10 Aequivalenten Waſſer. Für den Fall, daß der Sauerſtoff des Waſſers in der Celluloſe bleiben ſoll, müſſen 2.12 2 24 Aeg. Sauerſtoff der Kohlenſäure austreten. Wird aber der Sauer⸗ ſtoff des Waſſers nicht aſſimilirt, ſondern der von der Kohlen ſäure herrüh⸗ rende in die Zuſammenſetzung der Celluloſe aufgenommen, ſo müſſen a 10 Sauerſtoff des Waſſers und 24 — 10 = 14 0 der Kohlenſäure in Summe 24 Sauerſtoff 0 entweichen; es wird alſo in beiden Fällen die Kohlenſäure, freilich in dem einen gänzlich, in dem andern nur theilweiſe, zerlegt. — Faſſen wir aber die Holzfaſer als Ganzes, alſo die Celluloſe mit dem Lignin auf, ſo bleiben die Verhältniſſe die nämlichen, nur ändern ſich die Zah⸗ lenwerthe. Sieht man von dem Stickſtoff und dem freien Waſſerſtoff ab, ſo kann (nach Gay⸗Luſſac) die Zuſammenſetzung der Holzfaſer durch die Formel Cs Hz O22 ausgedrückt werden. Nehmen wir an, ſämmtlicher Sauerſtoff rühre vom Waſſer her, fo werden 72 Aeg. Sauerſtoff von der Kohlenfäure frei, gehen wir aber davon aus, daß das Waſſer zerlegt werde, ſo müſſen Oz, vom Waſſer und noch 050 von der Kohlenſäure, alſo zuſammen 72 Aeg. Sauerſtoff ausgeſchieden werden. Es iſt viel darüber geſtritten worden, welcher von dieſen beiden Anſich— ten der Vorzug zu geben ſei. Man hat zur Unterſtützung der zweiten Hypo⸗ theſe angeführt, die Kohlenſäure ſei ſchwieriger zerlegbar, als das Waſſer. Allein dieſes Beweismittel iſt der anorganiſchen Chemie entnommen und kann auf die Vorgänge in der lebenden Pflanze keine Anwendung finden. Da in den beiden Fällen, welche man unterſtellen kann, gleichviel Sauerſtoff ausge⸗ ſchieden wird, ſo iſt es wahrſcheinlich unmöglich, zu entſcheiden, ob die eine oder die andere Annahme richtig ſei. Die Löſung dieſer Streitfrage iſt übri⸗ gens practiſch ohne alles Gewicht Ä Ebenſo iſt man über das Weſen der Kraft, welche die Zerlegung der Kohlenſäure, oder, wenn man lieber will, des Waſſers zu Stande bringt, noch vollſtändig im Unklaren. Die Abſcheidung des Sauerſtoffs wird nicht durch das Sonnenlicht allein bewirkt, denn wenn man Kohlenſäure und Waſ— ſer in einem Glasgefäß der Sonne ausſetzt, ſo findet die Desoxydation nicht Heyer, Bodenkunde. u 22 338 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. ſtatt. Aber auch die organiſche Kraft der lebenden Pflanze vermag den Tren⸗ nungsprozeß nicht für ſich allein herzuſtellen, es iſt hierzu die phyſikaliſche Wirkung des Sonnenlichts nöthig. 11. Urſprung des Stickſtoffes. Die Nachweiſung des Stickſtoffs im Holze, namentlich ſeine quantita⸗ tive Beſtimmung, gehört weſentlich der neueren Zeit an; vorzüglich hat ſich Chevandier um dieſen Gegenſtand verdient gemacht. In den Samen der Pflanzen war der Stickſtoff ſchon früher aufgefunden worden, auch hatte Payen gezeigt, daß der Saft vieler Gewächſe, z. B. der Linde, des Feigen⸗ baums, der Schwarzpappel, des Weinſtocks bei der trockenen Deſtillation am⸗ moniakaliſche Dämpfe liefere. Zu der nämlichen Entdeckung war Liebig be⸗ züglich des Ahornſaftes gelangt, als er dieſen auf ſeinen Zuckergehalt unter⸗ ſuchte. Die Menge des Ammoniaks, welche der Saft beim Abdampfen ent⸗ wickelte, war ſo beträchtlich, daß Liebig anfangs vermuthete, es ſei durch die Bosheit eines Menſchen Urin in die zum Auffangen des Saftes unter die Bäume geſtellten Gefäße gekommen, bis ihn ſorgfältige Beobachtungen lehr⸗ ten, daß der Stickſtoffgehalt des Saftes ein natürlicher ſei. Uebrigens iſt es bekannt, daß der zur Zuckerbereitung beſtimmte Ahornſaft ſehr ſchnell verſot⸗ ten werden muß; es geſchieht dies zu dem Zwecke, um die ſtickſtoffhaltige Subſtanz unwirkſam zu machen, damit ſie nicht eine Gährung des Zuckers hervorrufe. Chevandier wurde durch einen eigenthümlichen Zufall auf die Wirkungen aufmerkſam gemacht, welche die ſtickſtoffhaltige Subſtanz im Holze ſelbſt her⸗ vorbringt. Laſſen wir ihn mit ſeinen eigenen Worten reden: „Bei meinen erſten Analyſen (welche die Unterſuchung der elementaren Beſtandtheile des Holzes zum Zwecke hatten) arbeitete ich nicht mit getrocknetem Holze. Ich beabſichtigte nur, die Menge von Kohlenſtoff, freiem Waſſerſtoff und Stick⸗ ſtoff zu befkintmen und zu dieſem Zwecke analyſirte ich die friſchen Hölzer kurze Zeit nach der Fällung. Ich bemerkte alsbald eine conſtante und fortſchreitende Veränderung in dem Gehalt an Waſſerſtoff und Kohlenſtoff bei einem und demſelben Holze, welches ich in Form von Sägeſpähnen in eine Röhre ver⸗ ſchloſſen hatte. Dieſe Veränderung kann man nur allein einer geiſtigen Gäh⸗ rung zuſchreiben. Sie war leicht zu erkennen, wenn auch wegen der geringen Menge der in Gährung begriffenen Materie nicht anders als durch den Ge⸗ ruch zu beſtimmen.“ „Uebrigens erklärt ſich dieſe Gährung leicht durch die gleichzeitige Anwe⸗ ſenheit einer zuckerhaltigen und einer ſtickſtoffhaltigen Subſtanz im Holze. Letz⸗ tere vertritt die Stelle des Ferments.“ „Um dieſen merkwürdigen Umſtand auch durch Verſuche im Großen feſt⸗ zuſtellen, ließ ich in einer Sägemühle, wo die Bäume alsbald, nachdem ſie den Wald verlaſſen hatten, geſchnitten wurden, Spähne von enttinbeten Buchen, Ursprung des Stickſtoffs. 339 Hainbuchen und Eichen ſammeln und brachte ſie in einigen Fäſſern in einen etwas warmen Keller. Nach drei Wochen hatte ſich die geiſtige Gährung ent⸗ wickelt; bevor ich ihr freien Lauf ließ, gab ich etwas Waſſer hinzu und deſtil⸗ lirte dann bei ſchwachem Feuer. Nach mehrmaligem Reectificiren erhielt ich eine kleine Menge einer farbloſen, ſtark nach Alkohol riechenden Flüſſigkeit.“ Vor noch nicht langer Zeit war man der Anſicht, der Stickſtoff, wel⸗ chen die Analyſe des Holzes zum Vorſchein bringt, gehöre nur den im Saft enthaltenen Proteinſubſtanzen an, bis genauere Unterſuchungen nachwieſen, daß er auch dem . olze und zwar in dieſem der incruftivenden Materie zukomme. — Die Anſicht von Blondeau de Carolles, daß der Stickſtoff nicht in chemiſcher Verbindung, ſondern in freiem Zuſtande vorhanden ſei und ſich im Innern der Schläuche befinde, um ſie ausgedehnt zu erhalten, findet ihre Widerlegung ſowohl in der bekannten ſtarren Beſchaffenheit der Holzgefäße, als auch in dem oben angeführten Verſuche Chevandiers. Freier Stickſtoff iſt unfähig, eine Gährung, wie ſie von Chevandier beobachtet wurde, ein⸗ zuleiten. Obgleich das Verhältniß, in welchem die verſchiedenen Baumtheile hin⸗ ſichtlich ihres Stickſtoffgehaltes zu einander ſtehen, noch nicht gehörig durch Unterſuchungen feſtgeſtellt iſt, ſo weiß man doch, daß alle diejenigen Organe, welche einer Vermehrung fähig ſind, einen größeren Reichthum an Stickſtoff beſitzen, als die bereits fertig gebildeten. Zu jenen gehören namentlich die Cambiumzellen. Woher ſtammt nun aber der Stickſtoff des Holzes? Man war früher ziemlich allgemein der Anſicht, er werde direct aus der Luft genommen, von der man ja weiß, daß ſie aus Sauerſtoff und Stickſtoff beſteht; man glaubte, die Pflanzen beſäßen das Vermögen, den gasförmigen Stickſtoff ſich anzueignen. Dieſe Annahme iſt unrichtig, wie ſchon Sauſſure durch Verſuche be⸗ wieſen hat. Er jagt:- „Ich habe die Vegetation des Epilobium hirsutum mit vieler Sorgfalt ſowohl im reinen Stickgas, als in der atmoſpäriſchen Luft verfolgt und dabei die Verfahrungsart Prieſtleys, die er für dieſen Verſuch vorſchreibt, ange⸗ wandt. Ich habe die Experimente noch viel länger fortgeſetzt, allein ich habe niemals eine Verminderung des Stickgaſes wahrnehmen können, wenn ich das Sauerſtoffgas, was ſich daraus gebildet hatte, abzog. Das Nämliche erfolgte bei allen übrigen Gewächſen, die ich den nämlichen Proben unter⸗ warf. Die Pflanzen verdichten folglich das Stickgas nicht merklich. Die Ver⸗ ſuche von Woodhouſe und Sennebier beſtätigen dieſe Behauptung.“ Wir haben uns nach einer andern Quelle des Stickſtoffs umzuſehen. Welches find die in der Natur vorkommenden Verbindungen, von welchen die Pflanzen den Stickſtoff beziehen könnten? Da die Holzfaſer, wie wir wiſſen, Stickſtoff enthält, ſo iſt klar, daß 22 * 340 Einfluß der Atmoſphäre auf die Waldvegetation. die Waldbäume dem Humus Stickſtoff entnehmen können. In der Mehrzahl der Fälle wird der Stickſtoff des verweſenden Baumlaubes, des Mooſes und der dünnen Zweige, welche von den Bäumen abfallen, ſich in der Form von Ammoniak entwickeln, viel ſeltener wird ſich Salpeterſäure bilden. Nimmt man den Stickſtoffgehalt der trockenen Holzfaſer mit Chevandier zu 1% im Mittel an, jo würden die 1000 Kilogramme, welche das Gewicht eines 10jährigen Abfalls von Buchenlaub ausmachen, nur 74 Kilogramme Stickſtoff enthalten, gerade ſo viel, um einen Kiefernbeſtand etwas über zwei Jahre mit Stickſtoff zu verſehen. Erhöht man aber ſelbſt den Stickſtoffgehalt des Laubes auf 5%, ſo würde er doch nur auf 11 Jahre ausreichen. Die Reſte von Animalien ſind nicht ſo arm an Stickſtoff, als diejeni⸗ gen der Vegetabilien, allein erſtere kommen im Walde nur in unbedeutender Quantität vor. Der Koth der Thiere, welche, wie das Wild, im Walde le⸗ ben, iſt kaum in Anſchlag zu bringen; das Nämliche gilt von den Leibern der Inſeeten und andern kleinen Thiere, welche im Walde verweſen. Im Boden iſt alſo nicht die Quelle des Stickſtoffs zu ſuchen, ſie wird ebenſo, wie bei der Kohlenſäure, in der Atmoſphäre liegen, wenn es auch ausgemacht iſt, daß der freie Stickſtoff der Luft ſelbſt zur Ernährung der Pflanzen nicht benutzt werden kann. Wir haben früher (S. 166) eine Stickſtoffverbindung kennen gelernt, wel⸗ che ſich überall in der Atmoſphäre findet — wir meinen das Ammoniak. Wenn auch, nach Gräger, in der Luft nur /100000 Ammoniak enthalten ſein ſollte, jo macht dies doch für die ganze Atmoſphäre etwas über 14 Billionen mit einem Stickſtoffgehalt von etwas mehr als 10 Billionen Kilogrammen aus, während, bei einer Stickſtoffproduetion von 34 Kil. für den Hectare, das ganze Feſtland jährlich noch nicht ½ Billion Kilogramme jährlich verbraucht. — Gasförmig, wie die Kohlenſäure, vermag das Ammoniak ſich überall hin mit Leichtigkeit zu verbreiten, wodurch eine locale Abſorption deſſelben ſchnell wieder ausge- glichen werden kann. Der Wind führt das Ammoniak von den tiefſten Thä⸗ lern bis auf die Spitzen der höchſten Berge, doch ſchon allein nach dem Ge- ſetz der Diffuſion der Gaſe müßte es an jeden Ort im Luftocean dringen. Wie wohlthätig das Ammoniak auf die Vegetation einwirkt, wies Davy durch folgenden Verſuch nach. Er leitete dieſes Gas, aus gährendem Miſte entwickelt, unter die Wurzeln eines Raſens und bemerkte bald eine auffallende Beſchleunigung des Wachsthums. ; Der günftige Einfluß, den thieriſche Abfälle auf die Gewächſe äußern, beruht auf dem Ammoniak, welches bei der Fäulniß dieſer Subſtanzen ſich entwickelt. Graf Chaptal erzählt: „Ich ſah vor dreißig Jahren einen Wollen⸗ händler von Montpellier, deſſen Waſchhaus mitten in einem Felde angelegt war, wovon er einen großen Theil in einen Garten umgewandelt hatte; er gebrauchte kein anderes Waſſer zur Begießung ſeiner Gemüſe, als das Waſch⸗ waſſer ſeiner Fabrik, und Jedermann erſtaunte über die Schönheit ſeiner Ge⸗ Urſprung des Stickſtoffs. 341 wächſe. — Die Genueſer ſammeln im ſüdlichen Frankreich alle Abgänge der Wollenweberei, um ſie an dem Fuße ihrer Olivenbäume faulen zu laſſen.“ Ebenſo, wie die wollenen Lumpen, wirken die Hornſpähne. Den Pflanzen wird das Ammoniak der Atmoſphäre hauptſächlich durch das Regenwaſſer zugeführt; auch beſitzt die Ackererde die Eigenſchaft, dieſes Gas zu abſorbiren. Hierin zeichnet ſich namentlich der Mergel aus; vom Thone weiß man, daß der eigenthümliche Geruch, den er beim Anhauchen entwickelt, entbundenem Ammoniak zuzuſchreiben if. Auch der Schnee ver- dichtet viel Ammoniak an ſeiner Oberfläche. Die Salpeterſäure kann bei weitem nicht in dem Maße, wie das Am⸗ moniak, als allgemeine Quelle des Stickſtoffs angeſehen werden, denn ſie kommt bei weitem nicht ſo häufig in der Natur vor. Liebig fand unter 77 Regenwaſſern nur 19 ſalpeterſäurehaltig. (S. 167). Von den zum Theil günſtigen Reſultaten, welche man bei der Düngung mit ſalpeterſauren Salzen erhielt, weiß man noch nicht, ob ſie der Säure, oder der Baſis in dieſen Salzen zuzuſchreiben ſeien. Da die Luft das Ammoniak in ſo geringer Menge enthält, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß jede außergewöhnliche Zufuhr von Ammoniak die Erträge des Bodens ſteigern werde. Ob aber nicht, wie bei der Kohlenſäure, ein Maximum beſtehe, bis zu welchem die Ammoniakdüngung noch vortheilhaft für die Gewächſe ſei, darüber liegen noch keine directen Unterſuchungen vor. Der Verf. hatte öfters Gelegenheit, zu bemerken, daß junge Buchen an fol- chen Stellen, wo der Koth von Rindvieh in großer Quantität angehäuft war, ausgingen. (Diſtriet Silberberg bei Oberramſtadt im Odenwalde). Elftes Buch. Chemiſcher Einfluß des Bodens. 1. Aufzählung der anorganiſchen Beſtandtheile der Holzgewächſe. Wir haben bereits an einem andern Orte erwähnt, daß die Holzgewächſe neben Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff noch gewiſſe anorga⸗ niſche Beſtandtheile enthalten. Dieſe ſind Kali, Natron, Kalk, Bittererde, Thonerde, Eiſen, Mangan, Schwefel, Phosphor, Kieſelſäure, auch wohl zu⸗ weilen Fluor, Jod, Brom und Kupfer. In der lebenden Pflanze kommen die Baſen meiſt an organiſche Säuren gebunden vor. Bei der Einäſcherung zerſetzen ſich aber die letztern; es ent⸗ ſteht Kohlenſäure, und dieſe verbindet ſich mit den freigewordenen Baſen. Daher rührt es denn, daß die Aſche des ene der Blätter ꝛc. ſo viele koh⸗ lenſaure Salze enthält. Den Schwefel und Phosphor findet man in der Aſche immer in Ver⸗ bindung mit einer Baſe als Schwefelſäure und Phosphorſäure vor; es iſt aber wahrſcheinlich, daß dieſe beiden Stoffe als Säuren im Holze nur in ganz gerin⸗ ger Menge vorkommen und ſich erſt bei der Einäſcherung durch Aufnahme von Sauerſtoff aus den zugehörigen Metalloiden erzeugen. Schwefel und Phosphor ſind Beſtandtheile der im Saft vorkommenden Proteinverbindungen, natürlich müſſen ſie aber auch der ineruſtirenden Materie angehören, weil dieſe ja aus Saftablagerungen entſtanden iſt. Das Chlor iſt in der Pflanze gewöhnlich an Natrium oder Kalium ge⸗ bunden. Die Kieſelſäure kommt entweder in Verbindung mit Baſen (meift Kali oder Natron), oder auch frei vor. Im letztgenannten Zuſtand bemerkt man ſie im Buchenlaub; äſchert man dieſes ein, ſo zeigen ſich viele kleine Schüppchen, die ſich ſchon mit bloßem Auge recht gut unterſcheiden laſſen, denn fie beſitzen oft 1—2 Mm. Durchmeſſer. Dieſe Schüppchen find nichts anders als freie Kieſelſäure, welche vorzüglich in den Blattrippen abgelagert war. Ob die Thonerde wirklich einen Beſtandtheil der Holzaſche ausmache, iſt noch nicht gehörig conſtatirt; gewiß ift aber, daß der Gehalt an Thon⸗ erde, den viele Aſchenanalyſen angeben, entweder von Staub, oder nur von Vertheilung der anorganifchen Stoffe in den Holzgewächſen. 343 den Tiegeln herrührt, in denen die Aſche geglüht wurde. Am häufigſten zei- gen einen Gehalt an Thonerde diejenigen Unterſuchungen, welche ſich zugleich auf die Rinde erſtrecken, wahrſcheinlich deßhalb, weil es ſchwierig, wenn nicht unmöglich iſt, dieſe von anhängenden Staubtheilchen zu befreien. Erdmann konnte in ganz reinen Stücken von Buchs- und Ebenholz keine Spur Thon⸗ erde entdecken, ebenſo wenig in reinen Samenaſchen (Schubert). Gegen ein reichliches Vorkommen der Thonerde in den Pflanzen ſpricht ſchon der Umſtand daß die löslichen Thonerdeſalze in der Natur ſehr ſelten ſind. Auffallend iſt es, daß Fürſt von Salm⸗Horſtmar in der Aſche des Ly- copodium complanatum 38,5 % Thonerde gefunden haben will, während die Aſche von Zweigen eines Juniperus communis, welcher unmittelbar da⸗ neben gewachſen war, in 0,35 Grammen noch kein Milligramm enthielt. Die⸗ ſes verſchiedene Vorkommen glaubte er daraus erklären zu können, daß die Wurzeln mancher Pflanzen eine Säure ausſcheiden, welche die Thonerde lös⸗ lich macht, und wirklich fand er, daß die ganz friſchen feineren Wurzeln des Lycopodium complanatum, ri von Erde auf feuchtes Lakmuspapier EN daſſelbe röthen. Nach John's Analyſe enthält diefe Pflanze eine beträchtli liche Menge eſſigſaurer Thonerde, und in Norwegen benutzt man dieſelbe ſogar als Beize zum Blaufärben mit Blauholz (Schubert). Vielleicht findet ſich Fluor, Jod, Brom und Kupfer in allen Aſchen; die Quantität dieſer Stoffe iſt aber ſo klein, daß ſie keine Beachtung, wenig⸗ ſtens nicht für unſern Zweck, verdienen. 2. Vertheilung der anorganiſchen Stoffe innerhalb der einzelnen Theile der Holzgewüchſe. Einäſcherungen verſchiedener Theile der Holzgewächſe haben das Reſul⸗ tat geliefert, daß der Gehalt an anorganiſchen Stoffen nicht durch die ganze Holzpflanze hin der nämliche bleibt, daß er dagegen in jedem dieſer Theile ziemlich conſtant iſt. Stellen wir zuerſt gleiche Gewichtstheile des vollkommen getrock⸗ neten Holzes zuſammen, fo bemerken wir, daß der Aſchegehalt des rindenfreien Holzes von dem Wurzelſtock aus bis nach der Baumſpitze zunimmt, und daß die jünger gebildeten Organe reichlicher mit den Aſchebeſtandtheilen verſehen ſind, als die älteren. So hat alſo z. B. der Splint mehr Aſche, als das Kernholz, die jungen Zweige haben mehr, als das Stammholz. Die Blätter enthalten bei weitem mehr Aſche, als das eigentliche Holz; ſie werden aber noch übertroffen von der Rinde, die unter allen Theilen des Baumes den größten Aſchegehalt beſitzt. Dieſe Sätze finden ihren Beleg durch die nach⸗ ſtehenden Analyſen von Sauffure. 1000 Theile Eichenſtammholz enthalten 2,0 Theile Aſche " „ Eichenſplint m 4,0 " " n n Eichenſtammrinde " 60,0 " " 344 Chemiſcher Einfluß des Bodens. 1000 Theile Eichenzweigholz enthalten 4,0 Theile Aſche „ „ Eichenzweigrinde 5 600 a 0 „ Eichenblätter (Mai) er 580 . 5 17 7 (Sep tember) n 55, 0 " " Ehevandier äſcherte die Spähne von quer durchſägtem Holz ein und fand den Aſchegehalt in Prozenten der ganz trockenen Materie Prügelholz von Scheitholz Prügelholz Reisholz jungen Stämmen von Aeſten Buche 1,02 0,99 1,26 1,77 Eiche 1,45 1,58 2,00 1,82 Hainbuche 1,29 1,69 1,84 2,08 Birke 0,69 0,81 1,09 1,32 Afpe 1,40 1,60 2,35 2,98 Erle 135 1,41 5 2,02 Weide 2,11 1,90 i 5,51 Fichte 0,98 0,89 1,34 1,60 Kiefer 0,82 1,22 0,91 1,38 Im Mittel 1,23 1,34 1,54 2,27 Hiernach enthielte alſo das Prügelholz von jungen Stämmen weniger Aſche, als dasjenige von Aeſten, was ſich vielleicht durch die größere Rinden⸗ maſſe der letztern erklärt. Junge Stämme geben erſt dann wenig Aſche, wenn ſie bereits eine ſolche Stärke erlangt haben, daß ſie zu Prügelholz taugen; ſo lange ſie noch in das Reisholz gehauen werden, liefern ſie verhältnißmäßig mehr Aſche, als alle übrigen Sortimente. Fragen wir nun, wie ſich der Aſchegehalt ſtelle, wenn wir nicht gleiche Gewichtstheile, ſondern gleiche Raumtheile der verſchiedenen Sortimente mit einander vergleichen, ſo geben uns darüber die Analyſen Vonhauſens Aufſchluß. Sie beziehen ſich, wie die vorigen, auf Holz und Rinde und wur⸗ den durch Einäſchern ganzer Stämme gewonnen. Nach Vonhauſen enthält 1 Kubikmeter derbe Holzmaſſe an Aſche Scheitholz Prügelholz Reisholz Buche 6,345280 10,236800 14,145920 Kilogramme Kiefer 1,358848 ..1,715712 5,641920 10 Das Prügelholz rührte von Aeſten und der Schaftſpitze her. — Dieſe Zahlen zeigen alſo, daß die gröberen Sortimente in gleichen Raumtheilen weniger Aſche enthalten, als die ſchwächeren. Schließt man in den vorhin angeführ⸗ ten Analyſen Chevandiers das Prügelholz von jungen Stämmen aus, ſo er⸗ gibt ſich, daß dieſes Verhältniß der Aſchequantitäten für die verſchiedenen Sortimente das nämliche bleibt, möge man gleiche Gewichts⸗ oder Raum- theile Holz mit einander vergleichen. Die Analyſen Vonhauſens weiſen einen auffallend geringeren Aſchege⸗ halt bei der Kiefer, gegenüber der Buche, nach; es ſcheint ein ganz allgemei⸗ * Gegenſeitiges Verhältniß der anorganiſchen Stoffe. 345 nes Geſetz zu ſein, daß die Nadelhölzer weniger Aſche enthalten, als die Laub⸗ hölzer. Dagegen kann man nicht ſagen, daß die weichen Hölzer weniger reich an Aſche ſeien, als die harten, obwohl ſich hier keine conftante Regel wahr⸗ nehmen läßt. (Man vergleiche die vorhin mizenheilen Einäſcherungen Che⸗ vandiers). 3. Gegenſeitiges Verhältniß der anorganiſchen Stoffe. f Betrachten wir das Verhältniß, in welchem die anorganiſchen Stoffe die Aſche zuſammenſetzen, ſo fällt uns zuerſt in's Auge, daß die Quantität der in Waſſer löslichen Beſtandtheile beim Holze größer iſt, als bei der Rinde. Wir wollen hierüber einige Zahlen geben. Von 100 Theilen Aſche ſind in ar löslich Eichenaſtholz - i 26 Rinde deffelben . ? 5 7 Eichenſtammholz ; x 38,6 Rinde defjelben . . 0 7 Pappelſtammholz. ; 5 26 Rinde deſſelben 6 Haſelnußzweige 8 24,5 127520855 Rinde derfelben . N 5 12,5 Holz von Morus nigra ; 21 Rinde dieſes Baumes 7 Holz der Weißbuche 22 Rinde derſelben 5 4,5 Eichenholz i “ 12,0 Eichenrinde £ } . 501 . Dieſes Verhalten der Rinde, gegenüber dem — 8 ie in der Mehrzahl der Fälle dem reichlicheren Vorkommen von kohlenſaurer Kalk- und Bittererde, viel ſelte⸗ ner aber, als man gewöhnlich annimmt, demjenigen von phosphorſauren Sal⸗ zen zuzuſchreiben, wie die nachſtehenden Zahlen beweiſen Kohlenſaurer Kalk und Phosphorſaure kohlenſaure Bittererde Salze Eichenaſtholz 12,25 28,50 Rinde deſſelben 63,25 4,50 Pappelholz 27,00 16,75 Rinde deſſelben 60,00 50% FR Holz der Weißbuche 26,00 23,00 Rinde derſelben 59,00 4,50 Buchenholz 57,28 10,10 Buchenrinde 81,66 4,67 Tannenholz 56,54 9,120 Hertwig Tannenrinde 65,11 12,67 346 | Chemiſcher Einfluß des Bodens. Bei Morus nigra fand Sauſſure eine ſtärkere Abweichung von dieſer Regel 1 | Holz von Morus nigra 56,00 2,25 Rinde 45,00 8,50 Das Verhältniß der löslichen zu den unlöslichen Beſtandtheilen zeigt ſich bei den Blättern nach der Jahreszeit verſchieden. Nach den Unterſuchungen Sauſſure's nehmen die unlöslichen Stoffe gegen den Herbſt hin zu. Von 100 Theilen Aſche ſind in Waſſer löslich Blätter der Eiche vom 10. Mai 47 n " 57 „ 20. Sept. 17 " 50 Pappel „ 26. Mai 36 L 5 7 5512. Sept. 26 n 7 Haſelnuß 7 1. Mai 26 " n = nm m 22. Suni 22,7 20. Sept. 11 Mar Darf abet 1 ver daß kohlenſaure Kalk- und Bittererde, welche den gie en Theil der unlöslichen Stoffe in der Aſche ausmachen, im grünen Holz al „flanzenfaure Kalk- und Bittererde vorkommen, welche in dem ohne⸗ hin ſauren Pflanzenſaft löslich ſind. Bei den Blättern nimmt der Gehalt an Kieſelſäure in dem Maße zu, als jene an Conſiſtenz gewinnen, in dem nämlichen Verhältniß nehmen aber die Alkalien ab. Sauſſure fand in 100 Theilen Aſche der Eichen⸗Blätter am 10. Mai 3,0 Theile * u. 72,24 Th. Alkalien 27. Sept. 14,5 „ 1 „ 42,50 „ „ 5 50 70 4 „ Pappel-Blätter „ 26. Mai 5,0 „ 1 55s „ 7 I I 9 12. Sept. 11,5 " " 5 44,00 I 7 „Haſelnuß⸗Blätter „ 1. Mai 2,5 „ n „ 50% „ 5 I 1 „ 22. Juni 4 0 n „ " 30, 00 5 " " „ 5 7 20. Sept. 11, 3 77 71 44 ‚00 Wie wir bemerken, zeigen nur die am 22. Juni geerndteten Haſelnuß⸗ blätter eine Anomalie bezüglich der Alkalien. Vergleichen wir jetzt das Verhältniß der anorganiſchen Stoffe verſchiede⸗ ner Holzarten und Sortimente. Wir benutzen dazu die von Vonhauſen an⸗ geſtellten Analyſen des Buchen- und Kiefernholzes, bemerken aber, daß das Buchenreisholz ohne Laub, das Kiefernreisholz dagegen mit den Nadeln einge⸗ äſchert wurde. Buche Holz mit Rinde Scheitholz Prügelholz Reisholz (ohne Laub) Eiſenoxyd 0,520 0,268 0,5922 Manganoxydulozyd 0,925 1,073 0,592 Kalkerde 39,779 37,861 40,181 Gegenſeitiges Verhältniß der anorganiſchen Stoffe. 347 Scheitholz Prügelholz Reisholz (ohne Laub) Magneſia 10,080 13,405 9,055 Kali 13,168 12,517 11,813 Natrium 3,095 1,725 1,824 Kieſelſäure 6,257 5,526 8,247 Phosphorſäure 6,052 9,611 10,293 Schwefelſäure 0,461 0,550 0,986 Chlor 0,066 0,053 0,108 Kohlenſäure 19,597 17411 16,309 100,000 100,000 100,000 Kiefer Holz mit Rinde Scheitholz Prügelholz Reisholz (mit Nadeln) Eiſenoxyd 0,614 0,736 0,941 Manganoxydulozyd 0,391 0,663 0,277 Kalkerde 50,261 47,504 38,109 Magneſia 8,431 8,292 9,824 Kali ; 12,232 12,634 14,059 Natrium 0,441 2,341 1,835 Kieſelſäure 2,445 2,721 5,073 Phosphorſäure 5,051 5,673 11,092 Schwefelſäure 1,070 1,589 1,603 Chlor 0,029 0,092 0,057 Kohlenſäure 19,035 17,755 17,130 100,000 100,000 100,000 Aus dieſen Zahlen ergibt ſich Folgendes: a) Eiſen, Mangan und Chlor machen nur einen ſehr kleinen Theil der Holzaſche aus. b) Der Gehalt an Kalkerde iſt größer bei der Kiefer, als bei der Buche, nur das Kiefernreisholz bildet eine Ausnahme dieſer Regel, was dem grö- ßern Kieſelerde- und Phosphorſäuregehalt der mit dem Holze zugleich eingeäſcherten Nadeln zuzuſchreiben iſt. e) Die Alkalien nehmen auffallender Weiſe beim Laubholz von der Wurzel nach der Spitze hin ab, das Nadelholz zeigt dem entgegengeſetzt eine Zunahme in der ongaaabenen Richtung. d) Die Kieſelſäuregehalt fteigt bei der Kiefer nach der Spitze hin, auch vom Laubholz haben die dünnen Zweige mehr, als das Scheitholz, das Prü- gelholz dagegen beſitzt weniger, als die beiden andern Sortimente. Doch kommt ein nicht unbeträchtlicher Theil der Kieſelſäure im Kiefernreisholz auf Koſten der Nadeln. e) Die Phosphorſäure ſowohl der Buche, als der Kiefer nimmt von der * 348 Chemiſcher Einfluß des Bodens. Wurzel nach der Spitze hin zu, ebenſo die Schwefelſäure; das Chlor zeigt kein characteriſtiſches Verhalten in dieſer Beziehung. Während im Holz die alkaliſchen Erden entſchieden vorwiegen, enthalten die Samen mehr Alkalien, insbeſondere macht ſich der größere Gehalt an Phosphorſäure bemerklich, welche wahrſcheinlich von den Proteinverbindungen des Samens herrührt. In Nachſtehendem theilen wir einige Analyſen von Baumſamen mit, welche das eben Ausgeſprochene beſtätigen ſollen. Kiefer Fichte Wallnuß Buche Eiche (Poleck) (Poleck) (Glaſſon) (Souchay) (Kleinſchmidt) Kali 18,61 1857 27,12 1813 51,73 Natron 1,05 5,78 — 7,55 — Chlornatrium — 0,49 0,80 0,69 0,78 Kalkerde 155 1,22 81,58 19,47 5,48 Talkerde 12,57 14,34 7,72 9,25 4,45 Eiſenoxyd 2,51 1,12 0,73 4,59 9,90 Phosphorſäure 38,27 33,85 35,61 16,53 13,69 Schwefelſäure — — 2,28 1,75 2,23 Kieſelſäure 8,70 10,00 1,13 1,49 0,77 4. Einfluß des Bodens auf die Quantität und Qualität der anorganiſchen Be⸗ ſtandtheile der Holzpflanzen. Wir haben oben bereits angedeutet, daß die Quantität der Aſche inner⸗ halb der nämlichen Holzart und des gleichen Pflanzentheils ziemlich eonſtant iſt. In der That ſcheint ſelbſt die Qualität des Bodens dieſes Verhältniß nicht zu ändern. Dieſes zeigen die Unterſuchungen Chevandiers, von welchen wir hier einen Auszug für das Scheitholz geben. Das Holz wurde mit der Rinde eingeäſchert. Die Zahlen bedeuten Prozente der ganz trockenen Materie. Buche Eiche Hainbuche Birke Erle Aſpe Vogeſenſandſtein 1,00 1,55 1,32 0,83 1,22 1,16 Bunter Sandſtein 0,85 154 220 088 1,78 1,61 Muſchelkalk 1,12 1,66 1,55 0,72 1,23 2,04 Die Abweichungen, welche dieſe Zahlen erblicken laſſen, können unmög⸗ lich der Natur des Bodens zugeſchrieben werden, denn ſonſt hätte eine und dieſelbe Gebirgsart auch durchgängig den nämlichen Einfluß in Bezug auf die Vermehrung oder Verminderung der Aſche äußern müſſen. So ſehen wir aber, daß der Vogeſenſandſtein dreimal ein Minimum, der bunte Sandſtein dreimal ein Maximum und zweimal ein Minimum, der Muſchelkalk dreimal ein Minimum hervorbringt. Wollte man aber ſelbſt der Anſicht huldigen, daß der Einfluß der mineraliſchen Beſchaffenheit des Bodens je nach der Holzart ein verſchiedener ſei, ſo wird man dieſe Anſicht ohne Zwang doch nicht auf die Sortimente ausdehnen können. Nun ergibt aber die folgende Tabelle, daß beim Hainbuchenſcheitholz der bunte Sandſtein das Mazimum, der Vo⸗ Einfluß des Bodens auf die anorganiſchen Beſtandtheile der Holzpflanzen. 349 geſenſandſtein das Minimum, beim Hainbuchenprügelholz der Muſchelkalk das Maximum, der bunte Sandſtein das Minimum der Aſcheproduction bewirkt hat. Die Differenzen in den obigen Zahlen können nur daher rühren, weil dasjenige, was hier Scheitholz genannt iſt, doch nicht Holz von ganz gleicher Stärke war, indem man dieſes Sortiment aus allem demjenigen Holz bildet, deſſen Stärke ein beſtimmtes Maß z. B. im Großherzogthum Heſſen 7 Meter überſchreitet. Es iſt deshalb recht gut möglich, daß z. B. auf dem bunten Sandſtein ſtärkere Stämme zu Scheitholz verwendet wurden, als auf dem Muſchelkalk, oder umgekehrt. Auch kann der Gehalt an Rinde auf dieſen verſchiedenen Localitäten im Verhältniß zum Holze ein ſehr abweichen- der geweſen ſein. Hainbuche Scheitholz Prügelholz Vogeſenſandſtein 1,32 1,82 Bunter Sandftein 2,20 1,78 Muſchelkalk 1,55 1,93 Was aber die Qualität der Aſchenbeſtandtheile anlangt, fo äußert hierin der Boden einen ſehr bemerkbaren Einfluß, namentlich gilt dies bezüglich der Alkalien und der alkaliſchen Erden. So fand Sauſſure im Fichtenholz, welches auf dem Mont Breven (Granit) und dem Mont La Salle (Kalk) erwachſen war, in 1000 Theilen der trockenen Materie 11,87 und 11,28 Theile Aſche — Zahlen, die innerhalb der Grenzen der Genauigkeit, welche bei Einäſcherungen erwartet werden kann, mit einander faſt ganz übereinſtimmen; dagegen ſtellte ſich der Gehalt an Alkalien und Kalk folgendermaßen heraus: Fichte Granit Kalk Kohlenſaures Kali 3,60 7,36 Kohlenſaurer Kalk 46,34 51,19 Kohlenſaure Bittererde 6,77 00,0 Auf dem Kalkboden war alſo in der That mehr Kalk von dem Holz aufgenommen worden, als auf dem Granitboden. Liebig, von dem Grundſatz ausgehend, daß die Baſen in den Aſchen beſtimmt ſeien, eine gewiſſe Rolle in dem Lebensprozeß der Pflanze zu über⸗ nehmen, glaubte den relativen Wirkungswerth derſelben nach ihren Aequiva- lenten anſprechen zu müſſen. Die letztern berechnen ſich bekanntlich nach der Sauerſtoffmenge, welche das Metall braucht, um ſich zu orxydiren. Liebig fand das überraſchende Reſultat, daß, obgleich die Baſen in den beiden Fich- tenaſchen in ſehr abweichenden Mengen vorkommen, doch die Summe ihres Sauerſtoffgehaltes, ſo zu ſagen, ganz übereinſtimmt. 350 Chemiſche Beſtandtheile des Bodens. N Fichtenaſche vom Granitboden Kohlenſaures Kali 3,60 Sauerſtoffgehalt des Kalis 0,415 Kohlenſaurer Kalk 46,34 1 „ Kalks 77 - Kohlenſaure Bittererde 6,77 4 der Bittererde 1,265 9,007 Fichtenaſche vom Kalkboden j Kohlenſaures Kali 7,36 Sauerſtoffgehalt des Kaliis 0,85 Kohlenſaurer Kalk 51,19 0 „ Kalks 8,10 Kohlenſaure Bittererde 00,00 a 8,95 9,008 und 8,95 find wirklich kaum von ber verſchieden, wenn man die erlaubte Fehlergrenze bei Einäſcherungen berückſichtigt. Das von Liebig aufgefundene Geſetz, daß der Sauerſtoffgehalt der in der Aſche eines und des nämlichen Pflanzentheils enthaltenen Baſen eine eonftante Größe ſei, ſcheint, wenigſtens was das Holz anlangt, von allge⸗ meiner Gültigkeit zu ſein. Es fand Berthier in der Aſche zweier Tannen, von denen I in dem Departement de IIsère, II in Norwegen erwachſen war, I II 1 II Kali und Natron 16,8 34,8 Sauerſtoffgehalt 3,57 7,7 Kalk 29,6 13,6 8,36 3,82 Magneſia 3,3 4,35 1,26 1,69 13,19 13,31 Dieſe beiden Zahlen ſtimmen faſt abſolut mit einander überein. 5. Urſprung der anorganiſchen Beſtandtheile in den Vegetabilien. Die nächſte Quelle, aus welcher wir die organiſchen Beſtandtheile der Pflanzen abzuleiten haben, iſt der Boden. Diefer iſt entſtanden aus der Ver⸗ witterung der Geſteine, welche die feſte Erdrinde urſprünglich zuſammengeſetzt haben. Alle diejenigen Stoffe, welche bei dieſem Prozeß in Löſung kommen, können von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden. Die Alkalien und alkaliſchen Erden bilden die vorwiegenden Beſtand⸗ theile der Aſche des eigentlichen Holzes; ſie ſind es, welche der Boden in größerer Menge zu liefern hat. Wir haben früher geſehen, daß die ſedimentären Formationen aus Ab⸗ lagerungen von Sandſteinen, Kalken und Verwitterungsproducten der Feld⸗ ſpathe oder der ihnen verwandten Mineralien beſtehen, und daß die letztern in den plutoniſchen Bildungen immer enthalten ſind. Nun beſitzen aber alle Feldſpathe Kali und Natron, einige auch Kalk (namentlich der Labrador); der Glimmer, die Hornblende, der Augit enthalten ſtets alkaliſche Erden (Kalk und Bittererde), oft auch Alkalien; das Bindemittel des Sandſteins iſt in den meiſten Fällen kalkiger oder thoniger (feldſpathartiger) Natur; alle Kalke beſitzen Zurückbehaltung der von außen dargebotenen anorganiſchen Stoffe. 351 einen Gehalt an Alkalien; es folgt hieraus, daß die Alkalien und alkaliſchen Erden in jedem Boden ſich vorfinden müſſen. Daß auch die Kieſelſäure, welche einen nicht unbeträchtlichen Theil der Aſche des Laubes und der Nadeln ausmacht, keinem Boden mangelt, lehrt uns die Zuſammenſetzung des feſten Rückſtandes der natürlichen Gewäſſer. In keinem von dieſen hat man bis jetzt die Kieſelſäure vermißt, wenn es nur eine nicht zu kurze Strecke über den Boden gefloſſen war. Seltener kommen im Boden Schwefelſäure und Phosphorſäure vor, die Waldbäume haben aber auch nicht ſo viel von beiden nöthig. Wenn man von einem Hectare Buchenwald jährlich 20 Kil. Kalkerde erndtet, gewinnt man erſt 4,3 Kil. Phosphorſäure und 347 Gramme (noch nicht ½ Kil.) Schwefelſäure. Das verbreitetſte der ſchwefelſauren Salze iſt der Gyps, von den phos⸗ phorſauren der Apatit und Wawellit. Immerhin kommen aber dieſelben (na⸗ mentlich die beiden letztern) nicht allgemein genug vor, als daß man den Schwefel⸗ und Phosphorgehalt der Pflanzen von dieſen Salzen ableiten könnte. Die neueren Analyſen haben Aufſchluß über dieſes Räthſel gegeben. Bei genauerer Unterſuchung und indem man mit größeren Quantitäten ar⸗ beitete, fand man faſt in jedem Geſtein einen, wenn auch nur geringen, Ge⸗ halt an Phosphor- und Schwefelſäure. Das Nämliche gilt von dem Chlor; doch hat man nicht nöthig, deſſen Quelle für die Pflanzen in dem Verwitterungsboden zu ſuchen. Die Regen⸗ wolken, deren Waſſerdampfgehalt zum größten Theil vom Meere herrührt, führen fortwährend große Quantitäten Kochſalz in das Binnenland ein, die mit dem niederfallenden Regenwaſſer auf den Boden gelangen. Obgleich näm⸗ lich das Kochſalz an und für ſich nicht flüchtig iſt, ſo enthält doch immer das aus einer Kochſalzlöſung verdunſtende Waſſer Spuren davon. Ueber dem Meere ſelbſt iſt der Kochſalzgehalt des Waſſerdampfs am auffallendften; hier trübt die Luft jederzeit ſalpeterſaure Silberlöſung (es bildet dich unlösliches Chlorſilber). Pallas fand den Thau in der Nähe der Salzſeen, in den Ruſſi⸗ ſchen Steppen ſalzhaltig, und an den Heſſiſchen Salinen hat man die Fähig⸗ keit des Waſſerdampfs, bei ſeiner Trennung von dem tropfbar flüſſigen Salz⸗ waſſer eine gewiſſe Menge Kochſalz feſtzuhalten, durch directe Verſuche nach⸗ gewieſen. 6. Die Pflanzen behalten die von Außen dargebotenen anorganiſchen Stoffe nach Bedürfniß und Auswahl zurück. Da das Waſſer, welches die Wurzeln der Pflanzen aus dem Boden aufſaugen, niemals chemiſch rein, ſondern eine Löſung von Salzen und Säu⸗ ren iſt, ſo kann es nicht auffallen, daß in dem Pflanzenkörper anorganiſche Stoffe gefunden werden. Das von den Gewächſen aufgenommene Waſſer verdunſtet ja wieder, es muß ein Theil der nicht flüchtigen Subſtanzen in ihnen zurückbleiben. Nun wirft ſich aber die Frage auf: können die ſog. 352 Chemiſcher Einfluß des Bodens. ur ’ Afchebeftandtheile der Pflanzen nur als Rückſtand von der Verdunſtung des aufgeſaugten Waſſers angeſehen werden, oder müſſen wir dieſelben als eine Bedingung für die normale Entwicklung der Pflanzen betrachten, können alfo die anorganiſchen Stoffe von den Pflanzen nach Bedürfniß und Auswahl zu⸗ rückbehalten werden? Es iſt eine ausgemachte Thatſache, daß die Fähigkeit der Pflanzen, das durch die Wurzeln aufgenommene Waſſer wieder in Dampfform an die At⸗ moſphäre abzugeben, nach Gattung und Art eine ſehr verſchiedene iſt. Wäh⸗ rend der ſproſſende Raſen viermal mehr Waſſer verdunſtet, als eine gleich große Waſſerfläche, verlieren manche Sempervivum⸗ und Cactusarten nur ge⸗ ringe Spuren ihrer Saftfeuchtigkeit. Nehmen wir nun an, es würde den Wurzeln einer Gras- und einer Cactuspflanze das Waſſer von der nämlichen Beſchaffenheit dargeboten, ſo läßt ſich der größere Aſchengehalt der erſteren als Folge der vermehrten Verdunſtung erklären. Offenbar iſt die Verdunſtung bei den Pflanzen ein rein phyſikaliſcher Prozeß, deſſen langſamerer oder ſchnellerer Verlauf von der Beſchaffenheit der Blätter und jungen Triebe, insbeſondere, wie wir ſpäter ſehen werden, von der Häufigkeit der ſogenannten Spaltöffnungen bedingt wird. Es läßt ſich nicht denken, daß in der Textur der Pflanzenoberfläche die Bedingungen für das Zurückhalten des einen oder des an⸗ dern derjenigen Stoffe gelegen ſei, welche durch das mittelſt der Wur⸗ zeln aufgenommene Waſſer in die Pflanze gelangen. Von dieſem Grundſatze ausgehend, läßt es ſich nicht erklären, warum nicht das relative Verhältniß der anorganiſchen Beſtandtheile zweier Pflanzen, welche mit dem nämlichen Waſſer genährt worden ſind, genau daſſelbe blei⸗ ben ſollte. Nun finden wir aber, daß die Aſche einer Wickenpflanze 31 % Kali und 2 % Kieſelſäure enthält, während die Aſche eines dicht daneben ge- wachſenen Roggenhalmes 17 % Kali und 64 % Kieſelerde zeigt. Wir kön⸗ nen daher die Vermuthung nicht zurückweiſen, daß die Pflanzen die Fähigkeit beſitzen, gewiſſe Stoffe zurückzuhalten, und daß dieſe irgend eine Rolle in dem Organismus, in dem Lebensprozeß der Gewächſe ſpielen. Denn wozu aſſi⸗ milirt die Wickenpflanze mehr Kali, als der Roggen, wenn ſie dieſes Kali nicht zu beſtimmten Zwecken braucht? Die Kraft ſelbſt, welche die Auswahl der anorganiſchen Stoffe leitet, läßt ſich weder auf die bekannten phyſikaliſchen, noch auf die chemiſchen Kräfte zurückführen; wir müſſen ſie, ſo lange ihre Natur nicht genauer erforſcht iſt, als Lebenskraft bezeichnen. Der Menſch und das Thier trifft eine Auswahl unter ſeinen Nahrungs⸗ mitteln; können wir von der Pflanze das Gleiche annehmen? Beſitzt alſo ſchon die Oberfläche der Wurzel das Vermögen, gewiſſe Stoffe zurückzuweiſen, oder dringt Alles, was in Waſſer löslich iſt, in die Pflanze ein, und wird das conſtante Verhältniß der anorganiſchen Stoffe dadurch hervorgebracht, daß die nicht verwendbaren Subſtanzen wieder aus der Pflanze ausgeſchieden Anorganiſche Beſtandtheile der Pflanzen. 3353 werden? Für alle dieſe Fragen fehlt bis jetzt eine Antwort, welche ſich auf die Reſultate directer Unterſuchungen ſtützte. 7. Die auorganiſchen Beſtandtheile der Pflanzen find eine nothwendige Be- dingung für die normale Entwicklung derſelben. Obgleich ſchon aus dem Vorhergehenden erhellt, daß die anorganiſchen Stoffe, welche in den Pflanzen gefunden werden, kein zufälliges Vorkommen ſind, ſondern eine Rolle in dem Lebensprozeß der Organismen ſpielen müſſen, jo wollen wir doch noch einen directen Verſuch anführen, welcher beweiſt, daß die ſogenannten Aſchebeſtandtheile eine nothwendige Bedingung für die nor⸗ male Entwicklung der Gewächſe ſind. Dieſer Verſuch rührt von Wiegmann und Polſtorff her. Dieſe beiden Naturforſcher nahmen einen ſehr reinen Quarzſand (aus der Gegend von Braunſchweig), kochten ihn mit Königswaſſer *) aus und ſetzten, nachdem die Säure und das, was ſich in ihr gelöſt hatte, durch Waſchen ent- fernt war, der einen Hälfte dieſes Sandes organiſche und anorganiſche Sub⸗ ſtanzen in dem Verhältniß zu, in welchem ſie von Sprengel in einer frucht⸗ baren Ackererde gefunden worden waren. In 1000 Theilen enthielt das von ihnen dargeſtellte Gemenge: Reinen Quarzſand 861,26 Schwefelſaures Kali 0,34 Trocknes Kochſalz 0,13 Gebrannten Gyps 1,25 Geſchlämmte Kreide 10,00 Kohlenſaure Magneſia 5,00 Manganoxyd N 2,50 Eiſenoxyd 10,00 Alaunerde, aus Alaun gefällt 15,00 Phosphorſauren Kalk 15,60 Humusſaures Kali 3,41 Humusſaures Natron 2,22 Humusſaures Ammoniak 10,29 Humusſauren Kalk 3,07 Humusſaure Talkerde 1,97 Humusſaures Eiſenoxyd 3,32 Humusſaure Alaunerde 4,64 Unlöslichen Humus (Humuskohle) 50,00 1000,00 ) Diefes ift eine Miſchung von Salpeterfäure und Salzſäure. Es löſt Gold und Platin unter Entwicklung von ſalpetriger Säure auf, wobei dieſe Metalle in Ver⸗ Heyer, Bodenkunde. 23 354 Chemiſcher Einfluß des Bodens. Sechs Töpfe von 8 Zoll Durchmeſſer wurden mit reinem Sand und eben ſo viele mit der präparirten Erde gefüllt. In beide Erdarten ſäete Wieg⸗ mann Wicken, Buchwaizen, Hafer, Gerſte, Klee und Tabak. Die Erde wurde mit deſtillirtem Waſſer angefeuchtet. In den erſten 8—10 Tagen zeigte das Wachsthum der jungen Pflänz⸗ chen keinen Unterſchied, dann aber wuchſen die in künſtlicher Erde den in rei⸗ nem Sand erzogenen vor; ihre Blätter färbten ſich dunkler und ihre Halme und Stengel wurden ſtärker und ſteifer. Sie blühten ſämmtlich reichlich und ſetzten keimfähigen Samen an, während die in den bloßen Sand gefäeten Pflanzen nur zum Theil blühten und keinen fruchtbaren Samen hervor⸗ brachten. Man ſieht aus dieſen Verſuchen, daß die in den Samen niedergelegten Nahrungsſtoffe zwar im Stande ſind, das Leben der gekeimten Pflanze eine Zeit lang zu unterhalten, daß dagegen die normale Entwicklung und insbe⸗ ſondere die Samenproduction nur erfolgen kann mittelſt der löslichen Beſtand⸗ theile des Bodens. Der Luftſtaub kann dieſelben nicht vertreten, denn er war den in reinen Sand geſäeten Pflanzen zugänglich, und trotzdem entwickelten ſich dieſe nicht vollſtändig. 8. Welche Rolle ſpielen die ſog. Aſchebeſtandtheile in dem Organismus der Pflanze? Die anorganiſchen Stoffe, welche man in den Pflanzen findet, laſſen ſich in zwei große Gruppen bringen. Die erſtere, zu welcher namentlich Phosphor und Schwefel gerechnet werden müſſen, bedingen die Integrität des Pflanzentheils, welchem ſie angehören. Sie ſind förmlich in die Zuſammenſetzung deſſelben eingetreten. Wozu dieſe Stoffe dienen, wiſſen wir mit der größten Beſtimmtheit. Albu⸗ min z. B. iſt eine Verbindung von Kohlenſtoff, Wafferftoff, Sauerſtoff, Phos⸗ phor und Schwefel; jedes von dieſen Elementen iſt gleich wichtig für die Con⸗ ſtitution des Albumins. Nimmt man den Stickſtoff hinweg, ſo kann der Reſt nicht mehr Albumin genannt werden, aber eben ſo wenig verdient er dieſe Bezeichnung ohne Phosphor und Schwefel. Wie feſt z. B. der Phosphor im Kleber an den Kohlenſtoff, Waſſerſtoff u. ſ. w. gebunden iſt, beweiſt die Erfahrung, daß bei der Bierbereitung das phosphorſaure Kali, welches doch ein lösliches Salz iſt, nicht im Malzauszug, ſondern noch bei der Hefe gefun⸗ den wird. Die anorganiſchen Stoffe unſerer erſten Gruppe ſind alſo deßwe⸗ gen für die Vegetation nothwendig, weil ſie weſentlich zu der Zuſammenſetzung gewiſſer Pflanzentheile gehören. bindung mit Chlor gebracht werden. Da in dem Boden ſolche ſchwerlösliche Stoffe. wie Gold ꝛc. nicht vorkommen, fo hätte man auch wohl mit der Anwendung von Salpeterſäure oder Salzſäure allein ausgereicht. Bedeutung der Aſchebeſtandtheile für die Vegetation. 355 An dere anorganiſche Stoffe, aus denen wir eine zweite Gruppe bilden wollen, können von den Pflanzentheilen, in welchen ſie ſich finden, getrennt werden, ohne daß dadurch deren Integrität eine Einbuße erleidet. So laſſen ſich z. B. aus dem Holze mittelſt Waſſers und anderer Flüſſigkeiten Baſen, welche an organiſche und anorganiſche Säuren gebunden find (z. B. eſſigſaures Kali, ſchwefelſaures Kali) ausziehen, ohne daß der Reſt aufhörte, Holz zu ſein. Die Entfernung dieſer Subſtanzen hat nicht zur Folge, daß gleichzeitig auch der Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff, welche die Zuſammenſetzung der Holzfaſer ausmachen, ſich von einander trennen. Wozu dienen die anorganiſchen Stoffe der zweiten Gruppe? Indem wir uns anſchicken, eine Antwort auf dieſe Frage zu geben, be- treten wir eines der dunkelſten Gebiete der Pflanzenphyſiologie. Liebig war der Erſte, welcher einiges Licht über daſſelbe zu verbreiten geſucht hat, ohne es vollſtändig aufhellen zu können. Obgleich die Entwicklungen dieſes großen Naturforſchers noch manche Zweifel übrig laſſen, ſo ſind wir doch verbunden, ſie ausführlich mitzutheilen, denn ſie ſind in der That die einzige Erklärung, welche man bis jetzt über die Bedeutung der angeführten Stoffe für den Pflanzenorganismus gegeben hat. Es iſt früher auseinandergeſetzt worden, daß, wenn Kohlenſäure und Waſſer zur Bildung der Holzfaſer zuſammentreten, eine Ausſcheidung von Sauerſtoff erfolgt. Geht man von der Zuſammenſetzung der Celluloſe aus, fo findet man, daß es 24 Aequivalente Sauerſtoff find, welche die Pflanze verlaſſen müſſen, damit 12 Aeg. Kohlenſtoff in ihr zurückbleiben können; für die ganze Holzfaſer wären es aber 72 Aequivalente Sauerſtoff (S. 337). Es iſt nun nicht denkbar, daß dieſe ganze bedeutende Quantität Sauer⸗ ſtoff auf einmal und in dem Augenblick ausgeſtoßen werde, in welchem die Kohlenſäure oder das Waſſer von der Pflanze aufgenommen worden iſt. In der Natur bemerken wir keine Sprünge, ſondern allmählige Ueber⸗ gänge, ſowohl vom Einfachen zum Zuſammengeſetzen, als wie in der umge⸗ kehrten Ordnung. Wir führen beiſpielsweiſe an, daß beim Verbrennen von Schwefel nicht ſogleich Schwefelſäure (803), ſondern erſt ſchweflige Säure (802), daß aus Alkohol C. Hs O: nicht unmittelbar Eſſigſäure Ca Hz O3, ſondern erſt Aldehyd C. H, O, entſteht. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß nicht ſogleich ſämmtlicher Sauerſtoff, wel⸗ cher nach der Aſſimilation des Kohlenſtoffs und des Waſſerſtoffs übrig blei— ben müßte, ſogleich den Kohlenſtoff oder den Waſſerſtoff verläßt, daß vielmehr zwiſchen der Zuſammenſetzung der Kohlenſäure und derjenigen des Holzes viele Zwiſchenſtufen liegen, welche aus Verbindungen beſtehen, deren Sauer⸗ ſtoffgehalt in dem Maße abnimmt, als ſie ſich dem Holze nähern. Dieſe Annahme würde ſehr gewinnen, wenn in der Pflanze ſelbſt dieſe Zwiſchenſtufen aufzufinden wären und ſo der Uebergang der Kohlenſäure in Holzfaſer von Glied zu Glied erfolgt werden könnte. 23 * 356 Chemiſcher Einfluß des Bodens. Dies iſt nun bis jetzt nicht in der wünſchenswerthen Vollſtändigkeit gelungen, wahrſcheinlich deßhalb, weil der Uebergang von einer dieſer Ver⸗ bindungen in die andere in ſehr kurzen Intervallen erfolgt. Hält man dagegen die Analyſen des Saftes verſchiedener Pflanzen zuſammen, ſo ſtellt ſich eine Anzahl von Körpern dar, deren Sauerſtoffgehalt förmlich eine fallende Reihe bildet. Es ſind dies die organiſchen Säuren. Sie können ſämmtlich aus der Kohlenſäure abgeleitet werden, wenn man unterſtellt, daß Waſſer⸗ ſtoff aufgenommen und Sauerſtoff ausgegeben werde. Wir wollen dieſe Deri⸗ vation beiſpielsweiſe und nach dem Vorgang Liebig's für Oxalſäure, Wein⸗ ſäure, Aepfelſäure, Citronenſäure und Flechtenſäure vornehmen. 12 Aeq. Kohlenſäure find — Ca On . hiervon ab 6 Sauerſtoff ee bleiben 6 Aeg. waſſerfreie Oxalſäure C 018 Die Oxalſäure exiſtirt nicht in waſſerfreiem Zuſtand, als Oxal⸗ ſäurehydrat enthält fie 1 Aeq. Waſſer. 6 Aeq. Oxalſäurehydrat — Cia O24 He Aus der Oxalſäure entſteht durch Austreten von Sauerſtoff Weinſäure und Aepfelſäure 6 Aeg. Oxalſäurehydrat — C12 024 He hievon ab 9 Sauerſtoff 09 bleiben 3 Aeg. Weinſäure C12 015 He weiter ab 3 Sauerſtoff ee bleiben 3 Aeg. Aepfelſäure C12 012 He hiervon ab 1 Waſſer N 0 H bleiben 3 Aeg. Citronenſäure Ci Ou Us hiervon 2 Waſſer 02 HB, bleiben 3 Aeg. Flechtenſäure ö C 05 Ua Wir können nun Weinſäure, Citronenſäure, Aepfelſäure ꝛc. betrachten als Verbindungen von Oralſäure mit Zucker, Gummi, Amylon, Celluloſe u. ſ. w. Z. B 6 Weinſäure 6 Oxalſäure + Celluloſe + 2 Waſſer 2 (Ca He O18) = Ci Ois + Gr Hi 070 + Hr 02 6 Oxalſäure + 2 Amylon . + 2 Waſſer = C12 Ois + Car Hio O10 + Hr 02 6 Oxalſäure + trockener Ahornzucker + 1 Waſſer — Ci Ois + Ca HII O1 + H 0 6 Oxalſäure + trockener Traubenzucker — ©. Os + Ci Bir 012 Durch pinuteten neuer Quantitäten Waſſerſtoff können alſo alle dieſe Säuren zur Bildung von Zucker, Amylon, Gummi, Gellulofe ꝛc. dienen. Es fragt ſich nun, ob Thatſachen dafür ſprechen, daß die organiſchen Säuren wirklich den Uebergang in dieſe Stoffe vermitteln. Bedeutung der Aſchebeſtandtheile für die Vegetation. 357 Wie ſchon angedeutet wurde, hat man in einer und derſelben Pflanze noch nicht alle Glieder der vorhin aufgeſtellten Reihe gefunden; es darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß man noch nicht gründlich nach ihnen geſucht hat. Von Liebig ſelbſt iſt es, ſo viel wir wiſſen, bis jetzt verſäumt worden, den Pflanzenſaft auf die ganze Kette der Säuren, welche er in ihm vermuthet, zu unterſuchen. Dagegen führt er folgende Beobachtungen zur Unterſtützung ſeiner Anſichten an: a. „Die unreifen Früchte der Weintrauben ſind wegen ihres Säurege⸗ gehaltes ungenießbar. Im Sonnenlicht ſcheiden ſie Sauerſtoff aus, und ſtatt der Säure finden wir im Herbſt Zucker.“ b. „Wir ſehen in den Früchten des Vogelbeerbaum's auf die Wein⸗ ſäure die Aepfelſäure, auf die ſauerſtoffreichere Säure die an Sauerſtoff ärmere folgen; wir ſehen die Aepfelſäure in den Beeren nach und nach beinahe gänz- lich verſchwinden und finden an ihrer Stelle Gummi und Schleim, die vorher darin fehlten, und ebenſoviel Gründe, wie wir für den Uebergang des Koh— lenſtoffs der Weinſäure zu einem Beſtandtheil der auf ſie folgenden Aepfel⸗ ſäure haben, an dem wohl ſchwerlich Jemand zweifelt, genau ſo viel haben wir für den Uebergang dieſer Säuren in Zucker.“ f Dieſen Argumenten ließe ſich noch hinzufügen, daß der Saft der Wald⸗ bäume im Frühjahr und Sommer immer ſauer reagirt und daß die Säure gegen den Herbſt hin, wenn das Holz mit Amylonkörnchen angefüllt iſt, ver⸗ ſchwindet. Die Säuren, welche man in Holzſaft gefunden hat, find nament— lich Eſſigſäure“) (Vauquelin fand im Saft der Ulme im Mai 0,889 % eſſigſaures Kali, im Saft der Hainbuche freie Eſſigſäure, eſſigſaure Kalkerde und eſſigſaures Kali, im Saft der Birke, Buche und der zahmen Kaſtanie eſſigſaure Kalkerde und eſſigſaures Kali), Aepfelſäure (ſie wurde u. A. von Buchner und Herberger in der Wurzel des Sauerdorns mit 3,4 % nachge⸗ wieſen), Weinſäure und Gerbeſäure. Wenn ſich die Liebig'ſche Theorie durch weitere Unterſuchungen beſtätigen ſollte, ſo wäre damit das Dunkel, welches bisher über der Bildung des Holzes geſchwebt hat, in vielen Punkten aufgehellt. Es wäre alsdann der Weg erleuchtet, den die Kohlenſäure zu durchwandern hat, um in Amylon, Gummi oder Zucker überzugehen. Iſt man einmal bei dieſen Subſtanzen angekom⸗ men, ſo macht die Erklärung, wie ſich aus ihnen das Holz erzeugen kann, *) Die Formel des Eſſigſäurehydrats ft C. Hs Os + H O = C. H. O.; dieſe dreimal genommen, gibt Ciz Hız O12; es brauchen ſich daher von 3 Aeg. Eſſig⸗ ſäurehydrat nur 2 Aeg. Waſſer zu trennen, damit der Rückſtand die Zuſammen⸗ ſetzung der Celluloſe erhalte. 358 Chemiſcher Einfluß des Bodens. keine Schwierigkeiten mehr. Wir ſahen früher, daß die Formel der Celluloſe N Ci H 0 010 iſt. Dieſe ſtimmt mit derjenigen des Dextrins C12 H 010 vollſtändig überein; und nehmen wir die Formel des Amplons (C,H, O,) doppelt, jo haben wir 2 (C,H, 05) = Ca Ho 070 daher ebenfalls die Celluloſe. Zieht man von der Formel des Ahornzuckers 1 Aeg. Waſſer ab, fo iſt C2 Hi 011 —HO=C,, Ho 010 Und von der Formel des Traubenzuckers 2 Waſſer ab, bleibt C12 H. 012 — H 02 = C12 Hıo 020 alſo wieder Celluloſe. Es ſcheint in der That alles Holz aus Amylon gebildet zu werden; der Sitz deſſelben iſt das Markſtrahlengewebe und die Rinde, in den Längsge⸗ fäßen kommt es nur ſelten vor. Unterſucht man im Frühjahr, wenn die Stärke des aufſteigenden Saftſtroms nachgelaſſen und die Rinde ſich wieder mit dem Holze verbunden hat, die Markſtrahlenzellen, fo findet man in ihnen wenig Stärkmehl; im Sommer iſt es ſchon reichlicher vorhanden, und im Herbſt ſtrotzen ſie von Amylonkörnchen (Fig. 144. Stärkmehlkörner in den 8 144. Markſtrahlenzellen der Platane). Das Nämliche be⸗ i merkt man bei den Blättern, ihr Stärkemehlgehalt iſt im Herbſt, wenn ſie abfallen, am größten, wes⸗ wegen ſie auch vorzüglich zu dieſer Jahreszeit zu Futterlaub geerndtet werden, und wenn auch das Vieh das Herbſtlaub weniger gern frißt, ſo weiß man doch, daß dieſes nahrhafter iſt, als wenn es im Sommer von den Bäumen genommen wird. Die Blätter der Laubholzbäume ſterben in unſeren Klimaten im Herbſte mit dem Eintritt einer niedrigeren Temperatur ab; ſchon in der Türkei, in Griechenland, im ſüdlichen Spanien ſind die Laubhölzer wintergrün, die Blätter bleiben mehrere Jahre am Stamm ſitzen, und wenn ſie abfallen, ſo enthalten ſie kein Stärkemehl mehr, man kann ſie nur zu Streu, nicht zur Nahrung für die Thiere verwenden. Dieſe Blätter haben ihr Stärkemehl an das Holz abgegeben, ſie haben eine ähnliche Rolle, wie die Markſtrahlen geſpielt. Das Stärkemehl der Rinde wird wahrſcheinlich ebenſo, wie dasjenige, welches am Holze aufgeſpeichert iſt, zur Bildung von Celluloſe verwandt, denn im Frühjahr, wenn das Holz von der Rinde ſich löſt, erfolgt die Zel⸗ lenbildung von zwei Seiten aus; es erzeugt ſich ein neuer Holzring und zu⸗ gleich eine neue Baſtſchichte. Manche Holzarten enthalten außerordentlich viel Stärkemehl in der Rinde; es iſt bekannt, daß in Schweden im Winter zur Zeit der Noth aus Fichtenrinde Brod gebacken wird. In der Rinde der Kiefer fand Du Menil 60% Stärkemehl. Aus dem Stärkemehl kann ſich übrigens nicht unmittelbar Holz bilden, denn jenes iſt in Waſſer unlöslich und kann deshalb nicht ohne Weiteres aus * * Bedeutung der Aſchebeſtandtheile für die Vegetation. 359 den Markſtrahlengefäßen zwiſchen Holz und Rinde, wo der neue Jahrring ſich erzeugt, oder in die Knospen und Triebe gelangen. Die Natur muß es erſt verflüſſigen; fie bringt es zu dem Ende in die Form von Dextrin oder Zucker. Die Säfte von vielen Bäumen ſind in der Vegetationszeit ſchleimig, dieſer Schleim hat genau die Zuſammenſetzung des Dextrin's; andere Holz⸗ arten enthalten im Frühjahr Zuckerſaft. Bei dem Ahorn tritt er in ſo bedeu⸗ tender Menge (2—3%) auf, daß man ihn wie den Rohrzucker gewinnt, und der Birkenſaft wird wegen ſeines Zuckergehaltes zu einem mouſſirenden Ge⸗ tränke, dem ſog. Birkenchampagner, benutzt. In dieſen beiden Holzarten, dem Ahorn und der Birke, hat der Zucker die nämliche Beſchaffenheit, wie im Zuckerrohr, d. h. feine Formel iſt C. 2 Hi 1 011. In den Früchten dagegen findet man mehr Traubenzucker = C2 Hı2 012. Der Zuſammenhang zwiſchen Zucker und Celluloſe läßt ſich nicht verkennen, wenn man ſich erinnert, daß der Ahornſaft nur im Frühjahr zuckerhaltig iſt und daß der Zucker in dem Maße verſchwindet, als die Zellenbildung zwiſchen Holz und Rinde und die Entwickelung der Knospen und Triebe vorſchreitet. Indem die Natur das Amylon in Zucker umwandelt, betritt fie einen Umweg, denn die Zuſammenſetzung des Stärkemehls ſteht der Celluloſe näher, als diejenige des Zuckers. Indeſſen iſt der Unterſchied nicht groß, es genügt das Ausſcheiden von 1 Aeg. Waſſer, um dem Rohrzucker die chemiſche Con⸗ ſtitution der Celluloſe zu geben. Wäre der Zucker in den Baumſäften Trau⸗ benzucker, ſo müßten 2 Aeg. Waſſer austreten. | Daß die Zellenbildung im Holze aus Amylon erfolgt, dafür haben wir noch einen Beleg in dem Keimprozeß. Das Amylon des Samens geht in Zucker über, läßt man den Keim der Gerſte zu lang werden, ſo iſt der Zucker wal wunden und das Malz zur Bierbereitung untauglich. Vielleicht findet bei den Nadelhölzern der Uebergang des Amylons in Holzfaſer durch das Terpenthinöl — eine ſtickſtofffreie Subſtanz — ſtatt. Daß das Stärkmehl ſich in Fett verwandeln kann, ſehen wir bei dem Mäſten der Thiere, die mit Kartoffeln gefüttert werden, und wenn auch die Vorgänge im Organismus der Thiere und Pflanzen ganz verſchieden ſind, ſo genügt es doch für die vorliegende Frage, mit Beſtimmtheit zu wiſſen, daß vom che⸗ miſchen Gefichtspunete aus der Umwandlung des Stärkemehls in Terpenthinöl kein Hinderniß im Wege ſteht. — Unterdrückte Nadelholzſtämme, in denen die Lebenskraft gebrochen iſt, ſind nicht vermögend, das Terpenthinöl in Holz umzuſetzen, es ſpeichert ſich in ihnen auf und geht unter Aufnahme von Sauerſtoff in Harz über. So erklärt es ſich vielleicht, warum übergipfelte Stämme, die längere Zeit im Druck geſtanden haben, ſo kienreich ſind. Iſt es nun wohl die Lebenskraſt allein, welche die Ueberführung des Amylons in Zucker bewirkt, oder tritt hier eine chemiſche Action ein? Für das Vorhandenſein der letztern ſprechen die Vorgänge bei der Keimung; wir ſahen, daß es die ſtickſtoffhaltige Subſtanz iſt, welche die Umwandlung des * * 360 Chemiſcher Einfluß des Bodens. Amylons in Zucker veranlaßt. Nun haben wir aber früher ſchon nachgewie⸗ ſen, daß der Saft der Bäume immer Proteinſubſtanzen enthält, und vielleicht ſteht die große Menge Eiweiß, welche in dem abgelaſſenen Ahornſaft ſo ſchnell die weinige Gährung hervorruft, mit der Bildung des Zuckers in einem en⸗ gen Zuſammenhange. Wir haben bisher die Conſequenzen, welche die Liebig'ſchen Theorien darbieten, verfolgt; kehren wir nun zu der urſprünglichen Frage zurück. Liebig ift alſo, wie wir ſahen der Anſicht, daß der Uebergang der Koh⸗ lenſäure in Holzfaſer durch die organiſchen Säuren vermittelt werde. Aber, bemerkt dieſer große Naturforſcher weiter, die organiſchen Säuren ſind in den Pflanzen ſelten in freiem Zuſtande vorhanden; ſie ſind gebunden an Baſen. Die kohlenſauren Salze, welche man beim Verbrennen von Gewächſen erhält, ſind als ſolche erſt durch die Einäſcherung gebildet worden, ſie waren in den Vegetabilien enthalten als pflanzenſaure Salze. Die Säure wurde in der Glühhitze zerſtört, es entwickelte ſich Kohlenſäure, die ſich mit der freigewor⸗ denen Baſe verband. Wenn die Säuren frei in den Pflanzen vorkommen, ſo bemerkt man die Bildung von Zucker, Amylon ꝛc. nicht. „In den Früchten und Samen, in welchen die Säuren frei, d. h. nicht als Salze enthalten ſind, wie die Citronenſäure in den Citronen, die Oxalſäure in den Kichererbſen, bildet ſich kein Zucker. Nur in den Pflanzen entſteht Zucker, Gummi, Amylon, in denen die Säuren ſich vereinigt finden mit Baſen, in welchen ſich lösliche Salze dieſer Baſen befinden. Ohne die Gegenwart dieſer letzteren kann ſich vielleicht eine organiſche Säure, allein ohne die Säure kein Zucker ꝛc. bilden“. Liebig. Wären die Mineralbaſen nur zufällige Beſtandtheile der Pflanzen, ſo ließe ſich nicht erklären, warum jeder Pflanzentheil eine Summe von ihnen enthält, deren chemiſcher Wirkungswerth gleich iſt. Wir ſahen ja (4. S. 349), daß die an ſich ungleichen Aſchenmengen zweier auf Granit und Kalk er⸗ wachſener Fichten doch gleiche Sauerſtoffquantitäten der Baſen in ſich faſſen. Der Wirkungswerth einer Baſis berechnet ſich aber nach ihrem Sauerſtoffgehalt, zwei ungleiche Mengen Baſis von verſchiedenen Radicalen ſättigen die näm⸗ liche Quantität Säure, wenn nur der Sauerſtoffgehalt dieſer Baſen nicht dif⸗ ferirt. 100 Gewichtstheile Schwefelſäure vereinigen ſich mit 118 Kali zu ei⸗ nem Salz (ſchwefelſaurem Kali); eben ſo viel Theile Schwefelſäure bilden mit 78 Natron ein Salz (ſchwefelſaures Natron); in dem einen Fall hat man 118 Theile Baſis, im andern 78 Theile gebraucht, um die Säure zu neutraliſiren, aber der Sauerſtoffgehalt der beiden Baſen iſt der nämliche, denn 118 Kali enthalten 20 Sauerſtoff, 78 Natron enthalten gleichfalls 20 Sauerſtoff. Liebig. Wenn die Baſen wirklich die Rolle in der Pflanze ſpielen, welche Liebig ihnen zuſchreibt, dann müſſen ſie ſich auch in denjenigen Theilen der Ge⸗ Bedeutung der Aſchebeſtandtheile für die Vegetation. 361 wächſe, welche als Organe des Aſſimilationsprozeſſes dienen, in reichlicherer Menge finden, als in den bereits fertig gebildeten. Die Analyfen beftätigen in der That dieſen Schluß. Die Blätter und grünen Triebe enthalten mehr Aſche, als das reife Holz, und da in jenen das Verhältniß der Baſen zu den übrigen Beſtandtheilen der Aſche nicht kleiner iſt, als in dieſem, ſo ergibt ſich, daß die Geſammtquantität der Baſen in den grünen Theilen der Holzgewächſe diejenige des Holzes ſelbſt überwiegt. Nach Sauſſure ſind enthalten in 1000 Theilen Theile Aſche Tannenholz 3,28 Zannennadeln 62,25 Eichenholz 2,00 Eichenblätter 55,00 Pappelholz 8,00 Pappelblätter 93,00 Haſelnußholz ö 5,00 Haſelnußblätter 70,00 Nach Staffel enthält der Roßkaſtanienbaum Blüthenſtengel Grüne Frühjahrstriebe Junges Holz im Herbſt Vorjähr. Holz im Frühjahr 11,4 9,9 3,4 1,1 Aſchenprozente, während das alte Holz noch nicht / % ‚ Aſche beſitzt. Von⸗ hauſen fand im Buchenreisholz 2,33 mal, im Kieferreisholz (mit Nadeln) 4 mal fo viel Aſche, als im Stammholz. Dieſe Verhältniſſe erklären ſich nach Liebig's Theorie in einfacher Weiſe. Das Stammholz war einmal jung, es enthält ja die einjährige Pflanze. Es | muß alſo auch einmal reich an den Aſchenbeſtandtheilen geweſen ſein. Wo⸗ hin ſind dieſe gekommen? Nachdem ſie die Holzerzeugung vermittelt hatten, | war ihr Zweck erfüllt, dem reifen Holze konnten ſie nicht mehr nützen; die Natur verſetzte ſie an die Stelle, wo ſie von Neuem wirken konnten. Sie ſind, gelöſt im Saft, übergegangen in die jüngeren Triebe, in die Blätter und Nadeln. So vermag eine kleine Quantität der anorganiſchen Stoffe im Baume fortwährend als Träger des Ernährungs- und Bildungsprozeſſes zu dienen. Schon Sauſſure fand, daß die Kohlenſäure von der grünen Rinde der jungen Triebe eben ſowohl abſorbirt wird, als von den Blättern, und hieraus erklärt ſich, wenn wir den Anſichten Liebig's folgen, der verhältnißmäßig große Aſchengehalt der jungen Rinde. Es iſt nicht undenkbar, daß die grüne Rinde, ſelbſt wenn die Blät⸗ ter gänzlich fehlen, die Aſſimilation der Kohlenſäure Jahre lang für ſich al⸗ lein beſorgen könne *). Wenigſtens ſcheint dies das ſogenannte Ueber— ) Die Cacteen, denen die Blätter fehlen, aſſimiliren die Kohlenfäure blos mit Hülfe der grünen Epidermis des Stammes. 362 Chemiſcher Einfluß des Bodens. wallen der Nadelholzſtöcke zu beweiſen. Der Wurzelſtock von Tannen, Fichten und Lärchen lebt oft noch lange Zeit fort, nachdem der Schaft ge⸗ fällt worden iſt. Es erzeugt ſich zwiſchen Holz und Rinde ein Wulſt, der von Jahr zu Jahr wächſt und zuletzt die Abhiebsfläche ganz überzieht, ſo daß die Rinde, wenn man das Holz herausgenommen hat, zu Gefäßen be⸗ nutzt werden kann. Hier muß doch die Rinde die Function der Nadeln ver⸗ ſehen, denn man hat Stöcke bemerkt, in deren Umgebung weit und breit kein Baum deſſelben Genus ſich befand, der durch Verbindung der Wur⸗ zeln, wie Manche vermuthet haben (Göppert: Beobachtungen über das ſo⸗ genannte Ueberwallen der Tannenſtöcke, Bonn 1842), den Stock ernährt haben könnte. Theodor Hartig hat uns Nachricht von einigen überwallten Lärchen gegeben, in deren näherer Umgebung ſich nur Juniperus Sträuche befanden (Forſt- und Jagdzeitung, 1844, 96). Der Verf. ſelbſt hat in den Tannenwaldungen der Sächſiſchen und Böhmiſchen Schweiz und des Schwarzwaldes viele überwallte Tannenſtöcke geſehen, bei denen an eine f Verbindung der Wurzeln mit andern Stämmen nicht im Entfernteſten ge⸗ dacht werden konnte. Man hat das Ueberwallen durch die Annahme zu erklären geſucht, die neue Rinde, welche ſich jährlich anlegt, entſtünde aus den in dem Holze auf⸗ geſpeicherten Nahrungsſtoffen. Dieſe könnten indeſſen nach unſern Begriffen von Pflanzennahrung nichts anderes, als das in den Markſtrahlen und der Rinde befindliche Stärkemehl ſein. Von Letzterem wiſſen wir aber, daß es in jedem Frühjahr verzehrt, d. h. zur Bildung von Celluloſe verwendet wird. Wenn alſo die grüne Rinde der Ueberwallungsſchichte nicht die Fähigkeit beſäße, Kohlenſäure aufzunehmen, und wenn dieſe nicht innerhalb des Stocks zu Amylon verbraucht werden könnte, ſo würde das Ueberwallen nur ein Jahr lang ſtattfinden können. Die jährliche Wiederholung der Er⸗ ſcheinung beweiſt, daß der Ernährungsprozeß des lebendigen Stockes von demjenigen der unverſtümmelten Pflanze nicht verſchieden iſt. Wir haben früher (6.) die Frage aufgeworfen, ob nicht vielleicht das conſtante Verhältniß der anorganiſchen Stoffe im Holze dadurch hervorgerufen werde, daß die Pflanze diejenigen Subſtanzen, welche in ihrem Organismus keine Verwendung finden, ausſcheidet. Vielleicht gelangt dieſe Frage zu ihrer Löſung, wenn wir den Aſchegehalt der Rinde betrachten. Die ältere Rinde vieler Bäume iſt als ein wahres Seeret anzuſehen; die Platane z. B. wirft ſie jährlich ab; bei der Kiefer und Birke zeigt ſich, wenn auch in unvollkomm⸗ nerem Maße, eine ähnliche Erſcheinung. Vielleicht dient die Rinde auch als Secretionsorgan, d. h. fie nimmt diejenigen Stoffe aus dem Baumſaft auf, welche ausgeſchieden werden ſollen. Darauf deutet ſowohl die Schwankung im Aſchegehalt der Rinde überhaupt, als auch in der Zuſammenſetzung der Rindenaſche hin. Wir führen die Analyſen einiger Aſchen dieſer Art an, ſie wurden von Sauſſure unterſucht. Chemiſcher Einfluß der anorganiſchen Beſtandtheile des Bodens. 363 Aſche in 1000 Alkalien u. Phosphorſ. Eiſen, Kohlenſaure Kieſel⸗ Theilen der Salze mit Kalk und Mangan. Erden Erde trockenen alkaliſcher Bittererde Pflanze Baſis Eichenrinde 60 28,50 3,0 2,00 66,00 1,50 Pappelrinde 72 29,20 5,3 1,50 60,00 4,00 Haſelnußrinde 62 56,70 35,0 0,12 8,00 0,25 Morus nigra, Rinde 89 30,13 8,5 1,12 45,00 15,25 Hainbuchenrinde 134 34,88 45 0,12 59,00 1,50 9. Chemiſcher Einfluß der organiſchen Beſtandtheile des Bodens auf die Vege⸗ tation. 0 Wir haben bereits an einem andern Orte (S. 328) nachgewieſen, daß der Kohlenſtoff des Holzes nicht unter allen Umſtänden von den organiſchen Reſten im Boden abgeleitet werden könne. Wir führten als Belege für un— ſere Anſicht die geringe Humushaltigkeit vieler Bodenarten, z. B. des Flug- ſandes, der Lava ꝛc. an, auf denen doch die Cultur ohne Anwendung orga— niſchen Düngers große Quantitäten Kohlenſtoff erzeugt. Es iſt weiter be- rechnet worden, daß die Menge Kohlenſäure, welche zu allen Zeiten und an allen Orten in der Atmoſphäre enthalten iſt, vollſtändig genügt, um den Ge— wächſen ſämmtlichen Kohlenſtoff zu liefern, welchen ſie bedürfen, daß ſomit die Kohlenſäure als die allgemeinſte Quelle angeſehen werden müſſe, aus wel- cher die Pflanzen den Kohlenſtoff beziehen können. Nun wirft ſich aber die Frage auf, ob der Humus als ſolcher von den Vegetabilien aufgenommen werden könne und ob er nicht etwa auf ſolchen Localitäten, welche reich an organiſchen Reſten find, neben der Kohlenſäure für die Ernährung der Pflanzen von Bedeutung ſei. a. Die löslichen Sumusſubſtanzen können von den Wurzeln der Gewächſe aufgenommen werden. Daß feſte, unlösliche Stoffe, ſeien ſie auch noch ſo fein zertheilt, nicht in die Wurzeln dringen können, iſt durch die Verſuche Sauſſure's und Bon- net's bewieſen worden. Sauſſure ernährte einen Monat hindurch dreißig Pflanzen vom Waſſerknöterich (Polygonum Persicaria) und Pfeffermünze (Mentha piperita) mit deſtillirtem Waſſer, welchem er ein beſtimmtes Ge— wicht von ſehr fein zertheiltem Kieſel beigegeben hatte, der durch etwas Zucker— löſung in der Flüſſigkeit ſuſpendirt erhalten wurde. Er fand nach Beendigung des Verſuchs weder bei der Einäſcherung der Pflanzen, noch bei der genauen Unterſuchung des Rückſtandes der eingeſaugten Flüſſigkeit, daß die Kieſelerde merklich in das Gewächs eingedrungen wäre. Bonnet ließ einige Gewächſe Tinte aufſaugen; allein der färbende nicht aufgelöſte Theil wurde nur in einer unwägbaren Quantität eingeſaugt. Er würde in weit größerer Menge durch 364 Chemiſcher Einfluß des Bodens. die vollkommenſten Filtrirgefäße, die wir irgend herzuſtellen vermögen, durch: gegangen ſein. Dieſe Verſuche laſſen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der feſte, unlösliche Beſtandtheil des Humus von den Wurzeln der Pflanzen nicht aufgenommen werden könne. Etwas anders iſt es aber mit dem Humus, wenn er in eine lösliche Form gebracht iſt. Wir haben früher geſehen, daß aus der Pflanzenſubſtanz unter gewiſſen Umſtänden Säuren hervorgehen können (Ulmin- und Humin- ſäure, Gein-, Quell- und Quellſatzſäure), welche in Waſſer löslich ‚find. Nichts ſteht der Anſicht entgegen, daß dieſe Stoffe in die Wurzeln eindringen können. Um ſo auffallender iſt die von Sauſſure gemachte Beobachtung, daß die Pflanzen aus einer Löſung von Humusſäure das Waſſer in ſtärkerem Maße aufnehmen, als die Säure. Sauſſure ſetzte deſtillirtem Waſſer 25% Dammerde-Extract (Humus⸗ ſäure) zu und ließ in der Miſchung Pflanzen von Polygonum Persicaria und Bidens cannabina, zwei Sumpfgewächſe, vegetiren. Nachdem die Pflanzen die Hälfte der Löſung eingeſogen hatten, unterſuchte Sauſſure die zurückge⸗ bliebene Flüſſigkeit; er fand, daß Polygonum Persicaria nur 10% und Bi- dens cannabina 12% von der im Waſſer befindlichen Humusſäure abſorbirt hatte. b. Der löslichen Humusſubſtanzen ſind als directes Nahrungsmittel für die Gewächſe ohne befondere Bedeutung. Wenn auch aus den Verſuchen Sauſſure's hervorgeht, daß die löslichen Humusſubſtanzen von den Pflanzen aufgenommen werden können, ſo ſcheint doch die Art ihres Vorkommens zu beweiſen, daß ſie in Bezug auf die Er⸗ nährung der Gewächſe bei weitem keine ſo hervorragende Rolle ſpielen, wie die Kohlenſäure; es ſprechen ſogar gewiſſe Beobachtungen dafür, daß ſie der Vegetation ſchädlich ſind, ſobald ſie dieſer im Uebermaß dargeboten werden. Denn überall da, wo die braune Färbung des Boden-Waſſers die Gegen⸗ wart von Humusſäure verräth, gedeihen nur wenige Gewächſe; die Erde, welche mit ihr geſchwängert iſt, bleibt für viele Pflanzen unfruchtbar, auch die Mehrzahl der Waldbäume erträgt die freie Säure nicht gut. Das beweiſt die kümmerliche Vegetation ſelbſt auf ſolchen Torfmooren, welchen man durch Abzugsgräben das Uebermaß von Näſſe genommen, aber ſo viel Feuchtig⸗ keit gelaſſen hat, daß die Humusſäure ſich löslich erhalten kann. So finden wir denn auch, daß die Fruchtbarkeit des Bodens ſich vermehrt, wenn die Humusſäure zerſtört wird. Dies geſchieht z. B. durch Düngung mit Aſche, Aetzkalk, durch Trockenlegung des Bodens. Alles dieſes bewirkt, daß die Hu⸗ musſäure unlöslich wird und verweſt, d. h. Kohlenſäure entwickelt. 5 Es iſt früher (S. 136) gezeigt worden, daß die fruchtbare Ackererde nur Spuren von löslichen Humusſubſtanzen enthält. Wir erinnern an die Un⸗ 7 Lösliche Humusſubſtanzen als Nahrungsmittel. 365 terſuchungen Liebig's, welcher in dem Waſſerauszug einer guten Gartenerde noch nicht Tondo an organiſcher Materie fand, wir erinnern daran, daß die Stalactiten in Gewölben und Höhlen humusſäurefrei ſind, obgleich dieſe Bildungen durch Verdunſten einer außerordentlich großen Menge Waſſers ent- ſtehen mußten, welches die Humusſäure nicht mit ſich fortnehmen konnte. Aber auch ſelbſt da, wo die Humusfäure in reichlichſtem Maße vor⸗ handen iſt, kann ſie den Pflanzen nicht allen Kohlenſtoff liefern, welchen die⸗ ſelben bedürfen. Zum Beweiſe dieſes Satzes W wir im Weſentlichen den Argumenten Liebig's. Berechnen wir zuerſt die Menge Humusſäure, welche mit dem Regen⸗ waſſer in die Pflanzen gelangen kann, und nehmen wir, um unſer Beweis— mittel recht überzeugend zu machen, an, daß ſämmtliche wäſſerigen Nieder⸗ ſchläge, welche während der Vegetationszeit auf den Boden gelangen, von den Pflanzen aufgeſogen werden. In Deutſchland beträgt die Regenmenge während des Frühlings, Som⸗ mers und Herbſtes durchſchnittlich 550 Mmeter, auf den Hectare fallen alſo 5500000 Kilogramme Waſſer. Nach Sprengel löſt ſich bei 180 C. in 2500 Theilen Waſſers 1 Theil Humusſäure; 5500000 Kilogr. Waſſer können daher 2200 Kilogr. Humusſäure aufnehmen. Die von Mulder aus Torf dargeſtellte Humusſäure enthält 69% Kohlenſtoff; in 2200 Kil. Humusſäure find alſo enthalten 1518 Kil. Kohlenſtoff. Wir erndten aber von einem Hectare Kie- fernwald auf Standorten von mittlerer Güte über 1800 Kil. Kohlenſtoff; dieſer kann um ſo weniger aus einer Löſung von Humusſäure herrühren, als vom Regenwaſſer, welches auf den Boden kommt, ſogleich ein großer Theil verdunſtet, ehe es von den Wurzeln der Bäume aufgenommen wird. Dazu muß man aber noch erwägen, daß im Frühling und Herbſt die Verdunſtung der Bäume, ſomit auch die Aufnahme des Waſſers durch die Wurzeln ſehr ſchwach iſt. Da die Humusſäure mit den Baſen lösliche Salze bildet, ſo könnte man auch wohl unterſtellen, daß ſie mit den ſog. Aſchebeſtandtheilen in das Holz gekommen ſei. Nach den Unterſuchungen Vonhauſens beträgt der Gehalt an Baſen von 3553 Kil. Kiefernholz, welche jährlich auf 1 Hectare produzirt werden, 17,421 Kilogramme; nehmen wir nun an, daß in 100 Theilen eines humus⸗ ſauren Salzes 93% Humusſäure enthalten ſeien, jo kommen auf 17,421 Kilogr. Baſen 2318 Kil. Humusſäure mit einem Kohlenſtoffgehalt von 1599 Kilogramm, während der nämliche Kiefernwald jährlich 1846 Kilogr. Kohlen⸗ ſtoff liefert. Der Kohlenſtoffgehalt des Holzes kann alſo nicht allein von der Humus⸗ ſäure herrühren, wenn auch dieſe in noch fo reichlicher Menge den Holzge⸗ wächſen dargeboten würde. Die Wirkſamkeit der Humusſäure wird aber außerordentlich beſchränkt durch ihr geringes Vorkommen in wirklich frucht⸗ 366 Chemiſcher Einfluß des Bodens. barem Boden, ſowie durch die Eigenſchaft, nach dem Austrocknen oder Ge- frieren aus dem löslichen in den unlöslichen Zuſtand überzugehen. c. Wahre Bedeutung der Humusſubſtanzen für die Vegetation. Wir können nach Maßgabe unſeres Syſtems die Wirkung des Humus hier nur in chemiſcher Beziehung abhandeln und verweiſen hinſichtlich der phyſikaliſchen Eigenſchaften desſelben auf die folgenden Capitel. Vor Allem muß daran feſtgehalten werden, daß der eigentliche Wald⸗ humus aus in Verweſung begriffenen Theilen von Organismen, hauptſächlich von Pflanzen, beſteht, zu welchen die Luft hinlänglichen Zutritt hat, und daß die viel ſeltener vorkommenden Humusſäuren ſich faſt immer nur an ſolchen Orten finden, wo ſich Torf erzeugt oder erzeugen kann, alſo an ſehr naſſen Stellen, im Hochgebirg u. ſ. w. In chemiſcher Beziehung äußert der Humus einen zweifachen Einfluß auf die Vegetation: a. Die aus feiner Zerſetzung hervorgehenden gasför— migen und anorganiſchen Stoffe tragen zur Ernäh⸗ rung der Gewächſe direet bei. Die Pflanzen, aus denen der Wald-Humus vorzugsweiſe ſich bildet, beſtehen aus Zellengewebe und aus anorganiſchen Stoffen. Erſteres bildet bei ſeiner Zerſetzung Kohlenſäure, Ammoniak, Waſſer u. ſ. w., von denen na⸗ mentlich die beiden erſtgenannten für die Vegetation von Wichtigkeit ſind. Es iſt früher ausgeführt worden, daß der Kohlenſtoffgehalt eines zehn⸗ jährigen Laubabfalles im Buchenhochwalde bei weitem nicht hinreicht, um die über einem Walde ruhende Luftſäule ſo ſtark mit Kohlenſäure zu verſehen, daß dieſelbe ſchädlich für die Vegetation werden könnte. Eine Zuführung von Kohlenſäure in die Atmoſphäre mit den Mitteln, welche dem Forſtmann zu Gebote ſtehen, bleibt immer nützlich, wird ſtets eine Vermehrung des Holzzu⸗ wachſes zur Folge haben. Die Kohlenſäure, welche der verweſende Humus entwickelt, darf daher nicht als überflüſſig angeſehen werden, ſie vermehrt den Kohlenſäuregehalt der Atmoſphäre in einer der Waldvegetation zuträglichen Weiſe. Das Nämliche gilt, und vielleicht in einem noch höheren Grade, von dem Ammoniak, von welchem der Stickſtoff (im Durchſchnitt 1%) des Hol- zes ſtammt. Um dieſen Stickſtoff den Felderescentien zu geben, wendet der Landwirth thieriſchen Dünger an. Da die Waldwirthſchaft von dieſem keinen Gebrauch machen kann, ſo muß ſie um ſo höheres Gewicht auf das Ammo⸗ niak des Humus legen. 45 Wenn die Holzfaſer bei der Verweſung in ihre einfachen Beſtandtheile zerfällt, trennen ſich von ihr die anorganiſchen Stoffe in ähnlicher Weiſe, wie wenn das Holz eingeäſchert wird. Indeſſen bleiben nach Ablauf des Bedeutung der Humusſubſtanzen für die Waldvegetation. 367 Verweſungsprozeſſes die organiſchen Säuren länger bei den Baſen; nach Verfluß einer gewiſſen Zeit findet man aber doch die Baſen an Kohlenſäure gebunden; auch die kieſelſauren Salze wandeln ſich zum Theil in kohlen⸗ ſaure um. Einerlei, welche Anſicht man über den Zweck hegt, zu dem die anor⸗ ganiſchen Stoffe in den Pflanzen beſtimmt ſind — das läßt ſich nicht läug⸗ nen, daß die Pflanzen ſie nicht entbehren können; die Verſuche von Wieg⸗ mann und Polſtorff geſtatten darüber nicht den mindeſten Zweifel. Ueberall da, wo Mangel an den löslichen anorganiſchen Stoffen im Boden iſt, wer- den daher die aus dem Humus ſich ausſcheidenden von dem größten Nutzen für die Vegetation ſein, und es wird in dieſem Falle diejenige Humusart am meiſten leiſten, welche aus ſolchen Organismen entſtanden iſt, die viel Aſche und namentlich in dieſer die ſelteneren Stoffe enthalten “). Am aſchenreichſten iſt die Rinde, ſie hat mitunter bis 30mal mehr Aſche, als das Holz, doch ſind in ihr die ſelteneren Aſchebeſtandtheile, wie Phosphorſäure, Schwefelſäure, Alkalien gegen den minder werthvollen Kalk zurückgedrängt. Die Blätter und Nadeln ſtehen in Bezug auf den Aſchenge— halt der Rinde nicht viel nach, übertreffen dieſe aber bei weitem durch ihren Reichthum an Alkalien, Phosphorſäure und Schwefelſäure. Aſchenprozente Alkalien Phosphorſäure Eichenrinde 6,0 28,5 3,0 Eichenblätter 5,3 72,2 24,0 Pappelrinde 7,2 29,2 5,3 Pappelblätter 6,6 51,3 13,0 Fichtennadeln 2,9 40,1 13,3 Die dünnen Zweige zeichnen ſich vor dem ſtärkern Holze durch größern Aſchegehalt aus (S. 343). Mit Rückſicht auf die anorganiſchen Beſtandtheile würde alſo das Leſeholz einen guten Humus abgeben. Die beſſern Mooſe übertreffen das Laub durch ihren Reichthum an Al⸗ kalien, Phosphorſäure und Schwefelſäure. Vonhauſen unterſuchte die Aſche von abgefallenem dürren Buchenlaub und einem Moospolſter (aus / Hypnum splendens, ½ purum und ½ tamariscinum beſtehend) und fand von den vorgenannten Stoffen *) Wir haben zwar in dem achtzehnten Buche dieſes Werkes die Anſicht ausgeſpro⸗ chen, daß der Waldboden, wenn er nicht durch den Anbau von Agrikulturgewächſen ausgeſogen iſt, genug anorganiſche aſſimilirbare Stoffe enthält, um die Wald⸗ vegetation zu ernähren. Da aber unſere Anſicht noch keineswegs allgemeine Gül⸗ tigkeit erlangt hat, ſo glaubten wir, um auch den Anhängern einer entgegenge⸗ ſetzten Anſicht gerecht zu ſein, den Nutzen, welchen die anorganiſchen Beſtandtheile des Humus der Vegetation unter Umſtänden leiſten könnten, nicht mit Still⸗ ſchweigen übergehen zu dürfen. 368 Chemiſcher Einfluß des Bodens. im Laube im Mooſe an Alkalien 6,21 % 16,30 % „ Phosphorſäure 4,82 „ 11,24 „ „ Schwefelfäure 1,30, Ara; Der Aſchegehalt der ſogenannten Forſtunkräuter ift ſehr verſchieden nach Gattung und Art. In den Gräſern, Equiſeten, Riedgräſern, Binſen, Sim⸗ fen ꝛc., herrſcht die Kieſelſäure vor, die Farnkräuter find reich an Alkalien, die Heidelbeere enthält ebenfalls eine nicht unbedeutende Menge von dieſen, ſo wie von phosphorſauren Erden. (Sauſſure). 9. Die aus dem verweſenden Humus ſich entwickelnde Kohlenſäure trägt zum Aufſchluß der mineraliſchen Beſtandtheile des Bodens bei. Der Boden iſt aus der Verwitterung der Geſteine entſtanden; bei dem Zerſetzungsprozeß ſpielt, wie früher ausgeführt wurde, die Kohlenſäure eine hauptſächliche Rolle. Sie iſt es, welche die Feldſpathe aufſchließt, die Löslich⸗ keit des kohlenſauren und phosphorſauren Kalkes, ſowie des Gypſes vermehrt ze. Die Wirkung des mit Kohlenſäure geſchwängerten Waſſers auf die Geſteine iſt um ſo kräftiger, je mehr das Waſſer von ihr gelöſt enthält. Die Mehrzahl der natürlich vorkommenden Gewäſſer (mit Ausnahme der ſogenannten Säu⸗ erlinge) ſind nicht mit Kohlenſäure geſättigt; es iſt deshalb von Wichtigkeit, daß der Humus im Boden ſelbſt eine Quelle von Kohlenſäure eröffnet, die ſogleich von dem Waſſer aufgenommen werden kann. Zur Beurtheilung des Einfluſſes, den die Kohlenſäure bei dem Zerſetzungsprozeß der Geſteine ſpielt, erinnern wir nur daran, daß in 10000 Theilen reinen Waſſers 1 Theil, in eben ſo viel mit Kohlenſäure geſättigtem Waſſer aber 10 Theile kohlen⸗ ſaurer Kalk löslich ſind. Zwölftes Buch. Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. 1. Phyſiologiſcher Einfluß des Lichtes auf die Vegetation im Allgemeinen. Daß das Sonnenlicht die Eigenſchaft beſitzt, anorganiſche Verbindungen zu Stande zu bringen, oder aufzulöſen, iſt bekannt. Ein Gemenge von Chlor⸗ gas und Waſſerſtoffgas verbindet ſich im Lichte zu Chlorwaſſerſtoffgas; Jod— ſilber wird vom Lichte zerſetzt. Die phyſiologiſchen Wirkungen des Lichts ſind ſchon früher angedeutet worden; Ingenhouß fand, daß die Pflanzen, welche Kohlenſäure aufgenommen haben, nur dann Sauerſtoff aushauchen, wenn ſie vom Sonnenlichte getroffen werden. Dabei macht es nur in der Intenſität der Sauerſtoffgasentwicklung einen Unterſchied, ob das Licht direet einfallend oder gebrochen iſt. Das Mondlicht vermag nicht, die Zerſetzung der Kohlen- ſaͤure zu bewerkſtelligen; es erklärt ſich dies auch aus dem geringen Grade ſeiner Helligkeit, welche nur m trägt. Die Kohlenſäure, welche für die Pflanzen wegen der Aneignung des Kohlenſtoffs ſo wichtig iſt, wirkt doch nur ſo lange wohlthätig auf dieſelben ein, als ſie zugleich das Licht der Sonne genießen können. Während Sauſ⸗ ſure fand, daß Erbſen in einer Atmoſphäre, die zum zwölften Theil kohlen⸗ ſaures Gas enthielt, fröhlich und beſſer, als in gemeiner Luft wuchſen und ihr Gewicht um 265 Millogramme vermehrten, bemerkte er, daß die nämlichen Pflanzen bei derſelben Quantität Kohlenſäure im Schatten nur zehn Tage das Leben friſten konnten und nur um 159 Millogramme an Gewicht zu⸗ nahmen. Indeſſen gibt es auch gewiſſe Pflanzen, welche bei gänzlicher Abweſen⸗ heit des Lichtes vegetiren. Dieſe gehören aber den am niedrigſten organiſirten Gruppen an. So findet man in den Schachten vieler Bergwerke Pilze — namentlich aus den Gattungen Byssus und Agaricus — welche dieſes Ver⸗ halten zeigen. In dem Innern von Früchten erzeugen ſich oft Schimmel⸗ Arten bei gänzlichem Abſchluß des Lichtes. Heyer, Vodenkunde. 24 von derjenigen des Sonnenlichtes be⸗ 310... Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. Obgleich die höher organiſirten Gewächſe, insbeſondere diejenigen, welche mit Samenlappen keimen, Licht zu ihrem Gedeihen fordern, ſo iſt doch die Quantität, welche ſie davon bedürfen, eine ſehr verſchiedene nach Gattung und Art. Die Ohnblattarten (Monotropa), die Vogelneſt⸗Nagwurz Epipactis Nidus avis, die Stechpalme llex Aquifolium z. B. wachſen nur im Schatten; auch der Heidelbeere ſagt das direct einfallende Licht nicht zu. Sie verliert ſich deßhalb auch gewöhnlich aus den Waldungen, wenn dieſe kahl abgetrie⸗ ben werden. Die Haide (Calluna vulgaris) dagegen verſchwindet, ſobald fie ſtark beſchattet wird. . Die Mehrzahl der Farnkräuter (Filices), Laubmooſe (Musci), Lebermooſe Hepaticae) und Schwämme (Fungi) verlangen ebenfalls ein zerſtreutes Licht und nur wenige von ihnen, wie z. B. Trichostomum eanescens, ericoides und lanuginosum, manche Arten von Polptrichum, machen hierin eine Aus⸗ nahme. Die Flechten (Lichenes) dagegen werden ebenſo oft auf Standorten, wo ſie dem directen Lichte ausgeſetzt ſind, als auch im Schatten gefunden. Im Gebirge halten viele Pflanzen im Freien aus, welche in der Ebene nur im Schatten gedeihen. So ſind z. B. viele höhere Berge im Harz, im Schwarzwald ꝛc. mit Heidelbeeren vollſtändig überzogen. Es rührt dieſe ſchein⸗ bare Abweichung von dem Verhalten in der Ebene daher, weil im Gebirge die hellen Tage viel ſeltener ſind. Die häufigen Nebel und e erſetzen hier den Schatten der Bäume. Von beſonderem Einfluß auf die Farben der Blüthen und das Gefieder der Vögel ſcheint die Intenſität des Lichtes zu ſein. In unſerem Klima iſt die vorherrſchende Farbe der Vögel die graue, welche im hohen Norden oft in die weiße übergeht. In den Aequinoctialgegenden zeigen die Mehrzahl der Vögel (z. B. Papageien ꝛc.) die ſchreiendſten Farben in Roth, Grün, Blau, Gelb, welche unſere Vögel nur an einigen Theilen des Gefieders ſchmücken. a Die grüne Farbe der Blätter und Stengel der Gewächſe rührt von einem eigenthümlichen Farbſtoffe — dem Chlorophyll — her, welches in den Zellen meiſt in Geſtalt kleiner Kügelchen eingeſchloſſen liegt und eine halb⸗ weiche Maſſe bildet. Nach Mulder drückt ſich die Formel des Chlorophylls durch Cis Ho NO, aus; dieſer Verbindung iſt aber immer noch ein Wachs von der Zuſammenſetzung Cs Hy; O beigeſellt. Häufig enthalten die Chloro- phyllpartikelchen im Innern Amylonkörnchen (Mohl). Das Chlorophyll iſt nur bei ſolchen Pflanzentheilen ſichtbar, welche dem Lichte ausgeſetzt ſind; ſo haben z. B. die langen Triebe der Kartoffeln in den Kellern eine bleiche Farbe, welche ſich in Grün umwandelt, ſobald ſie zu den Kellerfenſtern herauswach⸗ ſen. Mulder erklärt dieſe Erſcheinung in der Weiſe, daß er annimmt, das Chlorophyll ſei urſprünglich, ebenſo wie der Indigo im Waid, im farbloſen Zuſtande vorhanden und färbe ſich erſt durch Oxydation, wozu der Sauerſtoff diene, welcher bei der Bildung des Wachſes, von welchem das Chlorophyll begleitet iſt, frei werde. (Es iſt S. 337 auseinandergeſetzt worden, daß bei der Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. 371 Bildung der ſtickſtofffreien Subſtanzen aus Kohlenſäure und Waſſer Sauerſtoff ausgeſchieden wird). Hiernach würde es nicht auffallen, warum das Chloro⸗ phyll erſt bei Gegenwart von Licht auftritt; wir wiſſen ja, daß die Sauerſtoff⸗ gasentwicklung nur im Lichte, nicht in der Dunkelheit vor ſich geht. Indeſſen ſpricht gegen die Mulder'ſche Interpretation der Umſtand, daß wohl der indi⸗ gohaltende ausgepreßte Saft vom Waid ıc. ſich an der Luft blau färbt, daß dagegen der Saft von Pflanzen, welche im Schatten getrieben haben, unter den nämlichen Verhältniſſen keine grüne Farbe annimmt. Nur in der leben⸗ den Pflanze erzeugt ſich das grüne Chlorophyll. Im Herbſte geht das Chlo⸗ rophyll in den Blättern in einen gelben Farbſtoff (Tanthophyll) über; ob hieran eine Desoxydation Schuld ſei, ift noch nicht ausgemacht. Das Chlorophyll löſt ſich nicht in Waſſer, eher ſchon in Weingeiſt und Aether, am leichteſten in verdünnter Salzſäure und in Alkalien. Es gehört eine geringe Menge Chlorophyll dazu, um die Blätter eines großen Baumes grün zu färben; Berzelius fand, daß dazu 10 Gran hinreichten. Wenn man bedenkt, daß die Bildung von Zucker und ätheriſchen Oelen aus Kohlenſäure und Waſſer durch das Licht vermittelt wird, indem dieſes die Ausſcheidung von Sauerſtoff aus den beiden letztgenannten Stoffen be⸗ wirkt, ſo wird man es nicht wunderbar finden, daß der Zuckergehalt und das Aroma mancher Früchte, namentlich der Weintrauben, in ſolchen Jahren zu⸗ nimmt, welche viele heitere Sommer⸗ und Herbſttage haben. Doch läßt ſich nicht verkennen, daß dabei auch die Wärme eine bedeutende Rolle ſpielt. Nach den Verſuchen Nöllner's ſcheint die Art des Lichtes von beſonde⸗ rem Einfluß auf die Fruchterzeugung der Kryptogamen zu fein. Vermuthend, daß das durch die Blätter der Waldbäume gebrochene grüne Licht dazu nöthig ſei, pflanzte er die mannigfachſten Arten dieſer Gewächſe in Walderde, in kleine Glasröhren, bedeckte ſie mit einer Glocke von grünem Glaſe und ſah ſeine Vorausſetzung durch den Verſuch mit dem ſchönſten Erfolge gekrönt Alle dieſe zierlichen Gewächſe entwickelten ſich unter dieſen Umſtänden mit der größten Ueppigkeit, fie ſetzten fruchtbaren Samen an. (Liebig). Von jeher hat man dem Mondlicht einen ganz beſonderen Einfluß auf die Organismen zugeſchrieben und namentlich richten ſich die Gärtner mit vielen Verrichtungen nach dem Stande des Mondes. „Gewiſſe Samen ſollen, bei zunehmendem Mond geſäet, beſſer gedeihen, als wenn ſie bei abnehmen⸗ dem Mond geſäet werden, Wurzelgewächſe ſollen bei abnehmendem Mond, in der Luft ihre Früchte entwickelnde, bei zunehmendem Monde beſſer gedeihen. — In Weſtindien will man längſt die Bemerkung gemacht haben, daß Holz zur Zeit des Vollmondes gefällt, weit leichter ſpringe und faule, und als Nutz⸗ und Werkholz überhaupt ſchlechter ſei, als zu einer andern Mondphaſe gefäll⸗ tes; auch in unſern geographiſchen Breiten will man entſprechende Beobach⸗ tungen gemacht haben; nach 20 jährigen Beobachtungen vom Oberförſter Sauer in Selan ſoll alles Holz zur Zeit des Vollmondes gefällt, leichter Riſſe und 24 * 372 Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. Sprünge bekommen und weit weniger Werth haben, als zur Zeit des abneh⸗ menden Mondes gefälltes; das zur Zeit des letzten Viertels gefällte ſoll ſich am beſten zum Bauen und allen Holzarbeiten verwenden laſſen, es ſoll zu dieſer Zeit am wenigſten Saft beſitzen“ (Schübler). Es iſt nicht unmöglich, daß die angeführten Erſcheinungen mit dem Stande des Mondes zuſammen⸗ hängen; doch verdienen ſie ſo lange mit Vorſicht aufgenommen zu werden, bis ihre Beſtätigung durch eine größere Zahl von Beobachtungen erfolgt. Auch wäre noch zu unterſuchen, ob es das Mondlicht ſelbſt iſt, welches auf das Ge⸗ deihen der Saaten, die Dauer ꝛc. des Holzes einwirkt, oder ob dieſer Einfluß anderen Witterungserſcheinungen zukommt, welche gleichzeitig mit gewiſſen Mondsphaſen auftreten. 2. Verhalten der Waldbaumarten gegen das Licht. Wir haben oben bereits erwähnt, daß die Summe von Licht, welche die Gewächſe zu ihrem Gedeihen bedürfen, ſehr verſchieden nach Gattung und Art iſt. Was unſere Waldbäume insbeſondere anlangt, ſo weiſt die Beobachtung nach, daß kein einziger von ihnen durch die ganze Dauer ſeines Lebens hin den Schatten liebt; und wenn auch einige eine theilweiſe Beſchattung noch ertragen, jo werfen doch alle die größten Maſſeerträge nur dann ab, wenn ſie, von einem gewiſſen Alter an, der vollen Einwirkung des Lichtes blosge⸗ ſtellt ſind. Einige dagegen kommen in der Jugend auf unzubereitetem Boden nur im Schatten gut fort. a. Holzarten, welche in der Jugend des Schattens bedürfen. Zu dieſen gehören namentlich die Weißtanne (Abies peetinata Dec.), die Fichte (Abies excelsa Dec.) und die Rothbuche. Zu dem Schluſſe, daß ſie wenigſtens in der früheſten Jugend und auf unzubereitetem Boden des Schattens bedürfen, iſt man durch die Beobachtung gelangt, daß dieſe Holz⸗ arten im Freien mittelſt Saat nicht gut fortzubringen ſind, auch im Femel⸗ ſchlagbetrieb nur dann gut gedeihen, wenn bei der Schlagſtellung durch eine ſorgfältige Auswahl der wegzunehmenden Bäume eine gleichmäßige Beſchat⸗ tung des jungen Nachwuchſes von Seiten der ſtehenbleibenden Stämme her⸗ beigeführt wird. Indeſſen iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Eigenſchaft der jungen Tanne, Fichte und Buche, nur im Schatten ſich zu erhalten, weniger von der leuch⸗ tenden, als vielmehr von der wärmenden Kraft der Sonnenſtrahlen abhängt. Es ſprechen gewichtige Gründe dafür, daß der Schatten dieſen Holzarten haupt⸗ ſächlich dadurch wohlthätig wird, weil in ihm die, vorzüglich von den Blättern ausgehende, Verdunſtung ſchwächer iſt. Denn alle die genannten Holzgewächſe, welche auf unzubereitetem Boden im Freien nicht fortkommen, widerſtehen der ſchädlichen Einwirkung der Sonnenſtrahlen, ſobald ſie auf einem gelocker⸗ ten Boden eultivirt werden. In dieſem können die Wurzeln ſich mehr ver⸗ breiten und mehr Feuchtigkeit aufnehmen, auch beſitzt der bearbeitete Boden Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. f 373 vermöge ſeiner rauhen Oberfläche in höherem Grade die Fähigkeit, Waſſer⸗ dämpfe aus der Luft zu abſorbiren. Deßwegen können wir in den Forftgär- ten, in denen der Boden mittelſt Hacke und Spaten oder mittelſt des Pflugs gelockert wird, Saaten von Weißtannen, Fichten und Buchen anlegen; die jungen Pflanzen erhalten ſich, ohne daß man nöthig hätte, ihnen künſtlich Schatten zu geben. Die Buche ſamt ſich in der Regel nur unter dem Schutz der Mutter⸗ bäume oder einer andern Holzart an, dagegen findet man oft, daß Aecker, welche an Buchenbeſtände grenzen, ohne Zuthun des Menſchen ſich mit Bu— chen überziehen. In der Nähe von Oppenrod bei Gießen ließ ein Bauer ei⸗ nen Acker aus Nachläſſigkeit wüſt liegen, es ſamten ſich auf dieſem von einem in der Nähe befindlichen Buchenbeſtand ſo viele Buchen an, daß eine dichtge— ſchloſſene Holzung entſtand. Die Pflanzen ſtrotzen von Geſundheit. ’ Wenn ein Boden an und für ſich locker und hinreichend friſch (nicht naß) iſt, jo brauchen die Tannen-, Fichten und Buchenſämlinge im Sommer bei weitem nicht ſo viel Schatten, als in trocknen Lagen. Trotzdem hält man auf friſchem Boden die Abtriebsſchläge dunkler, weil auf dieſem die Früh- und Spätfröſte häufiger und verderblicher ſich einftellen. In nebelreichen Gebirgsgegenden, in denen der häufig bedeckte Himmel die Wirkung der Sonnenſtrahlen ſchwächt, laſſen ſich Tannen, Fichten- und Buchenſaaten im Freien eher fortbringen, als in der Ebene. Doch iſt dies immer mißlich, denn nach den Erfahrungen bewährter Forſtleute mißrathen unter zehn Buchenſaaten, die man in dem durch ſeine ſtarken Nebel ausge⸗ zeichneten Vogelsgebirge macht, gewöhnlich neune, und zu der nämlichen Er- fahrung iſt man im Weſterwalde (Naſſau), wo ähnliche Verhältniſſe ſtattfinden, gelangt. b. Holzarten, welche Schatten ertragen. Viele Holzarten, welche nicht, wie die Tanne, Fichte und Buche, in der Jugend den Schatten gerade verlangen, ertragen ihn doch und erhalten ſich am Leben, während andere ſelbſt bei lichter Beſchattung eingehen. So gedeihen z. B. die Schwarzkiefer, die Linde, Wallnuß, zahme Ka⸗ ſtanie und die Hainbuche, auf gutem Boden auch wohl noch die Eiche und Eſche in der Jugend unter dem Schatten vorgewachſener Bäume, vorausge— ſetzt, daß dieſer nicht zu dicht ſei. Wir ſehen dieſe Holzarten ſich noch unter geſchloſſenen Kieferbeſtänden anſamen und ſich fo lange erhalten, bis die fpä- tere Auslichtung des Oberſtandes ihnen möglich macht, ein kräftigeres Höhen- wachsthum zu entwickeln. In Bezug auf die Fähigkeit, in der Jugend Beſchattung zu ertragen, mögen ſich die Schwarzkiefer, Linde, Wallnuß und die zahme Kaſtanie gleich⸗ ſtehen; die Hainbuche iſt ſchon etwas lichtbedürftiger, obwohl fie ſich, in Bu- chen eingewachſen, auf nicht zu ſchlechtem Boden recht gut mit dieſen ver- jüngt. Jedenfalls erträgt die Hainbuche mehr Schatten, als die Eiche, denn 374 Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. letztere entwickelt ſich im Buchenſamenſchlag, wenn ſie von den Oberſtändern vollſtändig beſchattet iſt, bei weitem nicht ſo kräftig, als die Hainbuche, es geht die Eiche unter dieſen Umſtänden gewöhnlich ganz ein. Neuere Beobachtungen haben den Verf. belehrt, daß die Eſche auf einem hinreichend mit Feuchtigkeit verſehenen Boden etwas mehr Schatten erträgt, als die Eiche. Uebrigens iſt das Wachsthum dieſer beiden Holzarten mehr, als dasje⸗ nige der vorhergehenden gehindert, wenn ſie im Schatten ſtehen. Von den Ahornen erträgt der Stumpfahorn (A. pseudoplatanus) in der Jugend etwas mehr Schatten, als der Spitzahorn (A. platanoides), denn erſterer erhält ſich in den Buchenabtriebsſchlägen eher unter dem Schatten der Oberſtänder, als der letztere. Die Rüſter iſt lichtbedürftiger, als die beiden Ahornarten, denn ſie kommt, in Kiefernbeſtände eingeſäet, nicht ſo gut fort, als dieſe. N Zu den lichtbedürftigſten Holzarten gehören die Kiefer, Birke, Aspe und die Lärche. Niemals findet man in geſchloſſenen Kiefern- und Lärchenbeſtänden junge Kiefern oder Lärchen. Erſcheinen auch wohl Pflänzchen von dieſen Holzarten hie und da in ſolchen Beſtänden, ſo kann man feſt verſichert ſein, daß der Kronenſchluß an dieſer Stelle unterbrochen iſt. Die junge Lärche kommt aber ſelbſt in ſchon ziemlich ausgelichteten Beſtänden nicht gut fort, und die junge Kiefer zeigt überall da, wo ſie beſchattet iſt, eine ſehr ſchwache Benadelung. Während auf gutem Boden bei der prädominirenden, die volle Einwirkung des Lichtes genießenden, Kiefer 3, ſelbſt 4 Triebe mit Nadeln ver⸗ ſehen ſind, iſt bei unterdrückten, im Schatten ſtehenden Pflanzen gewöhnlich nur der letzte Trieb benadelt. — Auch die Birke und die Aspe ertragen viel weniger Schatten, als man nach ihrem häufigen Eindrängen in andere Be⸗ ſtände vermuthen ſollte; man wird bei genauerer Beobachtung immer finden, daß die Stellen, auf denen ſie ſich einfinden, von irgend einer Seite her oder gerade von oben Licht erhalten. e. Lichtbedürfniß der Holzarten in den übrigen Lebensaltern. Wie ſchon oben bemerkt wurde, verlangt keine einzige Baumart, nach⸗ dem ſie einmal die Zeit der Kindheit überſtanden hat, Beſchattung; der Einzel⸗ ſtamm gedeiht am freudigſten und legt den größten Zuwachs an, wenn er die volle Einwirkung des Lichtes genießt. Dagegen beſitzen einige Holzarten die Fähigkeit, auch in ſpäteren Lebensaltern Beſchattung zu ertragen. Dieſe Eigenſchaft manifeſtirt ſich in mehrfacher Weiſe, nämlich a. durch dichteren oder lichteren Baumſchlag, 8. durch die Fähigkeit unterdrückter Stämme, ſich längere Zeit in lebendem Zuſtande zu erhalten. Was zuerſt die Art des Baumſchlages anlangt, ſo bedürfen offenbar diejenigen Holzarten, welche eine dichte Krone befigen, weniger Licht, als ſolche Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. 375 mit lichtem Baumſchlag. Denn bei erſteren erhält jedes Blatt im Innern der Krone eine geringere Menge Licht: wenn es nun trotzdem vegetirt, ſo beweiſt dies, daß es auch weniger Licht zu ſeinem Beſtehen nöthig hat. In der forſtwirthſchaftlichen Praxis ſpielt die Kenntniß des Verhaltens der Holzarten gegen das Licht eine große Rolle. Sie gibt zur richtigen Aus⸗ wahl vieler Betriebsoperationen Anleitung. Da wir nun die Bäume bald in geſchloſſenen Beſtänden, bald einzeln ſtehend erziehen, ſo iſt es von Wichtig⸗ keit, zu wiſſen, wie ſich der Baumſchlag unter dieſen Umſtänden geſtaltet. Die Beobachtung ergibt, daß freiſtehende Bäume, welche der vollen Ein⸗ wirkung des Lichtes ausgeſetzt ſind, eine viel dichtere Krone beſitzen, als im Schluſſe. Es rührt dies daher, weil in erſterem Falle das von allen Seiten zugängliche Licht die Erzeugung von Blättern begünſtigt. Sehen wir ja doch, daß die Buche und Eiche, wenn ſie plötzlich aus dem Schluß in freien Stand gebracht werden, eine Menge Waſſerreiſer (Schaftloden, Klebäſte) entwickeln, daß ein von der Durchforſtung übrig gebliebener Stock entweder gar keine, oder bei weitem nicht ſo kräftige Ausſchläge liefert, als der Stock im eigentli⸗ chen Niederwalde, wo keine Beſchattung von oben her ſchadet. Auf kräftigem (tiefgründigem, lockerem und hinlänglich friſchem) Boden weicht daher der Baumſchlag ſelbſt der lichtbedürftigern Holzarten wenig von dem der ſchatten⸗ ertragenden ab, und nur im geſchloſſenen Walde macht ſich der eigenthüm⸗ liche Baumſchlag jeder Holzart geltend. Die Mehrzahl der Alleebäume, an welchen wir eine dichte Belaubung zu ſehen gewohnt ſind, iſt im Wald ganz dünnkronig. Dieß gilt namentlich von dem Ahorn, den Obſtbäumen, der Rüſter, Platane, falſchen Acacie (Robinia pseudo-acaeia), der Vogelbeere, Elzbeere ze. Die Linde, welche im Einzelſtande eine fo dichte Krone beſitzt, hat im Schluß emen viel lockeren Baumſchlag, als die Buche. (Im Habitus haben beide im letztern Fall ſo viele Aehnlichkeit, daß man ſie in einiger Ent⸗ fernung kaum von einander unterſcheiden kann). Die Hainbuche, aus welcher wir undurchdringliche Gartenhecken erziehen, hat im Schluſſe eine flatterige Beaſtung. Von allen Holzarten beſitzen die Tanne und Fichte den dichteſten Baum⸗ ſchlag. Doch iſt dieſer nicht etwa in der Gedrungenheit der einzelnen Quirle zu ſuchen. Jeder der letztern iſt vielmehr in ſich ganz licht, aber es ſtehen an der Schaftaxe viele Quirle über einander, deren Aeſte nicht in der nämlichen ſenkrechten Ebene liegen. Im jugendlichen Alter haben die Kronen von Tan⸗ nen und Fichten viele Aehnlichkeit. Im Alter verſchwindet dieſe mehr und mehr, nur das pyramidale Anſehen bleibt ihnen gemeinſam. Die Fichte be⸗ kommt Hangelzweige, welche die Belaubung jedes einzelnen Aſtes ſehr dicht in ſich machen; die Weißtanne hat dieſe Hangelzweige nicht, ihre Aeſte breiten ſich in einen horizontalen Fächer aus. Von den Laubhölzern kommt der dichteſte Baumſchlag der Buche zu. Ihre Krone iſt kuppelförmig. Die Kronen der Linde, Wallnuß, zahmen Ka⸗ 376 Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. ſtanie und der Hainbuche ſind nicht ſo dicht, wie diejenige der Buche, aber immer noch dichter, als die der Eiche. Der Baumſchlag der Weymouthskiefer und der gemeinen Kiefer weicht von dem der Fichte und Tanne vorzüglich darin ab, daß bei beiden die Krone nur aus wenigen Quirlen beſteht, weil die unteren Aeſte frühzeitig abſterben, und daß nur 2—3, auf gutem Boden auch wohl 4 Triebe benadelt ſind, wäh⸗ rend die Tanne und Fichte an 11—12 Trieben die Nadeln behalten. Noch dünner, als der Baumſchlag der Kiefer, iſt derjenige der Birke, Aspe und Lärche. Letztere bildet im mittleren Deutſchland ſelbſt im Freien keine dichte Krone; im geſchloſſenen Stand erreicht ſie aber gar das Anſehen einer Gerte, die Spitze beſitzt nur wenige Aeſte. Bezüglich der Fähigkeit, ſich in unterdrücktem Zuſtande noch grün zu erhalten (Zählebigkeit) ſtehen die Tanne und Fichte allen übrigen Holzarten voran; wahrſcheinlich vermag aber die Tanne noch mehr Schatten (Druck) zu ertragen, als die Fichte. In den Femelſchlägen des Schwarzwaldes findet man Weißtannenpflanzen, die in hundert Jahren nur wenige Fuße Höhe er⸗ reichen, und der Verf. hat in der Nähe von Gießen eine Fichte geſehen, welche ein Alter von 70 Jahren bei 4 Fußen Höhe beſaß. Solche unterdrückte Fich⸗ ten und Weißtannen erholen ſich vollſtändig wieder, wenn ſie in's Freie ge⸗ bracht werden. Sie ſchießen in die Höhe und nach einiger Zeit ift ihr Ha- bitus gänzlich verändert. Durch dieſe merkwürdige Eigenſchaft zeichnen ſie ſich vor allen übrigen Holzarten aus. Dieſe ertragen wohl alle Seitenſchatten wenn nur die Spitze im vollen Lichte ſteht, aber ſie gehen, wenn letzteres nicht der Fall iſt, nach einigen Jahren ein; niemals entfalten ſie, wenn auch die Ueberſchirmung vor ihrem Abſterben hinweggeräumt wird, ein kräftiges Hö⸗ henwachsthum. Nach der Tanne und Fichte hält die Buche am meiſten Druck aus; ihr ſteht in dieſer Beziehung die Schwarzkiefer nicht viel nach; bei letzterer deutet ſchon das Sitzenbleiben der Nadeln am Stamm darauf hin, daß ſie Beſchat⸗ tung erträgt. Am empfindlichſten gegen Ueberſchirmung ſind die Lärche, Birke, Aspe, Rüſter und gemeine Kiefer. Ordnen wir die Holzarten nach ihrer Fä⸗ higkeit, ſowohl in der Jugend, als wie auch ſpäterhin Se zu ertragen, fo erhalten wir folgende Reihe *): ) Der Verf. hat dieſelbe zuerſt in feiner Schrift: „das Verhalten der Waldbäume gegen Licht und Schatten, Erlangen 1852, bei Enke“ aufgeſtellt und hier nur eine geringe Aenderung an derſelben vorgenommen. Der Vater des Verf., C. Heyer, ſowie die Herren von Raesfeld und Mördes haben beanſtandet, daß die Eiche der Eſche vorangeſtellt ſei. Neuere Beobachtungen in verſchiedenen Gegenden von Deutſch⸗ land gaben dem Verf. die Ueberzeugung, daß allerdings die Eſche etwas mehr Schatten ertrage, als die Eiche, und es iſt dem entſprechend die Eiche in obiger Tabelle als die lichtbedürftigere Holzart eingetragen worden. Verhalten der Holzarten gegen das Licht. 377 Weißtanne, Fichte, Buche, Schwarzkiefer, Linde, Wallnuß, zahme Kaſtanie, Hainbuche, Eſche, Eiche, Bergahorn, Spitzahorn, Obſtbaum, Erle, Weymouthskiefer, Gemeine Kiefer, Rüſter, Birke, Aspe, Lärche. d. Einfluß des Bodens und des Klima's auf die Lichtbedürſtigkeit der Waldbäume. Die vorhin aufgeſtellten Regeln ſind ganz allgemeiner Natur, ſie beziehen ſich auf Bodenarten von mittlerer Güte. Iſt die Standortsbeſchaffenheit der Holzart ſehr günſtig, fo erleidet ihr Verhalten gegen Licht und Schatten be- merkenswerthe Modificationen. Dieſe beſtehen hauptſächlich darin, daß die lichtbedürftige Holzart auf gutem Boden und in milder Lage die Fähigkeit an⸗ nimmt, im Schatten zu gedeihen und daß umgekehrt die Tanne, Fichte und Buche, welche unter den gewöhnlichen Verhältniſſen in früher Jugend Schat⸗ ten verlangen, auch im Freien fortkommen. Wie ſpäter ausgeführt werden ſoll, wird die Bodengüte für unſere Wald— bäume vornehmlich durch Lockerheit, Tiefgründigkeit und einen angemeſſenen Feuchtigkeitsgehalt beſtimmt. Deßwegen gerathen Saaten von Tannen, Fich: ten und Buchen in Forſtgärten, wo man dieſe Bedingungen künſtlich herjtel: len kann, auch im Freien ohne Beſchattung, ſowie im Hochgebirg, wo durch große Luftfeuchte, ſtarke Nebel und häufige Bewölkung des Himmels die Ver⸗ dunſtung der Blätter und grünen Triebe gehemmt wird, und auch im Schwemm⸗ boden mancher Flußniederungen würden ſich dieſe Holzarten ganz im Freien recht gut fortbringen laſſen, wenn ſie nicht hier der Beſchattung zum Schutz gegen die an ſolchen Localitäten heimiſchen Früh- und Spätfröſte bedürftig wären. e Daß lichtbedürftige Pflanzen unter günſtigen Standortsverhältniſſen auch im Schatten ihr Gedeihen finden können, mögen folgende Beiſpiele beweiſen. In der milden, mit dem fruchtbarſten Lehmboden ausgeſtatteten Wetterau (Großherz. Heſſen) kommen unter den Obſtbäumen auf dem Felde Kartoffeln und Cerealien jo freudig fort, als ob der Schatten der Bäume gar nicht vor- handen wäre. Etwas weiter nördlich, bei Gießen und Marburg, wo die Qualität des Bodens ſich verringert, find die Schirmflächen unter den Bäu- men kahl. In den Aequinoctialgegenden verſchwindet der Unterſchied zwiſchen licht⸗ bedürftigen und ſchattenertragenden Holzarten gänzlich. In den Urwaldungen Südamerika's kommen alle Baumgewächſe dicht unter einander vor. Unter 378 Einfluß des Lichtes auf die Waldvegetation. dem milden Himmel Italiens rankt ſich der Weinſtock an Ulmenbäumen in die Höhe, inmitten der Baumkrone erzeugen ſich noch die ſüßeſten Trauben; am Rhein muß man den Weinſtock ganz im Freien erziehen, man muß zu ſeinem Anbau vorzüglich die ſüdlichen Hänge der Berge ausſuchen, um noch gute Früchte zu erhalten. Gerade ſo, wie die Bodenbearbeitung denjenigen Holzarten, welche in der Jugend des Schattens bedürftig ſind, Widerſtandsfähigkeit gegen die Strah⸗ len der Sonne verleiht, in dem nämlichen Maße macht ſie die lichtbedürftigen Holzarten geſchickt, im Schatten auszuhalten. Deßwegen kann man in älte⸗ ren Kiefernbeſtänden Ahorne, Eſchen, auch wohl Rüſtern erziehen, wenn man die Saatſtelle tüchtig bearbeitet und lockert (Pflänzlingszucht unter Schutzbe⸗ ſtänden). Der Ahorn und die Rüſter conſerviren ſich, unter Buchen gemiſcht, um ſo vorzüglicher, je tiefgründiger und friſcher der Boden iſt. Ihr Widerſtands⸗ vermögen gegen den dichten Schatten der Buche wächſt in dem Grade, als ihre Entwicklung kräftiger wird. Im Vogelsgebirge ſieht man Birkenbeſtände ſich natürlich, wenn auch unvollkommen, verjüngen; der Spitzahorn kommt daſelbſt häufig unter dem dichten Schatten der Buche fort. Auch kleinere krautartige Pflanzen gedeihen dort unter dem Schirm der Waldungen; ſo erſcheint, wenn auch nicht ſehr reichlich, Oxalis acetosella in Fichtenbeſtänden. Während bei Darmſtadt, in ebener Lage, der Boden in geſchloſſenen Buchwaldungen nur mit dem abge⸗ fallenen, trockenen Laub bedeckt iſt, wird er im Vogelsgebirge von Gewächſen der mannigfachſten Art, wie von einem grünen Teppich, überzogen. Auf dem Schwemmboden der Elbeniederungen bei Lödderitz ſah der Verf. die Rüſter als Unterholz in Mittelwaldungen cultiviren. Dieſe Behandlung würde ſie auf einem weniger tiefgründigen, weniger lockern und friſchen Boden nicht ertragen. Dreizehntes Bud. Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. 1. Bedeutung des Waſſers für die Vegetation. Es iſt bereits an einem andern Orte, als wir von der Zuſammenſetzung des Holzes handelten, ausgeführt worden, daß der Waſſerſtoff ſowohl der Holzfaſer, als auch der in den Holzgefäßen enthaltenen ſonſtigen Stoffe (Pro— teinſubſtanzen, Amylon, Gummi, Zucker, Pflanzenſäuren, Oele ꝛc.) zum größten Theil von zerlegtem Waſſer ſtammt. Wir ſahen, daß von den 218,2 Kilogr. Waſſerſtoff, welche ein Hectare Kieferwald jährlich produzirt, wenigſtens 211 Kilogramme auf Rechnung des Waſſers kommen, wenn man auch die fehlen- den 7,2 Kilogr. von dem Ammoniak, welches dem Holze den Stickſtoff liefert, ableitet. Dieſen 211 Kilogr. Waſſerſtoff entſprechen (da das Waſſer 11,11% Waſſerſtoff enthält) ungefähr 1900 Kilogr. Waſſer. Dieſe Quantität iſt außerordentlich klein, verglichen mit derjenigen, welche während der Vege⸗ tationszeit auf die Fläche eines Hectare fällt. (Wir berechneten dieſelbe S. 365. zu 5500000 Kilogrammen für Deutſchland). Die durchſchnittliche Regenmenge eines einzigen Tages — 18630 Kilogr. würde hinreichen, um dem Holze 9mal fo viel Waſſerſtoff zu liefern, als es im Laufe eines Jahres bedarf. Der Nutzen des Waſſers für die Waldvegetation kann daher nicht ausſchließlich in ſeinem Gehalte an Waſſerſtoff geſucht werden; es ſpielt viel⸗ mehr das Waſſer als unmittelbares Nahrungsmittel der Holzgewächſe eine ganz untergeordnete Rolle. Fragen wir nun, wozu die große Menge Waſſer nöthig ſei, welche die . Pflanzen während der Vegetationszeit bedürfen, ſo kann hierauf bis jetzt noch keine beſtimmte Antwort ertheilt werden. Nimmt man an, daß das Waſſer deßhalb für die Gewächſe unentbehrlich ſei, weil es als Löſungsmittel für die anorganiſchen Stoffe des Bodens diene, ſo erklärt uns dieſe an und für ſich richtige Unterſtellung doch immer noch nicht, warum die Pflanzen eine ſo außerordentliche große Menge von Feuchtigkeit bedürfen. Das Waſſer im Boden enthält ſo viel an anorganiſchen Stoffen, daß der Regenfall eines einzigen Monats hinreichen würde, um die Waldbäume mit den Aſchenbeſtand⸗ 380 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. theilen zu verſtehen, welche für ein ganzes Jahr nöthig ſind. Auch als un⸗ entbehrliches Vehikel für die Aufnahme der Kohlenſäure und des Ammoniaks kann man das Waſſer nicht betrachten, weil dieſe beiden Stoffe auch durch die Blätter aufgenommen werden. Es ſcheint, daß die chemiſchen Prozeſſe, welche unter dem Einfluſſe der Lebenskraft in den Zellen (und Gefäßen?) des Holzes vor ſich gehen, nicht erfolgen können, ohne daß die Wand jener Organe mit Feuchtigkeit durch⸗ drungen iſt, und vielleicht iſt hierin der hauptſächlichſte Nutzen des Waſſers in Bezug auf die Vegetation zu ſuchen. Dieſe Interpretation iſt aber nichts anderes, als eine Hypotheſe. Nach dem gegenwärtigen Stande der Pflanzen⸗ phyſiologie können wir kaum mehr ſagen, als daß das Waſſer für die Vege⸗ tation nothwendig ſei; über das „Warum“ muß uns die Zukunft belehren. 2. Saftfeuchtigkeit. Die Zellen und Gefäße, aus welchen das Holz beſteht, find innen hohl. und entweder mit Waſſer, oder mit Luft gefüllt; außerdem iſt aber auch die feſte Subſtanz des Holzes ſtets mit einer gewiſſen Menge Feuchtigkeit durch⸗ drungen, welche ſich von ihr nur in einer Temperatur, die etwas hö⸗ her, als der Siedepunet des Waſſers liegt, trennen läßt. Die Circulation des Saftes geht vorzüglich in den jüngeren Holzlagen vor ſich, und dieſe enthalten deßwegen immer mehr Waſſer, als diejenigen Theile, welche näher an der Schaftaxe liegen; am trockenſten iſt gewöhnlich das Mark. Fragen wir, zu welcher Jahreszeit die größte Menge Saft in der Holz⸗ pflanze enthalten ſei, ſo können wir nicht zweifeln, daß dies in der Vegeta⸗ tionszeit ſtattfinde. Indeſſen ſind noch ſo wenig rationelle Unterſuchungen über den Waſſergehalt des Holzes gemacht worden, daß ſich der Zeitpunkt nicht genau beſtimmen läßt. Schübler fand den Waſſergehalt am größten im Frühjahr; nach einem Mittel mehrerer Verſuche nahm der Saftgehalt von Ende Januar, während trockener Kälte zur Zeit der Ruhe der Vegetation, bis zum Anfang Aprils um 8% zu; er ſtieg im Mittel bei 5 zu dieſer Unter⸗ ſuchung dienenden Bäumen (Fraxinus excelsior, Acer pseudoplatanus, Aesculus Hippocastanum, Corylus avellana, Abies excelsa) von 39,2 bis 47,2% oder nahe um ½ der urſprünglichen Quantität. Wenn man die Angaben in den Lehrbüchern vergleicht, ſo ſollte man glauben, der Waſſergehalt der einzelnen Holzarten ſei außerordentlich verſchie⸗ den; die Differenzen rühren aber daher, daß das Holz zu verſchiedenen Jah⸗ reszeiten unterſucht wurde. Sie werden ſich höchſt wahrſcheinlich auf einen geringen Betrag zurückziehen, wenn die Beſtimmung des Waſſergehaltes der Bäume zur Zeit der nämlichen Vegetationsphaſen vorgenommen wird. Unter dieſen Umſtänden fand Chevandier, daß die weichen Hölzer (Birke, Aspe, Erle, Weide) mehr Feuchtigkeit enthalten, als die gleichzeitig (im Januar) gefällten harten Holzarten (Buche, Eiche, Hainbuche). Nachſtehend laſſen wir die Re⸗ Saſtfeuchtigkeit. 381 ſultate von Hartig's und König's Unterſuchungen über den Waſſergehalt eini⸗ ger Holzarten folgen. Es fanden Hartig König Hartig König Fagus sylvatica 39,7% 42,0 % Alnus glutinosa 41,6% 50,0 %, Carpinus Betulus 18,6 35,5 Tilia europaea 47,1 49,0 Quercus Robur 34,7 — Populus tremula 43,7 48,0 „ pedunc. 354 40, Abies pectinta 37,1 44,0 Acer pseudopl. 270 37, Abies excelsa 45,2 480 Ulmus campestris 44,5 41,0 Pinus sylvestris 37,7 48,0 Fraxinus excelsior 28,7 38,0 Larix europaea 48,6 48,0 Betula alba 30,8 40% Benutzen wir dieſe Zahlen zu nichts, als um die Grenzen zu beſtimmen, innerhalb welcher der Feuchtigkeitsgehalt des reifen Holzes ſchwankt. Dieſe betragen alſo 18 bis 50% . Andere fanden aber für das Maximum noch höhere Werthe, ſogar bis 60 %, Die Mehrzahl der Unterſuchungen ſtimmt darin überein, daß der Saft⸗ gehalt von dem Wurzelſtock nach unten und oben hin zunimmt. Am meiſten Saft enthalten die Blätter und grünen Triebe. Nach Schübler haben die jüngeren Zweige oft doppelt ſo viel Waſſer, als das ältere Holz; bei einem Hollunder, welcher im Juli 6 Abſätze (Internodien) angeſetzt hatte, zeigten die einzelnen Zwiſchenſtücke von einer Blattausbreitung zur andern in der Menge der wäſſerigen Beſtandtheile folgende Verſchiedenheiten. Der Waſſer⸗ gehalt des votjährigen Holzes war 40 Procent „ Iſten Internodiums „ 56 * * 2 1 1 " 70, 7 " n 3 * 14 17 80,0 n " 4 * 77 " 82,8 1 1 5 * " n 85,4 n In den jüngſten Trieben war daher der Waſſergehalt mehr als doppelt ſo groß, als im vorjährigen Holz. Bei einem mittleren Feuchtigkeitsgehalte von 40% würde der jährliche Zuwachs eines Kiefernwaldes, den wir früher beiſpielsweiſe zu 3551,9 Kilo⸗ grammen ganz trockner Materie berechnet haben, ungefähr 2368 Kil. Waſſer in ſich faſſen; die Holzmaſſe eines 60jährigen Beſtandes enthielte unter der nämlichen Annahme 142116 Kilogramm Waſſer. Dieſe Quantität könnte der durchſchnittliche Regenfall von etwa 8 Tagen beſchaffen. Aber nicht alles Waſſer, welches die meteoriſchen Niederſchläge (Regen, Schnee 2.) dem Boden zuführen, iſt für die Pflanzen verwendbar; ſehr viele Feuchtigkeit verdunſtet wieder, ehe ſie von den Gewächſen aufgenommen wurde, und ein beträchtlicher Theil verſinkt in die Tiefe und wird unterirdiſch 382 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. abgeleitet. Auf unebenem Terrain fließt viel Waſſer ab, ehe es in den Boden eingedrungen iſt. Dalton berechnet, daß ½ des im Flußgebiete der Themſe niedergefallenen Waſſers durch dieſe abgeführt wird, und zu dem nämlichen Reſultate gelangte Dauſſe für die Seine. Nach den achtjährigen Unterſuchungen von Dickinſon zu Abbots⸗Hill in der Grafſchaft Herts fließen von der ganzen jährlichen Regenmenge durch eine 3 bis 4 Fuß tiefe Bodenſchicht im Mittel 42 ½ Procent hindurch, 57½ Proc, verdunſten in die Luft, jedoch nicht plötzlich, ſondern allmählig, ſo daß die Verdunſtung nicht unmittelbar vom Boden aus, ſondern auch von den Pflan⸗ zen bewerkſtelligt werden kann, welche das Waſſer aufgenommen haben. Nach den Jahreszeiten geſtaltet ſich der Vorgang folgendermaßen: Monat Verſickert Verdunſtet Regenmenge N Proc. Proc. Zolle Januar 70,7 29,3 1,847 Februar 78,4 21,6 1,971 März 66,6 33,4 1,617 April 21,0 79,0 1,456 Mai 5,8 94,2 1,856 Juni 1,7 98,3 2,213 Juli 1,8 98,2 2,287 Auguſt 1,4 98,6 2,427 September 13,9 81,1 2,639 October 49,5 50,5 2,823 November 84,9 15,0 3,837 December 100,0 0,0 1,641 Mittel 42,3 57,6 Summe 26,614 Daß aber dieſe Zahlen nur für einen einzigen Fall gelten und daß die Menge des verſickerten und verdunſteten Waſſers nach der Beſchaffenheit des Bodens, namentlich ſeiner Lockerheit, ſowie der Natur des Untergrundes ſich abändert, braucht wohl nur angedeutet zu werden. 3. Aufnahme der Feuchtigkeit durch die Gewächſe. Daß durch die Wurzeln Waſſer aufgenommen wird, darüber kann kein Zweifel herrſchen. Es fragt ſich nur, welcher Theil der Wurzel zur Aufſau⸗ gung der Feuchtigkeit diene. Legt man ein Stück trockne, berindete Wurzel, deren Abſchnittsflächen mit Wachs verklebt ſind, in Waſſer, ſo findet man nach einiger Zeit, daß dieſes in das Holz eingedrungen iſt. Es iſt alſo ge⸗ wiß, daß jeder Theil der Wurzel Feuchtigkeit aufzunehmen vermag. Allein das Aufſaugen geht um ſo langſamer von Statten, je mehr die Wurzel mit abgeſtorbenem Zellgewebe bekleidet iſt, und zieht man die Menge des durch die Blätter verdunſteten Waſſers in Rechnung, ſo kommt man zu dem Verdunſtung der Gewächſe. 383 Schluſſe, daß die noch nicht braungefärbten Würzelchen und namentlich deren Ende, welches blos mit der ſogenannten Wurzelhaube bekleidet iſt, ein viel ſtärkeres Aufſaugungsvermögen beſitzen müſſen. Wie aber das Verhältniß ſei, darüber fehlen alle Unterſuchungen. Auch durch die Blätter und Triebe wird Feuchtigkeit aufgenommen. Bonnet fand, daß Blätter, welche er auf Waſſer legte, ſich lange Zeit friſch erhielten, und Burnett wies das von den Blättern des ſchwimmenden Laich⸗ krautes (Polamogeton natans) aufgenommene Waſſer durch das Gewicht nach. Auch das in Dunſtform in der Atmoſphäre enthaltene Waſſer kann von den Pflanzen benutzt werden. Alle feſten Körper beſitzen die Eigenſchaft, Gaſe und Dämpfe an ihrer Oberfläche zu verdichten; wenn ein trockenes Blatt ſich in der Luft befindet, ſo wird ſeine Oberfläche nach einiger Zeit mit einer, freilich ſehr dünnen, Waſſerſchichte bedeckt ſein. Denken wir uns nun, daß dieſe in das Innere des Blattes eindringe, ſo wird die Außenfläche von Neuem Waſſerdampf verdichten, und ſo kann nach und nach eine merkliche Quantität Feuchtigkeit in das Blatt gelangen. 4. Verdunſtung der Gewächſe. Nimmt man eine Pflanze, ohne ſie zu verletzen, aus der Erde und ſetzt ſie einige Zeit der Luft aus, ſo vermindert ſich ihr Gewicht, weil das in der Pflanze enthaltene tropfbar flüſſige Waſſer verdunſtet. Die Oberfläche der Gewächſe muß alſo die Eigenſchaft beſitzen, Waſſerdampf zu exhaliren. Die Verdunſtungsfähigkeit kommt in weit höherem Grade den Blättern und jungen Trieben, als den berindeten Theilen des Baumes zu. Duhamel du Monceau verpichte die beiden Abhiebsflächen eines 31 Pfund 3 Unzen 2 Quentchen ſchweren Klotzes, der eben friſch gefällt worden war; nach Ab- lauf eines Monats wog dieſer Klotz noch 31 Pfund 2 Unzen 2½ Quentchen, hatte alſo nur 7 Quentchen an Gewicht verloren, obgleich er auf einem ſehr trockenem Getraide⸗Boden lag. Bei einem andern ähnlichen Klotz, der Figur 145. aber nicht verpicht worden war, hatte das Gewicht um 1 Pfund abgenom⸗ men. Eine eigenthümliche Aneinanderfü⸗ gung der Zellen auf der Oberfläche der Blätter erleichtert die Exhalation des Waſſerdampfs. Löſt man von der Un⸗ terſeite eines Platanenblattes ein feines Scheibchen ab (Fig. 145), ſo bemerkt man die langgeſtreckten Zellen der Blattnerven a; zwiſchen den letzteren liegen größere Zellen b und an dieſen öfters zwei halbmondförmige Zellen e, e, welche eine Lücke d zwiſchen ſich 384 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. laſſen. Dieſe Lücke ſetzt ſich eine Strecke weit in das Innere des Blattes fort bildet alſo eine förmliche Ausmündung für daſſelbe. Man nennt d die Spalt⸗ öffnung des Blattes und ce die Spaltöffnungszellen. Alle Laubholzbäume tragen die Spaltöffnungen auf der Unterſeite der Blätter; dies gilt auch von der Mehrzahl der Nadelhölzer. Bei der Weißtanne z. B. ſind dieſelben auf den beiden weißen Streifen befindlich, welche die un⸗ tere Fläche der Nadel der Länge nach überziehen; die Fichte und Kiefer ent⸗ halten die Spaltöffnungen auf allen Seiten der Nadeln in ebenſolchen Strei⸗ fen, welche mit der Axe der Nadel parallel verlaufen. Die Samenblätter (Cotyledonen) der Gewächſe tragen dagegen die Spaltöffnungen meiſt auf der oberen, dem Lichte zugekehrten Seite. Einige Phyſiologen haben die Verdunſtung blos von den Spaltöffnun⸗ gen abhängig machen wollen; dies ſcheint aber aus dem Grunde nicht richtig zu ſein, weil Blätter ohne Spaltöffnungen (z. B. die untergetauchten Blätter mancher Waſſerpflanzen) auch Feuchtigkeit verdunſten. Setzt man nämlich ſolche Blätter außer Communication mit dem Waſſer, ſo vertrocknen ſie nach und nach. Wir müſſen alſo annehmen, daß die Membran der Oberhaut⸗ zellen an und für ſich die Eigenſchaft beſitze, den flüſſigen Inhalt der Zellen in Dunſtform entweichen zu laſſen. Dafür ſpricht auch ſchon der Umſtand, daß dieſe Membran am lebenden Blatte mit Feuchtigkeit durchdrungen iſt, welche verſchwindet, wenn man ſie (die Membran) vom Blatte löſt. Da die Spaltöffnungen nicht durch die ganze Pflanze hinziehen und bis in die Wur⸗ zel reichen, ſo muß die Feuchtigkeit, um in die Spaltöffnungen zu gelangen, die Membran der angrenzenden Zellen durchdringen. Nichts deſto weniger iſt es gewiß, daß die Spaltöffnungen eine große Rolle in dem Verdunſtungsprozeß der Pflanzen ſpielen und jedenfalls fördernd auf denſelben einwirken. Denn diejenigen Pflanzen, welche (wie z. B. die Craſſulaceen) beſtimmt ſind, monatelang auf einem trockenen Terrain ohne Regen zu vegetiren, haben verhältniß wenig Spaltöffnungen, während die untere Blattfläche der durch ihre ſtarke Verdunſtung ausgezeichneten Buche mit Spaltöffnungen überſäet iſt. Die Menge des Waſſers, welches von den Pflanzen verdunſtet werden kann, hängt ab: a. Von Gattung und Art. Die Anzahl der Spaltöffnungen, die eigenthümliche Beſchaffenheit der Membran, welche die Oberfläche bekleidet, auch die innere Textur der Zellen, welche ein mehr oder minder raſches Fortbewegen des Saftes geſtattet, mögen hierbei die entſcheidenden Momente bilden. Unter Umſtänden kann die Menge Waſſer, welche eine Pflanze verdunſtet, viel größer ſein, als diejenige einer gleich großen Waſſerfläche; nach den Verſuchen Schübler's, welche S. 252 mitgetheilt worden ſind, betrug ſie bei einem Raſen im Juli das vierfache. Verdunſtung der Waldbäume. 385 So fand Burnett, daß ein Blatt der großen Sonnenblume (Helianthus annuus), welches 31½ Gran wog, binnen 4 Stunden 20 Gran Flüſſigkeit ausdünſtete. Ueber die Verdunſtung unſerer Waldbäume ſind bis jetzt noch wenige Unterſuchungen angeſtellt worden, dieſelben ſind auch mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden. Klauprecht und Schübler fanden die Menge des innerhalb 24 Stunden verdunſteten Waſſers nach Gewichtstheilen des Laubes oder der Nadeln: Holzart Klauprecht Schübler (Juni, Juli) » (Aug., Sept.) Buche 36 N 46 Eiche 37 45 Birke 29 44 Erle 43 — Kiefer 11 — Fichte 10 17 Weißtanne 12 — Lärche 18 31 Jedoch können dieſe Zahlen nicht als ein ſtrenger Ausdruck für die Ver⸗ dunſtung, wie ſie am Baume ſtattfindet, angeſehen werden, weil die Blätter und Nadeln, welche Klauprecht und Schübler zu ihren Verſuchen benutzten, vom Stamme getrennt, alſo jedenfalls in einem abnormen Zuſtande waren. Um feſtzuſtellen, ob z. B. ein Laub⸗ oder Nadelholzwald mehr Feuchtig⸗ keit verdunſte, muß neben der Exhalationsfähigkeit noch die Anzahl der Blatt⸗ organe bekannt ſein; die obigen Zahlen bilden deshalb keinen Maßſtab für die Verdunſtung von ganzen Bäumen oder Beſtänden. Wenn z. B. ein Weißtannenſtand dreimal mehr Nadeln, als ein Buchenbeſtand Blätter hätte, ſo würden beide gleich viel verdunſten, wenn ſchon, nach Klauprecht, die Ex⸗ halationsfähigkeit einer Weißtannennadel dreimal geringer iſt, als die des Buchenlaubes. b. Von dem Lebensalter der Gewächſe. Wenn es ausgemacht iſt, daß die Blätter und grünen Triebe die haupt⸗ ſächlichſten Organe für die Verdunſtung ſind, ſo liegt auf der Hand, daß junge Pflanzen, welche zum größern Theil aus dieſen Organen beſtehen, im Verhältniß zu ihrer Maſſe mehr Waſſer verdunſten müſſen, als ältere Bäume. In der That, es iſt bekannt, wie ſehr die jungen Pflanzen unſerer Culturen von Trockniß zu leiden haben, während die mehr erwachſenen Bäume ſich erhalten. Freilich darf nicht überſehen werden, daß dem ausgebreiteteren Wur⸗ zelſyſtem eines Baumes eine größere und oft feuchtere Bodenſchichte zugänglich iſt. Abgeſehen von der Temperatur der Luft ꝛc. ſcheint die Verdunſtung im Frühjahr, wenn die Blätter noch zart ſind, am ſtärkſten zu ſein. Späterhin nimmt dieſelbe in dem Maße ab, als die Oberhaut der Blätter ſich mit Heyer, Bodenkunde. 25 386 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. Stoffen überlagert, welche dem Austritt von Gaſen und Flüſſigkeiten hinder⸗ lich ſind. g Wie früher auseinandergeſetzt wurde, enthält der Saft der Bäume zu gewiſſen Zeiten Degtrin, Zucker, Terpenthinöl ꝛe. Die beiden erſtgenannten Subſtanzen treten mit dem Waſſer, in welchem ſie aufgelöſt ſind, durch die Membran auf die Oberfläche derſelben, das Waſſer verdunſtet, und Zucker, oder Dextrin bleiben als ein feiner Ueberzug zurück. Das Terpenthinöl bedarf kein Lö⸗ ſungsmittel; es durchdringt für ſich die Membran und verflüchtigt ſich zum Theil, während ein anderer Theil unter Aufnahme von Sauerſtoff in Harz übergeht. Der blaugraue Reif auf den Blättern des Kohls oder den Zwetſchen beſteht aus Wachs, welches in einem ätheriſchen Oel gelöſt war. Man nennt dieſen Ueberzug auf Blättern, Trieben, Früchten ꝛc., deſſen Entſtehungsweiſe fo eben erläutert Fig. 146. wurde, die Cutieula. Fig. 146 ſtellt den Querſchnitt durch einen Theil des Buchen⸗ ee blattes bei 200facher Vergrößerung dar. a Fa, ER "000 Kor find die Zellen im Innern, b die Oberhaut⸗ zellen von der Unterſeite des Blattes. Das feine Strichelchen ce über der Zellenreihe bb ift die Cutieula. Es iſt begreif⸗ lich, daß die Cuticula beſonders dann, wenn ſie von wachs⸗ oder harz⸗ artiger Beſchaffenheit iſt, die Verdunſtung hindern muß, denn Wachs und Harz werden von Waſſer nicht benetzt. Die Dicke der Cuticula nimmt mit dem Alter der Blätter ꝛc. zu und iſt alſo mit die Urſache, warum die Ver⸗ dunſtung der Gewächſe gegen den Sommer und Herbſt hin verhältnißmäßig geringer wird. Wenn trotzdem die Menge des verdunſteten Waſſers im Som⸗ mer größer iſt, als im Frühjahr, ſo kommt dies auf Rechnung der höhern Temperatur in der wärmeren Jahreszeit. Es iſt an einem andern Orte (S. 372.) die Anſicht ausgeſprochen wor⸗ den, daß die junge Weißtanne, Fichte und Buche wohl nur deshalb die volle Einwirkung der Sonnenſtrahlen nicht ertragen können, weil ſie durch dieſe zu einer übermäßigen Verdunſtung gereizt werden. Indem die Sonne die Blätter dieſer Holzarten erwärmt, verflüchtigt ſich das Waſſer in den Zel⸗ len; es entweicht in Form von Dampf. Die Empfindlichkeit gegen die Son⸗ nenſtrahlen nimmt aber im Spätſommer und Herbſt ab, und man könnte zu dieſer Jahreszeit die Pflanze ganz freiſtellen, wenn nicht die Frühfröſte zu fürchten wären. Wahrſcheinlich iſt es die fortſchreitende Bildung der Cuticula, welche die Verdunſtung der jungen Tanne, Fichte und Buche im Laufe der Vegetationszeit ermäßigt. In der That bemerkt man bei den Tannen⸗ und Fichtennadeln, welche mit hellgrüner Farbe aus der aufbrechenden Knoſpe hervorkommen, bald einen bläulichen Anflug ſchon mit bloßem Auge. Es ſcheint alſo, daß dieſe Pflanzen nur ſo lange die Wärme der Sonnenſtrah⸗ len zu fürchten haben, als ſie nicht durch die Cutieula gegen die Verdunſtung ihrer Saftfeuchtigkeit geſchützt find. Verdunſtung der Waldbäume. . 387 Man nimmt allgemein an, daß die Nadelhölzer weniger Waſſer ver⸗ dunſten, als die Laubhölzer, und die übereinſtimmenden Beobachtungen Klau⸗ prechts und Schüblers beſtätigen dieſe Anſicht. Doch muß auch hier die Jah⸗ reszeit wohl berückſichtigt werden; Klauprecht ſtellte ſeine Unterſuchungen im Juni und Juli an, zu welcher Zeit die Nadelhölzer ſchon getrieben haben. Fig. 147. Die Schübler'ſchen Verſuche rühren gar vom Auguſt und September her. Wahrſcheinlich hätte man für die Tanne und Fichte andere Zahlen gefunden, wenn man die Beobachtungen in den Mai verlegt hätte. Uebrigens erklärt der Terpenthingehalt der Nadelhölzer die geringe Exhalationsfähigkeit der letztern zur Genüge, wenn man gleichzeitig das beachtet, was über die Bildung der Cuticula gejagt wurde. Auch die geringe Verdunſt⸗ ungsfähigkeit, welche Klauprecht für die Kiefernadeln nachgewieſen hat, ſcheint in einer ſtarken Cuticulaſchichte ihren Grund zu haben. Bei einer unverſehrten Kiefer⸗ nadel iſt die ganze Oberfläche mis einem blaugrauen Reif bedeckt, der von harziger Beſchaffenheit iſt. Betrachtet man ihn mit dem Microſcop (Figur 147, bei 15facher Vergrößerung), fo löſt er ſich in lauter einfache oder doppelte Streifen auf. Dieſe enthalten die Spaltöffnungen. Figur 148. Auf einem Querſchnitt (Fig. 148, bei 200 facher Vergrößerung) erblickt man über den Zellen aa der Epidermis die Cuti⸗ cula b b als ein feines Strichelchen. ce ſtellt eine Spaltöffnung vor. e. Von den phyſikaliſchen Bedingungen der Verdunſtung. (Man vergleiche S. 248253). Hieher gehören die Temperatur, die Luftfeuchte, der Luftdruck, der Luft⸗ zug, die Farbe der Blätter de. Durch eine erhöhte Temperatur kann die Verdunſtung in zweifacher Weiſe beſchleunigt werden, einmal indem die Blätter ꝛc. ſich erwärmen, wo⸗ durch ihr Waſſergehalt in Dampf verwandelt wird, zum andern aber durch Erwärmung der Luft, welche die Pflanze umgibt. Letzteres hat zur Folge, daß der relative Feuchtigkeitsgrad der Luft ſich vermindert und ſomit ihr Vermö⸗ gen, Waſſerdampf aufzunehmen, ſich erhöht. — Um beiſpielsweiſe den Ein⸗ fluß der Temperatur auf die Gewächſe in Zahlen zu zeigen, führen wir fol⸗ genden Verſuch von Schleiden an. Dieſer ſäete Hafer und Klee in einen hölzernen mit Zink überzogenen Kaſten von 1 Q.⸗Fuß Oberfläche und ſtellte den Kaſten auf eine ſehr genaue Brückenwage; jeden Tag wurde die ver⸗ 25 * 388 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. dunſtete Waſſermenge durch den erlittenen Gewichtsverluſt beſtimmt und dieſer Verluſt durch Begießen erſetzt, wobei der Bodenraum in dem Zuſtande eines gewöhnlichen guten nicht ausgedörrten Landes gehalten wurde. Der Klee und Hafer entwickelte ſich keineswegs ſehr üppig wegen der ſehr unpaſſenden Localität, und der Waſſerverbrauch durch die Pflanzen würde bei völlig ge⸗ ſunder Entwicklung bei weitem bedeutender ausgefallen ſein. Datum Zahl der Tage Mittlere Temperatur Mittlerer Waſſerverluſt für 24 Stunden 1) April 12—19 9 11°,55 55,00 Gramme 2) April 29I—-Mais 9 12,52 59,50 9 3) Mai 8—11 3 17,43 102,66 „ 4) Mai 27—29 2 14,00 95,00 „ 5) Mai 29—Juni 13 17,28 133,01 N 6) Juni 7— 8 1 18,66 126,00 „ 7) Juni 12—14 2 21,40 22750 „ 8) Juli 19—21 2 21,40 30500 „ 9) Aug. 10—14 4 18,00 190,50 „Vergleicht man hier, ſagt Schleiden, die Nr. 1, 2, 3 oder 4 und 5 oder 8 und 9, ſo zeigt ſich in dieſen Reſultaten, daß die Menge des von den Pflanzen verdunſteten Waſſers abhängig iſt von der Temperatur, die Ver⸗ gleichung von 3, 5, 9 oder 7 und 8 zeigt, wie die Größe der Verdunſtung mit der allmähligen Entwicklung der Pflanze und ihrer Blattfläche ſteigt, endlich die Vergleichungen von 5 und 6 zeigen den Einfluß der Luftfeuch⸗ tigkeit auf die Verdunſtung, indem am Tten und Sten Juni nach ſehr hef⸗ tigen nächtlichen Regen die Luft auffallend mit Feuchtigkeit erfüllt war.“ Die relative Feuchtigkeit der Luft nimmt vom Dezember nach dem Auguſt ab, in welchem Monat ſie ihren kleinſten Werth erreicht. — Die Luft auf Bergen iſt an heitern Tagen trockener, an trüben dagegen feuchter und im Durchſchnitt des ganzen Jahres ebenfalls feuchter, als in den Niederungen. Orte an der See genießen einer feuchteren Luft, als Orte im Binnenlande (Holland — Ruſſiſche Ebene). Aus dieſen Verhältniſſen erklären ſich z. B. die ſchönen Wieſen, mit welchen England, die herrlichen Graswaiden, mit denen die Alpen geſchmückt ſind. Die Steppen in der Ruſſiſchen Ebene ſind eine nothwendige Folge der trockenen Luft. Der Wind beſchleunigt die Verdunſtung, indem er die mit Feuchtigkeit geſättigte Luftſchichte in der Nähe der Blätter entführt und eine weniger feuchte Luft an deren Stelle ſetzt. Daß durch Verminderung des Luftdrucks die Verdunſt⸗ ung begünſtigt wird, iſt S. 250 ausführlich erörtert worden. — Dunkel ge⸗ färbte Blätter 2c. werden durch die Sonnenſtrahlen ſtärker erwärmt, als ſolche mit hellerer Farbe, ſie laſſen daher ihre Feuchtigkeit leichter fahren. 5. Das Aufſteigen des Saftes. Es iſt unter 2. bemerkt worden, daß das Holz im Frühjahr mehr Feuch⸗ tigkeit enthält, als im Winter. Die Bäume nehmen alſo mit dem Eintritt Das Aufſteigen des Saftes. 389 einer gewiſſen Temperatur Waſſer auf. Dies geſchieht durch die Wurzeln, denn viele Bäume ſind im Frühjahr noch blattlos, während das Holz bereits mit Saft angefüllt ift. ö Löſt man im Frühjahr in verſchiedenen Höhen eines Stammes Rinden— ſtückchen ab, ſo ſieht man, daß die zunächſt den Wurzeln befindlichen Theile früher Saft führen, als die Zweige in der Krone, daß aber auch dieſe nach und nach mit Feuchtigkeit erfüllt werden. Schneidet man zur geeigneten Zeit den Zweig eines Ahorns, einer Birke oder Weinrebe quer durch, ſo fließt der Saft aus dem ſtehenbleibenden Stummel aus. Das Ausſtrömen findet oft mit großer Kraft ſtatt. Hales ſetzte auf die Abſchnittsfläche eines Weinreben⸗ Zweiges eine Röhre mit Queckſilber und fand, daß dieſes durch den austre— tenden Saft auf 38 Zoll Höhe gehoben wurde, was einem Druck von faſt 1½ Atmoſphäre gleichkommt. Aus allem dieſem geht hervor, daß der Saft im Frühjahr von der Wurzel nach der Spitze des Baumes hin aufwärts ſteigt. Man hat das Aufſteigen des Saftes durch die Capillarität der Zellen zu erklären geſucht. In der That laſſen ſich dieſe als ſehr feine Haarröhrchen betrachten. Doch genügt die Capillarattraction keineswegs, um den Saft bis zu den Spitzen großer Bäume emporzuheben, denn nach den Verſuchen von Gay⸗Luſſae ſteigt das Waſſer in Röhrchen von „I, Millim. Durchmeſſer nur 3 Meter hoch. Daß es die Haarröhrchenkraſt nicht iſt, welche das Aufſteigen des Saftes bewirkt, zeigt das Verhalten gefällter Stämme; einige Zeit nach dem Hieb ſteigt Waſſer, in welches man die Abhiebsfläche taucht, nicht mehr in die Höhe, obgleich die Wandungen der Zellen längere Zeit nach der Fällung keine Veränderungen erleiden, welche ſie zum Hervorbringen der Capillarer⸗ ſcheinungen untauglich machen könnten. Man hat ſich daher nach andern Urſachen des Saftaufſteigens umzu⸗ ſehen; wir finden dieſelben theils in der ſog. Endosmoſe, theils in der Ver⸗ dunſtung. Es iſt bekannt, daß gewiſſe poröſe feſte Körper von Flüſſigkeiten durch⸗ drungen werden. So ſickert z. B. Waſſer, Weingeiſt, Aether ꝛc. durch Löſch— papier (Filtriren). Andere Subſtanzen dagegen, deren Poren feiner find, ge ſtatten den Flüſſigkeiten keinen Durchgang. (So kann man z. B. Waſſer in einer thieriſchen Blaſe oder in gebrannten unglaſirten Thongefäßen einige Zeit auf bewahren; ſeine Menge nimmt dann blos durch Verdunſtung an der äußern Oberfläche der von innen benetzten Blaſe oder des Thons allmählig ab). Hier iſt die Anziehung der feſten Theilchen, welche eine Pore umgeben, gegen die in der letztern befindliche Flüſſigkeit ſo groß, daß dieſe die Oeffnung nicht verlaſſen kann. Deswegen ſaugt ſich z. B. der gebrannte Thon voll Waſſer, aber er läßt es nicht durchſickern. Beſitzen aber zwei Flüſſigkeiten, welche durch eine ſolche poröſe Wand getrennt ſind, chemiſche Verwandtſchaft zu einander, ſo wird die Anziehungs⸗ kraft der feſten Theile gegen die flüſſigen durch das Beſtreben, ſich chemiſch 390 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. . zu vereinigen, überwunden, und nun tritt die eine Flüſſigkeit zu der andern über. Dieſer Vorgang, welchen man „Endosmoſe“ nennt, wurde zuerſt von Fiſcher und Dutrochet beobachtet. Bindet man z. B. eine an beiden Seiten offene Glasröhre (Fig. 149.) Fig. 149. an der einen Seite mit Blaſe zu, gibt man hier⸗ auf etwas Zuckerlöſung in die Röhre und hängt ſie in einem mit Waſſer gefüllten Gefäße ſo auf, daß die beiden Flüſſigkeiten in demſelben Niveau ſtehen, ſo findet man, daß die Flüſſigkeit in der Röhre alsbald ſteigt. Gleichzeitig vermindert ſich ihr Gehalt an Zucker, während das Waſſer in dem Gefäße Zucker aufnimmt. Den nämlichen Vorgang beobachtet man, wenn ſtatt des Zuckers Gummi, Dextrin oder Eiweiß in die Röhre ge⸗ — — bracht wird. Doch zeigt ſich in fo ferne ein Un⸗ terſchied, als die Geſchwindigkeit, mit welcher die Endosmoſe ſtattfindet, von der Natur der Subſtanz in der Röhre abhängt. Eine beſtimmte Höhe des Flüſſigkeitsſtandes in der letztern wird nämlich bei Zucker in 2,11, bei Eiweiß in 2,3mal weniger Zeit, als bei Gummi er⸗ reicht, oder die Eiweißflüſſigkeit ſteigt in der nämlichen Zeit 2,3, die Zucker. löſung 2,11mal jo hoch, als die Gummiflüſſigkeit. Die endosmotiſche Kraft, mit welcher das Waſſer in der Röhre Bee wird, ift höchſt bedeutend. Als Dutrochet ftatt der vorhin erwähnten geraden Röhre eine mit doppelter Krümmung anwandte, welche an der Krümmung mit Queckſilber gefüllt war, ſo bemerkte er, daß ſchon nach Verlauf von zwei Tagen durch das Steigen einer Zuckerlöſung das Queckſilber mehr als drei Fuße gehoben wurde, was beinahe einem Druck von 1½ Atmoſphären gleich kommt. Bei längerer Fortſetzung eines andern Verſuchs fand er, daß das Steigen von Eiweißflüſſigkeit mit einem Drucke von 2½ Atmoſphären geſchah. Wird in das Gefäß eine ſchwache, in die Röhre dagegen eine ſtarke Auflöſung von Gummi, Zucker de. gebracht, fo findet gleichfalls Endosmoſe nach der Röhre hin ſtatt. Wie früher angegeben wurde, enthalten die Zellen des Holzes Stärke⸗ mehl und ſtickſtoffhaltige Subſtanzen. Im Frühjahr, bei dem Eintritt einer höhern Temperatur geht das Stärkemehl in lösliches Dextrin über, deſſen Zuſammenſetzung ganz genau gleich derjenigen des Gummi's iſt. Sobald dieſes geſchehen iſt, nimmt es vermöge der Endosmoſe Waſſer aus den zunächſt liegenden Zellen auf. Nun hat man gefunden, daß die Dichte des Saftes mit der Höhe über der Erde wächſt. Hoffmann bohrte am 8. März eine Birke in ¼ Meter Höhe (A) und in 1 Metern Höhe (8) an, der Saft von A hatte ein Gewicht von 25,712 B nn n L 25,717 Verdunſtung und Aufſteigen des Saftes. 391 In Amerika hat man bei der Gewinnung des Ahornzuckers in großar⸗ tigem Maßſtabe die Erfahrung gemacht, daß der Baum um ſo weniger Saft gibt, je höher man ihn anbohrt, daß dagegen der letztere um ſo reicher an Zucker wird. Denken wir uns nun von der Wurzel ausgehend eine Reihenfolge von Fig. 150. Zellen (Figur 150.), von denen ſtets die obere mehr Zucker und ſtickſtoffhaltige Subſtanz enthält, als die untere, jo wird zuerſt a aus dem Boden endosmotiſch Waſſer aufnehmen, von dieſem aber alsbald einen Theil an b abgeben. Nun verabfolgt b Flüſſigkeit an % e, dieſes an d, e, k u. ſ. f. Gleichzeitig nimmt a wieder Waſſer e aus dem Boden auf. So entſteht ein fortwährender Saftſtrom von d der Wurzel nach der Spitze des Baumes hin. Hier angekommen häuft e ſich der Saft in großer Menge an, er kann, weil ſich noch keine Blät- y ter entwickelt haben, nicht durch Verdunſtung aus dem Baum ent⸗ 5 weichen, und die Spannung wächſt immer mehr, da der größere Gehalt der Zellen an Zucker, Dextrin und ſtickſtoffhaltigen Sub⸗ ſtanzen in dieſem Theile des Baumes einen fortwährenden Zufluß von Feuchtigkeit aus den untern Parthieen bedingt. So ſehen wir denn, daß der Saft mit großer Gewalt ausſtrömt, ſobald wir einen Zweig abſchneiden. Wenn Hales beobachtete, daß das Steigen des Saftes in einer Weinrebe mit einem Druck von 2½ Atmoſphären vor ſich gehe, ſo findet dies in der Endosmoſe genügende Erklärung, wie ſich aus dem vorhin angeführten Ver⸗ ſuche von Dutrochet ergibt. So lange die Pflanze nicht verletzt wird, bleibt auch der Saft in ihr zurückgehalten, aber die Spannung dauert fort. Sie bewirkt, daß der Saft aus den Längszellen in die Markſtrahlenzellen, (welche mit jenen durch Tüpfel- Öffnungen in Verbindung ftehen) hineingepreßt wird; nun ſchwindet der Zu- ſammenhang der Markſtrahlenzellen an der Stelle, wo dieſe Zellen am wenigſten von den benachbarten Längs-Zellen oder Gefäßen eingeengt wer⸗ den, alſo zwiſchen Holz und Rinde, beide trennen ſich von einander und der Saft ergießt ſich in den leeren Zwiſchenraum. Dieſer Prozeß ſetzt ſich von der Spitze des Baumes nach der Wurzel hin fort und bewirkt die nämliche Erſcheinung, als ob der Saft eine eigene rückläufige Bewegung von oben nach unten beſitze. Das Steigen des Frühlingsſaftes läßt ſich durch die Endosmoſe allein erklären; nicht ſo die während der übrigen Vegetationszeit fortdauernde Er⸗ hebung des Saftes von der Wurzel nach dem Gipfel hin. Es muß hier irgend ein Aet ſtattfinden, durch welchen die Feuchtigkeit der Pflanze unaus⸗ geſetzt abſorbirt wird, damit ein neues Zuſtrömen von Waſſer erfolgen kann. Dieſen Act erblicken wir in der Verdunſtung. Denken wir uns die an der Oberfläche der Blätter und grünen Stengel liegenden Zellen auf endosmotiſchem Wege mit Feuchtigkeit erfüllt, ſo wird 392 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. dieſe durch den Verdunſtungsprozeß vermindert werden; es befindet ſich jetzt in dieſen Zellen eine Flüſſigkeit von größerem ſpecifiſchem Gewichte, als in den angrenzenden Zellen, dieſe werden alſo Feuchtigkeit an jene abgeben. An der Herſtellung des endosmotiſchen Gleichgewichts nehmen nach und nach alle Zellen des Baumes Antheil, welche mit den oberen in Verbindung ſtehen; die Aufnahme und Abgabe von Feuchtigkeit ſetzt ſich bis zu den Wurzelzellen fort, welche ihrerſeits die Feuchtigkeit aus dem Boden empfangen. Iſt die Luft trocken, oder warm, oder beides zugleich, ſo verdunſten die Gewächſe mehr Feuchtigkeit, als unter entgegengeſetzten Verhältniſſen. Kann vom Boden aus kein Erſatz des verdunſteten Saftwaſſers erfolgen, etwa weil derſelbe zu trocken iſt, ſo wird nach und nach ſämmtliche Feuchtigkeit inner⸗ halb der Pflanze ſelbſt durch die Verdunſtung abſorbirt, und die Pflanze ver⸗ welkt. Der Tod tritt um ſo ſchneller ein, je größer die Anzahl der verdun⸗ ſtenden Organe (Blätter dc.) iſt. Wenn ſtärkere Pflanzen verſetzt werden, ſo verlieren ſie immer eine große Menge der zur Aufſaugung des Waſſers beſonders geſchickten Zaſern⸗ würzelchen. Auf dem neuen Standort wird daher eine ſolche Pflanze in der nämlichen Zeit nicht ſo viele Feuchtigkeit aus dem Boden aufnehmen können, als ihr dies auf der früheren Stelle bei ungeſchmälertem Wurzelſyſtem mög⸗ lich war. Tritt nun ein trockener, die Verdunſtung begünſtigender Sommer ein, ſo gehen dieſe Pflanzen zu Grunde. Will man ſie retten oder gleich von vorn herein gegen das Abſterben ſichern, ſo muß man ſie einſchneiden. Es entwickeln ſich dann nicht ſo viele Blätter, als wenn alle Zweige erhalten ge⸗ blieben wären, und es wird durch die Verdunſtung nicht mehr Feuchtigkeit hinweggenommen, als die wenigen Wurzeln zuzuführen vermögen. Das Maß des Einſtutzens hat ſich alſo ſtets nach dem Wurzelverluſt zu richten. Daher erklärt es ſich denn auch, warum Laubholzſtummelpflanzen faſt immer ſicherer anſchlagen, als ſolche mit ganzem Schafte ). — Den nämlichen Effect erzielt man, wenn man es dahin bringt, daß der Baum an denjenigen Theilen der Wurzeln, welche er beim Verpflanzen behält, viele Zaſerwürzelchen ) Der Verf. läßt in der hieſigen Oberförſterei alle Laubholzpflanzen ohne Ausnahme einſtutzen, und zwar werden ſie in der Regel ganz abgeworfen; nur für Froſtſtellen, auf welchen immer ſtärkere Pflanzen verwendet werden, bleibt ein Stück des Schaftes ſtehen. Erſt im verfloſſenen Frühjahre ließ der Verf. eine Fläche von 60 Morgen mit Buchenſtummelpflanzen, welche 2 Centimeter über dem Boden abge⸗ worfen worden waren, bepflanzen; dieſe Cultur zeigt ein vorzügliches Gedeihen. — Werden ſtärkere Ahorne, Rüſtern, Eſchen ze. verſetzt, jo ſtirbt gewöhnlich ſchon nach 1—2 Jahren der obere Theil des Schaftes ab und es entwickeln ſich Stockaus⸗ ſchläge; man iſt dann genöthigt, dieſe zu entfernen, oder den abgeſtorbenen Theil des Schaftes abzuſchneiden; alles dies läßt ſich vermeiden, wenn man ſolche ſtär⸗ kere Stämmchen gleich von vornherein tüchtig einſtutzt, oder, was noch beſſer iſt, über dem Wurzelſtock abwirft. F Einfluß des Regens. 393 austreibt; dies gelingt am beſten in der Weiſe, daß man 1— 2 Jahre vor dem Verpflanzen die Hauptwurzeln in paſſender Entfernung vom Stamm durchhaut, um die verbleibenden Wurzeln einen ringförmigen Graben zieht, und dieſen mit guter (humushaltiger) Erde füllt, welche die Bildung der Zaſerwurzeln begünſtigt. Dieſes Verfahren iſt aber nur bei koſtbaren Stämmen, Obſtbäu⸗ men dc. anwendbar. Da die Aufſaugung der Bodenfeuchtigkeit hauptſächlich durch die feinen Zaſerwürzelchen ſtattfindet, dieſe alſo die Pflanzen vor dem Verwelken ſchüzen, fo muß auf ihre Erzeugung alle Sorgfalt verwandt werden. Beim Ber- pflanzen hat man darauf zu achten, daß dieſe Würzelchen nicht vertrocknen; denn iſt dies einmal geſchehen, ſo können ſie ihre Functionen nicht mehr ver— richten, und die Pflanze leidet ſo lange, bis ſie wieder neue Zaſerwürzelchen gebildet hat, vorzugsweiſe durch trockne Witterung. 6. Einfluß des Regens insbeſondere. Die zweifache Rolle, welche das Waſſer für die Vegetation übernommen hat — indem es einen Beſtandtheil der Gewächſe liefert und die für das Leben nothwendige Menge Saftfeuchtigkeit beſchafft — wird vorzüglich durch den Regen vermittelt. Er führt den Pflanzen gerade zu der Zeit, in welcher ſie am meiſten Feuchtigkeit bedürfen, alſo im Frühjahr und Sommer, das Waſſer in tropfbar flüſſiger Form zu. Da die Bäume wegen ihrer Höhe mehr den Luftſtrömungen ausgeſetzt ſind und in Folge dieſes Umſtandes zu ſtarkerer Verdunſtung angeregt werden, ſo ſind die Regenniederſchläge gerade für die Waldungen von beſonderer Wichtigkeit. Die günſtige Wirkung des Regens für die Vegetation wird beſtimmt durch die Dichtigkeit des Regenfalls, die Anzahl und Vertheilung der Regen— tage, die Temperatur des Regenwaſſers ꝛc. Sehr ſtarke Platzregen, welche auf einmal eine große Waſſermenge lie- fern, ſind dem Walde oft nur ſchädlich. Sie zerſtreuen auf den Culturſtätten die mit keiner ſtarken Erdbedeckung verſehenen Samen, namentlich auf Sand» boden und Bauland, ſchwemmen auf geneigtem Terrain die Samen in die Tiefe und wühlen an ſolchen Stellen die Erde auf, welche dann durch die während des Regens und nachher auftretenden Fluthen nach den Thälern entführt wird. Ganz beſonders verderblich werden die Platzregen da, wo eine geneigte Fläche von Lagen eines feſten Geſteins gebildet wird, welches keine Klüfte beſitzt, durch die das Waſſer nach der Tiefe abziehen könnte. Hier bleibt alles Regenwaſſer auf der Oberfläche und erzeugt oft in ganz kurzer Zeit bachähn— liche Fluthen, welche die Erde ſchnell abfpühlen und dann den nackten Fels zurücklaſſen. Dieſe Nachtheile laſſen ſich da, wo die Mittel vorhanden ſind, in der Weiſe auf ein geringeres Maß zurückführen, daß man an ſolchen Bergwänden horizontale Teraſſen mit Gräben anlegt, welche das Waſſer ſeit— wärts ableiten. Noch beſſer wird der Boden gegen die Wirkungen der Platz— 394 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. regen durch die Waldungen geſchützt, wovon wir an einem andern Orte aus⸗ führlicher handeln wollen. Aus dem Vorhergehenden erhellt auch, warum nach ſtarkem Platzregen und namentlich nach den ſog. Wolkenbrüchen, die Flüſſe ſo leicht über ihre Ufer treten. Die ſanften Strichregen, welche keine große Waſſermenge auf einmal bringen, wirken ſehr günſtig auf die Vegetation, wenn ſie längere Zeit an⸗ dauern. Sie dringen nach und nach in den Boden und bis zu beträchtlicher Tiefe ein, ohne ihn zu verwunden; dadurch werden bedeutende Waſſermengen im Erdreich aufgeſpeichert, welche bei nachfolgender trockener Witterung den Gewächſen nachhaltig zu Gute kommen. Von geringerem Nutzen ſind die Staubregen, zumal, wenn ſie nur kurze Zeit anhalten; gewöhnlich dringen ſie nicht tief in die Erde ein, oder verflächen ſich auf den Blättern der Bäume. Ganz beſonders wohlthätig für die Vegetation ſcheinen die Gewitterre⸗ gen zu ſein, wie ſich an dem friſcheren Grün, welches die Gewächſe faſt augen⸗ blicklich nach ſolchen Regen ſchmückt, bemerken läßt. Doch iſt es ſchwierig, die Urſache hiervon aufzufinden. Möglich iſt es, daß die Electrieität hierbei eine Rolle ſpiele, größere Bedeutung hat man aber wahrſcheinlich dem nicht unbeträchtlichen Ammoniakgehalt des Waſſers von ſolchen Regen beizumeſſen. Auch die vermehrte Luftfeuchte, welche noch längere Zeit nach Beendi- gung eines Regenfalls durch die fortgeſetzte Verdunſtung des in den Boden eingedrungenen Waſſers erzeugt wird, übt einen wohlthätigen Einfluß auf die Vegetation aus. Da den Holzgewächſen trockne Witterung am meiſten zu der Zeit ſcha⸗ det, in welcher ihre Blätter und Nadeln vorzüglich zur Verdunſtung ge⸗ neigt und ihre Triebe noch krautartig ſind, alſo im Frühjahr, ſo werden ſie zu dieſer Zeit öfterer Regenniederſchläge vorzugsweiſe bedürfen. Nachdem einmal die Cuticula ſich gebildet hat, läßt die Verdunſtungsfähigkeit nach, und nun können ſie ſich ſchon eher bei trocknem Wetter erhalten. Im Herbſte, wenn die Kraft des vegetativen Lebens ſich vermindert, wird ein Mangel an Feuchtigkeit ſchon viel weniger nachtheilig. Aeltere Holzgewächſe, deren Wurzeln mehr in die Tiefe gehen, halten mehr Trockenheit aus, als jün⸗ gere, deren Wurzeln noch nicht ſo tief eingedrungen ſind, ferner tiefwurzelnde, wie die Kiefer, mehr, als flachwurzelige, wie die Fichte. Auch die Beſchaffenheit des Bodens iſt hier von Einfluß. Bodenarten, welche eine große waſſerhal⸗ tende Kraft beſitzen, wie z. B. der Lehm, bedürfen ſeltener der Befeuchtung, als Erdarten, welche leicht austrocknen, wie z. B. der Sand. Auf tiefgründigem Boden, welcher den Holzgewächſen geſtattet, längere Wurzeln zu bilden, dauern jene bei trocknem Wetter länger aus, als z. B. auf flachgründigem, unzer⸗ klüftetem Fels. Obgleich die Regenniederſchläge, welche im Winter erfolgen, den Gewäch⸗ ſen nicht augenblicklich zu Gute kommen können, ſo gehen ſie darum doch Einfluß des Thaues. 395 nicht ganz für die Vegetation verloren. Denn die Winterfeuchtigkeit ſammelt ſich im Boden an, ſie ſteigt im Frühjahr und Sommer, wenn die oberen Erd— ſchichten durch die Verdunſtung ihres Waſſergehaltes beraubt worden ſind, in die Höhe und wird von den Pflanzen conſumirt. Deßwegen ſieht der Land- wirth trockene Winter nicht gerne. Die Holzmaſſenproduction einer Localität wird nicht gerade durch eine große jährliche Regenmenge bedingt, ſondern hängt viel mehr von einer paſ— ſenden Vertheilung der wäſſerigen Niederſchläge ab. Vor Allem iſt es erfor⸗ derlich, daß in der Vegetationszeit kein Mangel an Feuchtigkeit ſei, obgleich ein Uebermaß eben ſo ſehr ſchaden kann, weil in dieſem Falle die Temperatur gewöhnlich ſich erniedrigt. Auch wird eine allzugroße Bodennäſſe ſolchen Saaten verderblich, welche von Moos de. bedeckt find, indem dieſe durch Fäulniß leiden. Daß der Keimprozeß nur bei hinlänglicher Feuchtigkeit vor ſich gehen kann, wurde früher ſchon erwähnt. Die jungen Pflänzchen ſind gegen Trock— niß dann am empfindlichſten, wenn ſich eben die Blätter der Cotyledonen entwickelt haben, denn mit dieſem Act tritt ſchon Verdunſtung ein, während das Würzelchen noch nicht jo tief in den Boden gedrungen iſt, um die Feuch— tigkeit der unteren Erdſchichten benutzen zu können. Deßwegen iſt trockene Witterung ſo lange nicht ſchädlich, als die Samen noch nicht gekeimt haben. Hat dies aber ſtattgefunden und dauert die Trockniß fort, jo gehen die Saa— ten leicht zu Grunde. 7. Einfluß des Thanes insbeſondere. Die Menge Feuchtigkeit, welche die Pflanzen verdunſten, iſt, wie die früher mitgetheilten Verſuche Schleiden's und Schübler's zeigen, nicht unbe- trächtlich, namentlich in der Periode des vorherrſchenden Längenwachsthumes. Bei einem Waſſerverbrauch von nur 200 Grammen für den Quadratfuß, wie Schleiden beim Hafer und Klee beobachtete, würden innerhalb 24 Stun⸗ den von 1 Hectare 20000 Kilogramme verflüchtigt werden, was einer Waſ— ſerſäule von 2 Millimetern gleichkommt. Nach Schübler verdunſtete 1 Hectare Raſen täglich 100000 Kilogramme, entſprechend einer Waſſerſäule von 10 Millimetern. f In Deutſchland fallen im Sommer innerhalb 24 Stunden durchſchnitt⸗ lich 7—8 Millimeter Regen. Dieſe könnten alſo durch die Verdunſtung einer Wieſe in weniger als einem Tage abſorbirt werden; nachher würde es an der nöthigen Feuchtigkeit für den Raſen mangeln, wenn dieſe nicht von den tieferen Erdſchichten beſchafft würde. Allein gar oft trocknet im Sommer, wenn es bei großer Hitze viele Wochen lang nicht regnet, die Erde mehrere Fuß tief aus, ohne daß die Pflanzen zu Grunde gehen. Hier erhalten ſie die Feuch⸗ tigkeit, welche ſie zur Verdunſtung bedürfen, durch den Thau. Die Bedin⸗ gungen für die Bildung deſſelben ſind im vorbereitenden Theil dargelegt worden. 396 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. Der Thau ſchlägt ſich ſowohl auf den Gewächſen ſelbſt, als auch auf dem Boden nieder, aber ſtets in reichlicherer Menge auf erſteren, namentlich den grünen Theilen derſelben, weil dieſe ein größeres Wärmeausſtrahlungs⸗ vermögen beſitzen und ſich deßhalb ſtärker abkühlen. Melloni bildete die Blät⸗ ter von Ulmen und Pappeln aus blankem Metallblech nach und ſetzte jene, wie dieſe, der nächtlichen Strahlung aus. Die Temperatur des Metalls blieb unverändert, diejenige der grünen Blätter ſank 3% unter die der umgebenden Luft. Die Blätter beſchlugen ſich mit Thau, das Metall erhielt ſich trocken. Der Forſtmann hat es gar oft in der Hand, durch Begünſtigung der Thau⸗ niederſchläge die Pflanzen während der trockenen Sommermonate zu erhalten. In den Verjüngungsſchlägen bekleiden ſich die Mutterbäume, wenn es Laubhölzer ſind, leicht mit Schaftloden (Waſſerreiſern), in Folge der freieren Stellung und des auf den Schaft fallenden Sonnenlichtes. Dieſe Schaft⸗ loden werden auf trockenen Standorten dem Unterwuchs ſchädlich; wie man gewöhnlich ſagt, dadurch, daß ſie den jungen Pflanzen den Thau wegnehmen. In der That bemerkt man, daß in heiteren Nächten die Waſſerreiſer ſich mit Thau beſchlagen, während der Unterwuchs trocken bleibt. Die Beobachtung iſt richtig, aber die von ihr gegebene Erklärung eine falſche. Figur 151. Wie wir früher ſahen, liegt 5 eine unerläßliche Bedingung für die Bildung des Thaues darin, daß der zu bethauende Gegen⸗ ſtand eine niederere Temperatur, als die umgebende Luft an⸗ nimmt. Bei den Pflanzen wird dieſe Bedingung dadurch leicht erfüllt, weil ihr Wärmeaus⸗ ſtrahlungsvermögen dasjenige der Luft übertrifft. Befindet ſich aber über der Pflanze ein Gegenſtand, welcher die ausge⸗ ſtrahlte Wärme wieder refleetirt, ſo kann ſie ſich nicht bis zum Thaupunkt abkühlen. In dieſer Weiſe wirkt z. B. der bedeckte Himmel, weßhalb es bei dieſem nicht thaut. Den nämlichen Effect bringen die Schaftloden E 8 der Mutterbäume in Verjün⸗ gungsſchlögen Beine; die Wärmeſtrahlen (Fig. 151), welche von den jungen Pflanzen ausgehen, werden wieder auf ſie zurückgeworfen; ihre Temperatur kann ſich nicht in dem Maße erniedrigen, daß ein Thaufall erfolgt. Man Schnee, Duft⸗ und Eisanhang. 397 ſieht, die Waſſerreiſer nehmen dem Aufſchlag den Thau nicht hinweg, ſondern ſie erhalten die Pflanzen über der zum Eintritt des Thaupunkts nöthigen Temperatur. Will man dieſen Mißſtand beſeitigen, ſo hat man die Waſſer⸗ reiſer zu entfernen. Die Inſtrumente, welche ſich hierzu eignen, werden im Waldbau beſchrieben. Oft ſchon hat man die Beobachtung gemacht, daß Pflanzen auf bera⸗ ſtem Boden und trockenem Standort nicht gedeihen, daß ſie ſich aber wieder erholen, wenn man den Raſen umhacken läßt. Die Erklärung dieſer Erſchei⸗ nung gehört hieher. Der Raſen beſchlägt ſich nämlich ſtark mit Thau, weil er ein großes Wärmeſtrahlungsvermögen beſitzt, aber er läßt das Thauwaſſer nicht bis zum Boden gelangen und in ihn eindringen; ſo bleibt dieſer trocken. Wird der Raſen entfernt und durch das Umhacken die Oberfläche des Bodens gleichzeitig rauh gemacht, ſo erhält die Erde den Thauniederſchlag unmittelbar und, weil rauhe Körper mehr Wärme durch Strahlung verlieren, in reich⸗ licherem Maße. Das Jäten des Unkrauts, das Behacken der Feldfrüchte und der Beete in den Forſtgärten hat ſtets vermehrte Thauniederſchläge auf dem Boden im Gefolge. 8. Schnee, Duft⸗ und Eisanhang insbeſondere. Wie im Vorbereitenden Theile angegeben wurde, erzeugen ſich Schnee und Reif (Duft) dann, wenn der in der Luft enthaltene Waſſerdampf gefriert. Wird der Uebergang des Waſſers aus der gasartigen in die feſte Form durch eine Temperaturerniedrigung der Luft ſelbſt zu Wege gebracht, ſo entſteht Schnee, ſind es aber feſte kältere Körper, welche den Waſſerdampf zum Ge⸗ frieren bringen, ſo nennt man das Aggregat von Eiskryſtallen, welcher ſich an ihnen anlegt, Duft, Reif, Rauhreif de. Der Eisanhang entſteht dann, wenn der Waſſerdampf der Luft ſich an kälteren Körpern erſt zu tropfbar flüſſigem Waſſer verdichtet und nachher ge⸗ friert. Er enthält keine Kryſtalle, ſondern bildet eine amorphe Maſſe. a. Der Schnee äußert auf die Waldvegetation ſowohl einen günſtigen, wie einen ſchädlichen Einfluß, während vom Duft- und Eisanhang nur das letztere geſagt werden kann. Günſtig wirkt der Schnee in mehrfacher Beziehung. Es ſpeichert ſich in ihm während der kältern Jahreszeit eine große Menge Feuchtigkeit auf, welche oft erſt im Frühjahr beim Eintritt von wärmerem Wetter aufthaut und dann dem Boden die für den Sommer erforderlichen Näſſe verleiht. Am nützlichſten wird das Schneewaſſer in dem Falle, wenn der Schnee nach und nach aufthaut, während ein raſcher Abgang deſſelben oft Erdabſpühlungen und Ueberſchwemmungen im Gefolge hat. — Eine dichte Schneedecke ſichert die jungen Pflanzen in Verjüngungsſchlägen gegen die Beſchädigungen, welche dieſelben beim Abtreiben, Aufarbeiten und Transportiren des Holzes 398 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. erleiden könnten, und dieſer Vortheil macht ſich namentlich da geltend, wo das Holz geſchlittelt oder durch Ueberſtülpen aus den Schlägen gebracht wird. Daß der Schnee die Pflanzen vor dem Erfrieren ſchützt, daß unter ihm der Boden nicht ſo ſtark gefriert ꝛe., werden wir bei der Betrachtung des Ein⸗ fluſſes der Wärme erörtern. Die ſchädlichſten Wirkungen des Schnees beſtehen in dem ſogenann⸗ ten Schneebruch und Schneedruck, und dieſe werden um ſo verderblicher, wenn ſich dazu noch Duft- und Eisanhang geſellen. Schneebruch und Schneedruck, unter welchen man das Umbrechen oder Umlegen von einzelnen Bäumen oder ganzen Baumgruppen verſteht, treten für ſich allein nur dann ein, wenn der Schnee, wenigſtens von vornherein, in großen Flocken fällt, welche ſich zuſammenballen und auf den Aeſten liegen bleiben, während der dünnflockige Schnee keinen Halt auf den Zweigen findet, alſo auf dieſen ſich nicht in größeren Quantitäten anhäufen kann. Die Schädlichkeit des Schneebruchs oder Schneedrucks hängt ab a. Von der Holzart. Die immergrünen Nadelhölzer geſtatten eher ein Auflegen des Schnees auf den benadelten Zweigen, als die zur Zeit des Schneefalls kahlen Laub ⸗ hölzer und die Lärche. Deßwegen iſt auch der Schneeſchaden bei dieſen un⸗ gleich ſeltener, als bei jenen. Von den Nadelhölzern leiden durch Schneebruch am meiſten die gemeine Kiefer und die Schwarzkiefer, weil ſie ein brüchiges Holz beſitzen. ß. Von dem Holzalter. Sind die Stämme bereits ſo weit erſtarkt, daß ſie unter der Wucht des auf ihnen laſtenden Schnees ſich nicht biegen können, ſo werden ſie entweder mit der Wurzel ausgeriſſen, oder es brechen, was häufiger der Fall iſt, Aeſte oder der Schaft ab. Die Stelle, wo letzteres geſchieht, liegt, je nach der Stärke, des Stammes und der Quantität der Schneelaſt, bald näher, bald weiter ent⸗ fernt von der Spitze. Bei ſehr ſtarken Stämmen werden oft nur die Gipfel ausgebrochen, während bei dünneren Stämmen die Bruchſtelle ſelbſt bis zu dem Punkt herunterrücken kann, wo (in geſchloſſenen Beſtänden) die letzten grünen Aeſte ſich befinden. Fichten, welche ſtark mit Zapfen behangen ſind, werden oft ſchon durch geringere Schneemaſſen gebrochen. Geharzte Fichten berſten gewöhnlich an den angelachten Stellen. N In jüngeren Beſtänden, in welchen die Bäume noch dichter ſtehen, bre⸗ chen ebenfalls entweder einzelne Stämme, oder es werden ganze Baumgrup⸗ pen, die oft eine Fläche von mehreren Aren bis zu / — ½ Heetare einneh⸗ men, vertheilt durch den Beſtand hin, zu Boden gedrückt, wobei aber gewöhn⸗ lich einzelne Stangen auch gebrochen werden. In Gertenhölzern legen ſich aber oft ganze Beſtände unter der Wucht des Schnee's nieder, oder es brechen, wenn das Holz ſo dicht ſteht, daß es ſich nicht legen kann, blos die Gipfel ab. Auf ſtark geneigten Flächen und im Hochgebirg, wo der Schneefall an Schnee, Duft- und Eisanhang. 399 und für ſich ſtärker iſt, als in der Ebene, leiden die jungen Anwüchſe und Culturen häufig durch den ſogenannten Schneeſchub. Der Schnee geräth hier, namentlich wenn er zu thauen anfängt, in eine nach abwärts gehende Bewegung und drückt dabei die Holzpflanzen, welche er überlagert, in der Richtung ſeines Weges zu Boden. Deßhalb bemerkt man ſo häufig in den Alpen Stämme, welche vom Wurzelſtock aus bogenförmig nach dem Thal hin gekrümmt ſind, während der Schaft weiterhin gerade in die Höhe ſteigt. Auch in der Ebene legen ſich junge Pflanzen dann vorzüglich leicht zu Boden, wenn zwiſchen ihnen ein ſtarker Graswuchs ſtattfindet. Das Gras wird vom Schnee gedrückt und nimmt die Pflanzen mit zur Erde hernieder. Läßt man das Gras im Herbſt, wo es zu Streu recht gut verwendbar iſt, ausrupfen, ausſchneiden oder ausſicheln, ſo bleiben die Holzpflanzen gerade ſtehen. Nicht ſelten geſchieht es, daß ſelbſt ältere Bäume, welche vom Schnee gedrückt waren, ſich wieder von ſelbſt aufrichten; künſtlich läßt ſich dadurch nachhelfen, daß man die Wipfel einſtutzt. Dieſes Mittel iſt natürlich nur bei Laubholz von Nutzen. 7. Von der Meereshöhe. Wenn ſchon in Deutſchland die Tieflagen vom Schneebruch und e druck nicht verſchont bleiben, jo ſteht es doch feſt, daß die hauptſächlichſte Re⸗ gion des Schneeſchadens zwiſchen 300 und 800 Metern Meereshöhe begriffen iſt. Weiter hinauf ſind die Beſtände ſchon geſicherter, weil in den Hochlagen der Schnee feinflockiger und trockener, d. h. wegen ſeiner niedrigen Tempera⸗ tur weniger zum Schmelzen und Zuſammenballen geneigt iſt. d. Von der Expoſition und dem Winde. Auf Südſeiten wird feinflockiger Schnee leichter von den Sonnenſtrahlen oberflächlich geſchmolzen. Tritt nun gegen Abend wieder Kälte ein, ſo entſteht eine feſte Kruſte, auf welcher eine große Menge Schnee ſich ablagern kann. — Weht ein ſtarker Wind während des Schneefalls, ſo kann ſich der Schnee auf den Aeſten nicht anhäufen, weil er beſtändig abgeſchüttelt wird. Doch leidet in dieſem Falle auf hügeligem oder bergigem Terrain oft der dem Wind⸗ zuge entgegengeſetzte Einhang, und zwar gerade deßhalb, weil er vor dem Winde geſchützt iſt. Dieſer treibt nämlich, wenn er an der Bergwand hinauf⸗ zieht, den Schnee vor ſich her bis über den Bergrücken und auf die andere Seite des Abhangs, wo der Schnee mit aller Wucht auf die Bäume drückt, weil der jetzt nachlaſſende Wind ihn nicht zerſtreuen kann. — Stellt ſich der Wind erſt dann ein, nachdem die Bäume bereits mit Schnee (namentlich feſt⸗ gefrornem) beladen ſind, ſo iſt die Gefahr des Schneebruchs größer, weil jetzt durch den Wind der Schwerpunet des Baumes um ein Beträchtliches auf die Seite gerückt werden kann. e. Von dem dichteren oder lichteren Stand der Bäume, der Waldbehandlungsart x. Die Bäume widerſtehen dem Schneebruch und Schneedruck um ſo eher ’ 400 Einfluß der Feuchtigkeit auf die Waldvegetation. je kräftiger ſie erwachſen ſind. Da nun bei mehr freiem Stande die Schäfte ſtufiger (kegelförmiger) und die Beaſtung kräftiger wird, ſo liegt es nahe, daß dicht aufgeſchoſſene Saatbeſtände, mögen ſie auf künſtlichem oder natürlichem Wege entſtanden ſein, mehr von Schneeſchaden zu leiden haben, als Pflanzun⸗ gen. Dieſe Vorausſetzung wird in der That durch die Erfahrung beſtätigt. Hieraus laſſen ſich die Mittel ableiten, welche man zu ergreifen hat, um den Wald vor Schneebruch und Schneedruck zu ſichern. Sie beſtehen alſo zuerſt darin, daß man, wo es die Umſtände erlauben, der Pflanzung den Vor⸗ zug vor der Saat gibt, ferner, daß man regelmäßig durchforſtet, alſo den Aushieb des dürren und unterdrückten Holzes oft, aber in kleineren Portionen vornimmt. Läßt man eine zu große Menge des Durchforſtungsholzes zuſam⸗ menkommen und wird dieſes nächher auf einmal genutzt, ſo legen ſich die übrigbleibenden ſchwanken Stangen ſchon durch das eigne Gewicht um; wie viel mehr alſo, wenn ſie noch mit Schnee belaſtet ſind. Nur da, wo die Durchforſtungen in größeren Zeitintervallen ausgeführt werden, kann es vorkommen, daß ein eben durchforſteter Beſtand mehr von Schneeſcha⸗ den leidet, als ein nicht durchforſteter. — Miſchbeſtände von ſolchen Holzarten, welche eine verſchiedenartige Beaſtung beſitzen, widerſtehen dem Schnee leichter, als reine Beſtände, denn in erſteren ſind dem Einzelſtamme die Bedingungen zu einer kräftigeren Entwicklung geboten. So hat man be⸗ obachtet daß die Kiefer in Untermiſchung mit der Buche, die Lärche mit der Fichte, die Fichte mit der Weißtanne und Buche den Schneedruck aushielt, ohne beſchädigt zu werden. b. Duft⸗ und Eisanhang treten weniger häufig auf, als Schneebruch und Schneedruck, werden aber gewöhnlich viel verderblicher. Da zur Ent⸗ ſtehung des Reifes und Glatteiſes erforderlich iſt, daß die Temperatur der Stämme unter diejenige der Luft ſinkt, ſo iſt es klar, daß freiſtehende Bäume mehr vom Duft⸗ und Eisanhang zu leiden haben, als ſolche im geſchloſſenen Stande. Wirklich findet man, daß Alleebäume, Randſtämme und die Ober⸗ ſtänder in Mittelwaldungen dieſen beiden Meteoren vorzugsweiſe unterliegen. Die Maßregeln, welche man anwenden muß, um die Folgen des Duft⸗ und Eisanhangs zu vermindern, beſtehen hauptſächlich darin, daß man ſolche Betriebsarten vermeidet, bei welchen die Bäume freiſtehend erzogen werden Mit⸗ telwald, Ueberhalten von Stämmen im Hochwaldberieb für die zweite Umtriebs⸗ zeit), daß man die Beſtände recht geſchloſſen hält, aber doch wieder fleißig genug durchforſtet, um einen möglichſt kräftigen Bau der Einzelſtämme zu erzielen. Alle dieſe Vorkehrungen vermögen aber nicht, die Beſtände gegen Son Eisanhang vollſtändig zu ſchützen, wenn dieſer, wie es zuweilen geſchieht, in großartigem Maßſtabe auftritt. Im Jahre 1838 wurden die Waldungen der Wetterau und des Taunus durch einen derartigen Eisanhang beſchädigt. Die Eiszapfen, welche ſich an den Aeſten der Buchen und Eichen anſetzten, hatten Hagelſchaden. 401 oft eine Länge von mehreren Fußen. Im Taunus wog man verſchiedene Aeſte und das an ihnen hängende Eis und fand: das Gewicht der Aeſte das Gewicht des anhängenden Eiſes Buchen 1½ Pfd. 13½ Pfd. Birken 1 5 9 „ Sahlweiden b. 21 1 . Fichten 4 „ 25 ½ „ Kiefern 1% Mo; 16 " 8 1 " 12/4 n 2 „ 98 „ Das Holz trug alſo das 8—9 fache ſeines Gewichtes an Eis. Denkt man ſich nun alle Aeſte eines Baumes in dieſer Weiſe mit Eis überzogen, ſo begreift man, daß ſelbſt der ſtärkſte Stamm einem ſolchen Eis⸗ anhang keinen Widerſtand zu leiſten vermag. Luftzug verhindert die Bildung des Rauhreifs und des Glatteiſes, in⸗ dem die wärmere Luft die Temperatur der kälteren Theile des Baumes, mit welchen ſie in Berührung kommt, erhöht. Hat aber der Duft⸗ und Eisanhang ſich einmal erzeugt, dann vermehrt der Wind die Gefahr, indem er den Schwer⸗ punkt des belaſteten Baumes auf die Seite ſchiebt. Dem Duft⸗ und Eisanhang ſind nicht blos die Nadelhölzer, ſondern auch die Laubholzarten ausgeſetzt. 9. Hagelſchaden insbeſondere. Der Schaden, welchen der Hagel, namentlich wenn er in großen Kör nern fällt, an den Holzgewächſen verurſacht, erſtreckt ſich auf das Abſchlagen der Blätter und Triebe, der Früchte und Blüthen und das Zerſtören der jun⸗ gen Pflanzen auf den Culturſtätten und in den Verjüngungsſchlägen. Ob⸗ gleich Hagelſchäden in den Waldungen viel ſeltener zur Kenntniß des Publi⸗ kums gelangen, als ſolche in den Feldern, ſo ſteht es doch feſt, daß die Wälder nicht weniger von Hagelwettern heimgeſucht werden, als die Ackerländereien; nur iſt der Verluſt auf letztern gewöhnlich viel größer, weil ſelbſt der einjährige landwirthſchaftliche Rohertrag den Holzzuwachs von mehrern Jahren an Werth übertrifft. Bei der zweifelhaften Entſtehungsart des Hagels hält es ſchwer, ein Mittel aufzufinden, welches die Gewächſe gegen ſeine Verwüſtungen ſchützen könnte. Von der Anſicht ausgehend, daß der Hagel durch electriſche Prozeſſe hervorgerufen werde, hat man an manchen Orten Stangen, ähnlich den Blitz ableitern, aufgerichtet, um die Electricität zu entfernen. Dieſe Vorrichtung iſt aber von keinem Erfolge begleitet geweſen. Das Nämliche gilt von dem Ab⸗ feuern von Kanonen ze. Heyer, Bodenkunde. 26 Vierzehntes Buch. Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. 1. Günſtige Wirkungen des Windes. a. Luftwechſel. Wie früher gezeigt wurde, entnehmen die Gewächſe der Luft zwei we⸗ ſentliche Nahrungsſtoffe — die Kohlenſäure und das Ammoniak. Da beide nur in begrenzter Quantität in der Atmoſphäre enthalten ſind, ſo würden die Pflanzen bald ihre Umgebung von dieſen zwei Gaſen gereinigt haben, wenn nicht fortwährend eine Zufuhr des verbrauchten Materials ſtattfände. Dieſe wird bewirkt durch die Diffuſion der Gaſe, in weit höherem Grade aber durch den Wind. Bouſſingault fand, daß die Blätter einer Weinrebe, welche er in einen Glasballon eingeführt hatte, die Luft faſt gänzlich ihres Kohlenſäuregehaltes beraubten, wie groß auch die Geſchwindigkeit der Luft war, welche er den Ballon paſſiren ließ. Die Pflanzen ſind alſo im Stande, ſich die Kohlenſäure ſehr ſchnell anzueignen, und die Bewegung der Luft muß, was die Beſchaffung ihres Hauptnahrungsſtoffs anlangt, günſtig auf ſie einwirken. Denken wir uns einen Kiefern⸗Wald von 30 Metern Baumhöhe, ſo wer⸗ den in dem Luftprisma, welches mit dieſer Höhe auf der Fläche eines Hectare ſich aufbaut, 234 Kilogramme Kohlenſäure und in dieſen 64 Kil. Kohlenſtoff enthalten ſein. Rechnen wir aber, daß die Bäume ſelbſt einen gewiſſen Raum einnehmen, den wir beiläufig zu 310 Cubikmetern veranſchlagen wollen, ſo verringert ſich die Luftmenge über der Fläche dieſes Hectare und mit ihr der Kohlenſtoffgehalt auf 60 Kilogramme. Unterſtellen wir weiter, daß die bena⸗ delten Aeſte, welche die Abſorption der Kohlenſäure vollziehen, den dritten Theil der Baumlänge bekleiden, ſo wird derjenige Theil des Waldraumes, in welchem die Aſſimilation der Kohlenſäure vor ſich geht, 20 Kil. Koh 5 enthalten. Nach einer früheren Berechnung (S. 328) kann ein Heetare Kie⸗ fernwald der Luft jährlich 1846 und (wenn man die Vegetationszeit gleich 180 Tagen ſetzt) täglich etwas über 10 Kil. Kohlenſtoff entziehen. In zwei Tagen wird alſo unter dieſen Perhältniſſen die Luft, welche die Zweige um⸗ — Günſtige Wirkungen des Windes. 403 gibt, ihrer Kohlenſäure beraubt ſein, und nun muß eine Luftſtrömung eintre⸗ ten, welche wieder neue Kohlenſäure zuführt, wenn nicht der Ernährungsprozeß in Stockung gerathen ſoll. Wir ſehen alſo, daß die Bewegung der Luft durch den Wind eine noth⸗ wendige Bedingung des Lebens und Gedeihens der Gewächſe iſt. In Forſtgärten bemerkt man öfters, daß bei Riefenſaaten die Pflanzen⸗ reihen am Rand der Beete auffallend kräftiger ſich entwickeln, als die von ihnen eingeſchloſſenen inneren Reihen. Da dieſe Erſcheinung auch auf ge⸗ düngtem Boden, der einen Ueberfluß an organiſchen und anorganiſchen Nähr⸗ ſtoffen beſitzt, ſtattfindet, ſo kann man ſie nicht wohl durch den größeren Nah⸗ rungsraum, welcher den Wurzeln der Randpflanzen zu Gebote ſteht, erklären. Viel wahrſcheinlicher läßt ſich das vollkommnere Wachsthum der letzteren auf Koſten der Kohlenſäure und des Ammoniaks ſchreiben, welche den Randpflan⸗ zen immer zuerſt durch den Wind, der die Beete beſtreicht, zugeführt werden. Da nach den Verſuchen von Bouſſingault die Abſorption der Kohlenſäure (und auch wohl des Ammoniaks) durch die Pflanzen ſo außerordentlich ſchnell von Statten geht, ſo läßt ſich vermuthen, daß die Luft, welche die Randpflan⸗ zen paſſirt hat, ihres Kohlenſäure- und Ammoniakgehaltes zum größten Theile beraubt iſt, bis ſie an die mittleren Reihen der Rinnenſaat gelangt. Das kräftigere Wachsthum der Randſtämme höherer Beſtände beruht nur zum Theil auf den nämlichen Urſachen, hängt aber wohl hauptſächlich von dem größeren Lichtgenuß ab, welchen die Randſtämme empfangen. Einige Phyſiologen nennen den Wind ein Reizmittel für die Gewächſe, ſie haben aber unterlaſſen, zu erklären, was unter einem ſolchen zu verſtehen ſei. Bei der Wahl dieſes Ausdruckes hatte man wahrſcheinlich die Wirkun⸗ gen im Auge, welche Gewürze und andere Stoffe auf den thieriſchen Orga⸗ nismus ausüben. Nun iſt aber der Lebensprozeß der Thiere und Pflanzen ſo durchaus verſchieden, daß man bei den letzteren von einem Reizmittel im Sinne der erſteren gar nicht ſprechen kann. d. Einfluß der Luftſtrömungen auf die Befruchtung der Gewächſe. Es iſt hier nicht der Ort, die Bedingungen der Befruchtung der Ge⸗ wächſe ausführlich zu erörtern, weil dieſes in das Gebiet der eigentlichen Pflan⸗ zenphyſiologie gehört. Zum Verſtändniß des Nachſtehenden ſei nur Folgendes bemerkt. Die Befruchtung einer Pflanze findet ſtatt, wenn der Samenſtaub (Bol len) mit dem im weiblichen Geſchlechtstheil vorgebildeten Eichen in Berührung kommt. Letztere iſt bei den nacktſamigen Pflanzen (3. B. den Coniferen) eine unmittelbare, bei denjenigen Pflanzen aber, bei welchen das Eichen von einer Hülle, dem Ovarium, umgeben iſt, fällt der Samenſtaub auf die Narbe und wächſt dann, durch Bildung von Zellen, bis zu dem Eichen hin. Unter den zahlreichen Hülfsmitteln, welche die Natur benutzt, um den 26 * 404 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. Samenſtaub zu dem weiblichen Geſchlechtstheil der Pflanzen gelangen zu laſ⸗ ſen, nimmt der Wind eine wichtige Stellung ein. Er hebt die kleinen Pollen⸗ körner von dem Staubbeutel auf und führt ſie den zu befruchtenden Eichen zu. Wie weit der Samenſtaub durch den Wind transportirt werden könne, ſieht man an dem ſogenannten Schwefelregen, der nur aus Pollenkörnern, na- mentlich von Coniferen, beſteht. So fiel z. B. zu Anfange dieſes Jahrhun⸗ derts zu Kopenhagen ein ſolcher Schwefelregen, durch welchen Wege, Teiche und Dächer mit einem gelben Staube bedeckt wurden. Er ſtammte von den Fichtenwäldern Mecklenburg's und Pommerns. Die Vermittlung des Befruchtungsgeſchäftes durch den Wind iſt vor⸗ züglich für diejenigen Pflanzen von Wichtigkeit, bei welchen die männlichen und weiblichen Blüthen auf verſchiedenen Stämmen ſitzen. Aber auch bei den einhäuſigen Pflanzen iſt ſie von Bedeutung, indem es bei dieſen nicht ſel⸗ ten vorkommt, daß die beiden Geſchlechter verſchiedene Theile des Baumes bewohnen. So ſitzen z. B. die Männchen bei der Weißtanne auf den unteren Aeſten, die Weibchen aufrecht auf den oberen Zweigen. Hier kann die Be⸗ fruchtung nur dadurch bewerkſtelligt werden, daß der Samenſtaub nach oben hin geführt wird. | e. Einfluß des Windes auf die Verbreitung der Samen bei der natürlichen Verjüngung. Die natürliche Verjüngung der Beſtände durch Samen kann in zweifa⸗ cher Weiſe geſchehen. Entweder man hält auf der zu beſamenden Fläche ein⸗ zelne Bäume (Mutterbäume) über (eigentlicher Femelbetrieb und Femelſchlag⸗ betrieb), oder man holzt einen Waldſtreifen kahl ab und erwartet die Beſa⸗ mung von einem angrenzenden Beſtand (Kahlſchlagbetrieb mit natürlicher Verjüngung). Im letzteren Falle wird der Same durch den Wind von den fruchtbaren Bäumen auf die Fläche des Kahlſchlags geführt. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieſe Verjüngungsmethode nicht für Holzarten mit ſchweren Samen (wie die Buche und Eiche) paßt; am erſten ‚it fie noch bei den Na⸗ delhölzern anwendbar, obgleich ſie auch hier ſchlechte Reſultate liefert, indem einestheils die Beſamung zu ungleichmäßig ausfällt, anderntheils aber auch die jungen Pflänzchen ſehr durch die Randverdämmung des Mutterbeſtandes leiden. ü Die Zapfenſchuppen der Nadelhölzer öffnen ſich bei trocknem Wetter, ſchließen ſich aber wieder, wenn die Luft feucht wird. Es wird daher der Same vornehmlich mit den trockenen Oſtwinden abfliegen. Doch iſt die Ent⸗ fernung, bis zu welcher noch eine hinreichende Beſamung erfolgt, nicht groß; ſie beträgt für Fichten und Kiefern durchſchnittlich zwei, für Lärchen vier bis fünf, für Weißtannen, bei welchen die Samen mit den Schuppen abfallen, kaum eine Stammlänge. d. Beſeitigung der Bodennäſſe. Stagnirende Feuchtigkeit, welche gewöhnlich durch einen undurchlaſſen⸗ Schädliche Wirkungen des Windes. 405 den Untergrund oder durch eine niedere Temperatur veranlaßt wird, können nur wenige von unſeren Holzarten ertragen. Die Mehrzahl derſelben kümmert auf einem naſſen Boden, der außerdem auch zu Fröſten neigt, und die Stämme werden leicht rothfaul. Da, wo ſich die Näſſe nicht mittelſt Gräben, Drainröhren dc. ablei⸗ ten läßt, bietet Beförderung des Luftzuges ein vortreffliches Mittel, um das ſchädliche Uebermaß von Feuchtigkeit zu entfernen. Der Einfluß des Windes beruht in dieſem Falle darauf, daß er die über dem naſſen Boden ſchwebende, mit Waſſerdampf geſättigte Luftſchichte hin⸗ wegnimmt und an ihre Stelle eine trockene bringt, welche die Fähigkeit beſitzt, von Neuem ſich mit Waſſerdampf zu beladen. So kann durch den Wind nach und nach die Bodenfeuchtigkeit gänzlich aufgezehrt werden. Die Herſtellung eines geeigneten Luftzuges kann der Forſtmann bewir⸗ ken: durch zweckmäßige Anlage der Schneißen und Wege, durch Vermeidung von ſogenannten Sackhieben, Beſeitigung der Waldmäntel, regelmäßige Durch⸗ forſtungen, Entfernung der (ſonſt nützlichen) Bodenſträucher, Anlage geregelter Pflanzungen in nicht zu engem Verband de. 2. Schädliche Wirkungen des Windes. a. Entführung der Kohlenſäure und des Laubes, Beſchleunigung der Humuszerſetzung. Die Kohlenſäure, welche ſich bei der Verweſung organiſcher Körper ent⸗ wickelt, lagert ſich, weil ſie ſchwerer als die Luft iſt, um die in Zerſetzung be⸗ griffene Subſtanz und theilt ſich der Luft nur ganz allmählig durch Diffuſion mit; ſo lange ſie aber den verweſenden Körper umgibt, ſchließt ſie dieſen von dem Sauerſtoff der Luft ab, was eine Unterbrechung des Verweſungsprozeſſes zur Folge hat. Anders iſt es, wenn der Wind weht. Nun wird die Kohlen- ſäure ſchnell entführt und dem Sauerſtoff von Neuem Zutritt verſchafft. Die Verweſung geht jetzt wieder von Statten, wenn es nicht an Feuchtigkeit man⸗ gelt. So kann der Wind bewirken, daß der auf dem Boden befindliche Hu⸗ mus ſich ſchnell verzehrt. Wie wir ſpäter ſehen werden, ſpielt die aus dem Humus ſich ent⸗ wickelnde Kohlenſäure als Ernährungsmittel eine untergeordnete Rolle, denn ſelbſt bei noch ſo reichlichem Humusvorrath wird ſich die Holzfaſer doch zum größten Theil aus dem Kohlenſäuregehalt der Luft bilden. Weit wichtiger iſt der Einfluß, den der Humus durch ſeine phyſikaliſchen Eigenſchaften äußert. Jede Verzehrung des Humus wird alſo viel mehr ſchaden, als nützen. In⸗ dem der Wind die Zerſetzung des Humus beſchleunigt, übt er einen nachthei⸗ ligen Einfluß auf das Gedeihen der Waldvegetation aus. f In den Laubholzbeſtänden beruht die Humuserzeugung vornehmlich auf dem abfallenden Baumlaube; auch dieſes wird durch den Wind entweder aus den Beſtänden entführt, oder doch an einzelnen Plätzen zuſammengeweht, wo⸗ 406 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. durch andere entblöſt worden. Auf den letzteren ergibt ſich dann ein Zuwachs⸗ ausfall, welcher nicht wieder durch die Zuwachsmehrung auf den erſteren erſetzt wird. Zu dieſem Nachtheil geſellt ſich noch ein anderer: auf dem kahl gewordenen Boden ſchlägt die natürliche Verjüngung ſelten gut an. b. Austrocknende Winde. Der relative Feuchtigkeitszuſtand und mit ihm die Austrocknungsfähig⸗ keit des Windes richtet ſich einmal nach den Himmelsgegenden, aus welchen der Wind kommt, zum andern nach der Jahreszeit. In Deutſchland find im Frühjahr und Herbſt Oſt und Süd im Som⸗ mer Oſt, Südoſt, Süd, Nordoſt und Nord die trockenſten Winde. Fig. 152. Austrocknende Winde ſchaden der N Waldvegetation in zweifacher Weiſe, durch Verflüchtigung der nöthigen Bodenfeuch⸗ war tigkeit und dadurch, daß fie bei den Ge⸗ wächſen eine übermäßige Verdunſtung her⸗ vorrufen. Dieſe Nachtheile machen ſich beſonders bei den Culturen bemerkbar. W 0 Aeltere Holzgewächſe werden in unſerm Clima durch trockene Winde ſelten zum Abſterben gebracht, wohl aber im Zuwachs zurückgeſetzt. Von den austrocknenden Winden leiden namentlich eben gekeimte Saat 8 pflanzen, weil ihre Würzelchen noch klein 4061010 ſind und nicht viel Feuchtigkeit aus dem Bo⸗ den aufnehmen können. Vollſaaten laſſen ſich gegen ſolche Winde haupt⸗ ſächlich nur durch tieferes Einlegen der Samen und zeitige Vornahme der Ausſaat ſchützen; Riefen- und Plattenſaaten dadurch, daß man einen Theil des Abraums von der Culturſtelle an diejenige Kante desſelben bringt, welche zuerſt von dem austrocknenden Winde beſtrichen wird. Die Längserſtreckung der Riefen muß winkelrecht auf die Richtung des zu fürchtenden Windes ge⸗ nommen werden. Da nun in Deutſchland im Frühjahr Oſt und Süd die austrocknendſten Winde ſind, ſo wird man die Riefen in der Richtung von Nordoſt nach Südweſt anzulegen haben. (Fig. 152). Ballenloſe Pflanzen werden durch trocknende Winde mehr beſchädigt, als ſolche mit Ballen; denn erſtere bedürfen einige Zeit, bis ſie angewurzelt ſind und aus dem Boden Feuchtigkeit aufnehmen können. Immerhin iſt es nützlich, bei Ballenpflanzen den Lochballen ſo vor die eingeſetzte Pflanze zu legen, daß ſie durch denſelben gegen den Wind geſchützt wird. Alle Mittel, welche dazu dienen, die Verdunſtung der Pflanzen zu vermindern, bewahren die letztern auch vor den ſchädlichen Wirkungen der austrocknenden Winde. Mechaniſche Einwirkungen des Windes. 407 Hierher gehört namentlich das Beſchneiden der Zweige und ſelbſt des Schaftes bei den Laubhölzern und der Lärche. Von austrocknenden Winden haben beſonders die Laubholzarten, und unter dieſen vorzüglich die Rothbuche zu leiden. Holzgewächſe mit ſteifen, pergamentartigen Blättern, wie z. B. die Eiche, können ſchon eher Trockniß ertragen. Bei der Rothbuche, welche gewöhnlich natürlich verjüngt wird, läßt ſich ſchon durch geeignete Auswahl, Führung und Stellung der Schläge den Gefahren, welche austrocknende Winde den jungen Pflanzen bringen, vorbeu⸗ gen. So wird man z. B. einen haubaren jüngeren Buchenbeſtand, welcher durch einen älteren Beſtand von einer weniger durch Trockniß leidenden Holz⸗ art geſchützt iſt, vor dieſem verjüngen. In der „Waldertragsregelung“ wird Anleitung zur Berechnung des jähr⸗ lichen Fällun gsquantums gegeben. Es iſt nun keineswegs gleichgültig, aus welchen Beſtänden man dasſelbe zu beziehen hat. Oft finden ſich gleich⸗ altrige Beſtände vor, deren Holzgehalt den Etat von mehrern Jahren decken kann. Bei der Löſung der Frage, an welche Stelle eines ſolchen Beſtandes der erſte, zweite ꝛc. Schlag hinzulegen ſei, müſſen die austrocknenden Winde wohl berückſichtigt werden. Um den jungen Nachwuchs gegen dieſe zu ſchützen, wird man die Längserſtreckung der Schläge am zweckmäßigſten von Südweſt nach Nordoſt nehmen (Fig. 152.) aber mit dem Anhieb des Waldes in Nordweſt be⸗ ginnen und in Südoſt aufhören; zugleich darf man die Auslichtung, nament⸗ lich gegen den Rand hin, nicht zu ſtark greifen. Waldmäntel, gebildet aus ſolchen Holzarten, welche bis zum Boden herab lange Zeit beaſtet bleiben (Fichte, Weißtanne) geben eine vorteffliche Schutzwehr gegen die trocknenden Winde ab. Der Dft- und Nordoſtwind ſchaden ausnehmend der Fruchtbildung, einestheils wegen ihrer austrocknenden Eigenſchaften, ſodann aber auch wegen der niedrigen Temperatur, welche dieſe Winde im Frühling, zur Zeit der Blüthe, befigen. Die Samenſtaubzellen enthalten eine eigenthümliche Feuchtigkeit; ſobald ſie dieſe verloren haben, taugen ſie nicht mehr zur Befruchtung. Nach Thaer bedarf es nur 24 Stunden Oſt⸗ oder Nordoſtwindes in der Blüthe des Klee's, und der Same wird taub. In den durch Häuſer geſchützten Gärten der Städte und Dörfer geräth das Obſt faſt alljährlich; während auf den freien, dem Wind zugänglichen Höhen viel öfter Mißerndten erfolgen. e. Mechaniſche Einwirkungen des Windes. Stürme. Viele Holzarten leiden durch das Wehen des Windes, auch wenn der⸗ ſelbe nicht gerade in Sturm ausartet. So nimmt z. B. die Lärche in der Ebene und in Vorbergen, wenn fie frei geſtellt iſt, einen krummen Wuchs 408 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. an, ſie wird windſchief. (Im Hochgebirge dagegen, z. B. in den Alpen, wo fie nur ſehr kleine Jahrestriebe bildet, wächſt ſie gerade auf). ‚a An den Küſten des Meeres unterliegt die Holzkultur großen Schwierig. keiten wegen der ſalzführenden Seewinde, deren faſt unausgeſetztes Wehen nur wenige Baumarten ertragen, ohne zu kümmern, oder ganz zu verderben. Merkwürdig iſt, daß der Seewind unmittelbar an der Küſte nicht ſo ſchädlich wirkt, als nachdem er bereits eine Strecke Landes zurückgelegt hat. Wie langjährige Erfahrungen ergeben haben, widerſteht an den Küſten der Nordſee die Kiefer den Seewinden am wenigſten, beſſer ſchon die Fichte und, wo keine Fröſte zu befürchten ſind, die Weißtanne, noch mehr die Erle, Eſche, Aspe, Vogelbeere, Silberpappel und vor allem die Amerikaniſche pinus alba. Doch übt die Expoſition unnd die Configuration der Küſte auch hierin einen bedeutenden Einfluß aus. Während man an den Küſten von Oſtfriesland die Buche als Waldmantel zum Schutze gegen die Nordweſt⸗ winde benutzen kann, ſterben auf der Nordweſtſeite der Inſel Wangerog alle Bäume ohne Ausnahme ab, ſobald ſie anfangen, ihre Wipfel über die Dämme und Dünen zu erheben. Dabei nehmen die Blätter bald eine ſchwarze Farbe an, weshalb der Nordweſtwind in der dortigen Gegend der „ſchwarze BR genannt wird. Winde, welche eine Geſchwindigkeit von 20 Metern und darüber in, einer Sekunde erlangen, rechnet man in unſern Gegenden ſchon zu den Stür⸗ men. Sie werden den Wäldern dadurch nachtheilig, daß ſie entweder ein⸗ zelne Aeſte von den Stämmen trennen, oder den Schaft der Bäume ſplit⸗ tern oder brechen, auch die Bäume mit den Wurzeln aus dem, Boden. N (ſog. Woobſe). Die Gefahr der Winde hängt ab: cr. Von der Holzart. Ein Körper befindet ſich in Ruhe, wenn ſein Schwerpunkt unterſtützt iſt, doch hängt es von der Lage des letztern ab, ob er Standfähigkeit beſitze, d. h. einer Kraft, welche ihn zu drehen oder ulauoetfen droht, Widerſtand zu leiſten vermöge. ae Fig. 153. Es jei s. der Schwerpunkt irgend eines Körpers, z. B. eines Prismas ABD (Fig. 153.)5 1 ſoll das Prisma auf die Seite BD gelegt wer⸗ | 2 den, ſo muß dasſelbe ſo gedreht werden, daß der Endepunkt t der von dem Schwerpunkt s aus gezogenen Verticalen s t außerhalb der Baſis CD fällt. Es muß alſo n s den Bogen 8 s“ beſchrei⸗ ben, daher der Schwerpunktes um s“ * — 8 gehoben werden. 5 ẽĩ,¾ Stürme. 409 Fig. 154. Denken wir uns nun ftatt des vori⸗ gen Prismas ein anderes von gleichem Gewichte, aber größerer Grundfläche CD (Fig. 154.), jo wird der Radius D s, mit welchem der Bogen ss“ zu beſchreiben iſt, größer ausfallen, alſo auch s“ höher über s liegen, folglich der Schwerpunkt um einen größern Betrag gehoben werden müſſen, damit die Verticale s“ D — 8 t außerhalb der Baſis CD falle. Nehmen wir drittens an, die vorige Maſſe ſei in ein Prisma von kleinerer Fig. 155. A .._. + Baſis CD (Fig. 155.), aber größerer Höhe AC einge⸗ kleidet, ſo wird hier der Bogen ss“ viel flacher ausfallen, daher auch s“ D— st kleiner fein, als in dem erſten Falle. Aus dem Vorhergehenden folgt, daß ein Körper um ſo mehr Standfähigkeit beſitzt, je größer ſein Gewicht und ſeine Baſis iſt und je tiefer ſein Schwerpunkt liegt. Iſt ein Körper in die Erde eingelaſſen, ſo kommt außer den eben erwähnten Umſtänden noch der Druck zur Sprache, welchen die Erde gegen den verſenkten Theil ausübt. Man kann ohne merklichen Fehler annehmen, daß die Reſultirende a b diefes Druckes durch die Mitte a des unter der Erde befindlichen Stückes ed (Fig. 156.) geht. Wirkt nun auf den aus der Erde hervorragenden Theil eg eine Kraft ef in einerlei Sinne mit ab, fo tritt dann f Gleichgewicht ein, wenn ac. ab — ce. ef. Iſt dagegen ce. el > ac. ab, jo wird der Körper um den Punkt e gedreht und aus der Erde geriſſen. Alle Bäume laſſen ſich als Hebel e deren einer Schenkel von dem Schafte gebildet wird, während die Wurzeln den andern Schenkel vorſtellen. Die Wurzeln können in zweifacher Weiſe zur Befeſtigung des Baumes z dienen, einmal, indem ſie, wie die Tagwurzeln, eine Baſis abgeben, um welche der Schwerpunkt des Baumes gedreht werden muß, wenn letzterer fallen ſoll (wie oben bei den Prisma's (CD), zum andern, indem fie, wie die ſenkrechten Pfahl⸗ und Stechwurzeln oder die in ſchiefer Richtung in den Boden eindringenden Tage— wurzeln durch den Druck der ſie umgebenden Erde feſtgehalten werden. Ein Baum wird dann ganz beſonders feſt ſtehen, wenn er neben einer tief gehen⸗ 410 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. den Pfahlwurzel noch weit ausſtreichende Tagwurzeln beſitzt. Indeſſen hat die Erfahrung nachgewieſen, daß letztere für ſich allein in Bezug auf die Stand⸗ fähigkeit nicht ſo viel leiſten, als erſtere. Je länger der Schaft iſt, um ſo leichter wird ein Baum vom Winde umgeworfen werden können, denn er bietet ihm einen längeren Hebelsarm dar. Ein kegelförmiger Wuchs (Stufigkeit), ſowie eine tiefgehende Beaſtung und dünne Krone ſichern gegen den Windwurf, weil bei ſolchen Stämmen der Schwerpunkt näher am Boden liegt. Deswegen leiden Bäume, welche regelmäßig nach dem Kopf- und Schneidelholzbetrieb zugleich behandelt wer⸗ den, weit weniger von Stürmen, als Stämme, welche man von unten auf längs des Schaftes hin mit Belaſſung einer dicken Krone entaſtet. Freiſtehende Stämme, welche ſtufig aufwachſen und tiefer herab beaſtet ſind, werden we⸗ niger vom Winde beſchädigt, als im Schluſſe erzogene Bäume. Fleißige Durchforſtungen gehören zu den vorzüglichſten Schutzmaßregeln gegen die Stürme, weil durch ſie ein ſtufiger Wuchs, die normale Ausbildung der Krone und eines kräftigen Wurzelſyſtems befördert wird. Zu den flachwurzelnden Holzarten, welche den Windwurf beſonders zu fürchten haben, gehören die Fichte, Buche, Birke, Aspe und Hainbuche und die vorgenannten Laubhölzer, namentlich dann, wenn fie aus Stock- oder Wurzelausſchlag gebildet worden ſind, weil die Ausſchläge noch flacher gehende Wurzeln haben, als die Kernpflanzen. Die Ahorne, die Rüſter und vor allen die Eiche widerſtehen den Stürmen vortrefflich, weil ſie eine vollkommen entwickelte Pfahlwurzel beſitzen. Ganz beſonders ſind die Nadelhölzer (mit Ausnahme der Lärche) dem Windwurf ausgeſetzt, obgleich einigen von ihnen, wie der Kiefer und Weiß⸗ tanne, die Pfahlwurzel nicht mangelt. Der Grund davon iſt einestheils in der Schafthöhe, welche dieſe Holzarten erreichen, zum andern aber in dem Umſtande zu finden, daß die Nadelhölzer (abgeſehen von der Lärche) zu der Zeit der gefährlichſten Stürme, in den Aequinoctien, mit voller Belaubung verſehen ſind, welche, wie das Segel eines Schiffes, dem Wind eine große Angriffsfläche darbietet. 83. Von dem Holzalter. Aelteres Holz wird leichter vom Winde geworfen, als jüngeres, weil erſteres dem Winde einen längern Hebelsarm darbietet. Deswegen hat man bei der Führung der Niederwaldſchläge keine Rückſicht auf die Stürme zu nehmen und iſt alſo nicht gehindert, denſelben eine ſolche Lage zu geben, daß ſie gegen die gefährlicheren austrocknenden Winde geſchützt ſind. — Alte an⸗ brüchige Stämme brechen beſonders leicht an der ſchadhaften Stelle. 7. Von der Jahreszeit. e Wie im Vorbereitenden Theile angegeben wurde, wehen in unſern Ge⸗ genden die ſtärkſten Stürme in der Aequinoctialzeit, alſo gegen das letzte Stürme. 411 Drittel der Monate März und September. Den Laubhölzern werden bejon- ders die Stürme in der Herbſt⸗ Tag⸗ und Nachtgleiche gefährlich, weil fie zu dieſer Zeit noch faſt alle ihre Blätter befigen. Uebrigens ift das Eintreten der Stürme nicht gerade an die Aequinoctien gebunden; man hat ſchon ſehr hef— tige Orkane beobachtet, welche ſich mitten im Winter oder im Sommer zeigten. d. Von der Erhebung über die Meeresfläche. Die Waldungen im Hochgebirge ſind, wenn ihnen nicht durch vorra— gende höhere Berge Schutz geboten wird, mehr dem Windwurf ausgeſetzt, als die Wälder in der Ebene. Der Wind erlangt auf der letztern wegen der Reibung mit dem Boden ıc. nie die Geſchwindigkeit, wie in den oberen Re⸗ gionen des Luftkreiſes, weßhalb er höhere Gebirge mit viel ſtärkerer Gewalt trifft. * Von der Expoſition. Die heftigſten Stürme kommen in Deutſchland durchſchnittlich aus Weſt, Südweſt und Nordweſt. Expoſitionen, welche nach dieſen Himmelsgegenden hinneigen, werden daher vorzugsweiſe den Stürmen ausgeſetzt ſein. Doch ereignet es bisweilen auch, daß ſehr ſtarke Stürme aus andern Himmels- gegenden wehen. Gegen dieſe laſſen ſich freilich keine Vorkehrungen treffen, denn man kann, wie wir ſogleich ſehen werden, einen Wald nicht nach allen Seiten hin vor den Stürmen ſchützen. Es genügt, wenn er vor derjenigen Sturmart möglichſt geſichert iſt, welche durchſchnittlich am häufigſten Gefahr bringt. N Im Gebirge wird, wie wir im Vorbereitenden Theil bemerkten, die Sturm⸗ richtung gewöhnlich durch den Lauf der Thäler bedingt. Der Wind folgt dem Zug der Vertiefungen des Terrains. In Küſtengegenden gehen die Stürme faſt immer von der See aus. Die Maßregeln, welche der Forſtwirth zu ergreifen hat, um die Wal⸗ dungen vor den verderblichen Folgen der Stürme ſicher zu ſtellen, beziehen ſich auf die Auswahl, Führung und Stellung der Schläge. So wird man z. B. einen jüngeren haubaren Beſtand, welcher durch einen älteren von einer tiefwurzelnden Holzart gegen die Windrichtung hin gedeckt iſt, dann zuerſt verjüngen, wenn jener aus einer Holzart beſteht, wel⸗ che den Stürmen leicht unterliegt. Indem wir dieſes Verfahren anrathen, fegen wir voraus, daß durch das Ueberhalten des älteren Beſtandes kein be⸗ deutendes Zuwachsdefieit ſich ergibt. Im andern Falle müßte der Beſtand, welcher dem Windwurf exponirt iſt, kahl abgetrieben und künſtlich verjüngt werden. 412 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. Fig. 157. Gar oft beſitzt ein Beſtand eine ſolche N Größe, daß er bei feinem Abtrieb den Etat für mehrere Jahre oder Perioden deckt. Hier ſichert man den Beſtandesreſt, der nach Vornahme einer Jahres- oder Pe⸗ riodenfällung verbleibt, dadurch gegen den Windwurf, daß man den erſten Schlag 0 an derjenigen Beſtandsſeite anlegt, welche der Sturmrichtung entgegengeſetzt iſt. So z. B. wird man den Beſtand (Fig. 157.), wenn er von Weſtſtürmen zu fürchten hat, in der Richtung von 0 nach W, alſo in Oſten anhauen und die Längser⸗ SH ftrefung der Schläge von Norden nach Süden richten, damit bei dem Vorſchreiten der Schläge nach Weſten hin an keiner Seite eine Lücke entſtehe, welche den Weſtwind einlaſſen könnte. * Die ſo eben ertheilte Vor⸗ ſchrift gilt aber nur für die Ebene. Im Gebirge, wo man die Schläge wegen der Holz _ abfuhr in gerader Richtung von +0 dem Fuße nach dem Gipfel hin führen muß, iſt es nicht mög⸗ lich, mit den Schlägen nach parallelen Linien vorzuſchrei⸗ ten. Hier legt man (Fig. 158.), wenn z. B. Weſt der Sturm⸗ wind iſt, den Schlag 1 genau auf die Oſtſeite, hierauf werden 2 und 2 zu beiden Seiten von 1 angehauen, und ſo fährt man mit der Schlaganlage gleichzeitig über Süden und Norden fort, bis der letzte Schlag 7 die weſt⸗ liche Expoſition erreicht. Stets muß aber die Kuppe zuerſt verjüngt werden, damit das unter derſelben ſtehenbleibende Holz den jungen Nachwuchs gegen den verderblichen Einfluß der Atmoſphärilien (Hitze, Froſt, austrocknende und und kalte Winde) ſchütze. ent!“ Stürme. 413 Hat ein Thal jeine Aus- mündung nach der Sturmge⸗ gend hin, ſo beginnt man mit der Schlaganlage oben im Ge⸗ birge nnd ſetzt den Hieb nach der Mündung hin fort (Fig. ' (159.). — N N Dieſes find die Vorſchrif⸗ ä —ů— wV— N ten für die Behandlung der N NR I einfacheren Fälle. Im Gebirge, \ S wo iſolirte Lagen mit Thälern \ | N „K und Plateaus wechſeln, ſetzt \ > N ih das Verfahren, um die \ \ N G Beſtände gegen die Stürme zu gebenen Maßregeln zuſammen, und es iſt die Aufgabe des Forſtwirths, mit gehöriger Umſicht zu entſcheiden, welche Beſtände vorzugsweiſe zu berückſich⸗ N ſchützen, aus den eben ange- tigen ſind. e. Von dem Abdachungsgrade. Bäume, welche auf einer geneigten Bodenfläche ſtehen, werden vom Winde leichter geworfen, wenn dieſer vom Gipfel nach dem Fuße der Anhöhe hin, als wenn er in umgekehrter Richtung weht. Es beruht dies auf meh⸗ rern Gründen. Einmal ſtehen die Bäume auf geneigtem Boden gewöhnlich nicht ſenkrecht zur Horizontalen, ſondern ſie hängen etwas nach dem Fuße des Berges hin über, ihre natürliche Stellung nähert ſich ſchon der Fallrich⸗ tung; zum Andern wird die Kraft des Windes, welcher von unten und faſt Fig. 160. immer in einem Winkel gegen die Wand hin e einfällt, durch die Reibung an dem Boden geſchwächt, während der vom Gipfel kom⸗ mende Wind meiſt parallel mit der Boden⸗ fläche weht; drittens iſt aber die Höhe, um 7 welche der Schwerpunkt des Baumes ge⸗ 552 hoben werden muß, damit dieſer zum Fall gelange, kleiner, wenn der Baum nach un⸗ ten hin, als wenn er nach oben hin ge⸗ 5 worfen werden ſoll. Es ſei ab (Fig. 160.) en die Horizontale, & der Winkel, mit welchem die Bergwand ac gegen die Horizontale geneigt ift, de ein Stamm, f ſein Schwer⸗ Y punkt, dg = dh feien zwei Tagwurzeln. 4 5 5 Soll der Baum nach unten hin fallen, jo 414 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. muß fein Schwerpunkt k um den Unterſtützungspunkt g mit dem Halbmeſſer gf = gi den Kreisbogen fi beſchreiben; zieht man nun von f aus der Ho⸗ rizontalen eine Parallele fk, jo gibt ik die Höhe an, um welche der Schwer⸗ punkt f gehoben werden muß, damit die von k aus gefällte Verticale außer- halb des Unterſtützungspunktes g falle. Ebenſo wird ſich der Schwerpunkt f, wenn der Baum die Anhöhe hinauf geworfen werden ſoll, um den Punkt h mit dem Halbmeſſer fh drehen und die Höhe ! erreichen müſſen. Nun ift aber, wie ſchon der Augenſchein lehrt, Im größer, als ik, und es läßt ſich dies auch mit den Sätzen der Elementarmathematik beweiſen. — Aus dem Vorſtehenden erhellt, warum die Stürme dann ſo gefährlich werden, wenn ſie den Gipfel eines Berges überſchritten haben und dann wie⸗ der thalabwärts wehen. J. Von der Beſchaffenheit des Bodens. Auf flachgründigem, unzerklüftetem Boden können die Bäume keine Pfahlwurzel ausbilden; hier werden ſie alſo leichter vom Winde geworfen werden, desgleichen auf lockerem Sand oder Moorgrund, weil dieſe zu wenig Zuſammenhang beſitzen, um einer Verſchiebung der Wurzeln Widerſtand zu leiſten, wenn der Wind den Stamm nach der Seite hin drückt. Aehnlich ver⸗ hält ſich ein ſchon mehr gebundener Boden nach längeren Regengüſſen, welche die Erde aufweichen; deßhalb find die Frühlingsäquinoctialſtürme jo gefähr⸗ lich, weil in dieſer Jahreszeit der Boden gewöhnlich ſehr viele Feuchtigkeit enthält. Iſt der Boden gefroren und damit der Zuſammenhang der Erd⸗ theilchen ſtärker geworden, ſo widerſtehen die Bäume dem Windwurfe viel eher. 9. Von der Umgebung. Hohe Berge oder Bergrücken in der Richtung der Sturmgegend ſchützen die hinter ihnen liegenden Beſtände, auch bloße Hügel und ſelbſt höhere Be- ſtände leiſten in gleicher Beziehung oft Erkleckliches. Der Schutz, den die Er⸗ hebung des Bodens gewährt, wird dann noch vermehrt, wenn letzterer be- waldet iſt, weil in dieſem Falle die Kraft des Windes durch die Reibung an den Bäumen geſchwächt wird. 1. Von der Betriebsart und der Waldbehandlung. Da hohe Bäume eher vom Winde geworfen werden, als niedrige, ſo iſt klar, daß der Niederwaldbetrieb dem Windwurf weit weniger ausgeſetzt iſt, als der Hochwaldbetrieb. Man braucht in der That bei der Anlage der Nie⸗ derwaldſchläge gar keine Rückſicht auf Stürme zu nehmen und iſt deßhalb im Stande, die Schläge ſo zu führen, daß die Lohden gegen die ihnen viel ge⸗ fährlicheren austrocknenden Winde geſchützt werden. Die Standfähigkeit der Bäume nimmt um fo mehr zu, je ftufiger ihr Wuchs und je ſtärker ihre Bewurzelung iſt. In dicht gedrängtem Stande Stürme. 415 wird der Baumſchaft mehr walzenförmig und die Aſtverbreitung beginnt erſt in größerer Höhe über dem Boden; beides hat zur Folge, daß der Schwer⸗ punkt ſolcher Stämme weiter oben liegt, weßhalb ſie leichter vom Winde ge⸗ worfen und, ſo lange ſie noch ſchwank ſind, eher umgebogen werden, als die im freierem Stande erwachſenen Bäume mit weniger vollholzigem Schaft und tieferer Beaſtung. Die Ausbildung der Wurzeln eorreſpondirt wie die Beobachtung lehrt, mit derjenigen der Krone. Deßwegen beſitzen die Randſtämme neben größe⸗ rem Aſtreichthum auch ſtärkere Wurzeln, als die Stämme im Innern der Beſtände. Daſſelbe Verhältniß findet zwiſchen dicht aufgeſchoſſenen Saaten und den, gewöhnlich in weiterem Verbande angelegten, Pflanzbeſtän⸗ den ſtatt. Aus den vorſtehenden Bemerkungen laſſen ſich die Maßregeln ableiten, welche der Forſtwirth in Anwendung zu bringen hat, um die Gefahren des Windwurfs von den Waldungen fern zu halten. Sie beſtehen alſo zuvör⸗ derſt darin, daß man nicht zu dicht ſäet, überhaupt aber, wo es die ſonſtigen Umſtände, namentlich die Koſten, geſtatten, der Pflanzung vor der Saat den Vorzug gebe, daß man dichte Beſtände ſchon frühe durchforſte und die Her⸗ ausnahme der abgeſtorbenen und unterdrückten Stämme nicht in größeren Zeitintervallen, ſondern ſo oft, als thunlich, wiederhole. Werden, wie dies noch gar zu häufig geſchieht, die Durchforſtungen zu lange hinausgeſchoben, ſo häufen ſich zu große Maſſen von Durchforſtungsholz an, durch deren plötzliches Entfernen der Beſtandsſchluß unterbrochen wird, weßhalb denn ſolche Beſtände kurze Zeit nach der Durchforſtung dem Windwurf am erſten unterliegen. Die größte Gefahr durch Stürme droht den Waldungen während der Periode der natürlichen Verjüngung, weil zu dieſem Zwecke die Beſtände gelichtet werden müſſen. Wir haben oben angegeben, wie man dem Wind— wurf in ſolchen Beſtänden durch ſachgemäße Auswahl und Führung der Schläge begegnen, oder ihn doch wenigſtens vermindern könne, und müſſen jetzt hinzufügen, daß auch durch eine ſorgfältige Stellung der Verjüngungs⸗ ſchläge dieſem Uebel vorgebeugt werden kann. Dahin gehört, daß man den Vorbereitungsſchlag ſchon frühzeitig beginnen läßt und durch öfteren Aushieb der zur Beſamung ungeſchickten oder von dem Winde beſonders leicht zu be⸗ ſchädigenden Stämme den ſtehenbleibenden eine ſtärkere Bewurzelung ver- ſchafft, ohne dagegen durch ſtellenweiſe zu weit gehende Auslichtung den Kro— nenſchluß zu unterbrechen, ferner daß man an der Sturmſeite die Beſtände dunk⸗ ler halte, vor Allem aber die Randbäume belaſſe, damit dieſe den erſten An⸗ drang des Windes brechen können. Auch hüte man ſich, die Randſtämme zu entaſten. Denn wenn der Wind einmal im Rande eine Oeffnung gefun⸗ den hat, ſo gelingt es ihm viel eher, die ſchlechtbewurzelten Stämme im Innern des Beſtandes niederzuwerfen. 416 Einfluß der Luftſtrömungen auf die Waldvegetation. Es erübrigt noch, am Schluſſe dieſes Abſchnittes etwas über die Bir belwinde zu ſagen. Die heftigſten Orkane in der heißen Zone ſind ſtets Wirbelwinbe, und zwar werden dieſe durch zwei Luftſtrömungen verurſacht, welche ſich parallel, aber in entgegengeſetzter Richtung neben einander fortbewegen. Dabei rückt der Mittelpunkt der Drehung ſtetig vorwärts, indem er auf ſeinem We eine Bogenlinie beſchreibt. Auch in Deutſchland laſſen ſich dergleichen Wirbelwinde nicht ſelten beobachten, ſie dehnen ſich aber hier nicht über eine ſo große Fläche aus, wie in der heißen Zone. Im Jahre 1821 durchzog ein Wirbelwind in der faſt eonftanten Breite von 25 Metern ½ Stunde von Gießen den Diſtriet Neu⸗ mark und drehte alle Bäume (80—100jährige Kiefern) vollſtändig und zwar durchaus in der Richtung von der Linken zur Rechten ab. Die Verheerung erſtreckte ſich auf eine Viertelſtunde Weges, dann war jede * von 3 verſchwunden. Schwerlich dürfte es ein Mittel geben, um die Waldungen vor dien gefährlichen Wirbelſtürmen ſicher zu ſtellen. tal * } . Fünfzehntes Buch. Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. 1. Einleitung. Von den Einflüſſen, welche die Meteore auf die Vegetation äußern, fällt keiner mehr in die Augen, als derjenige der Wärme. Wir ſehen, daß im Winter die Vegetation ſtockt, daß ſie im Frühjahr, wenn eine höhere Tem⸗ peratur eintritt, wieder erwacht und im Herbſt, wenn die Wärme abnimmt, von Neuem in Stillſtand geräth. Treten im Frühjahr, nachdem die Vegetation bereits erwacht iſt, kalte Tage ein, ſo bleibt das Wachsthum der Pflanzen augenblicklich zurück; es ſetzt ſich aber fort, ſobald die Temperatur wieder in's Steigen kommt. Am auffallendſten gibt ſich der Einfluß der Wärme an der Vertheilung der Gewächſe in horizontaler und vertikaler Richtung kund. Die heiße Zone enthält nicht allein die meiſten Individuen, ſondern beſitzt auch den größten Artenreichthum; die höher entwickelten Phanerogamen herrſchen in ihr gegen die Cryptogamen vor, während in der kalten Zone das umgekehrte Verhält⸗ niß beſteht. So gehören z. B. von den 200 Pflanzenſpecies, die auf Spitz⸗ bergen vorkommen, ½ den Cryptogamen an. Steigt man von den Küſten des Großen Oceans in der Nähe des Aequators auf die Anden von Südamerika, ſo ſtellt ſich ein ähnliches Bild dar. Unten am Meere Palmen, weiter nach oben hin Waldungen von Bäu⸗ men, welche ſich auch in der gemäßigten Zone finden, dann nur noch Gras— ländereien, zuletzt Flechten und Mooſe bis zur Grenze des ewigen Schnee's hin. Die Abnahme der Temperatur in horizontaler Richtung bringt in Bezug auf die Vegetation faſt den nämlichen Effect hervor. 2. Einfluß der Wärme auf die periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation. a. Allgemeines über die Wirkungsweiſe der Wärme. Wie Jedermann bekannt iſt, hängen die periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation, zu denen wir den Ausbruch der Blätter, die Blüthe, die Frucht⸗ Heyer, Bodenkunde. 27 418 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. reife und den Blätterabfall, in gewiſſem Sinne auch die Keimung rechnen, von der Temperatur ab. Wie letztere hierbei wirke, darüber ſind wir durch⸗ aus noch nicht im Klaren; da übrigens die periodiſchen Erſcheinungen alle von chemiſchen Prozeſſen begleitet ſind und da wir wiſſen, daß jede chemiſche Action — ſei es nun eine Verbindung, oder eine Zerſetzung — von einem beſtimmten Wärmegrad bedingt wird, ſo iſt wenigſtens einiges Licht auf die Wirkungen geworfen, welche die Temperatur bei den genannten periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation hervorbringt. Es wurde bereits an einem andern Orte ausgeführt, daß bei den Bäu⸗ men die Entfaltung der Knoſpen mit dem Steigen des Saftes eintritt. Der letztere Vorgang iſt aber faſt ausſchließlich chemiſcher Natur. Im Herbſte ſind die Markſtrahlenzellen des Holzes vollgepfropft von Stärkemehlkörnchen; im Frühjahr, wenn der Saft ſich erhebt, verſchwindet das Amylon, an ſeine Stelle tritt Dextrin, Zucker, oder Terpenthinöbl. Wir wiſſen bis jetzt noch nicht mit Sicherheit die Urſache anzugeben, durch welche das Amylon in die letztgenannten Stoffe verwandelt wird, wenn es ſchon wahrſcheinlich iſt, daß die ſtickſtoffhaltige Subſtanz der Zellen dieſen Uebergang vermittelt. Sollte letzteres der Fall ſein, dann kann kein Zweifel über die Rolle herrſchen, wel⸗ che die Wärme beim Steigen des Saftes ſpielt. Es iſt uns ja bekannt, daß die Ueberführung des Amylons in Traubenzucker in den keimenden Samen, welche durch eine Zerſetzung der ſtickſtoffhaltigen organiſchen Subſtanz bewirkt wird, nur bei einer gewiſſen Temperatur erfolgt. Auch alle übrigen Metho⸗ den, um Stärkemehl in Zucker zu verwandeln, wie z. B. die Anwendung von Schwefelſäure, erfordern einen beſtimmten Wärmegrad, unter welchem der Prozeß nicht von ſtatten geht. Auch die Blüthe iſt von dem Auftreten gewiſſer chemiſcher Verbindun⸗ gen (z. B. flüchtigen Oelen) begleitet, welche ihr eigenthümlich ſind. Noch ausgeprägter ſind die Veränderungen, welche die unreifen Früchte bis zur Beendigung der Reifezeit erleiden. Die Säure der Aepfel, Weintrauben, Vo⸗ gelbeeren ꝛc. nimmt mit der Entwicklung dieſer Früchte immer mehr ab, bis ſich zuletzt an ihrer Stelle Zucker, Dextrin, oder Schleim findet. Haben wir uns nun davon überzeugt, daß die Wärme eine Bedingung für die Lebenserſcheinungen der Gewächſe bildet, ſo kann es uns nicht auffal⸗ len, warum in unſern Gegenden viele Bäume nur ſommergrün ſind, welche ſchon in der Türkei und in Griechenland das ganze Jahr hindurch im Laube ſtehen. In den wärmeren Klimaten fallen die Blätter zwar ebenfalls ab, nachdem ſie ihre Functionen erfüllt haben, allein mittlerweile bilden ſich ſchon wieder neue, ſo daß der Baum des Blätterſchmucks nie ganz entbehrt. Auch das Blatt erlangt, wie die Frucht, ſeine Reife, die von einer ge⸗ wiſſen Temperatur abhängig iſt. Hat dieſe gefehlt, war alſo z. B. der Som⸗ mer kalt, ſo fallen die Blätter oft gar nicht ab, ſondern bleiben, ſelbſt wenn ſie durch die Kälte des Winters zu Grunde gehen, noch lange an den Zweigen Wirkungsweiſe der Wärme. 419 hängen, ähnlich wie die Blätter von unterdrückten Stämmen, welche wegen Mangel an Licht und Wärme zugleich ihren Lebenscyelus nicht zu rechter Zeit vollenden können, oft noch bis zum Frühjahr den Baum bekleiden. b. Unterſuchung, ob die Effecte der Wärme den Temperaturgraden einfach proportional ſeien. Wir wenden uns jetzt zu der Beantwortung der Frage: wie hängen die periodiſchen Erſcheinungen des vegetativen Lebens von der Höhe der Tem⸗ peratur ab? Sind die Effecte, welche die Wärme hervorbringt, den Wärme⸗ graden einfach proportional, oder findet ein anderes Verhältniß ſtatt? Die erſtgenannte Unterſtellung wurde ſchon 1765 von Réaumur und ſpäter von Cotte und Adanſon gemacht. Bouſſingault unternahm es, ihre Richtigkeit auf dem Wege der Beobachtung nachzuweiſen. Er drückt ſich dar⸗ über folgendermaſſen aus: Wenn irgend eine Phaſe des Pflanzenlebens ge- nau von der Temperatur abhängig iſt, ſo muß ſtets die nämliche Wärme⸗ ſumme an dem Orte der Cultur erreicht werden, bis dieſe Phaſe eintritt, einerlei, welches die Lage dieſes Ortes ſei. Hierbei iſt aber natürlich ange⸗ nommen, daß die Gewächſe je nach Gattung und Art verſchiedene Wärme⸗ ſummen zählen. Bouſſingault addirte alſo die mittlere Wärme der Tage, welche bis zur Vollendung der betreffenden Phaſe verfließen. Nachſtehend theilen wir die Wärmeſummen mit, welche ſich nach ſeinen Beobachtungen von der Ausſaat des Waizens, der Gerſte, dem Legen der Kartoffel bis zur Erndte dieſer Früchte ergeben. Waizen. a. Dauer der Cultur. b. Mittl. Temperatur. e. Produet aus a. b Orte Tage Bechelbronn im Elſaß Sommerwaizen 131 15,8 2070 Winterwaizen 137 15,0 2055 Paris Winterwaizen 160 134 2144 Kingſton (New York) Winterwaizen 122 17,2 2098 Sommerwaizen 106 20,0 2120 Cineinnati (Ohio) Sommerwaizen 137 15,7 2151 Quinchugui (am Aequator) Sommerwaizen 181 14,0 2534 Tormero ) Venezuela 92 24,0 2208 Truxillo | Sommerwaizen 100 22,3 2230 Mühlhauſen in Thüringen Winterwaizen 176 11,14 1960 27* 420 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. Gerſte. a hi b a. b Bechelbronn Wintergerſte 122 14,0 1748 Sommergerſte 92 19,0 1708 Alais 8 137 13,1 1795 Aegypten „ 90 210 1890 Kingſton 5 92 19,0 1738 Cumbal 1 168 10,7 1798 Santa⸗ e „ 122 14,7 1793 Kartoffel. a | b a. b Elſaß 1836 111 18,2 3039 „ Durchſchnitt 183 18,2 2944 Alais 183 21,1 3228 Mühlhauſen (Thür.) 1 15,56 2078 Am See von Valenzia 120 25,5 3060 Merida (Cordilleren) 137 22,0 3060 Santa-Fe / 200 14,7 . 2930 Pinantura (am Antiſana) 276 11,0 3036 Cambugan (am Cotocache, Aequator) eircallMonate ? 3192 Puſuqui daſ. circa 200 T. 15,5 3180 Wenn man nun auch dem Umſtande Rechnung trägt, daß die Erndte der Feldgewächſe nicht blos von der Reifezeit der letzteren, ſondern von noch gar vielen andern Umſtänden, z. B. dem Wetter abhängt, ſo wird man doch die Differenzen, welche die Bouſſingaultſchen Zahlen für eines und dasſelbe Gewächs zeigen, zu groß finden, um nicht ſchließen zu müſſen, daß die Effeete der Wärme den Temperaturgraden nicht einfach proportional ſeien. Dies lehrt auch ſchon folgende ſimple Betrachtung. Man habe an zwei Tagen hinter einander die Temperatur von 80 beobachtet, an einem dritten Tage die von 160. Nach einfachen Summen wären die Wirkungen gleich, denn 89 80 — 160. Allein es iſt gewiß, daß eine Temperatur von 16 an einem Tage mehr ausrichtet, namentlich was das Reifen gewiſſer Früchte, z. B. des Weinſtocks anlangt, als die Temperatur von 8 und nochmals 8 Graden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. c. Vorausbeſtimmung der periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation nach der Summe der Quadrate der Temperaturen. Um den eben berührten Anſtand zu beſeitigen, nahm Quetelet hypothe⸗ tiſch an, daß die Wirkungen der Wärme nicht nach den Summen der einfachen Temperaturgrade, ſondern nach den Summen der quadrirten Temperaturen Wirkungsweiſe der Wärme. 421 zu berechnen ſeien. Nach dieſer Unterſtellung würde alſo der Wirkungswerth von zweimal 80 nicht 16, ſondern 882 64464128, der Wirkungs⸗ werth von 16 aber 162 256 ſein, es würde daher eine einmalige Tempe⸗ ratur von 16 der Begetation doppelt jo viel nützen, als zwei auf einander⸗ folgende Temperaturen von je 8 Graden. Augenſcheinlich kommt die Quete- let ſche Rechnungsmethode der Wahrheit näher, als diejenige von Bouffingault, ohne daß man dem Verfahren von Quetelet eine abſolute Richtigkeit bei⸗ meſſen könnte, denn es beruht eben nur auf einer Hypotheſe. Die Wahl des Exponenten 2 iſt eine ganz willkührliche, die Wirkungen der Wärme könnten eben ſo gut einer andern Potenz proportional ſein. Die Beobachtungen, welche Quetelet anſtellte, um ſeine Zählmethode zu rechtfertigen, ſprechen zwar zu Gunſten der letztern, indeſſen iſt der Ausſchlag ſo klein, daß er zur Erbrin⸗ gung des Beweiſes kaum für geeignet befunden werden dürfte. Quetelet berechnete, daß die Summe der einfachen Temperaturen, welche ſich vom erſten froſtfreien Tage bis zum Eintritt der Blüthe der Syringe er⸗ geben, 476, die Summe der Quadrate der Temperaturen 4296 beträgt. Zählt man nun, ſagt Quetelet, in irgend einem andern Jahre von dem nämlichen Termine an die Temperaturen nach dieſen beiden Methoden, ſo wird diejenige die Wirkungsweiſe der Wärme am richtigſten ausdrücken, welche mit der Be⸗ obachtung am genaueſten übereinſtimmt. Nach Quetelet ſollte die Syringe blühen im Jahr nach der Summe der einfachen der quadrirten ſie blühte aber wirklich Temperaturen 1839 10,5 Mai 9,3 Mai 8 10 Mai 1840 40 „ a; 28 April 1841 23,3 April 23,0 April 24 „ 1842 22,5 „ 27,3 „ 28 1843 10%. 75 19 7% „ ü 20 „ 1844 220 0% 23,5 „ 25 Im Mittel 27,0 April 27,5 April 27,5 Apel Wie man ſieht, ſtimmt die Rechnung mach quadrirten Temperaturen ge⸗ nauer mit der Beobachtung überein, als diejenige nach einfachen Temperatu⸗ ren, doch will der Unterſchied von einem halben Tage gar nichts bedeuten, denn Jeder, welcher ſchon einmal verſucht hat, die Blüthezeit irgend einer Pflanze feſtzuſtellen, wird zugeben, daß dies, und namentlich bei der Syringe, nicht genau auf einen halben Tag bewerkſtelligt werden kann. Die folgenden Beiſpiele, in welchen a die Summe der Quadrate, b der einfachen Tempera⸗ turen bedeuten, geben ſchon einen etwas größern Ausſchlag zu Gunſten der Quetelet ſchen Hypotheſe, find aber gleichfalls nicht vollkommen entſcheidend. 422 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. Fruchtreife ö 1841 1842 1843 1844 Mittel beobachtet 24 Mai 1 Juni 15 Juni 5 Juni 3 Juni Fragaria vesca a 12000 24 % 4 „ 7 9. Bi, © 10a, rauy ep T 0 g Ribes rubrum ase da 9 Juni 12 „ 15 „ 9 — © 52 Rides nierm 400 20MRai 1d , len eg b 1170 5 Juni 10 „ 14 „ 15 „5 11 beobachtet 22 % 20 „ 25 %½ 22 Ge Ribes been, a 17500 12 „ 20 „ 1 Juli 27 % BB b 1370 20 „ 20 27 Juni 7 „ẽ 23 beobachtet 15 Aug. 11 Aug. 21 Aug. 24 Aug. 18 Aug. Amygdalus persica a 33000 15 :i,,: 9 /„ a „ 290 uk, 8 :b:i2267. 17 % O h ee Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß das Geſetz, nach welchem die Wirkſamkeit der Temperaturen ſich bemißt, noch nicht ermittelt iſt. Um es zu finden, müſſen noch viele andere Hypotheſen aufgeſtellt und durch eine zahl⸗ reiche Reihe von Beobachtungen geprüft werden. d. Ausgangspunkt für das Zählen der Temperaturen. Wenn man bei dem Summiren der Temperaturen nach dem Verfahren von Cotte oder Quetelet diejenigen Temperaturgrade, welche über dem Ge⸗ frierpunet liegen, als poſitiv, diejenigen unter O aber als negativ zählt, jo un⸗ terſtellt man, daß alle poſitiven Temperaturen den Eintritt der betreffenden Vegetationsphaſe begünſtigen und daß alle negativen Temperaturen ein ſchon gewonnenes Reſultat des Fortſchrittes wieder rückgängig machen. Dieſe An⸗ nahme ſteht aber mit den Thatſachen im Widerſpruch. Die Vegetation er⸗ wacht nicht gerade bei einer Temperatur von 00, für die Mehrzahl der Ge⸗ wächſe iſt eine mittlere Tagestemperatur von 6—8 Graden über O erforderlich, damit ſie in's Treiben kommen. Um den Eintritt einer Vegetationsphaſe rich⸗ tig vorauszubeſtimmen, müßte man daher nur diejenigen Temperaturen in Rechnung bringen, welche für die Pflanze von Vortheil ſind, vorerſt aber Be⸗ obachtungen über das noch zuträgliche Temperaturminimum anſtellen. Ebenſo wäre mit den Temperaturen unter 00 zu verfahren. Diejenigen Gewächſe, welche Temperaturen unter 00, ohne zu erfrieren, ertragen, werden durch ſolche Wärmegrade durchaus nicht in ihrer Entwicklung zurückgeſetzt, ſondern nur aufgehalten; die chemiſchen Veränderungen des Zelleninhaltes gerathen in's Stocken, ſetzen ſich aber mit dem Eintritt höherer Temperaturen augen⸗ blicklich wieder fort. Um alſo ein richtiges Reſultat zu erlangen, müßte man alle Temperaturen, welche unterhalb des zur Entwicklung einer Pflanze geg neten Wärmegrades liegen, gänzlich aus der Rechnung laſſen. Indem Quetelet zur Vorausbeſtimmung des Blattausbruchs (und Ber Umſtänden auch der Blüthe) die Temperaturen vom erſten froſtfreien Tage an Wichtigkeit der Wärme für das Reifen der Früchte. 423 zählt, vermeidet er blos die negativen Temperaturgrade, aber nicht die poſiti⸗ ven, welche unterhalb des für die Vegetation noch zuträglichen Temperatur⸗ minimums begriffen ſind. Aus dieſem Verſehen ſind die Differenzen zwiſchen ſeinen Rechnungen und Beobachtungen wohl zum Theile entſprungen. Hundeshagen zählt zur Vorausbeſtimmung des Blattausbruchs die Tem⸗ peratur vom Blätterabfalle im Herbſte an durch den ganzen Winter hin⸗ durch. Obwohl nicht zu läugnen iſt, daß auch im Winter der Zelleninhalt bei gewiſſen Temperaturen Veränderungen erleidet, die ſonſt nur im Frühjahr ſtattfinden (in Amerika gewinnt man den Ahornſaft an warmen Tagen im Januar und Februar, es iſt alſo die Umwandlung des Amylons in Zucker ſchon im Winter vor ſich gegangen), ſo ſind doch die Temperaturen des Win⸗ ters zu klein, als daß ihre Beachtung die Rechnung viel genauer machen könnte. In der That bemerken wir, daß hauptſächlich die höheren Temperaturen von oft nur wenigen Frühlingstagen in Bezug auf den Blattausbruch den Aus⸗ ſchlag geben. Wie wenig die Temperaturen des Winters wirken, ſehen wir daran, daß nach einem warmen Winter, aber kaltem Frühjahr die Bäume nicht ſogleich bei nachherigem Eintritt von milder Witterung ihre Blätter ent⸗ falten, und daß nach ſehr kalten Wintern die Vegetation oft ſchon in wenigen Tagen große Fortſchritte macht, wenn jene von einer verhältnißmäßig höheren Temperatur begleitet ſind. e. Wichtigkeit der Wärme für das Neifen der Früchte. Aus den Beobachtungen von Bouſſingault ergibt ſich, daß von der Blüthe eines Gewächſes bis zur Fruchtreife eine gewiſſe Wärmeſumme ver⸗ fließen muß. Doch genügt dieſe nicht allein, um die Früchte zu ihrer Vollen⸗ dung zu bringen; hierzu find außerdem noch beſtimmte höhere Temperatur⸗ grade erforderlich. London und Frankfurt am Main haben dieſelbe mittlere Jahrestemperatur von 99,8; zu London kann der Weinſtock vom Frühjahr bis zum Herbſt die nämliche Wärmeſumme empfangen, wie zu Frankfurt, und dennoch ſind die Trauben in England zur Weinbereitung untauglich. Es rührt dies blos von dem Unterſchied der Temperatur des wärmſten Mo⸗ nats (Juli) her, welche für Frankfurt 180,9, für London nur 17,8 beträgt. Bei unſern Bäumen werden die Blütheknoſpen ein Jahr früher gebil⸗ det, ehe der Fruchtanſatz erfolgt; über die Ausgiebigkeit eines Samenjahrs entſcheidet daher die Temperatur von zwei Sommern. Es müſſen hier zwei Ereigniſſe zuſammentreten, um ein drittes möglich zu machen, und da zuſam⸗ mengeſetzte Wahrſcheinlichkeiten viel kleiner ausfallen, als einfache, ſo erklärt es ſich leicht, warum ſogenannte Vollmaſten ſo ſelten ſind. Nehmen wir bei⸗ ſpielsweiſe an, in irgend einer Gegend trete alle a Jahre ein ſo warmer Som⸗ mer ein, wie er zur Fruchtbildung erforderlich iſt, ſo wird die Wahrſcheinlich⸗ keit, daß ein gewiſſes Jahr einen ſolchen Sommer erhält, — = fein. Die 424 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. Wahrſcheinlichkeit, daß es in irgend einem Jahr viele und gute Früchte geben werde, was alſo von zwei aufeinander folgenden warmen Jahren abhängt, it aber S 5 5 = * wenn z. B. a S 4 ift, jo tritt nur alle 16 Jahre eine reichliche Samenerndte ein. Möglich iſt es, daß die Blüthenknoſpenbil⸗ dung andere Temperaturen erfordert, als die Fruchtreife; in dieſem Fall iſt die Wahrſcheinlichkeit eines Samenjahrs nicht durch 82 ſondern durch b ausgedrückt, in welcher Formel a und b verſchiedene Zahlen bedeuten. Es ſei z. B. a = 4, b = 6, ſo iſt A a 240 was ſagen will, daß nach den Regeln der Wahrſcheinlichkeit alle 24 Jahre ein vollſtändiges Samenjahr zu erwarten ſei. Freiſtehende Bäume tragen häufiger und reichlicher Samen, als ſolche in geſchloſſenen Beſtänden, weil hier der Einzelſtamm nicht ſo viele Wärme erhält, als da, wo die Sonne eine größere Zahl von Blättern treffen kann. Hieraus erklärt ſich die öftere Fruchtbarkeit der Oberſtänder in Mittelwaldun⸗ gen, der Alleeſtämme, der Bäume auf Viehwaiden, in Abtriebsſchlägen de. Deßhalb greift der Forſtwirth da, wo es ihm um eine reichliche und öfter wiederkehrende Fruchterzeugung der Waldbäume zu thun iſt, zur Auslichtung. (Vorhieb bei der natürlichen Verjüngung). Ob das Sonnenlicht in Bezug auf die Fruchtbildung eine hervorragende Rolle ſpiele, iſt noch nicht ausge⸗ macht, wahrſcheinlich begünſtigt es den Anſatz der Blütheknoſpen und die Um⸗ wandlung der Säuren in den Früchten in Zucker, Dextrin, Amylon ꝛc. (Un⸗ reife Früchte ſcheiden im Sonnenlichte Sauerſtoff aus. Sauſſure). f. Verſpätung der Vegetationsphaſen mit zunehmender Pol: und Meereshöhe. 7 Wie im Vorbereitenden Theile ausgeführt wurde, nimmt die Temperatur ab, je weiter ein Ort vom Aequator entfernt oder über der Meeresfläche er⸗ haben liegt. Es werden demnach auch die Vegetationsphaſen nach den näm⸗ lichen Richtungen hin im Gegenſatz zu niederen Breiten und meeresgleichen Lagen ſich verſpäten. Da aber das Geſetz der Temperaturabnahme nach dem Pol und den höheren Regionen des Luftkreiſes hin nicht blos von den ma⸗ thematiſchen Dimenſionen, ſondern noch von vielen andern Umſtänden abhän⸗ gig iſt, welche nicht wohl in die Rechnung einzuführen ſind, ſo läßt ſich auch der Einfluß, den die Pol⸗ und Meereshöhe auf das Zurückbleiben der Vege⸗ tation äußert, nicht für jeden Ort im Voraus beſtimmen. Die Eigenthümlichkeiten des Küſten⸗ und Binnenlandklima's machen ſich in Bezug auf den Eintritt des Blattausbruchs, der Blüthe, der Fruchtreife de. in auffallendem Maße geltend. Länder, welche in der Nähe der See liegen, haben wärmere Winter, als Orte tief im Continente, dagegen ſind letztere durch wärmere Sommer ausgezeichnet. Hieraus erklärt es ſich z. B., warum \ Verſpätung der Vegetationsphaſen. 0 425 in Brüſſel (mit 20,5 Wintertemperatur), wo der Weinſtock früher austreibt, als in Ungarn, z. B. Ofen (mit 0,06 Wintertemperatur), die Trauben zur Weinbereitung nicht benutzt werden können, während man in Ungarn vor⸗ treffliche Weine (Tokayer) erzieht. Allein Belgien hat nur 185,2, Ungarn da⸗ gegen 21,1 Sommertemperatur. — Der Ausfall an Wärme, welcher ſich durch das ſchiefere Auffallen der Sonnenſtrahlen in höheren Breiten ergibt, wird zum Theile wieder erſetzt durch die längere Dauer des Tages und der hierdurch bedingten längeren Wirkung der Sonnenſtrahlen, weßhalb Orte in Schweden und Rußland oft wärmere Sommertage haben, als mehrere Breite⸗ grade tiefer gelegene Orte in England. Daher kommt es denn, daß die Erndte der Gerſte in Mittelſchweden z. B. in Upſala, wo der Juli eine Temperatur von 173 beſitzt, durchſchnittlich 10 Tage früher eintritt, als in England, wo die Wärme des Juli nur 160 beträgt. Von großem Einfluſſe auf die Vollendung der Vegetationsphaſen iſt der Schutz durch die Umgebung, z. B. von höheren Bergen, oder Gebirgen, Wal- dungen x. Dieſe bewirken oft mehr, als eine um mehrere Grade ſüdlichere Lage. Im großen Durchſchnitt rechnet man, daß in der gemäßigten Zone auf 1 Grad nördlicherer Breite eine Verſpätung der Vegetationsphaſen von vier Tagen kommt. Doch iſt dies, wie bemerkt, nur eine Durchſchnittszahl. In Frankfurt am Main ſchlagen die Bäume oft acht bis vierzehn Tage früher aus, als in Gießen, welches noch nicht einen halben Breitegrad von jenem entfernt liegt; dieſer Unterſchied iſt dem Schutze zuzuſchreiben, welchen die Berge des Taunus dem im Thale gelegenen Frankfurt gewähren. Die Verſpätung, welche die Vegetationsphaſen bei wachſender Höhe über der Meeresfläche erfahren, weicht außerordentlich nach Maßgabe der Expoſition und des Schutzes durch die Umgebung ab. Daher kann es vorkommen, daß an einem höher gelegenen Orte der Blattausbruch, die Blüthe 2c. früher ein- treten, als in einer viel tieferen Lage. Zur Beſtätigung dieſes Satzes mögen einige von Weſſely mitgetheilte Angaben, welche dem Gebiete der Defterrei- chiſchen Alpen entnommen ſind, dienen. Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. 426 016% URYUFR u 0% — dee 77 148 IT nz 18 = — 4 83 — dnn 11 Um 8 — und 05 — ung 8 18 — mund 18 ung 91 — N — Wk > wih OL — ac II — 5 = wg IT wic 81 0797 0197 VOIUNIR una 5 — “ 81 pa — Je 81 — — „68 dns 98 Uns 85 Ind 81 — * SE — a Bn I 4 9 In 8 a mg 18 oe on 8? — Immo — uns 91 und pi und 9 — ene — 22 ı A ı 3 * nnn n — mund ol und 51 — uu 01 — u Ai u 21 ar nn — wi Il! 6 Eee wſß 6 WEGE WU OL — wic 8 Ad 9T ac 8 ac OT ach II ads € Bunangaänm — mil "8 — — =] F } 7 u II —.— — wg wß 9 wi 66 — wg 4 Bungnvpx 0177 OFT _08ET 0985 ps Ba Ma nos meus SWG aoqungocd aa uwe eile usb Bozz plug aao aaqungoc usb Bong 299% 2139919) plug use go gnunvgd 0 ngo: 0855 wong eee e neee Bungprgaaı a NG Verſpätung der Vegetationsphaſen. 427 Nach den Beobachtungen, welche Berghaus in den Jahren 1833—34 in Sachſen aufzeichnete, verſpätet ſich für 333 Meter Erhebung über den Meeresſpiegel bei die Blüthe die Erndte Winterwaizen um 22 Tage um 22 Tage ö Roggen " 13 " n 22 n Hafer " 20 " n 14 " Gerſte ” 22 1 5 22 0 Kartoffel 3 a BER Weſſely rechnet, daß der mittlere Unterſchied im Eintritt der Vege⸗ tationsphaſen für je 200 Meter Seehöhe etwa 6 Tage beträgt. Dies iſt aber nach d'Aubuiſſon die Höhe, welche in den Alpen einer Temperaturabnahme von 10 entſpricht. Auf 1 Grad wachſender Breite nimmt die mittlere Wärme um 00,6; alſo auf 1,66 Grad Breite um 1 vollen Grad des Thermometers ab. Da wir nun vorhin geſehen haben, daß für einen Breitegrad die Vege⸗ tationsphaſen um etwa 7 Tage zurückbleiben, fo folgt, daß eine gleiche Tem⸗ peraturverminderung in vertikaler Richtung, faſt den nämlichen Effect in Be⸗ zug auf die periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation hervorbringt, wie in horizontaler Richtung. Die Beobachtungen Bouſſingaults über die Erndte des Waizens, der Gerſte und Kartoffeln zeigen, wie die Zeit, welche ein Gewächs braucht, um eine Vegetationsphaſe zu vollenden, mit der Breite zunimmt. Dies kann na⸗ türlich nicht anders ſein, denn wenn die mittlere Tagestemperatur geringer wird, ſo iſt eine größere Zahl von Tagen erforderlich, damit die nämliche Wärmeſumme zu Stande komme. Es läßt ſich daher auch erwarten, daß die ſpät erwachende Vegetation der Hochgebirge längere Zeit bedarf, um eine beſtimmte Phaſe zu erreichen, als die Pflanzen in der Ebene. Wir laſſen zur Beſtätigung dieſes Schluſſes die Angaben von Weſſely folgen. Nach dieſem Schriftſteller verfließen im Hauptſtocke der Oeſterreichiſchen Alpen zwiſchen der Blüthenbildung und Fruchtreife 0 Seehöhe in Kirſche Winterroggen Gerſte Oeſter. Fußen 1500-2000 51 Tage 44 Tage 44 Tage 2000-3000 59 „ 46 „ 47 „ 30004000 , AT: AT 4000—5000 al 50 48 „ 50006000 vn n 56 " 5l " Wir haben oben darauf aufmerkſam gemacht, wie ſehr die Häufigkeit der Samenjahre von der Wärme abhängt. Im Hochgebirge werden deß⸗ halb die Samenjahre viel ſeltener eintreten, als in der Ebene. Nach Weſſely erfolgt bei der Fichte ein zur natürlichen Verjüngung genügender Samenabfall 428 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. In einer Meereshöhe in Nordabfalle und im im Südabfalle von Oeſter. Fußen Hauptſtock der Alpen der Alpen 1000 ! innerhalb 3 Jahren — 2000 1 4 „ innerhalb 3 Jahren 3000 " 6 „ ih 4000 1 8 5 1 5 7 4500 9 11 " „ 6 n 5000 " 72778 " ” 7 17 5500 7 Kl 77 7 8 77 6000 " Era tn") n 11 77 3. Einfluß der Wärme auf die Holzmaſſenerzeugung. Alle Beobachtungen ſprechen entſchieden dafür, daß die Holzmaſſener⸗ zeugung unter ſonſt günſtigen Verhältniſſen durch die Wärme beſchleunigt wird. Wir brauchen nur den Wuchs der Rieſenſtämme eines tropiſchen Ur⸗ waldes zu vergleichen mit demjenigen der Weide (Salix polaris) auf Nowaja⸗ Semlja, die in hundert Jahren ſich kaum 16 Centimeter über den Moosraſen erhebt, in welchem der kriechende Stamm ſich verbirgt, der oft erſt in der doppelten Zeit eine Dicke von 4—5 Centimetern erlangt. Im Hochgebirge, z. B. in den Alpen wird die Lärche in vielen hundert Jahren oft nicht ſtärker, als auf einem ihr zuſagenden Boden des Flachlands in einem halben Jahrhundert. Dagegen iſt es eine ausgemachte Thatſache, daß in den kalten Lagen der Hochgebirge das Holz an Feſtigkeit und Härte gewinnt. Es bilden ſich die weiten Gefäße oder Zellen des Frühlingsholzes in geringerer Zahl aus, der Jahrring beſteht zum größern Theile aus den dickwandigen engen Zellen, welche bei dem in der Ebene erwachſenen Holze mehr an der dem Centrum des Stammes entgegengeſetzten Seite des Ringes vorherrſchen. Vielleicht läßt ſich dieſe Erſcheinung durch die kürzere Dauer des Frühlings im Hoch⸗ gebirge erklären. Der Uebergang vom Winter zum Sommer iſt hier viel raſcher, als in der Ebene, der Frühling beſchränkt ſich nur auf wenige Tage, in welchen ſich eben ſo wenige der weiten Zellen oder Gefäße bilden können. Die engen Zellen ſind es aber, welche dem Holze Feſtigkeit, Tragkraft und Dauer verleihen; deswegen iſt das Lärchenholz der Alpen ſo ſehr für den Schiffsbau geſucht, während man ſolches, welches in der Rhein-Neckarebene bei Mannheim erwachſen iſt, nur der Pappel und Weide gleichſtellen kann. Dagegen iſt die Anſicht einiger Schriftſteller, daß die Lärche nur in ſo kalten Lagen, wie ſie z. B. die Alpen darbieten, zum ſtarken Baum erwachſe, eine durchaus irrige; der Verf. kennt in der Nähe ſeines Dienſtbezirkes in 300 Metern Meereshöhe Lärchenbeſtände, in welchen faſt alle Stämme eine Höhe von 30 Metern und eine Stärke von ½— / Metern aufzuweiſen haben, obgleich das Holz erſt 50jährig iſt. Die Qualität des letzteren ſteht freilich Einfluß der Wärme auf die Nebennutzungen. 429 derjenigen der Alpenlärche etwas nach, iſt aber noch immer vortrefflich genug, um dieſen Bäumen den Ruf eines ausgeſuchten Nutzholzes zu verleihen. In unſerem Klima beobachten wir häufig, daß die Nordſeiten der Berge mit ſtärkerem Holze beſtanden ſind, als die Südſeiten. Der Zuwachsausfall, den die letztern zeigen, kommt hier allerdings auf Rechnung der Wärme, aber nicht in unmittelbarer Beziehung. Die Wärme wirkt an den Südſeiten nur deßhalb nachtheilig auf die Holzmaſſenerzeugung ein, weil ſie die Feuchtigkeit des Bodens verzehrt, eine übermäßige Verdunſtung der Blätter hervoruft und den Humus, namentlich die abgefallenen dürren Blätter ſo weit austrocknet, daß dieſe leicht ein Spiel der Winde werden. Ueberall da, wo es den Süd— ſeiten nicht an natürlicher Feuchtigkeit mangelt, wo z. B. der Boden durch Quellen friſch erhalten wird, iſt der Holzzuwachs ſtärker, als auf den Nord- ſeiten. Dieſes Verhalten hat der Verfaſſer zum öfteren im Schwarzwald beo— bachtet. Es gibt keine Baumart, ja man kann ſagen, keine Pflanze, welche in kalten Lagen mehr Holzfaſer bildete, als in einem warmen Klima, vorausge- ſetzt, daß es dieſem nicht an der nöthigen Feuchtigkeit des Bodens und der Luft: fehle. Alle Gewächſe, welche der Polarzone eigen find oder zunächſt der Schneegrenze im Hochgebirge wohnen, ſind an dieſen Standort nicht durch die Kälte an und für ſich, ſondern durch die Feuchtigkeit gefeſſelt, welche ihnen dort zu Gebote ſteht oder ihnen ſelbſt, wegen der geringen Verdunſtung, erhalten bleibt. Bringen wir dieſe Pflanzen in die feuchte Atmoſphäre eines warmen Treibhauſes, ſo ſehen wir dieſelbe ſich viel kräftiger entwickeln, als in ihrer eigentlichen Heimath. 6 Wo an Feuchtigkeit kein Mangel iſt, da wirkt die Wärme nur günſtig auf die Maſſenerzeugung des Holzes ein. 4. Einfluß der Wärme auf die Nebenuntzungen der Holzbeſtände. Daß die Erndten von Getraide und Gras in warmen, aber nicht gerade trockenen Lagen beſſer ausfallen, als auf kalten Standorten, iſt eine ausge— machte Sache. Auf den Zuckergehalt der Pflanzen⸗Säfte und Früchte wirkt die Wärme verſchieden ein. Es gibt Gewächſe, welche nur in heißen Klimaten Zucker liefern, während bei andern die Ergiebigkeit an Zucker abnimmt, ſobald ſie aus der gemäßigten in die heiße Zone gebracht werden. Zu den erſteren gehört z. B. das Zuckerrohr; in unſern Treibhäuſern erzogen iſt ſein Saft ärmer, als derjenige der Runkelrübe. Die Aepfel und Birnen dagegen ver- lieren in der heißen Zone an Süße. Der Zuckergehalt des Ahornſaftes iſt in ſolchen Gegenden am größten, welche neben recht warmen Sommern kalte Winter beſitzen, deswegen ift das innere Nordamerika ganz beſonders zur Cultur der auf Zucker zu benutzenden Ahorne geſchickt. Der Gehalt der Eichenrinde an Gerbſtoff ſcheint im ſüdlichen Deutſch—⸗ 430 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. land größer zu ſein, als im nördlichen; doch liegen noch zu wenige Unter⸗ ſuchungen vor, als daß man mit Sicherheit hierüber entſcheiden könnte. Nach den Erfahrungen des Verf. iſt im mittleren Deutſchland der Gerbſtoffgehalt der Eichenrinde in den Niederungen nicht ſo bedeutend, als auf den Vor⸗ bergen und in etwas exponirten Lagen. Die Knoppern erzeugen ſich nur in Gegenden mit warmen Sommern. Der Terpenthingehalt der Nadelhölzer nimmt gegen Süden zu, auch lie⸗ fern Südſeiten eine verhältnißmäßig beträchtlichere Ausbeute an Harz, als Nordſeiten. 5. Hitze. So wohlthätig die Wärme auf die Vegetation einwirkt, wenn es dieſer nicht an Feuchtigkeit mangelt, eben fo ſchädlich wird fie im entgegengeſetz⸗ ten Falle. Die Hitze iſt der Waldvegetation in zweifacher Hinſicht nachtheilig: ein- mal dadurch, daß ſie die Pflanzen zu übermäßiger Verdunſtung ihrer Feuchtigkeit reizt, zum andern wegen der Austrocknung des Bodens. Am meiſten leiden durch die Hitze diejenigen Holzarten, welche ſchon an und für ſich, durch die Structur der Blattoberfläche, zur Verdunſtung geneigt ſind, alſo namentlich die Buche, Fichte und Weißtanne. Aber auch dieſen ſchadet die Hitze mehr in dem jugendlichen Alter, wenn die Wurzeln noch nicht tief in den Boden eingewurzelt ſind. Daß flachwurzelnde Holzarten, namentlich auf einem nicht tiefgründigen Boden der Hitze eher unterliegen, als Holzarten mit tiefgehender Bewurzelung, bedarf keine weitere Ausführung. Eine erhöhte Temperatur der Luft im Schatten wird den Gewächſen bei weitem nicht ſo nachtheilig, als das directe Auffallen der Sonnenſtrahlen, weil die Wärme, welche die letztern erzeugen, wenn ſie einen Gegenſtand treffen, viel größer iſt, als die Temperatur, welche die Luft ſelbſt annehmen kann. Am verderblichſten wird die Hitze, wenn beides zuſammenwirkt. Die Wärme, welche einem Körper durch die Sonnenſtrahlen mitgetheilt wird, wächſt in dem Maße, als der Winkel, unter welchem die Sonnenſtrah⸗ len auffallen, einem rechten ſich nähert. Daher leiden die Pflanzen durch die Hitze an Süd⸗, Südoft- und Südweſtſeiten mehr, als auf den übrigen & pofitionen und ah ebenen Lagen. Die ſchädlichſten Wirkungen der Hitze erreichen übrigens nicht gernde im Sommerſolſtitium, alſo im letzten Drittel des Juni, ihren höchſten Betrag, wenn ſchon die Sonne zu dieſer Zeit am höchſten ſteht; die Verheerungen der Dürre treten vielmehr am ſtärkſten durchſchnittlich im Juli und ſelbſt im Auguſt ein. Die Urſache dieſes Verhaltens liegt darin, daß das Maximum der Luft⸗ temperatur nicht mit dem höchſten Stand der Sonne zuſammenfällt, ſondern etwa einen Monat ſpäter erfolgt. Bis dahin hat ſich zwar die Sonne ſchon etwas, aber doch verhältnißmäßig noch nicht viel geſenkt. Ende Juli und Sitze. 431 Anfang Auguſt bilden alſo die Periode, in welcher eine ſolche Temperatur der Luft, und ein hoher Stand der Sonne zuſammentreffen. Um dieſe Zeit hat überdies auch der Boden von der Feuchtigkeit, welche ihm während des Win⸗ ters und des Frühlings zu Theil geworden war, ſchon viel verloren, wenn nicht gerade der Sommer durch häufige Regen ausgezeichnet war. Im Früh⸗ jahr ſind zwar die jungen Pflänzchen noch viel ſchwächer bewurzelt, als im Sommer, trotz dem rafft die Dürre in der letzteren Jahreszeit eine größere Zahl Pflanzen hin; es rührt dies daher, weil der Boden im Frühjahr mehr Feuchtigkeit beſißt, als im Sommer. Hiermit ſoll übrigens nicht gefagt fein, daß im Sommer unter allen Umſtänden mehr Schaden durch Dürre ftatt- findet, gar oft ift das Frühjahr trocken und der Sommer feucht, in dieſem Falle leiden natürlich die Pflanzen im Frühjahr mehr von der Dürre. Aber im großen Durchſchnitt ſterben doch im Sommer, und zwar Ende Juli und Anfang Auguſt, mehr Pflanzen in Folge von Dürre ab, als im Frühjahr. Am verderblichſten werden die Sonnenſtrahlen den Holzpflanzen dann, wenn fie dieſe von zwei Seiten zugleich treffen, nämlich einmal direct (a) Figur 161. (Fig. 161.) und das an⸗ dere Mal durch Reflexion (b). Dieſer Fall ereignet ſich am häuſigſten in den Abtriebsſchlägen, wenn die Mutterbäume zu lange übergehalten werden und endlich ſo licht zu ſtehen kommen, daß die Sonnen⸗ ſtrahlen die Stammrinde direct treffen können. Iſt dieſe nun glatt oder hat ſie, wie bei ältern Buchen und Weißtannen und bei Birken der Fall iſt, eine helle Farbe, ſo wirkt ſie wie ein Spiegel, ſie gibt die Sonnenſtrahlen (b) in dem nämlichen Winkel zu⸗ rück, in welchem dieſe der 185 * BE: Rinde zugekommen waren. So wird „ in fü unmittelbaren Umgebung des Mutterſtammes eine faft kreisförmige Fläche, welche ſich während der dunkleren Stellung des Schlages mit jungen Pflanzen beſtockt hatte, ganz verſengt, und es läßt ſich nicht eher auf derſelben kultiviren (geſchweige denn eine natürliche Beſamung erwarten), bis der die Sonnenſtrahlen veflectivende Mutterſtamm entfernt worden iſt. 432 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. Je mehr Feuchtigkeit ein Boden durch ſeine Lage beſitzt, je mehr er ver⸗ möge ſeiner Zuſammenſetzung geſchickt iſt, ſich in dem Zuſtand der Friſche zu erhalten, um ſo weniger haben die auf ihm wachſenden Pflanzen von einer hohen Temperatur der Luft und von den Sonnenſtrahlen zu leiden. Auch Tiefgründigkeit des Bodens ſchützt gegen die Hitze, weil fie den Pflanzen ge ſtattet, längere Wurzeln zu bilden und mit dieſen die unteren friſcheren Erd⸗ ſchichten zu erreichen. Iſt ein Boden mit Gras oder Unkraut überzogen, ſo nimmt dieſes die feinen Regenniederſchläge nebſt dem Thau auf, und hält dadurch den Boden trocken. Daher laſſen ſich die Holzpflanzen vor den verderblichen Wirkungen der Hitze oft dadurch bewahren, daß man den Bodenüberzug entfernt. Nun kommen die atmoſphäriſchen Niederſchläge der Erde unmittelbar zu gut und können zu den Wurzeln der Holzgewächſe gelangen. Die Bearbeitung des Bodens (z. B. das Umhacken) wirkt ebenfalls auf den Feuchtigkeitszuſtand desſelben günſtig ein, die rauhe Oberfläche der Erde ſtrahlt Nachts mehr Wärme aus, kühlt ſich alſo ſtärker ab und verdichtet in Folge deſſen viel Waſſerdampf aus der Atmoſphäre. Dies erklärt, warum die Pflanzen in den Forſtgärten, wo der Boden gelockert und vom Unkraut frei erhalten wird, weniger von der Dürre zu leiden haben, als die Culturen auf dem unzube⸗ reiteten Boden der Walddiſtricte. Dem Verf. find Sandſtrecken bekannt, auf welchen die Saat der Kiefer jährlich durch die Dürre einging; ſie gelang erſt dann, als der Boden durch den Bau von Hackfrüchten oberflächlich rauh ge⸗ macht worden war. Den nämlichen Dienſt leiſtet das ſog. Kurzhacken auf kahlen, unbeſamt gebliebenen Stellen in den Abtriebsſchlägen; der Verf, hatte vielfach Gelegenheit, zu beobachten, wie auf den wundgemachten Plätzen der Buchenaufſchlag ſich ſchnell und in überraſchender Fülle einſtellte. Schade nur, daß das Kurzhacken da, wo man nicht zahlungsunfähige Forſtſträflinge hierzu verwenden kann, zu theuer kommt; doch läßt ſich der nämliche Zweck auf nicht zu ſtark von Wurzeln durchzogenem und auf nicht ſteinigem Boden auch durch den Umbruch von Schweinen erreichen, der entweder ganz koſten⸗ frei oder ſogar noch gegen eine Vergütung von Seiten der Eigenthümer dieſer Thiere erfolgen kann. a Als wir oben (S. 396) die Wichtigkeit des Thaues für die Vegetation betrachteten, wurde erwähnt, daß die Waſſerreiſer der Mutterbäume in den Abtriebsſchlägen die Abkühlung des unter ihnen befindlichen jungen Nachwuch⸗ ſes und damit zugleich verhindern, daß ſich die kleinen Pflänzchen mit Thau beſchlagen. Natürlich müſſen ſolche Pflanzen in den trocknen Sommermona⸗ ten, wo die Zufuhr von Feuchtigkeit allein auf den Thau beſchränkt iſt, leicht durch Hitze zu Grunde gerichtet werden. Wie man durch Wegnahme der Waſſerreiſer dem Uebelſtande abhilft, wurde gleichfalls angegeben. 8 Ueberhaupt tritt auf trockenen Standorten, wo keine Fröſte zu befürchten ſind, gar bald der Zeitpunkt ein, nach welchem die Mutterbäume dem Nach Hitze. 4.33 wuchs mehr ſchaden, als nützen. So lange die Pflänzchen noch klein und ſchwach bewurzelt ſind, werden ſie durch die Oberſtänder gegen die Sonnen⸗ ſtrahlen geſchützt; haben ſie aber einmal ſich mehr ausgebildet, hat ſich das Wurzelſyſtem mehr entwickelt, ſo daß ſie ſelbſtſtändig vegetiren können, dann werden ihnen die Mutterbäume nur nachtheilig, indem ſie die feinen Regen⸗ niederſchläge auffangen und die Thaubildung am Boden verhindern. Auf ſolchen Standorten ſoll man daher mit der Räumung des Abtriebsſchlages nicht zu lange ſäumen. Auf Froſtſtellen dagegen iſt der Boden gewöhnlich auch feucht oder wenigſtens friſch, hier ſchadet trockene Witterung den jungen Pflanzen weit weniger, und die Mutterbäume können zum Schutz gegen die Fröſte ohne Nachtheil länger übergehalten werden. Wenn die Aufgabe vorliegt, eine gegen die Hitze empfindliche Holzart auf einer Blöße anzuziehen, ſo läßt ſich dieſelbe in mehrfacher Weiſe löſen. Entweder man bearbeitet den Boden vor der Ausſaat des Samens, oder man baut vorher eine Holzart an, welche von trockener Witterung und Son⸗ nenbrand weniger zu leiden hat, z. B. die Kiefer. Nach dieſen Methoden laſſen ſich Buchen-, Fichten⸗ und Weißtannenſaaten an ſolchen Orten aufbringen, wo kein förmlicher Oberſtand vorhanden iſt. Noch beſſer erreicht man aber ſeinen Zweck durch Wahl von ſtärkeren Pflanzen anſtatt der Saat. Werden die Pflanzen mit den Ballen eingeſetzt, ſo lege man den Lochballen dicht neben das Stämmchen an die Südſeite. Bei Rinnenſamen bringe man den Abraum eben dahin. f Pflanzen, welche in dichtem Schluſſe aufgewachſen oder längere Zeit überſchirmt geweſen find, gehen leicht ein, wenn ſie in's Freie verſetzt wer- den, wo die Sonne ungehindert auf ſie einwirken kann. Solche Pflanzen haben nämlich eine dünne zarte Rinde, welche, ähnlich wie das Blatt, zur Verdunſtung der Saftfeuchtigkeit ſehr disponirt iſt, während bei den von Ju⸗ gend auf frei erwachſenen Stämmchen eine verhältnißmäßig ſtärkere Borken⸗ ſchicht ſich erzeugt, welche die Verdunſtungsfähigkeit beſchränkt. Man ſoll daher auf ſolchen Localitäten, welche der Sonne ſehr exponirt find (z. B. auf Südſeiten) keine Pflanzen verwenden, welche mit dem genannten Mangel be- haftet ſind, oder erſt eine ausdauernde Holzart auf der Culturſtätte anziehen, welche jener zum Schutze gegen die Sonnenhitze dient. Schneller kommt man zum Ziele, wenn man die Pflanzen vor dem Einſetzen über der Wurzel abwirft, doch gilt dies nur für Laubhölzer. Aber auch noch ältere Exemplare von mehrern Holzarten, zu denen na⸗ mentlich die Buche, Hainbuche, die hochſtämmigen Ahorne, die Eſche und die glattrindige Rüſter gehören, leiden durch Sonnenbrand, wenn ſie plötzlich frei geſtellt werden, jo daß die Sonnenſtrahlen die Rinde direct treffen können. Hier geht aber ſelten die ganze Pflanze augenblicklich ein, es vertrocknet viel⸗ mehr zuerſt parallel mit der Stammaxe ein Streifen Rinde an der Seite des Baumes, welcher am ſtärkſten von der Sonne getroffen wird, und löſt ſich deyer, Bodenkunde. 28 Ei 434 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. nach und nach ab. Das Holz wird dadurch bloß gelegt und fault leicht ein, wenn nicht von den Rändern der noch feſt mit dem Stamm verbundenen Rinde eine Ueberwulſtung erfolgt, welche die entblößte Stelle allmählig über⸗ deckt. Man nennt dieſe Erſcheinung Rindenbrandz; fie zieht das Abſterben des Baumes nur dann nach ſich, wenn die vertrocknete Rinde eine verhält⸗ nißmäßig große Fläche einnimmt. An rauhborkigen und bemooſten Stäm⸗ men kommt der Rindenbrand nicht vor. Um den Rindenbrand zu verhüten, darf man, namentlich auf unge⸗ ſchützten Südſeiten, die Durchforſtungen und Auslichtungen zum Zweck der Samenſchlagſtellung nicht zu ſtark greifen, man halte vielmehr den Hieb von vorn herein ganz ſchwach, wiederhole ihn aber öfter, damit die Rinde nach und nach erſtarkt und zuletzt die volle Einwirkung der Sonnenſtrahlen ohne Nachtheil erträgt. Auch verzichte man darauf, Stämme von ſolchen Holzar⸗ ten, welche den Rindenbrand zu fürchten haben, zur Nutzholzerziehung für einen zweiten Umtrieb überzuhalten. Ueberhaupt hat das Ueberhalten der Bäume noch . andere Mißſtände im Gefolge; werden nämlich ſolche Stämme im Laufe der Umtriebszeit ſchadhaft und müſſen ſie entfernt werden, ſo wird dadurch das junge Holz in der Umgebung dieſer Stämme bloß geſtellt und leidet nun, wenn es eine zärtliche Holzart iſt, ebenfalls vom Rindenbrand. Der Wald⸗ bau gibt übrigens Mittel an die Hand, um ſtarkes Holz in geſchloſſenen Waldungen zu erziehen, wo alle dieſe Nachtheile nicht zu beſorgen ſind. Wenn die Sonne den Boden direct treffen kann, dann trocknet ſie ihn mehr oder weniger aus und entzieht dadurch mittelbar den Pflanzen die Feuch⸗ tigkeit, welche dieſelben zu ihrem Beſtehen nöthig haben. Nicht alle Erdarten geben das Waſſer, welches ſie in ihren Zwiſchenräumen enthalten, gleich gut ab; alle gebundenen Bodenarten, wie Thon und Lehm, bewahren die Feuch⸗ tigkeit länger, als die leichtern Erdſorten, wie z. B. der Sand; der Humus hält ſie am längſten. Dunkel gefärbte Erden, z. B. ſolche, welche aus ſchwar⸗ zem, kohlehaltigem Thonſchiefer entftanden find, erwärmen ſich zu einem höhern Temperaturgrade, als Erden mit heller Farbe. Unter gewiſſen Ver⸗ hältniſſen kann eine deractige Temperaturerhöhung erwünſcht ſein; ſo überſtreut man z. B. am Rhein die Weinbergserde zuweilen mit Kohle, damit die Trau⸗ ben auch in weniger warmen Jahrgängen reifen. Wenn der Humus in Folge ſtarker Erwärmung ausgetrocknet wird, ſo verlieren die Subſtanzen, aus welchen er beſteht, alſo die Fragmente von Blättern, Nadeln, Zweigen, Unkräutern, Moos zc. ihren Zuſammenhang und werden leicht ein Spiel der Winde. Dadurch vermagert der Boden und wird dann ſowohl zur Holzerzeugung, als auch namentlich zur Aufnahme der von den Bäumen fallenden Baumſamen ungeſchickt. Dieſe Bodenausmagerung tritt dann beſonders in hohem Grade ein, wenn die Sonnenſtrahlen von mehrern Seiten her den Humus treffen können, wozu, wie ſchon oben ausgeführt wurde, eine Reflexion der Wärme gehört. Dieſer Fall tritt namentlich im — Froſt. 435 Umkreiſe alter freiſtehender Buchen mit heller Rinde häufig ein, während die rauhere, dunkler gefärbte Borke der Eiche die Wärme nicht in dem Maße reflectirt. Der Verf. kennt eine zu landwirthſchaftlicher Zwiſchennutzung ver⸗ pachtete Waldfläche, welche früher mit einzelnen Buchen und Eichen beſtan⸗ den war; noch gegenwärtig, nachdem die Bäume bereits mehrere Jahre ge⸗ rodet ſind, läßt ſich an dem ſchlechtern Wuchſe der Feldgewächſe die Stelle beurtheilen, wo eine Buche geſtanden hatte. 6. Einfluß der Bodenwärme. Je tiefer man von der Oberfläche des Bodens abwärts ſteigt, um ſo mehr findet man, daß die Differenzen der täglichen und monatlichen Tempe⸗ raturextreme verſchwinden. Es werden daher die Wurzeln der Bäume weder von ſo hohen Wärmegraden, noch von ſo ſtrenger Kälte getroffen werden, als die oberirdiſchen Theile des Stammes. Die Schwankungen der täglichen und monatlichen Temperatur verſpäten ſich gleichfalls mit der Tiefe. Dieſe Erſcheinung iſt in Bezug auf die Vege⸗ tationsdauer von Bedeutung. Denn erſtere wird, ſo läßt ſich vermuthen, bei tiefwurzelnden Bäumen etwas weiter in den Herbſt hinausgerückt werden, während der Blattausbruch ſpäter erfolgt. Der Schnee hindert, als ein ſchlechter Wärmeleiter, das Eindringen der Kälte in den Boden; ebenſo wirkt, aus dem nämlichen Grunde, der Humus. Deswegen friert der Boden, wenn er mit einer hohen Schichte Schnee oder Humus bedeckt iſt, im Winter nur bei höheren Kältegraden. Im Frühjahr äußert der Humus eine entgegengeſetzte Wirkung; er läßt die Wärme nur langſam in den Boden eindringen und hält dadurch das Erwachen der Vege— tation zurück. Dieſer Umſtand iſt für ſolche Orte, welche oft von Spätfröſten heimgeſucht werden, von Wichtigkeit. Bäume, deren Wurzeln mit Laub oder Moos c. bedeckt find, blühen zu einer Jahreszeit, in welcher die Fröſte bereits vorübergegangen ſind. f 7. Froſt. A. Nützliche Wirkungen des Froſtes. Der Winterfroſt nützt der Vegetation mittelbar dadurch, daß er den Boden lockert. Wenn das Waſſer, mit welchem jede Erdart mehr oder we— niger durchdrungen iſt, gefriert, ſo nimmt es einen größern Raum ein; dadurch werden die Theilchen der Erde von einander getrennt. Die durch den Froſt bewirkte Bodenlockerung iſt in zweifacher Beziehung vortheilhaft; die Wurzeln der Gewächſe können in ein ſolches Erdreich beſſer eindringen, und der Luft, dem Waſſer und der Kohlenſäure ſind mehr Angriffspuncte dargeboten, um die Erdpartikelchen zu zerſetzen. ' 28* 436 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. B. Schaden des Froſtes. a. Allgemeines über den Erfriertod bei den Pflanzen. Wenn chemiſch reines Waſſer auf die Temperatur von O00 erkältet wird, ſo geht es, einige wenige Ausnahmsfälle abgerechnet, aus dem flüſſigen Zu⸗ ſtand in den feſten über. Iſt aber das Waſſer mit andern Stoffen verun⸗ reinigt, welche in ihm aufgelöſt ſind, ſo liegt der Erſtarrungspunkt unter 00. Das Holz enthält zu allen Zeiten Feuchtigkeit, welche ſich theils in den Zellen und Gefäßen, theils aber auch in den Wänden derſelben befindet. Bei einer Temperatur, welche nur wenig unter O0 liegt, werden die Säfte der Gewächſe feſt. Dieſer Zuſtand verurſacht aber nicht bei allen Pflanzen den Tod. Die Vegetabilien, welche in der gemäßigten und kalten Zone heimiſch ſind, können unter gewiſſen Verhältniſſen weit niedrigere Temperaturen ohne Schaden er⸗ tragen. Dagegen ſterben manche rein tropiſche Pflanzen ſchon dann ab, wenn die Temperatur wenige Grade über dem Gefrierpunkt ſteht. So geht z. B. Ocymum basilicum immer ein, wenn die Wärme unter 4 50 ſinkt. Dieſe Pflanze iſt ſchon ſeit 1548 in England eingeführt, und doch hat ſich ihr Verhalten gegen die Temperatur noch nicht geändert. Man war früher der Anſicht, der Erfriertod beruhe auf einem Zerreißen der Zellen- oder Gefäßwände, welches durch die Eisbildung bewirkt werde. Wollte man nun auch annehmen, daß die Elemen⸗ tarorgane der Pflanzen durch das Gefrieren der Säfte in dieſer Weiſe verletzt werden, ſo beweiſen die ſo eben angeführten Thatſachen, daß dadurch die Pflanzen noch lange nicht zum Abſterben gebracht werden. Allein die vorige Annahme iſt auch ganz unrichtig, denn Göppert hat durch genaue anatomiſche Unterſuchungen gezeigt, daß die Wände der Holzzellen nicht zerriſſen werden, auch wenn ihr flüſſiger Inhalt durchaus in den feſten Zuſtand übergeht. Möglich iſt es, daß der Erfriertod durch gewiſſe Veränderungen in der phyſi⸗ kaliſchen und chemischen Beſchaffenheit der Subſtanz der Pflanzenzelle veran⸗ laßt wird; welches aber dieſe Veränderungen ſeien, darüber wiſſen wir bis jetzt noch jo viel, wie nichts. Hundeshagen hält den Erfriertod für eine „eigen⸗ thümliche Waſſerſucht“ der Gewächſe, welche „in dem Unvermögen beſtehe, das aus der Saftmaſſe herausgetretene Aufweichewaſſer wieder reaſſimiliren zu kön⸗ nen“. Er führt zur Unterſtützung dieſer Anſicht das Verhalten des Stärke- kleiſtes in der Kälte an. Wenn nämlich dieſe Subſtanz gefriert und dann wieder aufthaut, ſo wird ſie zum Kleben untauglich, eine helle wäſſerige Flüſſigkeit ſcheidet ſich ab und eine zähe elaſtiſche zum Kleben untaugliche Maſſe bleibt zurück. Gegen dieſe, von Vogel beobachtete, Thatſache läßt ſich nichts einwenden, allein es iſt entſchieden falſch, ſie zu verallgemeinern. Aus vielen in den Pflanzen vorkommenden hydratiſirten Säuren wird das Waſſer beim Gefrieren nicht ausgeſchieden; wir führen als Beleg z. B. die Oxalſäure Frofiſchaden. 437 an, dieſe läßt ſelbſt bei den niedrigſten Temperaturen ihr Hydratwaſſer nicht fahren. Nach dem gegenwärtigen Zuſtande der organiſchen Chemie und der Pfl anzenphyſiologie können wir von dem Erfriertod nichts Anderesſagen, als daß er auf einem Verſchwinden der Lebenskraft beruhe. Damit iſt aber die Erſcheinung lange noch nicht erklärt, denn dieſe Phraſe iſt weiter nichts, als eine Umſchreibung des Wortes Tod. b. Nmftände, von welchen das Erfrieren abhängt. a. Temperatur. Es iſt ſchon oben bemerkt worden, daß die Temperaturen, bei welchen die Pflanzen erfrieren, verſchieden ſind. Unter den tropiſchen Gewächſen gibt es einige, welche von Temperaturen über 0% getödtet werden, während ge- wiſſe Pflanzen der gemäßigten Zone eine Kälte aushalten, bei welcher das Queckſilber erſtarrt. Allein auch für eine und die nämliche Pflanze beſteht keine beſtimmte Temperatur, welche den Erfriertod hervorruft; letzterer hängt ganz be— ſonders von dem Zuſtande der Entwicklung ab, in welchem die Pflanze zur Zeit des Froſtes ſich befindet. a Einen plötzlichen Uebergang der Wärme zur Kälte, oder umgekehrt der Kälte zur Wärme können die Pflanzen weit weniger ertragen, als viel ſtärkere Kältegrade, wenn dieſe allmählig eintreten und in der nämlichen Weiſe wieder verſchwinden. Namentlich iſt ein ſchnelles Auf— thauen gefrorner Pflanzen oder deren Theile gefährlich. - g. Jahreszeit. Außer der Saftzeit halten die in der kalten und gemäßigten Zone heimiſchen Holzgewächſe mitunter ſehr hohe Kältegrade aus, dagegen ſterben die Blätter und noch nicht verholzten Triebe oft bei der Temperatur des Ge⸗ frierpunktes oder wenige Grade unter 0 ab, ja es gehen von den zärtlichen Holzarten bisweilen ſtärkere Aeſte und die Bäume ſelbſt ein. Der Nußbaum leidet im nördlichen Deutſchland, wo ſeine Früchte ſelten reifen, weniger von den Frühlingsfröſten, als am Rhein, denn hier tritt das Frühjahr zeitiger ein, das vegetative Leben regt ſich ſchon mächtig in den Bäumen, während dieſe mehrere Breitegrade nördlicher noch den Winterſchlaf halten. Der größte Schaden, den der Froſt anrichtet, findet alſo weniger bei den höchſten Kältegraden ſtatt, weil dieſe gewöhnlich nur mitten im Winter vorkommen, wo die Vegetation noch nicht erwacht iſt. Die Fröſte, welche die Pflanzen während der Vegetationszeit treffen, fallen zum größern Theil in das Frühjahr und in den Herbſt; Fröſte im Sommer, zu welchem wir klimatologiſch die Monate Juni, Juli und Auguſt rechnen, ſind im Verhältniß zu den erſteren ſelten. Häufiger ſchon kommen 438 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. ſie im Hochgebirge vor, wo der Uebergang vom Winter zum Sommer durch ein viel kürzeres Frühjahr erfolgt. Die Frühlingsfröſte nennt der Forſtmann gewöhnlich „Spätfröſte,“ die Herbſtfröſte dagegen „Frühfröſte.“ Letztere werden namentlich den noch nicht verholzten Pflanzentheilen gefährlich. So haben von ihnen die Eichen⸗ lohden in den Lohſchlägen häufig zu leiden, weil in dieſen der Abtrieb und ſomit auch der Wiederausſchlag der Stöcke ſpäter erfolgt, als in den gewöhn⸗ lichen Niederwaldungen. Auch im Hochgebirg iſt die Vegetation wegen des kürzeren Sommers den Frühfröſten ſtark ausgeſetzt. 7. Tageszeit. Die Früh- und Spätfröſte ereignen ſich faſt immer kurz vor Sonnen⸗ aufgang, weil zu dieſer Zeit das Minimum der Temperatur eintritt. Von einem Spätfroſt kann nur dann die Rede ſein, wenn die Temperatur am Tage bereits ſo hoch geſtiegen war, daß die Vegetation ſich entwickeln konnte; in dieſem Falle erfolgt der Froſt nicht des Abends oder mitten in der Nacht, weil die Wärme nach Sonnenuntergang nur allmählig abnimmt; es gehört alſo im Frühling nothwendig das Minimum der täglichen Temperatur dazu, um einen Froſt zu Stande zu bringen. Im Herbſt findet ein ähnliches Ver⸗ hältniß bezüglich der Frühfröſte ſtatt. Gewöhnlich iſt aber die Temperatur der Pflanzen, wenn ſie von den Früh- und Spätfröſten leiden, niedriger, als diejenige der Luft, welche dieſe Pflanzen umgibt. Das Erfrieren erfolgt nämlich nicht blos durch die niedere Temperatur, welche die Luft den Pflanzen mittheilt, ſondern durch die eigene Wärmeausſtrahlung, zu welcher die grünen Theile der Vegetabilien ganz beſonders disponirt ſind. Melloni beobachtete, daß die Temperatur von Ul⸗ men- und Pappelblättern in einer heitern Nacht 3“ unter diejenige der Luft ſank. Hieraus erklärt es ſich alſo, warum im Frühjahr und Herbſt oft nur die grü- nen Theile der Gewächſe mit Reif bedeckt find. d. Witterung. nn 162. Nach dem fo eben Vorgetragenen za wird man es begreiflich finden, warum die Früh- und Spätfröſte fo ſelten bei bedecktem Himmel auftreten. Die Wolken geben die Wärme, wel⸗ che von den Pflanzen ausgeſtrahlt wird, wieder zurück (Figur 162.); es kann alſo in dieſem Falle ein Froſt nur durch einen kalten Wind hervor⸗ gerufen werden. Man hat verſucht, auf künſtlichem Wege den Schutz herzu⸗ ſtellen, welchen der bedeckte Himmel den Pflanzen gegen das Erfrieren ge⸗ Froſtſchaden. 439 währt, und unter den Mitteln, welche zu dieſem Zweck angewendet worden ſind, nimmt der Rauch eine vorzügliche Stelle ein. Wie uns Bouſſingault erzählt, ſetzen die Eingebornen von Oberperu, welche die hohen Ebenen von Cuzko bewohnen, feuchtes Stroh oder Miſt in Brand, um Rauch zu erzeugen und damit die Durchſichtigkeit der Atmoſphäre zu trüben, wenn ein ſternen⸗ heller Himmel und eine wenig bewegte Luft einen Froſt befürchten laſſen. — Das eben angegebene Mittel zur Verhütung des Froſtſchadens läßt ſich wohl auf den Feldern, wo jeder Eigenthümer für eine verhältnißmäßig kleine Fläche zu ſorgen hat, und auch in Forſtgärten, oder auf kleineren Culturſtellen an⸗ wenden, aber es eignet ſich nicht für größere Flächen. Hier hat es aber auch der Forſtmann in der Hand, durch geeignete Auswahl der Holzart und durch die Methode der Waldbehandlung den nachtheiligen Wirkungen des Froſtes zu begegnen, wovon ſpäter die Rede ſein ſoll. Auch bei bewegter Luft tritt in der Regel kein Froſt ein. Wie vorhin bemerkt wurde, kühlen ſich die Pflanzen durch die eigene Wärmeaus⸗ ſtrahlung unter die Temperatur der Luft ab. Weht aber ein Wind, ſo wird die erkaltete Pflanze fortwährend mit wärmerer Luft in Berührung gebracht, auf deren Koſten fie ſich nun auch erwärmt. Am Rheine hat man beobach⸗ tet, daß der Weinſtock am Spaliere erfriert, während der freiſtehende vom Froſte nicht beſchädigt wird. Das kommt daher, weil der nicht angebundene Weinſtock vom Winde hin und her bewegt werden kann; er trifft alſo mit einer größern Menge warmer Luft zuſammen. Die Winde bringen nur dann Froſt, wenn ſie eine niedrige Temperatur beſitzen. Dieſer Fall tritt aber ver⸗ hältnißmäßig ſelten ein; gewöhnlich iſt der Wind höher temperirt, als die Pflanzen. Hiermit ſtimmt auch die Erfahrung überein, daß ſolche Orte, welche vor dem Luftzug geſchützt ſind, vorzugsweiſe von den Fröſten zu leiden haben. Man weiß, daß der Froſtſchaden in Thälern, Mulden und Klingen gewöhnlich beträchtlicher iſt, als auf den freiliegenden Höhen in der Umgebung dieſer Vertiefungen, wenn ſchon im Allgemeinen die Tempera⸗ tur mit der Erhebung über die Meeresfläche abnimmt. Bei kleineren Höhen⸗ differenzen iſt dieſe Abnahme in der That geringer, als der Wärmeverluſt, wel⸗ chen die Pflanzen durch Strahlung erleiden. Culturſtellen, welche von höherem Anwuchſe umgeben ſind, werden beſonders häufig von den Früh- und Spätfröſten heimgeſucht, nament⸗ lich dann, wenn der Boden friſch oder gar feucht iſt. Hier iſt es wieder der Mangel an Luftzug, welcher das Eintreten des Froſtes begünſtigt. Stellt man eine Bewegung der Luft dadurch her, daß man den höheren Anwuchs, welcher den Culturort umſchließt, hie und da lichtet oder abtreibt, ſo bleiben die Fröſte aus. 5 Hohes dichtes Gras, Haide und ſonſtige Unkräuter hem⸗ men den Luftzug, weßhalb die Pflanzen zwiſchen ihnen leichter erfrieren, als 440 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. ſelbſt auf ganz nacktem Boden. Deßwegen wendet man als Mittel gegen den Froſtſchaden bei jungen Culturen mit Vortheil das Abmähen, Abſicheln, Abſchneiden oder Rupfen des Graſes ꝛe. an; die Haide braucht man nicht ganz zu entfernen, es genügt, wenn ſie nur ſo licht durchrupft wird, daß der Wind durch ſie hinſtreichen kann; die ſtehenbleibende Haide nützt dann noch den angebauten Holzpflanzen, indem ſie die von dieſen ausgeſtrahlte Würm ar und wieder zurückgibt. e Holzart und Holzalter. Es iſt nicht möglich, die Holzarten nach ihrer Empfindlichkeit gegen den Froſt in eine Reihe zu bringen, ohne dabei Rückſicht auf das Holzalter und den Entwicklungszuſtand derſelben zu nehmen. Außer der Saftzeit halten ſtrenge Kälte am beſten aus: Zürbelkiefer, Krummholzkiefer, Gemeine Kiefer, Lärche, Birke, Pappel, Alnus viridis, incana und glutinosa, Fichte, Weißtanne, kleinblättrige Linde, die Ahorne, die Elz⸗ beere; weniger gut: die Eiche, Buche, Hainbuche, Rüſter, Eſche, großblättrige Linde, Roßkaſtanie, falſche Acacie, die veredelten Obſtarten, die Wallnuß und zahme Kaſtanie. Von den vorgenannten Nadelhölzern ſcheint, in fo weit es die ausge— wachſenen Bäume betrifft, die Weißtanne am wenigſten ſtarke Kälte ertragen zu können. So gingen in dem ſtrengen Winter von 1788/8, als die Kälte auf 31 Centeſimalgrade ſtieg, im Schwarzwald nur Weißtannen ein, unter dieſen aber ſehr ſtarke Bäume. In den Waldungen des Klofters Hirſau an der Nagold erfroren allein 46 Sägetannen, 54 gemeine 60er, 138 gemeine 50er ıc. Im Jahre 1829 wurde in hieſiger Gegend die Beobachtung gemacht, daß bei der damaligen ſtarken und lange anhaltenden Kälte alte Buchbäume nur auf naſſen Standorten erfroren, wahrſcheinlich deßhalb, weil die Zellen des Holzes daſelbſt mehr mit Saft erfüllt waren; wenigſtens kann man dieſe Erſcheinung nicht der Verdunſtungskälte (von welcher unten die Rede ſein wird) zuſchreiben, weil der Boden ſchon lange vorher, ehe die hohe Kälte ein⸗ trat, gefroren war. Niederwaldſtöcke, welche im Herbſt gehauen worden ſind, gehen mitunter bei ſtrenger Kälte auch im Winter ein, während die unver⸗ ſtümmelten Pflanzen denſelben überſtehen. Dazu kommt noch, daß das Regen⸗ und Schneewaſſer, welches von der Abhiebsfläche aus zwiſchen Holz und Rinde eindringt, wenn es gefriert, die Rinde vom Schafte ablöft. Junge Pflanzen ſind gegen den Froſt weit empfindlicher, als ältere. Dem Verf. iſt kein Beiſpiel bekannt, daß alte Fichten erfroren wären; aber erſt am 25. April des verfloſſenen Jahres gingen ihm mehrere hundert ſechsjährige Fichten durch den Froſt zu Grunde, obgleich dieſelben noch nicht Froſtſchaden. 441 getrieben hatten. Ueberhaupt gibt es wohl keine Holzart, welche nicht in der Jugend, und namentlich dann, wenn das Leben des neuen Vegetationsjahres ſich wieder in ihr zu regen beginnt, vor Froſtſchaden ſicher wäre. Es herrſcht mitunter noch die Anſicht, daß die Kiefer und die Lärche nicht erfrieren könn⸗— ten; der Verf. kann aber verſichern, daß er ſchon öfter dieſe Holzarten in jugendlichem Alter erfroren gefunden hat, er ſah ſogar, daß bei dem Froſt vom 25. April v. J. die Nadeln und Triebe von zehnjährigen Kiefern und fiebenjährigen Lärchen total vom Froſte getödtet worden waren. Erfrorne Lärchennadeln ſehen denjenigen ziemlich ähnlich, welche durch den Fraß der Larve von Tinea laricinella ausgehöhlt worden find, laſſen ſich aber von dieſen durch die mehr gelbe Farbe unterſcheiden. Die einzige Holzart, an welcher der Verf. bis jetzt noch keinen Froſtſchaden zu bemerken Gelegenheit hatte, iſt die Weymouthskiefer. | Diejenigen Holzarten, welche als Bäume vom Froſt getödtet werden können, leiden meiſt auch in der Jugend durch dieſes Meteor; doch gilt die eben aufgeſtellte Regel nicht ohne Ausnahme. So iſt z. B. die Hainbuche in der Jugend gegen den Froſt wenig empfindlich; man kann ſie daher auf Blößen ohne ſchützendes Oberholz recht gut anziehen. Buche und Eiche, Tanne und Fichte werden in der Jugend am häufigſten vom Froſt heimge— ſucht. Kehrt dieſer alljährlich, oder doch oft wieder, und erfrieren die Endtriebe des Schaftes und der Zweige, ſo erhält die Pflanze nach und nach ein buſch— ähnliches Anſehen, wie wenn ſie vom Wild oder Waidvieh verbiſſen worden wäre. Das Höhenwachsthum ſteht dann oft viele Jahre ſtille, und die Eiche geht dabei oft zu Grunde, wenigſtens entwickelt fie ſich ſelten zu einem ſchö— nen Stamm, wenn ſie längere Zeit vom Froſt gelitten hat, während die Buche und namentlich die Fichte und Weißtanne meiſt ſich wieder vollſtändig erholen, ſobald ſie nicht mehr vom Froſte berührt werden. Die Umſtände, unter welchen letzteres geſchieht, werden wir ſpäter kennen lernen. Die Baumblüthen find gegen den Froſt empfindlich, fie leiden von demſelben bei Temperaturen, welche den Blättern noch keinen Schaden bringen. Daher kommt es, daß das Obſt ſelbſt da verhältnißmäßig ſo ſelten geräth, wo die Bäume alljährlich eine Fülle von Blüthen produziren. b. Beſtandsſchluß. Bäume, welche plötzlich aus dem Schluſſe in den freien Stand gebracht werden, erfrieren bei geringeren Kältegraden, als ſolche, welche an den freien Stand gewöhnt ſind. Das iſt der Grund, warum die Laſtreitel, welche man beim Mittelwaldbetrieb überhält, leichter der Kälte unterliegen, als die viel jüngeren (aber verholzten) Lohden auf den nämlichen Standorten. Man ſoll daher auf Froſtſtellen die Durchforſtungen und Auslichtungen lieber ſchwach greifen, aber dieſelben öfters wiederholen — eine Regel, welche auch in vielen andern Beziehungen Beachtung verdient. Indeſſen bezieht ſich das ſo eben 442 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. über den Froſt Geſagte mehr auf die zärtlichen, fremdländiſchen Holzarten (zahme Kaſtanie, Wallnuß, falſche Acacie); unſere einheimiſchen Bäume erfrie⸗ ren, wie vorhin bemerkt wurde, wenn ſie einmal erwachſen ſind, nur bei un⸗ gewöhnlich hohen Kältegraden. Junge Pflanzen dagegen, welche unter dem Schutze eines Oberſtandes erzogen und dann in's Freie gebracht wurden, leiden häufig durch Fröſte Noth. Solche Pflanzen ſoll man daher nicht zur Cultivirung von Froſtſtellen verwenden. Wie wir oben ausgeführt haben, liegt eine Haupt⸗Urſache für das Er⸗ frieren in der nächtlichen Wärmeausſtrahlung, zu welcher die grünen Theile der Vegetabilien vorzüglich disponirt ſind. Da ſich dieſe Eigenſchaft der Pflanzen nun einmal nicht beſeitigen läßt, ſo handelt es ſich darum, ihnen die verlorene Wärme wieder zu geben. Da, wo die Verjüngung eines Be⸗ ſtandes durch den Samen erfolgt, welcher von den ſtehenbleibenden Bäumen abfällt, laſſen ſich die jungen Pflanzen durch die Mutterbäume ſelbſt vor dem Froſt ſchützen. Die Kronen dieſer Stämme ſtrahlen nämlich die Wärme zurück, welche von dem jungen Anwuchs ausgegeben wird. In welchem Maße die Oberſtänder die Abkühlung der unter ihrem Schutze befindlichen Pflanzen verhüten können, läßt ſich aus dem folgenden Verſuche von Wells entnehmen. Wells befeſtigte in den Boden eines Grasplatzes vier kleine Stäbe von 16 Centimetern Höhe und zog über die Spitze derſelben, welche die Eckpunkte eines Vierecks bildeten, ein dünnes Tuch, deſſen Seiten 6 Decimeter lang waren, ſtraff an. Er unterſuchte nun viele Nächte nach einander die Temperatur des ſolchergeſtalt beſchirmten Graſes und fand dieſelbe allemal höher, als die des nahen unbedeckten Graſes, wenn dieſes kälter, als die Luft war. So war in einer Nacht, während das ganz freiliegende Gras 119 kälter, als die Luft war, dieſe nur um 30 wärmer, als das bedeckte Gras; derſelbe Unterſchied fand in einer andern Nacht ſtatt, als die Luft 140 wärmer, als das freiſtehende Gras war. Die dünne Hülle des Tuchs ſicherte alſo dem Graſe das einemal eine um 8e, das anderemal eine um 11“ höhere Tempe⸗ ratur. — Aber ſelbſt dann, wenn der ſchützende Gegenſtand nicht parallel mit dem Boden, ‚fondern perpendicular von dieſem aus angebracht iſt, ſtrahlt er noch hinreichend genug Wärme zurück, um ſowohl den Boden, als auch die auf ihm befindlichen kleinen Gewächſe auf einer höheren Temperatur zu er⸗ halten. Als Wells das vorhin beſchriebene Tuch ſenkrecht auf eine Gras⸗ fläche ausſpannte, fand er die Wärme des Graſes an der untern Kante des Tuches 4 und ſelbſt 6% höher, als diejenige des in einiger Entfernung davon befindlichen ungeſchützten Graſes. Beachten wir die Reſultate dieſer Verſuche, ſo können wir aus denſelben die Regel ableiten, daß man an Orten, wo Fröſte zu befürchten find, den Beſamungs- und Abtriebsſchlag jo dunkel zu halten und den Abtrieb der Mutterbäume ſo lange hinauszuſchieben habe, als es das Lichtbedürfniß der * Froſtſ chaden. N 443 jungen Pflanze nur irgend erträgt. Nach dieſer Regel wird in der That an vielen Orten ſchon ſeit langer Zeit gewirthſchaftet; im Vogelsgebirge, wo der Boden aus einem zähen Lehm mit großer waſſerhaltender Kraft beſteht, auf dem häufig Fröſte vorkommen, hat man die Verjüngungsdauer der Buchen- hochwaldungen auf 20 — 30 Jahre feſtgeſetzt; im Rodhaargebirge, wo der Untergrund von Kieſelſchiefer gebildet wird, welcher der Feuchtigkeit ſchnellen Abzug geſtattet, treibt man oft ſchon mit 3 — 5 Jahren ab, nachdem die Ver⸗ jüngung angeſchlagen iſt. Soll eine gegen die Fröſte empfindliche Holzart, z. B. die Buche, Weiß⸗ tanne oder Fichte, auf einer Blöße cultivirt werden, welche den Fröſten expo⸗ niet iſt, fo baue man zuvor eine andere Holzart an, welche vom Froſte we- niger zu leiden hat (Kiefer, Lärche, Birke, Weymouthskiefer ıc.). Nachdem der Schutzbeſtand auf 1½ —2 Meter Höhe herangewachſen iſt, wird die Haupt⸗ holzart mittelſt Saat oder Pflanzung beigemiſcht. Iſt ſie nun ſo weit erwach⸗ ſen, daß ſie von dem Froſte nicht mehr getroffen wird, ſo haue man den Schutzbeſtand nach und nach entweder ganz aus, oder man laſſe ſo viele Stämme ſtehen, als deren zur Bildung eines regelmäßigen Miſchbeſtandes er⸗ forderlich ſind. Hierbei kommt es natürlich darauf an, ob die vorangebaute Holzart mit der ſpäter angezogenen ſich verträgt. Dies iſt z. B. zwiſchen Bir⸗ ken und Fichten nicht der Fall, während die Birke und die Buche recht gut mit einander fortkommen, vorausgeſetzt, daß die Birke nicht zu reichlich beige— miſcht ſei. ; J. Beſchaffenheit des Bodens. Es gibt gewiſſe Localitäten, welche ganz beſonders zu Fröſten geneigt ſind, auf denen dieſe faſt alljährlich wiederkehren. Es ſind dies gewöhnlich feuchte Stellen, wo das Waſſer in Folge einer tiefern Lage des Bodens ſich anſammelt und wo zugleich der nöthige Luftzug mangelt, um die Feuchtigkeit raſch zu entfernen. Solche Froſtſtellen find vorzüglich Flußniederungen, Thä— ler und Mulden, Der Froſt wird hier durch den Wärmeverluſt erzeugt, wel⸗ cher ſich beim Verdunſten der Bodenfeuchtigkeit ergibt. Verdunſtungskälte in feuchten Lagen. Wenn das Waſſer aus dem flüſſigen Zuſtand in den dampfförmigen übergeht, ſo dehnt es ſich be— kanntlich aus, der Dampf nimmt einen größeren Raum ein, als das Waſſer, aus welchem er ſich gebildet hat. Die Volumsvermehrung wird bewirkt durch Aufnahme von Wärme, welche die Atome des Waſſers von einander entfernt. Dieſe Wärme kann durch das Thermometer unmittelbar nicht wahrgenommen werden, ſie iſt latent, eben weil fie dazu dient, damit die Theilchen des Dam— pfes ſich nicht wieder nähern und Waſſer bilden. Um 1 Kilogramm Waſſer von 1000 in Dampf von der nämlichen Temperatur zu verwandeln, bedarf man eben jo viel Wärme, als um 1 Kilogramm Waſſer von 0% auf die Temperatur von 5369 zu bringen. Das Waſſer verdunſtet auch bei Tempe⸗ raturen, welche unter dem Siedpunct liegen, die latente Wärme des Dampfes 444 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. iſt aber in dieſem Falle größer, als 5360, z. B. für Waſſer von 00 beträgt ſie 6060. Hiernach läßt ſich die latente Wärme des Dampfes für die Tem⸗ peraturen zwiſchen 00 und der Siedhitze durch Interpolation finden. So iſt z. B. die latente Wärme des Dampfes, welcher ſich aus Waſſer von 3% er⸗ hebt, 604 (genauer 603,9), das ſagt alſo, daß man mit der Wärme, welche die Gewichtseinheit Waſſer von der Temperatur 30 in Dampf von der näm⸗ lichen Temperatur verwandelt, dem gleichen Gewicht Waſſer die Temperatut 604 + 3 607 ertheilen könnte (S. S. 181). Iſt die Luft über einer Waſſerfläche mit Feuchtigkeit nicht geſättigt, ſo verdunſtet ſo viel Waſſer, bis der Sättigungspunet eingetreten iſt. Die Wärme, welche die Dampfbildung erfordert, wird in dieſem Falle theils aus der um⸗ gebenden Luft, noch mehr aber aus dem Waſſer ſelbſt genommen, von wel⸗ chem die Verdunſtung ausgeht. Dies hat zur Folge, daß die Temperatur des zurückbleibenden Waſſers ſinkt. Nehnien wir beiſpielsweiſe an, eine Waſſerfläche beſitze die Temperatur von 30, und es verdunſte von dieſem Waſſer in einem gegebenen Zeitraum eine Schichte von 1 Millimeter Höhe, ſo ſind zur Bildung des Dampfes 604 Wärmeeinheiten erforderlich. Dieſe können aus einer gleich großen Waſſer⸗ fläche von 604 Millimetern Tiefe genommen werden, wenn deren Temperatur um 10, oder von a — 201 Millimetern, wenn deren Temperatur um 30 ſich erniedrigt. Die Verdunſtungskälte von 30 würde ſich alſo 201 Millimeter oder ungefähr 2 Deeimeter tief fortpflanzen. Allein der Boden, auf welchem unſere Waldbäume cultivirt werden können, iſt ſelten mit einer ſo hohen Waſſer⸗ ſchichte bedeckt; wenn auch an der Oberfläche des Bodens blos Waſſer ſicht⸗ bar iſt, ſo fängt doch bald unter dem Spiegel deſſelben die feſte Erdkrume an, und das Waſſer iſt jetzt nur in deren Zwiſchenräumen enthalten. Es wird daher ein Theil der zur Verdunſtung nöthigen Wärme dem Boden ſelbſt ent⸗ zogen werden. Die ſpecifiſche Wärme des letztern iſt aber ungefähr fünfmal geringer, als diejenige des Waſſers, d. h. wenn die Temperatur von z. B. 1 Kilogramm Waſſer, um eine gewiſſe Wärmemenge abzugeben, um 10 ſinkt, ſo erniedrigt ſich die Temperatur eines gleichen Gewichts Erde unter den näm⸗ lichen Verhältniſſen um 5 Grade. Da nun das ſpeeifiſche Gewicht der meiſten Erden S 2,5 ift, fo würde ſich die Verdunſtungskälte im Boden — 9 2 mal 20 * ſo tief fortpflanzen, als im Waſſer. Aus dem vorſtehenden Beiſpiel durfte wohl mit Beſtimmtheit entnom⸗ men werden können, daß durch die Verdunſtung naſſer Stellen örtlich ein wirklicher Froſt zu entſtehen vermag. Es wird nämlich die Luft, welche mit dem naſſen Boden in Berührung iſt, abgekühlt. Hiernach erklärt es ſich leicht, warum in feuchten Flußniederungen, in Mulden und Klingen, in Thälern, welche wenig Gefäll beſitzen, warum auf ſchwerem oder un— Froſtſchaden. f 445 durchlaſſendem Boden, welcher die Feuchtigkeit lange hält, die Fröſte eine ſo häufig eintretende Erſcheinung ſind. Noch ſchädlicher werden dieſe durch die Verdunſtungskälte hervorgerufe⸗ nen Fröſte dann, wenn die Froſtſtelle durch Erhöhungen des Bodens oder durch Holzbeſtände, welche ſie begrenzen, vor dem Luftzug geſchützt iſt. Die Luft, welche die Froſtlocalität umgibt, iſt nämlich immer wärmer, als die über dem naſſen Boden ruhende Schichte der Atmoſphäre; kann nun der Wind ungehindert über die Froſtſtelle hinſtreichen, ſo wird er die kalte Luft daſelbſt verdrängen und durch wärmere aus der Umgebung erſetzen. Daher beſteht neben dem Ableiten der Bodennäſſe das Hauptmittel zur Beſeitigung der Fröſte an den genannten Localitäten darin, daß man, z. B. durch Abhol— zen eines Waldſtreifens, etwa in Schneißenbreite, einen gehörigen Luftzug her⸗ ſtellt, überhaupt alles dasjenige entfernt, was der Luftbewegung im Wege ſteht, dahin ſind u. A. zu rechnen: einzelne Büſche und Horſte (a Fig. 163), ſowie in die Froſtſtelle hineinragende Zungen (b) von dem angrenzenden, mit 5 Fig. 163. höherem Holze beſtockten, Beſtande. Alle dieſe Hinderniſſe müſſen hinweg⸗ geräumt werden; die Büſche (a) und Zungen (b) treibt man ab, letztere z. B. nach zwei Linien, die man ſich von e nach d und von e nach k gezogen den- ken kann. Auch an dem unteren Rande ließen ſich noch einige Zungen weg⸗ nehmen. Ferner iſt es nützlich, die Ränder der angrenzenden Beſtände und auch wohl dieſe ſelbſt durch ihre ganze Ausdehnung hin zu entaſten. Dieſe Maßregel iſt namentlich dann von Erfolg, wenn jene Beſtände aus Fichten oder Weißtannen beſtehen, bei wel⸗ chen die Aeſte bis tief am Stamme herab ſitzen zu bleiben pflegen ). Höhe, bis zu welcher die Verdunſtungskälte ſich eiftredt. Die Kälte, welche durch die Verdunſtung der Bodenfeuchtigkeit erzeugt wird, theilt ſich, wie vorhin bemerkt wurde, der über der naſſen Fläche ruhen⸗ den Luft mit und ſtimmt auch deren Temperatur herab. Da aber die Fort⸗ In der von dem Verf. adminiſtrirten Oberförſterei befindet ſich eine Diſtrietsabthei⸗ lung „Ziegenacker“ genannt, an deren einem Ende eine Blöße liegt, auf welcher ſchon ſeit langer Zeit alljährlich verſucht wurde, Fichten zu eultiviren, die allein für den flachgründigen Boden dieſer Localität paſſen. Aber die Fichten gingen ſtets durch Froſt zu Grunde. Dieſe Blöße war mit allen den Mißſtänden behaf- tet, welche in Fig 163 abgebildet ſind. Nachdem der Verf. durch Anwendung der eben empfohlenen Manipulationen für die Herſtellung des Luftzugs geſorgt hatte, brachte der Froſt keinen Schaden mehr. — 446 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. pflanzung der Kälte (wenn man dieſen Ausdruck gebrauchen darf) weniger durch Strahlung, als durch Leitung erfolgt, ſo erſtreckt ſich die Temperatur⸗ erniedrigung gewöhnlich nur auf eine Höhe von 1—2 Metern über dem Bo⸗ den. Die Pflanzen erfrieren daher auf ſolchen naſſen Stellen nur ſo lange, als ſich ihre Gipfel und Triebe noch innerhalb der Froſtregion, wie wir ſie nennen möchten, befinden. Haben ſie dieſelbe einmal zurückgelegt, ſo ent⸗ wickeln ſie, wenn der Boden kräftig iſt, oft ein vortreffliches Wachsthum. Es liegt daher ſehr viel daran, daß die Pflanzen bald aus dem Bereiche der Froſtregion kommen. Darauf läßt ſich hinwirken durch die Wahl von kräf⸗ tigen und größeren Pflanzen (Saat iſt an ſolchen Stellen ganz unzweckmäßig), die man, um das Anſchlagen zu ſichern, und um eine Unterbrechung des Höhewachsthums zu vermeiden, mit nicht zu ſchwachen Ballen einzuſetzen hat. Bei den Laubholzpflanzen kommt es häufig vor, daß ſie durch öftere Froſtbe⸗ ſchädigung zu ſogenannten Kollerbüſchen verunſtaltet werden; hier läßt ſich das Höhenwachsthum in der Weiſe herſtellen, daß man ſolche Pflanzen dicht über dem Boden abſchneidet oder mit ſcharfen Hacken abſchürft; die Lohden, welche ſich aus dem zurückbleibenden Stöckchen entwickeln, wachſen ſchneller, als die Kernpflanzen und ſind oft in wenigen Jahren über die Froſtregion hinaus. 9. Expoſition. Oben wurde ſchon bemerkt, daß ein raſcher Uebergang von der Kälte zur Wärme den Pflanzen vorzugsweiſe gefährlich iſt. Daher erklärt es ſich, warum die Fröſte jo oft auf den Oſt- und Südoſtſeiten auftreten. An ſolchen Expoſitionen ſollte man daher keine zärtlichen Holzarten anziehen, oder wenig⸗ ſtens vorher eine dauerhaftere anbauen, unter deren Schutze ſich dann jene cultiviren läßt. 1. Meereshöhe. Nach den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen ſcheinen die Fröſte im Hochgebirge eben ſo häufig, wenn nicht noch häufiger aufzutreten, als in der Ebene, namentlich kommen die Frühfröſte oft vor weil der Uebergang von Sommer zum Winter in den Hochlagen durch einen viel kürzeren Herbſt ver- mittelt wird. Der Froſt beſchädigt hier die jungen Triebe, ehe ſie vollſtändig verholzt ſind. Hochebenen leiden mehr von Fröſten, als Ebenen, welche mit jenen gleiche Jahrestemperatur beſitzen. Wie wir früher geſehen haben, genießen Plateau's im Verhältniß zu ihrer Erhebung über die Meeresfläche deßwegen eine höhere Temperatur, weil die Luft hier mit einer großen Bodenoberfläche, von welcher die durch die Sonnenſtrahlen bewirkte Erwärmung ausgeht, in Berührung iſt. Dieſe höhere Temperatur veranlaßt ein frühes Austreiben der Pflanzen. Allein des Nachts iſt die Wärmeausſtrahlung auf Hochebenen viel bedeutender, als in den Tieflagen, weil die Luft über jenen dünner iſt, alſo dem Durchgange der Wärmeſtrahlen weniger Hinderniſſe bietet. Auf der Hochebene von Cara⸗ Froſtriſſe. 447 marca in Peru, welche bei einer Meereshöhe von 1660 Metern eine mittlere Jahreswärme von 160 beſitzt, erfriert der Waizen ſehr häufig des Nachts. Humboldt ſah hier bei Tage im Schatten das Thermometer auf 250 ſteigen, während es vor Sonnenaufgang nur 80 gezeigt hatte. Man ſieht hieraus, welche bedeutende Temperaturdifferenzen auf Hochebenen vorkommen. e. Eintheilung der Fröſte nach der Größe ihres Verbreitungsbezirks. Der Froſt erſtreckt ſich entweder über größere Länderſtriche (Landfroſt), oder über kleinere Flächen (Localfroſt). Die Landfröſte entſtehen meiſt dann, wenn nach vorangegangener warmer Witterung, welche das vegetative Leben erweckt hat, durch Umſpringen des Windes oder durch Oeffnen des vorher bedeckten Himmels plötzlich eine Erniedrigung der Temperatur eintritt. Die Localfröſte dagegen, welche ganz beſtimmte Stellen einhalten, auf denen ſie faſt alljährlich wiederkehren, ſind entweder auf die öſtlichen und ſüdöſtlichen Expoſitionen, wo ein raſcher Wechſel der Temperatur ſtattfindet, oder auf feuchte Niederungen, Thäler und Mulden beſchränkt, wo kein Luftzug herrſcht, und, wie wir früher geſehen haben, durch Verdunſten der Bodenfeuchtigkeit viel Wärme gebunden wird. d. Froſtriſſe. Es wurde oben der Satz aufgeſtellt, daß ſtrenge Winterkälte älteren Exem⸗ plaren von denjenigen Holzarten, welche in unſern Gegenden heimiſch ſind, oder aus höheren Breiten ſtammen, ſelten tödtlich wird. Dagegen bewirkt ſie bei manchen Baumarten, daß dieſelben parallel mit der Schaftaxe Sprünge erhalten, die man Froſtriſſe oder Eisklüfte nennt. Dieſe können in zweifacher Weiſe entſtehen. f Wenn ſtrenge Kälte plötzlich eintritt, ſo gefriert zuerſt die Feuchtigkeit in der Rinde und in den äußeren Jahrringen (a, Fig. 164) des Stammes. Das Fig. 164. Eis, welches ſich bildet, nimmt nun zwar einen größeren Raum ein, als das Waſſer, aus welchem es entſtanden iſt, DR allein es zieht ſich, wenn die Kälte unter 00 ſinkt, fortwäh⸗ rend zuſammen, gerade ebenſo, wie die feſte Subſtanz der N = Holzfaſer. Die Rinde und die äußeren Lagen der Jahres⸗ ringe (a) werden daher einen Druck gegen die inneren Holz⸗ lagen ausüben. Dringt nun die Kälte noch weiter in den ce Baum ein, fo gefriert auch die Feuchtigkeit in der übrigen Holzmaſſe, das Eis dehnt ſich um das 1,0525 fache des Vo— lumens von demjenigen des Waſſers aus und äußert einen Druck gegen die bereits gefrornen Jahrringe und gegen die Rinde. Da dieſe aber nicht nachgeben können, weil ſie ſelbſt zuſammengezogen werden, ſo tritt, wenn der Druck von innen nach außen der überwiegende iſt, ein Riß (e) ein; die Längsgefäße und Zellen des Holzes 448 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. verlieren ihren (ohnedies ſchwachen) ſeitlichen Zuſammenhang, ſowie denjenigen mit den Markſtrahlen, und berſten von einander. Man ſieht, daß zu der Entſtehung dieſer Art von Froſtriſſen eine plöß- liche Erniedrigung der Temperatur erforderlich iſt; dringt die Kälte allmählig in den Baum ein, ſo laſſen ſich die noch nicht ſtarr gewordenen inneren Holz⸗ lagen noch zuſammenpreſſen. In ſchwachen Stämmen folgen alle Jahrringe ſchnell und gleichmäßig dem Wechſel der Temperatur, hier kommt nicht gleich⸗ zeitig eine Zuſammenziehung nach innen und eine Ausdehnung nach außen hin vor, deßwegen finden ſich die Froſtriſſe nur an ſtärkeren Stämmen. 0 Geſetzt, der Zuſammenhang des Holzes in den äußeren Jahrringen und der Rinde ſei ſtark genug geweſen, um bei plötzlichem Gefrieren der innern Jahrringe deren Druck zu widerſtehen, ſo wird der letztere nichts deſtoweniger fortdauern; die äußern Jahrringe und die Rinde werden das Beſtreben, ſich zuſammenzuziehen, bewahren, und die innern Holzlagen werden, da ihr Eis⸗ gehalt immer noch einen größern Raum, als das Waſſer einnimmt und fie durch die äußern Lagen wenigſtens einigermaßen zuſammengepreßt worden ſind, ſich auszudehnen ſuchen, wenn ſchon das Volumen des Eiſes bei Tem⸗ peraturen unter 00 kleiner iſt, als im Moment des Gefrierens. Sobald nun der Zuſammenhang der äußeren Lagen an irgend einer Stelle hinreichend ver⸗ mindert wird, ſo bewirkt die Zuſammenziehung dieſer Lagen und das Aus⸗ dehnungsbeſtreben der innern Jahrringe, daß ein Riß entſteht. Dieſer Fall tritt z. B. dann ein, wenn die eine Seite des Schaftes plötzlich, etwa von den Strahlen der Morgenſonne, erwärmt wird, es entſteht alsdann an der beſchienenen Seite ein Froſtriß. Findet die Erwärmung allmählig ſtatt, ſo verlieren die äußeren Lagen (Rinde und Holz) gleichzeitig in ihrem ganzen Umfange das Beſtreben, ſich zuſammenzuziehen, damit fällt aber auch dun anlaſſung zur Bildung eines Froſtriſſes weg. Aus dem Vorſtehenden läßt ſich entnehmen, warum die groſtrſſe ſo häufig auf Südoſtſeiten und an freiſtehenden Stämmen, vorkommen. Froſtriſſe an Bäumen in geſchloſſenen Beſtänden, welche nicht der Morgenſonne expo⸗ nirt ſind, ſind immer nur die Folge von plötzlich eintretender Kälte. Hier geht aber das Springen des Holzes mit viel größerer Gewalt vor ſich, oft läßt ſich ein Knall, ähnlich einem Piſtolenſchuß, hören, was der Verf. bei denjenigen Froſtriſſen, welche durch ſtellenweiſes Aufthauen der Rinde entſte⸗ hen, niemals wahrnehmen konnte. Das Knallen erfolgt meiſt des Nachts, vorzüglich kurz vor Sonnenaufgang, zu welcher Zeit die Kälte gewöhnlich ihren höchſten Grad erreicht. Die Froſtriſſe kommen überhaupt meiſt im Nachwinter vor, wenn das Holz ſchon anfängt, ſich mit Saft zu füllen. Der Beſchädigung durch Froſtriſſe ſind vorzugsweiſe ausgeſetzt: die Eiche und Buche, dann die Tanne und Fichte, weniger die Ulme, Eſche und die Ahorne, ſowie die Kiefer. Birken leiden wohl gar nicht von denſelben, auch Ausfrieren der Pflanzen. 449 bei Pappeln kommen ſie äußerſt ſelten vor, wiewohl ſie von dem Verf. einige Male bei Pop. italica beobachtet worden find. Von den beiden Eichenarten iſt Quercus Robur mehr zu Froſtriſſen geneigt, als O. pedunculata, was wohl auf der größern Spaltigkeit der erſteren beruht. Stämme, welche plötz⸗ lich aus dem Schluſſe in eine freie Stellung gebracht worden ſind, werden vorzugsweiſe von Froſtriſſen betroffen, wahrſcheinlich deßhalb, weil bei ſolchen Bäumen die Rinde dünner und zärter iſt. Von Jugend auf frei erzogene Stämme haben ſchon wegen ihrer verhältnißmäßig geringeren Spaltigkeit die Froſtriſſe weniger zu fürchten. Zu den Schutzmaßregeln gegen die Froſtriſſe gehören: dichte Stellung der Beſtände, namentlich an Südoſtſeiten, Einſprengen der wintergrünen Na⸗ delhölzer in die Laubholzbeſtände, Erziehung der ſtärkeren Holzſortimente in geſchloſſenen Beſtänden mit höheren Umtriebszeiten (aber mit ſpäterer Bei⸗ miſchung einer ſchattenertragenden Holzart), anſtatt des vereinzelten Ueberhal- tens von Stämmen für die Dauer einer zweiten Umtriebszeit. e. Ausfrieren der Pflanzen. An feuchten Stellen und auf lockerem Boden gewahrt man oft, daß junge Pflänzchen, namentlich von flachwurzelnden Holzarten, nachdem das Erdreich gefroren und plötzlich wieder aufgethaut war, mit ganz oder theil⸗ weiſe ausgezogenen Wurzeln auf dem Boden liegen. Man nennt dieſe Er⸗ ſcheinung das Ausfrieren der Pflanzen. Sie beruht auf folgenden Um⸗ ſtänden. Wenn plötzliche Kälte eintritt, fo daß nicht ſämmtliche Erde, welche ſich um die Wurzeln der Pflanze befindet, ſondern nur die zunächſt an die Oberfläche des Bodens grenzende Schichte ab d e (Fig. 165) gefriert, fo Fig. 165. Fig. 166. Fig. 167. Fig. 168. Fig. 169. 1 11 / 1 N h I, N 7 \ ? \ } v 4 ’ Nm ——H— o e . hr = . e ER a 4 b b | ba N d 40 —— de — — — 9 hy —. 5 % 7A 77 7. 9. * 7. 2 Heyer, Bodenkunde. 29 450 : Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. wird letztere, wenn fie mit Waſſer getränkt iſt, ein größeres Volumen edf e, Fig. 166, einnehmen, alſo die Linie a b in das Niveau e f kommen *). Iſt nun die Erde in der Schichte abde an das Pflänzchen feſtgefroren, dagegen die unter der Linie ed befindliche Erde noch weich, fo hebt ſich das Pflänz⸗ chen mit der gefrierenden Schichte e d f e; damit dies aber möglich ſei, muß der untere Theil der Wurzel aus der noch nicht gefrorenen Erde eine Strecke lang (= dem Betrag von 4% = ae) ausgezogen werden. Friert nun neuerdings noch die Erdſchichte e dh g, (Fig. 167.) fo dehnt fie fi) aus, und hebt die bereits gefrorne Schichte; das Volumen der geſammten gefror⸗ nen Erdmaſſe beträgt daher g h k i, und die Wurzel des Pflänzchens wird abermals um eine Größe q”’q — ie ausgezogen. Nachdem auch noch die Schichte g hm I (Fig. 168.) gefroren und mit dieſer die geſammte Erdmaſſe auf das Volum Im o n gebracht worden iſt, befindet ſich der Punet p, wo die Wurzel und der oberirdiſche Theil des Stammes ſich ſcheiden, in ph; es iſt alſo die Wurzel qq im Ganzen um den Betrag 9“ aus dem Boden gezogen worden. Thaut nun der Boden blos oben auf, während er bei 9“ noch mit der Wurzel verbunden bleibt, ſo ſinkt die gehobene Erde wieder auf ihr früheres Niveau zuſammen, d. h. die Linie n o kommt auf die Linie a b zurück. Es ragt alſo der Theil p“ u (Fig. 169.) der Wurzel über den Boden heraus. Die Pflanze legt ſich dann gewöhnlich um, weil p“ u ein Theil der bieg⸗ ſameren Wurzel iſt. Die Wurzel kann niemals in ihre frühere Lage (g) zurückkommen, auch wenn der Boden auf einmal bis zu ſeiner ganzen Tiefe aufthaut, weil der untere Theil der Wurzel nicht genug Steifigkeit beſitzt, um in die Erde ein⸗ zudringen. Wiederholt ſich der Vorgang des Ausfrierens öfter, ſo kann zuletzt die Wurzel ganz auf die Oberfläche des Bodens gebracht werden, ſo daß die Pflanze auf dieſem liegt, als wäre ſie von Menſchenhand ausgezogen worden. Das Ausfrieren kommt meiſt nur bei jungen Exemplaren der flach⸗ wurzelnden Holzarten vor; diejenigen Gewächſe, welche, wie z. B. die Eiche, ſchon im erſten Jahre eine tiefgehende Pfahlwurzel bilden, haben von dem Ausfrieren nur unter beſonders ungünſtigen Verhältniſſen zu leiden. Bei den tiefwurzelnden Holzarten wird der untere Theil der Wurzel durch den Druck der auf ihr laſtenden Erde feſtgehalten, und wenn die oberen Schichten des *) Wir haben die Ausdehnung des Waſſers in der Zeichnung der Deutlichkeit halber größer angenommen, als ſie wirklich iſt; ſie beträgt (ſ. S. 51) in Wirklichkeit nur 1,0526. Daß trotz dieſer geringen Ausdehnung des gefrierenden Waſſers die Pflan⸗ zen vom Froſte ausgehoben werden können, beruht auf einer Urſache, die ſogleich erörtert werden wird. Ausfrieren der Pflanzen. 451 Bodens gefrieren und ſich heben, ſo reißen ſie ſich eher von der Wurzel los, als daß dieſe ihnen folgte. Daß auf kräftigem Boden, der eine raſche Ent- wicklung des Wurzelſyſtems von vorn herein begünſtigt, auch die flachwur⸗ zelnden Holzarten von dem Ausfrieren verſchont bleiben können, bedarf keiner weiteren Ausführung. Die Beſchaffenheit des Bodens beſtimmt die Möglichkeit des Ausfrierens noch in anderer Beziehung. Am häufigſten kommt daſſelbe auf leichten oder ſchwammigen Boden (Sand, Torf- und Moorgrund) vor, weil dieſer mehr Feuchtigkeit in ſich aufzunehmen vermag, als ſchweres Erdreich (z. B. Thon), denn das Heben des Bodens beruht ganz allein auf der Ausdehnung, welche das Waſſer beim Uebergang aus dem flüſſigen Zuſtand in den ſtarren erleidet; die feſte Subſtanz des Bodens nimmt an dieſer Ausdehnung an und für ſich feinen Antheil, ſie vermindert im Gegentheil ihr Volumen, wenn die Tem— peratur ſinkt. Uebrigens iſt auf leichtem Boden das Ausfrieren der Pflanzen nur dann zu befürchten, wenn er auch wirklich Feuchtigkeit enthält. Iſt die Lage des Terrain's von der Art, daß die Feuchtigkeit abziehen kann, ſo kommt das Ausfrieren nicht vor. Letzteres iſt überhaupt mehr auf Thalvertiefungen, Mulden de. beſchränkt. Getrockneter, unbenarbter Boden iſt dem Ausfrieren beſonders unter⸗ worfen; er nimmt nämlich eine größere Menge Feuchtigkeit in ſich auf, und die Wurzeln der Holzpflanzen finden in ihm nicht ſo viel Halt, wie wenn ſie mit den Wurzeln von Gras dc. ꝛc. verſchlungen find. Das Ausfrieren kommt ganz vorzüglich auf Oſt- und Südoſtſeiten vor, weil hier die Möglichkeit eines öfteren Aufthauens und Wiedergefrierens des Bodens gegeben iſt. Auf nördlichen Expoſitionen, wo der Boden nur einmal gefriert, iſt das Ausfrieren eine ſeltene Erſcheinung, die nur dann eintritt, wenn das Wetter ſich öfters ändert. Eine Decke von Laub oder Schnee ſchützt die Pflanzen vortrefflich gegen das Ausfrieren. Beide ſind ſchlechte Wärmeleiter; ſie verhindern, daß der Boden ſtark gefriere, oder öfters aufthaue. In welchen! Maße die günſtige Wirkung des Schnee's ſtattfinde, läßt ſich aus den folgenden Beobachtungen von Bouſſingault entnehmen, (aus welchen zugleich hervorgeht, daß der Schnee an und für ſich ein ſehr großes Wärmeausſtrahlungsvermögen beſitzt). Bouſſingault ſetzte ein Thermometer auf eine 0,1 Meter dicke Schnee⸗ lage, welche ſeit einem Monate ein mit Waizen beſtelltes Feld bekleidete, und bedeckte die Kugel des Inſtrumentes 2 bis 3 Millimeter hoch mit pul⸗ verförmigem Schnee. Die Kugel eines andern Thermometers befand ſich unter dem Schnee und berührte einſeitig den Boden; ein drittes Thermo- meter war 12 Meter über dem Boden auf der Nordſeite eines Gebäudes in freier Luft aufgehängt. An den Tagen der Beobachtung wurde das Feld vollkommen von der Sonne beſchienen. 29 * 452 Einfluß der Wärme auf die Waldvegetation. Am 11. Februar 5 Uhr Abends war die Sonne bereits eine halbe Stunde hinter dem Gebirge verſchwunden; der Himmel war unbedeckt, die Luft ſehr ruhig. Das Thermometer unter dem Schnee zeigte 00, das auf dem Schnee — 10,5, das in freier Luft + 20,5. Die Sonne war kaum hinter die Berge geſunken, als die Ausſtrahlung von der Oberfläche des Schnee's wahrnehmbar wurde. Am 12. Februar war die Nacht ſehr ſchön, der Himmel wolkenlos und die Luft ruhig; um 7 Uhr des Morgens war das Feld noch nicht von der Sonne beſchienen. Das Thermometer unter dem Schnee zeigte — 30,5, das Thermometer auf dem Schnee — 120, das freie Thermometer — 30,0. Um 4½ Uhr Abends ſinkt die Sonne hinter die Berge. Das Ther⸗ mometer unter dem Schnee zeigt 00,0, das Thermometer auf dem Schnee — 10,4, das Thermometer in freier Luft E 30,0. Am 13. Februar, um 7 Uhr Morgens bedeckter Himmel, Luft etwas bewegt. Thermometer unter dem Schnee — 20,0, e auf dem Schnee — 80,2, freies Thermometer — 30,8. Um 5%, Uhr Abends ruhige Luft, unbedeckter Himmel, die Sonne ſeit einiger Zeit untergegangen. Thermometer unter dem Schnee 00,0, freies Thermometer + 40,5. Am 14. Februar, um 7 Uhr Morgens Weſtwind mit feinem Regen. Thermometer unter dem Schnee 00,0, Thermometer auf dem Schnee 00,0; in der freien Luft + 20,0. Aus dem Vorhergehenden laſſen ſich leicht die Maßnahmen ableiten, nach welchen der Forſtmann zu verfahren hat, um das Ausfrieren zu ver⸗ hüten. Sie beſtehen alſo darin, daß man auf feuchten Stellen mit leich⸗ tem Boden keine flachwurzelnden Holzarten eultivire, oder doch, wenn dies nicht zu vermeiden iſt, Pflanzung mit ſtärkeren Setzlingen der Saat vorziehe, daß man den Kahlſchlagbetrieb in Verbindung mit Stockroden, wenn thun⸗ lich () vermeide, daß man gelockerten Boden (z. B. ſolchen, welcher zur An⸗ zucht von landwirthſchaftlichen Gewächſen, namentlich von Hackfrüchten, be⸗ nutzt worden iſt) vor der Saat ſich ſetzen und benarben laſſe, daß man vor dem Anbau von flachwurzelnden Holzarten tiefwurzelnde anziehe, damit dieſe die Strahlen der Sonne von dem Boden abhalten können ze. In der Mehr- zahl der Fälle macht aber die Wahl der Pflanzung, anſtatt der Saat, alle dieſe Vorſichtsmaßregeln entbehrlich. Sechszehntes Buch. Einfluß der Electricität auf die Waldvegetation. Der Einfluß, den die Electrieität auf die Pflanzen äußern ſoll, iſt von einigen Schriftſtellern ſehr übertrieben worden. Die Zeit liegt nicht ferne, in welcher man eine große Zahl der Erſcheinungen des vegetativen Lebens, von denen keine greifbare Urſache aufzufinden war, der Electricität zuſchrieb. Dieſes Wort war in der That ſehr bequem zu gebrauchen; man hätte aber gewiß aufrichtiger gehandelt, wenn man es lieber weggelaſſen und ohne Weiteres zugeſtanden hätte, daß man über die Vorgänge, welche durch die Electrieität erklärt werden ſollten, noch im Dunkel ſei. Auch die wirklichen Verſuche über den Einfluß der Electricität auf die Pflanzen ſind mit großer Vorſicht aufzunehmen. Gar oft rühren ſie von Solchen her, welche Anhänger der Eleetricitäts- Theorie waren und den Ver— ſuch mit der Abſicht anſtellten, durch ihn den Beweis eines vorher ausge— ſprochenen Satzes liefern zu wollen. Man iſt in der That berechtigt, ein ſolches Mißtrauen zu hegen, wenn man ſieht, daß Reſultate über die Wirk⸗ ung der Electrieität veröffentlicht worden find, welche andere Beobachter unter den nämlichen Umſtänden nicht wieder zu erhalten vermochten. Sicher iſt es, daß die Pflanzenfaſer, wenn fie electriſchen Schlägen ausgeſetzt wird, auf einige Zeit ihre Elaſtieität verliert. So fallen z. B. die Blätter von Mimosa pudica durch Electriſiren zuſammen und richten ſich erſt nach einigen Tagen wieder auf, wie der Verf. zum öfteren beobachtet hat. Nach den Verſuchen Humboldt's neigen ſich die noch nicht verholzten Blüthenſtengel von verſchiedenen Gewächſen augenblicklich abwärts, wenn ſie von einigen electriſchen Schlägen getroffen werden. Es iſt vielfach behauptet worden, daß der Keimprozeß unter dem Ein- fluß eines electriſchen Stromes außerordentlich beſchleunigt werde, und man will durch Verſuche gefunden haben, daß electriſirte Senfſamen 11 Tage früher gekeimt hätten, als nicht electriſirte. So lange indeſſen keine contro— lirenden Verſuche angeſtellt worden find, möge man dieſe Angaben als zwei- felhaft hinnehmen. Dagegen fanden Weſtrumb und Schneider übereinſtim⸗ mend, daß Hyaeinthen, welche eine Viertelſtunde lang eleetriſirt worden waren, im Dunkeln Blüthen entwickelten. Hiernach ſchiene alſo die Elec- trieität das Licht erſetzen zu können. Für die Angabe von Bradiſh, nach welcher electriſirte Tabakspflanzen innerhalb 21 Tagen zur Blüthe gelangt 454 Einfluß der Electrieität auf die Waldvegetation. wären, liegt aber keine beſtätigende Beobachtung vor, indeſſen gehört eine derartige ſchnelle Entwicklung des Tabaks auf gutem Boden und in warmer Lage, auch ohne Einwirkung der Electricität, nicht zu den Seltenheiten. Die Gewitter äußern ganz beſtimmt einen großen Einfluß auf die Ve⸗ getation; nur iſt es zweifelhaft, ob derſelbe auf der electriſchen Natur der Gewitter beruhe, oder den ſonſtigen Aceidenzien der letzteren zuzuſchreiben fei. Die Gewitter treten gewöhnlich dann auf, wenn es längere Zeit nicht gereg⸗ net hat, mittlerweile ſammelt ſich in der Luft viel Staub, Kohlenſäure und Ammoniak an, welche dann durch den Gewitterregen zur Erde geführt wer⸗ den. Daß ſolche Regen viel fruchtbarer ſein müſſen, als andere, welche we— niger von dieſen Stoffen enthalten, liegt auf der Hand. Der Blitz und das Wetterleuchten ſoll der Blüthe ſchaden. Im Oden⸗ walde iſt man allgemein der Anſicht, daß der in den Hackwaldungen gebaute Buchwaizen in gewitterreichen Sommern und namentlich bei öfterem Wetter⸗ leuchten taub blühe. Im vorbereitenden Theile dieſes Werkes ſind die Bedingungen für das Einſchlagen des Blitzes auseinandergeſetzt worden. Es wurde gezeigt, daß der Blitz vorzugsweiſe die guten Leiter der Electrieität aufſucht. Da das grüne Holz zu dieſen gehört, ſo iſt zu vermuthen, daß die Bäume, welche ſchon wegen ihrer Form und Höhe das Ueberſpringen des Funkens erleichtern, öfter vom Blitze getroffen werden. Dies iſt in der That der Fall, und die Erfahrung hat gelehrt, daß alle Bäume ohne Ausnahme den Beſchädigungen des Blitzes unterliegen können, wiewohl einige Holzarten mehr, andere weniger von ihnen zu leiden haben. Möge es uns erlaubt ſein, über dieſen intereſſan⸗ ten Gegenſtand den Bericht eines Mitarbeiters der Allgemeinen Forft- und Jagdzeitung von 1850 unſern Leſern vorzuführen. „Dem Einſchlagen des Blitzes am meiſten unterworfen ſind die Nadel⸗ hölzer, und unter dieſen vorzüglich die Fichte. Wenn Kiefern und Fichten beiſammenſtehen, ſo ſchlägt der Blitz eher dreimal in eine Fichte, als einmal in eine Kiefer. Der Blitz ſchlägt in der Regel in die höchſten Bäume, an der ganzen Länge des Stammes ununterbrochen hinunter bis in die Erde; nur wenn er einen ſtarken Zweig auf feinem Wege trifft, dann fährt er wohl den Zweig entlang rechtwinklig abwärts. Auch findet man bei gedreht erwachſe⸗ nen Stämmen, daß der Blitz Sprünge macht, wenn die Drehung der Holz⸗ fafern, deren Längsrichtung er am liebſten folgt, feiner verticalen Eiffettigkeit zu hinderlich iſt.“ „Unter den Laubhölzern iſt die Birke der Blitzbeſchädigung am meiſten unterworfen. Hier iſt der graphitfarbige Streifen, welchen der Blitz allen Stämmen (Laub- und Nadelhölzern) ohne Ausnahme ertheilt, kaum oder gar nicht ſichtbar, ſoweit die Rinde weiß und glatt iſt; dagegen beſchränkt ſich der Blitz, ſobald er an den unteren riſſigen Theil des Stammes kommt, nicht auf die gewöhnliche Furche allein, ſondern er reißt die aufgeſprungene ſchwarze Borke rings um den Stamm mit ab und wirft fie radſpeichenartig ſtrahlig Einfluß der Electrieität auf die Waldvegetation. 455 oft 40 bis 50 Schritte weit. Nicht ſelten fehlt an dem untern riſſigen Stammtheile die Splintfurche gänzlich, und ſcheint aus der rings abgewor— fenen Rinde hervorzugehen, daß der Blitz gleichmäßig ſich der ganzen betref— fenden Stammoberfläche bemächtigt habe. Oben fo wenig, wie unten ent- ſteht aber ein Spalt im Birkenholze, dieſes bleibt vielmehr, einige losge— riſſene Faſern abgerechnet, ſelbſt unbeſchädigt.“ „Nächſt der Birke kommt die Italieniſche Pappel, welche ſehr häufig vom Blitze heimgeſucht wird. Der Strahl reißt etwas Holz mit ab, ſetzt aber ebenſo wenig, wie bei der Birke, in das Holz fort, es ſei denn, daß er wie⸗ derholt einen und denſelben Baum träfe. Ein merkwürdiger Fall dieſer Art ereignete ſich in den 1820er Jahren vor dem Auguſtthore zu Braunſchweig. Hier befindet ſich an der Chauſſee eine doppelte Pappel⸗Allee, deren Bäume, etwa gleichzeitig gepflanzt, ſo ziemlich gleiche Höhe haben mögen. Deſſen ungeachtet traf der Blitz in einer der äußerſten Baumreihen regelmäßig eine und dieſelbe, etwa die dritte Pappel, ſo daß dieſe durch die wiederholten Schläge allmählig ganz aufgeriſſen, auch aus Rückſichten für die gefährdete Paſſage entfernt werden, und einer jungen Pappel Platz machen mußte, welche vom Blitze nichts zu leiden hat. Des häufigen Vorkommens an Ortſchaften und Chauſſeen wegen ſind bei Pappeln mehr, wie bei andern Bäumen, die Erſcheinungen des Blitzes beobachtet worden. So ereignete ſich z. B., daß bei Horſt, zwiſchen Burgdorf und Hannover, an einer mit Pappelbäumen eingefaßten Chauſſee geſehen wurde, wie der Blitz an einer Pappel herab, quer über die Landſtraße und an der gegenüberſtehenden Pappel wieder in die Höhe fuhr, mit Zurücklaſſung der gewöhnlichen, zwei Finger breiten Furche. Mir iſt ein Fall bekannt, wo eine Italieniſche Pappel etwa eine Ruthe weit neben ein Gebäude gepflanzt war. Eines Tages ſchlug der Blitz an derſelben herab und verfolgte an der Erde eine der ſtärkſten Wurzeln. Aus dem aus Eichenholz conſtruirten Grunde des ihm hier in den Weg tretenden Wohn— hauſes riß er drei Fuß heraus und fuhr, ohne den Fußboden zu verletzen, unter demſelben durch die Stube, ferner unter der Stubenthüre (dieſes Mal ohne das Grundholz zu beſchädigen) immer rechtwinklig hindurch auf die mit Lehm gedeckte Dreſchdiele. Hier ſeinen Lauf unverrückt verfolgend, mußte ſich der Blitz gehoben haben, denn er hinterließ eine Spur, wie vom Pfluge ge— zogen. Er verſchwand durch das große Scheuerthor, ohne zu zünden. In einem andern Fall aber, wo der Blitz an einer, etwa 1 Ruthe von einer Scheune entfernten Pappel herablief, verließ er dieſe bei einem ſich dem Scheuer- dach (ausnahmsweiſe) ziemlich rechtwinklig zuneigenden Zweige, tanzte auf demſelben hinaus unter das Dach und ſteckte das ganze Gebäude in Brand.“ „Die Eichbäume ſind dem Blitzſtrahl um ſo mehr exponirt, je älter und je mehr ſie im Gipfel mit trockenen Aeſten verſehen ſind. (Nach der Anſicht des Verf. wohl nur deshalb, weil die Gipfeltrockniß hauptſächlich an frei— ſtehenden Bäumen vorkommt). Der Blitz fegt daran hinab und reißt außer der Borke auch einige Holzfaſern mit fort, ohne dem Holze zu ſchaden. (Da⸗ 456 Einfluß der Electrieität auf die Waldvegetation. gegen erzählt der Berichterſtatter ſpäter von einer andern 90jährigen Eiche, daß fie der Blitz in einer Höhe von 12 Fußen rein abgebrochen hätte). Iſt die Eiche von unten bis oben hohl und an beiden Enden aufgeſchloſſen, ſo daß die Luft hindurchzuziehen vermag, dann ſchlägt der Blitz im Innern 80 und zündet und zerſtört leicht den ganzen Stamm.“ Früher war man der Anſicht, daß die Erlen und Buchen gänzlich vom Blitze verſchont blieben, und es wurde oft gerathen, dieſe Bäume in der Nähe der Wohnungen als natürliche Blitzableiter anzuziehen). Allerdings kommt der Blitzſchlag bei der Erle ſelten vor, v. Gall will in ſeinen mehr als 30000 Hectaren umfaſſenden Dienſtbezirken niemals von einem ſolchen vernommen haben; dagegen geht aus der folgenden, von unſerem Berichterſtatter mitge⸗ theilten Notiz hervor, daß auch die Erle vom Blitze getroffen werden kann. „In einer Feldhecke in der Nähe von Hoya, erzählt derſelbe, befand ſich eine Reihe etwa 45jähriger Erlen. Von dieſen wurde gegen Ende Juli 1846 Morgens 5 Uhr eine von oben herab durch den Blitz ſprungweiſe in der Borke aufgeriſſen, und dann, ſoweit der Poll reichte, rein abgebrochen. Den dann folgenden aſtloſen Theil des Stammes hatte der Blitz etwa 5 Fuß lang in Splitter zerſchlagen, welche kaum zu finden waren. Unten aber war ein etwa 10 Fuß langer, blos eingeſpaltener Stumpf ſtehen geblieben, an welchem der Blitz bis in die Erde hinunter gefahren war“. Was die Blitzſchläge bei Buchen anlangt, ſo berichtet von Gall, es ſeien ihm aus ſeiner 21jährigen Dienſtführung fünf Fälle bekannt, daß der Blitz in Rothbuchen ſchlug, und zwar zwiſchen 920 bis 1670 Par. Fuß über der Meeresfläche. Der Blitz hatte eine viel zerſtörendere Wirkung bei dieſen Stämmen, als bei andern Holzarten (wie v. Wedekind richtig interpretirt wegen der breiteren Spiegelfaſern der Buchen, die das Holz ſpaltbar machen), denn es wurden hierdurch ſehr ſtarke Aeſte herabgeſchmettert, die zum Theil einen Durchmeſſer von 17— 20 Centimetern hatten. Der erſtere Stamm war ſtark und konnte an 11—12 Stere geben, der letztere, zwar viel ſchwächer, war dagegen aller Aeſte auf einer Seite beraubt, wo der Blitzſtrahl herunter⸗ fuhr; auch mußten beide Stämme, an denen der Schaft zum Theil geborſten, das folgende Jahr gefällt werden. Vom Blitzſchlag bei Linden führt unſer Gewährsmann folgenden Fall ») Dieſen Zweck wurde man übrigens verfehlt haben, denn zu Blitzableitern taugen nur guͤte Leiter der Electrieität. Wollte man Bäume hierzu verwenden, fo müßte man gerade diejenigen wählen, welche am häufigſten vom Blitz getroffen werden, ſie aber in eine ſolche Entfernung von den Wohnungen pflanzen, daß ſie zwar den Blitz von dieſen ablenken, aber doch nicht eine etwaige Entzündung auf dieſelben übertragen können. Jedenfalls wäre dieſe Art von Blitzableitern eine ſehr un⸗ vollkommene, und ſchwerlich möchten ſich ängſtliche Naturen durch dieſelben be⸗ ruhigen laſſen. — Schlechte Leiter der Eleetrieität halten den Blitz von andern Gegenſtänden, z. B. Wohnungen, nicht ab, ſie genießen nur den Vortheil, daß ſie ſelbſt weniger leicht getroffen werden, wenn ein anderer guter Leiter in ihrer Nähe ’ ſich befindet. Einfluß der Electrieität auf die Waldvegetation. 457 an: „Eine ringsum freie, volläſtige, ſtarke Linde zu Malloh, Amts Karſebadt, wurde vor einigen Jahren vom Blitz getroffen, vegetirt aber ungeachtet der erlittenen Borſte heiter fort. Merkwürdiger Weiſe verbreitete ſich der Schlag nicht allein verſengend über den zwiſchen der Linde und dem Wohnhauſe ſtehenden Kohl, ſondern traf auch drei in der Küche beſchäftigte Menſchen und drei an der andern Seite der Linde vor einem Wagen haltende Pferde, während der neben der geöffneten Hausthüre ſtehende Förſter unberührt blieb. Die umgeſunkenen Menſchen und Pferde kamen wieder zur Beſinnung.“ Von der Aspe erzählt derſelbe folgendes: „In der Nähe des Dorfes Gliſſen, Amts Nienburg, wurde eine etwas 16 Zoll im Durchmeſſer haltende Aspe, welche am Rand eines 80—150jährigen Buchenwaldes, umgeben von einzelnen Birken und Buchen auf einer kleinen Blöße ſtand, im Juni 1849 vom Blitze getroffen. So weit die Aeſte herabſaßen, ſah man nur die ge— wöhnliche Furche, dem untern Theil des Stammes war aber nicht allein ringsum die Borke genommen und zum Theil 185 Schritte weit umher ge— ſchleudert, ſondern das Stammholz war durchweg zerſplittert und wiedenartig zuſammengedreht. Wegen des verbliebenen Zuſammenhangs der Theile dauerte es noch etwa vierzehn Tage, bis der Stamm umſank.“ Von der Weide berichtet derſelbe, daß Ende Juli 1849 in der Gegend von Hoya der Blitz aus einer Reihe geköpfter Weiden ein geſundes Exemplar traf und das— ſelbe in flachsartige Faſern kurz und klein ſchlug. Ein geringes Stück vom Stamm mit einigen Aeſten und welken Blättern war übrig geblieben. Nach demſelben hat auch der Boden, auf welchem die Holzarten wachſen, weſent— lichen Einfluß auf die Anziehung des Blitzes. Namentlich ſoll da, wo ort— ſteinhaltiger Untergrund (Raſeneiſenſtein) vorkommt, wie an vielen Orten in den Haidegegenden, Blitzſchlag an der Tagesordnung ſein. „Eine etwa 60jährige verkrüppelte Eichenpflanzung auf einem etwa einen Morgen um— faſſenden Ortſteingrunde befindlich, (deren Stämme bei einer Höhe von unge— fähr 25—30 Fußen etwa 5 Zoll im Durchmeſſer enthielten) war Stück für Stück vom Blitze beſchädigt. Der Beſtand lag auf einem etwas erhobenen, mit ſtruppiger Haide bewachſenen Boden. Ringsum war ebener Anger mit hohen alten Eichen, welche der Blitz gänzlich verſchont hatte. Beim Gewitter flohen ortskundige Hirten jene Krüppelpflanzung wie die Peſt, weil dort regelmäßig der Blitz einſchlug.“ Nach den Beobachtungen des Verf. hält der Blitzſchlag bei den Bäu— men keine beſtimmte Himmelsgegend ein. Ob die Bäume in ebenen Gegen— den öfter oder weniger vom Blitz getroffen werden, als im Gebirge, läßt ſich wegen Mangels an vergleichenden Beobachtungen bis jetzt noch nicht entſcheiden. Wünſchenswerth wäre es, wenn mehr Notizen über den Blitz— ſchlag bei Bäumen aus verſchiedenen Gegenden geſammelt würden; dieſe Erſcheinung kommt verhältnißmäßig zu ſelten vor, als daß ein einziger Beo— bachter das nöthige Material aufbringen könnte. Siebzehntes Bud. Einfluß der Lage und der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens auf die Waldvegetation. Nachdem wir erörtert haben, welche Rolle die Atmoſphäre, die Meteore und die chemiſchen Beſtandtheile des Bodens in Bezug auf die Waldvegeta⸗ tion ſpielen, bleibt uns noch übrig, den Einfluß der Lage und der phyſikaliſchen Beſchaffenheit des Bodens zu würdigen. Da übrigens die Wirkungen der Atmoſphäre und der Meteore gar ſehr von dem Boden abhängen, ſo konnte es ſich nicht fehlen, daß vieles hierher Gehörige ſchon in den vorderen Abſchnitten dargeſtellt wurde. Die ſtrenge Sonderung der Materien, wie ſie im Vorbereitenden Theil ſtattfand, konnte hier nicht in dem nämlichen Maße durchgeführt werden, ohne den organiſchen Zuſammenhang des Stoffes zu Gunſten der formellen Behandlung theilweiſe aufzuheben. Die verſchiedenen Agentien des Pflanzenlebens, ſo weit dieſelben hier in Betracht kommen, wirken nicht in der nämlichen Reihenfolge, welche die ſchriftliche Darſtellung der ſyſtematiſchen Ordnung halber einzuhalten ge⸗ zwungen iſt; Wärme, Feuchtigkeit, Luftſtrömung und noch ſo vieles Andere vereinigt ſich, um die Produete des vegetabiliſchen Organismus hervorzubrin⸗ gen. Wollten wir nur einigermaſſen ein Bild von dieſem Zuſammenwirken geben, ſo mußten wir nothwendiger Weiſe hie und da in andere Gebiete der Darſtellung hinübergreifen. So iſt es denn gekommen, daß wir hier weniger Neues vorzubringen, als vielmehr das in den vorderen Abſchnitten Geſagte, welchem an dem gegenwärtigen Platze ſeine ſyſtematiſche Stellung gebührt, zu wiederholen und zuſammenzufaſſen haben. Wir wollen uns hierbei der mög⸗ lichſten Kürze befleißigen. 1. Urſprüngliche und ſecundäre Lagerſtätte des Bodens. Das ſogenannte aufgeſchwemmte Land iſt gewöhnlich tiefgründiger, die Erdpartikelchen ſind feiner zertheilt und verwittern deßhalb leichter, als bei ſolchem Boden, welcher unmittelbar aus der Zerſetzung des unter ihm liegen⸗ den Geſteines hervorgegangen iſt. Der aufgeſchwemmte Boden geſtattet daher den Wurzeln der Gewächſe, ſich gehörig auszubreiten und tief in die Erde Wurzelbodenraum und Untergrund. Tiefländer. 459 einzudringen, was namentlich für diejenigen Holzarten von Wichtigkeit iſt, welche eine Pfahlwurzel bilden. Wo der aufgeſchwemmte Boden, wie es faſt immer der Fall iſt, hinreichende Feuchtigkeit beſitzt, da iſt er durch ſeine Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Wir führen als Beleg die Norddeutſchen Mar⸗ ſchen, die Auen an den Ufern des Rheins an. Die ſchönſten, höchſten Eichen wachſen in ſolchem Boden (Knoblauchsaue am Rhein, die Eichenwal— dungen in den Oderniederungen). Die Fruchtbarkeit der Thäler, ja ſelbſt der kleinern Mulden und Klingen beruht hauptſächlich auf der Tiefgründigkeit und feinen Zertheilung des Bodens, der an dieſen Orten ſeine ſecundäre Lager— ftätte gefunden hat. Wenn das aufgeſchwemmte Land häufig von Spät- fröſten zu leiden hat, ſo kommt dies meiſt auf Rechnung der vertieften Lage, welche eine Anſammlung der Feuchtigkeit begünſtigt. 2. Wurzelbodenraum und Untergrund. Flachgründiger Boden hindert das Eindringen der Wurzeln in die Tiefe; es iſt bei ihm die Bildung der Pfahlwurzeln und damit auch das Höhe— wachsthum vieler Holzarten (Eichen, Kiefern ꝛc.) aufgehalten. Er trocknet leicht aus und erſchwert eine tiefgehende Bodenbearbeitung. 8 Ein undurchlaſſender Untergrund, welcher entweder von plaſtiſchem Thon, oder von Felſen, oder von Raſeneiſenſtein gebildet wird, iſt der Baumvegeta— tion in mehrfacher Hinſicht ſchädlich. Er hemmt die Pfahl: und Stechwurzel⸗ bildung, verhindert das Eindringen des Waſſers in den Boden und verurſacht dadurch bei ebener Lage ein Aufſtauen der Feuchtigkeit und Verſumpfung, oder er bewirkt in geneigter Lage, daß das Waſſer ſchnell abfließt, wodurch der Boden trocken gelegt wird. Am günſtigſten geſtaltet ſich das Verhältniß zwiſchen Wurzelbodenraum und Untergrund für die Vegetation, wenn erſterer leicht, letzterer etwas ſchwe— rer durchdringbar iſt. Es können dann die Wurzeln nach allen Richtungen hin ſich ausbreiten, während zugleich der Untergrund das ſchnelle Abziehen der atmoſphäriſchen Niederſchläge verhindert. 3. Tiefländer. Die Tiefländer ſind mit den verſchiedenartigſten Bodenſorten ausgeſtattet. In dem continentalen Europäiſchen Tiefland, welches ſich von den Küften - des Canals bis zum Ural hinzieht, findet man große Ablagerungen von Ge— ſchieben (theilweiſe mit erratiſchen Blöcken), Lehm, Thon, Sand (bis zum feinkörnigſten Flugſand hin). Eine eigenthümliche Bodenart, welche nament— lich an den Küften der Nordſee ausgedehnte Flächen einnimmt, iſt das Marſch— land, welches daſelbſt durch die Abſätze des Meerwaſſers entſteht. Je nach der Beſchaffenheit der Subſtanzen, welche das Meer auswirft, iſt die Natur des Marſchbodens verſchieden. Es wechſeln oft auf kurze Strecken hin Lager von Kies, Sand, Lehm, Mergel, Thon mit Abſätzen von ſchlammartigen Pro— dueten. Die letzteren ſind wegen ihrer feinen Vertheilung, welche eine ſchnelle 460 Einfluß der Lage auf die Waldvegetation. Verwitterung des Bodens und eine Ausbildung des Wurzelſyſtems der Ge⸗ wächſe geſtattet, beſonders fruchtbar. — Auch Stromtiefländer enthalten Marſch⸗ boden, nur iſt hier die Zuſammenſetzung der Ablagerungen noch mehr dem Wechſel unterworfen. Das ſüdliche und ſüdweſtliche Tiefland des Ruſſiſchen Reiches iſt durch eine eigenthümliche Bodenart — die ſogenannte Schwarzerde — ausgezeich⸗ net, welche wahrſcheinlich in die Klaſſe der Meeresmarſchen gehört. Wenig⸗ ſtens iſt es erwieſen, daß dieſes Tiefland früher der Grund eines Meeres war. Die Schwarzerde enthält neben ſehr feinzertheilten Mineralſubſtanzen 6—12% organiſche Materie. Die Vegetation der Tiefländer iſt, je nach der Natur des Bodens, ſehr verſchieden. Wo der Boden aus undurchlaſſendem Thon beſteht, da bilden ſich Sümpfe und die Flora beſchränkt ſich auf die eigentlichen Sumpfgewächſe. Bei den Sandablagerungen kommt es darauf an, ob der Untergrund feucht oder trocken ſei. Im erſteren Falle iſt die Cultur möglich, wenn nur die Oberfläche des Sandes beruhigt worden iſt, im andern Falle geſtaltet ſich das Terrain zu einer Wüſte (Sahara). Die Stromtiefländer ſind gewöhnlich durch Hügel oder Berge gegen rauhe Luftſtrömungen geſchützt und entwickeln deßhalb frühzeitig im Jahre ihre Ve⸗ getation, dagegen leiden fie häufig von Spätfröſten, welche dem größern Feuch⸗ tigkeitsgehalt des Bodens und dem Mangel an Luftwechſel zuzuſchreiben find, Die ausgedehnteren Meeres- und die continentalen Tiefländer dagegen ſind den Winden ſehr ausgeſetzt, ſo wird z. B. die Norddeutſche Ebene ſowohl von den Seewinden, als auch von den austrocknenden Oſtwinden (welche aus dem innern Rußland kommen) heimgeſucht. 4. Gebirgsländer. Mit wachſender Meereshöhe treten eine Menge Veränderungen im Klima ein, welche bewirken, daß die Vegetation der Gebirge von derjenigen der Tief⸗ länder abweicht. 5 Die auffallendſten Erſcheinungen im Pflanzenleben werden durch die Abnahme der Temperatur hervorgebracht. Dieſer iſt es zuzuſchreiben, daß das Verhältniß der Dicotyledonen zu den Monocotyledonen ſich vermindert und daß zuletzt nur noch Cryptogamen die Flora der Gebirgshöhen ausmachen. f Aber lange vorher, ehe die dicotyledoniſchen Krautpflanzen aufhören, find ſchon die Baumgewächſe verſchwunden. Die Fähigkeit unſerer Holzarten, geſchloſſene Beſtände zu bilden, ver⸗ liert ſich gegen die äußerſte Grenze ihres Vorkommens hin, wahrſcheinlich deßhalb, weil die Factoren des Bodens und des Klima's, welche der Baum zu ſeinem Gedeihen verlangt, ſich in den höheren Regionen nicht mehr über ganze Flächen hin, ſondern nur an einzelnen Puncten finden. Das Höhewachsthum der Bäume nimmt nicht proportional mit der Gebirgsländer. 461 Erhebung über die Meeresfläche ab; oft trifft man in den Gebirgen nicht blos einzelne Bäume, ſondern ſelbſt ganze Beſtände, welche ſich durch größere Stammlängen vor den Waldungen in der Ebene auszeichnen, ſelbſt wenn der Boden hier und dort keine Verſchiedenheiten zeigt. Die größere Luft⸗ feuchtigkeit im Gebirge begünſtigt das Wachsthum der Holzpflanzen ganz aus- nehmend. Dagegen wirkt im mittleren Deutſchland eine Meereshöhe von 600 — 700 Metern ſchon merklich nachtheilig auf das Längewachsthum der Bäume ein. Da der Maſſezuwachs bei einerlei Holzart, Betriebsart, Waldbehand— lungsart ze. dem Längewachsthum ziemlich proportional iſt, fo läßt ſich nach dem Vorhergehenden auf die Maſſeerträge der Gebirgswaldungen ſchließen. Ueberall da, wo das Längewachsthum ſich noch gehörig entwickelt, findet auch ein entſprechender Maſſezuwachs ſtatt. So ergab ſich bei einem Ertragsver— ſuch, den der Verf. im Vogelsbirge bei 500 Metern Meereshöhe anſtellte, für 100jährige Buchen ein jährlicher Durchſchnittszuwachs an prädominirender Holzmaſſe von mehr als 6 Steren pro Hectare, desgleichen bei einem andern Ertragsverſuch auf dem Thumkohlenkopf, Reviers Haſſerode im Harz, eben— falls bei ungefähr 500 Metern über der Meeresfläche in einem 97jährigen Fichtenbeſtande 18 Stere Durchſchnittszuwachs pro Hectare. Dieſe Erträge ſtehen, wie man ſieht, denjenigen von Beſtänden in der Ebene nicht nach. Bei Holzmaſſeerträgen von dieſem Belang bleibt auch der Zuwachsgang im Gebirg und in der Ebene nahe derſelbe; erſt dann, wenn der Durchſchnitts— zuwachs auf einen bedeutend kleineren Betrag ſich reduzirt, tritt der Fall ein, daß er erſt in viel ſpätern Altern, als in der Ebene, culminirt. Davon liefert u. A. die Lärche ein Beiſpiel; bei 100 — 200 Metern Seehöhe erfolgt der höchſte Durchſchnittszuwachs oft ſchon mit dem 20ten Jahre; in den Alpen dagegen, bei 1400 —1500 Metern Seehöhe, erſt nach dem 80 —100ten Jahre. Die Häufigkeit der Samenjahre iſt im Gebirge viel geringer, als in der Ebene; doch ſind die geſchützten Lagen der Vorberge oft durch eine reiche Production von Baumfrüchten ausgezeichnet. So gedeihen z. B. am ſüd⸗ lichen Rande des Taunus die Wallnüſſe und Kaſtanien faſt in jedem Jahre. Oben wurde bereits der Einfluß erwähnt, den die größere Feuchtigkeits⸗ ſumme im Gebirge auf die Waldvegetation ausübt. Es kommt aber nicht blos der durch die häufigen atmoſphäriſchen Niederſchläge hervorgerufene grö— ßere Feuchtigkeitsgehalt des Bodens in Betracht, ſondern auch die bedeutendere relative Feuchtigkeit der Luft. Sie iſt es, welche den Ausfall, den die Wär⸗ meabnahme im Gebirg in Bezug auf die Holzmaſſenproduction bewirken kann, wenigſtens bis zu einer gewiſſen Erhebung über die Meeresfläche hin wieder ausgleicht. In der größern Luftfeuchtigkeit iſt die Urſache zu ſuchen, warum die Buche, Fichte und Weißtanne vorzugsweiſe das Gebirge bewohnen. Hier können dieſe Holzarten ganz im Freien, ohne den Schutz der Mutterbäume, ſich natürlich fortpflanzen, hier wachſen ſie in der Jugend ſchneller empor 462 Einfluß der Lage auf die Waldvegetation. und entwickeln ſich kräftiger, ſo daß ſie nicht von andern Holzarten unterdrückt werden können. Der größere relative Feuchtigkeitsgehalt der Luft und der häufiger umzogene Himmel erlauben im Gebirge, die vorgenannten Holzarten im Freien mittelſt Saat anzuziehen, was in der Ebene, pe auf Pi zubereitetem Boden, ſelten gelingt. 5 Der größern Menge an Luft- und Bodenfeuchtigkeit iſt es ferner zuzu⸗ ſchreiben, warum in den Vorbergen das abgefallene Baumlaub ſo ſchnell ver- weſt. Dagegen wird wieder in den höheren Lagern der Gebirge die Humus⸗ bildung durch die Abnahme der Temperatur verzögert; letztere, ſowie die ſtagnirende Feuchtigkeit des Bodens, welche wegen Mangels an Wärme nicht verdunſten kann, geben Veranlaſſung zur Erzeugung von Torfmooren. Schneedruck und Schneebruch äußern ihre verderblichſten Wirkungen zwiſchen 300—800 Metern Meereshöhe; weiter hinauf fällt der Schnee ſchon feinflockiger und trockner und häuft ſich deßhalb nicht in größeren Maſſen auf den Zweigen der Bäume an. Duft- und Eisanhang treten mehr in der Ebene, als im Gebirge auf. Die Gefahr des Windwurfs hängt im Gebirge ſehr von der Configura⸗ tion des Bodens, dem Schutz durch vorragende größere Berge ze. ab. Von austrocknenden Winden leiden namentlich die Oſtſeiten im Gebirge, ſie ſind zugleich den Spät- und Frühfröſten vorzugsweiſe ausgeſetzt, was ſich in noch höherem Grade auf die Südoſtſeite bezieht. Hitze und Dürre wirken mehr an den Südſeiten der Berggehänge. Der Boden iſt in den Thälern gewöhnlich tiefgründiger, als auf dem Rücken der Gebirge, weil hier die meteoriſchen Niederſchläge die feineren Erd⸗ theilchen ablöſen und in die Tiefe ſchwemmen. Betrachten wir nun noch den Einfluß, den die Form und Volumver⸗ theilung der Gebirge auf die Vegetation äußert. Bei kegelförmigen, paraboliſchen und kugelſegmentartigen Bergen kommt es vor Allem auf den Winkel an, welchen die Bergwand mit der Horizonta⸗ len bildet. Je größer dieſer Winkel iſt, um ſo weniger wird ſich die Feuchtig⸗ keit halten und um ſo leichter die Erde von den Bergwänden aus in die Tiefe geſchwemmt werden können. Bei gleicher Grundfläche und Höhe be- ſitzen die kegelförmigen Berge mehr Oberfläche im Verhältniß zur Maſſe, als die paraboliſchen und kugelſegmentartigen, jene werden daher mehr Wärme durch Strahlung und Mittheilung an die Luft abgeben. Da die Spitzen der kegelförmigen Berge durch Bäume, welche auf der Bergwand ſtehen, nur wenig gegen Sonne und Wind geſchützt werden können, ſo iſt auf ihnen die Cultur, namentlich von ſolchen Holzarten, welche zu ſtarker Blattausdünſtung geneigt ſind, mit Schwierigkeiten verbunden. 5 Hörner ſind gewöhnlich unbewaldbar; daſſelbe gilt von den ſchroff an⸗ ſteigenden Wänden parallelepipediſcher Berge, während der abgeplattete Gipfel Hochebenen. Geogr. Länge und Breite. Meereshöhe. 463 zur Holzerzeugung benutzt werden kann. (Quaderſandſteinberge in der Säch⸗ ſiſchen Schweiz). Kettengebirge beſitzen mehr Thäler und Rücken, daher mehr Verſchieden⸗ heiten im Boden und in der Vegetation, als Maſſengebirge. Bei jenen kommt Alles darauf an, nach welcher Himmelsgegend hin die Ketten verlaufen. Iſt ihre Längsrichtung winkelrecht zur Richtung der kalten oder austrocknenden Winde, ſo wird zwar die Wand der vorderſten Kette, gegen welche der Wind gerade anprallt, alle nachtheiligen Einflüſſe dieſer Winde empfinden, dagegen wird ſchon die entgegengeſezte Wand der nämlichen Kette vor dem Wind ge- ſichert ſein. Auch die der Windrichtung unmittelbar zugekehrten Seiten der übrigen Ketten werden durch die erſte Kette, namentlich wenn dieſe etwas vorragt, geſchützt, während die hinter dem Winde liegenden Flächen der Ket— ten gewöhnlich ein herrliches Klima erhalten, welches das frühzeitige Erwachen der Vegetation, ſowie die Blüthenbildung und Fruchtreife, die Cultur exoti⸗ ſcher Gewächſe ꝛc. begünſtigt. — Iſt dagegen die Längserſtreckung der Ketten mit der Richtung der kalten oder austrocknenden Winde parallel, ſo können dieſe ungehindert den Lauf der Thäler verfolgen, was zur Folge hat, daß die Vegetation auf keiner von den beiden Thalwänden gedeiht. 5. Hochebenen. Dieſe beſitzen eine höhere Jahrestemperatur, als iſolirte Berge, dagegen werden ſie, wenn ihre Erhebung über die Meeresfläche bedeutend iſt, oft von Fröſten heimgeſucht. Der Boden auf Hochebenen iſt dem Abſchwemmen durch die Meteorwaſſer weniger ausgeſetzt, leidet aber häufig durch Verſum⸗ pfung. Die Mehrzahl der Hochebenen enthält ausgedehnte Torflager. 6. Geographiſche Länge und Breite, Meereshöhe. Die Wärme nimmt vom Aequator nach den Polen und von der Erd— oberfläche nach den höheren Regionen des Luftkreiſes hin ab, indeſſen iſt die Diſtanz für eine gewiſſe Temperaturabnahme in horizontaler Richtung bedeu- tend größer, als in verticalem Sinne. Daher kommt es denn, daß die Vege⸗ tation im Gebirge bei einer ſenkrechten Höhe verſchwindet, deren Größe, in horizontaler Richtung aufgetragen, noch nicht eine Verminderung der Tempe⸗ ratur um den Betrag von 1“ bewirkt. f Die höhere Wärme einer mehr ſüdlichen Lage kann durch die Erhebung des Terrains über die Meeresfläche wieder aufgehoben werden. In Deutſch⸗ land findet von der Oſt⸗ und Nordſee bis zu den Alpen hin eine allmählige Steigung des Landes ſtatt; auf der Linie von Stralſund nach München nimmt die Temperatur nur um 1,2 zu. Allein München liegt 500 Meter über Stralſund. Es iſt früher bereits angedeutet worden, daß das Verhältniß der Pha⸗ nerogamen zu den Cryptogamen in dem Maße kleiner wird, als die Jahres⸗ 464 Einfluß der Lage auf die Waldvegetation. wärme mit zunehmender Pol- und Meereshöhe ſich vermindert; es wurde ferner erwähnt, daß die Vegetation zuletzt ganz verſchwindet, wenn ihr nicht mehr das zu ihrem Beſtehen nothwendige Maß von Wärme geboten wird. Indeſſen entſcheidet die mittlere Jahreswärme nicht allein über das Fortkom⸗ men der Gewächſe. So hat z. B. Enontekis in Lappland eine viel niedrigere mittlere Jahrestemperatur (— 29,7), als der St. Gotthard (— 0,8), und doch findet man bei Enontekis noch Fichten, während die Spitze des Gotthardber⸗ ges keine Baumgewächſe aufzuweiſen hat. Allein die Sommertemperatur von Enontekis beträgt 120,6, die des Gotthards nur 6,7. Der Unterſchied rührt daher, weil die Sonne in den höhern Breiten während des Sommers länger am Himmel ſteht; die länger andauernde Wirkung der Sonnenſtrahlen er⸗ ſetzt hier Dasjenige, was jenen, wegen des ſchieferen Auffallens, an Intenſität fehlt. N Die Abnahme der Wärme iſt der Polhöhe nicht direet proportional. Die Vertheilung, Maſſe und Richtung der Gebirge, die Nähe des Meeres und größerer Landſeen bewirken, daß die Linien gleicher Jahres-, Sommer⸗ und Winterwärme nicht mit den Parallelkreiſen zuſammenfallen. Die Iſotheren gehen im Innern der Continente zu höheren Breiten hinauf, als an den Kü⸗ ſten der Meere und Seeen, während die Iſochimenen die entgegengeſetzten Bie⸗ gungen einhalten. Daher kommt es, daß im nördlichen Aſien, zu Jakuzk, bei — 9,7 Jahrestemperatur noch Sommergerſte gebaut werden kann, ob⸗ gleich der Boden ſelbſt im Sommer hindurch in der Tiefe von einem Meter gefroren iſt, während am Nordkap bei 00,1 Jahrestemperatur ſelbſt nicht ein⸗ mal die Birke zu finden iſt. Allein Jakuzk hat eine mittlere Sommerwärme von 170,2, das Nordkap nur von 60,4. Dagegen geftatten Orte an der See die Ueberwinterung zärtlicher Gewächſe im Freien. So erfriert z. B. zu Du⸗ blin die Rebe nie, obgleich ſie keine zur Weinbereitung taugliche Früchte trägt, während in der Nähe von Frankfurt, wo der berühmte Hochheimer Wein ge⸗ zogen wird, der Weinſtock öfters vom Froſt beſchädigt wird; allein Dublin hat 40,6 Winter- und 15% Sommertemperatur, Frankfurt a. M. 10,2 Win⸗ ter⸗ und 18,3 Sommertemperatur. Der öſtliche Theil von Europa leidet ſehr durch den kalten Nordoſtwind und den austrocknenden, im Sommer ſehr warmen Oſtwind. Dagegen arten die feuchteren weſtlichen Winde, denen die Weſtküſte Europa's exponirt iſt, öfter zu Stürmen aus. 7. Abdachung. * Bei gleicher Bodenbeſchaffenheit, Tiefgründigkeit und Feuchtigkeit muß die ſchiefe Ebene mehr Holz erzeugen, als die ihr zur „ dienende = rizontale Fläche, und zwar aus folgenden Gründen: ö Abdachung. ö 465 Fig. 170. a. Die ſchiefe Ebene AC iſt im e Verhältniß der Secante zu 1 grö £ Ber, als die horizontale Fläche AB, denn es iſt (Fig. 170) AB: AC = 1: sec. A Bei gleicher Pflanzweite können alſo A 3 auf A C mehr Pflanzen Platz finden, als auf AB. a Verhältniß der Neigungswinkel Horizontalen zur ſchiefen Pflanzenmenge pro Heetare bei ö Ebene 1 Meter Pflanzweite 0° 1 : 1,00000 10000 5° 1 1,00382 10038 10° 1 1,01543 10154 150 1 1,03527 10353 . 20° 1 1,06417 10642 250 1 1,10338 11034 30° 1 1,15470 11547 350 1 1,22077 12208 40° 1 1,30541 13054 450 1 1,41421 14142 z Uebrigens findet bei gleicher Pflanzweite die in der letzten Reihe der vorſtehenden Tabelle angegebene Pflanzenmenge nur dann auf der ſchiefen Ebene ſo viel Nahrungsraum, als auf der horizontalen, wenn die Pflanzen ſenkrecht zur ſchiefen Ebene ſtehen. Beſitzen ſie dagegen eine zur Horizontalen Fig. 171. ſenkrechte Stellung, ſo bietet die ſchiefe Fläche nicht mehr Nahrungsraum dar, als 2 die horizontale, weil jetzt die letztere durch die Projectionen a b, b“, e“ d', d' e, e . 2 2 vorgeſtellt wird (Fig. 171). Vielfache Unterſuchungen haben ge⸗ c lehrt, daß die Bäume auf einer ſchiefen Ebene zwar nicht geradezu ſenkrecht auf ihr ſtehen, aber auch nicht mit der Hori⸗ 2 -= zontalprojection einen rechten Winkel bil- „ c d & & den. Sie neigen ſich etwas, wenn auch nur wenig, mit ihrer Spitze nach dem Fuße der ſchiefen Ebene hin. Es werden alſo jedenfalls auf der ſchiefen Ebene mehr Pflanzen den benöthigten Nahrungsraum finden, als auf einer horizon⸗ talen Fläche. Wie groß der Unterſchied ſei, das muß erſt durch genauere Meſ— ſungen feſtgeſtellt werden. Heyer, Bodenkunde. 30 466 Einfluß der Lage auf die Waldvegetation. b. Auf der ſchiefen Ebene erhält die Einzelpflanze mehr Licht, als auf der horizontalen Fläche. Stehen mehrere Pflanzen auf einer Horizontalebene neben einander, jo wird nur die dem Boden entgegengeſetzte Abwölbung der Krone die volle Ein- wirkung des Lichtes genießen, die Seitenflächen dagegen werden von den Kro— nen der angrenzenden Bäume beſchattet werden. Auf der ſchiefen Ebene iſt dagegen immer ein Theil der nach dem Bergfuß gekehrten ee frei von aller Beſchattung. Die Gärtner machen eine practiſche Anwendung von dieſem Satze; um den Gewächſen in dem beſchränkten Raume der Treibhäuſer die größte Summe von Lichtgenuß zu verſchaffen, ſtellen ſie jene über einander auf eine künſtliche Teraſſe. Wenn trotz den unter a und b aufgeführten Momenten in der Mehr⸗ zahl der Fälle geneigte Lagen weniger Holzmaſſe produziren, als ebenes Ter⸗ rain, ſo liegt die Urſache darin, daß letzteres gewöhnlich weniger Feuchtigkeit und Tiefgründigkeit beſitzt. Die Meteorwaſſer fließen raſcher ab, ſchwemmen die feinen Erdtheilchen von den ſchiefen Flächen hinunter in die Ebene der Thäler und laſſen ſie hier liegen. Die Unterſuchungen, welche bis jetzt angeſtellt worden ſind, um den größern Zuwachs geneigter Flächen gegenüber dem Zuwachs horizontaler Ebenen von gleicher Bodenbeſchaffenheit practiſch nachzuweiſen, können nicht als entſcheidend angeſehen werden, weil wir die Factoren der Bodengüte noch zu wenig ken⸗ nen, um die Identität zweier Standorte mit Beſtimmtheit ausſprechen zu kön⸗ nen. Wir halten es daher für überflüſſig, dem Leſer die Reſultate ſolcher Unterſuchungen mitzutheilen. Dasjenige, was unter a und b über den grö⸗ ßern Holzzuwachs auf geneigten Flächen geſagt worden iſt, beruht lediglich auf theoretiſchen Anſichten, und es wird noch lange dauern, bis es gelingt, die Belege für dieſelben aus der Praxis herbeizuholen. Beſtände, welche aus natürlicher Verjüngung hervorgegangen ſind, eignen ſich zu ſolchen Unterſuch⸗ ungen nicht im Mindeſten; es können nur ſolche Forſtorte dazu benutzt wer⸗ den, welche auf künſtlichem Wege begründet und ganz genau in der nämlichen Weiſe behandelt worden ſind. Hat ja doch ſchon ein ungleiches Beſtockungs⸗ verhältniß auf Localitäten von einer und derſelben Bodenbeſchaffenheit die verſchiedenſten Zuwachsergebniſſe zur Folge! Geneigte Flächen ſetzen der Bearbeitung des Bodens und der Erndte der erzogenen Producte Schwierigkeit entgegen; namentlich kommen dieſe bei der Landwirthſchaft in Betracht, deren Gewächſe, mit wenigen Ausnahmen, auf einem von der fruchtbaren Bodenkrume entblöſten Boden, wie er gewöhn⸗ lich einem ſtark geneigten Terrain eigen iſt, nicht gedeihen, während die Wald⸗ bäume noch auf nacktem Fels vegetiren können, wenn derſelbe nur zerklüftet iſt und das Eindringen der Wurzeln geſtattet. Bei der Waldwirthſchaft kommt eine Bearbeitung des Bodens mittelſt Abdachung. 467 Viehgeſpann ſehr ſelten vor, oder fie läßt ſich doch immer umgehen; die Land— wirthſchaft iſt dagegen (abgeſehen vom eigentlichen Gartenbau und der Cul⸗ tur einiger weniger Gewächſe, wie z. B. des Weinſtocks) nur dann lohnend, wenn der Umbruch des Bodens und das Unterbringen des Samens mit Bei- hülfe von Vieh, anſtatt durch Menſchenhand, geſchehen kann. Der Neigungs⸗ winkel der ſchiefen Flächen, auf denen die Agricultur noch betrieben wer- den kann, wird gewöhnlich überſchäzt Zur Beurtheilung der Grenze, bis zu welcher eine Bearbeitung des Bodens mittelſt Zugvieh noch ausführbar iſt, möge die Notiz dienen, daß nach den Berichten von glaubwürdigen Rei⸗ ſenden die Maulthiere in Spanien beladen nur noch auf einer Neigung von 29° gehen. Der Wieſenbau kann auf ſtärker geneigtem Terrain ausgeübt wer⸗ den, als der Ackerbau, weil bei jenem das Zugvieh nur zum Fortſchaffen der Erndte gebraucht wird und dieſe leicht an die mit einem geringeren Gefäll verſehenen Abfuhrwege gebracht werden kann. Indeſſen erfordert die Wieſen— eultur doch auch die Handarbeit von Menſchen, und wo dieſe nicht mehr mit Sicherheit den Fuß aufſetzen können, da hört auch der Wieſenbau auf, abge⸗ ſehen davon, daß auf ſo ſtark geneigten Flächen die Bodenkrume, auf welcher der Raſen ſich bilden ſoll, gewöhnlich fehlt, weil ſie durch Regen- und Schnee⸗ waſſer abgeſchwemmt wird. Nach den Ermittlungen des um den Straßenbau verdienten Umpfenbach läßt ſich ein Fußpfad von 31 Grad Neigung auf fe— ſtem Boden nur mit Mühe erſteigen, und dies möchte auch die Grenze für den Wieſenbau ſein, die indeſſen für lockeres Erdreich bei einer noch geringeren Neigung ſtattfindet. Dieſe Grenze würde viel tiefer liegen, wenn die Arbeiter blos bergan, und nicht auch in horizontaler Richtung ſchreiten könnten. Nach Sprengel ſollen die beſten Wieſen in der Schweiz und in Tyrol ſelten 15% Neigung überſteigen, und über 200 hinaus der Boden nur noch als Weide benutzt werden. Der Verf. hält dieſe Angaben für ſehr richtig, er vermuthet, daß die Mittheilungen anderer Schriftſteller, nach welchen z. B. in den Defter- reichiſchen Alpen der Ackerbau bis zu 300 —350, der Wieſenbau fogar bis zu 350—450 gehen ſollen, nicht auf wirklichen Meſſungen der Böſchungswinkel beruhen. Wo die Bodenbearbeitung mittelſt der Hacke oder des von Menſchen gezogenen Aadl's bewerkſtelligt wird, wie z. B. beim Hackwaldbetriebe, da kann er bei ſtärkern Böſchungen Platz greifen, als an ſolchen Orten, wo man den mit Thieren beſpannten Pflug anwendet. Gewiß iſt, daß die Forſtwirthſchaft auf viel ſtärker geneigten Flächen be⸗ trieben werden kann, als der Ackerbau, indeſſen fehlt es noch an zuverläſſigen Meſſungen über das Maximum des Neigungswinkels, bei welchem eine be— ſtandsweiſe Anzucht des Holzes noch möglich iſt. Einzelne Bäume können ſelbſt noch auf ganz ſenkrechten Wänden (z. B. Mauern) Standraum finden; die Wurzeln dringen dann horizontal oder in ſchiefen Winkeln in die Wand ein, der Stamm macht über dem Wurzelſtock eine Biegung und geht in ver- a 30 * 468 Einfluß der Lage auf die Waldvegetation. ticaler Richtung in die Höhe. Uebrigens hängt das für die Waldeultur zu⸗ läſſige Maß der Neigung des Bodens auch von der Zuſammenſetzung des letztern ab; auf feſtem Erdreich, namentlich zwiſchen größeren Steinen, finden die Wurzeln mehr Halt, während lockerer Boden dem Abrutſchen unterworfen iſt. 8. Expoſition. Bei ſchiefen Flächen entſcheidet nicht blos der Abdachungswinkel, an auch die Richtung nach der Himmelsgegend über das Gedeihen der Vegetation. Südliche Lagen trocknen ſtärker aus, als nördliche. Auf jenen erwacht die Vegetation früher, dagegen leiden aber auch die Gewächſe auf ſolchen Ex⸗ poſitionen öfter von Fröſten, wenn nach vorausgegangener warmer Witterung Kälte eintritt. Noch mehr den Fröſten ausgeſetzt ſind ſüdöſtliche Lagen, weil hier der Uebergang der Kälte zur Wärme ein plötzlicher iſt und, wie wir frü⸗ her geſehen haben, der Erfriertod vorzugsweiſe durch raſches Aufthauen ge⸗ frorner Pflanzentheile herbeigeführt wird. — Im Gebirge ſteigt (mit einzel⸗ nen Ausnahmen) die Vegetation höher an den Südſeiten empor, als an nörd⸗ lichen Abhängen. Oeſtliche Expoſitionen leiden in unſerem Klima vor Allem durch aus⸗ trocknende Winde, bleiben dagegen mehr von den Stürmen verſchont. Den Südweſtſeiten fehlt es gewöhnlich nicht an Feuchtigkeit, weil der Südweſt in Deutſchland der häufigſte und zugleich der Negen-Wind ift. Doch wirkt ſein öfteres Wehen nachtheilig auf den Wuchs vieler Bäume ein; die Stämme biegen ſich nach der dem Wind entgegengeſetzten Seite und erhalten oft Krümmungen, welche die Brauchbarkeit zu Nutzholz beeinträchtigen. Nord⸗ weſt⸗, Weſt⸗ und Südweſtſeiten werden überdies von den Stürmen am mei⸗ ſten heimgeſucht. * Ungeachtet die nördlichen und nordöſtlichen Abhänge den kalten Winden vorzugsweiſe ausgeſetzt ſind, ſo zeigen ſie doch in Deutſchland, und nament⸗ lich die erſteren, den vorzüglichſten Holzzuwachs, gegenüber den anderen Ex⸗ poſitionen, wie ſchon bei Vergleichung des Höhewachsthums der Bäume auf Nord⸗ und Südſeiten ſo recht in die Augen fällt. Der Grund dieſer Erſchei⸗ nung kann in nichts anderem, als in der Feuchtigkeit geſucht werden, welche ſich auf Nordſeiten mehr hält, und ſowohl das Wachsthum der Holzpflanzen unmittelbar begünſtigt, als auch die Verwitterung des Bodens befördert. Kei⸗ nenfalls kann der größere Zuwachs auf den Nordſeiten der kühleren Tempe⸗ ratur beigemeſſen werden, denn das Holzwachsthum auf Südſeiten ſteht jenem nicht nach, wenn nur an Feuchtigkeit kein Mangel iſt. Daß im Gebirge die Einwirkung des Windes auf die verſchiedenen Ex⸗ poſitionen durch den Lauf der Thäler abgeändert wird, haben wir bereits ig her entwickelt. 9. Phyſikaliſche Eigenſchafen der Bodenarten. Von dem hierher Gehörigen iſt bereits Vieles in den vorderen Abſchnit⸗ Einfluß der phyſikaliſchen Eigenſchaften der Bodenarten. 469 ten behandelt worden, ſo daß wir jetzt nur noch Weniges nachzutragen haben. N Bisher iſt immer nur von der Wirkung der einzelnen Factoren die Rede geweſen, und wir haben es den folgenden Kapiteln vorbehalten, zu ent- ſcheiden, welche von dieſen Factoren in Bezug auf die Waldvegetation von beſonderer Wichtigkeit ſind. Ehe dies geſchehen iſt, können wir den Einfluß der phyſikaliſchen Eigenſchaften nur ganz im Allgemeinen andeuten. Indeſſen möge es uns erlaubt ſein, dem Folgenden wenigſtens einiger Maßen vorzu— greifen und zu erklären, daß von den phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens die Feſtigkeit, Waſſeraufnahmefähigkeit, waſſerzurückhaltende Kraft, Waſſerab⸗ ſorptionsfähigkeit, Erwärmungsfähigkeit und wärmehaltende Kraft beſondere Beachtung verdienen. Wir wollen nun Einiges über dieſe Eigenſchaften an⸗ geben, behalten aber, wie bemerkt, die ſtrenge und umfaſſende Würdigung derſelben dem letzten Theil dieſes Buches vor. Lockere Bodenarten, wie Sand und Humus, erleichtern das Eindringen der Wurzeln, nehmen die wäſſerigen Niederſchläge aus der Atmoſphäre ſchnell auf und laſſen ſich gut bearbeiten. Dagegen geben fie ihren Feuchtigkeitsge⸗ halt bei trockner oder warmer Witterung auch wieder leicht ab, werden in ge— neigten Lagen durch ſtarke Regengüſſe und das Thauwaſſer des Schnee's oft abgeſchwemmt, auch frieren die Pflanzen auf ihnen (namentlich auf humoſer Erde) bisweilen aus. Feſte Böden nehmen die niederfallenden Meteorwaſſer nicht leicht auf; in geneigten Lagen fließt das Waſſer oft eher ab, als es eingedrungen iſt, in Vertiefungen bleibt es ſtehen und verurſacht Verſumpfungen. Dagegen halten feſte Bodenarten die einmal aufgenommene Feuchtigkeit länger an. Geringe Regenniederſchläge nützen einem feſten Boden, wenn er einmal trocken gewor— den iſt, nur wenig, dagegen widerſteht er länger der Sonnenhitze und den austrocknenden Winden, wenn er einmal gehörig angefeuchtet worden iſt. Das längere Anhalten der Feuchtigkeit begünſtigt bei feſtem Boden mittelbar die Entſtehung der Früh- und Spätfröſte. Feinzertheilte Erdarten abſorbiren viel Waſſerdampf aus der Atmoſphäre — eine Eigenſchaft, die den Pflanzen namentlich während der trocknen Som- mermonate zu Gute kommt. Die Farbe des Bodens kann einen günſtigen, wie ungünſtigen Einfluß auf das Gedeihen der Vegetabilien äußern. Dunkle Bodenarten erwärmen ſich ſtärker, als heller gefärbte und beſchleunigen dadurch die Reife der Früchte; dagegen trocknen ſie auch leichter aus und können dann nicht ſo viel Holz⸗ maſſe produziren. Beachtenswerth iſt, daß der Humus (nicht die Humusſäure) eine mitt⸗ lere Feſtigkeit beſizt und vermöge dieſer die Extreme der phyſikaliſchen Eigen⸗ ſchaften des Bodens vermindert. Ein Boden, welchem reichlich Humus beige— mengt iſt, wird daher der Mehrzahl der Pflanzen am meiſten zuſagen. „ “ — — 3 w eiter Titel. Geſammtwirkung der Factoren des Bodens und des Klima's. Achtzehntes Buch. Verhalten des Bodens und der Meteore zur Waldvegetation. Einleitung. In den vorderen Abſchnitten dieſer Schrift iſt der Einfluß, den der Bo⸗ den, die Atmoſphäre und die Meteore auf die Waldvegetation ausüben, im Allgemeinen betrachtet worden; es bleibt jetzt noch übrig, den daſelbſt gefun⸗ denen Reſultaten eine beſtimmtere Beziehung zum Forſtfach zu geben. Die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie finden ihre Anwendung hauptſächlich im Waldbau: die Auswahl der Holzart, die Begründungsart der Beſtände, ihre Erziehung und Verjüngung hängen ja ganz und gar vom Boden und Klima ab. Wie jede praetiſche Wiſſenſchaft ſich zuerſt empiriſch aufbaut, jo hat auch im Forſtweſen die Erfahrung im Laufe der Zeit eine große Zahl von Maß regeln angegeben, nach welchen wir noch jetzt unſere Wälder mit Erfolg be⸗ wirthſchaften. Die ausgezeichneten Männer, von welchen unſer heutiges Sy⸗ ſtem des Waldbau's herrührt, trafen mit natürlichem Takt das Wahre, ohne für die Richtigkeit ihrer Sätze einen andern Beweis, als den der eigenen Ueberzeugung zu haben. Alles dasjenige, was ſich in der Praxis bewährt, muß mit den allge⸗ meinen Naturgeſetzen in Einklang ſtehen, und es iſt die Aufgabe der Wiſſen⸗ ſchaft, die Geſetze ausfindig zu machen, auf denen die durch die Erfahrung er⸗ mittelten Vorſchriften zur Bewirthſchaftung der Wälder beruhen. Haben wir erſt einmal die wiſſenſchaftliche Grundlage der beſtehenden Regeln erforſcht, dann kann es uns nicht ſchwer fallen, aus denſelben weitere nutzbringende Folgerungen abzuleiten. 5 Es beſteht vielleicht kein Naturgeſetz, welches nicht Anwendungen auf das practiſche Leben geſtattet, und wenn es uns bis jetzt noch nicht gelungen Begriff der forſtlichen Standortsgüte. 471 iſt, jeden einzelnen Satz der Naturwiſſenſchaften nutzbar zu machen, ſo beruht dies hauptſächlich wohl nur darin, daß dieſe Wiſſenſchaften noch zu jung und noch nicht genug in den Händen Derjenigen ſind, welche nach der Art ihres Berufs vorzüglich die Aufgabe haben, die Reſultate derſelben in die Praxis einzu⸗ führen. Vor allen Dingen iſt eine allgemeine Kenntniß der Naturgeſetze nöthig, damit man freie Wahl in dem überhaupt anwendbaren Material beſitze. Nichts iſt irriger, als die Anſicht, daß der Forſtmann ſich dasjenige, was er aus den Naturwiſſenſchaften bedarf, ſelbſt ausſuchen könne. Als gegen Ende des vo— rigen Jahrhunderts ein Naturforſcher durch den eleetriſchen Strom die Schen- kel eines Froſches in Zuckungen verſetzte, dachte gewiß Niemand daran, daß die nämliche Kraft fünfzig Jahre ſpäter es möglich machen würde, einen Ge— danken in einer Secunde dreimal um die Erde zu jagen. So findet jedes Naturgeſetz zuletzt noch ſeine Anwendung. Niemand wird läugnen, daß die Holzerzeugung ein Product der Natur⸗ kräfte ſei, und daß ſie ſich vermehren laſſen müſſe, wenn wir es einmal ver⸗ ſtehen, dieſe Kräfte an den richtigen Angriffspunct zu verſetzen. Allein hiezu iſt, wie bemerkt, eine umfaſſende Kenntniß derſelben nothwendig. Bisher haben wir die Abhängigkeit der Waldvegetation von dem Bo— den und dem Klima nur ganz im Allgemeinen behandelt; jetzt wollen wir dasjenige, was nach dem gegenwärtigen Stande der Naturwiſſenſchaften eine unmittelbare Uebertragung in die forſtliche Praxis geltattet, beſonders her— ausheben. g 45 Erſter Aoſchnitt Begriff der forſtlichen Standortsgüte. * 1. Vorbemerkung. Obgleich der Boden, die Atmoſphäre und die Meteore einen großen Einfluß auf das Wachsthum der Holzpflanzen äußern, fo kann doch nicht je— dem von dieſen Factoren eine gleiche Wichtigkeit bei der Beurtheilung der forft- lichen Standortsgüte zugeſchrieben werden. Wir haben hier vorzüglich dieje⸗ nigen Factoren zu berückſichtigen, welche zur Erzeugung einer kräftigen Vege⸗ tation erforderlich ſind, aber ſich nicht überall vorfinden. Wenn es ſich z. B. darum handelt, die Güte irgend einer Localität zu characteriſiren, ſo werden wir unter den Kriterien der Standortsbeſchaffenheit nicht die atmoſphäriſche Luft erwähnen, weil dieſe ja nirgends fehlt. Die Beurtheilung der Standortsgüte findet in der practiſchen Forſtwiſ— ſenſchaft vielfache Anwendung, ſo im Waldbau bei der Auswahl der Holzarten, der Culturmethoden, der Betriebsart, Umtriebszeit, bei der Anlage gemiſchter Beſtände, überhaupt bei der Behandlung und Pflege der Waldungen, dann aber auch in der Forſttaxation bei der Bonitirung, um die künftigen Holzer⸗ 472 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. träge von noch nicht haubaren Beſtänden oder anzubauenden Blößen zu be⸗ ſtimmen. Setzen wir nun die Wirkungsweiſe des Bodens, der Atmoſphäre und der Meteore als bekannt voraus und fragen wir: durch welche Eigenſchaften dieſer drei großen Gruppen, welche die Agentien des Gedeihens der Vegetatian in ſich ſchließen, wird die Standortsgüte bedingt? Um dieſe Frage mit abſoluter Sicherheit zu löſen, müſſen wir uns ferne von allen theoretiſchen Speculationen halten, wir müſſen unſere Schlüſſe blos auf die Beobachtung der Natur gründen. 2. Die wichtigſten Factoren der Bodengüte ſind Feuchtigkeit, Tiefgründig⸗ keit, Lockerheit und Humushaltigkeit. Der Begriff der forſtlichen Standortsgüte iſt ein relativer; er hängt von den Zwecken ab, zu welchen das Holz erzogen werden ſoll. So konnte z. B. früher, als krummgewachſene Hölzer zum Schiffbau ſehr geſucht waren und theuer bezahlt wurden, ein magerer Boden, auf welchem ſich ſolche Krümmen öfter zu erzeugen pflegen, als gut angeſprochen werden, obgleich auf ihm der Maſſezuwachs gering war. Indeſſen gehört das eben angeführte Beiſpiel zu den Ausnahmen; in der Mehrzahl der Fälle wird die Güte eines Bodens danach bemeſſen, ob auf ihm die Beſtände große Maſſenerträge abwerfen und zugleich ein normales Wachsthum erlangen, ſo daß ſie auch die gewöhnlichen Nutzholzſortimente liefern können. Alle Beobachtungen geben nun das übereinſtimmende Reſultat, daß der größte Maſſenzuwachs und der regelmäßigſte Wuchs des Holzes auf einem ſolchen Boden erfolgt, welcher tiefgründig, hinreichend locker und humushaltig iſt und zugleich einen dem Bedürfniß der betreffenden Holzart entſprechenden Grad von Feuchtigkeit beſitzt. Es liegt keine einzige Thatſache vor, welche den Beweis lieferte, daß irgend eine Holzart auf einem tiefgründigen, hinlänglich lockern und mit Feuch⸗ tigkeit verſehenen, humushaltigen Boden ihr Gedeihen nicht gefunden habe, vorausgeſetzt, daß ihr die klimatiſche Beſchaffenheit des Standorts nicht ent⸗ gegen geweſen ſei. Die deutſche Forſtwirthſchaft kennt keine einzige Holzart, welche einen flachgründigen oder trockenen Boden einem tiefgründigen von an⸗ gemeſſenem Feuchtigkeitsgehalte vorzöge. Betrachten wir nun die Wirkung der einzelnen Factoren der Bodengüte etwas genauer. a. Tiefgründigkeit. f Dieſe iſt den Waldbäumen in mehrfacher Beziehung zuträglich. Sie geſtattet den Wurzeln in die Tiefe zu dringen, was namentlich für diejenigen Holzarten wichtig iſt, welche, wie z. B. die Eiche und Tanne, eine Pfahl⸗ Begriff der forftlichen Standortsgüte. 473 wurzel bilden und in der Regel keine bedeutenden Höhen erreichen, wenn die Entwicklung dieſer Wurzel gehemmt iſt. Indeſſen hat man Beiſpiele, daß dieſe Holzarten auch auf einem flachgründigen Boden noch ein anſehnliches Längewachsthum erlangen, wenn nur der Boden hinreichend mit Feuchtigkeit verſehen iſt. Die Tiefgründigkeit begünſtigt die Waldvegetation auch noch aus dem Grunde, weil ſie dieſer eine nachhaltige Bezugsquelle von Feuchtigkeit eröffnet. Es iſt durchaus irrig, anzunehmen, die flachwurzelnden Holzarten lieb— ten einen flachgründigen Boden. Selbſt die Fichte und die Buche, welche doch gewiß eine flache Bewurzelung beſitzen, gedeihen am beſten auf einem tiefgründigen Boden. Den flachgründigſten Boden liefert gewöhnlich der plaſtiſche Thon; ſeine zähe Beſchaffenheit, welche nur an der Oberfläche durch die Humusbildung etwas ermäßigt wird, hindert die Wurzeln, in die Tiefe zu dringen. Deßwe⸗ gen eignet ſich dieſer Thon am wenigſten zur Erziehung von Eichenhochwal— dungen. Die nämlichen Nachtheile beſitzt der Raſeneiſenſtein, wenn er in zu- ſammenhängenden Platten dicht unter der Oberfläche des Bodens lagert; faſt eben ſo ungünſtig für die Waldvegetation zeigen ſich die in der Molaſſegruppe vorkommenden Kieslager, wenn die einzelnen Brocken durch ein eiſenhaltiges Cement verbunden ſind. Die Tiefgründigkeit des Bodens hängt gewöhnlich von der Lage ab. Auf ebenem Terrain, in Thälern, Mulden und Klingen werden oder wurden die feineren Erdtheilchen zuſammengeſchwemmt. Die Abhänge der Hügel und Berge ſind viel öfter flachgründig, weil die Meteorwaſſer fortwährend die Erde ablöſen und ſie nach den unteren Regionen entführen. b. Lockerheit. In einem lockeren Boden erzeugt ſich bei hinreichendem Feuchtigkeits⸗ gehalte ein Maximum von Zaſerwurzeln, welche den Pflanzen Waſſer, Koh: lenſäure und die Aſchenbeſtandtheile zuführen. Deßwegen finden wir den größ— ten Maſſe- und namentlich auch den größten Höhezuwachs auf Schwemm— boden, welcher nach der Art ſeiner Entſtehung ſehr fein zertheilt ſein muß. Daher rührt die Fruchtbarkeit des Teichſchlamms, der Marſchen an den Kü— ſten des Meeres ze. Die herrliche Baumvegetation, welche man auf friſchem (ſchwitzendem) Sand findet, ift der Lockerheit (und Tiefgründigkeit) deſſelben beizumeſſen. Obgleich die höchſten Maſſeerträge, welche bis jetzt beobachtet wurden, nur einem Boden von gehöriger Lockerheit zukommen, ſo unterliegt es doch keinem Zweifel, daß die Beſtände auch noch auf einem Boden, welcher blos tiefgründig iſt und das zureichende Maß von Feuchtigkeit beſitzt, ſehr ſchöne Erträge abwerfen können. Dies ift z. B. bei einem Boden, der aus zerklüf— teten Felſen beſteht, und bei den ſog. Felſenmeeren oft der Fall. Aber niemals 474 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. erreicht der Zuwachs auf dieſen Localitäten den hohen Betrag, welcher ſich auf einem Boden ergilt, der neben der Tiefgründigkeit und Feuchtigkeit auch Lockerheit beſitzt. Uebrigens dürfen wir nicht vergeſſen, zu erwähnen, daß eine allzu große Lockerheit des Bodens den Holzpflanzen in der Jugend unter Umſtänden auch nachtheilig werden kann. Sie begünſtigt nämlich die Vermehrung der ſchäd⸗ lichen Maikäferlarven (Engerlinge) und in naſſen Lagen das Ausfrieren der Pflanzen bei raſchem Aufthauen des gefrornen Bodens. Allein dieſe Nach⸗ theile verſchwinden ſpäter wieder, und werden dann n den Vortheil der größern Wehe rauen überwogen. c. Feuchtigkeit. Die Anſprüche, welche die Holzarten in Bezug auf die Feuchtigkeit ma⸗ chen, ſind außerordentlich verſchieden. Die Mehrzahl unſerer Waldbäume gedeiht am beſten auf einem blos friſchen Boden, die Eſche dagegen auch noch in feuchten Lagen, und die Erle verlangt geradezu einen naſſen Boden. Trockenheit des Bodens ſagt keiner Holzart zu, doch wird ſie noch am erſten von der Kiefer und der Birke er⸗ tragen. Die Vogelbeere (Ebereſche) iſt die einzige Holzart, welche an ihrem Vorkommen an keinen beſtimmten Feuchligkeitsgrad des Bodens gebunden zu ſein ſcheint, doch gedeiht ſie am beſten auf einem blos friſchen Erdreich. Es iſt noch vielfach die irrige Anſicht verbreitet, die Kiefer liebe einen trockenen Boden. Man hat hier unrichtiger Weiſe aus der Art ihres Vorkommens auf ihr Feuchtigkeitsbedürfniß im Allgemeinen geſchloſſen. Wenn die Kiefer ſich häufig auf trockenen Standorten in großen Beſtänden findet, ſo beruht dies blos auf dem Umſtande, daß ihr keine andere Holzart auf ſolche Localitäten zu folgen vermag. Wer ſich davon überzeugen will, daß die Kiefer in friſchen Lagen den größten Maſſeertrag liefert, möge nur ihre Wachsthumsverhältniſſe auf den trockeneren Parthien des Sandes der Nord⸗ deutſchen Ebene mit denjenigen auf dem Lehmboden des Vogelsgebirges oder auf dem ſchwitzenden Sande der Main- Rheinebene vergleichen. Der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens hängt vornehmlich von zwei Um⸗ ſtänden ab: nämlich von ſeiner Zuſammenſetzung und von ſeiner Lage. Der Boden in Vertiefungen (z. B. Mulden, Klingen, Thälern, Niederungen an Flüſſen, Seeen und am Meere) und auf Nordſeiten enthält gewöhnlich mehr Feuchtigkeit, als derjenige auf Bergrücken und auf öſtlichen und ſüdlichen Expoſitionen. Daher kommt es denn, daß auf den erſtgenannten Localitäten das Holz durchſchnittlich viel beſſer gedeiht, als auf den letzteren. Leider man⸗ gelt es noch ſehr an Zahlen, um den Unterſchied der Expoſition und Abdach⸗ ung quantitativ nachzuweiſen; indeſſen kann der Verf. das Reſultat wenigſtens einer Unterſuchung bieten, welche er in dieſer Beziehung angeſtellt hat. Er beſtimmte im Jahr 1851 durch fpecielle Holzmaſſenaufnahme den Durch⸗ Begriff der forſtlichen Standortsgüte. 475 ſchnittszuwachs eines 59 jährigen Buchenbeſtandes auf dem Bölzersberg, einer der höheren Kuppen des Heſſiſchen Rodhargebirges, und fand das Ver— hältniß des Zuwachſes an Schaftholz auf Südſeite, Rücken zu Südſeite, Mulde zu Nordſeite = 16: 39 : 48. Gewöhnlich findet man auch, daß der Boden auf den Nordſeiten tiefgründiger iſt, dies rührt daher, weil die Feuch⸗ tigkeit die Zerſetzung der Geſteine befördert. Häufig wird der beſſere Wuchs des Holzes auf den Nordſeiten der ge— ringeren Temperatur, welche dieſer Expoſition eigen iſt, zugeſchrieben; man lieſt von manchen Holzarten in den Lehrbüchern der Forſtbotanik, ſie liebten kühle Lagen; dieſe Anſicht erſtreckt ſich namentlich auf diejenigen Bäume, welche urſprünglich im Gebirge oder im hohen Norden zu Hauſe ſind. Wie wir aber ſchon früher ausgeführt haben, ſpricht Alles gegen die Annahme, daß die Wärme als ſolche den Holzarten ſchädlich ſei; fie wird es nur da— durch, daß ſie die Feuchtigkeit aufzehrt. Alle Thatſachen ſprechen dafür, daß die Wärme, wenn hinlänglich Feuchtigkeit vorhanden iſt, den Holzwuchs eben ſowohl unterſtützt, als ſie der übrigen Vegetation zuträglich iſt. Von dieſem Satze kann man ſich am beſten überzeugen, wenn man das Wachs— thum der Beſtände an ſolchen ſüdlichen Hängen, welche durch Ueberrieſelung friſch erhalten werden, beobachtet. Auch die natürliche Verjüngung der Beſtände geht auf den Nordſeiten gewöhnlich beſſer von Statten, als auf den übrigen Expoſitionen. Wenn z. B. an den Böſchungen der Chauſſeen Birken, Fichten, Kiefern ꝛc. anfliegen, ſo iſt immer die nördliche Seite voller beſtanden. In trocknen Lagen zeigt ſich auf Böden mit großer waſſerhaltender Kraft (z. B. Lehm) ſtets eine kräftigere Vegetation, als auf ſolchen Bodenar- ten, welche zum Austrocknen geneigt ſind; indeſſen darf man nicht annehmen wollen, daß jene Eigenſchaft eine unerläßliche Bedingung für das Gedeihen der Pflanzen ſei. Wenn die Lage eines Bodens von der Art iſt, daß ihm immer das erforderliche Maß von Feuchtigkeit zugeführt wird, dann bleibt es ganz gleichgültig, ob er die Fähigkeit beſitze, das aufgenommene Waſſer lange an ſich zu halten. Deßwegen können z. B. auf lockerem Sandboden in Mulden ꝛc. die ſchönſten Beſtände erzogen werden. Felſen und Steine, welche den Boden bedecken, erſchweren zwar oft die Vornahme der Culturen, begünftigen aber das Wachsthum der Bäume da⸗ durch, daß ſie den Boden gegen Austrocknung ſchützen. Oft ſieht man auf Localitäten, welche faſt nur Steine enthalten, die herrlichſten Bäume wachſen. Der Verf. kennt eine Gegend, in welcher die Landleute einſtmals verſuchten, ihre Fel der durch Entfernung der Steine, welche auf denſelben in großer Zahl la— gen, fruchtbarer zu machen; zu ihrem Nachtheil mußte ſie aber gewahren, daß das Gegentheil eintrat; die Frucht mißrieth fortwährend, und ſie ſahen ſich genöthigt, die Steine wieder an ihre Stelle zu ſchaffen. Die Bodenfeuchtigkeit kann durch die Luftfeuchte erſetzt werden. Letztere 476 Begriff der forftlichen Standortsgüte. iſt namentlich denjenigen Holzarten ſehr zuträglich, welche, wie z. B. die Buche, zu ſtarker Blattausdünſtung geneigt find. Daher ſchreibt ſich u. A. das treff⸗ liche Gedeihen der Buchen im Vogelsgebirge, in den mittlern Regionen des Schwarzwaldes u. ſ. w. Vielleicht läßt es ſich auch hierdurch erklären, warum die Buche im mittlern Deutſchland mehr die Vorberge, als die Ebenen be⸗ wohnt. vi Die gefährlichften Feinde der Bodenfeuchtigkeit find die Sonne und die Winde, namentlich die trocknen Oſtwinde. Die meiſt geringe Standortsgüte der Süd- und der Oſtſeiten wird durch dieſe beiden Umſtände bedingt. Stagnirende Näſſe ſagt, außer der Erle, keiner Holzart zu; und auch jene, ſowie die Weiden gedeihen beſſer an fließendem Waſſer. d. Humushaltigkeit. Der Humus iſt keine unerläßliche Bedingung für das Gedeihen der Waldvegetation; dieſe erreicht auch ſchon dann einen hohen Grad von Vollkommenheit, wenn nur Tiefgründigkeit, Lockerheit und Feuchtigkeit vor⸗ handen ſind. In der Biermansſchen Raſenaſche erzieht man die ſchönſten Pflanzen, nachdem der Boden durch das Brennen ſeinen Humusgehalt voll⸗ ſtändig verloren hat. Aber der Humus wird da ſehr wichtig, wo eine der drei genannten Bedingungen der Bodengüte fehlt. Denn durch eine hinreichende Schichte Figur 172. Humus gewinnt der Boden an Tiefgrün⸗ digkeit und Lockerheit, auch beſißt der Hu⸗ mus die Fähigkeit, die meteoriſchen Nieder⸗ ſchläge leicht aufzunehmen und ſie lange an ſich zu halten. Als ſchlechter Wärme⸗ leiter ſchützt er überhaupt den Boden ge⸗ gen Austrocknung. Indeſſen zeigen ſich nur diejenigen Hu⸗ musarten wohlthätig für die Vegetation, welche ſich bei vollſtändigem Zutritt der Luft gebildet haben, nicht allzu locker ſind, und keine wachsartigen Beſtandtheile ent⸗ halten. Die eigentlichen Humusſäuren, welche niemals in fruchtbarer Erde, ſondern nur in Torfmooren, Sümpfen ꝛc. vorkom⸗ men, find der Waldvegetation ſtets nach⸗ theilig. Das Nämliche gilt von der wegen ihrer lockern Beſchaffenheit zu ſtarker Aus⸗ trocknung geneigten ſogenannten Staub⸗ erde (die ſich vorzüglich aus Cladonia rangifarina bildet) und von dem wachs⸗ haltigen Haide- und Haidelbeerhumus. Begriff der forſtlichen Standortsgüte. 477 Humus, welcher ſtark mit Gerbſäure imprägnirt iſt, verhält ſich gegen die Vegetation in ähnlicher Weiſe, wie reine Humusſäure; das Vorkommen dieſer beiden Säuren iſt auch an die nämlichen äußern Umſtände geknüpft, denn die Gerbſäure bleibt nur dann längere Zeit unverändert, wenn ſie durch Waſſer vor dem Sauerſtoff der Atmoſphäre geſchützt iſt — im andern Fall würde ſie raſch in Gallusſäure übergeführt werden. Wie oben angedeutet wurde, ſuchen wir die Nützlichkeit des Humus für die Vegetation vorzüglich in ſeinen phyſikaliſchen Eigenſchaften, indeſſen wollen wir nicht verkennen, daß auch ſeine chemiſchen Wirkungen Beachtung verdie⸗ nen. Nach den Verſuchen von Wiegmann und Polſtorff können die Pflanzen diejenigen anorganiſchen Stoffe, welche man in ihrer Aſche findet, nicht ent- behren; ohne dieſelben würden fie ihre normale Entwicklung nicht erreichen. Sicherlich werden aber dieſe anorganiſchen Stoffe den Pflanzen am vollkom- menſten durch den Humus geliefert, denn letzterer hat ſich ja aus Vegetabilien gebildet, er enthält die Aſchenbeſtandtheile in dem Verhältniß, in welchem ſie die Pflanzen bedürfen, und dazu noch in einer leicht aufſchließbaren Form. Uebrigens darf auf die anorganiſchen Elemente des Humus nicht all⸗ zuviel Gewicht gelegt werden; wie ſpäter nachgewieſen werden ſoll, iſt der Aſchegehalt der Waldbäume ſehr gering, auch hat die Beobachtung gezeigt, daß unſere Holzarten noch ganz vortrefflich auf Bodenarten gedeihen, welche verhältnißmäßig arm an anorganiſchen Subſtanzen ſind. Eine größere Bedeutung könnte man ſchon dem Kohlenſtoffgehalte des Humus beimeſſen. Die Kohlenſäure, welche ſich aus dem in Zerſetzung begriffenen Humus entwickelt, liefert, wie früher gezeigt wurde, einen nicht unweſentlichen Zuſchuß zu dem urſprünglichen Kohlenſäure⸗Gehalte der Atmoſphäre; ſie wird theils als direetes Nahrungsmittel benutzt, theils dient fie zum Aufſchluſſe der anorganiſchen Beſtandtheile des Bodens. Dagegen ſpielen die löslichen Mo⸗ dificationen des Humus in Bezug auf die Ernährung der Waldbäume eine ganz untergeordnete Rolle; wir haben ſogar Grund, anzunehmen, daß die Humusſäuren der Vegetation nachtheilig ſind, denn überall da, wo dieſe Säuren in reichlichem Maße vorkommen, bemerken wir ein ſchlechtes Gedeihen der Waldvegetation. Selbſt ſolche Humusſäure, welche durch Austrocknen oder Gefrieren ihre Löslichkeit verloren hat, beſitzt noch manche nachtheilige Eigen⸗ ſchaften; ſie ſchwindet ſtark beim Trocknen und hebt ſich, wenn das in ihr enthaltene Waſſer gefriert. Das ſogenannte Ausfrieren der Pflanzen kommt am häufigſten auf dem an unlöslicher Humusſäure reichen Torf- und Moor⸗ boden vor. Den vorzüglichſten Humus liefern die abgefallenen Blätter und Zweige der Bäume; in Nadelholzbeſtänden tragen die Mooſe, welches ſich auf dem Boden erzeugen, ſo lange der Baumkronenſchuß weder allzu dicht, noch allzu licht iſt, ſehr weſentlich zur Humusbildung bei. Während der untere Theil ihrer Stengel verweſt, treiben ſie wieder aufwärts neue Wurzelhaare und ver⸗ 478 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. längern ſich an den Spitzen. Die vorzüglichſten Mooſe gehören der Gattung Hypnum (Aſtmoos) an. Wir nennen von dieſer die Arten: H. purum, splendens, Schreberi, triquetrum, praelongum, loreum, brevi- et longi- rostre, crista-casirensis (letzteres mehr im Gebirg, als in der Ebene vor⸗ kommend), myurum; auf feuchteren Stellen finden ſich H. cupressiforme, tamariscinum, squarrosum, undulatum, auf trockneren: H. rugosum, lules- cens, abietinum. Aus der Gattung Dieranum kommen die Arten scopa- rium, majus und undulatum den eben genannten Hypnum- Arten in ihren Eigenſchaften ziemlich gleich. Von den Lebermooſen find Jungermannia as- plenoides, nemorosa, irilobata, albicans gleichfalls nützlich. Die auf naſſem Boden wachſenden Arten von Hypnum, wie H. cuspidatum, nitens, trifa- rium, aduncum, filleinum, Dicranum glaucum, verſchiedene Arten von Polytrichum, Mnium, Sphaynum, Bryum, Climacium begünſtigen die Torf⸗ bildung und verſchließen den Boden der natürlichen Beſamung, wirken alſo mehr ſchädlich. (Ausführlicheres findet man in C. Heyers Beiträgen II, 18 ff.) 3. Andere Anſichten über die Factoren der Bodengüte. In dem Vorhergehenden haben wir nachzuweiſen geſucht, daß die Güte des Bodens in forſtlicher Beziehung, namentlich was die Erzeugung des höͤch⸗ ſten Maſſeertrages anlangt, von feinem Feuchtigkeits- und Humusgehalt, feiner Tiefgründigkeit und Lockerheit abhänge. Wir haben hiermit ſelbſtverſtändlich ausgeſprochen, daß die chemiſche Zuſammenſetzung, ſowie die geognoſtiſche Ab⸗ ſtammung des Bodens nur in ſo fern über die Güte deſſelben entſcheiden, als ſie auf die vorhin genannten Factoren influiren. Da aber andere Schrift⸗ ſteller die Bodengüte entweder blos nach dem chemiſchen Beſtand oder nach der geognoſtiſchen Abſtammung bemeſſen haben wollen, ſo müſſen wir dieſe von den unſern abweichenden Anſichten etwas näher betrachten. a. Bedeutung der mineraliſch⸗chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens für die Wald⸗ vegetation. Es iſt im Xlten Buch, S. 353 bis 354 gezeigt worden, daß die anor⸗ ganiſchen Beſtandtheile des Bodens für die Vegetation abſolut nothwendig ſind. Wir erinnern an die Verſuche von Wiegmann und Polſtorff. Dieſe beiden Naturforſcher ſäeten verſchiedene Gewächſe in reinen Sand, welcher durch Säuren ſeines Gehaltes an löslichen Mineralſubſtanzen vollſtändig be⸗ raubt worden war; es ergab ſich, daß die Pflanzen ſich nur ſchwach entwickel⸗ ten und keine keimfähigen Samen anſetzten. Es ſind weiter die Liebig'ſchen Theorien angeführt worden, welche es ſehr wahrſcheinlich machen, daß die anorganiſchen Beſtantheile des Bodens die Ueberführung der Kohlenſäure in Holzfaſer vermitteln. Die Landwirthe wenden ſchon ſeit langen Jahren Düngftoffe an, welche rein anorganiſchen Urſprungs ſind, und, wie die Erfahrung gelehrt hat, die Erträge der Felder bedeutend erhöhen. Wir nennen von dieſen Subſtanzen beiſpielsweiſe nur Begriff ber forſtlichen Standortsgüte. 479 den gebrannten Kalk, den Chiliſalpeter und den Gyps. Die günſtige Wirkung des letzteren auf den Klee und die übrigen Leguminoſen iſt genugſam bekannt. Nach allem Dieſem könnte es den Anſchein gewinnen, als ob die Güte des Bodens vorzugsweiſe von ſeinem Gehalt an löslichen anorganiſchen Stoffen abhängig ſei. Ohne Zweifel ſpielen die anorganiſchen Beſtandtheile des Bodens in der Landwirthſchaft eine ſehr wichtige Rolle. Dagegen find fie für die Forſt⸗ wirthſchaft von weit geringerer Bedeutung. Zu dieſem Schluſſe gelangt man in der That, wenn man die Betriebsoperationen der Agricultur mit denen der Forſtwirthſchaft vergleicht, wenn man den Unterſchied berückſichtigt, welcher in Bezug auf die Menge der Erndte und die Zuſammenſetzung der von dieſen beiden Gewerben erzeugten Producte beſteht. Um ſeinem Felde den höchſten Ertrag abzugewinnen, wendet der Land— wirth eine Reihe von Operationen an, deren Zweck hauptſächlich darin beſteht, die löslichen anorganiſchen Beſtandtheile des Bodens zu vermehren. c. Die Düngung. Die Gewächſe, welche den Gegenſtand des Acker— baues bilden, ſind durch die fortgeſetzte Cultur in einen Zuſtand gebracht wor⸗ den, welcher von ihrem urſprünglichen bedeutend abweicht. Die Mehrzahl dieſer Gewächſe dient zur Nahrung der Menſchen, ein geringerer Theil wird für die Kleidung, Beleuchtung und induſtrielle Zwecke angezogen. Bei allen dieſen Pflanzen ſucht man denjenigen Theil, welchen man für den werthvoll— ſten hält, vorzugsweiſe auszubilden. Die dicke Aehre der Cerealien iſt erſt im Laufe der Zeit durch die Cultur entſtanden, denn in Aſien, ihrem Vater— lande, unterſcheiden ſich unſere Getreidearten, was den Habitus anlangt, nicht von den gewöhnlichen Gräſern. Die Kartoffel erzeugt in Chili, wo ſie heimiſch iſt, nur erbſengroße Knollen; nach Darwin ſoll der Ertrag eines ganzen Ackers kaum hinreichen, um das Leben einer Iriſchen Familie nur einen 15 zu friſten. Unter den Forſtwirthen herrſcht noch vielfach die Anſicht, daß die Agri— cultur weniger Kohlenſtoff produzire, als die Forſtwiſſenſchaft. Dieſe Meinung beruht auf einem Irrthum. Bouſſingault erndtete auf feinem Gut zu Bechel- bronn im Elſaß, bei mittelmäßiger Bodengüte, im Durchſchnitt von 16 Jah- ren jährlich 1720 Kilogramme Kohlenſtoff pro Hectare — ein Ertrag, den wir nur von Nadelholz-, niemals Laubholzwaldungen erzielen. Der Gehalt an Stickſtoff und Aſche iſt aber bei den Agriculturgewächſen viel größer, als bei dem Holze. Bouſſingault erndtete im Durchſchnitt von 16 Jahren jähr⸗ lich 53 Kilogramme Stickſtoff und 214 Kilogramme an anorganiſchen Sub— ſtanzen, während der Wald jährlich nicht viel mehr, als 30 Kilogramme Stickſtoff und etwas über 50 Kilogramme an Aſchenbeſtandtheilen zu produziren vermag. Bei der Landwirthſchaft bleibt die Erzeugung von Getreide immer der Hauptzweck des Gewerbes. Das Stroh iſt durch feinen Gehalt an Mineral: 480 Begriff der forftlichen Standortsgüte. beſtandtheilen, die Körner ſind durch ihren Reichthum an ſtickſtoffhaltigen Sub⸗ ſtanzen (Albumin, Fibrin, Caſein) ausgezeichnet. Auf den letztern beruht vornehmlich der Nahrungswerth des Getreides. Wenn es nun zwar der Cultur im Laufe der Zeit gelungen it, gewiſſe Theile der landwirthſchaftlichen Gewächſe zu einer abnormen Größe heranzu⸗ bilden und dadurch den Ertrag des Feldes an den werthvollen Stoffen, welche jene Theile enthalten, bedeutend zu erhöhen, ſo kann es ſich auf der andern Seite nicht fehlen, daß das Gelände durch den wiederholten Anbau jener Gewächſe zuletzt ausgeſogen wird. Um dieſem Nachtheil zu begegnen, um ſtets wieder neue Erndten von eben ſo großem Belang, als die früheren zu erhalten, hat man ſich genöthigt geſehen, diejenigen Stoffe dem Boden wieder zu erſetzen, welche ihm durch die Gewächſe entzogen werden. Es ge⸗ ſchieht dies durch die Düngung. Seit früheſter Zeit hat man mit dem beſten Erfolge die Exeremente der Thiere zur Düngung angewandt. Dieſe Exeremente enthalten in der That zum grö⸗ ßeren Theil diejenigen Stoffe, deren der Acker durch die verfütterten Gewächſe beraubt worden iſt. Das Einzige, was bei der Ernährung der Animalien zum Theil verloren geht, iſt Kohlenſtoff und Waſſerſtoff; allein dieſe ſind in Bezug auf die Düngung von geringer Bedeutung, da jener von der Kohlen⸗ ſäure der Luft und dieſer von dem Waſſer in hinreichender Menge geliegert werden kann. Zur nähern Begründung des Vorſtehenden möge Folgendes dienen: Die Pflanzen, welche den Thieren und Menſchen zur Nahrung dienen, wer⸗ den theils verdaut und gehen dann in das Blut über, theils werden ſie aber ſogleich als unmaſſimilirbar durch die Ereremente ausgeſchieden. Die nahrungsfähigen Pflanzenſtoffe, welche zur Blutbildung ſich eignen, zerfallen in zwei Klaſſen, in ſtickſtoffhaltige und ſtickſtofffreie. Erſtere haben genau die Zuſammenſetzung der Muskelfaſer und dienen dazu, dieſelbe zu erzeugen. Bei jeder körperlichen Bewegung tritt nämlich ein Theil der Muskelfaſer durch das Blut in die Excremente über und wird durch dieſe, vorzüglich in der Form von Harn, aus dem Körper ausgeſtoßen. Soll das Thier, oder der Menſch zu neuer Kraftäußerung fähig gemacht werden, ſo muß ein entſprechender Wiedererſatz des ausgetretenen Theils der Muskelſubſtanz ſtatt⸗ finden; dies geſchieht bei den pflanzenfreſſenden Thieren durch den Genuß der ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile der Vegetabilien, bei dem Menſchen ſowohl 1 durch letztere, als auch durch Fleiſchnahrung. — Die aſſimilirbaren ſtick⸗ ſtofffreien Materien der Pflanzen (Stärkemehl, Dextrin, Fett ꝛc.) werden zur Unterhaltung des Athmungsprozeſſes verbraucht; der durch die Lungen eingenommene Sauerſtoff der Luft verbindet ſich mit dem Kohlenſtoff und dem Waſſerſtoff des Blutes, und es treten Kohlenſaͤure und Wafferdampf durch die Lunge aus. Man ſieht alſo, daß, mit Ausnahme des zum Athmen dienenden Begriff der forſtlichen Standortsgüte. 481 Kohlenſtoffs und Waſſerſtoffs, auch diejenigen Theile der Pflanzen, welche von dem Körper aſſimilirt werden, nach Verfluß einer gewiſſen Zeit den Excrementen anheim fallen. Der thieriſche Dünger enthält demnach Alles, was die landwirthſchaftlichen Pflanzen zu ihrem Gedeihen bedürfen. Da der thieriſche Dünger verhältnißmäßig hoch im Preiſe ſteht, ſo hat man verſucht, ihn durch andere wohlfeilere Stoffe zu erſetzen. Von dieſer Art iſt z. B. der Liebig'ſche Patentvünger. Indeſſen kommt der letztere, wie die Erfahrung gelehrt hat, in ſeiner Wirkung dem thieriſchen Dünger nicht gleich. Die Urſache liegt entweder darin, daß er zu wenig Stickſtoff enthält, oder daß es Liebig noch nicht gelungen iſt, die einzelnen Beſtandtheile des Pa⸗ tentdüngers in derjenigen Form darzuſtellen, in welcher ihn die Pflanzen be⸗ hufs der Aſſimilation verlangen. 8. Die Beackerung. Die wildwachſenden Pflanzen entnehmen dem Boden ſo viel von ſeinen löslichen Beſtandtheilen, als deren im Umkreiſe der Wurzeln durch die Verwitterung zum Aufſchluß gelangen. Je leichter auf ſchließbar der Boden iſt, um ſo üppiger gedeihen dieſe Pflanzen. Die Agri⸗ culturgewächſe reichen, in der Mehrzahl der Fälle, mit dem natürlichen Ge⸗ halt des Bodens an löslichen Nahrungsſtoffen nicht aus; man führt deßhalb dieſe Stoffe in einer zum Aufſaugen durch die Wurzeln geeigneten Form mittelſt des Düngers zu. In dem Verbrauche des letztern läßt ſich aber da⸗ durch eine Erſparniß bewirken, daß man künſtliche Mittel anwendet, um den Aufſchluß der mineraliſchen Beſtandtheile des Bodens zu befördern. Dies ge- ſchieht durch die mechaniſche Bearbeitung deſſelben. Sie hat zum Zweck, die Oberfläche der Bodentheilchen zu vergrößern, damit die Agentien der Verwit⸗ terung, und unter dieſen namentlich die Kohlenſäure, mehr Berührungspuncte mit der Ackerkrume finden. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweiſen wir wegen dieſes Gegenſtandes auf den Vorbereitenden Theil, S. 77. Wir find übrigens weit davon entfernt, behaupten zu wollen, daß die Be- ackerung nur zu dem vorbezeichneten Zwecke diene. Man nimmt ſie auch noch in der Abſicht vor, um das Eindringen der Wurzeln und deren Verbreitung zu begünſtigen, um die Abſorption von Waſſerdampf und Ammoniak zu befördern. 7. Die Brache. Wenn es an dem nöthigen Dünger fehlt, um dem Felde die Stoffe, welche es durch den Anbau von Gewächſen verloren hat, ſogleich wieder zu erſezen, jo ſieht man ſich gezwungen, die Cultur einige Zeit ruhen, oder, wie man ſich ausdrückt, den Boden brach liegen zu laſſen, damit ſich in Folge des Verwitterungsprozeſſes wieder ein Vorrath von aſſimilirbaren Nahrungsſtoffen in der Ackererde anſammeln kann. Die Zeit der Brache läßt ſich dadurch abkürzen, daß man den Boden bearbeitet, d. h. die Verwitterung befördert. | 9d. Die Wechſelwirthſchaft. Chemiſche Analyſen haben das Re⸗ jultat geliefert, daß der Aſchengehalt der Gewächſe nicht allein quantitativ, ſondern auch qualitativ verſchieden iſt; indem man die Aſchen von ganzen Heyer, Bodenkunde. 31 482 Begriff der forftlichen Standortsgüte. Erndten berechnete, fand man, daß die Pflanzen dem Boden ungleiche Mengen der verſchiedenen Aſchebeſtandtheile entziehen. Nach ihrem prozentiſchen Aſchengehalte hat Liebig die Agrieulturgemächfe in drei Gruppen gebracht, in Kiefel-, Kalk- und Kalipflanzen. Er gibt darüber folgendes Schema: n Kali⸗ u. Natron⸗ Kalk- u. Bittererde⸗ Kieſelerde Salze Salze Haferſtroh 34.00 4.00 62.00 Kieſel- ( Waizenſtroh 22.00 7.00 61.05 Pflanzen) Gerſtenſtroh mit Samen 19.00 25.70 55.03 Roggenſtroh 18.65 16.52 63.89 Tabak, Havanna 24.34 67.44 8.30 5 Deutſcher 23.07 62.23 25.25 Kalk⸗ „ in künſtl. Boden 29.00 59.00 12.00 Pflanzen Erbſenſtroh 27.82 62.74 TB Kartoffelkraut 4.20 59.40 36.40 Wieſenklee 39.20 56.00 4.90 Maisſtroh 71.00 6.50 18.00 Kali⸗ Weiße Rüben 81.60 18.40 — Pflanzen“ Runkelrüben 88.00 12.00 — Kartoffelknollen 85.81 14.19 — Topinambour 84.30 15.70 * Nun kann aber die prozentiſche Zuſammenſetzung der Aſchen für ſich allein nicht darüber entſcheiden, ob eine Pflanze den Boden mehr ausfauge, als eine andere; man muß zu dieſem Zwecke den Aſchegehalt ganzer Erndten berechnen. Die folgende, von Wolff mitgetheilte Tabelle enthält eine derar⸗ tige Zuſammenſtellung. Ertrag Gehalt der Erndteerträge an pr. Stick⸗ Aſche Phosphor Kali Kalk u. Kieſelſaure Hectare ſtoff ſäure Magneſia SU... 90:0. 0 K Kil. Kil. Waizen 1 Körner 2000 36.8 35.0 16.9 10.5 6.0 0.5 Stroh 5000 15.0 225.0 9.2 42.1 12.4 158.6 7000 51.8 260.0 26.1 52.6 18.4 159.1 Roggen 5 8 9 Körner 1600 30.6 27.7 13.1 9.3 4.0 0.6 Stroh 3800 13.3 152.0 4.0 29.6 10.0 101.1 5400 43.9 179.7 17.1 38.9 14.0 101.7 Gerſte Körner 2300 39.3 63.3 21.8 13.2 5.4 18.4 Stroh 4000 12.0 180.0 7.2 47.2 16.2 96.3 6300 51.3 243.3 29.0 60.4 21.6 114.7 * Bedeutung der mineraliſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 483 Ertrag Gehalt der Erndteerträge an pr. Stick⸗ Aſche Phosphor- Kali Kalk u. Kieſelſäure Hectare ſtoff ſäure Magneſia Kil. Kil. Kil. Kil. Kil. Kil. Kil. Hafer Körner 2000 37.4 70.0 17.5 11.2 7.7 29.4 Stroh 4000 12.0 240.0 7.7 62.8 24.0 130.0 6000 49.4 310.0 25.2 74.0 31.7 159.4 Saubohnen Körner 2000 82.2 63.8 21.8 28.7 8.7 0.4 Stroh 3000 36.0 150.0 15.0 36.0 54.0 15.0 i 5000 118.2 213.8 36.8 64.7 62.7 15.4 Erbſen 8 Körner 1500 53.1 37.7 11.4 16.6 6.0 0.6 Stroh 3000 53.7 150.0 11.3 40.5 54.0 6.0 4500 106.8 187.7 22.7 57.1 60.0 6.6 Wicken Körner 1500 65.3 45.0 15.3 18.5 5.9 — Stroh 3000 51.0 165.0 14.9 33.0 75.8 12.2 4500 116.3 210.0 30.2 51.5 81.8 12.2 Raps Körner 2400 80.0 96.0 41.3 24.8 26.8 1.2 Stroh 4500 13.5 189.0 11.3 58.6 56.7 7.6 6900 93.5 285.0 52.6 83.4 83.5 8.8 Runkelrüben 40000 96.0 384.0 23.0 172.6 43.8 21.5 Blätter 10000 28.0 188.0 12.2 75.2 30.1 13.2 50000 124.0 572.0 35.2 247.8 73.9 34.7 Kartoffeln 20000 82.0 204.0 23.7.1094 14.7 114 Kleeheu 6000 130.8 390.0 24.6 105.7 120.9 20.7 Wieſenheu 4000 53.2 246.4 13.3 57.9 61.9 77.6 Nach dieſen Tabellen laſſen ſich deutlich vier Gruppen unterſcheiden: Kieſelpflanzen, zu denen die Gräſer und Cerealien; Kalkpflanzen, zu denen die Leguminoſen; Phosphorpflanzen, zu denen die Oelgewächſe (Raps), Kali⸗ pflanzen, zu denen die Hackfrüchte gehören. Im Weſentlichen bleibt alſo das Vermögen, dem Boden beſtimmte Beſtandtheile zu entziehen, das nämliche, mag man blos die prozentiſche Zuſammenſetzung der Aſchen, oder die vollen Erndteerträge vergleichen. Denken wir uns nun, der Boden ſei durch den Anbau von Waizen ſeines Gehaltes an löslicher Kieſelſäure beraubt worden, ſo wird er doch noch zum Anbau von Erbſen tauglich fein, denn dieſe brauchen nur wenig Kieſel⸗ ſäure, aber deſto mehr Kalk. Hat der Boden ſich an dieſem erſchöpft, ſo kann 31* 484 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. man Rüben bauen ꝛe. So gibt die Abwechſelung mit den zu erziehenden Pflanzen ein Mittel an die Hand, um dem Boden fortwährend gute Erndten abzugewinnen. Durch die Wechſelwirthſchaft wird aber auch die reine Brache entbehrlich gemacht, denn man kann während der Brachzeit eine Pflanzenart bauen, welche blos ſolche Stoffe braucht, deren die ſpäter eultivirenden Ge⸗ wächſe nicht bedürfen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß nach Vollendung einer Rotation eine Düngung eintreten muß, weil jetzt der Boden gänzlich erſchöpft iſt. Die ſo eben dargeſtellte Theorie der Wechſelwirthſchaft gründet ſich weſent⸗ lich auf den qualitativen und quantitativen Unterſchied in dem Aſchegehalt der Gewächſe. Dieſe Theorie, als deren Begründer Liebig genannt werden muß, iſt indeſſen in neuerer Zeit angefochten worden. Man hat ihre Rich⸗ tigkeit aus dem Grunde bezweifelt, weil es nicht gelingen wollte, die Boden⸗ kraft durch Düngung mit denjenigen anorganiſchen Stoffen, welche ihm durch irgend eine Pflanzenſpecies entzogen worden ſind, wieder herzuſtellen. Wenn es z. B. der Mangel an Kieſelſäure iſt, ſagte man, welche uns verbietet, zweimal hinter einander Waizen zu bauen, ſo muß letzteres doch zuläſſig ſein, wenn man nach der erſten Waizenerndte dem Boden die fehlende Kie⸗ ſelſäure künſtlich zuführt. Allein alle Düngungsverſuche mit künſtlich darge⸗ ſtellter Kieſelſäure ſind fehlgeſchlagen, folglich kann es nicht der Entzug von Kieſelſäure fein, wodurch der Boden nach dem Anbau von Waizen erfchöpft wird. Die Theorie der Wechſelwirthſchaft, welche Wolff der Liebig'ſchen entge⸗ genſtellt, gründet ſich auf die Annahme, daß der Mangel an Stickſtoff die Haupturſache der Bodenerſchöpfung ſei. Er unterſtellt, einigen Pflanzen, wie z. B. den Hackfrüchten und dem Klee, komme vorzugsweiſe das Ver⸗ mögen zu, den Stickſtoff der Atmoſphäre mittelſt der Blätter ſich anzueignen, während andere Pflanzen, z. B. die Cerealien mehr darauf angewieſen ſeien, den im Boden enthaltenen Stickſtoff durch die Wurzel aufzunehmen. Die letztgenannten Pflanzen ſeien diejenigen, welche den Boden am meiſten an⸗ griffen. Obgleich die Wolfffche Anſicht Vieles für ſich hat, jo bleibt fie nichts deſto weniger eine Hypotheſe, deren Beſtätigung durch Verſuche erſt abge⸗ wartet werden muß. Ganz abgeſehen von der obſchwebenden Streitfrage iſt es aber doch gewiß, daß die Wechſelwirthſchaft durch den einſeitigen Entzug von Beſtandtheilen des Bodens hervorgerufen wird. Stellen wir die Landwirthſchaft mit der Forſtwirthſchaft in Parallele, ſo fällt uns auf, daß die letztere beſteht, ohne die in der Landwirthſchaft ge⸗ bräuchlichen Betriebs-Operationen und Maßnahmen in Anwendung zu brin⸗ gen. Abgeſehen von einzelnen Ausnahmen findet bei der Waldwirthſchaft die Bodenbearbeitung nur zu dem Zwecke ſtatt, um die Samen unterzubringen. Man will dieſelben durch die Bedeckung der Erde gegen die Nachſtellungen von Thieren, gegen Froſt, Austrocknung ꝛc. ſchützen. Obgleich nicht geleugnet Bedeutung der mineraliſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 485 werden kann, daß die Feuchtigkeit eines feſten Waldbodens durch Lockerung ſich vermehren läßt, ſo ſteht doch auf der andern Seite das feſt, daß die Waldwirthſchaft ohne die regelmäßig wiederkehrende Bearbeitung des Bodens ſich erhalten kann. Auch die künſtliche Düngung wird bei der Waldwirthſchaft im Großen nicht in Anwendung gebracht. Doch darf nicht überſehen werden, daß der Forſtwirth die erzogenen Gewächſe nicht fo rein aberndtet, als dies von Sei- ten des Landwirths geſchieht. Wir laſſen dem Boden die abgefallenen Na⸗ deln und das abgefallene Baumlaub, Subſtanzen, welche verhältnißmäßig reich an anorganiſchen Beſtandtheilen find. Eine regelmäßige Brache ift in der Waldwirthſchaft gleichfalls nicht bekannt. Wir erziehen die Beſtände ohne Unterbrechung; oft iſt der Nachwuchs ſchon vorhanden, ehe die Mutterbäume entfernt worden ſind. Ebenſo hat die Erfahrung gelehrt, daß ein regelmäßiger Wechſel der Holzarten nicht nöthig erſcheint. An vielen Orten werden Buchen-, Fichten-, Tannen ⸗ u. ſ. w. Wälder ſeit Jahrhunderten ohne Unterbrechung erzogen, es tritt durch den fortgeſetzten Anbau einer und derſelben Holzart keine Erſchöpf⸗ ung des Bodens ein, vorausgeſetzt, daß dieſelbe nicht lichtbedürftig ſei. Es iſt ſogar conſtatirt, daß der Boden in Buchen-, Fichten» oder Tannenbeſtän⸗ den ſich in dem Maße beſſert, je länger dieſe Holzarten cultivirt werden. Alles dieſes weiſt darauf hin, daß die Waldwirthſchaft von der mine⸗ raliſchen Zuſammenſetzung des Bodens weit weniger abhängig ſei, als die Agricultur. Zu dem nämlichen Schluſſe gelangt man aber auch, wenn man die Aſche der Erndtequantitäten von Feld und Wald mit einander vergleicht. Vonhauſen äſcherte eine 80jährige Kiefer und eine 100jährige Buche vollſtändig ein und analyſirte die Aſche. Aus der Zuſammenſetzung der letzte⸗ ren und mit Zugrundlegung einer für mittlere Bodengüten geltenden Er— tragstafel berechnen ſich folgende Aſchequantitäten, welche die vorgenannten Holzarten der Fläche eines Hectare jährlich entziehen. Buche Kiefer (mit Nadeln) Kilogr. Kilogr. Eiſenoxyd 0,2556 0,1936 Manganoxyduloxyd 0,4236 0,0956 Kalkerde 20,2940 11,5200 Magneſia 5,2943 2,2916 Kali 6,4192 3,3223 Natrium 1,2029 0,3076 Kieſelerde 3,5218 0,9008 Schwe ace 4,2793 1,9250 Schwefelſäure 0,3474 0,3426 Chlor 0,0407 0,0121 Kohlenſäure 9,1852 4,6330 51,2640 25,5442 486 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. Vergleicht man dieſe Erträge mit denen der Agriculturgewächſe, ſo fällt ſogleich auf, daß die Waldbäume dem Boden viel weniger Aſche entziehen. Der Waizen liefert 5 mal mehr Aſche, als die Buche und 10 mal mehr, als die Kiefer, die Runkelrübe ſogar 11 mal mehr, als die Buche und 22 mal mehr, als die Kiefer. Noch auffallender ſtellt ſich der Unterſchied, wenn man den Gehalt der Feldgewächſe und Waldbäume an den ſelteneren Aſchebeſtand⸗ theilen vergleicht. Eine Waizenerndte entzieht dem Boden an Phosphorſäure ſechsmal jo viel, als die Buche, 12 mal jo viel, als die Kiefer, an Kieſelſäure 45 mal ſo viel, als die Buche und 177 mal ſo viel, als die Kiefer. Eine Rapserndte braucht 12 mal mehr Phosphorſäure, als die Buche, und faſt 29 mal mehr, als die Kiefer dem Boden entnimmt. Eine Runkelrübenerndte enthält 32 mal ſo viel Kali, als der jährliche Zuwachs der Buche und 68 mal ſo viel, als derjenige der Kiefer. Aus dem Vorſtehenden läßt ſich mit großer Wahrſcheinlichkeit der Schluß ziehen, daß der Wald bei weitem nicht ſo an die mineraliſche Zuſammenſetzung des Bodens gebunden ſein kann, als die Agricultur, daß die Holzarten noch mit einem Boden vorlieb nehmen werden, welcher zu arm an aſſimilirbaren anorganiſchen Subſtanzen iſt, um der Landwirthſchaft lohnende Erträge zu verſprechen. Dieſer Schluß bleibt im Weſentlichen derſelbe, auch wenn wir mit Wolff annehmen, daß der Stickſtoff im Boden eine wichtigere Rolle in Bezug auf die Pflanzen ſpiele, als deſſen Gehalt an löslichen Mineralſubſtanzen. Denn nach den Unterſuchungen und Berechnungen von Chevandier produzirt ein Hectare Laubholzwald (aus Buchen, Eichen und Weichhölzern beſtehend) jähr⸗ lich nicht mehr, als 36 Kilogramme Stickſtoff. Auf Grund der früher mit⸗ getheilten Zuſammenſtellung von landwirthſchaftlichen Erträgen würde daher eine Waizenerndte jährlich 1,5 mal, eine Bohnenerndte mehr als 3 mal, eine Runkelrübenerndte 3,4 mal, eine Kleeerndte 3,6 mal fo viel Stickſtoff liefern, als der jährliche Holzzuwachs. Die Landwirthe haben die Erfahrung gemacht, daß die Winterfrüchte keiner ſo ſtarken Düngung bedürfen, als die Sommerfrüchte, und daß jene überhaupt noch auf einem Boden von geringerer mineraliſcher Kraft gedeihen. Dieſe Erfahrung läßt, ſich wiſſenſchaftlich recht gut erklären: die Winterfrüchte haben eine längere Vegetationsdauer und finden während dieſer mehr Gele⸗ genheit, ſich die nöthigen Aſchebeſtandtheile anzueignen; die Sommerfrüchte dagegen müſſen in kurzer Zeit eine eben ſo große Menge von anorganiſchen Stoffen aufnehmen; dazu iſt erforderlich, daß der Boden entweder tüchtig ge⸗ düngt, oder leicht aufſchließbar ſei. Unſere Holzpflanzen verhalten ſich ähnlich, wie die Winterfrüchte der Landwirthſchaft; ſie haben eine verhältnißmäßig lange Vegetationszeit und können daher noch mit einem Boden vorlieb nehmen, deſſen Aufſchluß nur langſam erfolgt. Bedeutung der mineraliſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 487 Alles, was wir bisher angeführt haben, um augenſcheinlich zu machen, daß die Holzproduction von der mineraliſchen Zuſammenſetzung des Bodens weit weniger abhängig ſei, als die Agricultur, iſt rein theoretiſcher Natur. Es fehlt indeſſen nicht an practiſchen Belegen zur Beſtätigung unſerer Anſichten. Sehen wir uns einmal danach um, wie ſich diejenigen Böden, welche arm an löslichen anorganiſchen Subſtanzen ſind, gegen die e nen verhalten. Ohnſtreitig gehört der Sand, in welchem Quarz oder Glimmer vor⸗ herrſcht, in mineralogiſch-chemiſcher Beziehung zu den ärmſten Bodenarten. Der Quarz enthält ja faſt nur Kieſelerde und Eijen- oder Manganoxyd, und obgleich im Glimmer die Aſchebeſtandtheile der Gewächſe nicht fehlen, ſo iſt doch dieſe Mineralſpecies ſo ſchwer aufſchließbar, ſie trotzt ſo hartnäckig den Agentien der Verwitterung, daß wir den aus Glimmerſand gebildeten Boden unbedingt als arm bezeichnen können. Deſſen ungeachtet finden wir auf die⸗ ſen beiden Sandarten, mögen ſie nun rein oder vermengt vorkommen, die herrlichſten Beſtände, vorausgeſetzt, daß der Boden das rechte Maß von Feuch⸗ tigkeit beſize, ſowie es die einzelnen Holzarten verlangen. Der Verf. führt zur Beſtätigung dieſes Ausſpruchs die Waldungen in der Ebene zwiſchen Main und Rhein (namentlich die in der Gegend von Langen und Lorſch) an, welche zum Theil auf früherem Flugſand ſtehen. Es mögen kaum ſchönere Kiefern, Fichten und vorzüglich Buchen zu finden ſein, als diejenigen in der Main⸗Rhein⸗Ebene. Ein anderes Beiſpiel dieſer Art liefert der Spieß, ein in der Nähe von Darmſtadt gelegener Buchenbeſtand, der ſich durch vortrefflichen Wuchs aus⸗ zeichnet. Der Boden des Spieß iſt ein ſogenannter ſchwitzender Quarzſand mit wenigem Glimmer. Daß es blos die Feuchtigkeit iſt, welcher dieſer Be⸗ ſtand ſein fröhliches Gedeihen verdankt, läßt ſich aus den weſtlich von Darm⸗ ſtadt befindlichen Kieferndiftrieten beurtheilen, welche auf trocknerem Sand von der nämlichen mineraliſchen Beſchaffenheit ſtehen. Hier bleibt ſelbſt die genüg⸗ ſame Kiefer im Wuchs zurück. Einen weiteren Beleg für unſere Anſicht bieten einige Beſtände im Tau⸗ nus. Das Taunusgeſtein gehört in die Gruppe des Quarzit's, ſchon der bloße Anblick zeigt, daß es faſt nichts als Quarz enthält. Auf dem Verwit⸗ terungsboden dieſes Geſteins wachſen vortreffliche Buchenbeſtände mit einge⸗ ſprengten Ahornen, Eſchen und Rüſtern. Ja noch mehr, ſelbſt zwiſchen den nackten Steinen in den ſogenannten Felſenmeeren des Taunus vegetiren Ahorne und Rüſtern auf das Ueppigſte (Diſtr. Goldkopf im Taunus). Der Quaderſandſtein, welcher doch ohnſtreitig zu denjenigen Sandſteinen gehört, die am wenigſten Bindemittel beſitzen, erzeugt in friſchen Lagen aus— gezeichnete Buchen-, Fichten- und Weißtannenbeſtände, wie der Verf. durch eignen Augenſchein in der Sächſiſchen Schweiz wahrgenommen hat. Es iſt weiter nichts, als Feuchtigkeit und Tiefgründigkeit nöthig, um den aus der 488 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. Verwitterung des Quaderſandſteins gebildeten Boden zur Production von allen Holzarten zu befähigen, denn wo die Buche, Fichte und Weißtanne ge⸗ deihen, da kommen auch die andern Holzarten fort. Das Reſultat der ſo eben mitgetheilten Beobachtungen läuft alſo auf den Satz hinaus, daß jeder Boden, welcher ſich in ſeinem natürlichen Zuſtande befindet, genug anorganiſche Stoffe enthält, um die Holzbeſtände mit dieſen zu verſorgen. Wir reden hier ausdrücklich von einem ſolchen Boden, welcher noch nicht auf künſtlichem Wege ſeines Gehaltes an löslichen Mineralſtoffen beraubt worden iſt. Alle Beobachtungen lehren, daß die wildwachſenden Pflan⸗ zen, zu denen wir auch unſere Waldbäume rechnen, den Boden nicht erſchö⸗ pfen, wohl kann aber dieſer Fall eintreten, wenn man mit Beihülfe der Be⸗ ackerung, aber ohne Anwendung von Dünger, ſolche Agrieulturgewächſe, welche große Anſprüche an die mineraliſchen Subſtanzen des Bo dens machen, längere Zeit eultivirt. Vor ohngefähr zwanzig Jahren wurde ein Eichenbe⸗ ſtand in der Nähe von Gießen abgetrieben und der Boden landwirthſchaftlich benutzt; die Pächter bauten fortwährend Getraide, ohne zu düngen. Nach Verlauf von fünfzehn Jahren war der Boden ſo ausgeſogen, daß es ſich nicht mehr erlohnte, den Getraidebau fortzuſetzen; man fing nun wieder an, Eichen zu cultiviren, allein auch dieſe kamen auf dem ausgemergelten Boden nicht fort, und erſt nach einer Rube von mehreren Jahren gelang es, die Fläche mit Kiefern in Cultur zu bringen. Die Landwirthe unterſcheiden kräftige und nicht kräftige Böden und ver⸗ ſtehen unter jenen ſolche, welche des Düngens längere Zeit entbehren können. Auch in der Forſtwirthſchaft iſt die obige Unterſcheidung gebräuchlich, ſie wird aber hier in doppeltem Sinne angewandt. Einige nennen einen Boden ſchon dann kräftig, wenn er überhaupt zur Holzproduction ſehr geeignet iſt; Andere begreifen unter kräftigen Böden ſolche, welche das Streurechen gut ertragen. Nun hat die Erfahrung gelehrt, daß die nachtheiligen Folgen des Streuentzugs ſich namentlich auf Sandboden geltend machen, und man hat dies dem ge⸗ ringen Gehalt des Sandes an löslichen anorganiſchen Subſtanzen zurechnen wollen. Allein die Sache läßt ſich auch noch anders erklären. Die Sand⸗ arten ſind der Austrocknung ſehr ausgeſetzt und können vor dieſer durch den Humus geſchützt werden; die jog. kräftigen Bodenarten find ſämmtlich ſolche, welche eine große waſſerhaltende Kraft beſitzen; der Streuentzug wird alſo bei ihnen nicht ſo leicht eine Austrocknung herbeiführen. Wir ſehen daher, daß die nachtheiligen Folgen des Streurechens auf Sandboden ſich ebenſowohl durch die beſonderen phyſikaliſchen Eigenſchaften dieſer Bodenart erklären laſ⸗ ſen. Hiernach würde alſo die Bezeichnung eines kräftigen Bodens hauptſäch⸗ lich durch deſſen Verhalten gegen die Feuchtigkeit gegeben ſein und wir wür⸗ den die Eintheilung der Böden in arme und reiche, je nach ihrem Gehalt an aſſimilirbaren anorganiſchen Stoffen, bezüglich der Waldbäume fallen laſſen müſſen. Bedeutung der geognoſtiſchen Abſtammung des Bodens. 489 b. Bedeutung der geognoſtiſchen Abſtammung des Bodens für das Gedeihen der Wald ⸗ vegetation. Noch häufig wird der geognoſtiſchen Abſtammung des Bodens ein gro— ßer Einfluß auf das Gedeihen der Holzgewächſe beigelegt. Dieſer Einfluß läßt ſich allerdings nicht läugnen. Es fragt ſich nur, ob ein und daſſelbe Mutter- geſtein bei der Verwitterung ſtets einen Boden von der nämlichen Güte her⸗ vorbringt. Im Vorhergehenden ſind einige Gründe beigebracht worden, welche da⸗ für ſprechen, daß die chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens für die Wald— wirthſchaft von geringerer Bedeutung ſei, als für die Agricultur. Geſetzt aber auch, daß die Frage über den chemiſchen Einfluß des Bodens auf die Wald— vegetation noch offen ſei, jo können wir die Factoren der Güte des Bodens (abgeſehen von ſeiner Lage) doch nur in ſeiner chemiſchen und phyſikaliſchen Beſchaffenheit ſuchen. Es bliebe nun zu entſcheiden, ob jede Geſteinsart, welche der Geognoſt mit einem beſonderen Namen bezeichnet, ſtets einen Boden von der nämlichen chemiſchen Zuſammenſetzung, oder von den nämlichen phyſika- liſchen Eigenſchaften liefert. 0 Nun haben wir ſchon im Vorbereitenden Theil dieſes Werkes geſehen, daß die Geognoſten Geſteine von der verſchiedenartigſten Zuſammenſetzung unter einem und demſelben Namen vereinigen. So gibt es z. B. Hornblen⸗ den, welche Alkalien enthalten, und Hornblenden, welche davon frei ſind; es gibt Syenite mit Orthoklas⸗ und andere mit Labradorfeldſpath. Der eine Syenit kann alſo unter Umſtänden einen kalkarmen, der andere einen kalkrei⸗ chen Boden bei der Verwitterung liefern. Noch größer iſt der Unterſchied, was den Gehalt der Mineralien an den ſelteneren Bodenbeſtandtheilen, z. B. der Phosphorſäure, anlangt. Es gibt Feldſpathe, welche ſehr reich daran ſind, während ſich in andern kaum eine Spur von Phosphor entdecken läßt. Am bedeutendſten iſt die Differenz bei der Zuſammenſetzung der Kalke. Der Verf. hat Muſchelkalke analyſirt, welche überaus viel Kieſelſäure, Thon, Alkalien, Phosphorſäure, Eiſen ꝛc. enthielten, während andere ſich faſt als reine kohlen⸗ ſaure Kalkerde ergaben. Für den Fall alſo, daß man die Güte des Bodens nach dem Mutter⸗ geſtein beſtimmen wollte, müßte man nicht allein die Zahl der geognoſtiſchen Benennungen vervielfachen, ſondern auch zugleich erſt durch eine chemiſche Analyſe die Zuſammenſetzung des Muttergeſteins feſtſtellen. Daß Beides für den practiſchen Gebrauch unthunlich iſt, verſteht ſich ohne weitere Ausführung. Geſetzt aber auch, man kenne die chemiſche Zuſammenſetzung des Mut- tergeſteins ganz genau, ſo läßt ſich aus dieſer noch keineswegs die Zuſammen⸗ ſetzung des Verwitterungsbodens bemeſſen. Es kommt hier vorerſt darauf an, wie weit die Zerſetzung des Geſteins vor ſich gegangen iſt, und dann wäre noch zu ermitteln, ob die Beſtandtheile deſſelben an Ort und Stelle verblieben ſind. Erſteres, wie letzteres, ließe ſich wieder nur durch die chemi⸗ 490 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. ſche Analyſe, und auch mittelſt dieſer nur beiläufig, beſtimmen. Denn wenn auch die Wiſſenſchaft es möglich macht, jeden Körper in ſeine Elementarbe⸗ ſtandtheile zu zerlegen, ſo iſt ſie doch noch weit davon entfernt, bei einer Menge verſchiedener Subſtanzen angeben zu können, in welcher Form Mn von dieſen fich befinde. Worte wie Granit-, Syenit-, Bafalt-, Kalk- ıc. Boden bezeichnen alſo 5 blos die Abſtammung, aber durchaus nicht die chemiſche Zuſammenſetzung dieſer Bodenarten. Das nämliche Verhäliniß findet bezüglich der phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens ſtatt. Eine und dieſelbe Geſteinsart kann Böden von ſehr ver⸗ ſchiedener Feinheit des Korns, verſchiedener Tiefgründigkeit, Waſſeraufnahme⸗ Fähigkeit, waſſerhaltender Kraft, Erwärmungsfähigkeit ꝛc. liefern, und oft laſſen ſich nicht einmal durch die chemiſche Analyſe die Urſachen auffinden, durch welche dieſe Abweichungen hervorgerufen werden. Wollte man aber die Geſteine nach allen denjenigen Momenten, welche eine verſchiedenartige Verwitterung bewirken, unterſcheiden, ſo würde man mit Tauſenden von Na⸗ men nicht ausreichen. Dabei kommen noch eine Menge ne in Betracht, welche unſerer Wahrnehmung gänzlich entgehen. Wie ſehr hängt z. B. die Tiefgründigkeit davon ab, ob die unter dem Verwitterungsboden liegende Felsart zerklüftet iſt, oder in welchem Winkel die Schichten einfallen. Haben letztere eine horizontale Lage, ſo können die Wur⸗ zeln nicht eindringen, das Waſſer ſammelt ſich an und verurſacht Verſumpf⸗ ungen, ſtehen die Schichten ſenkrecht, ſo verſinkt unter Umſtänden die Feuch⸗ tigkeit ſchnell in die Tiefe, die Pflanzen leiden durch Trockenheit. Sehr häufig beruht der größere oder geringere Grad von Tiefgründig⸗ keit auf dem Gehalt an Mineralſubſtanzen, welche irgend einer Geſteinsart acceſſoriſch beigemengt find. So verwittert z. B. der Baſalt, wenn er viel Olivin enthält, viel ſchneller, als wenn er an dieſem Mineral arm iſt. Die Zerſetzbarkeit des Feldſpaths hängt weſentlich von ſeinem Gehalt an Eiſen⸗ oxydul ab. i Die Erwärmungsfähigkeit des Bodens, welche unter Umſtänden ſehr wichtig für die Vegetation werden kann, wird hauptſächlich durch die Farbe des Muttergeſteins beſtimmt. Die Farbe wechſelt aber, ſelbſt bei einem und demſelben Geſtein, oft ganz außerordentlich. Die Waſſeraufnahme-Fähigkeit und die waſſerhaltende Kraft hängen, wie wir früher geſehen haben, vornehmlich von dem Grade der Zertheilung ab, in welcher die Partikelchen des Bodens ſich befinden, und dieſe Zertheilung wird ihrerſeits wieder durch die Feinheit des Korns beim Muttergeſtein bedingt. Wie verſchieden ſind aber die Geſteine in dieſer Beziehung! Es gibt Granite mit fauſtgroßen Feldſpath⸗ und Quarzkryſtallen, während in andern Graniten die Gemengtheile ſich kaum mit bloßem Auge unterſcheiden laſſen. Einige Porphyre enthalten viele, andere höchſt wenige oder gar keine Quarz⸗Kryſtalle. Bedeutung der geognoftifchen Abſtammung des Bodens. 491 Zuletzt hängt die phyſikaliſche Beſchaffenheit des Bodens und nament- lich die Tiefgründigkeit, auf welche es bei der Waldvegetation ſo ſehr ankommt, hauptſächlich von der Lage ab. An Abhängen bildet ſich gewöhnlich ein flachgründiger Boden, weil die Erdtheilchen durch die niederfallenden Meteor⸗ waſſer in die Tiefe geſchwemmt werden; in den Mulden ꝛc., wo die Erdpar⸗ tikelchen abgeſetzt werden, erzeugt ſich ein tiefgründiger Boden. So kann eine und dieſelbe Geſteinsart, je nach der Oberflächengeſtaltung des Terrains, Böden von ſehr verſchiedener Tiefgründigkeit liefern. Wir ſehen alſo, daß auch die phyſikaliſchen Eigenſchaften des Bodens ſich nicht nach dem Muttergeſtein beſtimmen laſſen. Die Lehrbücher der Bodenkunde pflegen bei jeder Geſteinsart die Beſchaf- fenheit (namentlich die Tiefgründigkeit) des Bodens anzugeben, welcher aus Verwitterung eines ſolchen Geſteins ſich bilden ſoll. Dieſe Angaben beruhen faſt immer auf örtlichen Wahrnehmungen, welche man in einer tadelnswerthen Weiſe generaliſirt hat. So lieſt man in faſt allen Schriften über forſtliche Bodenkunde, der Ba⸗ ſalt liefere ein überaus fruchtbares Erdreich, welches der erſten Bodenklaſſe beigezählt werden müſſe. Der Verf. kann aber in ſeinem Dienſtbezirke große Strecken von Baſaltboden aufzeigen, deſſen Güte Aeane iſt, als diejenige des trockenſten Flugſandes. Einige Schriftſteller ſind aber noch weiter gegangen; ſie haben neben jeder Geſteinsart nicht blos den Boden, welcher aus ihr entſpringt, nebſt ſei— nen chemiſchen und phyſikaliſchen Eigenschaften, ſondern auch die Holzarten angegeben, welche auf einem ſolchen Boden beſonders gut gedeihen ſollen. Ja man hat ſich ſogar noch auf feinere Specialitäten eingelaſſen, man hat den Wuchs, die Formzahlıc. der Bäume für die nach ihrer Abſtammung von den Muttergeſteinen claſſifieirten Bodenarten ausgeworfen, ohne zu bedenken, daß eines und daſſelbe Geſtein Böden von den verſchiedenartigſten Eigenſchaften liefern kann. Dieſe Fehlgriffe rühren zum Theil daher, weil man glaubte, es ließen ſich keine allgemeinen Geſichtspuncte für das Verhalten des Bodens ge⸗ gen die Holzarten aufſtellen, die Einflüſſe der Localität ſeien zu verſchieden, als daß ſie ſyſtematiſch gruppirt werden können. Man hat ſich daher blos an einzelne Beobachtungen von Thatſachen gehalten, iſt aber leider dem ange- nommenen Grundſatze wieder untreu geworden, indem man es nicht bei der Mittheilung dieſer Beobachtungen beließ, ſondern dieſelben ſogleich verallge— meinerte. Man iſt dadurch zu Schlüſſen gekommen, welche mit der Erfahrung im ſchreiendſten Widerſpruch ſtehen, ja man iſt auf förmliche Abſurditäten ge⸗ führt worden. So liegt z. B. dem Verf. gegenwärtig ein Aufſatz über das Verhalten des Bodens zu den Holzarten vor, in welchem es heißt, die Kiefer habe auf dem tiefgründigen und kräftigen Verwitterungsboden des Muſchel— kalkes anfangs einen ſehr raſchen Wuchs, laſſe aber frühzeitig darin nach und könne daher auf einem ſolchen Boden nur in einem kurzen Umtriebe vortheil— 492 Begriff der forftlichen Standortsgüte. haft benutzt werden. Warum muß man fragen, ſoll denn ein tiefgründiger Boden ein baldiges Sinken des Zuwachſes zur Folge haben? Iſt denn die Tiefgründigkeit dem Wachsthum ſchädlich? Wir könnten noch eine ganze Reihe von ſolchen grundloſen Behauptungen aufführen, welche ſich in die Literatur der forſtlichen Bodenkunde eingeſchlichen haben, und entweder der theoretiſchen Speculation, oder der Sucht, zu generaliſiren, ihren Urſprung ver⸗ danken. s 4. Sonſtige Factoren der forſtlichen Standortsgüte. Bisher haben wir die Standortsgüte blos in ſo weit betrachtet, als ſie von dem Boden abhängt; es bleibt uns jetzt noch übrig, die Factoren des Klima's zu würdigen. Der tiefgründigſte, humoſeſte, friſcheſte Boden wird keine Vegetation hervorbrigen, wenn er ſich über der Schneegrenze befindet. Sollen die einzel⸗ nen Factoren der Bodengüte ihre volle Wirkung äußern, ſo iſt es nöthig, daß ſie von den Meteoren in einer angemeſſenen Weiſe unterſtützt werden. Wir wollen nun diejenigen Meteore nennen, von welchen das Gedeihen der Waldvegetation vorzüglich abhängt. a. Wärme. i Früher haben wir geſehen, daß die Wärme, wenn eine hinreichende Menge von Feuchtigkeit vorhanden iſt, das Pflanzenwachsthum fördert, daß fie dagegen ſehr häufig ſchädlich wird, indem fie den Boden austrocknet (Süd- ſeiten ꝛc.). Hier haben wir den Einfluß der Wärme nur in ſo weit zu be⸗ trachten, als dieſelbe eine Bedingung für das Fortkommen und Gedeihen der Waldvegetation bildet. | Es wurde oben bereits angegeben, daß die vier Factoren der Boden⸗ güte, nämlich Tiefgründigkeit, Lockerheit, Feuchtigkeit und Humushaltigkeit nur dann einen Effect hervorzubringen vermögen, wenn die Temperatur des Stand⸗ orts einer Holzart dieſer angemeſſen iſt. Wir haben nun zu fragen: in welcher Weiſe hängt das Vor- und Fortkommen der Holzarten von der Wärme ab? Wir wiſſen, daß die Wärme vom Aequator nach den Polen und von der Meeresfläche nach den höheren Regionen des Luftkreiſes hin abnimmt, und daß die Waldvegetation nach denſelben Richtungen eine geringere Man⸗ nigfaltigkeit der Arten und zuletzt auch der Individuen entfaltet. Allein es wirft ſich nun die neue Frage auf: richtet ſich das Fortkommen und Gedeihen der Holzarten nach der mittleren Jahrestemperatur, oder nach der Sommer⸗ oder Wintertemperatur, oder nach den Wärmeextremen? Um dieſe Frage zu löſen, bleibt uns nichts anderes übrig, als die na- türliche Verbreitung der Holzarten zu betrachten, denn bis jetzt ſind noch keine Culturverſuche angeſtellt worden, um die Wirkungsweiſe der Wärme zu er⸗ mitteln. Wenn man aber aus der natürlichen Verbreitung der Waldbäume Schlüſſe in der gedachten Beziehung ableiten will, ſo kann dies nur mit der größten Vorſicht geſchehen. Denn wenn irgend eine Holzart an einem ge⸗ Sonſtige Faetoren der Standortsgüte. 493 wiſſen Standorte nicht vorkommt, ſo beweiſt dies noch nicht, daß ihr die kli⸗ matiſche Beſchaffenheit deſſelben entgegen ſei. So iſt z. B. die Lärche im Vogelsgebirge urſprünglich nicht heimiſch geweſen, ſie wird daſelbſt noch nicht länger als 100 Jahre eultivirt. Und doch wächſt dieſe Holzart daſelbſt viel raſcher, als in ihrem Vaterlande, den Alpen. Die jüngſten Unterſuchungen der Botaniker haben es ſehr wahrſchein⸗ lich gemacht, daß jede Pflanzenſpecies nicht von einem einzigen Individuum oder Elternpaar abſtammt. Trotzdem können wir aber nicht annehmen, daß jede Localität, welche zur Production einer beſtimmten Pflanzenart tauglich iſt, auch ſogleich beim Beginn der jetzigen geologiſchen Periode mit derſelben vom Schöpfer ausgeſtattet wurde; es ſcheint, daß die Bekleidung des Erdballs mit Pflanzen zum Theil der Wanderung derſelben überlaſſen worden iſt. Zu dieſem Schluſſe gelangt man ſchon, wenn man überlegt, daß nicht alle Theile der Erdoberfläche gleichzeitig eine ſolche Bodenbeſchaffenheit haben konnten, wie ſie zum Gedeihen der Pflanzen nothwendig war; die Verwitterung mußte viele Localitäten im Laufe der Zeit verändern, ehe ſich eine Vegetation auf ihnen einſtellen konnte. Nun können ſich aber der natürlichen Verbreitung der Pflanzen Hinderniſſe in den Weg geſtellt haben, welche nicht auf Rechnung der Wärme geſetzt werden dürfen. Sehr unwahrſcheinlich iſt es, daß das Fortkommen der Holzarten an die mittlere Jahrestemperatur gebunden ſei, denn dieſe ſetzt ſich aus Elemen— ten zuſammen, welche ſehr abweichend auf die Vegetation einwirken. Zwei Orte von gleicher mittlerer Jahrestemperatur können höchſt verſchiedene Som⸗ mer» und Wintertemperatur beſitzen. Vergleichen wir in dieſer Beziehung z. B. Enontekis in Lappland (bei 68040“ n. Br.) und den St. Gotthard (46033, n. Br.). Erſteres hat eine mittlere Jahrestemperatur von — 20,7, der Gotthard von — 098. Trotzdem nun, daß der letztere eine größere Jah⸗ reswärme beſitzt, iſt er jeder Baumvegetation baar, während bei Enontekis noch Fichten vorkommen. Dieſes abweichende Verhalten erklärt ſich aber, wenn man die Sommertemperatur vergleicht, welche für Enontekis 129,6, für den Gotthard nur 60,7 beträgt. Die Fichte ift eine Holzart, welche die Winterkälte nicht fürchtet, es macht alſo bei ihr nichts aus, daß Enontekis 9,4 weniger Wärme im Winter genießt, als der Gotthard (die Wintertemperatur von Enontekis beträgt — 17%, die des Gotthard — 70,6). Schon aus dieſem Beiſpiel läßt ſich der Satz ableiten, daß das Fortkommen ſolcher Holz⸗ arten, welche eine ſtarke Winterkälte zu ertragen vermögen, mehr durch die Sommertemperatur beſtimmt wird. (In Sibirien wachſen, wie uns v. Wran⸗ gel berichtet, Weiden auf gefrornem Boden, der nur während der Sommer⸗ monate ein paar Zoll hoch aufthaut). Andere Holzarten dagegen, wie z. B. die Wallnuß und die zahme Kaſtanie, mögen mehr von der Wintertemperatur oder vielmehr von den Kälteextremen abhängen. Zur Vollendung ſeiner Vegetationsphaſen (Blattausbruch, Blüthe, 494 Begriff der forſtlichen Standortsgüte. Fruchtreife, Blattabfall) braucht jedes Gewächs eine beſtimmte Wärmeſumme. Es iſt daher eigentlich nicht die Sommertemperatur, ſondern die Wärme der ganzen Vegetationszeit und die richtige Vertheilung der Wärme innerhalb dieſes Zeitraums, welche über das Gedeihen und Fortkommen der Pflanzen entſcheidet. Die natürliche Fortpflanzung der Gewächſe hängt überdies von der Samenreife ab und dieſe kann nur bei gewiſſen höheren Wärmegraden erfolgen. Uebernimmt der Menſch die künſtliche Fortpflanzung der Gewächſe (indem er z. B. die Samen aus ſüdlicheren Klimaten bezieht, wo dieſelben reifen), ſo laſſen ſich manche auch außerhalb ihres natürlichen Verbreitungs⸗ bezirkes cultiviren. So hat man z. B. in Norwegen hie und da zahme Kaſta⸗ nien angebaut, welche ein recht kräftiges Wachsthum zeigen, allein fie müſſen auf künſtlichem Wege fortgepflanzt werden, weil ihre Samen nicht reifen. Es iſt ſchon die Frage aufgeworfen worden, ob eine Pflanze an niedri⸗ gere Kältegrade allmählig gewöhnt werden könne. Nach den bisherigen Beobachtungen muß dieſe Frage unbedingt verneint werden. So erfriert z. B. Oxymum basilicum, welches ſchon ſeit 1548 in England eultivirt wird, regel⸗ mäßig, ſobald die Temperatur unter + 59 ſinkt. Einzelne Ausnahmen von dieſem Geſetze, welche bisweilen geltend gemacht wurden, find nur ſcheinbare. Wenn z. B. die Kaſtanie am Harz und in Norwegen mitunter höhere Kälte⸗ grade überdauert, als am Rhein, ſo rührt dies nur daher, weil in den milder gelegenen Rheingegenden die Kaſtanie früher treibt, als in dem rauheren Nor⸗ den. Wie wir ſchon an einem andern Orte geſehen haben, werden die Fröſte den Bäumen vorzugsweiſe dann gefährlich, wenn dieſe bereits im Safte ſtehen. f Auch die Bodenwärme übt einen Einfluß auf die Verbreitung der Ge⸗ wächſe aus. So kommen z. B. auf den heißen Fumarolen der vulkaniſchen Inſel Iſchia zwei Pflanzen, Cyperus polystachius und Pteris longifolia, vor, welche man nur noch in Sieilien und Afrika findet, und in einem von warmen Quellen gebildeten See Ungarns wächſt die Lotosblume, welche zur Flora Egyptens und anderer warmer Länder gehört (Schouw). Wenn man aber das Vorkommen der Buche in der Grafſchaft Laurvig in Norwegen von der größeren Bodenwärme dieſes Landes abhängig zu machen geſucht hat, ſo hat man überſehen, daß dieſe Bodenwärme in enger Beziehung zur Luftwärme fteht (fie kommt auf Rechnung der Meteorwaſſer), und daß die Linie, welche den Verbreitungsbezirk der Buche in Norwegen und Schweden begrenzt, mit der Iſotherme von Laurvig zuſammenfällt. Es iſt alſo gar nicht nöthig, die Wärme des Bodens zu Hülfe zu nehmen, um das äußerſte Vorkommen der Buche in Norwegen, gegenüber demjenigen in Schweden, zu erklären. Daß hohe Sommertemperaturen bei hinreichendem Feuchtigkeitsgehalt der Luft das Wachsthum der Waldbäume, ſelbſt derjenigen, welche aus dem Hochgebirg ſtammen, unterſtützen, iſt ſchon an einem andern Orte angegeben worden. Sonſtige Factoren der Standortsgüte. 495 Die vorſtehenden Betrachtungen liefern folgende Reſultate. c. Die Verbreitung der Holzarten hängt, was die Wärme anlangt, we⸗ niger von der mittlern Jahrestemperatur, als von der . des Som⸗ mers, oder vielmehr der Vegetationszeit, ab. 8. Für zärtliche Holzarten wird die Grenze ihres Verbreitungsbezirkes durch die niedrigſte Temperatur des Winters oder der Saftzeit beſtimmt. 7. Die Cultur gewiſſer Holzarten kann ſich noch auf Gegenden erſtrecken, in denen dieſe Holzarten wegen mangelnder 0 ſich nicht mehr natür⸗ lich fortpflanzen. d. Wenn hinreichende Feuchtigkeit im Boden und in der Luft vorhanden iſt, ſo hindern hohe Sommertemperaturen den Anbau nordiſcher oder aus dem Hochgebirg ſtammender Holzarten nicht. b. Luftfeuchtigkeit. Wir haben es hier nur mit der Luftfeuchtigkeit zu thun. Dieſe iſt eine ſehr weſentliche Bedingung für die Verbreitung derjenigen Holzarten, welche zu ſtarker Blattausdünſtung geneigt ſind. Hieher gehört u. A. die Buche Wir ſehen, daß dieſelbe mehr die Vorberge als die Ebenen bewohnt, und glau- ben, dies auf Rechnung der größern relativen Feuchtigkeit der Gebirgsluft bringen zu müſſen. Daß die Buche nicht ſehr hoch im Gebirge anſteigt, rührt wohl von ihrer Empfindlichkeit gegen die in den höheren Regionen des Luft⸗ kreiſes herrſchenden niederen Temperaturen her. Gewiß hat man es der ſtarken Blattausdunſtung der Buche zuzuſchrei⸗ ben, warum dieſelbe in dem den trockenen Oſtwinden geöffneten Rußland, ſowie in den Ebenen von Spanien, dem füdlichen Frankreich und von Italien nicht vorkommt. Wenigſtens ſcheint dies daraus hervorzugehen, weil ſie ſich auf den Apenninen findet, auf denen ſie ſich aber um ſo mehr erhebt, je weiter dieſes Gebirge nach Süden vordringt. (In den Abruzzen, bei 42—430 Breite trifft man die Buche in Beſtänden bei 4000, in Sicilien bei 6000 Fußen Meereshöhe). Im Schwarzwald entwickelt ſich die Buche ſo kräftig, daß ſie hie und da die Weißtanne unterdrückt. Die feſten Hydrometeore wirken der Verbreitung mancher Holzarten entgegen. So geht z. B. die Kiefer in den Alpen nicht ſo hoch im Gebirg hinauf, als die Fichte, weil fie mehr, als dieſe, vom Schneedruck leidet, da⸗ gegen erſtreckt ſich die Kieferngrenze nördlich (69°) weiter, als die Grenze der Fichte (680). Im hohen Norden kommt Schneedruck viel ſeltener vor, weil der Schnee feinflockiger fällt. c. Luftſtrömungen. Wir kennen zwei Arten von Luftſtrömungen, welche das Gedeihen der Holzarten bei der vorzüglichſten Bodengüte hindern können; dies ſind die Stürme und die Seewinde. Ueber die Wirkungsart beider, ſo wie über ihr Vorkom⸗ 496 Begriff der forftlichen Standortsgüte. men auf beſtimmten Localitäten, iſt an dem gehörigen Orte das Nöthige ge- ſagt worden. b Daß die Oſtwinde die Güte mancher Standorte durch Austrocknung des Bodens und der Pflanzen ſchmälern können, gehört nicht hierher, weil wir gegenwärtig nur diejenigen Meteore zu behandeln haben, welche bei dem Vorhandenſein der Feuchtigkeit den Holzwuchs beeinträchtigen. Zweiter Abſchnitt. Erhaltung und Mehrung der forſtlichen Standortsgüte. Da die Production einer Fläche von der Standortsgüte abhängt, ſo hat der Forſtmann Alles, was in ſeinen Kräften ſteht, aufzubieten, um dieſelbe zu erhalten und zu vermehren. Der Landwirth wendet zu dem nämlichen Zwecke mehrere, zum Theil ſehr koſtſpielige, Operationen an; er düngt ſeinen Acker und unterwirft ihn jährlich einer tiefgehenden Lockerung (Beackerung). Der Forſtmann iſt nicht im Stande, ſolche theure Manipulationen in Anwendung zu bringen, dazu iſt der Werth der forſtlichen Rohproducte zu gering und ſelten verlohnt eine durch Verbeſſerung der Standortsgüte bewirkte Zuwachsmehrung die ſtattgehabten Koſten, wenn dieſe nicht ſehr unbedeutend ſind. In der Pfalz beträgt der Geldwerth des Rohertrags von 1 Hectare Tabak oft 400 — 500 Gulden; rechnen wir, daß pro Hectare 8 Stere jährl. Durchſchnittszu⸗ wachs an Buchenholz mit einem Werthe von 6 fl. pro Stere, alſo von 48 fl. im Ganzen erfolgen, ſo iſt dies ſchon ein hoher Ertrag. Man weiß, daß der landwirthſchaftliche Boden ſich nicht höher rentirt, als das Waldgelände, und wenn erſteres auch meiſt einen größeren Kapitalwerth beſitzt, als letzteres, ſo ſieht man doch ein, daß auf jene 400 — 500 fl. ſich viel mehr Produetions⸗ koſten häufen laſſen, als auf unſere 48 fl., um den nämlichen Reinertrag zu erzielen. Die Maßregeln, welche der Forſtmann zu ergreifen hat, um die Güte des Waldbodens zu erhalten und zu vermehren, beſtehen weniger in beſonde⸗ ren Operationen, ſondern beſchränken ſich mehr auf gewiſſe Rückſichtsnahmen bei der Auswahl der Holzarten, Betriebsarten, Umtriebszeiten, Durchforſtungs⸗ und Verjüngungsmethoden und bei der ſonſtigen Bewirthſchaftungsart der Waldungen. Wir wollen nun die Hülfsmittel, welche dem Forſtmann hierin zu Gebote ſtehen, im Einzelnen betrachten. 1. Auswahl der Holzart. Wie oben gezeigt wurde, wirkt der Humus dadurch günſtig auf den Boden ein, weil er deſſen Tiefgründigkeit und Lockerheit vermehrt und zugleich einen nachhaltigen Feuchtigkeitsgrad ſichert. Für die Vermehrung der Tief⸗ gründigkeit, Lockerheit und Feuchtigkeit des Bodens vermag der Forſtwirth Auswahl der Holzart. Theorie der reinen Beſtände. 497 direet wenig thun; auf indirectem Wege kann dies aber dadurch geſchehen, daß er ſolche Holzarten eultivirt, welche einen ſtarken Laubabfall haben, oder die Humuserzeugung ſonſt begünſtigen, und deren Kronenſchluß ſo dicht iſt, daß ſie die beiden Hauptfeinde der Humusbildung und der Feuchtigkeit — die Sonne und den Wind — abhalten. Solche Holzarten ſind vorzugsweiſe diejenigen, welche Schatten ertra⸗ gen, alſo die Tanne, Fichte, Buche, Schwarzkiefer, Hainbuche, Linde, Wallnuß und zahme Kaſtanie. Für die deutſche Forſtwirthſchaft ſind nament⸗ lich die drei erſtgenannten wegen ihrer vielſeitigen Nutzbarkeit und weil ſie das deutſche Klima gut ertragen, von Wichtigkeit. Die Anzucht der Hainbuche iſt von beſchränkterer Ausdehnung, weil dieſe Holzart nur auf beſonders günſtigen Standorten gedeiht. Auch die gemeine Kiefer und die Lärche tragen bis zu einem gewiſſen Lebensalter hin zur Beſſerung des Bodens bei, weil ſie einen ziemlich ſtarken Nadelabfall haben. Dazu kommt noch bei der Kiefer, daß ſich der Boden in Beſtänden, welche von dieſer Holzart gebildet werden, mit Moos (hauptſäch⸗ lich den Hypnum-Arten) überzieht, welches die Stelle des abgefallenen Laubes der Laubwaldungen vertritt. Allein die Kiefer und die Lärche fangen ſchon frühe an, ſich auszulichten, und es verſchwindet mit dieſem Zeitpunkt zugleich das Moos in den Kiefernwaldungen; dieſe beiden Holzarten ſind alſo nicht geeignet, die Bodengüte auf die Dauer zu erhalten und zu vermehren. Noch weniger find dazu diejenigen Baumarten befähigt, welche wir früher als licht⸗ bedürftig kennen gelernt haben; ſie werfen zu wenig Laub ab, und ihr lockerer Baumſchlag geſtattet dem Sonnenlicht und dem Winde den Zutritt zum Boden, welche die Feuchtigkeit aufzehren und die Humusbildung hindern. Theorie der reinen Beſtände. Soll eine Holzart in reinem Beſtande auf die Dauer eultivirt werden, jo muß dieſelbe einen dichten Baum⸗ ſchlag beſizen. Die Buche, Fichte und Tanne kann man Jahrtauſende lang auf einer und derſelben Fläche erziehen, die Bodenkraft nimmt nicht ab, ſon⸗ dern ſie vermehrt ſich mit jedem Jahre. Anders iſt es bei den lichtbedürftigen Holzarten der Fall. Wenn man einen reinen Birkenbeſtand auf dem beſten Boden anlegt, ſo hat ſich ſchon nach einigen Umtriebszeiten die Bodengüte ſo weit vermindert, daß jetzt die Birke bedeutend im Zuwachſe nachläßt. Das nämliche Verhalten zei- gen z. B. Rüſtern, Ahorne, Eſchen, Pappeln, Weiden, Eizbeeren und Eichen. In der Jugend ſchützen ſie alle den Boden, weil dann die Krönchen noch nahe an der Erde ſind; ſpäter lichten ſie ſich aber aus. Sie laſſen ſich daher nur da mit Erfolg auf die Dauer in reinen Inſtänden erziehen, wo die Natur auf einem andern Wege für die Inſtandhaltung der Bodenkraft ſorgt. Dies iſt z. B. auf dem Schwemmboden an manchen Meeresküſten und in der Nähe der Flüſſe der Fall, wo von Zeit zu Zeit eine humushaltige, llockere Erdſchichte durch das austretende Waſſer abgeſetzt wird. Heyer, Bodenkunde. 32 498 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. Die Schwarzerle kommt öfters in reinen Beſtänden vor und kann auch, obgleich ſie eine lichtbedürftige Holzart iſt, in ſolchen geduldet werden. Denn die Localitäten, auf welchen die Erle gedeiht, haben von einer Bodenausma⸗ gerung, hervorgerufen durch den lichten Baumſchlag der auf ihnen erzogenen Holzarten, nichts zu beſorgen. Die Erle liebt, wie wir früher geſehen haben, naſſe Standorte; an ſolchen Stellen iſt der Verweſung des abgefallenen Baum⸗ laubes und des Humus eine Grenze geſetzt; das Waſſer ſchließt die Atmoſphäre ab, und der wenige Sauerſtoff, welcher neben Stickſtoff im Waſſer gelöſt iſt, wird zur Oxydation der immer in den Gewäſſern ſchwebenden organiſchen Subſtanzen verwandt. Was ſchadet es hier, wenn auch der Boden nicht beſchattet iſt, welchen Nachtheil können Wind und Sonne an ſolchen Orten bringen? Feuchtigkeit iſt im Uebermaße vorhanden und das Laub kann nicht entführt werden, denn es ſinkt ſogleich im Waſſer unter. Theorie der gemiſchten Beſtände. Diejenigen Holzarten, welche zu reinen Beſtänden nicht taugen, müſſen in gemiſchten Beſtänden erzogen werden. Die vorherrſchende Holzart in dieſen muß eine von den ſchattener⸗ tragenden, dichtkronigen ſein, welche den Schutz des Bodens übernehmen kann. Die lichtbedürftigen, dünnkronigen Holzarten dürfen nur einzeln ein⸗ geſprengt werden. Eine horſtweiſe Untermiſchung empfiehlt ſich nicht, weil bei dieſer der Boden ſtellenweiſe verarmt. Die eingeſprengte lichtbedürftige Holz⸗ art muß aber ſchnellwüchſiger, als die den vorherrſchenden Beſtand bildende ſchattenertragende ſein, damit ſie nicht von dieſer unterdrückt werde. Zwei oder mehrere lichtbedürftige Holzarten dürfen nicht mit einander gemiſcht wer⸗ den, denn erſtens verarmt der Boden in Beſtänden, welche nur aus lichtbe⸗ dürftigen Holzarten beſtehen, und zweitens würde die eine lichtbedürftige von der andern unterdrückt werden. Es iſt nicht nöthig, daß die zu miſchenden Holzarten einen verſchiedenen Wurzelbau beſitzen, daß z. B. die eine flach-, die andere tiefwurzelnd ſei. Die Erfahrung zeigt ja, daß reine Buchenbeſtände, in denen doch alle Bäume einerlei Wurzelſyſtem haben, oder daß z. B. die flachwurzelnde Birke mit der flachwurzelnden Buche gemiſcht, recht gut gedeihen. : Man hat die Beobachtung gemacht, daß die lichtbedürftigen Holzarten in Untermiſchung mit den ſchattenertragenden ſchneller in die Höhe ſchießen und überhaupt mehr Zuwachs anlegen, als in reinem Beſtande, und dies durch die Verſchiedenartigkeit der anorganiſchen Nährſtoffe, welche die verſchie⸗ denen Holzarten aufnehmen, zu erklären geſucht. Allein dieſe Interpretation verliert das Beſtechende, welches ſie beim erſten Anblick in ſich trägt, wenn man ſie auf conerete Fälle anwenden will. So gedeiht z. B. die Kiefer an⸗ erkannter Maßen viel beſſer in Untermiſchung mit der Buche, als im reinen Kiefernbeſtande, trotzdem, daß die Buche von allen Aſchebeſtandtheilen ohne Ausnahme mehr aufnimmt, als die Kiefer (Siehe S. 485). Es müßte alſo Auswahl der Holzart. Theorie der gemiſchten Beſtände. 499 nach jener Theorie das Wachsthum der Kiefer durch die Buche gehindert wer⸗ den, während die Beobachtung das Gegentheil nachweiſt. Andere haben die vorliegende Erſcheinung durch die Annahme zu erklären geſucht, die Pflanzen ſonderten durch ihre Wurzeln Stoffe aus, welche den Individuen von derſelben Art (Species) zuwider ſeien, dagegen Pflanzen von anderer Art oder Gattung ein beliebtes Nahrungsmittel darböten. Die Gewächſe ſollten ſich hierin ähnlich wie die Thiere verhalten, von denen man weiß, daß keines ſeine eigenen Exeremente verzehrt, während einige von dem Kothe anderer Thiere leben. Indeſſen hat man hier die Analogie zu weit ausgedehnt. Zuerſt müßte denn doch das Vorhandenſein und die Natur dieſer Wurzelſeeretionen bekannt ſein, ehe man auf ſie Schlüſſe in Bezug auf den Ernährungsprozeß der Gewächſe bauen kann. Die Lehre von den Wur⸗ zelſeeretionen iſt bis jetzt nichts anderes, als eine Hypotheſe, die gar keinen Werth für uns hat, denn es ließen ſich noch viele derartige Vermuthungen aufſtellen, welchen man den nämlichen Grad von Wahrſcheinlichkeit zuerken⸗ nen müßte, wie jener. 5 Das beſſere Gedeihen der lichtbedürftigen Holzarten zwiſchen den ſchat⸗ tenertragenden kann man auf eine ungezwungene Waiſe aus der Natur dieſer Holzarten ableiten. Zuerſt iſt klar, daß die eingeſprengte lichtbedürftige Holz⸗ art deshalb mehr in die Höhe ſchießen muß, weil ihr durch die Aeſte der ſchat⸗ tenertragenden, welche jene umgeben, das ſeitwärts einfallende Licht entzogen wird; es bleibt ihr nur das Oberlicht übrig und ihr Wachsthum muß dieſem vorzugsweiſe folgen. Ebenſo iſt es nicht ſchwer, zu erklären, woher es komme, daß die lichtbedürftigen Holzarten in Untermiſchung mit den ſchattenertragenden größere Maſſenerträge liefern. Wie früher gezeigt wurde, magert der Boden in Be- ſtänden, welche rein aus lichtbedürftigen (dünnkronigen) Baumarten beſtehen, aus; übernimmt aber eine ſchattenertragende (dichtkronige) Holzart den Schutz der Bodenkraft, ſo kann natürlich die lichtbedürftige in Untermiſchung mit ihr beſſer zuwachſen. Wir ſehen alſo, daß die vorliegende Frage durch das Ver⸗ halten der Holzarten gegen das Licht vollkommen aufgehellt wird, und in der That find die Anhänger der Wurzelſeeretionshypotheſe genöthigt, den günſtigen Einfluß der Wurzelausſcheidungen nur auf die lichtbedürftigen Holzarten im Verhältniß zu den ſchattenertragenden zu beziehen, denn da von zweien oder meh- reren lichtbedürftigen Baumarten, welche mit einander gemiſcht ſind, immer die eine oder andere zu Grunde geht, ſo ſind ſie gezwungen, den Satz aufzu⸗ ſtellen, daß eine lichtbedürftige Holzart die Wurzelausſcheidungen jeder andern lichtbedürftigen Holzart nicht ertrage. Indeſſen ziehen nicht blos die lichtbedürftigen Holzarten von den ſchat⸗ tenertragenden Nutzen; unter gewiſſen Verhältniſſen gedeiht ſogar die ſchatten⸗ ertragende beſſer in Untermiſchung mit einer lichtbedürftigen, als im reinen Beſtande. So weiß man z. B., daß die Umwandlung von Kiefern in Buchen gewöhnlich ausgezeichnet gut geräth. Allein auch dieſer Fall läßt ſich erklä⸗ 320 500 Erhaltung uud Mehrung der Standortsgüte. ren, ohne die Wurzelſeeretionshypotheſe zu Hülfe zu nehmen. Die natür- liche Verjüngung eines Buchenbeſtandes erfolgt häufig deßwegen ſchwieriger, als die Erziehung der Buche unter der Kiefer, weil die natürliche Verjüngung der Buche von dem günſtigen Zuſammentreffen vieler Umſtände abhängt, von denen oft der eine oder der andere ſich nicht zur rechten Zeit einſtellt. Hat man z. B. in Erwartung eines Maſtjahres eine Auslichtung vorgenommen und bleibt dieſes längere Zeit aus, ſo vermagert der Boden und ſpäterhin ſchlägt die Beſamung nicht mehr an. Wollte man, wie dort bei der Kiefer, die Buche unter der Buche künſtlich nachziehen, nachdem die Hoffnung auf ein Samenjahr fehlgeſchlagen iſt, ſo würde man häufig beſſere Reſultate erhalten. Bodenſchutzholz. In Beſtänden, welche ganz oder theilweiſe von lichtbedürftigen Holzarten gebildet werden, überzieht ſich der Boden, nament⸗ lich in friſchen Lagen, mit Sträuchern (Faulbaum, Wachholder, Schwarzdorn, Himbeeren ꝛc.) Dieſe Gewächſe dienen zum Schutze des Bodens gegen Sonne und Wind, ſie müſſen ſorgfältig erhalten werden. Man fürchte nicht, es würden dem Boden durch den Unterwuchs Nährſtoffe entzogen, welche dem prädominirenden Beſtand zu Gute gekommen ſein würden; das Schutzholz wird ja nicht genutzt, es verweſt an Ort und Stelle und nützt dem Ober⸗ holz, indem es den Boden mit Humus bereichert. Man hat auch wohl vorgeſchlagen, das Schutzholz künſtlich anzuziehen, und dazu die ſchattenertragenden Baumarten (Tanne, Fichte, Buche, Hain⸗ buche, Linde ꝛc.) zu benutzen, welche durch Einſtutzen kurz zu erhalten wären. Allein dieſe Maßregel wird ſelten die aufgewendeten Koſten lohnen, weil die abgehauenen Aeſte ꝛc. des Schutzholzes einen geringen Werth beſitzen. Viel zweckmäßiger erſcheint es, ſolche lichtbedürftige Holzarten, welche den Boden auf die Dauer nicht zu ſchützen vermögen, ſchon gleich bei der Be⸗ ftandsbegründnng mit ſchattenertragenden zu miſchen, oder, wenn fie bereits in reinen Beſtänden vorhanden find, fie in ſchattenertragende umzuwandeln. Wenn z. B. ein reiner Kiefern- oder Eichenbeſtand ſich jo weit gelichtet hat, daß der Boden durch eine andere Holzart geſchützt werden muß, ſo thut man beſſer, dieſe gerade in die Höhe wachſen zu laſſen, anſtatt ſie einzuſtuen. Die Kiefern oder Eichen werden dann nach und nach herausgenommen, und zuletzt bleibt ein reiner, oder wenn man will, ein gemiſchter Beſtand übrig, in welchem die nachgezogene Holzart vorherrſcht. Waldmäntel. Zum Abhalten des Windes, welcher das abgefallene Baumlaub verweht und den Boden austrocknet, laſſen ſich häufig mit vielem Vortheil die ſogenannten Waldmäntel anwenden. Zu dieſen eignen ſich vor allen andern Holzarten die Tanne und Fichte, weil fie einen dichten Baum⸗ ſchlag beſizen, und bis zu höhern Lebensaltern auch noch am untern Theil des Schaftes beaſtet bleiben. Zwei bis drei Baumreihen werden in der Mehrzahl der Fälle genügen, um einen tüchtigen Waldmantel zu bilden. Maß der Beſtandsdichte. 501 2. Maß der Beſtandesdichte. Wie wir oben geſehen haben, ſchützen die fa Holzarten den Boden auf die Dauer deswegen am meiſten, weil ſie eine dichte Belau— bung beſitzen. Allein alle Vortheile, welche dieſe Holzarten in Bezug auf die Erhaltung der Bodenkraft bieten, gehen verloren, wenn man ſie nicht ge⸗ ſchloſſen erzieht. Cotta und nach ihm noch mehrere andere Schriftſteller wurden durch die Beobachtung, daß der Einzelſtamm im freien Stande mehr zuwächſt, als im Schluſſe, zu der Anſicht verleitet, daß es gewinnbringender ſei, die Bäume nicht, wie es G. L. Hartig angerathen hatte, in geſchloſſenen Beſtänden, ſon⸗ dern ſo räumlich zu erziehen, daß jeder Stamm von allen Seiten her das Licht genießen könne. Wäre es auch erwieſen, daß die Bäume im en Stande mehr Maſſe lieferten, als im Schluſſe, ſo müßten wir doch an der Regel G. L. Hartig's feſthalten. Denn die Erfahrung hat gezeigt, daß der Boden ſtets ausmagert, wenn der Beſtandesſchluß nicht gewahrt iſt. Sollte nun auch in der erſten Umtriebszeit ein größerer Ertrag erfolgen, ſo würden doch die ſpätern Umtriebszeiten um ſo weniger ergiebig ausfallen. Es bleibt daher überall da, wo, wie in Staatswaldungen, die Nachhaltigkeit als erſte Wirth⸗ ſchaftsnorm gilt, die Anlage geſchloſſener Beſtände die Regel, von welcher nur in beſonderen Fällen, z. B. wenn die Holzzucht nicht der vorwiegende Zweck der Wirthſchaft iſt, Ausnahmen gemacht werden dürfen (Viehwaiden, Hack⸗ waldungen ıc.) Allein die von Cotta und Andern beliebte Unterſtellung, daß freiſtehende Bäume mehr Holz produzirten, als ſolche im geſchloſſenen Walde, iſt un⸗ richtig. Dies läßt ſich ſchon a priori vermuthen, wenn man erwägt, daß der Zuwachsausfall des Einzelſtamms im geſchloſſenen Beſtande wieder durch die größere Stammzahl gedeckt wird. Indeſſen kann dieſe Vermuthung nur dann practiſchen Werth haben, wenn ſie durch wirkliche comparative Unter⸗ ſuchungen ihre Begründung erhält. An ſolchen mangelt es in der That nicht. Vor achtundzwanzig Jahren legte der Vater des Verf. Kiefernpflanzungen in verſchiedenen Verbänden in der Abſicht an, um zu ermitteln, bei welcher Pflanzweite am meiſten Holzmaſſe erzeugt werde. Zur Verſuchsſtelle wurde eine Fläche von mehr als 12 Hectaren benutzt. Im Jahre 1851 unterſuchte der Verf. die Holzmaſſe und den Zuwachs dieſer Beſtände. Es ergaben ſich folgende Reſultate: Pflanzweite Durchſchnittszuwachs im 25ten Jahre 1,0 Meter 11,32 Kubikmeter Derbmaſſe pro Hectare 1,5 " 9,52 " " " " 2,0 1 8,58 1 n „ "„ 2,5 " 8,52 1 „ N 1 3,0 * 7,06 1 1 1 " 502 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. Man ſieht alſo, daß der Ertrag mit der Pflanzweite abnimmt. Der Ausfall in den weiteren Verbänden kann nicht auf eine etwaige Ausmagerung des Bodens geſchoben werden, denn die fr. Fläche war Blöße, ehe ſie eulti⸗ virt wurde. Es iſt auch nicht anzunehmen, daß der Boden in den engeren Verbänden ſo ſchnell gebeſſert worden ſei, um dieſem Umſtand den höheren Zuwachsbetrag der engeren Pflanzweiten zuſchreiben zu können. Der Mehr⸗ ertrag der engeren Verbände kommt blos auf Rechnung der größeren Stamm⸗ zahl. Als der Verf. den Zuwachs eines gleichaltrigen Saatbeſtandes neben der vorgenannten Fläche unterſuchte, fand er ihn mit dem Zuwachs des 2me⸗ trigen Verbandes nahe übereinſtimmend. Der Ausfall im Verhältniß zu den Verbänden von 1,5 und 1,0 Metern rührt ohnzweifelhaft daher, weil Saat⸗ beſtände ſelten ſo vollkommen ſind, als Pflanzbeſtände; in der That hielt es dem Verf. ſchwer, aus vielen Saat⸗Diſtricten eine Probefläche herauszufinden, welche nicht ſtellenweiſe mangelhaft beſtockt geweſen wäre. Lomler unterſuchte den Holzmaſſengehalt von Fichtenpflanzungen im Königreich Sachſen, welche im Quadrat- und Reihenverband ausgeführt wa⸗ ren. Er gelangte zu folgenden Reſultaten: Durchſchnittszuwachs im 26. Jah | Stammzahl pro Sächſ. Acker pro Stamm pro Acker Verbandpflanzung 4 F. Sächſ. 3663 0,0405‘ 177,40 Reihenpfl. mit 6 F. Entfern. f der Reihen und 4 F. Entf. 50 2006 0,0618e“ 132,660 Pflanzen in den Reihen. Stammzahl pro Durchſchnittszuwachs im 29. Jahre Sächſ. Acker pro Stamm. pro Acker Verbandpflanzung 4. F. Sächſ 3854 0,0371c0 175, 40“ Reihenpfl. mit 15 F. 2 Z. Entf. der Reihen und 4 F. Entfern. 1155 0,1007e‘ 168,7c der Pflanzen in den Reihen Rheinewald bepflanzte im Jahr 1829 in der Sandebene nördlich von Mannheim 12 heſſ. Morgen mit Kiefern in 3—14fußiger (Heſſ.) Pflanz⸗ weite. Im Jahr 1840, als die Pflanzen 14 jährig waren, wurde eine Durch⸗ forſtung vorgenommen und zugleich der Holzgehalt der 12 Abtheilungen be⸗ ſtimmt. Das Reſultat, welches ſich ergab, iſt in der nachſtehenden Tabelle verzeichnet. Auswahl der Betriebsart. 503 Dimenſionen Stammzahl des dominirenden Holzgehalt (heſſ. Kfß.) = Beſtandes 4 Hauptbe⸗ Durchforſtet Summe Durchm. Hauptbe⸗ Nutzung im S und in Länge Summe ſtand Abgang Bruſthöhe ſtand Jahre Zoll Fuß 1840 ß 3 2878 622 3500 2 18 1141 380 1521 4 2074 698 2772 27% 2: E08 933 346 1279 5 1518 198 1716 27 19 1129 336 1465 6 1190 45 1235 2 19 997 356 1353 7 836 99 935 2¾ 18 690 296 986 8 674 61 735 23, 18 576 306 882 9 532 20 552 3 18 627 290 917 10 436 20 456 3 18 526 360 886 11 378 e 385 3 16 418 380 798 12 308 2 310 3 15 326 252 578 13 244 17 261 a 15 304 218 522 14 240 3 243 3½% 13 321 238 559 Die wenigen Anomalien, welche die vorſtehende Ertragsweiſe zeigt, mö— gen von der Verſchiedenheit des Bodens und der Kleinheit der Probeflächen herrühren. Das ergibt ſich aber mit der größten Beſtimmtheit, daß der Er— trag mit der Pflanzweite abnimmt. Wenn alſo die Rückſicht auf die Inſtandhaltung der Bodengüte uns an- räth, die Beſtände in vollkommenem Schluſſe zu erziehen, fo werden wir hier⸗ bei durch die Erfahrung unterſtützt, welche uns lehrt, daß bei dieſer Art der Beſtandserziehung zugleich dem Boden die höchſten Erträge abgewonnen werden. 3. Auswahl der Betriebsart. Von den verſchiedenen Betriebsarten, wecche in der Forſtwirthſchaft ein⸗ geführt ſind, üben nicht alle einen gleich günſtigen Einfluß auf die Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte aus. Diejenigen Betriebsarten, bei welchen der Boden öfter blosgelegt wird, wie der Hochwald⸗Kahlſchlagbetrieb, der Nieder- und Mittelwaldbetrieb, erhal- ten die Bodenkraft nicht in dem Maße, als der Femel- und der Femelſchlag— betrieb, bei welchen der Boden ſtets durch Holzpflanzen geſchützt bleibt. Jeder kahle Abtrieb hat zur Folge, daß das den Boden bedeckende abgefallene Baum: laub vom Winde verweht wird, oder daß es, ſowie das Moos, welches ſich unter Nadelholzbeſtänden erzeugt hat, ſchnell verweſt, denn nun können die Meteorwaſſer, welche früher von dem Kronendache aufgefangen wurden, unge— hindert zum Boden gelangen. Laub und Moos tragen dann am meiſten zur 504 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. Inſtandhaltung und Vermehrung der Tiefgründigkeit bei, wenn ſie noch nicht ganz verweſt ſind, denn auf die mineraliſchen Beſtandtheile des Humus, welche durch den Verweſungsprozeß in Freiheit geſetzt werden, kommt es, in der Focſtwirthſchaft weniger an. Nur in dem ſehr ſeltenen Falle, daß der Boden von einer allzu hohen Laub- oder Moosſchichte bedeckt wäre, mag eine ſchnel⸗ lere Zerſetzung derſelben erwünſcht ſein. In mehreren Lehrbüchern des Waldbau's findet man für flachgründige Standorte den Niederwaldbetrieb empfohlen. Man hatte hierbei wahrſcheinlich nur die Eiche im Auge, welche allerdings gewöhnlich kein Höhenwachsthum entwickelt, wenn die Pfahlwurzelbildung bei ihr unterdrückt iſt. Indeſſen gibt es noch andere Holzarten ohne Pfahlwurzel, wie z. B. die Buche, deren An⸗ zucht auf flachgründigem Boden ohne verhältnißmäßigen Nachtheil für den Höhewuchs gelingt. Dieſe Holzarten ſollte man, wenn es die Intereſſen des Waldeigenthümers ſonſt zulaſſen, auf flachgründigem Boden mit dem Hochwaldbetrieb bewirth⸗ ſchaften, denn letzterer iſt weit mehr, als der Niederwaldbetrieb, geeignet, durch Aufſpeicherung von Humus die Tiefgründigkeit zu vermehren und den Boden gegen die Abſchwemmung der oberen, lockereren Erdlagen zu ſchützen, während die Flachgründigkeit des Bodens, namentlich in geneigten Lagen, bei jedem Abtrieb des Niederwaldes durch die niederſtürzenden Meteorwaſſer befördert wird. Die gebräuchlichſte Holzart für den Niederwaldbetrieb iſt bekanntlich die Eiche, theils wegen des werthvollen Ertrags an Lohrinde, theils wegen ihres ſtarken Reproductionsvermögens. Nun gehört aber die Eiche zu denjenigen Baumhölzern, welche wegen ihres dünnen Baumſchlages ſich ſelbſt beim Hoch⸗ waldbetriebe nicht zu reinen Beſtänden eignen, weil der Boden unter ihr mit der Zeit vermagert. Wie viel weniger kann daher dieſe Holzart im Nieder⸗ walde die Bodenkraft erhalten! Man ſollte daher ſtets dafür ſorgen, daß in die Eichenniederwaldungen noch andere, bodenbeſſernde Holzarten eingeſprengt werden. In den Nieder- (Hack-) Waldungen des Odenwaldes findet ſich die Haſel als natürliche Geſellſchafterin der Eiche. Es dürfte ſich empfehlen, die Haſel da, wo ſie fehlt, künſtlich anzuziehen, zumal da die Haſellohden ſich auch recht vortheilhaft verwerthen laſſen, z. B. zu Faßreifen. Der Femelſchlagbetrieb (mit natürlicher Verjüngung der übergehaltenen Mutterbäume) zeichnet ſich aber nur dann durch ſeine Fähigkeit, die Boden⸗ kraft zu erhalten, vor dem Niederwald-, Mittelwald- und Kahlſchlagbetriebe aus, wenn man bei der Stellung des Vorhiebes und des Samenſchlages mit der nöthigen Vorſicht zu Werke geht, ſo daß die Beſamung zur rechten Zeit und in gehörigem Maße erfolgt, und wenn überhaupt die Oertlichkeit der na⸗ türlichen Verjüngung nicht im Wege ſteht. Häufig werden aber die für die Beſamung vorbereiteten Schläge zu lange übergehalten, und dies auf Locali⸗ täten, denen man es gleich von vorn herein mit Beſtimmtheit hätte anſehen Unitriebszeit. Maßſtab für die Zwiſchennutzungen. 505 können, daß der Samen auf ihnen nicht anſchlagen würde. Unter ſolchen Umſtänden leiſtet der Kahlſchlagbetrieb mit ſofortiger künſtlicher Cultur mehr für die Erhaltung der Bodenkraft, als der Femelſchlagbetrieb. Beim Mittelwaldbetrieb wird der Boden mehr geſchützt, als bei der Nie- derwaldwirthſchaft; indeſſen ſind die Vortheile, welche man in jener Hinſicht von den Oberſtändern in den Mittelwaldungen zu erwarten hat, häufig über: ſchätzt worden. Es mangelt den Oberſtändern doch ſtets der gedrängte Schluß, in welchem die Bäume eines Hochwaldes ſich befinden. 4. Umtriebszeit. Kurze Umtriebszeiten haben den Nachtheil, daß bei ihnen der Boden zu oft blosgelegt wird; dagegen magert auch bei hohen Umtriebszeiten der Boden leicht aus, weil alle Holzarten in höherem Alter ſich licht zu ſtellen pflegen. Am früheſten erfolgt die natürliche Auslichtung bei den lichtbedürftigen Holz- arten. Deßhalb ſollte man dieſe Holzarten dann, wenn man eine oder die andere von ihnen, wie z. B. die Kiefer, in reinen Beſtänden erzieht, mit nie- derem Umtrieb bewirthſchaften, oder, was für die Erhaltung der Bodenkraft noch vorzüglicher und auch öfters zugleich luerativer iſt, bald eine bodenbeſ— ſernde ſchattenertragende Holzart (Buche, Tanne, Fichte) einſprengen. Die Erziehung von ſehr ſtarkem Eichenbauholz läßt ſich, ohne Gefährdung der Bodenkraft, nur in der vorgedachten Weiſe erreichen. 5. Maßßſtab für die Zwiſchennutzungen. Unter den Zwiſchennutzungen verſteht man alle Fällungen, welche den eigentlichen Haubarkeitshieben vorangehen, unter den Durchforſtungen insbe⸗ ſondere begreift man die Herausnahme des dürren und unterdrückten Holzes. Die Durchforſtungen gewähren in der Regel durch die Holzmaſſe, welche man bei ihnen gewinnt, einen großen Nutzen für den Waldeigenthümer, nicht minder beachtenswerth iſt der Vortheil, welchen der Aushieb des dürren und unterdrückten Holzes in Bezug auf den bleibenden Beſtand liefert. Der Ein⸗ zelſtamm in dieſem erſtarkt raſcher, weil ihm nun mehr Licht zukommt; in Folge deſſen widerſteht er zugleich den Gefahren des Windwurfs, Schnee- drucks 2c. leichter. Schon die Beobachtung, daß die größte Holzmaſſenerzeugung cr ſonſt gleichen Umſtänden von der Stammzahl abhängt, leitet auf die Regel hin, die Durchforſtungen auf die Nutzung des dürren und unterdrückten Holzes zu beſchränken, welches wegen Mangel an Licht nicht mehr fähig iſt, Kohlenſäure zu aſſimiliren und in Holz umzubilden. Zur Aufſtellung dieſer Regel gibt aber auch die Rückſicht auf die Inſtandhaltung der Bodenkraft Veranlaſſung. Ueberall da, wo der Beſtandesſchluß unterbrochen iſt, wirken die Sonne und der Wind frei auf den Boden ein, ſie entführen die Feuchtigkeit und hindern die Aufſpeicherung von Humus. 506 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. Abweichend von dieſer Regel, welche zuerſt mit voller Beſtimmtheit und Klarheit von Georg Ludwig Hartig ausgeſprochen worden iſt, ertheilte Hein⸗ rich Cotta die Vorſchrift, zu den Durchforſtungen auch diejenigen Stämme beizuziehen, von denen, wenn ſie auch noch nicht völlig unterdrückt ſeien, doch nach ihrer Stellung und ihrem Habitus erwartet werden könne, daß ſie bald eingehen würden. Solche „beherrſchte“ Stämme ſollten alſo zugleich mit den dürren und unterdrückten entfernt werden. Abgeſehen davon, daß die Cotta'ſche Regel bei ihrer practiſchen Anwen⸗ dung auf große Schwierigkeiten ſtößt, indem ſie dem Wirthſchafter einen un⸗ gemeſſenen und deßhalb leicht zu mißbrauchenden Spielraum gewährt, muß ſie aber auch wegen der Nachtheile, welche ihre Befolgung in Bezug auf die Bodenkraft herbeiführen würde, verworfen werden. Denn ausgenommen den Aushieb von verdämmenden eingewachſenen Holzarten, hat die Hinwegnahme von noch nicht unterdrückten Stämmen ſtets eine Unterbrechung des Kronen⸗ ſchluſſes im Gefolge. 6. Natürliche und künſtliche Verjüngung. Wie unter 3. angegeben, erhält ſich die Bodenkraft bei natürlicher Ver⸗ jüngung der Beſtände und auf den dazu geeigneten Standorten eher, als bei der Anlage von Kahlſchlägen und der durch ſie gewöhnlich bedingten künſt⸗ lichen Aufforſtung. Doch erfüllt, wie gleichfalls ſchon früher angedeutet wurde, die natürliche Verjüngung nur dann ihren Zweck, wenn ſie rechtzeitig erfolgt. Bleiben die ausgelichteten Beſtände längere Zeit liegen, ohne daß ein Samen⸗ jahr eintritt, oder iſt die Beſchaffenheit des Bodens dem Anſchlagen der Be⸗ ſamung nicht günſtig, ſo vermagert der Boden unter dem unvollkommenen Schutze der Oberſtänder weit mehr, als beim Kahlſchlagbetriebe und ſogleich nachfolgender künſtlicher Cultur. N Man ſollte deßhalb in dem Falle, daß die natürliche Verjüngung zur rechten Zeit kein günſtiges Reſultat geliefert hat, ſogleich zur künſtlichen Be⸗ ſtandsbegründung ſchreiten. Am wenigſten eignen ſich zur natürlichen Verjüngung durch Samen die lichtbedürftigen Holzarten, und in den von ihnen gebildeten Samen- und Ab⸗ triebsſchlägen leidet die Bodenkraft gewöhnlich außerordentlich Noth. Die Natur dieſer Holzarten verlangt, daß die Schläge ſehr licht geſtellt werden; die Unterbrechung des Beſtandsſchluſſes und der weitere Umſtand, daß in un⸗ mittelbarer Nähe der Mutterbäume keine jungen Pflanzen aufkommen, wirken auf die Verſchlechterung des Bodens hin. Man ſollte deßhalb die lichtbedürf⸗ tigen Holzarten mit Rückſicht auf die Erhaltung der Bodenkraft nur künſtlich verjüngen. 7. Wechſel der Holzarten. Wie wir wiſſen, findet in der Landwirthſchaft ein regelmäßiger Wechſel Wechſel der Holzarten. 507 mit den anzubauenden Pflanzen ſtatt. Die Erfahrung hat gelehrt, daß die Felderträge nachlaſſen, wenn eines und das nämliche Gewächs fortwährend auf derſelben Fläche cultivirt wird. Sicher iſt es, daß die Wechſelwirthſchaft in der Agricultur ſich auf die Verſchiedenartigkeit der Stoffe gründet, welche die Pflanzen dem Boden entziehen — einerlei, ob man unter dieſen Stoffen die Mineralbeſtandtheile oder den Stickſtoff verſtehe — denn durch Anwendung von Dünger kann man den Zeitraum, innerhalb welches eine gewiſſe Pflanze ohne Nachtheil fortwährend ſich anbauen läßt, verlängern. Schon der Umſtand, daß die Waldbäume dem Boden ſo wenig an anorganiſchen Beſtandtheilen und Stickſtoff entziehen, läßt vermuthen, daß ein regelmäßiger Wechſel der Holzarten nicht nothwendig ſei. Dieſer Schluß wird durch die Erfahrung beſtätigt. Wir kennen mehrere Holzarten (Tanne, Fichte, Buche ꝛc.), welche ſeit unvordenklichen Zeiten gewiſſe Standorte ohne Unter⸗ brechung bewohnen, ohne daß der Boden ſich verſchlechtert hätte. Ja man findet ſogar, daß die Bodenkraft um ſo mehr zunimmt, je länger dieſe Holz⸗ arten den Standort einnehmen. Hieraus folgt alſo, daß der Boden durch die Waldbäume nicht in der Weiſe ausgeſogen wird, wie dies bei den Feldge⸗ wächſen der Fall iſt. Fände in der That eine ſchädliche Verminderung der anorganiſchen Beſtandtheile oder des Stickſtoffs durch die Baumeultur ſtatt, ſo müßte ſich jene auf einen geringeren Betrag zurückführen laſſen, wenn man die Bäume nicht, wie es bis jetzt üblich iſt, geſchloſſen, ſondern räumlich er⸗ zöge. Nun weiſt aber die Erfahrung überall nach, daß gerade in dem le: teren Falle der Boden ſich verſchlechtert. Wir beſitzen einige Holzarten, wie die Birke, die Rüſter, die Pappeln, die Ahorne ꝛc., unter denen der Boden ausmagert, wenn man ſie längere Zeit auf derſelben Fläche cultivirt. Nach dem Vorhergehenden kann man die Ur: ſache dieſer Erſcheinung nicht etwa in einer Ausſaugung des Bodens erblicken, denn merkwürdiger Weiſe erhält ſich dieſer um fo länger in Kraft, je geſchloſ⸗ ſener man jene Holzarten erzieht. Uebereinſtimmend mit den Beobachtungen, welche man hinſichtlich der Verſchlechterung des Bodens bei den dichtkronigen Baumarten, wenn dieſe räumlich aufwachſen, gemacht hat, muß man anneh⸗ men, daß die oben genannten Holzarten blos wegen ihres dünnen Baum⸗ ſchlags die Bodenkraft nicht zu ſchüzen und zu mehren vermögen. Sie wer⸗ fen zu wenig Laub ab, ſie geſtatten dem Sonnenlicht, welches die Feuchtigkeit aufzehrt, und dem Winde, der das Nämliche bewirkt, und außerdem das ab⸗ gefallene Laub entführt, Zutritt in die Beſtände. Iſt die Bodengüte durch den reinen Anbau einer dieſer Holzarten, wel⸗ che man ſtets nur in gemiſchten Beſtänden erziehen ſollte, vermindert worden, ſo muß man eine andere Holzart an ihre Stelle ſetzen. Hierauf beſchränkt ſich, vom Standpunkte der Bodenkunde aus betrachtet, die Wechſelwirthſchaft in der Forſtwirthſchaft. Sie hat in der That nur den Namen mit der Wech⸗ 508 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. ſelwirthſchaft der Agricultur gemein, denn ſie wird durch ganz andere Um⸗ ſtände hervorgerufen. Wenn man ſich bei der Auswahl der Holzarten ſtets durch die gehörige Rückſicht auf die Inſtandhaltung der Bodenkraft und auf die Anſprüche, welche die Holzarten an den Boden machen, leiten ließe, und wenn alle Irrungen in letzterer Hinſicht unvermeidlich wären, ſo würde ein Wechſel mit den Holzarten nur durch einen Wechſel des Preiſes, oder des Gebrauchswerthes der Hölzer oder durch eine beſſere Erkenntniß des für eine Holzart ſich eignenden Standortes bedingt werden können. Hat ſich einmal die Umwandlung einer Holzart in eine andere als noth⸗ wendig herausgeſtellt, ſo kann man ſchon durch das zur Umwandlung einzu⸗ haltende Verfahren ſehr weſentlich auf die Verbeſſerung der Bodenkraft ein⸗ wirken. Soll eine dichtkronige Holzart, z. B. weil ihr der Standort nicht angemeſſen iſt, durch eine bodenbeſſernde lichtbedürftige erſetzt werden, ſo muß man jene erſt rein abtreiben, ehe man mit der Cultur beginnt. Denn wollte man die lichtbedürftige Holzart unter dem Schirm der dichtkronigen, z. B. die Kiefer unter der Buche, eultiviren, ſo würde jene nicht anſchlagen, alſo der Boden noch längere Zeit unbeſchützt bleiben. Liegt dagegen die Aufgabe vor, an die Stelle einer dünnkronigen Holzart eine ſchattenertragende zu bringen, ſo wird man jene vorerſt, ſo weit es überhaupt thunlich iſt, überhalten und unter ihrem Schutze die ſchattenertragende anbauen. Alsdann trägt die zu verdrängende Holzart neben dem neuen Anwuchſe immer noch zur Deckung des Bodens bei. Ein rückſichtsloſes Abholzen des umzuwandelnden Beſtandes würde einestheils die Bodenkraft ſchwächen, zum andern aber auch die An⸗ zucht der ſchattenbedürftigen Holzart erſchweren. In der Natur laſſen ſich häufig Umwandlungen von einer Holzart in eine andere beobachten, welche ohne unmittelbares Einſchreiten des Menſchen ſtattfinden, und zwar kann unter den geeigneten Verhältniſſen jede Holzart in jede andere übergehen. Am häufigſten wird die natürliche Umwandlung der Holzarten durch die verſchiedene Schnellwüchſigkeit derſelben, ſowie durch ein abweichendes Verhalten gegen Licht und Schatten bedingt. Von dieſem Geſichtspunkte aus⸗ gehend, wollen wir jetzt die am gewöhnlichſten vorkommenden Fälle des na⸗ türlichen Wechſels unſerer Baumarten betrachten. Kommen zwei oder mehrere ſchattenertragende Holzarten neben einander auf derſelben Fläche vor, ſo wird leicht die langſamwüchſige von der ſchnellwüchſigeren unterdrückt. So leidet z. B. die Buche im Harzgebirge öfters von der Fichte, namentlich auf einem durch Streurechen entkräfteten Boden, Noth, weil dort die Buche bald von der Fichte dauernd überflügelt wird, wenn auch die Buche in früher Jugend einen Vorſprung vor der Fichte beſit. In einigen Lagen des Schwarzwalds dagegen, wo die Buche ſich ſchon von Jugend auf viel raſcher entwickelt, und auch ſpäterhin ein kräftiges Höhenwachsthum beibehält, findet man nicht ſelten, daß die Fichte und Tanne von der Buche unterdrückt Streunutzung. 509 werden, und daß Beſtände, welche dieſe Holzarten unter einander gemiſcht enthalten, in reine Buchenbeſtände übergehen. Schattenertragende Holzarten wandeln ſich in lichtbedürftige in zwei Fällen um: erſtens, wenn die lichtbedürftige Holzart ſchnellwüchſiger iſt und ſich in einen aus ſchattenertragenden Holzarten gebildeten Beſtand reichlich eindrängt; zweitens, wenn der Boden durch Lichtſtellung, Streuentzug oder andere Urſachen ſo entkräftet worden iſt, daß ſich die ungenügſame ſchat⸗ tenertragende Holzart auf ihm nicht mehr zu halten vermag. Schlägt hier die Verjüngung nicht mehr an, entſtehen Lücken und Blößen in dem Beſtande, ſo kann ſich auf dieſem eine lichtbedürftige Holzart, welche weniger Anſprüche auf Bodengüte macht, entwickeln. Als Beiſpiel für dieſe beiden Fälle führen wir das oft zu beobachtende Verdrängen der Buche durch die ſogenannten Weichhölzer an. Sind zwei lichtbedürſtige Holzarten mit einander gemiſcht, ſo geht, wenn der Boden nicht außerordentlich kräſtig iſt, ſtets die langſamwüchſigere ein. So erhält z. B. im Vogelsgebirge in den aus Kiefern und Lärchen gemiſchten Beſtänden zuletzt die Lärche die Oberhand, während der Verf. auch den um⸗ gekehrten Fall auf dem trocknen Sandboden einiger Gegenden von Nord— deutſchland, wo die Kiefer öfter ſchnellwüchſiger iſt, als die Lärche, zu beobach⸗ ten Gelegenheit hatte. Auf kräftigen Bodenarten wandeln ſich lichtbedürftige Holzarten ſehr häufig in ſchattenertragende um. Dieſe drängen ſich in jene ein, und wach⸗ ſen mit ihnen in die Höhe; kommt nun die Zeit der natürlichen Verjüngung, ſo können ſich die aufgekeimten Pflanzen der lichtbedürftigen Holzart nicht unter dem dichten Schirm der ſchattenertragenden entwickeln, und die letztere bildet ſodann den vorherrſchenden oder gar einen reinen Beſtand. Als Bei⸗ ſpiel für dieſe Art der Umwandlung nennen wir das Verdrängen der Kiefer durch die Buche auf dem friſchen tiefgründigen Lehmboden des Vogelsgebirges und Weſterwaldes. In allen dieſen Fällen erfolgt, was wir wohl zu beachten bitten, der Wechſel der Holzarten niemals dadurch, daß etwa eine derſelben den Boden ausgeſogen hätte. Es gibt alſo auch die natürliche Umwandlung der Holzarten keine Veranlaſſung zur Begründung eines regelmäßigen Wechſels mit den Holzarten; dieſer bleibt, wie wir oben ausgeführt haben, ſtets nur auf einige Ausnahmsfälle beſchränkt. 8. Beſeitigung oder Einſchränkung der Waldſtreunutzung. a. Schädlichkeit dieſer Nutzung. Die Landwirthſchaft ſucht dem Boden ein Maximum von Producten ab⸗ zugewinnen; ſie entzieht demſelben eine Summe von anorganiſchen Subſtan⸗ zen und Stickſtoff, die wieder erſetzt werden muß, wenn der Acker fortwährend reiche Erndten liefern ſoll. Nur auf ſehr wenigen Localitäten vermag der 510 Erhaltung und Mehrung der Standortsguͤte. Boden dieſen Erſatz ſelbſt zu leiſten; im andern Falle wird er durch die künſtliche Düngung bewerkſtelligt. Die Bodenbearbeitung kann blos die im Boden befindlichen Nährſtoffe zum Aufſchluß bringen, ſie kann dieſelben aber nicht ſchaffen, und die Brache, welche die Möglichkeit gibt, von Zeit zu Zeit eine gute Erndte zu erhalten, ſchiebt eigentlich die Bodenerſchöpfung nur auf einen entfernteren Zeitpunet hinaus. Die Mehrzahl der landwirthſchaftlichen Producte, z. B. die Handelspflan⸗ zen, ein großer Theil des Getreides ꝛc., wird ausgeführt. Um dem Felde die Stoffe, welche es hierdurch verloren hat, wieder zu erſetzen, bedarf deßhalb jedes Gut, das ſich in Stand erhalten will, eine ge⸗ wiſſe Fläche von Wieſen, oder es muß einen Theil ſeiner Aecker dem Anbau von Futterkräutern widmen, es muß mit dieſen und mit dem Gras und Heu eine gewiſſe Anzahl Vieh ernähren, damit der nöthige Dünger erzeugt werde. Fehlen die Wieſen, wie z. B. in Gebirgsgegenden mit engen Thälern, oder iſt die Güterzerſtückelung ſo weit vorgeſchritten, daß die Feldbeſitzer keine Futterkräuter erziehen können, fo tritt das Bedürfniß nach Waldſtreu ein. Dieſe wird dann namentlich von den Kleinbauern verlangt, welche genöthigt ſind, ihr Stroh zum Theil oder ganz zu verkaufen, um ſich baare Mittel zu verſchaffen. Die Streuanforderungen werden, wie ſich von ſelbſt verſteht, am größten ſein in ſolchen Gegenden, welche einen mineraliſch unkräftigen Boden beſitzen. Deßhalb finden wir die Streunutzung im ausgedehnteſten Maße eingeführt auf Sandboden. N Nach Demjenigen, was im Vorhergehenden über den Nutzen des Humus bemerkt worden iſt, wird man es begreiflich finden, daß die Streunutzung die Bodenkraft ſchmälert. Dies hat auch die Erfahrung beſtätigt. Nur an weni⸗ gen Orten, wo ein Uebermaß von Humus vorhanden iſt (wie z. B. in Mul⸗ den, in denen das zuſammengewehte Laub ſich oft ſehr anhäuft), möchte eine theilweiſe (nie eine gänzliche) Entziehung der Streu ohne Schaden ſein. Im Gegenſatz zur Landwirthſchaft müſſen wir die verderblichen Folgen der Streunutzung in Bezug auf den Wald nicht in einer Verminderung der mineraliſchen Kraft des Bodens, ſondern vielmehr darin ſuchen, daß derſelbe an Tiefgründigkeit und Lockerheit verliert und daß das Erdreich nicht mehr gegen die Verflüchtigung der Feuchtigkeit geſchützt iſt. Dazu kommt noch, daß die Wurzeln der Holzgewächſe öfters von Froſt leiden, wenn ſie durch das Streurechen blosgelegt worden ſind. Die Streunutzung ſchadet der Waldwirthſchaft in zweifacher Weiſe. Sie erſchwert auf einem Boden, welcher von ihr gelitten hat, die Verjüngung der Beſtände, vorzugsweiſe die natürliche, und ſie bewirkt einen Ausfall am Zuwachſe des ſtehenden Holzes. Außerdem verſetzt ſie, wenn ſie in zu großem Maße ausgeübt wird, die Beſtände in einen krankhaften Zuſtand, und öffnet dadurch den dem Wald gefährlichen Inſecten Thür und Thor. Schädlichkeit der Streunutzung. 511 Leider fehlen über das Maß, in welchem die Streunutzung dem Walde ſchadet, alle genaueren Unterſuchungen, und ſelbſt das Wenige, welches der verdienſtvolle Hundeshagen zur Löſung dieſer Frage beigebracht hat, kann nicht als entſcheidend angeſehen werden. 1 Um die Schädlichkeit der Streunutzung quantitativ feſtzuſtellen, reicht man mit bloßen Beobachtungen nicht aus, es müſſen förmlich comparative Unterſuchungen unternommen werden. Vor allem iſt es nöthig, ſich darüber zu vergewiſſern, daß die Standortsgüte der beiden Flächen, von denen die eine auf Streu genutzt wird, in jo weit übereinſtimmt, daß eine Vergleichung zu- läſſig erſcheint. Hundeshagen fehlte darin, daß er die Zuwachsdifferenz, welche ein auf Streu benutzter Beſtand im Gegenſatz zu einem andern, in welchem das Streurechen unterblieben war, zeigte, ganz auf Rechnung der Streu⸗ nutzung ſchrieb, ohne ſich vergewiſſert zu haben, ob der Zuwachs der beiden Beſtände vor dem Eintritt der Streunutzung der nämliche war. Selbſt wenn man im Stande wäre (was übrigens bei der jetzigen Ausbildung der forſt⸗ lichen Bodenkunde und Klimatologie geradezu unmöglich iſt), die Identität zweier Flächen in Bezug auf Boden, Lage und Klima nachzuweiſen, jo würde mit jener doch noch nicht die Gleichheit des Zuwachſes vor dem Verſuch be— wieſen ſein, weil die Holzmaſſenerzeugung eines Beſtandes nicht blos von den Factoren der Standortsgüte, ſondern auch — ſelbſt bei der nämlichen Holzart und Betriebsart — von dem Beſtockungsverhältniß, der Begründungs- und Waldbehandlungsart abhängt. Indeſſen iſt es nicht nöthig, daß derjenige Beſtand, welcher intact blei⸗ ben und zur Vergleichung mit dem andern, auf Streu zu nutzenden Beſtand, dienen ſoll, vor dem Beginne des Verſuches genau den nämlichen Zuwachs, wie dieſer, zeige; es iſt nur erforderlich, daß der Zuwachs gang der beiden Beſtände derſelbe ſei. Iſt dieſes der Fall, dann läßt ſich der erſte Beſtand ſtets als Weiſer für das normale Wachsthum des andern benutzen. Denken wir uns (Fig. 173) den Zuwachsgang der beiden Beſtände durch Curven vorgeſtellt, deren Abſeiſſen die fortſchreitenden Altersjahre, deren Ordinaten die Durchſchnittszuwachſe, welche jenen entſprechen, vorſtellen, ſo wird Fig. 173. der Beſtand a dann als Weiſer für b dienen können, wenn die Curve b der Curve a ähnlich iſt. Nehmen wir nun an, die Zuwachscurve des auf BET Streu benutzten Beſtandes b fei b‘, DD ſo werden wir blos beim Beginn b — 5 des Verſuches eine Ordinate von b erhalten, jpäter können wir blos die Ordinaten von a und b“ beobachten. 4 30 80 Iſt es aber ausgemacht, daß a und b ähnlich find, jo genügt es, den Quotienten zwiſchen a und b einmal aufzu⸗ 512 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. ſuchen, um mit Hülfe deſſelben und der jederzeit durch eine Holzmaſſenauf⸗ nahme leicht feſtzuſtellenden Ordinate von a die Ordinate von b zu finden. Nehmen wir z. B. an, man habe im 30. Altersjahr der beiden Beſtände den Durchſchnittszuwachs von a pro Morgen — 100 Cubikfußen, den von b = 90 Cubikfußen gefunden; nun ſei b auf Streu benutzt worden und ſein Zuwachs hiedurch auf den Betrag von b“ geſunken. Im 80. Jahre habe man wieder eine Holzmaſſenaufnahme vorgenommen, und den Durchſchnitts⸗ zuwachs von a = 120, von b“ = 92 gefunden, fo würde der Zuwachs von b“ wenn keine Streu genutzt worden wäre De 100 120 —0,9. 120 2 108 geweſen fein. Er war aber in Wirklichkeit — 92, folglich hat der Streuent⸗ zug vom 30. bis 80. Jahre eine Verminderung des Durchſchnittszuwachſes um den Betrag von 108 — 92 — 16 Cubikfußen verurſacht, und die Hau⸗ barkeitsmaſſe hätte ſich um 80. 108 —80. 9221280 Cubikfuße verringert. Man wird ſelten in einem Beſtande zwei Probeflächen von angemeſſener Größe finden, welche, wenn ſie ſchon ſonſt zu Verſuchen über die Schädlich⸗ keit des Streurechens geeignet ſind, doch auch zugleich vor dem Beginn des Verſuches genau den nämlichen Durchſchnittszuwachs beſitzen. Dies iſt aber auch gar nicht nöthig; damit der Verſuch ein richtiges Reſultat liefere, hat man nur darauf zu ſehen, daß der Zuwachsgang der nämliche ſei; dann läßt ſich mittelſt des ſoeben angegebenen Verfahrens leicht ausfindig machen, wel⸗ chen Zuwachs der dem Streuentzug unterworfene Beſtand im normalen Zu⸗ ſtande gehabt hätte. N Will man zu den in Frage ſtehenden Verſuchen Flächen von größerer Ausdehnung, z. B. ganze Diftriete, oder Wirthſchaftsganze benutzen, ſo iſt dies nur in dem Falle zuläſſig, daß man die Gleichheit des Zuwachsgangs der zu vergleichenden Flächen vorher genau nachgewieſen habe. Dies wird aber nur ſehr ſelten möglich ſein; wir ſind daher der Anſicht, daß zu ſolchen Verſuchen kleine, dicht neben einander liegende Flächen von etwa ½—1 Hee⸗ tare ſich viel mehr eignen. Eine ausführliche Anweiſung über das Verfahren, welches man bei An⸗ ſtellung von Verſuchen über das Streurechen einzuhalten hat, findet man in der „Anleitung zu forſtſtatiſchen Unterſuchungen, von C. Heyer, Gießen 1846,“ S. 162. Hundeshagen ift bis jetzt der Einzige geweſen, welcher ſich mit Unter⸗ ſuchungen über den Einfluß der Streunutzung auf den Holzertrag beſchäftigt hat. Aber wie ſchon oben bemerkt wurde, haben die Reſultate, welche ſich aus feinen Unterſuchungen ergeben, keinen practifchen Werth, weil die Me⸗ thode, nach welcher Hundeshagen arbeitete, eine falſche war. Wir können deßhalb die Reſultate der Unterſuchungen von Hundeshagen nur beiſpielsweiſe anführen. Schädlichkeit der Waldſtreunutzung. 513 Betriebsart | Hochwald | Mittelwald Holzart, Boden ıc Buchen auf Buchen auf Sand- ; Sandſtein Kalk u. Bafalt| ſtein und Kalk Umtriebs⸗ zeit. Jahre Durchſchnittszuwachs incl. cen Nane 60 Kbf. 45 Kbl. 40 Köbf. rchſchn. Laubabfall durch 1 die ganze a 515 ö lich 20 Entr.| 15 Cntr. 18 Entr. Ginbumbent Pfunde fährliche 120) 7 Bf. 5 Kbf. 1 Streulaubnutzung bewirken bei nachſtehenden Umtriebs⸗ 100 6 „ 4 3 zeiten einen Verluſt an dem 800 5 „ Bars — oben angegebenen Durch⸗ ſchnittszuwachs von 30 — — — — 2—3 Kbf. Die Sätze, welche Hundeshagen über den Einfluß des Streurechens auf den Holzertrag ausgeſprochen hat, ſind zum Theil nichts anderes, als die Con⸗ ſequenzen ſeiner Anſichten auf dem Gebiet der forſtlichen Bodenkunde; die wenigſten gründen ſich auf directe Unterſuchungen. Wir laſſen dieſe Sätze hier folgen. 1) „Der Holzertragsverluſt iſt der Maſſe nach bei einerlei Holz- und Be⸗ triebsart und Bodengüte der Streumenge unverändert proportional, die im Durchſchnitt auf jedes Jahr der ganzen Umtriebszeit aus dem Wald⸗ beſtande entnommen wird.“ Auf wie ſchwachen Füßen dieſer Satz ſteht, läßt ſich leicht erſehen, wenn man annimmt, es werde die ſämmtliche Streumenge auf Sand⸗ ſtein im Betrag von 20 Entrn. jährlich dem Walde entnommen. Der Holzertragsverluſt würde nach Hundeshagen 20.7 2140 Kubikfuße aus⸗ machen, während in Wirklichkeit nur 60 Kubikfuße im Ganzen, ohne Streuentzug, zuwachſen. 2) u. 3) „Je friſcher der Boden iſt, um ſo weniger beträgt der durch einer⸗ lei Streumenge bewirkte Ertragsverluſt.“ 4) „Je ſchlechter (beſonders trockner) der Boden iſt, um fo früher und ftär- ker werden nicht blos die Folgen des Streurechens bemerklich, ſondern um ſo länger iſt davon auch noch eine ſchädliche Nachwirkung bis zum ſpätern Alter hin zu befürchten.“ 5) „Unter ſonſt gleichen Umſtänden und Streumengen vergrößert ſich der Holzertragsverluſt in ziemlich gleichem Verhältniſſe, wie die Längen oder Zeiträume der Umtriebszeiten länger werden.“ 6) „Bei einerlei Boden und Holzart iſt der mit gleichen Streumengen ver⸗ bundene Holzertragsverluſt in dem Verhältniß von 2:4 oder auch 3:4 Heyer, Bodenkunde. 83 514 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. kleiner im Mittelwald von 30—40 jährigem Umtriebe, als im Hochwalde bei 80—100 jähr. Umtriebe.“ 7) „Bei Beſtänden, die von Jugend auf einem mit Raſen, Heide ze. über⸗ zogenen Boden im lichten oder freien Stande verlebten, wie z. B. Pflan⸗ zungen 2c., hat ſich bis dahin noch kein Ertragsverluſt ſogar für den Fall bemerklich gemacht, als man denſelben allen Laubabfall entzieht.“ 8) „Ohngeachtet junge Holzbeſtände noch flacher als ältere wurzeln, ſchadet denſelben auf friſchem Boden das Laubrechen bei außerdem 0 tem Schluſſe, der die Feuchtigkeit erhalten hilft, dennoch weniger, als älteren ſchon mehrfach durchforſteten und dem austrocknenden Luftzug mehr geöffneten Beſtänden; umgekehrt verhält ſich dies aber auf ſchlech⸗ tem und urſprünglich ſchon trockenem Boden und Lage.“ 9) „Der dem Boden durch die Streunutzung zugezogene Kraftverluſt ift um fo größer, je kürzere Zeit es nach dem Abfallen am Boden gele⸗ gen hat.“ Obgleich einige von dieſen Sätzen plauſibel erſcheinen, ſo bedürfen fie doch alle der Beſtätigung durch directe comparative Unterſuchungen. So lange dieſe überhaupt fehlen, ſoll man ſich jedes Urtheils über das Maß des Schadens, welches der Streuentzug in Bezug auf das Holzwachsthum ausübt, enthalten. b. Maßregeln zur Beſeitigung oder Beſchränkung der Streunutzung. Das Streurechen gründet ſich entweder auf Berechtigungen, oder es iſt die Folge einer Vergünſtigung, welche der Waldeigenthümer der Landwirthſchaft an ſolchen Orten gewährt, wo es derſelben an den nöthigen Streumitteln mangelt. In dem erſten Falle iſt die gänzliche Beſeitigung des Streurechens nur durch die Ablöſung der Berechtigung zu bewirken. Hierzu iſt aber in den meiſten Fällen die Einwilligung des Berechtigten erforderlich. Sollte dieſe nicht er⸗ folgen, ſo iſt es doch häufig möglich, das Maß der Streunutzung ſo weit zu beſchränken, daß der gänzliche Ruin des pflichtigen Waldes aufgehalten wird. Nach Römiſchem Rechte ſoll nämlich jede Servitut modeste et eiviliter und ſo ausgeübt werden, daß die Subſtanz des Gutes, auf welcher die Servitut laſtet, nicht zerſtört wird. Nun iſt aber durch die Erfahrung zur Genüge dar⸗ gethan, daß ein unmäßiger Streuentzug auf trocknem und flachgründigem Terrain den Boden zuletzt gänzlich ungeſchickt macht zur natürlichen Ve Pr gung und ſogar zur Holzerzeugung. Hier kann alſo der Waldeigenth verlangen, daß das Streurechen nicht alljährlich, ſondern in gewiſſen, nicht a kurzen Zwiſchenräumen ftattfindet, und daß von demſelben die jüngern, ſo⸗ wie die zur natürlichen Verjüngung beſtimmten älteren Beſtundes ee bleiben. Auch in der Art der Streugewinnung laßt ſich Manches Be um Beſeitigung oder Beſchränkung der Waldſtreunutzung. 515 deſſen Schädlichkeit zu mindern. Vor Allem iſt es erforderlich, daß das Laub nicht bis zur nackten Erde hin entfernt wird, weil das neuabfallende Laub dann nicht mehr auf dem Boden haftet. Die Blätter enthalten nämlich ſtets Eiweiß, welches, wenn es feucht geworden ift, klebende Eigenſchaften beſitzt. Es verbindet ſich daher das neu abgefallene Laub viel eher mit dem bereits von früheren Jahren her auf dem Boden liegenden, als mit der Erde ſelbſt. Dazu kommt noch, daß dieſe wegen ihrer Rauhigkeit den Blättern nicht ſo viele Berührungspuncte bietet, weßhalb die Adhäſion geringer iſt. Die Anwendung von eiſernen Rechen, ſtatt hölzernen, hat den großen Nachtheil, daß jene tiefer eingreifen und auch die älteren Laubſchichten leicht wegnehmen. Man ſollte deßhalb überall da, wo es thunlich iſt, nur den Ge⸗ brauch von hölzernen Rechen zur Streugewinnung zulaſſen. Bei dem Rechen des Mooſes dürfte es zweckmäßig ſein, daſſelbe ſtreifen⸗ weiſe wegzunehmen, damit auf den entblöſten Streifen das Moos von dem ſtehen gebliebenen aus ſich regeneriren kann. Ein eigentliches, unabweisbares. Bedürfniß für die Landwirthſchaft bildet die Waldſtreu in ſolchen Gegenden, welche einen mineraliſch unkräftigen Bo⸗ den beſizen, und wo der Grundbeſitz unter eine arme Bevölkerung ſo vertheilt iſt, daß der Einzelne entweder nicht genug Stroh erzieht, oder doch genöthigt iſt, daſſelbe zu verkaufen. Thatſächlich finden wir das Streurechen in ausge⸗ dehnteſtem Maße eingeführt auf Sandboden, namentlich auf dem Gebiete des bunten Sandſteins und im Gebirge, wo das Bedürfniß nach Streu ſich ge- wöhnlich noch dadurch ſteigert, daß das Regen- und Schneewaſſer die dün⸗ genden Beſtandtheile der Aecker leicht abſpühlt. Unter den eben geſchilderten Verhältniſſen iſt es meiſt unmöglich, das Streurechen ganz zu beſeitigen, ohne die Landwirthſchaft zu ruiniren. Soll hier der Wald erhalten werden, ſo kann dies nur durch eine gründliche Aen⸗ derung in den focialen Verhältniſſen der Bewohner ſolcher Gegenden geſche⸗ hen. Maſſenhafte Auswanderung, wenn es nöthig iſt mit Unterſtützung auf Staatskoſten, möchte wohl das einzige Univerſalmittel ſein, um den Wald zu retten. Gewöhnlich wird da, wo man die Waldſtreu in großen Quantitäten begehrt, kein ordentlicher Haushalt mit dem Dünger getrieben. Meiſt ſind die Dungſtätten ſehr mangelhaft eingerichtet, nicht gepflaſtert und dem Auslaugen durch Regen-, oft ſelbſt durch Quellwaſſer ausgeſetzt. Es dürfte wohl nirgends als Härte erſcheinen, wenn man die Erlaubniß zum Streubezug ſtets an die Errichtung einer zweckmäßigen Dungſtätte knüpfte. Die von andern Schrifſtellern vorgeſchlagenen Maßregeln zur Abſchaffung oder Verminderung der Streunutzung — wie z. B. Vermehrung und Ver⸗ beſſerung der natürlichen Wieſen, die Zuhülfenahme von Streuſurrogaten ıc. — ſind meiſt von der Art, daß ihre Ausführung durch locale Schwierigkeiten gehemmt wird, oder von dem guten Willen der Streuconſumenten abhängt. 88 * 516 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. 9. Herſtellung eines geeigneten Maßes von Boden⸗Feſtigkeit oder Lockerheit. a. Maßregeln zur Verminderung einer übermäßigen Bodenlockerheit. Wie wir früher geſehen haben, ift die Lockerheit des Bodens eine Be- dingung für die Erzielung der höchſten Maſſenerträge. Dies gilt aber nur für den Fall, wenn auch eine hinreichende Menge von Feuchtigkeit vorhanden iſt. Mangelt dieſe, ſo hat eine allzugroße Lockerheit viele Nachtheile im Gefolge. Die Pflanzen leiden in der warmen Jahreszeit durch Trockniß, der Boden wird an Abhängen leicht von den Meteorwaſſern in die Tiefe geſchwemmt, feiner, trockener Sand (Flugſand) läßt ſich durch den Wind bewegen und iſt dann nur mit Mühe zu eultiviren. Beſitzt der Boden zu viel Feuchtigkeit, jo find die auf ihm befindlichen Pflanzen in der Jugend der Gefahr des Ausfrierens unterworfen. Die Mittel zur Beſeitigung einer übermäßigen Bodenlockerheit beſtehen: in der Anzucht und ſorgfältigen Erhaltung einer vegetabiliſchen Bodenbeklei⸗ dung, dem Binden des Flugſandes mittelſt Deckwerk und Coupirzäunen, (wozu die Waldbaulehre die nähere Anleitung gibt), dem Entfernen der Flechten und ſonſtigen Gewächſe, aus welchen die ſogenannte Stauberde ſich bildet, in der Vermeidung des Stockrodens, des Schweineumbruchs und des Anbaws von landwirthſchaftlichen Gewächſen, welche eine Bearbeitung des Bodens mit Werkzeugen erfordern. Das in der Agricultur gebräuchliche Feſtwalzen des Bodens wird ſich in der Forſtwirthſchaft nicht anwenden laſſen. b. Maßregeln zur Verminderung einer allzugroßen Bodenfeſtigkeit. a. Abſchaffung der Waldwaide. 5 Die Behütung der Waldflächen mit Vieh (namentlich Rindvieh und Pferden) hat auf einem nicht bindigen Boden eine Vermehrung der Lockerheit zur Folge, indem die den Boden bedeckende Narbe von Vegetabilien durch den Tritt der Thiere zerſtört wird. Ein an ſich ſchon gebundener Boden erhält aber durch die Viehhute noch mehr Feſtigkeit und wird hierdurch weniger pro⸗ ductiv für die Forſtwirthſchaft. b Der Verf. kennt in der Nähe feines Wohnorts einen ſechszigjährigen Eichenbeſtand, welcher blos durch die Rindviehhute ſchon zopfdürr geworden iſt. Leider fehlt es über den ſchädlichen Einfluß, welchen die Waldwaide auf den Holzwuchs äußert, gänzlich an directen comparativen Unterſuchungen. Wir ſind daher nicht im Stande, etwas Genaueres über das Maß dieſer Schädlichkeit anzugeben. 8. Kurzhacken. Der oberflächliche Wundhacken des Bodens iſt ein ganz vorzügliche Mittel, um dieſem mehr Lockerheit zu verſchaffen. Es leiſtet ausgezeichnete Umbruch und Hainen des Bodens. 517 Dienſte bei ſtrengem Erdreich an ſolchen Orten, auf welchen der Humus wegen längerer Lichtſtellung des Bodens, oder aus andern Urſachen verſchwunden iſt. Beſonders günſtig zeigt ſich das Kurzhacken für die natürliche Verjüngung, namentlich der Buchen. In dem Dienſtbezirk des Verf. befindet ſich ein Bu⸗ chenbeſtand, der ſtellenweiſe keinen Aufſchlag liefern wollte, trotzdem, daß es an Maſt nicht fehlte. Nachdem man dieſe Stellen oberflächlich wund gehackt hatte, beſamten ſich dieſelben viel vollkommener, als in allen übrigen Theilen des Beſtandes. Das Einzige, was einer ausgedehnteren Anwendung des Kurzhackens entgegenſteht, iſt die Koſtſpieligkeit dieſes Verfahrens. Man macht von ihm gewöhn⸗ lich nur dann Gebrauch, wenn man über eine hinreichende Zahl von Forft- ſträflingen verfügen kann, deren Arbeitskräfte ſich auf keine luerativere Art verwerthen laſſen. 7. Umbruch mittelſt zahmer n Billiger, als durch das Kurzhacken, läßt ſich die Bodenlockerung durch den Umbruch mittelſt zahmer Schweine bewirken, ja man erhält ſogar öfters noch ein Pachtgeld für die Geſtattung der Schweinehute. Nur auf ſteinigem oder ſehr verwurzeltem Boden können die Schweine nicht brechen. d. Hainen des Bodens. Das Hainen beſteht darin, daß man den Boden ſammt ſeinem Ueber⸗ zug abplaggt und die Plaggen, wenn ſie trocken geworden ſind, brennt. Bei dem Ueberlandbrennen bleiben die Plaggen, untermiſcht mit Reiſig, zerſtreut auf der Fläche liegen, bei dem Schmoren werden ſie auf Haufen geſetzt und der Windſeite entgegen angezündet. Wollte man mit dem Wind brennen, ſo würde ſich das Holz, welches man in die Haufen einſchichtet, eher ver⸗ zehren, als das Durchglühen der Plaggen ſtattgefunden hätte. Eine ausgedehnte Anwendung wird von den Hainen bei dem Röder⸗ landbetriebe und bei dem Hackwaldbetriebe gemacht; hier findet daſſelbe aber hauptſächlich zu Gunſten der landwirthſchaftlichen Zwiſchennutzungen ſtatt, welche auf den Abtrieb des Holzes folgen. Wie man weiß, iſt der Röder⸗ landbetrieb auf Außenfelder beſchränkt, deren Entfernung von dem Wohnort des Beſitzers es ſchwierig macht, ſie regelmäßig mit Dünger zu beſtellen. Der Hackwaldbetrieb dagegen wird — abgeſehen von andern Motiven, deren Er⸗ örterung nicht hierher gehört — durch einen Mangel an Dünger hervorgeru⸗ fen. Bei dieſen beiden Betriebsarten ſoll alſo das Hainen die Düngung erſetzen. Offenbar werden durch die Operation des Brennens dem Boden keine düngenden Beſtandtheile zugeführt, welche er nicht ſchon gehabt hätte, es kann alſo das Brennen der Plaggen, des Reiſig's ꝛc. zu keinem andern Zweck dienen, als um die nährenden Beſtandtheile dieſer Subſtanzen ſchnell in einen aſſimilirbaren Zuſtand zu verſetzen. Wollte man z. B. warten, bis das dünne 518 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. Reiſig, welches auf dem Schlage zurückbleibt, verweſt iſt, ſo würde der Boden mittler Weile unbenutzt daliegen; dazu kommt, daß man beim Hack⸗ waldbetrieb mit der Fruchtbeſtellung eilen muß, weil ſonſt die Loden empor⸗ wachſen und die Agriculturgewächſe verdämmen würden. Iſt aber das Holz, der Unkräuterüberzug ꝛc. eingeäſchert, jo find die Mineralſubſtanzen frei ge⸗ worden und können nun, in Waſſer gelöſt, von den Agrieulturgewächſen aufgenommen werden. Durch das Brennen wird aber auch der Boden ſelbſt aufgeſchloſſen, wenn er, was faſt immer der Fall iſt, Thon und Kalk enthält. Wie die Erfahrung lehrt, iſt aber auch das Brennen eines blos aus Sand, ohne jede Beimeng⸗ ung von Thon beſtehenden Bodens ohne Nutzen. um uns die leichtere Verwitterungsfähigkeit zu erklären, welche der Thon erlangt, wenn er mit Kalk geglüht wird, müſſen wir uns daran erinnern, daß die Thone nichts anders, als unvollſtändig zerſetzte Feldſpathe oder feld⸗ ſpathartige Mineralien find, und daß die Silicate ſich um fo leichter durch Kohlenſäure zerlegen laſſen, je größer der Gehalt an Baſis im Verhältniß zur Kieſelſäure iſt. Glüht man ein Thonerdeſilicat mit Kalk, ſo bemächtigt ſich dieſer eines Theiles der Kieſelſäure, und nun kann die Kohlenſäure die Kie⸗ ſelſäure leicht austreiben. Bei dieſer Gelegenheit werden aber auch die im Thon enthaltenen Alkalien, die Phosphorſäure, Schwefelſäure ꝛc. frei. Der nämliche Vorgang zeigt ſich, nur in etwas geringerem Maßſtabe, wenn der Thon mit angefeuchtetem Aetzkalk bei gewöhnlicher Temperatur längere Zeit in Berührung ſich befindet. Ja ſelbſt in einer Mengung von Thon mit kohlen⸗ ſaurem Kalk zerſetzt ſich der Thon leichter, als ohne die Gegenwart des Kalk- ſalzes — und hierauf beruht höchſt wahrſcheinlich die günſtige Wirkung des Mergels bei der Düngung der Felder. In neuerer Zeit hat man das Hainen dazu angewandt, um ſich ein culturfähiges Erdreich für die Forſtgärten zu verſchaffen. Biermans⸗ war der Erſte, welcher von der durch Schmoren erhaltenen ſogen. „Raſenaſche“ einen ausgedehnten Gebrauch in dieſer Beziehung machte. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Biermans'ſche Ra⸗ ſenaſche in der Regel ganz vortreffliche Pflanzen produzirt. Da wo die Forſt⸗ wirthe keine guten Reſultate mit dieſer Culturerde erzielt haben, liegt es, wo⸗ von ſich der Verf. in ſolchen Fällen immer überzeugt hat, an einer nicht hin⸗ länglich ſorgfältigen Behandlung der Saatbeete. Die Erde wird zwar ge⸗ wöhnlich nach Vorſchrift gebrannt und die Saat richtig ausgeſtellt, dann aber bekümmern ſich die Forſtwirthe öfters nicht mehr genug um die Pflanzen; ſie unterlaſſen die durchaus erforderliche Reinigung der Kämpen von Unkraut, und wenn nachher die Pflanzen in dieſem erſticken und verderben, ſo wird die Schuld davon dem Verfahren des Herrn Biermans beigemeſſen, während ſie in Wahrheit den Wirthſchafter treffen ſollte. Die Berichte in den Zeit⸗ ſchriften über ſchlechte Erfolge, die man durch Anwendung der Raſenaſche er⸗ Biermans'ſche Raſenaſche. 519 zielt haben will, ſind mit großer Vorſicht aufzunehmen; der Verf. räth, ſie nicht eher zu glauben, bis man ſich durch eine Beſichtigung an Ort und Stelle von dem wahren Sachverhalt überzeugt hat. So kennt der Verf. einen Forſtbeamten, welcher ſich mit großem Nachdruck gegen das Biermans'ſche Verfahren öffentlich erklärte, weil es ihm nicht habe gelingen wollen, gute Pflanzen in der Raſenaſche zu erziehen, während, wie der Verf. mit Beſtimmt⸗ heit weiß, der Grund des Mißlingens blos darin lag, daß jener Beamte in die noch warme Aſche ſäete. Sehr oft iſt man geneigt, ſchlechte Erfolge, welche man mit dieſem Ver⸗ fahren gehabt hat, auf Rechnung der Localität zu fegen, während fie nur der Unaufmerkſamkeit Desjenigen beizumeſſen ſind, welcher die Verſuche anſtellte. Um das günſtige Wachsthum der in Biermans'ſcher Raſenaſche erzoge— nen Pflanzen zu erklären, ſind verſchiedene Theorieen zu Hülfe genommen worden. Diejenigen, welche die Fruchtbarkeit des Bodens nach feinem Ge⸗ halte an anorganiſchen löslichen Subſtanzen beurtheilt wiſſen wollen, haben leicht eine Erklärung zur Hand. Durch das Verbrennen des organiſchen Bo⸗ denüberzugs und des Reiſigs wird — ſo ſagen ſie — eine große Menge von denjenigen Stoffen frei, welche die Holzgewächſe zu ihrer Ernährung bedürfen; das nämliche geſchieht durch das Brennen des Thons, wenn dieſer, wie es faſt immer der Fall iſt, eine Beimengung von Kalk enthält. Dieſe Interpre⸗ tation hat auf den erſten Anblick ſehr Vieles für ſich; allein man muß doch Zweifel in ihre Richtigkeit ſetzen, wenn man ſieht, daß ſehr oft auf den näm⸗ lichen Bodenarten eben ſo ſchöne Pflanzen erzogen werden, vorausgeſetzt, daß man das Erdreich ebenſo gründlich bearbeitet habe, als dies nach dem Ber- fahren von Biermans geſchieht. Dann lehrt aber auch die Beobachtung, ſowie die chemiſche Analyſe, daß unſere Holzgewächſe ſehr geringe Anſprüche an die anorganiſchen Beſtandtheile des Bodens machen. Die Fruchtbarkeit eines Bodens ſcheint viel mehr von deſſen phyſikaliſchen Eigenſchaften, namentlich ſeiner Tiefgründigkeit, Lockerheit und ſeinem Feuchtigkeitsgehalte, abzuhängen, als von ſeinem Reichthum an anorganiſchen Nährſtoffen. Wenn auch jene Eigenſchaften nur dazu dienen ſollten, um die Aufſaugung der Mineralſub⸗ ſtanzen des Bodens zu ermöglichen, ſo iſt damit die Wichtigkeit der phyſika⸗ liſchen Eigenſchaften nicht im Mindeſten in den Hintergrund geſtellt. Sind wir einmal zu dem Schluſſe gelangt, daß der Boden genug anorganiſche Stoffe in aſſimilirbarer Form erhalte, um die Waldvegetation zu ernähren ſo können wir den Werth deſſelben doch offenbar nur danach beurtheilen, ob ſeine ſonſtige Beſchaffenheit eine Aufſaugung dieſer Stoffe in hinreichendem Maße geſtatte. Wir werden alſo darauf hin geführt, die Güte des Bodens nach ſeinen phyſikaliſchen Eigenſchaften zu bemeſſen. Der Verf. glaubt, geſtützt auf einige comparative Unterſuchungen, nicht zu irren, wenn er die Productivität der Biermans'ſchen Raſenaſche hauptſäch⸗ 520 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. lich in der Verbeſſerung der phyſikaliſchen Beſchaffenheit erblickt, welche der Boden durch das Brennen erleidet. Bodenlockerheit iſt eine der erſten Bedingungen für die Erziehung ba Pflänzlinge, ohne dieſelbe bildet ſich nie ein reiches Syſtem von Zaſerwurzeln aus, wie es ein vollkommener Pflänzling beſizen muß. Das Biermans ſche Verfahren verſchafft aber in hohem Grade Bodenlockerheit. Dies gilt namentlich für den Thon, und es möchte ſchwerlich ein anderes Verfahren geben, welches auf eine weniger koſtſpielige Weiſe eine ſo durchgreifende Zerkleinerung des Thons bewirken könnte, als es durch das Brennen geſchieht. Diejenigen Bo⸗ denarten, welche ſchon an und für ſich ein hinreichendes Maß von Lockerheit befigen, wie z. B. der Sand, werden durch das Brennen nicht weſentlich ver⸗ beſſert. i Eine weitere nützliche Eigenſchaft der Raſenaſche befteht darin, daß fie die Feuchtigkeit leicht aufnimmt, und lange anhält. Sie iſt ganz beſonders geſchickt, die in der Luft enthaltenen Waſſerdämpfe zu condenſiren. Dies be⸗ ruht einestheils auf der feinen Zertheilung der Erde, zum andern auf dem Kohle⸗Gehalt der Raſenaſche. Die organiſchen Subſtanzen, welche mit der Erde geglüht werden, verbrennen nie vollſtändig, es bleibt immer ein Theil des Kohlenſtoffs zurück, und dieſer behält die Zellenſtruetur bei. Nun weiß man aber, daß die Kohle in dieſem Falle eine große Quantität Gas oder Dampf zu abſorbiren vermag. Ein ſehr läſtiges Unkraut auf den Biermans'⸗ ſchen Beeten iſt Funaria hygrometrica, ein Moos, welches ſich nur da zeigt, wo es nie an Feuchtigkeit mangelt. Die Biermans'ſche Raſenaſche kann, auch wenn ſie vollſtändig erkaltet iſt, nicht ſogleich verwandt werden; ſie muß erſt einige Zeit an der Luft liegen, damit der Aetzkalk, welcher ſich beim Brennen gebildet hat, Kohlenſäure an⸗ ziehe und ſeine ätzenden Eigenſchaften verliere. Der Kalk muß feucht ſein, wenn er ſich mit der Kohlenſäure verbinden ſoll; aus dieſem Grunde ſieht man es gerne, wenn die Aſche leicht beregnet wird. Man darf dieſelbe nicht ſogleich nach dem Brennen dicht zuſammenſchlagen, weil ſonſt die Kohlensäure nicht zudringen kann. Am beſten ſetzt man die Aſche auf Haufen und bedeckt dieſe mit umgekehrten Raſenplatten; ſie iſt dann gegen Abſchwemmen durch ſtärkere Regengüſſe geſchützt und kann doch Feuchtigkeit und Kohlenſäure auf- nehmen. Ss. Bodenbearbeitung bei der 1 von Agrieulturge⸗ wächſen auf Waldgrund. Im Vorhergehenden haben wir bereits zwei forſtliche Betriebsarten ken⸗ nen gelernt, welche mit dem Anbau des Holzes die Cultur von landwirth⸗ ſchaftlichen Pflanzen verbinden; wir meinen den Hackwald- und Röderland⸗ betrieb. Dieſe beiden Betriebsarten haben das Characteriſtiſche, daß die Bo⸗ denbearbeitung am Ende der Umtriebszeit durch Hainen bewirkt wird. An Anzucht von Agriculturgewächſen auf Waldgrund. 521 manchen Orten, ſo u. A. bei Lorſch und Viernheim in der Ebene zwiſchen dem Odenwald und Rhem, bei Eſſlingen im Königreich Würtemberg, finden landwirthſchaftliche Zwiſchennutzungen auf Waldboden ſtatt, ohne daß man von dem Hainen Anwendung macht. Nach dem Abtriebe eines Hochwaldes reinigt man den Boden ſorgfältig von allen Wurzeln, welche in demſelben zurückgeblieben ſind, und bearbeitet jetzt das Erdreich mit den in der Land⸗ wirthſchaft gebräuchlichen Inſtrumenten, insbeſondere mit dem Pfluge. Nach⸗ dem einige Jahre lang Getraide und Hackfrüchte (Kartoffeln, zuweilen auch Tabak) gezogen worden ſind, tritt wieder die Holzeultur ein. Dieſe findet auch wohl 1—2 Jahre gleichzeitig mit dem Feldbau ſtatt. N Man hat gegen die oben geſchilderte Verbindung der Landwirthſchaft mit der Forſtwirthſchaft einige ſtaatswirthſchaftliche Bedenken geäußert, deren Würdigung übrigens nicht hierher gehört. Vom Standpunkte der Bodenkunde aus betrachtet, kann man dieſen combinirten Betrieb nur als vortheilhaft für die Forſtwirthſchaft erklären. Es iſt Thatſache, daß auf dem durch den Acker⸗ bau gelockerten Boden ganz vortreffliche Holzpflanzen erzogen werden, wovon ſich Jeder überzeugt haben muß, der die Culturen bei Viernheim, Lorſch, oder Engelberg (im Königreich Würtemberg) geſehen hat. Der kräftige Wuchs der Holzpflanzen in ſolchem Boden läßt ſich nur durch die Lockerung, welche derſelbe, namentlich durch den Anbau der Hackfrüchte erfährt, erklären. Wenn man gefunden hat, daß die Kiefer in Untermiſchung mit Getraide öfters nicht gedeiht, ſo rührt dies nicht etwa von der Bodenlockerung, ſondern davon her, daß die Kiefer keinen Schatten ertragen kann. Im Freien angezogen, kommt die Kiefer auf gebautem Lande eben ſo gut, wie jede andere Holzart fort. Die Vortheile der Bodenlockerung verſchwinden aber in dem Falle wie⸗ der, wenn man die landwirthſchaftlichen Zwiſchennutzungen zu lange fortſetzt. Dies kann nicht befremden. Wie wir wiſſen, entziehen die Agriculturgewächſe dem Boden weit mehr anorganiſche Subſtanzen, als die Holzgewächſe; ſo kann es denn kommen, daß der Boden durch den fortwährenden Anbau von land— wirthſchaftlichen Pflanzen ſeinen ganzen Vorrath an löslichen anorganiſchen Beſtandtheilen verliert und nun ſelbſt kein Holz mehr zu produziren vermag. Am meiſten ſaugen Tabak und Getraide den Boden aus, Kartoffeln ſchaden in dieſer Hinſicht weit weniger. | Von Heinrich Cotta ging die Idee aus, auf geeigneten Standorten den Waldbau ſtändig mit der Agricultur zu verbinden. Man ſoll den Boden erſt einige Zeit blos zum Anbau von Agriculturgewächſen benutzen, dann zwiſchen dieſen auch Holzpflanzen eultiviren und zuletzt die Fläche zwiſchen den Bäumen zu Waide verwenden. Wie ſich aus dem Vorhergehenden er— gibt, würde ſich dieſer Vorſchlag nicht ausführen laſſen, ohne daß man zu künſtlicher Düngung feine Zuflucht nähme, um den durch die Agriculturge— wächſe bald erſchöpften Boden zur Hervorbringung von neuen Erndten zu 522 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. befähigen. Der Anwendung von thieriſchem Dünger im Walde ſtehen aber fo viele Schwierigkeiten im Wege, und der Anbau von Agriculturgewächſen zwiſchen dem Holze iſt wegen der mühſamen Bodenbearbeitung und noch aus vielen andern Gründen, deren Erörterung nicht hierher gehört, fo wenig us erativ, daß die Cotta'ſche Idee bis jetzt noch nicht zur Ausführung gekom⸗ men iſt. Im Intereſſe des Waldbau's hat man dies auch nicht zu wünſchen, denn es iſt vorauszuſehen, daß der durch die Agricultur erſchöpfte Boden gänzlich untauglich zur BpiaprohnehRnN werden würde. 10. Herſtellung des nöthigen Maßes von Bodenfenchtigteit, a, Beſeitigung einer ſchädlichen Bodennäſſe. In Deutſchland beſitzen wir nur eine Holzart, welche ſtagnirende Feuch⸗ tigkeit erträgt. Dies iſt die Schwarzerle. Den Pappeln und Weiden jagt nur fließendes Waſſer zu; ſie gedeihen an dieſem immer beſſer, als in Süm⸗ pfen. Das nämliche gilt von der Eſche. Alle übrigen Holzarten liefern den größten Maſſezuwachs auf einem nur friſchen Boden. Die Kiefer und die Birke ertragen noch am erſten trockne Standorte. In naſſen Lagen wird das Holz, namentlich von den Nadelbäumen, gewöhnlich rothfaul. Die natürliche Verjüngung, ſowie die Erndte des Holzes iſt an ſolchen Localitäten vielen Schwierigkeiten unterworfen. Außerdem er⸗ zeugt ſich daſelbſt. Humusſäure, welche keiner Holzart zuträglich iſt. Die ſchäd⸗ lichen Früh⸗ und Spätfröſte, das Ausfrieren der Pflanzen kommt bacugz ee auf naſſem Boden vor. a. Urſachen der Bodennäſſe. Naſſe Lagen werden dadurch gebildet, daß das Waſſer nicht hinreichen⸗ den Abfluß hat. Iſt gar kein Abfluß vorhanden, ſo erzeugen ſich Behälter von ſtagnirendem Waſſer. Der Abfluß iſt entweder in horizontaler, oder in verti⸗ caler Richtung gehindert. Das erſtere findet ſtatt, wenn die Oberfläche des Bodens kein Gefäll beſitzt, das zweite, wenn der Untergrund undurchlaſſend iſt. Oft find dieſe beiden Hinderniſſe vereint. Die Näſſe kann herrühren ; 1. von niedergefallenem Meteor» (Negen-, Schnee- ıc.) Waſſer. 2. Von Quellwaſſer. Die Quellen entſtehen aus dem niedergefallenem Waſſer; dies gilt ſelbſt, wenn auch nur mittelbar, für den ſelten vorkommen⸗ den Fall, daß dieſelben aus verſinkenden Flüſſen ihren Urſprung nehmen. . Von dem Regen-, Schnee- ꝛc. Waſſer, welches auf den Boden gelangt, verdunſtet nur ein Theil; das übrige fließt entweder von der Oberfläche des Ableitung einer jchädlichen Bodennäſſe. 523 Erdreichs ſogleich ab und nach den tiefer gelegenen Stellen, alſo in die Bäche, Flüſſe Seen und Meere, oder es dringt in den Boden a (Fig. 174) ein, Fig. 174. wenn dieſer locker genug iſt, um das Waſſer auf⸗ zunehmen. Nach dem Geſetz der Schwere bewegt ſich dieſes Waſſer ſenkrecht, d. h. in der Richtung des Erdhalbmeſſers, abwärts undzwar ſo lange, bis es auf eine undurchlaſſende Schichte b (z. B. unzerklüftete Felſen, Thon ıc.) ſtoßt. Hat dieſe eine geneigte Lage, ſo fließt das Waſſer auf derſel⸗ ben ab und kommt bei c, wo die undurchlaſſende und die durchlaſſende Schichte einander ſchneiden, zum Vorſchein, und zwar in letzterem Falle nach dem gleichfalls auf der allgemeinen Gravitation beruhenden Geſetz der kommunieirenden Röhren. Iſt nun die Quelle da, wo ſie zu Tage tritt, nicht gefaßt, hat ſie keinen regelmäßigen Abzugskanal, ſo ergießt ſie ſich über den Boden nach allen Richtungen hin, und erzeugt Verſumpfungen. Letztere wer⸗ Fig. 175. den auch dann gebildet, wenn die undurchlaſ— 7 ſende Schichte aus der geneigten Lage in die horizontale übergeht (Fig. 175), ohne die durchlaſſende Schichte zu ſchneiden; das Waſ— fer hat dann keinen Fall mehr, es ſteigt auf wärts und durchnäßt das an der Oberfläche liegende Erdreich. Noch ſchlimmer iſt es, wenn die durchlaſſende Schichte von Neuem anſteigt (Fig. 176.), weil jetzt das Waſſer ſich nicht über eine größere Fläche verbreiten kann, ſondern innerhalb der Vertiefung bleiben muß. N 3. Von Fluß, Teich⸗ und Meer- EN 25 waſſer. Das Flußwaſſer erhält nur N dadurch Bewegung, daß es auf einer ſchiefen Ebene ſich keit Je ftär- ker die letztere geneigt ift, um fo größer wird die Geſchwindigkeit des Waſſers ausfallen, weil das relative Gewicht eines auf einer ſchiefen Ebene befindlichen Körpers mit dem Sinus des Neigungswinkels wächſt. Die Geſchwindigkeit erreicht dann ihren höchſten Werth, wenn das Waſſer der Linie des ſtärkſten Falles folgt, verläßt es dieſe Linie, ſo wird die Bewegung verlangſamt, und es häuft ſich eine größere Waſſermenge im Flußbette an. Findet jetzt plötzlich eine ſtärkere Anſchwellung des Waſſers, z. B. durch anhaltende Regengüſſe, Schmelzen des Schnee's ꝛc. ſtatt, ſo tritt der Fluß über ſeine Ufer, weil das Waſſer nicht ſchnell genug abfließen kann, und es bleibt in den Vertiefungen des Bodens auf dem Lande Waſſer ſtehen, welches die Grundlage zu Verſum— * 5 — 5 gut. 524 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. pfungen bildet. Letz⸗ Fig. 177. tere erzeugen ſich Meer Uferwall Lagune auch bei dem Ueber⸗ f a treten von Teichen, Seen und ſelbſt beim Meere. Die Lagunen (Fig. 177. ) geben hiervon ein Bei⸗ ſpiel; ſie entſtehen, wenn das Waſſer des Meeres hinter die Uferwälle gewor⸗ fen wird, und nicht wieder zum Meere zurückfließen kann. Liegen die Ufer eines Fluſſes, See's ꝛc. höher, als das angrenzende Land, ſo dringt das Waſſer bei hohem Stande von unten auf an die Ober⸗ fläche des Bodens und bleibt ſo lange ſtehen, bis der Waſſerſtand wieder ab⸗ nimmt. Je ſtärker der Abfluß des See's, das Gefäll des Fluſſes ze. iſt, um ſo ſchneller wird ſich ſolches Seihwaſſer, wie man es nennt, verlieren. ß. Ableitung des Waffers in offenen Gräben und Ka nälen. Ein mangelhafter Abfluß des Waſſers kann von zwei Urſachen herrüh⸗ ren: entweder iſt das Gefäll zu gering, oder die Ausflußöffnung zu klein. Im erſteren Falle hat man nachzuſehen, ob nicht nach irgend einer an⸗ dern Richtung hin ein beſſeres Gefäll ſich auffinden läßt, und dieſes dem Waſſer dadurch zugänglich zu machen, daß man einen Graben oder Kanal zieht und den Damm durchfticht, welcher dieſes Gefäll bisher dem Waſſer verſchloß. Häufig folgt auf ein ſchwaches Gefäll ſpäter ein ſtärkeres; hier genügt es, wenn man erſteres gehörig vertieft. Flüſſen verſchafft man ein größeres Gefäll, wenn man die Krümmen durchſticht; man eröffnet dadurch dem Waſſer eine Bahn, welche einen größe⸗ ren Neigungswinkel beſitzt, oder kürzt den Weg ab, den daſſelbe zu durchlau⸗ fen hat. Lagunen kann man entweder nach dem Lande oder nach dem Meer hin ableiten. In letzterem Falle muß der Uferwall durchſtochen werden. Iſt die Ausflußöffnung des Waſſers zu klein, ſo hat man dieſe zu er⸗ weitern. Bei der Anlage von Entwäſſerungen reicht man gewöhnlich mit einem einzigen Graben oder Kanal, welcher zur Ableitung des Waſſers dienen ſoll, nicht aus. Um zu dieſem Graben ꝛc. zu gelangen, muß das Waſſer aus naſſen Stellen die Erde, welche zwiſchen ihm und dem Graben liegt, durchdringen, hierbei wird die Bewegung deſſelben wegen der Reibung mit den Erdtheil⸗ chen aufgehalten und verlangſamt. Um den Weg abzukürzen, welchen das Waſſer bis zu dem Hauptableitungsgraben zu durchwandern hat, legt man von den naſſeſten Stellen (Tümpeln, Waſſergallen) aus Besse Sammel⸗ Ableitung des Waſſers in Gräben und Kanälen. 525 Gräbchen a (Fig. 178) an und verei⸗ nigt das Waſſer, welches dieſelben auf- genommen haben, in einem etwas grö- ßeren Zuleitungsgraben b, der daſſelbe endlich dem Hauptableitungsgraben e zu⸗ führt. Wenn am Fuße einer Anhöhe eine Verſumpfung durch Quellen entſtanden iſt, ſo kann man dieſelbe ganz einfach in der Weiſe beſeitigen, daß man ſtatt mehrerer Sammelgräbchen blos einen a (Fig. 179) rund um die Anhöhe anlegt und aus . dieſem das Waſſer unmittelbar in den Hauptableitungsgraben b einführt. Es ſammelt ſich dann das Waſſer, wenn es von der Anhöhe herabkommt, in a und verbreitet ſich nicht weiter von derſelben. Die Richtung der Graben und Kanäle ergibt ſich ſchon aus der Linie, welche das bei hohem Stande abfließende Waſſer ein⸗ ſchlägt; um ganz ſicher zu gehen, be⸗ ſtimmt man aber bei größeren Entwäſſe⸗ rungsarbeiten das Gefäll noch mittelſt der Waſſerwage. | Das Gefäll für die Abzugsgräben be- ſtimmt ſich nach der Menge des abzulei⸗ tenden Waſſers und nach der Beſchaffen⸗ heit des Bodens. Ein zu ſtarkes Gefäll hat bei lockerem Erdreich und bedeu- tender Waſſermaſſe zur Folge, daß die Wände ſowohl, als die Sohle der Grä— ben zerriſſen werden. Bei zu ſchwachem Gefälle fließt das Waſſer nicht raſch genug ab, weil es durch die Reibung oder Adhäſion am Boden feſtgehalten wird. Die Böſchung der Gräben hängt von den nämlichen Umſtänden ab, welche das Gefäll beſtimmen. Iſt die zu bewegende Waſſermaſſe groß und der Boden locker, ſo hat man den Gräben eine ſtärkere Ausladung zu geben, als unter umgekehrten Verhältniſſen. Auf bindendem Boden reicht man mit einer einfüßigen Böſchung aus; fo geben wir z. B. in der Oberförſterei Gie⸗ ßen den gewöhnlichen Entwäſſerungsgräben, von denen wir jährlich viele tau- ſend Meter anlegen, eine obere Weite von 4 Fußen, eine Sohlenbreite von 1 Fuß und eine ſenkrechte Höhe von 1½ Fußen (Fig. 180). Hier iſt alſo eg = ar nenn » 7 2 42 ferner ae = 1½ e „ alio 2 526 Erhaltung und Mehrung der Standortsgüte. a 2 : — = 1:21 Form der Gräben hat ſich im Laufe der Jahre vollkommen bewährt. Auf ſandigem Terrain erhalten die Gräben aber eine grö⸗ ßere obere Weite, damit ſie nicht ſo bald durch den Sand zugeſchwemmt werden, welcher ſich von den Grabenwänden durch den Stoß des Waſſers ablöſt. Bei Kanälen bepflanzt man die Uferwände zur beſſern Befeſtigung noch mit Weidenſtecklingen oder belegt ſie mit Faſchinenwellen, die man durch ein⸗ geſenkte Haken an dem Boden feſthält. y, Ableitung des Waſſers in Unterdrains, Drainröhren, oder mittelſt Verſenkung. Durch die Anlage von offenen Gräben und Canälen geht viel Raum für die Cultur verloren; auch dauert es nach heftigen Regengüſſen, Ueber- ſchwemmungen dc. oft zu lange, bis der Boden gehörig trocken gelegt iſt. Dies ſem Mißſtande läßt ſich zwar dadurch abhelfen, daß man die Zahl der Grä⸗ ben vermehrt, allein dann würde die Fläche des Culturlandes noch weiter ver⸗ mindert werden. Man iſt deßhalb darauf gekommen, das Waſſer unterirdiſch abzuleiten. Dieſen Zweck erfüllt ſowohl die Anlage von Unterdrains und die eigentliche Drainage, als auch die Verſenkung des Waſſers. Fig. 181. Die Unterdrains (Fig. 181) ſind nichts anders, als Gräben, welche man mit Steinen ausfüllt, und mit Stein⸗ platten oder in deren Ermangelung mit Reiſig und nach⸗ her mit Erde bedeckt. Zur eigentlichen Drainage, welche gegenwärtig in ausnehmend großem Maßſtabe in Gebrauch iſt, verwendet man gebrannte Thonröhren (Fig. 182), gewöhnlich von kreisförmigem Querſchnitt, mit einem Fig. 182. Durchmeſſer von 2— 18 Centimetern und einer Länge von 30 bis 45 Cen⸗ timetern. Dieſe Röhren werden einfach an einander geſtoßen und an der Verbindungsſtelle durch eine kleinere, aber weitere Röhre b von gleichem Material (Muff) zuſammenge⸗ halten. Man unterſcheidet Nebendrains und Haupt- oder Sammeldrains; erſtere ſind zum Aufſaugen des Waſſers beſtimmt und münden in die letzteren, welche das Waſſer fortleiten ſollen, ein. Zu den Hauptdrains braucht man Röhren von größerem Durchmeſſer, als zu den Nebendrains. Die Weite der Röhren, die Anzahl und das Gefälle der Röhrenleitungen richtet ſich nach der w des Waſſers, welche abgeleitet werden ſoll. Nur leicht gepreßte und nicht ſtark gebrannte Röhren neh eine merk⸗ Drainage. 527 liche Quantität Waſſer durch ihre Poren auf; hauptſächlich dringt aber das Waſſer durch die Stoßfugen der Röhren, da wo dieſe unter dem Muff anein⸗ ander grenzen, ein. Die bei der Entwäſſerung von Feldern und Wieſen gebräuchliche Tiefe für die Drainröhren beträgt 60 — 120 Centimeter; die Hauptdrains kommen etwas tiefer, als die Nebendrains zu liegen. Sowohl die eigentliche Drainage, als auch die Unterdrains können in der Waldwirthſchaft keine bedeutende Anwendung finden, weil die Anlagekoſten ſich zu hoch belaufen und der forſtliche Rohertrag zu gering iſt, um für die⸗ ſelben ein Aequivalent zu bieten. Die Entwäſſerung eines Hectare Landes mittelſt gebrannter Thonröhren Eoftet 90—150 Franken. Dazu kommt noch, daß die Röhren auf Waldboden viel tiefer gelegt werden müßten, als auf Ackerland, weil ſonſt dieſelben beim Umgraben der Bäume, beim Roden der Stöcke ıc. beſchädigt werden würden. Nur da, wo die Holzpreiſe ſehr hoch ſtehen, könnte ſich die Drainage vielleicht empfehlen. — Man hat dieſelbe für Forſtgärten vorgeſchlagen. Allein auch hier iſt fie entbehrlich, weil der Forſt⸗ wirth bei der Wahl der Localität für ſolche Gärten faſt immer einen großen Spielraum hat und leicht Flächen auffinden wird, welche keiner Entwäſſerung bedürfen. Der einzige Fall, auf welchen ſich die Anwendung der Drainage von Seiten des Forſtwirths beſchränken möchte, dürfte dann eintreten, wenn Waldwieſen trocken zu legen ſind, welche unter forſtlicher Adminiſtration ſtehen. Fig. 183. Es kommt zuweilen vor, daß bei naſſen Stellen a (Fig. 183) unter 2. der undurchlaſſenden Schichte b, wel⸗ che die Verſumpfung bewirkt, eine — durchlaſſende e ſich befindet. Hier 3 kann man die Näffe unterirdiſch ab⸗ leiten, wenn man die undurchlaſſende [7/4 11 11 JE IL 5 — e ieee * „ „er 7 .. e., wi. .. . . . be) Je * ; - Schichte bei e durchbohrt. Dieſes Verfahren iſt neuerdings in Frankreich öfters mit Erfolg in Anwendung ge⸗ bracht worden. 0. Sonſtige Maßregeln zur Verminderung einer allzugro— ßen Bodenfeuchtigkeit. Die offenen Gräben werden bei der Waldwirthſchaft immer das Haupt⸗ Mittel zur Ableitung der Bodennäſſe bleiben, außerdem läßt ſich aber auf die Verminderung der letzteren noch durch die Art der Waldbehandlung einwirken, z. B. dadurch, daß man an naſſen Stellen das Holz nicht ſo dicht erzieht, daß man ſtark durchforſtet, die Bäume gehörig ausäſtet, die Bodenſträucher entfernt, keine Waldmäntel anlegt, oder, wenn ſolche bereits vorhanden ſind, fie durch Fällen von Stämmen und Ausäftung der ſtehenbleibenden öffnet. Alle dieſe Maßnahmen haben zum Zwecke, den Luftzug herzuſtellen. 1 528 Unterſuchung der forſtlichen Standortsgüte. b. Beſeitigung einer ſchädlichen Bodentrockenheit. Die in der Landwirthſchaft, namentlich bei der Wieſeneultur gebräuchliche künſtliche Bewäſſerung läßt ſich im Walde nur ſelten anwenden, weil es hier zu ſchwierig iſt, das Waſſer gleichförmig über die Fläche zu vertheilen. Dazu kommt noch, daß der Boden im Walde weniger Zuſammenhang beſitzt, als die mit einer Grasnarbe bedeckten Wieſen, und daher dem Abſchwemmen un⸗ terworfen iſt. Die Maßregeln, welche der Forſtmann zu e hat, um eine grö⸗ ßere Bodenfeuchtigkeit im Walde herzuſtellen, beſtehen hauptſächlich in dem Entgegengeſetzten von demjenigen, was unter d. über die Beſeitigung der Näſſe angegeben worden iſt. Durch eine ſachgemäße Auswahl der Holzart, Betriebsart, Umtriebszeit, durch eine ſorgfältige Waldbehandlung läßt ſich recht gut auf die Erhaltung der Bodenfeuchtigkeit einwirken. | Dritter Abſchnitt. ” Unterſuchung der forſtlichen Standortsgüte. (Bonitirung). 1. Begriff und Zweck der Bonitirung. Die Güte des Waldbodens richtet ſich in der Mehrzahl der Fälle nach der Quantität und Qualität der Haupt- und Nebennutzungen, welche auf ihm erzogen werden können; die Bonitirung der Standortsgüte fällt daher mit der Vorausbeſtimmung der Erträge zuſammen, welche irgend ein Stand⸗ ort wahrſcheinlicher Weiſe liefern wird. x Die Bonitirung findet ihre hauptſächlichſte Anwendung im Waldbau und in der Taxation. Wenn es ſich darum handelt, für eine gewiſſe Fläche die richtige Holzart, Betriebsart, Umtriebszeit 2c. zu beſtimmen, jo ſtützt ſich die Löſung dieſer Aufgabe immer auf die Frage, welche Erträge ſich bei der Wahl dieſer oder jener Holzart, Betriebsart, Umtriebszeit dc. ergeben werden. In der Taxation iſt die Bonitirung ganz unerläßlich, um die Haubar⸗ keits⸗ und Zwiſchennutzungserträge derjenigen Beſtände, welche noch nicht in das Abtriebsalter getreten ſind, ſo wie von Blößen, welche angebaut werden ſollen oder können, zu ermitteln. 2. Verfahren zur Bonitirung. a. Directe Unterſuchung der Factoren der Stan dortsgüte. c. Unterſuchung ſämmtlicher Factoren der Standorten Für eine beſtimmte Holzart, Betriebsart, Umtriebszeit ze. find Boden, Lage und Klima die conſtanten Bedingungen des Holzwachsthums, alſo auch der Erndteerträge; zu jenen ſtändigen Factoren kommen noch einige andere, Bonitirung. 529 welche nicht jo regelmäßig auftreten, wie z. B. Inſectenſchaden, Feuer ꝛc. Die Unterſuchung dieſer Faetoren gehört nicht hierher; der Einfluß, welchen ſie auf die Erträge des Waldbodens äußern, kann nur unter Zuhülfenahme der Wahrſcheinlichkeitsrechnung in Anſchlag gebracht werden. Es mangeln aber bis jetzt alle ſtatiſchen Notizen, um dieſen Einfluß numeriſch zu bemeſſen. Was die Factoren von Boden, Lage und Klima anlangt, ſo kennen wir von dieſen wenigſtens diejenigen, welche für das Holzwachsthum entſchei⸗ dend ſind, wenn wir auch öfters nicht wiſſen, auf welchen Urſachen ihr Ein⸗ fluß beruht. 8 Es fragt ſich nun, ob man durch directe Unterſuchung jener Factoren den Ertrag irgend eines Standorts ermitteln könne. Die Löſung dieſer Aufgabe liegt nicht außerhalb der Grenzen der Mög⸗ lichkeit, denn wenn man ſieht, daß ein Standort von gewiſſen phyſikaliſchen Eigenſchaften einen Holzertrag — a hervorbringt, welcher nur das Product jener Eigenſchaften iſt, ſo muß man durch Unterſuchung der Factoren der Standortsgüte auch auf den Ertrag ſchließen können. Allein hierzu müßte die Wirkungsweiſe jener Factoren bekannt ſein. Man hätte vorerſt nöthig, zu wiſſen, wie jeder einzelne Factor auf den Ertrag influirt. Wenn man eine noch ſo genaue Beſchreibung von Boden, Lage und Klima irgend einer Localität angefertigt hat, ſo iſt doch kein Forſtmann in der Welt im Stande, hiernach anzugeben, wie viel Kubikfuße Holzmaſſe irgend eine Holzart, z. B. die Fichte, in einem beſtimmten Alter auf dieſer Fläche liefern werde. Dies rührt aber blos daher, weil bis jetzt noch Niemand wirk⸗ liche Unterſuchungen über den Einfluß der Standortsgüte auf den Holzertrag angeſtellt hat. 5 Einige Ertragstafeln enthalten zwar eine Beſchreibung von Boden, Lage und Klima; allein dieſe Factoren ſind in ſo unbeſtimmten Ausdrücken geſchildert, daß man gar nicht ſieht, wie ſie an der Erzeugung der in der Ertragstafel angegebenen Holzmaſſen betheiligt ſind. | ö Wenn z. B. der Kopf einer Paulſen ſchen Ertragstafel für Buchen, erſte Bonität, lautet: „Ein aus Dammerde beſtehender milder Boden mit einer Unterlage von Kalkſteinen oder Mergel in einer kühlen und friſchen Lage,“ ſo iſt nicht abzuſehen, inwieweit die 77 Kubikfuße Durchſchnittszuwachs welche dieſe Bonität im 120ten Jahre liefert, durch die Dammerdeſchicht, oder durch die Kalkſteine und den Mergel, oder durch die friſche kühle Lage bedingt werden (ganz abgeſehen davon, daß in der Paulſen'ſchen Beſchreibung viele an⸗ dere Factoren des Holzzuwachſes gar nicht aufgeführt ſind). Man kann, mit einem Worte, aus dem Kopf jener Ertragstafel und dem beigefügten Holzer⸗ trag keine Schlüſſe über den Einfluß irgend eines Factors der Standortsgüte auf die Holzmaſſenerzeugung ableiten, ſo daß man etwa angeben könnte, wie Heyer, Bodenkunde. 34 530 Bonitirung viel weniger Holz produzirt werden würde, wenn die Lage weniger fich wäre. Um den Einfluß von Boden, Lage, und Klima, auf den Gang des en zuwachſes zu ermitteln, müßte man in einem normal beſchaffenen Walde alle Factoren der Standortsgüte, alſo z. B. die mittlere Temperatur, den Gang der jährlichen und täglichen Wärme, die abſolute und relative Feuchtigkeit der Luft, die Zahl, Richtung und Vertheilung der Winde, die Meereshöhe, die Abdachung und Expoſition, die Tiefgründigkeit, Humushaltigkeit, Lockerheit und den Feuchtigkeitszuſtand des Bodens ze. und hierauf den Durchſchnitts⸗ zuwachs des auf dieſem Standort befindlichen Holzbeſtandes unterſuchen. Dieſer Durchſchnittszuwachs d, welchen wir beiſpielsweiſe — 100 Kubikfußen pro Mor⸗ gen annehmen wollen, ift ohnzweifelhaft ein Product aller jener Factoren. Nun müßte man einen andern Beſtand ausſuchen, welcher in Bezug auf Holzart, Betriebsart, Holzalter, Waldbehandlungsart ıc., mit dem erſtge⸗ nannten Beſtande übereinſtimmte, und deſſen Factoren der Standortsgüte bis auf einen einzigen genau die nämlichen wären. Der eine abweichende Factor ſei, z. B. die Abdachung, ſie betrage hier 20, dort 15 Grade. Der Durchſchnittszuwachs d' unferes zweiten Beſtandes ſei S 75 Kubikfußen ge⸗ funden worden, fo wüßte man alſo, daß eine Vermehrung der Abdad um 5 Grade einen Zuwachsausfall von 100 — 75 = 25 Rubitfußen oder von 25 Prozenten bewirke. In ähnlicher Weiſe ließe ſich der Einfluß aller übrigen güne der Standortsgüte beſtimmen. Wahrſcheinlich wird die Veränderung irgend eines dieſer Faetoren nicht überall den nämlichen Effect in Bezug auf den Holzzuwachs hervorbringen; ſo kann z. B. unter Umſtänden ein Mangel an Tiefgründigkeit durch größere Feuchtigkeit des Bodens oder der Luft erſetzt werden. Es können hierdurch ſehr complizirte Verhältniſſe entſtehen, welche unſere Aufgabe erſchweren; er unlösbar ift fie darum noch nicht geworden. Bis jetzt fehlen indeſſen alle vorbereitenden Unterſuchungen, um 1 den Factoren der Standortsgüte unmittelbar den Ertrag ableiten, d. h. boni⸗ tiren zu können, und wir müſſen uns daher nach andern Methoden zur Bo⸗ nitirung umſehen. 2 Bonitirung nach Maßgabe der chemiſchen Zuſammen. ſetzung des Bodens. „abuse Wir haben im erſten Abſchnitte dieſes Buches nachzuweiſen geſucht, daß die chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens auf den Holzertrag ſehr 55 oder gar nicht influirt, weil unſere Holzgewächſe eine geringe N anorganiſchen Stoffen aus dem Boden aufnehmen, und jeder Bode von dieſen enthält, um der Waldvegetation ihren vollen Bedarf Er können. Aus diefem Grunde glauben wir auch, daß bei der directen Unter- \ nach der chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 531 ſuchung der Factoren der Standortsgüte auf die chemiſche Analyſe des Bo⸗ dens gar keine Rückſicht zu nehmen ſei. Aber ſelbſt in dem Falle, wenn unſere Anſicht eine irrige wäre, würde doch die chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens für ſich allein nicht ausrei- chen, um die Standortsgüte zu characteriſiren. Der Ertrag würde immerhin auch noch von dem Klima, der Abdachung, Expoſition und von den phyſika⸗ liſchen Eigenſchaften des Bodens abhängen. Durch die chemiſche Analyſe des Erdreichs hätte man alſo nur einen einzigen Factor der Standortsgüte aus⸗ findig gemacht. Hiernach möge man den Werth, welchen die chemiſche Un- terſuchung des Bodens in Bezug auf die Bonitirung beſitzt, beurtheilen. Wir ſind genöthigt, dem vorliegenden Gegenſtande einige Aufmerkſamkeit zu wid⸗ men, weil in neuerer Zeit wirklich die Anſicht aufgetaucht iſt, daß zur Boni⸗ tirung des Bodens eine chemiſche Analyſe deſſelben genüge. | Die Anhänger diefer Anficht haben aber gewiß keine Vorſtellung von der Arbeit gehabt, welche die praetiſche Ausführung ihres Vorſchlags nach ſich ziehen würde. Jede nur einigermaßen genaue chemiſche Bodenanalyſe erfor⸗ dert wenigſtens 14 Tage Zeit, wie der Verf., welcher ſich längere Zeit mit Bodenanalyſen beſchäftigt hat, verſichern darf. Nehmen wir nun an, eine Oberförſterei beſize nur 26 Bonitätsſtufen, ſo würde der Wirthſchafter ein volles Jahr dazu brauchen, um die Bodenanalyſen für ſeinen Adminiſtrations⸗ bezirk auszuführen. Aber gar manche Oberförſterei beſitzt nicht 26, ſondern viele hundert Bonitätsſtufen, wobei wir natürlich von den kleineren Abwech⸗ ſelungen in der chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens, welche faſt von Schritt zu Schritt ſtattfinden, abgeſehen haben. Diejenigen von unſeren Leſern, welche ſich eine genaue Kenntniß von dem Verfahren verſchaffen wollen, welches man bei der quantitativen chemi⸗ ſchen Analyſe des Bodens einzuhalten hat, verweiſen wir auf die vorzügliche Anleitung von Freſenius, welche ſich in deſſen Werke über „quantitative Ana⸗ lyſe“ findet. n Für Diejenigen, welche nicht im chemiſchen Laboratorium gearbeitet ha⸗ ben, aber doch einen, wenn auch nur oberflächlichen Begriff von einer Boden⸗ analyſe zu erlangen wünſchen, wollen wir ganz kurz auseinanderſetzen, wie man qualitativ die Zuſammenſetzung des Bodens ermitteln kann, und bemer⸗ ken hierzu, daß die Methode der quantitativen Analyſe wohl zuweilen, aber nicht immer, mit dem für die qualitative Unterſuchung geeigneten Verfahren übereinſtimmt. Der Boden enthält ſowohl organiſche Stoffe (von Pflanzen und Thie⸗ ren), als auch Mineralſubſtanzen. Die organiſchen Stoffe (der Humus) geben ſich gewöhnlich ſchon durch den bloßen Anblick zu erkennen. Iſt wenig Humus vorhanden, ſo weiſt man ihn nach, indem man die Erde mit kohlenſaurem Kali (oder auch Natron) kocht, dann filtrirt und die abgelaufene Flüſſigkeit mit einer Säure, z. B. Schwe⸗ 34 * 532 Bonitirung ſelſäure verſetzt. Nun fällt eine ſchwarz- oder braunflockige Maſſe nieder, welche nichts anderes, als unlösliche Humusſäure iſt. Es hat ſich nämlich durch das Kochen mit dem Alkali ein humusſaures Salz gebildet; gibt man jetzt Schwefelſäure zu, ſo wird dieſes Salz zerlegt; es entſteht ſchwefelſaures Kali (oder Natron) und die Humusſäure ſchlägt ſich nieder, weil fie bei G. genwart einer Mineralſäure unlöslich in Waſſer iſt. Wollte man durch Wiegen der getrockneten Humusſäure auf die Menge des im Boden enthaltenen Humus ſchließen, ſo würde das Reſultat nicht richtig ſein; weil der Humus durch die Behandlung mit arenen Alkalien in ſeiner Zuſammenſetzung verändert worden iſt. Um ſowohl die Quantität, als auch die Zuſammenſetzung des Humus im Boden ganz genau zu befuhren, dazu gibt es nur eine einzige richtige Me⸗ thode, nämlich diejenige, welche für die Analyſe organiſcher Körper überhaupt üblich ift, und welche ſich darauf gründet, daß man den Körper mit Kupfer oxyd glüht und aus den Producten, welche ſich bei der Verbrennung entwi die Zuſammenſetzung berechnet. Es würde uns zu weit führen, wenn wir dieſe Methode hier im Einzelnen betrachten wollten; ſie iſt in jedem Lehrbuch der analytiſchen Chemie (z. B. in demjenigen von Freſenius) beſchrieben. Dieſe Methode ſetzt aber voraus, daß man den Kohlenſäuregehalt der kohlenſauren Salze des Bodens vorher beſtimmt habe, damit man nicht die Kohlenſäure, welche ſich durch das Glühen dieſer Salze entwickelt, auf Rechnung des Hu⸗ mus bringe. Auch auf etwas Kryſtall- und Hydratwaſſer der anorganiſchen Verbindungen im Boden muß die gehörige Rückſicht genommen werden, da⸗ mit man nicht den Waſſerſtoff dieſes Waſſers dem Humus zuſchreibe. Wollte man die Menge des Humus blos durch den Gewichtsverluſt beſtim⸗ men, welchen die zu unterſuchende Erde vor und nach dem Glühen zeigt, ſo würde das Reſultat nicht richtig ausfallen, weil einestheils bei dem Glühen der Humus nie vollſtändig verbrennt, und anderntheils mit den organiſchen Subſtanzen auch das Kryftallifations- und Hydratwaſſer ausgetrieben wird. Durch bloßes Trocknen kann man dieſes nicht aus der Erde entfernen; es entweicht erſt bei einer Temperatur, welche ſchon zerſtörend auf den Humus einwirkt. Aus dieſem Grunde iſt es unmöglich, das Kryſtalliſations⸗ und Hy⸗ dratwaſſer ae zu verflüchtigen, ehe man die Verbrennung des Humus vor⸗ nimmt. Die anorganiſchen Stoffe des Bodens ſind entweder Säuren, oder Ba⸗ ſen, oder Salze. Um ſie zu beſtimmen, bringt man die Erde in Auflöſung und ſchlägt dann einen Stoff nach dem andern nieder. Bei der qualitativen Analyſe ift dies öfters nicht nöthig, hier hat man auch noch andere Mittel, um die in der Auflöſung enthaltenen Subſtanzen zu erkennen. Die Silicate im Boden (z. B. der Thon) löſen ſich gewöhnlich erſt dann, nachdem man ſie mit Alkalien oder Baryt geglüht hat. Man * 2 dieſem Zwecke gewöhnlich Baryt an, weil die Erde nur ſehr ſelten an nach der chemiſchen Zuſammenſetzung des Bodens. 3 533 für ſich ſchon Baryt enthält. Bei dem Glühen verbindet ſich die Kieſelſäure des Silicats mit dem Baryt und der gebildete überbaſiſch kieſelſaure Baryt läßt ſich jetzt durch Salzſäure zerlegen. Dadurch wird die Kieſelſäure in Freiheit geſetzt. Sie erſcheint in Form einer Gallerte. Trocknet man jetzt die ganze Maſſe, ſo wird die Kieſelſäure in Säuren und Waſſer unlöslich; man kann ſie daher abſcheiden, wenn man den übrigen Weil der geglühten Maſſe mit Salzſäure auflöſt. In der Löſung befinden ſich nun alle Baſen und Säuren der Erde, ausſchließlich der Kieſelſäure. Man ſetzt zu dieſer Löſung Schwefelammonium, letzteres ſchlägt Eiſen, Mangan, phosphorſaure Erden und Thonerde nieder. Man filtrirt den Niederſchlag ab; in der Flüſſigkeit befinden ſich Kalk, Magne⸗ ſia, Kali und Natron. Der Niederſchlag wird in Salzſäure gelöſt und zu der Löſung Kalilauge im Ueberſchuß zugeſetzt. Es fallen Eiſen, Mangan und die phosphorſauren Erden. Gelöſt bleibt die Thonerde. Um das Eiſen zu beſtimmen, löſt man wieder in Salzsäure und ſetzt Ferrocyankalium zu; dieſes bildet mit Eiſenoxydul einen weißen, mit Eiſen⸗ oxyd einen tiefblauen Niederſchlag. Das Mangan läßt ſich finden, wenn man einen Tropfen der Flüſſigkeit mit Soda auf einem Platinblech glüht; es ent⸗ ſteht manganſaures Natron, welches an ſeiner grünen Farbe kenntlich iſt. Von der Beſtimmung der Phosphorſäure werden wir nachher handeln. Um die Thonerde, welche vorhin in Löſung blieb, noch genauer nachzu⸗ weiſen, neutraliſirt man das in der Flüſſigkeit enthaltene Kalt mit Salzſäure und ſetzt dann Ammoniak zu, welches die Thonerde fällt. Diejenigen Stdffe, welche durch Schwefelammonium nicht niedergeſchla⸗ gen wurden, ſind Kalk, Magneſia, Kali und Natron. Um den Kalk zu finden, ſetzt man oxalſaures Ammoniak zu, es fällt oxalſaurer Kalk, welcher unlöslich iſt, nieder. Die Magneſia ſchlägt man mit phosphorſaurem Ammoniak als phosphorſaure Magneſia nieder. Nun hat man noch Kali und Natron in der Flüſſigkeit. Das erſtere fällt man mit Platinchlorid als unlösliches Kalium⸗ platinchlorid (KCl, PiClz), und das noch in der Flüſſigkeit enthaltene Natron weiſt man durch die Löthrohrflamme nach. Bringt man nämlich etwas von dieſer Flüſſigkeit an einem Platindraht vor jene Flamme, ſo wird das Natron zuerſt zu Natrium reduzirt, verbrennt aber dann wieder mit Sauerſtoff zu Natron, wobei ſich die Flamme deutlich gelb färbt. Dieſe Farbe gibt das Borhähbenfen von Natron zu erkennen. Für die qualitative Analyſe der Baſen läßt fich, nach dem Wochen gehen den folgendes Schema aufſtellen: Auf Zuſatz von Schwefel enam fallen I bleiben gelöſt II Eiſen, Mangan, Thonerde, Kalk, Magneſia, Kali, phosphorſaure Erden. N Natron. 534 Bonitirung des Bodens Die in I gefällten Stoffe werden in Salzſäure gelöſt; zu der Löſung ſetzt man Kalilauge im Ueberſchuß Es fallen A Es bleibt gelöſt B Eiſen, Mangan, phosphorſaure Thonerde. Erden. Man neutraliſirt das Kali mit Man löſt in Salzſäure und weiſ't nach Salzſäure und fällt die Nee a) Eiſen mit Ferrocyankalium mit Ammoniak. b) Mangan durch Glühen mit Soda auf einem Platinblech. Löſung II a) Kalk wird mit oxalſaurem Ammoniak nachgewieſen. b) Magneſia wird mit phosphorſaurem Ammoniak nachgewieſen. c) Kali wird mit Platinchlorid nachgewieſen. d) Natron ertheilt der Löthrohrflamme eine gelbe Färbung. FR Beſtimmung der Säuren. Wie die Kieſelſäure nachgewieſen wird, iſt bereits oben gezeigt worden. Außer dieſer kommen im Boden noch Kohlen⸗ ſäure, Schwefelſäure, Phosphorſäure und Chlor, ſämmtlich in Verbindung mit Baſen vor. Die Kohlenſäure läßt ſich nachweiſen, wenn man die Erde mit Salzſäure übergießt; ein Aufbrauſen zeigt die Gegenwart der Kohlenſäure an. Um die Schwefelſäure zu finden, ſetzt man zu der ſalzſauren Löſung der Erde Chlorbarium; es entſteht unlöslicher ſchwefelſaurer Baryt. Ebenſo fällt die Phosphorſäure nieder, wenn man zu der Löſung eſſigſaures Ammoniak und Eiſenchlorid gibt, es entſteht phosphorſaures Eiſenoxyd, welches in Eſſigſäure unlöslich iſt. Das Chlor findet man, wenn man die Löſung mit ſalpeter⸗ ſaurem Silberoxyd verſetzt, es entſteht Chlorſilber, welches in Salpeterſäure unlöslich, aber in Ammoniak löslich iſt. Indem wir in Vorſtehendem eine Methode zur qualitativen Analyſe des Bodens mittheilten, hatten wir nur den Zweck, dem Anfänger einen beiläufi⸗ gen Begriff von der Sache zu geben. Es gibt andere Methoden, welche ſchneller und ſicherer zum Ziele führen; die Darſtellung derſelben hätte aber weniger unſerem Zwecke entſprochen. Nu b. Bonitirung des Bodens nach feinem vegetabilifchen Ueberzuge. Man hat die Beobachtung gemacht, daß einige Pflanzenſpeeies nur auf Böden von einer beſtimmten mineraliſchen Zuſammenſetzung vorkommen, oder doch dieſe Bodenarten vorzugsweiſe bewohnen. Man hat hiernach bodenſtete und bodenholde Pflanzen unterſchieden und dieſes Vorkommen zur Bonitirung des Bodens benutzen wollen. Indeſſen findet die Bodenſtetigkeit nur für ſehr wenige Bodenarten ſtatt; am beſtimmteſten ift fie ausgeprägt bei den kochſalz- und kalkerdehaltigen Böden, weniger ſchon beim Sande. Bodenſtete Pflanzen für den Thon und Lehm gibt es nach den Beobachtungen des Verf. keine, und diejenigen Pflan⸗ nach feinem vegetabiliſchem Ueberzuge. 535 zen, welche z. B. auf dem Thone öfter erſcheinen, als auf anderen Bodenarten, ſcheinen jenen mehr wegen der Feuchtigkeit zu lieben. Ueberhaupt hängt das Vorkommen der wildwachſenden Pflanzen (etwa mit Ausnahme der kalkſteten und der Kali- und Natronpflanzen) mehr von dem Feuchtigkeitszuſtand des Bodens, als von deſſen mineraliſcher Zuſammenſetzung ab. Selbſt wenn aber auch die Haupt-Bodenarten, welche wir unterſchieden haben, ihre bodenſteten Pflanzen beſitzen ſollten, ſo würde uns dies nicht viel nützen. Jene Bodenarten laſſen ſich gewöhnlich ſchon beim bloßen Anſehen oder Anfühlen unterſcheiden, oder ſie ſind durch ihre Abſtammung hinreichend characteriſirt. Kein Forſtmann wird z. B. bei dem Thon- oder Lehmboden nach den auf ihnen wachſenden Pflanzen ſuchen, um dieſe Bodenarten zu erkennen. | Zur Unterſcheidung der Bodenarten leiften uns alſo die bodenholden ſewohl ; als die bodenſteten Pflanzen einen nur ſehr geringen Dienſt. In Bezug auf die Bonitirung des Waldbodens könnten wir nur dann von der Erſcheinung der bodenſteten Pflanzen Gebrauch machen, wenn dieſe Pflanzen genaue Anzeiger der Factoren der Standortsgüte oder wenigſtens der Bodengüte wären. Nun geben zwar die kalkſteten Pflanzen einen Kalkge⸗ halt des Bodens ziemlich ſicher an; allein wie ſchon früher ausgeführt wurde, iſt die mineraliſche Zuſammenſetzung des Bodens für die Waldwirthſchaft ohne Bedeutung, und was diejenigen Pflanzen anlangt, welche an einen gewiſſen Feuchtigkeitszuſtand des Bodens gebunden ſind, ſo können ſie den Forſtwirth gewöhnlich nicht mehr lehren, als was er von ſeinen Waldbeſuchen her ſchon ohnedies weiß. Unter den bodenſteten Pflanzen ſind nur wenige, welche die Größe eines Strauches erreichen; ſie beſitzen keine tiefgehende Wurzeln und können alſo nicht zur Beurtheilung der Tiefgründigkeit — dieſes Hauptfactors der Bodengüte benutzt werden. Einige Pflanzenarten, wie z. B. Digitalis purpurea, Epipactis Nidus avis, Atropa Belladonna etc. zeigen gewöhnlich einen Humusgehalt des Bodens an. Welcher Forſtwirth würde aber dieſen, ſelbſt ohne jene Pflanzen, nicht bemerken! Das Nämliche gilt von den Sumpf- und Torfgewächſen; Wem wird das Vorhandenſein eines Sumpfes oder Torfgrundes entgehen! Nachſtehend führen wir, aber blos der Vollſtändigkeit halber, welche wir dieſem Werke zu verleihen wünſchen, einige bodenſtete und bodenholde Pflan⸗ zen an. Einen Gehalt des Bodens an Chlornatrium zeigen an: Salsola kali, Salicornia herbacea, Glaux maritima, Chenopodium maritimum, Tri- glochin marilimum, Rumex maritimus, Atriplex litoralis, Artemisia mari- lima, Plantago maritima, Glyceria maritima. Kalkſtete Pflanzen find: Geranium columbinum, Coronilla coronata, Reseda lutea, Rubus saxatilis, Hieracium saxatile, Gentiana eruciata, 536 Bonitirung des Bodens Rhododendron hirusutum, Plantago montana, Sessleria coerulea, Phleum Micheli. Dieſe Pflanzen kommen aber nicht blos auf einem Boden, welcher durch Verwitterung von kohlenſauren Kalk entſtanden iſt, ſondern auf allen Bodenarten vor, welche viel Kalk enthalten, wie z. B. auf Baſalt, (deſſen Kalkgehalt ſich von dem Labrador-Feldſpath herſchreibt). Kalkholde Pflanzen find: Gentiana «iliata, Anthyllis vulneraria, Ve- ronica urticaefolia, Sedum Telephium, Primula veris, Vinca minor, Al- chemilla alpina, Epipactis latifolia. Luzula maxima. Sandboden lieben: Elymus arenarius, Arundo arenaria, Garen arenaria, Festuca ovina, bromoides, duriuscula, Aira canescens, Statice Armeria, Plantago arenaria, Jasione montana, Dianthus arenaria, Cal- luna vulgaris, Sarothamnus scoparius, Pteris aquilina. Auf Thonboden kommen häufig vor: Stachys palustris, Lathyrus tuberosus, Sonchus arvensis, Tussilago Farfara, Hieracium grandiflorum, Thlaspi campestre, Serratula arvensis, Bromus giganteus, beat glomerata. Einen humushaltigen Boden lieben: Digitalis purpurea, Urtica urens, dioica, Senecio vulgaris, Jacobaea, Epilobium angustifolium, Impatiens Noli tangere, Datura Stramonium, Fumaria officinalis, Epipactis Nidus avis, Lunaria rediviva, Lithospermum purpureo-coeruleum, Atropa-Bel- ladonna, Arum maculatum, Asarum europaeum, Mercurialis perennis etc. Die Torfgewächſe haben wir bereits S. 73. genannt. e. Bonitirung des Bodens nach Maßgabe des auf ihm befindlichen Holzbeſtandes. Wir haben unter e geſehen, daß es uns bis jetzt unmöglich ift, eine Bonitirung des Bodens durch direete Unterſuchung der Factoren von Boden, Lage und Klima zu bewerkſtelligen. Wir wiſſen ja nicht, wie dieſe Factoren auf den Holzzuwachs einwirken, wenigſtens iſt uns das Maß dieſer Ein⸗ wirkung unbekannt. Bonitiren heißt, nach der unter 1. aufgeſtellten Definition nichts Anderes, als den Haubarkeitsertrag beſtimmen. Dieſen kann man aber am einfachſten aus der gegenwärtigen Holzmaſſe des Beſtandes ſelbſt ableiten, denn in letz⸗ terer haben ſich die Factoren des Bodens, der Lage und des Klima's, we⸗ nigſtens zum Theil, ſchon ausgeſprochen. Die unter e geſchilderte Methode will jene Factoren direct unterſuchen, und nach ihnen den Haubarkeitsertrag einer Fläche bemeſſen. Der Holzbeſtand iſt aber das Product der Einwirkung von Boden, Lage und Klima; feine Holzmaſſe gibt in einer Zahl den Geſammteinfluß aller jener derſchree Agentien der Standortsgüte zu erkennen. Wenn eine Fläche ſchon mit Holz beſtanden iſt, ſo kann man, um fi zu bonitiven, d. h. den Haubarkeitsertrag einzuſchätzen, doch offenbar nichts nach dem auf ihm befindlichen Holzbeſtand. 537 beſſeres thun, als fragen: Wie haben ſich Boden, Lage und Klima in dem Holzbeſtande ausgeſprochen? Geſetzt, man habe den Durchſchnittszuwachs eines 50jährigen Buchen⸗ beſtandes gleich 47 Cubikfußen pro Morgen gefunden, ſo wiſſen wir, daß jene 47 Cubikfuße das Reſultat des Geſammteinfluſſes von Boden, Lage und Klima ſind. Nehmen wir nun weiter an, man habe die Maſſe eines andern Buchen- beſtandes von Jahr zu Jahr unterſucht und hiernach eine Ertragstafel aufge⸗ ſtellt, nehmen wir weiter an, dieſe Ertragstafel weiſe für das 50te Jahr eben⸗ falls einen Durchſchnittszuwachs von 47 Cubikfußen aus, ſo iſt es wahr⸗ ſcheinlich, daß unſer vorhiniger Beſtand gleiche Standortsgüte mit dem Be- ſtande, für welchen die Ertragstafel entworfen iſt, beſitze. Dort, wie hier, haben Boden, Lage und Klima im 50ten Jahre einen Durchſchnittzuwachs von 47 Cubikfußen zu Wege gebracht; bis hierher ſcheinen alſo die nämlichen Factoren der Standortsgüte gewirkt zu haben. Wenn nun z. B. die Ertrags⸗ tafel im Haubarkeitsalter 100 einen Durchſchnittszuwachs von 80 Cubikfußen ausweiſt, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß auch unſer Beſtand im Alter 100 einen Durchſchnittszuwachs von 80 Cubikfußen liefern werde. Hiermit wäre die Bonitirung bewerkſtelligt; wir kennen den Haubarkeits⸗ ertrag, und auch die a laſſen ſich aus jener Ertragstafel ent⸗ nehmen. Wir haben es oben blos als wahrſcheinlich hingeſtellt, daß eine Gleich⸗ heit des Durchſchnittszuwachſes zweier Beſtände in einem gewiſſen Alter auf gleiche Standortsgüte (Bonität) ſchließen laſſe. In der That iſt dieſer Schluß nur dann richtig, wenn jenes Alter nicht mehr weit von dem Haubarkeitsalter entfernt iſt. Nur in dieſem Falle kann man mit Sicherheit annehmen, daß ſämmtliche Factoren des Bodens, der Lage und des Klimas ſich ſchon deutlich ausgeſprochen haben und daß bis zur Haubarkeit keine Aenderung in ihrer Wirkungsweiſe eintreten werde. Um uns deutlicher auszudrücken, wollen wir ein Beiſpiel von einer ſolchen Aenderung anführen. Nicht weit von dem Wohnort des Verf. liegt ein Berg, welcher bis zu 450 Metern Meereshöhe anſteigt. Dieſer Berg iſt, ſowie die Ebene, aus welcher er ſich erhebt, mit Buchen beſtanden. Man hat nun die Beobachtung gemacht, daß der Beſtand in der Ebene mit dem auf der Nordweſtſeite des Berges gleichen Zuwachs bis zum 50—60ten Jahre beſitzt; von dieſem Alter an ändert ſich aber das Verhältniß, die Stangenhölzer auf dem Berge fan- gen nämlich plötzlich an, im Wachsthum zu ſtocken, ihre Wurzeln haben den felſigen Untergrund erreicht, während der Beſtand in der Ebene noch fröhlich fortwächſt. Wie man ſieht, waren die Factoren der Standortsgüte bis zum 50—60ten Jahre gleich, nun änderte ſich ein einziger, die Tiefgründigkeit. Der Wachsthumsgang der beiden Beſtände wich von da an weſentlich ab. 538 Bonitirung des Bodens Hätte man alſo den Haubarkeitsertrag des Beſtandes auf dem Berg nach einer für den Beſtand in der Ebene entworfenen Ertragstafel einſchätzen wollen, ſo mürde man einen Fehler begangen haben. 5 Wir ſehen daher, daß man bei der Bonitirung nach Ertragstafeln im⸗ mer darauf zu achten hat, ob die Factoren der Standortsgüte der beiden Be⸗ ſtände übereinſtimmen. Um eine Vergleichung anſtellen zu können, müßte die Ertragstafel an ihrer Spitze eine genaue Beſchreibung von Boden, Lage und Klima tragen. Da die forſtliche Bodenkunde und Klimatologie noch zu wenig ausgebildet iſt, als daß man eine allgemein verſtändliche Beſchreibung jener Factoren anfertigen könnte, und da außerdem der Koſtenpunkt gegenwärtig noch verbietet, jene Beſchreibung auf eine methodiſche Unterſuchung zu gründen, wodurch fie natürlich noch mehr an Präciſion verliert, jo erſcheint es, um eine möglichſt richtige Bonitirung zu bewerk ſtelligen, nothwendig, daß der mit die⸗ ſem Geſchäft ſich Befaſſende nur ſolche Ertragstafeln anwendet, welche er ſelbſt entworfen hat. Dieſe Bedingung, ſo gerechtfertigt ſie auch ſein mag, läßt ſich indeſſen nicht immer einhalten, namentlich nicht in dem Falle, wenn man die Bonitirungen durch den Wirthſchaftsführer vornehmen laſſen, wie es auch zweck⸗ mäßig iſt, und nicht ein eigens auf das Geſchäft eingeübtes Perſonal verwenden will, Das vorhin angeführte Beiſpiel zeigt, daß man auch bei Bonitirungen nach Ertragstafeln Unterſuchungen über den Einfluß der Factoren der Stand⸗ ortsgüte auf den Holzzuwachs nicht entbehren kann. Das Bonitirungsver⸗ fahren, welches wir eben darſtellen, unterſcheidet ſich aber von dem unter a mitgetheilten dadurch ſehr weſentlich, daß es nicht, wie dieſes, aus der Unterſuchung jedes einzelnen Factors der Standortsgüte den Holzertrag ableiten will, ſondern in dem Holzbeſtande ſelbſt die vereinigte Wirkung einer größern Zahl dieſer Factoren erblickt, alſo auch diejenigen Factoren noch einmal be⸗ ſonders in Rechnung nimmt, welche der Ertragstafel und dem zu bonitiren⸗ den Beſtand nicht gemeinſchaftlich find. 1122 Wir haben bis jetzt das Verfahren der Bonitirung ſo dargeſtellt, wie es fein ſollte und im Laufe der Zeit auch ausgebildet werden muß, wenn die Bonitirungen Anſpruch auf Richtigkeit erlangen ſollen; wir müſſen jetzt noch angeben, welche Modificationen dieſes Verfahren bei dem gegenwärtigen Stand⸗ punct der Forſtwirthſchaft zu erleiden hat. Die Wiſſenſchaft des Forſtweſens beruht, fo wie fie gegenwärtig beſteht, mehr auf Beobachtungen, als auf direct angeſtellten Unterſuchungen. Deswegen weiß man auch über den Einfluß, welchen die Factoren der Standortsgüte auf den Zuwachs haben, nur fo viel, als man beim Durchwandern der Be- ſtände eben ohne beſondere Mühe wahrnehmen konnte; über das Maß jenes Einfluſſes weiß man aber gar nichts Halten wir zum Beleg dieſes Satzes das oben angegebene Beiſpiel feſt. Geſetzt, man habe die Tiefgründigkeit auf dem Berge — 2 Fußen, im Thal — 10 Fußen gefunden; welcher Forſtmann kann ſagen, wie viele Kubikfuße nach dem auf ihm befindlichen Holzbeſtand. 539 Zuwachsausfall ein Unterſchied von 8 Fußen in der Tiefgründigkeit nach ſich ziehen wird? Es mangelt durchaus an Unterſuchungen, um dieſe Frage be⸗ antworten zu können. Unter dieſen Umſtänden läßt ſich an den Ertragstafeln wenig ändern; man iſt genöthigt, den Haubarkeitsertrag der Tafel geradezu für denjenigen des zu bonitirenden Beſtandes gelten zu laſſen, wenn nur der jeweilige Durch⸗ ſchnittszuwachs dieſes Beſtandes mit dem der Ertragstafel übereinſtimmt. Aus denſelben Gründen iſt auch gegenwärtig eine Beſchreibung von Boden, Lage und Klima am Kopfe der Ertragstafeln ohne allen Nutzen. Denn wer wäre im Stande, eine Erhöhung oder Ermäßigung des Anſatzes der Ertragstafel eintreten zu laſſen, wenn er findet, daß die Standortsgüte der beiden Be⸗ ſtände nicht genau übereinſtimmt? Wo ſind die ſtatiſchen Nachweiſe, auf welche er ſeine Aenderungen gründen will? Wir wiſſen, daß der Ausfall eines Factors der Standortsgüte oft durch einen andern erſetzt werden kann. Dieſer Fall kann eintreten, ohne daß wir den andern Factor genau zu beſtimmen vermöchten. Iſt es hier nicht beſſer, eine ſolche Ausgleichung der Factoren zu unterſtellen, wenn man gefunden hat, daß der Durchſchnittszuwachs des zu bonitirenden Beſtandes mit dem der Er- tragstafel übereinſtimmt, als ſich in Muthmaßungen zu ergehen, denen jeder reelle Halt fehlt? Das Einzige, was wir bei dem gegenwärtigen Standpunkt des Forſt⸗ fachs thun können, um Fehler zu vermeiden, beſteht darin, daß wir die Er⸗ tragstafeln, nach welchen wir bonitiren wollen, ſo viel als möglich nach ſolchen Beſtänden entwerfen, welche ſich nahe bei dem Orte befinden, wo die Boni- tirung vorgenommen werden ſoll. b Begreiflicher Weiſe reicht man auf ſolchen Localitäten, wo die Stand⸗ ortsgüte wechſelt, nicht mit einer einzigen Ertragstafel aus; es müſſen deren jo viele aufgeſtellt werden, als ſich Aenderungen in der Standortsgüte bemer⸗ ken laſſen. Daß aber die Zahl der Ertragstafeln durch die Grenzen des prac⸗ tiſch Möglichen beſtimmt werden, brauchen wir blos für Anfänger zu bemer⸗ ken, welche wegen Mangel eines practiſchen Wirkungskreiſes noch nicht in der Lage waren, einen Begriff von jenen Grenzen zu erlangen. Auf ſchlechten Standorten iſt nicht allein der Zuwachs geringer, als unter günſtigen Verhältniſſen des Bodens und des Klima's, ſondern es tritt der Culminationspunct des Durchſchnittszuwachſes dort auch früher ein, letz— terer hält weniger lange an und ſinkt früher, als hier. Dieſer Umſtand iſt für die Zahl der Ertragstafeln vorzugsweiſe entſcheidend. Tragen wir auf einer Abſeiſſenlinie die fortlaufenden Beſtandsalter auf, erheben wir auf dieſen Abſeiſſen die entſprechenden Ordinaten der Durchſchnitts⸗ zuwachſe, welche in jenen Altern erfolgen, und verbinden wir die Endpuncte der Ordinaten durch einen Zug aus freier Hand, ſo ſtellt die Curve, welche hier entſteht, den Gang des Zuwachſes von Jahr zu Jahr geometriſch dar. 540 Bonitirung des Bodens Alle dieſe Zuwachscurven ſind einander blos dann ähnlich, wenn ſich die Ordinaten der einen durch Multiplication mit einem ſtändigen Coeffieien⸗ ten (oder Quotienten) aus den Ordinaten der andern ergeben. Ueberall, wo Aehnlichkeit der Curven ſtattfindet, reicht man mit einer Ertragstafel aus, denn der betreffende Quotient läßt ſich ganz einfach finden, wenn man den Durchſchnittszuwachs des zu bonitirenden Beſtandes durch den Durchſchnitts⸗ zuwachs der Ertragstafel dividirt. Wir brauchen alſo nur dann neue Er⸗ tragstafeln zu entwerfen, wenn die Curven anfangen, die Aehnlichkeit z verlieren. N Geſetzt, man habe drei Ertragstafeln entworfen, welche im 50. Jahre einen Durchſchnittszuwachs von 44, 51 und 56 Cubikfußen pro Morgen, im 100. Jahre ein Durchſchnittszuwachs von 67, 80, 93 Cubikfußen zeigen, wäh⸗ rend der zu bonitirende Beſtand im Alter 50 einen Durchſchnitszuwachs von 47 Cubikfußen beſitzt, ſo ſehen wir, daß unſer Beſtand annähernd in die Er⸗ tragstafel Nr. II. gehört, da er 51 — 0,92 von dem Durchſchnittszuwachs dieſer Tafel hat. Wir ſchließen jetzt weiter, daß auch der Haubarkeitsertrag unſers Beſtandes nur 0,92 von demjenigen der Tafel betragen, demnach = 80.0,92 = 73,6 jein werde. Dieſe Annahme iſt vielleicht nicht richtig; man kann ſich denken, daß der Haubarkeitsertrag noch mehr, als 0,92 ſinken werde; allein bei dem Mangel an ſtatiſchen Notizen wird uns dieſe Vermuth⸗ ung kaum Veranlaſſung geben können, eine weitere Aenderung vorzunehmen. Nach welchem Maßſtab wollte man dieſe auch eintreten laſſen? Da die Bonitirung ſich nur auf die Standortsgüte, und nicht auf die Beſtandsgüte bezieht, ſo kann der jeweilige Durchſchnittszuwachs eines Be⸗ ſtandes nur dann zur Auffindung der Ertragstafel benutzt werden, wenn die⸗ ſer Zuwachs normal iſt. Etwaige Abnormitäten, z. B. Lücken ꝛc. müſſen deß⸗ halb erſt ausgeſchieden werden. Indeſſen kann man bei der Reduction des wirklichen Durchſchnittszuwachſes auf den normalen nicht vorſichtig genug ſein, weil gar manche Abnormitäten doch auch auf Rechnung der Standorts⸗ güte kommen. So wird z. B. ein Buchenbeſtand, welcher mittelſt natürlicher Verjüngung begründet worden iſt, nur auf ganz beſonders guten Standorten eine gleichmäßige und volle Beſtockung beſitzen. Wollte man hier die kleineren Lücken ausſcheiden, ſo würde man einen Fehler begehen, weil nicht zu erwar⸗ ten iſt, daß dieſe Lücken in den folgenden Umtriebszeiten ausbleiben werden, vorausgeſetzt, daß man die Verjüngungsmethode beibehalte. Etwas anderes iſt es, wenn die Lücken durch ſtarken Frevel entſtanden ſind und man mit Sicherheit hoffen kann, daß der Frevel künftig hin nicht mehr in ſo ausge⸗ dehntem Maße vorkommen werde. In dieſem Falle müßten die Lücken in Abzug gebracht werden. Dies dürfte aber nicht geſchehen, wenn man mit Beſtimmtheit wüßte, daß der Frevel ſich fortwährend in dem nämlichen nach dem Holzbeſtand. 541 Maßſtabe wiederholen werde. Bei der Berechnung des normalen Zuwachſes ſind alſo nur die außergewöhnlichen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Störungen des Beſtandswachsthums zu berückſichtigen. Bisher wurde das Verfahren der Bonitirung für ſolche Beſtände ge⸗ ſchildert, welche ſchon ein mittleres Alter erreicht haben. Für ganz junge Be⸗ ſtände iſt es nicht anzuwenden, desgleichen nicht für Blößen, wie ſich von ſelbſt verſteht. Bei ganz jungen Beſtänden iſt die Aufnahme des Durchſchnittszuwach⸗ ſes zum Zweck der Einſchätzung des Haubarkeitsertrages von ſehr geringem Nutzen; ſie iſt einestheils mit Schwierigkeiten verbunden, welche der Holz⸗ maſſenaufnahme ſolcher Beſtände im Wege ſtehen, zum andern kann ſie aber auch, wenn man ihr Bedeutung beilegt, zu unrichtigen Bonitirungen führen. Manche Factoren der Bodengüte treten nur in der Jugend auf, andere gün⸗ ſtige oder ſchädliche Einflüſſe verſchwinden ſpäter. Ein mit Kiefern untermiſch⸗ ter Fichtenbeſtand kann im jugendlichen Alter geringen Zuwachs beſitzen, wenn er durch die Ueberſchirmung der vorgewachſenen Kiefern leidet; nach dem Aushieb der letztern fteigt dann der Zuwachs plötzlich, und das Manco gleicht fi, wenn der Boden gut iſt, in ſpäteren Jahren wieder aus. Wollte man den Haubarkeitsertrag dieſes Fichtenbeſtandes nach derjenigen Ertragstafel ver⸗ anſchlagen, welche für das nämliche Alter denſelben Durchſchnittszuwachs be⸗ ſitzt, ſo würde man hier einen zu niederen Anſatz erhalten. Oder nehmen wir an, die Fichten wüchſen auf einem angeſchwemmten, ſehr fruchtbaren, aber et⸗ was tief gelegenen Boden, auf welchem ſich leicht Fröſte einſtellen, ſo würde unter Umſtänden der Zuwachs dieſes Beſtandes in der Jugend und zwar ſo lange unbedeutend ſein, bis die Fichten die Region des Froſtes überwachſen hätten. Litten ſie, wie dies häufig der Fall iſt, nach dem ſie eine gewiſſe Höhe erreicht hätten, nicht mehr von Fröſten, ſo würde auch der volle Zu⸗ wachs eintreten, der dem fruchtbaren Boden entſpricht. Die Aufnahme des Durchſchnittszuwachſes ganz junger Beſtände leiſtet alſo deßhalb für die Bonitirung nichts, weil ſehr viele Ertragstafeln ſich den⸗ ken laſſen, welche bis zu einem gewiſſen Alter hin zuſammenfallen, ſpäter aber merklich auseinandergehen. Hier ſcheinen wir alſo doch wieder auf das unter a angegebene Verfah⸗ ren der Bonitirung hingewieſen zu ſein. Allein da uns, wie oben bemerkt wurde, alle Kenntniß des Einfluſſes, den die Factoren der Standortsgüte auf den Zuwachs äußern, mangelt, ſo können wir von dieſem Verfahren doch keine Anwendung machen. Unter dieſen Umſtänden bleibt uns nichts übrig, als eine Annäherung an die zuletzt (e.) dargeſtellte Methode zu ſuchen. Diefe Annäherung bewirken wir dadurch, daß wir nicht unmittelbar aus den durch eine ſpecielle Unterſuchung ermittelten Factoren der Standortsgüte auf den Zu⸗ wachs ſchließen, ſondern dieſe Unterſuchung blos dazu benutzen, um die Iden⸗ 542 Bonitirung des Bodens tität des Standorts von dem zu bonitirenden Beſtand (oder der Blöße) mit einem andern Standorte, auf dem ſich ein Beſtand von vorgerückterem Alter befindet, nachzuweiſen. Nach der Holzmaſſe dieſes letzteren Beſtandes würde man alſo die entſprechende Ertragstafel auswählen. Bei Betriebsregulirungen und bei Waldwerthrechnungen kommt es faft immer vor, daß junge Beſtände und Blößen zu bonitiren ſind. Hier ſind alſo Kenntniſſe aus der forſtlichen Bodenkunde und Klimato⸗ logie unentbehrlich, und dies iſt vielleicht der wichtigſte Dienſt, welchen dieſe Hülfswiſſenſchaften dem forſtlichen Hauptfach zu leiſten haben. Zugleich möchte ſich hieraus der practiſche Nutzen der Bodenkunde und Klimatologie, ſowie die Aufforderung ergeben, dieſe Wiſſenſchaften gründlicher, als es bisher ge⸗ ſchehen iſt, zu betreiben, namentlich aber die Ausbildung derſelben durch di⸗ reete Unterſuchungen zu fördern. Mit bloßen Beobachtungen, welche man bei der Wanderung durch den Wald leicht anſtellen kann, reicht man hier nicht aus. f Bisher hat man bei Bonitirungen zwar auch gewöhnliche Ertragstafeln benutzt, aber zur Auswahl der letztern öfters nicht das richtige Verfahren an⸗ gewandt. Statt nach dem Durchſchnittszuwachſe des zu bonitirenden, oder eines andern, mit gleicher Standortsgüte behafteten Beſtandes die Ertragstafel zu beſtimmen, aus welcher der Haubarkeitsertrag zu entnehmen ſei, ſchätzte man die Ertragstafel ohne Weiteres ein. Hiebei ließ man ſich zwar gewöhnlich durch das Anſehen des Holzbe⸗ ſtandes leiten; war dieſes ſehr gut, ſo nahm man z. B. die Ertragstafel Nr. J. war es weniger gut, die Ertragstafel Nr. II, war es mittelmäßig, die Tafel Nr. III, war es ſchlecht, die Tafel Nr. IV. Allein um die Einſchätzung mit nur einigem Grade von Genauigkeit ausführen zu können, müßte man ein ganz genaues Bild von den Beſtänden im Kopf haben, aus welchen die Ma⸗ terialien zur Aufſtellung der Ertragstafeln entnommen wurden. Dieſes Bild auf die Dauer feſtzuhalten, möchte ſelbſt Demjenigen ſehr ſchwer fallen, welcher i die Ertragstafeln ſelbſt aufgeſtellt hat. Außerdem hängt aber der Holzgehalt eines Beſtandes nicht blos von der Gerad- und Glattſchaftigkeit, der Höhe und Vollholzigkeit der Stämme, ſondern auch von der Stammzahl pro Morgen ab. Hält es ſchon ſehr ſchwer, die erſtgenannten Momente durch bloße Ein⸗ ſchätzung auch nur beiläufig zu beſtimmen (zumal, wenn der vergleichende Maßſtab nicht in natura, ſondern nur in der Einbildung vorhanden iſt), ſo iſt es doch geradezu unmöglich, die Stammzahl anders, als durch Zählen der Stämme zu ermitteln. Hat man ſich aber einmal hierzu verſtanden, ſo wird man am beſten ſogleich die Kluppe anlegen und den munen des Beſtandes aufnehmen. | Bei jungen Beſtänden oder Blößen ließ man Einſchläge in den Boden nach dem Holzbeſtand. 543 machen, um die Tiefgründigkeit und die Feuchtigkeit zu unterſuchen, und wählte hiernach die Ertragstafel aus, häufig ohne zu wiſſen, ob der in der Ertrags⸗ tafel verzeichnete Beſtand auf einem Boden von der nämlichen Tiefgründigkeit, dem nämlichen Feuchtigkeitsgehalte 2c. erwachſen ſei. In der That enthalten die meiſten Ertragstafeln keine Beſchreibung des Bodens; man beſitzt aber gar keine Ertragstafeln, in welchen alle Factoren der Standortsgüte angege- ben wären. Unter dieſen Umſtänden reduzirte ſich das Verfahren der Bonitirung darauf, daß man ſich einen oberflächlichen Begriff von der Standortsgüte ver⸗ ſchaffte und hiernach den Boden in beſtimmte Klaſſen, ohne jeden genaueren Maßſtab, eintheilte. Dann nahm man, und zwar ganz willkührlich, an, die Ertragstafeln, nach welchen die Bonitirung ausgeführt werden ſollte, entſprä⸗ chen ganz genau jenen eingebildeten Bodenklaſſen. Man legte dieſen, wie jenen, die Prädicate „ſehr gut, gut, mittelgut, mittelmäßig, ſchlecht, ſehr ſchlecht“ ze. bei und glaubte, z. B. die Ertragstafel „Mittelgut“ ohne Weite⸗ res anwenden zu dürfen, wenn man den Boden für „mittelgut“ erkannt hatte. Man ſieht wohl ein, daß es bei dieſem Verfahren nothwendig iſt, den Ertragstafeln Namen zu geben, denn ohne dieſe würde jeder Anhaltspunkt für die Einſchätzung fehlen. Bloße Nummern geben den Begriff der Bonität bei weitem nicht ſo deutlich an; wenigſtens gehört einige Zeit dazu, ehe man fi) daran gewöhnt, mit der Nummer den Begriff der Bonitätsſtufe zu ver- binden. Es kann wohl keine mangelhaftere Methode zu Bonitirung geben, als die oben dargeſtellte. Nicht nur, daß ſie jeder Verläſſigkeit darüber entbehrt, ob der mit einem der obengenannten Prädicate bezeichnete Standort auch mit der gleichbenannten Ertragstafel übereinkommt, ſondern es fehlt auch gänzlich der Maßſtab, um die Zwiſchenſtufen der Bonitäten einzuſchäzen. Denn wer vermöchte nach bloßer Anſicht des Holzbeſtandes zu ſagen, daß dieſer z. B. 0,92 von der Haubarkeitsmaſſe der einen oder der andern Ertragstafel liefern werde? Und doch kann die Abweichung von 8 Prozenten, wie das oben angeführte Beiſpiel zeigt, unter Umſtänden einen bedeutenden Ertragsausfall bewirken. Bei dem Verfahren der Bonitirung, welches wir von vornherein unter e empfohlen haben, fällt die Benamung der Bonitätsſtufen hinweg. Es ge- nügt, daß man jeder Ertragstafel eine Ordnungsnummer ertheile. Oefters iſt ſchon das Verlangen ausgeſprochen worden, man möge ſich über eine allgemein gültige Benamung der Bonitätsſtufen vereinigen. Selbſt auf mehreren der größeren forſtlichen Verſammlungen hat man dieſes Anſin⸗ nen vorgebracht. Zugleich wünſchte man, daß zu jenen Namen noch der Hau⸗ barkeits⸗Durchſchnittszuwachs oder Ertrag gefügt werde. Dieſer Wunſch iſt das Reſultat einer gänzlichen Unkenntniß von dem, was man unter „Bonität“ zu verſtehen hat. 544 Bonitirung des Bodens. Standorte. So wird man z. B. in einer Gegend, welche vorzugsweiſe nen Sandboden beſitzt, den Ertrag der Kiefer auf den etwas friſcheren Lagen als „ſehr gut“ bezeichnen, während er für eine andere Gegend, in welcher es dem Boden ſtellenweiſe nie an Feuchtigkeit mangelt, im Verhältniß zu den ſtets friſchen Standorten ſchlecht genannt werden muß. Die Prädicate „Sehr gut, gut“ ꝛc. haben nur eine ganz relative Bedeutung. Auch die Zahl der Bonitätsſtufen hat man feſtgeſtellt wiſſen wollen. Bonität iſt in unſern Augen nichts anderes, als ein Synonym für Ertrags⸗ tafel, und die Zahl dieſer hängt wieder von der Localität ab. Es müſſen ſo viele Etrtragstafeln entworfen werden, als ſich Aenderungen im Zuwachsgange ergeben. Läßt ſich eine Ertragstafel durch Multiplication der Durchſchnitts⸗ zuwachſe mit einem ſtändigen Goefficienten aus der andern Ertragstafel ab- leiten, ſo iſt eine von beiden entbehrlich geworden. Es können nur ſolche Er⸗ tragscurven paſſiren, welche einander nicht ähnlich ſind. Die Zahl der Bo⸗ nitäten richtet ſich daher nach der Zahl der nicht ähnlichen Ertragstafeln, welche man für eine gewiſſe Localität entwerfen muß. An dem einen Orte kann man mit einer einzigen Ertragstafel ausreichen, während man an dem andern Orte drei Ertragstafeln oder Bonitätsſtufen aufſtellen muß. Offenbar ſind die Erträge unſerer Holzarten ſehr verſchieden dr 8 Neunzehntes Buch. Einfluß der Waldungen auf den Boden und das Klima. 1. Einfluß der Waldungen auf die Zuſammenſetzung der Luft. In der Natur finden verſchiedene Vorgänge ſtatt, durch welche der At⸗ moſphäre Sauerſtoff entzogen wird. Es find dies vorzüglich der Verbren- nungs⸗, Verweſungs⸗ und Athmungsprozeß. A Obgleich die Verbrennung und Verweſung fich darin weſentlich unter⸗ ſcheiden, daß bei erſterer der Sauerſtoff der Luft auch direct an den Kohlen⸗ ſtoff der verbrennenden organiſchen Subſtanz treten kann, während bei der Verweſung der Sauerſtoff der Luft ſich nur mit dem Waſſerſtoff der organi⸗ ſchen Subſtanz verbindet, ſo ſtimmen die beiden Prozeſſe doch darin überein, daß ſie gleichviel Sauerſtoff erfordern. Wenn alſo z. B. ein Stück Holz ver⸗ weſt, ſo bedarf es der nämlichen Menge Sauerſtoff, um eine gewiſſe Quan⸗ tität Kohlenſtoff und Waſſerſtoff austreten zu machen, als wenn die beiden letzteren durch den Aet der Verbrennung entfernt worden wären. Die Menge Sauerſtoff, welche durch den Athmungsprozeß conſumirt wird, iſt nicht unbedeutend. Der Menſch braucht im Durchſchnitt täglich ein Kilogramme Sauerſtoff; wenn nun, wie man gewöhnlich annimmt, auf der Erde 1000 Millionen Menſchen leben, ſo werden durch das Athmen täglich 1000 Millionen Kilogramme Sauerſtoff abſorbirt. Der Sauerſtoff, den der Athmungsprozeß der Thiere erfordert, dürfte eben ſo viel, wenn nicht noch mehr, betragen. N Betrachtet man die Quantität des Sauerſtoffs, welche der Verbrennungs⸗ Verweſungs⸗ und Athmungsprozeß erfordern, im Verhältniß zu der Menge Sauerſtoff, welche die ganze Atmoſphäre enthält, ſo ſieht man, daß jene nur einen ſehr kleinen Bruchtheil von dieſem ausmacht. Unter der Vorausſetzung, daß die Verbrennung und Verweſung dreimal jo viel Sauerſtoff eonſumiren, als der Athmungsprozeß, berechnet Dumas, daß die Luft nach Ablauf eines 1 Jahrhunderts nur 134000 Wie gering diefe Quantität auch fei, jo ſteht doch feſt, daß eine fort- währende Entziehung von Sauerſtoff die Luft im Laufe der Zeit verderben Heyer, Bodenkunde. 35 ihres Sauerſtoffgehaltes verloren haben werde. 546 Einfluß der Waldungen muß. Wenn dies in 100 Jahren noch nicht bemerklich iſt, ſo tritt es viel⸗ leicht in 500, in 1000 Jahren hervor, und da wir bis jetzt keinen G haben, an der Fortdauer der Erde und des Menſchengeſchlechtes zu zweif ſo müſſen wir annehmen, daß irgend eine ſpätere Generation die Nachtheile g einer Verſchlechterung der Luft empfinden werde. Die Natur hat dafür geſorgt, daß der Verluſt an Sauerſtoff, welchen die Atmoſphäre durch die genannten drei Prozeſſe erleidet, wieder erſetzt ir Der Erſatz findet ftatt durch den Vegetationsprozeß. Wie wir früher geſehen haben, rührt der Kohlenſtoff der Pflanzen von der Kohlenſäure der Luft her. Die Gewächſe nehmen Kohlenſäure auf, zerle⸗ gen dieſe, behalten den Kohlenſtoff und geben den Sauerſtoff in Gasform wieder von ſich. Eigentlich erſtatten nur der Verbrennungs- und der Athmungsprozeß der Luft die volle Quantität von Kohlenſäure zurück, welche ſie durch den Aſſimilationsprozeß der Pflanzen verloren hat. Denn bei der Verbrennung wird oder kann ſämmtlicher Kohlenſtoff zerſtört werden, und auch bei dem Athmungsprozeſſe tritt die ganze Menge Kohlenſtoff, welche die Animalien be⸗ hufs der Reſpiration in den Speiſen genießen, in Form von Kohlenſäure wieder aus, wenigſtens iſt dieſes bei geſunden, ausgewachſenen Menſchen und Thieren der Fall, deren Gewicht ſich von Tag zu Tage nicht ändert. Bei der Verweſung dagegen bleibt ſtets eine nicht unbeträchtliche Quantität Koh⸗ lenſtoff unverbunden mit Sauerſtoff zurück. Wir haben früher (S. 65) ge⸗ ſehen, daß von den 36 Aeg. Kohlenſtoff, welche das Holz (Cas Ha Os iſt die Zuſammenſetzung der Holzfaſer) enthält, nur 11 Aeg. in Form von Koh⸗ lenſäure austreten, und daß ſomit 25 Aeg. Kohlenſtoff (als Moder) zurückblei⸗ ben. Es kann alſo aus der Kohlenſäure, welche z. B. ein Pfund verweſtes Holz geliefert hat, nicht wieder ein Pfund friſches Holz ſich bilden. Dazu wären noch 25 Aeg. Kohlenſäure erforderlich. Zu der Erzeugung von 1 Pfd. Holz wird alſo die Kohlenſäure von mehr als drei Pfunden verweſten Holzes verbraucht. Demnach vermindert ſich der Kohlenſäuregehalt der Luft dur den Verweſungsprozeß fortwährend, während der Sauerſtoffgehalt derſelben zunimmt. Wahrſcheinlich wird aber der Verluſt an Kohlenſäure, den die Luft auf die angegebene Weiſe erleidet, wieder durch die Verbrennung des foſſilen Kohlenſtoffs ausgeglichen. Da die Steinkohle, Braunkohle und der Torf nichts anderes, als der Kohlenſtoff ſind, welcher bei einer unvollſtändigen Verweſung der Holzfaſer zurückgeblieben iſt, ſo wäre alſo dafür geſorgt, daß der Moder, oder ein Aequivalent deſſelben, wieder in Form von Kohlenſäure in die At⸗ moſphäre zurückkehrt. 2. Einfluß der Waldungen auf die Temperatur der Luft und des Bodens. Wie wir früher geſehen haben, abſorbirt die Luft nur wenig von der Wärme der Sonnenſtrahlen, welche ſie paſſiren; die Erwärmung der Atmo⸗ * auf die Temperatur der Luft und des Bodens. 547 ſphäre geht vorzüglich von dem Boden aus, nachdem ſich dieſer durch die auf⸗ gefallenen Sonnenſtrahlen erwärmt hat. a. Einfluß der Waldungen auf die Sommertemperatur. Im geſchloſſenen Walde können die Sonnenſtrahlen nicht bis zum Bo— den gelangen, ſie treffen zumeiſt nur die Kronen der Bäume. Dieſe wird aber von den Sonnenſtrahlen nicht in dem Maße erwärmt, wie der Boden, weil die Blätter und Nadeln ſtets Feuchtigkeit enthalten, welche verdunſten kann. Die Wärme, welche die Sonnenſtrahlen den Blättern zuführen, wird alſo dazu verbraucht, um die Saftflüſſigkeit in Dampf zu verwandeln. Der Dampf entweicht mit der nämlichen Temperatur, welche das Waſſer beſitzt, aus dem er ſich entwickelt. Die von den Sonnenſtrahlen den Blättern zuge— führte Wärme iſt alſo latent geworden (Vergl. S. 180). Hieraus folgt unwiderleglich, daß im Sommer während des Tages die Temperatur im Walde geringer ſein muß, als über dem Felde, oder über ve— getationsloſen Flächen. Was nun aber das Maß der Temperaturdifferenz anlangt, fo mangeln hierüber zuverläſſige Beobachtungen. Auch ergibt ſich aus Vorſtehendem noch lange nicht, ob überhaupt die Sommertemperatur in wälderreichen Gegenden gegenüber waldarmen oder waldloſen geringer iſt, denn im Walde kühlt ſich die Luft während der Nacht auch nicht ſo ſtark ab, als im Freien. Die Wärme, welche der Boden und die Luft ausſtrahlt, wird wieder von den Stämmen, den Zweigen und Blättern refleetirt. Jedermann weiß, daß die Nächte bei bedecktem Himmel nicht ſo kalt ſind, als wenn der Himmel klar iſt, weil die Wolken die von der Erde ausgehenden Wärmeſtrahlen zurückwerfen. Genau ebenſo, wie eine Wolke, wirkt das Kronendach der Bäunie. Die Thatſache, daß es im Sommer bei Tage im Walde kühler, bei Nacht aber wärmer ift, als im Freien, ſteht, wenn auch nur durch die Beob⸗ achtung des Gefühls, welches Wärme oder Kälte in uns erwecken, feſt. Man ſucht an heißen Sommertagen den kühlen Wald auf, und wer die Nacht außerhalb ſeiner Wohnung zubringen muß, legt ſich lieber im Walde, als im freien Felde nieder, weil er weiß, daß es dort wärmer iſt. Aber — wie ſchon oben bemerkt wurde — man iſt, ſo lange genaue Temperaturbeobachtungen fehlen, nicht im Stande, mit Beſtimmtheit zu ſagen, ob die Wärme der Nacht im Walde größer oder geringer, als die Tempera⸗ turerniedrigung bei Tage ſei. Die fo oft ausgeſprochene Behauptung, daß waldreiche Gegenden küh— lere Sommer beſitzen ſollen, als waldarme oder waldloſe Localitäten, iſt alſo bis jetzt nicht im Geringſten erwieſen. b. Einfluß der Waldungen auf die Wintertemperatur. Die nämliche Urſache, welcher man es zuſchreiben muß, daß im "Sa mer die Nacht im Walde wärmer ift, als im Freien, bewirkt auch, daß der 35 * * 548 Einfluß der Waldungen Boden im Walde während der kalten Jahreszeit nicht ſo viel Wärme durch Ausſtrahlung verliert, als dies beim Felde der Fall iſt. Dazu kommt noch, daß das Laub, Moos und überhaupt der Humus, welcher den Boden in den Waldungen bedeckt, als ſchlechter Wärmeleiter die Erde gegen eine plötzliche Abkühlung im Herbſte ſchüßt. Da die Erde im Winter mehr Wärme durch Strahlung einbüßt, als ihr von der Sonne zugeführt wird, ſo iſt es wahr⸗ ſcheinlich, daß die durch den Baumſchlag gehinderte Wärmeſtrahlung 8 größerer Bedeutung für die Bewahrung einer höhern Temperatur im W ſei, als das Quantum Wärme, welches dem Boden zukommen würde, wenn ihn die Sonnenſtrahlen direct treffen könnten. Wir ſtellen dieſen Satz aus⸗ drücklich nur als wahrſcheinlich hin, weil alle poſitiven Beobachtungen mangeln, welche die Richtigkeit deſſelben verbürgen könnten. Faſt in jedem Winter tritt einmal eine Erniedrigung der Temperatur von ſolchem Belang ein, daß der Wärmeüberſchuß, welchen der Boden in den Feldern ꝛc. bis in den Winter hinein bewahrt hat, aufgezehrt wird. Iſt dieſes geſchehen, hat ſich die Temperatur im Walde und im Freien ausgeglichen, ſo hält ſich die Kälte im Walde viel länger bis in das Frühjahr hinein. Denn jetzt verhindert der Baumſchlag, daß die Sonnenſtrahlen den Boden treffen, und das Laub, Moos, der Humus de. daß die Luftwärme ſich dem Boden durch Leitung mittheilen kann. Daher dauert der Winter im Walde etwas länger an. Wer hätte noch nicht beobachtet, wie der Schnee unter den Bäumen im Walde oft viele Wochen ſpäter weggeht, als im freien Felde. Das Zurückbleiben der Temperatur im Walde äußert wieder einen Einfluß auf die Bäume ſelbſt; es hält das Austreiben derſelben im Frühjahr zurück. Dieſer Umſtand iſt für die Waldvegetation vielleicht von Vortheil, es werden dadurch die Beſchädigungen der Spätfröſte gemindert. * e. Einfluß der Waldungen auf die mittlere Jahrestemperatur. Um den Einfluß, welchen die Wälder auf die mittlere 2 2 äußern, zu beſtimmen, gibt es drei Methoden. Man kann nämlich dieſen Einfluß auf theoretiſchem Wege nach den allgemeinen Geſetzen der Phyſik be⸗ meſſen, oder die Temperatur bewaldeter und nicht bewaldeter Gegenden ver⸗ gleichen, oder ermitteln, ob durch Waldausrottungen Veränderungen in mittlern Jahrestemperatur bewirkt worden ſind. A: | Nach dem Vorhergehenden ift es noch unbeſtimmt, ob die Wabungen die Sommertemperatur erniedrigen und die Wintertemperatur erhöhen. Es läßt ſich daher auch nicht angeben, welchen Einfluß die Wälder auf die mitt lere Jahrestemperatur äußern. Wäre es aber auch ausgemacht, daß in wald⸗ reichen Gegenden die Sommer kühler, die Winter dagegen wärmer ſeien, in waldloſen oder waldarmen Ländern, ſo würde man immer noch nicht ent⸗ ſcheiden können, ob die mittlere Jahrestemperatur durch die Waldungen nicht geändert, oder erhöht, oder erniedrigt werde, ſo lange man das Maß der ie #8 auf die mittlere Jahrestemperatur. 1 Temperaturdifferenzen noch nicht kennt, welche durch den Wald im Sommer und Winter bewirkt werden. Ein Umſtand, welchen wir bisher noch nicht erwähnt haben, trägt dazu bei, die Temperatur in den Waldungen zu erniedrigen, ohne daß ſich indeſſen angeben ließe, ob hierdurch die größere Wärme, welche dem Walde aus an⸗ dern, vorhin angeführten, Urſachen zukommt, ganz abſorbirt, oder ob ſogar hierdurch die mittlere Jahrestemperatur waldreicher Gegenden unter das Mittel von waldarmen Orten herabgeſtimmt werde. Wir meinen die ſtagnirende Feuchtigkeit, welche ſich natürlich in Wäldern eher halten kann, als im Freien, weil ſie dort vor dem Luftzug und der Sonne mehr geſchützt iſt. Im offenen Lande wird dieſe Feuchtigkeit ſchnell durch Sonne und Wind aufgezehrt, und wenn auch die Verdunſtung, welche durch den Wechſel der Luft hervorgerufen wird, ſtets von einer Temperaturerniedrigung des zurückbleibenden Waſſers, des Bodens und der mit dieſem in Berührung ſtehenden Luft begleitet iſt, ſo dauert doch die Kälte nicht lange an, ſie wird durch Sonne und Luftzug wie⸗ der aufgehoben. Anders iſt es aber, wenn die Verdunſtung der ſtagnirenden Feuchtigkeit das ganze Jahr hindurch währt, und wenn zugleich der Zutritt von wärmerer Luft gehemmt iſt; in dieſem Falle wird die Temperatur der naſſen Fläche in einem fort heruntergeſtimmt. Aber — wie ſchon oben be⸗ merkt wurde — es läßt ſich nicht ſagen, in welchem Maße die Verdun⸗ ſtungskälte des ſtagnirenden Waſſers auf die Temperatur in den Waldungen einwirkt. Man hat bisweilen den Einfluß der Waldungen 15 die Temperatur dem des Meeres gleichgeſtellt. Allein dieſer Vergleich iſt ganz ungegründet. Das Meer zeigt im Sommer blos deßwegen eine niederere Temperatur, als das Land, weil es eine größere Wärmecapacität beſißzt. Um ein Pfund Waf- ſer auf 1 Grad zu erwärmen, braucht man eine fünfmal größere Wärmemen⸗ ge, als um einem Pfund trockner Erde dieſelbe Temperatur zu ertheilen. Das Waſſer des Meeres nimmt wegen ſeiner Durchſichtigkeit die Wärme, welche ihm durch die Sonnenſtrahlen zugeführt wird, zum größten Theil auf, nur ein kleiner Theil geht durch die an der Oberfläche ſtattfindende Verdunſtung verloren; im Walde wird aber alle Wärme der Sonnenſtrahlen, welche das Kronendach treffen, zur Verdunſtung der in den Blättern ꝛc. enthaltenen Feuchtigkeit verwendet; es iſt hier keine ſo große Waſſermenge vorhanden, in welcher ſich die Wärme aufſpeichern könnte. Wenn das Meerwaſſer im Winter wärmer iſt, als die Erde auf dem Feſtlande, ſo rührt dies daher, weil das Meer im Laufe des Sommers über⸗ haupt eine größere Wärmeſumme aufgenommen hat, während eine höhere Temperatur des Waldes im Winter nur auf der gehinderten Wärmeausſtrah⸗ lung beruhen könnte. Man weiß, daß die Erhöhung der Wintertemperatur bei den im Meeres⸗ klima gelegenen Ländern verhältnißmäßig größer iſt, als die Erniedrigung der * 550 Einfluß der Waldungen Sommertemperatur. Alles dieſes iſt durch directe Beobachtungen am Ther⸗ mometer erwieſen. Daher erklärt es ſich ganz einfach, warum das Meeres⸗ klima eine höhere mittlere Jahrestemperatur, als das Continentalklima zeigt. Die oben angegebenen Unterſchiede in der Erwärmung des Meeres und der Waldgegenden lehren aber, daß es unſtatthaft iſt, aus der größeren mittlern Jahrestemperatur der Küſtenländer eine ebenſolche größere Jahreswärme für die Waldgegenden ableiten zu wollen. Die zweite von den vorhin angeführten drei Methoden zur Beſtimmung des Einfluſſes, welchen die Waldungen auf die mittlere Jahrestemperatur äußern ſollen, iſt vorzüglich von Moreau de Jonnes befolgt worden. Moreau de Jonnes, welcher im Jahr 1825 eine Schrift über den Ein⸗ fluß der Waldungen auf das Klima veröffentlicht hat *), ſtellt die Anſicht auf, die Waldungen drückten die mittlere Jahrestemperatur herab. Er ſucht dieſen Satz dadurch zu beweiſen, daß er die mittlere Temperatur von Orten in waldreichen und waldarmen oder waldloſen Gegenden, aber un derſelben geographiſchen Breite, vergleicht. Die Reſultate, zu welchen Moreau de Jonnes gelangt iſt, könnten nur dann als entſcheidend betrachtet werden, wenn derſelbe ſämmtliche Einflüſſe des Klima's in Rechnung gezogen hätte, welche bewirken, daß der Lauf der Iſothermlinien von den Parallelkreiſen der Erdoberfläche wan Das hat aber dieſer Schiftſteller gänzlich unterlaſſen. Alle die Beiſpiele, welche Moreau de Jonnes gewählt hat, zeigen nur den Einfluß des Seeklima's und daß die Weſtküſten der Continente höher temperirt ſind, als das Innere oder die Oſtküſten derſelben. Dies rührt, wie wir S. 214 ausführlich nachgewieſen haben, von dem Vorherrſchen der feuchtwarmen weſtlichen Winde auf beiden Hemiſphären her. Moreau de Jonnes gibt kein einziges Beiſpiel von der niedrigen Temperatur eines an einer Weſtküſte gelegenen Waldlandes. Da die Schrift von Moreau de Jonnes bei vielen Forſtwirthen, welche nicht die zur Prüfung jener Schrift nothwendigen meteorologiſchen Kenntniſſe beſitzen, noch in Anſehen ſteht, und Botaniker, ſowie auch Staatswirthe, denen die Eigenthümlichkeiten des Waldes fremd ſind, ſich auf dieſelbe öfters noch zu beziehen pflegen, ſo halten wir es der Mühe werth, einige der hervorra- gendſten Beiſpiele jenes Buches hier zu beleuchten. „Paris, ſagt Moreau de Jonnes, liegt unter 48950“ Breite; Regens⸗ burg unter 48˙56“ Breite; die mittlere Temperatur der erſteren Stadt beträgt 110,8; die der zweiten 80,7, mithin Unterſchied 3%. Die Waldungen bedecken [2 ) Die Schrift führt den Titel: Recherches sur les changemens produits dans l’etat physique des conirdes par la destruction des föreis. Bruxelles 1825. Sie wurde 1828 von Widemann in's Deutſche überſetzt Tübingen bei Oſiander. auf die mittlere Jahrestemperatur. 551 beinahe den dritten Theil von Bayern; wenn man dagegen, um die Ausdeh⸗ nung derjenigen zu ſchätzen, welche in dem Landſtrich liegen, welcher Paris umgibt, die Departements der Seine, der Seine und Marne, der Seine und Oiſe und der Eure und Loire zuſammenfaßt, ſo findet man, daß hier auf einer Fläche von 910 Quadratmeilen die Waldungen 2000 Kilometer einneh⸗ men, was nicht einmal den achtzehnten Theil derſelben ausmacht.“ „Brüſſel liegt unter 5050“ und Prag unter 50005; die mittlere Tem⸗ peratur des erſtern Orts beträgt 110, die des zweiten 90,7; der Unterſchied iſt 1,93 oder beinahe 2 Grade. Die Waldungen bilden mehr, als zwei Sie⸗ bentheile, oder beinahe den dritten Theil von Böhmen, während ſie höchſtens den achten Theil des — Brüſſel umgebenden — Landes bedecken.“ In derſelben Weiſe vergleicht Moreau de Jonnes Leyden in Holland und Berlin und bringt den Unterſchied der Temperaturen, welcher 3,17 zu Gunſten der erſtgenannten Stadt beträgt, auf Rechnung der Waldarmuth Hol⸗ lands gegenüber dem zum dritten Theil mit Wald bedeckten Preußen. Alle die vorangeführten Beiſpiele zeigen nicht den Einfluß der Waldun⸗ gen, ſondern den der See auf die mittlere Temperatur. In den folgenden Beiſpielen rührt die geringere Temperatur von der Lage an einer Oſtküſte her. „Neapel liegt an den Ufern des Mittelländiſchen Meeres unter 40050, Newyork am Atlantiſchen Meer unter 40050“; die mittlere Temperatur der erſteren dieſer Städte beträgt 195,5, die der zweiten 12,1; der Unterſchied iſt alſo 7%. In Italien ſind die Waldungen beinahe gänzlich zerſtört; in den Vereinigten Staaten bedecken ſie den größten Theil des Landes.“ In dieſem Beiſpiel iſt ſogar ganz überſehen, daß die Oſtküſte von Ame⸗ rika, an welcher Newyork liegt, auch ſchon an großer Waldarmuth leidet. Sollte dies aber zu der Zeit, als Moreau de Jonnes ſchrieb (1825), noch nicht der Fall geweſen ſein, ſo beweiſt doch gerade der Umſtand, daß die Tem⸗ peratur von Newyork ſich bis heute nicht geändert hat, daß die niedere mitt⸗ lere Jahreswärme von Newyork im Gegenſatz zu Neapel nicht Auf dem Ein⸗ fluſſe der Waldungen beruht. Weiter iſt die Temperatur von Cairo mit der von New-Orleans, die Temperatur von Surinam mit der von St. Louis am Senegal verglichen. Der angebliche Einfluß der Waldungen kommt hier wieder wei; Rechnung der Lage an einer öſtlichen Küſte. Gehen wir nun zur Würdigung der dritten Methode uber Man hat die den Waldungen zugeſchriebene Veränderung der Tempera⸗ tur aus den Veränderungen folgern wollen, welche das Klima von Deutſch⸗ land ſeit den Zeiten der Römiſchen Invaſion erfahren haben ſoll. Tacitus nennt die Winter in Deutſchland ſtreng, er ſagt, das Obſt gerathe daſelbſt nicht (Germania frugiferum impatiens). Nach den Begriffen von Tacitus, welchem das milde Italiſche Klima als Maßſtab galt, hätten die Winter in 552 Einfluß ben, Waldungn a 1 Deutſchland wohl bis zum heutigen Tage nichts von ihrer Strenge verloren, und was das Mißrathen des Obſtes anlangt, ſo gibt es jetzt noch bei uns viele Gegenden, welche gar kein Obſt produziren. Auch ſelbſt in denjenigen Lagen von Deutschland, welche vorzugsweiſe zur Obſtzucht geeignet ſind, geräth das Obſt doch nicht alle Jahre. Es iſt nicht gerade unwahrſcheinlich, daß das Klima von Deutſchland ſeit Tacitus Zeit milder geworden ift, denn es find viele Waldungen im Laufe der Jahrhunderte ausgerottet und zu Ackerland angelegt worden; mit den Wäldern verſchwanden zugleich manche Sümpfe und ſonſtige Behälter ſtagni⸗ renden Waſſers. Allein dieſer Vortheil könnte wieder als verloren zu betrach⸗ ten ſein, wenn es ſich erweiſen ſollte, daß der Wald (wegen der Zurückſtrah⸗ lung der Bodenwärme dc.) die Winterkälte ermäßigt. Die Beweiſe, welche man dafür beizubringen geſucht hat, daß das Klima ſolcher Länder, in welchen Waldausrottungen ſtattgefunden haben, verbeſſert oder verſchlechtert worden ſei, ſtehen auf ſehr ſchwachen Füßen. Zum erſten läßt ſich eine Veränderung der Temperatur wohl nicht ohne das Thermometer beſtimmen, ein Inſtrument, welches erſt ſeit hundert Jahren in einer zu ge- nauen Temperaturmeſſungen geeigneten Beſchaffenheit angefertigt wird. Wenn man alſo unterſuchen will, ob die Temperatur ſich im Laufe der Zeit geän⸗ dert habe, ſo muß man ſich nach andern Methoden umſehen, um die Tempe⸗ ratur zu ermitteln, welche vor der Ausrottung des Waldes geherrſcht hat. Man hat hierzu die periodiſchen Erſcheinungen des vegetativen Lebens, ſowie das Vorkommen von gewiſſen Pflanzen benutzt, von denen man weiß, welcher Temperatur ſie zu ihrem Gedeihen bedürfen. Allein dieſer Maßſtab iſt ein ſehr unſicherer, denn die periodiſchen Erſcheinungen der Vegetation treten, auch ohne daß das Klima ſich weſentlich ändert, in verſchiedenen Jahren nicht zu der nämlichen Zeit ein; man müßte alſo Durchſchnittswerthe aus früheren Zeiten haben, an denen es aber gänzlich mangelt. Was die geographiſche Verbreitung der Pflanzen anlangt, ſo hängt dieſe nicht blos von der Tempe⸗ ratur, ſondern auch vom Boden ꝛc. ab, und es kann daher der Verbreitungsbezirk einer Pflanze im Laufe der Zeit gewechſelt haben, ohne daß die Temperatur einer Aenderung unterworfen geweſen wäre. Außerdem ſind die Gewächſe, von deren Vorkommen wir Notizen in den Schriften der Alten finden, faſt nur ſolche, welche der Agricultur angehören. Je nach der Stufe, auf welche ſich dieſe befand, mußte auch die Verbreitung der künſtlich angebauten Pflan⸗ zen ſich ändern. Zu allem Dieſem kommt noch, daß der geographiſche Bezirk, innerhalb deſſen die Verbreitung einer Pflanze ſich bewegen kann, nicht von einem genau beſtimmbaren Temperaturgrade abhängt, ſondern eine größere Anzahl von Graden umfaßt. Zum Zweiten bliebe noch übrig, feſtzuſtellen, ob wirklich eine Waldaus⸗ rottung ſtattgefunden habe. Dies wird aber gewöhnlich unmöglich ſein. Bis zum heutigen Tage kennt man die Flächengröße der Waldungen von Preußen ” auf die a en. 553 . und Oeſterreich nicht genau, weil die Waldungen noch nicht alle ver⸗ meſſen ſind. Woher wollte man alſo wiſſen, ob die Waldungen von Egyp⸗ ten, oder gar von Oſtindien ſich vermindert haben! Und doch hat man an⸗ gebliche Temperaturveränderungen in dieſen Ländern von der Ausrottung der Waldungen abhängig machen wollen. Der einzige richtige Weg zur Beſtimmung des Einfluſſes, den die Wäl⸗ der auf die Temperatur äußern, befteht darin, daß man die letztere gleichzeitig an zwei Punkten, von denen der eine innerhalb einer compacten Waldmaſſe, der andere im Freien ſich befindet, mittelſt des Thermometers unterſucht, dabei aber darauf Rückſicht nimmt, ob nicht ſonſtige klimatiſche Verſchiedenheiten zwiſchen dieſen beiden Punkten beſtehen, welche an und für ſich ſchon eine Abweichung der Temperaturen verurſachen können. 3. Einfluß der Waldungen auf die Hydrometeore. a. Einfluß der Waldungen auf die Regenmenge Ehe wir zur Entſcheidung der Frage übergehen, ob die Waldungen eine Vermehrung oder Verminderung der atmoſphäriſchen Niederſchläge bewirken können, haben wir uns an die Bedingungen zu erinnern, unter welchen ſolche Niederſchläge überhaupt erfolgen. Wie S. 248 bemerkt worden iſt, beſteht für jede Temperatur ein Maxi- mum von Waſſerdampf, welches die Luft aufzunehmen vermag. Iſt dieſes Maximum vorhanden und ſinkt jetzt die Temperatur, ſo tritt ein Theil des Dampfes in den flüſſigen Zuſtand über, und es entſteht, je nach den Umftän- den, Regen, Thau, Reif, Schnee ꝛc. Eine Erniedrigung der Temperatur be⸗ günſtigt alſo den Niederſchlag der atmoſphäriſchen Feuchtigkeit. Werden zwei Luftſchichten, welche beide vollſtändig mit Dampf geſättigt ſind, mit einander gemengt, ſo wird ebenfalls ein Theil des Dampfes in flüſſigem Zuſtand abgeſchieden, weil die Maxima von Dampf, welche die Luft bei beſtimmten Temperaturen aufzunehmen vermag, in einem ſtärkeren Ver⸗ hältniſſe, als die Temperaturen wachſen. Wenn ſich alſo die verſchiedenen Temperaturen der beiden Luftſchichten auf eine gemeinſchaftliche Temperatur ausgleichen, ſo bleibt ein Ueberſchuß von Dampf, der ausgeſchieden werden muß. Ja es kann ſogar ein Niederſchlag erfolgen, auch wenn die beiden Luftſchichten nicht vollſtändig mit Feuchtigkeit geſättigt, dagegen verſchieden temperirt find. Die Bildung von Nebel, Regen ıc. wird begünſtigt, wenn eine mit Waſſerdampf verſehene Luftſchichte eine andere trifft, welche ebenfalls Waſſerdampf enthält. Wenn die Waldungen eine Vermehrung der atmoſphäriſchen Nieder⸗ ſchläge bewirken ſollten, ſo könnte dies alſo dadurch geſchehen, daß ſie eine niedrigere Temperatur beſitzen, als waldloſe Gegenden, oder daß in ihnen die Luft mehr mit Waſſerdampf beladen iſt. Was nun die Temperatur in den Wäldern anlangt, ſo haben wir unter 554 Einfluß der Wälder 899 2. geſehen, daß dieſelbe allerdings zu gewiſſen Tages⸗ und Jahreszeiten gerin⸗ ger, als über dem freien Felde iſt. Die Waldungen könnten alſo im Som⸗ mer während des Tages und gegen Ende des Winters auf die Vermehrung der Regenmenge einwirken. Anders verhält es ſich dagegen in den Sommer⸗ nächten und zu Anfang des Winters. Zu dieſen Zeiten herrſcht in den Wäl⸗ dern eine höhere Temperatur, als im Freien, welche dem Zuſtandekommen von atmoſphäriſchen Niederſchlägen (Regen und Thau) nicht günſtig iſt. Um alſo zu beſtimmen, ob die Waldungen auf eine Vermehrung der Regenmenge einwirken, müßte man die Abweichungen, welche der Gang der Temperatur in Wäldern gegenüber dem freien Felde zeigt, kennen. So lange aber hierüber keine comparativen Beobachtungen vorliegen, find wir außer Stande, theoretiſche Schlüſſe über den Einfluß der Waldungen auf die Re⸗ genmenge zu ziehen. N Daß die Luft in den Waldungen, wenigſtens zu gewiſſen Jahreszeiten, einen höheren relativen Feuchtigkeitsgehalt beſitzt, als im Freien, ſcheint ziem⸗ lich ausgemacht zu ſein, und läßt ſich auch leicht erklären. Das Waſſer, wel⸗ ches in den Zwiſchenräumen des Bodens vertheilt iſt, kann in Waldungen nicht ſo ſchnell verdunſten, weil es gegen die directe Einwirkung der Sonnen⸗ ſtrahlen geſchützt und weil in den Wäldern der Luftzug gehemmt iſt. Wir wiſſen, wie der Wind die Verdunſtung befördert. Er treibt die mit Waſſerdampf geſättigten Luftſchichten fort und bringt an deren Stelle neue, trockene Luft, welche befähigt iſt, abermals Waſſerdampf aufzunehmen. Nun iſt, wie Jeder weiß, die Luft im Wald immer ruhiger, als im Freien; es wird deßhalb die Luft in den Holzbeſtänden ſich nicht blos ſtärker mit Waſſerdampf beladen, ſondern es wird auch die Bodenfeuchtigkeit nicht auf einmal aufgezehrt wer⸗ den, alſo fortwährend die Verdunſtung unterhalten können. . Um uns darüber zu belehren, in wie fern die feuchte Luft des Waldes den Eintritt des Regens begünſtigen könne, brauchen wir blos die ſchon früher behandelte Frage über das Schweben der Wolken wieder aufzunehmen. Die Wolken beſtehen nicht aus Waſſerdampf, ſondern aus Nebelbläschen, welche, weil ſie ſchwerer als die Luft ſind, fortwährend ſich ſenken, aber während des Fallens durch den von der Erde aufſteigenden warmen, reſp. trockenen Luft⸗ ſtrom wieder aufgelöſt, d. h. in Waſſerdampf verwandelt werden. Da dieſer ſpecifiſch leichter iſt, als die Luft, ſo ſteigt er wieder in die Höhe, wo er ſich in den kälteren Schichten der Atmoſphäre von Neuem zu Nebel verdichtet. Trifft aber das fallende Nebelbläschen keine trockene, ſondern eine ſchon mit Feuchtigkeit geſättigte Luft, ſo löſt es ſich nicht wieder auf, ſondern kommt bis zur Erde hinunter. Durch die Vereinigung der Bläschen entſtehen die Regentropfen. a Wenn es alſo ausgemacht wäre, daß die Luft in Wäldern feuchter ſei, als im Freien, ſo könnte es keinem Zweifel unterliegen, daß in den Waldun⸗ gen mehr Regen fällt, als unter ſonſt gleichen Umſtänden außerhalb des auf die Regenmenge. 555 Waldes. Diejenigen Holzarten, welche zu ſtarker Blattausdünſtung geneigt ſind, wie z. B. die Laubhölzer, müßten vortheilhafter auf die Vermehrung der Regenmenge einwirken, als die Nadelhölzer, von denen man annimmt, daß ſie weniger Feuchtigkeit verdunſten. Auch dadurch, daß die Waldungen ein mechaniſches Hinderniß für den Zug der Regenwolken bilden, können ſie auf die Vermehrung der Regen⸗ menge einwirken. Sie halten dieſe Wolken in ihrem Laufe auf, und geben ihnen dadurch Zeit, ihren Gehalt an Waſſer fahren zu laſſen. Von manchen Orten, z. B. Bergen in Norwegen, Heidelberg ꝛe. weiß man, daß ſie die größere Regenmenge, durch welche ſie von andern Orten unter der nämlichen geographiſchen Breite ausgezeichnet ſind, den in ihrer Nähe befindlichen Ge— birgen verdanken; warum ſollten die Wälder, wenn auch nur im Kleinen, nicht eine ähnliche Wirkung hervorbringen können? Alles Dasjenige, was wir bisher angeführt haben, macht es zwar wahr⸗ ſcheinlich, daß die Waldungen die Regenmenge vermehren; allein eine Ge— wißheit in dieſer Beziehung geben unſere Argumente bei weitem noch nicht. So lange wir keine poſitiven Zahlen über die Temperaturerniedrigung und den Feuchtigkeitszuſtand der Luft in den Wäldern beſitzen, ſind wir außer Stande, anzugeben, ob die durch die Waldungen bewirkte Vermehrung der Regenmenge erheblich genug ſei, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Man ſollte nun denken, die vorliegende Frage ließe ſich ganz einfach auf practiſchem Wege durch Vergleichung der Regenmenge von bewaldeten und nicht bewaldeten Orten löſen. Dies iſt auch in der That der Fall; allein die bis jetzt vorhandenen Materialien reichen zu einer ſolchen Vergleichung nicht aus. Es müſſen dazu beſondere Unterſuchungen angeſtellt werden, bei denen man es in der Hand hat, alle Verhältniſſe ſo zu wählen, daß der ausſchließliche Einfluß der Waldungen deutlich hervortritt. Hierzu iſt vor allen Dingen erforderlich, daß die beiden Puncte, an denen die Regenmeſſer aufzuſtellen ſind, nicht zu weit auseinanderliegen, weil man ſonſt keine Ge— wißheit darüber hat, ob nicht andere Einflüſſe, als diejenigen der Waldungen, mitgewirkt haben. In Ermangelung directer Unterſuchungen hat man ſich bisher darauf beſchränkt, alle Notizen, aus welchen ſich nur einigermaßen folgern ließe, daß die Waldungen die Regenmenge vermehren oder auch (wie Einige meinen) vermindern, zuſammenzuſuchen, leider aber mehr auf die Zahl, als auf die Schärfe der Belege geſehen. Man hat die Literatur des Alterthums durch— ſtöbert, um nachweiſen zu können, daß Medien, Syrien ıc. durch die Aus⸗ rottung der Wälder ein trockenes Klima erhalten haben, ohne die geringſte Sicherheit darüber zu beſitzen, ob die Waldungen jener Länder wirklich ge— litten haben. Aber auch angenommen, daß dieſes der Fall geweſen ſei, ſo iſt es immer noch nicht erwieſen, ob die Verminderung der Wälder jene Ver— 556 Einfluß der Waldungen änderungen im Klima bewirkt habe, oder ob die letzteren nicht anderen Urſachen zugeſchrieben werden müſſen. 1 Wenn an die Stelle eines fleißigen, ackerbautreibenden Volkes ein träges, oder ein nomadiſirendes tritt, ſo gewinnt, wie ſich leicht begreifen läßt, die Oberfläche des früher cultivirten Landes ein ganz anderes Anſehen; ſtatt be⸗ bauter Felder und friſcher Wieſen erblickt man jetzt öde Strecken, welche regel⸗ los mit wildwachſenden Pflanzen, Heiden de. beſtanden find, die den Eindruck eines dürren Klima's machen. Die Beſchaffenheit der Erdoberfläche iſt aufs innigſte an den Gang der Cultur des Menſchengeſchlechtes gebunden. b. Einfluß der Waldungen auf den Waſſerreichthum der Quellen, Flüſſe und Seen. Auf den Waſſerreichthum der Quellen“!) (demnach auch der Bäche, Flüſſe und Seen, welche ja wieder durch die Quellen unterhalten werden) können die Waldungen in zweifacher Weiſe einwirken, nämlich a c. dadurch, daß ſie die Regenmenge vermehren oder vermindern, F. dadurch, daß fie die niederfallenden Meteorwaſſer aufnehmen und erſt nach und nach an den Boden, namentlich an die tieferen Lagen deſſelben, abgeben, ſomit die Nachhaltigkeit der Quellen ſichern. Was den erſten Punkt (c.), alſo die Vermehrung oder Verminderung der Regenmenge anlangt, fo haben wir unter a. geſehen, daß hierüber noch alle ſicheren Beweiſe fehlen. Wir wiſſen nicht, wie die Wälder auf die Re⸗ genmenge einwirken, und wenn es auch, vom theoretiſchen Standpunet aus betrachtet, wahrſcheinlich iſt, daß die Wälder das Zuſtandekommen mancher atmoſphäriſchen Niederſchläge, insbeſ. des Regens, begünſtigen, ſo mangeln doch alle Anhaltspunkte über das Maß dieſer Einwirkung. Man hat deshalb gerade in dem Waſſerreichthum der Quellen ein ſicheres Argument für den Einfluß der Waldungen auf die Regenmenge er⸗ blicken zu dürfen geglaubt, aber, wie wir ſogleich ſehen werden, nicht mit Recht, weil dieſer Einfluß durch die unter 8. erwähnten Erſcheinungen, ſowie durch andere Umſtände, welche wir ebenfalls in der Folge berückſichtigen wer⸗ den, wieder verdeckt werden kann. Nehmen wir in der That vorerſt einmal hypothetiſch an, daß die Regen menge ſich nach dem Abholzen einer Waldfläche, welche das Waſſer zur Spei⸗ ſung einer Quelle liefert, nicht vermindere, ſo wird doch die Ergiebigkeit der Quelle unter den gewöhnlichen Verhältniſſen ſich ändern. Das Regenwaſſer welches ſich ſonſt in den Blättern der Bäume fing und nach und nach auf den mit Laub und Moos bedeckten Boden abträufelte, wird jetzt unmittelbar auf den Boden gelangen und von dieſem eher abfließen, als es eingedrungen iſt. Dies bezieht ſich vorzugsweiſe auf die ſteileren Lagen, wo nach dem Abtrieb *) Ihre Entſtehung, ſ. S. 522. auf den Waſſerreichthum der Quellen ꝛc. 557 des Waldes der Humus und die obere, lockere Erde bald durch das Regen: und Schneewaſſer abgeſpült wird. Die Abholzung eines Waldes würde alſo in dem angenommenen Falle zur Folge haben, daß das Waſſer ſich ſchnell in die Bäche und Flüſſe begibt und dieſe periodiſch ſtark anſchwellen macht, aber die Ergiebigkeit der Quellen, welche hauptſächlich von dem in die Erde verſinkenden Waſſer abhängt, wird nachlaſſen — alles dieſes, wie wir wohl zu beachten bitten, ohne daß ſich die Regenmenge geändert hat. Die Beobachtung des Waſſerſtandes der Quellen kann uns alſo keinen Aufſchluß darüber liefern, ob durch Abholzung von Waldungen die Regen⸗ menge ſich vermindert habe. Hierzu kommt noch, daß auf abgeholzten Flächen ein großer Theil des niedergefallenen Meteorwaſſers durch die Wärme der Sonne und durch den Wind aufgezehrt wird, ehe es in den Boden eingedrungen iſt, während dieſes Waſſer im Walde durch den Baumſchlag gegen Verdunſtung geſchützt iſt und nach und nach in den Boden ſickern kann. Die Theorie ſpricht alſo dafür, daß ſowohl die Ergiebigkeit, als auch die Nachhaltigkeit der Quellen durch Entwaldung gefährdet wird, und aus der Beobachtung hat ſich, einige wenige Fälle abgerechnet, das Nämliche erge- ben. Wir könnten eine große Zahl von belegenden Beiſpielen aus allen Theilen der Erde anführen, beſchränken uns aber auf die Mittheilung einer einzigen von Bouſſingault überlieferten Beobachtung, welche wir deswegen als ganz beſonders entſcheidend anſehen, weil ſie zeigt, daß der Waſſerreichthum mehrerer Quellen, welcher durch Ausrottung von Wald bedeutend geringer geworden war, fich von Neuem herſtellte, nachdem eine Wiederbewaldung ſtattgefunden hatte. Halten wir uns an die eigenen Worte Bouſſingault's: „Einer der intereſſanteſten Landſtriche Venezuela's iſt unſtreitig das Thal von Aragua. In geringer Entfernung von der Küſte gelegen, und begün⸗ ſtigt durch ein warmes Klima, und einen Boden von beiſpielloſer Frucht⸗ barkeit, vereinigt es alle Culturgewächſe, die ſich für die Tropenländer eignen; auf den Hügeln, welche in der Mitte des Thals ſich erheben, ſieht man nicht ohne Erſtaunen Felder, die an den Ackerbau Europa's erinnern. Auf den Höhen, die La Vittoria beherrſchen, gedeiht der Waizen recht gut; im Norden beſchränkt durch die Berge der Küſte, im Süden durch eine Gebirgskette von den Llanos geſchieden, findet ſich das Thal von Aragua im Oſten und Weiten durch eine Reihe Hügel begrenzt die es vollkommen ſchließen.? „In Folge dieſer eigenthümlichen Oberflächengeſtaltung führen die Flüſſe, die in ihm ihren Urſprung nehmen, ihr Waſſer nicht dem Deeane zu; ihre Gewäſſer vereinigen ſich in dem niedrigſten Theile des Thales und bilden hier in ihrer Vereinigung den ſchönen See von Tacarigua oder Valencia. Dieſer See, der nach v. Humboldt an Ausdehnung den von Neufchatel übertrifft, 558 Einfluß der Waldungen liegt 439 Meter über dem Meer; ſeine Länge beträgt ungefähr 10 Lieues, ſeine größte Breite überſteigt nicht 2½ Lieues.“ N 1 „Als Humboldt das Thal von Aragua beſuchte, waren die Bewohner f wegen der allmähligen Austrockung, welcher der See ſeit 30 Jahren entgegen⸗ ging, ſehr in Sorge. Es genügt in der That, die von den älteren Schrift⸗ ſtellern gegebenen Beſchreibungen mit feinem gegenwärtigen Zuſtande zu ver- gleichen, nachdem man einen guten Theil für die Uebertreibungen in Abzug gebracht hat, um zu erkennen, daß der Waſſerſtand beträchtlich niedriger ge⸗ worden iſt. Die Thatſachen ſprechen ſehr vernehmlich für ſich ſelbſt. Oviedo, der gegen Ende des ſechszehnten Jahrhunderts das Thal von Aragua fo oft durchwandert hatte, ſagt ganz beſtimmt, daß Neu-Valeneia im Jahre 1555 in einer halben Lieue Entfernung vom See von Tacarigua gegründet worden war; im Jahre 1800 fand Humboldt, daß die Stadt 2560 Meter von dem Geſtade des Sees entfernt lag.“ „Das Anſehen des Terrains gibt hierfür neue Belege. Hügel, welche ſich in der Ebene erheben, führen noch heute den Namen Inſeln, den ſie damals mit vollem Rechte trugen, als ſie noch vom Waſſer umgeben waren. Die durch das Zurückweichen des Sees trocken gelegten Ländereien waren in bewunderungswürdige Culturen von Baumwollenſtauden, Bananen und Zuckerrohr verwandelt. Nahe am Ufer des Sees erbaute Wohnungen ſahen dies Waſſer von Jahr zu Jahr ſich mehr entfernen. Im Jahre 1796 kamen neue Inſeln zum Vorſchein. Ein wichtiger militäriſcher Punet, eine 1740 auf der Inſel der Cabrera erbaute Feſtung befand ſich damals (1796) auf einer Halbinſel. Endlich fand Humboldt beim Beſuch zweier Inſeln aus Granit, Cura und Cabo Blanco, mitten unter Geſträuchen, bei einigen Metern Höhe über dem Niveau des Waſſers, feinen mit Helieiten vermengten Sand. So beſtimmte und unzweideutige Thatſachen mußten Seitens der Gelehrten des Landes zahlreiche Erklärungen hervorrufen, die ſich alle in der Annahme ver⸗ einigten, das Waſſer des Sees habe einen unterirdiſchen Abfluß, durch wel⸗ chen daſſelbe in den Ocean gelange. Humboldt verwarf dieſe Hypotheſen, und erklärte nach einer gründlichen Unterſuchung der Ortsverhältniſſe die fort⸗ ſchreitende Verminderung des Tacariguaſees aus dem Urbarmachen großer Strecken Landes, welches ſeit einem halben Jahrhundert in dem Thale von Aragua ſtattgefunden hat.“ N „Seit Oviedo, der wie alle Chronikenſchreiber, über die Verminderung des Sees gänzlich ſchweigt, hat der Anbau von Indigo, Zuckerrohr, Baum wolle, Cacao eine außerordentliche Ausdehnung gewonnen. Das Thal von Aragua hatte im Jahre 1800 eine fo dichte Bevölkerung, wie die beſtbevöl⸗ kerten Theile Frankreichs, und man war überraſcht, den Wohlſtand zu | erblicken, der in zahlreichen Dörfern dieſer gewerbthätigen Gegend herrſchte. | So war der gewöhnliche Zuſtand dieſes ſchönen Landes beſchaffen, als Hum⸗ boldt die Hacienda von Cura bewohnte.“ | 1 * 40 1 | \ | N | auf den Waſſerreichthum der Quellen ıc. 559 „Fünfundzwanzig Jahre ſpäter unterſuchte ich (Bouſſingault) auf meiner Reiſe das Thal von Aragua. Ich nahm meinen Aufenthalt in der kleinen Stadt Maracay. Seit mehrern Jahren hatten die Bewohner die Beobachtung ge⸗ macht, daß ſich das Waſſer des Sees nicht allein nicht mehr verminderte, ſondern ſogar ein merkliches Steigen wahrnehmen laſſe. Ländereien, unlängſt noch durch Baumwollenſtauden bepflanzt, waren unter Waſſer geſetzt. Die Inſeln von Nuevas Aparecidas, 1796 aus dem Waſſer hervorgetreten, waren von Neuem für die Schifffahrt zu gefährlichen Untiefen geworden. Die Land⸗ zunge der Cabrera, auf der Nordſeite des Thales, war ſo ſchmal, daß die kleinſte Anſchwellung des See's ſie vollſtändig überfluthete; ein anhaltender Nordweſtwind war hinreichend, um die Straße von Maracay nach Neu-Va⸗ lencia mit Waſſer zu bedecken. Die von den Uferbewohnern ſo lange gehegten Befürchtungen hatten ihre Natur verändert; es war nicht mehr die völlige Austrocknung des Sees, was mit Sorgen erfüllte. Man fragte ſich, ob dieſe Waſſer noch lange Zeit fortfahren würden, ſich des Eigenthums der Bewoh— ner zu bemächtigen; diejenigen, welche die Abnahme des Sees aus dem Vor⸗ handenſein unterirdiſcher Canäle erklärt hatten, waren genöthigt, dieſe zu ſchließen, um eine Erklärung von dem Steigen des Waſſers zu geben. „Während der bis zu dieſer Zeit verfloſſenen 22 Jahre hatten ſchwere politiſche Ereigniſſe das Land heimgeſucht; Venezuela gehört nicht mehr Spa⸗ nien. Das friedliche Thal von Aragua war der Schauplatz der blutigſten Kämpfe geweſen. Ein Krieg auf Tod und Leben hatte die lachenden Gefilde zerſtört, ihre Bevölkerung deeimirt. Beim erſten Ruf nach Unabhängigkeit fand eine große Anzahl Sclaven ihre Freiheit, unter den Fahnen der neuen Republik Dienſte nehmend. Die großen Anpflanzungen wurden verlaſſen, und der unter den Tropen ſo unaufhaltſam vordringende Wald hatte in kurzer Zeit einen Theil des Landes, welches Menſchen ihm durch eine längere, als hundertjährige und beſchwerliche Arbeit abgenommen hatten, wieder an ſich geriſſen.“ „Zur Zeit des zunehmenden Wohlſtandes des Thales von Aragua wa— ren die Hauptzuflüſſe des Sees abgeleitet, und zu Bewäſſerungsanlagen be⸗ nutzt, die Flußbette lagen länger denn ſechs Monate des Jahres über trocken 7 in der ſpätern Zeit, von der oben die Rede war, wurden ihre Waſſer nicht mehr benutzt und ihrem natürlichen Laufe überlaſſen.“ „Während der Entwicklung der landwirthſchaftlichen Gewerbe im Thale von Aragua, als die Urbarmachungen ſich vervielfältigten und der Anbau im Großen an Ausdehnung zunahm, verminderte ſich allmählig das Niveau des Sees; ſpäter, während einer unglücksſchweren, glücklicherweiſe nun überſtan⸗ denen Periode wurden die Urbarmachungen ſeltener, und die durch den An⸗ bau im Großen in Anſpruch genommenen Ländereien zum Theil dem Walde wiedergegeben; das Waſſer vermindert ſich nicht mehr und nimmt bald eine nicht mehr zweideutige ſteigende Bewegung an.“ Wir legen, wie ſchon oben bemerkt wurde, auf die vorſtehende, von > Qiuellen zeigt. Nicht blos, daß die Ergiebigkeit der fließenden Gewäſſer \ 560 1 Einfluß der Wälder ; Bouſſingault mitgetheilte Beobachtung deswegen ſo viel Gewicht, weil 5 * ebenſowohl den negativen, wie den poſitiven Einfluß der Waldungen auf nahm, als der Wald ausgerottet wurde, fie ſtellte ſich auch wieder her, nach⸗ dem der Wald ſein früheres Gebiet wieder einzunehmen anfing. * Die überwiegende Mehrzahl der Beiſpiele, welche die klimatologiſchen Schriften über den Einfluß der Waldungen auf die Quellen enthalten, be⸗ ziehen ſich blos auf den Fall, daß der Waſſerreichthum von Quellen nach er⸗ folgter Abholzung von Wäldern ſich vermindert habe, oder daß die Quellen ganz ausgeblieben ſeien. In allen dieſen Beiſpielen könnte jenes Ereigniß auch noch von andern Urſachen, als von der Waldausrottung abzuleiten ſein. Um den Einfluß des Waldes unwiderlegbar darzuthun, hätte man auch zeigen müſſen, daß die Ergiebigkeit der Quelle wieder in ihren früheren Stand zurückgetreten ſei, wie es von Bouſſingault in dem Beiſpiele vom See Taca⸗ rigua geſchehen iſt. : Nicht durch eine große Menge, ſondern durch die Richtigkeit der Bei⸗ ſpiele laſſen ſich Beweiſe führen, und die Schriftſteller, welche ſich bemüht haben, die nachtheiligen Folgen der Waldausrottung zu beweiſen, würden beſſer gethan haben, wenn fie ſich blos auf die vorhin erzählte Beobachtung Bouſ⸗ ſingaults geſtützt hätten, anſtatt durch eine große 1 unverbürgter Angaben Bedenken über die Zuverläſſigkeit der Theorie zu erwecken, deren Beweis durch jene Angaben geliefert werden ſollte. Möge man ſich, wenn es gilt, den ſo wichtigen Einfluß der Waldungen auf die Quellen zu ermitteln, inskünftige nicht darauf beſchränken, die Beobachtungen ſo aufzunehmen, wie ſie der Zufall bietet. Die Forſtwirth⸗ ſchaft gibt genug Gelegenheit, um wirkliche Verſuche anzuſtellen, bei denen man die entſcheidenden Bedingungen nach Belieben herſtellen kann. An vie⸗ len Orten Deutſchlands findet der Waldabtrieb mittelſt Kahlſchlägen ſtatt, hier ließe ſich die vorliegende Frage leicht entſcheiden, weil man nicht blos bemer⸗ ken kann, ob die Ergiebigkeit einer Quelle nach der Abholzung nachläßt, ſon⸗ dern auch, ob ſie ſich nach erfolgtem Wiederanbaue des Holzes von Neuem einſtellt. a Nan * \ ir Die von Bouſſingault mitgetheilte Beobachtung vom See Tacarigua ſcheint zu beweiſen, daß die Regenmenge durch die Ausrottung der Waldungen vermindert worden iſt; wenn man ſich aber deſſen erinnert, was unter 6 angegeben worden iſt, ſo wird man finden, daß die Abnahme des In ſtandes vom See Taearigua ſich auch noch in anderer Weile erklären läßt. Man kann ſich nämlich denken, daß ein Theil der meteoriſchen Niederjchläge 4 auf der entwaldeten Fläche von der Wärme der Sonne und vom Winde auf- gezehrt worden ſei, was bei voller Bewaldung unterblieben ſein würde. In der That führt Bouſſingault noch ein Beiſpiel an, welches zeigt, daß eine Ausrottung von Wald zwar die Ergiebigkeit der Quellen, aber nicht die jahr: ö 8 großen Naturforfi 115 auf den Waſſerreichthum der Quellen x. 561 liche Regenmenge verminderte. Folgen wir wieder den eigenen Worten jenes D das metallführende Gebirge von Marmato liegt in der Provinz Po⸗ payan, in der Mitte unermeßlicher Wälder. Das Flüßchen, an welchem die Pochwerke errichtet ſind, entſteht aus der Vereinigung mehrerer kleinen Bäche, die ihre Entſtehung auf der Hochebene von San Jorge nehmen. Die ganze Gegend oberhalb des Etabliſſements iſt ausnehmend dicht mit Wald be⸗ wachſen.“ ai ‚ „Im Jahre 1826, als ich dieſe Bergwerke zum erſten Male beſuchte, beſtand Marmato aus einigen elenden, von Negerſelaven bewohnten Hütten; 1830, als ich den Ort verließ, bot Marmato das belebteſte Anſehen dar; man ſah große Werkſtätten, eine Goldſchmelzhütte und Maſchinen, um das Erz zu zerkleinern und zu amalgamiren. Eine freie Bevölkerung von faſt 3000 See⸗ len fand ſich in verſchiedener Höhe auf dem Abhange des Gebirges. Zahl⸗ reiche Holzſchläge fanden ſtatt, ſowohl zur Erbauung der Maſchinen und Wohnungen, als zur Gewinnung von Kohlen. Um den Transport zu erleich· tern, hatten die Schläge auf den Hochebenen von San Jorge ſtattgefunden. Der Abtrieb hatte kaum zwei Jahre gedauert, als man bemerkte, daß die Waſſermaſſe, deren man für den Betrieb der Maſchinen bedurfte, fühlbar ab⸗ genommen hatte. Die Maſchinen ſelbſt hatten das Waſſer gemeſſen. Die Frage war von Gewicht, denn eine Abnahme des bewegten Waſſers zu Marmato würde ſtets von einer Abnahme an produzirtem Golde begleitet gen“ „Zu Marmato iſt es durchaus nicht wahrſcheinlich, daß ein örtliches und ſo beſchränktes Abſchlagen des Holzes auf eine ſolche Weiſe auf die me⸗ teorologiſche Beſchaffenheit der Atmoſphäre hätte einwirken können, um die jährliche Regenmenge, die auf die Gegend niederfällt, variiren zu machen. Uebrigens ſchickte man ſich in Marmato ſofort an, einen Regenmeſſer aufzu⸗ ſtellen. Obgleich die Holzſchläge fortgeſezt worden waren, ſo erhielt man doch während des zweiten Beobachtungsjahres eine größere Menge Regen, als im erſten Jahre, ohne daß man hierbei eine merkliche Zunahme der be⸗ wegenden Waſſermaſſe beobachtet hätte.“ Ä „„Ohne Zweifel find zweijährige Beobachtungen für die Beſtimmung der Regenmenge, unter den Wendekreiſen wenigſtens, genügend, um eine wirk⸗ liche Veränderung in der jährlichen Regenmenge nachzuweiſen; aber die Beo⸗ bachtungen zu Marmoto ftellen außerdem feſt, daß ſich die Maſſe des fließen⸗ den Waſſers vermindert hatte, obgleich die Regenmenge im zweiten Jahr viel bedeutender geweſen war.“ ; Die beiden Beiſpiele, welche wir nach der Autorität Bouſſingault's ange⸗ führt haben, zeigen alſo übereinſtimmend, daß die Ergiebigkeit der Quellen durch die Ausrottung der Wälder verringert wird, wenn ſie es auch unentſchie⸗ Heyer, Bodenkunde. a 36 562 Einfluß der Waldungen den laſſen oder gar unwahrſcheinlich machen, ob jene P auf einer Abnahme der jährlichen Regenmenge beruht. Bei der Mehrzahl der Deutſchen Flüſſe will man eine Abnahme 915 Waſſerſtandes gegen früher wahrgenommen haben, wie folgende, von Berghaus entworfene Zuſammenſtellung zeigt. Namen Mittlerer Waſſerſtand Di | Flüſſe 811—1820,1821—1830 018311835 Rhein 8, 9% 30] 8,9% 307 800 Meer n 3 4% 94 2 11% 89 Elbe 6 1½% 69 69% 53 5/ 10% 01 Oder 3 1% 42 3“ 1”, 69 | 2° 10% 40 Weichſel 4“ 10% 62 4 6", 28 3, 0% 36 a Memel 7“ 0% 2887 9%, 827“ 2", 31 Dieſe Verminderung des mittleren Waſſerſtandes wird gewöhnlich der Aus⸗ rottung der Wälder zugeſchrieben. Obgleich es nun keinem Zweifel unterlie⸗ gen kann, daß z. B. die Waldungen in der Schweiz durch rückſichtsloſe Fäll⸗ ungen und Unterlaſſung des Wiederanbaues im Laufe dieſes Jahrhunderts außerordentlich gelitten haben, ſo wagen wir doch nicht, uns mit Beſtimmt⸗ heit dafür zu entſcheiden, daß der niedere Waſſerſtand des Rheins von einer Verminderung der jährlichen Regenmenge herrühre. Er kann auch noch auf andern Urſachen beruhen. a Die Pegelhöhe bildet nur dann einen richtigen Ausdruck für die Waſ⸗ ſermenge eines Fluſſes, wenn die Ufer hoch genug find, um ein Austreten des Waſſers zu verhindern. Hat aber der Fluß einmal ſeine Ufer überſchrit⸗ ten, ſo läßt ſich nach dem Stande des Pegels nicht beurtheilen, welche Waſſer⸗ menge der Fluß mit ſich führt, weil jetzt die Baſis, auf welcher das Waſſer ſich bewegt, größer geworden iſt. Denken wir uns nun, die Ausrottung der Wälder habe nichts anderes bewirkt, als daß das Meteorwaſſer ſchneller in die Flüſſe hineingelangt, ſo werden von Zeit zu Zeit Ueberſchwemmungen entſtehen, dann aber ein verhältnißmäßig niederer Waſſerſtand eintreten. Der für die Dauer eines Jahres berechnete mittlere Waſſerſtand wird nz „ohne daß der Waſſerreichthum des Fluſſes abgenommen hat. Die Geſchwindigkeit, mit welcher das Waſſer in dem Bette eines Fluſſes ſich fortbewegt, hängt von der Rauhigkeit der Uferwände und des Grundes, ganz beſonders aber von der Neigung des letzteren gegen die Horizontale ab. Bezeichnet k den Neigungswinkel, jo iſt gsin. das relative Gewicht, welches die Fallbeſchleunigung bewirkt. Da der Sinus mit dem Winkel wächſt, To auf den Waſſerreichthum der Quellen nc. 563 fällt alſo ein Körper auf einer ſchiefen Ebene um ſo ſchneller abwärts, je grö⸗ ßer der Neigungswinkel @ iſt. Denken wir uns nun, es ſei ab (Fig. 184) Fig. 184. die urſprüngliche Lage des Flußbet⸗ tes, ac deute die Erhöhung an, welche daſſelbe durch eine von dem Urſprung des Fluſſes ausgehende Verſandung erfahren habe, ſo wird, weil jetzt der Neigungswinkel a grö⸗ ßer, als a iſt, das Waſſer ſchneller fließen und eine gegebene Waſſer⸗ maſſe m ſich raſcher über die Linie a e vertheilen, demnach die Waſſerhöhe ſinken. Es kann alſo unter Umſtänden blos die Verſandung des Flußbettes eine Erniedrigung des Waſſerſtandes bewirken, ohne daß der Waſſerreichthum des Fluſſes ſich vermindert hat. Zu allem Dieſem kommt noch, daß man gar nicht mit Beſtimmtheit weiß, ob in den Fluß⸗ und Quellengebieten der Elbe, Oder, Weſer, Weich⸗ ſel ꝛe. Waldausrottungen ſtattgefunden haben. | Wie oben gezeigt wurde, tragen die Waldungen zur Unterhaltung der Quellen hauptſächlich dadurch bei, daß ſie, namentlich in geneigten Lagen, das raſche Abfließen der niedergefallenen Meteorwaſſer, ſowie die Verdunſtung derſelben verhindern. Wo der Boden nicht abhängig und die Wärme gering iſt, da wird die Ausrottung der Wälder keinen nachtheiligen Einfluß auf die Quellen äußern. Dieſer Fall tritt auf den Plateau's der Hochgebirge ein. Hier beſitzt der Boden, auch ohne die Waldungen, eine ſchützende Decke durch die Sumpfmooſe (vorzüglich aus den Gattungen Sphagnum und Splachnum), welche das Regen- und Schneewaſſer aufnehmen, und die Verdunſtung iſt durch eine niedere Temperatur gehemmt. Unter den angegebenen Verhältniſſen ſehen wir denn auch, daß die Waldungen nicht allein die Anſammlung der Bodenfeuchtigkeit nicht begünſtigen, ſondern ſogar das Entſtehen von Ver⸗ ſumpfungen hindern. Es wird nämlich an ſolchen Orten die Verdunſtung weniger von der Temperatur (weil dieſe an und für ſich gering iſt), als viel⸗ mehr vom Luftzug, insbeſondere aber davon abhängen, daß das Waſſer über eine größere Fläche vertheilt iſt. Hier wird alſo das Waſſer ſchneller verdun⸗ ſten, wenn es an den Blättern ꝛc. der Bäume haftet, als wenn es auf dem Boden ſich befindet. Entſcheidende Beobachtungen über Sumpfbildung unter dem Schirm der Bäume liegen aus dem Schwarzwalde vor. Nicht weit von Wildbad und noch an einigen andern Orten des Würtem⸗ bergiſchen und Badiſchen Schwarzwaldes hat man bemerkt, daß nach dem Fällen der Tannen und Fichten ſogleich ein kleiner Sumpf entſteht. Pflanzt man einen neuen Baum auf die Stelle, ſo verſchwindet der Sumpf wieder 36 * © * 564 Einfluß der Waldungen Man hat geglaubt, dieſe Erſcheinung durch die Verdunſtung der Bäume er⸗ klären zu können; dies kann aber nicht richtig ſein, denn in der Ebene findet das Gegentheil ſtatt; hier entfernt man die Sümpfe in den Waldungen, in⸗ dem man die Bäume niederſchlägt. In den zur Oberförſterei Gießen geh: renden Waldungen gibt es Schneißen, auf welchen das Gras ſelbſt mitten im Sommer feucht iſt, und nur dann abtrocknet, wenn die angrenzenden Be⸗ ſtände gefällt werden. Die oben angeführte Eiſcheinung im Schwarzwalde erklärt ſich wohl richtiger, wenn man annimmt, daß die Bäume das Regen⸗ waſſer auffangen und nicht ſo ſchnell zum Boden gelangen laſſen. Es ver⸗ theilt ſich hier auf eine größere Oberfläche und kann ſo eher verdunſten. Iſt dagegen kein Baum vorhanden, ſo wird es ſogleich von dem Boden, insbeſ. von den Sumpfmooſen, welche ſich alsbald nach dem Abtrieb des Waldes erzeugen, aufgenommen und verdunſtet nun wegen der kleineren Oberfläche viel langſamer. Alles dieſes findet aber nur an ſolchen Orten ſtatt, wo die Verdunſtung an und für ſich durch eine niedere Temperatur der Luft erſchwert ift, alſo im Hochgebirge. Hier wird man daher durch Abtrieb der Fichten⸗ und Tannenwaldungen unter Umſtänden die Nachhaltigkeit und Ergiebigkeit der Quellen nicht ſtören können. Die lichtkronigen Holzarten, z. B. Kiefern, Lär⸗ chen ꝛc. gewähren nicht in dem Maße Schutz gegen die Verſumpfungen, wie die bis zum Boden herab beaſteten Fichten und Tannen. b In ſolchen Gebirgen, welche keine Sümpfe enthalten, oder wo der Bo⸗ den, wenn er blosgelegt worden iſt, ſich nicht ſogleich mit Torfmooſen be⸗ deckt, hat der Waldabtrieb ſtets zur Folge, daß die niedergefallenen meteoriſchen Niederſchläge raſch abfließen und dadurch oft Ueberſchwemmungen in den Thä⸗ lern und in der Ebene hervorrufen. Am auffallendſten hat ſich dies in Frank⸗ reich gezeigt, nachdem 1789 in der Assemblée constituante und 1793 durch den Convent der Verkauf eines großen Theils der Staatswaldungen und die Theilung der Gemeindewaldungen deeretirt worden war. Um das durch den Ankauf verausgabte Geld ſo ſchnell als möglich wieder zu erlangen, hieb man die Waldungen rückſichtslos nieder, oft blos in der Abſicht, um das Holz zu verbrennen und die Aſche zu verwerthen. Die Folgen der Entwaldung zeig⸗ ten ſich ſehr bald. Napoleon ließ als erſter Conſul durch den Minifter des Innern die Berichte der Präfecten hierüber einholen. Aus allen Departe⸗ menten liefen Klagen ein. Man wollte gefunden haben, daß die Bäche und Flüſſe bald trocken lagen, bald in die furchtbarſten Ueberſchwemmungen ausarteten, daß die Erde von den Gebirgen abgeſchwemmt werde, daß die Flüſſe durch Geſchiebe verſtopft würden 2c. Namentlich hatte man die Bildung der ſog. Gießbäche (torrents) beobachtet, welche man früher kaum kannte. Dieſe Gieß⸗ bäche erzeugten ſich in den Hohlriſſen zwiſchen den Thälern aus dem Regen⸗ und Schneewaſſer, welches jetzt nicht mehr allmählig in den Boden eindringen, ſondern raſch abfließen mußte. Am verderblichſten zeigte ſich die Wirkung der Gießbäche in Alpen⸗Departements; hier wurde die Ackerkrume ganzer Flu⸗ auf die Lawinen. 565 ren durch die Fluthen abgeſchwemmt und an ihre Stelle ein Haufwerk von Geſteinsbrocken gebracht, welche die Agricultur unmöglich machten. * Sordiez, Präfect von dem Departement Baſſes⸗Pyrénses, berichtete im Jahr 1804 an die Franzöſiſche Regierung: „die Berge nehmen, ſeitdem ſie ihrer Waldungen beraubt ſind, kein Waſſer mehr auf, es gleitet über die nackte Oberfläche hin und wühlt ſie auf, vereinigt ſich in großen Maſſen und richtet die größten Verwüſtungen an.“ De Barante, Präfect vom Aude⸗Departement, ſchreibt: „die Rhone führt ungeheure Maſſen von Erde mit ſich, welche ſie abſetzt. Die dem Pflug geöffneten Berge werden bald nur noch nackte, unfruchtbare Felſen aufzuweiſen haben; jede Furche iſt ein Graben geworden; die Dammerde wird durch die ſtarken Regen in die Flüſſe geführt, lagert ſich in den unteren Parthien derſelben ab und bewirkt dadurch Verſumpfungen.“ Sauſſay, Präfect vom Departement Mont⸗Blanc, ſchreibt: „das Geſetz vom 10. Febr. 1793 über die Theilung der Gemeindegüter, hat die Waldungen devaſtirt; daher rührt die Häufigkeit der Erdſtürze und der Gießbäche.“ Jerphanion, Präfect vom Departement Lozére, ſchreibt: „durch den Abtrieb der Gemeindewaldungen wird die Erde an den Abhän⸗ gen der Gebirge von dem Regenwaſſer weggeſchwemmt; die Gießbäche rich⸗ ten jedes Jahr die größten Verheerungen in den Cevennen an.“ Fauchet, Präfect vom Departement Var, ſchreibt: „Wenn der Regen auf die von Gewächſen entblöſten Abhänge niederſtürzt, ſo entſtehen Gießbäche. Die Flüſſe und Bäche bilden, indem fie über ihre Ufer treten, Moräſte.“ De Bonnaire, Präfect vom Departement Hautes⸗Alpes, ſchreibt: „die Gießbäche furchen die Seiten der Gebirge, bei dem geringſten Gewitter wachſen ſie an, reißen Felſen mit ſich fort und verwüſten Alles; ſie bedrohen die Städte und Dörfer und bedecken ihre Umgebungen mit Trümmern. Der größere Theil der Berge war vor noch nicht langer Zeit mit ſchönen Waldungen bedeckt, jetzt zeigen die nackten Gipfel nur noch unwirthbare Felſen. Ueberall hat man die Abhänge der Berge entwaldet, tiefe Graben durchfurchen ſie; die Gießbäche ſtürzen ſich wüthend an ihnen herab, nehmen die obere Erde mit ſich, bilden Ueberſchwemmungen in den Thälern und füllen dieſe mit Schutt an.“ Desgoutes, Präfect vom Departement der Vogeſen, ſchreibt: „die Ueberſchwemmungen ſind häufiger, als jemals, die Maas tritt oft über ihre U © Einfluß der Waldungen auf die Lawinen. Nach Kaſthofer entſtehen die Lawinen niemals durch Zuſammenrollen, ſondern durch das Abrutſchen des Schnee's. Er unterſcheidet folgende Arten von Lawinen: a. Staublawinen; fie bilden ſich, wenn die Schneemaſſe an einem Bergabhang zu rutſchen bett und in Staub auffliegt. 566 Einfluß der Waldungen 6. Grundlawinen. Die Maſſe zerſtiebt nicht in der Luft, ſondern rutſcht geſchloſſen vorwärts. N Bi „„ v. Gletſcherlawinen. Sie beſtehen aus geborſtenen Gletſcherfrag⸗ menten. d. Rutſchlawinen oder Suoggiſchnee, wenn die Schneedecke auf weniger ſchiefem Boden nicht zum Fallen oder Losreißen kommt, ſondern langſam über die Erde rutſcht und hinter jedem Gegenſtand, welcher der bewegten Maſſe widerſteht, ſich anhäuft, bis er dem Druck weicht, oder der Schnee ſich an ihm theilt. Wenn eine Lawine ſich bilden ion, jo ift durchalis erforderlich, daß der Boden keine Unebenheit enthalte, denn ſonſt kann der Schnee nicht zum Rut⸗ ſchen kommen. Das vorzüglichſte Mittel, um die Entſtehung der Lawinen zu verhindern, beſteht alſo darin, daß man dem Boden künſtlich Unebenheiten ver⸗ ſchafft. Hierzu eignet ſich beſonders der Wald. Man muß ihn aber mit dem Fe⸗ melbetrieb bewirthſchaften, damit die Fläche fortwährend beſtockt ſei. Zu dieſer Betriebsart eignen ſich nur die ſchattenertragenden Hölzer, alſo namentlich die Tanne und Fichte (die Buche kommt in den Hochlagen, wo die Lawinen ſich bilden, gewöhnlich nicht mehr fort). Auch der Niederwaldbetrieb würde ganz gut den obigen Zweck erfüllen, wenn nur die Eiche, welche allein zu Schlag⸗ holz auf die Dauer taugt, im Hochgebirge fortzubringen wäre. f In den Alpen gibt es Waldungen, welche man nur zum Schutze gegen die Lawinen hält, und bei deren Bewirthſchaftung die Holznutzung eine ganz untergeordnete Rolle ſpielt. Man nennt ſie Bannwaldungen. Nach Kaſthofer iſt die Anſicht als ob die Wälder die bereits im Rut⸗ ſchen begriffenen Lawinen aufhalten könnten, eine irrige. Selbſt der ſtärkſte Wald ſoll dem Drucke des in der Bewegung begriffenen Schnee's nicht zu widerſtehen vermögen. Die Bannwaldungen könnten ſomit nur dazu dienen, um die Bildung der Lawinen zu verhindern. 4. Einfluß der Waldungen auf die Winde. Wenn Hügel und Berge die Fähigkeit beſitzen, die Winde abzuhalten, oder deren Ungeſtüm zu brechen, ſo müſſen die Waldungen, namentlich ſolche, welche mit dem Hochwaldbetrieb bewirthſchaftet werden, eine ähnliche Wir⸗ kung zu äußern vermögen. Sie bieten durch ihre Höhe ein natürliches Hin⸗ derniß für das Fortſchreiten der Winde dar, und verlangſamen die Bewegung noch durch die Reibung, welche zwiſchen den Bäumen, insbeſondere den äfti- gen Baumkronen, und der Luft ftattfindet. Ob nun die Wälder durch diefe Eigenſchaften einen günſtigen oder un⸗ günſtigen Einfluß auf das Klima äußern ſollen, hängt ganz von der Natur der Winde ab, deren Lauf ſie hemmen. Im Süden wird ein gegen die hei⸗ auf die Winde. 567 ßen Winde vorgeſchobener Wald wohlthätig für die Gegend ſein, welche un⸗ mittelbar hinter dem Winde liegt, während man in höheren Breiten es gerne ſieht, wenn der Wald die rauhen nördlichen Winde abhält. i | Es fehlt nicht an Beobachtungen, welche zeigen, daß die Waldungen einen merklichen Einfluß auf den Zug der Winde ausüben. Am deutlichſten trat derſelbe in Frankreich hervor, nachdem die Staatswaldungen verkauft, viele Gemeindewaldungen getheilt und in Folge dieſer beiden Umſtände viele Wälder ausgeſtockt worden waren. Es erfroren durch das ungehinderte We; hen des Nordwindes eine ungeheure Zahl Olivenbäume, ſo daß jetzt im ſüd⸗ lichen Frankreich bei weitem nicht mehr ſoviel Oliven gewonnen werden kön⸗ nen, als dies vor der Revolution der Fall war. Auch jetzt iſt der Anbau des Oelbaums in jenen Gegenden, wo man keine Sorge für die Winterbewaldung getragen hat, mit großen Schwierigkeiten verbunden. | In Deutſchland hat man an vielen Orten beobachtet, daß das Obſt nicht mehr gerieth, wenn ein Wald niedergeſchlagen wurde, der die rauhen Nordwinde abgehalten hatte. Um wenigſtens ein Beiſpiel zu geben, nennen wir das Dorf Büchenbrunn im Schwarzwald, welches früher durch die Obſt⸗ eultur ausgezeichnet war, wo aber das Obſt ſogleich zu mißrathen anfing, nachdem man einen Kahlhieb vorgenommen hatte. Wahrſcheinlich wird der Mißſtand wieder ſchwinden, wenn das junge Holz heranzuwachſen beginnt. In Amerika ſollen die Oſt⸗ und Nordoſtwinde immer weiter vordringen, je mehr das Land von Wäldern entblöſt wird, während die einſt ſehr über⸗ wiegenden Weſtwinde in gleichem Verhältniſſe abnehmen. Vor 50 Jahren, jagt Williams in ſeiner Hiſtory of Vermont, weheten die Oſtwinde kaum 10— 13 Franz. Meilen landeinwärts; jetzt ſpürt man ſie im Frühlinge oft in 20, und in Vermont ſelbſt in 27 Meilen Entfernung von der Küſte (Bronn). Auffallend iſt es, wie die Waldungen dadurch, daß ſie gewiſſe Luftſtrö⸗ mungen abhalten, auf den Geſundheitszuſtand der Bewohner von manchen Gegenden einwirken. So nimmt man an, daß die Ausdünſtungen der Pon⸗ tiniſchen Sümpfe ihre Schädlichkeit verlieren, wenn ſie einen Wald paſſirt haben, während die Mangle⸗Waldungen in den Niederungen der Oſtküſte von Südamerika das Auftreten der Fieber dadurch begünſtigen ſollen, daß ſie den Luftzug hemmen, der die feuchten Schichten der Atmoſphäre über den Süm⸗ pfen entfernen könnte. Man ſchlägt die Waldungen in dieſen Gegenden nie⸗ der, um letztere bewohnbar zu machen. f Wie die Wälder die Verbreitung des Flugſandes hindern können, iſt früher bereits erwähnt worden. —— — ha Ra ie a hr © ae Hi j * * 4 24 * 1 \ * Br ö IE 2 CR ’ 4 ene Kr € Kia Det, N F h ir 7 N 1 1 52 iM I, 2 5 ‚ri „ 70 ti? 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