Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from Open Knowledge Commons (for the Medical Heritage Library project) http://www.archive.org/details/lehrbuchderhistoOObh LEHRBUCH DEE HISTOLOGIE DES MENSCHEN EINSCHLIESSLICH DEE MIKROSKOPISCHEN TECHNIK. LEHRBUCH DER HISTOLOGIE DES MENSCHEN EINSCHLIESSLICH DER MIKROSKOPISCHEN TECHNIK VON A. A. BQHM ÜND M. von DAVIDOFF PROSEKTOR VORMALS ASSISTEXT AM ANATOMISCHEN"" INSTITUT ZU MÜNCHEN. MIT 246 ABBILDUNGEN. WIESBADEN VERLAG VON J. F. B E R G M A N N 1895. fo3-2- Das Recht der Uebersetzung bleibt vorbehalten. Druck der Königl. UniversitUtsdruckerei von EL Stürtz in Würzburg. IHREM LEHRER HERRN Professor C. von Kupffer DIE DANKBAREN AUTOREN. Vorwort. Beim Verfassen des vorliegenden Lehrbuches hatten wir die Absicht, die Vorlesungen und Kurse der Histologie, wie sie in München den Studirenden geboten werden, inhaltlich wiederzugeben und zwar sowohl nach der theoretischen wie technischen Seite. Bei dieser Arbeit sind wir von Herrn Professor von Kupffer fortlaufend in sachlicher wie formeller Hinsicht unterstützt worden und sagen demselben dafür auch an dieser Stelle unseren Dank. Die Abbildungen sind grösstentheils nach Präparaten der Samm- lung des hiesigen histologischen Laboratoriums entworfen worden. Für andere Präparate, die wir dazu benutzen durften, sind wir den Herren Privatdozenten Dr. J. A. Amann, Dr. H. F. Müller, Pro- fessor Dr. N. Rüdinger sowie Dr. A. Scheibe zu Dank verpflichtet. Wir haben es für richtig gehalten, bestehende Kontroversen nicht zu verschleiern und dem Anfänger nichts als sicheres Wissen zu bieten, was noch künftiger Entscheidung harrt. Herrn Dr. L. Neumayer danken wir für die hebenswürdige Anfertigung der beiden Register. Der Herr Verleger hat uns durchweg das grösste Entgegen- kommen gezeigt. Ihm sei daher für seine Generosität unser letzter, aber nicht geringster Dank ausgesprochen. München, Oktober 1894. A. A. Böhm. M. v. Davidoff. Inhaltsverzeiehniss. Seite Einführung in die mikroskopische Technik. I. Das Mikroskop 1 II. Das mikroskopische Präparat 5 A. Fixirungsmethoden 7 B. Durchtränkung und Einbettung 10 1. Das Paraffin 10 2. Das Celloidin 13 3. Das Celloidin-Paraffin 14 C. Das Mikrotom und das Schneiden 15 D. Die weitere Behandlung des Schnittes 20 1. Paraffinbefreiung und Aufkleben 20 2. Die Färbuug ■ 22 a) Scbnittfärbungen 22 b) Stückfärbungen 27 E. Anfertigung von Dauerpräparaten 29 F. Anleitung zum Injektionsverfahren 32 Allgemeiner Theil. I. Die Zelle 35 A. Der Zellkörper 35 B. Der Kern 38 C. Kern- und Zelltheilung 40 1. Die Mitose 41 \l< Inhaltsverzeichniss. Seite a) Verhalten des Chromatins 41 b) Verhalten des Achromatins 41 c) Verhalten des Zellleibes 43 d) Phasen der mitotischen Kerntheilung 43 e) Die heterotypische Form der Kerntheilung 45 2. Die Amitose 46 D. Befruchtungsvorgang 46 E. Chromatolyse 50 Technisches über die Zelle ... 50 II. Die Gewebe 56 A. Epithelien 58 1. Einschichtige Epithelien 59 a) Das Plattenepithel 59 b) Kubisches Epithel 60 c) Cylinderepithel 60 d) Mehrzelliges Epithel 60 2. Mehrschichtige Epithelien 61 a) Mehrschichtiges Plattenepithel 61 b) Mehrschichtiges Cylinderepithel 62 3. Drüsenepithel 62 a) Die Drüsenzelle 62 b) Allgemeines über den Bau und die Eintheilung der Drüsen . 64 c) Bemerkungen über den Sektionsvorgang 66 Technisches über Epithelgewebe 66 B. Die Bindesubstanzen 68 1. Retikuläres Bindegewebe 71 2. Gallertgewebe 72 3. Faseriges Bindegewebe 72 4. Elastisches Gewebe 73 5. Fettgewebe 74 6. Knorpel 75 7. Knochen 78 a) Bau des ausgebildeten Knochens 78 b) Knocheuentwickelung 83 Technisches über Bindesubstanzen 88 C. Das Muskelgewebe 96 1. Glatte Muskelzellen % 2. Quergestreifte Muskelfasern 97 Inhaltsverzeichniss. XI Seite a) Bau derselben 97 b) Neubildung und Untergang der Fasern 101 c) Herzmuskelzellen 102 Technisches über Muskelgewebe 103 D. Das Nervengewebe 105 1. Die Nervenzelle 105 2. Die Nervenfaser 109 3. Die Telodendrien der Nervenfasern an den Muskeln ... 114 Technisches über das Nervengewebe 116 Spezieller Theil. I. Blut und blutbildende Organe 121 A. Blut und Lymphe 121 1. Allgemeines über Blutbildung 121 2. Rothe Blutkörperchen 122 3. Weisse Blutkörperchen und Lymphocyten . . . . . . 126 4. Blutplättchen und Blutplasma . 128 5. Verhalten der Blutzellen im strömenden Blute 129 B. Lymphoides Gewebe. Lymphknoten und Lymphdrüsen . 130 C. Die Milz 133 D. Das Knochenmark 137 E. Die Thymus 140 Technisches über Blut und blutbildende Organe ... 141 II. Yerdauungsorgane 150 A. Die Mundhöhle 151 1. Zähne 153 a) Bau des fertigen Zahnes 153 b) Entwickelung der Zähne 156 2. Die Zunge 160 a) Die Schleimhaut und ihre Papillen 160 b) Die Geschmacksknospen oder Schmeckbecher 162 c) Die Zungenbälge und Tonsillen 16-4 3. Drüsen der Mundhöhle 165 a) Grosse Drüsen 166 a) Glandula parotis (seröse Drüse) 166 XII Inhaltsverzeichniss. Seite (j) Glandula subungualis (Schleimdrüse) 166 Y) Glandula subniaxillaris (gemischte Drüse) 169 b) Kleine Drüsen 169 B. Pharynx und Oesophagus 170 C. Magen und Darm 172 1. Bau der Schleimhaut im Allgemeinen .172 2. Magen 175 3. Dünndarm 181 4. Dickdarm, Mastdarm und Anus 189 5. Bemerkungen über die Sekretion und Fettresorption im Darme 191 D. Leber 192 E. Das Pankreas 200 Technisches zur Behandlung der Verdauungsorgane . . 203 III. Respirationsorgane 210 A. Kehlkopf 210 B. Trachea 211 C. Bronchen und Bronchiolen 212 D. Respiratorische Bronchiolen , Alveolargänge, Trichter 214 E. Glandula Thyreoidea 216 Technisches über Respirationsorgane 217 IV. Harn- und Geschlechtsorgane 218 A. Harnorgane 218 1. Die Niere 218 2. Ausfuhrwege der Niere 229 B. Die Nebenniere 231 Technisches über die Harnorgane und die Nebenniere . 232 C. Weibliche Geschlechtsorgane 234 1. Das Ei 234 2. Ovarium 234 3. Tuba, Uterus, Vagina 242 D. Männliche Geschlechtsorgane 247 1. Das Spermatozoon (Spermatosom) 247 2. Der Hode 248 3. Ausfuhrwege des Hodens 252 4. Spermatogenese 254 Technisches über die Geschlechtsorgane 259 Inhaltsverzeichniss. XIII Seite Y. Gefäss System 261 A. Blutgefässsystem 261 1. Das Herz 261 2. Arterien 263 3. Venen ... 265 4. Die Kapillaren 266 5. Anastomosen, Wundernetze, Sinuse 267 B. Lymphgefässsystem 268 1. Lymphgefässstämme 268 2. Lymphkapillaren, Lymphräume und seröse Höhlen . . . 268 C. Glandula carotica 270 Technisches über die Gefäss« 271 TL Das Centralnervensystem 272 A. Das Rückenmark 272 B. Die Kleinhirnrinde 277 C. Die Grosshirnrinde 281 D. Lobus olfactorius 284 E. Die Ganglien 286 F. Schematische Uebersicht über die Beziehungen der Xeuren zu einander im Central nervensystem 287 G. DielSTeuroglia 289 H. Die Hüllen des Centralnervensystems 291 I. Blutgefässe des Centralnervensystems 293 Technisches über das Centralnervensystem 294 YII. Die äussere Haut und ihre Derivate 301 A. Die Haut im Allgemeinen 301 1. Gefässe der Haut 307 2. Nerven der Haut .' 308 B. Haare 311 C. Nägel ■ 316 D. Drüsen der Haut 318 1. Schweissdrüsen 318 2. Talgdrüsen 319 3. Die Milchdrüse 320 Technik zur Behandlung der Haut 322 XIV Inhaltsverzeiclmiss. Seite VIII. Das Auge 32G A. Allgemeines über das Auge 326 B. Anlage des Auges 327 C. Tunica fibrosa 328 1. Die Sklera 328 2. Die Hornhaut 329 D. Tunica vasculosa 332 1. Die Chorioidea 332 2. Die Iris 335 E. D i e T u n i e a i u t e r n a B u 1 b i 336 1. Die Membrana pigmenti 336 2. Die Retina im Allgemeinen 336 3. Region der Papilla nervi optici 339 4. Region der Macula lutea 340 5. Ora serrata, Pars ciliaris retinae und Pars iridica membranae pigmenti 341 i\ Die Müller'schen Fasern der Retina 341 7. Zusammenhang der Elemente in der Retina 342 8. N. opticus 345 9. Gefässe des N. opticus und der Retina 345 F. Der Glaskörper 347 G. Fötale Gefässe des Auges 348 H. Die Linse 348 I. Schutzorgane des Auges 349 1. Die Lider und die Konjunktiva 349 2. Thränenorgane 352 Technisches über das Auge 352 IX. Das Gehörorgan 355 A. Das äussere Ohr 355 B. Das mittlere Ohr 356 C. Das innere Ohr 357 1. Utriculus und Sacculus 358 2. Die Bogengänge 359 3. Die Schnecke 360 a) Das Corti'sche Organ 364 )> Nerven und Gefässe der Schnecke 369 Inhaltsverzeichnis«. XV Seite 4. Einiges über die Entwickelung des Labyrinthes .... 371 Technisches über die Behandlung des Gehörorgans . . 371 X. Die Xase 373 Technisches über die Behandlung der Xase .... 374 XL xlllgemeine Betrachtungen über die Sinnesorgane 375 Litteratur-Verzeichniss 377 Autoren-Register 393 Sach-Register . . . 395 Einführung in die mikroskopische Technik. I. Das Mikroskop. 1. Zur Untersuchung histologischer Objekte bedient man sich des Mikro- skops, das mit Hilfe seiner optischen xApparate die Objekte vergrössert. Hierbei genügen „einfache" Mikroskope, die man auch Loupen nennt, nicht; man muss seine Zuflucht zu einem „zusammengesetzten" Mikroskope nehmen, das eine Kombination von mehreren Linsensystemen enthält. Je nach Bedarf kann man diese Systeme wechseln und dadurch die durch das Mikroskop gelieferten Vergrösserungen des Bildes ändern. Der übrige Theil des Instrumentes besteht aus einem fest zusammengefügten Apparate, den man im Grossen und Ganzen als Stativ bezeichnet: Unten ruht das letztere auf einem Fuss, der fest auf dem Mikroskopirtisch stehen muss; an dem Fusse ist die Säule und an der letzteren die übrigen Theile des Mikroskopes befestigt, die von unten nach oben gezählt, 1. aus einem beweglichen Spiegel, 2. aus einem Objekt tisch und 3. aus dem Tubus bestehen. Die eine Seite der Spiegelplatte ist meist konkav und dient dazu, die Lichtstrahlen gegen eine sich im Objekttische befindliche Öefihung zu konzentriren; ein an der anderen Seite der Spiegelplatte angebrachter Planspiegel wird seltener verwendet. "Will man Objekte bei auffallendem Licht beobachten, so stellt man den Spiegel derart, dass die reflektirten Strahlen nicht in die Oeffhung des Objekttisches fallen, oder versperrt diese Oeffhung durch eine „Blende" (s. unten). 2. Auf dem Objekttische, über der erwähnten Oeffhung, befindet sich das zu betrachtende Objekt. Ist dasselbe viel kleiner wie die Oeffhung, so kann man die letztere durch Blendvorrichtungen verkleinern. Bei den neueren Instrumenten sind diese Blenden entweder durchlöcherte Scheiben, welche man in die Oeffhung des Objekttisches einfach einsetzt, oder es ist eine grössere mit mehreren Löchern von verschiedenen Kalibern versehene Scheibe, welche an der Unterfläche des Objekttisches derart befestigt ist, Böhm-v. Davidoff , Histologie. 1 Irisblende. dass durch eine Drehung derselben ihre Oeffnungen in die Mitte der Objekt- tischöffnung nacheinander gebracht und beliebig gewechselt werden können. Mikrometer ■ schraube Säule Fuss Okular Tubus Hülse Objektiv Objekttisch Blende Spiegel Fig. 1. Mikroskop von E. Leitz in "Wetzlar. Stativ III. Eine Blende anderer Konstruktion ist die sogenannte Irisblende. Sie bietet keine genauen Kreise, ist aber insofern sehr bequem, als ihre Oeffnung Objektivsysteme. durch über einander greifende gekrümmte Blechplatten, vermittelst eines Handgriffes leicht weiter oder enger gemacht werden kann. 3. Der Tubus befindet sich in einer Hülse, welche an der Säule des Mikroskops befestigt ist. In der Hülse muss der Tubus bei einfacheren Mikroskopen mit der Hand gesenkt, gehoben und gedreht werden; bei den komplizirteren Instrumenten wird seine HebuDg und Senkung durch Zahn und Trieb bewerkstelligt. Vermittelst einer Mikrometerschraube, die am oberen oder am unteren Ende der Säule angebracht ist, kann der den Tubus tragende Hebel etwas gesenkt und gehoben werden. Der Tubus selbst besitzt eine obere und untere Oeffnung, welche zum Anschrauben oder zum Einlegen der optischen Apparate dienen. 4. In die obere Oeffnung wird das Okular eingefügt, eine Röhre deren Enden mit Linsen versehen sind: die obere, dem Auge zugekehrte, nennt man die Okularlinse, die untere die Kollektivlinse. Die untere Oeffnung des Tubus dient zum Anschrauben des Objektivsystems und dieses ist eine Kombination von mehreren Linsen, von welchen die dem Objekt zugekehrte kleinste Linse als Frontlinse benannt wird. 5. Jedes grössere Instrument besitzt mehrere Okulare und mehrere Objektivsysteme, welche beide verschiedene Vergrösserungen liefern und je nach Bedarf verschieden kombinirt werden können. Für die meisten Objekte reicht eine Vergrösserung bis zu 500 Mal aus. Um diese Vergrösserung zu er- reichen und dabei ein helles und deutliches Bild zu erhalten, genügen ge- wöhnliche Linsen nicht: je stärker das Bild vergrössert wird, um so dunkler erscheint dasselbe. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat man Beleuch- tungsapparate konstruirt, welche die Lichtstärke durch Konzentration der Strahlen bedeutend vermehren und für feine Untersuchung unentbehrlich sind. 6. Aber selbst bei Zuhilfenahme dieses Apparates reichen die „Trocken- systeme" nicht aus; bei ihnen muss der Lichtstrahl verschiedene Medien von verschiedenem Brechungsvermögen passiren : die Strahlen gehen vom Objekte durch das Deckgläschen, dann durch die zwischen dem letzteren und dem Objektivsystem befindliche Luft; hierbei werden sie in verschiedener "Weise abgelenkt, — Fehler, welche dadurch ausgeglichen werden könnten, dass man den Lichtstrahl nur durch ein einziges Medium gehen liesse. Diesem Uebel- stande konnte zum Theil dadurch abgeholfen werden, dass man zwischen Frontlinse des Objektsystems und dem Deckglase einen Tropfen Flüssigkeit setzte, welche annähernd dasselbe optische Verhalten wie das Glas hatte. Die Linse wurde dann in diese Flüssigkeit eingetaucht. Da diese Erfindung sich bewährte, so ist in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Tauch - oder Immersionslinsen angefertigt worden. 7. Wir haben also zwei Arten von Linsensystemen zu unterscheiden: 1. Trockenlinsen und 2. Tauch- oder Immersionslinsen. Die letzteren zerfallen wieder in zwei Gruppen: in Linsen mit Wasserimmersion und in 1* Das mikroskopische Sehen. solche mit Oelimmersion. Das zu diesem Zwecke verwendete Oel leistet vermöge seines hohen Brechungs Vermögens bessere Dienste, als das W asser, so dass zur Zeit die Oellinsen überhaupt die besten Objektive sind, die wir besitzen — sie werden als homogene Immersionssysteme bezeichnet. In den letzten Jahren hat Karl Zeiss in Jena Oellinsen aus einer besonderen Glassorte angefertigt, welche es ermöglicht, die sogenannte chromatische Aberation der durch die Linsen gehenden Lichtstrahlen fast gänzlich zu beseitigen (Apochromate). 8. Die vom Spiegel reflektirten, durch das Objekt gehenden Licht- strahlen werden durch das Objektivsystem in der Weise gebrochen, dass sie, ungefähr in der Mitte der Tubuslänge das sogenannte Luftbild entwerfen, das wie man sich ausdrückt, ein umgekehrtes ist: die rechte Seite des Gesichtsfeldes befindet sich im Luftbilde links, die obere unten; das Bild ist also einfach um 180° gedreht. Durch das Okular wird das Luft- bild abermals vergrössert, aber nicht mehr umgekehrt, so dass dem Auge das Gesichtsfeld sich thatsächlich als ein umgekehrtes darbietet. Zur Be- seitigung der Seitenstrahlen, die nur diffuse Bilder geben, sind sowohl im Tubus wie im Okular an passenden Stellen Diaphragmen (Blenden) an- gebracht. Hierdurch wird das Gesichtsfeld beträchtlich verkleinert, aber das gesehene Bild um so deutlicher. 9. Die zu betrachtenden Objekte werden auf eine Glasplatte gelegt, die man Objektträger nennt: es sind dickere viereckige Platten, von ver- schiedenen Formaten. Bedeckt wird das Objekt von einem sehr dünnen kleineren Glasplättchen, dem Deckgläschen. Man legt dann das gesammte Präparat auf den Objekttisch in der Weise, dass das Deckgläschen nach oben, gegen den Tubus gekehrt, zu liegen kommt. Nun fängt man an, den Spiegel des Mikroskopes sorgfältig zu Orientiren, so dass die von ihm reflektirten Licht- strahlen das Präparat möglichst hell beleuchten; man kann sich von der Stärke des auf das Präparat fallenden Lichtes am besten überzeugen, wenn man Okular und Objektiv wegnimmt und durch die Tubusröhre sich das Gesichtsfeld betrachtet. Schwache Vergrösserungen leisten dieselben Dienste. Durch Drehung des Spiegels sucht man möglichst viel Licht auf dem Ob- jekte zu konzentriren. Erst dann schraubt man eventuell das Objektiv an, schiebt das Okular ein und fängt an, den ganzen Tubus gegen das Deck- gläschen langsam zu senken, bis man ein annähernd helles Gesichtsfeld, in welchem bereits die Umrisse des Objektes durchzuschimmern beginnen, vor sich hat. Um dann die Frontlinse noch näher dem Präparate bis zu ihrer entsprechenden Brennweite zu bringen, bedient man sich der Mikrometer- schraube. Nun erscheint das Präparat ganz deutlich. Durch Drehungen der Schraube nach rechts und links kann man bestimmte Stellen des immerhin nicht ganz planen Präparates scharf in's Auge fassen. 10. Beim Studium der Objekte empfiehlt es sich immer zu zeichnen; dazu bedient man sich eines fein gespitzten Bleistiftes und eines möglichst glatten Zeichenapparate. Papieres; sehr bald eignet man sich eine gewisse Uebung an, so dass man die gegenseitigen Verhältnisse der verschiedenen Theile des Gesichtsfeldes in annähernd richtigem Verhältniss auf's Papier bringt. Eine wesentliche Er- leichterung dieser immerhin nicht leichten Arbeit ist durch Zeichen- apparate gegeben. Der beste von ihnen ist der von Abbe konstruirte. Er wird am oberen Ende des Tubus auf das Okular aufgesetzt und befestigt. Das Wesentliche des Apparates beruht darauf, dass man das Präparat und die Zeichenfläche zu gleicher Zeit mit einem Auge sieht. Das mikroskopische Bild wird hierbei direkt gesehen, während die Zeichenfläche durch spiegelnde Flächen dem Auge sichtbar gemacht wird. Ist dieser Apparat genau ein- gestellt und man fängt zu zeichnen an, so bekommt man den Eindruck, als ob man auf dem Präparate selbst zeichnen würde: die Konturen der Zellen und Organe lassen sich mit grosser Genauigkeit in ihrer Form und Grösse auf dem Papier wiedergeben. Die feineren Details müssen selbstverständ- lich aus freier Hand nachgearbeitet werden. Ein anderer, ebenfalls gebräuch- licher Zeichen apparat ist der etwas anders gebaute ältere, aber zu demselben Resultate führende Oberhäuser'sche. Man gewöhne sich, jedes Präparat zuerst mit einer schwachen Ver- grösserung anzusehen, passende lehrreichere Stellen aufzusuchen und erst die letzteren mit einer starken Vergrösserung zu studiren. II. Das mikroskopische Präparat. 11. In vielen Fällen gestaltet sich die Anfertigung eines mikroskopischen Präparates sehr einfach, namentlich dann, wenn man lebensfrische Objekte zu untersuchen hat. Selbstverständlich müssen die Objekte hierzu eine geeig- nete Beschaffenheit haben: ein Tropfen Blut kann einfach auf einen Objekt- träger gebracht, mit einem Deckgläschen zugedeckt und beobachtet werden. Andere Objekte, wie z. B. das Mesenterium, dünne durchsichtige Nerven, abgeschabte Epithelien, Spermatozoen etc. bedürfen auch keiner weiteren Zu- bereitung, sondern können unmittelbar untersucht werden. 12. Bruchstücke grösserer Organe lassen sich ebenfalls zur Ansicht bringen, wenn man sie zerzupft. Hierzu bedient man sich zweier in Griffen be- festigter Nadeln. Sind die Objekte etwa längsgefasert, d. h. aus in einer Richtung verlaufenden Elementen bestehend, so setze man die eine Nadel an irgend einer Stelle des Stückes fest und zerfasere mit der andern in einer zu den Fasern senkrechten Richtung; zu solchen Objekten gehören z. B. Muskeln, Nerven, Sehnen etc. Einige Gewebe sind so konsistent, dass man, um sie beobachten zu können, Schnitte von ihnen anfertigen muss, wodurch zugleich eine gewisse Einsicht in den Zusammenhang der Gewebstheile gewährt wird. Dazu bedient man sich eines gewöhnlichen Rasirmessers, das man mit einer Flüssigkeit befeuchtet und möglichst dünne Schnitte von dem Objekt zu Indifferente Flüssigkeiten. erhalten versucht; es kommt hier in der Regel nicht auf die Grösse des Schnittes an, sondern nur auf seine Dünnheit, was hei einiger Uebung leicht erreicht werden kann. Jeder Mikroskopiker dürfte sich ein gewisses Ge- schick im Schneiden aus freier Hand angeeignet haben ; es ist eine Methode, die schnell zum Ziele führt und für die rasche Diagnose der Gewebe bisher noch durch keine einfachere ersetzt worden ist. Um durch frische, parenchymatöse Gewebe, wie z. B. Leber, Niere Schnitte zu gewinnen, genügt ein einfaches Rasirmesser nicht; man bedient sich in solchen Fällen eines Doppel- messers. Dasselbe besteht aus zwei Klingen an einem Heft; die beiden Klingen liegen neben einander, jedoch so, dass sie sich an der Spitze berühren und nahe dem Heft etwas weiter von einander entfernt sind. Durch eine Schraube können die Messer einander mehr oder weniger ge- nähert werden. Wird die Schraube gelöst, so kann das eine Messer an einem Scharnier aufgeklappt werden. Für feine Schnitte kommt nur die- jenige Stelle des Messers in Betracht, an der die beiden Klingen sich sehr nahe stehen, ohne sich jedoch zu berühren. Geschnitten wird, indem man mit dem benetzten Doppelmesser, rasch ziehend, ein Organ, z. B. frische Leber, durchschneidet; dasselbe zerfällt dann in zwei Theile und in eine feine, zwischen den beiden Klingen befindliche Scheibe. Diese entnimmt man, indem man die Klingen durch Lösen der Schraube und Aufklappen der einen Klinge von einander entfernt. Organe von ähnlicher Konsistenz kann man auch gefrieren lassen und dann mit einem gewöhnlichen gekühlten Rasirmesser durch die gefrorenen Stücke Schnitte machen ; auch das Trocknen von kleinen Gewebsstücken führt manchmal zum Ziele. 13. Da die angefertigten Schnitte auf dem Objektträger sehr bald aus- trocknen würden, muss man sie bei der Beobachtung feucht erhalten. Hierzu bedient man sich am besten der sogenannten indifferenten Zusatzflüssig- keiten. Dieselben zeichnen sich dadurch aus, dass sie überlebende Organe längere Zeit unverändert erhalten. Als eine solche Flüssigkeit kann z. B. die Lymphe, der Humor aqueus, seröse Flüssigkeiten, Amnioswasser etc. gebraucht werden. Künstlich hergestellte indifferente Flüssigkeiten, die annähernd dieselben Dienste leisten und stets zur Hand sein müssen, sind folgende: 1. Eine physiologische Kochsalzlösung (3/4°/o wässerige Lösung). 2. Das sogenannte M. Schultze'sche Jodserum: Amnioswasser bis zur Sättigung mit Jod oder Jodtinktur versetzt. 3. Jod-Jodkalium nach Ran vier: 100 g Wasser, 2 g Jodkalium und Jod bis zur Sättigung. 4. Krön eck er'sche Flüssigkeit: dest. Wasser 100 g, Chlornatrium 6 g, Natriumcarbonat 0,06 g. 14. Die Beobachtung der frischen Gewebe zeigt lange nicht alles, was man im gegebenen Falle sehen könnte; dies beruht zum Theil darauf, dass das Lichtbrechungsvermögen der einzelnen Gewebstheile zu wenig verschieden Osiniumsäure. ist, in Folge dessen die Konturen sich verwischen, zum Theil auch darauf, dass die Gewebe eigentlich niemals unverändert unter das Mikroskop ge- langen; schon während der Manipulation, zum Theil auch durch dieselbe, erleiden sie Veränderungen, welche von dem normalen Zustande mehr oder weniger abweichende Bilder liefern. Um diesem Uebelstande nach Möglichkeit vorzubeugen, bedient man sich der sogenannten Fixirungsflüssigkeiten. Die Objekte kommen lebenswarm in diese hinein. Die Wirkung mancher dieser Flüssigkeiten ist so ausgezeichnet, dass die hineingelegten Gewebsstücke bis in die Einzel- heiten nahezu unverändert erhalten bleiben. Die Wirkung der Fixirungs- flüssigkeiten auf die Gewebe ist eine sehr verschiedene: manche von ihnen erhält jene, manche diese Theile besser. In Folge dessen ist es immer rath- samer, die zu studirenden Objekte in verschiedenen Flüssigkeiten zu kon- serviren; erst dann bekommt man eine vielseitige Einsicht in die Struktur der Gewebe resp. Organe. A. Fixirungsmetlioden. Die für allgemeine Zwecke gebräuchlichen Fixirungsflüssigkeiten sind folgende : 15. Die gewöhnlichste von ihnen ist der Alkohol. Derselbe ist zu- gleich eine Härtungsflüssigkeit, da den Objekten Wasser hierbei entzogen und ihr Eiweiss zur Koagulation gebracht wird. Man wendet Alkohol ent- weder in der Weise an, dass man kleine Objekte sofort in absoluten Alko- hol überträgt, oder, und dieses namentlich für grössere Stücke, indem man successive 50, 70, 90°/o Spiritus anwendet (1 ccm grosse Stücke müssen etwa 24 Stunden in jedem Alkohol verbleiben). 16. Als rasch tödtend, vorzüglich fixirend und Manches färbend, ist die Ueb er osmium säure zu nennen. Nur kleine Stücke können in ihr fixirt werden, da sie nicht tief in die Gewebe eindringt. Sie wird angewandt gewöhnlich in einer 1 °/o wässerigen Lösung, wobei die Objekte 24 Stunden lang in ihr verbleiben ; sie werden dann ebensolange mit Wasser ausgewaschen und dann mit 90°/o Spiritus behandelt. Für sehr kleine Objekte kann man die Osmiumsäure in Dampfform anwenden. Die Osmiumsäureräucherung geschieht folgendermassen : Auf den Boden eines flachen Glases bringt man einige Tropfen Osmiumsäure und legt das Objekt (oder hängt es an einem Faden) in das Glas und zwar so, dass dasselbe mit der Flüssigkeit nicht in Berührung kommt. Dann bedeckt man das Glas mit einem festschliessen- den Deckel. 17. Eine analog wirkende und einige Kernstrukturen besser fixirende Flüssigkeit ist die Chrom-Osmium-Essigsäure von Flemming 82. Sie enthält x/4 g Chromsäure, 1/io g Osmiumsäure, 1/io ccm Eisessig und 100 ccm F 1 ein ming' sehe Flüssigkeit. Wasser. Sie wird gewöhnlich folgendermassen bereitet: 10 cem einer l°/o Osmiumsäure, 10 cem einer 1 °/o wässerigen Eisessiglösung, 25 cem einer l°/o Chromsäure und 55 cem dest. Wasser werden zusammengemischt. Nicht allzugrosse Stücke werden in dieser Flüssigkeit mindestens 24 Stunden, besser noch längere Zeit, bis Wochen, fixirt, dann 24 Stunden in fliessendem Wasser gewaschen und in 90°/o Alkohol übertragen. Fol 84 hat die Flemming'sche Flüssigkeit in folgender Weise modi- fizirt : er nimmt l°/o Osmiumsäure 2, l°/o Chromsäure 25, 2°/o Essigsäure 5 und dest. Wasser 68 Theile. Bei Fixirungen in Osmiumsäure und deren Gemischen ist es oft rath- sam, aus dem Wasser erst in schwächeren Alkohol zu übertragen, da hier- durch eine zu rasche Diffusion zwischen Wasser und Alkohol, welche unter Umständen zu Schrumpfungen Veranlassung giebt, wermieden wird. 18. Ebenfalls mit ausgezeichnetem Erfolg wendet man Platin- chlorid-Osmiumsäure-Eisessig (l°/o wässerige Platinchlorid-Lösung 15 cem, 2°/o Osmiumsäure 4 cem und Eisessig 1 cem) an. Behandlung wie mit Flemming'scher Flüssigkeit (Hermann 89. 1). Nach dieser, der Fleni- m in g'schen Lösung und anderen Osmiumgemischen, kann nach der Behand- lung mit Alkohol roher Holzessig in Anwendung kommen. Man lässt die Objekte im letzteren 12 — 24 Stunden liegen und behandelt abermals mit Alkohol. Es tritt hierbei eine eigentümliche Färbung des Objektes ein, welche eine nachträgliche Färbung (siehe unten) desselben oft entbehrlich macht (Hermann). 19. Eine ausgezeichnete Fixirungsflüssigkeit liefern gesättigte Lösungen von Sublimat in Wasser oder in einer physiologischen Kochsalzlösung (Lösungen des Sublimats in Kochsalz sind viel haltbarer). Kleine Stücke, etwa 1J2 cm Durchmesser, kommen auf 3 — 24 Stunden in die Flüssigkeit und werden dann entweder in Wasser oder direkt in 70% Spiritus, zu dem etwas Jod- tinktur zugefügt worden ist (um die in den fixirten Stücken eventuell sich gebildeten Sublimat-Krystalle zu entfernen) übertragen. Nach 24 Stunden kommen die Stücke auf ebensolange in 80°/o um dann in 90% Alkohol aufgehohen zu werden. Das Sublimat wendet man auch in Gemischen mit Eisessig und Chromsäure an. 20. Eine gesättigte wässerige Pikrinsäurelösung (etwa 3/4%) fixirt kleine und mittelgrosse Stücke (bis 1 cem) in 24 Stunden; aber auch ein längeres Verweilen der Stücke, namentlich wenn die Objekte grösser sind, einige Tage bis Wochen, ist zulässig. Die Stücke werden in fliessendem Wasser gewaschen und dann mit 70°/o und 80°/o Spiritus je 24 Stunden behandelt und in 90°/o Alkohol übertragen. 21. Statt reiner Pikrinsäure wendet man auch Pikrin-Sch wefel- (Kleinenberg) und Pikrin-Salpetersäure (P.Mayer 81) an. Die erstere wird so bereitet, dass man zu 100 cem einer gesättigten wässerigen Pikrin- Müller' sehe Flüssigkeit. säurelösung 1 cem konzentrirter Schwefelsäure zusetzt, 24 Stunden stehen lässt, filtrirt und dann das zweifache Volumen dest. "Wassers zusetzt. Die Pikrin-Salpetersäure gewinnt man, indem man zu 100 cem der erwähnten Pikrinsäurelösung 2 cem offizineller Salpetersäure zusetzt, 24 Stunden stehen lässt und filtrirt. Pikrinsäure-Lösungen können auch mit Osmiumsäure gemischt werden. (G a s s e r.) Bei Konservirungen in Pikrinsäure und deren Mischungen erscheinen die Zellkontouren deutlicher als bei der Anwendung von Sublimat. 22. 3 — 5°/o Salpetersäure (sp. Gew. 1,4), auf kleine Stücke an- gewendet, fixirt in ca. 6 St.; ein längeres Verweilen darin ist schädlich, da namentlich einige Kern strukturen stark angegriffen werden. Die Stücke werden dann mit Alkohol von allmählich steigender Konzentration (70, 80, 90%) in gewöhnlicher Weise nachbehandelt. 23. Die Chromsäure wird in schwachen wässerigen Lösungen ge- braucht, von J/3 — 1l2°lo- Kleinere Stücke verbleiben darin 24 Stunden, grössere länger, bis zu Wochen. Die Menge der angewandten Flüssigkeit soll min- destens 50 mal das Volumen des zu fixirenden Stückes übertreffen. Es wird dann in fliessendera Wasser gewaschen und mit Alkohol von allmählich steigender Konzentration nachbehandelt. Letztere Prozedur wird im D u n k e 1 n ausgeführt. Die Chromsäure kann man mit Vortheil mit 2 — 3 Tropfen Ameisensäure auf 100 cem der Flüssigkeit versetzen. (Rabl 85.) 24. Die Müller'sche Flüssigkeit (2— 2 1h g Kalium bichromicum, 1 g Natrium sulfuricum und 100 cem Wasser) braucht zur Fixirung einige Wochen. In der ersten Woche wird die Flüssigkeit alle zwei Tage gewechselt, später jede Woche 1 mal. Fixirt wird im Dunkeln. Je nach den Zwecken, die man verfolgt, wäscht man die Stücke entweder mit fliessendem Wasser aus und behandelt in üblicher Weise mit Alkohol nach, oder man überträgt sie direkt in 70°/o Spiritus, dem man 80 und 90°/o Spiritus nach und nach substituirt. Alle diese Proceduren geschehen im Dunkeln. 24a. Zu 100 cem Müller'scher Flüssigkeit fügt Zenker 5 g Subli- mat und 5 cem Eisessig. Die Stücke werden in diesem Gemisch mindestens 24 Stunden belassen, mit fliessendem Wasser ausgewaschen und allmählich in starken Alkohol übergeführt. Die Zenker 'sehe Flüssigkeit soll sehr leicht in die Gewebe eindringen und Kern- und Protoplasmastrukturen gleich gut fixiren, ohne hierbei das Färbungsvermögen der Elemente zu beeinträchtigen. 25. Die Anwendung der Erlicki'schen Flüssigkeit (21h g Kalium bichromicum, Va g Cuprum sulfuricum und 100 cem Wasser) ist völlig der der Müller'schen Flüssigkeit analog, nur führt sie etwa 3 mal rascher zu ähnlichen Resultaten. Bei beiden Flüssigkeiten ist zu bemerken, dass eine Temperatur von 30—40° die Zeit der Fixirung wesentlich abkürzt. 10 Das Paraffin. Müll er 'sehe Flüssigkeit führt in 8 Tagen, die Erlicki'sche in 3 mal 24 Stunden zum Ziele. Wir haben hier die gebräuchlichsten und für allgemeine Zwecke zur Zeit die besten Konservirungsflüssigkeiten angeführt. Es giebt noch eine ganze Anzahl anderer Flüssigkeiten, deren Anwendung aber speziellen Zwecken dient. Wir werden dieselben bei den entsprechenden Geweben und Organen berücksichtigen. B. Durchtränkung und Einbettung. 26. Um durch fixirte Objekte Schnitte zu erhalten, ist es vor allem erforderlich, dass sie eine hierzu geeignete Konsistenz gewinnen, welche sie früher oder später in 90°/o Alkohol erhalten. Mit freier Hand Schnitte anzufertigen durch Objekte, die nicht besonders zu diesem Zwecke vorbereitet wurden, ist nicht zu empfehlen; hierbei tritt eine Bröckelung des Schnittes auf und die locker zusammengehaltenen Theile fallen auseinander. Um diesem Uebelstande entgegenzuwirken, bedient man sich der sogenannten Durchtränkungsmassen, in welche man das Objekt bringt und welche in dasselbe in allen seinen Theilen eindringen, um später zu erstarren. Man schneidet dann das auf diese Weise durchdränkte und in derselben Masse „eingebettete" Objekt mit der Masse zugleich; man erhält hierdurch Schnitte, welche die Gewebstheile in ihrem natürlichen Zusammenhange zeigen. Die gebräuchlichsten Durchtränkungsflüssigkeiten sind 1. das Paraffin und 2. das Cello id in (resp. Collodium und Photoxylin). 1. Das Paraffin. 27. Um die Objekte mit Paraffin zu durchtränken, müssen sie zuerst in absolutem Alkohol vollständig entwässert werden. Aus dem letzteren können sie aber nicht direkt in Paraffin übertragen werden, weil dasselbe sich in Alkohol nicht löst und in Folge dessen in das Präparat auch nicht ein- dringen kann. Zwischen Alkohol und Paraffin muss eine Flüssigkeit („Zwi- schenflüssigkeit") eingeschaltet werden, die sich mit absolutem Alkohol mischt und ein Lösungsmittel für das Paraffin ist. Solcher giebt es eine ganze Reihe, z. B. Toluol, Xylol, Chloroform, verschiedene Oele (Terpentinöl, Cedernholzöl) etc. 28. Es ist selbstverständlich, dass beim Uebertragen des Objektes aus einer Flüssigkeit in eine andere Diffusionsströme entstehen, die namentlich zarteren, grössere Hohlräume enthaltenden Objekten äusserst schädlich sind : es treten hierbei Zerreissungen und Schrumpfungen ein, welche das Objekt oft bis zur Unkenntlichkeit entstellen. Deshalb kann man bei dieser Prozedur nicht vorsichtig genug sein. Als allgemeine Regel gelte das lang- Die Zwischenflüssigkeiten. 11 s am e Verfahren. Man kann sich dabei zweierlei Methoden bedienen, indem man einmal das Objekt aus dem Alkohol langsam in die Zwischenflüssig- keit hineinsinken lässt. Dieses ist leicht zu bewerkstelligen, indem man in ein Probirröhrchen zuerst die spezifisch schwerere Zwischenflüssigkeit und auf dieser eine Säule abs. Alkohols langsam aufgiesst. Man bringt dann die Stücke vorsichtig in das aufrecht stehende Gläschen und sieht, dass sie an der Stelle, an welcher sich die beiden Flüssigkeiten berühren, stehen bleiben; erst wenn sie von der Zwischenflüssigkeit ganz durchtränkt sind, senken sie sich zu Boden; dann kann man den sich zu oberst befind- lichen Alkohol entweder vorsichtig abgiessen, oder mit einer Glaspipette wegsaugen. Es ist selbstverständlich, dass die Objekte sich in die Zwischenflüssig- keit um so langsamer senken, je schwerer diese im Vergleich zum Alkohol ist; will man ein langsames Versenken erzielen, so gebrauche man Chloroform. 29. Die zweite Art des langsamen Uebertragens besteht darin, dass man Mischungen von abs. Alkohol und der Zwischenflüssigkeit anfertigt; diese können nun nach Belieben je nach der Zartheit des Objektes verviel- fältigt werden: im einfachsten Falle genügt es, wenn man das Objekt in eine Mischung von Alkohol und Zwischenflüssigkeit zu gleichen Theilen über- trägt, dasselbe je nach der Grösse verschieden lange darin verweilen lässt, und dann in die reine Zwischenflüssigkeit überträgt. Man kann diese Me- thode nach Wunsch verlangsamen, je nachdem man eine grössere oder geringere Zahl von solchen Mischungen gebraucht, die immer mehr und mehr Zwischenflüssigkeit enthalten. Diese letztere Weise empfiehlt sich schon des- wegen mehr als die vorige, weil man das Objekt hier mehr in seiner Hand hat und ist namentlich vortheilhaft bei solchen Objekten, deren verschiedene Theile nicht das gleiche spezifische Gewicht haben. 30. Ist das Objekt endgültig in die Zwischenflüssigkeit gelangt, so muss es ebenso vorsichtig in die Durchtränkungsflüssigkeit herüber- gebracht werden. Gebraucht man Paraffin und hat zarte Objekte zur Hand, so verfahre man folgendermassen : man lege das Objekt in eine zur Hälfte mit der Zwischenflüssigkeit gefüllte Glasdose, lege zugleich einige Stücke Paraffin hinein, decke die Schale zu und lasse sie bei Zimmertemperatur stehen; ist das Paraffin gelöst, so nehme man den Deckel ab und stelle die Schale in den Thermostaten, wo dieselbe auf den Schmelzgrad des Paraffines erwärmt wird. Die leicht flüchtige Zwischenflüssigkeit (Xylol, Chloroform) verdunstet allmählich und innerhalb weniger Stunden ist das Objekt von nahezu reinem Paraffin durchtränkt. Da aber es sehr lange dauern würde, wenn man auf diese Weise die Zwischenflüssigkeit gänzlich entfernen wollte, so empfiehlt es sich, das Objekt schon viel früher in reines geschmolzenes Paraffin zu übertragen. In diesem verweilt es je nach seiner Grösse und Durchlässigkeit für Paraffin längere oder kürzere Zeit. Sind die Objekte gröberer Natur, so kann die Prozedur wesentlich vereinfacht werden: 12 Das Einbetten. aus abs. Alkohol kommen sie direkt in die Zwischenflüssigkeit, aus dieser in eine Mischung von Paraffin und etwa Toluol zu gleichen Theilen und dann direkt in geschmolzenes Paraffin. 31. Um die Objekte zum Schneiden fertig zu stellen, muss man sie noch „einbetten", d.h. zugleich mit dem Paraffin in eine Form übertragen, in welcher das Paraffin erstarrt. Hierzu bedient man sich für mittelgrosse Objekte zweier auf eine Glasplatte aufgestellten aus Messing angefertigten Winkeln, welche, je nachdem sie zusammengestellt werden, eine grössere oder kleinere Form geben. Da das Paraffin am Glase und an den inneren Flächen der Winkelplatten fest haftet und nur schwer abgelöst werden kann, so ist es unumgänglich nöthig, alle diese Theile noch vor dem Einbetten mit einer dünnen Schicht Glycerin zu überziehen; dann geht die Ablösung des erstarrten Paraffins leicht und man bekommt regelmässige rechteckige Paraffin- stücke, in welchen das Objekt eingeschmolzen ist. Das Paraffin wird homo- gener, seine Flächen glatter, wenn man es rasch erkalten lässt. 32. Das Schema für Durchtränkung und Einbettung in Paraffin ge- staltet sich folgendermassen (statt Xylol können auch andere Zwischenflüssig- keiten in Anwendung kommen): Alkohol 90% l abs. Alkohol — Alkohol-Xylolgemische - Xylol« I Xylol-Paraffin kalt _> Xylol-Paraffin im Thermostat I Reines Paraffin I Einbetten. 33. Hinsichtlich der Zeitdauer, welche nöthig ist für die Durchtränkung der Stücke, richtet man sich nach der Grösse und Durchlässigkeit der letzteren. Es lässt sich in Folge dessen hierüber nichts Bestimmtes angeben. Für den einfachsten Fall sollen als Anhaltspunkte die nachstehenden Zeitangaben Herstellung der Celloidinlösungen. 13 dienen , die sich auf ein Gewebe beziehen , welches etwa der Beschaffenheit einer in Alkohol fixirten Leber gleichkommt. Die Zeitangaben sind in Stunden angegeben und sind als Minima zunehmen, ein längeres Verweilen in den angegeben Flüssigkeiten kann unter Umständen nicht schaden. Kleine Mittelgrosse Grosse Sehr grosse, jedoch nicht Objekte unter Objekte bis Objekte bis über wenige cm 1 mm Seite 5 mm Seite 10 mm Seite reichende Objekte Alkohol absolutus 2 6 24 Je nach dem Ob- Xylol */2 3 6 jekt längere Von jetzt an weiter im Thermostat: Zeit in jeder Flüssigkeit. Xylol-Paraffin Vi 3 6 Paraffin 1 3 6 2. Das Celloiclin. 34. Will man die Objekte mit Celloidin durchtränken, so verfahre man folgendermassen : Man stelle aus getrockneten Celloidinstückchen 3 Lösungen dar: 1. eine gesättigte Lösung von Celloidin in abs. Alkohol und Schwefeläther (zu gleichen Theilen) ; 2. eine Lösung aus 1. Theil der Lösung 1 mit dem gleichen Volumen Alkohol-Aether verdünnt und 3. eine Lösung, die aus einem Theil der Lösung 2 und einem gleichen Volumen von Alkohol- Aether besteht. Die Objekte kommen aus dem abs. Alkohol in eine Mischung von Alkohol-Aether zu gleichen Theilen, worin sie etwa 24 Stunden ver- bleiben. Aus dieser kommen sie auf einige Tage in die Lösung 3 ; aus dieser in die Lösung 2 und schliesslich in die Lösung 1. In dieser letzteren Lösung werden nun die Stücke eingebettet und zwar so, dass man das Celloidin sammt dem Stücke in eine Papier seh achtel giesst, dann wartet, bis die Oberfläche etwas erhärtet ist (etwa 1 Stunde) und überträgt das Ganze in 80°/o Spiritus, worin die definitive Härtung erfolgt. Nach der geschehenen Härtung wird das Papier entfernt, das Stück mit dem Celloidin nach "Wunsch zugeschnitten und auf Kork oder Holzblock mit derselben Celloidinlösung aufgeklebt. Damit das Präparat besser haftet, empfiehlt es sich vor dem Aufkleben, das Colloidinstück mit dem Präparat auf etwa 5 Minuten in abs. Alkohol zu legen, worin die oberflächlichste Celloidin- schicht erweicht. Das in dieser Weise aufgeklebte Stück kommt sammt dem Korke oder dem Holzklotze in 80°/o Spiritus, worin die definitive Befestigung nach ein paar Stunden erfolgt. (Apäthy.) 14 Das Celloidin . 35. Eine zweite Art in Celloidin einzubetten besteht darin, dass das betreffende Stück aus dem Celloidin genommen und direkt auf einen Kork oder Holzklotz gelegt wird. Ist das Celloidin nach einer Stunde in der Luft etwas härter geworden, so überträgt man Klotz mit Präparat in 80°/o Alkohol, in welchem die Befestigung nach einigen Stunden erfolgt. In Celloidin ein- gebettete Präparate müssen feucht unter Spiritus geschnitten werden. Hetero- gene, d. h. aus Geweben von verschiedener Konsistenz zusammengesetzte Organe, sowie auch sehr konsistente Objekte lassen sich in Celloidin viel sicherer schneiden, als in Paraffin. Allein Celloidinschnitte erreichen nie die Dünne der Paraffinschnitte und die Nachbehandlung derselben (s. u.), das Befestigen auf dem Objektträger etc. ist viel komplizirter, als die der Pa- raffinschnitte. 36. Das Schema für die Durchtränkung und Einbettung in Celloidin wäre folgendes: 90°/o Alkohol i abs. Alkohol 1 abs. Alkohol Aether zu gleichen Theilen I Celloidinlösung Nr. 3 I Celloidinlösung Nr. 2 1 Celloidinlösung Nr. 1 .! Einbetten l 80°/o Alkohol. 3. Das Celloidin-Paraffiii. 37. Um die Vortheile, die die Celloidin- und Paraffindurchtränkung bieten, zu vereinigen, ist die Celloidin-Paraffin-Durchtränkung zu empfehlen. Die mit Celloidin durchtränkten Objekte, welche in 80 °/o Spiritus konsistent geworden sind, kommen auf etwa 12 Stunden in 90°/o Spiritus, aus diesem in eine Mischung von Origanum-Oel und 90% Spiritus zu gleichen Theilen; dann auf kurze Zeit in reines Origanum-Oel, aus diesem in Origanum- Das Celloidiu-Paraffin. 15 Oel und Xylol zu gleichen Theilen. Aus der letzteren Mischung in reines Xylol. Von da ab kommt die Anwendung der Regeln, die wir für die Paraffin- durchtränkung angegeben haben, und es ist rathsam, das Verweilen der Stücke in den verschiedenen Flüssigkeiten nach Möglichkeit abzukürzen, um das Brüchigwerden des Celloidins zu vermeiden. Sehr dünne Schnitte gewinnt man, wenn man die Schnittflächen mit einer dünnen Collodiumschicht überstreicht, diese erstarren lässt und dann einen Schnitt anfertigt. Dieses Verfahren ist sowohl bei der kombinirten Celloidin-Paraffin-Methode, als wie auch bei Paraffin allein anwendbar. 38. Eine werthvolle Bereicherung der Durchtränkungsmassen liefern Field und Martin, indem sie auf eine Methode aufmerksam machen, welche die gleichzeitige Durchtränkung mit Paraffin und Celloidin zu- lässt. Es wird eine Paraffin- Celloidinmischung in Alkohol-Toluol zu gleichen Theilen angefertigt und zwar in folgender Weise: Celloidinplatten werden in kleine Stücke zerschnitten und sorgfältig getrocknet und im Alkohol-Toluol- Gemisch bis zur Sättigung gelöst (einige Tage). In diese Lösung bringe man all- mählich kleine Stücke Paraffin hinein, ebenfalls bis zur Sättigung (bei 20 — 25°/o C). Stücke aus Alkohol-Toluol zu gleichen Theilen werden nun in die eben erwähnte Lösung gebracht und müssen darin verweilen, bis sie vollkommen durchtränkt sind. Sie werden dann herausgenommen und ent- weder durch Chloroform in Paraffin übertragen und darin eingebettet, oder mit etwas Einbettungsflüssigkeit, zu der man successive kleinere Stücke Paraffin zufügt, in letzteres übergeführt und in demselben eingeschlossen. Die weitere Behandlung geschieht wie bei gewöhnlichen Paraffinobjekten. C. Das Mikrotom und das SclrneideiL 38. Um das Schneiden zu erleichtern, namentlich aber um eine auf- einander folgende Reihe gleich dicker Schnitte zu bekommen, sind in der letzten Zeit Apparate konstruirt worden, die man Mikrotome nennt. Das Wesentliche bei ihnen besteht darin, dass man das Objekt nach jedem Schnitt um so viel heben kann, als die Dicke des nächsten Schnittes betragen soll. Bei verschiedenen Mikrotomen wird dieses auf eine verschiedene Weise er- reicht: entweder ruht das Objekt auf einer schiefen Ebene und beim Be- wegen desselben nach vorwärts wird zugleich eine Hebung bewerkstelligt, oder das Objekt bleibt an Ort und Stelle und wird durch Drehen einer Mikrometerschraube erhöht. In diesen beiden Fällen läuft das Messer auf einer geraden Ebene und schneidet jedesmal soviel ab, als man das Objekt gehoben hat; hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, eine Serie von gleich dicken Schnitten anzufertigen, deren Dicke auch stets bestimmt werden kann. 16 Das Mikrotom. Dasselbe Prinzip liegt auch denjenigen Mikrotomen zu Grunde, bei welchen beim Schneiden das Objekt allein bewegt wird, während das Messer unbe- weglich steht. Die besten Mikrotome für histologische Zwecke sind die Schlittenmikrotome von Jung in Heidelberg. Dieselben liegen der folgenden Beschreibung zu Grunde. 39. Die unbeweglichen Theile des Mikrotoms bestehen aus vier Platten, von welchen die untere basale Platte horizontal auf dem Tische ruht. Eine zweite vertikal gestellte Platte nimmt die Mitte der enteren ein, während die anderen beiden Platten an der vertikalen Platte befestigt und schräg nach Fig. 2. Schlittenmikrotom von E. Jung in Heidelberg. Mittleres Modell IV. Das Instrument ist von der linken Seite dargestellt. Auf der rechten Seite befinden sich die horizontale Seitenplatte (vergi. Text und der Messerschlitten; sie sind nur zum Theil sichtbar. Mit c sind die Schrauben bezeichnet, welche zur Befestigung des Messerhalters (fehlt in derFiguri dienen. Die Stange d wird zur Drehung dieser Schrauben benutzt. Auf der linken Seite des Mikrotoms ist die schräg- gestellte Seitenplatte angebracht, aaf welcher hinten (in der Figur rechts) die Mikrometerschraube und vorn (in der Figur links) der Objektschlitten rohen. aussen und oben gerichtet sind, so dass sie mit der vertikalen Platte einen nach oben offenen spitzen Winkel bilden. Die eine seitliche Platte ist in horizontaler Richtung fixirt, die andere hingegen derart, dass sie an ihrem einen Ende tiefer, an ihrem anderen Ende höher an der Vertikalplatte be- festigt ist. Während also die Fläche der einen Platte horizontal liegt, bildet die andere eine schiefe Ebene zu der basalen Platte des Mikrotoms. In die von den Seitenplatten und der Vertikalplatte gebildeten Winkel passen solide, keilförmig gestaltete Metallkörper hinein, die auf angebrachten Schienen nach vorne und rückwärts leicht bewegt werden können; auf diesen Appa- raten werden Messer und Objekte befestigt und man nennt sie demnach Orientirungsapparate. 17 Messerschlitten und Objektschlitten. Ersterer läuft auf der hori- zontalen Ebene, letzterer auf der schiefen. Zur Befestigung des Messers auf der oberen Fläche des Messerschlittens sind mehrere Bohrlöcher angebracht, in welche eine Schraube hineinpasst. Diese Löcher dienen zur Veränderung der Stellung des Messers; je nach Wunsch kann letzteres mit seinem Halter in dieses oder in jenes Loch hineingeschraubt werden. Durch eine am oberen Ende der Schraube vorhandene Schraubenmutter wird der sogenannte Mes- serhalter befestigt; in diesen hinein wird das Mikrotommesser gesteckt und, nach unten angegebenen Regeln, gestellt. Der Objektschlitten besteht aus einem Apparat zur Fixirung des Objektes. Im einfachsten Falle ist es eine Klammer, in welche ein Holzklotz oder ein Kork befestigt werden können ; ist es aber nöthig, das zu schneidende Objekt genau zu orientiren, wie es z. B. bei der Untersuchung von Embryonen unumgänglich nöthig ist, so enthält der Objektschlitten ausserdem noch einen Orien tirungs apparat. In einem Rahmen befindet sich hier ein viereckiger Metallkörper, der ver- mittels Schrauben um zwei sich rechtwinklig kreuzende Achsen gedreht und in jeder gegebenen Stellung fixirt werden kann. In der Mitte dieses drehbaren Körpers befindet sich ein Loch, in welches ein Cylinder hineinpasst. Bei Paraffinpräparaten wird derselbe mit Paraffin ausgefüllt und an einem Ende des Cylinders das eingebettete Objekt angeschmolzen. Eine besondere Vorrichtung dient dazu, diesen Cylinder zu heben und zu senken. Die neueren Orientirungsapparate sind nach demselben Prinzip gebaut, nur haben sie eine seitlich angebrachte Schraube, die den ganzen Apparat heben und senken kann, eine Einrichtung, welche für lange Objekte besonders gute Dienste leistet. (An Stelle des Cylinders kann auch eine Klammer- Vor- richtung vorhanden sein, in welche ein Holzklotz eingespannt wird, das Objekt wird hier also auf der oberen Fläche des Holzklotzes angeschmolzen). Vor dem Arbeitenden wird das Mikrotom so gestellt, dass die Bahn, auf welcher sich der Messerschlitten bewegt, rechts, die des Objektschlittens links sich befindet; der Objektschlitten muss an dem dem Arbeitenden zugekehrten Ende des Mikrotoms stehen; ein Vorwärtsbewegen des Schlittens auf seiner ansteigenden Bahn wird zugleich eine Hebung des Objektes verursachen. Da nun der Messerschlitten stets horizontal läuft, so wird das Messer vom Objekte so viel abtragen, um wie viel das Objekt in seinem Vorwärtsrücken gehoben worden ist. Um zu erfahren, wie dick der Schnitt ist, den man an- fertigen will, braucht man nur die Strecke zu kennen, um welche man den Objektschlitten nach vorwärts verschoben hat ; hierfür ist am Mikrotom eine Vorrichtung vorhanden: die Vertikalplatte des Mikrotoms und des Objekt- schlittens sind mit einer Skala und Nonius versehen. Um nun eine Reihe von vollständig gleich dicken Schnitten zu erzielen, genügt diese Einrichtung, bei welcher man den Objektschlitten immerhin mit der Hand vorwärts schieben muss, nicht. Ein ganz genaues Verfahren erzielt man mit Hilfe einer Mikro- meterschraube, die hinter dem Objektschlitten befestigt und bei jeder Böhm-v. David off, Histologie. 2 18 Das Schneiden mit dem Mikrotom. Drehung das Objekt um ein Bestimmtes vorwärts bewegt wird. Anden Jung- schen Mikrotomen hebt eine ganze Umdrehung dieser Schraube das Objekt um 15 //. Eine an der Schraube angebrachte Trommel ist in 15 gleiche Abschnitte getheilt; die Drehung der Schraube um einen Strich hebt also das Objekt um 1 [.i. Durch einen sinnreichen Arretirungsapparat, den man verstellen kann, ist es möglich, sich die Dicke der Schnitte, resp. die Hebung des Objektes, für eine ganze Schnittserie vorher zu bestimmen. 40. Will man nun schneiden, so müssen zuerst die Bahnen, auf welchen Messerschlitten und Objektschlitten zu laufen haben (die Schienen) sorgfältig gereinigt und geölt werden; man gebraucht hiefür das sogenannte Maschinenöl (4 Theile Knochen öl auf 1 Theil Petroleum). Dabei brauche man nicht zu wenig Oel und achte darauf, dass der Messerschlitten von «inem Ende der Bahn zur anderen sich leicht und gleichmässig bewegt. Nun füge man das Mikrotommesser in den Messerhalter und stelle das Messer derart, dass es einen spitzen Winkel zur oberen Kante der Vertikal platte bildet, befestige dann das Objekt auf dem Objektschlitten, stelle denselben in die gewünschte Höhe und fixire hinter demselben die Mikrometerschraube, die mit ihrer Spitze auf die Achatplatte des Objektschlittens passen muss. 41. Nun fange man an, den Messerschlitten mitdem Messer gegen sich zu bewegen; hierbei darf nicht der geringste Druck ausgeübt werden, da sonst die Oelschicht entweicht und die Schnitte unregelmässig dick werden. Die neuesten Jung'schen Mikrotome haben am Messerhalter eine seitlich angebrachte, nach unten gerichtete Stange, deren vordere Kante man mit dem Finger berührt, um das Messer zu sich zu schieben; durch diese Vor- richtung ist die Möglichkeit eines von oben, schon allein durch das Auflegen der Hand entstehenden Druckes aufgehoben. Hat das Messer einen Schnitt hervorgebracht, so sieht man, wie derselbe sich nicht plan auf das Messer legt, sondern sich rollt, — ein Missstand, den man bemüht sein muss voll- ständig zu beseitigen, was man am einfachsten durch einen Pinsel thut, den man mit der linken Hand hält und mit dessen Spitze man an der sich ab- hebenden Kante des Schnittes denselben festhält und am Rollen hindert. Es giebt auch sogenannte Schnittstrecker, welche im Wesentlichen aus einer dickeren oder dünneren Walze bestehen, die oberhalb der Schneide des Messers so befestigt werden kann, dass zwischen ihr und dem Messer ein minimaler Raum übrig bleibt, den der Schnitt beim Schneiden passiren muss und auf diese Weise am Rollen verhindert wird. Diese Schnittstrecker sind sehr schwer einzustellen, ihr Funktioniren ist überhaupt unsicher, weshalb es rathsamer ist, sich die Pinselmethode anzueignen, welche bei einiger Uebung sichere Resultate liefert. Der das Objekt enthaltende Paraf'finklotz wird am besten dreieckig zugeschnitten und die eine Seite des Dreieckes zur Schneide des Messers so orientirt, dass letztere dieselbe voll trifft (also parallel mit derselben Stellung des Messers zum Objekt. 19 läuft); zuletzt wird das Messer eine Spitze des Dreieckes treffen; mit dieser Spitze bleibt der Schnitt am Messer haften und kann leicht mit einem Pinsel oder einer Nadel abgehoben werden. 42. Ist der Schnitt gemacht, so schiebe man das Messer wieder von sich gegen das vordere Ende der Bahn, drehe dann die Mikrometerschraube und bewege das Messer wieder zu sich, wodurch ein zweiter Schnitt entsteht. (Es ist fast immer der Fall, dass die ersten Schnitte das Objekt noch nicht treffen , wenn man auch vorher möglichst viel Paraffin um das Objekt herum abgetragen hat; in solchen Fällen, behufs der Abtragung des überflüssigen, über dem Objekte liegenden Paraffins, dürfen keine sehr dicken Scheiben geschnitten werden, da man hierbei leicht Messer und Objekt, in Folge des grösseren Widerstandes, verderben kann : das Messer wird stumpf, das Paraffin bröckelt). Hat man eine Zeit lang geschnitten, so durchläuft die Mikrometerschraube ihre ganze Bahn und muss zurückgeschraubt und bis zur Achatplatte wieder vorgerückt werden ; während dieser Procedur darf der Objektschlitten nicht verrückt werden. Man kann auch das Messer rechtwinkelig zur Längsachse des Mikrotoms stellen und befestigen. Hat man eine geeignete Paraffinsorte und Zimmertemperatur, so kann man auf diese Weise sogenannte „Bänder" schneiden; um dies zu erreichen, ist es nöthig, den Paraffinklotz rechtwinklig zuzuschneiden, so dass die eine breitere Seite parallel der Schneide des Messers steht. Wenn man nun rasch schneidet, so bleiben die Kanten der aufeinanderfolgenden Schnitte kleben, und man bekommt ein längeres Band, das man bequem im Ganzen weiter behandeln kann. Diese Methode eignet sich nur für kleine Objekte, da hier nicht durch Zug, sondern durch Druck geschnitten wird; man sieht, dass hierbei Paraffin und Objekt in der Regel ihre Form etwas verändern : sie werden in der Richtung, in der sie geschnitten werden, komprimirt; aus quadratischen Flächen werden z. B. längliche Vierecke. Man braucht kaum hinzuzufügen, dass bei dieser Schneideweise der Schnitt vom Messer vorerst nicht weggenommen wird und der Pinsel hier überflüssig ist, da die Schnitte sich nicht rollen. 43. Für das Gelingen einer guten Schnittserie kommt es einerseits auf . die Paraffinsorte an, andererseits auf die Temperatur der Umgebung. Da es Paraffinsorten von verschiedenem Schmelzpunkte giebt, so empfiehlt es sich bei kühlerer Temperatur weicheren Paraffin zu nehmen und umgekehrt; am besten ist es immer, zwei Paraffinsorten von verschieden hohem Schmelz- punkte miteinander zu mischen und je nach der Temperatur mehr von der einen oder von der anderen Sorte zu nehmen. Um bei hoher Zimmertem- peratur das Schneiden von Paraffin auch von verhältnissmässig niedrigem Schmelzpunkt zu ermöglichen, kann man die Kühlmesser von Stoss benutzen, die so eingerichtet sind, dass sie nahe dem Rücken, der Länge nach durchbohrt sind und durch die so gebildete Röhre im Messer ein Eis- wasserstrom durchgeleitet werden kann. 20 Aufkleben mit Eiweiss oder Wasser. 44. Die Mikrotome haben in der Regel eine Einrichtung zum Gefrieren der Objekte, sogenannte Gefrierapparate. Dieselben bestehen aus einer Platte von Metall, auf welche das Objekt gelegt wird; gegen ihre Unterseite wird durch ein Gebläse Aether zerstäubt, wobei sich das Objekt abkühlt, zum Gefrieren kommt und dann geschnitten werden kann ; man bringt auf das Messer ein Tropfen Flüssigkeit (z. B. eine physiol. Kochsalzlösung, Wasser etc.), in welcher der Schnitt aufthaut und sich ausbreitet. D. Die weitere Behandlung des Schnittes. 1. Paraffinbefreiung und Aufkleben. Die auf die oben beschriebene Weise erlangten Schnitte werden ent- weder als solche weiter behandelt, oder, was zweckmässiger ist, auf einen Objektträger aufgeklebt und dann zugleich mit demselben weiter bearbeitet. 45. Wir besprechen zunächst das Aufkleben der Paraffin - Schnitte: die bequemste, zuverlässige und einfache Methode ist das Aufkleben mit Eiweiss nach P. Mayer (83. 2). Hühnereiweiss wird filtrirt und mit gleichem Volumen Glycerin versetzt; um der Fäulniss der Flüssigkeit vorzubeugen, setzt man dem Gemisch etwas Kampfer oder salicylsaures Natron hinzu. Ein Tropfen dieser Flüssigkeit wird auf einem Objektträger in möglichst dünner Schicht gleich- massig ausgebreitet. Auf die auf diese Weise präparirte Fläche des Objekt- trägers werden die gefertigten Schnitte in einer bestimmten Reihenfolge ge- legt. Die an den Schnitten eventuell vorhandenen Falten werden mit einem Pinsel geglättet und der ganze Schnitt an die Glasfläche behutsam angedrückt. Ist nun eine genügende Menge von Schnitten auf dem Objektträger vor- handen, so erwärme man den letzteren auf einer kleinen Spiritus- oder Gas- flamme bis das Paraffin geschmolzen ist; dabei coagulirt auch das Eiweiss und die Schnitte sind nunmehr fixirt und lösen sich nur dann ab, wenn das Ganze mit Mitteln behandelt wird, die das Eiweiss lösen, wie z. B. starke Säuren, Alkalien, einige Farbstoffe. Will man einen vorgeschriebenen Raum, etwa die Grösse eines Deck- gläschens mit aufgeklebten Schnitten möglichst ausnutzen, so kann man denselbeu auf einem Stück Papier mit Konturen vorzeichnen und den Ob- jektträger in passender Lage darauf legen. 46. Eine zweite in vielen Beziehungen noch bessere Methode ist die Fixirung der Schnitte mit Wasser (Gaule): Man breite die Paraffin- schnitte in einer bestimmten Reihenfolge auf einer dünnen, auf dem Objekt- träger ausgebreiteten Wasserschicht aus, entferne mit Fliesspapier das über- schüssige Wasser, ordne die Schnitte definitiv mit dem Pinsel und bringe das Ganze in einen auf 30° C. erwärmten Thermostaten auf 12 — 24 Stunden. Die so angetrockneten Schnitte werden über einer Flamme auf eine höhere Behandlung der Celloidinschuitte. 21 Temperatur, etwas über den Schmelzpunkt des Paraffins erwärmt, und können nun bei einer gewissen Vorsicht allen möglichen Nachbehandlungen unterzogen werden. Sorgfältigst gereinigte Objektträger sind hierzu unumgänglich noth- wendig, weil sonst das Wasser sich nicht in einer Schicht, sondern tropfen- weise ausbreitet. Der Vorzug dieser Methode liegt darin, dass das völlig verdunstete Wasser sich bei eventueller Nachfärbung der Schnitte ganz in- different verhält, während das Eiweiss, namentlich in einer gewissen Dicke aufgetragen, sich unter Umständen mitfärben kann und die Durchsichtigkeit des Präparates beeinträchtigt. 47. Eine weitere Masse, womit auf dem Objektträger Schnitte aus schon vorher gefärbten Objekten fixirt werden können ist die folgende: 1 Theil Kollodium wird mit 3 Theilen Nelkenöl gemischt. Der Objektträger wird mit dieser Masse dünn angestrichen und die Schnitte darauf geordnet. Das Ganze wird in einem auf 50 — 60° erwärmten Thermostaten für einige Stunden gebracht, bis das Oel sich zu Tropfen ansammelt. Auch das Hin- und Herziehen (einige Mal) durch die Flamme führt zu demselben Resultate. Die so behandelten Objektträger dürfen bei weiterem Verarbeiten selbstver- ständlich nicht mit Flüssigkeiten, welche das Kollodium lösen in Kontakt kommen (Schällibaum). 48. Was die Celloidin-Präparate betrifft, so können sie zwar nicht mit gleicher Sicherheit auf den Objektträgern befestigt werden, sie lassen aber doch die Behandlung vieler Schnitte auf einmal zu: Man fängt in einer be- stimmten Reihenfolge die Celloidinschnitte mit feuchtem, ungeleimtem Papier auf, indem man den Papierstreifen auf den auf dem Messer schwimmenden Schnitt einfach auflegt (s. T. 35); der Schnitt bleibt daran haften. In der- selben Weise kann ein zweiter, dritter u. s. f. Schnitt mit demselben Papier- streifen aufgefangen werden, bis die ganze Fläche des Papiers treifens ausgenutzt worden ist. Eine Anzahl solcher mit Schnitten belegten Papierstreifen werden (damit sie während der weiteren Manipulationen nicht austrocknen) auf eine mit 70°/o Alkohol befeuchtete Lage von Fliesspapier in geordnete Reihen gelegt. Es wird nun auf einer entsprechend grossen Glasplatte sehr flüssiges Kollodium, nach Art, wie es die Photographen thun, dünn ausgebreitet. Wenn die Kollodiumschicht eingetrocknet ist, so legt man den Papierstreifen, mit den Schnitten nach unten auf die Glasplatte auf und bestreicht die Rück- seite des Papiers vorsichtig mit dem Finger; ebenso verfährt man mit den anderen vorhandenen Streifen bis die Glasfläche ausgenutzt ist. Das Papier kann nun vorsichtig abgehoben werden, wobei die Schnitte an der Kollodium- schicht in der Regel haften bleiben. (Vor dem Austrocknen müssen die Schnitte stets durch Befeuchten mit 70°/o Alkohol geschützt werden.) Auf die Fläche der Glasplatte, auf welcher sie ausgebreitet liegen, wird eine zweite Kollodiumschicht in derselben Weise wie die erste aufgetragen, wobei die Schnitte zuvor mit Fliesspapier abgetrocknet werden müssen. Ist diese zweite Kollodiumschicht ebenfalls trocken se worden, so muss die Platte 22 Serienschuitte. sammt den Schnitten sofort in Wasser übertragen werden, in welchem sie mit der doppelten Kollodinmschicht sich ablösen und weiter behandelt werden können. Vor dem Einschliessen kann die Kollodiumplatte mit der Scheere in passende Abtheilungen zerschnitten werden. 49. Die Aufklebemethoden sind namentlich von Wichtigkeit für die Anfertigung von sogenannten Serien; darunter wird nichts anderes ver- standen, als eine Anordnung der Schnitte in ihrer natürlichen Reihenfolge und daher die Möglichkeit erhalten bleibt, das Objekt aus den Schnitten heraus zu rekonstruiren. Kommt es auf die Reihenfolge nicht an, so kann man die Paraffin- wie Celloidinschnitte einzeln behandeln. Die ersteren kommen zunächst in's Wasser, worin sie sich eben strecken; die Celloidinschnitte werden in 70°/o Spiritus bis zur weiteren Behandlung aufgehoben. 50. Bevor die mit Eiweiss aufgeklebten Schnitte weiter behandelt werden, muss das sie umschliessende Paraffin entfernt werden, was mit irgend einem Paraffin-lösenden Mittel, z. B. mit Toluol, Xylol, Terpentinöl u. s. f. geschieht. Nachdem das Paraffin gelöst ist, werden die Schnitte in Alkohol abs. übertragen, theils um das Glycerin des Eiweisses (s. o.) zur Lösung zu bringen, theils um sie zur weiteren Behandlung mit wässerigen oder schwach alko- holischen Lösungen zugänglich zu machen. 2. Die Färbung. 51. Es ist in den meisten Fällen nöthig, die Schnitte zu färben, da hierdurch manche Strukturverhältnisse deutlicher hervortreten und zwar aus dem Grunde, weil bestimmte Theile der Gewebe mehr, andere weniger Farb- stoff in sich aufnehmen. Es tritt eine Differenzirung im Präparat auf, welche eine genauere Analyse ermöglicht. Besonders wichtig sind diejenigen Tinktions- mittel, welche hauptsächlich die Kerne tingiren. Man kann das Präparat in einem oder in mehreren Farbstoffen färben, wobei verschiedene Gewebstheile sich verschieden färben können; man kann demnach Einfach- und Mehrfachfärbungen ausführen. 52. Gewisse Farbstoffe eignen sich auch zu einer sogenannten Stück- färbung, d. h. einer Färbung der ganzen Objekte, noch bevor sie geschnitten werden. Bei der nun folgenden Reihe der Farbstoffe eignen sich zur Stück- färbung ganz besonders das Borax-Karmin, Parakarmin, Hämalaun, das R. Heidenhain'sche Hämatoxylin etc. (s. weiter unten). a) Schnitt färbungen. a) Karmine. 53. Die wässerige Borax-Karminlösung: 8 g Borax werden mit 2 g Karmin verrieben und 150 ccm dest. Wasser hinzu- gefügt; nach 24 Stunden wird die Flüssigkeit vom Bodensatz abgegossen Alkoholische Boraxkarminlösung etc. 23 und filtrirt. Die von Paraffin befreiten und mit Alkohol behandelten Schnitte werden in dieser Flüssigkeit einige Stunden (bis 12) belassen und eben so lange in einer 1lz — l°/o Salzsäure in 7ü°/o Alkohol ausgewaschen. Darauf werden sie in reinen 70°/o Spiritus übertragen. 54. Alkoholhaltige Kar minlösung: 3 g Karmin und 4 g Borax werden in 93 ccm Wasser zur Lösung gebracht und dazu 100 ccm 70°/o Alkohol zugesetzt, längere Zeit umgerührt, dann stehen gelassen und schliess- lich filtrirt. Behandlung der Schnitte genau wie in 53. 55. Parakarmin ist diejenige Karminlösung, die am meisten Spiritus enthält und ist schon deshalb von grossem Werth. Karminsäure 1 g, Chlor- aluminium 1/2 g, Chlorkalcium 4 g, werden in 100 ccm 70°/o Spiritus gelöst. Das Parakarmin färbt rasch, es tritt aber nicht leicht eine Ueber- färbung ein und eignet sich die Farbe besonders deshalb für Färbungen grösserer Stücke. Ausgewaschen wird in 70°/o Spiritus, bei Ueberfärbung mit Zusatz von 1',2q\q Chloraluminium oder 2,5 °/o Eisessig. (P.Mayer 92.) 56. Cochenille-Lösung nach Czocor: 1 g pulverisirter Cochenille und 1 g Alaun werden in 100 ccm "Wasser suspendirt und unter Umrühren auf die Hälfte eingekocht. Nach dem Erkalten wird filtrirt und etwas Karbolsäure hinzugesetzt. Diese Flüssigkeit färbt ziemlich schnell, überfärbt aber nicht. Bevor die Schnitte mit Alkohol behandelt werden, müssen sie, wenn sie aus der Färbeflüssigkeit kommen, mit Wasser gewaschen werden, weil der Alaun durch Alkohol auf den Schnitt niedergeschlagen wird. 57. Alaun-Karmin (Grenacher): 100 ccm einer 3 — 5°/o Lösung des gewöhnlichen oder des Ammoniak-Alaun werden mit 1/2— 1 g Karmin vermengt, 1U Stunde gekocht und nach dem Erkalten filtrirt. Diese Flüssig- keit färbt rasch und überfärbt nicht. Nach dem Färben werden die Schnitte mit Wasser gewaschen und dann mit Alkohol behandelt. ß) Hämatoxyline. 58. Die einfachste Färbelösung ist das wässerige Alaun -Hämatoxylin nach Böhmer: lg Hämatoxylin in 30 ccm abs. Alkohol gelöst und diese Lösung in ]/3°/o wässerige Alaunlösung hinein- getröpfelt bis eine violette Farbe zum Vorschein kommt. Man lässt das Ganze einige Tage stehen, wobei die violette Farbe in eine blaue übergeführt wird. Aufgeklebte oder nicht aufgeklebte Schnitte kommen in diese Lösung, die sehr rasch färbt und werden etwa nach einer 1/a Stunde mit Wasser ausge- waschen. Ist eine deutliche Kernefärbung vorhanden, so kann mit Alkohol weiter gearbeitet werden. Ist aber eine Ueberfärbung eingetreten, welche sich dadurch dokumentirt, dass auch andere Gewebstheile intensiv blau erscheinen, so dass die Kerne nicht mehr scharf genug hervortreten, so behandle man die Schnitte mit einer 1/io°/o wässerigen Salzsäurelösung, bis die blaue Farbe in eine hell-violette übergegangen ist; dann spüle man die Schnitte längere Zeit mit Wasser ab und behandle sie mit Alkohol. 24 Hämatoxyline, Safraniu etc. 59. Delafield'sches Hämatoxylin: um 600 ccm Flüssigkeit zu er- langen, löse man 4 g des kristallinischen Hämatoxylins in 25 ccm abs. Alkohol. Diese Lösung wird mit 400 ccm einer konzentrirten Alaunlösung vermengt. Dieses Gemenge wird 4 Tage lang offen stehen gelassen, filtrirt und je 100 ccm Glycerin und Methylalkohol hinzugegossen. Nach ein paar Tagen wird abermals filtrirt. Diese Flüssigkeit wird entweder unverdünnt oder mit Wasser verdünnt gebraucht. Die Färbung geschieht wie mit Böhm er- schein Hämatoxylin. 60. Hämalaun (nach P. Mayer 91): 1 g Hämatein wird in 50 ccm Alkohol von 90°/o unter Erwärmen gelöst und zu einer Lösung von 50 g Alaun in 1 1 Wasser unter Umrühren gegossen. Dann wird Thymol zu- gesetzt, um dem Schimmeln der Flüssigkeit vorzubeugen. Die Vorzüge des Hämalauns ^ind grosse: die Farbe kann sofort nach dem Bereiten benutzt werden, sie färbt rasch, überfärbt namentlich mit Wasser verdünnt nicht, dringt tief ein und ist mit Yortheil auch für grössere Stücke zu benutzen. Nach der Färbung wird mit destillirtem Wasser ausgewaschen. 61. Für Schnittfärbung empfiehlt M. Heidenhain 92.2 eine Häma- toxylin-Eisen-Alaunfärbung, welche namentlich verschiedene feinere Struktur- verhältnisse in der Zelle hervorhebt. Die Fixirung erfolgt hierbei in Sub- limat-Kochsalz 12 — 24 Stunden, eben so lang wird in fliessendem Wasser aus- gewaschen und dann mit Alkohol von allmählich steigender Konzentration behandelt. Sehr dünne Schnitte werden mit Wasser aufgeklebt und kommen in eine 1/,3°/o wässerige Eisen- Ammoniumsulfatlösung auf 2 — 3 Stunden. Nach kurzem Abspülen mit Leitungswasser werden die Schnitte in eine 3/4°/o wässerige Hämatoxylinlösung gebracht, worin sie schwarz werden. Nun kommen sie wieder in die erwähnte Eisenalaunlösung bis die erwünschte Differenzirung eingetreten ist. y) Aniline. 62. Besonders oft gebräuchlich als Kernefärbemittel ist das Safran in, vor allem werthvoll für Präparate, welche mit Flemming- scher Lösung und anderen Osmiumgemischen fixirt wurden. Die Safraniu- lösung wird folgendermassen hergestellt: man löst 1 g Safranin in ICO ccm abs. Alkohol und fügt noch 200 ccm dest. Wasser hinzu. In der Safranin- lösuDg werden die Schnitte 24 Stunden gelassen und es wird dann mit einem schwach mit Salzsäure angesäuertem abs. Alkohol (1 pro Mille) ausgezogen. Nach kürzerer oder längerer Zeit geben sämmtliche Gewebstheile den Farb- stoff ab und nur das Chromatin des Kernes bleibt gefärbt. 63. Eine Farbe, die sehr bequem zu handhaben ist, ist das Bismarck- braun: lg der Farbe wird mit 100 ccm Wasser aufgekocht und filtrirt; dann wird 1/a des Volumens abs. Alkohol zugesetzt. Das Bismarckbraun färbt rasch, überfärbt aber nicht. Ausgewaschen wird in abs. Alkohol. Es ist ebenfalls eine reine Kernfärbung. Anfertigung des Pikrokarmins. 25 64. Als drittes Kernfärbemittel der Aniline erwähnen wir das Methyl- grün: 1 g wird in 100 ccm dest. Wassers gelöst und 25 ccm abs. Alkohol zugesetzt. Es färbt sehr rasch (Minuten). Man wäscht flüchtig mit Wasser ab, behandelt dann einige Minuten mit 70°/o Spiritus, überträgt auf 1 Minute in abs. Alkohol etc. 65. In analoger Weise können auch andere, namentlich basische Ani- linfarben, als Kernfärbemittel angewendet werden. Besonders zweckmässig gestaltet sich die Anwendung des Thionin oder Toluidin in verdünnter wäs- seriger Lösung. Die Kerne erscheinen dabei blau (der Schleim roth). 66. Wenn bestimmte Farben in Mischungen oder nacheinander auf denselben Schnitt angewendet werden, so färben sich nicht etwa alle Bestand- teile des Schnittes in der Farbe der Mischung, sondern die einen Theile färben sich mit der einen, die anderen mit der anderen Farbe. Dieses elek- tive Vermögen des Gewebes benutzt man zu Mehrfachfärbungen. Kommen zwei Farben in Betracht, so spricht man von einer Doppelfärbung. 67. Als erste Doppel färbe erwähnen wir das Pikrokarmin nach Ran vi er. Die Bereitung ist eine folgende: 1. 10 g Karmin werden mit etwas dest. Wasser in einer Schale zu Brei verrieben, dann werden etwas dest. Wasser und einige Tropfen Am- moniak hinzugefügt, um eine vollständige Lösung des Karmins zu er- halten. 2. Diese Lösung wird mit 1 Liter gesättigter Pikrinsäurelösung in Wasser gemischt (alles dieses geschieht bei gewöhnlicher Zimmertemperatur). 3. Diese Mischung wird in einen Pokal mit weiter Oeffnung hineingegossen und mit einem durchlöcherten Blatt Papier zugedeckt. Mit einem Strich auf der Wand des Gefässes wird das Niveau der Flüssigkeit bezeichnet. 4. Nun lässt man die Flüssigkeit mehrere Wochen ja sogar Monate in einem geheizten Räume. Nach einigen Tagen bildet sich auf der Oberfläche eine grünlich-graue Lage Schimmel. Durch Verdunstung senkt sich das Niveau der Flüssigkeit mehr und mehr. Man rührt diese indessen nicht an, bis sie sich etwa zu 1/s ihres Volumens re- duzirt hat. 5. Dann zieht man behutsam die Schimmellage ab und dekantirt vor- sichtig, so dass man am Grunde des Gefässes den Bodensatz von entstandenem pikrinsaurem Ammoniak liegen lässt; man mischt dann die dekantirte Flüssigkeit mit der abgezogenen Schimmellage, indem man die letztere mit den Fingern zerdrückt, damit keine grösseren Klumpen erhalten bleiben. — Dann erhitzt man die Flüssigkeit in einer Schale und lässt sie eine 1/4 Stunde kochen. Auf diese Weise zerstört man die Pilze. Zu der, nun mehr eingedickten Flüssig- keit, fügt man so viel Wasser zu, dass man 1 Liter im Ganzen 26 Pikrokarmin nach "Weigert. bekommt, erhitzt abermals bis zum Kochen und filtrirt. Das Filtrat ist eine fertige Pikrokarminlösung. — Ein Tropfen dieser Flüssigkeit auf Filtrirpapier gebracht, bildet einen gelblich-braunen, von einem rosarothen Rand umgebenen Fleck ; ist die Mitte des Fleckes zu roth, dann fügt man etwas pikrinsauren Ammoniak hinzu ; ist die Lösung eine zu dünne, so macht man sie konzentrirter, indem man sie auf einem Wasserbade etwas verdunsten lässt. Zu einem Schnitt wird ein Tropfen des Pikrokarmins auf dem Objekt- träger hinzugesetzt und in einer feuchten Kammer 24 St. gefärbt. Man setzt dann ein Deckglas auf das Präparat, saugt das Pikrokarmin mit einem Streifeu Fliesspapier ab und lässt von der anderen Seite des Deckglases her einen Tropfen Ameisensäure-Glycerin (1 : 100) zufliessen. Nach Tagen kommt es zu einer richtigen Differenzirung des Präparates und kann man dann das angesäuerte Glycerin durch reines substituiren. An Objekten, die mit Osmiumsäure fixirt waren, erscheinen die Kerne roth, das Bindegewebe rosa, elastische Fasern kanariengelb, Muskeln strohgelb, Keratohyalin roth u. s. w. 68. Da die Zubereitung dieses Pikrokarmins eine etwas umständliche ist, so erwähnen wir hier ein zweites von Weigert empfohlenes Verfahren: 2 g Karmin werden mit 4 ccm Ammoniak verrührt und 24 St., geschützt vor Verdunstung, stehen gelassen; es werden dann 200 g conc. wässeriger Pikrinsäure hinzugesetzt; nach 24 St. füge man wenige Tropfen Essigsäure, die einen geringen Niederschlag, der auch beim Umrühren sich nicht löst, verursacht. Nach 24 St. wird filtrirt. Geht der erwähnte Niederschlag durch den Filter durch, so setze man etwas Ammoniak hinzu, bis er sich ge- löst hat. Beide Pikrokarmine lösen mit Eiweiss angeklebte Schnitte ab. 69. Karmin-Bleu de Lyon (nach Böse). Man schicke eine Stück- oder Schnittfärbung mit Karmin voraus (Alaun oder Boraxkarmin). Bleu de Lyon wird in abs. Alkohol gelöst und so weit mit dem letzteren verdünnt, dass die Lösung nur ganz schwach bläulich erscheint. Darin werden die Schnitte 24 St. lang nachgefärbt. (Blau färbt sich z. B. die sich bildende Knochensubstanz.) 70. Pikrinsäure: eine gesättigte wässerige Lösung, 1:3 mit Wasser verdünnt, wird oft als zweite Farbe gebraucht. Diese Lösung kann auch auf die mit Karmin und Hämatoxylin vorgefärbten Schnitte angewandt werden. Man färbt 2 — 5 Minuten lang, spült mit Wasser ab, überträgt in Alkohol u. s. w. 71. Alkoholische Pikrinsäurelösungen können als zweite Farbe auch auf mit Safranin vorgefärbte Präparate angewandt werden. 72. Die alkoholische Pikrinsäurelösung kann zum Auswaschen der in Boraxkarmin gefärbten Stücke (s. u.) dienen. Hierbei erzielt man eben- falls eine eigenthümliche Mehrfachfärbung. Auch kann man die Schnitte zuerst mit Pikrinsäure, dann etwa mit Alaunkarmin nachbehandeln. Behandlung nicht aufgeklehter Schnitte. 27 73. Hämatoxylin-Eosin. Die mit Hämatoxylin vorgefärbten Schnitte kommen auf 5 Minuten in eine (1 — 2°/oo) wässerige Eosinlösung; dann werden sie mit "Wasser so lange gespült, bis sie keine Farbe mehr ab- geben. Nun werden sie kurze Zeit in abs. Alkohol ausgewaschen. 74. Hämatoxylin -Safranin nach Rabl85. Schnitte von mit Chrom- Ameisensäure oder mit Platinchloridlösung fixirten Präparaten werden mit Delafield'schem Hämatoxylin (s. T. 59) wenig gefärbt, dann mit Safranin 12 — 24 Stunden nachgefärbt und solange mit abs. Alkohol ausgewaschen, bis sie keine farbigen Wolken mehr abgeben. 75. Von den zahlreichen gebräuchlichen Dreifachfärbungen er- wähnen wir hier nur die wichtigste, von Biondi und Ehrlich em- pfohlene Rubin S- Orange G-Methylgrün-Methode nach der von M. Haidenhain 92. 2 angegebenen Modifikation. Die besten Resultate werden an in Sublimat-Kochsalz fixirten Objekten gewonnen. Aus den drei ange- gebenen Farben werden konzentrirte wässerige Lösungen hergestellt (Rubin löst sich wie 1 — 5, Orange und Methylgrün wie 4 — 5). Die gesättigten wässerigen Lösungen werden in Proportionen von Rubin 4, Orange 7, Me- thylgrün 8 zusammengegossen. Die so erhaltene „Stammlösung" wird als Färbemittel in 50 — lOOfacher Verdünnung mit dest. "Wasser benutzt. Die möglichst dünnen, mit Wasser angeklebten Schnitte verbleiben 24 Stunden in der Farbe und werden dann entweder in einem 90 °/o Spiritus allein oder mit Essigsäure (1 — 2 Tropfen auf 50 ccm) versetztem, solange ausgewaschen, bis die ablaufende Flüssigkeit farblos erscheint. Vor der Färbung ist es zu- weilen vortheilhaft, die Schnitte mit einer Essigsäure (2 p. M.) 1 — 2 Stunden zu behandeln. 76. In derselben Weise, wie die angeklebten Schnitte, werden auch einzelne, nicht aufgeklebte Schnitte behandelt. Für Paraffin-Schnitte wäre der Weg etwa folgender: die von trocken geschnittenen Objekten herrühren- den Schnitte kommen in's Wasser; auf der Oberfläche desselben breiten sie sich vollständig aus, werden dann in abs. Alkohol übertragen, aus diesem in eine Paraffin lösende Flüssigkeit (Xylol etc.). Nachdem das Paraffin voll- kommen entfernt wurde, kommen sie wieder in abs. Alkohol u. s. f., wie bei den aufgeklebten Schnitten. Bei den Celloidinschnitten muss man darauf achten, falls es wünschens- werth ist, die schützende Celloidinhülle zu erhalten, dass die Präparate nicht mit Celloidin lösenden Mitteln in Berührung kommen. Diese sind Alkohol von 95°/o aufwärts, Aether, einige ätherische Oele, namentlich das Nelkenöl, nicht aber Origanum-, Cedernholz-, Lavendelöl etc. b) Stückfärbungen. Anstatt die Schnitte einzeln zu färben, kann man die Objekte auch vor dem Schneiden färben (Stückfärbung). Eine Stückfärbung nimmt im 28 Stückfärbungen. Allgemeinen längere Zeit in Anspruch und sind dazu besonders folgende Farbstoffe geeignet: 77. Spirituöse Borax-Kar minlösung (s.T. 54): Stücke von einem Va Centimeter Grösse z. B. verbleiben in der Farbe mindestens 24 Stunden und werden dann ebenso lange mit salzsaurem Alkohol (x/2 — l°/oige Konzentration) behandelt; dann werden sie mit einem 70°/o Spiritus ausgewaschen und schliess- lich in 90°/o Spiritus übertragen. Grössere Stücke werden entsprechend länger behandelt. 78. Das Parakarmin. Anwendung wie für Schnittfärbung, was je nach der Grösse des Stückes entsprechend lange Zeit in Anspruch nimmt (s.T. 55). 79. Alaunkarmin nach Grenacher (s. T. 57), welches, wie wir sahen, nicht überfärbt. Nach kürzerer oder längerer Färbung, je nach der Grösse des Stückes, muss das Objekt mit Wasser ausgewaschen, dann in 70°/o, dann in 90°/o Spiritus übertragen werden. 80. Hämalaun (s. T. 60), namentlich verdünnt mit Wasser, eignet sich für Stückfärbuug gut. Nach der Färbung wird mit dest. Wasser ge- waschen. 81. Auch mit Wasser stark verdünntes Böhmer'sches Hämatoxylin (s. T. 58), ähnlich angewendet wie Hämalaun, liefert bei kleineren Stücken präzise Färbungen. 82. Die R. Heidenhai n'sche Hämatoxylinfärbung ist besonders für Stückfärbung zu empfehlen (86): Die in Alkohol oder in Pikrinsäure konservirten Objekte kommen in eine t/3°/o wässerige Hämatoxylinlösung auf 24 Stunden und werden dann ebenso lange mit einer 1/2°/o wässerigen Lösung von chromsaurem Kalium, welche so oft gewechselt werden muss, bis keine Farbwolken mehr auf- treten, behandelt, darauf mit Wasser ausgewaschen und allmählich in starken Alkohol übergeführt. Diese Farbe färbt auch das Protoplasma, ist aber eine so intensive, dass sehr dünne Schnitte eine unerlässliche Bedingung für die Klarheit des Präparates sind. 83. Wurden die Stücke vorher mit Pikrinsäure fixirt und ist die Pikrinsäure nicht ganz ausgewaschen, so liefern die Stückfärbungen mit den aufgezählten Farben Doppelfärbungen. 84. Die so in Stücken gefärbten Präparate können nach den gewöhn- lichen Regeln durchtränkt und geschnitten werden, wobei die Sehnittfärbung, falls man nicht mit der bereits vorhandenen Färbung eine zweite kombiniren will, wegfällt. 85. Im Ganzen gestaltet sich die Behandlung eines Objektes so, dass man dasselbe zuerst in irgend einer der oben angegebenen Konserviruugs- flüssigkeiten fixirt, dann sorgfältig auswäscht und dann in gewissen Fällen in Stücken, also noch vor dem Durchtränken mit Paraffin oder Celloidin, färbt; Dauerpräparate. 29 oder die Färbung auf später verschiebt und die Schnitte dann entweder einzeln tingirt (im letzteren Falle können sie also der Reihe nach nicht mehr auf den Objektträger aufgeklebt werden), oder sie zuerst auf dem Objektiv- träger befestigt. 86. In allen Fällen entferne man vor dem Färben das Paraffin. Sind die Schnitte gefärbt und ausgewaschen, so kommen sie zuletzt in abs. Alkohol, falls man sie später zur längeren Aufbewahrung in harzige Substanzen überführen will; man kann sie indessen auch in Glycerin aufheben, in welches sie direkt aus destillirtem Wasser herüberkommen können. 87. Bei der Färbung der Schnitte und Stücke gilt also folgendes Schema : 90°/o Alkohol "Wasser Farbe Auswaschen Stücke Schnitte Alkohol in aufsteigen- den Koncentrationen bis 90°/o eventuell 70% Alkohol Absoluter Alkohol. eventuell Wasser E. Anfertigung von Dauerpräparaten. Die harzigen, zum Einschluss des Präparates gewöhnlich dienenden Massen sind 1. der Kanadabalsam und 2. der Damarharz. 88. Der im Handel käufliche Kanadabalsam ist meistens in Ter- pentin gelöst; man dampft denselben langsam in einer Schale ein und löst ihn dann in Xylol, Toluol oder in Chloroform u. s. w. auf. Die passende Konzentration der Lösung wird man bei einiger Uebung bald errathen: eine dicke Kanadabalsamlösung dringt viel schwerer in die Interstitien des Schnittes ein und enthält meistens Luftblasen, die oft die besten Stellen des Präparates verdecken und nur mit Mühe, am besten 30 Auflegen des Deckgläschens. durch gelindes Erwärmen auf einer Flamme, weggebracht werden können. Dünnere Lösungen haben andere Nachtheile: sie verdunsten sehr rasch und der Raum zwischen Objektträger und Deckglas muss immer wieder von Neuem mit Kanadabalsam gefüllt werden; letzteres thut man am besten so, dasa man an einem Glasstabe einen Tropfen der Lösung hängen lässt und denselben an den Rand des Deckgläschens bringt; durch Kapillarität breitet sich dieser Tropfen zwischen Objekt- und Deckglas aus. Das Trocknen des Kanadabalsams geht überhaupt ziemlich langsam vor sich und ist durchaus abhängig von der jeweiligen Temperatur. Man bedient sich deshalb mit Vortheil eines Thermostaten, in welchen man die Präparate hineinbringt und in welchem sie ungefähr nach 24 Stunden eine Trockenheit erreichen, die die Beobachtung mit Immersionslinsen gestattet (das Immersionsöl muss nämlich nach dem Beobachten vom Deckgläschen stets abgewischt werden, was nur dann ohne Verrücken des letzteren geht, wenn der Balsam vollständig eingetrocknet ist und das Deckgläschen festhält). 89. Der Damarharz wird vorzugsweise in Terpentinöl und Benzin zu gleichen Theilen gelöst und hat den Vorzug, die Präparate nicht so stark aufzuhellen wie der Kanadabalsam. Sonst wird er wie letzterer angewandt. 90. Da nun der Alkohol sich mit Kanadabalsam und Damarharz nicht mischt, so bedient man sich, um die Objekte in diese Substanzen zu bringen, auch hier einer Zwischenflüssigkeit, als welche ätherische Oele, Xylol, Toluol etc. gebraucht werden. 91. Hat man aufgeklebte Schnitte einzuschliessen, so ist das Verfahren ein einfacheres. Man benetzt die die Schnitte enthaltende Fläche des Objekt- trägers, der vorher in abs. Alkohol war, etwa mit Nelkenöl, oder, was noch besser ist, bringt das ganze Präparat in ein Gefäss mit Nelkenöl,wo man es längere Zeit verweilen lässt (Minuten), jedenfalls bis die Diffusionsströme des Alkohols und des Nelkenöls aufgehört haben, was man mit blossem Auge sieht; dann nimmt man den Objektträger heraus und lässt das haftende Nelkenöl in das Gefäss zurück abfliessen, wischt dann die Rückseite und die Kanten des Objektträgers mit einem Tuch trocken ab und legt das Präparat mit den Schnitten nach oben vor sich auf den Tisch. Nun bringt man einen Tropfen Kanadabalsam etwa an die linke Seite des die Schnitte enthaltenden Quadraten und fasst ein vorher sorgfältig geputztes Deckgläschen mit einer Pincette an; bei einiger Uebung lernt man dieses auch mit den Fingern zu thun, wobei man sich hüten muss, die Flächen des Deckgläschens zu berühren: man es nur an den Rändern an und legt den freien Rand derart auf den Tropfen des Kanadabalsam auf, dass letzterer nur die Unterfläche des Deck- gläschens benetzt, worauf man dasselbe langsam zu senken beginnt und sieht zu, dass der Kanadabalsam sich gleichmässig ausbreitet und keine Luft schöpft. Ist dieses geschehen, so ist das Präparat fertig und kann zum Trocknen in den Thermostaten gebracht werden. Einschliessen in Glycerin. 31 92. Hat man nicht aufgeklebte Schnitte, so bediene man sich eines Spatels, um sie aus dem abs. Alkohol in das Nelkenöl und von diesem auf den Objektträger zu bringen; dabei muss geachtet werden, dass der Schnitt auf dem Spatel vollkommen ausgebreitet liegt, eventuelle Falten kann man mit einer Nadel ausgleichen (namentlich ist diese Vorsicht nöthig, wenn der Schnitt aus dem Nelkenöl auf den trockenen Objektträger kommt). Beim Herabziehen des Schnittes von dem Spatel (mit einer Nadel) kommt eine geringe Menge Nelkenöl mit auf das Glas und muss möglichst entfernt werden, sei es durch Abfliessen oder durch Absaugen mit Fliesspapier; dann schliesst man den Schnitt in Kanadabalsam wie vorher ein, wobei man darauf achten muss , dass bei der Ausbreitung des Kanadabalsamtropfens nicht an den Rand des Deckgläschens zu liegen kommt. Ist indessen letzteres geschehen, so thut man am besten das Deckgläschen wieder aufzuheben, um von Neuem einzuschliessen. Gerückt darf an dem Deckgläschen nicht werden. 93. In einzelnen Fällen ist es rathsam, beim Einschliessen des Präparates (so namentlich bei den dem Nelkenöl gegenüber empfindlichen Farbestoffen) das Nelkenöl entweder gar nicht zu benutzen (statt dessen andere ätherische Oele, auch Toluol oder Xylol oder Aehnliches) oder dasselbe mit Toluol vom Objektträger behutsam wegzuspülen. 94. Um in Glycerin einzuschliessen, eine Methode, die für solche Schnitte, welche nach der Färbung nicht mehr mit Alkohol in Berührung kommen und nicht zu stark aufgehellt werden sollen, von Vortheil ist, bringe man die Schnitte aus dem Wasser auf den Objektträger, bedecke sie mit einem Tropfen Glycerin und lege ein Deckgläschen auf. 95. Um solche Präparate längere Zeit aufzubewahren, muss das Glycerin luftdicht abgeschlossen und das Deckgläschen fixirt werden. Hierzu bedient man sich der sogenannten Umrandungsmassen, mit welchen man das Deckgläschen umzieht. Diese Massen haften am Glase, erstarren, verbinden das Deckgläschen mit dem Objektträger und schliessen das Glycerin luft- dicht ab. Besonders geeignet für diese Zwecke ist der Krönig'sche Lack. Er wird fogendermassen angefertigt : 2 Theile "Wachs werden geschmolzen, hierzu stückweise 7 — 9 Theile Kolophonium unter Umrühren zugesetzt. Man kann die Masse heiss filtriren. Vor Anwendung einer Oelimmersion empfiehlt es sich, den Rand mit alkoholischer Schellacklösung zu überstreichen. 96. Die verschiedenen Möglichkeiten bei der Behandlung des Paraffin- schnittes können durch folgendes Schema (zum Theil nach Böhm & Oppel) ausgedrückt werden: 32 Gelatiukarminmasse zum Injiziren. Paraffinschnitt .Aufkleben Xylol abs. Alkohol Färben Auswaschen i — > abs. Alkohol I Ausbreiten in Wasser * Xylol Kanadabalsam. F. Anleitung zum Injektionsverfahren. 97. Zuletzt seien hier noch einige Bemerkungen über die Injektion der Gefässe eingeschaltet, vermittelst welcher man die Beziehungen der letzteren zu den benachbarten Geweben kennen lernt. Die Injektion ist unerlässlich beim Studium der Verbreitung der Kapillaren, welche sonst so stark kollabiren, dass sie als solche nur schwer erkannt werden können. Dieses Verfahren besteht darin, dass man die Gefässe mit einer zu mikroskopischen Zwecken geeigneter und für die Schnittmethoden zugänglichen Masse füllt. Solcher Massen giebt es eine Anzahl und überhaupt ist die Injektionstechnik zu einem ausgedehnten selbständigen Kapitel der anatomischen Technik geworden. Als Injektionsmassen für Blutgefässe sind Gelatinemassen im Gebrauch und wir führen hier eine rothe und eine blaue an. 98. Die erstere ist eine Gelatinkarminmasse und wird folgendermassen vorbereitet: 1) Es wird ein Karminbrei hergestellt, indem man etwa 4 g Karmin mit 8 ccm. Wasser übergiesst und sorgfältig verreibt. In diesen Brei giesst man soviel Ammoniaklösung hinzu, bis das Ganze lackfarben, d. h. dunkelkirschroth und durchsichtig geworden ist. 2) 50 g feinster Gelatine werden in destillirtem Wasser auf 12 Stunden gelegt, bis die Ge- Injektionstechnik. 33 latine aufgequollen ist. Die Letztere wird mit Händen ausgepresst und etwa in einer Porzellanschale, bei ungefähr 70° C. geschmolzen. Nun wird die Lösung 1 zur Lösung 2 unter beständigem Umrühren vorsichtig in kleinen Mengen hinzugefügt, bis eine vollständige Mischung beider Flüssigkeiten er- zielt worden ist. Jetzt kommt der schwierigste Abschnitt bei der Fertig- stellung der Masse, nämlich das Zutröpfeln einer etwa 25°/o Essigsäure. Während dieser Prozedur muss die Masse stets auf 70° erwärmt bleiben und immer umgerührt werden. Man tröpfelt solange, bis die Lackfarbe in eine ziegel- rothe und undurchsichtige Farbe eben umzuschlagen anfängt, was von einem einzigen Tropfen Essigsäure abhängt. Auf diese Weise wird die Masse neutral oder schwach sauer (arnmoniakalisch reagirende Massen difFundiren durch die Gefässwände) und kann durch Flanell warm filtrirt werden (Wärmefilter). 99. Die blaue Masse wird mit im Wasser löslichen berliner Blau hergestellt. Man fertigt eine gesättigte Lösung und fügt sie zu einer auf 70° erwärmten Gelatinelösung in Wasser (wie vorher), bis die gewünschte Intensität der Farbe erreicht ist. 100. Es sind übrigens auch fertige Injektionsmassen im Handel vorhanden. Ausser den Erwähnten, auch solche, die mit chinesischer Tusche gefärbt sind etc. 101. Kleine Thiere werden entweder ganz injizirt, wrobei man die Kanüle der Spritze in das linke Herz oder in die Aorta einführt, oder, bei grösseren Thieren, resp. bei genauer auszuführenden Injektionen, indem man in eines der zuführenden Gefässe des zu injizirenden Organes die Kanüle einführt. Eine passende Unterbindung einiger der übrigen Gefässe ist zu berücksichtigen u. s. w. 102. Vor der Injektion müssen die Thiere oder ihre Organe auf etwa 38° C. durchwärmt werden (etwa im warmen Wasser), damit die Injektions- masse nicht vor ihrem Eindringen in die feinen Gefässe erstarrt. 103. Jedenfalls empfiehlt es sich noch vor der Injektion das Thier ordent- lich ausbluten zu lassen, oder durch vorsichtiges Quetschen der betreffenden Organe möglichst viel Blut aus denselben zu entfernen. 104. Die mit Karmin injizirten Organe werden in Alkohol fixirt, dürfen aber mit Säuren und Alkalien nicht in Berührung kommen. Solche mit Berlinerblau injizirten Stücke pflegen für die Nachbehandlung weniger em- pfindlich zu sein. Blass gewordene Stücke (oder Schnitte) pflegen ihre blaue Farbe in Nelkenöl wieder zu erlangen. 105. Behandelt man die mit Berlinerblau injizirten Stücke oder Schnitte mit einer Palladiumchlorürlösung, so geht die blaue Farbe in eine tief braune über und diese Farbe bleibt unverändert (Kupffer). 106. An flachen Membranen und Schnitten können die Gefässe auch in der Weise klar gemacht werden, dass man durch Versilberung die Grenzen ihrer Epithelzellen darstellt. Dieses kann entweder so geschehen, Böhm-v. Davidoff , Histologie. 3 34 Darstellung der Lymphwege. dass man eine l°/oo Silbernitratlösung in die Gefässbahnen injizirt, oder aber nach dem Verfahren von Chrzonszcze wsky eine 1/4°/o Silbernitratlösung in Gelatine einspritzt. Letzteres Verfahren ist von Vortheil, weil die Kapil- laren nach der Erhärtung des injizirten Stückes praller gefüllt erscheinen. Die so behandelten Organe können geschnitten werden; die Epithelzeichnung der Gefässe erscheint aber erst, nachdem die Schnitte dem Lichte exponirt worden sind. 107. Nach den erwähnten Injektionsmethoden können auch andere Lumina, wie z. B. die der Drüsen gefüllt werden. Hier füllen sich aber dieselben in der Regel mangelhaft, weil ihre Wände weniger resistent sind und sie vielfach blind auslaufen; die Injektionsmasse bewirkt daher oft Zer- reissungen. 108. Für die Lymphbahnen, Lymphgefässe und Lymph- spalten ist die Methode der Injektion durch Einstich üblich. Sie besteht darin, dass man eine zugespitzte Kanüle in das zu injizirende Gebiet durch Einstich einführt und unter möglichst konstantem und geringem Druck in- jizirt. Die Injektionsflüssigkeit breitet sich dann in Bahnen, welche den geringsten Widerstand bieten, aus. Hierfür werden in der Regel das wässerige Berlinerblau und die wässerige Silbernitratlösung benutzt, weil die dick- flüssigeren Gelatinelösungen noch mehr Zerreissungen hervorrufen. 109. Für die Darstellung der Blutkapillaren und der Lymphbahnen ist das Verfahren von Alt mann (79) von Interesse; es besteht darin, dass man die Gefässe mit Olivenöl injizirt. Die Stücke werden dann mit Osmiumsäure behandelt, mit dem Gefriermikrotom geschnitten und mit Aqua Javelli (konz. wäss. Lösung des unterchlorigsauren Kalium) behandelt. Dabei lösen sich sämmtliche Gewebe auf und es bleiben die Ausgüsse der Gefässe als schwarze Stränge übrig (Korrosion). Die Behandlung dieser Präparate ist wegen der Brüchigkeit der Oelstränge eine äusserst minutiöse. Für die Lymphwege hat Altmann (ibid.) die sogenannte Fettimprägnation an- gegeben. Man legt frische Gewebsstücke, dünne Lamellen der Organe, Horn- haut u. s. w. in Olivenöl 1, absol. Alkohol ^2, Schwefeläther V2 (auch Ri- cinusöl 2, Alkoh. abs. 1) auf 5 — 8 Tage. Dann werden die Stücke mehrere Stunden mit Wasser behandelt, wobei die äusserlich anhaftenden Fetttheil- chen mechanisch entfernt und innerhalb der Lymphwege niedergeschlagen werden. Nun werden die Objekte mit Osmiumsäure behandelt, mit dem Ge- friermikrotom geschnitten und korrodirt. Es empfiehlt sich hierbei, die Kor- rosionsflüssigkeit auf das 2 — 3 fache zu verdünnen. Allgemeiner Theil. I. Die Zelle. Der thierische Organismus setzt sich aus gewissen Elementartheilen zusammen , die man Zellen nenn t. Sie wurden von Schieiden im Pflanzenreiche, von Schwann im Thierkörper entdeckt; aber erst nach- trägliche Untersuchungen haben dargelegt, dass allen Organen, auch da, wo die Zelle als solche nur schwer zu erkennen ist, zellige Elemente zu Grunde liegen; kurz, überall wo wir mit thierischem Gewebe zu thun haben, muss es unser Bestreben sein, dasselbe auf Zellen zurückzuführen. — Die einfachsten Formen im Thierreiche sind Wesen, welche nur aus einer Zelle bestehen (Protozoen). Auch in der Entwickelung der höheren Thiere ist die Anfangs- stufe, das befruchtete Ei, eine Zelle, welche durch Theilung sich vermehrend, eine Anzahl von zunächst gleichartigen Zellen bildet. Durch Anpassung und Arbeitstheilung schlagen diese Zellen (Furchungskugeln) verschiedene Weisen der Entwicklung ein, sie differenziren sich, ändern ihre Form und Beschaffen- heit, übernehmen verschiedene Funktionen und gewähren sehr mannigfaltige Bilder. Die Grundform hat man sich als eine kuglige vorzustellen. Wir haben zunächst diejenigen Bestandteile der Zelle zu berücksich- tigen, welche ihr konstant zukommen, gleichgiltig, ob sie z. B. zu einer Epithelzelle oder zu einem wandernden Leukocyten geworden ist. Jede Zelle besteht aus dem Zellkörper und dem vom Zellkörper umschlossenen Zell- kerne. A. Der Zellkörper. Der Körper der Zelle besteht hauptsächlich aus einer Substanz, die man Protoplasma nennt. Unter dem Begriff des letzteren versteht ein Histologe nicht etwa eine einheitliche Substanz von gleichmässiger physi- kalisch-chemischer Beschaffenheit, sondern ein Gemenge von verschiedenen, 36 Das Protoplasma. Zellkörper (Proto- und Paraplasma) Kernkörperchon ~ Kern Fig. 3. Zelle einer Talgdrüse des Menschen. 820 mal vergr. zum grössten Theil nicht näher bekannten organischen Verbindungen, die der Hauptsache nach zu den Proteinkörpern, oder Eiweissstoffen im weitesten Sinne, gehören. Trotz der mannigfaltigen Verschiedenheiten in der Zusam- mensetzung weist das Protoplasma gewisse allgemeine, wesentliche Eigen- schaften auf, die wir an ihm überall da, wo es vorhanden ist, finden. Im einfachsten Falle lässt das Protoplasma bestimmt geformte Struk- turen erkennen: es sind Fäden oder Platten, welche gerade oder geschlängelt verlaufen, sich verzweigen, mit einander verbinden und oft zu einem regel- mässigen Gerüst gruppiren. Diese Fäden bestehen wahrscheinlich aus aneinander gereihten kleinen Körperchen, welche man in der letzten Zeit als Zellmikrosomen nennt (vergl. van Beneden 83, M. H e i d e n h a i n 94 u. A.). Diese Sub- stanz bezeichnen wir als Protoplasma im engeren Sinne (Kupffer 75) oder als Filarmasse nach Flemming 82. Die zwischen den Fädchen verbreitete, mehr flüssige Substanz ist das Paraplasma (Kupffer) oder die Int er filarmasse Flemming 's. Die wichtigsten vitalen Vorgänge der Zelle scheinen an das Proto- plasma gebunden zu sein, während dem Paraplasma eine untergeordnetere Rolle zukommt. Das Protoplasma äussert Bewegungserscheinungen, die sich eines- theils durch Kontraktionen kund geben, anderentheils durch Bildung von Fort- sätzen dokumentiren, welche entweder als stumpfe Hervorbuchtungen (Loben) oder als lange sich allmählich zuspitzende, mitunter verzweigte Fäden auf- treten (Pseudopodien). Das Aussenden und Wiedereinziehen der Pseu- dopodien befähigen diese Zelle ihren Aufenthaltsort zu wechseln: indem die Spitze eines solchen Fortsatzes an irgend einem Körper kleben bleibt und den übrigen Theil der Zelle nach sich zieht, bewegt sich bei Wiederholungen dieses Pro- zesses, die Zelle kriechend weiter (Wan der- zellen). Gewisse Zellen nehmen mittels ihrer Pseudopodien Nahrung auf; die letz- teren umfliessen dann bestimmte Fremd- körper und befördern sie langsam nach dem Zellenleib, wo sie einem Assimilationspro- zess unterliegen können (Pkagocyten, Metschnikoff). Aehnliche, fadenförmige aber konstante Fortsätze sind an manchen Zellen in Gestalt von Cilien entwickelt und können in lebhafte Bewegung versetzt Geissei Zollleib Kern Fig. 4. Cylindrische Geisselzellen aus der Ur niere von Petromyzon Planeri. 1200 mal vergr. Eigenschaften des Protoplasmas. 37 werden (Flimmerzellen). An gewissen Zellen ist nur ein einziger langer Fortsatz vorhanden, mittels welchen isolirte Zellen sich in rotirende oder fortschreitende Bewegungen versetzen können (Geisseizellen, Spermato- zoon). Sogenannte undulirende Membranen etc. sind auch Lokomotions- organe. Auch im Inneren des Protoplasmas treten Bewegungserscheinungen auf, die auf Strömungen zurückzuführen sind, welche namentlich bei pflanzlichen Zellen öfters eine auffallende Regelmässigkeit in der Richtimg des Stromes zeigen. Aber auch die sogenannte Molekularb ewegung kommt in Zellen vor: man sieht dann im Protoplasma suspendirte Körnchen sich lebhaft hin- und herbewegen (Brown). Das lebende Protoplasma ist in hohem Grade sensibel und reagirt auf chemische und physikalische Reize ausserordentlich lebhaft. Besonders empfindlich ist dasselbe in Hinsicht der Temperatur. Alle Lebenserscheinungen vollziehen sich in der Wärme rascher, energischer als in der Kälte. Dieses bezieht sich namentlich auf die Bewegungserschei- nungen der Zelle, wie auch besonders auf ihre Fortpflanzung. Man kann, indem man auf das Protoplasma verschiedene Temperaturen einwirken lässt, seine Bewegungen verlangsamen oder beschleunigen. Bei zu hohen und zu niederen Temperaturen stirbt es leicht ab. — Gewisse chemische Substanzen, welche in einer bestimmten Richtung die Zelle treffen, wirken je nach ihrer Konzentration entweder abstossend oder anziehend auf sie ein. Es sind Erscheinungen, welche man als negativen und positiven Chemo- tropismus (Chemotaxis) bezeichnet. Solche Wirkungen der chemischen Stoffe fallen natürlich bei verschiedenen wandernden Körperzellen wie auch bei bestimmten freilebenden einzelligen Wesen, je nach ihrer Beschaffenheit und Empfindlichkeit verschieden aus. Jedenfalls haben alle diese Erscheinungen, zu welchen auch die vom Wasser (Hydrotropismus) und Licht (Heliotropismus) ausgeübten Wirkungen zu rechnen sind , für die Beurtheilung mancher im Wirbelthierkörper vor sich gehenden Prozesse (z. B. bei der Entstehung von durch Mikroorganismen verursachten Krankheiten) eine grosse Bedeutung. Das Protoplasma enthält oft Einschlüsse, welche nicht unbedingt zur Konstitution desselben gehören. Wir erwähnen zuerst die oft im Proto- plasma anzutreffenden sogenannten Vakuolen; es sind mehr oder weniger scharf abgegrenzte Hohlräume, welche mit einer Flüssigkeit gefüllt sind. Die Zahl und die Grösse dieser Vakuolen ist sehr veränderlich, und hängt die letztere in den meisten Fällen von ihrem Füllungsgrade ab; die Flüssig- keiten, die sich in ihnen befinden, sind von sehr verschiedener lSTatur. aber immer vom Protoplasma selbst ausgeschieden. Begreiflicher Weise wird man die Vakuolen dort am besten sehen, wo die Funktion der Zelle hauptsächlich im Secerniren besteht — da findet man oft grosse Blasen, die fast die ganze Zelle erfüllen und schliesslich ihren Inhalt nach aussen entleeren (Becher- zellen, Epithelien der Schleimdrüsen, Leberzellen etc.). 38 Der Kern. Inhaltskörper von festerer Beschaffenheit sind nur spezifisch umgewandel- ten Zellen eigen ; wir erwähnen Fett, Pigment, Glykogen, Krystalle. Am meisten wird die Zelle durch Produktion von Fett modifizirt ; die Masse des letzteren nimmt in der Regel die Gestalt eines grösseren Tropfens an, der die Lage der typischen Bestandteile der Zelle in den meisten Fällen stark beeinflusst. Weniger modifizirt wird sie durch Einlagerung von Pigment, .las entweder im gelösten Zustande oder in Gestalt von feinen, zum Theil krystallinischen Körperchen im Protoplasma enthalten sein kann. Mehr diffus vertheilt ist das Glykogen, welches wir in embryonalen Zellen fast überall antreffen, beim Erwachsenen z. B. in den Leber- und Knorpel zellen. Ausnahmsweise finden sich in den thierischen Zellen einzelne Krystalle, z.B. in den rothen Blutkörperchen einiger Knochenfische; in grösseren Mengen, sternförmige Figuren bildend, finden sie sich in abgestorbenen, im kühlen Raum gehaltenen Fettzellen. Im Protoplasma kommen fast überall Granula vor, über deren chemische Zusammensetzung noch nichts Bestimmtes bekannt ist. Manche Autoren verlegen die vitalen Eigenschaften des Protoplasmas gerade in diese Körper hinein (Altmann 94). (Vergl. T. 122.) In einzelnen Fällen zeigt die äussere Protoplasmaschicht der Zelle Differenzirungen, welche zur Bildung einer isolirbaren Membran führen können (z. B. in Fettzellen, Knorpelzellen, Becherzellen etc.). Man nimmt an, dass sowohl die Filar-, als auch die Interfilarmasse an der Bildung dieser Mem- bran theilnehmen. B. Der Kern. Ein zweiter konstanter Bestandttheil der thierischen Zelle ist der Kern. In der Regel ist er vom Protoplasma scharf gesondert und ist im ein- fachsten Falle ein rundes Bläschen, das aus mehreren Substanzen besteht und im Innern komplizirt gebaut ist. Von der Form des Kernes kann man sagen, dass sie im Allgemeinen der Gestalt der Zelle entspricht: bei langgestreckten Zellen ist er ebenfalls langgestreckt; er plattet sich ab, wenn die Zelle abgeplattet ist. In Fällen, wo sich die Zelle durch enge Spalträume hindurchdrängt, passt sich der Kern allen ihren Formveränder- ungen an, ohne sich dabei aktiv zu bewegen. Er ist im Ganzen von einer weichen Beschaffenheit, kann mit Leichtigkeit durch Inhaltskörper des Proto- plasmas eingedrückt werden, um später, wenn der Druck beseitigt ist, seine ursprüngliche Gestalt wieder anzunehmen. Eine gewisse Elasticität ist ihm nicht abzusprechen. Auch selbständige, vom Protoplasma nicht in Abhängig- keit stehende Bewegungen wurden an den Kernen vielfach beobachtet. Bestandteile des Kernes. 39 Nur in seltenen Fällen ist die Form des Kernes eine ganz andere als die der Zelle und hier sind namentlich die Kerne der Leukocyten zu er- wähnen, die oft mehrfach eingeschnürt, manchmal sogar ringförmig sind (Loch- kerne). Bei gewissen Gliederthieren kommen verästelte Kernformen vor, die auch in den Hautdrüsen von Schildkröten angetroffen worden sind. Die Grösse der Kerne im Verhältniss zur Zelle ist Schwankungen unterworfen; besonders grosse Kerne finden sich z. B. in jungen Eizellen, in gewissen Epithelzellen etc. Das Innere des Kernes besteht zunächst aus einem Gerüste, in dessen Fäden Mikrosomen eingelagert sind. Bei Behandlung des Kernes mit bestimmten Färbestoffen nehmen allein die letzteren Elemente des Gerüstes den Färbestoff auf, weswegen man die sie zusammensetzende Substanz als Chro- matin bezeichnet und ebenfalls von Chrom atingerüsten spricht. Die übrigen Bestandtheile des Gerüstes bestehen aus einer Substanz, welche sich bei der Anwendung der gleichen Färbemittel nicht färbt und die man in Folge dessen zu den anderen Substanzen des Kernes, zum A chromatin, rechnet. Den achromatischen Bestandteil des Gerüstes nennt man Linin. — Das Chromatin stellt man in chemischer Hinsicht zu den als Xu deine bezeichneten Eiweisskörpern. Betrachtet man grössere Kerne, deren Chromatinfärbung eine wohl ge- lungene ist, so sieht man, dass die Mikrosomen in dichter Anordnung und reihenweise im Lininsrerüst liegen. Letzteres durchsetzt den Kern in allen Richtungen. Zwischen den Lininfäden befindet sich der sogenannte, sich ebenfalls nicht färbende Kernsaft (Interfilarmasse, Paralinin, Xucleoplasma), — eine Substanz von einer mehr flüssigeren Beschaffenheit. In ihr findet man in jedem ruhenden Kerne einen oder mehrere sich ebenfalls färbende Körper von meistens runder Form eingelagert. Diese Gebilde sind die Kern- körperchen oder echten Xucleolen; ihre Substanz färbt sich in ähn- licher Weise, wie die des Chromatins, aber etwas schwächer. Andere Rea- gentien, namentlich solche, die das Chromatin lösen, aber nicht die Substanz der echten Xucleolen, beweisen, dass der Stoff, aus welchem die letzteren bestehen, von dem des übrigen Chromatins verschieden ist, — man nennt ihn das Paranuclein (F. S c h w a r t z ). In manchen Fällen lassen sich im Linin Mikrosomen eigener Art nachweisen, die zu einer Substanz gehören, welche man als Lanthanin bezeichnet. Letztere Substanz färbt sich in saueren Anilinfarben, im Gegen- satz zu Chromatin, welches in basischen Anilinen sich färbt; daher auch die Namen Oxy- und Basichroma tin. M. Heidenhain (94)1. Im Gegensatz zu den echten Xucleolen kommen in den Knotenpunkten des Lininnetzes noch die sogenannten, oft echte Xucleolen vortäuschenden Xetzknoten vor, welche nichts anderes als dichtere Ansammlungen von Chromatin sind. 40 Kern- und Zelltheilung. Gegen das Protoplasma der Zelle ist die Abgrenzung des ruhenden Kernes gewöhnlich eine scharfe und wird durch eine Membran hergestellt, die in ihrer Beschaffenheit zum grössten Theile dem Chromatin ähnlich ist. Sie bildet in der Regel keine ganz kontinuirliche Lage, sondern zeigt mitunter Unter- brechungen, Lücken, in denen sich Kernsaft befindet; beide Substanzen sind Bestandtheile der Kern membran und hängen mit den gleichnamigen Theilen des Kerninneren kontinuirlich zusammen. Ausserdem geht eine vom Proto- plasma her sich differenzirende , dichtere Schicht desselben in die Bildung der Kernmembran ein. Ein ruhender, d. h. nicht in Theilung begriffener Kern ist also in der Regel ein scharf kontourirtes (Membran) Bläs- chen, das in seinem Innern ein chromatisches (Nuclein-) und ein achromatisches (Linin-) Gerüst zeigt und ausserdem noch Kernsaft (Paralinin) und Nucleolen (Paranuclein) enthält. Nicht immer ist das Chromatin in Form eines Gerüstes im Kern ver- theilt. In manchen Fällen, so z. B. in jungen Eiern gewisser Thiere, in den Spermatozoen, ist es zu einem kompakten Körper zusammengeballt. In den Eiern täuscht es dann oft einen echten Nucleolus vor, dieser besteht aber hier nicht aus Paranuclein, sondern aus Nuclein (Keimfleck). C. Kern- und Zelltlieilung. Die in der Histologie der Wirbelthiere und des Menschen in Betracht kommenden Zellen vermehren sich ausschliesslich durch Theilung; die Phä- nomene, welche diesen Prozess einleiten, kommen zuerst im Kerne, dessen Bestandtheile sich hierbei in einer ganz bestimmten Weise umordnen und umbilden, besonders auffallend zur Beobachtung. Während der Mitose wird die Beziehung der Kernsubstanz zum Protoplasma der Zelle eine sehr innige, was dadurch zu Stande kommt, dass die Kernmembran meist schon zu Anfang des Vorganges sich auflöst. Durch diesen Umstand ist jede scharfe Grenze zwischen Kern und Protoplasma während der mittleren Phasen der Kerntheilung geschwunden. Der leichteren Verständlichkeit halber nehmen wir an, die Zelle, deren Theilung verfolgt werden soll, habe eine ellipsoidische Form, wie die Figg. 5 — 11 es zeigen. Wir können dann an der Zelle eine lange Achse, zwei den Achsenenden entsprechende Polregionen und eine Aequatorialebene unter- scheiden. Die Aequatorialebene steht senkrecht auf der Achse, ist von beiden Achsenenden gleich weit entfernt und geht durch das Centrum des Kernes. In dieser Ebene erfolgt die Theilung der Zelle (Figg. 12 — 15). Die hier sub a), b), c) und d) getrennt behandelten Prozesse, gehen gleichzeitig vor sich und sind nur der Uebersicht halber jeder für sich geschildert. Die Mitose. 41 1. Die Mitose (indirekte Kerntheilung-). a) Verhalten des Chromatins. Zunächst sieht man, dass das Chromatingerüst, sammt seiner Unter- lage, dem Linin, sich zu einem vielfach gewundenen, an der Kernperipherie gelagerten Fadenknäuel (Spirem) umbildet. Anfangs ist der Faden dick, wird aber allmählich dünner, wobei die Zahl der Windungen des Knäuels in demselben Maasse zunimmt. Darauf tritt ein Zerfall des noch zusammen- hängenden Knäuels quer zur Längsrichtung seines Fadens in eine ganz be- stimmte Anzahl einzelner Segmente. (Chromosomen, Waldeyer 88). Diese biegen sich in der Regel in charakteristischer Weise zu zweischenkligen Schleifen in Form eines U. Die Umbiegungsstellen der Schleifen heissen ihre Scheitel. Allmählich nähern sich die Scheitel aller Schleifen dem Cen- trum des Kernes und bilden schliesslich, radiär geordnet, eine charakteristische Sternfigur (Monaster) in der Aequatorialebene (Fig. 9). Gewöhnlich in diesem Stadium oder auch schon früher (in vielen Fällen aber auch in einem anderen der vorhergehenden Stadien) tritt der bedeutungs- volle Vorgang ein, dass jede Chromatinschleife sich der Länge nach spaltet: jede Schleife theilt sich zuerst an der Umbiegungsstelle; dann schreitet die Theilung fort, bis sie das freie Ende der Schleife erreicht hat. Nun wandern die Tochter schleifen mit ihrer Umbiegungsstelle voran, in entgegen- gesetzter Richtung, den Polen der Zelle (Umordnungsstadium) zu (Fig. 10 — 11). Die zu einem Tochterkern gehörigen Schleifen bilden um jeden Pol abermals eine Sternfigur (Dyaster), welche durch Verwachsung ihrer Schleifen, die dies- mal von ihrem freien Ende ausgeht, allmählich in eine Knäuelform übergeht (Di spirem), deren Chromatinfäden nach und nach die Beschaffenheit der im ruhenden Kerne vorhandenen annehmen. Der letztere Prozess geht derart vor sich, dass jede Schleife seitliche Fort- sätze treibt, welche sich mit einander und mit den Fortsätzen der anderen Schleifen verbinden, um nach und nach wieder ein Gerüst herzustellen. In allen diesen Phasen werden die Schleifen selbstverständlich von der sie um- hüllenden Lininsubstanz begleitet. Auf diese Weise entstehen also aus einem Kern zwei Tochter- kerne, indem das Chromatin des Mutterkernes genau in zwei gleiche Por- tionen getheilt wird. b) Verhalten des Achromatins. Neben diesen, während der Kerntheilung vor sich gehenden Verände- rungen des Kernes treten Erscheinungen auf, welche sich theils an der achromatischen Substanz des Kernes abspielen, theils an Elemente gebunden 42 Verhalten des Achromatins. sind, welche wahrscheinlich aus dem Protoplasma herstammen. — Schon in ruhenden Zellen kann man in günstigen Fällen wahrnehmen, dass im Proto- plasma, dem Kerne genähert ein stark lichtbrechendes Körperchen sich be- findet, welches einfach, hanteiförmig oder doppelt vorhanden sein kann. Das Körperchen ist von einer helleren Zone Protoplasmas, das öfters schon frühe, noch bevor die eigentlichen Theilungsprozesse beginnen, Strah- lungen erkennen lässt (Polsonne, Aster Fol). Diese Strahlen (Polradien) gehen nicht vom centralgelegenen Körperchen aus, sind aber gegen dasselbe orientirt. Das central gelegene Körperchen nennt man das Centrosoma [Boveri (87), Corpuscule polaire van Beneden (87)]; die umgebende differenzirte Protoplasmamasse — das Archiplasma [Boveri (87), Sphere attractive van Beneden (83)]. Ist das Centrosoma ein einfacher Körper, so sieht man, dass am An- fange des Kerntheilungsprozesses dieser Körper sich verdoppelt und die beiden Stücke fangen sammt dem sich ebenfalls theilenden Archiplasma auseinander zu rücken an. So kommt es zu Stande, dass jedes Centrosom von seinem eigenen Archiplasma umgeben wird. Zwischen den beiden Hälften des Archiplasmas bleiben Fäden ausgespannt, welche sich an die Strahlen des Asters direkt anschliessen [Centralspindel Hermann (91)]. Das Aus- einanderrücken der Archiplasmahälften (Astrosphären) dauert fort, bis ihre beiden Centrosomen einander gegenüberstehen und die zu dieser Zeit im Ura- ordnungsstadium sich befindenden chromatischen Elemente zwischen sich fassen. Die Centralspindel ist währenddessen gewachsen, ihre Fäden laufen durchgehend von Sphäre zu Sphäre und heissen Ter bin dun gsfäden. Selbst noch in der Phase des Tochtersternes sieht man die Verbindungsfäden immer noch kontinuirlich von Pol zu Pol verlaufen. Sie fangen erst dann an in ihrem äquatorialen Theile undeutlich zu werden , wenn die Theilung der Zelle selbst beginnt. Zur Zeit der Knäuelphase entwickeln sich aus der Lininsubstanz des Kernes ebenfalls achromatische Fäden, die an der Peripherie der Kernsub- stanz verlaufen und sich an die in Längstheilung begriffenen Chromosomen ansetzen. Sie verbinden die Chromosomen mit je einem, nunmehr polargelegenen Archiplasmafeld (Centrosphäre) und indem die Chromosomen an diesen Fäden wie auf Schienen gleiten, gelangen sie allmählich in die Nähe des Centrosoms des entsprechenden Poles. Hinsichtlich der Entstehung des Centrosomas sind die Ansichten noch getheilt. Einige Autoren leiten dieses Gebilde aus dem Kern her, andere aus dem Protoplasma. Verschiedenes spricht dafür,, dass dieses Gebilde in letzter Instanz aus dem Kern stammt. Bei der Entwickelung der Sperma- tozoen von Ascaris fand Brauer das Centrosoma unzweifelhaft im Kerne Theilung der Zelle. 43 der Zelle liegend; J. Demoor konstatirte, dass bestimmte Gifte, die das Protoplasma lähmen oder abtödten, den Kern und das Centrosoma nicht affi- ziren, Thatsachen, welche für die Zusammengehörigkeit beider Gebilde sprechen. c) Verhalten des Zellleibes. Die Theilung des Zellleibes wird in manchen Fällen durch eine äqua- toriale Differenzirung der Verbindungsfäden eingeleitet: man sieht in dieser Region Körnchenreihen auftreten, die eine zweireihige Anordnung annehmen. Nun beginnt die Zelle sich an ihrem Aequator einzuschnüren ; die Einschnü- rung geht zwischen den beiden Körnchenreihen hindurch bis sie die Zelle vollkommen halbirt hat. Erst jetzt ziehen sich die Fäden eines jeden Theil- stückes nach dem Kerne zurück, der noch keine Membran gebildet hat, was etwa im Stadium des Dispirems geschieht. Das Centrosoma mit dem Archiplasma liegt wiederum im Polfelde, während die Verbindungsfäden durch den Gegenpol in den Kern hineingezogen werden [v.Kostanecki (92.2)]. Erst während dieser Phase bildet sich die Membran aus, und der Kern nimmt nach und nach die Beschaffenheit eines ruhenden Kernes an. Die äquatoriale Differenzirung der Verbindungsfäden wurde im Pflanzenreiche zuerst beobachtet und als Zellplatte benannt. Bei den thierischen Zellen ist eine solche Zellplatte nur verhältnissmässig selten und auch dann in rudimentärer Form entwickelt jv. Kos tan eck i (92.1)]. Zwischen den getheilten Zellen wurden mehrere in ihrer Tinktions- fähigkeit dem Chromatin nicht unähnlichen Körperchen beobachtet, die mög- licherweise Reste einer Zellplatte sind, namentlich wenn man berücksichtigt, dass ähnliche Körper noch vor der Zelltheilung am Aequator der Fäden gesehen wurden. Flemming nannte sie Zwischenkörperchen (91.1). d) Phasen der mitotischen Kerntheilung. Den hier geschilderten Vorgang der indirekten Kern- und Zelltheilung theilt man gegenwärtig, nach Strasburger (84) in drei Perioden ein: die erste Periode erstreckt sich vom Beginne der Theilung bis zum Beginn der bipolaren Anordnung der chromatischen Kernfigur (Umordnungsstadium) — Prophasen; die zweite Periode erstreckt sich von hier ab bis zur Zeit, zu welcher die Schleifen den Aequator verlassen und nach den Polen zu rücken anfangen — Metaphasen. Die Wiederherstellung des ruhenden Tochter- kernes und die Zelltheilung umfasst die Stadien der Anaphasen. Aber selbst nach der Bildung der Tochterkernmembran haben Kern und Astrosphäre ihre normale Lage in der Zelle noch nicht erreicht. Es finden, wie M. Heidenhein bei Leucocyten nachgewiesen hat, Bewegungs- erscheinungen an beiden Gebilden statt, welche den Zweck haben, ihnen die normale Stellung in der Zelle zu geben (Telophasen M. Heidenhain 91). 44 Phasen der mitotischen Theilung. Centrosoma •. ''"T---f- Archiplasma 1 ■ Polstrahlen Kernkörperchen Fig. 5. Fig. 6. Chromatin- schleife (Chromosom) Centralspindel Kernkürperchen Centrosoma Umbiegungs- stelle des U-förmig gebogenen Chromo- - idem Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Schematische Darstellung des Zell- und Kerntheilungsvorganges. Fig. 5 — 8 Prophasen; Fig. 9 und 10 Metaphasen ; Fig. 11 — 15 Anaphasen. Fig. 5 ruhender Kern ; Fig. 0 dickfädiger und 7 feinfädiger Knäuel (Spirem) ; Fig. 8 Segmentirung des Spirems zu einzelnen Chromosomen; Fig. U Lftngsspaltnng der Chromosomen; Fig. 10 bipolare Anordnung der getheilten Chromosomen (Ende dos Umordnungsstadiumsj ; Fig. 11 Wanderung der Chromosomen nach den Polen. Heterotype Form der Mitose. 45 Centralspindel- körperchen (vergl. vorige Kg.) Fig. 12. Fig. 13. Chromosom Kernkörperehen Fig. 14. Fig. 15. Fig. 12 Dyaster ; Fig. 13 und 14 Ausbildung des Dispirems ; Fig. 15 zwei Tochterzellen mit ruhenden Kernen. Der Einfachheit halber haben wir von Fig. 8—13 bloss 4 resp. 8 Chromosomen eingezeichnet. Man sieht, dass in Fig. 12 auch der Zellenleib sich zu theilen beginnt. Aus unserer Beschreibung geht hervor, dass die Anaphasen gleiche Stadien aufweisen wie die Prophasen, nur in einer umgekehrten Reihen- folge. Hier ist das Resultat der ruhende Kern, während die Prophasen zu Metaphasen herüberführen. Nach dem Modus der indirekten Kerntheilung vermehrt sich auch das befruchtete Ei; aus ihm gehen auf die geschilderte Weise die Furchungs- zellen (Blastomeren) hervor, aus welchen sich dann der ganze Embryo aufbaut. e) Die heterotypische Form der Kerntheilung. Der eben geschilderte Modus der indirekten Kerntheilung ist der gewöhn- liche; hievon abweichend ist z. B. die sogenannte heterotypische Theilungs- form [Flemming (87)], die in gewissen Zellen des Hodens, den Spermatocyten, 46 Amitotische Kerntheilung. vorkommt und dadurch ausgezeichnet ist, dass die Anfangsstadien hier in Wegfall kommen, weil der Kern von Anfang an eine knäuelförmige Struktur besitzt. Die Längsspaltung und Längstrennung der Chromatinfäden erfolgt schon bei der ersten Spirembildung, darauf entsteht eine Phase, welche mit einer Sternfigur der gewöhnlichen Mitose verglichen werden kann, obwohl die freien Enden der Fäden hier nur sehr selten deutlich zur Beobachtung kommen. Dies rührt daher, dass die Enden der Fäden bei der Längsspaltuug verbunden bleiben, oder, wenn eine gänzliche Trennung erfolgte, abermals verkleben. Auf diese Weise entstehen geschlossene Schlingen, die von Pol zu Pol ziehen („Tonnenform"); später reissen die Fäden äquatorial und schreiten polarwärts zur Bildung des Tochtersternes, indem sie sich abermals verdoppeln. 2. Die Amitose. Von der indirekten Kerntheilung verschieden ist die sogenannte direkte Kerntheilung (Amitose), die nur selten normalerweise vorzukommen scheint und nur ausnahmsweise mit einer nachfolgenden Zelltheilung verbunden ist [vergl. auch Flemming (91.3)]. Durch diesen Prozess entstehen in den meisten Fällen mehrkernige Zellen, wie z. B. mehrkernige Leukocyten etc. Die komplizirten Kernfiguren der indirekten Theilung fehlen hier ganz : an einer Stelle schnürt sich der Kern ein und zerfällt in zwei Stücke ; oft nimmt er vorher noch eine Ringform an (Lochkern) und zerfällt gleichzeitig in mehrere Fragmente, die zunächst unter einander verbunden bleiben (mehr- kernige Zellen); Centrosomen und Archiplasma sind hier ebenfalls vorhanden und scheinen sich am ganzen Vorgang rege zu betheiligen, obwohl die näheren Beziehungen zwischen Achromatin und Chromat in hier noch nicht ermittelt sind. D. BefrucMungsvorgang. Eine besondere Stellung innerhalb der Zellen überhaupt nehmen die Geschlechtszellen ein. Damit eine zur Embryonalentwickelung führende Theilung des Eies stattfinden kann, muss dasselbe befruchtet werden (eine Ausnahme hiervon bilden die sich parthenogenetisch entwickelnden Eier). Dieses geschieht durch die männliche Geschlechtszelle, das Spermatozoon (Sper- matosom). Dem Wesen nach besteht die Befruchtung aus einer Konjugation von zwei Zellen, wobei manche Eigenthümlichkeiten im Verhalten beider Geschlechtszellen erwähnt werden müssen. Wie das Ei, so auch die das Spermatozoon bildende Zelle durchlaufen gewisse der Befruchtung vorausgehende und sie bedingende Stadien. Vorausgreifend sei erwähnt, dass die Kerne beider Geschlechtszellen während der Vorbereitung zur Konjugation einen Theil ihres Chromatins einbüssen, der Art, dass sie Befruchtungsvorgang. 47 nur die Hälfte des Chromatins einer gewöhnlichen „somatischen" (Körper-) Zelle enthalten. Bei der Konjugation der Ei- und Samenzelle vereinigen sich auch die beiden Kerne derselben (Ei- und Spermakern) zu einem einzigen Kern (Furch- ungskern), der also aus eben angeführten Gründen die gleiche Menge Chro- matin enthalten muss, wie eine somatische Zelle. In früheren Stadien ist das Ei eine indifferente Zelle, deren Kern nichts Eigenthümliches bietet und hier als Keimbläschen bezeichnet wird. In dem Maasse, als das Ei reift, rückt das Keimbläschen an die Peripherie desselben und hier beginnen eigentümliche Erscheinungen aufzutreten, welche ihrem Wesen nach auf eine zweimalige inäquale Theilung der Eizelle zurück- geführt werden können. Das eine Theilstück ist bei beiden Theilungen viel kleiner wie das andere und wird als Richtungskörper bezeichnet. Beim Abschluss dieser Theilungen sind also 1 . zwei Richtungskörper und 2. das nun befruchtungsfähig gewordene Ei vorhanden. Bei diesen Vorgängen verhält sich das Keimbläschen folgender- massen: Während der Reifung des Eies entwickeln sich aus dem ISTuclein desselben (s. o. pag. 40) chromatische Schleifen (primäre Schleifen), die sich frühzeitig der Länge nach theilen, so dass ihre Anzahl doppelt so gross wie in einer somatischen Zelle (sekundäre Schleifen) wird. Auf dem Wege nach der Peripherie des Eies verliert das Keimbläschen seine Membran und es vollziehen sich in ihm Prozesse, die sich auf das engste denen einer gewöhn- lichen indirekten Kerntheilung anschliessen, d. h. die eine Hälfte der chromatischen Elemente kommt in den Richtungskörper zu liegen, die andere bleibt im Ei zurück und theilt sich, ohne zu einem Ruhestadium zu kommen, abermals, wodurch das zweite Richtungskörperchen gebildet wird. In dem nun zurückgebliebenen Theil des Keimbläschens, den man jetzt als Eikern [0. Hertwig 78] bezeichnet, ist die Hälfte der Zahl der ursprüng- lichen primären Schleifen, oder wenn man will, ein Viertel der sekundären vorhanden. Die Entwickelung der männlichen Geschlechtszellen ver- läuft in ihren Anfangsstadien ähnlich wie die des Eies und besteht ebenfalls aus mehrmaligen Theilungen der Spermatogonie. Diese theilt sich in gleiche Stücke, welche die Zellen zweiter Generation, die Spermatocyten, darstellen. Aus einer ebensolchen Theilung der Spermatocyten gehen die Spermatiden hervor, welche sich direkt in Spermatozoon umwandeln. Die letzteren sind Geisselzellen : ihr Kopf besteht vorwiegend aus Kernsubstanz; auf diesen folgt ein Verbindungsstück, das nach den neuesten Untersuchungen von Fick das Centrosoma und das Archiplasma ent- hält. Beide genannten Theile der männlichen Geschlechtszelle sind die Wesentlichsten und kommen bei der Befruchtung ausschliesslich in Betracht. Der Schwanz des Spermatozoon spielt bei der letzteren keine Rolle (vergl. weiter unten die Geschlechtsorgane). 48 Schema des Befruchtungsvorganges. Eihaut \ _— - Eikern :~ Eindringen- des Sper- matozoon Eidotter Veibl. Vorkern Kopf des Sperma- tozoons Fig. 17. Fisr. 16. Eikern '- Spermakern Centrosoma f— Spermakern Eikern Fig. 18. Fi- 19. Chromosomen des Eikerns Chromosomen des Sperma- kerns - Centrosoma Fig. 20. Chromosomen des Eikerns Chromosomen des Sperma- kerns Centrosoma Fig. 21. Schema des Befruchtungsvorganges nach Boveri (88). Fig. 16. Das Ei ist von Spermatozoon umschwärmt; eines von ihnen dringt in das Ei eben ein Ihm entgegen sendet der Eidotter einen hügelartigen Fortsatz aus (Kopulationshügel). Fig. 17. Der Schwanz des Spermazoons ist verschwunden. Neben dem Kopfe desselben befindet sich ein Centrosoma mit Pol- strahluns. Fig. 18. Dio ^\ orkerne nähern sich einander. In Fig. 19 haben sich aus den Spiremen in den \ orkernen Chromosomen gebildet. Das Archiplasma hat sich getheilt. Fisr. 20. Die verdoppelten Uiromosomen des Ei- und Spermakerns liegen im Aequator des Eies. Fig. 21. Das Ei hat sich getheilt: in beiden 1 ochterkernen sieht man sowohl Chromosomen des Ei- als auch dos Spermakerns in gleicher Anzahl Befruchtungsvorgaug. 49 Das Spermatozoon dringt in das Ei meistens zu einer Zeit ein, als das erste Richtungskörperchen bereits abgeschnürt wurde ; die Geissei schwindet bei diesem Vorgang, sei es, dass sie an der Peripherie des Eies hängen bleibt, oder sich im Protoplasma des letzteren auflöst; der Kopf aber stellt von jetzt ab den sogenannten mann li c hen Vorkern (Spermakern), das Verbindungsstück das Centrosoma und das das letztere umgebende Archi- plasma dar. Das Chromatin des Kopfes durchläuft von jetzt ab Umwand- lungen, die zunächst in einer Auflockerung desselben bestehen; es bilden sich Chromatinkörnchen (Mikrosomen) heraus, welche sich zu Chromosomen, deren Zahl denen des Eikerns (s. oben) entspricht, ordnen. Nachdem das zweite Richtungskörperchen von Seiten des Eies abge- geben wurde, bewegt sich der weibliche Vorkern zu dem männlichen bis zur Berührung, wobei die in manchen Fällen wohl entwickelten Membranen der beiden Kerne sich auflösen. Die Chromosomen beider Kerne kommen durcheinander zu liegen und gleiten dann an den Fäden der achromatischen Spindel der Art nach den beiden nun ebenfalls gebildeten Polen, dass zu jedem der letzteren männliche und weibliche Schleifen in gleicher Anzahl gelangen; hier machen sie eine rückläufige Metamorphose (die Anaphasen) durch. Hand in Hand mit diesen Vorgängen gehen eigenthümliche Prozesse im achromatischen Theile der Kernfigur vor sich. Bei gewissen wirbellosen Thieren (Seesternen) wurde beobachtet [Fol (91)], dass die Centrosomen, von welchen das eine hier dem Ei-, das andere dem Spermakerne angehört, sich verdoppeln ; die Theilstücke rücken auseinander und zwar so, dass je ein dem männlichen Centrosom entstammendes Stück mit einem entsprechenden weib- lichen zur Vereinigung kommt. Daraus entstehen zwei Centrosome, welche die Pole der künftigen Kerne der beiden ersten Furchungskugeln bilden. — Mit anderen Worten: jedes Centrosoma des sich zur Furchung an- schickenden Eies besteht ebenfalls aus einem männlichen und weiblichen Theile. Aus der gegebenen Darstellung vom Befruchtungsvorgange ist ersicht- lich, dass derselbe in letzter Instanz aus der Vereinigung der Kerne beiderlei Geschlechtszellen besteht. — Wenn väterliche Eigenschaften auf die Nach- kommenschaft vererbt werden, so kann dieses nur durch den Kern, eventuell durch das Centrosoma der männlichen Geschlechtszelle geschehen ; man kann also wohl sagen, dass diese Gebilde, resp. der Kern allein die Hauptträger ver- erbter Eigenschaften sind. Aehnliches lässt sich auch vom weiblichen Vorkern be- haupten. Die Rolle, die hierbei die Centrosomen spielen, scheint wichtig genug zu sein, und die Möglichkeit, dass sie ebenfalls bei der Uebertragung vererbter Eigenschaften thätig sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Besonders hervorgehoben muss noch werden, dass die zwei ersten aus dem Ei hervor- gehenden Furchungszellen in gleichem Maasse mit männlichen und weiblichen Kernelementen versehen sind. Da alle künftigen Zellen Derivate dieser beiden Böhm-v. Davidoff, Histologie. 4 50 Chromatolyse. Furchungszellen sind, so ist möglicherweise der Kern einer jeden somatischen Zelle (Körperzelle) hermaphroditisch. E. Chromatolyse. Beim lebenden Organismus gehen physiologisch viele Zellen zu Grunde und werden durch andere neue Elemente ersetzt. Beim Absterben der Zelle treten zunächst im Kern Veränderungen ein, die zu einer Auflösung des- selben führen, Prozesse, die nach bestimmten, noch wenig studirten Gesetzen ablaufen und seit Flemming (85. 1) unter dem Namen Chromatolyse (Karyolyse) bekannt sind. Technisches über die Zelle. 110. Zellen, welche im frischen Zustande beobachtet werden, lassen nicht viel von ihrer inneren Organisation erkennen. Epithelien der Mund- höhle (s. unten beim Epithel), die man sich am leichtesten verschafft und in der Speichelflüssigkeit selbst beobachten kann, zeigen eigentlich nichts anderes als den Umriss der Zelle und deren Kern. Etwas mehr sieht man an jungen Eiern, die man entweder aus den Graafschen Follikeln (s. diese) isolirt, oder was bequemer ist, dem Ovarium des Frosches entnimmt. — Besonders geeignet für das Studium der Zelle im frischen Zustande sind Eier, Blut- körperchen und Epithelien mancher wirbellosen Thiere (Muscheln, Krebse etc.), ferner die einzelligen Thiere selbst, wie Amoeben, Infusorien und viele pflanzliche Objekte. — Will man Protoplasmaströmungen sehen, so verschaffe man sich am besten eine Amoebe, die man mitunter im Schlamme stehender Gewässer findet. Aehnliches kann, allerdings mit grösseren Umständen, an Leukocyten des Froschblutes, noch besser im Krebsblute, gesehen werden. 111. Um aber in die feineren Verhältnisse einzudringen, empfiehlt es sich, die Zellen im konservirten Zustande zu studiren. Dasselbe gilt auch für das Studium der Zell- und Kerntheilungsprozesse, welche letzteren zwar auch an lebenden Zellen gesehen wurden, aber erst zu einer Zeit, als der ganze Vorgang an konservirten Präparaten eruirt worden war. 112. Die Methoden, welche die meisten Aufschlüsse über die Kern- und Zellstruktur gegeben haben und welche wir im Folgenden erwähnen, müssen stets auf lebensfrische Objekte angewendet werden. Nach H a m m e r läuft der mitotische Prozess beim Menschen nach dem Tode nicht ab. Die Kerne zerfallen chromatolytisch, wobei sich die achromatische Spindel am läng- sten erhält. 113. In erster Linie ist hier die Fle mm in g 'sehe Flüssigkeit (s. T. 17) zu nennen, der eine Schnittfärbung mit Safraniu nachfolgt (s. T. 62). Der letzteren Darstellung des Chromatins. 51 ebenbürtig ist die von Hermann empfohlene Mischung eventuell mit Nachbe- handlung mit rohem Holzessig (s. T. 18). Rabl fixirt mit x/io — '/s'/o Platinchloridlösung, wäscht mit Wasser aus und überträgt allmählich in starken Alkohol; gefärbt wird mit Delafield'schem Hämatoxylin (s. T. 59) und in Methylalkohol untersucht. 114. Mitosen kann man sehen, vielleicht nicht in so vollkommener Weise, wenn man die Objekte in Sublimat, Pikrinsäure, Chromsäure etc. konservirt und eine Stückfärbung mit Hämatoxylin oder Karmin vornimmt. Als Untersuchungsobjekte wähle man, worauf es namentlich ankommt, junge wachsende Thiere. Von letzteren eignen sich hierzu diejenigen am besten, welche grössere Zellen besitzen. Als ein klassisches Objekt sind vor allem Larven von Amphibien zu empfehlen (Froschlarven, Triton- und Salamander- larven). Will man sich nicht der Schnittmethode bedienen , so untersuche man dünne Lamellen, etwa das Mesenterium, die Lungenalveolen, das Epithel des Rachens, die Harnblase etc. Die letztere Art des Studiums gewährt auch in allen Fällen die Sicherheit, dass man beim Mikroskopiren mit ganzen, nicht durchschnittenen Zellen, also nicht mit Zellfragmenten zu thun hat. — Fertigt man Schnitte durch eine als Ganzes konservirte Larve, so sieht man Mi- tosen fast in allen Organen, besonders zahlreich an Epithelien (z. B. Epithel der äusseren Haut und der Kiemen, Epithel des Centralkanals des Gehirnes und des Rückenmarkes, des Peritoneums etc.). Aber auch in anderen Organen sind immer Mitosen anzutreffen, namentlich im Blut, in der Leber, im Muskel u. s. w. 115. Sehr günstig sind für das Studium der Mitosen gewisse Pflanzen- zellen, z. B. solche in den Spitzen junger Wurzeln der gemeinen Zwiebel. Man setzt eine Zwiebel in ein mit Wasser gefülltes Hyacinthenglas ein und stellt dasselbe an einen warmen Ort. Nach 2 — 3 Tagen findet man zahl- reiche Wurzelfäden im Wasser flottiren. Man schneide davon, von der Spitze ab gerechnet, Stücke von etwa 5 mm Länge, behandle diese genau in derselben Weise wie thierische Gewebe und schneide sehr dünn, nicht über 5 f.i, entweder quer oder der Länge nach. Im ersteren Falle bekommt man gewöhnlich polare Ansichten der Mitosen, im letzteren die Seitenansichten derselben. 116. Die Methoden, welche die übrigen Theile (ausser dem Chromatin) des Kernes und der Zelle sichtbar machen, sind in der Regel viel kom- plizirter und schon deshalb weniger zuverlässig. Um das Centrosoma, die Spindelfasern, die Lininfäden und die Polstrahlen zu sehen, bediene man sich einer bereits von uns erwähnten Methode, nämlich der Behandlung mit Holzessig derjenigen Stücke, die mit Osmiumsäure-Gemischen fixirt worden sind. 117. Solchen Stücken entnommene Schnitte kann man nach Hermann (93. 2) einer Doppelfärbung unterwerfen, die auch auf solche Schnitte an- gewendet werdtn kann, welche nicht mit Holzessig behandelt worden sind. 4* 52 Darstellung des Achromatins etc. Man färbt zunächst in der angegebenen Weise mit Safranin und färbt als- dann 3 — 5 Minuten in einer folgenden Gentiana-Violett-Lösung : 5 ccm einer gesättigten alkoholischen Lösung des Farbstoffes werden in 100 ccm Anilinwasser (Anilinöl 4 ccm wird mit 100 ccm dest. Wasser längere Zeit geschüttelt und filtrirt) gelöst. Dann behandelt man die Schnitte 1 — 3 Stunden lang mit Jod-Jodkalium-Lösung (Jod 1 g, Jodkalium 2 g, Wasser 300 g), bis die Schnitte ganz schwarz werden; nun werden sie in Alkohol übertragen, bis sie violett mit ehiem Stich in's Bräunliche geworden sind. Es zeigt sich alsdann, dass die Chromatin-Netze, die ruhenden Kerne, die Chromosomen im Spirem- und Dispiremstadium blau -violett und die echten Nucleolen roth tingirt erscheinen. Die Chromosomen des Aster- und Dyasterstadiums färben sich dagegen roth. 118. Flemming (91. 3) empfiehlt folgende Methode: Fixirung in seinem Gemisch (T. 17); die Schnitte oder dünne Lamellen kommen dann auf 2 — 3 Tage in Safranin (T. 62); es folgt ein kurzes Waschen in dest. Wasser und Uebertragen in schwachen mit Salzsäure (1 — 1000) ange- säuerten abs. Alkohol, bis keine Farbe mehr abgegeben wird; abermaliges Waschen mit dest. Wasser. Daraufhin werden die Schnitte auf 1 — 3 Stunden in eine konzentrirte Gentianaviolettlösung übertragen und nachdem sie kurz mit Wasser ausgewaschen worden sind, in eine konzentrirte wässerige Orange- Lösung gebracht, bis sie darin eine violette Farbe anzunehmen beginnen. Nun werden sie kurz mit abs. Alkohol gespült, in Nelkenöl oder Bergamotöl ge- klärt und in Kanadabalsam eingeschlossen. 119. Eine verhältnissmässig einfache Methode, die in einer grossen Schärfe und Schönheit verschiedene Strukturen der Zellen und des Kernes zeigt, ist die Färbung mit M. Heidenhain'schem Hämatoxylin (s. T. 61). Die Schnitte kommen in eine 1 1la — 4°/oige Lösung von Eisenammonium- sulfat auf 2 — 3 Stunden, werden kurz mit dest. Wasser gewaschen und in eine wässerige Hämatoxylin - Lösung auf 1/a — 2 Stunden übertragen. In der letzteren Lösung werden die Schnitte durch Bildung eines Nieder- schlages so vollständig schwarz, dass sie ganz undurchsichtig erscheinen. Die so geschwärzten Schnitte spüle man kurz mit Leitungswasser ab und über- giesse sie dann reichlich mit derselben schwefelsauren Eisen -Amtnonoxyd- Lösung, in welcher sie wiederum eine Zeit lang liegen bleiben. Hier erfolgt nun langsam die Entfärbung und Differenzirung der Schnitte: im Anfange erheben sich Farbenwolken, welche bald verschwinden, so dass die Flüssig- keit immer klar bleibt. Den Prozess der Differenzirung kann man mit dem Mikroskop verfolgen und nach Wunsch abbrechen, z. B. wenn die völlige Entfärbung des Plasmas der Zelle eingetreten ist etc. Färbt man nur kurze Zeit, je eine halbe Stunde in der Eisen- und der Hämatoxylin-Lösung und differenzirt dann, so erhalten die Präparate einen mehr blauen Ton, wobei sich das Protoplasma der Zelle etwas mitfärbt. Auch die Central- AVahl der Objekte. 53 X v& •j££^ Archiplasma Kern körper nehmen etwas Farbe an; dagegen färbt sich die Kernstruktur in einer ausgezeichneten Weise, wobei aber Dinge zum Vorschein kommen, die wohl nicht alle zum Chromatin zu rechnen sind. 120. Ein bemerkenswerthes Objekt, an welchem sowohl die Centro- somen , als auch die Polstrahlen in einer exquisiten Weise un- gefärbt zu sehen sind, ist von Solger (89. 1 und 91) aufgefunden worden — es sind die Pigmentzellen in der Kopfhaut(Korium)der Frontal- und Ethmoi- dalregion des gemei- nen Hechtes. Die Vor- behandlung ist eine beliebige (am besten Flemming'sche Lö- sung oder Sublimat). (Diese Zellen bieten ein bemerkenswerthes Beispiel für die Sta- bilität der radiären Struktur des Proto- plasmas, deren Polradien durch reihenweise angeordnete Pigmentkörnchen ge- kennzeichnet sind.) 121. Die Strukturen der ruhenden und sich theilenden Kerne und Zellen sind an und für sich komplizirter Natur und ist deren Beobachtung an den gewöhnlichen Objekten durch die grosse Anhäufung vieler Elemente auf einem sehr kleinen Raum ungemein erschwert. So hat beispielsweise das verhältnissmässig günstigste, durch Flemming klassisch gewordene Objekt, Salamandra maculosa, somatische Zellen, deren Kerne nicht weniger als 24 Schleifen besitzen. (Wir bemerken an dieser Stelle, dass Salamandra atra merkwürdiger Weise die halbe Anzahl der Schleifen besitzt.) Es ist des- halb der Fund von van Beneden (83), dass nämlich die somatischen Zellen von Ascaris megalocephala bloss vier primäre Schleifen haben, von grosser Wichtigkeit geworden. Boveri (87. 2 und 88) hat eine Ascaris aufgefunden, die nur zwei Chromosomen aufweist. Da diese Thiere auch deutliche achro- matische Figuren im Protoplasma der Eier und Zellen zeigen, so ist es sicher nicht übertrieben, wenn man die Ascaris mit van Beneden für das Studium der angedeuteten Verhältnisse zu einem Laboratorium - Objekt erhebt. Es Fig. 22. Pigmentzelle aus der Kopfhaut des Hechtes, 650 mal vergr. Technik Nr. 120. 54 Ascaris megalocephala. zeigt nämlich die sich während der Vermehrung der Zelle abspielenden Vor- gänge in elementarster Weise. Die Genitalschläuche des Thieres werden nach dem Aufschlitzen der Bauchwand herausgenommen , die zahlreichen Windungen derselben nach Möglichkeit gestreckt und am Zweckmässigsten mit Pikrin-Essigsäure (kon- zentrirte wässerige Pikrinsäure wird mit zwei Vol. Wasser verdünnt und 1 °/o Eisessig hinzugefügt) 24 Stunden lang fixirt , mit Wasser 24 Stunden gewaschen und in allmählich verstärkten Alkohol übergeführt [Boveri (ibid.)]. Verschiedene Regionen der Schläuche enthalten verschiedene Ent- wickelungsstadien der Eier: die dem Kopf zunächst gelegenen enthalten die Reifung und die Befruchtung des Eies, die nächst hinteren Regionen die Furchungsstadien. An den sich furchenden Eiern können die Mi- tosen am besten studirt werden. Die in eben erwähnter Weise fixirten Schläuche mit Inhalt können in Stücken z. B. mit einer Boraxkarminlösung gefärbt werden. Nach der Färbung werden die Eier durch sanftes Ueber- streichen des Schlauches, etwa mit einer Nadel, auf einen Objektträger ent- leert, mit einem Deckglas bedeckt und durch allmähliches Zusetzen von Glycerin geklärt. Die Eier resp. die Furchungskugeln sind sehr klein und der Beobachtung mit stärksten Linsen zugänglich. Trotz der Kleinheit der Objekte und des zwar sich bei dieser Behandlung nicht färbenden, aber wegen seines Glanzes die Beobachtung doch störenden Dotters zeigen diese Objekte die mitotische Kerntheilung mit am klarsten. 122. Bestimmte Behandlungsweisen lassen in Zellen und im Kerne eigen- thümliche „Granula" wahrnehmen. Die letzteren sind besonders von Altmann (94, 1. Aufl.) studirt und beschrieben worden. Die Methoden, die er dabei in An- wendungbringt, sind folgende: Die einem eben getödteten Thiere entnommenen Organ Stückchen werden in einer Mischung gleicher Volumina einer 5°/oigen wässerigen Lösung von Kalium -Bichromat und einer 2°/oigen Lösung der Ueberosmiumsäure 24 Stunden lang fixirt, dann in fliessendem Wasser mehrere Stunden gewaschen und successive mit Alkohol von 75°/o, 90°/o und 100 °/o behandelt. Dann wird in eine Mischung von Xylol 3 Th. und absoluter Alkohol 1 Th, , dann in reines Xylol und aus diesem in Paraffin übertragen. Die in Paraffin eingebetteten Stücke müssen nicht dicker wie 1 — 2 fx geschnitten werden. (Altmann klebt nach folgender Methode auf: eine ziemlich konzentrirte Lösung von Kautschuk in Chloro- form (das sogenannte Traumatica der Pharmakopoe — 1 Vol. Guttapercha in 6 Vol. Chloroform gelöst) wird für den Gebrauch mit dem 25 fachen Volumen Chloroform verdünnt und die so verdünnte Lösung über einen Objektträger gegossen, abgetropft und nach dem Verdunsten des Chloroforms über der Gasflamme stark erhitzt. Auf solche im Vorrath gehaltene Objekt- träger kommen die Paraffinschnitte und werden mit einer Lösung von Schiess- baumwolle in Aceton und Alkohol angepinselt (2 g Schiessbaumwolle in 50 ccm Aceton gelöst und hiervon 5 ccm mit 20 ccm absolutem Alkohol verdünnt). Nach Darstellung der Granula. 55 dem Anpinseln werden die Schnitte mit Fliesspapier an den Objektträger stark an- gedrückt und nach dem Trocknen durch etwas Erwärmen angeschmolzen. Das Aufkleben mit Wasser ist hier mit gleichem Erfolg anwendbar. Solche Schnitte können dann mit verschiedenen Färbeflüssigkeiten behandelt werden, ohne dass sie sich abkleben. Um von Paraffin befreit zu werden, kommen sie in Xylol und dann in abs. Alkohol.) Als Färbeflüssigkeit dient das Fuchsin S. (20 g Fuchsin S. werden in 100 ccm Anilinwasser gelöst). Von dieser Lösung bringt man einen Theil auf die Schnitte imd erwärmt den Objektträger auf einer freien Flamme, bis sich seine Unterfläche empfindlich heiss anfühlt und die Farbstofflösung zu dampfen anfängt; hierauf lässt man abkühlen und spült mit Pikrinsäure (konz. alkoh. Pikrinsäure -j- 2 Vol. Wasser) ab, dann giesst man eine neue Portion Pikrinsäure auf die Schnitte und erwärmt den Objektträger abermals stark (i/s — 1 Minute). (Mitunter kommt man zu denselben Resultaten, wenn man eine kalte Lösung von Pikrinsäure von obiger Konzentration etwa fünf Minuten lang auf die Schnitte einwirken lässt.) Bei dieser letzteren Procedur kommt es zu einer deutlichen Differenzirung der Granula, die scharf roth gefärbt erscheinen, wobei das Uebrige der Zellen grau-gelblich sich zeigt. In einzelnen Fällen ist es noth- wendig, falls die Differenzirung der Granula noch keine scharfe ist, die Fär- bung noch einmal zu wiederholen. Als Einschlussmethode wird man am besten von Xylol -Kanadabalsam absehen, da die Osmiumsäure - Schwärzung nach einer gewissen Zeit in demselben extrahirt wird. Man schliesst hin- gegen entweder im Paraffmum liquidum, wie es Altmann thut, oder nach Raum in unverdünntem Kanadabalsam, der ja durch geringe Erwär- mung flüssig gemacht werden kann, ein. Eine zweite Alt mann 'sehe Methode, die wir kurz erwähnen wollen, deren Ausübung aber mehr der Zukunft an- gehört, ist die Durchfrierungs- und Trocknungsmethode. Man lässt frische Organstückchen gefrieren und trocknet sie in gefrorenem Zustande ein paar Tage lang bei ca. ■ — -30° C. über Schwefelsäure in vaeuo. Nach Fischer liefern übrigens verdünnte, mit verschiedenen Reagentien (namentlich mit Kalium-bichromat-Osmium) behandelte Peptonlösungen Nieder- schläge, auch Granula, welche dadurch bemerkenswerth sind, dass sie den Farbstoffen gegenüber sich ebenso verhalten wie die Altmann'schen Granula. Es ist darnach zweifelhaft, ob man in den Altmann'schen Granulis vitale Bildungen zu sehen hat. 123. In jüngster Zeit hat Alt mann (92) eine einfachere negative Methode zur Darstellung der Granula empfohlen. Frische Organstücke werden auf 24 Stun- den in eine Mischung von molybdänsaurem Ammoniak 2,5, Chromsäure 0,25 und Wasser 100 eingelegt, dann einige Tage lang mit abs. Alkohol be- handelt, in Paraffin geschnitten und mit einem beliebigen Kernfärbemittel, z. B. Hämatoxylin-Gentiana gefärbt. Es erscheinen die intragranulären Netz- werke gefärbt, die Granula farblos. (Je nach den Objekten muss die Menge der Chromsäure 1U — 1° o variirt werden; mit molybdänsaurem Ammoniak 56 Keimblätter. allein behandelt, erscheinen die Kerne homogen, nimmt man zu viel Chrom- säure, so erscheinen sie grobnetzig.) Diese Methode führt zu der Darstel- lung der Granula sowohl in der Zelle als auch im Kerne. 124. Ebenfalls in der neuesten Zeit sind von Bütschli in den ver- schiedensten pflanzlichen und thierischen Zellen durch Fixation und Färbung Protoplasmastrukturen sichtbar gemacht worden, die mit Schäumen in Parallele gesetzt werden können und die Bütschli kurzweg als „mikroskopische Schaum- strukturen" bezeichnet. Die Fixirung geschieht entweder mit Pikrinsäure- Lösung oder mit schwach jodirtem Alkohol. Gefärbt wird mit Eisen-Hämatoxy- lin, d. h. die Stücke werden zuerst mit saurem Eisenoxyd behandelt, kurz mit Wasser gewaschen und in eine 1/2°/oige wässerige Hämatoxylinlösung übertragen (analog der Methode von R. Hei den hain, siehe T. 94). Aeusserst dünne Schnitte sind erforderlich, 1/a — 1 /.i. Untersucht wird bei günstiger Beleuchtung in schwach lichtbrechenden Medien, wobei sich die wabigen, alveolären und schäumigen Strukturen des Protoplasmas gefärbt zeigen. Unter den thierischen Objekten empfiehlt Bütschli als besonders günstige junge Ovarialeier der Knochenfische, Blutzellen und das Epithel des Dünndarmes des Frosches etc. Die Entscheidung steht noch aus, ob solche Strukturen dem Bau des lebenden Protoplasma entsprechen. IL Die Gewebe. Aus der Theilung des befruchteten Eies gehen zunächst Zellen her- vor, welche keinen ausgesprochenen Charakter an sich tragen; es sind embryonale Zellen von annähernd kugeliger Form (Furchungskugeln, Blastomeren). Während die Vermehrung dieser Zellen fortschreitet, werden sie kleiner und platten sich gegenseitig ab. Durch verschiedene Prozesse, die unter dem Namen „Gastrulation" zusammengefasst werden, entstehen aus den Blastomeren zwei Keimblätter, von welchen ein jedes aus einer ge- schlossenen Reihe dicht gedrängter Zellen besteht. Diese zwei Blätter sind die bekannten primären Keimblätter, aus welchen sich der Embryo auf- baut. Das nach aussen liegende Blatt ist das Ektoderm, das innere das Entoderm. In diesem Stadium der Entwickelung ist bereits das erste typische und primitivste Gewebe entstanden ; jedes Blatt führt uns jetzt eine echte Epithelial schicht vor. So einfach wie die Epithelien in den Keimblättern sind, bleiben sie nicht; aus jedem dieser Blätter gehen bestimmt gestaltete, oft komplizirt gebaute Epithelien hervor. Dadurch, dass die eine Fläche des epithelialen Blattes frei liegt und dadurch anderen Bedingungen ausgesetzt ist als die innere, wird eine gewisse Verschiedenheit zwischen den gegenständigen Enden der Zelle bedingt; das Eintheilung der Gewebe. 57 frei liegende Ende derselben ist häufig durch Cuticularbildungen geschützt, — Bildungen, welche die Zelle selbst ausscheidet. In anderen Fällen ent- wickeln sich an der nämlichen Fläche bewegliche Fortsätze (Cilien), die nach einer bestimmten Richtung das sie umgebende Medium bewegen, um ent- weder Fremdkörper zu entfernen, oder um das Medium selbst im frischen Zustande zu erhalten. Es ist begreiflich, dass das freie den äusseren Reizen mehr ausgesetzte Ende der Epithelzelle befähigter sein wird, spezielle Einrichtungen für die Sinneswahrnehmungen zu entwickeln (Sinneszellen). Hingegen bleibt die innere basale Fläche der Zelle meist von mehr indifferentem Charakter und dient einestheils zur Befestigung der Zelle, anderentheils zur Vermittelung ihrer Ernährung. In der Regel liegt auch der Kern der Zelle ihrer Basal- fläche genähert. Aus dem Gesagten ist ersichtlich, dass die beiden Enden der Epithel- zelle (Ekto- und Endodermzelle) verschiedenen Differenzirungsprozessen unter- liegen; das äussere ist mehr den animalen, das innere mehr den vegetativen Funktionen angepasst. Diesen Gegensatz hat man neuerdings als Polarität der Zelle bezeichnet Diese Polarität scheint auch dann noch erhalten zu bleiben, wenn die Zelle aus dem epithelialen Verbände austritt und andere Funktionen übernimmt [R a b 1 (90;]. Zu den beiden primären Keimblättern gesellt sich in späteren Stadien noch ein drittes Blatt, das zwischen ihnen liegt und als Mesoderm be- zeichnet wird. Letzteres entsteht hauptsächlich aus dem Entoderm und zwar zuerst als ein epithelial angeordnetes mittleres Keimblatt. Aus dem letzteren scheiden sich Zellen aus und kommen in die Spalten zwischen die Keimblätter zu liegen. Sie bilden zunächst ein Gewebe, das keine bestimmte Anordnung seiner Elemente erkennen lässt; die Zellen sind unregelmässig zerstreut und werden, so lange sie keine specifischen Charaktere annehmen, als Mesenchymkeime, das Ganze als Mesen- chymgewebe bezeichnet (0. und R. Fl er tw ig). Sobald die Mesenchymzelle ihre Ursprungs statte, das Mesoderm, ver- lässt, ändert sich auch ihre Beschaffenheit; ihre Konturen werden zackig; die Zacken ziehen sich zu langen dünnen Fortsätzen aus, welche sich ver- ästeln und mit ähnlichen Fortsätzen benachbarter Zellen anastomosiren können. Aus den betrachteten drei embryonalen Keimblättern gehen sämmtliche Gewebe hervor. Es würde indessen heutzutage schwer fallen, wollte man eine genetische, sich auf die Keimblätter beziehende Eintheilung der Gewebe geben, da es keinem Zweifel mehr unterliegt, dass identische Gewebselemente verschiedenen Keimblättern ihren Ursprung verdanken können. Die von uns befolgte Eintheilung bezieht sich lediglich auf den Bau der Gewebe im fertigen Zustande. 58 Epithelien im Allgemeinen. Wir unterscheiden : 1. Epithelgewebe mit seinen Derivaten, 2. Bindesubstanzen (Bindegewebe im weitesten Sinne, Knorpel, Knochen, Fett), 3. Muskelgewebe, 4. Nervengewebe, 5. Blut und Lymphe. A. Epithelien. Aus allen drei im vorigen Kapitel erwähnten Keimblättern gehen echte Epithelien hervor. An den Berührungsflächen der Zellen entwickeln die letzteren oft eine Kittsubstanz, welche in dünnen Lamellen zwischen den Zellen liegt und sie unter einander fest verbindet In gewissen Organen entwickeln die Epithel- zellen kurze seitliche Fortsätze, welche mit den gleichen Bildungen der be- nachbarten Zellen zusammenstossen, wodurch „intercelluläre Brücken" ent- stehen. Zwischen diesen Brücken befinden sich intercelluläre Räume, welche mit einem zur Ernährung der Zellen dienenden Lymphplasma ge- füllt sind. Besondere längere Fortsätze bilden die Epithelien an ihrer basalen Fläche in der Regel nicht. Jedoch scheint die unter dem Epithel vorhandene Basalmembran zum grössten Theil aus Fortsätzen dieser Zellen zu bestehen. Manche Autoren schreiben ihr eine bindegewebige Herkunft zu, eine Auffassung, welche mit jener Thatsache in Widerspruch steht, dass eine solche Membran im Embryonalkörper vorhanden ist, noch ehe das Bindegewebe zur Ent- wickelung gelangt (Membrana prima, Hensen). Die freien Flächen der Epithelien sind in der Regel Träger von Cuti- cularbildungen, welche als Bildungen der Zelle aufzufassen sind. Die Cuticulae benachbarter Zellen pflegen miteinander zu einem einheitlichen Cuticularsaum zu verschmelzen, der in grösseren Stücken als Ganzes ab- gehoben werden kann (Cuticula). Auf einem senkrechten Durchschnitt zeigt die Cuticula in den meisten Fällen eine Strichelung, welche auf ihre Zu- sammensetzung aus einer grossen Zahl von durch eine anders lichtbrechende Kittsubstanz verbundenen Stäbchen schliessen lässt. Entsprechend den Stäbchen des Cuticularsaumes ist auch der Zellenleib bis über die Mitte parallel gestrichelt ; in der Umgebung des im unteren Drittel der Zelle ge- legenen Kernes verschwindet die Strichelung; hier besteht die Zelle aus ge- körntem Protoplasma von mehr indifferentem Charakter. Blut- und Lymphgefässe dringen in die Epithelien nicht ein; hingegen sind die letzteren reichlich mit Nerven versehen. Bezüglich des näheren Verhaltens der Epithelien in den verschiedenen Organen ist im speziellen Theile nachzusehen. Einschichtige Epithelien. 59 Wir theilen die Epithelien in folgende Gruppen ein: 1. Einschichtige Epithelien mit oder ohne Flimmern. a) Plattenepitbel, b) kubisches Epithel, c) cylindrisches Epithel, d) mehrzelliges Epithel. 2. Mehrschichtige Epithelien mit oder ohne Flimmern. a) Mehrschichtiges Plattenepithel, mit oberflächlichen platten Zellen, ohne Flimmern. b) Mehrschichtiges Cylinderepithel , mit oberflächlichen Cylinder- zellen, mit oder ohne Flimmern. 1. Einschichtige Epithelien. Im einschichtigen Epithel liegen die Zellen in einer einzigen kontinuirlichen Reihe. Einschichtige Epithelien sind sehr verbreitet; sie kommen, beispiels- weise, fast im ganzen Darme vor, bekleiden die Luftwege, die Leibeshöhlen, die Blut- und Lymphbahnen u. s. w. a) Das Plattenepithel. a) Im Plattenepithel sind die Zellen meistens sehr abgeflacht; ihre Grenzen kommen zur Ansicht entweder als gerade Linien, welche bei Ober- Kern -- ZeUgrenzen Fig. 23. Epithel einer abgehäuteten Froschhaut. 400 mal vergr. Technik Xr. 124. Fig. 24. Einschichtiges Plattenepithel aus dem Perito- neum des Frosches. 400 mal vergr. Technik Nr. 123. flächenansicht ein mosaikartiges Bild gewähren: Epithelien der Herzhöhlen, sämmtlicher Arterien, Gefässkapillaren und Venen, Lymphgefässe, Pleura, Peritoneum, Perikardium, Gelenkhöhlen (z. Th.) u. s. w. ; oder es sind die Kon- turen der Zellen gezackt (innere Gefässwand, Pleura-, Perikardial-, Peritoneal- höhle) und präsentiren sich dann von der Oberfläche betrachtet als vielfach gebrochene Linien. — Der Kern dieser Epithelzellen liegt in der Regel in der 60 Mehrzelliges Epithel. Mitte der Zelle. Ist dieselbe sehr flach, so ist die Lage des Kernes durch eine Anschwellung der Zelle gekennzeichnet. Protoplasma und Kern der Plattenepithelzellen bieten sonst nichts Specifisches. b) Kubisches Epithel. Die Zellen dieses Epithels unterscheiden sich von den vorhergehenden nur dadurch, dass sie etwas höher sind. Ihre Konturen sind niemals gezackt, sondern geradlinig, die Zellen selbst kurze mehrkantige Prismen. Das kubische Epithel kommt in den kleinen und kleinsten Bronchien der Lunge, in einzelnen Abschnitten der Harnkanälchen und deren Sammelröhren, in den Ausführungs- gängen der Speichel- und Schleimdrüsen, der Leber und des Pankreas etc. vor. Flimmerndes kubisches Epithel treffen wir z. B. im Eileiter an. c) Cylinderepithel. Die Zellen haben hier die Gestalt von mehr oder weniger laugen Prismen, oder Pyramiden. — Besonders scharf pflegen die Cuticularbildungen ausge- prägt zu sein. — Das cylindrische Epithel kommt im ganzen Darme von der Kardia bis zum Anus, in einzelnen Abschnitten der Niere etc. vor. Von einer gewöhnlichen Cylinderepithelzelle lässt sich eine solche mit Flimmern versehene ohne Schwierig- keit ableiten, indem man sich vorstellt, dass je ein Flimmerhaar auf dem äusseren Ende je eines Stäbchens des Cuticular- saumes aufsitzt. Cüien Zellleib Kern Fig. 25. Flimmerzellen aus einem Bronchus des Hundes. Linke Zelle mit 2 Kernen. 60 mal vergr. Technik Nr. 126. d) Mehrzelliges Epithel. Unter mehrzelligem Epithel verstehen wir ein solches, bei Avel- chem die Zellen zwar alle auf einer Basalmembran sitzen, aber derart gegenseitig verschoben sind, dass ihre Kerne in verschiedene Ebenen zu liegen kommen; auf einem senkrechten Schnitt sieht man sie in mehreren Zeilen liegen. Man könnte das mehrzellige Epithel aus dem ein- schichtigen in der Weise ableiten, dass man annimmt, die Zellen hätten bei ihrer Vermehrung nicht genügend Platz, um sich in der ganzen Dicke der Schicht gleich- massig auszubreiten. In Folge davon wendet die eine Zelle ihr dickeres Ende der Basalmembran zu, das dünnere nach aussen ; die benachbarte Zelle thut das Umgekehrte. Da aber der Kern gewöhnlich im dickeren Ende der Zelle seinen Sitz hat, so resultiren daraus zwei Reihen von Kernen, die Fig. 26. Schema eines mehr- zelligen Epithels. Mehrschichtiges Epithel. 61 ein zweischichtiges Epithel vortäuschen können. Kommt eine dritte Zeile hinzu, so wenden die Elemente der letzteren ihre dünneren Enden der basalen und äusseren Fläche des Epithels zu, welche dann zwischen den Enden anderer Zellen liegen. Treten eine vierte, fünfte oder auch noch mehrere Zeilen hinzu, so ergeben sich Komplikationen, welche leicht aus dem Verhalten des zwei- und dreizeiligen Epithels abgeleitet werden können. Solche mehrzellige Epithelien tragen in der Regel Flimmern (Epithel des Kehlkopfes [mit Ausnahme des Epithels der wahren Stimmbänder etc.], der Trachea und der Bronchien bis zu den Bronchiolen u. s. w.). 2. Mehrschichtige Epithelien. Geht die Vermehrung der Zellen des mehrzelligen Epithels weiter, so können nicht mehr alle Zellen desselben mit der Basalmembran in Verbindung bleiben : die oberflächlich gelegenen Elemente trennen sich von derselben, wodurch erst das Epithel zu einem mehrschichtigen wird. Da nicht alle Zellen an der Basalmembran befestigt sein können, so bedürfen die in der Mitte der Schicht gelegenen zu ihrer Fixirung eines besonderen Apparates. Dieser wird dadurch hergestellt, dass die Zellen die bereits schon erwähnten Stacheln (s. p. 58) entwickeln (Stachel- oder Riff- zellen), vermöge welcher sie sich fest untereinander verbinden. Es ist wohl selbstverständlich, dass die Zellen des mehrschichtigen Epithels nicht alle gleichmässig von Seiten des unterliegenden Bindegewebes ernährt werden können ; für die mittleren und äusseren Schichten ergeben sich hier Schwierigkeiten. Begreiflich ist es ferner, dass die tieferen Lagen in besseren Ernährungszuständen stehen, als die übrigen Zellen, daher ver- mehren sie sich lebhafter und liefern Zellen, die in dem Maasse in die mittleren Schichten einrücken, als die oberen Zellen absterben und abge- stossen werden. Man kann also sagen, dass die Proliferation der mehr- schichtigen Epithelien in den basalen Zellen ihren Hauptsitz hat. a) Mehrschichtiges Plattenepithel. Das mehrschichtige Plattenepithel mit oberflächlichen platten Zellen bildet die Epidermis mit ihren Fortsetzungen in das Innere des Körpers, also die Wandung der Mundhöhle und des Oesophagus, das Epithel der Conjunctiva, der Scheide, die äussere Haar- wurzelscheide etc. Die Zellen der basalen Lage sind hier meistens kubisch-cylindrisch; darauf folgen je nach dem Orte Fi?- 27. des Vorkommens eine oder mehrere Lasen von polv- Scnema eines mehrschich- . a x J tigen Platten epithels. edrischen Zellen, die sich nach der Oberfläche zu allmählich abplatten. Die alleräussersten Schichten bestehen aus ganz dünnen Plättchen. G2 Uebergangsepithel. An geschichteten Plattenepithelien, bei welchen die obersten Zellen ver- hornen, ist die Schichtung noch mehr spezialisirt: hier sind Schichten ein- geschoben, in denen sich die Hornsubstanz allmählich entwickelt, aber erst in den obersten Lagen des Epithels zu einer völligen Verhornung der Zellen führt. Besonders charakteristisch für ein geschichtetes Plattenepithel ist die Bil- dung von bindegewebigen Papillen, die von dem unter dem Epithel liegenden Bindegewebe ausgehen und sich mehr oder weniger weit in das Epithel erstrecken. Diese Papillen heben die basalen Schichten des Epithels empor, so dass auf einem senkrechten Durchschnitt die innere Fläche des letzteren wellenförmig erscheint. Diese Papillen dienen nicht nur dazu, das Epithel mit dem Binde- gewebe fester zu verbinden, sondern können auch die Ernährung des Epithels günstig beeinflussen, indem auf diese Weise eine grössere Anzahl seiner basalen Zellen mit dem die Blutgefässe führenden Bindegewebe in Kontakt kommt. b) Mehrschichtiges Cylinderepithel (Uebergangsepithel). In diesem Epithel besteht die oberflächliche Lage aus cylindrischen Zellen mit oder ohne Flimmern; die Zellen besitzen Fortsätze, welche sich nach innen bis in die unteren Schichten verfolgen lassen ; ihre äussere Oberfläche trägt oft Cilien. Im Uebrigen ist die Zelle ebenso gebaut wie im einschichtigen Cylinderepithel. Die basale (tiefste) Lage zeigt kubische Zellen von indifferentem Charakter; Schema eines mehr- °^e Zellen der mittleren Schichten, wenn letztere überhaupt schichtigen Cylinder- vorhanden, sind gewöhnlich unregelmässig polyedrisch. epithels ohne Flimmern. Das mehrschichtige Cylinderepithel kommt im Nieren- becken, im Ureter, in der Harnblase vor. Flimmerndes , findet sich z. B. im Vas deferens. 3. Drüsenepithel. a) Die Drüsenzelle. Bestimmte, in den Reihen anderer Epithelzellen zerstreut liegende Zellen produziren Stoffe, die dazu bestimmt sind, nach aussen entleert zu werden, Vorgänge, welche man unter dem Ausdruck „Sekretion" zusammenfasst. Das Protoplasma dieser Zellen scheidet eine Substanz aus, welche öfters in Gestalt von Vakuolen im Innern der Zellen selbst zum Vorschein kommt, die Zellen aufbläht und schliesslich nach aussen entleert wird. Vereinzelte solche Drüsenzellen kommen im Epithel sehr häufig vor und sind im Allgemeinen als einzellige Drüsen bekannt. Beim Menschen sind solche Zellen zahlreich z. B. im Darmepithel verbreitet und werden hier als Becherzellen bezeichnet. Drüsenzellen. 63 Schleim '_ Oeffnung Fig. 29. Becherzellen aus einem Bronchus des Hundes. Die mittlere Zelle ist noch im Besitze ihres Flimmerbesatzes, die rechte hat ihren Schleim bereits entleert (collabirte Becherzelle). 600 mal vergr. Technik Nr. 126. Eine jede Darmepithelzelle ist befähigt, sich in eine Becherzelle zu ver- wandeln. Sie unterscheidet sich dann von den benachbarten Zellen dadurch, dass ihr äusseres Ende heller und aufgebläht, das basale, kernhal- tige mehr zugespitzt erscheint. Die helle Substanz ist nichts anderes als Schleim, welchen das Proto- plasma der Zelle ge- bildet, aber noch nicht nach aussen befördert hat. Bei genauerer Be- trachtung zeigt es sich, dass der Sekretstoff dieMaschen eines sehr feinen protoplasmati- schen Netzes ausfüllt, das mit dem den Kern umgebenden Protoplasma in kontinuirlichem Zu- sammenhang steht. Wir haben also während des Sekretionsprozesses im Zellkörper zwei scharf von einander unterscheidbare Stoffe vor uns : der eine ist das ursprüng- liche Protoplasma der Zelle (Protoplasma von Kupffer), der andere das Produkt desselben (in diesem Falle Schleim), das Paraplasma Kupffer's. — Gelangt der Sekretstoff nach aussen, so kollabirt die Becherzelle, liegt dann als ein dünner Strang zwischen den Nachbarzellen, und es ist noch fraglich, ob die Zelle nach der Expulsion des Sekretstoffes nicht überhaupt zu Grunde geht. Die dadurch entstehende Lücke wird im letzteren Falle durch Zusammenrücken der Nachbarzellen wieder ausgefüllt. Mehrzellige Drüsen entstehen dadurch, dass eine ganze Reihe benach- barter Zellen sich in Drüsen zellen umwandelt ; hierbei findet gewöhnlich eine mehr oder weniger tiefe Einstülpung der Epithelschicht an dieser Stelle statt. Die einfachste Form solcher Einstülpungen ist eine cylindrische Röhre, ein Tubulus, dessen sämmtliche Zellen Drüsenzellen sind. Eine weitere Dif- ferenzirung wird dadurch gegeben, dass nicht alle eingestülpten Zellen secerniren, dass vielmehr die den äusseren Abschnitt der Röhre begrenzenden, ausschliess- lich die Wandung eines bloss ausführenden Kanals bilden. Hierdurch zer- fällt die ursprünglich einheitliche Röhre in einen ausführenden und in einen secernir enden Abschnitt. 64 Drüsen. ü I b) Allgemeines über den Bau und die Eintheilung der Drüsen. Die mannigfaltigen Drüsenformen , die wir kennen lernen werden, be- treffen hauptsächlich den secernirenden Theil derselben, während der Aus- führungsgang sich mehr indifferent verhält und wenig variirt. Die einfachste Form des secer- nirenden Drüsentheils bleibt immer ein gestreckter Tubulus, wie er in den einfachen tubulösen Drü- sen sich findet (Fundusdrüsen des Magens, Lieberkühn'sche Drüsen des Darmes); er kann auch, ohne den Charakter eines gleichmässigen Tubulus zu verlieren, sich mehr oder weniger winden (Pylorusdrüsen, Schweiss-, Ohrenschmalzdrüsen). — Auch dichotomische Verzweigungen des secernirenden Theils kommen vor — verzweigte tubulöse Drüse (Pylorusdrüsen,Uterindrüsen). Eine zusammengesetzte tu- bulöse Drüse entsteht dann, wenn zwei oder mehrere secernirende Theile in die Endäste eines oft komplizirt verzweigten Ausführungsgangsystems (Gangsystem) hineinmünden (Niere). Drüsen- lumen Drüsen- zellen - T. propria - Muse, muco- sae Fig. 30. Einfache tubulöse Drüsen. Lieberkühn'sche Drüsen aus dem Dickdarm des Menschen. Behandlung mit Sublimat. Schnittpräparat. 90 mal vergr. Fig. 31. Ausführungsgänge und Lumina des secernirenden Theiles einer zusam- mengesetzten, aus einer Anzahl ver- zweigter tubulöser Drüsen bestehen- den Drüse. Zungendrüse des Kanin- chens. Chromsilberpräparat. 215 mal vergr. Fig. 32. Lumina des secernirenden Theiles einer netz- förmigen tubulösen Drüse. Aus der Leber des Menschen. Chromsilberpräparat. 120mal vergr. Die einzelnen secernirenden Schläuche können sich untereinander netz- Eintheilung der Drüsen. 65 förmig verbinden, woraus dann netzförmige tubulöse Drüsen ent- stehen (Leber). Bei den alveolären Drüsen hat der secernirende Abschnitt die Form eines im Allgemeinen langen unregelmässigen Schlauches (Alveus), der in der Regel vielfach gewunden ist. Nach demselben Prinzip wie die tubulösen Drüsen, theilt man auch die alveolären in einfache und zusammengesetzte ein. Zu den ersteren gehören z. Th. die Ebner'schen Drüsen der Zunge und die Brunn er 'sehen des Duodenums ; zu den letzteren die Speichel- und Schleimdrüsen. Gewisse alveoläre Drüsen zeichnen sich durch eine flaschenförmige Ge- stalt aus, wobei der Hals der Flasche als der Ausführungsgang der Drüse gedacht werden muss (z. B. Hautdrüsen von Salamandra). Komplizirtere Lumen und Ausführ- Tubulus ungsgang Alveus Alveus Alveo- Alveo- lus lus Alveus Fig. 33. Schema der Eintheilung der Drüsen. a einfache tubulöse Drüse ; b verzweigte tubulöse Drüse ; c einfache, d zusammengesetzte alveoläre Drüse ohne Alveoli; e und/ alveoläre Drüsen mit Alveolen. Formen der alveolären Drüsen entstehen ferner dadurch, dass ihre Wandung von Stelle zu Stelle sich kugelförmig ausbuchtet. Solche Ausbuchtungen be- zeichnen wir als Alveolen (Alveoli). Aus dem bisher Gesagten würde sich für die mehrzelligen Drüsen un- gefähr folgendes Schema ergeben : Drüsen tubulöse alveoläre einfache zusammen- gesetzte. (Hierher auch die netzförmi- gen Drüsen.) Böhm- v. Davidoff , Histologie. einfache, mit oder ohne Alveolen zusa m men- gesetzte, mit oder ohne Alveolen. 66 Allgemeines über Drüsen. Der secernirende und ausführende Theil der Drüsen sind von einer dünnen Membran (Membrana propria) umhüllt, welche nach einigen Autoren bindegewebigen Ursprungs , nach anderen ein Produkt der Drüsen- zellen selbst ist. In manchen Fällen erscheint sie strukturlos, in anderen Fällen kann man in ihr eine zellige Struktur wahrnehmen; im letzteren Falle sind die Zellen sehr abgeplattet, zeigen zackige Konturen und besitzen einen ebenfalls sehr abgeplatteten Kern. Makroskopisch präsentirt sich eine zusammengesetzte Drüse als ein mehr oder weniger voluminöser gelappter Körper, dessen Läppchen durch Bindegewebe zusammengehalten werden. In der unmittelbaren Umgebung der Läppchen verdichtet sich das Bindegewebe zu einer Schicht, die man Tunica albuginea nennen kann. In den Drüsenkörper sendet sie zu- gleich mit dem umgebenden lockeren Bindegewebe Fortsätze hinein, welche die einzelnen Läppchen umspinnend die ganze Drüse in eine Anzahl von Abtheilungen zerlegen (Drüsenläppchen). Dieses Bindegewebe ist mit zahlreichen Gelassen versehen, die eben- falls zwischen die Drüsenläppchen eindringen und ein reiches Kapillar- netz in der unmittelbaren Nähe der Membrana propria erzeugen. In demselben Bindegewebe kommen Nerven vor, deren Beziehungen zu den Drüsenzellen aber bislang nicht aufgeklärt sind. c) Bemerkungen über den Sekretions Vorgang. Je nach ihrem Funktionszustand verändert die Drüsenzelle ihr mikro- skopisches Verhalten. Eine in Thätigkeit begriffene zeigt oft mit Sekretstoff gefüllte Vakuolen (z. B. die Leberzelle) oder eine Körnelung ihres Zelleibes (Pankreas). In anderen Fällen erscheint als Anzeichen der sekretorischen Thätigkeit eine Strichelung in der Zelle (z. B. in der Niere). Die Sekretion bietet auch darin Verschiedenheiten, dass in einem Falle die Zelle während der Sekretion und nach derselben als Ganzes längere Zeit bestehen bleibt (Speicheldrüsen); im anderen Falle geht sie zum Theil selbst mit in den Sekretstoff ein und nur ihre basale kernhaltige Hälfte bleibt er- halten, wächst zu einer normalen Zelle heran, um noch mehrere Male den- selben Sekretionsprozess durchzumachen (Milchdrüsen) ; im dritten Falle end- lich kann bei einer einmaligen Sekretion die ganze Zelle zu Grunde gehen; sie wird dann durch andere Zellen in einer bestimmten Weise ersetzt (Talgdrüsen). Technisches über Epithelgewebe. 125. Man kann Epithelien frisch untersuchen. Am einfachsten be- kommt man dieselben zu Gesicht, wenn man Speichel nimmt, denselben unter ein Deckglas bringt und mit einer mittleren Vergrösserung untersucht. Man Isolationsmethoden. 67 findet darin eine Menge isolirter Pflasterepithelzellen , die einzeln und zu kleinen Gruppen in der Speichelflüssigkeit suspendirt sind. Man sieht in der im Uebrigen verhornten Zelle ohne Weiteres den Zellenkern und um ihn einen kleinen granulirten Protoplasmahof. 126. Will man isolirte Epithelzellen aus anderen Organen zu Gesicht bekommen, so behandle man die zu isolirenden Epithelfetzen oder ganze Epithel- schichten mit den sogenannten Isolirungsflüssigkeiten. Zu diesen gehören: 1. Jodserum, 2. sehr verdünnte Osmiumsäure, l°/oo oder 1/2°,'oo, 3. sehr schwache Chromsäurelösungen, etwa 1 auf 5000 Wasser, 4. 1/2°/oo oder 1 °/oo Kalium- oder Ammoniumbichromicum-Lösungen und vor allem der sogenannte x/3 Alkohol von Ran vi er (28 Vol. Alkohol abs., 72 Vol. dest. Wasser). Alle diese Flüssigkeiten wendet man in der Weise an, dass man auf kleine frische Epithelstücke eine geringe Menge der Isolationsflüssigkeit (wenige Kubikcentimeter), je nach der Temperatur und der Beschaffenheit des Epithels 12 — 24 Stunden lang einwirken lässt. Haben die Isolationsmittel ge- nügend eingewirkt, so ist es ein Leichtes durch Schütteln oder Zupfen mit Nadeln die Zellen vollständig zu isoliren. Man nimmt diese Isolation ent- weder in der Isolationsflüssigkeit selbst oder in einer sogenannten indifferenten Flüssigkeit vor [s. T. 13]. Im letzteren Falle ist eine Nachfärbung zulässig, indem man beispielsweise zu der indifferenten Flüssigkeit Pikrokarmin zusetzt, das Ganze mit einem Deckglase bedeckt und nach vollzogener Färbung die Farbe etwa durch Glycerin substituirt. Dieselben Isolationsmethoden dienen auch zur Isolation der Flimmerepi- thelien. 127. Die Flimmerbewegung kann man bei Säugethieren an mit Skalpell abgeschabten Fetzen, z. B. des Trachea-Epithels, welche man in einer indifferenten Flüssigkeit untersucht, sehen. Da die Flimmerepithelien der Säuger sehr empfindlich sind, so empfiehlt es sich, wenn man längere Zeit hindurch die Flimmerbewegung studiren will, Flimmerepithelien der Gaumen- schleimhaut des Frosches zu entnehmen und in physiologischer Kochsalz- lösung (vergl. T. 1 3) zu untersuchen (besonders lange Cilien und grosse Epithelzellen findet man in den Kiemenblättchen von Muscheln). 128. Um die Epithelien in ihrem Verbände zu studiren, bedient man sich besonders bei einschichtigen Epithelien mit grossem Vortheil der soge- nannten Versilberungsmethode: Die Grenzen der Zellen erscheinen hierbei schwarz. Diese wird folgendermassen angewandt: dünne, frische Membranen, etwa das Mesenterium, dünne aufgeschnittene Gefässe, aufgeblasene Lungenalveolen werden sehr kurze Zeit mit dest. Wasser abgespült, um die Fremdkörper (etwa anhaftende Blutkörperchen) zu entfernen. Dann werden die Stücke je nach dem Objekt in eine 0,1 — 1 °/o wässerige Silbernitratlösung über- tragen, worin sie solange liegen bleiben, bis sie undurchsichtig geworden sind (einige Minuten bis eine Stunde). Dann werden sie in (viel) dest. (38 "Versilberungsmethoden. Wasser übertragen, bis sie eine bräunlich-röthliche Farbe anzunehmen anfangen. Diese letztere Proeedur kann entweder in einem von der Sonne direkt beschienenen Ort geschehen, was bei dickeren Lamellen von Vor- theil ist, oder in diffusem Lichte vorgenommen werden. Nach einigen Minu- ten bis einer Stunde, je nach dem Objekt, werden die Stücke tüchtig mit Wasser abgespült und entweder in Glycerin, oder in abs. Alkohol (um Schrum- pfungen zu vermeiden) ganz allmählich übertragen. Aus dem Alkohol können die Lamellen nach gewöhnlichen Methoden in Kanadabalsam einge- schlossen werden. Ausser Wasser kann man als Lösungsmittel des Silbernitrates Sal- petersäure (etwa 1 — 10°/o), Osmiumsäure und auch andere Mittel gebrauchen. In allen Fällen lassen sich die versilberten Präparate mit den meisten Färbe- mitteln weiter behandeln. Auch mehrschichtige Epithelien können mit Silbernitrat bearbeitet werden. In diesem Falle lasse man aber das Silber längere Zeit einwirken und stelle, nach einer genügenden Härtung des so behandelten Objektes, Schnitte her. Man sieht übrigens an manchen Objekten, z. B. an Fetzen der frisch abge- häuteten Froschhaut, die Grenzen der Epithelzellen ohne Weiteres sehr deutlich. 129. Selbstverständlich ist für das Studium dickerer Epithelformationen eine geeignete Fixirung mit einer nachfolgenden Untersuchung an Schnitten unerlässlich. Darüber und über die Methoden, welche bei Untersuchungen von Drüsen angewandt werden, vergl. in den einzelnen Organen. B. Die Bindesubstanzen. Die ersten Elemente des Bindegewebes entstehen im embryonalen Körper frühzeitig; ihre Entstehung ist eng an das Erscheinen des mittleren Keimblattes geknüpft. In der Regel schalten sie sich aus dem Verbände der Zellen des letzteren aus, kommen frei in die Lücken zwischen den Keim- blättern zu liegen und verändern hiebei ihre Form (Mesenchymkeime, s. oben pag. 57). Sie bekommen Fortsätze, welche kontraktil sind und ausgesandt und wieder eingezogen werden können, wodurch eine Eigenschaft der Zelle zu Tage tritt, welche sie zur Lokomotion befähigt: sie kann hierdurch dauernd zu einer Wanderzelle werden. Auch bei der Nahrungsaufnahme der AVanderzelle spielen die erwähnten Fortsätze eine bedeutende Rolle: sie kommen mit den zur Aufnahme bestimmten Körperchen in Berührung, um- spinnen sie, nehmen sie auf und befördern sie in den Zellkörper, in welchem sie assimilirt werden. Manche solcher Zellen (Merocyten, Rückert) nehmen z. B. Dotterbestand- theile aus dem Dottersacke der Embryonen (Selachier, Reptilien, Vögel) in sich auf und verarbeiten dieselben zur Ernährung des Embryos. Bindesubsfanzen. 69 Protoplasma Kern Bakterium in einer Va- kuole einge- schlossen. Fig. 34. Ein Leukocyt des Frosches mit Pseudo- podien, in dem ein Bakterium einge- schlossen ist und verdaut wird. Nach Metschnikoff aus O. Hertwig 93.2. Hier- Aufgenommene Stoffe können durch die "Wanderzellen weiter befördert werden, um am anderen Orte deponirt zu werden. Eine andere Art von Wanderzel- len, die Phagocyten (Metschni- koff), scheinen damit betraut zu sein, aus dem Körper überflüssige oder schäd- liche Stoffe (z. B. Bacillen) zu entfernen. Sie nehmen sie in sich auf, um sie entweder zu verdauen oder wenigstens unschädlich zu machen. Solche, aus dem Mesenchym ent- standene, noch mit ursprünglichen Eigenschaften versehene Zellen sind im erwachsenen Organismus je nach ihrer Aufgabe und ihrem Vorkommen unter den verschiedensten Namen be- kannt: im Blute sind es die weissen Blutzellen, in Lymphdrüsen und Lympbgefässen die Lymphkörper- chen, im Bindegewebe die wandern- den Bindegewebszellen, die Plasmazellen "Waldeyer's etc. her gehören auch jedenfalls die Pigmentzellen der Cutis. Andere Mesenchymzellen werden sesshaft und bilden die sogenannten fixen Bindege- webszellen. Sie sind ebenfalls noch von embryonalem Charakter und kommen im Körper des Er- wachsenen beispielsweise in der Cutis, im Bindegewebe der Kör- perhöhlen etc. vor. Bei weitem in den meisten Fällen aber treten in den sich zu Bindegewebe differenzirenden Elementen des mittleren Keim- blattes spezifische Strukturen auf : sie verwandeln sich in Binde- gewebsfasern, und zwar dadurch, dass in ihrem Inneren Fibrillen zur Ausbildung kommen (fibril- läres Bindegewebe), ein Pro- zess, der immer mit einer regen Theilung des Kernes verbunden ist (Fle tu- rn ing 91.2, Lwoff, Reinke). Die Zelle wird also mehrkernig und ösäiS kÜ f. # * ;# ■ (§ iß % '& % m- "§"" 1 . W m i i ®~~~ 0 ■ 9 M T-^'tj ), ' '' & i Q :- m f m>-. -"-■>, p -- fifäf m-- f ü 0 © m "' Ausläufer ~- Kern Fig. 35. Mesenchymgewebe aus der Subcutis eines Enten- embryos. 650 mal vergr. Technik Nr. 17. 70 Allgemeines über Bindesubstanzen. dehnt sich beträchtlich in die Länge. Die in ihr gebildeten Fibrillen gewinnen nach und nach das Uebergewicht über den Zellkörper selbst, so dass bei der Be- trachtung des Gewebes die Fibrillen zuerst in's Auge fallen, dem ganzen Gewebe das Gepräge verleihen und die „Grundsubstanz" desselben abgeben. In gewissen Fällen ist die Grundsubstanz von mehr flüssiger Be- schaffenheit und enthält nur spärliche Fasern. So ist es z. B. im Gallert- gewebe, das bei Embryonen und bei niederen Thieren vielfach vertreten ist. Die einfachste Art der Anordnung der Fasern im fibrillären Binde- gewebe ist eine parallele, wie z. B. in den Sehnen, vielen Aponeurosen, Bändern u. s. w. — In anderen Fällen, im lockeren Bindegewebe, verflechten und verästeln sich die Fasern zu weiten und engmaschigen Netzen, deren Zwischenräume mit fixen (undifierencirt gebliebenen) Zellen, Gefässen etc. ausgefüllt sind. Von diesen, eben beschriebenen, echten Bindegewebsfasern sind die ebenfalls zum Bindegewebe gehörigen elastischen Fasern in vielen Be- ziehungen verschieden. Sie sind oft den Bindegewebsfasern beigemengt, können aber auch als selbständige Bildungen auftreten, so z. B. im Liga- mentum nuchae. In der Regel sind die elastischen Fasern verästelt, können aber auch unter sich zu durchlöcherten, sogenannten „gefensterten" Membranen (z. B. in der Gefässwand) verschmelzen. Eine wesentliche Modifikation ertährt die Bindegewebsfaser, wenn sie verkalkt, ein Prozess, der langsam vor sich geht, mit einer Ablagerung von anorganischen Stoffen in der Faser verbunden ist und in der Regel zur Bild- ung des Knochens führt. Ein anderes in die Reihe der Bindesubstanzen gehöriges Gewebe ist der Knorpel. An Stelle der Fibrillen entwickeln die zur Bildung des Knorpels bestimmten Elemente des mittleren Keimblattes eine hyaline Sub- stanz, die im fertigen Gewebe die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels darstellt. Aber auch im Knorpel kann die Grundsubstanz von elastischen oder Bindegewebsfasern durchzogen sein , wodurch der Knorpel zu einem elastischen oder Bindege websknorpel wird. Eine wichtige Eigenschaft der Bindesubstanzen besteht darin, dass ihre verschiedenen, vorhin erwähnten Gruppen in einander übergehen können: so kann z. B. aus dem gewöhnlichen fibrillären Bindegewebe Knochen entstehen, ebenso kann sich letzerer an Stelle des Knorpels entwickeln, — Prozesse, die weiter unten näher besprochen werden. Trotz dieser Fähigkeit sich gegenseitig zu vertreten, zeigen die Grund- substanzen der erwähnten Gewebe in ihren chemischen Eigenschaften nicht unwesentliche Verschiedenheiten : die gewöhnliche Bindegewebsfaser giebt z. B. beim Kochen Leim (Colla); die elastische Faser liefert unter bestimmten Bedingungen Elastin, der Knorpel Chondrin. Die Bindesubstanzen sind im Körper ausserordentlich verbreitet: während das Vorkommen von Knochen und Knorpel sich nach den Organen von Eintheüung der Bindesubstanzen. 71 Eetikulum m selbst ergiebt, verbindet das fibrilläre Bindegewebe die Organe und Organ- tbeile untereinander, hält sie in fester Fügung, weshalb es als „bindendes" Gewebe, schlechthin als Bindegewebe bezeichnet wird und der ganzen Gruppe den Namen „Bindesubstanzen" verliehen hat. Das zürn Bindegewebe gehörige Gallertgewebe ist im erwachsenen Orga- nismus im Glaskörper vertreten. Zum Bindegewebe rechnen wir auch das sogenannte retikuläre oder adenoide Gewebe, welches in lymphoiden Organen vorkommt. Dasselbe besteht beim Erwachsenen aus einem Geflecht von miteinander anastomo- sirenden verzweigten Zellen und feinster Fasern , welche letzteren sich in Fibrillen nicht zerlegen lassen. Bestimmte Bindegewebszellen haben die Eigenschaft Fett zu produziren; an gewissen Stellen des Körpers bilden sie zum Schutze der Organe und als Reservematerial ganze Fettpolster, weshalb man geradezu von einem Fett- gewebe spricht. Letzteres kann aber nicht als eine besondere, den übrigen Gruppen der Bindesubstan- zen koordinirte Gewebsart gel- ten, da es nach- weisbar zum Bindegewebe gehört und über- all da auftreten kann, wo letz- teres vorkommt. Schliesslich können gewisse Elemente des mittleren Keim- blattes Farb- stoffe, Pig- mente enthal- ten. Hierzu ge- hören die Pig- mentzellen und die rothen Blutkörperchen. Nach unserer Schilderung hätten wir also folgende Arten der Binde- substanzen zu unterscheiden: 1. retikuläres, 2. Gallertgewebe, 3. faseriges (fibrilläres) Bindegewebe, 4. elastisches Gewebe, 5. Fettgewebe, 6. Knorpel, 7. Knochen. 1. Retikuläres Bindegewebe. Als am wenigsten modifizirt, d. h. dem embryonalen Mesenchymgewebe am nächsten stehend, ist das retikuläre Gewebe zu betrachten. — Es besteht aus & \3 f'G' Kern einer fixen Binde- gewebszelle -.;,:' — Blutgefäss © Fig. 36. Retikuläres Bindegewebe aus einer Lymphdrüse des Menschen. 280 mal vergr. Pinselpräparat. 72 Retikuläres Bindegewebe, Gallertgewebe. sternförmigen, mit einander anastomosirenden Zellen, welche auch Fasern bilden können; im letzteren Falle kommt es zur Bildung von mehr oder weniger zusammenhängenden Netzen, welchen die Reste der Bildungszellen ansitzen. — Dieses Retikulum unterscheidet sich aber chemisch von der Bindegewebs- und elastischen Faser. — Das retikuläre Bindegewebe ist in den Lymph- drüsen (deshalb auch adenoides Gewebe genannt) und lymphoiden Organen verbreitet; seine Maschen sind mit Lymphzellen ausgefüllt. 2. Gallertgewebe. Zum Gallertgewebe rechnet man ein beim erwachsenen Menschen wenig verbreitetes Gewebe von embryonalem Charakter. Dasselbe besteht aus ver- ästelten Zellen, welche miteinander anastomosiren und in einer gelatinösen von spärlichen Fasern durchsetzten Masse eingebettet sind. Die Fasern, so- wie auch die gelatinöse Zwischensubstanz sind die Produkte der Zellen selbst. — Während der Embryonalentwickelung ist dieses Gewebe in reichem Maasse im Nabelstrang vertreten und wird hier als Wharton'sche Sülze bezeichnet. Ausserdem kommt dasselbe in der Cutis, in der Umgebung der halbcirkel- förmigen Kanäle und des Schneckenkanals des Gehörganges der Embryonen, im Glaskörper etc. vor. 3. Faseriges Bindegewebe. Morphologisch kann man das faserige Bindegewebe je nach der Anordnung der Fasern in zwei Gruppen zerlegen: in der ersten, zu welcher die Sehnen, zum Theil die Aponeurosen u. s. w. gehören, verlaufen die Fasern parallel zu einander. In der zweiten Gruppe kreuzen und verflechten sie sich zu Netzen, wodurch enge und weite Maschen gebildet werden (areoläres Bindegewebe). Im Peri- toneum z. B. liegen diese Netze in einer Ebene. Da, wo faseriges Bindegewebe sich in grösseren Massen, wie z. B. in der Cutis, ansammelt, verzweigen sich diese Netze nach allen Dimensionen des Raumes. Zwischen den ein- zelnen Fasern bleiben grössere, in einzelnen Fällen nur schwer man trotz der Anwesenheit von ! i / fi^Ff — Sehnenkör- / perchen Sehnen- fasern Fig. 37. Stück eines Längsschnittes durch eine Sehne. 270mal vergr. wahrnehmbare Lücken bestehen, welche Faseriges Bindegewebe. 73 Kern Fibril- len embryonalen Bindegewebszellen nebst Gefässen in denselben etc. genetisch als intercelluläre Räume auffassen muss. An der Oberfläche der Faser befinden sich zellige Elemente, welche erhaltene Reste derjenigen Zellen sind, die die Fibrillen der Faser bereits produzirt haben, Sehnenkörperchen. Man kann annehmen, dass ähnlich wie beim Muskel das Sarkolemm, so auch hier eine die ganze Faser umhüllende, --__^^^Sp' schwer darzustellende Membran vorhanden ist, die genetisch von der Membran der Bildungs- zelle abzuleiten wäre. In allen Fällen, sei es bei den parallelen, sei es bei den netzartig ange- ordneten Fasern, besteht ihre Substanz aus fein- sten, linear verlaufenden Fäden — Fibrillen. Zwischen ihnen sind Reste von dem nicht zu Fibrillen umgewandelten Protoplasma der Bildungszelle vorhanden (Mucin? s. Technik). Letzteres verkittet die Fibrillen untereinander und kann durch bestimmte Reagenzien in Lösung gebracht werden, so dass die Fibrillen auseinander fallen; man sieht sie dann als feine, völlig homogene Fäden verlaufen. Durch Zu- satz von Essigsäure quellen die Fibrillen derart auf, dass sie etwa das Zehnfache ihres Volumens erreichen. Sie sind dann als solche nicht mehr wahrzunehmen : die ganze Faser gewinnt eine glasige Beschaffenheit. Da aber die zelligen Elemente bei Zusatz von Essigsäure nicht mit aufquellen, so treten sie auf dem glasigen Untergrunde um so deutlicher hervor. Wie schon erwähnt wurde, liefern die Fasern des Bindegewebes Leim (Colla, Knochen- leim). Erhitzt man Bindegewebe mit Wasser (oder mit verdünnten Säuren) auf 120 0 C.f filtrirt dann die Flüssigkeit, so bekommt man eine Lösung, aus welcher mit Alkohol Leim gefällt werden kann ; in kaltem Wasser, in Alkohol und Aether ist Leim unlöslich ; hin- gegen löst er sich in heissem Wasser, eine Lösung, welche beim Erkalten gelatinirt, mit Essigsäure und Mineralsäuren, im Gegensatz zu Mucin und Chondrin (s. diese) aber keinen Niederschlag giebt. Gerbsäure und Sublimat bewirken einen Niederschlag, was bei Mucin nicht der Fall ist, wohl aber beim Chondrin (vergl. auch Hoppe-Seyler). Fig. 38. Faseriges, zu Netzen angeordnetes (sogenanntes areoläres) Bindegewebe aus dem Omentum rnajus des Kaninchens. 400 mal vergr. Technik Nr. 17. 4, Elastisches Gewebe. Das elastische Gewebe schliesst sich eng an das faserige Bindegewebe an, unterscheidet sich aber von demselben in manchen wichtigen Beziehungen. 74 Elastisches Gewebe. Seine Fasern sind dem Bindegewebe fast immer beigemengt; es giebt aber Organe, wie z. B. das Lig. nuchae, die fast ausschliesslich aus elastischen Fasern gebildet sind. Während die Bindegewebsfibrille annähernd immer die gleichen Kaliber- verhältnisse aufweist, ist die elastische Faser in dieser Beziehung sehr variabel; ihr Breitendurchmesser kann Bruchtheile eines fj, betragen, aber auch 10 /< und darüber erreichen. Die elastischen Fasern besitzen einen eigen- thiimlichen, ihnen eigenen Glanz, durch welchen sie sich deutlich von der Bindegewebsfaser unter- scheiden. Sie sind in den meisten Fällen verästelt, verbinden sich miteinander zu Netzwerken, können auch zu grösseren Platten verzchmelzen (z. B. in den sogenannten gefensterten Membranen der Tunica media der Gefässe [siehe auch Technik]). Ein chemischer Unterschied zwischen der Binde- gewebs- und der elastischen Faser ist dadurch gegeben , dass die letztere nicht Leim , sondern Elastin liefert, welches sich nur in heisser konz. Kali- lauge und in kalter konz. Schwefel- und Salpeter- säure löst, Substanzen, welche das Elastin zugleich auch zersetzen. Leider ist die Entwickelung des elastischen Gewebes noch vielfachen Kontroversen unterworfen; die Autoren sind darüber nicht einig, ob die ganze Bildungszelle in die gebildete Faser eingeht, oder nur das Protoplasma derselben, wobei der Kern sich als solcher erhält. Jedenfalls ist sicher, dass die elastischen Fasern kernlos sind, dass sie sich durch Anwendung von Reagentien nicht wie beim Bindegewebe in Fibrillen zerlegen lassen. Diese Umstände erschweren die Beurtheilung des morphologischen Aufbaues des Gewebes. Zu dem elastischen Gewebe gehören auch die sehr verbreiteten, nament- lich in Begleitung von Kapillaren, in der Leber, in der Milz, im Knochen- marke etc. vorkommenden Gitterfasern. Das Nähere über die letzteren ist noch nicht genügend bekannt (vergl. Leber). Fig. 39. Elastische Fasern aus dem Lig. nuchae des Ochsen, frisch gezupft. 500 mal vergr. Bei a ist die Faser in einer cha- rakteristischenAVeise umgebogen (ßischofstabform). 5. Fettgewebe. Bestimmte Stellen des Körpers scheinen für die Umwandlung der Binde- gewebszelle in eine Fettzelle besonders geeignet zu sein (Fettorgane). Dieser Prozess geht ganz allmählich vor sich: aus kleinen im Protoplasma zerstreuten Fetttröpfchen, entstehen durch Konfluenz grössere Tropfen, und so geht die Bildung des Fettes weiter, bis die ganze Zelle mit einem einzigen grossen Tropfen fast vollständig erfüllt ist. In dem Maasse wie der Fett- Fettgewebe. 75 tropfen anwächst, wird das Protoplasma der Zelle sammt ihrem Kerne an die Peripherie geschoben; hier befindet sich ersteres in einer dünnen Schicht, an der Innenfläche der glashellen Membran aus- gebreitet. Durch den Druck, den der Fetttropfen jtSBk&ß&bk. Protoplasma auf den Kern ausübt, wird dieser platt gedrückt m ■» und erscheint, im Profil gesehen, als ein läng- Hj ■ retttropfen licher Stab. An Stellen, an welchen grössere Wf/ membran Massen von Fettzellen sich ansammeln, werden die ^^S^^ letzteren durch gröbere Züge von Bindegewebe in Fis- 40. , ! , . ,,,, ., . A ii Schema einer Fettzelle, grossere und kleinere Abtheilungen, im Allge- meinen von kugeliger Gestalt, gesondert (Fettläppchen). Zahlreiche Blut- gefässe verlaufen in diesem Bindegewebe, begeben sich in die einzelnen Fett- läppchen hinein und zerfallen hier in ein reiches Kapillarnetz. Wenn das Fett als solches aus den Zellen schwindet, so scheint die Möglichkeit vorhanden zu sein, dass sie sich wieder in gewöhnliche Binde- gewebszellen umwandeln. Mikroskopisch ist das Fett an seinem eigentümlichen Glänze leicht zu erkennen. Bestimmten Reagenzien gegenüber verhält es sich auf eine sehr charakteristische Weise: so z. B. wird dasselbe bei Behandlung mit Osmiumsäure auf eine bestimmte Art schwarz gefärbt. Frisches Fett ist in Aether und Chloroform, namentlich heiss angewandt, löslich. Starke Schwefelsäure löst das Fett nicht auf ; Alkanawurzel färbt Fett roth (die Farbe löst sich in ätherischen Oelen auf). Chinolinblau, gelöst in verdünntem Alkohol, färbt das Fett dunkelblau. Setzt man 40 °/o Aetzkalilösung hinzu, so entfärbt sich alles mit Ausnahme des Fettes. 6. Knorpel. Am einfachsten gebaut ist der hyaline Knorpel, den man so nennt, weil seine „Grundsubstanz" eine homogene und durchsichtige ist. Die Knorpel- zellen, für sich betrachtet, sind wenig typisch und von verschiedener Form; in der Grundsubstanz sind sie meistens unregelmässig zerstreut, oft aber auch beisammen in Gruppen gelegen. An der Peripherie des Knorpels, da wo derselbe entweder frei liegt (Gelenkhöhlen), oder an das Perichondrium grenzt, liegen seine Zellen in mehreren, parallel der Oberfläche gerichteten, ziemlich regelmässig verlaufenden Reihen. In den Knorpelzellen trifft man öfters Glykogen, das in Gestalt von Tropfen, oder in mehr diffuser Vertheilung im Protoplasma der Zellen auftritt. Die Grundsubstanz des Knorpels ist das Produkt seiner Zellen; sie ist im sogenannten Vorknorpel, d. h. im embryonalen Knorpel, noch nicht vorhanden (in dieser Hinsicht reiht sich das Gewebe der Chorda dorsalis hier an). Beim Vorknorpel liegen die Zellen mit ihren Membranen dicht an einander gedrängt; erst allmählich tritt die Grundsubstanz auf, und zwar in 76 Hyaliner Knorpel. >< Kern 7> Muskel- substanz '"> Sarko'emm m 0 Fig. 56. Querschnitte von quergestr. Muskelfasern. 1 Vom Menschen, 2 "Vom Frosch. Man sieht das Verhältniss der Kerne zur Muskel- substanz und zum Sarkolemm. 670 mal verirr. Fig. 57. Muskelfaser aus einem Augenmuskel des Ka- ninchens, ihr freies Ende zeigend. 175 mal vergr.TechnikNr.155. Die Membran der Zelle bleibt als solche erhalten, dehnt sich mit der Zelle und ihren Fibrillen in die Länge und ist bei der fertigen quergestreiften und willkürlichen Muskelfaser nichts anderes als das Sarkolemm. Bei fertigen Skelett- und Hautmuskelfasern ist die Lage der Kerne eine verschiedene: es giebt Muskeln, an deren Fasern die Kerne im Innern zwischen den gleichmässig vertheilten Fibrillen gelegen sind (sogenannte rothe Mus- keln); bei allen anderen Muskeln liegen sie unmittelbar unter dem Sarko- lemm der Fasern (weisse Muskeln); so ist beispielsweise beim Kaninchen der Böhm- v.Davidoff, Histologie. 7 98 Aufbau der Muskelfaser. M. cruralis weiss, der M. semitendinosus roth. Auch in allen quergestreiften Muskelfasern niederer Wirbelthiere und den Embryonen der Säugethiere liegen die Kerne zwischen den Fibrillen. (Ran vier 89). Betrachtet man die von den Muskelbildungszellen gebildeten Fibrillen genauer, so sieht man, dass dieselben aus der Länge nach alternirenden und verschieden lichtbrechenden Scheiben zusammengesetzt sind. Die einen der- selben sind bei einer bestimmten Einstellung des Tubus glänzend und doppelt- brechend, anisotrop; die anderen, matt erscheinenden, sind, isotrop. Die gegenseitige Gruppirung der beiden verschieden lichtbrechenden Substanzen ist indessen noch mehr zusammengesetzt und das Verständniss des feineren Baues der quergestreiften Faser bietet Schwierigkeiten. — Fest- gehalten muss werden, dass die isotropen und anisotropen Substanzen an sämmtlichen Fibrillen der Faser gleichmässig in Schei- ben übereinander (vergleichbar einer Volta'schen Säule) angeordnet sind, wodurch diese Anordnung sich an der Faser in ihrer ganzen Breite ebenmässig ausprägt. Die Dicke der Scheiben ist eine verschiedene : bei Seitenansicht ist eine solche Scheibe oft nur als eine feine Linie wahrzunehmen. Die Gruppirung dieser Scheiben wiederholt sich der Länge der Faser nach • i 1 in sich wiederholenden Abschnitten. — Ein sol- cher Abschnitt enthält in seiner Mitte eine breite Scheibe anisotroper Substanz — die Querscheibe ^tiiclv ei lies < i werbest reif * ten Muskels des Menschen. (Q)\ diese wird von einer weniger lichtbrechenden Zupfpräparat. 1200 mal schmalen Scheibe durchsetzt, welche man als Hensen'- vergr. Technik Nr. 160. , _, , .. ... , , ., sehe Scheibe oder als Mittel scheine benennt und li eine MittoNclieibo in der Querscheibe G liegend ;*Zwi- mjfc ]t bezeichnet; darauf folgt, den beiden Seiten schenscheibo , welche oben ~ ' und umen an teile isotrope c]er Scheibe 0 unmittelbar anliegend, je eine Scheibe Scheiben anstosst. *■ D ' J isotroper Substanz J; diese letzteren werden begrenzt durch die Zwischenscheibe Krause's Z. Es sind also an einem Ab- schnitt 8 Scheiben zu unterscheiden. Ein ausgezeichnetes Objekt für das Studium der Querstreifung liefern die Muskeln mancher Arthropoden (Käfer). Zugleich zeigt es sich, dass bei ihnen die Scheibe J noch von einer Scheibe anisotroper Substanz durchsetzt wird, so dass sie hier im ganzen aus drei Scheiben besteht: 1. aus einer isotropen Scheibe J, 2. aus einer anisotropen Scheibe (Nebenscheibe, Engelmann; Krause'sche Quermembran) N, und 3. wieder aus einer Scheibe isotroper Substanz, der Endscheibe Merkels, JE. Die Zahl der Scheiben des Ab- schnittes steigt hier auf zehn. (Es sei hier bemerkt, dass alles Doppel t- brechende bei hoher Einstellung des Objektivs hell, alles Einfachbrechende dunkel erscheint; eine tiefe Einstellung gewährt ein umgekehrtes optisches Verhalten beider Substanzen.) (Fig. 59.) Cohnheim'sche Felder. 99 SAM^SrKSsSMSBJiJSJHS! Vj:; :»■«?/::■. ■:':.■■<*■■..*■■*■■■ Nach längerer Behandlung der Muskeln von Hydrophilus mit Alkohol von 93°/o erzielte Rolle tt (85) einen queren Zerfall ihrer Sub- stanz : die einzelnen Scheiben entsprachen allein dem Abschnitte Q und wahr- scheinlich sind es diese Gebilde, welche schon längst unter dem Namen der Bowman'schen Scheiben oderDiscs bekannt sind. Andere Reagenzien, wie z. B. schwache Chromsäure, be- wirken einen Zerfall der Muskelsub- stanz der Länge nach, in Fibrillen ; es stellt sich hierbei heraus, dass die Scheibe Q der Länge nach in ■eine Anzahl von Säulchen zerfällt, welche man als primäre Bestand- teile der Faser auffasste und mit Bowman als sarcous elements bezeichnet hat. Die Fibrillen sind sowohl unter sich als auch vom Sarkolemma durch eine mehr oder weniger dicke Lage von Sarkoplasma geschie- den, was am deutlichsten an Quer- schnitten der Muskelfaser hervortritt; hier sieht man das Sarkoplasma in Form eines Netzes, in dessen Ma- schen die Fibrillen oder Fibrillen- gruppen (Muskelsäulchen, Köl- liker) eingebettet liegen. Eine ge- ringe Menge Sarkoplasma dringt auch in die Muskelsäulchen hinein und trennt die einzelnen Fibrillen von einander. Das Bild eines Querschnittes zeigt also in der Regel mehr oder weniger abgerundete Felder, die man als Cohnheim'sche Felder bezeichnet (Fig. 60). Je nach der Beschaffenheit dieser Felder kann man helle (sakroplasma- arme) und dunkle (sakroplasmareiche) Fasern unterscheiden. In den hellen Fasern erscheinen die Fibrillen (immer auf dem Querschnitt) als eine feine Punktirung, das Sarkoplasma in der Regel homogen; in den dunkeln Fasern sind die Fibrillen zu Säulchen gruppirt; das Sarko- plasma ist hier reichlicher vertreten und enthält auch oft Einlagerungen von gröberen oder feineren Körnchen, welche man mit Kölliker als inter- stitielle Körnchen bezeichnet. Diese Unterschiede sind indessen nicht durchgreifender Natur: durch blosse Kontraktion kann ein Abschnitt einer dunklen Faser hell erscheinen; auch kommen helle und dunkle Fasern fast in jedem Muskel des Menschen vor und das Mischungsverhältniss beider ist in verschiedenen Muskeln sehr verschieden (Schaffer 93.2) (Fig. 61). 7* Fig. 59. Schema der Querstreifung im Muskel eines Arthropoden nach Eollett 85 — rechts hei hoher, links bei tiefer Einstellung des Ob- jektivsystems. Q Querscheibe ; h Mittelscheibe (He n senl: Z Zwi- schensclieibe (Krause); E Endscheibe (Merkel); N Nebenscheibe (Engelmann); /isotrope Substanz. 1(11) Muskelhüllen. Bei ihrem Uebergang in die Sehne hört die Muskelfaser sammt ihrem Sarkolemm abgerundet auf; die Sehnenfibrillen setzen sich an das Sarkolemm an. Jede Muskelfaser ist von einer dünnen bindegewebigen Hülle um- geben; grössere Komplexe von Fasern werden wiederum durch eine dickere Scheide zusammengehalten (Perimysium internum) und repräsentiren dann ein Muskelbündel; die letzteren werden schliesslich abermals, und zwar jetzt durch das Perimvsium externum, zum Muskelganzen verbunden. Sarkoplasma C o h n h e i m '- sehe Felder i Sarkolemm Sarkoplasma C o h 11 h e i m - sehe Felder Sarkoplasma Fibrillen Sarkolemm ■r— 4- c Fig. 60. Querschnitte durch quergestr. Muskel fasern des Kaninchens. 1 und 3. Aus einem Mus- kel der unteren Extremität. 2. Aus einem ZuDgennmskel. 900mal vergr. TechnikNr. 157. In 2 sind die Colin heim 'sehen Felder deutlich , in 1 weniger deutlich ausgeprägt ; in 3 hingegen sind die Muskolfibrillen mehr gleichmässig vertheilt. Fig. 61. Aus einem Querschnitt durch den M. cucullaris des Menschen, dunkle, proto- plasmareiche und helle, protoplasma- arme Fasern zeigend. (Nach Schaffer 93. 2.) d dunkle, a helle Faser, b und <• Uebergan^s- fasern von hellen zu dunkeln. Die quergestreiften Fasern sind in der Regel unverästelt. Verästelt aber sind z. B. die Muskelfasern der Zunge und der Augenmuskeln. Die Muskeln mit quergestreiften Fasern sind, mit Ausnahme derjenigen des Herzens (s. unten), dem Willen unterworfen und zeichnen sich durch eine rasche Kontraktion aus, bei welcher die anisotrope Substanz, indem sie sich auf Kosten der isotropen Scheiben vergrössern, die Hauptrolle zu spielen scheint. Zwischen den rothen und weissen Muskelfasern scheinen, ausser den morphologischen, auch noch physiologische Unterschiede zu bestehen, in- Zerfall der Muskelsubstanz. 101 dem die rothen sich langsamer kontrahiren sollen als die weissen (Ranvier 80). Nur die quergestreiften Muskeln des Oesophagus, der Cremaster externus und einige Anderen, sowie auch die etwas anders gebauten Muskeln des Herzens sind dem Willen nicht unterworfen. Mit Gefässen ist der so gebaute Muskel reichlich versehen. Sie bilden ein langgezogenes Kapillarnetz, welches bei den rothen Muskeln ab und zu Erweiterungen seiner Kapillargefässe zeigt(RanvierSO). Hin- sichtlich der Nervenen- digungen an glatten und quergestreiften Muskel- fasern vergl. das Nerven- gewebe. Muskel I Sehne <(!■ fa b) Neubildung und Untergang der Fasern. Wie neuere Unter- suchungen gezeigt haben, hört die Entwickelung des Muskels während des ganzen Lebens nicht auf. Wir haben das Muskel- gewebe als ein äusserst labiles aufzufassen, an dem fortwährend eine Neubildung und ein Untergang der Ele- mente wahrgenommen werden können. Der Zerfall der Muskelsubstanz wird durch einen Prozess eingeleitet, der mit einer physiologischen Kontraktion verglichen werden kann, wodurch in der Faser Verdichtungsknoten oder -ringe entstehen; an diesen Stellen zerfällt die Muskelsubstanz in einzelne entweder kernhaltige oder kernlose Bruchstücke (Sarkolyten), welche in den meisten Fällen ohne Zuthun der Phagocyten resorbirt werden. Der Substanzverlust wird durch neue Ele- mente gedeckt, weiche sich an den betreffenden Stellen aus dem hier frei ge- wordenen, mächtig angewachsenen und eine Vermehrung seiner Kerne zeigen- den Sarkoplasma entwickeln; dadurch werden Elemente gebildet, die man als Myoblasten bezeichnet. Die Art und Weise, wie aus den Myoblasten fertige Muskelfasern hervorgehen, lässt sich auf den embryonalen Typus zurückführen. L ., '* ,) Fig. 62. Theil eines Längsschnittes durch die Uebergangsstelle des Muskels in die Sehne. 150 mal vergr. An der Stelle , an "welcher sich die Sehnenfasern an das Sarko- lemm ansetzen (bei a), sind die Kerne des letzteren sehr zahlreich. Behandlung mit Sublimat. 102 Herzmuskel. Das Längenwachsthum der Muskelfasern findet hauptsächlich an den Enden der Fasern statt, also da, wo sie in Sehnen übergehen oder an Stellen, an welchen Verschiebungen am Knochen häufig sind. Schaff er 93. 2 hat jüngst angegeben, dass zwischen Muskelfascie und Muskelsubstanz sich ein Bildungsgewebe vorfindet, aus welchem nach der einen Seite Muskelfasern nach dem embryonalen Modus entstehen, nach der anderen Seite aber Binde- gewebsfibrillen und -Zeilen gebildet werden. c) Herzmuskelzellen. Etwas verschieden von den gewöhnlichen quergestreiften Muskelfasern sind die Muskelzellen des Herzens. Dieselben sind kurz, mit einem in der Mitte liegenden Kerne und ohne Sarkolemm. Die gegenseitige Anord- nung der Fasern ist eine derartige, dass sie im Ganzen Platten und Netze herstellen. Die sogenannten Pur k inj e'schen Muskelzellen liegen unter dem Endo- kard und sind dadurch bemerkenswert!!, dass ihr Protoplasma nur zu ge- •i? . Kern Kontraktile Substanz '■'■-, '0p: ;'\ :':.;■; .. Kontraktile Substanz ■'• $• 'ä^* - Kern ; Fig. 63. • , !*;:■■■■.■ Fig. 64. Linus- und Querschnitt der Muskelfasern aus dem Myokard des Menschen, Behandlung mit Alkohol. 640 mal vergr. Die Muskelzellen sinil hierbei auf dorn Längsschnitt nicht abgegrenzt von einander und erscheinen als vielkernige, sich unter einander verbindende Fasarn. Zwischen ihnen liegen ab und zu Kerne des Bindegowebes. ringen Theilen und zwar an der Peripherie kontraktile quergestreifte Sub- stanz gebildet hat. Die Purk inj e'schen Zellen kommen bei einigen Thieren zahlreich vor (Schaf), seltener beim Menschen. Technisches über Muskelgewebe. 103 Technisches über Muskelgewebe. 156. Frische quergestreifte Muskelfasern lassen sich in einer in- differenten Flüssigkeit (s. T. 13) durch Zupfen isoliren. Nach einer kurzen Zeit pflegt an solchen Präparaten auch das Sarkolemma als eine sich abhebende dünnste Membran zum Vorschein zu kommen. Wendet man auf frische ge- zupfte Muskeln eine kaltgesättigte Lösung von kohlensaurem Ammoniak an (S olger 89. 3), so hebt sich das Sarkolemma an zahlreichen Stellen schon nach 5 Min. ab. 157. Will man quergestreifte Muskeln in gedehntem Zustande beobachten, so gebe man einer Extremität eine derartige Stellung, welche bei einer bestimmten Muskelgruppe einen Dehnungszustand hervorruft und injizire dann (durch Einstich) subcutan etwa lU — 1/2 ccm einer l°,'o Osmium- säure. Die letztere breitet sich längs den Fasern aus und fixirt dieselben. Man schneidet dann Stücke der fixirten Muskeln heraus und wäscht sie in dest. Wasser. Schon an ungefärbten, zerzupften und in Glycerin untersuchten Stücken sieht man die Querstreifung sehr deutlich. Durch elektrische Reizungen in Tetanus versetzte Muskeln lassen sich auf die eben angegebene Weise auch in diesem Zustande fixiren und weiter behandeln. 158. Die Beziehungen der Fibrillen zum Sarkoplasma (Cohn- h ei m' sehe Felder) und zu den Kernen studire man an Querschnitten solcher mit Osmiumsäure in gedehntem Zustande fixirten Muskeln. Auffallend viel Sarkoplasma im Yerhältniss zu der Menge der Fibrillen sieht man beispielsweise an den die Rückenflosse des Seepferdchens be wegenden Muskeln ; unter den Säugethieren bieten die Brustmuskeln der Fledermäuse Aehnliches (Rollet 89). 159. (Material.) Mit Ausnahme der Säuger kommen an sämmtlichen Muskeln bei allen erwachsenen Wirbelthieren Kerne zwischen den Fibrillen vor. Nur im Jugendzustande besitzen die Säugethiere in allen ihren Muskeln die erwähnte Lage der Kerne, während bei erwachsenen Säugern nur in den rothen Muskeln die Kerne zwischen den Fibrillen liegen bleiben ; sämmt- liche Skelettmuskeln also, ausser den rothen, haben nur am Sarkolemm Kerne. 160. Der fibrilläre Zerfall der Muskelfaser wird an alten Spiritus- präparaten, oder an mit schwacher Chromsäure (0,1 °/o) oder deren Salzen behandelten Muskeln durch Zerzupfen erreicht. 161. An alten Spirituspräparaten der Säugethiere sieht man die Quer- streifung auch. Die letztere tritt aber noch viel schärfer hervor, wenn man eine Färbung mit Hämatoxylin vornimmt. Letztere Substanz färbt nämlich alles Doppeltbrechende im Muskel, nicht aber das Uebrige. Aehnliche Effekte, 104 Technisches über Muskelgewehe. jedoch nicht mit der gleichen Sicherheit, rufen auch andere Farbstoffe, namentlich basische Aniline, hervor. 162. Zur feineren Analyse der Querstreifung sind Muskeln gewisser Käferarten, z. B. die von Hydrophilus ganz besonders geeignet. Der Käfer wird äusserlich abgetrocknet und lebend in Alkohol von 93 °/o ge- bracht. Nach 24 — 48 Stunden zeigen seine Muskeln, in verdünntem Gly- cerin untersucht, den. Zerfall ihrer Substanz in Bowman 'sehe Scheiben. In Säuren quellen die letzteren und lösen sich schliesslich in ihnen auf. Man überzeugt sich davon am besten, wenn man zu den, nach der eben er- wähnten Weise hergestellten Präparaten einen Tropfen Ameisensäure zusetzt (Rollett 85). 163. Um das Verhältniss der Muskeln zu den Sehnen zu studiren, behandle man kleinere Muskeln mit ihren entsprechenden Sehnen 1/4 Stunde lang mit 35°,oiger Kalilauge und zerfasere dann die Stelle zwi- schen Muskel und Sehne auf dem Objektträger. Hierdurch werden Muskel- fasern mit den entsprechenden Sehnen isolirt (Weis mann). 164. Zu ähnlichen Resultaten gelangt man, wenn man einen Frosch in Wasser von 55° C. setzt, worin er sehr bald abstirbt und seine Mus- keln starr werden. Aus dem sich abkühlenden Wasser nehme man ihn nach */4 Stunde heraus und schneide kleine Stückchen Muskeln ab, welche dauu auf einem Objektträger in Wasser zerfasert werden (Ran vi er 89). 165. Die Herzmuskelzellen lassen sich durch Maceration in 20°/oiger rauchender Salpetersäure (bis 24 Stunden) isoliren (Kalilauge vom spec. Ge- wicht 1,3 i!-2 — 1 Stunde angewandt, thut dasselbe). Die Grenzen zwischen den Muskelzellen kann man auch zur Ansicht bringen, wenn man Stücke vom Myokard 24 Stunden lang mit einer 1/2°/oigen wässerigen Höllenstein- lösung behandelt und sie dann in Schnitte zerlegt. 166. Isolirte Purkinje'sche Fasern gewinnt man am leichtesten, wenn man 1J2 mm grosse Lamellen des Endokards in 1/3°/oigen Alkohol auf ca. 24 Stunden einlegt und sie dann auf dem Objektträger zerfasert. Ein sehr geeignetes Objekt hierfür, mit auffallend viel Purkinje'schen Fasern ist das Herz des Schafes. 167. Glatte Muskelfasern lassen sich in derselben Weise isoliren wie die Herzmuskelzellen. An dünnen Querschnitten (unter 5 (.i) einer mit Osmiumsäure fixirten Darmmuskulatur (am besten der Katze) sieht man an geeigneten Stellen die Verbindungsbrücken (Leisten!) zwischen den Fasern (Barfurth). Die Nervenzelle. 105 D. Das Nervengewebe. Die Elemente des Nervensystems sind Zellen im Zusammenhange mit Fasern, Nerven- oder Ganglienzellen und Nervenfasern. Die Nerven- oder Ganglienzellen entstehen früh durch Umwandlung der epithe- lialen Zellen des aus dem Ektoderm sich entwickelnden Medullarrohres, theils in loco, theils nach Ausschaltung aus dem Medullarrohre ausserhalb desselben (Ganglienzellen). Die werdenden Nervenzellen wachsen in Fort- sätze aus. Die Fortsätze der centralen Nervenzellen scheidet man in zwei Arten, unverästelte und solche, die in geringem Abstände von der Zelle dendritisch verästeln. Früher hat 2nan die verzweigten Fortsätze einer cen- tralen Nervenzelle Protoplasma-Fortsätze genannt; den ungetheilten als Achsencylinder-Fortsatz (Deiters 'scher Fortsatz) bezeichnet; jetzt werden die Protoplasma -Fortsätze unter dem Namen Dendriten oder Nebenfortsätze zusammengefasst; für den Achsencylinderfortsatz ist der Name Neurit oder Hauptfortsatz üblich geworden. An den Ganglienzellen der peripheren Ganglien, insbesondere der Spinalganglien und der gleich- werthigen Kopfganglien, sind diese morphologischen Unterschiede der Fort- sätze nicht vorhanden. Die dendritische Verzweigung findet sich hier nur am Ende eines längeren Verlaufs der Fortsätze. Die Nervenzelle sammt allen ihren Fortsätzen wird als eineNeura (Rauber), oder als ein Neuron Wald ey er 91) bezeichnet. 1. Die Nervenzelle. Die Nervenzellen sind im Allgemeinen gross, ihr Protoplasma lässt eine fibrilläre Struktur erkennen, Fäserchen, welche bis in die Fortsätze hinein verfolgt werden können (Fig. 66). Der Kern ist ebenfalls gross, chromatin- arm, aber in der Regel mit einem grossen Kernkörperchen versehen. Die Dendriten sind an ihrem Ursprünge dick, verdünnen sich allmählich durch vielfache Theilungen , dehnen sich über weite Bezirke aus und variiren auf das mannigfaltigste. Mit gewissen Methoden behandelt, zeigen sie keine glatte Oberfläche, sondern sind (zum Unterschiede von Neuriten) mit viel- fachen Varikositäten und Knötchen besetzt, welche ihnen ein charakteristisches Aussehen verleihen. Sämmtliche Endästchen laufen entweder spitz aus, oder sind mit kleinen Terminalknötchen versehen. Die gruppenförmig zusammen- gehörigen Endästchen eines Dendriten oder Neuriten nennt man End- bäumchen (Telodendrien, Rauber). Aus der Verästelung der Dendriten entsteht ein dichtes Filz werk, das mit Betheiligung noch anderer, später zu erwähnenden Elemente die kompakte graue Substanz des Hirn- und des Rückenmarkes bildet. Der Neurit ist 10(> Fortsätze der Nervenzellen. fast an allen Zellen mit wenigen Ausnahmen in der Einzahl vorhanden. Ganglienzellen ohne Neuriten kommen bei den Wirbelthieren nicht vor. Der Neurit entspringt als ein kleiner Kegel in der Regel von der Zelle selbst, seltener von der Basis eines ihrer Dendriten. Sein wichtigstes Merkmal ist eine glatte, regelmässige Oberfläche und vor allem ein gleich- massiges Kaliber. Nach der Beschaffenheit der Neuriten kann man zwei Typen von Zellen aufstellen: im Typus I verläuft der Neurit bis zur Nervenfaser in der Regel ungetheilt fort. Im Typus II, dessen Zellformen mehr als Ausnahmen betrachtet werden müssen, behauptet er seine Selb- ständigkeit nicht lange, d. h. theilt sich nach kurzem Verlauf in einer komplizirten Weise, ohne hierbei einer Nervenfaser den Ursprung zu geben (vergl. weiter unten). Die letztbeschriebenen Zellformen kommen in der Gross- und Kleinhirnrinde etc. vor. Golgi (1)4) wies nach, dass der Hauptfortsatz der Ganglienzellen vom Typus I in gewissen Zellen, z. B. in den Purkinje'scben des Klein- hirns, in den Pyramidenzellen der Grosshirnrinde, sowie in den Strangzellen des Rückenmarkes, Seitenfibrillen , Collateraläste (Collateralen) abgiebt; auch kann der Nervenfortsatz sich in zwei gleich starke Aeste theilen. So kann denn eine nur mit einem Nervenfortsatz versehene Zelle schliesslich mehreren Neuriten den Ursprung geben. — Nach der Annahme von Golgi sollen die Verästelungen des Neuriten bei den Zellen des Typus II ein das ganze centrale Nervensystem durchziehendes Netzwerk bilden, in welches ausserdem die Collateralen des Typus I und die Telodendrien der hier endenden sensiblen Fasern eingehen. Gerlach und Golgi glaubten, dass durch Ver- einigung feiner Fibrillen dieses Netzes, aus demselben sensibele Nervenfasern hervorgingen, eine Hypothese, welche durch Ramon y Cajal widerlegt wurde. Nach den Untersuchungen des letzteren Forschers stellte es sich heraus, dass die feinen Telodendrien, in welche sich der Neurit der Zellen Typus II, so- wie auch die Collateralen der Neuriten der Zellen Typus I und die Telo- dendrien der sensiblen Fasern, alle frei endigen und somit ein Netz im Sinne von Ger lach und Golgi nicht vorhanden ist. Die Zellen des Typus I und II können also einfach als Zellen mit langem (Typus I) und Zellen mit kurzem Neurit (Typus II) bezeichnet werden. Hinzuzufügen wäre noch, dass die Collateralen des Typus I eben- falls frei mit kleinen Endbäumchen endigen. Die Dendriten wurden in der neuesten Zeit verschieden aufgefasst: Golgi und seine Schüler betrachten dieselben als Ernährungswurzeln der Zelle, eine Auffassung, die von Ramon y Cajal 93.1, van Gehuchten 93. 1 und Retzius 92. 2 bekämpft wurde. Nach den letzteren Autoren sind alle Fortsätze der Ganglienzelle analoge Bildungen: sie gehen alle von einem „empfindenden" Elemente aus und werden wohl ein und dieselbe Funktion haben. Die Neura. 107 Die sensiblen Nervenfasern der Hirn- und Rückenmarksnerven hängen mit einem einfachen Fortsatz der Ganglienzellen der betreffenden Ganglien zusammen. Der Fortsatz der Spinalganglienzellen theilt sich hier T-förmig (Ran vi er 78); dereine Ast senkt sich in das Rückenmark hinein, der andere läuft zum peripheren Organ. Das Nervensystem ist also, nach der heute verbreiteten Anschauung, aus einer grossen Anzahl von selbständigen Einheiten, den Neuren, zu- sammengesetzt. Im einfachsten Falle besteht eine Neura aus einem Dendriten und einem Neuriten mit ihren Telodendrien. Als weitere Komplikationen treten mehrere Dendriten auf, die Collateralen der Neuriten und in einzelnen Fällen auch mehrere Neuriten. Man unterscheidet, je nach der Zahl der Fortsätze, unipolare, bipolare und multipolare Ganglienzellen. Kern Fig. 65. Ganglienzelle mit einem Fort- satz, der sich bei a theilt (T- förmiger Fortsatz). Aus einem Spinalganglion des Frosches. 230 mal vergr. Technik Nr. 172. Kern Kernkorperehen Fibrilläre Struktur Markscheide Fig. 66. Bipolare Ganglienzelle aus dem Ganglion acusticum eines Knochenfisches auf einem Längsschnitt. Die Markscheide des Neuriten und Dendriten setzt sich auf der Ganglienzelle fort. 800 mal vergr. Technik Nr. 169. Die Ganglienzellen , welche in Spinalganglien und den homodynamen Gebilden im Kopfe vorkommen , sind anscheinend unipolare Zellen , deren Fortsatz aber , wie Fl an vi er nachgewiesen hat, sich T-förmig theilt; dereine Fortsatz ist als ein Dendrit, der andere als ein Neurit auf- zufassen. Was die Werthig- keit des unpaaren Theiles des Fortsatzes anlangt, so ist die Annahme von v. Lenhossek 94. 1 , dass hier ein ausge- zogener Theil der Ganglien- zelle selbst vorliegt und dass demnach die Ursprungsstelle des Neuriten und Dentriten in diesem Falle nahe aneinander liegen, eine plausible (Fig. 67). Es wird heute daran fest gehalten, dass sowohl die Beziehungen der Nervenzellen unter sich, als auch d i e Beziehung des Nerven zu dem Endorgan überall auf blossem Kontakt beruhen. Als wichtigstes Resultat der neueren Forschungen ist die Lehre von der Selbständigkeit der Neura, d. h. der Nervenzelle mit der Gesammt- heit ihrer Fortsätze hinzustellen. Die Dendriten werden im Allgemeinen als cellulipetal leitende, die Reize zur Zelle führende Fortsätze aufgefasst. Die Neunten dagegen sind cellulifugal leitend; sie leiten den ihnen von der Zelle gegebenen Impuls weiter (Kölliker 93), sei es, dass sie motorisch oder im Centralorgane enden. Die Neuriten können demnach entweder in 108 Telodendrien. motorischen Endorganen ihr Endgebiet erreichen , oder mit ihren sehr ver- schieden gestalteten Telodendrien zu anderen Nervenzellen (resp. deren Telo- dendrien) in Kontaktbeziehungen stehen. Die Form der Telodendrien der Dendriten ist ebenfalls eine sehr mannigfache (Sinnes- organe, Centralnervensystem etc.). Man könnte die Telodendrien ihrer Gesammtform nach in verschiedene Kate- gorien scheiden: so enden z.B. die Neu- riten an manchen Stellen in Form von die Zellen umspinnenden Körben, Quasten, oder sie klettern an Dendriten einer anderen Zelle empor. Demzufolge werden sie als Faserkörbe, Kletterfasern, Quas- ten- oder Troddelfasern etc. bezeichnet. Ebenso ist es bei den Dendriten: ihre Gesammtform ist entweder eine baum- oder krallenförmige u. s. w. In keinem Falle findet eine direkte Verbindung sowohl Fig. 67. Drei Ganglienzellen aus einem Spinal- ganglion des Kaninebenembryos. Die Zellen sind noch bipolar; ihre Fortsätze legen sich in späteren Stadien zusam- men und sind beim erwachsenen Thier T- förmig. Chromsilbermethode. 170 mal vergr. Xeurit Telodendrion Fig. 68. Ganglienzelle mit krallen- artigen Telodendrien ; aus der Körnerschicht des Kleinhirns des Menschen. Chromsilber- methode. 110 mal vergr. - Telodendrion - Dendrit Zellkörpor — Neurit Fig. 69. Eine Ganglienzelle (Purkinje 'sehe Zelle) aus der Kleinhirnrinde des Kaninchens mit baumförmigen Dendriten. Chromsilbermethode. 125 mal vergr. zwischen den einzelnen Neuren, als zwischen diesen und anderen Zellen statt. In allen Fällen bestehen also nur Kontaktbe- Die Xervenfaser. 109 Ziehungen sowohl zwischen den Telo dendri en unter einander als auch zwischen diesen und den anderen Zellen. 2. Die Nervenfaser. Der Neurit resp. der Dendrit bilden den Hauptbestandtheil einer jeden peripheren Nervenfaser und bieten hier eine deutlich fibrilläre Struktur, welche durch gesondert verlaufende Fibrillen bedingt wird. Diese Fibrillen nun, die Achsen- fibrillen, befinden sich in einer zähflüssigen Substanz, dem Ne ui o- plasma, suspendirt (Kupffer 83. 2). Der von den Fibrillen und dem Neuroplasma gebildete Achsen- strang wird bei den meisten peri- pheren Nerven von besonderen Hül- len umgeben, welche auch als Merk- male zur Unterscheidung und Klassi- fikation der Nervenfasern dienen, und zwar unterscheidet man mark- haltige und marklose Nerven- fasern. Den vom erwähnten Strange in der Nervenfaser eingenommenen axialen Raum nennt man Achsen- raum. Dieses Verhalten kann man indessen nur unter gewissen Um- ständen und bei geeigneter Behand- lungsweise der Nervenfaser sehen; unter gewöhnlichen Umständen ge- währt der Achsenraum ein anderes Bild; an der lebensfrischen Nerven- fasern erscheint der Achsenraum ganz pellucide, wie von Flüssigkeit erfüllt, nach der Behandlung mit den gewöhnlichen Fixationsmitteln aber ist das Neuroplasma geronnen und ge- schrumpft, füllt den Achsenraum nicht mehr aus und bildet einen in der Mitte des letzteren wellig verlaufenden Strang, in dessen Innern die zu- sammengebackenen Fibrillen liegen. Solche Bilder, welche man früher für normale Zustände des Nerven hielt, gaben die Veranlassung zur Aufstellung des Begriffes eines Achsencylinders (s. T.). Das also, was man heutzutage als Achsencylinder bezeichnet, Ist der veränderte Inhalt des Achsenraumes. Bei der markh altigen Nervenfaser wird der Achsenraum zuerst von einer Theilang einc= Dendriten Xeurit mit Col- lateraleu Fig. 69 a. Pyramidenzelle aus der Grosshirnrinde des Menschen. Chromsilbermethode. a, b, c abgehende Aeste eines Dendriten. Näheres im Centralnervensystem. HO Die Markscheide. stark lichtbrechenden, ihrem Glänze nach dem Fette ähnlichen Substanz, der sogenannten Mark- oder Myeli n scheide umgeben. Im frischen Zustande ist sie völlig homogen, verändert sich jedoch bald und zeigt dann unregel- mässig gelegene, von hellen Fäden durchzogene Spalten, die das Mark in Fibrillen des Ac-hsen- stranges Neurilemm Lauter- ni ann'sches Segment Bindege Achsenstrang mit Fibrillen Markscheide Fig. 70. Aus einem Längsschnitt durch eine Nervenfaser des N. ischiadicus des Frosches. 830 mal vergr. Technik Nr. 169. Fig. 71. Aus einem Querschnitt durch den N. ischiadicus des Frosches. 820 mal vergr. Technik Nr. 169. Bei a und l, an der Grenze von zwei Lanterm ann 'sehen Seg- menten, ist die Markscheide einer Nervenfaser 2mal getroffen. eine verschiedene Anzahl von Segmenten zerlegen (Schmidt-Lantermann- Kuhnt'sche Segmente, Stulpen). Beim Kochen des Nerven in Aether oder Alkohol löst sich nicht das ganze Mark auf; ein Theil desselben bleibt als ein zierliches Netzwerk zurück, welches auch durch eine Behandlung mit Trypsin nicht angegriffen wird. Aus dem letzteren Umstände hat man geschlossen, dass dieses Netz aus einer dem Hörn verwandten Substanz besteht und benannte dasselbe deshalb als Neuro keratin (Hornscheide, Ewald und Kühne. (Bei der Verbrennung des isolirten Neurokeratins entsteht auch ganz derselbe Geruch, wie bei der Verbrennung anderer Horn- substanzen). Die Markscheide wird bei peripherischen Nerven noch von einer die- selben nach Aussen abgrenzenden hellen Membran, dem Neurilem oder der Schwan n 'sehen Scheide umgeben. Die letztere ist völlig strukturlos enthält aber von Stelle zu Stelle länglich-ovale Kerne, die von etwas Proto- plasma umgeben, zwischen ihr und der Markscheide in einer Einbuchtung der letzteren liegen. Bei den markhalthren Nervenfasern ist also die Schwann- Eanvier'sche Einschnürungen. 111 Ranvi er'sche Einschnürung sehe Scheide in der Regel vom Achsenraume durch das Myelin geschieden, ein Verhältniss, dass im Verlaufe der Faser sich regelmässig wiederholende Unterbrechungen erfährt. Diese Stellen nun, welche sich in Abständen von 80 bis 900 f.c wiederfinden, bezeichnet man als Ran vi er'sche Ein- schnürungen. Hier ist das Nervenmark unterbrochen und die Schwann'sche Scheide gegen den Achsenraum eingeschnürt und an dieser Stelle verdickt, Schnür- r i n g. Die letztere präsentirt sich also, zum Unterschied von der Markscheide, als ein zusammen- hängendes Rohr, das in der ganzen Länge der Faser keine Unterbrechungen erfährt. Zwischen je zwei Ran vi er 'sehen Einschnür- ungen liegen bei den höheren Vertebraten je ein Neurilemkern, bei niederen Formen, z. B. bei den Fischen, mehrere Kerne (5—16). Mau sieht also, dass die markhaltige Nervenfaser aus einer Anzahl gleich gebildeter Ab- schnitte besteht, die man als Segmente der markhaltigen Nervenfasern bezeichnen kann. Dieser Bau legt die Vermuthung nahe, dass die Nervenfaser aus einer Reihe von verschmolzenen Zellen hervorgegangen ist. Hierbei kann es sich, nach dem was wir über die Ganglienzellen und deren Fortsätze ausgesprochen haben, nur um die Bildungszellen der Scheiden handeln, welche sich an einen Neuriten oder Dendriten kettenartig anlegen, die letzteren umhüllen und bei den fertigen Nervenfasern uns als die erwähnten Segmente entgegentreten (His 87, Boveri 85): die Stellen, an welchen die Zellen verschmolzen sind, sollen eben durch die Ran vier 'sehen Einschnürungen gekennzeichnet sein. — Andere Forscher nehmen wieder an, dass die ganze Nervenfaser durch eine terminale Anlagerung von aus dem Ektoderm stammenden Zellen wächst, in welchen letzteren sich also nicht allein die Scheiden der Fasern, sondern auch die entsprechenden Theile des Nervenfortsatzes, R anvier'sche Einschnürung Mg. 72. Verschieden dicke, markhaltige Nervenfasern vom Kaninchen, auch verschieden lange Seg- mente zeigend. An der links gelegenen Faser, in der Höhe des Kernes, hat sich das Neuri- lemm abgeschoben. 140 mal vergr. Technik Nr. 1G7. 112 Remak'sche Fasern. ausbilden würden (Kupffer 90). In beiden oben erwähnten Annahmen entspricht das Neurilem der Zellmembran, der Neurilemkern im ersteren Falle dem Kern der Hüllenzelle, im letzteren dem der Bildungszelle. Im Auge wäre zu behalten, dass bei der letzteren Annahme ein Fasersegment das Produkt einer Zelle ist, während bei der ersteren derselbe aus den Ele- menten mindestens von zwei Zellen entstehen würde (Ganglienzellenfortsatz, Hüllenzelle). Die bei den markhaltigen Nervenfasern beschriebenen Hüllen können bei gewissen Nervenfasern entweder ganz fehlen — wie z. B. bei den soge- nannten „nackten Achse ncy lindern" (Achsenstränge), oder nur zum Theil vertreten sein; so fehlt bei den marklosen Nervenfasern, den Remak- schen Fasern, das Mark; der Achsenstrang zeigt nämlich Kerne, welche auf eine, noch nicht strikte nachgewiesene Schwan n'sche Scheide bezogen werden kann. Bei den Nervenfasern des Rückenmarkes fehlt hingegen die S c h w a n n'sche Scheide, während die Markscheide erhalten bleibt. Nackte Achsenstränge kommen z. B. in den Sinnes- epithelien, in der Cornea und an einzelnen Stellen der Epidermis vor. Ihre Fibrillen treten namentlich in der Cornea ausserordentlich deutlich hervor: man sieht, wie sie auseinanderweichen und kann sie einzeln bis in das Epithel verfolgen. Je nach dem peripheren Organ, in welchem die Nervenfasern (resp. ihre Telodendrien) ihr Ende finden, bezeichnet man ihre Endigung als eine sensible oder motorische. Ausserdem enden zahlreiche Fasern, wie wir sehen werden, in den Centralorganen selbst (Associations-, Projektions- und Kommissurenneuren). Die motorischen Enden sind ausschliesslich in den Muskeln vorhanden; die sensiblen nahezu überall ver- breitet, kommen aber als besonders geformte Organe in Kombination mit anderen Zellen, ausser in den Sinnes Werkzeugen , als Sehnen-, als Vater'sche, als Meissner'sche, als Genital-, Conjunctivalkörperchen etc. vor. Die Nervenfasern zeigen eine verschiedene Dicke, ohne dass hierbei auf eine verschiedene physiologische Verrichtung mit Sicherheit geschlossen werden könnte. Feine Fasern haben einen Durchmesser von 1 — 4 //, mittel- dicke von 4 — 9 ft und schliesslich dicke Fasern von 9 — 20 f.i (Kölliker 93). Theilungen der markhaltigen Fasern während ihres Verlaufes in den Nerven kommen verhältnissmässig selten vor; an der Theilungsstelle findet sich stets in der Höhe eine Ran vier' sehe Einschnürung. Der grösste Theil der Fasern verläuft unverzweigt vom Centrum bis zur Peripherie; erst in der Nähe ihrer Endausbreitung finden Theilungen statt. Kern Fig. 73. Rem ak 'sehe Fasein aus dem N. vagus des Ka- ninchens. 360 mal vergr. Technik Nr. 173. Bei a die ThfilungssteHe einer Faser. Bindegewebige Scheiden der Nerven. 113 Durch Bindegewebe werden die Nervenfasern in einer bestimmten "Weise zu den Nerven verbunden (P e r i - und Endoneuriu m). Wenn sich der Nerv verzweigt, so folgt die bindegewebige Scheide den einzelnen Aesten nach, ein Verhältniss, das bei weiteren Verzweigungen fortbesteht. S— •- Achsencyiinder P — Neurilemm — Endoneuriuni . '- -' r ■. v ■ '.- ._ _ -J^gg?' Perineurium • '.'" ',■ ..".-■:-■■. '}' >"-:■• _■' •-.- '■'- - " ' Fig. 74. Theil eines Querschnittes durch einen mit Alkohol behandelten peripheren Nerven; die kleinen Kreise sind die Querschnitte markhaltiger Nervenfasern, man sieht die als „Punkte" erscheinenden Durchschnitte der „Achsencyiinder". Durch Bindegewebe wird der Nerv in grössere und kleinere Bündel zerlegt. 75 mal vergr. Da die Fasern des Nervenstammes sich in entsprechender Weise auf seine Zweige vertheilen, so nimmt ihre Zahl nach der Peripherie zu immer mehr und mehr ab. Auf diese Weise kommt es zu Stande, dass schliesslich eine einzige Nervenfaser noch im Besitze einer bindegewebigen Hülle ist, die aber hier nur aus platten aneinandergeschlossenen Zellen besteht — die Henle'sche Scheide. Im Gehirn und Rückenmark sind die Nervenzellen und -fasern derart vertheilt, dass die ersteren hauptsächlich in der grauen Substanz ge- legen, die letzteren aber Bestandtheile der weissen Substanz sind. Das Ganze wird vom Bindegewebe und aus verästelten Zellen bestehendem Gewebe — der sogenannten Neuroglia, s. diese, — ■ zusammengehalten. Die Regeneration der Nerven geht verhältnissmässig leicht vor sich: nach Durchschneidung eines Nerven obliterirt in der Regel der peri- phere Stumpf, während die Regeneration von dem centralen Stücke ausgeht, Böhm - v. Davidoff , Histologie. 8 1X4 Nerv und Muskel. indem die fibrillären Achsenstränge unter Betheiligung der Seh w an n 'sehen Scheide auswachsen und so den peripheren Stumpf nach und nach ersetzen. Am spätesten tritt das Myelin auf, zuerst in Gestalt vereinzelter Tröpfchen, welche erst allmählich zu einer kontinuirlichen Myelinscheide konfluiren (vergl. Büngner und Notthafft u. A.). 3. Die Telodendrien der Nervenfasern an den Muskeln. Die Telodendrien der quergestreiften Muskelfasern liegen inner- halb einer eigenthümlichen Endplatte, welche allem Anschein nach unter dem Sarkolemm liegt und aus folgenden Theilen besteht: 1. Aus einer granu- lirten Sohlenplatte, der Trägerin der Telodendrien; 2. aus Kernen, welche in derselben liegen und verschieden gross sind und 3. aus einer hirsch- geweihartigen Ausbreitung der Telodendrien. Diese Ausbreitung präsentirt sich unter der Einwirkung verschiedener Reagentien verschieden. Bei durch Reagentien nur wenig veränderten Präparaten sieht man das Hirschgeweih als direkte Fortsetzung der Achsenfibrillen und an ähn- lichen Präparaten kann man auch wahrnehmen, dass die Substanz des Neuro- plasmas direkt in die der Sohlenplatte übergeht. Die Henle'sche Scheide sowie auch die Markscheide der Nervenfaser hören bei dem Eintritt des Achsenstranges in die Muskelfaser auf. Ueber die Schicksale derSchwann- scheu Scheide ist nichts Genaueres anzugeben, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie am Sarkolemm endet. Nach dieser Darstellung würde man die verschiedenen Theile der Nerven- endplatte folgendermassen zu deuten haben: die Substanz der Sohlenplatte ist eine Anhäufung des Neuroplasmas, die Kerne derselben entsprechen wahr- scheinlich sowohl den Kernen am Sarkolemm, als auch den Neurilemmkernen, und das Hirschgeweih setzt sich aus einem eigenthümlich modifizirten Telo- dendrion zusammen. Was die Zahl der motorischen Nervenendplatten in der quergestreiften Muskelfaser betrifft, so muss hervorgehoben werden, dass kurze Muskelfasern in der Regel nur eine Platte besitzen. Bei längeren kommen sicher zwei und mehrere vor. Eine Nervenfaser kann aber entweder nur eine oder auch zwei, oder selbst drei Muskelfasern innerviren. Der am meisten bestrittene Punkt ist das Verhalten des Sarko- lemms gegenüber der Endplatte (vergl. die Untersuchungen von Kühne 86, W. Krause 80, 84 und Kölliker 81)). An der Uebergangsstelle des Muskels in die Sehne pflegen eigenthüm- liche Nervenendorgane, die mu skulotendin ösen Körperchen Golgi's vorzukommen. Es sind Telodendrien von einem oder mehreren Neuriten, welche zusammen ein spindelförmiges Organ bilden. Sie sind in der oberen und unteren Extremität des Menschen aufgefunden worden, nicht aber in Endplatten. 115 den Augenmuskeln. Auch an der Oberfläche der Sehne findet man sensible Nervenendio-uncren von knäuel- und keulenförmiger Gestalt, welche in ihrer Fig. 75. Fi*. 76. m s- s 2.g- Sarko- , . iemm (?) ryYV'- Nerv Sohlenplatte Hirsch- geweih -- Muskelfaser i.Z) Fig. 79. Muskelfaser Fig. 77 und 78. Motorische Endplatten der quergestreiften willkürlichen Muskeln. Fig. 75 von Fieudopus Pallas», 160 mal vergr. Fig. 76 von Lacerla viridis, 160 mal vergr. ^ig. 77 und 7.S vom Meerschweinchen, 700 mal vergr. Fig. 79 vom Igel, 1200 mal vergr. In lolge der Behandlung ist das .Hirschgeweih" stark geschrumpft und z. Th. in seiner Kontinuität unterbrochen In Fig.^o nnd,t> ä*t d i€ .Endplatte bedeutend grösser als in Fig. 77 und 78. In Fig. 75 steht sie in Beziehung zu 2 Nerven- istchen Fig. 79 stellt einen Schnitt durch eine Endplatte dar. Letztere ist nach aussen durch eine Linie scharf abgegrenzt, welche sich auch bis auf die Muskelfaser selbst verfolgen lässt. Ob man in diesem Falle mit dem Sarkolomm zu thun hat, bleibt fraglich. 8* 116 Technik. Markscheide. Beschaffenheit und Form an die Konjunktival* und Pacini'schen Körper- chen erinnern. Ueber die motorischen Enden der Nerven in den glatten und in den Herz- muskelfasern lauten die Angaben unbestimmt. Es ist aber sicher, dass eine Nervenfaser mehrere Muskelzellen innervirt, derart, dass zu einer Zelle nur ein Aestchen des Telodendrions herantritt, hier anschwillt und mit seiner Anschwellung die Zelle tangirt. Die Beziehungen der Nervensubstanz des Hügels zu der quergestreiften Substanz des Muskels sind nicht näher studirt, und man könnte höchstens den allmählichen Ueber- gang der Substanz der Sohlenplatte in die des Sarkoplasmas statuiren. An den End- platten der Arthropoden fehlt ein Hirschgeweih, die Fibrillen fahren innerhalb des Nervenhügels auseinander und verbreiten sich innerhalb einer grossen Strecke der Faser so, dass je eine Fibrille mit je einer Scheibe Z in Berührung zu kommen scheint. Da eine jede Muskelfaser dieser Thiere eine grosse Anzahl von nahe aneinander gelegenen Nervenhügeln aufweist, so macht es den Eindruck, als ob sämmtliche Zwischenscheiben Z einer jeden Faser mit Nervenfibrillen in Verbindung ständen. Technisches über das Nervengewebe. 168. Frische markhaltige Nervenfasern, in einer indifferenten Flüssigkeit zerfasert (s. T. 13), zeigen den eigenthümlichen Glanz der Markscheide, die Ranvier'schen Einschnürungen, das Neurilemm und dessen Kerne; auch die Lantermann' sehen Segmente sind zu beobachten. An den durch- schnittenen Faserenden sieht man die typischen Formen der Gerinnung des Nervenmarkes, die Myelintropfen. Alle diese Gebilde der Faser lassen sich ebenfalls mit einer l°/oigen Osmiumsäure darstellen. Hierfür wird ein nicht zu dicker Nerv in natürlicher Spannung auf ca. 24 Stunden in eine l°/oige wässerige Osmiumsäure gebracht, dann wenige Stunden mit destillirtem Wasser gewaschen, um schliesslich in absoluten Alkohol über- tragen zu werden. Nach geschehener Entwässerung werden kleinere Stücke mit Nelkenöl aufgehellt und in demselben auf einem Objektträger der Länge nach gefasert. Die Markscheide erscheint schwarz und verdeckt ebenso wie im frischen Zustande den Achsenraum; die Einschnürungen erscheinen hell; die Schwann'sche Scheide ist mitunter als eine helle Membran sichtbar; der Kern der Faser pflegt als ein bräunliches, linsenförmiges Gebilde auf- zutreten. 169. Die Ranvier'schen Einschnürungen kann man auch mit Höllen- steinlösung zur Darstellung bringen, und zwar indem man entweder zu in destillirtem Wasser gezupften frischen Nervenfasern eine Spur einer l°/oigen Silbernitratlösung zusetzt, — es erscheinen sodann die Ranvier- schen Einschnürungen nach einiger Zeit als kleine Kreuze — oder, wenn man ganze Nerven in einer 1/2°/oigen wässerigen Silbernitratlösung für 24 Stun- Ran vier'sche Kreuze. 117 Fig. 80. Ran vier'sche Kreuze aus dem X. ischiadicus des Kanin- chens. 120mal vergr. Technik Nr. 169. An einzelnen Fasern sieht man auch, die F r o m m a n n'schen Linien. den einlegt, dieselben dann nach kurzem Waschen in Alkohol härtet und nach geschehenem Einbetten, etwa in Paraffin, der Länge nach schneidet. Unter der Einwirkung des Lichtes treten nach einiger Zeit in der Gegend der Einschnürungen die sogenannten Ranvier'schen Kreuze auf. Ihre Erscheinung wird in der Weise gedeutet, dass die Silbernitratlösung an den Ran- vier'schen Einschnürungen zuerst eindringt, um dann durch Kapillarität sich eine Strecke weit in den Achsenstrang fortzupflanzen. Nach der Re- duktion des Silbers kommt die Kreuzfigur geschwärzt zum Vorschein. Bei der Versilberung der Nervenfasern treten im Längsschenkel des Kreuzes eigenthümliche quere Striche auf, die man als Frommann'sche Linien bezeichnet. Die Entstehung und Bedeutung der- selben ist noch nicht genügend aufgeklärt. 170. Die Darstellung des Hauptbestandteiles der Nervenfaser, des Achsenstranges mit seinen Fibrillen, ist mit Schwierigkeiten verbunden und ■erfordert mitunter Geduld: ein möglichst geradge- streckter dünner Nerv wird 4 Stunden lang mit x/20/oiger Osmiumsäurelösung fixirt, ebensolange mit Wasser ausgewaschen und dann mit 90 °/o igem Alkohol 24 Stunden lang behandelt. Nun wird mit einer gesättigten wässerigen Fuchsin-S.-Lösung 24 Stunden lang gefärbt und auf drei Tage in absoluten Alkohol übertragen. Darauf wird der Nerv in einer möglichst raschen Aufeinanderfolge durch Toluol, Toluol-Paraffin gebracht, in Paraffin eingebettet und, worauf es namentlich ankommt, sehr gut orientirt und sehr dünn geschnitten. An Längsschnitten sieht man dann im Achsenraume gleichmässig vertheilte, fast gleich dicke und der Hauptsache nach parallel der Längsachse der Nervenfaser ver- laufende, roth gefärbte Fibrillen, im ungefärbten Neuroplasma liegen. Es ist ohne Weiteres klar, dass auf Querschnitten die Achsenfibrillen als gleich- mässig vertheilte Punkte in Erscheinung treten. Wir müssen hier darauf aufmerksam machen, dass die Fibrillenfärbung nicht in allen Fällen gleich deutlich ausfällt (Kupffer 83.2, vergl. auch Jacobi und Joseph). 171. Bei einer weniger sorgfältigen Behandlung der Faser erscheinen die Fibrillen mit dem Neuroplasma zu einem „Achsencylinder" der Autoren zu- sammengebacken. Da der letztere durch Schrumpfung des Inhaltes des Achsenraumes entsteht, so ist es begreiflich, dass er bei der Einwirkung eines Reagens weniger dicker, bei der eines anderen erscheint. Die dünnsten Achsencylinder erzeugen die Chromsäure und ihre Salze; etwas dickere sieht man an mit Alkohol fixirten Nervenfasern. Von allen diesen Erscheinungen 118 Achsencylinder. Markscheide _. ^Achsen- cylinder'' überzeugt man sich am leichtesten an Querschnitten, an welchen der Achsen- cylinder einmal als ein Punkt, das andere Mal in Gestalt einer Sternfigur erscheint. Letztere Figuren entstehen durch Druck, den die zu unregelmässigen Stücken geronnene Markscheide auf den Achsenstrang ausübt. Da die Markscheide an solchen Präparaten an vielen Stellen abbröckelt, so kann man durch Zupfen nicht selten grössere Strecken des „Achsen- cylinders" isoliren. 172. Behandelt man frisch gezupfte Fasern mit Eisessig, so quillt der Achsencylinder aus den Enden der Fasern gleichsam hervor und erscheint bei dieser Behandlung nicht gleichmässig, sondern fein längsgestrichelt (Kölliker 93). Die Gebilde des Achsenraumes lösen sich in l°/ooiger Salz- säure, sowie auch in einer 10 °/o igen Kochsalzlösung (Halliburton). 173. Als Isolationsmethode für Gang- lienzellen braucht man Va Alkohol, xh bis l°/o» Chromsäure, 1 °/o Kalium-bichromicumlösung. Ganglienzellen enthaltende Stellen des Rücken- markes oder Gehirns werden mit wenig einer der eben erwähnten Flüssigkeiten 1 — 2 Wochen be- handelt. Nach dieser Frist können die Stücke ge- zupft, die dabei isolirten Ganglienzellen auf dem Objektträger gefärbt und in Glycerin eingeschlossen werden. Man kann aber auch durch Einstich in die ganglienzellenhaltige Region der Centralorgane eine 1 °/o Osmiumsäurelösung oder 1/3 Alkohol in- jiziren und auf diese Weise die Elemente loco fixiren. Die so behandelte Stelle wird herausge- schnitten und gezupft. 174. Die marklosen oder Remak'schen Fasern werden durch Zupfen eines mit Osmiumsäure behandelten Sympathicus- oder besser eines Vagusstückes gewonnen. Zwischen den markhaltigen geschwärzten Fasern des Vagus sind zahlreiche ungeschwärzte Rem ak 'sehe Fasern vor- handen. Die Fasern des N. olfactorius werden mit Osmiumsäure gebräunt. 175. Für die Darstellung der motorischen Nervenenden im Muskel kann man zunächst eine l°/oige Essigsäure gebrauchen, welche auffrische Objekte angewandt werden muss. Ebenso eine Methylenblau-Lösung. Hier ist es am Platze, der zur Darstellung der Nervenendplatten immer noch gebräuchlichen Goldmethoden zu erwähnen, welche aber allmäh- lich durch neuere Methoden ersetzt werden. Fig. 81. Markhaltige Nervenfaser aus dem N. ischiadicus des Frosches. An zwei Stellen ist die Markscheide durch das Zupfen abgestreift wor- den; man sieht hier den „nackten Achsencylinder". 212malvergr.TechnikN.170. Goldmethoden. 119 Dendrit 176. DieGoldraethode ist zuerst von Cohn heim für Hornhaut nerven an- gegeben worden. Die Vorschriften lauten : kleinere Stücke (in unserem Fall Muskel) kommen in eine 1/2°/oige, mit einer Spur Essigsäure angesäuerten Goldchloridlösung, bis sie gelb werden (einige Minuten bis */a Stunde). Dann werden sie mit dest. Wasser flüchtig abgespült und in mit Essigsäure Avenig angesäuertem Wasser im Dunkeln stehen gelassen. In der Regel verändern die Stücke hierbei die Farbe, werden gelb-grau, grauvio- lett, roth, wofür unter Um- ständen 1 — 3 Tage nöthig sind. Die günstigsten Stellen sucht man in den Nuancen von violett zu roth. 177. Diese Vorschrift hat zahllose Modifikationen erfahren; die gebräuchlich- sten hiervon sind 1. die Methode vonLöwit: kleine Stückchen kommen in eine Ameisensäure 1, dest. Was- ser 2 Vol. bis sie darin durchsichtig werden (Mi- nuten). Dann werden sie in eine l°/oige Goldchloridlösung übertragen, worin sie gelb werden (1/4 Stunde). Nun kommen sie wieder in Ameisen- säure, in welcher sie ebensolche Farbeveränderungen erfahren wie oben. Schliesslich werden sie ausgewaschen und gezupft, oder mit Alkohol nach- behandelt und geschnitten. 2. Kühne (86) säuert (speziell für Muskel) mit 1/2°/oiger Ameisensäure vor, behandelt dann die Objekte mit einer l°/oigen Goldchloridlösung und reduzirt das Gold mit einer 20 — 25°/oigen in Wasser und Glycerin zu gleichen Theilen gelösten Ameisensäure. 3. Ran" vier (89) säuert mit frischem durch Flanell filtrirten Citronensaft , be- handelt dann mit einer l°/oigen Goldchloridlösung (V-i Stunde und darüber) und lässt entweder in mit Essigsäure angesäuertem Wasser (1 Tropfen auf 30 ccm Wasser) 1 — 2 Tage im Lichte nachdunkeln, oder in Ameisensäure 1. Wasser 2 Vol. wie Löwit im Dunkeln reduziren. 4. Gerlach verwendet Goldchloridkalium auch in schwächeren Konzentrationen als in l°/oiger Lösung, verfährt im übrigen analog wie Cohnheim. 5. Golgi (94) gebraucht ebenfalls Goldchloridkalium, säuert aber mit einer ]/2°/oigen Fig. 82. Eine Ganglienzelle aus dem Vorderhorn des Eücken- markes des Kalbes. Zupfpräparal. 140 mal vergr. Technik Nr. 173. Bei dieser älteren Methode bleiben nur die allergröbsten Ver- zweigungen der Dendriten enthalten. Die TJebrigen reissen ab. 120 Goldmethoden. Arsensäure vor und lässt in einer l°/oigen Arsensäure im Sonnenlichte re- duziren. Am leichtesten gelingen alle diese Methoden bei Reptilien und Säugern, schwieriger bei den übrigen Wirbeltbierklassen. Die Vergoldung der Nervenendigungen in den glatten und den Herz- muskeln liefert weniger sichere Resultate. Zu besseren führt Golgi 's Chrom- silbermetbode (s. u. Centralnervensystem). Spezieller Theil. I. Blut und blutbildende Organe. A. Blut und Lymphe. 1. Allgemeines über Blutbildung. In einem bestimmten Bezirke der Embryonalanlage und namentlich in dem, den man als Area vasculosa bezeichnet, entstehen schon früh dichte Anhäufungen von Zellen, welche in Beziehung zur Blutbildung stehen. Untersucht man diese „Blutinseln" bei älteren Embryonen, so sieht man innerhalb derselben frei liegende Zellen , die. offenbar Abkömmlinge der centralen Zellen der Inseln sind. Diese Zellen sind die ersten Blutzellen des Embryos, während die noch im Zusammenhang stehenden, die Um- hüllung der centralen Zellen bildenden Elemente die primitive Gefässwandung abgeben. Die so gebildeten Blutzellen kommen in der Weise in den Blutkreis- lauf, dass die benachbarten Blutinseln miteinander konfluiren und auf diese Weise grössere Blutbahnen herstellen, welche später in einer bestimmten Weise mit den grossen Centralgefässen in Verbindung treten. Die Herkunft dieser Blutinseln ist bisher noch ein strittiger Punkt. Während einige Autoren dieselben immer noch aus dem mittleren Keimblatte hergeleitet wissen wollten (P. Mayer 87, 93, K. Ziegier, van der Stricht 92), haben sich andere für eine entodermale Entstehung dieser Gebilde erklärt (Kupffer 78, Gensch, z. Th. Rückert88, C. K. Hoffmann 93.1, 93. 2). Wenn auch Manches für die mesodermale Abkunft zu sprechen scheint, so ist an vielen Orten die Betheiligung des Entoderms an der Blut- bildung nicht wegzuleugnen. Zu einer gewissen Zeit besteht das embryonale Blut lediglich aus rothen kernhaltigen Zellen, welche sich im Kreislaufe durch indirekte Theilung 122 Blutbildung. intensiv vermehren. Erst später gesellen sich weisse farblose Blutzellen hinzu, deren erste Entwicklung bislang noch nicht näher bekannt geworden ist. Es sind möglicherweise auch Elemente der Blutinseln , welche aber keinen Blutfarbstoff gebildet haben. In der späteren Embryonalzeit tritt die Leber als blutbildendes Organ auf, und zwar betheiligt sie sich, wie neuere Untersuchungen gezeigt haben, nicht direkt an der Blutbildung, sondern liefert nur eine Stätte, in welcher sich die Blutkörperchen im hier langsamer fliessendem Blute rasch ver- mehren. Hierzu scheinen blind endigende Ausbuchtungen der venösen Ge- fässkapillaren ganz besonders geeignet zu sein; in ihnen stagnirt das Blut, und gerade hier beobachtet man die meisten Mitosen. Die neu entstandenen Blutzellen werden schliesslich von der Blutwelle fortgerissen und gelangen in den Kreislauf (van der Stricht 92, v. Kostanecki 92.3). Erwähnt muss noch werden , dass manche Forscher die Ansicht ver- treten, dass rothe Blutzellen auf einem ganz anderen Wege in der Leber entstehen, nämlich innerhalb von mehrkernigen, grossen sogenannten Riesen- zellen. Diese letzteren leiten sie entweder von Zellen der Gefässkapillaren oder von den Leberzellen selbst ab. (Kuborn, M. Schmidt.) Schon im fötalen Leben und namentlich beim erwachsenen Menschen kommen noch als blutbildende Organe, für die rothen Blutzellen das rothe Knochenmark und die Milz, für die weissen Blutzellen die Lymphdrüsen und die Milz in Betracht — ■ Verhältnisse, welche später berücksichtigt werden. Zu den rothen Blutzellen, welche bis zu einem gewissen Alter der menschlichen Embryonen ausschliesslich als kernhaltige Gebilde ange- troffen werden, gesellen sich später kernlose Blutkörperchen hinzu. Die Anzahl der letzteren vermehrt sich, bis schliesslich im Blute des Neugeborenen fast ausschliesslich kernlose rothe Blutscheiben angetroffen werden. Das Blut des erwachsenen Menschen besteht 1. aus einer flüssigen, gerinnbaren, klaren Substanz, dem Blutplasma und 2. aus im Plasma suspendirten geformten Elementen. Die letzteren sind: a) rothe Blutkörperchen (Erythro- cyten), b) weisse Blutkörperchen (Leukocyten) und c) Blutplättchen von Bizzozero 82, Hayem. Wir wollen zunächst die geformten Elemente des Blutes ins Auge fassen. Vig. 83. Rothe Blutkörperchen des Menschen. i 500 mal vergr. a von der Fläche, b von 2. Rothe Blutkörperchen. %2\&*Sfti»2. Die mei8ten rothen Blutkörperchen des Er- wachsenen sind kreisförmige, kernlose Scheiben, welche in ihrer Mitte dünner sind als an ihrer Peripherie; stellt man sie auf die Kante, so gewähren sie im optischen Durchschnitt eine Bisquitform, woraus erhellt, dass sie an ihren beiden Flächen Depressionen haben, Bildungen, die man als Dellen der Blutscheibe bezeichnet. Die Ober- Rothe Blutkörperchen. 123 fläche der Erythrozyten ist völlig glatt; sie sind sehr durchsichtig, von einer schwach gelblichen Farbe und äusserst elastisch. Es ist bisher mit keinen Mitteln gelungen, einen Kern bei ihnen nachzuweisen und es unter- liegt wohl keinem Zweifel, dass die rothen Blutscheiben des erwachsenen Menschen und der Säugethiere eines im histologischen Sinne differenzirten Kernes entbehren. Es sind eben in einer bestimmten Weise modifizirte Zellen. Ueberlässt man ein Blutpräparat für eine Zeit lang sich selbst, so legen sich die Blutscheiben mit ihren breiten Flächen einander an, als ob sie sich anzögen. Hiebei nehmen sie im Ganzen die Gestalt von „Geldrollen", welche sich auch verzweigen können, an. Den klaren und durchsichtigen Inhalt der Blut- körperchen kann man mit Hilfe bestimmter Reagentien in zwei Substanzen zerlegen: in einen ausziehbaren Farb- stoff, Blutpigment, Hämoglobin, und in eine farblose, färbbare, unter verschiedenen Formen sich präsentirende Fi °* 84 Substanz, das Stroma. Man wird sich also vorstellen . Zu sogenannten „Geld- müssen, dass das Stroma das .Pigment in gelöstem Zu- rollen"gruppirte rothe stände beherbergt. Mit mehr Schwierigkeiten verbun- Blutscheiben des . IT-, i t t-i Menschen. 1500 mal den ist die Beantwortung der .trage, ob die Erythro- vergrössert. cyten eine Membran besitzen oder nicht. Diese Frage lässt sich mit Wahrscheinlichkeit bejahen, Lavdowsky. Ausser den scheibenförmigen rothen Blutzellen finden sich auch an den bestkonservirten Präparaten in einer variablen, aber immer geringen Zahl, kleinere, kugelige, hämoglobinhaltige, kernlose Zellen, auf welche man bis vor Kurzem nur wenig geachtet hat. Bethe giebt an, im Blute des Menschen und der Säugethiere seien nebeneinander Blutkörperchen von verschiedener Grösse und in bestimmten Zahlenverhältnissen vorhanden: „Theilt man sie nach ihrer Grösse ein und berechnet den Prozentsatz jeder Kategorie, so ergiebt sich graphisch eine Kurve, die annähernd konstant bleibt und nach der Species verschieden ist." Man kann daher, wie Bethe meint, au Trockenpräparaten Menschen- und Thierblut mit Sicherheit von einander unterscheiden , mit alleiniger Ausnahme des Blutes vom Meerschweinchen, weil dasselbe die gleiche Kurve, wie beim Menschen zeigt. Aehnlich wie die rothen Blutzellen des Menschen sind auch diejenigen der Säugethiere gebaut, nur die des Lama und des Kameeis besitzen die Gestalt von in der Richtung einer kurzen Achse abgeplatteten Ellipsoids, entbehren aber auch des Kernes. Wir haben bereits erwähnt, dass die embryonalen rothen Blutkörper- chen kernhaltig sind; es fragt sich nun, wie sie in ihrer weiteren Entwicke- lung kernlos werden. Es ist ja klar, dass hier drei Möglichkeiten vorliegen : 1. Entweder gehen die embryonalen Blutzellen zu Grunde und es entstehen neue, von vornherein kernlose Elemente, die jene nach und nach ersetzen» oder 2. es bilden sich die kernlosen rothen Zellen aus den kernhaltigen 124 Rothe Blutkörperchen verschiedener Wirbelthiere. indem sich der Kern gleichsam auflöst, d. h. sich dem Auge des Beobachters als solcher entzieht, oder endlich 3. er wird aus der ursprünglich kernhaltigen Zelle ausgestossen , wodurch diese in eine definitive rothe Zelle umgebildet wird. Die dritte Möglichkeit ist höchst wahrscheinlich diejenige, welche dem thatsächlichen Vorgange entspricht. Bei sämmtlichen anderen Wirbelthierklasseu sind die rothen Blutscheiben kernhaltig. Es sind elliptische Scheiben von einer bestimmten Dicke, deren central gelegene Partie nach beiden Seiten, entsprechend der Lage des Kernes, hervorgebuchtet erscheint. Bequem zu untersuchen, schon ihrer Grösse wegen, sind die Blutkörperchen der Amphibien, namentlich die des Frosches. Der Kern derselben ist länglich und enthält in der Regel sehr grobe, dicht- gedrängte chromatische Gerüste, welche denselben fast homogen erscheinen lassen. |OOp Fig. 85. Rothe Blutkörperchen verschiedener Wirbelthiere bei lOOOfacher Vergrösseruug (Welk er 's Modelle). a von Proteus, b vom Frosch, c von einer Eidechse, d von einem Sperlinjr, e eines Kameels, J und y vom Menschen, U von Myoxus ylis, i einer Ziege, k eines Moschusthieres. Der Zellkörper lässt sich in ähnlicher Weise wie bei den Säugethieren in ein Stroma und Hämoglobin zerlegen. Bei der Einwirkung verschiedener Reagentien erscheint der Umriss des Blutkörperchens sehr scharf und doppelt konturirt. Dieser letztere Umstand wäre aber noch kein Beweis für die Anwesenheit einer Membran. Allein diese Membran, wie neuere Untersucher dargethan haben, lässt sich im Ganzen oder stückweise isoliren, was ein direkter Beweis für ihre Präexistenz ist, (Lavdowsky). Aehnlich beschaffen sind die rothen Blutzellen der Vögel, Reptilien und Fische. Grösse und Zahl der rothen Blutkörperchen. 125 Die Durchmesser der rothen Scheiben si Wirbelthieren sehr variabel. Wir geben hier den bekanntesten Thieren und beim Menschen Bethe an: nd bei den verschiedenen ihre Grösse und Zahl bei nach Rollett 71. 2 und Zahl S p e c i e s Grt isse in einem cmm Homo 7,2- - 7,8 /ii 5 000 000 Cercopith. ruber 7 (.i 6 355 000 Lepus cuniculus 7,16 6 410 000 Cavia cob. 7,48 5 859 500 Canis fam. 7,2 6 650 000 Felis dorn. 6,2 9 900000 JEquus cab. 5,58 7 403 500 Moschus jav. 2,5 — Capra his. 4,25 19 000000 Fringilla dorn. Länge 11,9 — Breite i 6,8 Col/imiba L. 14,7 2 010 000 B. 6,5 Gallus L. 12,1 — B. 7,2 Anas bosch. L. 12,9 — B. 8,0 Testudo graeca L. 21,2 629 000 B. 12,45 Lacerta agil. L. 15,75 1292 000 B. 9,1 Coluber natr. L. 22,0 829 400 B. 13,0 Rana temp. L. 22,3 393 200 B. 15,7 Bufo vulg. L. 21,8 389 000 B. 15,9 Triton crist. L. 29,3 103 000 B. 19,5 Salamandra mac. L. 37,8 80 000 B. 23,8 Proteus angu. L. 58 35 000 B. 35 Acipenser St. L. 13,4 — B. 10,4 Cyprinus Gobio L. 17,7 B. 10,1 126 Leukocyten. / » m mSk 3. AVeisse Blutkörperchen und Lymphocyten. Die' sogenannten weissen Blutzellen sind farblose (hämoglobinlose) kernhaltige, sich unter Umständen amöboid bewegende Elemente. Die Formen der im normalen cirkulireuden Blute anwesenden farblosen Zellen sind sehr verschieden. Wir unterscheiden 1. einkernige kleine Leukocyten, 2. ein- kernige grosse Leukocyten, 3. fein granulirte Leukocyten, welche entweder mehr- oder polymorphkernig sind, 4. Uebergangsformen von 2 zu 3 und 5. groberanulirte Leuko- cy ten (Max S c h u 1 1 z e 65). Demnach zeigen diese Zellen eine grosse Mannigfaltigkeit in ihrer Beschaffenheit und Form; bald ist das Protoplasma hell, bald granulirt. Oef- ters enthält es Ein- schlüsse, die entweder zur Zelle selbst ge- hören oder in die- selbe aufgenommene Fremdkörper [Fett, Kernfragmente ande- rer Zellen , Kohlen- theil chen in der Lunge etc.] sind. Die Form des Kernes ist ebenfalls sehr variabel und scheint, namentlich bei den sich amöboid bewegenden Zellen in Abhängigkeit von dieser Bewegung zu stehen. Aber auch aktive Bewegungen sind am Kerne mit Sicherheit kon- statirt worden. Der Kern kann polymorph werden, zeigt dann Einschnitte und Aus- buchtungen [gelappte Kerne], kann sogar ringförmig mit einem central ge- legenen durchgehenden Loche versehen sein [Lochkerne]. Solche Kerne wurden neuerdings einem schlaffen Sack, dessen Wandung zu gross für den Inhalt ist, verglichen. Hiedurch ist dem Kerne die Möglichkeit gegeben, sich jeder Gestalt der Zelle leicht anzupassen , wobei er allerdings seine Form wesentlich verändern muss [Dekhuyzen]. Diese Polymorphie des Leuko- cytenkernes hat manchen Forschern die Veranlassung gegeben, eine direkte Theilung [Fragmentirung (Amol d, Löwit)] bei diesen Kernen anzunehmen. Indessen ist es Flemming 91.3 gelungen, auch hier echte mitotische Prozesse nachzuweisen, so dass in dieser Hinsicht keine Unterschiede zwischen den Leukocyten und den übrigen Zellen bestehen (vergl. auch H. F. Müller Fig. 86. Aus dem normalen Blute des Menschen. 1200 mal vergr. (Nach Trockenpräparaten von H. F. Müller.) a eine rotho Blutscheibe ; b einkerniger kleiner Leukocyt; c einkerniger grosser Leukocyt; 1), ein feinmaschiges Netzwerk, das aus verzweigten Bindegewebszellen und Fasern besteht. In den Maschen des Netzes liegen die Lymphzellen, welche in so dichter An- ordnung vorhanden sind, dass sie bei der mikroskopischen Untersuchung das Netzwerk völlig verdecken, so dass es eigener Methoden bedarf, um letzteres zur Darstellung zu bringen. Solches Lymphgewebe kann auch diffus, z. B. in der Schleimhaut der Luftwege, in der des Darmtraktus etc. auftreten. Als nach aussen scharf abgegrenzt kommt das lymphoide Ge- webe in Gestalt von runden Knötchen (Follikel) vor, die entweder Keimcentruru. 131 einzeln oder zu Gruppen vereinigt, ebenfalls in der Schleimhaut des Darmes sehr verbreitet sind. Auch für die Lymphknoten sind Lymphzellen und retikuläres Gewebe die charakteristischen Bestandteile. Im Allgemeinen sind die ersteren hier konzentrisch angeordnet; an der Peripherie und im Cen- trum des Knotens ist das retikuläre Gewebe in der Regel weitmaschiger und die Lymphzellen sind weniger dicht vertheilt (Fig. 87). Im Centrum finden sich sehr oft zahlreiche Mitosen der in den Maschen liegenden Zellen und es ist anzunehmen, dass hier eine lebhafte Proliferation dieser Zellen vor sich geht, sei es nun, dass sie hierbei als Lymphzellen bestehen bleiben oder sich schon vor der Theilung in Mutterzellen der Leukocyten umgewandelt haben. Jedenfalls werden sie an die Peripherie des Follikels Blutgefässe a b i . - K ! Trabekel Fig. 88. Schnitt durch eine mesenteriale Lymphdrüse einer Katze mit injicirten Blutgefässen. 50 mal vergr. a Marksubstanz ; b Rindensubstanz mit Rindenknoten. geschoben ; hier im weitmaschigen, retikulären Bindegewebe cirkulirt ein lang- samer Lymphstrom, in welchen die Theilprodukte der Rundzellen hinein- gerathen und dem Kreislauf zugeführt werden. Flemming 85.2 nannte das die proliferirenden Zellen beherbergende Centrum des Knotens Keimcen- trum, oder Sekundärfollikel (-knötchen). Als komplizirter gebaute, aus lymphoidem Gewebe bestehende Organe sind die sogenannten Lymphdrüsen zu nennen, welche in den Verlauf der Lymphgefässe eingeschaltet und sehr verbreitet sind. Die Grösse und die Gestalt der Lymphdrüsen ist sehr variabel: meistens haben sie annähernd die Form einer Bohne oder Niere; der an einer Seite liegende Einschnitt wird wie bei der Niere als Hilus der Drüse bezeichnet. An der konvexen Seite des Organs treten die zuführenden Lymphgefässe ein, Vasa af fe- renda, während die abführenden, Vasa efferentia, am Hilus austreten. Die ganze Drüse ist von einer zweischichtigen Kapsel bekleidet: die äussere Schicht derselben besteht aus lockerem, die innere aus kompakterem Binde- 9* 132 Lymphknoten. gewebe, dem sich glatte Muskelfasern hinzugesellen. Diese innere Schicht sendet in die Drüse septenartige Fortsätze, die sog. Trab ekel, hinein, durch welche sie in eine Anzahl von Fächern zerlegt wird. Die lymphoide Sub- stanz der Drüse ist nun derart angeordnet , dass an der Peripherie der letzteren, aber durch die erwähnten Trabekel von einander geschieden, zahl- reiche Knoten in dichter Anordnung liegen, gerade solche, wie wir sie vorhin als einzeln vorkommend beschrieben haben. Sie setzen eine periphere Schicht zusammen, die nur in der Umgebung des Hilus nicht ausgeprägt ist; sie wird als Rindensubstanz der Lymphdrüse bezeichnet (Fig. 88). „•%.-■ -.•■-■■;■ - . f •- 9 i ■ < Mitose -LI i-i-A^|/^i ' " 'S*»«'* ■ "~~ "■' "' Keimcentrum "^fcS**:* > vi '*3p **>• ' ' ' »?%- i '•* , ~~~ Lymphsinus / o»> Markstrang Fig. 89. Aus einer Lymphdrüse des Menschen. 240 mal vergr. I5ei a deutlich konzentrisch anireordneto Zellen des Lymphknotens. (Fixirung in F 1 e m m i n g 'scher Lösung.) Das lymphoide Gewebe der Rindensubstanz setzt sich in das Innere der Drüse in Gestalt von Strängen fort, Markstränge, Mark Substanz, welche mit einander vielfach verbunden sind und auf diese Weise ein Maschen- werk von lymphoidem Gewebe herstellen, dessen Zwischenräume von den Trabekeln ausgefüllt werden. Follikel und Markstränge gehen an ihrer Ober- fläche in weitmaschiges Lymphgewebe über, Sinus, das also 1. zwischen der Kapsel und der Rindensubstanz, 2. zwischen den Knoten und den Tra- bekeln, 3. zwischen Marksträngen und den Trabekeln und 4. zwischen der Marksubstanz und der Kapsel am Hilus der Drüse vorkommt und sowohl Milz. 133 mit der Kapsel, als auch mit den Trabekeln im innigen Verband sich befindet. Am Hilus stellt das lockere Lymphgewebe einen Terminalsinus (Toi dt) dar. Die innere Wand der Kapsel und die Trabekeln mit ihren Fort- sätzen sind von einem flachen Epithel überzogen , das kontinuirlich in das der ab- und zuführenden Lymphgefässe übergeht. Durch die zuführen- den Gefässe strömt die Lymphe in die Drüse ein und fliesst dann weiter in Räumen (Sinus), welche ihr am wenigsten Widerstand bieten; diese sind diejenigen peripheren Theile des Knotens und der Markstränge, in welchen das lymphoide Gewebe in lockerer Anordnung vorhanden ist. Die Lymphe umspült also sowohl die Rindenknoten, als auch die Markstränge und gelangt schliesslich zum eben erwähnten Sinus terminalis und in die abführenden Gefässe. Auf diesem Wege nimmt sie die in den Follikeln und den Marksträngen neu gebildeten Zellen mit und strömt also viel zellen- reicher aus als sie eingetreten ist. Die meisten arteriellen Gefässe der Lymphdrüsen treten durch den Hilus ein und nehmen ihren Weg durch die Trabekeln. Sie zerfallen erst in den Marksträngen oder in den Rindenknoten in Kapillaren, nachdem sie die Sinuse passirt haben. Die Sinuse erhalten also keine Kapillaren. Die arteriellen Kapillaren gehen in venöse über, und die aus den letzteren hervorgehenden Venen schlagen in der Regel denselben Weg wie die Arterien ein. C. Die Milz. Die Milz ist ein blutbildendes Organ, in welchem nicht allein weisse, sondern auch wahrscheinlich rothe Blutzellen gebildet werden und zwar die ersteren in den Malpighi'schen Körperchen, die letzteren in der sogenannten Pulpa. Sie ist vom Peritoneum überzogen und besitzt ausserdem eine Kapsel, die aus Bindegewebe, elastischen Fasern und glatten Muskelzellen zu- sammengesetzt ist. Diese Kapsel sendet in das Innere des Organs zahlreiche Fortsätze, Trabekel, welche sich vielfach verzweigen, ein Gerüst von Balken herstellen und zu den Wandungen der Gefässe, namentlich zu denen der Venen in Beziehung stehen. Andererseits geht dieses Balkengewebe kontinuirlich in das retikuläre Gewebe über, welch' letzteres die Grundlage der Milz bildet. Betrachtet man einen Schnitt durch die Milz mit einer schwächeren Vergrösserung, so fallen zunächst scharf umschriebene runde Gebilde auf, die dem Baue nach mit kleinen Lymphknoten im Wesentlichen über- einstimmen. Ausser diesen, den Malpighi'schen Körperchen, besteht die Milz aus einem gefäss- , blut- und zellenreichen Gewebe, welches man als Milzpulpa bezeichnet. 134 M alpig hi'sche Körperchen der Milz. Typisch ist die Gefässanordnung der Milz. An einer etwas einge- zogenen Stelle der letzteren, am Hilus, treten die Arterie und Vene ein und aus. Beim Durchtritt der Gefässe durch die Kapsel bildet dieselbe um sie eine Scheide. Bald trennen sich Vene und Arterie von einander und -.- ■»'■"■ CT5»H| '.' ! '^'^- Blutgefäss Trabekel - ^ — Milzpulpa ijii Arterie -Malpighi'sches Körperchen mit Keimcentrum Fig. 90. Theil eines Schnittes durch die .Milz des Menschen. 75mal vergr. (Fixirung in Sublimat.) Bei a ein ovales Malpighi'sches Körperchen mit einem Blutgefäss. die eben erwähnte Scheide begleitet allein die Vene. — Die Arterie verzweigt sich in mehrere Aeste, die schliesslich in eine grössere Anzahl von kleineren Endarterien pinselartig zerfallen (Peni eil li). Bald nach der Trennung von der Vene fängt die Adventitia der Arterie an, einen lymphoideu Charakter anzunehmen. Dieses lymphoide Gewebe schwillt von Stelle zu Stelle zu wahren lymphoideu Knötchen an, welche mit allen hierzu gehörigen Attributen, retikulärem Gewebe, Keimcentren u. s. w. versehen sind. Es sind die Mal- pighi'schen Körperchen. Beim Menschen sind sie nicht zahlreich. Durch weitere Theilungen zerfallen die Penicilli in feinere Arterien, welche ihre lymphoide Scheide allmählich verlieren. Zweige von 0,02 mm haben keine lymphoide Scheide mehr, sondern eine gewöhnliche Adventitia. Die kleinsten Arterien gehen nun in Kapillaren über, welche eine Strecke Blutgefässe der Milz. 135 **5 , ftß s^ Fig. 91. Aus der Milz vom Hund. Pigments Blutkörperchen- und Blutschollen-haltige Zellen. (Trockenpräparate nach H. F. Müller1. 1200mal vergr. weit von der Ad ventitia begleitet werden (Kapillar scheiden), während ihre EndausbreituDgen von ge- r wohnlichem Bau sind und sich allmählich in den Ma- schen der Pulpa verlieren (siehe unten). Andererseits kann man die venösen Ka- pillaren sich aus den Pulpa- räumen bilden sehen. Meh- rere solcher Kapillaren flies- sen zu einem Gefässe von einer grösseren Dicke und noch von kapillärem Bau zusammen und erst diese Gefässe vereinigen sich zu kleinen Venen, welche dann gemeinschaftlich mit den Arterien verlaufen. Wir kommen auf die Milzpulpa zurück. Sie hat einen schwammigen Bau und ist aus Zellen verschiedener Art zusammengesetzt, welche in retikulärem Bindegewebe liegen. Man findet in ihr: 1. fertige Blutkörperchen, 2. kernhaltige rothe Blutzellen, 3. Bie- senzellen (bei Thie- ren) und 4. rothe Blutkörperchen und Trümmer von solchen (Blutschol- len) enthaltende Zellen mit oder ohne Pigment. Ausserdem ge- wahrt man an Zupf- präparaten spindel- förmige, längliche und platte Zellen, die wohl alle auf Bindegewebszellen des Pulpagerüstes und auf Epithelien und Muskelfasern der Gefässe zurück zuführen sind. Fig. 92. Aus der Milz des Menschen. Ungefähr 350 mal vergr. in Sublimat.) a das gestrichelte Epithel: b Blutgefässe; c Blutraam; d reticuläres Binde- (Fixirt 136 Blutbildung in der Milz. Es finden sich in der Milzpulpa auch Pigmentkörnchen, und zwar entweder frei oder in Zellen (Leukocyten) eingeschlossen. Das Pigment rührt wahrscheinlich von zu Grunde gehenden, zerfallenden Ervthrocyten her. Die Maschen des schwammigen Gewehes der Milzpulpa, Räume, die wie Drüsenschläuche aussehen. Iu blutleeren Milzen des Menschen sieht man konstant diese Räume von gestrichelten, den Charakter kubischen Epithels tragenden Zellen begrenzt (Fig. 92). Ob diese Räume Bluträume sind, wäre erst zu erweisen; der Bau der Milz bietet noch Räthsel dar. Das Trabekulargewebe und das Bindegewebe der Milz stehen in einer innigeren Beziehung zu den Wandungen der Venen und ihrer Kapillaren, als zu denen der Arterien. Ausserdem sind dieWandungen der Kapillaren von eigenthüm- lichen feinen Netzen umspon- nen , welche erst durch die Chromsilber-Methode (0 p p el Dl) genauer bekannt geworden sind. Man bezeichnet sie mit dem Namen Gitterfasern (nach Kupffer). Die Malpighi 'sehen Kör- perchen mit ihren Keimcentren sind auch hier als Bildungs- stätten für die Leukocyten an- zusehen. Die neu gebildeten Zellen gerathen in die Pulpa und vermischen sich mit deu Elementen derselben. Anderer- seits ergiessen sich die arte- riellen Kapillaren in Bahnen der Pulpa, so dass das Blut wohl in direkten Kontakt mit den Pulpaelementen kommt. Die hier aus den kernhaltigen rothen entstandenen kernlosen Erythro- cyten werden in die venösen Bahnen hineingeschwemmt. Aber es können auch kernhaltige rothe Blutzellen in die venösen Gefässe hineingerathen und sich dann erst hier in kernlose Zellen umwandeln (vergl. Knochenmark). Die lymphoide Scheide und die Lymphknötchen werden mit Arterien ver- sorgt, welche von den Seitenzweigen der Milzarterie entspringen, innerhalb der Lymphscheide oder der Lymphknoten in Kapillaren zerfallen und erst ausser- halb der lvinphoiden Bubstanz den venösen Charakter annehmen. Diese Ge- fässe bilden das ernährende Gefässsystera der Milz. Fig. 93. \ ii- der Milz des Menschen. 80 mal vergr. Chrom- BÜbermethode. it dickore Fasern des Mal pis;hi 'sehen Ki'irperchens; '»lütter- fasem. Rothes Knochenmark. 137 D. Das Knochenmark. Die ersten Elemente des embryonalen Knochenmarkes sind mit dem Einwachsen jener Knospe gegeben, welche die endochondrale Ossifikation einleitet (vergl. S. 83). Es sind wesentlich die Elemente des Periostes, die mit der Gefässknospe einwandern und das ganze spätere Knochen- mark verdankt ihnen seine Entstehung. Mit dem Ossifikationsprozess Schritt haltend, bildet sich aus den erwähnten Elementen zuerst das sogenannte rothe Knochenmark, das bei Embryonen und jungen Thieren allein vertreten ist. — Wie Neu mann 82 nachgewiesen hat, bildet sich in den Extremitätenknochen das rothe Knochenmark im ferneren Wachsthume des Menschen allmählich zurück und zwar in proximaler Richtung, so dass beim Erwachsenen nur noch die proximalen Epiphysen rothes Knochenmark enthalten. Ausser den erwähnten Epiphysen besitzen noch die platten Knochen und die Wirbelkörper des erwachsenen Menschen rothes Mark. In den übrigen Knochen und Knochentheilen wird letzteres durch das gelbe Knochenmark (Fettmark) ersetzt. In Folge des Hungerns, sowie auch unter gewissen pathologischen Verhältnissen wandelt sich das gelbe Mark in gelatinöses um, welches übrigens unter Umständen die Beschaffenheit des gelben wieder erlangen kann. Das rothe Knochenmark ist eine schwammige Masse, die aus ver- schiedenen Elementen, welche sämmtlich im retikulären Gewebe liegen, zusammengesetzt ist. Ausserdem enthält das rothe Mark zahlreiche Gefässe (s. weiter unten), fixe Bindegewebszellen etc. Die typischen Elemente des rothen Knochenmarkes sind: 1. die so- genannten Markzellen. Sie unterscheiden sich von den Leukocyten des normalen cirkulirenden Blutes dadurch, dass sie einen grösseren und chromatin- armen Kern besitzen, der nur selten gelappt, noch seltener in der Mehrzahl vorhanden ist. Die Markzellen können fein- und grobgranulirt sein; im nor- malen Blute kommen sie nicht vor (wohl aber bei der Leukämie), sind oft Träger von verschiedenen Pigmentkörnern ; 2. hämoglobinhaltige Zellen mit Kern, der oft in Mitose sich findet (kernhaltige rothe Blut- zellen, Neumann 68, 69), [Bizzozero 68, der diese eigenthümlichen Gebilde im Knochenmark ebenfalls gesehen , hat den Hämoglobingehalt derselben in ihren Kern versetzt]. 3. eosinophile Zellen, die den gleich- namigen Elementen des Blutes nicht entsprechen, sondern mit den Markzellen in genetischen Beziehungen stehen; 4. Riesen z eilen, welche entweder mitten im Mark liegen und dann mit polymorphen Kernen versehen sind, oder sich in der Nähe des Knochens aufhalten, als Osteoklasten (vergl. S. 88). fungiren und in der Regel mehrkernig sind. Die physiologische Bedeutung der ersteren ist unklar geblieben. Sie entstehen wahrscheinlich durch Wachs- 138 Riesenzellen. thum von Leukocyten, jedenfalls nicht wie manche es vermutheten , durch Verschmelzung mehrerer Leukocyten. Die Riesenzellen sind amöboid beweglich und fungiren oft als Phagocyten oderCyto- phagen. (Letzteres wird von M. Heiden- hain 94 bestritten.) In jüngster Zeit hat M. Heidenhain 94 die Riesenzellen einem eingehenden Studium unterworfen. Nach ihm haben die Kerne derselben die Gestalt einer dick- wandigen vielfach durchbrochenen (per- forirende Kanäle) Hohlkugel , welche Endoplasma ein- schliesst. Letzteres verbindet sich mit dem übrigen Protoplasma der Zelle, Exoplas- m a , durch die per- forierenden Kanäle. — Das Exoplasma ist konzentrisch geschichtet; man findet drei Zonen in ihm, welche von einander durch Membranen geschieden sind. Die äussere Membran der äusseren Zone ist die Zellenmembran. — Die äussere Zone, Rand säum, ist vergänglicher Natur, wird aber von Seiten der Zelle stets neu gebildet. Bei diesem Vorgange wird die Zellenmembran durch die Membran zweiter Ordnung, welche sich zwischen der zweiten und dritten Zone befindet, ersetzt. Die Funktionen der Riesenzellen scheinen nach demselben Autor in der „Aufnahme und Umarbeitung eiweissartiger Körper, welche dem Lymph- und Blutstrom entnommen werden und wieder dahin zurückkehren", zu bestehen. M. Heidenhain (94) hat ferner gefunden, dass die Zahl der Centrosomen in den mononukleären Riesenzellen des Knochenmarks eine sehr grosse ist, in manchen Fällen, z. B. bei einer pluripolaren Mitose die Zahl 100 überschreiten kann. 5. Mastzellen mit y- Granulationen (s. T. 190). Grosse Zellen, entweder fein- oder grobkörnig, mit chromatinarmem Kerne. — Die Vertheilung der Blutgefässe im Mark ist folgende: die in den Knochen eintretenden A a. nutritiae zerfallen nach ihrem Eintritt in eine grössere Anzahl kleiner Aeste, welche schliesslicb in enge arterielle Ka- Fig. 94. Trockenpräparat aus dem Knochemuarke des Hundes. 1200 mal vergr. (Nach Präparaten von H. F. Müller.) a Jlastzelle ; b einkerniger kleiner Leukocyt; c Leukocyt mit acidophilen Granulis; d kernloses rothes Blutkörperchen; e ein in Theilung begriffenes kernhaltiges rothes Bljtkörperchen ; / kernhaltiges rothes Blutkörperchen. Kernhaltige rothe Blutzellen. 139 pillaren sich auflösen. Die letzteren gehen in bedeutend weitere venöse Kapil- laren über, deren Wand schliesslich entweder ganz verloren geht, oder vielfach durchbrochen wird, so dass das venöse Blut sich in die Lücken des rothen Markes ergiesst, um hier sehr langsam zu strömen. Der Abfiuss findet durch kleinere Venen statt, welche aus dem Zusammenfluss kleiner, das Blut aus dem Marke auffangender Kapillaren, entstehen. Bemerken swerth ist es, dass die venösen Kernhaltige rothe Blutzellen Reticulum Mitose in einer Riesenzelle mm ® && m 11 — Hiesenzelle ^m Mm ^j^^ mm W JZ^ ■ © %. rf^UC^^ f\ — Kernhaltige V&~~*^ W * "^S^m*. Ä~" — '" rothe Blutzelle ^^--fV — — - ~^^Ät Mitose ■^ViiVN Eine Lücke, in V;^-^„ V jj^f der Fettgewebo *m®£I •#"•' vorhanden war. Fig. 95. Aus einem Schnitt durch das rothe Knochenmark des Menschen Technik Nr. 210. mal vergr. Gefässe innerhalb des Markes keine Klappen besitzen; dagegen bekommen sie eine aussergewöhnlich grosse Anzahl von Klappen unmittelbar nachdem sie den Knochen verlassen haben. Die blutbildende Funktion des Knochen- markes entdeckte E. Neu mann. Im rothen Marke entstehen rothe kern lose Blutscheiben aus kern- haltigen Erythrocyten und zwar gewöhnlich an Ort und Stelle, oder nur selten innerhalb der venösen Gefässe, wohin alle diese Elemente schliesslich gelangen. Neue kernhaltige rothe Zellen entstehen durch Theilung schon vor- handener, möglicherweise auch aus Leukocyten, welche allmählich Hämo- globin bilden und sich zu rothen kernhaltigen Zellen differenziren. Volle Klarheit besteht hierüber noch nicht. Beim erwachsenen Menschen ist das rothe Knochenmark jedenfalls die hauptsächliche Bildungsstätte der rothen Blutkörperchen. 140 Gelbes und gelatinöses Knochenmark. Das gelbe Mark entsteht aus dem rothen durch Verfettung seiner Elemente, welche schliesslich zu wahren Fettzellen werden. Im Gegensatz zu dem gelben Mark ist das gelatinöse Mark durch Fettarmuth charakterisirt. Weder das gelbe noch das gelatinöse Mark sind blutbildende Organe (vergl. Neumann 90, Bizzozero91, H. F. Müller 91, van der Stricht 92). E. Die Thymus. Zu den lymphoiden Organen rechnen wir auch die Glandula Thymus, welche bei den Säugethiereu aus dem Entoderm der zweiten und dritten Kiementasche hervorgeht und solange in Funktion bleibt, bis die echten Lymphdrüsen sich herausgebildet haben. Später bildet sie sich zurück und ist beim erwachsenen Menschen als solche völlig geschwunden. Nur bindegewebige Reste, Trümmer von Zellen deuten auf ihre frühere Anwesen- heit hin. Ililu- ---'-; Rindensubstanz Marksubstanz Fig. 96. Kleinstes Läppchen von der Thymus eines Kindes mit auffallend deutlich ausgeprägten Lymphknoten ähnlichen Bildungen in der Hindensubstanz. 60 mal vergr. a Trabokel-ähnüche Bildungen. Die Thatsache, dass die Thymus als ein lymphoides Organ aus dem Entoderm ihren Ursprung nimmt, bekräftigt die Auffassung jener Forscher, welche auch die Milz und andere im Darmkanal zerstreuten lymphoiden Herde aus dem Entoderm hergeleitet wissen wollen. Durch bindegewebige Septa wird die Thymus in grössere, diese wieder in kleinere Läppchen zerlegt, bis man schliesslich zu einer grösseren Anzahl kleinster, annähernd kugeliger Formationen, kleinste Läppchen, gelangt. Diese bestehen nun aus retikulärem Bindegewebe, welches an der Peripherie viel zarter und engmaschiger ist, als in der Mitte des Läpp- chens. Im retikulirten Gewebe sind zellige Elemente eingelagert, die an der Thymus. 141 Peripherie zahlreicher vorkommen, als im Centrum, so dass man hier von einer Rinden- und Marksubstanz des Läppchens sprechen kann. Die letztere ist entweder an allen Seiten von der ersteren umgeben ; oder aber kann die Marksubstanz die Peripherie des Läppchens erreichen, an welchem Orte meistens die Gefässe aus- und eintreten. In der Rinden Substanz kommt es mitunter zu Differenzirungen. welche an die Rindenknoten der Lymphdrüsen erinnern. Ueber die Bedeutung des Organs war nur weniges bekannt. Eine ge- naue, in der letzten Zeit vorgenommene Analyse der zelligen Elemente ergab aber eine Aehnlichkeit zwischen ihnen und den Bestandtheilen der blut- bildenden Organe, welche namentlich durch die Anwesenheit von kernhaltigen rothen Blutzellen auch in der Thymus, noch auffallender wird. Hiermit wird die Thymus höchst wahrscheinlich zu den blutbildenden Organen zu rechnen sein (Schaffer 93.1). Die Blutgefässe bilden in der Marksubstanz ein viel weitmaschigeres Kapillarnetz, als in der Rinde; feinere Arterien dringen aber auch direkt in die Rinde ein. An die Arterienbahnen sich haltend, treten Lymphgefässe aus, über deren Anfänge nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann. Es ist aber wahrscheinlich, dass die periphere, etwas aufgelockerte Partie der Rin- densubstanz einen Lymphsinus darstellt. Während der Rückbildung des Organs findet man in demselben eigen- thümliche, völlig räthselhafte Körper, die man mit dem Namen Hassal'sche Körper belegt hat. Es sind kuglige, bis 0,1 mm messende Gebilde, deren Peripherie konzentrisch geschichtet erscheint. In ihrer homogenen mittleren Partie findet man einzelne Kern- und Zellentrümmer. Das Vorkommen dieser Körper ist auf die Thymus beschränkt. Technisches über Blut und blutbildende Organe. 178. Die rothen Blutkörperchen können in der Blutflüssigkeit ohne weiteren Zusatz untersucht werden. Man sticht z. B. sich selbst in die Fingerbeere; bei passendem Druck auf den Finger tritt ein kleiner Bluts- tropfen hervor, der auf den Objektträger gebracht, sofort mit dem Deckgläs- chen bedeckt und untersucht wird. An solchen Präparaten verändern sich die rothen Blutkörperchen alsbald, das Wasser des Blutplasma verdunstet, wodurch der Kochsalzgehalt desselben ein höherer wird und die rothen Blut- körperchen Wasser abgeben. Dabei verändern sie sich unter Schrumpfung in einer ganz charakteristischen Weise: sie nehmen die Stechapfel- oder Morgensternform an. Will man den Blutstropfen vor Verdunstung längere Zeit schützen, so umrandet man das Deckglas des Präparates mit Oel (etwa Olivenöl). Als Zusatzflüssigkeit, welche die rothen Blutkörperchen nur wenig verändert, erwähnen wir die Hayem'sche Lösung (zur Untersuchung der 142 Herstellung von Trockenpräparateu. Leukocyten nicht geeignet). Sie besteht aus Kochsalz = 1 , schwefelsaurem Natron = 5, Sublimat = 0,5 und 200 g Wasser. Das frische Blut wird in die Flüssigkeit direkt eingelassen, die mindestens das 100 fache Volumen des Blutes betragen muss. Die fixirten Blutkörperchen senken sich zu Boden; nach 24 Stunden wird die Flüssigkeit vorsichtig abgegossen und durch Wasser ersetzt. Fis- 97. Die Blutkörperchen werden mit einer Pipette „Stechapfelform" der Blut- herausgeholt und in verdünntem Glycerin unter- scheiben des Menschen. 1500mal . . vergr sucht. Eine Nachfärbung, etwa mit Eosin oder Hämatoxylin ist zulässig. 179. Eine bei weitem am meisten geübte Methode ist die Auf- bewahrung der Blutkörperchen in Trockenpräparaten. Man legt zwei Deckgläschen auf einander und lässt frisches Blut zwischen dieselben ein- fliesseu. Dann zieht man die Deckgläschen auseinander, wobei auf beiden eine dünne Schichte gleichmässig ausgebreiteten Blutes entsteht, welches bei Zimmer-Temperatur einige. Stunden getrocknet wird. Nun unterwirft man die Präparate einer Trocknung bei 120° C. (mehrere Stunden). Nach dieser Behandlungsweise können die Präparate mit Farben u. s. w. behandelt werden. Zu ähnlichen Resultaten gelangt man, wenn man die lufttrockenen Präparate 1 — 2 Stunden einer Wirkung von einer Mischung von absolutem Alkohol und Aether zu gleichen Theilen aussetzt. Nun trocknet man die Präparate abermals in der Luft und kann sie dann weiter verarbeiten. 180. Frische Blutkörperchen können auch mit Osmiumsäure und zwar mit einer 2°/o Lösung, in welche man einen Bluttropfen fallen lässt, fixirt werden. Die Blutkörperchen sammeln sich am Boden des Gefässes an, worauf die Osmiumsäure dekantirt werden kann; es wird dann mit Wasser ausgewaschen und die mit einer Pipette aufgefangenen Blutkörperchen in ver- dünntem Glycerin untersucht. 181 . Der auf dem Objektträger dünn ausgebreitete frische Blutstropfen kann auch mit einer konzentrirten Sublimatlösung in Kochsalz eine Viertelstunde lang behandelt werden. Es wird dann mit AVasser gewaschen, gefärbt und das Präparat durch Alkohol in Kanadabalsain übergeführt. In derselben Weise wendet man eine konzentrirte wässerige Pikrinsäure an, nur lässt man dieselbe 12 — 24 Stunden lang einwirken. 182. An Schnitten können die Blutelemente in, folgender Weise unter- sucht werden: dünneGefässe werden doppelseitig abgebunden, herausgeschnitten, mit Osmiumsäure, Sublimat-Kochsalz oder Pikrinsäure fixirt und in Paraffin eingebettet. 183. Die rothen Blutkörperchen verändern sich in den verschiedenen Flüssigkeiten verschiedenartig: so werden sie im Wasser kugelig und ver- Blutplättchen. 143 lieren ihren in Lösung tretenden Farbstoff; es bleiben dann helle, kugelige, kaum sichtbare „Blutschatten" zurück, die man eventuell, z. B. mit einer Färbung durch Jod abermals hervortreten lassen kann. Verdünnte Essigsäure wirkt ähnlich wie Wasser, nur in viel kürzerer Zeit. (Vor dem ~^"\ Blasswerden sehen die Blutkörperchen einige ( Augenblicke dunkler aus.) Die Galle des- ,\}'/' selben Thieres, dem auch das Blut entnommen wurde, wirkt auf die rothen Blutkörperchen auf _ . _, , Kothe Blutkörperchen unter Ein- eine ganz eigentümliche Weise: sie blähen sich Wirkung des Wassers. 1500mal zunächst etwas auf und lösen sich dann plötz- vergr. t i . n •• i p m i i t ^ ■> b ,, Blutschalten". lieh, in Stucke zerfallend, „explodirend", aut. 184. Die auf irgend eine der erwähnten Weisen fixirten Blutkörperchen können gefärbt werden. Als Farbe, die die hämoglobinhaltigen rothen Blut- zellen besonders hervorhebt und dieselben leuchtendroth färbt, ist Eosin zu nennen; man färbt entweder in wässerigen oder in alkoholischen Lösungen, z. B. in folgender Zusammensetzung: 1 g Eosin, 1 g Alaun und 200 cem Alkohol (E. Fischer). Man wendet Eosin auch als zweite Farbe an, nach- dem man vorher eine Kernfärbung, z. B. mit Hämatoxylin, vorgenommen hat. Man färbt ca. 10 Minuten, zieht den Farbstoff mit Alkohol aus, bis die rothen Blutzellen allein gefärbt bleiben und schliesst dann in Kanadabalsam ein. Ausser dem Eosin haben auch andere saure Farben, wie Aurantia, Indulin, Nigrosin die Fähigkeit, hämoglobinhaltige Zellen zu färben. 185. Blutplättchen werden am besten mit Osmiumsäure konservirt und können ungefärbt gesehen werden. Auch in der phys. Kochsalzlösung, zu der man im Verhältnisse von 1 : 20,000 Methylviolett zusetzt, kann man sie gefärbt erhalten (Bizzozero 82). Nach Afanassiew fügt man zur Lösung 0,6 °/o des trocknen Peptons zu. (Die Flüssigkeit muss vor dem Gebrauch sterilisirt werden.) 186. In den sowohl im strömenden Blute als auch in verschiedenen Organen vorhandenen Leukocyten kommen in bestimmter Weise dar- stellbare Granulationen vor. Auf diese Granulationen haben Ehrlich und seine Schüler aufmerksam gemacht. Die Benennung der Granula ist von der eigenthümlichen Ehrlich 'sehen Klassifikation der Anilinfarbstoffe abhängig, welche mit jener der Chemiker nicht übereinstimmt. Ehrlich klassifizirt die Anilinfarbstoffe in saure, basische und neutrale. Unter den sauren versteht er jene Verbindungen, bei denen, wie in pikrinsaurem Ammoniak, die Säure das färbende Prinzip darstellt ; hierher zu rechnen sind: Congo, Eosin, Aurantia, Indulin, Nigrosin. Die b asis eben Farbstoffe sind solche, welche, wie das essigsaure Rosanilin, aus einer Farbbase und einer indifferenten Säure ent- standen gedacht werden können. Dazu gehören: Fuchsin, Bismarckbraun, Safranin, Gentiana, Dahlia, Methyl violett, Toluidin. Die neut ralen Aniline 144 Granula Ehrlich's. schliesslich denke man sich wie das pikrinsaure Rosanilin, durch Zusammen- tritt einer Farbbase und einer Farbsäure entstanden, z. B. Methylenblau. 187. Die Darstellung der Granula kann an Trockenpräparaten des Blutes sowohl, als auch an mit Alkohol, Sublimat, Sublimat-Eisessig, zum Theil auch mit F lern mi ng 'scher Lösung etc. konservirten Objekten vorgenommen werden. Es werden fünferlei Granulationen unterschieden, die der Reihe nach mit griechischen Buchstaben a — <- benannt werden. 188. Die «-Granulationen (acidophile, eosinophile) kommen im normalen Blute, in der Lymphe und in den Geweben vor. Sie sind dadurch charakterisirt, dass sie sich in sämmtlichen sauren Farbstoffen in einer be- stimmten "Weise färben lassen. Man färbt sie entweder in einem in Glycerin gesättigten sauren Farbstoff' (am bequemsten mit Eosin) mehrere Stunden lang, AR Fig. 99. Die E hrlieh'schen Granula in den Leukocvten. 1200 mal vergr. (Nach Präparaten von H. F. Müller.) a acidophile Gianula, relativ gross und regelmässig vcrtheilt; t neutrophile Grauula ; [j amphophile Granula, wenig zahlreich und unregolmässig vertheilt; y Mastzellen mit ungleich grossen Granulationen ; o basophile Granulationen; 7, 0 und z aus dem normalen Blute, y ans leukämischem Blute des Menschen, ß aus dem Blute des Meerschweinchens. spült dann mit Wasser ab und färbt mit einem Kernfärbemittel, etwa Häma- toxylin oder Methylenblau, nach, trocknet die Präparate abermals und schliesst sie direkt in Kanadabalsam ein. Wenn Schnitte in Betracht kommen, so färbt man sie nach dem Abspülen in Wasser in derselben Weise und über- trägt sie durch absoluten Alkohol etc. in Kanadabalsam. Eine andere Methode, die gleichzeitig Kern und Granula tingirt, ist die Ehrl ich 'sehe Hämatoxylinlösung (Hämatoxylin 2 g, Alkohol 100, dest. Wasser 100, Alaun 2 mit einer Spur Essigsäure), zu welcher man 0,5 °/o Eosin hin- zusetzt und vor dem Gebrauch etwa drei Wochen an belichtetem Orte stehen lässt. Diese Mischung färbt in wenigen Stunden; es wird dann in Wasser abgespült, mit Alkohol behandelt und schliesslich in Kanadabalsam einge- schlossen. Die a-Granula erscheinen roth, die Kerne blau. 189. ß -Granulationen (amphophile, indulinophile) färben sich sowohl in sauren wie in basischen Anilinen. Sie kommen beim Menschen nicht vor, werden aber z. B. im Blute von Meerschweinchen , Kaninchen und Hühnern angetroffen. Darstellung: gleiche Theile gesättigter Lösungen von Granula Ehrlich's. 145 Eosin, Naphthylamingelb und Indulin in Glycerin werden zusammengegossen und die getrockneten Präparate mit diesem Gemisch einige Stunden lang behandelt, mit Wasser ausgewaschen, an der Luft getrocknet und in Kanada- balsam eingeschlossen. Die ^-Granulationen erscheinen schwarz, die a-Granula roth, die Kerne schwarz und das Hämoglobin der rothen Blutzellen gelb. 190. ^-Granulationen oder die der Mastzellen kommen in nor- malen Geweben und spärlich in normalem Blute vor, wohl aber konstant und in grösserer Menge im leukämischen Blute. Man kann sie in einer doppelten Weise zur Anschauung bringen: 1. Durch eine gesättigte Dahlia- lösung in Eisessig — 12 1h, abs. Alkohol — 50, dest. Wasser 100 g (Ehr- lich). Die Anwendung geschieht wie bei der Darstellung der vorhin genannten ^-Granulationen; 2. durch die Alaunkarmin-Dahlia-Flüssigkeit von Westphal (siehe Ehrlich). Die letztere wird auf Trockenpräparate und auf Schnitte solcher Objekte angewandt, welche mindestens eine Woche lang in Alkohol fixirt worden sind. 1 g Alaun wird in 100 ccm dest. Wassers gelöst, 1 g Karmin darin suspendirt, das Ganze 1U Stunde lang gekocht, nach dem Erkalten filtrirt und dazu V2 ccm Karbolsäure hinzugesetzt (Partsch-Grenacher'sches Karmin). Zu dieser Karminlösung werden 100 ccm einer gesättigten Dahlialösung in abs. Alkohol, 50 ccm Gl)rcerin und 10 ccm Eisessig hinzugefügt, das Ganze um- gerührt und eine Zeit lang stehen gelassen. Es wird 24 Stunden lang ge- färbt und ebenso lange mit abs. Alkohol ausgezogen und schliesslich in Kanadabalsam eingeschlossen. Die ^-Granula erscheinen intensiv blau, die Kerne sind röthlich gefärbt. Noch einfacher ist die Darstellung der ^-Gra- nulationen, wenn man Trockenpräparate mit Methylenblau überfärbt, dann in abs. Alkohol längere Zeit auszieht, abermals trocknet und in Kanada- balsam einschliesst. 191. d -Granulationen (basophile Granulationen) kommen in einkernigen Leukocyten des menschlichen Blutes vor. Die Färbung geschieht mehrere Minuten und länger mit einer wässerigen, konzentrirten Methylenblaulösung, worauf die Präparate nach Abspülen in Wasser und abermaligem Trocknen in Kanadabalsam eingeschlossen werden. 192. e- oder neutrophile Granula, die normal in polynukleären Leuko- cyten des Menschen vorkommen (auch im Eiter), werden nach Ehrlich mit folgender Mischung behandelt. Zu 5 Vol. einer gesättigten wässerigen Säurefuchsin - Lösung wird ein Vol. einer gesättigten wässerigen Methylen- blaulösung hinzugefügt. Es werden 5 Vol. Wasser zugegossen, das Ganze ein paar Tage stehen gelassen und filtrirt. Die Lösung färbt schon nach 5 Minuten; man spült in Wasser ab u. s. w. Die in Rede stehenden Granulationen erscheinen grün, die a-Granula roth und das Hämoglobin gelb. 193. Das Blutpigment lässt sich in Form von Krystallen darstellen. Bei einigen Knochenfischen bilden sich die Krystalle innerhalb des Blut- körperchens neben dem Kerne, unter Umständen schon kurze Zeit nach dem Böhm -v. Davidoff, Histologie. 10 146 Blutkrystalle. Tode. An alten Spirituspräparaten findet man Hämoglobinkrystalle (Blut- krystalle) innerhalb der Gefässe; auf diese Weise hat Reichert dieselben im Blute des Meerschweinchens entdeckt. Wir finden sie massenhaft im Milz- blute eines Störes, der nahezu vor 40 Jahren in Spiritus eingelegt worden ist. Die Hämoglobinkrystalle gehören zum rhombischen System. 194. Die einfachste Methode, die Blutkrystalle darzustellen, ist wohl die folgende: man defibrinirt das frische Blut durch Schlagen oder Schütteln mit Quecksilber und setzt demselben unter Schütteln tropfenweise Schwefel- äther zu, bis es lackfarben geworden ist, was man makroskopisch am plötz- lichen Umschlage der undurchsichtigen in eine durchsichtige, dunkelkirsch- rothe Farbe erkennt. Unter dem Mikroskop darf man keine intakten rothen Blutkörperchen mehr finden. Das so präparirte Blut wird auf 12 — 24 Stün- den auf Eis gestellt. Nimmt mau nun einen Tropfen Blut heraus und deponirt ihn auf einen Objektträger, so fängt nach l\2 Stunde der Blut- tropfen an, an den Rändern einzutrocknen. Er wird alsdann mit einem Deck- glase bedeckt und nach einigen Minuten bilden sich, namentlich im Anschluss an den getrockneten Rand des Tropfens eine Menge Krystalle, deren Entsteh- ung unter dem Mikroskop selbst verfolgt werden kann. Grosse Hämoglobin- krystalle stellt man nach Gscheidtlein folgendermassen dar: defibrinirtes Blut wird in eine Glasröhre gebracht und dieselbe zugeschmolzen. Man unterwirft das so eingeschlossene Blut 2 — 3 Tage einer Temperatur von nahezu 40° C; zerbricht man dann das Glas und lässt das Blut in eine flache Schale ausfliessen, so bilden sich sofort grosse Hämoglobinkrystalle. 195. Die Hämoglobinkrystalle bilden sich auch, wenn man einen Tropfen lackfarbenen Blutes in dicken, in Chloroform gelösten Kanadabalsam thut und mit einem Deckgläschen zudeckt. 196. In einfacher Weise lassen sich aus dem Blute die Hämin- kry stalle (Tei ch mann 'sehe Krystalle; Hämin ist salzsaures Hämatin) darstellen (rhombische Täfelchen). Man bringt einen Tropfen Blut auf einen Objektträger und vermischt denselben sorgfältig mit einem kleinen Tropfen (etwa) einer physiologischen Kochsalzlösung, dann erwärmt man das Ganze, bis die Flüssigkeit verdunstet und ein rothbrauner Rückstand zurückbleibt. Man bedeckt den Fleck mit einem Deckglase und lässt Eisessig zufliessen, bis der ganze Raum zwischen Deckglas und Objektträger gefüllt ist; nun erwärmt man das Präparat bis zum Kochen des Eisessigs. Ist letzterer verdunstet, so kann man direkt Kanadabalsam unter das Deckglas zufliessen lassen und so ein Dauerpräparat erhalten. Der Zusatz der Kochsalzlösung zum Blute ist nicht unbedingt nöthig, weil das Blutserum selbst Kochsalz in kleinen Mengen ent- hält. Die Häminkrystalle sind, wenn es darauf ankommt, Flüssigkeiten oder Flecke auf Blutgehalt zu untersuchen , von grosser Bedeutung, da ihre An- wesenheit mit Sicherheit auf das Vorhandensein von Blut schliessen lässt; sie spielen deshalb in forensischer Beziehung eine Rolle. Die Häminkrystalle Fibrin. 147 sind schwer oder ganz unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, Ammoniak, Eis- essig, verdünnter Schwefel- und Salpetersäure. Sie lösen sich aber in Kali- lauge. 197. Eine dritte Art von Krystallen , die man im Blute gelegentlich antrifft und zwar oft in den gelben Körpern des Ovariums und sehr oft pathologisch in den sog. apoplektischen Herden, sind die von Virchow en tdeckten Hämatoidinkrystalle. Anhäufungen solcher Krystalle sehen orangefarben aus; mikroskopisch betrachtet sind es rhombische, fuchsrothe Täfelchen. Sie lassen sich leicht in Kanadabalsam aufbewahren, da sie weder in Alkohol noch in Chloroform etc. löslich sind. Künstlich lassen sie sich nicht darstellen. Das Hämatoidin ist eisenfrei. 198. Das bei der Blutgerinnung sich ausscheidende Fibrin kann man in ganz feiner Vertheilung auf dem Objektträger darstellen: man bringt auf den letztern einen Tropfen Blut und lässt ihn ein Paar Stunden in einer feuchten Kammer stehen; dann legt man ein Deckglas auf den Bluttropfen auf und wäscht mit Wasser aus, indem man von der einen Seite des Deckglases Wasser zusetzt und auf der anderen mit Fliesspapier absaugt. Sind die meisten Blutkörperchen auf diese Weise weggeschwemmt, so setzt man Jod-Jod- kalium hinzu. Die dem Glas anhaften- den Fibrinfädchen und Netze färben sich braun. Um die Fibrinnetze an Schnitten zu sehen, benutzt man am besten solche Stücke, welche mit Al- kohol fixirt worden sind; man färbt nach Weigert 10 Minuten lang in -, - Fig. ICO. Fibrin. Aus einem Gefässe des Kehl- kopfes eines Kindes, ungefähr 300 ma] vergr. konzentrirter Gentianaviolettlösung in Anilinwasser. Die Schnitte werden flüchtig mit einer phys. Kochsalzlösung abgespült und dann 10 Minuten mit Jod- Jodkaliumlösung behandelt. Sie werden dann auf dem Objektträger ausgebreitet und mit Fliesspapier getrocknet, worauf sie mit 2 Theilen Anilinöl und 1 Theil Xylol so lange behandelt werden, bis sie vollkommen durchsichtig geworden sind. Letztere Flüssigkeit wird durch reines Xylol ersetzt, worauf es in Kanadabalsam eingeschlossen wird. Die Fibrinnetze erscheinen intensiv violett gefärbt. — 199. Um zu sehen, wie das Blut in den Gefässen strömt, giebt es verschiedene Methoden und bestimmte bevorzugte Objekte. Zu den letzteren gehört vor allem der Frosch. Hier verfährt man folgendermassen: man 10* 148 Blutkreislauf. immobilisirt das Thier, indem man dasselbe mit Curare, dem südamerikanischen Pfeilgift, vergiftet. Etwa 1/ä g einer l°/o wässerigen Lösung, in den Rücken- lymphsack eingespritzt, macht den Frosch innerhalb einer Stunde unbeweg- lich. (Die Dosirung ist jedoch nicht genau anzugeben, da das käufliche Curare kein chemisch konstantes Präparat ist. Man ist also auf ein gewisses Ausprobiren angewiesen.) Curare wirkt bekanntlich ausschliesslich auf die motorischen Xervenendorgane der quergestreiften Skelettmuskulatur, afficirt aber weder Herz- noch die glatten Muskelzellen, woraus die Brauchbarkeit des Curares für unseren Zweck erhellt: man kann also an einem unbeweg- lich gewordenen Frosch den Kreislauf ungestört beobachten. Um einiges vom letzteren zu sehen, genügt es, einem Frosch die durchsichtige, zwischen den Zehen ausgespannte Schwimmhaut auszubreiten, etwas zu dehnen und im gedehnten Zustande mit Insektennadeln über einer in einer Korkplatte passend angebrachten Oeffnung zu befestigen. Ist die Korkplatte so gross,, dass der ganze Frosch darauf Platz hat, so kann man die ganze Platte unter das Mikroskop bringen, derart, dass die Oeffnung der Korkplatte über die Oeffnung der Tischplatte des Mikroskopes zu liegen kommt. Die über der Oeffnung ausgebreitete Schwimmhaut kann man dann mit mittleren Yer- grösserungen beobachten. Zu demselben Zwecke kann man auch die Zunge des Frosches benutzen. Da dieselbe am vorderen Unterkieferwinkel befestigt ist, so kann man sie bequem herausziehen, durch passendes Dehnen aus- breiten und über dem Loch der Korkplatte ausspannen. Am schönsten lässt sich der Kreislauf am Mesenterium beobachten, wo man besonders gut das Auswandern der Leukocyten aus den Gefässen wahrnehmen kann. In der Axillarlinie der rechten Seite des Frosches (am besten bei Männchen) macht man einen V2 cm langen Hautschnitt, wobei man besonders Acht giebt, keine Gefässe zu verletzen, welche bei weniger pigmentirten Fröschen durch die Haut durchschimmern. Man trenne in derselben Aus- dehnung die unter der Haut liegenden Bauchmuskeln, führe durch die Oeff- nung eine Pincette und fasse die sich bietende Darmschlinge an. Die letztere wird am Rande der Oeffnung der Korkplatte mit Nadeln fixirt und das- Mesenterium über die Oeffnung vorsichtig gespannt. — Bei der Beobacht- ung ist es zweckmässig, die Oberseite der Präparate zu befeuchten (physiol. Kochsalzlösung), und die eingestellte Stelle etwa mit einem Bruchstücke eines Deckgläschens zu bedecken. Unter ähnlichen Umständen lässt sich auch die Lunge beobachten. Der Hautschnitt muss in diesem Falle weiter vorn geführt werden. 200. Für die grobe Orientierung über den Bau der Lymphdrüsen fertige man Schnitte durch kleinere Drüsen, die etwa mit Alkohol oder Sublimat fixirt worden sind, an. Man färbt mit Hämatoxvlin und Eosin. An solchen Präparaten kann man sich über die Verbreitung der Rinden- Darstellungsmethoden des retikulären Bindegewebes. 149 und Marksubstanz orientiren : das Trabekularsystem und das Blut erscheinen in der Eosinfarbe. 201. Die flachen Epithelien auf den Trabekeln stellt man in der Weise dar, dass man in eine frische Lymphdrüse eine 0,1°. o Lösung von Silbernitrat durch Einstich einspritzt. Xach einer halben Stunde fixirt man das Organ mit Alkohol und fertigt in der gewöhnlichen Weise ziemlich dicke Schnitte an (nicht unter 20 ii). Einige Zeit, nachdem die Schnitte in Kanada- balsam im Lichte gelegen haben, erscheint stellenweise dort, wohin die In- jektionsmasse eingedrungen ist, die bekannte Epithelzeichnung. 202. Für das Studium der Keimcentren der Lymphknoten empfiehlt sich besonders die Fixirung mit Flemming'scher Flüssigkeit und Färbung mit Safranin. Aber auch andere Flüssigkeiten, welche die Mitosen gut zur Anschauung bringen, können hier angewandt werden. 203. Für die Darstellung des retikulären Gewebes fertige man Schnitte durch eine frische Drüse vermittelst eines Gefriermikrotoms, über- trage den Schnitt in ein Probiergläschen, das etwa bis zu '/* seines Volumens mit Wasser gefüllt ist und schüttele das Ganze mehrere Male. Hierbei fallen die Leukocyten aus den Maschen des Retikulums heraus und lassen letzteres frei hervortreten. 204. Man kommt zu denselben Resultaten, wenn man einen in der eben angegebenen Weise angefertigten Schnitt auf den Objektträger aus- breitet, mit Wasser benetzt und mit einem feinen Malerpinsel vorsichtig be- tupft. Die Leukocyten bleiben am Pinsel hängen. Die letzterwähnten beiden Methoden (His 61j können auch an gehärteten Schnitten, die vorher etwa einen Tag im Wasser gelegen haben, angewandt werden. Die Entfernung der Leukocyten ist aber hierbei niemals eine so vollständige wie an frischen Schnitten. 205. An dicken Schnitten wird das Retikulum durch die Leukocyten verdeckt. Fertigt man aber äusserst dünne Schnitte (nicht über 3 u) von Objekten, welche namentlich mit Flemming'scher Flüssigkeit behandelt worden sind, so kommt das adenoide Gewebe ohne Weiteres deutlich zum Vorschein. 206. Durch das Verdauen der Schnitte mit Trypsin wird das retikuläre Gewebe ebenfalls isolirt dargestellt. Werden solche verdaute Schnitte mit Wasser ausgeschüttelt, auf einem Objektträger ausgebreitet und angetrocknet, dann mit einer Lösung von Pikrinsäure (lg in 15 Alkohol und 30 Wasser) befeuchtet, worauf man den Schnitt abermals eintrocknen lässt, ihn dann mit einigen Tropfen Fuchsin S befeuchtet (Fuchsin S 1 g, Alkohol 33, Wasser 66) und eine halbe Stunde stehen lässt, die Fuchsinlösung abtröpfelt, kurze Zeit mit der schon erwähnten Pikrinlösung wäscht, mit abs. Alkohol, Xylol weiter behandelt und in Kanadabalsam einschliesst, so bekommt man sowohl aus den Lymphdrüsen wie auch aus der Milz das retikuläre Gewebe klar und in einer schönen rothen Farbe dargestellt (F. Mall). 150 Technik der Milz und des Knochenmarkes. 207. Die Behandlung der Milz schliesst sich auf das Engste an die der Lymphdrüsen an. 208. Bei allen diesen Organen (Lymphdrüse, Milz und Knochenmark) kann man durch Abschaben einer frischen Schnittfläche etwas Saft gewinnen, welchen man in derselben Weise weiter untersuchen kann, wie Blut und Lymphe (siehe diese). Schnitte durch in Fl emm ing' scher Flüssigkeit oder Alkohol fixirte Stücke von Lymphdrüsen und Milz können auch mit den eben angegebenen Granula-Methoden von Ehrlich untersucht werden (siehe oben). 209. In der Milz kann man mit der Silbermethode eigentümliche Netze, Gitterfasern, zur Darstellung bringen (Oppel 91). 210. Die Untersuchung des Knochenmarkes reiht sich ihren Methoden nach hier an. Das Knochenmark der Diaphyse wird so herausgenommen, dass man Knochen der Länge nach mit einem Meissel sprengt. Bei einiger Uebung gelingt es leicht, ganze unversehrte Stücke des Markcylinders herauszube- kommen, welche man dann in üblicher Weise fixirt und in Schnitte zerlegt. — Bei der Epipbyse untersucht man entweder den durch einen Schraubstock herausgepressten Saft, oder entkalkt einen kleineren Komplex von Spongiosa- bälkchen. Im ersteren Falle untersucht man nach Methoden, die beim Blute angewandt worden sind; im zweiten bedient man sich der Schnittmetbode (cf. auch die sogen. Versteineruugsmethode T. 153). Im Uebrigen kann man hier mutatis mutandis dieselben Methoden, die wir bei den Lymphdrüsen und Milz kennen gelernt haben, anwenden. 211. Im Knochenmark hat Enderlen mit der Chromsilbermethode ebenfalls Gitterfasern dargestellt. IL Verdauungsorgane. Der Darmkanal mit seinen Derivaten entsteht aus dem unteren Keim- blatte, dem Entoderm. Aber das letztere erstreckt sich nicht bis zu den nach aussen führenden Oeffnungen, sondern das Ektoderm bildet an diesen Stellen Einstülpungen, welche dem zu dieser Zeit noch blind geschlossenen Darme entgegen wachsen und sich schliesslich mit der Darmhöhle in Kommuni- kation setzen. Dies geschieht sowohl bei der Bildung der Mundhöhle, die erst sekundär in Mund- und Nasenhöhle getrennt wird, wie auch am After. Die Grenze zwischen dem ektodermalen und dem entodermalen Ab- schnitt des Verdauungsrohres ist vorne etwa durch die innere Choanenapertur, dann durch den Arcus palato-pharyngeus gegeben. Alles, was vor diesen Grenzen liegt, ist ektodermalen Ursprungs, also die ganze Mund- und Nasen- höhle mit ihren Abkömmlingen. Die diese Höhlen auskleidende Haut ist aber schon echte Schleimhaut: sie schliesst sich ihrem Bau nach der Schleimhaut des Darmes eng an. Mundschleimhaut. 151 A. Die Mundhöhle. Das Epithel der Mundschleimhaut ist ein mehrschichtiges Pflaster- epithel, welches sich von dem der Epidermis dadurch unterscheidet, dass das Str. granulosum hier nicht als selbstständige Schicht auftritt, das Str. lucidum fehlt und die Verhornung der dem Str. corneum der Haut entsprechenden Schicht keine vollkommene zu sein pflegt (vergl. Haut). Auch die Zellen der oberflächlichsten Lagen enthalten hier Kerne, die allerdings zum Theil atrophirt sind, aber immer noch Chromatin erkennen lassen und in Folge dessen stets nachweisbar sind. Auf das Epithel folgt ein als Stratum proprium be- zeichnetes, noch zur Schleimhaut gehöriges mesodermales Gewebe, in welchem auch die zahlreichen Drüsen eingelagert sind. Die Stratum propri um be- steht aus fibrillärem Bindegewebe mit wenigen elastischen Fasern und aus adenoidem Gewebe mit zahlreich eingelagerten lymphoiden Zellen; sie ist also im Wesentlichen ein diffus vertheiltes lymphoides Gewebe mit eventuell in dasselbe eingelagerten Drüsen. Unter der Schleimhaut befindet sich eine hauptsächlich aus faserigem Bindegewebe und elastischen Fasern bestehende Schicht, dieSubmucosa. Der Uebergang des Gewebes des Stratum proprium in das der Submucosa ist in der Mundschleimhaut ein ganz allmählicher. Analog dem Str. papilläre des Coriums (s. Haut) enthält auch die oberflächliche Lage des Stratum proprium äusserst feine elastische und Bindegewebselemente, welche sich am Aufbau der Papillen betheiligen. Die Papillen selbst sind entweder einfache oder zusammengesetzte (verzweigte) Erhebungen des Stratum proprium und je nach der Region von verschiedener Höhe; ebenso variirt, je nach dem Orte, die Dichtigkeit ihrer Anordnung. Alle diese Papillen sind gefässtragend und beziehen ihre Gefässe aus einem in dem Stratum proprium oberflächlich gelegenen arteriellen Netze, welches letztere durch vielfache Anastomosen mit einem gröberen in der Sub- mucosa gelegenen Netze in Verbindung steht. Die gleiche Lage nehmen auch die Lymphgefässnetze ein. Das Stratum proprium ist nervenreich. Die X er ven haben zum Theil Beziehungen zu den in den Papillen gelegenen Krause'schen Endkolben (vergl. Haut), oder man sieht sie an einzelnen Stellen bis in das Epithel ziehen, wo sie mit ihren Telodendrien, die Epithelzellen umspinnend, frei endigen. Am rothen Lippensaume sind die Papillen auffallend hoch, das die Kuppen derselben überziehende Epithel von geringem Durchmesser (Näheres in der Fig. 101). Hier kommen ausser den Talgdrüsen, die in den Mund- winkeln gelegen sind und frei an der Oberfläche münden , keine anderen Drüsenelemente vor. In der Schleimhaut der Lippen und Wangen 152 Lippe. sind die Papillen niedrig und breit; es münden hier zahlreiche zusammen- gesetzte alveoläre Drüsen aus, die Gl. labiales und buccales, deren Bau sich dem Bau der grossen Speicheldrüsen anschliesst (siehe diese). Das Zahnfleisch hat sehr hohe und schmale Papillen, welche hier nur von wenigen Epithellagen überzogen sind (daher Blutung bei geringsten Verletzungen). Der den Zahn überziehende Theil desselben ist papillenlos. Drüsen enthält das Zahnfleisch nicht. Schleimhaut- epithel mit hohen : Papillen Uel>ergangsregion mit unregelmässigen Papillen Modificirte Epi- dermis \ £3 Ausführung;- J^1' _ gang Schleimhaut- _-VSB epithel Drüsenkörper. - i Muskeln -~~~~ Haarbalg ';• — Epidermis • ..- / ;.. Z Pig. 101. Schnitt durch die Unterlippe des Menschen. IS mal vergr. Die Papillen des harten Gaumens stehen schräg mit ihren Spitzen nach vorne gerichtet. Die Submucosa ist mit dem Periost innig ver- bunden und enthält, namentlich in ihrer hinteren Partie, zahlreiche Drüsen. Die Papillen des weichen Gaumens sind sehr niedrig und können auch fehlen. Etwa- höher sind sie auf der vorderen Fläche der Uvula. Auf der hinteren Fläche der letzteren kommen Flimmerepithelien, welche inselartig zwischen geschichteten Pflasterepithelien zerstreu! sind, vor. Im weichen Gaumen und in der Uvula sind ebenfalls alveoläre Schleimdrüsen anzutreffen. Schmelz. 153 ;V Schmelz Pulpahöhle 1. Zähne. a) Bau des fertigen Zahnes. Ein fertiger Zahn ist aus drei Substanzen aufgebaut: 1. aus dem Schmelz, 2. aus dem Dentin und 3. aus dem Zement. Letzteres über- zieht den in der Alveole des Kiefers steckenden Theil des Zahnes, die Zahnwurzel, ersteres den frei in die Mundhöhle vor- /W$s ragenden Theil desselben — die Zahnkrone. Da, wo Zement und Schmelz anein- anderstossen, befindet sich der Zahnhals. Die Hauptmasse des Zahnes besteht hingegen aus Dentin, das sowohl in der Krone, als auch in der "Wurzel vorhanden ist. Sämmt- liche eben genannten Sub- stanzen des Zahnes sind durch Gehalt an Kalksalzen hart. Jeder Zahn schliesst in sich eine von Dentin umgebene Höhle, die P u 1 p a h ö h 1 e , ein, welche mit einer weichen , faser-, gefäss- und nerven- reichen Pulpa ausgefüllt ist. Derjenige Theil der Pulpahöhle, der sich in der Achse der Zahn- wurzel findet, heisst Wurzel- kanal; durch eine Oeffnung des letzteren verbindet sich die Pulpa mit dem perio- stalen Bindegewebe der Alveole. Der Schmelz ist eine ausserordentlich harteSubstanz, die härteste des Körpers und lässt sich in dieser Beziehung mit dem Quarze vergleichen. An unversehrten Zähnen ist der Schmelz von einem sehr resistenten, äusserst dünnen, strukturlosen Schmelzoberhäutchen überzogen. Im Schmelz ist sehr wenig organische Substanz enthalten (3 — 5 °/o). Er löst sich in Folge dessen fast ohne Rückstand in Säuren auf. Die den 'Dentin - Zement ; Fig. 102. Schema eines Längsschliffes durch einen einwurzeligen Zahn des Menschen. Im Schmelz sieht man die S ehr eg er 'sehen Linien. 154 DentiD. Schmelz zusammensetzenden Elemente sind prismatische Säulen, welche seine ganze Dicke, also vom Oberhäutchen bis zum Dentin durchsetzen. Diese Schmelzprismen sind an der Oberfläche bedeutend dicker als am Zahnbein, ihr Querschnitt ist polygonal. Sie werden miteinander] durch Kittsubstanz verbunden, welche etwas resistenter als die Substanz der Prismen selbst ist. Beim erwachsenen Menschen sind sie vollständig homogen , lassen aber bei Föten und sogar noch bei Neugeborenen eine (fibrilläre) Längsstreifung er- Schmelz InterglobvT.ärer Baum Verzweicung der Dentinröhrchen -- Dentinröhrehen Fig. 103. Stück eines Zahnschliffes vom Menschen, Schmelz und Dentin zeigend. Technik Nr. 213. 170 mal vergr. kennen. Während ihres Verlaufes durch die Dicke des Schmelzes ändern sie durch Biegungen in regelmässiger Weise ihren Verlauf und durchkreuzen sich gruppenweise nach bestimmten Regeln. Dieses giebt die Veranlassung zu dem schon mit Lupenvergrösserung an einem ZahnschliiT wahrnehmbaren gestreiften Aussehen des Schmelzes (Schreger'sche Streifen). Das Dentin oder Zahnbein ist nach dem Schmelz das härteste Gewebe des Zahnes. Nach dem Entkalken bleibt hier eine Substanz übrig, die leimgebend ist. Das Dentin wird von einem System von im Allgemeinen radiär verlaufenden Kanälen, den sog. Dentinröhrchen durchzogen, welche ihren Anfang in der Pulpahöhle nehmen und sich während ihres Verlaufes leicht S-förmig krümmen. Im äusseren Drittel verzweigen sie sich mehrfach und werden allmählich dünner. Sie gelangen in der Regel bis zum Schmelz, Zement. 155 ■Q t während einzelne von ihnen ausnahmsweise die Grenze des Schmelzes sogar überschreiten können. Bis zum Cement gelangen sie niemals, sondern lassen hier eine Dentinzone frei, in welcher die gleich zu erwähnende Grundsubstanz des Dentins allein vorhanden ist. Die Zahnröhrchen besitzen eine isolirbare Scheide, die Zahn- scheide (Neumann) und enthalten in ihrem ganzen Verlaufe einen fadenförmigen Fortsatz, die Zahnfaser, wel- cher als protoplasmati- scher Ausläufer gewisser Pulpazellen (Odontoblas- ten) anzusehen ist. Die Grundsubstanz des Den- tins besteht nach den Ent- deckungen v. E b n e r ' s aus Gruppen von Binde- gewebsfibrillen, welche in der Zahnwurzel im All- gemeinen parallel der Längsachse des Zahnes verlaufen und in der Zahnkrone senkrecht zu den Dentinröhrchen stehen. Die erwähnten S-förmigen Krümmungen der letzteren verursachen auch hier die mit Lupen- vergrösserung sichtbaren Schreger'schen Linien des Dentins. Im Dentin trifft man oft eigentümliche, unregelmässig geformte verzweigte Bäume — ■ Interglobular-Bäume, welche unverkalkt gebliebenen Stellen der Grundsubstanz entsprechen. Das Zement liegt dem Dentin eng an und ist ein Knochengewebe, das aus parallelen, in der Begel keine Havers 'sehen Kanäle enthaltenden Lamellen besteht. Es kommen aber auch Zementlamellen vor, welche eine Strecke weit auch der Knochenkörperchen entbehren. Als besonderes Charakteri- stikum des Zementes ist das Vorhandensein einer grossen Menge von Sharpey- schen Fasern (s. S. 83 u. T. 154), die sich namentlich in jenen Theilen an- häufen, welche keine Knochenkörperchen enthalten. Diese Fasern sind oft in unverkalktem Zustande anzutreffen. Die Grundsubstanz der Pulpa besteht aus feinsten Bindegewebsfibrillen und Zellen. Das Charakteristische für dieses Gewebe ist 1., dass die Fibrillen Fig. 104. A Stück eines Längsschliffes durch einen bleibenden Backen- zahn des Menschen ans der Mitte der Schmelzdicke, mit verdünnter Salzsäure geätzt. B tangentialer, C radiärer und D ein querer Schnitt durch das Dentin eines mensch- lichen Zahnes , die fibrilläre Struktur der Grundsubstanz zeigend. Aus von Ebner 91. a und 6 zwei Schichten, in welchen die Richtung der Schmelzprtfmen wechselt. Bei c sieht man die Zahnfaser und die Scheide ; e Fibrillen- grappen ; d ZahnkaDälchen. 156 Pulpa. Zement niemals zu Bündeln verbunden sind und 2. die gänzliche Abwesenheit der elastischen Fasern. Die Blutgefässe sind zahlreich; die Arterien pflegen mit den Nerven zusammen zu verlaufen und liegen oft in Furchen der Nervenstämm- chen. An der Oberfläche der Pulpa ist eine kontinuirliche Schicht von Zellen (Odon to- blasten) gelegen: es sind hohe Cvlinderzellen mit einem pulpa- wärts liegenden Kerne und mit 2 — 3 dentinwärts verlaufenden Fortsätzen. Diese Fortsätze sind eben diejenigen Fasern , welche in den Dentin röhrchen verlaufen und als Dentin fasern bereits erwähnt wurden. Pulpawärts sen- den die Odontoblasten ebenfalls, in der Regel aber nur einen Fort- satz. Solche Fortsätze kann man mitunter sich verflechten und auf diese Weise Netze bilden sehen. Die Verbindung zwischen Zahn und dem Periost der Alveole geschieht durch die Wurzelhaut des Zahnes, das Zahnperiost. Letzteres besteht aus Bindegewebsbündeln, welche sich direkt in die Sh arpey 'sehen Fasern des Zementes fortsetzen. Gegen den Zahnhals zu, geht die Wurzelhaut kontinuirlich in die Submucosa des Zahnfleisches über. Manchmal findet man in der ersteren eigenthüm- liche Zellenanhäufungen, welche als Reste des Schmelzorganes (s. unten) zu deuten sind. Dontin Fig. 105. Stück eines Zahnschliftes vom Menschen, Zement und Dentin zeigend. 212 mal vergr. Technik Nr. 213 (s. auch pag. 92). i>?ine, interglobuläre Räume (Thomes'sche Körner- schicht.) b) Ent Wickelung der Zähne. Die erste Anlage der Zähne erfolgt bereits im zweiten Fötalmonat und ist gekennzeichnet durch die Entwicklung einer längs des inneren Kieferrandes ziehenden Furche, der Zahn für che. Vom Boden der letzteren geht eine epitheliale Leiste aus, welche die Anlage des Schmelzorganes liefert und als Zahn leiste (Schmelzleiste) bezeichnet wird. An denjenigen Stellen, an welchen die Milchzähne auftreten werden, und entsprechend ihrer Zahl bildet die Zahnleiste solide Einsenkungen, Wucherungen, die man Schmelzorgane bezeichnet. Entsprechend den verschiedenen Stadien der Zahnentwickelung ist das Schmelzorgan zuerst kolbenförmig, dann verbreitet sich seine Basis, flacht sich ab und wird schliesslich durch eine gegen das Organ wachsende Binde- gewebspapille eingestülpt, der ganze Keim wird hierdurch flaschenförmig mit ausgehöhltem Boden. Während dieser Zeit wächst das Schmelzonran immer Zahnleiste. 157 :jfc- ■:''':' ■'■■: Fig. 106. Fig. 107. m. _ '_' gB-- & X fefiö-- P LA Fig. 108. Fig. 109. Vier Stadien aus der Entwicklung des Zahnes vom Schafembryo (aus dem Unterkiefer)- Schuitte. Fig. 106 Anlage des Schmelzorganes mit dem Mundepithel durch die Zahnleiste verbunden. Fig. 107 erste Anlage der Zahnpapille. Fig. 108 weiter vorgeschrittenes Stadium mit grösserer Papille und sich differenzirender Schmelzpulpa. In Fig. 109 sprosst aus der Zahnleiste die Anlage der Zahnleiste (Schmelzleiste i des bleibenden Zahnes. Auf der Papille differenziren sich die Odontoblasten. Fig. 106, 107 und 10S 110 mal vergr. Fig. 109 40 mal vergr. a Epithel der Mundhöhle ; b die basale Schicht derselben; c die oberflächlichen Zellen des Schmelzorganes; d Schmelzpulpa; p Zahnpapille; s Schmelzbildner (Adamantoblasten); o Odontoblasten; S Zahnleiste des bleibenden Zahnes; v Theil der Zahnleiste des Milchzahnes; u Bindegewebe der Umgebung. 158 Bildung des Schmelzes. mehr in die Tiefe, bleibt jedoch durch einen epithelialen Strang, die Zahn- leiste, mit dem Epithel des Kiefers verbunden. Die Zahnleiste liegt jetzt auf der medialen Seite des Schmelzorganes. In diesem Stadium besteht letzteres aus einer äusseren Lage von cylindrischem Epithel , welches die direkte Fortsetzung der basalen Zellen des Epithels der Mundschleimhaut ist, während im Innern des Organes das Epithel (ein Derivat des Stratum Malpighi des Mundepithels) eine Umwandlung erleidet, indem zwischen seinen Zellen, also in den interspinalen Räumen (siehe Haut), sich Plasma ansammelt, wodurch die Zellen auseinanderweichen, ihre Stacheln sich zu längeren Fortsätzen entwickeln, so dass jede Zelle schliesslich sternförmig wird. Auf diese Weise entsteht nach und nach die Schmelzpulpa. Das nächste Stadium wird dadurch charakterisirt, dass die Binde- gewebspapille immer mehr in die Höhe wächst und das Schmelzorgan sie nun kappenförmig von allen Seiten umhüllt. Die cylindrischen, der Papille anliegenden Zellen des Schmelzkeimes (Adamantoblasten) werden hoch) durchlaufen weitere Veränderungen und werden schliesslich zu den Schmelz- prismen des Zahnes. Die dem Schmelzorgan zugewandte Peripherie der Zahn- papille ist ebenfalls von einer Reihe hoher cylindrischer Zellen eingenommen (Odontoblasten), welche letztere also bindegewebigen Ursprungs sind und später das Zahnbein hervorgehen lassen. Während dieser ganzen Zeit sondert sich vom umgebenden Bindegewebe eine zellen- und faserreiche Schicht ab, welche die Anlage des Zahnes um- hüllt und das sogenannte Zahn säckchen bildet. Was zunächst die Ausbildung des Schmelzes betrifft, so muss angegeben werden, dass die basale, der Papille zugewandte Fläche der Adamantoblasten eine Cuticula bildet, die sofort zu einer einheitlichen Bildung wird. Dann sondert die Zelle, wie angenommen wird, durch die Cuticula hindurch, eine faserig erscheinende Masse ab (T h o m e s 'sehe Fortsätze), die später verkalkt und homogen wird. (Vielleicht entsteht die fragliche Substanz als eine Ver- dickung und Differenzirung der Cuticula selbst.) Die Verkalkung beginnt in der Mitte je eines einem Zellterritorium entsprechenden Abschnittes der gebildeten Masse, erfolgt aber zwischen diesen Territorien, also innerhalb der Zellgrenzen , erst später (Kittsubstanz). Dieser Prozess schliesst damit ab, dass die Adamantoblasten sammt ihrem Kerne und sammt dem ganzen übrigen Theile des Schmelzorganes zu Grunde gehen. Hierdurch kommt die Cuticula oberflächlich zu liegen und wird schliesslich zum Oberhäutchen des Zahnes. Durch einen ähnlichen Prozess wird von Seite der OdontoblasteD das Dentin gebildet. Hier bilden die epithelial angeordneten Zellen nach aussen eine homogen aussehende Masse, die sich bald zu einer kontinuir- lichen Schicht gestaltet, indem die Produkte benachbarter Zellen zusammen- flicssen. Diese Bildung wird als Membrana pr aeformati va bezeichnet. Die weitere Entwickelung des Dentins ist aber von der des Schmelzes ver- schieden. Am Dentin entsteht die Grundsubstanz auf Kosten des äusseren Bildung des Dentins. 159 d '- ö^fe 8p - Schmelzpulpa- H*. ■£ Schmelzbildner FF ;- ■; . £ e - € ^ ö ö §o #& Fig. 115. Die mit a bezeichnete Stelle der vorigen Fig. bei stärkerer Vergrösserung. Etwa 150 mal vergr. a im Epithel vorhandene Leukocyten ; l eine der Höhlen im Epithel , -welche mit Leukocyten und mehr oder weniger veränderten Epithelzellen ausgefüllt ist. Am Boden der Mundhöhle ist die Submucosa sehr locker und ver- schiebbar. 3. Drüsen der Mundhöhle. Die Drüsen der Mundhöhle werden eingetheilt in solche, die lediglich Schleim secerniren (z. B. die Gl. subungualis des Menschen), in solche, die eine eiweissartige, schleimfreie Flüssigkeit absondern, die serösen, oder Eiweiss- drüsen (z. B. die Gl. parotis des Menschen) und in solche, deren Sekret gemischter Natur ist (z. B. die Gl. submaxillaris des Menschen). — Die grossen Drüsen der Mundhöhle, sowohl Schleimdrüsen als seröse und gemischte Drüsen, sind sämmtlich zusammengesetzte alveoläre Drüsen, deren Ausführungsgänge in die Mundhöhle münden. Die Haupt- ausführungsgänge besitzen stets ein hohes zweizeiliges Epithel (Steiner). In sie münden kleinere Ausführungsgänge zweiter Ordnung mit niedrigerem Epithel und vielfachen dichotomischen Verzweigungen ein, von welchen letzteren eine jede mit einem secernirenden Schlauche endigt. Diese Schläuche lassen wiederum mehrere Abtheilungen unterscheiden. Dem Ausführungsgang schliesst sich ein cylindrisches Stück, die Speichelröhre an. Ihr Epithel ist hoch und ausserdem dadurch gekenn- zeichnet, dass die basale Hälfte der Zellen gestrichelt ist, was als eine Auffaserung aufgefasst wird. Auf die Speichelröhre folgt ein sehr kurzes enges Röhrchen mit niederem Epithel, das Schaltstück, auf dieses ein 166 Parotis. Fig. 116. Schema einer Speicheldrüse. breites, nicht überall gleich starkes, viel- fach gewundenes Stück, das Hauptstück, welches aber je nach Art der Drüse ein charakteristisches Epithel aufweist. Zwischen der Membrana propria und dem secernirenden Epithel des Schlauches, namentlich im Hauptstück vertreten, sind sogenannte Korbzellen vorhanden, verästelte, mit einander an- astomosirende Zellen, welche auch zwischen die Drüsenzellen Fortsätze hineinsenden und im Ganzen als Stützapparat der Drüse aufgefasst werden. In inniger Berührung mit den Stützzellen steht die den ganzen Drüsenschlauch umfassende homogene Membrana propria. Zwischen die zu Gruppen vereinigten Schläuche dringt das Bindegewebe in Begleitung zahlreicher Gefässe und auch Nerven ein und verursacht eine Scheidung der Drüse in grössere und kleinere Läpp- chen. a) Grosse Drüsen. a) Glandula parotis (seröse Drüse). Das Epithel des Hauptstückes dieser Drüse ändert seine Beschaffen- heit je nach dem physiologischen Zustande derselben. Im ruhenden Schlauche sind die secernirenden Zellen wenig granulirt (Protoplasma), ihr Kern ist unregelmässig, gezackt und sie enthalten viel hellen Sekretstoff (Paraplasma). Am Anfange der Thätigkeit werden diese Zellen etwas trübe und kleiner, ihr Kern rundet sich ab: die Zelle hat einen Theil des Sekretstoffes ausge- schieden, während das Protoplasma an Volumen zugenommen hat. Am Ende einer längeren Sekretionsperiode wird die Zelle noch kleiner und ihr Inhalt noch trüber: sie enthält nur noch wenig Sekretstoff und besteht fast aus- schliesslich aus Protoplasma. Diese Phänomene kann man nicht anders deuten, als dass man während der Ruhe das Paraplasma sich auf Kosten des körnigen Protoplasmas bilden lässt. ß) Glandula subungualis (Schleimdrüse). In dem Hauptstück der Schleimdrüsen überhaupt finden wir stets zweierlei Art von Zellen: die einen sind protoplasmareich, sichelförmig, sich der M. propria anschmiegend, die Zellen der anderen Art sind die Schleimzellen. Subungualis. 167 Erstere werden als Gianu z zi'sche Halbmonde, oder als Heiden- hai n 'sehe Randzellenkomplexe bezeichnet. Diese Halbmonde nun bestehen ent- 'äffe Mi r- c V^&y'^M-'Ti ^'Xt s-S^^-l'/jy Hauptstück ','.-.' ';'.^v>'/T .!>>'' '. ''y'-- S'jr^^-f'if: Speichelröhre ;'■-;■ ' '.,"\ Z. Bindegewebe ..•._...-. -■-'. ' ■'- '■--■•- — Z'-'isch^n den "-;' p •>■ .-'" - * ■ _ ■ --•-'.■ ■■', . • K Läppchen |§r~ Blutgefäss *@ ^2® 1= Fig. 117. Theil eines Schnittes durch eine Speicheldrüse eines Kaninchens mit injicirten Gefässen 70 mal vergr. Er — Spaichelröhre Schaltstück Fig. 118. Aus einem Schnitt durch die Gl. parotis des Menschen. weder aus einer einzigen, oder aus einem Komplex dicht neben einander liegender Zellen. Im letzteren Falle bildet die Gesammtheit der Zellen einen Halb- 168 Gianuzzi' sehe Halbmonde. mond, wobei nicht selten die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen nicht wahr- genommen werden können, so dass die ganze Bildung wie eine Riesenzelle aussieht. Die anderen Elemente sind helle, Schleim enthaltende Zellen, welche entweder einen wandständigen oder mehr in der Mitte liegenden Kern auf- weisen. Schaltstück Gianuzzi '- scher Halbmond Fig. 119. Aus einem Schnitt durch die Gl. subungualis des Menschen. Je nach der Thätigkeit ändert sich das Aussehen der betrachteten Zellen: in der Ruhe sind die Schleimzellen sehr gross, ihr Kern stets wand- ständig, die Halbmonde sind flach und an die M. propria gedrückt. Während der Thätigkeit nehmen die Schleimzellen an Volumen ab und werden trüber; ihr Kern verlässt die wandständige Lage und wird grösser. Die Halbmonde vergrössern sich und ihre Anzahl wird, wie es scheint, ebenfalls etwas grösser. Hat eine Schleimdrüse längere Zeit anhaltend secernirt, so vermindert sich die Zahl der Schleimzellen und diejenigen von ihnen, welche übrig geblieben sind, werden sehr klein und sehr trübe. Die Zellen der Halbmonde sind entschieden vermehrt und bilden die Hauptbestandteile des Inhaltes des Hauptstückes. Nach allem Gesagten kann der Sekretion sprozess der Schleimdrüse folgendennassen aufgefasst werden: in dem Maasse als die Zellen Schleim secerniren, vermindert sich ihr Protoplasmagehalt; einige dieser Zellen können hierbei zu Grunde gehen. Die letzteren werden durch Elemente ersetzt, welche aus den Zellen der Gi an u zzi 'scheu Halbmonde herzuleiten sind. Die nicht verbrauchten Schleimzellen und die aus den Halbmonden neu hinzugekom- menen Elemente bilden sich bei dem nun folgenden Sekretionsprozess abermals zu Seh leim zellen um. In der ersten Anlage ist das Hauptstück nur aus einerlei Zellen zu- sammengesetzt und erst später tritt eine Differenzirung in den Zellen ein, indem die einen sich in Schleimzellen umwandeln, sich dabei vergrössern Submaxillaris. 169 und die übrigen hierdurch an die Wand drängen, welch' letztere dann sich zu Gianuzzi'schen Halbmonden gruppiren. Stöhr vertritt die Ansicht, dass die Zellen bei der Schleimsekretion niemals zu Grunde gehen; nach ihm sind die Gianuzzi'schen Halbmonde deshalb nichts anderes, als ein Komplex von secernirt habenden Zellen, welche von den benachbarten, eben secernirenden an die Wand gedrängt worden sind. Hinsichtlich der Betheiligung des Schaltstückes und der Speichel- röhren an der Sekretion sei hier die Angabe Merkels erwähnt (83), nach welcher das erstere einen Theil des im Speichel vorhandenen Wassers aus- scheidet, während das Stäbchenepithel der letzeren die im Speichel nachweis- baren Salze liefert (s. Technik). Diese Annahmen Merkels sind aber in Frage gestellt worden, indem durch chemische Analysen gezeigt wurde, dass die relativen Mengen des Wassers und der Salze in den Sekreten der Speicheldrüsen in keinem Verhältniss zu der Zahl der Schaltstücke und Speichelröhren stehen. So findet Wert her z. B., obwohl in der Parotis des Kaninchens sehr viele und in der Submaxillaris des Hundes gar keine Schaltstücke vorhanden sind, dass die Sekrete beider Drüsen gleiche Mengen Wasser ent- halten; die Sekrete der Parotis des Kaninchens und die Subungualis des Hundes weisen ferner gleiche Mengen Salze auf, trotzdem in der ersteren Drüse sehr zahlreiche und in der letzteren gar keine Speichelröhren mit Stäbchen epithel vorkommen. y) Glandula submaxillaris (gemischte Drüse). Auf die gemischten Drüsen brauchen wir nicht näher einzugehen, bemerken nur, dass die Sekretion des Schleimes und der serösen Flüssigkeit hier gleichzeitig vor sich geht, aber auf verschiedene neben einander liegende Schläuche vertheilt ist. b) Kleine Drüsen. Ausser den grossen Drüsen kommt in der Mundhöhle noch eine grössere Zahl von kleinen zusammengesetzten alveolären Drüsen vor. Es sind grösstenteils gemischte Drüsen, die nach dem Orte ihres Vorkommens als Gl. labiales, buccales, palatinae und linguales benannt werden. Seröse Drüsen kommen in der Zunge als v. Ebner 'sehe Drüsen vor; sie münden in die Wälle der Papulae circumvallatae und foliatae (Fimbriae) aus. Das Charakteristische sämmtlicher kleinen Drüsen der Mundhöhle ist das Fehlen der Speichelröhren und eines deutlichen Schaltstückes, so dass die secernirenden Schläuche lediglich aus dem, dem Hauptstücke grosser Drüsen gleichwertigem Theile gebildet sind. Es scheint, dass die kleineren Schleimdrüsen in der Regel der Halbmonde entbehren. 170 Schleimhaut des Pharynx und Oesophagus. B. Pharynx und Oesophagus. Die Schleimhaut dieser beiden Abschnitte des Tractus intestinalis schliesst sich ihrem Baue nach im Wesentlichen der Schleimhaut der Mund- höhle an. Das Epithel ist ein geschichtetes Pflasterepithel, in welchem auch hier Riffzellen und Keratohyalin (s. Haut) vorkommen. Nur im Fornix, in der Nähe der Choanen, ist flimmerndes mehrzelliges Epithel vorhanden. Bei Föten ~ Epithel g|^v?__ Stratum pro- \ prium C*-- Muscularis ranc. f. Submvicosa „__ Cirkuläre Muskelschichte . Longitudmale Muskelschichte _ Aeusseres Binde- gewebe Fig. 120. Durchschnitt durch den Oesophagus eines Hundes. 18 mal vergr. und Neugeborenen ist die mit flimmerndem Epithel versehene Region ausge- dehnter; sie erstreckt sich hier über das ganze Cavum pharyngo-nasale. Die oberflächlichen Epithelzellen des Oesophagus flimmern bei Embryonen des Menschen bis zur 32. Woche. Die Papillen des Stratum proprium sind locker angeordnet und sind schmale Kegel. Das retikuläre Gewebe ist sehr zellenreich, und an einigen Stellen kommt es zur Bildung von Tonsillen (s. oben). Im submukösen Gewebe liegen spärliche Schleimdrüsen, welche namentlich im Oesophagus Oesophagus. 171 Gianuzzi'sche Halbmonde enthalten. Diese Drüsen münden beim Menschen nicht zwischen, sondern auf den Kuppen der Bindegewebspapillen aus. Eine zwischen Mukosa und Submukosa liegende Schicht glatter, vor- wiegend longitudinal angeordneter Muskelfasern (Muscularis mucosae) treffen wir nur im Oesophagus, nicht aber im Schlundkopf. AI veus der Drüse Stratum pro- prium 'JpA Basale Epithel- 3jSr"' zellen ■ - Drüsenzellen :X1- Lumen Verzweigte Papille Fig. 121. Theil eines Schnittes durch den Oesophagus des Menschen, die Drüseninündung zeigend. 120 mal vergr. Die äussere Muskulatur des Schlundkopfes ist aus quergestreiften Fasern zusammengesetzt und sehr komplizirt angeordnet. Im Oesophagus ist diese Muskulatur ungefähr bis zur Mitte desselben verbreitet und besteht hier aus einer äusseren longitudinalen und einer inneren cirkularen Schicht. In der unteren Hälfte der Speiseröhre pflegen ausschliesslich glatte Fasern vorzu- kommen; in der Regel reichen sie nach oben bis in den Bereich der quer- gestreiften Fasern hinein. 172 Allgemeines über die Schleimhaut des Darmes. C. Magen und Darm. 1. Bau der Schleimhaut im Allgemeinen. Im Gegensatz zum Oesophagus und der Mundhöhle ist das Epithel der Schleimhaut des Magens und Darms ein einschichtiges, hohes Cylinder- epithel. Dasselbe besitzt im Darm einen stets deutlichen gestrichelten Cuticularsaum und einen in der unteren Hälfte der Epithelzelle liegenden Kern. Der dem Lumen zugekehrte Theil der Zelle pflegt eine protoplas- matische Strichelung aufzuweisen, die basalwärts bis in die Umgebung des Kernes reicht. Der basale Theil der Zelle besteht aus kompakterem Proto- plasma und läuft in einen kürzeren oder längeren Eortsatz aus, der sich der Basalmembran anschmiegt, vielleicht sogar in dieselbe eingeht. Die Epithelzellen haben die Fähigkeit zu verschleimen, ein Vorgang, der im normalen Zustande nur selten ganze Reviere des Epithels umfasst, die verschleimten Zellen finden sich meistens von gewöhnlichen Zellen umgeben. (Hinsichtlich des Näheren über Becherzellen siehe im allg. Theil S. 63.) Das Epithel bildet im ganzen Darmkanal einfache, verzweigte und zusammengesetzte tubulöse und alveoläre Drüsen. Es sind Einstülpungen, welche in dem Stratum proprium liegen und selten darüber hinaus in die Submukosa (s. unten) reichen. Das Stratum proprium selbst ist ein Ivmphoides, relativ zellenarmes Ge- webe, welches stets die zwischen den Drüsen vorhandenen Interstitiell ausfüllt und unter dem basalen Ende der Drüsenschläuche oft eine dünne, aber immer kontinuirliche Schicht bildet (granulirte Schicht J. Mall). Die Mächtigkeit des Stratum proprium steht selbstverständlich im umgekehrten Verhältniss zur An- zahl und zur Dichtigkeit der Anordnung der Drüsen. Da, wo die letzteren in einer grossen Menge vorhanden sind, ist das Str. proprium auf ein Minimum reduzirt (z. B. im Magen). In gewissen Abschnitten des Darmes bildet es vom Epithel bekleidete, in das Darmlumen ragende Erhebungen (Zotten), wodurch die Schleimhautoberfläche eine wesentliche Vergrösserung erfährt. Besondere aus Verdichtungen des lymphoiden Gewebes der T. propria entstehende Bildungen sind die sogenannten solitären Lymph knoten. Aus Anhäufungen der letzteren entstehen grössere, als konglobirte Fol- likel oder Peyer'sche Plaques, Tonsillae intestinales bezeichnete Lymphorgane, welche bei besondere starker Ausbildung bis in die Submukosa hinein reichen können, Auf das Stratum proprium folgt eine aus zwei oder drei Lagen bestehende Schicht glatter Muskelfasern, die Tunica muscularis mucosae. Sie zeigt in der Regel eine innere cirkuläre und eine äussere longitudinale An- ordnung ihrer Fasern. Nur an ganz bestimmten Stellen wird die Muscularis Die Schichtung der Darmwand. 173 mucosae und zwar da, wo grössere Drüsen und Follikel durch sie hindurch in die Submukosa eindringen, unterbrochen. Das Epithel mit seinen Derivaten (Drüsen), das Stratum proprium mit den Lymphknoten und die T. muscularis mucosae bilden zusammen die Schleimhaut, die Tunica mucosa. Auf die Schleimhaut folgt die bindegewebige Tunica s üb mucosa: Epithel der Zotte Zottenvene Centrales I Chvlusgefäss der Zotte Zottenarterie Darmdrüse (Gl. intestinalis) Zottenbasis Arterie Chvlusgefäss Stratum pro-r- prium Muscularis muc. Cirkuläre Muskelschicht Lyn:phgefäss- plexus •7 Longitudinale Muskelscliicht mit der Serosa Vene Fig. 122. Scheinatiseher Querschnitt durch den Dünndarm des Menschen, z. Th. nach J. Mall. sie ist durch lockeren Bau ausgezeichnet, wodurch eine grosse Verschiebbar- keit der Schleimhaut bedingt wird. Im Jejunum bildet sie eine Anzahl nicht verstreichbarer, im Allgemeinen querverlaufender, sich unter einander ver- bindender Falten, welche als Plicae conniventes Kerkringii bezeichnet werden. Im Duodenum befinden sich in der Submukosa die Drüsenkörper der Brunn er'schen Drüsen und im Dünndarm die grösseren Lymphknoten und die Pey er'schen Plaques, welche besser als Tonsillae intestinales zu be- zeichnen wären. 174 Die Gefässe des Darmes im Allgemeinen. Auf die Submukosa folgt die eigentliche Tunica muscularis, welche im Allgemeinen aus zwei Schichten glatter Muskelfasern zusammen- gesetzt ist. Die innere Schicht besteht aus cirkulär verlaufenden Fasern ; in der äusseren sind sie longitudinal angeordnet. Die Längsmuskulatur bildet im Colon besondere, aus einer Anhäufung von Fasern bestehende Bänder, die Taeniae coli. Auch die Ringmuskulatur erfährt wechselnde, aber ge- ringere Verstärkungen und zwar in den bekanntlich zwischen den Taeniae liegen- den und die Bildung der Haustra bedingenden Plicae sygmoideae, an welchen letzteren übrigens auch die longitudinale Schicht sich mit be- theiligt. Im Rektum bildet die Ringmuskulatur den M. sphincter ani internus. Im Magen tritt zu den beiden Schichten eine dritte Schicht schräg verlaufender Fasern hinzu. Sie liegt nach innen von der cirkulären, bildet aber keine kontinuirliche Lage. Die äussere Wand des Darmes ist vom Peritoneum überzogen, das aus einer inneren, sehr dünnen, bindegewebigen, und einer äusseren, epi- thelialen Lage gebildet wird, — Tunica serosa. Das Allgemeine, was sich über die Blutgefässe des Tractus intesti- nalis sagen lässt, isi ungefähr Folgendes (das Spezielle wird bei den einzelnen Darmabschnitten abgehandelt): Von der Seite des Mesenteriumansatzes dringen die Arterien in die Darmwand ein und durchbohren die Längsmuskulatur. An der Grenze zwischen dieser und der Ringmuskulatur geben sie Zweige ab, die, sich mit einander verbindend, ein intermuskuläres Netz herstellen, von welchem aus Aestchen in die Muskulatur abgegeben werden. Der Arterien- stamm durchbohrt nun die cirkuläre Muskulatur und bildet in der tieferen Schicht der Submukosa ein weitmaschiges, aus dickeren Gefässen bestehendes Netz, den H eil er 'sehen Plexus (J. Mall). Von diesem gehen radiäre Aest- chen zur Muscularis mucosae ab und bilden unmittelbar unter derselben ein engmaschiges Netz von feineren Gefässen. Aus dem letzteren und dem Heller 'sehen Plexus gehen Zweige ab, welche die Muscularis mucosae durch- bohren, um sich in der Schleimhaut in Kapillaren aufzulösen. Die aus der Schleimhaut zurückkehrenden Venen bilden unter der Muscularis mucosae ein feinmaschiges Netz, aus welchem viele radiäre Zweige abgehen, die abermals zu einem, hier aber aus gröberen Gefässen bestehenden und weitmaschigen Netz, zusammenfliessen. Aus dem letzteren entspringen dann Venen, die sich zu grösseren Stämmen vereinigen und neben den Arterien verlaufen. In dem Verlauf der Venengeflechte der Submukosa finden sich (nach J. Mall) beim Hunde an verschiedenen nicht näher bestimmbaren Orten feine venöse Wundernetze eingeschaltet. Die Lymphgefässe der Schleimhaut (Chylusgefässe) sammeln sich zu einem auf der Muscularis mucosae gelegenen tiefen Netze, dessen Maschen viel weiter sind, als die der Blutgefässe. Schon hier treten Klap- pen auf. Der Magen. 175 Ein weiteres, gröberes Lymphgefässnetz liegt in der Submukosa; aus ihm entwickeln sich schliesslich die ausführenden Gefässe, welche, die Mus" cularis durchbohrend, in das Mesenterium gelangen. Der Darmkanal besitzt sein eigenes Nervensystem, das vorzugsweise dem Sympathikus angehört. Zwischen den beiden Muskelschichten der äusseren Mus- cularis befindet sich ein aus weiten un- regelmässigen Maschen bestehendes Geflecht von grösstentheils marklosen Fasern und Ganglienzellengruppen zusammengesetzt ; die letzteren befinden sich meistens in den Knotenpunkten des Netzes (Plexus niyen- tericus Auerbachii). Dieser Plexus verbindet sich durch zahlreiche Anastomosen mit einem ähnlich beschaffenen, aber eng- maschigeren, in der Submukosa und Mukosa gelegenen Geflecht, dem Meissner'schen Plexus. Longitudinale Nervenzüge _ Quere Xerven- züge Ganglienzellen- grnppe Fig. 123. Stück eines Plexus inyentericus, die Kon- figuration desselben zeigend, aus dem Magen des Meei-schweinchen. Flächen- präparat (Goldchlorid) 18 mal vergr. Epithelzelle 2. Magen. Die Schleimhaut des Magens ist im Wesentlichen ebenso gebaut wie die des übrigen Darmkanals. Besondere Eigenthümlichkeiten zeigt sie da- durch, dass sie Gruben bildet (Magen- gruben), welche als Einsenk ungen des Epithels entstehen, und in welche die zahlreichen Magendrüsen einmünden. Im Fundus beträgt die Tiefe der Gruben ungefähr 1\§ — 1/s des Durchmessers der Schleimhaut. Im Pylorus sind die Gruben im Allgemeinen tiefer; viele derselben durchsetzen hier die Schleim- haut etwa bis zur Hälfte, manche reichen sogar bis zur Muscularis mu- cosae. Das die Gruben und die zwischen den Gruben liegenden Firsten be- kleidende Epithel besteht aus hohen, schlanken Elementen, deren Kern basal gelegen ist. Die nach dem freien Ende der Zelle gelegene Partie des Zellkörpers ist protoplasmaarm, hingegen reich an Paraplasma. Der um den Kern befindliche Theil des Zellkörpers enthält dichtes Protoplasma und Stratum pro- prium Basalmembran Fig. 124. Firsten- und Grubenepithel des Magens vom Menschen. 700 mal vergr. Technik Xr. 22S. 176 Magendrüsen. Magengrube und Drüsenhals *' : : Drüsenkörper läuft basal vvärts in einen umgebogenen , sich allmäblich verjüngenden Fort- satz aus, der mit einem ähnlich gerichteten der benachbarten Zellen in die Basalmembran eingeht. In eine Magengrube der Fundusregion münden beim Menschen 3 — 7 Drüsen (glandulae gastricae [s. str.]) aus, welche sich hier durch besondere Eigenthümlichkeiten, die wir nun eingehend zu betrachten haben, auszeichnen. Die Drüse ist ein einfaches Rohr, dessen innerer, in die Grube mündender Abschnitt etwas enger ist und als Drüsen- hals bezeichnet wird. Der Hauptabschnitt der Drüse heisst Drüsenkörper, die Region des unteren blinden Endes — Drüsengrund. Den Magendrüsen kommen speziell in der Kardia- und in der Fundusregion zwei Arten von Drüsenzellen zu. Die einen der letzteren liegen der Wand der Drüse, also der M. propria an, und kommen besonders zahlreich im Hals und im Körper, weniger zahlreich im Drüsen- grunde vor. Diese Zellen be- zeichnet man als Belegzel- len oder delomorphe Zellen _ Stratum pro- derDrüse (Rollet 70, R. Hei- denhain 69). Ihr Körper ist nach aussen oft mehr oder weniger hervorgewölbt, so dass eine solche Zelle sammt der M. propria eine Hervor- ragung nach aussen bildet (be- sonders deutlich beim Schwein, wo fast die ganze Zelle von der M. propria eingeschlossen wer- den kann und den Anschein er- weckt, als läge sie ganz ausserhalb der Drüse). Nach dem Drüsenlumen zu, passt sich ihre Kontur den angrenzenden Körpern der Zellen der anderen Art an und ist entsprechend der Zahl der letzteren mehrfach eingebuchtet. Zu- weilen sieht man einen Fortsatz der Belegzelle sich zwischen den anderen ■ - Drüsengrund Stratum pro- prium Fig. 125. Aus einem senkrechten Durchschnitt durch die Fundus- region des Magens vom Menschen. GOmal vergr. a und i> sicii kränzende Faserzäge der Muscularis mucosae; von a und b gehen Muskelfasern in die Tunica propria. Die Fasern der Sctiicht b durchbrechen die der Schicht a. Die Hauptzellen. 177 Fortsätzen der Belegzellen bis zum Lumen der Drüse durchzwängen. Die Belegzellen haben ein helles Protoplasma und enthalten in der Kegel nur einen Kern. Nach Erik Müller und Golgi (93) kommt im peripheren Theile des Protoplasmas der Belegzelle ein Kanalsystem vor, das je nach dem physiologischen Zustande der Zelle ein weites (Hunger) oder engmaschiges (Verdauung) Netz bildet und mit dem Drüsenlumen in Kommunikation steht. — Zuweilen gelingt es in den Belegzellen eine periphere, von dem »r* •/<■ *cv • «• > .0 •> all l > H > ! .*' • ! ') U i e :■& '/" '>->:.".« ^VÄ 1 Oesophagus- s?r« Ä ©Dithel Grenze zwischen Oesophagus und Magen Fig. 126. Aus einem Schnitt durch die Grenze des Oesophagus und der Kardia des Magens vom Menschen. 50 mal vergr. übrigen Zellenleib sich verschieden verhaltende Zone zur Anschauung zu bringen, z.B. bei der Maus nach der Methode von Altmann, vergl. T. 123. Die zweite Art von Drüsenzellen wird durch die Hauptzellen, oder die adelomorphen Zellen gegeben. Es sind kurze, unregelmässige Cylinder- zellen, die mit ihrem spitzeren Theil nach dem Drüsenlumen gerichtet sind. Sie liegen entweder direkt zwischen Lumen und Membr. propria der Drüse, oder ihre basale Fläche grenzt an eine delomorphe Zelle an. Sie sind im ganzen Drüsen- Böhm - v. Davidoff , Histologie. 12 178 Kardia und Pylorus. Magengrabe rg- schlauch verbreitet und füllen also den von den delomorphen Zellen übrig gelassenen Raum aus. Ihr Protoplasma ist dunkel und der Kern in der Regel etwas kleiner als der der Belegzellen. In beiden Zellenarten kommen auch beim Menschen nur äusserst selten Mitosen vor. In den Belegzellen kamen indessen auch pluripolare Mitosen zur Beobachtung. Was die Kardia betrifft, so wäre zu erwähnen, dass das Pflaster- epithel des Oesophagus hier plötz- Firstenepithei ----Yff3]^ ^ZP\ x. lieh mit einem abschüssigen Wall aufhört, wobei die basale Lage des Epithels in das einfache Cylinder- epithel des Magens kontinuirlich über- geht. In einer bestimmten, hart an der Kardia gelegenen Region der Magenschleimhaut können Schleim- drüsen (Kar diadrüs en) vorkommen, welche sich direkt an die des Oeso- phagus anzuschliessen scheinen. In die hier ebenfalls vorhandenen Magen- gruben münden also noch keine echten Magendrüsen ein. Die letz- teren beginnen erst in einiger Ent- fernung von der Kardia und sind hier kürzer als im Fundus. Im Pylorustheil des Magens sind die Verhältnisse etwas anders, — jedoch existirt zwischen Fundus und Pylorus keine scharfe Grenze, vielmehr ist eine Uebergangszone vorhanden, in welcher sich die Ver- hältnisse ganz allmählich abändern. Nach dem Pylorus hin werden die Magengruben nach und nach tiefer und die Belegzellen der Drüsen spärlicher. Hier fangen die Drüsen auch an, verästelt zu sein. In der Pylorusregion selbst reichen die Gruben sehr oft bis zur Hälfte der Schleimhaut, ja sogar bis zur Muscularis mucosae, in welchem Falle die zugehörigen Drüsen gewunden sind und im Ganzen parallel der erwähnten Muskelschicht verlaufen. Auch in letzterem Falle kommen verästelte Drüsen vor. Besonders wichtig ist es, dass in den Drüsen der Pylorusregion (Gl. pyloricae) nur eine einzige Zellenart vorhanden ist, Zellen, welche man mit den Hauptzellen der Fundusdrüsen zu vergleichen berechtigt ist. Sie sind hier cylindrisch gestaltet, in ihrer Form viel regelmässiger, ein Verhältniss, das vielleicht seinen Grund in der Abwesenheit der Belegzellen hat. •4 h Pylorusdrüso Stratum proprium Muse. muc. Fig. 127. Aus einem senkrechten Schnitt durch den Pylorus des Menschen, ca. 00 mal vergr. Technik Nr. 228. Sekretionsvorgang in den Magendrüsen. 179 Drüsenzelle - Theilungsstelle eines Drüsen- schlauches In der unmittelbaren Nahe des Pförtners werden die Pylorusdrüsen kürzer, und es treten in der Submukosa Drüsen auf, welche sich direkt den sogenannten Brunne ra- schen Drüsen des Duo- denums (Gl. duodenales) anschliessen. An dieser Stelle des Pylorus zeigen sich auch vereinzelte Zot- ten, Bildungen, die ihrem Wesen nach schon dem Duodenum angehören. Besonders wichtig sind die Veränderungen, welche das Epithel und die Drüsenzellen des Ma- gens während der Se- kretion erfahren. Diese Verhältnisse sind von R. Heidenhain (83) bei Thieren eingehend studirt worden. Nach den bisherigen Erfahrungen aber lassen sich diese Befunde ohne Weiteres auch auf die Zustände beim Menschen übertragen. 1. Im Hunger- zustand sind die Hauptzellen im Fundus hell und gross, die Belegzellen Fig. 128. Aus einem Schnitt durch die Pylorusregion des Menschen. 600 mal vergr. Technik Nr. 228. Haaptzelle - - Lumen ßelegzelle --■ Tumca propr. - - m& Fig. 129. Aus einem Schnitt durch die Fundusregion des menschlichen Magens. Hungerzustand. 500 mal vergr. Technik Xr. 229. klein. Während der ersten Verdauungsstunden bleiben die Hauptzellen gross, sind aber etwas getrübt, die Belegzellen vergrössern sich. Von der 6. — 9. Ver- dauungsstunde (beim Hunde) verkleinern sich die Hauptzellen und werden 12* 180 Sekretionsvorgang in den Magendrüsen. noch trüber, die Belegzellen bleiben gross, werden vielleicht noch grösser. Von der 15. St. angefangen kehrt das Bild des Hungerzustandes allmählich wieder zu- rück : die Hauptzellen vergrössern sich und werden hell ; die Belegzellen schwellen ab. 2. Im Pylorus sind die Zellen im Hungerzustande hell und mittel- gross und fangen etwa erst 6 Stunden nach der Nahrungsaufnahme an, sich zu vergrössern, wobei ihr Kern basal wärts rückt. Von der 15. Stunde an werden sie kleiner und trüben sich, ihr Kern rückt in die Mitte der Zelle. Da der Pepsingehalt der Magenschleimhaut, wie die chemische Unter- suchung gezeigt hat, mit der Vergrösserung der Hauptzellen, resp. der Pyloruszellen zunimmt und mit der Verkleinerung derselben abnimmt, xxmrm^ ^^3 i§| \ V J - : $ .&> 49^: M" % &^«w^; »Ü ü s m ÄS v- / --• © - *x Lumen Ton. propr. Hanptzeile Belegzelle Fig. 130. Aus einem Schnitt durch die Fundusregion des menschlichen Magens. Verdauungszustand, ca. 500 mal vergr. Technik Nr. 229. so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die Hauptzellen es sind, die dieses Ferment liefern und zwar in der Weise, dass ihr Protoplasma sich entweder direkt in das Ferment, oder zuerst in eine Vorstufe desselben um- wandelt. Es wird ferner angenommen, dass die Belegzellen die Säure des Magens ausscheiden. Die saure Reaktion dieser Zellen ist aber bis jetzt, trotz aller Bemühungen noch nicht strikte nachgewiesen. Ueber das Stratum proprium des Magens sei hier erwähnt, dass es im Fundus im normalen Zustande nur selten solitäre Lymphknoten enthält, häufiger in der Pylorusregion ; wohl abgegrenzte Knoten kommen, wie es scheint, konstant in der unmittelbaren Nähe des Pylorus selbst vor. Gefässe des Magens. 181 Die Muscularis mucosae ist in der Regel dreischichtig; die Fasern der einzelnen Schichten sind zu deutlichen, geflechtbildenden Bündeln an- geordnet. Einzelne Muskelfasern zweigen sich besonders oft von der inneren Schicht ab, biegen senkrecht um und verlieren sich in der Region der Drüsen. "SU Magenepithel ■ Region der Drüsenkörper ggg^-ss:-- Muse. muc. . Fig. 131. Schnitt durch den Fundus des Magen yon einer Katze. Die Blutgefässe sind injicirt. 60 mal vergr. Die Blutgefässkapillaren der Schleimhaut bilden um die Drüsen des Fundus Netze, welche besonders dicht in der Region des Drüsenkörpers und Halses angeordnet sind, d. h. dort, wo sich die meisten Belegzellen vorfinden. Ueber die äussere Muskelschicht der Magenwand muss besonders erwähnt werden, dass in die Bildung des sogenannten Sphincter pylori nur ihre innere und mittlere Lage eingehen. S. Fig. 135 (S. 186). Die Fasern der äusseren Lage durchziehen aber den Sphincter pylori und können bis in die Submukosa verfolgt werden. Kontrahiren sich die letzteren allein, wobei die Faserbündel des Sphinkter gewissermassen wie Rollen wirken, so muss hierdurch eine geringe Erweiterung des Pyloruslumens stattfinden (Dilatator pylori, Rüdinger 79). Aehnliche Vorrichtungen sind auch in der Muscularis mucosae des Magens vorhanden (s. Fig. 125). 3. Dünndarm. Die Schleimhaut des Dünndarms ist durch das Vorhandensein von Zotten (Villi intestinales) charakterisirt. Die letzteren sind mehr oder 182 Die Zotten des Dünndarmes. Zottenepithel weniger hohe, in das Darmlumen ragende, im Duodenum blattförmige Er- hebungen der Schleimhaut, welche bei der Resorption des Chymus thätig sind und durch ihre Anwesenheit die resorbirende Fläche des Dünndarms wesentlich vergrössern. Im Duodenum und im Anfange des Jejunums bildet die Schleimhaut ausserdem noch permanente Falten, auf welchen die Zotten sitzen und welche wahrscheinlich aus einer Verschmelzung der basalen Zotten- enden hervorgegangen sind. Die Form der Zotten ist im Jejunum eine cylindrische, im Ileum eine keulenförmige. Das Epithel der Darmschleimhaut über- zieht einerseits in konti- nuirlicher Schicht die Zotten, anderseits senkt es sich in die Tiefe des Str. proprium zur Bildung der Drüsen ein. Seine Beschaffenheit ist im Grossen und Ganzen überall dieselbe: es ist ein hohes cylindrisches Epithel , dessen freie Fläche mit einem ge- strichelten und ziemlich hohen Cuticularsaum ver- sehen ist. Die Basal- fläche des letzteren ist fast immer homogen und erscheint auf einem senk- rechten Durchschnitt als eine feine Linie; diese Bildung wird von einigen Autoren zum Protoplasma der Zelle gerechnet. Die Cuticularsäume benach- barter Zellen verschmelzen mit einander und bilden auf diese Weise eine zusammenhängende Membran, die man auf grossen Strecken von der Zotte ablösen kann. Der Zellkörper ist aus gekörntem oder netzförmigem, oder endlich parallel gestricheltem Protoplasma gebildet, in welchem öfters, nament- lich bei Anfängen der Schleimsekretion kleinere und grössere helle Vakuolen (Schleim, Paraplasma) enthalten sind; am freien Ende der Zelle, unter dem Cuticularsaum, können die letzteren zu einem grösseren Tropfen zusammen- fliessen. Der Kern liegt meistens im basalen Drittel der Zellen und bietet Zottenepithel -- ßecherzelle Lieberkühn'sche Drüse Muscuiaris muc. Fig. 132. Durchschnitt durch die Schleimhaut des Dünndarmes des Menschen. 88 mal vergr. Technik Nr. 228. Bei a collabirtes Chylusgefäss in der Zottenachse. Becherzelleu des Darmes. 183 .. sonst keine besonderen Eigenthümlichkeiten dar. Nur da, wo diese Kerne, wie z. B. in den schlauchförmigen Drüsen sich zur mitotischen Theilung an- schicken, liegen sie dem freien Ende der Zelle genähert. Man kann unter Umständen deutlich wahrnehmen, dass das basale Ende der Epithelzellen sich auch im Dünndarm zuspitzt und die Annahme, dass diese Basalenden der ^^m- - Zellen auch hier zur Grenz- schichte des Str. proprium (Basalmembran) in Beziehung stehen, hat viel Wahrschein- lichkeit für sich. Die ganze Frage befindet sich indessen noch in der Schwebe. Eine besondere Umwand- lung erleiden die epithelialen Zellen, wenn sie durch gestei- gerte Schleimproduktion sich in Becherzellen umbilden. Nach neueren Untersuchungen kann dieses mit jeder Epithel- zelle sowohl an der Zotten- oberfläche als auch in den schlauchförmigen (Lieber- kühn'schen) Drüsen geschehen. Manchmal sind sehr viele Zel- len in Becherzellen umgewan- delt, eine Erscheinung, welche mit der Verdauung und dem Füllungszustande des Darmes in Zusammenhang zu bringen ist. — Die Art und Weise, wie aus einer gewöhnlichen Epithelzelle eine Becher- zelle entsteht, lässt sich leicht erklären, wenn man die Wirkung in Betracht zieht, welche eine Anhäufung des Sekretes auf die Zelle ausüben muss. Die Zelle wird bauchig aufgetrieben und der Rest des Protoplasmas mit dem Kern gegen die verengte Basis der Zelle zurückgedrängt; der Cuti- cularsaum wird gedehnt, gegen das Lumen hervorgebuchtet und schliesslich durchbrochen, vielleicht auch abgeworfen. Nachdem die Zelle den Schleim expulsirt hat, kollabirt sie und verwandelt sich in ein schmales, fast stab- förmiges Gebilde mit lang ausgezogenem Kern um. Es wird angenommen, dass solche entleerte Becherzellen sich wieder zu gewöhnlichen Epithelzellen regeneriren und schliesslich abermals eine Umwandlung in Becherzellen er- leiden können. i r Fig. 133. Längsschnitt durch eine Zottenspitze aus dem Dünn- darm des Menschen. 900malvergr. (Flemming'sche Flüssigkeit.) a Gewebe der Zottenachse; b Fpithelzellen; c Becherzelle; d Cuticularsaum. 184 Glandulae intestinales. — Darmepithel Drüsenlumen — Becherzelle Das Epithel zeigt mitunter in seinen Zellen, aber namentlich zwischen denselben eingelagerte Leukocyten. Nach Stöhr (84, 89, 94) sollen alle diese Zellen auf der Durchwanderung in das Darmlumen begriffen sein. Dass ein Theil dieser Zellen in der That in das Lumen gelangt, ist wohl anzunehmen; aber es sind bisher keine Leukocyten im Cuticularsaum selbst beobachtet worden, und die Zahl der im Darmlumen vorgefunde- nen Zellen steht nicht im Verhältniss zu den im Epithel vorhandenen Leukocyten. Da man manche derselben sich im Epithel mitotisch thei- len sieht, so scheint die Annahme wahrschein- licher zu sein, dass ein Theil von ihnen nur be- m hufs der Theilung in das Epithel wandert (Chemo- taxis?), um nach Voll- endung dieses Prozesses in das Str. proprium wieder zurückzukehren. (Vergl. auch p. 36.) In den Raum zwi- schen den Zotten münden zahlreiche, schlauchför- mige, nur selten ver- zweigte Lieberkühn '- sehe Drüsen oder Krypten (Gl. intes- tina 1 e s) ein. Sie stehen pallisadenförmig neben einander, haben oft einen am pullenartig erweiterten Grund und erstrecken sich fast bis an die Muscularis mucosae, er- reichen dieselbe aber nicht. Sie sind nicht nur im Dünn-, sondern auch im Dick- und Mastdarm gleichmässig verbreitet. Ihre Zellen sind etwas niedriger als die der Zotten, hingegen kommt auch ihnen ein schmaler Cuti- cularsaum zu. Auch hier sind zahlreiche Becherzellen vorhanden, welche am Grunde der Drüse, vielleicht aus Anpassung an die starke Krümmung der Drüsen wand, eine abweichende Gestalt annehmen. Sie sind hier konisch, wobei die Basis des Kegels nach der Basalmembran, die Spitze nach dem Muscularis muc. Fig. 134. Aus einem Schnitt durch die Lieberkühn'schen Drüsen (Glandulae colicae) des Menschen. ca. 200 mal vergr. Glandulae duodenales. 185 Drüsenlumen gerichtet ist (umgekehrt wie in den Zottenspitzen). Die Gestalt der Becherzellen, während sie Schleim secerniren, ändert sich in den Drüsen nur wenig und nimmt niemals, wie in der Zotte, die Form eines gestielten Bechers an. In den Lieberkühn'schen Krypten werden stets Mitosen angetroffen, und zwar in Zellen, welche nicht verschleimt sind. Sie sind hier leicht wahr- zunehmen, weil die in Mitose stehenden Kerne, wie wir sahen, ausserhalb der Reihe der übrigen Kerne liegen. Die Theilungsebene der Zellen fällt in der Regel senkrecht zur Drüsenachse, so dass eine Vermehrung dieser Zellen zu einer Ausdehnung der Drüsenwand führen muss. Im eigentlichen Zotten- epithel wurden hingegen nur äusserst selten Mitosen beobachtet. Wenn da- her an der Oberfläche der Zotten Zellen zu Grunde gehen sollten, so wird der dadurch entstandene Verlust von emporrückenden neuen Elementen von der Drüse aus ersetzt (Bizzozero 89, 92. 1). Das ganze Duodenum, sowie auch der in der unmittelbaren Nähe des Pförtners liegende Abschnitt der Pylorusregion sind durch die Anwesenheit einer besonderen zweiten Drüsenform charakterisirt , — Drüsen , welche im Duodenum neben den Lieberkühn 'sehen , im Pylorus neben den Pylorusdrüsen vorkommen. Diese Brunner'schen Drüsen (Glandulae duodenales) sind zusammengesetzte verzweigte alveoläre Drüsen, an deren Schläuchen, namentlich am Drüsengrunde, man öfters ansitzende Alveoli an- trifft. Der Drüsenkörper liegt hauptsächlich in der Submukosa, ein Theil von ihm kann aber auch in der Mukosa selbst vorhanden sein. Sie münden entweder in die Magengruben (im Magen), oder frei in den Darm (zwischen den Zotten), oder endlich in die Lieberkühn'schen Drüsen. Die Drüsenzellen sind hier im Ganzen denen der Pylorusdrüsen ähnlich, nur erscheinen sie in der Regel etwas kleiner als die letzteren. Wie die Brunner'schen Drüsen z. Th. in den Magen hinein reichen, so erstrecken sich die Pylorusdrüsen des Magens auf den Anfangstheil des Duodenums. An dieser Stelle sind am letzteren neben kurzen Zotten auch noch Einsenkungen der Schleimhaut vorhanden, die den Magengruben durch- aus entsprechen. Die Lieberkühn'schen Drüsen fangen erst in einer ge- wissen Entfernung vom Pylorus an; sie sind anfangs kurz und erreichen erst dann die Muscularis mucosae, wenn die aus dem Magen sich bis hierher erstreckenden Drüsen aufhören (s. Fig. 135). Man sieht also, dass Bildungen des Pylorus und des Duodenums in- einander greifen, und dass eine schärfere Grenze zwischen den beiden Ab- schnitten wenigstens in der Schleimhaut nicht gezogen werden kann. Mit dem Duodenum hören die Brunner'schen Drüsen auf. Zwischen Jejunum und Ileum ist auch mikroskopisch keine scharfe Grenze aufzufinden. Die meisten Unterschiede sind nur quantitativer Natur: im Jejunum sind die Kerkring- schen Falten zahlreicher als im Ileum; die Zotten stehen dichter und sind 186 Grenze von Pvlorus und Duodenum. schlanker. Auch die Lieb er kühn 'sehen Drüsen scheinen im Jejunum zahlreicher zu sein. Das Ileum, mit Ausnahme des untersten Theiles des- selben, ist durch das Vorhandensein der P eye r 'sehen Plaques ausgezeichnet. =r3 >v Submukosa Longitudinale Muskelsohicht Spltincter pylori V — Muscuiaris muc ■ "" Pylorusdrüsen ^ÜP- . ~~--- --- Bnin nor'sche Drüsen Longitudinale Muskelschicht Cirkuläie Muskelschicht Lymphknoten Zotto Muscuiaris mue. Br un ncr 'sehe Druse Lieberkühn'sche Blutgefäss Drüsen Fig. 135. Aus einem Schnitt durch die Grenze von Pylorus und Duodenum des Menschen. ca. 18 mal vergr. Bei a greifen die Pylorusdrüsen auf das Duodenum über. Stratum proprium des Dünndarms. 187 Das Stratum proprium des Dünndarms ist ein lymphoides Gewebe mit darin liegenden Lymphzellen. Es beherbergt die Drüsen und erhebt sich mit den Zotten, deren Achse es bildet. Sowohl gegen die Drüsen, als auch gegen das Zottenepithel und jenes der übrigen Darmoberfläche ist es durch eine eigenthümliche Basalmembran abgegrenzt. Für die histologische Analyse bietet diese letztere einige Schwierigkeiten und deshalb sind die Meinungen über ihre Struktur und deren Deutungen noch sehr verschieden. Sie wird entweder als eine homogene, glashelle, äusserst feine Membran mit ein- gelagerten Kernen geschildert, oder als eine ganz aus platten Zellen be- stehende Lamelle angesehen. Jedenfalls sind Kerne in der Basalmembran enthalten. Unter derselben liegt eine mehr fibrillär gebaute dickere Schicht, welche mit dem Siratum proprium innig zusammenhängt und als eine Differenzirung der letzteren betrachtet werden kann. Gegen die Muscularis mucosae wird das Str. proprium durch eine gegitterte elastische Membran abge- schlossen (J, Mall, beim Hund), deren Lücken für den Durchtritt der Ge- f ässe, Nerven und Muskelfasern bestimmt sind. Die Muscularis mucosae besteht aus zwei Schichten von glatten Muskelfasern, deren Anordnung die gleiche wie auch in der äusseren Muskelhaut ist, d. h. sie besteht aus einer inneren cirkulären und einer äusseren longitudinalen Lage. Die Fasern sind öfters zu Bündeln gruppirt, die dann durch Bindegewebe von einander geschieden erscheinen. Von beiden Lagen, namentlich aber von der inneren, zweigen sich rechtwinkelig Muskelzüge ab, welche in die Tunica propria gelangen, zwischen den Lieberkühn'schen Drüsen verlaufen und bis in die Zotten vordringen. In den letzteren sind sie zu Bündeln angeordnet und liegen in der Nähe der Zottenachse, welche, wie wir sehen werden, durch ein Chylus- gefäss eingenommen wird. Die Kontraktion der Zottenmuskulatur bewirkt eine Zusammenziehung der Zotte. Sehr verbreitet in dem Stratum proprium des Dünndarms sind die Lymphknoten, welche entweder vereinzelt, als solitäre Knötchen, oder zusammengehäuft als sogenannte Peyer'sche Plaques vorhanden sind. — An der Stelle, wo solitäre Knoten vorkommen, pflegen die Zotten zu fehlen, während die Lieb er k ühn'schen Drüsen zur Seite gedrängt erscheinen. Der Lymphknoten hat in der Regel eine birnförmige Gestalt. Der dünnere Theil ragt etwas in das Darmlumen hervor, der dickere erstreckt sich bis zur Muscularis mucosae, welche oft eingebuchtet oder bei stärkerer Ausbildung des Lymphknotens sogar durchbrochen wird. Ueber die Zusammen- setzung der Knoten können wir uns kurz fassen, da letztere ganz ähnlich be- schaffen sind wie diejenigen der Lymphdrüsen (s. diese), d. h. aus einem mit Lymphzellen gefüllten Retikulum bestehen. Ausdrücklich sei hervorgehoben, dass jeder Knoten ein Keimcentrum besitzt. Die Peyer'schen Plaques (Tonsillae intestinales) sind nichts anderes als ein Haufen solcher einzelner Lymphknoten. Der Bau der letzteren ist genau derselbe. Die nach dem Darmlumen gekehrte Fläche des Knotens ist kon- 188 Gefässe des Dünndarmes. tinuirlich vom Darmepithel überzogen. Entsprechend dem Centrum des Knotens findet manchmal eine geringe Einsenkung des Epithels gegen den Knoten statt, welche bei einigen Thieren (Meerschweinchen) und namentlich in Knoten der P eye r 'sehen Plaques eine grössere Ausdehnung gewinnt, und zur Bildung einer sogenannten Krypte führt. Da, wo das Epithel mit dem Lymphknoten in Berührung kommt, ist es eigenthümlich verändert. In den meisten Fällen fehlt hier die Basalmembran und die Epithelien liegen dem lymphoiden Gewebe unmittelbar auf. Zwischen den beiden Bildungen fehlt jede Grenze (intermediäre Zone v. Davidoff) und man kann wohl sagen, dass ihre Beziehungen zu einander ausserordent- lich innige sind. Die basale Fläche der Epithelzellen ist ausgefasert und die Fasern scheinen kontinuirlich in das Retikulum des Knotens überzugehen. Was die Gefässe des Dünndarmes anlangt, so unterscheiden wir: 1. Zottenarterien und 2. Krypten arterien (für die Lieberkühn'schen Drüsen). Die ersteren entspringen hauptsächlich aus dem tiefen arteriellen Netz der Submukosa (s. oben), durchbrechen die Muscularis mucosae, theilen sich unter spitzem Winkel und verlaufen dann, keine weiteren Zweige ab- gebend, bis zur Spitze der Zotte. Innerhalb der Zotte selbst ist die Arterie axial gelegen. Ihre Kreismuskulatur geht innerhalb der Zotte allmählich verloren (Hund) und an der Spitze derselben zerfällt sie in eine grössere An zahl von Kapillaren. Diese bilden nun dichte Netze, welche unmittel- bar unter der Basalmembran in der Grenzschicht verlaufen. Die breiteren Zotten können zwei Arterien enthalten. Aus diesen Netzen entstehen venöse Kapillaren, die sich zu kleineren Venen sammeln, welche schliesslich in zwei oder mehr Zottenvenen einmünden. Diese verbinden sich mit dem in der Mukosa gelegenen Venennetz. Die hauptsächlich aus dem oberflächlichen Netz der Submukosa stammenden Krypten arterien passiren ebenfalls die Mus- kularis und zerfallen ausserhalb derselben in kapillare Netze, die die einzelnen Lieberkühn'schen Drüsen umspinnen und aus welchen wiederum Venen hervorgehen, die in den venösen Plexus der Mukosa einmünden. Die Venen des Plexus mucosus fliessen zu grösseren Stämmchen zusammen, welche mit dem venösen Plexus der Submukosa in Verbindung treten. Es ist hier er- wähnenswerth , dass beim Hunde diese Stämme innerhalb der Muscularis mucosae von einigen sich ringförmig um das Gefäss gruppirenden Muskel- fasern umgeben werden (Sphincter, J. Mall). Was die Gefässe der solitären Lymphknotens anlangt, so erwähnen wir hier nur, dass die Kapillaren nicht immer bis zum Centrum reichen und dass also in diesem Falle die Mitte des Knotens gefässlos bleibt. Die Anfänge der Lymph gefässe des Dünndarmes liegen in der Achse der Zotte. In gefülltem Zustande ist es ein ansehnlicher, unregel- mässig cylindrischer, kapillarer Schlauch, der im kollabirten Zustande kaum wahrgenommen werden kann. Ist die Zotte breit, so können zwei Central- kanäle in ihr vorkommen, die an der Spitze ineinander übergehen und auch Nerven des Dünndarmes. 189 durch kurze Anastomosen miteinander verbunden sind. An der Basis der Zotte geht dieser Centralkanal in ein Lymphkapillarnetz über, welch' letzteres dem Zusammenfluss solcher Kanäle seine Entstehung verdankt. Aus diesem Netze sammeln sich nun zahlreiche Lymphgefässe, welche in der Regel senkrecht die Schleimhaut durchsetzen und sich auf dem Grunde der Lieb er kühn 'sehen Drüsen zu einem Geflecht vereinigen. Die Minder- zahl der die Schleimhaut durchquerenden Lymphgefässe durchbohrt direkt die Muscularis mucosae, um sich mit dem submukösen Lymphnetze zu ver- binden. Das subbasale muköse Netz, von dem eben die Rede war, tritt ebenfalls durch radiäre kurze Aeste mit dem submukösen Lymphnetze in Verbindung. Die solitären Lymphknoten selbst enthalten keine Lymphgefässe, sondern werden an ihrer Peripherie von einem Lymphgefässkapillarennetz umsponnen. Dasselbe gilt auch für die Knoten der Pey er 'sehen Plaques. Von Interesse ist es, dass beim Kaninchen um die Peyer'schen Plaques Lymph- sinus vorkommen und ist dadurch eine.noch grössere Uebereinstimmung mit den Knoten der Lymphdrüsen gegeben. Die solitären Knoten desselben Thieres entbehren eines solchen Sinus. (Stöhr 94.) In Bezug auf die Nerven der Mukosa des Dünndarmes ist bisher nur wenig eruirt worden. Eine grosse Zahl markloser Fädchen durch- brechen in Begleitung von Gefässen die Muscularis mucosae. In die letztere treten zahlreiche Nerven ein und bilden dort, nach Berkley (93. 1), beim Hunde, eigenthümliche Endzwiebeln und Endknöpfchen, welche möglicherweise motorische Nervenendapparate darstellen. Innerhalb das Stratum proprium, im Bereich der Drüsen und in den Zotten finden sich ebenfalls zahlreiche feinste Nervenfibrillen und deren Komplexe, die in einer vorläufig noch nicht näher bestimmten "Weise sieh vielfach durchkreuzend mit kleinen Verdickungen oder auch ohne dieselben endigen. 4. Dickdarm, Mastdarm und Anus. Der Dünndarm hört an der Reocoecalklappe auf. Das Verhalten der Schleimhaut auf der Klappe ist folgendes: In einer gewissen Entfernung vom Klappenrande werden die Ueumzotten breit und niedrig. In der Nähe des Randes fliessen ihre basalen Abschnitte derart zusammen, dass sie waben- artig sich verbindende Leisten, auf welchen eine geringe Anzahl von Zotten sich erhebt, erzeugen. Am Grunde der Waben münden die Lieberkühn- schen Drüsen aus (Gl. colicae). Auf der Coecumseite der Klappe, in unmittelbarer Nähe ihres Randes, sind die Zotten noch spärlicher vertreten und verschwinden schliesslich ganz, während die erwähnten Leisten noch eine ziemliche Strecke weit erhalten bleiben. Jenseits der Klappe, im Coecum, fehlen beim Er- wachsenen sowohl die Zotten, als auch die Leisten ganz. Von der Schleimhaut des Coecum selbst ist nichts Besonderes zu erwähnen. 190 Dickdarmschleimhaut. Der Processus vermiformis ist durch den Reichthuin seiner soli- tären Knoten ausgezeichnet, welche zuweilen eine kontinuirliche Lage her- stellen. Durch die stärkere Ausbildung der Lymphfollikel werden die Li eb er- kühn'sehen Drüsen verdrängt und gehen als solche vielfach zu Grunde; sie werden durch die Lymphknoten gleichsam durchwachsen und die epithelialen Drüsenzellen mengen sich den Lymphzellen bei. Ueber die definitiven Schick- sale der ersteren konnte keine Sicherheit erlangt werden (Rüdin ger 91). In der Schleimhaut des Dickdarmes fehlen die Zotten (beim Er- wachsenen gänzlich). Die Li eberkühn 'sehen Drüsen bilden auch hier eine Leukocyt im Epithel Epithel Krypta Intermediäre Zone Subnmkosa - • Fig. 136. Schnitt durch einen solitaren Lymphknoten aus dem Processus vermiformis des Meerschwein- chens, eine ausgeprägte Krypta zeigend, ca. 400mal vergr. (Flemming'sche Flüssigkeit.) kontinuirliche Lage, welche nur durch solitäre Knoten unterbrochen wird; in der Nähe der letzteren ist die regelmässige Anordnung der Drüsen gestört. Im Dickdarm sind die Lieberkühn 'sehen Drüsen etwas länger; sie enthalten in der Regel viel mehr Becherzellen als im Dünndarme. Nur im Grunde und an der Mündung der Drüse sind nicht verschleimte Zellen zu finden. Ueber- gänge von letzteren zu den ersteren sind beim Menschen nachgewiesen wor- den (Seh äff er 91). Die Taeniae und die Plicae sigmoideae hören am S romanum auf und es treten im Rektum die Plicae semilunares an ihre Stelle. Permanente longitudinale Falten, die sogenannten Columnae Morgagni, sind nur im unteren Abschnitte des Rektums vorhanden. Auch sind die Lieb erkühn 'sehen Drüsen hier am längsten. Sie hören zu gleicher Zeit mit den Columnae Morgagni auf. Sekretion und Fettresorption im Darme. 191 Gegen den Anus zu bildet die Schleimhaut des Rektums einen drüsen- losen Ring, welcher nach aussen gegen die Haut durch eine wellenförmige Linie abschliesst. Der Uebergang zu der Haut ist ein allmählicher und er- innert an die Verhältnisse, wie sie in der Kardia bestehen; das Cylinder- epithel geht aber hier nur nach und nach in das geschichtete Epithel der Haut über. Um den Anus herum, etwa 1 cm davon entfernt, stehen im Kreise ungemein stark entwickelte Schweissdrüsen, welche an Grösse fast die der Achselhöhle erreichen — die cirkum analen Drüsen. ?{§0^~S$ä%&fi Koncen- Drüse • Mi trisch ange- ordnete Lymph- zellen Keim- centrum Submokosa Fig. 137. Schnitt durch einen Lymphknoten aus dem Dickdarm des Menschen. Yergl. Fig. 87. 5. Bemerkungen über die Sekretion und Fettresorption im Darme. Die Zellen der Brunner'schen Drüsen des Duodenums zeigen eine Aehn- lichkeit mit den Zellen der Pylorusdrüsen. Sie verändern sich auch während der Verdauung in ganz analoger Weise: sie sind im Hungerzustande gross und hell, während der Absonderung werden sie kleiner und trüber. Da nach- gewiesen wurde, dass die Zellen der Brunner'schen Drüsen namentlich im Hungerzustande pepsinreich sind, so ist damit eine noch grössere Aehnlich- keit zwischen ihnen und den Pylorusdrüsen gegeben. "Was die Lieber- kühn 'sehen Drüsen anlangt, so ist es bekannt, dass im Hungerzustand die Becherzellen derselben ausserordentlich zahlreich sind, nach anhaltender Thätigkeit als solche grösstenteils verschwinden und durch Vergiftungen mit Pilokarpin , in bestimmten Dannabschnitten des Kaninchens , gänzlich zum Schwunde gebracht werden können. Es scheint also, dass die physiologische 192 Die Leber. Aufgabe der L i e b e r k ü h n 'sehen Drüsen wesentlich in der Schleimsekretion besteht, wenn auch die Möglichkeit einer Produktion eines anderen Sekretes, namentlich im Dünndarm, nicht ausgeschlossen werden kann (vergl. R. Hei- denhain 83). Es wurde bekanntlich bis in die neueste Zeit angenommen, dass das mit der Nahrung aufgenommene Fett im Darme emulgire; weiterhin wurde angegeben, dass die Galle auf die Cuticularsäume der Epithelzellen der Zotten in der Weise einwirke, dass eine corpuskuläre Aufnahme des emul- girten Fettes von Seiten der Zottenzellen (nicht Becherzellen) möglich wird. Und es ist in der That eine vielfach gemachte Beobachtung, dass die Epi- thelzellen während der Resorption Fettkörnchen enthalten. Es wurde demnach nach Mechanismen gesucht, wie eine solche corpus k uläre Aufnahme von Seite der Zelle geschehe. Es schien damals am wahrscheinlichsten, dass Proto- plasmafädchen (Pseudopodien) durch den Cuticularraum ausgestreckt werden und Fett aufspeicherten, das dann sammt dem Pseudopodium in die Zelle eingezogen würde. Als aber gezeigt worden war, dass nach Fütterung mit Fettsäuren oder -seifen ebenfalls Fettröpfchen in den Epithelzellen auftreten und der Chylus danach, wie nach der Fettfütterung Fett führt, konnte man eine Hypothese aufstellen, welche annimmt, dass das Fett unter dem Einfluss des paukrea- tischen Saftes in Fettsäuren und Glycerin gespalten wird, dass ferner die Fett- säuren durch das Alkali des Darmsaftes und der Galle gelöst werden und dann innerhalb der Epithelzellen mit dem Glycerin sich zu Fett wieder verbinden. Es ist nun die Aufgabe der Histologie, nach Mechanismen in der Zelle zu suchen, welche die Fettsäuren in Fett umwandeln. Diese Aufgabe soll nach Altmann 94 durch bestimmte Körnchen in der Zelle (Elementarorganismen) vollführt werden. Wie nun diese Fettkörnchen weiterhin in das centrale Zottengefäss gelangen, ist eine neue Frage, deren Beantwortung ebenfalls noch nicht vorliegt. D. Leber. Beim Erwachsenen ist die Leber eine netzförmige, tubulöse Drüse. Schon bei Betrachtung mit blossem Auge bemerkt mau , besonders deutlich bei einigen Thieren (Schwein), dass sie sich aus gleichartigen, nahezu kugligen Abtheilungen aufbaut. Diese Abtheilungen sind die Leberläppchen. Sie sind von einander durch Bindegewebe (interlobuläres Bindegewebe, die Fort- setzung der Glisson 'sehen Kapsel) geschieden, in welchem grössere Blut- gefässe, Gallengänge und Nerven gelegen sind. Bei Betrachtung eines dickeren Leberschnittes bei schwacher Vergrösserung fällt der radiäre Bau dieser Läppchen auf. In der Mitte der letzteren sieht man eine Lichtung, welche entweder abgeschlossen oder mit der Peripherie der Läppchen durch einen LeberzellenbalkeD. 193 Kanal verbunden ist (s. u.). Diese Lichtung entspricht der central entstehen- den, zum System der Vena cava inf. gehörenden Vene des Läppchens, der V. centralis oder intralobularis. Vena centralis Vena portae Gallengang Fig. 138. Schnitt durch ein Leberläppchen des Schweines, die Leberzellenbalken zeigend. 70 mal vergr. Von dem Centrum des Läppchens aus bis zu seiner Peripherie gehen zahlreiche, radiär verlaufende, sich vielfach verzweigende und miteinander anastomosirende Züge ab, — es sind die Leberzellenbalken. Zwischen ihnen sind hellere Züge zu sehen, welche z. Th. den Gef ässkapillaren, z. Th. dem intralobulären Bindegewebe etc. entsprechen. Das eben entworfene Bild entspricht nicht genau der Leber des Menschen, weil hier vielfache Verschmelzungen der Läppchen zu doppelten und drei- fachen vorkommen und in diesen Fällen eine Sonderung der Lebersubstanz in diskrete Läppchen selbstvertändlich nicht scharf hervortritt. Die Leberbalken bestehen aus Reihen von Leberzellen, welche meistens eine polyedrische Gestalt besitzen, mit ihren Flächen aneinander stossen, je- doch so, dass zwischen ihnen ein cylindrischer kapillarer Raum eingeschlossen bleibt, den wir als Gallenkapillare näher kennen lernen werden. Die Kanten der Zellen weisen Rinnen auf, die mit den Rinnen der benachbarten Zellen zu einem Kanal sich vereinigen, in welchem Blutgefässkapillaren ge- legen sind. Die feinere Analyse der Leberzellen zeigt, dass sie keine isolirbare Mem- bran besitzen und in der Regel nur einen ruhenden Kern einschliessen; manche Zellen enthalten jedoch zwei Kerne. Von Interesse ist die Thatsache, dass die Leberzellen einiger Thiere mitunter fast ausschliesslich zweikernig sind. Böhm - v. Davidoff , Histologie. 13 194 Bau der Lebevzelle. Pfortaderzweig auf dem Länirs schnitt Derselbe auf einem Quer- schnitt - ■ v i Blutgefässe zweier benach- ■ Läppchen in einan- über Vena centralis Fig. 139. Aus einem Schnitt durch eine injicirte Leber des Kaninchens. Die Begrenzung der Läppchen ist eine unvollständige, ca. 35 mal vergr. Der Zellenleib der Leberzellen zeigt die bekannte Son- derung in Proto- und Paraplasma, was be- sonders schön bei hungernden Thieren hervortritt. In diesen Fällen sieht man, dass die Protoplasma- netze um den Kern herum besonders dicht sind und dann in weitmaschige, in der ganzen übrigen Zelle verbreitete Netze über- gehen. Das Para- plasma ist undeut- lich granulirt, schliesst aber während der Thätigkeit der Zelle Glykogen und Gallentröpfchen (Sekretvakuolen) ein. Fig. 140. Gallenkapillaren des Menschen. Man sieht wie die Kapillaren des einen Läppchen mit solchen des benachbarten Läppchen (in der Figur unten) konfluiren. Chromsilbermethode.) 110 mal vergr. Gallenwege. 195 Die eben erwähnten Vakuolen im Paraplasma spielen eine bedeutende Rolle bei der Sekretion der Zelle und entstehen dadurch, dass kleinere Tropfen Galle zu einem Sekretvacuole ^**f> J* » \j y^vl^. „Ausführunsrs- gang" Gallenkapillare 141, Gallenkapillaren des Menschen auf einem Durchschnitt. 480 mal vergr. (Chromsilbermethode.) grösseren koufluiren. Hat die Vakuole eine be- stimmte Grösse erlangt, so ist sie bestrebt, ihren Inhalt in die Gallenkapil- lare zu entleeren; hier- bei bildet sich gleichsam ein enger Ausführungs- gang, der die Vakuole mit der Gallenkapillare ver- bindet (Kupff er 73, 89). Die Gallenkapil- laren sind, wie wir er- wähnten, nichts anderes als ein röhrenförmiger, kapillärer Raum zwischen den Leberzellen , der also keine besonderen eigenen Wandungen besitzt, viel- mehr mit einem Lumen einer schlauchförmigen Drüse, dessen Wände in der Leber des Menschen nur aus zwei Reihen von Zellen gebildet werden, zu vergleichen ist. (Bei niederen Wirbel- thieren besteht die Wandung der Gallen- kapillaren am Querschnitt aus mehreren Zellen, so z. B. beim Frosche in der Regel aus 3, bei der Natter bis 5.) Die Gallen- kapillaren verlaufen naturgemäss der Anordnung der Leberbälkchen ent- sprechend, also ebenfalls im Allgemeinen radiär. Sie bilden Netze, deren enge Maschen der Grösse der Leberzellen im Ganzen entsprechen. An der Peripherie des Läppchens gehen die die Gallenkapillaren ein- schliessenden Zellen direkt in die Epithelzellen der kleinen und kleinsten interlobulären Gallengänge über. Das Epithel der letzteren ist ein kubisches, die Zellen sind jedoch bedeutend kleiner als die Leberzellen. An der Stelle nun, an welcher Leberzellen in die der kleinsten Gallengänge übergehen, finden sich einige Zellen von abnehmender Grösse, welche den Uebergang vermitteln. Die Blutgefässe der Leber sind insofern eigenthümlich , als hier ausser den arteriellen und venösen, auch anderen Organen zukommenden Ge- fässen, noch eine zuführende Vene, die Vena portae vorhanden ist. Die letztere entsteht aus dem Zusammenfluss der V. mesenterica sup. und inf., 13* Fig. 142. Schema der Leberzellenbalken am Quer- schnitt. Links wird die Gallenkapillare von 4, rechts von 2 Zellen gebildet; letzteres ist beim erwachsenen Menschen der Fall. J96 Blutgefässe der Leber. Kleiner Gallen- gans Grosser Gallen- gang Fig. 143. Aus der Leber des Menschen , die Anfänge der Gallengänge zeigend. (Chromsilbermethode.) 90 mal vergr. der V. linealis, coronaria ventriculi und aus der V. cystica Sie theilt sich dann in zwei Aeste, wobei der Gallenkapillaren rechte den rechten Leberlappen, der linke die übrigen Lappen versorgt. Diese Aeste theilen sich viel- fach, bis schliesslich die kleinsten von ihnen an die einzelnen Läpp- chen gelangen. Noch inner- halb des interlobulären Gewebes erhalten die Pfortaderzweige ve- nöses, aus dem System der A. hepatica stammendes Blut. Dies sind die inneren Wurzeln der Pfortader, welche also aus der Leber selbst herkommen. Auf dem ganzen Wege im interlobu- lären Bindegewebe verläuft die V. portae und deren Aeste begleitet von den Aesten der A. hepatica und den Gallengängen. Auf einem durch die Leber gemachten Schnitte liegen diese Gebilde neben einander; die zur V. hepatica ge- {Sr^^ ^"8fRf//Wr/*' rlr&ffiH'HM lut" hörenden Gefäss- !i^^^^^^ß^W^^Af£m kapillaren durchschnitte lu- gen von denen der Gallengänge und der V. portae et- was entfernt. In der Um- gebung des Läpp- chensverlaufen die Pfortaderäste der- art, dass sie das Läppchen von ver- schiedenen Seiten umgreifen. Sie wer- den demnach als vene interlobulares bezeichnet. Diese senden dann kurze Aestchen zum Läppchen ab, welche bei ihrem Eintritt in dasselbe kapillär werden und innerhalb des Läppchens ein engmaschiges, Pfortader- zweig Fig. 144. Blutgefässe eines Leberläppchen des Kaninchens, injicirt. 100 mal vergr. Nerven und Gitterfasern der Leber. 197 zwischen den Leberbalken gelegenes Netz bilden. Die Maschen haben ungefähr die Grösse einer Leberzelle und jede von den letzteren kommt also mit den Gefässkapillaren in vielfache Berührung. Alle diese Kapillaren verlaufen gegen die central gelegene Vene des Läppchens — die V. centralis s. intralobularis, welche auf ihrer Abflussstrecke innerhalb des Läppchens Kapillaren fortlaufend in sich aufnimmt. Diese ohnehin nicht ganz einfachen Verhältnisse des Gefässverlaufes im Läppchen erscheinen nun noch komplizirter, wenn man sich das Verhältniss der Gefässe zu den Gallenkapillaren zu vergegenwärtigen sucht. Will man sich ein Leberläppchen mit seinen Bälkchen, Gefässen und Gallenkapillaren versinnlichen, so berücksichtige man ausser dem bereits Mitgetheilten Folgen- des: Die Gallenkapillaren verlaufen an den Flächen der Zellen, die Gefässe an den Kanten (s. oben). So wird eine jede Zelle sowohl von einer Gallenkapillare als auch von Blutgefässkapillaren tangirt. Die Gallen- und Gefässkapillaren berühren sich also nicht, sondern sind beim Menschen durch mindestens eine halbe Zellenbreite geschieden. Es ist selbstverständlich, dass bei Thieren, bei welchen die Leber- bälkchen Röhren sind, die von mehr als zwei Zellen begrenzt werden und deren Gefässe an der Aussenseite der Zellen verlaufen, die Gefäss- und Gallenkapillaren durch eine ganze Zelle von einander geschieden sind. Ausser den Lymphgefässnetzen, welche die Pfortader und die Leberarterie begleiten, finden sich Lymphnetze um die Aestchen der V. he- patica (v. Witt ich). Die Lymphgefässe dringen in die Leberläppchen ein und sind dort zwischen den Leberzellen und den Blutgefässkapillaren gelegen. Es sind perivaskuläre, kapilläre Lymphräume. Die Nerven der Leber begleiten die Arterie und breiten sich mit derselben aus. Sie enthalten vorwiegend marklose Nervenfasern, in deren Verlaufe spärliche Ganglienzellen liegen. Das Auffinden der intralobulär gelegenen Nervenfäserchen ist mit grossen technischen Schwierigkeiten ver- bunden und es ist nur in der neuesten Zeit, mit neuen Methoden, gelungen, Nerven bis in das Leberläppchen selbst zu verfolgen. Sie scheinen sich dort an die Gefässbahnen zu halten. Ihre Endigungsweise blieb jedoch un- aufgeklärt (Berkley 93.2.) Das Bindegewebe, welches sich im Läppchen vorfindet, bietet einiges Interesse: Bei einer in gewöhnlicher Weise behandelten Leber tritt dasselbe gar nicht zum Vorschein. Wird aber die Leber in bestimmter Weise konservirt (s. Technik), so sieht man im Läppchen überraschend viel Fasern, die in regelmässiger Anordnung von der Peripherie gegen die V. centralis ziehen. Es sind Fäserchen feinster Art und von annähernd gleichem Kaliber, welche sich in der Weise mit einander verbinden, dass sie netz- förmige Hülsen um die Gefässkapillaren bilden (Gitterfasern, Kupffer, Oppel 91). Einzelne stärkere Fasern scheinen sich in geringem Maasse 198 Die Sternzellen. an der Hülsenbildung zu betheiligen: Sie ziehen ebenfalls von der Peripherie zum Centrum und bilden weite, in radiärer Richtung lang gezogene Maschen. Vena centralis Grenze des Läppchens Fig. 145. Gitterfasern der Leber des Hundes. (Goldchloridmethode.) 120"mal vergr. Die Fasern letzterer Art sind beim Menseben verhältnissmässig weniger ausgebildet, treten aber bei Thieren (Ratte, Hund) viel zahlreicher und stärker auf (Eadiärfasern, Kupffer 73). In welcher F/eppigkeit das Bindegewebe des Läppchens auftreten kann, be- weist die beigefügte, nach einem Präparat von Kupffer ent- worfene Skizze einer Störleber. Eigenthümliche Zellen sind die ausschliesslich im Läppchen selbst vorkom- menden, nur bei einer ganz bestimmten Behandlung sichtbar werdenden , soge- nannten Sternzellen Kupff er's (76). Sie sind gleichmässig vertheilt und verschieden gestaltet, lang- gezogen, in 2 — 3 und mehr Spitzen auslaufend. Auch sind sie kleiner als die Leberzellen, enthalten einen Fasern Fig. 146. Bindegewebe aus der Leber eines Störs. fGoldchlorid, Nachbehandlung mit Nickel-Oxydul- Ammoniak). Boi a ist eine Lücke, -worin Leberzellen lagen, welche durch die Behandlung entfernt wurden. oder zwei Kerne. Sie zeigen innige Beziehungen zu den Gefässkapillaren , an welche sie sich oft an- EntwickeluD" der Leber. 199 schmiegen. Manchmal setzt sich ein Fortsatz bis zur nächstgelegenen Leber- zelle fort und legt sich an dieselbe an. Die Bedeutung dieser Zellen ist bis jetzt unbekannt. r Vena centralis - Interlobaläres Bindegewebe Sternzelle V ' »./**•■ \ * t ' ■ > ■ ■ Fig. 147. Theil eines Schnittes durch ein Leberläppchen des Hundes. 168 mal vergr. (s. Technik.) Die abführenden Wege der Leber, die Gallen gänge, haben ein cylindrisches Epithel , dessen Höhe in direktem Verhältnisse zu dem Kaliber des Ganges steht. Die feinsten besitzen niedere, die mittleren kubische, die grösseren cylindrische Epithelien. Die feineren Gallengänge besitzen ausser einer homogenen Membrana propria keine besonderen Wandungen. Die grösseren haben hingegen eine bindegewebige Hülle, welche sich bei noch grösseren in zwei Lagen gliedert. Den grösseren Aesten kommen noch glatte Muskel- fasern zu, welche jedoch keine kontinuirliche Lage bilden. Erst in der Gallen- blase tritt die Muskulatur als eine kontinuirliche und zwar doppelschichtige Lage auf. — Das Epithel der Gallenblase ist ein sehr hohes cylindrisches, mit im unteren Drittel der Zellen gelegenen Kernen. Ein Cuticularsaum fehlt oder ist nur sehr schwach angedeutet. Die Schleimhaut der Gallenblase ist in einer eigentümlichen Weise, gefaltet (Gitterfalten); sie enthält nur sehr wenige Drüsen (Schleimdrüsen), welche zahlreicher im Ductus hepaticus, cysticus und choledochus vertreten sind. Von der Entwickelung der Leber theilen wir Folgendes mit: sie legt sich beim menschlichen Embryo im Laufe des zweiten Monats als eine doppelte ventrale Ausstülpung des Darmes an. Später sprossen solide Balken aus, die sich miteinander vereinigen und hohl werden. Die ganze Drüse ist einheitlich; eine Sonderung in Läppchen ist noch nicht vorhanden. Die Gallen kapillaren finden sich von mehr als zwei Zellenreihen umgeben. Hiermit erinnert der Zustand der embryonalen Leber an Verhältnisse, wie Einrichtungen, wie sie in diesem Organ zeitlebens bei gewissen Thieren be- stehen. Erst später, wenn die Venae advehentes , die späteren Pfortader- 200 Sekretionszellen des Pankreas. zweige, in die Leber einwachsen, beginnt sie sich sekundär in Läppchen zu sondern, wobei der ursprüngliche, obenerwähnte Typus allmählich in den definitiven, für den Erwachsenen charakteristischen, übergeht. E. Das Pankreas. Ebenso wie die Leber, ist auch das Pankreas eine zum Darm gehörige und als eine Ausstülpung aus demselben entstehende Drüse. Sie ist durch ihren Ausführungsgang, Ductus pancreaticus oder Wirsungia n us, bleibend mit dem Darm verbunden. Der secernirende Theil des Pankreas kann als eine verzweigte alveoläre Drüse mit endständigen Alveolen angesehen werden, letztere allein bilden die Hauptstücke der Drüse. — Die epitheliale Wandung der letzteren besteht aus einer Reihe von Sekretionszellen, welche je nach der Thätigkeit der Drüse verschieden aussehen. Der basale Theil der Zelle zeigt gleichmässiges Protoplasma, der dem Lumen zugekehrte ist granulirt. Das gegenseitige Verhältniss beider Zonen hängt von dem physiologischen Zustande der Drüse ab: Im Hunger- zustande ist die granulirte Innenzone der Zelle mächtig ausgebildet, breit; nach einer erfolgten massigen Sekretion werden die Zellen im Ganzen etwas kleiner und die Granulationen nehmen ab; dementsprechend nimmt die protoplasmatische Aussenzone zu. Hat nun die Drüse längere Zeit secernirt, so konstatirt man ein völliges Fehlen der Körnchen, die ganze Zelle besteht lediglich aus gleichmässigen Protoplasma. Demnach muss angenommen werden, dass während der Ruhe, auf Kosten des Protoplasmas eigenthümliche Körnchen gebildet werden, welche die Vorstufen des Sekretes der Drüsen sind (Z y m o g e n k ö r n c h e n). Wäh- rend der Thätigkeit schwinden die- selben allmählich, zugleich erscheint im Lumen das flüssige Sekret. Die Zymogenkörnchen im Sekret wur- den aber bisher nicht gesehen. Nach der Sekretion wächst die Zelle wie- der, erreicht ihr ursprüngliches Vo- lumen und fängt an, abermals Zy- mogenkörnchen zu bilden. Ob bei der Sekretion Zellen zu Grunde gehen oder nicht, muss dahingestellt bleiben. An diesen Alveolus der Drüse schliesst sich, ähnlich wie in den Speichel drüsen, ein Schaltstück an, welches allmählich in eine Art von Speichelröhre übergeht. Diese besitzt, wie in den Speicheldrüsen, ein cylindrisches Epithel, dessen Zellen aber basal nicht gestrichelt sind (beim Menschen). Die Röhren münden in Ausführungsgänge, welche schliesslich ihrerseits in — Innenzone Fi£. 148. Querschnitt durch einen Alveolus des Pankreas des Frosches. Technik Nr. 123. Centroacinäre Zellen. 201 den Ductus pancreaticus einmünden. In den secernirenden Alveolen sieht man oft kleine protoplasmatische, polygonale, auch sternförmige Zellen, die Centroacinäre Zelle Alveole Anfänge der Aus- — führungsgänge („Schaustücke") Fig. 149. Aus einem Schnitt durch das Pankreas des Menschen. (Sublimat.) ca. 200 mal vergr. Aussenzone der Sekretionszellen (Tangential ge- troffen) (#©^.-' Bindegewebe - s*- Grösserer Aus- führungsgang }■ v. :*?€ß^^ \>1j\ -M — Centroacinäre Zellen Centroacinäre Zelle Anfänge der Ans- führungsgänge Innenzone der Sekretionszellon Fig. 150. Aus einem Schnitt durch das Pankreas des Menschen (Sublimat). 450 mal vergr. sogenannten centroacinären Zellen von Langerhans. Die Auffassung dieser Gebilde ist zur Zeit noch nicht einheitlich. Langerhans selbst vermuthete, dass sie noch zur Wand des Gangsystems gehören. 202 Gefässe und Nerven des Pankreas. Wir müssen ihm in dieser Deutung beistimmen. Wir finden näm- lich, dass die hohen Zellen der Alveolen sich unvermittelt den niederen Zellen der Schaltstücke anschliessen. Wenn die Alveolen dicht neben- einander liegen, so konfluiren die benachbarten Schaltstücke sofort mit- einander und werden in diesem Falle bis auf eine oder höchstens ein paar Zellen reduzirt. In Folge dessen entstehen innerhalb des Alveolenkom- plexes Bilder, welche, namentlich in collabirtem Zustande des Gangsystems, denen von Langerhans ge- sehenen völlig entsprechen. Zwischen den secernirenden Zellen finden sich hier und da eigentümliche, eingeschal- tete Zellen vor, deren Körper jedoch der Membrana propria anliegt. Sie gehören ohne Zweifel dem Stützapparate der Drüse an [Keilzellen, Po dwys- sotzki 82]. Die Membrana propria der Alveolen ist wahr- scheinlich homogen und, un- mittelbar an sie anschliessend, vermag man noch eine feine dichte, aus Fibrillen bestehende Membran darzustellen, welche ihrer Struktur nach in vielen Beziehungen an die in der Leber und Milz vorkommenden Gitterfasern erinnert (Podwyssotzki 82). Die Ausführungsgänge haben ein cylindrisches einfaches Epithel; Becherzellen kommen nur im Ductus pancreaticus vereinzelt vor. Der Drüsenkörper besteht aus vielen makroskopisch sichtbaren Läpp- chen, welche sämmtlich mit Bindegewebe umgeben sind. Letzteres dringt auch in die Läppchen hinein und findet sich auch zwischen den Alveolis. Begleitet wird es von Gefässen und Nerven. Die Gefässe dringen mit dem Ductus pancreaticus in die Drüse ein, begeben sich unter Verästelungen in die Läppchen und lösen sich dort in Kapillaren auf, welche die secernirenden Alveolen umspinnen. Die Maschen des Kapillarnetzes sind nicht überall gleich gross. An manchen Stellen sind sie sehr weit, so dass grössere Strecken der Alveolen gefässarm sind. Was die Nerven betrifft, so finden wir im Pankreas sowohl mark- haltige wie marklose Nervenfasern. Auch zahlreiche sympathische Ganglien und zerstreute Ganglienzellen trifft man hier an. Nervenfäserchen sind bis zu den Alveolen (Golgi'sche Methode) verfolgt worden. Bei einzelnen Raub- thieren, so z. B. bei der Katze, sind im Bindegewebe der Bauchspeicheldrüsen sehr viel Pacini'sche Körper vorhanden. Bindegewebe ,,Centroacinäre Zellen" Sekretionszellen Ausführungs- V Markpyramide / der Mal pighi- / sehen Pyramide s / Fettlappen — -- Blutgefässe -\7-ri Fig. 162. Der Länge nach halbirte Niere eines erwachsenen Menschen. ^ der natürl. Grösse. Aeusserlich sind Grenzen zwischen den Malpighi'schen Pyramiden nicht mehr wahrnehmbar. Hälfte einer Pyramide finden wir ausschliesslich die Marksubstanz (Papillar- theil derselben, Markpyramide), welche gegen die Oberfläche der Niere eine grosse Anzahl von Fortzätzen aussendet (Pyramidenfortsätze, Mark strahlen oder Verhey en 'sehe Pyramiden). Sie erreichen indessen die Oberfläche der Niere nicht, sondern enden in einer gewissen Ent- fernung davon. Alles übrige Gewebe der Niere ist Rindensubstanz. Zwischen den Markstrahlen bildet sie die Bindenpyramiden; an der Peripherie der Niere, da, wo die Markstrahlen fehlen, das Nierenlabyrinth. Die die Columnae Bertini. 221 Mal pighi 'sehen Pyramiden trennenden Portionen der Rindensubstanz heissen die Columnae Bertini. Was den histologischen Bau der Harnkan älchen betrifft, so ist zu erwähnen, dass die Beschaffenheit der Zellen in den verschiedenen Abtheilungen der Kanälchen eine verschiedene ist. In der Bowman'schen Grenze zwischen zweiMalpighi- schen Pyramiden r~- Harnkan älchen — Glomerulus f Pia;. 163. Schnitt durch die Grenze zweier Malpighi'scher Pyramiden von einem Neugeborenen, die Bildung einer Bertini'schen Columne zeigend. Kapsel unterscheidet man zwei Regionen, welche man am besten auseinander hält, wenn man das Verhältniss der Kapsel zum Glomerulus in's Auge fasst. Der Glomerulus liegt wie eingestülpt in der Kapsel. Auf diese Weise bildet die Kapsel einen doppelwandigen Becher. Zwischen der inneren den Glo- merulus überziehenden Wand des Bechers (Glomerulusepithel) und seiner äusseren Wand (Müller'sche Kapsel) bleibt ein spaltförmiger Hohlraum bestehen, der mit dem Lumen des sich der Kapsel anschliessenden Harn- kanälchens in Zusammenhang steht. Beim Erwachsenen ist das Glomerulusepithel sehr platt, mit in das 222 Mal pighi'sches Körperchen. Lumen vorspringenden Kernen. Das Epithel der äusseren Wand ist zwar etwas höher, gehört aber immerhin noch in die Kategorie der Plattenepithelien. Kern Fig. 164. Aus einem Schnitt durch die Rindensubstanz des Menschen. 240 mal vergr. a Epithel der B o w m a n 'sehen Kapsel; b Membrana propria; c Epithel des Glomerulus ; e Blutgefässe; / Lappen des Glomerulus; g Anfang des Harnkanälchens; h Epithel des Halses; i Epithel des gewundenen Knnälchens I. Ordnung. Die Bow man n 'sehe Kapsel ist mit dem gewundenen Kanal erster Ord- nung durch ein enges und kurzes Hals stück verbunden. Das Epithel der Kapsel geht ganz allmählich in das kubi- sche Epithel des Hals- stückes über , welches letztere sich direkt dem- jenigen des gewundenen Kanälchens anschließt. Im letzteren trifft man ein Stäbchenepithel ; seine Zellen sind gestrichelt und können mit be- stimmten Reagentien in Fasern zerlegt werden, der basalen Hälfte der r-- Kern Fig, Epithelien der gewuudenen Kanälchen I. Ordnung vom Meer- schweinchen , von der Flache und von der Seite gesehen. Chromsilbermethode. 590 mal vergr. a ineinandergreifende Zacken. Diese Struktur sieht man beim Menschen in Zellen deutlicher, während ihr Kern in der dem Lumen zugewandten Hälfte Epithel der Harnkanälchen. gelegen ist. Die Zellen hängen, namentlich in der indifferenten Region der- selben, innig zusammen, so dass die Zellgrenzen nicht immer deutlich hervortreten. Die Seitenflächen der Zellen des gewundenen Kanälchens erster Ordnung des Meer- schweinchens, die wir eingehender studirt haben, greifen mit sehr zahlreichen, tiefen Zacken ineinander ein, ein Verhältnis, welches von der Oberfläche als eine zierliche, mäandrische Zeichnung zum Ausdruck kommt. Fertigt man Querschnitte an, so erscheint die ganze Zelle der Höhe nach scheinbar gestrichelt. Die Strichelung ist aber hier ohne Zweifel bedingt durch die Contouren der Zackendurchschnitte. Ob ähnliche Verhältnisse bei anderen Thieren obwalten, haben wir noch keine Gelegenheit gehabt nachzuprüfen (Be- handlung mit der Chromsilber-Methode). (Fig. 165.) Der absteigende Schenkel der Henle'schen Schleife ist schmal und besitzt flache Epithelzellen , deren kernhaltige Mitte verdickt und gegen das Lumen hervorgebuchtet ist. Die gewölbten Partien der Zellen W*® b — bJm Querschnitt durch die Markpyramide des Menschen, ca. 300 mal vergr. a Aufsteigender Schenkel der Henle'schen Schleife; l Blutgefässe; c absteigender Schenkel der Henle'schen Schleife. stossen nicht an die gleichnamigen Theile der gegenüberliegenden Zellen der Kanälchen wand, sondern ragen in den Raum zwischen zwei Hervorwölbungen dieser Zellen, so dass die Elemente der einen Seite mit denen der anderen alternirn, und daher das Lumen, entsprechend der Länge der Zellen, zick- zackförmig geknickt erscheint. 224- Sanimel röhren. Der breite grösstenteils dem aufsteigenden Schenkel der Schleife entsprechende Theil der lezteren hat ein cylindrisches Epithel, welches ähn- lich wie das der gewundenen Kanälchen erster Ordnung beschaffen ist. Nur liegt die Stricheluug der Zellen hier noch mehr basal. Das Lumen ist etwas grösser als im absteigenden Schenkel und nach Behandlung mit Reagentien löst srch hier das Epithel oft im Ganzen von der Basalmembran des Kanäl- chens ab. Die gewundenen Kanälchen zweiter Ordnung oder Schalt- stücke besitzen nur wenige Windungen (2 — 4). Ihr Epithel ist ziemlich hoch mit grossen Kernen; die basalen Theile der Zellen greifen mit Zacken gegen einander ein. Das Schaltstück geht in ein kurzes annähernd gerades Sammel- kanälchen über, dessen Epithel etwa kubisch ist, dessen Lumen aber etwas weiter erscheint. Die kleineren Sammelröhrchen haben ein niederes cylindrisches Epithel, dessen Zellen von nicht ganz regelmässiger Gestalt sind. Ihre basalen Theile sind mit kurzen, ungleich ausgebildeten, Fortsätzen versehen, welche ineinander greifen und zur Fixirung der Zellen dienen. Bei den Sammelröhren grösseren Kalibers wird das Epithel regelmässiger, und zwar desto hoher, je weiter die Röhre ist. Allmählich fliessen die Sammelröhren einer Malpighi 'sehen Pyramide und der an- grenzenden Partien der Culumnae Bertini , zu etwa 20 Papillär- gangen zusammen (hohes cylindrisches Epi- thel), welche gesondert am Spitzentheil der Pa- pille ausmünden(Cribruni benedictum). Ausser dem Epithel besitzen die Harnkanäl- chen eine M e m b r a n a p r o p r i a , welche als strukturlos angesehen wird. Die Membran der Sammelkauälchen ist äusserst dünn. Zwischen den Harn kanälchen und den Gelassen findet sich im normalen Zustande nur spärliches Bindegewebe. Die Blutgefässe der Niere sind eigenartig angeordnet und stehen in engsten Beziehungen zu den Harnkanälchen. Die A. renalis theilt, sich in der Nähe des Hilus in zwei Aeste (in einen dorsalen und veutralen), welche Papiliargang " ' Blutgefäss Fi.-. 167. Aus einem Längsschnitt durch die Papille einer injicirten Niere. Cribrum benedictum. 40 mal vergr. (i etwas stärker vergrüssertes Epithel einer Sammelröhre. Gefässe der Niere. 225 sich dann abermals theilen. Die Hauptzweige senden Seitengefässe zum Nierenbecken, die die Schleimhaut derselben zu versorgen haben und deren Kapillaren sich bis zum Cribrum erstrecken. Die venösen Kapillaren dieses Gebietes gehen in Venen über, welche die Arterien begleiten. — Ausser diesen Aesten entstehen aus den Hauptzw eigen oder aus ihren unmittelbaren Theilungsästen rücklaufende Arterien, welche für die Wandung des Beckens, für die Nierenkapseln und den Ureter bestimmt sind. Die Hauptzweige selbst treten in den Hilus ein, verzweigen sich dort in den Columnae Bertini und bilden zwischen Binden- und Marksubstanz arterielle Arkaden (Aa. arcuatae). Nur bei Thieren, deren Niere aus einer einzigen Byramide besteht, liegen die ge- nannten Verzweigungen an den Seiten der Byramide und von ihnen gehen dann die Aa. arcuatae aus. Aus den A. arcuatae entspringen zahlreiche, in den Bindenpyrarniden verlaufende Gefässe, die Aa. interlobulares. Sie theilen sich nur selten gabiig, aber jede von ihnen giebt zahlreiche, fast unter rechtem Winkel abgehende seitliche Zweige ab, welche in die Bildung des Glomerulus des Malpig bi- schen Körperchens eingehen und die Vasa afferentia desselben liefern. Der Glomerulus selbst wird dadurch gebildet, dass das Vas afferens in mehrere Aeste zerfällt, von welchen ein jeder ein Kapillarnetz für sich bildet. Aus jedem solchen Netz gelaugt das Blut in ein rückläufiges Gefäss, das einer der Aeste des aus dem Glomerulus hervortretenden Vas efferens ist. Da das zuführende und abführende Gefäss nahe bei einander ein- und austreten, so müssen die zwischen ihnen entwickelten einzelnen Kapillar- gruppen nach Art einer Schleife gebogen sein. Die geschilderten Kapillargruppen des Glomerulus sind ron einander durch reichlicheres Bindegewebe geschieden als die Kapillaren derselben Gruppe, so class man im Glomerulus Lappen unterscheiden kann, von welchen ein jeder einer Kapillargruppe entspricht. Der ganze Glomerulus ist aber kugelig und wird zunächst von spärlichem Bindegewebe, dann von dem inneren Blatt der Bowm an 'sehen Kapsel, dem Glomerulusepithel, umhüllt. Bei ihrem Austritt aus dem Glomerulus zerfallen die Vasa efferen- tia in gewöhnliche Kapillaren, welche nach und nach venös werden. Die- jenigen Kapillaren also, die den Glomerulus bilden, sammt dem Vas efferens sind arteriell und können somit in die Kategorie der sogenannten arteriellen Wundernetze gestellt werden (vergl. Gefässsystem). Die aus dem Vas efferens entstandenen Kapillaren sind sowohl in den Mark- als auch in den Bindenpyramiden vorhanden. Die Maschen der in den Markstrahlen gelegenen Kapillaren sind langgezogen, im Gegensatz zu jenen, welche ihren Verbreitungsbezirk in den Bindenpyramiden und im Nierenlabyrinth haben; die Maschen dieser Kapillaren sind mehr quadra- tisch. — Die den Nierenpapillen näher gelegenen Glomeruli senden ein längeres Vas efferens ab, das bis in den Bapillartheil der Marksubstanz reicht (Arteriolae reetae spuriae) und sicherst dort in Kapillaren auf- Böhm - v. Davidoff, Histologie. 15 226 Gefässe der Niere. löst, welche ebenfalls langgezogene Maschen haben und über die ganze Papille sich verbreiten. Es kommt in dem Vas afferens, zwischen der A. interlobularis und dem Glomerulus, in der Nähe des letzteren, zur Bildung von arteriellen Gerades Samniel- kanälchen "*-■ Sammelröhrchen __ Gewundenes Ka- nälchen II. Ord- nung Malpighi'sehes Körperchen - Gewundenes Ka- nälchen I. Ord- /_ nunir ~y~ Henle'sche r'___ Schleife v ~~~ Sammelröhrchen Art. arcuata Sammelröhre Papillargang Wundernetz Vena arcuata Fig. 168. Schema der Hamkanälchen und Blutgefässe der Niere. Zum Theil unter Benutzung der Abhandlung von Golubew. Wundernetzen, indem 2 — 4 kleinere Zweige in den Verlauf dieses Gefässes eingeschaltet werden. Dieses Wundernetz unterscheidet sich wesentlich von dem des Glomerulus und zwar dadurch, dass die Gefässe hier noch keine Kapillaren sind und gar keine Beziehungen zu Hamkanälchen haben (Golubew). Aus dem Vas afferens kann ein arterielles Zweigchen entspringen, welches innerhalb der Rindensubstanz in Kapillaren sich auflöst; weitere sse der iNiere. 227 Arterien entspringen vom Anfangstheil der A. interlobularis oder auch von den Arkaden selbst, um sich dann entweder in der Binden- oder Mark- substanz in Kapillaren aufzulösen. Alle diese Arterien sind die sogen. Arteriolae rectae verae. Das Kapillarsystem der letz- teren steht selbstverständlich mit den übrigen Kapillaren in Verbindung, welche aus den Yasa efferentia und den Ya s a recta spuria stammen. Vis. 169. A Direkte Anastomose zwischen Ar- terie und Yene aus der Columna Bertini eines Kindes. -B Bipolares Wundernetz in den Ver- lauf eines Arrerienstämraehens ein- geschaltet. Hundeniere. Zsach Golnbew. Nicht alle Interlobulararterien werden durch die Abgabe der Yasa afferentia er- schöpft. Einzelne von ihnen durchbohren die äussere Nierenkapsel und lösen sich in ihr in Kapillaren auf, welche sich mit den übrigen Kapillaren der Nierenkapsel, also mit jenen der Aa. recurrentes, suprarenalis, phrenica etc. verbinden: aber auch kleine Zweige der letzteren Gefässe können die äussere Kapsel durchbohren und im Nierenparenchym eigene Glomerali bilden (A. capsulares glo- meruliferae). Diese von Golubew aufge- deckten Verhältnisse sind sowohl für die Ausbildung des kollateralen Kreislaufes. als auch für den partiellen funktionellen Ersatz der Nierenarterien durch die Kapselarterien von Wichtigkeit. Derselbe Autor bestätigte ferner die Angabe von Hoyer 77 und Geberg, dass zwischen Arterien und Yen^n der Niere, und zwar im Labyrinth, in den Columnae Bertini, an der Basis der Nierenpapille etc. direkte Verbindungen durch präkapillare Zweige bestehen. Die venös gewordenen Kapillaren sammeln sich zu kleinen Venen. Aus dem Gebiet der Markstrahlen und der Bindenpyramiden fliessen sie zu den Yenae interlobulares zusammen, welche den nämlichen Verlauf haben wie die gleichnamigen Arterien. Das venöse Blut der Kapillaren des Nierenlabyrinthes findet seinen Abfluss ebenfalls durch die Y. interlo- bulares. Hierbei kommt eine eigenthümliche Anordnung zu Stande: An der Oberfläche des Nierenlabyrinthes fliessen nämlich die Kapillaren in die An- fänge der Interlobularvenen radiär zusammen, so dass sternförmige Eiguren gebildet werden, welche man als Stellulae Yerheyni bezeichnet. Mit diesem System steht auch ein Theil der venösen Kapillaren, sofern sie nicht in die die Arterien der Kapsel begleitenden Venen übergehen, in Verbindung. Das Kapillarsystem der Markpyramiden sammelt sich zu Venen, Yenulae rectae, welche in die die arteriellen Arkaden begleitenden Venenbögen sich ergiessen. 15* 228 Sekretion der Niere. Die grösseren Venen verlaufen neben den Arterien und treten mit den letzteren am Hilus der Niere heraus. Ueber die Lymphgefässe der Niere herrschen noch vielfache Kon- troversen. Auch über die Nerven ist nicht viel zu sagen. Die letzteren begleiten die Gefässe, lösen sich in zahlreiche Endbäumchen auf und sind bis in die Glomeruli hinein verfolgt worden (Retzius 92). Was die Sekretion der Nierenkanälchen betrifft, so sind die Versuche von R. Heiden hain 83 mit Indigkarmin von besonderer Wichtigkeit. In- jizirt man einem Kaninchen in die Blutgefässe eine gesättigte wässerige Indig- karminlösung, so wird dieses Indigkarmin unter anderem auch durch die Kern desEpithels der Blutkapillare Lumen des Harn- kanälchens Bürstenbesatz Fig. 170. Schnitt durch gewundene Kanälchen I. Ordnung vom Menschen. 580 mal vergr. Niere ausgeschieden, und zwar können die von einer injizirten Niere ge- wonnenen mikroskopischen Bilder nur dahin gedeutet werden, dass es die gewundenen Kanäle erster Ordnung und der aufsteigende Ast der Henle- schen Schleife sind, welche die Ausscheidung der Indigkarminsubstanz be- wirken. Durch die übrigen Theile des Harnkanälcheus wird anscheinend nur Wasser ausgeschieden. In der neuesten Zeit hat sich unter Anderen Disse mit der Sekretion der Zeilen des Harnkanälchens näher beschäftigt. Nach ihm unterscheidet man in den ge- wundenen Kanälchen 1. solche mit weitem Lumen, niederen Zellen ohne Zellgrenzen, ohne Elitwickelung der Xiere. 229 basalen Saum, jedoch mit eigenthümlichen den Cuticulae vergleichbaren Bildungen, den sogenannten Bürstenbesätzen (Tornier); 2. Kanäle mit engem Lumen und kegel- förmigem Epithel. Die Zellgrenzen sind nicht deutlich ausgeprägt und ihr Protoplasma ist gleichmässig körnig; 3. Kanälchen mit sehr engem, kaum bemerkbarem Lumen, mit hohen Epithelzellen und differenzirtem Protoplasma: der basale Theil ist dunkel und ge- strichelt, der freie Theil hell; der Kern liegt in der hellen Zone. Ausserdem kommt es zur Bildung von eigenthümlichen wandständigen Bildungen, die von D i s s e , nach Analogie der Bildungen in den Schleimdrüsen, als Halbmonde bezeichnet und für entleerte Zellen gehalten werden. — Alle diese Zustände sind verschiedene Stadien einer und derselben secernir enden Art von Zellen. Die bleibende Niere entsteht bereits in der fünften Woche des Embryonallebens. Der Nierenkanal, d. h. die Anlage des Epithels des Ureters, des Nierenbeckens und der Sammelkanälchen entwickelt sich aus dem medialen Theil der hinteren Wand des Wol ff 'sehen Ganges. Dieser Nierenkanal wächst mit dem blinden Ende kopfwärts und wird bald umgeben von einem Zellenhof (Blastem der Niere). Es ist möglich, dass die Epithelien des Nierenkanals sich selbst an der Bildung dieses Blastems betheiligen. Nun zerfällt der Nierenkanal in ein enges Bohr, den Ureter und in das weite, mitten in der ganzen Anlage gelegene, sich bildende Nierenbecken. Aus dem letzteren entwickeln sich hohle Epithelsprossen, welche radiär gegen die Oberfläche der Nierenanlage vordringen und sich T förmig theilen. Das sind die Anlagen der Ductus papilläres und der Sammelkanälchen. Hier- von gesondert entstehen die becherförmigen Bowm an 'sehen Kapseln (Am- pullen), welche erst sekundär sich mit der Anlage der Sammelröhren ver- binden, wobei die übrigen Theile, die gewundenen Kanäle, aus dem Ver- bindungsstück sich herausdifferenziren. Erst verhältnissmässig spät entstehen die Glomeruli, indem sie, wie wir gesehen haben, von den Ampullen um- fasst werden (Kupffer 65, Biede). 2. Ausfuhrwege der Niere. Nierenbecken und Ureter besitzen ein eigenthümliches geschichtetes Cylinderepithel. Seine basalen Zellen sind annähernd kubisch, dann kommt eine aus 3 — 5 Zellenreihen bestehende mittlere Lage. Die Zellen der letzteren sind verschieden geformt: es kommen hier spindelförmige, unregelmässig polygonale, keulenförmige, mit Fortsätzen und scharfen Kanten versehene Formen vor, welche alle durch gegenseitigen Druck der Zellen sich er- klären lassen. Die oberflächlichen Zellen, und dies ist für Ureter und Harnblase charakteristisch, haben eine Cylinderform und sind gross. Ihre freien und seitlichen Flächen sind glatt, die untere Fläche ist mit Ein- buchtungen und Fortsätzen versehen, welche als Abdrücke der unterliegenden Zellen aufgefasst werden müssen. Diese oberflächlichen Zellen besitzen sehr oft zwei und mehr Kerne. Das Epithel der Ausfuhrwege der Niere ist also überall im Wesentlichen gleich gebaut. 230 Harnblase und Ureter. Die Schleimhaut besteht aus einem Stratum proprium, in -welchem man mehr oder weniger entwickelte lymphoide Formationen findet, welche im Ge- biete des Nierenbeckens reichlicher entwickelt sind. Echte Drüsenbildungen fehlen. Der Ureter besitzt ausserdem noch zwei Schichten glatter Muskel- fasern: Die innere ist longitudinal, die äussere cirkulär. Von der Mitte des Oberflächliches Epithel Stratum proprium in der Falte 'Ob*. Epithel Stratum proprium Innere lonejitudinale Muskelschicht Mittlere cirkul&re Muskelschicht Aeussere Muskelschicht Fi?. 171. Ureter vom Menschen. Untere Hälfte. 140 mal vergr. Ureters an kommt eine dritte, äussere, annähernd longitudinal verlaufende Muskelschicht hinzu. Die Harnblase entbehrt ebenfalls der Drüsen und ihre Muskulatur er- scheint, namentlich an gedehnten Blasen deutlich, aus netzförmig angeordneten Bündeln zusammengesetzt. Auch hier kann man drei, jedoch nicht scharf von einander gesonderte Muskellagen unterscheiden: die äussere und die innere Schicht sind meridional, die mittlere äquatorial angeordnet. Zu be- Nebenniere. 231 merken ist die hochgradige Dehnbarkeit des Epithels der harnableitenden Wege, wobei sämmtliche Epithelzellen zu Platten von geringer Höhe ge- dehnt werden können. Nehmen die Organe ihren früheren Kontraktionszu- stand ein, so kehren auch die Epithelien zu ihrer früheren Form zurück (vergl. London, Kann). B. Die Nebenniere. Kapsel Zona glomeru- ^losa W, f Zona fasciculata Die Rindensubstanz der Nebenniere entwickelt sich aus einem Theil der Urniere (Genitalstränge), die Marksubstanz dagegen aus Theilen des sympathischen Ner- vensystems. Beide Substanzen sind bei höheren Wirbel thieren zu einem Organ ver- einigt. Die Neben- niere ist von einer bindegewebigen Kap- sel umgeben, welche auch glatte Muskel- zellen enthalten soll (Fusari). Je nach der Be- schaffenheit und An- ordnung der Zellen unterscheidet man in der Rindenschicht drei Lagen: 1. die Zonaglomerulosa; 2. die Zona fasci- culata und 3. die Zona reticularis. Diese drei Zonen zu- sammen präsentiren sich als radiär ge- stellte Säulen, welche Anordnung durch ein von der Kapsel aus- gehendes Septen- system bedingt wird; jedoch nur die mittlere, breitere Zone ist strangförmig angeordnet; die ober- flächliche (1) dagegen bildet eine Schicht, in welcher die Elemente zu Ballen gruppirt sind; die tiefe Zone ist netzförmig angeordnet. >\h ".*'-?• wfhMmtmw k Zona reticularis Fig. 172. Schnitt durch die Rindensubstauz der Nebenniere des Hundes. 120 mal vergr. 232 Nebenniere. Die specifischen Zellen der Rindenschicht sind gekörnt, enthalten mit- unter Fetttröpfchen und sind in der Zona reticularis und deren Nachbar- schaft pigmentirt. Die Gestalt der Zellen der oberflächlichen Zone erinnert an die der Cylinderepithelien ; die der Zona fasciculata sind unregelmässig polyedrisch. Die Zellen der Mark Substanz sind weniger gekörnt und grösser als die der Rindensubstanz. Sie färben sich mit Chromsäure und deren Salzen intensiv braun, welche Färbung durch Wasser nicht wieder aus- gewaschen werden kann, eine Eigenschaft, die schon bei der Anlage dieser Elemente zu Tage tritt und wenigen anderen Zellarten eigen ist. Zahlreiche Ganglienzellen, einzeln und zu Gruppen vereinigt, und Nervenfasern sind in dieser Substanz vorhanden. Die Gefässe treten an verschiedenen Stellen aus der äusseren Kapsel in die Substanz der Nebenniere ein und bilden hier Kapillarnetze, deren Form sich der Beschaffenheit der einzelnen Schichten anpasst. In der Zona fasciculata sind ihre Maschen langgezogen ; in den beiden anderen Zonen sind sie rundlich. In der Marksubstanz kommt es zur Ausbildung eines Venenplexus, aus welchem die grösseren Venen des Organs hervortreten. Nach Pfaundler sollen die Gefässe der Nebenniere überall nur aus einer Intima bestehen. Was die Nerven der Nebenniere anlangt, so fällt hier der grosse Reicb- thum der Marksubstanz an Ganglienzellen des sympathischen Typus auf, was auf die Herkunft dieses Theiles der Nebenniere hindeutet. Charakteristisch ist, dass jede Markzelle von reichlichen Ramifikationen der Nerven umgeben ist (Fusari). Im Uebrigen vergl. auch Gottschau, Weldon, Hans Rabl, C. K. Hoffmann (92) und Pfaundler. Technisches über die Harnorgane und die Nebenniere. 262. Ueber die Anordnung der Rinden- und Mark Substanz der Niere orientirt man sich an beliebig gehärteten, gefärbten und recht grossen Schnitten, welche in passender Richtung geführt, wenn möglich das ganze Organ umfassen. Will man dagegen feinere Strukturen des Epithels ins Auge fassen, so fixirt man kleinere Stücke in Osmiumgemischen, oder in Sublimat. 263. Imprägnationen mit Silbernitrat (mit Hilfe der Methode von Golgi oder von Cox) liefern einige Aufschlüsse über die gegenseitigen Beziehungen der Zellen der Harukanälchen. 264. Um dieHarnkanälchen zuisoliren, unterwerfe man dünne Streifen der Nierensubstanz der Einwirkung von reiner Salzsäure von 1,12 spec. Gewicht für etwa 15 — 20 Stunden. (Man entnehme die in dieser Weise zu behandelnden Stücke am Zweckmässigsten einer Niere, welche erst etwa 24 Stunden nach dem Tode dem Thiere entnommen worden ist.) Die Stücke Technisches über die Xiere. 233 werden dann in Wasser gewaschen, gezupft und in Glycerin untersucht (Schweigger -Seidel). Rauchende Salpetersäure von 40°/o wenige Stunden auf kleine Stücke angewandt, isolirt die Harnkanälchen unter Umständen in sehr grosser Aus- dehnung. Die weitere Behandlung geschieht wie nach Salzsäure. 33°/o Kalilauge führt ebenfalls zum Ziele. Die isolirten Stücke lassen sich aber nicht leicht zu Dauerpräparaten verarbeiten. 265. Die Epithelien der Harnkanälchen lassen sich ebenfalls isoliren und zwar entweder im 1/a Alkohol (s. T. 126) oder nach R. Heiden- hain 83 in 5% wässeriger Lösung von neutralem chromsauren Ammoniak. Bei der letzteren Methode kommen die Stäbchenstrukturen der Epithelien bestimmter Abschnitte der Harnkanälchen deutlich zum Vorschein. 266. Die physiologische Injektion (Chirzonszczewsky siehe auch T. 237) mit Indigokarmin, in analoger Weise angewandt, wie bei der Leber, füllt die Harnkanälchen, welche dann auf Schnitten weiter untersucht werden können. 267. Die Blutgefässe werden an Injektionspräparaten (die Injektion pflegt bei den Vieren leicht zu gelingen) untersucht. Man injizirt bei grösseren Thieren von der A. renalis, bei kleineren, sammt der ganzen hinteren Körper- hälfte, von der Aorta descendens aus. 268. Ureter und Harnblase werden aufgeschnitten, fixirt und in Schnitte zerlegt. Dabei bekommt man Ansichten dieser Organe in kolla- birtem Zustande. Die gegenseitige Anordnung der Epithelien ist hier eine ganz andere als im gedehnten Zustande der Organe. Um letzteren hervorzurufen, injizirt man die Fixirungsflüssigkeit in den Ureter oder die Harnblase und nach geschehener Unterbindung werden diese Organe in derselben Flüssig- keit weiter fixirt. Ist vor der Injektion das eine Ende unterbunden worden, so kann man beliebige Dehnungszustände erzielen. 269. Bei der Untersuchung der Nebenniere kann man die gewöhn- lichen Fixationsmittel anwenden; aber chromsäurehaltige Gemische, sei es die F lern min g'sche Lösung, die Chromsäure oder die chromsauren Salze, sind bei der Untersuchung dieses Organs von besonderer Bedeutung, weil die Marksubstanz der Nebenniere sich dabei specifisch braun färbt (ein Verhalten, welches nur bei einigen Zellen der Hypophysis noch wiederkehrt). Diese Braunfärbung findet auch dann statt, wenn die Rinden- und Mark- substanz, wie es bei gewissen Thieren und bei der Entwickeluug der Fall ist, völlig von einander getrennt sind. 270. Das in den Zellen der Rinde der Nebenniere vorhandene Fett ist nicht mit dem des übrigen Körpers identisch. Dasselbe löst sich näm- lich an mit Osmiumsäure behandelten Objekten in Chloroform und Bergamott- öl (Hans Rabl). 234 Bau des Ovariums. C. Weibliche Geschlechtsorgane. 1. Das Ei. Das Produkt der weiblichen Keimdrüsen ist das Ei, eine Zelle mit dicker, alsZona pellucida bezeichneten Membran. Der Inhalt des Eies besteht aus dem Zellkörper, hier Dotter genannt, und dem Kern, hier Keimbläschen. Der Dotter besteht aus einem protoplasmatischen feine Fädchen und Netze zeigenden Theil, mit dichterer Anordnung au der Peripherie des Eies und in der Umgebung des Keim- bläschens (Protoplasma). Darin finden sich kleine, ungleich grosse, stark lichtbrechende, meist kugelige Körperchen, die in der Kegel von der Os- miumsäure nur gebräunt werden, mitunter aber eine echte Fettreaktion zeigen (Dotterkörper). Das Keimbläschen besitzt eine doppelt konturirte, leicht zu sehende Membran. Im Innern finden wir ein einfaches Liningerüst mit wenig Chromatin und konstant einen oder zwei unechte, d. h. aus Chromatin be- stehende, relativ grosse Nukleolen (Keimflecke). In den letzteren tritt mitunter sehr deutlich eine weitere Differenzirung in Gestalt eines kleinen, problematischen Körperchens (Vakuole?) auf, welches man das S chrön'sche Korn (Nukleolinus) nennt. Das Keimbläschen würde früher als Purkinje'sches Bläschen, der Keimfleck als R. Wagner 'scher Fleck bezeichnet, 2. Ovarium. Das Ovarium ist zum grössten Theile vom Peritoneum überzogen, dessen Epithel hier gewisse Modifikationen zeigt (Keimepithel), welche wir später genauer betrachten werden. An dem Hilusrande fehlt die peritoneale Bekleidung und hier ist der Ort, wo bindegewebige Elemente des Lig. ovarii und latum in das Ovarium eindringen und das bindegewebige Gerüst desselben, das sogenannte Stroma ovarii bilden. Schon frühzeitig fängt das Keimepithel an, in das Stroma ovarii einzuwuchern an, derart, dass an der Peripherie des Ovariums eine Zone sich herausbildet, welche aus bindegewebigen und epithelialen Elementen be- steht; man bezeichnet diese Zone als Rindensubstanz oder als Zona parenchymatosa des Ovariums. Die sich an den Hilus anschliessende Zone besteht (abgesehen von dem bei Thieren vorkommenden Epoophoron) aus Bindegewebe mit zahlreichen elastischen Fasern und glatten Muskel- zellen und wird als Marksubstanz oder Zona vasculosa bezeichnet. Diese Bindegewebsformation greift in die Rindenzone über, trennt die epi- thelialen Elemente desselben voneinander und steht im Zusammenhang mit Keimepithel. 23-5 einer unmittelbar unter dem Keimepithel gelegenen, beim erwachsenen Weibe deutlich ausgebildeten Tunica albuginea. Letztere variirt in ihrer Beschaffenheit, ist namentlich bei jugendlichen Ovarien vielfach unterbrochen, lässt aber in ihrer höchsten Entwicklung drei Schichten unterscheiden , die durch verschiedene Richtungen des Faserverlaufes sich von einander unter- scheiden. In der Marksubstanz ist das Bindegewebe langfaserig, in der Jucffer Follikel mit Ei Primordial- eier Keimepithel — w Stroma ovarii Ei mit Ei- epithel | - Fig. 173. Vom Ovarium einer älteren Hündin. Rechts die Sternfigur zeigt einen kollabirten Follikel mit Inhalt. Unten rechts Schläuche des Parovariums. Kopie nach Wald ey er. Rindensubstanz sind die Fasern kurz und in seiner tiefen, die gleich zu erwähnenden Follikel bergenden Zone, ist es sehr zellenreich. Die Muskelzellen sind ausschliesslich in der Marksubstanz vorhan- den; sie sind hier zu Bündeln vereinigt, welche die Gefässe begleiten und sie auch scheidenartig umhüllen können (besonders ausgeprägt bei Thieren). Das Keim epithel unterscheidet sich von dem übrigen Peritoneal- epithel dadurch, dass seine Zellen höher sind, kubisch bis cylindrisch. Dieses Epithel sendet gegen das zur Zeit noch embryonale Bindegewebe solide Wucherungen (Pflüger 'sehe Schläuche), deren Zellen sehr bald Dif- ferenzirungen erkennen lassen: die einen von ihnen behalten zunächst ihre ursprüngliche Beschaffenheit und Form bei, während die anderen grösser werden, sich abrunden und zu jungen Eiern werden; die indifferent ge- 236 Pflüger'sche Schläuche. bliebenen, das Ei umgebenden Zellen sind die Follikelzellen. Diese Differenzirung in Ei- und Follikelelemente kann schon früber, im Keimepitbel selbst erfolgen, in welchem die grösseren runden Zellen als Primordial- eier bezeichnet werden. Bei der weiteren Entwicklung der Rindenschicht des Ovariums werden die Pflüger 'sehen Schläuche vom Bindegewebe durch- wachsen, derart, dass ein jeder solcher Schlauch in eine Anzahl ungleich- Keimepilhel Tunica albuginea Follikelepithel Ei m r>y .-s ä*t r. •> oc, *-> q c ' K O -7 g BT Granulosaepithel eines grösseren G t aaf 'sehen Follikels Fig. 174. Aus dem Ovarium eines jungen Mädchens. 190 mal vergr. werthiger Abtheilungen zerlegt wird: es entstehen dadurch gesonderte epi- theliale Nester, welche ihren Zusammenhang mit dem Keimepithel auf- geben und im Bindegewebe eingebettet liegen. Nach der Form und Be- schaffenheit dieser epithelialen Nester können sie in verschiedene Gruppen eingetheilt werden; wir haben hier 1. die Pf lüger 'sehen Schläuche selbst; 2. typische Primordialfollikel, d. h. solche, welche nur ein einziges Ei Graafscher Follikel. 2S'i beherbergen (schon bei 28 wöchentlichem Fötus vorhanden); 3. atypische, d. h. mehrere, 2 — 3 Eier enthaltende Follikel; 4. sogenannte Ei ballen - follikel, bei welchen eine grössere Zahl von Follikeln eine einzige binde- gewebige Hülle besitzt und schliesslich 5. können solche Eiballenfollikel die Form eines länglichen Schlauches haben und werden als abgeschnürte Pflüg er 'sehe Schläuche bezeichnet. Die unter 4 und 5, vielleicht auch die unter 3 angeführten Formationen werden durch das wuchernde Binde- gewebe weiter septirt, wobei es schliesslich zu einer Sonderung in typische Follikel kommt (Schottländer 91, 93). Die jüngsten typischen Follikel nun bestehen aus einer in der Mitte liegenden, verhältnissmässig grossen Eizelle und aus den letztere in einfacher Schicht umgebenden kubischen oder cylindrischen Follikelzellen. Das Wachsthum dieses Follikels, Graafscher Follikel, geht unter mito- tischer Vermehrung der Follikelzellen und durch Volumzunahme des Eies vor sich; bald findet sich das Ei durch mehrere Lagen von Zellen umgeben und kommt in diesem Zellenkomplex excentrisch zu liegen. In einer gewissen Entfernung vom Ei, ungefähr in der Mitte des ganzen Follikels, entsteht im Follikelepithel, zuweilen an mehreren Orten zu gleicher Zeit, eine mit Flüssigkeit gefüllte Höhle, welche Flüssigkeit einerseits durch Absonderung von Seite der Follikelzellen, andererseits durch das Zugrunde- gehen einiger der letzteren sich bildet. Diese Höhle dehnt sich unter Ver- mehrung der Zellen immer weiter aus und umgreift von allen Seiten das Ei zugleich mit den dasselbe unmittelbar umgebenden Follikelzellen. Dieser Umwachsungsprozess geht jedoch nicht so weit, dass das Ei sammt seinen Follikelzellen ganz in die Höhle zu liegen käme: an einer Stelle bleibt sein Follikelepithel mit dem übrigen , die Wand der Blase bildenden in Zu- sammenhang. Das Ei liegt jetzt in einem durch das Follikelepithel gebildeten und in die Follikelhöhle hineinragenden Hügel, dem Cumulus oder Discus proligerus; das die Wand der Höhle bildende Epithel wird als Membrana granulosa bezeichnet; die Höhle nennt man das Antrum, die darin enthaltene Flüssig- keit — Liquor folliculi. Die das Ei unmittelbar umgebenden Follikel- zellen sind höher und werden als Eiepithel (Corona radiata) be- zeichnet. Während seines Wachsthums hat sich auch die Beschaffenheit des Eies in mancher Hinsicht geändert; im Dotter kann man jetzt zwei Schichten unterscheiden: 1. Eine innere Schicht: sie ist reich an stark lichtbrechen- den, verschieden grossen Körperchen; 2. eine äussere Schicht: sie ist durchsichtiger und feinkörniger; in ihr liegt das Keimbläschen. Schon ein mittelgrosses Ei ist von einer sehr breiten, radiär gestreiften Membran — der Zona pellucida umgeben; sie ist vom Dotter durch einen schmalen, perivitellinen Raum getrennt. Ihre Entstehung ist zur Zeit noch nicht in allen Punkten eruirt worden. Wahrscheinlich ist es, dass sie ein Produkt 238 Verschiedene Stadien der Follikelentwickelung. *.@© a V Fig. 176. • **5i >? *,.-■ • (©TS® b — ■ d -'' v 0 e 1 I Fig. 177. a b c I l I ( 'V ■ >& «o>>-V^-- ^ ^s Fig. 178. Aus Schnitten des Ovariums einer Katze. 225 mal vergr. a Keimlleck; b Keimbläschen; c Ei; d Zona pellucida; e Corona radiata; f Theca folliculi; ? eben gebildetes antrum folliculi. Eireifung. 239 des Eiepithels ist; sie kann im Grossen und Ganzen als eine Cuticularbild- ung dieser Zellen aufgefasst werden. Jedenfalls enthält sie zahlreiche, radiär verlaufende Porenkanäle, in welche Fortsätze der Eiepithelzellen sich hineinerstrecken. Beim reifen Ei des Menschen scheinen die Porenkanäle zu fehlen (Nagel); wahrscheinlich haben diese die Ernährung des wachsenden Eies zu vermitteln. Diese Fortsätze sind als Intercellularbrücken aufzu- fassen (Ketzius), welche nach Palladino nicht allein zwischen Ei- und Eiepithel, sondern auch zwischen den Follikelzellen selbst vorkommen sollen. Retzius 90 leitet die Zona pellucida von Fortsätzen der Eiepithelzellen ab, welche um das Ei zuerst ein Netzwerk bilden sollen. In den Maschen dieses Netzwerkes lagert sich die Substanz der Zona ab, welche also möglicherweise aus dem Ei selbst hervorgeht. Neue echte Pflüger'sche Schläuche pflegen sich beim erwachsenen Weibe nicht mehr zu bilden. Einzelne Wucherungen des Keimepithels kommen vor, führen aber, wie es scheint, nur zur Bildung von epithelialen Cysten (Schottländer 93). Die Angaben über den Zeitpunkt des Aufhörens der Follikelbildung sind noch sehr widersprechend. Die Einen lassen den Vorgang mit der Geburt zu Ende gehen, die Anderen nehmen eine Fortdauer desselben bis zum Kindesalter, ja sogar bis zum erwachsenen Weibe an. Während des Wachsthums des Follikels differenzirt sich das ihn um- gebende Bindegewebe zu einer besonderen Hülle, welche man als Theca folliculi bezeichnet. An ihr unterscheidet man zwei Schichten: die äussere derselben, die Tunica fibrosa, besteht aus faserigem Bindegewebe und geht kontinuirlich in die innere Schicht über, welche zellen- und gefässreich ist — Tunica propria folliculi. In die epitheliale Membrana granulosa dringen die Gefässe nicht ein. Die weitere Reifung des Follikels betrifft der Hauptsache nach das Ei; nach und nach rückt der Follikel an die Oberfläche des Ovariums und durch Eröffnung desselben (Bersten des Follikels) gelangt das Ei in die Leibeshöhle und durch dieselbe in die Tube. Der wichtige Prozess der Eireifung ist beim Menschen und Säuge- thieren wenig bekannt, weshalb wir diesen Vorgang am besten von niederen Wirbelthieren schildern wollen, wo derselbe durch die Bemühungen von Rückert (92. 1) bei Selachiern und vor kurzem auch von Born bei Amphibien eingehend studirt wurde. Das Keimbläschen der Eimutterzellen enthält die bekannten Bestand- theile, eine Membran, einige Nukleolen und ein deutliches Chromatingerüst, welches letztere aus etwa 30 — 36 (Pristiurus) Chromosomen besteht. Die Reifungserscheinungen fangen damit an, dass die Keimbläschenmembran deutlicher und dicker wird und die Nukleolen sich zu einem excentrisch liegen- den Haufen zusammenballen; die Chromosomen werden undeutlich, gehen aber während der Reifung nicht verloren, sondern lockern sich nur auf, wobei 240 Corpus luteum. die einzelnen Mikrosomen ihre Form verändern; sie werden zu Stäbchen oder Scheiben, wachsen aber schliesslich zu Fäden aus, welche ebenfalls aus mikro- somenartigen Gebilden bestehen. Während dessen ist die Anordnung der Chromosomen im Wesentlichen dieselbe geblieben, aber sie liegen jetzt paarig beisammen. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist eine Längsspaltung derselben eingetreten. Zur Zeit, wenn das Keimbläschen seine maximale Grösse erreicht hat, verkürzen sich die immer noch paarigen Chromosomen; bei dieser Ver- kürzung oder Rückbildung durchlaufen die Mikrosomen im Wesentlichen die gleichen Phasen wieder, nur in umgekehrter Reihenfolge, so dass an Stelle der Fädchen zuerst wieder quere Stäbe, dann einfache Kügelcben sich bilden. „Schliesslich bestehen die Chromatinportionen aus Stäbchenpaaren und manche von ihnen lassen eine Zusammensetzung aus vier parallel gestellten Ele- menten , wie bei Ascaris , erkennen." — Es hat dieser komplizirte Prozess also höchst wahrscheinlich zu einer Vervierfachung der Chromosomen zahl geführt. Das Schicksal der Nukleolen ist eng an das der Chromosomen gebunden, vielleicht stehen sie in Connex mit dem Stoffwechsel derselben. Die Keimbläschen membran schwindet allmählich, die Chromosomen liegen frei und ordnen sich zu einer Aequatorialplatte an, worauf zwei Rich- tungskörperchen abgeschnürt werden. (Das weitere darüber siehe pag. 46.) Ueber die Art und Weise, wie der Follikel berstet und das reife Ei entleert wird, lässt sich folgendes angeben. Durch Auflockerung der Stiel- zellen des Cumulus löst sich das Ei von der übrigen Granulosa ab und kommt in den Liquor folliculi zu liegen. An der Stelle, an welcher der Follikel mit der Albuginea des Ovariums in Berührung kommt, verdünnt sich sowohl die letztere wie auch die Follikelwand, und da an der nämlichen Stelle (Stigma) die Getässe obliteriren und das gesammte Gewebe dadurch atrophisch wird, so entsteht hier ein Locus minoris resistentiae, welcher durch eine geringe Druckerhöhung von Seite des Follikels oder seiner Umgebung einreisst. Während das Ei entleert wird, bleibt der Rest des Follikels im Ova- rium zurück und bildet sich hier zu einem gelben Körper — Corpus luteum — um. Bei der Bildung des viel grösseren Corpus luteum verum, d. h. des Restes eines Follikels, dessen Ei befruchtet worden und in Entwickelung begriffen ist, geht dieser Rückbildungsprozess viel langsamer vorsieh, als bei der Bildung der Corpora lutea spuria, deren Eier nicht zur Befruchtung gelangt sind. — Im Corpus luteum ist an Stelle des Liquor folliculi meistens ein Blutcoagulum enthalten , welches aus einem in Folge einer Blutgefässruptur entstehenden Bluterguss sich bildet. Um das Coagu- lum und die restirenden Granulosazelien, welche nach und nach degeneriren, wuchert das Gewebe der Tunica propria der Theca folliculi. Die innere Lage dieses Gewebes enthält Zellen, welche sich mit Pigment füllen (Luteinzellen) und mit die gelbe Farbe des Gewebes verursachen. All- mählich faltet sich die innere Wand des Corpus luteum und der degenerirte Atresie des Follikels. 241 centrale Theil wird schliesslich unter Eesorption von Zellen der Wandschicht und der Gefässe durchwachsen. Nun fängt das Gewebe des Corpus luteum selbst, unter Quellune, hyalin zu degeneriren an — Corpus albicans. Dieser Prozess lässt sich mit einer Narbenbildung vergleichen und führt schliesslich zur Bilduno- einer Narbe, d. h. das Corpus albicans wird resorbirt und es bleibt an seiner Stelle relativ wenig faserreiches Bindegewebe zurück. Nicht alle angelegten Eier und Follikel gelangen zur Reife; sehr viele davon gehen zu Grunde durch einen Vorgang der Rückbildung, den man als Atresie bezeichnet. In allen Stadien, selbst bei den noch im Keim- Antrum folliculi Membrana grantüosa Camuius proligrerus - Ei -— Keim- bläschen Blutgefäss Fig. 179. Schnitt durch einen reifen Follikel eines injicirten Ovariunis vom Schweine. 50 mal versrr. epithel befindlichen Ureiern, kann der Vorgang der Atresie einsetzen, und zwar befällt der Rückbildungsprozess bei den Eiern, welche schon im Follikel eingeschlossen sind, zuerst stets das Ei selbst, erstreckt sich aber auch auf das Follikelepithel, und ist die Art und Weise der Degeneration beim Follikel- epithel und Ei dieselbe. — Das Keimbläschen, resp. die Kerne der Follikel- zellen gehen in der Regel auf chromatolytischem "Wege zu Grunde, können aber auch ohne sichtbare Chromatolyse schwinden (direkte Atrophie). Der Zellkörper geht meistens durch fettige Degeneration oder aber auf eine Weise, welche als eine „albuminöse Degeneration" bezeichnet wird, d. h. unter Bildung von Körnelungen, welche keine Fettreaktion, sondern eine Reihe anderer mit Ei Weissreaktionen übereinstimmender Reaktionen aufweisen, zu Böhm- v. Davidoff, Histologie. 16 242 Blutgefässe und Nerven des Ovariums. Grunde. Diese beiden Arten der Degeneration führen zu einer Verflüssig- ung des Zellkörpers und schliesslich zu einer hyalinen Verquellung desselben, wobei der Zellkörper homogen erscheint. Die Zona pellucida quillt, nimmt an Volumen zu, faltet sich und pflegt erst sehr spät resorbirt zu werden. Im weiteren Verlauf geht der Rückbildungsprozess auf dem Wege der Narbenbildung, in analoger Weise wie bei der Rückbildung der gelben Körper weiter, die Tunica propria der Theca wuchert unter Betheiligung von Leukocyten; die Produkte der Degeneration werden resorbirt und schliess- lich eine bindegewebige Narbe gebildet (vergl. G. Rüge und Schott- läader 91, 93). Die Blutgefässe des Ovariums treten am Hilus ein, verzweigen sich zunächst in der Marksubstanz und bilden an der Peripherie derselben, an der Grenze gegen die Rindensubstanz ein dichtes arterielles Netzwerk; aus diesem dringen Zweige in die Rindensubstanz ein und zerfallen dort in Kapillaren. Ihre Beziehungen zu den Follikeln sind derart, dass in der äusseren Schichte der Theca weitmaschige und in der Tunica propria der- selben engmaschige kapillare Netze gebildet werden. Die Venen sind sehr weit und bilden am Hilus des Ovariums einen Plexus. Die Lymphge fasse sind sehr zahlreich. Die Nerven halten sich an die Gefässbahnen, diese umspinnend; nur wenige Nerven treten an die Theca folliculi heran, umspinnen den Follikel von allen Seiten, überschreiten aber die Theca nicht, sondern endigen mit oder ohne Endanschwellungen in der Theca selbst. Ganglienzellen des sympa- thischen Typus kommen ebenfalls im Ovarium vor (Retzius 93, Riese). 3. Tuba, Uterus, Vagina. Die Tuba besteht aus einer Schleimhaut, einer Muskelschichte und einem Peritonealüberzug. Die Schleimhaut zeigt ein System longitudinal verlaufender Falten, die sehr zahlreich sind und ineinander übergehen können. Frühe angelegt und besonders stark ausgebildet sind vier Falten, welche man ohne besondere Mühe beim erwachsenen Weibe im Isthmus erkennen kann. Es sind dies die Hauptfalten, im Gegensatz zu den übrigen, die man als Neben- falten bezeichnen kann (Frommel). Im Isthmus, wo die Neben- falten sehr entwickelt sind, legen sie sich so aufeinander, dass von einem mit dem blossen Auge wahrnehmbaren Lumen keine Rede sein kann. Das Epithel ist ein einschichtig-flimmerndes und kleidet alle Uneben- heiten und Faltungen aus. Drüsen, wenn man nicht die Buchten zwischen den Falten als solche bezeichnen will, kommen im Ovidukte nicht vor. Das unter dem Epithel liegende Stratum (Stratum proprium) ist faser- arm, aber zellenreich. Im Isthmus ist das submuköse Gewebe kompakt, in Bau des Uterus. 243 der Ampulle und im Infundibulum locker und gefassreich und von einer Muscularis mucosae, deren Fasern longitudinal verlaufen und z. Th. n den Hauptfalten, nicht aber in den Xebenf alten gelegen sind, begrenzt Auf eine als Submukosa zu bezeichnende Schicht folgt eine äussere Muscularis, welche aus einer inneren cirkulären und einer äusseren, schwächeren longitudinalen Lage besteht. Letztere ist in der Ampulle viel- fach unterbrochen und kann im Infundibulum ganz fehlen. Buchten *&■ m .M^ffi ■^ ¥ &?.'■ ~'^\ >. -%f r:-\ mr $ mm £?*'/&% * WS ?',■''# s-r ~4 £{• ?Msm& Stratum proprium Angeschnittene Buchten S. Für. 180. Schnitt aus der Tube eines jungen Weibes. Links stärker vergrösserte flimmernde Epithelien aus derselben Tube. 170 mal verer. Im Uterus unterscheiden wir die gleichen Theile, welche aber hier im Corpus und Cervix gewisse Modifikationen erleiden. Das Epithel ist in beiden Theilen ein flimmerndes, ist jedoch im Cervix höher. Die Drüsen des Corpus sind verzweigte tubulöse Drüsen, deren Zellen ebenfalls flimmern. Im Cervix kommen aber ausser diesen Diüsen noch eigentümliche kurze, mit seitlichen Ausbuchtungen versehene vor; ihr Lumen ist umfang- reicher, ihr Epithel höher. Besonders zahlreich ist diese letztere Art von Drüsen in der Region der Plicae palmatae (O verlach). In der Cervix kommen überall Drüsen, bis zum Ostium externum vor, an welcher Stelle bei jungfräulichen ITteri das Flimmerepithel in der Regel in das geschichtete übergeht. Bei Weibern, die geboren haben, erstreckt sich das Pflasterepithel bis in den Cervikalkanal und kann, zuweilen mit Unterbrechungen, im ganzen unteren Drittel des letzteren angetroffen werden. 16* 244 Uterus. Jedoch herrschen in diesen Verhältnissen Schwankungen, so dass zu- weilen schon bei Kindern der untere Theil des Cervikalkanales Pflaster- epithel trägt. OberhaLb der Plicae sind die Drüsen zahlreich; nach abwärts nehmen sie allmählich an Zahl ab. Im normalen Zustande ist die Menge des Sekrets dieser Drüsen eine sehr geringe. In der Region der Plicae palmatae, zwischen und auf denselben kom- men Zotten (Papillen) vor, welche von einem etwas niedereren Epithel ausgekleidet zu sein pflegen. In der Schleimhaut der Cervixregion sind eigenthümliche, von allen Seiten abgeschlossene, verschieden grosse, von einfachem cylindrischen oder flimmerndem Epi- thel bekleidete Räume vorhanden, die sogenann- ten Ovula Nabotki, welche wahrscheinlich als abnorme Cysten- bildungen aufzufassen sind. (Vergl. A.Martin.) Was die Muskula- tur anlangt, welche in der Cervix wie im Corpus uteri in drei Lagen gesondert ist, so unterscheidet man eine innere, mehr longitudinal verlaufende (Stratum mucosum), eine mittlere hauptsächlich cirkuläre und gef ausführende (Str. vasculosum) und eine äussere, ebenfalls noch longitudinal gerichtete Schicht (Str. serosum). Die innere und äussere Muskellage sind im Verhältniss zur mittleren Schicht nur schwach entwickelt. Die verwickelten "Verhältnisse der Muskulatur im Uterus können besser verstanden werden, wenn man ihre Entstehung berücksichtigt. Als ursprüngliche Stauiininuskulatur des Müller 'sehen Ganges ist die Ringmuskulatur zu betrachten. Die äussere longitudinale Muskulatur der Serosa tritt später auf uud ist von der Muskulatur des Lig. latum abzuleiten. Zwischen diesen beiden sind nun die grossen Gefässe, von einer Muskulatur begleitet, ge- legen — Verhältnisse, welche zeitlebens, z. B. bei Eaubthieren, persistiren. Beim Menschen werden die Gefässe jedoch in die Hingmuskulatur einbezogen und es tritt erst später die innere submuköse Muskulatur auf. Eine eigentliche Muscularis mucosae uteri ist beim Menschen nicht vorhanden (Sobotta). Fi?. 181. Aus dem Uterus eines jungeu Weibes. 34 mal vergr. Bau der Scheide. 245 Was die Richtung der Flimmerung in der Tuba und im Uterus anlangt, so wurde bisher von Gynäkologen angenommen, dass sie dem Ost. uterinum tubae zugewandt ist. Nach neueren Untersuchungen kommen die älteren Angaben der Anatomen zu Ehren, nach welchen die Flimmerung im Uterus, ebenso wie im Ovidukt, auch beim Menschen scheidenwärts gerichtet ist (Hofmeier). An der Scheide unterscheiden wir ebenfalls drei Schichten : 1. die Schleimhaut, 2. die Muskelschicht und 3. eine äussere Faserhaut. — Das Epithel der Schleimhaut ist ein mehrschichtiges Pflasterepithel (auch hier mit einer aus cylindrischen Zellen bestehenden basalen Lage), welches gleichmässig die Unebenheiten überzieht. Gefasstragende Papillen, welche, am Grunde zwischen den Columnae rugarum zu fehlen pflegen, sind sonst überall vorhanden. Es kommen keine Drüsen, oder höchstens nur vereinzelte, in der Scheide vor, wohl aber kommt es zu Anhäufungen von lymphoidem Gewebe im Stratum proprium und manchmal auch zur Ausbildung von Lymphknoten. Xach y. P reuschen und C. Enge sollen jedoch in der Vagina vereinzelte Drüsen vorkommen. Es sind dann verhältnissmässig einfache, unregelmässige Schläuche, die aus flimmerndem Cylinderepithel bestehen. Der Äusführungsgang hat, vie die Schleimhaut der Scheide, geschichtetes Pflasterepithel. Xach unten wird der obere Theil der Scheide vom Hymen abgeschlossen, welche Membran als Rest der Scheidewand zu betrachten ist, welche bei Embryonen zwischen dem ampullär erweiterten Endabschnitt der verschmol- zenen Müll er 'sehen Gänge und dem Ektoderm des Sinus urogenitalis be- steht. Demnach hat das innere Epithel des Hymens den Charakter des Scheidenepithels und das äussere den der äusseren Haut. (G. Klein.) Das Stratum proprium der Vagina besteht aus auffallend groben, sehr viele elastische Fasern enthaltenden Bindegewebefasern. — Die Muscularis, welche im unteren Abschnitte stärker entwickelt ist, wie im oberen, lässt, wenn auch nicht in deutlicher Ausprägung, eine innere longitudinale und eine äussere Ringmuskulatur erkennen. Besonders stark ist die Muscularis vorne (an der Harnblasengrenze) entwickelt. — Die äussere Faserschicht besteht aus dichterem Bindegewebe, welches, lockerer werdend, sich mit dem der Umgebung verbindet. Das Epithel des Vorhofes nimmt allmählich den Charakter des Haut- epithels an ; seine äusseren Zellen werden kernlos ; Talgdrüsen kommen nament- lich in der Umgebung der Urethralöffnung und in der Umgebung der kleinen Schamlippen vor. An der äusseren Fläche der letzteren kommen bereits Haare vor. Die Clitoris ist ebenso gebaut wie der Penis; indessen fehlt hier das Corpus cavernosum urethrae. An der Clitoris der Erwachsenen kommen keine Drüsen vor. Die Barth olini'schen Drüsen des Weibes sind den Co w per 'sehen des Mannes vollständig analog gebaut. 24G Blutgefässe und Nerven des Uterus. Die Blutgefässe des Uterus entstammen aus verschiedenen Arterien, der A uterina, spermatica int. und ext. — und treten seitlich in den Uterus ein. Sie verzweigen sich besonders reichlich in der mittleren Muskellage; einige Gefässe treten durch die innere Muskelschicht hindurch, um in der Schleimhaut, unmittelbar unter dem Epithel, ein die Drüsen umspinnendes, engmaschiges Kapillarnetz zu bilden. Die venösen Stämmchen bilden in der tieferen Schicht der Schleimhaut einen Venenplexus, der besonders stark in der Cervix und namentlich am Muttermunde ausgebildet ist. Ein weiterer, stark entwickelter venöser Plexus befindet sich in der mittleren Muskelschicht. Erst aus diesem entstehen stärkere Venen, welche in den Plexus uterinus resp. in die V. spermaticae sich ergiessen. Die Nerven sind in der Tube und im Uterus sehr zahlreich und bilden sowohl in der Muskulatur, als auch in der eigentlichen Mukosa dichte plexusartige Ausbreitungen. Unmittelbar unter dem Epithel breiten sie sich ebenfalls flächenhaft aus und kann man Nervenfäserchen zwischen die Epi- thelzellen selbst eindringen sehen. — Aehnliche Verhältnisse gelten auch für das Epithel der Uterindrüsen. Auch im Epithel der Scheide sind Nerven nachgewiesen worden, welche zwischen den Epithelzellen mit oder ohne An- schwellungen enden (vergl. Gawronski). Im Verlauf aller < dieser Nerven trifft man Ganglienzellen vom s)Tmpathischen Typus an. In den Papillen der Gl ans clitoridis befinden sich ausser gewöhnlichen Tastkörperchen noch sogenannte Genitalkörperchen. — Den gröberen Nerven der Clitoris sitzen mitunter zahlreiche Pacini'sche Körperchen auf. An verschiedenen Stellen der Marksubstanz des Ovarium, in der Mehrzahl der Fälle jedoch in der Nähe des Hilus ovarii, sind unregelmässige epitheliale Stränge oder Röhrchen mit cylindrischem, auch mit Flimmerepithel anzutreffen (Paroophoron). Es sind Ueberbleibsel der Urniere und sind Fortsetzungen jenes rudimentären Organes, welches im oberen Theile des Ligamentum latum liegt und als Epoophoron bezeichnet wird. Die einzelnen Röhrchen des Epoophoron stehen in Beziehung zum Gärtner 'sehen Gang ( Wolf f 'scher Gang), der beim Menschen kurz ist, blind endigt und niemals, wie bei gewissen Thieren, in die untere Partie der Vagina einmündet. Diese Derivate der Urniere bestehen aus kürzeren oder längeren blindendigenden Schläuchen, die mit flimmerndem Epithel, dessen Zellen oft in Zerfall angetroffen werden, ausgekleidet sind. Die Morgagn i'sche Hydatide ist eine peritoneale Duplikatur. Das Spormatosoni. 2±7 D. Männliche Geschlechtsorgane. 1. Das Spermatozoon (Spermatosom). Der männliche Samen besteht aus einer Flüssigkeit, die im Wesent- lichen ein Sekret von verschiedenen, sj^äter zu erwähnenden Drüsen ist und aus darin suspendirten sogenannten Samenfäden (Spermatosomen oder Spermatozoon). Die letzteren bilden sich im Hoden aus. Wir wollen zunächst den Bau des fertigen Spermatosoms kennen lernen, Fibrillen des Achsenfadens Fibrillen des Randfadens Spiess Segmente 3S Neben- -L fadens ebenfaden -j--1-1 [auptstück Retzius- sches End- stück Steuer- - mem- bran aduliiendo Membran Fig. 182. Schema eines Spermatosoms, in welchem die bei verschiedenen Wirbelthieren gemachten Befunde berücksichtigt sind. und zwar nach einem komplizirt entworfenen Schema, au welchem wir alle den Spermatozoon überhaupt zukommenden Theile aufzählen wollen. Zunächst unterscheiden wir drei Haupttheile: 1. den Kopf, 2. das Mittelstück und 3. den Schwanz (Geisselfaden). Am Kopfe lässt sich ein Spiess und ein Hauptstück wahrnehmen, welch' letzteres aus Chromatinsubstanz besteht und bei der Befruchtung die Hauptrolle spielt. Das Mittel stück, das sich dem hinteren Theile des Kopfes anfügt, besteht aus einem protoplasmatischen Mantel, dessen Achse vom so- genannten Achsen faden durchsetzt wird; vorne am Kopf bildet der Faden 24:8 Bau des Spermatosoms. eine knopfförmige, in eine Delle des Kopfes angebrachte Anschwellung, das Endköpfchen. Von dem Mittelstück aus setzt sich der Achsenfaden kon- tinuirlich in den Schwanz des Spermatosoms fort und ist hier von einer helleren Substanz, der Achsenfadenscheide umgeben. An der Spitze des Schwanzes fehlt diese Hülle; der Achsenfaden läuft rechts aus und bildet das sogenannte Retzius'scke Endstück. Am Mittelstück entspringt ein feinerer Faden, Randfaden, der in einer gewissen Entfernung vom Achsen- faden bis zum Retzius'schen Endstück verläuft. Er durchkreuzt in seinem Verlaufe vielfach den Achsenfaden, kann sogar um denselben spiralig gewunden sein. In allen Fällen ist er mit der Hülle des Achsenfadens durch eine feine Membran die undulirende Membran verbunden. Ein anderer dünnerer Neben faden verläuft parallel dem Achsenfaden, an der Oberfläche seiner Scheide, und endet in einer gewissen Entfernung vom Endstück. Am Ende der Geissel. unmittelbar vor dem Endstück und der undulirenden Membran entgegengesetzt liegend, befindet sich ebenfalls eine kurze Membran, die S t euer membr an. — Durch Macerationen lassen sich der Achsen- und Randfaden in feinste Fibrillen zerlegen (Ballowitz). Der Xebenfaden zer- fällt unter den gleichen Bedingungen in kurze Segmente der Quere nach. Bei den Säugethieren, und namentlich beim Menschen, scheinen die Sper- matosomen einfacher gebaut zu sein. Der Kopf ist hier birn förmig und seit- lich komprimirt. Einige Säugethiere (z. B. die Maus) besitzen am Kopfe eine sogenannte, dem Spiess zu homologisirende Kopfkappe. Das Mittel- stück (Maus) ist verhältnissmässig lang und lässt eine deutliche Quer- streifung erkennen, welche man auf einen spiraligen Bau zurückführen kann. Auch hier wird das Mittelstück durch den Achsenfaden durchsetzt, der am Kopfe mit einem Endknopf endigt und auch bei Säugethieren sich mit- unter in Fibrillen zerlegen lässt Gibbes hat vor Jahren an menschlichen Spermatosomen eine undu- lirende Membran beschrieben, ein Befund, der von W. Krause (81) be- stätigt wurde. Die Spermatosomen sind beweglich; vermittelst ihrer Geissei vollführen sie spiralige, bohrende Bewegungen. Sie zeichnen sich durch eine -■■ Lebenszähigkeit aus, sind namentlich gegen Einwirkungen niederer Tem- peraturen sehr resistent (vergl. Pier so 1). Bei einigen Fledermäusen dringen sie in die Tube der Weibchen im Herbste ein und befruchten aber erst im Frühjahr die reif werdenden Eier. (Uebcr den Bau der Spermatosomen vergl. Jensen, Ballowitz.) 2. Der llode. Ueber den Bau des Hodens orientirt man sich am besten an einem sagittalen Längsdurchschnitt. Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man, dass der Hode aus einer grossen Anzahl von Läppchen besteht. Die letzteren entstehen da- Bau des Hodens. 249 durch, dass die den Hoden umhüllende Tunica albuginea, Fortsätze, septula testis, indie Substanz desselben hineinsendet, welche gegen eine verdickte, am Nebenhoden liegende Stelle, corpus Highmori, radienartig konvergiren. Diese Läppchen bestehen zum grössten Theile aus den sogenannten Hodenkanälchen, deren Quer-, Schräg- und Längsdurchschnitt man an dem erwähnten Medianschnitte bei stärkerer Vergrösserung sieht. Lobulus testis Tunica albuginea _ Caput epidi- dymidis Corpus Highmori und Rete testis / 5? Blutgefässe Gerade Kanälchen Vasepididymidis Fig. ISi. Längsschnitt durch einen menschlichen Hoden und Nebenhoden. Die hellen Züge zwischen den Hodenläppchen sind die septula testis. 2 mal vergr. Die Isolation dieser Kanälchen zeigt, dass jedes von ihnen im Hoden mit einem blinden Ende beginnt, vielfach gewunden ist und sich schliess- lich zum Corpus Highmori begiebt. Auf ihrem Wege dorthin verbindet sich eine Anzahl der Hodenkanälchen miteinander, sodass die Zahl derselben gegen das Corpus Highmori eine geringere wird. Kurz vor dem letzteren gehen die gewundenen Kanälchen in ein kurzes, engeres und gerades, als Tubulus rectus bezeichnetes Stück über. Innerhalb des Corpus High- mori verbinden sich die Tubuli recti des gesammten Hodens zu einem Kanalnetz, Rete testis. Aus diesem Kanalnetz entsteht dann eine Anzahl von Kanälchen, etwa 15, die Vasa efferentia testis. Zunächst gerade verlaufend, be- 250 Bau des Hodens. ginnen sie bald sich zu winden, jedoch so, dass die Windungen eines Kanals ein System für sich bilden, das auch eine eigene Bindegewebsumhüllung erhält (Coni vasculosi Halle ri s. Lobuli epididymidis). Solche Lo- buli bilden dann die Bestandtheile des Kopfes des Nebenhodens. Das Lu- men der Coni vasculosi ist öfters auf dem Querschnitte sternförmig, was durch Faltungen der Wandung bedingt wird. In diesem Fall sind die Epithelien der Gruben basal verbreitert, dagegen auf der Kuppe der Falten basal verschmälert. (Vergl. Schaff er 92.) Die Vasa efferentia verbinden sich nun allmählich zu einem Kanal, dem V a s epididymidis, welches vielfach gewunden, im Körper und Schweif des Nebenhodens liegt. Dasselbe geht in das Vas deferens des Hodens über. Am Rete testis und mit demselben kommunizirend findet sich ein blindendigendes mit Flinnnerepithel ausgekleidetes Röhrchen, das Vas aber- rans des Rete testis. Am Vas epididymidis kommt eben- falls ein aberrantes Röhrchen vor, das Vas aberrans Hai ler i. Oefters findet man in der Nähe des Nebenhodens, im Bindegewebe eingebettet, ein System von gewundenen, blind- endigenden Kanälchen , die Paradidymis oder das Giraldes'sche Organ. Die gewundenen Hoden- kanälchen sind von einander durch Bindegewebe getrennt, in welchem man ausser Ge- fässen, Nerven etc. noch eigen- thümliche grosse, mit grossen Kernen versehene Zellen (inter- stitielle Zellen) vorfindet. Ueber die Bedeutung dieser Zellen lässt sich nichts Bestimmtes aussagen. Es sind Reste eines rudimentären Organs (vielleicht des Wolff- schen Körpers). Die äussere Wand der gewundenen Hodenkanäleken besteht aus einer einfachen oder mehrfachen Lage von spindelförmigen Zellen. Eine Membrana propria ist vorhanden, ist aber sehr dünn und in manchen Fällen gar nicht nachzuweisen. Das Epithel der Hodenkanälchen besteht aus Stütz- oder Follikel- z eilen und aus Samenkeimzellen. Die ersteren sind hohe cylindrische W! Fig. 184. Schnitt durch einen Hoden vom Hunde mit injicirten Blutgefässen bei schwacher Vergrösserung. a Hodenkaniilchen ; b Septulum tostis; c Blutgefäss. Bau des Hodens. 251 Elemente (s. u.), deren basale Flächen mit einander in Berührung stehen. Da diese Stützelemente in einer verhältnissmässig geringen Zahl vorkommen, so bilden ihre basalen Ausläufer ein oberflächliches Netz. Die Maschen des Netzes sind von sehr flachen Zellen ausgefüllt, welche dicht an der Fig. 185. Fi?. !-•;. Stützzellen des Hodens von Meerschweinchen mit Chromsilbermethode dargestellt. Fig. 185 von der Fläche des Hodenkanälchens gesehen, Fig. 186 von der Seite. 220 mal vergr. a Basale Fläche einer cylindrischen Stützzelle ; l> platte Stiitzzelle ; c Eindrücke hervorgerufen an den cylindrischen Stützzellen durch, die samenbildenden Zellen; d Basaler Tneil von Stützzellen. M. propria liegen und ebenfalls zu den Stützelementen zu rechnen sind (vergl. Meckel 71). Die Betrachtung der Samenkeimzellen kann insofern lediglich im Zu- sammenhang mit der Spermatogenese besprochen werden, als diese Zellen, je nach dem Stadium, in welchem sie sich befinden, verschiedene Eigen- schaften zeigen (vergl. Fig. 187). Das komplizirte Epithel der gewundenen Samenkanälchen geht in den geraden Hodenkanälchen in ein einfaches kubisches und im Rete testis in ein niederes Epithel über. Die Blutgefässe des Hodens verbreiten sich im Corpus Highmori und in seinen Ausläufern, und umspinnen die Samenkanälchen mit zu regel- mässigen Netzen angeordneten Kapillaren. Auch die Gruppen der inter- stitiellen Hodenzellen werden von Kapillaren versorgt. Zahlreiche Nerven umspinnen die Gefässe. Einzelne Zweigchen ver- lassen die Gefässbahn und können bis in die Nähe der Samenkanälchen verfolgt werden (Retzius 93). Ganglienzellen sind hier bisher nicht ge- sehen worden. Die Vasa efferentia weisen ein hohes zweizeiliges, flimmerndes Cy- linderepithel auf, eine Membrana propria und eine dünne Ringmuskulatur. Im Vas epididymidis kommt eine äussere, dünne Längsmuskula- tur hinzu. Zwischen der Membrana propria und der Ringmuskulatur findet sich eine dünne Bindegewebs! age (Tunica propria). 252 Samenblasen und Prostata. 3. Ausfuhrwege des Hodens. Das Vas deferens besitzt eine dreifache Muskellage, von welchen die mittlere cirkulär, die beiden anderen longitudinal angeordnet sind. Die sub- epitheliale Bindegewebsschicht ist sehr reich an elastischen Fasern. Die Schleim- haut zeigt longitudinale Falten ; das Epithel ist zweizeilig und flimmerlos. {Die Flimmern fehlen in der Regel schon am Endstück des Vas epidi- dymidis.) Das Epithel des Vas deferens ist nach Steiner nicht immer das gleiche, es kann im unteren Abschnitte Flimmern tragen , kann aber auch ein mehrschichtiges cylindrisches, von dem Typus des Epithels der Harnblase und des Ureters sein. In der Ampulle fehlt die innere Muskelschicht; das Epithel ist grösstentheils einschichtig. Es kommen hier ausser den Falten noch Buchten und Schläuche vor, welche sich mitunter verzweigen — Bildungen, die als Drüsen aufgefasst wurden. Die Samenblasen haben ebenfalls, wenigstens in gefülltem Zustande, ein einschichtiges, flimmerloses, cylindrisches Epithel. In kollabirtem Zustande findet man hier ein zwei-, mitunter auch ein dreizeiliges Epithel. Die Schleim- haut bietet bekanntlich zahlreiche Falten, welche z. B. beim Meerschwein- chen nur eine sehr dünne bindegewebige Achse aufweisen. Ausser einem subepithelialen spärlichen Bindegewebe finden wir an der Samenblase noch eine innere Ring- und eine äussere Längsmuskelfaserschicht vor. In der Samenblase werden in der Regel keine Spermatosomen angetroffen. Das Epithel des Ductus ejaculatorius ist ein einschichtiges; die innere Ringmuskelschicht ist sehr wenig entwickelt. Während des Durch- ganges des Ductus ejaculatorius durch die Prostata verwebt sich die Längs- muskelschicht desselben mit der Muskulatur der letzteren, büsst also ihre Selbstständigkeit ein. — Die Ductus ejaculatorii münden entweder am Colliculus seminalis, oder seltener in den Uterus masculinus ein. Die Prostata ist eine zusammengesetzte alveoläre Drüse. Ihre äussere Wandung besteht aus einer dicken Lage glatter Muskelfasern, aus Binde- gewebe und elastischen Fasern. Alle diese Bestandtheile der Wandung senden in das Innere der Drüse Fortsätze und Lamellen , welche gegen die Basis des Colliculus seminalis konvergiren. Das Drüsenepithel ist ein ein- schichtiges, kubisches, wurde aber auch als ein zweizeiliges angetroffen (Rüdinger 83). Die vorhandene Membrana propria ist nur schwer nachzu- weisen. In den Alveolen der Drüse findet man mitunter eigenthümliche kon- centrisch geschichtete Konkremente (Prostatasteine). Zahlreiche Ausführungs- gänge konfiuiren vielfach und sammeln sich in der Region des Colliculus semi- nalis zu 15 — 30 gröberen Ausführungsgängen, welche in der Regel entweder am Colliculus sem. oder im Sulcus prostaticus ausmünden. Das Sekret der Prostata ist nicht Schleim. I rethra und Penis. 253 Im Prostatakörper befindet sich der Uterus inasculinus (Yesicula prostatica), dessen Epithel ein zweizeiliges und mit einem deutlichen Kuti- kularsaum versehenes Flimmerepithel ist. In seinem urethralen Abschnitte kommen kurze alveoläre Drüsen vor. Die Co wper'schen Drüsen sind ebenfalls verzweigte alveoläre Drüsen. Es sind exquisite Schleimdrüsen. Gi an uz z i'sche Halbmonde werden jedoch nur selten angetroffen. Die Ausführungsgänge haben ein zwei- bis dreizeiliges Epithel (vergl. V. Müller). Die Pars prostatica urethrae enthält, wie die Harnblase, ein mehrschichtiges Pflasterepithel, die Pars membranacea ein geschichtetes Cylinderepithel , die Pars cavernosa ein zweizeiliges cylindrisches, das in der Fossa navicularis zu einem mehrschichtigen Pflasterepithel wird. Es kommen in der Urethra, von der Pars membranacea beginnend, unregelmässig zerstreute epitheliale Aussackungen von verschiedener Form vor. Einige davon sind sogar alveolär verzweigt und sind dann nichts anderes als die Littre'schen Drüsen. Die Submukosa der Schleimhaut der Pars cavernosa der Urethra ist sehr venenreich, enthält ansehnliche Yenengeflechte, welche in Verbindung mit cavernösen Yenenräumen stehen, die im Uebrigen denen der Corpora cavernosa penis gleichen (siehe diese). Der Penis besteht aus drei Schwellkörpern, den zwei Corpora cavernosa penis und dem Corp. cav. urethrae. Die beiden ersteren sind von einer festen, bindegewebigen Hülle, der Membrana albuginea, ein- gehüllt. Der Hauptbestandttheil der Schwellkörper wird von dem soge- nannten Schwellgewebe gebildet, in dessen Maschen ein System von miteinander anastomosirenden Räumen sich findet. Diese Räume können als Yenen, deren Wandungen dem Schwellgewebe anliegen, aufgefasst werden. Letzteres besteht aus Bindegewebe, elastischen Fasern und glatten Muskelzellen. Die venösen Räume können unter gewissen Bedingungen mit Blut ge- füllt werden; unter gewöhnlichen Verhältnissen kollabiren sie zu unschein- baren Spalten, welche Bindegewebsspalten vortäuschen können. Es sind also hier Gefässanordnungen gegeben, die den Blutkreislauf innerhalb der Schwell- körper entweder mit oder ohne Einschaltung der venösen Räume des Schwell- gewebes ermöglichen. Die Arterien der Corpora cavernosa penis besitzen eine auf- fallend stark entwickelte Muskulatur. Sie durchsetzen die Balken und Septen des Schwellgewebes und zerfallen innerhalb der Septa in weit- maschige Kapillaren. Ein kleiner Theil dieser Arterien ergiesst sich direkt in die kavernösen Räume. Andererseits bilden sie unmittelbar unter der Albuginea ein engmaschiges Kapillarnetz, welches mit einem dichten tiefer gelegenen Yenennetz in Verbindung steht. Letzteres geht 254 Spermatogenese. allmählich in die kavernösen Räume über. Ausserdem finden sich kapillare Verbindungen zwischen den arteriellen und venösen Kapillaren , welch' letztere in das erwähnte Venennetz einmünden. Der Blutstrom kann also, durch gewisse Einrichtungen regulirt, entweder durch die Kapillaren allein, oder durch diese und die Schwell körper fliessen. Hiervon hängt der nicht errigirte oder irrigirte Zustand des Penis ab. Etwas anders liegen die Verhältnisse im Corpus cav. urethrae und in der Glans peuis. 4. Spermatogenese. Zum Verständniss dieses komplizirten Prozesses ist es zweckmässig, wenn wir denselben von einem Thiere vorführen, bei welchem er einfacher vor sich geht und am besten bekannt ist. Das ist unter den Wirbelthieren bei Salamandra maculosa der Fall. Am Anfange sind die Hodenkanälchen noch solide zeüige Stränge, erst während einer regen Produktion von Sper- matosomen bildet sich ein Lumen aus, in wel- chem diese dann liegen. Die Zellen, welche die F'£- 18<- soliden Stränge zusam- Schnitt durch ein gewundenes Samenkanälehen des Hodens niensetZen, lassen schon der Eatte. >ach v. Ebner 88. Die kandelaberartigon Gebilde sind die Stützzellen in Verbindung mit ™ frühen Stadium Zwei Spermatiden und Spermatosomen. Dazwischen samenbildende Zellen . i_ • l t-v* z. Tb., in Mitose. Unten an der Basalmembran schwarze Punkte. Fett- Arten Unterscheiden. Die uöpfchen, eine Eiirenthümliehkeit des Rattenhodens. Fixirt mit • » . , i . • j. i f"i e mm in g -scher Flüssigkeit. eine Art steht in direkter Beziehung zur Bildung der Spermatosomen, während die andere hierbei eine mehr passive Rolle spielt. Die erste Art von Zellen, die Sperm atogonien, Ursamenzeilen beginnen, indem sie gleichzeitig an Volumen zunehmen, sich zu vermehren. Dabei üben sie einen Druck auf die zweite Art von Zellen, die Follikel- oder Stützzellen, aus und zwar so, dass die Kerne der letz- teren mehr oder weniger gegen die Wand des Samenkanälekens rücken, während ihr Protoplasma von benachbarten Spermatogonien von allen Seiten her Eindrücke erhält, so dass die Stützzelle einen platten, länglichen, von allen Seiten mit Einbuchtungen und Fortsätzen versehenen Körper darstellt. In diesem Stadium liegen die Spermatogonien radiär angeordnet und fassen zwischen sich die langen Stützzellen. (Fig. 187.) Xachdem sämmtliche Kerne der Spermatogonien in Ruhe getreten sind, schliesst die Wachsthumsperiode der aktiven Elemente des Hodenkanälchens Spermatogenese. 2-55 ab und es tritt je nach dem Thier eine mehr oder weniger lange Ruhe- pause ein. Die Mehrzahl der Spermatogonien mit Ausnahme derjenigen, die an der Membrana propria des Kanals liegen, schicken sich nach Ablauf dieser Pause zur mitotischen Theilung an und heissen von jetzt ab Sperrnato cyten ^ J9 Fi-. 188. Schema eines Durchschnittes durch ein gewundenes Samenkanälchen eines Sängethieres in Thätigkeit, um die Spermatosomenent-nickelvmg zu zeigen. Die Chromosomenzahl ist bei den verschiedenen Generationen der Spermatosomeubildner nicht berücksichtigt. Die pro- gressiv fortschreitende Entwickelung der Spermatosombildner ist in den S Kreissektoren dargestellt : a junge Stützzelle: b Spermatogonie : c Spermatocyt ; d Spermatide. In 1, 2, 3 und i liegen gegen das Centreim, mit der vergrösserteu Stützzelle verbunden, junge Samenfäden; zu beiden Seiten der Stützzeüe samenbüdende Zeilen oder Mutterzellen in Mitose. In den Abschnitten 5. 6, 7 and 8 liegen, gegen das Centrtun mit dem Sclrw-anztheile eerichtet, vorgeschrittenere Stadien von Samenfäden, beiderseits flankirt von jüngeren Spermatiden der folgenden Generation. (Ans Eanber, naoh Brown, mit Aenderungen nach Hermann. I. Ordnung = Samenmutterzellen. Es bildet sich in der gewöhn- lichen Weise ein Knäuel, aus welchem eine Anzahl Chromatinsegmente entstehen. Durch successive Spaltung eines jeden von ihnen wird eine Zahl von Segmenten erreicht, welche doppelt so gross ist als jene, die gewöhnlich in den somatischen (Gewebszellen des übrigen Körpers) Zellen vorhanden ist. 256 Spermatocyten und Spermatiden. Im weiteren Verlauf der Spermatogenese theilt sich jede Samenmutter- zelle zweimal nach einander, ohne dass eine Ruhepause zwischen der 1. und 2. Theilung erreicht wird. Aus der ersten Theilung gehen die Samentochterzellen hervor oder Spermatocyten 2. Ordnung. Aus der Theilung der letzteren die Spermatiden oder die Samenenkel- zellen, aus welchen durch Umwandlung die Samenkörper oder die Spermatosomen direkt hervorgehen. Es ist verständlich, dass durch die zwei, ohne Pause aufeinander- folgenden Theilungen in die dritte Generation der Spermatocyten oder in die Spermatiden nur die Hälfte der Zahl der Chromosomen einer Spermato- gonie resp. Gewebszelle gelangt. Nachdem wir die Bildung der Spermatide im Allgemeinen kennen ge- lernt haben, wollen wir diesen Prozess etwas spezieller in's Auge fassen. Die Vorgänge der Mitose gehen in den Spermatocyten I. Ordnung nach Flemming (88) in heterotypischer Weise vor sich, d. h. die Chromo- somen verdoppeln sich (dadurch wird die Zahl der Chromosomen einer somatischen Zelle erreicht) und bleiben längere Zeit an ihren Enden verklebt. Nach dem Ablauf eines nicht scharf ausgeprägten Asterstadiums ordnen sich die Schleifen bipolar, wobei die Verbindungsstellen derselben in die Aequatorial- ebene zu liegen kommen. Die Schleifen bleiben immer noch, wenigstens zum grössten Theil , miteinander verbunden und erst am Schluss der Metakinese wird diese Verbindung gelöst. Dieses Stadium der Metakinese dauert bei der heterotypischen Theilungsform (hier im Ganzen eine Tonnen- form bildend) viel länger als bei der gewöhnlichen Mitose. Im Stadium des Dyasters theilen sich die Chromosomen abermals und es gehen in die Tochter- zellen (Spermatocyten zweiter Generation) ebenso viele Chromosomen über, als eine somatische Zelle enthält. Ohne dass ein Ruhestadium des Kernes erreicht wird, werden die Chromosomen je einer Schleife, nachdem ein Stadium der Metakinese vorausgegangen ist, auf zwei Zellen (Spermatocyten dritter Ordnung = Spermatiden) vertheilt. Es tritt dann eine Ruhepause ein. Wir können also sagen, dass die Spermatocyten erster Ordnung schon im Stadium des segmentirten Knäuels implicite die doppelte Zahl der Chromosomen einer somatischen Zelle enthalten, was aber erst im Stadium des Dyasters deutlich zum Vorschein kommt (scheinbare Verdoppelung im Stadium des Dyasters). Daraus resultirt 1. das Herabsetzen der doppelten Anzahl der Chromosomen in den Spermatocyten IL Ordnung auf eine normale Zahl, 2. das Herabsetzen der Chromosomenzahl der Spermatocyten III. Ordnung (Spermatiden) (da das Ruhestadium und die Längsspaltung der Chromo- somen hier wegfallen), auf die Hälfte der Chromosomen einer somatischen Zelle. Die Zahl der Chromosomen wird also auf die Hälfte reduzirt. Ausser der heterotypen Form kommt bei der Theilung der Spermato- cyten noch eine sogen, homöotype Form vor. Sie unterscheidet sich von Umbildung der Spermatide zu einem Spermatosom. 257 der heterotypen durch eine grosse Kürze der Chromosomen, durch das Fehlen der Tonnenform, durch eine lang andauernde Asterform und durch die Ab- wesenheit der Verdoppelung der Chromosomen im Stadium des Dyasters. Nach vom Itath's neuerer Untersuchung erfolgt die Reduktion der Chromosomen nicht während der Bildung der Spermatiden. Nach ihm geschieht dieses in einer vierten Generation, d. h. unsere Spermatiden (dritte Generation vom Rath's) verwandeln sich noch nicht in Spermatosomen, sondern theilen sich noch weiter und zwar zweimal, ohne Euhe- stadium zu durchlaufen. Erst das Produkt der zweiten Theilung ist eine Spermatide in unserem Sinne, also eine Zelle, aus welcher das Spermatosom hervorgeht. Bei Salamandra ist die Zahl der Chromosomen in einer somatischen Zelle 24, in einem Spermatocyten erster Generation 48, in einem der zweiten 24, in dem der dritten Generation (Spermatide) 12. Die Spermatiden durch- laufen einen Reifungsprozess und jede von ihnen liefert schliesslich ein Sper- matosom. Die Art und Weise, wie sich diese Umbildung vollzieht, sieht man aus Folgendem: Der Kern der Spermatide gelangt zum Ruhestadium; im Proto- plasma sieht man mehr oder weniger deutlich eine Astrosphäre mit einem darin gelegenen, relativ grossen Centrosoma. Letzteres verlässt die Astro- sphäre und zerfällt, wenigstens bei einigen Thieren, in einen kugel- und in einen ringförmigen Körper. Inzwischen erleidet der Kern eine Gestalts- veränderung: aus einer kugeligen Gestalt geht er in eine längliche und schliess- lich in eine langcylindrische über, wobei das Chromatinnetz gleichsam durch Kompression immer dichter und dichter wird. In diesem Stadium geräth der kugelförmige Körper, der Abkömmling des Centrosoms, durch die Mem- bran des modifizirten Kernes in denselben hinein und liegt am späteren Ende des Spermatozoenkopfes der Innenseite der Kernmembran an. Der ihn begleitende, oben erwähnte ringförmige Körper liegt an der nämlichen Stelle, aber ausserhalb der Kernmembran (Hermann). Schon zu dieser Zeit bemerkt man einen mehr oder weniger langen, fadenförmigen Streifen in der Spermatide, der von einem im Kern liegenden kugelförmigen Körper ausgeht und mitten durch den Ring sich bis zur Peripherie der Zelle erstreckt. Dies ist die Anlage des Achsenfadens. Ob derselbe aus dem Kern, oder, was wahrscheinlicher ist, aus dem Protoplasma oder vielleicht aus der Astrosphäre stammt, ist noch unentschieden. Die Gestalt des Kernes der Spermatide verändert sich nach und nach; schliesslich entsteht aus ihm ein homogen erscheinender Körper — der Kopf des Spermatosoms. Jener kugelige Abkömmling des Centrosoms wird zum End- knöpfchen des Achsenfadens; der ringförmige Körper gestaltet sich zur An- lage des Randfadens und der undulirenden Membran. Die übrigen Theile des Bewegungsapparates an der Geissei bilden sich sehr wahrscheinlich aus dem Protoplasma der Spermatide. Die den Spermatosomenkopf seitlich umschliessende Membran, welche anfangs sehr leicht nachweisbar war, verdünnt sich allmählich, erfährt aber Böhm - v. Davidoff, Histologie. 17 258 Spermatogenese der Säugethiere. an der Spitze desselben eine eigenthümliche Umwandlung, die zur Bildung des Spiesses führt (Hermann). Bei den Säuge thi eren ist es gelungen, die Schicksale der Spermatide bis zur Bildung des Spermatosoms ebenfalls sehr genau zu verfolgen. Die Vorgänge sind hier so überraschend den geschilderten ähnlich, dass wir uns mit der folgenden Bemerkung begnügen können : Das Centrosom wandert hier ganz in den Kern der Spermatide ein, um hier ebenfalls das End- knüpfchen zu liefern. Es fehlt hier aber der ringförmige Körper, dement- sprechend auch die undulirende Membran am fertigen Spermatosom. Die Kopf kappe entsteht ebenfalls (vielleicht unter Beihilfe des Proto- plasmas der Spermatiden) aus der Kernmembran, ist also durchaus dem Spiess zu vergleichen (Hermann 89. 1, 2. 93. 1). Die Spermatogenese bei den Säugethieren kann auf das gegebene Schema zurückgeführt werden, nur mit dem Unterschiede, dass hier die verschiedenen Stadien nebeneinander, anscheinend in regelloser Anordnung im Hoden- kanälchen zu finden sind, und dass ihre Aufeinanderfolge deshalb schwieriger festzustellen ist. Die verschiedenen Zellgeneratiouen pflegen säulenförmig aufeinander zu liegen, so dass die jüngsten dem Lumen, die ältesten der Kanälchenwand anliegen. Diese „Säulen" sind von einander durch hohe Süttz- oder Follikelzellen geschieden. Die Umwandlung der Zellen zu Spermatiden und Spermatosomen geschieht in der Weise, dass zuerst die dem Lumen zugewandten Zellen, dann die der nächstliegenden tieferen Reihe u. s. w. zu Spermatiden werden und sich in Spermatosomen umwandeln. Während letzteres geschieht, legen sich die Spermatiden an die Stützzellen an, ein Vorgang, der als eine Kopulation der beiden Elemente aufgefasst wurde, wobei selbstverständlich an eine Verschmelzung, gar mit Austausch des Chromatins, nicht gedacht wurde, sondern eher an eine innige Anlagerung behufs Ernährung der sich bildenden Spermatosomen. (Das Ganze ist ein Spermatoblast von Ebner.) Indem die am Lumen liegenden Spermatiden sich in Spermatozoen umwandeln und dieser Prozess sich successive bis in die Tiefe erstreckt, wird die ganze „Säule" als solche verbraucht. Die Ersatzelemente werden von jungen Theilungsprodukten der benachbarten Spermatogonien geliefert, welche sich dann in der geschilderten Weise theileu und wiederum eine ganze Generation von samenbildenden Zellen hervorgehen lassen. Hand in Hand mit diesen progressiven Vorgängen geht ein massen- haftes Zugrundegehen der bei der Spermatogenese betheiligten Zellen, das sich zunächst ini Auftreten von sogenannten hämolytischen Figuren kund giebt und mit einem Zerfall der ganzen Zelle endigt. (Ueber Spermatogenese vergl. die Untersuchungen von v. La Valette St. George 67 — 87, v. Ebner 88, Flemming 88, v. Brunn 84, Biondi, Benda, Hermann 89.1,2. 93.1, 0. Hertwig 90.) Technisches über weibliche Geschlechtsorgane. 259 Technisches über die Geschlechtsorgane. 271. Für das Studium der Ovarien sind solche von kleineren Thieren deshalb mehr geeignet als die des Menschen, weil sie sich viel besser fixiren lassen. 272. Das Keimepithel und die Beziehungen desselben zu den Pf lüger'schen Schläuchen studire man an Ovarien neugeborener oder junger Thiere. Katzen z. B. sind hierfür sehr geeignet 273. Die Eierstöcke des Menschen sind nicht leicht zu erlangen, sind sehr oft pathologisch verändert und enthalten schon in mittleren Jahren auffallend wenig Follikel resp. Eier. 274. Frische Eier kann man ohne viel Mühe aus den Ovarien z. B. der Schafe, Schweine und Kühe erhalten (solche Ovarien bekommt man leicht aus den Schlachthäusern). Man bemerkt an ihrer Oberfläche durch- sichtige hervorgewölbte Stellen, — dies sind grosse Follikel. Sticht man einen solchen Follikel mit einer Xadel an und lässt den Liquor folliculi sich auf einen Objektträger ergiessen, so findet man darin in der Regel das Ei sammt seiner Corona radiata. Die das Ei enthaltende Stelle des Präparats wird mit einem mit Schutzleisten versehenen Deckglase bedeckt. Wenn man keine Schutzleisten anwendet, so pflegt die Zona pellucida des Eies in der Ebene des Gesichtsfeldes zu bersten, wobei es meistens zur Bildung eines trichterförmig aussehenden Risses kommt. Solche Risse wurden schon öfters als präformirte Kanäle (Mikropyle) beschrieben und abgebildet. 275. Die günstigste Fixirungsflüssigkeit für Ovarien ist die Flemming'sche oder die Hermann'sche (vergl. T. 17, 18) [Färbung in Safranin;, angewandt auf kleinere oder auf Stücke grösserer Ovarien Sublimat (Färbung mit Hämatoxylin nach M. Heidenhain) und Pikrin- säure [Färbung mit Boraxkarmin] leisten ebenfalls Gutes. 276. Die Tube wird behandelt wie der Darm. Will man aber Quer- schnitte durch dieselbe erhalten, so muss zuerst das Peritoneum nahe an der Anheftuugsstelle desselben abgetrennt und die Tube vor der Fixirung ge- streckt werden. Es ist lehrreich, die Tube mit der Fixirungsflüssigkeit zu injiziren, um sie etwas zu dehnen. An solchen Tuben sieht man, dass viele Falten sich in Folge der Dehnung ausgeglichen haben. 277. Ueber die Fixirung des Uterus und der Scheide ist nichts Besonderes zu sagen. Das Epithel lässt sich am besten mit 1/3 Alkohol (T. 126) isoliren. 278. Samenflüssigkeit kann, mit einer physiologischen Kochsalz- lösung versetzt, frisch untersucht werden. Man unterlasse nicht, die Ein- wirkung einer sehr verdünnten l°/o ("oder noch schwächeren) Kalilauge und verdünnter Säure (Essigsäure) auf die Spermatozoen zu prüfen. Die Sper- 17* 260 Technisches über die männlichen Geschlechtsorgane. matozoen von Salamandra maculosa zeigen die verschiedenen Theile (Spiess, undulirende Membran, Randfaden etc.) in einer sehr schönen Weise. An macerirten Spermatozoen, z. B. mit sehr verdünnter Chromsäure, aber auch in einer längere Zeit in der feuchten Kammer sich selbst überlassenen Samen- flüssigkeit, sieht man nicht selten die fibrilläre Struktur des Rand- und Achsen faden s. 279. Die Spermatozoen können als Trockenpräparate (wie Blut) aufgehoben und nachträglich auch gefärbt werden [z. B. mit Safranin]. Die Osmiumsäure, deren Gemische und Osmiumsäuredämpfe konser- viren die Spermatozoen gut. Manche Strukturen kommen hier besser als bei Trockenpräparaten zum Vorschein. 280. Bei der Untersuchung des Hodens resp. der Spermato- genese ist es rathsam, mit dem Hoden von Salamandra anzufangen, welcher zwar verwickelte aber nicht so komplizirte Verhältnisse wie bei Säugethieren zeigt. 281. Als Fixirungsflüssigkeit gebrauche man auch hier die Flem- ming'sche oder die Herrn an n'sche Lösung. Letztere mit einer Nachbe- handlung mit rohem Holzessig (T. 117). Hermann empfiehlt für Sala- mandra ein Gemisch von l°/o Platinchlorid 15, 2°/o Osmiumsäure 2 und Eisessig 1 g. Für Säugethiere dieselbe Lösung mit doppeltem Os- miumsäuregehalt. Man lässt die Flüssigkeit längere Zeit (Tage) einwirken, wäscht 24 Stunden in fliessendem Wasser aus und überträgt die Stücke in Alkohol von allmählich steigender Koncentration. Die in Paraffin geschnittenen Objekte werden in folgender Weise gefärbt: 1. 24 — 48 Stunden in Safran in (1 g Safranin wird in 10 ccm abs. Alkohol gelöst und mit 90 ccm Anilin- wasser [vergl. T. 117] verdünnt). Nach dem Ausziehen mit reinem oder an- gesäuerten absoluten Alkohol überträgt man die Schnitte in Gen ti ana- violett (gesättigte alkoholische Lösung 5 ccm mit 100 ccm Anilinwasser), 3 —5 rein gefärbt. Die Schnitte werden dann mit Jod-Jodkaliumlösung (Jod 1, Jodkalium 2, Wasser 300) einige Stunden (1 — 3) behandelt, bis sie ganz schwarz werden; schliesslich werden sie in absolutem Alkohol gewaschen, bis sie violett mit einem Stich in's Bräunliche geworden sind. Es erscheinen dabei verschiedene Gebilde sehr verschieden gefärbt, so z. B. das Chromatin der ruhenden Kerne und das Dispirem blauviolett, die echten Nukleolen roth; im Aster- und Dyasterstadium dagegen färbt sich das Chromatin roth. Von besonderer Wichtigkeit ist, dass die Hoden unter keinen Um- ständen vor der Fixirung in Stücke geschnitten werden dürfen, weil sonst die Samenkanälchen hervorquellen und grosse Dislokationen, auch in den von den Schnittflächen entfernten Theilen verursachen (Hermann 93.1). Die Behandlung der übrigen Theile der männlichen Geschlechtsapparate ergiebt sich von selbst. Herz. 261 V. Gefässsystem. Die Gefässwände sind in den verschiedenen Abtheilungen des Ge- fässsystems verschieden gebaut. Allen Gefässen und dem Herzen kommt eine innere, das Lumen unmittelbar begrenzende epitheliale Lage zu. Zu dieser Lage gesellen sich bei gröberen Gefässen gewöhnlich noch verschiedene andere Schichten, welche einestheils aus Binde- und elastischem Gewebe, anderentheils aus Muskelzellen bestehen. Die Gefässe sind reichlich mit Nerven, welche Geflechte bilden und auch Ganglienzellen führen können, versehen. Die grösseren Gefässe enthalten in ihrer äusseren Lage ausserdem noch Blutgefässe, die sogenannten Vasa vasorum. Eine hervorragende Stellung im Gefässsystem nimmt das Herz ein, sowohl durch seine mächtig ausgebildete Muskulatur, wie auch durch komplizirte, an seine Funktion an- gepasste Beschaffenheit der Wände. An der Wandung der gröberen Gefässe unterscheidet man gewöhnlich drei Lagen: zuinnerst liegt die Intim a, darauf folgen dieTunica media und adventitia. Die beiden letzteren, namentlich die erstere derselben, ent- halten Muskelfasern. Je nach dem Bau der Gefässwände unterscheiden wir bei Arterien und Venen grosse, mittelstarke, kleine und prä- kapillare Gefässe und endlich die Kapillaren selbst. Die letzteren stehen ebensowohl zu den präkapillaren Gefässen der Arterien als auch der Venen in Beziehung. Am Lymphgefäss System müssen wir die Stämme, die Sinus und die Kapillaren ihrem Baue nach auseinander halten. — Wir beginnen unsere spezielle Beschreibung mit dem Herzen. A. Blutgefässsystem. 1. Das Herz. Im Herzen unterscheiden wir drei Schichten: 1. das Endokard, 2. das Myokard und 3. das Perikard. Das Endokard besteht aus sehr platten Epithelzellen, deren Kon- turen hier, wie überhaupt im ganzen Gefässsystem, unregelmässig - mäan- drisch sind. Der basalen Fläche des Epithels schliesst sich ein dünnes kompakteres, hauptsächlich aus glatten Muskelzellen bestehendes Häutchen an, welchem in geringer Menge Bindegewebs- und elastische Fasern bei- gemischt sind. Darauf folgt eine dickere und lockerere Schicht elastischen Gewebes, welche nach aussen direkt an das Myokard stösst. Zwischen diesem letzteren und der vorhergehenden Schicht befindet sich, bei verschiedenen 262 Bau des Herzens. höheren Säugern, nicht aber beim erwachsenen Menschen, eine Lage Pur- kinje'scher Zellen (s. oben pag. 102). Das Myokard wird durch die ihm eigenthümlichen, uns bereits be- kannten Muskelzellen gebildet (vergl. pag. 102). Zwischen den muskulösen Balken und Blättern, dieselben durchkreuzend, befinden sich zahlreiche Ka- pillaren und zartes Bindegewebe. Am visceralen Blatt des Perik a rd s ist 1. eine Bindegewebs! age vor- handen, welche 2. von einem sehr flachen Epithel bekleidet wird. Aehnlich beschaffen ist auch das parietale Blatt, nur enthält es mehr Bindegewebs- und elastische Fasern. Zwischen Myokard und visceralem Blatt des Perikards kommt es oft zu Fettablagerungen, wTelche meistens in der Umgebung von Gefässen sich bilden. Die Atrioventrikularklappen des Herzen sind im Wesentlichen als eine Duplikatur des Endokards aufzufassen. Die glatte Muskel Schicht des letzteren ist an der Vorhofseite stärker ausgebildet, dagegen ist die elastische Lage an der Ventrikelseite dicker. An den Insertionsstellen der Chordae tendineae wird die Bindegewebslage verstärkt und wandelt sich hier in ein Sehnengewebe um. Die Semilunarklappen der Aorta und Pulmonalis haben einen ähnlichen Bau, sind aber gefässlos. In den Nodulis der Klappen sind die elastischen Fasern besonders dicht angeordnet. In den Vorhöfen kann man innerhalb des Myokards einigermassen zwei Muskellagen auseinander halten, von welchen die äussere den beiden Vorhöfen gemeinsam ist und annähernd einen cirkulären Verlauf hat. An Längsschnitten durch die Ventrikel wand trifft man drei Lagen an, von welchen die äussere und die innere hauptsächlich longitudinal, aber nicht parallel miteinander verlaufen. Im linken Ventrikel ist die äussere Schicht viel stärker entwickelt. Durch den Annulus fibrosus ist die Musku- latur der Vorhöfe von der der Kammer völlig getrennt. Der Annulus selbst besteht aus dichtem, au feinen elastischen Fasern sehr reichem Bindegewebe. Die Blutgefässkapillaren des Myokards sind sehr zahlreich und sind um die Muskelbüudel so dicht gedrängt, dass jede Muskelzelle mit Kapil- laren in Berührung kommt. Im Endokard hören die Gefässe schon im Bindegewebe auf. Die Atrioventrikularklappen, im Gegensatz zu den Semi- lunarklappen, sind gefässhaltig ; die Chordae tendineae gefässarm. Lymphgefässnetze sind im Endokard nachgewiesen worden und ebenso sind sie im Perikard nicht schwer darstellbar. Ueber die Lymphgefässe des Myokards ist nur Weniges bekannt. Zahlreiche marklose und markhaltige Nervenfasern begleiten die Gefässe; marklosen Fasern ansitzend finden sich, namentlich im Sulcus circularis, zahlreiche kleine, wahrscheinlich dem sympathischen Typus an- gehörende Ganglienzellen. Auch unter dem Endokard ist ein Nervengeflecht Bau der grossen ArterieD. 263 vorhanden, das aber keine Ganglienzellen enthält. Die Endigungsweise der Nerven in den Muskeln des Myokards ist noch nicht genügend unter- sucht; sie sollen an den letzteren mit Endknöpfchen endigen. 2. Arterien. In den gross ten Arterien, z.B. in der A. pulmonalis, Carotis, Iliaca etc. verhält sich die Tunica media auf eine typische Weise. Sie ist durch elastische Membranen und Platten (gefensterte Membranen) in eine grosse Zahl von konzentrisch verlaufenden Schichten zerlegt, welche relativ nur sehr wenige glatte Muskelfasern, dagegen viele, die Lamellensysteme mit ein- ^ Intima ,--^. ,=• •[ — Elastica interna " \ - |\ Epithel der . - ', Intima Hedia Elastische, ge- "1 — fensterte Mem- bran j Ur — Elastica externa I Innere Schicht der Adventitia J <^Äsa Aenssere Schicht der Adventitia -/Jr ^ ' O i . -Süy./ -^^3^ ----j-- Vas vasorum Eig. 169. Querschnitt durch die A. carotis des Menschen. 150 mal vergr. ander verbindende elastische Fasern enthalten. Die T. media ist gegen die Intima durch eine elastische Grenzmembran geschieden, weiche als Lamina elastica interna bezeichnet wird. Innerhalb der Intima kann man drei Schichten unterscheiden: die innerste ist ein plattes Epithel und darauf folgen zwei vorwiegend aus elastischem Gewebe bestehende Schichten, von welchen die innere zellenreicher ist und eine longitudinale Anordnung ihrer Elemente zeigt, während die äussere lockerer, zellenärmer ist und mehr cirkulär verlaufende Fasern aufweist. Auch die Adventitia ist aus elastischen, aber mehr locker angeordneten, vorwiegend 264 Mittlere UDd kleine Arterien. Intinia Media longitudinal gerichteten Fasern zusammengesetzt, denen jedoch eine ansehn- liche Zahl von Bindegewebsfasern, und zwar besonders in der äusseren Schicht, beigemengt sind. Die Adventitia ist auch in ihrer ganzen Dicke gefässführend. Die mittleren Arterien weichen ihrem Bau nach von den grössten dadurch ab , dass die elastischen Elemente innerhalb der Intima und Media abnehmen, um von glatten Muskelfasern ersetzt zu werden. Zu diesem Typus gehört die Mehrzahl der Arterien, vom Kaliber der A. brachialis, cruralis, radialis beginnend, bis zum Kaliber der A. supraorbitalis. Die Intima weist hier ausser dem Epithel nur eine einzige Binde- gewebslage mit vielen Fasern auf. Sie ist dünn und wird nach aussen von der T. elastica interna begrenzt. Die Media macht nicht mehr den Ein- druck einer geschichteten Haut, sondern besteht aus cirkulär verlaufenden Muskelfasern, die von einander durch elastische Fasern und Bindegewebe derart getrennt werden, dass sie einzelne Gruppen bilden. Nach aussen wird die Media auch hier von der Epithel der Intima T. elastica externa, der innersten Schicht der Adventitia, begrenzt. Die Adventitia selbst,deren Schichten von innen nach aussen an Dichtigkeit ab- nehmen, ist nicht so mächtig, wie bei den grössten Gefässen, zeigt aber im Grossen und Ganzen denselben Bau. Bei einzelnen Arterien (A. renalis, lienalis, dorsalis penis) zeigt sie in ihren inneren Lagen zerstreute, längsverlaufende Muskelfasern, welche aber auch bei anderen Arterien, und zwar an ihren Gabelungsstellen, vorkommen. Die Wand der kleinen Arterien besteht vorwiegend aus der musku- lösen Ringfaserschicht der Media. Die Intima zeigt nur das Epithel und die T. elastica interna; die Adventitia wird lediglich durch die T. elastica ext. und weniges Bindegewebe repräsentirt. Die Vasa vasorum fehlen. Zu diesem Typus gehören die A. supraorbitalis, centralis, retinae etc. In den sogenannten präkapillaren Gefässen ist die Intima auf eine Epithelschicht und eine sehr fein gewordene Elastica interna reduzirt. Die Media bildet keine koutinuirliche Lage mehr, sondern besteht lediglich aus einzelnen, circulär verlaufenden Muskelzellen. Die Adventitia wird von spärlichem Bindegewebe gebildet. Auch hier fehlen selbstverständlich die Vasa vasorum. Adventitia mit quergetroffe- nen platten Muskelfasern Fig. 190. Querschnitt durch eine Arterie des Menschen, der Mittleren.) 640 mal vergr. (Kleinste Bau der Venen. 265 3. Venen. Während wir bei den Arterien die Beschreibung des Baues der Wan- dung nach dem Kaliber des Gefässes durchführen konnten, ist dieses bei den Venen deshalb nicht möglich, weil Venen gleichen Kalibers an ver- schiedenen Stellen beträchtliche Differenzen im Bau ihrer Wandungen zeigen. Es ist am zweckmässigsten , hier mit einer Vene mittleren Kalibers anzufangen. Ihrelntima besteht aus drei Schichten: 1. aus einem inneren Epithel; 2. aus einer darunterliegenden, durch Bindegewebe stellenweise unter- Intiraa - Elastica interna Gefäss ~7£ftfe - Media Elastische gefen- sterte Membran [ Längsver- l_ laufende Muskel- lager der Adven- titia Bindegewebige Adventitia Y '.'• '■' *'•'« ■ -W-- Nerv Fig. 191. Querschnitt durch eine V. jugularis externa des Menschen. Links vom Nerv sieht man 2 grosse und dazwischen ein kleines Blutgefäss — Vasa vasorum. 150 mal vergr. brochenen Lage von Muskelzellen und 3. aus einer Bindegewebslage mit viel weniger elastischen , hingegen reichlicher vertretenen Bindegewebsfasern, als es bei den Arterien der Fall ist. Nach aussen wird die Intima durch eine Membrana elastica int. abgeschlossen. Die Media ist im Allgemeinen schwächer ausgebildet als bei den Arterien , enthält cirkulär verlaufende Fasern, welche oft keine kontinuirliche Lage bilden, ja sogar einzeln ver- laufen können. Die Adventitia zeigt in ihrer oberflächlichen Schicht eine längsverlaufende Muskellage, welche sehr stark ausgebildet sein kann und 266 Kleinere Venen. in diesem Falle hauptsächlich die Muskulatur der Wandung ausmacht. Im Uebrigen ist die Adventitia der hierher gehörigen Venen der der Arterien analog gebaut, aber auch hier wie in der Intima prävaliren Bindegewebs- elemente. In der V. cruralis, brachialis und in den subkutanen Venen ist die Muskulatur der Media ziemlich stark entwickelt. In den Jugularvenen, in der V. subclavia, anonyma, in den Venen der Dura und Pia des Gehirnes fehlt in der Media die Muskulatur ganz. Dementspechend rückt hier die Adventitia mit ihrer Muskulatur an die Intima heran. Bei kleineren Venen ist die Gefäss wand auf eine aus Epithel und Elastica interna bestehende Intima, auf eine vielfach durchbrochene, aus ringförmig ver- laufenden, glatten Muskelfasern intima bestehende Media (welche auch fehlen kann) und auf eine dünne Media Adventia mit bindegewebige, Muskelfasern ent- querdurchschnit- • • 1 tonen glatten haltende Adventitia beschrankt. Muskelzellen 7^\S^^^ In den präkapillaren Ve- "■*»-' - nen , welche im Ganzen dünn- wandiger als die gleichnamigen Fig 19o. Arterien sind, wird die Intima Kleine Vene des Menschen. 640 mal vergr. dünner und die Adventitia noch mehr reduzirt. Die Media fehlt. Die Klappen der Venen sind an ihren beiden Flächen verschieden beschaffen. Die innere derselben, dem Strome zugekehrte, besitzt in der Richtung der Längsachse, im Gegensatz zu der äusseren Fläche, deren Epithel kürzere Zellen aufweist, längliche Epithelzelleu. Unter dem Epithel finden sich auf der inneren Fläche der Klappe mehr elastische Fasern, als auf der äusseren. Die Hauptmasse der Klappe besteht aus Bindegewebe und elastischen Fasern. An der inneren Fläche der Basis der Klappe trifft man cirkulär angeordnete, plattenartig ausgebreitete Muskelzellen an. 4. Die Kapillaren. Sie bestehen höchstwahrscheinlich nur aus einem epithelialen Schlauch, der vielleicht an einzelnen Stellen von einer sehr dünnen, strukturlosen Membran und nur selten von specifischen sternförmigen Zellen begleitet wird. In der unmittelbaren Nähe der Kapillaren ist das Bindegewebe insofern etwas modifizirt, als seine Elemente, namentlich die Zellen, der Länge der Achse nach gerichtet erscheinen. Das Epithel der Kapillaren bildet an geeigneten Präparaten eine kontinuirliche Schicht, deren Zellen in der Regel sehr flach sind und ge- zackte Konturen aufweisen. Kapillaren. 26'» Bekanntlich erfolgt eine Auswanderung der Leukocyten aus den Kapil- laren und kleinen Gefässe, womit die Frage verknüpft ist, ob es im Epithel der Gefässe und Kapillaren zu diesem Zwecke dienende präformirte Löcher, sogen. Stigmata und Stomata, giebt — eine Frage, die bei Besprech- ung des Lymphgefässsvstems näher berührt werden wird. Die Kapillaren verbinden in der Begel die arteriellen und venösen präkapillaren Gefässe und passen sich in ihrer Gesammtform denjenigen ■:' .' 'S' - Uterasecwebe -"_ Äj.j;: Epithel des Ge- V - vg3 fässes ^- Gefässlnmen (Bl utkörpercheu nicht einge- zeichnet) ip m Fig. 193. Schnitt aus dem Uterus einer Fledermaus, um zu zeigen, dass unter Umständen das Gefässepi- thel der Kapillaren sehr hoch -werden kann. Dies ist durchaus keine Eegel. 570 mal vergr. Organen an, in welchen sie gelegen sind: In den Muskeln und Nerven etc. bilden sie langgestreckte Netze; Kapillaren, welche sich über grössere Ober- flächen ausdehnen, z. B. in den Lungenalveolen , zeigen im Allgemeinen rundliche Maschen; solche, welche in kleinen Ausstülpungen, z. B. in Papillen der Haut liegen, bilden einfache Schlingen. An bestimmten Organen, z. B. in den Läppchen der Leber, sind sie netzförmig angeordnet. 5. Anastomosen, Wimdernetze. Sinuse. Es können in den Gefässbahnen auch plötzliche Wechsel eintreten, welche dadurch entstehen, dass ein kleineres Geiass mit einem Mal in ein Netzwerk von Gefässen zerfällt, welche nach einer kurzen Strecke aber- mals zu einem grösseren Gefäss konfluiren; letzteres zerfällt dann später 268 Lymphgefässe. wie gewöhnlich in echte Kapillaren. Solche Bildungen nennt man „Wunder- netze"; sie werden beim Menschen z. B. in der Niere, im Darm etc. an- getroffen. Ausserdem können an Stelle der Kapillaren grössere mit Epithel aus- gekleidete Räume eingeschaltet werden (Blutsinus), welche von lockerem Bindegewebe umgeben sind und die Fähigkeit haben, bei stärkerem Blut- zufluss oder bei gehemmtem Abfluss des Blutes zu schwellen. Auf diese Weise bilden sie das cavernösa oder das Schwellgewebe (Penis, Nasen- schleimhaut etc.). Sind Gefässe grösseren Kalibers vielfach miteinander verbunden, so kommt es zur Bildung von Gefässplexus; finden diese Verbindungen durch einzelne Gefässe statt (besonders oft in ihrem peripheren Verlaufe), dann spricht man von Anastomosen. Namentlich wichtig erscheinen aber Verbindungen zwischen Arterien und Venen, die nicht die Natur von Kapillaren haben und da vorkommen, wo eine Ausschaltung der kapillaren Verbindung durch gewisse Umstände verursacht werden kann, so z. B. an besonders exponirten Hautstellen (Ohr, Nasenspitze, Zehen), an den Hirnhäuten, in der Niere etc. B. Lympligefässsystem. 1. Lympligefässstämme. Die Lymphgefäss stamme (Ductus thoracicus, Truncus lymphatici und Vasa lymphatica) sind relativ sehr dünnwandig, aber mehr oder weniger nach dem Typus der Venen gebaut. Sie besitzen viele Klappen und ihr Kaliber ist je nach der Füllung äusserst variabel. In leerem Zustande kollabiren sie und können vom Bindegewebe nur schwer als solche unter- schieden werden. Die Anfänge der Lymphkapillaren bilden im Darm das Chylusgefässsystem, im übrigen Körper die Lymphkapillaren und Lymphspalten (?). In die Lymphbahnen sind Lymphdrüsen eingeschaltet (siehe diese). 2. Lymphkapillaren, Lymphräume und seröse Höhlen. Die Lymph kapillaren bestehen aus sehr zarten, flachen Epithel- zellen, welche etwas grösser sind, als die der Gefässkapillaren und ge- zacktere Kontouren als jene aufweisen. Auch dadurch sind die Lmyph- kapillaren von den Gefässkapillaren zu unterscheiden, dass ihr Kaliber innerhalb kleiner Strecken sehr variirt. Die Beziehungen der Lymphkapillaren zu den Gefässkapillaren und den umgebenden Geweben sind vom morjmo- logischen Standpunkte aus eine der schwierigsten Fragen. Die Verbreitung der Lymphkapillaren kann nur an injizirten Objekten studirt werden und Perivaskuläre Räume. Seröse Höhlen. 269 es ist sehr begreiflich , dass es an so dehnbaren und zarten Objekten bei dieser Behandlung oft zu Zerreissungen und Extravasaten kommt, wobei die ausgetretene Injektionsmasse sich an Stellen weiter ausbreitet, an welcher ihr der geringste "Widerstand geboten wird. Die Frage nach der Präformation solcher injizirten Räume kann nicht endgiltig entschieden werden. So viel ist aber sicher, dass je kunstvoller und vorsichtiger die Injektionen gemacht werden, desto grössere Bezirke echter Lymphkapillaren injizirt werden können. An verschiedenen Orten sind an kleineren Blutgefässen sehr dichte, die letzteren umspinnende Lymphkapillarnetze dargestellt worden. Auch grössere, spaltförmige Räume, deren Wandungen mit Epithel bekleidet sind, umgeben die Gefässe und stehen mit dem Lymphsystem in Verbindung (perivaskuläre Räume). Solche deutlich ausgebildete Räume finden wir beim Menschen z. B. auch in den H a v e r s 'sehen Kanälen des Knochens, an Gefässen des Centralnervensystems u. s. w. Sie besitzen auch auf der Gefässfläche ein eigenes Epithel und sind, ebenso wie die sogenannten peri- lymphatischen Räume, von mit Epithel bekleideten Bindegewebsbalken durchzogen. Solche Bildungen sind, z. B. die perilymphatischen Räume im Gehörorgan, die subduralen Piaräume, der Subarachnoidealraum , die Lymph- sinus etc. Die perivaskulären Räume sind bei niederen Thieren, z. B. beim Frosch und den Reptilien, noch deutlicher als bei den Säugethieren ausge- bildet. Weiterhin wären noch die sogenannten Saftkanälchen zu er- wähnen, welche direkt oder indirekt mit dem Lymphsystem in Verbindung stehen; sie besitzen keine eigene Wand und als Prototyp derselben können die Interspinalräume der Epithelien genannt werden. Zum Lymphsystem gehören auch die Leibeshöhlen (die Pleura-, Perikardial- und Peritonealhöhle), die Gelenkhöhlen etc. Die Wände aller dieser Höhlen bestehen aus einer bindegewebigen Unter- lage, welche sehr reich an Lymphgefässen ist und aus einem epithelialen Ueber- zug vom Charakter jenes der Lymphkapillaren. Es ist unter Umständen in diesem Epithel eine variable Anzahl von Oeffnungen nachzuweisen, welche entweder durch Zellen, wahrscheinlich Leukocyten, verschlossen sind oder nicht. Es sind die sogen. Stigmata und Stomata. Frühere Ansichten über die letzteren lauteten dahin, dass es präfor- mirte Oeffnungen zwischen den Zellen wären, durch welche Leukocyten bei Diapedesis, bei höherem Blutdrucke auch Erythrocyten durchwanderten. Später hat man, wenigstens bei der Auswanderung der Leukocyten, ange- nommen, dass von Seiten dieser Zellen eine Usur der Epithelwand herbei- geführt wird und es schliesslich zur Bildung eines Loches in derselben kommt. Durch die Untersuchungen von Kolossow ist diese Frage auf anderem Wege gelöst worden. Dieser Forscher hat nachgewiesen, dass die Epithelzellen mit einander durch protoplasmatische Fortsätze verbunden sind und an der Innenfläche starre Kutikularplättchen besitzen. (Sehr prägnant sind diese Verhältnisse in der serösen Hülle gewisser Reptilien zu sehen.) 270 Glandula earotica. Zwischen diesen Zellen und zwischen den sie verbindenden Protoplasma- strängen sind Räume vorhanden, die mit den Interspinalräumen der Epi- dermis verglichen werden können. Bei einer Dehnung der Schicht werden die Interspinalräume grösser, die Deckplättchen weichen auseinander und es kommen auf diese Weise Stomata und Stigmata zu temporärer Ausbildung. Dieselben Prozesse sollen auch bei den kleineren Gefässen, Gefäss- und Lymph- kapillaren, vor sich gehen. — ■ Die ganze Frage befindet sich, wie man sieht, noch in der Schwebe. In den serösen Höhlen, sowie auch in den perilymphatischen Räumen und in den Lymphzellen kommen normal keine zelligen Elemente vor. C. Glandula earotica. An der Bifurkationsstelle der Carotis communis liegt auch beim Menschen ein längliches, weizenkorngrosses Gebilde, die Glandula earo- tica. Dieselbe ist im Bindegewebe eingebettet, von vielen Nerven umgeben, Septum Zellbalken durchschnitten Gefässkapillare sehr erweitert Abführende Vene Fig. 191. Schnitt durch einen Zellballen der Gl. earotica des Menschen. Injektionspräparat. 160 fach vergr. Nach Seh aper. ist blutreich und fällt durch ihre röthliche Farbe auf. — Die bindegewebige Scheide des Organes sendet in's Innere Scheidewände, Septa, welche be- stimmte Territorien, die „Sekundärknötchen" abgrenzen. Durch weitere Sep- tirung zerfällt ein jedes Sekundärknötchen in kleinere rundliche Abschnitte, Zur Technik des Gefässsvstems. 271 die Zell ballen. Eine au? der Carotis int. oder ext. stammende Arterie tritt in das Gebilde ein, verzweigt sich vielfach und sendet Aestchen zu jedem der Sekundärknötchen, in welchem die letzteren in feinere Zweige zer- fallen und in die Zellballen eintreten. Hier zerfallen sie in Kapillaren, welche dann an der Peripherie des Zellballens zu kleineren Venen konfluiren, aus denen die das Sekundärknötchen verlassenden Stämmchen hervorgehen. Um das Knötchen wird ein venöser Plexus gebildet, aus welchem grössere Venen entspringen, die das Organ an mehreren Stellen verlassen. Die Zellballen bestehen aus Zellbalken, deren Zellen ausserordent- lich empfindlich gegenüber den Keagentien sind. Sie sind rundlich, unregel- mässig polygonal und durch spärliches retikuläres Gewebe von einander ge- schieden. Die erwähnten Kapillaren tangiren die Zellbalken direkt, d. h. das Epithel der Kapillaren berührt unmittelbar die Zellen. Das Organ enthält relativ viele marklose Xerven und wenige Gang- lienzellen. Mit dem Alter verändert sich das Organ bis zur Unkenntlichkeit. Die frühere Ansicht, welche die Entstehung der Karotisdrüse aus einer Kiementasche annahm, ist jetzt durch eine andere ersetzt worden, welche die Entstehung des Organs ausschliesslich aus der Gefässwand herleitet (vergl. namentlich Schaper). Technisches über die Gefässe. 282. Um die Topographie der Schichtung im Herzen und in den Ge- fässen zu studiren, fertige man Schnitte von Objekten an, welche in Müller- scher Lösung, Chromsäure u. s. w. fixirt worden sind. Selbstverständlich werden, wenn Genaueres eruirt werden soll, kleinere Stücke genommen und z. B. mit Chromosmiumgemischen oder mit Sublimat fixirt. 283. Für die Darstellung von Uebersichtsbildern ist eine Durchtränkung mit Celloidin anzurathen. Im Uebrigen ergiebt sich die weitere Behandlung von selbst: so wird man beispielsweise das Epithel der Intima mit Versilberung zur Anschauung bringen, indem man Silberlösungen in das Gefässsystem einspritzt (vergl. T. 106). Dann erscheinen die Silberlinien der Epithelien der kleinsten Gefässe und Kapillaren deutlich markirt. Grössere Gefässe müssen aufgeschnitten, die Intima abgelöst und Fetzen ihrer Lamellen untersucht werden (vergl. T. 12). 284. Ueber die Isolation der Muskelzellen des Perikards und der Gefässwände vergl. T. 165. Das centrale Nervensystem. 285. Elastische Elemente, Platten und Netze werden am besten aus der Tunica media der Gefässe gewonnen und kleinste Stückchen derselben mit Kalilauge von 33°/o oder auch mit 1 °/o Weinsäure einige Stunden behandelt. 286. Die passenden Färbungen der Schnittpräparate sind diejenigen, welche die elastischen Elemente und die glatten Muskelzellen hervortreten lassen (vergl. T. 130). 287. Für die Darstellung des Verlaufes der Kapillaren verweisen wir auf die Injektionsmethoden (siehe T. 98, 99). Die Lymphgefässkapillaren betreffend siehe die Injektion durch Ein- stich (T. 107), vergl. auch die Methode von Altmann (T. 108). VI. Das Centralnervensystem. Eine histologische Betrachtung des Centralnervensystems hat Folgendes zu erläutern: 1. die Anordnung der Nervenzellen und deren Fasern in die verschiedenen Regionen ; 2. die gegenseitigen Beziehungen aller dieser Elemente innerhalb der centralen Nervenorgane. Diese Aufgabe kann an dieser Stelle auch nicht im entferntesten gelöst werden. Wir müssen uns deshalb be- gnügen, nur einige Beispiele von den gegenseitigen Beziehungen der Nerven- elemente vorzuführen, Beispiele, welche einigermassen typisch für das Ganze sind. Aus diesem Grunde schildern wir hier einiges aus dem Rückenmark, dem Klein- und Grosshirn, den Bau der Ganglien und des Lobus ol- factorius. In unserer Beschreibung folgen wir grösstenteils und vor allem den zusammenfassenden Darstellungen von Ramon y Cajal (93,1), v. Len- hossek (92), Kölliker (93) und van Gehuchten (93). A. Das Rückenmark. Die Anordnung der grauen und weissen Substanz im Rückenmarke wird man am besten an einem Querschnittsbilde übersehen können. Zu diesem Be- hufe wählen wir etwa die Region des unteren Halsmarkes und schildern zu- erst die Topographie des Schnittes. Wir haben hier in der Medianebene, bekanntlich eine ventrale längsverlaufende Fissur und ein dorsal gelegenes Septum. Die graue Substanz besitzt annähernd die Form eines H, dessen horizontaler Schenkel die Kommissuren und den Centralkanal enthält; die vertikalen Schenkel laufen gegen die ventralen und dorsalen Nerven wurzeln aus. Man spricht hier von Vorder- und Hinterhörnern. Die Vorderhörner Bau der weissen Substanz des Rückenmarks. 273 sind in der Regel voluminöser. An ihrer Seite (lateral) bemerkt man, in den verschiedenen Regionen verschieden ausgeprägt, die sogenannten Seiten - hörner. Im Vorderhorn haben wir drei Gruppen von Ganglienzellen aus- einander zu halten: 1. die ventro-mediale Gruppe (Kommissurenzellen); 2. die ventro-laterale Gruppe (Wurzelzellen) und 3. die Gruppe der Zellen des Seitenhorns, welche hauptsächlich die Strangzellen enthält. An der medialen Seite der Basis des Hinterhornes finden wir eine be- sondere Zellen- und Faser- Anhäufung, die Clark'schen Säulen. Im Hinter- horn selbst befindet sich die Rolando'sche Substanz. — Ausserdem sind in der ganzen grauen Substanz Zellen und Faserzüge, welche später zur Er- wähnung gelangen. Die graue Substanz mit den abgehenden Wurzeln sondert die weisse Substanz zunächst in drei paarige Abtheilungen (Stränge): 1. in eine Ab- theilung, welche zwischen der vorderen Fissur und dem Vorderhorn liegt, — Vorderstrang (ventraler Strang); 2. in eine zwischen dem Vorder- und Hinterhorn gelegene Partie — Seitenstrang (Vorder- und Seitenstrang ge- hören genetisch zusammen und man spricht deshalb nicht mit Unrecht von einem Vorderseitenstrang) und 3. in den zwischen der hinteren Wur- zel und dem hinteren Septum gelegenen Hinterstrang. Durch verschiedene Methoden ist es gelungen, die weisse Substanz noch in feinere Abtheilungen zu zerlegen, von welchen die wichtigsten hier erwähnt werden müssen. Im Vorderstrang, in der ganzen Ausdehnung der Fissur gelegen, unterscheidet man eine schmale Zone, welche absteigende, d. h. vom ver- längerten Marke kommende Fasern enthält. Es ist die vordere Pyra- midenstrangbahn, die jene Nervenbündel enthält, welche sich in der Pyramide nicht gekreuzt haben. Die gekreuzten Fasern hingegen liegen im Seitenstrang und bilden die Pyramiden-Seitenstrangbahn. Zwischen der vorderen Pyramiden strangbahn und dem Vorderhorn liegt das Grund - bündel der Vorderstränge. Im Hinterstrange unterscheiden wir eine mediane, schon von aussen durch eine Einkerbung gekennzeichnete, in denFuniculus gracilis aus- laufende Partie — den Goll'schen Strang; er enthält aufsteigende, d. h. centripetale Fasern. Zwischen ihm und dem Hinterhorn liegt der Burdach - sehe Strang oder das Grundbündel der Hinterstränge; in demselben ver- laufen hauptsächlich die „kurzen Bahnen", d. h. lokale Längsbahnen, welche benachbarte Partien des Rückenmarkes mit einander verbinden. Im Seitenstrange, nach aussen vom Hinterhorn, bis über die Hälfte der Höhe des Seiten Stranges, liegen die aufsteigenden Fasern der Klein- hirnseitenstrangbahn. Böhm - v. Davidoff, Histologie. 18 Schema des Kückenmarks cc_ 2.-r o s>r 55 3 (D •1 P- P Q O 1? Fi?. 195. Schematischer Querschnitt durch das Rückenmark von Prof. Ziehen. Nach von Bardelebeu und IL Haeckel. a. 6, c Bündel der Hinteren "Wurzel. Graue Substanz des Bückenmarks. 275 Ad der lateralen Partie des Vorder- und Hinterhorns bis zur Pyra- midenseitenstrangbahn, sind, eine ziemlich breite Zone einnehmend, die Seiten- strangreste gelegen. Sie enthalten kurze Bahnen. In der ventro- lateralen Partie des Seiten Stranges, sich zwischen die Seitenstrangreste und die Kleinhirnseitenstrangbahn bis zur Pyramidenseiten- strangbahn einkeilend, liegen die antero- (oder ventro-) lateralen Stränge — Go wer 'sehe Stränge. Sie enthalten aufsteigende Fasern. Die graue Substanz setzt sich aus Zellen und Fasern zusammen. Die Ganglienzellen sind: 1. Die Wurzelzellen. Sie liegen in der ventro -lateralen Partie des Vorderhorns und senden ihre Neuriten in die vorderen Wurzeln. Die Dendriten dieser Zellen zerfallen in laterale, dorsale und mediale. Die bei- den ersteren endigen im Vorder- und Seiten stränge, die medialen in der Region der vorderen Kommissur. Einige von den medialen Dendriten können die Medianebene überschreiten und mit ähnlichen Fortsätzen der anderen Seite eine Art Kommissur bilden. 2. Die Kommissurenzellen. Sie liegen, der Hauptsache nach, in der medialen Gruppe des Vorderhorns. Sie kommen aber auch zerstreut in anderen Regionen der grauen Substanz vor. Ihre Neuriten bilden mit den glei- chen Neuriten der anderen Seite die vordere gekreuzte Kommissur. Nach- dem die Neuriten in die weisse Substanz der anderen Seite eingetreten sind, theilen sie sich dort T-förmig in einen ab- und aufsteigenden Ast. 3. Strangzellen, kleine multipolare Elemente, zu denen namentlich die Zellen des Seitenhorns gehören ; sie liegen aber auch zerstreut in der ganzen grauen Masse und senden ihre Neuriten auf kürzestem Wege in den Vorder-, Seiten- und Hinterstrang. 4. Plurikordonale Zellen, d. h. solche, deren Neuriten in der grauen Substanz sich zwei- oder dreimal theilen, und deren Theilungsäste in verschiedene Stränge der weissen Substanz derselben oder auch der anderen Seite des Rückenmarkes eintreten. Im letzteren Falle muss ein Ast derselben in der Kommissur verlaufen. 5. Zellen mit kurzem, sich vielfach verzweigendem Neuriten, der in der unmittelbaren Nähe der Ganglienzellen endigt. Die Clark'sche Säule enthält zweierlei Zellen: 1. Zellen, deren Neu- riten zur vorderen Kommissur gehen, Kommissurenzellen und 2. Zellen, deren Neuriten mit Wahrscheinlichkeit in die Kleinhirnseitenstrangbahn über- gehen, Strangzellen. Das Hinterhorn enthält: 1. die Grenzzellen. Sie liegen ober- flächlich in der hinteren Partie des Hinterhornes. Ihre Neuriten ziehen eine Strecke weit durch die Rolando'sche Substanz und gehen dann in den Seitenstrang über; 2. die spindelförmigen Zellen. Sie sind die kleinsten im Rückenmark und besitzen ausserordentlich üppig verzweigte, zahlreiche Dendriten, welche sich bis zur Wurzel des Hinterhorns erstrecken. Ihre 18* 276 Schema des Rückenmarks. Neuriten, die entweder vom Zellenleib oder vom Dendriten entspringen, gehen in den Hinterstrang über; 3. die sternförmigen Zellen. Ihre Dendriten verzweigen sich einerseits in der Rolan do 'sehen Substanz, andererseits gehen sie in die Bur dach 'sehen Stränge über. Die Ganglienzellen der hinteren Wurzeln liegen im Spinalgan- glion. Die Zellen des letzteren sind bei Embryonen ausgesprochen bipolar. Während der weiteren Entwickelung rücken ihre beiden Fortsätze zusammen, verschmelzen dann eine Strecke weit miteinander und es kommt so zur Bil- dung von Zellen mit einem sich T-förmig theilenden Fortsatz. Es sind also eigentlich zwei Fortsätze, die in der Nähe der Zelle zu einem einzigen ver- Pyramidenvorderstrangbahnen A Motorische Vorderhorn- zelle Anterolate- _ rales Bündel (Gowers) Golgi'sche — Commis- surenzelle In die graue Substanz ein- tretende Col- lateralen /~"*V-^ l V A Collaterale — -^ ; ,-' ■' von der Pyra midenseiten- | ; — -f strangbahn y Antero- posteriore -- Reflexfaser Hintere Wurzel mit Collateralen Y\%. 196. Schema des Rückenmarkes auf dem Querschnitt nach v. Lenhossek. schmolzen sind. Der peripherwärts gerichtete Fortsatz des T kann als der Dendrit der Zelle, der zu dem Rückenmark gehende als der Neurit aufgefasst werden. Der letztere nun tritt mit der hinteren Wurzel der Hauptsache nach in den Hinterstrang und theilt sich dort in einen auf- und einen absteigenden Ast. Beide Aeste senden zahlreiche Collateralen aus, die in der Rolando'schen Substanz, zwischen den Ganglienzellen derselben, endigen, z. Th. in die Clark 'sehen Säulen übergehen, z. Th. weit, bis in das Vorderhorn eindringen, um dortselbst mit Telodendrien die motorischen Ganglien zu umspinnen. Die letzteren Faserzüge bilden den Hauptbestand- Rückenmarkskommissuren. 277 theil der sog. antero-posterioren- oder Beflexbündeln, welche letzteren noch einmal zur Sprache kommen werden. Alle die bis jetzt beschriebenen Fasern der hinteren Wurzeln sind centripetale Fasern. Ausserdem giebt es in den Hinterwurzeln auch noch centrifugale Fasern, welche gewissen Zellen des Vorderhornes entstammen und, ohne Collateralen abzugeben, durch das Hinterhorn bis in das Spinalganglion vordringen (v. Lenhossek'sche Fasern 90). Die weisse Substanz des R ückenmarkes besteht 1. aus längs- verlaufenden Neuriten, welche aus der grauen Substanz kommen, eine Strecke weit in der weissen verlaufen, um unter Abgabe verschiedener Collateralen sich wieder in die graue Substanz einsusenken, wo ihre Endverzweigungen in Kontaktbeziehung zu Ganglienzellen treten (kurze Bahnen); 2. aus den sogenannten langen Bahnen, d. h, Fasern, welche entweder zum oder vom Gehirn ziehend, in einer ähnlichen Weise wie die soeben betrachteten Neuriten in Beziehung zu den Ganglienzellen des Rückenmarkes treten. Die Faserzüge innerhalb der grauen Substanz stammen aus den Colla- teralen der Neuriten der weissen Substanz und sind 1. die im Vorderhorne einen starken Plexus bildenden Collateralen des Vor der Stranges; 2. die quer zum Centralkanal ziehenden Collateralen des Seiten- stranges. Die letzteren liegen in dichter Anordnung in der Nähe der Clark'schen Säulen und biegen, um mit den gleichen Fasern der anderen Seite das vordere Bündel der hinteren Kommissur zu bilden, um den Central- kanal herum; 3. die Collateralen des Hinterstranges; sie bilden a) zahlreiche Endnetze an der Spitze des Hinterhornes ; b) einen bereits er- wähnten Faserzug zum Yorderhorn und c) einen solchen, der in der Clark- schen Säule endet. Zum Schluss erwähnen wir noch der beiden Kommissuren. Die vordere besteht 1. aus den Neuriten der Kommissurenzellen (s. oben); 2. aus den Dendriten der medialen Gruppe des Yorderhorn s ; hierzu kommen noch 3. die Collateralen des Yorderseitenstranges, welche in der grauen Substanz der anderen Rückenmarkseite endigen. Die hintere Kom- missur setzt sich wahrscheinlich aus den Collateralen sämmtlicher Stränge zusammen. Das hintere Bündel kommt vom Hinterstrange, das mittlere von der hinteren Partie des Seitenstranges, das vordere, schwächste Bündel, aus der vorderen Partie des Seitenstranges, vielleicht auch aus dem Yorder- strang. B. Die rüeinliirnrinde. An der Kleinhirnrinde unterscheiden wir 1. eine äussere molekulare Schicht, 2. die Schicht der Körner (rostbraune Schicht) und 3. den Mark- strang. 278 Purkinje'sche Zellen. Die molekulare Schicht enthält zweierlei Nervenzellen: 1. die Purkinj e'schen Zellen, welche an der Grenze der Körnerschicht gelegen sind und 2. die sternförmigen Zellen. Die Pur k inj e'schen Zellen besitzen grosse rundliche Körper, von denen nach aussen zu ein oder mehrere mächtige Dendriten ausgehen. Sie verzweigen sich vielfach und ihre Ge- sammtverzweigung bildet die Figur eines Hirschgeweihes. Sie reichen fast bis zur Peripherie der Kleinhirnrinde. Auf einem senkrecht zu den Furchen Blut- gefäss - Dendrit Purkinje'sche Zelle Grosse stern- förmige Zelle Kornerzelle llarksubstanz Fig. 197. Schnitt durch die Kleinhirnrinde des Menschen, senkrecht auf die Windung. Behandlung mit Müller 'scher Flüssigkeit. 115 mal vergr. geführten Schnitte sieht man, dass die Verzweigungen dieser Zellen nahezu in einer Ebene gelegen sind, welche senkrecht zu der Richtung der Furchen verläuft, so dass ein Längsschnitt durch die Letzteren die Profilansicht der Zellen zeigen würde. Sie verhalten sich etwa wie ein am Spalier gezogener Baum. Die Neuriten der Purki nj e'schen Zellen entspringen am basalen (inneren) Ende der Zellen und verlaufen in querer Richtung durch die Körner- schicht zur Markschicht. Innerhalb der Körnerschicht entsenden sie einige Bau der Kleinhirnrinde. 279 O to O— c O -u = ö So - IS f-Su-il 00 1» pq 1 4i 0 - »^ .9 ©0 a = — u o JZ • — 3 ■ö o ■r o 1-1 P-i «5 £0 c iß fcfcd 1=) X »-~ "o 0Q © ^3 £^ E. a n :- h El =3 *> 280 Körnerschicht. Collateralen, welche zurück zur Molekularschicht sich begeben und in der Nähe der Körper der Purkinje'schen Zellen mit Telodendrien enden. Die sternförmigen Zellen liegen in verschiedenen Höhen der molekularen Schicht. Besonders wichtig ist das Verhalten ihres Neuriten. Er liegt in derselben Ebene wie die Dendriten der Purkinj e'schen Zellen, läuft parallel zur Oberfläche der Windungen und besitzt 1. kurze, sich wenig verzweigende Collateralen und 2. solche Collateralen, welche in der Höhe der Körper der Purkinje'schen Zellen sich abzweigen und mit Telodendrien eigenthümlicher Art die Körper dieser Zellen umspinnen (troddelförmige Endigung, siehe pag. 108). Die Körnerschicht enthält ebenfalls zweierlei gangliöse Elemente : 1. die sogenannten Körn erzellen (kleine Ganglienzellen) und 2. die grossen - Dendrit Zellleib — Neurit Nenrit Fig. 199. Purkinje'sche Zelle aus der Kleinhirnrinde des Menschen. Chromsilbermethode. 120 mal vergr. Krallenförmiges Telodendrion des Dendriten Fig. 200. Köruerzelle aus der Körner- schicht des Kleinhirnes vom Menschen. Chromsilbermethode. 100 mal verarr. sternförmigen Zellen. Die Dendriten der Körnerzellen sind kurz, wenig zahlreich (3 — 6), verzweigen sich nicht, sondern enden mit kurzen, krallenartigen Fortsätzen. Ihre Neuriten steigen senkrecht auf und be-. geben sich zur molekularen Schicht. In verschiedenen Höhen der letzteren theilen sie sich T-förmig und ihre beiden Aeste verlaufen konzentrisch zur Oberfläche des Kleinhirns in einer Ebene, welche senkrecht zu jener liegt, in welcher die Purkinje'schen Dendriten sich verbreiten. Die Gesammt- summe dieser T-förmigen Neuriten ergiebt die Parallelfaserung der mole- kularen Schicht des Kleinhirns. Es ist anzunehmen, dass die Parallelfasern Grosshirn. 281 während ihres Verlaufes in Kontaktbeziehungen zu den Dendriten der Purkinje'schen Zellen treten. Die grossen sternförmigen Zellen sind in einer geringeren Zahl vertreten und liegen in der Nähe der mole- kularen Schicht, z. Th. auch in der letzteren selbst; ihre Dendriten ver- zweigen sich nach allen Kichtungen und gehen hauptsächlich in die mole- kulare Schicht. Die kurzen Neuriten senden zahlreiche Collateralen ab, welche mit ihren Telodendrien an den Körnerzellen endigen. Die Marksubstanz enthält 1. die bereits besprochenen centripetalen Neunten, 2. die sogenannten Moosfasern und 3. die Kletterfasern. Die Moos fasern verzweigen sich in der Körnerschicht, zahlreiche Zweige bildend. Sie sind nicht gleichmässig dick, sondern sind an ver- schiedenen Stellen mit typischen Anschwellungen versehen. Ueber die Körner- schicht reichen diese Fasern nicht hinaus. Die Kletterfasern durch- queren die Körnerschicht, innerhalb welcher einige Collateralen abgegeben werden, welche sich bis zu den Pur kinj e 'sehen Zellen erstrecken und sich dort entlang der Hauptfortsätze der Dendriten dieser Zellen, an welchen sie gleichsam emporklettern, verzweigen. C. Die Grossliixnrincle. Von aussen nach innen gerechnet unterscheidet man an der Grosshirn- rinde folgende Schichten: 1. eine molekulare Schicht, 2. die Schicht der kleinen Pyramiden, 3. die Schicht der grossen Pyramiden, 4. die der polymorphen Zellen und 5. die des Markstrahls oder die Marksubstanz. Wenn wir vorläufig vom Neuroglia-Gewebe absehen, so finden wir in der molekularen Schicht eine sehr grosse Zahl von Nervenfasern, welche sich in den verschiedensten Richtungen kreuzen, im Allgemeinen aber doch parallel zur Oberfläche des Gehirnes verlaufen. In dieser Schicht befinden sich 1. die büschelförmigen Spitzenfortsätze der Pyramidenzellen, 2. die Aus- läufer der aufsteigenden, hauptsächlich aus den polymorphen Zellen ent- springenden Neuriten und 3. auch autochthone Fasern, d. h. solche, welche den Zellen der molekularen Schicht selbst entstammen und ihre Endausbreitung ebenfalls in der letzteren finden. Die Zellen der molekularen Schicht lassen drei Haupttypen unterscheiden: a) die polygonalen Zellen; dieselben haben 4 — 6 Dendriten, welche sich hauptsächlich in der molekularen Schicht ausbreiten, gelangen aber mitunter auch in die nächst tiefer gelegene Schicht der kleinen Pyramiden. Ihr Neurit läuft entweder horizontal oder schräg, entspringt vom Körper der Zelle selbst oder auch von einem ihrer Dendriten und giebt eine grosse Anzahl von sich verzweigenden Collateralen ab, welche mit knopfförmigen Verdickungen enden; b) spindelförmige Zellen, deren spitze Enden in lange parallel der Hirnoberfläche verlaufende 282 Grosshirnrinde. Dendriten sich fortsetzen. Von den letzteren zweigen sich, annähernd unter rechtem Winkel und hauptsächlich von der der Oberfläche zugekehrten Seite aus zahlreiche Fädchen ab, welche Molekulare Schicht -- Kleine Pyra- midenzellen Grosse Pyra- midenzelle Schicht derpoly- morphen Zellen durchaus den Charakter von Neuriten, resp. der Collateralen haben. Sie verzweigen sich in der molekularen Schicht selbst, c) Drei- eckige oder sternförmige Zellen. Sie sind den eben sub b betrachteten Zellen ähnlich, besitzen aber nicht zwei sondern drei Dendriten. Typus b und c mit ihren zahlreichen, neu- ritenähnlichen, von den Dendriten abgehenden Fortsätzen, sind also für die Grosshirnrinde charakteristisch. Die Elemente, welche die zweite und dritte Schicht der Gross- hirnrinde hauptsächlich charakteri- siren, sind die kleinen und grossen ' Pyramidenzellen. Man unter- scheidet an ihnen einen di'eieckigen Körper (die Basis des Dreieckes liegt parallel der Hirnoberfläche), einen aufsteigenden Dendriten, den man als Haupt- oder Pri- mordialdendrit (letztere Bezeich- nung bezieht sich auf die frühe em- bryonale Entstehung dieses Fort- satzes) bezeichnet, mebrere Basilar- dendriten (welche letzteren meistens von der Basalfläche des Zellkörpers entspringen) und einen Neuriten, der in der Regel ebenfalls von der Basis des Zellkörpers, seltener von einem der basalen Dendriten ausgeht. Der aufsteigende oder der Hauptdendrit giebt eine Anzahl von Seitenzweigen ab, welche sich vielfach verzweigen und schliesslich frei auslaufen, worauf er weiter bis zur molekularen Schicht sich hinauf begiebt, in welcher seine Aeste, indem sie büschelförmig aus- einanderweichen, endigen. Der Neurit giebt in der grauen Substanz auf seinem Wege zur weissen 6 — 12 Collateralen ab, welche nach einer 2 bis 3 maligen Theilung ihr Ende finden. 4. Die Schicht der polymorphen Zellen. Wenn man davon absieht, dass in dieser Schicht noch einzelne grosse Pyramidenzellen anzu- treffen sind, besteht sie der Hauptsache nach a) aus multipolaren Zellen mit. Marksubstanz Fig. 201. Schema der Grosshirnrinde nach Golgi und Ramon y Cayal. Pyramidenzellen . 283 Büschelförmiges Telodeudrion Hauptdendrit Nebendendrit kurzem Neurit (Golgi'sche Zellen) und b) aus Zellen mit nur wenig ver- zweigten Dendriten und mit einem gegen die Oberfläche verlaufenden Neu- nten (Martinotti'sche Zellen). Diese beiden Zellenarten finden sich je- doch nicht ausschliesslich in der Schicht der polymorphen Zellen, sondern werden auch in der Schicht der kleinen und grossen Pyramiden vereinzelt angetroffen. Die Golgi'schen Zellen senden ihre Dendriten nach allen Rich- tungen aus. Diejenigen von ihnen, welche dem Markstrahl nahe gelegen sind, dringen sogar bis in den letz- teren hinein. Der kurze Neurit löst sich in zahlreiche Collateralen auf, deren Endverzweigungen in der Nähe der benachbarten Ganglienzellen liegen. Die Martinotti'schen Zellen, welche, wie bereits erwähnt, in der zweiten und dritten Schicht eben- falls vorkommen können, sind ent- weder spindelförmig oder dreieckig ; ihr Neurit stammt entweder vom Körper oder vom Dendriten der Zelle ab, steigt unter Abgabe von einigen Collateralen bis zur mole- kularen Schicht, in welcher er, in zwei bis drei Hauptzweige sich thei- lend, mit Telodendrien endigt. Sel- tener verbreitet er sich in der an- gegebenen Weise in der Schicht der kleinen Pyramiden. 5. In der Marksubstanz kann man folgende vier Faserarten un- terscheiden : a) die P r o j e k - tionsfasern (centrifugale) d. h. solche, welche die Elemente der Hirn- rinde mit der Peripherie des Körpers verbinden, was nicht auf direktem Wege, sondern erst, nachdem die Fasern in den grossen Hirnganglien etc. eine Unterbrechung erlitten haben, geschieht; b) die Kommissurenfasern (nach der ursprünglichen Definition diejenigen, welche im Balken und in der Com- missura ant. verlaufen und welche symmetrische Stellen beider Hemisphären verbinden); c) Associations fasern; sie verbinden verschiedene Partien der grauen Substanz einer und derselben Hemisphäre miteinander und schliess- Basilardendrit Xeurit mit Col- lateralen Fig. 202. Grosse Pyraniidenzelle aus der Grosshirnrinde des Menschen. Chromsiibermethode. 150 mal vergr. 284 ProjektioDS- und Associationsfasern. lieh d) die eentripetalen oder die Endfasern, d. h. die Endausbreit- ungen solcher Neuriten, deren Zellen an einem anderen Orte derselben Hemisphäre oder der anderen, oder aber in einer anderen Region des Nerven- systems liegen. Die Projektionsfasern können aus den Pyramidenzellen, ja viel- leicht auch aus einigen der polymorphen Zellen stammen; die Kommis- suren fasern entspringen ebenfalls aus den Pyramidenzellen und liegen in der weissen Substanz etwas tiefer als die Associationsfasern ; sie verlaufen mit Ausnahme derjenigen, welche die Cunei verbinden und in der vorderen Hirnkommissur gelegen sind, alle im Balken. Diese Fasern geben nun, wäh- rend ihres Verlaufes in der Hemisphäre bis zu ihrer Endausbreitung zahlreiche Collateralen ab, welche an verschiedenen Stellen in die graue Substanz eindringen und dort als Endfasern enden. Diese Art und Weise der Verzweigung widerspricht also der alten Definition der Kommissurenfasern, und man muss dieselbe dahin ergänzen, dass ausser den symmetrischen Punkten beider Hemisphären durch ihre Collateralen noch viele andere Punkte resp. Bezirke der grauen Substanz mit dem Ausgangspunkt der Fasern verbunden werden (Ramon y Cajal 93). Die Associationsfasern stammen ebenfalls hauptsächlich aus den Pyramiden; in der Marksubstanz theilt sich ihr Neurit T-förmig und senkt sich nach einem kürzeren oder längeren Verlauf in derselben in die graue Substanz der entsprechenden Hemisphäre ein, worin er sich als Endfaser ausbreitet. Aber es werden schon vorher einige Collateralen abgegeben, welche ebenfalls als Endfasern in der grauen Substanz endigen. Die Asso- ciationsfasern bilden die Hauptmasse des Markstrahles. Die den Collateralen oder den Neuriten, selbst den Kommissurenfasern entsprechenden eentripetalen oder Endfasern stellen die Endaus- breitung dieser Elemente dar und erstrecken sich bis zur molekularen Schicht. D. Lobus olfactorius. Am Lobus olfactorius unterscheiden wir fünf Schichten, welche nament- lich an der ventralen Seite desselben gut ausgeprägt sind. Es sind das 1. die peripheren Nervenfasern; 2. die Schicht der Glomeruli ol- factorii; 3. das Stratum gelatinosum oder die Molekularschicht; 4. die Schicht der Pyramidenzellen (Mitralzellen , Troddelzellen) und 5. die Körnerschicht mit den tiefen Nervenfasern. Die Schicht der peripheren Fasern besteht aus Nervenbündeln des N. olfactorius, welche sich in verschiedenen Richtungen durchkreuzen und einen Plexus bilden. Die Schicht der Glomeruli enthält eigen thümliche, regelmässig angeordnete, rundliche oder ovale, ziemlich scharf abgegrenzte Körper, welche Lobus olfactorius. 285 zuerst von Golgi richtig gedeutet worden sind. Diese heissen Glomeruli und sind Komplexe ineinander greifender Endbäumchen, d. h. Telodendrien. Wie wir sehen werden , ist die Riechzelle in der Regio olfactoria als eine periphere Ganglienzelle aufzufassen, deren centripetaler (basaler) Fortsatz als ein Neurit betrachtet werden muss. Die Telodendrien dieser Neunten treten in den Glomerulis olfactoriis mit den Endramifikationen der Dendriten der Mitralzellen in Kontakt. Mitralzellen Str. gelati- nosum Kleine Ganglien- zelle Schicht der Glo- meruli olfactoiia Periphere Nervenfasern Fig. 203. Bulbus olfactorius nach Golgi und Eamon y Cayal. Die Körnerschicht ist nicht abgebildet. Die molekulare Schicht enthält kleine spindelförmige Ganglien Zeilen. Ihre Neuriten gehen in die fünfte Schicht über; ihre kurzen Den- driten enden mit Endramifikationen in den Glomerulis. Die bereits erwähnten Mitralzellen (Troddelzellen) haben ihren Neu- riten an der dorsalen Seite. Dieser geht ebenfalls in die fünfte Schicht; indessen zerfällt die Mehrzahl der Dendriten in ihre Endäste, wie wir be- reits erwähnt haben, in den Glomerulis olfactoriis. Die fünfte Schicht setzt sich aus Nervenzellen und Nervenfasern zusammen; ausserdem befinden sich hier in einer grossen Anzahl eigenthüm- liche Zellen mit einem langen peripher gerichteten und einigen kurzen central verlaufenden Dendriten. Ein Neurit ist an diesen Zellen (Körnerzellen) nicht unterscheidbar. Die sternförmigen Ganglienzellen sind nicht zahlreich, liegen zerstreut, haben mehrere kurze Dendriten und einen 286 Die Ganglien. peripher verlaufenden Neuriten, welch letzterer in der molekularen Schicht mit zahlreichen und sehr ausgebreiteten Endram ifikationen endet. — Die tiefen Nervenfasern sind zu Bündeln gruppirt, welche die eben be- sprochenen körner- und sternförmigen Zellen zwischen sich fassen. Diese Nervenfasern sind theils aus den Neuriten der Pyramiden- oder Mitralzellen, theils aus denen der Körnerzellen der molekularen Schicht zusammengesetzt, theils aber sind es von der Peripherie kommende centripetale Fasern, welche in der fünften Schicht zwischen den Körnern derselben ihr Ende nehmen. E. Die Ganglien. Als centrale Nervenorgane können auch die Ganglien betrachtet werden. Sie zerfallen in zwei Gruppen: 1. in die Gruppe der Spinalganglien und 2. in die der sympathischen Ganglien. Die Ganglienzellen der ersten Gruppe sind dadurch ausgezeichnet, dass sie zwei Fortsätze besitzen, und zwar einen cellulifugalen Neuriten und einen cellulipetalen Dendriten. Wir haben bereits gesehen, dass der cellulifugale Fortsatz in die hintere Wurzel des Spinalnerven übergeht. Die Körper der Zellen werden von Telodendrien bestimmter Fasern um- sponnen, deren Ursprung nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte, welche aber entweder auf die Lenhossäk'schen Neuriten des Vorder- horns (vergl. Rückenmark S. 277) bezogen werden können, oder aber sym- pathischen Ursprungs sind (vielleicht ist beides der Fall). Vor kurzem hat v. Lenhossek (94, 1) an den Spinalganglienzellen kurze un regelmässige Dendriten aufgefunden. Die sympathischen Ganglienzellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine ausserordentlich grosse Anzahl von Dendriten besitzen, welche indessen sich nicht so üppig wie die der anderen Ganglienzellen verzweigen und kurz sind. Der Neurit entspringt in der Regel an der Zelle selbst, kann aber, was nur selten der Fall ist, auch einem ihrer Dendriten ent- stammen. Im Kopfe gehören zum System der spinalen Ganglien das G. Gasseri, das petrosum Glossopharyngei, der Plexus nodosus N. vagi, das G. nervi acustici und das G. geniculi. Das G. sphenopalatinum ist nach dem sympathischen Typus gebaut (vergl. v. Lenhossek 94. 1 und van Gehuchten 93. 1). Wie Retzius (94) vor kurzem nachgewiesen hat, gehört zu diesem Typus auch das G. ciliare. Die Zellen der Ganglien beider Typen besitzen deutliche Kapseln, welche wie bei den Fischen (Ganglion acusticum) die Scheiden der Nerven- fasern, d. h. die Markscheide, die Schwann'sche und die Henle'sche Scheide aufweisen. An den Zellen der Ganglien der höheren Wirbellhiere und des Menschen ist ebenfalls eine Kapsel nachgewiesen worden; sie ist Allgemeines über die Neura. 287 aber mit grosser Wahrscheinlichkeit nur als die Fortsetzung der Hen le- schen Scheide zu deuten. Der Antheil der Schwan n 'sehen Scheide an ihrer Bildung ist aber „auch nicht auszuschliessen. F. Scliematisclie Uebersicht über die Beziehungen der Neuren zu einander im Centralnervensystem. Die Art und AVeise, wie man sich nach der neuen Nervenlehre ein Schema eines sensitiv -motorischen Reflexbogens vorstellen kann, ist durch die beigefügten Figuren veranschaulicht. Zwischen einer reizauf- nehmenden Stelle des Körpers und dem motorischen Nervenendorgan geht die Leitbahn durch zwei Neuren (primäre Neuren) hindurch, welche in der grauen Substanz des Rücken- markes vermittelst ihrer Telodendrien in Kontaktbeziehungen stehen. Der Zellkörper der sensiblen Neura liegt im Spinalganglion , der der motori- schen im Vorderhorn des Rücken- marks. Der Dendrit der sensiblen Neura beginnt mit seinem Teloden- drion in der Oberhaut und leitet cellulipetal, während ihr cellulifugal leitender Neurit mit seinem Telo- dendrion in der grauen Substanz des Rückenmarks den Reiz den cellu- lipetal leitenden Telodendrien der motorischen Neura übergiebt. Der cellulifugal leitende Neurit der letz- teren endet mit seinem Telodendrion im Muskel. Etwas komplizirter gestalten sich die Bahnen, wenn grössere Strecken in Betracht kommen, wenn z. B. der aufgenommene Reiz (sensible Bahn) bis in die graue Hirnrinde gelangen oder von dort aus noch zu einer willkürlichen Bewegung Veranlassung geben soll (motorische Bahn). In solchen Fällen kommt es zur Einschaltung von sekundären Neuren, welche mit den primären, vorhin erwähnten vermittelst Telodendrien in Kontaktbeziehungen stehen. Wenn wir uns auch hier den einfachsten Fall denken und zuerst den motorischen Abschnitt einer solchen Nervenbahn ins Auge fassen, so sehen wir (vergl. Figur 206), dass der Neurit einer Pyramiden zelle der Hirn- Fig. 204. Schema des sensitiv-motorischen Reflexbogens nach der Neurenlehre. mX motorische Neura ; sS sensible Neura : -21 Nerven- zelle der motorischen, Z- Nervenzelle der sensiblen Neura; d Dendriten; n Neuriten beider Neuren; t Telodendrion oder Endbäumchen; m Muskelfaser; h Oberhaut mit dem daran resp. darin befindlichen Endbäumchen. 288 Sensible Neura. rinde (psychische Zelle) in die weisse Substanz tritt und innerhalb derselben, wie man wohl annehmen darf, als Nervenfaser durch den Hirnstiel und die Pyramide zur Pyramidenstrang- bahn der entgegengesetzten Seite gelangt. Hier stehen aber seine Telodendrien mit den gleich- namigen Bildungen der motori- schen Neuren des Vorderhorns des Rückenmarkes in Kontaktbe- ziehungen. Im vorgeführten Beispiel wäre also die motorische Nervenbahn aus 2 Neuren zusammengesetzt: 1. aus einer motorischen Neura erster Ordnung, welche von der Hirnrinde bis zu den Vor- derhörnern des Rückenmarkes sich erstreckt und 2. aus einer motori- schen Neura zweiter Ordnung, deren Elemente die Strecke zwi- schen den Vorderhörnern und dem Telodendrion im Muskel umfassen. Fig. 205. Die Zeichnung soll eine sagittale Schnittfläche des Rückenmarkes darstellen. Zl motorische Zellen im Vorderhorne der grauen Substanz; nN sensible Neura; Z2 Spinalganglionzelle; n Neunten; Die unterbrochenen Striche an den Zellen links weisen auf die Dendriten derselben hin; c Collateralen des sen- siblen Neuriten. Die sensible Bahn kann ebenfalls aus Neuren erster und zweiter Ordnung zusammengesetzt sein: Der aus einer Zelle des Spinalganglions cellulifugal leitende Neurit begiebt sich zum Hinterstrang des Rückenmarkes, giebt an letzteres Col- lateralen ab und verläuft dann mit seinem aufsteigenden Aste innerhalb des Hinterstranges hirnwärts. Obwohl hier die Verhältnisse nicht so klar vorliegen wie bei der motorischen Bahn, so kann man immerhin annehmen, dass der cellulifugal aber centripetal leitende Neurit hier oder dort mit Telodendrien endigt (sensible Neura 1. Ordnung), welche zu den gleichnamigen Bildungen einer Zelle des Rückenmarkes oder eines grauen Kernes der Medulla oblongata in Kontaktbeziehungen stehen. Diese letz- teren Zellen würden dann die sensiblen Neuren 2. Ordnung ab- geben. In welcher Weise ihre cellulifugalen Neuriten endigen, ist noch nicht festgestellt; man kann aber mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass starke, bis in die Hirnrinde dringende und dort mit Zellen nicht in Zusammenhang stehende Endfasern es sind, welche die cellulifugal leitenden Telodendrien der sensiblen Neuren 2. Ordnung repräsentiren. Neuroglia. 289 Fig. 206. Schema der Leitbahuen zwischen peripheren Organen und Hirnrinde. H Kinde des Grosshirns; mNl motorische Neura erster Ordnung; mN- motorische Neura zweiter Ordnung; sX1 sensible Meura erster, sli2 sensible Neura zweiter Ordnung; Zl motorische Zelle des Rückenmarkes; Z- sensible Zelle eines Spinalganglions; if3 Pyramidenzelle der Hirnrinde (psychische Zelle); Z' Nerven- zelle der sensiblen Neura zweiter Ordnung; n n Neuriten; dd Dendriten; cc Collateralen ; t t Telodendrien (Endbäumchen). G. Die Neuroglia. Wir kommen zur Betrachtung des namentlich im centralen Nerven- system verbreiteten, bisher als Stützgewebe aufgefassten Gewebes, der Neu- roglia. Die Stellung desselben gegenüber den anderen Geweben war von jeher eine fragliche; neuere Untersuchungen haben indessen seine ektoder- male Abkunft, wenigstens für den zelligen Theil des Gewebes, ausser Zweifel gestellt. Böhm -v. üavidoff, Histologie. 19 290 Neuroglia. In einem bestimmten Entwickelungsstadium siebt man, z. B. im Rücken- marke, radiär zum Centralkanal angeordnete Elemente, welcbe bei näberer Betrachtung sich als Ausläufer der Epitbelzellen des Centralkanals heraus- stellen. Diese Ausläufer können sich einige Mal dichotomisch theilen, um an der Peripherie mit einer Anschwellung zu enden. In späteren Stadien ist die erwähnte radiäre Anordnung zwar noch bewahrt, aber die Zellenleiber begrenzen den Centralkanal nicht mehr alle; viele werden in verschieden grossen Abständen von dem letzteren angetroffen. Nur in der Gegend der ventralen und dorsalen Furche des Rückenmarkes behalten die Elemente ihre ursprüngliche Beschaffenheit und Lage bei. Im Laufe der Entwicklung nimmt die Zahl der fraglichen Elemente zu. Nach diesen Befunden ist man geneigt, anzunehmen, dass die Ur- sprungsstätte der Neurogliazellen das Epithel des Centralkanals ist und dass sie von hier aus nach aussen verschoben werden. Zu Gunsten dieser An- nahme spricht auch der Umstand, dass die Epithelzellen des Centralkanals sich später noch weiter vermehren. Sei dem wie es wolle, jedenfalls ist die definitive Gestalt der Neurogliazellen eine äusserst mannigfaltige. Das Epithel des Centralkanals und der Hirnhöhlen (das Ependym) selbst ist beim Erwachsenen ein zwei- bis dreizeiliges. Die ba- salen Fortsätze der Zellen sind sehr lang, können sich verzweigen, haben aber in der Regel einen gewundenen Verlauf. Eine andere Zellenform der Neuroglia wird durch die sogenannten Spinnenzellen repräsentirt. Von ihrem Körper geht eine grosse Zahl von Fortsätzen aus, welche bei der einen, hauptsächlich in der weissen Sub- stanz vorkommenden Zellenart, sich nicht verzweigen. Aehnliche Zellen mit kürzeren, sich aber zuweilen theilenden Fortsätzen liegen zum grössten Theile in der grauen Substanz. Andere Gliazellen unterscheiden sich von den letzterwähnten dadurch, dass sie eine geringere Zahl von Fortsätzen besitzen, dafür aber grössere Leiber haben. Sind die Fortsätze regelmässig angeordnet, so bezeichnet man die Elemente als sternförmige Glia-Zellen; sind ihre Fortsätze nach einer Seite gerichtet, so nennt man sie bäum form ige u. s. f. Die grösste Zahl der Fasern, welche man überhaupt in der grauen und weissen Substanz findet, kann auf die Fortsätze von Gliazellen be- zogen werden. Ob aber ausser den Gliazellen noch ähnliche zellige und faserige Elemente mesodermaler Abkunft im Centralnervensystem vor- handen sind oder nicht, ist eine Frage für sich. Thatsächlich begleitet ja das Bindegewebe (abgesehen von den Pialfortsätzen [s. unten pag. 292]) die zahl- reichen im Rückenmarke vorhandenen Blutgefässe. Dura mater. Arachnoides. 291 H. Die Hüllen des Centralnervensystems. Die Hüllen des Centrain ervensysteins (Meningen) bestehen aus drei Häuten (Hirnhäuten;: die äussere von ihnen ist die Dura mater, die mitt- lere ist die Arachnoidea, die innere die Pia mater. Die Dura mater des Gehirns ist mit dem Periost innig ver- bunden, während ihre innere Fläche glatt ist. Sie besteht aus zwei Blättern, welche aber nur an gewissen Orten auseinander weichen. An solchen Stellen bildet das innere Blatt entweder nach innen vorragende Duplikaturen, wie es z. B. an der Falx cerebri und cerebelli, am Tentorium und am Diaphragma sellae der Fall ist, oder es stülpt sich das innere Blatt nach aussen, gegen das äussere vor und bildet hier kleine Blindsäcke, welche man als PacchionTsche Granulationen bezeichnet. Schliesslich können innerhalb der beiden Blätter der Dura bestimmte Organe, wie z. B. venöse Sinus, der Saccus endolymphaticus, liegen. Das äussere Blatt der Dura setzt sich eine Strecke weit auf die Cere- brospinalnerven fort. Die Dura besteht wesentlich aus Bindegewebsbündeln , welche im Rückenmark einen longitudinalen Verlauf einhalten, im Gebiete des Schädels hingegen kreuzen sich die Bündel des inneren und äusseren Blattes, indem die des äusseren von vorne lateral und nach innen medial, die des inneren von vorne medial und nach hinten lateral verlaufen. Die Faserung in den Hirnfortsätzen, im Falx cerebri, im Tentorium u. s. w. ist mehr eine radiäre, von der Abgangsstelle nach dem freien Bande gerichtet. Die Gestalt und Grösse der Bindegewebszellen ist hier eine sehr verschiedene; mit ihren Fort- sätzen umspinnen sie die Bindegewebsbündel. Elastische Fasern kommen im Allgemeinen spärlicl vor, etwas reichlicher in der Dura des Rückenmarks. Die Dura ist sehr reich an Blutkapillaren. Es lassen sich durch Einstichinjektionen auch Saft- bahnen, welche mit dem Subduralraum in Kommunikation stehen, in ihr nachweisen. Ihre Nerven begleiten hauptsächlich die Gefässe. Die Arachnoides ist von der Dura durch einen dem Lvmphsvstem zuzurechnenden Raum, den Subdural räum, getrennt. Bare äussere Fläche ist demgemäss, ebenso wie die innere der Dura, vom flachen Epithel bekleidet. Die Arachonidea besteht aus miteinander anastomosirenden und locker angeord- neten Bindegewebsbälkchen, welche zwischen der Dura und der Pia einen Lymph- raum, den Subarachnoidealraum, durchsetzen. Das Gewebe der Pia be- gleitet ebenfalls eine kurze Strecke weit die abgehenden Cerebrospinalnerven. Im Gehirn überzieht die Pia die Windungen und senkt sich auch in die Furchen ein. Sie ist hier besonders stark ausgebildet, und zwar namentlich in den sogenannten Cisternen, wie z. B. in der Cisterna cerebello-medullaris fossae Sylvii u. s. w. Im Rückenmarke finden wir zwei grosse mitein- 19* 292 P*a niater. ander in Kommunikation stehende Aracbnoidealräume, einen dorsalen und einen ventralen. Von der äusseren Fläche der Arachnoidea erheben sich an bestimmten, gewöhnlich dem Sinus longitudinalis sup. entsprechenden Stellen, Zotten, welche vom inneren Blatt der Dura überzogen sind und mit den letzeren die Pacchioni'schen Granulationen bilden (s. oben). Da die Zotten fein gestielt sind, so wird oft der Eindruck erweckt, als ob sie in dem venösen Sinus frei flottirten. Die Balken und Häute, die das Arachnoidealgewebe ausmachen, haben eine grosse Aehnlichkeit mit denjenigen der Mesenterien und besonders mit denen des Omentum. Es ist ein exquisit areoläres Bindegewebe, welches viel- fach durchbrochen und dessen freie Fläche mit einer kontinuirlichen Epithel- schicht bekleidet ist. Besonders häufig kommen hier umspinnende Spiral- fasern vor, welche nicht nur einzelne, sondern ganze Komplexe von Fasern umspinnen. Der Subarachnoidealraum wird von zahlreichen , theils frei ver- laufenden, theils an der Arachnoidea befestigten Gefässen durchzogen. Ihre Intima ist von Epithel bekleidet; demgemäss hat der Subarachnoidealraum hier die Bedeutung eines perivaskulären Raumes. Die P i a umgiebt die Oberfläche des Gehirns und Rückenmarks, allen ihren Unebenheiten sich dicht anschliessend. Im Rücken marke besteht sie aus einer äusseren und einer inneren Lamelle (Intima pia). Die äussere besteht aus Bindegewebsbündeln , denen elastische Fasern beigemengt sind. Der Faserverlauf ist im Allgemeinen ein längsgerichteter. Auf der äusseren Seite ist ausserdem ein Epithelhäutchen nachgewiesen worden. Die Blut- gefässe sind zwischen der äusseren und der inneren Lage gelegen. Die innere Lage (Intima pia) hat viel feinere Elemente und weist auf ihren beiden Seiten eine epitheliale Bekleidung auf. Sie ist es nun, welche die in das Rückenmark eindringenden Gefässe begleitet; sie ver- bindet sich mit der adventitialen Scheide und betheiligt sich zugleich mit der letzteren bei der Bildung der perivaskulären Räume. Letztere stehen in Verbindung mit den Interpialräumen und durch die Adventitia der Gefässe mit dem Subaracbnoidealraume. Ausserdem dringen aber auch zahlreiche feinere, keine Gefässe enthaltende Bindegewebssepta der Pia in die Marksubstanz des Rückenmarkes ein. An Stellen, an welchen die Pia in die Marksubstanz eindringt, finden sich in der letzteren trichterförmige Erweiterungen — die sogenannten Pial. trichter. Die Verhältnisse am Gehirn sind insofern etwas andere, als hier die äussere Lamelle der Pia in Wegfall kommt, so dass sie hier ausschliesslich aus einer, der Intima pia des Rückenmarkes analogen Lage besteht. Nicht überall liegt die Pia direkt der Oberfläche des Rückenmarkes an; zwischen jener und dieser befindet sich meistens eine Gliaumhüllung, Plexus chorioiclei. 293 welche von den verbreiterten Enden der radiär gerichteten Gliazellenfortsätze gebildet wird (Gliahülle oder Subpia). Das Septum longitudinale posterius des Rückenmarkes be- steht im Brusttheile ausschliesslich aus Gliaelementen, im Hals und Lenden- theile betheiligt sich am peripheren Theile desselben auch die Pia. Am Gehirne kommt es bekanntlich zur Bildung der Plexus chorio- idei, an deren Zusammensetzung sich auch das Pialgewebe betheiligt (Telae chorioideae). Sie bestehen aus zahlreichen Blutgefässen, welche vielfach ramifizirende, zottenartige Vorsprünge bilden und an ihrer Oberfläche Pflasterepithelien zeigen. Letztere sind als Fortsetzung des Ventrikelepithels zu betrachten und sind, wenigstens embryonal und bei niederen Thieren, flimmertragend. Die Telae und Plexus sind vom entwicklungsgeschichtlichen Standpunkte aus nichts anderes, als durch die Gefässe und Pia in die Ven- trikel vorgeschobene, auf eine einzige Epithellage (innere epitheliale Be- kleidung) reduzirte Gehirnwandung. Die Arachnoidea und Pia werden zusammen, im Gegensatz zur Dura mater (Pachymeninx), öfters als Leptomeninx bezeichnet. Nach den Schilderungen von Key und Retzius sind die Grenz- lamellen der Hirnhäute durchbrochen, so dass der Subdural-, der Subarach- noideal- und der Pialraum in einer mehr oder weniger vollständig ausge- bildeten Kommunikation stehen. Xach den beiden genannten Autoren ver- binden sich die Subarachnoidealräume auch mit den Hirn Ventrikeln. Letzteres geschieht am Dache des vierten Ventrikels durch das Foramen Magendii, welches sicher nicht präformirt ist und wahrscheinlich durch Usur oder Re- sorption des Epithels der Pia der Ventrikel wand, als eine individuell erworbene Bildung entsteht. Da die Dura und Arachnoidea die Cerebrospinalnerven eine Strecke weit begleiten, so ist es verständlich, dass man vom Subarachnoidealraum auch die Lymphgefässe der Xasenschleimhaut (siehe diese) injiziren kann [vergl. auch hierüber Key und Retzius]. I. Blutgefässe des Centralnervensystems. Was diese angeht, so begnügen wir uns hier nur mit folgenden Be- merkungen. Im Rückenmark dringen die Arterien, umgeben vom Pialgewebe (Bindegewebssepten) bis zur grauen Substanz vor, geben aber schon auf ihrem Durchgange durch die weisse Substanz mehrere Seitenzweige ab. Die Kapillaren sind in der grauen Substanz viel engmaschiger als in der weissen. Die perivaskulären Räume sind im ganzen Centralnervensystem von der Hirn- und Rückenmarksubstanz durch ein Epithelhäutchen , das 294 Blutgefässe des Centralnervensystems. Graue Substanz "Weisse Substanz Fig. 207. Schnitt durch die Grosshirnrinde des Kaninchens, gefässe sind injicirt. 40 mal vergr. Kapillaren dicht und engmaschig. Die Blut- innere Epithel der In- tima pia (Key und Retzius) getrennt und sind von der Pia aus leicht zu injiziren. In der Rinde des Grosshirns sind die Kapillaren an solchen Stellen besonders zahl- reich und engmaschig, an welchen Anhäufungen von Ganglienzellen statt- finden. In der Mark- substanz ist ihre An- ordnung eine weniger dichte und ihre Maschen sind langgestreckt. Im Kleinhirn ist die Anordnung der Gefässe eine analoge. Unter den Schichten der Kleinhirn- rinde ist die Körner- schicht diegefässreichste; in ihr sind auch die Technisches über das Centralnervensystem. 288. Man fixirt die Organe des Centralnervensystems am besten in Müller'scher Flüssigkeit (siehe T. 24), wäscht mit Wasser aus, schneidet in Celloidin und färbt etwa mit Karmin. Solche Präparate dienen zur Orien- tirung im Allgemeinen. 289. Etwas anderes ist es, wenn man Spezielles in's Auge fasst, so z. B. die Markscheide der Nervenfasern, die Ganglienzellen, die gegenseitigen Beziehungen verschiedener Neuriten und Dendriten zu einander etc. 290. Die Markscheide untersuche man nach folgender Vorschrift: Die in Müller'scher oder Erlicki'scher (siehe T. 25) Flüssigkeit in ge- wöhnlicher Weise fixirten Stücke, z. B. des Rückenmarks, werden ohne auszuwaschen mit Alkohol (im Dunkeln) behandelt, in Celloidin einge- schlossen und geschnitten. Die Schnitte werden dann entweder einzeln oder in der pag. 21 geschilderten Weise aufgeklebt und in folgende Färbelösungen übertragen: 1 g Hämatoxylin wird in 10 ccm abs. Alkohol gelöst und 90 ccm Weigert'sche Markscheidefärbung. 295 destillirtes Wasser hinzugefügt (die Flüssigkeit muss einige Tage gestanden haben). In dieser Lösung werden die Schnitte bei Zimmertemperatur einen Tag in einem auf 40° erhitzten Thermostaten ein Paar Stunden belassen. Die ganz dunkel gewordenen Schnitte werden dann mit destillirtem Wasser abgespült und in die sogenannte Differenzirungsflüssigkeit gebracht. Die letztere besteht aus 1. Borax = 2 g, 2. Ferrid-Cyankalium = 21J2 g und 3. destillirtem Wasser =100 g. Die Farbe der Schnitte wird in dieser Flüssigkeit in der Weise differenzirt, dass die Markscheide die dunkle Färbung beibehält und die übrigen Elemente, wie Ganglienzellen etc., schwach-gelb erscheinen. Es ist zweckmässig, vor der Hämatoxylinfärbung eine Beizung mit neutraler essig- saurer Kupferoxydlösung (eine gesättigte Lösung des Salzes mit gleichem Volumen Wasser verdünnt) vorausgehen zu lassen. Man verfährt am Be- quemsten folgendermassen : die mit Celloidin durchtränkten, auf einem Kork oder Holzblock befestigten Stücke lässt man einen oder zwei Tage auf der soeben erwähnten Kupfersalzlösung schwimmen. Nach dieser Frist erscheinen die Stücke dunkel, der Celloidinmantel hell -grün. Darauf kommen sie in 80°/o Spiritus, in welchem sie beliebig lange aufgehoben werden können. Das Färben und das Differenziren erfolgt in derselben Weise wie vorher. 291. Das vor kurzem von Weigert angegebene Färbeverfahren ist scheinbar komplizirter, führt aber desto sicherer zum Ziele. Die Vorbehand- lung, wie die Fixirung in Müller'scher Flüssigkeit, die Nachbehandlung mit Spiritus, Durchtränkung mit Celloidin, sowie die Befestigung auf dem Kork- oder Holzklotz bleibt dieselbe. Nachdem die Stücke in 80°/o Spiritus fest geworden sind, kommen sie, auf folgender Mischung schwimmend, in den Brutofen: eine kaltgesättigte, wässerige Lösung von Cuprum aceticum neutrale und Tart. natronatus (Seignettesalz) 10°/o wässerige Lösung zu gleichen Theilen. Grössere Stücke, wie z. B. von der Pons Varoli, können länger als 24 Stunden in der Lösung verbleiben. In diesem Falle wird die Lösung nach 24 Stunden erneuert. Auf jeden Fall verbleiben die Stücke in der Lösung nicht länger als 48 Stunden; die Temperatur im Thermo- staten darf keine hohe sein, sonst werden sie brüchig. Dann werden die Objekte auf einer wässerigen, entweder gesättigten, oder halb mit Wasser verdünnten Lösung von Cuprum aceticum neutrale schwimmend, abermals in den Brutofen gebracht. Dann werden die Stücke flüchtig mit dest. Wasser abgespült und in 80°/o Spiritus übertragen, in welchen sie schon nach einer Stunde schnittfähig sind, können aber in demselben auch länger aufgehoben werden. Es wird in der gewöhnlichen Weise geschnitten und gefärbt. Hierzu bereite man sich folgende Lösungen : a)Lithioncarbonicum eine gesättigte wässerige Lösung = 7 ccm und 93 ccm Aqu. dest.; b) Hämatoxylin lg und Alk. abs. 10 ccm. a und b halten sich längere Zeit und kann man beide Lösungen in unverändertem Zustande vorräthig halten. Kurz vor dem Gebrauch werden 9 Theile a und 1 Theil b mit einander gemischt. Nach 296 Pal 'sehe Methode. 4 — 5 Stunden bei Zimmertemperatur sind die in dieser Mischung gelegenen Schnitte gefärbt, aber auch nach 24 stündigem Aufenthalt in der Farbe nicht überfärbt. Für lose, nicht angeklebte Celloidinschnitte ist die Differen- zirungsflüssigkeit überflüssig und kann diese Methode in Folge dessen mit grossem Vortheil gerade dort gebraucht werden, wo graue und weisse Substanz makroskopisch nicht unterschieden werden können und wo in Folge dessen die Beurtheilung der Differenzirung auf makroskopischem Wege er- schwert oder überhaupt unmöglich ist. Die Schnitte werden schliesslich mit Wasser abgespült, mit 90°/o Alkohol behandelt, mit Karbol-Xylol oder Anilin-Xylol aufgehellt (in letzterem Falle sorgfältig mit Xylol . gewaschen) und in Xylol-Balsam eingeschlossen. Die markhaltigen Fasern erscheinen dunkelblau bis schwarz, der Grund hell bis hell-rosa, die Celloidinwand manchmal bläulich. Will man letztere Farbe entfernen, so braucht man nur statt mit gewöhnlichem Wasser mit einer Va °/o Essigsäure auszuwaschen, was jedoch bei sehr zarten Objekten, z. B. bei der Grosshirnrinde nicht empfehlens- werth ist. Bei der Anwendung der Weigert'schen Methoden wird eine Schnitt- dicke vorausgesetzt, die nicht Vjo mm übertrifft, weil bei dickeren Schnitten die Markscheiden sich nicht genügend deutlich von dem nicht ganz farblosem Untergrunde abheben. Bei dicken Schnitten ist die modifizirte Weigert 'sehe, die sogenannte Pal'sche Methode anzuwenden. Nachdem die Objekte bis zur Färbung mit Hämatoxylin nach der Weigert'schen Methode behandelt worden sind, werden die Schnitte 20 — 30 Sekunden mit einer 1U °,'o hypermangansauren Kalilösung behandelt und wird dann als Differenzirungsflüssigkeit Oxal- säure 1, Kalium sulfurosum 1 und Wasser 200 angewandt, worin, wie bei der Weigert'schen Differenzirungsflüssigkeit darauf zu achten ist, dass die graue Substanz hell (hier ganz farblos) und die weisse dunkel erscheint. Die Markscheiden bei dieser Methode werden blau, das Uebrige bleibt farblos. Die durch die Pal'sche Methode erzielte Färbung ist sehr präcise, nicht aber so intensiv wie die Weigert 'sehe, deshalb eignet sie sich für dickere Schnitte ganz besonders. 292. Für die Darstellung der Ganglienzellen und deren Ausläufer und Fibrillen sind in der letzten Zeit zwei Methoden bedeutungsvoll geworden ; es sind dies 1. die Golgi'sche Chromsilber- und 2. die Ehrlich'sche Methylenblau-Methode. 293. Die so ausserordentlich bedeutungsvoll gewordenen Golgi'schen Methoden wollen wir etwas genauer durchnehmen, indem wir zunächst dem Autor selbst folgen: Im Jahre 1875 gebrauchte Golgi seine Methode in folgender Weise: Er fixirte (Bulbus olfactorius) in Müller 'scher Flüssigkeit, wobei er den Gehalt an chromsaurem Kali beim Wechseln der Flüssigkeit etwas erhöhte Golgi'sche Methoden. 297 (bis 4 g). Die Fixirung dauerte im Sommer 5 — 6 Wochen, im Winter 3 — 4 Monate und darüber. Dann hat er die Stücke der Objekte (nach 3 Monaten im Winter und nach 30 — 40 Tagen im Sommer) alle 4 — 5 Tage probeweise mit Silbernitrat (von 1,,2 — 1 °/o) behandelt. Im Sommer dauerte die Versilberung 24, im Winter 48 Stunden. Es ist aber ein längeres Ver- weilen in Silber zulässig. Diese Methode ist insoferne als eine kapriziöse zu bezeichnen, als man die Zeit des Verweilens der Stücke in der Müller'- schen Flüssigkeit ganz genau abpassen muss, da die Zeit der Einwirkung von der Temperatur in Abhängigkeit steht. Ist einmal die Silberreaktion eingetreten, so können die Stücke entweder in der Silberlösung selbst oder in Alkohol weiter aufbewahrt werden. Die Objekte werden schliesslich in abs. Alkohol ausgewaschen, mit Kreosot aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Die Färbung geht in kurzer Zeit verloren. Im Jahre 1885 hat Golgi Weiteres über seine Methode mitgetheilt, indem er für die Fixirung neben der Müller'schen Flüssigkeit auch das reine doppelt-chromsaure Kali empfahl. Es werden 1- — IV2 ccm grosse Stücke des Hirns und Rückenmarks, am besten frisch getödteter Thiere verwendet (mitunter gelingt die Reaktion auch 24 — 48 Stunden nach dem Tode). Man fixire in Kaliumbichromat in allmählich steigender Konzentration (von 2 — 5 °/o) in nicht zu wenig Flüssigkeit und in gut verschlossenen Gefässen. Selbst- verständlich muss die Flüssigkeit oft erneuert und, um Schimmelbildung zu vermeiden, Kampher oder Salycilsäure zugefügt werden. Es ist nun sehr schwer zu bestimmen, wann die Fixirung im Kalium- bichromat ihren für die spätere Einwirkung des Silbernitrat günstigsten Zeit- punkt erreicht hat, was nur von der Temperatur und der Menge der Flüssigkeit in Abhängigkeit steht. Man ist also auch hier auf das Aus- probiren angewiesen. Man kann etwa nach 6 Wochen bereits Versuche an- stellen, um zu sehen, ob die Einwirkung des Silbernitrats gute Erfolge hat oder nicht. Diese Versuche wiederhole man alle 8 Tage. Auch hier ist die Silbernitratlösung 2/s °/o zu nehmen (etwa V2 Trink- glas auf 1 ccm Objekt). Zuerst entsteht ein üppiger Niederschlag. Die Silberlösung muss dann gewechselt werden, eventuell nach einigen Stunden noch einmal. Nach 24 bis höchstens 48 Stunden ist die Behandlung ge- wöhnlich zu Ende, worauf die Schnitte sorgfältig mit absolutem Alkohol ent- wässert, in Kreosot aufgehellt und ohne Deckglas in Kanadabalsam aufge- hoben werden. Golgi empfiehlt hier den Gebrauch der durchbohrten Objektträger (der Schnitt wird auf einem Deckglase mit Kanadabalsam befestigt, das Deck- glas über die OefFnung des Objektträgers gelegt und angeklebt). 294. Um eine gleichmässigere Durchtränkung der Objekte mit Kalium- bichromat zu erzielen, kann man diese Lösung vorher in die Gefässe in- jiziren. Golgi nimmt Gelatine-Kaliumbichrom at (21/* °/o berechnet auf die 298 Golgi'sche Methoden. Menge der aufgeweichten Gelatine) (vergl. auch pag. 32). Nach der In- jektion und Erkaltung des Objektes wird dasselbe in Stücke geschnitten und wie vorher weiter behandelt. 295. Auch die Erlicki'sche Flüssigkeit kann statt der Müller'schen in Anwendung kommen. Die Dauer der Anwendung ist hier eine kürzere (5-8 Tage). Man kann die Objekte auch mit Kai iumbichromat- Osmiumsäure be- bandeln (21/2°/o Lösung von Kaliumbichromat 8 Vol., 1 °/o Osmiumsäure 2 Vol.). Schon nach 2 — 3 Tagen können die Stücke in Silbernitrat über- tragen werden. Eine bessere Methode scheint jedoch die folgende zu sein : Man be- handle die Objekte zuerst mit einer Kaliumbichromatlösung und erst dann mit dem Gemisch von Kaliumbichromat-Osmium. Bei dieser letzteren Methode bleiben die Stücke, „so zu sagen, in der Hand des Forschers ; sie können entweder sogleich oder später in einem Zeitraum untersucht werden, welcher zwischen 3 — 4 und 25 — 30 Tagen nach der Einlegung schwankt. Wenn man während dieser ganzen Zeit in Zwischenräumen von 2 — 3 — 4 Tagen einige Stückchen, welche einzeln (1 — 2 auf einmal) in die Nitratlösung eingebracht werden und vom 3. oder 4. Tage ihres Aufenthalts in der Mischung an bis zum 8. oder 10. mit Sicherheit Präparate mit allen aufeinander folgenden Abstufungen und Kombinationen, wie sie bei der ursprünglichen Methode beschrieben worden sind und von der überraschendsten Feinheit liefern." (p. 179). 296. Eine weitere Methode von Golgi ist die successive Behandlung mit Kaliumbichromat und Quecksilberchlorid. Nachdem die Stücke in Kaliumbichromat 3 — 4 Wochen gelegen sind (auch längere Zeit ist zulässig), werden sie in eine Sublimatlösung (XU — l°/o) gebracht. Die Schwärzung erfolgt hier in einer bedeutend längeren Zeit, als in der Silbernitratlösung (in 8 — 10 Tagen für kleinere Stücke, bis 2 Monate [in einzelnen Fällen auch länger] und darüber für grössere). Vor dem Einschluss der Präparate in Glycerin oder in Kanadabalsam müssen diese auf das Sorgfältigste ausgewaschen werden, sonst bilden sich auf und innerhalb der Schnitte stecknadelförmige Krystalle aus, welche das ganze Bild verunstalten. Das metallische Weiss kann in Schwarz übergeführt werden , indem man die Celloidinschnitte in eine Tonflüssigkeit der Photographen auf einige Minuten bringt, sie abermals mit dest. Wasser auswäscht, mit Alkohol be- handelt und in Kanadabalsam überträgt. Nach dem Tonen und Waschen können die Schnitte noch gefärbt werden. Die Tonflüssigkeit besteht a) aus unterschweflich-saurem Natron — 175, Alaun — 20, Schwefelcyanammonium — 10, Chlornatrium — 40 und Golgi'scke Methoden. 299 1000 g Wasser (die Mischung muss acht Tage stehen und dann filtrirt werden); b) aus einer l°/o Goldchloridlösung. Die Tonflüssigkeit besteht aus 60 ccm a und 7 ccm b. Nach der Schilderung der von Golgi selbst gebrauchten Methoden geben wir eine in Darstellung, wie sie heutzutage angewendet werden. Die Abweichungen von den ursprünglichen Methoden Golgi's sind leicht zu ersehen. Sie rühren hauptsächlich von R. y Cajal, Kölliker und von Lenhossek her. Die Methoden Golgi's sind dadurch ausgezeichnet, dass sie keine konstanten Bilder liefern, nicht selten auch völlig versagen. Aber wenn sie auch gelingen, so werden immer nur einzelne Elemente geschwärzt, was einen nicht zu unterschätzenden Vorzug dieser Methoden bietet: denn wenn sich alle Nerven gleichmässig tingiren würden, so würde man im Präparate die einzelnen Elemente nicht auseinander halten können. Auch werden durch die Golgi'schen Methoden nicht immer dieselben Gebilde gefärbt: einmal sind es Ganglienzellen und Fasern, das andere Mal Gliazellen, das andere Mal nur die Gefässe. Die Golgi'schen Methoden zerfallen 1. in langsame, 2. in rasche und 3. in gemischte. Die langsame Methode erfordert eine Vorbe- handlung: 1 — 2 cm grosse Stücke kommen in eine 2 °/o Kaliumbichro- micum-Lösung auf 3 — 5 Wochen lang; darauf für 24 — 48 St. in 3/4°/o Silbernitratlösung oder sehr lange Zeit in eine 0,5 °/o Sublimatlösung. — Bei der gemischten Methode kommen die Stücke auf 4 — 5 Tage in 2°/o wässerige Kalium-Bichromicum-Lösung , dann auf 24 — 30 Stunden in eine 1 °/o Osmiumsäure — 1 Vol. und 2 °/o Kalium-Bichromicum-Lösung — 4 Vol. Sie werden dann mit 3/4°/o Silbernitratlösung behandelt, und zwar 1 — 2 Tage. Bei der raschen Methode kommen die Stücke sofort in 1 Vol. einer 1 °/o Osmiumsäure -(- 4 Vol. einer 3,5 °/o Kalium-Bichromicum-Lösung und dann in eine 3/4°/o Silbernitratlösung, zu welcher man auf je 200 ccm einen Tropfen Ameisensäure zusetzt, in welcher sie 1 — 2 Tage belassen werden. Bei der Handhabung dieser Methoden und namentlich der letzter- wähnten, die gegenwärtig die zweckmässigste zu sein scheint, berücksichtige man folgende Punkte: Das Material muss womöglich lebensfrisch angewandt werden, die Stücke dürfen 3 — 4 mm Dicke nicht übersteigen, für jedes Stück nehme man 10 ccm des Osmium-Kaliumbichromicum-Gemisches und lasse das- selbe im Dunkeln und bei einer Temperatur von 25 ° C. einwirken. Man belasse die Stücke je nach dem zu verfolgenden Ziele verschieden lange Zeit im Osmium-Kali-Gemisch, z. B. das Rückenmark, 2 — -3 Tage wenn Neu- rogliazellen dargestellt werden sollen, 3 — 5 Tage, wenn Ganglienzellen, 5 — 7 Tage, wenn Nervenfasern zum Vorschein kommen sollen. Die Stücke werden mit Fliesspapier getrocknet oder flüchtig mit dest. Wasser abgespült und kommen auf 2 — 3 Tage bei einer gewöhn- lichen Temperatur in eine 0,75 °/o Silbernitratlösung. Sie können auch 300 Ehr lieh 'sehe Methylenblaumethode. ohne Schaden zu leiden 4 — 5 Tage darin verbleiben, nicht aber länger, sonst zerfallen die Niederschläge körnig (vergl. v. Lenhossek 92). 297. Cox erzielt Chromsilberniederschläge in Zellen und Fasern, in- dem er nicht zu grosse Stücke der centralen Nervenorgane mit doppelchrom- saurem Kalium — 20, Sublimat 5°'o — 20, dest. Wasser — 30 — 40 und chromsaures Kalium 8°/o von starker alkalischer Reaktion — 16 Theile behandelt. Die Stücke verbleiben in dieser Mischung 1 — 3 Monate (je nach der Temperatur) und werden weiter wie die Golgi 'sehen Präparate behandelt. Da die Chromsilberpräparate nicht dauerhaft sind und auch nicht mit Farben nachbehandelt werden können, so hat Kallius vorgeschlagen, den Chromsilberniederschlag in metallisches Silber überzuführen, indem er die mit dem „fünffachen Hydrochinonentwickler" (5 g Hydrochinon , 40 g Natron sulphurosum , 75 g Calium carbonicum und 250 g dest. Wasser) behandelt. 20 cem dieser Lösung werden mit 230 cem dest. Wasser ver- dünnt und können im Dunkeln längere Zeit aufbewahrt werden. Vor dem Gebrauche wird diese Lösung mis xjs bis höchstens 1J2 Vol. abs. Alkohol ver- mischt. In einem Uhrschälchen werden die Schnitte mit dem letzteren Gemisch mehrere Minuten behandelt, bis sie schwarz werden. Ist nun alles Silber in metallisches übergeführt, so kommen die Schnitte auf 10 — 15 Minuten in 70°/o Spiritus, dann auf 5 Minuten in eine 20° o Lösung von unter- schwefligsaurem Natron und werden darauf längere Zeit mit dest. Wasser ge- waschen. Sie können nun gefärbt und sogar mit angesäuertem Alkohol und mit Kalilauge behandelt werden. 298. Die Ehrlich 'sehe Methylenblau-Methode besteht in einer vitalen Blaufärbung der Ganglienzellen, Fasern, Fibrillen, Nervenenden. Sie wird auf eine doppelte Weise angewandt: 1 g Methylenblau in 300 cem physiol. Kochsalzlösung wird bei Säugern in eine Vene, beim Frosch in den Lymph- sack eingespritzt. Nach einer Stunde oder länger wird die zu untersuchende Stelle blossgelegt und man sieht alsdann, dass sie an der Luft blau wird. Bei näherem Zusehen stellt es sich heraus, dass es hauptsächlich die Nerven sind, welche sich intensiv gefärbt haben. Aber auch überlebende Gewebsstücke, z. B. gezupfte Muskeln, Retinae u. s. w. kann man in folgender Weise auf den Objektträgern färben: Sie werden mit sehr verdünnten Lösungen (ein Paar Tropfen jener Lösung auf ein Uhrschälchen einer physiol. Kochsalzlösung) auf dem Objektträger behandelt, wobei zu achten ist, dass die Luft Zutritt habe. Nach geschehener Färbung der Nervenelemente, was je nach dem Objekte nach 1 — 4 Stunden zu erfolgen pflegt, entferne man vorsichtig die Farbstofflösung und substituire diese durch konz. wässerige Pikrinsäure- Ammoniaklösung. Die blaue Färbung geht unter der Einwirkung des letz- teren Reagens in eine violette über, welche sich, wenigstens in Glycerin, für einige Zeit erhält. Man kann auch die Präparate, bevor mau sie mit pikrinsaurem Am- moniak behandelt, mit Osmiumsäure räuchern. Bau der Epidermis. 301 VII. Die äussere Haut und ihre Derivate. A. Die Haut im Allgemeinen. Die Haut, Derma, besteht aus zwei Formationen, die innig miteinander verbunden sind: die eine, mesodermaler Abkunft, ist die Lederhaut, Corium, Cutis; die andere, ektodermaler, die Oberhaut oder die Epidermis. — Die oberflächliche Schicht des Coriums ist von Leistchen und Wärzchen, Papillen, besetzt, die in die Epidermis hineinragen, welch letztere den Raum zwischen den Papillen mit ihren Elementen ausfüllt. Es entsteht auf diese Weise auf" &\ w S — Schweissdrüse r?f— Längsnff — Vertiefun; ■- Qaerriff W -Li Fi-. 20S. 3«? Untere Fläche der Epidermis, von der Cutis durch Kochen isolirt. Die Schweissdrüsen sind auf lange Strecken zu verfolgen. 40 mal vergr. der unteren Fläche der Epidermis ein System von Furchen, Riffen und Ver- tiefungen, die genau dem Relief der Cutis entsprechen. In der Epidermis unterscheidet man zwei Zellenlager: 1. die Mal- pighi'sche Schicht, Stratum Malpighi oder Stratum germinativum (Flemming), und 2. die Hornschicht (Stratum com e um.) In der Malpighi'schen Schicht kann man wiederum, nach der Form und Beschaffenheit der Zellen, drei Lagen auseinanderhalten: 1. die tiefe oder basale Schicht, unmittelbar auf dem Corium liegend und aus cylin- drischen Zellen bestehend; 2. eine darauffolgende, je nach dem Ort, aus einer 302 Stachel- oder BJfTzellen. verschiedenen Anzahl von Lagen aufgebaut und aus polygonalen Zellen zu- sammengesetzte Schicht und 3. eine oberflächlichste Lage, die aus 2 bis höchstens 3 Lagen sich allmählich abplattender Zellen besteht, welche durch einen eigenartigen Inhalt charakterisirt sind, Stratum granulosum. — Alle diese Zellenschichten bestehen aus Stachel- oder Riff z eilen, deshalb wird das Stratum Malpighi auch Stratum spinosum genannt. Wenn diese Zellen nach Behandlung mit gewissen Methoden isolirt vorliegen, so erscheint Stratum corneam Ausfiihrungs- gang einer Schweissdrüse Cutis Subcutis < Hi y Vv 'Stratum I Malpighi C% i - J\ s Blutgefäss Sclrweissdrüse Fig. 209. Querschnitt durch das Derma eines Kindes; die Blutgefässe sind injicirt. 30 mal vergr. deren Oberfläche mit kurzen fadenförmigen Fortsätzen besetzt. Bei einer anderen Behandlung an Schnitten erscheinen diese Zellen durch Fort- sätze mit einander verbunden. Da es erwiesen ist, dass die Fortsätze benachbarter Zellen nicht aneinander vorbeilaufen , sondern aufeinander stossen und verschmelzen, so gehört ein solcher Fortsatz zugleich den beiden Zellen an, mit welchen er in Zusammenhang steht. Zwischen den ver- schmolzenen Fortsätzen, die man auch als Intercellularbrücken be- zeichnet, besteht ein Kanalsystem, das mit dem Lymphsystem der Lederhaut in Verbindung steht. Keratohyalin. 303 Die soeben besprochenen Stacheln oder Riffe sind verschieden aufgefasst worden : die Einen fassen sie als ausschliessliche Bildungen des Protoplasmas der Zelle auf, die Anderen, die eine Membran an den Fibrillen, die von einerZelle zur an- deren ziehen Kernkörperchen Riffe Kern der Zelle Zellen des Str. Malpighi annehmen, lassen sie von dieser Membran über- zogen sein Ranvier und nach ihm An- dere, vindizirt dem peripheren Theil des Protoplasmas der Zellen des Str. Malpighi einen fibrillären Bau, und diese Fibrillen, von wenig indiffe- rentemProtoplasma überzogen, sollen es sein, welche die Fortsätze bilden. Ran vier hat aber weiterhin nach- gewiesen, dass solche Fibrillen von einer Zelle zur anderen ziehen kön- nen, indem sie an mehreren benach- barten Zellen vorbeilaufen. Das Stratum granu- lös u m enthält eigentümliche Einlagerungen einer Substanz, die Wal dey er mit dem Namen Keratohyalin bezeichnet hat. Diese Substanz erscheint in Form von kleineren und / c ^ w Fig. 210. Stachel- oder Riffzellen aus dem Stratum Malpighi 480 mal vergr. des Menschen. grosseren, oft Stratum corneum Untere Grenze des Stratum lucidum Str. grannlosum Str. spinosum , & .' &^i&&£*k' Fig. 211. Querschnitt durch die Epidermis des Menschen; die tieferen Schichten des Stratum Malpighi sind nicht dargestellt. 720 mal vergr. unregelmässig gestalteten Körperchen, welche im Protoplasma eingelagert sind. Der Kern der Zelle lässt stets degenerative Vorgänge erkennen, welche 304 Ersatz der Epidermiszellen. möglicherweise in mancher Beziehung mit der Bildung der Keratohyalins in Zu- sammenhang gebracht werden können (Tettenham er). Karyolytsche Figuren und das Keratohyalin zeigen vielfach ähnliches mikrochemisches Verhalten, und es ist wahrscheinlich, dass die Karyolyse und die Bildung des Kerato- hyalins in ursächlichem Zusammenhange stehen, d. h. aus den Trümmern des zu Grunde gehenden Kernes entsteht das Keratohyalin. Das Stratum corneum bildet die äusseren Schichten der Epider- mis und zeigt in der Regel eine differenzirte untere Schicht; letztere ist an den- jenigen Stellen deutlich ausgeprägt, wo die Hornschicht besonders mächitg entwickelt ist: das ist das Stratum lucidum. Es ist besonders durch- sichtig und hängt die Durchsichtigkeit ab von der Anwesenheit einer homo- genen Substanz in den Zellen, desEleidins, welche mit Wahrscheinlichkeit als Abkömmling des mehr festen Keratohyalins des Str. granulosum zu be- trachten ist. Die Zellen des Str. corneum sind mehr oder weniger abgeplattet und sind verhornt, namentlich an der Peripherie, und zwar die oberflächlichsten am meisten. Das Innere der Zelle weist einen mehr oder weniger degenerirten Kern auf, ist sonst homogen, lässt höchstens eine konzentrische Schichtung erkennen (Kölliker 89). Hier und da nimmt man zwischen den ver- hornten Zellen eine Struktur wahr, die an die zu Grunde gehenden Inter- cellularbrücken erinnert. Die Dicke der Epidermis ist je nach der Lokalität eine verschiedene und steht in direktem Zusammenhang mit der Zahl der sie bildenden Zellen- schichten. In der Regel ist das Str. Malpighi dicker als das Str. corneum. Das letztere übertrifft das Str. Malpighi an der Planta pedis und Vola ma- nus um ein beträchtliches. Die soeben betrachteten Schichten der Epidermis stehen alle mit- einander in genetischem Zusammenhang. Dem Verluste, welchen die Epi- dermis dadurch erleidet, dass an der Oberfläche fortwährend Zellen abge- stossen werden, wird in der Weise nachgeholfen, dass jüngere Elemente von unten her stets neu produzirt werden; diese Produktion geht in den basalen und in den anstossenden Zellenlagen des Stratum Malpighi vor sich, wo die Zellen vielfach in Mitose angetroffen werden. Die jungen Zellen werden nur ganz allmählich nach aussen verschoben und nehmen im Laufe ihrer Wanderung die Charaktere derjenigen Elemente an, zwischen welchen sie sich im gegebenen Falle befinden ; eine solche Zelle verwandelt sich zuerst in eine Zelle des Stratum Malpighi, dann, indem sie Keratohyalin bildet, in eine Zelle des Stratum granulosum, diese in eine solche der Str. lucidum und schliesslich in eine solche des Str. corneum, wo sie ihren Kern ver- liert, gänzlich verhornt und dann auch abfällt. (Hinsichtlich der Entwicklung des mehrschichtigen Epithels in dem einschichtigen Ektoderm des Embryos vergleiche den allgemeinen Theil pag. 56.) Die Cutis. 305 Der mesoderrnale Äntheil der äusseren Haut, die Cutis, besteht aus einem lockeren, fetthaltigem Unterhautgewebe (Subcutis und Pani- culus adiposus) und der Leder haut, dem Corium. Der Fettreichthum des Stratum subcutaneum ist ein durchaus variabler und nur an wenigen Stellen findet man normalerweise wenig oder gar kein Fett (so z. B. an der Ohrmuschel, an den Augenlidern, dem Scrotum u. s. w.). Das Unterhaut- bindegewebe ist diejenige Schicht, welche die Verschiebbarkeit der Haut be- dingt. Die Leder haut kann mit dem Stratum proprium der Schleimhäute verglichen werden und besteht aus zwei Schichten : aus einer tieferen, mehr lockeren (Pars reticularis) und aus einer oberflächlichen, Papillen tragen- den Schicht, der Pars papillaris. In beiden Schichten finden sich im Bindegewebe elastische Fasern, auch ist der Uebergang der einen Schicht in die andere ein allmählicher. Das Stratum reticulare (Pars reticularis) besteht aus netz- oder gitter- förmig geordneten Bündeln von Bindegewebsfasern, die überwiegend parallel der Oberfläche der Haut verlaufen und rhombische oder rechteckige Maschen bilden. Diese Bindegewebszüge werden von Hetzen elastischer Fasern um- sponnen. In dem Stratum papilläre (Pars papillaris), das an die Epidermis grenzt, sind sowohl die sich kreuzenden Bindegewebszüge , wie die sie um- spinnenden Netze elastischer Fasern feiner, die Maschen enger; das ganze Gewebe ist also dichter. Diese Schicht liefert die Papillen, walzen- oder kegelförmige Erhabenheiten von dichtem, festem Gefüge, die in eine oder mehrere Spitzen ausgehen. Je nachdem unterscheidet man einfache oder zusammengesetzte Papillen. Besonders zahlreich und gut entwickelt sind die Papillen an der inneren Handfläche und an der Fusssohle. Hier stehen sie auf Leisten der Cutis, meist in einer Doppelreihe. Je nachdem die Papillen nur Gefässe oder neben diesen noch ISTervenendapparate enthalten, werden sie als Gefäss und Neiwenpapillen unterschieden. Die Oberfläche der Pars papillaris ist von einem Häutchen von unge- meiner Feinheit überzogen (Basalmembran). Nach der Auffassung der meisten Autoren sind die Basalzellen der Epidermis einfach an diese Mem- bran gekittet. Andere meinen, dass diese Epithelzellen mit kurzen basalen Ausläufern versehen sind, die sich in die Basalmembran einsenken und hier mit ähnlichen Bildungen der Bindegewebszellen der Cutis zusammentreffen. Demnach müsste die Basalmembran einen fibrillären Bau haben (Schuberg). Die Subcutis zeigt mehr oder weniger senkrecht zur Oberfläche der Haut verlaufende Bindegewebsstränge , die von dem Stratum reticulare ausgehen und die Haut an die oberflächlichen Fascien des Körpers, überhaupt an die nächste Unterlage, befestigen. Es sind die Retinacula cutis. Indem diese sich durch Abzweigungen der Fläche nach miteinander verbinden, wer- den Räume umgrenzt, die vom Fettgewebe erfüllt sind. So wird der je nach den Körperregionen verschieden mächtig entwickelte Panniculus adiposus Böhm - v. Davidoff, Histologie. 20 306 Pigment der Haut. hergestellt. Gegen die Oberfläche zu gerichtete Bindegewebsstränge begleiten auch Gefässe, Nervenstärnmchen, Drüsengänge etc. Muskeln mit glatten Fasern finden sich in der Haut, vereinzelt an den Haarbälgen; als mehr zusammenhängende Schichten in der fettarmen Subcutis des Scrotum, die deshalb als Tunica dartos bezeichnet wird, dann vorn am Damme , im Warzenhofe der Brustdrüse. Quergestreifte Muskel- fasern strahlen am Gesichte und Halse in die Cutis aus. Die Epidermis ist an einigen Stellen auch beim Europäer stets pig- mentirt (Warzenhof, Brustwarze, weniger am Scrotum, Labia majora, um den Anus etc.). Man findet in den Epithelzellen selbst eine grössere oder ge- Stratum comeum Pigment- zellenaus- — läufer Fig. 212. Querschnitt durch eine Negerhaut. Man sieht die innigen Beziehungen der Pigmentzellen in der Cutis zu den Basalzellen der Epidermis ; letztere sind mehr an den Ausseneudeu pigmentirt. Die Pigmentkörnchen sind bis zu den äussersteu Schichten des Stratum corneum anzutreffen. 700 mal vergr. ringere Anzahl kleiner farbiger Körnchen. Die letzteren sind hauptsächlich in den basalen Zellen der Epidermis vorhanden und nehmen regelmässig in den Zellen der folgenden Schichten an Menge ab, so dass die Zellen der Hornschicht pigmentarm resp. pigmentlos sind. — Bei Negern und überhaupt bei farbigen Menschenrassen beruht die Pigmentirung auf einer ähnlichen Vertheilung der Pigmentkörner. Der Unterschied ist mehr quantitativer Natur. Auch die oberflächlichsten Schichten des Str. corneum sind bei ihnen pig- menthaltig. Der Kern der Zelle ist stets pigmentfrei. Die Frage, woher das Pigment stammt, ist bis jetzt noch nicht ganz entschieden. Es ist nämlich eine Thatsache, dass an denjenigen Stellen, welche pigmentirt sind, unmittelbar unter der Epidermis verästelte, pigmentirte Blutgefässe der Haut. 307 Bindegewebszellen stets zu finden sind, deren einzelne Fortsätze in das Stra- tum Malpighi, zwischen den Zellen desselben zu verfolgen sind (Aeby). Es sind daher einige Forscher geneigt, das Bindegewebe als Quelle des Pig- mentes anzusehen. In irgend einer Weise würde dann das Pigment von den Epithelzellen aufgenommen werden. Nach dieser Ansicht wäre die Pigment- produktion der Epithelzelle überhaupt abzusprechen. Es ist auch nicht zu leugnen, dass das Pigment der Epithelzelle aus dem Bindegewebe stammen kann, a priori ist aber die Möglichkeit der Bildung des Pigmentes von Seiten der Epithelzelle selbst nicht von der Hand zu weisen, da wir an anderen Stellen in Zellen epithelialer Herkunft Pigmente entstehen sehen, so in den Ganglienzellen und im Pigmentepithel der Retina. Ein interessanter Beweis für das Einwachsen der jDigmentirten Bindegewebezellen in die Epidermis ist der von Karg beschriebene Fall einer Transplantation eines Stückes einer weissen Haut auf einen Neger. Nach einer gewissen Zeit bekam das weisse Haut- stück Pigment. • Keinke wies nach, dass das Pigment in gewissen Zellen an bestimmte Körper gebunden ist, welche mit einem aus der Botanik entlehnten Ausdruck als Trophoblasten bezeichnet werden. Entfernt man das Pigment, so bleiben farblose Trophoblasten übrig, welche man mit bestimmten Farbstoffen auch tingiren kann. 1. Gefässe der Haut. Hinsichtlich des Blutgefässsystems der Haut sei folgendes mit- getheilt : Die Arterien, welche die Haut zu versorgen haben, dringen in die Cutis ein und bilden hier in der untersten Schicht derselben ein charakteristisches cutanes Netz; ausserdem anastomosiren sie vielfach untereinander in der Fascie und im subcutanen Fettgewebe. Aus diesem Netze gehen Zweige nach aufwärts, die ein zweites, subpapilläres Netz herstellen. Aus dem letzteren zweigen sich nun alle die Gefässe ab, welche, ohne miteinander zu anastomosiren, längs der Papillenreihen verlaufen und in die Papillen feine Zweige entsenden; an der Spitze der Papillen gehen sie in Venen über, welche auf ihrem Wege ebenfalls mehrere Netze bilden. Das oberste liegt unter den Papillenreihen, wobei jede Längsvene einer Papillenreihe entspricht und mit den gleichnamigen benachbarten durch Anastomosen verbunden ist. Das zweite Netz befindet sich unmittelbar unter dem zuletzt betrachteten, ein drittes in der untersten Hafte der Cutis, ein viertes an der Grenze zwischen Cutis und Subcutis. Ungefähr bis zur Mitte der Subcutis besitzen die Arterien eine Ring- muskulatur, die Venen eine solche noch im Bereiche des zwischen Cutis und Subcutis gelegenen Netzes; an letzterem Orte scheinen auch Klappen vor- handen zu sein. — ■ Das Unterhautfettgewebe wird durch elastische Quer- und Längs wände in grössere Lappen zerlegt; eine zwischen Cutis und Fascie 20* 308 Nerven der Haut. liegende Scheidewand zerlegt das Fettpolster in eine obere und eine untere Abtheilung. Die erstere erhält direkte Arterien, die zweite rückläufige, aus dem cutanen Netz entspringende. An den Stellen, die einem grösseren äusseren Drucke ausgesetzt sind, ist die Zahl der zuführenden Gefässe und ihr Durchmesser grösser; an den verschiebbaren Stellen der Haut verlaufen sie ausserdem noch stärker geschlängelt. (Vergl. Spalteholz.) Alle diese Anordnungen der Gefässe sind beim Neugeborenen schon vorhanden. Die Lymph gefässe der Lederhaut sind ebenfalls in zwei Etagen an- geordnet: das tiefe weitmaschige Netz ist in der Subcutis gelegen, das ober- flächliche, mit engen Maschen versehene, unter den Papillen. In dieses letztere münden Lymphgefässe ein, die von den Papillen herkommen. Bei bestimmten Behandlungen der Haut kann man im Papillartheil der Cutis feine Niederschläge hervorrufen, die auf das Vorhandensein von Lymphspalten hindeuten, welch' letztere einerseits als Anfänge der Lymphgefässe der Haut betrachtet werden; andererseits lassen sich diese Spalten in das Epithel ver- folgen, wo sie mit den interspinalen Räumen in direktem Zusammenhange stehen. Stratum corneum 2. Nerven der Haut. Ihre grosse Empfind- lichkeit verdankt die Haut zahlreichen Nerven und Nervenendappara- ten, welche sowohl im Epithel selbst sich fin- den, als auch besonders zahlreich als sogenannte Tastkörperchen in den Papillen, der Handfläche und der Fusssohle. Die Nerven sind an einzelnen Hautstellen bis in das Epithel verfolgt worden. An der Finger- beere z. B. sieht man zahlreiche Nerven in die Epidermis eintreten, sich dort verzweigen und ent- weder spitz auslaufen, oder mit einer kleinen Anschwellung endigen. Es ist anzunehmen, dass auch hier keine direkte Verbindung zwischen Nerv und Epithelzelle stattfindet. An besonders empfindlichen Stellen, z. B. an der Rüsselscheibe des Schweines, findet man Nerven in der Epidermis Stratum Malpighi Papille Nervenfaser Fig. 213. Die Nerven der Papillen und der Epidermis aus einem Fussballen einer Katze. 75 mal vergr. Meissner'sche Körperchen. 309 an den Enden der Nerven besonders deutlich schüsseiförmig gestaltete Tast- scheiben (Tast-Meniscus), welchen die unteren Zellen des Str. Malpighi in der Regel von unten her direkt anliegen. Was die in der Lederhaut sich findenden Nervenendorgane betrifft, so sind sie durch die sogenannten Meissner 'sehen Tastkörperchen repräsentirt. An diesen haben wir einen zellig-epithelialen und einen nervösen Theil zu unter- scheiden. Der erstere besteht aus einem ellipsoidisch gestalteten Kolben, dessen Elemente wahre Epithelzellen sind. Dieselben liegen in einer Reihe, sind abgeflacht und in einander gekeilt, derart, dass ihre dickeren, den Kern Nervenfaser Fig. 214. Meissner'sches Körperchen des &« Menschen. 750 mal vergr. Technik Nr. 308. Epithelien des Innenkolbens Nervenfaser 'brl— Nervenfaser Fig. 215. Meissner 'sches Körperchen des Menschen; am oberen Theil sieht man das isolirte Epithel des Kolbens. 750 mal vergr. Technik Nr. 308. bergenden Enden in der Regel peripher gerichtet sind (Kolbenzellen, Krause 60). Die herantretende Nervenfaser verliert an der Basis des Kolbens seine Henle'sche und Schwann'sche Scheide, welche sich aber auf den epithelialen Kolben fortsetzen und denselben membranartig umhüllen. Die übrigen Bestandtheile der Nervenfaser, also Fibrillen und Mark beschreiben 2 — 3 Spiraltouren um den Kolben herum, worauf das Mark aufhört. Die nunmehr marklose Faser setzt ihre Touren weiter fort, verzweigt sich dabei und sendet Fibrillen in das Innere des epithelialen Kolbens, wo sie zwischen den Zellen bis zur Basis des Organes verlaufen und überall mit knötchen- förmigen Anschwellungen endigen. Dort wo das Tastgefühl besonders ausgeprägt ist, ist die Zahl der Tastkörperchen eine grosse; sie finden sich nicht in jeder Papille, aber es kommen auch oft deren zwei in einer Papille vor (Fingerbeere). An jenen Stellen, an welchen die Empfindlichkeit eine geringere ist, sind auch die 310 Yater-Pacini'.sche Körperchen. Meissner'schen Körperchen in einer Minderzahl vorhanden. Rückenhaut. B. der In der Handfläche und Fusssohle kommen im Unterhautbindegewebe, im Anschlüsse an die Hautnerven, besonders zahlreich auch noch die Vater- P a c i n i 'sehen Körperchen vor (sie werden ausserdem an den Nerven der Ge- lenke und des Periosts u. s. w. konstant, aber auch am Perikard, im Pankreas , am Facialis- knie etc. beobachtet). Diese Gebilde sind schon mit blossem Auge sicht- bar als kleine, ovoid gestaltete , in frischem Zustande durchsichtige Körperchen. An einem Ende der Längsachse tritt die Nervenfaser an sie heran und verliert, wie beimTastkörperchen, ihre Henle'sche Scheide, be- hält aber die Seh wann - sehe noch bei. Die Henle'sche Scheide bil- det auch hier eine Hülle um das ganze Organ, welche letztere aber hier vielfach geschichtet ist und als 1 am eil ose Scheide des Organs be- zeichnet wird. Die ein- zelnen Lamellen setzen sich wie die H e n 1 e 'sehe Scheide aus platten Zellen zusammen, deren Kerne nach einwärts prominiren. Zwischen den Lamellen befindet sich eine protoplasmaartige Flüssigkeit, welche in seltenen Fällen auch Leukocyten enthalten kann. Ausserdem wird die lamellöse Scheide von Blutgefässen versorgt. Die Nervenfibrillen nun sammt der Markscheide und dem Neurilemm be- geben sich in der Achse des Organs weiter, bis nach einer kurzen Strecke das Mark und die Schwann'sche Scheide aufhören. Nun gelangen die Fibrillen in einen mit Neuroplasma (Serum) gefüllten axialen Raum, dessen Wände beim Menschen aus sehr flachen Epithelzellen gebildet werden (Innenkolben). An dem dem Nerveneintritt entgegengesetzten Pol, aber noch innerhalb der lamellösen Scheide, rücken die Fibrillen entweder pinselförmig Kern einer Lamelle Schlusszelle des iDnenkolbens Lamellen Achsenstrang- fibrillen im Innenkolben Epithel des Innenkolbens Stelle, anwelcher die Markscheide aufhört Achsenstrang der Nervenfaser Markscheide der Nervenfaser Sch-wann'sche und Henle'sche Scheide Fig. 216. Herbst'sehes Körperchen aus der Wachshaut des Enten- schnabels. Zur Gruppe der Vater-Pacini 'sehen Körperchen gehörend. 600 mal vergr. Technik Nr. 310. Herbst 'sehe und Grandry'sche Körperchen. 311 auseinander oder enden zusammengebacken mit einer knöpf- oder scheiben- förmigen Anschwellung. Einzelne Typen von sensiblen Nervenendapparaten, die sogen. Genital- körperchen können auf die Pacini'schen zurückgeführt werden, indem man annimmt, dass die lamellöse Scheide auf einige wenige Schichten reduzirt ist. Bei den Schwimmvögeln, namentlich bei der Ente, in der "Wachshaut des Schnabels und der verhornten Partie der Zunge, befinden sich in der Cutis die sogenannten Herbst'schen Körper, welche sich dadurch von den Pacini'schen des Menschen unterscheiden, dass das Epithel des Innen- kolbens ein kubisches ist. Achsenstrang des Innenkolbens Innenkolben Fig. 217. Genitalkörperchen nach Retzius. - - Innenkolben _ Epithelzelle des Kolbens "~ Bindegewebige Scheide (Fort- setzung der He nie 'sehen Scheide) r> — Nervenfaser Fig. 218. Grandry'sche Körperchen aus der "Wachshaut des Entenschnabels. 500 mal vergr. Technik Nr. 310. An demselben Objekte sind auch die sogenannten Grandry'schen Körperchen zu finden, deren Kolben nur aus zwei Zellen zusammengesetzt wird. Die Nervenfaser ist eine Strecke weit hier innerhalb der Innenkolben noch markhaltig. In der allerjüngsten Zeit hat Euffini in der Cutis des Menschen eigenthümliche Nervenendorgane aufgefunden, welche auf einem binde- gewebigen Gerüste eine üppige Ausbreitung von Telodendrien zeigen. Sie kommen neben den Pacini'schen Körperchen und ungefähr in derselben Anzahl vor. B. Haare. Als besondere Differenzirungen der Haut sind Haare und Nägel an- zuführen. Die ersteren sind nahezu über die jranze Haut in einer mehr oder 312 Haare. weniger dichten Anordnung vorhanden. Vollständig haarte sind die Vola ntanus nnd d,e Planta pedis. I.„ dritten Fötaltnonat sieht ntan an den Str. spinosum der äusseren Haarwurzelscheide das Haar Oberhäutcheu des Haares "?< Oberhäutchen A_ - Huxlpy 'sehe Schicht -r — Henle'sche Schicht . Gla^haut des Haarbalges Basale Zellen der äusseren Haar- wurzelscheide derinnerenHaar- wurzelscheide -- -Marksubstanz des Haares . Rindensubstanz des Haares — Haarbals " Haarpapille Blutgefäss Glashaut des Bindegewebe der Cutis Fig. 219. Längsschnitt durch die Achse des Haares und deren Haarwurzelscheide vom Menschen ca. 300 mal vergr. Stellen, an welchen später Haare hervorsprossen werden, papillenartige Hervor- ragungen der Haut. Unter einer jeden solchen Hervorragung findet eine solide Haarwurzelscheiden. 313 Einstülpung der Malpighi 'sehen Epiderimsschicht nach innen in die Cutis statt. Während die oberflächliche Papille bald verschwindet, wächst die nach innen gerichtete Epithelwucherung weiter und wird als Haarkeim bezeichnet. Während dessen erhält der Haarkeim eine bindegewebige Umhüllung von Seiten der Cutis, an welcher man später eine Sonderung in zwei Schichten wahrnimmt. Am unteren Ende des Haarkeims entwickelt die Cutis eine Papille, welche aufwärts in den Haarkeim sich einstülpt, derart, dass die Elemente des letzteren die Papille von allen Seiten umgeben. Man nennt diese Papille Haarpapille. Während dessen gehen vielfach Differenzirungen im Haarkeim selbst vor sich: Es trennt sich ein axialer, später zum Haar und der inneren Haarwurzelscheide werdender Theil von einem peripheren, aus dem sich die äussere Haarwurzelscheide entwickelt. Zugleich mit diesen Prozessen entstehen, von der äusseren Haarwurzelscheide ausgehend, die An- lagen der Talgdrüsen, die zum Haar in Beziehung stehen und ihr Sekret zwischen Haar und Scheide ergiessen. Hat sich das Haar ganz ausgebildet, so wächst dasselbe nach aussen , indem es die vor ihm liegenden Zellen- schichten der Epidermis einfach durchbricht. Der äusserlich sichtbare Theil des Haares wird Haarschaft genannt. Der in der Haut steckende Theil heisst Haarwurzel. Der untere auf der Bindegewebsschichte sitzende Abschnitt des Haares wird sammt der Papille als Haarzwiebel bezeichnet. Die die Haarwurzel umhüllenden Scheiden sind die Haarwurzelscheiden; der Komplex dieser Scheiden heisst Haarbalg. Das fertige Haar besteht aus einem dünnen, dasselbe nach aussen begrenzenden, aus platten, meist vollständig kernlosen Zellen zusammenge- setzten Oberhäutchen. Die Zellen dieses Oberhäutchens liegen dach- ziegelförmig übereinander. Auf das Oberhäutchen des Haares folgt die aus mehreren Zellenreihen bestehende Rindenschicht desselben. Hier sind die Zellen abgeplattet, länglich und mit stets nachweisbaren Kernen versehen. Sie werden auch Rindenfasern genannt; durch Behandlung mit Ammoniak lassen sich die Rindenfasern in feinste Fibrillen, Haarfibrillen, zerlegen (Waldeyer 82). Zwischen den Zellen der Rindenschicht und in denselben sind bei pigmentirten Haaren Pigmentkörnchen eingelagert. Die Achse des Haares wird von der Marksubstanz eingenommen. Sie kann auch fehlen; ist sie vorhanden, so besteht sie aus 2 — 4 Reihen von würfelförmigen, kernhaltigen Zellen. Die letzteren sind ebenfalls pigment- haltig; im Haarschaft enthalten sie oft Luftbläschen. Die innere Haarwurzelscheide besteht aus drei konzentrischen Schichten: 1. aus einer äusseren, einschichtigen, aus hellen, kernlosen Zellen bestehenden, der sogen. Henle'schen Schicht; 2. aus einer mittleren, meistens zwei Zellenreihen starken Schichte, deren Elemente kernhaltig sind und Eleidin enthalten, Huxley'sche Schicht, und 3. aus einem inneren, an das Haar grenzenden Oberhäutchen. 314 Haaxwurzelscheiden. Die äussere Haarwurzel scheide wird zusammengesetzt aus den Elementen des Stratum Malpighi. Wir haben es in Folge dessen hier mit Stachel- oder Riffzellen zu thun, welche peripher eine Schicht Cylinderzellen erkennen lassen. Im Ganzen ist die äussere Wurzelscheide mächtiger als die innere. Glashaut des Haarbalges ■'•'.'•. :>-, '.-.>. Rindensubstanz :r'-:.'.; .'•..-."'-'.' - _ ~- des Haares *.•-.-'■' ^r-' "~ Marksubstanz : ■ r:".f ? ~~ des Haares ' ' 'v,v ■': /.-". '}.'■ - - - — - _ _ . Oberhäutchen --— derinnerenHaar- ■wurzelscheide - . Hen le'sche ~~"~ Schicht der inneren Haar- ■wurzelscheide - -" Haarbalg Fig. 220. Querschnitt durch das Haar und die Haarwurzelscheide des Menschen, ca. 300 mal vergr. Der bindegewebige Antheil der Haarwurzelscheide oder der Haarbalg im engeren Sinne besteht aus einer äusseren, lockeren, mit längs- verlanfenden Bündeln versehenen Faserschicht. Die darauffolgende innere Schicht ist kompakter und enthält cirkuläre Fasern. Darauf folgt die sogen. Glashaut — eine starke Basalmembran. Auf einer bestimmten Höhe der Haarwurzel sind alle betrachteten Schichten des epithelialen Haarbalges wohlentwickelt und von einander deutlich gesondert. Dieses Verhältniss ändert sich sowohl gegen die Haar- papille zu, als auch gegen das freie Haar hin. Am Anfange der Zwiebel, da, wo sich das Haar verdickt, beginnen die Wurzelscheiden schmäler zu werden und ihre Schichten sind nach der Haarpapille zu immer schwieriger zu unterscheiden, bis sie schliesslich dort, wo sie den Hals der Papille ring- förmig umgeben, ihre gegenseitige Abgrenzung verlieren. Nach dem freien Haar hin erleidet die epitheliale Haarwurzel-Scheide ebenfalls Veränderungen. In der Gegend der Einmündungsstelle der Talg- drüse hört die innere Scheide auf; die äussere geht kontinuirlich in die Haarwechsel. 315 tiefsten Schichten der Epidermis über, während die übrigen Schichten der letzteren — das Stratum granulosum lucidum und corneum sich zwischen die äussere Haarwurzelscheide und das Haar einschalten. Hinsichtlich des Wachstbums des Haares sind zwei Ansichten hervor- zuheben. Die eine Ansicht nimmt an, dass die bei seinem Wachsthume verwendeten Elemente der epithelialen Wurzelscheiden von der Epidermis her ersetzt werden, und zwar dadurch, dass sich immer neue Zellen derselben einstülpen. Die Haarsubstanzen wären darnach die Fortsetzungen der Schichten der Wurzelscheiden, somit auch der Epidermis und zwar würden die Basalzellen der äusseren Wurzelscheide über die Papille hinweg sich in die Zellen der Marksubstanz des Haares, das Stratum spinosum der Wurzel- scheide aber sich in die Rindensubstanz des Haares fortsetzen. Die Henle'sche Schichte entspräche, von diesem Standpunkte aus betrachtet, dem Stratum lucidum der Epidermis und würde am Grunde des Haares zum Oberhäutchen desselben. Die Huxley'sche Schicht ginge in das Oberhäutchen der inneren Haarwurzelscheide über (Mertsehing). — Die andere Ansicht geht dahin, dass das Haar von gewissen Matrices, die aus proliferirenden, auf der Oberfläche der Papille gelegenen Zellen bestehen, seine Elemente bezieht. Aus diesen Keimschichten entstünden die Mark- und Rindensubstanz des Haares, das Oberhäutchen desselben und die innere Haarwurzelscheide (Un n a). Bei allen Säugethieren findet ein Haarwechsel statt, und zwar bei den meisten innerhalb gewisser Perioden. Beim Menschen findet er fort- während statt. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, dass das zum Aus- fallen bestimmte Haar sich von seiner Papille ablöst, indem die Elemente seiner Zwiebel verhornen. Zugleich zerfällt die Rindensubstanz pinselförmig. Solche Haare nennt man im Gegensatz zu den Papillenhaaren , Kolben- haare. In der Gegend der früheren Papille entsteht durch Proliferation der äusseren Haarwurzelscheide das neue Haar mit seinen Scheiden und einer neuen bindegewebigen Papille. Hierbei verdrängt das wachsende neue Haar nach und nach das alte und bringt dasselbe schliesslich zum Ausfall. Die näheren Umstände dieses Prozesses sind noch vielfachen Kontroversen unterworfen (vergl. Götte und Stieda 87). Mit den Haarbälgen stehen Bündel glatter Muskelfasern in Zusammen- hang. Sie entspringen in der Papillarschicht des Coriums und setzen sich im unteren Theile des bindegewebigen Haarbalges an dasselbe an. In ihrem Verlauf umfassen sie nicht selten die Talgdrüse des Balges. Da die Haar- bälge gegen die Oberfläche der Haut schräg gestellt sind, also einen stumpfen und einen spitzen Winkel mit derselben bilden, und der Muskel im stumpfen Winkel liegt, so ist seine Funktion als Aufrechtsteller des Haares — Arrector pili — begreiflich. Ueber die Gefässe des Haares sei erwähnt, dass die Haarpapille sehr gefässreich ist. Die Nerven des Haares sind beim Menschen nicht näher bekannt. In den sogenannten Tasthaaren verschiedener Säuger enden sie 316 Nerven der Haare. als Tastscheiben in der äusseren Haarwurzelscheide. In den übrigen Haaren wurde, bei der Katze z. B., hart unterhalb der Einmündung der Talgdrüse in den Haarbalg ein Nervenend- apparat gefunden. Der Nerv bildet hier Geflechte von Fasern, von wel- chen das eine äussere, cirkulär ver- laufende, das andere innere, longi- tudinal gerichtete Fasern aufweist. Die Beziehungen dieser Geflechte zu den Epithelien der Haarwurzel- scheide sind dunkel geblieben (Bonn et). Norvengeflecht von Bonne t Nervenfasern Haar Innero Haar- ■wurzelscheide Aeussere Haar- wnrzelscheide Glashaut C. Nägel. Eine eigentümliche Produktion der Epidermis bilden auch die Nägel. Der äusserlich hervortretende Theil des Nagels heisst Nagelkörper, welcher auf dem Nagelbette ruht und proximal und seitlich von einer Epidermisfalte , dem Nagel wall, überdeckt wird. Die zwischen Nagelwall und Nagelbett sich findende Rinne heisst Nagelfalz. Die hintere Partie des Nagels steckt in einer eben- Fig. 221. Längsschnitt durch das Haar und die Haar wurzelscheide der Katze. 100 mal vergr. Technik Nr. 307. Nagelwall - Nagel - Stratum Malpighi Str. com e u in des Nagelfalz Stratum corneum Stratum granulosum Corium Blutgefäss Fig. 222. Längsschnitt durch den Nagel und Nagelfalz des Menschen. 34 mal vergr. solchen, nur noch tieferen Rinne, und wird als Nagelwurzel bezeichnet, weil von dieser Stelle das Wachsthum des Nagels ausgeht. Das Nagel- bett wird zunächst von der Cutis gebildet, die zahlreiche straffe, ein dichtes Geflecht bildende Bindegewebsfasern aufweist. An der Oberfläche, gegen die Epidermis, bildet die Cutis mehr oder weniger regelmässige, longitudinal Nägel. 317 verlaufende Leisten, die vorn, da wo der Nagel frei hervortritt, allmählich wieder in gewöhnliche Bindegewebspapillen der Haut übergehen. Die Lücken zwischen den Leisten werden von den Epidermiszellen ausgefüllt, die auch die Leisten selbst bekleiden. Sie entsprechen hier dem Stratum basale und dem Str. Malpighi der übrigen Epidermis. Das Str. granulosum ist hier im Allgemeinen nicht nachzuweisen, ausser vereinzelt in der Region der Nagel wurzel und der Lunula, und vorne in der Region des sogenannten Bändchens. Dass die Lunula, wie überhaupt die Nagelwurzel Nagel — "r- iu der That ihre weissliche Malpighi "^ - ~ ■ Farbe dem Vorhandensein Nagelwall •— ? von Keratohyalin verdankt, -^ geht aus den Untersuchungen age az— r~-~— ■; von Unna hervor. Früher glaubte man die differente f ■ Färbung der Lunula durch 2^x - " ein verschiedenes Verhalten der Gefässe hier und im übrigen Nagelkörper erklären zu können. Der Nagelkörper °- • mit Ausnahme der Lunula Querschnitt durch den Nagel und Nagelfalz vom Menschen. ■ i-ji.-T.x- • 34 mal vergr. ist ja durchsichtig — ein s Umstand, der sich dadurch erklären lässt, dass die Elemente des Nagels nichts anderes sind als Zellen des Str. lucidum, durch welche hindurch man die Gefässe des Nagelbettes durchscheinen sieht, was in der Lunula und am Bändchen deswegen nicht der Fall ist, weil Keratohyalin- körner des Str. granulosum die Gefässe verdecken. Der Nagel selbst besteht aus Zellen, welche denjenigen des Str. luci- dum der Epidermis genetisch entsprechen. Es sind platte, durchsichtige Zellen, die sehr fest aneinander gefügt und sämmtlich kernhaltig sind. Sie decken sich dachziegelförmig in der Weise, dass die unteren Lagen immer weiter distal reichen, als die auf ihnen liegenden oberen. Zur Zeit als der Nagel eben sich bildet (im vierten Embryonalmonat), ist ein Nagelfalz be- reits vorhanden. In der Region des Nagelkörpers entsteht aber der Nagel zuerst und zwar als eine mächtige Anlage des Str. lucidum; er ist also in diesem Stadium von den übrigen Schichten des Str. corneum, Perion ychiuni, noch bedeckt. Allmählich breitet sich die Anlage aus und erreicht den Nagelfalz. Das Wachsthum des Nagels geht nun zunächst überall gleich- massig und auf dieselbe Weise vor sich. Das im Str. lucidum vorhandene Eleidin findet sich selbstverständlich im Nagel wieder und entsteht wie wir früher sahen (p. 304) aus dem Keratohyalin. So ist es nun begreiflich, dass später, wenn das Wachsthum des Nagels auf die Region der Nagel wurzel be- schränkt bleibt, dort auch das Keratohyalin sich vorfindet. Wenn der Nagel nach vorne zu wachsen beginnt (im neunten Monat), so wird der grösste Theil des Perionychiums abgeworfen; zeitlebens bleibt aber am Nagel- 318 Schweissdrüsen. wall und neben dem freien Nagelende ein Theil des Perionvchium als Ep- und Hyponychium erhalten. D. Drüsen der Haut. Die in der Haut gelegenen Drüsen sind von zweierlei Art. 1. Die Schweissdrüsen und 2. die Talgdrüsen. Eine Modifikation der Letzteren ist die Milchdrüse. Was zunächst die Schweissdrüsen angeht, so sind sie in der ganzen Haut verbreitet, kommen aber an gewissen Stellen in besonders dichten Anhäufungen vor, so z. B. in der Achselhöhle, am Handteller und der Fuss- sohle. Sie liegen entweder im Fettpolster der Lederhaut, oder aber noch tiefer im Unterhautbindegewebe (Achselhöhle). Zu derselben Gruppe wie die Schweissdrüsen gehören auch die Ohrenschmalzdrüsen und die Mol Eschen Drüsen des Augenlides. Glashaut (Basal- membran; Glatte Muskel- faser Drüsenzelle 1. Schweissdrüsen. Die Schweissdrüsen sind einfache tubulöse Drüsen , deren secer- nirender Theil aufgeknäuelt ist, weshalb sie auch als Knä ueldrüsen be- zeichnet werden. Der Aus- führungsgang verläuft in- nerhalb der Cutis gerade- gestreckt und erreicht die Epidermis stets zwischen zwei Papillen. Von hier ab ist sein Verlauf ein kork- zieherartig gewundener, wo- bei festzuhalten ist, dass der Ausführungsgaug inner- halb der Epidermis keine eigenen Wandungen besitzt, sondern sich einfach durch die verschiedenen Schichten der Epidermis begrenzt fin- det. Jedoch sind die hier in Frage kommenden Epi- dermisschichten konzentrisch um das Lumen des Ganges geordnet. Die Elemente des secernirenden Theiles sind kubische Zellen, welche im sekretführenden Abschnitt in zwei Schichten angeordnet sind. Die Membrana propria ist sowohl im secernirenden als auch im ausführenden Theile der Drüse eine aus zwei Schichten bestehende Haut: die innere Schicht ist eine dünne strukturlose Basalmembran, die äussere eine bindegewebige kern- Fig. 224. Querschnitt durch einen Schweissdrüsenschlauch Achselhöhle des Menschen. Subliniatfixation. 600 mal vergr. der Talgdrüsen. 319 haltige Membran. Eine Eigentümlichkeit des secern iren d en Theiles be- steht weiterhin darin, dass hier zwischen der M. propria und den Epithel- zellen der Drüse im Allge- meinen longitudinal angeord- , nete glatte Muskelfasern sich finden. Ihr Vorhanden- , x__ Kern der glatten ,. n n i- , i ■ Muskelzelle sein an dieser Stelle lasst keine andere Deutung zu , als dass sie aus epithelialen Elementen ,„.,.. _ Kern der der Epidermis hervorgegangen Drüsenzeiie sind. Die Veränderungen der Zellen während der Sekretion derSchweissdrüsen sind noch nicht genügend unter- sucht, jedenfalls geht die Se- kretion nicht nach dem Typus der Talgdrüsen vor sich [s. u.]. Flg- 2~0- Zu dem eigentlichen Drüsen- Tfgef ^S durch einen Schweissdrüsenschlauch ° der Achselhohle des Menschen, öublimatnxation. sekret scheint noch die söge- 700 mal vergr. nannte interspinale, sich zwi- schen den Stachelzellen der Epidermis befindliche serumartige Flüssigkeit hinzu- zugesellen, welche sich in den innerhalb der Epidermis vorhandenen Theil des Ausführungsgangs der Drüse ergiesst (Unna). Die Entwickelung der Seh weissdrüsen beginnt im fünften Embryonalmonat. Es sind anfangs solide Wucherungen des Str. basale und Str. Malpighi. Erst im siebenten Monat höhlen sich diese Anlagen aus. 2. Talgdrüsen. In ihrem Vorkommen in der Haut sind die Talgdrüsen eng an die Haarbälge gebunden, in welche sie einmünden. Ausnahmen hiervon bilden nur einige Körperstellen, so die Glans und das Präputium penis [die Tyson'schen Drüsen], die Drüsen der Labia minora, die am Mundwinkel, die Meibom'schen Drüsen der Augenlider u. s. w., hier münden die Drüsen frei auf die Hautoberfläche. Sie münden im oberen Drittel des Haarbalges mit einem breiten Gang, dessen Wandungen ebenfalls Sekret liefern und sind die- selben also nicht ohne Weiteres als speziell differenzirte Ausführungsgänge an- zusehen. Am Grunde verbreitet sich dieser Gang und hier münden in ihn mehrere einfache oder zusammengesetzte Alveolen, die nichts anderes sind als runde und birnförmige Ausbuchtungen des Ganges selbst. Die Talgdrüse wäre also eine zusammengesetzte alveoläre Drüse, die in der Regel durch Binde- gewebe in einzelne Läppchen gegliedert wird. Umgeben ist die Drüse von 320 Milchdrüse. einer zugleich zum Haarbalg gehörigen Bindegewebsschicht, worauf eine Membrana propria als Fortsetzung der Glashaut des Haarbalges folgt. Auf der Glashaut sitzen die eigentlichen Drüsenzellen in mehrfacher Schicht und füllen den Drüsenkörper vollständig aus, ein Lumen als solches fehlt. Die 2- — 3 basalen Lagen der Drüsenzellen lassen sich als eine unmittelbare Fortsetzung der Elemente der äusseren Haarwurzelscheide auffassen. In den nach innen folgenden Lagen zeigen sich die Zellen all- mählich verändert, indem ihr Inhalt grob granulirt wird und ihr Kern zu atrophiren beginnt. Der letztere wird durch die sich häufenden Körner komprimirt, wird kleiner und zackig. Schliesslich zerfallen die Zellen und ihr Inhalt wird zum Sekret, der als Talg in den Haarbalg entleert wird. Wir sehen also, dass bei der Talgsekretion ganze Zellen verbraucht werden, welche ersetzt werden müssen. Dieser Ersatz erfolgt von den basalen Zellen aus, die sich fortwährend vermehren und an Stelle der verbrauchten Elemente neue zuführen. Der Zerfall der Zellen geschieht entweder schon innerhalb der Drüse, oder erst ausserhalb derselben, zwischen dem Haarbalge und dem Haar. Man findet demnach im Sekret grössere oder kleinere fettartige Kugeln, die entweder frei oder noch von Zellen und Zellresten einge- schlossen sind. Die Talgdrüsen entwickeln sich am Ende des vierten Embryonalmonats; da, wo sie an Haarbälgen hängen, entstehen sie aus der äusseren Haar- wurzelscheide; an Stellen, an welchen sie selbständig auftreten aus dem Str. Malpighi der Epidermis. Es sind solide Wucherungen der betreffenden Zellenschichten. 3. Die Milchdrüse. In die Kategorie der Talgdrüsen gehört auch die Milchdrüse. Sie legt sich schon frühe an, aber erst im fünften Monate wird ihre Anlage eigenartig, indem man einen soliden Centraltheil und von ihm ausgehende radiäre, mit Endausbuchtungen versehene Anlagen findet. Alles das steht in kontinuirlichem Zusammenhange mit den basalen Schichten der Epidermis. Von der Geburt an bis zum Eintritt der Pubertätszeit wächst das ganze Organ und erhält eine dicke, bindegewebige Scheide. Die inzwischen entstandenen Alveolen sind noch verhältnissmässig klein und solide. Etwa bis zum 14. Jahre verhalten sich die Drüsenanlagen bei Knaben und Mädchen vollständig gleich. Während nun die Milchdrüse des Weibes mit Eintritt der Pubertät sich weiter entwickelt, bildet sich die des Mannes allmählich zurück bis auf die Milchgänge. In- dessen erreicht die Milchdrüse beim Weibe ihre vollständige Ausbildung erst in den letzten Schwangerschaftsmonaten und ist zur Zeit der Geburt funk- tionsfähig. Die sich zur Milchsekretion anschickende Drüse hat beim Menschen folgenden Bau: Sie besteht aus ca. 20 durch Bindegewebe von einander ge- schiedenen Lappen, welche in eine grössere Anzahl kleinerer zerfallen, und Milchsekretion. 321 diese bestehen wiederum aus einer grossen Anzahl von Alveolen. Die letzteren besitzen stets sekundäre seitliche Ausbuchtungen, worin sie sich an den Bau der Lungenalveolen anschliessen. Die Alveolen gehen in kleinere Ausfüh- rungsgänge über, die sich zu grösseren vereinigen, welche schliesslich in einen Milch gang zusammenfliessen. Kurz vor der Ausmündung an der Mamilla erweitert sich jeder Milchgang zu einem länglichen Bläsehen, dem Milch - säckchen. Die Anzahl der Gänge entspricht der Anzahl der gröberen Lappen. Gänge und Alveolen sind von einem einschichtigen Epithel be- kleidet, welches in den Ausführungsgängen kubisch ist. Das Epithel der Alveolen verhält sich während der Ruhe und während der Sekretion verschieden. Im Ruhezustande besteht dasselbe aus dunklen, annähernd kubischen Drüsenzellen, deren innere nach dem Lumen zu ge- richtete Fläche hervorgebuchtet erscheint. Schickt sich die Drüse zur Sekretion an, so wachsen die Zellen in die Länge und es erscheinen in ihrem Innern, namentlich zahlreich in dem dem Drüsenlumen zugekehrten Ende der Zelle, Fetttröpfchen. Dementsprechend vergrössert sich auch die ganze Alveole. Der am meisten verfettete freie Theil der Zelle schnürt sich schliesslich ab und fällt in das Lumen, worin die Fetttröpfchen frei werden. Die erschöpfte Alveole besteht jetzt aus niederen Epithelzellen, bei denen der eben beschriebene Vorgang von neuem beginnen kann. Die Milchsekretion besteht also im Wesentlichen darin, dass die verfettete Hälfte der Zelle ab- gestossen wird und die kernhaltige, übrig gebliebene Zellenhälfte sich wieder regenerirt. Ob hierbei ein Theilungsvorgang von Seiten des Kernes mög- licherweise stattfindet, bleibt noch zu eruiren. Wie oft dieser Regeneration s- prozess von einer Zelle wiederholt werden kann, ist nicht zu bestimmen. Es ist aber sicher, dass auch ganze Zellen zu Grunde gehen und durch andere ersetzt werden können. Die Membrana propria der Alveolen sieht homogen aus; zwischen derselben und den Drüsenzellen befinden sich sogenannte Korbzellen, welche Anordnung ganz analog derjenigen in den Speicheldrüsen ist. Um die Aus- führungsgänge sind reichliche Mengen cirkulär verlaufender Bindegewebsfasern vorhanden. Die Milch besteht aus grösseren und kleineren Fetttröpfchen, welche nicht zusammen füessen, was durch die Anwesenheit einer eiweissartio-en, so^en. Haptogenmembran, um die Kügelchen bedingt wird. Kurz vor und einige Tage nach der Geburt enthält aber die Milch wahre mit Fetttröpfchen versehene, kernhaltige Zellen, Colostrum-Körperchen, welche wahrscheinlich nichts anderes sind, als in toto verfettete und abgestossene Drüsenzellen. Einige wollten in diesen Zellen in die Drüse eingewanderte und wieder ausgestossene Leukocyten sehen. Diese Milch wird als Colostrum bezeichnet. Die Haut der Mamilla ist pigmentirt. Die Cutispapillen sind sehr schmal und hoch und es finden sich im Corium derselben eine reichliche Böhm -v. Davidoff , Histologie. 21 322 Technik der Haut. Menge glatter Muskelfasern, die zum grossen Theil cirkulär um die Milch- gänge verlaufen. Im Warzenhof (Areola) sind, namentlich während der Laktations- periode, die sogenannten Montgomery'schen Drüsen anzutreffen, welche ihrem Bau nach als accessorische Milchdrüsen aufgefasst werden müssen. Technik zur Behandlung der Haut. 299. Um Uebersichtsbilder der Haut zu erhalten, ist es nöthig, durch dieselbe Schnitte anzufertigen. Für diesen Zweck ist die Vorbehandlung eine ziemlich gleichgültige; jedoch ist eine Fixirung in Alkohol wegen der nachträglichen besseren Färbbarkeit anderen vorzuziehen. Will man jedoch Einzelheiten studiren, so fixire man entweder mit Flemming'scher Lösung, Sublimat oder Osmiumsäure. Das Schneiden der Haut ist mit vielen Schwierigkeiten verknüpft und kann man grössere Stücke derselben nur in Celloidin schneiden. — Mittel- grosse und kleinere Stücke der Haut lassen sich aber auch in Paraffin schneiden; hierbei muss aber folgendes berücksichtigt werden: die Haut muss möglichst rasch in Paraffin eingeschlossen werden, d. h. sie darf weder in Alkohol, noch in Toluol etc. lange verweilen. Das zum Schneiden verwendete Paraffin muss von der weichsten, das Schneiden eben noch zulassenden Sorte sein (etwa von 50 ° Schmelzpunkt). Um von der Haut gute Paraffinschnitte zu erhalten, verfahre man fol- gendermassen: Die in Osmiumsäure oder in Flemming'scher Lösung fixirten Stücke werden in 96°/o Spiritus aufgehoben, dann auf höchstens 24 Stunden in abs. Alkohol übertragen und durch Chloroform in Paraffin übergeführt. In Chloroform bleiben sie etwa 1 Stunde und ebenso lange in Chloroform- Paraffin und auch 1 Stunde in reinem Paraffin. Die Paraffinsorte wird am zweckmässigsten so zusammengesetzt, dass man 2,3 Paraffin von 42 — 45° Schmelzpunkt und l\z Paraffin von 45 — 50° Schmelzpunkt nimmt. Den Thermostat erwärme man auf 50° C. (R. Barlow, nach mündlicher Mit- theilung). Auf den Objektträger dürfen die Schnitte nicht mit Eiweiss, son- dern am besten mit Wasser festgeklebt werden, da schon beim Erwärmen, oder nach einer Behandlung mit Säuren, ja schon bei der Berührung mit Wasser die von Paraffin befreiten Schnitte sich werfen. 300. An Schnitten der frisch mit Osmiumsäure fixirten Epidermis difi'e- renzirt sich das Str. corneum in 3 Lagen: 1. in eine oberflächliche, schwarze, 2. in eine mittlere, farblose und 3. in eine tiefe, ebenfalls schwarze Lage (s. Fig. 226). Die Hornsubstanz ist unlöslich in kochendem Wasser und wird nicht von schwachen organischen Säuren angegriffen. Sie löst sich aber in kochendem Eisessig, bleibt aber in Pepsin und Trypsin unverändert. Technik über Str. granulosum und lucidum. 323 Aeussere dunkle Schicht Stratum corneum Mittlere helle Schicht Innere dunkle Schicht Stratum lucidum Stratum Malpighi Cutis und Sub- cutis - Fettzelle 301. Das Stratum lucidum färbt sich an mit Alkohol und Sublimat fixirten Objekten mit Pikrokarmin gelblich. In basischen Anilinfarbstonen wird dasselbe nur sehr schwach gefärbt. An ungefärbten Präparaten erscheint es glasartig durchsichtig. 302. Eleidin ist im Stratum lucidum und Corneum diffus verbreitet. Es färbt sich mit Os- miumsäure und Alkanna- tinktur, auch mit Pikro- karmin, wie Keratohya- lin; es färbt sich aber mit Hämatoxylin nicht. Nigrosin färbt Eleidin, nicht aber Keratohyalin. 303. Die Körner des Str. granulosum, das Keratohyalin, quillt in 1 — 5 °/o Kalilauge; in der Wärme lösen sie sich darin gleichzeitig mit den sie enthaltenden Zel- len auf. Durch Ammoniak werden die Körner nicht verändert. Auch in star- ker Essigsäure bleiben sie längere Zeit intakt. Da Ammoniak und Essig- säure die übrigen Gewebstheile aufhellen, so können diese Elüssigkeiten zum raschen Aufsuchen des Keratohyalin s gebraucht werden. In kohlensaurem Patron (1 °/o) quellen die grösseren Keratohyalinschollen, die kleineren Körner nicht; überhaupt sind die grösseren Körner weniger widerstandsfähig als die kleineren. In Alkohol, Chloroform und Aether bleibt das Keratohyalin un- verändert. In Trypsin und Pepsin wird es verdaut (Keratin nicht). — In Karmin, Hämatoxylin und in den meisten basischen Anilinen kann das Keratohyalin gefärbt werden (Hämatoxylin färbt das Eleidin nicht; letzteres färbt sich in Nfgrosin). 304. Die gegenseitigen Beziehungen der Eiffe der Zellen des Str. Malpighi lassen sich an sehr dünnen Schnitten (nicht über 3 (.i), die am besten einer in Osmiumsäure fixirten Haut entnommen sind, untersuchen. 21* Fig. 226. Querschnitt durch die Haut des Menschen. Behandlung mit Osmiumsäure. 30 mal vergr. a Korkzieherförmiger Abschnitt des Ausfuhrungsganges einer Sctnreiss- drüse innerhalb der Epidermis ; b Ausführungsgang einer Schweissdrüse in der Cutis gelegen. 324 Technik der Haare. Man verwendet hierbei mit Vortheil nicht Lack, sondern das weniger auf- hellende Glycerin. Will man RifTzellen isoliren, so verfährt man am besten folgendermassen (Schiff erdecker): eine frische Epidermis wird in eine wässe- rige, kaltgesättigte und filtrirte Lösung von Pankreatinum siccum auf ein Paar Stunden behufs Maceration gebracht. Die so behandelten Stücke können beliebig lange Zeit in Glycerin-Wasser-Alkokol zu gleichen Theilen aufge- hoben werden. Solchen Stücken entnommene Fetzen lassen sich mit Leichtig- keit zerzupfen und zeigen sowohl isolirte als auch zu kleinen Gruppen ver- bundene Riffzellen. 305. Die Verbreitung des Pigmentes in der Haut lässt sich am besten an ungefärbten Schnitten studiren. Bei enger Blende erscheinen die Pigmentkörner (mittlere Einstellung vorausgesetzt) bei Hebung des Tubus dunkler, bei Senkung heller. 306. An Schnitten durch die mit Flemming'scher Flüssigkeit be- handelte Haut kann man sich auch über den Bau der Cutis orientiren. Bei diesen Präparaten erscheinen die Markscheiden der Nervenfasern und das Fett schwarz. An mit Safranin gefärbten Präparaten treten die roth gefärbten elastischen Fasern deutlich hervor (Stöhr und O. Schultze). — Eine sehr bequeme Methode zur Demonstration der elastischen Fasern an Hautstücken, die mit Müller 'scher Flüssigkeit oder mit Alkohol fixirt wor- den sind, hat Unna empfohlen. Die Schnitte werden in Orcein 0,5, Alko- hol abs. 40, Aqua dest. 20 ccm und Salzsäure 20 Tropfen einen '/2 Tag gefärbt und dann mit Salzsäure 0,1, Alkohol von 95 °/o 20 und Aqua dest. 5 ccm ausgezogen. Die elastischen Fasern erscheinen dann dunkel- braun- roth, bis schwarz, auf farblosem Grunde. Eine vorausgehende Kernfärbung, z. B. mit Boraxkarmin ist zulässig. 307. Die Haare können ohne Weiteres in Wasser untersucht werden. Man sieht das Oberhäutchen aus polygonalen Feldern bestehen, deren Grenz- linien den Grenzen der platten Zellen entsprechen. Bei tieferer Einstellung erscheint die Rindensubstanz undeutlich gestrichelt, eventuell pigmentirt. Die Marksubstanz, wenn solche vorhanden ist, kann ebenfalls gesehen werden, ebenso die Lufteinschlüsse. Rinden- und Oberhäutchenzellen können auch isolirt werden, indem man die Haare tagelang in einer 33u/o Kalilauge bei gew. Temperatur liegen lässt, oder einige Minuten in derselben erwärmt. Auch konz. oder verdünnte Schwefelsäure führt zu demselben Resultate. Er- wärmt man das Haar in Schwefelsäure, bis dasselbe sich zu krümmen beginnt und untersucht dann in Wasser, so findet man, dass Rinden- und Markschicht, auch das Oberhäutchen, in ihre Elemente zerfallen sind. Für die Untersuchung der Haare und ihrer Wurzelscheiden empfiehlt sich die Vor- behandlung der Haut mit Müller 'scher Flüssigkeit, Alkohol oder Sublimat. Es kommt nun alles darauf an, dass man genaue Längs- oder Querschnitte durch das Haar erlangt. Es muss also das Präparat besonders sorgfältig Technik der Nerveneudorgane der Haut. 325 orientirt werden. „Es giebt wohl kaum ein Körpergebilde, welches sich besser für die reiche Skala der Theerfarben eignet, wie Haar und Haar- balg" (Merkel). 308. Die Meissner 'sehen Körperchen sind an den Endgliedern der Finger am bequemsten zu finden. Kocht man ein Stück der frischen Finger- haut ungefähr 1J4. Stunde lang, so lässt sich die Epidermis leicht abziehen; auf der nun freien Oberfläche der Cutis bleiben die Papillen sitzen, welche man mit einem Rasirmesser abtragen und etwa in einer 3°/o Essigsäure untersuchen kann. Man findet in ihnen leicht die Meissner'schen Körperchen. 309. Die Beziehungen der Nerven zu den Meissner'schen Körperchen studirt man entweder an mit Osmiumsäure fixirten Hautstücken oder an solchen, welche mit Goldchlorid behandelt worden sind [T. 172 (1)]. 310. Die Herbst'schen und Gr an dry 'sehen Körperchen findet man in der Wachshaut des Schnabels oder in den Gaumenleisten der Ente (be- sonders zahlreich in der Zunge des Spechte). Für das Studium der Nerven in den letzterwähnten Körperchen empfiehlt sich folgende Methode. Stücke einer frischen, mit einem Rasiermesser hart am Periost abgetragenen Wachs- haut kommen auf 20 Minuten in eine 50°/o Ameisensäure. Nachdem das Päparat eine kurze Zeit in dest. Wasser abgespült worden ist, wird es in eine geringe Menge einer 1 °/o Goldchloridlösung gebracht (20 Min.), dann flüchtig mit dest. Wasser abgespült und auf 24 — 36 Stunden mit einer grossen Menge (x/3 Liter) Prichard'scher Lösung (Amylalkohol 1, Ameisen- säure 1, Wasser 100) (im Dunkeln!) behandelt. Nachdem man die Stücke mit Wasser abgespült hat, überträgt man sie in Alkohol von allmählich steigender Konzentration und schneidet in Celloidin oder Celloidin-Paraffin. 311. Die Pacini'schen Körperchen sind am Mesenterium der Katze zu finden. 312. Die Nerven der Epidermis werden mit der Goldchlorid- methode [s. S. 172 (1 und 5)] dargestellt. Auch hier liefert die Chrom- silbermethode von Golgi die ausgiebigsten Resultate; sie wird auch mit grossem Erfolg auf das Studium der in der Cutis vorhandenen Nerven an- gewandt. 313. Die sogen. Tastscheiben finden sich zahlreich im Rüssel des Schweines und des Maulwurfs. Bonnet empfiehlt eine Fixation mit einer 1lz °/o Chromsäure (s. T. 23), Ueberfärbung mit Hämatoxylin und Differenzirung in einer alkoholischen Lösung von rothem Blutlaugensalz. 326 Augapfel. VIII. Das Auge. A. Allgemeines über das Auge. Das Sehorgan besteht aus dem Augapfel und aus dem in den letz- teren eintretenden N. opticus. n S o ° S-S- sE o cn o u ° 2 P 3 3 - g S (D ~- ~ : — < a k-h ='£.2 P P P P i 3.3 ^3" a 3 Fig. 227. Schematische Darstellung der Blutgefässe des Auges. a V. vorticosa. & Chorioidea. Nach Leber und Flemminj l Linse. Anlage des Auges. 327 Am Augapfel unterscheiden wir 1. eine äussere feste Hülle, welche als Fortsetzung der Dura mater aufgefasst werden kann — die Tunica externa seu fibrosa. Nach vorn bildet sie eine durchsichtige Haut, die Hornhaut oder Cornea, während ihr übriger Theil als Tuni ca sclerotica oder kurz als Sklera bezeichnet wird; 2. die auf die T. fibrosa folgende gefässreiche Haut, die Tunica media seu vasculosa, die wiederum in die Chorioidea, in den Ciliarkörper und die Iris zerfällt, und 3. die innere Haut, Tunica interna, welche zwei Schichten zeigt, von denen die innere die Netzhaut oder Retina, die äussere die Membrana pigmenti dar- stellt. Die Membrana pigmenti überzieht die innere Fläche der Tunica vas- culosa in ganzer Ausdehnung. Im Innern enthält der Augapfel das Kammer- wasser, die Linse, den Glaskörper. Die Linse ist durch einen besonderen Apparat am Ciliarkörper fixirt. Durch die Linse und den Fixirungsapparat wird der Binnenraum des Augapfels in zwei Abschnitte getheilt, in den Kammerwasserraum und den Glaskörperraum. Der Kammerwasserraum wird durch die Iris in die vordere und hintere Augen kämm er zerlegt. Die letztere ist im Leben nur ein enger kapil- larer Spalt. B. Anlage des Auges. Das Auge legt sich beim Menschen in der vierten Woche des Embryo- nallebens an und ist anfangs nichts anderes als eine ventrale paarige, lateralwärts gerichtete Ausstülpung des Vorderhirns. Diese Ausstülpung reicht bis zum Ektoderm und wird als primäre Augenblase be- zeichnet. Den engeren, Gehirn und Blase verbindenden Abschnitt, bezeichnet man als Augenblasenstiel. Bald darauf beginnt ein Einstülpungsprozess an der primären Augen- blase. Der laterale gegen das Ektoderm gerichtete Theil der Blasenwand wird gegen den medialen Theil eingestülpt. Die primäre Augen blase wird dadurch zur sekundären, welche die Form eines doppelwandigen Bechers annimmt. Man kann nun ein inneres und ein äusseres Blatt an der sekundären Augenblase unterscheiden, welche an dem Becherrande durch Umschlag ineinander übergehen. Gleichzeitig; senkt sich ein scheibenförmiger, verdickter Theil des Ekto- derms gegen die Mündung der becherförmigen sekundären Augenblase ein und liefert die Anlage der Linse. An der ventralen Seite der sekundären Augenblase zeigt sich eine vom Umschlagsrande bis zum Augenstiel reichende Kerbe, der embryonale Augen spalt. Der Spalt durchsetzt die beiden Blätter der Augenblase nicht, seine Ränder sind vielmehr auch Umschlagsränder der beiden Blätter in einander. Der Augenspalt dient als Leitbahn für den sich entwickelnden N. opticus und für die Gefässe. 328 Sklera. Das äussere Blatt der sekundären Augenblase gestaltet sich zur Mem- brana Pigmenti, das innere liefert die Retina. Die Optikusfaserschicht entwickelt sich zunächst aus centripetal auswachsenden Neuriten von Ganglien- zellen der Retina, zu welchen sich später centrifugal, vom Gehirn herkommende Neuriten hinzugesellen. (Froriep.) Das sich zur Bildung der Linse einstülpende Ektoderm schnürt sich als eine Blase vom übrigen Ektoderm ab; die mediale Hälfte der Blase liefert durch Auswachsen der Zellen in die Länge die Linsenfasern ; die laterale hingegen die vordere dünne epitheliale Kapsel derselben. Das der Linse gegenüberliegende Epithel des Ektoderms wird zum äusseren Epithel der Hornhaut und der Coujunctiva, welche beide vom übrigen benachbarten Ektoderm zu dieser Zeit noch nicht scharf abgegrenzt sind; erst durch die Entwicklung der Augenlider gewinnt diese Partie eine deutliche Begrenzung. — Alle übrigen Theile des Auges, also der Glaskörper, die Gefäss- und Regenbogenhaut, die Sklera mit der Cornea und dem Descemet'schen Epithel sind Produkte des Mesoderms. C. Tunica fibrosa. 1. Die Sklera. Die Sklera bildet die äussere feste Haut des Augapfels und setzt sich direkt in die durchsichtige Hornhaut fort. Im hinteren medialen Theil des Augapfels ist sie am Eintritt des Sehnerven durchbrochen (Lamina cribrosa). Sie besteht aus Bündeln von Bindegewebsfasern, welche schichtenweise in äquatorialer und meridionaler Richtung verlaufen. An der äusseren Skleralrinne (in der Nachbarschaft der Hornhaut) ist die Anord- nung der Fasern vorwiegend äquatorial. Die Sehnen der Augenmuskeln gehen ebenfalls in die Skleralfasern über und zwar derart, dass die Sehnen der geraden Muskeln in die meridionalen, die der schiefen in die äquatorialen sich fortsetzen. In der Sklera finden wir Saftbahnen , welche in direktem Zusammenhange mit denen der Hornhaut stehen. Sie sind viel gröber und unregelmäßiger augeordnet als die der Hornhaut und gleichen hierin den Saftbahnen des Bindegewebes. Wir treffen in der Sklera konstant Pigmentirungen und zwar an folgen- den Stellen: 1. am Hornhautrande; 2. in der Nähe des Optikuseintrittes und 3. an der der Chorioidea zugewandten Fläche. Diese pigmentirte innerste Schicht der Sklera ist einwärts von einer Lage platter Zellen bekleidet und wird auch als eine eigene Membran aufgefasst (Lamina fusca sclerae). Auch die äussere Oberfläche der Sklera zeigt einen Ueberzug platter Zellen, die der Tenon'schen Kapsel angehören. Vorn ist an die Sklera die Con- junctiva sclerae durch lockeres, elastische Fasern enthaltendes Binde- gewebe verschiebbar befestigt. Cornea. 329 Die Cornea selbst ist in die Sklera eingefalzt, ähnlich wie ein Uhrglas in einen Uhrglasrahmen. An der hinteren Uebergangsstelle beider Häute befindet sich ein einfacher oder septirter, ein venöses Geflecht enthaltender Kanal, der Schlemm 'sehe Kanal. Derselbe wird vorn von der Hornhaut und Sklera, z. Th. auch vom Ursprungsabschnitt des M. ciliaris begrenzt. Die Sklera macht also die Hälfte der Wandung des Kanales aus und zeigt an der entsprechenden Stelle eine ringförmige Rinne, die sogenannte (innere) Skleralrinne. Die Blutgefässe der Sklera stammen aus den vorderen Ciliar- gefässen. Die Kapillaren münden entweder in die Ciliarvenen oder in dieVenae vorticosae ein. Die übrigen zahlreichen Gefässe ziehen durch die Sklera durch, um sich zur Chorioidea, Iris und zum Skleralrande zu begeben. An der Hornhautgrenze biegen die Kapillaren um. ■ cs> •m 2. Die Hornhaut. Sie besteht aus folgenden Schichten: 1. aus dem vorderen Epithel; 2. aus der vorderen Basalmembran ; 3. aus der eigentlichen Grundschicht der Hornhaut; 4. aus der Descemet'schen Haut; 5. aus dem Descemet- schen Epithel. Das vordere Epithel, speziell Corneaepithel genannt, hat in der centralen Partie der Cornea beim Menschen etwa 8 Schichten. Seine basale Fläche ist glatt; Bindegewebs- papillen fehlen. Die basale Epithelschicht besteht aus cylindrischen Zellen von un- gleicher Höhe; die nächst äus- seren Schichten enthalten un- regelmässig-polygonale Zellen, während die 2 — 3 oberfläch- lichsten Schichten aus platten Zellen zusammengesetzt sind. Alle Zellen des Corneaepithels sind miteinander durch Riffe verbunden, aber auch die ba- salen Flächen der Basalzellen sind mit kurzen Vorsprüngen besetzt, welche in die vordere Basalmembran sich einsenken. Die vordere Basalmembran hat beim Menschen eine ansehn- liche Dicke und erscheint homogen, kann aber in Fibrillen zerlegt werden. Sie gehört weder zum elastischen noch zum fibrillären Bindegewebe und muss als Bildung sui generis betrachtet werden. Zahlreiche Nerven gehen Vorderes Epithel - Basale Zellen Vordere Basal- membran * Grundschicht Fig. 228. Schnitt durch die Hornhaut des Menschen. 500 mal vergr. 330 Grnndschicht der Hornhaut. Saftkanälchen Hornhautkörperchen durch feine, in ihr vorhandene Poren bis in das Epithel hinein. Die Dicke dieser Glashaut nimmt skleralwärts ab und hört, etwa 1 mm von der Sklera entfernt, als solche ganz auf. Die Grund schicht der Hornhaut, die man als Stratum pro- prium corneae bezeichnen kann, besteht aus Fibrillen, welche zu Bündeln und Lamellen gruppirt sind. Chemisch sind sie von echten Bindege- websfasern nicht verschieden (Morocho wetz), sind aber doppelbrechend. Die Zahl der Lamellen der menschlichen Cornea beträgt ungefähr 20. Ihre Fibrillen sind miteinander verkittet und verlaufen sowohl unter sich, als auch zur Oberfläche der Hornhaut in paralleler Anordnung, jedoch so, dass die Fibrillen der einen Lamelle die der unmittelbar vorhergehenden in einem Winkel von ungefähr 12° kreuzen. Die benachbarten Lamellen sind miteinander ebenfalls fest verkittet. Die oberflächlichste, der Basal- membran anliegende Lamelle ist aus feineren Fasern zusammengesetzt und der Verlauf ihrer Fibrillen kann als ein zur Oberfläche der Hornhaut schiefer bezeichnet werden. Zwischen der Descemet 'sehen Haut und der vorde- ren Glasmembran verlaufen Faserbündel, welche die Lamellen der Hornhaut durchbohren und durchbohrende Fasern genannt werden. Zwischen den Lamellen sind eigenthümliche, plattgedrückte, mit Fortsätzen versehene Zellen gelegen, die Hornhautzellen ; sie liegen in besonderen Höhlen der Grundsubstanz, den Horn- hautkörperchen. Durch ver- schiedene Methoden (s. Tech- nik 317,318) lassen sich diese Hornhautkörperchen als Be- standtheile eines komplizirten Lücken-Saftkanalsystems dar- stellen, dessen Deutung wohl zu den schwersten Aufgaben der Histologie gehört. Vom didaktischen Stand- punkte ist es am zweckmässig- sten, wenn man die Grund- substanz der Cornea mit einem Lamellensystem von un verkalkten, ge- fässlosen Knochen, die Hornhautkörperchen mit Knochenkörperchen ver- gleicht. Der fibrilläre Bau der Lamellen erklärt sich dann von selbst: die zahlreichen Anastomosen zwischen den Hornhautkörperchen würden den Pri- mitivröhrchen des Knochens, die Homhautzellen mit ihren Fortsätzen den Knochenzellen zu vergleichen sein. In dem feinen Lückensystem der Horn- haut cirkulirt, wie in den Primitivröhrchen des Knochens, Lymphplasma. Fig. 229. Hornhautkörperchen vom Hund. 640 mal vergr. Technik Nr. 318. Xerven der Hornhaut. 331 Dieses Lückensystem steht mit den am Cornearande vorhandenen Lymph- bahnen im Zusammenhange. Von diesem Gesichtspunkte aus würden sich noch manche andere Einzelheiten erklären lassen ; man könnte z. B. die perforirenden Fasern mit den Sharpey 'sehen des Knochens vergleichen etc. Allein es liegen hier höchstwahrscheinlich nur analoge, nicht gleiche Verhältnisse vor. Die Descemet'sche Membran ist nicht so innig mit der Grundschicht der Hornhaut verbunden wie die vordere Glashaut. Sie ist in der Mitte der Hornhaut am dünnsten und verdickt sich gegen ihren Rand. Sie lässt sich in feinere Lamellen zerlegen, ist sehr elastisch, resistent gegen Säuren und Alkalien, kann aber mit Trypsin leicht verdaut werden. Das Descemet 'sehe Epithel besteht aus niederen ziemlich regel- mässigen, 6-eckigen Zellen, welche bei einigen Vertebraten (z. B. Taube, Ente, Kaninchen) die Eigentümlichkeit zeigen, das ihre der Descemet- schen Membran zugewandte Hälfte faserig erscheint. Vermittelst dieser Fasern hängen benachbarte und auch weit abstehende Zellen unter einander zusammen. Es sind hier in einer ausgezeichneten Weise Fasern zur Aus- bildung gelangt, welche, die Zellen durchziehend, sie miteinander verbinden — Verhältnisse, die wir bei den Riffzellen der Epidermis schon angetroffen haben. Die Cornea ist gefässlos. Im fötalen Leben aber bilden Kapillaren aus den Aa. ciliar, ant. ein hart unter dem Epithel gelegenes, präcorneales Gefässnetz, das vor der Geburt obliterirt, bei Neugeborenen selten noch an- getroffen wird. Es erhält sich am Cornealfände als episklerales oder sub- conjunctivales Randschlingennetz. Feine Zweige der Aa. ciliar, ant. ziehen oberflächlich an der Sklera bis zum Cornealrande und bilden da ein in Schlingen abschliessendes Netz von Kapillaren, aus welchem zahlreiche, zu- nächst netzförmig verbundene feine Venen hervorgehen, die in die Vv. eil. ant. Abfluss haben. Auch die Conjunctivalgefässe bilden gegen die Cornea ein Randschlingen- netz, das mit dem episkleralen Verbindung haben soll (Leber). Bei pathologischen Reizungszuständen kann sich die Cornea aus dem episkleralen Randschlingennetz vaskularisiren. Die Nerven der Hornhaut stammen aus dem N. ciliaris und bilden am Rande derselben ein Geflecht, aus welchem marklos gewordene Fasern in die Hornhaut eindringen. Hier bilden sie zunächst einen oberflächlichen, „subbasalen", dann einen zweiten „Grundplexus", welcher letztere in der ganzen Grundschicht mit Ausnahme ihres inneren Drittels sich ausbreitet. Die beiden Plexus stehen miteinander durch zahlreiche Anastomosen in Ver- bindung. Früher wurden direkte Verbindungen zwischen den Hornhautzellen und den Fasern beider Plexus angenommen, welche Anschauung sich aber gegenwärtig nicht mehr halten lässt. 332 Chorioidea. Von dem subbasalen Plexus treten Nerven durch die vordere Glas- haut und breiten sich, auf der vorderen Fläche der letzteren ein Geflecht bildend (Plexus subepithelialis), aus. Erst von diesem gehen Nervenfädchen zwischen die Epithelzellen hinein, verzweigen sich dort, enden mit Knöpfchen und auch mit anders gestalteten Enden und manche von ihnen gelangen bis nahe an die Oberfläche des Epithels. (Rollett 71, Ran vier 81.) D. Tunica vasculosa. 1. Die Chorioidea. An der Chorioidea unterscheiden wir von aussen nach innen folgende Schichten: 1. die Suprachorioidea; 2. die Grundschicht der Chorioidea oder die Tunica vasculosa Halleri; 3. die Choriokapillaris und 4. die Glashaut oder die Glaslamelle. Die Suprachorioidea besteht aus einer Anzahl von lockeren, sich verzweigenden und anastomosirenden Lamellen, welche sich unmittelbar an die Membrana fusca sclerae anschliessen. Die Grundsubstanz dieser Lamellen -- Glaslamelle Choriokapillaris Griirulschic-Iit mit Blutgefässen Fig. 230. Durchschnitt durch die Chorioidea des Menschen. 130 mal vergr. besteht aus Bindegewebs- und namentlich aus elastischen Fasern, welchen spärliche Bindegewebszelleu beigemengt sind. Es kommen hier in variabler Anzahl auch Pigmentzellen vor. — Die Lamellen sind von einem Platten- epithel überzogen und die Gesammtheit der Lücken und Spalten zwischen denselben und zwischen ihnen und der M. fusca repräsentirt ein Saftkanal- Bystem (die perichorioidealen Lymphräume). Bau der Chorioidea. 333 Die Grundschicht der Chorioidea wird ebenfalls aus ähnlichen Lamellen gebildet, die aber hier viel dichter an einander liegen. Den Haupt- bestandteil dieser Schicht bilden die Gefässe, und zwar sind es hier noch Getässe gröberen Kalibers, keine Kapillaren. Sie sind so angeordnet, dass die gröberen von ihnen (die Venen) mehr in der äusseren Partie der Schicht gelegen sind. Die venösen Gefässe konvergiren an vier Stellen des Aug- apfels, und zwar in der Mitte je eines Quadranten zu den vier Venae vorticosae. Die Arterien dagegen haben einen mehr meridionalen Verlauf. Die Choriokapillaris ist pigmentfrei und besteht der Hauptsache nach aus kapillaren Gefässen, welche besonders dichte Maschen in der Gegend der Macula lutea bilden. Indem die venösen Kapillaren zu kleineren Venen zusammenfliessen, ordnen sie sich zu länglichen, radiär angeordneten Maschen und bilden auf diese Weise die mehr oder weniger ausgeprägten Stellulae vasculosae Winslowii. Die Glaslamelle ist strukturlos, zeigt aber an ihrer äusseren Fläche die Abdrücke von den Gefässen der Choriokapillaris, an ihrer inneren da- gegen die des Pigmentepithels der Membrana pigmenti. An der Ora serrata ändert die Chorioidea ihren Charakter, so dass am Orbiculus ciliaris keine Choriokapillaris mehr vorhanden ist. Die Venen sind hier nach innen von den Arterien gelegen. Das Gewebe der Chorioidea nimmt hier eine mehr indifferente, bindegewebige Beschaffenheit an; als hintere Begrenzung kommt noch der hintere Theil des meridionalen Abschnittes des Ciliarmuskels hinzu. An der Grenze des Orbiculus ciliaris kommt es zur Ausbildung der Processus ciliares, deren innere Grenze die Glaslamelle, deren äussere der Ciliarmuskel bildet. Der M. ciliaris wird nach der vorderen Augenkammer zu vom Lig. pectinatum, nach aussen durch die Cornea und Sklera, nach hinten durch die Grundsubstanz der Chorioidea, des Orbiculus und der Ciliarfortsätze begrenzt. Die Elemente sind glatte Fasern. Dieser Muskel zerfällt in drei Portionen: die äussere oder meridionale zieht von der Membrana Descemeti und deren die innere Wandung des Schlemm 'sehen Kanals bildenden Fortsetzung zum hinteren Abschnitt des Orbiculus ciliaris; der Ursprung der mittleren Portion ist der nämliche, jedoch breiten sich ihre Fasern, auf einem Meridional- schnitt gedacht, fächerförmig (radiär) aus und nehmen für ihren Ansatz am Orbiculus und den Processus ciliares eine grosse Fläche in Anspruch. Der radiäre Zug der Fasern ist von cirkulär verlaufenden Bündeln unterbrochen. Die dritte Portion liegt an der innern Seite des Ciliarkörpers, zwischen dem Lig. pectinatum, dem Proc. ciliaris und der mittleren Portion des Muskels. Es sind mehrere cirkulär verlaufende Bündel , welche zusammen als Müll er 'scher Muskel bezeichnet werden, während die beiden ersten Portionen den Brücke'schen Muskel oder den Tensor chorioideae darstellen. 334 Gefässe der Chorioidea. Zwischen dem M. ciliaris und der D escemet'schen Haut befindet sich ein intermediäres, zellenreiches Gewebe, welches als eine Fortsetzung dieser Haut aufgefasst werden kann und die hintere Wand des Schiern ra- schen Kanals bildet. Eine andere peripher und nach hinten gerichtete, die vordere Augen- kammer ringförmig begrenzende und an der Basis der Iris endende Fort- Grundschicht der Hornhaut Iris .Membrana " pigmenti , Portion des [ Brück e 'sehen | Muskels Conjunctiva Sklera Processus ciliares Fig. 231. Meridionalschnitt durch den Ciliarkörper des Menschen. 25 mal vergr. Setzung der Descemet'schen Haut ist das Lig. pectinatum iridis. Dasselbe besteht aus Fasern und Platten, welche mit plattem Epithel be- kleidet sind und mit einander kommunicirende, im Ligamentum gelegene Lymphräume (Fontana'schen Raum) begrenzen. Die letzteren stehen einer- seits mit den perivaskulären Räumen des venösen Plexus des Scklemm- schen Kanals, andererseits mit der vorderen Augenkammer in Verbindung. Die Chorioidea bezieht ihre Arterien aus den Aa. ciliares post. breves, longae und aus den Aa. ciliares ant. Die Aa. eil. post. breves durch- bohren in der Nähe des N. opticus die Sklera, treten in Beziehung zu den Netzhautgefässen und verbreiten sich in der Chorioidea, wo sie die Chorio- kapillaris bilden. Die Aa. ciliares post. longae (eine mediale und eine laterale) durchbohren die Sklera und laufen zwischen Chorioidea und Sklera nach vorn, bilden dort den Circulus arteriosus iridis major, ver- sorgen den Ciliarmuskel, die Ciliarfortsätze und die Iris und anastomosiren im Orbiculus ciliaris mit dem System der Aa. ciliares post. breves und mit den Aa. ciliares anticae. Die letzteren laufen mit und in den geraden Die Regenbogenhaut. 335 Augenmuskeln, treten am vorderen Ende der Sklera in die letztere ein und geben Aeste zum Circulus arteriosus iridis major und zum Ciliar- muskel ab, und anastomosiren zugleich mit den Aa. ciliares posticae. In der Iris verlaufen die Gefässe im Allgemeinen radiär, jedoch mit einander anastomo- sirend und Kapillaren bildend und lassen am inneren Pu- pillenrande den Circulus art. iridis minor hervor- gehen. Aus dem Gebiete der Aa. ciliares posticae wird das Blut der Hauptsache nach in die Vv. vorticosae abgeführt (siehe diese). Aus dem Gebiete der Aa. ciliares anticae wird das Blut durch gleichnamige Venen ab- geführt. In die Vv. ciliares ant. ergiesst sich auch das Blut aus dem Schiern m' sehen Kanal, der als immer offener venöser Sinus zu betrachten ist. Ausserdem beziehen diese Venen noch venöses Blut aus der Konjunktiva. (Leber Pupillartheil der Iiis Iris Processus ciliares Orbicuius ciliaris CtLorioidea Fig. 232. Blutgefässe der Chorioidea und Iris des Menschen injicirt. 7 mal vergr. 2. Die Iris. Die Iris ist als die Fortsetzung der Chorioidea zu betrachten, deren Grundschicht in die der Iris übergeht und deren Glashaut in die hin- tere Glaslamelle oder die Bruch 'sehe Haut der Iris sich direkt fortsetzt. Ausserdem hängt die Iris mit ihrer vorderen peripheren Partie mit dem Lig. pectinatum zusammen. Wir haben bei der Iris von vorne nach hinten folgende Schichten zu unterscheiden: 1. das vordere Epithel; 2. die Grundschicht mit dem Sphincter pupillae; 3. die Bruch'sche Membran und 4. das doppelschichtige Epithel der Pars iridica membranae pigmenti. Das vordere Epithel ist eine einfache Lage unregelmässig-polygonaler und unpigmentirter Zellen. Dasselbe geht direkt in das Epithel des Lig. pectinatum über. Die Grundschicht besteht in ihren vorderen Lagen aus einem feinen, zellenreichen, retikulirten Gewebe (retikulirte Schicht). Die übrigen 336 Membrana pigmenti. Lagen, die Hauptmasse der Grundschicht, bilden die Gefässschicht derselben. Die Gefässe haben hier die Eigenthümlichkeit, dass sie von dicken cirkulären Bindegewebsfasern bekleidet werden (bindegewebigen Gefässscheiden). Die Muskelschicht der Gefässwand fehlt gänzlich. Auch die Nerven sind von starken Bindegewebsformationen eingehüllt. Bei nicht albinotischen Augen trifft man stets Pigment im Bindege- webe an. An der hinteren inneren Fläche der Grundschicht findet sich der M. sphincter pupillae, dessen glatte Fasern cirkulär um die Pupille verlaufen. Die Bruch 'sehe Membran ist eine glashelle Haut. Ander vorderen Fläche derselben und mit ihr fest verbunden treffen wir eine Lage spindel- förmiger Zellen, deren langer Durchmesser radiär gerichtet ist. Diese Zellen enthalten Pigment. Die genaue mikroskopische Untersuchung dieser Gebilde spricht mit grosser Wahrscheinlichkeit für die muskulöse Natur dieser Elemente. Man hätte es hier also mit einem M. dilatator pupillae zu thun. Das hintere Epithel ist die direkte Fortsetzung der Membrana pigmenti und besteht hier aus zwei Schichten von Zellen, welche beide pig- mentirt sind. (Vergl. Retzius 93.) E. Die Tunica interna BulM Sie besteht aus zwei Blättern. Das äussere Blatt ist die Membrana pigmenti, das Innere die Retina. 1. Die Membrana pigmenti. Die Pigmentschicht entsteht, wie wir sahen, aus dem äusseren Blatt der sekundären Augenblase. Sie besteht aus regelmässigen sechs- eckigen Zellen, welche schwarzes Pigment in Körnchen enthalten. Die innere Fläche dieser Zellen besitzt lange, faden- und fransenförmige Fortsätze, in welchen die Aussenglieder der sogleich zu erwähnenden Stäbchen und Zapfen stecken. Der Kern der Pigmentzellen liegt in der Fussplatte der Zelle und ist nicht pigmentirt. Die Vertheilung des Pigmentes ist, je nachdem die Retina belichtet oder im Dunkeln war, verschieden. In der Dunkelretina ist das Pigment, gleichmässig in der ganzen Zelle vorhanden ; in der belichteten Retina sammelt es sich im äusseren Theile der Zelle ; die Pigmentkörperchen sind also innerhalb der Zelle beweglich (Kühne 79). 2. Die Retina im Allgemeinen. An der Retina unterscheiden wir verschiedene Regionen: 1. die Macula lutea; 2. die Region der Papille (Pap. nervi optici); 3. die Ora serrata; Die Schichten der Retina. 037 4. die Pars ciliaris retinae und 5. die Pars iridica retinae. Es ist zweck- mässig, mit der Betrachtung jener Partie der Retina anzufangen, die zwischen der Ora serrata und der Papilla nervi optici gelegen ist und am wenigsten modifizirt ist. Wir würden hier folgende Schichten zu unterscheiden haben: 1. die Schicht der Sehzellen; 2. die äussere molekulare Schicht; 3. die innere Körnerschicht; 4. die innere molekulare Schicht; 5. die Ganglienzellen- schicht; 6. die Optikusfaserschicht. Ausserdem hätten wir die Stützelemente der Retina, die Müller'schen Fasern mit der Membrana limitans interna und externa zu betrachten. Sit Sil lliiliillllllllflll U§iä III Aussenglied des Stäbchens Aussenglied des Zapfens - '— — Innenglied des Zapfens i^ ' ;. Innenglied des Stabchens t. ''■'.'' - • • . ::■■■ ■ k — Membrana limitans externa \ -" - ' ,. ','■:'■ ' ' ' l — Aeussere Körnerschicht Aeussere molekulare Schicht —Innere Körnerschicht __|!nnere molekulare Schicht „.-Ganglienzellenschicht , '.- '_ '- - ___„ — Optikusfaserschicht Fig. 233. Schnitt durch die Eetina des Menschen. 700 mal vergr. Die Sehzellen sind Stäbchen -Sehzellen oder Zapfen -Sehzellen. Die ersteren bestehen aus einem Stäbchen und einer Stäbchenfaser mit ihrem Kern. Das Stäbchen zeigt zwei Glieder, ein Aussenglied, das bei Einwirkung einiger Reagentien (s. Technik) in eine grosse Anzahl querer Scheiben zerlegbar und doppelbrechend ist, und ein Innenglied. Letzteres ist weniger durchsichtig als das Aussenglied; sein inneres Ende zeigt an der Aussenseite eine feine Längsstrichelung , welche auf Ein- drücke der später zu erwähnenden „Faserkörbe" der Müller'schen Fasern zurückzuführen ist. Im äusseren Theile des Innengliedes ist bei niederen Wirbel- thieren einStäbchenellipsoid (oder Fadenapparat) ohne Weiteres nach- weisbar ; bei Säugethieren und beim Menschen gelingt dieses schwieriger. Es Böhm - v. Davidoff, Histologie. 22 338 Bau der Retina. ist ein plan-konvexer, längsgestrichelter Körper, dessen plane Seite mit der Aussenfläche des Innengliedes zusammenfällt, dessen innere konvexe Fläche an der Grenze zwischen dem äusseren und mittleren Drittel des Innengliedes liegt. Die Stähchenfasern reichen bis zur äusseren molekularen Schicht der Retina, wo sie kugelförmige Anschwellungen zeigen. Der Kern der Stäbchensehzellen befindet sich in ihrer Faser und liegt in verschiedenen Höhen derselben, am seltensten unmittelbar am Innenglied. Bei verschie- denen Fixirungen und Tinktionen erscheinen die Stäbchenkerne in mehrere Zonen, welche sich abwechselnd heller uud dunkler färben, zerlegt. Die Z apfen -Seh zelle zerfällt wie die Stäbchensehzelle in einen Zapfen und eine Zapfenfaser mit ihrem Kern. Der Zapfen ist im Ganzen kürzer als das Stäbchen. Sein Innenglied ist bedeutend breiter als das des Stäbchens. Das Zapfenellipsoid nimmt etwa die äusseren 2/3 des Innengliedes ein. Das Aussenglied hat eine mehr konische Gestalt. Die Zapfenfaser reicht ebenfalls bis zur äusseren molekularen Schicht, wo sie mit einer zerfaserten Fussplatte endet. Ihr etwas grösserer Kern liegt stets in der Nähe des Aussengliedes. Die inneren Flächen der Innen- glieder, sowohl der Zapfen- als auch der Stäbchensehzellen, liegen in einer Ebene, welche der Membrana limitans ext. oder der Membrana fenestrata, einer Bildung der Müller'schen Stützfasern, entspricht. Die Fasern und die Kerne (Körner) der Stäbchen- und Zapfen seh zellen sind demnach zwischen der Membrana limit. ext. und der äusseren molekularen Schicht gelegen. Man kann also die Schicht der Sehzellen , wie es noch jetzt geschieht, in die Schicht der Zapfen und Stäbchen und in die der äusseren Körner zerlegen. Die äussere molekulare Schicht besteht 1. aus der Neuroglia der Müller'schen Fasern; 2. aus den Ausläufern der basalen Theile der Seh- zellenfasern; 3. aus Ausläufern der Dendriten der bipolaren Zellen der inneren Körnerschicht, Verhältnisse, welche wir bei der Besprechung des Zusammen- hanges der Elemente der Retina näher berühren werden. Die innere Körnerschicht enthält 1. die kernhaltigen Abschnitte der Müller'schen Stützfasern; 2. die bipolaren, in verschiedenen Höhen der Schicht dicht aneinander und senkrecht zur Schicht gelegenen Ganglienzellen mit ovalen Kernen; 3. horizontal verlaufende, in der äusseren Partie der Schicht gelegene Ganglienzellen und 4. die an der inneren Grenze der Schicht befindlichen, fast eine kontinuirliche Lage bildenden sogenannten Spongioblasten mit ihren etwas grösseren Kernen. Die zahlreichen Fort- sätze dieser Spongioblasten liegen in der inneren molekularen Schicht, deren genaue Zusammensetzung wir ebenfalls weiter unten angeben werden. Die Ganglienzellenschicht besteht, ausser den auch hier durch- ziehenden Müller'schen Fasern, aus centrifugalen Neuriten und aus multipolaren Ganglienzellen, deren Dendriten nach aussen und deren Neuriten zur Optikus- Regio papillae nervi optici. 339 faserschicht ziehen. Ihre Grösse ist verschieden, der Kern typisch : rela- tiv gross, chromatinarm und mit einem stets deutlichen grösseren Kern- körperchen versehen (das Nähere uuten). Die Nervenfaserschicht enthält beim Menschen nur mark- lose Fasern. Alle diese besprochenen Ver- hältnisse sind für den grössten hinter der Ora serrata befindlichen Theil öS 3. Region der Papilla nervi optiei. £ 2 Die Papilla Nervi opt. ist 1 •die Eintrittsstelle des Nervus opticus -§ in die Retina. Im Centrum der j* Papille, an derjenigen Stelle, wo -die Nervenfasern radiär auseinander weichen, um sämmtliche Gebiete der Retina zu versorgen, befindet sich eine kleine, trichterförmige Grube, die physiologischeExkavation. Die Fasern des N. opticus verlieren während ihres Durchtrittes durch die Sklera und Chorioidea die Mark- scheide und begeben sich dann, sämmtliche Schichten der Retina durchsetzend, zur inneren Fläche der letzteren, auf welcher sie sich in einer allmählich dünner werdenden Schicht bis zur Ora serrata aus- breiten. Durch die Umbiegung der Nervenfasern und dadurch, dass sie, während des Durchtrittes durch die Augenblase, alle an einer und der- selben Stelle ihre Markscheide ver- lieren, wird der Nerv plötzlich dünner, wodurch unterhalb der Ausbreitungsstelle der Fasern eine ringförmige 22* ' ~5 i.S|,r : s -c-e B*i i-j ü 5 P 5 o © -o & — i >= - 3 _ 1-5 8* O g C CD 14 c 5 cd jr £-§£ © _o O 5» Fig. 234. Durchschnitt durch die Eintrittsstelle des Sehnerven vom Menschen. 65 mal vergr. 310 Regio maculae luteae. ■0i mrnkj &k & H ggk ' ■;■ ■ \ Fig. 235. Durchschnitt durch die macula lutea UDd fovea centralis des Menschen. 240 mal vergr. Rinne um den Ner- ven gebildet wird. In diese Rinne sind nun die drei Augenhäute einge- falzt. Die Retina ist an dieserStelleunterbrochen, jedoch so, dass ihre äus- seren Schichten bis zum Grund der Rinne vor- dringen, die inneren schon am Rande derselben auf- hören. In vielen Fällen sind die äusseren Schich- ten der Retina von den Nerven durch eine dünne Schicht Stützgewebe (in- termediäres Gewebe) ge- trennt. 4. Region der Macula lutea. DieMacula lutea zeigt in ihrer Mitte eine muldenförmige Vertief- ung, die Fovea cen- tralis; die tiefste Stelle derselben, der Fundus, liegt annähernd in der Sehachse; hier sind die Schichten der Retina im Wesentlichen auf die Schicht der Zapfen-Seh- zellen reduzirt. Der Rand dieser Vertiefung ist ver- dickt, was durch Zu- nahme der Nerven- und Ganglienzellenschicht be- dingt wird. Gegen den Fundus der Fovea hin verdünnt sich allmählich jede der vier inneren Schichten der Retina und zwar in der Weise, dass Ora serrat.a, Pars ciliaris und iridica. 341 zuerst die innerste Schicht und dann successive die folgenden drei gegen die Fovea an Dicke abnehmen; die innere molekulare Schicht scheint in- dessen den Fundus der Fovea zu erreichen. Wie wir angedeutet haben, befinden sich an letzterem Orte nur die Zapfen sehzellen , die Stäbchenseh- zellen fehlen hier völlig. Da nun die Zapfensehzellen ihre Kerne in der Nähe des Zapfens haben, und die Zapfenfasern, um zu den Körnern der inneren Körnerschicht zu gelangen, hier einen Bogen beschreiben müssen, so entsteht dadurch eine eigenthümliche, aus schief gestellten Fasern bestehende Schicht, die sogenannte äussere Faserschicht. Mit anderen Worten: die Fasern dieser Region treten deshalb so deutlich hervor, weil sie durch die hier abwesenden Stäbchenkerne- und fasern nicht verdeckt werden. An- deutungen der äusseren Faserschicht, d. h. der Schicht der frei hervor- tretenden Sehzellenfasern, fehlen übrigens an anderen Stellen der Retina nicht ganz, indem die Stäbchenkerne die äussere molekulare Schicht in der Regel nicht berühren. Die gelbliche Färbung der Fovea centralis rührt von in den Schichten der Retina gelöstem Pigment her. Nur die Zapfensehzellen enthalten es nicht. 5. Ora serrata, Pars ciliaris retinae und Pars iridica membranae pigmenti. An der Stelle der Ora serrata wird die Retina plötzlich dünner und fällt hier schräg ab, jedoch so, dass diese Verdünnung in einer gezackten Linie erfolgt. Schon vorher erfahren ihre Schichten bedeutende Reduktionen, dann hören einzelne von ihnen gänzlich auf: zuerst die Optikusfaserschicht, dann die Ganglienzellenschicht, es schwinden die Stäbchen- und Zapfen- sehzellen und es erscheint statt ihrer ein indifferentes Epithel. Zuletzt hört die innere molekulare, dann auch die innere Körnerschicht auf. Die Pigmentscbicht der Retina büsst allmählich ihre nach innen gerichteten Fort- sätze ein. In der Region der Ora erfahren die Stützfasern eine verhältniss- mässig starke Entwicklung. Die Pars ciliaris retinae besteht im Wesentlichen aus zwei einfachen Zellenlagen, von welchen die äussere der Pigmentschicht, die innere dem Epithel der inneren sekundären Augenblase entspricht. Aehnlich verhält sich die Pars iridica der Membrana pigmenti, die zwei Lagen von Pigment- zellen aufweist. 6. Die Müller'schen Fasern der Retina. Die Stütz- oder die Müller'schen Fasern der Retina sind gene- tisch betrachtet, wie die ganze Retina, ektodermalen Ursprungs und reprä- sentiren hier eine hochentwickelte Form einer Art von Glia- Elementen des Centralnervensystems. Sie durchsetzen die Retina von innen her bis zu den basalen Theilen der Innenglieder der Stäbchen- und Zapfenschicht. 342 Müller 'sehe Fasern. Eine Müller'sche Stützfaser ist eine lange Epithelzelle, welche nach innen allmählich in eine oder mehrere breite Fussplatten ausläuft, die mit den benachbarten Platten aneinanderstossend, eine Art Membran, die M. limitans interna, bilden. In ihrem Verlaufe durch die Retina nimmt jede Faser innerhalb der von ihr durchsetzten Schicht besondere, auf ihre hohe Plasticität hinweisende Charaktere an. So ist sie innerhalb der molekularen Schichten mit im Allgemeinen querverlaufenden Fortsätzen und Plättchen versehen. Innerhalb der Körnerschichten dagegen weist sie zahlreiche seit- liche Mulden auf, welche als Abdrücke aufgefasst werden müssen, die die Körner an ihr erzeugen. An der Innenfläche der Zapfen und Stäbchen enden die Müller'schen Fasern mit Endplättchen, welche Cuticularbildungen ent- sprechen und zu einer Membran, der Memb. limitans externa, unter ein- ander verschmolzen sind. Diese Membran wird von den Sehzellenfasern durchbohrt und in Folge dessen auch als Membrana fenestrata bezeichnet. Die eben betrachteten Endplättchen der Fasern geben nun nach aussen kurze steife Fädchen ab, die sich zu Faserkörben gruppiren, in welchen die basalen Theile der Innenglieder der Stäbchen und Zapfen sitzen. 7. Zusammenhang der Elemente in der Retina. Wir wollen hier den muthmasslichen Zusammenhang der Elemente des inneren Blattes der Retina auseinandersetzen, wie er namentlich seit der An- wendung der Golgi'schen Methode, hauptsächlich nach den Arbeiten von Ramon y Cajal, jetzt aufgefasst wird: 1. Die inneren Fortsätze der Stäbchen enden in der äusseren mole- kularen Schicht mit kleinen Anschwellungen, die der Zapfen mit breiteren verzweigten Füsschen. Hier sind auch die Endausbreitungen der Dendriten und Neuriten gewisser Zellen der inneren Körnerschicht gelegen. 2. Die innere Körnerschicht. Sie besteht a) aus horizontalen unmittelbar unterhalb der molekularen Schicht liegenden Zellen; b) aus bi- polaren Zellen, welche die Hauptmasse dieser Schicht ausmachen und c) aus der Schicht der Spongioblasten, deren Körper an der Grenze der Körner- gegen die molekulare Schicht liegen. Die horizontalen Zellen (a) senden ihre Dendriten in die mole- kulare Schicht; ihr Neurit verläuft horizontal, sendet in die letztere zahl- reiche Collateralen ab und endet dortselbst mit Telodendrien. Diese Zellen sind von zweierlei Art: die kleineren von ihnen verbinden mit ihren Dendriten und Neuriten durch Kontakt die Zapfen unter einander; die andere, grössere und tiefer gelegene Art verbindet in derselben Weise die basalen Enden der Stäbchen. Einige wenige Zellen der zweiten Art senden einen oder zwei Dendriten durch die innere Körnerschicht in die innere molekulare Schicht. Die bipolaren Zellen (b) zerfallen in: a) bipolare Zellen der Stäbchen, deren Dendrit die basalen Theile der letzteren umspinnt, und Zusammensetzung der Retinaelemente. 843 - 3 i; . •s tf M 3 CO 5D CO st in n es fei cä c - d -3 o o o Cr~ ■7 3 ? o Üj b c i> /. w ö(ä = ~ = Q .22 -3 r" ? s jg =5 5 344 Zusammenhang der Eetiuaelemente. deren Neurit in der Nähe des Körpers der Ganglienzellen in der gewöhnlichen Weise endet; ß) bipolare Zellen der Zapfen. Die Dendriten der letzteren, welche ebenfalls in der äusseren molekularen Schicht enden , gehen dort Beziehungen zu den basalen Fortsätzen der Zapfen ein. Ihre Neuriten treten durch ihre Endbäumchen in verschiedenen Etagen der molekularen Schicht mit den Dendriten der Ganglienzellen in Kontakt, y) Ausserdem giebt es bipolare Zellen, welche in ähnlicher Weise, wie bei a und ß, einer- seits den Kontakt zwischen Stäbchen und Zapfen, andererseits einen solchen zwischen Stäbchen, Zapfen und den Ganglienzellen vermitteln. 3. Die innere molekulare Schicht. Man hätte sich dieselbe als aus fünf Lagen bestehend zu denken. Die Mehrzahl der Spongioblasten der inneren Körnerschicht senden ihre Fortsätze abwärts bis in die innere mole- kulare Schicht, in welcher die einen von ihnen in der ersten, die anderen in der zweiten, die dritten in der dritten Grenzfläche der Lagen der inneren molekularen Schicht u. s. w. mit weit ausgebreiteten feinen Ramifikationen endigen; ausser diesen sog. Schichtenspongioblas ten giebt es noch andere, die sog. diffusen Spongioblasten, welche ihre Ramifikationen gleichzeitig in mehrere oder in alle der erwähnten Grenzflächen der Lagen aussenden. Neben den Verzweigungen der erwähnten Spongioblasten kommen hier noch autochtnone Spongioblasten vor, welche dann in einer der erwähnten Flächen der molekularen Schicht liegen und ihre Verzweigungen horizontal ausbreiten. Ausser allen diesen Gebilden verbreiten sich in der inneren mole- kularen Schicht noch die Dendriten der Zellen der Ganglienzellenschicht, zu deren Betrachtung wir jetzt übergehen. 4. Die G an glien zellen schicht. Die Zellenkörper sind im Allge- meinen unregelmässig oval; die Dendriten liegen auf der Seite der mole- kularen Schicht; der Neurit geht in die Optikusfaserschicht über. Nach der Art der Endausbreitung der Dendriten kann man die Ganglienzellen in drei Gruppen zusammenfassen: 1. in solche, deren Dendriten nur in einer Fläche, oder 2. in solche, deren Dendriten in mehreren Flächen der molekularen Schicht sich ausbreiten und 3. in solche, deren Dendriten in der ganzen Dicke der molekularen Schicht ihre Ausbreitung finden. Diese drei Gruppen sind die sogenannten monopolystratifizirten und die dif- fusen Zellen; durch ihre Dendriten setzen sie sich in Kontakt mit den Neu- riten der bipolaren Zellen der inneren Körnerschicht, und zwar mit einem oder mit mehreren ihrer Neuriten. 5. Die Optikusfaserschicht. Sie besteht 1. aus den centripetalen Neuriten der Ganglienzellen des Optikus; 2. aus den centrifugalen Nerven- fasern, welche in verschiedenen Schichten der Retina, auch in der äusseren molekularen Schicht, ihr Ende nehmen. N. opticus. 345 8. N. opticus. Der IST. opticus besitzt innerhalb der Orbita mehrere Scheiden: 1. die äussere Scheide, welche als Fortsetzung der Dura mater zu betrachten ist und in das Gewebe der Sklera übergeht ; 2. die innere Scheide ist die Fort- setzung der Pia mater. Die letztere fungirt hier sowohl als Perineurium ex- ternum, als auch, indem sie in den Nerven selbst eindringt, als Perineurium internum. Zwischen den Scheiden 1 und 2 befindet sich ein Spalt, welcher durch eine lamellöse Fortsetzung der Arachnoiclea in zwei Räume getheilt wird. Diese beiden Räume sind von Bindegewebsbälkchen durchsetzt, und der innere derselben steht mit dem Subarachnoidealraum, der äussere schmälere mit dem Subduralraum in Verbindung. Die Fasern des N. opticus sind markhaltig, entbehren aber des Neuri- lemms (Schwann'sche Scheide). Als solches fungirt hier die Neuroglia. In der Höhe der Sklera und Chorioidea verlieren die Fasern des N. opticus das Mark, hingegen werden die Septen der Piascheide stärker und relativ zahlreicher; ausserdem gehen durch diese Region des Otipcus Bindegewebsfasern der Sklera und Chorioidea hindurch. Auf diese Weise entsteht hier die als Lamina cribrosa bezeichnete Bildung. l1/2 — 2 cm vom Bulbus entfernt, treten lateral und ventral die Arterie und die V. centralis in den N. opticus ein und kommen bald in die Achse derselben zu liegen. Hier sind sie von einer gemeinsamen bindegewebigen Scheide umgeben, welche in direkter Ver- bindung mit dem Perineurium steht. Durch die Lamina cribrosa treten die Optikusfasern in die Retina ein und verbreiten sich dort in der oben ange- gebenen Weise in der sogenannten Optikusfaserschicht. 9. Gefässe des N. opticus und der Retina. Die Gefässe des N. opticus stammen hauptsächlich von den Gefässen der Piascheide ab. Auf der Strecke des Nerven, welche die Centralgefässe enthält, anastomosiren die letzteren mit den Piagefässen, so dass der Optikus auch von den Centralgefässen in dieser Region versorgt wird. Beim Durchtritt durch die Sklera bilden die Aa. ciliares post. brev. einen Geflechtsgürtel um den Optikus, denCirculus arteriosusZinnii; welcher einerseits mit den Gefässen, andererseits mit der Piascheide des Opti- kus in Verbindung steht. In der Höhe der Chorioidea stehen die Central- gefässe des Optikus mit den Gefässen der letzteren ebenfalls in kapillärer - Verbindung. Die A. und V. centralis treten an der Papilla optici in die Retina ein und theilen sich hier oder schon früher, im Nerven selbst, in die A. und V. papillaris sup. und inf. Beide theilen sich abermals in zwei Aeste, in die A. und V. nasalis und temporalis, welche letzteren man je nach ihrer Lage als A. und V. nasalis und temporalis sup. und inf. bezeichnet. 346 Blutgefässe der Retina. ' Vene Ausser diesen Gefässen kommen aus dem Stamme der A. centralis selbst zwei kleine Arterien hervor, welche zur Macula lutea ziehen (Aa. ma- culares). Aehnliche zwei Gefässe ziehen nasalwärts als Vasa me- diana sup. und inf. In der Retina selbst breiten sich die gröberen Gefässe hauptsächlich in der Optikusfaserschicht aus und bilden hier ein grossmaschiges .Netz von Kapillaren, welches durch vielfache Verbindungen mit einem engmaschigeren feineren, in der inneren Körnerschicht ge- legenen Netze in Verbindung steht. Die sich aus diesem Netze ent- wickelnden venösen Kapillaren senden kleine Venenstämmchen zur Optikusfaserschicht zurück, in welcher also, neben dem er- wähnten arteriellen, noch ein venöser Plexus gelegen ist. Die Arterien der Retina sind von geringerem Kaliber als die Venen. Die gröberen Arterien Arterie Kapillarfreie Zcrip um die Arterie Fig. 237. Blutgefässe der Retina des Menschen injicirt, Flächenpräparat. 18 mal vergr. Weitmaschige (iefässsrhlintren der Macula lutea Fovea centralis, tefässios Fig. 238. Injicirte Blutgefässe der Macula lutea des Menschen. Flächenpräparat. 28 mal vergr. besitzen eine Muskellage; die kleineren nur eine Adventitia. Alle Gefässe besitzen mächtig entwickelte perivaskuläre Scheiden. Die Schicht der Seh- Glaskörper. 347 zellen ist gefässlos, ebenso die jenseits der Ora serrata liegenden rudimen- tären Ketinaschichten. Die Arterien der Retina anostomosiren miteinander nur vermittelst der Kapillaren (Endarterienj und nur in der Ora serrata giebt es gröbere venöse Anastomosen. Ueber den Bau der Gefässwand siehe Rückenmark.] F. Der Glaskörper. Der Glaskörper besteht aus einem ausserordentlich wasserreichen Gewebe mit sehr wenigen sessilen zelligen Elementen und aus einigen kon- stant zu findenden Leukocyten, welch' letztere aber nur an seiner Oberfläche, an Kontaktstellen mit der Retina, gelegen sind. Ausserdem kommen im ganzen Glaskörper, mit Ausnahme des Canalis hyaloideus seu Cloqueti dünne strukturlose Lamellen vor, welche besonders reichlich an der Peripherie und namentlich in der Gegend des Corpus ciliare angetroffen werden. — Die äussere, nach der Retina zu gelegene Grenzmembran ist dicker und ist be- sonders fest an der Excavatio physiologica nervi optici und am Corpus cüiare mit der Membrana limitans int. retinae verbunden. An letzterem Orte ist die erwähnte Membran (Membr. hyaloidea) besonders fest mit den Epi- thelien der Pars ciliaris retinae verbunden. Zwischen die Ciliarfortsätze selbst dringt sie nicht ein, sondern läuft brückenartig über die Furchen zwi- schen den Fortsätzen hinweg. Es wird auf diese Weise zwischen zwei Ciliarfortsätzen und der Membr. hyaloidea ein Raum gebildet, Recessus camerae posterioris, d. h. jene Abtheilung der hinteren Augenkammer, welche zwischen den Ciliarfortsätzen der Iris, der Linse und dem Lig. Sus- pensorium lentis eingeschlossen ist; dieser Raum ist mit Humor aqueus ge- füllt. Auf der Höhe der Proc. ciliares löst sich die Membrana hyaloidea in eine grosse Zahl von Fasern auf, welche radiär in der Richtung der Linse verlaufen und mit der äusseren Lamelle der Linsenkapsel verschmelzen. Die- jenigen von ihnen, die von den Spitzen der Processus ciliares kommen, setzen sich am Aequator der Linse und an der benachbarten hinteren Partie der Linsenkapsel fest. Die Fasern hingegen, welche von dieser Membran zwi- schen den Ciliarfortsätzen entspringen, setzen sich an der vorderen Fläche der Linsenkapsel in der unmittelbaren ISahe des Aequators an. Die Ge sammtheit dieser Fasern bildet die Zonula ciliaris oder das Lig. susp. lentis Zwischen den eben erwähnten Fasern der Zonula und der Linse selbst ist ein ringförmiger septirter Kanal eingeschloss-i.. — der Canalis Petiti, der durch Oeffnungen in der Zonula in K ^nikation mit der vorderen Augen kammer steht. 348 Fötale Gefässe des Auges. G. Fötale Gefässe des Auges. Im embryonalen Auge ist sowohl der Glaskörper als auch, die Kapsel der Linse gefässhaltig. Das später als A. centralis retinae bezeichnete Gef'äss verläuft hier durch den später vom Glaskörper erfüllten Raum bis zur hin- teren Fläche der Linse fort (A. hyaloidea ant.) und verzweigt sich im Gebiete der hinteren und vorderen Linsenkapsel. Die gef ässhaltige embryonale vordere Kapselmembran bezeichnet man als Membrana capsulo-pupil- laris und denjenigen Theil von ihr, der der Pupille entspricht, als Mem- brana pupillaris. — An der Papilla n. optici entspringen weitere zahl- reiche Gefässe, welche an der Oberfläche des Glaskörpers, dicht an der Membr. hyaloidea verlaufen (Aa. hyaloideae post.). Bekanntlich schwinden später die erwähnten Gefässe als solche. An Stelle der Art. hyaloidea ant. bleibt im Glaskörper ein heller cylindrischer Strang übrig, der keine Fasern und Lamellen, wie der übrige Glaskörper enthält und aus einer mehr flüs- sigen Substanz besteht (Cloquet'scher Kanal). — Die Gefässe der Linse schwinden normaler Weise ganz. Was die Vasa hyaloidea post. anlangt, so ist man geneigt, anzunehmen, dass sie sich bei der Bildung der erst später erscheinenden Retinagefässe betheiligen. Das Nähere darüber ist unbekannt; es ist jedoch eine Thatsache, dass die grösseren Stämmchen der Retinagefässe z. B. beim Kaninchen nach innen von der Membr. limit. int., also noch im Glaskörper gelegen sind und feinere Zweigchen in die Retina hineinsenden (His 80). H. Die Linse. Wie wir gesehen haben, geht die Linse aus einer ektodermalen Ein- stülpung hervor, welche zunächst als Blase sich vom Ektoderm ablöst und sich dann in der Weise in die fertige Linse umwandelt, dass die Zellen der inneren Blasen wand zu Linsenfasern werden, die der äusseren aber als vor- deres Epithel der Linse erhalten bleiben. Es kommt ncch eine die Linse von allen Seiten umschliessende Kapsel hinzu — die Linsenkapsel. Dem- nach hätten wir die Linsenkapsel, das vordere Epithel und die Fasern der Linse zu beschreiben. Die Kapsel ist eine homogene Membran, auf der vorderen Fläche der Linse etwa doppelt so dick als an der hinteren. Sie zeigt andere Reaktionen als das Bindegewebe und ist in dieser Beziehung den Membranae propriae der Drüsen zu vergleichen. An Schnitten erscheint sie gestrichelt; es lässt sich von der Oberfläche derselben nach bestimmten Vorbehandlungen eine Lamelle ab- lösen, welche in direkter Verbindung mit der Zonula Zinnii steht. Die Linse. 349 Das vordere Epithel besteht bei Föten aus hohen Zellen, bei Kindern aus annähernd kubischen, bei Erwachsenen schliesslich aus ganz platten Zellen. Gegen den Aequator der Linse nehmen die Zellen an Höhe zu und gehen allmählich in die Linsenfasern über. Die Linsenfasern sind ebenfalls Abkömmlinge von Epithelzellen; es sind lange, in einer Richtung abgeflachte, sechseckige Prismen, die die ganze Dicke der Linse durchsetzen. An den Linsen der Erwachsenen sind sie in eine periphere resistentere und in eine weichere axiale Substanz differenzirt. An der Oberfläche sind sie zackig und vermittelst dieser Zacken und einer Kittsubstanz unter einander verbunden. Jede Faser besitzt einen oder meh- rere Kerne, welche zwar keine konstante Lage haben, aber in den nahe dem Aequator gelegenen Fasern meistens in der Mitte, in den übrigen etwa im vorderen Drittel gelegen sind. — Der Verlauf der Fasern in der Linse ist ein sehr kompli- zirter. Die Fasern begeben sich von der einen Linsenfläche zur anderen und stossen hier mit ihren Enden aneinander, wodurch Linien entstehen, die namentlich nach einer Maceration der Linse auf jeder Fläche, also vorn und hinten, eine sternförmige Figur erzeugen (Linsenstern). In Ebenen, welche der Sternfigur entsprechen, lassen sich die Fasern der Linse bis zu einer gewissen Tiefe in Gruppen zerlegen; es bleibt eine centrale, nicht in dieser Weise zerlegbare Partie übrig, welche aus den ältesten und festeren Fasern besteht, der sogenannte Linsenkern. Die vorderen Lymphbahnen des Auges bestehen 1. aus den Saft- kanälchen der Hornhaut, welche mit ähnlichen Kanälchen der Sklera in Verbindung stehen; 2. aus dem System der vorderen Augenkammer, welches einerseits mit dem Fontana'schen Raum (auch dem Irisstroma, in welches das Lig. pectinatum übergeht) und durch diesen indirekt mit dem Schlemm- schen Kanal in Verbindung steht; andererseits sich mit der vorderen Augen- kammer, mit deren Recessus und mit dem Canalis Petiti sich verbindet. Im hinteren Gebiet hätten wir zu erwähnen die Lymphbahnen der Retina (die -perivaskulären Räume), die des Optikus (siehe diesen), dann den Raum zwischen der Pigmentschicht und der übrigen Retina (interlaminärer Raum, Rauber), dann die Lymphräume der Chorioidea und der Sklera. I. ScRutzorgane des Auges. 1. Die Lider und die Konjunktiva. Die Augenlider entwickeln sich am Ende des zweiten Embryonalmonats als zwei Hautfalten. Ende des dritten Monats kommen die beiden Falten in der Gegend der späteren Lidspalte zur Berührung und verwachsen mit- einander durch ihre äusseren epithelialen Theile. Erst kurz vor der Geburt löst sich die Verbindung der beiden Lider und die definitive Lidspalte tritt auf. 350 Die Lider. An den Lidern unterscheiden wir 1. die äussere Haut, welche am freien Rande Besonderheiten zeigt und in einer Entfernung von etwa 1 mm von der hinteren Kante des freien Randes in 2. die, die innere Oberfläche bildende Schleimhaut, die Conjunctiva palpebrarum übergeht. 3. Dazwischen besteht eine eigene Schicht des Lides. Haare und Talg- drüsen Conjunctiva Lockeres Binde- Meibom 'sehe Drüse Cilie - Fig. 239. Oberes Augenlid vom Menschen auf dem Durchschnitt. Die Blutgefässe sind injicirt. Durch die verschiedene Anordnung der Blutkapillaren innerhalb der verschiedenen Gewebe des Lides kann man diese deutlich auseinanderhalten. 8 mal vergr. 1. Der Hauttheil der Augenlider besteht aus einer dünnen Epidermis mit nur wenig entwickelten oder gar keinen Papillen. Feinste "Wollhärehen mit kleinen Talgdrüsen und wenige Schweissdrüsen sind über die ganze Oberfläche vertheilt. Das kutane Bindegewebe ist ein sehr lockeres und enthält in den oberflächlichen Schichten regelmässig Pigmentzellen. 2. Am Li dran de sind die Papillen gut ausgebildet und die Epidermis ist etwas dicker. An der vorderen Kante des Lidrandes stehen in mehreren Reihen Die Lider. 351 •dicke Haare hinter einander, die Cilien, von welchen die hinteren besonders häufig neben den Talgdrüsen noch modifizirte Schweissdrüsen, die sogen. Moll'schen Drüsen besitzen, welche alle ebenfalls in den Haarbalg münden. An der hinteren Partie des Lidrandes münden einzeln viele (etwa 30) Drüsen, die Meibom'schen Drüsen. Die letzteren stecken im Gewebe des Tarsus (s. u.) und sind epitheliale, senkrecht zur Lidspalte stehende cylindri- sche Röhren mit mehrschichtigem Epithel, in welche zahlreiche Talgdrüsen von allen Seiten her einmünden. 3. Der Konjunktivaltheil des Lides hat ein zweizeiliges Zvlinderepithel, welches am Gewölbe beim Uebergange in die Konjunktiva des Augapfels wiederum in ein mehrschichtiges Epithel übergeht. Die Oberfläche des Epithels ist durch das Vorhandensein nicht konstant vorkommender Fältchen und Rinnen ausgezeichnet. Besonders regelmässig treten sie als longitudinale, parallel mit der Lidkante verlaufende Fältchen im oberen Theil des Oberlides auf. — Im Epithel sind, jedoch nicht immer, Becherzellen vorhanden. In dem Stratum proprium der Schleimhaut ist stets lymphoides Gewebe, mehr oder weniger ausgebildet, anzutreffen. Dasselbe scheint mitunter auch normal weisse, echte Lymphknoten bilden zu können. Es ist nicht uninteressant zu sehen, dass die Bildung dieser Follikel bei bestimmten Erkrankungen in Menge vor sich geht und an die Bildung epithelialer Einsenkungen gebunden zu sein scheint, welche He nie als schlauchförmige Drüsen aufgefasst wissen wollte. Ausserdem treffen wir in der Conjunctiva palp. auch noch echte Drüsen, von dem Bau der Thränendrüse; sie kommen am oberen Augenlide, am äusseren Winkel des Gewölbes vor. Aehnliche, einzelne Drüsen kommen auch am medialen Rande der Konjunktiva vor. In der eigenen mittleren Schicht des Lides (3) unterscheiden wir ausser dem Tarsus (bindegewebiger Knorpel) 1. den unter dem subkutanen Gewebe gelegenen M. orbicularis oculi, der am Lidrande noch eine besondere, aus zwei durch den Tarsus getrennten Fascikeln bestehende Partie, den M. ciliaris Riolani, erkennen lässt; 2. das Bindegewebe zwischen den Bündeln des M. orbicularis und 3. das hinter dem letzteren und dem Tarsus gelegene Bindegewebe. Das sub 2 und 3 genannte Bindegewebe steht im oberen Lide in Beziehung zur Sehne des M. palpebralis sup., welch letzterer nichts anderes ist als eine aus glatten Fasern bestehende Fortsetzung der mittleren Portion des quergestreiften M. levator palpebrae sup. Im unteren Lide sind die Verhältnisse des Haupttheiles ganz analoge, nur dass hier an Stelle der sehnigen Fortsetzung des mittleren Theiles des M. levator palp. die des M. rectus inf. tritt. Die Gefässe des Lides im Bindegewebe liegen unmittelbar vor dem Tarsus und versorgen von hier aus die benachbarten Theile, entweder indem sie durch den Tarsus treten, oder sich um denselben herumschlagen. (Waldever 74.) Das dritte Augenlid, die Plica semilunaris, enthält, wenn es vor- kommt, eine kleine Spange hyalinen Knorpels. 352 Thräuenorgane. Am Fornix geht das Epithel der Conjunctiva palpebrae in das der Conjunctiva bulbi über, welches mehrschichtig ist. Hier kommen eigenthüm- liche Nervenendigungen, die Konjunktivalkörperchen, vor (s. o.). 2. Thränenorgaiie. Hier sind die Thränendrüse, ihre Ausführungsgänge, die Thränenpunkte und Thränenkanälchen mit dem Sammelrohr, der Thränensack und der Thränen- nasengang zu besprechen. Die Thränendrüse zerfällt in zwei getrennte Portionen, von welchen die eine lateral an der Orbita und die andere an der oberen lateralen Partie des oberen Konjunktivalgewölbes gelegen ist. Der Bau der Drüse entspricht ganz dem einer serösen Drüse, etwa der Parotis, mit dem Unterschiede, dass hier die Speichelröhren fehlen und dass diejenigen Zellen, welche zwischen den secernirenden Elementen eingeschaltet sind und als Stützzellen (sog. Korbzellen) fungiren, viel entwickelter sich zeigen. Die Ausführungsgänge des Orbitaltheiles passiren gewöhnlich die kon- junktivale Hälfte der Drüse, nehmen einige Ausführgänge der letzteren auf und münden dann auf der Oberfläche der Konjunktiva aus. Ausserdem be- sitzt die laterale Drüse selbstständige Ausführgänge. Alle Ausführgänge haben ein cylindrisches Epithel und eine relativ dicke, bindegewebige Wand mit inneren longitudinalen und äusseren cirkulär verlaufenden Fasern. Von dem lateralen Theile des Konjuktivalsackes, wohin das Sekret durch die Ausmündungen der Thränendrüsen gelangt, kommt es in den kapillären Kaum des Sackes, und wird dessen gleichmässige Vertheilung durch Rinnen und Wülste des Konjunktivaltheils des Lides begünstigt. Auf diesem Wege gelangt das Sekret zum medialen Augenwinkel, wo es durch die Thränen- punkte in die Thränenkanäle befördert wird. Die Thränenkanälchen besitzen ein mehrschichtiges Pflasterepithel, eine Basalmembran und ein Stratum proprium mit vorwiegend cirkulär verlaufenden, elastischen Elementen. Nach aussen findet man ausserdem einen Belag von quergestreiften Muskelfasern. Der Thränensack weist ein anderes Epithel auf, nämlich ein zwei- zeiliges, cylindrisches, in welchem Becherzellen vorkommen. Aehnlich ist der Thränennasengang gebaut. Das Stratum proprium des letzteren und das des Thränensackes stossen an das Periost; zwischen beiden ist ein relativ starkes Gefässgeflecht gelegen. Im Thränennasengang sind schon geschichtete Pflaster- und Flimmerepithelien be. schrieben worden, auch Schleimdrüsen in diesem und im Thränensacke. (Vergl. über das Auge namentlich M. Schulze 72; Schwalbe 87.) Technisches über das Auge. 314. Der von Muskeln und dem lockeren Bindegewebe gesäuberte Augapfel grösserer Thiere wird in der Fixirungsflüssigkeit mit einer scharfen Technik der Hornhaut. 353 Scheere durch einen äquatorialen Schnitt halbirt. Kleinere, dünnwandige Augen können auch im Ganzen fixirt werden. Als Fixirungsflüssigkeiten werden hauptsächlich die Müll er 'sehe Flüssigkeit (T. 24), Salpetersäure (T. 22) und die Flemming'sche Flüssig- keit (T. 17) angewendet. Hat man in einer dieser Flüssigkeiten fixirt, so kann man durch die Häute des Augapfels in bestimmten Regionen desselben Schnitte anfertigen, wenn man sie vorher in Celloidin oder Celloidin-Paraffin eingeschlossen hat. 315. Die Hornhaut. Das vordere Epithel macerire man am besten mit 1i% Alkohol; das Descemet'sche Epithel kann versilbert werden. Um Faserungen des letzteren zu sehen, empfiehlt Nuel eine Injektion durch Einstich einer 1 — 2°/o Ameisensäure in die vordere Augenkammer der Taube oder des Kaninchens, nachdem das Kammerwasser vorher zum Abfluss ge- bracht worden ist. Dann wird die Hornhaut ausgeschnitten und 3 — 5 Minuten in Osmiumsäure fixirt. 316. Die Grundschicht der Hornhaut wird entweder an Schnitten der getrockneten Hornhaut studirt, welche man nachträglich in Pikrokarmin färbt (Ran vi er), oder an Zupfpräparaten der in Kalkwasser, auch hyper- mangansaurem Kali macerirten Hornhaut. Die Körperchen und Kanälchen der Hornhaut lassen sich mit Silbernitrat in doppelter Weise darstellen: entweder ätzt man die vom Epithel befreite frische Hornhaut kleiner Thiere mit einem Lapisstift und untersucht sie in Wasser als Ganzes, so erscheinen nach kurzer Zeit die Hornhautkörperchen mit ihren Ausläufern hell auf dunklem Grunde, negative Versilberung; oder man behandelt in derselben Weise die Hornhäute grosser Thiere, fertigt von ihnen aus freier Hand Flach- schnitte an und lässt sie ein paar Tage in Wasser liegen; dann erscheinen die Hornhautkörperchen mit ihren Ausläufern dunkel auf hellem Grunde, positive Versilberung (Ranvier 89). 317. Die Altmann'sche Oelmethode (T. 109) stellt die Ausgüsse der Hornhautkörperchen und ihrer Ausläufer dar. In den mit Gold behandelten Hornhäuten kommen neben den Nerven auch die Hornhautkörperchen mit ihren Ausläufern zum Vorschein. 318. Speziell für die Nerven der Cornea empfiehlt Ran vi er (89) Goldchlorid-Kalium l°,'o. Die Hornhaut des Frosches z. B. wird 5 Minuten mit Citronensaft, dann x\i Stunde mit Goldchlorid-Kalium und schliesslich 1 — 2 Tage mit einem schwach mit Essigsäure angesäuertem Wasser (2 Tropfen auf 30 cem Wasser) im Lichte behandelt. Die Golgi'sche Methode führt auch hier zum Ziele, indessen ist die Goldmethode bei diesem Objekt bei Weitem die sicherste. 319. Die Sklera wird in ähnlicher Weise untersucht. 320. Die Pigmentirung der Gefässschicht stört die Untersuchung und man wählt deshalb entweder albinotische Thiere, oder entfernt an fixirten Böhm-v.Davidoff, Histologie. 23 354 Technik der Retina. Augäpfeln das Pigment mit Wasserstoflhyperoxyd oder mit nascirendem Chlor. Letztere Methode wird ebenso wie beim Entosmiren (s. T. 139) angewandt. 321. Die Linse der erwachsenen Thiere und Menschen lässt sich in Schnitte kaum zerlegen, denn sie wird fast in allen Fixirungsflüssigkeiten sehr hart. Die vordere Linsenkapsel kann an abgetragenen Stücken vorher fixirter Linsen studirt werden. Die Linsenfasern bringt man durch Maceration der Linse in ^3 Alkohol (24 Stunden) zur Darstellung. Vor dem Einlegen wird die Linsenkapsel durch einen Einstich eröffnet. Auch mit starker Salpetersäure können die Linsenfasern isolirt werden. 322. Die Retina lässt sich au in toto konservirten Augen nur selten glatt erhalten. Man eröffnet deshalb den Augapfel in der Fixirungsflüssig- keit und lässt sie von innen her einwirken. Man kann auch die äusseren Häute in der Fixirungsflüssigkeit abpräpariren und die letztere von aussen auf die Retina einwirken lassen. 323. Ran vi er empfiehlt das Räuchern der Augen kleinerer Thiere (Maus, Triton) mit Osmiumsäuredämpfen (s. T. 16) 1/i — lh Stunde. Nach dieser Frist sind die Augen genügend fixirt und werden unter 1J3 Alkohol mit einer Scheere geöffnet. Nach 3 — 4 Stunden wird die hintere Augen- hälfte mit Pikrokarmin (T. 67) längere Zeit gefärbt, aus diesem abermals in eine l°/o Osmiumsäure für 12 Stunden übertragen, mit Wasser ausge- waschen, mit Alkohol nachbehandelt und geschnitten. Die Stäbchen kerne zeigen an Osmiumsäurepräparaten die Quer- bänderung, indem die Endtheile der Kerne stets dunkel erscheinen. Die Retina ist ein sehr günstiges Objekt für Mehrfachfärbungen, z. B. mit Hämatoxylin-Eosin, Hämatoxylin-Orange etc. Bei letzterer Färbung er- scheinen die Stäbchen- und Zapfenellipsoide besonders gefärbt. Man unterlasse nicht, auch Flachschnitte zu studiren. 324. Mit dem grössten Erfolge wendet man hier die Golgi'sche Methode an. Dabei ist zu bemerken, dass die Stützelemente der Retina sich viel leichter imprägniren als die nervösen, und dass letztere nur bei jugend- lichen Augen in grösserer Ausdehnung zur Darstellung gebracht werden können. 325. Die Anwendung der Methylenblaumethode (T. 298) führt ebenfalls zur Darstellung der nervösen Elemente der Retina, jedoch decken sich die hierbei gewonnene Bilder mit denen durch die Golgi'sche Methode erzielten nicht ganz. Trommelfell. 35-") IX. Das Gehörorgan. A. Das äussere Ohr. Der Ohrknorpel und der Knorpel des äusseren Gehörgangs unter- scheiden sich von dem typischen Netzknorpel insofern, als in ihnen faser- freie Territorien in ausgedehntem Maasse vorkommen. Man trifft jedoch elastische Netze konstant in der Nähe des Perichondrium. Die Haut des knorpeligen Gehörganges besitzt sehr wenig ausgeprägte Papillen und ist ausgezeichnet durch das Vorhandensein der Ohren- schmalzdrüsen, welche modifizirte und sehr stark entwickelte Schweiss- drüsen sind. Der Drüsengang kann sich theilen und mündet in der Regel oberflächlich in den Haarbalg der hier vorhandenen kleinen Haare. Das Corium ist verschiebbar. Die Haut des äusseren knöchernen Gehörganges hat weder Haare noch Drüsen und besitzt in der Nähe des Trommelfells schmale Papillen. Das Corium ist mit dem Perioste fest verwachsen. Das Trommelfell zerfallt in einen gespannten und einen schlaffen Theil (pars tensa et flaccida) ; von aussen nach innen kann man an ihm folgende Schichten unterscheiden: 1. den Hauttheil; 2. die Lamina propria und 3. den Schleimhauttheil. Die Epidermis des Hauttheiles (1) besitzt ein mehrschichtiges Epi- thel wie das der Haut, nur dass die oberflächlichen Schichten des Str. cor- neum noch kernhaltig sind. Die Cutisschicht ist sehr dünn und bildet ent- sprechend dem Verlauf des Manubriums des Hammers eine Verdickung, den sogen. Cutisstrang, welch letzerer Papillen besitzt und mit Gefässen und Nerven versehen ist. Die Lamina propria (2) geht in einen verdickten bindegewebigen Bing über, der am Sulcus tympanicus mit dem Perioste des letzteren ver- wachsen ist. Sie wird aus bindegewebigen Fasern zusammengesetzt, welche zwei Schichten erkennen lassen. In der äusseren verlaufen die Fasern radiär, in der inneren cirkulär. Die erste Schicht geht vom Ringwulst zum Umbo und zum Manubrium und ist an der Membrana flaccida entsprechend dem oberen Viertel des Manubriums und des kurzen Fortsatzes des Hammers unterbrochen. Die konzentrische Faserschicht beginnt ebenfalls am Ringwulst, wo sie am dicksten ist, verdünnt sich allmählich centralwärts und ist in der Nähe des Umbo überhaupt nicht mehr nachweisbar. Zwischen den beiden Schichten der Lamina propria findet man wenig lockeres Bindegewebe. Bekanntlich ist das Manubrium des Hammers im Trommelfelle ein- geschlossen. Dieses geschieht dadurch, dass die Fasern der Radiärschicht mit den äusseren Lagen des Perichondriums (der Hammergriff ist hier von 23* 356 Mittleres Ohr. einer dünnen Knorpelschicht überzogen) des Manubriums sich verbinden. Im hinteren oberen Quadranten des Trommelfells vermischen sich die beiden Schichten der Lamina propria zu unregelmässig verlaufenden Bündeln und Balken (Dendritische Fasergebilde, Grub er). Die Schleimhaut des Trommelfells besteht aus einem einschichtigen Plattenepithel, welches von der Lamina propria durch eine dünne, wenige Zellen enthaltende Bindegewebslage getrennt ist. Die Schleimhaut geht ebenfalls auf den Hammergriff über. An der Pars flaccida des Trommel- fells fehlt die Lamina propria, so dass der Hauttheil und die Schleimhaut sich hier unmittelbar berühren. B. Das mittlere Ohr. An die Schleimhaut des Trommelfells schliesst sich die Schleimhaut der Paukenhöhle unmittelbar an. An der Uebergangszone trifft man regel- mässige papillenartige Erhebungen. Das Epithel der Schleimhaut ist ein zweizeiliges und flimmerndes. Nicht flimmernd ist es, ausser am Trommelfell selbst, noch an der Ober- fläche der Gehörknöchelchen, ihrer Ligamente und am Promontorium. Das Stratum proprium der Schleimhaut ist mit dem Perioste innig verbunden. Kurze alveoläre Drüsen sind hie und da gefunden worden, namentlich in der Nähe der Tubenmündung. Die Gehörknöchelchen sind echte Knochen mit Havers'schen Kanälen und Lamellen ; mit Ausnahme des Steigbügels enthalten sie aber keine Markhöhle. An den Gefässen der Kanüle sind besonders schön die perivaskulären Räume zu sehen (Raub er). Der Hammer ist mit dem Ambos gelenkig verbunden und ist sowohl die Gelenk- fläche des Hammers, als die des Amboses mit hyalinem Knorpel überzogen. In die- sem Gelenk finden wir einen bindegewebs-knorpeligen Meniskus vor. An der Spitze des kurzen Ambosschenkels ist ebenfalls ein Knorpelplättchen angebracht. Auch zwischen dem Processus lenticularis des Amboses und dem Capitulum des Steigbügels ist ein Gelenk mit knorpeligen Gelenkflächen vorhanden. — Die Fussplatte des Steigbügels ist sowohl an der Basis, als auch an den Rändern mit Knorpel überzogen. Die Ränder der Fenestra ovalis sind ebenfalls knorpelig. Die Fussplatte ist in der Fenestra nach Art eines Halb- gelenkes befestigt, indem es an der tympanalen und vestibulären Seite zu straffen, ligainentartigen Bildungen kommt, während zwischen denselben das Bindegewebe mehr locker ist. Alle Knorpelstücke der Gehörknöchelchen mit Ausnahme der Gelenkknorpel sitzen auf dem Perioste (Rü dinge r 70). Die Fenestra rotunda ist von der Membrana tympani secundaria verschlossen, einer bindegewebigen Membran mit Gefässen und Nerven, deren äussere Wand wahrscheinlich von flimmerndem, die innere, der Scala tym- pani zugewandte Fläche vom platten Epithel des perilymphatischen Raumes dieser Skala überzogen ist. Die Tunica propria der Schleimhaut des Antrum und der Cellulae mastoideae ist mit dem Perioste unbeweglich verwachsen. Das Epithel ist ein einschichtiges, plattes, nicht flimmerndes. Tube. 357 Die Tube. Die Schleimhaut der knöchernen Tube ist sehr dünn und deren Stratum proprium mit dem Perioste fest verbunden. Das Epithel ist ein zweizeiliges, flimmerndes. Drüsen fehlen. Die Schleimhaut der knorpeligen Tube ist dicker und enthält Becherzellen; das Epithel ist ein höheres; das Stratum proprium zeigt lymphoides Gewebe, und es kommt mitunter zur Bildung von knotenähnlichen Gebilden, namentlich in der Nähe der Ausmündung der Tube. Drüsenlose _£ Partie der Tube '■' Knorpel ^^y- -? *%-p®2-|- Drüsen '""" '■ W u Stratum proprium des Pharynx -- Drüsen Fig. 240. Querschnitt der Ohrtrompete mit ihrer Umgebung. 12 mal vergr. Nach einem Präparat von Prof. Rüdinge r. In der knorpeligen Tube sind Schleimdrüsen vorhanden, welche besonders zahlreich in der Nähe des Ostium pharyngeum vorkommen. (Rüdinger 72. 2.) C. Das innere Ohr. Wir haben uns hier zunächst mit dem häutigen Labyrinthe zu be- schäftigen. Dasselbe besteht aus dem Utriculus mit den drei Bogen- gängen, welcher durch den in den Ductus endolymphaticus einmündenden Canalis utriculo-saccularis mit dem Sacculus in Verbindung steht. Dieser letztere verbindet sich durch den Canalis reuniens mit der häu- tigen Schnecke, dem Ductus cochlearis. 358 Utriculus und Sacculus. Der Ductus endolymphaticus zieht durch den Aquaeductus vestibuli und endet mit einem Saccus endolymphaticus subdural an der hinteren Fläche des Felsenbeines. Die Bogengänge besitzen zusammen bekanntlich drei mit Ampullen versehene und zwei nicht ampulläre Schenkel. Die Nerven verbreiten sich im häutigen Labyrinth an bestimmten Stellen, die als Maculae und Cristae und als Papilla spiralis be- nannt werden. Wir haben eine Macula im Utriculus, und zwar in dessen Recessus, — Macula acustica recessus utriculi und eine zweite im Sacculus gelegene, die Macula acustica sacculi; je eine Crista ist in der Ampulle des vorderen äusseren und des hinteren Bogenganges vorhanden, die Cristae acusticae ampullae anterioris externae et posterioris. Dazu kommt die Endausbreitung des N. acusticus im häutigen Schnecken- kanal, die Papilla acustica spiralis Cochleae (Corti'sches Organ). 1. Utriculus und Sacculus. Der Utriculus ist nur mit seiner inneren Wand mit dem Perioste des Recessus ellipticus verwachsen, an welcher Stelle die entsprechende Macula cribrosa liegt; durch dieselbe treten die Nerven zur Macula des Utriculus ein. Der Utriculus füllt nur einen Theil des Binnenraumes des knöchernen Recessus ellipticus aus; zwischen beiden bleibt ein Raum be- stehen, der von unter einander anastomosirenden Bindegewebsbälkchen durch- zogen ist und ebenso, wie die letzteren, von einem flachen Epithel be- kleidet wird. Die Bindegewebsbälkchen durchziehen diesen Raum und gehen einerseits in das Periost des Recessus, andererseits in die Utriculus- wand über. Dieser Raum ist ein perilymphatischer. Die Wand des Utriculus besteht aus faserigem Bindegewebe, welches nach innen zu fein und in dichter Anordnung erscheint. An der Stelle der Macula acustica ist die bindegewebige Wand am mächtigsten. — Das Epithel des Utriculus ist aussen an der Macula acustica ein niederes, cylindrisches und mit einer Basalmembran versehen. Das Epithel der Macula acustica ist ein hohes cylindrisches und ist aus zweierlei Elementen zusammengesetzt: 1. aus den sog. Stütz- oder Fa de nz eilen und 2. aus den Hör- oder Haarzellen. Die ersteren sind lange Epithelzellen, welche mit einfachen oder gespaltenen Fussplatten zur Basalmembran in Beziehung stehen. Sie haben einen ovalen Kern , welcher in der Mitte oder unterhalb der letzteren gelegen ist. — Die Haarzellen sind eigen thümliche, cylindrische , basal etwas verdickte und abgerundete Elemente. Das eine Ende erreicht die Oberfläche des Epithels, das andere, kerntragende erstreckt sich nur bis zur Hälfte der ganzen Schicht. Das freie Ende der Zellen ist mit einem Cuticularsaum versehen, auf welchem eine Anzahl längerer steifer Härchen Bogengänge. 359 sitzen, welche oft zu einem einzigen Haar verkleben. Auf der Oberfläche des Epithels (Nervenepithel) befinden sich stets Krystalle von kohlensaurem Kalk, Otolithen, mit einem central gelegenen, kleinsten Kügelchen (Schwalbe), welche in einer homogenen, netzförmig gerinnenden Membran (Otolithen membran) eingeschlossen sind. Die Nervenfasern verhalten sich hier folgendermassen : Sie treten durch die Wand in's Epithel, theilen sich dichotomisch und bilden in der Höhe der Basalenden der Hörzellen eine aus feinen Ramifikationen bestehende plexusartige Schicht (Stratum plexiforme). Einzelne Fäserchen gehen weiter hinauf und ihre Telodendrien stehen in inniger Beziehung zu den Hörzellen (v. Lenhossek, 94. 1). Ueber den Sacculus kann man dasselbe sagen, was eben über den Utriculus angegeben worden ist. 2. Die Bogengänge. Die häutigen Bogengänge füllen die knöchernen bei weitem nicht aus ; sie sind aber an ihrer konvexen Seite mit dem Perioste der knöchernen Gänge verwachsen. Auch kommt es hier zur Bildung eines excentrisch gelegenen perilymphatischen Raumes, der ebenfalls von Bindegewebsbälkchen durchzogen ist. Ein flaches Epithel, welches die periostale Fläche, die äussere Wand des häutigen Bogenganges und die Bindegewebsbälkchen überzieht, bildet auch hier die Wand des perilymphatischen Raumes. — Die bindegewebige Wand der häutigen Bogengänge ist ähnlich gebaut wie die des Utriculus und Sacculus. Hensen vergleicht ihren Bau mit dem der Grundschicht der Cornea. Die innere Wandschicht bildet beim Erwachsenen einige papillenartige Erhebungen, welche jedoch an der Anheftungsstelle des Bogenganges und an der dieser entgegengesetzten Seite zu fehlen pflegen. Das Epithel der häutigen Bogengänge ist ein einfaches plattes und überzieht gleichmässig die ganze Innenfläche, einschliesslich der erwähnten Papillen. Nur an der konkaven Seite des Bogenganges sind die Epithel- zellen schmäler und höher. Dieses höhere, innere, an der konkaven Seite hinziehende Epithel erstreckt sich bis in die Ampulle hinein und kenn- zeichnet die Stelle, an welcher sich die Bogengänge bei ihrer Entstehung aus der taschenförmigen Anlage abgeschnürt haben — Raphe. Die Ampullen anlangend (Fig. 242), ist zu erwähnen, dass das Epithel, ausser demjenigen der Raphe, ein plattes ist. An den Cristae acusticae aber hat das Nervenepithel die gleiche Beschaffenheit wie in den Maculis. Die den bei- den Enden der Crista unmittelbar sich anschliessenden Zellen sind hohe Cylinderzellen ; erst an diese schliesst sich das Platten epithel an. Die letzt- erwähnten Cylinderzellen bilden die sogenannten Plana semilunata. Auf dem Nervenepithel der Crista befinden sich ebenfalls Otolithen. Das der Oto- lithenmembran im Utriculus entsprechende Gebilde heisst die Cupula; an 360 Bogengänge. konservirtem Material präsentirt sie sich als ein Gerinsel ; in frischem Zu- stande ist sie, wenigstens bei niederen Wirbel thieren, als eine diskrete Bil- dung überhaupt nicht vorhanden. Häutiger Bogengang • <■■*■' / • ■«....•> -■:',.■ '•"■-■ - • ■■ ■■■: ■::', V- '.Blutgefäss v^: "Wand des häutigen Bogen- ganges Perilympha- tischer Raum Epithel des häutigen Bogen- ganges auf einer Papille Ligamentum Canaliculi ss~ v' 7 - lviiiH-lion Querschnitt des knöchernen und häutigen Bogenganges vom erwachsenen Menschen. Nach einem Präparate von Dr. Scheibe. 65 mal vergr. a Bindegewebiger Zug als Rost des Gallert^ewebes, Befestigunirsmittel dos häutigen Bogenganges, mit einom Gci'ass. 3. Die Schnecke. Bei unserer Betrachtung der Schnecke bezeichnen wir diejenige Rich- tung, welche die Achse des Modiolus mit der Oberfläche der Schnecke ver- bindet, als die radiäre (von innen nach aussen gehende); ein parallel der Lamina spiralis ossea gerichteter Verlauf würde als der spirale zu be- zeichnen sein. Schnecke. 361 Der Ductus cochlearis verbindet sich durch den Canalis reuniens mit dem Saceulus und ist selbst ein langer, an beiden Enden geschlossener Schlauch; das eine Ende ist der Vorhof- bliadsack, das andere der Kuppelblindsack (Lagena). Der Ductus cochlearis liegt inner- halb der Schnecke, in welcher er beim Menschen 23/4 Spiralwindungen beschreibt. Er ist ein eigenartig gestalteter und in der Schnecke in einer bestimmten Weise be- festigter, spiral verlaufender häutiger Schlauch, der zwischen den beiden Scalae der Schnecke gelagert ist. Die eine ist die Scala vesti- buli, die andere die Scala tympani. Beide Scalae sind perilymphatische Säcke. Durch das Helicotrema Brecheti gehen beide Scalen in einander über. Die Scala vestibuli steht mit dem Vesti- bulum in offener Verbindung; die Scala tym- pani hingegen verbindet sich mit dem peri- vaskulären Baume der Vene des Aquäductus Cochleae, welche letztere in den Bulbus Venae jugularis einmündet. Am Duct. cochlearis unterscheiden wir nun 1. die Aussenwand, welche innig mit dem Perioste der Schnecke verbunden ist; 2. die gegen die Scala tympani sehende tympanale Wand mit dem Corti'schen Organ und 3. die vestibuläre Wand oder die Beissner- sche Membran; letztere grenzt gegen die Scala vestibuli. Auf einem axialen durch den Modiolus gehenden Schnitt erscheint der D. cochlearis als ein drei- eckiger Baum. Die Spitze des Dreiecks ist an die Lamina spiralis geheftet (Fig. 243). Je höher der D. cochlearis in der Schnecke emporsteigt, um so mehr verändert er seine Form, indem seine Aussenwand kürzer wird, die beiden anderen aber länger. Die Bei ssner'sche Membran besteht aus einer äusserst dünnen, binde- gewebigen Lamelle und einem sehr platten, dieselbe von beiden Seiten über- ziehenden Epithel. Das dem Ductus cochlearis zugekehrte Epithel bildet mitunter kleine zottenaitige Erhebungen ; das zur Scala vestibuli gewendete Epithel, als ein Theil des den Lymphraum dieser Skala auskleidenden, besteht aus einer sehr platten Zellenlage. Die Aussenwand liegt einer Verdickung des Periostes der Schnecke an, welche Verdickung nicht aber im Bereiche des Ductus cochlearis aufhört, sondern sich eine Strecke weit in die Scala vestibuli und tympani fortsetzt um in diesen dünn auszulaufen. Das Periost und der bindegewebige Theil der Aussenwand des D. cochlearis bilden das Ligamentum spirale Fig. 242. Partie eines vertikalen Querschnitts der vorderen Ampulle mit der häutigen Wand, einem Theil der Crista acustica und dem Planum semilunatum. Nach Eetzius. a Plannm semilanatum ; b Cri>ta acustica: c Nervenfasern; d Blutee Tasse. 362 Schnecke. (Fig. 243). Das Lig. spirale zeigt zwei einwärts vorspringende Leisten, die Crista basilaris und die Prominentia spiralis. Zwischen dieser Prominenz und der Crista liegt der Sulcus spiralis extern us. Zwischen der Ansatz- stelle der Reissner'schen Membran und der Prominentia spiralis liegt das Gebiet der Stria vascularis. -:T Fig. 243. Schnitt durch die knöcherne und häutige Schnecke eines Meerschweinchens. 90 mal vergr. I Skala ve>tibuli; m Labium vestibuläre dos Lunbus; n Sulcus spiralis internus; o Nervenfasern ; p Ganglienzellen; q Blutgefäss; a Knochen; b Roissn or'scho Membran; l'c Ductus cochlearis; d Corti'sche Membran; f Prominentia spiralis, (Jorti'schos Organ; A Ligamentum spirale; i Crista basilaris; k Skala tympani. Das Periost des Lig. spirale ist sehr kernreich und geht nach innen zu in ein mehr lockeres Bindegewebe über. Das der Aussenwand des D. cochlearis selbst angehörende Bindegewebe ist sehr dicht, zellen- und gefassreich, geht aber innerhalb der Crista spiralis in ein glashelles, zellen- loses Gewebe über, welches in die später zu erwähnende Membrana basilaris sich fortsetzt. Ein Gefäss (das Vas prominens) kommt in der Prominentia spiralis regelmässig vor. — Das Epithel an der Stria vascularis besteht aus kubischen, dunkelgranulirten Zellen, welche keine Schnecke. 363 scharfe Grenze gegen das darunter liegende Bindegewebe zeigen , der Art, dass die hier vorhandenen Gefässkapillaren sich bis in das Epithel er- strecken. Auf der Prominentia spiralis sind die Zellen viel niederer, werden im Sulcus spiralis externus abermals höher und gehen dann allmählich in cylindrische Elemente der Crista spiralis und des angrenzenden Theiles der Membrana basilaris (Claudius'sche Zellen) über. Der bindegewebige Bestandtheil der tympanalen Wand des Ductus cochlearis wird als Membrana basilaris bezeichnet. Diese Membrana basilaris heftet sich aussen an die Crista basilaris des Lig. spirale, innen, d. h. gegen die Lamina spiralis ossea zu, an das Labium tympanicum des gleich zu er- wähnenden Limbus spiralis an. Die Lamina spiralis ossea besteht bekanntlich aus zwei Knochen- plättchen, welche die Ausbreitung des K". cochlearis zwischen sich fassen. Die vestibuläre Fläche der Lamina sp. ossea ist vom Periost bekleidet, welches in ein eigenthümliches Gewebe, die Crista spiralis, übergeht. Die letztere beginnt am Ansätze der Reissner 'sehen Membran, läuft peripheriewärts (nach aussen) in zwei Leisten aus, von welchen die eine, kürzere, in den Binnenraum des Ductus cochlearis hervorragt und in die Corti'sche Membran sich fortsetzt (Labium vestibuläre); die andere, längere, schliesst sich der Wandung der Scala tympani an und setzt sich in die Membrana basilaris fort (Labium tympanicum). Zwischen den beiden Leisten befindet sich eine nach aussen konkave Rinne, der Sulcus spiralis internus (Fig. 243). Das Gewebe, welches zwischen der An- satzstelle der Reissner 'sehen Membran und dem Labium vestibuläre den Limbus spiralis überzieht und in der Tiefe sich dem Periost anschliesst, ist fest und zellenreich und erinnert in seiner Beschaffenheit an die Grund- schicht der Hornhaut. Bei oberflächlicher Betrachtung meint man ein hohes cylindrisches Epithel vor sich zu haben. Bei näherer Besichtigung stellt es sich aber heraus, dass die zelligen Elemente von Fasern durchzogen werden, die bis zur Oberfläche reichen. Manche Forscher halten dieses Gewebe für Bindegewebsknorpel; andere dagegen halten es für ein Gewebe sui generis, bestehend aus von Bindegewebsfasern durchzogenen Epithelzellen. Die bindegewebige Wandung des Sulcus spiralis internus besteht aus kernlosem, fibrillärem Gewebe, welches in das Labium tympa- nicum sich fortsetzt. Letzteres wird von durchtretenden Nerven perforirt und es entstehen dadurch an dieser Stelle die Foramina nervi na. — Betrachtet man den Limbus spiralis von der Fläche, so sieht man am inneren Theil desselben (an der Membrana Reissneri) eine Reihe unregelmässiger Höcker, an der Aussenseite hingegen radiär verlaufende längliche Wülste die sogenannten Gehörzähne von Huschke. Das Gewebe des Labium tympanicum des Limbus setzt sich, wie er- wähnt, in die Membrana basilaris, welche zwischen dem Labium tympanicum und der Crista basilaris des Ligamentum spirale ausgespannt ist, fort. An 364 Corti'sches OrgaD. der M. basilaris unterscheiden wir die gegen das Innere des Ductus cochlearis gerichtete Fläche als die cochleare, die andere, gegen die Scala Tympani sehende, als Tympanale. Der Schichtung nach zeigt die Membr. basilaris 1. die M. basilaris propria, diese besteht a) aus radiär verlaufenden Fasern (Basilarfasern , Gehörsaiten); b) aus zwei dünnen Lagen homogener Sub- stanz , von welchen die tympanale dünner ist als die cochleare (letztere ist auch kernführend), und c) aus einer feinen, auf der cochlearen Seite ge- legenen Cuticula, von epithelialer Herkunft (s. u.); 2. die tympanale Beleg- schicht, Sie ist im jugendlichen Alter mächtig entwickelt, wird später dünner und lässt a) eine bindegewebige, als Fortsetzung des Periostes des tympanalen Theiles der Lamina spiralis ossea aufzufassende innere Lage, und b) eine flache zur Auskleidung des perilymphatischen Raumes der Scala tympani gehörende äussere Epithelschicht unterscheiden. In der Nähe des Labium tympanicum verläuft in der tympanalen Belegschicht ein Gefäss, das Yas spirale. Das oberflächliche Epithel des Limbus spiralis zwischen der Ansatz- stelle der Reissner'schen Membran und dem Labium vestibuläre ist ein flaches und bekleidet in kontinuirlicher Schicht die Gehörzähne und die da- zwischen befindlichen Thäler. — Das Epithel des Sulcus spiralis internus ist etwas höher. a) Das Corti'sche Organ. Im Gebiete des Labium tympanicum, des Limbus spiralis und des grösseren Abschnittes der anschliessenden M. basilaris ist das Epithel des Ductus cochlearis eigenthümlich modifizirt. Es stellt hier das Endausbreit- ungsgebiet des N. cochlearis dar und wird als Papilla spiralis oder als Corti'sches Organ bezeichnet, ist also ein Neuroepithel. Das Organon Corti kann in drei Abschnitte, die in radiärer Rich- tung von innen nach aussen auf einander folgen, gegliedert werden. Zum inneren Abschnitt gehören 1. die inneren Stütz- und 2. die inneren Hör- zellen; zum mittleren gehört der Corti'schen Bogen; zum äusseren 1. die äusseren Hörzellen und 2. die äusseren Stützzellen. Mit dem Corti'schen Organ stehen noch zwei Membranen cuticularen Ursprunges in Beziehung, die Lamina reticularis und die Membrana tectoria oder die Corti'sche Membran. Verfolgt man an der Hand der Fig. 244 das Epithel des Corti'schen Organs vom culcus spiralis internus an (in der Figur rechts), so sieht man, wie das erst flache Epithel sich wallartig erhebt, indem die Zellen höher werden. Es sind hier zwei Arten von Zellen zu unterscheiden, Stützzellen und innere Hör- zellen. Die Stützzellen folgen zunächst auf die flachen Zellen, werden von innen nach aussen allmählich höher und zeigen sich in 3 — 4 Reihen. An sie schliessen sich nach aussen die inneren Hörzellen an. Es sind cylindrische, basal etwas verdickte und abgerundete Elemente, ihr Kern ist basal gelegen. Corti'sches Organ. 365 An der freien Fläche zeigen sie einen elliptischen Cuticularraum, der etwas breiter ist als die Endfläche der Zelle selbst. Auf diesem elliptischen Saume tragen die Zellen beim Menschen circa 20 steife Härchen, die Hörhaare. Letztere stehen in einer geraden, oder schwach nach aussen convexen Linie. Es folgt der mittlere Abschnitt des Corti'schen Organs. Derselbe be- greift die langen, schlanken, der Membrana basilaris gespreizt aufsitzenden und oben sich bogenförmig verbindenden Gebilde in sich, die man Pfeilerzellen oder kurz Pfeiler nennt. Sie überspannen, indem sie sich mit ihren freien Enden verbinden, einen Raum, der, wie Fig. 244 sehen lässt, im Durchschnitt dreieckig erscheint. Es ist der Corti'sche Tunnel. Fig. 244. Kopie nach Retzius, auf die Hälfte reducirt. An der Stelle x ist die Corti'sche Membran abgehoben; o äussere Stützzellen; d äussere Hörzellen; / äussere Pfeilerzelle;