^ 7 LEHRBUCH DER PHYSIOLOGISCHEN CHEMIE mit Eiiisclilulj der physikalischen Cliemie der Zellen und Gewebe und des Stoff- und Kraftwechsels des tierischen Organismus IN VORLESUNGEN Von EMIL ABDERHALDEN PROFESSOR DR. MED. trr PHIL. H. C. DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN IN- STITUTES D. UNIVERSITÄT HALLE A.S. Fünfte, neu bearbeitete Auflage. I. TEIL. \m ORGANISCHEN NAHRUNGS8T0KFE UND Hill VKHHAIJEN IM ZELLSTOFFWECHSEL. MIT ■> FIGUREN. URBAN & SCHWARZENBERG BERLIN WIEN N., FRIEDRICHSTRASSE 105b I., M A H L E RST R ASSE 4 1923. QP 5/V r.i Alle Rechte, gleichfallH das der Übersetzung in die russische Sprache vorbehalten. Englische und russische Übersetzung erschienen. I'rinted in Austria. — Copyright, 1922, by Urban & Schwarzenberg, Berlin. üeriuaiii Vorwort Auf allen Teilgebieten der physiologisch^chemischen Forschung sind Fortschritte erzielt worden. Sie spiegeln sich in der Dar' Stellung der neuen Auflage des Lehrbuches wider. Es ist immer eine große Freude, an Stelle von bloßen Vermutungen und von Wahrscheinlichkeitsschlüssen festgefügte Tatsachen mitteilen zu können. Es sei in dieser Hinsicht hervorgehoben, daß unsere Kenntnisse über den stufenweisen Abbau der Kohlehydrate wesent^ lieh gefördert und ferner ganz enge Beziehungen zwischen Chole^ Sterin und der Cholsäure und ihren Verwandten aufgefunden worden sind. Die Art der Darstellung ist sich gleich geblieben. Es ist ab'- sichtlich nicht auf die Eigenschaften, die Darstellungsmethoden der einzelnen Verbindungen usw., eingegangen worden. Es sei in dieser Hinsicht auf das Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden, Bd. I — IX, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin— Wien, das Bio^ chemische Handlexikon, Bd. I — X, Verlag Julius Springer, Berlin, und das Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, Bd. I — X, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin — Wien, hingewiesen. Möge die neue Auflage wieder Freunde finden ! Sie soll Kunde davon geben, daß trotz aller Nöte der Zeit der Forschergeist un^ gebrochen und der Fortschritt der Wissenschaft unaufhaltbar ist. Halle a. S., im Oktober 1922. Emil Abderhalden. InhaltsYerzeiclinis. Seite Vorlesung I. Einleitung 1 Vorlesung IL Kohlehydrate. Allgemeines. — Monosaccharide. — Glukuronsäure. — Stickstoft- haltige Kohlehydrate. — Zyklosen 12 Vorlesung III. Kohlehydrate. II. Polysaccharide. Glukoside 46 Vorlesung IV. Kohlehydrate. III. Bildung der Kohlehydrate im Pflanzenorganismus. Die Rolle der Biattfarbstoffe bei der Synthese von organischer Substanz aus Kolilen- säure und Wasser. Die Herkunft der Asymmetrie der Bausteine der Lebe- wesen 75 Vorlesung V. Kohlehydrate. IV. Verhalten der Kohlehydrate im tierischen Organismus. Abbau der zusammengesetzten Kohlehydrate im Darmkanal. Wirkung der Darm- flora auf die Kohlehydrate 9ö Vorlesung VI. Kohlehydrate. V. Verhalten der Kohlehydrate im Zellstofifwechsel. Ihr Auf- und Abbau. Die Stoffwechselzwischen- und -endprodukte der Kohlehydrate . . .111 Vorlesung VII. Kohlehydrate. VI. Die Regulation des Kohlehydratstoftwechsels. — Alimentäre Glukosurie. — Zuckerzentrum. — Bedeutung der Nebennieren für den Zncker- stoff'wechsel der Leber 142 Vorlesung VIII. Kohlehydrate. VII. Die Beziehungen der Pankreasdrüse zum Kohlehydratstoft- wechsel 108 Vorlesung IX. Kohlehydrate. VIII. Diabetes melitus 17.S Vorlesung X. Kohlehydrate. IX. Bildung der Azetonkörper. Phlorhizinglukosnrie. Herkunft der Kohlehydrate im tierischen Organismus 1!^9 Vorlesung XL Fettstoffe und ihre Bausteine. Fettsäuren und Glyzerin 210 VI Inhaltsverzeichnis. Seite Vorlesung XII. Fette mit hochmolekularem einwertigem Alkohol als Baustein. Sterinester. Sterine. Gallensäuren . 224 Vorlesung XIII. Phosphatide und ihre Bausteine 238 Vorlesung XIV. Fette. Phosphatide. Sterine. Bildung der Fette, Phosphatide und ihrer Bausteine, sowie der Sterine im Pflanzenreich. Verhalten der Fette und Phosphatide im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Darmkanal 253 Vorlesung XV. Fette. Phosphatide. Sterine. 2. Das Verhalten der Fette, Phosphatide und Sterine im tierischen Organismus. Ihre Beteiligung am Zellstoffwechsel. Die^Stotf- wechselzwischen- und -endprodukte der Fette und Phosphatide und ihrer Bausteine 271 Vorlesung XVI. Fette. Phosphatide. Sterine. 3. Die Wechselbeziehungen der Bausteine der Fette zu denen der Eiweißstoife und zum Traubenzucker. Das Verhalten der Phos- phatide und der Sterine im Zellstoffwechsel 29U Vorlesung XVII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. Aminosäuren 310 Vorlesung XVIII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 2. Aminosäuren. Die Art ihrer Verknüpfung im Eiweißmolekül. Peptone. Polypeptide 340 Vorlesung XIX. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 3. Die Struktur der Eiweißstoffe. Polypeptide als Bestandteile der Peptone 3ßl Vorlesung XX. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 4. Eigenschaften der Eiweißstoffe. Ihre Ein- teilung, Zusammensetzung und ihr Vorkommen 383 Vorlesung XXL Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 5. Bildung der Aminosäuren und der Eiweiß- stoff'e im Pflanzenorganismus. Assimilation des Stickstoffs. Sein Kreislauf in der Natur. Herkunft der übrigen am Aufbau der Proteine beteiligten Elemente 40.5 Vorlesung XXII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 6. Der Eiweißstoffwechsel der Pflanze. Die Be- ziehungen der Aminosäuren zu den Betainen und Alkaloiden. Abbau der Aminosäuren in den höheren Pflanzen, ferner durch Bakterien und Hefe- zellen 432 Vorlesung XXIII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 7. Verliaiten der Eiweißstoffe im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Magendarmkanal 4(11 Inlialtsverzeichnis. VII Seite Vorlesung XXIV. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 8. Verhalten der Eiweißstoöe im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Darmkanal 485 Vorlesung XXV. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. U. Verhalten der Aminosäuren im Darmkanat. Die Wirkung der Darmflora ... 504 Vorlesung XXVI. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 10. Verhalten der von der Darmwand auf- genommenen Abbaustufen der Proteine jenseits des Darmkanals 5'mA %onAVcA/ra7d.- Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 48. 1847(1915). •') Eine klare Vorstellung über die Struktur und Konfiguration asymmetrisch ge- bauter Verbindungen kann man aus derartigen, gewissermaßen in eine Ebene projizierten Formeln nie erhalten. Sie ist nur zu erreichen, wenn man au Hand eines Modells eine räumliche Betrachtung der Lagerung der einzelnen Atomgruppen vornimmt. Kohlehydrate. 23 — — ~r >. c c >^. E a: o :-) -— ^ ^ w s ffi ^" o u '^ ^ O/ u 3 c o J2 c :^' c9 ^, ^."3 x :i: E o o — o — c o a ^ — > = 'S- -3 g ^ o o Co s 'S, I 13 32 ö o z c - 33 32 t c cö Ci- o 5 ^_^ ,1 3f 32 ■ ^ o- -o " — ^ s — zc o c 32 32 S '/^ c z 32 32 13 a ^ 0, ■~ ^-;' ^ 0 i t; 32 0 ". ;5 — >► Q '"^ ^ 23 32" 32 32' — ' 0- — o- — w t 32 32 O n3 -^ ja A 1 C 32:a ^— O ,=- 32 X 3: = o o — « a ::-) 32 3 O — o 32'"^ '24 II. Vorlesuncf. zeigt die von Emil Fischer aufgestellten Konfigurationsformeln ^) der Hexosen.'-) i H— *C— OH H— *C— OH HO- HO -*C— H 1 -*C— H CH2 OH l-Mannose C //O \H i HO-*C— H H— *C-OH i HO— *C— H H_*C-OH I CH2OH 1-Idose I HO— *C— H HO— *C— H H-*C— OH H— *C— OH CH2 OH d-Maiinose 1 H— *C— OH I ' HO— *C— H H— *C— OH HO— *C— H I CH2OH d-Idose P^O 1 HO— *C— H H— ->^C— OH I HO— *C— H I HO— *C— H CH. OH 1-Glukose 0\H H— *C-OH I H— *C— OH HO— *C— H H— *C— OH I CH. OH 1-Gulose P^O 0\jj I H— *C— OH I HO— *C— H I H— *C— OH H— *C— OH CH2 OH d-Glukose P^O HO— *C— H I *C— H I *C— OH HO H HO— *C— H I CH2 OH d-Gulose ') Emil Fischer hat [Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 45. 461 (1912)] die Frage nach der Struktur der Glukose wieder aufgerollt und gibt ans mehrfachen Gründen die hier wiedergegebenen Aldehydformeln zugunsten der von Tollens [Ber. d. Deutschen ehem. Ges. 26'. 2406 (1893)1 aufgestellten ..Oxydo-Formeln" auf: CHüH oder ()bwohl diese Formeln vielen Beobachtungen au Zuckern, wie dem Auftreten isomerer Glukoside, ferner der Multirotatiou, besser Rechnung tragen als die ,,Garl)onyl- Formeln", wollen wir die letzteren beibehalten, weil sie in übersichtlicherer Weise die Beziehungen der Zuckerarten zu dem entsprechenden Alkohol und den zugehörigen Säuren wiedergeben. Von den Oxydoformeln werden wir bei der Darstellung der (iluko- side Gebrauch machen. *) Auch für die übrigen kohlenstoft'ärmereu Zucker sind Konfigurationsformeln aufgestellt. — Vgl. zu dem Problem der Konfiguration und insbesondere der Zusammen- Kohlehj drate. 1 ^\H 1 ^\H 1 C\p^ OH- -*C— H H- -*C— OH H— *C— OH HO— *C- H 1 H- -*C— OH OH- -*C— H H— *C— OH HO— *C— H H- -*C— OH OH- -*C— H H_*C— OH • HO— *C— H 1 OH- -*C— H H- -*C— OH OH— *C— H 1 H— *C— OH 1 CH, OH CH., OH CH, OH CH, OH 1-G; alaktose (1-Galaktose 1-Talose d-Talo^e 1 r//0 C\fj 1 C\H 1 HO- 1 -*C— H H- -*C— OH H— *C— OH 1 HO— *C- H HO- -*C— H H- -*C— OH HO— ^C— H H— *C— OH HO- -*C— H 1 H- -*C— OH 1 HO— *C— H H— *C— OH HO- 1 -*C— H 1 H- -*C— OH HO-*C— H H— *C— OH 1 CH, OH CHaOH CH, OH CH, OH l-AUose d- -AHose 1-Altrose d- Alt rose 2o (noch nicht dargestellt) (noch nicht dargestellt) Das tiefere Eingehen auf diese physikalischen und chemischen Er- örterungen rechtfertigt sich vollauf durch die große Bedeutung, die diese Forschungen auch für die Biologie im Gefolge hatten, und in der Tat wird es nicht möglich sein, sich ein genaues Bild des Kohlehydratstoff- wechsels zu machen, ohne gründliche Kenntnis der kurz berührten Struktur- und Konfigurationsfragen. ^) Nicht ohne Interesse für die Biologie ist die Art und Weise, wie auf .syn- thetischem Wege aus kohlenstoffiirmeren Zuckerarten kohlenstoff reichere erhalten worden sind. Wie die oben angeführten Formeln zeigen, enthalten diese Zucker eine Aldehydgruppe. Diese besitzt nun die Fähigkeit, sich gehörigkeit vou V'erl)iu(liiugeii mit eutsprecheuder räumlicher Auorduimg der Atome : H. Freudenberg : Ber. d. Deutschen Chem. des. 55. 1339 (1914). — H. Fremlenberci uud Fritz Braun: Ebenda. 55. 1339 (1922). — A. Wohl und K. Schellenberg: Ebenda. 55. 1404 (1922). ') Da genau dieselben (jesichtspunkte sich auch bei den anderen Klassen von Verbindungen, insbesondere bei der Gruppe der Bausteine der Eiweißkörper wiederholen werden, empfiehlt sich ein genaues Studium der angeführten Werke. 26 II. Voiiesunff. mit Cyanwasserstoff (Blausäure) zu binden. Durch Verseifung des ge- bildeten Cyanhydrins und nachfolgende Reduktion erhält man, wie E. Fischer und später Kiliani i) gezeigt haben, einen neuen Zucker, der sich von dem Ausgangsmaterial durch den Mehrgehalt an einem Kohlen- stoffatom unterscheidet. Es ist auf diesem Wege nicht nur gelungen, von den einfachsten Gliedern der Kohlehydratgruppe zu den Hexosen zu ge- langen, sondern darüber hinaus zu Zuckern mit 7, 8 und 9 Kohlenstoff- atomen. 2) Die folgenden Formeln zeigen diese Synthese am Beispiel einer Triose : CN C<^ CH.OH CH. OH + HCN = CH.OH 4- 2 H.^ 0-NH I- I CH.,.OH [ CH2 . OH •iose Cyanh; ^^drinderivat COOH y\H CH.OH ! — 0 = CH.OH CH.OH 1 CH.OH 1 CH2.OH CH,..OH Säure Tetrose Vielleicht wirft diese Synthese Licht auf die Bildung der verschie- denartigen Zuckerarten im Pflanzenorganismus. Dieser kommt gewiß oft in die Lage, aus Kohlehydraten mit niederem Kohlenstoffgehalt solche mit mehr Kohlenstoff aufzubauen. Die Möglichkeit derartiger Umwandlungen hebt die scharfen Unterschiede zwischen den einzelnen Zuckergruppen mit verschiedener Kohlenstoffzahl auf und vereinigt chemisch wie biologisch die verschiedenen Klassen zu einer grolien Einheit. Besonders innig sind die Beziehungen zwischen einzelnen Hexosen dadurch geworden, daß auch künst- lich Vertreter derselben Gruppe, wie Traubenzucker, Mannose und Fruchtzucker, durch abwechselnde Oxydation und Reduktion ineinander übergeführt werden können. In diesem Zusammenhange sei noch der Ver- bindung Glukal gedacht, dem nach allen ihren Eigenschaften die Formel V) Kiliani: ßer. d. Deutscheu Cliem. Ges. 18. 3066 (1885); 19. 221, 767. 1128 (1886). *J Emil Fischer: Liebig?, Annaleu. 270. 64 (1892). Kohlehydrate. 27 «ines Dihydrofurans gegeben worden ist.») Sie vermittelt die Beziehung der Glukose zur Mannose-): H< ) . HC- HC- H— C— OH I (JH— C— H I H— C 0 H— C— OH I GH., . OH d-Glukose — >- CH I HO— C H H— C H— C— OH I CH, . OH Olukal 0 HO . HC- HO— C— H 1 H()_C— H H— C 0 H— C— OH 1 CH, . OH d -Mannose Umgekehrt kann aus einem Zucker bestimmter Zusammensetzung ein solcher mit niederer Kohlenstoffanzahl hervorgehen. So beobachteten Salkoicski und NeKheir/ ^j, daß aus der zum Traubenzucker in engster Be- ziehung stehenden Ghikuronsäure bei intensiver f'äulnis Kohlensäure abgespalten wird. Es entsteht eine Pentose, nämlich die Xylose: c4 1 CA^ P^^^ nA^ ^\H yXH Y^H H— C— OH H— C— OH H— C— OH I 1 I HO— C— H HO— C— H H— C— OH HO— C— H H— C— OH H— C— OH I I I CH, OH CH2 OH GH., OH 1-Arabinose 1-Xylose d-Uibose. ») ') E. Salkowski uud Jastrowitz: Zeutralbl. f. med. Wisseuschafteu, Xr. 19 iiud 35. 337 u. 593 (1892). -) M. Bial: Berliner kliu. vVocheuschr, Xr. 21 (1904). — Die chronische Pentosurie, Berliner Klinik. 19. Heft 226 (1907). ') M. Bial und F. Bhimenfhal : Deutsche med. Wocheuschr. 22 (1901). — F. Blum: Zeitschr. f. klin. Med. 59. 244 (1906). *) Es gibt allerdings eine Ausscheidung von Pentoseu, die abhiingig ist von deren Zufuhr. Sie wird am besten als alimentäre Pentosurie bezeichnet 5) A. Kossei: Verhandl.der phys.Ges., Berlin, im Arch.f.Pbys. (u. Anat.) 157(1893). «) 0. Hammarsten: Zeitschr. f. physiol. Chemi(>. 19. 19 (1.S94). - Vgl. auch Ferd. Blumenthal: Zeitschr. f. klin. Med. 34. 160 (1898). — J. Wohlfimiuth : Zeitschr. für physiol. Chemie. 37. 375 (1903). ') E. Salkowski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 27. 507 (1899). ") Georo Grund: Zeitschrift für physiol. Chemie. 35. 111 (1902). — Vgl. auch Ernst Bendix und Erich Ebstein: Zeitschr. f. allgeni. Physiologie. 2. Heft 1. 1 (1902) — E. Ebstein: Zentralbl, f. Stoffwechsel- und \'erdauungskrankheiten. 3. 503 (1902). ®) B. Tollens u. F. Rorive: Ztschr. d Vereins d. Deutsch. Zuckerindustrie. 59. 642. 30 II. Vorlesung. Bis vor kurzem galt die 1-Xylose als die einzige sogenannte Organ- pentose. Bang ') hatte sie zum erstenmal aus einem zusammengesetzten Eiweißkörper, Proteid genannt, der Pankreasdrüse abgeschieden. Xeuberg-} bezeichnete sie ai?f Grund seiner Beobachtungen als 1-Xylose. Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Pentose am Aufbau von Zellbestandteilen Anteil hat. Jedenfalls ist bis jetzt als Pentose in bestimmten Nukleinsäuren ausschheßlich die d-Ribose nachgewiesen. 3) Die im Harn vorkommende Pentose wird von Neuherg für inaktive Arabinose gehalten.*) Es scheint jedoch nach L«/^2a^oä) auch die 1-Ara- binose auftreten zu können. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die soge- nannte Harnpentose nicht Arabinose, sondern eine andere Pentose ist, wenigstens deuten eigene Beobachtungen an einem Fall von Pentosurie darauf hin. Sie ist auch als Ketopentose (d-Lyxose bzw. Xyloketose)") angesprochen worden.') Da somit die Natur der Harnpentose noch nicht klargestellt ist, so können wir auch über ihre Herkunft und Entstehung^ nichts aussagen. Dieses Beispiel zeigt uns besonders eindringhch , wie sehr die eindeutige Beantwortung von Stoffwechselfragen von einer klaren Erkenntnis des Aufbaues der an ihm beteiligten Produkte abhängig ist. Zu jeder der Pentosen gehören je ein Alkohol und zwei Säuren, wie die folgende Übersicht zeigt: Aldose Alkohol Einbasische Zweibasische Säure Säure Arabinose Arabit Arabonsäure Trioxyglutarsäure Xylose Xylit Xylonsäure Xylo-Trioxyglutarsäure Ribose iVdonit (Ribit) Ribonsäure Ribo-Trioxyglutarsäure. Im Pflanzenreich sind verschiedentlich Pentosen aufgefunden worden, die eine Methylgruppe besitzen, sogenannte Methylpentosen. So ist die Methylpentose Fukose'*) im Seetang, in der Alge Porphyria lacinata und ferner in vielen Blättern und Blüten enthalten. Weitere Methylpentosen sind : die Rhamnose, die Chinovose, die Rhodeose und die Isorhodeose Die Konfiguration der 1-Rhamnose, die wir als Beispiel der Stuktur einer Methylpentose hier anführen, ist von EniU Fischer und Karl Zach^) durch Überführung von Traubenzucker in diese Verbindung ganz auf- geklärt worden: ') Ivar Bami: Zeitschr. f. physiol. Chcmio. 31. 411 (1900/01). '■*) Carl Neiiberg : Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 35. 1467 (1902j. ') P. A. Levene und Jacobs: Berichte d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 42. 1198,. '2102, 2469. 2474(1909). — HaisermuX Wenzel: Monatshefte f. Chemie. 31. 357(1910). *) ('arl Neuherg : Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 33. 2243 (1900). ^) Biccardo Luzzato: Hofmeistern Beiträge. 6. 87 (1904). — Archiv f. exper. Path. II. Pharmak. Suppl.-Bd. 366 (1908). •<) AlmaHiller: .1. of biul. Chem. 30. 129 (1917). ') F. A. Levene und F.B. La Forge: J. of biol. Chem. 18. :-^19 (1914). - Vgl. anch Ernsf Zerner wüd liudolßne WalUich: Monatshefte f. Chemie. 35. 1025 (1914). *) Bieler und Tollens: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 22. 3062 (1889). — Günther und l'ollens: Ebenda. 23. 2585 (1890). — Ma'. LepiMc \\m\ Boulud : Compt. rend. de lAcad. des Sciences 133. 138 (1901); 134. 398 (1902); 141. 453 (190.Ö) und .Toiiru. de physiol. et de pathol. gener. sept. 775 (1905) und Nr. 4. .luillet, 581 T.tOfiV 40 'I- Vorlpsuug. lind Indol im Darmkanal aus bestimmten Aminosäuren durch Bak- terien gebildet werden. Die (ilukuronsäure paart sich außerdem mit zahlreichen \erbindungen bestimmter Konstitution, die dem Organismus neben den Nahrungsstoffen zum Teil zu therapeutischen Zwecken, zum Teil, um bestimmte Fragestellungen zu studieren, absichtlich zugeführt worden sind. Sie paart sich mit (Jliedern der aliphatischen (mit Alkoholen, Alde- hyden, Ketonen etc.) und der aromatischen Reihe. Am bekanntesten sind die Verbindungen mit Kampfer und Chloral. Die Zahl der beobachteten gepaarten Glukuronsäuren ist eine sehr große.') Ihre Konstitution ist von C. Xeuberg und E. Xeimaiin'^) durch die Synthese der Phenolglukuron- säure aufgeklärt worden und durch den von A'. Salkowski und C. Neu- herg'^) geführten Nachweis, daß das künstlich erhaltene Produkt mit dem natürlich gewonnenen in seinen Eigenschaften übereinstimmt. Die Phenol- glukuronsäure besitzt nach diesen Autoren die folgende Konstitution : CH . (J_CW1. Phenolrest HC OH CO OH. Außer dieser Art von (Jlukuronsäureverbindungen sind von Jqf^*) und später von Maynm-Lcvy'^) (Jlukuronsäurepaarlinge beobachtet worden, die als Ester aufzufassen sind. Sie sind unbeständiger als die oben erwähnten Glukuronsäureverbindungen vom Glukosidtypus. Hierher gehört z. B. die nach Benzoesäureeingabe auftretende Benzoyl-glukuronsäure: C^H . 0 OC . C, Hf. HC OH CO OH. ') Namentlich llildehmndt hat eine sehr ^rnße Zahl dieser Verbindungen studiert. Vergleiche Carl Xculierg und Rewahl : Biochem. Handlexikon. 2. 521 (1911), ferner Yuho Hämäläinen: Skand. Archiv f. Physiol. 23. H() (1909). ') Carl Neuberi/ und Wilheh» Xeimatw: Zeitschr. f. pbysiol. ('hemie. 44. 114(190.o). V) K Salkowski und C. Neuhen/: Biochem. Zeitsclir. 2. 307 (1907). *) M. Jaffe: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 374 (19U4). *) A. Magnus-Levy : Biochem. Zeitschr. 6. ."i02 (1907). - Vgl. hier/u auch E. Sal- kowski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1. 2ö. (1877) und 4. 135 (1880). Kohlehydrate. 41 Die Kenntnis der Glukiirons<äure und ihrer Eigenschaften ist prak- tisch von allergrößter Bedeutung, weil eine große Anzahl von Medikamenten von ihr gebunden werden., Die Glukuronsäurepaarlinge gelangen dann im Harn zur Ausscheidung. Die Glukuronsäure selbst reduziert Metalloxyde bei alkalischer Reaktion. Viele Paarlinge, die an und für sich nicht redu- zieren, werden durch das Alkali gespalten. Es tritt dann beim Erwärmen der Lösung Abscheidung von reduziertem Metalloxyd ein. Dieses Verhalten der Glukuronsäure kann leicht zu Täuschungen Veranlassung geben. Gewiß sind eine große Anzahl von sogenannten vorübergehenden Zuckerausschei- dungen im Harn auf eine vermehrte Glukuronsäureausscheidung in Form leicht hydrolysierbarer Paarlinge zurückzuführen. So beobachtete ich selbst einen Fall von angeblicher Zuckerausscheidung im Gefolge von Schar- lach bei einem Kinde. Die Untersuchung des Harnes ergab starke Re- duktion von Kupferoxyd in alkalischer Lösung. Der Harn zeigte jedoch kein Gärungsvermögen. Ferner drehte er nach links. Das Vorhandensein von Glukuronsäure bzw. von (ilukuronsäurepaarlingen kann mittelst Farb- reaktionen festgestellt werden. Mit a-Naphtol, Phlorogluzin und Orzin erhält man die gleichen Färbungen, wie mit den Pentosen. Einen sehr schönen Farbstoff erhält man, wenn man eine Glukuronsäure enthaltende Flüssigkeit mit alkoholischer Naphtoresorzinlösung und rauchender Salzsäure versetzt. i) Der sich bildende Farbstoff löst sich in Äther mit blau- oder rotvioletter Farbe. Wir werden auf die Glukuronsäure und ihre Bedeutung noch zurück- kommen. Es sei schon hier bemerkt , daß wir allen Grund haben anzu- nehmen, daß sie auch in der tierischen Zelle aus (Tlukose durch Oxydation der primären Alkoholgruppe hervorgeht. Kurz erwähnt sei noch, daß auch Zucker mit verzweigter Kohlen- stoff kette bekannt geworden sind. Eine solche besitzt die aus dem Apiin, einer in der Petersilie vorkommenden Verbindung, gewonnene Apiose. 2) Sie ist eine ;i-Oxymethylerythrose,i;Jj-[^J[j>C(OH). CH OH . C<;J^. Es unter- liegt keinem Zweifel, daß die Apiose nicht der einzige Vertreter dieser Klasse von Verbindungen ist. Im Anschluß an die einfachen Zuckerarten seien noch zwei Klassen von \'erbindungen erwähnt, die ohne Zweifel Beziehungen zu diesen haben. Es sind dies die stickstoffhaltigen Kolileliydrate und gewisse aromatische Verbindungen. Diese letzteren hat man, um ihre nahe Zu- gehörigkeit zu den Kohlehydraten hervorzuheben, mit der Silbe -ose aus- gezeichnet. Die andere Silbe des Namens der Vertreter dieser Gruppe — Cyclosen — besagt uns, daß zyklische, d. h. aromatische Verbindungen vorliegen. Von den Stickstoff enthaltenden, zu den Kohlehydraten in Be- ziehung stehenden Verbindungen sei in erster Linie (ilukosamin (Chitos- amin) genannt. Es ist bei der Spaltung von Chitin aufgefunden worden. *) B. Tollens: Berichte der DeutKchen Ghem. Gesellschaft. 41. 1788 (1908). — ('. Tollens: Münchener med. Wochenschr. 56. 652 (1909). — Vgl. hierzu auch Mandel und C. Neuberg: Biochem. Zeitschr. 13. 148 (1908). — C Neuberg : Ebenda. 24. 436 (1910). *) E. Vorgerichten: Liehigs Annalen. 321. 71 (1902). 42 II- Vorlesimg. Chitin ist eine zusammengesetzte Verbindung, die insbesondere bei den Ar- thropoden sehr verbreitet ist. ^) Große Mengen Chitin finden wir ferner bei den Crustaceen.-) Der Ilummerpanzer ist das beste und ergiebigste Aus- gangsmaterial für Cliitin und das daraus zu gewinnende Glukosamin. Chitinmembranen sind auch bei manchen Pilzen ■^) und Flechten aufgefunden worden. Die Struktur des Chitins ist noch nicht aufgeklärt. Nach den einen*) ist es ein polymeres Monoazetyldiglukosamin, nach anderen^) ist je ein Molekül Glukosamin mit drei Molekülen Azetylglukosamin unter Austritt von yier Molekülen Wasser verbunden. Das Glukosamin findet sich außer in Chitin interessanterweise als Baustein mancher Eiweißstoffe, so des Muzins. Ferner ist es Baustein der aus verschiedenen Geweben gewonnenen Mukoitinschwefelsäure. Die Konstitution des Glukosamins ist von Emil Fischer und Hermann Leuchs'^) aufgeklärt worden. Es ist als ein Derivat des Traubenzuckers oder der d-Mannose zu betrachten, in dem das in a-Stellung befindliche Hydroxyl durch die Aminogruppe NH., ersetzt ist. Seine Konfigurationsformel ist folgende. Wir stellen sie, um die nahen Beziehungen zur Glukose zum Ausdruck zu bringen, neben diese'): H— C — OH H — C — NH^ HO— C— H HO — (^ H I I H— C — OH H — C— OH H — C — OH H — C — OH I I CH, OH CHo OH d-Glukose d-Glukosamin. Das Glukosamin ist eine sehr interessante Verbindung. Sie vermittelt den Übergang zu den Oxy-a-aminosäuren, denen wir bald als Spaltprodukte der Proteine begegnen werden, und so schlägt das Glukosamin gewisser- maßen eine Brücke von den Kohlehydraten zu den Bausteinen der Eiweiß- ») Vgl. D. II. Westc.r: Zoolog. .Talirbuch. Abt. f. System. 2«. 531 (1910). -) Ledderhose hat das ülukosamiu entdeckt; vgl. Zeitscbr. f. physiol. Chemie. 2. 213 (1878/1879) und 4. 139 (1880). — Vgl. auch H. SteiideJ : Ebenda. 34. 353 (1902). ') E. WinUrstein : Berichte der Deutschen Chem. (iesellsch. 27.3113(1894) und 28. 168 (1895). ~ Emil Seholl: Monatshefte f. Chemie. 29. 1023 (1908). *) Th. R. q/fer: Biochem. Zeitscbr. 7. 120 (1908). — ^'. Fränkel und A. Kelhi : Monatshefte f. Chemie. 29. 1023 (1908). - Vgl. auch 0. r. Fürth und M. Russo: Hof- meistern Beiträge. 8. 163 (190(5). — Emil Loewtj: Biochem. Zeitscbr. 23. 47 (1909). — Hugo Brach: Biochem. Zeitscbr. 38. 4(i8 (1912). 5) .7. C. Irvine: .iourn. Cbeni. Soc. 95/96. 546 (1909). *) Emil Fischer und tiermann Leuchs : Berichte der Deutschen. Chem. Gesellscb. 35. 3787 (1902). - Ebenda. 36. 24 (1903). ') James J r rine \.]oura. of chem. Soc. 101. 1128 (1912)] hat d-ülukosamin in d-Glukose übergefiibrt. — Vgl. aucli P. A. Lerene: .Iourn. of biol. Chem. 36. 73, 89 (1918). Kohlehydrate. 43 körper. Über die physiologische Bedeutung des Glukosaniins wissen wir vorläufig noch nichts. Bei Verfütterung von Glukosaniin konnte bis jetzt keine Beziehung zum Kohlehvdratstoffwechsel aufgefunden werden^), womit natürlich nicht bewiesen ist, daß das im Eiweiß vorhandene, in bestimmter Form gebundene Glukosamin beim Abbau dasselbe Verhalten zeigt, wie die künstlich in freiem Zustande zugeführte Verbindung. Hervorgehoben sei noch, daß aus Lycoperdon eine interessante, aus zwei Molekülen Glukosamin und Ameisensäure bestehende Verbindung, das Lycoperdin, gewonnen worden ist.^) Bei der Zerlegung der zuerst aus Knorpel und später auch aus anderen Geweben erhaltenen Chondroitinschwefelsäure ist ferner eine dem Glukosamin isomere Verbindung, das Chondrosamin, erhalten worden. Es hat nach Levene^) die Konstitution eines von der Pentose d-Lyxose sich ableitenden Hexosamines. Von den Cjcloseii ist nur eine \'erbindung bekannt, die, soweit unsere Kenntnisse reichen, sich regelmäßig im Organismus der höher organisierten Tiere vorfindet nämlich der i-Inosit. Er ist von Scherer*) im Muskel entdeckt worden. Später wurde nachgewiesen, daß der Inosit in den verschiedensten Organen, kurz in allen Zellen des tierischen Orga- nismus anzutreffen ist. Er tritt auch immer im Harn auf.^) Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob der Inosit vorgebildet ist oder aber erst sekundär aus einer kompliziert gebauten Verbindung abgespalten wird.*') Soviel ist sicher bewiesen, daß freier Inosit in tierischen Geweben vor- kommt.-) Ob er daneben auch als Baustein am Aufbau zusammengesetzter Verbindungen teilnimmt, ist unbekannt. Wegen seines Vorkommens im Muskelgewebe, seines süßen Geschmackes und seiner mit den Hexosen gemeinsamen empirischen Zusammensetzung wurde der Inosit früher unter die Zucker eingereiht und kurz als Muskel- zucker bezeichnet. Nachdem festgestellt worden war. daß eine aromatische Verbindung vorliegt, und es ferner nicht glücken wollte, direkte chemische und biologische Beziehungen zwischen den Zuckern und dem Inosit herzustellen war man eher geneigt, die Cyclosen und insbesondere den Inosit als eine für sich abgeschlossene Gruppe zu betrachten. Erst Xenherg^) schlug wieder eine Brücke vom Inosit zu den Kohlehydraten, indem es ihm glückte, aus dieser Verbindung Furfurol zu bilden. Da der Inosit auch in der Pflanzenwelt sehr verbreitet ist. so ver- suchte man, zuerst bei dieser Übergänge zu den Kohlehydraten zu finden. ') Manfred Bial : Berliuer kliu. Wocheuschr. 44 (1905). — Vgl. auch Kurt Mei/er: Hofmeisters, Beiträge. 9. 134 (1907). ") Y.Kotahe und Y. Sera: Zeitschrift für physiol. Chemie. 88.43 (1913); 89.482 a914). ») P. A. Levene uud F. B. La Forge; The J. of biol. Chern. 15. 1.^6 (1913): 18. 127.240 (1914); 20. 434 (1915). - P. A. Lecene; Ebenda. 31. 608 (1917». *) Scherer: Liehig?, Aunal. 73. 322 (1850). ') Vgl. hierzu Emil Sfarkenstein:' Zeitschrift für exper. Fath. u. Ther. 5. 378 (1908). «) F. Rosenberger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 56. 373. (1908): 57. 4ii4 (1908); 58. 3fi9 (1909). '") Emil Starkenstein: Zeitschr. f. physiol. Chemie, 58. 162 (1908). *) C. Neuberg: Biochem. Zeitschr. 9." 5.^1 (1908). 44 II- Vorlesuug. Es ist nicht gelungen, die Entstehung der Cyclosen irgendwie aufzuklären. Fütterungsversuche an Tieren führten zur Feststellung, daß ein Teil des Inosits unverändert im Harn wieder erscheint, i) Ein Teil scheint als Zell- baustein verwendet zu werden. Sehr wahrscheinlich tritt beim Abbau des Inosits Milchsäure 2) auf. Wenn wir alles, was wir über den Inosit wissen, zusammenfassen, dann kommen wir zum Resultate, daß es weder für den Pflanzenorganismus noch den Tierorganismus erwiesen ist, daß seine Bildung über die Kohlehydrate geht oder bei seinem Abbau solche als Zwischen- stufen auftreten. Wir können somit die Beziehungen zu den Kohlehydraten zurzeit nur als sehr wahrscheinliche hinstellen. Der Inosit hat die Formel eines Hexaoxy-hexahydrobenzols^): Hü HC HO HC CHOH GH OH CHOH CHOH Der Inosit findet sich im Pflanzenreich zum Teil als solcher, zum Teil in Form von Methylestern. So ist der im Kautschuk von Borneo enthaltene Bornesit ein Monomethylester des i-Inosits. Im Milchsaft von Castilloa elastica und dem Kautschuk von Gabon findet sich der Dam- bonit = Inositdimethylester. Von besonderem Interesse ist eine zunächst in den Samen von Brassica nigra*), bald aber auch in anderen Samen &) entdeckte, Inosit und Phosphorsäure enthaltende Verbindung. Sie ist Phytin genannt worden. Ihre Konstitution ist noch nicht ganz aufgeklärt. Wahr- scheinHch handelt es sich um einen Inosithexa-^) oder einen Inosit- pentaphosphorsäureester.') Außerdem ist im Weizenkorn ein Inosit- monophosphat aufgefunden worden.^) Derartige Verbindungen von organischen mit anorganischen Be- standteilen«) erwecken unser Interesse in ganz besonders hohem Maße, ') Vgl. Emil Starkenstein: Biochera. Zeitschr. 30. 56 (1910). *) P Mayer: Biochem. Zeitschr. 2. 398 (1907) und E. Starkenstein: Biochem. Zeitschr. 30. 56 (1910). — Vgl. auch R. J. Anderson: Jourii. of biol. Chem. 25. 391 (1916); R. J. Anderson und A. W. Bosworth: Ebenda. 25. 399 (1916). •) Vgl. seine Synthese: Heinrich Wieland und Robert S. Wishart: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 47. 2082 (1914). *) Palladin: Zeitschr. f. Biol. N. F. 13. 191 (1895). ») E. Schulze und E. Winterstein: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 22. 91 (1896): 40. 120 (1904). — E. Winterstein: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 30. 2299 (1897). — Pasternak: Revue gön^rale de Botan 12. 5 (1900); Compt. rend, de l'Acad. des Sciences 137. 202, 337, 439 (1903); Compt. rend. de la Soc. de biol. 55. 1190 (1903). •) C. Neuberg: Biochem. Zeitschr. 9. 558 (1908). — Vgl. hierzu auch E. Slarken- stein: Ebenda. 30. 56 (1910). — Wlad. Vorbrodt: Anzeigen Akad. Wiss. Krakau. Serie A. 414 (1910). — Angelo Contardi: Atti Royal. Accad. dei Lincei [5]. 19. I. 23 (1910). — Vgl. ferner Robert Henry Aders Plimmer: The Biochem. .1. 7. 157. (1913). — /'. W. Bout- uell: J. Americ. Chem. Soc. 39. 491 fl917). — S. I'osternak: C. r. 169. 138 (1919). ') Vgl. ./. ß. Rather: J. Americ. Chem. Soc. 40. 523 (1918). ») A. J. Anderson : .). of Biol. Chem. 18. 441 (1914); 20. 463, 475, 483, 493 (1915). •) Vgl. auch die Bildung von Hexo se ph ospha t bei der alkoholischen Gärung: Vorlesung VT und Bd. II ^. XIX Kohlehydrate. 45 weil unsere Kenntnisse über die Art und Weise, wie die einzelnen Zell- bausteine unter sich verknüpft sind, noch überaus dürftige sind. Erwähnt sei noch , daß in Organen von Rochen und Haifischen eine Cyclose aufgefunden worden ist^j, die dem Inosit isomer, aber nicht mit ihm identisch ist. Sie hat den Namen Scvilit erhalten. Ferner enthält die Miesmuschel, Mytilus edulis, eine Cyclose, Mytilit genannt, der folgenden Struktur«) : CH . OH HO . HC HO. HC CH . OH CH . OH C /\. OH CH3 ') Staedeler nad i^rericÄs.- Jahresbericht der Chemie. .550(1858); .lourn. f. prakt. Chemie. [1.] 73. 48 (1858). *) D. Ackermann: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 54. 1938 (1921). Vorlesung III. Kohlehydrate. Polysaccharide. Glukoside. Wir haben eine ganze Anzahl verschiedener einfacher Zuckerarien kennen gelernt, die sich alle als Aldehyde oder Ketone mehrwertiger Al- kohole auffassen lassen. Sie unterscheiden sich teils durch die verschie- dene Anzahl der Kohlenstoffatome, teils durch das Vorhandensein einer Aldehyd- oder einer Ketongruppe oder aber einzig und allein durch die Konfiguration des Moleküls. Diese einfachen Zucker finden sich meist nur in kleinen Mengen als solche in der Natur. Sie stellen eine Stufe im Auf- oder Abbau zusammengesetzter Zucker dar. Die Monosaccharide werden von der Tier- und Pflanzenzelle und vor allem von der letzteren in der mannigfaltigsten Weise miteinander verknüpft. Wir erhalten, wie schon erwähnt, Verbindungen, die zwei, drei und mehr einfache Zucker als Bau- steine besitzen. Wir unterscheiden, je nach der Anzahl der am Aufbau der zusammengesetzten Zuckerarten beteiligten einfachen Zucker, die den allgemeinen Namen Saccharide tragen, Di-, Tri-. Tetra- usw. -sacch aride. Ist uns die Anzahl der vorhandenen Bausteine nicht be- kannt, dann sprechen wir ganz allgemein von Polysacchariden. Man kann aber auch alle Zucker, die mehrere Saccharide gebunden enthalten, als Polysaccharide bezeichnen und dann diejenigen besonders abtrennen, bei denen die Anzahl der Bausteine genau bekannt ist. Wir beginnen mit der Besprechung der Disaccharide. Sie sind nach der eben besprochenen Einteilung als Zucker zu bezeichnen, an deien Aufbau zwei Saccharide beliebiger Art beteiligt sind. Es können zwei Pen- tosen oder zwei Hexosen zu einer einheitlichen Verbindung verknüpft sein, oder aber es ist eine Hexose mit einer Pentose verbunden. So hat man in der sogenannten Vicianose"), einem Zucker, der in Vicia angustifolia von Bertrand entdeckt worden ist, ein Molekül d-Glukose mit einem Molekül 1-Arabinose vereinigt gefunden. Die Zahl der Disaccharide, die für uns hier in Betracht kommen, ist nicht sehr groß. Es spielen als Nahrungsstoffe für den tierischen ') Gabriel Bertrand: Compt. reud. de lAcad. des Sciences. 143. 832 (1907). — (7. Bertrand und G. Weismüller: Ebenda. 147. 252 (1908); 1.50. ISO (1910): 151. 884 (1910). Kohlehydrate. 47 Organismus eigentlich nur der Rohrzucker und der Milchzucker eine Rolle. Der erstere wird, da er ausschließlich im Pflanzenreich vorkommt, nur von manchen Herbivoren und Omnivoren aufgenommen. Auch dem Milchzucker kommt als Nahrungsstoff keine allgemeine Bedeutung zu, denn er wird seinem Vorkommen in der Milch entsprechend nur während der Säuglingsperiode zugeführt. Einzig beim Menschen spielt die Milch als Nah- rungsmittel das ganze Leben hindurch eine mehr oder weniger große Rolle. Ein drittes in der Pflanzen- und Tierwelt verbreitetes Disaccharid ist der Malzzucker. Er findet sich nie in größeren Mengen, weil er nur als Zwischenstufe auftritt, sei es, daß ein Polysaccharid zerfällt oder aber ein solches aus einfachen Bausteinen gebildet wird. Auf das Pflanzen- reich beschränkt ist die aus zwei Monosacchariden bestehende Zellobiose. Sie ist eine wichtige Abbaustufe der bald zu besprechenden Zellulose. Viel- fach beschrieben worden ist eine der Maltose sehr nahe stehende Zuckerart, die Isomaltose. Sie ist angeblich aus verschiedenen Organen gewonnen worden. Da sie jedoch in keinem Falle mit Sicherheit festgestellt worden ist, können wir sie nicht als Bestandteil des tierischen oder pflanzlichen Organismus aufführen. Wir erwähnen sie nur deshalb hier, weil wir bei der Besprechung der Synthese von Disacchariden durch Fermente auf die Iso- maltose stoßen werden. Sie ist von Emil Fischer^) bei der Einwirkung von kalter rauchender Salzsäure auf Traubenzucker erhalten worden. Bei Gelegen- heit der Besprechung von durch Fermente bewirkten Synthesen werden wir auch eine in der Natur noch nicht aufgefundene Isolaktose ') kennen lernen. Sämtliche Disaccharide kann man sich aus dem Zusammentritt von zwei Molekülen einfacher Zucker unter Austritt von einem Molekül Wasser entstanden denken. Das folgende Beispiel bringt zum Ausdruck, wie zwei Hexosen sich zu einem Disaccharid vereinigen: Ce H,2 O, -h C„ H,., 0«-H2 0 = C,o_ H,., 0„. Umgekehrt zerfällt jedes Disaccharid der erwähnten Art unter der Einwirkung von Säuren oder bestimmten Fermenten unter Wasseraufnahme in zwei Moleküle Hexosen; C,2 n,, 0„ -h H., 0 = C„ H,, 0, + C« H,., (),. Bevor wir auf die einzelnen Disaccharide eingehen, wollen wir uns mit der Frage ihrer Konstitution befassen. Die Tatsache allein, daß die Disaccharide unter Wasseraustritt aus zwei Molekülen von Monosacchariden hervorgehen, genügt uns nicht. Wir werden z. B. bald vernehmen, daß es verschiedene Disaccharide gibt, die aus zwei Molekülen Traubenzucker aufgebaut sind. Ohne Zweifel muß in diesen die Bindungsart der Trauben- zuckermoleküle eine verschiedene sein, sonst könnten wir nicht verstehen, weshalb die aus den gleichen Bausteinen bestehenden Verbindungen so verschiedene Eigenschaften haben können. Es ist bis jetzt nicht geglückt, eines der bekannten Disaccharide synthetisch zu bereiten und so dessen Struktur aufzuklären. Wir sind noch auf Vermutungen angewiesen. Doch ') Emil Fwc/ier; Berichte der Deutsclien Chem. Gesellsch. 28. 3024 (1895). ^ Emil Fischer: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 23. oöS? (1890). 48 III- N nrlesung. hat Emil Fischer'^) eiuen Weg ausfindig gemacht, der vorläufig zu einem Disaccharid vom Typus der Treh alose, einem Zucker, der zuerst im Mutterkorn aufgefunden worden ist-), geführt hat. Der Rohrzucker, auch Saccharose oder Saccharobiose genannt, ist, wie schon erwähnt, ein Disaccharid der Pflanzenwelt^). Erspielt als Reserve- stoff bei wohl allen Phanerogamen eine wichtige Rolle und findet sich in seiner Hauptmenge vor allem, ganz entsprechend seiner Funktion, in nicht chlorophylhaltigen Geweben abgelagert. In kleineren Mengen ist er jedoch in allen Pflanzeuteilen gefunden worden. In größeren Massen begegnet man dem Rohrzucker in den Stengeln der Zucke rhirse und des Zucker- rohres, ferner im Saft einiger Palmenarten und demjenigen des Zuckerahorns, der Birke, des Johannisbrotbaumes etc. Erhebliche Mengen von Rohrzucker finden sich auch in den reifen Früchten und Blättern zahlreicher Gewächse. Von ganz hervorragender Bedeutung für die Gewinnung des Rohrzuckers ist, wie bekannt, die Zuckerrübe geworden, die neben dem Zuckerrohr die Hauptquelle des Handelsproduktes Rohrzucker darstellt. In den Geweben des tierischen Organismus ist der als Nahrungs- und Genußmittel so wichtige Rohrzucker bis jetzt nie nachgewiesen worden. Er muß somit, bevor er in das Blut und die Zellen übergeht, eine Um- wandlung erleiden. Der Rohrzucker entspricht, wie bereits Liebig im Jahre 1834 nach- wies, in seiner Zusammensetzung der Formel C12H23O11. Er zerfällt unter der Einwirkung von hydrolysierenden Mitteln (Chemikalien, Fermenten) in je ein Molekül d-Fruktose und ein Molekül d-Glukose. Da in diesem Spaltungsgemisch die d-Fruktose stärker nach links dreht, als die d-Glu- kose nach rechts, so dreht es nach links, d. h. in entgegengesetztem Sinne, wie der nach rechts drehende Rohrzucker. Man nennt aus diesem Grunde das durch Spaltung des Rohrzuckers entstehende Gemisch der beiden Hexosen Invertzucker und den ganzen Vorgang der Hydrolyse Inversion.*) Die Bildung des Invertzuckers ist zuerst 1830 von Du- brun/aut^) beobachtet worden. Gemische von Frucht- und Traubenzucker sind übrigens in der Natur sehr verbreitet (Honig, Früchte etc.). Der Rohrzucker reduziert in alkalischer Lösung Metalloxyde nicht. Er unterscheidet sich dadurch scharf von den übrigen, oben angeführten Disacchariden. Wir können aus diesem Verhalten des Rohrzuckers schließen, daß er keine freie Aldehyd- oder Karbonylgruppe besitzt. Dieser Annahme trägt die folgende Struktur- und Konfigurationsformel Rechnung«): ') Emil Fischer und Konrad Delhriick: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 2776 (1909). ^) Wigqers: Aunalen der Chemie und Pharmazie. 1. 173 (1832). — Mitscherlich: .1. f. prakt. Chemie. [1.] 73. 68 (1858). ') Über seine Verbreitung vgl. z. B. E. Schulze und ^'. Frankfurt : Zeitschr. für physiol. Chemie. 20. öll (1895). *) Dieser Ausdruck wird ganz unzutrett'end auch ganz allgemein für die Hydrolyse der zusammengesetzten Kohlehydrate in einfache Zucker gebraucht. *) Dubrunfaut: Comptes rend. de FAcad. des Sciences. 25. 308 (1847); 29. 51 (1849); 42. 901 (1856). *) Emil Fischer: Berichte der Deutsclien Chem. Gesellsch. 26. 2400 (1893). — W. N. Hmvorth: J. of chem soc. 1J7. 199 (1920). — Vgl. auch Max hcrgmanfi und Arthur Miekeln) : Ber. d. D. Chem. (ies. 55. 1392 (1922). Kohlehydrate. 49 CH2.OH CHo.OH Glukoserest Fruktoserest. Spaltet man den Rohrzucker z. B. durch Kochen mit Säuren, dann tritt alsbald Reduktionsvermögen auf, weil ein Zerfall des Üisaccharids in seine reduzierenden Bausteine einsetzt. Der Rohrzucker gärt auch nicht direkt. Die Gärung setzt ein. sobald das Disaccharid in seine Bausteine zerlegt ist. Ebenso, wie das eben besprochene Disaccharid, kommt der Milch- zucker, auch Laktose oder Laktobiose genannt, als solcher in der Natur vor und ist schon 1615 von Fabricio Bartoletti in der ..Encyclo])aedia dogmatica" beschrieben und 1700 von Tesfi und ferner 1715 von Val/isnrri in der Schrift ..De praestantia lactis" als ein neu entdecktes Arzneimittel verkündet worden. Der Milchzucker findet sich in verschiedenen Mengen in der Milch aller Säugetiere. Bei Wöchnerinnen tritt er oft in geringen Mengen im HarnM auf. Bei Kühen ist er gleichfalls einige Tage vor und nach der Geburt im Urin gefunden worden. Wird das Säugen abgebrochen, so wird Milchzucker durch die Nieren ausgescliieden. Eingehende Studien über die Herkunft des Milchzuckers der Milch hat CIi. Porcher-) ausgeführt. Er fand, daß nach Exstirpation der Brustdrüsen bei säugenden Ziegen und Kühen bald eine starke Vermehrung des Zuckergehaltes des Blutes auf- tritt. Es kommt zur Ausscheidung von Zucker durch die Nieren. Der im Harn vorkommende Zucker erwies sich als Trauben- und nicht als Milch- zucker. Diese Versuche machen es sehr wahrscheinlich, daß die Laktose erst in der Brustdrüse, und zwar offenbar nur aus Glukose gebildet wird und nicht aus Traubenzucker und Galaktose der Nahrung. Im Pflanzenreiche ist der Milchzucker bis jetzt nicht gefunden worden, ^'j Bei der Hydrolyse zerfällt der Milchzucker unter Wasseraufnahme in je ein Molekül Glukose und Galaktose. In die Art der Vereinigung dieser beiden Bausteine gibt die folgende Formel einen Einblick*): *) Vgl. Leblanc und Guillot: Compt. reud. de lAcad des Sciences. 34. 580 (1852). — Franz Hofmeister: Zeitschr. f. ph\siol. Chemie. 1. Kjl (1877'78). — P. Kaltenbach : Zeitschr. f. physiol Chemie. 2. 360 '(1878 79), — F. A. Lamaire: Zeitsch. f. physiol. Chemie. 21 442 (1895 96j. — Ludwig: Wiener klin. Wncheuschr 305 (1899). — M. Kaufmann imd //. Magne: Compt. roud, de l'Acad. des Sciences. 143. 779 (1906). *") Ch. Porcher: Compt. rend. de TAcad. des Sciences. 141. 73, 4()7 (1905). — Vgl. auch Carlo Foä : Archiv, fisiol. 5. Heft 6 (1909). — D. Nol-l Pafon und E. /'. Carthcart : Journ. of Physiol. 42. 179 (1911). ') Die Angabe Bouchardats über den Befund von Milchzucker in derjoifon Frucht von Achras sapota ist noch unbestätigt. Compt. rend. de l'Acad. des Sciences. 73 462(1871). *) Denhani und Woodhouse : J. ehem. Soc. 111. 244 (191S). — W. y. Ilaworth und G. C.Leitch: Ebenda. 113 188 (1918). — A. II. r„n der Haar: Roc. Trav chim 37. 251 (1918). AbderbaldKO. Physiologische Chemie. I.Teil, 5 Aiitl. 4 50 111. Vorlesung. CH.OH CH2.OH CH2 . OH (ilukoserest !— O.H.C Galaktoserest Bei der Oxydation mit Salpetersäure erhält man aus ihm Schleim- säure CO OH /(CH OH J . CO OH. Ihre Bildung ist auf die Galaktose zurückzuführen (vgl. S. 36). Der Milchzucker reduziert Metalloxyde in alkalischer Lösung. Er wird von gewöhnlicher Hefe nicht vergoren, dagegen gibt es mancherlei Pilze und Pflanzen, welche die Laktose in Alkohol und Kohlensäure spalten können. Der Milchzucker unterliegt leicht der früher erwähnten Milchsäure- und Buttersäuregärung (vgl. diese S. 35). Bei allen diesen Umsetzungen geht ohne Zweifel eine Spaltung in die Bausteine voran. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen beiden Disacchariden tritt der Malzzucker, auch Maltose, Maltobiose, Ptyalose, Cerealose genannt, nie in größeren Mengen auf. Er ist, wie schon erwähnt, ein Durchgangs- produkt, das meist sofort weiter gespalten oder zum Aufbau noch kompli- zierter gebauter Verbindungen verwendet wird. Die wichtigste Bildung der Maltose ist die durch fermentative Spaltung von Stärke im Pflanzenreich und von Glykogen im tierischen Organismus. Schon im Jahre 1785 beobachtete Irvine und 1815 Kirchhofe), daß Malzauszug Stärke abbaut. Der hierbei entstehende Zucker ist zuerst von de Saussure (1819) isoliert worden. Duhrunfaut^) (1847) nannte ihn Maltose und untersuchte ihn eingehender. Das im Malz enthaltene wirksame Prinzip, die sogenannte Diastase, wurde von Fa//en und Fersoz^) isoliert. Die Stärke zerfällt nicht ein- fach in Maltosemoleküle, sondern es entstehen zunächst komplizierter ge- baute Abbaustufen, in deren Zusammensetzung wir zurzeit keinen genauen Einblick haben. Das erste wohl definierbare Abbauprodukt der Stärke und des Glykogens nach erfolgter Hydrolyse durch Diastase ist, neben einigen schon recht gut charakterisierten Dextrinen, das Disaccharid Maltose. Die Maltose gehört zu den reduzierenden Zuckern. Hefe vergärt sie. Sie ist auch der Milchsäure- und Buttersäuregärung fähig. Allen diesen Umwandlungen geht die Hydrolyse des Disaccharids in seine Bausteine voraus. Erst diese werden in Alkohol und Kohlensäure, bzw. Milchsäure, bzw. Buttersäure, Wasserstoff und Kohlensäure verwandelt. Der Maltose kommt folgende Struktur und Konfiguration zu*): ') Kirchhoff: Schweiffers Jourii. 15. 389. ^) Dubrunfauf: Annales de chimie et de physique. |3.| 21. 178 (1848). ") Payen und Persoz: Ebenda. 2. ö.'j, 56. 73 und 337. *) Emil Fischer: Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 27. 2988 (1894). — Nef: Liebigs. Annalen. 403. 299 (1914). — W. Lee Lewis und Siegel A. Buckborough: Journ. Americ. Chem. Soc. 36. 2385 (1914). Kohlehydrate. Öl H— C— OH CH2 . OH Olukoserest HO— C— H Glukoserest Die gleiche Stellung, welche die Maltose im Abbau der Stärke und des Glykogens und den nächsten Abbaustufen dieser Polysaccharide einnimmt, besitzt die Zellobiose gegenüber der Zellulose. Es ist das Verdienst von Hans Pringsheim^), diesen Nachweis geführt zu haben. Die Zellobiose ist zuerst von Skraiq) und König '^) beim künstlichen Abbau der Zellulose erhalten worden. Bei der Hydrolyse liefert die Zellobiose zwei Moleküle Trauben- zucker. Sie reduziert , gärt aber nicht. Eine Spaltung der Zellobiose in ihre Bausteine erfolgt, wenn man auf sie einen wässerigen Auszug aus Aspergillus niger oder einen Kefirauszug einwirken läßt. 3) Dieses Spalt- vermögen kommt auch den sogenannten Zellulosebakterien zu, die im Darminhalt anzutreffen sind.^) Der Zellobiose kommt die folgende For- mel zu :^) HO.HC- H— C— OH I HO-C— H H— C 0 GH, . OH HO— C— H I — -C— H 0 H— C— 0 CH., . OH Glukoserest H— C— OH HO— C— H :CH Glukoserest Die am Aufbau der einzelnen Disaccharide beteiligten Monosaccharide seien im folgenden nochmals übersichtlich zusammengestellt. Durch Hydro- ') Hans Frinc/sheim : Zeitschr. f. phjsiol. Chemie. 78. 266 (1912). -) Zd. U. Skraup und J. König: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 34. 1115 (19U1)-, Monatsh. f. Chemie. 22. 1011 (1901). ^) G. Bertrand und Holderer: Compt. reud. de lAcad. des Sciences. 149. 1385 (1909); 150. 180(1910). — Emil Fischer und G. Zemplen: Liehiiß Annalen. 365. 1 (1909); 372. 254 (1910). *) Vgl. H. Prine/sheim: Z. f. physiol. Chemie. 78. 2^6 (1912). — H. Pringsheim und Magnus von Merkatz: Eheuda. 105. 173 (1919). =■) Vgl. M. Bergmann und H. Schotte: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 54. 440 (1921). 4* 52 III- Vorlesung. lyse — Aufnahme von einem Molekül Wasser — entstehen die Bausteine der Disaccharide. und umgekehrt erhalten wir diese selbst, wenn die ent- sprechenden Monosaccharide unter Wasserabspaltung in bestimmter Weise zusammentreten. Saccharose Laktose (Rohrzucker) (Milchzucker) -fHsOX , '+H2 0\ Fruktose Glukose Galaktose Glukose (FruehtzuckerJ (Traubenzucker) (Traubenzucker) Saccharose Laktose Maltose Zellobiose (Malzzucker) X+H-^Ox Z+H^OX (jlukose Glukose Glukose Glukose (Traubenzucker) (Traubenzuckerj (Traubenzucker) (Traubenzucker) \ — R^0/ \— H^O/ Maltose Zellobiose Es sind uns auch Zuckerarten bekannt, die bei der Hydrolyse drei Moleküle einfacher Zucker liefern. Es sind dies die Trisaccharide. An ihrem Aufbau können ausschließlich Pentosen beteiligt sein, oder es sind solche mit Hexosen zusammengefügt. So liefert z. B. die Rhamninose. die als Xanthorhamnin in den Früchten von Rhamnus infectoria aufgefunden wurde, bei der vollständigen Spaltung unter Aufnahme von zwei Molekülen Wasser ein Molekül d-Glukose und zwei Moleküle Rhamnose (Methylpentose vgl. S. 31). Schließlich gibt es Trisaccharide, die nur aus Hexosen aufgebaut sind. Recht verbreitet ist die Raffinose, auch Melitriose genannt. Sie besteht aus je einem Molekül d-Fruktose, d-Glukose und d-Galaktose. Im Eschenmanna ist ferner ein Trisaccharid beobachtet worden, das aus zwei Molekülen d-Galaktose und einem Molekül d-Glukose besteht. Ein weiteres Trisaccharid, die Gentianose, hefert bei der vollständigen Hydro- lyse ein Molekül. Fruktose und zwei Moleküle Glukose. Es sind noch weitere Trisaccharide bekannt. Sie sind bis jetzt nur im Pflanzenreich mit Sicherheit aufgefunden worden. Sie müssen jedoch ohne Zweifel als Abbaustufen und Zwischenstufen beim Aufbau höher molekularer Polysaccharide auftreten. Hans Pringsheini i) hat bei der Hydrolyse von Steinnußspänen, die beim Abbau die früher erwähnte Mannose (vgl. S. 24, 27,34) liefern, eine aus drei Molekülen dieses Monosaccharids bestehende Verbindung beobachtet. Im Pflanzenreich sind auch Tetrasaccharide aufgefunden worden. Ein solches ist die Stachyose, auch Lupeose genannt. Sie findet sich im Eschenmanna, in den Wurzeln von Stachys tuberifera und auch in den unterirdischen Teilen von Lamium album.'^j Dieser Zucker liefert bei der *) Hans Pringsheim: Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 80. 376 (1912). -) Planta: Landwirtsch. V'ersuchsstationen. 25. 473 (1877). — E. Schulze und Planta: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 23. 1692 (1890); 24. 2705 (1891). — Tanret: (Jompt. rend. de l'Acad des Sciences. 134. 1586 (1902); 136. 1569 (1903); Bull, de la Soc. de Science. |3.1 27. 947 (1902): 29. 888 (1903). Kohlehydrate. 53 Hydrolyse zwei Moleküle d-Galaktose und je ein Molekül d-Glukose und d-Fruktose.i) Pentasaccharide und Zuckerarten, die eine noch größere, genau bekannte Anzahl von Monosacchariden enthalten, sind bis jetzt weder auf dem ^Veg■e der Synthese dargestellt, noch sind sie in der Natur nach- gewiesen worden. Daß sie vorhanden sein müssen, darüber besteht kein Zweifel. Derartige Zucker bilden sich, wie der Befund hochmolekularer, kristallisierter Dextrine bewiesen hat -), beim Abbau hochmolekularer Poly- saccharide. Daß wir erst einzelne davon kennen, ist darauf zurückzuführen, daß die Zuckerarten an und für sich sehr schwer zur Kristallisation zu bringen sind. Sobald wir aber amorphe Körper vor uns haben, fällt die Entscheidung, ob ein Produkt einheitlich ist, oder aber ein Gemisch dar- stellt, außerordentlich schwer. In den meisten Fällen sind unter diesen Umständen erst dann bestimmte Schlüsse möglich, wenn die vermutete Substanz synthetisch gewonnen worden ist. Man kann die Eigenschaften der als identisch angesehenen Verbindungen dann genau vergleichen. Die Synthese muß somit bei der Auffindung komplizierter gebauter Vei- bindungen die Führung tibernehmen. Es ist dies eine auf dem Gebiete der Kohlehydrate sehr schwierige Aufgabe. Wir haben in der letzten Vor- lesung schon hervorgehoben, daß drei verschiedene Bausteine allein schon durch die Art der Reihenfolge zu sechs isomeren Trisacchariden führen. Sind noch mehr Bausteine vorhanden, dann steigt die Zahl dieser Art von isomeren Verbindungen sehr rasch an. Dazu kommt noch, daß wir bereits bei den Disacchariden Verbindungen kennen gelernt haben, die dieselben Monosaccharide gebunden enthalten. Sowohl die Maltose als die Zellobiose liefern bei der Hydrolyse zwei Moleküle Traubenzucker. Da diese beiden Disaccharide in chemischer, physikalischer und biologischer Hinsicht sich ganz verschieden verhalten, so müssen wir annehmen, daß die beiden Bausteine in den genannten Verbindungen in verschiedener Weise verknüpft sind. Neben den Isomerien, die allein schon durch eine verschiedene Aufeinanderfolge verschiedenartiger Bausteine bedingt sind, kommen also noch weitere Möglichkeiten der Strukturverschiedenheiten durch die Art der Bindung hinzu. Diese Überlegungen machen es ver- ständlich, weshalb die Aufklärung der Struktur der Polysaccharide nur langsame Fortschritte macht. Noch ein anderer Umstand bereitet der Forschung fast unüberwind- bare Hindernisse. Diejenigen Zuckerarten, die mehr als zwei Monosaccharide gebunden enthalten, kommen nur äußerst selten für sich allein in größeren Mengen vor. Sie sind vielmehr meistens mit ungezählten anderen Poly- sacchariden gemischt. Da uns jede Kenntnis der Eigenschaften der ein- zelnen höher molekularen Polysaccharide fehlt, sind wir auf einen glück- lichen Zufall angewiesen, wenn es uns glückt, aus einem solchen hetero- genen Gemisch eine einheitliche Verbindung abzutrennen. Wir verlassen somit bei der Besprechung der weiteren Polysaccharide den sicheren Boden, auf dem wir bis jetzt wandelten, und begeben uns zur Besprechung von Zuckerarten, von denen wir nur aussagen können, welche ') E. Schulze: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 43. 2230 (191U). — Vgl. C. Neuberg und S. Lachmann: Biochem. Zeitschr. 24. 171 (1910). ") Vgl. weiter unten. 54 IH- Vorlesung. Bausteine übrig bleiben, wenn der Abbau unter Wasseraufnahme vollständig- durchgeführt ist. Wir können jedoch bis auf wenige Ausnahmen (vgl. S. f)2) nicht angeben, wie oft der einzelne Baustein wiederkehrt. Wir bezeichnen aus diesem Grunde die Anzahl der am Aufbau eines bestimmten Polysaccharids beteiligten Monosaccharide nicht mit einer Zahl, sondern mit n. Für die ganze Auffassung des Abbaus der Polysaccharide zu einfacheren Produkten ist die Frage ihrer Struktur von grundlegender Bedeutung. Auf das gleiche Problem stoßen wir, wenn wir uns die Frage nach dem Aufbau von aus einer ganzen Reihe von einfachen Zuckern zusammengesetzten Kohlehydraten vorlegen. Während man sich bis vor kurzem vorstellte, daß in den hoch- molekularen Polysacchariden die einzelnen Bausteine in entsprechender Weise untereinander verbunden sind, wie wir es bei den Disacchariden dargestellt haben, neigt man jetzt mehr der Auffassung zu. daß dem Aufbau der Polysaccharide Ringkomplexe zugrunde liegen, die unter sich anhydridartig verknüpft sind.i) In den wiederholt erwähnten Polysaccha- riden Stärke und Glykogen wären in diesem Falle Anhydromaltose- und vielleicht auch Anhydroisomaltosekomplexe mit einander verknüpft, während bei dem Polysaccharid Zellulose Anhydrozellobiosegruppen vereinigt wären. Nach dieser Vorstellung der Struktur der Polysaccharide würden bei ihrem Abbau zwei Vorgänge zu unterscheiden sein. Einmal die Loslösung von Anhydridkomplexen voneinander unter Bildung kleinerer Moleküle. Dazu käme dann noch die Aufspaltung der Anhydridbindung. -j Da wir von einem großen Teil der zwischen den hochmolekularen und den nach der Anzahl der Bausteine wohl charakterisierten Polysac- chariden stehenden Zuckerarten ganz sicher wissen, daß sie ein äußerst mannigfaltiges Gemisch und nicht chemische Individuen darstellen, so ver- lassen wir zunächst den bisherigen Gang der Darstellung und sehen uns nach Polysacchariden um, die wir einigermaßen charakterisieren können. Von diesen aus kehren wir dann zu Verbindungen zurück, an deren Aufbau eine geringere Anzahl von Monosacchariden beteiligt ist. Wir werden von selbst auf diese stoßen, wenn wir den Abbau der hoch- molekularen Zuckerarten verfolgen. Die Zahl der Polysaccharide, die gewissermaßen am anderen Ende der Reihe der Kohlehydrate stehen, wenn wir von den Monosacchariden ausgehen, ist eine sehr große. Es unterliegt keinem Zweifel, daß viele hierher gehörende Glieder der Kohlehydratreihe, die bei verschiedenen Individuen des Tier- und Pflanzenreiches auftreten und die gleiche Funk- tionen erfüllen, zwar unter gleichen Namen aufgeführt sind, jedoch sicher in Einzelheiten einen ganz verschiedenen Aufbau zeigen, l'berall macht sich eben bemerkbar, daß wir uns auf unsicherem Boden befinden, weil die Frage des Aufbaues und vor allem auch der Einheitlichkeit der Polysac- charide zurzeit nur ungenügend oder auch gar nicht beantwortet werden ') Vgl. hierzu auch /'. Karrer und A. P. Smirnoff: Helv. chim. Acta. 5. 124 (1921 ). ") Vgl. zu diesen Fragen Hans Prinqsheim und F. Eissler: Berichte der Deutschen -Chem. Ges. 46. 2959 (1913); Berichte der Deutschen Pharmaz. Ges. 27. 4 (1917). — Hans Pringsheim und A. Aronowsky : Berichte der Deutschen Chem. Ges. 54. 1281 (1921). — Hans Prinffsheim und Walter Pcrsch: El)enda. 54. .3161 (1921). — Aime' Pictef und Jean Sarasin: Arch. sciences phys. et nat. Gcneve. [4]. 46. ö (191S); Helvet chim. acta. 1. 87 (1918). — A'. Hess und Ernst Messmer: Ebenda. 54. 499 (1921). - P. Karrer: Helv. chim. acta. 3. 866(1920); 4. 169, 263(1921) — /'. Karrer und Widmer: Ebenda. 4. 174(1921). Kohlehydrate. 55 kann. So sprechen wir. um nur ein Beispiel zu erwähnen, von Zellulose. Wir treffen diese überall im Pflanzenreich an. Manche dieser Zellulosearten zeigen Verschiedenheiten, manche können wir jedoch zur Zeit mit unseren chemischen Hilfsmitteln nicht unterscheiden. Dali trotzdem auch Zellulose- arten, die uns zunächst als identisch erscheinen, ganz verschieden sein müssen, lehrt uns ihr \'erhalten gegenüber gewissen von den Zellen der Pflanzen- und Tierwelt hervorgebrachten Stoffen . den Fermenten. Wir werden später vernehmen , daß manche von diesen unter bestimmten Be- dingungen einen Abbau -unter Wasseraiifnahme durchführen. Sie zerleg-en jedoch nicht jedes Substrat . sondern immer nur ganz bestimmte Arten von solchen. Dieser Umstand ermöglicht eine äußerst feine Unterscheidung von scheinbar gleichartigen Verbindungen auf biologischem Wege. Wir kennen Polysaccharide, die vollständig aus Pentosen aufgebaut sind. Andere enthalten neben diesen auch Hexosen.') Am wichtigsten sind für unseren Organismus diejenigen Polysaccharide, die ganz aus Hexosen be- stehen. Unter diesen kommt wieder denjenigen die größte Bedeutung zu. die AI dosen enthalten. Wir kennen auch ein in gewissen Pflanzen vor- kommendes Polysaccharid, das ganz aus Molekülen der Ketohexose Frucht- zucker besteht.-) Es ist dies das Inulin. Es ist in Algen und vor allem als Reservekohiehydrat bei vielen Phanerogamen — vor allem bei Kom- positen — aufgefunden worden. Seine Konstitution ist in weitgehender Weise vor allem durch Ha)is Prinrisheun aufgeklärt worden. Es sind im Inulin neun Fruktosemoleküle gebunden, und zwar in Form von drei An- hydrotrifruktosekomplexen.-i Im tierischen Organismus kommen keine Polysaccharide vor. an deren Aufbau Fruktose beteiligt ist. Die Polysaccharide der Pentosen sind als Pento sane bezeichnet worden. Ein chemisch einheitliches Pentosan dürfte zurzeit wohl kaum bekannt sein. Sehr verbreitet sind in der P'f lanzenweit auch Methylpen- tosane.*) Sie haben diesen Namen erhalten, weil sie bei der Hydrolyse Methylpentosen liefern. Der Gehalt des Holzes an Metbylpentosanen beträgt etwa 50/0 5 daneben findet man etwa 10— 2üo/o Pentosane. Die jungen Pflanzenteile weisen weniger Pentosane auf als die älteren. In Gräsern und Futterkräutern sind je nach dem Reifezustand verschiedene Mengen von Pentosanen enthalten. Bei der Ernährung der Pflanzenfresser spielen sie sicher eine bedeutsame Rolle. '1 Vgl. über die \eiliieituiig ..gemischter" Polysaccharide 11. a. EL Xchulzi und Ch. Godet: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 61. 279 (1909). — ./. Vintilesco: Recherches biochim. sur quelques sucres et glucosides. Paris 1910. — Mary Daries Suartz: Nutri- tion investigations ou the carhohydrates of Lichens, Algae aud related suhstances. New Haven. Conn. 1911. Hier findet sich viel Literatur. -) Über die Konstitution vgl. ./. C. Iruine uud K. St. Sterlr : .lourn. of ehem. soc. London. 117. 1474 (1920). — 7/ Priiiguheim uud A. Aronowski/ : Berichte der Deutschten Chem. Ges. 54. 1281 (1921). — Hans Pringsheim und Max Lassmann: Ebenda. 55. 1409 (1922). — Hans Pringsheim und Älcjc.' Aronoirsky : Ebenda. 55. 1414 (1922). •■') Die Fruktose scheint in der v-Forni (vgl. hierzu Anmerkung 4, S. 67), der wahrscheinlich ein Äthylenoxydrinir zukommt, in der Auhydrotrifruktose vorhanden zu sein. Vgl. hierzu auch .!/«./• Bpiqmann und Arthur Mickelei/: Ber. d. I). ("hem. Ges. 55. 1392 (1922). *) Über ihre Bedeutung siehe: A'. Miuake : .lourn. of the College of Agriculture Tokio. 4. 327 (1912). 5() III. \ Öllösung. Sehr verbreitet sind in der Pflanzenwelt die sogenannten Manna ne. Sie liefern bei der vollständigen Hydrolyse Mannose. Sie sind ein sehr wichtiges Reservekohlehydrat der Palmensamen. Sie sind aber auch in vielen anderen Pflanzenarten aufgefunden worden. Es scheint auch bei dieser (Jruppe nicht geglückt zu sein, einheitliche Individuen zu isolieren. Zu erwähnen wären noch die Galaktane, die aus (jalaktose aufgebaut .sind und die Manno-galaktane, die bei der Hydrolyse Galaktose und Mannose liefern. Da es sich bei allen diesen Polysacchariden sicher um Ge- mische aller möglichen Verbindungen handelt, seien sie hier nur angeführt, um ein Bild von der großen Mannigfaltigkeit der Polysaccharide in der Pflanzenwelt zu geben. Von Polysacchariden, die im wesentlichen nur in der Pflanzenwelt vorkommen und die, soweit unsere Kenntnisse reichen, auch nur für diese von Bedeutung sind, seien noch die folgenden erwähnt. Von den ver- schiedensten Pflanzen werden, besonders, wenn Zellen erkranken oder ver- letzt werden, eigenartige Produkte, Gummisubstanzen genannt, abge- sondert. Sie sind nicht einheitlich zusammengesetzt. Man hat auch gummiartige Substanzen im Harn gefunden und von tierischem Gummi gesprochen. Diese Bezeichnung ist jedoch eine ganz willkürliche, denn niemand hat diese Polysaccharide so charakterisiert, daß ihre Zugehörigkeit zu Gummiarten feststeht. Auch die pflanzlichen Gummisubstanzen sind mehr nach ihrem Vorkommen und ihren Eigenschaften als nach ihrer Zu- sammensetzung zusammengefaßt worden. Es handelt sich wohl immer um ein (remisch der mannig-faltigsten Polysaccharide. Eingehend untersucht ist eine Gummiart aus Hefe. ») Sie liefert bei der Hydrolyse Mannose und (tlukose. In Samen, Holzkörpern, Rinden von Bäumen usw. sind Polysaccharide aufgefunden worden, die sich in mancher Beziehung scharf von der Zellu- lose unterscheiden. Die ganze Gruppe hat von K. Schulze-) den Namen Hemizellulosen erhalten. Auch sogenannte Reservezellulosen hat man unterschieden. Erwähnt seien ferner die in Getreidearten so häufigen Amylane. Weit verbreitet sind auch die Pflanzenschleime. Sie finden sich meist in besonderen sogenannten Schleimzellen. Bei der Hydrolyse liefern sie Pentosen und Hexosen — meistens Arabinose und Galaktose. Der Agar-Agar, der zu mannigfaltigen Zwecken Verwendung findet, z. B. als Nährboden für Bakterien, ist ein solcher Schleimstoff. Er findet sich in Meeresalgen, den Florideen. Zu erwähnen sind ferner die Pektin- stoffe. Sie finden sich in fleischigen Früchten, in Wurzeln usw. und ent- halten unter anderem Arabinose, Galaktose, Methylpentosen und Methyl- alkohol. Es gelang v. FelUnherg^ den Nachweis zu führen, daß das Pektin der Methylester der Pektinsäure ist. Die Pektinsäure selbst liefert bei der Hydrolyse d-(ialaktose und d-Galakturonsäure.^) Die letztere hat entsprechend dei- d-Galaktose die Konfiguration: ') E. Salkoirski: Berichte der Deutscbeu Chem. Gesellsch. 27. 4',)7, 925 (1894). — //. Etiler und A. Fodor: Zeitschr. f. plivsiol. Chemie. 72. 339 (1911). ■-) E. Schulze, E. Steiyer u. W. Maxirell : Zeitschr. f. physiol. Chemie, 14. 227 (1890). ') Vgl. Th. r. Fellenherq : Mitt. a. d. Gebiete d. Lebensmitteluntersucbungen (veröffentl. vom Schweizer (iesnudheitsamt). 5. 172. 22.5 (1914): 7. 42 (1916); 8. 1 (1916). — Biochem. Z. 85. 118 (1918). ^) Felix Ehrlich: Chem. Ztg. 41. 197 (1917). — Vgl. Svntheso Emil Fischer: Berichte d. Detitscheu Chem. Tiesellsch. 23. 937 (1890); 24. 2142(1891). Kohlehydrate. 57 ^0 H . C . UH HO . C . H HO . C . H H . C . OH CO OH. EhrlirJi ist geneigt, die Konstitution des Pektins von pflanzlichen Zellmembranen als das Ca-Mg-Salz einer komplexen Anhydro-arabino- galaktose-methoxy-tetragalakturonsäiire aufzufassen. Wenn man bedenkt, daß jeder dieser hier kurz aufgezählten druppen eine Unzahl einzelner Individuen entsprechen dürfte, dann erkennt man. wie große, ja gewaltige Lücken die Chemie der Kohlehydrate noch auf- weist, (ileichzeitig gewinnt man auch den Eindruck, daß nicht allein, wie man lange Zeit betonte, die Eiweißstoffe in unübersehbarer Mannigfaltigkeit auftreten und geradezu den Charakter der einzelnen Zellarten bedingen. Die Kohlehydrate stellen besonders in der Pflanzenwelt Verbindungen dar. die mindestens so mannigfaltiger Aufbaumöglichkeiten fähig sind, wie das bei den Eiweißstoffen der Fall ist. Wir gehen nun zur Besprechung derjenigen Polysaccharide des Pflanzenreiches über, die vom Pflanzen- und Allesfresser stets in mehr oder weniger großer Menge aufgenommen werden und als Nahrungs- stoffe eine große Rolle spielen. Es sind dies die Stärke = Am ylum und die Zellulose. Die erstere ist ein typisches sogenanntes Reserve- kohlehydrat der Pflanzenwelt. Wir verstehen darunter ein Kohle- hvdrat. ' das für spätere Zeiten abgelagert wird, um im geeigneten Augenblick durch Abbau allen möglichen Zwecken wieder zugänglich ge- macht zQ werden. Ihrer Funktion entsprechend finden wir Anhäufungen von Stärke in Form von charakteristisch gestalteten Körnern in Samen. Knollen usw. Wir begegnen der Stärke auch, und das ist besonders inter- essant, in den Chlorophyllkörnern der Blätter. Es läßt sich durch ein- fache Versuche direkt beweisen, daß an diesen Stellen .Stärke aus Kohlen- säure und Wasser gebildet worden ist. und zwar unter dem Einflüsse der Sonnenenergie. ^ i Die Stärkekörner treten je nach der Pflanzenart in ganz verschie- denen Formen auf. Man betrachtet sie als Sphärokristalle. Man glaubte eine Zeitlang, die Stärke als chemisches Individuum an-prechen zu dürfen. Die genauere Analyse hat jedoch ergeben, daß sie ein r;emi.-ch dar- stellt, «j Ma'juenne^-)' hat zwei Bestandteile der Stärke scharf unterschieden. ') Vgl. Vorlesan? IV. -) Man wird bei' genauerer Kenntnis der Bestandteile der Stärke diesen Namen nur noch als morphologischen Begriff anwenden und die chemischen Individuen als solche anführen. 'i Vgl. L. Maquenne: Annales de thim. et de Phvsique (8). 2. Mai 1904. Bull, de la soc. chim. de Paris. 3^ serie. Nr. 18—19. 1 (1906): Ann. de Chim. et de Phy- 58 lil- Vorlesung. nämlich die Amylose und das Amylopektin. Das letztere enthält Phosphorsäure gebunden. \) Die Amylose löst sich in Alkalien, liefert keinen Kleister und bedingt die indigoblaue Färbung des Stärkekornes, wenn man dieses mit einer Lösung von Jod in Jodkali in Gegenwart von Jodwasserstoff zusammenbringt, ^j Diese Farbe ist nur in der Kälte beständig. Beim Erwärmen verschwindet sie. um beim Abkühlen wieder zu erscheinen. Eine Lösung von Amylopektin wird mit Jod violett bis rot gefärbt, es bildet Kleister und ist in Alkali unlöslich. Die Kleisterbildung der Stärke ist somit auf diesen Bestandteil zurückzuführen. Bei der Ent- stehung des Kleisters aus Stärkekörnern beobachtet man, daß diese in warmem Wasser zunächst «unter bedeutender Wasseraufnahme quellen. Sie platzen schließlich. Weder die Stärke noch der Kleister reduzieren Metalloxyde. Amylose und Amylopektin unterscheiden sich auch dadurch schart, daß die erstere von einem Ferment, Diastase genannt, erst dann ange- griffen wird, wenn sie sich in Lösung befindet, während die Diastase Amylopektin sehr leicht direkt spaltet. Nach Gruzewska ^) entspricht die Amylose dem Innern des Stärkekornes, während das Amylopektin seine Hülle darstellt. Sehr wichtig ist die Beobachtung, daß die Stärke kein einheitlich zusammengesetztes Gemisch der genannten Körper darstellt. Es enthalten nämlich die verschiedenen Stärkesorten die Anteile Amylose und Amylo- pektin in verschiedenen Mengen.*) Vielleicht steht damit in Zusammen- hang, daß die verschiedenen Stärkearten von Diastase aus Milz, Pankreas- saft und Speichel verschieden rasch abgebaut werden. •"*) So enthält z.B.: > Haferstärke . . . 71,5" ,, Amylopektin und 28,50/0 Amylose Kastanienstärke . . 67,OVo " ^- r '^'^fi^U ]• Bohnenstärke . . . 75,50 « ^. '^ 24,5Vo r Reisstärke .... 68,5% •• ,- 31,5''/o ,. Kartoffelstärke- . . 73,Oo/o ■■ „ 27,OVo ,• Weizenstärke . . . 67,5''/o ,. ,. o2,5",o ,,• Roggenstärke . . . 78,5Vo r r 21.5« 0 Lassen wir auf die Stärke Säuren oder bestimmte Fermente ein- wirken, dann erfolgt ein x\bbau, der über zahlreiche Zwischenstufen führt, bis wir schließlich auf die einfachsten Bausteine stoßen. Diese sind Trauben- zuckermoleküle. Die Stärkekomponenten sind somit als Polysaccharide der d- Glukose aufzufassen. Verfolgen wir den Abbau der Stärke genauer, dann beobachten wir, daß zunächst Produkte auftreten, die auch noch viele siqup (8j. 9. 179 (190(5). — Vgl. auch H. van Laer : Bull, de la Soc. Chiin. Belgique. 18. (1906). — Eugene Fouard: C. r. de l'Acad. d. Sc. 148. .o02 (1909). — Z. Grtizewf^ka : Journ. de physiol. et de pathol. gener. 14. 7 (1912). — Vgl. auch Ch. Tanrel : Cr. de lAcad. 159. .^30 (1914); Bull. Soc. Chim. de France. [4]. 17. 83 (1915). ') Vgl. A. W. Thomas: Biochem. Bull. 3. 402 (1914). — Max Samec: Internat. Zeitschr. f. physikal -ehem. Biol. 1'. 173(1914). — Kolloid-chem. Beihefte. 6. 23 (1914). — John C. Northrop und ,/. M. Nelson: Journ. Americ. Chem. 38. 472 (1916). '^) Vgl. H. von Euler und Karl Mi/rhäck: Arkiv för Kemi, Mineral., Geol. 8. 1 (1921). — Ä. Lottermoser: Zeitschr. f. Elektrochemie. 27. 496 (1921). *) Z. Gruzeivska: J. de physiol. et de pathol. gen. 14. 7 (19121. *) Charles Tanret: C. r. de l'Acad. 158. 1353 (1914). ^) Vgl. Marius Pauletig: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 100. 74 (1917). Knlileliyilrate. f)9 (ilukosemoleküle gebunden enthalten, jedoch ganz andere Eigenschaften als die Stärkeanteile zeigen. Sie lösen sich z. B. leicht in Wasser auf. Bald kann man auch reduzierende Produkte beobachten. Die Jodreaktion fällt auch anders aus als mit Stärke selbst. Zunächst beobachtet man an- dere Farben: violette, braune, rötliche bis burgunderrote Farbentöne usw. Schließlich bleibt bei weiterem Abbau jede Färbung aus. Ein genaues Bild des Verlaufs des Abbaus der Bestandteile der Stärke wird sich erst geben lassen , wenn deren Struktur aufgeklärt ist. Soviel ist sicher, daß die Zerlegung der großen Moleküle in kleinere über mancherlei Zwischenstufen erfolgt, bis schließlich der Abbau bi.> zum Bau- stein Glukose durchgeführt ist. Man hat versucht, die den Stärkeanteilen noch nahestehenden Ab- baustufen zu charakterisieren. \ or allem wählte man hierzu die Färbung mit Jod. Man hat auch bestimmte Verbindungen unterschieden und sie durch Namen ausgezeichnet. Es unterliegt keinem Zweifel, daß für den Forscher all die gemachten Beobachtungen sehr wertvoll sind, für uns sind die einzelnen Namen einstweilen noch entbehrlich . weil mit wenigen Ausnahmen mit keinem ein erwiesen einheitliches Individuum verknüpft ist. ^j Wir ziehen es deshall) vor, das ganze große (Temisch der auf die Stärkekomponenten folgenden Abbaustufen mit einem einzigen Namen. nämUch Dextrine, zu bezeichnen. Dieser Name umfaßt somit, das sei ganz besonders betont, kein chemisches Individuum , sondern ein großes Gemisch aller möglichen Zwischenstufen im Abbau der Stärkeanteile bis zur Glukose herab. Der Begriff Dextrine ist somit ein mehr biologischer als chemischer. W^ir wollen uns nun der Frage zuwenden, ob es nicht geglückt ist, unter all diesen Abbaustufen die eine oder andere zu isolieren und al.^ cht^misches Individuum zu charakterisieren. Trotz aller aufgewandten Mühe konnte bis vor kurzem nur ein Disaccharid, nämlich die Maltose, als wohlcharakterisierte Abbaustufe nachgewiesen werden. Sie zerfällt unter der Einwirkung eines besonderen Fermentes in zwei Moleküle 1-Glukose. Es scheint aber, daß neuere Versuche erfolgreicher sind und bald weitere gut charakterisierte, einfachere Polysaccharide zur Kenntnis bringen werden. 2j Es sind nämlich kristallisierte Dextrine isoliert worden, und zwar eine a-Hexaamylose, (Cß Hio 05)6 ",)■ und eine -/.-Tetraamylose (Cf, Hio05)4. Ferner ist eine ß-Hexaamylose gewonnen worden *) In diesen Polyamylosen sind Di- bzw. Triamylosekomplexe vereinigt. Die Diamylose ist als eine Anhydromaltose erkannt worden. Sobald die Struktur und Konfiguration einzelner Bruchstücke des Ausgangsprodukte? bekannt sein werden, wird man sich eine klarere \'or- stellung von den einzelnen Vorgängen beim Abbau eines Polysaccharid- moleküls machen können. Wie S. 54 ausgeführt, folgen .'^ich Loslösung von M Vgl. ■/. r. Blake: Journ. of Americ. Chem. Soc. 40. G23 (1918). -) F. Schardhif/er: Zeitschr. f. Uutcrs. d. Nahrungs- u. Genußmittel. 6. 874 (1903). — Zentralbl. f. Bakt. u. Parasitenkunde. 22. 98 (19ü8). — //. I'ringsheim und A. Lant- hans: Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 45. 2533 (1912). — H. Fringsheim und Franz Eissler : Berichte d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 47. 2565 (1914). M W. Biltz und IC. Trnfhe: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 46. 1377 1913). — Vgl. auch Wilhelm Biltz: Ebenda. 46. 1532 (1913). *) Vgl. hierzu Hans Pringsheim und Walter Persch; Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 55. 1425 (1922). — Hans Pringsheim und Diamaudi l>ernikos: Ebenda. 55. 1433 (1922). — Hans Pringsheim und Kurt r^oldsfein : Ebenda. 55. 1446 (1922). 60 TU. Vorlesung. Anhydridkomplexen und Aufsprengung von Anhydridbindungen. Es werden offenbar Komplexe mit kleinerem Molekulargewicht, als es dem Ausgangs- produkt zukommt, frei, die in manchen und vielleicht den wesentlichsten Zügen noch dessen Charakter besitzen. Mit der Aufsprengung der Anhy- dridbindungen zu den Bausteinen selbst werden Aldehyd- und Ketogruppen frei und damit treten Eigenschaften auf, die dem ursprünglichen Polysac- charid nicht eigen sind. Die Aufspaltung der Anhydridringe erfolgt sicherlich nicht erst in dem Augenblicke, in dem der Baustein Glukose frei wird, vielmehr ohne Zweifel schon innerhalb zusammengesetzter Verbin- dungen. Vielleicht darf man der Art des weiteren Abbaues solcher Komplexe die Erfahrungen über den stufenweisen Abbau von ihrer Struktur nach einigermaßen bekannter einfacherer Polysaccharide zugrunde legen. So hat z. B. das Studium des Abbaus von Trisacchariden durch Fermente ergeben, daß diese stets einen Baustein nach dem anderen loslösen. Das gleiche gilt für die Einwirkung von Chemikalien. So spaltet z. B. Säure bei geringer Erwärmung aus Raffinose zunächst d-Fruktose ab. Es bleibt ein aus Glukose und Galaktose bestehendes Disaccharid übrig, die Melibiose. Bei weiterer Erwärmung wird diese dann in d-Galaktose und d-Glukose zer- legt. ^ ) Durch Fermente läßt sich der Abbau der Raffinose in zwei Richtungen vollziehen. Fermente aus Oberhefezellen zerlegen dieses Trisaccharid so, daß Melibiose und Fruktose entstehen. Die Fermentgruppe Emulsin bildet Rohrzucker und Galaktose 2): Hydrolyse mit Ober- hefenfermenten oder verdünnten Säuren Melibiose H OH CH, . OH I 0— C HO . C . H H.C.OH 0 H.C- CH5OH Galaktoserest Glukoserest Fruktoserest Kaffinosc H OH Rohrzucker Hydrolyse mit Emulsin *) Scheibler: Berichte der Deutsch. Chem. Gesellsch. 18. 1799 {1885). — B. Tollens und Gans: Ebenda. 21. 21.oü (1888). — Scheibler und Mittel itieier: Ebenda. 22. 1B78. (1899); 26. 2930 (1893). ») C. Neuberg: Biochem. Zeitschr. 3. 519. 535 (1907). Vgl. auch Zeitschrift de Vereines der Deutschen Zuckerindustrie. 67. 463 (1917J. Kohlehydrate. 61 Das Studium des stufenweisen Abbaus solcher Polysaccharide gibt uns eine weitere Möglichkeit zusammengesetzte Zuckerarten zu charakte- risieren. Da das Ausgangsmaterial uud die sich bildenden Spaltstücke ein verschiedenes optisches Verhalten zeigen, läßt sich die Art dos Abbaus durch Verfolgung des Drehungsvermögens genau feststellen, vorausgesetzt, daß das optische Verhalten der in Betracht kommenden Abbaustufen be- kannt und die gegenseitige Beeinflussung der einzelnen Komponenten auf das optische Verhalten festgestellt ist. Das andere Polysaccharid der Pflanzenwelt, das uns hier interessiert, die Zellulose, hat im allgemeinen für die Pflanze eine andere Bedeutung als die Stärke. Sie hat im großen und ganzen mechanische Funktionen zu erfüllen. Sie ist die Stütz- und Abgrenzungssubstanz der Pflanzenwelt. Die Zellulose findet sich in der Tierwelt nur ganz vereinzelt. Eine Zellulose- art ist z.B. bei Tunikaten nachgewiesen worden. ') Sie hat den Namen Tunicin erhalten. Daß es sich bei der aus dem Mantel von Phallusia mammillaris gewonnenen Substanz um ein Polysaccharid handelt, das der Zellulose sehr nahe steht und sogar wahrscheinlich mit ihr identisch ist, beweist der Umstand, daß es geglückt ist, aus Tunicin Zellobiose^), ein charakteristisches Abbauprodukt der Zellulose, zu gewinnen. Die Zellulose ist in erster Linie durch ihre außerordentliche Wider- standsfähigkeit gegen alle möglichen EinwiFkungen ausgezeichnet. Sie ist nicht nur sehr resistent gegen Chemikalien, sie wird auch von Fermenten nur schwer angegriffen. Gewisse Lebewesen vermögen sie abzubauen. Vor allem sind es Mikroorganismen, denen diese Fähigkeit zukommt. Die Zellulose ist in den gewöhnlichen Lösungsmitteln, in verdünnten Säuren und Alkalien ganz unlöslich. Sie löst sich nur in Kupferoxydam- moniak (Schiveizersches Reagens s). Bringt man Zellulose, z. B. Filtrierpapier, in heiße, konzentrierte Schwelelsäure, dann erhält man Abscheidung von Kohlenstoff. Läßt man sie bei gewöhnlicher Temperatur mit konzentrierter Schwefelsäure stehen, dann bilden sich zunächst Schwefelsäureester. Läßt man auf Zellulose Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure bei 105 — 1 lO» einwirken, dann gelangt man zur Oktaacety Izellobiose.*) Es sei auch noch kurz auf die Zellulosenitrate hingewiesen, die wegen ihrer beson- deren Eigenschaften mannigfaltige Anwendungen, z. B. als Sprengmittel, gefunden haben. Die Zellulose färbt sich mit Jod und Schwefelsäure blau. Es sind noch sehr viele Farbreaktionen beschrieben worden. Sehr schön ist die Violettfärbung mit Chlorzinkjodid. Wird die Zellulose durch Kochen mit verdünnten Säuren hydrolysiert, dann liefert sie schließlich Traubenzucker. =^) Die einzelnen Zwischenprodukte sind auch hier nicht bekannt. Nur das Disaccharid Zellobiose ist näher ') Berthelot: Aniiales de Cbim. et de l'hys. 56. 149 (1859). — /•-'. WiiUerstein: ZeitBcbr. f. physiol. Chemie. 18. 46 (1893). •) Fj. Abderhalden luid G. Zemplen: Zeitschr. f. physiologische Chemie. 72. .^8 (1911). ») E. Schweizer: .Inurn. f. prakt. Chemie. 76. 109. 344 (1857). *) Zd. H. Skraup und ./. König: Monatshefte f. Chemie. 22. 1031 (1901). ') Nach M. Cunningham (J. Chem. Soc. 113. 173 11918]. — Charles F. (iross und K.J. Heran: (Ebenda. 113. 182 |1918|) gibt es Zellulosearteu. bei deren Abbau nicht Glukose entsteht. H2 III. Vorlesuug, charakterisiert worden. Sie liefert zwei Moleküle Traubenzucker. Die Kon- stitution der Zellulose ist ebenso wie die der bereits besprochenen Polysac- charide noch in wesentlichen Funkten strittig, i) Eine für die Pflanzenwelt bedeutungsvolle Kombination von Zellulose mit Lignin — Holzsubstanz — liegt im Holze vor. Im tierischen Organismus ist bis jetzt nur ein Polysaccharid dieser Reihe aufgefunden worden, das ausschließlich aus Traubenzucker besteht. Es ist dies das Glykogen. Diesem kommt biologisch die gleiche Bedeutung zu, wie z. B. der Stärke, dem Reservekohlehydrat der Pflanze. Der tierische Or- ganismus speichert überschüssige Kohlehydrate in Form von Glykogen in den verschiedensten Organen auf. Dieses Polysaccharid wurde fast zur gleichen Zeit von CUindo ßemard -) und V. Beulen ^) entdeckt. Claude Bernard beobachtete schon im Jahre 1848 den hohen Gehalt der Leber an Traubenzucker*) und fand, daß sie erst nach langem Hungern sehr zuckerarm wird. Wenige Jahre später glückte ihm auch der Nach- weis, daß die Glukose in der Leber nicht unmittelbar als solche vorhanden ist, sondern erst allmählich aus einer Vorstufe entsteht. Er stellte fest, daß die einem eben getöteten Hunde entnommene Leber nach der Aus- spülung des Blutes und längerer Durchleitung (40 Minuten) von Wasser keinen Zucker an die Spülflüssigkeit mehr abgab. Auch konnte durch Aus- kochen eines Leberstückchens kein Zucker erhalten werden. Wohl aber ließ sich solcher in reichlicher Menge nachweisen, wenn die frische Leber z. B. 24 Stunden gelegen hatte. Dies brachte Claude Bernard auf den Gedanken, daß in der Leber eine Substanz vorhanden sei, die in W^asser sich schwer löst und unter der Mitwirkung der Lebersubstauz Zucker liefert. Das Lebergewebe muß „lebend" sein, wie der folgende Versuch zeigt. Wird nach dem vollständigen Auswaschen der Leber die eine Hälfte gekocht, so zeigt es sich, daß dieses Leberstück keinen Zucker mehr bildet, wohl aber der andere nicht gekochte Teil. Claude Bernard hat aber nicht nur die Ent- stehung des Zuckers aus einer offenbar kompliziert gebauten Vorstufe ver- folgt, sondern es ist ihm auch gelungen, diese darzustellen.'') Die von ihm angewandte Methode zur Darstellung des (ilykogens ist in ihren Grundzügen auch heute noch dieselbe. Sie beruht auf der Beobachtung, daß Alkohol ') Vgl. hierzu besdiidert; Kurt Hess und IV. Wittclsbach: Zeitschr. f. Eleklro- chemie. 26. 232 (1920). — K. Hess und Eriisf Messmer: Berichte d. Deutsch. Chem. (iosellsch. 54. 834 (1921). — Kurt JJcss: Berichte d. Deutsch. Chem. Gesellsch. 54. 2S68 (1921). — Knrf Hess: Zeitschr. f. augevvaiidte Chemie. 34. 49 (1921). — P. Karrer und ('. Nägeli: Helv. ehem. acta. 4. 169 (1921). — /'. Karrer und Fr. Widmer: Ebenda. 4. 174 (1921). — J. C. Ircine und Ch. W. Snn/ar: ^. Chem. Soc. London. 117. 1489 (1920). — Karl Frendenhery : Berichte d. Deutsch. Chem. Gesellsch. 54. 767 (1921). — R. (). Herzoy und W. Jancke: Zeitschr. f. Physik. 3. 196 (1920). -) Claude i?ip/-narrf.- * Compt. rend. de l'Acad. des Sciences. 41. 461 (1855); 44. 1325 (1857); 48. 77, 673, 884 (1859). ') V. Hensen: Virchoin^ Archiv. 11. 395 (1857). *) Vgl. Claude Bernard und Barreswil: Compt. rend. de l'Acad. des Sciences. 27. 514 (1848). — Eine ausgedehnte Studie über das Glykogen verdanken wir E. F. W. l'lläyer: Das Glykogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit. 2. Aufl. Bonn. Martin Hager. 1905. — Eine vollständige Zusammenstellung der Arbeiten von Claude Bernard findet sich in: L'oeuvre de Claude Bernard. l'aris. .1. B. Bailliere et Fils. ^) Claude Bernard: Lc^ons sur la l'hysiologie et la Pathologie du Systeme uerveux. 1. 467 (1857). — Vgl. auch (iazette medicale. 2i<. III (1857). Kohlehydrate, 6H aus einer alkalischen Lösung der Organe das Glykogen fällt. Durch Wieder- holung der Auflösung in Kalilauge und Fällung mit Alkohol kann das Iioh- glykogen gereinigt werden. August KeknU ») hat das Glykogen nach der oben angegebenen Methode zuerst Stickstoff- und aschefrei dargestellt. Das Glykogen stellt ein feines, weißes, amorphes Pulver dar. Es ist geruch- und geschmacklos. Cber sein Molekulargewicht liegen sehr wider- sprechende Angaben vor. Die einen Autoren schreiben ihm ein sehr hohes zu. andere halten eine einfachere Zusammensetzung für wahrscheinlicher. Letztere dürften nach neueren Forschungen recht behalten. 2) Das (Glykogen quillt in kaltem Wasser und löst sich nur scheinbar auf. Die Lösung zeigt hierbei deutliche Opaleszenz. Daß eine wirkliche Lösung nicht eingetreten ist, beweist der Umstand, daß das Glykogen nicht durch tierische Mem- branen diffundiert. Außerdem hat Gatin-Gruznrska ^) gezeigt, daß in Wasser gelöstes Glykogen gegenüber dem elektrischen Strome sich ganz wie ein Kolloid verhält. Ks wandert, und zwar zur Anode.*) Das Glykogen dreht nach rechts. Seine Lösung färbt sich mit Jod je nach der Konzentration gelbbraun, rotbraun bis tiefrot. Kupferoxydhydrat wird von Glykogen in alkalischer Lösung in Lösung gehalten, jedoch nicht reduziert."^) (ianz entsprechend, wie die übrigen Polysaccharide, zerfällt auch (ily- kogen beim Kochen mit verdünnten Mineralsäuren in seine einfachsten Bau- steine, und zwar entsteht ausschließlich T r a u b e n z u c k e r. Glykogen wird auch durch diastasische Fermente abgebaut. Von Abbauprodukten sind Dextrine und Maltose mit Sicherheit nachgewiesen. Im übrigen liegen die Ver- hältnisse genau so, wie bei der Stärke, indem wir vorläufig auch hier bei den höher molekularen Verbindungen (Dextrinen) keine Gewähr für deren Einheitlichkeit haben, ebensowenig, wie wir wissen, ob das Glykogen selbst ein einheitHches chemisches Individuum darstellt. Interessant ist, daß beim stufenweisen Abbau des Glykogens entsprechende Produkte isoliert werden konnten, wie bei der Zerlegung der Stärke, indem auch hier Hexa- und Tetraamylose zur Beobachtung kamen. ^) Unentschieden ist noch die Frage, ob das in den Geweben abgelagerte Glykogen im freien Zustande vor- handen ist, oder ob es nicht vielmehr wenigstens zum Teil gebunden vor- kommt. Das Glykogen ist im gesamten Tierreich sehr verbreitet und findet sich in den verschiedenartigsten Geweben. ^) Eine Hauptablagerungsstätte ist die Leber. In dieser ist es in der Zellsubstanz eingelagert. Der Kern M August Keknlr: Pharmaz. Zeutrall)!. 300 (1H58). 2) Z. Gatin-Gruzewska: Pfiüger^ Archiv. 103. 282 (1<)04). - K. r. Knaßl-Lenz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 293 (1905). ^) Z. Gatin-Gruzeuska: F/lüf/ers Archiv. 103. 287 (1904). — Fil. Bofiazzi iiud G.d/Errico: Pflügers Archix. 115.359(1906).— Leonhard Wacker: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 71. 143 (1911). *) Vgl. hierzu auch F. Botazzi : Atti R. Acc. dei Lincei Roma. [5. | 18. II. S7 (1909). ^) Bezüglich der außerordeutlich wichtigen quantitativen Bestimmung des (ily- kogeijs vgl. Pflüger: 1. c. (Zitat 4, S. 62), 61 u. 67 u. tt'. ") Uans Pringsheim und S/ephanie Lichtentitcin : Berichte der Deutschen Hieni. Gesellsch. 49. 364 (1916). ') Vgl. bezüglich des mikmcliemischen Nachweises des Glykogens Dietrich Bar- j'urth: Archiv für mikroskopische Anatomie. 25. 259 (1885) und Edgar Gierke : Das Glvkogen in der Morphologie dos Zellstoftwechsels. Habilit.-Schrift. (i. Fischer. Jena 1905. (34 III- Vorlesung. bleibt stets frei vou Glykogen. Der Glykogengehalt der Leber ist abhängig vom Ernährungszustand des Tieres. Die Leber enthält dieses Polysaccharid bereits in frühen Entwicklungsstadien'), wenn auch in geringen Mengen. Es ist auch in den der Leber der Wirbeltiere nach Funktion und Bau ent.sprechendeu (Jrganen vieler "Wirbellosen aufgefunden worden, so bei Krebsen, Mollusken usw. Eingehende Studien sind namentlich über die Verteilung des Gly- kogens in der Leber von Gastropoden gemacht worden. Es zeigte sich, daß der Glykogengehalt dieses Organs ganz von denselben Bedingungen adhängig ist, wie bei den Wirbeltieren. Bei Limax und Helix-*) konnte durch Hunger nach 20 — 21 Tagen das gesamte (Glykogen zum Verschwin- den gebracht werden. Nach der Fütterung trat im Verlauf von 9 — lOStun- ben wieder Glykogen auf. Es wird zunächst in der Bindesubstanz abge- lagert und dann erst in dem Epithel der Leber. Beim Hungern verschwindet letzteres zuerst. Bei den Gastropoden ist die Leber der Hauptstapelplatz des Glykogens. Alle übrigen Organe kommen als Ablagerungsstätten kaum in Betracht. Auch bei anderen niederen Organismen außer den Mollusken und Gastropoden ist Glykogen recht verbreitet. So wies schon Chuale Bemard Glykogen in Fliegenlarven, den Raupen mancher Insekten, in Regenwürmern, Bandwürmern usw. nach. Andere Autoren fanden es bei Echiuodermen, Holothurien, Polypen, Schwämmen usw. Auch bei Protozoen (Vorticellen, Opalinen, Chilodon, Amöben, Rhizo- poden). ferner bei Pilzen ^j ist Glykogen nachgewiesen worden. Eingehend untersucht ist von Clautnan^) und Arthur Harden und WiU'mtH John Young"-') der Gehalt der Hefezellen an Glykogen. Der Nachweis des Glykogens ist nicht in allen Fällen einwandfrei geführt und vor allem ist noch ganz unentschieden, ob nicht trotz großer Ähnlichkeit zum Teil von Glykogen ganz verschiedene Substanzen vorlagen. Jedenfalls gehören alle diese Stoffe nach ihrer biologischen Bedeutung zur Gruppe der Reservekohlehydrate. ") Bei den Wirbeltieren kommt auch den Muskeln eine bedeutende Rolle als Glykogenspeicher zu. Die Verteilung des Glykogens in den ein- zelnen Muskeln und den verschiedenen Organen ^) ist eine sehr ver- schiedene, ^l Glykogen findet sich nicht nur in den quergestreiften, sondern auch in den glatten Muskeln und ist auch in den Muskel fibrillen ent- J) E. Piiiiger: Pflügers Archiv. 95. 19 (1901). — Ebenda. 102. 305 (1904). ') Vgl. z. B. //. Erhard: Verhaudl. der Deutscheu Zool. Gesellsch. 22. Jahresver. Sammlung in Halle 1912. — H. Erhard und F. Zieglwallner ^ Zeitschr. f. Biol. 58. ö41 (1912). ^) Errera: Das Epiplasma der Ascomvceten und das Glykogen der Pflanzen, Brüssel 1882 und Compt. rend. de l'Acad. des" Sciences. 101. 253 (1885). *) Clautrian: Mem. couronn. Acad. Roy. Belg. 53 (1895). ^) Arthur Harden und William John Younq: Transactions of the Chemical Society. 81 (1902). *) Bezüglich des Vorkommens von Glykogen unter pathologischen Verhältnissen, namentlich in Neubildungen vgl. 0. Lubarsch: Glykogendegeneration in 0. Lubarsch und R. Ostertag: Ergebnisse. 1. Jahrg. 2. 166 (1895). ') Bernhard Schöndorff: Pflüger?, Archiv. 90. 191 (1903). *) August Cramer: Zeitschr. f. Biologie. 24. 78 (1888). Kohlehydrate. 65 halten. Der Gehalt der Muskeln an Glykogen ist abhängig vom allgemeinen Ernährungszustand. Wir werden bald sehen, daß dem Glykogen der Muskeln eine ganz besondere Bedeutung zukommt, und daß es in Beziehung zu ihrer Arbeitsleistung steht. Auch dem Muskelapparate der Wirbellosen fehlt das Glykogen nicht und hat hier dieselbe Bedeutung, wie bei den \\irbeltieren. Glykogen ist ferner in der Pankreasdrüse, in den kleineren Drüsen des Verdauungsapparates, den Lungen, den Nieren, den Geschlechtsdrüsen, im Nervensystem i), den Epithelien, der Bindesubstanz, im Knorpel 2). den Blut- 3) und Lymphgefäßen nachgewiesen worden. Außer den bis jetzt aufgeführten Kohlehydraten sind verschiedene zu den Polysacchariden gehörende Verbindungen beschrieben worden, die teils im Blute, in der Milch und namentlich im Harn beobachtet worden sind. Sie führen zum Teil, wie wir schon S. 56 erwähnt haben, den Namen tierisches Gummi*), zum Teil werden sie als dextrinartige Sub- stanzen ö) usw. bezeichnet. Letztere sind namentlich im Harn von Diabetes- kranken in größerer Menge aufgefunden worden. Es sollen jedoch auch in jedem normalen Harn solche Produkte vorhanden sein, wenigstens werden die beim Kochen von Harn mit Mineralsäuren sich bildenden Huminsub- stanzen. allerdings ohne sichere Grundlagen, als Beweis für die Anwesen- heit von Kohlehydraten aufgefaßt. ^) Sicheres wissen wir, wie schon betont, einstweilen über diese Produkte nicht und ebenso unbekannt ist vorläufig ihre biologische Bedeutung. Am nächsten liegend ist namentlich bei den im Harn auftretenden komplizierter gebauten Kohlehydraten der Gedanke, daß wir es mit Produkten zu tun haben, die dem vollständigen Abbau in den Geweben entgangen sind. Im Anschluß an die besprochenen Polysaccharide sei noch auf die- jenigen Verbindungen hingewiesen, an deren Aufbau stickstoffhaltige Kohlehydrate beteiligt sind. Ein Dipentosamin, d. h. eine Biose eines Pentosamins — eine Verbindung, die entsprechend aufzufassen ist, wie das Glukosamin — , ist z. B. aus Pferdeleber isoliert worden. ^) In diesem Zusammenhange sei auch auf die S. 42 ff., 173 erwähnten stickstoffhaltigen, den Kohlehydraten nahe- stehenden Verbindungen hingewiesen. Über ihre biologische Bedeutung wissen wir zur Zeit leider so gut wie garnichts. ») H. Erhard: Biolog. Zentralbl. 31. 472 (1911) und Archiv f. Zellforschung. 8. 442 (1912). «) Pietro Guizzetto: Zeutralbl. f. Pathol. 21. Juni (1910). ') Eine viel umstrittene Fiage ist. ob das Blutplasma selbst Glykogen enthält oder aber, ob der Gehalt des Blutes an Glykogen nur auf denjenigen der weißen Blut- körperchen zurückzuführen ist. Es scheint, daß ab und zu Glykogen im Plasma sich vorfindet, gewöhnlich dürfte jedoch sein Vorkommen auf die Leukozyten beschränkt sein. *) IL A. Landwehr: Zentralbl. f. d. med. Wisseusch. Nr. 21. 369 (1885). — Vgl. auch K. Baisch: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 18. 193 (1894) und 19. 339 i:i895). — Ebenda. 20. 249 (1895). ') Vgl. z. B. K. r. Alffhan: Helsingfors. üsakevhtiö Weilin und Göös Aktie- iiolag (1904). ") Vgl. die Beobachtung von Emil Abderhalden und Fritz Prcgl: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 19 (1905j. ') Th. R. Offner: Hofmeistern Beiträge. 8. 399 (1906). Abderhalden, I. Teil, Physiologische Chemie. 5. Aufl. 5 66 m. Vorlesung. Wir haben bis jetzt ausschließlich Verbindungen betrachtet, an deren Aufbau nur Kohlehydrate teilnehmen. Wir würden ein sehr unvollstän- diges Bild der Bedeutung dieser Körperklasse entwerten, wenn wir nicht noch hervorheben würden, daß die Saccharide in mannigfaltiger Art am Aufbau aller möglichen Substanzen sich beteiligen, die auch aus anderen Bausteinen als aus Kohlehydraten bestehen. Man hat alle derartigen Ver- bindungen Glukoside genannt. Man kann diesen Begriff auch auf die Polysaccharide ausdehnen und diese dann als solche Glukoside auffassen, die nur Kohlehydrate enthalten. Es ist jedoch zweckmäßiger, den Namen Glukoside ganz auf jene Verbindungen zu übertragen, die neben Kohle- hydraten auch andere Arten von Bausteinen besitzen. Die Zahl der Glukoside ist eine ganz gewaltige.^) Sie sind vor allen Dingen im Pflanzenreich weit verbreitet. Man kann die große Klasse der Glukoside einmal ganz allgemein nach ihrer empirischen Zusammensetzung einteilen und die Anwesenheit oder das Fehlen von Stickstoff als Abgren- zung benutzen. Man kann ferner die Art der vorhandenen Kohlehydrate der Einteilung zugrunde legen und z. B. stickstoffhaltige Glukoside, die bei der Hydrolyse Glukose liefern, für sich betrachten. Alle diese Einteilungs- formen haben deshalb etwas Gezwungenes an sich, weil in den meisten Fällen nicht die Zuckerkomponenten, sondern die anderen Bausteine der Glukoside unser besonderes Interesse fesseln und durch die erwähnte Gruppierung Verbindungen getrennt werden, die wiegen sonst gleichen oder nahe verwandten, nicht zuckerartigen Bausteinen zusammengehören und auch nach ihren biologischen Eigenschaften enge Beziehungen zu- einander haben. Emil Fischer 2) hat die Glukoside auf Grund der Beobachtung, daß die verschiedenartigen Vertreter dieser Körperklasse sich gegenüber Fer- menten ganz charakteristisch verhalten, in zwei große Klassen eingeteilt. 3) Es gibt Glukoside, die von Bierhefe und den aus dieser darstellbaren, ferm enthaltigen Auszügen gespalten werden. Diese Glukoside hat Emil Fischer a-Glukoside genannt. Andere Glukoside widerstehen den Fer- menten der Bierhefe vollständig, sie lassen sich aber durch Fermente, Emulsin genannt, die in süßen und bitteren Mandeln enthalten sind, zer- legen. Die Glukoside, die dieser Pteihe angehören, sind als ^-Glukoside bezeichnet worden.*) Die Glukoside, die in der Pflanzenwelt vorkommen, gehören fast ausnahmslos der letzteren Reihe an. Boiirqiiolot •'>) hat auf Grund dieser Beobachtungen eine biochemische Methode zum Nachweis bestimmter Glukoside im Pflanzenreich ausgearbeitet. Die beiden genannten Pieihen von Glukosiden werden durch die fol- genden einfachsten Glukoside vertreten: 'J Vgl. u. a. ./. ./. ( . ran Rijn: Die Glukoside. Gebr. Bornträger. Berlin 1900. -) Emil Fischer: Berichte der Deutschen Chcm. Gesellsch. 27. 29G5 (1865); 28. 1145 (1895); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 26. 60 (1898). ') Außerdem hat Emil Fischer [Berichte der Deutscheu Chcm. Gesellsch. 47. 1980 (1914)] ein y-Methylglukosid aufgefunden. — Vgl. auch J. ('. Iriine, Ahr. W. Fijfe, Th. Ferciral: Journ. Cham. Soc. 107. 524 (1915). *) Ganz eindeutig ist übrigens die erwähnte Trennung mittels Hefe und Emulsin nicht, wie wir iu Band II, Vorlesung XV'III noch erfahren werden. ^) Em. Bourquelot : Arch. de l'harmacie. 245. 172 (1907). — Vgl. weitere Literatur im Kapitel : Synthesen durch Fermente. Kohlehydrate, 67 CH, . (J . C . H H— C— OH H— C HO-C—H H— C H— C-OH H— C— OH CH2 OH CH, OH a-Methyl-d-glukosid. ß-Methyl-d-glukosid. Diese Glukoside, die durch Erhitzen von Glukose mit methylalko- holischer Salzsäure gewonnen werden ' ) , liefern bei der Spaltung nicht die gleiche Glukose.^) Wird a-Methylglukosid hydrolysiert , dann erhält man eine Glukose, die sehr stark dreht. Man hat sie als a- Glukose bezeichnet. 3) Aus dem ß-Glukosid erhält man eine weniger stark drehende, ß-Glukose genannte Form. Die beiden Glukosearten sind durch die folgenden, die nahen Beziehungen zu den a- und fi-Glukosiden ohne weiteres zum Ausdruck bringenden, die Butylenoxydbindung enthaltenden Formeln charakterisiert worden*): H-C— oH OH— C-H HO— C— H CH.2OH a-d-Glukose. GH., OH ä-d-Glukose. ') Emil Fischer: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 26. 2400 (1893); 28. 1151 (1895). -) Armstrong: Jourü. Chem. Soc. 83. 1305 (1904). ') Über eine weitere Glukoseform vgl. Emil Fischer : Berichte der Deutscheu Chem. Gesellsch. 47. 1980 (1914). — James Colquhoun Irvine , Ä. \V. Fijfe und 7A. F. Hogg: Journ. Cbem. Soc. 107. 524 (1915). *) Äußer der a- und ji- d- Glukose ist noch eine andere, mit 7 bezeichnete Form zur Beobachtung gelangt, für die eine Äthylenoxydbindung im Molekül angenommen wird: H-C-OH HO-C—H I H-C— OH I H-C— OH 1 CH., OH und HO-C-H l>0 H— C/ I HO— C-H I H-C— OH I H_C-OH I CHjOH 68 III. Vorlesung, An Stelle der Methylgruppe kann man synthetisch alle möglichen Verbindungen mit Glukose verknüpfen und z. B. phenolartige Produkte darstellen. Selbstverständlich kann man auch andere Zuckerarten wählen. Man kann die Art des beteiligten Zuckers im Namen des Glukosids zum Ausdruck bringen, indem man z. B. von Pentosiden, Hexosiden usw. und noch spezieller von Arabinosiden, Xylosiden, Galaktosiden usw. spricht. Der Name Glukosid ist nicht ganz glücklich gewählt, weil er an und für sich auf die Glukose hinweist. Man könnte von dem allgemeinen Namen der Bausteine der Kohlehydratreihe Saccharid ausgehen und von Saccharosiden sprechen, allein dann kommt man wieder mit der Saccha- rose, dem Eohrzucker, in Konflikt.^) Zu den Glukosiden des Pflanzenreiches gehört eine große Reihe von Verbindungen, die ganz besondere Wirkungen auf den tierischen Organismus entfalten. Sie sind zum Teil wichtige Arzneimittel geworden. Es seien einige der bekanntesten Glukoside hier angeführt. In den Blättern von Arctostaphylos uva ursi und auch in anderen Pflanzen ist das Arbutin aufgefunden worden. Es hat die folgende Konstitution: O.CeHiiOs j HC CH I 1 HC CH Xc/^ I ÖH Bei der Hydrolyse erhält man d- Glukose und Hydrochinon. Neben dem Arbutin kommt meist auch ein methyliertes Arbutin vor. Von besonderem Interesse ist das Glukosid Phlorhizin. Es findet sich in der Rinde des Apfel-, Bim-, Kirsch- und Pflaumenbaumes. Besonders reich an Phlorhizin ist die Wurzelrinde. 2) Bei der Spaltung mit Säure liefert dieses Glukosid unter Wasseraufnahme d-Glukose und Phloretin.^) Dieses letz- tere läßt sich weiter in Phlorogluzin und Phloretinsäure = p-Oxy- phenyl-propionsäure zerlegen. Unter geeigneten Bedingungen erhält man aus dem Phlorhizin nach Cremer und Seuffert^) unter Abspaltung von Phloretinsäure Phlorogluzinglukosid = Phlorin. Die Synthese dieses Leider ist die Nomenklatur und Auffassung dieser Formen, in denen die Glukose in Lösung auftritt, wobei sich zwischen den verschiedenen Formen Gleichgewichte aus- bilden, noch nicht einheitlich. *) In vieler Beziehung nicht unzweckmäßig wäre die Bezeichnung der gesamten Kohlehydrate als Karbohydrosen. Die Bezeichnung Karbohydroside würde dann die „Glukoside" umfassen. *) de Koninck: Anualen d. Chemie. 15. 75. 258 (1835). ») J. Liebig: Annalen d. Chemie. 30. 217 (1839). — Strecker: Ebenda. 74. 184 (1850). — Synthese: Emil Fischer und Ostnan Nouri: Berichte d. Deutschen Chem. Gcsellscb. 50. 611 (1917). *) Joseph Schulter: Zeitschr. f. Biol. 56. 274 (1911). — M. Cremer: Münchener med. Wochenschr. Nr. 32 (1911). — M. Cremer und R. W. Seuffert: Berichte der Deut- schen Chem. Gesellsch. 45. 2565 (1912). Kohlehydrate, 69 Glukosides ist von Emil Fischer und H. Strauss ^) ausgeführt worden. Die folgenden Formeln geben einen Einblick in den Abbau des Phlorhizins: CHo . GH., . C(J . C 0 HO/^\o . C . CH (OH) . CH (OH) . C . CH (OH) . CH^ . OH. ■ I I H H \ OH ÖH P-Oxy- Phloro- (ilukoseres t phenyl- gluzinrest propion- säurerest (Phloretin- säurerest) Phl orhizin CHo .CH, .CO.C 1 1 HOr^ ^OH + H, 0 = 1 1 i 1 + C,H,.,Oe. \ / ^y OH OH Phloretin Glukose. Es kann jedoch die Spaltung auch so verlaufen, daß Phloretinsäure CHo . CH., . COOH OH entsteht und 0 HO^ \o . C . CH (OH) . CH (OH . C . CH (OH) . CH, . OH. I ! H H OH Phlorin = Phlorogluzinglukosid. Wir kommen auf diese Verbindungen noch zurück. Sie haben eine große Bedeutung erlangt, weil das Phlorhizin, Tieren eingespritzt, zur Zuckerausscheidung im Harn führt. Die angeführten Formeln geben uns einen guten Einblick in den Auf- und Abbau komplizierter gebauter (jlukoside. ^) E. Fischer u. H. Strauss: Berichte d. Deutsclion Cheni. (iesellsch. 45. 2467 (lyl2i. 70 III. Vorlesung. In Gaultheria procumbens ist ein Glukosid, Gaultherin genannt, auf- gefunden worden, das bei der Hydrolyse Glukose und Salizylsäuremethylester liefert. Unbekannt in ihrer Konstitution sind die Glukside Adonin und Adonitin. Beide finden sich in der Pflanze Adonis. Sie wirken beide auf das Herz. Ein stark wirkendes Herzgift ist auch das Cheiranthin, das in den Blättern und Samen des Goldlacks sich findet. Von hervorragender Bedeutung sind die verschiedenen Digitalisglukoside i) aus DigitaUs. Sie wirken alle mehr oder weniger ausgesprochen auf das Herz. Auch Strophantin aus den Samen von Strophantus Combe ist ein aus- gesprochenes Herzmittel. Am Aufbau dieses letzteren Glukosids sind Mannose und Rhamnose beteihgt. Ein interessantes stickstoffhaltiges Glukosid ist das Amygdalin.^) Es hat die folgende Konfiguration s): Glukoserest Glukoserest D — OH H OH H H OH H H HC-C — C — C — C — CH, — 0 — C — C — C — C — C~CH..OH. 0 H OH H H I NC.CH.aH, OH H O OH Blau- Benzalde- säure- hydrest rest • Bei der Einwirkung von Emulsin zerfällt Amygdalin in Benzal- dehyd, Blausäure und zwei Moleküle d-Glukose*): C,o Ha, NOu + 2 Hg 0 = 2 Ce H,.. 0, -\-G,R,. CHO + HCN. Durch Fermente der Hefe erfolgt die Spaltung in anderer Art. Es entstehen d-Glukose und Mandelnitrilglukosid^), d.h. es wird nur ein Glukoserest entfernt. ") Man kann das Amygdalin als ein Glukosid eines Disaccharids auffassen. Die Natur des letzteren ist noch nicht ganz auf- geklärt. Maltose, die nach ihrem Verhalten gegenüber Emulsin und Hefe- fermenten und insbesondere gegenüber der sogenannten Maltase als ein ') Vgl hierzu: 0. Schmiedeberg : Archiv f. exper. Path. u. Phanuak. 3. 1(5 (1874). — 0. Schmiedeher q und Koppe: Ebenda. 3. 284 (1874). — Kiliani: Archiv f. Pharmacie. 230. 250 (1892); 233. 319 (1895); 234. 273 (1896). — Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 31. 24.54 (1898): 34. 3591 (1901); 40. 2996 (1907): 49. 701 (1916); 52. 200 (1918). *) Entdeckt von liobiquet und Boufron-Chalard : Ann. de Chini. et de Phys. [21. 44 352 (1829). ") Auld: .Tourn Chem. Soc. 93. 1276 (1908). *) J. Liehig und F. Wähler: Ann. de Chim. et de Physique. 64. 185 (1837). — Vgl. auch ebenda. 22. 1 (1837). ^) Vgl. seine Synthese: Emil Fischer und Max Bergmann: Berichte der Deut- schen Chem. Gesellsch. 50. 1047 (1917). «) E. Fischer: Berichte der Deutscheu Chem. Gesellsch. 27. 2989 (1894); 28. 1508 (1895). Kohlehydrate. 7 1 a-Glukosid aufzufassen ist, liegt sicher nicht vor. Es handelt sich viel- mehr um eine Kombination von a- und fi-Olukose. Das aus Amygdalin darstellbare Mandelsäurenitrilglukosid ist als das l-Mandelsäurenitril-li- glukosid erkannt worden, i) Interessanter Weise kommt in den BKättern von Sambucus niger ein d-Mandelsäurenitril-ß-glukosid, Sambu- nigrin genannt, vor.-) Endlich ist das in frischen Blättern von Prunus laurocerasus aufgefundene Prunolaurasin als Gemisch der beiden er- wähnten Glukoside festgestellt worden. =') Schließlich sei noch erwähnt, daß das Alizarin, der bekannte Krapp- farbstoff, in der Mutterpflanze Rubia tinctoria, auch als Glukosid (Rub- ervthrinsäure) vorkommt. Auch der Indigo findet sich im Pflanzenreich nicht als solcher, sondern in Form des Glukosids Indikan. Bei der Hydrolyse erhält man aus diesem Glukose und Indoxyl. Dieses letztere ist farblos. Erst das bei der Oxydation sich bildende Indigotin zeigt die schön blaue Farbe: Ci,H,,N06 + H,0 = CjU^ + iVllj^ Indikan Glukose Indoxyl ^CgH.NO + ()., = CisHioN-^O-, -f 2H.,(). Indigotin. Eine außerordentlich interessante Gruppe von Glukosiden stellen auch die Anthocyane dar.*) Sie sind als Farbstoffe der Blüten und Früchte weit verbreitet. So zerfällt das Anthocyan der Kornblume, das Cyanin, bei der Hydrolyse in zwei Moleküle Glukose und ein Molekül Cyanidin (eigentliche Farbstoffkomponente). Das gleiche Diglukosid des Cyanidins findet sich in dem Anthocyan von Rosa gallica. In den Preißelbeeren findet sich der Farbstoff Idäin. Er enthält ein Molekül Cyanidin uud ein Molekül Galaktose. Der Farbstoff der Weintraube, das Önin, liefert bei der Spaltung je ein Molekül Glukose und Ö nid in. Das Anthocyan der Heidelbeere, Myrtillin genannt, besteht aus Glukose und Myrtillidin. Die Stockrose enthält die gleiche Farbstoffkomponente Myr- tillidin plus Glukose. Bei der Spaltung des Anthocyans des Rittersporns, Delphinin genannt, entstehen zwei Moleküle Glukose, zwei Moleküle p-Oxybenzoäsäure und ein Molekül Delphinidin. Aus dem letzteren sind durch Spaltung mit Alkali Phloroglucin und Gallussäure gewonnen worden. Mit den Anthocyanen sind die Flavone, z. B. das Quercetin. das sich in der Eichenrinde, in den Blüten der Kastanie usw. in Form des Glukosids Quercitrin findet, nahe verwandt. ') Vgl. R. J. Caldwell und S. L. Coiirfauld: .1. of ehem. Soc. 91. 666. 671 (1907); Bourquelot und Herissey : J. de Pharmacic et de Chimie. (6.) 26. 5 (1907). ^) Bourquelot und Jle'rissei/: J. de Pharmacie et de ('himie. ((>.) 26. ö (1907). *) Herissey: J. de Pharmacic et de Chimie. (6.) 23. 5 (190(5). *) Vgl. die Arbeiten von Richard Willsfätfer: Sitzuntrsbcricht der Preußischen Akad. d. Wiss. 402 (1914); Richard Willsfätfer und Heinrich Mallison: Ebenda. 769 (1914); Richard Wilhfätter und ImzIo Zechmeisfer: Kbenda. S86 (1914); Richard Willstätter: Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 47. 2S31 (1914). — Richard Will- sf (Älter, Thomas J. Nolan, Heinrich Mallison, Eimer K. lioUon, Walter Mieg. Ernst H. Zollinger, Karl Martin: Liebiys Annaion. 408. 1 (1914/l."i). 72 III- Vorlesung. Die Farbstoffkomponenten der Anthocyane sind nach den tiefschür- fenden Untersuchungen von Eichard WiUstätfcr als Derivate eines Pho- nylbenzopyrylium zu betrachten. Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß die Pflanzenwelt zur Herstellung der mannigfaltigen Farb- stoffe als Bausteine Kohlehydrate gemeinsam mit anderen Verbindungen verwendet. Nur erwähnt sei noch, daß die Anthocyane mit Säure rote, mit Alkali blaue Farbstoffe bilden. Endlich kommt noch eine neutrale Form — Phenolbetain — vor, die violett ist. Viele Verschiedenheiten der unser Auge entzückenden Blütenfarben sind durch das \^orkommen dieser drei VerbindungGformen bedingt. Interessant ist. daß auch die (jruppe der Tanuine zu den Gluko- siden gehört, und zwar sind die Alkoholgruppen der (ilukose mit Gallus- säure esterartig verbunden. \) Auch die in der Natur so verbreiteten Saponine sind den Gluko- siden zuzurechnen. 2) Die Aufzählung dieser wenigen Ghikoside der Pflanzenwelt mag ge- nügen, um einen Einblik in die Verbreitung dieser Körperklasse in der Pflanzenwelt und ihre Bedeutung zu geben. Wir wollen nur noch hervor- heben, daß wir ihre Anwesenheit oft auch am Vorhandensein derjenigen Fermente erkennen können, die imstande sind, bestimmte Glukoside in ihre Bausteine zu zerlegen. .^ueh im tierischen Organismus hat man Glukoside aufgefunden oder mit anderen Worten Verbindungen, die bei der Hydroly.se neben anderen Bausteinen Zucker liefern. Zwei solchen Klassen von Verbin- dungen sind wir bereits begegnet, nämlich den Nukleinsäuren und Pro- dukten der Gehirnsubstanz, die Galaktose enthalten. Als Baustein vieler Nukleinsäuren ist die d-Ptibose, eine Pentose, festgestellt worden. Außer- dem gibt es Nukleinsäuren, an deren Aufbau Hexosen beteiligt sind. Wir kommen auf diese Verbindungen noch zurück.''} An dieser Stelle sei auch der von F. A. Levcne *) bei der Darstel- lung von Nukleinsäuren aus der Milz beobachteten Säure gedacht, die an und für sich nicht reduziert, wohl aber nach dem Kochen mit Säuren. Levptie nennt sie Gl ukoth ionsäure. Er hält sie für eine Ätherschwefel- säure. Von welcher Art die Kohlehydratkomponente ist, ist bis jetzt nicht festgestellt. John A.Mandel und F. A. Lerenc'') konnten diese Säure auch ') Emil Fischer und Karl Freudenberq : Berichte d. Deutsch, ('hem. Gesellsch- 45. 915 (1912). — Vgl. auch ebenda. 46. 1116 (1913); 47. 2485 (1914). — Fmil Fischer und R.Strauß: Ebenda. 45. 3773 (1912). — Karl Freudenberq : Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 52. 177 (1919). — Emil Fischer: Ebenda.' 52. 809 (1919). — Emil Fischer und M. Bergmann: Ebenda. 52. 809 (1919). *) A. W. van der Haar: Archiv f. Pharmazie. 250. 424 (1912); 251. 217 (1913): Ber. d. D. Chem. Ges. 54. 3142, 3148 (1921); 55. 1054 (1922). — E. Winferstein und M.Maxim: Helv. chim. Acta. 2. 195 (1919). *) Vgl. über die Synthese von Glukosiden der Purine: Emil Fischer und Burck- hardt Ilelferich: Berichte d. Deutsch. Ghem. Gesellsch. 47. 210 (1914). — Emil Fischer: Ebenda. 47. 3193 (1914). — Emil Fischer und A'. r. Fodor: Ebenda. 47. 1058 (1914). ■*) F. A. Levene: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 400 (1903). ^) John A. Mandel und F. A. Levene: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 45. 386 (1905); ferner Biochem. Zeitschr. 4. 78 (1907). — J. A. Mandel und Carl Neuberg: Biochem. Zeitschr. 13. 142 (1908). — J'. A. Lerene und W. A. Jacobs: Journ. of experim. Med. 4. 557 (1908). Kohlehydrate. 73 aus der Niere, der Leber, dem Pankreas und der Milchdrüse in allerdings recht geringen Mengen gewinnen. Es scheinen übrigens gepaarte Schwefel- säureverbindungen in Verbindung mit Kohlehydraten im Organismus ziem- lich verbreitet zu sein. Eine sehr interessante Verbindung ist aus Knorpel und Amyloid dargestellt worden. Man hat sie Chondroitinschwefel- säure') genannt. Sie ergibt bei der Hydrolyse Schwefelsäure, Essig- säure, eine dem Glukosamin isomere Verbindung, Chondros am in ge- nannt-) (vgl. auch S. 43), und Glukuronsäure. 3) Hier ist auch die aus dem schleimigen Inhalt des Schweinemagens und anderen Proteinen der gleichen Art gewonnene, gepaarte Schwefelsäure des Mucins zu nennen. Sie ist Mucoit in Schwefel säure genannt worden und liefert bei der Spaltung d-Glukosamin. Nach Abspaltung der Schwefelsäure bleibt Mu- coitin übrig. Dieses ist ein Disaccharid, bestehend aus Glukuronsäure und d-Glukosamin. Es enthält ferner eine Azetylgruppe.*) Über die Bedeutung dieser glukosidartigen Verbindung ist zurzeit nichts bekannt. Sehr unsicher sind auch unsere Kenntnisse über das von Dredisel ■>) beschriebene Je kor in. Es ist zuerst in der Pferdeleber, später auch in der Leber eines Delphins und dann von Bald} •5) in demselben Organ und der Milz anderer Tiere, in den Muskeln und dem Blut des Pferdes und im Menschengehirn aufgefunden worden. Das Jekorin enthält Schwefel und Phosphor und einen Kohlehydratkomplex, der von Mrmasse'') als Glukose angegeben wird. ^) Es ist vorläufig ganz unmöglich, etwas über die Zu- sammensetzung des Jekorins auszusagen. Höchstwahrscheinlich stellt es überhaupt keine einheitliche Substanz, sondern ein Gemisch ganz ver- schiedenartiger Produkte dar. Über seine Bedeutung läßt sich nach dieser Sachlage vorläufig gar nichts aussagen, ^j Von weittragender Bedeutung ist ohne Zweifel die Beobachtung, daß die Glukose bei der Gärung mit Hefe sich mit Phosphorsäure verbindet M Carl Th. Mörncr: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 20. 357 (1895). — Die erste Mitteilung über die Chondroitinschwefelsäure findet sich in: Skand. Archiv f. Physiol. 1. 210 (1889). — Vgl. ferner: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 23. 311 (1897). — N. P. Kraw- kow: Archiv f. exper. Path. u. Pharmak. 40. 195 (1898). — B. Ocldi: Archiv f. exper. Path. u. Pharmak. 33. 370 (1894). — 0. Schmiedeberg : Archiv f. exper. Path. u. Pharmak. 28.355(1891); 87. 47 (1920). — A. Orgierund ('. Nenberg : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 407 (1903). — Vgl. auch Agnes Kelh/: Beiträge zur ehem. Physiol. u. Pathol. 5. 377 (1904). — KuraKondo: Biochem. Zeitschr. 26. \\Q> {\%\0). — Josef Hebting: Biochem. Zeitschrift. 63. 353 (1914). «) P. A. Levene und F. B. La Forge: .Journ. of. Biol. Chem. 18. 123 (1914); 20. 433 (1915). — F. A. Levene: Ebenda. 31. 609 (1917). - Vgl. auch P. A. Levene: Journ. of Biol. Chem. 26. 143. 155 (1916). ^) F. A. Levene und F. B. La Forge: Journ. of Biol. Chem. 15. 69. 155 (1913). *) F. A. Levene und ./. Löpez-Siidrez: Journ. of Biol. Chem. 36. 105 (1918); 45. 467 (1921). ^) E.Drechsel: Berichte der Sachs. Gesellsch. der Wisseusch. 1886. 44 und Zeit- schrift f. Biolog. 33. 85 (1896). «) Baldi: Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 1887. Suppl. 100. ') Faul Manasse: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 20. 478 (1895). 8) B. Bing: Skand. Archiv f. Physiol. 9. 166 (1900). '■') Vgl. auch .7. Meinertz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 376 (1905) und M. Sieg- fried und H.Mark: Ebenda. 46. 492 (1905). 74- III. V'orlesung. Kohlehydrate. und so ein Glukosid liefert. ') Auch Mannose und Fruktose bilden eine Hexosediphosphorsäure, CoHio04(P04H2)2. Diese Beobachtung hat an Interesse noch dadurch bedeutend gewonnen, als vieles dafür spricht, daß auch in unseren Geweben und insbesondere in den Muskelzellen eine offenbar identische Glukosidbildung stattfindet. Wir kommen^ auf diesen Vorgang noch eingehend zurück. 2) 1) A. Barden und W. J. Younq: Biochem. Zeitschr. 32. 173 (1911). — W.J. Young : Proceed. Rov. Soc. 81. 528(1909). — L.r.Lebedef: Biochem. Zeitschr. 28. 213 (1911); 36. 248 (1912). — Hans Etiler: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 74. 15 (1911); 76. 281 (1911). — H. Euler und A. Fodor: Biochem. Zeitschr. 36. 401 (1911). — K. Langheld: Berichte d. Deutsch. Chem. Gesellsch. 45. 1125 (1912). — H. Euler und David Johannsson: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 80. 205 1912. — Hans Euler, E. Thorin und D. Johannsson: Ebenda. 79. 375 (1912). — C. Neuherg und H. Pollak: Biochem. Zeitschr. 26. 514 (1910). — C. Neuberg und E. Kreisch mer : Ebenda. 36. 5 (1911). — Carl Neuberg, Eduard Färber, Adam Lerite und Eru^in Schwenk: Ebenda. 83. 244 (1917). — C. Neuberg: Ebenda. 88. 432 (1918). -) Nach Beobachtungen von Carl Neuberg (Biochem. Zeitschr. 103. 320 [1920]) ist die Bildung der Hexosediphosphorsäure nicht Bedingung für den Eintritt der alko- holischen Gärung. Vorlesung IV. Kohlehydrate. III. Bildung der Kohlehydrate im Pflanzenorganismus. Die Rolle der Blatt- farbstoffe bei der Synthese von organischer Substanz aus Kohlensäure und Wasser. Die Herkunft der Asymmetrie der Bausteine der Lebewesen. Wir haben die wesentlichsten Tatsachen über den chemischen Auf- bau der verschiedenartigen Kohlehydi-ate und ihr Vorkommen im Pflanzen- und Tierreich kennen gelernt und wollen nun an Hand dieser Kenntnisse uns der Frage zuwenden, welche Bedeutung die Kohlehydrate für den pflanzlichen und tierischen Organismus besitzen, und welchen Umwandlun- gen sie unterworfen werden. Wir müssen, bevor wir an diese Aufgabe herantreten, einige Bemerkungen allgemeiner Art vorausschicken. Wir wer- den im Laufe der Vorlesungen erkennen, daß der tierische Organismus und ebenso der Pflanzenorganismus bestimmter Stoffe bedarf, um leben zu können. Alle Vorgänge im Tier- und Pflanzenreich werden von den folgen- den grundlegenden Gesetzen beherrscht. Einmal gilt für die belebte Natur genau gleich, wie für die unbe- lebte, das Gesetz der Erhaltung des Stoffes. Es kann weder in der Pflanze noch im Tier irgend ein Stoff oder ein Element verloren gehen oder aus nichts entstehen. Diese Tatsache erleichtert die Verfolgung des V^erhaltens bestimmter Verbindungen oder auch einzelner Elemente im Pflanzen- und Tierorganismus ganz außerordentlich. Wir wissen, daß ein auf- genommener Stoff nicht verschwinden kann und ebenso gewiß ist es, daß ein ausgeschiedenes Produkt nicht aus nichts hervorgegangen ist, sondern Beziehungen zu Verbindungen oder Elementen haben muß, die dem Or- ganismus einmal zugeführt worden sind. ^) Die zweite grundlegende Tatsache ist, daß auch für die belebte Natur ganz allgemein das Gesetz von der Erhaltung der Energie volle (Gültigkeit hat. Die Energie kann die mannigialtigsten Formen annehmen, niemalg kann sie jedoch verschwinden oder aus nichts entstehen. Die Summe der Energie, in w^elcher Form sie auch auftreten mag, bleibt sich gleich. Wir werden bald hören, daß auf dieser zuerst von Bubner für den ') An diesen Grundtatsachen wird nichts geändert, auch wenn einwandfrei be- wiesen würde, daß ein Element aus einem anderen entstehen kann. Die Summe ein- fachster Teilchen, die in diesem Falle als Bausteine der Elemente in Betracht kämen, würde stets gleich hleihen. 76 I^ ■ Vorlesung. tierischen Urganismus einwandfrei bewiesenen Grundlage die Lehre des ganzen Energiewechsels aufgebaut ist. Die Pflanzen- und Tierorganismen brauchen beständig Stoffe aller Art. Die einfache Beobachtung zeigt uns das. Eine Pflanze, der Avir nichts zuführen, verdorrt bald und ebenso geht das Tier zugrunde, wenn wir es hungern lassen. Wir bezeichnen jene Stoffe, die zur Erhaltung des Lebens von Pflanze und Tier notwendig sind, als Nahrungsstoffe. Diese haben je nach ihrer Art verschiedene Funktionen im Zelleben zu erfüllen. Jede Zelle besteht aus bestimmten Bestandteilen. Eine Klasse von solchen haben wir bereits mit der Gruppe der Kohlehydrate kennen gelernt. Eine Zelle kann sich vermehren, z. B. durch Teilung, oder sie kann an und für sich zunehmen und z. B. wachsen. Aber auch dann, wenn sie scheinbar unver- ändert bleibt, d. h. wenn sie ..erwachsen" ist, ist ihr Inhalt nicht ein für alle- mal unveränderlich. Die Zelle ist weder einer Maschine, noch einem Labo- ratorium mit feststehender Einrichtung, noch einem Gebäude mit mannig- faltigen Abteilungen vergleichbar. Kein einziger dieser oft gebrauchten Vergleiche deckt sich mit dem Wesen der Zelle auch nur entfernt. Sie sind im Gegenteil zu vermeiden, weil sie ganz unrichtige Vorstellungen erwecken. Die einzelne Zelle verbraucht beständig Zellinhaltsstoffe zu ganz bestimmten Zwecken. Die entstehenden Lücken müssen ergänzt werden. Dazu braucht die Zelle Nahrungsstoffe. Fortwährend vollführt die Zelle auch mit Energieumsatz verknüpfte Leistungen, sei es, daß sie sich z. B. bewegt, oder daß sie eine bestimmte Temperatur innehält usw. Nun haben wir bereits festgestellt, daß keine Zell- art Energie aus nichts bilden kann. Zu jeder Art von Leistung ist Energie in irgend einer Form notwendig. Diese muß irgend woher genommen ^verden. Wir werden bald sehen, daß die Pflanzen, soweit sie Chlorophyll führen, Sonnenlicht als Energiequelle verwenden können. Die Pflanze kann aber auch chemische Energie in andere Energieformen umwandeln, genau so, wie das Tier seine Energiearten aus solcher gewinnt. Durch Spaltung und vor allen Dingen durch Oxydation von organischen Verbindungen wird Energie frei und der Zelle zu ihren mannigfaltigen Vorgängen zur Verfügung gestellt. Beim Abbau durch Spaltung oder Oxydation werden bestimmte Verbin- dungen in einfache Produkte zerlegt, die für die Zelle in der schließlich erreichten Form keine Bedeutung mehr haben. Wir sprechen dann von End- produkten des Stoffwechsels. Die Zelle scheidet derartige Stoffe aus. Es ist klar, daß die Zelle bald unfähig zu weiteren Leistungen wäre, würde nicht neues Material zugeführt. Es muß die Zelle Nahrungsstoffe in sich aufnehmen, um eine Quelle für den Energieverbrauch zu besitzen. Mit der Feststellung, daß jede Zelle der Zufuhr bestimmter Stoffe zur Aufrechterhaltung ihres Baues und zur Vollbringung von mit Energie- umsatz verknüpfter Leistungen bedarf, haben wir die Bedeutung der Nah- rungsstoffe keineswegs erschöpft. Wir werden noch erfahren, daß sie mannigfaltigen anderen Zwecken dienen, z. B. zur Bereitung von ^kret- und Inkretstoffen. Nachdem wir erkannt haben, daß jede Zelle bestimmte Stoffe zur Verfügung haben muß, um ihren Bau aufrecht erhalten und alle ihre verschiedenartigen Leistungen befriedigen zu können, wollen wir uns der wichtigen Frage zuwenden, welcher Art die Nahrungsstoffe sind. Wir unterscheiden anorganische und organische Nahrungsstoffe. Zu den Kohlehydrate. 77 letzteren gehören die Kohlehydrate, die Fette und die Eiweißstoffe mit ihren Bausteinen. Ferner dürften für manche Tierarten auch die Phosphatide und die Nukleoproteide mit ihren Bausteinen oder doch einzelner derselben zu den organischen Nahrungsstoffen zu rechnen sein, während andere tierische Organismen diese zuletzt genannten Gruppen von Verbindungen synthetisch aus den Bausteinen der Kohlehydrate, Fette und namentlich der Eiweißstoffe zu bereiten in der Lage sind. Es kommen noch eine Reihe von organischen Nahrungsstoffen hinzu, über deren Bau sich zur Zeit nichts aussagen läßt. Sie wirken in Spuren und sind Vitamine, Nutramine, akzessorische Nahrungsstoffe usw. ge- nannt worden. Sie nehmen ohne Zweifel keine Sonderstellung für sich ein. Wir wissen z. B., daß manche Bausteine von Eiweißstoffen und manche Mineralstoffe unentbehrlich sind. Auch der Sauerstoff und das Wasser gehören zu den unersetzbaren Nahrungsstoffen. Das Besondere an der erwähnten Gruppe von Nahrungsstoffen ist, daß wir über ihre Natur nicht unterrichtet sind, und daß ganz geringe Mengen davon genügen, um bestimmte Zellfunktionen in normalen Bahnen verlaufen zu lassen. Sobald die Konstitution der erwähnten Stoffe geklärt sein wird, werden wir ihnen im Zusammenhang mit den übrigen organischen Nahrungs- stoffen eine Vorlesung widmen. Vorläufig können wir nur Beweise füi' ihre Uneutbehrlichkeit für bestimmte Leistungen der Zellen beibringen.^) Die anorganischen Nahrungsstoffe umfassen Wasser, Mineral Stoffe und ferner das Gas Sauerstoff. Die Pflanze nimmt außerdem als gasförmigen Nahrungsstoff noch Kohlensäure auf. Für manche Mikroorganismen und niederen Pflanzenarten ist ferner freier Stickstoff ein Nahrungsstoff. Die Einteilung der Nahrungsstoffe in die genannten zwei großen (iruppen entspricht den Gepflogenheiten der Chemie. Wir bringen mit der erwähnten Abgrenzung der Nahrungsstoffe die Zugehörigkeit ihrer einzelnen Vertreter zu bestimmten Gruppen von chemischen Verbindungen zum Aus- druck. Die beiden Klassen von Nahrungsstoffen unterscheiden sich vom physiologischen Standpunkt aus betrachtet ganz wesentlich. Die organischen Nahrungsstoffe haben mit den anorganischen das gemeinsam, daß sie am Aufbau der Zellen beteiligt sind, ihnen eigentümlich ist. daß sie bei der Spaltung und vor allem bei der Oxydation Energie liefern. In den organi- schen Nahrungsstoffen ist chemische Energie aufgespeichert. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Pflanzen beim Aufbau ihrer Zellsubstanzeu von anderen Grundstoffen ausgehen, als die tierischen Or- ganismen. Es gilt dies in erster Linie von der Bereitung der organischen Substanzen. Streng genommen dürfen wir allerdings Tier und Pflanze nicht ohne weiteres einander gegenüber stellen. Wir kennen nämlich Pflanzen, die sich, was die Bildung der organischen Stoffe anlietrifft, genau so verhalten, wie tierische Organismen. Es sind dies jene Pflanzen, die des Blattfarbstoffes und insbesondere des Chlorophylls entbehren. Wir kennen andererseits Tiere, die Chlorophyll besitzen und mittelst (Vortizellen, Flagellaten [Dimystax Perrieri], Planarien, Hydra etc.) dieses, ihnen im (Gründe genommen allerdings fremden Materiales gleiche Stoff- wechselvorgänge vollziehen, wie sie den Pflanzen eigen sind. Es handelt sich in diesen Fällen um ein Zusammenleben, eine Symbiose, z. B. mit ') Vgl. Bd. II, Vorlesung .\X1I1. 78 IV. Vorlesung. Algen. Eines der interessantesten Beispiele einer Symbiose dieser Art bilden die Flechten i), die bekanntlich aus Pilzen und Algen bestehen. Wenn \nr im folgenden von den Leistungen der Pflanzen sprechen, sind immer diejenigen pflanzlichen Organismen gemeint, die Chlorophyll besitzen. Wir wissen schon seit längerer Zeit, daß die Pflanze imstande ist, mittelst des Blattfarbstoffes und des Sonnenlichtes aus Kohlensäure und Wasser organische Substanz aufzubauen. Schon frühzeitig erkannte man im Pflanzenorganismus ein Wesen, das eine große Fülle der kompliziertesten Synthesen auszuführen imstande ist. Es sei nur darauf hingewiesen, daß all die ungezählten, nur zum Teil schon bekannten Verbindungen organischer Natur, die in den ver- schiedenartigsten Pflanzen sich finden, aus einfachsten Stoffen durch Synthesen zum Teil sicher kompliziertester Natur entstanden sind. Man glaubte zunächst, daß nur Lebewesen und von diesen wiederum nur die Pflanzen Synthesen ausführen könnten, bis es Wähler^) im Jahre 1828 glückte, isozyansaures Ammonium in Harnstoff überzuführen. Bald folgten ungezählte Synthesen. Jeder Tag bringt neue, synthetisch im Laboratorium gewonnene Verbindungen. Der Chemiker schreckt vor keinen Schmerig- keiten zurück und tritt in mancher Beziehung mit der Pflanze in Wett- bewerb. Mancher Farbstoff und auch schon einige Alkaloide werden im Laboratorium rationeller gewonnen, als es durch Anbau jener Pflanzen möglich ist, die die gleichen Produkte bilden. Auf diese Weise sind schon wiederholt große Länd.erstrecken , die dem Anbau bestimmter Pflanzen dienten, zur Gewinnung von Nahrungsmitteln, wie Kartoffeln, Getreide usw., frei geworden. Es sei z. B. an die Gewinnung des Krappfarbstoffes, des Alizarins (1, 2-Dioxyathrachinon) durch Graebe und Liehermann (1868) erinnert. Dieser schöne Farbstoff wurde früher ausschließlich durch Anbau von Ptubia tinctoria gewonnen. Diese Pflanze bildet ein Glukosid, die Ruberythrinsäure, das bei der Spaltung neben Glukose Alizarin liefert. ^) Der tierische Organismus vermag, soweit unsere Kennt- nisse reichen, aus Kohlensäure und Wasser keine organische Substanz zu bilden. Dadurch unterscheidet er sich scharf vom Pflanzen- organismus. Zum Aufbau organischer Substanz braucht er organische Grundstoffe, wenigstens gilt dies für die höher organisierten Tiere. Diese Feststellung führt zu dem Schlüsse, daß der tierische Organismus unmittelbar auf das Pflanzenreich angewiesen ist. Ohne die grundlegende synthetische Arbeit der Pflanzenwelt ist ein Leben tierischer Zellen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, undenkbar. Das Tier übernimmt aus der Pflanzenwelt bestimmte Grundstoffe. Der Pflanzenfresser, auch Horbivore genannt, stellt die Beziehungen zur Pflanzenwelt gemeinsam mit dem Omnivoren, dem Allesfresser, direkt her, indem von diesen Tieren Pflanzen mit ihrem Inhalt als Nahrung aufgenommen werden. Der Fleischfresser, der Carnivore, unterhält nur indirekte Beziehungen zum Pflanzenreich. Er verspeist Tiere, die ihrerseits direkt oder indirekt *) Schwendener: Nägelis Beiträge z. wiss. Bot. H. 2, 3 u. 4. Leipzig 1860—68. — Vgl. auch de Barij: Die Erscheinungen der Symbiose. Straßburg. Karl J. Fischer (1879). — 0. Her tu: ig : Die Symbiose oder das Genossenschaftsleben im Tierreich. Jena (1883). ==) Wähler: Poggendarf?, Arinalen. 3. 177 (1825); 12. 253 (1828). =») Vgl. hierzu S. 71. Kohlehydrate. 79 ihre Körpersubstanz aus Materialien aufgebaut haben, die Pflanzen ent- nommen sind. Lange Zeit war man geneigt, dem tierischen Organismus jede Fähig- keit zu Synthesen abzusprechen. Pflanzen- und Tierreich sollten sich in gewissem Sinne in die Hiinde arbeiten. Es sollte die Pflanze aus ein- fachsten Verbindungen — wie Kohlensäure und "Wasser — organische Substanzen aufbauen, die der tierische Organismus dann übernehmen und abbauen sollte. Dieser Abbau führt zum großen Teil zu Verbindungen, von denen die Pflanze bei ihren Synthesen ausgegangen ist. So würde sich ein einfacher Kreislauf der einzelnen Verbindungen und Elemente ergeben. Gleichzeitig umfaßt dieser Kreislauf auch den der Energie. Um 1 g Zucker aus Kohlensäure und "Wasser zu bilden, sind, worauf wir noch eingehend zurückkommen, rund 4 große Kalorien notwendig. Genau die gleiche Energiemenge wird frei, wenn 1 g Kohlehydrat bis zu Kohlensäure und "Wasser abgebaut wird. In diese Vorstellung, wonach dem tierischen Organismus Synthesen versagt sein sollten, wurde die erste Bresche gelegt, als TJrt ij, Keller und Wühler der Frage nachgingen, ob der tierische Organismus aromatische Ver- bindungen abzubauen vermag, und was aus ihnen wird. Es wurde zu diesem Zwecke Benzoesäure verfüttert. Im Harn des Versuchstieres (Säugetier) fanden sich nur geringe Mengen freier Benzoesäure, dagegen ließ sich in größerer Menge eine Verbindung, die bei der Spaltung Benzoesäure und GlykokoU lieferte, gewinnen. Es hatte somit eine Synthese statt- gefunden, und zwar hatten sich unter Abspaltung eines Moleküles "Wasser, Benzoesäure und GlykokoU zu Hippursäure vereinigt. Die gleiche Synthese kann unter bestimmten Bedingungen im Pieagenzglas vollzogen werden. Es war somit zum ersten Male geglückt, im tierischen Organismus eine Synthese nachzuweisen. Dieser Beobachtung folgten bald zahlreiche andere. Jetzt wissen wir, daß die tierische Zelle viele Synthesen ausführen kann, doch finden ihre Fähigkeiten in dieser Richtung insofern eine Grenze, als es ihr versagt ist, bei der Synthese von organischen Substanzen direkt von anorganischen Produkten, wie "Wasser und Kohlensäure, auszugehen. Die Pflanze muß hier Vorarbeit leisten und ein organisches Gerüst bereitstellen, von dem aus die tierische Zelle dann weiter baut. Die fi'üher gezogene scharfe Grenze zwischen Pflanzen- und Tierwelt hat sich noch nach einer anderen Richtung beträchtlich verwischt. Es hat sich nämlich bald herausgestellt, daß die Pflanze nicht nur Synthesen aus- führt, sondern genau so, wie das Tier, organische Verbindungen abbaut. Die Pflanzenzelle spaltet genau so, wie die Tierzelle, ja sie oxydiert auch und bildet manche Stoffwechselendprodukte der gleichen Art. wie sie vom tieri- schen Organismus hervorgebracht werden. Diese kurzen Bemerkungen, auf die wir noch ausführlich zurück- kommen, rechtfertigen es. wenn wir bei der Besprechung der einzelnen Nahrungsstoffe stets auf das Pflanzenreich zurückgreifen und uns die Frage vorlegen, wie die Pflanze diese aufbaut. Wir werden dann in jedem einzelnen Falle festzustellen versuchen, bei welcher Stufe der tierische Organismus einsetzt, um seine Synthesen durchzuführen. *) Ure: Prov. medic. and surg. Journ. (1841). — Wilhelm Keller (uud Wühler): Lje6i>s Annalen. 43. 108 (1842).— F. Wühler \\m\ F. Frerichs: Ebenda. 65. 33.0(18-18). gQ IV. ^'orlesung. Die Bildung von Kohlenwasserstoffverbindungen im Pfianzenorganis- mus aus Kohlensäure und Wasser ist von grundlegender Bedeutung. Diese Synthese beherrscht das ganze Leben von Pflanze und Tier. Wir können von diesen Gesichtspunkten aus vermuten, daß die ersten Lebe- wesen auf der Erde nicht Tiere, sondern Pflanzen waren, vorausge- setzt, daß immer die gleichen Lebensbedingungen maßgebend waren. Jedenfalls müssen die ersten Pioniere Lebewesen gewesen sein, die im- stande waren, aus einfachsten Stoffen, wie Kohlensäure, Wasser, Stick- stoff usw., organische Substanzen aufzubauen. Da der tierische Organismus selbst nicht in der Lage ist, bei seinen Synthesen von diesen Baustoffen auszugehen, so Avar er auf das Vorhandensein von Vertretern der Pflanzen- welt angewiesen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis des Tierreiches vom Pflanzenreich ist geblieben. Man hat zunächst vermutet, daß die Pflanze außer Kohlensäure noch andere Kohlenstoffverbindungen verwenden kann. Man dachte z. B. an die Aufnahme von Karbonaten durch die Wurzeln oder gar von organi- schen Kohlenstoffverbindungen. Die Möglichkeit, daß manche dieser Ver- bindungen von der Pflanze verwertet werden können, ist durch viele Ver- suche erwiesen worden. Unter natürlichen Bedingungen kommt jedoch wohl nur die Kohlensäure der Luft als Quelle für Kohlenstoff in Betracht. Schon Ingeuhousz'^) (1119) und Theodor de SaHssure^-) (1804) hatten dies klar erkannt. Die Kohlensäure wird durch die Spaltöffnungen der Blätter aufgenommen.^) Sie verschwindet und an ihrer Stelle erscheint ein anderes (ias, das die Blätter auf dem gleichen Wege verläßt. Dieses Gas ist Sauer- stoff. Die Pflanze nimmt Kohlensäure auf, verwertet diese und scheidet Sauerstoff aus. Dieser Vorgang vollzieht sich nur bei Gegenwart von Chlorophyll und von Sonnenenergie. Man hat sich selbstverständlich mit der Feststellung dieser Grund- tatsachen der Kohlensäureassimilation nicht begnügt, sondern den ganzen Vorgang nach den verschiedensten Richtungen aufzuklären versucht. W^ir stehen an der Wiege der gesamten organischen Substanzen der Pflanzen- und damit auch der Tierwelt. Es ist daher nicht verwunder- lich, wenn Forscher aus allen möglichen Gebieten der gesamten Natur- wissenschaften sich zusammengefunden haben, um den fundamental wich- tigen Vorgang der Kohlensäureassimilation durch Chlorophyll enthaltendes Pflanzengewebe möglichst in allen Einzelheiten klarzustellen. Vor allem interessiert uns die Frage, was aus der Kohlensäure wird. Man erkannte bald, daß Verbindungen entstehen, die außer Kohlenstoff und Sauerstoff noch zum mindesten Wasserstoff enthalten. Es muß so- mit mit der Kohlensäure noch eine zweite Verbindung in Reaktion treten. *) Ingenhousz: Experimeuts iipou Vofietables. Loudou 1879 und Essais oii tlie foods of plants aud the renovation of soils. 1796. ^) Theodor de Saiisstire: Recherches chimiqucs sur la v(^getatiou. Paris 1804. — Vgl. auch bezüglich dieser Fragen : W. Pfeffer: rfhiiizenbiologie. 1. W. Eugelmanu. Leipzig 1907. — Friedrich Czapek: Biochemie der Pllauzen. 1. 409. Gustav Fischer. Jeua 1905. — Eduard O.v. Lipj)mann: Die Chemie der Zuckerartcu. 2. Halbbaud. 1747. Vieweg & Sohn. Braunschweig 1904. — J. Sachs: Geschichte der Botanik. 494 ff. (1875). — A. Hansen: Geschichte der Assimilation. Arb. d. l)ot. lust. zu Wüizburg. 2. 537 (1882). ^) Vgl. über den Einfluß des Kohlensäuregehaltes der Luft auf die Vegetation E. Reinau: Kohlensäure und Pflanzen. Verlag Wilhelm Knapp. Halle a. S. 1920. Kohlehydrate. 81 Es ist dies das Wasser. Als. Produkt der Assimilation von Kohlensäure und Wasser fiel bald die Stärke, also ein Kohlehydrat, auf. Dieses Polysaccharid läßt sich sehr leicht nachweisen, z. B. mittelst der Jod- reaktion (vgl. S. 58). Setzen wir z. B. ein chlorophyllhaltiges Blatt, bei dem wir durch Untersuchung eines Stückes davon festgestellt haben, daß es frei von Stärke ist, dem Sonnenlichte aus, so färbt sich das Blatt nun- mehr, wenn wir es, am besten nach Entfernung des Blattfarbstoffes, mit Jodlösung zusammenbringen, infolge seines Stärkegehaltes intensiv blau. Hatten wir einen Teil des Blattes vor der Belichtung mit einer für Licht undurchlässigen Masse, z. B. Stanniol, bedeckt, dann bleibt dieser bei der Jodeinwirkung ungefärbt. Diese Beobachtungen hatten bis in die neueste Zeit hinein die ganze Frage nach der Assimilation der Kohlensäure und des W^assers beherrscht. Man fragte ganz allgemein nicht mehr nach der Synthese organischer Verbindungen, sondern nach der Bildung von Kohlehydraten und suchte, die übrigen zahllosen organischen Verbindungen der Pflanzenzellen direkt oder indirekt in Beziehung zu bestimmten Kohlehydraten zu bringen. Es ist sehr fraglich, ob diese Auffassung die richtige ist. Es hat ohne Zweifel mehr Wahrscheinlichkeit für sich, daß zunächst eine oder auch mehrere Verbindungen aus Kohlensäure und Wasser gebildet werden, die zunächst noch keiner bestimmten Klasse von Verbindungen der Zellen angehören, sondern vielmehr ein Baumaterial darstellen, aus dem alle möglichen Ver- bindungen hervorgehen können. Es wäre somit die erste Aufgabe die, nach solchen Stoffen zu suchen und dann deren Beziehungen zu den Zellbestand- teilen des Pflanzenorganismus festzulegen. Bevor wir auf die Resultate dieser Forschungen eingehen, wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Rolle das Sonnenlicht und das Chlorophyll bei der Bildung organischer Substanzen aus Kohlen- säure und Wasser spielen. Wir müssen zunächst daran erinnern, daß Kohlensäure und Wasser stabile Verbindungen darstellen. Wir können sie nur unter Anwendung von Energie in ihre Bestandteile zerlegen. Beide Verbindungen reagieren nicht von sich aus zusammen. Das vorhandene Gleichgewicht in diesen Verbindungen muß gestört werden. Die dazu not- wendige Energie wird nun durch das Sonnenlicht geliefert. Die Licht- energie — nach den neuesten Forschungen sind die Lichtstrahlen als transversale elektromagnetische Schwingungen des Äthers aufzufassen — allein genügt auch nicht, um Kohlensäure und Wasser in irgend einer Form zur Reaktion zu bringen, es muß noch ein weiterer Faktor eingreifen. Es ist dies der Blatt färb stoff und insbesondere das Chlorophyll. Streng genommen genügen Kohlensäure, Wasser, Chlorophyll und Lichtenergie auch noch nicht, um eine Bildung von organischen Verbindungen in die W^ege zu leiten und zu ermögUchen, denn alle Versuche, das Pflanzen ent- zogene Chlorophyll an Stelle von chlorophyllhaltigem Gewebe anzuwenden, veiliefen bis jetzt rcsultatlos. Es müssen ohne Zweifel noch andere Be- dingungen, die wir zurzeit noch nicht kennen, für die Kohlensäure- 1) und *) Der Vorgang der Kohlensäureassimilatiou ist von dem der Verwertimg des Wassers nicht zu trennen. Gewöhnlich spricht man nur von Kohlensäureassimilatiou und nennt als Resultat die Bildung organischer Substanz. Es ist gewiß richtiger, stets die Assimilation des Wassers mit zu nennen, denn ohne Zufuhr von Wasserstoff ist eine Bildung von Kohlenwasserstoffverbindungen unmöglich. Abderhalden, Physiologische Chemie. I.Teil, 5. Aufl. ß 82 I^ • Vorlesung. Wasserassimilation maßgebend sein. Wichtig ist, daß das Chlorophyll in den Pflanzenzellen in kolloider Form enthalten ist.i) Nach neueren Versuchen sind assimilatorisch wirksam : der ganze sichtbare Bezirk des Spektrums und der Hauptteil des Ultravioletts. Nur das Infrarot ist ganz unwirksam. 2) Vergleicht man die Absorption des Lichtes durch grüne Blätter mit seiner assimilatorischen Wirkung, so findet man, da& beide nicht immer parallel verlaufen. Die Assimilation nimmt vom äußersten Rot bis zu den Fraunhofer sehen Linien B C stark zu und sinkt dann langsam zum violetten Ende des Spektrums ab. Die Abnahme erfolgt nicht gleich- mäßig. Es finden sich neben dem erwähnten Hauptmaximum der Assimi- lation mehrere Nebenmaxima. Bis zur Fraunhof ersehen Linie E laufen Absorption und Assimilation ziemlich parallel. Hinter E steigt die Absorption an, während die Assimilation fällt. Der Blattfarbstoff ist chemisch und physikalisch eingehend unter- sucht worden. Wir werden später erfahren, daß er manche Ähnlichkeit in seinem Bau mit dem eisenhaltigen Anteil des Blutfarbstoffes, dem Hämatin, hat, nur finden wir beim Chlorophyll an Stelle des Eisens Magnesium,^ wie Willst äff er bewiesen hat. Es mag vorläufig genügen, wenn wir mit- teilen, daß das Chlorophyll eine organische Verbindung darstellt, an deren Aufbau neben Kohlen-, Wasser- und Sauerstoff auch Stickstoff beteiligt ist. Das gewöhnliche ,. grüne" Chlorophyll absorbiert Lichtstrahlen von ganz bestimmter Wellenlänge. Umfassende Studien über die chemische Wirkung von Lichtstrahlen haben zu der Erfahrung geführt, daß nur solche Strahlenarten wirksam sind, die absorbiert werden.^) Es braucht jedoch nicht umgekehrt jede Strahlenart, die zur Absorption kommt, eine Wirkung zu entfalten. Der Blattfarbstoff als solcher besteht aus zwei Anteilen, nämlich dem eigentlichen Chlorophyll und dem Caro- tin, bzw. dessen Oxydationsprodukt, dem Xanthophyll.*) Die erstere Komponente ist grün, die letztere gelb. Durch diese werden blaue und blauviolette Strahlen (Fraunhof ersehe Linie F) absorbiert, durch das- Chlorophyll rote und gelbe Strahlen {Fraunhofersehe Linien B und C). Die größte Bedeutung für die Kohlensäure- und Wasserassimilation wird den roten und gelben Strahlen zugeschrieben. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß auch die blauen und violetten Strahlen in besonderen Fällen eine entscheidende Rolle spielen.^») Für die blaugrünen Süßwasseralgen und die roten Meeresalgen liegt die maximale Assimilation in anderen Teilen des Spektrums. Encjelmanfi^} wies nach, daß Lichtstrahlen verschiedener Wellenlängen in jedem Falle ceteris paribus um so stärker assimilierend wirken, je mehr sie von dem *) Vgl. hierzu D. Iwanoicski: Ber. der Deutschen Botan. Gesellsch. 31.600(1914.) — Vgl. auch K. Stern: /. f. Botanik. 13. 195 (1921). -) Vgl. A. Ursprung: Ber. der Deutscheu Botan. Gesellsch. 35. 44 (1917): 36 73, 86 (1918). ») Ih. V. Grotthuss (1818) vgl. in IMivald^ Klassikern. :Nr. 152. 101. — J. W. Draper: Phil. Magaz. (3). 19. — Vgl. auch A. Crsprung: Ber. der Deutschen Botan. Gesellsch. 36. 73 (1918). *) Der gelbe Farbstoff soll das Chlorophyll vor der zerstörenden Einwirkung desy Lichtes schützen. Vgl. D. hvanoivski: Ber. der Deutschen Botan. (iesellsch. 31. 613 (1914). *) Vgl. hierzu C. Timiriazeff: Bull, de Congn's iuternat. de botan. et d'horticult. ä, St. P^ters'bourg. 1884. - Proceed. Roy. Soc. 72. 424. (1903). — Th. W. Engelmann: Botan. Ztg. 42. 81 (1884). '') Th. W. Engelmann: Botan. Ztg. Nr. 1 und 2 (1883). Kohlehydrate. 83 betreffenden Farbstoff absorbiert werden. Das zur Eigenfarbe komplemen- täre farbige Licht ist deshalb im allgemeinen das assimilatorisch wirk- samste. So ist die bestimmte Farbe der assimilatorisch wirksamen Teile der in verschiedenen Wassertiefen lebenden Pflanzen als Anpassung aufzu- fassen. Die spektroskopische Analyse des durch verschieden dicke Wasser- schichten hindurchgegangenen Lichtes zeigt, daß die roten Strahlen vom Wasser sehr stark, die grünen und blaugrünen dagegen viel weniger absorbiert werden. Mit zunehmender Tiefe werden sich somit blaugrüne und grüne Formen in bezug auf Assimilation mehr und mehr im Nachteil gegenüber solchen befinden, die rote oder gelbe Farbstoffe enthalten. Aus diesen Umständen heraus ist es verständlich, weshalb in größeren Tiefen die roten und gelben Formen im Kampfe ums Dasein den Sieg davon- tragen. Engehnann^) und Gaidiikow-) haben die an der Flora des Meeres und der Seen beobachtete Anpassung des Chlorophylls an die in bestimmten Tiefen vorkommenden Strahlen bestimmter Wellenlänge auch experimentell nachzuahmen versucht. Die Alge Oscillaria sancta ist bei gewöhn- lichem Tageslicht violett bis braunviolett. Wurde diese Algenart aus- schließlich mit Licht bestimmter Wellenlänge bestrahlt, dann nahm sie im \'erlauf von zwei Monaten die der Lichtart komplementäre Farbe an. Kulturen von Oscillaria sancta. die rotem Lichte ausgesetzt waren, wurden grün und umgekehrt rot, wenn grünes Licht auf sie einwirkte. =') Wir haben den Vorgang der Kohlensäureassimilation bereits als eine Reduktion charakterisiert, indem wir angaben, daß dabei Sauerstoff in Freiheit gesetzt wird. Eufielmann -) hat diesen Umstand dazu verwendet, um in außerordentlich geistvoller Weise die Bedeutung der Lichtstrahlen und insbesondere von Strahlen bestimmter Wellenlänge für die Verwertung der Kohlensäure durch einen Chlorophyll enthaltenden Organismus zu beweisen. Engelmann benutzte nämlich Bakterien, die auf Sauerstoff ange- wiesen sind, als Reagens auf dieses Gas. Er brachte auf einen Objekt- träger einen Algenfaden und gab bestimmte, aerobe, d. h. auf Sauerstoff angewiesene Bakterien (Bacterium therm o) zu ihrer Nährflüssigkeit hinzu. Nun bedeckte er das Präparat mit einem Deckglas und dichtete es vollständig luftdicht ab. Die Bakterien bewegten sich zunächst lebhaft. Bald stellten sie jedoch, als das Präparat unbelichtet blieb, ihre Bewegung ein. Sobald jedoch Lichtstrahlen Zutritt zu dem Algenfaden hatten, fingen die Bakterien wieder an. sich lebhaft zu bewegen. Die Erklärung dieser Erscheinung ist die folgende. Das Präparat enthielt nach der An- fertigung Sauerstoff. Dieser diente den Bakterien als Nahrungsstoff. Sie verwendeten ihn, um aus organischen, von ihnen aufgenommenen Substraten Energie frei zu machen. Sie brauchten solche zur Bewegung. >) Th. W. EngeJmann: Archiv f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 333 (1902). — ^'ach Versuchen von jV. Gaidukow: Ebenda. 214 (1903). *) X. Gaidukoir: Anhang zu den Abhandlungen der Kgl. Preuß. Akademie der Wissensch. (1902). — Berichte der Deutschen Bot. Gesellsch. 21. 484 (1903). *) Vgl. hierzu auch W. Magnus und B. Schindler: Berichte der Deutschen Bot. Gesellsch. 30. 314 (1912). Diese Autoren konnten diesogenanntechromatische Adapta- tion nicht bestätigen. — Vgl. auch B. Boresch: Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik. 52. 145 (1912). — Alfred Heilbronn: Annales de l'Institut oc^anogr. 5. 1 (1911). *) Th. W. 'Engehnann: Botan. Ztg. 419(1882); 1 (1883); 80 (1884); 64(1886); 292 (1887). — Verhandl. d. Amsterdamer Akad. 1894. — rjUigers Archiv. 25. 285 (1881): 26. 537 (1881); 27. 485 (1882); 30. 95 (1883). g4 1^- Vorlesung. Sobald der Sauerstoff aufgebraucht war, stellten sie ihre Bewegung ein. Wurde nun der Algenfaden belichtet, dann nahm er die Assimilation von Kohlensäure auf. Dabei wird, wie schon erwähnt, freier Sauerstoff abgeschieden. Dieser diente den Bakterien wieder als Nahrungsstoff, und so konnten sie sich wieder bewegen. Gleichzeitig lieferten die Bakterien dem Algenfaden Kohlensäure, denn diese bauen organische Substanzen bis zu Kohlensäure und Wasser ab. Wir sehen somit unter dem Mikroskop unmittelbar einen äußerst interessanten Kreislauf sich vollziehen. Man kann die Bakterien in diesem Versuche als feinstes Reagens auf mini- malste Spuren — Billionstel Milligramm! — von Sauerstoff verwenden. Sehr schöne Resultate ergeben auch, wie Beijerinck'^) gezeigt hat, Leucht- bakterien. Diese brauchen zum Leuchten — zur Oxydation — Sauerstoff. Sie stellen das Leuchten sofort ein , wenn Sauerstoff fehlt und leuchten wieder auf, wenn der Algenfaden im genannten Versuche belichtet wird. Man hat sich mit der Erkenntnis, daß bei der Assimilation der Kohlensäure der Luft und des Wassers Strahlenarten bestimmter Wellen- länge und ferner der Blattfarbstoff eine ausschlaggebende Rolle spielen, selbstverständlich nicht zufrieden gegeben. Wir wollen wissen, in welcher Beziehung der Blattfarbstoff zum ganzen Vorgang steht. Nimmt er aktiv an der Entstehung der organischen Verbindungen aus Kohlen- säure und Wasser teil, oder wirkt er nur als Vermittler? Eingehende Studien von Richard Wülstätter und Arthur Stoll 2) haben ergeben, daß neben dem Chlorophyll noch eine fermentartig wirkende Substanz bei der Assimilation der Kohlensäure beteiligt ist. Schon die Beob- achtung, daß Chlorophyllgehalt und Assimilationsgröße stark voneinander abweichen können, zeigt, daß nicht nur der erstere in Betracht kommt. Die erwähnten Forscher stellen sich vor, daß Kohlensäure und Chlorophyll eine Verbindung eingehen, die dann durch das erwähnte Ferment unter Sauerstoffabspaltung zerlegt wird. Der Zutritt der Kohlensäure zu den das Chlorphyll führenden Chloroplasten wird offenbar durch eine diese adsorbierende Substanz vermittelt. Sie kann als Kohlensäureakkumulator aufgefaßt werden. Möglicherweise sind Eiweißstoffe mit freien Amino- gruppen die Aufnahmestelle für Kohlensäuremoleküle. Unzweifelhaft sicher- gestellt ist, daß der abgespaltene Sauerstoff nicht aus Wasser, sondern aus der Kohlensäure stammt. Bestimmungen des assimilatorischen CO Koeffizienten -j-^ ergaben, daß er bei gesteigerter und lang dauernder Wo Assimilation bei einer Temperatur von 10 — 35" konstant und genau gleich 1 ist, d. h. es wird der gesamte Sauerstoff der Kohlensäure bei der Assimi- lation entbunden. Die von Wülstätter und Stall s) nach dieser Richtung ausgeführten Versuche waren nicht einfach. Es mußte der Einfluß des Sauerstoffverbrauches und der Kohlensäurebildung ausgeschaltet werden. Dazu waren Kontrollversuche in strömendem Gas im Dunkeln notwendig. Der Unterschied im Gehalt der Luft an Kohlensäure vor und nach dem *) Beijerinck: Botan. Ztg. 744(1890). — Vgl. aMch Hans Molisch: Naturvvisseu- schaftliche Rundschau. 20. 505 (1905). ^) Richard Willstätter und Arthur Stoll: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 48. 1540 (1915). ') Richard Willstätter und Arthur Stoll: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 50. 1777 (1917). Kohlehydrate. 85 Strömen über die Blätter im Dunkeln zeigte den Betrag der Atmung an. Derjenige zwischen dem im Dunkeln und bei Belichtung über die verwendeten Blätter geleiteten Gase ergab die assimilatorische Leistung. Der CO,- und Oa-Unterschied zwischen dem Versuchsgas und dem im Dunkeln über die Blätter geleiteten Gas ließ den respiratorischen Quotienten erkennen. Endlich gab die CO2- und Og-Differenz zwischen dem Gase im Dunkelversuch und dem Versuch bei Belichtung den Assimilationsquotien- ten ohne Einfluß der Kohlensäurebildung und des Sauerstoff Verbrauches. Die erwähnte wichtige Beobachtung über die Größe des assimilatorischen Koeffizienten führte die genannten Forscher 1) zu einem Versuche der Erklärung des ganzen Assimilatiönsvorganges. Zunächst ist bemerkenswert, daß Lösungen von Chlorophyll in organischen Lösungsmitteln nicht mit Kohlensäure reagieren. Dagegen bedingt das Einleiten auch von stark verdünnter Kohlensäure in kolloide, wässerige Chlorophyllösungen eine Spaltung des Chlorophylls in Magnesiumkarbonat und Phäophytin. 3) Das letztere wird ausgeflockt. Die Reaktion des Chlorophylls mit Kohlen- säure findet ihr Ende nach seiner vollständigen Zerlegung. Man kann nach den ganzen Ergebnissen das Chlorphyll als die sekundäre Magne- siumverbindung des Phäophytins auffassen. Die beiden Valenzen, mit denen Magnesium an Stickstoffatome gebunden ist, werden bei seiner Abspaltung durch Kohlensäure gelöst. Bevor die Spaltung herbeigeführt wird, tritt eine leicht dissoziierbare Zwischenverbindung auf, die als primäre Magnesiumverbindung des Phäophytins aufzufassen ist. Die folgende Gleichung gibt den Vorgang wieder 2): li II II II ; ;; :: Mg + co^ + h, o ^ ' : : ug-o-cC^^ / \cX • e/ \c_ ^ \c^ ^c/ ^^c- j II II ' II II Chlorophyll Kohlensäureverbindung des Chlorophylls. Auf Grund dieser Reagenzglasversuche kann man schließen, daß das Chlorophyll auch in der Pflanze mit Kohlensäure eine Verbindung ein- geht. 3) Ein Vergleich des Verhaltens der Kohlensäure gegenüber einer kolloiden Chlorophyllösung und dem in Blättern enthaltenen Farbstoff ergab bedeutsame Unterschiede. Im Blatte ist das Chlorophyll gegen die spaltende Wirkung der Kohlensäure viel widerstandsfähiger. Ferner ist 1) Bichard Willstütter und Arthur Stoll : Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 50. 1791 (1917). Vgl. auch: Untersuchungen über die Assimilation der Kohlensäure. .Julius Springer, Berlin 1918. Vsrl. hierzu auch William Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 110. 93 (1920). -) Vgl. hierzu die Chemie des Chlorophylls und seiner Abbaustufen in Vorlesung XXXII. 3) Vgl. hierzu auch O. Warburq: Biochem. Zeitschr. 100. 230 (1919); 103. 188 (1920). gg IV. Vorlesung. die Geschwindigkeit der Aufnahme dieses Gases durch das im Blatt be- findliche Blattgrün viel größer als bei der Adsorption durch eine kolloide Lösung. Nachdem festgestellt war, daß Kohlensäure selbst oder ein Kohlen- säurederivat an Chlorophyll gebunden wird, entsteht nunmehr die grund- legende Frage, wie es zur Sauerstoffabspaltung und zum ersten umge- wandelten Assimilationsprodukt kommt. Wühtätter und Htoll sind der Ansicht, daß das absorbierte Licht im Chlorophyllmolekül selbst chemische Arbeit leistet. Die mit ihm zugeführte Energie soll eine Verschiebung der Valenzen im Kohlensäuremolekül bewirken und damit eine Umgruppie- rung der Atome. Es sind folgende Möglichkeiten gegeben: 1. Bildung H von Formvlhvdroperoxvd oder Perameisensäure: C=(J oder /" 2. Entstehung von Formaldehydperoxvd: C^OH. Im ersteren Fall I \ ()— () stellt sich die Abspaltung von Sauerstoff unter Bildung von Formaldehyd. wie folgt dar: \n '>N Kohlensäureverbindung Chlorophyllformal- des Chlorophylls dehydperoxyd. Die Abspaltung des gesamten Sauerstoffs könnte auf einmal erfolgen. Manches spricht jedoch dafür, daß zunächst, wie es die folgenden Formeln ausdrücken, ein Atom Sauerstoff abgegeben wird, und daß dann der ganze Vorgang sich wiederholt: I /^^ I \NH H ^NH H ■•>Mg + H., c<"^ix — ^ 11. cf 1; + ' .. ( ).,- > Die gegebenen Formeln stehen in vollem Einklang mit allen Beob- achtungen der genannten Forscher.^; Die erwähnte Konstanz des assimila- *) Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Frl. Gertrud Woker: Pfliitjera Archiv. 176. H (1919). Kohlehydrate. 87 torischen Koeffizienten zeigt, daß das Reduktionsprodukt der Kohlensäure mit dem Chlorophyll gebunden bleibt, bis die ganze molekulare Sauerstoff- menge abgespalten ist. Erst dann kann ein neues Kohlensäuremolekül ein- treten, wenn das zuvor aufgenommene Molekül zur Formaldehydstufe des- oxydiert worden ist.\) Im Zusammenhang mit der Feststellung, daß Chlorophyll bestimmte Lichtstrahlen festhält und chemische Wirkungen ausgelöst werden, haben die folgenden Beobachtungen ein erhöhtes Interesse. Schon seit langer Zeit ist bekannt, daß das Licht chemische Wirkungen entfalten kann. Es sei z. B. an die Vorgänge bei der Photographie erinnert, ferner an das Abblassen von belichteten, nicht „lichtechten" Farben (Tapeten, Stoffen etc.). Man hat die diesen direkt verfolgbaren Vorgängen zugrunde liegenden Reaktionen genauer studiert und damit begonnen, bestimmte chemische Verbindungen der Lichtvvirkung im allgemeinen oder auch Strahlen bestimmter Wellenlänge auszusetzen. 2) Es wurde z. B. festgestellt, daß belichtetes Azeton in Methan und Essigsäure zerfällt: CHj.CO.CHg-h -h H., 0 r= CH, + CH3 . COOK. Auch Synthesen, Oxydationen und Reduk- tionen sind beobachtet worden. Handelt es sich bei diesen Vorgängen um unmittelbare Wirkungen bestimmter Strahlenarten, so ist in anderen Fällen noch die Anwesenheit eines weiteren Stoffes nötig, um die Reaktion zu vermitteln. Setzen wir z. B. Benzoesäure Lichtstrahlen aus, so können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden keine Veränderungen an ihr nachweisen. Geben wir jedoch zu der Lösung etwas Ferrisulfat, dann erhalten wir bei Belichtung Salizylsäure. An Stelle von Eisensalzen kann man auch an- dere, z. B. solche des Mangans und Urans, verwenden. Xeuher(f) hat ge- zeigt, daß eine ganze Anzahl biologisch wichtiger \'erbindungen, wie Zuckerarten, Alkohole, Aminosäuren — die Bausteine der Eiweißstoffe — Fette usw. unter dem Einfluß von Lichtstrahlen bei Anwesenheit eines sogenannten Katalysators — eben eines der erwähnten Metallsalze — in charakteristischer W^eise verändert und zum großen Teil abgebaut werden.*) So wird z. B. Milchsäure in Gegenwart von Uranylsulfat bei Belichtung und Sauerstoffzufuhr, wie folgt, zerlegt*^): CH3.CH(OH).CO()+H+UO: + 2H = CH3.C<2-f CO, + 2HoO-fU •". Wir kennen außer den erwähnten Lichtwirkungen noch andere Arten. Die eine steht wahrscheinlich in mancher Beziehung der zuletzt bespro- ') Vgl. über weitere Theorien über die Kohlensäureassimilatiou: Schröder: Die Hypothesen über die chemischen Vorgänge bei der Kohleusäureassimilation. G. Fischer, Jena 1917. ^) Es sei auf die zahlreichen Versuche von G. Ciamician und P. Silber verwiesen. Vgl. Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. Jg. 33—48 (1900—1915). — E. l'aterno: ) Vgl. S. 61. •■*) Ellenberger: Skandin. Archiv f. l'hvsiol. 18. 306 (1906). — F. Berf/mann: Ebenda. 18. 119(1906). Kohlehydrate. 101 Abbau der Zellbestandteile fördern. Ferner wirkt der verschluckte Speichel weiter. Die schon etwas erweichte Masse wird nun nochmals in die Mund- höhle befördert. Es beginnt das Wiederkauen. Wieder wird alles zermahlen und nochmals innig mit Speichel vermischt. Ist auch jetzt der Bissen noch nicht genügend zerkleinert, dann wird er wieder dem Vormagen übergeben. Er steigt dagan später nochmals auf. Bildet jedoch der Bissen nunmehr eine halbweiche Masse, dann wird er durch eine außerordentlich inter- essante Einrichtung direkt dem Blatte rmagen = Psalterium (Omasus) und von da dem eigentlichen Magen, dem Labmagen, Abomasus, zu- geführt. Die Speiseröhre setzt sich nämlich, in einen Kanal, genannt Schlundrinne, fort. Dieser leitet die Bissen bis zum Blättermagen. Das Rohr ist in Wirklichkeit kein vollkommen geschlossenes. Es bildet sich nämlich dadurch, daß die Ränder einer flachen Rinne sich erheben und so ein Rohr herstellen. Erschlaffen diese, dann haben wir wieder die flache Rinne und der Ösophagus hört mit der Einmündung in den Pansen auf. Es kann somit die Speiseröhre ihren Inhalt bald nur in den Vor- magen und den Netzmagen ergießen, bald reicht sie bis zum Blätter- magen. Man kann sich auch vorstellen, daß die Speiseröhre einst bis zum eigentlichen Magen ein geschlossenes Rohr bildete, und daß dann um ihr Ende Aussackungen sich gebildet haben, in die die W^and der Speiseröhre mit einbezogen wurde. Auch bei anderen Herbivoren als den Wiederkäuern finden wir Vor- richtungen, die ohne Zweifel bezwecken, daß einerseits die Zellulose mög- lichst weitgehend aufgeweicht wird und gleichzeitig der Speichel möglichst lange seine Wirkung entfalten kann. So ist z. B. beim Pferde der Magen ganz scharf in zwei Abschnitte geteilt. Nur diejenige Hälfte des Magens besitzt eine richtige Schleimhaut mit Drüsen, die mit dem Duodenum in Verbindung steht. Der Teil des Magens, in den die Speiseröhre mündet, ist seinen ganzen Einrichtungen und Funktionen nach als eine Mazera- tionskammer aufzufassen. Er stellt eine primitivere Einrichtung mit glei- chem Zweck, wie die drei ersten Abteilungen des Wiederkäuermagens, dar. Selbst bei denjenigen Tieren, bei denen der Magen anatomisch nicht in verschiedene Teile zerlegt ist, findet sich eine wichtige Einrichtung, um dem Speichel noch für längere Zeit seine Wirkung zu belassen. Um diese zu verstehen, müssen wir hervorheben, daß die Magenschleimhaut Drüsen besitzt, die den sogenannten Magensaft absondern. Dieser ist vor allem dadurch ausgezeichnet, daß er stark sauer reagiert. Er enthält freie Salzsäure. Nun ist, wie schon hervorgehoben wurde, die saure Reaktion unverträglich mit der Wirksamkeit der Diastase. Würden nun die ver- schluckten Bissen sofort mit Magensalt durchtränkt werden, dann wäre die Wirkung des Speichels auf die oben erwähnten Polysaccharide und ihre Abbaustufen mit einem Schlage aufgehoben. Die genauere Verfolgung des Verhaltens der durch den Ösophagus dem Magen zugeführten Bissen hat nun gezeigt, daß die zu verschiedenen Zeiten verschluckten Bissen sich in der Weise schichten, daß die zuletzt in den Magen gelangten zentral von den vorher aufgenommenen zu liegen kommen.') Nicht alle Teile des *) Ellenherger : Fßügers Archiv. 114. 93 (1906i. — F. GriUzner: Fßiif/ers Archiv. 106.463(1905). — Arthur Scheuner f : /^/rt^ers Archiv. 169. 201 (1917). — A. Scheunen nud Fritz Kiok : Ebeuda. 193. 16(1922). — Einil Abderhalden unä Ernst Wertheimer : Ebenda. 194. 168 (1922). 102 ^ • Vorlesung. Mageninhaltes werden gleichzeitig von Magensaft durchtränkt, vielmehr dauert es einige Zeit, bis auch die von der Magenwand abgelegeneren Mageninhaltsanteile mit ihm in Berührung kommen. Die der Magenwand zuucächst gelegenen Nahrungsschichten werden vom Magensaft zuerst ver- daut und dabei verflüssigt. Es entsteht sogenannter Chymus. Dieser wird durch den Pförtner, den Pylorus, ins Duodenum entlassen. Dadurch rücken neue Schichten des Mageninhaltes in den Bereich der Magensaftwirkung, bis schließlich der Speicheldiastase die Bedingungen zur Wirkung ganz entzogen werden. Überlegt man sich diese Verhältnisse genau, dann ergibt sich von selbst, daß man über den Umfang der Verdauung der Stärke und des Glykogens und ihrer Abbaustufen durch die Speicheldiastase keine ge- naueren Angaben machen kann. Er ist gewiß außerordentlich großen Schwankungen unterworfen. Es kommt in Betracht, wie intensiv die Ein- speichelung war, wie lange der Bissen in der Mundhöhle verweilte, wie weit bei Aufnahme von Pflanzennahrung die Zellulosewände zermalmt und aufgeweicht waren und endlich, wie lange es dauert, bis der Mageninhalt durchsäuert ist. Alles in allem ist die Kohlehydratverdauung durch den Speichel nur als eine vorbereitende aufzufassen. Je umfassender sie ist, um so mehr wird die Verdauung im Dünndarm erleichtert und abgekürzt. Sie arbeitet dieser vor. Wir haben bereits festgestellt daß die jNIundverdauung mittelst des Speichels teils in besonders organisierten Magenabschnitten, teils ohne solche durch die Art der Ablagerung der dem Magen zugeführten Bissen im Magen noch längere Zeit fortdauern kann. Es fragt sich nun, ob der Magen nicht auch eine eigene, d. h. durch von seiner Schleimhaut mit ihren Drüsen hervorgebrachte Stoffe bewirkte Verdauung von Kohle- hygraten hat. Es ist dies nicht der Fall.^) Der Magen gibt keine auf Kohlehydrate eingestellten Fermente ab. Dagegen kommt der schon er- wähnten Salzsäure eine gewisse Bedeutung zu, indem diese stark genug ist, um z. B. Stärke, Dextrine, Rohrzucker usw. zu spalten. Doch spielt diese Hydrolyse quantitativ kaum eine Rolle. Aus dem Magen gelangt der Speisebrei, der Chymus, zunächst in das Duodenum, um sich dann von hier aus in ganz dünner Schicht über den ganzen Dünndarm mit seiner durch Zotten stark vergrößerten Ober- fläche auszubreiten. Hier im gesamten Dünndarm setzt die Verdauung der Kohlehydrate ganz umfassend ein. Der Speisebrei enthält je nach der Art der aufgenommenen Nahrung noch verschiedene zusammengesetzte Kohle- hydrate nebst ihren Abbaustufen. Wir treffen auf noch unangegriffene Stärke, wenn solche zur Aufnahme gelangte. Das Glykogen ist beim Karnivoren, da er keine Speicheldiastase zu besitzen scheint, ebenfalls noch unabgebaut. Wir müssen ferner beim Herbivoren und Omnivoren noch große Mengen von Zellulose erwarten, da, wie schon betont worden ist, der tierische Organismus von sich aus dieses Polysaccharid nicht zer- legen kann. Ferner müssen wir noch eines Disaccharids gedenken, das ') Nach F. Beugen und G. llaane: l'ßii(/ers Arcliiv. 106. 267 (1904) liefert der Magen des Schweines ein diastatisches Ferment, ferner soll nach //. Friedenthal : Ar- chiv f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 383 (1899) im Magensaft des Hundes ein bei saurer Reaktion wirksames diastatisches Ferment enthalten sein. Diese Angaben bedürfen dringend der Kachprüfung ! Kohlehydrate. \()}\ zwar /Normalerweise bei den Tiereu nur während eines kurzen Lebens- abschnittes aufgenommen wird, nämlich des Milchzuckers. Er wird mit der Milch wahrend der Säuglingsperiode zugeführt. Nur der Mensch und manche Haustiere nehmen auch später noch Milch auf. Der Milchzucker wird erst im Dünndarm gespalten. Zunächst unterliegen die Nahrungsstoffe dem von den Drüsen des Duo- denums hervorgebrachten Safte. Dazu kommt dann das von der Pankreas- drüse abgegebene Sekret. Endlich wirken jene Abscheidungen, die von den ungezählten Drüschen der gesamten Dünndarmschleimhaut geliefert werden, auf den Chymus ein. Man hat die Wirkung des Pankreassaftes und die- jenige der Sekrete all der genannten Drüschen für sich studiert. Man nennt ihre Absonderung kurz Darmsaft. Der Pankreassaft enthält eine oder mehrere Diastasen, d. h. amylolytische Fermente. Stärke und Glykogen werden in der gleichen Weise gespalten, wie von der Diastase des Speichels. Niemand weiß, ob nur eine bestimmte Diastase wirksam ist oder, ob nicht für bestimmte Stärkearten und ihre Komponenten und insbesondere auch für das Glykogen besondere Diastasen in Wirkung treten. Manches spricht dafür, dalj es auf bestimmte Dextrine eingestellte Fermente gibt. Bekannt ist die Maltase, die Maltose hydrolysiert. Sie findet sich im Pankreas- und Darmsaft. Im Pankreassaft ist auch ein Ferment gefunden worden, das den Milchzucker in Glukose und Galaktose zerlegt. Man hat es Laktase ge- nannt. Es verschwindet einige Zeit nach Aufhören der Milch- bzw. Milch- zuckerzufuhr. Interessanterweise tritt die Laktase wieder im Darmkanal auf. wenn man wieder Milch zuführt, i) Dem Pankreassaft scheint ein auf Ptohrzucker eingestelltes Ferment zu fehlen. Dafür findet sich ein solches im Darmsaft. Man hat es Sac- charase genannt oder auch Invertin. Der letztere Name erinnert an die Bezeichnung Invertzucker."^) Der Name Saccharase steht in Beziehung zum Namen Saccharose, Rohrzucker. Diese Art der Benennung der Fer- mente hat den großen Vorzug, daß sie sofort an das Substrat erinnert, das vom betreffenden Fermente verändert wird. Der Darmsaft enthält ferner amylolytisch wirkende Fermente und auch Laktase. Er kann somit den Pankreassaft ergänzen, ja sogar ersetzen. Wir erkennen aus der gegebenen Darstellung, daß im Darmkanal auf die verschiedenen Kohlehydrate unserer Nahrung eingestellte Fermente vorhanden sind. Sie vermögen, die aus mehreren Bausteinen bestehenden Kohlehydrate vollständig in ihre einfachsten Bausteine zu zerlegen. Nur die Zellulose widersteht den Fermenten des Verdauungskanals. =^) Nun ') E. Weinland: Zeitschr. f. Biol. 38. 607 (1899); 40. 386 (1900). — F. A. Bainbridge: Joura. of Phvsiol. 31. 98 (1905). — Vgl. auch R. H. Aders FUmnier: Jouru. of Physiol. 34. 93 (1906); 35. 20 (1906/07). — ./. Ibrahim und L. Kaimiheimer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 62. 287 (1909). — li. Botnpiani: Arch. de Farmacol. sperim. 19. 423 (1915). -) Vgl. hierzu S. 48. ^) Interessanterweise verfügt die Weinbergschnecke im Magensaft über Fermente, die Zellulose lösen. Auch mit Leberpaukreasextrakt dieses Tieres wurde Abbau von Zellu- lose beobachtet. Vgl. W. Biedermann und F. Moritz: P/iiigers. Archiv. 73. 219 (1898); E. Müller: Ebenda. 83. 619 ( 1901 ). — D. H. Bierrij und ./. Giaja : Biochem. Zeitschr. 40. 370 (1912) haben Leberpankreassaft von Helix pomatia auf Mannane und (ialaktaue ein- wirken lassen. Es erfolgte ein Abbau. Auch der Magendarmsaft des Flußkrebses greift diese Polysaccharide an. Im Pflanzenreich sind Fermento, die die verschiedensten Poly- saccharide zerlegen können, sehr verbreitet. 104 \. Vorlesung. hat aber die Erfahruog gezeigt, daß die Herbivoren die Zeliulosö ganz gut verwerten können '), ja im Verdauungskanal der Wiederkäuer werden sogar schwach oder mäßig verholzte Zellwände in weitgehendem Maße ab- gebaute) Auch für die Omnivoren ist die Zellulose kein wertloser Ballast. Der Karnivore dagegen vermag die Zellulose gar nicht auszunutzen. 3) Sie ist ihm ganz ungewohnt. Er erhält ja normalerweise dieses Polysaccharid nie und ist deshalb in keiner Weise auf sie eingerichtet. Der tierische Organismus zeigt die Art seiner Nahrung nicht nur in der Organisation seines (lebisses an und ferner in der Ausbildung seines Magens, sondern auch durch den Bau seines Darmkanales. Vor allem fällt auf. daß der reine Herbivore den längsten Dünndarm aufweist. Den kürzesten finden wir beim Karnivoren. Der Omnivore nimmt eine Mittelstellung ein. Der lange Darm ist der Auf. Schließung der Zellulose angepaßt.*) Eine besondere Bedeutung kommt bei manchen Tieren (z. B. Pferd, Kaninchen) dem Coecum für die Zellulosezerlegung zu. 5) Diese erfolgt interessanterweise unter Vermittlung kleinster Lebe- wesen. Es sind dies Bakterien eigener Art, die den Dünndarm bevölkern. Die Zahl ihrer Arten ist erheblich. Man hat die ganze Mikroorganismen- welt auch kurz als Darmflora bezeichnet. Sie lebt auf Kosten der zuge- führten Nahrungsstoffe. Die kleinsten Lebewesen vermehren sich, führen ihren eigenartigen, unseren Körperzellen ganz fremden Stoffwechsel durch, scheiden fremdartige Stoff Wechselprodukte aus und gehen schließlich auch zu- grunde. Die Mikroorganismen, die unseren Darm bewohnen, schädigen uns durch Wegnahme von Nahrungsstoffen und liefern ohne Zweifel manches Stoffwechselprodukt, das für unsere Körperzellen nicht gleichgültig ist. Dafür nützen sie uns dadurch, daß sie den Abbau der Zellulose in die Wege leiten. Setzt man Darmsaft ohne weiteres zu Zellulose, so beobachtet man nach einiger Zeit, daß sie verändert wird. Sie geht schließlich in Lösung.^) Es entstehen allerlei Abbauprodukte, u. a. niedrige Fettsäuren (Essigsäure, Buttersäure, Valeriansäure), Kohlensäure und ferner Methan. 7) AVird jedoch der Darmsaft vor der Einwirkung auf die Zellulose sorgfältig von Bakterien befreit — durch Filtration durch ein Bprkefeld-Filter — , dann vermag er ^) Vgl. u. a. W. Jlennebcrfj uud F. Stohmann: Beiträge zu einer rationellen Fütte- rung der Wiederkäuer. Brauuschweig 1860 und 1864; Zeitschr. f. Biol. 21. 613 (1885). — r. Knieriem: Ebenda. 21. 67 (1885). U. Weiske, B. Schulze und E. Flechsig: Ebenda. 22. 373 (1886). — F. Wolf: Landwirtsch. Jahrb. 49. Supp. III (1887). — N. Zun/z: jytügers Archiv. 49. 477 (1891). -) Vgl. G. Haberlandt und .Y. Zun/z: Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. 41. 686 (1915). — Vgl. auch G. Haberlandt: Mikroskopische Untersuchungen über Zellwandver- dauung. Gebr. Bornträger, Berlin 1918. ») Vgl. u. a. //. r. Hösslin: Zeitschr. f. Biol. 54. 395 (1910). — A. Scheunert und E. Loetsch: Biochem. Zeitschr. 20. 10 (1909); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 65. 219 (1910). — H. Lohrisch: Ebenda. 69. 143 (1910). *) Füttert man aus einem Wurf Kaninchen einen Teil ausschließlich mit Milch und einen anderen mit Heu, dann zeigt es sich, daß die auf die letztere Art ernährten Tiere einen bedeutend längeren Dünndarm besitzen als die mit Milch gefütterten. ^) A'. Zuniz: Zentralbl. f. Thvsiol. 19. 581 (1905). — W. rstjanzew: Biochem. Zeit- schrift. 4. 154 (1907). ") Vgl. z. B. Viktor Hofmeister: Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Heilkunde. 11. Heft 1/2 (1885). 'j Vgl. u. a. \i'. Ellenberffer, A. Scheunert, W. Griimner uud A.Hopff'e: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 96. 236 n915). Kohleliyilratp. 105 diese nicht anzugreifeu. i; Zellulose abbauende Bakterienarten sind aus dem Verdauungsschlauch von Herbivoren isoliert und für sich gezüchtet worden.-) Die Mikroorganismen spielen in der Natur eine sehr wichtige Rolle. Sie vermitteln die Beziehungen zwischen vorhandenen Individuen und der Nachwelt. Stirbt ein Individuum, dann stellen sie sich in großer Zahl ein. Eine Art arbeitet der anderen vor, bis schließlich der ganze kunstvolle Bau all der ungezählten Zellarten der Leiche zerstört ist. Aus den ver- bleibenden Trümmern blüht neues Leben empor, indem zunächst Pflanzen sich ihrer bedienen, um von neuem Zellen aufzubauen. Dann folgt das Tier, das die eben erblühte Pflanze verzehrt und so den Kreislauf des Lebens fortsetzt. Nun dringen diese Pioniere des Lebens in unseren Ver- dauungskanal ein und vollziehen auch da ihre Abbautätigkeit. Manche der hier vorhandenen Zelltrümmer werden von ihnen weitgehend zerlegt. Mancher wertvolle Baustein wird unseren Zellen vorenthalten, weil Bakterien ihn so ver- ändern, daß er für unsere (Gewebszellen nicht mehr verwertbar ist. In vielen Fällen geht der Abbau so weit, daß die synthetischen Fähigkeiten der tieri- schen Zelle nicht ausreichen, um die Trümmer wieder zusammenzuzimmern. Für den Karnivoren ist die Darmflora wohl kaum von Nutzen, dagegen sind sie dem reinen Herbivoren ganz unentbehrlich. Nicht nur würde er große Mengen kostbaren Materiales mit der Zellulose verlieren, sondern außerdem noch viele von dieser eingeschlossene Substanzen. Die gleichen Gesichtspunkte gelten auch für die Omnivoren . nur kann sich dieser im Notfall seinen Nahrungsbedarf zum größeren Teil aus animalischer Nahi'ung decken. Es ist noch nicht klargelegt, wie sich das Wechselspiel zwischen der Darmflora und den Köi-perzellen vollzieht. AVir können uns etwa folgendes Bild davon machen. Zunächst wird die Zellulose durch von bestimmten Bak- terien hervorgebrachte Fermente gespalten. Es entstehen lösliche Abbaustufen, die man etwa den De.xtrinen vergleichen kann. Nun greifen wahrscheinlich Fermente in den weiteren Abbau ein, die im Darmsaft und vielleicht auch im Pankreassaft enthalten sind. Wir erhalten Traubenzucker,, ferner auch Zellobiose.ä) Diese wird dann durch die Wirkung eines besonderen, von be- .stimmten Bakterienarten gebildeten Fermentes. Zellobiase genannt*), in zwei Moleküle Traubenzucker zerlegt. Diese Bruchstücke werden resor- biert. Manche Dextrine und tieferen Abbaustufen werden jedoch von bestimmten Bakterienarten in anderer Richtung abgebaut. Es entstehen die genannten Fettsäuren und ferner Kohlensäure und Methan. Es gehen durch die Bildung der letzteren beiden Produkte immer gewisse Mengen der Zellulosebausteine für den Wirt verloren. Leider kann man den Abbau der Zellulose durch die Darmflora außerhalb des Darmes nicht gut in allen Teilen nachahmen. Es fehlt nämlich ein wichtiger Vorgang vollkommen. Es ist dies die Wegnahme V) H. Tappeiner: Zeitschr. f. Biol. 19. 228 (1883); 20. 52 (1884); 24. 105 (1888). — Hoppe-Sei/ler: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 10. 401 (1886). — Biedermann iiud Moritz: Fflügers Archiv. 73. 291 (1898). — Erich Midier: Ebenda. 83. 619 (1901). -) \r. EUenberger: Archiv f. (Auat. u.) Physiol. 139 (1906). — Vgl. auch Arthur Scheunert: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 38. 9 (1906). — H. v. Hoesslin und E.J.Lesser: Zeitschr. f. Biol. 54. 47 (1912). ') Vgl. S. 51. *) Zellen des tierischen Organismus bringen nach allen vorliegcudcn Erfahrungen keine Zellobiase hervor. Vgl. hierzu: H. Pringsheivi und Magnus v. Merkatz: Zeitschr. f. physiol. Chemie 105. 178 (1919). X06 ^ • Vorlesung. der gebildeten Abbaustufen. Im Darinkanal wird fortwährend resorbiert. Ferner ergießen sich immer wieder neue Sekretraengen. Endlich sind die Lebensbedingungen im Darrakanal für die Mikroorganismen ganz andere als im Reagenzglas. Wir sehen an diesem Beispiel, wie außerordentlich schwer es ist, eine relativ einfache Fragestellung klar zu beantworten. Bei jedem Vorgange spielen eine Summe von einzelnen Momenten mit, die zusammen ein Endresultat bedingen. Ein Prozeß ist qualitativ und quantitativ von anderen \'orgängen abhängig. Die geringste Störung in den notwendigen Bedingungen verschiebt sofort das ganze Bild. Kennen wir sie nicht bis in alle Einzelheiten, dann müssen wir in der Beurteilung der Resultate von Laboratoriumsversuchen äußerst vorsichtig sein. Als sicher festgestellte Tatsache können wir betrachten, daß durch Vermittlung einer geeigneten Darmflora Zellulose aufgeschlossen und damit, soweit die Abbaustufen von den Mikroorganismen nicht zu weit abgebaut sind, für unsere Körperzellen verwertbar gemacht werden kann. Die Karnivoren scheiden der Nahrung zugesetzte Zellulose mit den Fäzes wieder vollständig aus. Die Omnivoren verw^erten einen erheblichen Teil der zugeführten Zellulose. Der JVIensch verhält sich der Zellulose gegen- über je nach der Art und vor allem der Zubereitung der Zellulose sehr verschieden.!) Der reine Herbivore mit seinen besonderen Einrichtungen und vor allem mit seinem sehr langen Dünndarm ist am besten auf die Verarbeitung der Zellulose eingerichtet. Bei der Beurteilung der Bedeutung einer mehr oder weniger ergie- bigen Zelluloseverdauung muß in Betracht gezogen werden, daß, solange aus diesem Polysaccharid bestehende Zellwände unverletzt sind , der gesamte Zellinhalt der Wirkung der Verdauungsfermente entzogen bleibt. Es geht also nicht nur Zellulose verloren, wenn diese unangegriffen bleibt, sondern zugleich das gesamte wertvolle Material an anderen Kohlehydraten, an Fett, Eiweiß usw'., das von ihr umschlossen bleibt, soweit nicht die Zellfermente in der Lage sind, von innen heraus durch Abbau diffundierbare Pro- dukte hervorzubringen. Aus diesem Grunde ist eine mechanische Zer- kleinerung und damit Eröffnung der Pflanzenzellen eine so bedeutsame Hilfe-) für eine gute Ausnutzung.^) Die Frage nach der Bedeutung der Darmflora für die Ausnutzung der Nahrungsbestandteile ist durch die folgenden Versuche einer direkten l'rüfung unterzogen worden. Xiiftall und Thierf eider ^) entnahmen schwan- geren Meerschweinchen kurz vor Eintritt der Geburt durch den sog. Kaiserschnitt die Jungen und brachten sie unter peinlichster Einhaltung der Asepsis in einen sorgfältig sterilisierten Käfig. Bekanntlich werden *) Vgl. u. a. JI. Lohri.sch: Zeitsclir. f. experim. Path. u. Ther. 5. 478 (1909). — ü. V. Hoesslin: Zeitschr. f. Kinderheilkunde. 1. 81 (1911). 2) Vgl. auch: Hans Fried cnthal: Fßüf/ers Archiv. 144. 152 (1912). — G. v. Bergmann und Fr. W. Sirauch: Therapeut. Monatshefte. 27. .lauuar (1918). •') Aher nicht nur von diesem Gesichtspunkte aus ist eine mechanische Zertümmerung der Pflanzenzellen für die Verdauung von größter Bedeutung, es hat sich herausgestellt, daß Trypsin unveränderte Pflanzenzellen nicht angreift, daß jedoch die V'erdauung so- fort in Gang kommt, wenn man aus ihnen die in Alkohol, Äther und Chloroform löslichen Bestandteile entfernt hat. Es scheint, daß diese Stofl'e das Kindringen der Fermente hindern. Vgl. IT. Biedermann: Fßüf/em Archiv. 174. 358 (1919). '*) Georg JI. F. Nnttall und IJ. Thierfelder : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 21. 109 (1895/9G); 22.' 62 (189G/97). Kohlehydrate. 107 die Meerschweinchen im Gegensatz zu den ihnen verwandten Tieren voll- kommen entwickelt zur Welt gebracht. Sie können sofort nach der Geburt dieselbe Nahrung, wie die erwachsenen Tiere, aufnehmen. Es gelang nun, die auf die genannte Art aus dem Mutterleibe entfernten Meerschweinchen einige Zeit (8 Tage) mit sterilisierter Nahrung (Milch und Cakes) und in steriler Umgebung am Leben zu erhalten. Die Versuchstiere nahmen in normaler Weise an Gewicht zu. Daß die Meerschweinchen in der Tat bakterienfrei gebUeben waren, bewies die Untersuchung der Tiere nach dem Abschlüsse des Versuches. Damit wäre bewiesen, daß der tierische Organismus auch ohne Bakterien auskommt. Leider ist der angeführte \'ersuch nicht ganz vollwertig. Er beweist nur, daß Meerschweinchen Milch und Cakes bei Ausschluß von Bakterien gut verwerten können, worüber an und für sich ein Zweifel nicht bestehen konnte. Er besagt jedoch nichts darüber, wie die Ausnutzung sich verhalten hätte, wenn den Meer- schweinchen ihre normale, an Zellulose reiche Nahrung verabreicht worden wäre. Es ist wohl ganz zweifellos, daß bei Verabreichung von Zellulose das Fehlen von Bakterien sich sehr deutUch bemerkbar gemacht hätte. Das zeigen denn auch deutlich die Versuche von ScJwttelim. i) Er wählte als Versuchstiere Hühnchen, die steril ausgebrütet wurden und in steril gehaltenen Räumen sterile Nahrung erhielten. Die Versuchstiere zeigten trotz reichlicher Nahrungsaufnahme fortwährend Hunger und gingen in derselben Zeit zugrunde, wie ohne Nahrung belassene Hühnchen. Sobald dem Futter Bakterien aus Hühnerfäzes zugesetzt wurden, erholten sich die Tiere und nahmen an Gewicht zu. Ferner hat Moro^) ganz ähnliche Ver- suche mit den Larven der Knoblauchkröte ausgeführt. Es gelang ihm, diese 35 Tage lang steril aufzuziehen. Es ergab sich, daß die sterilen Larven gegenüber den Kontrolltieren, die in Wasser, das Fäzes des Muttertieres enthielt, aufgewachsen waren, ganz erheblich im Gewicht und in ihrer gesamten Entwicklung zurückblieben. Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß die erwähnten Beobachtungen möglicher Weise eine ganz andere Ur- sache haben, als bis jetzt vermutet worden ist. Es hat sich nämlich immer mehr gezeigt, daß bei der Ernährung geringe Mengen von eigenartigen, vorläufig Nutram ine genannten, zum Teil außerordentlich leicht veränder- lichen Stoffen eine bedeutsame Rolle spielen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Produkte bei der Sterilisierung der Nahrung zerstört worden sind und dadurch der ungünstige Ausfall der Versuche bedingt war. Die Versuche müssen unter Zusatz der lebenswichtigen Nutramine wieder- holt werden. 3) W^ie schon erwähnt, greift die Darmflora nicht nur die Zellulose an, sondern auch andere Nahrungsstoffe und vor allem auch andere Kohle- hydrate. Es sind uns zurzeit noch lange nicht alle derartigen Vorgänge bekannt. Sie spielen sicher beim Abbau und der Verwertung der Pento- sane eine Rolle. Pflanzenfresser nutzen z. B. die Pentosane der Vegeta- bilien bis zu ßO^/o aus. *) Sicher leiten auch bei dieser Gruppe von Poly- ») M. Schottelius: Archiv für Hygiene. 34. 210 (1899) uud 42. 48 (1902). 2) Moro: Jahrbuch der Kinderheilkunde. 62. H. 4 (1905). ^) Vgl. S. 77 und Band II die Vorlesung über Nutramine. *) W. E. Stone: American Chem. J. 14. 9 (1892). — Weiske: Z. f. physiol. Chemie. 2». 489 (1895). — B. Slorotzow: Ebenda 34. 181 (1901). - Albin r. Rudno RudzinsU: Ebenda. 40. 317 (1904). X08 "^ • Vorlesung. sacchariden Bakterien den Abbau ein. Eingehend studiert ist der Abbau der Glukose durch bestimmte Bakterienarten. So wissen wir, daß Trauben- zucker in Buttersäure, Kohlensäure und Wasserstoff zerlegt werden kann. ^) Wir sprechen von einer Buttersäuregärung. Ferner kann (llukose in zwei Moleküle Milchsäure zerfallen — Milch säuregär ung. Es sei ferner daran erinnert, daß Hefezellen aus Glukose Alkohol und Kohlensäure bilden können — alkoholische Gärung. Die beiden ersten Gärungen treten ohne Zweifel oft in mehr oder weniger großem Umfange ein, während über ein Vorkommen der alkoholischen Gärung im Darmkanal sicheres nicht bekannt ist. Erwähnt sei, daß im Magen derartige Vorgänge unter normalen Umständen nicht auftreten, weil die im Magensaft vorhandene Salzsäure die Mikroorganismen am Wachstum verhindert und viele direkt vernichtet. Sie stellen sich ein, sobald die Bildung des sauren Magensaftes aus irgend einer Ursache vermindert oder ganz eingeschränkt ist. Wir wer- den später auf die erwähnten Gärungen noch zurückkommen. Die Bildung der genannten Abbaustufen erfolgt nicht in so einfacher und direkter Weise, wie es nach der Formulierung der einzelnen Spaltungen erscheinen mag. Fassen wir nun zusammen, was wir über die Verdauung der Kohle- hydrate wissen, dann ergibt sich das folgende Bild. Der tierische Organis- mus verfügt über eine ganze Anzahl von Stoffen, die er in bestimmten Zellen hervorbringt und an bestimmten Stellen in den Darmkanal abgibt. Sie sind Fermente genannt worden. Manche davon sind ausschließlich auf ganz bestimmte Kohlehydrate eingestellt, von anderen ist uns zurzeit eine streng spezifische Wirkung nur insoweit bekannt, als die betreffenden Fermente nur Vertreter der Kohlehydratreihe abbauen. So baut die Laktase nur Laktose, die Maltase nur Maltose und die Saccharase nur Saccharose ab. Von der Diastase dagegen können wir zurzeit nur aus- sagen, daß sie viele Polysaccharide zerlegt. Vielleicht liegen die Verhält- nisse in Wirklichkeit so, daß die sogenannte Diastase ein Gemisch von Fermenten darstellt. Da wir jedoch diejenigen Polysaccharide, die von der Diastase abgebaut werden, ihrer Struktur nach noch nicht genau kennen und vor allen Dingen nicht in der Lage sind, die Polysaccharide alle einzeln in reinem Zustande zu gewinnen, so vermögen wir selbst- verständlich auch nicht die Frage zu entscheiden, ob nicht unter dem Sammelnamen Diastase Fermente verborgen sind, die nur auf ganz be- stimmte Bindungsarten eingestellt sind. Wesentlich ist, daß im Darm- kanal alle Kohlehydrate zusammengesetzter Natur zerlegt werden können. Eine Ausnahme bildet nur die Zellulose, deren Abbau durch die Darmfloia vermittelt wird. Hier kommt der tierische Organismus mit seinen Hilfs- mitteln nicht aus. Welche Bedeutung hat nun dieser Abbau? Wir werden später erfahren, daß tierische Membranen sogenannte kolloide Stoffe nicht durch- lassen. Zu diesen gehören die Stärke und das Glykogen. Mit der Umwand- lung in Dextrine vollzieht sich eine Überführung in nicht kolloide, lösliche Produkte. Diese durchdringen tierische Membranen. Falls die Verdauung nur den Zweck haben sollte, mit der Nahrung aufgenommene kolloide und daher nicht aufnahmefähige Substanzen in lösliche Spaltstücke überzuführen, dann würde der Abbau zu Dextrinen vollständig genügen. ') Vgl. S. 35. Kohlehydrate. 109 Nun wissen wir jedoch, daß auch Fermente im Darmliaual vorhanden sind, die ganz einfache, leicht lösliche Polysaccharide, wie die Disaccharide Rohrzucker, Milch- und Malzzucker unter Wasseraufnahme zerlegen können. Es sind somit Einrichtungen getroffen, um alle Polysaccharide bis zu den IJausteinen abzubauen. Es ist schwer, ja zurzeit ganz unmöglich, zu ent- scheiden, wie weit in Wirklichkeit im Darmkanal die Polysaccharide abge- baut werden. Es ist möglich, daß nur die einfachsten Bausteine zur Re- sorption gelangen, es ist jedoch auch denkbar, daß Bruchstücke von Poly- sacchariden resorbiert w^erden, die noch mehr als einen Baustein gebunden enthalten. So viel ist sicher, daß der Abbau soweit durchgeführt wird, bis nichts mehr an den charakteristischen Bau des aufgenommenen Polysaccha- rids erinnert. Es sei in dieser Beziehung noch besonders auf den Rohr- und Milchzucker hingewiesen, die beide nie ungespalten zur Aufnahme gelangen. Es wird durch Fermentwirkung Baustein von Baustein gelöst, bis Abbaustufen entstanden sind, die der tierische Organismus als Ausgangs- materialien zu neuen Synthesen oder zu anderen Zwecken benutzen kann. Die Verdauung wandelt charakteristisch gebaute Verbindungen zu indiffe- renten, „neutralen" Stoffen ab. Gelangen komplizierter gebaute Kohle- hydrate zur Resorption, dann kann noch in der Darm^vand eine Spaltung zu den einfachsten Bausteinen erfolgen. Endlich können noch die Leber- zellen eingreifen, an denen das vom Darm kommende Blut vorübergeführt wird, ehe die Übergabe an den großen Kreislauf erfolgt. Wir werden immer wieder die Frage nach dem Abbau der verschie- denartigsten Nahrungsstoffe im Magendarmkanal nur in nicht völlig befrie- digender Weise beantw^orten können. Dieser Umstand findet seine Begrün- dung darin, daß wir immer nur eine bestimmte Phase der Verdauung untersuchen können. Ob wir nun ein Tier mitten in der Verdauung töten und bestimmten Teilen des Darmes den Inhalt rasch entnehmen, oder ob wir Chymus aus Fisteln gewinnen, immer unterbrechen wir die Verdauung in einem bestimmten Augenblicke. Wir müssen daher immer alle möglichen Abbaustufen antreffen. Das Vorhandensein einer großen Menge von noch kompliziert gebauten Abbaustufen und das Zurücktreten der einfachsten Bausteine kann man ganz gut so deuten, daß eben die einfachsten Bausteine fortw'ährend von der Darmwand aufgenommen werden, während die zur Resorption noch nicht reifen Dextrine usw. weiter zerlegt worden wären, wenn wir den Abbau nicht künstlich unterbrochen hätten. Wir können leider die Verdauung außerhalb des Darmes noch nicht vollständig nach- ahmen. Im Darmkanale selbst finden sich Verhältnisse, die wir zurzeit nicht übersehen können. Einerseits vermögen wir die Resorption nicht zu ersetzen. Im Reagenzglas bleiben die Abbaustufen liegen. Ferner ergießen sich in den Darmkanal lortw'ährend neue Sekrete aus den verschiedenen Drüsen. Die Reaktion des Chymus wird in feinster Weise geregelt und eingestellt. Immer wieder greifen neue Momente ein. Solange wir nicht in der Lage sind, den ganzen Verdauungsvorgang künstlich bis in alle Einzelheiten nachzuahmen, wird die Frage nach dem Abbau der einzelnen Nahrungsstoffe nicht genau beantwortet werden können. Es liegt hier ein Forschunsgebiet vor, das noch kaum bearbeitet ist. Es gibt noch eine andere Möglichkeit, um zu prüfen, wie weit der Ab- bau der Nahrungsstoffe in Wirklichkeit geht, bevor eine Aufnahme in den 110 V. Vorlesung. Kohlehydrate. großen Kreislauf erfolgt. Es ist dies die Untersuchung des Blutes auf die Abbaustufen der Polysaccharide nach A'erfütterung von solchen. Es ist bis jetzt im Blute mit absoluter Sicherheit nur Traubenzucker nachgewiesen worden. Dextrine, Maltose usw. scheinen normalerweise nicht im Blute vorzukommen. Es sei in diesem Zusammenhange auch an die eingangs erwähnten Versuche mit parenteraler Zufuhr von Nahrungsstoffen erinnert.^) Die erhaltenen Re- sultate stützen die Ansicht, daß bei der Verdauung tiefe Abbaustufen und wahrscheinlich die einzelnen einfachsten Bausteine entstehen. Wichtig ist auch die Tatsache, daß man die gesamten Kohlehydrate der Nahrung durch Traubenzucker ersetzen kann. Wir haben bereits erwähnt, daß die Kohlehydrate von den Zellen der Darmwand aufgenommen werden. Es scheint, daß auch von der Magen- wand einfache Kohlehydrate resorbiert werden können. Die Resorption findet jedoch in der Hauptsache im Dünndarm statt. ') Vgl. S.96. Vorlesung VI. Kohlehydrate. V. Verhalten der Kohlehydrate im Zellstoffwechsel. Ihr Auf- und Abbau. Die Stoffwechselzwischen- und -endprodukte der Kohlehydrate. Wir wollen nun versuchen, den resorbierten Kohlehydraten von der Darmwand weg- auf allen ihren Wegen, bis sie in die Stoffwechselend- produkte Kohlensäure und Wasser verwandelt sind, zu folgen. Wir stoßen dabei sofort auf große Schwierigkeiten. Normalerweise erfolgt nämUch der Abbau der Polysaccharide stufenweise. Diese Einrichtung bewirkt, daß von JNIoment zu Moment immer nur Spuren resorptionsfähiger Produkte entstehen. Diese bilden sich an den verschiedensten Stellen der großen Oberfläche des Dünndarms. Sie werden von den Darmzellen aufgenommen und offenbar rasch weitergegeben. Es sind zwei Wege möglich, um die resorbierten Stoffe den Körperzellen zuzuführen. Einmal können sie direkt dem Blute — Pfortader — tibergeben werden, oder aber der Transport erfolgt zunächst auf dem Lymphweg. Im letzteren Falle können wir die gesamten aufgenommenen Stoffe dadurch einer Kontrolle unterwerfen, daß wir da, wo der Ductus thoracicus sich in die Vena anonym a ergießt, eine Fistel anlegen und den durch sie ausfließenden Chylus sammeln. Es hat sich gezeigt, daß die resorbierten Kohlehydrate in der Hauptsache direkt der Blutbahn übergeben werden. Wir könnten nun das Pfort ad erblut auffangen und feststellen, was für Kohlehydrate zur Aufnahme gelangen. Derartige Versuche sind auch durchgeführt worden. Man konnte zeigen, daß der Gehalt des Pfortaderblutes an Traubenzucker anstieg. Manche Autoren wollen auch Polysaccharide, wie Dextrine, beobachtet haben, doch sind die Versuche nicht mit genügender Genauigkeit durchgeführt worden, um Beweiskraft zu haben. Ferner müßte man a priori erwarten, daß das Blut des großen Kreislaufes anzeigt, was für Arten von Kohlehydraten zur Piesorption gelangen, wenn man solche verfüttert. Die nach dieser Pachtung durch- geführten Untersuchungen ergaben keine sicheren Befunde. Es zeigte sich die zunächst überraschende Tatsache, daß auch nach Aufnahme großer Mengen von Kohlehydraten der Gehalt des Gesamtblutes an diesen in recht engen Grenzen unverändert bleibt. Wir stehen folgenden Tatsachen gegenüber. Wir beobachten, daß ein Tier in wenigen Stunden eine größere Menge von Kohlehydraten auf- nimmt, verdaut und resorbiert. Wir können diese Menge recht genau 1 1 2 VI. Yorlesuug. bestimmen, indem wir das Gewicht der verfütterten Kohlehydrate fest- stellen. Die Menge davon, die im Darmkanal ein Raub der Darmflora wird, ist. wenn wir von den reinen Pflanzenfressern ausgehen, so gering, daß wir sie vernachlässigen dürfen. Bestimmen wir den Gehalt des Blutes an Traubenzucker vor und nach der Verfütterung der Kohlehydrate, dann finden wir einen nur unbedeutenden Unterschied. Wo sind die Kohle- hydrate geblieben V Es sind folgende Möglichkeiten gegeben. Einmal könnte der Abbau der Kohlehydrate im Darmkanal oder in der Darmwand oder endlich in der Leber über die Monosaccharide hinausgehen. Es könnten also Abbaustufen entstehen, die nichts mehr mit den Kohlehydraten gemein haben. Es sind nach dieser Richtung mehrere Hypothesen aufgestellt worden. So vermutete z. B. Pavy ^) eine Umwandlung der resorbierten Kohlehydrate in Fett in der Darmwand. Andere Forscher dachten an die Bildung einfacherer Ab- baustufen ans dem Traubenzucker. Diese sollten dann das Baumaterial für die verschiedenartigsten Synthesen abgeben oder aber von den Zellen weiter gespalten werden. Keine dieser Ansichten konnte experimentell bestätigt wer- den. Gegen die letztere Anschauung spricht folgender Umstand: Wir haben früher schon hervorgehoben, daß die Zellen Energie zu ihren verschieden- artigen Verrichtungen brauchen. Diese erhalten sie, indem sie organische Stoffe spalten und oxydieren. Interessanterweise geht nun die Loslösung der einzelnen Bausteine aus zusammengesetzten Verbindungen unter W^as- seraufnahme fast ohne Wärmetönung vor sich, d. h. es wird sozusagen keine Energie frei, ferner verursacht der umgekehrte Vorgang, nämlich die Wiederaneinanderfügung der Bausteine unter Wasserabspaltung fast keinen Energieverbrauch. Sobald aber ein Baustein weiter gespalten wird, wird meistens Energie frei und umgekehrt verläuft im allgemeinen die Syn- these von einfacheren Spaltstücken aus mit Energieverbrauch. Würden die Kohlehydrate im Darmkanal über die Bausteine hinaus gespalten, dann müßte im Darmrohr Energiq frei werden, von der den Körperzellen nur in beschränktem Maße etwas zugute käme — nämhch in der Hauptsache nur den benachbarten Darmzellen. Der tierische Organismus müßte dann jen- seits der Darmwand oder in dieser selbst Energie aufwenden, wenn er die aufgenommenen Spaltstücke wieder zu bestimmten Verbindungen ver- einigen wollte. Die meisten Forscher stehen wohl auf dem Standpunkte, daß in der Hauptsache Traubenzucker in das Blut der Pfortader übergeht. Da nun der Zuckergehalt des Blutes in engen Grenzen unverändert bleibt, so könnte man daran denken, daß die Spuren von Glukose, die von Augenblick zu Augenblick zur Piesorption kommen, sofort von den Körperzellen aufge- nommen werden. Nun treffen wir in den Körperzellen den resorbierten und der Blutbahn übergebenen Traubenzucker auch nicht oder nur zum geringsten Teil unverändert an. Das wäre verständlich, wenn die Körper- zellen den Zucker sofort weiter verarbeiten würden. Sie könnten ihn z. B. abbauen. Ein derartiges Verschwinden großer Mengen von Traubenzucker müßte sich nachweisen lassen. Die (ilukose liefert nämlich beim Abbau schließlich als letzte Stoffwechselprodukte Kohlensäure und W^asser. Wenn *) F. W. Pari/: Über den Kohlehydratstoffwechsel. Deutsche Ausgabe von Ktirt Moeckel. Wilh. Engelmann. Leipzig 1901. Kohlehydrate. 113 wir nun ein Tier in einen Apparat einsperren, der uns gestattet, genau zu bestimmen, wieviel Sauerstoff es verbraucht und wieviel Kohlen- säure es ausscheidet, dann können wir leicht verfolgen, ob die Ver- fütterung von Kohlehydraten bei sonst ganz gleich bleibenden Bedingungen einen Einfluß auf den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäureausschei- duug hat. Es ist dies nicht der Fall. Noch auf einem anderen Wege muß sich entscheiden lassen, ob die aufgenommeneu Kohlehydrate direkt abgebaut werden. Wir haben bereits erwähnt i), daß beim Abbau der Kohlehydrate zu den Endprodukten Kohlensäure und Wasser die gleiche Energiemenge frei wird, die verwandt worden ist, um sie aus Kohlensäure und Wasser aufzubauen. Bestimmen wir bei einem ruhenden Tier den Energie Wechsel vor und nach Verfütterung von Kohlehydraten, dann finden wir keine Anhaltspunkte dafür, daß solche zu den erwähnten Stoffwechselendprodukten abgebaut worden sind. Der Stoffumsatz bleibt unbeeinflußt ! Schon diese Beobachtungen ergeben das wichtige Gesetz, daß der Stoffwechsel der Zellen des tierischen Organismus von diesen selbst reguliert wird und unter normalen Verhältnissen nicht durch die aufgenommenen Kohlehydrate direkt beeinflußt werden kann. Da einerseits festgestellt worden ist, daß die resorbierte Glukose weder im Blute noch in den Geweben auch nur annähernd in ihrer Ge- samtheit anzutreffen ist und andrerseits feststeht, daß sie nicht völlig ab- gebaut wird, bleibt nun nur noch die eine Möglichkeit übrig, daß sie in anderer Weise als durch Abbau verändert worden ist. Entweder ist sie in den Körperzellen so umgewandelt worden, daß sie keine direkten Beziehungen zu den Kohlehydraten mehr hat oder aber, es ist z. B. ein anderes Kohlehydrat aus der Glukose gebildet worden. Am schnellsten mußte man ohne Zweifel dem Verbleib des resor- bierten Traubenzuckers auf die Spur kommen, indem man systematisch allen Möglichkeiten nachging. Da die Glukose den Blutweg einschlägt, so war es am zweckmäßigsten, dieser Bahn zu folgen. Das gesamte vom Darm kom- mende Blut durchfließt bei den Säugetieren 2) zunächst die Leber. Es treten hier ganz eigenartige Kreislauf Verhältnisse auf. Das Blut wird durch die Bildung von ungezählten ^'erzweigungen und Verästelungen auf eine sehr große Ober- fläche ausgebreitet. Die feinsten Zweige, die in die Venae centrales der Leberläppchen übergehen, umschließen Leberzellen. Es wird auf diese Weise das mit resorbierten Stoffen aUer Art beladene Blut an zahlreichen Leber- zellen vorbeigeführt. Sollte nicht schon hier die aufgenommene Glukose verändert werden? Diese Vermutung ist schon deshalb angebracht, weil Beobachtungen vorhegen, wonach der Zuckergehalt des Pfortaderblutes von der Resorption von Kohlehydraten direkt abhängig ist, während wir im Blut, das sich aus der Lebervene in die Vena cava inferior ergießt, bereits einen solchen Einfluß nicht immer sicher feststellen können. Offenbar ist dem Blute Glukose entzogen worden. Nun haben wir früher schon darauf hingewiesen, daß im tierischen Organismus ein Polysaccharid vorkommt, das Glykogen, das bei der M Vgl. S. 79. ^) Andere Tierklassen haben zum Teil einen „Is'ierenpfortadcrkreislauf". A b il eih al d e n , Vh.vPiol(igi8che Cherair. T. Teil, 5. Aufl. g J[14 ^'^i- Vorlesung. Spaltung unter VVasseraufnahme Glukose liefert. Dieses Kohlehydrat ist, wie schon früher erwähnt, in der Leber entdeckt worden. i) Bald wurde man darauf aufmerksam, daß die Leberzellen nicht immer gleich viel Glykogen enthalten, sondern daß ihr Gehalt an diesem Polysaccharid von der Nahrungsaufnahme und insbesondere von der Zufuhr von Kohle- hydraten abhängig ist. Man machte sich nun folgendes Bild über das Verhalten des resor- bierten Traubenzuckers im tierischen Organismus. Die Glukose wird den Leberzellen zugefühi't. Diese belassen dem Blut eine bestimmte Menge davon. Das Zuviel wird von ihnen aufgenommen und sofort zu dem Poly- saccharid Glykogen aufgebaut. Ein Molekül Glukose wird an das andere angelagert. Jedesmal wird ein Molekül Wasser frei. Wahrscheinlich geht die Synthese über die Maltose. Man nimmt allgemein an, daß Fermente an dieser Synthese beteiligt sind. Das Glykogen ist ein Kolloid. Es lagert in den Leberzellen, ohne direkte Beziehungen zu den Bausteinen der Zelle zu haben. Es ist als ein Reservestoff aufzufassen, der dem Stoffwechsel so lange entzogen bleibt, bis Bedarf an Glukose auftritt. Das Glykogen wird dann nicht als solches von der Leberzelle abgegeben, sondern es er- folgt zunächst ein Abbau, und zwar tritt eine Fermentgruppe in Wirksam- keit, die vollständig entsprechend arbeitet, wie die Diastase der Säfte des Darrakanals. Es entstehen Dextrine. Auch Maltose tritt auf. Diese wird durch die Maltase in zwei Moleküle Traubenzucker zerlegt. Die Glukose geht ins Blut über und wird jener Stelle zugeführt, an der sie gebraucht wird, bzw. sie ersetzt einen Mindergehalt des Blutes an Glukose, weil Organ- zellen bereits dem Blute Traubenzucker entzogen und so den Gehalt des Blutes an diesem Kohlehydrat herabgedrückt haben. Das Glykogen spielt im tierischen Organismus eine ganz entsprechende Rolle wie in der Pflanzenwelt die Stärke. Diese Anschauungen sind durch die folgenden Beobachtungen sicher- gestellt worden. Wir wollen annehmen, daß wir zehn Kaninchen, die dem gleichen Wurf entstammen und ganz gleichmäßig ernährt worden sind, zehn Tage ohne jede Nahrungszufuhr lassen. Nun töten wir fünf von diesen Tieren, entnehmen sofort jedem die Leber und stellen fest, wieviel Gly- kogen sie enthält. Dem Reste der Versuchstiere geben wir Stärke oder Rohrzucker oder Traubenzucker zu fressen. Am besten verfüttern wir den einen Tieren das eine Kohlehydrat und den anderen ein anderes. Etwa sechs bis acht Stunden nach der Fütterung töten wir auch diese Tiere und stellen sofort den Glykogengehalt der Leber fest. Bei den Hungertieren finden wir entweder nur Spuren von Glykogen oder eine ganz geringe Menge, wiihrend alle jene Tiere, die kurz vor der Tötung Kohlehydrate erhalten hatten, viel von diesem Polysaccharid in der Leber aufweisen. Diese Versuchsanordnung können wir dazu benutzen, um festzustellen, ob eine bestimmte verfütterte Substanz Glykogenbildner ist, d. h. ob nach ihrer Aufnahme in den Organismus in der Leber Glykogen entstanden ist. 2) 1) Vgl. hierzu S. 62 ff. -) Vgl. die Literatur über derartige Beobachtungen bei E. W. Fßiiger: Das Gly- kogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit. 2. Aufl. Maitin Hager. Bonn. 1905; Max Cremer: Ergeb. d. Physiol. 1. 803 (1902). Kohlehydrate. 115 Es sei schon hier erwähnt, daß wir die Leber noch auf andere Arten olykogenarm machen können. Eine dieser Methoden ist die Leistung von Arbeit. Lassen wir zum Beispiel einen Hund bis zur Erschöpfung laufen, dann erweist sich seine Leber als glykogenarm. Die gleiche Wirkung er- hält man nach Vergiftung von Tieren mit Strychnin. Dieses Gift bewirkt erhöhte Reflexerregbarkeit. Bei der geringsten Erschütterung treten Muskel- krämpfe ein. Auch dadurch werden s^orhandene Glykogenvorräte schließlich erschöpft. •- Es fragt sich nun, ob der erwähnte Befund, daß nach Verfütterung von Kohlehydraten die Leber einen hohen Glykogengehalt aufweist, eindeutig beweist, daß die resobierte Glukose in Form von Glykogen abgelagert worden ist. Man hat selbstverständlich diesen ^'ersuch oft wiederholt und immer als Kontrolltiere Hungertiere oder aber durch Arbeit erschöpfte Tiere benutzt. Es wäre gesucht, wollte man annehmen, daß zufälligerweise die getöteten Kontrolltiere weniger Glykogen in der Leber besessen hätten als die übrigen Tiere. Dagegen läßt sich ein anderer, sehr gewichtiger Einwand erheben. Er ist zwar sehr unbequem und wird von vielen Forschern als zu weit- gehend betrachtet und doch sind im Laufe der Zeit manche Beobachtungen bekannt geworden, die zeigen, daß man die Beweise für bestimmte Befunde nicht eindeutig genug fordern kann. Man könnte sich nämlich ganz gut vorstellen, daß die Verfütterung der Kohlehydrate eine indirekte Wirkung entfaltet. Es könnten Stoffe in Glykogen übergehen, die bereits im Hunger- tier vorhanden sind.. Die verfütterten Kohlehydrate könnten beispielsweise zu bestimmten Zellfunktionen herangezogen werden, die beim Hungertier bisher auf Kosten von Stoffen bestritten wurden, die jetzt zur Glykogen- bildung frei werden. Wir verfügen über zahlreiche Beobachtungen, die ein- deutig erweisen, daß die Bausteine des Glykogens nicht von Kohlehydraten herzustammen brauchen. Gewisse Bausteine der Eiweißstoffe können z. B. Kohlenstoff ketten zur Glykogenbildung liefern. Wahrscheinlich führt der Weg immer über die Glukose. Warum sollte nicht auch nach der Kohle- hydratfütterung eine solche Art der Glykogenbildung einsetzen? Der direkte Versuch mußte entscheiden. W'ir können die Lel)er für sich studieren, d. h. losgelöst vom übrigen Organismus. Am besten eignet sich zu solchen Studien die Schildkrötenleber, i) Sie läßt sich gut durch- bluten. Es ist gelungen, auch die Säugetierleber zu derartigen Versuchen zu verwenden. -) Ein derartiger Versuch wird in seinen wesentlichsten Punkten, wie folgt, durchgeführt. W-ir wählen eine bestimmte Flüssigkeit, um die Leber zu durchströmen. Entweder nehmen wir Blut oder eine sogenannte Nährlösung. Diese besteht aus Wasser, in dem bestimmte Salze in bestimmter Konzentration vorhanden sind. Der Durchspülungs- flüssigkeit können wir nun bestimmte Substanzen zusetzen. In unserem Falle wählen wir zunächst Glukose. W'ir setzen z. B. Blut eine ganz be- stimmte Menge davon zu. Nun lassen wir es durch die Pfortader ein- und durch die Lebervene abfließen. W^ir wiederholen diesen Kreislauf längere Zeit. Nun analysieren wir erstens die gesammelte Durchströmungsflüssigkeit auf Zucker und finden, daß fast der ganze zugesetzte Zucker verschwunden ist. Zwei ens bestimmen wir rasch den Glykogengehalt der Leber. Wir 1) Karl Grube: I'Jlüqers Arr-hiv. 107. 490 (1905). ^) J. de Met/er: J. internat. de Piiysiol. 8. 204 (1909). IIQ VI. Vorlesung. möchten gerne wissen, ob und um wieviel die Leber an diesem Poly- saccharid zugenommen hat. Es wird deshalb beim Beginn des Versuches ein Stück der Leber fortgenommen und sein Gehalt an Glykogen bestimmt. AVir nehmen an, daß die Leber das Glykogen annähernd gleichmäßig verteilt enthält. Es hat sich gezeigt, daß diese Annahme nur bedingt richtig ist. Immerhin begeht man keinen großen Fehler, wenn man die gesamte Leber wiegt, dann in einem gewogenen Teil das Glykogen bestimmt und berechnet, wie viel Glykogen das zur Durchblutung verbleibende Leberstück enthält. Die Zunahme an Glykogen am Schlüsse der Durchblutung entsprach un- gefähr der aus dem Blute verschwundenen Glukose. Dieser Befund kann wohl kaum anders gedeutet werden, als daß die Leberzellen aus der mit der Durchspülungsflüssigkeit zuge- führten Glukose Glykogen gebildet haben. Man hat die geschilderte Me- thodik dazu benutzt, um verschiedene Verbindungen als Bildungsmaterial für Glykogen zu prüfen. Fruchtzucker und Galaktose liefern Gly- kogen, die Disaccharide Rohr- und Milchzucker i) nicht, obwohl sie jene Komponenten enthalten, aus denen die Leberzellen das Polysaccharid be- reiten. Es muß der Synthese eine Spaltung der genannten Disaccharide in ihre Bausteine vorausgehen. Die Leberzellen können diese Hydro- lyse nicht durchführen, deshalb sind die genannten Disaccharide für sie nicht verwertbar. Pentosen vermochten die Leberzellen auch nicht zur Glykogenbildung zu verwerten, dagegen erwiesen sich z. B. Glyzerin und andere Verbindungen, auf die wir noch zurückkommen, als Glykogen- bildner. -) Die positiven Befunde einer Glykogenbildung aus einem bestimmten Materiale sind wohl eindeutig, nicht aber die negativen. Es darf nicht daraus, daß bei einem solchen Durchblutungs- versuch eine bestimmte Verbindung nicht das erwartete Produkt liefert, geschlossen werden, daß nunmehr der betreffende Organismus, dessen Organ man untersucht hat, die betreffende Umwandlung überhaupt nicht zu vollziehen vermag. Einmal kann ein anderes Organ den Vorgang durch- führen, und ferner ist es denkbar, daß mehrere Zellarten zusammenwirken müssen, um ein bestimmtes Produkt in ein anderes umzuwandeln. Das eine Organ bereitet den Vorgang vor, ein anderes vollendet ihn. So wissen wir mit Sicherheit, daß bestimmte Aminosäuren Glukose und damit den Baustein des Glykogens liefern. Ist jedoch die Zufuhr der Aminosäuren auf die Leberzellen beschränkt, dann scheint, wie schon bemerkt, keine Verwertung • zur Glykogenbildung einzutreten. ») Wir müssen uns nun die Frage vorlegen, ob \nr mit der Tatsache allein auskommen, daß die Leberzellen Traubenzucker in Form von Gly- kogen speichern können. Es ist klar, daß diese Ablagerung eine Grenze haben muß. Jede einzelne Zelle kann nur eine bestimmte Menge von Gly- kogen aufnehmen. Wir können mit dem Mikroskop die Schollen von Glykogen sehen und feststellen, daß sich mit ihrem Verschwinden die Zellstruktur nicht ändert, weil das Polysaccharid eben nichts mit dem Bau 1) Vgl. Ernst Weinland: Zeitschr. f. Bk>logie. 40. 374 (1900). — Karl Grube: 1. c. *) Vgl. avich Vorlesung X. ') Karl Grube: Fßüfjers Archiv. 122. 451 (1908). Kohlehydrate. 117 der Zelle zu tun hat. Wir erblicken Zellen, die mit Glykogen vollgepfropft sind, andere enthalten weniger davon. Direkte Versuche haben ergeben, dalj die Leber des Menschen etwa IbOg Glykogen aufnehmen kann. Was geschieht, wenn mehr Glukose als zur Bildung dieser 150 ^^ Glykogen notwendig ist, zugeführt wird? Die Möglichkeit einer Mehrzufuhr ist immer gegeben. Vor allen Dingen wird normalerweise die Leber ihre Speicher nie ganz geleert haben. Es wird sich somit meist schon nach einer relativ geringen Traubenzuckerzufuhr die Frage ergeben, wo die Glukose bleibt, nachdem die Leber mit Gly- kogen beladen ist. Man fand bald, daß wohl alle Körperzellen Glykogen speichern können. Vor allen Dingen stellen die Muskelzellen wichtige Speicher für Glykogen dar. Auch hier hat man direkte Versuche durchgeführt und Muskelgewebe mit Blut durchströmt, dem man Glukose zugesetzt hatte. Sie verschwand zum größten Teil. Gleichzeitig trat in den Muskelzellen Glykogen auf. Schließlich könnten aber auch diese Speicher alle gefüllt sein und weitere Zuckermassen zur Resorption gelangen. Was geschieht dann mit der Glukose V Der Zuckergehalt des Blutes und der Gewebe steigt auch in diesem Falle unter normalen Verhältnissen nicht an. Eingehende Unter- suchungen haben ergeben, daß der tierische Organismus im- stande ist, Zucker in Fett umzuwandeln und in dieser Form Glukose zu speichern. Die Überführung soll zum Teil schon in der Leber einsetzen, i) Der Beweis, daß Kohlehydrate in Fett übergeführt werden können, kann auf verschiedene Arten geführt werden. Einmal kann man einem möglichst fettarmen Tiere eine Nahrung zuführen, die neben \iel Kohle- hydraten Eiweiß und möglichst wenig Fett enthält. Das Tier wird dann, nachdem es an Körpergewicht zugenommen hat, geschlachtet und sein Gesamtgehalt an Fett festgestellt. Gewöhnlich ist diese Versuchsanordnung in der Art durchgeführt worden, daß man Tiere des gleichen Wurfes hungern ließ. Ein Teil der Tiere wurde dann getötet und der Fettgehalt des gesamten Organismus bestimmt. Dieser Wert gab dann die Grundlage für die Berech- nung der Fettzunahme nach Verabreichung einer fettarmen und kohlehydrat- reichen Nahrung. Es ist klar, daß bei derartigen \'ersuchen festgestellt werden muß, w'as von den verabreichten Nahrungsstoffen zur Resorption gelangt, d. h. man darf nicht einfach den Gehalt der Nahrung an Fett, Kohlehydraten und Eiweiß in Rechnung setzen, sondern man muß den Kot auf Stickstoff- und Fettgehalt untersuchen. Leider sind nicht alle in dieser Richtung ausgeführten Versuche einwandfrei, weil nicht immer der Fettgehalt der Nahrung richtig bestimmt worden ist. Es liegen jedoch genügend einwand- freie Versuche vor, die für die Annahme der Überführung von Kohle- hydraten in Fett beweisend sind. -) - So gibt z. B. X. Tscherwinsky ^) die folgenden Zahlenwerte an: ') P. lunkersdorf: Pftüger^ Archiv. 192. 305 (1921). ») Vgl. Charniewsky': Zeitschr. f. Biol. 20. 179 (1884). ') N. Tscherwinsky : Landwirtsch. Versuchsstationen. 29. 317 (1883). j^ J[g Tl. Vorlesung. Eiweiß Fett Das vier Monate mit Gerste gefütterte Tier enthielt ^ 2,52 kg 9,25 hg Das Kontrolltier enthielt 0,96 ,. 0,69 ,. Somit hatte das erstere Tier angesetzt. . l,o6 Ar/ H,56 /rg In der Nahrung waren ihm zugeführt worden 7.49 ,. 0,66 ,. Unterschied . . . — 5,93 kg + 7,90 kg Das verwendete Versuchstier, ein junges Schwein, hatte somit 7,9 kg Fett, die nicht aus Nahrungsfett stammen konnten und für die das Ei- weiß der Nahrung gar nicht in Betracht kommt, angesetzt. Die gleiche Feststellung, nämUch die Fähigkeit des tierischen Orga- nismus, Kohlehydrate in Fett umzuwandeln, ist auch durch eine andere Versuchsanordnung bewiesen worden. Es wurde der Gaswechsel i) eines mit viel Kohlehydraten ernährten Tieres verfolgt. Kennt man den Gehalt des möglichst fettarmen und kohlehydratreichen Futters an Kohlenstoff, Ei- weiß und Kohlehydraten, so kann man einmal durch die Bestimmung des Stickstoffgehaltes des Harnes den im Körper zurückgebliebenen Anteil an Eiweiß ermitteln und .aus der ausgeatmeten Kohlensäure plus dem mit dem Harnstoff den Körper verlassenden Kohlenstoff den im Körper ver- bleibenden berechnen. Man fand dabei für den im Körper verbliebenen Kohlenstoff derart hohe Werte, daß nur die Annahme übrig bleibt, daß aus den zugeführten Kohlehydraten Fett gebildet worden ist. Wir wollen nicht verschweigen, daß nicht bewiesen ist, daß die Fähigkeit der Fettbildung aus Kohlehydraten allen tierischen Organismen zukommt. Man hat zu den Versuchen Tiere gewählt, die zur Fettmast geeignet sind. Es ist wohl möglich, daß nicht jede Tierart in gleichem Maße Kohlehydrate in Fett umwandeln kann. Es sind sicherlich auch individuelle Unterschiede vorhanden. Vielleicht spielt auch das Alter eine gewisse Rolle. Jedenfalls muß das ganze Forschungsgebiet noch nach allen Seiten erweitert und vertieft werden. Es ist uns nicht bekannt, ob der tierische Organismus in erster Linie die Lagerstellen der Leberzellen für Glykogen füllt und dann die übrigen Speicher und endlich bei zu großem ,.Andrang" an Glukose zur Umwand- lung in Fett greift. Es ist eine solche Annahme nicht sehr wahrscheinlich. Der Organismus wird je nach Bedarf das Glykogen an verschiedenen Stellen entstehen lassen und ebenso zur Fettbildung aus Kohlehydraten nicht nur dann greifen, wenn für die überschüssige Glukose kein Unter- kommen miehr vorhanden ist. Es fragt sich nun, was aus den Glykogenvorräten wird. Wie wir schon gesehen haben, verschwindet das Glykogen allmählich aus den Speichern, sobald keine Nahrung zugeführt und sobald Arbeit geleistet wird. Der erste, der die Beziehungen des Glykogens zur Muskelarbeit klar er- kannte, war Claude Benmrd:^) Er fand, daß im Winterschlaf befindliche Tiere große Mengen von Glykogen in der Leber besitzen, und zwar in den 1) Vgl. Bubner: Zeitscbr. f. Biol. 22. 272(1886). — Es wäre erwünscht, wenn mit dieser Methode noch mehr und länger dauernde Versuche ausgeführt würden. *) Claude Bernard: Compt. reud. de lAcad. des Sciences. 48. 673 [vgl. Anmer- kung pag. 683 (1859)]. Kohlehyilratc. 119 Leberzellen, in dem Gewebe der Muskeln und den Lungen. Sobald die Tiere erwachten und sich bewegten, sah Claude Bernard das Glykogen schwinden. Ferner machte er die Beobachtung, daß bei gut genährten Säugetieren und \'ögeln das Muskelgewebe in Ruhe — sei es spontan, sei es künstlich nach Durchtrennung des dieses versorgenden Nerven — Glykogen anhäuft, das wieder verschwindet, sobald der Muskel Arbeit leistet. Direkte ^'ersuche sind von S. Weiß'^) ausgeführt worden. Er ver- glich den Glykogengehalt der hinteren Extremitäten des Frosches. Die Muskeln des einen Beines wurden durch elektrische Reizung bis zur Er- schöpfung zur Kontraktion gebracht, während die andere Extremität, die zur Kontrolle diente, ruhte. Das Glykogen der tätigen Muskeln zeigte im ^'ergleich zu dem der ruhenden eine Abnahme um 2427 — oO^So/o. Endlich hat Th. C/iandelon^-) folgenden Versuch angestellt. Er durch- schnitt einem Kaninchen die Nn. ischiadici und crurales und fand in den gelähmten Muskeln nach 2 — ^5 Tagen eine Zunahme an Glykogen von 5-51— 172-4Vo- Auf andere Weise ist endlich Eduard Küh^) zu demselben Resultate gelangt. Er ließ einen gut genährten Hund einen schweren Wagen ziehen. Das Versuchstier wog 45ö0% und lief im ganzen 1) Stunden 40 Minuten. Es wurde durch Verbluten getötet. Die Glykogenbestimmung ergab einen Gesamtbestand von 5205 - CH3 . CO . CH(OH) . c,n,'+ C^O COOH + OHAH^ \0H Brenztrauben- Benzaldehyd Phenylbrenztrauben- säure alkohol. Weitere Forschungen müssen lehren,' welche Bedeutung den ge- machten Feststellungen im Zellstoffwechsel zukommen. Sie eröffnen weite Möglichkeiten der Synthese hochmolekularer Verbindungen aus einfacheren Bruchstücken unter Zusammenfügung von Kohlenstoff an Kohlenstoff. Wir werden auf diese Art von Synthesen von verschiedenen Gesichtspunkten aus noch zurückkommen. Kehren wir zur Frage der Zerlegung der Glukose bei der alkoholischen Gärung zurück, und betrachten wir zunächst die Bildung von Äthylalkohol unter der Annahme, daß Brenztraubensäure als Zwischenstufe des Abbaues von Glukose auftritt und diese durch die Karboxylase in Azetaldehyd überge- führt wird. Dieser kann dann, wie die folgenden Formeln zeigen, durch Wasserstoffanlagerung in Äthylalkohol übergehen : ^H* CH3.CO.COOH— C02 = CH3.C<,, I3 . o\„ -1-112 = v^rij . L.n2 CH, . G<„ + Ho = CHo . CH, . OH. ») C. Neuberg und J. Hirsch : Biochem. Zeitschr. 89. 954(1921). *) Carl Neuberg und Julius Hirsch: Biochem. Zeitschr. 115. 282 (1921). — Carl Neuberg und Ludiriq Lieberinanii : Ebenda. 121. 311 (1921). — Carl Neuberg und Heinz Ohle: Ebenda. 127. 327 (1922); 128. 610 (1922). ') Vgl. Carl Neuberg und Heinz Ohle: 1. c. Abderhalden, Physiologische Chemie. I.Teil. 5. Anfi. 9 130 YI. Vorlesung. Es fragt sich nun, woher der Wasserstoff, der die Überführung des Aldehyds in Alkohol bewirkt, stammt. Eine Antwort auf diese Frage können wir erst geben, wenn wir noch tiefer in das Problem des Abbaues des Zuckermoleküls eingedrungen sind. Wie sein Abbau in allen Einzel- heiten vor sich geht , wissen wir noch nicht genau , nur soviel scheint sicher zu sein, daß ein Produkt der Dreikohlenstoffreihe entsteht. Man hat an Glyzerinaldehyd, Milchsäure, Dioxyazeton und Methyl- glyoxal gedacht: CH2.OH CH3 CH2.OH CH3 CH2 CH.OH c<; ^0 H CH.OH COOH CO CH..OH CO bzw. CH (OH) yyO Wi Glyzerinaldehyd Milchsäure H ^H Methylglyoxal. Dioxyazeton Bei der alkoholischen Gärung hat man kleine Mengen von Azetal- dehyd, Glyzerin und Milchsäure auch bei ungestörtem Ablauf gefunden, i) Nehmen wir an, daß beim Abbau des Zuckermoleküls Glyzerinaldehyd und Methylglyoxal durch Hefe entstehen, dann können wir uns folgendes Bild über die Entstehung aller bisher beobachteten Gärungsprodukte machen, wobei gleichzeitig ersichtlich ist, weshalb bei der Verhinderung der Überführung des Azetaldehyds in Äthylalkohol Glyzerin in entsprechen- der Weise entsteht: CHo.OH Glyzerinaldehyd CH2.OH I CH.OH CH2.OH Glyzerin OH Brenztraubensäure Azetaldehyd (Wird Azetaldehyd ab- gefangen, dann redu- ziert der nicht zur Verwendung kommende Wasserstoff Glyzerin- aldehyd zu Glyzerin!) CH3 CH2.OH Aethylalkohol. *) Vgl. auch die Arbeiten von //. F.uTer, Lchcdiw u. a. in der Zeitschr. f. pbysiol. Chemie, 1911 und 1912 und in den Ber. d. Deutschen Cbem. Gesellsch. 1912. — S. Kosly- Kohlehydrate. 131 Es ist nun Neuherg'^) gelungen, noch eine dritte Form der Zucker- spaltung festzustellen. Läßt man die Gärung sich bei alkalischer Reaktion unter Anwendung von alkalisch reagierenden Salzen, wie Karbonaten, Bikarbonaten, Phosphaten usw., vollziehen, dann gehen zwei Moleküle Azetaldehyd unter Aufnahme von einem Molekül Wasser in Äthylalkohol und Essigsäure über. Auch in diesem Falle findet der sonst zur Hy- drierung von Azetaldehyd zu Äthylalkohol dienende Wasserstoff zur Re- duktion eines anderen Zuckerteils Verwendung. Es entsteht wiederum Glyzerin. Die Bildung der beiden ersten Produkte, der Essigsäure und des Äthylalkohols, kann man sich unter wechselseitiger Oxydation und Re- duktion entsprechend der Cannizzaro?>Qh%\i Reaktion -) entstanden denken : CH3.C'2C2H5 .OH-1- 2CO2. 2. Vergärung unter Zusatz von Sulfit oder Tierkohle: CeHi,Oe — > CHs.cCH-hCO^ + CsHgO^. 3. Vergärung bei alkalischer Reaktion: 2C6H12O6 + H2O — >- CH3 . COOH -h C2 H5 . OH -f- 2 C3 Hg O3 + 2 CO.,. Daß es sich bei diesen Reaktionen nicht um Vorgänge handelt, die_ nur f'ir die Hefezelle Gültigkeit haben, zeigt die Beobachtung, daß auch" bei Gärungsvorgängen, an denen Bakterien beteiligt sind, Azetaldehyd eine ausschlaggebende Rolle spielt. Auch hier führte die Abfangemethode mittelst Sulfit (Kalziurasulfit) zur Festlegung dieses Aldehyds.*; Wenn wir auch noch weit davon entfernt sind, alle Einzelvorgänge, die dem Zuckerabbau bis zu den jeweiligen Endprodukten zugrunde liegen, klar übersehen und an Hand eindeutiger Tatsachen verfolgen zu können, so haben doch die angeführten Beobachtungen unsere Kenntnisse über den stufenweise Abbau organischer Verbindungen und insbesondere des Zucker- moleküls oder, noch schärfer umschrieben, der a-Ketosäuren und ganz tscheiv: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 79. 130 (1912). — S. Kosttjtschew und Hübbenet: Ebenda. 79. 359 (1912). — Eduard Büchner und Ktirt Lanyheld: Berichte d. Deutschen Chem. Ges. 46.1972(1913). — Eduard Buchner, Kurt Langheld \mA Siegfried Skraup: Ebenda. 47. 2.550 (1914). — Carl Neuberg und Joh. Kerb :BGT.i. Deutsch. Chem. Gesellsch. 47. 2730 (1919). ■) Vgl. C. Neuberg und J. Hirsch: Biochem. Zeitschr. 100. 304 (1919). — Vgl. auch C. Neuberg, J. Hirsch und E. Reinfurth: Ebenda. 105. 307 (1920). ^) Vgl. Cannizzaro: Liebigs Annalen. 88. 129 (1853). ») Vgl. auch P. Thomas: Ann. Inst. Pasteur. 34. 162 (1920). ') Vgl. C. Neuberg und F. F. Nord: Biochem. Zeitschr. 96. 133, 158 (1919). 9* 132 VI. Vorlesung. besonders der Brenztraubensäure außerordentlich gefördert. Die bedeutsame Rolle, die der Azetaldehyd als Zwischenprodukt beim Abbau von Zucker bzw. von Brenztraubensäure spielt, hat noch durch die Feststellung, wonach Aldehyde die alkoholische Gärung anregen^), an Interesse gewonnen. Sie wirken vielleicht durch Aufnahme von Wasserstoff. Diese Annahme hat dadurch an Wahrscheinlichkeit gewonnen, daß der Nachweis geführt werden konnte, daß andere hydrierbare Verbindungen wie Ketone, Diketone und Disulfide, eine ähnliche Wirkung haben. 2) Wir kommen nun zu der wichtigen Frage zurück, in welchen Bahnen der Abbau des Traubenzuckers sich im tierischen Organismus vollzieht. Bietet schon die Hefezelle der restlosen Lösung der Frage nach allen Zwischen- stufen des Zuckerabbaus, die bis zu den Stoff Wechselendprodukten führen, die größten Schwierigkeiten, so sind sie noch viel schwieriger zu beheben, wenn wir es mit einem ganzen Zellstaat zu tun haben. Die einzelnen Stoff wechselzwischen- produkte werden nur in Spuren gebildet und sofort nach ihrer Entstehung weiter verwandelt. Darüber besteht kein Zweifel, daß der Abbau auch in der tierischen Zelle stufenweise vor sich geht. Von allen zu erwartenden Zwischen- COOH I stufen ist bis jetzt nur die d-Milchsäure (l)») HO.C.H über jeden Zweifel I CH3 sichergestellt.*) Die Konfiguration der d-Milchsäure ist durch Überführung COOK 1 von natürlicher 1-Äpfelsäuro HO.C.H in diese festgestellt worden.^) Es I CH, I CO OH 1-Äpfelsäure ') Vgl. C. Neuberg: Biochem. Zeitschr. 88. 145 (1918); C. Neuberg und M. Ehrlich: Ebenda. 101. 239, 276 (1919/20). — Vgl. auch Emil Abderhalden: Fermentforschung. 5. 105 (1921). 2) Vgl. C. Neuberg nndi A.Levite: Biochem. Zeitschr. 91. 257 (1918); CNeuberq und F. F. Nord: Ber. d. D. Ch. Ges. 52. 2237 und 2248 (1919). — C. Neuberg und M. Ehrlich: Biochem. Zeitschr. 101. 27(i (1920); hier findet sich weitere Literatur. ^) Nach der sterischen Beziehung der d-Milchsäure zur 1-Äpfelsäure und dieser zur 1- Weinsäure [vgl. Karl Freudenberg und Fritz Brauns: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 55. 1339 (1922). — A. Wohl und B. 'Schellenberg : Ebenda. 55. 1404 (1922)] müßte die Milchsäure der angegebenen Konfiguration die Bezeichnung 1-Milchsäure tragen. Vgl. hierzu auch die Bezeichnung des Fruchtzuckers als d-Fruktose, obwohl sie nach links dreht. Es ist zu befürchten, daß bei Einführung der Bezeichnung 1-Milchsäure Ver- wirrung entstehen wird. Das Zweckmäßigste wäre wohl, die genetischen Beziehungen in einer Klammer hinter dem Namen der Verbindung anzugeben, also z. B. d-Milch- säure (1) zu schreiben. Deckt sich die Bezeichnung für den genetischen Zusammenhang mit derjenigen für das optische Verhalten, dann ist ein besonderer Hinweis auf erstere nicht erforderlich. *) Vgl. auch D. L. Forster und Z>. M. Mogle: Biochem. J. 15. 672 (1921). ^) Karl Freudenberg : Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 47. 2027 (1914). — Karl Freudenberg und Fritz Brauns: Ebenda. 55. 1339 (1922). — A. Wohl und R. Schellenberg: Ebenda. 55. 1404 (1922). Kohlehydrate. 135 war schon lange bekannt, daß Milchsäure besonders in den Muskeln auftritt^), jedoch wurde ihre Herkunft zweifelhaft, nachdem man erkannt hatte, daß auch die Aminosäure d-Alanin = d-a-Aminopropionsäure Milchsäure liefern kann. Diese Verbindung steht außer zur d-Milchsäure auch in sehr naher Beziehung zur Brenztraubensäure, wie die folgenden Formeln zeigen: COOH I HO.C.H I CH3 d-Milchsäure (1) COOH COOH I I NH.,.C.H + 0 ^ CO +NH3 CH3 d-Alanin (1) CH3 Brenztraubensäure. Die letzten Zweifel darüber, ob auch aus Glukose Milchsäure ent- stehen kann, sind jetzt behoben. Es bleibt nun nur noch, festzustehen, wie die Bildung dieser Säure sich vollzieht. Es ist möglich, daß der Trauben- zucker zunächst in zwei Moleküle d-Glyzerinaldehyd zerfällt und dieser dann in d-Milchsäure umgelagert wird 2): I ^ H— C— OH i HO— C-H I H— C— OH H— C— OH I CH, OH d-Glukose » H— C— OH I CH2 OH C^' ^//O \, H X' H— C— OH I CHo OH 2 Moleküle d-Glyzerinaldehyd (d) COOH I HO— C— H I CHs* d-Milchsäure (Ij. Es gibt noch zahlreiche andere Möglichkeiten des Abbaus des Trau- benzuckermoleküls. Es ist wohl denkbar, daß es vor der Spaltung in sich •) Vgl. von Noorden und G. Embden: Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffw. N. F. 1. 1906. Die zahlreichen Arbeiten von G. Emhden und seinen Mitarbeitern vergleiche z. B. Biocbem. Zeitschr. 45. 1—206 (1912). Hier findet sich auch weitere Literatur. — W. 31. Fletcher und F. Gowland Hopkins: Journ. of physiol. 25. 247 (1907). — Johannes Müller: Zentralbl. f. Physiol. 21. 831 (1907). — F. A. Levene und G. M. Meyer: The Journ. of Biol. Chem. 11. 361 (1912); 12. 265 (1912). — Rudolf Türkei: Biochem. Zeitschr. 20. 431 (1909). 2) Emhden: Biochem. Zeitschr. 45. 1—206 (1912). — Adam Loeb: Ebenda. 50. 451 (1913). — Walter Grieshach: Ebenda. 50. 457 (1913). — Otto v. Fürth :B\oz\i&m. Zeitschr. 64. 131, 155 (1914); 69. 199 (1915). 134 VI. Vorlesung. Veränderungen erfährt, die die Spaltung vorbereiten. Auch als Abbau- stufen kommen noch andere Verbindungen als die erwähnten in Frage. In erster Linie sei der Bildung von Methylglyoxal gedacht. i) Die An- nahme dieser Abbaustufe hat dadurch an Wahrscheinlichkeit gewonnen, daß es geglückt ist, in den Geweben Fermente nachzuweisen, die sie in Milchsäure verwandeln '-) : r^O /yO COOH y\H yxH I ' f\(\av I — ^ HO.C.H C(OH) 0*^^^ C=0 + H2 0 I CH2 , ^Hs CH. Methylglyoxal d-Milchsäure (1) Dieser Vorgang könnte auch reversibel sein. Das Ferment, das die Umwandlung vollzieht, ist Glyoxalase genannt worden. In diesem Zusammenhang sei auf die außerordentlich wichtige Tat- sache hingewiesen, daß viele Beobachtungen dafür vorliegen, daß die ein- zelnen Umwandlungsvorgänge umkehrbarer Natur sind. Gleichzeitig er- kennen wir beim tieferen Eindringen in die Einzelheiten des Abbaues der Kohlehydrate, daß es im allgemeinen keinen in sich abgeschlossenen Stoff- wechsel der einzelnen organischen Nahrungsstoffe gibt. Der Abbau aller führt zu gemeinsamen Abbaustufen, und zwar finden sich diese in der Hauptsache im Gebiete der Drei- und Zweikohlenstoffreihe. Von ihnen aus kann der Abbau weiter gehen, oder aber es setzen Aufbauvorgänge ein. Von diesen Gesichtspunkten aus müssen wir jede einzelne Umwandlung der einzelnen Zwischenstufen betrachten und uns immer nach Über- gangsverbindungen zu anderen Klassen von organischen Nahrungsstoffen umsehen. Einen weiteren Wendepunkt in der ganzen Auffassung des Abbaues des Traubenzuckers in unseren Geweben bedeutet der Befund von Steppt) wonach Azetaldehyd im Blute und im Harn feststellbar ist. Ferner konnte Hirsch^) zeigen, daß Froschmuskelbrei aus Kohlehydraten Azetaldehyd her- vorgehen läßt. Damit ist der Azetaldehyd als ein Abbaustoff im inter- mediären Zuckerabbau festgestellt. Es ist naheliegend, die Entstehung des Azetaldehyds in entsprechen- der Weise anzunehmen, wie wir es S. 127 bei der alkoholischen Gärung *) Vgl. Dakin und Dudle;/: The Journ. of Biol. Chem. 14. 155 (1913); 15. 127 (1913). — F. A. Levene und G. M. Meyer: Ebenda. 14. 551 (1913). — Vgl. auch Carl Neuberg: Biochem. Zeitschr. 49. 502 (1913). — A. J. Ringer: Journ. of Biol. Chem. 15. 146 (1913). *) Carl Neuberg: Biochem. Zeitschr. 49. 502 (1913); 51. 484 (1913). — H. I). Dakin und H. W.Diidleg: Journ. of Biol. Chem. 14. 155, 423 (1913); 15. 463 (1913). *) W. Stepp; Biochem. Zeitschr. 107. 60 (1920). — W. Stepp und H. Lange: Deutsches Archiv f. klin. Med. 134. 47 (1920). — W. Stepp und li. B'eulgen: Zeitschr. f. physiol. Chem. 114. 301 (1921); 119. 72 (1922). *) Julius Hirsch: Biochem. Zeitschr. 117. 113 (1921). Kohlehydrate. 135 geschildert haben, d. h. es kommt als Vorstufe Brenztraubensäure in Frage, die unter Kohlensäureabspaltung den genannten Aldehyd liefert. In diesem Zusammenhang sei folgender Beobachtungen gedacht. Es konnte gezeigt werden 1), daß Brenztraubensäure beim Durchleiten durch die Leber zu d-Milchsäure reduziert wird. Es liegt auch hier ein umkehrbarer Vorgang vor: — H-, CH3.CH(0H).C00H ^ CH3.CO.COOH + n, Milchsäure Brenztraubensäure. Es wurde ferner festgestellt, daß aus Brenztraubensäure in der Leber Azetessig säure entsteht. Ein direkter Übergang ist kaum anzunehmen, vielmehr dürfte der Weg über Azetaldehyd führen. Es ist aber auch denk- bar, daß der gebildete Aldehyd in Essigsäure übergeht 2) und diese Azet- essigsäure liefert: — H2O CH3 . C Äthylalkohol -^^ ^ i ■ ~"^ Essigsäure \ Beziehungen zu höheren Fettsäuren. Wir kennen noch eine weitere Umwandlung des Traubenzuckers, die neue Beziehungen der Kohlehydrate zu anderen Gruppen von Verbindungen ermöglicht. A. Windaus und F. Knoop ^) beobachteten nämlich, daß bei der Einwirkung von Zinkhydroxyd-Ammoniak, Zn(OH).2.4NH3, auf Glukose im Sonnenlicht bei Zimmertemperatur Methylimidazol: CH. C NH >CH CH— N sich bildet. Der Bildung dieser Verbindung aus Traubenzucker dürfte wohl eine Spaltung der Glukose in Methylglyoxal, CH3.CO.CHO, vorausgehen. Dieses liefert mit Ammoniak und Formaldehyd leicht Imidazol. Diese Umwandlung erweckt deshalb unser besonderes Interesse, weil wir dem Imidazolring einmal bei einer Aminosäure, dem Histidin, begegnen und ferner bei den Purinbasen. Die Möglichkeit ist gegeben, daß der Traubenzucker auch im Zellstoffwechsel in Imidazol übergeführt werden kann und sich so Beziehungen zu stickstoffhaltigen Verbindungen ergeben, die sich nicht ohne weiteres aus der Struktur der einzelnen Produkte ab- leiten lassen. Nach der jetzt herrschenden Annahme vollzieht sich der Abbau der Glukose in den Zellen teils ohne, teils mit Sauerstoff. Die ersten Ein- griffe sind Spaltungen und molekulare Umlagerungen. Erst in späteren ») Vgl. S. 134. -) A. Windaus und F. Knoop: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 38. 1166 (1905). — Beitr. z. chem. Physiol. u. Pathol. fi. 392 (1905). 138 VI- Vorlesung. Phasen des Abbaus setzen Oxydationen ein. In diesem Zusammenhang sei ganz kurz ein Problem von allergrößtem Interesse gestreift, auf das wir später noch eingehend zurückkommen. i) Es handelt sich um die Lieferung der bei der Muskelarbeit notwendigen Energie. Wir wissen jetzt, daß die Muskelzelle als Maschine betrachtet, keine kalorische, sondern eine chemo- dynamische ist, d. h. es findet nicht eine Umwandlung von chemischer Energie in Wärme und eine weitere in Arbeitsenergie statt, vielmehr ist die Verwertung der chemischen Energie eine direkte. Ferner hat es sich herausgestellt, daß man bei der Muskeltätigkeit und der ihr zugrunde liegenden Vorgänge drei Phasen zu unterscheiden hat, nämlich: 1. die Kontraktion des Muskels. Sie vollzieht sich, ohne daß Sauerstoff verwendet wird. Somit stammt die zu dem erwähnten Vorgang notwendige Energie aus Spaltungsvorgängen. Sie wird bei der Zerlegung von Traubenzucker oder einer ihm verwandten Verbindung in Milchsäure in Freiheit gesetzt. Der Energiebedarf für den Kontraktionsvorgang ist gering. Es folgt dann 2. die Periode der Erschlaffung und an diese schließt sich 3. die Periode der Erholung und Wiederherstellung an. Es scheint, daß im ersten und zweiten Stadium, dem der Zusammenziehung und dem der Erschlaffung, in der Hauptsache physikalisch-chemische Kräfte eine Rolle spielen. Bei der ersteren wird offenbar Quellungsenergie verbraucht, die in der Zeit der Erschlaffung wiedergebildet wird. In der Periode der Erholung wird Sauerstoff zur Wiederherstellung jenes Zustandes verbraucht, der erfor- derlich ist, um auf einen Reiz hin. der in gewissem Sinne mit einem Anstoß vergleichbar ist, wieder eine Zusammenziehung auslösen zu können. Es ist selbstverständlich von allergrößtem Interesse alle diese Phasen in allen Einzelheiten mit den Teilvorgängen des Zuckerabbaus in Zusammen- hang zu bringen. Gewiß hat jede Abbaustufe neben ihrer Bedeutung als Energiequelle noch eine ganz besondere Rolle bei bestimmten Phasen der Muskeltätigkeit zu spielen. Daß Arbeitsleistung ohne Sauerstoff möglich ist, beweisen u. a. die Beobachtungen von Hennami-), Pflüger^) und Bunge*). Hermann wies nach, daß ein ausgeschnittener Muskel, aus dem kein Sauerstoff mehr auspump- bar ist, in einem sauerstofffreien Medium arbeiten und Kohlensäure er- zeugen kann. Daneben beobachtete Hermann noch die Bildung einer Säure (Milchsäure). Pßüger gelang es, einen Frosch bei einer Temperatur von wenigen Graden über 0" in einer sauerstofffreien Atmosphäre 25 Stunden lang lebensfähig zu erhalten. Dabei schied das Versuchstier beträchtliche ') Vgl. hierzu: A. V. Hill: J. of Physiol. 46. 28, 435 (1913); 48. XI (1914); Physiol. Reviews. 2. 310 (1922). — V. r. Weizsäcker: Sitzungsber. der Heidelberger Ak. d. Wissenschaften. Math.-naturw. Klasse. .Tg. 1917. 8. Abhaudl.; Münchner med. Wochenschr. Nr. 7, 247 und Nr. 8, 257 (1915). — Vgl. auch .7. Parnas: Pflügers Arch. 134. 441 (1910). — J. Parnas und E. Wagner: Biochem. Zeitächr. 61. 387 (1814). — ./. Parnas: Zentralbl. f. Physiol. 30. 1 (1915). — .7. Bernstein: Pflügers Arch. 159. 521 (1914). — Olto Meyerhof: Pflügers Arch. 175. 88 (1919); 182. 232, 284 (1920); 185.11 (1920); 188. 114 "(1921); 195. 22 (1922). — Vgl. auch J.v.Kries: Ebenda. 190. 66 (1921). — W. Hartree und A. V. Hill: .Tourn. of physiol. 54. 84 (1920); 55. 133 (1921). — Vgl. ferner Jakoh K. Parnas: Biochem. Zeitschr. 116. 71. 102 (1921). ^) Hermann: Untersuchungen über den Stoft'wechsel der Muskeln. Berlin 1867. ») E. Pßüger: Pßilgers Arciiiv. 10. 251 (1875). *) G. Bunge: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 8. 48 (1883/84); 12. 565 (1888); 14. 318 (1889). Kohlehydrate. 139 Kohlensäuremengen aus. Schließlich wies G. v. Bunge nach , daß der Spul- wurm der Katze, Ascaris mystax, 4 — 5 Tage in vollkommen sauerstoff- freien Medien leben und sich gleichzeitig äußerst lebhaft bewegen kann. Weinland^) und später besser'^) haben weiterhin ausführliche Studien über den Stoffwechsel mancher Tiere in Abwesenheit von Sauerstoff gemacht und interessante Befunde erhalten. Um weitere Einbücke in mögliche Abbaustufen und Zwischenglieder zwischen verschiedenen Klassen von Verbindungen zu erhalten, hat man ver- schiedene Substanzen auf ihr Vermögen, in Glykogen überzugehen, geprüft. Die meisten dieser Versuche sind an der überlebenden Leber ausgeführt worden. Es zeigte sich, daß zu derartigen Versuchen sich nur das ganz lebensfrische Organ eignet. Es muß wenige Minuten nach dem Tode des Tieres zur Durchblutung kommen. 3) Aus Dextrose und Lävulose bilden die Leberzellen direkt Glykogen. Galaktose und Maltose werden nicht verwendet. Die erstere muß ohne Zweifel vorher in Glukose umgelagert und die letztere in ihre Komponenten gespalten sein. Diese Feststellungen, wonach die überlebende Leber imstande ist, Glykogen aus bestimmten Bausteinen aufzubauen, eröffneten die Möglichkeit, eine ganze Keihe von Verbindungen als Baumaterial für dieses Polysaccharid zu prüfen, die einerseits beim Abbau von Glukose sich bilden oder aber andrerseits als Stufen beim Aufbau von Traubenzucker aus nicht zuckerartigem Material in Frage kommen könnten. Dazu ist zu bemerken, das man wohl nicht fehl geht, wenn man annimmt, daß die Abbau- und Aufbaustufen zum Teil, wenn nicht sogar vollständig identisch sind, d. h. es sind wahr- scheinlich die Auf- und Abbaureaktionen reversibel. Als Glykogenbildner sind bis jetzt bei solchen Durchblutungsversuchen erkannt worden: d-Milchsäure (1) CH3 . CH(OH) . COOK; Glyzerinsäure CH.,(OH) . CH(OH). .COOK; Glyzerinaldehyd CH^ (OH) . CH (OH) . C\{^. Glykol CH.(OH). .CH.,(OH); Glykolaldehyd CH2(0H).C\^. Glykolaldehyddikarbon- säure C00H.CH(0H).C0.C00H. Aus Glykolsäure, GH., (OH).COOH, Glyoxylsäure, C\{J-COOH. Brenztraubensäure*), CH3.CO.COOH, vermochte die überlebende Leber kein Glykogen zu bilden. Auch Amino- säuren, wieAlauin und Serin, wurden nicht verwandelt. Nun darf man bei Versuchen an isolierten Organen die positiv ausgefallenen Versuche wohl ohne weiteres in dem Sinne verwerten, daß die betreffenden Substanzen den sie verwendenden Zellen, im vorliegenden Fall den Leberzellen, nicht fremd sind. Man darf vielmehr mit größter Wahrscheinlichkeit *) Von den wichtigen Arbeiten von E. Weinland sei genannt: Zeitschr. f. Bio- logie. 42. 55 (1901). ^) Vgl. den zusammenfassenden Vortrag von E. J. Lesser: Das Leben ohne Sauerstoff. Verhandl. der physiol. Gesellschaft. Berlin. 37. 1 (1912). — Zeitschr. f. Biologie. 51. 487 (19Ü7); 53. 533 (1909); 54. 1 (1910); 56. 467 (1911). ») Luchsinqer: In.-Diss. Zürich 1875. — Grube: Pßüger^ kK)\\\AQil. 483(1905); 118. 1 (1907). — ' J. Parnas und Julius Euer : Biochem. Zeitschr. 41. 386 (1912). — //. K. Ban-enscheen : Biochem. Zeitschr. 58. 277 (1914). ■») P. Mayer: (Biochem. Zeitschr. 40. 441 [1912]) hält die Glykogenbildung aus Brenztraubensäure für wahrscheinlich erwiesen. X40 ^ I- Vorlesung. annehmen, daß die zur Glykogenbildung geeigneten Baumaterialien auch im normalen Stoffwechsel auftreten und in gleicher Weise Verwen- dung finden können. Dagegen darf man die negativ verlaufenen Versuche nicht als entscheidend dafür betrachten, daß der tierische Organismus jene Stoffe, die nicht zu Glykogen führten, nicht in Kohlehydrate ver- wandeln kann. Wir wissen, daß zahlreiche Organe im Organismus zu- sammen arbeiten. Das eine fördert einen Vorgang bis zu einer bestimmten Stufe, übergibt diese dann einem anderen Gewebe, das nun seinerseits eine weitere Umwandlung vollzieht. Erst wenn der Versuch am überlebenden Organ auf viele verschiedene Organe ausgedehnt worden ist und vor allem Versuche an kombinierten Organpräparaten, d. h. unter Verwendung mehrerer gleichzeitig durchströmter Organe durchgeführt worden sind, kann man zu eindeutigen Ergebnissen gelangen. Endlich muß der Versuch am ganzen Tiere, sei es nun, daß man die Substanzen verfüttert oder aber unter Umgehung des Darmkanales in die Blutbahn bringt, heran- gezogen werden. Fassen wir nun zusammen, was wir über die Verarbeitung der Kohlehydrate in den Zellen der Gewebe wissen, dann ergibt sich folgendes Bild. Die Zellen verfügen über Fermente , die es ihnen ermöglichen, Kohle- hydrate, die aus mehreren einfachen Sacchariden aufgebaut sind, unter Wasseraufnahme in ihre Bausteine zu zerlegen. Soweit unsere jetzigen Kenntnisse reichen, kommen nur Polysaccharide der Hexosen für den Zell- stoffwechsel in Betracht, wenn wir von den eigentlichen Glukosiden ab- sehen. Die Zellen bilden über mehrere Zwischenstufen — Dextrine genannt — Glukose. In dieser Form kommt der Zucker im Organismus zum Trans- port. Die Synthese der Polysaccharide geht von der Glukose aus und eben- so beginnt der tiefere Abbau der Kohlehydrate wohl fast ausnahmslos bei ihr. Sie wird schließlich in Kohlensäure und Wasser übergeführt. Dabei wird ganz genau jene Energiemenge frei, die notwendig war. um sie aus Wasser und Kohlensäure aufzubauen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß jemals eine direkte Oxydation der Glukose zu den genannten Endprodukten stattfindet. Der Abbau der Glukose ist vielmehr ein stufenweiser. Es er- folgen zunächst Spaltungsvorgänge. Diese führen zu Abbaustufen, die uns den Weg zeigen, auf dem die Kohlehydrate mit Verbindungen anderer Körperklassen in Verbindung treten können. Ferner erkennen wir die Brücken, die umgekehrt von anderen Verbindungen zu den Kohlehydraten hinüberführen. Wir können zur Zeit nur einzelne dieser Abbaustufen mit einiger Wahrscheinlichkeit als im Zellstoffwechsel auftretend angeben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ihre Anzahl viel größer ist, als man im allgemeinen annimmt. Dieser stufenweise Abbau ermöglicht es der Zelle, ohne Sauerstoff- verbrauch das Glukosemolekül zu zerlegen. Die Zelle bereitet sich Verbin- dungen aller Art, die für sie oder andere Zellarten von größter Bedeutung sind. Bei jeder Zwischenstufe kann Halt gemacht und irgend eine Synthese in die Wege geleitet werden. Gleichzeitig setzt die Zelle auf diese Weise die in der Glukose enthaltene Energiemenge in Teilbeträgen in Freiheit. Die Zelle regelt beim stufenweisen Abbau ihren Energiewechsel in feinster Weise. Es eröffnen sich uns außerordentlich wichtige Einblicke in das feinere Getriebe der Zellen. Wir verstehen, weshalb trotz Anwesen- Kohlehydrate. 141 heit von Sauerstoff und Glukose und den die Oxydation vermittelnden Stoffen die Bildung von Kohlensäure und Wasser nicht direkt einsetzt. Es müssen Spaltungsvorgänge vorausgehen, die von der Zelle von Fall zu Fall in bestimmter Weise in die Wege geleitet werden. Wenn wir von einer Leitung bestimmter Vorgänge durch Zellen sprechen, wollen wir damit nicht zum Ausdruck bringen, daß die Zelle durch ein eigenes Zentral- organ irgend welcher Art aktiv Vorgänge unterbricht, einleitet oder durch- führt. Es ist vielmehr an eine Art von Selbstregulation zu denken, etwa in der Art. daß ein bestimmter Zustand nach physikalischen und chemi- schen Gesetzen bestimmte Vorgänge auslöst, sie zum Stillstand bringt oder in -rückläufigem Sinne beeinflußt. Diesen Gesetzmäßigkeiten müssen wir nachgehen. Wir kennen sie noch nicht und können sie auch nicht kennen, weil einmal immer noch der chemische und physikalische Bau der Zelle nur ungenügend erkannt ist, und ferner bisher nur der geringste Teil des Geschehens in den Zellen aufgeklärt ist. Sicher wird die Zukunft uns gestatten, die Zellvorgänge mit viel genaueren Ausdrücken zu be- schreiben. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß ohne Zweifel eine ganze Reihe von Organen und in erster Linie die Pankreasdrüse, die Neben- niere, die Schilddrüse und die Hypophyse in einzelne Stoff wechsel- vorgänge eingreifen und vor allem auch auf den Kohlehydratumsatz einen tiefgehenden Einfluß ausüben. Vorlesung VII. Kohlehydrate. VI. Die Regulation des Kohiehydratstoffwechsels. — Alimentäre Glukosurie. — Zuckerzentrum. — Bedeutung der Nebennieren für den Zuckerstoif- wechsel der Leber. Wir wollen zunächst zusammenfassen, was wir bis jetzt über das Verhalten der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlehydrate im tierischen Organismus erfahren haben. Zunächst unterliegen die Kohlehydrate der Verdauung im Darmkanal, Die aus mehreren Bausteinen aufgebauten Verbindungen werden durch bestimmte Fermente zerlegt.« Schließlich bleiben im wesentlichen nur noch einfachste Bausteine übrig. Nichts erinnert mehr an den ursprünglichen, einer bestimmten Aufgabe angepaßten Bau. Wir sind nicht imstande, aus der Art der Bausteine Schlüsse auf die Struktur jenes Polysaccharids zu ziehen, dem sie entstammen. Die einfachen Ab- baustufen werden resorbiert und dem Blute übergeben. Für den tierischen Organismus spielt als Transportzucker und als Material zu den ver- schiedensten Zwecken der Traubenzucker die Hauptrolle. Fruktose und Galaktose können leicht durch Umlagerung in Glukose übergeführt werden. Es dürfte im wesentlichen nur Traubenzucker dem Blute übergeben werden. Der Anteil des aufgenommenen Traubenzuckers, der augenblicklich keine Verwendung findet, wird in Form von Glykogen oder Fett abgelagert. Die Leber- und Muskelzellen sind die Hauptspeicher für das erwähnte Polysaccharid. Die einzelne Zelle beginnt ihre Umsetzungen beim Trauben- zucker. Stehen ihr Polysaccharide, wie z. B. Glykogen, zur Verfügung, dann zerlegt sie diese zunächst durch Hydrolyse, bis der Abbau zu Glukose führt. Diese verwertet die einzelne Zelle je nach Bedarf. Bald wird sie neue Polysaccharide oder auch Glukoside bereiten, bald braucht sie Energie und spaltet, um solche zu erhalten, Glukose, bald werden Abbaustufen aus ihr als Ausgangsmaterial zur Synthese bestimmter Verbindungen ver- wendet. Eine solche Synthese ist die Bildung von Fett aus Kohlehydraten. Die Glukose kann nicht direkt in Fett übergehen. Sie muß in noch einfachere Bruchstücke zerlegt werden. Wir -begegnen, wenn wir den Abbau der Glukose durch die Zellen genau verfolgen, Abbaustufen, von denen aus eine Bildung der Komponenten der Fette verständlich wird. Es hat sich herausgestellt, daß die Glukose nicht direkt zu Kohlensäure und Wasser, den Stoff Wechselendprodukten der Kohlehydrate, abgebaut wird. Es erfolgt vielmehr ein stufenweiser Abbau, der in der Hauptsache mit einer Spaltung einsetzt. Erst bei tieferen Spaltstücken erfolgen im allgemeinen Oxydationen. Wahrscheinlich verläuft der Abbau des Traubenzuckers je nach Bedarf verschieden. Kohlehydrate. '^^^^ Wir haben nun bereits festgestellt, daß große Mengen von Kohle- hydraten im tierischen Organismus in Form von Glykogen gespeichert werden können. Ferner können Kohlehydrate den Fettbestand vermehren. Weiterhin haben wir betont, daß z. B. die Muskelzellen Leistungen auf Kosten von Kohlehydraten vollführen. Ja, wir sahen, daß durch angestrengte Muskelarbeit die Glykogenspeicher ganz oder doch größtenteils geleert werden können. Wir beobachten, daß bestimmte Zellarten in Tätigkeit sind. Sie brauchen organische Verbindungen, in unserem Falle Kohlehydrate, um Energie zur Leistung von Arbeit zu gewinnen. Ist der Vorrat erschöpft, dann hört die Arbeit nicht auf. Der Muskel verkürzt sich weiter. Nach dem Gesetz der Erhaltung der Energie ist diese Tatsache nur so zu er- klären, daß dem arbeitenden Muskel neues Nährmaterial zufließt. Das ist in der Tat der Fall. Er entnimmt dem Blute Kohlehydrate und andere Stoffe. Es wäre zu erwarten, daß nach kurzer Zeit der Zuckergehalt des Blutes sinken würde, da ihm, wie sicher festgestellt worden ist, Glukose durch die arbeitenden, über keine Vorräte mehr verfügenden Muskel- zellen entzogen wird. Tatsächlich bleibt der Zuckergehalt des Blutes in engen Grenzen gleich.^} Also muß logischerweise, da das Gesetz der Erhaltung der Materie auch für die Lebewesen volle Gültigkeit hat, dem Blute von irgendwoher Glukose zufUeßen. Man kann an verschiedene Möglichkeiten eines Ersatzes denken. Wenn wir vom Gehalt des Blutes an Traubenzucker sprechen, meinen wir stets Glukose, die im Blutplasma gelöst, d. h. in freiem Zustand, vor- handen ist. Es wäre nun denkbar, daß im Blutplasma sich Polysaccharide finden, die dann, wenn der Glukosegehalt des Plasmas zu sinken beginnt, hydrolysiert werden. Ferner könnte Traubenzucker an andere Stoffe im Blute locker gebunden sein. Durch Spaltung solcher glukosidartigen Ver- bindungen würde dann der Gehalt des Blutes an freier Glukose wieder auf die Norm zurückgebracht. In der Tat ist mehrfach behauptet worden, daß im Blute neben dem freien Traubenzucker 2) auch gebundener vorkomme. Es ist jedoch nicht ge- glückt, den Nachweis solcher Verbindungen eindeutig zu erbringen. Den Angaben, nach denen immer neben freiem Traubenzucker auch gebundener im Blutplasma sich befinden soll='), stehen andere gegenüber, die mit aller Entschiedenheit betonen, daß das Blutplasma ausschließlich freie Glukose enthalte. Es war bei dieser Sachlage die Aufgabe der weiteren Forschung, Methoden zu schaffen, die es ermöglichen, diese einfache Fragestellung nach Art des Vorkommens der Glukose im Blute einwandfrei zu ent- scheiden.*) Zur Bestimmung des Blutzuckers ist es notwendig, die Eiweiß- körper aus dem Plasma zu entfernen. Es ist nun möglich, daß Glukose *) Der Blutzuckergehalt normaler Individuen schwankt zwischen 009— OlOVo- -) Im Blutplasma sollen regelmäßig Pentosen in Mengen von 000(5— 0012 7o vorkommen. Vgl. J. W. Best: Arch. neerlaud. de physiol. de l'homme et des auimaux. 3. 222 (1919). ') R. Le'pine: Le diabete sucr6. Felix Alcan, Paris 1909. Hier finden sich zahl- reiche Literaturangaben. *) Ivar Bang: Der Blutzucker. Bergmann, Wiesbaden 1913. In dieser ausge- zeichneten kritischen Zusammenstellung finden sich alle wichtigen Arbeiten über dieses Gebiet. — Vgl. ferner Richard Ege : Biochem. Zeitschr. 87. 92 (1918). — Israel L. Kleiner: The Journ. of biol. Chemie. 34. 471 (1918). — St. Bttszntjäh: Biochem. Zeitschr. 113. 52 (1921).— St. Rusznydk und G. Hetenyi : Ebenda. 121. 125 (1921). 144 ^^^' Vorlesung. bei der Fällung der Proteine mitgerissen wird, und daß der Anschein ent- steht, als läge gebundene Glukose vor. Es ist aber auch denkbar, daß bei der Enteiweißung locker gebundener Traubenzucker aus seiner Bindung gelöst wird, und so nur freie Glukose zur Beobachtung kommt. Der nun Jahre umfassende Streit über die Art des Vorkommens des Traubenzuckers im Blute zeigt, wie kaum ein anderes Problem so deutlich, welch hohe und entscheidende Bedeutung für die biologische Forschung eine einwand- fi'eie Methodik hat. Sie führt zu Fortschritten, die dauernd ihren Wert behalten. Fehlen uns ausreichende Methoden, um eine bestimmte Frage- stellung eindeutig zu beantworten, dann tasten wir uns mühsam durch un- zuverlässige Beobachtungen hindurch und kommen nicht über Vermutungen hinaus. Die Erforschung der Art des Vorkommens des Zuckers im Blut ist durch die folgende Methode wesentlich geklärt worden. i) Sie beruht kurz auf folgender Überlegung. Bringen wir in einen Schlauch, der aus einer tierischen Membran besteht, ein Gemisch eines im kolloiden und eines im nichtkoUoiden Zustand befindlichen Stoffes, dann wird der erstere nicht durch den Schlauch diffundieren können, wohl aber der letztere. Von diesem wird nach einiger Zeit soviel im Dialysat enthalten sein, daß die Flüssigkeit innerhalb und außerhalb des Schlauches die gleiche Konzentration davon aufweist. Die gelösten Teilchen des Nichtkolloids sind so lange durch die Membran hindurch gewandert (diffundiert), bis Gleichgewicht erreicht ist. Würden wir als Außen- flüssigkeit eine Lösung wählen, die das betreffende Nichtkolloid in genau der gleichen Konzentration enthält, wie die Innenflüssigkeit, dann würde keine Diffusion eintreten, weil der Versuch bereits mit einem Gleichgewicht beginnt. Wenn wir nun in den Dialysierschlauch Blutplasma füllen, dessen gesamten Zuckergehalt wir ermittelt haben, so muß, falls ein Teil der analytisch festgestellten Glukose in gebundenem Zustande im Blut- plasma verbanden ist, Traubenzucker von der Außenflüssigkeit in den Schlauch- inhalt hineindiffundieren, falls wir dieser Glukose in der dem ermittelten Zuckergehalt entsprechenden Konzentration zufügen. Es ergab sich, daß Gleichgewicht besteht, d. h. es wanderte keine Glukose. Ein Gefälle war also nicht nachweisbar. Aus diesem Befunde ergibt sich, daß die analytisch fest- gestellte Zuckermenge in freiem Zustande im Blutplasma vorhanden ist. Un- entschieden bleibt jedoch immer noch, ob außer dem mit der angewandten Methode aufgefundenen Zucker noch solcher vorhanden ist, der, weil in Bindung anwesend, der Bestimmung entgeht. Ferner ist noch der Einwand möglich, daß der locker gebundene Zucker schon kurze Zeit nach der Blutentnahme in Freiheit gesetzt wird. 2) Wir dürfen aus den vorliegenden Ergebnissen mit größter Wahr- scheinlichkeit schließen, daß die Glukose, die man im Blutplasma nach den gewöhnlichen Methoden bestimmt, in freiem Zustande in diesem enthalten ist. Offen bleibt dagegen immer noch die Frage, ob außerdem noch Verbindungen im Blute enthalten sind, die Zucker gebunden enthalten. Soviel ist jedoch sicher, daß der sog. gebundene Zucker bei weitem nicht ausreichen würde, um den Zuckerbedarf des Blutes zu decken. *) Leonor Michaelis und I'eier liona : Biochem. Zeitschr. 14. 476 (1908). ») Vgl. auch S. Gutmann und 0. Adler: Biochem. Zeitschr. 83. 11 (1917). Kohlehydrate. 145 wenn ihm Glukose durch arbeitende Zellen entführt wird. Xun enthält das Blut auch Zellen. Wir finden in ihm rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen. Die weißen Blutkörperchen können Glykogen bilden. Man findet dieses Polysaccharid oft in ihrem Zelleib. Ohne Zweifel finden sich auch in den roten Blutkörperchen und den Blutplättchen Polysaccharide oder Glu- koside, kurz ^■erbindungen, an deren Aufbau Glukose beteiligt ist. Diese Zellen haben alle auch ihren Kohlehydratstoffwechsel. Auch sie verwenden Glukose zu allen möglichen Vorgängen. Man darf nicht ohne weiteres daraus, daß diese Zellen Traubenzucker oder polymere Verbindungen davon ent- halten, schheßen, daß sie etwa die im Blute entstehenden Lücken im Traubenzuckergehalt von sich aus ausgleichen. Vielmehr zehren all diese Zellen ihrerseit vom Traubenzuckergehalt des Plasmas. Während es früher nicht gelungen war, in den roten Blutkörperchen Glukose aufzu- finden, ist es jetzt durch Verbesserung der Methodik möglich geworden, ihre Anwesenheit festzustellen. \) Ob den bisherigen Angaben, wonach die roten Blutkörperchen einiger Tierarten keine Glukose enthalten, eine besondere Bedeutung zukommt, erscheint zurzeit noch mehr als frag- lich. Es ist unwahrscheinlich, daß die roten Blutkörperchen verschiedener Tierarten sich durch das Vorkommen oder das Fehlen von Glukose unter- scheiden. Es wird gewiß darauf ankommen, in welcher Phase des Stoff- wechsels man die roten Blutkörperchen untersucht. Wichtig ist, daß der Traubenzuckergehalt der roten Blutkörperchen nicht der gleich große ist, wie der des Plasmas. 2) Es handelt sich somit nicht um ein Diffusions- gleichgewicht. Die roten und sicherlich auch die übrigen Blutzellen sind in ihrem Kohlehydratgehalt selbständig.^) Scheiden somit die Zellen des Blutes als Quelle für den Trauben- zucker des Plasmas so gut, wie vollständig, aus, so bleibt nichts anderes übrig, als der Frage nachzugehen, in w^elchen Beziehungen die Glyko- genspeicher zu dem Zuckergehalt des Blutes stehen. Wir haben ohne Zweifel zwei Arten von Ablagerungsstätten für Glykogen zu unter- scheiden. Einmal die Muskelzellen, die gewissermaßen für sich selbst ein Depot errichten. Sie brauchen hauptsächlich Kohlehydrate zu ihren Lei- stungen. Die Leber dagegen lagert große Mengen von Glykogen ab. die ihre Zellen sicher nur zum kleinsten Teil verbrauchen. Die Leber stellt in gewissem Sinne einen Zentralspeicher dar, von dem aus die übrigen Speicher *) Vgl. die Literatur (L. Michaelis und Peter Bona, P. Bona und A. Döblin, D. Takahashi, Lyttkens und Sandgren, R. Lepine und Bouhid, A. Hollinger, E. Frank uud A. Brett Schneider, Moeckel, Bud. Hoeber u. a.) bei Ivar Bang, 1. c. ') Vgl. R. Höher: ßiochem. Zeitschr. 45. 207 (1912). — Bollg und Oppermann: Ebenda. 48. 187 (1913); 49. 378(1913). — Frank: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 70. 129 (1910/11). — P. Bona und Döblin: Biochem. Zeitschr. 31. 215 (1911). — W. Stepp: Deutsches Archiv f. klin. Med. 124. 199 (1917). ^) Die Frage ob die roten Blutkörperchen für Glukose durchlässig sind, ist immer noch heiß umstritten. Vgl. z. B. B. Brinkman und F. van Dam: Arch. Internat, de physiol. 15. 107 (1919); Biochem. Zeitschr. 108. 94 (1920). — Bich. Ege: Biochem. Zeitschr. 111. 189 (1920) ; 114. 88 (1921). - W. Falta und M. Bichter-Quittner: Ebenda. ICO. 148 (1919); 129. 576 (1922). - //. C. Hagedorn: Ebenda. 107. 248 (1920). — M. Bönniger: Ebenda. 122. 258 (1921). — S. van Creveld und B. Brinkman: Ebenda. 119. 65 (1921). — K. Onohara: The British Journ. of experim. Path. 2. 194 (1921). — Mir scheint, daß jeder einzelne Forscher immer nur aussagen kann, ob die roten Blut- körperchen bei den von ihm gewählten Bedingungen für Traubenzucker durchlässig sind oder nicht. Auf keinen Fall dürfen die gemachten Beobachtungen ohne weiteres verallgemeinert werden. Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Anfl. 10 146 ^11- Vorlesung. und vor allem das Blut mit Traubenzucker versehen werden. Wir kommen zu diesem Schlüsse weil festgestellt worden ist, daß die Leber auch dann ihr Glykogen einbüßt, wenn ihre Zellen erwiesenermaßen keine vermehrten Leistungen aufweisen. Es braucht nur der Fall einzutreten, daß z. B. Muskeln dauernd Arbeit leisten und infolgedessen Energiequellen, vor allem Kohlehydrate, brauchen. Es fragt sich, ob nur die Leber ihr Glykogen hergibt, oder ob auch andere Organe und vor allem auch jene Muskeln dieses Polysaccharid zur Verfügung stellen, die ruhen. Es spricht sehr vieles für eine derartige Annahme. Es ist in gewissem Sinne im Bedarfs- fall jede Zellart ein Spender von Zucker, die Glykogen enthält, wenn andere Gewebe und dadurch das Blut Bedarf an solchem haben. Der Um- stand, daß, wie wir schon erwähnt haben, der ruhende Muskel mehr Gly- kogen aufweist, als der erschöpfte, beweist noch nicht, daß der erstere nicht auch Glykogen eingebüßt hat, weil der Glykogengehalt bei Beginn des Versuches nicht bekannt ist. Vielleicht hält der Muskel eine bestimmte „Notration" zäh zurück. Fußend auf den bisher mitgeteilten Tatsachen, können wir uns die Beziehungen zwischen den Verbrauchsstätten von Glukose, dem Blute und den Glykogenspeichern und insbesondere dem großen Lager in der Leber, wie folgt, vorstellen. Wir gehen am besten von einem Ruhe- stadium aus und nehmen an, daß wir ein gut ernährtes Tier vor uns haben, dessen Darmkanal jedoch leer ist, d. h. es ist seit einiger Zeit keine Nahrung aufgenommen worden. Die Glykogenspeicher sind gefüllt. Im Blute kreist eine bestimmte Menge von Traubenzucker. Nun beginnt eine Muskelgruppe zu arbeiten. Sie greift ihre Glykogen Vorräte an, baut das Polysaccharid hydrolytisch ab und verbraucht die gebildete Glukose in der früher geschilderten Weise. Nach einiger Zeit sind die Kohlehydrat- vorräte erschöpft. Die Muskelzellen beziehen Traubenzucker direkt oder durch Vermittlung der Lymphe aus dem Blute. Infolgedessen muß der Glu- kosegehalt des Blutes sinken. Da vom Darmkanal kein Zufluß an Kohle- hydraten erfolgt, so wird der Mindergehalt an Traubenzucker von den Organen aus ausgeglichen, die noch Glykogenvorräte besitzen. In erster Linie wird die Leber zum Ersatz herangezogen. Ihre Zellen bauen in dem Maße Glykogen ab, als der Zuckerspiegel im Plasma sinkt. Immer neue Mengen von Traubenzucker werden nachgeschoben, so daß der Zuckergehalt des Blutes unter normalen Verhältnissen nie wesentlich unter die Norm sinkt. Dieser Umstand ist von größter Bedeutung. Ob das Tier bis zur Er- schöpfung arbeitet oder hungert, immer findet sich im Blute annähernd der gleiche Traubenzuckergehalt. Viele Organe wachen darüber, daß er nicht sinkt. Die gegebene Darstellung der Wechselbeziehungen zwischen Organen, die Kohlehydratvorräte besitzen, und solchen, die Kohlehydrate brauchen, ergibt auf der einen Seite eine Stelle, an der dem Blute Traubenzucker entzogen wird und auf der anderen Seite einen Ort, von dem aus diesem wieder solcher zugeführt wird. Der Abfluß regelt gewissermaßen den Zufluß. So plausibel eine derartige Annahme auch ist, und so gut sie sich auch mit den bis jetzt erörterten Resultaten der Erforschung des Kohlehydratstoffwechsels deckt, so dürfen wir uns mit dieser Anschauung allein nicht zufrieden geben. Verschiedene Phasen in Kohlehydrate. [47 diesem Austauschvorgang bedürfen noch der Aufklärung und des experimen- tellen Beweises. Einmal müssen wir uns nach Versuchen umsehen, die eiiideutig belegen, daß tierische Zellen und insbesondere die Leber- zellen Glykogen zu Traubenzucker abzubauen vermögen. P'erner wollen wir wissen, was die Leberzellen veranlaßt, das abgelagerte Polysaccharid im richtigen Augenblick in gerade ausreichender Menge zu spalten und den gebildeten Traubenzucker dem Blute zu übergeben. Wir wollen gleich erwähnen, daß man an eine vom Blute selbst herbei- geführte Regelung denken könnte. Es wäre möglich, daß die Leberzellen in feinster Weise auf einen bestimmten Gehalt des Blutes an Glukose eingestellt sind. Es könnte ein Gleichgewicht zwischen Blutzucker und dem Zucker-, bzw. Glykogengehalt der Leberzellen bestehen. Steigt der Gehalt des Blutes an Glukose, dann geht solcher in die Leberzellen über. Diese beantworten die erhöhte Traubenzuckerkonzentration mit einer Bildung von Glykogen. Fällt dagegen der Zuckergehalt des Blutes, dann setzt der umgekehrte Vorgang ein. Es ist durchaus möglich, daß diese Art der Regelung des Blutzuckergehaltes eine Rolle spielt, jedoch kommen sicher noch andere Momente in Betracht, wie wir gleich erfahren werden. Der Abbau des Glykogens in den Leberzellen ist gründlich studiert worden. Schon lange hatte man vermutet, daß er durch ein diastatisches Ferment eingeleitet wird und über Dextrine und Maltose schließlich aus- schließlich zu Traubenzucker führt, i) Es war jedoch sehr schwer, einen eindeutigen Beweis für diese Annahme zu erbringen. Immer wieder tauchten Bedenken gegen die ausgeführten Versuche auf. Es wurde der Standpunkt verteidigt, daß nur die Leberzelle als Ganzes im „lebenden" Zustande den Abbau des Glykogens durchführen könne. Schon Wittich^) konnte im Jahre 1873 den Nachweis führen, daß es ge- lingt, aus der vollständig blutleeren, mit Alkohol gehärteten Leber mit Glyzerin einen Stoff auszuziehen, der Glykogen zu Traubenzucker abbaut. Pnvy^) zeigte ferner, daß man eine mit Alkohol behandelte Leber lange Zeit aufbewahren kann. Immer zeigen wässerige Auszüge der so aufbewahrten Leber diastatische Wirkung. Alle derartigen Versuche begegneten immer wieder dem Mißtrauen kritischer Forscher. Es wurde eingewendet, daß der Glykogenabbau durch Mikroorganismen herbeigeführt w^orden sei. Diese finden sich überall. Arbeitet man nicht mit allen Vorsichtsmaßregeln, um Infektionen zu vermeiden, dann kann man sicher damit rechnen, daß solche anwesend sind. Allerdings vermissen wir im einzelnen Falle den Beweis, daß Mikroorganismen Glykogen abbauen und vor allem in dem Maße zerlegen können, wie es bei der Verwendung der Leberauszüge beobachtet worden ist. Kontrollversuche mit gekochten Lebern ergaben keine wirksamen Extrakte. Man erhält mit diesen, wie man leicht feststellen kann, keinen Abbau von Glykogen, auch wenn man sonst unter den gleichen Bedingungen arbeitet, wie mit dem wirksamen Auszug. Schließlich hat E. Salkowski^) den Einwand, ') Muskulus und v. Merinq: Zeitschr. f. psysiol. Chemie. 2. 416 (1878/79). — E. W. Fan/: The Physiology of Carbohydrates. 125 u. 132. London 1894. — E. Kiltz und S. Vogl: Zeitschr. f. Biol. 31. 108 (1895). 2) V. Wittich: Pßüf/ers Archiv. 7. 28 (1873). ^} E. b'alkowski: Deutsche med. Wochcnschr. Nr. 16(1888); Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 554 (1890); Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 27. Nr. 13. 227 (1889). 10* 148 ^'11- Vorlesuug. daß der Glykogenabbau auf Bakterien zurückzuführen sei, dadurch widerlegt, daß er die Zuckerbildung auch in Chloroform wasser beobachtete. Da Chloro- form in wässeriger Lösung jede Protoplasmawirkung und damit auch diejenige von Mikroorganismen aufhebt, so ist bewiesen, daß die Leberzelle als solche nicht notwendig ist, um die Diastase, die von ihr gebildet worden ist, zur Wirkung zu bringen. Salkowski hat z. B. den folgenden Versuch ausgeführt. Er entnahm einem Kaninchen, das 17 Stunden vor dem Tode 10 g in Wasser gelösten Rohrzucker per os erhalten hatte, die Leber. Sie wurde sofort zerhackt und zerrieben, nachdem die Gallenblase und die gröberen Gallengänge entfernt worden waren. Nun wurde der Leberbrei in zwei gleiche Hälften geteilt. Die eine wurde ohne weitere Maßnahmen mit Chloroformwasser zusammen in eine Flasche gefüllt. Die andere wurde vorher gekocht. Nach 68 Stunden wurde in beiden Versuchen der Gehalt an Glykogen und an Glukose- festgestellt. Bei dem Versuche, bei dem un- gekochter Leberbrei angewandt worden war, fand Salkowski reichlich Zucker (48*28^) und kein Glykogen. Der zweite Versuch — gekochter Leberbrei — ergab viel Glykogen und wenig Zucker (36ö(/). Durch das Kochen war eben die Diastase zerstört worden! Die erwähnten Versuche beAveisen, daß sich aus der Leber amylo- lytische Fermente isolieren lassen. Nun besteht jedes einzelne Organ nicht nur aus den ihm zugehörenden Zellen, sondern es enthält auch noch Lymphe und Blut mit ihren Formelementen. Da nun bereits durch Magendie^) im Jahre 1846 'festgestellt worden war, daß dem Blute eine diastatische Wirkung zukommt, war die MögUchkeit gegeben, daß beim Nachweis der Diastase in der Leber gar nicht ein Leberzellferment isoliert worden war, sondern ein dem Blute zugehörendes Ferment. Durch voll- ständiges Entbluten der Leber und gründliches Auswaschen des noch ver- bliebenen Blutes konnte die Diastase des Blutplasmas und diejenige der Lymphe ausgeschlossen werden. J. J. B. Madeod und B. G. Pearce und ferner E. J. Lesser-) konnten zeigen, daß auch eine blut- und lymphfreie Leber Diastase aufweist. Somit enthalten die Leberzellen eine eigene Diastase. Die Tatsache, daß das Blutplasma Diastase besitzt, führt bei der Frage nach dem Vorkommen dieses Fermentes in irgend welchen Zellarten zu der Forderung, daß nur mit einwandfrei entbluteten Organen gearbeitet werden darf. Durch die letzteren Feststellungen, die wir durch eigene an in ganz ent- sprechender Weise durchgeführten Versuchen gemachten Beobachtungen be- stätigen können, ist bewiesen, daß die Leberzellen über einen Ferment- komplex — Diastase genannt — verfügen, der Glykogen unter Wasseraufnahme zerlegen kann. Er ist ausziehbar und wirkt auch fern von der Zelle. Wir wollen gleich bemerken, daß offenbar alle Kör- perzellen Diastase besitzen. Überall stoßen wir auf die Fähigkeit Glykogen abzubauen. ') Magendie: Compt. rend. d. l'Acad. d. Sciences. 23. 189 (1846). — Vgl. wei- tere Literatur bei Kurt Moeckel und Franz Eost : Zeitschr. f. physiol. Chem. 67. 433 (1910). ^) J. J. R. Madeod und li. G. Pearce: American Jouru. of riiysiol. 25. 25.") (1910). — Ernst J. Lesser: Biocliom. Zeitschr. 52. 471 (1913); vgl. aucli J. Grode undi'.,/. besser: Zeitschr. f. Biol. 60. 371 (1913); E.J. Lesser: Ebenda. 60. 388 (1913); Müncheuer med. Wochenschr. 60. 341 (1913). — Vgl. ferner Ivar Bang: Biochem. Zeitschr. 49. 1 (1913). Kohlehydrate. 149 Mit der Feststellung, daß Leberzellen einerseits über Glykogen ver- fügen und andrerseits Diastase besitzen, sehen wir noch nicht klarer in der Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen Leberzellen und Blut. Im Gegenteil, es türmen sich neue Schwierigkeiten auf. Wir beobachten, daß die zerhackte Leber ihr Glykogen rasch verliert. Weshalb vermochte es neben der Diastase in der unversehrten, lebenden Zelle unverändert zu bleiben? Warum beginnt der Abbau, sobald wir die Leber aus dem Organismus entfernen, und warum erfolgt er besonders schnell, wenn wir die Leberzellen zerstören? Warum gibt die Leber unter normalen Bedingungen nur dann Glykogen ab, wenn ein Bedürfnis irgendwelcher Art vorliegt? Wie kommt es, daß die gleiche Zelle, die Glykogen mit Hilfe der Diastase abbaut, auch imstande ist, aus Glukose jenes Poly- saccharid entstehen zu lassen? Das sind alles Fragen, die nach dem jetzigen Stand unseres Wissens nur zum Teil in exakter Weise beantwortet werden können. Wir werden später erfahren, daß die Möglichkeit besteht, daß die Fermentwirkung je nach den Kouzentrationsverhältnissen zwischen Ferment und Substrat bald zum Abbau, bald zum Aufbau führt. Es ist aber auch möglich, daß besondere Fermente die Synthese herbeiführen. Jedenfalls müssen wir annehmen, daß entweder die einzelnen Fermente in der Zelle auf irgend eine Art von den Substraten, auf die sie eingestellt sind, ferngehalten werden!) oder aber, es sind die Fermente in der Zelle in einem Zustand vorhanden, in dem sie unwirksam sind. Es ist aber auch möglich, daß das Substrat in einer P^rm in der Zelle zugegen ist, in der es von dem wirksamen Ferment nicht angegriffen werden kann. Entweder wird dann im geeigneten Augenblick das unwirksame Ferment in die wirksame Form übergeführt^), oder es wird das Substrat so hergerichtet, daß es angreifbar wird. Zerstören wir die Zelle, dann bringen wir alles durcheinander. Vor allem kann jetzt jener Stoff wirksam werden, der entweder das Ferment, wie man sich ausdrückt, aktiviert, d. h. in die wirksame Form überführt, oder es wird das Substrat in die geeignete Form gebracht. ») Die direkte Beobachtung am normalen Tier vermochte keinen wei- teren Einblick in den Kohlehydratstoffwechsel zu geben. Es verläuft eben der Stoffwechsel der einzelnen Zelle in so fein geregelter Weise, daß es ') Vgl. hierzu F. Hofmeister: Die chemische Organisation der Zelle. Friedr. Vie- weg & Sohn. Braunschweig 1901. — Ferner: J. J. R. Macleod und G. R. Fearce: Ameri- can Journ. of Physiol. 25. 255 (1910). — J. Grode und E. J. Lesser: Zeitschr. f. Biol. 60. 371 (1913). Die beiden Forscher machten die interessante Beobachtung, daß Leber, Muskeln uud unreife Eier vom Frosche in den Wintermonaten keinen oder doch fast keinen Glykogenschwund zeigen, wenn die Organe unverletzt sind. In den Sommer- monaten zeigen d;e gleichen Orgaue postmortalen Glykogenschwund. Die zerkleinerten Organe verhalten sich bei Sommer- und Winterfröscheu gleich. Vgl. hierzu auch Schiff: Untersuchungen über die Zuckerbestimmung in der Leber. Wiirzburg 1859. — Vgl. auch E. J. Leiser: Biochem. Zeitschr. 119. 108 (1921). 2) Nach Irar Bang [Biochem. Zeitschr. 49. 1 (1913)] kommt Kochsalz als Akti- vator in Frage. ') In den Vorlesungen über Fermente kommen wir auf diese Möglichkeiten zurück. Wir werden erfahren, daß Zustandsänderungeu bewirken können, daß Formente wirksam oder auch unwirksam werden. Da die Absorption bei den Fermentvorgängen eine be- deutsame Rolle spielt, können physikalisch-chemische Einflüsse von entscheidender Be- deutung für sie sein. 150 ^11- Vorlesung. nie zu Anhäufungen von Zwischenprodukten kommt. Überall werden Spuren der einzelnen Substanzen gebildet. Ehe wir sie gefaßt haben, sind sie schon w^eiter zerlegt oder fortgeführt. Wir stehen immer wieder vor der Tatsache, daß der Organismus so lange nichts über die Einzelheiten seines Zellstoff- wechsels verrät, als alle Organe harmonisch zusammen arbeiten. Sehr oft enthüllen uns Störungen im Zellstoffwechsel mit einem Schlage wichtige Phasen in der Verwertung bestimmter Verbindungen. Die Pathologie hat von jeher der Physiologie große Dienste geleistet. Die Natur stellt dann, wenn bestimmte Organe versagen, einen Versuch an, der schon in sehr vielen Fällen der ganzen experimentellen Forschung bestimmte Wege ge- wiesen hat. Sehen wir im Gefolge der Erkrankung eines bestimmten Or- ganes einen von der Norm abweichenden Verlauf im Abbau bestimmter Ver- bindungen auftreten, dann fragen wir zunächst, ob die beobachtete Abbau- stufe deshalb entstanden ist, weil der Zellstoffwechsel der veränderten Zellen in andere Bahnen gedrängt ist, oder aber, ob eine sonst uns stets entgehende, normale Zwischenstufe im Ab- oder Aufbau bestimmter Substanzen zum Vorschein kommt, weil ihr weiterer Abbau aufgehoben oder doch verzögert ist. Beide Möglichkeiten fesseln unser Interesse im höchsten Maße. Wir müssen versuchen, die eine Möglichkeit auszuschließen. Der einzige W'eg ist bis jetzt der Versuch am Tiere. Wir können das- jenige Organ, das wir im Verdacht haben, daß es bestimmend in den Ab-, Auf- oder Umbau einer bestimmten Verbindung eingreift, ausschalten und dann die Folgen studieren. Am besten wird ein solches Organ exstir- piert. Zeigen sich bestimmte Ausfallserscheinungen, dann können wir ver- suchen, diese durch Transplantation des fortgenommenen Organes zu beheben. Ja in manchen Fällen ist es sogar gelungen, Teilfunktionen eines Organes dadurch zu ersetzen, daß man das Organ oder aus ihm hergestellte Substanzen verfütterte. Bald ist die Pathologie auf diesem Gebiete führend gewesen, und es folgte der Tierversuch nach, bald ging die Beobachtung im Laboratorium voraus und warf Licht auf die Ätiologie mancher Symptome bestimmter Krankheiten. Wohl kaum ein anderes Gebiet gibt zur Zeit die engen Be- ziehungen zwischen Pathologie und Physiologie klarer wieder, als das- jenige der Störungen des Kohlehydratstoffwechsels. W^ir wenden uns nun zu den Erfahrungen, die die experi- mentelle Erforschung und die Pathologie über den Ablauf des Kohlehydratstoffwechsels ergeben haben. Wir haben wiederholt betont, daß wir normalerweise den größten Teil der Kohlehydrate in aus Bausteinen zusammengesetzter Form aufnehmen. Der Abbau erfolgt im Darm- kanal stufenweise, so daß immer von Augenblick zu Augenblick nur Spuren von resorbierfähigen Abbauprodukten entstehen. Es liegt hier eine äußerst fein organisierte Regelung vor, die verhindert, daß der Leber und der großen Blutbahn auf einmal größere Mengen von Traubenzucker zugeführt werden. Was geschieht, jvenn wir diesen Schutz zur Verhinderung der Überschwemmung des Organismus mit Traubenzucker künstlich durchbrechen? Geben wir einem Tiere, z. B. einem Hunde, per os größere Mengen von Traubenzucker, dann beobachten wir, daß von einer ge- wissen Grenze der Zufuhr an im Harn dieser Zucker anzutreffen ist.i) M Vgl. hierzu u. a- Franz Ifofmeisier: Arch. f. experim. Path. u. Pharinak. 25. 240 (1889). — Bernhard Schöndorf:' Pßügerii Arch. 121. 572 (1908). Kohlehydrate. ]^5]^ Wir sprechen von einer Glukosurie. Wie kommt diese zustande? Eine Antwort gibt die Untersuchung des Zuckergehaltes des Blutes. Wir finden, daß dieses mehr Glukose enthält, als sonst. Man nennt diesen Zustand Hyperglukoplasmie. Es ist offenbar die Niere auf einen bestimmten Gehalt des Blutes an Traubenzucker eingestellt. Wird dieser überschritten, dann greift unter normalen Umstanden die Niere ein. Sie scheidet den Überschuß an Traubenzucker aus und drückt seine Menge im Blut auf die normale Grenze herab. WMe ist die Hyperglukoplasmie zustande gekommen? Durch die Zufuhr großer Mengen von Traubenzucker in den Darm ist auf einmal eine große Menge resorbierfähiges Kohlehydrat zur Stelle. Zunächst führt die Pfortader den Leberzellen mehr Zucker als sonst zu. Diese bauen Glykogen auf. Sie können jedoch mit der Glukosezufuhr nicht Schritt halten. Es geht viel Traubenzucker in den großen Kreislauf über. Alle Körperzellen greifen ein, um das Zuviel an Glukose dem Blute wieder abzunehmen. Auch sie kommen nicht mit. Der Gehalt des Blutes an Glukose bleibt er- höht. Offenbar ist auch keine Zeit zur Umwandlung des Traubenzuckers in Fett. Nun greift die Niere ein und beseitigt die Hyperglukoplasmie durch Ausscheidung des Zuviel an Glukose. Die Glukosurie hört auf, sobald der Zuckergehalt des Blutes wieder auf die Norm herabgedrückt ist. Es ist klar, daß man unmöglich eine bestimmte Menge von Trauben- zacker angeben kann, die, wenn in kurzer Zeit zugeführt, zur Glukosurie führen muß.i) Es kommt selbstverständlich darauf an, in welchem Zustand der Organismus sich befindet. Ein Tier, das ruht und dessen Speicher gefüllt sind, wird viel bälder eine Glukosurie aufweisen als ein solches, das ausgehungert ist oder Arbeit leistet — vorausgesetzt, daß die Leber- zellen an und für sich in vollem Maße funktionstüchtig sind.-) Man hat die Menge Traubenzucker, die noch aufgenommen werden kann, ohne daß es zu einer Glukosurie kommt, als Assimilationsgrenze bezeichnet. Aus der ganzen Darlegung geht hervor, daß wir hier eine Hyper- glukämie und infolgedessen eine Glukosurie vor uns haben, die beide einzig und allein durch die Durchbrechung der normalen Art der Ernährung bedingt sind. Hört die Zufuhr der einfachen Zucker auf, dann klingt die Hyperglukoplasmie allmählich wieder ab. Gleichzeitig wird die Glukosurie immer geringfügiger und schließlich tritt überhaupt kein Zucker mehr in den Harn über. Es handelt sich also um einen vorübergehenden Zustand. Man hat diese Art von Glukosurie die alimentäre genannt. Den gleichen Zustand können wir künstlich hervorbringen, indem wir Traubenzucker direkt in die Blutbahn einführen und dadurch eine Hyper- glukoplasmie erzeugen. Die Nieren beantworten diese mit einer Ausschei- dung von Glukose. Man könnte daran denken, den Einfluß der Leber auf den Kohle- hydratstoffwechsel in der Art zu studieren, daß man sie als Speicher aus- schaltet. Sie stellt nämlich, wie wir schon betont haben, in doppelter Weise einen Regulator des Kohlehydratumsatzes dar. Einmai verhütet sie ') Vgl. hierzu u. a. lledirig Begemann : Arch. internat. de Pharmacodynamie et de Th^r. 22. 97 (1912). ^) Vgl. hierzu G. Comessati: Hofmeisters, BcUr. 9. 6()(1907). — Grober: Deutsches Arch. f. klin. Med. 95. 137 (1909). — H. Hohlweg und F. Veit: Zeitschr. f. Biol. 51, 491 (1908). ]^52 ^^^- ^ oilesuug. durch Glykogenspeicherung, daß in dem dem Körperkreislauf zuströmenden Blute zuviel Zucker verbleibt, und dann füllt sie wieder Lücken in seinem Zuckergehalt aus. Leider kann man beim Säugetier die Leber nicht vollständig aus dem Körper entfernen, ohne sein Leben zu gefährden, wohl aber läßt sich das Pfortaderblut unter Umgehung dieses Organes in den großen Kreislauf leiten. Man hat die Pfortader direkt mit der Vena cava inferior in Verbindung gebracht. Nunmehr kommen die vom Darm resorbierten Stoffe direkt ins Blut des großen Kreislaufs. Direkte Schiidigungen des Kohlehydratstoff- wechsels wurden nicht beobachtet. Freilich weisen die ausgeführten Unter- suchungen noch große Lücken auf. Vor allem würde es uns interessieren, zu erfahren , wie ein so operierter Hund — man nennt die Operation Bil- dung der Eckschen Anastomose bzw. Fistel zwischen Pfortader und Vena Cava inferior — sich bei Arbeitsleistungen verhält, und welche Organe den arbeitenden Muskeln Kohlehydrate zur Verfügung stellen. i) Es scheint aus den verschiedenartigen, jedoch immer noch an Zahl der ein- zelnen Versuche und Dauer der Beobachtungszeit ungenügenden Unter- suchungen hervorzugehen, daß die Leber für den normalen Ablauf des Kohlehydratstoffwechsels nicht ganz unentbehrlich ist.^) Der Zuckergehalt des Blutes soll nach den Angaben einiger Forscher abnehmen, sobald die Leber vollständig entfernt ist. Die Anlegung der £'cÄ:schen Fistel dagegen beeinflußt den Zuckergehalt des Blutes nicht. s) Die Leber steht in diesem Falle immer noch durch die Leberarterie und die ihr entsprechenden Lebervenen und ferner auch durch das Lymphsystem mit dem großen Kreislauf und damit den übrigen Zellen des Körpers in Beziehung. Es gibt auch noch andere Glykogenspeicher, .die helfend eingreifen können, wenn Bedarf an Glukose ist, doch dürfte sich das Fehlen der zentralen Vorratsstätte bei besonderen Ansprüchen an den Kohlehydratstoffwechsel geltend machen. Führt man den Tieren mit EcHcher Fistel andere Zuckerarten als Glukose zu, z. B. Galaktose, dann zeigt sich eine wesentliche Störung. Während z. B, ein Hund vor der Operation von per OS zugeführter Galaktose etwa 4 — 10% im Harn ausschied, ver- ließen nach der Anlegung der Fistel 79% davon unverwertet den Körper.*) Es hängt dies offenbar damit zusammen, daß die Leber bei der Umwandlung von Nicht-Glukose in Glukose direkt oder in- direkt eine hervorragende Rolle spielt, ja es scheint, daß sie in dieser Hinsicht unersetzbar ist. In ihr findet die Überführung von Milchsäure und anderen Produkten in Glukose und darüber hinaus in Glykogen statt. Da durch die überlebende Leber geleitete Galaktose von dieser nicht zu Glykogen aufgebaut^) wird, ist vielleicht der Einfluß dieses Organs bei der TTmwandlung in (Glukose kein direkter. Vielleicht *) Vgl. B. TuiHß und Vaufihan llailey: Pjliigera Arcliiv. 61. 551 (1895). — F. W. Paii/ und li. L. Siau: Journ. of Pliysiöl. 29. 375(1903). — Minkowski: Archiv, f. experim. Path. und Pharm. 21. 41 (1886). — Fr. Schenk: T'fiüffcrs Archiv. 57. 553 (1894). '■*) Vgl. n. a. N. Biirdenko: Internat. I^citr. zur Path. und Ther. d. Ernährungs- störungen. 4. 93 (1912). ') Vgl. Michaud : Verhandlungen des Deutschen Kongresses für innere Medizin. 28. 561 (1911). — de Filippi: Zeitsclir. f. Binl 50. 38 (1908). *) F. Drauth : Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 72. 457 (1913). — Franke und Raabe: Sitzungsber. u. Abhandl. d. natui forsch. Gesellsch. Rostock 1912. ^) Vgl. K. Barrenschcm: Biochem. Zeitschr. 58. 277 (1914). Kolileliychato. 153 hat es Einfluß auf die Größe der Resorption aus dem Darmkanal, oder aber es wirkt mit anderen Organen zusammen. Es ist aber auch möglich, daß beim Durchbiutungsversuch die Bedingungen für eine Umwandlung nicht genügen. Im gleichen Sinne, wie die erwähnten Beobachtungen bei Tieren mit Eckacher Fistel, sprechen auch Versuche am Menschen mit Lebererkrankungen, bei denen nach Zufuhr von großen Mengen (z. B. 40 f/ nüchtern) Galaktose oder Lävulose im Harn bedeutend mehr dieser Kohlehydrate im Harn erscheinen als beim normalen Individuum. i) Wir können von einer anderen Seite aus in sehr schöner Weise fest- stellen, in welch feiner W^eise die Zuckerabgabe von Seiten der Leber normalerweise geregelt wird. Claude Bernard, ein Physiologe, dem wir zum größten Teil die ganzen Grundlagen unserer Kenntnisse des Kohle- hydratstoff Wechsels verdanken, hat nämlich entdeckt, daß man von einer bestimmten Stelle der Medulla oblongata aus bewirken kann, daß die Leberzellen mit einem Schlage ihr Glykogen abbauen. Das Blut wird plötzlich mit Traubenzucker überschwemmt. Der Hyperglukoplasmie folgt eine Glukosurie. Sie hält so lange an, als der Zuckergehalt des Blutes gesteigert ist. Der klassische Versuch von Claude Bernard^) ist der folgende. Es wird einem Kaninchen nach Festlegung des Kopfes die Spitze eines Troikarts in der Medianlinie auf das Os occipitale gleich an der Protuberantia occipitalis superior aufgesetzt und nun durchgestochen, bis man auf die Pars basilaris stößt. Das Instrument durchbohrt hierbei die Schädeldecke, das Kleinhirn und die hinteren und mittleren Stränge des verlängerten Markes. Die genaue Untersuchung der verletzten Stelle hat ergeben, daß sie nach oben durch den Ursprung der beiden Nn. acustici und nach unten durch eine Linie, die die Austrittsstellen der Nn. vagi verbindet, begrenzt wird. Es sei gleich erwähnt, daß man bei Verletzung des Zwischen- hirns den gleichen Erfolg sieht. s) Offenbar liegt ein Sympathikuszentrum vor, dessen Bahnen Claude Bernard bei seiner Operation verletzte. Schon 1 — 2 Stunden nach der erwähnten Operation findet man Zucker im Harn. Die Zuckerausscheidung ist keine dauernde. Gewöhnlich verschwindet sie bei Kaninchen nach 5 — 6 Stunden. Bei Hunden dagegen dauert sie unter Um- ständen länger. Claude Bernard beobachtete bei letzteren während 7 Tagen Zuckerausscheidung. Der Gehalt des Harnes an Zucker ist im allgemeinen nicht sehr hoch. Seine Menge beträgt gewöhnlich 2 — S^/o.*) Claude Bernard gibt bereits als Ursache der Zuckerausscheidung eine Vermehrung des Blut- zuckers an. Statt der üblichen 0"05 — OlVo fand er über Oo"/o Zucker im Blute. Der Zuckerstich — Piqüre — , wie die geschilderte Operation ge- nannt wird, gelingt auch bei Vögeln^) und Fröschen.'') ') Vgl. H. Straitss: Deutsche med. Wochenschr. Nr. 37. 1780 (1913). — Ha/is Wörner und Kmil Reiss: Ebenda. Xr. 18 (1914). — Vgl. auch A. (rottschaJk: Zeitschr. f. die gesamte exper. Med. 26. 34 (1922). — G. Heti'nyi uud St. Liebmann: Klinische AVochensclir. 1. 1204 (1922). ^) Claude Bernard : Le(;ons (Cours du semestre d'hiver). 1854 — 55, pag. 289. ») Vgl. u. a. li. Aschner: Pjfüffera Archiv. 146. 114 (1912). -- Vgl. auch h\ Leschk'e: Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. 14. 167 (1913). — -!>'. Marita: The Tohoku .louru of exper. Med. 2. 403 (1921). ••) Hedon: Diabete. Dictionuaire de Physiol. 4. 812. ^) M. Bernhardt: Virchoirs Archiv. 59' 407 (1874). ^) M. Schiff: Untersuchungen älter die Zuckerbiidung. Wiirzlturg 1859. 2^54 ^^^- Vorlesung. Von größter Bedeutung für die ganze Auffassung dieser iVrt von Glukosurie ist eine Beobachtung von F. W. Dock.^) Er fand, daß der Zuckerstich nur dann gelingt, wenn wohlgenährte Tiere verwendet werden, d. h. solche, die einen Glykogenvorrat in der Leber besitzen. Die Ope- ration versagt dagegen gänzlich, wenn Hungertiere zu diesen Versuchen benutzt werden. Naunyn-) kam zu demselben Resultate. Er zeigte ganz eindeutig, daß der Erfolg des Zuckerstiches ausschließlich vom Ernährungs- zustände der Versuchstiere abhängig ist. Immer findet man bei der Sektion der einige Zeit nach dem Zuckerstich getöteten Versuchstiere, daß die Leber glykogenfrei geworden ist. Daß die Leber die Eigenschaft, Zucker in Form von Glykogen aufzuspeichern, verloren hat, geht aus folgender Beobachtung hervor. Wird einem normalen, durch Hunger möglichst glykogenfrei gemachten Tiere eine Traubenzuckerlösung in die Mesenterial- vene eingeführt, so erscheinen nur geringe Mengen Zucker im Harn. Wird derselbe Versuch mit einem Tiere, an dem der Zuckerstich ausgeführt worden ist, angestellt, so tritt nach der Injektion des Zuckers bald eine starke Glukosurie auf. 3) Wir müssen uns nun die Frage vorlegen, in welchem Zusammenhang der Zuckerstich und die Zucker Überschwemmung des Organismus stehen. Claude Beniard bewies durch den folgenden Versuch, daß die Nn. vagi Beziehungen zwischen der Leber und der erwähnten Stelle in der Medulla oblongata — sie ist Zuckerzentrum genannt worden — vermitteln.*) Wird nämlich nach ihrer Durchschneidung am Halse der Zuckerstich ausge- führt, so ist er ebenso wirksam, wie wenn die Nn. vagi intakt sind. Reizt man den peripheren Stumpf des N. vagus, ohne dalj zuvor der Zuckerstich ausgeführt worden ist, so beobachtet man keine Glukosurie. Sie tritt jedoch alsbald auf, wenn das zentrale, d. h. das mit der Medulla oblongata zu- sammenhängende Ende gereizt wird. Bei einem solchen Versuche konnte Claude Bernard durch die Sektion nachweisen, daß der ganze Körper des Versuchstieres mit Zucker überschwemmt war. Am meisten Zucker fand er in den Lebervenen. Claude Beruard wies ferner nach, daß die Durch- schneidung der Nn. vagi am Halse die Leber in der Folge zuckerfrei macht. Er schließt aus all diesen Versuchen, daß in der Medulla oblongata ein Zentrum zur Regelung des Zuckerumsatzes in der Leber vorhanden ist. Die Vermittlung, d. h. die Reizleitung, besorgt der N. vagus. Die Zuckerbildung nach Reizung des zentralen Vagussumpfes faßt Claude Bernard als einen reflektorischen Vorgang auf^), und zwar sollen die Lungenäste des Vagus die auf das Zuckerzentrum wirkenden Fasern führen, denn nach Durchschneidung der Nn. vagi über der Leber und unter der Lunge zeigte sich kein Einfluß auf die Zuckerbildung der Leber mehr. Es fragt sich nun, auf welchem Wege das Zuckerzentrum auf die Leber einen Einfluß ausübt. Claude Bernard durchschnitt das Rückenmark in verschiedener Höhe unter der Medulla oblongata und fand, daß die leitenden Bahnen in den oberen Teilen des Rückenmarkes liegen müssen," denn seine Durchschneidung unter dem ersten Dorsalwirbel hebt die Ein- ^) F. W. Dock: Pflüger?, Archiv. 5. 571 (1872). -) B. Naunyn: Archiv f. experim. Path. niui Pharmak. 3. 85 (1875). ») Vgl. auch I). Eckhard: Beiträge zur Anat. u. Physiol. 8. 77 (187i)). ') Vgl. die Zusammenstellung von Leccnc : Zentralbl. f. Physiol. 8. 379 (1894). 5) Vgl. /';. F. Pflüger: Das Glykogen. 1. c. 386. Kohlehydrate. 155 Wirkung des Zuckerzentrums auf die Zuckerbildung der Leber auf. Eine wichtige Bestätigung dieser Schlußfolgerung erbrachten C. Eckhardts'^) Ver- suche. Diese ergaben, daß nach der Durchschneidung beider Nn. vagi und der Nn. sympathici am Halse der Zuckerstich noch wirksam bleibt. Nach der Durchtrennung der beiden Nn. splanchnici hat er jedoch keinen Erfolg mehr. Dieses letztere Ergebnis weist darauf hin, daß die durch den Zucker- stich bewirkte Erregung der Zellen des Zuckerzentrums der Leber auf der Bahn der Nn. splanchnici in irgend einer Weise zugeleitet wird.^) Nach diesen Ergebnissen müssen wir annehmen, daß der Zuckerstoffwechsel der Leber direkt von einem Nervenzentrum aus geregelt wird. Die Nn. vagi leiten die zentripetalen Erregungen und die Nn. splanchnici ver- ' mittein die zentrifugalen. Unentschieden haben wir bis jetzt die Frage gelassen, ob nur die Leber nach dem Zuckerstich Zucker abgibt, oder aber, ob die im Harn auftretende Glukose auch anderen Organen entstammt. Durch die Ver- suche von Moos^) und Moritz Schiff*) ist bewiesen, daß nur der Zucker- stoffwechsel der Leber beeinflußt wird. Werden nämlich die Gefäße der Leber unterbunden, dann erscheint kein Zucker im Urin. Besonders schön zeigen dies die Versuche von Schiff'. Dieser Forscher erzeugte bei 8 gleich großen Fröschen durch den Zuckerstich Glukosurie. Nach 2 — 3 Vi. Stunden ließ sich Zucker im Harn feststellen. Nun wurde allen Versuchs- tieren die Leber bloßgelegt und aus der Bauchwunde herausgezogen. Dann wurden alle Gefäße dieses Organs und der Gallengang mit einer Faden- schlinge umfaßt. Bei vier Versuchen wurde die Fadenschlinge zugezogen, bei den übrigen dagegen nicht. Während nun bei den letzteren die Glukosurie fortdauerte, nahm sie bei den letzteren mehr und mehr ab und nach drei Stunden war der Harn zuckerfrei. Wir können die erste Phase der Wirkung des Zuckerstiches mit der alimentären Glukosurie in Parallele setzen. Bei dieser erfolgt die Über- schwemmung des Blutes mit Zucker vom Darm, bei ersterem von der Leber aus. Sie hat ^aufgehört, den Glykogenabbau den vorliegenden Be- dürfnissen anzupassen. Gleichzeitig vermögen die Leberzellen kein Glykogen mehr aufzubauen. Die Leber ist in gewissem Sinne aus dem Zuckerstoff- wechsel ausgeschaltet. Wir können von diesen Gesichtspunkten aus die nach dem Zuckerstich auftretende Glukosurie als eine h'epatogene bezeichnen. Die Beobachtung Claude Bernards und derjenigen Forscher, die seine Feststellung ergänzt und erweitert haben, weist darauf hin, daß der Zuckerstoffwechsel und insbesondere der Glykogenauf- und -abbau sicher nicht ausschließlich direkt vom Blute aus geregelt wird. Die Leberzellen stehen vielmehr unter der Kontrolle eines nervösen Zentrums. Diesem werden offenbar durch die Nn. vagi beständig Nachrichten über den Stand des Zuckerumsatzes in der Leber übermittelt. Ferner empfängt das Zentrum auch Nachrichten über den Zuckerbedarf der Körperzellen und insbesondere des Blutes. Es ist möglich, daß das Zentrum direkt über den Zuckergehalt des Blutes unterrichtet wird, d. h. daß ein Ansteigen des Blutzuckergehaltes *) ('. Eckhard: Beitrage zur Anat. u/Phvsiol. 4. 138. 2) Vgl. hiezu: J. J. R. Macleod: Americ. J. of Physiol. 19. 388 (1907). *) Moes: Arch. f. wisseuschaftl. Heilkunde 4. 37. *) Moritz Schiff: Untersuchungen über die Zuckerbildung in der Leber. 76. Würz- burg 1859. 156 ^ü- Vorlesung. das Zentrum erregt und dieses auf der Bahn der Nn. splanchnici die Leberzellen zur Glykogenbildung veranlaßt. Es wäre ja denkbar, daß im Anfang der Verdauung der resorbierte Zucker die Leber passiert und, ohne abgefangen zu werden, in den großen Kreislauf gelangt. Das wäre dann für das Zentrum das Zeichen zum Eingreifen. Umgekehrt könnte ein Sinken des Zuckergehaltes des Blutes bewirken, daß das am Zentrum vorüberfließende Blut dieses in dem Sinne beeinflußt, daß nunmehr die benachrichtigten Leberzellen (ilykogen abbauen. Normalerweise erfolgt das Wechselspiel zwischen Zuckerzentrum und Leberzellen ohne Zweifel in fein abgestufter Weise. Verletzen wir das ■ Zuckerzentrum, oder reizen wir es auf irgend eine andere Art, dann zer- stören wir durch brutalen Eingriff jede Regelung. Die Leberzellen w-erden in ihrer Gesamtheit beeinflußt. Sie schütten ihren Traubenzucker nach erfolgtem Abbau des Glykogens aus. Die Zellen sind aufs schwerste ge- schädigt. Sie sind auch nicht in der Lage, bei Reizung des Zuckerzentrums aus zugeführtem Traubenzucker Glykogen aufzubauen, wie aus den Beob- achtungen von Freund und Popper^) hervorgeht. Sie konnten nur dann bei intravenöser Zufuhr von Glukose Glykogenbildung in der Leber nach- weisen, wenn sie jede zerebrale Reizung fernhielten. Wir dürfen uns nun keineswegs mit der Feststellung zufrieden geben, daß unter bestimmten Bedingungen die Leberzellen aus zugeführtem Trauben- zucker kein Glykogen bilden, vielmehr müssen wir der Frage nachgehen, warum das nicht der Fall ist. Es könnte z. B. sein, daß die Leberzellen für Glukose in bestimmten Fällen undurchlässig sind. Würde sie in die Zellen hineingelangen, so fände vielleicht der Glykogenaufbau statt. In einem solchen Falle wäre in Wirklichkeit gar keine direkte Störung der Glykogen- synthese vorbanden, vielmehr würden Veränderungen der Zellgrenzschicht in der Durchlässigkeit für Traubenzucker vorliegen. Unklar bleibt die Beziehung des Zuckerzentrums bzw. der von ihm zur Leber verlaufenden motorischen Bahn zum Gly- kogen bzw. zur Dias tase. Bewirkt der nervöse Impuls, daß in der Leber- zelle die Diastase aktiviert wird, oder wird das Substrat — das Glykogen — , das vielleicht irgendwie gebunden war, so verwandelt, daß der Abbau erfolgen kann? Oder liefert der N. splanchnicus gar den Aktivator etwa in Form eines InkretstoffesV Undenkbar wäre das nicht, denn wir kennen umgewandeltes Nervengewebe, das Inkretstoffe, die große Wirkungen ent- falten, hervorbringt. So liefert der Sympathikusanteil der Nebenniere das Adrenalin. Warum sollten nicht die nervösen Zentren auch derartige Stoffe bilden und diese weiter geben? Es könnte aber auch sein, daß vom Nervensystem aus die physikalischen Bedingungen in den Zellen geändert werden und dadurch ein Zustand geschaffen wird, unter dem Diastase und Glykogen zusammenkommen und zusammenwirken können. SchließUch muß auch der folgenden Möglichkeit gedacht werden. Es ist wohl möglich, daß in der Leberzelle zwischen vorhandener Glukose und Glykogen vorrat eine Art von Gleichgewicht besteht. Verläßt Traubenzucker die Zelle, dann ist dieses gestört. P^s erfolgt ein Abbau von Glykogen, bis wieder ein Gleich- gewichtszustand erreicht ist. Es wäre nun denkbar, daß vom Zuckerzentrum aus in irgend einer Weise die Durchlässigkeit der Grenzschichten der Leber- ') Ernst Freund urjd Ilm/o I'oppcr : Biocliem. Zeitschr. 41. 5G. (1912). Kohlehydrate. 157 Zellen für Zucker verändert wird. Wir werden noch erfahren, daß gering- fügige Veränderungen in der Zusammensetzung des Blutplasmas, z. B. eine Verschiebung im Gehalt an Kalziumion. von größter Bedeutung für den physikalischen Zustand von Zellgrenzschichten und damit unter anderem auch für ihre Durchlässigkeit für bestimmte Stoffe sein kann. Eine erhöhte Durchlässigkeit für Glukose könnte zur P'olge haben, daß der Abbau des vorhandenen Glykogens zwangsläufig erfolgt. Wir deuten diese Möglichkeit einer Erklärung der raschen Überführung des Glykogens der Leberzellen in Glukose nur an, weil zurzeit, wie wir noch sehen werden, eine befrie- digende Erklärung dafür nicht vorliegt. Besondere Aufmerksamkeit hat man der Diastase der Leberzellen gewidmet. Nach den vorliegenden Beobachtungen ist eine Vermehrung derselben beim Zuckerstich nicht erkennbar, i) Mit der Feststellung, daß von einem Zentrum aus der Zuckerhaus- halt der Leber geregelt wird, ist die Mögüchkeit durchaus nicht ausge- schlossen, daß die Leberzellen auch vom Blute selbst aus zum Glykogenauf- bzw, -abbau angeregt werden. Es sind eine ganze Anzahl von Stoffen bekannt geworden, nach deren Einführung in den Organismus Hypergluko- plasmie und darauf folgend Glukosurie eintritt. In den meisten Fällen ist nicht eindeutig genug festgestellt worden, an welcher Stelle sie eingreifen und eine Störung des Kohlehydratstoffwechsels bewirken. Für manche dieser Substanzen ist es sehr wahrscheinlich gemacht worden, daß sie auf das Zuckerzentrum wirken. Andere dürften dagegen die Leberzellen direkt beeinflussen und wieder andere greifen offenbar an verschiedenen Stellen zu- gleich schädigend in den normalen Ablauf des Zuckerstoffwechsels ein. Es darf nicht verschwiegen werden, daß manche Beobachtungen auf diesem Gebiete zu flüchtig gemacht sind, um bindende Schlüsse zuzulassen. Vor allem interessiert uns in jedem Falle von Glukosurie die Frage, ob Hypergluko- plasma besteht oder aber, ob die Zuckerausscheidung durch die Nieren eine andere Ursache hat. Sehr interessant ist die Beobachtung^), daß nach Einspritzung einer iVoigen Kochsalzlösung in die Blutbahn Glukosurie auftritt. Verschiedene Beoliachtungen machen es wahrscheinlich, daß das Kochsalz reizend auf das Zuckerzentrum einwirkt. So ist festgestellt worden, daß nach Dui'chschneidung der Nn. splanchnici die Kochsalzinjektion unwirksam war.=*) Ferner trat die Glukosurie früher und viel stärker auf, wenn das Koch- salz durch Einspritzung in die Arteria vertebralis unmittelbar der Medulla oblongata zugeführt wurde, als wenn es einem peripheren Gefäße über- geben worden war. Martin H. Fischer*) hat diese Beobachtungen erweitert und zunächst gezeigt, daß im Kochsalz dem Natriumion die Wirkung zukommt."*) Ferner gelang es, die Glukosurie durch Einspritzung von Kalziumion aufzuheben. Natrium- und Kalziumion zeigen in diesem ') E. Starkenstein: Biochem. Zeitschr. 24. 191 (1910). — J. J. R. Macleod uud R. G. Pearce: Americau Journ. of Physiol. 25. 2.55 (1910); 27. 341 (1911); 28. 403 (1911). — Vgl. auch St. Osato: The Tohoku .Joiiru. of exper. Med. 1. 1 (1920). -) C. Eckhard: Beitr. z. Auat. u. l'hvsiol. 8. 77 (1879). *) Külz: Eckhard?, Beiträge. 6. 177 (1872). *) Martin IL Fischer: Univ. of California Publications. Physiol. 1. 77 (1913); l'ftüqers, Archiv. 106. 80 (1904); 109 1 (1905) — Vgl. auch Koichi Naito: The Tohoku. Journ. of exper. Med. 1. 131 (1920). ^) Auch Li, K, Sr erzeugen Glukosurie. NH^-lou ist dagegen ohne Eintluß. ]58 ^Ü- Vorlesung. Falle eine antagonistische Wirkung. Wir werden später noch mehr Beispiele dieser Art kennen lernen. Die der Einbringung einer Kochsalzlösung bestimmter Konzentration (Ve molekulare Lösung) folgende Glukosurie hat nach neueren Beobach- tungen sicher keine einheitliche Ursache. Es ist nämlich festgestellt wor- deni), daß das Kochsalz verschiedene Körperzellen — vor allem die Nieren- und Darmzellen — so beeinflußt, daß sie für Traubenzucker durchlässig werden. Die Glukosurie könnte somit auch ohne Hyperglukoplasmie zu- stande kommen. 2) Auf Reizung des Zuckerzentrums ist die Glukosurie nach Eingabe von Morphium, Strychnin, Phosphor, Arsen, Uransalzen, Subli- mat, Amylnitrit, Kurare, Chloral, Nitrobenzol, Chloroform, Äther, Azeton usw. zurückgeführt worden. Auch die nach Überladung des Blutes mit Kohlensäure bzw. bei Sauerstoff mangeP) eintretende Glukosurie soll die gleiche Ursache haben. Neuerdings wird vermutet, daß die Kohlen- säure die Leberzellen direkt beeinflußt. Endlich wäre noch zu erwähnen, daß auch die nach Kohlenoxydver giftung (Leuchtgas!) auftretende Glu- kosurie mit dem Zuckerzentrum in Zusammenhang gebracht worden ist. Glukosurie beobachtet man zuweilen auch nach Gehirnerschüt- terungen. Man hat auch hier eine Reizung des Zuckerzentrums ange- nommen. Ferner fand man wiederholt Zucker im Harn, wenn Tiere, z. B. Katzen, lange Zeit gefesselt worden waren*), und endlich ist Zuckerausscheidung im Harn insbesondere bei Fröschen nach starker Abkühlung festgestellt worden.^) Man vermutet, daß auch in diesen Fällen das Zuckerzentrum direkt oder indirekt erregt wird.") Zu ganz neuen Gesichtspunkten in der Frage nach dem Wesen der sogenannten Zuckerstichglukosurie führte die Entdeckung von Blvm'^), wo- nach das von der Nebenniere gebildete Adrenalin ebenfalls zu einer Hyperglukoplasmie und im Gefolge davon zu einer Glu- kosurie führt, vorausgesetzt, daß die Leber Glykogen enthält. s) Dem Adrenalin kommt die Formel eines 3,4-Dioxyphenyl-methylamino- äthanols zu: *) John Bruce Macallnm: Univ. of California Public. 1. 125 (1904). — Frank P. Vnderhill und Israel S. Kleiner: Journ. of Biol. Chemistry. 4. 395 (1907). — Martin H. Fischer und Gertrud Moore: American Journ. of Physiol. 19. 341 (1907). 2) Vgl. Louise Mc Danell und Frank P. Underhill .-Journ. of Biol. Cheni. 29. 273 (1 917). ') Vgl. Edie: Biochera. Journ. 1. 455 (1906). — Ivar Bang und Ph. Senström: Biochem. Zeitschr. 50. 437 (1913). *) R. Böhm und F. A. Hoff mann: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 8. 271 und 375 (1878). — Vgl. auch W. B. Cannon (Ä. T. Shohl und W. S. Wright, D. de la Pas, R. G. Hoskins): Americ. Journ. of Physiol. 28. 64 (1911); 29. 274, 280 (1911/12). — G. N. Stewart und ./. M. Pogof: Journ. of exper. Med. 26. 637 (1917); Americ. Journ. of Physiol. 46. 90 (1918). ') Vgl. z. B. M. Loetoit: Zentralbl. f. Physiol. 21. 873 (1907); Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 60. 1. 420 (1808/09). *) Man hat alle Formen von Glukosurie auch mit dem Namen Diabetes be- zeichnet. Man spricht; insl)esondere von einem Zuckerstichdiabetes, einem Fesseluugs- und Kältediabetes. Wir ziehen es vor, den Namen Diabetes ganz für jene Krankheit vorzubehalten, die unter anderen Symptomen auch Glukosurie aufweist. ■) E. Blum: Deutsches Archiv f. Idin. Medizin. 71. Okt (1901); P/%ers Archiv. 90. 617 (1902). — Vgl. weitere Literatur bei A. Biedl: Innere Sekretion. Urbau & Schwar- zenberg, Berlin-Wien. 3. Aufl. 1916. 8) Fritz Hildebrandt: Arch. experim. Path. u. Pharm. 88, 80 (1920). Kohleliydrate. ] 59 CH 0H.Cf^\|C.CH(0H).CH,.NH.CIl3. CH Das Adrenalin wird von der Marksubstanz der Nebenniere, die bekannt- lich vom N. syrapathicus abstammt, gebildet. Es entfaltet noch andere Wirkungen. Es wirkt ganz allgemein auf alle Organe ein, die vom N. sympathicus innerviert werden. Besonders wichtig und in die Augen fallend ist der Einfluß des Adrenalins auf die Blutgefäße. Es ver- engert diese und bewirkt dadurch ein Ansteigen des Blutdruckes. Was nun die Wirkung des Adrenalins auf den Kohlehydratstoff- wechsel anbetrifft, so kommen vor allem zwei Möglichkeiten in Betracht. Es kann auf dem Wege des X. sympathicus eine Ptcizwirkung auf die Leber- zellen ausüben oder aber einen direkten Einfluß auf diese entfalten. Für letztere Annahme sprechen Versuche von Ivar Bang.^) Er beobachtete nämlich, daß Adrenalin die überlebende Froschleber zum raschen Abbau ihres Glykogens veranlaßt. Gegen die i\.uslegung dieser Feststellung im Sinne einer normalen Funktion des Ardenalins ist einzuwenden, daß die Kon- zentration dieser Verbindung im Organismus wohl nie auch nur annähernd so groß ist, wie sie von Bang zu seinen Versuchen angewandt worden ist. Nun wissen wir aus zahlreichen Beobachtungen, daß für die Wirkung eines Stoffes seine Konzentration von ausschlaggebender Bedeutung ist. Oft wirken kleine Dosen reizend und große lähmend. Wir dürfen in keinem Falle die physiologische Bedeutung eines Stoffes aus Versuchen ableiten, bei denen wir eine Verbindung unter Steigerung der Konzentration auf ein Vielfaches des natürlichen Vorkommens zur Wirkung kommen lassen. Wir dürfen nur aussagen, daß der betreffende Körper bei einer bestimmten Konzentration bestimmte Wirkungen entfaltet. Darüber hinaus sind Schluß- folgerungen auf das Verhalten im Organismus ohne genügende Grundlage. Mehr und mehr fand die folgende Vorstellung von der Wirkung des Adrenalins auf den Zuckerstoffwechsel Anklang. Das Zuckerzentrum wirkt nicht direkt durch Vermittlung des N. splanchnicus auf die Leberzellen. Es sind vielmehr die Nebennieren zwischen dieses und die Leber eingeschaltet. Wird das Zuckerzentrum gereizt, dann werden die Nebennieren veranlaßt, Adrenalin abzugeben. Seine Menge richtet sich nach der Größe des Reizes. Es wird dann den Leberzellen zugeführt und veranlaßt einen den augen- blicklichen Bedürfnissen entsprechenden Abbau von Glykogen und damit Zuckerabgabe an das Blut. Unter normalen Verhältnissen ist das Zusammen- spiel von Zuckerzentrum und Nebennieren ein außerordentlich feines. Es wird nur soviel Adrenalin abgegeben, als notwendig ist, um ausreichende Mengen von Glykogen zum Abbau zu bringen. Beim Zuckerstich und sonstigen brutalen Eingriffen in das ganze zusammengekoppelte System wird viel Adrenalin deni Blute übergeben, und es erfolgt nun ein Massen- abbau von Glykogen. ») Ivar Bang: Biochom. Zeitschr. 49. 81 (1913). 160 ^ il- Voiiesuug. Die geschilderte Auffassung der Stellung der Nebenniere zum Zucker- zentrum und zur Leber ist nicht ohne Widerspruch geblieben. i) Wir müssen deshalb sorgfältig prüfen, ob die vorliegenden Versuchsresultate mit ihr in Einklang stehen. Zunächst wies A. Mayer^) nach, daß der Zuckerstich nur dann gelingt, wenn die Nebennieren vorhanden sind. Kahn und Starkenstein^) konnten diese Beobachtung bestätigen. Nach doppelseitiger Nebennieren- exstirpation ist der Zuckerstich erfolglos. Man glaubte zunächst diesen Umstand mit der Annahme erklären zu können, daß die Leber nach der Entfernung der Nebennieren ihr Glykogen einbüße. Es würde dann der Zuckerstich deshalb erfolglos sein, weil dieses Organ keinen Zucker mehr abzugeben hat. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß der Verlust der Neben- nieren das Glykogenspeicherungsvermögen der Leber nicht wesentlich be- einflußt.*) Nur bei der Ratte wurde die Leber glykogenfrei gefunden.») Trotzdem die Leberzellen bei den übrigen Tieren viel Glykogen auf- weisen, bleibt der Zuckerstich ohne Erfolg, wenn die Nebennieren fort- genommen sind. Es wurde ferner beobachtet, daß die Nebenniere nach dem Zuckerstich an Adrenalin und an dem Substrat (sogenannte chro- mierbare Substanz*^), die diese Verbindung hervorbringt, verarmt.") Durchschneidet man beim Kaninchen den N. splanchnicus auf der einen Seite, so zeigt die Nebenniere der gleichen Seite nach dem Zuckerstich keine Veränderungen, während sie bei der auf der anderen Seite befind- lichen anzutreffen sind.^) Wichtig ist auch die Beobachtung, daß nach vollkommener Isolierung der Leber von nervösen Zentralorganen mittels Durchschneidung aller Nerven der Zuckerstich noch wirksam ist. Dagegen wurde er unwirksam, sobald die Nebennieren durch Durchschneidung aller Nervenbahnen isoliert wurden, während das übrige Splanchnikusgebiet mit dem Zentralnervensystem in Zusammenhang blieb. 9) Es ist nun bezweifelt worden, ob tatsächlich im Anschluß an den Zuckerstich eine ausreichende Zunahme^") an iVdrenalin im Blute stattfindet. Li dieser Richtung ausgeführte Untersuchungen!') haben ergeben, daß die ') Vgl. auch E. Wertheiltier uud G.Battez: Arcli. interuat. de Physiol. 9. 3ü3 (1910). — H. Freund und G. Marchand: Arch. f. exper. Path. und Pharm. 76. 324 fl914). = ) A. Mayer: Compt. rend. de la Soc. de Biol. 58. 1123 (1906). ») R. H. Kahn uud- E. Starkenstein: Pßügers Archiv. 139. 181 (1911). *) R. H. Kahn und E. Starkenstein: J'ßügers Archiv. 139. ISl (1911). — Sh. Kuriyama: Journ. of hiol. Chem. 34. 287, 29'.) '(1918). 5) 'O. Schwarz: Pßüffers Archiv. 134. 259 (1910). '^) Die Chromreaktion dieses Gewebes (auch chromaffines genannt) beruht auf seinem Gehalt an Adrenalin, vgl. W. Stoeltzner : Münchener med. Wochenschr. Nr. 22. 584 (1919). ') R. H. Kahn: Pßügers Archiv. 140. 209 (1911); 144. 2.51 396 (1912); 146. 578 (1912). — Jjuro Fnjii: Journ. of experim. Med. 1. 38 (1920): The Tohoku .Journ. of exper. Med. i. 38 (1920). 8) A. Jarisch: Archiv f. experim. Path. u. Ther. 13. 520 (1913). — R. 11. Kahn: r/tüffers Archiv. 169. 347 (1917). — J. Fujii: The Tohoku Journ. of exper. Med. 1. 83 (1920). «) Adolf Jarisch: Pfliigers Archiv. 158. 478 (1914). >») Vgl", hierzu N. Watermann und H. J. Smit: PflWgcr^ Archiv. 124. 198 (1908). — jY. Watermann: Ebenda. 141. 104 (1911). — W. Falta und J. G. Priestleg: Berliner klin. Wochenschr. Nr. 47 (1911). - J. Nigrin y Lopez: t^benda. 145. 311 (1912). — E. Starkenstein: Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 10. 78 (1912). '•) Paul Trendelenburci und Kurt Fleischhauer : Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 1. 369 (1913). Kohlehydrate. [61 Verhältnisse nicht so einfach liegen können, wie angenommen worden ist. Die Vorstellung, daß der durch den Zuckerstich ausgeübte Reiz nur auf dem Wege über die Nebenniere wirken kann, ist ohne Zweifel zu eng gefaßt. 1) Vor allem ist zu prüfen, ob, wie schon oben erwähnt, das Adrenalin unter normalen Verhältnissen direkt auf die Leberzellen wirkt oder aber seinerseits nervöse Zentren oder Nervenbahnen beeinflußt und so indirekt auf den Glykogenabbau einwirkt. Ferner bleibt auch noch die M()glichkeit, daß durch die bewirkten nervösen Einflüsse die Leberzellen für die Ein- wirkung des Adrenalins vorbereitet werden. Wichtig sind nach dieser Richtung die Beobachtungen von Macleod und Pearce.-) Diese Forscher haben festgestellt, daß nach Entfernung des Plexus hepaticus die Reizung des N. splanchnicus unwirksam ist, obschon eine Hypersekretion der Nebennieren vorhanden ist. Wird jedoch der Plexus hepaticus gereizt, dann erhält man Hyperglukoplasmie, wenn die Neben- nieren funktionstüchtig sind. Sind sie entfernt, dann bleibt die Über- schwemmung des Blutes mit Zucker aus. Diese Resultate sprechen durch- aus dafür, daß die Nebenniere und die Leber Beziehungen zueinander haben, die durch Nervenbahnen vermittelt werden, die im Plexus hepaticus verlaufen. Einer der größten Fehler in der Erforschung bestimmter Funktionen ist ohne Zweifel der, daß fast gewaltsam versucht wird, eine einzige Mög- lichkeit für ihre Erklärung festzulegen. Dabei deuten zahlreiche Beobach- tungen darauf hin, daß der Organismus mehrere Sicherungen für besonders bedeutungsvolle Funktionen besitzt. Die Tätigkeit der Leber im Kohle- hydratstoffwechsel ist eine mannigfaltige. Sie wandelt Verbindungen nicht kohlehydratartiger Natur in Glukose um. Sie speichert diese in Form von Glykogen und zerlegt dieses wieder je nach Bedarf. Die Leber bewirkt, daß jedes Minus an Blutzucker sofort ausgeglichen wird. Diese letztere Funktion können wir der Bildung und Abgabe von Sekretstoffen durch Driisenzellen vollständig an die Seite stellen. Wir kennen eine ganze Reihe von Organen, die an die Blutbahn Stoffe abgeben, die im gesamten Haus- halt an irgend einer Stelle eine bedeutsame Rolle spielen. Stoffe, die nach außen, z. B. in den Darmkanal oder auf die äußere Haut abgegeben wer- den, bezeichnen wir als Sekrete. Stoffe, die innerhalb des Zellstaates bleiben und. dem Blute oder der Lymphe zur Weiterführung übergeben werden, nennen wir mit Boux am besten Inkrete. Ohne Zweifel ist von diesen Gesichtspunkten aus die Leber als eine Drüse aufzufassen, die Trauben- zucker als Inkret dem Blute übergibt. Wir haben eine der interessantesten und am besten bekannten Wechselbeziehung zwischen verschiedenen Or- ganen vor uns. Die Leber sendet z. B. Zucker zu den Muskelzellen, und diese übergeben dem Blute als ein Spaltstück von diesem Milchsäure. Aus dieser bauen die Leberzellen wieder Glukose auf. Wir zweifeln nicht daran, daß die Abgabe des erwähnten Inkretes, des Traubenzuckers, an das Blut von mehr als einer Stelle aus beeinflußt wird. Zunächst besteht die Möglichkeit, daß der Zuckergehalt des Blutes direkt als Reiz wirkt. Ferner ist es denkbar, daß jene Organe, die Zucker verbrauchen, in der Weise Einfluß auf die Leberzellen haben, daß viel- leicht die dem Blute übergebenen Abbaustufen, z. B. die Milchsäure, An- ») Vgl. hierzu K. II. Kahn: Pßücjers Archiv. 169. 32H (1917). 2) J. J. R. Macleorl und li. G. Pearce: Americ. Journ. of Physiol. 29. 419 (1912). Abderhalden, Physiologische C'hcmii', I.Teil, 5. Anfl. \\ 162 ^'11- Vorlesung. stoß ZU Glykogenabbau geben. Ferner ist der Weg über Nervenbahnen und Zentren gegeben. Diese Art des Wechselspiels ist noch lange nicht aufge- klärt. Vielleicht spielt bei dieser Regelung des Zuckerstoffwechsels auch der Umstand eine Rolle, daß die Nervensubstanz selbst einen ganz regen Glukoseverbrauch aufweist.^) Es wäre denkbar, daß das Zuckerzentrum im besonderen für die ausreichende Versorgung des Nervengewebes mit Zucker sorgt. Die Nervenzellen des Zuckerzentrums stehen durch Nervenbahnen direkt mit den Leberzellen in Verbindung. Man darf ohne w^eiteres von inkretorischen Fasern sprechen. Außerdem unterhält das Zuckerzen- trum Beziehungen zur Nebenniere. Auch zu ihr hin gehen inkretorische Bahnen. Es bleibt noch die Frage zu beantworten, ob nur das Adrenalin für die Beteiligung am Zuckerstoffwechsel in Betracht kommt. Mir scheint kein Anhaltspunkt dafür vorzuliegen, daß dieses den einzigen Inkretstoff der Nebenniere darstellt. Der Umstand, daß man durch Zufuhr immerhin beträchthcher Mengen von Adrenalin Hyperglukoplasmie hervorrufen kann, gibt uns noch nicht die Gewißheit, daß diese Verbindung nun auch nor- malerweise im Zuckerhaushalt Verwendung findet. Es könnten auch noch andere Stoffe mitwirken. Wir dürfen bei der Beurteilung der Beziehungen der Nebennieren zum Zuckerzentrum und zur Leber eines nicht außer acht lassen. Das Adrenalin wird, wie schon oben hervorgehoben, von der Mark- substanz der Nebenniere gebildet. Diese stammt vom N. sympathicus ab. Das Zuckerzentrum ist sicherlich auch ein Sympathicuszentrum. Vielleicht steht es noch mit anderen, übergeordneten, sympathischen Zentren im Zwischenhirn in Verbindung. Zur Leber ziehen zahlreiche sympathische Nervenbahnen. Aus diesen Feststellungen ergeben sich ohneweiteres enge Beziehungen aller dieser Organe zueinander. Fassen wir die wichtigsten Feststellungen zusammen, nämlich ein- mal die Tatsache, daß nach Entfernung der Nebennieren der Zuckerstich meistens vollständig unwirksam bleibt, obwohl die Leber Glykogen besitzt, und ferner die Beobachtung, daß er bei entnervter Leber wirksam ist, sofern wenigstens eine Nebenniere ihre Nervenbahnen noch besitzt, und endlich der Zuckerstich unwirksam ist, wenn die Nebenieren nervös isoliert werden, dagegen das übrige Splanchnicusgebiet mit dem Zen- trum in leitender Verbindung bleibt, so ergibt sich mit größter Wahr- scheinUchkeit, daß die Nebennieren direkte Beziehungen zur Leber haben und in irgend einer Weise am Zuckerstoffw^echsel aktiv beteiligt sind. Vieles spricht dafür, daß ein von den Nebennieren abgegebenes Inkret, darunter das Adrenalin, 2) auf dem Wege der sympathischen Zentren und Nerven, die mit den Leberzellen in Verbindung stehen, auf diese einwirkt, s) Von größter Bedeutung wäre es, die Art der Beeinflussung der Leber- zellen kennen zu lernen. Es bleibt das schon mehrfach berührte Problem zu *) Else Hirschberg und Hans Winterstein: Zeitscbr. f. physiol. Chemie. 100. 185 (1917). — Else Hirschberg: Ebenda. 101. 248 (1918). ') Adrenalin wird sehr leicht verändert. Es ist wohl möglich, daß es nicht selbst wirksam ist, sondern ein Umwandlungsprodukt. ^) Für die Frage der Bedeutung des Adrenalins für den Kohleliydratstoffwechscl kann die Mitteilung von G. N. Stewart und /. M. L'ogoß' [L of Pharm. 10. 1, 49 (1917)] von großer Bedeutung werden, wonach nach Exstirpation der rechten Nebenniere und der vom linken Semilunarganglion herkommenden Nervenfasern (Versuchstier Katze !) das Blut adrenalinfrei wird. Störungen irgend welcher Art waren keine zu beobachten ! Kohlehydrate. IQ-^ ergründen, weshalb in der Leberzelle Glykogen und Diastase sich zusammen finden, jedoch nicht aufeinander wirken, ehe nicht von außen ein Reiz ein- tritt. Man kann sich, wie schon einmal betont, vorstellen, daß in der Zelle Maß- nahmen getroffen sind, die verhindern, daß die Diastase ihre Wirkung entfalten kann, sei es nun, daß sie inaktiviert ist, oder aber das Glykogen jene Gruppe besetzt enthält, die den ersten Angriff durch das Ferment vermittelt oder aber sich in einem physikalischen Zustand befindet, der die Fermentwirkung aus- schließt. Der Möglichkeiten sind sehr viele. i) Es kommt auch in Frage, daß das Ferment in der Zelle vielleicht nicht zum Glykogen hin diffundieren kann, wenn nicht der ganze Zustand des Zellinhaltes sich ändert. Die Beobachtung, auf die wir noch eingehen, daß die Durchlässigkeit von Membranen durch an sich geringfügige Konzentrationsänderungen im Gehalt an bestimmten Ionen sich vollständig ändern kann, gibt vielleicht auch Hinweise auf die Möglichkeit der Reizwirkung. Einstweilen müssen wir uns damit begnügen, zum Ausdruck zu bringen, daß durch den Reiz in den Leberzellen Ver- hältnisse geschaffen werden, unter denen die Diastase das Glykogen zer- legen kann. Mir scheint die Annahme am wahrscheinlichsten, daß Zu- standsänderuugen, d. h. physikalisch-chemische Veränderungen einsetzen, die es ermöglichen, daß die bis dahin getrennten Stoffe, Diastase und Glykogen, aufeinander einwirken. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß beobachtet worden ist, daß nach dem Zuckerstich die Leberzellen das Glykogen in die Blut- und Lymphbahnen ausstoßen, und dann dort der Abbau einsetzt. Weitere Versuche müssen ergeben, ob dieser Vorgang die Regel ist und das gesamte Glykogen betrifft. 2) Auf die Möglichkeit einer Veränderung der Zellgrenzschichten im Sinne einer veränderten Durch- lässigkeit für Zucker haben wir schon S. 156 hingewiesen. Man hat auch der Schilddrüse, den Nebenschilddrüsen, der Hypophyse, der Milz und anderen Organen direkte und indirekte Bezie- hungen zur Leber und zur Nebenniere zugeschrieben und daran gedacht, daß je nach Bedarf den Glykogenabbau fördernde und hemmende Sub- stanzen von bestimmten Drüsen zur Verfügung gestellt werden. 3) Es liegen jedoch noch keine eindeutigen Resultate vor und vor allem ist noch ganz unbekannt, an welchen Stellen sie in den Kohlehydratstoffwechsel eingreifen.*) Wie außerordentlich vorsichtig man bei allen Versuchen, auf experi- mentellem Wege an Tieren Störungen im Zuckerhaushalt festzustellen, sein muß, zeigen die Beobachtungen, wonach psychische Einflüsse den Zucker- *) Vgl. zu diesem Probleme auch 67. Bernard: Lecons sur le diabete. Paris 1877. — E. J.Lesser: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde. XVI. 279 (1919). ^) Vgl. F. Hofmeister: Kohlehydratstoffwechsel der Leber. Vortrag. Nothnagel- Stiftung. Wien 1913. ^) Vgl. hierzu die interessanten Beobachtungen von H. Eppinqer, W. Falta und C. Rudinger: Wiener klin. Wochenschr. 21. Nr. 21. 752 (1908); Zeitschr. klin. Med. 66. H. 1 u. 2 (1908) und #7. H. 5 u. 6 (1909). — Heinrich Ritzmann : Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 61. 231 (1911). — Frank P. Underhill und Warren W. Hilditch: Americ. Journ. of Physiol. 25. 66 (1909). — Frank F. Underhill: Americ. Journ. of Physiol. 27. 331 (1911). — Soichiro Miura: Biochem. Zeitschr. 51. 423 (1913). — Weitere Literatur vgl. bei Artur Biedl: Innere Sekretion. Urban & Schwarzenberg. Berlin-Wien. 3. Aufl. (1916). — T. Togawa: Biochem. Zeitschr. 109. 1 (1920). *) Vgl. auch Frank F. Underhill und Normann R. Blathertvick : Journ. of hiol. Chem. 18. 87 (1914). 11* J^g4 VII. Vorlesung. gehalt im Blute wesentlich zu steigern vermögen. Es hat schon die Fesse- lung der Tiere 1), die Freilegung eines Gefäßes, die Narkose eine Erhöhung des Blutzuckergehaltes im Gefolge.-) Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß bei vielen Forschungen auf diesem Gebiete die angewandte Methodik der Zuckerbestimmung viel zu wünschen übrig läßt. Es wird vielfach von Hyperglukoplasmie und auch von Glukosurie gesprochen, obwohl meistens nur festgestellt worden ist, daß ein bestimmtes Reduktionsvermögen vorliegt. Es ist durchaus möglich, daß neben Glukose, besonders in pathologischen Fällen , noch andere reduzierende Stoffe anzutreffen sind. Alle diese Momente erschweren die Beurteilung der Ergebnisse vieler Versuche außerordentlich. Sie lassen auch verstehen, weshalb das ganze Forschungsgebiet nicht ent- sprechend der aufgewandten Mühe gefördert worden ist. Zum Schlüsse sei noch der Glukosurie bei hungernden Tieren») ge- dacht. Hofmeister^) beobachtete, daß bei jungen Hunden die Assimilations- grenze für Kohlehydrate stark herabsinkt, wenn sie ungenügend ernährt werden. Die Ursache der mangelhaften Ausnutzung der zugeführten Kohle- hydrate bei Unterernährung könnte darauf beruhen, daß diejenigen Organe, die den Zuckerstoffwechsel beherrschen, infolge des Hungerzustandes ihre Funktionen nicht in vollem Umfange durchzuführen vermögen. So kann viel- leicht die Leber nicht rasch genug die ihr mit dem Blute zugeführte Glu- kose in Glykogen verwandeln. Es kommt infolgedessen zur Hyperglukoplasmie und im Anschluß daran zur Glukosurie. Nach neueren Erfahrungen scheint jedoch der Grund der Hyperglukoplasmie ein anderer zu sein. Es ist beobachtet worden &). daß geringe Säuremengen imstande sind, eine hepa- togene Hyperglukoplasmie zu erzeugen. Es wird die Leber veranlaßt, ihr Glykogen abzubauen, bzw. verhindert, solches zu bilden. Auch sollen die Leberzellen Glykogen als solches abgeben. Eine Beteiligung der Nebenniere wurde ausgeschlossen. Nun ist bei der Glukosurie der Hungertiere auch eine Zunahme des Säuregehaltes des Blutes nachgewiesen worden. Sie dürfte durch eine Störung des Zellstoffwechsels infolge ungenügender Nahrungs- zufuhr bedingt sein. Durch Eingabe von Alkali konnte die Hypergluko- plasmie beseitigt werden.**) Ein ganz neues Licht auf manche Beobachtungen über das Auftreten von Glukosurie werfen hoch bedeutsame Versuche von H. J. Hcunhurger und li. BrmhnanJ) Sie stellten fest, daß das Vermögen der Frosch- niere, Glukose zurückzuhalten, in außerordentlich feiner Weise von der chemischen Zusammensetzung der Durchströmungs- flüssigkeit abhängig ist. Wählt man. zum Durchspülen Bingersche Lösung, so wird von OP/o Glukose etwa ein Drittel zurückgehalten. Die verwendete Lösung enthielt: OTo/o NaCl, 0 2«/o Na HCO3, 001 «/« K Ol 1) Vgl. hierzu Zitat 4, S. 158. '') Vgl. E. Hirsch und //. Reinhach: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 87. 122 (1913); 91. 292 (1914). ^) Hnngernde Menschen verhalten sich gleich. Es- gibt auch eine sogenannte Landstreicher-Gluko-surie. *) F. Hofmeister: Arch. f. cxperim. Path. und Pharmak. 26. 359 (1890). *) H. Elias: Biochem. Zeitschr. 48. 121 (1913). «) H. Elias und L. Kolb : Biochem. Zeitschr. 52. 331 (1913). ') H. J. Hamburger und R. Brinkman: Biochem. Zeitschr. 88. 97 (1918). — Vgl. auch G. Barkan, Rh. Broemser und A. Hahn: Zeitschr. f. Biol. 74. 1 (1921). — Ph. Broemser und Ä. Hahn: Ebenda. 74. 37 (1921). Kohlehydrate. 165 und 00075 »/o CaCl,. Wurde nun der CaCL-Gehalt auf 0005 oder auf 0-01 5 Yo gebracht, dann erschien sofort in der aus dem Ureter fließenden Flüssigkeit, dem künstlichen Harn, der gleiche Zuckergehalt, wie er in der' Durchspülungsflüssigkeit enthalten war, d. h. es wurde kein Zucker zu- rückgehalten. Läßt man den CaCU-Gehalt gleich, und wird der K-Gehalt ver- ändert, dann ist das Resultat ein gleiches. Für die Zurückhaltung der maxi- malen Zuckermenge ist ein ganz bestimmtes Verhältnis von Ca zu K notwendig. Besonders bedeutungsvoll ist die Feststellung, daß eine ganz bedeutende Vermehrung der Glukose-Zurückhaltung erhalten werden kann, wenn in der oben angeführten Durchströmungsflüssigkeit der Gehalt an NaHCOg auf 009 Vo gesteigert wird. Die Ursache dieser Erscheinung ist auf die Reaktion der Durchströmungsflüssigkeit zurückzuführen. Ist sie so wenig alkalisch, daß ihre Reaktion beim Durchströmen sauer wird, dann nimmt die Durchlässigkeit der Niere für Glukose zu. Bleibt der künstliche Harn infolge Steigerung des NaHCOs-Gehaltes der Durch- spülungsflüssigkeit alkaUsch, dann ist die Zuckerretention vergrößert. Von den 0",lVo Zucker werden bei 0'09Vo NaHCOj doppelt so große Glukosemengen zurückgehalten , als bei 0"02 "/o Na HCCJa. Gleichzeitig muß der Gehalt der Lösung an Ca Gl., auch etwas gesteigert werden, damit eine genügende Konzentration von Ca-Ionen zugegen ist. Wird der Gehalt an NaHCOg und entsprechend derjenige an CaClj noch mehr ge- steigert, dann geht noch weniger Glukose durch die Nierenepithelien hin- durch. Es gelang, allen Traubenzucker mit der folgenden Lösung zurück- zuhalten: 0-5S NaCl, O-2850'o NaHCOj, 0-OP/o KCl, 0-02»/o Ca CL. Die Versuche fielen nicht immer gleich aus. Bei der gleichen Konzentration an den genannten Salzen kam es zuweilen auch zur Ausscheidung von Traubenzucker: immerhin war die Menge an zurück- gehaltener Glukose größer als bei anderen Konzentrationen. Fügt man zur Durchspülungsflüssigkeit die Menge Traubenzucker, die dem normalen Gehalt des Froschblutes an diesem entspricht, nämlich O^Oö^/o, hinzu, dann wird bei der erwähnten Salzkonzentration das gesamte Kohlehydrat zurückgehalten. Interessant ist, daß bei der zuletzt erwähnten Zusammensetzung der Nähr- lösung das Kalium fehlen durfte. Ferner ist von großer Bedeutung, daß andere Zuckerarten, wie Rohrzucker, Milchzucker, Maltose, Raff inose, Frucht- zucker, 1-Arabinose ^und 1-Mannose, unter den gleichen Bedingungen, unter denen Glukose von den Glomerulusepithelien zurückgehalten wird, durch- gelassen werden 1). Galaktose, 1-Xylose und d-Ribose werden teilweise zurückgehalten. Die einzelnen Kohlehydrate verhalten sich somit je nach ihrer Konfiguration verschieden. Die Feststellung, daß die Nierenepithelien durch Veränderung des Mengenverhältnisses der erwähnten Salze und insbesondere des Ca Clo und des NaHCOg bald mehr, bald weniger, bald gar nicht für Glukose durchlässig gemacht werden können, ist von allergrößtem Interesse. Sie zeigt uns, daß die genannten Zellen in ihrer Durchlässigkeit stark beeinflußbar sind. Es gibt Membranen, die für jeden Stoff durchlässig sind, andere lassen nur bestimmte Produkte durch. In den Zellgrenzschichten, die für die Ausscheidung von Substanzen und in ') H. J. Uaynburger und R. lirinkman: Proceed. of Koninkl. Akad. van Weten- schappen te Amsterdam'. 19. 98«), 997 (1917); 21. Nr. 4. 548 (1919); 22. 353, 360 (1919): Biochem. Zeitschr. 128. 185. 208 (1922). IQQ VII. Vorlesung. unserem Fall für Kohlehydrate aus dem Blute in die Nierenkanälchen hinein in Frage kommen, haben wir „Membrane" vor uns, deren Zustand ' und damit auch deren Durchlässigkeit für bestimmte Produkte nicht ein- t'ür allemal gegeben ist, vielmehr unterliegt er mit all den mit ihm ver- knüpften physikalisch-chemischen Eigenschaften, je nach den vorhandenen Bedingungen, Wandlungen. Von größtem Interesse ist, daß die Konfigu- ration der Substrate für das Durchdringen von Zellgrenzschichten von Bedeutung ist. Wir werden auf die erwähnten grundlegenden Versuche der Ab- hängigkeit der Eigenschaften der Zellgrenzschichten von den vorhandenen Bedingungen von verschiedenen Gesichtspunkten aus zurückkommen. Wir ersehen aus diesen Beobachtungen, wie sorgfältig alle Bedingungen festge- stellt werden müssen, unter denen Forschungen auf dem Gebiete des Kohlehydratstoffwechsels unternommen werden. Eine Änderung in der Zu- sammensetzung des Blutes vermag schon eine Glukosurie zu erklären. Wir haben nicht nur den Zuckergehalt des Blutes in Rechnung zu setzen, sondern müssen auch feststellen, ob sich nicht die Nierenepithelien unter Bedingungen finden, unter denen sie an und für sich Zucker durchlassen. Eine Glukosurie kann somit mannigfache Ursachen haben. Fassen wir die uns bis jetzt bekannten zusammen. Einmal kann vom Darme aus soviel Zucker zuströmen, daß die Leber- und sonstigen Körperzellen mit ihm nicht fertig werden. Die Gründe dafür können mannigfaltige sein. Einmal kann der Zustrom so groß sein, daß die Glykogenbildung an sich nicht Schritt halten kann. Es kann aber auch sein, daß die Glykogen bildenden Zellen bereits mit Glykogen beladen sind. Die Nierenzellen greifen ein und entlassen den Überschuß an Zucker aus dem Plasma. Sie sind unter normalen Verhältnissen bis zu einer bestimmten Zuckermenge dicht für Glukose. Wird diese Grenze überschritten, dann beginnen sie durchlässig zu werden, und zwar kommen in erster Linie, wenn nicht ausschließlich die Glomerulusepithelien in Betracht, i) Sind die Leberzellen infolge irgend einer Störung in ihrer Fähigkeit, Glykogen zu bilden, eingeschränkt, dann muß es wiederum leicht zu einer Hyperglukoplasmie kommen, wenn vom Darm aus Glukose zur Aufnahme gelangt. Zwar können andere Körper- zellen einspringen, jedoch hat das seine Grenzen. Behält dabei die Leber ihre Fähigkeit, aus anderen Materialien als aus Kohlehydraten Glukose aufzubauen, dann wird noch eine weitere Ursache der Überschwemmung des Plasmas mit Zucker hinzugefügt. Eine Hyperglukoplasmie tritt auch dann ein, wenn die Leber innerhalb kurzer Zeit ohne jede Regelung sich ihres Glykogenvorrates durch Abbau entledigt. Nun beherrschen auch die Nierenepithelien in gewissen Grenzen die Zuckerausscheidung. Sie können durch Änderung der Zusammensetzung des Blutes für Traubenzucker weniger oder mehr durchlässig werden. Von einer gewissen Grenze ab lassen die Nierenzellen auf alle Fälle solchen durch. Eine wirkliche Hyperglukoplasmie wird wohl im allgemeinen immer eine Glukosurie im (befolge haben. Wir haben aber auch erfahren, daß die Möglichkeit besteht, daß die Niere bei normalem Zuckergehalt, ja sogar bei vermindertem für Glukose durchlässig werden kann. ') H. J. Hamburger und R. lirinkinan: Biochem. Zeitschr. 94. 131 (1919). Kohlehydrate. 167 Bei jeder Glukosurie werden wir genau zu studieren haben, wo die Ursache zu suchen ist. Sie selbst ist ja immer nur eine Folgeerscheinung. Treffen wir auf eine Hyperglukoplasmie, dann interessiert es uns zu erfahren, wie diese zustande gekommen ist. Ist sie enteral (aUmentär) oder he- pathogen bedingt? Im letzteren Falle ist zu prüfen, aus welchem Grunde die Leber versagt. Ist der Glykogenaufbau oder sein i\,bbau oder beides zugleich gestört? Hat sich die Durchlässigkeit der Zellgrenzschichten der Leberzellen für Glukose verändert? Liegt die Ursache primär in der Leber oder hat eine Beeinflussung von außen stattgefunden (Zuckerzentrum, Fortfall des Einflusses eines Organes mit Inkretbildung: Schilddrüse, Hypo- physe, Nebenniere. Milz usw\)? Diese wenigen Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, wie zahlreiche Fragen jeder Fall von Glukosurie uns auf- gibt. Sie vermehren sich noch, wenn wir im folgenden weiter in das Problem des Kohlehydratstoffwechsels vordringen werden. Vorlesung VIII. Kohlehydrate. VII. Die Beziehungen der Panl krch\\ . 169. 479 (1902). — Zuelzer, Dorn und Marxer: Deutsche med. Wochenschr. Nr. 32. 1908. — 0. Loewi: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 58. 83 (1908). — V. Falta und J. G. Priestley : Berliner klin. Wochenschr. Nr. 47 (1911). *) F. M. Allen und J/ar?/ B. Wishart: The Journ. of biol. ehem. 13. 615 (1920). — F. M. Allen: Americ. .Journ. o"f the med. Sciences. 160. 781 (1920). 1^2 VIII. Vorlesung. waren. Zuerst dachte man daran, daß vorhandene Glykogenvorräte das Mehr an Zucker im Harn bedingten. Schließlich müßte jedoch dieser Zuschuß aufhören! Je genauer man die verabreichte Nahrung auf Kohle- hydrate untersuchte, und je sorgfältiger die Zusammensetzung des Harnes studiert wurde, um so zwingender wurden die Beweise, daß der pankreas- lose Hund mehr Traubenzucker im Harn ausscheidet als er Kohlehydrate einnimmt und besitzt, i) Somit war bewiesen, daß der tierische Organismus Traubenzucker aus Nichtkohlehydraten bildet. Die einen Forscher glaubten, daß eine Umwandlung von Fett in Kohlehydrate vorliege, während andere die Eiweißkörper Ijzw. ihre Bausteine, die Aminosäuren, als Quelle für Glukose bezeichneten. Die letztere Annatime ist über jeden Zweifel sicher festgestellt, während eine Zuckerbildung aus Fett zwar durchaus nicht ausgeschlossen ist, jedoch bisher nicht eindeutig bewiesen werden konnte. 2) Somit hat die der Entfernung der Pankreasdrüse folgende Glukosurie zu der weittragenden Erkenntnis geführt, daß der tierische Organismus Kohlehydrate aus bestimmten Aminosäuren bilden kann. Wir kommen auf diese Tatsache noch zurück. Handelt es sich bei dieser Bildung von Glukose um einen Vorgang, der etwas Abnormes, eben durch das Fehlen der Pankreasdrüse Bedingtes darstellt, oder kommt vielmehr eine Quelle für Zucker zum Vorschein, die auch sonst — nur vielleicht in geringerem Umfange — fließt, jedoch der direkten Beobachtung entgeht, weil der ge- bildete Traubenzucker normalerweise sofort weiter verwertet wird? Es wäre sehr gesucht, wollte man annehmen, daß die Zellen des tierischen Organismus, nachdem sie durch die Fortnahme der Pankreas- drüse schwer geschädigt sind, auf einmal zu dem unzweifelhaft sehr komplizierten Vorgang der UmAvandlung von Nichtzuckern in Kohlehydrate greifen, ohne auch sonst den gleichen Weg einzuschlagen. Eine ganze Kette von Vorgängen ist notwendig, bis Aminosäuren in Zucker verwandelt sind. Wie sollte ein so komplizierter Vorgang plötzlich ohne jede Vor- bereitung von den Zellen bewältigt werden, wenn sie wirklich etwas ganz Neuartiges zu leisten hätten! Es ist vielmehr als sicher festgestellt anzunehmen, daß Ftets aus bestimmten Aminosäuren in einem dem Bedarf angepaßten Umfange Glukose entsteht. Nachdem wir wissen, daß beim Abbau von Eiweißbausteinen und von Glukose gemeinsame Abbau- stufen entstehen (vergl. S. 137) und uns ferner bekannt ist, daß umkehr- bare Vorgänge vorliegen, erscheint uns die Bildung von Zucker aus be- stimmten Aminosäuren nicht mehr auffallend. Es fließen der Stoff- wechsel mancher EiweiÜbausteine und derjenige der Glukose und sicherlich auch derjenige der Bausteine der Fette zusammen. Kehren wir nunmehr zu der grundlegenden Frage nach der Ursache der Hyperglukoplasmie- nach vollständiger Entfernung der Pankreasdrüse zurück. Wir haben festgestellt, daß nicht nur Kohlehydrate als Quelle für den Traubenzuckergehalt des Blutplasmas in Frage kommen, die mit der M Vgl. u. a. //. Lüthje: Deutsches Arch. f. kliu. Med. 79. 498 (1904); rfiiU/ers Archiv. 106. 160 (1904). — /.. Mohr: Zeitschr. f. klin. Med. 52. 337 (1904). — Eduard J'/lüf/er und Peter Junkersdorf : I'ßü(/erü Archiv. 131, 201 (1910). ') Vgl. Vorlesung X, XI und XV. — Vgl. auch August Krogh und Johannes Lindhard (Göran lAljestrand und Knud Gad): Biochem. .lourn. 14. 290 (1920). Kohlehydrate, 173 Nahrung aufgenommen werden oder bereits in den Geweben vorhanden sind, viehnehr werden beständig Zuckermoleküle aus anderen Verbin- dungen und insbesondere aus bestimmten Aminosäuren gebildet. Von diesen Gesichtspunkten aus wird eine Hyperglukoplasmie verständlich, wenn man annimmt, daß die Leberzellen den Überschuß an Glukose nicht dem Blut- plasma entziehen. Bevor man die Wechselbeziehung zwischen der Pankreasdrüse und der Leber im Hinblick auf den Glykogenaufbau erkannt hatte, suchte man die Störung des Zuckerstoffwechsels in der Hauptsache in demjenigen der Muskelzelle. Man vermutete, daß diese die Fähigkeit eingebüßt habe, das Zuckermolekül zu zerlegen. Es sollte die Pankreasdrüse einen Stoff liefern, der in irgend einer Weise den Abbau des Zuckers im Muskel leitet. In der Tat sind Versuche mitgeteilt worden, aus denen hervorzu- gehen schien, daß die Muskulatur von pankreaslosen Tieren nicht im- stande ist, Glukose abzubauen^), jedoch ist diesen Ergebnissen wider- sprochen worden.2) Aus neueren Versuchen geht hervor, daß auch im pankreaslosen Organismus Glukose zum Abbau kommt und vor allem auch die Muskelzellen sich aus ihr Energie erschließen können. Es ist von größter Tragweite, eindeutig zu entscheiden, ob Muskelzellen pankreasloser Tiere Glukose abbauen und verwerten können oder nicht, denn im letz- teren Falle wäre klar erwiesen, daß die erwähnten Zellen nicht ausschließ- lich auf Glukose als Energiematerial angewiesen sind, denn das pankreas- lose Tier kann Muskelarbeit leisten. Wir möchten auf Grund der vorlie- genden Arbeiten und an Hand eigener Erfahrungen der Ansicht zuneigen, daß die Annahme die zutreffende ist, wonach die Muskulatur des pankreas- losen Organismus Zucker zerlegen kann. Unentschieden bleibt, ob dei" ganze Vorgang glatt verläuft und qualitativ und quantitativ restlos unge- stört ist. Hier müssen weitere Versuche Klarheit bringen. Es spricht manches dafür, daß die Störung des Kohlehydratstoffwechsels nach voll- ständiger Entfernung der Pankreasdrüse mit der Einschi'änkung bzw. Auf- hebung der Glykogensynthese in der Leber nicht erschöpft ist. Wir müssen noch der Möglichkeit gedenken, daß die Pankreasdrüse nicht direkt auf die Leberzellen einwirkt und ihren Glykogenaufbau durch Abgabe bestimmter Stoffe regelt. Es könnte sein, daß sie in Beziehung zu anderen Organen, wie zur Schilddrüse, Hypophyse usw. steht und über diese Einfluß auf die erwähnten Zellen gewinnt. Von diesem Gesichtspunkte aus wäre es verständhch, weshalb es bis jetzt nicht in einwandfreier Weise gelungen ist, die nach erfolgter vollständiger Entfernung der Pankreas- drüse auftretende tiefgreifende Störung des Kohlehydratstoffwechsels durch Verfüttorung von Pankreasgewebe bzw. Einspritzung von Auszügen aus solchem wirksam zu beinflussen. Bevor in dieser liichtung nicht erfolgreiche ■') E. H. Starling und ('. Lovatt Evans: Jouru. of Physiol. 49. B7 (1914). — E. Verzdr und A. v. Feje'r: Biochem. Zeitschr. 53. 140(1913). — F. Verzdr: Ebenda. 66. 75 (1914).— <). Borges und IL Salomon: Ebenda. 27. 143 (1910). — Vgl. auch (). For- ges: Ebenda. 27. 131 (1910). — E. Eorschbach r.ud H. Schc'ifer: Archiv f. experim. Path. u. Parmak. 82. 344 (1918). — 0. Loewi: Therapeutische Monatshefte. 32. 350 (1918). — H. K. Moorhouse, S. W. Patterson und M. Stei^henson: Biochem. J. 9. 171 (1915). ^) Vgl. Ernst J. Lesser: Biochem. Zeitschr. 103. 1 (1920). -Jakob K. Parnas: Ebenda. 116. 89 (1921). — Fr. M. Allen und Mary B. Wishart: The Americ. J. of med. Sciences. 161. 165 (1921). 174 VIII. Vorlesung. Versuche vorliegen, bleibt die Annahme, daß die Pankreasdrüse als solche Stoffe erzeugt, die irgendwie in den Kohlehydratstoffwechsel eingreifen, un- bewiesen. Viel w^ahrscheinUcher erscheint einstweilen, daß mehrere Organe in der erwähnten Pachtung zusammenarbeiten. Eines davon ist die Pankreas- drüse. Es fragt sich nun, mit welchen w^eiteren Organen sie gemeinsam den Kohlehydratstoffwechsel beherrscht, und welcher Art diese Bezie- hungen sind. Schließhch könnte man auch daran denken, daß die Pankreas- drüse mit den Nebennieren zusammen arbeitet und diese in der Abgabe jener Stoffe beeinflußt, die den Glykogenabbau in Gang bringen, i) Vielleicht fällt mit dem Ausfall der Pankreasdrüse eine Hemmung fort, so daß die Leberzellen nur auf Glykogenabbau und nicht auch auf Glykogenaufbau eingestellt sind. Bei allen diesen Einflüssen kann es sich um solche physikalisch-chemischer Art handeln. Durch ganz geringfügige Verschie- bungen in der Zusammensetzung von Zeilinhaltsstoffen oder auch nur solchen der Zellgrenzschichten können für die Funktionen der Zellen hochbedeutsame Zustandsänderungen bestimmter Zellbestandteile eintreten, die für den Verlauf bestimmter Zellfunktionen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Erwähnt sei noch, daß man die bisher negativen Ergebnisse der Versuche, die Pankreasdrüse durch aus ihr gewonnene Stoffe zu ersetzen, auch auf eine hohe Empfindlichkeit der wirksamen Produkte zurückführen kann, doch fehlen bestimmte Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Es ist auch denkbar, daß bessere Fiesultate zu ge- winnen w^ären, wenn man unmittelbar nach der erfolgten Entfernung der Pankreasdrüse mit Ersatzversuchen einsetzen würde. Man muß damit rechnen, daß die einmal vorhandene Störung Zustände schafft, die nur schwer oder überhaupt nicht mehr überwindbar sind. Hatten auch, wie eben erwähnt, Versuche, die entfernte Pankreasdrüse durch Verfütterung von Gewebe dieses Organes oder auch von Auszügen aus ihm zu ersetzen, keinen eindeutigen Erfolg, so besteht, und das möchten wir besonders hervorheben, doch kaum ein Zweifel darüber, daß die Pankreas- drüse mittelst Inkretstoffen direkt oder indirekt auf den Kohlehydratstoff- wechsel einwirkt. Es seien einige Belege für diese Annahme angeführt^): Zunächst sei an die auf S. 169 erwähnten Versuche erinnert, wonach ein kleines Stück der Pankreasdrüse genügt, um ihren Einfluß auf den Kohle- hydratstoffwechsel aufrecht zu erhalten. Es lassen sich ferner zwei Tiere so vereinigen, daß das Blut des einen Organismus auch im Körper des anderen kreist. 3) Man nennt eine solche Vereinigung zweier Tiere Parabiose. Forschhach*) vereinigte zwei junge Hunde. Dem einen Tiere wurde dann 1) E. Heyon: Arch. internat. de physiol. 18. 213 (1921). 2) J. li. Murlin und ./. E. Sweet (The J. of biol. Cheni. 28. 1 [1916]) sind der Ansicht, daß der Umstand, daß bei der Entfernung der Pankreasdrüse die in das Duo- denum übertretende Salzsäure des Mageninhaltes infolge des Fehlens des Pankreassaftes nicht ausreichend durch Alkali neutralisiert werden kann, viel dazu beiträgt, daß der Kohleh} dratstoflWechsel gestört wird. Dieser Annahme widersprechen viele Beob- achtungen, es sei z. B. an die Tatsache erinnert, daß ein kleines Stück der Pankreas- drüse genügt, nun eine Hyperglukoplasmie und damit eine Glukosurie zu verhindern. ') F. Sauerbrnch und 3f. Ileijde: Münchener med. Wochcnschr. Nr. 4. 908. — E. Hedon: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 60. 131 (1909). *) J Forschbach : Deutsche med. Wochenschr. Nr. 21. 1908; Archiv, internat. de physiol. 13. 4 (1913). Kohlehydrate. I75 die Pankreasdrüse entfernt. Es trat bei diesem keine Glukosurie auf. Einem einzelnen Kontrolltier war gleichzeitig die Pankreasdrüse weg- genommen worden. Dieses litt an ausgesprochener Glukosurie. Der Ausfall dieses Versuches macht es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Pankreasdrüse an das Blut Stoffe abgibt, die den Kohlehydratstoffwechsel direkt oder indirekt beeinflussen. Nur so kann man erklären, weshalb das Tier ohne Pankreas frei von Glukosurie blieb. Es wurden ihm unzweifel- haft vom gesunden und mit ihm vereinigten Tiere die von dessen Pankreas- drüse sezernierten Stoffe zugeführt. Zu dem gleichen Ptesultate führten Bluttransfusionsversuche. So beobachtete Hedon^), daß die Glukosurie rasch verloren ging, als er einem pankreaslosen Hunde Blutserum, das aus venösem Blut der Bauchspeicheldrüse eines gesunden Hundes stammte, in eine Vena mesaraica einführte. Einen der Parabiose ganz entsprechenden Zustand stellt jedes schwangere Tier dar. Carlson und Drennan-} legten sich die wichtige Frage vor, ob die Pankreasdrüsen der im Uterus befindlichen, beinahe ausgewachsenen Föten für die entsprechende Drüse des mütter- lichen Organismus eintreten können. Sie exstirpierten hochträchtigen Hündinnen die Pankreasdrüse. Es trat entweder keine oder doch nur eine geringfügige Glukosurie auf. In dem Augenblicke, in dem bei der Geburt das letzte Junge und damit die letzte Pankreasdrüse den mütter- lichen Organismus verlassen hatte, stellten sich Hyperglukoplasmie und Glukosurie ein! Diese Beobachtungen beweisen, daß von den Pankreas- drüsen der Föten durch den Plazentarkreislauf Stoffe auf das Muttertier übergegangen waren, die den Kohlehydratstoffwechsel auch im mütter- lichen Organismus trotz Fehlens seiner Pankreasdrüse in normalen Bahnen zum Ablauf brachten. Mit der Entfernung der Föten fiel dieses Inkret fort und die Störung des Kohlehydratstoffwechsels war da! Auch der folgende Versuch spricht im Sinne einer innersekretori- schen Tätigkeit der Pankreasdrüse. BiedP) unterband bei einem Hunde den Ductus thoracicus, oder er leitete die in diesem be- findliche Lymphe nach außen ab und beobachtete, daß trotz Erhaltenseins einer funktionsfähigen Pankreasdrüse eine an- dauernde Glukosurie auftrat.^ Der Ausfall dieser Versuche weist darauf hin, daß die Pankreasdrüse jene Stoffe, die in den Kohlehydratstoff- wechsel eingreifen, nicht direkt der Blutbahn übergibt. Sie werden vielmehr zunächst dem Ductus thoracicus zugeführt. Sie gelangen dann in diesem mit dem Chylus in den großen Kreislauf. Durch die Unterbindung des Ductus thoracicus bzw. durch die Ableitung der Ductuslymphe wird die Verbindung zwischen der Pankreasdrüse und den übrigen Organen des 1) Hedon: Compt. rend. de la soc. biol. 71. 124 (1911). ^) Ä. J. Carlson und F. M. Drennan: Americ. Journ. of Physiol. 28. 391 (1911). — Vgl. auch F. M. Drennan: Ebenda. 28. 396 (1911). — A. J. Carlson und //. Ginsburg: Ebenda. 36. 217 (1914). — Vgl. hierzu Fr. M. Allen: The American J. of Physiol. 54. 451 (1921). Dieser Autor konnte die erwähnten Versuche nicht bestätigen. Es muß abgewartet werden, worauf der Widerspruch zurückzuführen ist. ») Arfur Biedl: Zentralbl. f. Physiol. 12. (i24 (1899). — Vgl. ferner A. Biedl und Jh.. R. Offer: Wiener klin. Wochcuschr. Nr. 49. Iö3ü (1907). — Es wäre sehr erwünscht, wenn dieser wiclitige Versuch wiederholt würde' *) Wie schon mehrfach betont, erhalten alle derartigen Versuche erst die volle Beweiskraft, wenn neben der Zuckerausscheidung im Harn auch der Zuckergehalt des Blutplasmas ausreichend kontrolliert wird. '• 1 7(5 \lll. Vorlesung. Organismus unterbrochen. Infolgedessen bildet sich der gleiche Zustand heraus, wie wenn die Pankreasdrüse entfernt wäre. Ganz von selbst stoßen wir nun noch auf das folgende Problem. Wir haben bis jetzt eine Doppelfunktion der Pankreasdrüse kennen gelernt. Sie bildet und sezerniert den V'erdauungssaft. Seine hohe Bedeutung für die Kohlehvdratverdauung haben wir bereits besprochen. Ferner gibt sie an das Blut — direkt oder indirekt auf dem Wege der Lymphbahnen — In- kretstoffe ab. Werden nun Sekret- und Inkretstoffe von den gleichen Zellarten gebildet oder enthält die Pankreasdrüse zwei grundsätzlich verschiedene ZellartenV Die mikroskopische Betrachtung der Pankreasdrüse zeigt, daß in der Tat zwei verschiedene Zellformen in ihr vorhanden sind.^) Die einen stehen in Zusammenhang mit Ausführungsgängen und sind ohne Zweifel als die Bildungsstätten der Sekretstoffe anzusprechen. Die anderen sind in Gruppen angeordnet und entbehren dieser Beziehung zu Ausführungskanälen. Es ist auch heute noch nicht über jeden Zweifel festgestellt, ob man berechtigt ist, anzu- nehmen, daß die nach ihrem Entdecker 2) und ihrer Anordnung als Lan- gerhanssche Inseln bezeichneten Zellarten allein für die Bildung von Inkretstoffen in Frage kommen. Nach der einen Ansicht stellen die in den Langerhans&chen Inseln vereinten Zellen Jugendformen von später Pankreas- saft liefernden Drüsenzellen dar. Nach dieser Anschauung käme für die Beeinflussung des Kohlehydratstoffwechsels das gesamte Drüsenparenchym einheitlich in Frage^), d. h. eine Scheidung in Sekret- und Inkretzellen wäre nicht vorhanden. Nach der anderen Anschauung hätte man zwischen zwei Zellarten mit getrennten Funktionen zu unterscheiden. Es ist zurzeit nicht möglich, zu der einen oder anderen Ansicht endgültig Stellung zu nehmen. Mir scheint, daß diejenigen Forscher, die für die Sekret- und Inkretbildung gesonderte Zellarten fordern, zu sehr in der Meinung be- fangen sind, als würde die einzelne Zelle eine biologische Einheit dar- stellen. Je mehr wir in den physikalisch-chemischen Bau der Zellen Ein- blick erhalten, um so mehr erkennen wir, daß diese in vieler Beziehung eine Vielheit darstellen. Es handelt sich beim Zellinhalt nicht um eine homogene Lösung, in der bestimmte Reaktionen sich einheitlich im ganzen Zellinhalt vollziehen, vielmehr können wir die Zellen als einen Komplex von zahlreichen Einzelteilchen — im gewissem Sinne kann man an Einzel- räume denken — auffassen, die alle Orte besonderer Vorgänge und Funk- tionen darstellen. Die Zelle ist nicht die letzte biologische Einheit, vielmehr umf^aßt sie viele solche! Von diesen Gesichtspunkten aus bereitet es keine Schwierigkeiten, anzunehmen, daß ein und dieselbe Zeilart die Bestandteile des Pankreassaftes bereitet und zugleich Inkretstoffe *) V. Hunsemann : Veihandl. d. Deutschen Pathol. Gesellsch. 187 (1901); Berliner Idin. Wochenschr. Nr. 20 (1912). — A. Weichselbaum : Sitzungsb. d. Akad. d. Wissensch. "NVien. 119. Abt. 111. 73. 1910. — K. A. Heihery: Ergebnisse der Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte. 19. 2. Mälfte. 1909 (1911). — Beitr. z. pathol. Anat. u. allg. Path. 51. 178. (1911). — Joh. Moldenhaiier : Inaug.-Diss. Bern 1909. — Carl)/ Sei/farth: 'Seue Beiträt{e zur Kenntnis der Langerhünsscheu Inseln im menschlichen Pankreas und ihrer Beziehung zum Diabetes melitus. Gustav Fischer, Jena 1920. — Fr. M. Allen: The J. of exper. Med. 31. 3(53 (1920); The J. of metabolic Research. 1. 5, 7ö. 16.'), 93, 221, 2Ö1 (1922). — W. B. Martin: Ebenda. 1. 43 (1922). ^) Langerhans : Beiträge zur mikioskopischeu Anatomie der Bauchspeicheldrüsen. Berlin. Diss. 'l869. ^) Vgl. hierzu besonders Carl;/ Sei/j'arlli: Neue Beiträge 1. c. (Zitat 1. S. 176). Kohlehydrate. 177 liefert, die beim Kohlehydratstofiwechsel in irgend einer Weise mitwirken. Leider sind die Inselzellen so in das übrige Pankreasgewebe verilochten, daß es nicht möglich ist. nur sie zu entfernen.^) Wäre das durchführbar, dann wäre der Beweis leicht zu eibriugen, ob wirklich nur ihnen eine Be- deutung im Kohlehydratstoifwechsel zukommt. Überblicken wir alles, was wir über die Bedeutung der Pan- kreasdrüse für den Kohlehydratstoffwechsel kennen gelernt haben, dann ergeben sich eine ganze Anzahl von Kenntnissen von grundsätzlicher Bedeutung. Wir sind auf ein Organ gestoßen, das eine äußere und eine innere Sekretion hat. In der Leber und der Nebenniere hatten wir bereits Organe vor uns, die Inkrete liefern. Die erstere besitzt auch eine äußere Sekretion, nämlich in der Gallenbildung. Die Beschäftigung mit dem Pankreasdiabetes hat ferner zu der bedeutsamen Feststellung geführt, daß der tierische Organismus aus bestimmten Aminosäuren Glu- kose bilden kann. Im Mittelpunkt dieser ganzen Überführung stehen Verbindungen des Dreikohlenstoffsystems. Wir haben schon S. 137 darauf aufmerksam gemacht, daß die Brenztraubensäure ein solches Zwischenglied darstellt. Ferner haben wir erkannt, daß die Pankreas- drüse direkt oder indirekt Beziehungen zur Leber haben muß. Welcher Art diese sind, konnten wir nicht sicher feststellen, nur steht fest, daß der Glykogenaufbau in den Leberzellen gestört ist. Ferner haben wir hervorgehoben, daß die Synthese von Traubenzucker nicht einge- schränkt, ja sogar vielleicht gesteigert ist. Schließlich sei noch mit allem Nachdrucke betont, daß wir zwar beständig von einer Störung des Kohle- hydratstoffwechsels nach vollständiger Entfernung der Pankreasdrüse ge- sprochen haben, jedoch davon überzeugt sind, daß darüber hinaus der gesamte Stoffwechsel auf das tiefgehendste gestört ist. Es läßt sich keine Stoff- wechselart für sich allein betrachten. Wir sprechen zwar von Kohlehydrat-, Fett-, Eiweiß- bzw. Aminosäurestoffwechsel und halten diese Stoffwechsel- arten auseinander, wir sind uns jedoch dabei bewußt, daß sie alle innig zusammenhängen und ohne Zweifel voneinander und darüber hinaus auch vom Mineralstoffwechsel abhängig sind. Wir gehen zunächst den augenfälligsten Störungen nach, folgen allen Spuren, die sie hinterlassen und stoßen schließlich auf \'erbindungen, die keinen spezifischen Charakter mehr zeigen, denen wir nicht ansehen können, ob sie von Kohlehydraten oder Bausteinen der Fette oder der Proteine herstammen. In diesem Gebiete wurzelt vielleicht auch die wesentlichste Störung im Stoffwechsel nach f^nt- fernung der Pankreasdrüse. Der Organismus erzeugt die Abbaustufen im allgemeinen in Spuren. Sie werden Schlag auf Schlag weiter verwandelt. Ergeben sich Störungen, häuft sich ein Produkt an. dann kann das dt r Anlaß sein, daß der ganze Stoffwechsel in eine bestimmte Richtung ge- drängt wird. Diese (Jedanken sollen nur darauf hinweisen, daß man über einer Einzelerscheinung nie die Betrachtung des Gesamtstoffwechsels und der gesamten Vorgänge im Organismus aus den Augen verlieren soll. Gleichzeitig soll mit allem Nachdrucke betont werden, daß die ganze Frage der Bedeutung der Pankreasdrüse für den Zucker- und den Gesamtstofi- wechsel noch im Flusse ist. *) Bei Selachiern ist eiue solche TreDOung möglich. Vgl. Dietmare und Kuliabko Zentralbl. f. Physiol. 18. 432 (1904). A bder li al den , Physiologische Chemie. I.Teil. 5. Aufl. 12 Vorlesung IX. Kohlehydrate. VIII. Diabetes melitus. Die auf verschiedene Arten experimentell erzeugte Hyperglu- koplasmie mit nachfolgender Glukosurie hat nicht nur deshalb das größte Interesse geweckt, weil die Aussicht bestand, ein lückenloses l'.ild des Ablaufs des Kohlehydratstoffwechsels zu erhalten, sondern vor allem auch, weil wir eine Krankheit kennen, bei der eine Störung des genannten Stoffwechsels vorliegt. Es ist dies der Diabetes melitus, die Zucker- harnruhr. Bei dieser erscheint Traubenzucker im Harn, i) Ferner findet sich wohl regelmäßig eine Hyperglukoplasmie. Schon im Mittelalter war den indischen und arabischen Ärzten bekannt, daß bei der erwähnten Krankheit ein süß schmeckender Stoff im Harn erscheint. Es gelang jedoch erst Chevreul') im Jahre 1815, den Harnzucker in Kristallform zu ge- winnen. Bouchardat^) und Pelifjot*) haben ihn dann einwandfrei als Traubenzucker erkannt.-') Würden wir genau wissen, auf welche Art und Weise der tierische < )rganismus seinen Kohlehydratstoff Wechsel regelt, würden wir alle Organe kennen, die ihn beherrschen und würde uns bekannt sein, wie jedes ein- zelne Organ wirkt, an welcher Stelle des gesamten Zuckerstoffwechsels die einzelnen Gewebe eingreifen, dann würden wir ohne Zweifel imstande sein, den Diabetes melitus therapeutisch wirksam anzugreifen, indem wir die Ursache oder, vielleicht besser ausgedrückt, die voneinander alihän- gigen Ursachen beseitigen könnten. Ja, es wäre denkbar, daß eine wirk- same Prophylaxe eingeleitet werden könnte. Wartet aus diesen Gründen der Pathologe mit größter Ungeduld auf weitere Fortschritte auf dem Gebiete der experimentellen Erforschung des Kohlehydratstoffwechsels, so ist andererseits dem Physiologen ein von der Natur angestelltes Experi- ') Vgl. hierzu J^Jduard von lyippmann : Zur (Joscliiclite (k's diabetischen Ziicker.s. (Iieraiker-Ztjr. 44. 1 (1920). ^) C'herrenl: Bull, de la Societc'^ philomati(iue. 148 (1815); Aunales de Chimie. 4.5 (1815). '*) Bouchardat : Gompt. read, de TAcad. des Sciences. 6. 337 (1838). *) Peligot: Ebenda. 7. 106 (1838). ■') Vgl. weitere historische Daten bei R. Lepine : Le diabete sucre. Felix Alcaii. Paris 1909. Kohlehydrate. 179 ment, wie es der Diabetes melitus darstellt, sehr willkommen. Winkt doch die Aussicht, dal» durch die Erforschung dieser Krankheit und insbesondere ihrer Ursachen Licht über den normalen x\blau| des Kohlehydratstoff- wechsels verbreitet wird. Man darf allerdings, das sei hier gleich mit voller Schärfe hervorgehoben, nicht ohne weiteres die an bestimmten Tieren gemachten Beobachtungen auf den Menschen übertragen und umgekehrt, die beim Diabetes melitus des Menschen erhaltenen Befunde ohne weiteres mit entsprechenden Zuständen bei Tieren in l'arallele stellen. Die Erfahi'ung hat zwar gezeigt, dali der Stoff- wechsel bei allen Tieren von den gleichen (Grundgesetzen beherrscht wird, es finden sich jedoch in den p]inzelheiten, wie ein Stoff verwendet, umge- wandelt und abgebaut wird, zum Teil recht erhebliche Unterschiede. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß ein Karnivore, der auf große Eiweil')- und geringe genuine \) Kohlehydratmengen eingestellt ist, sich anders vei- halten kann, als ein Herbivore und auch als ein Omnivore. Nur unter exak- tester Berücksichtigung aller einzelnen Momente dürfen Beobachtungen, die an verschiedenen Tierf^rten gewonnen sind, vergleichend verwertet werden. Nicht außeracht lassen darf man ferner bei allen e.xperimentell erzeugten Schädigungen des Stoft wechseis oder ganz allgemein von bestimmten Funk- tionen, daß die Natur im allgemeinen die Störungen bestimmter Art all- mählich hervorgehen läßt. Es kann Jahre dauern, bis ein Versagen eines Organes voll in Erscheinung tritt. Unterdessen können alle möglichen Kompensationserscheinungen sich eingestellt haben oder aber, es sind mehr und mehr auch andere Organe in Mitleidenschaft gezogen worden. Bei den experimentell herbeigeführten Ausfallserscheinungen stellen wir den Organismus ganz plötzlich vor ganz neue Verhältnisse. Will man das Band zwischen Pathologie und experimenteller Forschung enger knüpfen, dann muß unser Bestreben darauf gerichtet sein, Methoden zu ersinnen, die es uns ermöglichen, bestimmte Organe allmählich auszuschalten oder noch besser nur bestimmte ihrer Funktionen zum Versagen zu bringen. Trotz gewaltiger Anstrengungen ist es bis heute noch nicht geglückt, die Ursachen des Diabetes melitus restlos zu erkennen. Wir wissen in der Hauptsache nur, daß eine Hyperglukoplasmie vorliegt. Ein ganz wesent- liches Hindernis in der Erforschung des Diabetes melitus bildet ohne Zweifel der Umstand, daß wir nicht in der Lage sind, einwandfrei zu entscheiden, ob dem Symptom der Hyperglukoplasmie und der Glukosurie eine einheitliche Ursache zugrunde liegt. Zwar wissen wir, daß es recht verschiedene Formen von Diabetes melitus gibt. Wir unterscheiden leichte und schwere Formen. Diese sind durch alle Übergänge untereinander verknüpft. L'nter einer leichten Form verstehen wir eine (Glukosurie, die zurückgeht, sobald man die Kohlehydratzufuhr einschränkt. Ja, oft genügt Leistung körperhcher Arbeit, d. h. eine stärkere Inanspruchnahme der Kohlehydrate, um eine bestehende Glukosurie zum Verschwinden zu brin- gen.'-) r>ei den schweren Formen dauert die Zuckerausscheiduiif'' auch dann 't .jOnuin" soll hiev lieißeii. mit der Nahruiii;- ziigefühite Ktiiilehydiate. /iiui Unterschied vou dem Zucker, den sich der Orifanisnms selbst aus bcstimmteu Aniiiio- säureu und vielleicht auch aus Bausteinen der Fette bereitet. ■-') Es sei auch au dieser Stelle darauf hiiigewieseu, daß gewiß mancher Fall von „rasch vorübergehendem" Diabetes unrichtig diagnostiziert und durch (Uukuroii.'^.iiin' vorgetäuscht ist. Vgl. S. .37ff.. vgl. ferner/. 15. I'aid Mni/er : Berliner klin. Wochenschr. 180 I^- Vorlosmiff an. wenn mit der Nahruni^ keine Kohleliydrate verabieiclit werden und sicher auch schon längst die Kohiehydratvorräte verbraucht sind. Wir werden uns hier mit dieser wichtigen Stoffwechselkrankheit niii- insoweit beschäftigen, als wir aus ihr Anhaltspunkte für die Physiologie des Kohlehydratstoffwechsels gewinnen können.') Zunächst wollen wir ver- suchen, an Hand der bisherigen Darlegungen ein Bild über die möghchen Arten der Störung des Kohlehydratstoffwechsels beim Diabetes zu geben. Es sei zunächst an die alimentäre (ilukosurie erinnert.-) Wir haben festgestellt, dal.) bei Zufuhr größerer Mengen von Kohlehydraten diejenigen Zellen, die Glykogen zu speichern vermögen und jene, die Kohlehydrate in Fett überführen, schließlich den Zufluß an (ilukose nicht mehr bewältigen können. Es bleibt eine größere Menge von Traubenzucker im Blute liegen. Die Nieren greifen ein und entfernen den Überschuß da- von. Man kann sich nun wohl vorstellen, daß in manchen Fällen die Leber- zellen auch bei einer Zufuhr von Kohlehydraten, die von gesunden Indi- viduen spielend bewältigt wird, außerstande sind, zu verhindern, daß eine Hyperglukoplasmie entsteht. 3) Vermögen dann die anderen Zellen, die Glykogen zu bilden vermögen, nicht einzugreifen, dann folgt als Ausgleich der Hyper- glukoplasmie eine Glukosurie. Selbstverständlich kann unter Umständen die Leber ganz normal funktionieren, es versagen jedoch die übrigen Zellen, die Glykogen bilden können. Auch bei diesem Zustande muß es zur Hyper- glukoplasmie kommen, wenn die Zufuhr von Kohlehydraten gewisse Gren- zen überschreitet. Man gebraucht in der Pathologie oft den Ausdruck „schwaches" oder ,,geschwächtes' Organ. Wir können mit dieser Bezeichnung ganz gut Unzulänglichkeiten in bestimmten Funktionen in Einklang bringen. Es ist denkbar, daß z. B. die Leberzellen nicht über genügend Fermente verfügen, um den Glykogenaufbau rasch durchzuführen, sei es, daß die Fermentvor- stufe in zu geringer Menge zugegen ist, sei es, daß der Aktivator unzu- reichend wirkt. Es ist aber auch denkbar, daß die Leber- und vielleicht auch andere Zellen den Traubenzucker nicht rasch genug eintreten lassen. Vielleicht ist die Zellwand so beschaffen, daß dem Durchtritt des Trauben- zuckers Schwierigkeiten entgegenstehen. Ist die Zufuhr von Traubenzucker eine geringe oder erfolgt sie zwar in größerem Maßstabe, jedoch über eine längere Zeit verteilt, dann können die Zellen mit derGlykogensynthese Schritt halten. Sie verhindern dadurch das Zustandekommen einer Hypergluko- plasmie. Nur dann, wenn den Zellen auf einmal viel Glukose zugeführt wird, vermögen sie nicht rasch genug mit ihm fertig zu werden. Würde Nr. 27, 28 (18eleitet. Sie sind bis zu einer gewissen Grenze zu schwach, um einen Erfolg zu haben. Erst wenn die „Reizschwelle'' erreicht oder überschritten ist. macht sich das Zuckerzentrum geltend. Bald wird ein Abbau, bald ein Aufbau von Glykogen eingeleitet. Das Zuckerzentrum kann nun unter Umständen sich in einem labileren Zustande befinden. Es genügen Reize, die weit unter der normalen Schwelle liegen, um die Leberzellen zu veranlassen, ihr Glykogen abzu- bauen, ja es ist denkbar, daß das Zuckerzentrum sich dauernd in Er- regung befindet. Die Leberzellen sind dann als Glykogenspeicher mehr oder weniger ausgeschaltet. Diese Art der Hyperglukoplasmie mit nach- folgender Glukosurie würde etwa jenem Zustande an die Seite zu stellen sein, den wir nach erfolgreichem Zuckerstich eintreten sahen. Auch diese Art des Diabetes könnte in Heilung übergehen, sobald das Zuckerzentrum sich wieder auf die Norm einstellen würde. Selbstverständlich könnte die Ursache einer derartigen Hyperglukoplasmie auch an anderen Stellen der Wechselbeziehungen zwischen Zuckerzentrum und Leber sich finden. Man hat sogar an eine allgemeine erhöhte Erregbarkeit des N. sympathicus- gebietes gedacht i) und manche Fälle von Diabetes melitus ganz diesem Nervensystem zur Last gelegt. Die Möglichkeit, dal) tatsächlich vom X. sympathicus aus eine Abartung des Zuckerstoffwechsels bedingt werden könnte, würde um so verständlicher werden, wenn die vorliegenden Angaben, wonach im Zwischenhirn -) und in vielleicht noch höher organisierten Gehirnteilen sich Zentren finden, die den Kohlehydratstoffwechsel be- herrschen, weitere Bestätigungen finden. Eigene Beobachtungen stützen die gemachten Befunde. Schließlich könnte man auch an ein eigentliches Sympathicuszentrum denken, das alle Bahnen des N. sympathicus direkt oder indirekt beherrscht. Das sogenannte Zuckerzentrum in der MeduUa oblongata wäre in diesem Falle entweder ein Zentrum zweiter Ordnung oder aber der Zuckerstich trifft Bahnen, die vom Zentrum erster Ordnung herabsteigen, um ins Rückenmark und von da durch die vorderen Wurzeln zu den sympathischen Ganglien bew. zum Grenzstrang zu ge- langen. Die Störung einer einzigen Stelle, nämlich des Zentrums erster Ordnung, würde dann die mannigfaltigen Folgen erklären. Diese Möglichkeit fordert zu weiteren Studien über die zentralen Sympathicusbahnen auf. Da das Zuckerzentrum Beziehungen zur Nebenniere hat, so besteht auch die Möglichkeit, daß von ihr Störungen des Zuckerstoffwechsels aus- gehen können, und man von einem adrenalen Typus des Diabetes melitus sprechen kann. Alle in der Vorlesung \'H erörterten Beziehungen zwischen Zuckerzentrum, Nebennieren und Leber kommen hier in 15etiacht. P)ei der Besprechung der Zuckerstichglukosurie gedachten wir auch des lünflusses von intravenös zugeführter Kochsalzlösung. AVir lernten eine Form von Glukosurie kennen, bei der die vermehrte Durchlässigkeit der Niereneitit hellen für Glukose eine Rolle spielte. I>esonders klar liegen die V'erhältnisse bei den Seite 164 angeführten Beobachtungen, wonach es möglich ist, die Dichtigkeit der Glomerulusepithelien für(ilukose innerhall) gewisser Grenzen nach Belieben zu erhöhen oder zu erniedrigen *) Claude Bernard schrieb dem Nervensystem schon eine große Rolle beim Diabetes melitus zu. Vgl. auch W. Falta : Zeitschr. f. Icliii, M(m1. m. Vi. h^^ (HM)8). -) H. Aschner: I'ßiuier^ Archiv. 146. 114 (1121 ^Kohlehydrate. lyß Es ist wohl möglich, daß es Fälle von Diabetes gibt, bei denen gar keine Hype iglukoplasmie vorliegt, sondern die Zuckerverluste nur dadurch bedingt sind, daß die Durchlässigkeit der Nieren für Zucker verändert ist. In der Tat sind solche Fälle von Diabetes beobachtet worden. Man spricht von einer renalen Form des Diabetes.') Wir kennen weiterhin Formen von Diabetes melitus, die so viele gemeinsame Züge mit jener Art von Hyperglukoplasmie mit nachfolgender Glukosurie aufweisen, die nach vollständiger Entfernung der Pan- kreasdrüse auftritt, daß man mit Recht vermutet, daß vor allem beiden schweren Arten von Zuckerharnruhr die genannte Drüse so verändert ist, daß sie ihre Rolle im Zuckerhaushalte des Organismus gar nicht oder doch nur unvollkommen erfüllen kann. In der Tat konnte man in manchen Fällen von Diabetes melitus anatomische Veränderungen in der Pankreas- drüse nachweisen -), aber selbst, wenn der pathologische Anatom keine Xer- änderungen findet, ist es denkbar, daß trotzdem funktionelle Störungen vorhanden sind. Der Anatom sieht nur gröbere, morphologische Verände- rungen. Er vermag zurzeit, Feinheiten in der Änderung der Struktur der Zellen nicht festzustellen. Das, was der pathologische Anatom beobachtet, ist sehr oft nur das Ende eines langwierigen Vorganges, der von feinsten Anfängen an fortschreitend, allmählich zu schweren, direkt sichtbaren Zellveränderungen geführt hat. Niemals darf man jedoch erwarten, daß bei jedem Diabetes melitus die Pankreasdrüse beteiligt sein muß. Gewiß ist eine der wesentlichsten Ursachen der Tatsache, daß trotz großer Anstrengungen die Erforschung des Diabetes melitus wenig tief in das "Wesen und die Ursachen dieser Stoffwechselstörung eingedrungen ist, darin begründet, daß man dieses ohne Zweifel recht mannigfaltige und nur durch das gleichartige Symptom der Glukosurie zusammengehaltene Krankheitsbild immer wieder von einem einzigen Gesichtspunkt aus zu be- trachten bestrebt ist. Es gibt keinen einheitlichen Diabetes melitus! Aus diesem Grunde kann keine Therapie auf alle Fälle passen. Unser Bestreben muß darauf gerichtet sein, das. was unter dem Namen Diabetes melitus zusammengefaßt worden ist, in Gruppen mit gemeinsamer Ursache und entsprechendem Verlauf zu trennen. Leider verfügen wir immer noch nicht über genügend exakte Untersuchungen über den Zuckerhaushalt der Diabetiker, ja es fehlt sogar fast ganz an Feststellungen über das ^'er- halten des Blutzuckers, Zumeist ist nur das Reduktionsvermögen des enteiweißten Blutes bestimmt worden. Es wäre von größtem Interesse, zu erfahren, ob es wirkUch in allen Fällen Glukose entspricht. 3) Gründliche Forschungen auf diesem Gebiete würden sicherlich unsere Kenntnisse über das Wesen der verschiedenen Diabetesformen wesentlich föidtrn. Sie haben bereits zur Auffindung von Azetaldehyd im Blutplasma geführt.-') Vielleicht wird man auch auf Formen treffen, bei denen andere Organe, z. B. die Schilddrüse, die Nebennieren, die Hypophyse usw. primär beteiligt sind. ^) Vgl. hierzu u. a. Leo FoUak : Aich. f. cxperim. l'ath. ii. Phaimak. (i4. 415 (1911). — W. Weiland: Arch. f. kliu. Med. 102. I(i9 (1911). — John R. Mnriin uud Walter L. Xiles: The Americau J. of the medical Sciences 153. 79 (1917). -) Vgl. hierzu die Literatur S. 176. •') Vgl. u. a. W. Stepp: Z. f. phjsiol. Chemie. 97. 213 (191(i). *) Vgl. Literatur S. 135. 134 ^^- Vorlesnnff. Es ist verstandlich, dali die Erforsciiun} Es tauchen selbstverständlich auch hier wieder genau die gleichen Fragen auf. wie wir sie zur Erklärung der Ausfallserscheinungen beim experimentellen Panki-easdiabetes erörtert haben. Von welcher Stelle geht die Störung aus? Ist die Pankreasdrüse primär beteiligt, oder versagt sie, weil ein ') Vgl. S. 17.S. *) Vgl. u. a. Elliot P. Joslin: Arch. of iutprnal. Med. 16. ()0:3 (191."! ). =*) Vgl. auch R. T. Woodyatf: J. of hiolog. ehem. 14. 441 (I91.S). ■*) Wir kommen auf diesen Quotienten noch eingehend zurück. Vgl. auch S. 120. *) Vgl. u. a. S. Bernsfnn und W. Falla: Dfnitsches; .\rchiv f. klin. Medizin. 127, 1 (1918). — Hier findet sich weitere Literatur. Kohlehydrate. \ ^5 anderes Organ ihr die für Itestimmte Funlctionen notwendigen Inkretstoffe nicht Uefert V Haben wir auch beim Diabetes meUtus eine Störung der ( dykogen- bildung und -aut'bewahrung in der Leber vor uns? f'ür diese Annahme sprechen manche Beobachtungen. Eine Zeitlang huldigte man der Vorstellung, daß beim Diabetiker das Oxydationsvermögen ganz allgemein gestört sei. Seitdem wir wissen, daß der Zuckerabbau zunächst ohne jede Sauerstoff- zufuhr durch Spaltungsvorgänge erfolgt, kommt einer solchen Annahme zum vornherein wenig Bedeutung zu. Es haben aber auch direkte Ver- suche ergeben, daß der Diabetiker kein allgemein herabgesetztes Oxydations- vermögen aufweist.^) Allerdings läßt sich zeigen, daß in schweren Fällen von Diabetis mehtus die Atmung der roten Blutkörperchen und vielleicht auch von anderen Zellarten stark herabgesetzt ist. 2) Sie läßt sich durch Zugabe von aus Hefe und Kleie gewonnenen Stoffen anfachen. Diese noch vereinzelte Beobachtung führt zu der \'ermutung, daß es Fälle von Diabetes melitus gibt, bei denen vielleicht infolge der zur Bekämpfung derHypergluko- plasniie und anderer Erscheinungen eingeleiteten einseitigen Ernährung sich ein Zustand hinzugesellt, wie wir ihn experimentell bei Tieren hervorrufen können, w^enn wir sie mit künstlich zusammengesetzten Nahrungsstoffgeini- schen oder einseitig mit bestimmten Nahrungsmitteln, wie geschliffenem Keis, ernähren. Auch hierbei leiden die Oxydationen in den Zellen. Wir kommen später auf dieses Gebiet noch eingehend zurück. Es sei an dieser Stelle nur auf diesen Zusammenhang hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß manche therapeutische Maßnahme beim Diabetes melitus vielleicht haupt- sächlich in dem Sinne wirkt, daß sie die einseitige Ernährung durchbricht und dem Organismus jene Stoffe zuführt, die zur Durchführung der Oxydationen in den Zellen notwendig sind. Wir haben schon auf S. 120 ff. darauf auf- merksam gemacht, wie verwickelt die einzelnen Fermentvorgänge in den Zellen verlaufen, und wie zahlreich die Stoffe sind, die zu ihrer Durch- führung erforderlich sind. Es sei an die Fermentvorstufe, den Aktivator und das Koferment erinnert. Alle diese Produkte genügen für sich auch noch nicht. Es bedarf in feinster Weise eingestellter Bedingungen, damit der einzelne Fermentvorgang zustande kommt. Gewiß lohnt es sich, den Diabetes melitus und vor allem alte und schwere Fälle auch vom Gesichtspunkt der Zufuhr aller zur Durchführung des Stoffwechsels erforderlichen Nahrungsstoffe und vor allem auch der noch unbekannten (vgl. Band H, Vorlesung XXH) zu erforschen . Das Studium der schweren Fälle von Diabetes hat zu einer weiteren wichtigen Feststellung geführt, die im Einklang mit Beobachtungen beim experimentellen Pankreasdiabetes steht. Es konnte nämlich in einwand- freier Weise festge.stellt werden, daß die Zuckeraus Scheidung auch dann anhält, wenn in der Nahrung keine Kohlehydrate zugeführt werden.») Zunächst dachte man an die Zuckervorräte des Organismus, doch zeigten exakt durchgeführte Versuche bald, daß auch bei der Annahme ') Vgl. z. B. O. baunigarten : Archiv f. experiui. Path. 11. Parmak. 2. Ö3(1905). — 0. Schultzen: Berliner klin. Wocheuschr. Nr. 85 (1875). — M. Nenki luul Sieher: Jouru. f. prakt. Chemie. N. F. 26. 35 (1882). - H. Leo: Zeitschr. f. klin. Med. 19. (1890). — W. Weintraud nnd E. Laves: Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. GOS. 629 (1894). *) Emil Abderhalden und E. Werf heimer : Fßiit/eni Archiv. 194. ()47 (1922). — Emil Abderhalden: Klinische Wochenschr. 1. Nr. 22 (1922). ') Vgl. u. a. //. Lüthje: Deutsches Arch. f. klin. Med. 79.498 (1904). — L. Mohr: Zeitschr. f. klin. Med. 52. .337 (1904). — A. (iiqoii und Massini: Deutsches Archiv, t. klin. Med. 96. 107 (1908). 186 IX. Vorlesung. solcher ein großer Teil des ausgeschiedenen Zuckers in seiner Herkunft unerklärt blieb. Man begann ferner die Menge des im Harn zur Ausscheidung ge- langenden, gebundenen Stickstoffs (N) mit der des ausgeschiedenenTrauben- Zuckers (Dextrose — D) zu vergleichen und fand bald Beziehungen zwischen den beiden Größen N und D. Alle Beobachtungen zwangen schließlich zu der Annahme, daß Zucker sich aus Eiweiß bzw. aus Aminosäuren bildet, d.h. man kam zu dem gleichen Schlüsse, den wir bei der Be- sprechung der Frage nach der Herkunft des Harnzuckers bei den der Pankreasdrüse beraubten Tieren gezogen haben. Man hat berechnet, wieviel Zucker einem Gramm Eiweißstickstoff entspricht. G'igon'^) und Landergyen'^ finden, daß auf 1 9 N etwa 6 q Glu- kose kommen. Diese Berechnung- ist nur für den Fall zutreffend, daß ein Abbau von Glukose ausgeschlossen ist. Wird jedoch ein Teil des Traubenzuckers vom Organismus verwertet, dann ist sie nicht anwendbar. Die Widersprüche, die auf diesem Forschungsgebiete hervorgetreten sind, sind ohne Zweifel auf ein Übersehen dieses Umstandes zurückzuführen. Kann nämhch der Diabetiker Kohlehydrate verwerten, dann bringt das ^'er- hältnis von Stickstoff zu Glukose im Harn gar nicht zum Ausdruck, wieviel Zucker aus Aminosäuren hervorgegangen ist, weilder Feststellung eine wechselnde Menge von (ilukose entgeht. Auch hier drängt sich uns die Frage auf, ob die Tatsache, daß beim Diabetes im Harn Zucker erscheint, der von bestimmten Aminosäuren herstammt, eine Eigenart dieser Stoff Wechselstörung darstellt, oder aber, ob infolge des wenigstens teilweisen Versagens des Ginkoseabbaus ein ganz normaler, sonst verborgener Vorgang erkennbar wird. Aus den gleichen schon S. 172 angeführten (Jründen sind wir der Ansicht, daß die Überführung von Aminosäuren in Glukose über stickstofffreie Verbindungen des Dreikohlen- stoffsystems etwas ganz Normales darstellt. Denkbar ist es, daß der ganze Vorgang quantitativ verschoben ist und beim Diabetes mehr Zucker aus Nichtzuckern bereitet wird, als es im allgemeinen unter normalen A er- hältnissen der Fall ist.'^) Für die Umwandlung von Abbaustufeu aus Amino- säuren in Glukose dürfte die folgende Überlegung einen Hinweis geben. Der tierische Organismus kann große Mengen von Kohlehydraten in Form von Glykogen und von Fett speichern. Ebenso kann er zugeführtes Fett, für das er gerade keine Verwendung hat, ablagern. Dagegen vermag er nicht Eiweili oder p]iweißabkömmlinge in größeren Mengen aufzubewahren. Jede Zelle hat eine bestimmte Menge ümsatzeiweiß zur Verfügung. Dar- über hinaus kann sie neben den eigentlichen Zelleiweißstoffen, die am Bau der Zelle Anteil haben, keine Proteine unterbringen. Auch Aminosäuren können nicht in wesentlichen Mengen gespeichert werden. Die llierfiUirimg dieser Verbindungen in stickstofffreie Produkte unter Abspaltung der den Stickstoff tragenden Aminogruppe und die Bildung von Glukose aus diesen Umwandlungsprodukten ermöglicht es dem Organismus, indirekt Eiweiß- 1) A. Gigon: Deutsclies Arcli. f. kliu. Med. 97. 37(5 (1909). ^) Landerffren: Nord. med. Arkiv. Abt. 2. Kr. 10 (1910). '•^) Es ist damit uiclit der erhöhte Aminosi'uireumsatz gemeint, der in den P'ällen notwendig wird, in denen für die Bestreitung des Energiebedarfes nicht genügend andere Quellen zur Verfügung stehen, vielmehr ist daran gedacht \vord(Mi. daß von den Zucker liefernden Aminosäuren ein höherer Prozentsatz als unter ^formalen Verhaltnissen diesem Umbau unterworfen wird. Kohlelivdrate. ] ^7 ahköinmlini^e im Körper zurückzuhalten. Über die gebildete Glukose kann natürlich auch die Fettbildung einsetzen, ^o wird verhindert, daß durch die Zufuhr von Eiweiß und seinen Abbaustufen der Zellstaat aus Mangel an Keservestätten für diese Produkte gezwungen wird, sie vollständig abzuhauen oder unausgenutzt aus dem Körper zu entlassen. Von diesen (Gesichtspunkten aus wird uns verständlich, daß die Bildung von (ilukose aus Nichtzuckern ein den Körperzellen ganz vertrauter A'organg ist und keineswegs einen für den Diabetiker und das pankreaslose Tier beson- deren A'organg darstellen kann. Als Quelle für Zucker sind auch die Fette angesprochen worden. Es ist noch unentschieden, ob das der Fall ist.^) Es liegen noch eine große Reihe von Beobachtungen aller Art an Diabetes- f allen vor. \on größter Bedeutung ist der schon S. 185 erwähnte Befund, wonach im Blut und im Harn des Diabetikers Azetaldehyd und ferner allerdings nur in schweren Fällen und auch dann nur in Spuren Aldol CH^ . CH(OH) . GH., . C\jj nachgewiesen werden konnte.-) Im Harne sind ab und zu neben Glukose auch andere Kohlehydrate aufgefunden worden, z. B. Maltose. Lävulose, Pentosen, doch ist der Beweis, daß jene Zuckerarten wirklich vorlagen, nicht immer ausreichend geführt. Mehr Sicherheit liegt in der Beobachtung, daß Dia- betiker Lävulose verwerten können. 3) Bestätigt sich der Befund ganz allgemein, wonach der Fruchtzucker vom Diabetiker besser verwertet wird als Glukose, dann ergeben sich neue Fragestellungen. Im allgemeinen wird an- genommen, daß die Lävulose bereits im Darmkanal oder aber auf dem Wege der Resorption in Dextrose umgelagert wird. Zur Glykogensynthese kann nur (jlukose als Ausgangsmaterial dienen. Der Umstand, daß nun die Fruktose beim Diabetiker eine Sonderstellung einnehmen soll, eröffnet neue Probleme. Sollte die Lävulose — wir führen sie uns vornehmlich in Form von Rohr- zucker zu — auch unter normalen Verhältnissen einen Stoffwechsel für sich haben V Es ist dies wenig wahrscheinlich. Nun sind die Angaben über die Verwertung der Lävulose bei Diabetes durchaus nicht einheitlich. Bei einer eingehenden Verfolgung dieses scheinbar nicht so wichtigen und in Wirklichkeit doch sehr bedeutsamen Problems stößt man vielleicht auf eine Erklärung der noch unklaren Punkte. Es gelingt vielleicht zu zeigen, was fü)- Typen von Diabetikern Lävulose verwerten können, und welche nicht. Einstweilen können wir die gemachten Beobachtungen nur mitteilen. Wir bemerken auch hier wieder, daß beim Tieferschürfen in den un.s durch die im Kohlehydratstoffwechsel gestörten Organismen offenbar gewor- denen Fi'agestellungen sich immer wieder Punkte ergeben, die uns unbefrie- digt lassen. Es hat sich in der Forschung immer als sehr lohnend heraus- gestellt, solchen Unstimmigkeiten nachzugehen. Sie beweisen immer, daß irgend eine Beobachtung oder auch mehrere unrichtig gedeutet worden sind. Oder aber es liegen Fehler in den P'eststellungen vor. ^) Vgl. u. a. .7. K. Parnas uud //. Wagner: Biochem. Zeitschr. 127. 5.') (1922) — .(. Krof/h und Joh. Lindhard: The Bioclioin. J. 14. 290 (1920). ■^) Vgl. die Literatur S. IBö. ■') E. Külz: Beiträge zur Pathologie uud Therapie dos Diahetes melitus. Mar- burg 1874. S. 130. — Worin Mii/Irr: rjlügerii Archiv. 34. Ö7(; (1884): 36.172 (18SÖ). — Franz llofmeisf er: Arch. f. experim. I'ath. u. Pharm. 25. 240 (1889). —John Jfai/- crafl : Zeitschr. f. plivsiol. Chem. 19. 137 (1894). — 0. Minkoirski: Arch. f. exi>erim. Path. u. Pharm. 31. 108.(1898). — U. Sandnieyer: Zeitschr. t. Biol. 31. 12 (31) (1S94). — Fritz Voif: Zeitschr. f. Biol, 29. 147 (1892). — ('. A. Socin: Diss. Straßbnrg 1894. Igg IX. Vorlesung. Kohlehydrate. Schließlich müssen wir noch kurz \'orstellungeu über das Zustande- kommen der Hyperglukoplasmie und der Glukosurie streiten, die zwar immer noch da und dort auftauchen, in Wirklichkeit aber überholt sind. So dachte man daran, daß normalerweise im Blutplasma Glukose gespalten wird.') Diese (xlukolyse sollte beim Diabetes gehemmt sein. Nun ist erwiesen '-). daß wohl die Blutzellen Fermente besitzen, die Traubenzucker abbauen können, nicht aber das Plasma. Eine Zuckerzerstörung im Blute kommt sicherlich für die ganzen Probleme, die wir erörtert haben nicht in Frage. Die Blutzellen haben ihien eigenen Kohlehydratstoffwechsel, der sich in ihnen selbst vollzieht. Für die Erklärung der Glukosurie wurde hartnäckig die Hypothese verteidigt, daß im normalen Blute der Zucker nicht frei, sondern in Bin- dung zugegen sei. wenigstens sollte der größte Teil davon festgelegt sein.'M Diese Annahme wurde gemacht, um zu erklären, weshalb die Niere nor- maler W'eise keinen Zucker ausscheidet. Beim Diabetes sollte gebundener Zucker frei werden, und es deshalb zu seiner Entfernung aus dem Blute durch die Nierenepithelien kommen. Wir wissen jedoch jetzt genau, daß es im Blute keine in Betracht kommenden Mengen gebundenen Zuckers gibt — nur Glukosamin ist als Baustein von bestimmten Eiweißkörperu festgelegt — , ferner haben die auf S. 164 beschriebenen Versuche klar und deutlich erwiesen, daß die Niere auch freien Zucker nicht durchläßt, sofern die richtigen Bedingungen getroffen sind. Wir waren genötigt, diese un- richtigen Vorstellungen zu streifen, weil sie immer und immer wieder auf- tauchen. Schließlich sei noch die wichtige Frage gestreift, ob beim Diabetiker die Gewebe reicher an Zucker sind als beim normalen Individuum. Gibt es neben der Hyperglukoplasmie eine Überschwemmung der Zellen mit Traubenzucker? Lassen sich von ihr aus manche Störungen, die beim Diabetes auftreten, erklären? Es Hegen in dieser ftichtung noch fast keine eindeutigen Versuche vor. Es scheint jedoch, als wären beim Diabetes die Gewebe nicht zuckerreicher als unter normalen Verhältnissen.*) Es ist von größter Bedeutung, daß dieser Frage weiter nachgegangen wird. ') B. Lepine: Le diabete sucr^. Felix Alcau. Paris 1909. 2) r. Bona uud A. Döblin : Biochem. Zeitschr. 32. 489 (1911). — P. Bona und F. Arnheim: Ebenda. 48. .3.') (1913j. — J. J. Macleod: Journ. of. biol. Chem. 15. 497 (1913). ') Vgl. die Literatur S.143, 144. *) Vgl. Walter \V. l'almcr: .1. of biol. Chem. 30. 79 (1917). Vorlesung X. Kohlehydrate. IX. Bildung der Azetonkörper. Phlorhizinglukosurie. Herkunft der Kohle- hydrate im tierischen Organismus. In schweren Fällen von Diabetes melitus nimmt der Harn häufig einen eigentümlichen, obstartigen Geruch an, der schon den alten Ärzten auf- gefallen ist. Die Ursache dieser Erscheinung ist. wie bereits C. Gerhardt ^) vermutete und später Tollens-) und v. Jaksch^) klar erkannten, die Azet- essigsäure (CH3 . CO) . CH2 . COOH. Neben ihr findet man Azeton CH3 . CO . CH3 und. wie Stadelmann*) und Minkowski'^) zeigten, in vielen Fällen ß-Oxybuttersäure CR, . CH (OH) . CR, . COOH. Alle drei Ver- bindungen stehen, wie ein Blick auf ihre Zusammensetzung lehrt, in direktem Zusammenhang. Die Azetessigsäure entsteht ohne Zweifel durch < )xydation aus der ß-Oxvbuttersäure : CH, CH, [i CH . OH + 0 = CO X CH, CH, + H. 0. C( )0H COOH ß-Oxybutter- Azetessig- säure säure. >) C. Gerhardt: Wiener med. Presse. Nr. 28. 673 (1895). 2) Tollens: LieOigs Annaleii. 209. 30 (1881). 3) B. r. Jaksch: Ber. d. Deutscheu Cliem. Gesellsch. 15. 1496 (1882). — Vgl. auch W. Petters: Prager Vierteljahrschr. 55. 81 il8ö7); Zeitsehr. f. phvsiol. Chemie. 7. 485 (1883). — Ferner M. Ceresole : Ebenda. 15. 1326 (1882). *) E. Sfadelmann: Archiv f. experim. Pathol. u. Pharm. 17. 419 (1883). — Vgl. auch E. Küh: Zeitsehr. f. Biol. 20. 165 (1884). *) 0. Minkowski : Zeutralbl. f. d. med. Wissensch. 242 (1884) und Archiv f. experim. Pathol. u. Pharm. 18. 35 u. 147 (1884). — K. Külz: Ebenda. 18. 291 (1884) und Zeitschi, f. Biol. 20. 165(1884) und' Ebenda. 23.329(1887). — 0. Minkoirski : Archiv f. experim. Pathol. u. Pharm. 31. 183 (1893). — T. Araki: Zeitschrift f. phvsiol. Chemie. 18. 1 (1894). 190 X- Vorlesiiug. Dieser Vorgang ist umkehrbar, denn es kann sich umgekehrt durcli Reduktion aus Azetessigsiiure (i-()\ybuttersäure bilden, ja es scheint, dali der letztere Vorgang sich leichter vollzieht als der erstere. ^l Aus der Azetessigsaure kann man sich leicht durch Abspaltung von Kohlensäure Azeton entstanden denken: (CH3 . CO) . CUo . COOR = CR, . ("() . CH, + CO2. Azetessigsaure. Azeton. Daß in vielen Fällen die ß-Oxybuttersäure im Harn fehlt, wäluiMhi die beiden anderen Verbindungen vorhanden sind, ist nicht auffallend, denn wir können uns wohl vorstellen, daß erstere einmal der Oxydation entgeht, das andere Mal nicht. Die [i-Oxybuttersäure enthält, wie obige Formel zeigt, ein asymmetrisches (*) Kohlenstoffatom. d. h. sie ist optisch aktiv, und zwar kommt sie stets in der linksdrehenden Form zur Aus- scheidung. Es ist vielfach versucht worden, die Herkunft dieser Verbindungen festzustellen und vor allem ihre Bedeutung für den Diabetes selbst zu ergründen. Vor allem ist bemerkenswert, daß das Vorkommen von Azeton im Harn nicht für Diabetes spezifisch ist. Es ist Azetonurie - richtiger ist die Bezeichnung Diazeturie, da meist nur Azetessigsaure vorhanden ist — , meist allerdings in beschränktem Maße, bei vielen fieberhaften Krankheiten beobachtet worden. Azeton und Azetessigsaure hat man auch bei langdauernder Inanition-) (Hunger, Kachexie) aufgefunden. In geringen Mengen wird Azeton besonders bei ausschließlicher Ernährung mit Eiw(Mß und Fett auch von Gesunden beständig ausgeschieden. Es verläßt übrit^cns nicht alles Azeton den Organismus durch die Nieren, ein Teil wird mir der Atemluft abgegeben. Man hat die ganze (iruppe der Verbindungen: Azeton, Azetessigsaure und ß-Oxybuttersäure auch Azetonkörper genannt. Es ist a priori nicht sehr wahrscheinlich, daß die Azetonkörper mir den Kohlehydraten in direktem Zusammenhang stehen und ihr Auftreten etwa anzeigt, daß ihr Abbau gestört ist. Viele Beobachtungen sprechen dafür, daß in schweren Fällen von Diabetes melitus der Abbau von Trauben- zucker stark eingeschränkt ist. Trotzdem treffen wir unter Umständen auf geradezu gewaltige Mengen von Azetonkörpern. So ist z. B. bei einem Knaben die Ausscheidung von ;)4'2 // y-0.\ybuttersäure innerhalb von o Tagen beobachtet worden. =^) Würde der Traubenzucker die Azetonkörper liefern, so wäre die erwälmte Beobachtung unerklärbar. Ferner ist fest- gestellt worden, daß man eine bestehende Diazeturie durch Verabreichung von Kohlehydraten vermindern, ja sogar unterdrücken kann. Verbindungen, die eine bestehende Diazeturie einschränken können, sind „antiketogene" *) 0. Neilbauer: V'erhandl. d. 27. Kongresses f. innere Medizin. 56() (llUi)). — /•/'. Friedinanii und Mause: Münchener med. Wochensclir. Nr. 34 (1910); Biocliem. Zeit- schrift. 27. 474 (1910). — L. Blum: Münchener med. Wochensohr. 57. 1451 (1910). — //. D. Dabin: Journ. Americ. Med. Ass. 54. 1441 (1910): .loiirn. of Biol. Cheni. 8. 97 (1910). — A. J. Wakemann und //. I). Ikikin: Ebenda. 8. lOö (1910). -) r. Jakscli: Über .\zctonuric und Diazeturie. Berlin lS9ö. — Friedrich Miilhr: Berliner klin. Wochenschr. 428 (1887). — Tit. ßriK/sc/i: Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Iher. 1. 42f; (1905). ') Magnus- Lei: ji : Archiv f. experim. l'athol. u. Pharm. 42. 143 (1899) und 45. 389 (1902). — Bei einem anderen Fall schied ein 16.iähriger Diabetiker täglich ca. 100(/ ii-Oxyl)uttersäure -{-Azetessigsaure aus \Ludiriq Czapski: A. f. experim. Path. u. Plianii 77. 218 (1914)]. Kohlehydrate. 191 Körper gcuannt worden. Ferner hat die Erfahrung gelehrt, daß die völlige Weglassung der Kohlehydrate aus der Nahrung der Diabetiker oft direkt Diazeturie zur Folge hat, ja der Arzt ist oft genötigt, die an Kohlehydraten arme und an Eiweiß reiche Nahrung durch eine solche zu ersetzen, die Kohlehydrate in größeren Mengen enthält. Endlich wissen wir, daß jede Beschränkung der Kohlehydrate in der Nahrung zur vermehrten Aus- scheidung von Azetessigsäure führen kann.i) Aus diesen Gründen hat man nach anderen Quellen für die Azetonkörper gesucht. In Betracht kommen die Fette und die Eiweißstoffe. Wir wollen das erhaltene Resultat gleich vorweg nehmen. Es ist festgestllt worden, daß Fettsäuren und ferner Aminosäuren Azetonkörper liefern können. Die Kenntnis der Konfiguration der 1-ß-Oxybuttersäure wäre für die Beurteilung ihrer Herkunft sicherlich von großer Wichtigkeit. Sie läßt sich in l-x-Amino- propionsäure überführen und ferner durch die Synthese mit d-Pr opyl en- gl ykol in Beziehung bringen.-) Was die Fettsäuren anbetrifft, so wissen wir seit den wichtigen Beobachtungen von Knoop'^) und ferner von Emhden^), daß der Abbau der normalen Fettsäuren in ganz charakteristischer Weise erfolgt. Es tritt näinlich in der Regel stets ein Verlust von zwei Kohlenstoffatomen in der Art ein, daß eine Spaltung zwischen dem y- und ß-Kohlen- stoffatom erfolgt. Wir bezeichnen das dem Karboxyl benachbarte Kohlen- stoffatom als das in z-Stellung befindliche. Das darauf folgende hat die ß-Stellung zum Karboxyl inne usw. Wir charakterisieren so jedes Kohlen- stoffatom einer Kette durch Bezeichnung seiner Stellung zum Karboxyl. Durch einen Abbau der genannten Art gelangen wir, wenn wir von normalen Fettsäuren mit einer geraden Anzahl von Kohlenstoffatomeu ausgehen, schließlich zur Buttersäure. Diese kann leicht durch Oxydation am ß-Kohlen- stoffatom in y-Oxybuttersäure übergehen und von ihr aus ist dann der Weg zur Bildung von Azetessigsäure und von Azeton offen. Y CH3 I ßCH.OH 7. CH., sCH^ YCH3 1 r^CH, ßCHa y:CH.3 1 — > a CH, ßCH.3 1 COOH a_CH2 1 COOH apronsäure Buttersäure > I COOH ä-0\vbutter säure. ^) Vgl. z. B. G. Rosenfelcl: Deutsche med. Wochenschr. Nr. 40 ^1885): Zentralbl. f. innere Medizin. 12.33 (1895). — Landergren: Nord. med. Ark. 2. Nr. lO' (1910). - Forfisner: Skand. Arch. f. Physiol. 22. 349' (1909); 23. 505 (191(J). -) Vgl. Emil Abderhalden und Egon Eichwald: Bericht d. Deutschen (Jheni. (lOs. 51. 1312 (1918). *) F. Knoop: Hofmeister?, Beiträge. 6. 1.50 (1905). ■*) Gr. Embden, H. Salamon und F. Schmidt: Hofmeister?, Beiträge. 8. 129(r.>iH;i — G. Embden und .1. Marx: Ebenda. 9. 318 (1908). " 192 X. Vorlesung. Eine Fettsäure mit einer ungeraden Anzahl von Kohlenstoffatonien kann bei der gleichen Art des Abbaus natürlich niemals direkt Buttersäure liefern, weil auch die Abbauprodukte die ungerade Anzahl von Kohlen- stoffatomen beibehalten. Die Annahme, dali die IJuttersäure als Abbaustufe höherer Fettsäuren eine (Quelle der [i-Oxybuttersäuie werden kann, hat durch mancherlei Beobachtungen eine große Sicherheit erlangt. Einmal konnte gezeigt werden, dali die Menge der Azetonkörper nach Eingabe von Buttersäure und von Kapronsäure ansteigt.') Ferner wurde beobachtet, daß nui' jene normalen Fettsäuren zur Vermehrung der Azetonkörper beitragen, die über eine gerade Anzahl von Kohlenstoffatomen verfügen.^) Immer wieder wurden auch die Eiweißkörper bzw. ihre Bausteine als Quelle der Azetonkörper bezeichnet. Es entwickelte sich bald ein lebhaftes Für und Wider diese Anschauung. Vor allem wurde gegen die Annahme einer Be- teiligung der Proteine an der Bildung der Azetonkörper vorgebracht, daß ihre Menge in keinem direkten Verhältnisse zu der im Harn ausge- schiedenen Stickstoffmenge stehe. Wir werden später erfahren, daß die Eiweißstoffe im Gegensatze zu den Kohlehydraten Stickstoff enthalten. Dieser erscheint im Harn in Form bestimmter Verbindungen gebunden. Lange Zeit war man der Ansicht, daß man den Ablauf des Eiweißstoffwechsels ausschließlich durch Bestimmung des im Harne erscheinenden Stickstoffs verfolgen könne. Jetzt wissen wir jedoch, daß nur ein Teil des Kohlenstoffs des Eiweißmoleküls gleichzeitig mit dem Stickstoff im Stoffwechsel sein Ende findet. Nach Abspaltung der den Stickstoff enthaltenden Gruppe bleiben Kohlenstoffketten im Organismus zurück, die noch alle möglichen Funk- tionen übernehmen können. Wir haben ja bereits den Übergang dieser Verbindungen in Zucker kennen gelernt.^) Da diese Kohlenstoffketten in engster Beziehung zu Fettsäuren stehen, ist die Möglichkeit gegeben, daß von ihnen aus auch eine Bildung von Azeton körpern erfolgen kann. Das ganze Problem der Entstehung von Azetonkörpern aus Eiweiß wurde erst in dem Augenblicke einer eindeutigen Beantwortung zugäng- lich, als man es auf die Bausteine der Proteine, nämlich auf die Amino- säuren übertrug. Wir werden später erfahren, wie Aminosäuren in den Körperzellen abgebaut werden. Hier mag, da wir die Struktur der Bau- steine der Eiweißstoffe noch nicht kennen gelernt haben, der Hinweis ge- nügen, daß vor allem Emhdcti*) den Nachweis führen konnte, daß in der Leber aus ganz bestimmten Aminosäuren Azetessigsäure bzw. Azeton gebildet wird, Avährend andere P)austeine des Eiweißmoleküls keine Azetonkörper- bildner sind. So liefert z. B. die a-Amino-isobutylessigsäure Azeton, wenn man sie durch die überlebende Leber hindurch leitet, während die a-Amino-isovaleriansäure unter den gleichen Bedingungen kein Azeton gibt. Ferner geht a-Amino-valeriansäure in [i-Oxybuttersäure s) über; ') Vgl. z. B. L. Schwarz: Deutsches Archiv f. kliu. Mediziu. 76. 233 (1903). — ./. Bär und L. Blum: Archiv f. experim. Pathol. u. Phann. 53. 89 a90fi); 59. 321 (1908); «2. 129 (1910). -) \gl. weitere Literatur bei A. Magnus-Levy: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde. 1. 352 (1908). ^) Vgl- Vorlesung VIII und IX. *) fjr Emhden, 11. Salomon und F. Schmidt: Hofmeistern Beiträge. 8. 129(1906). — G. Emhden und /•'. Kalberluh: Kbenda. 8. 121 (1906). — S. Kertess: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 106. 258 (1919). '") G. Emhden und A. Marx: Hofmeistern, Beiträge. 11. 318 (1908). Kohlehydrate. 193 a-Amino-kapronsaiire und 7.-Ainino-l)uttersäure dagegen liefern diese Säure nicht. Die folgenden Formeln mögen veranschaulichen, wes- halb sich die erwähnten Unterschiede finden : CH3 CH3 CH3CH3 CH3 CH3 CH i — > fiCH i —> CO CH, aCH, j CH . NH, COOH COOH a-Amino-isobutyl- Isovalerian- AzetoD essigsäure (Leuzin) säure CH3 CH3 CH3 CH3 CH aCH i -^ 1 CH . NH, COOH COOH a-Amino-isovaleriansäure Isobuttersäure Kein Azeton (Valinj CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 I I I I I CH, CH, CH . OH CO CO r r I ! i CH2 — >► CH, — >► CH, — >► CH, — >^ CH3 I \ ' \ I CH . NH, COOH COOH COOH I COOH a-Aminovalerian- Butter- [i-Oxybutter- Azetessig- Azeton säure säure säure säure CH3 CH3 CH3 CH3 I ! i I CH, -> CH, CH, CH, r r I ■ I CH . NH, COOH CH2 ß CH2 I ' I -1 COOH CH, — >- y-CH, I I CH . NH, COOH I COOH z-Aminobutter- Propion- -/.-Aminokaproii- Valerian- säure säure säure säure Abderhalden. PhyäiologiBche Chumie. T. Teil, 5. Aufl. J^3 194 X- Vorlesung. Diese Studien über die Herkunft der Azetonkörper haben einen außerordentlich interessanten und wichtigen Einblick in Stoffwechsel- vorgänge bestimmter Zellen ergeben. Überall stoßen wir auf den stufen- weisen Abbau der einzelnen Verbindungen, und an allen Stellen treffen wir auf Abbaustufen, die Beziehungen zu den verschiedensten Gruppen von Stoffen vermitteln. Je weiter ein Produkt zerlegt wird, um so mehr verliert es seinen besonderen Charakter. Ist das komplizierte, zusammengesetzte Molekül in seine Bausteine zerlegt, dann geben diese noch xluskunft über die Art jener zusammengesetzten Verbindung, aus der sie hervorgegangen sind. Nichts verrät jedoch mehr den feineren Bau des Ausgangsmateriales. Werden nun auch noch die Bausteine stufenweise zerlegt, dann gelangen wir zu Abbaustufen, die schließlich vollständig indifferent sind. d. h. die aus den verschiedenartigsten Verbindungen entstanden sein können. Diese Abbaustufen bilden den Ausgangspunkt von Synthesen verschiedenster Art. Namentlich die Verbindungen des Dreikohlenstoff Systems bilden eine wichtige Durchgangsstufe im Ab- und Aufbau der verschiedenartigsten Produkte. Viele Beobachtungen sprechen dafür, daß die Bildung der Azeton- körper auch so erfolgen kann, daß ein weiter abgebautes Produkt durch Synthese z. B. in ß-Oxybuttersäure und über diese in Azetessigsäure über- gehen kann. E. Friedmann^) hat die wichtige Beobachtung gemacht, daß Azetaldehyd beim Durchleiten durch die Leber in Azetessigsäure verwandelt wird. Friedmann stellt sich diese Synthese, wie folgt, vor: Zwei Moleküle Azetaldehyd werden zu Aldol kondensiert: CH3 . CHO -f CH, . CHO — >-CH;, . CH (OH) . GH., . GHQ. Azetalde- Azetalde- Aldol hyd hyd Aldol würde dann zu Azetessigsäure oxydiert: CH3 . CH (OH) . CH, . CHO -f 0 — >^ CH3 . CH (OH) . GH., . COOH + 0 —y Aldol ß-Oxybuttersäure CH3 . CO . GH., . COOH + H., O. Azetessigsäure. Es sei im Zusammenhang mit diesen Feststellungen auch auf die S. 135 erwähnte Bildung von Azetessigsäure aus Essigsäure verwiesen. Es liegen noch mancherlei Beobachtungen über die Bildung von Azetonkörpernausverschiedenartigen Verbindungen vor. '^j In manchen Fällen ist der Beweis, daß eine bestimmte Verbindung zur Entstehung von Azeton- körpern führt, nur indirekt erbracht worden. Derartig erhobene Befunde sind immer vieldeutig. Zusammenfassend können wir hervorheben, daß die Azetonkörper auf verschiedenen Wegen sich bilden können. Sie entstehen durch Abbau von aus Fetten stammenden Fett- säuren und ferner aus bestimmten Aminosäuren. Ferner ist festgestellt worden, daß auch eine synthetische Bildung der Azetonkörper möglich ist. *) E. Friedmann: Hofmeisters, Beiträge. 11. 202 (19Ü8). '') Vgl. hierzu auch G. Katsch: Deutsches Archiv f. kliu. Med. 127. 210 (1918); 134. 59 (1920). Kohlehydrate. ]9;) Erwähnen wollen wir noch, daß mancherlei Beobachtungen vorliegen, die auf die Fette als die Hauptquelle der Azetonkörper hinweisen. So läßt .>;ich feststellen, daß während des Hungers zu einer Zeit, in der der Or- ganismus seine Ausgaben zum größten Teil auf Kosten seines Fettbestandes bestreitet, die Diazeturie ansteigt. Die Tatsache, daß Kohlehydratzufuhr die Ausscheidung der Azetonkörper einschränkt, findet ungezwungen darin seine Erklärung, daß die Kohlehydrate Fett sparen. Sie kommen an seiner Stelle zum Abbau. Aus dem gleichen Grunde kann man in manchen Fällen durch vermehrte Eiweißzufuhr die Bildung der Azetonkörper herabsetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhange auch die in neuerer Zeit oft bestätigte Beobachtung von Schwarz^), wonach das Blut von an Diabetes Leidenden oft auch dann einen erhöhten Fettgehalt aufweist, wenn kein Fett aufgenommen wird. Offenbar findet ein vermehrter Fetttransport nach verschiedenen Zellen hin statt. Wenn wir bei Störungen des Stoffwechsels auf bestimmte \'erbin- dungen stoßen, dann fragen wir uns zunächst, ob sie infolge des veränderten Stoffwechsels auftreten, d. h. der Störung ihre Entstehung verdanken, oder aber, ob uns Produkte entgegentreten, die zu den normalen Stoff wechsel- produkten gehören. Wir nehmen sie vielleicht wahr, weil sie zu langsam oder gar nicht weiter abgebaut werden. Es spricht manches dafür, daß die Azetonkörper Verbindungen darstellen, die auch normalerweise im Zellstoffwechsel gebildet werden, wenigstens gilt dies für die ß-Oxy butter- säure. Vielleicht wird diese im Organismus des Diabetikers in einer sonst ungewohnten Richtung weiter zerlegt. Wahrscheinlich ist jedoch, daß auch die Azetessigsäure nebst dem Azeton zu den normalen Stoffwechselzwischen- produktengehören. Normalerweise tritt Abbau zu Kohlensäure und Wasser ein. Die Störung beim Diabetes melitus besteht vielleicht darin, daß der Abbau des Azetons nicht zu Ende geführt wird, ja er bleibt oft zum Teil sogar bei den Vorstufen, der Azetessigsäure und der ß-Oxybuttersäure. stehen. Manches spricht auch für eine weitere Störung der Art, daß der Abbau der ß-Oxy- buttersäure, der normalerweise vielleicht über verschiedene Stufen führt. in der Hauptsache in die eine Richtung, nämlich über Azetessigsäure und Azeton gedrängt ist. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß man wieder- holt daran gedacht hat^), die ß-Oxybuttersäure und die Azetessigsäure könnten irgendwie mit jenen Umwandlungsprodukten zusammenhängen, die beim Umbau von Aminosäuren in Glukose auftreten. Es ist jedoch nicht geglückt, einen eindeutigen Beweis für diese Ansicht zu erbringen. •■) Durch Emhden und Friedmann ist festgestellt worden, daß die Leberzellen die Bildung der Azetessigsäure aus mannigfaltigen Quellen und auf verschiedene Weisen durchzuführen vermögen. Wir kennen somit ein bestimmtes Organ, das die genannten Verbindungen hervorbringen kann. Unbekannt ist bis jetzt, ob nicht auch andere (iewebe die gleichen L'm- ') Leo Schwarz: Deutsches Archiv f. klin. Medizin. 76. 233 (1903). — Vgl. auch Ivar Bang: Biocheni. Zeitschr. 94. S.^'.l (1919). -) Vgl. 0. Minkotrshi: Archiv f. experim. Path. u. rharin.31. 189(1893): f'tiiigers Archiv. 111. 13 (190(5). — v. Noorden: Handb. d. Path. d. Stoff'wechsels. 2. Aiitl. 2. (1907). ^) P]s ist auch vermutet worden , daß die ß-Oxybuttorsäuro eiu nicht Jiorraales Stoffwechselprodukt darstellt. Vgl. hierzu u. a. 7^'. AVMfeojivr.- Verhandl. d. 27. Kongresses f. innere Medizin. 566 (1910). — Gitstar Kmbden und Louis Michaud: Ilofmeisfrr^ Bei- träge. 11. 332 (1908). 13* \',]{^ X. Voilesuug. Wandlungen vollziehen können. Interessant ist die Feststellung von Embden und Latfes^), dal» die Leber eines seiner Pankreasdrüse beraubten Hundes bedeutend mehr Azetessigsäure bildete, als das entsprechende Organ eines normalen Tieres. Nicht unerwähnt wollen wir bei dieser Gelegenheit lassen, daß man gegen die Verallgemeinerung der Ergebnisse von Durchblutungs- versuchen an überlebenden (Jrganeu Einwände erheben kann. Wir wissen nicht, wie lange die einzelnen Zellen des betreffenden Organes in normalen Grenzen weiter tätig sind. Ferner sind ganz sicher die ^'ersuchsbedingungen den natürlichen Verhältnissen nur ganz roh angepaßt. Wir leiten eine bestimmte Verbindung längere Zeit an den gleichen Zellen vorbei. Normalerweise würde sie vielleicht unverändert mit dem Blute fortgeführt. Wir zwingen viel- leicht das Organ zu Eingriffen, die es sonst in dem Umfang nicht aus- führt. Ferner mrd unter normalen Verhältnissen das gebildete Produkt sofort in irgend einer Weise verwertet. Es bleibt nicht liegen. Endlich muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß unter normalen Verhältnissen mehrere Organe zusammenarbeiten. Fehlen die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Organen, dann ist es wohl denkbar, daß eine bestimmte Art des Abbaus undurchführbar ist und nun ein anderer Weg eingeschlagen wird. Derartige Bedenken sind durchaus berechtigt. Soll ein Ergebnis ein- deutig sein, dann darf es sich nie auf nur eine N'ersuchsanordnung stützen. Wenn die Beobachtungen am gesamten Organismus und diejenigen am einzelnen überlebenden Organe sich decken, dann wäre es gesucht, wollte man nicht die einfachste Erklärung der gemachten Beobachtung in den Vordergrund stellen. Nun stehen die Feststellungen Emhdens und seiner Schüler in bestem Einklang mit Fütterungsversuchen. Es liegt somit in diesem Falle kein Grund vor, daran zu zweifeln, daß auch im gesamten Organismus der Leber eine wichtige Rolle in der Bereitung der Azeton- körper zukommt. Dem Vorkommen der Azetonkörper im Blute hat man lange Zeit eine wesentliche Bedeutung bei der Beurteilung des Verlaufes des Diabetes zugeschrieben. Man nahm an, daß die Anwesenheit der angeführten Säuren die Alkaleszenz des Blutes herabdrücke und so an und für sich schwere Störungen hervorrufen könne.'-) Man führte deshalb den Namen Azidosis für den ganzen Zustand ein. Diese Bezeichnung ist unrichtig und irre- fühiend. Man sollte sie verlassen, nachdem festgestellt worden ist, daß die Reaktion des Blutes infolge besonderer Einrichtungen selbst bei An- wesenheit großer Säuremengen nicht verändei-t wird. Wir wollen den Aus- druck Azetonoplasmie anstelle der Bezeichnung Azidosis treten lassen. Er soll daran erinnern, daß Azetonkörper im Blute zugegen sind. Die Azetonoplasmie ist in mehr als einer Beziehung von größtem Interesse. Zunächst ist es auffallend, daß die wahre 'Azidität des Blutplasmas, d. h. die Wasserstoffionenkonzentration selbst bei einem hohen Gehalt des Plasmas an Säuren nicht verändert zu sein braucht.'^) Es rührt dies daher, daß in diesem Substanzen enthalten sind, die jeder Änderung der Wasser- stoffionenkonzentration den größten Widerstand entgegensetzen. Vor allem sind es die Karbonate, Phosphate und manche Proteine, die in dieser Richtung wirksam sind. Wir werden später auf den Mechanismus der *) Gustav Embden und Leone Lottes: Jlofmeiyters Beiträge. 11. 327 (1908). -} Vgl. hierzu Hermann Straub: Deutsches Arch. f. klin. Med. 109. 223 (1913). ») H. Benedict: Pßügers Archiv. 115. 106 (1906). Kohlehydrate. 197 ganzen Regulation zurückkommen (vgl. Band II. Vorlesung IX), hier mag der Hinweis genügen, daß für die Neutralitätsregulation die sehwachen Säuren Kohlensäure und Phosphorsäure und unter Umständen noch Eiweiß in Frage kommen. \) Vergleicht man den Kohlensäuregehalt von normalem und von „azidotischem" Blut, dann findet man. daß das letztere weniger von dieser Säure enthält, und zwar ist unter Umständen nur noch physi- kalisch gelöstes (ias zugegen.-) Die Beobachtung, daß zwischen dem Grad der Azetonoplasmie und dem Kohlensäuregehalt des Blutes bestimmte Be- ziehungen bestehen, hat zu einer Methode geführt, die gestattet, aus dem letzteren den ersteren zu bestimmen. 3) Es treten die Kohlensäure und die Säuren Ji-Oxvbuttersäure und Azetessigsäure in Wettbewerb um das zur Verfügung stehende Alkali. Alle diese Säuren sind schwache Säuren. Für das Verteilungsgleichgewicht kommt das Massenwirkungsgesetz in Betracht. Wir haben in dem Mechanismus der Festhaltung eines bestimmten Reaktionszustandes im Blute keinen Sonderfall vor uns. Wir treffen überall im Organismus auf solche Einrichtungen. Für den Arzt ist die Azetonoplasmie von allergrößter Bedeutung. Dadurch, daß das Blut weniger Kohlensäure aufnehmen kann, als ohne die genannten Säuren, muß der Organismus Schaden erleiden. Es ist die ganze sogenannte innere Atmung, d. h. der (Tasaustausch zwischen Gewebe und Blut gestört. In der Tat beobachten wir bei einem hohen Gehalt des Blutes an [i-Oxybuttersäure und Azetessig- säure, daß schwere Erscheinungen auftreten. Man spricht von einem Koma diabeticum. Greift man nicht ein, so erfolgt der Tod. Voraus gehen zunehmende Dyspnoe, Somnolenz und Sinken der Körpertemperatur. Zur Bekämpfung des Komas führt man intravenös größere Mengen von Natrium- bikarbonat ZU.+) Meist beobachtet man dann fast sofortige Erleichterung. Sie ist nicht etwa darauf zurückzuführen, daß durch das zugeführte Alkali die Säuren des Blutes neutralisiert werden. Die Reaktion des Blutes war ja nicht sauer. Vielmehr erleichtert das Alkali den Kohlensäureabtransport. Natürlich handelt es sich nur um eine vorübergehende Hilfe, weil das ^lehr an Alkali bald durch die Nieren entfernt ist. Eine verminderte Glukosurie nach der Alkalizufuhr darf man nicht ohne weiteres im Sinne einer Besserung des ganzen Zustandes deuten. Es ist durchaus mög- lich, daß im Sinne der S. 164 genannten Versuche die Niere für Zucker dichter wird. Daß das Koma diabeticum in der erwähnten Art auf den hohen (iehalt des Blutes an Säuren — insbesondere tritt 3-Oxybuttersäure in den Vordergrund — zurückzuführen ist, bezeugen die Ergebnisse jener Versuche, bei denen Tieren Säure zugeführt wurde. So zeigten Kaninchen, M Vgl. hierzu L. J. Hendcrsohn : Ergebnisse der Physiologie. 8. 254 (1909). — Jouru. of biol. Chem. 1. 1044 (1920t. -) W. Mc Kim Marriott: Journ. of biol. Chem. 18. 241 (1914). ') Vgl. Donald D. van Sli/ke (Glenn E. Cullen, Reqinald Fitz, Edgar Stillman): .lourn. of biol. Chem. 30. 289, .S47. 3()9. 389. 401, 40.ö (1917). — //. Straub' nwA Klothilde Meier: Biochem. Zeitschr. 89. 156 (1918); Deutsches Archiv f. kliii. Med. 129. 54 (1919). — Wüh. C. Studie und Donald D. ran Slyke : Journ. of biol. Chem. 41. 191 (1920). — D. D. van Slyke und W. W. /)rt/mßr; Ebenda. 41. 567 (1920). — G. E. CiiUn, : Ebenda. 52. 501, 517 (1922). *) Vgl. hierzu auch J. R. Muri in und L. /'. ( 'rarer : The .1. of Biol. Chem. 28. Nr 1 (1916). l^)^ X. Vorlesung. denen Salzsäure verabreicht wurde, schwere Dyspnoe. i) Der Kohlensäure- gehalt des Blutes war stark herabgesetzt, die Ainmoniakmenge des Harnes erhöht. Der ganze Zustand besserte sich nach subkutaner Zufuhr großer Mengen von Natriumkarbonat. Erwähnt sei noch, daß man das Auftreten großer Mengen von [j-Oxybuttersäure im Blute beim Koma auf mangelhafte Oxydationsvorgänge im Körper zui-ückgeführt hat. In dieser Hinsicht ist es von Interesse, daß man im Koma oft im Harn Aminosäuren an- trifft.-) Es sei ferner an die schon S. 185 mitgeteilte Beobachtung er- innert, wonach die roten Blutkörperchen und v.ahrscheinlich auch andere Zellarten bei schweren Fällen von Diabetes und insbesondere auch im Koma diabeticum eine stark herabgesetzte Atmung zeigen. Die Bildung der Azetonkörper ist übrigens nicht auf den Diabetes melitus allein beschränkt. Sie finden sich unter Umständen auch bei allen angeführten Arten von Glukosurie. Ein Zusammenhang mit dem gestörten Kohlehydratstoffwechsel ist auf alle Fälle vorhanden, nur braucht dieser nicht ein direkter zu sein. Man darf nicht außer acht lassen, daß in Wirk- lichkeit eine so tiefgreifende Stoff wechselstörung, wie sie durch die schweren und bleibenden Formen der Hyperglukoplasmie zum Ausdruck kommt, niemals für sich allein bestehen, d. h. auf eine bestimmte Klasse von Verbindungen beschränkt bleiben kann. Da, wie wir fortwährend betont haben, wederein Kohlehydi-at, noch ein Fett- oder Eiweißstoffwechsel für sich besteht, son- dern vielmehr Wechselbeziehungen der mannigfaltigsten Art die erwähnten Stoffwechselarten auf das innigste miteinander verknüpfen, so läßt sich leicht ermessen, wie sehr der Gesamtstoffwechsel leiden muß, wenn eine Gruppe der wichtigsten Nähr- und Baumaterialien in Mitleidenschaft ge- zogen ist. Es ist deshalb wohl verständlich, daß über kurz oder lang die Stoff- wechselstörung eine allgemeine wird und der Ab- und Aufbau der Eiweißkör- per und Fette ebenfalls Not leidet. Von diesem Gesichtspunkte aus muß das schwere Krankheitsbild des Diabetes betrachtet werden, soll ein volles Verständnis des ganzen Umfanges der eingetretenen Störung erlangt werden. Nicht nur der Verlust an Spannkräften, der dem Körper durch die beständige Ausfuhr der großen Zuckermengen erwächst und der ja zum Teil außerdem durch andere Nahrungsstoffe gedeckt werden kann, beherrscht die ganze Krankheit und stempelt sie zu einer so schweren, sondern der Zusammenbruch des ganzen Zellstoffwechsels. Die abnorme Zusammensetzung des Blutes und der Gewebsflüssigkeit führt zu manchen sekundären Erscheinungen. Die Widerstandsfähigkeit der Gewebe und Zellen gegen Infektionen sinkt und so ruft eine Schädigung bald andere hervor. Ihre Summe verleiht dem Krankheitsbild Diabetes zu dem gemeinsamen Grundbild von I'all zu Fall seine eigenartigen Züge. Bei den l)is jetzt besprochenen Formen von (ilukosurie war eine Hyperglukoplasmie vorhanden. Nur bei der intravenösen Zufuhi- von Kochsalz- lösung ließ sich feststellen,') daß neben der Überschwemmung des Blutes mit Glukose gleichzeitig als Ursache für die bestehende Glukosurie eine ') Friedrich Walter: Arch. f. experini. l'ath. u. Pharmak. 7. 148 (1877). — \"gl. auch Julius Pohl: Biochem. Zoitsclir. 18. 24 (1909). -) Enal Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Cbcm. 44. 17 (1905). — Bei acht neueu Fällen von Koma diai)eticuin konnton 1-Tyrosin , 1-Leucin, d-Alanin und auffallend große Mengen von GlykokoU isoliert werden. ■') Vgl. S.' 157. Kohlehydrate. 199 erhöhte Durchlässigkeit der Nierenepithehen für Traubenzucker in Be- tracht kommt. Ferner haben wir S. 164 erfahren, dal3 man durch die Art der Zusammensetzung- der DurchspülungsfUissigkeit die Niere für Glukose mehr oder weniger durchlässig machen kann. Es gehngt, sie auch für diese innerhalb gewisser (Frenzen zu dichten. Wir kennen nun eine Form von (xlukosurie, bei der in der Kegel eine Hyperglukoplasmie vermißt wird, ja sehr oft findet man sogar einen geringeren Gehalt des lUutes an /ucker. Wir wollen gleich vorweg nehmen, daß festgestellt worden ist, daß bei dieser Art von (ilukosurie die Nieren beteiligt sind. Sie lassen Glukose aus dem Blute in den Harn übertreten. Diese Form von Zuckerausscheidung ist von V. Mering'^) entdeckt worden. Er spritzte Hunden Phlorhizin ein und beobachtete, daß Traubenzucker im Harn auftrat. Man spricht von einer Phlorhizin-Glukosurie. Dem Phlorhizin sind wir schon begegnet.^) Es gehört zur Gruppe der Glukoside und ist seiner Konstitution nach auf- geklärt. Es läßt sich einerseits in Phloretin und Glukose spalten und andrerseits in Phlorijn =: Plorogluzinglukosid und Phloretinsäure =p-Oxyphenylpropionsäure. Von den Spaltprodukten des Phlorhizins ergeben Phloretin und Phlorin beim Hunde eine Glukosurie, während Phlorogluzin und ferner die Phloretinsäure unwirksam sind. Beim Kaninchen trat auf Einspritzung von Phloretin keine Glukosurie auf.^) Nach parenteraler Zufuhr von Phlorhizin erscheint im Harne Phlo- rhizin glukuronsäure. Es hat somit eine Paarung mit Glukuronsäure statt- gefunden. Es ist von großem Interesse , daß dieser Paarling beim Kaninchen keine (Glukosurie verursacht. Beim Hunde ist seine W^irkung nicht ganz aufgehoben, jedoch stark eingeschränkt. Ein Teil des zugeführten Phlo rhizins wird in noch unbekannter Weise verändert. Die Phlorhizin-Glukosurie hat aus mehreren Gründen großes Inter- esse erlangt. Einmal ist es mit ihrer Hilfe durch systematische Studien gelungen, zu entscheiden, ob bestimmte Verbindungen Beziehungen zu den Kohlehydraten besitzen oder nicht. Ferner hat man das Phlorhizin beson- ders in letzter Zeit oft dazu verwendet, um zu prüfen, ob die Nieren normal funktionieren, d. h. durch Phlorhizin veranlaßt werden, Trauben- zucker an den Harn abzugeben oder aber in anderer Weise zu reagieren.*) Die Wirkung des Phlorhizins ist bei den verschiedensten Tieren — bei Amphibien, Reptilien, Vögeln, Säugetieren und beim Menschen — stu- diert worden.») Der Erfolg war qualitativ immer derselbe. Es erscheint nach Zufuhr einer bestimmten Dosis des Glukosides Traubenzucker im Harn, und zwar scheint so lange (ilukosurie zu bestehen, als sich Phlorhizin im Blute befindet. Wichtig ist die Beobachtung, daß Phlorhizin (ilukose in Form von Glukuronsäure bindet und auf diesem Wege dem Organis- mus ebenfalls Traubenzucker entzieht. Zunächst versuchte man die Glu- ^) r. Mering: Veihandluagen des Kmigiesses für innere Medizin 1886 und 1887- Zeitschr. f. kliu. 'Med. 14. 405 (1888) und 16. 431 (1889). -) Vgl. S. 68. "j Vgl. S. 68-69. Vgl. hierzu Jos. Schüller: /oitschr. f. Biol. 56. 274 (1911). — M. Crenier: Müuchener med. NYochenschr. iS'r. 32(1911). — M. ('retner und //. II'. Seußert: Berichte der Deutschen Cheni. Gesellsch. 45. 2565 (1912). ■*) Vgl. z. B. \'icfor Blum: iS'ierenphysiologie und funi9 (1910). 3) A. Seeliq: Arch. f. experim. Path. u. Pharmak. 37. 106 (189(5). *) Vgl. hierzu auch 'Ih. P. Nash: The Journ. of biol. Ghem. 51. 171 (1922). ^) Vgl. hierzu auch die Ansichten von K. Frank und .S'. Jsaac: Arch. f. experim. Path. u. Pharmak. 64. 293 (1911). — Erich Frank: Kheiida. 72. 387 (1913). 202 X. Vorlesung. Für diese letztere Ansicht spricht der folgende \'ersuch.i) Es wurde eine Froschniere von der Aorta aus durchspült, und zwar mit einer Nährlösung, die das Glomerulusepithel für den zugeführten Zuckergehalt undurchlässig machte. Wurde der Durchspülungsflüssigkeit 00004", o Phlorhizin zugefügt, so ließ dieses sofort Glukose durchtreten. Nun kann jedoch die Beeinflussung bestimmter Nierenepithelien durch das Phlorhizin unmöglich den Einfluß dieses Glukosids auf den Kohlehydrat- und den Gesamtstoffwechsel restlos erklären. Es müssen noch andere Wir- kungen vorhanden sein. Die Sekretion des Traubenzuckers könnte allerdings an und für sich bewirken, daß sekundär Störungen aller Art sich einstellen. Wir haben schon betont, daß offenbar die Leberzellen und vielleicht auch andere Zellarten die Aufgabe haben, den Zuckergehalt des Blutes zu über- wachen. Sinkt der Zuckerspiegel, dann wird Glykogen abgebaut und dem Blute Glukose übergeben. Da die Niere unter dem Einfluß von Phlorhizin immer wieder den Gehalt des Blutes an Zucker vermindert, würden auf diese Weise allmählich alle Vorräte aufgebraucht und, ohne Verwertung gefunden zu haben, ausgeschieden. Auch der eben synthetisch gebildete Traubenzucker^) würde dem Blute zur Ausfüllung der bestehenden Lücken übergeben, und so könnte man im Harn Traubenzucker in Erscheinung treten sehen , der aus anderer Quelle als aus Kohlehydraten stammt. Viele Beobachtungen sprechen jedoch dafür, daß eine so einfache Erklärung der Phlorhizinglukosurie und ihrer Folgen nicht ausreicht, um alle Erscheinungen zu deuten. Das Phlorhizin hat offenbar mehrere Angriffspunkte. Wichtig ist in dieser Hinsicht die Beob- achtung von I^iderJull^), wonach nach Ausschaltung der Nieren die Phlorhizin- vergiftung stets zu einer Hyperglukoplasmie führt. Das Phlorhizin scheint auch den Eiweißstoffwechsel primär zu beeinflussen.*) Daß er sekundär in Mit- leidenschaft gezogen wird, ergibt sich aus dem Umstände, daß der mit Phlorhizin vergiftete Organismus kostbares Material in Form von Trauben- zucker verliert. Es muß zur Bestreitung des Energiestoffwechsels zu einem vermehrten Eiweißabbau kommen. Es scheint jedoch, daß über den augen- blicklichen Bedarf hinaus noch Eiweiß zerlegt wird. Durch fortgesetzte Zufuhr von Phlorhizin — dreimal 2(/ Phlorhizin täglich subkutan bei Hunden — kann man eine maximale Menge von Glukose zur Ausscheidung bringen. Sie steht zum Harnstickstoff in einem bestimmten Verhältnis, wie zuerst Cremer und Ritter-') und später vor allem Graham Li(sk^) gezeigt haben. Der Quotient I):N') beträgt beim Hund ohne Pankreas etwa 2'J5, bei der Phlorhizinglukosurie kann er einen Wert von 8"65 erreichen.«) Er wird nur erhalten, wenn man das Glukosid ohne zu lange Unterbrechung Tag und Nacht zuführt. Interessanterweise er- hält man bei der Phlorhizinglukosurie häufig schwere Formen von Azetono- 1) B. Brinkman: Ned. Tijdschr. Geneesk. 2. 982 (1908). — Vgl. auch Quaterhj: Journ. of experim. Med. XII. l->5 (1919). ^) Vgl. hierzu Vorlesung VI. 3) Frank J'. Underhül : The Journ. of Biol. Chemistry. 13. 15 (1912). *) Reilley, Nolan und G. Liisk: Americ. Journ. of Physiol. 1. 395 (1898). — Junzi Yoshikawa: Zeitschr. f. physiol. Chem. 75. 475 (1911). — ('. G. L. Wolf und Emil Osterberg: Americ. Journ. of Physiol. 28. 71 (1911). ')' Max Cremer und Riffer: Zeitschr. f. Biol. 29. 2ö() (1892). «) Graham Lusk: Zeitschr. f. Biol. 30. 82 (1898). ') Vgl. S. 186. ") Graham Lusk: .Americ. Journ. of l'hvsiol. 22. 163 (1908). Kohlehydrate. 208 plasmie mit allen ihren P'olgen. Der Kohlehydratmangel scheint auch hier ihr Auftreten zu begünstiuen. \Vir haben nunmehr mehrere Arten von Störungen des Kohlehydrat- stoffwechsels kennen gelernt, die alle zu dem eindeutigen Schlüsse führten, daß der tierische Organismus Glukose aus anderen Quellen als aus Kohlehydraten i)ilden kann, ^'on den zwei zur Verfügung stehen- den, der Menge nach in Betracht kommenden Xahrungsstotfen. den Fetten und Eiweii)Stofl'en. ist nur für die letzteren eine direkte Beteiligung am Kohle- hydratstoffwechsel erwiesen worden. Bestimmte Aminosäuren können direkt in Zucker umgewandelt werden. Diese Tatsache ist von grundlegender Bedeutung. Sie ist lange Zeit heiß umstritten worden. Zu- nächst ergab die Erfahrung bei schweren Fällen von Diabetes melitus, daß die zugeführten und im Organismus vorhandenen Kohlehydrate nicht aus- reichen, um die große Menge der im Harn erscheinenden Glukose zu er- klären, i) Dann folgten die wichtigen Beobachtungen am Hund ohne Pan- kreasdrüse.-) Auch hier findet man so große Mengen von Traubenzucker im Urin, daß keine andere Erklärung übrig bleibt, als daß Xichtzucker Kohlehydrate liefern können. Dazu kamen dann die Feststellungen bei der der Einspritzung von Phlorhizin folgenden Glukosurie. Die bei den erwähnten Formen der Störmig des Kohlehydratstoff- wechsels gemachten Beobachtungen sind durch direkte Versuche erweitert Avorden. Man begnügte sich nicht mit der Feststellung, daß Aminosäuren Zucker liefern können. Man wollte wissen, welche von ihnen in Betracht kommen, und welche keine Zuckerbildner sind. Endlich versuchte man festzustellen, ob nicht auch andere Verbindungen im tierischen Organis- mus in Kohlehydrate überfiihrbar sind. Es stehen uns verschiedene Methoden zur ^'erfügung. um die Frage zu entscheiden, ob bestimmte Verbindungen Zuckerbildner sind oder nicht. Einmal kann man Tiere durch Hunger. Arbeit oder durch künsthche Maßnahmen, wie Strychninvergiftung. glykogenarm machen. Dann verfüttert man die zu prüfende Substanz und bestimmt darnach den Glykogengehalt des ganzen Organismus oder auch nur denjenigen der Leber. Man geht dabei von der Ansicht aus, daß die etwa gebildete Glu- kose sofort zu Glykogen aufgebaut wird. Diese Art der Prüfung der Be- ziehungen eines bestimmten Produkte.^ zu den Kohlehydraten hat viel an Beweiskraft verloren, weil Beobachtungen vorliegen, wonach eine praktisch glykogenfreie Leber ohne Nahrungszufuhr wieder glykogenhaltig werden kann. 3) Diese Feststellung deutet allein schon darauf hin, daß normaler- weise Glykogen aus Produkten hervorgehen kann, die keine direkten Be- ziehungen zu den Kohlehydraten haben. Beim hungernden Tier findet ohne Zweifel, wie übrigens bei jedem unter normalen Verhältnissen lebenden Tiere auch, fortwährend eine Bildung von (ilukose aus Amino- säuren statt. Beweisender sind Versuche an überlebenden Organen. Der Durch- spülungsflüssigkeit wird eine bestimmte Verbindung zugesetzt und ver- folgt, ob sie zur Glykogenbildung führt. Diese Methode hat den großen 0 Lüthje: Deutsches Arch. f. klin. Med. 79. 498 (1904) und Zeitschr. f. kliu. Med. 43. 225 (1901). — L. Mohr: Zeitschr. f. kliu. Med. b2. 337 (1904). -) /■;. Pflnger uud /'. Junkersdorl : rriiiffer? Archiv. 131. 201 (1910). ') \s\. K. PttiKier: l'ftägpr^ Archiv. 119. 117 (1907). 204 ^- Vorlesung. Vorteil, daß sie mehrfache Kontrollen zuläßt. Einmal kann man vor dem Versuche das betreffende Organ, z. B. die lieber, wiegen und dann in einem abgewogenen Teil davon das (ilykogen feststellen. Nach der Durchspülung wird wieder eine (jlykogenbestimmung vorgenommen. Die Durchspülungs- flüssigkeit kann man endlich daraufhin prüfen, ob die zugesetzte Substanz verschwunden ist oder doch an Menge abgenommen hat. Der positive Be- fund einer Glykogenbildung beweist, daß die betreffende Substanz Zucker liefern kann, sofern nicht besondere Tnistände zur Annahme einer in- direkten Wirkung zwingen. Der negative Befund beweist hingegen in keinem Falle, daß die betreffende Verbindung keine Beziehung zu den Kohlehydraten hat. Es können andere Organe als die Leber die Umwand- lung in Zucker vollziehen, oder es ist die Zusammenarbeit mehrerer Organe notwendig. Hier müssen Fütterungsversuche den Beweis zu einem ein- deutigen gestalten. Eine weitere Möglichkeit, die Beziehungen bestimmter Verbindungen zu den Kohlehydraten zu studieren, ergeben die erwähnten Störungen des Kohle hydratstoff wechseis. Wir können z. B. einen Menschen mit Diabetes melitus oder einen pankreaslosen Hund in bestimmter Weise er- nähren. Wir stellen den Quotienten D:N fest^) und fügen nun zu genau der gleichen Nahrung jene Verbindung hinzu, von der wir wissen wollen, ob sie Zucker liefern kann. Tritt eine entsprechende oder doch eine deutliche Erhöhung der Zuckerausscheidung ein, dann schließen wir, daß eine Zucker- bildung erfolgt ist. Genau gleich ist der Versuchsplan bei der (ilukosurie nach Vergiftung mit Phlorhizin, nur muß man, um zu brauchbaren Resul- taten zu gelangen, mit dem genannten Glukosid durch andauernde Zufuhr die maximale Zuckerausscheidung innehalten. Gegen die Deutung dieser Versuche lassen sich Einwände erheben. Man kann z. B. an indirekte Wirkungen denken und annehmen, daß irgend eine andere Substanz gespart worden ist und so der Zuckerbildung zu- gänglich wurde. Eine solche Annahme hat etwas Gezwungenes an sich. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb die eine Verbindung jene ange- nommene sparende Wirkung haben soll und eine andere vielleicht ganz ähnliche nicht. Dazu kommt, daß wir jeden Versuch dieser Art durch die Untersuchungen an der überlebenden l.eber stützen können. Ein anderer Einwand erscheint bedeutungsvoller, nämlich die Beeinflussung der Niere durch bestimmte Verbindungen. Sie kann so verändert werden, daß sie mehr Zucker durchläßt als zuvor. Es kann aber auch umgekehrt das Ausscheidungsvermögen der Niere für Glukose verringert werden. Infolgedessen müssen wir unbedingt verlangen, daß jeder Versuch der genannten Art durch Zuckerbestimmungen im Blute ergänzt wird. Es besteht die Möglichkeit, daß trotz erhöhtem Zuckergehalt des Blutes die Niere weniger Zucker ausscheidet als vorher. So ist z. B. die Beantwor- tung der Frage, ob Brenztraubensäure in (Jlukose übergehen kann, vorläufig daran gescheitert, daß diese ^'erbin(lung die Niere so stark schädigt, daß sie für Traubenzucker ..dicht" wird. 2) M Vgl. S. 186. ') Paul Mayer: Biochcjii. Zoitsclir. 40. 441 (1912): 49. 480 (1913); 55. 1 (1913). — Vgl. auch A. J. Ringer, K. M. Franke/ und L. Jonax: Tlic .lonin. of Biol. Chcm. 15. 145 (1913). — //. D. Dakin iiuil A'. W. Jannei/: Klionda. 15. 177 (1918). — Ma.r Cremer: Bf'ilincr klin. Wnclionschr Nr. 'M n91*}). Kohlehydrate. 205 Es ist schließlich noch ein weiterer wichtige!- Einwand gemacht worden. Aminosäuren. Fettsäuren und auch andere ^'erbindungen können auf die Glukosebildung in der Weise einwirken, daß sie den Glykogen- abbau steigern! Ein solcher Einfluß wurde z. B. bei gesättigten Fettsäuren mit ungerader Kohlenstof fanzahl beobachtet, während er bei solchen mit gerader Anzahl vermißt wurde. i) Diese Beobachtungen zeigen, wie vorsichtig man in der Beurteilung einer Verbindung als Quelle für Zucker sein muß ! Wir wollen uns im Folgenden im Wesentlichen an Feststellungen halten, die vor allem vom Gesichtspunkte der chemischen Verwandtschaft bzw. gleicher oder doch ähnlicher Abbaustufen auf Be- ziehungen zur Glukose hinweisen. Schließlich möchten wir noch bemerken, daß der Umstand, daß eine Verbindung in bestimmter Konzentration einen Anreiz zum Abbau von Glykogen zu Glukose gibt, natürlich nicht ausschließt, daß sie zugleich in ihren Abbaustufen Quelle für Glukose ist. Es wird alles darauf ankommen, ob bei ihrem Abbau Verbindungen ent- stehen, von denen aus Traubenzucker entstehen kann. Wenn wir nunmehr zu der Besprechung der Frage übergehen, welche Substanzen im tierischen Organismus Kohlehydrate liefern können, so werden wir unmittelbar auf die gleichen Fragestehungen treffen, die wir bei der Frage nach der Art des Abbaues des Trauben- zuckers erörtert haben.-) Wir kennen eine große Anzahl von Vorgängen im tierischen Organismus, die umkehrbar verlaufen. Es spricht sehr vieles dafür, daß auch im Zuckerauf- und -abbau Zwischenstufen aut- treten, die je nach den Verhältnissen bald zum Glukosemolekül hinauf, bald zu einfacheren Abbaustufen hinunterführen. Wir haben schon wiederholt betont, daß in den Zellen des tierischen Organismus die Möglichkeit der Bildung von Verbindungen gegeben ist. von denen aus sich Brücken zu den verschiedensten Substanzen schlagen lassen. Eine solche Verbindung scheint die Brenztraubensäure zu sein. ^i Sie unter- hält Beziehungen zu bestimmten Aminosäuren, vor allem zum Alanin. Ferner kann man sie sich aus Glukose entstanden denken. Endlich könnte sie auch Beziehungen zum Glyzerin, ja auch zu Fettsäuren haben. Einige dieser Beziehungen seien durch die folgenden Formeln veranschaulicht: CH3 CH, CH. . OH CH, I i I " I CH . NH, + 0 — >► CO + XH3 . CH . OH + 2 0 — >^ CO + 2 H., 0 I ■ I I 1 COOH COOH CH, . OH COOH Alanin= Brenztrauben- Glyzerin Brenztrauben- a-Amino- säure säure, Propionsäure ') Vgl. Leo Pollak: Biochem. Zeitscbr. 127. 120 (1922). ") Vgl. Vorlesung VI. ^) Vgl. hierzu C. Neuberg uud Joh. Kerb: Biochem. Zeitschr. 53. 406 (1913). — Ferner H. D. Dakin und H. \V. Dudle;/: The Journ. of Biol. Chem. 14. öhb (1913). — A. J. Ringer: Ebenda. 15. 145 (1913). 206 X. Vorlesung. H HO H H C .OH C .H C .OH C.OH CH2 OH Glukose COOH I CH . (3H + 0 (^H3 Milchsäure COOH I CO + H., 0 . CH3 Brenztrauben- säure Als Abbaustule der Glukose kommt auch Methylglyoxal=Brenz- traubensäurealdehyd in Betracht. 1) Auch diese Verbindung kann inBrenz- traubensäure übergehen: f^ P^O 1^^ COOH 1 CO 1 bzw. C.OH + 0 — >► CO 1 CH3 CHo CH3 Metyhy Igly oxal Brenz traubensäure Wichtig ist die schon S. 133 erwähnte Beobachtung von C. Neuherg'^) und Dahin und Dudlei/'^), daß in vielen tierischen Geweben sich ein Ferment. Glyoxalase genannt, findet, das Methylglyoxal in Milchsäure über- führt: CH3 . CO . C<^ + H.,0— >-CH3 . CH(OH) . COOH. Interessanter Weise fehlt die Glyoxalase der Pankreasdrüse, ja Aus- züge aus diesem Organ hemmen sogar die Überführung von Methylglyoxal in Milchsäure durch das genannte Ferment. Wichtig ist die Beobachtung, daß der Gehalt des Blutes an Glyoxalase innerhalb der gleichen Tierart ein konstanter ist. Tiere mit einem niederen Gehalt an diesem Fermente zeigen gegen Zucker ein geringeres Assimilationsvermögen als solche mit einem höheren Glyoxala.segehalt.^) Die erwähnten Vorgänge könnten alle umkehrbar sein, und sich so die manigfaltigsten Beziehungen von einer Körperklasse zu anderen ergeben. Würden wir mit Sicherheit die Vorstufen der Kohlehydrate kennen. d. h. wissen, welche einfachsten Verbindungen noch Glukose liefern können, dann würde sich das Problem nach den Beziehungen bestimmter Verbindungen zu den Kohlehydraten auf die Fragestellung einengen lassen, ob jene Substanzen von den Zellen des tierischen Organismus in jene Ausgangsmaterialien für die Zuckerbildung übergeführt werden können. Allerdings ist noch die Möglichkeit vor- handen, daß verschiedene Wege zu dem gleichen Ziele führen. Wenn nicht alles täuscht, wird man jedoch in Bälde Verbindungen im Organismus ent- ') Vgl. hierzu Carl Neuberg : Biochem. Zeitschr. 49. 002 (1913); 51. 484 (1913.) ^) H. D. Dakin und H. W. Dudley: .Tourn. of Biol. Chcm. 14. 155, 423 (1918): 15. 463 (1913). =*) H. W. Dudley: Biochoin. J. 9. 253 (1915). Kohlehydrate. 207 decken, die gewissermaßen als neutrale l*rodukte aufzufassen sind. 8ie stellen am Kreuzungspunkte des Abbaus und Aufbaus ganz verschieden- artiger Verbindungen. Sie dürften in Verbindungen der Dreikohlenstoff- und vielleicht auch der Zweikohlenstoffreihe zu suchen sein. Die verschiedenartigsten der oben erwähnten Versuchsanordnungen haben als Glykogenbildner die folgenden Substanzen ergeben. i) Der typische Baustein des Glykogens ist der Traubenzucker. Daß er direkt in das genannte Polysaccharid übergehen kann, ist durch Untersuchungen an der überlebenden Leber und an Muskeln eindeutig festgestellt worden, d -Fruk- tose und d-Galaktose, die beide, wie wir mehrfach betont haben , leicht in Glukose umgelagert werden, sind selbstverständlich BaumateriaHen für das Glykogen. Ferner erwies sich als Ausgangsmaterial zur Glykogen - bzw. Glukosebildung geeignet der Glykolaldehyd.-^) Ob auch Glyzerin- aldehyd-^) in Frage kommt, ist noch unentschieden, jedoch recht wahr- scheinlich. Auch Glykol, Glyzerinsäure und d-Milchsäure liefern Glykogen. Baer und Parnas*) stellen sich vor, daß die letztere Verbindung über Glyzerinsäure und Glykolaldehyd zu Glukose führt : 3 [CH3 . GH (OH) . COOK] -}- 3 0 — >► 3 ICH, (OH) . CH (OH) . COOHj Milchsäure Glyzerinsäure -f 3 0—3 COo-3 H, 0 — >► 3 [CH, . OH . COHj — y Ge H,., O^. Glykolaldehyd Glukose. Emhden denkt dagegen an eine Umlagerung von Milchsäure in Glyzerin- aldehyd. Zwei Moleküle dieser Verbindung würden sich dann zu Glukose verbinden : 2 I CH3 . CHOH . COOHJ — >- 2 [CH, (OH) . CH (OH) . COH] -^ G, H^.. (\. Milchsäure Glyzerinaldehyd Glukose. Für das Glyzerin erbrachte zuerst Cremer^) den sicheren Beweis — er arbeitete mit Tieren, die mit Phlorhizin vergiftet waren — . daß es in Kohlehydrat übergehen kann. Lüthje^) hat den gleichen Befund bei Hunden ohne Pankreas erhoben. Ferner liefern Propylalkohol und Iso- butylalkohoH) Glukose. Ferner sollen Propionsäure, Valerian-, Heptyl-, Isobutyl- und Isokapronsäure in Traubenzucker übergehen können. Binger^), der diese Feststellungen gemacht hat, nimmt an, daß die Propionsäure im Mittelpunkt der Synthese steht und aus den genannten Fettsäuren zu- *) Vgl. hierzu S. 139. Es ist dort angeführt, welche Substauzen beim Durchleiten durch die überlebende Leber Glykogen lieferten. Manche Verbindung, die hierbei ein negatives Resultat ergab, zeigte sich als zur Kohlehydratbildung befähigt, als sie dem gesamten Organismus zur Verfügung gestellt wurde. «) Baer und Parnas : Biochem. Zeitschr. 41. 386 (1912). — Vgl. auch W. />. Sanswyi und R. T. Woodyatt : Journ. of Biol. Chem. 24. 327, 343 (1916). =*) 6r. Embden, K. Baldes und E. Schmitz: Biochem. Zeitschr. 45. 127 (1912). ./. l'arnas: Zentralbl. f. Physiol. 26. 671 (1912). — J. SmedUy: Journ. of Physiol. 44. 203 (1912). *) Baer und Parnas: Biochem. Zeitschr. 41. 386 (1912). *) Max Cremer: Münchener med. Wochenschr. Nr. 49. 944 (1V)U2). Sitzungslier. d. Gesellscli. f. Morph, w. l'hvsiol. in München. 27. Mai 1902. «) H. Lüthje: Deutsches Archiv f. klin. Medizin. 79. 498 (1904) und 80. 101 (1905). ') A. J. Ringer, E. M. Franhel und L. Jonas: Journ. of. Biol. Chem. 14. 52ö (1913). «) A. J. Ringer: Journ. of Biol. Chem. 12. 511 (1912); 14. 43 (1913). — A. J. Ringer, E. M. Franke! und L. Jonas: Ebenda. 14. .'i25 (1913). 208 ^- Vorlesung. nächst gebildet wird. Auch Äpfelsäure, Bernsteinsäure und Fumar- säure erwiesen sich als Zuckerbildner.i) Die letztere Verbindung wird wahr- scheinlich unter CÜ.j-Abspaltuug über Milchsäure iu Glukose umgewandelt 2): COO H . CH r:: CH . COOH -r H, O — CO, — >► CH3 . CH . (OH). COOH. übergibt man der Leber Rohrzucker oder Milchzucker^), so ver- mag sie diese Disaccharide nicht zu verwerten, wenn sie nicht zuvor in ihre Bausteine zerlegt sind. Zahlreich sind die Versuche über das Verhalten von Eiweiß Stoffen zur Zuckerbildung. Die Untersuchungen sind erst in dem Augenblick eindeutig geworden, als man anfing, an Stellen von Pro- teinen ihre Bausteine, nämhch Aminosäuren, zu verwenden. Es zeigte sich bei Versuchen am gesamten Organismus, dali Glykokoll, Alanin, Cystin, Serin, Asparagin- und Glutaminsäure, Arginin und Orni- thin Traubenzucker liefern*), während Phenylalanin, Tyrosin, Trypto- phan und auch Leuzin, Isoleuzin, Valin. Lysin, Histidin») keine direkten Beziehungen zu den Kohlehydraten haben sollen. Versuche an der überlebender Leber hatten, wie S. l;)9 erwähnt, für alle Aminosäuren das gleiche negative Ergebnis. Durch den Beweis, daß Glyzerin in Glukose übergehen kann, ist zwar eine Brücke von den Fetten zu den Kohlehydraten geschlagen, trotz- dem ^\ird immer noch bezweifelt, daß die Fette normalerweise Zucker liefern. Das Glyzerin ist ein Baustein der Fette. Es tritt jedoch seiner Menge nach gegenüber den übrigen Bestandteilen der Fette — den Fett- säuren — stark zurück. Bis jetzt verfügen wir über keine überzeugenden Versuche, die eine irgendwie erhebliche Zuckerbildung aus Fett beweisen würden. ß) Auf der anderen Seite sind jedoch auch keine Beobachtungen bekannt geworden, die mit voller Schärfe Beziehungen zwischen den Fetten und den Kohlehydraten ausschließen würden. Die Frage, ob nicht doch in besonderen Fällen Fette als Quelle von Kohlehydraten in Betracht kommen, bleibt vorläufig noch eine offene. Der Umstand; daß Aminosäuren voll- ständig ausreichen, um den in Erscheinung tretenden Zucker, der von Xichtkohlehvdraten stammt, seiner Herkunft nach aufzuklären, genügt *) Max Cremer: Berl. klin. Wocheaschr. Nr. 31 (19131. — Vgl. auch Hans Schröder: Beitr. z. Phvsiol. 2. 23 (1922). - W. Bürger: Ebenda 2. 19 (1922). -) Vgl. Hans Müller: Helvet. chim. acta. 5. 163 (1922). — Vgl. auch Ä. Jung und H.Müller: Ebenda 5. 239 (1922). — E. Abderhalden: Fermentforschung. 6. (1922). — H.D. Dahin: .Journ. of biol. ehem. 52. 183 (1922). ') Vgl. u. a. Ernst Weinland: Zeitschr. f. Biol. 40. 374 (1902). *) Vgl. Graham Lusk: Amerc. Journ. of Physiol. 22. 174 (1908) und Ergebnisse der Physiologie. 1. c. (1912). — Vgl. ferner: A. J. Ringer und Graham Lusk: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 66. 10(i (1910). — Max Cremer: Verhandl. d. physiol. Gesellsch. 29. November 1912. Med. Klinik. Nr. .oO (1912). — A. J. Ringer, E. M. Frankel und L. Jonas: Journ. of Biol. Chem. 14. 525 und 539 (1913). '■) H. D. Dakin: Jouru. of Biol. Chem. 14. 321 (1913). *) Vgl. zu diesem Probleme : ./. Seegen: Die Zuckerbildung im Tierköi-per, ihr Um- fang und ihre Bedeutung. Berlin 1890. — J. Weiss: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 542 (1898). — N. Zuntz: Verhandl. d. physiol. Gesellschaft. 14. Oktober 1898. — E. Abderhalden und Feter Rona: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 41. 303 (1904) — /•;. Weinland: Zeitschr. f. Biol. 49. 421 und 466(1908). — 0. Krummacher und E. Wein- land: Zeitschr. f. Biol. 52. 273 (1909). — A. Gigon: Deutsches Archiv f. klin. Medizin. 97. 376 (1909). — Eduard Pßüger und Feter Junkersdorf : Fßüger^ Archiv. 131. 201 (1910). — Feter Junkersdorf: Fflügers Archiv. 137. 269 (1910). — Felix Lommel: Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 63. 1 (1910). — If. Erharf F. Zieglwallner : Zeitschr. f. Biol. 58. 541 (1912) Kohlehydrate. 20 noch nicht, um eine Beteiligung der Fette an der Zuckerbildung ganz und gar auszuschließen. Man darf zur Zeit nicht mehr aussagen, als dal) auch ohne eine Umwandlung von Fetten in Kohlehydrate der Zuckerbedarf des Organismus gedeckt werden kann. Die Aminosäuren reichen dazu aus. Die Beobachtungen über die Bildung von Kohlehydraten aus Ver- bindungen, die nicht zu dieser Gruppe von Stoffen gehören, zeigen uns, daß die tierische Zelle mannigfaltige Synthesen durchführen kann. Während man noch vor wenigen Jahren sich scheute, im tierischen Organismus um- fassendere Synthesen anzunehmen, sind jetzt alle Schranken gefallen. Wir wissen, daß jede einzelne Körperzelle einer lieihe von Synthesen fähig ist. Es sei in diesem Zusammenhange nicht unerwähnt, daß die Frage erörtert worden [ist, ob nicht vielleicht der zur Resorption gelangende Trauben- zucker bereits in der Darm wand umgewandelt wird. Pavij dachte an eine Umbildung in Fett.i) Diese Ansicht wurde durch direkte Versuche als unrichtig erwiesen.'^) Dagegen besteht die Möglichkeit, daß schon in den Zellen der Darmwand Aminosäuren zu Kohlehydraten in Beziehung treten, und vielleicht auch Glukose zum Teil wenigstens soweit zerlegt wird, bis Abbaustufen vorhanden sind, die zu allen möglichen anderen Verbindungen führen können. Eindeutige Beweise für solche Vermutungen sind jedoch bis jetzt nicht erbracht worden, Der Beziehungen der Kohlehydrate zu den Fetten haben wir wiederholt gedacht. Es ist ein tiefgehender Umbau nötig, ehe Kohlehydrate in die Bausteine der Fette und insbesondere in Fettsäuren um- gewandelt sind. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, daß nicht Glukose als solche zur Umwandlung kommt, sondern eine ihrer tieferen Abbaustufen. Dem Umbau geht ein Abbau zu einem indifferenten Baumaterial vor- aus, dann setzt die Synthese ein. Es ist möglich, daß, wie schon wieder- holt erwähnt, Brenztraubensäure^) bzw. Azetaldehyd und die aus ihm hervorgehende Essigsäure bzw\ Azetessigsäure das Ausgangsmaterial zur Bildung höhermolekularer Fettsäuren darstellt.*) Die Bildung von Fettsäuren aus Kohlehydraten ist bei Ascaris, dem Spulwurm, direkt be- obachtet worden, als dieser ohne Sauerstoff gehalten wurde. Er bewegte sich lebhaft und bildete Valeriansäure und ferner Kapronsäure aus Kohle- hydraten.') Im übrigen ist der genauere Mechanismus der Überführung von Kohlehydraten in Fett im tierischen Organismus noch nicht auf- geklärt. Da auch Pflanzen diese Umwandlung zu vollziehen vermögen, und besonders in gewissen Samenarten einerseits Fettstoffe in Kohlehydrate und anderseits solche in erstere Verbindung übergehen, besteht die Hoff- nung, daß durch eingehende Studien an diesem leicht zugänglichen Materiale die Zwischenstufen im Umbau der genannten Verbindungen bald auf- gefunden werden.'') ') F. W. Painj . Über den Kohlehydratstoffwechsel. (Übersetzt von Kiot Mockel.) Wilh. Eugelmaiiu. Leipzig 1907. *) G. r. Bergmann und K. Reicher: Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 5. 71)0(1909). *) Vgl. Ida\Smedli'ji uud Era Lubrzc/nska: The Biochemical Journ. 7. 3(54 (1913). — Carl Xeuberi/: Handbiicli der Biochemie. P>gäuziiugsl)and. 602 (1913). *) Vgl. S. 137. *) G. r. Bunge: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 8. 48 ( 1 8,S3 - 1 884) : 14. 318 (1890). — E. Weinland: Zeitschr. f. Hiol. 42. .")o (1901); 43. 8(5 (1902). *) Vgl. Die möglichen Wege der Überführung von Kolilchydratcn in Fett in \"i>r- 1 esuug Xlll. Abderhalden, l'liy.siologisch« Chemie. I. Teil, 5. Aufl. J4 Vorlesung XI. Fettstoffe und ihre Bausteine: Fettsäuren und Glyzerin. Wir sind den Fetten und ihren Bestandteilen schon wiederholt be- gegnet. Einmal wurde festgestellt, daß Kohlehydrate in Fette übergehen können 1), und ferner der eine Baustein der Fette, das Glyzerin, Trauben- zucker hefern kann. Endlich trafen wir auf die Fette, als die Herkunft der Azetonkörper besprochen wurde. ~) Die Fette unterscheiden sich von den Kohlehydraten schon durch ihr ganz verschiedenes Aussehen und vor allem durch die eigenartigen Löslichkeitsverhältnisse. Sie sind mit wenigen Aus- nahmen 3) unlöslich in Wasser, dagegen lösen sie sich in einer Reihe organi- scher Lösungsmittel, wie Äther, Chloroform, Benzol, Azeton, Schwefel- kohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff. Manche Fette lösen sich auch ganz gut in Alkohol. Die Fette zeigen je nach ihrer Zusammensetzung einen ganz verschiedenen Schmelzpunkt. Manche sind bei Körpertemperatur flüssig, andere sind weich und wieder andere fest. Alle Fettarten sind in reinem Zustande farblos und ferner geruch- und geschmacklos. Schüttelt man ein flüssiges Fett energisch mit Wasser, dann erscheint dieses zu- nächst milchig getrübt. Es ist ganz undurchsichtig geworden. Bei ge- nauerem Zusehen erkennt man, daß die Trübung durch ungezählte, klein,ste Fetttröpfchen bedingt ist. Durch das Schütteln mit dem Wasser ist das Fett zerstäubt worden. Nach einiger Zeit hellt sich das Gemisch auf. Man beobachtet, daß größere Fetttropfen entstehen. Diese sammeln sich, da das spezifische Gewicht der Fette kleiner als 1 ist, an der Oberfläche des Wassers an. Schließlich schwimmt auf dem Wasser die ursprüngliche Fettschicht und das Wasser ist wieder ganz klar. Man nennt das er- wähnte Zerstäuben des Fettes in Wasser Emulgieren des Fettes. Eine Emulsion, die nach einiger Zeit wieder verschwindet, wird als eine unbeständige bezeichnet. Eine beständige Emulsion wird erhalten, wenn man öl z. B. mit Gummi zusammen schüttelt. Das Gummi bindet dabei das ganze Wasser. Es bildet sich eine Emulsion von Öl in dem stark hydratisierten Kolloid Gummi.*) ') S. 117. ^) Siehe Vorlesung X. ^) Diese betreffen Verbindungen zwischen Glyzerin und Fettsäuren mit niodorei Kohlenstoffatomzahl, die jedoch in der Natur keine Rolle spielen. *) Vgl. Martin H. Fischer und Mar Jan 0. Hooker: Kolloidz. 18. 129 (1916). Fettstoffe und ihre Bausteine. 211 Durch die erwähnten physikalischen Eigenschaften sind die Fette scharf gegen die Kohlehydrate abgegrenzt, dagegen nicht gegen viele an- dere Verbindungen, die ganz ähnliche Löslichkeitsverhältnisse und auch sonst entsprechende Eigenschaften aufweisen. Charakteristisch für die Fette ist ihr Aufbau. Sie bestehen aus Kohlenstoff, Wasser- und Sauerstoff. Schon die Elementaranalyse, d. h. die Feststellung des Mengenverhältnisses dieser drei Elemente, zeigt einen sehr deutlichen Unterschied gegenüber den Kohlehydraten. Die Fette besitzen weniger Sauerstoff als diese. Wir haben auf diesen Umstand schon einmal hingewiesen, als festgestellt wurde 1), daß der respiratorische Quotient bei der Zerlegung von Zucker zu Kohlensäure und Wasser gleich 1 ist, während er bei den Fetten deshalb kleiner als 1 ausfällt, weil bei ihrem Abbau zu den Stoffwechsel- endprodukten mehr Sauerstoff zur Verfügung gestellt werden muß, als dies bei den Kohlehydraten der Fall ist. Die Fette gehören zu den zusammengesetzten Verbindun- gen. Sie lassen sich mit Alkalien, Säuren und auch mit Fermenten unter Wasseraufnahme spalten. Wir gelangen auf diese Weise zu den Bausteinen der Fette. Diese bestehen stets aus einem Alkohol und Fettsäuren. Der Alkohol der meisten Fettarten ist das Glyzerin. Dieses ist ein dreiwertiger Alkohol : CHo . OH I CH . OH CH, . OH Seine Gegenwart läßt sich leicht erkennen, indem es bei Gegenwart energisch Wasser entziehender Mittel — z. B. beim Erhitzen mit saurem schwefelsaurem KaUum — in Akrolein übergeht. Dieses liefert stechende, die Schleimhäute stark reizende Dämpfe: GH., . OH CHo r I! " CH .OH — 2H2O = CH CH, . OH c<;h Glyzerin Akrolein. Die Fettsäurekomponenten sind mannigfaltiger Natur. Sie haben, so- weit unsere bisherigen Kenntnisse reichen, nur das miteinander gemein, daß sie einbasisch sind. Sehr verbreitet sind die gesättigten Fett- säuren der Reihe C^ Hon O., oder Cn H2°+\ COOH, deren einfach- stes Glied bekanntlich die Ameisensäure, H . COOH, ist. Jedes folgende Glied unterscheidet sich von dem vorhergehenden durch einen Mehrgehalt einer CHg-Gruppe: ') Vpl. S. 120. 14* '212 XI. Vorlesung. H . COOH Ameisensäure. CH3 . COOH Essigsäure. CH3 . CHo . COOH Propionsäure. CH3 . CH, . CH, . COOH Buttersäure. CH3 . CHo . CH, . CH.. . COOH Valeri ansäure. CH3 . CH., . CH.. . CH.. . CH.. . COOH Kapronsäure. CH3 . CH2 . CR, . CHo . CHo . CH., . COOH Heptylsäure. CH3 . CH2 . CH, . CHo . CH., . CHo . CHo . COOH Octyl- = Capryl- säure usw. Am verbreitetsten sind als Bausteine der Fette aus dieser Reihe von Fettsäuren die Palmitin- und die Stearinsäure: CH3 . (CHsXi . COOH und CH3 . (CH2)i6 • COOH. Beide sind bei gewöhnlicher Temperatur fest. Sie kristallisieren in Blättchen und haben ganz ähnliche Löslichkeitsver- hältnisse, wie die Fette. Sie selbst sind unlöslich in Wasser, dagegen lösen sich ihre Alkalisalze leicht in Wasser. Die salzartigen Verbindungen mit den Erdalkalien und Schwermetallen sind dagegen in Wasser schwer löslich bis unlöslich. Von weiteren Fettsäuren dieser Reihe, die insbesondere im Pflanzenreich sehr verbreitet sind, wären noch zu erwähnen die Kaprin- säure (CH3 . (CH.,)8 . COOH), die Laurin- (CH3 . (CHo),o . COOH), die Myri- stin- (CH3 (CHj)i., . COOH), die Arachin- (CH3 (CH^jis • COOH) und' die Karnaubasäure (CH3 (CHo)oo . COOH).i) Sehr verbreitet sind als Bausteine der Fette auch ungesättigte Fettsäuren der Reihe Cn H.,n_o 0., oder Cn H.,n-i • COOH. Der Haupt- vertreter dieser Gruppe von Säuren ist die Ölsäure, CigHa^O.,. Sie hat die folgende Zusammensetzung: CH3 . (CH,), . CH = CH . (CH.,), . COOH. Ferner gehört hierher die im Pflanzenreich und insbesondere im Rüböl und im Öl des Senfsamens enthaltene Erukasäure: CH3 . (CH.,), . CH =r CH . (CH-,)„ . COOH. Wie diese Formeln zeigen, enthalten die ungesättigten Fettsäuren eine Doppelbindung. An diese können sich Halogene und auch Sauerstoff anlagern. Die Ölsäure ist bei gewöhnlicher Temperatur flüssig. Nament- lich in Fetten von Fischen, sogenannten Tranen, sind manche unge- sättigte Fettsäuren dieser Reihe nachgewiesen worden, so im Dorschleber- tran die Döglingsäure, C19H36O2, die Gadoleinsäure, C.^o H38 0,, und die Jekorinsäure, C19 H36 Oo. Eine weitere Klasse von ungesättigten Fettsäuren stellen diejenigen der Reihe CnH2n-4 02 dar. In verschiedenen Pflanzenteilen ist z. B. die L in Öl- säure, CigH,, Oo, als Baustein von Fetten aufgefunden worden. Besonders interessant sind von vielen Gesichtspunkten aus die sogenannten Oxyfett- säuren. Sie können gesättigt oder auch ungesättigt sein. Die Ver- bindungen dieser Reihe sind dadurch ausgezeichnet, daß sie eine oder ) Vgl. über diese VerbiiHluugen die Lelirljüclier der organischen Chemie. Von Werken, die weitere Einzelheiten über die Fettchemie enthalten, seien besonders her- vorgehoben: F. Ulzer und ./. Klimont : Allgemeine und physi(dogiscbe Chemie der Fette. .T. Springer. Berlin (1906). 2. Autl. 1912. — Biochemisches'liandlexikoii. 3. 1 (1911) [be- arbeitet von Carl Brahm\\ 1. 912 (1911) [bearbeitet von Ernst Schmilz]. .T. Springer. Berlin 1911.— A. .Tolles: Chemie der Fette. 2. AuH. Karl J. Trühuer. Straüburg l'.»12. — hmr Bang: Chemie und Biocliemie der Lipoide. J. F. Bergmann. Wiesbaden 1911. — W. Glikin: Chemie der Fette, lupoide und Wachsarten. Gebr. Bornträger. Leipzig 1913. Fottstott'o uml ihre Bausteine. 21o mehrere Oxygruppen besitzen. Wir kennen Mono- und Dioxyfettsäurcn als Bestandteile bestimmter Fettarten. So hat Julinrd^) im Kizinusöl eine 1) i 0 X y s t e a r i n s ä u r e auf jj;ef unden : CH3 . (CHa), . CH (OH) . CH (OH) . {CH.J, . COOH. P'erner isolierten Darmstädter und L/fschütz^) aus dem Wollfett die Lanozerinsäure: 0,7 Hb7 (0H)._, . COOH. Auch ungesättigte Oxyfett- säuren sind beobachtet worden. Eine solche, nämlich die Rizinolsäure, CjyHa-, (OH) . COOH, kommt im lUzinusöl vor. Schließlich sei noch erwähnt, daß die Möglichkeit besteht, daß auch aromatische Säuren am Aufbau von Fetten beteiligt sind. 2) Die Darstellung der Fette in reinem Zustande bereitet große Schwierig- keiten, Aveil sie mit wenig Ausnahmen nicht kristallisieren. In der Natur kommen die Fette wohl nie als chemisches Individuum für sich vor. Sie sind vielmehr mit anderen Fettarten gemischt. Da nun die Fette alle recht ähnliche Eigenschaften besitzen, ist eine Trennung eines Fettgemisches in seine Anteile sehr schwierig. Auch die Bausteine der Fette lassen sich oft nur schwer trennen. Der Alkohol kann immer leicht isoliert werden, dagegen hält es schwer, die verschiedenen Fettsäuren rein zu gewinnen und bei ungesättigten Fettsäuren sekundäre Veränderungen zu vermeiden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir in der Kenntnis der einzelnen Bau- steine der Fette erst in den Anfängen stehen. Je weiter die Methoden zur Isolierung der Fettsäuren ausgebildet werden, um so mannigfaltigeren Vertretern der Fettsäurereihe wird mau begegnen. In diesem Zusammenhange sei erwähnt, daß die Fettsäuren im Tier- und auch namentlich im Pflanzenreich als solche — d. h. ohne mit einem Alkohol gebunden zu sein — weit verbreitet sind. Meist begegnet man ihnen jedoch nur in geringen Mengen. In vielen Fällen dürften die in den Geweben auftretenden freien Fettsäuren Zwischenstationen im Ab- oder Aufbau von Fetten darstellen. Auch die Alkohole und insbesondere das Glyzerin kommen im Tier- und Pflanzenreich als solche vor. Wir haben bemerkt, daß die typischen Fette fast durchweg Glyzerin als Baustein besitzen. Es gibt jedoch auch Verbindungen, die andere Alko- hole aufweisen. Von solchen seien erwähnt: Cetylalkohol, CigHgg OH, Oktadecylalkohol, CipHgy OH, Karnaubylalkohol, C24 H^g OH, Myri- cylalkohol, CsoHgi OH oder CajHßa OH. Auch Alkohole der aromatischen lleihe binden sich mit Fettsäuren zu Fetten. Die wichtigste Gruppe dieser Reihe stellen die Sterine dar. Von diesen ist im Tierreich das Chole- sterin der wichtigste Vertreter. W^ir kommen auf diese zyklischen Alkohole noch zurück. Mit der Feststellung, daß die Fette bei der Hydrolyse einen Alkohol und Fettsäuren liefern, haben wir die Vertreter dieser Körperklasse noch nicht genügend charakterisiert. Wir wollen wissen, wie die einzelnen Bau- M JulUard: Bull, de la soc. chim. 3. 13, 238 (1895). ^) Ddrmsfädter und Lifschütz: Ber. d. Deutschen ehem. (lesellscli. 29. 1474, 2893 (189()). ■') Von oranz besonderem Interesse ist die Beoltachtung, d;iß in den tialläpfelu eine zyklische Fettsiiure, die (' y kloga lli p h arsiiu re, vorkommt. \'gl. IlerniaiiH Kunz-Krausc : Arch. f. Pharmazie. 242. 256 (1904). — Jlcrnianii Kidiz-Hrausr und Paul Schelle: Ebenda. 242. 257 (1904). — //. Kitnz-h'ravf^e und l'diil Matücke: Ebenda. 248. 695 (1911). 214 ^^ \ orlesuug. steine miteinander vereinigt sind. Es ist das große Verdienst des Chemi- kers ChevreuP) (1811), die Konstitution der Fette in ihren Grundzügen aufgeklärt zu haben. Die Fette sind ganz allgemein esterartige Ver- bindungen eines Alkohols mit Fettsäuren. Ist der Alkohol mehrwertig, dann sind a priori mehreje Möglichkeiten gegeben. Einmal können alle Alkoholgruppen mit Fettsäuren verknüpft sein oder aber nur einzelne. Nach den bisherigen Erfahrungen scheinen immer alle verfügbaren Alko- holgruppen besetzt zu sein. Wir wollen die Konstitution eines Fettes, am Beispiel eines soge- nannten Glyzerides, d. h. eines Fettes, an dessen Aufbau Glyzerin be- teiligt ist, erörtern. Die Zusammensetzung der Glyzeride ist vor allen Dingen durch die Arbeiten von Berthelot^) einwandfrei bewiesen worden. Er hat nämlich Fettsäureester des Glyzerins durch Synthese dargestellt (185-1). Er erhitzte Fettsäuren mit der entsprechenden, berechneten Menge Glyzerin im zugeschmolzenen Rohr auf etwa 200''C.äj Später hat man übersichtlichere Methoden aufgefunden. Man läßt z. B. auf das z-Monochlorhydrin des Gly- zerins das Natriumsalz einer Fettsäure einwirken und erhält dann einen Monof ettsäuregiyzerinester : a CH, . OH GH., . OH I . I ' ß CH . OH = CH . OH + Na Gl. I i a CH2 .Gl + Na OOC . C^^H^, GH. . 0 . OC . C,, H3, a-Monochlor- Stearinsanres -/-Monostearinsäure- hydrin. Natrium. glyzerinester. Zu gemischten Glyzeriden gelangt man*), indem man auf a-Monochlor- hydrin ein Molekül des Chlorids einer Fettsäure einwirken läßt>>), z.B. Myristin- säurechlorid. Es entsteht der Monomyristinsäureester.*') Nunmehr kann man noch Stearinsäurechlorid auf den Ester einwirken lassen. Die Stearinsäure besetzt die noch freie Alkoholgruppe (ß-Stellung). Jetzt wird durch Ein- wirkung von Silbernitrit das Chlor durch die OH-Gruppe ersetzt und die M CherreuJ : Recherches chirniquesJ sur les corps gras d'origiue auimale. Paris (1823). -) Berthelot: /ahlreiche Arbciteu in den Ann. chim. 5 und weitere. — Vgl. aucli die Übersiclit bei J. Bellticci : (iazz. Chiui. ital. 42. II. 283 (1912). =*) Berthelot: Aun. de chim. (3). 41. 216 (1854). *) Guth: Zeitschr. f. Biol. K. F. 26. 78 (1903). — Krafft: Ber. d. Deutschen Cheui. Gesellsch. 36. 4339 (1903). •') Ad. Grün und li. Schreyer; Ber. d. Deutschen Cheni. Gesellsch. 45. 342U (1912). — Vgl. auch Albrecht r. Skopnik: In.-Diss. Zürich 1909. ") Wir geben diese Synthese wieder, weil sie einen guten Einblick in den Auf- bau der Glyzeride geben, obwohl es namentlich nach den Arbeiten von Emil Fischer, ü. Bergmann und Bärwind : Ber. d. D. Cbem. Gesellsch. 53. 1589 (1920). — 3Ia.t Bergmann, Erwin Brand und F. Dreyer: Ebenda 54. 936 (1920), nicht feststeht, ob die Fettsäuren bei der erwähnten Art des Aufbaus in a-Stellung eintritt. Vgl. über die Synthese von Glyzeriden mit sicher festgestellter Struktur die Arbeiten von Emil Abderhalden und Egon Eichwald (siehe S. 216, Zitat 3) und die erwähnte Arbeit von Bergmann, Brand und Drei/er: ferner <'. Amberger wwd K. Broinu/: Biochem. Zeitschr. 130. 252 (1922). Fettstoffe uml ihre Bausteine. 215 Verbindimg' a-Myristo-ß-stearin ist fertig.') Schließlich kanu man noch ein drittes Molekül Fettsäurechlorid einwirken lassen und die letzte freie Alkoholgruppe besetzen. Die folgenden Formeln geben die Synthese des a-Myristo-^-stearins Avieder : 7. CH., . OH + ClOC . Ci3 H.,7 CHa . 0 . OC . C13 H^^ I I iCH .OH = CH .OH + HCl y. CH, . Gl CH2 . Cl y.-Mono- Myristinsäure- a-Myristinsäureester des chlor- Chlorid. z-Monochlorhydrins. hydrin. CH, . 0 . OC . Ci3 H,7 CH, . 0 . OC . C13 H,, I " l CH . OH + ClOC . Ci7 H35 = CH . 0 . OC . C,, H35 + HCl CH.2 . Cl CH., . Cl Stearinsäure- a-Myristinsäure- chlorid. [i-stearinsäureester des X- Mono chlor hydrins. Geht unter Einwirkung von Silbernitrit über in CH2 . 0 . OC . Ci3 üo? CH .O.OC.C17H35 CH2 . OH a-Myristin-ß-stearin. Man kann ferner auf Dichlorhydrin und Trichlorhydrin Salze von Fettsäuren einwirken lassen und erhält dann di- und trisubstituierte Produkte: CH., . Cl -f Na OOC . R^) CH^ . 0 .OCR I I CH .OH = CH .OH + 2NaCl. 1 I CH2 . Cl + Na OOC . R CH2 . 0 . OC . R z, a-Dichlorhvdrin. ') Als Zwischenprodukt entsteht der Salpetrigsäureester: CH, . OOC . R CH, . OOC . R I ' I ' CH . OOC . R, = CH., . OOC . R, I ! " CH., . Cl + Ag NO3 CHj . 0 . NO -h Ag Cl. Dieser wird mit Wasser leicht verseift: CH.. . OOC . R CHjj . OOC . R I " I CH, . OOC . R, := CH . OOC . R, I " I CHj . O . NO -h H.,0 CH2 . OH -I- HNO,. -) R bedeutet den Rest der C- und H- Atome einer beliebigen Fettsäure. 216 ^I- Vorlesung. Ganz entsprechend lassen sichx, i-Esterimda, z, ß-Esteraus a, ß-Diehlor- h y d r i n : CH2 . Cl CH, . Cl CH . Cl und Trichlorhydrin : CH . Cl gewinnen. CH, . OH CH, . Cl Wir haben diese Synthesen deshalb so ausführlich wiedergegeben, weil es keine bessere Methode gibt, um sich die Konstitution einer Verbindung einzuprägen, als die ^'ertiefung in ihren Auf- und Abbau. Von der eben gegebenen Grundlage aus können wir nunmehr mit Leichtigkeit die Struktur der verschiedenartigsten Eette verstehen. Früher war man der Ansicht, daß ein bestimmtes Fett nur eine bestimmte Fettsäureart enthalte. In der Tat gibt es derartige Fette. Es gibt Glyzeride, die drei Moleküle Stearin- säure an Glyzerin gebunden enthalten. Man hat solche Fette Tristearin genannt. Ferner können drei Moleküle Palmitinsäure vorkommen. Die Namen Tripalm itin, Triolein (drei Moleküle Ölsäure), ferner Triacetin, (drei Moleküle Essigsäure), Tributyrin, Trilaurin, Trimyristin usw. bedeuten immer, daß Verbindungen von Glyzerin mit drei Molekülen der entsprechenden Fettsäuren vorliegen. Als Beispiel wollen wir die Konstitutionsformel des Tripalmitins wiedergeben : GH., . OH HOOC . C\, H3, CH, . O . OC . C^^ H3, CH .OH + HOOC.CisHo^ = CH .O.OC.C15H3, + 3 Hj O. CH., . OH HOOC . Ci5 H31 CH, . O . OC . C,^ H31 Glyzerin. Drei Moleküle Tripalmitin. Palmitinsäure. Ein Molekül Glyzerin tritt mit drei Molekülen Fettsäure zusammen. Die Veresterung erfolgt unter Wasseraustritt. Es liegt genau der gleiche Vorgang vor, wie wenn z. B. ein einwertiger Alkohol mit einer Säure sich esterartig bindet. So entsteht z. B. der Propionsäureäthylesteri), wie folgt : CH3 . CH, . COOH + OH . C, H, = CH3 . CH., . CO . 0 . C, H^ + H., 0. Umgekehrt erhält man aus dem Ester wieder seine An- teile, wenn man ihn unter AVasserauf nähme spaltet. Tripal- mitin zerfällt unter Aufnahme 'von drei Molekülen Wasser in ein Molekül Glyzerin und drei Moleküle Palmitinsäure. Man nennt die Hydrolyse von Fetten auch Ve|rseifung. Meistens führt man sie durch Kochen mit Alkali herbei. Man erhält dann neben dem Alkohol nicht direkt die Fett- säuren, sondern deren Salze. Die Salze der Fettsäuren sind Seifen genannt worden. Man spricht von Alkaliseifcn oder spezieller von Natrium- ') Nach der allgemeiuni Definition der F'ette, wonach sie esterartige Verbin- dungen von Fettsänren mit Alkoholen sind, ist auch diese Verbindung ein Fett, doch werden mit der Bezeichnung Fett meist gleichzeitig bestimmte Eigenschaften mit einge- schlossen. P^ine auf die eigcntliclien Fette begrenzte Definition dieser Körperklasse läßt sich kaum geben, es sei denn, man scliließe die ein- inul zweiwertigen, einfacher ge- bauten Alkohole ganz aus. Fettstoffe uuil ihre Bausteine. 217 Kalium- oder Lithiumseife, ferner von einer Kalkseife, wenn ein Kalksalz vorliegt usw. Wie wir schon angedeutet haben, kommen neben den eben bespro- chenen Fetten auch solche vor, bei denen die Alkoholgruppen des Glyzerins mit verschiedenen Fettsäuren verbunden sind. So gibt es Fette, die z. B. zwei verschiedene Fettsäuren enthalten. Die eine davon muß dann zweimal vertreten sein. So kennen wir ein Fett, das aus einem Molekül Glyzerin, einem solchen von Stearinsäure und zwei Mole- külen Palmitinsäure besteht. Es ist aus Talg^) und auch synthetisch er- halten worden. Ein solches Fett bezeichnet man als Stearo-dipalmitin. Dieser Xame gibt uns noch keine Auskunft über die Stellung der ein- zelnen Fettsäuren im Molekül des Glyzerins. Wie die folgenden Formeln zeigen, in denen die Stearinsäure mit S und die Palmitinsäure mit P be- zeichnet ist, gibt es zwei isomere Verbindungen der gleichen Zusammen- setzung: GH., . O .P GH., . () . P 1 ■ ! *CH . O . P oder GH . O . S I I GH., . () . S GHo.O.P I. II. Es genügt in diesen Fällen die Hydrolyse und die genaue Bestim- mung der Art und Menge der Spaltprodukte nicht, um die Konstitution des Ausgangsmateriales festzustellen. Nur die Synthese der beiden stereo- isomeren Formen und das Studium ihrer Eigenschaften kann eine Ent- scheidung herbeiführen. Form I muß übrigens optisch aktiv sein, denn sie enthält ein asymmetrisches Kohlenstoffatom (*). -) Optisch-aktive Fette sind synthetisch dargestellt worden. 3) Sie drehen sehr schwach. Alle gemachten Beobachtungen lassen es wenig wahrscheinlich erscheinen, daß in der Natur optisch-aktive Glyzeride, die im Glyzerylrest asymmetrisch gebaut sind, eine Rolle spielen. Bei asymmetrischem Glyzerylrest ist außerdem zu erwarten, daß beide optisch-aktiven Formen ohne Bevorzugung der einen entstehen, und es so zur Bildung von inaktiven Razemkörpern kommt. Ein Fett kann bei symmetrisch gebautem Glyzerylrest optisch-aktiv sein, wenn es optisch- aktive Fettsäuren als Bausteine aufweist. Derart optisch-aktive (ilyzeride dürften schon eher in der Organismenwelt anzutreffen sein. Aus Hammel- und Rindertalg wurde z - Palmito- a, ß - distearin ge- wonnen.*) Bömer-') entdeckte es auch im Schweinefett. Die aus Hammeltalg er- haltene Verbindung ist jedoch nicht identisch mit dem Palmito-distearin des Schweinefettes. Es muß die Stellung der Fettsäuremoleküle im Glyzerin eine verschiedene .sein. Im Schweinefett kommt auch ein Stearo-dipalmitin vor. Im Menschenfett soll Dioleo-stearin enthalten .sein. Auch einOleo- ') Willy Hansen: Arcli. f. Hvg. 42. 1 (1902). ■-) Vgl. "hierzu S. 19 ff. ■') Vgl. Emil Abderhalden und E(/on Eichuald^Bor. tl. Deutscheu Cheni. (ies. 47. 1856, 2880 (1914); 48. 113. 1847 (1915). *) \'gl. liierzu Hans Kreis und Auf/K.st Hafner: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch, 36. 1123. 276f) (1903). — Vgl. auch .7. ' Klimon't und E. Meisrls: Mouatsh. f. Chemie. 30. 341 (1909). ^) A. bünier: Zeitschr. f. Uutersuch. d. Xahiungsin. 25. 331 (1913). — Vgl. auch A. Bötnerxmd H. Merfen : Ebenda. 43. 101 (1922). 21 8 XI- Vorlesung. distearin ist bekannt. Im Gänsefett ist ferner ein a. - Stearo - x, ß - dipalmitin festgestellt.!) Es unterliegt keinem Zweifel, daß man noch auf manche der- artige Fette treffen wird. Besonders interessant sind Fette, an deren Aufbau drei verschie- dene Fettsäuren beteiligt sind. So sind ein Palmito-oleo-stearin und ein Oleo-palmito-butyrin beschrieben worden. Es ist jedoch noch nicht eindeutig genug festgestellt, ob die betreffenden Verbindungen einheitlich waren. Bei drei verschiedenen Fettsäuren, die wir mit S, P und M be- zeichnen wollen, sind die folgenden stereoisomeren Formen möglich: CH.2 . () . M CH, . 0 . P . CH, . 0 . M *CH . 0 . P *CH . 0 . M *CH . 0 . S CH, . 0 . S I. CH. . 0 . S II. CH, . 0 . P in. Alle diese Verbindungen enthalten ein asymmetrisches Kohlenstoffatom. Sowohl diese Glyzeride, wie diejenigen, an deren Aufbau zwei ver- schiedene Fettsäuren beteiligt sind, zeigen im Prinzip, wie schon aus dem angeführten Beispiel der Synthese eines gemischten Glyzerides hervorgeht, genau die gleiche Konstitution, wie diejenigen Fette, die nur eine Fett- säureart aufweisen. Sie lassen sich genau ebenso verseifen,^) Man könnte noch die Frage auf werfen, ob in der Natur nicht auch Fette vorkommen, bei denen eine oder auch zwei Alkoholgruppen des Glyzerins unbesetzt sind. Man könnte solche Verbindungen zum Unterschied von den Triglyzeriden Mono- und Diglyzeride nennen. Es soll im Rüböl ein Dierucin») enthalten sein, d. h. eine Verbindung von Glyzerin mit zwei Molekülen Erukasäure. Im übrigen sind derartige Fette in der Natur noch nicht mit Sicherheit beobachtet worden. A priori kann man sich ganz gut vorstellen, daß Fette der genannten Art sowohl bei der Synthese der Fette aus Glyzerin und Fettsäuren, als auch beim Abbau von Triglyzeriden als Zwischenstufen auftreten. Manche neuere Beobachtungen sprechen dafüi', daß in der Tat solche Abbaustufen durchlaufen werden.*) Sie sind sowohl bei der Synthese von Fetten aus Fettsäuren und Glyzerin als auch, was besonders wichtig ist, beim Abbau und Aufbau durch Fer- mente beobachtet worden. Fermente, die Fette zerlegen können, nennen wir lipoly tische. Sie sind im Pflanzen- und Tierreich sehr verbreitet. Interessanterweise kann die Lipase, wie das Ferment auch genannt wor- den ist, einerseits unter Wasseraufnahme abbauen und andrerseits je nach den Konzentrationsverhältnissen auch Fett aus den Bausteinen — Glyzerin und Fettsäuren — bilden. &) DieFette, wie sie sich in der Natur finden, stellen, wie schon erwähnt, ein Gemisch verschiedener Fettarten dar. Jedem einzelnen *) C Amberger iiud K. Bromif/: Biochem. Zeitschr. 130. 252 (1922). *) Viele derartige fette sind synthetisch dargestellt worden. Vgl. z. B. Ad. Grün und B. Schreyer: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 45. 3420 (1912). — A. Bötner und B. Limpich: Zeitschr. f. Untersuch, d. Nahrungsm. 25. 335 (1913). 3) Beimer und Will: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 19. 3322 (188(1). *) Vgl. z. B. V. Fortini: Chemiker-Zeitung. 36. 1117 (1912). — J. Meyer: P^beuda. 37. 541 (1913). ■') \'gl. Loevenhart : Americ. Juurn. of l'hysiol. 6. 331 (1902). Fettstofle und ibre Bausteine. 219 Fette ist der Charakter der es aufbauenden Fettsäuren aufgeprägt. Fette, die ganz aus Palmitin- oder Stearinsäure bestehen, haben einen relativ hohen Schmelzpunkt und sind bei gewöhnlicher Temperatur fest. Das Vor- kommen von Ölsäure bedingt flüssige Fette. Man hat die flüssigen Fette auch Öle genannt — Olivenöl. Rizinusöl usw. Sind verschiedene Fettsäuren mit Glyzerin verbunden, dann sind bei den aus ihnen bestehenden Giyzeriden alle möglichen Variationen in den physikalischen Eigen- schaften, je nach ihrer Art und Menge, zu erwarten. Schon der Um- stand, daß am Aufbau der Fette sich verschiedene Fettsäuren beteiligen können, und im einzelnen Molekül wiederum nicht die gleichen Kompo- nenten sich zu wiederholen brauchen und in diesem Falle stereoisomere Formen möglich sind, zeigt uns, daß die Fette durchaus nicht, wie man früher anzunehmen geneigt war, eine wenig abwechslungsreiche Gruppe von Verbindungen darstellen. Sie können im Gegenteil außerordentlich mannig- faltig in ihrem Aufbau sein. Rechnet man hinzu, daß die Fette offenbar nie in reinem Zustande vorkommen, sondern unter sich in der mannigfaltig- stens Weise und in ganz verschiedenen Mengenverhältnissen gemischt sind, dann versteht man, daß jede Tierart ihr eigenes Fett haben kann und innerhalb jedes einzelnen Organismus wiederum bestimmte Zellarten über eigenes Fett verfügen können. Jenes Fett, daß am Aufbau der Zellen teil- nimmt, dürfte wohl einen besonders eigenartigen Aufbau aufweisen oder doch durch die Art seiner Mischung ein spezifisches Gepräge besitzen. Es sei hier schon kurz gestreift, daß manche Fettgemische in ganz ge- ringen Mengen Stoffe noch unbekannter Natur gelöst enthalten, die einen bedeutsamen Einfluß auf das Wachstum und manche andere Zellfunk- tionen haben. 1) Wir kommen in Band II, in der Vorlesung XXIII auf diese Stoffe noch zurück. Ihre Kenntnis ist für die Abschätzung des Nähr- wertes von Fetten von großer Bedeutung. Es kann eine Fettart biolo- gisch wertvoller erscheinen als eine andere, weil sie jene noch unbe- kannten ,, Wachstumsstoffe" enthält und die andere nicht, obwohl viel- leicht die Fette als solche, ohne jene Produkte gleichwertig sind. Die Fette sind im Pflanzen- und Tierreich ganz außerordentlich verbreitet. Es dürfte wohl keine Zelle geben, die nicht Fett besitzt. Es kommt zum Teil frei in der Zelle eingelagert vor und stellt in dieser Form offenbar einen Reservestoff, etwa entsprechend dem Glykogen, dar. Daneben findet sich immer Fett, das man nicht ohne weiteres nachweisen kann, weil es allen Beobachtungen nach wohl an andere Zellbestandteile gebunden ist. Diese Tatsache ist von weittragender Bedeutung. Der Fettgehalt einer Zelle darf niemals nur nach dem direkt nachweisbaren Fette eingeschätzt werden. Es muß vielmehr neben dem direkt durch bestimmte Lösungsmittel abtrennbaren Fett auch jener Anteil festgestellt werden, der infolge seiner Bindung nicht in dieses übergeht. Um das gesamte Fett quantitativ be- stimmen zu können, wird das zu untersuchende Gewebe nach erfolgter Trocknung mit Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff oder einem andern Lösungs- mittel für Fette vollständig erschöpft. Dann spaltet man das vom „freien^' Fett befreite Gewebe mittelst Magensaft oder verdünnter Säure und zieht 1) Vgl. u. a. F. G. Hopkins: J. of Physiol. 44. 425 (1912). — Stepp: Ergeb- nisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde. 15. 257 (1917). — H. Aron: Biochem. Zeitschr. 92. 211, 103. 172 (1920). — S. Rosenbuum: Ebenda. 109. 271 (1920). — H. Aron und B. Gralka: p:beuda. 115. 188 (1920). 220 ^I- Vorlesung. dann nochmals mit Fette lösenden Flüssigkeiten aus. Man erhält so die Menge des gebundenen Fettes. Die Summe des freien und des gebundenen Fettes ergibt dann die Gesamtmenge an Fett oder, genauer ausgedrückt, jener Substanzen, die in dem angewandten Lösungsmittel löslich sind. Wir kennen nämlich zur Zeit kein solches, das nur Fette aufnimmt. Infolgedessen darf man auch nicht einfach den Rückstand, der nach dem Verdunsten des Lösungsmittels verbleibt, als Fett in Rechnung setzen. Er enthält vielmehr neben diesem Cholesterin, Cholesterinester und Phosphatide. Eine genaue Fettbestimmung erfordert große Kenntnisse. Man hat vorgeschlagen, nicht die Fette als solche, sondern nach ihrer Spaltung die gebildeten Fettsäuren zu be- stimmen, doch ist auch diese Methode nicht ganz genau, weil die l'hosphatide auch Fettsäuren liefern, ferner können Verbindungen zwischen solchen und Cholesterin vorhanden sein. Die Menge der Phosphatide kann man ziemlich genau bestimmen , indem man als Maßstab ihren Baustein Phosphorsäure nimmt. Diese Bemerkungen sollen nur andeuten , mit welchen Schwierigkeiten genaue Untersuchungen über den Fettgehalt von (Jeweben und Zellen ver- knüpft sind. Sie lassen es verständlich erscheinen, weshalb auf dem Gebiete des Fettstoffwechsels so viele einander widersprechende Ergebnisse vor- handen sind. In den wenigsten Fällen sind ausreichende Methoden zur Anwendung gekommen. Vielfach hat man sich sogar mit Farbreaktionen begnügt und nach ihrem Ausfall den Fettgehalt geschätzt. P]s haben näm- lich die Fette die Eigenschaft, mit manchen Farbstoffen charakteristische Färbungen anzunehmen. Selbstverständlich können derartige Methoden nie ([uantitative sein. Außer jenen Körperzellen, die neben anderen Stoffen auch in relativ geringen Mengen freies Fett aufweisen, gibt es noch solche, welche in der Hauptsache aus solchem bestehen. Man hat sie kurzweg als Fettzellen bezeichnet. Sie haben offenbar in besonders ausgesprochenem Maße die Fähigkeit, Fett zu speichern. Meistens finden sich viele solcher Zellen ver- einigt. Sie bilden das sogenannte Fettgewebe, das im tierischen Or- ganismus insbesondere im Unterhautbindegewebe und im Mesenterium oft in großer Masse auftritt. Auch in der Pflanzenwelt kommen solche Ge- webe vor. Oft werden die Pflanzensamen mit großen Mengen von Fett ausgerüstet. Der tierische Organismus verwendet das Fettgewebe, wie wir noch erfahren werden, auch zu mechanischen Zwecken, z. B. als Schutz gegen Druck. Ferner spielt es vor allem als schlechter Wärmeleiter im Wärmehaushalt eine wichtige Rolle. Wenn man im allgemeinen vom Fette eines Tieres spricht, dann meint man jenes Fettgemisch, das die Fettdepots, das Fettgewebe, erfüllt. Man spricht von Menschenfett, von Hammeltalg, von Pferdefett usw. und charakterisiert es zunächst durch jene Temperatur, bei der es schmilzt, oder, wenn man es zum Schmelzen gebracht hat, wieder erstarrt. Jede Fettarfi) hat unter normalen \'erhältnissen einen ziemlich konstanten-) Schmelz- bzw. Erstarrungspunkt. Die meisten derartigen Fette sind bei Körper- temperatur halbfest. Es kommen jedoch auch richtige Öle im Tierreich vor, es sei z. B. an den Lebertran erinnert. Er besteht aus den Fettsub- ') Nicht zu verwechselu mit dem chomischon Begriff eines liostinimtoii. eiiilieit- lichen Fettes ! Jede ..Fettart" stellt ein lifstiminfes (iemisc.li von Fetten dar. '■') Vgl. liifizu A'/. Grihi und ,1. Ciisladis: Hci'. d. Dciitsciicn Clicni. (icscliscli 45. 3()t)l (lOl-i). Fettstotle uml ihre liausteiue. 221 stanzen der Leber von Fischen. Es seien die Schmelzpunkte^) einii^er der wichtigsten Fettarten angeführt"-): Schmelzpunkt Meuschenfett IT'ö" Gänsefett 26--;-i4'' Butterfett 28—330 Pferdefett ca. 40« Schweinefett 3(j — 46" Hühnerfett 33—40« Hundefett 37— 40« Hindertalg 41—49« Hammeltalg 44—51« Die angeführten Werte sind nicht so zu verstehen, als ob jede Tier- art nur über eine bestimmte Keservefettart verfügte. Es hat sich vielmehr gezeigt, daß das Fett ein und desselben Tieres je nach der Körperstelle, der es entnommen worden ist, sich verschieden verhält. Htnriques und Hansen'^) haben durch systematische \'ersuche festgestellt, daß das dicht unter der Haut liegende Fett den tiefsten und das im Inneren des Körpers sich befindende den höchsten Schmelzpunkt hat. Das Fett des Fettgewebes schwankt in seiner Zusammensetzung auch erheblich je nach der Art der Ernährung. Ferner scheint das Klima von Einfluß zu sein. Während die Kohlehydrate im allgemeinen sehr beständig sind, zeigen viele Fette schon beim Liegen an der Luft Veränderungen. Zunächst ist zu be- merken, daß die Fette als solche in den Geweben sehr oft von Fettsäuren be- gleitet sind. Diese weisen ohne Zweifel auf Umsetzungen hin. Über sie führt der Auf- und Abbau von Fett. Man hat für die reinen Fette auch den Namen Neutralfett eingeführt. Auch solche zeigen sehr oft sekundäre Verände- rungen. Man spricht von einem Ranzigwerden des Fettes.*) Das Fett nimmt dabei sehr oft einen unangenehmen Geruch an. Auch sein Geschmack leidet stark. Das Ranzigwerden der Fette beruht auf komplizierten Um- wandlungsvorgängen. Es sind noch nicht alle erkannt, nur soviel ist sicher, daß hydrolytische und oxydative Vorgänge zusammenwirken. Es scheint vor allem dem Lichte eine bedeutsame Rolle bei diesen Veränderungen des Fettes zuzukommen. Besonders leicht werden jene Fette umgewandelt, an deren Aufbau ungesättigte Fettsäuren beteiligt sind. Es entstehen 0.\v- fettsäuren und auch Aldehyde aller Art. Ranzige Fette bilden beim Schütteln mit Wasser eine recht beständige Emulsion. *) Die Fette sind uoch auf andere Weise charakterisiert worden. So h;it man z. B. festgestellt, wieviel Jod ein bestimmtes Fett aufzunehmen vermag. Mau nennt diesen Wert die Jodzahl. Alle diese indirekten Methoden, ja selbst die Schmelzpunkts- bestimmung sind zurzeit nur Notbehelfe. Genaue Fettbestimniungsmethoden werden erst zur Verfügung stehen, wenn es gelungen ist, die Fette einzeln in chemisch reinem Zustande abzutrennen. ^) Vgl. die Tabellen bei F. Ulzer und ./. Klimont: Allgemeine und physiologische Chemie der Fette. J. Springer. Berlin. 190(5. ^) Henri. .AuH. 15 2i>6 XII. Vorlesung. Meersch wamm, Suberite.s domuncula. findet sich ein Spongosterin genanntes Sterin. Viel mannigfaltiger sind offenbar die Sterine der Pflanzenwelt. Wir kennen schon jetzt eine ganze Anzahl Vertreter dieser Körperklasse. Das eigentliche Cholesterin scheint den Pflanzen vollständig zu fehlen, umgekehrt sind bis jetzt in tierischen Geweben noch keine Phytosterine aufgefunden worden.^) Sehr verbreitet ist von den Phytosterinen das Sitosterin, 0,7 Utf, 0 + H2 0. Es steht wahr- scheinlich dem Cholesterin sehr nahe und scheint nur stereomer von ihm verschieden zu sein.'-) Aus den Calabarbohnen ist Stigm asterin, Cjn H4g 0 + H., 0, gewonnen worden. Von den eingehender untersuchten Phytosterinen sind noch das Lupeol, das 7.- und ß-Amyrin und das Euphorbon zu nennen. Endlich ist zu erwähnen, daß im Mutterkorn Ergosterin vorkommt. Dieses Sterin ist in allen bis jetzt unter- suchten Pilzen aufgefunden worden. Neben dem Ergosterin enthält das Mutterkorn noch das Fungisterin. Es sind noch mancherlei Phytosterine beschrieben und mit besonderen Namen belegt worden, ohne daß jedoch stets der Nachweis erbracht worden wäre, daß die betreffenden Verbindungen völlig rein waren. Dazu kommt noch , daß wir zurzeit die Konstitution der Sterine nicht vollständig kennen. Es ist wohl möglich, daß manche der zu den Sterinen gerechneten Verbindungen zu anderen Klassen von Substanzen gehören. Am eingehendsten untersucht ist bis jetzt das Cholesterin. Es ist ein zyklischer, ungesättigter, einwertiger, sekundärer Alkohol. Es kristallisiert aus Chloroform oder wasserfreiem Äther in feinen, seidenglänzenden Nadeln. Aus wässerigem Alkohol bildet es charak- teristische, große, rhombische Tafeln. Sie fühlen sich fettig an und glänzen perlmutterartig. Cholesterin ist in Wasser unlöslich, löslich in Äther, Chloro- form und Benzol. Auch in Alkohol löst es sich , besonders leicht in warmem. Cholesterin ist optisch aktiv. Am Lichte verändert es sich. 3) Besonders wichtig ist seine Eigenschaft, mit verschiedenen Verbindungen, so mit Saponin*) — Seifenstoffglukoside der Pflanzenwelt-^) — eine Verbin- dung einzugehen. Für den quantitativen Nachweis des Cholesterins neben Cholesterinester ist besonders bedeutungsvoll die Beobachtung geworden, daß ein Molekül davon sich mit einem solchen von kristallisiertem Digi- tonin bindet. Es sind zahlreiche Farbenreaktionen des Cholesterins bekannt. Löst man z. B. Cholesterin in Chloroform und wird mit konzentrierter Schwefel- säure unterschichtet, dann färbt sich die Chloroformlösung rot, während die Schwefelsäure grün fluoresziert (Salkoivskii^ Probe). Fügt man zu einer Lösung von Cholesterin in Chloroform tropfenweise Essigsäureanhy- drid und konzentrierte Schwefelsäure, dann färbt sich die Flüssigkeit zu- erst rosenrot, dann violett, blau und schließlich dunkelgrün {Liehermann- Burchardü Reaktion). Übrigens sind diese Fai'breaktionen durchaus nicht ') Vgl. dazu aucli jMary Taylor Ellis: Biocliem. Jouru. 12. 154. 1(>0 u. 173 (liMS). ') A. Windaus iiiid K. RakUn: Z. f. physiol. Chem. 101. 22:5 (15118). ') E. Schulze und E. Wintersfein: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. Sltj (1;K)4): 48. 546 (1906). *) A. Windaus: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 23S (190i)). ') Biochem. Haudlexikon. 7. 14.t (1912) (bearbeitet von Kohrrf). .1. Spriiiircr. Berlin 1912. Fette mit liochmolekularom ciDwertigom Alkohol als Baustein. 227 für C'holesterin charakteristisch. Man erhält sie nicht nur mit allen Ste- rinen, sondern auch mit Harzsiiuren und Terpenalkoholen. Das Cholesterin ist zuerst von Coiiradi^) und CrVew^) aus Gallensteinen i,'-evvonnen worden. Ks macht oft bis zu 90% iind mehr dieser aus der (ialle sich abscheidenden I'rodukte — nach ihrem Aussehen Steine genannt - aus. Chevreul hat das Cholesterin genauer untersucht. Er nannte es seinen ganzen p]igenschaf ten nach (lallenfett, Cholestearin. Erst später entdeckte man, daß das Cholestearin als solches seiner Struktur nach mit den Fetten nichts zu tun hat. Der Name Cholestearin ist zweckmäliig in Cholesterin ver- ändert worden, um den Eindruck zu verwischen, als käme mit dem Namen ein Zusammenhang mit den Fetten zum Ausdruck. Bald fand man dann das Cholesterin in allen < )rganen. Besonders reich an dieser Verbindung ist das Cehirn (ca. löVo fies trockenen Corpus callosum). In der Leber- galle findet man ca. e^/o Cholesterin. In den verschiedenen Organen kommen etwa 0'2 — 0"5Vo dieses Alhohols vor. Das Cholesterin hat die empirische Zusammensetzung C.27H46O. Von der Feststellung der einfachsten Formel einer Verbindung bis zur Auf- klärung der Funktion und Stellung jeder einzelnen Atomgruppe ist meistens ein sehr weiter Weg zurückzulegen. Das kommt einem ganz besonders zum Bewußtsein, wenn man die Chemie des Cholesterins verfolgt. Es bedurfte langer, unausgesetzter Bemühungen, um die Struktur des Cholesterins in d^n wesentlichsten Punkten aufzuklären.'^) Bis jetzt steht vor allem dank den Untersuchungen von A. Windaus folgendes fest. Der Sauerstoff ist in einer Hydroxylgruppe vorhanden. Schon frühzeitig wurde erkannt, daß Chole- sterin sich verestern läßt.*) Damit war das Vorkommen einer Alkohol- gruppe bewiesen, und zwar handelt es sich um die (iruppe — CH . (JH. Durch die (Jxydation dieser sekundären Alkoholgruppe wurde das Keton Cholestenon erhalten.^») Cholesterin enthält eine Doppelbin- dung.6) Es geht unter Addition von einem Molekül Wasserstoff in den gesättigten sekundären Alkohol Dihydrocholesterin (auch ß-Cho- lestanol genannt), C.^y H48O, über.') Dieser kann leicht in den gesättigten Stammkohlenwasserstoff Cholestan, C^yH^g, verwandelt werden.^) Cholesterin enthält ein System von Ringen. Die 1 "Überlegung, daß Cholestan acht Wasserstoffatome weniger enthält, als das entsprechende gesättigte Paraffin, CsyHße.' führt zu der Annahme, daß im Cholesterin vier hydrierte ') Conradi: Inaug.-Diss. Jeoa 1775. ^) Gren: Inang.-Diss. Halle 1788. ^) Vgl. die Literatur (Maiithner und Stada, Windaus, O. Diels und E. Ahdri- halden, L. Tsckugajew und Ä. Gasteß' und \V. Fomin, Richard Willstätter und Enrin W. Mayer u. A.) im Biochem .Handlexikon. 3. ^68 (1911) (bearbeitet von Ad. Windmis). — Ad. Windaus: Hab.-Schrift. Freibnrg 19U2. — Gustav Sfein: Inaug.-Diss. Freiburg 1905. — Von neueren Arbeiten seien genannt: A. Windaus und C. Resan: Ber. d. Deut- schen ehem. (;csell.s(:h. 46. 1240(1913). — ^. Windaus und C. (Hbrig: P'.beiida. 40. 2487 (1913). — A. Windaus und <). Dalmer: P^benda. 5'2. ir)2(1919). — .1. Windaxx: P^bpu- . Diels und Linn : Ber. d. Deutschen Che/n. (iesellsch. 41. 548 (1908). M iiithiur: Momitvh. f. Chemie. 30. (;;i8 (T.K)'.)). 15-'^ 228 XII. Vorlesuiiir. Ringe vorhanden sind. Da nun die Oxydation von Cholesterin zu einer Dikarbousäure, CoTHiiO^, ohne Spaltung des Moleküls in kleinere Bruchstücke führte), ist bewiesen, dal5 die sekundäre Alkoholgruppe zyk- lisch gebunden sein muß. Die folgenden Formeln geben den Verlauf der Oxydation wieder: '1 ^ + 4 0 —y ^ ^^ + HA). CH, — CH . OH COOH COOH Auch das Dihydrocholesterin, C27 H^g 0, läßt sich über das entspre- chende Keton in die gleiche Dikarbousäure überführen."^) Nun mußte nach- geforscht werden, ob die ungesättigte, die Doppelbindung enthaltende Gruppe sich auch in einem Hinge oder in einer alipathischen Kette befindet. Eine ganze lieihe von Reaktionen ergaben einwandfrei, erstens, daß die Doppel- bindung in einem Ring enthalten ist, und zweitens, daß sie einem anderen Ring angehört als dem, der die sekundäre Alkoholgruppe trägt.») Nun mußte durch weitere Studien die gegenseitige Stellung der (Jruppen CH.OH und CH:C bzw. CH:CH genauer festgestellt werden.^) Ferner war der Charakter der Seitenkette aufzuklären.^) Über die Stellung der Gruppen CH . OH und CH : C bzw. CH : CH gab die folgende Beobachtung Aufschluß. Das schon erwähnte Keton des Cholesterins, das Cholestenon von der Formel 1 \ \ r CH2— CO CH=:CH, liefert bei vorsichtiger Oxydation eine Ketomonokarbonsäure und Kohlen- säure. Die Ketogruppe bleibt unverändert. Die ungesättigte Gruppe hin- gegen wird angegriffen. Es bildet sich ohne Zweifel zuerst die Keto- dikarbonsäure C^tH^^O,^. Diese spaltet dann CO., ab und geht in die erwähnte Ketomonokarbonsäure CoHHiiO;^ über.'') Dieser ganze Vorgang ist nur erklärbar, wenn man annimmt, daß die Doppelbindung im Cholestenon in -i, y-Stellung zur Ketogruppe sich befindet : ! I i . 1 1 1 . 1 ! [ +<^'^.- (JH2 CH CH —> CH2 CH COOH —^^ CH^ CH^ COOH \/V/ \/\ \/ CO CH -t-40 CO COOH CO *) 0. Diels und E. Ahdirlialden : Bcr. d. Deutsclieu Clieni. (toscHscIi. 36. 3179 (1913); 37. 3092 (1904). ■^) Windaus uud f'ibri(/: Bcr. d. Ueutschen Chem. Gesellsch. 47. 2387 (1914). ') Vgl. Windaus uud Stein: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 37. 3f)99 (1904). — Mauthner und Snida: Mouatsh. f. Chemie. 15. 86 (1894); 24. (552 (1904). — \'gl. auch Windaus: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 50. 134 (1917). *) Vgl. Windaus: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 39. 2010 (190(5); 50. 133(1917). ^) Vgl. dazu: Windaus: Bcr. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 3772 (1909). - Windaus und liesau: P^benda. 46. 1246 (1913). ^ Windaus: /oitschr. f. physiol. Chem. 102. 160 (1918). •■) Vgl. A. Winduus: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 50. 133 (1917). — Vgl. weitere Beweise für diese Annahme: A. Windaus: Ebenda. 36. .3755 (1903): 39. 225(5 (1906). Fette mit hochniolokulareni cinwertitfem Alkohol als Bausteiu. 229 Nach diesen Feststellungen können wir die Konstitntion des Chole- sterins, wie folgt, wiedergeben : CH., CH CH CH OH CH Zwei Ringe von den oben erwähnten vier hydrierten liingen sind somit in ihrem Bau im wesentlichen bekannt. Nun mußte noch festgestellt werden, in welchen Beziehungen die zwei noch unbekannten Ringsysteme zu den eben erwähnten stehen, welche Struktur sie haben, und endlich blieb noch die Natur der im Cholesterin vorhandenen Seitenkette aufzu- klären. Es erwies sich, da(j sie aus acht Kohlenstoffatomen von folgender Anordnung besteht: (CH3)., . CH . CH, . CH., . CH, . CH . CH^. . t CH3 Die bis jetzt vorliegenden Feststellungen über die Struktur des Cho- lesterins führen nach Wmdaiis^) zu der folgenden Konstitutionsformel, wobei zu bemerken ist, daß noch nicht alle angenommenen Strukturver- hältnisse eindeutig aufgeklärt sind:-) CH, H,C— CH CH, CH. HC CH CH, CH- CH,— CH,— CH, -CH H,C CH CH, CH. HC CH, H,C2 C— CH, ' 1 1 I n i ' H,C3 aCHvCH HCOH CH Cholesterin geht im Darmkanal unter Reduktion in Koprosterin über.^'j Dieses enthält keine Itoppelbindung und besitzt zwei Atome 0 A. Windaus: ßer. d. Deutscher Chem. Ges. 53. 488 (1920). — \>1. auch A. W'ind- aMsund H. Luders: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 109. 18:3(1920); 115. 257 (1921); 117. 146(1921). -) Bezüglich der Numerierung der einzeluen Kohlenstoffatomc in den Ringen I und II sei auf die erwähnte Arbeit von Windaus verwiesen. ') St. Bondzyiiski und V. Ilumnirki: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 22. 390 (1896/97). — St. Bondzi/nski : Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 29." 476(1896). — Miiller: Zeit- schrift f. phj'siol. Chem. 29. 129 (1900). — Vgl. auch Charles Don'e und J. A. Gardner: Journ. Chem. Soc. London. 93. l(')2ö (1908). — Vgl. insbesondere A. Windaus: Ber. d. Deutschen Chem. Cesellsch. 49. 1724 (1917). 2.^0 ^11- Vorlestiug. Wasserstoff mehr als Cholesterin. Das Koprosterin ist niciit identisch mit dem normalen Dihydrocholesterin = [i-ChoIestanol, sondern ihm isomer und leitet sich von PseudoCholesterin, einer dem Stammkohlenwasserstoff des Cholesterins Cholestan isomeren Verbindung ab. Etwas von der letzteren Verbindung soll neben dem Ivoprosterin entstehen. i) Ferner ist aus Pferde- fäzes noch ein sogenanntes Hippokoprosterin als Umwandlungsprodukt des Cholesterins beschrieben worden. Seine Natur ist noch nicht aufgeklärt, doch scheint es in der Nahrung vorgebildet, und zwar ein Phytosterin oder doch ein Abkömmling davon zu sein.-) Das aus Hauttalg gewonnene Isoc holest er in ist wahrscheinlich ein direktes Umwandlungsprodukt des Cholesterins. Erwähnt sei noch, dal.j auch Oxycholesterine beschrieben worden sind 3), so u. a. ein Dioxycholesterin. Ihre Natur und ihre Herkunft bleiben noch aufzuklären. Von größter P>edeutung ist die Feststellung, daü im tierischen Orga- nismus noch ein Vertreter der Klasse der hydroaromatischen Verbindungen mit mehreren Ringsystemen vorkommt. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die Cholsäure, ein Baustein bestimmter Gallensäuren, in ihrer Struktur dem Cholesterin nahe steht. Diese Beobachtung führte zu der Fragestellung, ob die Cholsäure nicht ein Umwandlungsprodukt des Chole- sterins sein könnte. Bire Bejahung würde uns gestatten, den zur Zeit noch vollkommen in Dunkel gehüllten Cholesterinstoff Wechsel zu erhellen. Der Umstand, daß Cholesterin und Cholsäure sich in ihrer Struktur sehr nahe stehen, rechtfertigt es, die Gallensäuren an dieser Stelle zu be- sprechen, obwohl wir auf Bausteine stoßen werden, für die uns manche Vorkenntnisse noch fehlen. Wir werden ihnen bei der Besprechung der Bausteine der Eiweißstoffe begegnen. Die Cholsäure kommt nämlich einerseits mit der Aminosäure Glykokoll gepaart vor, und andrerseits findet sie sich mit einer schwefelhaltigen Verbindung, dem T aurin, ge- kuppelt. Die erstere Verbindung hat die Struktur einer Aminoessigsäure, NHo.CHo. COOH. Taurin ist ein Umwandlungsprodukt der Aminosäure Cystin bzw. Cystein. Wir kommen auf seine Entstehung und seine Struktur noch zurück. Außer Cholsäure findet sich als Paarling noch die mit ihr eng verwandte Desoxycholsäure. Auch sie ist unter Austritt von einem Molekül Wasser entweder mit Glykokoll oder mit Taurin verbunden. Man spricht von einer Glykochol- und einer G ly kod e so xy cholsäure und ferner von einer Taurochol- und einer Taurodesoxycholsäure. In der liindergalle ist endlich noch eine Lithocholsäure genannte, der Cholsäure und Desoxycholsäuie nahe verwandte \'erbindung in geringei- Menge angetroffen worden.-*) Wir wollen zunächst die Struktur der Cholsäure und der ihr verwandten \'erbindungen betrachten. Sie ist dank der unermüdlichen Forschungen vor allem von Wieland und Barsche in weitgehendem Malie ^) Vgl. A. Wiitddu.s und A. Vibrit/: ßcr. d. Deiitsclieii Chciii. Cicsellsch. 48. 8ö7 (1915). — //. Fischar: Zcitsclir. f. physio'l. Chemie. 73. lia^ (1V)11). ') V'irl. Charles Dore'e und ./. A. Gardtier: rrocoed. of tlio loyal soc. 8(>. 212 (lilOB). ■') J. Lißchiif:: Zcitsclir. f. physiol. Clioniie. 50. 487 (1907); 53. 140 (1907): 85. 17.') (1909); 63. 222 (1910); 106. 271 (1919); Hiocliem. Zoitschr. 48. 373 (19i:<): 52. 206 (1913). — E. Sr.hreiher und IJndrd : El.(!nda. 49. 458 (1913). '') J/ans- Fischer: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 73. 234 (1911). — Nj^l. luich .V. /;. Schr;irn-: .]. of Pliysiol. 44. 2(i5 (1912). Fette mit liochmolekulareni tMuwertigem Alkohol als Baustein. O'^l aufgeklärt worden.') Der Cholsiiure kommt die Formel C,^ H40 O5 zu. Sie ist eine gesättigte, einbasische Säure. Sie enthält drei Alkoholgruppen. Nimmt man diese bekannten (Jruppen aus der obigen Formel heraus, dann verbleibt noch der liest C^:^ II36 als in seinem Aufbau noch unvoll- ständig aufgeklärt'-) : C,3H36(OH)3.C()OH. Der Cholsäure, C23 Hgr, (OH)^ .COOH, und der Desoxychoisiiure Cas H37 (0H)2 . COOH, liegt der gesättigte Kohlenwasserstoff Cholan 1'.,^ ll^oi zugrunde. Er ist um 4H2 ärmer als der entsprechende Paraffin kohlen- wasserstoff, C23H48. Somit muß das Kohlenstoffgerüst der Chol- säure und der Desoxycholsäure ein alizyklisches System von vier gesättigten Kohlenstoffringen enthalten. Es galt nun, durch stufenweisen Abbau zu erforschen, in welcher Art die Ringsysteme autge- baut sind. Bei beiden Säuren hat bis jetzt der oxydative Abbau die wichtigsten Resultate ergeben. -^j Cholsäure, C24H4oOr, , geht durch Oxydation in eine um iMh ärmere Verbindung, C24H34O5, Dehydro- cholsäure genannt, über.*) Die Desoxycholsäure, C24H40O4, liefert eine um 2H2 ärmere Dehydro-desoxycholsäure, C^illsa ^^i-^) Das erstere Oxydationsprodukt enthält drei, das letztere zwei Sauerstoffatome in Keton- karbonylform. Die Entstehung dieser Gruppen durch Oxydation i)eweist, daü in den genannten Ausgangsprodukten, der Chol- und Desoxycholsäure, sekundäre Alkoholgruppen enthalten sind. Cholsäure ist demnach C20 H33 (>CH . 0H)3 . COOH und Desoxycholsäure C.« U,, (>CH .OH). . COOH. Unter anderen Bedingungen liefert die Cholsäure bei der Oxydation neben noch unbekannten Oxydationsprodukten Biliansäure, C24H34O8"), und daneben in geringerer Ausbeute Isobiliansäure, C24H34O8.') Aus *) Vgl. auch .¥a;Y/// Scheiick: Zeitschr. f. plivsiol. Chemie. 107. 152 {1919j; 110. 167 (1920); 112. HS (1921). 2) Fritz Frec/l: Pflüger^ Archiv. 71. m'5 (1898); 72. 266 (1898). Monatsh. f. Chem. 24. 32 (1903). — 's. BÖndi und E. Mülhr: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 47. 501 (1906). — K. Lanpheld: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 41. 380 (1905). — E. Letsclic: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 61. 219 (1909). — Fritz l'reql uud Havs Buchtala: PU)eiuia. 74. 198 (1911). — S. B. Schri/rer: Jourii. of Physiol. 44'. 2()5 (1912). ^) Vgl. A. Panzer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 48. 192 (1906). — Vgl. über die Koustitutioti der Cholsäure: Fritz l're(ß: Plheuda. 65. 163 (1910). — Hugo Sclirötter, Richard Weizinbröck und Hi inhold Witt: Sitzuugsher. d. kaiserl. Akad. d. Wisseuscli. in Wien. 117. 1 (1908). ~ K. Langheld: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 41. 1023 (1908). — E. Letsche: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 61. 215 (1919). — Otto r. Fihth, Ernst Jerusalem , Emil Lenk uud H. ishihara : Biochem. Zeitschr. 20. 375 (1909): 26. 406 (1910); 43. 323 (1912). — Heinrich Wieland und Friedrich Josef Weil: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 80. 287 (1912). *) Olaf Hammarsten: Ber. d. Deutscheu Chem. (iesellsch. 14. 71 (1881). — Lnt- schinoff: p:bcuda. 18.3043(1885). — Lassar-Colm: S^benda. 25.804(1892). — Miilius: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 19. 2005 (1880); 20. 1980 (1887). ^) Vgl. u. a. //. HVe/a«rfund E. liorrsch: Zeitschr. f. physiol. Chem. 106. 19(10919). «) Gotthard liulnheim: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 25. 307 (1898). — Lassar- Cohn: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 32. (J84 (1899). — /'V/V- T'renl: Monatsh.f. Chemie. 24. 45 (1903). ■) Fritz Preql : Monatsh. f. Ciicmie. 24. 53 (19(«). 232 -'^H- Vorlosuug. der Desoxycholsäure gehen hervor: CholansäiireM. CjiH;;,;!)^, und Iso- cholansäure-), CoiHä.iO^. Alle vier Verbindunoen haben sich als Tri- karbonsäuren erwiesen. Die beiden ersteren Säuren enthalten ferner zwei, die beiden letzteren je eine Ketonkarbonvloruppe. Die Säuregruppen, die bei der Oxydation gebildet werden, ohne dalj die Ausgangsmaterialien in Bruchstücke zerlegt werden, können nur so entstanden sein, daß Ring- sprengung stattfindet: L-CO.CH2-' — >► LcoOH COOH-'. Es ist geglückt, Biliansäure zu Cholansäure und Isobiliansäure zu Isocholansäure zu reduzieren.^) Die Biliansäure ist weiter zu Ciliansäure*), C, HjoOjn oder C^iH^^Om, oxydiert worden.'') Acht dieser Sauerstoffatome geboren Karbonylgruppen an. Von weiteren erfolgreichen Versuchen sei erwähnt, dali es geglückt ist, aus der Cholsäure alle drei Hydroxylgruppen als Wasser abzuspalten") und durch Wasserstoff zu ersetzen. Es bildete sich die dreifach unge- sättigte Cholatrienkarbonsäure, C.,4H34 02. Die Desoxycholsäure liefert unter den gleichen Bedingungen die zweifach ungesättigte Choladien- karbonsäure, C^iHsgO.,. Beide lassen sich zu der gleichen gesättigten Oholankarbonsäure, C^iHioOs, reduzieren. Diese Verbindung ist somit als die gemeinsame Muttersubstanz der Cholsäure. der Deso.xycholsäure und der Lithocholsäure zu betrachten. Es ist von größter Bedeutung, daß aus Cholesterin bzw. aus Cholestan eine Verbindung, C.24H40O.., er- halten worden ist, die der erwähnten Cholankarbonsäure isomer ist. Geht man statt von Cholestan von einer aus diesem durch Umlagerung gebildeten Diastereomeren, dem Pseudoch ölest an, aus, dann erhält man bei der Oxydation mit Chrorasäureanhydrid eine Verbindung, die mit der aus Cholsäure bereiteten Cholankarbonsäure vollständig identisch ist.^) Mit dieser Feststellung ist die nahe Verwandtschaft zwischen Cholesterin und den erwähnten Gallensäurepaarlingen zur Gewißheit erhoben. Damit sind zahlreiche Fragestellungen über die Art der Beziehungen dieser \er- bindungen im tierischen Organismus gegeben. Sie sind ohne Zweifel in der lüchtung der Abkunft der erwähnten Gallensäurepaarlinge vom Chole- sterin und nicht umgekehrt zu suchen. Vom rein chemischen Stand- punkt aus lassen sich die nahen Beziehungen zwischen Cholesterin und der Cholsäure durch die folgende Formel wiedergeben:' C27 H4« 0 4- 50 =CH3 . CO . CH3 + C,4 H,o 0,. ») Fritz Pregl: Monatsh. f. Chemie. 24. 49 (1903). ■■') Latschinof: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 19. 1529 (188()). ') Vpl. ir. Borsche und Emmi/ Rosenkranz: Ber. d. Deutschen Chem. Oosellscli. 52. 342 (1919). — W. Barsch : Kl)enda. 52. 1303 (19191. *) Lassar-Cohn: Ber. d, Deutschen Chem. Gesellsch. 32. 684 (1899). — Frifz Frrdl: Monatsh. f. Chemie. 24. 57 (1903). — Vgl. namentlich Marfin Schenck: Zeit- schrift f. physiol. Chemie. 107. 152 (1919). ^) Marfin Schenck: Zeitschr. f. phvsi(d. Chemie, 87. 59 (1913); 89. 3(50 (1914); 104. 2-i4 (1919). "> IJ. Wieland und IVril: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 80. 287 (1912). ') A. Windaus: Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Math.-physik. Klasse 1919. — Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 52. HMf) (1919). — Zeit- schrift f. physiol. Chemie. 117. 146 (1921).' Fette mit hochmolekularein einwertigem Alkoliol als Baustein. 233 Nachdem es WielandX) gelungen ist. einen dritten Ring der Chol- säure aufzusprengen und seine Struktur aufzuklären, sind von den 24 Kohlenstoff atomen der Cholsäure und ihrer Verwandten 18 in ihrer Stellung im Molekül aufgeklärt. Wir sind somit nur noch über 6 Kohlenstoffatome im Unklaren. Auf Grund der Forschungen von Heinrich Wlcland'-) und W. Borsche'^) lassen sich für die drei Säuren Cholsäure, Desoxycholsäure und Lithocholsäure*) die folgenden Strukturformeln aufstellen, wobei es noch fraglich ist, ob Ring II ein Fünf- oder Sechsring ist.'') CH.OH HCi ...iCH, £19 0 2 p- 3^X12 CH, CeH.o — CH . CH., . CH, . COOH HO . HO CH, CH. CH.OH Cholsäure C24H40O5. CH. CH, CeH,o — CH . CH.2 . CH., . COOH H.Ci Q — iCHa HO.HC< A >CH.OH CH., CH, Desoxycholsäure CoiH^,, O4. *) Vgl. insbesüudere H. Wielund iiutl A. Kulenkampd : Zeitschr f. phvsiol. Chemie. 108. 295 (1919/20). — //. Wieland: Ebenda. 108. 300 (1919) (1920). — H.'Wieland uud P. Wei/land: Ebenda. 110. 12.-5 (1920). — II. Wieland und W. Schulenbnrq : Ebenda. 114. 167 (1921). — H. Wieland und Otto Schlichting : Ebenda. 119. 7(i (1922). ■■') H. Wieland und W. Schnlenburg : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 114. 1H7 (1921). — Vgl. ferner H. Wieland und O. Schlichting: Ebenda. 119. 76(1922): 120. 227 (1922). — H. Wieland und Franz Adickes: Ebenda. 120. 2.S2 (1922). ^) W. Barsche: Ber. d. Deutscheu Chem. (icsellscli. 52. 342 (1919). *) W. Barsche, 0. Weickert und Robert Meifcr : Ber. d. Deutschen Chem. Cresellsch. 54. 8177 (1911). — J. Hallwass: In. Diss. Göttingen 1922. ^) Vgl. hierzu A. Windaus und W. Hü ekel : Nachr. d. Gesellsch. d. Wisseusch. zu Göttingen. Mathem.-phvsikal. Klasse. 1921. — //. Wieland: Zeitschr. f. phvsinl. Chemie. 114. 174 (1921); flO. 90 (1922). 234 XII. Vorlesung, CH., HC CR — CH3 I CeHjo — CH . CHa . CHa . COOK CH, CH, HO . HC< . /\^ ^CH-, CH2 CHo Lithocholsäure C24H40O3. Ein Vergleich dieser Strukturformeln mit der S. 229 wiederge- gebenen für Cholesterin zeigt ohne weiters die nahen Beziehungen. Wir wollen nun zur Besprechung der einzelnen gepaarten Gallen- siiuren übergehen. Die GlykocholsäureM, besser Cholyl-glyzin ge- nannt, besteht aus ('holsäure und (ilykokoll. Sie zerfällt in diese Bau- steine durch Spaltung unter Wasseraufnahme und läßt sich aus ihnen unter Wasserabspaltung wieder aufbauen.-) Die Bindungsart zwischen der Cholsäure und dem (ilykokoll ist die gleiche, wie wir sie bei der Hippur- säure und den Polypeptiden kennen lernen werden. Sie ergibt sich aus den folgenden Formeln: C.o H,3 (> CH . ()H)3 . CO . NH . GH, . C0( )H + H, O ^ Cholylrest Glyzinrest C20 H3, (> CH . OH);, . COOH -f NH2 . CH2 . COOH Cholsäure Glykokoll. Ganz entsprechend ist die Struktur der Glykodesoxycholsäure = Desoxycholyl-glyzin, nur ist an ihrem Aufbau an Stelle der Cholsäure Desoxycholsäure beteiligt. Das Cholyl-glyzin und Desoxycholyl-glyzin finden sich in der Galle des Menschen und der Pflanzenfresser. Derjenigen der Fleischfresser scheinen diese Gallensäuren meistens zu fehlen. Gibt man zu einer Cholyl- bzw. Desoxycholyl-glyzin enthaltenden Flüssigkeit etw'as Rohrzucker und unter- schichtet die Lösung mit konzentrierter Schwefelsäure, dann tritt an der Berührungsstelle beider Schichten eine Kotfärbung auf [Fettenkofers Reaktion). Man nimmt an, daß diese Farbreaktion durch Bildung von Furfurol zu- stande komme. Sie ist nicht für die genannten Gallensäuren charakte- ristisch. Sie wird vielmehr durch die Anwesenheit der C'holyl- bzw. Desoxy- cholylgruppe bedingt. Den Gallensäuren ist ferner eine erregende Wir- kung auf das Herz gemein. P)ald folgt der vermehrten Herzfre(iuenz eine starke Verlangsamung. Bringt man gallensaure Salze auf das freigelegte Herz, dann läßt sich nach kurz vorübergehender Steigerung der Zahl der Herzkontraktionen eine bedeutende Verminderung derselben feststellen. Die gleiche Firscheinung tritt auch auf, wenn (iallensäuren in die P)lutbahn gebracht werden. Die starke Herabsetzung der Pulszahl bei '> Vgl. ihre Gewinnung: Letschr: Zcitschr. t. i)h\siol. (jhemie. 60. 4H3 (1909). •-) Vgl. S. Hondi und K. Müller: Zeitsclir. f. pli\si(.i. ( homio. 47. .')()! (190f)). Pette mit hochmolekularem, einwertigem Alkohol als Baustein 2ii5 Ikterus ist auf den Übertritt von Gallensäuren in das Blut zurückzu- führen.M Entsprechend den beiden gepaarten Gallensäuren, an deren Aufbau Glykokoll beteiligt ist, kennen wir auch zwei solche, die T au r in als Bau- stein besitzen. Ihre Entstehung aus Cystein ergibt sich aus folgender Übersicht : CH,.SH + 3 0 CH,.S(),.()H CH,.SO,.()H CH . NH., — >- CH . NH., — y CH^ . NH., I i COOH COOK —CO, Cystein Cysteinsäure Taurin. Der Taurocholsäure = Cholyl-taurin') kommt die folgende Struktur zu: C,„ H33 ( CH . 0H)3 . CO . NH . CH, . CH, . SO, . OH + H, 0 — >- Cholylrest Taurinrest C,o H33 ( CH . OH )3 . COOH -f NH, . CH, . CH. . S( ), . OH Cholsäure Taurin. Ebenso wie es ein Desoxycholyl-glyzin gibt, kommt Taurin gekuppelt mit Desoxycholsäure in der Galle vor.-') Die Taurocholsäure bildet den Hauptbestandteil der (ialle des Hundes. Sie findet sich in geringen, wechselnden Mengen auch in der Galle des Menschen, der Rinder, der Schafe und Ziegen. Auch in der Fischgalle (Galle des Dorsches) hat man Cholyl-taurin gefunden. 1 )ie dritte, der oben erwähnten (iallensäurenkomponenten,dieLithoc hol- säure, ist in sehr geringen Mengen in der Hindergalle enthalten. Über ihre Verbindungen ist noch nichts Genaues bekannt. Sie dürfte wohl auch mit Glykokoll bzw. Taurin gekuppelt vorkommen. Es sind außer den genannten Gallensäuren noch weitere beschrieben worden. So soll in der Menschengalle eine Fellin säure*) vorkommen, ferner in der Galle des Schweines Hyocholsäure'^), doch sind die vor- handenen Angaben zu dürftig, um zu entscheiden, ob wirklich reine Ver- bindungen vorgelegen haben. Sicher festgestellt ist das Vorkommen einer in der Galle der (iänse aufgefundenen (iallensäure. Sie liefert bei der Spaltung Taurin und *) Vgl. hierzu llennaiiii Wieland und l'h. HildenbraiuJ : A. f. experini. Path. u. Fliarm. 85. 199 (1919). Vgl. auch //. Wieland: Khenda. 86. 79, 92 (1920). ^) Vffl. ihre Darstellung: Olaf I laminarsten : /eitschr. f. physiol. Chemie. 43. 127. (1904). ^) Vgl. die Synthese der Glykodesoxycholsäure und der Taurodeso.xycholsäure bei //. Wieland und IIediciliirns des Meu- schen und der Tiere. Franz rictzcker. Tiibintren. 11)01. *) Vfrl. weitere Einzelheiten über Phosphatide hei hör /h/iu/: (,'lieniie und Bio- chemie der Lipoide. J. F. Bergmann. 1911. — S. Fraotkcl: (iehirnclieniie. Ergebn. d. l'hysiol. 8. 212 (1909). — F. A. Leiiene und Ida 1'. Rolf: l'liysi.d. IJiviews. 1. Nr. M. 1921. Hier findet sicli eine Übersicht über die Literatur. Phosphatide niul ihre Bausteine. 2;)9 nächst eigentlich nie weiß, ob der erhaltene Kiirper die nrspriingliche Verbindung darstellt oder aber schon weitgehend verändert und vielleicht schon zum Teil in seine Bausteine gespalten ist. Da man es in den ein- zelnen Fällen fast immer mit amorphen, schwer zu reinigenden Körpern zu tun hat, ist es oft ganz unmöglich, etwas über die Einheitlichkeit der isolierten Körper auszusagen. Es ist aus den angeführten Gründen ver- ständlich, daß viele sogenannte Phosphatide heiß umstritten sind. Dazu kommt noch, daß die Eigenschaften der Phosphatide durch Beimengungen stark beeinflußt werden. Auch dadurch können sich große Fehlerquellen ergeben. In vielen Fällen ist die Bestimmung des Phosphatidgehaltes von Organen ausschließlich auf den Gehalt eines Lösungsmittels an Phosphor basiert worden. In anderen Fällen hat man auch in bestimmten Extrak- tionsmitteln einfach das Verhältnis von Phosphor und Stickstoff' bestimmt. Alle derartigen Untersuchungen haben keine Beweiskraft. Die von Thudichum vorgeschlagene Einteilung der Phosphatide darf nur als Notbehelf betrachtet werden. Sie stützt sich auf das \'erhältnis von Phosphor und Stickgtoif in den einzelnen Phosphatiden. Sicher besagen die einzelnen Namen oft mehr, als wir wirklich wissen. Man wird erst dann klar sehen, wenn die Bausteine der Phosphatide genau bekannt sind, und man sich in jedem Falle auch ein Bild von der Struktur der ein- zelnen Verbindungen machen kann. Die Erforschung der Phosphatide steht in den allerersten Stadien. Sie wird ohne Zweifel neue Impulse erhalten, wenn die Synthese irgend eines Phosphatides geglückt ist. Hat man erst ein „Modell" für die einzelnen Gruppen von Phosphatiden, dann wird es nicht schwer sein, auf Grund von dessen Eigenschaften Methoden ausfindig zu machen, die jeder Zersetzung vorbeugen und Gewähr für einheitliche Verbindungen geben. Wir werden der gleichen Schwierigkeit in der Ab- grenzung der einzelnen chemischen Individuen bei den Eiweißstoften be- gegnen. Auch bei diesen sind wir bei der Abtrennung einzelner Arten auf physikalische Methoden angewiesen. Möglicherweise sind die kristalli- sierenden Produkte einheitlich. Auch bei den hochmolekularen Polysaccha- riden konnten wir, soweit sie nicht in Kristallform zu bringen waren, nirgends den Nachweis erbringen, daß chemisch einheitliche Individuen vorlagen. Dieser Lücken in unseren Kenntnissen der einzelnen Gruppen von Verbindungen muß man sich immer klar bewußt bleiben, sonst wird man leicht ganz unrichtige Vorstellungen über die Bedeutung ganzer For- schungsgebiete erhalten. Unsere Anforderungen können, was die Beweis- führung für das Vorkommen bestimmter chemischer Individuen anbetrifft, nicht scharf genug sein. Von den Phosphatiden ist bis jetzt am eingehendsten das von ]^au- quelin (1811), von Coiierhe (1834) und vor allem von Gohlc//^) (1845) auf- gefundene Lezithin untersucht. Wir wollen dieses zuerst besprechen und dann eine Übersicht über die Einteilung der Phosphatide und der bis jetzt dargestellten Vertreter dieser Körperklasse geben. Wenn wir von Lezithin sprechen, müssen wir gleich hervorheben, daß es mehr als fraglich ist, ob nur eine bestimmte Verbindung mit den Bausteinen des Lezithins im Pflanzen- und Tierreich vorkommt, oder ob nicht vielmehr eine ganze 1) M. Gobley: Conipt. reud. de l'Acad. des Scienc. 21. TBO. '.>88 (1845); 22. iWi (1846); 23. 654 (1847); Jnuni. de pharm, et de ohim. 17. 401; 18. 107 (1850) und 1<» 406 (1851). 240 ^III- Vorlesung. Anzahl verschiedener Lezithine existieren. Es ist uämHch bis heute noch nicht gelungen, die Art der einzelnen Bausteine des Lezithins bis in alle Einzelheiten festzustellen. Sicher nachgewiesen sind: Glyzerin, Phosphor- säure und Cholin, ferner enthält das Lezithin Fettsäuren. Ihre Natur ist immer noch nicht ganz klargestellt. Höchstwahrscheinlich enthalten nicht alle Lezithine die gleichen Fettsäuren. Sehr wahrscheinlich kommen ungesättigte Fettsäuren vor. Ihre Anwesenheit würde erklären, weshalb die Lezithine so leicht zersetzlich sind. Es finden sich auch Unterschiede in der Konstitution der aus den Lezithinen zu erhaltenden Glyzeryl- phosphorsäure. Im Lezithin haben wir zunächst eine uns bereits von den Fetten her bekannte Verbindung von Fettsäuren mit dem dreiwertigen Alkohol Glyzerin. Zwei Alkoholgruppen sind esterartig mit ersteren verknüpft. Früher nahm man an, daß hauptsächlich Stearinsäure am Aufljau des Lezithins beteiligt sei. Jetzt herrscht die Ansicht vor, daß mindestens eine der beiden Fettsäuren ungesättigt ist.i) Mit der dritten Alkoholgruppe ist Phosphorsäure verbunden. An dieser sitzt endlich die stickstoffhaltige Base Cholin. Die folgende Formel gil)t die Struktur des Lezithins wieder, vor- ausgesetzt, daß die vorliegenden Beobachtungen vollständig sind. Es sei bemerkt, daß manche Forscher das Vorkommen einer solchen Verbindung bestreiten, wieder andere halten die Formel für zu einfach. Es soll außer Cholin oder an Stelle des Cholins eine andere stickstoffhaltige Base vor- handen sein. Leider hat der Versuch einer Synthese von Lezithin der genannten Zusammensetzung bis jetzt keinen ?>folg g:ehabt."-j Glvzerinrest f GH., . OOC . R ^) Fettsäurerest CH . OOC . R, ■■^) I I -f a H, 0 = l CHo— 0\ I HO^P — 0 I Phosphorsäurerest :'H..CH3— 0/ I Cholinrest | N^fCHj), I OH GH., . OH GH .OH i CH. . 0\ /GH., . GH., . OH HO^P = 0-^2 Moleküle Fettsäuren + N^CCHs), HO/ \0H Glyzeryl-phos- Cholin. phorsäure. *) A. Erlandsen ist der Ausicht, daß am Aufl)au des Lezithins Säureu der Linol- niid Linolenreihc beteiligt sind. Vgl. Zeitschr. f. physiol. Chem. 51. 71 (1907). 2) Fe.ter Berf/ell: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 33. 2584 (1900). — Ad. fh-iin und F. Kade: Klieiida. 45. 33(57 (1912). — Vgl. auch K. Langheld, F. Oppmann und E. Mei/er: Ebenda. 45. 3753 (1912). ') R und R, bezeichnen die C- und H-Atome zweier verschiedener Fettsäuren. Phosphatide uiul ihre Baustoino. 241 + IL 0 CH., . OH CH . OH + HO^P = 0. HOv HO- HO CH, . OH Glyzerin. Phosphorsäure. Spaltet mau Lezithin mit Alkalien oder Barytwasser, dann erhält man. wie in vorstehenden Formeln dargestellt ist, unter Aufnahme von drei Molekülen Wasser zwei Moleküle Fettsäuren, Cholin und ferner Gl yzeryl- phosphorsäure. Die letztere läßt sich weiter unter Wasser- aufnahme in ein Molekül Glyzerin und ein solches von Phosphorsäure spalten. Glyzerin, die Fettsäuren, das Cholin und die Phosphor- säure sind somit Bausteine der Lezithine. Durch Zusammenfügung dieser Bruchstücke müßte man unter Austritt von vier Molekülen Wasser zum Lezithin gelangen. Interessant ist die Beobachtung von Trier'^). daß einzelne Lezithine bei der Hydrolyse mit verdünnter Säure und auch mit Baryt Aminoäthylalkohol =: Oxäthylamin, von Tfitr auch Colamin genannt, liefern: CH-3 . OH CH., . NH., In der aufgestellten Formel ist angenommen worden, daß die beiden Fettsäuren in x- und ß-Stellung mit dem Glyzerin verbunden sind. Diese Annahme ist deshalb begründet, weil das Lezithin optisch-aktiv ist-). d. h. mindestens ein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält. Das Cholin enthält kein solches Kohlenstoffatom, folglich muß die optische Aktivität des Lezithins in der Art der Bindung der Fettsäuremoleküle mit dem Glyzerin begründet sein, vorausgesetzt, daß keine optisch-aktiven Fettsäuren an seinem Aufbau beteiligt sind. Es sind folgende beiden Möglichkeiten gegeben: CH, . O — phosphorsaures Cholin CIL . O — Fettsäure A r r *CH . < > — F ettsäure A und *CI1 .(> — phosphorsaures Cholin 1 ! CH., . i ) — Fettsäure A (IL . < ) — Fettsäure B I II Formel II enthält nur dann ein asymmetrisches Kohlenstoffatom, wenn die beiden Fettsäurereste verschieden sind. Nun ist es UV Istäff er 1) freorg Trier: Zeitschr. f. physiol. Chem. 76. 496(1912): vgl. aucli Julius Eppler : Ebenda. 87. 233 (1913). ^) Diakonow: Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 438 (18G8l. — Franz Jliindeshatjen: Journ. f. prakt. Med. 28. 219 (1883). — E. Gilson: Zeitschr. f. physiol. Chem. 12. 555 (1888). — Adolf Strecker: Liebig?, Annalen. 148. 77 (1868). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 0. Anfl. 16 242 XIU. Vorlesung. und Liidecke'^) gelungen, durch Hydrolyse von Lezithin eine optisch-aktive Glvzeryi-phosphorsäure zu erhalten.'-) Esistdies nur bei der Gruppierung CH2 . OH — CH . OH — CHo 0 . 0 . P(0H2) möglich. Somit entspricht * Formel I der Struktur dieser Glyzeryl-phosphorsäure. Neben dieser a-Gly- zeryl-phosphorsäure kommen olifenbar auch Derivate der [i-Glyzeryl- phosphor säure, CH2 . (OH) . CH . 0 . OP (OH). . CH, . (OH) in Phospha- tiden vor.^') Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die mitgeteilte J'ormel ge- wissermaßen das Modell für die Gruppe der Lezithine darstellt, dann kann man sich ohne weiteres vorstellen, auf welche Art ungezählte Verbindungen vom gleichen Typus zustande kommen können. Zunächst können die Fett- säuren verschieden sein. Es könnten Lezithine vorhanden sein , die zwei gleiche Fettsäuremoleküle enthalten, während vielleicht am Bau anderer zwei verschiedene Fettsäuren beteiligt sind. Im letzteren Fall sind je nach ihrer Anordnung isomere Verbindungen möglich. Schließhch ist zu berück- sichtigen, daß, wie oben erwähnt, außer der optisch-aktiven Glyzerylphos- phorsäure auch die symmetrische Form vorkommt. Li diesem Falle ist die optische Aktivität der Phosphatide dadurch bedingt, daß zwei ver- schiedene Fettsäuremoleküle vorhanden sind, oder aber es liegt die Asym- metrie in diesen selbst begründet. Auch hier sind isomere Formen mög- lich. Stets wiederkehrend sind das Glyzerin und die Phosphorsäure. Es scheint, daß auch das Cholin und vielleicht das Oxyäthylamin als stän- dige Bausteine der Lezithine aufzufassen sind. Manche Forscher sind allerdings der Ansicht, daß es lezithinartige Körper gibt, die noch andere stickstoffhaltige Basen besitzen. In diesem Falle müßte man entweder den Gruppennamen Lezithin für alle jene Verbindungen festhalten, die Cholin bzw. Oxyäthylamin als Baustein enthalten, oder aber man kann die Definition der Gruppe Aveiter fassen und jede Verbindung ihr zurechnen, die außer einem Molekül Glyzerin , zwei Molekülen Fettsäuren und einem Molekül Phosphorsäure noch eine stickstoffhaltige Base enthält. In diesem Falle existieren außerordentlich viele Möglichkeiten neuer Verbindungen, indem dann nur noch das Glyzerin und die Phosphorsäure in jeder Lezithin- art wiederkehren würden, während die Art der Fettsäuren und der stickstoff- haltigen Base in der verschiedensten Weise Avechseln könnte. Manche Beobachtungen deuten darauf hin, daß die einzelnen Phos- phatide eine verschiedene Molekulargröße haben. Es ist möglich, daß es Verbindungen dieser Klasse gibt, in denen sich das Lezithin oder ein ähnlicher Rest wiederholt. Man muß dann die Zahl der wiederkehrenden Komplexe etwa in der Form bezeichnen, daß man von Monolezithiden und ferner von Polylezithiden spricht. Kennt man die Anzalil der zusammen vereinigten Moleküle Monolezithide, dann würde man von Di-, Tri- usw. Lezithiden sprechen. Als Verankerungsstcllen konnnen die freien < )H-Gruppen der Phosphorsäure und die Glykolgruppe des (Jholins in Frage. *) Richard Willstätter und Karl Ludeckc: Bor. d. Deutsclieii Clicm. Gesellscli. 37. 3753 (1904). ■^) Ihre Svutbcse vgl. Kinil Abderhalden uud Eqoii Eichtcald: Ber. d. Deutt^clion (Jheiii. Gcsellsch. 51. 1308 (lUlS). ") Vgl. hierzu (). Baillij: C. r. de Tac. des sc. 160. 395(li)15j; Ann. d. Cliiniie. [9]. 6. 96 (1917;; Rev. genörale des sciences pures et appl. 29. 208 (1918). -- King a,Dd I'ijmau: .Journ. Chem. Soc. 105. 1238 (1914). Phosphatide und ihre Bausteine. 04^^ Diese Hinweise inögen geniigen, um zu zeigen, daß schon innerhalb der Gruppe der Lezithine die mannigfaltigsten Verbindungen möglich sind. Dazu kommt dann noch, daß die einzelnen Lezithine in vielfacher Weise gemischt in den Zellen vorkommen. Es sind, ganz entsprechend, wie bei den Fetten, auch in dieser Richtung ungezählte Möglichkeiten gegeben. Auf diese Weise können die Lezithine mit den übrigen Bestandteilen der Zellen den Charakter einer Zellart mitbestimmen und ihr ein zelleigenes Gepräge geben. Von den Bausteinen der Lezithine sind uns das Glyzerin, die Fettsäuren und die Phosphorsäure schon vertraut. Noch nicht angetroffen haben wir die Kombination von Glyzerin und Phosphorsäure, die Glyzeryl-phosphor- säure, die stickstoffhaltige Base Cholin und das Oxyäthj'lamin. Die erstere Verbindung läßt sich aus ihren Bausteinen leicht synthetisch ge- winnend) Sie ist in geringen Mengen in tierischen Geweben aufgefunden worden und ist wohl als Übergangsverbindung beim Ab- und auch Aufbau von Lezithinen aufzufassen. Cholin ist außer als Baustein des Lezithins auch frei in tieri- schen Geweben angetroffen worden. Es ist auch im Pflanzenreich außer- ordentlich verbreitet. Seine Konstitution ergibt sieh am besten aus seiner Synthese. Wurtz^) gewann Cholin, indem er Trimethylamin auf eine konzentrierte wässerige Lösung von Äthylenoxyd einwirken ließ: ,CH,.CH,.OH CHov /CH, //CH, I >o + N^cHs + \\.A)-yw^m., m./ \CH3 ^CHg \0H Äthylen- Trimethylamin Cholin oxyd Cholin ist somit ein Trimethyl-oxyäthyl-ammoniumhydroxyd. Wir können es uns auch entstanden denken, indem wir in Ammonium- hydroxyd : n4-h ^H drei Atome Wasserstoff durch die Methylgruppe, CH3, ersetzen und das entstandene Trimethyl-amnioniumhydroxyd mit Glykol unter Wasseraustritt vereinigt denken: *) Vgl. Z.B. ('. yeiiberg und J:'. Krctuchmer: Biochem. Zoitschr. 36. ö (1911). — Harald Kinq und F. Lee J'yinan: .1. ehem. Suc. London. 105. 1238 (1914). — o. Bailly: C'. r. de l'Acad. des sciences. 161. 077 (1915). -) A. Wurtz: Liebig% Annalen. Suppl. 6. IIG (18B8); 6. 197 (18G8). — Vgl. auch ir. Giileicitsch: Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. 513(1898). — Martin Krüger nnd Peter Her gell: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 36. 29Ü1 (1903). 16* 244 XIII. Vorlesung. ,11 HO.ILC /CIL. (11.,. OH /CII3 I //CH3 N f - CH3 + H( ) . H., C ->- N '{- CH3 + IL ( ) VCH3 " ^CH3 \()J1 \()Il Trimethylammonium- Glykol Cholin hvdroxvd Dem (xlykol sind wir schon begegnet. 1) Es steht als zweiwertiger Alkohol in Beziehung zur Glykolose. Eine sehr wichtige Bildungsweise des Cholins ist die aus dem er- wähnten Oxyäthylamin. Laut man auf dieses .lodmethyl und methylalk«- holische Kalilauge einwirken, dann entsteht Cholin. 2) Die nahen Beziehungen dieser \'erbindungen zueinander ergeben die folgenden beiden Formeln : GH., . OII GH., . OH GH, . NIL GH. . N, N, P und S. Beim Kochen mit Barytwasser erhielt man charakteristische Bau- steine der Lezithine, nämlich Fettsäuren, Gl yzeryl-phophor säure und Cholin. Daneben treten als neuer Bestandteil die sogenannten Zere- broside in einer Menge von ca. SÖ^/o des Ausgangsmateriales auf. In welcher Form der Schwefel gebunden ist, ist noch unklar. Die Zerebroside enthalten keinen Phosphor und Schwefel. Sie sind stickstoffhaltig. Es sind zwei Vertreter dieser Klasse von Verbindungen bekannt, nämlich das Phrenosin bzw. Zerebron*) unddasKerasin.") Beide sind sich sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich hauptsächlich durch ihr opti- sches Verhalten. Sie linden sich nicht nur im Nervengewebe, man hat sie viel- mehr auch in der Nebenniere, der Leber, im Eigelb usw. angetroffen.''') Bei der Spaltung des Phrenosins bzw. Zerebrons, CVsH.uNOy, erhielt Thierf eider Galaktose, Zerebrons äure und ferner die stickstoffhaltige Base Sphin- gosin. ') Die Zerebronsäure ist eine a-Oxysäure. Sie ist von Levene und Jacobs ^) durch Oxydation in Lignozerinsäure'-'), C24H48O2 =CH3. (€112)22 -COOH, (1906); 54. 288 (1908). — E. Winterstein: Zeitschr. f. psychol. Chem. 58. 500 (1909). — E. Winterstein uud K. i^moleiiski: Ebenda. 58. 506 (1909). — K. Smolcnski: Ebenda. 58. 522 (1909). — E. tichulzc uud G. Trier: Ebenda. 67. 4(5 (1910). — E. Schulze und Pfennin(/er: Ebenda. 71. 174 (1911). — G. 7V-i>r; Ebenda. 73. 383(1911). — 17. Njcqovan: Ebenda.' 76. 1 (1911). — Georg Trier: Ebenda. 86. 407 (1913). *) Liebreich: Liebig?, Aunalen. 134. 29 (1865). — Vgl' weitere Literatur Thitdl- chu>n, Kossei, Baumstark, W. Cramer, JV. J. Gies, 0. Roseiiheim und Chr. Tebb, Ganigct und Blankenhorn und vor allem Thierfeldcr und Wörner, vgl. Biochem. Handlexikon. 3. 250 (1911) (bearbeitet von W. Cramer). J. Springer. Berlin (1911). -) Vgl. Literatur: Biocliem. Handlexikon. 3. 250 (1911) 1. c. ■') Vgl. hierzu Ale.r. L. l'curson: Biochem. Journ. 8. 616 (1914). •*) Früher wurden Zerebron und Phrenosin als zwei verschiedene Verbindungen L'etührt. Jetzt wissen wir, daß sie identisch sind. "•) P. A. Leinene und C. J. West: The J. of Biol. Chem. 15. 193 (1913); 31. 635 (1917). ») Vgl. u. a. r. A. Levene uud C. J. West: J. of biol. Chem. 31. 649 (1917). ') Bei der Oxydation des Sphingosius wurde n-Trid'ecylsäure erhalten [/*. .1. Levene und ('. J. West: The Journ. of Biol. Chem. 18. 481 (1914)1. ») F. A. Levene und W. A. Jacobs: Journ. of Biol. Chem. 12. 839 (1912; 18. 477 (1914). — Vgl. auch Otto Roseiiheim: Biochem. Journ. 10. 142 (1917). — Hermann Loeninq und //. 'Ihierfelcler: Zeitschr. f. physiol. Clieni. 74.282(1911). — P. A. Levene uud C'.'./. West: Journ. of Biol. Chem. 26. 115 (1916). — P. Brigl: Zeitschr. f. physiol, Chemie. 95. 161 (1915). — P. A. Levene und /''. A. Tai/lor: .). of l)iol. Chom. 52. 227(1922) ") Vgl. hierzu Meyer, Brod und Soyka : Monatsh. f. Chemie 34. 1113 (1913). 250 Xlll. Vorlesung. tibergeführt worden. Dieser Säure sind wir schon bei der Besprechung; des Sphingomyelins begegnet. Kerasin, C47 Hm NOg + H.^ 0 1). besteht aus 1 Mole- kül Sphingosin, Ololekül Galaktose und i Molekül Lignozerinsäure.-) Das andere Spaltstück des Zerebrons, das Sphingosin, ist als ein ungesättigter, zweiwertiger Aminoalkohol charakterisiert worden. 3) Es kommt ihm die Formel: ri7H3i(OH)2.NH.2 zu. Die Zerebroside können, je nach der Anordnung der einzelnen Bau- steine, genau so, wie die Fette und Phosphatide, in mehreren stereoiso- meren Formen vorkommen. Es können auch die einzelnen Bausteine ganz verschiedene sein. Die Galaktose ist vielleicht der einzige konstante Be- standteil der Zerebroside. Infolge ihres Gehaltes an einem Kohlehydrat können wir sie auch als Glukoside auffassen. Fettsäure und vielleicht auch die stickstoffhaltige Base können wechseln. Interessant ist, daß auch im Pflanzenreiche Substanzen angetroffen worden sind, die Beziehungen zu den Zerebrosiden zu haben scheinen.*) H. Thierf eider ^) stellt sich die Konstitution des Kerasins und des Phrenosins bzw. Zerebrons, wie folgt, vor: C23H47 — CO j Lignozerylgruppe NH I C12H..5 — CH = CH— GH— CH— CH2 Sphingosinrest. HO.CH— CHOH— CHOH — CH— CHOH— CHo.OH } Galaktoserest Kerasin. C23H^7 — CH — CO OH I NH C,2H.,5— CH = CH — CH— CH— CHJ^ 0^ 0 Zerebronsäurere st Sphingosinrest OH . CH — CHOH — CHOH — CH— CHOH— CHo . OH } Galaktoserest Phrenosin bzw. Zerebron. 1) Rosenheim: Biochem. J. 10. 142 (leiC)). ^) Vgl. hierzu P. Briyl uud E. Fuchs: J. f. phvsiol. Chemie 119. 280(1922). — n. Ihierfelder: Zeitschr. f. physiol. Chem. 85. 35 (1913); 89. 248 (1914); Ul. 1Ü7 (1914). — P. A. Levene: J. of biol. Cheui. 15. 359 (1913). — Posenheim: Biochem. J. 10. 142 (191(j). — P. A. Levene und F. A. Taylor: J. of biol. Chinii. 52. 227 (1922). •') P. A. Lei'ene uud Jacobs: Jourii. Biul. Chem. 11. 547 (1912). — Otto Piesser und //. Ihierfelder: Zeitschr. f. physiol. Chem. 77. 508 (1911). — Karl Thomas und IL Thierfelder: Kbenda. 77. 511 (1912). — /'. A. Levene und ('. J. West: Journ. ot Biol. Chem. 24. 63 (1916). *) Zellner: Monatshefte für Chemie. 32. 133. 1057 (1911). *) y/. Thierfelder: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 89. 248 (1914). — Vgl. auch Po- senheim: Biochem. Journ. 10. 142 (1916). Phosphatide und ihre Bausteine. 251 Schließlich sei noch erwähnt, daß Koch^) und Levene-) schwefel- haltige Verbindungen aus Gehirnsubstanz gewonnen haben, die in mancher Hinsicht den Phosphatiden nahe zu stehen scheinen. Sie sind Sulfatide genannt worden. Die von Levene erhaltene Verbindung ist frei von Phos- phorsäure. Wenn wir auf die besprochenen Gruppen von Verbindungen zurück- blicken, dann erkennen wir aus der ganzen Darstellung, daß unsere Kennt- nisse noch sehr lückenhafte sind. Es unterliegt keinem Zweifei, daß vorläufig mancherlei \'erbindungen zu Gruppen vereinigt worden sind, die gar nichts mit- einander zu tun haben. Ferner wird sich gewiß manche bereits mit besonderem Namen belegte Verbindung als eine verunreinigte, bereits bekannte Substanz herausstellen. Es liegt in der Natur der einzelnen Verbindungen, daß die Forschung so langsam fortschreitet. Vor allem führt die leichte Zersetz- lichkeit einzelner Produkte zu großen Schwierigkeiten. Sehr unangenehm machen sich endlich die sehr ähnlichen Löslichkeits Verhältnisse geltend. Werden erst einmal die im Pflanzen- und Tierreich so außerordentlich verbreiteten Körper der besprochenen Gruppen genau bekannt sein, dann werden ohne Zweifel viele ungelöste Probleme über den Zellstoffwechsel wesentlich gefördert werden. ») W. Koch: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 70. 94 (1910). ^) P. A. Levene: Jouru. of Biol. Chem. 13. 463 (1913). Vorlesung XIV. Fette. Pliosplmtide. Sterine. Bildung der Fette, Phosphatide und ihrer Bausteine, sowie der Sterine im Pflanzenreich. Verhalten der Fette und Phosphatide im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Darmkanal. Wir haben schon bei der Besprechung der Synthese der Kohle- hydrate im Pflanzenorganisraus aus Kohlensäure und Wasser i) die Frage besprochen, ob die Bausteine der Fette als primäre Assimilationsprodukte zu betrachten sind oder aber sekundär aus bestimmten Kohlehydraten entstehen. Die Bildung des Glyzerins, sowie der mehrwertigen Alkohole überhaupt, ist leicht verständlich. Sie stehen in so nahen Beziehungen zu den Kohlehydraten, daß eine Umwandlung der einen Klasse von Stoffen in die andere und umgekehrt wohl auch der Zelle keine Schwierigkeiten bietet. Es sei in dieser Beziehung an die Glyzerose, eine Triose. erinnert. 2) Mit ihr steht das Glyzerin in nächster Beziehung: OTT, . OH CH .OH CH .OH CH, . OH CH., . OH Glyzerose Glyzerin. Größere Schwierigkeiten macht die Erklärung der Synthese der Fettsäuren aus Kohlehydraten. Daß sie statthat, sehen wir z. B. in kohlehydratreichen Pflanzensamen. In diesen schwinden die Kohlehydrate mehr und mehr. An ihrer Stelle treten Fette auf. Umgekehrt kennen wir ölreiche Samen, die aus Fett Kohlehydrate bilden. Es spricht an und für sich nichts gegen die Annahme, daß die Bildung der Bausteine der Fette bei der Assimilation von Wasser und Kohlensäure durch die Chlorophj'^ll besitzenden Fflanzenorgane über Kohlehydrate geht. Nehmen wir die Glu- kose als Ausgangspunkt dieser Synthese, dann ist die Möglichkeit ge- geben, daß z. B. drei 'J'raubenzuckermoleküle sich mittels der Aldehyd- gruppen vereinigen und darauf durch Reduktion z. B. Stearinsäure sich ^) Vgl. Vorlesung IV. =) Vd. S. 14. 1«. Fette, riiospliatide. Steiiue. 25?) bildet.^) Wahrscheinlicher ist die Annahme, daß zunächst ein Abbau zu einfacheren Produkten erfolgt bzw. die Bildung der Bausteine der Fette von einfacheren Assimilationsprodukten ausgeht. Man wird auch hier an Ver- bindungen der Dreikohlenstoftreihe und mit ihnen in Beziehung stehenden Substanzen denken. Es sei auf die S. 1H7 dargestellten Zusammenhänge zwischen Methylglyoxal, Brenztraubensäure, Azetaldehyd, Essig- säure und Azetessigsäure hingewiesen. Man kann sich auch vorstellen, daß zwei Moleküle Azetaldehyd zu- sammentreten-) und dann die Umwandlung in Butt er säure eintritt ='): CH, . r(^\\ + VE, . c► Formaldehyd — >► Glykolaldehyd — >-Glykol — >-Phos- phorsäureglykolester ^ — >- Aminoäthyl-phosphorsäureester — >^ Phosphor säürecholinester — >- Diglyzerid-phosphorsäure-cholin- ester. Diese Darstellung des möglichen, jedoch durchaus nicht bewiesenen N'erlaufes der Lezithmsynthese gibt nur einen Weg wieder. Selbstverständ- lich kann z. B. zunächst der Diglyzerid-phosphorsäure-glj^kolester entstehen und dann erst die Einfügung der Aminogruppe einsetzen, ja Trier hält es für wahrscheinlich, daß zunächst das ganze Molekül des Lezithins bis auf das Cholin aufgebaut und ganz zuletzt die Aminoäthylgruppe methyliert wird, falls diese nicht, wie z. B. im Kephalin erhalten bleibt. Schließlich sei erwähnt, daß man sich die Bildung des Aminoäthyl- alkohols auch, wie folgt, denken kann. Glykolaldehyd könnte direkt mit Ammoniak in Reaktion treten und Aminoazetaldehyd liefern. Dieser würde dann entsprechend der Cannizzaroschen Reaktion ein Molekül Aminoäthylalkohol und ein solches von Aminoessigsäure — Glyko- koll liefern. CH-, . Oll CIL . NIL + NH3 = + IL 0 ..//O ^\II Glykolaldehyd Aminoazetald eh yd ('II, . NIL, CIL . NH., CIL, . NH., CIL . Nil + + H, :0 = 1 + 1 C\H CIL, . im COOII Amino- Amino- Amino- A m i n 0- azet- azet- äthyL essig- aldehyd aldehyd a 1 k 0 h 0 1 säure. Endlich sei noch daraufhingewiesen, daß aus Glykokoll = Amino- essigsäure durch Reduktion Aminoazetaldehyd erhalten worden ist.i) Es ist nicht unmöglich, daß auf diesem Wege sich Beziehungen von einzelnen Aminosäuren zu den Betainen und insbesondere zum Cholin ergeben.'-) Schließlich kann auch das Serin =r7.-Amino-;i-oxyi)roiuon säure als Ausgangsmaterial zur Bildung von Cholin in Frage kommen (vgl. Vorlesung XXII). Wir haben alle diese zunächst rein hypothetischen Ansichten über die Bildung des Cholins und des Lezithins deshalb hier etwas ausführ- licher mitgeteilt, weil sie am besten dartun, in welcher Weise den einzelnen N'orgängen im Stoffwechsel der Pflanzen- und Tierzelle nachgeforscht wird. *) Carl Neiihcrg: Her. il. Doutsclien Chem. Gesellsch. 41. '.).')(; (VM)). — Kinil Fischer: Ebenda. 4L ' 1011) (1908). ^) Vgl. aucli Vorlesung X.\II. Fctto. Phosphatide. Steriue. 257 Selbstverständlich haben derartige Erörterungen über die mögliehen Wege einer bestimmten Synthese nur so lange einen Wert, als sie nicht in Wider- spruch mit tatsächlichen Befunden treten. Sie gleichen dem Entwürfe eines Planes, dessen Einzelheiten durch das direkte Experiment festgelegt wer- den müssen. Neue Versuche bringen neue Beobachtungen. Der Plan wird ergänzt und verbessert. Oft muß er schließlich so umgeändert werden, daß ein ganz neues Bild entsteht. Mit der Besprechung der erwähnten Möglichkeiten der Synthese von Cholin in der Pflanze und wahrscheinlich in mancher Hinsicht auch im tierischen Organismus haben wir noch einen anderen Zweck verfolgt. Um in den Geist der physiologischen, mit chemischen Methoden angebahnten Forschung einzudringen, genügt es nicht, bestimmte Formeln zu kennen, man muß sich vielmehr in die ganze Denkungsweise des Chemikers vertiefen. Je mehr Wege man kennt, die zu einer bestimmten Verbindung hinführen, um so klarer wird der Einblick in den feineren Bau des einzelnen Moleküls. Über die Entstehung der übrigen Phosphatide lassen sich zurzeit schon deshalb keine Angaben machen, weil wir ihre Zusammensetzung nicht kennen. Auch über die Synthese der Sterine in der Pflanzenzelle vermögen wir nichts auszusagen. Angedeutet sei, daß vielleicht die so- genannten Zyklosen das Bindeglied zwischen den aliphatischen und zyklischen Verbindungen darstellen.') Doch sind noch viele andere Mög- lichkeiten gegeben. In der Pflanzenzelle kommt den Fetten, den Sterinen und Phos- phatiden ohne Zweifel im Prinzip die gleiche Bedeutung zu. wie in der tierischen Zelle. Lager von Fett finden wir bei den mitten im Stoft- wechsel stehenden Organen der Pflanzen selten, wohl aber in Samen. Knollen und Früchten. Die Zellen der Pflanzen verfügen genau, wie die Tierzellen, über alle Einrichtungen, um Fette und sicher auch Phosphatide aller Art in ihre Bausteine zu zerlegen. Die Pflanze kann so ein Fett in ein anderes überführen oder die Bausteine auch anderweitig versvertcn. Namentlich in fettreichen Pflanzensamen ist das Abbauvermögen von Fett genau studiert worden. Man beobachtete das Auftreten von Fettsäuren und Glyzerin. Der ümvvandlung von Fett in Kohlehydrate geht diese Spaltung ebenfalls voraus. Sie erfolgt, wie Müntz-) zuerst erkannte, durch ein Ferment, Lipase genannt. Es ist überall da auzutreften. wo Fettdepots sich finden, aber auch in jeder einzelnen Zelle. Ein sehr gut wirkendes lijjolytisches Ferment ist aus Rizinussamen isoliert worden.^) Es wirkt am intensivsten bei schwach saurer Reaktion. Es ist noch unentschieden, ob die Pflanzenzellen Fett vollständig bis zu den Bausteinen abbauen, wenn solches an andere Orte übergeführt werden soll. Es ist möglich, daß nur ein Teil des Fettes gespalten wird. Sobald freie Fettsäuren gebildet sind, tritt bei Anwesenheit von Alkali Emulsion des noch ungespaltenen 0 Vgl. S. 48 ff. *) Müniz: Auu. d. Chim. (4). 22. 472 (1871). — Vtil. ferner SrhiUzenberqer: Internat, wissensch. Bild. 263 (1876). — Green: Proc. of the Rovnl Soc. 48. 870 (1890). — W. Sigmund: Sitzungsbcr. d. W. Akad. 99. 406 (18Ü0): 100. 328 (1891); 101. 540 (1892). ^) W. Connsfein, E. Hoi/er und i/. Warfenhcrg : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 35. 3988 (1902). — Connsfein: Arch. f. (Anat. u.l'Physiol. 1905. Verliandl. d. physiol. Gesellsch. Berlin. Abderhalden, l'hysiologische Chemie. I. Teil, 5. Aufl. J7 258 XIY. Vorlesung. Fettes ein. Es ist denkbar, jedoch nicht scharf bewiesen, daß Fett in dieser feinsten Verteilung durch die Zellwand hindurchtritt. Wir wollen nun zu der Frage übergehen, was mit den Fetten geschieht, ehe sie im tierischen Organismus den Körperzellen zugeführt werden. Das Verhalten der Phosphatide und Sterine im tierischen Organismus werden wir für sich besprechen. Die mit der Nah- rung aufgenommenen Fette werden in der Mundhöhle chemisch nicht ver- ändert. Der Speichel verfügt über keinen Stoff, der Fette zer- legen kann. Beim Kauakt wird manche Zelle zerstört und damit auch das in ihr enthaltene Fett wenigstens zum Teil freigelegt. Im übrigen kommen die Fette unverändert in den Magen. Während man in früherer Zeit annahm, daß im Magensaft ein Ferment enthalten sei, das Fette spalten kann, war man in neuerer Zeit geneigt, diesem jede Fähigkeit. Angehörige der Fettreihe zu zerlegen, abzusprechen. Diese Anschauung erhielt durch die folgende, interessante Beobachtung von Boldyreff'^) eine Stütze. Er fand, daß bei fettreicher Xahrung Inhalt des Duodenums — also Chymus vermischt mit den Sekreten des Duodenums — Darm- und Pankreassaft und Galle — - in den Magen zurücksteigt.-) Wir werden nun gleich erfahren, daß die beiden ersten der erwähnten Sekrete Lipase enthalten. Damit schienen nun die Befunde jener Forscher, die im Magensaft ein fettspaltendes Ferment gefunden hatten, erklärt. Sie hatten offenbar übersehen, daß sie Darmlipase in Händen hatten und nicht ein dem Magen selbst zukommendes Ferment. Andere Forscher, die jedes Fettspaltungsvermögen des Magensaftes ver- mißten, hatten dagegen das reine, nicht mit Duodenalinhalt vermischte Sekret des Magens untersucht. Mit dieser Schlußfolgerung schien das Problem des Vorkommens von Lipase im Magensaft endgültig gelöst zu sein. Bald tauchten jedoch große Bedenken auf. Laqueur^) und I)avi(hohn*) haben nämlich nachgewiesen, daß die Lipase des Magens andere Eigen- schaften zeigt, als das entsprechende Ferment des Darm- und Pankreas- saftes. Die Lipase wird von den sie bildenden Zellen, wie otfenbar alle Fermente, nicht in aktiver Form abgegeben. Es muß erst noch ein weiterer Stoff auf die Ferment Vorstufe einwirken, bevor das Ferment seine Wirk- samkeit erlangt. Wir werden gleich erfahren, daß das sogenannte Lipase- zymogen, die Vorstufe der Lipase, der Pankreasdrüse und der Drüschen der Dünndarmschleimhaut durch Galle aktiviert wird. Die Lipase des Magens läßt sich jedoch durch sie nicht in die wirksame Stufe überführen. ^j Ferner ist besonders in neuerer Zeit einwandfrei gezeigt worden, daß Magen- saft, bei dem jede Beimischung von Duodenalinhalt ausgeschlossen war. 1) W. Boldi/reff: Pßüqers Archiv. 121. 13 (1917). — Vgl. auch ./. Boa«: Zeii- tr.ilblatt f. klin. Med. 10. 97 (1889); 17. 155 (1890). — Ch. Con'pjmn.: Arch. de physiol UDrm. et pathol. 26. 125 (1898). — Emil Abderhalden uml Florentin Mdigr^caanu: Zeitschr. f. physiol. Chem. 57. 317 (1908). — Emil Abderhalden iiud Alfred S^^hitten- heim: Ebenda. 59. 230 (1909). '') Durch eine fettreiche Nahrung (Ölfrühstück) kann iniiu a\ich beim .Mc.uschon Duodenalinhalt in den Magen „locken'^ und ihn dann zu diagnostischen Zwecken aus- hebern. Ob nur fettreiche Nahrung die Antiperistaltik briwirkt. ist noch strittisr. ') E. Laqueur: Hofmeisters Beiträge. 8. 215 (1908). *) Heinrich Daoidsohn: Biochern. Zeitschr. 49. 249 (1913). =) Vgl. a'ich M. Takafa: The Tohoku J. of e.xperiin. Med. 2. 209 (1921). Fette. Phosphatide. Sterine. 259 auch Fette spaltet, i) Allerdings erhält man nur dann eine umfassendere Ver- seifuno; von solchen, wenn sie emulgiert sind. Je feiner die Emulsion ist und eine je größere < Oberfläche durch sie erzeugt wird, um so rascher erfolgt der Ab- bau des Fettes. Die Angabe, daß die Magenlipase Fett überhaupt nur dann spalten kann, wenn eine Emulsion zugegen ist, dürfte wohl kaum den Tat- sachen entsprechen. Es ist nicht einzusehen, weshalb die aktive Lipase nicht auch nicht emulgiertes Fett angreifen kann. Sie vermag nur nicht in die groben Fettmassen einzudringen, und so bleibt ihre Wirkung eine sehr beschränkte. Ist jedoch eine Emulsion zugegen, dann bieten sich der Lipase ungezählte Angriffsstellen. Es scheint, daß während der Säuglings- periode die Magenlipase eine bedeutsamere Rolle spielt, als später. In der Milch ist das Fett in feiner Emulsion vorhanden und damit ausgiebig an- greifbar. In dieser Hinsicht ist ganz besonders bedeutungsvoll, daß die Emulsion des Milchfettes bei saurer Reaktion beständig ist, während die- jenige jedes anderen Fettes bei dieser aufgehoben wird. Später, wenn die Milch als Nahrung ganz v\^egfällt, wie bei den Tieren, oder doch stark zurücktritt, wie beim Menschen, verliert offenbar die Fettverdauung im Magen viel an Bedeutung. Jedenfalls dürfen wir es nach den erwähnten Ergebnissen als sicher festgestellt betrachten, daß die Magenschleimhaut eine Lipase abgibt. Sie ist ohne Zweifel anderer Art als das im Darm- kanal auftretende, fettspaltende Ferment. Dieser Punkt ist bei den Unter- suchungen über die Magenlipase viel zu wenig berücksichtigt worden. Es wäre auch denkbar, daß die Magenlipase nur auf bestimmte Fettarten, z. B. die Milchfette, eingestellt ist, und durch diesen Umstand manche sieh widersprechende Angaben über das Vorhandensein einer Magenlipase be- dingt sind, doch ist diese Annahme nicht sehr wahrscheinlich, weil bei den Fette spaltenden Fermente eine Einstellung auf feinere Straktnrver- hältnisse zu fehlen scheint. -i Das Fett wird im Magen stets nur teilweise gespalten. Auch wenn der Duodenalinhalt in ihn zurüeksteigt und unter günstigen Bedingungen in ihm eine eigentlich dem Darme zugehörende Verdauung einsetzt, wird es wohl nie zu einer umfangreicheren Spaltung der Fette im Magen kommen. Unter normalen Verhältnissen spielt die Fettverdauung im Magen sicher eine nur unbedeutende Rolle. Sie setzt erst im Duodenum und dann im übrigen Darme in großem Umfange ein. Zunächst unterliegen die Fette einer physikalischen Umwandlung. Es tritt Zerstäubung in feinste Tröpfchen, Bildung einer Emulsion, ein. Die Bedingungen zu ihrer Entstehung sind im Darmkanal sehr günstige. Die Anwesenheit von Alkali im Darm- und Pankreassaft und das Vorhandensein von freien Fettsäuren bewirken die Entstehung von Seifen. Das Alkali ist zum großen Teil als Karbonat zugegen. Bei der Bindung des Alkalis an Fettsäuren *) Vgl. zu dieser ganzen Frage: Marcet: The medical Times. 210(1858). — Cash: Arch. f. (Anat. u.) Phvsiol. 3-23 (1880). — Of/ata: Ebenda. 515 (1881). — F. Volhard: Zeitschr. f. klin. Med. 42. 414 (1900). — Adolf Zinsser: Hofmeistern Beiträge. 7. 31 nn05). — Alberf Fromme: Ebenda. 7. 51 (1905). — S. Lcvites: Zeitschr. f. physiol. Chem. 49. 273 (1906). — E. S. London: Ebenda. 50. 125 (1906). — J. P. Sedgnük: -lahrb. f. Kinderheilk. N. F. 44. 194 (1906). — ./. Ibrahim und /'. Kopci : Zeitschr. f. Biol. 53. 201 (1910). — 6". v. Pesthy: Biochem. Zeitschr. 34. 147 (1911). — Jlanrir/i Davidnohn : Biochem. Zeitschr. 49. 249 (1913). = ) Vgl. z. B. Emil Abderhulden und A. Weil: Formentfoi-chung. 4. 76 (1921). 17* 9(50 Xl\. Vorlesung. wird die Kohlensäure frei. Sie unterstützt beim Entweichen das Zer- stäuben der Fetttröpfchen, indem sie solche zerschlägt. Was die freien Fettsäuren anbetrifft, so finden sich solche wohl stets in den Fett- gemischen der Nahrung. Ferner können sie auch bei der Spaltung von Fett im Magen entstanden sein. Die Fettverdauung im Darmkanal würde auf diese Weise durch die im Magen eingeleitete Fettspaltung wirksam unterstützt. Vielleicht liegt in diesem Punkte eine ganz wesentliche Be- deutung der Magenlipase. Durch die Emulgierung der Fette wird eine starke Ober- flächen Vergrößerung bewirkt. Jeder größere Fetttropfen zerfallt in Tausende von kleinsten Tröpfchen. Auf diese Weise ist die Möglichkeit gegeben, daß die Lipase rasch die einzelnen Fetteilchen zerlegen kann. Es bietet sich ihr in jedem einzelnen Tröpfchen eine Angrift'smüglichkeit, Die Lipase entstammt, wie schon wiederholt erwähnt wurde, der Pankreasdrüse und fernerden Drüschen der Darmwand. Die Pankreaslipase ist von Claude Bernard ^) entdeckt worden, nachdem schon vor ihm Eherle ^) beobachtet hatte, daß sich Fette bei Zusatz von Pankreas- gevvebe in eine Emulsion überführen lassen. Bernard bewies, daß die Bil- dung der Emulsion nichts der Pankreasdrüse Eigentümliches ist. Er be- obachtete, daß die Anwesenheit einer Spur von Seifen genügt, um beim Schütteln von Fetten mit Wasser eine Flmulsion zu erzeugen. Das Wesent- liche der Wirkung des Sekretes der Pankreasdrüse ist die Bildung von freien Fettsäuren und von Glyzerin aus Neutralfetten. Die Bildung dieser Spaltprodukte kommt der Lipase zu. Boldyreff'^) bewies das V^orkommen eines Fette spaltenden Fermentes im Darmsaft. Die Vorstufe der Lipase wird, wie schon erwähnt, durch Galle aktiviert. Fürth und Schütz*) bewiesen, daß die Gallensäuren das hierbei wirksame Prinzip darstellen. Diese Beobachtungen machen es verständlich, weshalb die Fettverdauung so stark beeinträchtigt ist, wenn aus irgend einem Grunde der Zufluß der Galle zum Darme behindert wird. Die Lipase ist dann nur als Vorstufe zugegen und kann nicht in die aktive Form übergeführt werden. Wenn wir außerhalb des tierischen Organismus Pankreas- oder Darra- saft auf fein emulgiertes Fett einwirken lassen, dann können wir nach einiger Zeit den Nachweis führen, daß es zum großen Teil in seine Bau- steine zerlegt ist. Eine vollständige Spaltung tritt nicht ein. Als Grund dieser Erscheinung kimnte einmal eine hemmende Wirkung der sich bildenden Abbaustufen auf die Fermenthydrolyse in Betracht kommen. Sicher bewiesen ist, daß sich schließlich zwischen Ferment und den Spalt- produkten, wenn diese eine gewisse Konzentration erreicht haben, ein Gleichgewicht herstellt. Wird dieses durch Zusatz von Fettsäuren und Glyzerin so verschoben, daß die Konzentration an Spalt- ') Claude Bernard: Memoiro siir le pancröas et sur le röle du suc paucreatique. l'aris 1856. ') Eherle: Physiologie der Verdauung. Würzburg 1834. 3) W. Boldyretf: Zentralbl. f. rhysiol. 18. 460 (1905); Zeitsciir. f. pliysiol. Chemie. 50. 394 (1907). *) O. V. Fürth und ./. Schütz; Hofmeister?, Beiträge. 9. 28 (1906). — Vgl. auch ß. Magnus: /eitschr. f. physinl. (Ihemie. 48. 373 (1906). — Kmil F. 'rerroine: Biochem. Zeitsciir. 23. 404 (1910). Fette, l'hfvsphatitle. Steriue. 261 Produkten erhöht wird, dann bewirkt die Lipase eine Syn- these von Fett, d. h. die Lipase vollzieht nunmehr den um- gekehrten Vorgang.!) Man hat aus den Beobachtungen über die Fett- spaltung im Reagenzglas den Schluß ziehen wollen, daß auch im Darm- kanal der Abbau der Fette kein vollständiger sein könne. Er ist jedoch keineswegs berechtigt, denn es kommt im Darmkanal nie zu einem solchen Gleichgewicht, weil einerseits die sich bildenden Spaltprodukte fortwährend durch Resorption entfernt Averden, und ferner immer wieder neue Lipase zugeführt werden kann. Theoretisch ist die Zerlegung der Fette in Glyzerin und Fettsäuren im Darmkanal sehr wohl möglich. Es kämen dann nur die Bausteine der Fette, die Fettsäuren bzw. Seifen und der Alkohol, meistens Glyzerin, zur Resorption. Wir hätten in diesem Falle ganz entsprechende Verhältnisse vor uns, wie bei den zusammengesetzten Kohlehydraten. Leider läßt sich die Frage nach dem Umfang des Abbaus der Fette im Darm- kanal nicht exakt beantworten. Es liegen genau die gleichen Schwierig- keiten vor, wie wir sie bei der Besprechung der Verdauung der Polysaccharide im Darmkanal schon hervorgehoben haben. Die Untersuchung des Darra- inhaltes ergibt stets neben den Bausteinen der Fette auch diese selbst. Es stehen sich zurzeit zwei Ansichten gegenüber. Nach der einen Annahme wird das gesamte Fett vor der Aufnahme in seine Bausteine zerlegt. 2) Andere Forscher dagegen glauben, daß nur ein relativ kleiner Teil des Fettes gespalten wird. Der Rest soll in Form feinster Tröpfchen direkt zur Resorption gelangen.-^) Für beide Ansichten sind mit Hilfe verschiedener Methoden Unterlagen beige- bracht worden. Es ist nicht geglückt, die eine oder die andere Meinung in exakter Weise ganz zu widerlegen, wohl aber sind so viele Ergebnisse bekannt geworden, die für eine jedenfalls sehr weitgehende bis vollständige Spaltung der Fette sprechen, daß wir eine solche als höchst wahrscheinlich vorhanden annehmen dürfen. Die Vorstellung der Aufnahme von Fetttröpfchen erweckt zunächst aus folgendem Grunde Bedenken: Beim Abbau der Polysaccharide und der Eiweißstotte entstehen schon sehr frühzeitig wasserlösliche Produkte, die leicht durch tierische Membranen dilfundieren. Es wäre an und für sich wohl möglich, daß die Resorption w^enigstens zum Teil schon bei noch zusammengesetzten Abbaustufen einsetzen und der weitere Abbau je nach Bedarf in der Darmwand oder in den Geweben sich vollziehen würde. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß dies im allgemeinen nicht der Fall ist. Der Abbau geht im wesentlichen bis zu den Bausteinen. Es sei in dieser Hinsicht noch ganz besonders an das Verhalten des im Wasser relativ leicht löslichen Rohrzuckers erinnert. Er ist weder in der Darm wand noch jen- seits derselben anzutreffen. Bei den Fetten liegen die Verhältnisse ganz anders. Sie sind in Wasser unlöslich. Wir kennen auch keine Zwischen- stufen eines teilweisen Abbaus, die im Wasser löslich und daher diffun- >) Vgl. ./. //. Kaxtle und A. S. Loeroiharf: Amer. Chem. Joiiru. 24. 391 (1900); 26. 533 (1901). — Hanriot: C. r. de la soc. biol. 53. 70 (1901). — Henri Pofterin: C. r. de l'Acad. d. Sc. 136. 1152 (1903) und 138. 378 (104). ^) Vtrl. z. B. /. Mtink: Virchowa Arcliiv. 95. 407 (1884). — 0. Frank: Zeitschr. f. Biol. 36. 568 (1898). — E. Pflüyer: J'flih/ers Archiv. 80. 111 (1900); 81. 375 (1900); 82. 303 (1900); 85. 1 (1901); 86. 211( 1902). ') Vgl. hierzu z. B. S. Exner: Pßiiffers Archiv. 84. (■)28 (1901). 262 XIV. Vorlesung. dierbar sind. Die Frage spitzt sich somit hier, wie folgt, zu. Können die Zellen der Darmwand in Wasser unlösliche Stoffe aufnehmen, oder ist ihnen diese Möglichkeit versagt? Nun wandern Bakterien durch die Darmwand durch, jedoch nur dann, wenn eine anatomische Veränderung infolge einer »Schädigung der Epithelschicht der Darm- wand vorhanden ist. Ferner ist behauptet worden, daß Stärkekörner die Darmwand direkt passieren können, doch ist diesen Ergel)nissen immer wieder widersprochen worden. i) Immerhin bleibt zunächst die Möglichkeit bestehen, daß feinste Fetttröpfchen die Epithelzellen der Darmschleimhaut durchwandern können. Wäre dies der Fall, dann Aväre allerdings nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb, wie die direkte Beobachtung ergibt, stets ein sehr beträchtlicher Teil des Fettes sich im Darminhalt in gespaltener Form nachweisen läßt. Unter der Voraussetzung, daß Fett- tröpfchen die Darmzellen direkt durchdringen können, erscheint die Bedeutung der Lipase darauf beschränkt, etwas freie Fettsäuren zu erzeugen, um die Emulgierung des Fettes in Gang zu bringen. Je rascher ein Fett -aufgenommen würde, ein um so kleinerer Teil würde der Verseifung unterliegen Schließlich sei noch bemerkt, daß man auch daran gedacht hat, daß Leukozyten bei dem Fetttransport eine Rolle spielen. Sie sollen aus der Darmwand auswandern, sich mit Fett beladen und dann wieder in sie zurückkehren.-) Diese Vorstellung hat wenig Anklang gefunden. Sie bedarf dringend der Nachprüfung. Nun haben wir bei der Besprechung der Verdauung der Kohle- hydrate und insbesondere derDisaccharide hervorgehoben, daß sie offenbar nicht nur den Zweck hat, Substanzen, die nicht durch tierische Membranen diffundieren können, in solche zu verwandeln, die diese Eigenschaft besitzen, sondern es wird durch den Abbau die spezifische Struktur der aus mehreren Bausteinen aufge- bauten Verbindungen vernichtet und so den Körperzellen ein Baumaterial gel)oten, das keine besonderen, von Fall zu Fall wechselnden Eigentümlichkeiten mehr besitzt. Sollten vielleicht bei den Fetten entsprechende Verhältnisse vorliegen? In der Tat ist die Möglichkeit durchaus gegeben, wenn auch noch nicht streng genug bewiesen, daß die Fette der einzelnen Zellarten nicht allein durch das Mischungsverhältnis, in dem die einzelnen Fettarten sich vorfinden, sondern in weitgehender Weise auch durch die Art ihrer Zusammensetzung charak- terisiert sind. In diesem Falle wäre es vei-ständlich, wenn die Fette voll- ständig in die indifferenten Bausteine zerlegt würden. Es bleibt jedoch die Möglichkeit, daß der Umbau sich erst in der Zelle vollzieht. Die einzelnen Fette und insbesondere die Glyzeride, die ja die Hauptrolle spielen, sind unter sich in ihren Eigenschaften recht ähnlich. Sie haben auch alle einen gleichen Bau. Sie stellen Ester dar. Die Art der Bindung zwischen den Fettsäuren und den Alkoholgruppen ist stets die gleiche. Es handelt sich somit bei den Fetten nicht um jene Mannigfaltigkeit der Bindungs- arten und damit der Struktur, wie wir sie bei den Polysacchariden an- getroffen haben. Es kommen diese einfacheren Verhältnisse ganz oftenbar auch in den Beziehungen zwischen den Fetten und dem auf sie eingc- *) Fritz Verzür : Biochem. Zcitsclir. 34. 8(5 ( 1 91 1 ). — ./. Voi(/t : Kbciida. 36. H97 ( 1 91 1 ). ^) Vgl. liiorzn A. Wiedersheim: Fcstschr. d. 56. Vers. deiitscluT Natiuf. uud Är/to zu Freiberg 1883. — I'reusse: Archiv!, wisseusch. iitid prakt. Tierlioilkuiide. 11. 1 (188.')). Fette. Phosphatide. Sterine. 26H Stellten Ferment zum Ausdruck. Es handelt sich stets um den gleichen Vorgang: Lösung der esterartigen Bindung zwischen je einer Alkohol- gruppe und einer Fettsäure. Es genügt ölten bar eine Art von Fermenten, die Lipase, um die in Betracht kommenden Glyzeride zu spalten. i) Sie ist nicht spezifisch auf bestimmte Strnkturverhältnisse eingestellt. 2) Es würde somit das Erscheinen von ganz verschiedenartigen Fetten in den Körperzellen an sie keine unlösbaren Aufgaben stellen. Sie können mit der Lipase, die sie besitzen, in allen Fällen auskommen. Bei den Kohle- hydraten liegen in dieser Hinsicht die Verhältnisse ganz anders. Den Körperzellen fehlt die Möglichkeit, z. B. Rohrzucker oder Milchzucker zu spalten, weil ihnen die auf diese Produkte eingestellten Fermente fehlen. Die Zerlegung dieser Verbindungen in ihre Bausteine ist ein für alleraal in den Darmkanal verlegt. Aus all den angeführten Gründen ist es ver- ständlich, weshalb die Frage der Resorption und des Transportes von ungespaltenem Fett trotz zahlreicher Untersuchungen immer noch eine unentschiedene ist. Eine weitere große Schwierigkeit in der Beurteilung des Umfanges des Fettabbaues im Darmkanal bereitet die Beobachtung, daß bald nach Beginn der Fettverdauung in den Darmepithelien Neutralfett nachweisbar ist. 3) Diejenigen Forscher, die geneigt sind, eine direkte Aufnahme von Fetttröpfchen anzunehmen, halten das in den Darmepithelien feststellbare Fett für unverändertes Nahrungsfett. Jene Autoren jedoch, die eine Spaltung der Fette in Glyzerin und Fettsäuren als unerläßliche Vor- bedingung der Resorption betrachten, nehmen an, daß diese Bausteine be- reits in der Darmwand wieder zu Fett zusammengefügt werden. Nach einer fettreichen Mahlzeit können wir das Fett direkt im Blute beobachten. Das Blutplasma erscheint milchig getrübt. Beim Stehen setzt solches Blut 'oft eine Fettschicht ab. Ferner läßt sich das Auf- treten von Fetten in der Blutbahn in schönster Weise mittels des Ultra- mikroskops verfolgen. Dieses beruht auf dem gleichen Prinzip, mit Hilfe dessen wir feinste Stäubchen in der Luft durch Einfallen von Lichtstrahlen in einen dunklen Raum sichtbar machen können. Man hat die kleinen Fetteilchen Hämokonien genannt.*) Es fragt sich nun, wie das synthetisch aufgebaute, bzw. nach der anderen Annahme direkt resorbierte Nahrungsfett aus den Zellen der Darmw^and herauskommt, und wie es schließlich in die Blutbahn gelangt. Findet auch wieder eine Spaltung in Fett- säuren und Glyzerin statt, oder wandern die feinen Fetttröpfchen durch die Zellwand? Es ist dies eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Aner- kennt man, daß feinste Fetttröpfchen die Zellwand durchwandern können, dann ist nicht recht verständlich, weshalb a priori verneint wird, daß die Darmepithelzellen Nahrungsfett in feinster Emulsion aufnehmen können. *) Vgl. hierzu u. a. L. Morel uud E. Terroine: C. r. de TAcad. d. Sciences. 19. Juli 1909. — K. George Falk: Journ. of the Amer. Chem. Soc. 35. 601 (1903). — Emil Abderhalden und Egon Eichivald: Ber. d. Deutschen Chera. Ges. 47. 1856, 2880 (1914); 48. 113, 1847 (1915). 2) Yg\. Emil Abderhalden und Arthur Weil: Fermentforschung. 4. 76 (1921). 3) Noll: Pflüger?, Arch. 136. 208 (1910). *)Alfred Neumann: Zentralbl. f. Physiol. 21. (1907); 27. 214 (1913). — A. Kreidl und A. Neumann: Sitzungsber. d. Wiener Akad. Math.-naturw. Klasse. 120. (19111 2(i4 XIY. Vorlesung. Es ist zurzeit ganz unmöglich, hier eine Entscheidung zu treffen. Lange Zeit glaubte man, daß die mikroskopische Verfolgung der Fettresorption und des Fetttransportes volle Klarheit über die bestehenden Verhältnisse ergeben würde. Bald wurde Jedoch festgestellt, daß die Fette und Fettsäuren sich in mancher Hinsicht gegenüber vielen sogenannten Fettreagentien so ähnlich verhalten, daß es unmöglich ist, zu entscheiden, ob im einzelnen Falle Fette oder Fettsäuren zur Beobachtung kommen. Eine weitere Schwierigkeit bietet der Umstand, daß das Fett in der Zelle sich dem Nachweis ganz entziehen kann. Niemals darf aus dem negativen Ausfall von mikroskopi- schen Fettreaktionen der Schluß gezogen werden, daß kein Fett vorhanden ist! Ganze Lehren sind auf solchen Trugschlüssen errichtet worden! Steht man auf dem Standpunkte, daß die Fette vor ihrer Resorption vollständig in ihre Bausteine zerlegt werden, so liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, daß auch in den Darmepithelien das durch Synthese entstandene Fett wieder vor dem Weitertransport gespalten wird. Aller- dings müßte sich dann sofort wieder eine Synthese anreihen, weil wir im Blute Fettsäuren beziehungsweise Seifen und Glyzerin höchstens in geringen Spuren auffinden, dagegen Fett in größerer Menge. Der Fettgehalt des Blutes zeigt direkte Beziehungen zur Fettaufnahme. Nun können wir jederzeit im Reagenzglas der Spaltung von Fett durch Herbeiführung der oben ') erwähnten Bedingungen die Synthese folgen lassen und umgekehrt nach Belie- Iten dieser Halt gebieten und den Vorgang wieder in die Richtung der Spaltung lenken. Weshalb sollte die Zelle diese Vorgänge nicht auch in jeder Richtung beherrschen! Die Darmepithelzelle nimmt Seifen, Glyzerin und wohl auch Fettsäuren auf Sie besitzt Lipase. Zunächst werden die Spalt- produkte angereichert. Ist eine gewisse Konzentration an ihnen erreicht, dann setzt die Synthese ein. Das gebildete Fett kann dann nach Bedarf wieder ge- spalten werden. Mit dieser Erklärung allein können wir uns nicht zufrieden geben. Wohl ist es denkbar, daß durch die immer wieder zufließenden Spaltstücke des Fettes und durch eventuelle Mehrproduktion von Lipase das Gleichgewicht zwischen Ferment und Substrat immer in der gleichen Richtung verschoben wird, wir kommen jedoch nicht über die Schwierig- keit der Erklärung des ganzen Vorganges hinaus, wenn wir erwähnen, daß kurze Zeit nach der Fettaufnahme auch schon solches im Blute er- scheint. Wozu dient dann die vorübergehende Synthese in der Darm wand? Diese Fragestellung bietet nur dann fast unüberwindbare Schwierigkeiten, wenn man das ganze Problem der Fettverdauung und -resorption nur qualitativ und nicht auch quantitativ verfolgt. Niemand hat bis jetzt bewiesen, daß die gesamten resorbierten Bausteine der Fette in den Darmepithelien als Neutralfett auftreten. Nichts spricht dagegen, daß der bei weitem größte Teil der resorbierten Seifen, Fettsäuren und des Glyzerins direkt durch die Zellen der Darmwand in den Köri)er gelangt, und zwar wird, wie wir gleich erfahren werden, in der Haupt- sache die Lymphbahn eingeschlagen. In der Lymphe vollzieht sich vielleicht erst die Synthese zu Fett. Es ist leicht möglich, daß hierbei die Leukozyten eine wesentliche Rolle spielen, und insbesondere den Lymphknoten — den Mesenterialdrüsen - - in dieser Hinsicht eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Vielleicht wird nur der allergeringste Teil der resorbierten ') Vgl. S. 260. Fette. Phosphatide. Sterine. 26Ö Bausteine der Fette in den Darmepithelien zurückgehalten und in Neutral- fett verwandelt. Vielleicht liegt eine Regulation des Zustromes der Fettbestand- teile in diesem Verhalten vor. Wir kommen somit zu dem Schlüsse, daß der Befund von Xeutralfett in den Darmepithelien während der Fettaufnahme der Anschauung, daß im Darmkanal die Fette vollständig gespalten werden, nicht widers])richt. Die Annahme daß schließlich alles aufgenommene Fett als solches in den Zellen der Darmwand wieder erscheint, ist unbewiesen. Es sprechen mehr Gründe da- für, daß Glyzerin, Fettsäuren und Seifen direkt den Lymphspalten zuge- führt und hier Fett aus den Bausteinen gebildet wird. Ein wiederholter Ab- und Aufbau bereitet der Erklärung keine Schwierigkeiten, besonders, wenn man mit Bat/liss^) der Ansicht ist. daß ein und dassellte Ferment je nach den Konzentrations^'erhältnissen bald ab-, bald aufbauen kann. Verschiebungen in den Mengenverhältnissen zwischen Ferment und Sub- strat kann die Zelle in mannigfacher Weise vornehmen. Einmal kann sie für bestimmte Substanzen nur in der einen Richtung, z. B. von außen nach innen durchlässig sein. Es kommt so zur Anreicherung von solchen. Auch kann die Zelle gebildete Bausteine aus zusammengesetzten Verbindungen entlassen und so ihre Konzentration fortgesetzt vermehren. Dann kann sie Produkte durch Kuppelung mit anderen Zellbestandteilen festlegen und auf diesem Wege das Konzentrationsverhältnis verändern. Endlich vermag sie bald mehr, bald weniger aktives Ferment hervorzubringen. Schließlich besteht die Möglichkeit, daß die Zelle durch Änderung der Reaktion, der Innenkonzentration usw. Fermentvorgänge bald beschleunigt, bald hemmt. Alle diese verschiedenen Maßnahmen, welche die Zellen in jedem Augen- blicke in der mannigfaltigsten Weise herbeiführen können, vermögen wir im einzelnen Reagenzglasversuch nicht nachzuahmen. Unsere Versuche sind viel zu grob und in ihren Bedingungen immer ganz einseitig eingestellt. Wir können nicht genug davor warnen, die Zellvorgänge zu schematisieren und ausschließlich vom Gesichtspunkte unserer Laboratoriumserfahrungen zu beurteilen. Aus der großen Zahl der vorliegenden Beobachtungen über den Ab- bau der Fette im Darmkanal, ihre Aufnahme und ihr Verhalten in der Darmwand seien einige besonders überzeugende mitgeteilt. Wir müssen dabei vorausschicken, daß das resorbierte Fett in den Lymphbahnen des Mesenteriums dem Ductus thoracicus zugeführt wird. Sein Inhalt, auch Chylus genannt, ergießt sich dann in die Vena anonyma. Dieser Umstand erleichtert in mancher Beziehung das Studium des Überganges der Fette in den tierischen Organismus. Man kann nämlich den Ductus thoracicus nach außen ableiten, indem man ihn vor seiner Einmündung in die Vena anonyma durchschneidet und dann in die Haut einnäht, oder man bringt in seiner Wand eine seitliche ötfnung, eine Fistel, an. Zu (|uantitativen Beobachtungen ist es unbedingt notwendig, den gesamten Inhalt des Ductus thoracicus nach außen abzuleiten. Verfüttert man nicht Neutralfette sondern ausschließlich Fettsäuren oder Seifen, dann erscheint im Chylus Neutralfett.-) Dieses Ergebnis beweist, daß der tierische Organismus imstande ist, Fett ') W. M. Bayliss: Journ. of Physiol. 46. 236 (1913). ") Radijeicski: Virchous, Archiv." 43. 26S (1868). — /. Mnnk: Ebenda. 95. 431 (1884). — 1. Munk und Rosenstein: Ebenda. 123. 230. 484 (1891). 2(5(3 XIV. Vorlesung. aufzubauen, und zwar mußte er in diesem B'alle außerdem noch das Glyzerin stellen, da dieser Alkohol nicht verfüttert wurde. Ferner wurden nüchterne Hunde teils mit Fett, teils mit einem Gemisch von Fettsäuren und Gly- zerin gefüttert. Das Darmepithel zeigte das gleiche mikroskopische Bild.i) Ich selbst hatte oft Gelegenheit, bei Versuchen über den Ersatz der Nahrungs- stofte durch ihre Bausteine nach Eingabe von Fettsäuren und Glyzerin in den Lymphbahnen des Mesenteriums beträchtliche Mengen von Fett zu sehen. 2) Argyrts und Frank") verfütterten Hunden Monoglyzeride. d. h Fette, in denen das Glyzerin nur eine Fettsäuregruppe trug. Im Chylus erschienen keine Monoglyzeride, sondern Triglyzeride, Die einfachste Erklärung dieses Befundes ist die Annahme einer vollständigen Hydrolyse des Monoglyzerids zu Glyzerin und Fettsäure. Daran schloß sich dann eine Svnthese von Triglyzeriden aus den gebildeten Fettsäure- und Glyzerin- molekülen. Dabei müssen von den letzteren welche unbenutzt übrig ge- blieben sein, weil die Fettsäuren von drei Molekülen der Monoglyzeride notwendig sind, um ein Molekül Triglyzerid zu bilden. Über den Ort der Verseifung des Monoglyzerids sagt allerdings dieser Versuch nichts aus. Sie kann sich im Darmkanal vollziehen, es ist jedoch nicht aus- geschlossen, daß die Hydrolyse erst in der Darmwand stattfindet. Interessant ist, daß Fettsäureäthylester*) und -glykolester»), d. h. Fette, in denen an Stelle von Glyzerin Äthylalkohol bzw. der zwei- wertige Alkohol Glykol zugegen ist, ganz gut ausgenutzt werden. Es wäre wichtig zu erfahren, ob nach erfolgter Aufnahme in der Darmwand auch hier Triglyzeride gebildet werden. Bei vielen Fetten muß ohne Zweifel unter allen Umständen der Re- sorption eine weitgehende Spaltung vorausgehen. Es sind dies jene Ver- bindungen, deren Schmelzpunkt höher als die Körpertemperatur liegt. Die Bildung einer Emulsion ist nicht möglich, so lange das Fett nicht in die flüssige Form übergeführt ist. Nun wird derartiges Fett ganz gut verwertet. I. Munk fand z. B., daß Hammeltalg, der bei ca. 50** schmilzt, vom Hunde bis zu 90"/o ausgenutzt wird, ^i Besonders interessant ist die Beobachtung, daß auch der bei öS" schmelzende Walrat zur Resorption gelangt. Daß ihr eine Zerlegung in die Bausteine vorausgehen muß, beweist die an einem Menschen mit einer Lymphfistel gemachte Beobachtung. Es trat nämlich im Chylus hauptsächlich Fett auf, an dessen Bau Palmitinsäure und Glyzerin beteiligt waren. Nun besteht der Walrat, wie wir schon früher mitgeteilt haben, aus Palmitinsäure und Zetylalkohol. Der letztere war somit durch Glyzerin ersetzt worden. Zur Entscheidung der Frage, ob wirklich die Bildung einer feinsten Emulsion genügt, um eine Aufnahme von Fett durch die Darmwand zu ») Perewoznikoff: Zbl. f. d. med. Wissensch. 851 (1874). '') Vgl. hierzu die Literatur Emil Abderhalden: Synthese der Zellbausteiue in Pflanze und Tier. J. Springer. Berlin 1912. ^) A. Argyris und O. Frank: Zeitschr. f. Biol. 59. 143 (1912). *) 0. Frank: Zeitschr. f. Biol. 36. 5(i8 (1898). — J. Mliller und Jlans Murscfi- hamer: Biochena. Zeitschr. 78. 63 (1916). ^) H. Heinrich Franck: Münchener med. Wochenschr. 65. 1216 (1918). 8) Immanuel Munk: Virchoir^ Archiv. 80. 10 (1880); ebenda. 95. 407 (1884).— Vgl. auch Arnschink: Zeitschr. f. Biol. 26. 434 (1890). — 0. Frank: Archiv f. (Anat. u.) Phvsiol. 308 (1894). — Friedrich Müller: Zeitschr. f. kliii. Med. 12. 45 (1887). Fette. Phosphatide. Sterine. 267 ermöglichen, sind die folgenden \'eisuclie ausgeführt worden.') Lanolin ist ein Fett, das sehr schwer verseif bar ist. Es bildet jedoch mit Wasser verrieben eine sehr feine Emulsion. Wurde eine solche einem Hunde ver- füttert, dann fand man im Kot 97'5''/o des verabreichten Lanolins wieder, d. h. es war offenbar keine Spur von Lanolin zur Resorption gelangt. Die fehlenden ^2'b'>/o des verfütterten Fettes sind sicher auf die bei solchen Fütterungsversuchen nicht zu umgehenden Fehlerquellen zurück- zuführen. Endlich hat man auch im Darmkanal hydrolysierbares Fett innig mit nicht verseif barem vermengt, eine Emulsion bereitet und dann das Gemisch verfüttert.'-) Es zeigte sich, daß das von Lipase spaltbare Fett resorbiert worden war, während das andere Fett — z. B. weiches Paraffin — vollständig unresorbiert blieb. Es wäre gesucht, wenn man annehmen wollte, daß die nicht durch Lipase verseifbaren Fette deshalb nicht zur Autnahme gelangt sind, weil sie in ihrer Zusammensetzung von der der gewöhnlichen Fette abweichen. Immerhin muß auch daran gedacht werden.-^) Im Anschluß an diese Versuche sei bemerkt, daß die Resorption der Fette um so leichter erfolgt, je niedriger sie schmelzen. Man darf jedoch diese Tatsache im Hinblick auf die mitgeteilten Beob- achtungen nicht ohne weiteres im .Sinne einer direkten Aufnahme von ungespaltenem Fett verwerten. Daß hoch schmelzende Fette nur sehr langsam zur Resorption gelangen, kann sehr wohl seinen Grund darin haben, daß ihr Abbau stark verlangsamt ist. Das Ferment hat keine große Angriffsfläche, während die niedrig schmelzenden Fette leicht Emulsionen bilden und auf diese Weise der Lipase eine viel größere Angriffsmöglichkeit bieten. So wird Olivenöl zu 97*7''/o ausgenutzt. Von den zwischen 25 und 34" schmelzenden Fettarten (Gänse-, Schweinefett) werden bis zu 97"5''/o aufgenommen. Vom Hammeltalg dagegen, der bei 44 — 51" schmilzt, werden beim Menschen nur 90 bis 9r5"/o resorbiert, von dem bei 53" schmelzenden Walrat gar nur 15"/o. Über den Umfang der Fettresorption haben PcUenkofer und Voit^) und Bubrif^r'') Versuche angestellt. Erstere fanden, daß ein 35 kg schwerer Hund im Tage von 350 g Fett 98"/o resorbieren kann. Ebensoviel kann nach liiihner unter Umständen auch der menschliche Darm aufnehmen. Im allgemeinen werden jedoch nicht mehr als 100 — 120 g Fett vertragen. Für die Annahme einer Resorption von ungespaltenem Fett schienen die folgenden Beobachtungen zu sprechen. Wie wir schon l)etont haben, liefert die Pankreasdrüse die Vorstufe der Lipase. Diese vermag, nach- dem sie durch Gallensäuren aktiviert worden ist, Fette zu zerlegen. Dem Pankreassaft kommt noch eine weitere Bedeutung bei der Fettverdauung zu. Er führt Alkalikarbonat mit sich. Das Alkali dient zur Bildung von fettsauren Salzen (Seifen). Ihre Entstehung vermittelt das Eintreten der Emulsion. Unterbindet man nunmehr die Ausführungsgänge der Pankreasdrüse, oder entfernt man die Drüse, so findet doch ') Connstein: Archiv f. (Auat. u.) Pliysiol. 30 (18'.)9). — Alexander r. Fekete: Pjnif/cri> Archiv. 139. 211 (1911). — W. R. Bloor: Jouru. of Biol. Chem. 15. lOö (1913). -) F. Henriqncs iiud C. Hansen: Zcntralbl. f. Physinl. 14. 313 (1900). ^) Es sei iu dieser Hinsicht z. B. darauf hingewiesen, daL'i wir Farbstoffe kennen, die von bestimmten Zellen aut'L,'enoninicn werden und von anderen nicht. ••) Fettenkofer und ('. Voit: Zeitschr. t. Biol. 9. 1 (1873). 5) M. Rnhner: Zeitschr. f. Biol. 15. ll.ö (1879). 268 ^1^- Vorlesung. noch eine Aufnahme von Fett statt. i) Sie ist zwar stark herabgesetzt, jedoch sicher nachweisbar. Von Milchfett wurden z. B. noch 28 — 5H" o der v^erabreichten Menge aufgenommen.-) Dieser Befund ist nicht mehr auffallend und darf nicht mehr als Beweis für eine direkte Resorption von ungespaltenem Fett angeführt werden, seitdem wir wissen, daß die kleinen Drüsen des Darmes auch Lipase absondern. Auch sie wird durch Gallensäuren aktiviert. Fällt die Pankreaslipase auch fort, so kann somit der Darmsaft immer noch Fette spalten. Erschwerend für die Fettverdauung dürfte bei Abwesenheit des Pankreassaftes — besonders bei Karnivoren — die infolge der sauren Reaktion des Chymus unzureichende Bildung einer Emulsion sein. Aus dem Magen wird nämlich beständig saurer Chymus in den Darm befördert. Unter normalen Verhältnissen wird ein erheblicher Teil der zugeführten Säure im Darm durch das Alkali des Pankreassaftes neutralisiert. Wird kein solcher sezerniert. so wird die Reaktion des Chymus im Darme länger sauer bleiben, als unter normalen Verhältnissen. Daß die saure Reaktion der Bildung einer Emulsion hinderlich ist, beweist der folgende Versuch. Übersättigt man eine Fettemulsion mit Säure, so sieht man sie allmählich verschwinden. Es treten größere Öltropfen auf. die sich an der Oberfläche der Flüssigkeit ansammeln. Daß, wie Teiclimann^) nachgewiesen hat, bei Kaninchen nach Unterbindung des Ductus pancreaticus die Fettresorption nicht wesentlich gestört ist, spricht nicht gegen die erwähnte Auffassung der Störung der Fettverdauung und -resorption nach Wegfall der Pankreassekretion. Die Sekrete des Dünn- darmes der Herbivoren verfügen über größere Alkalivorräte als die der Karnivoren. Daß das Milchfett trotz des Fehlens des Pankreassaftes so ausgiebig zur Resorption gelangt, erklärt sich vielleicht aus folgendem Umstände. Wird Milch durch Lab zur Gerinnung gebracht, und dann das Gerinnsel durch Pepsin in Gegenwart von Salzsäure in Lösung gebracht, so erhält man eine sehr beständige saure Fettemulsion. Eine bedeutungsvolle Rolle spielt bei der Fettresorption vor allem auch die Galle. Ursprünglich hat man ihr einen direkten Einfluß auf die Darmepithelien zugeschrieben. Sie sollte diese zur Resorption an- reizen. Die Bedeutung der Galle beruht jedoch, wie besonders Pflnger^) betont hat, im wesentlichen auf ihrem Lösungsvermögen für Fett- säuren und Seifen. Eine Mischung von Galle und Natriumkarbonat vermag große Mengen von Stearin- und Palmitinsäure zu lösen. Die gallensauren Alkalisalze bringen viele wasserunlösliche Stofle in Lösung. ^) Besonders wichtig ist das Lösungsvermögen der Galle für die in Wasser so schwer löslichen Magnesia- und Kalkseifen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir erwähnen, daß durchaus nicht alle bei der Spaltung von Fetten sich bildenden Fettsäuren als Salze im Darminhalt vorhanden zu sein ') Vgl. hierzu ./. /•. Mcring und (). Minkowski: Arch. f. expor. l'atli. u. riiariuak. 26. 371 (1890). ") Abelmami: luauir.-Diss. Dorpat. 1890. — Vgl. auch W. Sandmexjer: Zeitschr. f. Bio]. 31. 12 (1894). •'J M. Tcichmanu: Inaug.-Diss. Breslau 1891. *) E. Fflüger: Pflilffers ArchW. 88. 299(1902); 88. 431 (1902); 90. 1 (1902). — Vgl. auch G. RÖssi: Arch. di Fisiol. 4. 429 (1907). ^) Vgl. H. Wieland und //. Sorge: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 97. 1 (191G). — Vgl. auch (Jarl Nenbfrg: Biochem. Zeitschr. 76. 107 (1916). Fette. I'hnspl'atiile. Stcriue. 269 brauchen. Einmal ist es fraglich, ob in jedem Falle genügend Basen zur Bindung der Fettsäuren zugegen sind. Ferner sind die Seifen disso- ziierbare Verbindungen. Man muß unter diesen Umständen stets so- wohl die Löslichkeit der Seifen, als auch diejenige der Fettsäuren be- rücksichtigen. Daß die Galle einen großen Einfluß auf die Resorption der Fette hat, geht aus den Versuchen von Düstre'^) hervor. Er unterband beim Hund den Ductus choledochus und stellte eine Fistel zwischen Gallenblase und Dünndarmmitte her. Bei fettreicher Nahrung erwiesen sich erst die unter- halb dieser Fistel befindlichen Chylusgefäße milchig getrübt. Die Galle allein scheint bei der Fettresorption nicht ausschlaggebend zu sein, viel- mehr wirkt sie mit dem Pankreassaft zusammen. Es läßt sich dieser Um- stand, wie Claude Bernard gezeigt hat, in sehr hübscher Weise beim Kaninchen zeigen. Bei diesem mündet der Ductus choledochus etwa 10 cm über dem Pankreasgang in den Dünndarm ein. Zwischen den beiden Ein- mündungssteilen bleiben die Chylusgefäße auch bei fettreicher Nahrung klar und durchsichtig. Erst unterhalb des Eintrittes des Pankreassaftes erblickt man milchig getrübte, fetthaltige Chylusbahnen. Diese Beobach- tungen ergeben ein weiteres Moment für das \'erständnis der mangel- haften Fettausnützung nach Ausschaltung des Sekretes der Pankreas- drüse. Fehlen Galle und Pankreassaft, dann ist die Fettaufnahme fast völlig aufgehoben. Aus allen diesen Beobachtungen geht hervor, daß viele Momente zu- sammenwirken müssen, um die Verdauung und Resorption der Fette in richtigen Bahnen zu halten. Es sind uns noch lange nicht alle diese Be- dingungen genau bekannt. Es ist deshalb leicht verständlich, daß der Ver- such, die Fettverdauung und -resorption in isolierten Darmschlingen zu studieren, widersprechende Resultate liefern mußte. -) Wir haben beim Fett- abbau etwas ganz Entsprechendes vor uns, wie bei dem der Polysaccharide. Die Spaltung erfolgt sicherlich nicht plötzlich in großem Umfange, sondern es dürften auch hier die fortwährend in kleinen Mengen entstehenden Ab- baustufen immer bald zur Resorption kommen, so daß keine einseitige Anhäufung irgend eines Spaltproduktes stattfindet. Man könnte auch daran denken, daß der Abbau ein stufenweiser ist und zunächst aus dem Triglyzerid ein Diglyzerid wird. Dieses könnte dann unter Verlust eines weiteren Fettsäuremoleküls in ein Monoglyzerid übergehen. Aus diesem erhielte man schließlich Glyzerin und das letzte Molekül Fettsäure. Für die Annahme eines solchen allmählichen Abbaues der Fette liegen jedoch keine Beweise vor. Sie läßt sich mittels Fetten prüfen, die optische Ak- tivität besitzen. Ehe wir das Schicksal der Fette bzw. ihrer Spaltprodukte nach statt- gehabter Resorption weiter verfolgen, müssen wir noch kurz die Frage erörtern, ob die Darmflora den Fetten bzw. ihren Bausteinen etwas an- haben kann. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die im Darme vorhandenen Mikroorganismen Fett spalten können. Auch sie verfügen über Lipase. Ferner können sie die Bausteine der Fette weiter zerlegen und verändern. Was aus dem Glyzerin und den einzelnen Fettsäuren wird, ist noch nicht 1) A. Das/re: Arch. de phvsiol. norm, et path. 22. 315 (1890). 2) Vgl. hierzu z. B. H'. ('röner: Biochem. Zeitschr. 23. 97 (1909). - Otto v. Fürth und Julius Schütz: Hofmeister?: Beiträge. 10. 4()2 (1907). 270 XIV. Vorlesung. Fette. Phosphatide. Sterine. genauer festgestellt, .ledenfalls dürfen wir bei quantitativen Versuchen über die Fettresorption die Möglichkeit einer unter besonderen Verhält- nissen vielleicht ganz beträchtlichen Wegnahme von Fett und seinen Bau- steinen durch die Darmflora nicht vernachlässigen. Im Anschluß an die Fette sei kurz erwähnt, daß sehr vieles dafür spricht, daß die Phosphatide im Magendarmkanal in entsprechender Weise, wie die Fette, abgebaut werden, doch fehlt uns leider noch ein genauer Einblick in das Verhalten der verschiedenen Verbindungen dieser Körper- klasse im Darmkanal. Es ist dies nicht auffallend, wenn wir daran erinnern, daß wir diese Gruppe von Stoffen erst in ihren Umrissen kennen. Überall, wo wir hinblicken, klaffen hier weite Lücken. Sobald wir über die Zusammensetzung und die Struktur von Verbindungen nicht ganz genau unterrichtet sind, verlieren wir jeden sicheren Grund bei biologischen Problemen. Etwas genauer untersucht ist das Verhalten des Lezithins gegenüber den einzelnen Verdauungssäften. Pankreassaft und Darmsaft zer- legen Lezithin!) in Fettsäuren und Glyzerylphosphorsäure. Auch Cholin wird frei, ob in seiner Gesamtheit, ist nicht festgestellt. Der Abbau des Lezithins braucht nicht einheitlich zu sein. Er könnte auch so verlaufen, daß Cholin z. B. an Phosphorsäure gebunden bleibt. Es läßt sich vorläufig über den Umfang der Lezithinspaltung im Darmkanal nichts aussagen. In Analogie zu den an anderen organischen Nahrungsstoffen gemachten Erfahrungen darf wohl angenommen werden, daß auch die Phosphatide bei der Verdauung in ihre Bausteine zerlegt werden. Ob dabei die Lipase bei diesem Abbau, wenigstens bei der Loslösung der Fettsäuremoleküle, mitwirkt, oder ob besondere Fermente in Frage kommen, wissen wir zurzeit nicht. Über das Verhalten der Sterine im Magendarmkanal wissen wir wenig. Die Sterinester dürften wohl gespalten werden. Im übrigen ge- langen die Sterine wohl zum größten Teil unverändert zur Resorption. In den Fäzes findet man veränderte Sterine. Das Koprosterin stammt vom Cholesterin ab und geht durch Reduktion und Umlagerung aus ihm hervor. Wahrscheinlich liegt Bakterienwirkung vor. Das in den Pferde- fäzes aufgefundene Hippokoprosterin wird auf Phytosterine der Nahrung zurückgeführt. '-) •) Bokai/: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1. 157 (1887). — Paul Mayer: Biochera. Zeitschr. 1. 39 (19üß). — Ä. Clementi: Atti R. Accad. dei Lincei. Roma. (3.) 28. II. 465 (1919). -) Charle.'i Doree und J. A. Gardner: Proc. of tlie roval Soc. B. 80. 212 (1908). Vorlesung XV. Fette. Phosphatide. Sterine. Das Verhalten der Fette, Phosphatide und Sterine im tierischen Organismus. Ihre Beteiligung am Zellstoffwechsei. Die Stoffwechsel- zwischen- und -endprodukte der Fette und Phosphatide und ihre Bausteine. Wir haben aus den vorliegenden Ergebnissen verschiedenartiger \'er- suche den Schluß gezogen, daß die Fette und Phosphatide im Darnikanal höchstwahrscheinlich vollständig in ihre Bausteine zerlegt werden. Diese gelangen zur Resorption. Ein Teil der aufgenommenen Bausteine der Fette wird in den Darmepithelien wieder zu Neutralfett aufgebaut. Es ist mehr als fraglich, ob die Abbauprodukte des gesamten Fettes zuerst in den Epithel- zellen der Darmwand halt machen, um erst dann, vielleicht nach wieder erfolgter Spaltung, weiter befördert zu werden. Es ist näher liegend. anzunehmen, daß Seifen, Fettsäuren und Glyzerin direkt durch die Zellen hindurch in die Lymphspalten übergeführt werden und hier in Neutral- fett übergehen. Über das Verhalten der Phosphatide nach erfolgter Re- sorption der einzelnen Bausteine wissen wir nichts Sicheres. Es ist ml>g- lich, daß der Aufnahme in die Darmwand unmittelbar die Synthese folgt. Es ist jedoch sehr wohl denkbar, daß die einzelnen Bausteine den Körper- zellen als solche zugeführt werden. Wir haben bereits erwähnt, daß die Fette zum grüßten Teil auf dem Lymphwege zum Transport gelangen. Schon die einfache Beobachtung zeigt uns an, daß die Lymphbahnen des Mesenteriums den Fetttransport in großem Umfange übernehmen. Wenn man z. B. bei einem hungernden oder nüchternen Tiere den Dünndarm hochhebt und damit das Mesenterium anspannt, dann kann man die Lymphbahnen, auch Chylusgefäße genannt. nur schwer erkennen. Führt man jedoch den gleichen Versuch bei einem Tiere aus, das etwa 2 — 6 Stunden vor der Tötung eine fettreiche Nahrung erhalten hat, dann erkennt man die Chylusbahnen ohne weiteres. Sie sind ganz prall mit Fett gefüllt und sehen infolgedessen mattweiß aus. Diese Beobachtung beweist nur, daß Fett auf dem Wege der Lymph- bahnen zum Weitertransport gelangt. Sie schließt jedoch nicht aus. daß auch solches von den Pfortaderwurzeln aufgenommen wird. Es sind zwei Wege gegeben, um die Frage nach der direkten Aufnahme von Fett durch '1 i -1 XV. Vorlesunff. die Blutbahn zu entscheiden. Einmal kann man das Pfortaderblut während der Fettresorption auf Feit untersuchen, und ferner läßt sich der Chylus des Ductus thoracicus aus einer Fistel sammeln und analysieren. Bei gemischtem Futter steigt die Menge des in der Zeiteinheit ausfließenden Cbylus fast gar nicht an. Er zeigt nur eine auffallende Änderung seines Aussehens, wenn in der Nahrung Fett enthalten ist. Während der Chylus sonst durchscheinend ist, wird er undurchsichtig. An dieser Änderung der Beschaffenheit des Chylus sind die Fette schuld. Der Chylus enthält das Fett in feinster Emulsion. Führt man einen derartigen Versuch so aus. daß man zunächst den beim nüchternen Tiere ausfließenden Chylus auf Fett untersucht und dann nach Verabreichung einer bestimmten Fettmenge die Ductuslymphe während einer längeren Zeit sammelt und nunmehr den Mehrgehalt an Fett feststellt, dann findet man, daß die größte Menge des resorbierten Fettes den Lymphweg einschlägt. i) Es ist schwer, eindeutig festzustellen, ob stets auch Fett durch die Pfortader- wurzeln aufgenommen wird.'-) Eine exakte Entscheidung dieser Frage- stellung ist deshall) so schwierig, weil vom resorbierten Fett sicher etwas in der Darmwand liegen bleibt und ohne Zweifel immer auch ein aller- dings kleiner Teil davon von Bakterien verändert wird. Ferner dürften auch Bestandteile der aufgenommenen Fette, ohne wieder zu Neutralfett umgewandelt zu werden, Verwendung finden. Schließlich kann auch Fett unresorbiert bleiben. Zu allen diesen Faktoren kommt noch der Umstand hinzu, daß es schwer hält, aus dem Chylus das Fett ohne Beimengungen abzuscheiden. Es ist von großem Interesse, daß das Fett im Gegensatz zu den Kohlehydraten hauptsächlich den Lymphweg wählt. Es nimmt damit eine Sonderstellung ein. Das Fett umgeht zum großen Teil die Leber. Der Organismus hat nicht, wie bei den übrigen resorbierten Stoffen, die Möglichkeit, die aufgenommenen Fette vor dem Übergang in den großen Kreis- lauf einer Kontrolle durch die Leberzellen zu unterwerfen. Dieses eigen- tümliche Verhalten der Fette steht vielleicht mit einer Regulation der Fettzufuhr in das Blut im Zusammenhang. Bei den Kohlehydraten ist dem allgemeinen Kreislauf ein Speicher für sie vorgeschaltet, nämlich die Leber. Sie kann resorbierten Traubenzucker abfangen und so unter nor- malen Verhältnissen jeder größeren Überschwemmung des Blutes des großen Kreislaufes mit Zucker vorbeugen. Die Fettspeicher für die Fette liegen jedoch jenseits der Leber. Sie kann allerdings auch Fett aufnehmen, jedoch hat die Fettablagerung nach den Beobachtungen von liosenfeld') einen großen Einfluß auf die Glykogenspeicherung. Die Leberzellen können, wenn sie mit Fett gefüllt sind, weniger Glykogen ablagern, als sonst; ja man findet sogar oft, daß beide Produkte sich geradezu ausschließen. Fettreiche Lebern enthalten häufig gar kein Glykogen. Die Umgehung ») Vgl. 1. Munk und Höllenstein: Virchows Archiv. 123. 2,S0, 484 (1891) uud Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 376 (1890). — L Munk und Friedcntlial: Zentralbl. f. Pliysiol. 15. 297 (1901). ■•') Vgl. B. fr d'Errico: Arch. di Fisiol. 4 (1908). — //../. Hamburger: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 554 (1900). — Georg Jeannovies uud Ernst P. Pick: Wiener kliu. Wochenschr. 23. Nr. IG (1910). =•) G. Posenfeld: Bericht über den XIX. Kongreß für innere Medizin. (1901); Berliner kliii. Wochenschr. 47. 1268 (1910). — Vgl. auch E. Pßüffer: Pßüger?, Archiv. 119. 117 (1907j. Fette, l'liospliatide. Sterine. 278 der Leber durch die Fette gibt dieser bei der Glykogenablagerung in crewissem Sinne freie Hand. Würde das Fett die Leber, ohne aufgehalten zu werden, passieren, dann könnte das Blut leicht in kürzester Zeit mit Fett überfüllt werden. Es scheint nämlich nicht rasch aus ihm abgegeben Averden zu können. Der Chylusstrom dagegen ist ein langsamer. Das aufgenommene Fett fließt infolgedessen mit dem Chylns dem Blute allmählich zu. ^'ielleicht werden mit dem Chylus dem Blute auch in geeignetem Verhältnis Substanzen zugeführt, welche die feine Zerstäubung des Fettes aucli in ihm aufrecht erhalten. Zudem kann in der Lymphe die Synthese des Fettes aus aufgenommenen Fettsäuren bzw. Seifen und Glyzerin zu Ende geführt werden. Die Fett- säuren und Seifen sind für das Blut nicht gleichgültig. Ihr Erscheinen in diesem würde zu St()rungen aller Art führen. Vielleicht hängt der Transport der Fette durch die Lymphe auch mit einer weiteren Sondei- stellung der Fette zusammen. Wir werden nämlich gleich erfahren, daß es leicht gelingt, Nahrungsfette als solche im tierischen Organismus zur Ablagerung zu bringen. Bei den Kohlehydraten und Eiweißstotfen ist es nicht möglich, dem Körper nicht zukommende Verbindungen unter Benützung der natürlichen Zufuhrwege in den Geweben einzulagern. So können wir, wie früher schon erwähnt wurde, weder Rohrzucker, nocli Stärke im tierischen ( Organismus auffinden, auch wenn wir diese Sub- stanzen lange Zeit hindurch in großen Mengen verfüttert haben. Führen wir derartige Verbindungen unter Umgehung des Darmkanals in den Körper ein, indem wir sie z. B. direkt in die Blutbahn einspritzen, dann werden sie entweder direkt durch die Niere ausgeschieden oder nach- träglich in der Blutbahn noch gespalten. Den Übertritt des Fettes in das Blut können wir bald nach der statt- gehabten Resorption direkt beobachten. Wir haben schon daraufhingewiesen, daß das Blutplasma bei reichlicher Fettaufnahme milchig getrül)t erscheint. Oft kann man in solchen Fällen durch Zentrifugieren das Fett direkt als Rahm zur Abscheidung bringen. Ist die Fettaufnahme keine sehr große, dann können wir die feinsten Fetttröpfchen — Hämokonien — noch mittels des Ultramikroskops sehen ') Neben den Neutralfetten finden wir im Blute immer auch Glyzerin.'-) Es ist noch nicht sicher erwiesen, ol» sein Vorkommen mit der Aufnahme der Fette in direktem Zusammenhang steht. Es kann ebensogut dem Zellstoffwechsel entstammen oder sich beim Übergang der Fette des Blutes in die Gewebe bilden. Interessant ist der Befund, daß der Glyzeringehalt des Blutes in engen Grenzen konstant ist.') Ein Befund von Fettsäuren könnte die gleiche I^sache, wie das Vorkommen des Glyzerin haben. Das im Blute enthaltene Fett verschwindet nach einiger Zeit au.s diesem und wird dann in den Geweben angetroffen. Jede einzelne Körper- zelle bedarf der Fette. Diese bilden unentbehrliche Bestandteile ihres Baues. Bald wird diese, bald jene Zelle Fett aufbauen. Andere Zellen verwerten das zugeführte Fett als Energiequelle, indem sie es, beziehungsweise seine Bausteine, abbauen und schließlich Kohlensäure und Wasser aus den letzten >) Vgl. z. B. Oskar Weltmann: Biochem. Zeitschr. 65. 440 (1914). *) P. Tangl und St. Weiser: Pfiliffers Archiv. 115. l.')2 (1906). ») Ernsf Schmitz: Biocliem. /eitschr. 45. 18 (19l2). Abdti rh al d e n . Physiologische Chemie. I.Teil, 5. Aufl. Jg 274 XY. Vorlesung. Bruchstücken bilden. Sicher werden die Fette und ihre Bausteine genau so, wie die Kohlehydrate, als Ausgangsmaterialien zu mannigfachen Synthesen Verwendung finden. Wir kommen auf diesen Punkt noch zurück. Dasjenige Fett, das nicht sofort verwendet wird, wird abgelagert. Der tierische Organismus verfügt über Zellen, die große Mengen von Fett auf- nehmen können. Sie sind zu sogenannten Fettgeweben vereinigt. Mächtige Fettdepots finden sich unter normalen Ernährungsverhältnissen im Unter- hautbindegewebe und zwischen den Blättern des Mesenteriums. Es können jedoch auch sonst an allen möglichen Stellen des Organismus sich Fett- zellen bilden. So kann z. B. bei fetten Individuen die Niere von einer dicken Fettkapsel umschlossen sein. Auch am Herzen finden sich oft große Fett- ablagerungen. Es ist von Interesse, daß die Murmeltiere und, wie es scheint, die Winterschläfer überhaupt, noch besondere Fettdepots haben. Ehe wir die Frage nach den Beziehungen der Fettdepots zum Fettstofifwechsel und dem gesamten Stoffwechsel erörtern, müssen wir der Frage nachgehen, auf welche Art und Weise das Fett die Blut- bahn verläßt. Es ist trotz aller Bemühungen nicht geglückt, den Vor- gang des Überganges des Fettes in die Gewebe klarzustellen. Das Fett kann als solches in Form feinster Tröpfchen die Endothelien der Blutgefäß- kapillaren durchdringen- oder es werden die viel umstrittenen Storaata als Weg benützt. Es ist auch denkbar, daß die Fette wieder in ihre wasser- li'tslichen Bausteine zerlegt werden, ehe die Gefäßwand passiert wird. Für diese Ansicht könnte ins Feld geführt werden, daß im Blutplasma lipo- Ivtische Fermente 0 vorkommen. Ihre Menge läßt sich durch vermehrte Zufuhr von Fett steigern. ^j Auch im Hunger, wenn sich eine Lipoplasmie infolge vermehrten Fetttransportes findet, erfährt der Lipasegehalt des Blutplasmas eine Zunahme. 3) Auch Fermente, die Cholesterinfettsäureester*) spalten, sind mit Sicherheit im Blute aufgefunden worden. Es ist trotz aller Bemühungen noch nicht gelungen, die Bedeutung der Blutlipase klar- zustellen. Manche Autoren sprechen ihr die Fähigkeit, das im Blut vor- handene Fett zu spalten, ab. Jedenfalls ist es nicht geglückt, eine Bildung von Glyzerin und Fettsäuren im Blute zu beobachten. Allerdings dürfte es auch sehr schwer sein, die sich bildenden Spuren dieser Verbindungen festzu- stellen. Gegen die Annahme, daß eine Lipase das im Blut vorhandene Fett si)altet und auf diese Weise seinen Durchtritt durch die Blutgefäßwand ermöglicht, sprechen mancherlei Punkte. Es ist fraglich, ob das Blutplasma für Fett- säuren und Seifen ein ebenso gutes Lösungsmittel darstellt, wie die Galle. Vor allem erwecken jedoch die folgenden Beobachtungen Bedenken. Wir wissen, daß umgekehrt aus den Geweben bzw. der Lymphe Fett in die Blutbahn eintritt. Wir beobachten unter manchen Bedingungen eine starke Überschwemmung des Blutes mit Fett. Man spricht in solchen Fällen *) Hanriot: Compt. rend. de la Soc. de Biol. 48. 925 (189()); Compt. reiid. de l'acad. des sciences. 123. 7.ö3 (189R). — Hanriot und Camus: Compt. rend. de l'acad. des sciences. 124. 235 (1897). — Arthus: Journ. de pliysiol. et path. 4. 455 (1902). — Tj. Michaelis und Peter Bona: Biochem. Zeitschr. 31. 345 (1911). — Pe/er Rona: Ebenda. 33. 412 (1911). — Peter Rona und J. Ibsen: Ebenda. 3!>. 21. (1912). — G. Izar: Ebenda. 40. 390. (1912). -) Emil Abderhalden und Peter Rona: Zeitschr. f. physiol. ("bem. 75.30(1911). ^) Emil Abderhalden und Arno Ed. Lampe : Zeitschr. f. pliysiol. ('hem 78.396 (1912). ") .7. //. Schultz: Biochem. Zeitschr. 42. 255 (1912). Fette. Phosphatide. Sterine. 27Ö von einer Lipoplasmie. Sie ist bei Diabetes ineiitus^j oft beob- achtet worden und auch gegen Ende der Hungerperiode."-i Offenbar liegt ein vermehrter Fetttransport von den Fettgeweben zu den verschie- densten Kürperzellen vor. Aber nicht nur in diesen Fällen, sondern auch unter normalen Verhältnissen erfolgt der Fetttransport von den Reservestätten nach den Orten des Gebrauchs auf dem ßlutwege. Wie kommt nun dieses Fett in die Blutbahn V Wird es vorher gespalten? Ist dieses der Fall, dann ist es auffallend, dali das Blut Neutralfett führt. Wie und wo kommt die Bildung von Fett zustande? Nehmen die Blntzellen. die auch über Lipase verfügen, an der Fettsynthese teil, oder vollzieht sie sich im Blute selbst? Jedenfalls sind die Bedingungen zur Fettsynthese durch die Lipase des Blutplasmas keine besonders günstigen. Fettsäuren und Glyzerin können sich kaum im Blute anreichern, ohne Störungen zu verursachen, es sei denn, daß im Blutplasma die Fettsäuren bzw. Seifen in einer Form vor- handen sind, in der sie unschädlich sind. Jarisch ^) ist auf Grund der Beobachtung, daß dem Plasma bzw. Serum zugesetzte Seifen in Alkali und Fettsäuren zerfallen und die letzteren, wie vermutet wird, an Eiweil.1 gebunden werden, der Meinung, daß auf diese Weise an und für sich schwer lösliche Fettsäuren zur Lösung gelangen und sich dem direkten Nachweis ent- ziehen. Wir sehen, daß sich uns überall große Schwierigkeiten entgegen.stellen. wenn wir den Fetttransport verfolgen. Sie verringern sich, wenn wir einen direkten Transport von Fett durch die Blutgefäßkapillaren nach beiden Richtungen annehmen. Es scheint uns nicht unwahrscheinlich, daß die Leukozyten am Fetttransport teilnehmen. So gut aber diese nach Belieben die ßlutbahu verlassen und wieder in sie eintreten, kimnten auch die feinen Fetttröpfchen als solche auf dem gleichen Wege in die Lymphe und von da in die Zellen der Gewebe übertreten. Erwähnt sei noch, daß man auch daran gedacht hat, daß das Neutralfett im Blute in anderer Weise als durch Hydrolyse in wasserlösliche, dialysierbare Produkte verwandelt wird, doch fehlen überzeugende Versuche.*) Es folgt gleich noch eine weitere Schwierigkeit. Wie kommt das Fett aus der Lymphe in die einzelnen Zellen der Gewebe hinein? Müssen wir wieder eine Spaltung in wasserlösliche Produkte annehmen? Muß ferner umgekehrt das Fett wieder zerlegt werden, wenn es die Zelle verläßt, um an einem anderen Orte verwendet zu werden? Wir stehen hier vor ungelösten Problemen. Die Tatsache, daß wir überall in den Geweben Lipase antreifen, die, das sei hier gleich angefügt, auch durch Gallensäuren aktivierbar ist, macht es wahrscheinlich, daß ein direkter Übertritt der Fetttröpfchen durch die Zellwand kaum stattfindet.^) Wir müssen jedoch die Möglichkeit eines direkten Überganges zugeben. ») Vgl. S. 195. *) Vgl. hierzu Ivar Bang: Biochem. Zeitschr. 90. 383; 91. 104. 111. 224 fl918). ') A. Jarisch: Fflugen Archiv. 194. 873 (1922). *) W. Connstein und L. Michaelis: Fßiic/ers Archiv. 65. 473. (1897); 69. 76. (1897). — Vgl. ferner Wilhelm Connstein : Ergebn. d. Physiol. 3. I. 194 (1904). — G. Maiis- Jeld: Zentralbl. f. Physiol. 21. 666 (1907). — Joh. Müller: Zeitschr. f. physiol. Chem. 8(). 469 (1913). '") Vgl. hior/u die Beobachtung von E. Nierenstein: Zeitschr. f. allg. Physiol. 10. 137 (1909), der bei Paramüzien Fettspaltuug in den Vakuolen der Zellen beobachtet zu haben glaubt. Im Endoplasma erfolgt dann wieder Synthese zu Neutralfett. \5. 41)7 (1884). — V.?l. auch Gcorc/ Bosenfeld: Verhaudl. d. 17. Kongresses f. iuu. Med. .o03 (1899). ^) Vgl. /.. B. Engel: Verbandl. d. 22. Vers. d. Ges. f. Kinderheilkunde. Meran 19Ü5. •■') Plafo: Verhäiidl. der Deutschen dermat. Ges. Breslau. 182 (1901). *) Vgl. hierzu (i. Rosenfeld: Ergebnisse der Pbysiol. 1. I. 651 (1902); 2. I. 80 (1903) mit viel Literatur. 278 -"^^^ • Vorlesung. bau, ehe es dem Körperbestand einverleibt wird? Wird das Fett in gewissem Sinne nicht körpereigen? Diese Fragen lassen sich nicht durch Prüfung des Depotfettes beantworten. Das Fett der Fettzellcn hat mit dem Bau der Zelle, der Struktur des Protoplasmas nichts zu tun. Wenn wir feststellen wollen, ob das Fett der Körperzellen selbst, d. h. dasjenige Fett, das einen nicht ersetzbaren Bestandteil der Zelle darstellt, durch die Art des aufgenommenen Fettes beeinflußbar ist, dann müssen w^ir das abgelagerte Fett ausschalten und nur das eigentliche Zellfett prüfen. Es ist nun nicht leicht, zu entscheiden, was eigentliches Zellfett ist! Gehört das sichtbare Fett auch dazu, oder kommt nur jenes in Be- tracht, das erst in Freiheit gesetzt wird, wenn man die Zellstruktur zer- stört? Diese Frage läßt sich zurzeit nicht entscheiden, dagegen dürfen w'ir mit Sicherheit annehmen, daß das in der Zelle gebundene Fett ihr auch als Bestandteil zugehört. Die Untersuchung dieses Fettes ergab'), daß es bei Hunden, die mit Rüböl gefüttert wurden und gewal- tige Depots von dieser Fettart besaßen, die gleiche Zusammen- setzung hatte, wie das entsprechende P^'ett von normalen Hun- den und von Tieren, die ausschließlich Hammeltalg als Fett er- halten hatten. Da sich dieses Zellfett nicht im reinem Zustande abscheiden läßt, blieb nichts anderes übrig, als es zu verseifen und eine Bestimmung der Fettsäuren durchzuführen.-) Durch die erwähnten Versuche ist festgestellt worden, daß das am Aufbau der Körperzellen beteiligte Fett nicht durch die Art des aufgenommenen Fettes beeinflußt wird. Jede Tierart bereitet ohne Zweifel eigenartige Fetlgemische, und wahrscheinlich sind die eigent- lichen Zellfette bei der gleichen Tierart je nach den Organen wiederum verschiedene. Das Fett nimmt somit in dieser Beziehung keine Sonder- stellung ein. Jede Tierart baut sieh eigenes Fett auf. Der Umstand, daß einseitige Ernährung mit einem bestimmten Fett- gemisch dieses zu massenhafter Ablagerung in den Fettgeweben bringt, findet vielleicht im folgenden seine Erklärung. Das Fett wird, wie schon erwähnt, nach der Auffassung der meisten Forscher im Darmkanal in seine Bausteine zerlegt. ■■) Dabei entstehen Glyzerin und jene Fettsäuren, die am Aufbau des verfütterten Fettes beteiligt sind. Handelt es sich um Fette, die jene Fettsäuren enthalten, die der Organismus zum Aufbau seiner Fette braucht und sind sie in genügender Menge vorhanden, dann kann wohl bei dem Wiederaufbau der Fette in der Darmwand ein Fett- gemiseh gebildet werden, das in gewissem Sinne „depoteigen" ist. Hat jedoch das l^'ctt andere Fettsäurekomponenten oder sind einzelne davon sehr stark vertreten und andere sehr wenig, dann vermag der Organismus in der Darmwand bzw. in der Lymphe offenbar das ihm sonst gewohnte Fett nicht zu bilden. Die Darmwandzellen bzw. die Leukozyten müßten schon die Eigenschaft haben, Fettsäuren umbauen zu können. Da sie diese Fähigkeit vielleichtnieht besitzen — jedenfalls nicht in ausreichenden» Maße — , so kommt ') Emil Abderhalden und C. liruluii: /oitsclir. f. pliysiol. C-lioniie. 65. .•}30(1909). '') Kigeue. nocli nicht veröfieiitliclitc Boohachtiiiigeii. *) Nimmt man an, daß feinste PVtttrupfcheu als solche die Davmwand passieren, dann ist das Eindringen von unverändertem is'ahrungsfett in die (jewebe besonders leicht verständlich Fette, l'liospliatide. Sterine. 27 9 es in gewissem ISinne automatisch wieder zur Synthese des Fettes, das zugeführt worden ist. Sind die Körperzellen genötigt, Zellfett zu bilden, dann können sie das körperfremde Depotfett spalten und die Fettsäuren umbauen. Es ist aber auch möglieh, daß das Zellfett hauptsächlich aus Kohlehydraten hervorgeht. Bei dieser KSynthese. die ol^enbar von einfachen Abbaustufen der Kohlehydrate ausgeht, können sicher alle Fettsäuren, die notwendig sind, um spezifisch gebaute Fettarten und Fettgemische herzustellen, ge- bildet werden. Das Depotfett ist sicherlich vornehmlich Energiequelle und in diesem Falle kann es in gewissen Grenzen gleichgültig sein, welchen Aufbau es hat, wenn es nur durch die Zelllipasen spaltbar ist und seine Bausteine weiter abgebaut werden können. Das Fett der Depots ist dem Glykogen vergleichbar. Dieses Reservekohlehydrat zeigt innerhalb der ganzen Tierreihediegleiche Zusammen- setzung. Es hat keinen artspezifischen, sondern höchstens einen tier- spezifischen Charakter. Das Reservefett liegt ebenso, wie das Glykogen außerhalb des Zellverbandes. Es bestimmt den Zellcharakter nicht mit. Das Reservefett braucht seiner ganzen Stellung und seiner Funktion nach keinen spezifischen Charakter zu haben. Es wäre nicht auffallend^ wenn es immer enge Beziehungen zur Art des Nahrungsfettes haben würde. Es brauchte nicht einmal tierspezifisch zusein. In Wirklichkeit sind jedoch je nach der Tierart erhebliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Depot- fette vorhanden. Es ist richtig, daß die Pflanzenfresser, die sich von Blättern und Stengeln von Gramineen ernähren, unter sich ein recht ähnlich aussehen- des Fett von ähnlichem Schmelzpunkt aufweisen. Identisch sind die Fette je- doch nicht. Offenbar finden sich neben unveränderten Nahrungsfetten doch auch umgebaute Fette beigemischt. Auch die Fleischfresser haben bei Auf- nahme der gleichen Fleischart durchaus nicht das gleiche Depotfett. Daß der tierische Organismus aufgenommenes Fett in weitgehender Weise umbauen kann, beweist die Beobachtung, daß Walrat in gewiihnliches Fett und Mono- glyzerid in Triglyzerid umgewandelt werden. i) Wenn man übrigens besondere, leicht nachweisbare Fette in kleinen Mengen der Nahrung zusetzt, so kommt es nicht immer zur Ablagerung des betreffenden Fettes. So konnte Hunden wochenlang bis 20 (/ Rüböl pro Tag gegeben werden, ohne daß dieses in allen Fällen in den Fettdepots nachzuweisen war.-) Die Beobachtungen von Munk sind vor allem deshalb so wertvoll, weil sie uns in eindeutiger Weise beweisen, daß der tierische Organismus seine Depots direkt mit aufgenommenen Fetten füllt und nicht etwa nur mit Fett, das aus Kohlehydraten her- vorgegangen ist. Es würde uns das Studium des Fett- und Kohlehydrat- Stoffwechsels sehr erleichtern, wenn wir das aus Kohlehydraten gebildete Fett von dem aus Nahrungsfett entstandenen unterscheiden könnten. Leider ist das nicht der Fall. Die einzige Beobachtung, die vorliegt, ist die. daß das aus Kohlehydraten gel)ildete Fett arm an (")lsäure sein soll.^) Dieser Befund genügt natürlich nicht zur Charakterisierung der Herkunft der Bestandteile der Fettlager. ») Vgl. S. 26H -) Eigene, nicht venitt'eutliclite Beobachtung. ') G. Rosenfeld: Ergebnisse der Thysiol. 1. I. Gf)]. (1902) 280 ^^ • Vorlesung. Noch nicht j^enügend beachtet ist ohne Zweifel die Anpassung der Fettgeraische der Depots an bestimmte Funktionen. i) Das Fettgewebe ist nicht nur Vorratskammer, in der Überschüsse an Fett und Kohlehydraten abgelagert werden. Es hat auch rein mechanische Funktionen zu er- füllen. Die ganze Beschaffenheit der Haut ist wesentlich von der Zusammen- setzung und der Menge des Fettgewebes im Unterhautbindegewebe alj- hängig. An manchen .Stellen bildet das Fett einen direkten Schutz gegen mechanische Einwirkungen. Es wirkt als Polster. Eine besondere Rolle spielt das Fett der Augenhöhle. Es liefert für den Bulbus die Gelenk- pfanne. Es ist von großem Interesse, daß das Fett, das mechanischen Funktionen dient, in Zeiten der Not — Hunger — am spätesten ange- griifen wird. Sehr wichtig ist die Funktion des Fettes als schlechter Wärmeleiter. Das Fettgewebe ist ein guter Wärmeschutz. Beim Glykogen haben wir die Frage erörtert^), in welchen Beziehungen es zum Kohlehydratstotfwechsel der verschiedenen Organe steht. Wir kamen zum Schlüsse, daß die Miiskelzellen Glygogen brauchen, um Arbeit zu leisten. Sie zerlegen es stufenweise bis zu Traubenzucker. Dieser wird dann weiter abgebaut, bis schließlich nur noch Kohlensäure und Wasser als letzte Produkte übrig bleiben, oder es geht der Abbau je nach Bedarf nicht so tief. Die entstandenen Produkte können den Ausgangspunkt zu Synthesen aller Art bilden. Die Leberzellen bedürfen auch der Kohlehydrate. Sie ver- wenden jedoch sicherlich nur den allerkleinsten Teil des gespeicherten Glygogens selbst. Die Hauptmasse dieses Polysaccharids hat in der Leber nur seinen Stapelplatz. Wird irgendwo im Organismus Glukose gebraucht, dann springt die Leber mit ihren Vorräten ein, wenn nicht an ( >rt und Stelle sich Ablagerungen von Glykogen linden. Wir stellten fest, daß die Leber mithilft, den Zuckergehalt des Blutes möglichst konstant zu erhalten. Ferner lernten wir ein Zentrum kennen, das den Zuckerstotfwechsel be- herrscht. Schließlich fanden wirmancherlei Anzeichen dafür, daß verschiedene Organe einen bestimmenden Einfluß auf den Glykogenauf- und -abbau haben und vielleicht auch auf die Zuckerbildung aus anderen Materialien als aus Kohlehydraten. Alle Fragestellungen, die sich beim Kohlehydratstoflweehsel ergaben, tauchen auch hier wieder auf. Wir wollen wissen, in welchen Be- ziehungen die in den Vorratskammern abgelagerten Fette zum Fettstoffwechsel und damit auch zum Gesamt Stoffwechsel stehen. Es interessiert uns ferner zu erfahren, auf welche Art und Weise die Fettzellen veranlaßt werden, ihr Fett herzugeben, wenn Be- darf an solchen eintritt. Wir können leider kein so mannigfaltiges und in vielen Teilen genau bekanntes Bild des Fettstotitwechsels entwerfen, wie das bei den Kohlehydraten der Fall war. Die Fette und ihre Bau- steine stellen, soweit unsere Kenntnisse bis jetzt reichen, kein für be- stimmte Funktionen bevorzugtes Nährmaterial dar. Aus diesem Grunde verm()gen wir den Fetten im Organismus nicht so genau zu folgen. Ferner haben wir es nicht mit einem zentralen Depot, sondern mit sehr vielen .Ablagerungsstätten zu tun. Endlich beobachten wir, daß die Fettgewebe ') Vgl. hierzu 11'. h'tiäp/'cliiiaclicr und //. Lelr/KJor/l': Zeitsclir. f. e.xper. Patli 2. 133 (190ß). — //. lAndorir: .lalirl). f. Kiiitlerheilkuiidc. «6. 28(5 (1907). ^) Vgl. Vorlesung VI und folgende. F'ette. Phosphatide. Sterine. 281 das gespeicherte Fett nicht in kurzer Zeit völlig hergeben und sich dann wieder füllen, wie das unter bestimmten Verhältnissen bei der Leber mit dem Glykogen der Fall ist. Die Fettdepots halten im Gegenteil ihren Be- stand beim erwachsenen Individuum in engen Grenzen aufrecht. Erst wenn Nahrungsmangel eintritt, wird den Depots in grülierem Umfange Material entnommen. Alle diese Umstände erschweren die Verfolgung des Fett- stotlwechsels vom chemischen Standpunkte aus. Dazu kommt noch, daß in den Fettstottwechsel immer noch der Kohlehydratstoffwechsel hinein- spielt. Fortwährend kann wieder aus Kohlehydraten Fett gebildet werden. Wir kennen auch nicht mit Sicherheit ein nervöses Zentrum, das den Fettstotfwechsel beherrscht. Damit soll nicht gesagt sein, daß er nicht von solchen aus geleitet sein kann.i) Unter Berücksichtigung des Verhaltens der Kohlehydrate im Zellstoff- wechsel können wir uns etwa folgendes Bild vom Verlauf des Fettstoff- wechsels in den einzelnen Zellen machen. Braucht eine Zelle Fett zu irgend einem Zwecke, dann kann sie solches durch Umwandlung von Kohlehydraten in dieses bilden, oder es werden, falls sie nicht selbst „Unisatzfett" besitzt, Fettzellen veranlaßt, ihr Fett zu liefern. Dieses wird zum Transport dem Blut übergeben, nachdem es vorher, wahrscheinlich in seine Bausteine zerlegt, die Fettzellen passiert hat. Zum Transport kommt es wahrscheinlich als Neutralfett. Soll Zellfett aus ihm werden, dann ist ein Umbau nötig. Er vollzieht sich entweder in der Zelle, die das neue Fett nötig hat, oder es wird nach der Ansicht mancher Forscher das Fett zunächst der Leber zugeführt. 2) Diese soll es spalten und aus den entstandenen Fettsäuren andere, z. B. ungesättigte, bilden. Wahrschein- licher ist schon die Annahme, daß jede einzelne Körperzelle selbst ihr Fett bilden und aufbauen kann. Es kann jedoch auch sein, daß es der Zelle nur auf den Energie- inhalt des Fettes ankommt. In diesem Fall zerlegt sie ohne Zweifel das ihr zugeführte Fett und verarbeitet die Bausteine weiter. Wir kommen ohne weiteres zu der Fragestellung, ob die Zellen Glyzerin und Fettsäuren direkt zu den Stoffwechselendprodukten, Kohlensäure und Wasser, abbauen, oder ob nicht vielmehr auch hier, ganz entsprechend, wie bei den Kohlehydraten, der Abbau ein stufenweiser ist. An diese Fragestellung schließt sich das Problem der W^echselbeziehungen der Fette und ihrer Bausteine zu anderen Verbindungen an. Wir können gleich voraus- schicken, daß die Beziehungen, die zu ganz andersartigen Verbindungen hinführen, auch hier nicht von den Fettsäuren und dem Glyzerin, sondern ohne Zweifel von einfacheren Abbaustufen der Bausteine der Fette ausgehen. Was das Glyzerin anbetritft, so sei daran erinnert, daß es Glukose liefern kann.^^ Es ist möglich, daß das Glyzerin über Glyzerose in Trauben- zucker übergeht. Es ist jedoch auch denkbar, daß es zuvor tiefer abgebaut wird. Auch der Weg über Methylglyoxal, Brenztraubensäure, Milch- ') Nach L. R. Mülhir: VerhandJ. d. Deutschen Gesellsch. f. innere Medizin 428 (191 Ij soll sich am Boden des 3. Ventrikels ein .,Fettzeutrum" bctiuden. ^) Georg Joannovics und Eriist F. Pick: ^Viencr klin. Wochenschr. 23. Nr. 17 (1<»10). — H. S. Raper: Journ. of Bio). Chem. 14. 117 (1Ü13). ■') Vgl. K. Schmitz: Biocliem. Zeitschr. 45. IK (1912). 282 -^^ • Vorlesung. säure ^) usw. ist g-eg;eben. Es koiumen alle ErörteruDgen, die bereits mehrfach angeführt worden sind, in Betracht. 2) Unsere Kenntnisse über den Abbau der Fettsäuren sind durch die Beobachtungen von F. Knoop °) außerordentlich erweitert worden. Wir wissen jetzt, daß gesättigte, aliphatische und aromatische Fettsäuren durch Oxydation am fi-Kohlenstoffatom unter Abspaltung der a-Kohlenstoffgruppe nebst dem Karboxyl gekürzt werden. So schied ein Hund, dem Phenylpropionsäure, CßHß . CH2 . CHo . f. COOH, eingegeben wurde. Benzoesäure, CgHö . COOH, in Form von Hip pursäure aus.*) Zimt säure, Cg H5 . CH : CH . COOH, führte gleich- falls zu Benzoesäure. Benzoylessigsäure, CßHg .CO . CHo . COOH, ergab den gleichen Befund. Phenylbuttersäure, Cg Hß.CH., . CHg .CH., . COOH, liefert Phenylessigsäure, Cß H5 . CH., . COOH, die dann als Phenazetur- säure zur Ausscheidung gelangt. &) Besonders interessant ist die Beobachtung, daß Phenylvaleriansäure, Benzoesäure, bzw. Hippursäure ergibt.^) Aliphatische, gesättigte Fettsäuren zeigen, wie schon betont, das gleiche Verhalten.") Die folgenden allgemeinen Formeln sollen zeigen, wie dieser Abbau unter „[i- Oxydation" und paarweiser Abspaltung von Kohlenstoff- atomen sich vollzieht. CH3 . CH.. . CH, . CH2 . CH, . CHo . CH2 . COOH CH3 . CH, . CH, . CHo CH, . COOH ß :« I ' CH, . CH., . CH.3 . OOOH. Wir haben früher'*) schon auf diese Art des Abbaus der Fettsäuren bei der Besprechung der Herkunft der Azetonkörper hingewiesen. Die Er- gebnisse der Fütterungsversuche 9) und die an durchbluteter Leber aus- geführten Untersuchungen ergaben in Übereinstimmung mit der geschil- derten stufenweisen Zerlegung von Fettsäuren, daß nur solche Fett- säuren Azeton bzw. Azetessigsäure liefern, die eine gerade Anzahl von Kohlenstoffatomen besitzen. Es entsteht beim Abbau solcher Säuren, wie das obige Beispiel zeigt, Buttersäure. Diese wird durch [i-Oxydation in fi-Oxybutter säure übergeführt, aus der dann die er- wähnten Verbindungen hervorgehen können. *) Vgl. hierzu S. Oppenheimer: Biocheni. Zeitschr. 45. .SO (1912). ^) Vgl. Vorlesung X uud XIII. ^) Franz Knoop: Nofnicistcrs ßeitr. G. 150(1904). — Vgl. ferner Max Koppel: Berichte d. Deutscheu Chem. Ges. 44. 3576 (1911). — Karl Thomas uud Herbert Schölte: Zeitschr. f. physiol. Chemie 104. 141 (1919). ••) Vgl. hierzu S. 79. ^) Vgl. auch H. Thierfelder und Erich Schempp: J'Jliif/t'rs Archiv. 167. 280 (1917). ^) Franz Knoop: Hofmeisters Bcitr. 6. 150(1904). - /A D. Dahin: The Journ, of. l.iol. Chem. 6. 221 (1909). ') Vgl. hierzu 6'. Kvibden, H. Salomon uud Fr. Schmidt: Hofmeisters Bcitr. 8. 129 (1906). — G. Kmbden und A. Marx: Ehenda 9. 318 (1908). «) S. 192. *) Vgl. Jnlins Jiaer uud Lt'on Blum: Arch. f. expcrim. I'ath. u. Pharmak. J>5. 89 (1906); 56. 92 (19061; 59. 321 (1908); 62. 129 (1910. — L. Borchardt : Zentralbl. f. d. gesamte Physiol. u. Path. d. Stoffwechsels. N. F. Nr. 5 (1906). — Geelmutjden : Zeit- schrift f. physiol. Chem. 23. 431 (1897). Fette. Pliospliatide. Steriue. 283 Die Tatsache, daß j^esättigte Fettsäuren eine Oxydation am ß-Kohlen- stotifatoni crlahren, war überraschend. Wir sind es so gewohnt, Ergebnisse der reinen Chemie auf Vorgänge in Lebewesen zu übertragen, daß wir unwillkürlich stutzig werden, wenn uns ein Vorgang entgegentritt, der einen anderen, als den erwarteten Verlauf nimmt. Umgekehrt geben wir uns leicht zufrieden, wenn ein Geschehnis in Zellen entdeckt ist, das in gutem Einklang mit den Erfahrungen des chemischen Experimentes zu stehen scheint. Ein Tieferschürfen zur Aufklärung aller Einzelheiten des gesamten Vorganges unterbleibt dann oft. Ist eine Reaktion im Orga- nismus entdeckt, die den auf Grund unserer Kenntnisse erwarteten Ver- lauf nicht nimmt, dann muß alles aufgeboten werden, um ihn auch außer- halb des Körpers im Reagenzglas nachzuahmen. Nur so gelingt es, mög- liche Zwischenreaktionen aufzuklären. Es kann nicht genug betont werden, daß Vorgänge, die uns als sehr einfach erscheinen, und die wir ohne weiteres in eine einfache Formelgleichung bannen zu können glauben, in Wirklichkeit eine Kette von einander bedingenden Reaktionen erfordern. Vom erwähnten Gesichtspunkte aus hat Dahin ^) die Einwirkung von Wasserstoffsuper- oxyd auf Fettsäuren studiert. Er fand, daß ihre Ammonsalze am |i-Kohlen- stofiatom oxydiert und zu Ketonen der nächst niederen Kohlenstoff- reihe abgebaut werden. Ob diese Art des Abbaues auch im tierischen Organismus unter normalen Verhältnissen eintritt, ist nach den Versuchen von Herrmanns-) zweifelhaft. Immerhin ist der Beweis, daß man auch im Reagenzglas ß-Oxj^dationen vornehmen kann, bedeutungsvoll. Man hat versucht, den feineren Mechanismus der [i-Oxydation und der Abspaltung der zwei Kohlenstoffatome aufzuklären. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der ganze Vorgang stufenweise über Zwischenprodukte führt. Es sind verschiedene Möglichkeiten gegeben. Einmal kann zuerst die Oxydation am [i-KohlenstolTatom einsetzen und darauf die Kürzung der Kohlenstoffkette folgen. Die Bildung der ß-Oxybuttersäure aus Buttersäure und ferner die Entstehung von Phenyl-Ji-oxypropion- säure nach Verfütterung von Phenylpropionsäure an Katzen 3) geben vielleicht den Weg an, auf dem der Abbau der Fettsäuren einsetzt. Ferner wissen wir, daß ß-Oxybuttersäure Azetessigsäure und Azeton liefert, und aus Phenyl-[i-oxypropionsäure Benzoylessigsäure, bzw. Azetyl- benzol = Azetophenon, hervorgeht. Diese beiden letzteren Verbindungen gehen dann in Benzoesäure über. CH3 1 v\\ CH3 CH3 ßCH., —y ßCH.OH 1 — >► CO — > CO 31 CH, aCH., CH., CH, COOH COOK COOK Buttersäure [i-Oxybutter- Azetessigsäure Azeton säure ') H. D. Dahin: Jouni. of Biol. Cheni. 4. 77, 227, 41i» (1905). — Amer. Cliein. .lonrn. 44. 41 (1910). '-) Leo Jlerrmunns: Zeitsclir. f. physiol. ('liciii. 85. 233 (1913). ») Vgl. zu diesen l'rolilomen: 11. I). Ikikin: .lourn. of Biol. Cliem. 4. 419(1908); ö. 173. 303 (1908); 6. 203, 221 (1909); 9. 123 (1911). - Vgl. feruer; H. D. Dakin: Oxydatious and reductious in tlio animal body. Longuians, Green and Cie. Lon- don 1912.— Vgl. auch E. Friedwann und W. Tiirck: Biocheni.Zeitschr. 55. 425(1913). 284 XV. Vorlcsimg. CeH, (V.H, CoH, C«H, 1 ßCH., ! —y y. CH„ S CH . ( »H 1 — >^ y.('H, 1 1 CO CH. > CO OH3 COOH Phenylpropion- 1 COOH Phenyl-!i-oxy- COOH Benzoyl- A z e 1 0- säure propionsäure essigsäurc \ Ce p h c 11 0 n H, COOH Benzoesäure. Weitere Beobachtungen machen es im höchsten Grade wahrscheinlicli. daß die Bildung von Azeton bzw. Azetophenon aus Buttersäure bzw. Phenylpropionsäure nur eine Nebenreaktion darsteHt.i) Der Hauptweg beim Abbau der Fettsäuren und der aus ihnen entstandenen [i-Oxyverl)indungen bzw. der Ketonsäuren führt vielleicht unter Hydrolyse zu zwei einfacher zusammengesetzten Säuren, von denen die eine Essig- säure ist. Azetessigsäure müßte in diesem Falle zwei Moleküle Essig- säure liefern : CH, . CO . CH., COOH + H./0 = CH3 . COOH + CH, . COOH. Azetessigsäure Essigsäure Essigsäure. Der Abbau höher molekularer Fettsäuren würde in diesem Falle dem folgenden »Schema folgen: R . CH, . CH, . COOH + 0 —^ R . CH (OH) . CH., . COOH + 0 — H, 0 -^ R . CO . CH, . COOH + H, 0 -^ R . COOH + CH., . COOH. Ein Beispiel möge zeigen, wie zahlreich die Stufen sind, die bei der Zerlegung einer bestimmten Fettsäure durchlaufen werden, bis aus ihr ein bestimmtes Abbauprodukt entstanden ist. Es sei der Abbau der schon erwähnten Phenjdvaleriansäure geschildert-): C«H, . CH., . CH, . CH,. . CH, . COOH — y CgH. . CH, . CH, . (;H (OH) . CH, . COOH — >► 1 ' h e n y 1 V a 1 e r i a u s ä 11 f (> P h e n y l-ß-o x y v a 1 e r i a n s ä u r e CgH, . CH, . CH., . (JOOH >► CgH, . CH(OH) . CH, . COOH >^ ß a j5 a P h 0 n y 1 p r 0 p i 0 11 s ä n r e P h e n y l-[3-o x y p r 0 p i 0 11 s ä u r 0 CgH, . CO . (;H, . COOH ^>^ CgH, . COOH ■ • ß a ' B e ri /, 0 y 1 e s s i g s ä u r e B 0 11 z 0 i' s a ii r e. ') Vgl. hierzu //. I>. l>nki,i |Jonni. of l)i()l. Clicm. 18. Hl (1914)]: Braueroihefe führt Phenylglyoxal, CgH, . CO . CH (OH), in Benzuylkarbiiiol. CgH, . CO . (JH., (OH). üher. 2) Vgl. //. I). Daicin: The .lonrn. of hiol. Chein. 6. 22\ (1909). Fette. Phosphatide. Steiiue. 285 Gewiß sind nicht alle Zwischenstufen, die in Wirklichkeit auftreten, wiedergegeben. Es sind nur diejenigen genannt, die durch Versuche sicher- gestellt sind. Ganz sicher sind zwischen jeder der genannten Stufen noch wei- tere Einzelreaktionen anzunehmen, t^s ist sehr unwahrscheinlich, daß der Abbau so sprungweise verläuft. Es sind auch ohne Zweifel noch andere Mög- lichkeiten des Abbaus vorhanden. Vor allem muß auch mit dem Falle ge- rechnet werden, daß nicht nur je zwei Kohlenstoflfatome zur Abspaltung kommen, es ist vielmehr durchaus möglich, daß z. B. eine Kohlenstotit- kette unter Loslösung von vier Kohlenstoffatomen zum Abbau kommt. Jedenfalls zeigt das Studium jeder einzelnen organischen Verbindung immer wieder, wie wenig der so vielfach verwendete Ausdruck „eine Substanz verbrennt im tierischen Organismus zu Kohlensäure und Wasser" über den Vorgang der Entstehung der Stoftwechselendprodukte aussagt. Die Ergebnisse von Untersuchungen über den Abbau von [i-Keton- säuren sprechen für die geschilderte Art der Zerlegung der Fettsäuren im Zellstoll'wechsel. Vielleicht entsteht die [i-Ketonsäure in manchen Fällen auch direkt aus der Fettsäure und nicht nur auf dem Umwege über die 'i-Hydroxy Verbindung. Die Bildung von Essigsäure beim Abbau von normalen, gesättigten Fettsäuren ist noch nicht eindeutig festgestellt. 0 Vielleicht steht die im Harn-), wie es scheint, immer vorhandene Ameisensäure mit der 1511- dung von Essigsäure im Zusammenhang. Sie könnte ein Abbauprodukt dieser letzteren sein und z. B. über Glyoxylsäure C^.v.COOH, in Ameisensäure übergehen, doch fehlt ein eindeutiger Beweis für diese An- nahme. Es ist auch mitghch, daß normale, gesättigte Fettsäuren zu- nächst in 7-, fi-ungesättigte Verbindungen übergehen: R .^CH., . GH., . GOGH— >^R . GH : GH . GOGH. Diese könnten dann, wie die ungesättigten Säuren, weiter abgebaut werden. Das Studium der Abbaustufen ungesättigter Fettsäuren hat er- geben, daß diese offenbar in verschiedener Weise verändert werden. Ein- mal kann eine direkte Spaltung zwischen dem x- und |i-Kohlen- stoffatom erfolgen: R . GH : GH . GOGH— >-R . Gooll [i 7. Oder es wird Wasser aufgenommen und die x-. [i-ungesät- tigte Verbindung in eine gesättigte ß-Oxysäure übergeführt: R . GH : CH . GOOH + H, O— >^R . GH(OH) . CH., . GOOH. M ^'gl. hierzu (i. Embdni und Michand: Hofmeistern Beitr. 11. 332 (1908). — A. J. Wakeinaii und //. J). JJakin: The .louru. of hiol. Chem. 6. 373 (1U09). — /•-'. Fricd- ii/atvi : Biochem. Zeitschr. 55. 436 (1913). -) SchdM 'l'hiidichu)n (F/Iiicfers Archiv. 15. 129 |1S77]) war bel. Dakin, Janiiey und Wakeniaini : .lourn. of l)iCH3.CH(0H).CHo.C00H + 0— HoO— >► Krotonsäure [i-Oxybutt er säure CH3 . CO . CHo . COOH. Azetessigsäure. Es ist in jedem einzelnen Falle fraglich, ob man die an niedrigen Gliedern der Fettsäurereihe gemachten Beobachtungen unmittelbar auf das Verhalten der hochmolekularen Verbindungen übertragen darf. Ferner sind, um bestimmte Verbindungen vor dem vollständigen Abbau zu bevvabren, Fettsäuren mit aromatischen Resten verbunden und dann verfüttert wor- den. Daß hierbei der Abbau in bestimmter Weise beeinflußt werden kann, zeigen z. B. die Erfahrungen von Hermianns^) Er fand, daß Phenylazet- essigester fast ausschließlich Benzylmethylketon ergab, während Benzyl- und Phenylpropylazetessigester nur ganz geringe Mengen des diesen Ver- bindungen entsprechenden Ketons lieferten. Offenbar hat der Phenylrest in der ersten Verbindung mit der kurzen aliphatischen Kohlenstolfkette seinen Einfluß mehr geltend gemacht als in der längeren aliphatischen Kette von Kohlenstoftatomen der letzteren Verbindungen. Es ist nun nicht gesagt, daß jede gesättigte, normale Fett- säure in der genannten Art unter [i-Oxydation und paariger Ab- sprengung von Kohlenstoffatomen oder auf sonst einem der erwähnten Wege abgebaut werden muß. Man darf vorläufig nur von einer sicher festgestellten Art des Abbaues — ob nun die ^-Oxydation direkt oder indirekt einsetzt, ist nicht wesentlich — sprechen. Zahlreiche Versuche sind im Gange, um festzustellen, wann ein anderer Modus des Abbaues auftritt, und bei welcher Struktur des Moleküls der Abbau über- haupt ausbleibt. :') Prüft man den Abbau aller nur denkbaren Zwischenstufen im Abbau einer bestimmten Verbindung, dann darf man hofifen, alle jene Stufen ausschalten zu können, die normalerweise nicht gebildet werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Versuch unternommen worden ist, den Abbau der Glieder der normalen gesättigten Fettsäurereihe — eine Sonderstellung nehmen die ersten ihrer Glieder, und zwar Ameisensäure und Essigsäure ein, und ferner auch die Propionsäure insofern, als bei ihr y- und ß-Oxydation beobachtet ist — im Organismus in Zusammenhang mit dem physikalisch-chemischen Verhalten der einzelnen gesättigten Fettsäuren zu bringen.*) Es ergaben sich in der Tat in mancher Hinsicht Anhaltspunkte. Es haben z. B. die Fettsäuren mit gerader Kohlenstoff- atomzahl und diejenigen mit ungerader Schmelzpunkte, die deutlich das Bestehen von zwei zusammengehörenden Reihen zeigen, d. h. die einzelnen Glieder der Fettsäurereihe mit gerader Kohlenstoflfatomzahl und diejenigen ') E. Friedmann: Hofmeistern Beiträge 11. 371 (1908). — Junichi Mochizvki: Biochem. Zeitsclir. .55. 443 (1913). — E. Friedmann und C. Maasc: El)end:i. bh. 450 (191:5). ^) Leo Herrmanns: \. c. Zitat. 2, S. 283. ») Vgl. E. Friedmann und C. Maase: Biochem. Zeitschr. 27. 97, 113 (1900). — E. Friedmann: Ebenda. 27. 119 (1910). — E. Friedmann und C. Maase: Ebenda. 27. 474 (1910). — H. D. Dahin: The Journ. of Biol. Chcm. .3. r)7 (1907); 5. 173 (19()S). *) Vgl. hierzu K. Spiro: Ilelvet. chim. acta 4. 459 (1921): Biochem. Zeitschr. 127. 299 (1922). Fette. Phosphatide. Sterine. 287 der Reihe mit einer ungeraden Anzahl von Kohlenstoifatomeu bilden unter sich eine eng zusammengehörende Gruppe. Es gehören z. B. zur .Säure Cß nicht die Verbindungen C5 und C7, vielmehr C4 und C^ usw. Es kommt ohne Zweifel in dieser Zusammengehörigkeit die Eigenart des inneren Baues der Glieder einerseits der geraden und andrerseits der ungeraden Kohlenstoflatomzahl-Reihe zum Ausdruck. Entsprechend dem feineren Bau der Fettsäuren vollzieht sich ihr Abbau unter Abspaltung von Kohlen- stotfatomen in gerader Anzahl. Es bleiben so die Abbaustufen wenigstens zunächst in der Reihe, zu der das Ansgangsprodukt gehört. Schließlich sei noch erwähnt, daß auch die Zerlegung von Fett- säuren mit verzweigter Kohlenstoffkette und von mehrbasischen Gliedern der Fettsäurereihe studiert worden ist.^) Es spricht alles dafür, daß der Abbau auch hier nicht nur auf eine bestimmte Art erfolgt.-) Es scheint, daß der erste Angritt" auf Fettsäuren mit verzweigter Kohle nstott- kette in der Weise erfolgt, daß eine Methylgruppe abgespalten bzw. durch die Oxygruppe ersetzt wird. So beobachteten z. B. Baer und Bluin '^) den Übergang von Isobuttersäure in Milchsäure: ^g^>CH . COOH -> oh'/^^ • ^^^^ Isobuttersäure Milchsäure. Von den mehrbasischen Säuren sind insbesondere die zweibasischen untersucht worden. Es ist jedoch bis jetzt noch nicht geglückt, eine be- stimmte Art des Abbaues festzustellen. Interessanter weise wird Oxalsäure, COOH I , im tierischen Organismus schwer und nach einigen Autoren über- COOH haupt nicht angegriffen*), während Malonsäure, Bernsteinsäure, Glu- tars äure usw. vollständig abgebaut werden. Die gemachten Beobachtungen ergeben das wichtige Resultat, daß auch die Fettsäuren nicht direkt in die Endprodukte Kohlen- säure und Wasser zerfallen. Der Abbau ist vielmehr auch hier, wie bei den Kohlehydraten, ein stufenweiser. Die Spaltung kann stets Halt machen und bei der gebildeten Abbaustufe die Synthese ein- setzen. Aus der vorliegenden Darstellung ergeben sich ohne weiteres die schon früher erörterten Beziehungen zu den Azetonkörpern. Von solchen Abbaustufen aus müssen wir auch nach Verbindungen suchen, die zu Angehörigen anderer Körperklassen führen. Bei jeder einzelnen im tierischen Organismus auftreten- den Abbaustufe von organischen Verbindungen ergibt sich die Frage, ob sie von den Zellen des tierischen Organismus noch zu *) V'^gl. die Literatur (Embden und Mitarbeiter, Baer uud Blum, Friedman h und Mitarbeiter) bei H. D. Dahin: Oxydations etc. 1. c. Zitat 3, S. 306. *) Vgl. eine weitere Möglichkeit: Henry Stenley Kaper: The Biochemical. .1. CH, . CH : CH . COOH + H., 0 — >► Essigsäure Azedaldehyd Krotonsäure CH3 . CH(OH) . CH., . COOH -f- 0 — H., 0 — >- CH3 . CO . CH., . COOH ß-Oxy buttersäure Azetessigsäure. Es würde somit die Essigsäure, falls die an überlebenden Organen gemachten Beobachtungen ohne weiteres auf Stoftvvechselvorgänge im tierischen Organismus übertragen werden dürfen, noch zu Synthesen verwendbar sein. Daß der angegebene Weg der Bildung der Azetessig- säure über die Krotonsäure und die ß-Oxybuttersäure möglich ist, be- weist die Beobachtung, daß verfüttertes Furfurol in Furfurakrylsäure übergeht =^): ') Vgl. Vorlesung XVIII. -) Vgl. S. 190 und fernpr noch L. r. La(^rrniarh: Biochem. Zeitschr. 55. 458 (191.'5). •') Afhitn Loeb: Biochem. Zeitschr. 46. 118 (1912). *} /•;. Friedmann: Ehenda. 55. 43(5 (1913). ^) M. Jaff'- lind Rudolf Cohn: Bor. d. Deutsch. Chem. Gesellsch. 20. 2311 (1887). Fette. Phosphatide. Steriue. 289 + C, H3 . 0 . C/^CH, . COOH=:C, H. . () . CH : CH . COOH + H., 0. Essigsäure Furfurol Furfurakrylsäure. Ein Blick auf die obige Darstellung der Entstehung der Kroton- säure zeigt die Übereinstimmung mit der eben geschilderten Synthese. Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß man daran gedacht hat, daß der Abbau der Fettsäuren sich in der Hauptsache, ja vielleicht ausschließ- lich in der Leber vollziehen könnte. Hat diese Annahme a priori wenig Wahrscheinlichkeit für sich, so haben auch direkte Versuche gezeigt, daß sie nicht zutrifft. 1) Damit soll nicht gesagt sein, daß den Leberzellen in der Umbildung von Fettsäuren nicht eine große Bedeutung zukommen kann. Im allgemeinen dürften jedoch auch andere Körperzellen befähigt sein, Fettsäuren zu zerlegen. 1) Vgl. z. B. Julius Bär: Biochem. Zeitschr. 127. 275 (1922). Abde rh al de u, Physiologische Chemie. I.Teil. 5. Aufl. 19 Vorlesung XVI. Fette. Phosphatide. Sterine. 3. Die Wechselbeziehungen der Bausteine der Fette zu denen der Eiweiß- stofFe und zum Traubenzucker. Das Verhalten der Phosphatide und der Sterine im ZellstofFwechsel. Die Verfolgung der Wechselbeziehungen der Kohlehydrate zu Ver- bindungen, die nicht der Kohlehydratreihe angehören, hat nicht nur unsere Kenntnisse des Kohlehydratstofiwechsels außerordentlich gefördert, sondern uns gleichzeitig einen tiefen Einblick in den Zellstotfwechsel verschafft. Es ergab sich, daß die Zelle den Traubenzucker über mehrere Zwischenstufen zu Kohlensäure und Wasser abbaut. Von derartigen Zwischenprodukten zweigen jene Wege ab, die zu anderen Verbindungen hinführen, und umgekehrt ließ sich mit großer Wahrscheinlichkeit zeigen, daß von diesen aus sich wieder Beziehungen zum Zucker ergeben, wobei offenbar der gleiche Weg eingeschlagen wird. Diese reichen Ergebnisse lassen es verständlich erscheinen, daß man auch bei den Fetten Wechsel- beziehungen zu anderen Verbindungen aufzufinden bestrebt war. Vor allem interessiert uns die Frage, ob die Fette und ihre Abbaustufen Beziehungen zu den Kohlehydraten und den Eiweißstoffen beziehungsweise zu ihren Bausteinen, den Aminosäuren, besitzen. Wir wollen zunächst ohne Berücksichtigung der vorliegenden Tatsachen das heiß umstrittene Gebiet der Wechselbeziehungen zwischen den Fetten und den genannten Verbindungen von den bisher erörterten Vorgängen im Zellstoffwechsel aus einer Betrachtung unterziehen. Wir beginnen mit der Frage der Umwandlung von Fett in Zucker. Es unterliegt nach den bisher gemachten Beobachtungen keinem Zweifel, daß Glyzerin in Glukose übergehen kann. Dürfen wir auch die Fettsäuren beziehungsweise ihre Abbaustufen als Quelle für Zucker im tierischen Organismus betrachten? Die Pflanzen- zelle wandelt, wie sicher festgestellt ist, Fettsäuren in Zucker um. Wie die Überführung im einzelnen erfolgt, wissen wir nicht. Er ist möglich, daß sich durch [i-Oxydation höherer, gesättigter Fettsäuren schließ- lich z. B. Kapronsäurc bildet und diese dann in Griukose übergeht. Wahr- scheinlicher ist jedoch die Annahme, daß die Kohlenstoffkette der Fettsäuren noch weiter verkürzt wird, und die Synthese von Zucker von einfacheren Abbauprodukten ausgeht. Wir können zurzeit die Zuckerbildung aus Fette. Phosphatide. Steriue. 291 Fettsäuren im tierischen Organismus nur als möglich hinstellen. Bewiesen ist sie keinesfalls. Wir wollen gleich hier erwähnen, dal,! die meisten Forscher der Ansicht sind, daß eine Zuckerbildung aus Fettsäuren im tierischen Stoft'wechsel nicht erfolgt. Es fehlt jedoch auch nicht an Stimmen, die eine solche Umwandlung für wahrscheinlich halten. Die zweite P>age, nämlich die Beziehungen der Bausteine der Fette zu Aminosäuren, wollen wir erst erörtern^), wenn wir diese kennen gelernt haben und dafür hier auf die Frage eingehen, ob Amino- säuren Material zur Fettbildung liefern können. Vom theoretischen Standpunkte aus muß diese Frage unbedingt bejaht werden. Wir haben nämlich festgestellt, daß Aminosäuren Traubenzucker liefern können. Ferner ist sicher bewiesen, daß Zucker im tierischen Organismus in Fett über- gehen kann. Es können somit in der Tat im gebildeten Fett Kohlenstoft- ketten vorhanden sein, die einst Aminosäuren angehörten. Es wäre ein aussichtsloses Beginnen, wenn wir die Frage nach der Bildung von Fett aus Aminosäuren von diesen Gesichtspunkten aus beantworten wollten. Wir können den Aminosäuren nur bis zu den Kohlehydraten folgen. Die Um- wandlung von solchen in Fette ist ein Problem für sich und hat nichts mehr mit den Beziehungen der Aminosäuren zu diesen zu tun. Wenn wir die Frage nach der Umwandlung von Aminosäuren in Fett stellen, so wollen wir erfahren, ob aus Bruchstücken von diesen irgend welcher Art direkt Fett oder ihre Bausteine hervorgehen können. Zunächst wäre zu prüfen, ob bestimmte Aminosäuren Glyzerin liefern können. Es sei daran erinnert, daß beim Abbau von Alanin Milchsäure und ferner auch Brenztraubensäure entstehen kann. Wir haben bis jetzt keine Beweise dafür, daß aus diesen Abbaustufen direkt Glyzerin gebildet werden kann. Dagegen ist es wohl möglich, daß die Glyzerose, die ja enge Beziehungen zur Milchsäure hat, den Übergang zu Glyzerin vermittelt. Schwieriger gestaltet sich die Beweis- führung einer Überführung von Aminosäuren in Fettsäuren. Es fehlen uns noch die Kenntnisse über die Bildung höherer Fettsäuren aus einfacheren Verbindungen in der Zelle. Wir wissen nicht, ob eine Synthese aus nie- deren Fettsäuren eintritt. Möglich ist, wie wir S. 253fr. erörtert haben, eine derartige Synthese durchaus. Niedere Fettsäuren könnten sich aus Amino- säuren ganz gut bilden. Fassen wir alles zusammen, was wir vom rein theoretischen Standpunkte aus über die Bildung der Bausteine der Fette aus Aminosäuren wissen, so kommen wir zum Schlüsse, daß diese wohl möglich ist. doch fehlen uns noch zu viele Unterlagen, um eine solche Annahme in ihren Einzelphasen prüfen zu können. Nachdem wir festgestellt haben, daß vom theoretischen Standpunkte aus keine Tatsachen vorliegen, die eine Beteiligung der in den Amino- säuren enthaltenen Kohlenstoffketten am Aufbau der Bausteine der Fette ausschließen, wollen wir zu den Erfahrungen übergehen, die durch das direkte Experiment und mancherlei Beobachtungen an pathologisch ver- änderten Organen gemacht worden sind. Wir wollen gleich vorweg nehmen, daß zurzeit die Meinung den Vorrang hat, daß eine Fettbildung aus Eiweiß bzw. aus Aminosäuren nicht erwiesen ist. Es seien einige Ergebnisse der von verschiedenen Gesichtspunkten aus unternommenen Untersuchungen über die Fettbildung aus Aminosäuren ') Vgl. Vorlosung XXII. 19^ 292 XVI. Vorlesuug. hier angeführt. Im Anschluß daran wollen wir dann die Frage besprechen, ob schon jetzt aus dem Umstände, daß eine Fettbildung aus Aminosäuren nicht eindeutig bewiesen werden konnte, der Schluß gezogen werden darf, daß der tierische Organismus diese Umwandlung überhaupt nicht vollzieht. Im Mittelpunkt der ganzen Besprechung über die Umwandlungen von Eiweiß in Fett standen früher die Versuche von Pettenkofer und Voii.^) Diese beiden Forscher hatten Hunde mit großen Mengen von mögliclist fettarmem Fleisch gefüttert. Sie prüften, ob im Harn der in Form von Eiweiß zugeführte Stickstoff wieder auftrat, und ob gleichzeitig auch die entsprechende Kohlenstoffmenge zur Ausscheidung kam. Für den Kohlen- stoff' kommen einmal die organischen Verbindungen des Harns und dann vor allem die Kohlensäure der Exspirationsluft in Betracht. Pettenkofer und Vo'd berechneten, daß zwar der gesamte eingeführte Stickstoff zur Ausscheidung gelangte, dagegen nicht aller Kohlenstoff. Aus diesem Ergebnis zogen sie den Schluß, daß dem Eiweiß zugehörender Kohlenstoff zur Bildung von Fett verwendet worden war. Pß.üger^) griff die Beweiskraft der Ergebnisse dieser Versuche an. Er konnte zeigen, daß die den Berechnungen zugrunde gelegten Werte für Stickstoff und Kohlen- stoff' im fettarmen Muskel unrichtig waren. Pettenkofer und Voit hatten jedoch ohne Zweifel dennoch eine sehr wichtige Beobachtung gemacht. Sie hatten nämlich durch ihre Versuche festgestellt, daß die alleinige Verfol- gung der Stickstoff'zu- und -ausfuhr uns nicht über den Umfang des Ei- weißstoffwechsels unterrichtet. Es kommt ohne Zweifel oft zur Zurück- haltung von Kohlenstoff im Körper in irgend einer Form. Nach dem damaligen Stand der Kenntnisse des Zellstoff wechseis war es sehr nahe- liegend, an eine Verwertung der im Körper zurückgebliebenen Kohlenstoft- ketten zum Aufbau von Fett zu denken. Jetzt wissen wir, daß bestimmte Aminosäuren Zucker liefern können. Diese Umwandlung könnte sehr gut das erwähnte Ergebnis der Versuche von Pettenkofer und Voit bedingt haben. Direkt beweisend für die Fettbildung aus Eiweiß schienen die Beob- achtungen über die sogenannte Verfettung von Organen zu sein. Ge- webe, die makroskopisch und auch mikroskopisch nur wenig Fett zeigen, können unter der Einwirkung bestimmter Stoffe nach kurzer Zeit sehr fettreich aussehen. So erhält man z. B. nach Vergiftung mit Phosphor fettige Degeneration der Leber. Gleichzeitig beobachtet man häufig Amino- säuren im Harn und auch im Lebergewebe. Es lag sehr nahe, diese Be- obachtungen im Sinne einer Fettbildung aus Eiweiß zu deuten. Das Auf- treten von Aminosäuren weist offenbar auf einen v^ermehrten Eiweißabbau hin. An seiner Stelle tritt Fett auf. Es schien somit das Problem der Fett- bildung aus Eiweiß eindeutig gelöst! Wie kaum ein anderes Beispiel, zeigt die Beantwortung der Frage nach der Umwandlung von Eiweiß in Fett, daß ausschließlich quanti- ') M. Pettenkofer uud ('. Voit: Liebigs Annalen. Suppl. 57. 361 (1862). — C. Voit: Zeitschr. f. Biol. 5. 106 (1869); 6. 371 (1870). — M. Pettenkofer uud C. Voit: Ebeuda. 7. 433 (1871). -- C. Voit: Handbuch der Physiologie des Gesamtstoffwechsels und der Fortpflanzung. Leipzig 1881. München. M. Kieger. 1883. ^) E. Pjfüger: P/ii((,ers Archiv. 50. 48 (330 und 396) (1891): 51. 229(1891): 52. 1 (1892): 68. 176 (1897); 77. 521 (1899). — Vgl. auch M. KumagaMa : Miiteü. d. mediz. Fakultät der Universität Tokio. 3. 1 (1890). Fette. Phosphatide. Steriue. 293 tative Versuche zu eindeutigen Schlußfolgerungen führen können. Das in der Leber zur Beobachtung kommende Fett braucht nicht an Ort und Stelle entstanden zu sein. Es kijnnte ja aus anderen Teilen des Organismus eingewandert sein. Ferner muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß Zellfett, das sich unter normalen Verhältnissen der direkten Beobach- tung entzieht, im Gefolge der Phosphorvergiftung freigeworden ist, und deshalb in Erscheinung tritt. i) Die ersten quantitativen Versuche rechneten nicht mit dem Vorkommen von in der Zelle gebundenem Fett. Sie mußten deshalb zu Irrtümern führen. Äthanasiii') berücksichtigte das gebundene, nicht direkt ausziehbare Zellfett. Er bestimmte den gesamten Fettgehalt von 124 Fröschen. Dann vergiftete er ebenso viele Tiere mit Phosphor und stellte wiederum den Fettgehalt des gesamten Körpers fest. Es hatte keine Zunahme des Gesamtfettgehaltes stattgefunden. Taylor^) fand sogar im Gegenteil eine Abnahme des Körperfettes nach Phosphor- vergiftung. Versuche an Mäusen führten zum gleichen Resultate.*) Während gleich gefütterte Kontrolltiere im Körper l;3'8 — "iQ^oO/o Fett enthielten, wiesen die mit Phosphor vergifteten Tiere einen Fettbestand von nur 4' 13 — TO^/o auf. Somit war also der gesamte Organismus an Fett ver- armt. Die Leber der mit Phosphor vergifteten Mäuse dagegen besaß einen Gehalt an Fett von 7'4 — 37*4"/o, während normale Mäuse in diesem Organ nur 51 — ll'BVo Fett enthalten. Es hatten somit alle anderen Gewebe auf Kosten der Leber an Fett eingebüßt. Der Gedanke ist naheliegend, daß die Vermehrung der Fettbestände der Leber in direkter Beziehung zu der Verminderung des Fettgehaltes der übrigen Gewebe steht. Bosenfeld°) hat diese Annahmt; direkt bewiesen, indem er aus dem Fettdepot eines mit Hammeltalg gefütterten Hundes ein Fett in die Leber einwandern sah, das seiner Zusammensetzung nach dem Fette des Depots entsprach. Ferner zeigte er, daß hungernde Hunde und Hühner nach Phosphorvergiftung keine Zunahme des Gesamtkörperfettes aufwiesen. Somit muß die alte Annahme, wonach bei der Phosphorvergiftung Eiweiß sich in Fett um- wandelt, aufgegeben werden. Aus den vorliegenden Versuchen ergibt sich somit, daß nach der Phosphorvergiftung die Verteilung des Fettes in den einzelnen Geweben eine Veränderung erfährt. Gleichzeitig kommen jedoch auch infolge der schweren Schädigung der Zellen Fett- substanzen zum Vorschein, die unter normalen Verhältnissen nicht in freiem Zustande im Gewebe enthalten sind.") Wenn diese Ansicht richtig ist, dann darf bei einem fettarmen Tiere die Verfettung einzelner Organe und insbesondere der Leber je nach dem Fettgehalt des Versuchstieres entweder gar nicht oder doch nur in ganz geringfügiger Weise 1) Vgl. Georg Rosenfeld: Zeutralbl. f. inn. Med. Nr. 33 (190U). -) D. Athanasiii: Fflügers Archiv. 74. 511 (181)9). ä) Taylor: Journ. öf experim. Med. 4. 399 (1899). *) Fr. Kraus und A. Sommer: Hofmeister?, Beitr. 2. 86 (1902). °) Georij Rosenfeld: Verhaudl. d. Ivongr. f. inu. Med. 1894. — Allg. med. Zeutral- zeitung. Nr. 60 (1897); Nr. 89 (1900). — Vgl. namentlich : Fettbildinig. II. Teil. Ergeb- nisse der Physiologie. (Asher & Spiro.) Bergmann. Wiesbaden. 2. I. .ö9 (1903). — Vgl. auch //. Gideon Wells: Zeitschr. f. physiol. Chem. 45. 412 (1905). ^) Vgl. hierzu auch L. Mohr: Verhaudl. d. Gesellscl). deutsch. Naturf. u. Ärzte (1910). — Jounnovic und I'ick: Zeitschr. f. experim. Path. u. Therapie. 6. 184 (1909). ~ Arno Kirsche: Biochem. Zeitschr, 55. 1(59 (1913). 994 XVL Vorlesung. auftreten. Die Versuche Bosenfelds'^) bestätigen diese Annahme. Es gibt außer Phosphor noch viele andere Gifte, die eine Verschiebung in der Fett Verteilung bewirken. So beobachtet man Verfettungen nach Eingabe von Arsen. Antimon. Alkohol. Chloroform. Ferner dürften manche von Bakterien abstammende Produkte die gleichen Folgen haben. Nach diesen Befunden können wir uns folgendes Bild von der Phos- phor\^ergiftung machen. Der Phosphor schädigt die Leberzellen primär.-) Ihr Bau wird" so verändert, daß ihre Bestandteile zum Teil zum Abbau kommen — Auftreten von Aminosäuren, Verschwinden des Glykogens — gleichzeitig werden gebundene Anteile frei, es ist wohl möglich, daß das Freiwerden des gebundenen Fettes und der Eiweißabbau in direktem Zusammenhang stehen. Wir dürfen jedoch nicht übersehen, daß uns unbekannt ist, wieviel Eiweiß zum Abbau kommt. Außerdem könnten die in Erscheinung tretenden Aminosäuren auch mit dem gestörten Zellstoft- wechsel zusammenhängen. Ihr Abbau ist vielleicht an Ort und Stelle gehemmt. Als zweite Erscheinung ergibt sich dann die Fettwanderung. Ihre Ursache ist zurzeit noch in Dunkel gehüllt. Bei der Beurteilung der Ergebnisse der geschilderten Versuche dürfen wir einen sehr wichtigen Punkt nicht außer acht lassen. Es ist dies die Methodik des Fettnachweises. Sie hat in der letzten Zeit viele Verbesserungen erfahren. Immerhin wird noch manches Produkt als Fett mitbestimmt, das gar nicht zu diesem hinzugehört. So lange wir es mit Fettgemischen zu tun haben, und wir nicht wohl definierte Fette ver- folgen können, dürfen wir die vorliegenden Versuche nicht als streng beweisend betrachten. Wir dürfen aus ihren Ergebnissen nur den Schluß ziehen, daß eine Fettbildung aus Eiweiß durch sie nicht bewiesen werden konnte. Die ganze Forschung über Verfettung. Fettwanderung und Fett- infiltration ist zurzeit im Fluß". Man hat erkannt, daß neben dem gewöhn- lichen Fett die Cholesterinfettsäureverbindungen im Stoffwechsel eine bedeutsame Rolle spielen. Ein sogenanntes verfettetes Organ kann eine Abnahme an gewöhnlichem Fett und eine Zunahme an Cholesterinester zeigen und umgekehrt. ») Von großem Interesse ist ferner die Beobachtung, daß in fettfreie" Gewebsstücke Fett einwandert, wenn man sie Tieren in die Bauchhöhle bringt.*) Gleichzeitig bemerkt man auch das Einwandern zahlreicher Leukozyten. Die Gründe, weshalb toten Geweben Fett zuge- tragen wird, sind noch unklar. Sollte es etwa als Lösungsmittel jener Abbaustufen dienen, die bei der durch die Leukozyten mit ihren Fermenten herbeigeführten Zertrümmerung des zerstörten Gewebes entstehen? Für die Annahme einer Fettbildung aus Eiweiß schienen ferner Ver- suche von Hof mann an Fliegenlarven zu sprechen. Hof mann "") sammelte Fliegeneier und bestimmte in einem Teil davon den Fettgehalt. Den Rest der Eier züchtete er auf defibriniertem Blut. Dieses enthielt 0 032Vo Fett. 1) G. Rosenfeld: Ergebu. d. Pbysiol. 2. I. 59. (1903). 2) Auch die aus dem Körper eutferute Leber zeigt Verfettung. ^Yeuu Phosphor durch sie durcbgeleitet wird. Vgl. ('. Mnrrakis : Arch. f. (Anat. u.) Pbysiol. 94. (1904). — P. SaxI: Hofmeisters Beitr. 10. 447 (1907). — L. Hess und /'. Saxl: Virchoiia Archiv. 202. 148. (1910!. — Vgl. auch F. Fischler und K. Bardach: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 78. 435 (1912). ') Aschof: Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. 47. 1 (1909). *) Wilhelm Griesser: Ebenda. 51. 115 (1911). Hier tindet sich weitere Literatur. '") Franz Hofmann: Zeitschr. f. Biol. 8. 153 (1872). Fette. Phosphatide. Sterine. 295 Die Fliegeneier besaßen 4'9Vo Fettsubstanzen. Die auf dem Blut gewachsenen Maden zeigten schließlich einen Fettgehalt, der den der Eier und des Blutes um das Zehnfache übertraf. Nun waren jedoch einesteils die Fett- bestimmungen nicht einwandfrei und andernteils muß der Einwand erhoben werden, daß die auf dem Blut sich bald entwickelnden Pilzmassen die Um- wandlung von Eiweißbausteinen in Fett vollzogen haben könnten. 0. Frank^)^ der den Versuch mit möglichst entfettetem Fleisch wiederholte, kam zu keinem eindeutigen Resultate. Somit sind auch diese Versuche nicht geeignet, die Bildung von Fett aus Eiweiß zu beweisen. Schließlich sei noch der sogenannten Leichen wachs- oder Adipo- zirebildung^j gedacht. Unter diesem Vorgang versteht man die Umwand- lung von Leichen und Leichenteilen in eine wachsähnliche Masse. Mehr und mehr sieht man aus den Muskeln das Eiweiß verschwinden und an seiner Stelle ein Gemisch hoher Fettsäuren und von Seifen auftreten. 3) Diese eigenartige Umwandlung beobachtet man besonders auf feuchten Begräbnisplätzen, wo eine langsame Zersetzung unter geringer Sauer- stoffzufuhr vor sich geht. Durch genaue Verfolgung dieses Vorganges und vor allem durch direkte Versuche ist festgestellt worden, daß keine Umwandlung von Eiw^eiß in Fett vorliegt, sondern, daß das schon vorhan- dene Fett die Ursache der Leichenwachsbildung ist. Zum Teil kommt das an Ort und Stelle vorhandene Fett in Betracht, zum Teil handelt es sich um aus den übrigen Körperteilen durch Wasser eingespülte Abbauprodukte von Fettstoffen. Übrigens hätte auch der Beweis einer Abstammung des Fettes aus Eiweiß bei diesem Vorgang keine Rückschlüsse auf die Bildung von Fett aus solchem im lebenden tierischen Organismus gestattet, denn auch hier l)leibt der Einwand, daß Mikroorganismen aller Art den Umbau voll- zogen haben könnten, offen. Daß bestimmte Bakterien aus Eiweiß bzw. aus Aminosäuren Fett bilden können, scheint sichergestellt zu sein.*) Auf die Mitwirkung von Mikroorganismen wird auch die Fettbildung aus Eiweiß beim Reifen des Käses zurückgeführt. 5) Schließlich sei noch erwähnt, daß auch der Fettgehalt der Sekrete der Milch- und Talgdrüsen wiederholt auf Eiweiß zurück- geführt worden ist. Direkte Versuche brachten keine Bestätigung dieser Annahme. Eine eindeutige Entscheidung der Frage nach der Herkunft des Fettes der Sekrete ist übrigens schwer zu erbringen, weil der tierische Organismus über Fettvorräte verfügt und nicht auf das Fett der Nahrung angewiesen ist. Außerdem kommt stets die Umwandlung von Kohlehydraten in Fett in Betracht. '^ Otto Frank: Zeitschr. f. Biol. 35. 549(1897). — Vgl. ferner Emst Weinland: Ebenda. 51. 197 (1908); Biol. Zeutralbl. 29. 0(58 (1909). ^) Vgl. Julius Kratter: Zeitschr. f. Biol. 16. 455 (1880). — Erman : Vierteljahros- schrift f. gerichtl. Med. N. F. 37. 51 (1882). — E. Safkowski: Festschr. für Virchoirs. Jubiläum. 23. (1891). — K. B. Lehmann: Sitzungsber. d. physikal.-med. Gesellsch. zu Würzburg. 1888. — Erwin Yoit: Sitzungsber. d. Gesellsch. f. Morphol. und rhvsiol. in München. 4. 50 (1888). — Fr. Kraus: Arch. f. experim. Path. u. Pharmak. 22. 174(1887). ^) A'gl. über die Zusammensetzung des Adipozire Giovanni Issoglio: Giorn. Farm. Chim. 65. 361 (1916). — B. F. L'iiffan' und M. J. Marshall: Journ.of. biol. Chem. 29. 319 (1917). — Ä. Goy und E. Wende: Biochem. Zeitschr. 131. 8 (1922). •») -S; P. Beebe und B. Buxton: Americ. Journ. of Physiol. 12. 466 (1905). ^) Karl Windisch: Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamte. 17. (1600). — //. Jacohs- thal: PßU(/ers Archiv. 54. 484 (1893). 296 XVI. Vorlesung. Nachdem wir die wichtig-sten Versuche, die von verschiedenen Gesichts- punkten aus unternommen worden sind, um das Problem der Bildung von Fett aus Aminosäuren im tierischen Organismus zu lösen, erwähnt haben, wollen wir uns die Frage vorlegen, ob wir aus den erhaltenen Er- gebnissen den Schluß ableiten dürfen, daß die tierische Zelle die erwähnte Umwandlung nicht zu vollziehen vermag. Dieser Schluß erscheint uns nicht berechtigt. Die vorliegenden Versuche haben nur bewiesen, daß unter den gewählten Bedingungen eine Überführung von Amino- säuren in Fett nicht feststellbar ist. Es ist gewiß nicht auffallend, wenn ein durch Phosphor schwer geschädigtes Organ keine komplizierten Umwandlungen vollzieht, und wenn ferner in der Leiche ein so eingreifender Vorgang nicht mehr stattfindet. Um die Frage nach der Fettbildung aus Eiweiß beziehungsweise aus Aminosäuren entscheiden zu können, muß der Versuch auf den normalen Organismus und ferner auf das überlebende Organ übertragen werden. Man wird Beziehungen bestimmter Eiweiß- bausteine zu den Komponenten der Fette suchen müssen. Bei der Verfolgung des Fettstoffwechsels stoßen wir überall auf große Schwierigkeiten, sobald wir die Probleme schärfer fassen und ein- deutige Antworten verlangen. Es ist keine dem Diabetes entsprechende Stö- rung im \erlauf des Fettumsatzes und seiner Bausteine bekannt. Wir kennen keinen mangelhaften oder eigenartigen Abbau des Glyzerins und der Fett- säuren — abgesehen von der Azetonkörperbildung. Würden wir Hemmungen des Abbaus der Bausteine der Fette kennen, dann würden sich unsere Kenntnisse über die W^echselbeziehungen der Fette zu anderen Verbin- dungen rasch erweitern. Wir könnten dann genau so, wie bei den Kohle- hydraten, nachforschen, ob die Menge der gebildeten Fettsäuren, bzw. des Glyzerins der zur Verfügung gestellten Fettmenge und dem aus Kohlehydraten sich bildenden Fett entspricht oder, ob es notwendig ist. auch auf die Aminosäuren zurückzugreifen. Vielleicht gelingt es der Forschung, experimentell eine Störung im Abbau der Bausteine der Fette zu erzeugen! Eine Besonderheit des Fettstoffwechsels und im besonderen des Fett- ansatzes ist uns wohl bekannt, nämlich die sogenannte Fettsucht, Adipo- sitas oder auch Obesitas genannt. Während beim normalen erwachsenen Individuum das Fettgewebe sich mit der übrigen Körpermasse in ein gewisses Gleichgewicht stellt — das Körpergewicht ^vird in engen Grenzen auf gleicher Höhe erhalten — , sehen wir, daß manche Menschen immer mehr an Gewicht zunehmen. Dieses Anwachsen des Körpergewichtes ist, wie leicht festgestellt werden kann, auf eine oft ganz gewaltige Zunahme des Fettgewebes zurückzuführen. Derartige Individuen leiden schwer. Sie müssen beständig eine große Last in Gestalt von Fett mit sich umhertragen. Diese stetige „Belastung" bleibt nicht ohne tiefgehenden Einfluß auf das Herz. Seine Arbeitsleistung ist erhöht. Es kommt infolge davon oft zu Störungen. Wir können durch geeignete Maßnahmen — starke Zufuhr von Fett- bildnern: von Fett und vor allem von Kohlehydraten, ferner Einschränkung des Verbrauches: Mangel an Muskelarlieit — schließlich jedes Individuum mehr oder weniger leicht zu einem Fettsüchtigen machen. Es sei an die Mästung der Straßburger Gänse und des Schlachtviehs erinnert. Gewiß kommen viele Fettsüchtige aus ganz denselben Gründen zu ihren gewaltigen Fettablagerungen. Es [»raucht die tägliche Zufuhr an Stoffen die Ausfuhr an Stoffwechselendprodukten gar nicht so sehi' zu übertreffen, um schließ- Fette. Phosphatide. Sterine. 297 lieh im Laufe der Monate und Jaliie zu großen Ablaj>erungen zu führen. Es gibt nun ohne Zweifel Personen, die außerordentlich zu Fettablagerungen neigen, während andere, wie man sich ausdrückt, weniger dazu disponiert sind. Man hat daran gedacht, daß bei zu Fettsucht neigenden Individuen der Stoff- wechsel aus irgend welchen Ursachen herabgesetzt sei. Doch ist dieser Ansicht widersprochen worden. i) Es ist auch kaum zu erwarten, daß die Fettsucht etwas Einheitliches darstellt, vielmehr haben neuere Forschungen mehr und mehr ergeben, daß ihr keine einheitliche Ursache zugrunde liegt. Besonders bedeutungsvoll sind in dieser Hinsicht Beobachtungen an Tieren und Menschen mit ausgeschalteten oder gestörten Funktionen bestimmter Organe geworden. So fand man bei Hunden, denen die Thymusdrüse 2) fortgenommen war, ab und zu einen ganz außerordentlichen Fettansatz. Bekannt ist ferner die Fettsucht nach Kastration. Ihre Erklärung bereitet Schwierigkeiten, weil mit der Entfernung der Keimdrüsen ein tiefer Eingriff in eine ganze Reihe von Funktionen erfolgt. Das kastrierte Tier ist weniger lebhaft als das nicht kastrierte. Schon dieser Umstand kann von Einfluß auf den Stoffverbrauch im besonderen und auf den Fett- umsatz sein. Besonders eingehend studiert ist die sogenannte hypo- physäre Fettsucht. Sie wird in Zusammenhang mit einer Störung in der Inkretbildung des Mittellappens der Hypophyse gebracht. Auch die Schilddrüse ist in Beziehung zum Fettstoffwechsel gebracht worden. Einstweilen ist es unmöglich, abzugrenzen, an w^ elcher Stelle das einzelne Organ in diesen eingreift. Es besteht die M()glichkeit, daß Fett gespart wird, weil andere Nahrungsstoffe in gesteigertem Maße verbraucht werden. Der vermehrte Fettansatz wäre in diesem Falle nur eine indirekte Folge einer Störung irgend eines Organes. Es kann jedoch auch der Fettumsatz direkt betroffen sein. Es bleibt auch die Möglichkeit eines vermehrten Fettansatzes infolge einer Störung im Abbau der Bausteine der Fette. Alle diese Möglichkeiten, die noch leicht vermehrt werden könnten, lassen es verständlich erscheinen, weshalb die bisherigen Stoff- wecbseluntersuchungen noch wenig übereinstimmende Ergebnisse gezeitigt haben.-) Man wird versuchen müssen, diejenigen Fälle von Störungen im Fettstoffwechsel, die in ihren Erscheinungen gleichartig sind, auf ihre Ursache zu prüfen und umgekehrt, bei gleichen Organstörungen festzu- stellen, ob die Folgeerscheinungen sich entsprechen. Berücksichtigt man die Tatsache, daß die meisten Phos- phatide Glyzerin uiid Fettsäuren unter ihren Bausteinen be- sitzen, so drängt sich unmittelbar die Frage auf, ob die Fette keine Beziehungen zu Vertretern dieser Körperklasse haben. Wählen wir als Beispiel das Lezithin. Es enthält Glyzerin, Fettsäuren, Phosphorsäure und Cholin. Die Fettsäuren sind mit dem Glyzerin esterartig verbunden. Wir haben somit die gleiche Struktur, wie bei den Fetten, nur ist das dritte Hydroxyl des Glyzerins esterartig mit Phosphorsäure verknüpft. An diese reiht sich noch das Cholin an. Phosphorsäurc steht dem Orga- nismus zur Verfügung. Die Synthese von Glyzeryl-phosphorsäure dürfte der tierischen Zelle keine Schwierigkeiten bereiten. Es fragt sich nur, ob der ^) \g\. die Literatur bei A.Jaquef: Ergebnisse der Physiologie. 2. I. 553 (1903). G. c. Bergmann: Handb. d. Biochemie. 4. II. 208 (15)10). -) Vgl. //. Hausleiter: Zeitschr. f. experim. Path. 11. Ther. 17. 1 (1915). 298 XVI. Vorlesung. tierische Organismus Fettsäuren umwandeln kann. Wir haben bereits er- wähnt, daß beobachtet worden ist, daß in der Leber gesättigte Fettsäuren in ungesättigte übergeführt werden. ^j Es ist somit wohl möglich, daß die zur Synthese eines bestimmten Lezithins notwendigen Fettsäuren gebildet werden können. Es müßte der tierische Organismus nun nur noch die Fähigkeit besitzen, Cholin aufzubauen. Wir dürfen vielleicht die Frage schärfer fassen und fragen, ob die tierische Zelle Methylgruppen, z. B. in Glykokoll = Aminoessigsäure einzuführen vermag: CHo . COOH CH. . COOH GH.. . CH., OH I I y'CHä j /CH3 ^\H ^ CH3 ^ X CH3 ^OH ^OH Aminoessig- Betain Cholin. säure=Gly kokoll Noch naheliegender ist die Annahme, daß das aus Phosphatiden ge- wonnene Oxyäthylamin zur Methylierung kommt. Dieses Amin könnte aus einer Aminosäure, und zwar aus Serin = y.-Amino-i-oxypropion- säure entstanden sein, und zwar durch Kohlensäureabspaltung-): GH., . OH GH. . OH GH.. . OH I I I /CH, GH . NH., — >► GH., . NH., — >■ GH, . N < ^g' I \0H GOOH — GOo Serin Oxy-äthylamin Gholin. Wir werden bald erfahren, daß der tierische Organismus Methylgruppen -j, Azetyl-, Phenjiazetyl- und Benzoylgruppen an Aminogruppen anlagern kann. Es ist somit nicht ausgeschlossen, daß im tierischen Organismus Glyko- koll in der eben dargestellten Weise durch Methylierung in Betain über- geführt wird. Dieses müßte dann allerdings noch zu Gholin reduziert werden*): Seitdem wir wissen, daß der tierische Organismus aus ß-Oxybuttersäure durch Oxydation Azetessigsäure bildet, und diese durch Reduktion wieder in die erstere Verbindung verwandeln kann, erscheint ein solcher Reduktionsvorgang als nichts Ungewöhnliches. Da jedoch zurzeit gar keine Beweise für die Bil- dung von Gholin aus Glykokoll vorliegen, muß es selbstverständlich dahinge- stellt bleiben, ob der tierische Organismus sich Ghohn selbst darstellen kann. Wir heben das Problem der Bildung von Gholin im tierischen Organismus deshalb so sehr hervor, weil Stoflfwechselversuche vorliegen, die beweisen, daß manche Tiere Phosphatide auch dann in größerer Menge bilden können, wenn ihnen eine an solchen arme Nahrung zugeführt wird. So fütterte Fingerling »j 1) Vgl. auch //. S. liapcr: Journ. of Biol. Chem. 14. 117 (1913). ^) Vgl. hierzu auch F. F. Nord: Biochem. Zeitschr. 95. 271 (1919). ^) Vgl. hierzu F. Hofmeister : Archiv f. experimeutello Path. u. Tharm. 33. 198 (1894). — W. Ilis: Ebenda. 22. 253 (1897). *) Vgl. andere Möglichkeiten der Bildung von Cholin aus Aminosäuren. S. 255 und Vorlesung XXII und XXX. *) Guatar Fingerlinfi : Biochem. Zeitschr. 38. 448 (1912). Fette. Phosphatide. Sterine, - 299 Enten mit einer an organischen Phosphorverbindungen sehr armen Nahrung. Sie legten ebenso viele Eier, wie Tiere, die normales Futter erhielten. Die Eier enthielten den normalen Gehalt an Phosphatiden bzw. organi- schen Phosphorverbindungen. Ale Callum^) ernährte ferner drei Hühner lange Zeit mit fast fettfreier Nahrung. In etwa SV-, Monaten legten die Tiere öl Eier. Diese enthielten etwas über O«';,, Phosphatide. Es mußte in diesen Versuchen nicht nur eine vollständige Synthese der Phosphatide aus Be- standteilen der Fette — Fettsäuren und Glyzerin — erfolgt sein, sondern es bildeten den eigentlichen Ausgangspunkt des Aufbaus unzweifelhaft die Kohlehydrate. Aus ihnen mußten, da der Fettgehalt der Nahrung bei weitem nicht ausreichte, zuerst Fette, bzw. ihre Bausteine gebildet werden. Schließlich konnte auch in zahlreichen Versuchen gezeigt werden, daß Hunde an Gewicht stark zunehmen, wenn ihnen in der Nahrung nur die Bausteine der Fette, der Kohlehydrate und Eiweißstoife verabreicht werden. -) Es wäre gesucht, wenn man annehmen wollte, daß in diesen Fällen neben den übrigen Stoffen nicht auch die Phosphatide vermehrt worden sind. Röhmann") fütterte Mäuse mit Kasein. Vitellin, Hühnereiweiß, Stärke, Fett. Salzen und Malz ohne Lezithin. Sie gediehen ganz gut. Auch junge Tiere ließen sich mit diesem Futter aufziehen. Wir kommen somit zum Schlüsse, daß Beobachtungen vorliegen, die beweisen, daß der tierische Organismus Phosphatide synthetisch bereiten kann. Er kann die einzelnen organischen Bausteine bilden und dann aus diesen und Phos- phorsäure Phosphatide aufbauen. Es soll damit nicht gesagt sein, daß jeder tierische Organismus derartiger Synthesen fähig ist. ^j Mit der Mög- lichkeit, daß der eine oder andere Vorgang bei verschiedenen Tieren ver- schieden verläuft, müssen wir immer rechnen. Es unterliegt jedoch wohl kaum einem Zweifel, daß jeder tierische Organismus sich die verschieden- artigen Phosphatide seiner Zellen nach erfolgtem Abbau der in der Nah- rung zugeführten Phosphatidarten aufbauen kann. ^>) Bereitet es schon sehr große Schwierigkeiten, den Fetten und ihren Bausteinen im Zellstoffwechsel zu folgen, so ist es zurzeit ganz unmög- lich, etwas über das ^'erhalten der verschiedenen Phosphatide in den Ge- Aveben auszusagen. Wir können nur in Analogie mit den Fetten annehmen, daß die vom Darm aufgenommenen Abbaustufen der Phosphatide ent- weder als solche zimi Transport kommen, oder aber es erfolgt schon in Darmwandzellen oder auch im Lymphgewebe eine Synthese. Auf alle Fälle wird die einzelne Körperzelle zum Aufbau ihrer eigenen Phosphatide von deren Bausteinen ausgehen müssen. Werden ihr diese nicht in freiem Zustand zugeführt, dann wird sie sich diese durch Abbau von Phospha- tiden bereiten. Sicher festgestellt ist. daß jede einzelne Körperzelle llios- phatide als unentbehrliche Bestandteile enthält. Es gilt dies sowohl für die Pflanzen- als auch die Tierwelt. In besonders hervorragendem Maße M E. y. Mc CaUiiiH, I. G. Halpin und A. H. Drescher: Journ. of. Bi(d. Chem. 13, 219 (1912). -) Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 77. 22 (1912). — Synthese der Zellbausteine in Ptiauze und Tier. J. SpriuErer. Berlin 1912. ä) F. Röhmann: Biochem. Zeitschr. 64. 3u (1914). *) Vgl. dazu auch .S'. Dezani: Biocliimica a Terapia spuria. 11. 1 (1914). — Tf. Stepp: Zeitschr. f. Biol. 66. libO (1916). ^) Vgl. hierzu z. B. T'. Jlenriqiies und ('. Hansen: Skandin. Archiv f. l'hvsiol. 14. 890 (1903). 300 XVI. Yorlesuug. sind die Phosphatide am Aufbau des gesamten Nervensystems beteiligt. So lange wir jedoch die einzelnen Vertreter dieser Körperklasse nicht genauer kennen, ist es unmöglich, ihre Beteiligung an bestimmten Zell- vorgängen und vor allem die Art ihres Eingreifens in den Zell stotf Wechsel durch genaue Versuche aul'zuklären. Hervorheben möchten wir noch die folgende wichtige Beobachtung. Das Gewebe des Zentralnervensystems besteht bekanntlich aus grauer und weißer Substanz. Beide enthalten Mineralstofie, Eiweißstoffe, Kohlehydrate, Phosphatide, Cholesterin und Cholesterinester. Es ist außerordentlich inter- essant, daß die Eiweißstoffe beider Substanzarten die gleichen Aminosäuren und diese in gleichen Mengenverhältnissen besitzen. ^) Trotzdem können in ihrer Struktur große L'nterschiede vorhanden sein. Immerhin weist die erwähnte Eeststellung auf eine große Ähnlichkeit der Proteine der grauen und weißen Substanz hin, und man gewinnt den Eindruck, als ob die mannigfaltigen Vertreter der Klasse der Phosphatide den mor- phologisch und funktionell verschiedenen Bestandteilen des Nervensystems ihre spezifischen Eigenschaften verliehen. Deir Umstand, daß der Infunktionsnahme mancher Nervenbahnen die Bildung der an Phosphatiden reichen Markscheide voraus- geht, weist auch auf ihre hohe Bedeutung hin. Die Phosphatide werden in den Zellen durch Fermente in ihre Bausteine zerlegt. Hierbei dürfte es zur Bildung von Glyzeryl-phosphor- säure, von Fettsäuren und Cholin kommen. Die erstere Verbindung wird dann weiter in Glyzerin und Phosphorsäure gespalten.-) Die stickstoffhaltige Base Cholin wird in allen Geweben ^\ in geringen und wechsehiden Mengen auch im Blutplasma*) angetroffen. Sein Vorkommen ist zunächst mit dem Phosphatidstoffwechsel in mehr oder weniger direkten Zusammenhang zu bringen. Es ist beim Auf- und Abbau von Phosphatiden als Zwischen- station zu erwarten. Darüber hinaus kommt dem Cholin im Organismus noch eine besondere Bedeutung zu.^) Von besonders großem Interesse ist die Beobachtung von le Heux^)^ wonach Cholin die Darmbewegung an- regt. Es wirkt auf den Äuerhac]i?>Q\\Qn Plexus ein. Das Cholin gehört offenbar in die Reihe jener Stoffe, die Inkretstoffe bzw. Endokretstoffe') ge- nannt worden sind. Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, daß wahrscheinlich nicht nur Cholin als solches, sondern esterartige Verbin- dungen mit Säuren als Erreger der Darmbewegung in Frage kommen. ') Emil Abderhalden iiud Arthur Weil: Zeitschr. f. pbysiol. Cheni. 81. 2U7 (1912): 83. 207 (1912). -) Paul Grosser und Jo.se/ Jlusler: Biochem. Zcitschr. 39. 1 (1912). ^) Carl Schwarz und R. Lederer: Fflügers Archiv. 124. 353(1908). — W. Webster: The Biochem. .Toiirn. 4. 117 (1909j. — J. 'Gantrelet: C. r. de l'Ac. des Sciences. 148. 995 (1909). — G. Totani: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 65. 86 (1910). — Tosaku Kinoshita: Pflü(fer% Archiv. 132. 606 (1910). — A. Lohniann: Zeitschr. f. Biologie. 56. 1 (1911). — M. Guggenheim und W. Löß'ler: Biochem. Zeitschr. 74. 208 (1917). ' *) E. Letsche: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. 31 (1907). =) Vgl. z. B. (Jtto V. Eiirth und Carl Schivarz: l'/liif/er^ Archiv. 124. 427 (190(J). — Carl Schnurz: Zcntralhl. f. Physiol. 23. Nr. 11 (1910)! «) J. W\ le Heux: Pfiiiger'i Archiv. 173. 8 (191H); 179. 177 (1920); 190. 280, 301 (1921). — K. Arai: Ebenda. 193. 359 (1922): 195. 398 (1922). — Vgl. auch Einil Abderhalden und E. Wertheimer: Ebenda. 194. 168 (1922j. ') Vgl. hiezu Emil Abderhalden: Pßügerü Archiv. 195. 482 (1922). B'ette. Phosphatide. Sterine. 3Q1^ Am wirksamsten ist der Essigsäurecliolinester.'l Als weniger wirksam erwies sich die Propionsäureverbindung-, und noch viel geringer ist die Wirkung des n-Buttersäureesters. Es spricht vieles dafür, daß solche esterartige Verbin- dungen zwischen Cholin und Säuren durch Fermentvvirkung in der Darm- wand gebildet werden.-) Erwähnt sei noch, daß Cholin bei intravenöser Zu- fuhr vorübergehende Blutdrucksenkung bewirkt.-^) Ob dieser Beobachtung eine Bedeutung für die Blutdruckregelung im Organisnms zukommt, steht dahin. Es ist auch beobachtet worden, daß bei Reizung von Muskeln ihr Cholingehalt ansteigt.*) Die Bausteine Glyzerin und Fettsäuren der Phosphatide werden in der gleichen Weise weiter verarbeitet, wie die entsprechenden Bestand- teile der Fette. Die Phosphorsäure kann weiter Verwendung tinden, oder sie kommt durch die Nieren oder die Darm wand zur Ausscheidung. Über den weiteren Abbau des Cholins wissen wir noch nichts Genaues. Das im Harn in Spuren aufgefundene Trimethylamin») steht vielleicht mit dem Cholin in direktem Zusammenhang: / CE, . CH.> . OH ACH3 /CH3 N^CH3 NfCH3 VCH, \CH3 \ OH Cholin Trimethylamin. Es scheint übrigens im Harne nur zum geringsten Teil in freiem Zustande, sondern vielmehr in einer noch unbekannten Bindung vorzu- kommen.'') Ktitsriier') hat Basen aus dem Harn gewonnen, die Trimethyl- amin abspalten. Noch lückenhafter als unsere Kenntnisse über das Verhalten der Phosphatide im Zellstoffwechsel sind diejenigen über die Beteiligung der Sterine, und insbesondere des Cholesterins an bestimmten Zell- vorgängen. Wir wissen nur so viel ganz sicher, daß bei Aufnahme von Pflanzennahrung Cholesterin in den tierischen Geweben erscheint, wenig- stens konnte bis jetzt in keinem Falle ein Phytosterin jenseits des Darm- kanals aufgefunden werden. Daraus geht herv^or, daß beim Pflanzen- fresser das zugeführte Phytosterin in Cholesterin tibergeht. 1) Reid Hunt: Jouru. Pharm. Therap. 7. 301 (1915). -) Vgl. hiezu J. W. Le Beu.r: Pflik/ers Archiv. 190. 260 (1921). ä) E. Geif/er und 0. Loeiri: Biochem. Zeitschr. 127. 174 (1922). *) Vgl. u. a. Sicah Vincent und W. Cramer: Journ. of Physiol. 30. 143 (1903). — A. Lohmann: Pßiif/er^ Archiv. 118. 215 (1907): 128. 142 (1909). — Sirale Vincent und Sheen: Journ. of Physiol. 29. 242 (1903). — Emil Abderhalden und Franz Müller: Zeitschr. f. physiol. Chem'ie. 65. 420 (1910): 74. 253 (1910). — Franz Müller: Pflügen Archiv. 134. 2H9 (1910). — J. Pal: Zentralbl. f. Physiol. 24. (1910). — L. B. Mendel und F. B. Underhill: Zentralbl. f. Physiol. 24. Nr. 7 (1910). — Vgl. auch G. Modra- kowski: Pflügers Archiv. 124. 601 (190«): 133. 291 (1910). — L. Popielski: Ebenda. 128. 191, 222 (1909). — Reid Hunt und R. de M. Tareau: Hygien. Laborat. Bulletin Nr. 73. 1 (1911). 5) Filippo de Filippi : Zeitschr. f. physiol. (heuiie. 49. 433. (1907). — Vgl. auch Aldo Patta: Arch. d. Farmacol. sperim. 18' 284 (1914). «) Vgl. Takeda: Pfiügers Archiv. 129. 82 (1909). — T. Kinoshita: Zentralbl. f. Physiol. 24. Nr. 17 (19iO). — C. Doree und F. Golla: Biochem. Journ. 5. 306 (1911). ') Fr. Kutscher: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 51. 457 (1907). — Vgl. auch Kutscher und Lohmann: Ebenda. 48. 422 (1906): 49. 81 (1906). 3Q2 X\'I. Vorlesung. Das gleiche ist natürlich beim Omnivoren der Fall, wenn er Phytosterine aufnimmt. Das Cholesterin der Fleischnahrung braucht nicht umgewandelt zu werden, denn bis jetzt ist bei den höheren Tieren nur ein Zoosterin. nämlich das Cholesterin, beobachtet worden. Über das Verhalten des Cholesterins im Darmkanal, seine Resorption und seinen Transport nach den Gew^eben ist uns nichts Sicheres bekannt. Da nach dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß der tierische Organismus Cholesterin aus einer anderen Gruppe von Verbindungen syn- thetisch bereiten kann, müssen wir annehmen; daß das mit der Nahrung aufgenommene Sterin zur Resorption kommt und die einzige Quelle für das Cholesterin des Organismus darstellt, i) Die Galle dürfte bei der Auf- nahme der Sterine als Lösungsmittel eine bedeutsame Rolle spielen. Chole- sterinfettsäureverbindungen werden wahrscheinlich im Darme in ihre Bau- steine zerlegt. Bemerkt sei noch, daß manche Beobachtungen dafür sprechen, daß die Nebennieren direkte Beziehungen zum Cholesterinstoffwechsel haben, doch reichen die Befunde noch nicht aus, um bestimmte Schlüsse zu ziehen.-) Sie sollen vor allem bei der Bildung von Cholesterinfett- säureester eine Rolle spielen, doch darf als erwiesen angesehen werden, daß andere Gew-ebe diese Synthese auch vollziehen können, ja es fehlt nicht an B^orschern, die der Meinung sind, daß die Nebennieren die Cholesterinester nicht selbst bilden, sondern diese auf dem Blutwege zu- geführt erhalten und speichern. 3) Auch die Corpora lutea sollen im Chole- sterinstoifwechsel eine besondere Stellung einnehmen.*) Jede einzelne Zelle besitzt Sterine. Es ist auffallend,^ daß in der Wirbeltierreihe nur ein Sterin anzutreffen ist, nämlich das Cholesterin. Es besitzt somit keinen arteigenen Charakter. Es steht damit mit dem Glykogen und auch mit manchem Reservefett in einer Linie. Durch die ') Manche Angaben der Literatur über das Auftreten von großen Cholesterin- mensren unter pathologischen Bedingungen eröttueu die Möglichkeit, daß der tierische Organismus Cholesterin aus irgend welchen Verbindungen bereiten kann. Dieser beson- ders von Ädrien Grigauf (Le cycle de la cholesterinemie, vgl. Zitat) gezogene Schluß ist jedoch so lange als verfrüht zu betrachten, als quantitative Bestimmungen über die mit der Nahrung zugeführten Sterine, den Gehalt des Organismus an Cholesterin und endlich die Ausscheidung dieser Verbindung nicht vorliegen. Zu bedenken ist vor allem, daß bis jetzt kein Beweis dafür vorliegt, daß der tierische Organismus der Ring- bildung fähig ist. Es müßte also für die Cholesterinbildung schon ein Material in Frage kommen, daß zyklisch gebaut ist. Einstweilen ist ein solches unbekannt. Vgl. auch Hugo Pribram: Biochem. Zeitschr. 1. 413 (19üG). — H. A. Klein: Ebenda. 29. 46ö (1910) und vor allem die zahlreichen Arbeiten von Gardner und seinen Mitarbeitern über die Bedeutung des Cholesterins für die tierische Zelle. Vgl. z. B. Charles Doree und ./. A. Gardner: Procoed. of the Royal Soc. 80. 227 (1908). — G. W. Ellis und ./. A. Gardner: Ebenda. 84. 461 (1912); 85. 38ö (1912). — J. A. Gardner und P. E. Lander: Proeeed. Roy. Soc. Lander. Soc. B. 87. 229 (1914). — I'. E. Lander: Biochem. I. 9. 78 (1915). — S. Lesani: Archiv, d. Farmacol. sperim. 17. 4 (1914). — & Dezani und F. Catoretti: Ebenda. 19. 1 (1914). — A. Chanffard, Gug Laroche und A. Grigauf: Ann. de med. 8. 149 (1920). — J. Gardner und /'. W. Fox: Proeeed. of royal Soc. B. 92. 358 (1921). — D. KUnkerf: Berliner klin. Wochenschr. 50. 820 (1913), hier tindet sich viel Literatur. ') Alhrecht und Weltmann: Wiener klin. Wochenschr. 483 (1911). — K. Katva- inura: Die Cholesterinverfcttung. Gustav Fischer. Jena 1911. — L. Aschof: Wiener klin. Wochenschr. Nr. 1(5 (1911). — L. Wacker und W. Uueck: Archiv f. experiment. Path. u. Pharm. 71. 373 (1913). ■') Vgl. zu diesem Probleme M. Landau und J. W. Mc Nee: Beiträge zur pathol. Anat. und zur allg. Pathol. 58. 667 (1914). *) Adrien Grigaut: Lo cycle de la cholesteriuömie. G. Steinheil. Paris 1913. Fette. Phosphatide. Sterine. 305 Kuppelung- mit Fettsäuren können jedoch eigenartige \'erbin düngen hervor- gehen, doch sind die Möglichkeiten verschiedener Verbindungen dadurch stark beschränkt, daß nur eine Hydroxylgruppe zur Bindung mit Fettsäuren zur Verfügung steht. Allerdings könnten wieder Verschiedenheiten dadurch bedingt sein, daii die Cholesterinester unter sich in ganz verschiedenem Mischungsverhältnis vorkommen und vielleicht auch mit den übrigen Fetten in verschiedenartigstem Gemenge sich finden. Einstv^eilen kennen wir allerdings nur wenige Cholesterinester als Bestandteile tierischer Zellen und des Blutplasmas. Bemerkenswert ist der schwankende Gehalt selbst paariger Organe an Cholesterin und besonders an Cholesterinester. Im Blutplasma soll das Verhältnis des freien Cholesterins zu Cholesterinester unter normalen Verhältnissen konstant sein.i) Auch die roten Blutkörperchen haben einen für jede Tierart charakteristischen, konstanten Gehalt an freiem Cholesterin.-) Manche Forscher sind der Ansicht, daß das Cholesterin als ein Stofi- wechselendprodukt der Zellen aufzufassen ist. Es soll als solches haupt- sächlich durch die Galle zur Ausscheidung gelangen. Diese Ansicht ist ohne Zweifel ganz unhaltbar und kann nur za einer Zeit entstanden sein, in der der Bau des Cholesterins unbekannt war. Jetzt wissen wir, daß es sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß Cholesterin mit irgend einer Abbaustufe der Fette, Kohlehydrate und Eiweißstoffe in direktem Zusammenhang steht. Das Cholesterin hat vielmehr höchst wahr- scheinlich einen für sich abgeschlossenen Stoffwechsel. Sein Auftreten in jeder einzelnen Zelle, seine Beteiligung am Auf- bau besonderer Fette, die Umwandlung der Phytosterine in das Zoosterin Cholesterin, das sind alles Momente, die es als ganz ausgeschlossen erscheinen lassen, daß dem Cholesterin im Zell- stoffwechsel nicht eine hohe Bedeutung zukommt. Von größter Bedeutung ist der S. 230 erwähnte enge Zusammen- hang des Cholesterins und gewiß der Sterine überhaupt mit den Paarungen der Gallensäuren: Cholsäure, Desoxycholsäure und Lithochol säure. Damit ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Weg des Abbaues von Cholesterin aufgewiesen. 3) Das Cholesterin ist in seiner Verbindung mit Fettsäuren ohne Zweifel als Zellbaustein zu betrachten. Das freie Cholesterin hingegen dürfte als ein wichtiges Agens in jeder einzelnen Zelle in irgend welche noch unbekannte Vorgänge eingreifen. An Vermutungen über die Rolle des Cholesterins im Zellstoffwechsel fehlt es nicht, doch sind diese meistens wenig begründet. Meist wird das Cholesterin in seinen Funktionen mit den Phosphatiden in Zusammenhang gebracht. Vielleicht gibt die folgende Beobachtung Hinweise auf die Rolle, die das Cholesterin im tierischen Organismus spielt. Um die folgenden Versuche zu verstehen, müssen wir kurz voraus- schicken, daß das Blut Plasma — eine eiweiß- und salzreiche Flüssigkeit 1) Vgl. W. B. Bloor und A. Knudson: .T. of biol. ehem. 29. 7 (1917)- -) Th. E. Iless-Thaijsen: Biochem. Zeitschr. 62. 115 (1914). ') Der Versach durch Verfütterung von Cholesterin den Gehalt der Galle an Gallensäuren zu steigern hatte keinen Erfolg. [\'gl. 3/. G. Foster , C. W. llooper und G. H. Whipple: The J. of biol. Chem. 38. 421 (1919).] Das scldießt natürlich nicht aus, daß trotzdem die erwähnten Gallensäurepaarlinge von Cholesterin abstammen. 304 ^^ I- Vorlesimg. \ — und außerdem Formelemente — Zellen — besitzt. Zu den letzteren gehören die roten Blutkörperchen. Sie enthalten einen roten Farbstoff. Blutfarbstoff genannt. Wir können ihn in mannigfacher Weise von den Blutkörperchen abtrennen. Einmal können wir die Blutkörperchen durch verschiedene Maßnahmen zerstören. Wir kennen jedoch auch Mittel, die, ohne das Stroma der Zelle sichtbar zu verändern, schon in Spuren be- wirken, daß die roten Blutkörperchen ihren Farbstoff abgeben. Man nennt diesen Vorgang Hämolyse und die Stoffe, die ihn bewirken, Hämol}"- sine. Hämolysierende Wirkungen hat z.B. das Gift der Brillenschlange. Kobragift genannt. Hämolysine sind ferner aus Kreuz.^pinnen (Arachno- lysin), aus Bakterienkulturen usw. gewonnen worden. Besonders wichtig ist, daß auch im Pflanzenreich hämolytisch wirkende Stoffe vorkommen. Dahin gehören die in einer Reihe von Pflanzen aufgefundenen Saponine. Sie gehören zu den Glukosiden.^) Geben wir z. B. zu Rinderblut eine ganz geringe Menge von Kobra- gift, dann erkennen wir bald das Eintreten der Hämolyse daran, daß das vorher undurchsichtige Blut sich allmählich in eine durchsichtige, rote Lösung verwandelt. Entfernen Avir aus Blut das Plasma durch Zentri- fugieren — die spezifisch schwereren Formelemente setzen sich am Boden des Zentrifugiergefäßes ab, das Plasma kann dann leicht abgehoben wer- den — , und waschen wir die roten Blutkörperchen mit isosmotischer Koch- salzlösung vollständig frei von anhaftendem Plasma, dann erhalten wir beim Zusatz von Kol)ragift zu den in isotonischer Kochsalzlösung suspen- dierten roten Blutzellen keine Hämolyse. Geben wir nunmehr Plasma zu der Suspension der roten Blutkörperchen hinzu, dann erhalten wir sofort Hämolyse.-) An Stelle von Plasma können wir nun auch, wie Ki/es"^) zeigte. Lezithin verwenden. Dieses wird unter der Wirkung des Kobragiftes in ein hämolytisch wirksames Produkt umgewandelt. Die hämolysierende Verbindung ist Lysozithin genannt^) und als Anhydrid des Monopal- mityllezithins erkannt worden. s) Das Kobragift spaltet aus dem Lezithin Ölsäure ab. Es wirkt wie ein Ferment und enthält offenbar eine Phos- phatidase, bzw. Lezithase. Der Abbau vollzieht sich in zwei Phasen. Zuerst entsteht das erwähnte stark hämolysierende Produkt und darauf eine hämolytisch unwirksame Substanz. Kalksalze begünstigen die fermentative Spaltung. 6) Interessanterweise kann man die Wirkung des Lezithins durch Zusatz einer Cholesterinemulsion aufheben. Das Cholesterin wirkt in ge- wissem Sinne als Antagonist des Lezithins. Wichtig ist, daß das Cholesterin seine Wirksamkeit einbüßt, wenn seine Hydroxyl- gruppe besetzt ist.') Ein Cholesterinester ist z. ß. unwirksam. •) Vgl. S. 72. ^) Die Sapouinhäiiiolyse wird durch Serum umgekehrt goliemmt. ^) S. FJexner und H. Noquchi: Jouru. of experim. Med. 6. Nr. 3 (1912). — Freslon Kyes: Berliner kliu. Wochenschr. Nr. 38 39 (1902); Zeitschr. f. physinl. Chem. 41. 273 (1904). — P. Kyes und Hans Sachs: Berliner klin. Wochenschr. Nr. 2—4 (1903). — Vgl. auch Ransom: Deutsche med. Wochenschr. 1901. *) C. Delezenne und Ledebt: Compt. rend. 155. 1101 (1903). *) C. Delezenne und E. Fourneau: Bull.Soc.Chim.de France. [4. | 15.421 (1914). 8) B. Kndicke und H. Sachs: Biochem. Zeitschr. 76. 359 (1917). '') Vgl. iiierzu W. Hausmann: Ho/meisfers Beitr. 6. 517 (1905). — Emil Abder- halden und Le Counf: Z. f. exnerini. Path. u. Ther. 2. 199 (19fJ5). Fette. Phosphatide. Sterine. 3Q5 Die hemmende Wirkung des Cholesterins im erwähnten Versuche kann verschiedene Ursachen haben. Forschungen von Windaaa^) führten zu der Vermutung, daß bei der Beeinflussung der Kobragiftwirkung durch Sterine ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie bei der Hemmung der Hämolyse mittelst Saponin durch die gleichen Verbindungen. Windaus konnte nämlich zeigen, daß beim Zusammenbringen von Cholesterin und Digi- tonin — einem Saponin — eine Verbindung auftritt. Es entsteht Digitonin-cholesterid. Auch andere Saponine, wie Solanin und Zy kl am in, ergeben mit Cholesterin wohlcharakterisierte Verbindungen. Cholesterinester dagegen binden sich mit Saponinen nicht. Diese Beobachtungen erööhen die Möglichkeit, daß sich aus dem Kobragift, das ohne Zweifel ein Gemisch verschiedener Giftkomponenten darstellt, das bei der Erzeugung der Hämolyse wirksame Prinzip mittels Cholesterin als Cholesterid abtrennen läßt. Wir hätten uns nach diesen Ergebnissen die Wirkung des Cholesterins in der Weise vorzustellen, daß es das die Hämolyse bewirkende Produkt durch Bindung festlegt und sein Molekül dabei so verändert, daß es unwirksam wird. Bewiesen ist diese Annahme nicht. Es ist ganz gut möglich, daß das Cholesterin rein physi- kalisch wirkt. So ist z. B. seine hemmende Wirkung auf die Kobralezithid- hämolyse auf eine stabile Emulgierung des Cholesterins zurückgeführt worden. Es ist von großem Interesse, daß nichtjede Blutkörperchenart und nicht alle Blutkörperchen der gleichen Art immer im gleichen Maße widerstandsfähig oder empfindlich gegen Lezithin + Kobragift sind. Man könnte sich folgen- des Bild von dieser Erscheinung machen. Das rote Blutkörperchen enthält freies Cholesterin und Cholesterinester. Ferner dürfte neben freiem Phos- phatid — freiem Lezithin — auch gebundenes zugegen sein. Verfügt die Zelle in einem gegebenen Moment über viel freies Cholesterin und wenig freies Lezithin, dann wird mehr Lezithin zugefügt w^erden müssen, um die Wirkung des Cholesterins zu überbieten. Umgekehrt wird beim Zusatz von ganz wenig Lezithin Hämolyse eintreten, wenn die Zelle wenig freies Cholesterin zur Verfügung hat. Es ist auch beobachtet worden, daß gewaschene rote Blutkörperchen ohne jeden Zusatz von Lezithin Hämolyse zeigten, wenn sie mit Kobragift in Berührung kamen. Man kann auf diesem Wege ge- radezu die Widerstandsfähigkeit von roten Blutkörperchen ..austitrieren". 2) Es ist möglich, daß innerhalb des Organismus Cholesterin und Phos- phatide in ähnlicher Weise zusammenwirken, wie wir es bei dem bespro- chenen Reagenzglasversuch gesehen haben. Bald könnte die Zelle Chole- sterinester verseifen und das freie Cholesterin zur Wirkung bringen, bald könnte solches gebunden und so seiner Wirkung beraubt werden. Auch di(^ Phosphatide werden vielleicht von der Zelle in gleicher Weise bald aktiviert, bald in den unwirksamen Zustand überführt. Die Zelle wird vielleiclit auf diese Art und Weise vor manchen Schädigungen, die ihr drohen. be\vahrt. Immer mehr bricht sich die Anschauung Bahn, daß Cholesterin. Cholesterinester, Phosphatide, Fette oder auch nur einzelne dieser Ver- bindungen, wie Cholesterin und Phosphatide, einen tiefgehenden Einfluß ') A. Windaus: Ber. d. Deutscheu Chera. Gesellsch. 42. 238 (1909). ^) Vgl. hierzu u. a. Emil Abderhalden und We7-ney Bucital: Arch. f. wisseusch. u. prakt. Tierheilk. 37. H. 3 (1911). — Emil Abderhalden und Ar f hur Weil: Khenila. 38. 1 (1912). Abderhalden, Physiologische Chemie. I.Teil, 5. Anfl. 20 306 X\I. Vorlesung. auf den physikalisch-chemischen Zustand der Zellinhaltsstoft'e und vor allem auch auf die Blutbestandteile und insbesondere auf die Proteine besitzen. i) Eine Änderung in den normalen Wechselbeziehungen aller dieser Stoße zueinander, die durch ein bestimmtes Mengenverhältnis derselben bedingt sind macht sich in mannigfachen Störungen geltend. Wir werden später (vo-1. Band 2, Vorlesung V— XII) auf diese wichtigen Funktionen bestimmter Zell- und Blutinhaltsstofte noch zurückkommen. Wir kennen auch eine Überflutung des Blutplasmas mit Cholesterin eine Hypercholesterinoplasmie — und wissen, daß Cholesterinester sich in größeren Mengen in veränderten Geweben — primär oder sekundär ist noch fraglich — ablagern können. So hat man bei Diabetes melitus wiederholt eine Hypercholesterinoplasmie beobachtet. Auch während der Schwangerschaft und bei bestimmten Formen der Erkrankung der Nieren-) ist ein Ansteigen des Gehaltes des Blutplasmas an Cholesterin beobachtet worden.") L. Wacker und JV. Hueck^) berichten, daß durch vermehrte Zufuhr von Cholesterin experimentell eine Atherosklerose o-enannte Veränderung der Arterienwand herbeigeführt werden kann. Ferner zeigte es sich, daß auch die sogenannten Xanthome (Xanthelasma) — eigenartige, gelb gefärbte Geschwülste der Haut — in großer Menge Cholesterinester enthalten. &) Zahllos sind die Funktionen, die man den Phosphathiden im Zell- und Gesamtstoffwechsel zugeschrieben hat.«) Der Befund von Eisen') in Phosphatiden hat zu der Annahme geführt, daß sie bei den Oxydations- vorgängen eine wichtige Rolle spielen. Man hat sie auch als Fermente und Aktivatoren von solchen angesprochen. Ferner hat man vermutet, daß sie imstande seien, Fermentwirkungen zu hemmen oder gar zu unter- drücken. ^) Eine große Rolle spielen die Phosphatide und die Sterine in der Immunität sforschung. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Be- funde einzugehen. '■•) Sie werden ohne Zweifel erst dann eine sichere *) Es sei z. B. veiwieseu auf B. Brmkman und E. ran Dam: Biochem. Zeitscbr. 108. 35. 52, 61 (1920). — R. Brinkman und H. WastI : Ebenda. 124. 25 (1921). — Fritz Eichholz: Ebenda. 128. 310 (1922). — Hier müßte auch die gesamte neuere Literatur über das Wesen des Lues-Nachweises nach Wassermann, Sachs - Georgi, Meinicke, Dold usw. angeschlossen werden, denn es stellt sicli immer mehr heraus, daß Zu- staudsänderungeu von Plasmaproteinen lieim Zustandekommen der einzelnen Reak- tionen Vorbedingung sindl ■■) Vgl. u. a. Ä. Hahn u. E. Wolff: Z. f. kliu. Med. 92. 393 (1921). *) Adrian (rri(jaut: Le cycle de la cholesterincmie. G. Steinheil. Paris 1913. — Vgl. auch W. li. nioor: .1. of biol. Chem. 49. 201 (1921). — P. Sisfo: Ann. di clin. med. 11. 14 (1921). *) L. Wacker und W. Hueck: Münchener med. Wochenschr. 60. 2Ü97 (1913). — Vgl. auch Kaethe Detrey: Arch. of internal. Med. 17. 757 (1916). ') F. Pinkus und C. Pick: Deutsche med. Wochenschr. 1'426 (1908). — ./. Prings- hciiii: Ebenda. 2445 (1908). — Vgl. ferner: M. Verse: Zie(/lera Beitr. 52. Dezember (1911). — F. Eosenthai und P. Braunisch: Z. f. klin. Med. 92. 429 (1921). — P. Sisto: Gioru. di diu. med. 2. 210 (1921). *) Wir kommen auf die Frage noch bei^der Bespreciuing der sog. Nut ramine zurück. ') Vgl. W. Glikin: Ber. d. Deutschen Chem. (ies. 41. 910 (1908). — ilf. Gonner- mann: Biochem. Zeitschr. 95. 286 (1919).—- H. van den Brrf/h, /'. Müller und J. firoek- ntei/er: Biochem. Zeit.schr. 108. 279 (1920). *) Vgl. hierzu .1/. Siegfried: Biochem. Zeitschr. 86. 98 (1918). *) Vgl. hierzu die umfassende Übersicht bei Irar Bang: Chemie und Biochemie der Lipoide. .1. F. Bergmann. Wiosb;ulen 1911. Fette. Phosphatide. Sterine. 3QY Grundlage erhalten, wenn wir die Phosphatide besser kennen. Solange wir noch mit dem Sammelnamen „Lipoide" operieren müssen, und wir nicht genau wissen, was er eigentlich alles umfaßt, besteht die Gefahr, daß durchaus verschiedene Wirkungen auf eine bestimmte Gruppe von Verbin- dungen zurückgeführt werden. Beinahe alles, was man in der Zelle nicht genau definieren kann, wird in dem Sammelnamen „Lipoide" untergebracht, sofern das Produkt in den Löslichkeitsverhältnissen einigermaßen mit denen der Fette übereinstimmt. Wenn wir in der Literatur der Angabe begegnen, daß jemand mit Lezithinen gearbeitet und damit bestimmte Beobachtungen gemacht hat, dann können wir nie wissen, ob der Betreffende wirklich Lezithin in Händen hatte, weil diese \'erbindung so leicht veränderlich ist. Dazu kommt, daß P^ette, Phosphatide und Sterinester alle mög- lichen Verbindungen mitlösen. Man findet z. B. die Phosphatide nie aschefrei. Es kann nicht genug betont werden, daß die Phosphatide ein ganz heterogenes Gemisch von Verbindungen verschiedener Art dar- stellen, und daß vor allem der Begriff „Lipoide" einen zurzeit chemisch gar nicht definierbaren Sammelbegriff für alle Verbindungen mit Löslichkeits- verhältnissen, die denen der Fette mehr oder weniger entsprechen, darstellt. Den Phosphatiden ist im \'erein mit den Fetten, Sterinen und Sterin- estern eine besondere Bedeutung als Lösungsmittel für bestimmte Ver- bindungen zugeschrieben worden. i) Wir werden auf diesen Punkt später zurückkommen, wenn wir die Rolle der anorganischen Stoffe und insbesondere der Ionen und ferner der Kolloide im Zellstoft'vvechsel kennen gelernt haben. Werfen wir zum Schluß noch einmal einen Blick auf das Verhalten der Fette, Phosphatide und Sterine im tierischen Organismus I Wir sahen, daß er darauf eingerichtet ist. die zusammen- gesetzten Verbindungen im Darmkanal in ihre Bausteine zu zerlegen. Dieser Abbau ist notwendig, um zu Produkten zu gelangen, die in Wasser löslich und diffundierbar sind. Gleichzeitig wird ferner der tierischen Zelle die Möglichkeit gegeben, ans dem Gemisch der Bausteine Fette und Phos- phatide zu bilden, die dem Bau der einzelnen Zellen angepaßt sind. Die Fette gehen in Fettsäuren bzw. Seifen und Alkohol über, aus den Phos- phatiden bilden sich ihre Bausteine, Fettsäuren bzw. Seifen, Glyzerin, Phos- phorsäure und Cholin oder andere stickstoff'haltige Basen, sofern solche am Aufbau besonderer Vertreter dieser Körperklasse beteiligt sind. Dabei bleibt die Möglichkeit durchaus offen, daß die Hydrol3"se nicht in jedem Falle eine vollständige ist, vielmehr auch zusammengesetzte Bruchstücke, wie Glyzeryl-phosphorsäure und Cholin, in Verbindung mit Phosphorsäure zur Resorption gelangen. Die Sterinester werden höchstwahrscheinlich auch verseift. Die resorbierten Bausteine der Fette werden teilweise schon in der Darmwand zusammengefügt. Wie umfassend diese Synthese ist, und ob sie wirklich ausschließlich in den Darmepithelien erfolgt, ist noch nicht festgestellt. Jedenfalls entsteht nicht immer die dem aufgenommenen Fett entsprechende Verbindung. Es sind nämlich Beobachtungen bekannt. *) Hans llorftt Meyer: Aicli. f. experim. t'ath. u. Thannak. 42. 10!) (lb'9'J). — E. Orerfon: Vicrteljuhresschr. d. naturf. Gesellsch. in Züricli. 44. 88. (1894); Studium über die Xarkose. Zugleich eiu Beitrag zur allgemeiiieu Pharmakologie. Gustav Fischi r. Jena 1901. — J'ßüfferH Archiv. 92. 115 (1902). 20' ;^()g XVI. Vorlesung. die beweisen, daß schon kurz nach der stattgehabten Resorption andere Fettarten auftreten können, als die, die aufgenommen wurden. Ferner müssen wir annehmen, daß resorbiertes Phytosterin sehr bald in Cholesterin übergeführt wird, wenigstens konnte bis jetzt in tierischen Geweben kein solches aufgefunden werden. Es kann jenseits des Darmes auch dasjenige Fett sich bilden, das mit der Nahrung zugeführt wurde, ja es kann auch als solches zur Ab- lagerung kommen. Eine Beeinflussung des Charakters der tierischen Zellen tindet jedoch dadurch nicht statt, denn das an ihrem Bau beteiligte Fett ist in seinem Aufbau vom aufgenommenen Fett unabhängig. Jede Zellart baut sich eigenes Fett und bereitet eigene, charakteristische Gemische, wobei offenbar auch das Cholesterin, seine Ester und ferner Phosphatide mit einbezogen werden. Die Fette schlagen sicher zu einem großen Teil den Lymphweg ein. Nach neueren Beobachtungen wird auch Fett von den Pfortaderwurzeln aufgenommen. Schließlich gelangen die Fette, das Cholesterin und die Phosphatide oder ihre Bausteine ins Blut und werden dann auf noch nicht bekannte Weise schließlich den Körperzellen übermittelt. Diese verwenden die Bausteine der Fette in der mannigfaltigsten Weise. Sie werden ent- weder stufenweise abgebaut, oder sie dienen zur Synthese von Fett und Phosphatiden. Besondere Zellarten speichern Fett und bilden mächtige Depots, deren Inhalt zur Verfügung gestellt wird, wenn irgendwo Bedarf ist. Das Fett dieser Speicher rührt nicht nur von mit der Nahrung zu- geführten Fetten her. sondern auch von umgewandelten Kohlehydraten. Wir haben immer wieder betont, daß unsere Kenntnisse des Fett- stofiVechsels noch recht dürftige sind. Einzig die Feststellung von Knoop, wonach die gesättigten Fettsäuren in charakteristischer Weise durch Oxy- dation am ß-kohlenstoffatom und Verlust der beiden endständigen Kohlen- stoftatome lozw. allgemeiner ausgedrückt, durch Abspaltung einer geraden Anzahl von Kohlenstoffatomen verkürzt werden, ferner die sichergestellte Beziehung der Fettsäuren zu den Azetonkörpern und der Nachweis, daß Glyzerin in Glukose übergehen kann, haben das Dunkel, das noch über den einzelnen Vorgängen beim Ab-, Um- und Aufbau der Fette und ihrer Bausteine lagert, erhellt. Welch umfassende chemische Vorgänge die Körperzellen bei der Bildung von Fetten vollziehen ktinnen, zeigt am besten die Betrachtung der Zusammen- setzung einiger fetthaltiger Sekrete. Wir haben bereits gesehen, daß die Bürzeldrüse der Vögel ein Sekret bildet, das ein Fett enthält, an dessen Aufbau Oktadezylalkohol als Alkoholkomponente beteiligt ist.i) Daneben finden sich auch Glyzerinfette. Das Bürzeldrüsensekret dient zur Einfettung des Gefieders, wodurch es vor der Benetzung mit Wasser geschützt wird. In der Haut finden sich verschiedenartige Drüschen, die besondere Sekrete ab.sondern. Sie enthalten alle Fett und scheinen die gemeinsame Funktion zu haben, die Haut durch Einfetten geschmeidig zu erhalten. Daneljen mögen auch noch andere Funktionen vorhanden sein. Ein solches Fettgemisch haben wir bereits wiederholt erwähnt, nämlich das Wollfett, auch Lanolin genannt.-; Man hielt es zunächst für eine ziemlich ein- 1) F. Röhmann: Hofmeistern Beitr. 5. 110 (1904). — \gl auch S. 220. ■•') Hartmann: Über den Fettuachweis in der Schafwolle. Göttingeu. 1868. — TAeh- reich: Berliner klin. Wochenschr. 7(il (1885); Arch. f. (Auat. u.) Physiol. 363 (1890). Fette. Phosphatide. Sterine. 309 heitliche Substanz. Jetzt wissen wir, daß der Name Lanolin nur ein Sanirael- name für sehr viele Komponenten ist. Dani/städfer und Li f schütz'^) geben als Bestandteile des Wollfettes an: Zerylalkohol, C.-, Hgs . OH, Karnaubylalkohol, C..^ H^cj . UH, daneben sollen noch Laktone verschiedener Art zu finden sein. Ferner sind aus der Reihe der Sterine isoliert worden: Cholesterin, Isocholesterin"^) und ferner sog'. Oxycholesterine. Endlich sind zahlreiche Fettsäuren als Bestandteile des Lanolins bzw^ der in diesem vorkommenden Fette beschrieben worden. Von gesättigten Fettsäuren werden angeführt: Lanozerinsäure, C30 Hr.o O4, Lanopalminsäure, Cig H32 O-j, Myristin- säure, C13 H.^- . COOH, Karnaubasäure, C.23 Hi^ .COOH, Zerotinsäure, C.>6H53 . COOH, Kapronsäure, C5 Hu . COOH. Daneben sind noch unge- sättigte Fettsäuren beobachtet worden. Schon diese Zusammenstellung zeigt, welch kompliziertes Gemisch von Angehitrigen der Fettreihe die Zellen der Hautdrüsen bereiten können. Besondere fetthaltige Sekrete liefern ferner die Ohrschmalzdrüsen, die Talgdrüsen und die Meihoni^ch^n Drüsen. Auch das Smegma ist ein fetthaltiges Sekret. Je mehr man die Funktion aller dieser Drüsen und Drüschen studiert hat, um so mehr hat man eingesehen, daß die alte Vorstellung, wonach ihre Sekrete dadurch zustande kommen sollten, daß Zellen verfallen, unrichtig ist. P^s handelt sich vielmehr, wie vor allem Plafo für die Talgdrüsen feststellen konnte, um einen richtigen Sekretionsvorgang. :^) Das einzelne Sekret bereitet der Untersuchung große Schwierigkeiten, witW es schwer und zum Teil zurzeit überhaupt nicht in reinem Znstand erhalten werden kann. Schließlich wollen wir noch an jenes merkwürdige, fettreiche Sekret, Vernix caseosa genannt, erinnern, mit dem die Haut des Fötus überzogen ist. Ein sehr schönes Beispiel für die Tatsache, daß die Körperzellen eigene Fettarten bilden, liefern endlich die Zellen der Milchdrüse. Das Fett der Milch ist normalerweise ein ganz charakteristisches. Der Umstand, daß durch Zufuhr größerer Mengen von bestimmten Nahrungsfetten eine Ausscheidung solcher Fette durch die Milchdrüse erreicht werden kann, ist von keiner Bedeutung für die Auffassung der Entstehung der Bestandteile der Milch in den Milchdrüsenzellen. In der Butter aus Kuhmilch hat man hauptsächlich Triglyzeride beobachtet, an deren Aufbau Stea rin-, Palmitin- und Ölsäure, ferner Myristin-, Laurin- und Arachinsäure beteiligt sind. Man hat ferner noch Buttersäure, Kapron-. Kapryl-. Kaprinsäure, ferner Essigsäure und auch Ameisensäure beobachtet. Die weitere Forschung wird ohne Zweifel noch an zahlreichen Bei- spielen zeigen können, daß jede einzelne Zellart sich eigene Fette und Phosphatide und vor allem auch charakteristische Gemische dieser Ver- bindungen bereitet. Gleichzeitig wird sicher auch festgestellt werden, in welcher Art die einzelnen Baumaterialien umgewandelt werden. 1) L. Darmstädter und ./. Lifschüfz: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 28. 3133 (1895); 29. 618. 1474 und 2890 (1896); 31. 97, 1112 (1898). — Vgl. auch P. G. Unna: Ebenda. 45. 1 (1907). — P. G. Unna und ./. Lifschütz: Monatshefte d. prakt. Derniatol. 4.^. 334 (1907). — P. G. Unna: Biochem. Zeitschr. 20. 469 (1909). — Ä. Bitschke und Arthur Fraenkel: Berliner klin. Wochensclir. Xr. 12 (1905). -) Xach Röhmann [Biochem. Zeitschr. 77. 298 (1911)J fraglich. ') Pluto: Verband), d. Deutschen dermatol. (iesellscb. Breslau. 182 (1901). Vorlesung XVII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. Aminosäuren. Die Eiweißstoffel), auch Proteine genannt, stellen hochmolekulare, zusammengesetzte Verbindungen dar, an deren Aufbau stickstoffhaltige Bausteine beteiligt sind. Bis jetzt haben wir nur bei den Phosphatiden Stickstoff als regelmäßigen Bestandteil aller Angehörigen dieser Klasse von A'erl)indungen angetroffen. Er fand sich jedoch nicht in allen Bau- steinen, sondern nur im Cholin bzw. einer anderen Base. Ferner haben wir stickstoffhaltige Kohlehydrate kennen gelernt. Von diesen interessierte uns ganz besonders das Glukosamin, weil es Beziehungen zu den Bau- steinen der Eiweißkörper aufweist. Bei den Proteinen enthalten Scämtlidie bis jetzt bekannten Bausteine Stickstoft". Daneben gibt es auch solche, die außerdem noch Schwefel aufweisen. Vereinzelte Proteine enthalttni Phosphor. Es konnte bisher noch nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden, in welcher Form der Phosphor in den betreffenden Proteinen gebunden ist. Es scheinen esterartige Verbindungen zwischen Phosphor- säure und den Bausteinen der Proteine vorzukommen, daneben dürfte sie auch salzartige Bindungen eingehen. Es ist ferner möglich, daß der Phosphor zum Teil auch organisch gebunden ist. Wir können die Eiweißstoffe als hochmolekulare, nur im kolloiden Zustand bekannte Verbindungen bezeichnen, die dadurch ausgezeichnet sind, daß an ihrem Aufbau die Elemente C, H, 0, N und S teilnehmen. Das letztere Element fehlt offenbar nur ganz vereinzelt. Ferner kommt, wie schon erwähnt, einzelnen Proteinen Phosphor zu. Die Elementaranalyse der Proteine ergibt mit wenis,- Ausnahmen annähernd gleiche Mengenver- *) Vgl. über diese Gruppe von Verbiuduiigeu : Victor Griessmayer: Die Proteide der Getreidearten usw. Karl Winter. Heidelberg 1897. - Eduard Stranss: Studien über die Albuniinoide. Ebenda. 11)04. 0. Cohnheim: Chemie der Eiweißkörper. 3. Autl. Friedr. Vieweg A: Sohn. Braunschweig 1911. - Gustar Mann und 0. Cohnheim: Chemistry of the Proteids. Macniillan and Cic. London 1906. — Emil Fif^cher: Untersuchungen über Aminosäuren. Polypeptide und l'roteine. J. Springer. Berlin 1906. — Emil AJ>derhaldcn: Neuere Ergebnisse der Eiweißclieniie. Gustav Fischer. Jena 1909. -- B. H. A. Plimmer: The Chemical Constitution of tlie proteins. Monographs on Biochemistry. l.ongmann's Green and Cie. London 1911. -~ Handbuch der Biochemie. 1. 226— .'lOO (bearbeitet v.ui P. Bona, E. Abderhalden, Franz Samuely). G. Fischer. Jena 1909. - Biochem. Hand- lexikon. 4. 1—917 (bearbeitet von Th. ß. Osborne, Franz Samuely, Adolf Jiolhtt, Karl Rasl-e. Otto Neubauer, Helmufh Scheibler, Ge'za Zemple'n, Hans T'rinf/sheini, Ernst W'iiiferstein, Peter Bona). J. Spiinger. Berlin 1911. Eiweißstotte und ihre Bausteiue. o].l hältnisse der einzelnen Elemente. Man findet etwa 50 — 55" o C, 6*5 — 75% H. 15 — 18% N und OS — 2"5% S. Der Sauerstottgehalt berechnet sich aus dem Unterschiede der Summe der erwähnten Elemente und 100" o- Erwähnt sei. daß die EiweißstoÖ'e sehr schwer ganz frei von Asche zu gewinnen sind. Selbstverständlich genügen die angegebenen Daten nicht, um die Gruppe der Proteine zu charakterisieren. Wir kennen eine ganze Reihe von Reaktionen, die von den Angehörigen der Klasse der Eiweißstotte gegeben werden. Sie beruhen zum Teil darauf, daß die Proteine aus- schließlich im kolloiden Zustand vorkommen, zum Teil sind es Farb- reaktionen, die auf das Vorhandensein bestimmter Bausteine und bestimmter Bindungsarteu im Molekül zurückzuführen sind. Wir werden auf diese Eigenschaften der Proteine noch zurückkommen. Eine Charakterisierung der verschiedenartigen Eiweißstoffe auf Grund ihrer Eigenschaften ist außerordentlich schwierig, weil sie in ganz ver- schiedenen Zuständen im Pflanzen- und tierischen Organismus vorkommen. VVir treffen Proteine in Flüssigkeiten an. z. B. in der Milch, im Blut- plasma usw. Wir können nicht ohne weiteres erkennen, ob diese wahre Li)sungen darstellen oder aber, ob sich in ihnen Verbindungen finden, die nur scheinbar gelöst sind. Füllen wir eine solche Flüssigkeit - z. B. Blut- plasma — in einen Dialysierschlauch — ein solcher besteht aus einer tierischen oder pflanzlichen Membran — . so beobachten wir. wenn wir ihn in destilliertes Wasser eintauchen, daß bald Salze und andere Ver- bindungen, wie Zucker, Harnstoff usw.. durch ihn hindurchtreten. Eiweiß- stoffe dagegen bleiben quantitativ im Schlauche zurück. Es dring-t auch nicht eine Spur von diesen Verbindungen durch den Dialysier- schlauch hindurch. Mit Hilfe dieser einfachen Methode können wir leicht erkennen, ob eine Verbindung wirkliche Lösungen bildet oder nicht. Die ersteren Stoffe nennen wir Nichtkolloide ^j, die letzteren Kolloide. Auf die Eigenschaften und die Bedeutung der Abgrenzung dieser beiden durch viele Zwischengliedei- verknüpften Klassen von Verbindungen werden wir später eingehend zurückkommen. -i Erhitzen wir eint' eiweißhaltige Flüssigkeit, dann tritt bei einer bestimmten Temperatur Koagulation ein Die scheinbare Lösung trübt sich zunächst. Die Trübung nimmt mehr und mehr zu und schließlich geht das ganze Eiweiß in den festen Zustand über. Wir sprechen von Hitzekoagulation. Es zeigen jedoch nicht alle Eiweiß- stoffe dieses Verhalten. So ist z. B. der Leim bei gewöhnlicher Ten)peratui fest. Beim Erwärmen mit Wasser geht er in Lösung. Viele eiweiß- haltige Flüssigkeiten geben auf Zusatz von Salzlösungen — Ammonsulfat. Zinksulfat. Kochsalzlösungen usw. — bei einem bestimmten Gehalte an dem betreffenden Salz Ausflockungen. Es hat das scheinbar gelüste Eiweiß seinen Zustand geändert und ist in Form grölterer Konglomerate ausgefallen, blanche Proteine lassen sich schon durch enero-isehcs Schütteln ausflocken. ') Sie sind trüiier^Kristalloide genannt worden. Dieser Name ist jedoch nicht sehr glücklich gewählt, weil er leicht mit der Fähigkeit, zu kristallisieren, in Zusammen- hang gebracht werden kann. Nun iribt es „Kristalloide". die bis jetzt nicht in Kristall- form zu bringen waren, und Kolloide, die Kristalle bilden. Die Einteilung in Kristalloide und Kolloide stammt von Th. Graham (Philosoph. Transactionsi. 151. Teil 1. 1S3(18<)1|. ^) Vgl. Band 2 dieses Lehrbuches, Vorlesung V — XII. 312 XVII. Vorlegung. Neben diesen Eiweilistoffen, die scheinbare Lösung- bilden, kommen in der Natur auch halbfeste, zähflüssige Proteine vor. Es sei z. B. an das Eiereiweiß erinnert. Schließlich gibt es ungezählte Formen von Eiweiß, die vollständig fest sind. Als Beispiel seien die sogenannten Koratin- arten angeführt. Aus Keratin bestehen die Haare, die Nägel, die Hufe, die Hörner, die Geweihe, die Barten des Wales usw. (iroße Massen von Eiweiß sind in dieser Form im Tierreich abgelagert. Schon diese kurze Übersicht läßt es verständlich erscheineo, daß sich die Proteine nicht ohne weiteres auf Grund ihrer Eigenschaften charakte- risieren lassen. Dagegen umfaßt die folgende Definition alle Vertreter dieser Körperklasse. Sie stützt sich darauf, daß sämtliche Proteine die gleichen charakteristischen Bausteine besitzen, nämlich die Aminosäuren. Die Eiweißstoffe sind hochmolekulare, zusammengesetzte, nur im kolloiden Zustand — in allen seinen Abstufungen vom festen Zustand bis an die Grenze der wahren Lösung — bekannte Verbin- dungen, an deren Aufbau in charakteristischer Weise unter- einander verknüpfte Aminosäuren beteiligt sind. Diese organi- schen Säuren enthalten die für die Eiweißstoffe charakteristi- schen Elemente und Gruppen. Mit ihnen haben sie die Eigenschaft gemein, sowohl als Säuren als auch als Basen wirksam sein zu können. Man bezeichnet solche Verbindungen als Ampholyte. Wir kommen auf dieses wichtige Verhalten der Proteine und ihrer Abkömmlinge noch zurück (vgl. Band 2, Vorlesung IX). Die Bausteine der Proteine werden aus diesen erhalten, indem man sie mit rauchender Salzsäure oder mit 25''/oiger Schwefelsäure mehrere Stunden kocht. ^) Das Eiweißmolekül wird dabei unter Wasseraufnahme in einfachere Bruchstücke zerlegt. Schließlich bleiben die Aminosäuren übrig. Genau so, wie bei den zusammengesetzten Kohlehydraten und den Fetten, läßt sich der Abbau unter Hydrolyse bei den meisten Proteinen mehr oder weniger leicht auch mittels bestimmter Fermente herbeiführen. Man nennt diese ganz allgemein Proteasen oder proteolytische Fermente. Wir beginnen die Besprechung der Chemie der Eiweißstoffe am besten mit der Erörterung der Struktur der einzelnen Annnosäuren. lui Anschlüsse daran werden wir die Frage zu beantworten haben, in welcher Art und Weise die einzelnen Eiweißbausteine unter sich im Eiweißraolekül verknüpft sind, und damit werden wir von selbst auf die Frage nach dem Aufbau des Eiweißes stoßen. Die Aminosäuren sind mit Ausnahme zweier Verbindungen — Prolin und Oxyprolin^) — dadurch charakterisiert, daß sie in 7.-Stellung zum Karboxyl eine Amino- = NH.^-Gruppe tragen. Eine ganze Reibe von Aminosäuren lassen sich direkt von Gliedern der gesättigten Fettsäurereihe der allgemeinen Formel C„ H.j„ O.^ oder CnH.,n+i .COOH ableiten. Wir sind diesen Fettsäuren bereits bei der Besprechung der Bausteine der Fette begegnet.'') Ihr einfachstes Glied ist die Aminosäure. H . GOOH. Die einfachste Aminosäure müßte die ') Mau kann auch durch Kochen mit Lauge Hydrolyse lici^licifiihrcu. docli tritt ilabei teilweise Razeniisierung der P'iiweiliabbanprodukte ein. -) Sollte Pyrrolidonkarboiisäure Kiweißbaustein sein, dann winden drei Ansnalinicn zu vermerken sein. •*) Vgl. dazu S. 212. H Eiweißstoffe uud ihre Bausteine. olo .Struktur NH., . ClK)H haben, d. h. sie würde aus der Ameisensäure durch Ersatz eines Wasserstoffatonis durch die NHo-Gruppe hervorgehen. Als Baustein der Proteine ist diese Verbindung bisher nicht beobachtet worden. Sie ist wegen ihrer leichten Zersetzlichkeit im freien Zustand überhaupt nicht bekannt. Wohl aber ist ihr Ammonsalz, NH., . COO . NH4, dar- gestellt worden. Wir werden dieser Verbindung noch begegnen, wenn wir dem Abbau der Aminosäuren im tierischen Organismus bis zum stickstoff- haltigen Stolt'wechselendprodukt, nämlich dem Harnstoff, folgen werden. Diese einfachste Aminosäure wäre als Aminoameisensäure zu bezeichnen. Man hat sie auch Karbaminsäure genannt. Die einfachste Aminosäure, die als Bausteine verschiedener Proteine aufgefunden worden ist. leitet sich von der Essigsäure ab, wie die folgenden Formeln zeigen: CH3.COOH CH, . GOCH GH, .CoOi) GH, — COO'O oder X X NH., NH3/ b'^: NH., Essigsäure Aminoessigsäure = Glykokoll. Die Aminoessigsäure, auch Glykokoll, Glyzin oder Leimsüß genannt, ist bereits im Jahre 1820 von Braconnot^) neben Leuzin aus Leim und aus Muskelfleisch erhalten worden. Interessanter weise kommt diese Aminosäure in erheblichen Mengen im Schließmuskel von Pecten irradians*) in freiem Zustande vor. Sie ist auch im Harn verschiedener Tiere und ferner im Menschenharn gefunden worden.») Endlich ist Glyko- koll auch aus Blutplasma in freiem Zustand gewonnen worden. ß) Glykokoll bildet monokline Kristalle. Sie sind in Wasser ziemlich leicht löslich (1:4). Glykokoll schmeckt süß. Wie die oben dargestellte Formel zeigt, enthält das Glykokoll kein asymmetrisches Kohlenstoffatom. Es ist daher optisch inaktiv. Wird eine wässerige Lösung von Glykokoll mit Kupferoxyd gekocht, dann nimmt diese eine blaue Farbe an. Es hat sich das Kupfersalz des Glykokolls gebildet. Es hat die folgende Struktur: NH., . CHo . COG\ \Cu. NHo . GH., . QOO/ Alle bekannten Aminosäuren geben solche Salze. Sie sind wegen ihrer verschiedenen Löslichkeit zur Trennung einzelner Aminosäuren von ganz besonderem Werte. ') You diesen beiden Formeln werden wir der Übersichtlichkeit wegen nur die erstere verwenden. Es sei jedoch ausdrücklich vermerkt, daß die Aminosäure und ins- besondere Glykokoll und Alanin in beiden bekannt sind. N'gl. dazu K. G. Falk und K. Sugiiira: Jouru. of biol. Chem. 34. 29. (1918). -) Nach der Formulierung Werner?,. Vgl. R. Willstätter: Ber. d. Deuschen Chem. Ges. 35. 585 (1902). — Spiro und Löffler: Helv. chim. acta. 2. 533 (1919). — Heinrich Biltz und Hans Paetzokl: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 55. 1066 (1922). ^) Braconnot: Ann. de Chim. et de Fhysique (2). 13. 114 (1820). *) Chiftenaen: Liebic/s Annalen. 178. 26() (1875). ■') (t. Ernbäen und H. Reese: Hofmeister?, Beiträge. 7. 411 (1906). — E. Abder- halden und A. Schiftenhelm: Zcitschr. f. phvsinl. Chomie. 47. 339. (1906). — F. Samuel)/: f^benda. 47. 376 (1906). '■) A. Bini/el: Zeitscbr. f. physiol. Chemie. 57. 382 (1908). 314 XVII. Vorlesuug. Von großem Interesse ist die Beobachtung i), daß Aminosäuren mit Neutralsalzen gut kristallisierende Verbindungen von bestimmter Konsti- tution ergeben. So bildet Glykokoll mit Lithiurachlorid, Li Cl, zwei chemisch einheitliche Verbindungen. Die eine besteht ans einem Molekül Lithium - Chlorid, einem Molekül Glykokoll und einem solchen von Wasser. An der zweiten Verbindung nehmen zwei Moleküle Glykokoll teil. Mit Kalzium- chlorid sind die folgenden Verbindungen erhalten worden: 1. Ca GL. NHo . CH, . COOK. 3H.,0. 2. CaClo . 2(m . CH2 . COOK), 4H.,0. 3. CaClo . 3 (NH2 . CH2 . COOH). Die Aminogruppe kann mit den verschiedensten Säurechloriden in Reaktion treten. Wird z. B. Glykokoll in alkalischer Lösung mit Benzoyl- chlorid geschüttelt-), dann erhält man Benzoyl-glykokoll — Benzoyl- glyzin = Hippursäure: C,H, CO . Cl + H . NH . CH., . COOH = CßH^ . CO . NH . CH., . COOH + H Cl Benzoyl- GykokoU Hippursäure. chlorid Zahlreiche derartige Derivate dienen zur Charakterisierung einzelner Aminosäuren. Glykokoll, sowie alle bis jetzt bekannten y- Aminosäuren geben, wenn sie in wässeriger Lösung mit Triketohydrindeuhydrat (Xin- hydrin) ^j, C6hXco>g(öh).„ gekocht werden, eine prachtvolle Blaufärbung.*) Wird fein gepulvertes Glykokoll mit absolutem Alkohol, z. B. Äthyl- alkohol Übergossen und dann in das Gemisch sorgfältig getrocknetes Salz- säuregas eingeleitet, dann geht das Glykokoll in Li»sung. Kühlt sich die während der Reaktion siedend heiß gewordene alkoholische Lösung wieder ab, dann kristallisiert Glykokollcsterchlorhydrat aus: CH, . COOH 4- HO . C, H^ + H Cl = CH., . CO . 0 . C. H5 + H, 0 NH., NIL. HCl Glykokoll Äthylalkohol Glykokollcsterchlorhydrat Diese Verbindung ist zur Isolierung des Glykokolls sehr geeignet, da die Esterchlorhydrate der übrigen Aminosäuren fast alle in Alkohol leichter löslich sind. Wir werden gleich erfahren, daß Emil Fischer °) die Esterchlorhydrate und die aus ihnen leicht zu gewinnenden freien Amino- säureester benutzt hat, um die verschiedenen Aminosäuren zu trennen. ') P. J'fei/fer uud J. r. Modelski: Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 81. 329 (1912); 8ö. 1 (1918). Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 45. 1289. 1938 (1915). 2) J. Baum: Ber. d. Deutscheu Chom. Gesellsch. 19. 502 (1886): Zeitschr. f. physiol. Chemie. 9. 4G3 (1885). ») Siegfried litihemann : Trausactions of Chem. Soc. 97. 2025 (1910). *) Ygl.Emil Abderhalden uud Hubert Schmidt: Zeitschr. f. physiol. Cheuiie. 72. 37. (1911): 85. 143 (1913). — Emil Abderhalden uud Arno Ed. I.ampr': Ebenda. 85. 1.S6 (1913). — ir. Halle, E. Löwenstein und E. Pribram: Biochem. Zeitsclir. 55. 3.57 (1913). ^) Emil Eiftcher: Untersuchnuiron üIkm' Aiuinosäureu etc. 1. c. S. 307. Eiweißstofte iiud ihre Bausteiue. ;-il5 GlykokoU ist auch synthetisch dargestellt worden. Läßt man z. B. auf Monochloressigsäure Ammoniak einwirken, dann entsteht Amino- essigsäure ') : Cl . CIL . COOH + XH, = XH, . CHo . COOIi + H CI. Die nächste homologe Verbindung der Essigsäure ist die Propion- säure: CH3 . CH, . COOH. In dieser können wir am z- und ß-Kohlenstott- ß atom Wasserstoftatome ersetzen Wie schon erwähnt, sind alle bis jetzt bekannten, aus Eiweißstollten gewonnenen Aminosäuren '/-Aminosäuren, d. h. die Aminogruppe sitzt an dem der Karboxylgruppe l)enacbbarten Kohlenstoftatom. Die der Propionsäure entsprechende Aminosäure ist das Alanin = a -Am inopropionsäure: CHj . CH, . COOH CH3 . CH . COOH NH, Propionsäure x-Aminopropion säure. x\lanin enthält ein asymmetrisches Kohlenstoftatom. Es ist durch Fett- druck in der vorstehenden und den folgenden Formeln kenntlich gemacht. Alanin ist optisch aktiv, und zwar dreht das in den Proteinen enthaltene nach rechts. Man bezeichnet rechtsdrehende (dextrogyre) Verbindungen mit d, linksdrehende (lävogyrej mit 1 und mit dl razemische, optisch-inaktive Verbindungen. In letzteren sind gleiche Mengen der links- und rechts- drehendeu Verbindungen vereinigt. Es heben sich daher die beiden gleich großen, jedoch entgegengesetzten Drehungen auf. Derartige Verbindungen lassen sich auf verschiedene Arten in ihre Komponenten zerlegen. Viele Zellarten verfügen über Fermente, die nur die in der X'atur vorkommende optisch-aktive Form zu spalten vermögen. So baut z. B. Hefe nur d-Alanin ab. ^j Läßt man sie auf d 1- Alanin einwirken, dann beobachtet man, daß nach einiger Zeit 1- Alanin entstanden ist. Die quantitative Verfolgung des ganzes Vorganges beweist, daß d- Alanin verschwunden ist. Die vorher optisch- inaktive Lösung ist optisch aktiv, und zwar linksdrehend geworden. Bei dieser Art von Spaltung von Razemkürpern. die man als biologische be- zeichnet hat, verliert man stets die eine Hälfte des Razemkörpers. weil sie von den verwendeten Zellen zerlegt wird. Wir erhalten die in der X'atur nicht vorkommende optisch-aktive Form. Wir verfügen, namentlich dank den Untersuchungen Emil Fiscliera^). auch über chemische Methoden, die uns gestatten, die beiden in einem Razemkörper der erwähnten Art ver- einigten optisch-aktiven Formen zu trennen. In diesem Falle erhalten wir beide Hälften des Razemkörpers in quantitativer Ausbeute. Emil Fischer*) hat ferner die wichtige Beobachtung gemacht, daß bestimmte Aminosäuren, darunter auch das Alanin, durch bestimmte Re- *) If. Perkin und /Jujjj/ct: Liehiga Auualeu. 108. 11:^ (1858). ^) F. Ehrlich: Biochem. Zeitschr. 1. 8 (1906). ■■') Emil Fischfr: Ber. d. Deutschen Cham. Gesellsch. 32. 245G (1899) und Unter- suchungen über Aminosäuren usw. 1. c. (S. 307). ■*) Emil Fische}- und O. Warlturq : Liebir/S Annalen. 340. 1(50 (1905). — Emi? Fischer und K. Rash- : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 39. 3995 (1906). — Emil Fischer: Ebenda. 40. 491 (1907). - Emil Fischer: Untersuchungen 1. c. (S. 310). Vgl. besonders Liebi(/s Annalen. 381. 123 (1911). ;3L(3 XVII. Vorlesung. agenzien so beeinflußt werden, daß sie ihre Konfiguration ändern. Läßt man z. B. auf d-Alanin in der Kälte Stickoxyd und Brom (Nitrosylbromid) einwirken, so erhält man unter Abspaltung der NH^-Gruppe und Ersatz durch Brom l-a-Brompropion säure Wird diese mit Ammoniak zu- sammengebracht, dann entsteht wieder a-Aminopropionsäure. Sie dreht jedoch nicht nach rechts, wie das Ausgangsmaterial, sondern nach links. Umgekehrt liefert 1-Alanin über d-7.-Brompropionsäure d-Alanin: d-Alanin ^ — (NH3) + d--/-Brompropionsäure I t (NOBr) (NOBr) 1 ' ^ yr I 1-x-Brompropionsäure + (NH3) — ^ 1-Alanin. Bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf d-Alanin erhält man d-Milchsäure (1). ^ GOCH I HO . G . H CH3 Die Konfiguration des d-Alanins (1)-) ist die folgende: 3) COOH NH.3.G.H CH3 Alanin ist zuerst von Schilt zenherg er und Bourgeois^) als Baustein der Seide festgestellt worden. Es löst sich in Wasser ziemlich leicht. Es bildet, wie das Glykokoll, Salze und schmeckt süß.») Vom Alanin lassen sich eine ganze Anzahl von Aminosäuren ableiten, indem wir am ß-Kohlenstoffatom an Stelle eines Wasserstoftatoms bestimmte Gruppen eintreten lassen. So kennen wir eine Aminosäure, die ihrer Struktur nach als eine y.-Amino-ü-oxy-propionsäure zu bezeichnen ist. Sie hat den Namen Serin erhalten: ') Emil Fischer und A'. Raske : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellscb. 40. B718 (1907); 41. 893 (1908). — E. Fischer und W. Ä. Jacobs: Ebenda. 40. 1057 (1907). — Carl Neuberff und .1/. Silbermann: Zeitscbr. f. physiol. Chem. 44. 134 (1905). — Carl Neuberg: Biochem. /eitschr. 5. 451 (1907). h Vgl. hiezu S. 35. *) Vgl. A. Wohl und -ß. Schellenberg : Bei. d. Deutscheu Chem. (ies. 55. 1404 (1922). — Vgl. auch G. W.Clough: J. Chem. Soc. 131. .526 (1918). *) P. Schützenherger und A. Bourgeois: Compt. reud. de TAcad. des Sciences. 81. 1191 (1875). — Jh. Weiß: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 21. 1.529 (1888). — Vgl. die Synthese von Alanin A. Strecker: Liebif/s Anualen. 75. 29 (1850). ^) F. gegen 297". [a].Voo ~ + 2"7" in wässeriger Lösung, + lO^" in der berech- neten Menge Salzsaure gelöst. Eiweißstoft'e uuil ihre Bausteine. ';^\1 COOH COOH NHo . C . H NH. . C . H I " 1 CH3 CH, . OH d-AIanin(l) l-Serin(l). Serin ist von Cramer^) bei der Hydrolyse von Seidenleim entdeckt worden. 2) Es kommt auch im Schweiß vor, ^j Es ist optisch-aktiv. Die als Baustein der Proteine vorkommende Form dreht nach links.*) Serin löst sich ziemlich leicht in Wasser und schmeckt süß. ") Eine weitere Aminosäure, die in naher Beziehung zum Alanin steht, ist das Zystein. Es ist eine a-Amino-fi-thiopropionsäure. Es unter- scheidet sich vom Serin dadurch, daß es an Stelle der OH-Gruppe eine SH-Gruppe besitzt: GH., .(SH).CH(NH).COOH. Diese Verbindung ist unbeständig. Sie geht sehr leicht unter Oxy- dation in Zystin=üi- (x-amino-ß-thiopropionsäure) über. Diesem kommt die folgende Struktur zu: GOOH COOH I ! NH.,.C.H NHo.C.H I . I CH^.S S.CH., I-Zystin(l). Unter den Abbauprodukten der Eiweißstofife ist bis jetzt nur das 1-Zystin*^) aufgefunden worden. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß nicht auch das leicht in Zystin übergehende Zystein ganz allgemein als Bau- stein von Proteinen auftritt "). Im Linseneiweiß ist es ohne Zweifel enthalten.«) Von größerem Interesse ist der Nachweis, daß Zystein in Verbindung mit Glutaminsäure in verschiedenen Zellarten vorkommt.'-*) Es handelt sich oöenbar um ein Produkt der Struktur: ') E. ('ramer: Journ. f. prakt. Chem. 96. 76 (1865). — Bhnil Fischer: Ber. (1. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 1.Ö01 (1907). 2) Emil Fischer und H. Leuchs: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 35. 3787 (1902) haben Serin synthetisch aus Ammoniak, Blausäure und Glvkolaldehyd bereitet. 3) G. Emden und H. Tachau: Biochem. Zeitschr. 28. 330 (1910). *) Vgl. Emil Fischer: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 1501 (1907). — Emil Fischer und W. A. Jacobs: Kbenda. 39. 2942 (1906). 5) F. 228*". [a]^*^" = — 6-83'' in Wasser gelöst, -|- 14-45" in salzsaurer Lösung. *) [*]d''' = — 225° in salzsaurer Lösung. ') T'. Arnold: [Zeitschr. f. physiol. Chemie. 70. 314 (1910)J beschreibt das Vor- kommen des Zystei'ns in Geweben und Zellen. 8) Ygl.Reiss: Graefes Arch. f. Ophthal. 80. 588 (1911). — Mörner: Z. f. physiol. Chemie. 18. 61. — A. Jess: Z. f. physiol. Chemie 110. 266 (1920). ») F. G. Hopkins: The Biochem. J. 15. 286 1921). — Vgl. auca Emil Abderhalden und E. Wertheimer: Pßügers Archiv. 197 (1922). 31J-; XVII. Vorlesuug. HS . CH2 . CH . CO— NH . CH . ('H, . CH, . COOH \11, COOH Zysteinrest. Glataminsäurerest. Dieser Verbindung kommt nach den vorliegenden Beobachtungen die Bedeutung eines Sauerstotit'iiberträgers in den Zellen zu. Das Zystin wurde zuerst als Bestandteil von Blasensteinen aufge- funden. 1' Derartige Konkremente finden sich im Harn bei einer be- stimmten Stoftwechselanomalie der sogenannten Zystin urie. Später wurde das Zystin als Baustein verschiedener Proteine erkannt. 2) Seine Konstitu- tion ist von Friedmann ^ Neuherr/ und Erlenmeijer aufgeklärt worden. Friedmann^) oxydierte Zystein zu ZysteYnsäure. Diese ergab nach Ab- spaltung von Kohlensäure Taurin: CHo . SH CHo . SOo . OH CH. . SO., . OH NH, .C.H— >^ NH, CH — >► CH, . NH, + CO, COOH COOH Zystein ZysteYnsäure Taurin. Dieser Verbindung sind wir schon bei der Besprechung der schwe- felhaltigen Gallensäuren begegnet. In diesen findet sich Taurin mit Cholsäure beziehungsweise Desoxycholsäure gepaart. Emil Fischei-*) ist es ferner gelungen, 1-Serin in 1-Zystin überzuführen und damit die nahe Verw^andtschaft beider Aminosäuren zu beweisen. Da ferner 1-Serin in d-Alanin verwandelt werden kann''), ist eine weitere Beziehung zwischen diesen drei Aminosäuren gegeben. Sie kommt in den angeführten Kon- figurationsformeln ohne weiteres zum Ausdruck. 1-Zystin kristallisiert meistens in charakteristischen hexagonalen Tafeln, deren Seiten gleich lang sind. Es ist in Wasser sehr schwer löslich. Es ist leicht zu erkennen, indem man seine Lösung mit Alkali unter Zusatz eines löslichen Bleisalzes, z. B. Bleiazetat, kocht. Bald tritt eine graue, immer dunkler werdende Färbung und schließlich eine grauschwarze Fällung von Bleisulfid auf. Durch das Kochen mit Alkali wird das Zystin zerstört und Schwefel abgespalten. Diese Probe ist nur eine (lualifative, denn es wird nicht aller Schwefel freigemacht. Man nennt diese Reaktion Schwefelbleiprobe. Wir wenden uns nun zur Besprechung der x-Aminobuttersäure. Wir können sie von dem vierten Gliede der normalen Fettsäurereihe der Buttersäure, CH3 . CH, . CHg . COOH, ableiten. Sie kann jedoch auch als ein [i-substituiertes Alanin aufgefaßt werden, wie die folgenden Formeln zeigen: ') Wollaston: Philosophical Transact. 220 (1810). -)-K. Kiilz: Zeitschi'. f. Biol. 27. 415 (1890). — 0. Kmmeriinn : Verhandl. d. Gesellsch. deutscher Naturf. u. Ärzte. 2.391 (1894). — Vgl. auch K. A. Moerner: Zeit- schrift f. physiol. Chem. 42. 349 (1904). *) K. Fried mann: Hofmeister?, Beiträge. 3. 1 (1902). — Carl Neuberc/: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 35. 31(51 (1902). — Erlenmei/er jun.: Ebeuda. 36. 2720 (1903). *) Kmil Fischer u. Karl lütske: Ber. d. Deutscheu (jhem. (iesellsch. 40. 3717 (1907). ') Kmil Fischer uiifl Karl /,'askr : Khciida. 41. 893 (1908). Eiweißstofte nud ihre Bausteine. 3jq CH, . CHo . (JH . COOH CH3 äCH, '^ ■ I I ' r NH2 CH NH, xVE NH, I " i ' COOH COOH 7.-AminobuttersRure a-Amino- z-Amino-ß- propion- methyl-pro- säure pioiisäure. Diese Aminosäure ^ ist wiederholt als Baustein von Proteinen be- schrieben worden. Die genauere Untersuchung hat jedoch stets ergeben, daß ihre Identifizierung eine ungenügende war. Sie ist jedoch neuerdings bei der fermentativen Spaltung von Lupinensameneiweili isoliert und ge- nau identifiziert worden. -) Es ist möglich, daß die Aminobuttersäure in diesem Falle sekundär aus einer anderen Aminosäure hervorgegangen ist, doch ist diese Annahme nicht sehr wahrscheinlich. Ihr Vorkommen als Baustein von Proteinen ist durch diese Beobachtung sehr wahrscheinlich gemacht. Sie dreht nach rechts und kristallisiert in perlmutterglänzenden Blättchen. Sie schmeckt süß.'^) Wir kennen ferner eine Aminosäure, die fünf Kohlenstoftatome auf- weist und der empirischen Zusammensetzung nach in Beziehung zur Valeriansäure steht. Es ist dies das sogenannte Valin. Es hat nicht die Struktur der normalen Valeriansäure, sondern die der Isovalerian- säure. Sie hat eine verzweigte Kohlenstoffkette: ^^'ym . CR, . COOH nu >CH . CH . COOH l^xlj (^113 I NHo Isoval er i ansäure z-Amino-isovalerian säure. Valin ist somit eine a-Amino-isovaleriansäure. Betrachtet man sie als ein Derivat des Alanins, dann kann man sie auch als eine x-Amino- ;i-dimethyl-propionsäure auffassen. Valin ist zuerst von E. Schuhe*) in Keimlingen aufgefunden worden. Bald wurde dann erkannt, daß es am Aufbau fast aller Eiw-eißkürper teilnimmt. Das Valin der Proteine dreht ') Frederick William Foreman (Biochem. Zeitschr. ö6. 1 (U)13)| gibt au. im NH., CH \ ' Kasein a- Amiuoisobuttersäure,;.,TTä^C . COOH, gefunden zu haben. Ein Beweis für diese Annahme findet sich jedoch in seiner Mitteihing nicht. Es wäre dies die erste Aminosäure mit tertiär gebundenem Kohlenstoft'. Sie müßte optisch inaktiv sein, da sie kein asymmetrisches Kohlenstoffatom enthält. '-') Eigene Beobachtung. ') [xf^" = + 8-12" in Wasser gelöst. F. 304". Vgl. Fmil Fischer und A. Mouuei/rat: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 33. 2383 (1900). — Emil Abderhalden, Hisitig Lang Chang und Erich Wurm: Zeitschr. f. physiol. Chem. 72. 24 (1911). •») /;. Schulze: Zeitschr. f. physiol. Chem. 17. 193 (1893). Synthese aus a-Brom- isovaleriansäure nud Ammoniak vgl. l)oi Fittig und Clark: Liebigs Annalen. 139. 200 aH66). 320 XML Vorlesung. nach rechts. Das d-Valin bildet weiße, glänzende Blättchen. Es schmeckt schwach süß und gleichzeitig etwas bitter.^) Wir kennen auch eine Verbindung, die sich von der normalen Valeriansäure ableitet. Es ist dies das Arginin. »Seiner Konstitution nach ist es eine a-Amino-^-guanidino-n-valeriansäure. Wir haben in dieser Aminosäure neben der Aminogruppe noch mit dem ^-Kohlenstoff- atom verknüpft das G u a n i d i n : CH3 . CHo . CH„ . OH.. . COOK . c^ y ß normale Valeriansäure. /NH., C=NH \NHo Guanidin.-) /NH, NH. C^NH I \NH . GH., . GH, . GH., . (_*H . CGOH x-Amino-fVguanidino-n-valeri ansäure. Wird Arginin mit Baryt hydrolysiert. dann erhält man unter Auf- nahme von einem Molekül Wasser Harnstoff und a-. S-Diamino- valeriansäure.3) Die letztere Verbindung ist auch Ornithin genannt worden. Der Verlauf dieser Spaltung ergibt sich aus der folgenden Formel: mh NH. I j NHr=G — NH . GH, . GH., . GH, (^H . GO()HJ+ H, 0 = Arginin NH, NH., /NH, I I C4=o -f- GH., . GH, . GH., . CH . GOOH \NH., Harnstoff Ornithin. Interessanterweise erfolgt diese Art des Abbaus des Arginins auch durch ein Ferment. Kossei und Dakin^), die es entdeckt haben, haben es Arginase genannt. Die Struktur des Arginins ist schließlich noch durch die folgende Synthese bewiesen worden^): 1) F. 315». [«]^oo = + 6-42'' ia Wasser, + 28-7'' iu 20%iger Salzsäure gelöst. -) Nach Hans Krall [Jouru. Chem. Soc. 107. 1398 (1915)] kommeu dem Guanidin KH3 NH., die Formeln: NH, . C^ 1 und NH : C((^ zu. jo nachdem die Lösung sauer oder ^N \\H alkalisch ist. ») E. Schulze und E. Wintersfein: Zeitschr. f. physiol. Chem. 26. 1 (1898); 34. 128 (1901). — Ber. d. Deutschen Chem. üesellsch. 30. 2879 (1898). *) Ä. Kossei u. ü. D. Z)aH«; Zeitschr. f. physiol. Chem. 41. 321 (1904); 42. 181 (1904). ^) E. Schulze und E. Winferstein: Ber. d. Deutscheu Chem. Geseilsch. 32. 3191 (1899); Zeitschr. f. physiol. Chom. 34. 128 (1901). Eiweißstotle uud ihre Bausteine 321 NH, NH. I ^ 1 ' C'H, . CH2 . CH, . CH . COOH + CN . NH, = - Ornithin Zyanamid. NH., NH., I 1 NH = C — NH . GH., . CH, . GH., . CH COOH Arginin. Die Konstitution des Ornithins ist einmal durch die »Synthese^j und ferner durch den folgenden, von Ellinger^) entdeckten biologischen Abbau sichergestellt worden. Ornithin geht unter der Wirkung von Bakterien in Kohlensäure und Tetramethylendiainin = Putre szin über: GH., . GH., . GH. . CH . GOO H - GH2 . GH., . GH, . GH., -1- CO, NH., NH, NH, NH., Ornithin Putreszin. Das in der Natur vorkommende Arginin ist die d-Form.*) Es ist von E. Schulze und E. Steiger*') in den Kotyledonen etiolierter Lupinen- keimlinge entdeckt worden. Arginin ist als Baustein der verschiedensten Proteine sehr verbreitet. Sehr interessant ist das Vorkommen von freiem d-Arginin bei Melolontha vulgaris^) und anderen Wirbellosen. Es ist leicht löslich in Wasser. Seine Lösung ist alkalisch, während die bis jetzt erwähnten Aminosäuren amphoter oder schwach sauer reagieren. Sein Geschmack ist schwach bitter.'') Den Bausteinen des Arginins, dem Harnstoff und dem Ornithin, werden wir noch mehrfach begegnen. Der erstere ist ein typisches Stoff- wechselendprodukt des Aminosäurestoffwechsels bei manchen Tieren. Das Ornithin ist als solches bis jetzt nicht in der Natur aufgefunden worden. Als nächstes Glied der Fettsäurereihe folgen die Verbindungen der Kapronsäurereihe, GuHp^O.,. Wir kennen sieben isomere Verbindungen der genannten Zusammensetzung. Von drei derselben leiten sich Amino- säuren ab. Dem Valin am nächsten stehen ihrer Struktur nach das Leuzin und das Isoleuzin. Das letztere läßt sich in direkte Beziehun": zum Alanin ^) Emil Fischer: Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 34. 454 (1901). — S. /'. L. Störensen : Zeitschr. f. physiol. Chein. 44. 448 (1905). — h'. Fischer uud G. Zemplm: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 4878 (1909). -) A. Ellinger: Zeitschr. f. physiol. Chem. 29. 334 (1910). — ßer. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 'ai. 3184 (1899); 32. 3542 (1900). — Vs^l. auch lMCH . CH . COO i^JJ^^CH . (^H . COOH NHo NH, a-Aminopropinn- a-Amino-Ji-dimethYl- y.-Amino-ß-raethyl- säure Propionsäuren Valin ß-äthyl-propion- säure = Isoleuzin. Isoleuzin ist von Felix Ehrlich^) in der Rübenmelasse aufgefunden worden. In der Natur kommt die rechtsdrehende Form vor. Isoleuzin be- sitzt zwei asymmetrische Kohlenstoffatome. Es existiert in zwei stereoiso- nieren Formen, dem d-Isoleuzin und dem d'-AUo-isoleuzin. Bei der Syn- these entstehen beide Formen. 2) d-Isoleuzin kristallisiert aus Wasser in feinen, glänzenden Blättchen . Es schmeckt adstringierend und schwach bitter. Es ist ziemlich schwer li)8lich in kaltem Wasser. s) Das Leuzin ist ein Derivat der Isobutylessigsäure: pTT :Ch'>CH . CH^CH^ . COOH ChJ/^^ • ^^^ • ^j^ • COOH ■^3 ilsobutyl essigsaure a-Amino-isobutylessigsäure "^ ^ =:Leuzin. Leuzin ist somit als eine z-Amino -isobutylessigsäure zu be- zeichnen. Man könnte es auch, wenn man es von Alanin ableiten will, eine a-Amino-3-isopropyI-propionsäure nennen.*) Es ist von Proust''} entdeckt worden und gehört zu den am meisten verbreiteten und oft in großen Mengen auftretenden Aminosäuren. Seine Konstitution ergibt sieh aus seiner Synthese. Sie sei neben derjenigen des Isoleuzins angeführf') : *) Felix Ehrlich: Ber. d. Deutschen Chem. üesellsch. 37. 1309 (1904); Zeitschr. d. Ver. f. Zuckeriiidustrie. 975 (1904). *) Vgl. die Synthese L. Bouveaiilt und Rane Locquin: Compt. read, de l'Acad. des Sciences. 141. 115 (1907). — Rene Locquin: Bull, de la Soc. de chim (4). 1. 5'.»5. 601 (1907). — Felix Ehrlich: Ber. d. Deutscheu Chetn. Üesellsdi. 41. 1453 (1908). — W. Brasch \md E. Friedmann: Hofm''i'iterA Beitrii','e. 11. 37() {V-)0^). — E. A'i'Urhalden, P. Hirsch und ./. Schuler: Ber. d. Deutschen Ghem. Gesellsch. 42. B394 (1909). *) F. 280«. M^go = -f- 11-29« in wässeriger, -|- 41-29« iu salzsaiirer Losung (207oi?e Salzsäure). *) Wir weisen auf diese Zusammenhänge nur hiu, um das Einprägen der Kon- stitution der einzelnen Verbindungen zu erleichtern. ') Prousf: Ann. de Chera. et de Phys. (2). 10. 40(1819). — Vgl. auch Braounof : Ebenda. (2). 13. 119 (1820). — Mulder: Journ f. prakt. Chem. 16. 290 (1839); 17. 57 (1839). *) Limpricht: Liehiqs Annalen. 94. 243 (1S55). — E. Schulde und A. Likiern ik : B^.r. d. Deutschen Chem. (Gesellsch. 24. Gß9 (1891). — Zeitschr. f. physiol. Chem. 17. 513 (1839). — Emil Fischer: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 33. 2372 (1900). — L. Bouveaiilt und Rend Locquin: Bull, de la soc. chim. (3). 31. 1180 (1904). Kiweißstoftc nnd ihre Hausteine. 32:') Qy'>C}I . CH, . CH, . OH 1 s 0 a m y 1 a 1 k o h o 1 + 0 — H, 0 ^jj'>CH . CH2 . CHO Isovaleraldehyd + HCN + NH3 ~H,0 TH gjj'>Cn . CH. . CH (NH.) . ex Isovaleroaminonitril I + 2 H., 0 CH i -NH3 Q^'yCE . CH, . CH (NH,) COOH a-Amino-isobutylessigsänre = Leuzin d-Amylalkohol. ^ - H, 0 P^{^!'>CH . CH(J d-Valeraldehyd. + HCN + NH. — H. 0 ^^]|'>CH. CIKNH.) . CN d - V a 1 e r 0 a 1 11 i n o n i t r i 1 . + 2 H2 0 — NH3 CH, ' (. J5'>CH . CH (NH2) COOH y.-Amino-^i-methyl-ß-äthyl- propionsäure = Isoleiizin. Das bei der Spaltung von Proteinen gewonnene Leuzin dreht nach links. Es ist durch seine Schwerlüslichkeit in Wasser aus5i;ezeichnet. Cha- rakteristisch für das Leuzin ist sein blaßblaues Kupfersalz. Es ist in Wasser außerordentlich schwer löslich. 1-Leuzin schmeckt fade und etwas bitler. Es kristallisiert in farblosen, glänzenden Rlättchen.i) In neuester Zeit ist in Eiweißstoffen des Nervengewebes eine der normalen Kapronsäure entsprechende Aminosäure festgestellt worden. -j Sie hat die Konstitution einer a-Amino-n-kapronsäure. Sie ist Nor- h'uzin genannt worden: CH, . CH, . CH, . CH, . (;H . COOH NH, a-Amino-n-kapronsäure=Norleuzin (a-Amino-fi-propyl-propion- säure). Manche Beobachtungen machen es wahrscheinlich, daß das Nor- leuzin sehr verbreitet ist. Es dreht nach rechts, kristallisiert aus Wasser in sechseckigen, zu Drusen vereinigten Blättchen. Es schmeckt schwach süß. In Wasser ist es schwer l(>slich.^) ') F. 297». [a]i^Q„ = — 10-34" in Wasser, + löy in 20%'gei' Salzsiiure gelöst. -) Emil Abderhalden uud Arfhur Weil: Zeitschr. f. physiol. Chem. 81. 207 (1912); 84. 39 (1913). — Vgl. über die Synthese dieser Verbindung Kinil Fi.fchn- : Unter- suchungen usw. 1. c. S. 310 und Emil Ahderhalden, ('. Fröhlich und Dionj/a Fuchs: Ebenda. 8«>. 454 (1913). In der ersten Arbeit ündet sicli die Literatur der früheren, allerdings unsicheren Beobachtungen über diese Verbindung. ■') F. 285«. |ot]J|,o = + 4-5" in Wasser, + 21« in 20*'/oig) E. Schulze uud ./. Barbieri: Ber. A. Dcutsclieu Cheni. (iosollscli. 12. i;t24 (1879); 14. 1785 (1881); Journ. f. prakt. Chem. (2). 27. 337 (1883). 2) F. 283". [3c]^o„ =: — Söl" iu wässeriger Lösung. ■') Synthesen des Vheuylalaniiis vgl. Erlenmeyer jtin.: Liehif/'^ Aiiualeu. 275. 1. 8. 13 (1893). — Emil Fischer: Ber. d. Deutscheu Cheni. Gesellsch. 37. 3062 (1904). — 6'. I'. L. Sörensen: /eitschr. f. physiol. Chem. 44. 448 (19Ü5). — T. Sasaki: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 54. 163 (1921). *) M. Guggenheim: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 88. 27(5 (1913). — Vgl. auch 7b/-- quati: Arch. d. Farmac. sperim. 15. 308 (1913). — K. Hirai : Biochem. Zeitschr. 114. 67 (1921). — E. Waser und M. Letvandowski : Höhet, chiiu. acta. 4. 657 (1921). 326 XVII. Vorlesung. COH HC^NCOH HC CH COOH NHoC.H C- CHo Sie wird leicht zu Farbstoffen oxydiert. Dieser Vorgang vollzieht sich auch leicht in Geweben. 'j Dem Phenylalanin sehr nahe steht das Tyrosin. Es ist seiner Kon- stitution nach eine a-Amino-ß-para-oxyphenyl-propionsäure == Para-oxyphenyl-alanin -j: C HC H CH HC Tyrosin. COOH I NH., .('.H CH. = NH. I Cr H, (OH) . CH., . CH. COOH. Tyrosin ist von .Goi-Hp-Btsdue:'') zum erstenmal in Vicia sativa nachgewiesen worden. Jetzt wissen wir, daß es zu den verbreitetsten Aminosäuren gehört. Sein Nachweis ist leicht. *j Einmal ist es in Wasser außerordentlich schwer löslich. Dieser Umstand erleichtert seine Isolierung außerordentlich. Ferner gibt Tyrosin Farbreaktionen. Sie sind, das sei ausdrücklich hervorgehoben, nicht ihm eigen, sondern zum Teil von der aromatischen Natur, zum Teil von seinem Phenulcharakter abhängig. Tyrosin gibt mit konzentrierter Salpetersäure, wie das Phenylalanin, die Xanthoproteinreaktion. Sie tritt schon in der Kälte auf und ist sehr intensiv. Dabei entsteht 31ononitrotyrosin.^) Fügt man zu Tyrosin oder zu einer Liisung davon eine Lösung eines Merkurisalzes in starker Salpeter- säure, die etwas salpetrige Säure enthält (MiUona Reagens j, dann erhält man nach einiger Zeit eine prachtvolle Rotfärbung. '^) Ihr Auftreten läßt sich durch Erhitzten stark be^hleunigen. Die Lösung von Tyrosin gibt mit Milloii^ Reagens zuerst eine weiße Fällung. Es sind noch viele andere Farbreaktionen angegeben worden. Es darf bei ihrer Anwendung zum Nachweis des Tyrosins nie übersehen werden, daß die meisten dieser Reaktionen auch von anderen Phenolen gegeben werden. Man kann sich auf sie nur dann verlassen, wenn man das Tyrosin noch auf andere ') Vtrl. Hr. Ji/ocli und /'. Ui/hi//er: Zeitschr. f. d. uosamte oxperiin. Med. 5. ITi) (1917). "■') Vgl. seiuc .Syutlicsc : KrleiDiK ijer und Lipp: Bor. d. Deutsclieu Chcni. (icscllscli 15. 1544 (1882); Lieb^'f/s Aimalen. 219. IGl (189;}). ") Gorup-Besauez: Bit. d. Doutscli. CIutti. Ges. 10. 781 (1877). — A. SchuJzr und J. Bnrbieri: Kl)ciida. 11. 710, 1233 (1878). *) Vgl. hierzu Otto Fürth uud W. Fleischwann: Biocheiii. .1. 127. 137 (1922). '-) Vgl. A'. Inoni/e: Zeitschr. f. physiol. Chem. 81. 80 (1912). *) Lasmigne: Aun. de Chini. ot de Phys. (2). 45. 44ö (1830). — Millon: C. r. de l'Acad. d. Sc. 28. 40 (1849). Eiweißstoffe iiiui "hre Bausteine. 327 Weise sichergestellt hat. Wir keiiucn auch einen biologit-chtn Nachweis des Tyrosins. Versetzt man die wässerige Lösung von Tyrosin mit einem wässerigen Auszug bestimmter Pilze — z. B. von Russula delica — , dann tritt nach kurzer Zeit eine schöne rote Färbung aul. Die Bildung dieses FarbstoÖes ist auf die Wirkung einer Fermentgruppe, Tyrosinase genannt, zurückzuführen, ij Allmählich kommt es zur Abscheidung eines schwarzen Pigmentes. Tyrosinasen sind auch bei manchen Tieren aul- gefunden worden.-) Das in der Natur vorkommende Tyrosin dreht nach links. 3) Es kii- stallisiert in feinen Nadeln. Es schmeckt — wohl infolge seiner Schwer- löslichkeit — nicht. Erhitzt man Tyrosin auf 270", dann erhält man unter Kohlensäureabspaltung das dem Phenyläthylamin entsprechende p-Oxy- phenyläthylamin*): CßH, (OH) . GH., . C'H . 000 H C,H, (OH; . GH., . GH., -f GU "I = " r " NH, NH.3 Tyrosin p-0 xy-phenyläthylamin. In manchen Proteinen kommt ein Tyrosin vor, an dessen Aufbau Jod beteiligt ist. Diese Verbindung ist von Drecfiseh) unter den Spalt- produkten des Achsenskelettes der Koralle Gorgonia Gavolini aufge- funden worden. Er nannte sie Jodgorgosäure. Erst Hmze und Wheeler^) erkannten sie als r),ö-Dijodty rosin: OH J.G^^'^C.J COOH HG , m I Xc/ GH., 3, 5-Dijodtyrosin. Dijodtyrosin ist auch aus Spongin (Badeschwamm) gewonnen wor- den.^) Es dürfte insbesondere im Skelett der An thozoen weit verbreitet sein. ^) Es findet sich ferner als Baustein von spezifischen Proteinen der Schilddrüse und stellt sehr wahrscheinlich eines jener Produkte dar, die von Zellen 1) Ch. Berfrand: C. r. de l'Acad. d. Sc. 122. 1215 (ISUC); 123. 463 (1890); 145. 1352 (1907). — B. Chodat: Arch. des sciences pbys. et uat. 112. (4). 24 (1907). — E. Abder- halden und M. Gi(fff/enheim: Zeitschr. f. physiol. Ciioniie. 54. 331 (1907). -) Vgl. die Vorlesungen über Fermente in Band II. ^) F. 318. [a]^QO = ca. 16" iu 47oiger Salzsäure gelöst. *) R. Schmitt und 0. Nasse: Liebi. Reagens-) Rotbraunfärbung. Erhitzt man Trypto- phan und Kohlehydrate zusammen mit rauchender Salzsäure, dann tritt Violettfärbung ein. 3) Da zahlreiche Eiweißstofte bei der Hydrolyse mit konzentrierter Salzsäure eine ganz gleiche Färbung zeigen*), hat man aus den erwähnten Befunden den Schluß gezogen, daß in diesen Eiwcißstotfen Kohlehydrate neben Tryptophan enthalten seien. Das Tryptophan ist von F. G. Hopkins und Cole^) zuerst in reinem Zustande dargestellt worden. Es gelang ihnen auch, seine Konstitution festzustellen. Vollständig gesichert wurde sie durch die Synthese durch Ellinger und Flammand.'^) Das in der Natur vorkommende Tryptophan ist die 1-Form.^) Es ist in kaltem Wasser wenig löslich und kristallisiert in sechsseitigen und rhombischen Blättchen. Es schmeckt schwach bitter. «) Neben dem Tryptophan ist in kleiner Menge eine sauerstoÖVeichere Verbindung, ein Oxytryptophan, aufgefunden worden. 9) Es ist noch nicht genau festgestellt, an welcher Stelle die OH-Gruppe sitzt, doch machen die ganzen Eigenschaften der Verbindung es sehr wahrscheinlich, daß dem Oxytryptophan die folgende Formel zukommt: COOH HOC NH, CH HC C — C.CH. II CH [HC^/C ^" NH Es besteht auch noch die Möglichkeit, daß das Oxytryptophan erst bei der Isolierung des Tryptophans gebildet wird, doch hat diese Annahme wen ig Wahrscheinlichkeit für sich. ') Reaktion von Adamkiewicz-Lieberinatui. ■) Vgl. S. 326. ^) Emil Abderhalden und Martin Kempe: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 52. 207 (1907). *) Sog. Liehermannsche Reaktion. =) F. Gowland Hopkins und Sydneif W. Cole: Journ. of Phvsiol. 27. 418 (1901) und 29. 451 (1913). ^) Alexander Ellinger: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 39. 2515 (1906). — A. Ellinger und (Jlaude Flammand: Ebenda. 40. 3029 (1907); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 55. « (1908). ') H. Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chem. 55. 74 (1908). — Emil Abderhalden und Louis Baumann: Ebenda. 55. 412 (1908). «) F. gegen 289». [a]^°" = -30-33*' in wässeriger Lösung. ^) Emil Abderhalden und Martin Kempe: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 52. 207 (1907). 330 XVII. Vorlesung. Das Oxytryptophan kristallisiert in Nadeln, i) Es ist in Wasser noch schwerer löslich als das Tryptophan. Mit Bromwasser gibt es keine Färbung. Die Aminosäure Tryptophan scheint in naher Beziehung zu einer von der Schilddrüse gebildeten, Thyroxin-) genannten Verbindung zu stehen. Nach Kendüll und Osterherg^) kommt ihr die Formel einer 4, 5, 6-trihydro- 4. 5, 6-trijodo-2-oxy-[i-indolpropionsäure*) zu: H C' H H =C-C . C . Cf.^TT bzw. H NH H H C=0 \0H j>C<^*^C— c H\ c Y N H H H H H C . OH Eine weitere heterozyklische Aminosäure ist das Histidin. Es ist eine a-Amino-ß-imidazolyl-propionsäure. Der Imidazolgruppe sind wir bereits begegnet s), als wir die Bildung von Methylimidazol aus Tranbenzucker bei der Einwirkung von Zinkhydroxyd-Ammoniak besprachen. Iraidazol hat die folgende Konstitution: CH— NH CH— N Imidazo CH. -i200 ») F. 293. [a]^" ^ — lr2»iiü u-Natronlauge gelöst. *) E. C. Kendall: Transact. Ass. Am. Phys. 30. 420 (1915); The J. of biol. ehem. 39. 125 (1919). '0 E. C. Kendall und A. E. Üsttrbery: The J. of biol. ehem. 40. 2(5f) (1919). *) Die A'erbinduug ist auffallend reich an Jod! Es müssen weitere Forschungen abgewartet werden, um ein endgültiges Urteil über die Konstitution dieser Verbindung und ihre Bedeutung abgeben zu können. *) S. 137. Eiweißstfifte und ihiP Bausteine 331 Dem a-Amino-,--iruidazolyl-alaiiin kommt folj^lieh die folji;ende For- mel zu 1): COOK I NH., . (' . H CHo Alaninrest ■N CH-NH CH Imidazolrest Histidin ist von A. Kossei-) unter den »Spaltprodukten des Proteins 8turin entdeckt worden. Es ist sehr verbreitet. Das in der Natur vorkom- mende Histidin ist die d-Verbindung. Es bildet lange schmale Tafeln.^) Histidin löst sich leicht in Wasser. Sein Geschmack ist süß.*) Seine Lösung reagiert alkalisch. Gibt man zu einer Lösung von Histidin Bromwasser hinzu, dann entfärbt sich dieses zunächst. Schließlich bleibt bei vorsichtigem Zusatz die Farbe des Bromwassers bestehen. Erhitzt man nunmehr, dann entfärbt sich die Lösung, um dann ganz plötzlich eine dunkel weinrote Färbung anzunehmen.^) Histidin gibt in großer Verdünnung in sodaalkalischer Lö- N=N sung mit Diazobenzolsulfosäure. CgH/ 1 • eine Rotfärbung. Die Synthese des Histidins ist Pyman^) gelungen. Alle bis jetzt besprochenen Aminosäuren ließen sich direkt oder indirekt mit Gliedern der Reihe der gesättigten Fettsäuren in Verbindung bringen. Den größten Teil der Bausteine der Proteine konnten wir als in ß-Stel- lung substituierte y.-Aminopropionsäure betrachten. Es wird von den entwickelten Gesichtspunkten aus der Überblick über die einzelnen Aminosäuren wesentlich erleichtert. Wir kennen nun noch zwei Amino- säuren, die keine ohne weiteres erkennbaren Beziehungen zu den bisher besprochenen Eiweißbausteinen aufweisen, es sind dies die Iminosäuren Prolin und Oxyprolin. Die erstere ist die z-Pyrrolidin karbonsäure. Sie leitet sich vom Pyrrolidin ab. dem die folgende Konstitution zukommt: GH., GH., i 1 CHo CHo ^NH ^) Vgl. über die Konstitution fies Histidius: llerman» Puuhi : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. 508 (1904.) — /•'. Knoop und A. W'indaKs: Jfol?iich-tcrs Beiträge. 7. 144 (1905): 8. 40? (1906). -) A.Ko.ssel: ZaiHchr. f. pliysiol. Chemie. 22. 177 (1896/97). — S. G. Hrdin: Ehendsi. 22. 191 (1896). ^) Emil Abderhalden und Arthtir Wnl: Zeitschr. f. pliysi(d. Chemie. 77. 435 (1912). *) F. 280". [x]^,, = 4- 40-15" in wässeriger Lösung. '") Franz Knoop: llofniriKtcr^ Beiträge. 11. 356 (1908). ®) Frank Leo l'yman : .lonrn. nf the Chem. Soc. London. 99. 1H8() (1911). 3;■>^> XVII. Vorlesuug Folfilich hat die a-Py r roli d i n k a rbonsä ure. das Prolin, die lolj;ende Struktur •): OH2 C'H, CH2 eil. ('(Hjii. Das Prolin ist von Emil Fischer -) unter den Öpaltprodukten des Kaseins entdeckt worden. Es stellte sich bald heraus, daß es ganz allgemein verbreitet ist. Seine Gewinnung ist dadurch erleichtert, daß es im Gegen- satz zu den übrigen Aminosäuren in absolutem Äthylalkohol löslich ist. Auch sein Kupfersalz löst sich in diesem. Es dreht nach links, schmeckt süß. ist in Wasser leicht löslich und bildet flache Nadeln. 3) Die Konstitution des Oxyprolins, das von Emil Fischer*) unter den die Gelatine zusammensetzenden Aminosäuren aufgefunden worden ist, ist von Leuclts und Breicster-') festgestellt worden. Es ist eine y-Oxy- pyrrolidin-7 -karbonsäure: HO.CH CU I I CHo CH . (H)OH. \ NH / Das Oxyprolin der Proteine dreht nach links. Es schmeckt süß, ist leicht löslich in Wasser und bildet farblose Tafeln."^) Es ist wiederholt bezweifelt worden, ob Prolin und Oxyprolin am Aufbau von Eiweißstoffen beteiligt sind. Namentlich Sörensen') wies darauf hin, daß a-Amino-S-oxyvaleriansänre leicht in Prolin übergeht, und somit diese Aminosäure die Vorstufe der y.-Pyrrolidinkarbonsäure sein könnte. Es ist jedoch in einwandfreier Weise gelungen, zu beweisen, daß Prolin ein primäres Spaltprodukt der Proteine ist.*^) Die M()glichkeit, daß außerdem die genannte a-Amino-S-oxyvaleriansäure ein Baustein mancher Proteine ist, bleibt oifen. Ihre leichte Überführbarkeit in Prolin zeigen die folgenden Formeln : 1) Vgl. seine Synthese: /i*. Willsfütter: Ber. d. Deutsch. Cheni. Ges. 33. 1160(1900). -- Emil Fischer: P^benda. 34. 454 (1901). — -S'. P. L. Siirensen: C. r. des travaux du Lahorat. de Carlsberg. 6. 137 (1908). — S. P. L. Söreusen und A. C. Andersen: Ebenda. 7. 72(190).— Vgl. auch Emil Fischer und G. Zemplen: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 42. 2989 (1909). ' 2) Emil Fischer: Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 33. l.')l (1901). •') F. 220". [a] 2^,, = — Sl" in wässeriger Lösung. *) Emil Fischer: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 35. 26()0 (1902). ^) Hermann Lettchs: und ./. 7*^. Brewster: Ber. d. Deutsch. Cliem. Ges. 46. 986 (1913). — //. Leuchs und K. Bormann: p:i)enda. 52. 208(J (1919). *) F. 270'. [a] 2o'o = —76" in wässeriger Lösung. ') iS'. P. L. Sörensen und A. ('. Andersen : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 56. 236 (1908)- «) Vgl. Emil Fischer und li. Böhnrr: Eb(Mid;i. 65. fl.') (1910). — Emil Abder- halden und Karl Kautzsch: Kbeiida. 78. 96 (1912). iMweiüstortt; und ihre Bausteine. 333 CH., — CR, CH.,— CH-, I i i i ' OH.CH., CH.C'OOH — H.,0 OH^ CH . COOH H.NH/ \NH/ a. - A 111 i n 0 - S - ü X }' V a 1 e r i a 11 s ä u r e Prolin. Alle bisher angeführten Aminosäuren sind einbasisch. Wir kennen nun zwei Dikarbonsäuren, die Asparaginsäure und die Glutamin- säure. Beide finden sich in fast allen Proteinen. Besonders die letztere kommt in großen Mengen vor. Einzelne der Eiweißstolfe der Pflanzenwelt bestehen zu einem Drittel aus Glutaminsäure. Die Asparaginsäure ist eine Amino-bernsteinsäure^): COOH COOH I I CH, CH . NH., I I " . CHo CHj i I COOH COOH Bern st ein säure Ami nobern st ein säure. Sie dreht nach links und kristallisiert in rhombischen Blättchen oder Säulen. Ihre Lösung reagiert und schmeckt sauer.-) Die l-Asparagiiisäure ist zum erstenmal von PUsson^) beobachtet worden. Als Baustein von luweißstoften wurde sie von Bitthausen und Kreussler und ferner von Hlasiioetz und Hahermann*) erkannt. Sie kommt auch frei im Drüsen- sekret von Tritonium nodosum vor. 5) Die Glutaminsäure stellt die nächste Homologe der Asparagin- säure dar. Sie ist eine Amino-glutarsäure''): COOH COOH CH., CH . NH., 1 CH., 1 (JH., 1 CIL COOH COOH Glutarsäure A minoglutar säure RittJiaiiscn"') hat die Glutaminsäure zum erstenmal festgestellt. Sie dreht nach links und schmeckt adstringierend. Ihre Lösung reagiert sauer. *) \g\. die Svntbese bei J'luf/i: Bor. d. Deutschen Chem. Gesellsoh. 19. 1(')'.I4 (1886). — Waiden und Lutz: Ebenda. 30. 2795 (1897). ') F. 251". [a] 20» = — 26"5 in salzsaurer Lösung. *) Plisson: Ann. de chim. et de phys. (2) 36. 175 (J827); 45. ;il5 (1830). *) II. Hit/hausen und Kreussler: Jouru. f. prakt. Chemie. 108. 24U (1869). — II. Illasiuetz und ,/. Ilubermann : Licbigs Annaleu. 159. 204 (1871). ^) 3/. llenze: Ber. d. Deutschen Chom. Gesellsch. 34. 348 (1901). «) Ihre Synthese vgl. Wolff: Liebig^ Ann. 260. 119 (1890). ') //. liitthaitsen: Jouru. prakt. Chemie. 99. 454 (1866). 334 XVII. Vorlesuug. Die Glutaminsäure kristallisiert in rhombisch-sphenoidiseh-hemiedrischen Kristallen.^) Wird die Glutaminsäure auf 185 — 190^ erhitzt, dann geht sie unter Wasseraustritt in die Pyrrolidonkarbon säure über 2): COOH COOH CH . NH CH . NH + Hg 0 CHo^ — >- CHo CHs CO OH CHo CO Glutaminsäure P y r r o 1 i d o n k a r b 0 n s ä u r e . Es ist wohl möglich, daß diese als Baustein von Proteinen auftritt.-^) Sie wird leicht zu Glutaminsäure aufgespalten, weshalb ihr Nachweis sehr erschwert ist. Die leichte Überführbarkeit der Glutaminsäure in Pyrrolidonkarbonsäure und umgekehrt eröffnet Beziehungen zum Prolin und damit auch zum Oxyprolin. Durch Reduktion könnte die Pyrrolidonkarbonsäure auch in der Zelle in Pyrrolidinkarbon säure über- gehen und umgekehrt die letztere durch Oxydation in erstere verwandelt werden. Die folgenden Formeln geben diese nahen Beziehungen wieder*): durch Reduktion CH2 . CH2 . CH . COOH CHo — CH., — >► CH, — CH, I I I " I " \ ^ \ ' COOH NH, — H2 0 -y CO CH . COOH CH^ CH . COOH \NH/ \NH/ Glutaminsäure a-Pyrrolidonkarbonsäure a-Pyrrolidin- -i — karbonsäure, durch Oxydation. Aus Kaseinogen ist eine Oxy-glutaminsäure der Zusammensetzung COOH . CH . CH . CH2 . COOH I I NH, OH gewonnen worden.^) Sie enthält zwei asymmetrische Kohlenstoff atome. Es sind daher zwei stereoisomere Formen möglich. Weitere Untersuchungen sind nötig, um ihre Verbreitung festzustellen. Sie scheint mit Glutamin- säure zusammen vielen Proteinen als Baustein anzugehören. *) F. 225°. [alooo= + '^4'' in wässeriger Lösuug, in salzsaiirer -|- 31"2°. ») A. Menozzil und G.Appiani: Gazz. chim. ital. 22. (2). 105(1892); 24. (1). 370 (1894). — Emil Abderhalden und Karl Kaiitzsch: Zoitschr. f. phvsiol. Chemie. 64. 447 (1910): 68. 487 (1910); 78. 333 (1912). *) Emil Abderhalden und Karl Kautzsch: 1. c. (Fußnote '). *) Emil Fischer und Rctjinald Bochner: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 44. 1332 (1811). — Vgl. auch Emil Abderhalden und Karl Kautzsch: 1. c. (Fußnote 2). — Emil Abderhalden und Rudolf Hanslian: Zeitschr. f. physiol. (Chemie. 81. 228 (1912). *) H. D. Dakin: Biochena. Jl. 12. 290 (1918). Eiweißstoff'e und ihre Bausteine. 335 Von der Asparaginsäure und der Glutaminsäure kommt im Pflanzen- reich im freien Zustande das Säureami d vor. Das Amid der ersteren Ver- bindung, das Asparagin, hat die folgende Konstitution: COOK CO . NH2 I 1 €H . NH, CH . NH., I I CH2 CH, I i " COOIi COÜH Asparaginsäure Asparagin. Asparagin ist zuerst in Spargelsprößlingen aufgefunden worden. 1) Es ist im Pflanzenreich ganz allgemein verbreitet. Es ist in Knospen, Laub- trieben, in Knollen, Zwiebeln usw. gefunden worden. In Keimen, die ohne Belichtung gelassen werden, findet starke Anhäufung von Asparagin statt. Es dreht nach links und kristallisiert in großen, rhombischen, linkshemie- drischen Kristallen. Das Glutamin wurde von Schuhe und Barbieri'-) in Kürbiskeim- lingen entdeckt. Es hat folgende Konstitution''): COOH COOH I NH., CH . NH., i:H CH2 CH9 I I " ■ CHg CHo I I " COOH CO . NHo Glutaminsäure Glutamin. Das aus Keimlingen isolierte Glutamin dreht nach rechts. Es kristalli- siert in farblosen, rhombischen Tafeln. Es ist die MögHchkeit gegeben, daß Asparagin und Glutamin Bau- steine der Proteine oder doch mancher Proteine sind. Für das Vorkommen von Glutamin als Eiweißbaustein kann vielleicht die Feststellung verwertet werden, daß der Mensch nach Zufuhr von Phenylessigsäure Phenyl- azetylglutamin im Harn ausscheidet. Sie erscheint zum Teil als solches, zum Teil mit Harnstoff gekuppelt.*) Ferner spricht für ein Vorkommen von Amiden und insbesondere von Glutamin im Eiweiß die Beobachtung, daß zwischen dem bei der Hydrolyse von Proteinen frei werdenden Ammoniak *) Delaville: Ann. de chim. et de phys. 41. 298 (I8i)2). — Robiquct juii. Ebenda • 55. 152 (1905). — VaqueUn und Robiquet jun.: Ebenda 57. 88 (19Ü5). ') E. Schulze und J. Barbieri: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 10. 199 (1877): 11. 712 (1878). ») Vgl. H. Thier fehler: Zeitschr. f. physiol. Chem. 114. 192 (1921). *) H. Thierf eider und C. P. Sherwin: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 47. 2630 (1914) — Vgl. auch C. P. Sherwin und W. Wolf: The J. of biol. chem. 37. 113 (19191. 336 XVII. Vorlesung. und dem Gehalt an Dikarbonsäuren und insbesondere an Glutaminsäure enge Beziehungen bestehen, i) Außer den hier angeführten Aminosäuren sind noch mehrere als Bausteine von Proteinen besehrieben worden. Es ist jedoch bis jetzt keine davon eindeutig festgestellt worden. Eine Verbindung von der Zusammen- setzung Cio H.,6 No Oy ist aus Kasein erhalten worden."-) Es ist fraglich, ob diese Aminosäure ein primäres Abbauprodukt darstellt. Wir werden auf die Frage, ob wir schon alle am Aufbau der Proteine beteiligten Amino- säuren kennen, noch zurückkommen. Hier sei nur erwähnt, daß Beobach- tungen vorliegen, die darauf hindeuten, daß noch unbekannte Bausteine vorhanden sind. Ihre Zahl dürfte jedoch nicht groß sein. Es ist wohl möglich, daß manche Proteine durch besondere Bausteine ausgezeichnet sind. \oY allem bedürfen noch die schwefelhaltigen Abbauprodukte erhöhter Aufmerksamkeit. Manche Proteine enthalten außer den Aminosäuren als Baustein noch das bereits besprochene^) Olukosamin: |\H H- -C— NH., (M 1 H- -C-OH 1 H- -C— OH GH., OH Das Glukosamin ist vor allem in den Müzinen, Mukoiden, ferner im Eieralbumin und in Serumeiweiß nachgewiesen worden. Friednc/i Müller^) erkannte es zuerst als Baustein der Müzine. Das Glukosamin kristallisiert in feinen Nadeln. Es dreht nach rechts, ist leicht löslich in Wasser und reduziert Metalloxyde in alkalischer Lösung. Es ist auch heute noch nicht ganz aufgeklärt, in welcher Art und Weise das Glukosamin in das Molekül der erwähnten Proteine eingefügt ist. Es ist gelungen aus Müzinen und Mukoiden Verbindungen abzutrennen, die aus Schw^efelsäure, Glukuronsäure und Glukosamin bestehen. An Stelle der letzteren Verbindung ist auch eine andere ihm sehr ähnliche Verbindung, nämlich d-Lyxohexosamin aufgefunden worden. Levene und Mitaibeiter •') unterscheiden zwei Arten von Verbindungen, zusammen- ') Vgl. u. a. //. 'Jhicrl'cldrr und E. r. ('ramm: /eitschr. f. physiol. Chemie. 105. r)8 (iyi9). -) Emil Fischer und Kiiiil Abderhalden: Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 42. 510 (1904). =•) S. 42. *) Friedrich Müller: /eitschr. f. Biol. 42. 4GS (1901). — Vgl. auch Eeo Langstein: Kr-ehnisse der Physiol. 1. (53 (1902); 3. (1). 453 (1904). ^) Vgl. P. A. Lerene und ./. Lopez — Stiärez: The ,lourn. of biol. ehem. .36. 105 (1918). — /'. A. Levene: Hexosamines, their derivates, and mucins and mucoids. Mouographs (if the Rockefeiler Institute for medical Research. New-York 1922. Eiweißstorte und ihre Bausteiue. 337 gesetzter Natur, nämlich Mukoitinschwefelsäure und Chondroitin- schwefel säure. Für die erstere Verbindung ist die folgende, noch nicht in allen Teilen bewiesene Strukturformel aufgestellt worden: Schwefel- CH2.OH säiiregruppe 1 OH . 80, . 0 . CH I CH 0 ! OHH H . C . OH I H.C.NH. I CH 0 CH, . OH Glukosainin- gruppe Azetyl- gruppe CO . CH3 OH . SO2 . 0 . CH I CH 0 HC . C . C . C . C . COOH H OH H H — 0- OHH H . C . OH I H . C . NH . CO . CH, I — CH I 0 0 HC . C . C . C . C . COOH HÖH H H Glukuronsäuregruppe Mukoitinschwefelsäure. Der Chondroitinschwefelsäure wird eine entsprechende Struktur zuerkannt, nur findet sich an Stelle des Glukosamins das d-Lyxohexosamin. Es sei von der Strukturformel nur der von der für die Mukoitinschwefelsäure aufgestellten abw^eichende Teil wiedergegeben: Schwefel- säuregruppe CH, . 0 . SO, . OH a TJl O ). — E. Fabian: Zeitschr. f. physiol. Chem. 27. 167 (1899). ••') Vgl. S. .S36. *) Vgl. u. A.: L. r. Udrdnsky: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 11. 537 (1887): 12. 355 u. 377 (1887). — 0. Schmiedeber (/: Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 39. 1 (1897). — F. Samiieli/: Hofmeisters Beiträge. 2. 355 (1902). — B. v. Reinbold: Pflüger?, Archiv. 103. 581 (1904)'. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. ;)H9 ist noch nicht aufgeklärt. Diese Substanzen verdanken sicher sekun- dären Zersetz una:en ihre Entstehung, blanche Aniinosänren, wie z. ß. das Tryptophan, werden ieiclit zersetzt. •) Tryptophan ist die Muttersubstanz der Melanoidine.-) lluminsubstanzen bilden sich dann, wenn Kohlehydrate zugegen sind. Auch Glukosamin liefert mit Aminosäuren zusammen er- hitzt solche Produkte. Aus dem Befunde von lluminsubstanzen wollte man den Schluß ableiten, daß im Proteinniolekül Kohlehydrate enthalten seien. ^) Es ist jedoch bis heute nicht geglückt, außer dem Glukosamin Kohlehydrate mit Sicherheit als Baustein der Proteine festzustellen, wenn auch Befunde vorliegen, die im Sinne des Vorkommens von solchen im Eiweiß sprechen.^) Nicht selten sind Proteinen Kohlehydrate nur beigemengt. Namentlich die aus Pflanzen gewonnenen Eiweißstoife sind oft stark mit Kohlehydrate führenden Substanzen verunreinigt. Man kann diese leicht erkennen, indem man zu der Lösung des betreffenden Proteins einige Tropfen einer alkoholischen Lösung von a-Naphthol zufügt und dann vorsichtig mit konzentrierter Schwefelsäure unterschichtet. 'j) Es tritt an der Berührungs- stelle beider Schichten eine violette Färbung auf. Diese Reaktion ist außer- ordentlich emplindlich.''') ') F. G. Hopkins uud .V. W. ('nie: Jnuru. of Physidl. 27. 418 (1901). — Sidneif W. Cole: Ebenda. 30. 311 (1903). — Emil Abderhalden und Martin Kenipe: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 52. 207 (1907). 2) O. Fürth und Fr. Lieben: Biochem. Zeitschr. 116. 224 (1921). ^) Vgl. zu dieser Frage Leo Lanqstein: Ertrehnisse d. Physiol. 1. 63 (1902): 3 (1). 4ö3 (1904). *) Jjeo Langstein: Biochem. Zeitschr. 127. 34 (1922). 5) Reaktion nach Molisch. IL Molisch: Monatsheft f. Chem. 7. 198 (1888). ^) Vgl. über die dieser Reaktion zugrunde liegenden Vorgänge: Carl Nenberg : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 31. 564 (1990'01). 22* Vorlesung XVIII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 2. Aminosäuren. Die Art ihrer Verknüpfung im Eiweißmolekül. Peptone. Polypeptide. Wir haben die Struktur der am Aufbau der Proteine beteiligten Aminosäuren im Zusammenhang mit den ersten sechs GHedern der Reihe der gesättigten Fettsäuren besprochen. Einige davon sind a-Aminoderivate der entsprechenden Fettsäuren, andere enthahen an anderen Kohlenstoüf- atomen eine zweite Aminogruppe oder einen anderen Rest. Nur die beiden zweibasischen Verbindungen Asparaginsäure und Glutaminsäure und die heterozyklischen Iminosäuren Prolin und Oxyprolin gehören anderen Reihen an. Die Kenntnis der Konstitution der einzelnen Aminosäuren ist deshalb unumgänglich notwendig, weil nur sie uns gestattet, den Abbau jeder einzelnen im Zellstoflt'wechsel zu verfolgen. Eine ganze Reihe von Ver- bindungen, die teils im Darmkanal, teils in den Geweben und ferner im Harn auftreten, können wir mit ganz bestimmten Aminosäuren in direkte Beziehung bringen. Ist die Struktur der einzelnen Aminosäuren bekannt, dann bereitet es keine Schwierigkeiten, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Stoti'wechselz wischen produkten und ihnen klar zu über- sehen. Es seien im folgenden die einzelnen Aminosäuren übersichtlich zusammengestellt, und zwar unter Berücksichtigung der Konfiguration, soweit diese bekannt ist (Alanin und seine substituierten Abkömmlinge): GH., .COOK bzw. 1 . coo bzw. GH., 1 .COO 1 NH2 NH,- NH« H Aminoessigsäure = Glykokoll. Eiweißstoffc und iiire Bausteine COOH GOCH i I NH2 . C . H NH2 . C . H 1341 CH3 d-a-A rainopropion- säure— d-Alanin(l) CH2 . ( )H 1- 7.- A m i n 0- ß-o x y- propionsäure =:1-Serin(l) C()()H I NH., . C . H I CH, . SH 1-a-Amino-ß- thio-propion- säure = Zystein (1). C(X)H COOH CH3 I CH, I CH . NH2 COOH d-a-Amino- butteisäure (d-5c-Amino-ß-methyl-propionsäure) CH, 1 .NH, 1 CH, 1 CH2 1 CH. NH, COOH x-Amino-^-amino- n-valeriansäure = Ornithin NH, . C . H NH2 . C . H ! I CH, . S— 8 . CH, l-Di-(a-amino-ß-thio- propionsänre=lZystin(l). CH3 CH3 CH I CH . NH, i COOH d-7.-Amino-iso-valeriansäure=: d-Valin (d-a-Amino-ß-dimethyl-propionsäure) CH, . NH . C =1 NH i I CH2 NH, CH, CH . NH, I COOH d-z-Amino-<^-guanidino-valeriaii- säure = d-Ar2:inin. *) Die eingeklammei-ten Verbimlungeu siud bei der Hydroljse der Proteine nicht erhalten worden. Sie sind entweder, wie das Ornithin und Zystein, Bestandteil bestimmter Aminosäuren oder wie die Pyrrolidonkarbonsiiure noch nicht sicher nachgewiesen. a42 XVIII. Vorlesuno'. CH3 I CH., ! CH, CH2 CH . NH., I COOH d - a - A mi n o - n - k II p r 0 n s ä u r e = d-Norleuzin (a-Amino-ß-propyl-propionsäurc) CH3 CH3 \/^ CH I CH, CH . NH, I COOH l-a-Aniino-isobutylessigsäure = 1-Leuzin (a-Amino-[i-isoproi)yI-pi"opiüiisäure) CH NH., . C . H HC HC C— CH (H.. l-x-Ainino-y-pheDyl-pro- pionsäure=:l-Plienylalanin C . OH HC HC CH C CH COOH 1 Nil, .CH CH, l-a-Amino-ß-p-oxy-phenyl- propionsäure=:l-Ty rosin. CH, . NH, CH, CH, CH, I CH . NH, I COOH d-a-A m i n o-s- a m i n o-n-k a p r 0 n- säure = d-Lysin. CH3 C3H5 \/ CH I CH.NH, COOH d-a-A m i n o-[i-in e t h y l-[i-ät h y 1- propionsäure = d-Isoleuzin. HC HC C.OH '^Nc.OH C- CH COOH I NH., . C . H " I CH. 8, 4-Dioxyphenylalanini) .1 .( HC (! . OH C I COOH I NH, . C . H CH C- CHo a-Ainino-fi-H. ö-dijod-p-oxy- pheny l-propionsäure = 8, ö-Dijodtyiosin = Jodgor- gosäure'-) ^) Noch fraglich, oli Kiwciiibaustein. *) Carl Th. Mörner hat aus Priuinoa-Gorgoniu eiuc Biomgorgosäure = 3, 5- Dibrom-tyrosi n dargestellt. [Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 88. 124 (1U13)]. Eiweißstoftc uud ilire Bausteine. 34H HC HC CH -Cs C(K>H NHo.C.Il — C.CH, CH HC^N: COOK (..OH NFI,.C.H -C.CH, CH l-y--A m i nö-|i-i n d o 1-p r o p i o n s ä u r e = l-Tiyptophan. HC^^C\^jj/CH CH \-y. -Amin o-ß-o x y-i n d o 1-p r o p i o n ■ säure = l-()xy-tryptoph an COOK NH— CH NH. . (^ H HC \ -C -CH., l-a-Amino-;i-imidazolyI-propionsäure = 1-Histidin. H, C; CIL Ho C CH.COOH NH 1 -a-l*yr 10 Hd in kar hon- säure = 1-Prolin COOH CH, I CH . NH, I COOH l-Amino bernsteinsäure = 1-Asparajj,insäure COOH CH., I CH.OH I CH . NH, COOH ß - (J X y "S" 1 u t a ni i n s ä u r e HO . HC: ^CHs H, C. /CH.COOH NH 1-y-Oxy-a-pyrrolidin- karbonsäure = I-Oxyprolin. COOH I CH., CR, I CH . NH, COOH d-Aminoglutarsäure ::= d - G 1 u t a m i n s ä u r e . H, C CH, I I oc eil .COOH \/ NH PyrroHdonkarl)on- säure. 344 XVllI. Vorlesung. CO . NH2 CH, CHo CH.NH2 1 COOK Glutamin. Die Bausteine der Proteine können nach ihrer Art und ihrem C4e- halt an einzelnen Gruppen in der folgenden Weise eingeteilt werden. I. Aminosäuren der aliphatischen Reihe. 1. Monoamino-monokarbonsäuren. Dahin gehören alle jene Aminosäuren, die eine Aminogruppe tragen und Monokarbonsäuren sind: Glykokoll, Alanin, Aminobuttersäure, Valin, Isoleuzin, Leuzin, Norleuzin. Das Serin, das auch hierhin gehört, ist weiterhin durch den Gehalt einer Oxygruppe ausgezeichnet. Es ist eine Monoamino-mono-oxy- monokarbonsäure. Das Zystin besteht aus zwei Molekülen Zystein, das als eine Monoamino-monothio-monokarbonsäure aufzufassen ist. 2. Diamino-monokarbonsäuren. Diese enthalten außer einer Karboxylgruppe zwei Aminogruppen. Hierher gehört das Lysin. Eine Gruppe für sich bildet das Arginin, das neben einer Aminogruppe noch die Guanidinogruppe enthält. Es wäre als eine Monoamino-monogu- anidino-monokarbonsäure zu bezeichnen. Da sich Arginin und Lysin in vielen ihrer Eigenschaften sehr ähnlich sind, z. B. ähnliche Fällungs- verhältnisse aufweisen und beide alkalisch reagieren, hat man sie auch zusammen Diaminosäuren genannt. 1) Diese Bezeichnung ist insofern auch gerechtfertigt, als das Arginin außer der in a-Stellung befindlichen Aminogruppe auch in der Guanidinogruppe eine freie Aminogruppe trägt. Erwähnt sei, daß früher auch das Histidin zu den Diaminosäuren hinzu- gerechnet worden ist. 3. Monoaniino-di-karbonsäuren: Hierher gehören die beiden zweibasischen Aminosäuren Asparagin säure und Glutaminsäure. Hier reiht sich als Oxysäure die Oxy-glutaminsäure an. II. Aminosäuren der aromatischen Reihe. A. Angehörige der homozyklischen Reihe. Diese Gruppe enthält nur Monoamino-monokarbonsäuren, nämlich das Phenylalanin und das Tyrosin. Das letztere ist eine Monoamino- ') Vielfach ist auch der Name Hexoubasen gebräuchlich. Eiweißstnrto imd ihre Bausteine. 345 mono-oxy-monokarbonsäure. Ferner gehören hierher das o, ö-Dijod- tyrosin und das 3, ö-Dihrom-tyrosin. B. Angehörige der heterozyklischen Reihe. Auch die Vertreter dieser Körperklasse sind Monokarbonsäuren. Sie umfaßt die Monoamino-monokarbonsäuren: Tryptophan und Hi- stidin und die Monoamino-mono-oxy-monokarbonsäure (Jxy- tryptophan. Ferner gehören hierher die Monoiniinomonokarbon- säure Prolin und die Monoimino-mono-oxy-nionokarbonsäure Oxyprolin. III. Bausteine der Proteine, die keine Aminosänren sind. Wir kennen bis jetzt als Vertreter dieser Gruppe nur das Gluko- samin und das Ammoniak. Die einzelnen Aminosäuren haben viele Eigenschaften miteinander gemein. Nur die zweibasischen Verbindungen haben einen ausgesprochen sauren Charakter und die Diaminosäuren einen basischen. Die übrigen Aminosäuren haben einen doppelten Charakter, indem einerseits die Aminogruppe und andrerseits das Karboxyl sich geltend machen kann. Wir haben bereits erwähnt, daß die Aminosäuren sich verestern lassen. Wir gelangen dann zu Verbindungen, die 'ihrer Struktur nach den Fetten entsprechen, nur ist hier statt einer Fettsäure eine Amino- fettsäure mit einem Alkohol esterartig verknüpft. Ferner bilden die Aminosäuren Salze. Das Kupfersalz der einzelnen Aminosäuren ist besonders oft zur Trennung von Aminosäuren verwendet worden. Wir haben ferner schon der interessanten Beobachtung gedacht, daß die Aminosäuren sich mit Neutralsalzen verbinden. \) Endlich sei nochmals bemerkt, daß die Aminogruppe der Aminosäuren sich leicht mit Säure- radikalen verknüpfen läßt. Es sind zahlreiche derartige Verbindungen gewonnen worden. Manche davon sind besonders geeignet, um bestimmte Aminosäuren zu charakterisieren. Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, daß die Aminosäuren mit Harnstoff sogenannte üraminosäuren bilden. Kocht man Amino- säuren und Harnstoff zusammen in wässeriger Lösung, dann entweicht Ammoniak, und es bildet sich die erw^ähnte Verbindung. Sie besitzt am x-Kohlenstoffatom an Stelle der NH-^-Gruppe die NH . CO . NHj- = Ur- aminogruppe. Die Bezeichnung dieser Verbindungen ergibt sich ganz von selbst. Sie sind 7.-Uraminoverbindungen.2) Es sei als Beispiel das Alanin gewählt: CH3 .CH. COOH NH,. >C0 + NH/ CH3.CH. COOH 1 — 1 + NH3, NH., NH . CO . NHo Alanin H arnstoff V reinprop ansäure: =:a-Ura- m i n 0 ]) roj)ionsäure ') Vgl. S. 314. «) Fritz Lippich: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 39. 2953 (4906); 41. 2953. 2974 (1908). — Vgl. auch iralter Weiland: Biochem. Zeitschr. 38. 385 (1911). 346 XVIII. Yorlesmig. oder allgemeiner dargestellt, wobei R den Rest der Kohlenstottlvette be- deutet: R CüOH , NHav.,^ ^/COOH ^NH, + Nh'>^ '^ - ^\Nh" CO . NHo + ^^' Erwärmt man eine solche Uraminoverbindung mit verdünnter Mineralsäure, dann erhält man das Anhydrid der Verbindung, auch Hvdantoin ":enannt: P/COOH ^\NH . CO . NH2 " a-Uraniinosäure H,0 ^\NH . CO . NH Hvdantoin. Sehr interessant ist ferner die Beobachtung von Siegfried 1), daß Aminosäuren Kohlensäure unter Bildung von Karbaminosäuren binden krmnen. Sättigt man z. B. eine wässerige Lösung von Glykokoll unter Kühlung mit Kohlensäure, so entsteht Glykokollkarbonsäure. Sie läßt sich durch Zusatz von Kalkmilch zu dem Reaktionsgemisch als Kalksalz abscheiden : CHo . COOH /OH I +cfo ■ NH^ \0H Glykokoll CHo . COOH .OH H2 0 — >► i + Ca< — 2 H, 0 — y NH .COOH \0H Glykokollkarbonsäure CH2 . COO. I ■ >Ca NH .CHXK Glykokoll karbon- saures Kalzium. Aus der Monokarbonsäure Glykokoll ist eine Dikarbonsäure ge- worden. Die Aminodikarbonsäuren liefern Aminotrikarbonsäuren: COOH I CH . NH., CH., COOH I ('H . NH . COOH I CH., COOH Asparaginsänre COOH Karbamino-bern stein säure. Endlich sei noch erwähnt, daß die Aminosäuren sieh zu Aldehyden reduzieren lassen: ,^ O R . CH . COOH -h 2 H = R . CH . Cf , , + H.. O. I I NH., NH, ') M. Siegfried: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 44. 85 (1905); 46. 401 (1905). .)/. Siegfried und H. Schmitz: Ebenda. 65. 'J95 (1910). EiweißstofiV und ihre Bausteine. ;-J47 80 ist z. B. aus Glykokoll diircli Reduktion mit Natiiumamalj^ani der Aininoazetaldeh yd. NU.j . CHo . C^jj, erhalten worden. \) Wie wir schon erwähnt halten, zeij^en die verschiedenen Amino- säuren mit wenig Ausnahmen entsprechend ihrer gleichartigen Struktur recht ähnliche Eigenschaften. Dieser l'mstand erschwert ihre Gewinnung ganz außerordentlich. Dazu kommt noch, dalj ihre Eigenschaften nur dann scharf zum Ausdruck gelangen, wenn sie vollständig rein sind. Geringe \'erunreinigungen beeinflussen z. ß. die Löslichkeitsverbältnisse sehr stark. Ferner haben die Aminosäuren die unerwünschte Eigenschaft, leicht Misch- kristalle zu bilden, ja man beobachtet zuweilen Kombinationen salzartigeii Charakters zwischen Tyrosin und Lysin und vielleicht auch zwischen anderen basischen und sauren Aminosäuren. Dieses Verhalten der Amino- säuren läßt es leicht erklärlich erscheinen, weshalb die einzelnen Bausteine der Proteine erst allmählich erkannt wurden. Man entdeckte sie meistens in einer bestimmten Proteinart nur dann, wenn sie in besonders großer Menge unter seinen Abbauprodukten auftraten. Für einige Aminosäuren wurden auch bestimmte Derivate oder Salze entdeckt, die zu schwer löslichen, für diese charakteristischen Verl)indungen führten. So läßt sich z. B. die Glutaminsäure als salzsaures Salz gut abscheiden -), weil dieses in Salzsäure schwer löslich ist. Auch Farbreaktionen waren manchmal leitend. Es sei z. B. an die Bromreaktion des Tryptophans erinnert. Endlich kennen wir Aminosäuren, die an und für sich so schwer löslich sind, daß sie sich relativ leicht von den übrigen Bausteinen der Proteine abtrennen lassen. So kann z. B. das sehr schwer lösliche Tyrosin leicht erkannt werden. Auch das Leuzin löst sich schwer in Wasser. Schließlich lassen sich ein- zelne Aminosäuren auch auslallen. So haben Hopkins und Coh'^) das Tryptophan durch Fällung mit Merkurisulfat in schwefelsaurer Lösung in reinem Zustand isolieren können. Mit der Feststellung, daß eine größere Anzahl von verschiedenen Aminosäuren aus Efweißstoffen verschiedener Art erhalten werden können, war für die Kenntnis der Zusammensetzung der einzelnen Proteine noch nicht viel gewonnen. Es bestand die Möglichkeit, daß die einzelnen Eiweiß- stoffe sich durch die Art der an ihrem Aufbau beteiligten Aminosäuren unterscheiden. Es konnte aber auch sein, daß sie alle die gleichen Bau- .steine aufweisen. Es ist klar, daß unter dieser Unsicherheit die ganze Er- forschung der Chemie und der Physiologie der Proteine leiden mußte. Für bestimmte Aminosäuren wurden im Laufe der Zeit allgemein brauchbare Methoden zu ihrem Nachweis und auch zur annähernd (|uantitativen Be- «timmung ausgearbeitet. Tyrosin wird als schwer lösliche Aminosäure abgetrennt. Allerdings macht ihre quantitative Bestimmung oft große Schwierigkeiten, weil diese Aminosäure von anderen in Lösung gehalten wird. Die Glutaminsäure läßt sich, wie schon bemerkt, als salzsaures ') Carl Xeuhcr/) : Bor. .1. Di-ntsrh. Clioiu. Ges. 41. S)öt; (1908. — h'mil n.s-c/icr : Ebenda. 41. 1019 (1908). -) //. Jiifthansen: .Iduni. f. prakt. Chemie. 99. 454 (186(5). — //. lUasunt: und J. Hahermann: Lichiq?, Aunalen. 169. 150 (1S73). ■•) /•'. (i. Hopkins und >'. W. Colc: ,lourn. of physiol. 27. 41.S (19(H). 348 XVIII. Vorlesung. Salz abscheiden. Für die Verbindungen Lysin, Arginin und Histidin haben Kossei und Kutscher'^) ein Verfahren ausgearbeitet, um sie zunächst ge- meinsam auszufällen und dann weiterhin jede einzelne Aminosäure für sich zu isolieren. Es beruht darauf, daß die erwähnten Aminosäuren mit Phosphorvvolframsäure fälll)ar sind. Es fehlte nur noch eine Methode, um die übrigen Aminosäuren, wie Glykokoll, Alanin, Serin usw. auch dann aufzufinden, wenn sie nicht in besonders großen Mengen vorhanden sind. Diese empfindliche Lücke füllte Emil Fischer'^) aus, indem er die soge- nannte Estermethode zum Nachweis von Monoaminosäuren aus- arbeitete. Dem Nachweis der einzelnen am Aulbau der Proteine beteiligten Aminosäuren muß zuerst die Hydrolyse des zusammengesetzten Pro- duktes vorausgehen. 3) Die Spaltung muß eine vollständige sein. Ge- w(>hnlieh kocht man die Proteine mehrere Stunden mit rauchender Salzsäure oder mit 25o/oioer Schwefelsäure. Man kann auch Fermente zur Hydrolyse anwenden. Aus der stark verdünnten Lösung werden dann die drei Verbindungen Lysin, Arginin und Histidin mit einer Lösung von Phosphorwolframsäure gefällt. Aus dem Filtrat der Fällung entfernt man den Überschuß des Fälhmgsmittels mit Baryt. Vom phosphorwolfram- sauren Baryt wird abfiltriert, aus dem Filtrat der überschüssige Baryt mit Schwefelsäure quantitativ entfernt und nunmehr das Filtrat vom schwefel- sauren Baryum vollständig eingedampft. Um Zersetzungen zu vermeiden, verdampft man bei niederer Temperatur unter gleichzeitiger starker Luft- verdünnung innerhalb des Verdampfungsgefäßes. Jetzt führt man die im ^'erdampfungsrückstand befindhchen Aminosäuren in die salzsauren Ester über. Das Verfahren ist das schon bei der Gewinnung des Gykokoll- äthylesterchlorhydrates geschilderte. Der Rückstand wird mit absolutem Alkohol Übergossen und in diesen trockenes Salzsäuregas bis zur Sättigung eingeleitet. Hierbei gehen die Aminosäuren unter Entstehung ihrer Ester in Litsung. Die Bildung der Ester bzw. zunächst ihrer Chlorhydrate ist aus der folgenden allgemeinen Formel ersichtlich: R . CH . COOH + HO . C, H5 + H Gl = R . CH . CO . (> . C, H, ^ H, O. NH2 NH, . HCl Amino- Äthyl- Aminosäure- säure alkohol esterchlor- hydrat. Glykokollesterchlorhydrat kristallisiert bei genügender Konzen- tration der Lösung direkt aus. Zur Trennung der übrigen Aminosäuren ist es notwendig, aus den Esterchlorhydraten zunächst die freien Ester darzustellen. Man kann die Ester auf verschiedene Weisen in Freiheit setzen, z. B. mit Natronlauge: ») A. Kossei und 7«'. Ku/scJier: /eitschr. f. physiol. (Jhciiiio. 31. 165 (1900/01). ■■') Emil Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 33. 151 (1901). •') Vgl. hierzu Emil Fischer: Untersuchuugeu usw. 1. c. S. 33.i. — Eviil Abder- halden: Neuere Ergebnisse der Kiweißcheniie. Gustav Fischer. Jena 1909. EiueiÜstoffc und ihre Bausteine. H49 K . CH . CO . () . C.,H, + Xa((>H) = K . ClI . CO . O . l'.Al, + NaCl + H, () NH, . HCl NU, A iiiinosäureester- Aniinosäure- chlorliydrat ester. Die meisten der Monoamino-nionokarbonsäureester lösen sich leicht in Äther. Sie werden mit diesem aufgenommen und dann durch Ver- dampfen des Äthers in reinem Zustande erhalten. Die Ester stellen Flüssig- keiten mit bestimmtem Siedepunkt dar. Leider liegen diese nicht für alle Aminosäureester weit genug auseinander, um jeden einzelnen für sich durch Destillation isolieren zu können, wohl aber ist es möglich, bei der Destillation unter vermindertem Druck Fraktionen aufzufangen, die nur drei bis vier verschiedene Aminosäuren enthalten. Aus den Estern der Aminosäuren gewinnt man diese selbst durch Verseifen mit Wasser zurück: R . CH . CO . 0\ C, H5 + H, 0 = R . CH . COOH -f C, H^ . OH I " " " I NH., NH, Aminosäure- Amine- Äthyl- äthylester säure alkohol. Mittelst fraktionierter Kristallisation, der Darstellung von Derivaten und von Salzen wird nun das aus jeder einzelnen Destillations- fraktion gewonnene Aminosäuregeraisch in seine Anteile zerlegt, nachdem man vorher das in absolutem Äthylalkohol lösliche Prolin mit diesem Lösungsmittel abgetrennt hat. Diese kurze Schilderung der Methodik der Isolierung der einzelnen Aminosäuren soll zeigen, welche l'mv.ege notwendig sind, um sie alle zu erkennen. Es ist klar, daß eine derartige ^lethode nicht quantitativ sein kann. Einmal sind Verluste bei den zahlreichen Operationen unvermeidlich. Dazu kommt, daß bei der Esterbildung sich ein Vorgang vollzieht, der es ganz unmöglich macht, die Aminosäuren quantitativ in ihre Ester überzuführen, es ist dies das sich bildende Wasser. Endlich bewirkt die Art der Infreiheitsetzung der Ester aus ihren Chlorhydraten, daß stets ein Teil der Ester wieder verseift wird, ehe eine Aufnahme in den Äther erfolgt ist. Schließlich verläuft die Destillation der Ester nicht ohne Zer- setzung. Diese Erfahrungen und Überlegungen mußten zu der Frage führen, inwieweit die Anwendung der Estermethode vergleichende l'ntersuchungen über die Beteiligung der einzelnen Amino- säuren am Aufbau verschiedener Proteine zuläßt. Die Erfahrung ergab, daß zwar den Ausbeuten an den verschiedenen Aminosäuren keine quantitative Bedeutung zukommt, daß man jedoch bei ein und demselben Protein bei gleichartiger Durchführung der Estermethode stets annähernd die gleichen Werte erhält. Bei den meisten Proteinen erreichte die Menge der identifizierten Aminosäuren nur etwa nO— GO" 0 ') der zu erwartenden ') Mau darf hei der Berechuuug des I'rozentgelialtes der isolierteu Aminosäuren ihre Mengen nicht einfach addieren, denn hei der Hydrolyse des Proteins ist Wasser aufgenommen worden. Dieses muß in Ahzug gchracht werden. 350 XVllI. Vdilesiing. Bausteine.') Sollte ein großer Teil der am Aufbau der Proteine beteiligten Bausteine noch unerkannt sein V Zur Entscheidung dieser wichtigen Frage ^vurden reine Aminosäuren einzeln und dann in Mischungen verestert, die Ester in Freiheit gesetzt und destilliert. Die Destillate wurden dann verseift und schließlich jede Aminosäure, die verwendet worden war, mög- lichst quantitativ zurückgewonnen. Es zeigte sich, daß l)is 400/0 Verluste eingetreten waren. Daraus ergibt sich mit großer Wahrscheinlich- keit, daß der bei weitem gr()ßte Teil der Bausteine der Proteine bekannt ist.^) Es sei gleich hier vorweg genommen, daß weit über hundert ver- schiedene Eiweißstoffe nach den Verfahren von Kosf^el und Knfsrher und Kmil Fischer untersucht worden sind. Es ergab sich die wichtige Tatsache, daß mit ganz wenig Ausnahmen — sie werden hauptsächlich durch die Gruppe der Protamine bedingt — die verschiedenartigsten Proteine die gleichen Aminosäuren enthalten. kSib unterscheiden sich zunächst dadurch, daß die einzelnen Aminosäuren in ver- schiedenem Mengenverhältnis vorhanden sind. Einzelnen Proteinen fehlt die eine oder die andere Aminosäure. Wir haben die Eiweißkörper als zusammengesetzte, im kol- loiden Zustand vorkommende Verbindungen charakterisiert, an deren Aufbau Aminosäuren beteiligt sind. Wir können diese, genau so, wie die Monosaccharide bei den Kohlehydraten und die Fettsäuren und den Alkohol bei den Fetten, als Bausteine der Proteine bezeichnen. Mit der Er- kenntnis, daß bei der vollständigen Spaltung der Proteine unter Wasser- aufnahme Aminosäuren sich bilden, kimnen wir uns nicht begnügen. Wir möchten gerne wissen, wie die einzelnen Bausteine im Eiweiß- molekül untereinander verknüpft sind. Verfolgt man den Abbau der Eiweißkörper durch Säuren, Alkalien und Fermente genauer, dann läßt sich leicht feststellen, daß die Hydrolyse stufenweise vor sich geht. Es bilden sich Produkte, die sich vom Eiweiß dadurch scharf unterscheiden, daß sie nicht mehr kolloiden Charakter haben. Sie enthalten jedoch noch mehrere Aminosäuren gebunden. Werden solche Substanzen abgetrennt und weiter gespalten, dann gelangt man schließlich auch zu Aminosäuren. Es ist versucht worden, derartige, noch zusammengesetzte Abbaustufen zu isolieren und zu reinigen. Eine ganze Reihe von Forschern haben Methoden erdacht, um möglichst einheitliche Produkte zu gewinnen. Man hat zunächst das große Gemisch der noch zusammengesetzten Abbaustufen der Proteine in zwei Gruppen eingeteilt, nämlich in Albumosen und Peptone. Jede dieser Gruppen läßt sich in weitere Bestandteile trennen. Als Trennungsmittel sind hauptsächlich gesättigte Xeutralsalzlösungen angewandt worden. Kühne war der erste, der begann, die Abbaustufen der Proteine systematisch durch Aussalzen zu trennen. Dieses Verfahren ist dann besonders von Hofmeister. Ncnmcister, Siegfried, Pick, Haslwn, Zum u. A.s) weiter ausgearbeitet worden. Unter dem Namen Albumosen ') Vgl. hierzu 'Ihomas B. Oshorne und Breese Jones: Amer. Jouiii. of Pbysiol. 26. 305 (1910). — Emil AhderJiaJden und Arthur Weil: Zeitschr. f. phvsiol Chemie. 74. 455 (1911); 77. 59 (1912). ^) Vgl. auch Fmü Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 120. 207 (1922). •■') Vgl. ir. Kühne: Verband], des naturhistor. med. Vereins zu Heidelberg. N. F. 3. 2S5 (l«8o). — IC. Kühni' und R. II. Chittenden: Zeitschr. f. Biologie. 20. 11 (1884). — KiiweilSstottc iiud ihre Bausteine. )Mi]. wurden alle jene Produkte zusamniengefaßt, die sich z. B. mit Aminonsulfat- bzw. Zinksulfatlösung oder auch Kochsalzlösung aussalzen lassen. Fügt man zu einer Lösung von zusammengesetzten Eivveißabbaustufen eine Neutralsalz- lösung, dann beobachtet man bei einem bestimmten Grade der Sättigung eine Fällung. Filtriert man diese ab, so zeigt das Filtrat bei weiterem Zusatz der Neutralsalzlösung wieder eine Fällung. So hat man z. B. bei Halbsättigung mit Amraonsulfatlösung eine Fällung beobachtet. Man nannte das gefallene Produkt primäre Albumosen. Ein Teil davon löst sich in Wasser, ein anderer bleibt ungelöst. Die ersteren sind Prot- albumosen, die letzteren Heteroalbumosen genannt worden. Fügt man zum Filtrat der sogenannten primären Albumosen weiter Ammonsulfat hinzu, bis schließlich vollständige Sättigung erreicht ist, dann fallen die sogenannten Deuteroalbumosen. Sie lassen sich durch fraktionierte Sättigung mit Ammonsulfat auch wieder in Gruppen aufteilen. Die nicht aassalzbaren Produkte sind Peptone genannt worden. Auch diese wurden fraktioniert. Die erwähnten Methoden haben zwar in keinem einzigen Falle zu einer erwiesenermaßen einheitlichen Substanz geführt, wohl aber ist es mit ihrer Hilfe geglückt, Produkte abzutrennen, die frei von bestimmten Bausteinen waren. Man kann Fällungen herbeiführen, die kein Tyrosin enthalten, während andere Fraktionen diese Aminosäure aufweisen. Ebenso kann man schwefelhaltige und schwefelfreie Präparate gewinnen. Eigene Beobachtungen haben ergeben, daß man jede mit einem besonderen Namen belegte Albumose und jedes Pepton unter geeigneten Bedingungen in weitere Anteile zerlegen kann. Die erwähnten Namen bezeichnen nicht chemische Verbindungen, sondern vielmehr Gemische von mehr oder weniger einfach zusammengesetzten Eiweißabbaustufen. Die Namen Albu- mosen und Peptone haben die gleiche Bedeutung, wie der Sammelname Dextrin. Dieser bezeichnet ein großes Gemisch von Abbaustufen von Polysacchariden. Ebenso umfassen die Namen Albumosen und Peptone eine große Reihe von verschiedenen Abbaustufen der Proteine. Wir haben bei den Dextrinen darauf hingewiesen, daß es gelungen ist, sie in einzelne Fraktionen zu trennen, die ein verschiedenes Verhalten zeigen. Da jedoch vorläufig mit den gewählten Bezeichnungen sich keine bestimmten Vorstellungen über die Natur der einzelnen Produkte verbinden lassen, haben wir auf eine Aufzählung der einzelnen Namen verzichtet. Aus dem gleichen Grunde wollen wir auch hier auf weitere Einzelheiten in der Erforschung der Albumosen und Peptone nicht eingehen. Ihre Kenntnis hat zurzeit nur für den Forscher selbst große Bedeutung. p]rwähnen wollen wir nur noch, daß es vorteilhafter wäre, den Namen Albumosen ganz fallen zu lassen und nur von Peptonen zu sprechen. Es hat sich nämlich herausgestellt'), daß synthetisch aus W. Kühne. Zcitschr. f. Biologie. 29. 1 (1892). — R. Neumeister: Elieuda.2(>. 824 (189U). — K. P. Pick: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 246 (1897); 28. 219 (1899); Hofmeislcr^ Beitrage. 2. (J81 (1902). — E. Zum: Ebenda. 27. 219 (1899); Extrait du Bull, de TAcad. royale de Belgifjue. (Jlasso des Sciences. Nr. 8. 1911. — M. Siegfried : Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 38. 2.59 (1903). — H. C. Ilaalam: Journal of Physiol". .•J2. 2(57 (1905): 36. 164 (1908). — Vel. weitere Literatur hei O. Cohnheint: Chemie der Eiweißkorper. 1. c. S. 307. M Kmil Fischer und Kmil Abderhalden: Ber. d. Deutsch. (Jhem. CJes. 40. 3544 (1907). — Kmil Fischer und O. (iern(,roß: Ebenda. 42. 3544 (1909). 352 XVIII. Vorlesuug. einzelnen Aminosäuren aufgebaute Verbindungen sich gegenüber Neutral- salzlösungen ganz verschieden verhalten, je nach der Art der an ihrem Aufbau beteiligten Aminosäuren. Hochmolekulare Produkte können nicht aussalzbar sein, während z. B. Tyrosin oder Zystin enthal- tende Verbindungen sich schon mit Ammonsulfat bzw. Koch- salz aussalzen lassen, wenn drei bis vier Aminosäuren vereinigt sind. Es kann somit die Aussalzbarkeit keinen Aufschluß über die Molekular- größe geben. Es gibt ohne Zweifel „Peptone", die ein höheres Mole- kulargewicht besitzen, als bestimmte „Albumosen". Unwillkürlich wird man geneigt sein, den Namen „Albumosen" mit den dem Eiweiß noch am nächsten stehenden Produkten in Zusammenhang zu bringen. In Wirk- lichkeit gibt es Peptone, die den Proteinen näher stehen als manche Albumosen. Spricht man nur von Peptonen, dann genügt die Einteilung in aussalzbare und nicht aussalzbare Produkte, wobei man sich sofort der Tatsache zu erinnern hat, daß die Abscheidbarkeit dui'ch Ammonsulfat usw^ nichts über die Molekulargröße der betreffenden Sul)stanz aussagt. Einen Schritt weiter in der Aufklärung der Zusammensetzung der Peptone bedeuten die Arbeiten von Siegfried.'^) Es ist ihm gelungen, aus Peptongemischen mit Phosphorwolframsäure Produkte abzutrennen, die neben einzelnen Monoaminosäuren hauptsächlich aus Lysin, Arginin und Histidin bestehen. Siegfried hat diese Produkte als Kyrine bezeichnet. Es liegen ohne Zweifel Produkte von einfacherer Zusammensetzung vor. Es ist wohl möglich, daß das eine oder andere Kyrin ein einheitliches Produkt dar- stellt. Es ist jedoch bis jetzt für keine dieser Verbindungen der Beweis der Einheitlichkeit geführt und noch weniger ist ihre Struktur ermittelt w^orden.2j Bevor wir auf weitere Bestrebungen, die Peptone in wohl charak- terisierte, einheitliche chemische Verbindungen aufzuteilen, eingehen, wollen wir die Frage aufwerfen, in welcher Art und Weise wohl die einzelnen Aminosäuren untereinander vereinigt sind. Emü Fischer hat diese Frage- stellung zum ersten Male experimentell in Angriff genommen. =^) Sein Plan war folgender. War es bislang trotz aller Anstrengungen nicht geglückt, (las Gemisch von allen möglichen, aus dem Eiweiß durch Abbau entstan- denen, zusammengesetzten Abbaustufen in wohl charakterisierte, chemisch einheitliche Substanzen zu zerlegen, so mußte man versuchen, zunächst durch Synthese Verbindungen aus mehreren jener Aminosäuren aufzubauen, die im P^iweißmolekül enthalten sind. Das Studium der Eigenschaften derartiger Produkte ergab möglicherweise Mittel und Wege, um aus Pep- tonen entsprechende Verbindungen abzuscheiden und mit den synthetisch dargestellten zu identifizieren. Dieser Weg zur Erforschung der Struktur von in der Natur vorkommenden Verbindungen war ein eigenartiger, denn bishei' hatte die Aufklärung einer von der Organismenwelt erzeugten Ver- l)indung die folgenden Stufen durchlaufen. Zuerst wurde durch Abbau- vorsuche und durch Überführung der unbekannten Verbindung in bekannte *) M. Siegjrli'd: Bcr. (1. sächs. (ies. d. Wissciiscb. in Leipzig. Math.-physik. Klasse, t ;5 (1913). — Zoitschr. f. phj'siol. Cliemio. 43. 44 (1904); 97. 3^(191()). -) Vgl. auch I'.A.Lecene und ,/. ran der Schecr : Jouru. of A)iol. ehem. 22. 425 (1915). ') Kntil Fischer: Untersuchungen, 1. c. S. 335. / Eiweißstoffe uud ihre Bausteiae. 353 die Struktur auf analytischem Wege erschlossen. Es wurde die Funktion jeder einzelnen Atomgruppe im Molekül festgestellt. Dann legte die Synthese den Schlußstein in der ganzen Aufklärung der Konstitution einer Verbin- dung. Hier ging nun die Synthese voraus. Sie konnte zu Verbindungen führen, die gar nicht im Eiweißraolekül enthalten sind. In diesem Falle hätte man andere Bindungsmöglichkeiten studieren müssen. Emil Fischer ging von der Bindungsart aus, die die wahrscheinlichste war.^) Er ver- kettete zwei und mehr Aminosäuren in der Weise, daß das Karb- oxyl der einen Aminosäure sich mit der Aminogruppe einer weiteren verband. Eine derartige Bindungsweise können wir als säure- amidartige Verkuppelung bezeichnen. Wir sind dieser Art der Verknüpfung von zwei Molekülen bereits dreimal begegnet. Einmal besprachen wir Säureamide bei den Dikarbonsäuren: Asparagin- und Glutamin- säure. Es sind dies das Asparagin und das Glutamin. In beiden Ver- bindungen ist das eine Karbox yl mit einer NH, -Gruppe besetzt: Säureamid GH., Ferner haben wir die Bildung von Hippur säure aus Aminoessig- säure und Benzoylchlorid besprochen: säuieamidartige Verkettimg HOOC . CE, . NH IH + Gl . OG . V, B, = HOOG . GH., . NH . OC . C, E, + HCl GlykokoU BenzoylcTilorid Hippursäure. Wir erhalten Hippursäure auch dann, wenn Säugetiere Benzoesäure und GlykokoU zur Verfügung haben: HOOC . CH2 . NH H -t- HO OC . C, E, r= HOOC . CH., . NH . 0(" . C« H^ + E, 0 GlykokoU Benzoesäure Hippursäure. Endlich haben wir in den Gallensäuren (vgl. S. 230) zusammen- gesetzte Produkte kennen gelernt, in denen GlykokoU bzw. Taurin mit einer weiteren Verbindung säureamidartig verknüpft ist. Genau ebenso lassen sich nun zwei und mehr Aminosäuren ver- einigen. Als Beispiel wollen wir von der Synthese einer Verbindung aus- gehen, an deren Aufljau zwei Moleküle GlykokoU r=:Glyzin beteiligt sind. Wir erhalten unter Abspaltung von einem Molekül Wasser aus zwei Molekülen Glyzin die Verbindung Glyzyl-glyzin^): *) Yd. auch Franz Hofmeister: Über Bau uud Gruppierung der Eiweißkörper. Ergebnisse der Physiologie. 1." 1. Abt. 7.39 (1902). — Vgl. ferner auch die zahlreichen Arbeiten von Ih. Curtius und seinen Schülern im Journ. f. prakt. Cheni. Aon 8818 an. -) Möglich sind auch die folgenden drei Formen: NH, . CH„ . CO . NH . CH, . COO. iJ : . I NHj . CH, . C ( OH) : N . CH, . COOH NH, . Ch' . C (OH): N . CH, . COO. 1^ . ■ '. 1 Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Aufl. 23 354 XVIII. Vorlesung. HOOC . CH2 . NH H + HO OC . CH^ . NH, — H, 0 = GlykokoU Glykokoll HOOC. CH^ . NH. CO . CH^ . NH^.!) Glyzyl-glyzin. Das Glyzyl-glyzin läßt sich wieder unter Aufnahme von einem Molekül Wasser in zwei Moleküle Glykokoll spalten: HHO HOOC . CH, . XH . OC . CH2 . NH2 = HOOC . CH^ . NH^ + HOOC . CH^ . NH^ Glyzyl-glyzin Glykokoll Glykokoll. In ganz entsprechender Weise können wir aus zwei verschiedenen Aminosäuren derartige Verbindungen aufbauen. Als Beispiel seien Glyzyl- alanin und Alanyl-glyzin und ferner Alanyl-leuzin und Leuzyl- alanin angeführt: NH, .CH, .COiOH + HNH.CH.CHa— H,0 = .Vi/;..CÄ2C0.NH.CH.CH 1 • I COOK COOK Glykokoll Alanin Glyzyl-alanin. CH3 .CH .COiOH + HNH.CH« . COOH — H^Or^ I NH2 Alanin Glykokoll CH, .CH.CO.'Sn. CH.. . COOH 1 NHo Alanyl-glyzin. /CH3 CH3 . CH . COiOH + H NH . CH . CH, . CH — H, 0 I I \cH NH, COOH Alanin Leuzin. /CH3 CHs . CH . CO . NH . CH . CH, . CH NH2 COOH ^^^ Alanyl-leuzin. Qjj'>CH . CH, . CH . CO OH -\- H:NH . CH . CH3 — H3 0 = NH, COOH Leuzin Alanin. *) Die- einzelnen Anteile, aus denen diese Verbindungen bestehen, sind durch verschiedenen Druck gekennzeichnet. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 355 C^^yCH . CH. . CH . CO . NH . CH . CH^ ' I I XH, COOK Leiizyl-alanin. Es lassen sich auch mehr als zwei Aminosäuren in der gleichen Weise vereinigen. Etnil Fischer hat eine Verbindung dieser Art aufgebaut, die achtzehn einzelne Aminosäuren in säureamidartiger Verkuppelung enthält, nnd Abderhalden und Fodor^) sind zu einer Kette von neunzehn Gliedern gelangt. Als Beispiel einer solchen Verbindung sei das aus den fünf Amino- säuren Glyzin, Alanin, Serin, Leuzin und Tyrosin aufgebaute Glyzyl- alanyl-seryl-leuzyl-tyrosin angeführt. Die folgende Formel soll zeigen, wie unter Abspaltung von vier Molekülen Wasser die neue Verbindung entsteht. Umgekehrt zerfällt sie wieder in ihre fünf Bausteine, sobald die gleiche Menge Wasser aufgenommen wird: OH|H OH|H OHjH NH. . CHo . (7(9 . NH . ("H(CH3 ) . CO . NH . CH(CH . OH) . CO .^R HfOH I HOOC . (HO . C, H, . CH,) . CH . HN . OC . (C, Hg) . CH Gehen wir von Monoamino-dikarbonsäuren aus, dann ergeben sich verschiedene Möglichkeiten. Asparaginsäure und Glutaminsäure können die folgenden Verbindungen liefern. Als Beispiel sei die Verbin- dung von Asparaginsäure mit Glykokoll gewählt: COOH CO . NH . CH . COOH m..wL.co .CH. yn, ch . nh, CHg CH2 1 I COOH COOH Glyzyl-aspara'ginsäure Asparagyl-monoglyzin I. COOH I CH . NH, CH, CO. VF. CH^ . COOH Asparagyl-monoglyzin IL CO . NH . CH, . COOH CO . NH . CH . COOH CH . NH^ CH . NH . CO . CH . NH I 1 CH2 CH2 1 ■ I ' CO . NH . CH^ . COOH CO . NH . CH, . COOH Asparagyl-diglyzin Glyzyl-asparagyl-diglyzin. M E. Abderhalden und Ä. Fodor: Ber. d. Deutsch. Chcm. Ges. 49. 561 (1916). 23* 356 XVIII. Vorlesung. Auch die Diarainosäure Lysin läßt sich in verschiedener Weise mit Aminosäuren verbinden: CH., . CH2 . CH., . GH.. . CH . CO . .Y^ . CH, . CO OH 1 " I NH-, NH, Lysyl-glyzin. CH, . CH., . CH, . CHo . CH . COOH NH.> NH . CO . CH., . NH,^ Monoglyzyl-lysin I. CHo . CH, . CH, .^CH, . CH . COOH r ' " '1 NH . CO . CH, . XH, NH, Monoglyzyl-lysin H. CH., . CH, . CH, . CH2 . CH . COOH NH . CO . CHo . NH, . NH . CO . CH, . NH, biglyzyl-lysin. CH., . CH., . CH., . CH, . CH . CO . NH . CH, . COOH NH . CO . CH, . XH, NH . CO . CH, . XH, Diglyzyl-lysyl-glyzin. Hierzu sei erwähnt, daß Beobachtungen vorliegen, \'\"onach im Eiweiß Lysin eine NH., -Gruppe, und zwar die in s-Stellung befindliche frei hat.i) Von den angeführten Möglichkeiten kämen somit nur die beiden ersten für das Eiweiß in Frage. Emil Fischer hat derartige Verbindungen Polypeptide genannt. 2) Sind zwei Aminosäuren säureamidartig vereinigt, dann spricht man von einem Dipeptid, von einem Tripeptid, wenn sich drei Bausteine finden usw. Die oben (S. 355) mitgeteilte Verbindung wäre somit als ein Pentapeptid zu bezeichnen. Die Aminosäuren selbst sind in Analogie mit den Bezeichnungen Monosaccharid, Di-, Tri-, Tetra- und Polysaccharide als Monopeptide oder einfach als Peptide zu benennen. Gegenüber der Nomenklatur der Kohlehydrate besteht nur insofern ein scharfer L^nterschied, als der Name Polypeptid für Verbindungen mit bekannter Struktur festgelegt ist, während wir mit der Bezeichnung Polysaccharid keine bestimmte Struktur ver- binden, sondern mit diesem Namen nur zum Ausdruck bringen wollen, daß mehrere Monosaccharide miteinander vereinigt sind. Über die Art ihrer Verkuppelung sagt der Name Polysaccharid gar nichts aus.-^j Die Struktur der Polypeptide ergibt sich ohne weiteres aus ihrer Synthese. F^s seien die einzelnen Arten der Synthese der Polypeptide kurz gescliildert. Das Studium der Synthese der einzelnen 1) D. van Slyke und F. J. Birchard: J. of biol. Ohein. 16. 539 (1914). ^) Vgl. Emil Fischer: Untersucbungeu, 1. c. S. 310. — Emil Abderhalden : Neuere Ergebnisse der Eiweißchemie. 1. c. S. 310. — \^gl. auch die Arbeiten von Theodor Curtius und seinen Schülern: z. B. Ber. d. Deutschen Obern. Gesellsch. 35. 3226 (1902); 37. 1284 (1904). ^) Es muß dies hervorgehoben werden, weil leider vielfach alle möglichen un- definierbaren Produkte ganz einfach Polypeptide genannt werden. Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 357 Verbindungen gibt uns zusammen mit der Verfolgung der Abbauversuche am besten einen klaren Einblick in ihren Bau. Zunächst wurde beobachtet, daß Aminosäureester leicht unter Abspaltung von Alkohol in Anhydride, genannt 2, ö-Diketopiperazine übergehen. Es sei dies am Beispiel des GlykokoUesters dargestellt: /GH., .CO. O.CaHsi N— H H\ ^H NH — 2C0H5.OH CA-OOC.CHy Äthylalkohol 2 Moleküle Glykokoll-äthylester ^CHo^ . CO = XH \e ^CO . GH., Glyzinanhydrid. Läßt man auf das entstandene Glyzinanhydrid Alkali einwirken, dann bildet sich, wenn die Hydrolyse vorsichtig ausgeführt wird, das Dipeptid Glyzyl-glyzin. Der Ring wird an einer Stelle zwischen einer NH — GO-Biiidung unter Wasstreintritt aufgeschlossen: .cn. . CO OH H /C^ • CO TiTTT .■- oder \ .. -- J\ll ..•■ \vrTT V- / \ ■ /^^ u" \C0 . GH., W.GH, OH In beiden Fällen entsteht die gleiche Verbindung, nämlich Glyzyl- glyzin : NH.3 . GH, . CO . NH . CH2 . COOH. Wird die Hydrolyse vollständig durchgeführt, dann bilden sich zwei Moleküle Glykokoll. Wir können auch gemischte Anhydride darstellen, z. B. Glyzyl- alaninanhydrid oder Leuzyl-tyrosinanhydrid usw. Bei der Aufspal- tung derartiger Diketopiperazine können zwei strukturisomere Dipeptide entstehen, wie das folgende Beispiel zeigt: Alaninrest CH, I CH . C0\ \NH + H, 0 = XH. . CH. . CO . NH . GH (GH,) . COOH A'^ / Glvzvl-alanin. \C0 . GH., Glyzinrest Glyzyl-alaninanhydrid bzw. Alanyl-glyzinanhydrid. 358 XVIII. Vorlesung. Alaninrest NH ^ NH + H, 0 = XH, . CH{GH,) . CO . NH . CH, . COOK \ r Ji^ / Alanvl-fflyzin. jj \^0 . CH/ ^ ^ ^ Glyzinrest Erfolgt die Aufspaltung des Alanyl-glyzinauhydrides bei I. dann er- halten wir Glyzyl- alanin. Tritt dagegen bei II ein Molekül Wasser ein, dann gelangen wir zu Alanyl-glyzin. Umgekehrt liefern auch beide Dipeptide das gleiche Anhydrid. Diese kurze Darlegung zeigt schon, daß diese Art der Synthese von Polypeptiden nicht weit führen kann. Ein- mal können wir nur Dipeptide gewinnen, und dann erhalten wir außerdem Gemische von zwei strukturisomeren Verbindungen, sobald wir von Diketo- piperazinen ausgehen, die aus der Vereinigung von zwei verschiedenen Aminosäuren entstanden sind. Die folgende Art der Synthese von Polypeptiden ermöglicht eine mannigfaltigere Art des Aufbaues. Sie ergibt zugleich ein sehr klares Bild der Struktur derartiger Verbindungen. Emil Fischer ging von Halogen- azylchloriden aus. Als Beispiel wollen wir die Synthese von Glyzyl- glyzin wählen. Als die eine Komponente zum Aufbau des genannten Di- peptids nehmen wir Gly kokoll. Diese kuppeln wir in alkalischer Lösung mit Chlorazetylchlorid. Dieses Säurechlorid können wir leicht von der Essigsäure ableiten, wie die folgenden Formeln zeigen: CH, . COOH GH., . COOH GH., . CO . Gl Essigsäure | i Cl Gl M onochlor essigsaure Chlorazetylchlorid. Die Bildung des Glyzyl-glyzins erfolgt in den folgenden Phasen: Cl.CHo. GOicr+HNH.CH2.COOH=Ö.Ci72.C'O.NH.GH,.COOH-l-HCl Chlorazetylchlorid GlykokoU Chlorazetyl-gjlyzin. aC^2.CO.NH.GH2.COOH + NH3=.Yi72.Ci72-CO.NH.CH,.COOH-|-HCl.i> Chlor azetyl-glyzin Glyzyl-glyzin. Zunächst bildet sich Chlor azetyl-glyzin. Läßt man auf dieses Ammoniak einwirken, dann erhalten wir das gesuchte Dipeptid Glyzyl- glyzin. Dieses können wir nun z. B. mit dein dem Alanin entsprechenden a-Brompropionylbromid kuppeln. Wir erhalten y.-Brompropiony 1- glyzyl-glyzin. Durch Einwirkung von Ammoniak, d. h. durch Aminierung entsteht daraus das Tripeptid A 1 an yl- glyzyl-glyzin: Br . CH (GH3) . GOBr -f- H NH . CH, . CO . A^ . CH, . COOH = a-Brompropionylbromid Glyzyl-glyzin ^) Bzw. NH4 . Cl bei AnweucUiug eines Überschusses von Ammoniak. Eiweißstofi'e und ihre Bausteine. 359 Br. CH(CH,) . CO . NH . CH, . CO . XH . GH., . CO OH + HBr y.-Brompropionyl-glyzyl-glyzin. + NH3 = NH^ . CH(CHJ . CO . NH . CH, . CO NH . CH, . COOH + HBr Alanyl-glyzyl-glyzin. Wollen wir das Tetrapeptid Leuzyl-alanyl-glyzyl-glyzin dar- stellen, so verbinden wir das Tripeptid Alanyl-glyzyl-glyzin mit a-Bromiso- kapronylbromid und aminieren dann das entstandene a-Bromisokapronyl- alanyl-glyzyl-glyzin. BrXm(C,E,).COBr + HNH.CH(CH,).CO.l!sE.CE„CO.NH.CH,.COOH a-Bromisokapronylbromid Alanyl-glyzyl-glyzin = Br .CmC\B,) .CO . XH . CH(CH,) : CO .l!^E.CE, .CO . XH . CH, . COOH 7.- Bromisokapronyl- alanyl-glyzyl-glyzin -fNHa— HBr = NH,.CH(C,H9).C0..Y^. CH(CHJ . CO .-^^iR .CR,. CO . XH . CH, . COOH Leuzyl-alanyl-glyzyl-glyzin. Auf diese Weise können wir zu beliebig langen Ketten von Amino- säureresten gelangen. Diese Methode der Darstellung von Polypeptiden gestattet immer nur die Verlängerung der vorhandenen Kette von Aminosäureresten von der freien Aminogruppe aus. Dort greift das einwirkende Öäurechlorid mit seiner Karboxylgruppe ein. In vielen Fällen möchte man gerne ein vorhandenes Polypeptid am Karboxylende verlängern. Emil Fischer ist es geglückt, auch diese Möglichkeit zu ver- wirklichen. Es gelang ihm, Aminosäuren und Polypeptide direkt in die entsprechenden Säureehloride zu verwandeln. So kann man aus Glykokoll Glyzylchlorid bereiten und damit direkt ein Polypeptid darstellen. So erhält rtian aus Glyzj^lchlorid und Alan in unmittelbar Glyzyl-alanin ohne den Umweg über die Halogenazylverbindung: NH2 . CHo . CO . :C1 -h H NH . CH, . COOH = NH, . Oö, . 00 . NH . CH, . C0( )H Glyzylchlorid Glyzin Glyzyl-glyzin. Nun kann man auch ein Polypeptid chlorieren und direkt mit einem zweiten Polypeptid kuppeln. Als Beispiel wollen wir annehmen, daß das Tetrapeptid Alanyl-glyzyl-leuzyl-valin chloriert worden sei und mit dem Hexapeptid Glyzyl-alanyl-glyzyl-leuzyl-glyzyl-tyrosin ge- kuppelt werde. Es entsteht das Dekapeptid Alanyl-glyzyl-leuzyl- valyl-glyzyl-alanyl-glyzyl-leuzyl-glyzyl-ty rosin: NH, . CH(CH,) . CO . NH . CH,. . CO . NH . CH(C^ HJ . 00 . NH . CH (C3 H^) . CO . Cl-hH AW . CH, . 00 . NH . CH (CH3) . CO . XH . CH, . CO . NH . CH . (C.Hg) . CO . XH . CH, . CO . NH . CH (CH, . CgH, . OH) . COOH. Dekapeptid. Als Beispiel für die Struktur hochmolekularer Polypeptide sei diejenige des synthetisch aus 19 Aminosäuren dargestellten Polypeptids 1-Leuzyl- triglyzyl-l-leuzyl-triglyzyl-l-leuzyl-triglyzyl -1-leuzyl-penta- glyzyl-glyzin angeführt 1): *) Emil Abderhalden und A. Fodor: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 49. 561 (191(3). 3^30 XVIII. Vorlesung. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. CH3 CH3 CH CH3 CH3 \ / CH, CH CH . NH.. CH CO — (NH . CHo . C0)3 |— NH . CH . CO — (NH . CH^ . CO)3|2 — 1 - Leuzyl - triglyzyl - 1 - leuzyl - 1 - triglyzyl - 1 - leuzyl - triglyzyl- NH . CH . CO — (NH . CH2 . C0)5 — NH . CH., . COOH CH2 1 CH / X CH3 CH3 1 - leuzyl - pentaglyzyl - gly zin. Es sind bereits weit über hundert von Verbindungen dieser Art dar- gestellt worden. Schon manche Tripeptide zeigen eine Reaktion, der wir bei den Aminosäuren nicht begegnet sind, die jedoch von den Peptonen und auch den Proteinen gegeben wird. Es ist dies die Biuretreaktion. Gibt man zur Lösung eines solchen Polypeptids Natronlauge und dann vorsichtig stark verdünnte Kupfersulfatl()sung, dann erhält man eine rosa- rote bis violettblaue Färbung. 8ie ist verschieden je nach der Art des Polypeptids. Ferner geben die Polypeptide die Farbreaktionen der an ihrem Aufbau beteiligten Aminosäuren. Tyrosinhaltige Polypeptide geben die Xanthoproteinreaktion und eine Rotfärbung mit Millons Reagens. Findet sich nur Phenylalanin, dann ist die letztere Reaktion negativ, während die erste positiv ausfällt. Tryptophan verrät sich als Baustein eines Polypeptids durch den positiven Ausfall der Gly 0x3^1- säureprobe, dagegen fällt die Bromwasserprobe negativ aus.^) Erst, wenn das Tryptophan in Freiheit gesetzt wird, läßt es sich mit Brom- wasser erkennen. Enthält ein Polypeptid Zystin, dann gibt dieses beim Kochen mit Alkali unter Zusatz von Bleiazetat Ausfällung von Bleisulfid (Schwefel bleiprobe). Die Polypeptide ergelien alle mit Triketohydriii- denhydrat (Ninhydrin) Blaufärbung. Einige davon lassen sich, wie schon erwähnt, aussalzen. Tyrosin und Zystin begünstigen als Bausteine in Polypeptiden die Aussalzbarkeit. doch scheint es auch auf die Anordnung der einzelnen Aminosäuren im Molekül anzukommen. Die hochmolekularen Polypeptide zeigen beim Kochen Erscheinungen, die an Koagulation erinnern. Während die einfacheren Polypeptide mehr oder weniger leicht zur Kristallisation zu bringen sind, sind die hochmolekularen Verbindungen dieser Art bis jetzt nur im amorphen Zustande bekannt. Interessant ist auch die Eigenschaft der wässerigen L(»snng der hochmolekularen Polypeptide, zu schäumen. Nach ihren allgemeinen Eigenschaften stehen die Polypeptide den Peptonen oder, besser ausgedrückt, deren Bestandteilen sehr nahe. ') E. Ahderhahlii) und Marliti h'cin/ji:: Ber. d. Deutschen Cliem. Ges. 40. 2737(1907). Vorlesung XIX. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 3. Die Struktur der EiweißstofFe. Polypeptide als Bestandteile der Peptone. Mit den Polypeptiden haben wir Verbindungen kennen gelernt, die mehrere Aminosäuren säureamidartig verknüpft enthalten. Sie entstehen unter Wasseraustritt aus Aminosäuren und zerfallen wieder in diese unter Wasseraufnahme. Wählt man zum Aufbau derartiger Ver- bindungen optisch-aktive Aminosäuren, dann erhält man auch optisch- aktive Polypeptide. Am wichtigsten sind zur Aufklärung der Bezie- hungen der Polypeptide zu Eiweiüabbaustufen und zum Eiweiß selbst jene Aminosäureketten, an deren Aufbau die Bausteine der Proteine teilnehmen. Verwendet man Aminosäurechloride, dann kann man die bei der Hydro- lyse von Proteinen gewonnenen Aminosäuren direkt untereinander verbin- den. Sind die Aminosäuren synthetisch bereitet worden, dann müssen diestj^ da die Synthese im allgemeinen zu inaktiven Verbindungen führt, in ihre optisch-aktiven Komponenten zerlegt werden. Nur diejenige Form, die der in der Natur vorkommenden entspricht, kann direkt zur Synthese Ver- wendung finden, wenn es sich darum handelt, Polypeptide zu bereiten, die die in der Natur vorkommenden Bausteine enthalten. In manchen Fällen ist jedoch auch die andere Komponente durch Überführung in die entsprechende x-Bromfettsäure zur Synthese von Polypeptiden verwertbar. Es ist dies dann der Fall, wenn jene Umw^andlung mit einem Wechsel der Konfiguration verknüpft ist. Durch Chlorierung der Bromfettsäure ent- steht das zur Kuppelung mit einer beliebigen Aminosäure oder auch einem Polypeptid geeignete Halogenazylchlorid. Nach erfolgter Aminierung des entstandenen Produktes ist das gewünschte optisch -aktive Polypeptid fertiggestellt. Die folgenden Formeln mögen an Hand eines Beispiels — • Bildung von d- AI anyl-d- alanin — die beiden Arten von Synthesen optisch-aktiver Polypeptide erläutern : 1. Verwendung von d-Alanylchlor id und d-Alanin: NH2 . CH . (CH3J . CO; Cl -f H NH . CH(CH3) . COOH = d-Alanylchlorid d-Alanin NH.3 . CH . (CH3) . CO . NH . CH (CH3) COOH d-Alanyl-d- alanin. 362 XIX. Vorlesung. 2. Ausgangsmaterial: dl-x-Brompropionsäure: CH3 . CH . COOH + NH3 = CH3 . ( H . COOK + HBr Br dl-Alanin. dl -x-Bromprop ionsäure Spaltung des Razemkörpers in 1-Alanin + (NOBr) d-Alaniu i d-x- Brom Propionsäure. (Chlorierung) d-x-Brompropionylchlorid CH3 . CH . CO Cf + H . NH . CH (CH3) . COüH Br CH3 . CH , CO . NH. CH(CH.) . COOH Br d-a-Brompro,'pionyl-d- alanin + NH3 ♦ CHg . CH . CO . XH. CH(CHJ . COOH NHo d-Alanyl-d- alanin. Wir haben bereits festgestellt, daß die Eigenschaften der Poly- peptide in manchen Punkten große Ähnlichkeit mit denen der Peptone zeigen. Es gilt dies vor allem für die höher molekularen Produkte. Selbst- verständlich genügt dieser Umstand nicht, um den Schluß zu rechtfertigen, daß in den Proteinen und ihren Abbaustufen die Aminosäuren so unter- einander verkettet sind, wie in den synthetisch gewonnenen Polypeptiden. Die nächste Aufgabe war nun, zu versuchen, aus einem Ge- misch von zusammengesetzten Abbaustufen Produkte abzu- trennen, die in allen Eigenschaften und in ihrer Struktur voll- ständig mit bestimmten synthetisch gewonnenen Polypeptiden übereinstimmten. Leider zeigen die Polypeptide keine so charakteristi- schen Eigenschaften, daß es möglich wäre, das Vorhandensein einer be- stimmten Verbindung dieser Art sofort zu erkennen. Manche ihrer Eigen- schaften sind von ijestimmten Bausteinen abhängig. Die gleichen Eigenschaften, wie z.B. bestimmte Farbreaktionen, kehren immer wieder, so oft ein Polypeptid den diese Reaktion verursachenden Baustein enthält. Bedingt ein Baustein bestimmte Fällungsreaktionen, dann linden wir diese häufig bei allen Ver- Eiweißstoffe und ihre Bausteiue. 1-363 bindungen. die ihn enthalten. Hat sieh somit die Hoffnung, auf einem einfachen Wege aus Peptongemischen Polypeptide abzutrennen, auch nicht erfüllt, so ist es doch in einer ganzen Reihe von Fällen gelungen, aus Peptonen Produkte zu gewinnen und zu reinigen, die sich als chemisch einheitlich erwiesen. Sie konnten ferner mit den entsprechenden, die gleichen Aminosäuren und in gleicher Menge besitzenden, synthetisch be- reiteten Polypeptiden identifiziert werden. Mit dieser Feststellung ist bewiesen worden, daß unter den Peptonen sich Verbindungen finden, die zu den Polypep- tiden gehören und ferner, daß im Eiweißmolekül Aminosäuren säurearaidartig verkettet sind. Es ist wohl möglich, daß die Peptone überhaupt nur ein Gemisch der verschiedenartigsten Polypeptide darstellen, in denen stets die eine Aminosäure mit ihrer Aminogruppe in das Kar- boxyl der anderen eingreift. Es ist aber auch sehr gut denkbar, daß noch andere Bindungsarten von Aminosäuren vorhanden sind. Vor allem dürften die Oxy-aminosäuren Abwechslung in das sonst gleichförmige Bild der Struktur der Proteine und ihrer zusammengesetzten Abbaustufen bringen. Auch die Diamino- und Dikarbonsäuren lassen verschiedenartige Bin- dungen zu. Vor allem kann bald eine Karboxyl- bzw. eine Amino- gruppe frei bleiben, oder es sind alle verfügbaren Bindungsmöglichkeiten ausgenützt. Das erste Polypeptid, das bei der Hydrolyse von Eiweiß erhalten worden ist, war ein aus Gly kokoll und Alanin bestehendes Dipeptid, das sich als Glyzyl-d-alanin erwies: NH., . CH.2 . CO . NH . CH(CH^) . CO OH. Es wurde erhalten ^ -), als Seidenfibroin mit TOVoiger Schwefelsäure drei Tage bei Zimmertemperatur hydrolysiert wurde. Der Abbau geht hierbei nicht vollständig bis zu Aminosäuren. Die Isolierung des Dipeptids erfolgte nich auf direktem Wege. Es wurden vielmehr die Abbaustufen zunächst in der schon geschilderten Weise in die Esterchlorhydrate übergeführt. Die aus diesen gewonnenen freien Ester zeigten nach einiger Zeit kristallinische Abschei- dungen. Es hatten sich Anhydride gebildet. Diese können auf zwei Arten entstehen, einmal aus Estern der Aminosäuren und dann aus solchen von Dipeptidcn. Die erstere Möglichkeit mußte durch Entfernung der Amino- säureester durch Ausäthern ausgeschlossen werden. Das beobachtete Anhydrid konnte nunmehr nur noch aus einem Dipeptidester sich gebildet haben. Zu seiner Identifizierung dienten zunächt seine Eigenschaften, vor allem sein Drehungsvermögen. Ferner konnte es zum Dipeptid aufgespalten und schließ- lich auch in seine Bausteine zerlegt werden. Es zeigte sich, daß Gly kok oll und d-Alanin an seinem Aufbau beteiligt waren. Das beobachtete An- hydrid war somit Glyzyl-d-alaninanhydrid bzw. d-Alanyl-glyzin- anhydrid.^) Aus welchem Dipeptid es enstanden war, ob aus Glyzyl-d alanin oder aus d-Alanyl-glyzin, konnte nicht entschieden werden, weil beide Dipeptide das gleiche Anhydrid liefern. Schon diese Feststellung be- ») F.Diil Fischer uud Emil Abderhalden : Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 39. 752 (190(5). -) Emil Fischer und Emil Abderhalden : Ebenda. 39. 231ö (IVIÜG). — Enal Abderhalden und Akikazu Suiva: Zeitschr. f. pbvsiol. Chem. 66. 13 (1910). ») Vgl. auch Emil Abderhalden: Zeitschr" f. physiol. (.'hemie. 120. 207 (1922). 3(34 XIX. Vorlesuug. weist, daß die Abtrennung von Polypeptiden auf dem erwähnten Wege nur be- weist, daß Dipeptide mit bestimmten Bausteinen in einem Gemisch von Eiweißabbaustufen anzutreiben sind, jedoch läßt sich nicht bestimmen, welches Dipeptid das Anhydrid geliefert hat. Ferner ist diese Methodik nur zur Isolierung von Dipeptiden geeignet. In ganz entsprechender Weise wurde unter den Abbaustufen der Seide Glyzyl-1-tyrosinanhydridi) gewonnen. Ferner glückte es, aus Elastin Glyzyl-l-leuzinanhydrid^), Glyzyl-d-alaninanhydrid^) und Glyzyl-d-valinanhydrid-) und aus Gelatine Glyzyl-I-prolinan- hydrid^) zu isolieren. Die Gelatine war mit Trypsin verdaut worden. Glyzyl-1-phenylalanin*) ist ferner aus dem Darminhalt gewonnen und außer als freies Dipeptid auch als Anhydrid identifiziert worden. Endlich ist aus Kaseinogen Isoleuzyl-valinanhydrid erhalten worden. •^) Ferner hat F. G. Hopkins^) aus Zellen des tierischen Organismus und auch aus Hefe eine aus zwei Aminosäuren bestehende Verbindung isoliert, der ohne Zweifel bei der Zellatmung eine bedeutungsvolle Rolle zukommt. Sie be- steht aus den Bausteinen Zystein und Glutaminsäure und ist wahr- scheinlich als Dipeptid zu betrachten.') Eine endgültige Entscheidung, ob sie wirklich die Struktur eines solchen hat, vermag erst eine Yergleichung mit den Eigenschaften der entsprechenden synthetisch dargestellten Verbin- dung zu geben. Aus diesen Befunden ergibt sich, daß unter den Abbau- stufen der verschiedensten Proteine Dipeptide anzutreffen sind. Es ist schließlich auch gelungen, solche direkt abzutrennen und ihrer Struktur nach vollständig aufzuklären. So gelang es, aus Elastin d-Alanyl- l-leuzin^), 1-Leuzyl-d-alanin-'), 1-Leuzyl-glyzin und Glyzyl- I-leuzin^") darzustellen. Seidenfibroin ergab d-Alanyl-glyzin, Glyzyl- 1-tyrosin und Glyzyl-d-alanin.i') Aus Gliadin wurde 1-Leuzyl- d-glutaminsäurei"-) isoliert. Das gleiche Protein lieferte auch 1-Prolyl- ]-phenylalanin.^3) Unter den Verdauungsprodukten von Eiweiß, gewonnen aus dem Darminhalt, ließ sich endlich, wie schon erwähnt, Glyzyl- 1 "Phenylalanin nachweisen.") ') Emil Fischer und Emil Abderhalden : Ber. d. Deutscheu Chem. (liesellsch. 39. 231.T (1906). — Emil Abderhalden und Akikazu Siina: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 66. 13 (1910). -) E7nil Fischer und Emil Abderhalden: Ebenda. 40. 3544 (1907). ^) F. A. Letene und W. A. Bcatfy: Ebenda. 39. 2060 (1906). — P. A. Lerene und G. B. Wallace: Zeitschr. f. phvsiol.' Chem. 47. 143 (1906). — F. A. Levene: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 43. 3168 (1910). *) Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chem. 81. 315 (1912). *> '") JI. D. Dahin: Biochem. -louru. 12.' 290 (1918). «) F. 0. Hopkins: The l)iochemical .1. 15. 286 (1921). ') Vgl. auch S. 318. *) Emil Fischer und h'jiiil Abderhalden: Her. d. Deutschen Clicm. Gesellsch. 40. 3544 (1907). ») Emil Abderhalden: Zeitschr. f. plivsiol. Chem. 58. 373 (1908). '") Emil Abderhalden: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 62. 315 (1909). »') h'mil Abderhalden: Ebenda. 62. 315 (1909); 63. 401 (1909): 65. 417 (1910.) - Emil Abderhalden und Ryngo Jnoui/: Ebenda. 80. 19S (1912). '-) PJmil Abderhalden und Emil Fischer: Bor. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 3544 (1907). '■') Thomas B. Osborne und .S'. H. Clapp: Americ. Jouru.of Physiol. 18- 123 (1907). '*) Emil Abderhalden: Zeitsch. f. physiol. Chemie. 81. 315 (1912). Eiweißstort'e und ihre Bausteine. 35Ö Aus der Seide ist noch ein Dipeptid in Form eines Derivates ge- wonnen worden. M Wir haben früher schon erwähnt, daß man in den Aminosäuren die freie Aminogruppe mit Säurechloriden verschiedener Art verbinden kann. So ergibt z. B. Glykokoli mit Ji-Naphtalinsuifochlorid, C10H7 . SO., . Cl, die folgende Verbindung: CH, . COOK C'Ho . COOH NH2 NH.SO., .CioH, Glykokoli Ji-Naphtalinsulfo-glyzin. Auch die Polypeptide verfügen, wie die wiederholt mitgeteilten Formeln beweisen, über mindestens eine freie Aminogruppe — es können deren auch mehrere sein, wenn Diaminosäuren an ihrem Aufbau beteiligt und in diesen nicht beide Aminogruppen besetzt sind. Die freie Aminogruppe kann genau so wie in den Aminosäuren mit Säurechloriden in Reaktion treten. Diejenigen Aminosäuren, deren Aminogruppe mit dem Karboxyl der nächsten Aminosäure verbunden ist, vermögen keine solche Verbindung mehr einzugehen, denn ihre Aminogruppe ist ja bereits besetzt! Dieser Umstand ermöglicht es. zu entscheiden, welche am Aufbau eines Polypeptids beteiligte Aminosäure eine freie Aminogruppe trägt. Wird nämlich ein Polypeptid, in das man z. B. den Naphtalinsulforest verankert hat, vollständig hydrolysiert, dann erhält man alle jene Aminosäuren als solche, die nicht mit dem Säurechlorid in Reaktion treten konnten. Diejenige Aminosäure jedoch, die über die freie Aminogruppe verfügte, erscheint unter den Spaltprodukten als Naphtalin- sulfoderivat. Das folgende Beispiel erläutert das eben Gesagte: CK.. CO. -^HXE(CH,). CO. XH.CH(C^H^). CO. '^UX^.CH^.C^E.On I " I JVi7.su, .CioH, COOH ß-Naph ta 1 i ns u 1 fogly zy 1- alany 1-1 e uz yl-ty rosin + 3H.,0 .,„ CH, . COOH CH3 . CH . COOH r-u'>CH . CH^ . CH . COOH i ' + i + ^^' I NH.SOo.CjoH, NH, NH, (i-Naphtalinsulfo- Alanin Leuzin. glyzin _ + Cß H, ( OHj . CH, . CH . COOH i NH2 Tvrosin. *) Emil Fischer und Emil Abderhalden : Ber. d. Deutschen C'hein. Gesellsch. 40. 3544 (1907). — Vgl. dazu auch Emil Fischer (und Peter Berr/ell) : Bericht der Naturforscher- Versammlung. Karlsbad 1902. In dieser Mitteilung findet sich die erste Angabe über ein ß-Naphtalinsulfoderivat aus Abbauprodukten der Seide, das anscheinend einem Dipeptid entsprach. — Vgl. auch Emil Abderhalden und Casimir Funk: Zeitschr. f. physiol. Chem. 64. 436 (1910). 366 ^IX. Vorlesung. Es ist mm bei der Hydrolyse von Seidenfibroin nach erfolgter Kup- pelung der Spaltungsprodukte mit ß-Naphtalinsulfochlorid eine Verbindung erhalten worden, die bei der Hydrolyse mit verdünnter Salzsäure ß-Naph- talinsulfo-glyzin und d-Alanin ergab. Daraus folgt, daß die Verbin- dung die folgende Struktur gehabt hat: CH, . CO . NH . CH(CH3) . COOH. Nur diese Verbindung konnte die erwähnten 1 " NH. SO,. C^^n^ ß-Naphtalinsnlfoglyzyl-d-alanin Spaltprodukte liefern. Das strukturisomere ß-Naphtalinsulfo-d-alanyl-glyzin ergibt bei der Spaltung ß-Naphtalinsulfo-d- alanin und Glyzin: CH, . CH . CO . XH. CH. . COOH+ H. 0 = CH, . CH . COOH + NH. . CH, . COOH I I NH . SO2 . CioH, NH . SO2 . CioH, ß-Naphtalinsulfo- ß-Naphtalin- Glykokoll. d-alanyl-glyzin sulfo-d-alanin Mit dieser Feststellung war bewiesen, daß unter den Produkten der partiellen Hydrolyse des Seidenfibroins Glyzyl-d-alanin als Abbaustufe- auftritt. Aus Seidentibroin ist auch ein Tetra peptid gewonnen worden. 1) Es ergab bei der vollständigen Hydrolyse Glykokoll, d-Alanin und 1-Tyrosin. Die Bestimmung des Mengenverhältnisses, in dem die einzelnen Aminosäuren auftraten, zeigte, daß auf zwei Moleküle Glykokoll je ein Molekül d-Alanin und 1-Tyrosin kamen. Die Molekulargewichtsbestimmung ergab einen auf ein aus den genannten Bausteinen zusammengesetztes Tetrapeptid stimmenden Wert. Auch die Elementaranalyse lieferte Werte, die mit der Annahme eines solchen Polypeptides in Einklang standen. Mit dieser Feststellung war zunächst nur bewiesen, daß eine Verbindung vorlag, die Glykokoll, Alanin und Tyrosin in einem bestimmten Mengen- verhältnis gebunden enthielt. Über die Struktur der Verbindung vermögen die erwähnten Befunde nichts auszusagen. Wir wollen an Hand dieses Tetrapeptides erläutern, welche Schwierig- keiten die Aufklärung der Struktur einer aus mehreren Aminosäuren zusammengesetzten Abbaustufe aus Proteinen aufweist. Gleichzeitig ergibt sich auch der Weg. den die Erforschung der Struktur des Eiweißmoleküls nehmen muß, wenn nicht ganz neue Gesichtspunkte in das ganze d^^or- schungsgebiet hineingetragen und neue Methoden entdeckt werden. Setzen wir voraus, daß das erwähnte Produkt die Struktur eines Tetrapeptids hat, dann können wir aus den drei verschiedenen Aminosäuren, wobei die eine zweimal vertreten ist, zwölf strukturisomere Verbindungen auf- bauen, Avenn wir die einzelnen Bausteine sich in verschiedener Reihenfolge folgen lassen. Wir müßten somit ein Tetrapeptid nach dem andern syn- thetisch bereiten, an dessen Aufbau zwei Moleküle Glykokoll, ein Molekül ') Emil Fischer und Emil Abderhalden: ßer. d. Deutschen Chem. Ges. 40. 3544 (1907). — \'gl. auch P. A. Levene und J. ran der Scheer [Jouru. of biol. Chem. 22. 425 (1915)]. Diese Autoren beschreiben ein lysinhaltiges Tripeptid aus Kasein. Eiweißstotie und ihre Bausteine. 367 d-Alanin und ein solches von 1-Tyrosin teilnehmen, und jedesmal das er- haltene Produkt in seinen Eigenschaften mit denjenigen der durch Abbau der Seide erhaltenen Verbindung vergleichen. Es kann sein, daß der Zufall bald zu der gleichen Verbindung führt, es ist jedoch auch möglich, daß erst die zwölfte Verbindung dem isolierten Produkte entspricht! Nehmen wir an, daß vier verschiedene Aminosäuren am Aufbau eines Polypeptides beteiligt sind, dann haben wir bereits 24 strukturisomere Verbindungen vor uns. Fünf verschiedene Aminosäuren führen zu 120 verschiedenen Penta- peptiden, wenn wir die Reihenfolge der Bausteine wechseln, und bei sechs verschiedenen Bausteinen kommen wir zu 720 strukturisomeren Hexa- peptiden. Die folgende Übersicht i) gibt die Zahl der strukturisomeren Ver- bindungen wieder unter der Annahme, daß bis zu 20 verschiedene Amino- säuren an ihrem Aufbau beteiligt und nur ein Mal vertreten sind: Zahl der aus diesen darstell- Zahl der verschie- baren Verbindungen, wenn denen Aminosäuren ausschließlich die Reihenfolge geändert wird 7 5040 •8 40320 9 362880 10 3628800 11 39916800 12 479001600 13 6227020800 14 87178291200 15 1307674368000 16 20922789888000 17 355687428096000 18 6402373705728000 19 121645100408832000 20 2432902008176640000 Anders liegen die Verhältnisse, wenn die Bausteine nicht alle ver- schieden sind. Ein aus 15 Molekülen GlykokoU und 3 Molekülen Leuzin bestehendes Polypeptid kann in 816 isomeren Formen auftreten. Bei 15 Molekülen GlykokoU und 4 Molekülen Leuzin ist die Zahl der isomeren Verbindungen 3876.^) Die Zahl der Isomeren steigt sofort, wenn man außer der — CO — NH — Bindung noch andere Möglichkeiten in Betracht zieht. Es ist auch die tautomere Form — C(OH) = N — möglich, ^l Weitere Komplikationen ergeben, wie schon S. 355 bemerkt, die Dikarbonsäuren und die Diaminosäuren. Emil Fischer^) hat unter Berücksichtigung der bis jetzt in Betracht kommenden Bindungsmöglichkeiten die Zahl der isomeren Verbindungen auf 1,28.10-^, d. h. auf mehr als tausend Quadril- lionen berechnet. *) Vgl. Emil Abderhalden: Miinchener med. Wochenschr. Nr. 43 (1913); Deutsche med. Wochenschr. Nr. 49 (1913). -) Vgl. Emil Fischer: Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. Wissensöh, 40. 990 (1916). 3) A'gl. Emil Fischer: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 39. 568 (1906). 368 XIX. Vorlesuug. Wir werden auf diese große Zahl von isomeren Verbindungen, die sich aus relativ wenigen, verschiedenen Bausteinen einzig und allein durch die verschiedene Reihenfolge aufbauen lassen, noch zurückkommen. Ein Blick auf die gegebene Übersicht zeigt, daß es ganz unmöglich ist, die Struktur eines bestimmten Polypeptids durch die Synthese der ent- sprechenden Verbindung aufzuklären, sobald die Zahl der einzelnen Arten von Aminosäuren ansteigt. Wir müssen uns nach Methoden umsehen, die gestatten, einzelne dieser strukturisomeren Verbindungen auszuschalten. Zunächst können wir versuchen, ein solches Produkt durch vorsichtigen Abbau in einfachere Verbindungen zu zerlegen, die auch noch mehrere Aminosäuren gebunden enthalten. In jedem einzelnen Bruchstücke muß dann z. B. mit Hilfe von ß-Xaphtalinsulfochlorid festgestellt werden, welche Aminosäure die freie Arainogruppe trägt. Vorher überzeugt man sich auf die gleiche Weise, welche Aminosäure im Ausgangsprodukt, also in unserem Falle im Tetra- peptid, imstande ist, die Naphtalinsulfogruppe zu binden. Die Hydrolyse dieser Derivate ergibt dann einerseits Naphtalinsulfo-aminosäuren und freie Aminosäuren. Das erwähnte Tetrapeptid ließ sich direkt in zwei Dipeptide spalten. Sie wurden als Anhydride isoliert. Das eine erwies sich als Glyzyl-1-tyrosinanhydrid und das andere als Glyzyl-d-alaninanhydrid. Aus diesem Befunde können wir schließen, daß im isolierten Tetrapeptid einerseits Gly kokoll und Ty rosin und andererseits Gly kokoll und Alan in sich in irgend einer Reihenfolge folgen. Wäre es gelungen, die beiden Dipeptide als solche zu gewinnen, dann wäre diese Reihenfolge festgelegt gewesen, und es hätte nur noch entschieden werden müssen, wie die beiden Dipeptide im Tetrapeptid unter sich vereinigt waren. Es bleiben nach diesem Ergebnis der partiellen Hydroh^se des Tetrapeptids noch folgende Möglichkeiten. Wir bezeichnen der besseren Übersichtlichkeit wegen Glykokoll mit G, Alanin mit A und Tyrosin mit T: l. G-A-G-T. 2. G-T-G-A. 3. G-T-A-G. 4. G-A-T-G. 5. A-G-T-G. 6. A-G-G-T. 7. T-G-A-G. 8. T-G-G-A. Verbindungen, wie G-G-A-T, G-G-T-A, A-T-G-G oder T-A-G-G, kommen nicht in Frage, weil sie bei der partiellen Hydrolyse nicht die erwähnten Spahprodukte liefern können. Die vier verbleibenden Tetra- peptide müßten alle dargestellt werden, wollte man nach den bisherigen Befunden die Struktur des auf analytischem Wege erhaltenen Tetrapeptids vollständig sichern. Es ist nämlich durchaus nicht ausgeschlossen, daß zwei oder mehrere strukturisomere Polypeptide in ihren Eigenschaften sich so außerordentlich nahe stehen, daß sie kaum zu unterscheiden sind. Wir besitzen noch eine sehr wichtige Methode, um die Struktur eines bestimmten Polypejjtids aufzuklären. Es ist dies die Verfolgung seines Abbaus mittels polarisierten Lichtes. Die Polypeptide sind, wie schon erwähnt, oi)tisch-aktiv. sofern optisch-aktive Aminosäuren an ihrem Aufbau beteiligt sind. Die einzelnen Polypeptide zeigen, je nach ihrer Struktur ein verschiedenes Drehungsvermögen. >) So dreht z. B. Gly- zyl-d-alanin 50" nach links, während d-Alanyl-glyzin 50" nach *) Emil Abderhalden uud Andor Fodor : Zeitsclir. f. physiol. Cliemie. 81. 1 (1912) — Vgl. weitere Literatur bei Emil Abderhalden: Die Abderhaldensche Reaktiou. 5. Auf- lage. J. Springer. 1922. PJiwcißstoftc 1111(1 ihre Baiistciiio. fi69 rechts dreht. Glyzyl-d-alanyl-l-leuzin zeigt [ajogo^:— 90", d-Alanyl- glyzyl-1-leuzin — 11", l-Leuzyl-d-alanyl-glyzin — 17", l-Leuzyl- g'lyzyl-d-alanin + 20". Glyzyl-1-leuzyl-d-alaniii — 60". und das sechste strukturisomere Tripeptid dieser Reihe d-Alaii3^1-l-leuzyl-gly- zin — 30". Wir kennen ferner das Drehungsvermögen aller beim Abl)aii dieser Tripeptide in Frage kommenden Bruchstücke. Die Art der Drehungsänderung beim Abbau von Polypeptiden kann uns be- stimmte Anhaltspunkte über ihre Struktur geben. Eiin Beispiel m()ge diese Art der Aufklärung der Struktur von Polypeptiden veranschaulichen. Es sei die Struktur eines aus 1-Leuzin, d-Alanin und GlykokoU be- stehenden Tripeptides aufzuklären. Wir wollen voraussetzen, daß ihm die Struktur 1-Leuzyl-glyzyl-d-alanin zukomme. Dieses kann nun beim vorsichtigen Abbau entweder 1-Leuzin und Glyzyl-d-alanin liefern oder aber d-Alanin und 1-Leuzyl-glyzin. Das erstere Dipeptid dreht oO" nach links, das letztere 85" nach rechts. Das Tripeptid selbst zeigt, wie schon erwähnt, [ajj'j"' = + 20". Beobachtet man nun beim Abbau "eines solchen Tripeptids das Auftreten einer viel stärkeren Rechtsdrehung und nacli einiger Zeit ein starkes Zurückgehen des Drehungsvermögens, dann darf' man schließen, daß unter Abspaltung von d-Alanin zunächst 1-Leuzyl-glyziii entstanden ist, das dann weiter in seine Komponenten 1-Leuzin und GlykokoU zerlegt wird: -f 20" 1 - Leuzy 1 - gly zy 1 - d - al a n i n — 1()-H" ()" + !>•(:■)" -t- H5" --Ö0" / \ 1-Leuzyl-glyzin d-Alanin + 85" +2.6" 1-Leuzin GlykokoU —^ lO-o" 0" Der Abbau kann jedoch auch in umgekehrter Reihenfolge vor sich gehen, indem zuerst 1-Leuzin frei wird. Hierbei muß die Drehung zunächst nach links abweichen. Schließlich erfolgt dann die Hydrolyse des gebildeten Glyzyl-d-alanins und damit geht die Linksdrehung wieder zurück. 20" 1-Leuzyl-glyzyl-d-alanin ^' \ 1-Leuzin Glvzvl-d-ahmin — lu-:-"." — 500 GlykokoU d-Alanin 0'> -\-'2-6" Abderhalden, Physiologische fhurain. 1. 'I'eil. 5. Aiit'l. 2>4 370 ^^''^- Vorlesung'. Stellt man für jedes einzelne in Betracht kommende, strukturisomere Polypeptid die bei seinem stufenvveisen Abbau m()glichen Verbindungen fest, und bestimmt man für jede mögliche Abbaustufe das Drehungsvermögen, dann lassen sich auf diesem Wege oft über die Struktur des fraglichen Produktes Anhaltspunkte gewinnen. Vor allem kann man mittels dieses Verfahrens, das man als optische Methode bezeichnen kann, erfahren, wann von einer bestimmten Abbaustufe im Hydrolysat die größte Menge gebildet worden ist. Es läßt sich dann die Hydrolyse unterbrechen und die durch die Feststellung des Drehungsvermögens erschlossene Verbindung isolieren. Wir werden gleich erfahren, daß der stufenweise Abbau besonders mit Fermenten erfolgreich durchgeführt werden kann. Kehren wir nun zu dem erwähnten Tetrapeptid zurück. Es hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit herausgestellt, daß es der Verbindung GlyzyI-d-alanyl-glyzyl-1-ty rosin entspricht. Es ist nämlich gelungen, aus den Abbauprodukten der Seide das Tripeptid d-Alanyl-glyzyl- 1-tyrosin zif gewinnen. i) Ferner ist es geglückt, das Tetrapeptid unter Abspaltung von Glykokoll in dieses Tripeptid überzuführen, und dann ist es auch gelungen, aus ihm die beiden Dipeptide d-Alanyl-glyzin und Glyzyl-1-tyrosin zu erhalten.-) Zur Sicherung der Struktur des (Erwähnten Tripeptids wurde noch die Kuppelung mit [i-Naphtalin- sulfochlorid ausgeführt. ^'^ *) Die nachträgliche Hydrolyse ergab freies Glykokoll, ß-Naphtalinsulfo-d-alanin und ferner Mononaphtalin- sulfo-1-tyrosin. Das freie Tyrosin reagiert mit zwei Molekülen Naphtalin- sulfochlorid. Ein Naphtalinsulforest wird von der Amino- und der andere von der Hydroxylgruppe gebunden, wie die folgende Formel zeigt: 0 . SO2 . C,o H7 NH . SO., . Cio H, ■ C . CHo CH . C'OOH Di-ß-naphtalinsulfo-ty rosin. Das im obigen Versuch erhaltene Naphtalinsulfo-ty rosin trug nur an der Hydroxylgruppe den Naphtalinsulforest. Die Aminogruppe war frei, l'olglich muß das Tyrosin mit seiner Aminogruppe mit der Karboxyl gruppe eines der beiden anderen Bausteine des Tripeptids verankert ge-. wesen sein. Da das Alanin als Naphtalinsulfoverbindung unter den Spalt- produkten des Naphtalinsulfo-tripeptids erschien, kommt ihm in dem- Tripeptid die freie Aminogruppe zu. Folglich bleiben für die aus den Amino- säuren Glykokoll, d- Alanin und 1-Tyrosin bestehende Verbindung nur noch die folgenden beiden Möglichkeiten der Struktur übrig. Die Stellen, an denen ^) Emil Abderhalden uud Andor Fodor : Zcitschr . f. physiol. Chemie. 81. 1 (1912). — Vgl. weitere Literatur bei Emil Abderhalden : Die Abderhaldensche Reaktion. 5. Aufl. J. Springer. 1922. -) Nach neueren Beobachtungen. ^) Vgl. auch Emil Abderhalden und Casimir Funk: Ebenda. 64. 43B (lUlÜ). *) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 72. 1 (1911). EiweiBstofle und ihre Bausteine. 1 Naphtalinsiilforeste eintreten kimnen, sind durch ein * Hnj;edeutet und die Gruppen, an die sie sieh anhig-ern, durch Fettdruck liervorgehoben. OH* NH, CH, . CH . CO . \H . CH, . CO . NH . CH (CH.,) . COOH !i-Nap htalinsulfo-al an yl-g'lyzyl-ty rosin. OH* NH, C CH3 . CH . CO . AT/ . CH{CH,) . CO . NH . CHo . COOH [i-NaphtaHnsulfo-alanyl-tyrosyJ-^lyzin. Beide Verbindungen ergeben bei der Hydrolyse: !i-Naphtasulfo- alanin, Mono-naphtaHnsulfo-tyrosin und GlykokoH. Das Tyrosin trägt in beiden Fällen den Naphtalinsulforest an der Hydroxylgruppe. Die übrigen vier strukturisomeren Verbindungen kommen nicht in Betracht, weil sie, wie die folgenden Formeln zeigen, die erwähnten Spaltprodukte nach vorausgehender Kuppelung mit ß-Naphtaiinsultbchlorid nicht liefern kimnen: OH* * NH; NH (] CH, .CO. NH . CH (CHi) . CO . NH . CH (CH.,) . COOH ß-Naphtalinsulf . CO . NH . VH (CH,) . COÖH j-Naphtalinsulfo-tyr(»syl-fi;lyzyl-alanin. OH NH, I C . CH, . CH . CO . XH . CH [CH.,] . CO. NH . CH, . COOH ß-NaphtalinsuU'o-tyrosyl-alan yl-glyzin. Die beiden ersten Tripeptide liefern bei der Hydrolyse ß-Naphtalin- sulfoglyzin, Mononaphtalinsulfotyrctsin und Alanin und die beiden letzteren Dinapbtalinsulfotyrosin, Alanin und Glykokoll. Die Schilderung;- der g-roßen .Schwierigkeiten, die der Identitizierung eines isolierten zusammengesetzten Abl>auproduktes aus Eiweißstoft'en ent- gegenstehen, soll einerseits einen Blick in das ganze große Arbeitsgebiet geben und gleichzeitig verständlich machen, weshalb die Fortschritte in der Auffindung von Polypeptiden unter den Abbaustufen der Proteine so langsame sind. Es sind eine ganze Anzahl von Produkten isoliert, die ohne jeden Zweifel die Struktur von Polypeptiden besitzen, es gelang jedoch ihre Synthese noch nicht. Solange ein Produkt nicht mit einem synthetisch dargestellten Polypeptid identifiziert worden ist, darf ihm auch keine bestimmte Bezeichnung gegeben werden. Es ist immer noch nir>glich, daß neben der säureamidartigen Verkettung auch andere Bindungsarten zwischen den einzelnen Aminosäuren vorhanden ist. Diese würden übersehen, würde man einfach jedes Produkt, das aus einer bestinnnten Anzahl von Amino- säuren besteht und dessen Analyse, Molekulargewichtsbestimmung nebst dem Resultat der vollständigen und teilweisen Hydrolyse auf ein Poly- peptid hinweist, ohne weiteres als ein solches annelunen. Außer dem erwähnten Tetrapeptid aus Seide siud noch aus Edestin ganz gut charakterisierte Produkte abgetrennt worden.') So eine Verbin- dung, die bei der vollständigen Hydrolyse 1-Tryptophan. d-Glutaniin- säure und 1-Leuzin ergab. Eine andere wies 1-Tyrosin, Glykokoll und 1-Leuzin als Bausteine auf. Ferner wurde aus Edestin ein aus 1-Tryptophan und d-Glutaminsäure bestehendes Produkt gewonnen. Alle diese Verbindungen harren ihrer Identiiizierung. Sind derartige J'ro- dukte nicht zur Ki'istallisation zu bringen, dann ist es außerordentlich schwierig, den Nachweis zu führen, daß chemisch" einheitliche Snbstanzen vorliegen. Ja selbst kristallisierende Produkte erweisen sieh nur zu oft als Gemische! Mischt mau wohl charakterisierte, synthetisch bereitete Poly- peptide, dann ist es fast unmöglich, das Gemisch wieder zu entwirren. Die Hauntschwicrißkeit auf dem iranzen Arbeitsgebiete liegt darin, daß jede Erfahrung über die beste .\rt des Abbaues der einzelnen Proteine ') J'Jiiiil AbilcrhaHen: /.oitsclir. f. pliysiol. (;iiciiiii\ 5S. ?ü\\ (l'.IOS). KiweiBstutt'e und ilire Bausteine. 37;> fehlt. Es handelt sich uui ein vorsichtiges Vorwärtstasten. Bald ist die Hydrolyse zu weit i^-egangen, und es stört die große Menge von freien Aminosäuren die Isolierung der zusammengesetzten Abbaustufen. Oder aber es haben sich nur hochmolekulare Verbindungen gebildet. Die beim stufenweisen Abbau aus Proteinen entstehenden Peptone stellen ohne Zweifel ein recht mannigfaltiges Gemisch aller möglichen Abbaustufen dar. Tausende von einzelnen \'erbindungen mögen da gemischt sein. Ist schon die Trennung der einzelnen Aminosäuren ohne Anwendung der Estermethode fast unmöglich, so läßt sich ermessen, welche Schwierig- keiten noch zu überwinden sind, bis ein Peptongemisch auch nur einiger- maßen entwirrt ist. Ja es könnte fraglich erscheinen, ob man in absehbarer Zeit überhaupt so weit kommen wird, ein Peptongemisch vollständig in seine Anteile zu zerlegen. Je mehr Aminosäuren eine Verbindung ge- bunden enthält, um so schwieriger wird ihre Identitizierung. Wahr- scheinlich wird man vorläutig sich damit begnügen müssen, den Nachweis zu führen, was für Verbindungsarten ein Peptongemisch enthält. Es wäre schon von allergrößter Bedeutung, wenn man mit Sicherheit feststellen könnte, daß die säureamidartige Verknüpfung der Aminosäuren die aus- schließliche oder doch bei weitem überwiegende ist. Wahrscheinlichkeitsgründe für eine solche Annahme liegen genug vor, ein eindeutiger Beweis steht jedoch noch aus. An Hand einiger aus Peptonen abgesonderter Polypeptide könnte man sich dann ein Bild von dem Verlauf des stufenweisen Ab- baues machen. Ferner ließe sich dann auch ein bestimmter .Schluß auf die Struktur der Proteine selbst ziehen. Es erscheint kaum möglich, daß jemals ein bestimmtes Protein mit all seinen Bausteinen syn- thetisch aufgebaut werden kann, wohl al)er besteht die Möglich- keit, daß die Synthese zu einem Produkte führt, das alle allge- meinen Eigenschaften eines Proteins in sich vereinigt. An einem solchen ., Modell" kihmte man dann Studien über seinen Abbau und seine Eigenschaften und sein ^'erhalten gegenüber allen möglichen Agenzien machen und die gewonnenen Erfahrungen auf das Eiweiß übertragen. An eine Identitizierung mit einem bestimmten Eiweißkörper ist zurzeit gar nicht zu denken, vor allem schon deshalb nicht, weil wir zurzeit für kein einziges Protein den eindeutigen Beweis besitzen, daß es im chemischen Sinne einheitlich ist. Melleicht sind alle Proteine Gemische verschiedener Eiweißkörper, vielleicht sind auch mehrere Eiweißmoleküle locker unter- einander verknüpft. Die genaue Erforschung der Bestandteile der Peptone hat noch einen weiteren, sehr bedeutungsvollen Zweck. Es taucht immer wieder der Ge- danke auf. daß die Aminosäuren gar nicht alle im Eiweiß vorgebildet seien. Eine Anzahl davon soll sekundär entstanden sein. Je mehr Poly- peptide mit verschiedenen Bausteinen mit synthetisch dargestellten Ver- bindungen identitiziert werden können, um so mehr wird derartigen An- nahmen der Boden entzogen. Schon die Beobachtung, daß die Hydrolyse der Proteine mit Säuren, Alkalien und Fermenten zu den gleichen Amino- säuren führt'), macht es sehr unwahrscheinlich, daß irg(Mid eine der bis jetzt bekannten Aminosäuren im Eiweißmolekül nicht vorgebildet ist. ') Vgl. z. H. Emil Abderhalden, F. Mediqreceanu und L. Pincussohn : Zeitschr. f. physiol. Chciiiic. 61. 20.Ö (190'.)). ;-^74 XIX. Vorlesung. Erwähnt sei noch, daß bei der Hydrolyse von Proteinen aneh Anhydride, wie z. B. 1-Leuzininiid, l-l'henylalanyl-d-alaninanhydrid, 1-Leu- zyl-d-valinan hydrid erhalten worden sind.') Ihre Menge ist gering und wechselnd. Wahrscheinlich handelt es sich um sekundär entstandene Pro- dukte. Immerhin ist es auch nuiglich, daß solche Verbindungen im Eiweiß vorgebildet sind. Als sicher sekundär entstandene Produkte sind die Brenztrauben- säure2). CR, .CO. COOK und die a-Thiomilchsäure, C;H,(()H) . CH (SH). .COOH^) erwiesen. Die erstere ist auf Alanin, Serin oder Zystin zurück- zuführen. Die letztere stammt von Zystin ab. Da die a-Thiomilchsäure aus der !i-Thioverbindung Zystein hervorgeht, muß bei ihrer Entstehung eine Wanderung der Thiogruppe eintreten. Zur Aufklärung der Struktur zusammengesetzter Eiweißabkönnnlinge verfügen wir noch über mancherlei weitere Hilfsmittel. So besitzen wir mehrere Methoden, die uns gestatten, die Frage zu entscheiden, ob eine bestimmte, zusammengesetzte V erltindung der Eiweißreihe freie Aminogruppen besitzt oder nicht. Ferner können wir ihre Menge feststellen und auf (Irund der Kenntnis des Stickstoffgehaltes der Ver- bindung genau aussagen, ein wie großer Teil des Gesamtstickstoifes in Form von NH« vorhanden ist. 17.(1). Sli/ke benutzte die Beobachtung, daß aliphatische Aminogruppen mit salpetriger Säure in der folgenden Weise reagieren: R . CH . COOH -f- HNO2 = R . CK . COOH 4- H, 0 + N2 NH., OH zu einer quantitativen Methode der Bestimmung freier Aminogruppen. Die CO . NH-Bindung reagiert unter geeigneten Bedingungen nicht. Polypep- tide geben somit nur den Stickstoif der freien Aminogruppe ab. Bei jeder Lösung einer CO . NH-Bindung unter Aufnahme von Wasser bildet sich eine freie Aminogruppe, die nunmehr auch in Reaktion tritt. Es läßt sich mittelst dieser Methode der Abbau von Proteinen, Peptonen und Polypep- tiden in den einzelnen Phasen verfolgen. Vor allem vermag man mit ihrer Hilfe zu entscheiden, ob ein bei der teilweisen Hydrolyse von Proteinen gewonnenes Produkt Aminosäuren beigemischt enthält und ferner dem ver- muteten Polypeptid entspricht. Wir haben sch.on bemerkt, daß man die freien Aminogruppen auch durch Besetzung mit Säureresten festlegen kann. Bis jetzt ist hauptsäch- lich [:i-Naphtalinsulfochlorid zur Kuppelung benützt worden.*) Sobald höher molekulare Polypeptide vorliegen, ergibt diese Methode keine ver- läßlichen Resultate mehr. Das gleiche gilt von der schon erwähnten Me- *) Emil Ahcicrhahlcn niul Casimir Funk: Zcit>. v. Slyke und Fred J. Birchard: The Jourri. liidl. "chcni. 16. 539 (1914). '.'t'JQ XIX. ^'ürlosullg. NHo- bzw. Karbüxylj^ruppen beruht auf der Beobachtung von Schiff). daß es möglich wird, in Aminosäuren die Menge der Karboxylgruppen titrimetrisch zu bestimmen, wenn man die Funktion der Aminogruppe aus- schaltet.'-) Dies wird erreicht, indem man zu einer Lösung von Aminosäuren unter geeigneten Bedingungen Formaehyd (Fladormol) hinzugibt: CH3 CH3 CH . NH., + HCl )H = CH . N : CH, + H., 0. COüH COOK Alanin Formal- Methylenver- dehyd bindung des Alan ins. Die vorliegende Formel zeigt am' Beispiel des Alanins, daß die Aminogruppe mit einer Methylengruppe besetzt wird. Nunmehr reagiert die Verbindung als einbasische Säure. Wählen wir ein Polypeptid, z. B. das Tripeptid Diglyzyl-glyzin, dann ergibt die sogenannte Formoltitration — sie ist von Sörensen^) zu einer quantitativen Methode ausgearbeitet worden — eine freie Karl)oxylgruppe. Wird das Tripeptid in Glyzyl-glyziu und Glykokoll gespalten, dann werden zwei Karboxylgruppen und auch zwei Aminogruppen frei: CH2 . CO . \H . CK, . CO . NH . CH., . COOH + H, O = NH., Diglyzyl-glyzin. CH.> . COOH + CH., . CO . XH. CK-, . COOH I . I NH, NH, Glykokoll Glyzyl-glyzin. Bei der vollständigen Hydrolyse erhalten wir drei Moleküle Glykokoll. Jedes hat eine Araino- und eine Karboxylgruppen- ^): NH, . CH., . CO . XK . CK, . CO . NH . CH., . COOH + 2 H., 0 = Diglyzyl-glyzin NH2 . CH, . ( OOH -f NH, . CH, . (OOH + NH, . CH, ( (M)H Glykokoll Glykokoll ■ Glykokdll. ') H. Schiß: Liehicf^ AiinuhMi. 310. '.^5 (1899); 319. 59, 287 (19Ü1); 325. 848 (1902). ^) Wird durch Zusatz von Alkohol zu einer Lösung von Aminosäuren bzw. Poly- peptiden die Dissoziation dieser Verbindungen zurückgedrängt, so lassen sie sich durch einfache alkalimetrische Titration bestimmen. Vgl. h'ichard Willstäiter und Krnst Waldschmidt-Leitz: Berichte d. Deutschen chom. (Jes. 54. 2988 (19.^). ^) 8. /'. L. Sörensen: Compt. rend. des travaux de Laborat. de Carlsberg. 7. 1 (1907). — Biochem. Zeitsciir. 7. 43 (1907). — Vgl. auch Handbuch der biochemischen Arbeitsinethodeu. 6. 262(1912). (Be:irbeitet von //. .Jrsseu-Hansen.) Irban & Schwarzeii- herg Berlin-Wien 1912. *) Donald D. nan S/i/ke: Journ. of Biol. (_;hem. 9. 185 (1911). '') h'mil Abderhalden und />. J). ran Slifke: Zeitschr. f. physiol. Chem. 74. ö05 (1911). — fünil Abderhalden und Hiololf llanslian: Ebenda. 77.^285 (1912). Kiweilistoffe uud ihre Bausteine. 377 Der Verlauf einer solchen Hydrolyse läßt sich mittelst der Formol- titration direkt verfolg-en. Je tiefer der Abbau fi;eht, um so mehr NH.,- und Karboxylgruppen treten in Erscheinung. Fassen wir nun zusammen, was wir über die Struktur der Proteine und ihrer zusammengesetzten Abbaustufen wissen, dann ergibt sich das folgende Bild. Beim Abbau der Eiweißstoffe entstehen unter Wasser- aufnahme einfacher zusammengesetzte Bruchstücke. Die lange Kette der Aminosäurereste löst sich zu kleineren Gliedern auf. Es werden teils ein- zelne Glieder abgesprengt, teils entstehen kleinere Ketten, die noch mehrere Aminosäuren gebunden enthalten. Der Abbau erfolgt nach allen unseren Kenntnissen in der Art, daß unter Lösung einer säureamidartigen Verkettung einerseits eine Aminogruppe. andrerseits eine Karboxylgruppe sich bildet. Überall schieben sich Wasserteile ein: OH : H OH H CO NH CO.NH CO.NH CO NH ^4 K ^ COOH NH2 ♦ COOH NH, Auf diese Weise wird eine Aminosäure von einer anderen losgelöst. Kommt es zur Sprengung einer Kette in Bruchstücke* die alle nocli mehrere Aminosäuren enthalten, so ist die Hydrolyse im Prinzip genau die gleiche: OH H CO.NH CO.NH CO NH CO . NH CO . NH CO.NH CO.NH COOH NH^ CO . NH CO . NH Hierzu ist allerdings zu bemerken, daß bis jetzt keine solche Auf- spaltung mitten durch längere Ketten hindurch beobachtet werden konnte. Bis jetzt ließ sich nur mit Sicherheit eine Abspaltung einzelner Amino- säuren am Ende oder Anfang solcher Ketten feststellen. Das sich bildende Gemisch von allen möglichen Abbaustufen — Pep- tone genannt — besteht vielleicht ausschließlich aus Polypeptiden, d. h. aus Ketten von Aminosäuren, die säureamidartig untereinander verbunden sind. Dafür spricht die Beobachtung, daß es gelungen ist, verschiedene Polypeptide unter den Abbaustufen von Eiweißstoffen zu gewinnen. Ferner haben alle Untersuchungen übereinstimmend ergeben, daß mit der fort- schreitenden Hydrolyse immer mehr freie Amino- und Karboxylgruppen in Erscheinung treten. Ob wir nun die Hydrolyse mit SäunMi, Alkalien oder Fermenten durchführen, immer beobachten wir die gleiche Art des Abbaus. Die Beobachtung, daß es. gelingt, Proteine unter geeigneten Bedin- gungen mittelst Fermenten bis zu Aminosäure zu zerlegen, ergab die ersten Fingerzeige dafür, daß Ennl Fischer auf dem richtigen Wege war, als er ;-^78 . XIX. V^orlesuug. aiinaliiii. daß die Aminosäuren im Eiweißmolekül säureamidartig verknüpft sind. Wir wissen nämlich, daß bestimmte Fermente nur bestimmte Verbin- dungen anzugreifen vermögen. Es genügt die geringste Veränderung im Molekül, um dem Fermente die Möglichkeit, seine Wirksamkeit zu entfalten, zu nehmen. Wir haben bereits bei den Kohlehydraten Fermente kennen gelernt, die auf bestimmte Verbindungen eingestellt sind. Es sei nur an die Diastase, die Maltase, Laktase usw. erinnert. Bei den Fetten lernten wir die Lipase kennen, die Fette unter Wasseraufnahme zerlegt. Beim Abbau der Proteine bis zu den Bausteinen sind sicherlich eine ganze Reihe von Fermenten beteiligt. Wir nennen diejenigen, die Proteine angreifen, Proteasen oder proteolytische Fermente. Die Bestandteile der l'eptone werden oöenbar durch andere Fermentgruppen zerlegt. Man hat sie vorläufig Peptasen oder peptoly tische Fermente genannt. Es ist nun von allergrößtem Interesse, daß Fermente, die Peptone spalten, auch viele der synthetisch dargestellten Polypeptide in ihre Bausteine zer- legen. Damit war ohne allen Zweifel der Beweis geführt, daß diese eine Struktur besitzen, die den betreffenden,-' auch Polypeptidasen genannten Fermenten vertraut ist. Die säureamidartige Verknüpfung der Amino- säuren in den Polypeptiden ist somit die in den Eiweißstoffen und ihren noch Aminosäuren in Bindung enthaltenden Abbaustufen auch vorhandene. Wir werden auf die interessanten Ergebnisse der Studien über das Ver- halten der einzelnen Polypeptide gegenüber verschiedenartigen Fermenten noch eingehend zurückkommen, i) Die säureamidartige Verkettung von Aminosäuren ist die einzige Bindungsart, die bis jetzt im Eiweiß nachgewiesen ist. Wir haben schon betont, daß auch andere Möglichkeiten der Verknüpfung von Aminosäuren gegeben sind. So könnten die Oxysäuren ester- oder ätherartige Bindungen bilden. Ein abwechslungsreiches Moment bringen die Di- karbonsäuren und ferner Lysin und Arginin in die Struktur der Proteine und ihrer zusammengesetzten Abkömmlinge hinein. 2) A. Kassel^) hat für eine bestimmte Gruppe von Proteinen den Versuch unternommen, die Frage nach der Bindungsweise des Lysins und Arginins im Eiweißmolekül genauer aufzuklären. Wir kennen Eivveißarten, die fast ganz aus einer von diesen beiden Aminosäuren bestehen und das neben nur einzelne der bekannten Monoaminosäuren aufweisen. So enthält z. B. das aus reifen Hoden von Lachsen gewonnene Protein Salmin 89"/o Arginin, kein Lysin und Histidin. Ferner sind Serin, Valin und Prolin aut- gefunden worden. Da, Avie Kassel nachweisen konnte, im Arginin die freie Aminogruppc nicht besetzt ist — sie erscheint nach der Nitrierung als Nitrogruppe — und ferner auch die Bestimmung der Basizität verlangte, dat) mehr freie Aminogruppen vorhanden .sein müssen, als zugegen wären, wenn jedes Argininmolekül die verfügbaren NHa-Grruppen säureamidartig verkettet hätte, so ergibt sich die folgende Anordnung der Arginin- und Monoaminosäure-Moleküle im Salmin: ') Vgl. Band 2, Vorlesung XVI. 2) Vgl. hierzu S. 355, 350. ^) A. Kossei: Livie jubilairedu l'rot. Charles Richet. 211 (1912). — A. Kossei und F. Weiss: Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. d. Wissensch. 2. Okt. 1912; 7. Abh. 1913. — 1{. Kherharcl Gross: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 120. 107 (1922) Eiweißstofife und ihro Bausteine. ?,T9 Arginin res 111- t > ^NH., . CH . CO- I CHa i CH, I CH, I NH I C=NH NH., Valin- rest NH.('H.CO i CH /\^ CH3 CH3 r Arüiniii-i resi -NH . CH . CO- I CH, I CH, I CH, I NH C=NH NH, !-NH . CH . CO Alanin- | | Serin- rest 1 CH3 rest -NH . CH . CO NH . CH . CO CH., . OH Argini n- rest CH, I I CH, CH2 NH C=NH NH, Ein weiteres Protamin, das Sturin, aus Hoden vom Stör, besteht aus ca. 630/0 Arginin, S^/o Lysin und 12°/o Histidin. Ferner enthält es Alanin und Leuzin. Die Anordnung der Bausteine dürfte die folgende sein. NH . CH . CO NH . CH . CO - Arginin- rest CR, I CH, i CH, NH 1 C=NH NH, Lysin- rest CH, I CH, CH, CH, I NH, -NH . CH . CO- A 1 a n i n- ( rest \ CH, Histi- (linrest NH . CH . CO- I CH, C N Leuzin- rest l CH— NH "^CH NH . CH . CO 1 CH, CH i CH, CH, jj^Q XIX. A^oilesuug. Man hat auch daran iicdacht. daß eine Art von Kern in j;('wisseni Sinne das Zentrum des Eiweißniolekiils bilde, um den herum sich dann die polypeptidartigen Ketten gruppieren. Für die Annahme, daß im Eiweiß nicht einfach eine lanji,e Kette von Aminosäuren enthalten ist. spricht manches. Einmal deuten viele Beobaclitungen auf eine gr<)ßere Anzahl von Karboxyl- und AminooTupj)en hin. Stellt nnin sich vor, daß das P^iweili- molekül eine fortlaufende Kette von säureamidartij;- verknüpften Bausteinen darstellt, dann muß man schon annehmen, daß die freien Amino- und Karboxylo;ruppen hauptsächlich durch die Diamino- bzw. Dikarbon- säuren bedingt sind. Wir können unter der gemachten Voraussetzung das Eiweißmolekül einfach als ein sehr hochmolekulares Polypeptid auf- fassen. Das Studium eines synthetisch bereiteten, aus möglichst allen bekannten Aminosäuren aufgebauten Polypeptids wird zunächst am sichersten entscheiden können, ob seine Eigenschaften völlig mit denen der Proteine übereinstimmen. Vor allem wird es interessant sein, festzustellen, ob ein so hochmolekulares Polypeptid von Pepsinsalzsäure, dem proteolytischen Ferment des Magensaftes, gespalten wird. Dieses greift, wie wir gleich erfahren werden, Eiweiß an. Es entstehen zum Teil ganz einfache Abbau- stufen vom Charakter der Polypeptide, die nur wenige Bausteine enthalten. Es werden jedoch keine Aminosäuren abgespalten. Trypsin dagegen, das proteolytische Ferment des Pankreassaftes. setzt frühzeitig solche in Freiheit. Das letztere Ferment zerlegt auch synthetisch bereitete Poly- peptide unter Abspaltung von Aminosäuren. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, daß die in den Polypeptiden vereinigten Aminosäureketten, wie schon er-ivähnt, nicht an einer beliebigen Stelle durchbrochen werden, sondern es löst sich das am Anfang oder Ende der Kette stehende Glied ab. Pepsin- salzsäure hat keines der bis jetzt untersuchten Polypeptide gespalten. Diese Beobachtung läßt sich verschieden deuten. Es wäre denkbar, daß das Eiweißmolekül aus einer ganzen Anzahl von Polypeptidketten zusammengesetzt ist, die unter sich in einer unbekannten Art — vielleicht unter Vermittlung von Oxy säuren esterartig — zusammengefügt sind. CH2 . OH -H H OOC . GH., . NHo CIL . 0 . OC . CH., . NH., I - I CH . NH, = CH . NH, I I COOH COOK Serin Glykokoll Glyzyl-serinester. Das Pepsin vermag vielleicht diese Art von Verbindungen zu lösen, w^ährend Trypsin die säureamidartige Verkettung spaltet. Doch spricht gegen eine solche Annahme, daß das Pepsin zu ganz einfachen Abbaustufen führt. Es ist kaum anzunehmen, daß die ester- artige Bindung von Aminosäuren sich im Eiweißmolekül oft wiederholt. Es müßten denn weitere, noch unl)ekannte Oxysäuren am Aufbau der Proteine beteiligt sein. Oder man müßte schon annehmen, daß außer dei- säureamid- und esterartigen Verkettung der Aminosäuren noch andere Art(;n von Bindungen zwischen den einzelnen Bausteinen des Eiweißmoleküls vorkommen. Es ist jedoch auch ganz gut möglich, daß das Pepsin auf Kiwoißstort'c uiul ilire Bausteine. ;-^gl hochmolekulare Polypeptide eingestellt ist und diese an anderen Stellen angreift, als das Trypsin und den Abbau in anderer Kichtung weiterführt. Das Studium hochmolekularer P()ly])eptide muß hier Klarheit bringen. Ferner wird man alle S(»nstigen J)indun<;smügliehkeiten von Aminosäuren und ferner von Polypei)tidketten untereinander bei der Synthese berück- sichtigen müssen. Die bisher dargestellten hochmolekularen Polypeptide enthalten mehr- fach die gleiche Aminosäure und insl)esondere Glykokoll in unmittelbarer Nachbarschaft. So hat das von Kind Fischer dargestellte, aus 18 Amino- säuren bestehende Polypeptid die Znsammensetzung: 1-Leuzy 1-triglyzyl- 1-leuzyl-triglyzyl-l-leuzyl-oktaglyzyl-glyzin. Das von Emil Abder- halden und A. Fodor gewonnene, aus 19 Bausteinen bestehende Polypeptid ist 1-Leuzy 1-triglyzyl-l-le uzyl-triglyzy 1-1-1 euzyl-triglyzy 1-1-leuzyl- pentaglyzyl-glyzin. Es ist wohl möglich, daß die Häufung der Glyzin- reste im Molekül dem ganzen Bau des Polypeptides einen Charakter gibt, der von den in der Natur vorkommenden Verbindungen abweicht. Die l)is- herige Beobachtung hat nändich ergeben, daß nmn beim Abbau vornehmlich auf Polypeptide trifft, an deren Aufbau verschiedene Aminosäuren beteiligt sind. Vielleicht ergibt ejn entsprechend aufgebautes hochmolekulares Poly- peptid dem Pepsin gegenüber ein anderes Verhalten. Erst, w^enn alle diese Fragen entschieden sind, wird es möglich sein, etwas über die besondere Struktur der Proteine auszusagen. Vorläufig müssen wir uns mit dem allgemeinen Bauplane begnügen. Die Zahl der aus den bis jetzt bekannten Aminosäuren darstellbaien Polypeptide ist, wie auf S. 367 dargestellt wurde, eine außerordentlich große. Milliarden und aber Milliarden verschiedenartiger Kombinationen sind möglich. Dazu kommt dann noch, daß sich die Proteine wohl nie in den Zellen in reinem Zustande finden. Es handelt sich sicher immer um Ge- mische verschiedener Eiweißstoffe. Die Art des Gemisches und der Mischung selbst kann dem ganzen Produkte ein besonderes Gepräge geben. Wenn betont wird, daß jeder Art von Organismen besondere Eiweißstoffe zu- kommen, und behauptet wird, daß innerhalb eines bestimmten Organismus jede Zellenart ein eigen artigei» Proteingemisch besitzt und schließlich sogar von individuell verschiedenen Eiweißstoften gesprochen wird, so ist man geneigt, eine so weitgehende Spezialisierung der einzelnen Proteine für unmöglich zu halten, t'berlegt man sich jedoch, daß einmal durch die Art der Reihenfolge, durch dije Mengenverhältnisse, in denen die einzelnen Aminosäuren sich finden, und ferner vielleicht noch durch besondere Fein- heiten der Struktur unbekannter .\rt die angegebene Anzahl von verschie- denen Polypeptiden noch in ganz unübersehbarer Weise gesteigert werden kann, dann rückt die erwähnte Vorstellung von arteigenen, organeigenen und gar individueneigenen Proteinen durchaus in den Bereich der Mög- lichkeit. Dazu konunt noch, wie schon erwähnt, der besondere Charakter, der durch die Art der Mischung einzelner, verschiedenartiger Proteine dem ganzen Gemenge gegeben werden kann. Wir besitzen in den Fermenten außeiordentlich feine Keagenzien auf Unterschiede in der Zusammensetzung und Struktur von bestinnnten \ erbindungen. Diese weisen uns schon darauf hin. daß die die verschiedenen Zellen eines bestimmten Organismus aufltaucnden Proteine nicht gleicluiitig p,^2 XIX. Vorlesuug. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. sein können. 1) Wir kennen Zellfermente, die nur Eiweißstoffe der gleichen Zellart abbauen, in denen sie enthalten sind.'-) Es scheint nach neuen Er- fahrungen, daß die gleichen Organe in der ganzen Tierreihe. Proteine auf- weisen, die sich sehr ähnlich sind und bei weitem keine so großen Unter- schiede unter sich aufweisen, wie z. B. die Organproteine ein und desselben Tieres, Es scheint ein biologisches Gesetz zum Vorschein zu kommen, das zeigt, daß alle Tiere zu gleichen Zwecken ähnliche ,,funktionsspezifische" Proteine bilden. 3) Diese Ähnlichkeit braucht nur darauf zu beruhen, daß in bestimmten Eiweißstoffen bestimmte Gruppierungen von Aminosäuren wiederkehren. Dieser Umstand genügt unter Umständen, um zu bewirken, daß ein bestimmtes Ferment den Abbau dieser Verbindungen eröffnen kann. Selbstverständlich kann trotzdem das Organeiweiß jeder Tierart einen artspezifischen Charakter haben. Die Art der Mischung der einzelnen Zellproteine kann dem Zelleiweiß ein so spezifisches Gepräge geben, daß es sich scharf von jedem anderen Zellproteingemisch unter- scheidet, und doch kann eine Komponente in der ganzen Tierreihe wieder- kehren. Das Ferment, das auf diese besondere Eiweißart einwirken kann, macht uns auf diese, sonst gar nicht in Erscheinung tretende Anordnung bestimmter Atomgruppen aufmerksam. ') Vgl. Vorlesung XXV. ^) Vgl. Emil Abderhalden: Die ÄbderhaldenHche Reaktion. 5. Aufl. J. Springer. Berlin 1922. ') Vgl. Emil Abderhalden: Münchener med. Wochenschr. 60. 238ö (1913). Vorlesung XX. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. Eigenschaften der Eiweißstoffe. Ihre Einteilung, Zusammensetzung und ihr Vorkommen. Bei den Kohlehydraten stellten wir fest, daß wir die struktur und auch die Konfiguration der Monosaccharide kennen. Ferner erkannten wir, daß in den Disacchariden zwei Moleküle von Mono- sacchariden unter Wasserabspaltung vereinigt sind. Aus dem Verhalten der einzelnen Disaccharide gegenüber Metalloxjden in alkalischer Lösung und aus anderen Reaktionen ließ sich erschließen, ob die Aldehyd- bzw. Ketongruppe in reaktionsfähigem Zustande im Molekül enthalten ist oder aber, ob diese Gruppen besetzt oder sonstwie „verdeckt" sind. In der Folge gelang es, für bestimmte Disaccharide Konstitutionsformeln zu ent- werfen, die zwar noch nicht durch die Synthese bestätigt, jedoch mit den ganzen Eigenschaften der betreö'enden Verbindungen übereinstimmen. Die höheren Polysaccharide, die Tri- und Tetrasaccharide usw. vermochten wir nur noch durch die Zahl und Art der Bausteine zu charakterisieren. Dazu kommen dann noch besondere Eigenschaften. Dann verlor sich mit dem Aufsteigen in der Reihe der zusammengesetzten Kohlehydrate die auf Grund der Kenntnis der Zahl und Art der Bausteine gewählte Nomen- klatur immer mehr. Wir standen schließlich einem Gemisch von allen möglichen Abbaustufen aus hochmolekularen Kohlehydraten gegenüber, das wir ganz allgemein als Dextrine bezeichneten. Wir nehmen an, daß es aus zahlreichen Polysacchariden besteht, die einzeln eine bestimmte Anzahl von Bausteinen aufweisen. Einzelne Dextrine sind als Polysaccharide von bestimmter Zusammensetzung erkannt, i) Sie scheiden aus der Gruppe der unbekannten Bestandteile der Dextrine aus. Auf diese Verbindungen folgen dann die hochmolekularen, kolloiden Polysaccharide, wie die Stärke, das Glykogen und ferner die Zellulose. Auch diese Verbindungen tragen den Namen Polysaccharide. Er sagt nur aus, daß ,^ viele", aber nicht, wie viele Monosaccharide am Aufbau eines bestimmten Kohlehydrates beteiligt sind. Ist die Anzahl der Bausteine bekannt, dann tritt an die Stelle der Silbe „Poly" die entsprechende Zahl. Über die Struktur der Poly- saccharide sagt der Name gar nichts aus. ») Vgl. S. 59. ;^^4 ^-'^- Vorlesung. Bei den Proteinen lernten wir zunächst die Bausteine, die Amino- säuren, kennen. Über die Struktur der Monopeptide sind wir vollständig unterrichtet. Dagegen ist die Frage der Konfiguration der einzelnen Verl)indungen eine zum Teil noch offene. \) Der Umstand, daß bei der linwandhing der einen Verbindung in eine andere sich Veränderungen in der Konfiguration vollziehen können, erschwert das Studium der Beziehungen der feineren Struktur der einzelnen Aminosäuren zueinander und vor allem die Feststellung des Zusammenhanges der Konfiguration einzelner Amino- säuren mit derjenigen anderer Verbindungen, wie insbesondere der Kohle- hydrate. Es sei in dieser Beziehung daran erinnert, daß z. B. d-Alanin bei der Einwirkung von Nitrosylbromid nicht d-Brompropionsäure, sondern 1-Brompropionsäure liefert."-) Bekannt, wie schon S. 316 dargestellt, ist die Konfiguration der d-a-Aminopropionsäure und damit der in [i-Stellung substituierten, von ihr sich ableitenden Verbindungen. Stehen somit unsere Kenntnisse, was die Konfiguration anbetrifft, bei den Aminosäuren augenblicklich noch hinter denen der Monosaccharide zurück, so sind wir auf der anderen Seite bei jenen Verbindungen der Eiweißreihe viel besser über die Struktur unterrichtet, die aus mehreren Aminosäuren bestehen. Wir wissen, daß im Eiweißmolekül die Aminosäuren säureamidartig miteinander verknüpft sind. Es bleibt dabei offen, ob nicht daneben auch noch andere Bindungsarten sich finden. Mit dem Namen Polypeptid verbinden wir die Vorstellung einer ganz bestimmten Struktur. Auch bei den Proteinen kennen wir ein Gemisch von Abbaustufen, das noch nicht völlig entwirrt werden konnte. Es sind dies die Peptone. Es ließen sich aus manchen Peptongemisclien einzelne Polypeptide ab- scheiden. Wir haben die Peptone bereits als ein Gemisch von zahlreichen Produkten geschildert, die " einerseits dem Eiweiß und andererseits den Aminosäuren nahestehen. Sie lösen sich in Wasser, diffundieren durch Dialysiermembrane, geben die Biuretreaktion und ferner jene Farb- reaktionen, die an das ^'orhandensein bestimmter Bausteine geknüpft sind. Fehlen diese, dann ergeben die betreffenden Peptone auch die ent- sprechende Bausteinfarbreaktion nicht. "Mit Triketohydrindenhydrat geben die Peptone, Avie die Polypeptide und Aminosäuren Blaufärbung. Steigen wir noch weiter emjxtr. dann gelangen wir zu den Eiweißstoffen. Sie sind nur im kolloiden Zustand bekannt. Eine große Anzahl von ihi-en Eigenschaften hängt mit diesem zusammen. Wir wollen sie hier nur streifen. Ein volles Verständnis des Verhaltens der Proteine unter verschie- denen Bedingungen wird erst möglich sein, wenn wir einerseits das N'erhalten gel('>ster Stoffe und andrerseits die Gnindeigenschaften der Kolloide er- örtert haben werden.'') Aus diesem Grunde wollen wir die Besprechung der physikalischen Eigenschaften der Proteine einstweilen zurückstellen. Wir haben die l*roteine als kolloide, aus Aminosäuren zusammengesetzte Verbindungen charakterisiert. Sie geben be- stimmte Farbreaktionen. Keine davon ist für die Eiweißsub- stanz als solche charakteristisch. Die Proteine geben, wie die ') Vgl. hierzu S. ;n6tt. ^) \gl. S. 3()2. ■') Vgl. Band 'l. Vdrlcsuntr'Mi \' und folgende. Eiweißstoffe und ihre Bausteiae. 385 Peptone, mit Alkali und verdünnter Kupfersulfatlösung- eine violettrote bis violettblaue Färbung. Schon einzelne Tripeptide geben die Biuret- reaktion. Offenbar ist sie von der Struktur der Verbindungen abhäno-io- und ferner müssen mehrere Aminosäuren säureanüdartig miteinander ver- knüpft sein. Zwei Aminosäuren genügen noch nicht. Die Proteine o-eben mit Triketuhydrindenhydrat Blaufärbung. Diese Reaktion haben sie mit fast allen Abbaustufen der Eiweißstoffe bis herunter zu den Amino- säuren gemein. Nur bestimmte aussalzbare Peptone geben keine Farb- reaktion. Wahrscheinlich liegt irgend eine anhydridartige Bindung innerhalb des Moleküls vor. Triketohydrindenhydrat reagiert ganz allgemein mit Verbindungen, die in z-Stellung zum Karboxyl eine Aminogruppe tragen, i) Die nun folgenden Farbreaktionen sind auch nicht typisch für Eiweiß, ja sie können teilweise oder auch vollständig fehlen. Sie sind nämlich alle dadurch charakterisiert, daß sie von der Anwesenheit bestimmter Aminosäuren abhängig sind. Fehlt einem Protein ein solcher Baustein, dann fällt die diesem zukommende Reaktion neoativ aus. Trotzdem kann die Verbindung ein echter Eiweißkörper sein. Geben Proteine die Xanthoproteinreaktion, dann deutet dies ganz allgemein an, daß sie aromatische Bausteine enthalten. Es können Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan und Oxytryptophan vorliegen. Erhält man mit Millons Reagens eine rote Färbung, dann beweist dies, daß der betreffende Eiweißkörper Tyrosin besitzt. Wir können noch den weiteren Schluß ziehen, daß die Oxy-Gruppe des Tyrosins unbesetzt ist, denn es fällt die Reaktion mit Tyrosin, dessen Hydroxyl z. B. mit dem Naphtalinsulforest 2) verknüpft ist, negativ aus. Der Schluß, daß der positive Ausfall der Reaktion mit Millons Reagens die Anwesenheit von Tyrosin im Eiweißmolekül beweist, ist nur deshalb zulässig, weil wir keine andere Aminosäure kennen, die diese Art von Rotfärbung gibt. 3) Unterschichten ^^ir eine Eiweißlösung, die wir mit einer Lösun»- von Glyoxylsäure vermischt haben, mit konzentrierter Schwefelsäure dann erhalten wir an der Berührungsstelle beider Schicliten einen violetten Rin»- — vorausgesetzt, daß das untersuchte Protein Tryptophan enthält. Die Bromreaktion auf diese Aminosäure fällt natürlich negativ aus, weil sie nur mit der freien Aminosäure eintritt. Erhalten wir beim Kochen eines Eiweißes mit Alkali und Bleiazetat Al)scheidung von Bleisulfid — grauschwarzer Niederschlag — , dann wissen Avir. daß ein zystin haltiges Produkt vorliegt. Aus der Feststellung, daß diese Farbreaktionen charakteristisch für bestimmte Bausteine und nicht für Eiweiß selbst sind, ergibt sich "anz von selbst, daß wir die Eiweißkörper nicht durch sie kennzeichnen können. Es bleibt als Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Peptonen in der Hauptsache nur ihr kolloider Charakter. Dieser dürfte einmal dadurch bedingt sein, daß die Proteine hochmolekulare Verbindungen darstellen. ') Auch andere Verbindungen geben mit Triketoliydrindeulijdrat unter (Geeigneten Bedingungen Blaufärbung. Ihr Auftreten genügt für j-ich allein nicht, um auf Eiweiß und seine Abbaustufeu zu schließen. -) Vgl. S. 370. ^j Oxytryptophan gibt auch eine Färbung mit Millons Reagens, doch zei^t sie ■ein anderes Rot. A b]de rhal den , Physiologische Chemie. I. I'oil, 5. Aufl. V>') 3g6 XX. Vorlesung. Es ist jedoch auch möglich, daß Besonderheiten in der Struktur mit maß- gebend sind. Die Eiweißkörper lassen sich aus ihren scheinbaren Lösungen auf ganz verschiedene Arten abtrennen. Die Hitzekoagulation i) haben wir schon erwähnt. Die Proteine fallen auf Zusatz von Salzen der Sch>vermetalle. Besonders oft sind Eisenchlorid, Eisenazetat, Kupfer- sulfat und -azetat, Bleiazetat, Zink- und Uranylazetat zur Abscheidung von Proteinen verwendet w^orden. Ferner lassen sich die Eiweißstoffe mittels der sog. Alkaloidreagenzien ausfällen. Sie fallen mit Phosphor- w^olframsäure und Phosphormolybdänsäure. Auch mit Gerbsäure, Pikrin- säure, Trichloressigsäure, Ferrozyanwasserstoffsäure erhält man Fällungen. Unterschichtet man eine Eiweißlösung sehr vorsichtig mit konzentrierter Salpetersäure in der Kälte, dann tritt an der Beriihrungsstelle beider Schichten ein grauweißer Ring auf 2) Diese Eiweißprobe ist sehr empfind- lich. Endlich fallen die meisten Eiweißkörper auf Zusatz von Alkohol. Einige davon sind allerdings in ihm löslich. Mit Hilfe dieser Fällungen kann man wohl Eiweiß als solches ab- scheiden und erkennen, dagegen sind die erwähnten Methoden in den meisten Fällen ungeeignet, um Gemische verschiedener Proteine zu trennen. Die einzige Methode^ die bis jetzt mit Erfolg zur Darstellung- von Proteinen Verw^endung gefunden .hat, ist die von Kilhne'^) eingeführte und dann namentlich von Hofnieister^) und seinen Schülern^) und später von Oshorne^) ausgearbeitete Methode des Aussalzens. Es sind verschiedene Salze zur Fällung angewandt worden. Bevorzugt sind Ammonsulfat und Zinksulfat. Auch Kochsalz, Natriumsulfat und Magnesiumsulfat linden Verwendung. Die Erfahrung hat gezeigt, daß bestimmte Eiweißsubstanzen für ein bestimmtes Salz eine bestimmte Fällungsgrenze besitzen. Es kommt nicht nur auf die Konzen- tration der Salzlösung an. Die Aussalzbarkeit eines Proteins ist vielmehr auch von der absoluten Menge des aussalzenden Salzes und derjenigen des auszusalzenden Eiweißes abhängig. Die Fällungsgrenze einer Eiweiß- substanz läßt sich, wie folgt, bestimmen. Man fügt zu der Lösung eines bestimmten Proteins ganz allmählich eine konzentrierte Lösung eines be- stimmten Salzes. Man beobachtet, daß nach Zusatz einer bestimmten Menge der Salzlösung eine Trübung erscheint. Es ist dies die untere Fällungs- grenze für das betreft'ende Protein und die angewandte Art Salzlösung. Nun fährt man mit dem Zusatz der Salzlösung fort, bis keine Fällung mehr erfolgt. Es ist dann die obere Fällungsgrenze erreicht. Sie gilt wiederum nur für das betreffende Protein und das verwendete Salz. Hat ') Vgl. hierzu S. P. L. Sörensen und E. Jürc/ensen: Biochom. Zeitschr. 31. 397 (1911). Hier findet sicli weitere Literatur. -) IJellersche Probe. ") ir. Kühne: Verb, des Heidelberger naturhist.-med. Vereins. N. F. 3. 286 (188Ö). — A. llcynsitis: Fftih/ers Arch. 34. b3U (1884): Zeitschr. f. Biol. 29. 1 (1892). *) F.Hofmeister: Arch. f. exper. Patb. u. Pharm. 24. 247 (1887); 25. 1 (1888). ^) IV. Pauli: Hofmeisters Beitr. 3. 225 (1902). «) T. B. Osborne und ./. F. Harris: Amer. Journ. of Physiol. 93. 436 (1905); .lourn. of the Amer. C'bem. Soc. 25. 537 (1903). — V^gl. auch Ilandb. der Biochem. Arbeitsmethoden. 2. 270 — 420(1910). (Bearbeitet von Thomas B. Oshortie, Fr. N. Schviz und Franz Samuel ij.) l'rban t^: Schwarzenborg. Berlin-Wien 1910. — Vgl. ferner IIikio Wiener: Zeitschr. f. physiol. Cheni. 74. 29 (1911). J^iweißstotfe und ihre Bausteine. uü^ man ein Gemisch verschiedener Proteine zu trennen, dann beobachtet man oft, daß nach Erreichung der oberen Fällungsgrenze bei weiterem Zusatz der Salzlösung keine Ausflockung mehr erfolgt. Erst nach einer bedeutend höheren Konzentration der Salzlösung in der Eivveißlösung erscheint wieder eine Trübung. Es ist die untere Fällungsgrenze eines anderen Proteins erreicht. Um sie erkennen zu können, entfernt man das zuerst ausgefallene Protein durch Filtration und gibt dann zum Filtrat weiter Salzlösung hinzu. Ist für das zweite Protein die obere Fällungsgrenze erreicht, dann wird wieder filtriert und versucht, im Filtrat weitere Eiweißstofte auszusalzen, falls dieses noch solche enthält. Die Salzlösungen werden kalt gesätti^-t und ganz neutral verwendet. Mit Hilfe dieser Methodik ist es gelungen, aus Pflanzen und Tieren eine sehr große Anzahl von Proteinen abzutrennen. Die so gewonnenen Eiweißstofte bilden das Ausgangsmaterial der Studien über diese Klasse von Verbindungen. Außerdem stehen uns noch zahlreiche Eivveißsubstanzen zur Verfügung, die in der Natur in festem Zustande vorkommen. Es sind dies Proteine, die in der Tierwelt in gewissem Sinne die Zellulose und die dieser verwandten Kohlehydrate in ihren Funktionen vertreten. Wie diese Polysaccharide der Pflanzenwelt als Abgrenzung von Zellen und Geweben und als Stütze dienen, so finden wir im tierischen Organismus zahlreiche Gebilde, die mechanischen Funktionen dienen und ganz aus Eiweiß aufgebaut sind. Diese Gruppe von Proteinen läßt sich im einzelnen Falle nur sehr schwer in einzelne Bestandteile auflösen, ohne daß sekundäre Veränderungen, wie Hydrolyse usw., eintreten. Infolgedessen hat man diese Produkte meist direkt als Ausgangsraaterial benutzt, ohne eine Reinigung zu versuchen. Hierher gehören die elastischen Fasern, die Keratinarten. die Seide, das Spongin usw. Wenn wir uns ein Urteil über die Zusammensetzung einer Verbin- dung und vor allem auch über ihre Struktur bilden wollen, dann müssen wir in erster Linie genau wissen, ob das Ausgangsmaterial einheit- lich ist. Erst dann können wir den Resultaten der Abbauversuche eine bestimmte Bedeutung zuerteilen und auf ihnen weiterbauen. Sobald es uns gelingt, einen Körper in Kristallform zu bringen, ist die Möglichkeit gegeben, ihn zu reinigen. Bei amorphen Körpern ist es außerordentlich schwer, den Beweiß zu erbringen, daß sie chemisch einheitlich sind. Es ist in diesen Fällen die Darstellung zahlreicher Derivate, Salze usw. not- wendig, um zu erfahren, ob das Ausgangsmaterial rein ist. Handelt es sich um kolloide Verbindungen, dann stellen sich der Reinigung oft fast unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Der kolloide Zustand ist nämlich durch die Eigenschaft, alle möglichen Stoffe aufzunehmen, zu adsorbieren, ausgezeichnet. Wie steht es nun mit den Eiweißstoffen? Dürfen wir die Proteine als chemisch einheitliche Verbindungen ansehen? Oder bedeutet der Name Protein = Eiweiß nur einen Sammelbegriff für eine Klasse von einander nahestehenden Verbindungen, wie etwa der Name Stärke mehrere Verbindungen, wie Amylopektin und Amylose^), zusammenfaßt? Diese Fragen sind außerordentlich schwer zu beantworten. Es ist erst in neuester Zeit mit allen Methoden der modernen physikalisch- 0 Vgl. S. .58. 25* 3gg XX. Vorlesung, chemischen Methodik versucht worden, den Beweis zu führen, daß kristallisiertes Eieralbumin chemisch einheitlich ist.i) Bei so kompliziert gebauten Verbindungen läßt sich eine sichere Unterscheidung zwischen konstanten Gemischen und einheitlichen einfachen Produkten nach dem jetzigen Stand unserer Methoden wohl kaum durchführen. Die gebräuchlichen Methoden der Darstellung der Proteine ergeben keine Gewähr für ihre Reinheit. Wir können uns wohl vorstellen, daß eine ganze Anzahl von Proteinen die gleichen Fällungsgrenzen aufweisen. Ferner handelt es sich bei dem Aussalzen nicht um das Fällen eines be- stimmten Proteins bei einer ganz bestimmten Salzkonzentration, sondern wir fällen von einem bestimmten Grad der Sättigung an, bis nichts mehr aus- flockt, d. h. bis die obere Sättigungsgrenze erreicht ist. Es ist wohl möglich, daß mehrere Proteine innerhalb der unteren und oberen Sättigungsgrenze der beobachteten scheinbar einheitlichen Fällung ihre beiden Sättigungs- grenzen haben. Dazu kommt noch, daß die Erfahrung beim Ai-beiten von Gemischen zeigt, daß die einzelnen Komponenten sich in ihien Eigen- schaften oft stark beeinflussen. Selbst kristallisierende Verbindungen sind oft erst auf vielen Umwegen von Beimengungen zu trennen. Sollte es wirklich möglich sein, durch einfaches Aussalzen aus einem Gemisch von hochmolekularen Verbindungen chemisch einheitliche Körper abzuscheiden? Eine solche Annahme hat sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Sie läßt sich direkt prüfen, indem man Polypeptide, die mit Ammonsulfat aus- salzbar sind, mischt und dann feststellt, ob noch für jedes Polypeptid die gleichen Sättigungsgrenzen, wie zuvor bei der einzelnen ^'erbindung vor- handen sind, und damit die Möglichkeit einer Trennung gegeben ist. Es entspricht auf alle Fälle eher den Tatsachen, Avenn wir den Namen Protein vorläufig als einen biologischen Sammel- begriff für hochmolekulare, kolloide, aus Aminosäuren zusam- mengesetzte Verbindungeu bezeichnen und hervorheben, daß die bisherigen Methoden wohl gestatten, unter Innehaltung der empirisch gefundenen Bedingungen immer wieder die gleiche Gruppe von Eiweiß- stoften zu isolieren, daß hingegen zurzeit für keinen Vertreter der Pro- teine der Beweis geführt ist, daß er chemisch einheitlich ist. Es ist mög- lich, daß einheitliche Proteine isoliert sind, es ist auch denkbar, daß manche davon aus ganz wenigen Komponenten bestehen, es muß jedoch auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß jedes einzelne der bis jetzt isolierten Proteine aus einer größeren Anzahl nahe verwandter Produkte besteht. Wir sind nicht imstande, zur Isolierung der Proteine prinzipiell verschiedene Methoden sich folgen zu lassen. In den meisten Fällen wird ein und dasselbe Verfahren wiederholt angewendet. Wir salzen ein Protein aus, bringen es wieder in L()sung und fällen wieder. Erhalten wir nun bei mehrfacher Wiederholung der Aussalzung verschiedene Fraktionen, so könnte man vermuten, daß es geglückt sei, eine gewisse Reinigung zu erzielen. In manchen Fällen mag das auch richtig sein, doch dürfen wir nie außer acht lassen, daß die ?^iweißstotfe Kolloide mit allen ihren Eigen- schaften darstellen. Vor allem stören die Zustandsänderungen der kolloiden Proteine die Beurteilung der sogenannten Reinigung eines Proteins außer- •) Vgl. S. P. L. Sörensen und Marq. Höyrup: Zeitschr. f. physiol. Cheni. 103. 15 (1908); 103. 267 (1918). — S. F. L. Sörensen: Ebenda. 103. 211 (1918); 106. 1 (1919). Eiweißstotfe uud ihre Bausteine. 3y9 ordentlich. Schon beim Aussalzen zeigen manche Proteine Änderungen ihres Zustandes. Wir bezeichnen bei Kolloiden den scheinbar gelösten Zustand als 8ol (Solutio, Lösung), den festen als Gel (abgeleitet von Gelatine). Der erstere Zustand kann in den letzteren durch alle möglichen Zwischenstufen übergehen und umgekehrt. In diesem Falle sprechen wir von einer reversiblen Zustandsänderung. Es tritt jedoch auch der Fall ein, daß der einmal erreichte Gelzustand beibehalten wird. Er ist irreversibel geworden. Die Eigenschaften eines Kolloids sind in hohem Maße von dem augenblicklichen Zustand und vor allem auch von den vorhandenen Bedingungen abhängig. Wir können uns wohl vorstellen, daß ein bestimmtes Protein sich bei wiederholtem Aussalzen einzig und allein des- halb fraktionieren läßt, weil das Fällen und Auflösen Zustandsänderungen bewirkt, die die Eigenschaften einzelner Teile des Proteins stark beein- flussen. Diese Bemerkungen sollen nur andeuten, vor welchen Schwierig- keiten wir stehen, wenn wir die Frage beantworten und experimentell beweisen sollen, ob es unter den isolierten Proteinen chemisch einheitliche Individuen gibt. Wir haben schon früher erwähnt, daß in der Natur scheinbar gelöste, halbfeste und feste Proteine vorkommen. Die ersteren lassen sich nur so lange isolieren, als sie ihren genuinen Zustand beibehalten oder in diesen wieder zurückgebracht werden können. Ist der Zustand eines Proteins irrever- sibel verändert, dann ist jede Möglichkeit seiner Reinigung im Sinne einer Abtrennung etwa beigemengter Eiweißstofl'e ausgeschlossen. So ist ein Eiweißkörper, der durch die Hitze koaguliert worden ist, in seinen ganzen Eigenschaften so verändert, daß er in den meisten Fällen von anderen auf die gleiche Weise gewonnenen Proteinen nicht mehr durch seine Löslichkeit, seine Fällbarkeit usw. unterschieden werden kann, obwohl die einzelnen Proteine im genuinen Zustand ganz verschieden waren. Man hat diese Überführung genuiner Eiweißstoflfe in den irreversiblen, festen Zustand auch Denaturierung genannt, um anzudeuten, daß die Eigenschaften des Ausgangsmaterials verloren gegangen sind. Eine be- sondere Art der Gelbildung stellt die Gerinnung dar. Wir werden bei der Besprechung des Blutes erfahren, daß dieses unter bestimmten Bedingungen gerinnt. Es ist ein vorher gelöster Eiweißkörper, der ausfällt. Auch die Totenstarre ist auf die Gerinnung von Eiweiß zurückgeführt worden. Ferner läßt sich die Milchgerinnung auf die Umwandlung eines Proteins zurückführen. Wir werden auf diese biologisch wichtigen Gerinnungs- vorgänge noch zurückkommen. Fassen wir das Ergebnis der bisherigen Bemühungen, Eiweißstoffe als chemische Individuen abzutrennen, zusammen, dann ergibt sich, daß dieses Ziel nicht erreicht worden ist^), oder besser ausgedrückt, wir besitzen zurzeit keine Kriterien dafür, ob die Reindarstellung von Eiweißstoffen gelungen ist. Dagegen haben Forscher, wie Kühne, Hofmeister, Osborne, Methoden ausgearbeitet, die es uns ermr)glichen, aus den einzelnen Aus- gangsmaterialien immer wieder die gleiche Eiweißart zu erhalten. 2) Es ist gelungen, eine große Anzahl von Proteinen so zu charakterisieren, daß ') Vgl. auch hierzu Friedrich Obermayer \\nA\Bobert Willheim: Biochem. Zeitschr. 38. 311 (1912); 50. 369 (1913). -) A'gl. die Literatur zu diesen Prol)lenieu bei 0. Cohnheim: Chemie der Eiweiß- körper, 1. c. S. 307. 390 XX. Vorlesung. eine Einteilung- der verschiedenartigen Eiweißsubstanzen möglich geworden ist. Sie ist auch heute noch maßgebend. Ehe wir auf die Besprechung des Vorkommens und der Avichtigsten Eigenschaften der einzelnen Proteinarten eingehen, müssen wir noch der interessanten Beobachtung gedenken, daß es gelungen ist, eine ganze Anzahl von Proteinen in kristallisiertem Zustande abzuscheiden.^) Dieser Befund erweckte große Hoffnungen. Das Problem der Gewinnung einheitlicher Proteine erschien gelöst. Die genauere Betrachtung der Eigen- schaften der Eiweißkristalle zeigte jedoch bald, daß das Kristallisations- vermögen an und für sich keine Gewähr für die Einheitlichkeit der ge- wonnenen Produkte ergibt. Es ist nämlich gelungen, den Beweis zu führen, daß Eiweißkristalle, ohne in ihrer Form Änderungen zu zeigen, andere Kolloide aufnehmen können. Eieralbumin kann z. B. muzinartige, an Glu- kosamin reiche Proteine enthalten und doch kristallisieren, ^j Unter geeig- neten Bedingungen läßt sich jedoch ein solches Eiweiß reinigen 3), pnd man gewinnt dann wieder die gleichen Kristalle, die jedoch bei der voll- ständigen Hydrolyse weniger Glukosamin ergeben als die erste Kristalli- sation. Ferner läßt sich Hämoglobin, ein zusammengesetzter Eiweißkörper, mit anderen Proteinen zusammen zur Kristallisation^bringen.*) Endlich hat Zsigfnondy^) auf ein eigentümliches Verhalten der kolloiden Goldlösung bei Anwesenheit von Eiweiß aufmerksam gemacht. Eine reine Goldlösung wird durch Zusatz von Elektrolyten, z. B. von Kochsalz, ausgefiockt. Ist dagegen Eiweiß zugegen, so bleibt die Fällung aus. Die Eiweißstotfe schützen gleichsam das kolloide Gold. Fr. X. Schulz und Zsigmondiß) haben nun nachgewiesen, daß die Fähigkeit der Eiweißstofife, das kolloide Gold vor dem Ausfallen zu schützen, sich für jeden Eiweißkörper zahlen- mäßig ausdrücken läßt. Globulin vermag z. B. unter bestimmten Bedin- gungen ungefähr die 20 fache Gewichtsmenge Gold zu schützen. Wird eine Eiweißlösung, die mit Goldlösung gemischt ist, gefällt, so fällt das Gold mit. Man erhält einen homogenen, roten Niederschlag. Löst man das Globulin wieder auf, so geht auch das Gold wieder in Lösung. Es ist klar, daß in diesem Falle sehr leicht eine Verbindung zwischen Gold und Eiweiß vorgetäuscht werden könnte. Es ist von großem Interesse, daß auch kristallisiertes Eieralbumin Gold aufnimmt und mit diesem sich Um- kristallisieren läßt. Auch Kupfer, Eisen, Kalziumoxyd etc. können von Eiweiß in kolloider Lösung gehalten werden. Sind wir zurzeit auch nicht imstande, das Kristallisationsvermögen einiger Eiweißarten allein als Beweis für ihre chemische Einheitlichkeit anzuführen, so ist doch diese Eigenschaft von allergrößter Bedeutung für die ßeinigung von Proteinen geworden. Die erhaltenen Kristalle ') Vgl. die Literatur bei Fr. N. Schulz: Die Kristallisation von Eiweißstoft'eu und ihre Bedeutung für die Eiweißchemie. Gustav Fischer. Jena 1901; ferner in Handbuch der Biochem. Arbeitsmethoden. 2. 270—346 (1910). (Bearbeitet von Thomas B. Osborne und Fr. N. Schulz.) Urban & Schwarzenberg. Wien-Berlin 1910. ^) Eniil Abderhalden, Peter Berqell und Theodor Dörpinqhaus : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 41. 530 (1904). •') Vgl. hierzu: S. P. L. Sörensen und Marq. Höt/rup : Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 103. 15 (1918). *) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. (hemie.'ST. 484 (1903). ^) i?. Zsifimondy: Zeitsclir. f. aualyt. (Miemie. 40. 697 (1901). *) Fr. N. Schulz und R. Zsigmondy : Jlo/meisferü. Beiträge. 3. 137 (1902). Eiweißstoffe uucl ihre Baiisteiue. 39 [ lassen sich nämlich Umkristallisieren. Hierbei verbleibt immer eine Mutterlauge, die Verunreinigungen enthält. Durch wiederholtes Umkristalli- sieren läßt sich eine Reinigung erzielen. Allerdings sind wir bei der Um- kristallisation mit Ausnahme des Hämoglobins bei ein und demselben Protein auf die gleiche oder doch ganz entsprechende Methode angewiesen. Es wäre vorteilhafter, wenn die gleichen Kristalle unter ganz verschiedenen Bedingungen zu erhalten wären. Bis jetzt waren vor allem drei Methoden erfolgreich. Hofmeister'^) lehrte zuerst, Eieralbuminkristalle darzustellen. Man entfernt zuerst die sogenannten Globuline durch Halbsättigung der Eiweißlösung mit Ammonsulfatlösung. Das Filtrat der Globuline läßt man spontan eindunsten. Sobald die Konzentration der Lösung die untere Fällungsgrenze für das Eieralbumin erreicht hat, beginnt das Protein in Kristallform auszufallen.'-) S. F. L. Sörensen'i) hat es unternommen, auf breitester Grundlage an Hand des kristallisierten, gereinigten Eiereiweißes seine physikalischen, physikalisch-chemischen und chemischen Eigen- schaften zu studieren. Es konnte entgegen den bis jetzt herrschenden Anschauungen gezeigt werden, daß die Kristallisation des Eieralbumins einer gewöhnlichen Kristallisation entspricht. Ferner ergab sich, daß das reine Eiereiweiß bis auf einen geringen Phosphorgehalt aschefrei ist. Auch andere Albumine lassen sich in der gleichen Weise zur Kri- stallisation bringen. Plasma- bzw. Serumalbumin, Oxjhämogiobin, sowie einige*) ihm nahe verwandte Verbindungen, wie das Hämoglobin, das Methämoglobin und ferner das Hämozyanin^) kristallisieren be- sonders schön. Das Oxyhämoglobin läßt sich auf verschiedene Arten zur Kristallisation bringen.''') So erhält man z. B. prachtvolle Kristalle, wenn man zu einer Lösung von Oxyhämoglobin vorsichtig in der Kälte Alkohol zufügt. Man kann jedoch auch mit Ammonsulfat Kristalle abscheiden. Eine weitere Methode zur Darstellung von Eiweißkristallen beruht darauf, daß einige Proteine in lOo/oiger Kochsalzlösung löslich sind und beim Verdünnen der Lösung in Kristallform ausfallen. Es sind eine ganze Anzahl von Eiweißsubstanzen der Pflanzenwelt auf diesem Wege in Kri- stallform erhalten worden.') Vor allem sind die sogenannten Edestine kristallisationsfähiii:. *) Franz Hofmeister: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 14. 165 (1889); 16. 187 (1891). — \g\. ferner F. G. Hoplins und N. N. Pinkus: .Tour«, of Physiol. 23. 130 (1898). '-) Sehr begünstigt wird die Kristallisation durch Zusatz von Säuren. ä) S. P. L. Sörensen: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 103. 211 (257) 1918): 106. 1 (1919). — S. P. L. Sörensen und Mar g. Höyrup: Ebenda. 103. 267 (1918). *) A. Gürber: Sitzungsber. d. phvsik.-med. Gesellsch. zu Würzburg. 143 (1894). — A. Michel: Ebenda. 29. 28 (1895). ^) Vgl. L. Frrdericq: Arch. de zool. expörim. 7. 535(1878). — M. Henze: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 33. 370(1901): 43. 290(1904). — H'. I). Hallibiirfon: Journ. of. Phvsiol. 6. 300 (1885). — Ernst Philippi: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 104. 88 (1919). ^) Vgl. hierzu F. L. Hünefeld: Der Chemismus in der tierischen Oxydation. F. A. Brockhaus. Leipzig 1840. —' B. Reichert: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 197 (1849); 71 (1852). — F. Hoppe-Seyler: Mediz. -ehem. Untersuchung. 2. 181 (1867). — 0. Zinofski/: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 10. 16 (1885;. — G. Hüfner: Ebenda. 4. 382 (1880); 8. 366 (1884). — G. Hüfner und ./. Otto: Ebenda. 7. 65 (1882). — A.Jäderholm: Zeitschrift f. Biol. 20.419 (1848). — Emil Abderhalden: Ebenda. 24. 545 (1898). '') O. Maschke: Zeitschr. f. prakt. Chemie. 74. 436 (1858). — 0. Schmiedeberg: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1. 205 (1877). — E. Drechsel: Zeitschr. f. prakt. Chemie. 19. 331 (1879). — Georg Grübler: Ebenda. 23. 97 (1881). — Vgl. weitere Literatur bei Osborne : Handbuch der Biochem. Arbeitsmethoden 1. c. S. 385, Zitat 3. 392 •^^' Vorlesung. Eiweißkristalle sind auch wiederholt in der Natur vorgebildet beob- achtet worden. Allerdings steht die Identitizierung der beobachteten Kri- stalle mit Eiweiß oft auf schwachen Füßen 1 So hat bereits im Jahre 1850 Th. Hartig^) im Klebermehl kristallinische Gebilde gesehen, die als Aleuron- kristalle oder auch als Ptlanzenkristalloide bezeichnet worden sind. Die Eiweißnatur dieser Kristalle hat BrnUkof er-) festgestellt. Eiweißkristalle sind ferner namentlich in vielen Samen, wie z. B. in Kürbissamen. Hanf- samen, Rizinnssamen und vor allem in der Paranuß beobachtet worden. Ein sehr hübsches Demonstrationsobjekt für derartige Kristallbildun- gen gibt der zu den Orobancheen gehörende Schmarotzer, die Schuppen - wurz'M, Lathraea squamaria. Sie enthält in den Zellkernen Protein- kristalle. Sehr leicht kristallisiert ein aus Antiaris-Saft gewonnenes Protein. Es läßt sich mit OB" oiger Essigsäure in Lösung bringen und scheidet sich bei ihrem Einengen in Kristallen ab.*) Auch in tierischen GeAveben sind Kristalle oöenljar eiweißartiger Natur vereinzelt beobachtet worden. So hat man in den Darmepithelien des Mehlwurms, Tenebrio molitor, sechsseitige Tafeln festgestellt. s; R. List^) gibt an, in den Pigmentzellen der Radialnerven vom Sphae- rechinus granularis Rhomboeder und Hexaeder beobachtet zu haben, die Eiweißreaktionen gaben. Auch die in den Eiern von Fischen und Am- phibien beobachteten Dotterplättchen, rektanguläre und (|aadratische Tä- felchen, gehören hierher. Auch in den Eiern des Rehs sind derartige Pro- dukte festgestellt worden") und ebenso in den Epithelien des Hodens des Menschen. 8) Großes Interesse ist von jeher der Frage nach dem Molekular- gewicht der Eiweißkörper entgegen gebracht worden. ^i Man ist auf ver- schiedenen Wegen vorgegangen. Zunächst kann uns die elementare Zu- sammen set/.ung einen Anhaltspunkt geben. Vor allem ist der Schwefelgehalt berücksichtigt worden. Hat ein als ..rein" angesehener Eiweißkörper einen Gehalt von P „ an Schwefel, dann muß sein Molekulargewicht 3200mal schwerer sein als dasjenige des Wasserstoffs. Wir erhalten nach dieser Berechnung nur Minimalzahlen, da wir nicht wissen, wieviel Atome Schwefel auf ein Molekül Eiweiß kommen. Der Schwefelgehalt der verschiedenen Eiweißarten ist ein recht verschiedener. Es sind folgende Berechnungen ausgeführt worden i"): 1) Th. Hartiq: Botan. Ztg. Nr. 50. 881 (1850). -) L. Radlkofer: t'ber Kristalle proteiiihaltiger Körper priauzlicheii und tierischen Ursprungs. W. Engelmaun. Leipzig 1859. ^) A. F. W. Schinipir: Zeitschr. f. Kristallographie. 1880. *) Y. Kotake und F. Knoop: Zeitscbr. f. physiol. Chemie. 75. 488 (1911). — H. Kiliani: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 46. (167 (19i;i). 5) Vgl. Jnh. Frevtzel: Arch. f. mikroskopische Anatomie. 26. 287. — Berliner entomol. Zeitschr. 26 (1882) und W. BiedenncDin: PJiüf/ers Archiv. 72. 105 (1898). «) B. List: Anat. Anzeiger. 7. 185 (1897). ') V. r. Fbner: Sitzuogsher. d. kais. Akad. d. Wissensch. zu Wien. 110. Abt. 3 (1901). «) Lubarsch: l'irchown Archiv. 145. 317 u. 3B2 (]89()). ") Vgl. die übersichtliche Zusammenstellung und Besprechung der diese Frage berüh- renden Literaturhei/V. A'. .sWh//^.- Die Größe des Eiweißmoleküls. Gustav Fischer. Jena 1903. >"j Fr. N. Schulz: 1. c. S. 17. Eiweißstofte und ihre Bausteine. 393 Molekulargewicht (unter der AnDahme, daß auf jedes Molekül Eiweiß Ol ,■^■ n , "nr ein Atom Schwefel Schwetel m »/o entfällt) (»xyhämoglobin (Pferd) . . 043 7440 Edestin (kristallisiertj . . . 087 3780 Eieralbumin (kristallisiert) . 13 2460 Globulin 138 2320 Serumalbumin (krist.; Pferd) . 189 1800 Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß diese Eiweißstoffe nicht nur ein Atom Schwefel pro Molekül enthalten, berechnet Fr. X. Schulz^) als Molekulargewicht für Seruraalbumin 5100, für Eieralbumin 4900, für Oxyhämoglobin 14 800 und für Edestin 7o00.-) Einen weiteren Anhaltspunkt für die Bestimmung des Molekular- gewichtes geben uns die substituierten Eiweißkörper, vor allem das Oxy- hämoglobin. Dieses enthält neben dem Eiweißkörper Globin einen eisen- haltigen Paarling. nämlich das Hämatin. Der Eisengehalt des Oxyhämoglobins aus Pferdeblut beträgt 0o35*'/o, für andere Gxyhämoglobinarten haben die Bestimmungen zum Teil wechselnde Werte — 04 — O^ö^/o — ergeben. Jedes Hämatinmolekül enthält ein Atom Eisen. Ein Eisengehalt von 04 — 0'b°/o verlangt ein Molekül von 14 000— 1 1 200, ein Schwefelgehalt von 0-43— O-ß?"/» erfordert ein solches von 14 800 — 9000 und ein Hämatingehalt von 4 — 5"/o ^) ein solches von 14 800 — 11800. Neuerdings haben Hüfner und Gansser^) das Molekulargewicht des Oxyhämoglobins direkt bestimmt und gefunden, daß es für Pferdeoxyhämoglobin 15115 und für Rinderhämoglobin 16 321 beträgt. Wir können als festgestellt betrachten, daß dem C)xyhämoglobin als solchem ein so hohes Molekulargewicht zukommt, dagegen ist es noch fraglich, ob der Eiweißpaarling des Oxyhämoglobins, das Globin, auch ein so gewaltiges Molekül darstellt. Die Annahme, daß auf ein Hämatinmolekül ein Globinmolekül kommt, ist nicht einwandfrei bewiesen. Es spricht manches dafür, daß mehrere Globinmoleküle mit einem Molekül Hämatin gebunden sind. Außerdem ist es sehr fraglich, ob das Globin selbst ein- heitlich ist. Jedenfalls liegt zurzeit kein zwingender Grund vor, aus dem Molekulargewicht des Oxyhämoglobins einen direkten Schluß auf die Mölekulargröße des Globins zu ziehen. Es ist auch versucht worden, den Gehalt von Eiweißfällungen mittelst Kupfer. Kalzium, Silber usw. an diesen Metallen als Maßstab für die Mole- kulargewichtsbestimmung zu verwenden.^) Es ist schwer zu sagen, ob man salzartige Verbindungen annehmen darf. Neuere Untersuchungen über Kolloide zeigen, wie außerordentlich vor- sichtig man in der Beurteilung derartiger „Verbindungen" sein muß. Es können chemische Verbindungen vorliegen, es ist jedoch auch möglich, daß ») Fr. N. Schulz: 1. c. S. 392. ^) Für sorgfältig gereiuigtes Eieralbumin wird neuerdings das Molekulargewicht auf 34 000 berechnet. Vgl. S. P. L. Sörensen, S. A. Christiansen, Marg. Hönrup, S. Gold- schmidt und S. Palitzsch: C. r. du Lab. de Carlsberg. 12. 262 (1917). — Vgl. auch R. Willstättcr und E. Waldschntidt-Leitz : Berichte d. Deutschen Chem. Ges. 54. 2988 (1921). ») Fr. N. Schulz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 449 (1898). *) G. Hüfner und E. Gansser: Arch. f. (Anat. u.) Phvsiol. 209 (1907). 5) E. Harnack: Zeitschr. f. physiol. Chem. 5. 19S (1881). 394 XX. Yorlesimg. es sich um Adsorptionserscheinungen handelt. Schon die Erfahrungen mit den Polypeptiden zeigen, wie vorsichtig man in der Beurteilung von Salzen sein muß. Es kommt ganz auf die Bedingungen an. unter denen man z. B. ein Kupfersalz darstellt. Man erhält bald „normale", bald ganz anormal zusammengesetzte Verbindungen.^) Es lassen sich somit über die Molekulargröße der Proteine vorläufig keine ganz sichergestellten Angaben machen. 2) Wahr- scheinlich zeigen die einzelnen Eiw^eißstoffe untereinander auch in dieser Hinsicht große Unterschiede. Vielleicht wird es später möglich sein, das Molekulargewicht be- stimmter Eiweißstotfe auf Grund der bei der vollständigen Hydrolyse auf- gefundenen Aminosäuren festzustellen. Allerdings setzt auch diese Methode voraus, daß das Ausgangsmaterial ganz einheitlich ist. Wir haben wiederholt hervorgehoben, daß für die Eiweißstotfe das am meisten charakteristische Merkmal ihr Aufbau aus Aminosäuren und ihr kolloider Zustand ist. Die erstere Eigenschaft haben sie mit den Pep- tonen und Polypeptiden gemein. Der physikalische Zustand trennt sie von ihnen. Bevor wir die Frage der Beteiligung der einzelnen Aminosäure am Aufbau der verschiedenen Proteinarten erörtern, wollen wir die Einteilung der Eiweißstoffe und ihr Vorkommen kurz erörtern. Zunächst zerfallen die Eiweißstoffe in zwei große Gruppen, je nach- dem sie als solche oder gepaart mit einer nicht eiweißartigen Verbindung vorkommen. Man nennt die ersteren einfache Eiweißstoffe oder Pro- teine und die letzteren zusammengesetzte Eiweißstoffe oder Pro- teide. Diese Art der Bezeichnung ist nicht ganz klar, denn es ist ganz gut möglich, daß es neben den einfachen Eiweißkörpern auch solche gibt, die aus mehreren Molekülen einfacher Proteine zusammengesetzt sind. Man könnte in diesem Falle von Polyproteinen sprechen. Weniger mißver- ständlich sind die Bezeichnungen Eiweiß = Protein und Eiweißver-, bindungen = Proteide. Die Proteide umfassen zwei Klassen von Verbindungen, die durch die Art der nicht eiweißartigen Komponente scharf charakterisiert sind. Es sind d^es die Nukleoproteide und ferner die Farbstoffeiweiß- verbindungen mit den diesen nahestehenden Verbindungen. Die Nukleo- proteide enthalten als nicht zum Eiweiß in Beziehung stehendem Paar- ung die Nukleinsäuren. Zu den Farbstoffeiweißverbindungen ge- hört der Blutfarbstoff, das Hämoglobin. Bei ihm findet sich eine eisen- haltige Verbindung — Hämatin genannt — mit einem Eiweiß besonderer Art, dem Globin, verknüpft. Zu dieser Gruppe gehören ferner das Phyko- erythrin^) und das Phykozyan.*) Auch das Hämozyanin ist ein Proteid. Seine Farbstofifkomponente ist noch nicht genau bekannt. Man hat ferner jene Eiweißstoffe, die Phosphor enthalten, zu den Proteiden hin- zugerechnet und sie Phosphorproteide genannt. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß der Phosphor, soweit die Art seines Vorkommens be- kannt geworden ist, in Form von Phosphorsäure zugegen ist. Sie ist ') P. A. Kober und K. Sugiura: Joiiru.'of Biol. Chcm. 10. 9 (1911); 13. 1 (1912). ^) Unter anderem sei erwähnt, daß K. Ymnakami [The Biocliem. J. 14. 522 (1920)] für das Kaseinogen ein Molekulargewicht von nur 2000 annimmt. *) Vgl. U. Molisch: Botan. Zeitg. 177 (1894). ♦) H. Molisch: Ebenda. 131 (1895). EiweiOstotfe und ihre Bausteiue. 395 leicht als solche abspaltbar. ^j Man könnte vielleicht von Eiweißphos- phaten sprechen. Ob der Phosphor ausschließlich in dieser Form in den Eiweißstoffen vorkommt, ist noch unentschieden. Endlich hat man Glukoproteide unterschieden.-) Sie sollen neben Eiweiß ein Kohlehydrat enthalten. Diese Gruppe ist zurzeit noch wenig klargestellt. Wenn wir von Proteiden sprechen, dann stellen wir uns Ver- bindungen vor, die ans Eiweiß und einem nicht eiweißartigen Paarung be- stehen. Sie müssen aus diesen beiden Bruchstücken aufgebaut sein und auch in sie zerlegt werden können. Bei den sogenannten Glukoproteiden steht der Beweis, daß eine Spaltung in ein Kohlehydrat und in Eiweiß möglich ist. noch ganz aus. Vor allem ist es nie gelungen, das Glukosamin aus Mü- zinen abzuspalten, ohne daß gleichzeitig ein Abbau des Eiweißes eingetreten wäre. Vorläiitig spricht nichts gegen die Annahme, daß das Glukosamin am Aufbau des Eiweißmoleküls direkt teilnimmt. In diesem Falle ge- hören die Glukosamin führenden Eiweißstofte zu den Proteinen und nicht zu den Proteiden. Pie einfachen Ei weiß Stoffe, die Proteine, lassen sich in die folgenden Gruppen einteilen: Albumine. Sie sind sehr verbreitet. Man bezeichnet sie gewöhnlich nach dem Ort ihres Vorkommens. So spricht man von Plasma- bzw. Seruraalbumin. von Eieralbumin, von Milchalbumin usw. Die Albumine sind neutrale Eiweißkörper. Sie lösen sich in salz- freiem Wasser. Sie sind auch in verdünnten Salzlösungen, Säuren und Alkalien löslich. Den bisher bekannten Albuminen fehlt das Gly- kokoll. Die erwähnten drei Albumine sind in Kristallform erhalten worden. Auch im Pflanzenreich finden sich Albumine. Ein solches ist das Leu- kos in aus Gerste, Roggen und Weizen. Ferner gehören hierhin das Rizin aus der Rizinusbohne und das Legumelin aus Erbsen, Linsen und Wicken. Globuline. Sie finden sich überall mit den Albuminen zusammen. Sie gehören zu den am meisten verbreiteten Proteinen, die wir kennen. Wir unterscheiden Plasma- bzw. Serumglobulin, Eierglobulin. Milch- globulin usw. Die Globuline sind in Wasser und in verdünnten Säuren unlöslich. Sie lösen sich in verdünnten Alkalien und verdünnten Neutralsalzlösungen. Verdünnt man eine Globulinlösung mit Wasser, dann beobachtet man das Auftreten einer Trübung. Sie deutet an, daß die Globuline ausgefallen sind. Das gleiche erreichen wir. wenn wir z. B. Blutplasma oder -serum der Dialyse gegen destilliertes Wasser unterwerfen. Es diffundieren Salze in die Außenflüssigkeit und damit werden den Globulinen die Bedingungen zur Lösung entzogen. Sie fallen aus, während die Albumine gelöst bleiben. Man kann die Globuline durch Ansäuern ihrer Lösungen fällen. Es genügt schon das Durchleiten von Kohlensäure durch eine Globulinlösung, um sie zur Abscheidung zu bringen. Die Glo- buline sind sehr empfindlich. Sie werden sehr bald denaturiert und damit unlöslich. Die Globuline sind ihrer ganzen Natur nach Säuren. ') Vgl. R. H. Aders Flimmer uud W. M.'Bayliss: Jourii. of Phvsiol. 33. 439 (1906). — R. H. Aders Plimmcr und F. H. Scott: Ebenda. 38. 247 (1909j. -) Die erste Beobachtuug über den Gehalt der Müzine au reduzierenden Stoffen stammt von A. Eichwald: Liebigs Anualen. 134. 177 (1865). 396 -^^^ Vorlesung. Die Globuline enthalten im Gegensatz zu den Albuminen Gl y kokoll. Es sind zu dieser Gruppe noch einige Proteine hinzugerechnet worden, die in mancher Beziehung ein abweichendes Verhalten gegenüber den eigentlichen Globulinen zeigen. So sind unter pathologischen Verhältnissen im Harn Globulinarten beobachtet worden. Ferner hat man ein Globulin der Muskelzellen mit einem besonderen Namen — Myosin, Myogen — belegt. Endlich sind das Ovomuzin aus Eierklar, das Laktoglobulin aus Milch, das Lentoglobulin aus der Linse, Thyreoglobulin aus der Schilddrüse und der sogenannte Bence-Jonessche Eiweißkörper unter die Globuline eingereiht worden. Der letztere Eiweißkörper findet sich im Harn bei bestimmten Erkrankungen, vor allem bei Osteosarkomatose. Er kristallisiert. Dieses Protein ist leicht daran zu erkennen, daß es beim Erhitzen zunächst gerinnt, jedoch bei höherer Temperatur wieder in Lösung geht. Weitere Globuline sind das Perkaglobulin des Rogens von Fischen, das Fibrinogen des Blutes, das bei der Gerinnung das Fibrin liefert.^) Zahlreiche Globuline sind in der Pflanzenwelt, besonders in den Samen aufgefunden worden. Hierher gehören die Edestine (aus Hanf-, Sonnenblumensamen usw.), das Exzelsin aus der Paranuß, das Globulin aus Kürbissamen, aus Baumwollsamen, das Amandin aus Mandeln, das Juglansin aus der Walnuß, das Legumin aus Erbsen Linsen, Wicken, das Vizilin aus Erbsen, Linsen und der Saubohne, das Phaseolin aus Bohnen, das Glyzinin aus der Sojabohne, das Vi gn in aus der Kuherbse, das Konglutin aus Lupinensamen, das Korylin aus Haselnüssen usw. Manche von diesen Globulinen sind in kristallinischem Zustande erhalten worden. Eine Gruppe für sich bilden die Gluteline. Sie sind bisher nur im Pflanzenreich beobachtet worden und vorläufig noch unvollständig unter- sucht und abgegrenzt. Sie bilden mit Basen in Wasser lösliche Salze. Da- hin gehört das Glutenin aus Weizensamen, das Maisglutenin und das Oryzenin aus Reissamen. Besser charakterisiert sind die Prolamine. Mit diesem Namen hat Oshorne jene Proteine belegt, die in Alkohol litslich sind. Bis jetzt kannten wir nur Vertreter dieser Klasse von Proteinen aus der Pflanzenwelt. Neuer- dings ist mitgeteilt worden, daß auch in der Milch in Alkohol lösliche Proteine vorhanden sind. 2) Ihre Untersuchung ist noch nicht so weit durch- geführt, daß man die Frage entscheiden könnte, ob sie in die Gruppe der Prolamine hineingehören. Im Pflanzenreich sind mehrere Angehörige dieser Klasse von Proteinen aufgefunden worden. Es gehört hieher das Gliadin. Es findet sich im Weizenmehl. Es löst sich in 60 — SOVoigem Alkohol. Das Gliadin bildet mit Säuren und Basen Salze, die zum Teil in Wasser löslich sind. Ferner ist aus Roggen- und Hafermehl ein Prolamin ge- wonnen worden. In den Samen der Gerste findet sich das Hör den in und im Mais das Zein. Den Prolaminen fehlt das Lysin. Im Gliadin sind geringe Mengen von Lysin gefunden worden. Es ist jedoch fraglich, ob ihm *) Es scheint bei verschiedenen Tierarten die gleiche Zusammensetzung zu haben. Vgl. Boss Äiken Gortner und Alexander J. Würtz': Journ. Americ. Chem. Soc. 39. 2239 (1917). ^) Th. B. Oshorne, A. J . Wakeman, Ch. S. Leavenuorth und i). L. Nolan: Journ. of biol. Chem. 33. 7, 243 (1918). Eiweißstott'e und ihre Bausteine. 397 diese Aminosäure selbst zukommt, oder oij sie auf eine Beimengung- eines anderen Proteins zurückzuführen ist.^j Eine weitere Gruppe von Proteinen bilden die Müzine. Sie sind zunächst durch ihre physikalischen Eigenschaften ausgezeichnet. Die Mü- zine tinden sich in der Natur in zähflüssigem Zustand. Sie bedingen das Fadenziehen vieler Sekrete. Mau hat zahlreiche Muzinarten unterschieden und siß in Ermanglung einer Charakterisierung auf Grund besonderer Eigenschaften einfach nach ihrem Vorkommen benannt. So sprechen wir von einem Submaxillarismuzin, einem Gallenmuzin. einem Magen- und Darmmuzin, einem Serosamuzin usw. Auch in der M7/rtr^o>^schen Sülze der Nabelschnur finden sich Müzine. Besonders verbreitet sind sie ferner bei den Schnecken. Ferner treffen wir auf Angehörige der Reihe der Müzine bei den Fischeiern. Besonders große Mengen einer Muzinart lassen sich aus dem Inhalt von Ovarialkysto- men gewinnen. Man hat dieses Muzin Pseudomuzin genannt und da- neben noch ein Paramuzin unterschieden. Es unterliegt keinem Zwei- fel, daß unter den Müzinen manches Protein untergebracht worden ist. das gar nicht hierher gehört. Ferner sind wohl die meisten Müzine stark verunreinigt. Es ist fast unmöglich, diese zähflüssigen Proteine zu reinigen. Sie stellen Säuren dar. Den Müzinen stehen die Mukoide sehr nahe. Sie unterscheiden sich von den Müzinen dadurch, daß sie durch Säuren nicht fällbar sind. Zu dieser Gruppe gehören das Ovomukoid aus dem Eiereiweiß der Yogel- eier, das Serummukoid, das Harnmukoid. das Hyalomukoid aus dem Glaskörper, das Korneamukoid, ferner das Chondro-. Tendo- und Osseomukoid. Außerdem sind noch aus Ligamenten, aus der Haut, aus Eihüllen niederer Tierarten usav. Proteine gewonnen worden, die den Mukoiden nahe zu stehen scheinen. In den Müzinen und Mukoiden sind, wie S. 337 erwähnt, die Verbindungen Chondroitin- und Mukoitin- schwefelsäure gefunden Avorden.-j Chondroitinschwefelsäure ist aus der Aorta, der Sklera, aus Sehnen und Knorpel erhalten worden. Mukoitin- schwefelsäure aus der Hornhaut, dem Glaskörper, aus Serummukoid. Ovo- mukoid, Mukoid aus Ovarialzysten, aus Muzin der Magenschleimhaut. Wir kommen nunmehr zu zwei Klassen von Proteinen, die ihren ganzen Eigenschaften und ihrer Zusammensetzung nach eine besondere Stellung einnehmen. Es sind dies die Histone und Protamine. Sie sind beide durch ihre basischen Eigenschaften ausgezeichnet. Sie enthalten viel Lysin, Arginin und Histidin oder auch nur eine dieser Amino- säuren. Beide Gruppen von Proteinen tinden sich in der Natur nicht in freiem Zustande. Sie sind vielmehr mit sauren Verbindungen zu Proteiden verknüpft. Wir kennen Verbindungen von Histonen mit Nukleinsäuren. Ferner dürfte das mit dem Humatin verknüpfte Globin auch zu den Histonen zu rechnen sein. ^Manche Be(»bachtung spricht auch für das Vorkommen von Verbindunüen zwischen Histonen und ') Vgl. Emil Abderhalden und Casimir Funk: Zeitsclir. f. pbysiol. Chemie. 40. 41H (1909). — '1 liomas B. Oshorne und Charles S. Leavenicorth: Jouru. of biol. Chem. 14. 481 (1913y. -) Vgl. die Literatur S. 336. 398 •^-^- Vorlesung. Protaminen mit sauren Proteinen. Diese Kombinationen wären unter die Polyproteine einzureihen. Es sind Histone^) aus den roten Blutkörperchen der Vögel, aus der Thymusdrüse, aus dem Sperma von Fischen usw. isoliert worden. Sie enthalten etwa 20— SO^/o der oben erwähnten Aminosäuren. Die Protamine sind von Miescher^) entdeckt worden. Ihre genauere Kenntnis verdanken wir Kossel^) und seinen Schülern. Es sind die Pro- tamine vor allem aus den Testikeln von Fischen gewonnen worden. Ihre Bezeichnung ergibt die Herkunft. Wir unterscheiden Salm in (Lachs), Klup ein (Hering), Skombr in (Makrele), Zyklopter in (Seehase, Cyclopterus lumpus), Zyprinine (Karpfen), Sturin (Stör), Accipenserin (Accipenser), Silurin (Wels) usw. Auch aus dem Sperma des Menschen ist ein protaminartiges Protein gewonnen worden. Erwähnt sei noch, daß Kosscl die zusammengesetzten, den Peptonen der übrigen Proteine entsprechenden Abbaustufen der Protamine Protone genannt hat.*) Die Protamine be- stehen zum allergrößten Teil aus den sog. Diaminosäuren. Die Mono- aminosäuren treten an Menge ganz zurück. Es sind auch immer nur einzelne davon vorhanden Wir kommen nun zu einer Gruppe von Proteinen, die wir am besten nach ihrer Funktion charakterisieren können. Es handelt sich um Eiweiß- stoffe, die im tierischen Organismus mechanische Funktionen erfüllen. Man hat sie Gerüsteiweiße genannt, doch wird dieser Name nicht der Funktion aller Glieder dieser Reihe gerecht. Das Elastin z. B. kann wohl kaum oder doch nur zum Teil als Gerüstsubstanz bezeichnet werden. Früher hat man dieser Gruppe von Eiweißstolfen den Namen Albuminoide gegeben, besser paßt der Name Proteinoide. Man könnte sie auch, unter Berücksichtigung ihres reichen Gehaltes an Glykokoll, Glyzinamine nennen. Die Glieder dieser Reihe sind einmal dadurch charakterisiert, daß sie stets in festem Zustande auftreten und ferner fast ausschließlich aus Monoaminsäuren bestehen. Bei ihrer Einteilung hat man sich ganz einfach an ihr Vorkommen gehalten. Es seien zunächst die wichtigsten Proteine dieser Gruppe, die bei den Averteb raten sich finden, er- wähnt. Die verschiedensten Schwämme bauen ihre Gerüstsubstanz aus dem Protein Spongin auf. Wir sind ihm schon einmal begegnet, als wir das Vorkommen von 3, o-Dijod-1-tyrosin besprachen. Spongin enthält diesen Baustein. Auch das Gorgonin, das Achsenskelett von Korallen, enthält Dijod- und Dibrom ^)-ty rosin. Kornein findet sich ebenfalls in Korallen und enthält Jod. Es bestehen auch die Hornröhren des Röhren- wurmes Onuphis und Spirographis aus Eiweiß (Onuphin und Spiro- ') Vgl. 11. a. Ä. Kossei: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 8. 511 (1883 '84). — L. Lilienfeld: Ebenda. 18. 476 (1894). — F. Mescher: Arch. f. exper. Path. u. Phannak. 37. 100(1896). — Irar Baiu/: Zeitsclir. f. pliysiol. Chemie. 27. 463 (1897); 30. 508 (1900); Hofmeisters ßeitr. 4. 115, 331 u. 362 (1903).' — F. Gonbmi: Arch. intcrnat. de Physiol. 8. 300 (1909). *) Friedrich Miesc/ier: Histochemische und pbvsiol. Arbeiten. 2. F. C. W. Vogel. Leipzig 1897. ^) A. Kossei: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 22. 176 (189()); 25. I(i5 (1898); 26. 588 (1899); Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 34. 3214 (1901) und weitere Ar1)eiten von Mafhews, F. Kutscher, Dcikin, Goto u. A. in der Zeitschr. f. physiol. Chemie. ") M. Goto: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 94 (1903). — A. Kossei und F. Weiss: Ebenda. 59. 281 (1909). "•) Vgl. dazu Carl l'h. Monier: Zeitsciu-. f. phvsiol. Chemie. 88. 138 (1913). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 399 graphin). Das Konchiolin stellt die organische Grundsubstanz der Muschelschalen dar. Ein sehr interessantes Protein dieser Reihe ist der von manchen Muscheln abgeschiedene Byssus. Er besteht aus seideglän- zenden Fäden, die der Seide sehr ähnlich sind. Auch in ihrem Gehalt an Aminosäuren finden sich Anklänge an diese. Die Seide gehört eben- falls hierher. Die Raupen der verschiedensten Vertreter der Lepidopteren liefern Gespinste, die alle zur Eiweißgruppe gehören. Auch die Spinnen spinnen mit Eiweiß! Ferner sondern viele Käfer i) ein an Eiweiß reiches Sekret ab, das zu feinen Fäden ausgesponnen wird und bald erstarrt, nachdem es die Spinndrüse verlassen hat. Der Seidenfaden ist nicht einheitlich. Man kann aus ihm durch Auskochen mit Wasser den Seidenleim = Serizin erhalten. Es bleibt dann das Seidenfibroin zurück. Auch die Vertebraten verfügen über sehr verschiedenartige Proteine dieser Reihe. Es seien erwähnt das Elastin, das die Grundsubstanz des elastischen Gewebes darstellt, ferner die zahlreichen Keratinarten. Keratine finden sich in der Oberhaut, sie setzen die Haare, Federn, die Nägel, Hufe, Geweihe, Hörner, die Barten des Wales, den Panzer der Schildkröte, das Hörn des Nasenhorns usw. zusammen. Im Nervengewebe findet sich das Neurokeratin. Es sind ferner zu erwähnen: Proteine, die EihüUen aufbauen. Bis jetzt sind die EihüUen von Testudo graeca, von Scyllium stellare, die Vogeleihüllen (Ovokeratin) genauer untersucht w^orden. Mit Koilin ist der hornartige Überzug des Vogelmagens be- zeichnet worden.-) Schließlich wären noch Vertreter dieser Gruppe von Proteinen zu erwähnen, die die Grundsubstanz des retikulären Bindegewebes bilden (Retikulin), und ferner in der Linse, in tierischen Membranen, im Knorpel und im Knochen anzutreften sind. Hierher gehören auch das Kollagen und der Leim. Das erstere bildet die Hauptmenge der Grundsubstanz des lockeren Bindegewebes. Es findet sich ferner in Sehnen, Faszien, Bändern, im Knorpel und in Knochen. Auch das aus Fischschuppen gewonnene Kollagen gehört hierher. Der Leim, Gelatine oder Glutin genannt, entsteht aus dem Kollagen durch Lösen in kochendem Wasser. Der Leim erstarrt bei gewöhnlicher Temperatur und wird bei etwa '60" wieder verflüssigt. Von den Proteiden haben wir bereits den Eiweißanteil des Hämo- globins erwähnt, nämlich das Globin. Es ist durch einen auffallend hohen Gehalt an His tidin ausgezeichnet. Wir haben auch schon erwähnt, daß Histone nnd Protamine in den Nukleoproteiden enthalten sind. Diese letzteren sind am Aufbau der Kernsubstanzen beteiligt. Es sind eine ganze Anzahl verschiedener Nukleoproteide dargestellt und untersucht w^orden. Das Hauptinteresse wurde freilich nicht den Eiweißanteilen, sondern der an ihrem Aufbau beteiligten Nukleinsäure zugewandt. So sind Nukleo- proteide aus den Blutkörperchen der Vögel, aus Eiern, aus Gehirn, aus Hefe, aus der Leber, aus den Nieren, Nebennieren, den Muskeln, der Milz, der Pankreasdrüse, der Schilddrüse, aus Fischsperraa usw. gewonnen worden. Es bleiben noch die Phosphorproteide zu besprechen. Es sind unter diesem Namen eine ganze Anzahl verschiedenartiger Eiweißsubstanzen *) Nach eigenen Feststellungen. Ö K. B. Uofmann und Fritz P/t^/.- Zeitschr. f. pli\>iol. Chemie. 52. 448(1907). 400 X^' Vorlesung. zusammengefaßt worden. Als gemeinsames Merkmal findet sich eigentlich nur der Gehalt an Phosphor bzw. an Phosphorsäure. Manche Forscher rechnen diese Eiweißstofte zu den Proteinen, andere zu den Proteiden. Bei manchen wissen wir nicht mit Sicherheit, ob ihnen der Phosphor wirklich zukommt. Wiederholt konnte festgestellt werden, daß er nur einer Verun- reinigung zuzuschreiben war. Die Aufstellung der Gruppe der Phosphor- proteide stellt nur einen Notbehelf dar, um einige Namen, die sich einge- bürgert hatten und unrichtige Vorstellungen erwecken konnten, ganz auszuschalten. So nannte man früher manche der jetzt hier eingereihten Verbindungen Nukleoalbumine. Diese Bezeichnung führte zu Verwechs- lungen mit den Nukleoproteiden. Die zu den Phosphorproteinen gehörenden Eiweißsubstanzen besitzen saure Eigenschaften. Sie sind unlöslich in Wasser und lassen sich, wie die Globuline durch Säuren ausfällen. Hierher gehört das Kaseinogen, das in der Milch vorkommt.^) Es sind eine ganze Anzahl von Salzen des Kaseinogens dargestellt und untersucht worden. Auch Azidkaseine sind bekannt. Pepsinsalzsäure spaltet aus dem Kasein Phosphorsäure ab. Lab- ferment 2), ein im Magensaft vorkommendes Ferment, führt das Kaseinogen in Kasein über. Bei der Milchgerinnung fällt das Kasein als Kalksalz aus. Es handelt sich nicht um einen eigentlichen Gerinnungsvorgang, sondern um eine richtige Fällung eines schwerlöslichen Salzes. Zu den Phosphorproteiden w^erden auch die Vi teil ine gerechnet. Sie finden sich im Dotter der Eier. Ferner wäre noch die Gruppe der Ich- thuline zu erwähnen. Sie stehen den Vitellinen offenbar sehr nahe und finden sich in Fischeiern. Zahlreiche, phosphorhaltige Proteine bzw. Pro- teide sind in der Pflanzenwelt aufgefunden worden, doch erwiesen sie sich fast immer als unrein. Namentlich Beimengungen von Phosphatiden kommen oft vor. Vielleicht existieren auch Phosphatido-proteide, doch ist ihr Vorkommen nicht eindeutig bewiesen. Ein Blick auf die gegebene Einteilung der Proteine und Proteide zeigt, daß eine sehr große Anzahl verschiedenartiger Eiweißstoffe im Tier- und Pflanzenreich aufgefunden worden ist. Man erkennt aus der gegebenen Darstellung ohne weiteres, daß die uns zur Verfügung stehenden Methoden, um Eivveißstoffe zu charakterisieren, ganz unzulänglich sind. Fast jede einzelne Gruppe enthält sicher heterogene Produkte. Einzig die Albumine, die Globuline und die Prolamine nebst den Histonen und Protaminen sind gut charakterisiert. Immerhin umfaßt gewiß jede dieser Gruppen auch noch recht verschiedenartige Substanzen. So lange wir darauf angewiesen sind, die Eiweißkürper mittelst Fällungsreaktionen und zum großen Teil auch nur nach ihrem Vorkommen und ihren Funktionen gegeneinander abzu- grenzen, muß ihre Eintinlung unbefriedigend bleiben. Vorläufig vermittelt die Klassifizierung der IVoteine und Proteide einzig und allein eine Ver- ständigung. Gewiß existieren Billionen verschiedener Eiweißarten und zahl- reiche einzelne Gruppen werden sich bilden lassen, wenn erst einmal unsere Kenntnisse über die Zusammensetzung und die Struktur der Proteine vollkommenere sind. Wir wollen noch die Frage aufwerfen, ol) die bisher erhaltenen Resultate der Untersuchungen über den Gehalt verschiedener •) Vgl. B. Blei/er und R. Seidl: Biochem. Zeitscli. 128. 48 (1922). ^) Vgl. über dieses Ferment Band 2, Vorlesung XIX. EiweiüstortV imd ihre Bausteine. 4()| Proteine an einzelnen Aminosäuren eine Abg-renzun^- der ein- zelnen EiweiUarten erinöj;lichen. Es sind über hundert verschiedene Eiweißstott'e vollständig- hydrolysiert und die entstandenen (ieniische an Aminosäuren nach den von Kosse/ und Kutscher und Emil Fischer geschaffenen Methoden auf die einzelnen Aminosäuren untersucht worden. Es wurden vor allem auch die Mengen, in denen die einzelnen Bausteine gewonnen werden konnten, berücksichtigt. Wie schon wiederholt betont worden ist. besitzen wir zurzeit keine Methoden, um die einzelnen Mono- aminosäuren quantitativ zu bestimmen, dagegen ergibt die Estermethode, wenn sie stets unter den gleichen Bedingungen^angewandt wird, vergleich- liare Zahlen werte. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen gestatten eine Ein- teilung der Proteine in vier große Gruppen. Einmal kennen wir Proteine, die fast nur aus Monoaminosäuren bestehen. Dahin gehören alle jene Eiweißstotte, die wir als Proteinoide oder Glyzinamine bezeichnet haben. Es ist von großem Interesse, daß, wie schon erwähnt, in den meisten dieser Proteine namentlich das GlykokoU stark vorwiegt. Daneben findet man häutig große Mengen von d-Alanin und 1-Tyrosin. Diese Gruppe v(m Eiweißstotfen ist durch alle möglichen Übergänge mit einer zweiten verknüpft, an deren Aufbau rund 10 — lö^'/o Arginin. Lysin und Histidin beteiligt sind. Der Rest 90 — 85%, besteht aus Mono- aminosäuren. Hierher gehören die Albumine, Globuline usw. d. h. alle jene Eiweißarten, die nicht zu den Proteinoiden und auch nicht zu den Histonen und Protaminen gehören. In dieser Reihe sind manche Vertreter ganz gut charakterisiert. iSo finden wir bei den Albuminen kein GlykokoU. während die Globuline diese Aminosäure in allerdings geringer Menge (höchstens 50/0) besitzen. Die in Alkohol löslichen Eiweißstoffe zeichnen sich durch das Fehlen von Lysin ^) aus, ferner besitzen sie einen auf- fallend hohen Gehalt an Glutaminsäure und Gxyglutaminsäure. Das Gliadin ■besitzt z. B. über 40Vo an diesen Aminosäuren. Als dritte Gruppe folgen die Histone. Sie besitzen etwa '30" 0 Arginin. Histidin und Lysin. Am anderen Ende dieser Reihe stehen die Protamine, die fast nur aus den genannten Aminosäuren bestehen. Monoaminosäuren kommen nur in geringer Menge in ihnen vor. Wir können vorläufig auf Grund dieser Ergebnisse nur prüfen, ol» jene Einteilung, die sich auf die physikalischen Eigenschaften und zun« Teil direkt auf ihre morphologischen gründet, haltbar ist. Eine neue Klassifizierung lassen sie nicht zu. Dazu sind unsere Kenntnisse noch viel zu gering. Einen bleibenden Wert kann außerdem nur eine auf die Struktui Rücksicht nehmende Einteilung der Proteine beanspruchen. Man wird in Zukunft versuchen müssen. Eiweißstoffe, die sich nach ihren Eigenschaften und vor allem nach ihrem Gehalt an den einzelnen Aminosäuren sehr nahe stehen, dadurch voneinander abzugrenzen, daß man aus ihnen Bruchstücke isoliert, die noch mehrere Aminosäuren gebunden enthalten. Gelingt es auf diesem Wege, zu Verl)indungen zu gelangen, die nur dem einen der sonst sich ähnlichen Eiweißstoflfe zukommen, so wird dieses ^Merkmal genügen, um dieses Protein zu charakterisieren. Wir haben festgestellt, daß z. B. sechs strukturisomere Tripeptide mit drei verschiedenen Bausteinen bei ') Vgl. hierzu S. 39(5. Alxlo rhalden , Physiologische Cliemi.'. I TimI. r,. .\iiH 26 402 ■^^- Vorlesung. der vollständigen Hydrolyse die gleichen Mengen der gleichen Aminosäuren liefern. Das Ergebnis der teilweisen Hydrolyse müßte ergeben, welche Struktur das einzelne Tripeptid hat. Die folgenden sechs aus den drei Aminosäuren, A, B und C, aufgebauten, strukturisomeren Tripeptide liefern, wie das folgende Schema zeigt, ganz verschiedene Dipeptide, wenn z. B. in allen sechs Fällen das hinterste oder aber das vorderste Glied der Kette abgesprengt wird: A— b"^ A— t^^ B— A^ B-C^ C— A^ C— B^. Derartige Versuche, einander nahe stehende Proteine entweder zu identifizieren oder gegen einander abzugrenzen, können zurzeit nur sehr unvollkommen durchgeführt werden, weil noch sehr viel Vorarbeit fehlt. Wir müssen jedoch unbedingt einem solchen Ziel zustreben, wenn es uns selino-en soll, unsere Kenntnisse der Natur der einzelnen Proteine zn vertiefen. Wir kennen andere Methoden, um bestimmte Proteine zu kennzeichnen. Es sind dies die sog. biologischen Methoden. Spritzen wir z. B. einem bestimmten Tiere ein Protein in die Blutbahn ein. dann erhalten wir nach einio-er Zeit mit dem Serum des gespritzten Tieres und dem gleichen Protein eine eigenartige Reaktion. Es entsteht nämlich eine Ausflockung, genannt Präzipitinbildung.^) Das Serum eines nicht vorbehandelten Tieres zeigt diese Erscheinung nicht. Oder wir warten nach der ersten Zufuhr des Eiweißstoffes einige Tage ab und spritzen das gleiche Protein wieder. Wir bemerken, daß das vorher ganz muntere Tier fast plötzlich die schwersten P>scheinungen zeigt. Es treten Krämpfe und auch Lähmungserscheinungen auf. Das Tier fühlt sich kalt an — seine Körpertemperatur sinkt. Schließ- lich stirbt es. Die geringste Spur eines Eiweißkörpers genügt, um diesen Zustand auszulösen. 2) Man spricht von einer Überempfindlichkeit und nennt die erste Injektion' des Produktes Sensibilisierung. Den der zweiten Injektion folgenden Zustand nennt man Schock. Wählen wir zur Sensibilisierung und zur zweiten Injektion zwei verschiedene Proteine, dann l)leibt der Schock aus. Endlich ist beobachtet worden, daß nach erfolgter parenteraler Zufuhr von Eiweiß im Blutplasma Fermente auftreten, die Eiweiß spalten können. Vielleicht führt die weitere Ausarbeitung dieser Forschung zum Nachweis von Fermenten, die streng spezifisch auf bestimmte, als einheitlich charakterisierte Eiweißarten eingestellt sind.^) Es ist wohl möglich, daß das Studium des fermentativen Abbaues der Proteine uns noch wichtige Fingerzeige über ihre Struktur ergeben wird. Jedenfalls sind die biologischen Methoden zur Unterscheidung der Eiweißstotfe den chemischen zurzeit an Feinheit noch bei weitem überlegen. Einen klaren Einblick in *) Vgl. z. B. L. Michaelis: Deutsche med. Wochenschr. Nr. 41 (1902). — L. Mi- rhaeli/i und Carl Oppenheimer: Archiv f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 336 (1902). — F. Ohermayer und E. P. I'ick: Wiener klin. Wochenschr. 17. Nr. lU (1904); 19. Nr. 19 (1906). Ferner die Lehrbücher der Immunitätslehre. ") Vgl. hierzu u. a. E. Friedhcrger : Die Anaphylaxie. Fortschr. d. Deutsclieii Kliuik. 2. 619 (1911). — Hermann Pfeiffer: Das Prnl)lem der Kiweißanaphyla.xie. (lustav Fischer. Jena 1910. — Clemens Pirt/urt: Allergie. Julius Spriuger. Berlin 1910. — Alfred Schittenh'elm: Über Anaphylaxie vom Staudpunkt der pathologischen Physiologie und der Klinik. Jahresber. über die Ergebn. der Immuuitätsforschung. Ferdinand Enke. Stuttgart 1910. =') Vgl. die Literatur bei P^mil Abderhalden : Die Ahderli(iJden<-^c\\(i Reaktion..^. Antl. J. Springer 1922. EiwciBstoft'e und ihre Biiusteiuo. 403 Kiweißstntte des tierischen Organismus Eieralbu- min '( Serum- glo- bulin') Kaseino- gen (ilobin aus Oxyhämo- globin des Pferdes Weiße Sub- stanz des Zentralner- vensystems Glykokoll . . Alanin .... Seriü .... Zystin .... Valin .... Norleuzin . . Leuziufraktion ') Isoleuzin . . Phenylalauiü . Tyrosin . . . Histidin . . . Lysin .... Arginin . . . Asparagiusäure Glutaminsäure Prolin .... Oxyprolin . . Tryptopliau Ammoniak . . 0 30 0-3 10 7 0 45 10 2-0 20 1-5 90 9n 3Ö 2 2 12 20 15 0 3-8 25 2-5 8-5 vor- vor- handen banden 30 3H 0-8 10 10 15 0 25 3 5 vor- handen 40 3-0 20 10-4 3-6 vor- handen 0 0-y 0-23 OOß 1-0 10-5 3-2 4-5 2 6 5-8 4-8 12 11-0 31 025 1-5 0 4-2 0-6 03 290 4-2 1-0 110 4-3 5-4 44 1-7 23 10 vor- handen 0 12 0-2 2-5 11 40 2-5 015 10 1-4 4-5 80 015 20 0-3 vor- handen Eiweißstoffe des Pflauzenorganismus A m i n o 8 ä u Legumin aus Erbse Edestin aus Hanfsamen Leukosin aus Weizen- samen (TÜadin uns Weizpn- 111 ehi ülut>-in aus Weizen- mehl Glykokoll . . Alanin .... Serin .... Zystin .... ValiQ .... Norleuzin . . Leuziufraktion") Isoleuzin . . . Phenylalanin . Tyrosin . . . Histidin . . . Lysin .... Arginin . . . Asparagiusäure Glutaminsäure Prolin .... Oxyprolin . . Tryptophan Aniiuouiak . . 0-4 20 05 80 375 1-5 1-7 5 0 11-7 5-3 170 32 vor- handen 20 3-8 3fi 03 0 25 vor- handen 210 25 21 2 2 165 140 4-5 140 17 20 vor- handen 2-3 0-9 4-5 02 11-5 3-8 3-3 2-8 2-75 6-0 3-4 6-7 3-2 vor- handen 1-4 0 25 Ol 0-45 0-3 60 2-6 2-4 1-7 0 34 1-2 370 2-4 10 51 0-9 4-6 0-7 002 0-25 6-0 20 4-25 IS 19 4-7 0-9 23-5 4-2 vor- handen 40 ') Nach eigener, nocli nicht mitgeteilter Untersuchung. — bedeutet, daß die betreffende Aminosäure nicht bestimmt worden ist. '■ Leuzinfraktion-' bedeutet, daß die Trennung in die Leuziiiisomcreu iiiclit durchgeführt wurde. 2G' 404 -^^^ Vorlesung. Eiweißstottc uud ihre Bausteine. das Wesen der biologischen Reaktionen werden wir jedoch erst erhalten, wenn die chemische und vor allem auch die physikalisch-chemische Forschung weiter fortgeschritten ist. Die vorstehenden Tabellen geben einen Einblick in die Zusammensetzung einiger der wichtigsten Proteine. i) Die gefundenen Ausbeuten an den ein- zelnen Aminosäuren sind abgerundet. Man muß außerdem bei Betrach- tung der einzelnen Werte sich daran erinnern, daß sie nur Minimal- werte darstellen. So bleiben bei den meisten Monoaminosäuren — aus- genommen sind Ty rosin. Glutaminsäure und Zystin, die direkt bestimmt worden sind — die Ausbeuten um 30— 40"/o hinter der Wirklichkeit zurück. Vgl. S. 349. In der Tier- und Pflanzenwelt linden sich Farbstoffe, Pigmente, die man mit mehr oder weniger Berechtigung mit dem Eiweiß und seinen Abbaustiifen in Zusammenhang gebracht hat. Namentlich die sog. Melanine hat man auf Eiweiß zurückgeführt. Es spricht sehr vieles dafür, daß die Proteine und vor allem gewisse Bausteine, wie das Tryptophan und das Tyrosin, das Ausgangsmaterial zur Bildung mancher Melaninarten dar- stellen, doch sind diese so sehr verändert, daß sich keine direkten Bezie- hungen zu bestimmten Verbindungen mehr erkennen lassen. ^) Die deu folgenden Tabellen zugrunde gelegten Resultate sind den Arbeiten von Emil Fischer, Emil Abderhalden und Thomas B. Osborne und ibren Scbülcru entnommen. Vgl. weitere Daten bei 0. Cohnheini : Chemie der p]iweißkörper. 1 c. S. 307: Emil Abderhalden: Neuere Ergebnisse der Eiwoißcbemie. 1. c. S. 307. Biocheni Hand- lexikon 2. 1. c. S. 307. Vorlesung XXI. Eiweiüstoffe und ihre Bausteine. Bildung der Aminosäuren und der Eiweißstoffe im Pflanzenorganismus. Assimilation des Stickstoffs. Sein Kreislauf in der Natur. Herkunft der übrigen am Aufbau der Proteine beteiligten Elemente. Die Eiweißstoffe enthalten mit ihren Bausteinen Kohlenstoff, Wasserstoff. Stickstoff und »Sauerstoff. Dazu kommt dann noch der Schwefel, der sich mit wenigen Ausnahmen in allen Proteinen tindet, jedoch von den bekannten Aminosäuren nur dem Zystin zukommt. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß das Problem der Ent- stehung der Proteine in der Pflanzenwelt sich auf die Frage nach der Bildung der einzelnen Aminosäuren zurückführen läßt, denn es ist kaum anzunehmen, daß der Eiweißaufbau in der Pflanze in »anderer Weise als über diese erfolgt. Die erste Frage, die wir zu beantworten haben, ist die nach der Herkunft der ein- zelnen Elemente. Kohlenstoff, Wasserstoff" und Sauerstoff" entstammen primär sicher der Kohlensäure der Luft und dem Wasser. Den Stickstoff nimmt die Pflanze zum größten Teil in Form Aon Salpeter aus dem Boden auf. Der Schwefel wird Sulfaten entnonnnen. Der Phosphor der Phosphor- proteide endlich ist auf aufgenommene Phosphate zurückzuführen. Über die Herkunft der einzelnen Elemente besteht kein Zweifel, da- gegen stoßen wir sofort auf zurzeit noch unüberwindbare Schwierigkeiten, wenn wir die Frage zu beantworten suchen, wie die erwähnten Elemente im Pflanzenorganismus zu den einzelnen Aminosäuren zusammengefügt werden. Es ist bis jetzt nicht gelungen, diesen Vorgang aufzuklären. Weder kennen wir bestimmte Zwischenstufen, noch wissen wir, in welcher Phase der Kohlensäure- und Wasserassimilation der Stickstoff eingreift. Ja. es ist nicht einmal geglückt, das Auftreten der fertigen Aminosäuren eindeutig festzustellen. Wohl finden sich solche im Pflanzenorganismus. Wir wissen jedoch nicht, ol) sie eben synthetisch entstanden sind oder aber dem Abbau vorhandener Proteine entstammen. Auch der Ort der Aminosäurebildung ist noch viel umstritten. Würde man in den chlorophyll- haltigen Pflanzenteilen und insbesondere in den Blättern oder sonst einem Organ der Pflanzen Verbindungen in größerer Menge antreffen, die mit der Bildung von Aminosäuren oder von P^iweili in irgend welchen direkten Beziehungen ständen, dann müßte es gelingen, das Proldem der Eiweißbildung in der 406 XXI. NOrlesuug. Pflanze klarzustellen. Bei der Assimilation von Kohlensäure und Wasser läßt sich, wie wir bereits erwähnt haben, als erstes sicher erkennbares Assimilationsprodukt die Stärke nachweisen.') Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses große Molekül, das sich aus zahlreichen Traubenzuckermole- külen aufbaut, nicht direkt aus Wasser und Kohlensäure gebildet wird. Es müssen vielmehr zunächst einfachere Produkte entstehen. Als ein der- artiges Assimilationsprodukt ist der Formaldehyd, HCOH, zu betrachten.-) Selbst hier, wo wir direkt die Entstehung eines Polysaccharides beobachten und seine Bildung beeinflussen können, ist es noch nicht gelungen, Einzel- heiten im Werdegang dieser Substanz festzustellen. Den gleichen Schwierig- keiten der Aufklärung des Entstehungsmodus begegneten wir bei der Be- sprechung der Frage nach der Herkunft der Fette, Phosphatide und Sterine im Pflanzenorganismus. •^) Überall stoßen wir auf Hypothesen, die ein Bild entwerfen, wie der Aufbau der einzelnen Verbindungen vor sich gehen könnte. Auch hier bei den Aminosäuren bzw. Proteinen bleibt uns nichts anderes übrig, als einige Wege zu erörtern, die von der Kohlen- säure, dem Wasser und dem stickstoft'haltigen Ausgangsmaterial zu den einzelnen Aminosäuren hinführen können. Es sind zunächst drei Möglichkeiten gegeben. Einmal kann die Bildung der Aminosäuren ein direkter Assimilationsvorgang sein, d.h. sie entstehen ohne Umwege aus den genannten Grund- stoffen. Es ist jedoch auch möglich, daß die Bildung der Amino- säuren derjenigen anderer Stoffe folgt. So könnten z. B. zunächst Kohlehydrate sich bilden, und diese dann in Aminosäuren verwandelt werden. Endlich ist es denkbar, daß als erstes Assimilationsprodukt der Kohlensäure und des W^assers ein Produkt auftritt, von dem aus alle möglichen Verbindungen entstehen können. Solche indifterente Verbindungen, die als Ausgangsmaterial für die mannigfaltigsten Verbindungen in Betracht kommen können, sind die Milchsäure, die Brenztraubensäure und auch das Methylglyoxal. Alle drei Verbindungen stehen sich sehr nahe und können auch leicht in einander übergeführt werden^): 4- H.. +0 — H,0 CH3 -<— CH, -<— CH3 A— CH3 I I I I CH.OH CO CO CH.OH COOH — y COOH — >- C(\i — y COOH 4-0 — H2O —0 ^ 4-n2() Milch- Brenztrau- Methyl- Milch- säure bensäure glyoxal säure. Diese Verbindungen könnten im Pflanzenorganismus auf zwei Arten entstehen, einmal als Zwischenstufe bei der Assimilation der Kohlensäure und des Wassers, und ferner auch als Abbaustufen der Kohlehydrate und 0 Vgl. S. 81. *) Vgl. S. 86 und 89. ■•') Vgl. S. 252 ff. *) Vgl. S. 130 ff. EiweiIJstoffe iiud ihre Bausteine. 407 insbesondere des Traubenzuckers. Von der Brenz! raubensäure aus ge- langen wir leicht zum AI an in. Wir werden später erfahren, daß festgestellt werden konnte, daß im tierischen Organismus Ketosäuren mit Ammoniak zusammen Aminosäuren liefern. Es liegt daher nahe, an den gleichen Vorgang im Pflanzenorganismus zu denken: CH3 v^H3 ^Hj 1 I I CO + NH3 = CO + H., — > CH . NH., + H.3O. COOK COO . NH, COOH Brenztrau- Ammoniumsalz der Alanin. bensäure Brenztraubensäure Mit dem Alanin stehen das Serin als ein ,ä-Oxy-alanin und das Zystein als ein ß-Thio-alanin in nächster Beziehung. Im ersteren Falle brauchte nur eine Oxydation des Alanins zu erfolgen, im letzteren könnte man sich als Zwischenstufe ein Reaktionsprodukt zwischen Alanin und Schwefelsäure (aus aufgenommenen Sulfaten) denken, das dann durch Reduktion in Zj^stein übergehen würde. Dem umgekehrten Vorgange sind wir' schon begegnet, als wir die Bildung von Taurin aus Zystein bzw. Zystin besprachen. 1) Selbstverständlich könnte auch das Serin das Aus- gangsmaterial darstellen, und dieses durch Reduktion Alanin liefern und ferner in entsprechender Weise, wie das Alanin, zum Zystein führen: CH, + 0 CH2 . OH CH . NH2 = CH .NH.3 1 COOH COOH AI an in Serin CH3 OH CH2.SO2.OH CHs . SH 1 CH.NH2 + SO.2 — H., 0 - -y CH.NH., —30 - 1 -^ CH . NH2 COOH OH COOH COOH Alanin Zysteinsäure Zystein. Bei der Besprechung der Struktur der einzelnen Aminosäuren h"aben wir darauf hingewiesen, daß sie fast alle nahe Beziehungen zum Alanin besitzen. Wir konnten die meisten Aminosäuren als in ß-Stellung substituiertes Alanin auffassen. So einfach sich die nahe Verwandtschaft einzelner Verbindungen an Hand der Strukturformeln beweisen läßt, so schwierig ist oft die Darstellung der einen Verbindung aus der anderen. Wir besitzen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Pflanzenzelle aus Alanin z. B. durch Einführung zweier Methylgruppen am ß-Kohlenstott'atom a-Amino-isovaleriansäure oder durch Substitution eines Wasserstoflfatoms in der erwähnten Stellung durch die Phenylgruppe Phenylalanin bereiten kann. Wir müßten schon annehmen, daß die Pflanze auch höhere Ketone, ') Vgl. S. 318. 408 XXI. \orlesuiig. wie Phenylbrenztraubensäure usw., bereitstellen kann. ' ) Zurzeit vermag uns die geschilderte Hypothese der Bildung von Aminosäuren in ihrer allgemeinen Form nicht zu befriedigen. Wir können mit ihrer Hilfe zu- nächst nur die Entstehung der genannten drei Aminosäuren ohne weiteres ableiten. Für die Erklärung der Bildung der übrigen Aminosäuren müssen wir zu weiteren Hilfshypothesen greifen. Das Problem ihrer Entstehung vereinfacht sich dadurch, daß manche davon unter sich nahe Beziehungen aufweisen, so daß sich die Frage der Herkunft der einzelnen Bausteine auf diejenige einige)- weniger einschränken läßt. Wir haben soeben auf den engen Zusammenhang von Alanin, Serin und Zystein hingewiesen. Es sei ferner auf die Beziehungen von Norleuzin zu Lysin hingewiesen: CH3 . CH. . GH., . CH. . CH . COOH NHo a- Amin o-n-kapron säure CH. . CH2 . CHo . CHo . (;H . COOH ! ". ' " I NH2 NH, Lysin 7- -Amino-£-amino-n-kap ron- säure. Die gleichen Beziehungen, wie zwischen Alanin und Serin, haben wir auch bei anderen Aminosäuren zu den entsprechenden Oxysäuren: Phenylalanin und Tyrosin, Prolin und Oxyprolin, Tryptophan und Oxy- tryptophan, Glutaminsäure und Oxyglutaminsäure. Ferner lassen sich Prolin und Glutaminsäure über die Pyrrolidon- karbonsäure in Beziehung briniren: COOH 1 €H . NH., 1 CH, i CH2 COOH Glutamin- säure COOH CH . NH H,0 CH. CH, CO Pyrrolidon- karbonsänre COOH CH . NH CH2 CH, CH, Pyrrolidin- karbonsäure. l'rolin läßt sich ferner mit dem Arginin in Verbindung bringen. Durch Aufspaltung des l^rrolidinringes unter Wasseraufnahme entsteht a-.\mino-fVoxyvaleri ansäure. Diese könnte dann mit Guanidin unter Wasscraustritt Arginin liefern: ^) Vgl. liiorzii auch h'. Krhnmeyer und ./. Knnlin: Ber. d. Gesellscli. 35. 2438 (1902). Deutschen Cheiii COOK I CH . NH CH, CH, Kiweißstortc uud ihre Bausteine COOH + H., ( ) = GH., I CH, 4U9 NH.. + NHo — C = NH CH2 CHj . OH Pyrrolidin- a-Amino-^- Gnanidin karb 011 säure oxyvaleriansäure COOH CH . NH., GH., I GHo GH^ . NH . G<^h' + H^ 0 Argin in. Diese Umwandlungen könnten selbstverständlich auch umkehrbar sein, d. h. es könnten die Beziehungen sich auch in umgekehrter Folge aneinander reihen. Es ist wohl möglich, daß nicht nur ein einziger Weg bei der Bildung der Aminosäuren eingeschlagen wird, und z. B. nur für die genannten Ver- bindungen die Bildung in den Hauptphasen wirklich so verläuft, wie es geschildert worden ist. Erwähnt sei noch, daß auch die Glyzerose = Glyzerinaldehyd als Ausgangsmaterial für die Bildung der genannten Aminosäuren in Betracht kommen kann. 1) Sie selbst könnte durch Kondensation von drei Molekülen Formaldehyd gebildet werden. Der Weg vom Glyzerinaldehyd zur Aminosäure würde über die Glyzerinsäure zu Serin führen: 3(h.C<«) = GH, . OH ,^0\ _ GH . OH + 0 C\H Formalde- hyd Glyzerose (Glyzerinaldehyd) GH, . OH I ■ > GH . OH -H NH3 = 1 GOOH Glyzerin- säure CHo . OH GH . NH, -\- H., 0 I GOOH Serin. •) S. 14 und S. 89. 410 XXI. Vorlesung. Es wäre auch folgender Weg möglich : CH, . OH CH, . OH I I CH . OH + NH3 = CH . NH2 + H2 0 , Lo Lo Glyzerose Aminoglyzerose. Nun könnten zwei Moleküle dieser Verbindung entsprechend der früher erwähnten V) Cannizzaroschen Reaktion ein Molekül Aminoglyzerin und ein Molekül Serin liefern: CHo . OH CH, . OH CH, . OH CH, . OH CH . NH2 + CH . NH.2 + H, 0 -> CH . NH, + CH . NH^ Uo I ^0 ' I C^ C\ ^0 H CH, CH. CK, Milchsäure Hrenztrauben- Azet- säure aldehyd. Der Azetaldehyd könnte über die Aminoverbindung ebenfalls Glyko- koll und Aminoäthylalkohol liefern. Dieser Weg führt nicht weiter, als der zuerst geschilderte. Wir können uns die Bildung der einfachsten Glieder der Aminosäuren hypo- thetisch zurecht legen, jedoch ist damit noch nicht die Bildung der höher molekularen Aminosäuren erklärt. Nun sind im Pflanzenreich wiederholt verschiedenartige Aldehyde nachgewiesen worden.'-) Ferner hat man die Entstehung von solchen reaktionsfähigen Verbindungen aus allen mög- lichen Verbindungen, wie Kohlehydraten, Fettsäuren usw. unter dem Ein- fluß von Lichtstrahlen beobachtet. Es wäre wohl möglich, daß ganz ent- sprechende Reaktionen, wie sie eben für die einfachen Aldehyde beschrieben worden sind, die höheren Glieder der Aminosäuren hervorgehen lassen. Ho gut die Glyzerose in Beziehung zum Serin und damit zum Alanin und Zystein bzw. Zystin treten kann, ist die Möglichkeit gegeben, daß von der Glukose Wege zum Norleuzin, der y.-Aminokapronsäure, fuhren. Als Zwischenglied könnte Glukosamin auftreten. Allerdings müßte eine um- fassende Reduktion eintreten, um die CH(OH)-Gruppen in die CH.,-Gruppen überzuführen : (h.c0H COOH I "^ l"" I I CH . ( )H CH . NH., CH . NH., CH . NH., > 1 -y \ ' -y \ -> I (CH.OH), (CH.OHj, CH(OH), (CH.^), CH., . OH CH., . OH CH., .OH CH3 Form al- Glukose Gluko- Gluko- Nor- dehyd samin sami n- säure leuzin Wir wollen keine weiteren Möglichkeiten, die sich hier noch an- schließen ließen, erörtern. Es genügt, daß ein Weg gegeben ist, der einer experimentellen Prüfung zugänglich ist. Man wird versuchen müssen, jene Zwischenglieder, die nach der gegebenen Darstellung zu erwarten sind, aufzufinden. ') Vgl. S. 128. '^) Vgl. z. B. Theodor Curtius und llartirig Franzen: Liebig^ Anualen. 390. 89 0912). — Harttrig Franzen: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 112. 301 (1921). 412 ^^'- ^'ol•lesllng. Wir können die erwähnte Art der Bildung von Aminosäuren ganz allgemein als eine Aminierung von Säuren oder ihrer Derivate charakterisieren, und zwar wurde angenommen, daß Ammoniak an der Reaktion beteiligt ist. Es ist ferner daran gedacht worden, daß die Überführung von Alde- hyden in Aminosäuren im Pflanzenorganismus in der gleichen Art erfolgen könnte, wie diese Verbindungen im Laboratorium bereitet werden. Wir haben insbesondere bei der Besprechung der Synthese von Leuzin und Iso- leuzin aus IsovaJeraldehyd bzw. d-Valeraldehyd diese Art der Bildung von Aminosäuren genauer geschildert, ^j Die folgende Formel gibt die Bildung von Alanin aus Azetaldehyd, Blausäure und Am- moniak wieder: CH3 . C^ H. ( \[!JJ + NH, — H, O = H, C{f^' + 2 U, 0 — NH3 ^ ii2 W'OOH. Die Übertragung dieser Hypothese M auf die Bildung der übrigen Aminosäuren verlangt, wie die früher erwähnten Anschauungen, die ent- si)rechenden Aldehyde. So müßten wir zur Bildung von Phenylalanin Phenylazetaldehyd, zur Bildung von Leuzin Isovaleraldehyd usw. zur Verfügung haben. -J Die bisher besprochenen Hypothesen gehen von der Annahme aus, dal') die Pflanzenzelle Ammoniak zur Verfügung hat. Nun nimmt jedoch die Phanze unter normalen Verhältnissen wohl immer den größten Teil des Stickstoffs in Form von Salpeter auf. Dieser entsteht im Boden aus Ammoniakverbindungen. Wir werden bald erfahren, daß der tierische Organismus beständig stickstoffhaltige Stoffwechsel- endprodukte nach außen abgibt. Zum Teil wird direkt Ammoniak abgegeben, zum großen Teil ist jedoch der Stickstoff in orga- nischer Bindung vorhanden — je nach der Tierart hauptsächlich in Form von Hai'nstoff oder Harnsäure. Diese Verbindungen werden im Boden zersetzt Es wird Ammoniak gebildet und dieser wird dann durch bestimmte Bakterien oxydiert.'^) Es entsteht zuerst salpetrige Säure bzw. Nitrit. Daraus geht dann Salpetersäure bzw. Nitrat, Sal- peter, hervor: NH3 -h 3 0 = HNO2 + H2 0; HNO., -f 0 = HNO3. Man nennt diese Überführung des Ammoniakstickstoffs in Salpeter- stickstoff Nitrifikation und die Lebewesen, die diesen Vorgang voll- ziehen, nitrifizierende Bakterien. Es ist erst sehr spät gelungen*), diese zu züchten. Sie zeigen nämlich ein sehr eigenartiges Verhalten in der Art ihrer Ernährung. ^) Sie gedeihen nur auf einem rein anorganischen Material. Aus Ammoniumkarbonat bzw. Ammoniumsulfat und Magnesium- karbonat beziehen sie Stickstoff. Kohlenstoff' und Sauerstoff'. Außerdem steht ihnen der Sauerstoff der Luft zur Verfügung. Sie brauchen diesen zu ihren Oxydations Vorgängen. Die Oxydation des Ammoniaks zu salpetriger Säure, HNO.2, erfolgt durch Pseudomonas europaea und den Nitrosokokkus. Die weitere Oxydation zu HNO3 übernimmt das Bacterium nitro- bacter. ') Vgl. liierzu ^J. Treiib: Anuales du jardiu botan. de Buiteiizorg. 8. (2). 85(li)12i. — Hartwig Kränzen : Sitzungsbcr. d. Heidelberger Akad. d. Wiss. 9. Al)ii. .lahrg. 1910. ') Nicht unerwähnt sei gelassen, daß die S. 129 erörterten Möglichkeiten (Um- Bildung von Kohlcnstottketten mit höherer ('- Atomzahl auch hier in Frage kommen. ^) Vgl. H. Davy: Elemente der Agrikulturchemie. 408 (1814). *) S. Win()(irmL^k)i : Compt. rend. de Tacad. des sciences. 110. 1013 (1890). — Vtrl. über den Atmtingsvorgang sell)st: Meyerhof: rjUiger.-^ Arch. 164. 353 (1916): KM». 240 (1917). - Vgl. auch daarder und Oscar IJaf/em: Bergens Museums Aarbok 1919 20. ^) h\ Ihieppp : Tageblatt der Naturforschervers. \Vicsl)adcn 1887. — M'. Heraeus: Z.Mitralb. f. Bakt. 3. Nr. 13 (1887). 4J[4 XXI. A'orlesung. Weder in der Pflanzen- noch in der Tierwelt treffen wir auf Verbin- dungen, an deren Aufbau oxydierter Stickstoff beteiligt ist. Stets begegnen wir der NH2- oder der NH-Gruppe oder aber Stickstoff, der mit Methyl- gruppen besetzt ist. Es ist von großem Interesse, daß im Kreis- lauf des Stickstoffs in der zwischen Tier und Pflanze liegenden Phase die Überführung in die höchst oxydierte Form stattfindet, die Pflanze muß den Nitratstickstoff wieder reduzieren. Man nimmt an, Daß diese Reduktion sich über das Nitrit vollzieht. Aus diesen Feststellungen darf nicht der Schluß gezogen werden, daß die Pflanze durchaus auf Nitratstickstoff angewiesen ist. Sie vermag auch Ammoniakstickstoff zu verwenden. Die Feststellung dieser Tat- sache stieß auf Schwierigkeiten. Werden nämlich Ammon salze in den Boden, auf dem die Pflanze wächst, gebracht, so beginnt sofort die Über- führung in Nitrat durch die vorhandenen Bakterien. Man mußte, um zu einer eindeutigen Lösung der Frage der direkten Verwertbarkeit des Ammoniakstickstofls durch die Pflanzen zu gelangen, diese auf sterilem Boden, d. h. bei völliger Abwesenheit von Mikroorganismen züchten. Es zeigte sich, daß die Pflanzen unter günstigen Bedingungen den Am- moniakstickstoff gerade so gut verwerten konnten, wie den Nitratstick- stoff. Für die Annahme, daß die Pflanze den letzteren nach erfolgter Aufnahme zuerst oxydiert, bevor sie ihn benützt, liegt keine Beobachtung vor. Es ist dies auch nicht sehr wahrscheinlich. Unter normalen Verhältnissen wird die Pflanze immer in die Lage kommen, Nitratstickstoff reduzieren zu müssen. 1) Man hat nun daran ge- dacht, ob nicht schon an dieser Stelle Beziehungen zu Produkten angeknüpft werden, die bei weiteren Umwandlungen zu Aminosäuren führen. Es wäre denkbar, daß zugleich mit der Kohlensäure auch die Salpetersäure reduziert würde, und gleichzeitig die entstehenden Produkte in Reaktion treten. Es wäre in diesem Falle die Stickstoffassimilation eben so gut ein lichtchemischer Vorgang, wie die Assimilation von Kohlensäure und Wasser, ßaudisch-) suchte diese Ansicht durch Versuche zu stützen. Er zeigte, daß Nitrate und Nitrite bei Gegenwart von Methylalkohol oder von Formal- d^hyd durch Lichtenergie leicht bis zu Ammoniak oder Aminen reduziert Averden. Durch Zusatz von leicht oxydablen Substanzen ließ sich die Reduktion stark beschleunigen. Die Sauerstoffabspaltung konnte direkt verfolgt werden. BandtHch gründet auf seine interessanten Beob- achtungen eine Hypothese der Bildung von Aminosäuren im Pflanzenorga- nismus. Er geht von dem Gedanken aus, daß die bei der Reduktion des Nitrat- stickstoffs auftretende Nitrosylgruppe y N . OH bzw. \N ^f!, die sehr reaktionsfähig ist, eine ähnliche Rolle im Organismus spiele, wie die Aldehydgruppe, — C/„i die nach allen Beobachtungen ohne Zweifel bei ^H ') Vgl. hierzu Benjamine Moore: Proceed. Royal Soc. Serie B. 90. 158 (1918). '') Oskar Baudisch: Ber. d. Deutschen Chem^ (Jes. 44. 1009 (1911); 49. 1148, 1159, 117G (1916). — Zentralbl. f. Bakt. (2). 32. 520 (1917). — O. Baudisch und Erwin Mayer: Elicuda. 45. 1771 (1912); 46. 115 (1913). — Vgl. auch Oskar Baudisch uud ./. //. Krert: Ebenda. 45. 1775 (1912). — 0. Baudisch uud G. Klin- | CO . NH. Formamid. Oxamid. Wird das Formamid in wässeriger Lösung angewandt, so bildet sich oxaminsaures Ammonium, das durch Reduktion das Ammoniumsal/. der Aminoessigsäure liefert, d. h. es hat sich Gly kokoll gebildet: ») Walther Loab: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 46. 684 (1Ü13). 416 •'^•'^I \'()rlesuug. COO . NU, COO . NH, -iH.CO.NH.. + H, 0 — >► +4H — H.,0 — >■ \ — NH, CO . NH, CH, . NH., i COOH CH., . NH, Glykokoll. Es war somit geglückt, aus Kohlensäure, Wasser und Ammoniak — das Formamid kann man sich, wie schon betont, aus Kohlensäure l»zw. Kohlenoxyd und Ammoniak entstanden denken — eine Aminosäure zu gewinnen. Eine weitere Möglichkeit für die Bildung der Aminosäuren in der Pflanzenwelt ist damit gegeben. Für das Verständnis der Wege, die die Pflanze bei der Bildung der Aminosäuren einschlägt, ist es von der größten Bedeutung zu erfahren, ob sie nur liei Gegenwart von Licht energie eintritt. Es hat sich gezeigt, daß die Eiweißbildung auch im Dunkeln erfolgt. \'oraussctzung ist, daß der Pflanze Kohlehydrate zur Verfügung stehen. Es scheint somit für diesen Fall der ziemlich sichere Nachweis erbracht, daß eine Bildung von Aminosäuren auf Kosten von Kohlehydraten erfolgen kann. Die zur Reduktion der Salpetersäure notwendige Energie wird bei Abwesenheit von Lieht- energie durch Oxydationsvorgänge geliefert. Auch die Pflanzenzelle baut ihre organischen Stoße stufenweise ab und macht dabei Energie frei. Sie ver- braucht Sauerstoff und atmet Kohlensäure aus. Am Tage wird dieser Vorgang durch die Kohlensäureassimilation und Sauerstoffabspaltung ver- deckt. Es ist möglich, daß die Bildung der Aminosäuren überhaupt in keinem direkten Zusammenhang mit der Liehtenergie steht, sondern viel- mehr immer in den gleichen Bahnen verläuft. Die Steigerung der Eiweiß- bildung bei Beleuchtung könnte vielleicht darauf beruhen, daß durch die Assimilation der Kohlensäure und des Wassers den Pflanzenzellen in ver- mehrter Menge Kohlehydrate und Materialien zur Bildung von Energie zur Verfügung gestellt werden. Es ist jedoch auch möglich, daß die Pflanze die Bildung der Aminosäuren auf verschiedene Arten bewirken kann. Bald benutzt sie vielleicht Lichtenergie, bald bereitet sie sich die nr)tige Energie durch Abbau organischer Verbindungen. Der Bildung von Nitrit- bzw. Nitratstickstoff aus Ammoniakstick- stott' steht ein interessanter entsprechender A'organg zur Seite. Wir kennen nändich Lebewesen, die Schwefelwasserstoff zu Schwefel oxydieren können. Es sind dies die in der Natur sehr verbreiteten Schwefelbak- terien.') Sie sind zuerst in Schwefel(|uellen aufgefunden worden. Besonders eingehend untersucht worden ist die Gruppe Beggiatoa. Der Vorgang ver- läuft, wie folgt: H., S -f () =: II2 0 + S. Der gebildete Schwefel wird zu- nächst in der Zelle abgelagert oder auch sofort zu Schwefelsäure oxydiert. Beide Vorgänge, die Schwefelbildung und die Entstehung der Schwefel- säure, verlaufen exotherm. Die Sehwefolbakterien spielen im Kreislauf ') IVinot/radski/ : Botan. Ztg. 48*.) (1H77). — Ormelianshi/ : Zentralbl. f. Bakt. 14. (2). 769 (1903). — ' M. /)i)7 gegeben werden. Daß dies der Fall sein muß, beweist der Umstand, daß trotz der nun seit Jahrtausenden erfolgenden Auslaugung des Festlandes die Vegetation nach wie vor sich weiterentwickelt. Zwischen dem Ptianzen- und Tierleben auf dem Festland und dem Meere bestehen keine wesent- lichen Unterschiede. Auch die Meerespflanzen assimilieren Kohlensäure, auch sie benötigen zu diesem Vorgänge der Sonnenenergie, weshalb denn auch in den Tiefen, in die kein Licht dringt, das Pflanzenwachstum aufhört. Auch die Meerespflanzen brauchen Nitrate zum Aufbau ihrer Eiweißsub- stanzen, und ebenso entnimmt die im Meer lebende Tierwelt ihr Eiweiß in letzter Linie ausschließlich der Pflanzenwelt. Die Vegetation im Meere kann die großen Stickstoffmengen, die ihr ständig zugeführt werden, nicht bewältigen. Dazu kommt dann noch, daß beständig bei der Fäulnis der abgestorbenen Pflanzen und Tiere des Meeres stickstoffhaltige Substanz in Ammoniak und dieses in Xitrit und in Nitrat übergeführt wird, genau so, wie dies auf dem Festlande der Fall ist. Wohl wirft ab und zu das Meer gew^altige Tangmassen ans Land. Die in ihnen enthaltene Stickstoftmenge ist jedoch viel zu gering, um einen Ausgleich zwischen dem dem Land entführten Stickstoff zu schaffen. Es ist nun von größtem Interesse, daß. wie schon erwähnt, auch im Meere sich denitrifizierende Bakterien vor- flnden, die fortwährend Stickstoff in Freiheit setzen. Sie geben den dem Meere zugeführten Stickstoff" zum Teil dem Kreislauf zurück. Hier erhellt erst die große Bedeutung der Denitrifikation, die uns auf dem Festlande als eine wenigstens scheinbar unwillkommene Erscheinung entgegentrat. Zugleich wird nun die große Rolle, die den Stickstoff assimilierenden Bakterien zukommt, vollkommen klar. Mit der Auffindung der denitrifizierenden Bakterien hat sich auch ein scheinbarer Widerspruch gelöst. Auf dem Festland nimmt bekanntlich die Dichtigkeit der Pflanzen und Tierwelt vom Äquator nach den Polen hin und mehr und mehr ab. Im Meer ist dies nicht der Fall. Diese Erscheinung ist sehr auffallend, denn man müßte erwarten, daß in den tropischen Meeren mit ihrer Lichtfülle der Entwicklung viel bessere Bedingungen geschaffen wären, als in den dunklen arktischen Zonen. Es ist wohl denkbar, daß dieser Umstand mit der Tätigkeit der denitrifizierenden Bakterien zusammenhängt. Für sie und ihr Wirken sind die Bedingungen in den tropischen Meeren am günstigsten. Sie entwickeln sich bei einer Temperatur von 25 — oO" am besten. Sie werden somit in den tropischen Meeren den Meerpflanzen viel mehr Stickstoff' entziehen als in den Meeren der arktischen Zone. Wir wollen gleich betonen, daß dies nur ein Erklärungsversuch ist. Wir wissen, daß das Wachstum aller Organismen an das Gesetz des Minimums gebunden ist, d. h. sämtliche Stoffe, die einem Organismus geboten werden, richten sich in ihrer Ver- wertung nach dem in der kleinsten Menge vorhandenen. AVenn auch der Meerespflanze massenhaft Stickstoft" in Form von Salpeter zur Verfügung steht, so könnte andrerseits der Phosphor z. B. in zu geringer Menge vor- handen sein. Die Pflanze könnte dann den gesamten Stickstoff nur in der dem vorhandenen Phosphor entsprechenden Menge verwerten. Es ist ferner denkbar, daß in den Meeren der verschiedenen Zonen die Ernährungs- bedingungen auch nach anderen Richtungen verschieden sind. Zum Schlüsse wollen wir noch kurz die wichtige Frage streifen, ob das Wechselspiel zwischen denitrifizierenden Lebewesen und den freien Stickstoff assimilierenden so beschaffen ist. daß ein annäherndes Gleich- 428 XXI. Vorlesung. gewicht zustande kommt. Diese Frage kann in dieser Form aus nahe- liegenden Gründen wohl nie genau beantwortet werden. Einmal kennen wir sicher noch lange nicht alle denitrifizierenden Lebewesen. Ferner sind sicher auch noch mehr Organismen vorhanden, die freien Stickstolf binden können. Dazu kommt dann noch, daß die Tätigkeit dieser Lebewesen in hohem Grade von den vorhandenen Bedingungen abhängig ist. Wir haben gesehen, daß fast alle Stickstoff' bindenden Lebewesen einer Energiequelle bedürfen^ die sie nicht selbst beschatten können. Fehlt diese, dann ist ihrer Wirkung eine Schranke gesetzt. Die wesentlichste Störung in den Beziehungen zwischen den genannten beiden Klassen von Lebewesen — den Stickstoff in Freiheit setzenden und solchen bindenden — bewirkt der Mensch mit seiner Kultur. Zunächst entzieht er durch Bebauung mit Häusern usw. w-eite Länderstrecken dem Pflanzen Wachstum. Gleichzeitig stellt er an bestimmte Gebiete besonders hohe Anforderungen an die Ertrag- fähigkeit. Der Boden soll möglichst vorteilhaft ausgenützt werden. Das Gesetz der Erhaltung der Materie und der Energie gilt selbstverständlich auch für die Pflanzenwelt! Dazu kommt dann noch das wichtige Gesetz, daß. sich die Verwertung der einzelnen zur Verfügung stehenden Stotte nach dem im Minimum vorhandenen Produkte richtet. Es kann ein Ackerboden, der reich an Phosphorsäure, an Kalk usw. ist, wenig Pflanzen ernähren, wenn er z, B. nur über geringe Stickstottvorräte verfügt, es sei denn, daß Stick- stoff assimilierende Lebewesen einen Ausgleich schatten. Je weiter die Kultur fortschreitet, um so mehr wird die Wechsel- beziehung zwischen Tier und Pflanze durchbrochen. Die Abfallstotte des tierischen Organismus werden zum Teil direkt Flüssen zugeleitet und zum Teil verbrannt. In diesem Falle wird gebundener Stickstoff in Freiheit ge- setzt. Auch Leichen werden verbrannt. Ferner w-ird bei der ^'erbrennung von Kohle auch beständig der Vorrat der Erde an gebundenem Stickstott' vermindert. Dazu kommt noch die chemische Industrie, die große Vorräte an gebundenem Stickstott" zu allen möglichen Zwecken braucht. Es sei an die Herstellung von Schießpnlver, an die Gewinnung von Sprengstoffen, von Teerfarben, von stickstoffhaltigen Medikamenten usw. erinnert. Somit stehen gesteigerten Anforderungen an die Ertragfähigkeit des Bodens große Verluste an gebundenem Stickstott" gegenüber. Die Praxis hat schon lange ergeben, daß dieses Deflzit an gebundenem Stickstott" von der Xatur nicht eingeholt werden kann. Wohl kann der vorsichtige Land- wirt bald Leguminosen, bald Getreide anbauen und dadurch dem Boden immer wieder Stickstott' aus der Luft durch Vermittlung der KnöUchen- bakterien zuführen, es wird trotzdem immer Äcker geben, die an gebun- denem Stickstoff' verarmen. Es kommt in dieser Beziehung auch viel auf die Bodenbeschaff'enheit an. Das rasche Auslaugen durch Wasser kann auch dazu beitragen, dem Boden vorhandene, kostbare Vorräte zu entreißen. Man war schon seit langem geni»tigt, dem Ackerboden gebundenen Stickstoff" zuzufüliren. Man spricht von Stickstoffdüngung. Es standen bis vor kurzem vornehmlich drei Quellen zur Gewinnung von gebundenem Stickstoff' zur Verfügung. Einmal tinden sich große Lager von Salpeter an verschiedenen Orten namentlich in Chile. Ferner enthält die Steinkohle in allerdings nur geringer Menge gebundenen Stickstoff", und endlich haben wir noch den Guano. Dieser besteht aus Exkrementen, verfaulten Eiern EiweiBstofte iiud ihre Bausteine. 429 und Kadavern von \ ögelo. Gewaltige Ansammlungen dieser Produkte ünden sich auf den fast regenfreien Küsteninseln Perus. Diese Quellen an gebundenem Stickstoff sind leicht erschöpfbar. Die Steinkohle ist bis jetzt noch in ganz ungenügender Weise als Stickstotfquelle verwendet worden. Die größte Bedeutung hatte bisher der Salpeter für die Landwirtschaft. Er verdankt seine Entstehung nitri- tizierenden Bakterien. Es finden sich namentlich in Chile große Lager von Natronsalpeter. Sie sind jedoch auch erschöpfbar I Immer mehr Länder- strecken werden vor allem in Amerika einer stärkeren Ausnutzung zu- geführt. Infolgedessen werden auch immer mehr Düngemittel verlangt. Man hat ausgerechnet, daß etwa in 25 Jähren die Salpeterlager erschöpft sein werden. Es ist dies unwahrscheinlich, denn einmal ist es schwer feststellbar, wie der Bedarf sich verhält, und wie groß die vorhandenen Lager in Wirk- lichkeit sind. Ferner findet immer wieder Neubildung von Salpeter statt. Immerhin wird der natürlich vorkommende Salpeter in absehbarer Zeit lange nicht mehr allen Anforderungen genügen können. Diese Tatsachen mußten eine große Beunruhigung hervorrufen. Man begann auszurechnen, wie lange die Lebewesen auf der Erde noch Daseins- bedingungen finden werden. Eine fortschreitende Abnahme des Vorrates an gebundenem Stickstoff müßte schließlich zu einer starken Beschränkung der Einwohnerzahl führen. Sie müßte so lange zurückgehen, bis die natürlichen (Quellen an gebundenem Stickstoff' wieder ausreichen und die Mitarbeit der freien Stickstoff' assimilierenden Lebewesen genügen würden. Von diesen Gesichtspunkten aus könnte man die Frage aufwerfen, ob die modernen Bestrebungen der Hygieniker für die weitere Zukunft zweckmäßig seien. Wir bekämpfen die Mikroorganismen und suchen ihnen die Existenz- bedingungen zu nehmen. Manche dieser Lebewesen begnügen sich nicht damit, den toten Organismus zu zerstören und in seine Elemente zu zerlegen. Viele davon greifen vielmehr lebendes Gewebe an und geben ungezählte Oiganismen frühzeitig dem Kreislauf der Elemente zurück. Wir nehmen den Kampf gegen diese Lebewesen auf. Wir suchen die Lebensdauer des Menschen zu verlängern. Auch die Haustiere fügen wir nicht mehr dem Kreislauf der Elemente ein. Sie werden zunächst verzehrt und die aus ihnen hervorgehenden Stoff'wechselendprodukte verbrannt. Überall .schädigen wir im Interesse der Gegenwart und des einzelnen Individuums Vorgänge, die sich im Laufe der Jahrtausende ausgebildet und zu einem Zustand geführt haben, bei dem Mangel an gebundenem Stickstoff' kaum bestand. Es ist ganz verständlich, daß unter diesen Umständen immer mehr der Wunsch sich geltend machte, es möchte eine Zeit kommen, in der der tierische Organismus und insbesondere der Mensch nicht mehr in so hohem Maße von der Pflanzenwelt in Abliängigkeit stehen würde, wie es bis jetzt der Fall w ar. Immer wieder wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, es möchten Mittel und Wege aufgefunden werden, um die organischen Nahrungsstoffe künstlich darzu- stellen. Wie wir bald vernehmen werden, ist dieses Problem viel rascher, als man glaubte, im Prinzip gel()st worden. Seine Lösung hat aber eindringlich und klai' bewiesen, daß wir niemals der Pflanzen werden entraten können. Einmal liefern sie uns die Nahrungsstoffe viel billiger und dazu noch in viel zweckmäßigerer Form, als die Technik sie jemals hervorbringen kann. 430 XXI. Vorlesung. 1 nser ganzes Bestreben muß daher darauf gerichtet sein, den Pflanzen und besonders den Kulturgewächsen möglichst günstige Bedingungen zu ihrem Wachstum zu schaffen. Gelingt es uns, sie durch künstliche Maßnahmen besser zu ernähren, dann ist zugleich die Ernährungsfrage für den tieri- schen Organismus in der denkbar besten Weise gelöst. Nicht derjenige, der im Laboratorium künstliche Nährmittel für das Tier und den Menschen erzeugt, löst das Problem der Ernährung des Menschen- und Tiergeschlechtes für alle Zeiten, sondern der- jenige, der der Pflanze hilft, die ihr zur Verfügung stehenden Energiequellen möglichst rationell auszunützen und ihr zugleich ausreichende Nahrungsstoffe zuführt. Es ist denn auch der Technik gelungen, der Gefahr der Verarmung des Bodens an gebundenem Stickstoff wirksam zu begegnen. Es waren ver- schiedene Wege erfolgreich. Einmal läßt sich der Stickstoff der Luft, der uns ja in unermeßlichen Mengen zur Verfügung steht, bei hohen Tem- peraturen mit Sauerstoff zu NO vereinigen. Daraus bildet sich dann NO2, das beim Einleiten in Wasser oder Alkalilaugen salpetrige Säure bzw. Nitrite und ferner Salpetersäure bzw. Salpeter liefert. Praktisch wird die Oxydation des Stickstoffs mittelst Elektrizität herbeigeführt.^) Es ist dies die gleiche Art der Stickstoffbindung, wie sie bei elektrischen Ent- ladungen in der Atmosphäre (Blitz) stattfindet. Es ist ferner gelungen, Stickstoff und Wasserstoff unter hohem Druck und Anwendung von Katalysatoren direkt zu vereinigen.-) Dieses Verfahren ist das in Deutschland führende. Man hat ferner zur Bindung von Stickstoä von der Tatsache Gebrauch gemacht, daß er unter geeigneten Bedingungen sich mit Metallen zu Nitriden verbindet. 3) Aus diesen läßt sich der StickstoÖ' in Form von Ammoniak abspalten. Schließlich sei noch eines Verfahrens Er- wähnung getan, das bis vor kurzem das am meisten angewandte war. Es beruht auf der Eigenschaft der Karbide, Stickstoff zu binden.*) Kalzium karbid liefert z. B. mit freiem Stickstoff" unter Abscheidung von Kohlenstoff das Kalksalz des Zyanamids, ON.NHj: CaC, + N2 = CaCN2-f-C. Der Stickstoff des Kalziumzyanamids läßt sich mittelst gespannten Wasserdampfes leicht in Form von Ammoniak abspalten: Ca CNg -t- 3H20 = CaCOa + 2Nfl3. Meistens wird das Gemisch Ca . CN.^ -1- C direkt als Düngemittel verwendet. Zahlreiche Studien sind über sein Verhalten im Boden und seine Verwertbarkeit angestellt worden. s) *) Georg Erlwein: Elektrotechnische Zeitschrift. Heft 2 und 3. 1907. Weitere Literatur bei Eduard Donath und Karl Frentzd: Die technische Ausnutzuug des atmo- spärischen Stickstoffs. V. Deuticke. Leipzig- Wieu 1906. — C. Frenzel: Fortschritte der Naturwissenschaften 2. 242 (1911). ') Haber und van Oordt : Zeitschr. f. anorgau. Chem. 43. 111 (1905); 44 341 (1905J; 47. 42 (190()). ^) Haber und van Oordt: Zeitschr. f. anorg:in. Chemie. 44. 341 (1905). — Lipski: Zeitschr. f. Elektrochemie. 15. 189. (1909). *) G. Erlwein: Zeitschr. f. angewandte Chemie. 16. 533(1903). — Adolph Frank: Ebenda. 16. 536 (1903); 19. 835 (1906). — Otto N. Witt: Chem. Industrie. 28. 689. (1905). ^) \'gl. z. B. F. Löhnis: Zentralbl. f. Bakt., Parasiteukunde u. lufektionskrankh. 2. 877 (1906). —'0. Schönherr: Chemiker-Ztg. 32. 578 (1908). Eiweißstotfe und ihre Bausteiue. 481 Fassen wir die Bemühungen, den freien Stickstoff der Luft der Pflanze und auch der Industrie nutzbar zu machen, zu- sammen, dann ergibt sich, daß dieses Ziel erreicht ist. Die großen Lücken, die durch die künstliche Umwandlung von gebundenem Stickstoff in die freie Form in den Vorräten der Natur an solchem entstanden sind, sind durch den Umstand, daß wir jetzt soviel Stickstoff der Luft in eine für die Pflanze verwendbare Form überführen können, als notwendig ist, mehr als ausgeglichen worden. Die moderne Hygiene darf ihren Kampf gegen jene Lebewesen, die unser Dasein bedrohen, unbeschadet der durch ihre Methoden geschaffenen Durchbrechung des natürlichen Kreislaufes des Stickstoffs mit aller Energie weiterführen! Vorlesung XXIL Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 6. Der Eiweißstoffwechsel der Pflanze. Die Beziehungen der Aminosäuren zu den Betainen und Ail^en. Diese Übereinstimmung mit den Stoffwechselvorgängen im tierischen Orga- nismus — auch er baut ab, wenn er aus einem vorhandenen Eiweiß ein anderes bereiten will — wird nur durch die Beobachtung durchbrochen, daß die Ptlanzenzelle größere Mengen von Asparagin und ferner auch von Glutamin bildet. M Diesen beiden Verbindungen begegnet man be- sonders in keimenden Samen. Sie hängen in irgend einer Weise mit dem Eiweißstoffwechsel zusammen. Es sind verschiedene Hypothesen aufgestellt worden, um ihre Entstehung und ihre Bedeutung zu erklären. iMan könnte zunächst daran denken, daß diese Säureamide eine Zwischen- station in der Umwandlung bestimmter Aminosäuren in andere darstellen oder gar auf Beziehungen zu den Kohlehydraten hinweisen. Es wäre denkbar, daß aus solchen Bernsteinsäure bzw. Glutarsäure oder eine diesen nahestehende Verbindung entsteht, die dann mit Ammoniak zu- sammentritt. Wir wissen, daß die Pflanze desaminieren und ami- nieren, d. h. die Aminogruppe aus Aminosäuren abspalten bzw. in Verbindungen einfügen kann.'-) Das im ersteren Falle frei werdende Ammoniak würde dann zur Synthese zur Verfügung stehen, falls es nicht durch Reduktion aus aufgenommenen Nitraten gebildet wird. Man hat ferner die Bildung der Säureamide der Harnstoffbildung im tierischen Organismus an die Seite gestellt. In beiden Fällen wird gebildetes Ammoniak gebunden. Bei der Pflanze sind es die Asparagin- und die Glutaminsäure, die Ammoniak festlegen, beim Tier die Karbaminsäure: COOH + NH3 CO . NH., + H2 0 I I CH . NH., CH . NH., CH2 GH., j I COOH COOH Asparaginsäure Asparagin. NH2 . COOH + NH3 = NE, . CO . NH., + H., O Karbaminsäure Harnstoff Von diesem Gesichtspunkte aus ist die Bildung der Säureamide als ein Schutz der Zellen gegen freies Ammoniak aufgefaßt worden. Entstehen- des Ammoniak wird festgelegt. Es liegt ein umkehrbarer Vorgang vor. Während der Harnstoff endgültiges Stoffwechselendprodukt darstellt, sind die Säureamide weiterer Umwandlungen fähig. Priunischnikoir^), der auf Grund zahlreicher Beobachtungen die erwähnte Auffassung der Bedeutung der Säureamidbildung vertritt, hat die interessante Feststellung gemacht, daß eiweißreiche Pflanzen, wie Lupinen, gegen freies Ammoniak be- sonders empfindlich sind, während kohlehydratreiche sich als viel wider- ') E.Schulze: Landwirtsch. Versuchsstationen. 33. 118 (1886); Landwirtscli. Jalirl). 35. 621 (1906). — Borodin: Bot. Ztg. 801 (1878). — Ber. d. Deutsch, l.otaii. lies. 25. 213 (1907). — D. Pnamschnikoic und ./. Schuhur: Eltonda. 28. 2.53 (1910. — Vgl. auch Anton Stieffei-: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 86. 24;") (1913). *) N. Castora: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 50. 525 (1907). — H7. BHfkfwifudi : •Biochem. Zeitschr. 41. 431 (1912). ^) Prianisc/inikoir: Die landwirtschaftlichen \ ersuchsstationen. 2(i7 (1922): Ber. d. Deutscheu Bot. Gesellsch. (1922). 28^^ ^'^^ XXII. NOrlesiing. Standsfähiger erweisen. Im HungerzAistand wird jede Pflanze gegen Ammoniak empfindlicher. Es ist die Möglichkeit seiner Festlegung eingeschränkt bis aufgehoben. Man hat noch an andere Möglichkeiten des Zusammenhangs der Säureamidbildung mit dem Stoffwechsel und insbesondere mit dem Eiweiß- stoffwechsel gedacht, ohne jedoch für sie eindeutige Beweise erbringen zu können. Soviel ist sicher, daß das Asparagin nicht unmittelbar mit der Eiweißsynthese verknüpft ist, denn es nimmt nicht in dem Maße, wie die übrigen Aminosäuren, mit der Eiweißbildung ab.') Ferner läßt sich zeigen, daß die Säureamide später, ohne daß eine entsprechende Bildung von Eiweiß sich nachweisen läßt, wieder ganz verschwinden, und zwar um so rascher und vollständiger, je mehr die Keime und Pflanzen dem Licht ausgesetzt sind.'-) Offenbar werden die aufgestapelten Amide zu verschie- denartigen Synthesen und sehr wahrscheinlich auch zur Bildung einzelner Aminosäuren verwendet. Wie der weitere Abbau der Aminosäuren sich vollzieht, welche Ab- baustufen auftreten, und in welcher Weise der Kohlehydrat- und Fettstoti- wechsel mit dem Eiweißstoffwechsel in Wechselbeziehung tritt, wissen wir nicht. Wir können nur vermuten, daß bei der Desaminierung der Amino- säuren die gleichen Produkte auftreten, wie wir sie im tierischen Orga- nismus antreffen. Besser unterrichtet sind wir über den Abbau mancher Aminosäuren durch Bakterien und die Hefezellen. Wir kommen darauf gleich zurück. Von Interesse ist, daß in einigen Pilzen Harnstoff aufgefunden worden ist.^) Die große Verbreitung eines Fermentes, Urease genannt, in der Pflanzenwelt, das Harnstoff in Ammoniak und Kohlensäure spaltet, läßt darauf schließen, daß diese Verbindung ein häuflges Stoffwechselprodukt darstellt.*) Es entgeht dem Nachweis, weil es sofort weiter gespalten wird. Die Spaltung des Harnstoffs erfolgt offenbar von seinem Hydrat aus^): /OH //OH C^^NH., —y 2NH, + CO... \NH., Ferner ist im Wickensumen^) und im Zuckerrübensaft ') Guanidin beobachtet worden. Es entstammt vielleicht dem Argin in, das diese Gruppe besitzt.^) *) E. Schuhe: Bor. il. Deutschen botau. Ges. 22. ;W1 (1904). -) Pfeffer: Jahrli. d. wissensehaftl. Botanik. 8. 538 (187'2). — Mcimier: Annales agronom. 6. 27;) (1880). ■') Max limnberqcr und Anton Landsicdl: Monatsliot'to f. Cliemio. 24. 218 (1903); 26. 1109 (1905). — R. Gazr: Arch. d. riiannazic. 243. 78 (1905). — .1. doris und M. Maxen': Conipt. reud. do l'acad. des sc. 147. 1488 (1908). ~ V,irl. aucli den Befuiul von d-Butyltliio- harnstoff im iitliorischen 01 von Caidaniino aniara. L. r. Mar Kunze: Archiv d. Pharm. 245. 657 (1908). ■*) Vgl. hierzu auch Kmil A. Werner: Dublin J. of med. scieucc. 4. 577 (1922). 5) n. S. Anistronr/ und Edir. Horton: riocped. of thc Royal Soc. 85. (B). 109 (19121. ") ?j. Schulze: Zcitschr. f. physiol. Chemie. 17. 193 (189."r): Her. d. Deutschen (^liom. Ges. 25. G58 (1892). ') 0. r. Lippinann: Bor. d, Deutschen ( hiMii. G(>s. 29. 2()45 (189(5). ») Vgl. S. 320. Kiwoifetortc und ihre Baiisteiiio. 437 Ferner bilden viele Pflanzen Indol.i) Dieses j^^eht ohne Zweifel aus dem Trytophan, der ß-lndol-a-aminopropionsäure hervor. Ferner ist auch Skatol=ß-MethyIindol in der Pflanzenwelt aufgefunden worden.') CH CH HC^'^C C . GH., . CH . (OOIl \\if\ CH HC C CH NH, CH HC C CH NH CH NH T r y p 1 0 p h a n — 7.- A m i n 0- [i -i n d ( ) 1 p r o }) i o n s ä u r e l n d o 1 (^11 HC (; c . CH,, HC C CH CH NH Skatol = ;i-Methylindol. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch der prachtvolle blaue Farbstott" Indigo vom Ti-yptophan aus gebildet wird. Er findet sich als Glukosid, Indikan genannt, in Indigoferaarten und in Isatis tinctoria. Indolrest Glukoserest CH HC/'^C — C-O— CH .CH . (CH . OH), . CH.. OH !l II \/ HC C CH 0 CH NH Indikan. Indikan läßt sich durch Fermente oder Säuren spalten. Es wird Glukose frei. Gleichzeitig entsteht Jndigo: eil C'H HC^\c— CO OC C^^ HC c c CU NH =C c CH CH NH Indigo. CH ') Vgl. die Literatur im Hioclieniisclieu Haiullexikon. 4. 844 (15)11) (lioarlicitet von G. Zempl('n). .J. Springer. Berlin l'.lll. -- Ferner F. Weelntizi-n: Pharma/.. Week- blad. 45. 132ö (1908). '') W. It. Dimsfan: l'harniaeol. .lourii. 19. lOlU (1888). CItristian A. Her/er: .lourn. of Biol. Chem. ö. 489 (li)()8). — H. Walbaum: Ber. d. Deutschen Cheni. (ies. 33. 19ü;{ (1900). — J. Sack: Pluirniaz. Weekblad. 48, HOT (1911). 438 XXII. Vorlcsiinsr. Im Mutterkorn sind eine ganze Reihe von Verbindungen aufgefunden worden, die sich direkt von Aminosäuren ableiten lassen. Es sind dies die Amine Para oxyphenyläthylamini) = Tyramin, Imidazolyl- äthylamin-) = Histamin. Pentamethylendiamin == Kadaverin^), und Agmatin.*) Zum Teil verraten schon die Namen dieser Verbindungen ihre Herkunft. Die erstere Verbindung ist auf Tyrosin, die zweite auf Histidin, die dritte auf Lysin und die vierte endlich auf Arginin zu- rückzuführen. In allen Fällen liegt die gleiche Bildnngsart vor. Es ist Kohlensäure aus den Aminosäuren abgespalten worden. Dieser Art des Abbaues von Aminosäuren werden wir noch oft begegnen. Nament- lich manche Bakterienarten, die auch unseren Darm bevölkern, vollziehen diese Umwandlung.-') Die folgenden Formeln geben den Zusammenhang der einzelnen Verbindun":en wieder: C . OH HC/'^CH NH, C . CH., . CH . COO H Tyrosin = (i-Paraoxy])henyl- 7. - a m i n 0 p r 0 j) i 0 n s ä u r e CH— NH ■C N >CH C . OH HC/'^CH C . CH., . CH., + CO2 Paraoxyphenyl- äthylamin. CH— NH C N CH-, I CH . NH., —>^ CH-, (^H., . NH., + CO., COOK Histidin = ß-lmidazolyl- y.-arainoprojjion säure Imidazolyl-äthylamin. ') G. Barger: Trausact. of the Ghem. Soc. 95. 1123 (1909). — G. Barqer und II. II. Ihde: Arch. f. experini. Tatli. u. Pharm. 61. 113 (1909). — Vgl. seine Synthese: George Barqer: Transact. of the (_;hem. Soc. 95. 1123 (1909). - George Barqer und G. s'. Walpöle: Ebenda. 95. 1720(1909): .Jouni. of Thysiol. 38. 343 (19091'— A. UUmann hat Tyramin in Btechdistelkörneru gefunden. Biochem. Zeitschr. 128. 402 (1922). ^) Ackermann und /•'. Kutscher: Zeitschr. f. Biol. 54. 387 (1910). — G. Barqer und //. H. Dale:io\\vn. of Cheni. 97. 2592 (1910): Zentralbl. f. Thysiol. 24. Nr. 19 (1910); — Transactions of the Chem. Soc. 97. 2592 (1910); .lourn. of riiysiol. 11. 1 (1910). — Synthese: K. K. Korss-lcr und M. Th. Hanke: .lourn. of Anieric. Chem. Soc. 39. 497 (1919); 40. 1724 (1918). ^) Biedlümler: Sitzungsber. d. (Jes. z. Beförd. d. Natuiw. Marburg 1908. *) B. Kngeland und /'. Kutscher: Zentralbl. f. l'hysiol. 24. 479(1910). — Vgl. über seine Entdeckung A. Kossei: Zeitschrift f. physiol. Chemie. 66. 257 (1910) und seine Synthese: A. Kossei: Sitzungsbericlite (ku- Heidelberger Akad. d. Wisseusch. 12. Abt. (1910). '") Vgl. 7.. B. Takaokt Sasaki: Acta scholae mecbc. Uiiiversitatis imp. in Kioto. 1. 103 (1906). — M. Tsiidji: Ebenda. 2. 11.") (1918). — K. Jlirai: Ebenda. 2. 425 (191S): 3. 1 (1919). Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 439 CH., . GH., . GH., . GH., . GH . GOOjH -> GH.. . GH., . GH.. . GH, . GH, + GO^ r ' ' ' i ■ • ^ I ' ' I NH, NH.2 NH, NHo Lysin Pentamethy lendiamin = Kadaverin. /NH-, NH, G=NH \nH . GH, . GH, . GH, . GH . COO H Arginin = S-Guanidino-a-amino- valeriansäure /NH, NH, G^NH i \NH . GH2 „GHj . GH., . GH., + GO^ Agmatin = Aminobutylen- guanidin. Aus Merkurialisarten und in der Kalamuswurzel hat man ferner Methylamin isoliert. Es entstammt ohne Zweifel dem GlykokoU: GH, GOOH — >► GH3 + GO., NH., NE, GlykokoU = Amino- Methylamin, essigsaure Im Tabak ist Isoamylamin vorhanden. Es hat Beziehungen zum Leuzin : GH3 CH3 CH3 GH3 \x \/ GH GH I I CH3 CH, i I GH . NH, GH, . NH, + GO, GOO H Leuzin = 7.-Aminüisol)utyl- Isoamylamin. essigsaure Es ist nicht leicht, festzustellen, welche Bedeutung diese Verbindungen im Pflanzenreich und z. B. im Mutterkorn zukommt. Vielleicht gibt die Beobachtung, daß solche Amine von Hefen und Schimmelpilzen leicht in die entsprechenden Alkohole übergeführt werden'), einen Anhaltspunkt über ihre weitere Verwendung: *) G. Ciamician und C. Ravenna: Atti K. Accad. dei Liucei. 20. 614 (1911). 440 XXII. \orle8nii^'. C« H, (OH) . CIL, . CH, + H, o —> ( ', 11^ ( < >H) . CH^ . CH, Oll + NH^ NH, p-Oxyphenyläthylamin i)-()x yphciiyläthylalkohol = Tyrosol. Es ist wohl möglich, daß aus Aminosäuren in Pflanzen häutig Amine hervorgehen. Der Umstand, daß man ihnen bis jetzt nur vereinzelt begegnet ist, dürfte vielleicht darauf zurückzuführen sein, daß sie nur in kleinen Mengen entstehen und immer gleich weiter verarbeitet werden. Im Pflanzenreich sind eine ganze Anzahl von Verbindungen auf- gefunden worden, die zum Retain in naher Beziehung stehen. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, daß das Betain selbst dem Glykokoll nahe steht. Man kann es sich aus diesem durch vollständige Methylierung des Aminostickstoffesi) hervorgegangen denken: CH, . C( )( )H CHj . COOH CH-, . CO I " I /CH3 I /CH3 NH, —). NGH -N GH., CH . NH., GH., und I /CH3 CH . N(-GH3 I Vgh, G N GH.. >C.SH GOGH Histidin= a-Amino- ß-imidazolyl- propionsäure GO- O 1 . CH3 GH . Nf-GHg I \^GH3 GG 0 Erji;othionein =: Tri- methylbetain des Thiohistidins.*) Trimethyl- betain des Histidins = Herzyninä) ») E. Schulze und d. Trier: Ber. d. Deutscheu Cheiu. Gosellsch. 42. 46n4 (U)U9); Zeitschr. f. physiol. Chem. 59. 233 (1909): 67. Sl (1910). — R. Encielawl : Bor. d. Deut- scheu Chem. (iesellsch. 42. 29fi5 (1909); .Vnli. f. IMmmiMzio. 247. 4(53(1909). -- H. Will- stätter: Ber. d. DiMitschcu (Ikmu. (icsollscli. 33. 1 1(5(') (190(1). - V?l. soini' Synthese: G. Trier: Diss. Zürich 1910. *) van Rotnhur(/h: Koninkl. Al<. viiii Wctensch. .\mstrni,ini. 19. 1250 (1911). ^) G. Barger und Arthur Jatnes Eirins: The Bioclicm. Journ. 7. 204 (1913). — Vgl, die Synthese: F. Kutscher: Zcntnlbl. f. Pliysiol. 24. 775 (1910). ■•) G. Ii(tr► Arginin /NH. NH.. NH., C^O -f I ! \NH., CH., . CR, . CH, . CH . COOH - CO., — >► Harnstoff ( >rnithin = 7., [i = Diamino- valeriansäure ') B. Willstätter und W. Ileulmer: Her. d. Deutschen (hcm. Gcsellsch. 40. 8869 (1907). ') Vgl. Ernst Späth: Monatsli. f. (^lieraio. 40. 129 (1919); 42. 97 (1921). ') Vgl. liierzu K. Dreclisel : Her. d. Deutschen Chem. (iesellsch. 23. 309() (1S9()). — Aime /'irfrt: Pharrnaz. /oitg. Nr. Hh und 8() (19()ö). KivvoiL'istort'e und ilire Bausteiue 445 CH, .CH, .CH, .CH, NH., NH.. NHs und Ringschlnß CH., . CH., I I CH., CH, \/^ NH PyrroHdiii. Putresziii = Tctra- methylendiamin Pyrrolidin geht durch ( Kydation über in: HC — CH HC CH. Pyrrol Avird durch Reduktion übergeführt in H, C CH NH Pvrrolin. H..C- nCH NH Pyrrol. CH, . CH., . CH, . CH, AU. COOH - NH, NH, Lysin ==7.. 2-Diaminocapron- säure CH.. /\ H, C (^H., CO., CH, .CH, .CH, .CH, .CH, NH, und Ringschluß H.,C CH. NH, NH, Kadaverin := Penta- niethvlendiamin Piperidin geht durch Oxydation über in: NH Piperidin. CH ] HC CH 1 II zeigt Beziehungen zu: HC CH \/ N Pyridin CH CH CH CH HC C (H 1 11 1 "" HC C VW d 1 |i 1 HC C CH HC C N i'W N CH CH Chinolin Isochinolin. Die Betraclitung der Alkaloide der PflanzenweU ergibt, daß be- stimmte Vorgänge bei ihrer Bildung sieh niederholen. Vielfach begegnen wir C.lukosiden. d. h. es tritt ein Kohlehydrat, zumeist Glukose, in Vcr- l)indung mit dem eigentlichen Alkaloid. Etwas sehr häufiges ist auch der PLintritt eines Säureradikals — Benzoesäure (Kokain, Akonitini. Tropasäure (Atropini. Sinapinsäure (Sinapini. Essigsäure (Col- 446 XXII. Vorlesung. chicin) usw. — in das Molekül des Alkaloids. Noch verbreiteter ist die Kupplung mit einem Alkoholrest, und zwar verbinden sich mit ihm OH- oder NH-Gruppen. Bis jetzt ist nur der Methylrest (CH3) beob- achtet worden. An seine Stelle kann auch das Methylenradikal treten. Fictet^) ist der Ansicht, daß der Formaldehyd das methylierende Agens in der Pflanze darstellt. Er stellt sich den \'organg, wie folgt, vor: R — OH + H . C- R — O . CH3 + 0. R — NH 4- H . C<}:J —^ R - N . CH3 + O. Es seien einige der bekanntesten und ihrer Struktur nach aufgeklärter Alkaloide hier angeführt ^i, um zu zeigen, wie eng in der Tat die Bezie- hungen zu den erwähnten Abkömmlingen von Aminosäuren sind. Das a-Coniin, eines der Alkaloide des Schierlings, Conium maculatum, ist d-, a-, n-Propyl-piperidin. ') in der gleichen Pflanze finden sich auch N-Methylconiin*) und Conhydrin: CH2 GH., Ho C CH2 Ho C CHo "i I 'i I " Ho C CH . CHo . CHo . CH3 Ho C CH . CH (OH) . CH., . CH, \N/ \N/ H , H a-Coniin Conhydrin = Hydroxyconiin CHo /\' Ho C CHo HoC CH . CH, . CHo . CH, \N/ H ■ »^iA2 ■ ^»^*8 CH3 Methylconiin. Das gemeinsame Vorkommen der so nah verwandten Verbindungen läßt vermuten, daß diese auseinander hervorgehen und vielleicht den Weg der Synthese oder des Abbaus anzeigen. Es sind zahlreiche Alkaloide bekannt, die sich auf den Pyridinkern zurückführen lassen. So ist das Arekaidin, ein Alkaloid der Arekanuß, N-Methyl-tetrahydronikotinsäure.ö) Auch sein Methylester, das ») A. Pictet: Pharm. Ztg. Nr. 85 uud 86 (1905). — Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 40. 3771 (1907). — Vgl. auch J. Gadamer: Chem. Ztg. 35. 183 (1911). ^) Ernst Winterstein und Georg Trier: Die Alkaloide. Gebr. Bornträger. Berlin 1910. 3) A. Ladenburg: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 39. 2486 (1906). *) Fasson: Ebenda. 24. 1678 (1891). ») Jahns: Arch. d. Pharmazie. 229. 669 (1891). — A. Wohl und .1. Johnson: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 41. 131 (1908). Eiweißstotfe uud ihre Bausteiue. 447 Arekolin, kommt in der Arekanuß vor. Seine nahen Beziehungen zum Trigonellin zeigt die Gegenüberstellung der beiden Formeln: CH CH /\ H^C/XC.COOH HC C - CO HjC CH. HC CH .0 N CH3 Trigonellin = Methyl- betain der Nikotinsäure CH3 Arekaidin = N-Methyl- tetrahydro- nikotinsäure CH H2 C C . CO . OCH3 I I H, C CH. N.CH3 Arekolin = N~Methyl-tetrahydro- nikotinsäure-raethylester. Das Pyrrolidin kommt auch als solches im Tabak vor.') Es ist auch aus Mohrrübenblättern gewonnen worden: [CH, . CH. r I " GHo . GHo \NH/: Eine Kombination des Pyridin- und Pyrrolidinkernes findet sich im Nikotin. Es ist ein a-Pyridyl-ß-N-methyl-pyrrolidin^): Pyrrolidinkeru [ Pyridinkern CH3 N NH CH /\ HC CH- -CH CH, CHo CH.COOH HC CH \N£ Nikotin CH. — CH") CH2-CH, x-Pyrrolidonkarbon- säure=:Prolin. Dem Pyrrolidinkeru sind wir schon begegnet, als wir das Prolin und Oxyprolin kennen lernten. Wir haben ferner auf die nahen Bezie- hungen der Pyrrolidonkarbonsäure hingewiesen, die leicht unter Wasser- *) Pictet und Court: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 40. 8771 (1907). ^) Pinner: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 26. 294 (1893). — Pictet und Rotschy Ehenda. 37. 1225 (1904). 448 XXll. Vorlesung. abspaltung aus Glutaminsäure entsteht. Es ist wohl möglich, daß die Pflanze diesen Weg zur Bildung des Pyrrolidinringes einschlägt. Es sei in diesem Zusammenhange auch noch einmal auf das .Stachydrin verwiesen, welches das Dimethvl betain des Prolins ist.^) Zahlreiche Alkaloide bilden die Angehörigen der Solanaceen. Auch diese Verbindungen zeigen Beziehungen zum Pyrrolidin. So kommt z. B. dem Atropin die folgende Struktur zu'-): CH. — CH GH., GH., . ( )H I i ! /GH = GH. N.GH;, GH . (> . (»G .Vn . G< >GH. ■ i I ^GH— GH^ GH.,— GH GH., Atropin stellt einen Ester dar, dessen Alkohol das Tropin und 'dessen Säurekomponente die Tropasäure^'j ist: I GH., — Vll GH.. I I N. GH, GH. OH GH. — CH- -GH., Tropin GH.3 . OH G— GH ^\ \gooh HG GH HG GH \/ GH Tropasäure. Von großem Interesse ist der Befund, daß das Hyoscyamin, das zuerst in Hyoscyamus niger aufgefunden worden ist^), in seiner Zu- sammensetzung mit dem Atropin vollständig übereinstimmt. Auch es ist ein Troposäure-tro))incster. Bei der Spaltung erhält man jedoch eine optisch-aktive Tropasäure, während das Atropin eine inaktive (razemische) Tropasäure liefert."') Auch das Kokain, ein Alkaloid der Blätter von Erythroxylon coca*^), steht dem Atropin sehr nahe: GH., — GH GH . GO . O . GH., GH =r GH V).oG.(^ GH. GH.,-GH^^^GM^ \'H GH Kokain. N.GH3 G/ - Ji ') Vgl. S. 441. •-) Vgl. A. Ladenl»ir(r. Bcr. d. Dcutschoii Ch(>ni. Gcsollscli. 35. 1162 (1902). ■') A. Ladcnbvrg iiiul Riigheiimr: Bcr. d. Dcutsciion Choiii. (lescUscli. 13. 373 (1880). Willstätter: Auualeii der Chemie. 326. 12. (1903). *) Geiger und Ih-s-sr: Aimalen dci- Cheniie. 217. 82 (1883). *) ./. Gadamer: Arcliiv der Pli;irin;i/.io. 239. 294, 321 (1901). — Vgl. aiicli Cushuii: Uli. of. Phjsiol. 30. 17(; (1903). «) Mnuaini: Aniiülen der Clieiiiie. 114. 218 (18()0). Eiweißstorte und ihre Bausteine. 449 Kokain ist der Methylester des benzoylierten Ecgonins.i) Zahlreich sind die Alkaloide, die sich vom Chinolin ableiten. Es steht in Beziehungen zum Indolkern und damit ohne Zweifel zum Tryp- tophan. Hierher gehören die zahlreichen Chinaalkaloide. Sie finden sich in den echten Chinarinden. Der wichtigste Vertreter dieser Klasse ist das Chinin. Es ist das p-Methoxyderivat des Cinchonins^): N CH CH. = CH . (^H — Vn — CH. TT^XV/'\p, CH., CH.. I HC HC tCH CH CH. — N CH C CH CH . OH Cinchonin. Chinolinrest CH GH., = CH . CH - CH - CH., ^^/XVX^^^ CH., CH., CH«— N HC CO. CH. C CH I CH . OH -CH — Chinin. Auch die St rychnos alkaloide (Strychnin) gehören zur Gruppe der Chinolinalkaloide. Schließlich wollen wir noch einen der zahlreichen Vertreter der Klasse der Isochinoline erwähnen. Es gehören die sogenannten Opium- alkaloide hierher. Das Papaverin») hat folgende Konstitution*): Isochinolingruppe CH CH CH3 . OC C CH 1 II 1 CO HC^\ •CH3 CO . CH3 CH3 . OC C N x/xx HC CH Papaverin = Tetra methoxy-benzyl-isochinolin. ») C. Liebermann : Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 21. 3169 (1888); 27. 2051 (1894). — A. Eichhorn: Ebenda. 21. 47, 3335 (1888). — R. Willstätter: Ann. d. Chemie. 326. 42 (1903). -) W. Könir/s: Annalen der Chemie. 347. 143 (1906). — F. Rabe: Ebenda. 350. 180 (1906); 365. 354 (1909). — W. v. Miller und Rhode: Ber. d. Deutschen Chem. Ge- sellschaft. 27. 1187, 1279 (1894); 28. 1056 (1895); 33. 3214 (1900). — Zd. Skraup : Monatshefte für Chemie. 9. 783 (1888); 10. 39 (1889); 16. 159 (1895); 17. 365 (189(i); 21. 879 (1900). — Zd. Skraup und J'iccoli: Ebenda. 23. 269 (1904). =*) Merk: Ann. d. Chemie. 66. 125 (1848); 73. 50 (1850). *) Guido Goldschmidt: Monatsh. f. Chemie. 4. 714 (1883); 6. 372, 667, 954 (1882); 7. 485 (1889); 8. 510 (1890); 9. 778 (1891); 10. 673, 692 (1892). — .4. Riefet und A. Garns: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 2943 (1909). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 29 4Ö0 XXII. \'orlesinig. Diese Beispiele mögen geniigen, um zu zeigen, welch kompliziert gebaute Verbindungen die Pflanzen darzustellen vermögen. Überall stoßen wir auf direkte und indirekte Beziehungen zu Bausteinen der Proteine. Zu den Alka- loiden gehören eine große Zahl von pharmakologisch wichtigen Verbindungen. Viele derselben verdanken ihre Entdeckung dem Umstände, daß bestimmte Drogen eigenartige Wirkungen auf den tierischen Organismus ausüben. Die genauere Untersuchung ergab dann, daß diese Eigenschaft auf bestimmte; Verbindungen zurückzuführen ist. Über die Bedeutung der Alkaloide für die Pflanze läßt sich nichts Bestimmtes aussagen. Während die einen Forscher ihnen eine große Rolle in ihrem Stoffwechsel zuschreiben und sie den inneren Sekreten des tierischen Organismus an die Seite stellen, vermuten andere Autoren, daß die Alkaloide Produkte des Zellstoffwechsels darstellen, die für die Pflanze ohne weiteren Nutzen sind. Die Pflanze soll durch die Bildung der Alkaloide unbrauchbar gewordene Produkte dem Stoffwechsel entziehen. Das Tier scheidet seine Stoffwechselendprodukte aus, die Pflanze dagegen ist genötigt, die Abfallprodukte des Stoffwechsels in eine Form überzu- führen, in der sie unschädlich sind. Wir können diese Ansicht nicht für die richtige halten. Es wäre eine immerhin recht auffällige Erscheinung, wenn die Pflanzenzelle zur Unschädlichmachung von Stoffwechselendpro- dukten einen so komplizierten Weg einschlagen würde. Weshalb wählt dann innerhalb einer bestimmten Klasse von Pflanzen die eine Art diesen und eine andere einen ganz anderen Weg? In der Tierreihe flnden wir in den wesentlichsten Punkten Übereinstimmung in der Art der Stoff- wechselendprodukte. Es wäre auffallend, wenn die Pflanze ein und den- selben Zweck auf so zahlreiche Arten zu erreichen versuchte. Wir sind vielmehr der Anschauung, daß die Alkaloide im Pflanzenreich eine be- stimmte Rolle innerhalb des Stoffwechsels spielen. Man hat sie auch als Schutzstoffe betrachtet. In der Tat werden viele Pflanzen, die Alkaloide enthalten, von manchen Tieren gemieden. Man darf nicht aus dem Um- stände, daß der Schutz kein vollständiger ist, den Schluß ableiten, daß den Alkaloiden in dieser Richtung keine Bedeutung zukommt. Hls könnte auch sein, daß die Alkaloide bei der Assimilation und der Synthese; neuer Zellbestandteile eine Rolle spielen. Würden die Alkaloide wirklich Stoff- wechselendprodukte darstellen, dann müßten wir erwarten, daß sie in um so größerer Menge anzutreflen wären, je älter die Pflanzen sind. Das ist nun sicher nicht der Fall. Ja, manche Forscher schildern eine Abnahme des Alkaloidgehaltes mit dem Alter. In diesem Falle wäre bewiesen, daß die Alkaloide nicht nur Stoffvvechselendprodukte sein können. Sie scheinen vielmehr wieder umgewandelt werden zu können. Es ist auch ganz gut denkbar, daß die Pflanze ein und dasselbe Produkt mannigfachen Zwecken dienstbar macht. Es sei in dieser Beziehung an die Kohlensäure im tierischen Organismus erinnert. Sie ist ein Stoffvvechselendprodukt. hat aber dabei noch wichtige Aufgaben im Zellhaushalte zu erfüllen. Sie wirkt z. B. auf das Atemzentrum und trägt zur Regulation der .Atmung bei. Leider fehlen noch systematische Untersuchungen ül»er die Bcdingimgen, unter denen die Alkaloide entstehen. Es ist bekannt, daß manche Pflanzen unter bestimmten Verhältnis.sen diejenigen Alkaloide, die sie sonst bilden, nicht herstellen. Die Aufklärung der Bedeutung der Alkaloide für die Pflanzenwelt wird sicher wichtige Einblick«' in das üanzc Stoffwechsel- Kiwoilistnttc iiiul ihrL- Bausteine. 451 betriebe der Pflanze erörtnen. Schon ans diesem Grunde sind systematische Forschnngen über ihre Bildung anzustreben, um alle Vor- und Zwischen- stufen bei der Entstehung eines bestimmten Alkaloides kennen zu lernen und gleichzeitig die Bedingungen zu erfahren, unter denen sie gebil(l<'t werden. Kiii'xnq^'xi )fi>. / idl-^-iP. Nahe Beziehungen' zu den Bmndstotfen mancher Alkaloide hat Öer Blattfarbstoft', das Chlorophyll. Er enthält Pyrrolringe. Der Beziehungen der Farbstoffe der Indolgruppe zum Tryptophan haben wir schon gedacht. Erwähnt sei, daß das aus den \Yurzeln des Sauerdorns, Berberis vulgaris, gewonnene Berberin, ein gelber Farbstoff, der Isochinolinreihe angehört. Seinen ganzen Eigenschaften und seiner Konstitution nach ist es ein Alkaloid. Gewiß wird die weitere Forschung die Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppen von Verbindungen noch viel enger knüpfen, als es jetzt schon der Fall ist. Wir wollen nun wieder zu der wichtigen Frage nach jenen Um- wandlungen von Aminosäuren zurückkehren, die durch direkte Versuche zur Beobachtung gelangt sind. Sie sind geeignet, uns Fingerzeige über die Art des Abbaus der Eiweißbausteine in unseren Körperzellen zu geben, wissen w4r doch, daß in den Grundzügen bei allen Zellartcn die Stoff- wechselvorgänge gleichartig sind, während in P^inzelheiten jede Zellait Besonderheiten aufweisen kann. Hervorgehoben sei, daß auch hier die Fragestellung nie lauten darf, welcher Weg wird beim Abbau bestimmter Aminosäuren eingeschlagen, vielmehr müssen wir von Wegen sprechen, denn sicherlich vollzieht sich der Abbau je nachBedarf und jenachden vorhandenen Bedingungen verschieden. Hinweisen wollen wir noch auf die hohe Bedeutung, die die Feststellung der Art des Abbaus von Aminosäuren durch bestimmte Zellarten für deren Charakterisierung hat. Durch das Studium des gesamten Stoffwechsels der einzelnen Zellformen bis in alle Einzelheiten kommen wir zu einer Festlegung der einzelnen Zelltypen, wie sie uns keine noch so genaue morphologische Forschung vermitteln kann. Fragen der Konstitution, Ver- erbung usw. können auf dieser Basis vi«l schärfer erfaßt werden. Es liegt hier ein Forschungsgebiet von ganz außerordentlicher Bedeutung vor uns. Bestimmte Bakterien spalten aus Aminosäuren Kohlensäure ab. Man erhält dann immer das um einen Kohlenstoff" ärmere Amin.. Wir sind diesen Verbindungen schon wiederholt begegnet. ^) Einmal sind Amine als solche in höheren Pflanzen aufgefunden worden, und ferner flnden sich Methylderivate von solchen. Die folgende allgemeine Formel unterrichtet über diese Art des Abbaus von Aminosäuren: CH., .NH... COO H Es ist dies nicht die einzige Art der Aminbildung. Es kann auch eine Reduktion eintreten und die Amingruppe durch Abspaltung von Ameisensäure entstehen: , ..„ i R . CH . NH., + -J H := Rj'. OHi . NHo . 4 H . CüOH. I COOH ') Vffl. S. :-521 ff.. .■J24. 452 XXII. Vorlesung. Beide Arten der Bildung von Aminen aus Aminosäuren sind beobachtet worden. Wir haben bereits die Bildung von Methylamin aus Glykokoll, von Isoamylamin aus Leuzin, von p-Oxyphenyläthylamin aus Tyrosin, von Imidazolyläthylamin aus Histidin, von Agmatin aus Arginin und von Kadaverin aus Lysin besprochen. Das p-Oxyphenyl- äthylamin kommt stets im Emmentaler Käse vor und entsteht ohne Zweifel aus Tyrosin. 1) Aus Valin geht Isobutylamin hervor 2): CH3 0H3 \/ CH — f CH3 CH, CH CH . NE, CH, . NH, + CO., COOH Valin = y.-Amino- Isobutylamin. isovaleriansäure Ornithin, das Spaltstück des Arginins. liefert Tetramethylen- diamin = Putreszin^j: CH., . CH., . CH2 . CH . COOH — h CH, . CH., . CH., . CH., + CO., I ' ' I i " r ■ NH NH2 NH., NH., Ornithin = 7., S-Diamino- Putresziu = Tetramethyien- valeriansäure diamin. Phenylalanin wird zu Phenyläthylamin abgebaut*-^): C« Hg . CH2 . CH . COOH — >► Ce H, . CR, .CH2 + CO.,. I I NH., NHo Aus Tryptophan ist Indol-äthylamin zu erwarten: ^) van Slyke uud B. Hart: Aruer. Chciu. .louni. 30. 8 (1903). — E. Winferstein und Küng: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 59. 138 (U)09). ''') Carl Neuberg und L. Karezag: Biochem. Zeitsclir. 18. 434 (1909). •') A. Ellinger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 29. 334 (1910). — Ackermann: Ebenda. 60. 482 (1909). *) liosenheim: Jouru. of Physiol. 38. 337 (1909). — G. Barger uud Walpole: Ebenda. 38. 343 (1909). — G. Barger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 61. 188 (1909). ') Von größtem Interesse ist die nahe Beziehung des Phenyläthylamins zu dem aus Ephedra vulgaris gewonnenen Alkaloid Ephedrin. Es hat die Zusammen- setzung eines Ph en ylp ropan olmeth y lamin: C, H, . CH (Uli) . CH . CH, I * NH.CH, Vgl. Nagai: Berliner klin. Wochenschr. Nr. 38 (1887). — E. Schmidt: Arch. d. Pharm. 250. 154 (1912); 252. S9 (1914). Eiweiüstoffe und ihre Bausteine. 453 CH CH HC C — C . CHo . CH . COOH — >► HC C — C . CH. . CH., + CO.,. 1 II II ' I I II II " ' " HC C CH NHo HC C CH NH. CH NH CH NH Asparaginsäuro liefert ^Alanin M und Glutaminsäure v-Amino- buttersäure^): COOH CO, COOH CO2 I •+ 1 + CH.NHo — y [iCH.. .NR. CH . NR, — h vCR, .NR, I " ! " ' I ' * r " CR, aCR, CH, fiCR r I I ' I ■ COOH COOH CH, aCH., r r CO(.)H COOH Aspara- ß-Alauiu Glutamin- y-Aminobutter- ginsäure säure säure. Die y-Aminobuttersäure hat noch dadurch ein besonderes Interesse erlangt, weil der Nachweis geglückt ist, daß eine bei der Fäulnis von Pferdefleisch sich bildende Substanz =^) ein y-Trimethyl-butyro-betain ist.*) /CH3 /CH3 CH, . NH., yCHa . N^CHg yCR, . N^CH., , , ^CH3 I \CH3 CR, ßCH., ^OH iCR 0 CH, aCR, xCR, COOH COOH CO y-Amino- y-Triraethyl- Anhydridform, buttersäure butyro-betain Die gleiche Verbindung wurde im Harn nach Phosphorvergiftung be- obachtet. 5) Es sei gleich hier angefügt, daß ein aus Fleisch und Fleisch- extrakt gewonnenes Produkt, das Karnitin*^), wahrscheinlich einem y-Tri- methyl-a-oxy butyro-betain entspricht"): ') D. Achcrmann: Zeitschr. f. Biologie. 56. 87 (1911). ~ Emil Abderhalden uud Andor Fodor: Ebenda. 85. 112 (19i;J). «) IJ. Ackermann : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 273 (191U). — Emil Abder- halden und Karl Katifzsch: Ebenda. 81. 294 (1912). — Emil Abderhalden, Geortf Fromme uud Paul Hirsch: Ebenda. 85. 131 (1918). =•) L. Brie(/er: Ptomaiue. 3. 28 (188G). *) R. Engeland und Fr. Kutscher: Zeitschr. f. plivsiol. Chemie. 69. 282 (1910). 5) K. Takeda: Pßügern Archiv. 1.S3. 365 (1910). *) W\ Guleicitsrh und R. Krittihcrg: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 45. 826 (1905). — R. Krtmben/: Ebenda. 48. 412 (iy(J6): 53. 514 (1907). ') R. Engeland: Bericht, d. Deutsch. Chem. Ges. 42. 2457 (1909); 43. 2708 1910. — Emil Fischer und Ch. Göddertz: Ebenda. 43. 3272 (1910). Adolf Rollett: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 69. 60 (1910). 404 •HiCH-^iiäLXIl. V'oi-lesuug. CH3 CH., \() CH . OH C()- Diese Betaine entsprechen in ihrer Entstehung dem Hordeh'in.^J Wie dieses aus Tyrosin bzw. dem p-üxyphenyläthylarain hervorgeht, bilden sie sich offenbar aus CTlutaminsäure bzw. dem dieser entsprechenden y-Amino- buttersäure. Die Aminosäuren können auch so abgebaut werden, daß unter Al)- spaltung der Aminogruppe Fettsäuren mit der dem Ausgangs- material gleichen Anzahl von Kohlenstoffatomen entstehen. Dieser Vorgang vollzieht sich unter Reduktion.- K . CH . CUCH + 2 H = K . CH., . COUH + NH3. iriv.'V) ; NH., -'mmmh;;-; ::•;•/. - < ■( (! fl ^ fr Wahrscheinlich verläuft dieser Abbau stufenweise, etwa, wie folgt: .1,^ (J.'juii ij;iJ ■ninyr'.i'niiiooaiiak-y '*iO .. ?H?:, ,- ■ v-}. r>hf9l^'o w.. .Mi'w-y -.r,i ff4/ .1-.,..., R.ÜHCOOH + H.,0 — NH3 — > ß^GHaCGOH + 2H — H^0*f^>^ j[y IJ . CH, . COOH. Die auö^en einzelnen Aminosäuren sich bildenden Fettsäuren ergeben sich ohne weiteres aus ihrer Konstitution. Glykokoll liefert Essigsäure, Alanin Propionsäure, Valin J sovaleriansäure, Leuzin Isobutylessig- säure, Isoleuzin 3lethyl-äthyl-propionsäure-), Phenylalanin Phe- nylpropionsäure ■). Tyrosin p-Oxyphcnyl-propionsäure*), Trypto- phan Indolpropionsäure.^i Histidin geht in Imidazolylpropionsäure'M über und aus Arginin bzw. Ornithin kann f^-Aminovaleriansänre^) er- halten werden. Asparaginsäuro liefert Hernsteinsäure.'') Aus Glutamin- säure dagegen entsteht nicht die zu erwartende Glutarsäure, sondern haupt- sächlich Bernstein säure.'') Ihre Bildung erfordert ohne Zweifel mehrere Vorgänge. Man kann sich vorstellen, daij Kohlensäure und Ammoniak abgespalten werden und dann eine Oxydation ei'folgt: 1) Vgl. S. 443. ^) Carl NiHbcrq und F.. Hoseuberq: Bidclieiii. Zcitsclir. 7. ]'J9 (li)U7). ») SeNfrenni/: Mduatsli. f. Chemie'. 10. 908 (188i»)- • *) E. linnmtmn: lier. d. Deutsch. Chein. Ces. 12. 1401! (1879): 13. j;79 (ISSO) 5) /''. (x. Hopkins uud Cole: .louni. of Physiol. 29. 4öl (19üaj. ^) I). Ackermann : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 65. 508 (1910). ') K. und //. Salkorski: Ber. d." Deutsch. Chem. (ies. 16. 1191 (1883): Hl. 77('.r(/: Biochom. Zeitschr. 13. 299 (1908). — /y. liorchurdt: Zeitschr, t. physiol. Ghemie. 59. 97 (1909). — "'. lirasch : Biuchem. Zeitschr. 18 :',sn (1909). Eiweißstnftc und ihre Baiistpine. 455 COO H CH . 1 NH, COOH 1 CIL, 1 -CO, — NH, + -J 0 = = CH, 1 GH., CH., COÖH C( )0H Glutaminsäure Bern stein säure. Sehr wahrscheinlich ist auch der foii^ende Wej^:: COOK COOH C H . NH., + O — NH C( ) COOH I -' I i CH., ^ CH. + 0 — CO., >► CR. I • j r CH, CH., CH, COOH COOH COOH Glutaminsäure Ketoglutarsäure Bernsteinsäure. Diese Möglichkeit des Abbaues der Glutaminsäure stützt sich auf die Beobachtung, daß Hefe aus der Ketoglutarsäure mittels der Karboxylase Kohlensäure abspaltet.^) Von besonderem Interesse ist die Beobachtung, daß Prolin unter Auf- spaltung seines Ringes in ö-Aminovaleriansäure und darüber hinaus in n-Valeriansäure übergeht^): CH,-CH« I 1 CH. . CH, . CR, . CH-, . COOH oder CH, CH.COOH — ^ i \y NH, NH Prolin ^-Aminovaleriansäure CH, . CH, . CH2 . CHo . C0( )H n-Valeriansäure. Der Abbau der Aminosäuren durch Bakterien erfolgt in den meisten Fällen nicht einheitlich. Es mag das daran liegen, daß stets Gemische der mannigfaltigsten. Mikroorganismen zur Wirkung kommen. Die meisten Untersuchungen sind so ausgeführt worden, daß man zu einer Lösung einer bestimmten Aminosäure unter Zugabe von Salzen und von Zucker als Nahrungsstoft'e ein Stück gefaultes Pankreasgewebe zusetzte. Die in diesem enthaltenen Bakterien entwickeln sich l)ald lebhaft weiter und bauen die Aminosäuren in nianni"facher Weise ab. Durch Kombination *) C. Neuberg uud M. Ringer: Biochein. Zeitschr. 71. 226, 237 (1915). *) C. Neuberg: Biochom. /oitschr. 37. 490 (1911). — D. Ackermann: Zentialbl. f. Biol. 57. 104 (1911) CHo . NH2 CH3 1 -^ CH. +2H NH3 1 CH, CH2 COOH COOH y-Aminobuttersäure Buttersäure 4f)g XXII. A^orlesung. von Kohlensäureabspaltung und Desaminierung können z. B. die Dikarbon- säaren einbasische Fettsäuren liefern^): COOH I CH . NH, I CHg — CO^ I CH, I COOH Glutaminsäure Zu den genannten Arten des Abbaus von Aminosäuren durch Bakte- rien gesellt sich noch eine dritte, nämlich der oxydative Abbau. Er kombiniert sich meistens mit der Desaminierung oder auch der Kohlen- säureabspaltung. Eine ganze Reihe von tiefen Abbaustufen entstehen auf diese Weise aus Aminosäuren. Der Gang des stufenweisen Abbaus ist noch nicht in allen Teilen sichergestellt. Als Abkömmling des Phenylalanins ist die Phenylessigsäure sichergestellt worden. 2) Bei ihrer Bildung sollen nach der bisherigen Annahme die folgenden Phasen durchlaufen werden : NH, C, H5 . CH., . (;H . COOH —y C« H5 . CH2 . CH., . COOH — >► Phenylalanin=:Phenyl-a- Phenylproi)ioiisäure aminopropion säure C, H, . CH-, . COOH Phenylessigsäure. In der gleiclicii Weise entsteht aus Tyrosin p-Oxypheuylessig- säure. Hier geht der Abbau noch weiter und führt über Kresol zu Phenol»): C, H, (OH) . CH., . CH . COOH ~y (\ H, (OH) . CH., . CH, . COOH — ^ NH^ Tyrosin = p-Oxyphenyl- p-Oxypheiiyl-propionsäurc '/-aminopropion säure Cß H, (OH) . CH, . COO H — >► C„ H, (OH) . CH, — > Cg H^ . OH p-Oxyphenyl-essigsäure p-Kresol Phenol. Tryptophan liefert in ganz entsprechender Weise Tndolpropion- säure, Indolessigsäure, Skatol und Indol: ') Carl Neuberf/: Biochem. Zeitschr. 1. 378 (ll)ÜG). ^) E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 7. 282 (1883). ") E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1. 60 (1877); 4. 304 (1880). E. Baumann und lirieger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 3. 149 (1879). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 457 C . CH. . CH . C'OOH — >► C . CH, . CH,, . COOH — y / \ ' I / \ " Ce H, CH NH, Ce H, CH ^IsH^ ^NH^ Try^jtophaD = lndol-a- Indolpropioii säure aminopropionsänre C . CHo . COOH — ^ C . CH, —y CH x\ /\ ■ /\ Cg H4 CH Cß H4 CH Cg H4 CH ^NH/' ^NH-^ ^NH^ Indolessigsäure Skatol Indol. Yjü unterliegt keinem Zweifel, daß diese Abbaustuien nicht direkt aus einander hervorgehen. Es sind vielmehr noch mehrere Zwischenstufen vorhanden. So ist z. B. als Übergangsstufe von p-Kresol zu Phenol die p-Oxybenzoesäure, Cg H4 (OH) . COOH, angenommen worden. Wahr- scheinlich kommen zum Teil auch Zwischenstufen ganz anderer Art vor. Sicher folgen sich die verschiedenartigsten Vorgänge in buntem Wechsel. Vor allem sind es Reduktions- und Oxydationsvorgänge, die den Abbau der einzelnen Verbindungen herbeiführen. Wir kennen noch nicht von allen Aminosäuren die Abbaustufen. So wissen wir z. ß. vom Zystin nur, daß es u. a. schließlich Schwefelwasserstoff liefern kann. Es erfolgt auch hier der Abbau über mehrere Stufen. Der Abbau der Aminosäuren durch Bakterien ist vielfach als ein Fäulnisvorgang bezeichnet worden. Die ihn bewirkenden Lebewesen werden Fäulnisbakterien und die entstehenden Verbindungen Fäulnis- produkte genannt. 1) Diese Bezeichnungen sind nicht mehr haltbar und werden besser ganz vermieden. Zahlreiche sogenannte Fäulnisprodukte ent- stehen ohne jede ,,Fäulnis", d. h. es brauchen nicht immer Produkte gebildet zu werden, die sich durch den Geruch als „faulig"' erweisen.-) Dazu konmit. daß viele von ihnen auch ohne Bakterien entstehen und z. B. Stoffwechsel- zwischenprodukte im Organismus höherer Pflanzen und Tiere sind. Es ist deshalb besser, ganz allgemein vom Abbau bestimmter Aminosäuren durch Bakterien zu sprechen. In Zukunft wird ohne Zweifel das Hauptgewicht auf das Studium des Abbaus einzelner Aminosäuren durch ganz bestimmte Bakterienarten gelegt werden. Die Art des Abbaus ist für manche Lebe- wesen ganz charakteristisch. 3 j Ein sehr schönes Beispiel dafür, daß verschiedene Zellarten bestimmte Aminosäuren in besonderer Weise abbauen, liefern die wichtigen Beob- achtungen von Felix Ehrlich*) über die Spaltung solcher Verbindungen ») E. und H. Salkowski: Ber. d. Deutschen Ghem. Ges. 13. 191, 2217 (1880); Zeitschr. f. physiol. Chem. 9. 8 (1884). — M. Nencki: Ber. d. Deutscheu Chem. Ges. 8. 356 (187.T). ^) D. Ackermann und F. Kutscher haben den Namen Aporrhegme n eingeführt. Es scheint mir eine solche Bezeichnung nicht zweckmäßig, weil sie Produkte zusammen- faßt, die eine ganz verschiedene Herkunft haben können. ^) Vgl. weitere Literatur bei Marceli Nencki: Opera omnia. 1. 1)2, 113, 144.244, 24ß ff., 174, 537 usw. — L. Brieger: Die Ptomaiue. Berlin 1886. *) F. Ehrlich: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 39. 4072 (lüOül; 40. 1U27. 2538 (1907); 44. 139 (1911); Zeitschr. d. Vereins f. Deutsche Zuckerindustrie. 55. 539 (1905); Biochem. Zeitschr. 1. 8 (1906): 2. .52(1908); 18.391 (1909); Breslauer Chem. Gesellsch. 11. Februar 1910. 458 XXII. Vorlesung. durch Hefezellen. Man hatte allgemein angenommen, daß die Fuselöle, die bei der durch Hefe herbeigeführten Gärung auftreten, auf Kohlehydrate zurückzuführen seien. Ehrlich stellte fest, daß nicht diese sondern be- stimmte Aminosäuren in Alkohol übergeführt werden. Man hat von einer ..alkoholischen Gärung" der Aminosäuren gesprochen. Die aus den einzelnen Aminosäuren entstehenden Alkohole ergeben sich aus dieser allgemeinen Formel von selbst: d-Valin liefert Isobutyl- alkohol, 1-Leuzin Isoamylalkohol, Isoleuzin d-Amylalkohol, 1-Phenyl- alanin Phenyläthylalkohol = Phenosol, Tyrosin p-Oxyphenyläthyl- alkohol. auch Tyrosol genannt, Histidin Imidazolyläthylalkohol = Hystol und Tryptophan Indoläthylalkohol = Tryptophol. Es sei die Bildung des zugehörigen Alkohols ohne Rücksicht auf die Zwischenstufen am Beispiel des Lcuzins und Tyrosins zur Darstellung gebracht: ^y'>CH . CH., .CH . C( )()11 + H, ( > = ch'/^'^ • ^^-^ • ^'^^ • OH + CO., + NH3 NH., Leuzin Isoamylalkohol. Cfi Hi (OH) . CH, . CH . C( )( )H + H., < ) = C, HJOH). CR, . CH, . ( )H + CD, + NH3 'I NH2 Tyrosin = p-()xyphenyl- p-()xyphenyl-äthylalkohol x-aminopropion säure = Tyrosol. Es entsteht somit immer der um ein Kohlenstoffatom ärmere Alkohol. Läßt man die Hefe auf razemische Aminosäuren einvvirken. dann wandelt sie hauptsächlich und vielleicht ausschließlich jene optisch-aktive Kompo- nente um, die in der Natur vorkommt. Von d, 1-Leuzin wird z. B. nur 1-Leuzin in Isoamylalkohol übergeführt, die d-Komponente bleibt unverändert zurück. Wie wir schon früher erwähnt haben, werden nicht nur die Amino- säuren in die um einen Kohlenstoff ärmeren Alkohole übergeführt, sondern es werden die gleichen Alkohole auch aus den Aminen gebildet.') Diese Umwandlung läßt sich, wie folgt, darstellen: R . CR, . NH, + H., ( » = R . GH., . ()H + Nil,. p-( •xyphenyläthylamin liefert Tyrosol und Isoamyiamin Iso- alkohol. Vom Alkohf zur entsprechenden Säure-): R . CH., .011 —y R . C- R . CHo . eil . C("()H i 1 XH.. Oll Am inopropion Säurerest Milchsäurerest. Es könnten nun diese Oxysänren unter Kohlensäureabspaltung in Alkohol übergehen. Es würde sich in diesem Falle die Umwandlung der Aminosäuren in den um einen Kohlenstoff ärmeren Alkohol, wie folgt, vollziehen : R CH . COOH + 11-, U — y R. Clh Olli. COOH— CO., — >► R. CIL. oll I NH., Aminosäure Oxysäure Alkohol. EhrHch stellt sich als weitere Zwischenstufe bei der Umwandlung der Oxysäure in den Alkohol die Bildung eines Aldehyds unter Ab- spaltung von Ameisensäure vor. Diese müßte dann in Kohlensäure und Wasserstoff zerfallen, wobei der letztere den Aldehyd zum Alkohol redu- zieren könnte: R . CH (OH) . COOH ^ ^^ --^ Oxvsäure — > R. C C, ü, CH, . oll I NH., I'henylamino- Phenylglyoxyl- Benzyl- essigsäure säure alkohol ^) Felix Ehrlich und K. A. Jacobsen: Ber. d. Doutsclion Clieni. (ies. 44. 8S8 (l'.tll). -) Otto Neubauer und Fromherz: Zeitsclir. f. physiol. Chemie. 70. 326 (1911). 460 X\n. Vorlesung. Nun ist allerdings die Phenylaminoessigsäure eine Verbindung, die in der Natur noch nicht aufgefunden worden ist. Daß jedoch hier ohne Zweifel nicht ein durch die Struktur der Verbindung bedingter eigenartiger Abbau vorliegt, zeigt die Beobachtung, daß Hefe p-Oxyphenyl-milch- säure nicht oder doch nur in geringen Mengen weiter verarbeitet, während die entsprechende Ketonsäure, die p-Oxyphenyl-brenztrauben- säure, leicht in p-Oxyphenyläthylalkohol übergeführt wird. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich der folgende Weg des Abbaus einer Amino- säure zum Alkohol: OH R.CH.COOH + 0 — >► R.O.COOH — NH3 — y NH. NH., Aminosäure Hydrat der Iniinosäure R . CO . COOH — CU —y R.C<^ + 2H —V R.CH2.OH Ketonsäure Aldehvd Alkohol. 0. Neubauer hat bei dieser Art der Bildung von Alkohol aus einer Aminosäure an zwei Stellen Zwischenstufen als wahrscheinlich angenommen, die sich zurzeit dem Nachweis entziehen. Der ersten Umwandlung der Aminosäure in die Ketonsäure soll die Bildung des Hydrates der Imino- säure vorausgehen. Ferner nimmt Neuhauer mit Ehrlich die Bildung eines Aldehyds bei der Überführung der Ketonsäure in den Alkohol an, der dann zur Alkoholgruppe reduziert wird. Der Abbau der Aminosäuren zeigt im einzelnen Versuch nicht in seiner Gesamtheit diesen Verlauf. Es entstehen immer neben den Haupt- produkten noch andere, die entweder als Nebenreaktionen aufzufassen sind, oder aber sie verdanken ihre Bildung dem Umstände, daß sicher neben den verwendeten Zellarten noch andere Lebewesen, z. B. Bakterien usw. am Abbau teilnehmen. Infektionen aller Art lassen sich bei derartigen Versuchen kaum vermeiden. Die Betrachtung des Abbaus von Aminosäuren durch diese niederen Organismen ergibt uns ein sehr mannigfaltiges Bild. Es ist sehr wahr- scheinlich, daß jede der geschilderten Arten des Abbaues von Amino- säuren vorkommt. Sicher gibt es auch noch andere Wege, die eingeschlagen werden. Die bis jetzt bekannten und in Frage gezogenen seien in ihren Ilauptzügen hier übersichtlich zusammengestellt: 1. Umwandlung der Aminosäuren in Amine: a) durch Abspaltung von Kohlensäure: R . CHo . CH . COOH — >- R . CH, . CH2 + CO, NH, NH, hj durch Reduktion und Abspaltung von Ameisensäure: R . CH2 . CH . COOH -h 2H — >► R . (JH, . CH« + H . COOH. I " I " NH, NHo Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 461 2. Bildung des Amins und nachfolgende Desaminierung durch Hydrolyse: R . CH, . (^H . COOH — CO, —y NH., R . c;H, . CH, + H2 U — NH3 — >► NH., R . CH, . CH, . OH. o. Hydrolytische Desaminierung unter Bildung von Oxy- säuren und nachträgliche Abspaltung der Kohlensäure: R . CH., . CH . COOH + H., ( ) — NH, — >► NH., R . CH., . CH . COOH — CO, — >- OH R . CH., . (^H., . OH. 4. Oxydative Desaniinierung unter Bildung von Keton- säuren und nachträgliche Abspaltung der Kohlensäure: R . CH, . CH . (^OOH + ( ) — y NH., R . CH., . CO . COOH + 2H — CO., — >► R . CH, . CH, . OH. 5. Bildung von Fettsäuren durch Reduktion unter Abspal- tung der NH2-Gruppe (reduktive Desaminierung): R . CH, CH . COOH -f 2 H —y R . CH, . CH, . COOH + NH3. NH, 6. Kombination verschiedener Vorgänge mit Oxvdationen, z. B.: R . CH., . CH . COOH + 2 H - NH, — >- NH, R . CH, . CH, . COOH + 3 0~-C0,— H, 0 — >► R. C^H, . COOH. Wir werden bei der Besprechung des Abbaues der Aminosäuren im tierischen Organismus auf die gleichen Fragestellungen stoßen. Wir werden denselben Wegen der Zerlegung dieser Verbindungen begegnen und erkennen, daß im Pflanzen- und Tierreich zahlreiche Zellvorgänge den gleichen Verlauf zeigen. Das Studium des Abbaues der Aminosäuren hat als allgemein wichtiges Ergebnis klargelegt, daß auch hier kein plötz- licher Zerfall bis zu den Stott'vvechselendprodukten eintritt. Der Abbau er- folgt vielmehr stufenweise. Jedes einzelne Zwischeni)rodukt kann den Aus- gangspunkt zu mannigfaltigen Synthesen abgeben. Vielleicht führen alle 462 XXII. Vorlesung. Wege, die von den Aminosäuren zu einfacheren Verbindungen weisen, auch zu diesen zurück. Vielleicht ist jeder einzelne Vorgang umkehrbar! Es spricht sehr vieles dafür, daß auch die höher organisierten Pflanzen- organismen Aminosäuren in der geschilderten Weise abbauen können. Es ist in dieser Richtung von großem Interesse, daß die Rosaceen Phenyl- äthylalkohol unter ihren Riechstoffen enthalten. \) Auf das Vorkommen von verschiedenen Aminen im Mutterkorn usw. haben wir schon hingewiesen. 2) Hervorgehoben sei noch die Möglichkeit der Bildung von Amino- äthylalkohol = Oxyäthylaminaus Serin durch Kohlensäureabspaltung \): + CO., CH., . OH -^ CH„ 1 OH CH . NH, j CH, .NH., COOH S e r i n 0x1 räth> Das Oxyäthylamin führt, wie wir schon gesehen haben*), zum Chol in und Betain hinüber und gibt uns vielleicht die Beziehungen wieder, die zwischen Aminosäuren und den am Aufbau der Phosphatide beteiligten Basen bestehen. Daß Aminoäthylamin selbst Baustein von Ange- hörigen der Phosphatide sein kann, haben G. Trier ^) und Eppler^) fest- gestellt. Es sei in diesem Zusammenhang auch der Bildung von Amino- aldehyden aus Aminosäuren gedacht.^) 80 liefert Gly kokoll Amino- azetaldehyd. Dieser kann gleichfalls zu Oxyäthylamin führen: CH„ . NH, + 2 H COOK Glykokol GH., . NH, ji^O + FL 0 Aminoazet- aldehyd rCH, . NH„^ ,^0 H + 11,0 2 Moleküle Ami noazet aide hjyd CH, . NHo (ioOH Glyk'okoi: + CH, . NH, I CH, . OH Oxyäthyl- amin. Gewiß können in gleicher Weise andere Aminoaldehyde zu wichtigen Ausgangsmaterialien für die Zelle werden, sei es, daß die Cannizzarosche Reaktion eingreift, sei es, daß die entstandenen Aldehyde in anderer Weise Kondensationen mit anderen \ erbindungen eingehen. *) r. Soden und Rojahn: ßcr. d. Deutschen Clieni. (lesellsch. 33. 1723. 3ÜG3 (1900). — Walbaum: Ebenda. 33. 1904, 2299 (1900). ^) Vgl. S. 438. '■') Vgl. JS'ord: Biochemische Zeitschr. 95 (1919). *) Vgl. S. 244. •■^) G. Trier: Zeitschr. f. phvsiol. Ciiemic 73. :{8:5 (1911): 7«. 49H (1912). «) Julius Eppler: Ehenda. 87. 233 (1913). ') Vgl. S. 2Ö5. KiwcißstottV iiiul ihre Bausteine. 468 Es besteht für uns kein Zweifel, daß man von den verschiedeneu Abbaustufen der Aminosäuren aus Brücken auffinden wird, die zu allen möglichen, für die Pflanzen charakteristischen \erbindungen, wie zu der großen Klasse der Terpene. den Bestandteilen der ätherischen Öle, und der Gruppe der mannigfaltigen Farbstoffe führen. Durch Kombination der unter den Abbaustufen auftretenden Amine, Aldehyde und Alkohole mit allen möglichen von der Pflanze erzeugten Verbindungen la'fesen sich jetzt schon Zusammenhänge aller Art vermuten, doch kommt solchen Überlegungen so lange keine entscheidende Bedeutung zu, als nicht durch den Versuch entschieden werden kann, ob sie sich in die Wirklichkeit umsetzen lassen. Leider ist die höher organisierte Pflanze bis jetzt noch sehr wenig Ver- suchsobjekt bei Untersuchungen über den Zellstoft'wechsel gewesen. Es klaffen überall noch weite Lücken ! Ungezählte Probleme harren der Lösung. Die engen Beziehungen, die zwischen dem Tierreich und der Pflanzenwelt bestehen, lassen erhoffen, daß von beiden Seiten aus durch weitere For- schungen Anregungen hinüber und herüber sich ergeben werden. Schon die jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen deutlich, daß ein volles Verständnis des Zellstoft'wechsels nur möglich ist, w^enn Pflanzen- und Tierzelle zusammen betrachtet werden. Die Pflanze liefert dem Tier Energie und organische Verbindungen mit bestimmter Struktur. Wir müssen erfahren, wie sie entstehen, und was die Pflanze selbst mit ihnen macht, sollen wir in jedem einzelnen Falle den aus ihnen hervorgehenden Produkten über alle Zwischenstufen folgen können. Vor allen Dingen sind nur von einer sehr breiten Basis aus vergleichende Studien über den Zellstoff- wechsel bei Pflanze und Tier möglich. Ähnlichen oder gleichen Vorgängen entsprechen sehr wahrscheinlich auch verwandte Züge im Zellaufbau und in den Zellfunktionen. Es gibt keine reizvollere Aufgabe, als zu erforschen, in welchen Punkten Pflanze und Tier sich gleichen, und in welchen sie sich unterscheiden. Vorlesung XXIII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. Verhalten der Eiweißstoffe im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Magendarmkanal. Der tierische Organismus nimmt mit seiner Nahrung beständig Ei- weiß auf, besteht sie doch aus mehr oder weniger veränderten Zellen, die alle Proteine enthalten. Daneben sind in sehr geringen Mengen auch Ab- baustnfen, wie Peptone und Aminosäuren, vorhanden. »Sie sind teils auf Stoffwechselvorgänge in den betrettenden Geweben zurückzuführen, zum Teil entstehen sie postmortal durch sogenannte au toly tische Vorgänge. Wir werden bald erfahren, daß a;lle Zellarten über Fermente verfügen, die Eiweiß bis zu seinen Bausteinen abbauen können. Während in der lebenden Zelle die einzelnen Fermente nur nach Bedarf ihre Wirkung entfalten, beginnen sie in der toten Zelle mit der Änderung der physikali- schen Bedingungen des Zellinhaltes regellos ihre Tätigkeit zu entfalten. Dabei kommt es unter anderem auch zur Bildung von Eiweißabbaustufen. Die Zellfermente der Nahrung können auch im Verdauungskanal noch weiter wirken, solange sich Bedingungen finden, die ihrer Wirksamkeit nicht Halt gebieten. Für uns kommen sie nur insoweit in Betracht, als wir Nahrungsmittel nicht in gekochter oder sonst künstlich veränderter Form aufnehmen. Die Fermente vertragen keine höheren Temperaturen. Kochen vernichtet ihre Wirksamkeit. Auch sonst sind sie gegenüber ver- schiedenen Einwirkungen, wie Veränderung der Reaktion sehr empfindlich. Nur beim Pflanzenfresser kommt den proteolytischen Zellfermenten eine die Verdauung in größerem Umfange unterstützende Bedeutung zu '), weil die Pflanzenzellen nicht so rasch von den Verdauungssäften durchdrungen werden, wie es beim Fleisch der Fall ist, und ferner die Herbivoren vielfach Vorrichtungen besitzen, in denen die zerkaute Speise längere Zeit bei Körper- temperatur aufbewahit werden kann, und zwar unter Bedingungen, die der Wirkung jener Fermente günstig sind. Es sei z. B. an die Einrichtungen des Wiederkäuermagens erinnert. 2) Der Pflanzenfresser nimmt mit seiner •) Ellenberyer : Skand. Aich. f. Thysiol. 18. 306(1906). — l'. liergmann: Ebenda 18. 119 ('1906). — W. Grimmer: Biochein. Zeitschr. 4. 80 (1907). — Hans Aron und faul Klempin: Ebenda. 9. KJS (1908). -) Vgl. S. 100. Kiweißstoffe iiud ihre Bausteine. 46,") Nahrnng, besonders, wenn er Produkte verzehrt, die mit Reservestoffen beladen sind, wie Knollen, Zwiebeln, Samen, neben Eiweiß und geringen Mengen von Eiweißabbaustufen mehr oder weniger große Mengen von Säureamiden — Asparagin und Glutamin — aufJ) Beim Fleisch- fresser spielen derartige Verbindungen keine Rolle bei der Ernährung. Der tierische Organismus nimmt somit die zur Klasse der Eiweiß- stoffe gehörenden Verbindungen fast ausschließlich in Form von EiweiLi auf. Es gilt dies besonders für die Karnivoren und auch die Omnivoren, sofern diese ihre Nahrung hauptsächlich aus der Tierwelt beziehen. Zunächst kommen die Eiweißstoffe der Nahrung in der Mundhöhle mit dem Sekret der Speicheldrüsen in Berührung. Der Speichel enthält keine auf Eiweiß eingestellten Fermente. Die Verdauung der Pro- teine beginnt erst im Magen. Hier finden sich proteolytische Fermente. Ihre Wirkung wird durch gründliches Zerkauen der Speise in der Mund- höhle sehr begünstigt. Je kleiner die Partikelchen der Nahrung in den Magen kommen, um so mehr Angriffspunkte finden die Fermente. Beson- ders die Pflanzennahrung bedarf einer ausgiebigen Zerkleinerung, damit der Inhalt der einzelnen Zellen freigelegt wird. Sehr günstig wird die Verdauung der Proteine beim Pflanzenfresser auch durch die vorausgehende Mazeration der Pflanzenteile in den wiederholt erwähnten besonderen Ab- schnitten des Anfangsdarms beeinflußt. Die Erweichung der starren Hüllen der Pflanzenzellen unter dem Einfluß feuchter Wärme befördert die Auf- lösung der Gewebe in feinste Teilchen. Während man z. B. im Wieder- käuermagen im Inhalt des Pansens noch leicht die aufgenommenen Gewebe — Hahne, Blätter usw. — erkennen kann, flndet man schon im Blättermagen ein fast homogenes Gemisch feinster Teilchen, das makroskopisch nur schwer noch Besonderheiten unterscheiden läßt. Im Magen unterliegen die Eiweißstofte der Einwirkung des sauren Magensaftes. In ihm findet sich ein Ferment, Pepsin genannt, das Proteine in Peptone zerlegt. Das Pepsin wird von Zellen (Haupt- zellen bestimmter Drüsen der Magenschleimhaut in Form einer unwirk- samen Vorstufe, dem Pepsinzy mögen, auch Propepsin genannt, abge- sondert.2) Die Überführung in das aktive Ferment besorgt die Salzsäure. Sie ist der Aktivator des zymogenen Zustandes des Pepsins. Pepsin entfaltet nur in saurer Reaktion seine Wirkung. Alkalische Reak- tion vernichtet sie. Die saure Reaktion braucht nicht durch Salzsäure bedingt zu sein, andere Säuren, wie Oxalsäure, Milchsäure, Äpfelsäure usw.^), können die Salzsäure vertreten. Trotz vielfacher Bemühungen ist es noch nicht geglückt, die Wirkung des Pepsins auf Eiweiß und vor allem die Bedeutung der Säure vollständig klarzulegen. Nach den einen Autoren wirkt das Pepsin nur dann, wenn freie Säure zugegen ist*), nach anderen ^) Vgl. hierzu vor allem die Arbeiten von E. Schulze: z. B. Zeitschr. f. physiol. Chem. 47. 507 (1906); Laudwirtsch. Jahrb. 35. 261 (1906). ^) J. N. Lanfflei/: Journ. of. Physiol. 3. 269 (1881). — ./. .V. Langley und Edkins: Ebenda. 7. 371 (1896). — Vgl. auch Chapoteaut: Compt. rend. de l'Acad. des Sciences. 94. 1722 (1882). — Födivissotzki: Pßügers Archiv. 39. 62 (1882). ^) Daridsohn und Dieterich: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 690 (1860). *) Huppert und Schätz: Pßügern Archiv. 80. 470 (1900). — A. Müller: Deut- sches Arch. f. kliu. Med. 94. 27 (1908). — //. Davidson: Zeitschr. f. Kinderheilk. 2. 420 (1911); 5. 94 (1912). — L. Tobler: Ebenda. 5. 85 (1912). - B. Salge: Ebenda. 5. 111 (1912). — G. Edivald: Deutsches Arch. f. klin. Med. 106. 498 (1912). — Vgl. auch Ed. Zunz: Hofmeisters Beitr. 2. 435 (1902). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Ana. aQ 466 XXIII. Vorlesung. genügt es, wenn soviel Salzsäure vorhanden ist, um das Eiweiß zu binden. Es bilden sich sogenannte Azidalbumine. Andere Forscher dagegen l>etonen, daß die Bedeutung der Säure darin liege, daß sie daß Eiweiß zum Quellen bringt und dadurch für die Wirkung des Pepsins vorbereitend wirkt. i) l'>s ist sehr leicht möglich, daß verschiedene Momente zusammenwirken. Schon die ersten genaueren Beobachtungen über die Wir- kung des Magensaftes auf Eiweiß ergaben, daß er imstande ist, koaguliertes Eiweiß zu verflüssigen bzw. in Produkte über- zuführen, die in Wasser löslich sind. Beaumur hat wohl zuerst systematische Untersuchungen über die Bedeutung des Magensekretes angestellt. Er füllte Metallröhren mit Nahrung und ließ diese von einem zahmen Bussard verschlucken. Das eine Ende des Rohres war verschlossen, (las andere mit Mull bedeckt. Der Bussard bricht unverdauliche Produkte, wie Federn, Haare, Knochen usw., nach einiger Zeit aus. Auch die Metallröhren wurden nach einigem Verweilen im Magen nach außen befördert. Es zeigte sich, daß ihr Inhalt je nach der Dauer des Verweilens im Magen mehr oder weniger verflüssigt war. An Stelle von Nahrung brachte Reaumur bei späteren Versuchen Schwamm in das Metallrohr. Dieser sollte die verdauende Flüssigkeit aufsaugen. Reaumur'^) hofl'te durch -Vuspressen des Schwammes eine Flüssigkeit gewinnen zu können, mit der sich im Reagenzglas die Magensaftwirkung nachahmen ließ. Die Versuche verliefen jedoch ergebnislos. Stevens^) der ähnliche Versuche wie -ßc%Mwwr an einem Menschen anstellte, war erfolgreicher. Er konnte ferner Magensaft vom Hunde gewinnen und zeigen, daß dieser auch außerhalb des Organismus Fleisch auflöst. SpaUanzani*) erweiterte diese Beobachtungen und bewies (mdgültig, daß es gelingt, den Verdauungsvorgang im Magen im Reagenz- glas mittels des Sekretes der Magendrüsen nachzuahmen. Die Entdeckung des Pepsins verdanken wir Schwann^) und diejenige der freien Salz- säure im Magensaft Bidder und Schmidt^), nachdem schon vorher Tiede- niann und Gmelin') die Salzsäure als solche erkannt hatten. Es stehen zum Studium der Einwirkung des Sekretes der Magen- drüsen auf Eiweiß verschiedene Methoden zur Verfügung. Wir können einmal bestimmte Eiweißarten oder Gemische von solchen bestimmten Tieren verfüttern und feststellen, was aus ihnen geworden ist. Der Mageninhalt läßt sich entweder durch Aushebern gewinnen, oder es werden die Ver- suchstiere eine bestimmte Zeit nach erfolgter Fütterung getötet. Der Magen wird dann rasch abgebunden und sein Inhalt entleert.«) Endlich können wir Magenfisteln anlegen und aus der Fistelöflfnung den Inhalt des Magens von Zeit zu Zeit ablassen. *) \gl. hierzu auch Wo. Ostwald und A.Kuhn: Kolloid. Zeitschr. 30. 234 (1922). ^) Reaumur: M6m. de l'Acad. des Sciences. 26ß, 461 (1752). ^) Stevens: De alimentorum concoctione. Edinburgh 1777. *) SpaUanzani: Expöriences sur la digestion de l'homme et de diff^rentes ospeces d'animaiix. Geneve 1783; Versuche über das Verdauungsgeschäft. Deutsch von Michaelis. Leipzig 1785. *) Schwann: Müllers Archiv. 90 (1836). — ,Vgl. auch Eberle : Physiologie der Verdauung auf natürlichem und künstlichem Wege. Würzburg 1834. — W. Beaumont: Neue Versuche und Beobachtuugeu über den Magensaft und die Physiologie der Ver- dauung. Deutsch von H. Luden. Leipzig 1834. ^)Bidder u. Schmidt: Die Verdauungssäfte u. der Stoffwechsel. Mitau u. Leipzig 1852. ') Tiedemann und Gmelin: Verdauung nach Versuchen. Heidelberg 1826. *) Vgl. hierzu u. A. Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. (jhem. 44. 17 (IBO-^l. Eisveißstoff'e und ihre Baiisteinp. 4ß7 Die Untersuchung des Mageninhaltes ergab, daß die Proteine zunächst größere Mengen von Salzsäure binden. Sie quellen auf und zeigen bald ganz neue Eigenschaften. Sie werden in Wasser löslich. Es beruht diese Eigenschaft auf einer Spaltung der Proteine in einfachere Bruch- stücke. Es bilden sich Peptone. Zunächst erscheinen viele Peptone, die sich aussalzen lassen, später nimmt die Menge jener Produkte zu, die beim Zufügen von Neutralsalzen in Lösung bleiben, i) Es hat sich ergeben, daß offenbar der Eiweißabbau durch Pepsin nicht bei allen Tieren gleichartig verläuft. Auch scheinen verschiedene Pepsinarten vorzukommen, doch sind unsere Kenntnisse über die Art des Eiweißabbaues durch Pepsin zurzeit noch so ungenügende, daß wir nicht in der Lage sind, anzugeben, worauf diese Unterschiede beruhen. Die Zerlegung der Proteine durch Pepsin in dialysierbare, in Wasser lösliche Abbauprodukte ist frühzeitig erkannt worden. Fraglich blieb nur, wieweit der Abbau geht. Entstehen Aminosäuren? Diese Frage wurde zunächst verschieden beantwortet. Einige Forscher wiesen solche im Chymus des Magens nach, andere vermißten sie vollständig.-) Die ver- schiedenen Resultate erklären sich durch folgende Momente. Einmal muß bei der Frage nach der Entstehung von Aminosäuren unter der Einwirkung des Magensaftes entweder ausgeschlossen werden, daß die zugeführte Nahrung schon solche enthält oder, falls sich Aminosäuren finden, so müssen diese ihrer Menge nach bestimmt und von den dann im Magen aufgefundenen abgezogen werden. Ferner muß darauf geachtet werden, daß nicht Amino- säuren aus dem Duodenum in den Magen gelangen. Wir haben bereits bei der Besprechung der Verdauung der Fette festgestellt'), daß bei fettreicher Nahrung häufig der Fall eintritt, daß Inhalt des Duodenums in den Magen zurückfließt. In diesem Falle können natürlich auch in jenem Darmabschnitt gebildete Abbaustufen aus Eiweiß im Magerinhalt erscheinen. Außerdem können, wenn die Reaktion des Duodenalinhaltes nicht sogleich sauer wird, die proteolytischen Fermente des Darm- und Pankreas- saftes im Magen weiter wirken und Eiweiß und Peptone spalten. Schließlich muß die zum Nachweis der Aminosäuren angewandte Methode so beschatfen sein, daß nicht solche sekundär aus Peptonen gebildet werden können. Die unter Ausschluß dieser Fehlerquellen durchgeführten Versuche' haben ergeben, daß bei der Verdauung im Magen keine Amino- säuren aus den Proteinen und Peptonen abgespalten werden. Die Zerlegung der Eiweißmolekttle führt zur Bildung einfacherer Bruch- stücke, die immer noch mehrere Aminosäuren gebunden enthalten. Der ') Vgl. hierzu die systematischen Untersuch uiijreu von Edgar Zun:: z. B. Bull. de TAcad. royale de m^d. de Belsrique. 30. April 1910; 27. April 1912: Internat. Beitr. z. Path. u. Ther. d. Ernährungsstonuigen. 2. H. 3. u. 4 (1910). In diesen Arheiteu liudeu sich Literaturnachweise. 2) E. Zunz: Hofmeisters Beitr. 3. 339 (1902). — Emil Abderhalden: Zeitschr. f. plivsiol. Chem. 44. 17. (1905). — Vtrl. ferner E. Zunz: Annales de la Soc. royale des Sciences med. et naturelles de Bru.xelles. 12. Fase. 3 (1903), 13. Fase. 8 (1904); Bull, de TAcad. royale de mM. de Belgi(iue. 19. Fase. 3 (1906), 28^ Juni (1913). — Leo Lang- stein: Jahrh. f. Kinderheilkunde. N. F. 54. 139 (1906). — Emil Abderhalden. L. Baumann, Karl Kautzsch, Kornel i\ Körest/ und E. S. London: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 48. 549 (1906): 51. 384 (1907); 53. 148 "(1907). =*) Vgl. hierzu S. 258. 30=^ 468 XXIII. Vorlesung. Abbau kaim ohne Zweifel sehr weit gehen. Es lassen sich neben Peptonen, die die Biuretreaktion geben, auch solche abtrennen, die mit Lauge und Kupfersulfat die genannte Reaktion nicht zeigen. Man hat derartige Pro- dukte auch abiurete genannt. Auch sie enthalten mehrere Bausteine gebunden. Es scheint, daß am Aufbau derartiger Produkte hauptsächlich die Aminosäuren Glykokoll, Phenylalanin und Prolin teilnehmen. Wir vermögen uns aus Mangel an Kenntnissen über die Konstitution des Eiweißmoleküls keine klare Vorstellung über die Art der Wirkung des Pepsins zu machen. Wir stellen uns vor, daß eine Spaltung unter Wasser- aufnahme einsetzt. An welcher Stelle des Moleküls der Abbau beginnt, ist unbekannt. Jedenfalls greift das Pepsin an ganz anderer Stelle an, als das Trypsin, das proteolytische Ferment des Pankreassaftes. Nimmt man an, daß das Eiweiß aus einer langen Reihe von säurearaidartig verknüpften Aminosäuren besteht, dann muß man sich vorstellen, daß in dieser Kette Stellen vorhanden sind, an denen das Pepsin eine Trennung vermitteln kann. Vielleicht spielt dabei die Art der einzelnen Aminosäuren eine Rolle, oder aber es wirkt das Pepsin auf Bindungen eigener Art. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß im Eiweißmolekül auch esterartige Verknüpfungen zwischen Oxysäuren und sonstigen Aminosäuren möglich sind.^) Es wäre denkbar, daß das Pepsin auf irgend eine besondere Bindungsart eingestellt ist. Man kann sich jedoch auch vorstellen, daß im Eiweißmolekül eine ganze Reihe von Polypeptidketten unter sich in besonderer Weise verankert sind, und das Pepsin an diesen Stellen mit seiner Wirkung einsetzt. Interessant ist die schon früher erwähnte Beobachtung, daß keines der bis jetzt dar- gestellten Polypeptide von Pepsin abgebaut wird. Das Studium der Magensaftwirkung läßt sich noch auf einem anderen Wege erfolgreich durchführen. Es läßt sich nämlich der Magensaft in ganz reinem Zustande, d. h. ohne Beimengungen erhalten. Die gewöhnliche Magenfistel ist zur (rewinnung von reinem Magensaft nicht geeignet, weil beständig Speichel in den Magen fließt und sich mit dem Sekret der Drüsen der Magenwand vermischt. Reinen Magensaft erhält man nach den Methoden von Heidenhain -) und von Paiclow.-') Entweder kombiniert man eine einfache Magenfistel mit der Durchtrennung der Speiseröhre. Diese wird am Halse vollständig durchschnitten. Dann wird sowohl das mit der Mundhöhle zusammenhängende Ende als das in den Magen führende in die Hautwunde eingenäht. Frist das Tier, dann fällt die Speise aus der proximal gelegenen Öfthung der Speiseröhre heraus. Es kann nichts davon in den Magen gelangen. Man nennt eine solche Fütterung Scheinfütterung. Eine weitere Methode ist die folgende. Es wird vom Magen ein Teil durch Anlegung einer Naht abgetrennt. Den entstandenen Blindsack setzt man durch eine Öffnung mit einer solchen in den Bauchdecken in Ver- bindung und setzt eine Kanüle ein. Der Rest des Magens bleibt mit dem Ösophagus und dem Duodenum im Zusammenhang. Das Tier besitzt dann ') Vgl. S. 378. '') Heidenhain: Physiologie der Absonderungsvorgänge. 4. Abschnitt. Haudb. d. Physiol. (herausgegeben von Hermann). .3. 179 (1881). ^) ./. /'. Fawlow: Die Arl)eit der Verdauungsdrüsen. ül)ersetzt von A. WaUJicr. .). F. Bergmann. Wiesbaden 1898. — Vgl. auch die Zusammenstellung l)ei W. N. liohlij- reß : Zeitschr. f. d. Ausbau d. Entwicklungslehre. 1. 12U (1907). — E. S. London: Fott- schritte der Naturwissensch. 4. 1 (1912). Eiweißstofte uud ihre BauKteine. 469 einen kleinen, für sich abgeschlossenen, mit einer Fistel nach außen mün- denden Magenteil und einen größeren Magenteil, der seine Funktionen ganz normal erfüllen kann, denn er steht mit dem Zuleitungrsrohr für die Nah- rung — dem Ösophagus - und dem Abflußrohr — dem Duodenum — in direkter Verbindung. Der kleine Magen sezerniert gleichzeitig mit dem großen. Fügt man reinen Magensaft zu koaguliertem Eiweiß, z. B. zu einem hart gekochten Ei, dann beobachtet man, wenn das Gemisch bei 37" auf- bewahrt wird, daß bald Teile des festen Eiweißes verschwinden. Wählt man ein Stück Eiweiß mit scharfen Kanten, dann kann man genau ver- folgen, wie diese abgerundet werden. Schließlich geht das ganze Eiweiß in Lösung. Versucht man nunmehr Eiweiß durch Koagulation abzuscheiden, so gelingt dies nicht. Dialysiert man ein solches Verdauungsgemisch im Fergamentschlauch gegen destilliertes Wasser, dann erhält man beim Be- ginn des Versuches in der Außenfiüssigkeit keine die ßiuretreaktion ge- benden Verbindungen. Bald tauchen jedoch solche auf. Es ist dies das Zeichen dafür, daß aus dem kolloiden Eiweiß Produkte abgespalten worden sind, die die Dialysiermembran zu durchdringen vermögen. Es sind dies die Peptone. Derartige Versuche haben noch das folgende interessante Resultat ergeben. Wird in Magensaft eine Fibrinflocke eingetaucht, dann nimmt sie Pepsin in sich auf. ^) Es tritt eine Adsorption und damit vielleicht auch eine chemische Bindung des Fermentes ein. Besonders schön läßt sich das Eindringen von Pepsin in Eiweiß mittelst Elastins nachweisen. -) Wird ein Stückchen davon in Magensaft oder eine sonstige Pepsin enthaltende Flüssigkeit gebracht, dann erweist sich sein Inneres bald mit aktivem Pepsin beladen. Wird nämlich das Elastin aus der fer- menthaltigen Flüssigkeit entfernt und dann, um das außen anhaftende Pepsin und die Salzsäure zu entfernen, gründlich abgebürstet und abge- waschen, so geht im Innern des festen Proteins die Verdauung weiter. Man kann dies dadurch beweisen, daß man gleichzeitig mehrere Stücke von Elastin in Magensaft versenkt und dann nach einiger Zeit daraus entfernt. Den einen Teil davon kocht man sofort gründlich aus und stellt mit dem Kochwasser die Biuretreaktion an. Den Rest läßt man nach er- folgter Reinigung verschieden lange Zeiten liegen und entzieht dem Innern dann durch Auskochen das gebildete Pepton. Dieses weist man mittelst der Biuretreaktion nach. Es läßt sich auf diese Weise leicht feststellen, daß je länger ein mit Pepsin „aufgeladenes" Elastinstückchen aufbewahrt wird, um so mehr Pepton entsteht. Selbst dann, wenn man derartiges, mit Pepsin ,,geladenes" Elastin unter Bedingungen hält, die jede Pepsin- wirkung sofort vernichten würden, wirkt das aufgenommene, im Innern des Elastins geschützte Ferment weiter. Pepsin ist z. B. gegen Alkali sehr empfindlich. Geringe Spuren davon verhindern seine Wirkung. Mit Pepsin geladenes Elastin zeigt auch in alkalischer Lösung so lange Abbau und Peptonbildung, als das .-Alkali das Eiweiß nicht ganz durchtränkt hat. ') P. r. Grützner: Deutsthf med. Wochenschr. 1 (1891). ^) Emil Abderhalden und Engen Steinbeck, Fr. W. Strauch, Franz Wachsrnuth, Otto Meyer, Karl Kiesetcetter und Fr. Friedel: Zcitschr. f ph\sinl. Chemie. 48. 293 (1910); 7J. 31;'). 449 (1911); 74. 67. 411 (1911). 470 XXIII. Vorlesung. Diese Beobachtungen ermöglichen es, Pepsin nachzuweisen. 80 ist es auf diesem Wege z. B. geglückt, im Darminhalt aktives Pep- sin in freiem Zustande aufzufinden. 1) Ferner wird sicher Pepsin in aktiver Form in schwer hydrolysierbaren Proteinen, wie in elastischen Fasern, in Bindegewebe usw. in den Darm übergeführt. Es kann dann dort von innen heraus die betreffenden Eiweißstoffe noch lösen, nachdem das Medium, in dem sie sich befinden, schon längst Bedingungen auf- weist, die dem nicht durch die EiweißhüUc geschützten Pepsin die Wirkung nehmen würden. Erst dann, wenn der alkalisch reagierende Darm- und Pankreassaft bis in das Innere der erwähnten Proteine eingedrungen ist, hört die Pepsinwirkung auf. Es sei gleich hier erwähnt, daß das Pepsin manche Proteine rascher und leichter zerlegt, als das Trypsin. Zu diesen Proteinen gehören vor allem das Elastin, das Bindegewebe und ferner manche genuine Proteine, wie z. B. die Plasma- bzw. Serum- eiweißkörper. -) Der bedeutsame Einfluß des Quellens der Eiweißstofife auf die Wirksamkeit des Pepsins beruht ohne Zweifel zum großen Teil darauf, daß dieses rascher in die gequollenen und dadurch auch gelockerten Proteingemische eindringen kann. Es werden durch die Quellung Bedingungen geschaffen, die der Aufnahme des Pepsins günstig sind. Erwähnt sei noch, daß auch das Zy mögen des Pepsins sich von Elastin aufnehmen und dann in diesem sich aktivieren . läßt. Durch Verwendung von reinem Magensaft läßt sich auch die Frage nach der Abspaltung von Aminosäuren aus Eiweiß in Angriff nehmen. Eine Fehlerquelle, die beim Tierversuch vorhanden ist, nämlich der nach- trägliche Zufluß von Darminhalt, fällt weg. Selbstverständlich muß jedoch auch hier der Gehalt des Ausgangsmateriales an freien Aminosäuren in Betracht gezogen werden. Exakt durcligeführte Versuche haben ergeben, daß keine Aminosäuren auftreten, wenn man Eiweiß der Verdauung durch reinen Hu'ndemagcnsaft unterwirft. '^j Es fragt sich, ob das erhaltene Resultat den Schluß zuläßt, daß Magensaft überhaupt keine Aminosäuren aus Eiweiß abspaltet. Man kann gegen die Versuche im Reagenzglas einen wohlbegründeten Einwand erheben. Sie unterscheiden sich in manchen Punkten von den natürlichen Verhältnissen. Einmal fügen wir zu einer bestinnnten Menge Eiweiß eine bestimmte Menge Magensaft hinzu und ver- folgen dann die Spaltung bei 37". Wir wissen nicht, in welchem Verhältnis im Magen Eiweiß, Pepsin und Salzsäure zusammenwirken. Bei der Spaltung treten neue Aminogruppen auf die Salzsäure binden können. Im Magen dürfte ein so entstehender Mangel an freier Salzsäure rasch durch Sekre- tion neuer Säure gedeckt werden. Es kann auch von neuem Pepsin sezerniert werden. Kurz, das Gleichgewicht zwischen Subsirat und Ferment kann von Augenblick zu Augenblick in dieser oder jener Richtung ver- schoben werden. Beim Reagenzglasversuch bestimmen wir willkürlich die Bedingungen. Wir vermögen nicht, sie einzustellen, weil uns noch die Kenntnisse über die feineren Vorgänge bei der Magenverdauung vollständig fehlen. Geben wir nachträglich noch einmal Salzsäure oder Pepsin oder ') Emil Abderhalden und Mitarbeiter: 1. c. S. 46'J. Zitat-). *) Vgl. hierzu Carl Oppenheimer und //. Aron : Jlofmeisfer^ Boitr. 4. "27i) (1903). ') Vgl. hlDiil Ahdc.rhalden, 1'!. S. London und Mitarbeiter: 1. c. 8. 467. Zitat'*). Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 471 beides zu, dann schaffen wir wieder ganz neue Verhältnisse, die die Spal- tung beschleunigen, aber auch verlangsamen bis aufheben können. Dazu kommt ein zweiter sehr wichtiger Punkt. Bei der Verdauung im Magen werden die gebildeten Peptone entfernt. Sie verlassen den Magen durch den Pylorus und gelangen in das Duodenum. Manche Forscher i) sind auch der Ansicht, daß die Magenschleimhaut Peptone aufnehmen kann. Andere Beobachter bestreiten jede Resorption von Eiweißabbauprodukten im Magen. 2) Es war bis jetzt unmöglich, eine klare Entscheidung dieser Frage herbeizuführen. Jedenfalls werden in den Magen eingeführte Amino- säuren und Polypeptide unter normalen Verhältnissen kaum von der Magen- schleimhaut aufgenommen. 3) Es spricht alles dafür, daß im Magen eine Resorption von Peptonen keine Rolle spielt. Fällt somit diese Art der Entfernung von Eiweißabbaustufen wahrscheinlich ganz außer Betracht, so ist die andere, die Abgabe an das Duodenum, um so wirk- samer, weil sie eine dauernde ist. Sie wird nur durch die Perioden des Verschlusses des Pylorus unterbrochen. Im Reagenzglasversuch bleiben die Abbauprodukte liegen. Sie beeinflussen die Reaktion des Mediums, in dem die Pepsinwirkung sich vollziehen soll. Nun wissen wir aus Erfahrung, daß die Abbauprodukte den Ablauf der Fermentwirkung stark beeinflussen können. Einmal muß es im Reagenzglas schließlich zu einem Gleichgewicht zwischen Substrat, Abbaustufen und Ferment kommen. Im Magen ist ein derartiger Zustand nicht oder nur ganz vorübergehend möglich, weil be- ständig ein Abfluß der Abbaustufen und ferner ein Zufluß von Ferment durch Sekretion stattflndet. Aus den erwähnten Gründen können wir den Versuch im Reagenz- glas nicht als vollwertig anerkennen. Er hat nur einen vollen Wert in Verbindung mit Versuchen am Organismus selbst. Die Erfahrungen beider Versuche müssen sich decken, oder es muß sich bei Unterschieden ihre Ursache klar ergeben. Es wäre ganz gut denkbar, daß der Reagenzglas- versuch deshalb nicht zu Aminosäuren führt, weil der Abbau aus den erwähnten Gründen zu früh zum Stillstand kommt. Da jedoch die direkte Untersuchung des Mageninhaltes und die Resultate der Reagenzglasver- suche zu den gleichen Resultaten geführt haben, ist der Schluß berechtigt, daß das Pepsin die Proteine zwar zerlegt, jedoch den Abbau nicht bis zu Aminosäuren durchführt. Beim Zusatz von Auszügen aus der Magenschleimhaut, von Magen- saft und auch von Organauszügen zu einer konzentrierten Peptonlösung beobachtet man unter geeigneten Bedingungen das Auftreten einer Fällung. Seit Danüewski/*) diese Erscheinung zum ersten Male beobachtet hat, sind *) Vgl. hierzu: Ludwig Tobler: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 45. 185 (1905). — G. Lang: Biochem. Zeitschr. 2. 225 (1906). — Arthur Schcnnert und Walther Grimmer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 47. 88 (1906). — W. Grimmer: Biochem. Zeitschr. 3. 389 (1907). _ Edgard Zunz: Contribntion ä l'etude de la digestiou et de la r^sorption des proteines dans Testomac. Ann. de la Soc. royale des sciences med. et natur. de Bruxelles 1908. — O. Folin und llenrij Lyman: The .Journ. of hiol. Chom. 12. 259 (1912). *) Vgl. hierzu E. S. London und W. W. Polowzowa: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 49. 328 (1906). — E. S. London und ./. S. Tschekumhc : Ebenda. 87. 314 (1913). ») Emil Abderhalden, E. S. London, 0. Pr>im, Carl Vögtlin und Kornel v. Körösy : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. 148, 326, 334 (1907). *) (Danileu'sky und) Okunew: In.-Diss. St. Petersburg 1895. 472 XXlll. Vorlesung. bis heute zahlreiche Untersuchungen unternommen worden, um diese eigen- artige Reaktion aufzuklären.') Es ist jedoch nicht geglückt, für irgend eine der aufgestellten Hypothesen einen eindeutigen Beweis zu erbringen. Der ganze Vorgang wird vielfach für eine Synthese gehalten. Es sollen einfachere Peptone zu hoher molekularen zusammentreten, ja nach manchen Autoren soll direkt Eiweiß entstehen. Die sich bildenden Produkte sind Plasteine oder Koagulosen genannt worden. Es ist versucht worden, die Frage nach der Natur der Plasteine durch Bestimmung der freien Aminogruppen im Ausgangsmateriale und in den durch Fermente gebildeten Produkten zu entscheiden, ^j Eine Abnahme der freien Aminogruppen bei der Plasteinbildung könnte im Sinne einer Synthese gedeutet werden, doch bleibt die Möglichkeit oöen, daß anhydridartige Bindungen in ein- zelnen Peptonen entstehen. Auch hierbei würde die Zahl der freien NHg- Gruppen geringer werden. Man wird vor allen Dingen die Frage ent- scheiden müssen, ob ein wirklicher Fermentvorgang vorliegt, und nicht etw a durch den Zusatz der Auszüge und Fermentlösungen Bedingungen ge- schaflFen werden, die zur Fällung nunmehr unlöslicher Produkte führen. Ferner wird man genau feststellen müssen, ob es sich nicht bei der Bil- dung der Plasteine um rein physikalische Vorgänge handelt und z. B. die Größe der in Lösung vorhandenen Teilchen verändert wird und dadurch eine Art von Ausflockung oder Zusammenballung sich herausbildet. Alle diese Fragen sind deshalb so schwer zu beantworten, weil ausschließlich mit unbekannten Größen gearbeitet wird. Man läßt auf ein ganz unbe- kanntes Gemisch von Abbaustufen aus Eiweiß eine Fermentlösung unbe- kannter Zusammensetzung einwirken und erhält eine chemisch nicht genauer detinierbare Substanz. Sehr lange bekannt ist eine weitere Wirkung des Magensaftes, nämlich seine Fähigkeit, Milch zur Gerinnung zu bringen. Schon im Altertum machte man von dieser Wirkung bei der Käsebereitung Ge- brauch. Man verwandte allerdings nicht Magensaft, sondern die Schleim- haut des eigentlichen Magens des Kalbes. Zunächst glaubte man die Milch- gerinnung auf Säurewirkung zurückführen zu können. Es ist das große Verdienst von Hammarsten^) und Alex. Schmidt*), gezeigt zu haben, daß eine Fermentwirkung vorliegt. Das wirksame Prinzip ist Labferment oder Chymosin genannt worden. Es wird von den Drüsen der Magen- schleimhaut in einer Vorstufe abgegeben. Die Ül)erführung in den aktiven Zustand erfolgt durch Salzsäure. ') M. Lawrotv: Iii -Dies. St. Petersburg 1897. — Sawjalotv: Pflüqer» Archiv. 85. 171 (1901). — Kurajeff, Hofmeisters Beiträge. 1. 121 (1901); 2. 411 (1902). — Maria Latorow und N. Salaskin : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 36. 277 (1902). — R. 0. Herzog: Zeitschr. f physiol. Chemie. 39. 305 (1903). — A. Bat/er: Hofmrisfers Beiträge. 4. 554 (1903). — J.Lukomnik: Ebenda. 9. 205 (1907). — D. Lairroir: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 56. 343 (1908). — P. A. Leinne und D. D. ran Sli/ke: Biochem. Zeitschr. 13. 458 (1908): 16. 203 (1909). - P. Glof/olnr : Biochem. Zeitschr. 50. 1(52 (1913). '-) V. Henrufues und ./. K. ('jaldhäk: Zeitschr. f. physiol. (Chemie. 71. 485 (1911); 81. 439 (1912). ^) Vgl. O. Hammarshn: Sitzuugsl)er. der Königl. Gesellsch. d. Wissenschaften /u Upsala. 1877. — Vgl. die frühereu Arbeiten in Malijs Jahresbericht. 118 (1872); 135 (1874); 158 (1877). — Vgl. ferner die Literatur über die Geschichte des Labfermentes bei Peters: In.-Diss. Dorpat 1894. *) A. Schmidt: Beiträge zur Milchgeriuuung. Dorpat 1871. Kiweißstoffe und ihre Bausteine. 47 o Die Milehgerinnung beruht auf (Mner Uunvundlung des in der Milch vorhandenen Eiweißkörpers Kaseinogen.i) Es bildet sieh Kasein, das als Kalksalz ausfällt. Die Wirkung des Labfer- mentes ist wahrscheinlich die folgende. Es verändert das in der Milch vorhandene Kaseinogen primär und führt es in ein Produkt mit neuen Eigenschaften, Kasein genannt, über. Dieses verbindet sich mit vorhandenen löslichen Kalksalzen und fällt aus. Diese Phasen in der Umwandlung des Kaseinogens lassen sich durch den folgenden Versuch verfolgen. Entfernt man aus der Milch die löslichen Kalksalze, z. B. mit Oxalsäure, so erhält man beim Zusatz von Labfermentlösung keine Fällung. Daß jedoch eine Umwandlung des genuinen Kaseinogens eingetreten ist, beweist der Umstand, daß sofort eine Fällung eintritt, sobald man dem Gemisch z. B. Kalziumchlorid zusetzt. Kaseinogen selbst gibt mit löslichen Kalksalzen keine Ausflockung.-) Es ist trotz aller Bemühungen nicht geglückt, den Vorgang der so- genannten Labgerinnung — besser spricht man von einer Fällung oder Ausflockung als von Gerinnung — aufzuklären. Welche Veränderung erleidet das Kaseinogen? Nach der einen Auffassung handelt es sich um eine Synthese. Es sollen mehrere Kaseinogenmoleküle zu einem noch komplizierter gebauten Produkte zusammentreten. Nach der Ansicht anderer Forscher liegt ein Abbau vor. Endlich besteht die Möglichkeit, daß das Kaseinogen im Molekül selbst eine Veränderung erleidet und sich dadurch seine Eigenschaften ändern. Wohl die meisten Forscher stehen auf dem Standpunkte, daß das Labferment das Kaseinogen spaltet.'') Die entstehen- den Abbaustufen sind durch ihre Fällbarkeit durch Kalksalze ausgezeichnet. Es lassen sich über die Art der Spaltung — wahrscheinlich eine Hydrolyse — und die entstehenden Spaltprodukte keine genaueren Angaben machen. Die Zahl der Möglichkeiten ist unübersehbar. Es ist denkbar, daß das Kaseino- genmolekül — falls dieses überhaupt einheitlich ist! — in gleichartige Bruchstücke zerfällt, die das Kasein darstellen. Es ist jedoch auch mög- lich, daß aus dem Kaseinogen ein Produkt abgespalten wird, das keinen Anteil an der Kaseinbildung nimmt, während der verbleibende Rest das Kasein liefert.*) Da wir nicht wissen, ob das Kaseinogen einheitlich ist, ist eine Entscheidung der vorliegenden Fragen zurzeit unmöglich.') Was geschieht mit dem Kalksalz des Kaseins? Setzen wir zu Milch Magensaft, dann erhalten wir nach kurzer Zeit die erwähnte Fällung. Halten wir das Gemisch bei 37", so beobachten wir, daß die aus- gefallene Masse allmählich wieder in Lösung geht. Die genauere Analyse des Vorganges zeigt, daß das Kasein dnrch das Pepsin in Peptone ge- *) Die Bezeichnung Kaseinogen wird nach dem Vorschlag verschiedener Forscher an Stelle von Kasein verwendet. Der Name Kasein tritt an die Stelle von Parakasein. *) Nach Samuel Barnett ScJiri/ver |Biochein. .Journ. 8. 152 (1914)] ist Kasein nicht ein Kalksalz, sondern eine Verbindung von Kaseinogen mit einem Ferment. ') D. D. van Shjke und A. W. liosworth sind der Ansicht, daß ein Kaseinogen- molekül zwei Moleküle Kasein liefert. The Journ. of Biol. Cheni. 14. 203 (1913). *) Sigvul Schmidt-Nielsen: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 48. 92 (1906); Hof- meistern, Beiträge. 9. 322 (1907). — Martin Javobi/: Binchem. Zcitsclir. 1. 53 (1906). 5) A. Kreidl und A. Neumunn: [Zentralbl. i'. Physiol. 22. 133 (1908); Pflüger^ Archiv. 23. 523 (1908)] sind der Ansicht, daß hauptsächlich physikalische Momente beim Ausfallen des Kaseins eine Rolle spielen. — Vgl. die gegenteilige Ansicht bei D. D. van Slyke und A. W. Bosworth: The Journ. of Biol. Chem. 14. 203 (1913). 474 XXIII. Vorlesung. spalten wird. Gleichzeitig wird Phosphorsäure frei ^) — Kaseinogen und Kasein gehören zu den Phosphorproteiden. Es wird somit das Kasein ebenso von Pepsin weiter zerlegt, wie die übrigen Proteine. Es fehlt nicht an Forschern, die das Vorkommen eines Labfermentes bezweifeln. Es soll die Ausfällung des Kaseins als Kalksalz nur darauf beruhen, da(i Pepsin aus dem Kaseinogen Produkte bildet, die mit löslichen Kalksalzen schwer lösliche Komplexe und vielleicht chemische Verbindungen bilden. Zunächst wurde die Ansicht vertreten, daß die Pepsin- und die Labwirkung verschiedenen Gruppen ein und des- selben Fermentes zukämen. 2) Selbstverständlich vermag eine solche, in absehbarer Zeit nicht beweisbare und auch nicht gut widerlegbare Ansicht den Kern der Frage nach dem Wesen der Labwirkung nicht zu treffen. Die Annahme, daß das Labferment mit Pepsin vollständig identisch sei '), bedeutet hingegen eine Arbeitshypothese. Man wird genau abmessen müssen, welche Momente für eine Identität sprechen, und welche die An- nahme stützen, daß man zwei verschiedene Fermentarten anzunehmen hat. Zugunsten einer Identität beider Fermente wird angeführt, daß beide den gleichen Aktivator, nämlich Salzsäure, bzw. H-lonen hai)en, ferner werden die Wirkungen beider Fermente durch manche Einflüsse in gleicher Art gefördert bzw. gehemmt. Dazu kommen noch folgende Beob- achtungen. Auch der Prankreassaft zeigt Labwirkung. Ferner finden wir im Pflanzenreich Fermente, die ganz entsprechende Wirkungen entfalten. Diese Beobachtungen lassen es begreiflich erscheinen, daß daran gedacht worden ist, die Wirkung jedes proteolytischen Fermentes führe bei der Zerlegung von Kaseinogen zu Abbaustufen, die mit Kalksalzen unlösliche Produkte ergeben. Auf der anderen Seite hat vor allem Hammarsten^) zahlreiche Beob- achtungen bekanntgegeben, aus denen hervorgeht, daß man die Pepsin- wirkung eines wirksamen Auszuges vernichten und die Labwirkung allein erhalten kann. Auch der umgekehrte Versuch gelingt. Wichtig ist vor allem die Beobachtung, daß Pepsin nur bei Anwesenheit von H-Ionen wirksam ist und seine Wirkung einbüßt, wenn OH-Ionen zugegen sind. Die Labwirkung ist dagegen auch im letzteren Falle nachweisbar. In ein ganz neues Licht rückt das Problem des Vorkommens oder NichtVorkommens eines besonderen Labfermentes durch die wichtige Beob- achtung, daß es außer auf Kaseinogen auch noch auf andere Proteine w^rkt.^*) So baut es Legumin, Muskelsyntonin und wahrschein- lich noch andere Eiweißarten ab. Nimmt man zu dieser Beobachtung noch M B. n. Ad-e.rK Plimmer und \V. M. Bayliss: Journ. of Physiol. 33. 439 (190(i). -) ./. P. l'au'loir und S. W. Farastschuk : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. 415 (1904). ■") W. Sairjalow: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 307 (190.'i). — ./. W. Gewin: Ebeada. 54. 32 (1907/08). — Vgl. auch ('. A. Pekelharing: J'ßügerH Archiv. 167. 254 (1917). *) Olaf Hammarsten: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 56. 18 (1908); 68. 119 (1910); 74. 142 (1911); 94.104,291 (191.'i); 102.33 (1918); 121. 240, 261 (1922). — Vgl. auch /rar Bang: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 358 (1904). — Sigval Schmidt- Nielsen: Festschrift i\\r Olaf Hammarsten. üpsala 1906. Emil Abderhalden und F. W. Stravch: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 71. 315 (1911). — A. Rakoczy : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 68. 421 (1910); 84. 329 (1913). - Vgl. auch V. Dncreschi: Archiv, di Fisiol. 5. 413 (1908). Dieser Autor berichtet, daß im Magen dos Beuteltieres kein Lab, wohl aber Pepsin sich findet. — Agnes Ellen Porter: Journ, of Physiol. 42. 389 (1911). — W'^. van Dam: Zeitschr. f physiol. Chemie. 86. 77 (1913). ■') 0. Hammarsten: Zeitschr. f. physiol. ('hemie. 102. 33, 115 (1918). Eiwoißstoffe und ihre Bausteiue. 475 hinzu, daß das Labferment bei einem H-lonen-Gehalt wirkt, bei dem das Pepsin unwirksam ist, dann erkennt man seine hohe Bedeutung beim Eiweißabbau ohne weiteres. Wir haben es ohne Zweifel mit vier Gruppen von proteolytischen Fermenten zu tun. Im Magen setzt zunächst bei schwach saurer Reaktion die Wirkung des Labfermentes ein. Allerdings scheint ihm keine allgemeine Eiweiß abbauende Wirkung zuzukommen. Vielmehr liegt eine spezifische Einstellung auf bestimmte Proteine vor. Darunter befindet sich auch das Kaseinogen. Aus ihm entstehen Abbau- stufen, die unlösliche Kalksalze bilden. Diese werden weiter verdaut und in lösliche Peptone übergeführt. Sobald die Reaktion des Chymus im Magen stärker sauer wird, setzt die Wirkung des Pepsins ein. Nach der Überführung des Speisebreis aus dem Magen in den Darm fließen ihm alkalisch reagierende Sekrete zu. Die saure Reaktion wird abgeschwächt. Bald ist jener Grad an H-lonen erreicht, bei dem das Pepsin unwirksam wird. Das Labferment hingegen kann noch weiter Eiweiß und Peptone spalten. Schließlich werden auch ihm die Bedingungen zur Wirkung ent- zogen. Es setzt nun das Trypsin, ein Ferment des Pankreassaftes, ein und hierauf das Erepsin des Darmsaftes. Auf beide Fermentarten kommen wir gleich noch zurück. Das letztere ist kein ganz allgemein auf Proteine eingestelltes Ferment. Es baut in der Hauptsache Peptone und Polypeptide ab. Wir erkennen an dieser Darstellung, daß dem Labferment bei der Eiweißverdauung eine Bedeutung zukommt, die weit über das hinaus geht, was bisher von seiner Wirkung bekannt war. Es ist mit dieser Fest- stellung zugleich eindeutig entschieden, daß es eine besondere Ferment- gruppe Labferment = Chymosin gibt. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß Ivar Bang^) beim Menschen und beim Schwein ein Labferment gewonnen hat, das sich in seiner Wirkung w^esentlich von dem aus Kälbermagen dargestellten unterscheidet. Er nannte es Parachymosin. Es ist empfindlicher gegen Alkalien als das Chymosin, dagegen beständiger gegen Hitze als das letztere. Die biologische Bedeutung der Fällung der Milch im Magen ist ohne Zweifel die folgende. Milch ist die einzige Nahrung des Säug- lings. Sie kommt als Flüssigkeit in den Magen. Die Beobachtung des Ver- haltens von Wasser und von anderen Flüssigkeiten in diesem hat ergeben, daß solche auffallend rasch an das Duodenum abgegeben werden. Würde die Milch flüssig bleiben, dann würde sie ohne Zweifel den Magen eben- falls rasch verlassen. Dadurch, daß das Kaseinogen in den festen Zustand übergeführt wird, ist eine umfassendere Verdauung durch das Pepsin möglich. Dazu kommt noch, daß die Kaseinflocken die geeignete Beschaf- fenheit haben, um sich mit Pepsin zu beladen.-) Ferner reißen sie andere Milchbestandteile, wie Fett, mit. Zu erwähnen ist noch, daß im Magen Proteide in ihre Komponenten zerlegt werden. Aus den Nukleoproteiden gehen Nukleine*) hervor. *) Ivar Bang: Pflüger^ Archiv. 79. 425 (1900). ^) Emil Abderhalden tiiid /''. Friedl: Zeitschr. f. physiol. Themie. 71.449 (1911). — Emil Abderhalden und Friedrich Kramm: Ebenda. 77. 462 (1912). ') Die Kerne selbst werden nach Adolf Schmidt (vfjl. Ad. Schmidt und J. Stras- burger: Die Fäzes des Menschen im normalen und kranken Zustande. 5. AuÜ. 1910) vom Magensaft nicht angegriffen. Erst der Pankreassaft löst sie auf. V^gl. auch F. W. Strauch: Deutsches Archiv f. klin Med. 101 128 (1910). 7'. hashiuado: Ebenda. 104. 584 (1911). 476 XXIII. Vorlesuug. Gleichzeitig beobachtet man, daß in der Verdauungstiüssigkeit Peptone auftreten. Es ist dies so gedeutet worden, daß die Nukleoproteide zunächst in Eiweiß und Nuklein zerfallen. Das letztere wird nicht weiter umgewandelt, während das Eiweiß in Peptone übergeführt wird. Bei manchen Kernsubstanzen läßt sich gleichzeitig Abspaltung von Phos- phorsäure nachweisen.!) Auch das Hämoglobin wird angegriffen. Das Hämatin wird frei und zum Teil verändert, und das Globin in Peptone zerlegt. Schließlich wollen wir uns noch der Frage zuwenden, ob die Magen- verdauung für die Verwertung der Proteine im tierischen (.)rganismus unentbehrlich ist. Die direkten Beobachtungen zeigen, daß das nicht der Fall ist. Tiere und Menschen können ohne Magen auskommen.-) Die Ausnützung der Proteine ist eine gute. Auch der Reagenz- glasversuch zeigt, daß die Proteine von den in den Darmkanal sich er- gießenden Sekreten leicht zerlegt werden. Nur Vertreter der Proteinoide = Glyzinamine, wie Elastin, Bindegewebsproteine usw., werden entschieden vom Magensaft leichter angegriffen als vom Pankreas- und Darmsaft. Die Bedeutung des Pepsins für die Verdauung der Proteine liegt nach allen Beobachtungen darin, daß aus großen Molekülen durch Abbau ungezählte kleinere entstehen. Es wird dadurch der Verdauung im Darmkanal wesentlich vorgearbeitet. Die ganze Angriffsfläche ist für die proteolytischen Fermente der Sekrete der Darmdrüsen außerordentlich stark vergrößert. Daß diese Anschauung richtig ist, beweist der Versuch im Reagenzglas. Läßt man auf Eiweiß direkt Pankreassaft einwirken, dann vollzieht sich der Abbau langsamer, als wenn man den gleichen Eiweißkörper zuerst der Wirkung von Pepsin ausgesetzt hat.») Der Unterschied in der Geschwindigkeit des Abbaus ist ohne Zweifel in Wirklichkeit viel größer, als der Reagenzglasversuch anzeigt. Der Abbau vollzieht sich im Darmkanal in viel kürzerer Zeit, weil die ent- stehenden Abbaustufen stets sofort durch Resorption entfernt werden. Beim Reagenzglasversuch bleibt das ganze Gemisch der Abbaustufen liegen Bald zeigt sich ihre hemmende Wirkung, und so kann ein vielleicht großer Vorsprung beim Abbau des mit Pepsin vorverdauten Eiweißes im Parallel- versuch — direkte Verdauung des gleichen Eiweißes mit Pankreassaft — eingeholt werden. Kurzfristige Versuche, die diese Frage klar entscheiden könnten, sind schwer durchzuführen, weil dann die Abbauprodukte noch nicht quantitativ bestimmbar sind. Die Verfolgung der Zunahme der freien Aminogruppen, die uns ganz gut über den Ablauf der Spaltung unterrichtet, ist hier nicht ohne weiteres anwendbar, weil natürlich das mit Pepsin hydro- *) Vgl. Kmil AhderhaUlen und 7'. S. Kashiwado: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 81. 28f) (1912). *) Czerny: Beiträge zur operativen Chirurgie. Stuttgart. 141 (1878). — M. Oqata : Arch. f. (Anat. u.) l'hvsiol. 89 (1883). — G. CarmUo und V. Pachon : Arch. de Physiol. 5«* Serie. 6. 106 (1894). — Langcnhuch : Deutsche med. Wochenschr. Nr. 52 (1894). — ('. Schlatter: Korrespondenzhl. f. Schweizer Ärzte. 27. TOä (1897). — A. Carrel, ^'. M. Meijer und I\ A. Lecenc : Jouru. of. l'hvsiol. 26. 3(59 (1910). — E. S. London und ir. F. Dagaew: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 74. 330 (1911). ') Emil Fischer und Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 40. 215 (1903). - Emil Abderhalden und Alfred Gigon: Khenda. 53. 119 (1907). — Emil Abder- halden und Ch. J. Valette J'ettibone: Khenda. 81. 458 (1912). — Vgl. auch Carl Oppen- heimer und H. Aren: Hofmeisters Beitr. 4. 279 (1903). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 477 lysierte Produkt viel mehr NHo-Gruppen aufweist als das Eiweiß, von dem wir beim direkten Trypsin versuch ausgehen. Wir haben bereits festgestellt, daü der Magen immer von Zeit zu Zeit geringe Mengen von Chymus entläßt. Dieser enthält neben den Be- standteilen des Magensaftes und solchen, die noch vom Speichel herstammen, die mehr oder weniger veränderten Nahrungsstoffe. Die Eiweißkörper sind mit wenig Ausnahmen in Peptone übergeführt und die Fette und Polysaccharide auch zum Teil gespalten. Im Duodenum setzt nun die Wirkung des Sekretes der zahlreichen Drüschen seiner Schleim- haut und vor allem desjenigen der Pankreasdrüse ein. Der Pankreassaft enthält ein Fermentgemisch, das auf Eiweiß und seine Abbaustufen eingestellt ist. Es hat den Namen Trypsin erhalten. Es ist sicher nicht einheitlich ^), doch ist es zurzeit nicht möglich, eine genaue Abgrenzung der Wirkungen des Pankreassaftes auf die einzelnen Proteine und ihre Abbaustufen zu geben. Das Trypsin wird von der Pankreasdrüse in inaktivem Zustande abgegeben. Die Überführung in die wirksame P^orm erfolgt durch einen im Darmsaft enthaltenen Stotf, Enterokinase genannt. Die Natur dieser Kinase ist noch nicht aufgeklärt. 2) Der Pankreassaft enthält Fermente, die EiweißstoiTe abbauen können, somit Fermente, die zur Gruppe der Proteasen gehören. Neben diesen kommen auch solche vor, die Peptone und Polypeptide spalten. Sehr wahrscheinlich erfolgt die Hydrolyse der Eiweißabbaustufen durch beson- dere Fermente. 3) Von diesem Gesichtspunkte aus darf man sich unter Trypsin nicht die ganze Summe der im Pankreassaft enthaltenen, auf Eiweiß und seine Abbaustufen eingestellten Fermente vorstellen. Es muß vielmehr der Sammelname Trypsin für die eigentlichen Proteasen vor- l)ehalten bleiben.*) Die Wirkung des Trypsins ist eingehend studiert worden. Sie unter- scheidet sich scharf von derjenigen des Pepsins. Das Trypsin zerlegt die Proteine in Peptone unter frühzeitiger Abspaltung von Aminosäuren.5) Es ist sehr schwer, den Beweis zu führen, daß diese Wirkung der Protease des Pankreassaftes zukommt. Man könnte ein- wenden, daß das Trypsin Peptone bildet und diese durch Peptasen, d. h. durch auf Peptone eingestellte Fermente, rasch weiter gespalten werden und dabei erst Aminosäuren in Erscheinung treten. Solange es nicht gelingt, die Wirkung der einen oder anderen Ferraentgruppe auszuschalten, sind solche Fragestellungen nicht exakt zu beantworten. Immerhin spricht das fast sofortige Auftreten von Aminosäuren bei der Einwirkung von Pan- kreassaft auf Eiweiß dafür, daß die Proteasen des Pankreassaftes das Ei- weißmolekül an anderen Stellen angreifen als das Pepsin. Ferner wirkt das ') Carl Oppenhei)ner schlägt für das Eiweiß angreifende Ferment des Pankreas- saftes den Namen Tryptase vor. Vgl. Carl Oppenheim er: Die Fermente und ihre Wirkungen. 1. 352 (1913). F. C. W. Vogel. Leipzig iyi3. *) Vgl. Horace Middleton Vernon: Biochem. .Touru. 8. 494 (1914j. '^) Vgl. Emil Abderhalden und Andor Fodor: B^'ernientforschung. 6. 248 (1922). ■*) Vgl. hierzu auch W. M. Bai/liss und E. M. Starlinq: Journ. of Physiol. 29. 174 (1903). — Karl Mays: Zeitschr. f. pliysiol. Chem. 38. 428 '(1903); 49. 124, 188(1901). — Leo Pollak: Hofmeistern Beiträge. G. 95 (1904). — K. Kiesel: P/lügem Archiv. 108. 334 (1905). ') Emil Fischer und Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chem. 39. 81 (1903); 40. 215 (1903). 478 XXIll. Vorlesung. letztere Ferment bei Anwesenheit von H-Ionen, während das Trypsin durch diese bald vollständig unwirksam gemacht wird. Auch die Aktivie- rung beider Arten von Proteasen ist eine ganz verschiedene. Pepsinzymogen wird durch Salzsäure, Trypsinzymogen durch die Enterokinase in den wirksamen Zustand gebracht. Das Studium der Wirkung des Pankreassaftes mit allen seinen auf Eiweiß und seine Abbaustufen eingestellten Fermenten ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft, wenn man das Ziel verfolgt, das Zusammen- wirken der Magen- und Darmverdauung unter den natürlichen Verhält- nissen festzustellen. Der Magen entläßt immer nur kleine Mengen von Speisebrei in den Darm. Diese werden auf der großen Oberfläche des Darmes rasch in dünner Schicht ausgebreitet. Alle möglichen Sekrete vermischen sich mit den übergetretenen Produkten: Darmsaft, Pankreas- saft und ferner Galle. Der Abbau der einzelnen im Chymus enthaltenen Substanzen setzt sofort ein, soweit zusammengesetzte Verbindungen vor- liegen. Während die Hydrolyse im Gange ist, erscheint ein neuer Schub von Chymus aus dem Magen und vermengt sich mit den schon vorhan- denen Produkten. Gleichzeitig setzt die Resorption ein. Ferner ergießen sich neue Sekretmengen aus den verschiedenen Drüschen und Drüsen. Fortwährend wechselt das ganze Bild. Nie kommt es zu einem bleibenden Gleichgewicht. Unsere Kenntnisse über die feineren Vorgänge des Verdau- ungvorganges und vor allem über das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren, die den Verlauf des Abbaus, der Sekretion und Resorption beherrschen, sind noch so unvollkommene, daß wir nur ein sehr unvollständiges Bild der Wirkung des Pankreassaftes entwerfen können. Es bezieht sich dies vor allem auch auf die quantitativen Verhältnisse. Es wäre selbstverständlich von ausschlaggebender Bedeutung, wenn wir feststellen könnten, innerhalb welcher Zeit Pankreassaft unter natürlichen Verhältnissen Eiweiß bzw. Pepton vollständig bis zu Aminosäuren abbauen kann. Füttert man Tiere mit einer Eiweißart oder einem Gemisch von Proteinen, und tötet man sie nach verschiedenen Zeiten, dann ergibt die Untersuchung des Inhaltes der einzelnen Dünndarmab- schnitte stets, daß neben Peptonen Aminosäuren vorhanden sind.i) Niemals findet man nur Aminosäuren oder nur Peptone, vorausgesetzt, daß die in den Darm sich ergießenden Sekrete ihre Wirkung entfalten konnten. Das gleiche Resultat erhält man, wenn man Tiere mit Fisteln an verschiedenen Stellen des Darmkanales verwendet. Der aus- fließende Chymus enthält Aminosäuren und daneben Peptone. Die letzteren tiberwiegen meistens stark. Man hat aus dieser Beobachtung den Schluß ableiten wollen, daß der Abbau der Proteine bzw. Peptone nicht vollständig bis zu Aminosäuren führe, es sollten vielmehr die gebildeten Peptone direkt zur Resorption gelangen. Nur ') Kühne: Verhandl. d. naturhistor.-med. Vereins zu Heidelberg. N. F. 1. Heft 1 (1876). — F. Kutscher und J. Seemann: Zeitschr. f. physiol. Chem. 34. 528 (1001); 35. 432 (1902). — 0. Cohnheim: Ebenda. 33. 451 (1901); 4». 64 (1906); 51. 415(1907). — Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chem. 44. 17 (1905). — Kmil Abderhalden, E. S. London, Karl Kautzsch, L. Baumann, K. v. Körösi/ : Ebenda. 48. 549 (1906); 51. 384 (1907); 53. 148 (1907). — Emil Abderhalden: Ebenda. 74. 436 (1911). — Emil Abderhalden, Wilhelm Klingemann und Theodor Fappenhusen: Ebenda. 71. 411 (1911). — Emil Abderhalden: Ebenda. 78. 382 (1912). Eiweißstoft'e und ihre Baiistoino. 479 ein relativ kleiner Teil davon soll bis zu Aminosäuren aufgespalten werden. Ein exakter Beweis für diese Folgerung liegt nicht vor. Es kann gar nicht erwartet werden, daß im Darminhalt jemals^) ausschließlich Aminosäuren auftreten. Wenn wir den Darminhalt untersuchen, unterbrechen wir die Verdauung in einem bestimmten Augenblick. Wir linden alle möglichen Abbaustufen — hochmolekulare Peptone, einfacher zusammengesetzte und ferner Aminosäuren. Es ist möglich, daß der Abbau einzelner dieser zu- sammengesetzten Produkte vollendet war, d. h. daß diese zur Resorption gekommen wären, falls man den Chymus nicht aus dem Darm entfernt hätte. Es ist jedoch auch denkbar, daß der Abbau weiter gegangen sein würde, wenn man die Verdauung nicht künstlich unterbrochen hätte. Nun ließ sich feststellen, daß der aus dem Darm entnommene Chymus rasch peptonfrei wird und schließlich nur noch Aminosäuren aufweist, wenn man ihn bei 37° aufbewahrt. 2) Aus dieser Beobachtung könnte man den »Schluß ableiten, daß auch unter natürlichen Verhältnissen der Abbau der Peptone zu Aminosäuren führt, ehe die Resorption einsetzt. Doch ist auch da.s erwähnte Ergebnis noch lange kein Beweis dafür, daß der Abbau der Proteine und Peptone im Darmkanal ein tiefgehender sein muß, ehe die Aufnahme von Seiten der Darmwand einsetzt. Wir werden nämlich gleich erfahren, daß im Darmkanal Fermente sich finden, die Eiweiß und Peptone restlos bis zu Aminosäuren abbauen können. Infolgedessen müssen schließ- lich nur Aminosäuren übrig bleiben, wenn Peptone der Wirkung des Darminhaltes ausgesetzt werden. Eine Wegnahme der gebildeten höheren Abbaustufen ist nicht möglich, weil wir die Verdauung im Reagenzglas fort- setzen! Immerhin haben die erwähnten Versuche den Beweis erbracht, daß die Fermente des Darmkanals in sehr kurzer Zeit den Abbau der Peptone zu Ende fuhren können. . Wahrscheinlich würde die Hydrolyse noch viel schneller erfolgen, wenn wir die gebildeten Aminosäuren beständig aus der Verdauungsflüssigkeit entfernen könnten. Es hat sich nämlich durch exakte Versuche beweisen lassen, daß die Aminosäuren den Abbau von Polypeptiden durch peptolytische Fermente hemmen. 3) Wo wir hinblicken, überall türmen sich Schwierigkeiten auf, sobald wir klar entscheiden sollen, wie weit der Abbau bestimmter, zusammen- gesetzter Nahrungsstoffe im Magen darmkanal geht, bevor die Resorption einsetzt. Jedes einzelne Ergebnis noch so sorgfältig aufgebauter Versuche ist vieldeutig. Da der Inhalt des Darmes keine Auskunft über den Um- fang des Abbaus der gebildeten Peptone gibt, so könnte man daran denken, die Frage nach den zur Resorption kommenden Produkten dadurch zu ent- scheiden, daß man diese selbst in der Darmwand oder sonst einem Resorp- tionswege nachweist. Wir werden auf die Frage nach der Art der dem Blute übergebenen, resorbierten Eiweißabbaustufen noch zurückkommen, hier sei nur erwähnt, daß der Abbau der Proteine und Peptone im Darmkanal ') Theoretisch müßte man erwarten, daß ganz am Schlüsse des Verdauungsvor- ganges nur Aminosäuren vorhanden sind, doch läßt sich dieser Augenblick praktisch kaum feststellen. *) Emil Abderhalden und Friedrich Kramm: Zeitschr. f. physiol. Chem. 77. 41f) (1912). ^) Emil Abderhalden und Afred Gigon: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 53. 2',A (1907). — Emil Abderhalden uad Leonor Michaelis: 52. S2G {1201). — Emil Abderhalden und Markus Guggenheim; Ebenda. 54. 331 (1908). 480 - XXIII. Vorlesung. sich stufenweise vollzieht, i) Fortwährend setzt die Resorption ein und beseitigt die aufnahmefähigen Abbaustufen. Diese v^on der sehr großen Oberfläche der Wandung des Darmkanals resorbierten Stoffe werden sofort an das Blut weitergegeben. Die Gewebszellen entnehmen diesem die aufgenommenen Produkte. Es kommt unter normalen Verhältnissen nie zu Anhäufungen von Eiweißabbaustufen im Blute. Der tierische Organismus arbeitet stets in sehr großen Verdünnungen. Das erschwert den Nachweis von vom Darme aus aufgenommenen Produkten ganz außerordentlich. Dazu kommt noch, daß die von der Darmwand resor- bierten .Substanzen schon in dieser weitgehend verändert werden können. Es sei daran erinnert, daß die Feststellung von Neutralfett in dem Ghylus des Ductus thoracicus und im Blute während der Fettaufnahme uns durch- aus nicht berechtigt anzunehmen, daß Fett als solches zur Resorption ge- langt ist. Wir wissen vielmehr, daß die Fette im Darmkanal verseift werden. In der Darmwand erfolgt dann wieder die Svnthese zu Neutralfett aus den aufgenommenen Bausteinen. Schließlich stellt sich der Verfolgung der Art der von der Darmwand resorbierten Stoffe noch eine weitere, wohl kaum überwind- bare Schwierigkeit entgegen. Es ist dies die Feststellung der Quantität der aufgenommenen Produkte. Es genügt nicht, daß wir eindeutig beweisen, daß eine bestimmte Abbaustufe während der Verdauung im Blute anwesend ist. Es müßte vielmehr ihre Menge genau derjenigen entsprechen, die aus dem ver- fütterten Nahrungsstoff entstehen kann. Nur in diesem Falle w^äre man berech- tigt, zu sagen, daß eine zusammengesetzte Verbindung in einem ganz bestimm- ten Grade des Abbaues dem Blute übergeben wird. Nun folgen sich Schlag auf Schlag der Abbau von Stufe zu Stufe, die Resorption der eben erst entstandenen, sehr geringen Mengen von Abbaustufen und die Übergabe an das Blut und schon sind ungezählte Zellen bereit, diesem die Nahrungs- stoffe wieder zu entnehmen. An ungezählten Stellen des Darmkanals werden ununterbrochen Spuren von genügend abgebauten Produkten aufgenommen. Tötet man ein Tier in einem bestimmten Augenblicke der Verdauung, und untersucht man dann rasch sein Blut auf resorbierte Abbaustufen, dann findet man nur Spuren davon. Nieraals wird man imstande sein, ein in quantitativer Beziehung lückenloses Bild dei' zur Resorption gelangenden Abbaustufen zu erhalten. Wir werden stets auf Wahrscheinlichkeitsschlüsse angewiesen bleiben. Fassen wir zunächst zusammen, welche Befunde über den Abbau der Proteine im Magendarmkanal durch eindeutige Feststellungen sichergestellt sind. Im Magen werden die Eiweißstoffe unter Bildung von Pep- tonen gespalten. Es werden dabei keine Aminosäuren gebildet. Im Darmkanal wird die Hydrolyse fortgesetzt. Es treten sehr frühzeitig Aminosäuren auf. Untersucht man den Darminhalt während der Verdauung zu verschiedenen Zeiten, so findet man stets neben Peptonen auch Aminosäuren. Die Peptone können in solche, die die Biuretrcaktion geben, und solche, bei denen sie negativ ausfällt, getrennt werden. Der Befund von Aminosäuren ist sehr früh- zeitig erhoben worden, ^j Er fand jedoch wenig Beachtung, weil ange- nommen wurde, daß normalerweise eine Abspaltung von Aminosäuren *) Vgl. hierzu Emil Abderhalden, E. S. London, Berthold Oppler, E. H. Reemlin : Zeitschr. f. physiol. Chem. 55. 447 (1908); 58. 432, 435 (1908). -) Vgl. Kühne: Vorhandl. d. naturhist.-med. Vereines zu Heidelberg. N. F. 1. Heft 3 (187f)). Kiweißstofi'e imd ihre Bausteine. 4g | nicht stattfinde. Man stellte sich nämlich vor, daß die Nahrungsstofife im Magendarmkanal nur so weit abgebaut würden, als notwendig ist, um sie diffundierbar zu machen. Jeder weitere Abbau sollte einen Verlust an Energie für den Organismus bedeuten. Die Feststellung von Amino- säuren im Darminhalt glaubte man auf Bakterienwirkung zurückführen zu müssen. Diese Vorstellungen erwiesen sich als unrichtig. Der hydro- lytische Abbau der zusammengesetzten Nahrungsstoffe verläuft ohne nachweisbare Wärmetönung.^) Ein Energieverlust findet bei der Spaltung der Proteine und Peptone nicht statt. Ferner wurde nach- gewiesen, daß reiner Pankreassaft aus Proteinen Aminosäuren abspaltet, und endlich gelang der Nachweis, daß man nicht nur ab und zu, sondern immer Aminosäuren im Darminhalt findet. Wie wiederholt betont worden ist, spaltet der Pankreassaft aus Eiweiß- stoffen frühzeitig Aminosäuren ab. Diese Beobachtung erklärt vielleicht, weshalb man im Darminhalt stets Aminosäuren antrifft. Ihre Anwesenheit sagt an und für sich nichts über den Grad des Abbaues der Proteine aus, denn es können neben einigen wenigen Aminosäuren große Mengen von aus mehreren solchen zusammengesetzten Produkten übrig bleiben. Hier mußten zur weiteren Aufklärung des Abbaus von Eiweiß durch die Fermente des Darmkanals zunächst Untersuchungen im Reagenzglas einsetzen. Es galt festzustellen, welche Aminosäuren zuerst in Freiheit gesetzt werden. Ferner mußte verfolgt werden, ob das Trypsin imstande ist, Eiweiß vollständig in seine Bausteine aufzu- lösen. Zahlreiche Versuche ergaben übereinstimmend, daß die einzelnen Aminosäuren verschieden rasch abgespalten werden. Tyrosin, Tryptophan^) und auch Zystin erscheinen sehr bald in der Verdauungs- flüssigkeit. Das Tyrosin zeigt sich, wenn seine Konzentration in der Ver- dauungsflüssigkeit groß genug ist, selbst an, wenn es in Freiheit gesetzt worden ist. Es kristallisiert infolge seiner Schwerlöslichkeit direkt aus. Das Tryptophan läßt sich mittels der Bromwasserreaktion nachweisen. Nur die freie Aminosäure gibt eine rosarote Färbung. Solange das Trypto- phan mit anderen Aminosäuren verbunden ist, fällt die Brorawasserreaktion mit dem Verdauungsgemisch negativ aus. Seine Abspaltung erkennt man am Auftreten der typischen Reaktion. Sie verstärkt sich mit der Zunahme des Gehaltes der Lösung an freiem Tryptophan. Das Freiwerden des Zystins läßt sich nicht ohne weiteres erkennen, weil in den meisten Pro- teinen nur wenig von dieser Aminosäure enthalten ist. Man muß in diesem Falle das Zystin direkt isolieren. Die folgenden Beispiele^) zeigen, daß z. B. Tyrosin und Glutamin- säure durch Pankreassaft sehr verschieden rasch aus Eiweiß abgespalten werden.*) Während die erstere Aminosäure schon nach kurzer Zeit in ihrer ganzen Menge in freiem Zustand in der Verdauungsflüssigkeit vorhanden ») Vgl. R. V. Lengyel: Pflügen Archiv. 115. 7 (1906). — Paul Hdri: Ebenda 115. 11 (19Ü6); 121. 459 (1908). — E. Gräfe: Archiv f. Hygiene. 62. 21(i (1907). *) Vgl. hierzu auch Otto Fürth und Fritz Lieben: Biochem. Z. 109. 153 (1920). ■'') Vgl. hierzu Emil Abderhalden und Bela Reinbold: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 44. 284 (1905); 46. 1.59 (1905). — Emil Abderhalden und Karl Vöqtlin: Ebenda. 53. 315 (1907). — Emil Abderhalden und Alfred Gigon: Ebenda. 53. 119 (1907). *) Ob die hier geschilderten Verhältnisse für jede Proteinart zutreffen, ist natür- lich fraglich. Es wird die Zusammensetzung und der ganze Aufbau der einzelnen Eiweißstoffe maßgebend sein. Abderhalden. Physiologische Chemie. I, Teil, ü. AaÖ. gi 482 XXIII; Vorlesung. ist, wird die Glutaminsäure ganz allmählich abgespalten. Die Versuche sind in der folgenden Weise durchgeführt worden. Je 100 g Eiweiß wurden mit einer bestimmten Menge von Wasser und Pankreassaft bzw. Ti-ypsin in eine Flasche gefüllt. Zur Verhinderung der Fäulnis wurde das Gemisch mit Toluol überschichtet. Nun wurden sämtliche Flaschen gleichzeitig in einen auf 87^ erwärmten Brutschrank gebracht. An jedem Tage wurde dann eine Flasche zur Untersuchung auf den Gehalt an freiem Tyrosin und abgespaltener Glutaminsäure aus dem Brustschrank entfernt. Die Ausbeuten an den beiden Aminosäuren sind im ersten Versuche in Prozenten des Gehaltes des verwendeten Proteins an den entsprechenden Verbindungen angegeben. Im Versuche mit Kasein sind die absoluten Mengen der isolierten Aminosäuren angeführt: Versuch 1: Edestin aus Baumwollsamen: Dauer der Verdauung 1 Tag 2 Tage 3 Tage 7 Tage 16 Taire Abgeschiedene Menge von Tyrosin 78-4 97-6 97-6 100 100 Abgeschiedene Menge von Glutaminsäure ... 43 7*4 10-9 311 602 Dauer des Ver- suches: 1 Tag 3 Tage 6 Tage 9 Tage 11 Tage 13 Tage 17 Tage 21 Tage 0-75 4-40 4-66 A'M 4-20 4-50 4-46 4-HH 1-53 1-76 4-88 901 8-65 8-80 8-90 9-27 Die angewandte Menge Kasein enthielt 4*5 g Tyrosin und lOS (/ Glutaminsäure. Gleichzeitig lassen sich auch noch andere Aminosäuren, wie Alan in. V a 1 i n, L e u z i n, A s p a r a g i n s ä u r e, Ly s i n, Ar g i n i n und H i s t i d i n in der Verdauungsflüssigkeit nachweisen. Vermißt werden meist vollständig Pro- lin und Phenylalanin. 1) Die Resultate dieser Versuche sind nicht immer gleichartige. Vor allem zeigen sich erhebliche Unterschiede in den Mengen- verhältnissen, in denen die einzelnen Aminosäuren abgeschieden werden. Ferner gelang es in einzelnen Fällen, auch Prolin und Phenylalanin auf- zufinden. Diese Unterschiede sind ohne Zweifel auf die Beschaffenheit der verwendeten Trypsinpräparate zurückzuführen. Die Handelspräparate werden zum großen Teil durch Ausziehen der Pankreasdrüse dargestellt. Dabei gelangen auch Zellfermente in das Präparat und auch andere Stoffe. Manche davon hemmen die Trypsinwirkung. Es kann auch vorkommen, daß beigemischte Zellfermente Wirkungen entfalten, die dem Trypsin fremd sind. Aber auch dann, wenn man mit Pankreassaft arbeitet, ergeben sich Unterschiede. Sie sind wahrscheinlich zum großen Teil durclj den Zusatz von Darmsaft zu diesem bedingt. Er wird zugefügt, um das Trypsin- zymogen mittels der Enterokinase zu aktivieren. Wir werden gleich er- fahren, daß der Darmsaft über ein Ferment verfügt, das säureamidartige Verbindungen zwischen Aminosäuren löst. Verwenden wir zur Aktivierung des Zymogens des Trypsins Enterokinase, dann geben wir auch zugleicli das betreffende Ferment hinzu. Trotz der in manchen Punkten verschiedenen Resultate läßt sich als eindeutig gesichertes Ergebnis anführen, daß durch Pankreassaft 1» e- M Vgl. hierzu: Emil Fischer und Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 39. 81 (1903); 40. 215 (1903). Kiweißstoffe und ihre Bausteine. 48o Stimmte Aminosäuren sehr frühzeitig vollständig aus Ei- weiß abgespalten werden, während andere Bausteine lang- samer folgen, und manche sich als nicht aus ihrer Bindung lösbar erweisen. Es sind im Eiweißmolekül offenbar Gruppen von Aminosäuren untereinander vereinigt, die vom Trypsin bzw. den peptoly- tischen Fermenten des Pankreassaftes nicht gespalten werden können. Es muß noch ein weiteres Ferment eingreifen, nämlich das schon erwähnte, im Darmsaft enthaltene. Es ist von Otto CoJinheim^) entdeckt und Erepsin ge- nannt worden. Es löst Bindungen zwischen Aminosäuren, die den Fermenten des Pankreassaftes nicht zugänglich sind. Dieser gegen dieses letztere Fer- ment widerstandsfähige Rest enthält hauptsächlich Prolin und Phenylalanin. 8chon Kühne'-) war es bekannt, daß das Eiweiß von Trypsin nicht gleichmäßig abgebaut wird. Er beobachtete schon, daß ein widerstands- fähiger Rest zurückbleibt. Er nannte ihn Antipepton. Dieser der Try- psinwirkung widerstehende Rest wird von Erepsin in seine Anteile zerlegt. Ist somit das Trypsin nicht imstande, Eiweiß restlos bis zu Aminosäuren aufzuspalten, so gelingt dies, wenn Trypsin und Erepsin zusammenwirken. 3) Es dauert allerdings ziemlich lange, bis im Reagenzglasversuch der Abbau von Eiweiß durch Pankreas- und Darmsaft vollständig bis zu Aminosäuren durchgeführt ist. Bei der Beurteilung dieses Umstandes dürfen wir nicht außer acht lassen, daß der Reagenzglasversuch, wie schon wiederholt betont wurde, uns nicht vollständig über den Abbau der Proteine im Magendarm- kanal aufklären kann. Wir k(>nnen mit seiner Hilfe nur die wichtige Frage entscheiden, in welcher Art der Abbau qualitativ verläuft und vor allem, ob der tierische Organismus dem Darmkanal Fermente übergibt, die die Proteine restlos bis zu den Aminosäuren abbauen können. Diese Frage muß bestimmt bejaht werden. Im Magendarmkanal sind alle Bedingungen gegeben, um den Abbau der Proteine und Peptone bis zu den einzelnen Bausteinen durchzuführen. Man könnte einwenden, daß der Abbau der Peptone bis zu den Aminosäuren so viel Zeit in Anspruch nimmt, daß er in Wirklichkeit im Darmkanal nie in vollem Umfange durchgeführt werden kann. Es ist sehr schwer abzuschätzen, wie lange jeder einzelne Teil des Chymus, der den Magen verläßt, im Darme verweilt, ehe er zur Resorption gelangt. Soviel ist jedoch sicher, daß diese Zeit eine sehr beschränkte sein muß. Betrachtet man nämlich den Darminhalt zu verschiedenen Zeiten der Verdauung, dann findet man immer nur einen relativ ganz geringen Belag von Chymus auf der Darmschleimhaut ausgebreitet. Es kommt unter normalen Verhältnissen nie zur Ansammlung größerer Mengen von Chymus. Aller- dings muß bei der Abschätzung der gesamten Menge des im Darmkanal ausgebreiteten Speisebreies immer in Betracht gezogen werden, daß er eine große Oberfläche einnimmt. Vergleicht man jedoch den Inhalt des prall 1) 0. Coknheim: Zeitschr. f. pliysiol. Clieniie. 33. 451 (1901); 35. 134 (1902); 47. 28G (1906). -) Vgl. hierzu Emil Abderhalden und Peter Bona: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 67. 405 (1910). — Kmil Abderhalden: Ebenda. 77. 22 (1912). ■') M. Kühne: ]'irchoira Archiv. 39. 130 (18G7). — Vgl. auch Fr. Kutscher: Zeit- schrift f. physiol. Chemie. 2ö. 195 (IH'.tS): 26. 110 {189S) und 28. 88 (1899); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 33. 4357 (1899); 34. .')()4 (1900). — M. Sieafried: Zchsdu-. f. physiol. Chemie. 27. 335 (1899). — Vd. aucli el)enda. 38. 259 (1903); 45. 252 (1905). 81* 484 XXIII. Vorlesung. gefüllten Magens mit dem des Darmkanals, dann wird sofort klar, daß fortwährend Resorption stattfinden muß, denn sonst müßte man bei voll- ständig entleertem klagen — beim Hunde etwa 6 — 8 Stunden nach der Mahlzeit — viel mehr Chymus im Dünndarm finden als dann, wenn der Magen nur einen Teil seines Inhaltes abgegeben hat. Es ist dies jedoch nicht der Fall. Der Dünndarm zeigt während der Verdauung einer Mahl- zeit annähernd die gleiche Füllung, wenn diese einige Zeit im Gange war. Die Verdauung verläuft wahrscheinlich in den folgenden Phasen. Es verläßt jeweilen eine geringe Menge des durch den Magensaft vorverdauten Chymus den Magen. Dieser kommt sofort mit den Sekreten des Darmes in Berührung. Die Wirkung des Pepsins wird bald ausgeschaltet, sofern es nicht durch noch nicht gelöstes Protein geschützt ist. Länger wirkt das Labferment. ^) Schließlich werden auch ihm die Bedingungen seiner Wirksamkeit entzogen. Es setzt nun die Trypsin- und die Erepsin Wirkung ein. Bald erfolgt die Abspaltung von Aminosäuren. Gleichzeitig setzt die Resorption ein und entfernt die sich bildenden Spaltprodukte. Im Reagenz- glasversuch fallen alle Regulationen weg. Wir geben Pankreassaft zu einem Eiweißkörper oder zu einem Peptongemisch und vollenden dann den Abbau durch Zugabe von Darmsaft. Wir schatten im vorneherein ganz unnatürliche Verhältnisse, weil wir das Zusanimenspiel von Trypsin und Erepsin in quantitativer Hinsicht gar nicht berücksichtigen. Ferner lassen wir die Abbauprodukte liegen. Endlich bleibt die während der Verdauung sich ausbildende Reaktion auch dann, wenn wir sie regulieren, ohne die nötige Anpassung an die vielleicht von Fall zu Fall verschiedenen Anforderungen an eine optimale Reaktion für bestimmte Fermentwirkungen. Im Darmkanal wird diese ohne Zweifel stets in bestimmter Weise eingestellt und so verschoben, daß die Ferment Wirkung sich voll entfalten kann. Es ergibt sich aus diesen großen unterschieden in den Bedingungen, unter denen der Abbau der Proteine und Peptone im Darmkanal und Reagenz- glas sich vollzieht, daß wir die Zeit, die vergeht, bis im letzteren Falle Eiweiß bis zu Aminosäuren zerlegt ist, nicht auf die Verdauung unter natürlichen Verhältnissen übertragen dürfen. Für eine solche Auffassung- Sprechen auch die oben erwähnten Versuche, in denen gezeigt werden konnte, daß die Peptone des Darminhaltes auch außerhalb des Darmes bald fast vollständig bis zu Aminosäuren abgebaut werden. Es spielt das Mischungsverhältnis zwischen Chymus, Darm- und Pankreassaft und Galle sicher eine große Rolle beim raschen Abbau der einzelnen zusammen- gesetzten Nahrungsstoffe. Wir können diese Bedingungen deshalb nicht nachahmen, weil wir sie noch nicht kennen. Wir kommen somit zum Schlüsse, daß die Möglichkeit gegeben ist, daß im Darmkanal die Eiweißkörper und Peptone bis zu Aminosäuren abgebaut werden und im Wesentlichen Eiweißbausteine zur Resorption gelangen. M Vgl. S. 474. Vorlesung XXIV. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. Verhalten der Eiweißstoffe im tierischen Organismus. Ihr Abbau im Darmkanal. Überblicken wir das, was wir über die Einwirkung der Proteasen des Magen-, Pankreas- und Darmsaftes auf Eiweiß wissen, so kommen wir zum Schlüsse, daß Pepsin die Eiweißkörper in Peptone zerlegt, ohne dabei Aminosäuren in Freiheit zusetzen, während das Trypsin frühzeitig solche abspaltet, jedoch nicht imstande ist, alle Bindungen zwischen den Bausteinen der Proteine zu lösen. Eine Zerlegung auch dieser Komplexe führt das Erepsin herbei. Wenn wir von Trypsin und von seiner Wirkung sprechen, und es bald Proteine, bald Peptone verschiedenster Art abbauen lassen, so folgen wir einem allgemein angenommenen Brauche. Es ist jedoch durchaus fraglich, ob das Trypsin einheitlich ist und sowohl auf die verschieden- artigsten Proteine als auch auf viele seiner Abbaustufen eingestellt ist. Es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, daß das Trypsin eine Mischung ver- schiedenartiger Fermente darstellt, und teils Proteasen, teils Peptasen, d. h. Fermente, die Eiweiß, und solche, die Peptone angreifen, umfaßt.') Wichtig ist, daß im inaktiven Pankreassaft Erepsin vorkommen kann. Es scheint nicht immer zugegen zu sein. Seine Anwesenheit wurde deshalb erschlossen, weil inaktiver Pankreassaft Kasein angreifen kann, zugleich aber andere Proteine nicht abbaut. Nun besitzt das Erepsin die Eigen- schaft, außer Peptonen auch Kasein abzubauen. Wahrscheinlich stellt es auch wieder ein Gemenge von Fermenten dar. Da wir zur Zeit noch keinen genauen Einblick in die Struktur der Proteine haben, d. h. wohl wissen, daß Aminosäuren säureamidartig unter einander verknüpft sind, dagegen noch nicht mit Bestimmtheit erweisen können, ob daneben noch andere Bindungsarten — z. B. in Form von An- hydridkomplexen — kernartige Gruppierungen bilden, die zunächst von ein- ander gelöst werden, bevor es zum Abbau von Polypeptiden kommt, können wir über die einzelnen Vorgänge beim fermentativen Eiweißabbau nur wenig aussagen. Gut unterrichtet sind wir über den Abbau von Poly- *) Vgl. L'mil Äbihrhalden und Antun Fodor: Fermentforscliung. 6. 248 (1922). 486 XXIV. Vorlesung. Peptiden. Die bisherig-en ErfahruDgen über die Hydrolyse von solchen mittelst peptolytischer Fermente haben ergeben, daß das zusammengesetzte ^lolekül nicht auf einmal in seine Komponenten zerlegt wird. Der Abbau erfolgt vielmehr stufenweise. *) Es wird zunächst am Anfang oder am Ende der Kette eine Aminosäure unter Aufnahme von Wasser abgespalten und auf diese Weise die Aminosäurekette um ein Glied gekürzt. Dann folgt die Abspaltung einer weiteren Aminosäure, bis schHeßlich nur noch Eiweißbausteine übrig bleiben. Für die Entscheidung der Frage, wie weit der Abbau der Peptone im Darmkanal geht, ehe die Resorption einsetzt, sind die folgenden im Keagenzglasversuch gewonnenen Befunde über den Eiweiß- und Pepton- abbau durch die Fermente des Darrakanals von großer Bedeutung. Die Beobachtung, daß frühzeitig bestimmte Aminosäuren abgespalten werden, wenn man Pankreassaft auf Eiweiß oder Peptone einwirken läßt, wobei noch hochmolekulare zusammengesetzte Verbindungen zurückbleiben können, l)eweist, daß der Befund von Aminosäuren im Darminhalt nichts darüber aussagt, wie weit der Abbau der Peptone geht. Es kommt auf die Art der vorhandenen Aminosäuren an. Der Reagenzglasversuch hat gezeigt, daß bestimmte Aminosäuren, wie Prolin und Phenylalanin, erst dann zur Abspaltung gelangen, wenn der größte Teil der übrigen Aminosäuren in Freiheit gesetzt ist. Treffen wir auf jene Bausteine des Eiweißes, dann ist der Schluß berechtigt, daß ein tief- gehender Abbau stattgefunden hat. Im Darmkanal sind die Bedingungen für einen weitgehenden Abbau besonders günstige. Zuerst trifft der Chy- mus, der eben aus dem Magen entlassen worden ist, auf das Sekret der Brutmermhen Drüsen der Duodenalschleimhaut und auf das Pankreas- sekret. Hier setzt der Abbau energisch ein. Dann wird der Chymus weiter in tiefere Teile des Dünndarmes geschoben. Es wirkt jetzt vornehmlich der Darmsaft, in dem das Erepsin besonders wirksam ist. Wir müssen, falls der Abbau der Proteine und Peptone im Darmkanal ein weitgehender ist, erwarten, daß im Darminhalt alle Aminosäuren anzutreffen sind. Das ist nun in der Tat der Fall.-) Es sind alle bis jetzt bekannten Aminosäuren, soweit auf sie gefahndet wurde, im Inhalt des Dünndarms aufgefunden worden. Vor allem sind auch Prolin und Phenylalanin festgestellt worden. •') Würden wir den Abbau des ersten, den Magen verlassenden Chymus verfolgen können, dann wäre zu erwarten, daß man entweder nur die zuerst abspaltbaren Aminosäuren im Darminhalt antrefien würde oder hauptsächlich Amino- säuren, die erst bei schon weit fortgeschrittenem Abbau der Peptone erscheinen. Es käme ganz auf den Zeitpunkt der Untersuchung an. In Wirklichkeit verläuft der Abbau so schnell, daß in kurzer Zeit alle Amino- säuren zugegen sind. Außerdem wird sofort neuer Chymus nachgeschoben. M Vgl. hierzu: Kmil Abderhalden und A. H. Koelkcr, Alfred Gigon, Carl Hrahm: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 51. 264 (1907); 52. 32^ (1907); 54.363 (19Ü8); 53. 251 (1907); 57. 342 (1908). ") Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chcm. 78. 382(1912); 81. 315 (1912); 114. 290 (1921). — Vgl. über den Nachweis von Aminosäuren im Darmiiihalt auch: /''. Kutscher und J. Seemami: Zeitschr. f. physiol. Chem. 35. 432 (1902). - "A'. P. Cathcarf und./. B. Leathes: Journ. of Physiol. 33.'4()2 (1906). ^) Neuere, noch nicht mitgeteilte Versuche bestätigen den Befund aller bis jetzt lif-kannten Aminosäuren im Darminhalt. Eiweißstoffe und ihre Baiistoine. ,487 Betindet sich der früher vom Magen abgejrebeue Chymus auf einer tiefen JStufe des Abbaus, so setzt eben die Abspaltung von Aminosäuren in der {'hymusmenge ein, die den Magen später verlassen hat. Wir müssen somit stets, wenn wir Darminhalt untersuchen, alle möglichen Grade des Eiweiß- und Peptonabbaus nebeneinander linden. Die Untersuchung des Darm Inhaltes aufAminosäuren stützt die Annahme, daß die Proteine im Magendarmkanal tief abgebaut w^erden. Da wir jedoch aus den wiederholt angege- benen Gründen neben Aminosäuren stets Peptone antreffen und niemals nur Bausteine der Proteine, so dürfen wir aus dem Befunde jener Amino- säuren im Darminhalt, die erst in Erscheinung treten, wenn das Eiweiß- molekül schon sehr weit abgebaut ist, noch nicht den Schluß ziehen, daß alle Peptone zu Aminosäuren aufgelöst werden, bevor die Resorption ein- setzt. Es könnten ja fortwährend Peptone dem weiteren Abbau durch die Aufnahme in die Darmwand entzogen werden. Es wäre in diesem Falle von größtem Interesse, zu erfahren, weshalb einzelne Peptone tief abgebaut werden und andere nicht. Anzunehmen, daß der tiefgehende Abbau dem Zufall unterworfen ist und nur jene Peptone betrifft, die nicht rasch genug zur Resorption gelangen, erscheint gezwungen. Es liegt jedoch die folgende Möglichkeit vor. Der Abbau resorbierter Peptone kann in der Darmwand fortgesetzt und vollendet werden. Bekanntlich hemmen die Eiweißabbaustufen den weiteren Verlauf der Fermenthydrolyse. Durch die fortwährende Fortnahme der sich bildenden Spaltprodukte wird ein m(»glichst rascher Abbau der Peptone gewährleistet. Es würden in diesem Falle der Abbau im Darmkanal und jener in der Darmwand sich gegen- seitig unterstützen. Die weitgehende Hydrolyse im Darmkanale würde als Vorarbeit der Spaltung resorbierter, noch zusammengesetzter Verbindungen in den Zellen der Darmwand zu betrachten sein. Das ganze Problem würde wesentlich klarer liegen, wenn ganz scharf und eindeutig zu entscheiden wäre, ob die Darmschleimhaut unter normalen Bedingungen Peptone aufnimmt. Es genügt durchaus nicht, festzustellen, daß bestimmte Zellen zur Aufnahme eines Stotfes ge- zwungen werden können, um die Frage zu entscheiden, wie ein bestimmtes Gewebe sich unter normalen Verhältnissen verhält. Es sei in dieser Be- ziehung z. B. auf die Niere verwiesen. Sie läßt unter normalen Bedingungen keinen Zucker in den Harn übertreten. Eine Veränderung des Gebaltes des Blutes an bestimmten Ionen und eine Änderung der Reaktion des Blutes genügt, um sie für Glukose durchlässig zu machen, ja schon ein Ansteigen des Ge- haltes des Blutes an Zucker reicht aus, um diesen durch die Nierenepithelien zur Ausscheidung gelangen zu lassen. Gewiß können wir unter geeigneten Bedingungen auch Rohrzucker im Darmkanal zur Resorption bringen. Bei diesem Disaccharid ist ganz eindeutig festgestellt worden, daß es nicht ins Blut übertritt, wenn wir nicht absichtlich durch Zufuhr großer Mengen davon seinen Übergang erzwingen. ( )b nun der Rohrzucker unter normalen Verhältnissen bereits im Darmkanal vollständig zerfällt oder zum Teil erst in der Darmwand, ist für die Bedeutung der Hydrolyse des Rohrzuckers gleichgültig. Er ist für die Zellen des tierischen Organismus so hinge unver- wertbar als seine Komponenten in ihm gebunden sind, dagegen sind diese selbst — Trauben- und Fruchtzucker — für diese von größter Bedeutung. 4gg XXIV. Vorlesung. Die bisher durchgeführten Versuche über die Auf- nahmefähigkeit von Peptonen durch die Darmschleimhaut ergeben mit Wahrscheinlichkeit, daß der Abbau nicht bis zu Aminosäuren zu gehen braucht, sondern, daß auch zusammen- gesetzte Verbindungen zur Resorption gelangen können. So hat man z. B. Hunden, denen eine Darmfistel angelegt worden war, verdünnte Peptonlösungen in den Darmkanal eingeführt, i) Nach einiger Zeit wurde der Darm wieder durch die Fistel entleert, und sein Inhalt aus- gespült. Der Unterschied im Stickstoffgehalt des zugeführten Produktes und desjenigen des wiedergewonnenen Darminhaltes ergibt die Menge derjenigen stickstoffhaltigen Substanzen, die resorbiert worden sind, vorausgesetzt, daß nicht durch Sekretion von Darmsaft stickstoffhaltige Verbindungen zu den durch die Fistel eingeführten hinzugekommen sind. Es lassen sich gegen derartige Versuche mancherlei Einwände erheben. Sie geben die natürlichen Verhältnisse nicht wieder. Der physikalische Zustand verdünnter Lösungen und derjenige des Chymus weichen zu sehr von einander ab. Der Chymus ist in dünner Schicht auf einer großen Oberfläche des Darmes ausgebreitet. Eine Summe von Fermenten wirkt unter ganz bestimmten Bedingungen auf ihn ein. Ohne Zweifel wird der ganze Reaktionsverlauf beständig in feinster Weise eingestellt. Spritzen wir eine Lösung mit einem Gemenge von künstlich hergestellten Abbaustufen in den Darm ein. dann schaffen wir Bedingungen, wie sie sich unter normalen Verhältnissen nie finden. Wir schließen unter Umständen die Wirkung einer ganzen Reihe von Fermenten, die zum raschen Abbau eines Peptongemisches notwendig sind, ganz aus. Die Zufuhr der Peptonlösung erfolgt in einen relativ eng begrenzten Darmabschnitt. Es fragt sich, ob dieser allein die ihm ohne jede weitere Vorbereitung übergebenen Stoffe in geeigneter Weise zerlegen und die entstandenen Produkte der Darmwand übergeben kann. Auch bei der Frage der Resorption der Fettsäuren und Seifen ergaben jene Ver- suche, bei denen diese Verbindungen in bestimmte Darmabschnitte einge- führt wurden, keine eindeutigen Resultate.^) Die Aufnahme der zugeführten Peptonlösung von Seiten der Darmwand war nun ungefähr eine ebenso rasche, wie wenn Aminosäuren in gelöster Form in den Darmkanal gebracht wurden. Aus diesem Ergebnis wurde der Schluß gezogen, daß Peptone als solche von der Darniwand aufgenommen werden. Diese Folgerung ent- behrt jedoch der eindeutigen Begründung. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der resorbierte Anteil der in den Darmkanal eingeführten Peptone vor der Aufnahme gespalten worden ist. Daß die in Lösung zugeführten Amino- säuren nicht sofort zur Aufnahme gelangten, kann seinen Grund darin haben, daß ungünstige, den natürlichen Verhältnissen keine Rechnung tragende Bedingungen vorlagen. Normalerweise finden wir im Darminhalt neben Peptonen immer nur sehr geringe Mengen von Aminosäuren. Dem stufen- weisen Abbau geht die Resorption parallel. Niemals begegnen wir einer größeren Menge einer verdünnten Aminosäurelösung. ») Vgl. u. a. F. Nolf: Bull, de rAcad. royale de Belg. Nr. 12. 1149 (1903); Nr. 2. 153 (1904): .louru. de phys. et de patli. gön^rale. 925 (1907). — Edgar Zum: Arch. de pharmacodyuamie et de th(!rapie. 15. Nr. 3 (1908). — //. Messerli: Biochem. Zeitschr. 54. 446 (1913). — Vgl. auch O. Cohnheim : Zeitschr. f. physiol. Chem. 84. 419 (1918). '') Vgl. dazu ■/.. B. 0. /•. Fürth und ./. Schütz: Hofnieisten^ Beitr. 10. 462 (1907). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 489 Es ist ferner betont worden, daß schon deshalb nicht an einen Abi »au der Peptone bis zu Aminosäuren gedacht werden dürfe, weil weit abgebaute Peptone und manche Aminosäuren auf die Darmschleimhaut reizend wirken sollen. Nun entstehen unter normalen Verhältnissen die Aminosäuren immer nur in geringen Mengen. Die Resorption setzt sofort ein. Außerdem reizen nur bestimmte Aminosäuren, wie z. B. die Glutaminsäure, das Lysin und Arginin usw., die Darmschleimhaut etwas, jedoch erst in höherer K^on- zentration. Die Reizwirkung der durch fermentativen Abbau gewonnenen Eiweißabbaustufen dürfte meistens auf Produkte bakterieller Tätigkeit zurückzuführen sein. Man findet, wenn die Verdauung nicht unter Aus- schluß von Bakterien durchgeführt wird, im Verdauungsgemisch sogenannte Amine. Wir kommen auf diese Verbindungen noch zurück. Sie bilden sich auch im Darmkanal unter dem Einfluß der Darmflora. Wir kennen auch Peptone die stark reizend wirken, sobald sie in höheren Konzentrationen zugegen sind. Trotzdem werden sie beim Abbau der Proteine im Magen- darmkanal gebildet. Sie entstehen jedoch immer nur in kleinsten Mengen. Der Abbau schreitet rasch fort. Können wir somit den vorliegenden Versuchen über die Resorption von Peptonen und Aminosäuren keine entscheidende Bedeutung zuer- kennen ^), so müssen wir doch unbedingt mit der Möglichkeit rechnen, daß auch zusammengesetzte Abbaustufen der Proteine zur Resorption gelangen. Wenn wir alle vorliegenden Ergebnisse zusammenfassen, dann kommen wir zum Schlüsse, daß das Eiweiß derNahrung im Magendarm- kanal sicher zu Peptonen und Aminosäuren abgebaut wird. Wie weit der Abbau jedes einzelnen Peptons geht, bevor die Resorption einsetzt, darübergeben die bisherigen Unter- suchungen keine sicheren Anhaltspunkte. Eine direkte Beweis- führung ist unmöglich, weil wir die Verdauung im Darmkanal immer nur in bestimmten Momenten untersuchen können. Immer kommt aus dem Magen neuer Chymus zum bereits vorhandenen hinzu und überschwemmt den Darm mit Peptonen. Gleichzeitig arbeitet auf der anderen Seite die Re- sorption der Verfolgung des weiteren Schicksals der Peptone entgegen. Wir können somit nur mit Wahrscheinlichkeitsgründen und indirekten Ver- suchen uns ein Urteil über den Grad des Abbaus der Proteine unter natür- lichen Bedingungen bilden. Wichtig ist, daß der tierische Orga- nismus in den Darmkanal Fermente abgibt, die in gemein- samer Wirkung das Protein molekül restlos bis zu den Bau- steinen zerlegen können. Von Bedeutung ist ferner der Befund aller Aminosäuren im Darminhalt. Selbst jene Aminosäuren, die bei der Verdauung im Reagenzglas spät in Erscheinung treten, sind im Darmkanal anzutreffen. ') L. Borchardt [Zeitschr. f. physiol. Chem. 51. .ÖÜB (1907); 57. 305 (1908)] gelang es, ein Pepton aus Elastin zur Resorption zu bringen, wenn er es in größeren Mengen einführte. Dieser Befund, der übrigens von uns [Emil Abderhalden und Ernst Rilhl : Zeitschr. f. physiol. Chem. 69. 301 (1910)] nicht bestätigt werden konnte, gestattet keine Schlüsse auf die Art der unter gewöhnlichen Verhältnissen zur Resorption gelangenden Eiweißabbaustufen. Das betreffende, infolge seiner Eigenschaften leicht nachweisbare Pepton wird offenbar sehr schwer abgebaut. Überschwemmt man den Magendarmkanal mit ihm, dann kann man es nach Borchardt zur Resorption bringen. 490 XXIV. Vorlesung. Die Diskussion des Problems nach dem Grade des Abbaues der Pro- teine und Peptone im Magendarmkanal führt uns zu der Frage, ob eine weitgehende Zerlegung der genannten Verbindungen aller Voraussicht nach notwendig ist? Kann der tierische Organismus in seinen Geweben nicht auch mit Peptonen und Polypeptiden auskommen? Die Beantwortung dieser Frage ist außerordentlich schwierig. Wir müssen vorausschicken, daß die Eiweißstoffe der Nahrung in den Geweben ganz verschiedenen Zwecken dienen. Einmal bildet der tierische Organismus beständig neue Proteine. Er gibt solche mit den Sekreten nach außen ab. Ferner verrät uns jedes wachsende Haar, jeder wachsende Nagel, daß fortwährend Keratinsubstanzen gebildet werden. Die Galle zeigt uns, wie wir noch erfahren werden, an, daß fortwährend rote Blutkörperchen zugrunde gehen. Sie müssen ersetzt werden. Droht ein Einwandern von Mikroorganismen, oder dringt sonst etwas Fremdartiges in den Körper ein, oder bilden sich in ihm Produkte, die sich sonst nicht finden — Blutgerinnsel, Thromben, feste Eiweißmassen nach Entzündungen usw. — , dann beobachten wir, daß ungezählte Leukozyten an die betreffende Stelle eilen. Sicher sind diese Zellen nicht alle vorher schon im Körprr vorhanden gewesen. Viele davon sind neugebildet. Schon die Eigenart vieler dieser Zellen weist auf eine Neubildung hin. Beim wachsenden Organismus kommt noch die Vermehrung von Gewebe hinzu. Bei jeder Neubildung von Eiweiß tritt uns die Frage entgegen, ob es durch Umwandlung aus bereits vorhandenem Protein entstanden sein kann oder, ob ein Autbau von einfachen und einfachsten Abbaustufen aus notwendig ist. Überblicken wir die bisherigen, eindeutig festgestellten Ergebnisse über die Verwendbarkeit bestimmter Eiweißabbaustufen zu bestimmten Zwecken, dann können wir zurzeit nur eines mit voller Bestimmtheit aus- sagen, nämhch, daß die Aminosäuren für zahlreiche Vorgänge als Ausgangsm aterial dienen. Von ihnen aus führt der Weg zu den Kohlehydraten und zu zahlreichen anderen Verbindungen.^) Bei ihnen setzt der Abbau zu den Stoftwechselendprodukten ein. Über sie führt auch der Aufbau zu zusammengesetzten Produkten. Überall, wo wir hinblicken, stoßen wir auf Aminosäuren. Sie nehmen im Stoffwechsel die gleiche Stellung ein, wie der Traubenzucker bei den Kohlehydraten und die Fett- säuren und der Alkohol bei den Fetten. Geht nun die Synthese von Zelleiweiß oder den Pro- teinen de rKörperflüssigkeiten stets von Aminosäuren aus, oder können zusammengesetzte Bruchstücke des Nahrungs- eiweißes zum Aufbau verschiedenartiger Proteine ver- wendet werden? Diese Frage, deren genaue Beantwortung uns einen sicheren Einblick in den Umfang des Eiweißabbaues im Darmkanal bzw. in der Darmwand ergeben würde, läßt sich deshalb zurzeit nicht exakt beantworten, weil wir über den Aufbau der einzelnen Proteine nicht genügend unterrichtet sind. Würde es gelingen, aus den verschiedenartigsten Körpereiweißstoffen und denjenigen der Nahrung Polypeptide oder sonstige Bruchstücke zu isolieren, die genau die gleiche Struktur und Konfiguration besitzen, dann könnte man sich wohl vorstellen, daß derartige Produkte zur Resorption kommen und nicht dem weiteren Abl)au unterliegen. Man ») Vgl. S. iy2. Eiweißstoft'e uud ihre Bausteine. 491 müßte jedoch in diesem Falle derartige Bruchstücke in irgend einer Form jenseits des Darmes wieder linden können. Wir können sie so lange nicht suchen, als wir über ihre mögliche Struktur nichts wissen. Vorläufig haben wir als einzige sichere Grundlage zur Entscheidung der Frage nach den Beziehungen der Eiweißstolfe der Nahrung zu denen der Gewebe des tierischen Organismus ihren Gehalt an einzelnen Aminosäuren. Die vergleichende Hydrolyse zahlreicher Proteine hat ergeben, daß sie mit wenig Ausnahmen die gleichen Aminosäuren enthalten. Es zeigen sich jedoch große Unterschiede in den Mengenverhältnissen, in denen die einzelnen Bausteine in jeder Proteinart vertreten sind. Es sind bis jetzt noch keine Proteine gefunden worden, die bei der Hydrolyse genau die gleichen Mengen der einzelnen Aminosäuren ergeben hätten. Selbst, Avenn wir Eiweißstollte antretten würden, die aus den gleichen Bausteinen aufgebaut wären und diese in den gleichen Mengenverhältnissen enthielten, so würde das. wie wir wiederholt betont haben, nichts über die Struktur und Konfiguration der betretifenden Ausgangsmaterialien aussagen. Eine gewaltige Zahl von isomeren Eiweißarten könnte das gleiche Resultat liefern, wenn wir nur die Bausteine in Betracht ziehen, die sie beim voll- ständigen Abbau liefern. 1) Ein einfaches Beispiel möge zeigen, daß wir uns nach den jetzigen Kenntnissen den Umbau eines Proteins in ein anderes mit verschiedener Struktur nur unter der Voraussetzung eines vollständigen Abbaus zu den einzelnen Aminosäuren vorstellen können. Wenn z. B. Glyzyl-alanin in Alanyl-glyzin übergeführt werden soll, so spalten wir die erstere Ver- bindung in Glykokoll und Alanin und bilden dann aus diesen Bausteinen das Dipeptid Alanyl-glyzin. In diesem einfachsten Falle könnte man auch einen anderen Weg versuchen. Es ließe sich aus Glyzyl-alanin Glyzyl- alaninanhydrid gewinnen. Durch Aufspaltung dieser Verbindung entsteht neben Glyzyl-alanin auch Alanyl-glyzin.-) Für alle höheren Polypeptide fehlt jede Möglichkeit einer direkten Umwandlung. Das Tripeptid Alanyl- glyzyl-ty rosin kann nur dann in die Verbindung Alanyl-tyrosyl- glyzin übergeführt werden, wenn es durch Hydrolyse in seine Bausteine zerlegt wird, und dann die Synthese aus den drei Bausteinen folgt. Handelt es sich um die Gewinnung des Tripeptides Glyzyl-tyrosyl-alanin, so würde eine Abspaltung des Alanins genügen. Glyzyl-tyrosin könnte be- stehen bleiben. Dieses Dipeptid ergibt mit Alanin verkuppelt das ge- wünschte Glyzyl-tyrosyl-alanin. Es werden sich bei verschiedenen Proteinen gewiß ebenfalls Bruchstücke finden lassen, die einzelnen davon gemeinsam sind. Manche dagegen werden überhaupt keine identischen Abbaustufen aufweisen. Bestimmen wir den Gehalt eines bestimmten Eiweißes an Aminosäuren und füttern wir dann ein Tier damit, dann ergibt uns die Analyse der verschiedensten Gewebsproteine eine Ant- wort darauf, ob direkte Beziehungen zu dem aufgenommenen Protein vorhanden sind. Es sei gleich hier bemerkt, daß der Versuch, die Eiweißkörper des Blutplasmas durch die Art des verfütterten Proteins 1) Vgl. S. 367. 0 Vgl. S. 357. 492 XXIV. Vorlesung. ZU beeinflussen, ein negatives Ergebnis hatte.') Am besten wählen wir zu einem solchen Experimente einen Eiweißkörper, der sich in seiner Zu- sammensetzung möglichst scharf von derjenigen der Proteine des Blut- plasmas unterscheidet. Ein derartiges Protein ist das (lliadin. Es enthält auffallend viel Glutaminsäure, und zwar etwa viermal so viel, wie die Plasmaeiweißkörper. Dem Versuchstier, einem Pferde, wurden zunächst beim Beginne des Versuches sechs Liter Blut entzogen. Aus diesem wurden die Serumeiweißkörper abgetrennt und ihr Gehalt an Glutaminsäure und Tyrosin festgestellt. Nach acht Tage langem Hungern wurden nochmals sechs Liter Blut abgelassen und wiederum der Gehalt an den genannten Aminosäuren in den Eiweißkörpern des Blutplasmas bestimmt. Nunmehr erhielt das Versuchstier große Mengen von Gliadin. Das einige Zeit nach erfolgter Fütterung entnommene Blut enthielt Eiweißkörper, die die gleichen Mengen Glutaminsäure und Tyrosin aufwiesen, wie die des normalen Blutes. Es war somit nicht gelungen, die Zusammensetzung der Eiweißkörper des Blutplasmas durch Verfütterung einer bestimmt zusammengesetzten Eiweiß- art zu beeinflussen, trotzdem infolge des sehr großen Blutverlustes das Ver- suchstier unzweifelhaft gezwungen worden w^ar, sein Blut rasch wieder zu ergänzen. Sehr klar liegen die Verhältnisse beim wachsenden Tier und insbesondere beim Säugling. Dieser nimmt in seiner Nahrung, der Milch, immer in engen Grenzen das gleiche Gemisch von Eiweißstoflen auf. Neben Kaseino- gen finden sich in der Milch noch Albumine, Globuline und in Alkohol lösliche Eiweißstotfe. Aus diesen Proteinen bildet der rasch wachsende Organismus all die verschiedenartigen Proteine seiner (Tewebe. Es ent- stehen Haare, Nägel, die Eiweißkörper des Blutes, der einzelnen Zellen, der Sekrete usw. Keines dieser Proteine zeigt direkte Beziehungen zu den Eiweißkörpern der Milch. Kaseinogen finden wir nirgends im Organismus als in der sezeniierenden Brustdrüse. Die Albumine und Globuline der Gewebe und der Körperflüssigkeiten sind andere als die entsprechenden Proteine der Milch. Bildet der Organismus die Eiweißkörper der Milch, dann muß er sie neu bilden. Solange der Fötus im Mutterleibe seine ver- schiedenartigen Gewebe aufbaut, ist er auf die Eiweißstofte des mütter- lichen Blutplasmas angewiesen. Auch diese s:cigen keine direkten Bezie- hungen zu den Proteinen der sich bildenden und wachsenden Organe. Wir sehen ferner beständig Blut an den Zellen der Speicheldrüsen vorbeiströmen und beobachten, daß diese nach außen Muzin abgeben, eine Eiweißart, die dem Blute nicht zukommt. Zwar soll das Plasma einen muzinartigen Körper aufweisen, doch ist es mehr als fraglich, ob er in Beziehungen zum Muzin des Speichels steht. Jedenfalls werden Müzine auch dann ge- bildet, wenn die Nahrung vollständig frei von solchen oder diesen ähnlichen Proteinen ist. Die Zahl der Beispiele, die beweisen, daß der tierische Organismus seine ]^roteine selbst bereitet und sie nicht direkt übernimmt, ließe sich leicht vermehren. Die gegebenen dürften genügen, um den Be- weis zu liefern, daß der tierische Organismus sich bei der Bereitung der Zelll)estandteile nicht nach der Art der aufgenommenen Nahrungsstofte richtet. *) Emil Abderhalden uud Franz Samuely: Zeitschr. f. physiol. Chem. 46. 193 (1905). — E. Abderhalden, Casimir Funk und F. S. London: Kbenda. 51. 269 (1907). EiweitJstoffe und ihre Bausteine 493 Die folgende Zusammenstellung VI gibt einen Überblick über das Re- sultat der vergleichenden Bestimmung der Zusammensetzung von Proteinen der Milch und von einzelnen Eiweißkörpern des tierischen Organismus. Eine solche Tabelle kann natürlicb nur einen sehr rohen Einblick in den Aufbau der erwähnten Proteinarten geben. Würden wir an Stelle der Zahlen für die Ausbeuten an den einzelnen Aminosäuren die Strukturfor- meln der einzelnen Proteine setzen können, dann würde der Vergleich sich viel eindrucksvoller gestalten und jeden Zweifel ausschließen, daß dem Umbau eines bestimmten Proteins in ein anderes ein sehr eingreifen- der, tiefer Abbau voraus2:ehen muß. Nahrungs- eiweiß-) Kasein'') Glykokoll 0 Alanin 09 Aminovaleriansäure . . 10 Leuzin 105 Serin 02 Zystin 007 Asparaginsäure .... 12 Glutaminsäure 110 Lysin öS Arginin 48 Phenylalanin H-2 Tyrosin 45 Prolin 81 Histidin 2M) Albu- min 0 2-5 0-9 19-5 ( i e w e 1) s e i w e i ß 1-0 100 2-4 10 4-0 Serum- :) 1 h u m i n 0 2-7 vorhanden 200 0-6 2-3 3 1 77 31 21 10 Serum- Globiu aus globulin Hämoglobin 3-5 2-2 18- 0-7 2-5 8-5 3-8 2-5 2-8 0 4-2 vorhanden 29-0 0-6 0-3 4-4 1-7 4-3 5-4 4-2 1-5 2-3 ll-O e b s 6 i w e i Ü Fibrin Glykokoll Alanin Aminovaleriansäure Leuzin Serin vorhanden Z\'stin — Asparaginsäure .... Glutaminsäure .... Lysin Arginin Phenylalanin Tyrosin Prolin Histidin 3-0 3-6 10 15-0 20 8-0 20 3-5 2-5 tHiston aus Thymusdrüse 0-5 3-5 11-8 0-5 6-9 15-5 2 2 5-2 1-5 1-5 Elastiu 260 6-6 10 21-4 0-8 0-3 3-9 0-34 1-7 Kerati u 4-7 1-5 0-9 71 0-6 100 3-7 3-2 3-4 *) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 44. 17 (1905); Zentralbl. f. Stoffwechsel- und Verdauungskrankheiten. 5. 647 (1904); Med. Klinik. I.Nr. 1 und 2(191)5). ^) Die Zahlen beziehen sich auf lÜO y aschefreies, bei llü" bis zur Gewichts- konstanz getrocknetes Eiweiß. ') Kaseinogen ist ähnlich zusammengesetzt. 494 XXIV. Vorlesung:. Wir sind absichtlich etwas ausführlich auf die Frage nach dem Abbau der Proteine im Magendarmkanal eingegangen. Die Erörterung der Schwierigkeiten, die sich einer exakten Beantwortung des gestellten Problemes entgegenstellen, zeigt an einem an und für sich recht einfachen Beispiel, W'ie schwer es ist, eindeutige Beweise zu erbringen, sobald wir es mit Vorgängen im lebenden Organismus zu tun haben. Solange es sich zunächst nur um qualitative Studien handelt, können wir in vielen Fällen ganz klar sehen, sobald jedoch die Quantität ausschlaggebend wird, mehren sich die einer exakten Bestimmung entgegenstehenden störenden iMomente, Der tierische Organismus arbeitet überall mit Spuren. Ein \'or- gang folgt dem andern unmittelbar. Nirgends kommt es unter normalen Verhältnissen zur Anhäufung von Zwischen- und Abbaustufen im StoÖ- wechsel. Können wir somit zurzeit nicht mit Bestimmtheit den Grad des^ Abbaues der Proteine im Magendarmkanal abgrenzen, so ist doch soviel ganz sicher festgestellt, daß eine sehr weitgehende Zerlegung der aus den Eiweißstoffen hervorgehenden Peptone stattfindet. Dadurch wird bewirkt, daß jede einzelne Zelle Bausteine zur Verfügung hat, die in nichts mehr an die Struktur des Ausgangsmateriales erinnern. Ob nun diese Bausteine durchwegs Aminosäuren sind, oder ob auch zusammengesetzte Verbindungen als Baumaterial in Betracht kommen, ist für die ganze Fragestellung nicht wesentlich. Die Hauptsache ist, daß auf direktem und in- direktem Wege der Beweis geführt worden ist, daß die Proteine der Nahrung erst dann für den Organismus ver- wertbar sind, wenn eine weitgehende Zerlegung einge- treten ist. Die Feststellung, daß die Eiweißstoffe der Nahrung im Magendarmkanal einem weitgehenden Abbau unter- liegen, ehe sie zu Eiweißstoffen derGe webe werdenkönnen, setzt voraus, daß der tierische Organismus die Fähigkeit besitzt, aus den gebildeten Bruchstücken Eiweiß aufzu- bauen. Daß er diese Synthese wirklich durchführen kann, beweisen Ver- suche, bei denen Tieren kein Eiweiß, sondern Peptone verabreicht wurden i), ja 0. Loeivi^) vermochte sogar mit einem Produkte, das keine Biuretre- aktion mehr ergab, Hunde im Stickstoftgleichgewicht zu erhalten. W^r sprechen dann von „Stickstoffgleichgewicht", Avenn das Versuchs- tier gleichviel Stickstoff ausscheidet, wie es aufgenommen hat. In neuerer Zeit hat sich allerdings ergeben, daß nur sehr lange dauernde Versuche eindeutig sind. Es gelingt nämlich auch mit sehr großen Mengen von Kohlehydraten und Fetten die Stickstoffausscheidung stark einzuschränken.-^) Durch Zusatz von Ammonsalzen kann die Stickstoffbilanz ebenfalls stark ») Vgl. z. B. Leon Blum: Zeitschr. f. phvsiol. Chem. 30. 15 (1900). — A. EWngcr: Zeitschr. f. Biol. 15. 201 (18%). — Maly: Pflüger?, Archiv. 9. 585 (1874). — PUsz uud Gjiergyai: Pflügera Archiv. 10. 536 (1875). 2) O. Loewi: Arch. f. cxperim. Path. und Pharmak. 48. 303 (1902). — Vffl. ferner V. Henriques und Hansen: Zeitschr. f. physiol. Chem. 43. 417 (1905); 48. 383 (1906); 49. 113(1906). — V. Henriques: Ebenda. 54. 406 (1908); 60. 105(1909). — G. Buqlia: Zeitschr. f. Biol. 57. 365 (1912). — Vgl. auch IL Lüthje: Pflügers Arch. 113. 547 (1906) ^) Vgl. z. B. Emil Abderhalden und Paul Hirsch: Zeitschr. f. physiol. ('hcni 80 136 (1912). — Karl Thomas: Archiv, f. (A.nat. u.) Physiol. Suppl. 249 (1910). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 495 beeinflußt werden, d. li. durch eine ganze Reihe von iMaßnahmen kann wenigstens für einige Zeit der Stickstoffstoffwechsel ganz wesentlich be- einflußt werden, ij Eine eindeutige Beweisführung für die Annahme einer Synthese von Eiweiß im tierischen Organismus aus Aminosäuren war erst möglich, nachdem Methoden bekannt geworden waren, die eine genaue Analyse desjenigen Produktes zuließen, das verfüttert werden sollte. Es zeigte sich nämlich, daß die Biuretreaktion eines Eiweißabbaugemisches negativ ausfallen kann, trotzdem der Abbau noch lange nicht ein voll- ständiger ist. 2) Jetzt können wir den Abbau eines Proteins — er wird zu Fütterungsversuchen zumeist mit Fermenten herbeigeführt — leicht kontrollieren, indem wir z. B. die freien Amino- bzw. Karboxylgruppen bestimmen. Finden wir, nachdem das Verdauungsprodukt mit rauchender Salzsäure gekocht worden ist, daß keine Vermehrung der betreffenden Gruppen eintritt, dann wissen wir, daß keine hydrolysierbaren, polypeptid- artigen Verbindungen mehr zugegen sind. Ferner können wir die einzelnen Aminosäuren vor und nach erfolgter Hydrolyse mit Säuren bestimmen. Es sind übrigens auch Versuche mit Produkten ausgeführt worden, die durch Kochen mit Säuren aus Eiweiß bereitet worden waren. Man muß hierbei die Hydrolyse sehr vorsichtig und ganz allmählich herbeiführen, weil sonst einzelne Aminosäuren — insbesondere das Tryptophan — ver- ändert werden. Es sind zahlreiche Versuche mit verdauten Proteinen, die nur noch aus Aminosäuren bestanden, ausgeführt worden. 3) Als Versuchstier diente der Hund. Es gelang, nicht nur Stickstoffgleichgewicht zu erzielen, sondern auch Zurückhaltung von Stickstoft' zu erhahen. Die Untersuchungen sind zum Teil an erwachsenen, zum Teil an wachsenden Tieren ausgeführt worden. Ferner wurden auch solche verwendet, die lange Zeit gehungert und infolgedessen einen großen Verlust an Körper- gewicht erlitten hatten. Es gelang, wachsende und ausgehungerte Tiere zu ganz beträchtlichen Zunahmen des Körpergewichtes zu veranlassen, wenn die Nahrung auch nicht die Spur von Ei-weißstoften, Peptonen oder Polypeptiden enthielt, sondern ausschließlich aus Aminosäuren bestand. Da erstens bei vielen dieser Versuche eine bedeutende Zunahme an Körpergewicht stattgefunden hat, und die Versuche zum Teil mehrere Wochen umfaßten, so ist ein- deutig bewiesen, daß der tierische Organismus Eiweiß aus Aminosäuren bilden kann. *) E. Gräfe, V. Schlüpfer, K. Turban und H. Wintz: Zcitschr. f. physiol. Chem. 77. 1 (1912); 78. 485 (1912); 83. 25 (1913); 84. G9 (1913); 86. 283 (1913)! — Ernst Feschek: Biochem. Zeitschr. 45. 243 (1912); 52. 275 (1913). — Emil Abderhalden, Paul Hirsch und Arno Ed. Lampe: Zeitschr. f. physiol. Chem. 78. 1 (1912); 80. 136, 160 (1912); 81. 323 (1912); 82. 1, 21 (1912). - Emil Abderhalden: Ebenda. 96. 1 (1915). — Hans Gessler: Ebenda. 109. 280 (1920). 2) E. Abderhalden und O. J'ri/m : Zeitschr. f. physiol. Chem. 53. 320 (1907). ^) Emil Abderhalden und Peter Bona, Berthold Oppler, fJ. S. London, Josef Olin- qer, Emil Messner, Heinrich Windrath, Eranz Erank, Alfred- Schilf enhelm, Oskar Frank, Fidel Glainser, Akikazu Suwa: Zeitschr. f. physiol. Chem. 42. 528 (1904); 44. 198 (1905); 47. .397 (1906); 51. 226(1907): 52. 507 (1907); 54. 80 (1907); 57, 74, 348 (1908); 59. 35 (1909); 61. 194 (1909); 63. 158 (1910): 65. 285 (1910); 67. 405 (1910): 68. 416 (1910): 76. 22 (1912); 83. 444 (1913). 496 XXIV. Vorlesung. Es seien einige der wichtigsten Ergebnisse der Fütterungsversuche mit vollständig abgebautem Eiweiß mitgeteilt. Gleichzeitig sei bemerkt, daß auch die Kohlehydrate, Fette, Phosphatide und die Nukleoproteide in abgebautem Zustande zugegen waren. Ferner waren die anorganischen Stoffe aus ihren Bin- dungen herausgelöst. Ein junger Hund erhielt während drei Wochen vollständig abge- bautes Pferdefleisch. Er nahm olO^/ an Körpergewicht zu. Ein Dachshund hungerte 17 Tage. Er verlor 1100g an Körpergewicht. Nach Verfütterung von vollständig abgebautem Fleisch wurde der Gewichtsverlust wieder ausgeglichen. Ein weiteres \'ersuchstier behielt sein Körpergewicht bei, als es 36 Tage ausschließlich die gleiche Nahrung erhielt. Schließlich sind langfristige Versuche mit vollständig abgebautem Eiweiß, bzw. Fleisch ausgeführt worden. Die Kohlehydrate waren durch Traubenzucker, die Fette durch ein Gemisch von Glyzerin und Palmitin-, Stearin- und Ölsäure und die Nukleinsäuren durch ihre Bausteine ver- treten. Ferner wurden die anorganischen Nahrungsstoffe in Form von Knochenasche verabreicht. Das Versuchstier erhielt somit aus- schließlich die Bausteine der Nahrungsstoffe. Drei derartige Versuche dauerten 74 Tage. Das Körpergewicht hatte bei den beiden jungen Tieren beträchtlich zugenommen (1200 und 1000 (/). Schließlich ist auch versucht worden, das vollständig abgebaute Eiweiß durch eine Mischung von reinen Aminosäuren zu ersetzen. Es gelang auch, damit annähernd Stickstoflfgleichgewicht zu erhalten, doch sind die einzelnen Versuche nicht sehr lange durchgeführt worden (8 und 7 Tage). Schließlich wurde ein Hund 100 Tage lang ausschließlich mit abgebautem Fleisch ernährt. Dem Versuche war eine Hungerperiode von 23 Tagen voraus- gegangen. Das Versuchstier hatte 6700 g an Körpergewicht verloren. Am Schlüsse des lOOtägigen Versuches war das Körpergewicht um 9900^ gestiegen. Aus den eindeutigen Ergebnissen der Fütterungsversuche an Hunden ergibt sich, daß diese Tiere sämtliche Zellbestandteile syn- thetisch bereiten können, wenn ihnen die Bausteine der einzelnen N ah rungs Stoffe zur Verfügung stehen. Diese Beobachtung zwingt uns, die bisherige Definition der Nahrungsstoffe zu ändern. Bisher wurden als organische Nahrungsstoffe Kohlehydrate, Fette und Ei weiß Stoffe be- zeichnet. Jetzt wissen wir, daß jede einzelne Gruppe durch den Zusatz „oder ihre Bausteine" ergänzt werden muß. Es ist nicht nötig, daß wir in unserer Nahrung Eiweißstoffe auf- nehmen, es genügt, wenn ihre Bausteine, die Aminosäuren, zugegen sind. Mit der Feststellung, daß es gelingt, den tierischen Organismus mit den Bausteinen der Nah rungs Stoffe zu ernähren, ist ein Problem gelöst worden, das von jeher der Traum der Naturforscher war, nämlich dasjenige der künstlichen Gewinnung der Nahrungsstoffe. ^) Da wir alle Uausteine der organischen Nahrungsstoffe synthetisch bereiten können, so *) Vgl. Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 77. 22 (1912); Synthese ilor Zellbausteine in Pflanze und Tier. J. Springer, Berlin 1912. Eiweißstort'e und ihre Bausteine. 497 sind wir auch imstande, die Nahrung im Laboratorium synthetisch zu bereiten. Allerdings erhalten wir zunächst die inaktiven Bausteine. Wir müßten sie noch in ihre optisch-aktiven Anteile zerlegen. Selbstver- ständlich handelt es sich nur um eine prinzipielle Lösung jenes wichtigen Problemes. Die Darstellung der einzelnen Bausteine würde viel zu teuer werden und außerdem einen großen Aufwand an Zeit und Arbeitskräften erfordern. Die Pflanze arbeitet viel billiger und vor allem auch viel zweck- mäßiger. Dadurch, daß die chemische Forschung schon wiederholt bei der Bereitung von Farbstoffen, von Alkaloiden usw. der Pflanze erfolgreich Konkurrenz machte, hat sie mehr zur Lösung des Problems der Gewinnung von Nahrungsstoffen beigetragen, als sie wohl je durch die Synthese der einzelnen Bausteine leisten wird; denn dadurch, daß große Länderstrecken, die zum Anbau von Pflanzen verwendet werden, die Alkaloide, Farbstoffe usw. liefern, frei werden, wird Land zur Anpflanzung von Getreide, von Kartoffeln usw. zur Verfügung gestellt. Die Lösung des Problems der künstlichen Darstellung der organischen Nahrungsstoffe erschien noch vor kurzem, in weiter Ferne zu liegen, glaubte man doch abwarten zu müssen, bis es dem Chemiker gelungen sei, die Struktur der Proteine, der Phosphatide und Nukleoproteide aufzuklären. Jetzt wissen wir, daß es ein ganz unnötiges Beginnen wäre, zusammen- gesetzte Nahrungsstoffe aufzubauen, weil sie ja doch vor ihrer Über- nahme in die Gewebe im Magendarrakanal in weitgehender Weise zerlegt werden, und es wohl ganz ausgeschlossen ist, Verbindungen zu bereiten, die vom tierischen Organismus ohne Ab- und Umbau verwertet werden können. Obwohl die mitgeteilten Beobachtungen genügen, um zu beweisen, daß eine Synthese der Nahrungsstoffe möglich ist, haben wir weitere Versuche unternommen, Mäuse und Ratten mit Bausteinen der zusammen- gesetzten organischen Nahrungsstoffe durch längere Zeit hindurch zu ernähren, die fast alle synthetisch gewonnen worden waren. Dazu er- hielten die Tiere die notwendigen Mineralstofife und Wasser. Bei einem Teil der Versuche erfolgte außerdem noch ein Zusatz einer kleinen Menge von Material, wie Hefe, Kleie, Kohl usw., das Nutramine^) enthielt. Es gelang, während längerer Zeit Stickstoffgleichgewicht zu erzielen.') Es ist selbstverständlich noch unentschieden, ob jede Tierart der gleich umfassenden Synthesen fähig ist. Wir wissen, daß manche Organismen Phosphatide synthetisch bereiten können, auch wenn die Bausteine nicht in der Nahrung enthalten sind.») Es ist wohl möglich, daß anderen Tieren diese Fähigkeit abgeht. Im Prinzip dürften wohl alle tierischen Organismen mit den Bausteinen der Nahrungsstoflfe auskommen. Versuche am Menschen zeigten, daß auch er vollständig abgebautes Eiweiß verwerten kann.*) ») Vgl. S. 77, 107. *) Vgl. Emil Abderhalden: Pßügers Archiv. 195. 199 (1922). ') Vgl. S. 298. *) Vgl. Emil Abderhalden, Franz Frank und Alfred Schittenhelm : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 63. 215 (1909). — Franz Frank und Alfred Schittenhelm: Münchener med. Wochenschr. 58. Nr. 24 (1911). A b d e rh a I d li D , Physiologische Chemi«. I.Teil, 5. Aaü. 32 498 XXIV. Vorlesung. Es fragt sich, ob es möglich ist, Tiere dauernd mit den Bausteinen der Nahrungsstoffe zu ernähren. Ferner ist die Frage zu entscheiden, ob vollständig abgebaute Nahrungsstoffe den nicht abgebauten völlig gleichwertig sind. Die erstere Frage ist deshalb schwer zu entscheiden, weil jede Art der Ernährung, wenn sie gleichartig ist, Schwierigkeiten bereitet. Die Versuchstiere verweigern schließlich die Nahrung. Ernährt man sie unter Zwang, dann antworten sie mit Erbrechen. Es scheint ferner, daß bei dauernder Ernährung mit vollständig abgebauten Nahrungsstoffen die Darmschleimhaut schließlich geschädigt wird. Allerdings treten nach unseren Erfahrungen derartige Erscheinungen erst nach monatelangem Füttern mit den Bausteinen der Nahrungsstoffe auf. Endlich greift hier das Problem bisher noch unbekannter, in sehr kleinen Mengen notwendiger Nahrungsstoffe ein. Wir kommen darauf noch eingehend zurück. A priori sollte man erwarten, daß die Ernährung mit den Bausteinen der Nahrungsstoffe derjenigen mit den in der Natur vorkommenden zu- sammengesetzten Produkten nicht gleichwertig sein kann. Einmal umgehen wir dadurch, daß die Nahrungsstoffe außerhalb des Organismus vollständig gespalten werden, einen wichtigen Regulationsmechanisraus im Darmkanal, nämlich den stufen weisen Abbau. Normalerweise bilden sich im Darmkanal die einfachsten Bausteine immer nur in Spuren. Stets folgt ihrer Bildung sofort die Resorption. Auf diese Weise wird verhindert, daß eine Über- schwemmung des Organismus mit den im Darm entstehenden Abbaustuten eintritt. Es ist sehr überraschend, daß die vollständig abgebauten Nahrungs- stoffe — wenigstens gilt dies für die Eiweißstoffe bzw. die aus ihnen gewinnbaren Aminosäuren — den nicht im abgebauten Zustande zuge- führten Verbindungen gleichwertig zu sein scheinen, i) Einzelne Autoren fanden geringe Unterschiede 2), doch dürften diese sicher zum Teil darauf zurückzuführen sein, daß einzelne Bausteine im Verdauungsgeraisch sekundär verändert waren. Wird nämlich die Verdauung nicht streng steril durch- geführt, dann kommt es immer zur Bildung von Aminen aus bestimmten Aminosäuren. Nimmt die Umwandlung von Aminosäuren einen größeren Umfang an, dann wird das ganze Gemisch entwertet, wenn eine uner- setzbare Aminosäure von der Veränderung betroffen wird. Die Feststellung, daß die zusammengesetzten Nahnings- stoffe durch ihre Bausteine ersetzbar sind, und ihre besondere Struktur von keiner Bedeutung für jenen Organismus ist, der sich mit ihnen ernähren will, sofern er das zusammengesetzte Produkt mittels seiner Fermente zerlegen kann, hat einem ganzen Heer von Fragestellungen eine sichere Grundlage ge- geben. Zunächst können wir uns die Frage vorlegen, welche Bausteine der einzelnen Nahrungsstoffe unbedingt notwendig sind, und welche entbehrt werden können. Die einzelnen Versuche können dadurch zu eindeutigen gemacht werden, daß wir zunächst das vollständige Gemisch der Bausteine verfüttern, dann einen bestimmten Baustein ent- ') Vgl. z. B. C. Michaud: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 59. 405 (1909). — Franz Frank und Alfred Schittenhelm : Ebenda. 70. 98 (1910); 73. 157 (1911). — Emil Ab- derhalden: Ebenda. 77. 22 (1912). 2) Vgl. hierzu E. Voit und J. Zisterer: Zeitschr. f. Biol. 53. 4ri7 (1910). Kiweißstotie nnd ihre Bausteine. 499 fernen nnd schließlich den Versuch nach Zugabe des fortgenommenen Bausteines fortsetzen. Erweist sich ein bestimmter Baustein als unent- behrlich, d. h. ist das übrige Gemisch der Bausteine nicht mehr aus- reichend, dann ergibt sich die Frage, ob nicht eine einfachere Abbaustufe der betreffenden Verbindung für sie eintreten kann. Auf diesem Wege ist es möglich, zu bestimmen, bei welcher Grenze die synthetischen Fähigkeiten jedes einzelnen tierischen Organismus ein Ende finden. So ist versucht worden Ty rosin durch p-Oxyphenylbrenztrauben- säure plus Ammonsalz und* Phenylal anin durch Phenylbrenz- traubensäure plus Ammonsalz zu ersetzen. Auch die entspechenden Amine der genannten Aminosäuren wurden auf ihr Vermögen, für diese einzutreten, untersucht. Die Ergebnisse waren negativ. Diese Untersuchungen müssen weiter ausgebaut werden. Vielleicht waren die gewählten Ver- such sbedingungen nicht die richtigen. Die bisherigen Versuche haben ergeben, daß.Glykokoll ent- behrlich ist. Der tierische Organismus kann diese Aminosäure in großer Menge selbst bereiten. Kasein enthält kein Glykokoll. Dieses Protein reicht jedoch aus, um als einzige Eiweißverbindung bzw. in Form seiner Aminosäuren Stickstoflfgleichgewicht herzustellen. Tyrosin und Phenyl- alanin^) sind unersetzbar. Dagegen können sich beide Aminosäuren gegenseitig vertreten. 2) Prolin ist offenbar entbehrlich. Der tierische Organis- mus bildet diese Aminosäure vielleicht aus Glutaminsäure über die Pyrrolidon- karbonsäure.3) Nicht fehlen darf das Zystin*), dem eine wichtige Rolle beim Wachstum und bei den Oxydationsvorgängen in den Zellen zukommt. Auch Argini n, Lysin und Histidin sind nicht ersetzbar. &) Vielleicht können einzelne Monoaminosäuren der 6-Kohlenstoffreihe sich vertreten.^) Die Dikarbonsäuren A s p a r a g i n - und Glutaminsäure scheinen auch unentbehrliche Eiweißbausteine zu sein^). Als eine unentbehrliche Aminosäure erwies sich ferner auch das Tryptophan.'') Ernährt man z. B. Hunde oder Ratten mit vollständig ab- gebautem Kasein, dann läßt sich mit einer bestimmten Menge Stickstoff Stickstoffgleichgewicht herstellen. Gibt man alle Aminosäuren des Kaseins im gleichen Mengenverhältnis ohne Tryptophan, dann genügt das Amino- ^) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 76. 1 (1915); Pßügers Arcb. 195. 199 (1922). *) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 96. 1 (1915); Pßügers Archiv. 195. 199. (1922). — H. B. Lewis: The of biol. Chemie. 31. 363 (1917); 42. 289 (1920). — Carl 0. Johns und A. J. Türks: Ebenda. 41. 379 (1920). — Barnett Sure: Ebenda. 50. 103 (1922). =>) Vgl. S. 334. *) Vgl. Thomas B. Osborne und Leonh. B. Mendel: The J. of biol. Chem. 25. 1 (1916); 26. 293 (1916). — H. H. Mitchell: Ebenda. 26. 231 (1916). — A. Akroijd und F. G. Hopkins: Biochem. J. 10. 551 (1916). — Emil Abderhalden : Pßügers Archiv. 195. 199. (1922). *) Vgl. PJmil Abderhalden: Pßügers Archiv. 195. 199 (1922). — G. J. Shiple und Carl P. Shernin [Journ. of the American Chem. Soc. 44. 618 (1922)] sind der Ansicht, daß der Mensch Glutamin aufl)auen kann. ") Willkock und F.G. Hopkins: Journ. of Physiol. 35. 88 (1907). — Emil Abder- halden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 57. 348 (1908): 77. 22 (1912); 83. 444 (1913). — Vgl. auch Thomas B. Osborne und Leonh. B. Mendel: The .1. of biol. Cheniie. 25. 1 (1916). ') Vgl. hiezu auch H. li. Lewis und L. E. lioot : The of biol. Chem. 43. 79 (1920). 32* 500 XXIV. Vorlesung. Säuregemisch nicht mehr. Es wird bedeutend mehr Stickstoff ausgeschieden als aufgenommen wurde. Vielleicht gestattet diese Beobachtung festzu- stellen, wieviel Eiweiß der tierische Organismus täglich neu aufbaut. Es ist vermutet worden, daß das Tryptophan — und das Gleiche gilt auch für die übrigen unersetzbaren Aminosäuren — als solches im tierischen Organismus eine bedeutsame Rolle spielt und aus ihm ferner ein Produkt gebildet wird, das bei bestimmten Organfunktionen und vor allem für den normalen Ablauf des Zellstoflfwechsels unentbehrlich ist. Gewiß ist die Störung des Stickstoffgleichgewichtes beim Fehlen des Tryptophans nicht nur nach dieser Richtung zu suchen. Es wäre sonst nicht recht einzusehen, weshalb die negative Stickstoffbilanz so rasch eintritt. Offenbar liegen die Verhältnisse, wie folgt. Der tierische Organismus, wenigstens gilt dies für die untersuchten Tierarten (Hund, Maus, Ratte), vermag nicht, Trypto- phan synthetisch zu bilden. Fehlt nun diese Aminosäure in der Nahrung, so vermag er aus den übrigen Bausteinen kein Zelleiweiß zu bereiten, weil zum Aufbau der Gewebsproteine Tryptophan notwendig ist. Es sind dann in gewissem Sinne alle zugeführten Bausteine wertlos, wenn man sie nach ihrer Befähigung, Eiweiß zu bilden, beurteilt, und der Organismas nicht gerade ein Protein aufzubauen hat. an dessen Aufbau Tryptophan nicht beteiligt ist. Fügt man dem Aminosäuregemisch, dem man Tryptophan entzogen hat, diese Aminosäure wieder hinzu, dann ist es wieder vollwertig. Es wird nun sehr interessant sein, festzustellen, ob einfachere Abbaustufen des Tryptophans für diese Verbindung eintreten können, d. h. es wird zu prüfen sein, welches Bruchstück dieser Aminosäure zu ihrer Synthese durch den tierischen Organismus noch genügt. Es gibt nun Proteine, die, wie eine reiche Erfahrung gezeigt hat, als Nährmaterial nicht vollwertig sind. Dahin gehört z.B. die G e 1 a t i n e. Sie genügt nicht, um den tierischen Organismus dauernd im Stickstoftgleich- ge wicht zu halten. Nun fehlt dem Leim das Tryptophan und auch das Tyrosin. Phenylalanin ist nur in geringen Mengen zugegen. M Sollte das Fehlen der genannten beiden Aminosäuren die Ursache dafür sein, daß die Gelatine nicht vollwertig für die übrigen Eiweißstoffe eintreten kann? Es ist in der Tat gelungen, durch Zusatz der fehlenden Amino- säuren und Zugabe jener Bausteine, die in der Gelatine in nur geringen Mengen zugegen sind, vollständig abgebaute Gelatine für die Ernährung vollwertig zu machen. 2) Fassen wir alle erwähnten Beobachtungen zusammen, dann ergibt sich, daß es gelingt, Eiweiß vollständig durch seine Bausteine zu ersetzen. Der tierische Organismus hat die Fähigkeit, aus Aminosäuren Eiweiß aufzubauen und auch die übrigen mit diesem oder seinen Abbauprodukten in Zusammenhang stehen- den Funktionen mit den Bausteinen der Proteine zu bestreiten. *) Die käufliche Gelatine enthält oft Tyrosin, weil ihr noch andere Proteine hci- gemengt sind. Darauf ist hei Stoffwechselversuchen nicht immer Rücksicht genommen worden. ^) Emil Abderhalden und IHmitrie Manoliv : Zeitscli. f. physiol. Chemie. 65. 'i'M\ (1910). Emil Abderhalden: Ehenda. 77. 22 (1912). - Vgl. hierzu auch M. Kauff- mann: Pßügers Archiv. 109. 1 (1905). — F. Rona und W. Müller: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 50." 203 (1907). Kiweißstofte und ihre Bausteine. 501 Man kann somit mittels Pepsin, Trypsin und Erepsin Eiweiß außerhalb des tierischen Organismus vollständig abbauen und damit in gewissem Sinne der ganzen Verdauung vorgreifen. Die verabreichten Abbauprodukte werden resorbiert und gerade so gut verwertet, wie wenn Eiweiß in den Magendarmkanal eingeführt worden wäre. Darf man aus diesen Tatsachen den »Schluß ziehen, daß die Proteine im Darmkanal vollständig bis zu den Aminosäuren abgebaut werden, und nur diese einfachsten Bausteine zur Resorption gelangen? Wir müssen das verneinen. Eine solche Schluß- folgerung wäre nicht genügend gestützt. Unsere Fragestellung war: Gelingt es. Eiweiß vollständig durch Aminosäuren zu ersetzen? Diese Frage ist bejaht worden, d. h. der tierische Organismus versagt auch dann nicht, wenn er gezwungen wird, sich ausschließlich mit den einfachsten Bausteinen zu behelfen. Die weitere Frage ist nun die, ob der tierische Organismus auch unter normalen Verhältnissen die Proteine soweit abbaut. Wir sind damit wieder bei den schon früher erwähnten SchAvierigkeiten angelangt. Sie haften jeder indirekten Beweisführung an. Wir können jedenfalls zum Ausdruck bringen, daß der Annahme einer vollständigen Zerlegung der Peptone zu Aminosäuren im Darmkanal in- sofern kein Hindernis entgegensteht, als der tierische Organismus seine Proteine aus Aminosäuren aufbauen kann und bei den übrigen mit dem Eiweiß bzw. seinen Abkömmlingen zusammenhängenden Vorgängen wohl fast ausnahmslos von diesen ausgeht. Die Annahme, daß der Abbau der Proteine im Darmkanal wenigstens soweit führen muß, bis jeder einzelnen Eiweißart ihre besondere Struktur genommen ist, hat eine sehr große Stütze durch biologische Experimente erhalten. i) Führen wir einen Ei- weißkörper direkt in die Blutbahn oder ganz allgemein parenteral ein, dann ergeben sich Erscheinungen, die man nicht beobachtet, wenn das Protein per os gegeben wird und der Verdauung unterliegt. Wir haben bereits früher die Präzipitinbildung und das Auftreten einer Sensibilisierung (Anaphylaxie) erwähnt.-) Ferner beobachten wir regelmäßig das Auf- treten von Fermenten im Blutplasma, die Eiweiß abbauen können, sobald nicht umgebautes Eiweiß direkt in die Blutbahn gelangt, ^i Diese Fest- stellung ist deshalb von besonderem Interesse, weil sie uns eine Er- klärung dafür abgibt, daß der tierische Organismus auch parenteral zuge- führte Eiweißstotfe verwerten kann.*) Er holt in der Blutbahn den Abbau ') Schon Hamintrger (Arteigenheit und Assimilation. Franz Deuticko, Leipzig und Wien 1903) hat aus den vorliegenden Erfahrungen der eiffeuartigen Reaktionen des Organismus, sohald ihm Proteine parenteral zugeführt werden, den Schluß gezogen, daß die Verdauung den genannten Zweck hat. — V'gl. auch Ludimar Hermann: Ein Beitrag zum Verständnis der Verdauung und Ernährung. Antrittsvorlesung 2;'). Nov. 1868. Meyer und Zeller. Zürich 1869. — Huppert: Über die Erhaltung der Arteigen- fechaften. Joseph Koch. Prag 1896. — Emil Abderhalden: Der Artenlegriff und die Arten- koDStanz auf biologisch-chemischer Grundlage. Naturwiss. Rundschau. 19. Nr. 44 (1914). *) Vgl. S. 402. ') Yg\. Emil Abderhalden: Abderhaldensche Reaktion. 5. Aufl. J.Springer. Ber- lin 1914. Hier findet sich die ganze liiteratur. *) Vgl. hierzu Carl Oppenheimer: Hofmeisters Beiträge. 4. 263 (1903).— C Friede- mann und R. Isaac : Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther, 1. 513 (1905). — Felix Lommel : Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 58. 50 (1907). — Ernst Heilmr: Zeitschr f. Biol. 50. 502 XXI V. Vorlesung. nach und verwendet dann die Abbaustufen. Ferner zeigen viele Peptone direkt giftige Eigenschaften, wenn sie in die Blutbahn übergeführt werden. Manche sind allerdings wieder ganz ungiftig. 0 Alle diese Beobachtungen stehen im Einklang mit der Annahme, daß auch bei den Proteinen, genau so wie bei den Kohlehydraten und zum Teil auch bei den Fetten die \'erdauung den Zweck hat, nicht nur die hochmolekularen, im kolloiden Znstand befindlichen Verbindungen abzubauen, bis diffundierbare Produkte entstanden sind, sondern darüber hinaus die spezifische Struktur der Nahrungsei weißstotfe zu zerstören. Es werden indifferente Abbaustufen gebildet, die dann von den Körperzellen zu den verschiedensten Zwecken verwendet werden können. Es ist noch unentschieden, ob als in- differentes Material für die Körperzellen nur Aminosäuren in Betracht kommen, oder aber auch aus mehreren Aminosäuren zusammengesetzte Verbindungen. Daß der Abbau im Darmkanal und vielleicht zum Teil erst in der Darmwand bis zu Aminosäuren führt, erscheint sehr wahrscheinlich. Einmal ist es bisher nicht geglückt, in den Geweben und vor allem nicht im Blute in einwandfreier Weise Produkte mit Peptoncharakter nachzuweisen, die sich mit Sicherheit auf von der Darmwand aufgenommene Verdauungsprodukte zurückführen lassen. *) Dagegen sind Aminosäuren, wie wir gleich erfahren werden, zugt^gen. Für die Annahme eines sehr weitgehenden Abbaus der Eiweißkörper im Magendarmkanal sprechen, es sei dies hier nochmals hervorgehoben, die folgenden Momente. Einmal ist der Magendarmtraktus mit Fermenten ausgerüstet, die einen raschen und vollständigen Abbau der Pro- teine ermöglichen. Ferner findet man im Darminhalt alle Amino- säuren und vor allem auch jene, die erfahrungsgemäß erst frei werden, wenn schon der größte Teil der übrigen Aminosäuren in Freiheit gesetzt ist. Endlich ist bewiesen, daß der tierische Or- ganismus nach Verfütterung eines Aminosäuregemisches, das alle unentbehrlichen Bausteine der Proteine enthält, gerade so gut alle mit dem Eiweißstoffwechsel in Zusammenhang stehen- den Vorgänge bestreiten kann, wie wenn Eiweiß verabreicht wird. Schließlich sind die Aminosäuren jene Abbaustufen der Proteine, von denen alle weiteren Fäden des Stoffwechsels ausgehen, und bei denen sie auch zusammenlaufen. Ob nun die Zerlegung der 2(5 (1907). — Leonor Michaelis und Peter Bona: Pflügerv, Archiv. 12t. 163 (1908); 123. 40() (1908): 124. 57H (1908). — W. Cramer : Journ. of Physiol. 37. 146 (1908). — Harold Ringle und W. Cramer: Ebenda 37. 157 (1908). — E. Abderhalden und E. S. London: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 62. .339 (1909). — Kornel v. Körösy: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 62.68 (1909); 69.313 (1910). — Sigmund r. Somogi/i: Ebenda. 71. 125(1911). — E. Heilner: Zeitschr. f. Biologie. 50. 26 (1907). *) Vgl. z. B. Edgar Zunz: Archiv, internal, de Physiol 11. 37 (1911). — A. Schitfenhelm, und W. Weichardt : Zeitschr. f. Immunitätsforschung und exporini. Therapie. 14. (509 (1612). — K. Abderhalden: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 81. 315 (1912). -) Vgl. hierzu R. Neuineister : Zeitschr. f. Biologie. 24. 272 (1888). — Gustav FJtnh- den und Er. Knoop: Hofmeistern Beitr. 3. 120(1902). — /*. Morawitz und R. Dietschg: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 54. 88 (1905). — Kmil Abderhalden und Carl Oppen- heimer: Zeitschr. f. physiol. Chem. 42. 153 (1904). — Emil Abderhalden, Casimir hunk und E. S. London: Ebenda. 51. 269 (1907). — E. Ereund : Biochem. Zeitschr. 7. 361 (1908). — Emil Abderhalden: Ebenda. 8. 368 (1908). - Neuere Versuche ergaben stets die Abwesenheit von Peptonen im Blutplasma. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 5()^ Peptone in Aminosäuren quantitativ im Darmkanal selbst erfolgt oder erst in der Darmvvand oder sonstwo vollendet wird, ist im Prinzip natürlich gleichgültig. Dadurch daß unter normalen Verhältnissen stets nur Abbaustufen des Eiweißes in die Blutbahn und zu den Körperzellen gelangen, die in nichts mehr in ihrer Struktur an diejenige des Ausgangsmateriales erinnern, wird verhindert, daß den Körperzellen beständig ganz verschiedenartige und immer wieder wechselnde Aufgaben gestellt werden. Sie erleben keine Überraschungen und sind in weitgehendem Maße von der Art der aufgenommenen Nahrung unabhängig. Es kommt nur darauf an, daß alle Bausteine des Eiweißes, die der Organismus nicht selbst bereiten kann, zur Stelle sind und jede einzelne der unentbehrlichen Aminosäuren auch in genügender Menge sich findet. Man kann sich wohl vorstellen, daß eine Aminosäure, die vom Or- ganismus nicht synthetisch bereitet werden kann, ausschlaggebend für die Verwertbarkeit der übrigen Eiweißabbaustufen wird, wenn es sich darum handelt, Proteine aufzubauen. Die im Minimum vorhandene Aminosäure würde für die Verwendbarkeit aller übrigen bestimmend sein. Ein Amino- säuregemisch, das in seiner Zusammensetzung den in der größten Menge vorhandenen Proteinen der Gewebe am nächsten steht, müßte für den Ei- weißaufbau die beste Ausnützung bieten, i) Es läßt sich jedoch kaum für alle Fälle eine bestimmte Regel aufstellen, weil ohne Zweifel die Aminosäuren ipa tierischen Organismus mancherlei Aufgaben zu erfüllen haben, und viele Beziehungen zu anderen Verbindungen angebahnt werden. Ferner wird es von Fall zu Fall darauf ankommen, welche Proteine gerade aufgebaut werden soll. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß man den Durchtritt von Eiweiß und von höhermolekularen Abbaustufen, die noch den Charakter des Ausgangsmateriales tragen, durch die Darmwand erzwingen kann, wenn man namentlich genuine, an und für sich schwer angreifbare Proteine, wie Plasma- bzw. Serumeiweißkörper, Hühnereiweiß usw., in großer Menge per OS zuführt. In diesem Falle erhält man alle Erscheinungen, die auch bei parenteraler Zufuhr zu beobachten sind. Vielleicht beruhen manche nach Genuß bestimmter Nahrungsmittel bei bestimmten Personen auf- tretende Erscheinungen, wie z. B. die Urtikaria, auf dem Durchtritt noch ungenügend zerlegter Produkte. Vielleicht fehlt ein Ferment, das den Abbau vollendet, oder es handelt sich um sonst eine Störung bei der Verdauung oder Resorption. *) Vgl. hierzu Emil Abderhalden : Zentralbl. f. Stoftw. u. V'erdaaungskrankh. 5. 647 (1904). — L. Michaud: Zeitschr. f. physiol. Chem. 59. 405 U909J. — Franz Frank und Alfred Schittenhelm : Ebenda. 73. 157 (1911). — Emil Abderhalden : Ebenda. 77. 27 (1912); 96. 1 (1915). Vorlesung XXV. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 9. Verhalten der Aminosäuren im Darmkanal. Die Wirkung der Darmfiora. Als wesentlichstes Ergebnis der Studien über das Verhalten der Pro- teine im Magendarmkanal haben wir kennen gelernt, daß ein weitgehender Abbau einsetzt, der zu Peptonen und Aminosäuren führt. Es wird das Nahrungseiweiß, das in irgend einer Zellart eine besondere Funktion er- füllt und dementsprechend auch eine besondere Zusammensetzung und Struktur hat, mindestens so weit zerlegt, bis alle Anklänge an die ur- sprüngliche Eigenart des Moleküls verschwunden sind. Vieles spricht dafür, daß der Abbau der Eiweißstoffe und Peptone vollständig bis zu Amino- säuren führt, bevor die Körperzellen mit ihren Vorgängen einsetzen. Ob nun dieser vollständige Abbau im Darmkanal selbst oder in der Darmwand und vielleicht zum Teil erst in der Leber oder den einzelnen Geweben erfolgt, ist schwer zu entscheiden. Bevor wir auf die Frage eingehen, welchen Weg die Eiweiß- abbauprodukte einschlagen, um zu den einzelnen Körper- zellen zu gelangen und in welcher Form dieser Transport erfolgt, müssen wir noch der Tätigkeit der Darmflora ge- denken. Wir haben bei den Kohlenhydraten und Fetten schon bemerkt, daß immer ein Teil der zugeführten Nahrungsstoffe von den im Darmkanal anwesenden Bakterien verwendet und dabei umgewandelt wird. Einmal bauen diese Lebewesen ihren Zelleib aus der zugeführten Nahrung auf Sie wachsen, d. h. sie vermehren sich. Außerdem brauchen auch sie Energie, und ferner formen sie Sekretstoffe, Fermente usw. aus den zur Verfügung stehenden Materialien. Es treten je nach der Zellart besondere Formen des Abbaus der Proteine auf Manche dieser Mikroorganismen werden die Peptone direkt angreifen können, andere benützen die Aminosäuren, und wieder andere sind auf Ammoniak als erstes Ausgangsmaterial angewiesen. Sie können dieses vielleicht nicht in allen Fällen selbst aus Aminosäuren bereiten. Der Abbau der Eiweißabbaustufen wird, wie Versuche im Reagenz- glas bewiesen haben, durch die Menge und Art der übrigen zur Verfügung stehenden Nahrungsstoft'e nicht unerhel)lich beeinflußt. Ohne Zweifel arbeiten sich die einzelnen Bakterienformen gegenseitig vor, d. h. die eine Art bildet Abbaustufen, die von einer anderen weiter verwertet werden können. P^ivreißstofte und ihre Bausteine. ÖOf) Oft ist die Existenz der einen Or^anismenart an diejenige einer anderen geknüpft. Es kommt jedoch sicher auch vor, daü eine Bakterien art Pro- dukte erzeugt, die einer anderen schädlich sind. Ein heftiger Kampf ums Dasein entbrennt. Immer mehr überwuchern bestimmte Mikroorganismen- arten, während andere zurückgedrängt werden. Auch die Art des „Nähr- bodens", d. h. der Gehalt des Chymus an einzelnen Bestandteilen hat einen großen Einfluß auf die Art der Zusammensetzung der Darmtlora. Bald findet die eine Art von Mikroorganismen besonders günstige ^ er- hältnisse zum Wachstum, bald eine andere. Geringfügige Änderungen in den augenblicklichen Bedingungen können die Art des Abbaus der Amino- säuren stark beeinflussen. So wird die Gegenwart von Sauerstoff die aeroben Bakterien in ihrer Wirkung unterstützen, während die anaeroben ungünstiger gestellt sind. Ist der Sauerstoff aufgebraucht, dann finden wir im Darminhalt Produkte, die vornehmlich der Tätigkeit der anaeroben Bakterien entstammen. Von diesen Gesichtspunkten ans ist es verständlich, daß die Darmflora mit der Art der Zusammensetzung der Nahrung und den durch sie geschaffenen Bedingungen wechseln kann. Hierauf beruht unzweifelhaft ein großer Teil des Erfolges einer bestimmten Diät. Sie muß allerdings über eine lange Zeit hinaus innegehalten werden, soll ein wirk- licher Florawechsel eintreten. Es handelt sich bei den am Abbau der Aminosäuren beteiligten Bakterien zum größten Teil um an aerobe.^) Vor allem kommt der Bacillus putrificus in Betracht. Die gleichzeitig vorhandenen aeroben Mikroorganismen, insbesondere das Bacterium coli und lactis aerogenes, unterstützen die Tätigkeit der ersteren durch Wegnahme von Sauerstoff. Es unterliegt keinem Zweifel, daß jedoch die aeroben Bakterien manche Abbaustufe aus Aminosäuren bereiten können, die auch von den anaeroben hervorgebracht werden. Im allgemeinen sind jedoch die von den einzelnen Bakterienarten gebildeten Abbaustufen für diese charakteristisch. Femer ist erwiesen, daß manche dieser Abbau- produkte auch von den Zellen der hochorganisierten Tiere gebildet werden. Es sind keine durchgreifenden Unterschiede im Zellstoffwechsel der ver- schiedenartigsten Organismen vorhanden. Es ist von Interesse, daß der Darm des Neugeborenen keine Bakterien enthält. Sein erstes Ausscheidungsprodukt, das sog. Meko- nium, ist ganz steril. Erst allmählich dringen verschiedenartige Lebe- wesen mit der Nahrung in unseren Verdauungstraktus ein. Man sollte erwarten, daß sie besonders in den Anfangsteilen des Darmkanales, in der Mundhöhle und im Magen lebhaft wachsen. Das ist jedoch nicht der Fall. Es finden sich besondere Einrichtungen, die der Entwicklung der Bakterien nicht günstig sind. Zunächst wird durch den reichen Zutritt von Luft die Entwicklung der anaeroben Bakterien ganz unterdrückt. Außerdem ver- weilen die Nahrungsstoffe unter normalen Verhältnissen insbesondere in der Mundhöhle nur kurze Zeit. Nur dann, wenn die Zähne Unebenheiten .und ') Vgl. u. a. Escherich: Die Darmbakterien de.s Säuglings. Stuttgart 1886. — A. Macfaydn, M. Nencki und N. Sieber: Arch. f. experim. Patb. u. Pbarm. 28. 311 (1891). — Bienstoek: Zeitscbr. f. kliu. Med. 7. 1 (1884); Arcb. f. Hygiene. 36. 3.ö5 (1899); 39. 390 (1900); Ann. d. l'Institut Pasteur. 17. 8.^0 (1903); 20. 407 (1906). — Rolh/: Deutsche med. Wochenschr. Nr. 43 1733(1906). — Vgl. auch D. Gerhardt: Über Darm- fäulnis. Ergebnisse d. Physiol. 3. I. 107 (1904). — A. Ellinger: Die Chemie der Eiweiß- fäulnie. Ebenda. 6. 29. (1907). — Vgl. auch F. IL Cannon: Journ. of infect. disease 29. 869 (1921). Ö06 XXV. Vorlesung. vor allem kariöse Stellen aufweisen, können Speisereste liegen bleiben, die dann der Zersetzung durch Mikroorganismen anheimfallen. Eine sehr große Rolle in der Einschränkung der Bakterientätigkeit ist ferner der Salzsäure des Magens zugeschrieben worden, und lange Zeit galt diese Funktion als ihre vornehmste Aufgabe. Der Gehalt des Magensaftes an Salzsäure genügt, wie N. Sieber^) nachgewiesen hat, um die Entwicklung der Bakterien zu verhindern. Schon SpallanzanP) war diese Eigenschaft des Magensaftes bekannt. Er stellte fest, daß bei einer Schlange, die eine Eidechse verschluckt hatte, die im Mageninhalt befind- lichen Verdauungsprodukte nach 16 Tagen noch keinen Fäulnisgeruch zeigten. Auch fand er, daß die Fäulniserscheinungen zurücktraten, wenn er Tieren faules Fleisch in den Magen einführte. Es ging auch der vor- handene Fäulnisgeruch verloren. Doch darf man nicht erwarten, daß die Wirkung der Salzsäure sich in allen Fällen in gleicher Weise äußert oder sich gar quantitative Unterschiede in der Bildung jener Produkte aus Aminosäuren ergeben, die durch die Tätigkeit der anaeroben Bak- terien bedingt sind. Die im Darmkanal sich abspielenden Vorgänge sind viel zu komplizierter Natur, als daß man derartig einfache Beziehungen erwarten darf. Es ist die Frage des Einflusses der Salzsäure auf den Abbau von Aminosäuren durch die Darmbakterien insbesondere an Hand von pathologischen Vorgängen verfolgt worden. Wir kennen Zustände, bei denen es zu einer Überproduktion von Salzsäure — Hypersekretion — kommt. In anderen Fällen ist im Gegenteil die Menge der sezernierten Salzsäure herabgesetzt Hyposekretion. Man hat nun erwartet, daß diese Zustände die Menge und Art der durch die Darmflora gebildeten, be- stimmten Aminosäuren entstammenden Abbauprodukte beeinflussen würden. Es war dies jedoch nur zum Teil der Fall. In manchen Fällen fand man selbst bei einem vermehrten Salzsäuregehalt des Magensaftes keine Verminderung jener Abbaustufen. Umgekehrt folgte der Verminderung der Menge der sezernierten Salzsäure nicht immer eine Zunahme jener Produkte. Ja, man hat festgestellt, daß bei völligem Fehlen des Magens die Bakterien durchaus nicht größere Wirkungen als sonst zu entfalten brauchen. Wir wollen einige Gründe angeben, weshalb sich die Wirkung der Salzsäure nicht unmittelbar zu offenbaren braucht. Beginnen wir mit dem letzten der erwähnten Fälle. Fehlt der Magen, dann gelangt die Speise direkt in den Darm. Gleichzeitig mit ihr wird immer auch Luft aufge- nommen. Ihre Bestandteile — N, 0, CO2 — w^erden normalerweise wohl zum größten Teil oder auch vollständig im Magen resorbiert. Es ist dies auch der Grund, weshalb im Magen insbesondere die aeroben Bakterien zur Entwicklung gelangen, falls nicht die vorhandene Salzsäure ihre Entwicklung ausschließt. Sie selbst bilden unter den gegebenen Bedingungen keine jener Produkte, die für die anaeroben Bakterien des Darmkanales typisch sind. Sie halten sich hauptsächlich an die Kohlehydrate, deren Gärung eine besonders lebhafte ist, wenn die freie Salzsäure fehlt, wie das Auf- treten von Buttersäure und Milchsäure zeigt. Die antiseptische Wirkung der Salzsäure ist somit mehr nach dieser Richtung zu suchen. Diese Be- ') Nadina Sieber: Jourii. f. prakt. Chcm. 19. 433 (1879). ^) Spallanzani: Exp^riences sur la dige.stion. Trad. par Senebier. Nouvelle «dition. (ieaeve 1784. Deutsch Leipzig 1875. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. ö07 merkungen gelten auch für den Labmagen der Wiederkäuer. Daß in den drei zwischen Speiseröhre und Labmagen eingeschalteten, biologisch zum Teil zur Mundhöhle hinzuzurechnenden Magenabschnitten die (xärungs Vorgänge eine bedeutsame Rolle spielen, haben wir bei der Besprechung der Ver- dauung der Kohlehydrate bereits erwähnt. i) Im Darm hindert vorhandene Luft die Wirkung der anaeroben Bakterien. Sie können schon deshalb bei fehlendem Magen nicht ohne weiteres aufkommen. Die Salzsäure des Magens hat auch manche indirekte Wirkungen. Sie ist bei der Verdauung der Proteine beteiligt. Einmal aktiviert sie das Pepsin- und Chymosinzymogen und dann verändert sie die physikalische Beschaffenheit der Eiweißstofte. Ferner hat die Salzsäure noch einen bedeutsamen Einfluß auf die Absonderung des Pankreassaftes. Sie wirkt als Reiz und gleichzeitig setzt sie sehr wahrscheinlich einen vStoff — Sekretin genannt — in Freiheit, der die Pankreasdrüse zur Abgabe ihres Sekretes anregt. Endlich müssen wir noch erwähnen, daß die Salzsäure bei der Regelung der Abgabe des Chymus von Seiten des Magens an den Darm beteiligt ist. Die saure Reaktion des den Magen verlassenden Sekretes löst einen Reflex aus, der bewirkt, daß der Pylorus sich schließt. Hat der Magensaft seine normale Zusammensetzung, dann werden die aufgenommenen Eiweißstoffe zum größten Teil und vielleicht ausschließlich in Form von Peptonen in den Darm übertreten. Dem Trypsin ist in weitgehendem Maße vorgearbeitet. Der weitere Abbau erfolgt nun sehr rasch. Außerdem gelangen immer nur geringe Chymusmengen auf einmal in den Darm- kanal. Diese können rasch auf eine große Oberfläche ausgebreitet und in die zur Resorption notwendige Form gebracht werden. Durch die Auf- nahme der Abbaustufen durch die Darmwand werden sie der Wirkung der Darmflora rasch entzogen. Findet sich eine Hypersekretion. dann folgt bald einer Störung eine ganze Reihe anderer. Einmal wird die Entleerung des Magens beeinflußt. Der Pylorus öffnet sich offenbar erst dann wieder, wenn die in den Darm übergetretene Salzsäure zu einem großen Teil neutralisiert worden ist. Bei einem Zuviel an Salzsäure wird es länger als normalerweise dauern, bis der Pylorus sich wieder öftnen kann. Gleichzeitig wird durch die stark saure Reaktion im Anfangsteil des Darmes sicher die Wirkung der Fermente des Darm- und Pankreassaftes beeinflußt. Sie wirken bei schwach alkalischer bis neutraler Reaktion. Schließlich wird es darauf ankommen, in welchem Umfange die Neutralisation der in den Darm gelangten Säure erfolgt. Gelangt sie bis in die tiefen Darmabschnitte, dann wird den Bakterien die Wirkung zum großen Teil sehr beschränkt sein. Ist dagegen die Salz- säure schon in den obersten Teilen des Darmkanals zum größten Teil gebunden worden, dann kann selbst bei einer hochgradigen Mehrabgabe von Salzsäure die Darmflora sich außerordentlich stark entfalten. Man darf sich nicht vorstellen, daß die saure Reaktion allein schon genügt, um die Wirkung der Darmflora einzuschränken, bzw. ganz aufzuheben. Es gehört eine gewisse Konzentration von H-Ionen dazu. Bei einer verminderten Salzsäurebildung können sich ebenfalls sekun- där alle möglichen Störungen und Folgeerscheinungen anschließen. Die Ent- leerung des Magens kann eine beschleunigte sein, weil der in den Darm •) Vgl. z. B. r. Tabora: Deutsches Arch. f klin. Med. 87. 254 (1908). 508 XXV. Vorlesung. Übertretende Chyraus bald in genügender Weise neutralisiert ist. Dadnrch kann der weitere Abbau im Darmkanal beeinflußt werden. Einerseits ist er dadurch begünstigt, daß die Reaktion eine für die Wirkung der Darm- und Pankreasfermente günstige ist. Zugleich werden jedoch ohne Zweifel weniger tief abgebaute Produkte in den Darm übergeführt, weil der Magen sich zu rasch entleert und außerdem die Eiweißverdauung durch die unge- nügende Menge der Salzsäure beschränkt ist. Viele dieser Überlegungen sind theoretischer Natur. Wir wissen, daß der tierische Organismus sich dann, wenn irgend eine Funktion beein- trächtigt ist, oft in erstaunlicher Weise den neuen Verhältnissen anpaßt. Eine Hyperazidität des Magensaftes braucht nicht eine langsame Ent- leerung des Magens zur Folge zu haben und umgekehrt eine Hypoazidität nicht eine rasche. Es können sich Vorgänge herausbilden, die auf lange Zeit hinaus einen annähernd normalen Ablauf der Verdauung gewährleisten. Schließlich darf bei der Frage nach der Beeinflussung der Darmflora durch die Salzsäure des Magens nie übersehen werden, daß auch die Art der Nahrung von großem Einfluß ist. Endlich ist von großer Bedeutung, daß die anaeroben Bakterien unter normalen Verhältnissen ihre Wirkung überhauj)t nur im Dickdarm und vielleicht noch dem unmittelbar benachbarten Dünndarmabschnitt in größerem Umfange entfalten. Es wird sich von Fall zu Fall fragen, ein wie großer Teil jener Produkte in diese tiefen Teile des Darmkanales gelangen, aus denen die Darmflora typische Abbau- stufen bilden kann. Die Raschheit der Resorption wird auch be- stimmend auf die Menge der durch die Bakterien gebildeten Verbindungen sein. Diese wird wieder von der Schnelligkeit der Ver- dauung beeinflußt. Es spielen somit sehr viele Momente bei der Bildung von bakteriellen Stoffwechselprodukten aus bestimmten Aminosjiuren mit. Auch der Galle ist immer wieder eine die Darmflora beschränkende Wirkung zugeschrieben worden. Man beobachtet nämlich, daß oft bei ver- hindertem Zufluß der Galle zum Darm der Kot auffallend stark riecht. Ferner hat man wiederholt, jedoch nicht immer, bei Ikterus — einem Symptomenkomplex, der dann eintritt, wenn durch irgend welche Ur- sachen der Abfluß der Galle nach dem Darm behindert ist — ein An- steigen jener Produkte, wie Indoxyl, Kresol, Phenol beobachtet, die sich auf den Abbau bestimmter Aminosäuren durch Mikroorganismen zurück- führen lassen. Oft fehlt jedoch diese Vermehrung auch. Nun wachsen auf der Galle die verschiedenartigsten Bakterien ganz vorzüglich. Sie bilden unter geeigneten Bedingungen auch bei Anwesenheit A^on viel Galle Indol, Kresol, Phenol usw. Das Sekret der Leber kann somit die Wirkung der Darmflora kaum wesentlich beeinflussen. Die Bedeutung der Galle ist vielmehr eine indirekte. Sie ist, wie wir bereits erfahren haben, in her- vorragender Weise an der Verdauung der Fette und der Resorption der gebildeten Spaltprodukte beteiligt. Die Galle aktiviert mittels der in ihr enthaltenen Gallen säuren die Vorstufe der Lipase, ferner ist sie ein ausge- zeichnetes Lösungsmittel für Fettsäuren und Seifen. Setzt nun der Zufluß der Galle zum Darme aus, dann ist die Verdauung der Fette sehr stark eingeschränkt. Sie bleiben zum großen Teil unzerlegt im Darme liegen und erscheinen in den Fäzes. Gleichzeitig ist auch der Abbau der Proteine und Peptone beeinträchtigt. Die Fette umhüllen nämlich Nahrungsstofle und verhindern den Fermenten dadurch rein mechanisch den Angriff. Es KiwoilSstofi'e iiml ihre Bausteine. 509 gelangen viel nngespaltene und vor allem unresorbierte Produkte in die tieferen Abschnitte des Darmkanals. Den Darmbakterien wird somit beständig eine große Menge von Nahrungsstoffen zugeführt. Eine in ihren Einzelheiten noch viel zu wenig erforschte Erscheinung ist die Beobachtung, daß bei Stauungen im Dünndarm der Gehalt des Harnes an Indol, Kresol usw. bedeutend ansteigt. i) Wir werden gleich erfahren, daß sehr wahrscheinlich die meisten der genannten Pro- dukte ausschließlich im Darmkanal entstehen und nicht in den Geweben von den diese zusammensetzenden Zellen gebildet werden. Nur dann, wenn in solchen Bakterien sich ansiedeln, die jene Stoff'wechselprodukte zu bilden vermögen, entstehen auch jenseits des Darmkanals Indol, Kresol usw. Es läßt sich eine bestehende Behinderung der Vorwärtsbewegung des Darm- inhaltes im Dünndarm aus dem Ansteigen des Gehaltes des Harnes an den genannten Produkten direkt feststellen. Findet sich das Hindernis im Dickdarm, dann tritt zunächst keine vermehrte Bildung von Indol und von Phenolen ein. Erst dann, wenn die Stauung auf den Dünndarm übergreift, tritt ein erhöhter Gehalt des Harnes an jenen Verbindungen auf. Diese ICrscheinung ist wohl daraaf zurückzuführen, daß im allgemeinen wenig Eiweißabbauprodukte in den Dickdarm gelangen. Sie werden vorher von der Dünndarmschleimhaut aufgenommen. In besonders überzeugender Weise haben die Versuche von Ellinger und P'iitz^} bewiesen, daß Stauungen zur Vermehrung der spezitischen, auf bestimmte Aminosäuren zurückführbaren Abbauprodukte führen. Sie schnitten Hunden Stücke aus dem Darm aus und schalteten diese in umgekehrter Richtung wieder ein, so daß also das proximale Ende des ausgeschnittenen Darmstückes mit dem distalen Teil des gesamten Darmes in Verbindung trat und umgekehrt das distale Ende mit dem mit dem Magen in Verbindung gebliebenen Darmteil. Dieses Darmstück behält nun den ursprünglichen Verlauf der Peristaltik bei und verhindert die Weiter- beförderung des Chymus bzw. des Kotes, indem es der Tätigkeit des übrigen Darmes fortwährend entgegenarbeitet. Es trat je nach der Stelle, an der das Hindernis in der Weiterbeförderung des Chymus geschaffen wurde, verschieden rasch eine starke Vermehrung des Indogehaltes des Harnes auf. Die Feststellung, daß auch dann, wenn das Hindernis in tiefen Dünn- darmabschnitten sitzt, der Indolgehalt des Harnes bald ansteigt, beweist ohne Zweifel, daß die Resorption der Eiweißabbauprodukte sich nicht in so einfacher Weise vollzieht, wie es meistens dargestellt wird. Wenn die Aufnahme der Eiweißabbaustufen nur daran geknüpft wäre, daß aus Ei- weiß diffundierbare Produkte entstehen, dann wäre es schwer verständlich, weshalb bei einer Stauung der Chymus so langsam aufgenommen wird. Man sollte erwarten, daß die Resorption einen Ausgleich schaffen würde. Offenbar werden die Eiweißabbauprodukte an ganz verschiedenen Stellen des Darmkanals abgebaut. Es genügt nicht, daß Peptone entstanden sind. Der Abbau muß ohne Zweifel weiter gehen. Die Bedingungen zu einem vollständigen Abbau sind nicht überall im Darmkanal gleich günstig. Haben sich die Abbaustufen an einer Stelle angehäuft und wird dadurch der Fer- mentwirkung Einhalt geboten, dann kann einmal die Resorption durch Weg- ') M. Joffe: Virchows Archiv. 70. 72 (1877). ^) Alexander Ellinger u. Wolfgany I'rutz: Zeitschr. f. physiol. Chem. 38. 399 (1903). 510 XXV. Vorlesung. nähme einfacherer Abbaustufen regelnd eingreifen, es kann jedoch auch die Verteilung des Abbaugemisches auf verschiedene Teile des Üarmrohres für den weiteren Abbau günstige Bedingungen schaffen. Eine exakte Analyse des Inhaltes der einzelnen Teile des gesamten Dünndarms wird sicher weitere Anhaltspunkte über den Grad des Abbaus der Proteine im Darmkanal und über die Bedeutung der einzelnen Darmfermente geben. Auf Grund der Reagenzglas versuche müßte man erwarten, daß bereits im Duodenum alles Tyrosin und Tryptophan abgespalten wird. In Wirklichkeit kann man oft auch im Ileum noch Peptone antreffen, die diese Amino- säuren gebunden enthalten.^) Manchmal fehlen solche Abbaustufen auch ganz. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die einzelnen Eiweißabbaustufen an verschiedenen Stellen des Darmkanales zur Aufnahme gelangen. Es liegt hier noch ein viel zu wenig berücksichtigtes Forschungsgebiet vor. Im Anschluß an die Besprechung des Abbaus von Eiweißspaltpro- dukten durch die Darmflora sei kurz die Frage gestreift, ob die Be- wohner unseres Darmes nicht auch die Verdauung der Proteine durch Abgabe von proteolytischen Fermenten unterstützen. Bis jetzt ließen sich noch keine eindeutigen Befunde erheben, die für eine Teil- nahme der Bakterien am Eiweiß- und Peptonabbau sprechen. Wir dürfen jedoch aus Beobachtungen über die Einwirkung einzelner Bakterienarten und von Gemischen solcher den Schluß ziehen, daß manche der die Darmflora zusam- mensetzenden Mikroorganismen lebhaft Eiweiß und Peptone zerlegen können und auf diese Weise den Abbau der genannten Verbindungen fördern. Es kommen nicht nur jene Bakterien in Betracht, die Indol, Kresol usw. bilden, ja es ist wohl möglich, daß diese überhaupt nicht am Eiweißabbau beteiligt sind. Schheßlich wollen wir noch des interessanten Umstandes gedenken, daß wir beständig Lebewesen beherbergen, die fortwährend Stoff- wechselprodukte liefern, die zum Teil für unsere Körperzelleu durchaus nicht gleichgültig sind. Der Organismus muß ununter- brochen eingreifen, um diesen Verbindungen ihre schädigende Wirkung zu nehmen. Mancher Krankheitsvorgang dürfte auf chronische Vergiftung durch Stoffe zurückzuführen sein, die dauernd durch Bakterien gebildet und vielleicht nicht immer genügend entgiftet werden. Die Leber spielt diesen Produkten gegenüber eine bedeutungsvolle Rolle. Sie fängt sie ab, und verändert sie so, daß sie keinen Schaden mehr stiften können. Von Interesse ist auch, daß die Darmflora die Darmwand unter normalen Verhältnissen nicht durchdringt. Ja selbst bei Wunden braucht es durch- aus nicht immer zu einer allgemeinen oder auch nur umfassenderen lokalen Infektion zu kommen. Sobald jedoch der Tod eintritt, beobachten wir, daß nunmehr die Insassen des Darmes rasch die Gewebe durchsetzen. In kurzer Zeit beginnen sie am Abbau der Zellsubstanzen teilzunehmen. Sie helfen mit, ihren Wirt, der Generationen von ihnen beherbergt hat, zu zerstören. Sie sind die ersten am Platze! Unter normalen Verhältnissen bewirken die Mikroorganismen des Darmkanales keine Störungen. Sie werden zwar immer einen Teil der Nahrung verwenden, jedoch sind diese Mengen so gering, daß sie kaum in Betracht kommen. Außerdem wird sicher mancher Mikroorganismus innerhalb des Darmkanals zugrunde gehen und dann der Verdauung unter- ') Eigene Beobachtungen. Eiweißstotfe uud ihre Bausteine. 511 liegen. In diesem Falle findet eine nachträgliche Verwertung der gebildeten Zellbestandteile statt. Man hat der Synthese von Eiweiß durch Mikroorga- nismen insbesondere beim Pflanzenfresser eine große Bedeutung zugesprochen. Man hat nämlich gefunden, daß die Zugabe von Amiden — Glutamin und Asparagin — zur Nahrung den Eiweißstolfwechsel insofern günstig beeinflussen kann, als herbivore Tiere dann mit weniger P^iweiß auskommen. i) Man kann somit einen Teil des Eiweißes in der Nahrung durch diese Amide ersetzen. Man hat nun daran gedacht, daß die insbesondere beim Pflanzenfresser in großen Mengen vorhandenen Bakterien aus den Säure- amiden Eiweiß aufbauen und dieses dann nachträglich vom Wirte über- nommen, d. h. nach erfolgter Verdauung resorbiert wird.^) In der Tat können zahlreiche Mikroorganismen aus Säureamiden Eiweiß aufbauen, während die Zellen des tierischen Organismus mit so wenigen Grund- stoifen nicht auskommen. Die Mikroorganismen desaminieren ohne Zweifel die ihnen dargebotenen Aminosäuren und Säureamide und benutzen das freigewordene Ammoniak zur Synthese. Sie bilden das Kohlenstoffgerüst der einzelnen Aminosäuren, wie wir früher schon gesehen haben, wahr- scheinlich aus Kohlehydraten und den Bausteinen der Fette. Die gegebene Erklärung der Wirkung der Säureamide auf die Ernährung der Herbivoren ist zurzeit nur eine Hypothese. Es gilt dies vor allem für den Umfang und die Bedeutung des ganzen Vorganges. Es liegen nämlich noch keine diesen Vorgang quantitativ belegenden Versuche vor. Es ist auch denkbar. daß aus den Säureamiden Aminosäuren — Glutaminsäure und Asparagin- sänre — hervorgehen, welche die aus dem zugeführten Eiweiß entstandenen Bausteine in vorteilhafter Weise ergänzen. Schließlich muß auch daran gedacht werden, daß bestimmte Aminosäuren das Ausgangsmaterial zur Synthese wichtiger Sekretstoffe und sonstiger unentbehrlicher Verbindungen bilden. Wir werden z. B. erfahren, daß das Adrenalin, ein von den Nebennieren gebildeter Stoff, nahe Beziehungen zu Aminosäuren hat, und femer werden wir im Blutfarbstoff eine Verbindung kennen lernen, die sich höchstwahrscheinlich aus solchen bildet. Endlich müssen wir stets mit der Tatsache rechnen, daß der tierische Organismus manche Amino- säure aus vorhandenen bilden kann. Ein sehr wichtiger Punkt bei der Beurteilung der Beteiligung mancher Verbindungen am Eiweißstoffwechsel ist der folgende. Wir wissen, daß aus Aminosäuren andere, für den Orga- nismus wichtige Verbindungen hervorgehen können. Es sei z. B. an die Bildung von Zucker aus einzelnen Aminosäuren erinnert. Es braucht eine beim Abbau von Eiweiß entstandene Aminosäure jenseits des Darmes in gar keine Beziehungen zu Proteinen zu treten. Es kann der Resorption die Desaminierung sich anschließen und nunmehr die verbleibende Kohleu- ') Vgl. zu diesem noch viel umstrittenen Problem: Weiske: Zeitschr. f. Biol. 17. 415 (1881); 20. 279 (1884). — /. Munk: Virchows Archiv. 94. 436 (1883). — Politis : Zeitschr. f. Biol. 28. 492 (1891). — Mauthner: Ebenda. 28. 507 (1891). — S. Gabriel : Ebenda. 29. 115 (1892). — C. Voit: Ebenda. 29. 125 (1892). — Weiske: Ebenda. 30. 254 (1894). — O. Kellner, A. Köhler, F. Barnstein, W. Zielstor ff", R. Eivert und K. Wedetneyer : Ebenda. 39. 313 (339) (1900). — W. Voeltz: Pflügers Archiv. 107. 360 (1905); 107. 415 (1905); 117. 541 (1907). — E. Schulze: Journ. f. Landwirtschaft. 65 (1906). — V. Henriques und C. Hansen: Zeitschr. f. physiol. Chem. 54. 169 (1907). — Max Müller : Ebenda. 117. 497 (1907); 127. 497 (1907). — W. Vültz und G. Yakuwa: Ebenda. 121. 117 (1908). — 0. Kellner: Ebenda. 116. 203 (1907); Journ. f. Landwirtschaft. 49 (1908). — Vgl. auch W. Voeltz: Verhandlungen der phvsiol Gcsellsch. zu Berlin. 44. 4 (1919) -) Vgl. 0. Hagemann: Landwirtsch. Jahrb." 20. 261 (1891). 512 XXV. Vorlesung. stofl'kette in den Kohlehydratstotfwechsel eingreifen oder sonst eine Funk- tion erfiillen. Ist für derartige Zwecke genügend Material zugegen, dann können unter Umständen Aminosäuren gespart werden, die zur Bildung von Eiweiß notwendig sind. Die Bestandteile der Darmflora liefern beim Abbau einzelner Amino- säuren Verbindungen, die von den Körperzellen entweder nicht mehr ver- wertet werden können, oder sie werden sofort nach der Resorption in eine Form gebracht, in der sie dem Zellstoffwechsel entzogen sind. Die Pro- dukte der bakteriellen Tätigkeit aus Aminosäuren haben wir bereits be- sprochen, i) Wir haben gesehen, daß der Abbau ein mannigfacher sein kann. Es kimnen sich Fettsäuren bilden und ferner gewiß auch Oxysäuren. Auch Ketonsäuren dürften entstehen und Alkohole der um ein Kohlen- stoffatoni ärmeren Reihe. Vor allem interessieren uns auch jene Produkte, bei deren Abbau oxydative Vorgänge eingreifen. Ferner stoßen wir im Darm- kanal auf Amine, die sich auf bestimmte Aminosäuren zurückführen lassen. Aus allen aromatischen, homozyklischen Bausteinen der Eiweißstoffe und ferner aus Tryptophan und Histjdin bilden Angehörige der Darmflora charakteristische Stoffwechselprodukte. Diese werden resorbiert und der Leber zugeführt. Hier wird ein Teil dieser Produkte mit Schwefelsäure oder Glukuronsäure gepaart. Es erscheinen dann diese Verbindungen im Harn. Wir wollen nunmehr alle jene Verbindungen besprechen, die mit Sicherheit als Produkte der Einwirkung von Bakterien auf bestimmte Amino- säuren erkannt worden sind. Wir sind ihnen allen schon begegnet, als wir die Frage nach dem Abbau der einzelnen Bausteine des Eiweißes durch Bakterien beantworteten. Es erübrigt sich nur noch, festzustellen, ob der tierische Organismus die betreffenden Verbindungen verwertet, und in welcher Form er sie zur Ausscheidung bringt. Wir gehen bei der Be- sprechung der durch Bakterien aus Aminosäuren erzeugten Verbindungen am besten vom Harne aus. In ihm sind nämlich alle diese Produkte auf- gefunden worden. Ferner hat man sie zum Teil auch in den Fäzes festgestellt. Der Harn enthält stets Parakresol und Phenol. Diese beiden Verbindungen sind zum Teil an Schwefelsäure, zum Teil an Glukuron- säure gebunden. Die Konstitution dieser Verbindungen ist die folgende: Cg H, (CH3) . 0 . SO3 H Ce Hg . 0 . SO3 H p- Kr esol schwefelsaure Phenol seh wefelsäure.^) CH . 0 . Cß H, . CH, CH . 0 . C^ H^ H . C . OH H . C . OH HO.C.H 0 HO.C.H 0 H.C.-/ H.C.— / I I H . C . OH H . C . OH I I COOH COOH p-Kresol -glukuronsäure Phenol-glukuron säure.') ') Vgl. Vorlesung XXII, S. 451 ff. -) Vgl. die Synthese bei E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 6. 186 (1882). ') Carl Neuherg und \V. Neimann : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 44. 114 (1905). KiweißstoÜ'o und ihre Baustoiiio. Ö13 Beide Verbindungen lassen sich unter Wasseraufnahme in ihre Anteile spalten. So geht z. B. Phenolschwefelsäure in Phenol und Schwefel- säure über: Ce H, . 0 . SO, H + IL 0 = Ce H5 . OH + OH . S( »3 H. Umgekehrt vereinigen sich beide Anteile unter Wasseraustritt zur gepaarten Schwefelsäure. Man hat Verbindungen der letzteren Art, entsprechend ihrer Konstitution, auch Ätherschwefelsäuren genannt.^) Über die Menge ihres Vorkommens lassen sich selbstverständlich ihrer ganzen Entstehung nach keine bestimmten Angaben machen. Einmal kommt in Betracht, wie umfangreich die Tätigkeit jener Angehörigen der Darmflora ist, die p-Kresol und Phenol bilden können. Ferner ist der Umfang der Bildung dieser Produkte selbstverständlich in erster Linie von der Anwesenheit ihrer Ausgangsmaterialien abhängig. Die Bildung der sog. Ätherschwefelsäuren läßt sich künstlich durch Eingabe von Phenolen steigern. Verfüttert man z. B. Phenol, dann findet man im Hara Phenol- schwefelsäure bzw. ein phenolschwefelsaures Salz.') Gleichzeitig ließ sich bei derartigen Versuchen feststellen, daß nicht alles eingegebene Phenol im Harn wieder erscheint. Lin Teil wird in den Geweben so verändert, daß er nicht mehr nachweisbar ist.'^j Diese Beobachtung ist sehr wichtig, weil sie zeigt, daß ohne Zweifel auch nicht alle aus dem Darme aufge- nommenen Phenole quantitativ im Harne wieder erscheinen. Von Ver- bindungen, die nach ihrer Einführung in den Organismus in Form von Ätherschwefelsäuren im Harn ausgeschieden werden, seien erwähnt: die K r e s 0 1 e, CR^ . C, 0, . OH, T h y m 0 1. C3 H, (CH3) CV, H3 . OH , die D i 0 x y- benzole, CeHi(OH,), ferner Methvlhvdrochinon, CHj.O.C« H4.OH, Orzin, CH3 . C, H3 (OH),, Pyrogallol, CrHj (0H)3, Tribromphen ol. Bro . Cß Ho . OH. o-Nitrophenol, NO., . Cg H^ . OH, p- A m i n 0 p h e n o l, NHo . i\ H, . (.)H. Protokatechusäure, HOOO . C« H3 . fOH)„ Tannin. Salizylamid, m- und p-Oxy ben zoesäu r e. P^in Teil dieser Ver- Inndungen ist meistens auch mit Glukuronsäure verknüpft. Ferner tritt manchmal ein Teil davon, ohne vorher gekuppelt worden zu sein, in den Harn über. Wir haben früher schon bei der Besprechung der Glukuronsäure*) und ihrer Paarlinge auf die interessante Tatsache hingewiesen, daß der tierische Organismus Verbindungen, die an und für sich zur Kuppelung ungeeignet sind, so verändert, daß nunmehr die zur Bindung notwendige Gruppe vor- handen ist. Die gleiche Beobachtung ist auch bei den Ätherschwefelsäuren gemacht worden. Wenn wir z. B. Benzol verfüttern, erscheint Phenol- schwefelsäure im Harn. Es ist das Benzol somit zunächst zu Phenol oxy- diert und dann mit Schwefelsäure verbunden worden. auch E. Baumann und ('. l'reiisfie: Ebenda. 3. 155 (1879). -) E. Baumann und E. Uertir: Ber. d. Deutschen Cheni. Ges. 9. 1747 (187(5). •■') Vgl. K. F. Pelkan und C IL Whipple: The .1. of. l)i«)l. Chcni. 50. 499 (1922>. *) Vgl. S. 27. Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Aufl. 33 514 XXV. Vorlesung. Im Menschenharn finden sich unter normalen Verhältnissen nur sehr geringe Mengen von Phenol (O'OIT — Ol (7).!) Der Harn des Pflanzen- fressers enthält erheblich größere Mengen davon. 2) Der Harn des Neuge- borenen weist keine oder doch nur Spuren von Phenolen auf. 3) Interessanter- weise fehlten sie auch jenen Hühnchen ganz, die steril aufgezogen worden waren.*) Das p-Kresol überwiegt an Menge das Phenol des Harnes etwas. Siegfried und Zimmermann^) geben als Durchschnittswert 58"/o Kresol und 42% Phenol an. Außerdem findet man im Harn der Omnivoren und der Herbivoren regelmäßig Brenzkatechin-schwefelsäure. Im Urin der Karnivoren wurde diese Verbindung stets vermißt. Das Brenz kate- chin = Ortho-dioxybenzol = 1, 2-Dioxybenzol^), Cr H4 (OH).,, kann, wie Fütterungs versuche mit Benzol und Phenol gezeigt haben, aus diesen Ver- bindungen hervorgehen. Seine normale Abstammung ist ohne Zweifel die von der Prot ekatechusäur e= 13, 4-Dioxybenzoesäure, Cg H3 (OH) 2 . COOH, der Pflanzennahrung. Auch Hydrochinon = Para-dioxy benzol = 1, 4-Dioxy benzol, C6H4(OH)2, kommt im Harn vor, doch scheint diese Verbindung bis jetzt nur im Pferdeharn in Spuren sichergestellt zu sein. Diese beiden letzteren Phenole haben offenbar mit den durch Bakterien im Darmkanal gebildeten Produkten nichts zu tun. Wir haben sie hier kurz erwähnt, weil es sich auch um Verbindungen handelt, die als Bestandteile von Ätherschwefelsäuren auftreten können. Von großem Interesse ist das Auftreten einer Säure ini Harn der folgenden Struktur: Cß H5 . CH2 . CO . NH . CH2 . COOH. Diese Formel zeigt unschwer die Zusammensetzung dieser Verbindung an. Sie zerfällt unter Wasseraufnahme in Phenyl essigsaure und G 1 v- kokoll: OH;H Ce H5 . CH2 . CO . NH . CH2 . COOH^Ce H5 . CH2 . COOH-f- NH, . CH, . COOH. Phenazetursäure Phenylessigsäure Glykokoll. Synthetisch ist sie aus Phenylessigsäurechlorid und Glykokoll er- halten worden^): Cß H5 . CH2 . CO . Cl -h HiNH.CH^. COOH=Ce H^.CH^.CO.NH.CHo.Ci )( )H +HC1. *) A. Kassier und E. Penny: Zeitschr. f. physiol. Chem. 17. 139 (1892). — Cnrl Neuberq: Ebenda. 27. 123 (1899). 2) Z. Mmik: Archiv f. (Anat. u.) Physiol. Suppl. 23 (1880); Virchow^ .Archiv. 131. Suppl. 110 (1893). 2) Vgl. z. B. H. Senator: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 4. 1 (1879). *) Vgl. S. 106 ff. '") M. Siegfried und R. Zimmermann: Biochein. Zeitschr. 34. 471 (1911). ') Die Zahlen 1, 2 gehen die Stellung im Benzolring an, dessen Atome liek.inat- lich, wie folgt, numeriert sind : ') E. Uotter: Joui-n. f. prakt. Chemie. 38 (2). 117 (1888). Eiweißstoffe iiiul ihn» Baiisteiue. 515 Die Verbindung hat den Namen Phenazetursäure = Phenyl-aze- tyl-glyzin erhalten. Sie tindet sich im Harn des Pferdes') und kommt auch zuweilen im Urin des Menschen vor. Nach Verfütterung von Phenyl- essigsäure findet man Phenazetursänre im Harn. 2) Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie ihre Entstehung der Bildung von Phenylessigsäure ver- dankt, s) Diese entsteht wenigstens zum Teil im Darm. Sie wird dann nach erfolgter Resorption mit Gl y kokoll gekuppelt. Dieser letzteren Ver- bindung sind wir bereits begegnet. Sie nimmt am Aufbau vieler Eiweiß- stoife teil. Sie bindet sich noch mit anderen Säuren, wie wir bald erfahren werden. Sie spielt im tierischen Organismus die gleiche Rolle, wie die Schwefel- und Glukuronsäure. Von besonderem Interesse ist die Beobach- tung, daß manche Menschen (nach eigener Feststellung nicht alle) im Gegensatz zum Affen nach Zufuhr von Phenylessigsäure Phenyl-azetyl- glutamin ausscheiden.*) Im Harne finden sich auch aromatische Oxysäuren. Sie kommen unter normalen Verhältnissen nur in sehr geringen Mengen, jedoch regel- mäßig vor. Sie entstehen nur zum Teil im Darmkanal. Ein Teil davon bildet sich auch in den Geweben. Das gleiche gilt wabrscheinlich auch von der Phenylessigsäure, während p-Kresol und Phenol als typische Produkte der Bakterientätigkeit gelten. Die schon erwähnten steril auf- gezogenen Hühnchen schieden keine Phenole, wohl aber Oxysäuren aus. Sic finden sieh zum größten Teil frei im Harn vor. Ein kleiner Teil davon kann an Schwefelsäure gebunden sein. Die folgenden beiden ^ erbindungen sind im Harn des Menschen, des Pferdes, Kaninchens und Hundes und auch im Kloakeninhalt des Huhnes aufgefunden worden: Para-oxyphenyl-propionsäures), OH. C.iH^.CH, . CHa.COOHundPara-oxyphenyl-essigsäure^j, OH. C« H, . CR, . COOH. Im Harne finden sich ferner auch heterozyklische Verbindungen, die sich auf die Wirkung von Bakterien zurückführen lassen. Schon lange bekannt"^) ist das Indoxyl. ''^) Es findet sich an Schwefelsäure^) und *) E. Salkowski: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 17.3310(1884); Zeitschr f. physiol. Chem. 9. 229, 501 (1885). 2) E. und H. Salkowski: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 12. ()ö3 (1879); Zeit- schrift f. physiol. Chem. 7. 162 (1882/83). — F. Knoop: Hofmeistern^ Beitr. 7. 154 (1905). ') C. P. Sherwin und Max Helfand [The .1. of BioL Chem. 40. 17 (1919)] fanden nach Verfiitterung von p-Nitrophenylessigsäure : beim Menschen keine Kuppelung, beim Hunde Ausscheidung von p-Nitropheuazetursäure im Harn, beim Huhn trat im Kloakcn- inbalt p-Nitrophenazetornithursäure auf. *) Carl P. Sherwin:The J. of biol. Chem. 36. 309 (1918). — VgLauchrar/ 1'. Sherwin, Max H'olf und W. Wolf: Ebenda 37. 113 (I9l9j. *) E. Baumann: Ber d. Deutschen Chem. Gesellsch. 12. 1450 (1879); 13. 279 (1880). — //. Salkowski: Ebenda. 12. 1438 (1879). - E. und h. Salkoiiski: Ebenda. 12. 650 (1879). — E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 4. 304 (1880); 6. 183 (1882). — //. Blendermann: Ebenda. 6. 234 (1882). «) Arthur Hill Hassal: Philos. Magaz. 6 (4.) 22(i (1853). -- Sicherer: Liehuß Annal. 90. 120 (1854). — E. Baumann: Pßügers Archiv. 13. 304 (1876). ') Vgl. seine Gewinnung: D. Vorländer und B. Drescher: Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 34. 1856 (1901) und 35. 1701 (1902). *) Das Indoxyl des Harns wird aucli als Indikau bezeichnet. Doch ist diese Bezeichnung irreführend. Den Namen Indikau trägt niinilich auch das in bestimmten Pflanzen vorkommende Glukosid. Vgl. S. 71. *) E. Bauinann: Zeitschr. f. physiol Chemie. 1. (')7 (1877/78). — l'ßücjer?, Archi . 3. 291 (1870). — E. Baumann und Brieger: Zeitschr. f. physiol. Cheniie. 3. 254(1879). — E. Balimann und E. Herter: Ebenda. 1. 267 (1877). 33* 516 XXV. N'oilesiiiiir. an Glukuronsäure ') gebunden. Nachuntersuchungen von Stern^) wird mehr Indoxyl mit Sclnvefelsäure gepaart, während l'henol und Kresol die Bildung der Glukuronsäurepaarlinge begünstigen. Das Indoxyl geht, wie Ja/f'e^) durch Fütterungsversuche beweisen konnte, aus Indol durch Oxydation hervor: CH c.ori y CV, H, CH + OH.SO.H NH NH Indol 1 n d 0 X y 1 V.O. SO3 H Cß H, CH -j. H, 0 ' NH Indoxylschwefelsäure.*) Vom verfütterten oder eingespritzten Indol wird ein erheblicher Teil nicht als Indoxyl ausgeschieden. &) Es ist noch unentschieden, was aus ihm wird. Beim Stehen des Harns läßt sich oft die Abscheidung eines dünnen, blaugefärbten Häutchens oder Sedimentes nachweisen. Die genauere Tnter- suchung dieses Farbstoifes hat ergeben, daß es sich um Indigoblau = Indigo handelt. Es läßt sich auch künstlich aus Harn bereiten, indem man diesem Oxydationsmittel zufügt. Die näheren Beziehungen des Indigos zum Indol bzw. Indoxyl er- geben sich aus der folgenden Formel''): CH (^H CH \ -C . OH eil CH NH 2 Moleküle Indoxvl + 20 = M Carl Neuherg und /'. Mayer: Zeitsclir. f. physiol. Cheini«'. 21). 2.")6 (l'.IUO). *) F. SIern: Zeitschr. f. physiol. Chcnii«'. 68. 52 (l'.UO). =') M. Jaffr: Zentralhl. f. iL med. Wissonsch. 1. 2 (1«72); l'Jfügers Arcliiv. ;i. 449 (1870): Virchous Arcliiv. 70. 77 (1877). *) A. V. Baeyer: Ber. d. Doutscli. Chem. (ies. 14. 1745 (1881). *l /•;. Wang : Zeitschr. f. piiysiol. (Ihemie. 27. 556 (1899). — M. Kaufmann: Ebenda. 71. 1(58 (1911). *) Vfjfl. A. V. liaeyer : Zur (iescliichtc der Iiidigo-Syntheso. Bor. d. Deutsch. Cliein. fies. 33. 4(J (19(J(J). + '1 H., ( ) Kiwpiüstoffe uihI ihre Bausteiue. oYl CH CH HC ("— CO ÜC C CH HC C C— C C CH \ x'\ / \ /\ / CH NH NH CH liidigoblau. Indigoblau tritt auch ab und zu in ganz erheblichen Mengen im Schweiß auf. Es verdankt seine Entstehung der Zersetzung der Indoxyl- glükuronsäure. Die entsprechende Schwefelsäureverbindung ist nicht so leicht spaltbar. Ganz vereinzelt ist beobachtet worden, daß der frisch ge- lassene Urin bereits Indigoblau enthielt. ^j Das Indigoblau ist manchmal von einem zweiten Farbstoft", dem sog. Indigorot, auch Indirubin ge- nannt, begleitet 2j: CO CO / \ / \ Ce H, C rn C NH. \ / \ / NH C« H, Er entsteht gleichfalls aus Indoxyl. Es ist auch das Vorkommen von Skatox vi schwefelsaure be- schrieben worden. Ferner sollen sich manche Harnfarbstoffe vom Skatoxyl, dem Oxydationsprodukt des Skatols, ableiten. =^) Es ist jedoch nicht gelungen, zwingende Beweise für diese Annahme zu erbringen. Skatol = Pr H-methylindoI*j, C . CH3 /\^ CßH^ CH \ / NH ') /;. Wunq: Festschr. f. E. Salkowski. 397. Berliu 1904. ') Plosz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 6. 504 (1882): 8. 85 (1883). — Leube: Archiv, f. pathol. Anat. 106. 418 (1886). — liosin: Ebenda. 123. 519 (1H91). '') Vgl. speziell über das Skatolrot: Ch. Porcher und Ch. Hervieu.r : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 45. 486 (1905); Journ. de physiol. et de path. gener. 7.812(1905). — Ferner über PrS-lndolkarbonsäure : Ch. I'orcher: Compt. rend. de l'Acad. d. Sciences. 148. 1210 (1909). *) Die Bezeichnung der vom Indolkern .sich ableitenden Verbindungen ergibt sich aus der folgenden Formel : (.: /4\C % l f I B I Pr /'2 61 «In V, N Die Zahlen geben die Stellung der einzelnen C-Atome lizw. des N-Atoms an. Pr be- deutet Pyrrolring und B Benzolring. Im vorliegenden Fall wird durch Pr3 augegeben, daß im Pyrrolring am Kohlenstoffatom 3 eine Substitution eingetreten ist, und zwar durch den Methyl-, bzw. bei der Indolessigsüure durch den Essigsäurerest. ^■[g XXV. Vorlesung. ist in den Fäzes nachgewiesen worden. Es wird jedoch häufig ganz vermißt. 1) Früher nahnii man an, daß Skatol die N'orstufe des Indols sei. Es hat sich jedoch gezeigt, daß für diese Annahme keine eindeutigen Beweise vorliegen. Es sprechen vielmelir alle Beobachtungen dafür, daß es Bakterien gibt, die- Skatol bilden, und andere, die direkt Indol er- zeugen. In engem Zusammenhang mit dem Indol bzw. Indoxyl steht die Indolessigsäure-): C . CH, . CÖOH. /\ Ce E, CH \/ NH Die genaue Bezeichnung dieser \'erbindung lautet lndol-Pr3-essig- säure.3) Ihre Struktur ist von A. EUinger*) festgestellt worden. Sie findet sich offenbar nicht regelmäßig und nur in Spuren im Harn. Nur unter pathologischen Verhältnissen — umfangreiche Zersetzungsvorgänge im Darmkanal — ist sie in großen Mengen im Harn angetroffen worden. ß) Sie bildet sich, wie Fütterungsversuche mit Indoläthylamin ergeben haben, auch in den Geweben. Sie wird vielleicht nie frei, sondern stets gekuppelt ausgeschieden, und zwar scheint sie mit GlykokoU gepaart zu sein.«) Wir kommen auf diese der Phenazetursäure entsprechende Verbindung noch zurück.'') Auf der Gegenwart von Indolessigsäure im Harn beruht nach den Versuchen von C. A. Herter^) die Bildung von Urorosein. Dieser Farbstoff tritt auf. wenn Harn mit Schwefel- oder Salzsäure versetzt wird. Es ent- steht eine rötliche bis rosarote Färbung. Die Reaktion gelingt nur dann, wenn Nitrite zugegen sind. Urorosein findet sich nicht als solches im Harn. Es entsteht erst bei der Anstellung der Reaktion. Über das Auftreten der IJroroseinreaktion liegen zum Teil widersprechende Angaben vor. Sie dürften darauf beruhen, daß zum Zustandekommen der Reaktion einmal Indolessigsäure und ferner Nitrite — diese sind vielleicht durch andere Oxydationsmittel ersetzbar — notwendig sind. Oft erhält man mit ganz frischem Harn keine oder nur eine geringfügige Reaktion. Der gleiche Urin zeigt jedoch, wenn er einige Tage gestanden hat, eine ganz ausge- sprochene Reaktion. Diese Erscheinung erklärt sich offenbar dadurch, daß Nitrate des Harns, die ja meist in wechselnden, allerdings kleinen Mengen zugegen sind, während der Aufbewahrung des Urins durch Bakterien in *) C A. Herter: .Journ. of Ijiol. (Jhem. 4. 253 (1908). ") E. und //. Salkoirski: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 13. 191, 2217(1881); Zeit- schrift f. physiol. Chemie. 9. 13 (1885). ») Vgl. Zitat ^) auf Seite 517. *) A. FAlinqer: Ber. d Deutsch. Chem. Ges. 37. 1801 (1904). ^) CA. Herter: Journ. of biol. Chem. 4. 238, 2.53 (1908). «) Arthur James Kwins u. Patrick Plai/fair LaicUaw : The Biochem. .1. 7. 18(1913). ') Vgl. S. 523. 8) C. A. Herter: .Tourn. of biol. Chem. 4. 239, 253 (1908). — Vgl. auch E. //. Steensma: Nederl. Tijdschr. voor (icneosk. 2. 425 (1904). — E. Salkoimki: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. 21G (1904). Eiweißstotie und ihre Bausteine. 519 Nitrite übergeführt worden sind. Ellinger'^) vermutet, daß das L'rorosein zu den Triindylmethanfarb.stoffen Beziehungen hat. Fassen wir das Ergebnis der Untersuchung des Harnes auf aro- matische Bestandteile zusammen, dann ergibt sich, daß die folgenden Ver- bindungen sich auf Bakterienwirkung im Darmkanal zurückführen lassen : Phenyl essigsaure (Phenazetursäurej, p-Kresol und Phenol, ferner Indol. Außerdem können auf entsprechende Vorgänge die Oxy säuren: p-Oxyphenyl-propionsäure. p-Oxyphenyl-essigsäure und Indol- essigsäure zurückgeführt werden. Wir haben jedoch bereits hervorgehoben, daß diese letzteren Verbindungen auch jenseits des Darmkanals in den Ge- weben sich bilden können. Es ist wiederholt vermutet worden, daß auch die übrigen der genannten Verbindungen in den Körperzellen entstehen können, doch liegen bis jetzt keine einwandfreien Beweise für eine solche Annahme vor. -) Geringe Mengen von Phenolen und von Indoxyl können auch bei vollständigem Ausschluß der Nahrung ihren Ursprung in der Bakterientätigkeit des Darmes haben, ^j Es werden nämlich beständig Eiweißstofte z. B. in Form von Muzin von den zahllosen Drüschen des Ver- dauungstraktus abgesondert. Ferner wird auch muzinhaltiger Speichel ver- schluckt. Endlich können auch Bakterien selbst im Darmkanal zugrunde gehen und für andere Mikroorganismen die Quelle der genannten Ver- bindungen abgeben. Selbstverständlich wird man auch dann Phenole und Indoxyl im Harn antreffen, wenn jenseits des Darmes Bakterien in den Geweben ihre Tätigkeit entfalten, die die erwähnten Verbindungen zu bilden vermögen. Der Zusammenhang dieser Produkte mit der Tätigkeit bestimmter Bakterien ist durch zahlreiche experimentelle und auch kli- nische Beobachtungen vollständig sichergestellt. Einmal läßt sich zeigen, daß zahlreiche Bakterien aus Eiweiß, Peptonen und den gleich zu be- sprechenden Aminosäuren Phenole und Indol bereiten. Ferner steigern alle Bedingungen einer vermehrten Wirkung der Bakterien des Darmes die Menge der Ätherschwefelsäuren und der entsprechende Glukuronsäuren im Harn. Daß es vor allem auch auf die Art der Bakterien ankommt, l)eweisen zahlreiche Beobachtungen. So ist z. B. festgestellt worden, daß der Harn von Kaninchen nach \'erfütterung von Kartoffeln viel Indoxyl- schwefelsäure aufwies, während sie nach Aufnahme von Rüben ganz ver- schwand.*) Die Menge des Phenols blieb unbeeinflußt. Bei beiden Arten der Fütterung wurden die gleichen Bakterienarten aufgefunden. Es überwog *) A. ElUnger und Claude Flamand: Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 62. 276 (1909); 71. 7 (1911): 78. 365 (1912). — 0. Riesser: In.-Diss. Königsberg-Berlin (1911). — Vgl. dazu auch M. SchoHz : Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 46. 2539 (1913). ^) Vgl. die Literatur über dieses Problem: Biochemisches Handlexikon. 4. 845 ff. (1911) (bearbeitet von G. Zmiplrn). J. Springer. Berlin 1911. — A. Ellinger in Ansilyse des Harns. Zweite Hälfte. 799 ff. C. W. Kreideis Verlag. Wiesbaden 1913. ^) Friedrick Müller: Mitteilung aus der Würzburger med. Klinik. 2. 341 (1881). — F. Tuczek: Arch. f. Psychiatrie. 15. 784 (1885). — Aler. ElUnger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 39. 44. (1903). — B. Baumstark und L. Mohr: Arch; f'. exper. Path. u. Ther. 3. 687(1906.) — Vgl. auch Fritz Rosen teld: Hofmeister Beitr. 5. 83 (1903). Hier finden sich Angaben über die Beol)achtung von Indol im Harn bei Abwesenheit von solchem im Darminhalt. — Vgl. ferner Ferdinand Blumenthal und Ernst Jacoby: Biochem. Zeitschr. 29. 472 (1910). — Chüai Asayama: Acta scholae niedic. Univ. imper. Kioto. 1. 115 (1915). "1 V► C..OH C . OH HC CH I II HC CH \/ C . CH, . COOH p-Oxyphenyl-essig- säure CH HC^ \C- NIl, C.CH, .eil .C(K>H HC CH HC CH C . CH3 p-Kresol c;h HC ru HC CH X/ CH Phenol. HC,^ C. /CH CH NH 1 n d 0 1 - '/ - a m i n o p r ( ) j ) i o n - säure Hc/^Xc^^t; . CHa . ('OOH CH NH Indol-essiffsäure ') Vhor die Art dor Kntstolmiif; dieser Verliiiidiintreti vtrl. S. .^)23ff. Kiweißstofte iiud ihre Banstoiiie. 521 CH HC C CH HC C ('H CH NH Indol. Den direkten Zusammenhang der Indolessigsäure und des liidols mit Tryptophan bewiesen Versuche über die Einwirkung von Bakterien auf diese Aminosäure. ^) Daß auch im Darmkanal das Indol der gleichen Quelle entstammt, zeigen die folgenden Untersuchungen. Wurde Kanin- chen Tryptophan per os gegeben, dann ließ sieh im Harn keine Vermeh- rung des Indoxylgehaltes feststellen. Sie trat jedoch bald in Erscheinung, als diese Aminosäure in den Dickdarm eingeführt wurde. Von ganz be- sonderem Interesse war die Prüfung, o!j Tryptophan, das mit Umgehung des Darmkanals direkt in die Gewebe eingeführt wird, den Gehalt des Harnes an Indoxyl beeinflußt, ^i Es war dies nicht der Fall. Diese Beob- achtung stützt die Ansicht, daß in den Geweben keine Bildung von Indol aus Tryptophan erfolgt. P^s sei schließlich noch erwähnt, daß Eiweißstoflfe, denen das Tryptophan fehlt, den Gehalt des Harnes an Indoxyl nicht be- einflussen, ^l Wir kennen somit eine Anzahl von Verbindungen, die sich auf be- stimmte Aminosäuren zurückführen lassen und bereits im Darmkanal so verändert werden, daß sie unzweifelhaft für mancherlei Vorgänge in den Geweben nicht mehr vollwertig sind. Ein Teil dieser veränderten Produkte wird in den Geweben weiter umgewandelt. Ein erheblicher Teil davon wird jedoch durch Verbindung mit Schwefelsäure, Glukuronsäure oder Glykokoll festgelegt und in gebundener Form zur Ausscheidung gebracht. Die Paar- linge sind verschiedener Abstammung. Die Glukuronsäure geht ohne Zweifel aas Glukose hervor. Das Glykokoll stammt entweder direkt von Eiweißstoffen ab, oder es wird, wie wir gleich noch erfahren werden, neu gebildet. Die Schwefelsäure endlich kann auf Sulfate der Nahrung zurückgeführt werden, oder aber es bildet der Schwefel des Eiweißes und insbesondere des Zy- stins das Ausgangsmaterial. Aus der Beobachtung, daß nach Verabreichung von großen Phenolmengen nur dann im Harn eine Vermehrung der Phe- nolschwefelsäure auftrat, als gleichzeitig Sultide verabreicht wurden, wäh- rend Sulfate keinen Einfluß hatten, ist der Schluß gezogen worden, daß zunächst eine Bindung des Phenols an schweflige Säure und erst dann die Oxydation zu Schwefelsäure erfolgte.'*) Wir hätten in diesem Falle ähn- liche Verhältnisse vor uns, wie bei der Glukuronsäure. die nach der Ansicht mancher Forscher ebenfalls erst nach erfolgter Kuppelung von Traul)en- ') F. G. Hopkins- und N. W. Cole: Journ. of Physiol. 29. 451 (1<)03). ") A. Ellinger und M. Gentzen: Hofmeistern Beiträge. 4. 171 (1904). — Chuai Asayama: Acta scholae medic. Univ. iniper. Kioto. 1. 115 (1915). 3) F. P. Underhill: Americ. .Journ. of physiol. 12. 17G (1905). *) Tauber: Archiv f. experiin. Path. und Pharniak. 36. 197 (1895); Zeits^chr. t. physiol. Chem. 2. .SSR (1878/79). 522 XXV. Vorlesung. zucker mit der festzulegenden Verbindung entstehen soll, i) Die vorlie- genden Beobachtungen reichen zu einer bestimmten Schlußfolgerung noch nicht aus. Die Bildungsstätte der gepaarten Verbindungen ist die Leber^) und vielleicht auch die Darrawand. Ob diese Organe die einzige Möglichkeit von Kuppelungen der genannten Art bieten, ist noch unent- schieden. 3) Bei der Besprechung der aus Aminosäuren durch Bakterien sich bildenden Abbauprodukte haben wir die Amine kennen gelernt. vSie ent- stehen entweder durch Abspaltung von Kohlensäure oder von Ameisen- säure bei gleichzeitiger Reduktion.*) Im Darmkanal findet sich diese Art des Abbaues von Aminosäuren ebenfalls. Bis jetzt sind im Harn die folgenden Amine aufgefunden worden: Putreszin=:Tetramethylen- diarain und Kadaverin = Pentamethylendiamin. Das erstere stammt, wie wir früher schon festgestellt haben ^j^ von Arginin bzw. Orni- thin ab. Das letztere ist auf Lysin zurückzufübren.^) Beide Amine sind bei einer Stoffwechselanomalie, nämlich der Zystinurie, beobachtet worden.'') Über den Zusammenhang der Entstehung dieser Amine und der Ausscheidung von Zystin im Harn ist nicbts bekannt. Unter nor- malen Verhältnissen ist man den Aminen im Harne nicht begegnet oder doch nur sehr selten. Auch im Darminhalt und den Fäzes scheinen sie nicht in nachweisbarer Menge zugegen zu sein. Wir müssen trotz- dem mit der Möglichkeit rechnen, daß die Darmflora aus Amino- säuren auch Amine bereitet. Wahrscheinlich werden sie in den Geweben normalerweise umgewandelt. Vielleicht vermag der an Zystinurie Leidende nicht nur Zystin nicht abzubauen, sondern auch gebildete Amine nicht zu spalten.^) Sehr wichtig ist die Feststellung, daß in der Darmschleimhaut (Ü-Imidazolyläthylamin nachweisbar ist.^) Es entstammt vielleicht dem Darmkanal. Es ist nämlich gelungen, aus der Darmflora einen Ba- zillus zu isolieren, der aus Histidin dieses Amin bildet.^") Es ist jedoch auch möglich, daß die Darmzellen es bereiten. Die Beobachtung, daß mancherlei Organextrakte eine dem ß-lmidazolyläthylamin nahestehende Wirkung entfalten, hat zu der Vermutung geführt, daß dieses Amin oder *) Vgl. hierzu auch Yvho Hämäläinen: Skand. Archiv, f. Physiol. 30. 196 (1913). ^) Vgl. auch K. F. Pelkan und G. H. Whipple: The J. of Biol. Chem. 50. 499, 513 (1922). ■') Vgl. hierzu Fritz Lade: Zeitschr. f. physiol. Chem. 79. 327 (1912). Hier findet, sicli die Literatur ühcr diese Frage. *) Vgl. hierzu S. 459. ^) Vgl. S. 321. «) Vgl. S. 324. ') L. V. Udränsky und £" Baumann: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 21. 2744, 2939 (1888); Zeitschr. f. physiol. Chem. 13. 562 (1899). — Stadfhagen und L. Brieger: Virchows Archiv. 115. 490 (1889). — A. E. Garrod: Inboru errors of metabolisni. Croonian lectures. 1908. - - A. E. Garrod und W. H. Hurtlei/: Journ. of Physiol. 34. 21(5 (1906). — A. Loewy und C. Neubcrg: Zeitschr. f. physiol. Chem. 43. 338 (1904). *) Vgl. hierzu Fmil Abderhalden und Ernst Wertheimer : l'Jiügers Archiv. 197. ( 1922). ") G. Barger und //. JI. Dale': .lourn. of Physiol. 41. 499 (1911). — Vgl. auch über ß-Imidazolyläthylamin aus Fischfieisch. IJ. Suzuki, U. Mihata, S. Otsuki, R. Junge, l\. C. BItaratkar, Y. Okuda, S. Odake, K. Yoshimura und Y. Tanaka: Journ. (3oll. Agri- cult. Tokio. 5. 1 (1912). '») Edmund Mellanby und F. W. Twort : Journ. of Physiol. 45. 53 (1912). Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 523 eine ihm nahe verwandte Verbindung in bestimmten Geweben gebildet wird. Besonders wirksam sind die Extrakte aus der Hypophyse, und es scheint, daß dieses Organ Verbindungen bereitet und sezerniert, die den» Imidazolyläthylamin nahe steheni), jedoch nicht mit ihm identisch sind.-) Über den Abbau von Aminen im tierischen Organismus unterrichten die folgenden Beobachtungen. 3) Wurde Indoläthylamin — das aus Tryptophan sich bildende Amin — durch die Leber geleitet, dann ent- stand Indolessigsäure. Wurde dieses Amin Hunden verfüttert, dann erschien im Harn Indolazetursäure. Sie ist ganz entsprechend auf- gebaut, wie die Phenylazetursäure, d. h. es hat sich die gebildete Indol- essigsäure mit Glykokoll unter Wasseraustritt vereinigt: CH HC C . CH.. . (^OOH + HNH . CH., . COOH = HCy ,C\ JCR Aminoessigsäure CH NH Indolessigsäure CH HC^^Ci C . CH, . CO . NH . CH, . COOH -f H, 0 HCV /^' CH CH NH Indolazetursäure Indolazetyl-'glyzin. Die Bildung der Indolazetursäure ist von ganz besonderem Interesse, weil diese Verbindung höchstwahrscheinlich das sogenannte „Chromo- gen" des Uroroseins darstellt.*) Ferner lehrt das Ergebnis der Ver- fütterung von Indoläthylamin, daß die Indolessigsäure auch über das entsprechende Amin gebildet werden kann 5): CH HC^\C- NH, HC x. •c^ C . CH, . CH . ICOO H HC CH NH CH HC c- .C CH Tryptophan=:Indol- a-am in ©Propionsäure CH NH Indoläthylamin C.CH.3.CH0.NH2 + CO., CH M Hermann Fiihner: Therap. Moiiatsh. März (1913); Deutsche med. Wochenschr. Kr. 11 (1913). ^) Vgl. John J.Ahel und Seiko Kubota: The J. of pharm, and experim. Ther. 13. 243 (1919). — John J. Abel unüi D.J.Macht: Ebenda. 14.279(1919). — II.W. Dudley: Ebenda. 14. 295 (1919). — M. 1. Hanke und Karl K. Koeßlcr: The J. of biolog. ehem. 43. 557 (1920). — H. H. Dale u. H.W. J)udlei/: The J. of pharm, and experim. Ther. 18. 27 (1921). ■') Arthur James Eivins und Patrick Flayfair Laidlaiv: The biochem. Journ, 7. 18 (1913). — M. Guggenheim und W. Lößler: Biochem. Zeitschr. 72. 325 (1916). *) Vgl. hierzu' S. 518. =) Vd. hierzu S. 520. 524 XW . Vorlesung. CH + 20 — NH, HC HC nC. CH, . COOH c. T.H C'H NH Indolessigsäure. Dali auch die Ph en y lessii>;sä ure und die p-Oxypheuyl- essigsäure in ganz entsprechender Weise aus den zugehörigen Aminen, nämlich dem Phen y lät hy 1 ami n und dem p-Oxy phenyläthy 1- amin gebildet werden können, haben direkte Versuche ergeben. Wurde Hunden per os p-O xyphenyl äthy laniin gegeben, dann erschien im Harn p - 0 x y p h e n y 1 e s s i g s ä u r e. ') Das gleiche Resultat gaben Durch- blutungen von Leber und lUerus. Es ist auch möglich, daß die Umwandlung des Amins in die Säure über den entsprechenden Alkohol führt. Dieser Weg sei am Beispiel der Bildung von p-()xyphenylessigsäure aus p-Oxyphenyläthylamin unter Fortlassung etwaiger Zwischenstufen, wie z. B. des Aldehyds, dargestellt : C . OH C.ÜH HC^^|CH HC^ JcH NH2 C.CHo.CH.COOH Tyrosin = p-O xyphenyl- a-aminopropionsäure + H.,0"NH3 - CO, HC CH I II HC CH y C . CH, . CH, p-Oxyj)henyl-äthylamin HC C . OH CH \, CH C . (^H, . CHa . OH p - O X y p h e n y 1 ä t h y 1 a 1 k 0 h 0 1 C . (JH + 20 — EJ) llCi CH C . CH, . COOH p-O xyphenyl -essigsaure. Die Amine haben alle einen mehr oder weniger ausgesprochenen Einfluß auf den tierischen Organismus. G. Bar*) ./. Wohlgemuth: Zeitschr. f' physiol. Chemie. 43. 469 (1905). — Vgl. auch Carl Neuberg und Groser: Zentralbl. f. Phvsiol. 19. 316 (1905). ^) Vgl. M. Jaft': Archiv f. experim. Path. u. Pharm. Suppl. 299(1908). — Ch. l'or- eher: C. r. de l'Acad. d. Sc. 148. 1210 (1909). 526 XXV, Vorlesung, Sicher sind uns noch nicht annähernd alle Prodakte der Täti«:keit der Darmflora bekannt. Auch die aliphatischen Aminosäuren, wie Glykokoll, Alanin, Valin, Leuzin usw., werden von Bakterien angegriffen. Es dürften unter Abspaltung von Ammoniak Fettsäuren und Oxysäuren entstehen. Auch Amine und Alkohole sind zu erwarten. Die weitere Erforschung der Wirkung der einzelnen Bakterien auf die verschiedenen Abbaustufen der Proteine und insbesondere auf die einzelnen Aminosäuren wird namentlich für die Beurteilung der sog. intestinalen Vergiftungen von größtem Werte werden. Es spricht nichts dagegen, daß bei gestörter Verdauung und namentlich bei Bedingungen, die der Darmflora eine ausgiebige Wirkung ermöglichen, Produkte im Darmkanale gebildet werden, die zu Störungen führen können. Es wird das nament- lich dann der Fall sein, wenn die Bewohner des Darmkanals bereits im Dünndarm ihre Wirkung entfalten können. Im Dickdarm finden die Bak- terien normalerweise nicht mehr viel Material zur Bildung der genannten Verbindungen vor, weil im Dünndarm durch Resorption bis auf geringe Reste alles aufgenommen wird, was durch die Fermente des Darmkanales in die geeignete Form gebracht ist. Auch wird die Leber, die als ein mächtiges Schutzorgan zwischen den vom Darm kommenden Blutstrom und den großen Kreislauf gelagert ist, auch dann, wenn aus dem Darm größere Mengen von Produkten bakterieller Tätigkeit zur Resorption ge- langen, noch regulierend eingreifen können. Sie verbindet geeignete Pro- dukte mit den genannten Paarungen. Manche Verbindung wird erst ab- gebaut und umgewandelt, bis sie zur erwähnten Synthese geeignet ist, wieder andere werden vollständig abgebaut. Versagt die Leber aus irgend einem Grunde, dann können vielleicht schon geringe Mengen von Stofl- wechselprodukten der Bakterien zu schweren Schädigungen führen. Viel- leicht darf die Beobachtung, daß Hunde, deren Darmblut künstlich durch Anlegung der £'cÄ:schen Fistel unter Umgehung der Leber in die Vena Cava geleitet wird, besonders leicht Vergiftungserscheinungen zeigen, wenn sie eiweißreiche Nahrung aufnehmen, im Sinne eines durch dieses Organ bewirkten Schutzes gedeutet werden, i) Die Verl)indungen Kresol, Phenol und Indol werden ganz allgemein als charakteristische Stotfwechselprodukte bestimmter, den Darm bevöl- kernder Bakterien aufgefaßt. Ihre Bildung jenseits des Darmkanales durch Gewebszellen wird im allgemeinen für ausgeschlossen betrachtet. Wir müssen gestehen, daß eine restlose Sicherung einer solchen Annahme zur Zeit nicht vorliegt. Im Gegenteil eröffnet der Umstand, daß Beobachtungen bekannt sind, wonach der tierische Organismus einen Teil der genannten Verbindungen in seinen Zellen abbauen kann, die M()glichkeit, daß er sie auch zu erzeugen vermag. Sie entstehen in den Zellen vielleicht nur in ganz geringen Mengen und werden sofort weiter zerlegt. Die Kuppelung der erwähnten Produkte an Schwefelsäure, Glukuronsäure und Glykokoll ist vielleicht bestimmten Zellarten vorbehalten. Vor allem kommt den *) M. Hahn, O. Massen, M. Nencki und ./. Pawlow : Archiv f. cxperim. Patli. und Pharm. 32. IB! (1892). — F. Fischler: Deutsches Archiv f. klin. Med. 104. 300 (1911). — Dieser Autor konnte durch Einfrabc von Säure die Vergiftungserscheinungen be- kämpfen, bzw. durch rechtzeitige Säurezufuhr sie verhindern. Vielleicht wirkte die Säure indirekt, indem sie die Tätigkeit der Darmtiora einschränkte. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 527 Leberzellen diese Fähigkeit zu. Die Synthese tritt vielleicht nur dann in Funktion, wenn eine gewisse Menge an den Verbindungen Phenol, Kresol und Indol überschritten wird. Mit der eingetretenen Synthese mit den erwähnten Produkten ist die Abbaufähigkeit aufgehoben. Die vom Darm her resorbierten Abbaustufen bestimmter Aminosäuren, wie Phenol, Kresol, Indol, werden offenbar immer in der Hauptsache gekuppelt. Man wird im allgemeinen, mögen die Dinge nun liegen wie sie wollen, die im Harn auftretenden Mengen an Kresol, Phenol und Indol auf die Tätigkeit der Darmfiora beziehen dürfen; denn wenn auch die KJirperzellen die Fähigkeit besitzen sollten, jene Produkte aus bestimmten Aminosäuren zu erzeugen, so würden sie im allgemeinen doch nicht zum Vorschein kommen, weil sie dem weiteren Abbau unterliegen. Eine andere Frage ist die, ob es nicht Fälle gibt, bei denen diese Zerlegung gestört oder gehemmt ist. In diesem Falle müßte es zu einer Anhäufung dieser Verbindungen jenseits der Darmwand kommen. Die Kuppelung und die damit verbundene Ent- giftung würden nicht rasch genug einsetzen können. Es müßten Folge- erscheinungen aller Art einsetzen. Manche bisher unerklärbare Störung des Wohlbefindens läßt sich vielleicht mit derartigen Vorgängen in Zu- sammenhang bringen, doch liegen bisher nur Vermutungen und keine zwingenden Beweise vor. Immerhin muß der ganzen Frage der Bildung von Kresol, Phenol und Indol und vor allem auch von Aminen und andersartigen Abbauprodukten in den Zellen und der Störung des normalen Ablaufs der raschen weiteren Zerlegung der einzelnen Abbaustufen erhöhtes Interesse entgegengebracht werden. Schließlich wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß wir ohne Zweifel , mit unseren Nahrungsmitteln immer kleine Mengen der oben erwähnten Verbindungen aufnehmen. Besonders reich an Aminen ist der Käse. Aus ihm konnte z. B. Tyranin gewonnen werden. i) Histamin ist wiederholt als Bestandteil der Nahrung, z. B. im Fleisch festgestellt worden. 2) *) E. Winterstein and Alb.Küng: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 59. 138 (1909). ') Vgl. J. Abel und Ä Kubota: .T. of Pharm. 13. 243 (1919). Vorlesung XXVI. Eiweißstoffe und ihre Hausteine. 10. Verhalten der von der Darmwand aufgenommenen Abbaustufen der Proteine jenseits des Darmkanals. Der Darminhalt enthält unter normalen N'erhältnissen Peptone und Aminosäuren. In den dem Dickdarm benachbarten Teilen des Ueums trifft man außerdem meistens auch Abbaustufen von aromatischen Amino- säuren an. Im Dickdarminhalt sind sie wohl immer vorhanden. Es ist .sehr wahrscheinlich, daß im ganzen Dünndarm beständig Abbaustufen des Eiweißes von Bakterien zu ihren Zwecken verwertet werden. Es brauchen nicht nur jene Produkte zu entstehen, die nach stattgehabter Resorption zum Teil durch Kuppelung mit Schwefelsäure, Glukuronsäure oder Glykokoll vor der weiteren Zerlegung bewahrt werden und infolgedessen im Harn zum Vorschein kommen. Es können Fettsäuren. Oxysäuren oder auch Alkohole gebildet werden, je nach der Art der Zusammensetzung der Bakterienflora und den herrschenden Bedingungen. Auf alle Fälle wird unter normalen Verhältnissen immer nur ein kleiner Teil des aufgenommenen Eiweißes von den Bewohnern des Darmes verwendet. Der bei weitem größte Teil der Eiweißabbaustufen kommt direkt zur Resorption. Wir haben bereits hervorgehoben, daß es zurzeit ganz unmöglich ist, die Frage nach der Art der zur Aufnahme gelangenden Produkte sicher zu be- antworten. Unzweifelhaft werden beständig Aminosäuren auf- genommen. Daneben kann es sehr wohl auch zur Resorption von Pep- tonen kommen. Wir kommen nun zu der wichtigen Frage,- was aus den von der Darmwand aufgenommenen Eiweißabbauprodukten wird. A priori sollte man glauben, daß dieses Problem nicht allzuschwer zu lösen sei, kann man doch z. B. einem Hunde große Mengen Eiweiß zu fressen geben und feststellen, daß innerhalb relativ kurzer Zeit — in (3 bis 8 Stunden — das aufgenommene Material fast vollständig aus dem Darm versehwunden ist. Es ist somit nur notwendig, innerhalb dieser Zeit nachzusehen, was aus den aufgenommenen Produkten wirdi So einfach die Fragestellung ist, so schwierig ist ihre Beantwortung! Der Abbau der Proteine und Peptone vollzieht sich im Diirmkanal stufenweise. Der vom Magen dem Darme übergebene Eiwoiüstort'e uiiil ihre Bausloine. 529 Chymus wird auf eine durch Faltenbildang — Zotten -gewaltig;- vergrüücrte Oberfläche ausgebreitet. Er wird von den Sekreten der Darmschleimhaut und der Pankreasdrüse und ferner von Galle durchtränkt. Der Abbau setzt sofort energisch ein. Gleichzeitig werden die gebildeten Abbaustufen durch die peristahischen Bewegungen des Darmes weiter geschoben. Sie kommen mit neuen Sekretmengen in Berührung. Die Bedingungen, unter denen der Abbau sich vollzieht, wechseln. Die Reaktion, die in dem oberen Teil des Darmes noch ausgesprochen sauer ist, verliert in den tieferen Abschnitten des Jejunums und im Ileum mehr und mehr den sauren Charakter. Es werden im Darme beständig Abbaustufen gebildet, die zur Resorption geeignet sind. Sie entstehen normalerweise immer nur in kleiner Menge an den verschiedensten Teilen des langen Dünndarms. Bald wird hier etwas aufgenommen, bald dort. Fortwährend strömt an den Zellen des' Darmes Blut und ferner Lymphe vorbei. Beide Flüssigkeiten sind durch die ungezählten Kapillaren, die jede einzehie Zotte versorgen, auf eine gewaltig große Oberfläche ausgebreitet. Die aufgenommenen Produkte können in den Zellen des Darmes Halt machen, sie können jedoch auch sofort an das Blut und die Lymphe weiter gegeben werden. Es ist jedoch auch möglich, daß schon inner- halb der Darmwand Veränderungen vor sich gehen. Den aufgenommenen Spuren von Abbauprodukten zu folgen, ist außerordentlich schwierig. Es bestehen nämlich alle Zellen des tierischen Organismus und auch alle Zwischensubstanzen, wie Bindegewebe usw., vornehmlich aus Eiweiß. Auch das Blut enthält große Eiweißmengen. Ferner werden im Organismus beständig Eiweißstoffe zerlegt. Es entstehen, wie wir bald erfahren werden, in den Zellen Peptone und Aminosäuren. Die letzteren werden weiter abgebaut. Zwischenprodukte im Abbau von Aminosäuren, solche selbst und ihre letzten Abbauprodukte können beständig dem Blute über- geben werden. Wie sollen wir entscheiden, ob ein im Blute gefundenes Produkt soeben vom Darme aufgenommen worden ist oder irgend einer Zelle des Körpers entstammt?! Die ganze Fragestellung würde viel einfacher zu beantworten sein, wenn von der Darmwand aus dem Chymus eigenartige, charakteristische Abbaustufen aufgenommen würden, oder wenn jenseits des Darmes Pro- dukte entstehen würden, die sich ohne weiteres in direkte Beziehung zur Resorption von Eivveißabbaustufen bringen ließen. Endlich würde unzweifelhaft das ganze Problem nach der Art der den Körperzellen zugeführten Eiweiß- abbaustufen schon längst klar entschieden sein, wenn der tierische Organismus in irgend einem Organ Lagerstellen besäße, die von aufge- nommenen Verbindungen, die zum Eiweiß in Beziehung stehen, gespeist würden. Wohl kann nach neueren Beobachtungen die Leber Eiweiß in gewissem Umfange speichern \), wir sind jedoch nicht imstande, wie das bei den Kohlehydraten und Fetten der Fall ist, Eiweiß in gewissen Grenzen nach Belieben zum Ansatz zu bringen. Wir finden viehnehr die zunächst über- raschende Tatsache, daß mit der Zunahme der in Form von Eiweiß ver- fütterten Stickstofl"men}2;e bei gleichbleibender Zufuhr von stickstofl"frcien ») Vgl. yV. Berq: Biochcm. Zeitschr. 61. 428 (l'.)U). — W. ßir;/ luul ('. l'ahn- Bronner: Ebenda. 61."4B4 (li)14). — Hans Stiibel: Pßiif/ers Archiv. 185. 74(1920).— /'. Junkersdorf: Fjlüger?, Archiv. 186. 254 (1921). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, .t. Aufl. 34 530 XXVI. Vorlesung. Nahrangsstoffen — Kohlehydraten und Fetten — die Ausfuhr stickstofi- haltiger Stoflfwechselendprodukte annähernd Schritt hält. Je mehr Eiweiß wir zuführen, um so mehr stickstoffhaltige Produkte erscheinen im Harn. Wir dürfen aus dieser Erscheinung nun nicht, wie dies früher oft ge- schehen ist, den Schluß ziehen, daß der ausgeschiedenen Stickstoffraenge ein vollständiger Verbrauch der das Eiweiß aufbauenden Bestandteile ent- spricht. Es hat vielmehr die exakte Untersuchung des Eiweißstoffwechsels und besonders des Verhaltens der Aminosäuren im Zellstoffwechsel ergeben, daß wir bei der Beurteilung des Eiweißumsatzes nicbt, wie es allgemein üblich war, nur die im Eiweiß aufgenonynene Menge Stickstoff der im Harn ausgeschiedenen und im Kot verbliebenen Stickstoffmenge gegen- überstellen dürfen. Es verläßt nämlich, wie wir gleich erfahren werden, nur ein relativ kleiner Teil des Kohlenstoffs des Eiweißes den Organismus mit dem Stickstoff zusammen. Der übrige Kohlenstoff tritt, wie wir bereits wiederholt hervorgehoben haben, in Beziehungen zu Kohlehydraten und vielleicht auch zu Fetten. Es können somit sehr wohl Teile des auf- genommenen Eiweißes gespeichert werden, nur nmß zuvor der Stickstoff austreten und zugleich eine Umwandlung erfolgen, welche die direkte Be- ziehung zum Eiweiß bzw. zu seinen Bausteinen löst. Diesem Umbau von Aminosäuren in Zucker können wir leider l)ei Untersuchungen, die den Stoffwechsel des ganzen Tieres betreffen, nicht direkt folgen. Wir können ihn nur in seiner Gesamtheit aus Stoffwechsel- versuchen erschließen und ihn durch Versuche am überlebenden Organ wahrscheinlich machen. Diese Umwandlung vollzieht sich sicher nicht in großem Umfange auf einmal, sondern immer nur bald hier, bald dort in kleineren Schüben.^) Daher kommt es, daß wir den Zwischenstufen der Überführung von Aminosäuren in Traubenzucker in den Geweben und auch im Blute nicht begegnen. Wird es einmal möglich sein, Spuren von einzelnen Verbindungen zu folgen, dann wird gewiß auch hier mancher Weg, den bestimmte Produkte zurücklegen, bis sie in andere übergeführt sind, klar sichtbar werden. Vorläufig vermögen uns die Beziehungen der Bausteine der Proteine zu den Kohlehydraten nichts über die Art der vom Darm aufgenommenen Eiweißabbaustufen und der zum Transport gelangenden auszusagen. Da wir die gestellte Frage nach der Art der vom Darm auf- genommenen Eiweißabbaustufen und die Form, in der ihre Überführung zu den Körperzellen erfolgt, nicht eindeutig beantworten können, so bleibt uns nichts anderes übrig, als die wahrscheinlichsten Möglichkeiten zu besprechen. Zunächst müssen wir die Frage entscheiden, welchen Weg die aufgenommenen Eiweißabbauprodukte einschlagen. Es unter- liegt keinem Zweifel, daß im wesentlichen der Blutweg benutzt wird, doch findet ohne Zweifel stets auch ein Transport v^on Eiweißabkömmlingen von Seiten der Lymphe statt. 2) Wir wollen nunmehr versuchen, den von der Darmwand aufgenom- menen Produkten zu folgen. Zunächst interessiert uns ihr Ver- *) Es scheint, daß die Leber an diesen Umwandlungen besonders Ijeteiliirt ist Vgl. P. Junkersdorf: Pflüger?, Archiv. 186. 254 (1921). *) Emil Abderhalden, Arno Ed. Lampe und E. S. Ijondon: Zoitschr. f. plivsiol. Chemie. 84. 213 (1913). Kiweißstoffc und ihre Bausteine. 531 halten in der Darm wand. Wir haben gesehen, daß die aus dem Darmkanal aufgenommenen Bausteine der Fette in dieser wenigstens zum Teil zu Neutralfett zusammengefügt und dann in dieser Form durch des Ductus thoracicus dem Blute zugeführt werden. Sollten nicht auch die resorbierten Eiweißabbaustufen in den Zellen des Darmes wieder zu Eiweiß vereinigt werden? Es wäre z. B. denkbar, daß in der Darmwand von bestimmten Zeliarten beständig jene Proteine gebildet Averden, die sich im Bhite und im besonderen am Blut- plasma tinden. In diesem Falle kimnten wir die Zellen der Darmwand mit solchen von Drüsen vergleichen, die ja auch beständig Stoffe auf- nehmen, sie umwandeln und dann nach außen oder in die Lymph- bzw. Hhitbahn Sekret- bzw. Inkretstoffe abgeben, die eine ganz bestimmte Zu- sammensetzung haben. Genau ebenso könnten die Zellen der Darmwand aus dem aus dem Darmkanal aufgenommenen Gemisch von Verdauungs- produkten ein gleichartiges Gemenge von ^'erbindungen und insbesondere von Proteinen bereiten, das dann als Xährmaterial der Gewebe dem Blute übergeben würde. Auf diese Weise würden dem Blute stets quantitativ und qualitativ die gleichen Produkte zugeführt. Die Zellen des Darmes könnten bei der Synthese dieses Eiweißgemenges manchen Stoff' zurück- halten, ihn umwandeln und vielleicht aucli schon manche wichtige Syn- these in die Wege leiten, die v^on bestimmten Aminosäuren ihren Ausgang nimmt. Bei dieser Überführung des heterogenen Gemisches von Abbau- stufen in ein homogenes Material würden sicher viele Abfallstoffe entstehen. Bald würde dieser, bald jener Baustein un verwertbar sein. Er könnte umgewandelt oder zur weiteren Benutzung der Leber oder auch anderen Körperzellen zugeführt werden. Manches Eiweißabbauprodukt dient ferner vielleicht im tierischen Organismus auch ganz bestimmten Aufgaben und wird direkt übernommen. D i e A n n a h m e e i n e r E i w e i ß b i 1 d u n g in d e r D a r m w a n d konnte durch keine \' ersuche bewiesen werden. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Darmwand während der Resorption von Eiweißabbauprodukten einen höheren Gehalt an Eiweiß aufweist, als vor der Resorption.^) Es ließ sich kein deutlicher Unterschied feststellen. Ein solcher fehlt vielleicht deshalb, weil die Möglichkeit besteht, daß das gebildete Eiweiß sofort dem Blute übergeben wird. Ferner ist versucht worden, eine Eiweißsynthese im überlebenden Darm festzustellen. Es wurde in einen solchen ein Gemisch von Eiweißabbaustufen eingeführt. Eine Bildung von Eiweiß war nicht nachweisbar. 2) Auch dieser Versuch schließt nicht aus, daß unter normalen Verhältnissen in der Darmwand sich eine Synthese von Plasmaproteinen vollzieht, weil ihre Bildung sich wahrschein- lich nach dem Bedarf richtet, und es sicher in hohem Maße auf die vor- handenen Bedingungen ankommt, ob ein Aufbau aus zugeführten Bau- steinen eintritt. Es sei noch bemerkt, daß man selbstverständlich niciit an eine Bildung einzelner Zeliproteine in der Darmwand denken darf. Die Zellen der Darmwand können ja nicht über den Eiweißbedarf der einzelnen Körperzellen unterrichtet sein. Wohl aber ist die Möglichkeit gegeben, daß vom Darme aus je nach Bedarf die Menge der Plasma- M Etiiil Abderhalden und E. S. London: Zeitschr. f. physiol. Chem. 55. 251 (1910). ==) Peter Rona: Biochem. Zeitschr. 46. .307 (1912). 34* 5;',2 XXVI. N'orlesuiiij. eiweißstüffe ergänzt wird. Diese stellen ottenbar - zum Teil wenigstens — das Nährmaterial der Körperzellen dar. Die erfolgreichen Versuche von Carrel^), dem es gelang, Gewebe in Blutplasma zu züchten und sie zur Zellvermehrung zu bringen, beweisen ohne Zweifel, daß die Organ- zellen auf Kosten der im Plasma enthaltenen Stoffe leben können. Sicher kommen auch die vorhandenen Eiweißstoffe in Betracht, denn der Gehalt des Blutes an nicht eiweißartigen, stickstoffhaltigen Produkten ist sehr gering. Leider sind bis jetzt noch keine eindeutigen Beobachtungen über die wirkliche Zunahme der explantierten. in Plasma gezüchteten Gewebe an neugebildetem Material gemacht worden. Eine weitere Möglichkeit ist die, daß in der Darm wand die aufgenommenen Ei w ei ßab bau stufen weiter verändert werden. Einmal könnten etwa aufgenommene Peptone a ollständig zu Aminosäuren abgebaut werden. Es könnte jedoch auch eine Umwandlung der einzelnen Aminosäuren sich vollziehen. Es wäre z. B. denkbar, daß aus ihnen Traubenzucker gebildet wird, oder sich Beziehungen zu anderen Verbindungen anbahnen. Diese Umwandlung brauchte nicht alle aufge- nommenen Aminosäuren zu betreffen. Nun wissen Avir, daß der Abbau der Aminosäuren in den Geweben in der Regel in der Weise erfolgt, daß frühzeitig die Aminogruppe abgespalten wird. Es müßte somit im Falle eines umfangreicheren Abbaues von Aminosäuren in der Darmwand während der Periode der Aufnahme von Eiweißabbauprodukten aus dem Darmkanal im Blute in größerer Menge Ammoniak erscheinen. In der Tat linden sich Angaben, daß während der Verdauung von Eiweißstoffen das Blut der Pfortader einen erhöhten Gehalt an diesem aufweise. 2) Dieser Befund ist nicht eindeutig. Es kann sich auch um Ammoniak handeln, das im Darmkaual entstanden ist. Wir haben ja erfahren, daß Bakterien Ammoniak aus Eiweißbausteinen abspalten, denn nur auf diesem Wege ist die Entstehung von Phenol und Indol aus den entsprechenden Ami- nosäuren möglich. Daß das im Blute auftretende Ammoniak zum großen Teil durch Resorption aus dem Dickdarm in dieses gelangt, hat Folin-') durch direkte Beobachtungen über seine Herkunft gezeigt. Es liegen keine Beweise für die Annahme vor, daß in der D a r m w a n d resorbierte E i w e i ß a b b a u p r 0 d u k t e in i r g e n d w i e i n B e t r a c h t k 0 m m e n d e n M e n g e n über d i e A m i n 0- säuren hinaus verändert werden. Selbstverständlich werden die Zellen der Darmwand genau so, wie die übrigen Organzellen beständig Eiweiß bzw. Aminosäuren umsetzen. Jede einzelne wird solche ihrer Aminogruppe berauben und den Abbau weiter führen können. Es ist jedoch nicht erwiesen, daß die Zellen der Darmwand über ihren eigenen Bedarf hinaus Aminosäuren zerlegen. ') Alexis Carrel und M. /', Jiurroirs: Journ. Americ. med. Ass. 1379 (1910). — Vgl. weitere Literatur im Haiidb. d. biochem. Arbeitsmethoden. ,3. 836 (1912); 0. .'il9 (1912). — Ferner Alber/ Oppcl: Zentralbl. f. Zoologie, ullgem. u. expcrim. Biologie. 3. 209 (1913). ^) M. Hahn, 0. Massen, M. Nencki und ./. Pawloir: Arcliiv f. experim. Patli. u. Pharm. 32. 161 (1896). — M. Nencki, J. I'awlow und ./. Zaleski: Ebenda. 37. 26 (18'.)iii. — Vgl. auch <). Cohnheim: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 33. 9 (1901); Dh 396 (1902). ■') Offo Folin und VV. />rnis: .lourn. of Biol. Chem. 11. 1(')1 (1912). Kiweißstorti' uiul ihre Bausteine. 58^ Es bleibt nun noch die folgende Miiglichkeit. Die aus dem Darm- kanal a u f g e n 0 ni m e n c n E i av e i ü a b b a u s t n f e n durchwandern als solche das Darniepithel und gehen in das Blut über. Zunächst gelangen sie in die Pfortader und in dieser zur Leber. Es ergibt sich die Frage, ob dieses Organ Eiweißabbaupiodukte verändert oder aber direkt durchläßt. Im einen Falle würden wir die resorbierten Eiweißabbau- stufen nur im Pfortaderblut antreffen, im anderen wären sie auch im Ulnte des ül>rigen Kreislaufes zugegen. Es ist lange Zeit unermüdlich nach Aminosäuren und Peptonen im Blute geforscht worden, ohne daß es ge- lungen wäre, zu eindeutigen Resultaten zu gelangen. Einzig im Rinderblut wurde freies Gly kokoll aufgefunden i), doch dürfte dieser Befund kaum mit der Resorption von Aminosäuren aus dem Darmkanal in Zusammen- hang stehen, weil die Eiweißkörper der Nahrung im allgemeinen nur über geringe Ulykokollmengen verfügen. Das festgestellte Glykokoll entstammt ohne Zweifel dem Zellstoftwechsel. Wir werden noch erfahren, daß der tierische Organismus diese Aminosäure in großen Mengen bilden kann. Der Umstand, daß bis vor kurzem weder Aminosäuren noch Peptone im Blute aufgefunden werden konnten, kann mehrere Ursachen haben. Ein- mal ist es Avohl möglich, daß die »Spuren von Am inosäur en, die in jedem Zeitpunkt zur Resorption gelangen, sofort d e n G e w e b e n zugeführt und dort festgehalten werden. Wir können ja immer nur das Blut in einem bestimmten Augenblick dem Organismus entnehmen und auf diese Weise auf jene Aminosäuren fahnden, die sich eben auf dem Wege vom Darm zu der Leber bzw. zu den übrigen Geweben befinden. Es ist versucht worden, Vergleiche zwischen dem Gehalt des Blutes an Aminosäuren vor, während und nach stattgehabter Eiweißverdauung zu ziehen. Die Resultate waren nicht befriedigend. Man mußte ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß die Amino- säuren in irgend welchen Zellen zum Transport gelangen. Es wäre ja möglich, daß die weißen und auch die roten Blutkörperchen sich mit solchen beladen. ^) Ferner ist wiederholt die Vermutung geäußert worden, es könnten die Proteine des Blutplasmas und viel- leicht auch der Lymphe Aminosäuren locker binden. Es ist schwer, diese Möglichkeiten eindeutig zu prüfen. Die Zellen des Blutes brauchen für ihren eigenen Stoftwechsel Eiweißstofle bzw. Aminosäuren. Ferner wissen wir, daß sie über Fermente verfügen, die Eiweiß und Peptone spalten können. Wie alle anderen Körperzellen werden auch die roten und weißen Blutkörperchen aus Eiweiß Aminosäuren bilden. Ein Gehalt der Zellen des Blutes an bestimmten Stoffen darf somit nicht ohne weiteres mit einer Überführung nach den Geweben in Verbindung gebracht werden. ^) Die wichtigste Ursache des Versagens der bisherigen Versuche, im Blute Eiweißabbauprodukte nachzuweisen, liegt 0 h n e Z w e i f e 1 i n d e r M e t h o d i k. Zunächst ist versucht worden, den Gehalt des Blutes an stickstoffhaltigen Produkten nicht eiweißartiger Natur im Hungerzustand und während der Verdauung von Eiweiß fest- ') A. Bitif/el: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 57. 382 (1908). ^) Vgl. hierzu auch A. Constanfiiio: Biochem. Zeitschr. 55. 402, 411 (1913). 3) \gl. hierzu Emil AhderhaJdcn und //. Kiirfen: Pjlik/eri^ Archiv. 189. 311 (1921). 534 XXVI. Vorlesung. zustellen.!) Die Ergebnisse waren widerspreebend. Offenbar war die rest- lose Beseitigung der Eiweißstoffe nicbt immer gelungen. Nach Verbesserung der Methodik der Stickstoffbestimmung in kleineren Mengen von Blut und \'erwendung einer zweckmäßigen Art der Enteiweißung ist es FoJin und Denis^) gelungen, zu zeigen, daß während der Aufnahme von Eiweißabbaustufen von seiten des Darmes im Blute die Menge jener stickstoffhaltigen Verbindungen ansteigt, dienichteiweißartigerNatursind. Ferner konnten diese Forscher durch Bestimmung einzelner stickstoffhaltiger Bestandteile des Blutes, wie des Kreatins, des Harnstoffes, des Ammoniaks, es sehr wahr- scheinlich machen, daß die Vermehrung der nicht Eiweiß darstellenden Verbindungen im Blute auf eine Zunahme von Aminosäuren zu beziehen ist. Meyer und van Slijke ») konnten diesen Wahrscheinlichkeitsschluß noch dadurch stützen, daß sie nicht nur den Stickstoffgehalt des enteiweißten Blutes bestimmten, sondern auch die Menge des Am inos tick Stoffs. Wir haben früher erwähnt*), daß das Eiweiß über nur wenige freie Aminogruppen verfügt. Je weiter es abgebaut wird, um so mehr Aminogruppen werden frei. Vergleicht man in einem Gemisch von Eiweißabbauprodukten das Verhältnis von Gesamtstickstoif zum Amino- stiekstotf. dann kann man beurteilen, ob es viele einfachere Eiweißabbau- stufen oder gar Aminosäuren enthält. Schließlich ist es noch geglückt •'), mittels Triketohydrindenhydrat, eines Reagenzes, das mit Aminosäuren, Polypeptiden und Peptonen auch in großer Verdünnung eine Blaufärbung gibt, zu beweisen, daß während der Verdauung von Eiweiß das Blut eine deutliche Zunahme von solchen Verbindungen zeigt, die sicher nicht Eiweiß sind, denn sie dialysieren leicht. ^^ Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eindeutig, daß während der Au f- nahme von Eiweißabbauprodukten im Blute Verbindungen auftre- ten, die nicht Eiweiß sind, dagegen zu Eiweißabbaustufen direkte Beziehungen haben. Diese Produkte, die auch dann zu finden sind, wenn man Peptone oder direkt Aminosäuren in den Darmkanal einführt, können der Gruppe der Peptone angehören oder aber Polypeptide und endlich *) Vgl. hierzu u. A.: Gustav r. Bergmann und Leo Langstein: Hofmeüters Beitr. 6. 27 (1904). — G. V. Bergmann: Ebenda. 6. 40 (1904). — H. Holdweg uud H. Meyer: Ebenda. 11. 381 (1908). — ' H. Pringle und W. Cranier: Jonrn. of Physiol. 37. 158 (1908). 2) Otto Folin und W. Denis: The Journ. of biol. Chem. 11. 87, 493 (1912); 12. 141 (1912): 12. 253 (1912). — Vgl. auch zu diesem Problem 0. Folin: Americ. Journ. ot Physiol. 13. 117 (1905). — Otto Folin und //. Berghmd : The J. biol. Chem. 51 395 (1922). — Vgl. ferner Paul Ggörgy und Edgar Zunz: Journ. of biol. Chem. 21. 511 (1915). 3) Donald, D. van Slgke und Gustav M. Meyer: Journ. of biol. Chem. 12. 399 (1912). — Vgl. auch H. Delaunuy: Contribution ä l'ätude du röle des acides amines dans l'organisme animale. A. Destout, aine et Cie., Bordeaux 1910. — E. S. London. X. A. Dobroivolskaja uud A. 1>. Wolkotc: Zeitschr. f. plivsi(d. Chemie. 87. 325. 334 (1913). *) Vgl. S. 373 ft". ^) Emil Abderhalden und Arno Ed. Lanipr: /eitsclir. f. physiol. (Tieniie. 81. 478 (1912). *) Der l'mstand, d;iß uucli andere A'erbindungen als Eiweiß und seine Aiikömm- linge mit Triketohydrindenhydrat reagieren [vgl. W. Halle, K Lonrenstein und 7?. Piihram: Biochem. Zeitsclir. 55. 3r)7\l913); Carl Neuhrrg : Ebenda. 56. 495 (1913)]. vermag die Beweiskraft dieser Versuche niclit zu erschüttern, weil unter den angewandten Bedin- gungen kaum andere Produkte für die Farl»reaktion in Betracht kommen, uud außer (b^m sr-hließlich die Isolinrung von Amiuosäureu geglückt ist. Eiweißstotfe und ihro Bausteine. 535 Aminosäuren sein. Nun haben frühere Versuche schon ergeben, daß das Blutplasma unter normalen Umständen keine Produkte enthält, welche die Biuretreaktion geben und nicht eiweißartiger Natur sind. ') Auch neuere, mit besonders scharfen Methoden durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, daß die Zunahme des Blutes an nicht eiweißartigen Produkten auf Verbindungen entfällt, die keine Biuretreaktion geben. 2) Es können somit jene stickstoffhaltigen, dialysierbaren, nicht koagulierenden, während der Resorption von Eiweißabbauprodukten an Menge zunehmenden Pro- dukte nur noch Peptone, die die genannte Farbreaktion nicht zeigen, ferner einfacher zusammengesetzte Polypeptide und endlich Aminosäuren sein. Es t^ei gleich erwähnt, daß alle Beobachtungen dafür sprechen, daß im Blute während der Verdauung der Proteine Aminosäuren in vermehrter Menge zugegen sind. Es darf nicht verschwiegen werden, daß die vorliegenden Beobach- tungen die Anwesenheit von Aminosäuren im Blute nur sehr wahrscheinlich machen, jedoch nicht direkt beweisen. Als letztes Glied der ganzen Be- weisführung mußte die Darstellung von Aminosäuren aus Blut gefordert werden. Es ist nun gelungen, durch Dialyse großer Mengen von Blut Aminosäuren nachzuweisen, und zwar sind alle bis jetzt be- kannten Eiweißbausteine aus diesem in reinem Zustand isoliert worden.') Es sei gleich hervorgehoben, daß sowohl im Pfortaderblut, als auch im übrigen Blut Aminosäuren anzutreffen sind. Dagegen stößt man, wie schon oben hervorgehoben, nirgends auf Ver- bindungen, die die Biuretreaktion geben und nicht eiweiß- artiger Natur sind. Aus dieser Beobachtung geht hervor, daß entweder die im Darminhalt nachgewiesenen Peptone vor ihrer Resorption voll- ständig bis zu Aminosäuren oder doch zu Verbindungen abgebaut werden, die die Biuretreaktion nicht mehr geben, oder es vollzieht sich dieser Abbau in der Darmwand. Der Leber dürfte kaum eine Rolle bei der Überführung resorbierter zusammengesetzter Verbindungen in ihre Bau- steine zukommen, denn man findet auch dann keine die Biuretreaktion gebenden Stoffe im Blute, wenn sie mittels der Eckschen Fistel aus- geschaltet worden ist.*) Allerdings sind Versuche dieser Art nie ganz eindeutig, weil die Leber ja in Wirklichkeit nicht ganz aus dem Kreislauf entfernt ist. Sie steht noch mit ihm durch die Leberarterie und die Leben- venen in Verl)indung. Immerhin müßten sich im vorliegenden Falle dann, wenn von der Darmwand Peptone ins Blut entlassen würden, im Körper- blute solche nachweisen lassen, denn diese Verbindungen könnten erst dann zur Leber gelangen, nachdem sie den übrigen Kreislauf durchlaufen haben. Dürfen wir aus der Tatsache, daß während der Verdauung .der Proteine und der mit ihr parallel gehenden Resorption von ') Vgl. S. 503. -) Zahlreiche eigene Beobachtungen. •') Kmif Abderhalden: Z. f. physiol. Chemie. 114. 250 (192lj. — ./. Abel de- monstrierte auf dem internationalen Physiologenkongreß in Groningen (September 1913) ein Verfahren, um aus dem Blute dialysierbare Stoffe abzuscheiden. Er laßt das Blut des lebenden Tieres durch Dialysierschläuche strömen und wieder in den Körper zurückHießen. Mit diesem Verfahren ist es Abel ebenfalls geglückt, Aminosäuren im Blute nachzu- weisen. — Vgl. auch A Slo^se: Arch. internat. de physiol. 18. 242 (1921). *) Emil Ahder/ialdPTi. Casimir Funk und E. S. London: Zeitschr. f. physiol. Chem. ."1I 279(1907). 536 XXVI. Vorlei^uujr. Eiweißabbaustiifen im Blute Aminosäuren auftreten, den Schluß ziehen, daß den Körperzellen das aufgenommene tLiweiß aus- schließlich in Form von Aminosäuren zugeführt wird?^) Es ist verlockend, anzunehmen, daß eine einheitliche Form der Übermittlung der dem Eiweiß zugehiu-enden Verbindungen vorhanden ist. Es würden in dem Falle, daß nur Aminosäuren zum Transport gelangen, die Gewebe die ein- zelnen Eiweißbausteine nach Bedarf aufnehmen und verwenden können In der Tat ist es auch geglückt zu zeigen, daß insbesondere das Muskelgewebe während des Transportes der nicht eiweißartigen, stickstoffhaltigen Ver- bindungen eine beträchtliche Zunahme aa diesen Stoffen zeigt. Wir können die gestellte Frage am besten beantworten, wenn wir mitteilen, welche Anforderungen an die strikte Beweisführung, daß die Aminosäuren die einzige Form des „Eiweißtransportes" darstellen, zu stellen sind. Zunächst genügt der (lualitative Nachweis der Aminosäuren durchaus nicht, um festzustellen, ob die Gesamtheit der vom Darm auf- genommenen Eiweißabbauprodukte den Körperzellen in Form von Amino- säuren zugeführt werden. Hier können nur quantitative Untersuchungen eine eindeutige Entscheidung bringen. Man wird durch zahlreiche Ver- suche zu prüien haben, wie groß die Vermehrung des Blutes an Amino- säuren innerhalb bestimmter Zeiten ist. Daran anschließend wird man festzustellen haben, in welcher Zeit sich die Resorption einer bestimmten Menge von in den Darmkanal eingeführten Proteinen vollzieht. Der einfache Nachweis von Aminosäuren im Blute läßt mannig- faltige Deutungen zu. Es kimnte nämlich auch dann zu einem Übergange von solchen in dieses kommen, wenn in der Darmwand Plasmaproteine, gebildet würden. Wie die vergleichende Untersuchung der Zusammensetzung der verschiedenen Proteine ergeben hat, besitzen diese zwar die gleichen Aminosäuren, jedoch tinden sich in den Mengenverhältnissen, in denen die einzelnen Bausteine vorhanden sind, große Unterschiede. Würden die Zellen der Darmwand aus dem resorbierten Gemisch von Aminosäuren und viel- leicht auch von zusammengesetzten Eiweißabbaustufen bestimmte Eiweiß- stoffe aufbauen, dann würden ohne Zweifel viele Aminosäuren übrig bleiben, für die keine Verwendung vorhanden ist. Es würde sich die Verwend- barkeit jeder einzelnen Aminosäure nach der im Minimum vorhandenen richten — vorausgesetzt, daß keine Umwandlung der einen Aminosäure in andere eintritt. 2) Ferner muß noch das folgende Bedenken beseitigt werden. Wir beob- achten, daß auch im Hunger beständig im Harn stickstoffhaltige Produkte auftreten, von denen wir wissen, daß sie mit dem Eiwcißstoffwechsel in Zusammenhang stehen. Es muß nach allen Beobachtungen in den Körper-^ Zellen stets Eiweiß zum Abbau Jvommen. Wir können seine Menge auf ein' Minimum einschränken, indem wir reichlich stickstofffreie Nahrungsstoffe verfüttern. Es gelingt jedoch niemals, den Eiwcißstoffwechsel auch nur für kurze Zeit ganz zum Stillstand zu bringen. Verfüttern wir Eiweiß, dann erscheint im Harn je nach den Versuchsbedingungen und dem Zustand *) Vgl. hierzu aiirh Joint ./. MkI, M. C. l'incoll's und ('. A. Rouillcr: Auicric. J. of Physiol. 44. 320 (1917). ^) Emil Ahdirhuldeii : /ontrallil. f. Stoff wocliscl- und Verdauungskrankheiteii. 5. 647 (1904). Ei\veißst.i)He uud ilue Bausteine. ÖH7" des Tieres eine seinem KStiekstofl'^ehalt mehr oder weniger vollständig- entsprechende iMenge Stickstoff. Es fragt sich nun. ob dieser Stick-' Stoff unmittelbar auf das aufgenommene Eiweiü zurückzuführen ist oder aber, ob er wenigstens zum Teil immer Proteinen entstammt, die schon vorher in den Zellen vorhanden waren. Es spricht alles dafür, daß die Herkunft des im Harn erscheinenden Stickstoffes eine mannigfaltige ist.' Sicher werden ununterbrochen Eiweißstoffe der Körperzellen zerlegt und durch neues Eiweiß ersetzt. Es wäre denkbar, daß bei reichlichem Angel)ot von Eiweißbausteinen der Abbau innerhalb der Zellen ein gesteigerter ist. und der Ersatz durch Proteine, die aus den zugeführten Aminosäuren ge- bildet werden, ein besonders lebhafter ist. Sei dem nun, wie ihm wolle, jedenfalls — und das ist für uns die Hauptsache — ist erwiesen, daß die Körperzellen selbst Eiweiß zu Anunosäuren abbauen können. Es fragt sich nun, was aus ihnen im einzelnen Falle wird. Sie können in den Zellen selbst weiter abgebaut werden. Sie können jedoch auch ins Blut über- gehen und zum Transport kommen. Diese letztere Möglichkeit führt zu der Forderung, daß in jedem einzelnen Falle ausgeschlossen wird, daß die im Blute und auch in den Geweben beobachteten Aminosäuren dem Zell- stoftwechsel entstammen. Die Tatsache jedoch, daß w^ährend der Auf- nahme von Eiweißabbaustufen von Seiten der Darmwand eine Vermehrung des Gehaltes des Blutes an Produkten eintritt, die wahrscheinlich zum größten Teile und vielleicht vollständig den iVminosäuren angehören, macht es im höchsten Maße wahr- scheinlich, daß diese Verbindungen vom Darme aus in den Kreislauf ge- langen. Es w^äre gesucht, wollte man annehmen, daß während der Resorp- tion von Eiweißabbaustufen auch die Körperzellen in vermehrtem Maße Eiweiß zum Abbau bringen und dem Blute Aminosäuren übergeben. Immer- hin muß dieser Möglichkeit gedacht werden. Überblickt man die bisherigen Ergebnisse der Erforschung des Schicksals der Eiweißstoffe im tierischen Organismus, dann ergibt sich mit größter Wahrscheinlichkeit, daß die Aminosäuren im Mittelpunkt des ganzen Eiweißstoffwechsels stehen. Über sie führt die Umwandlung eines Eiweißkörpers in einen anderen. Sie bilden den Ausgangspunkt von Synthesen aller Art. und über sie geht auch der Abbau zu den End])ro- dukten des Eiweißstoffwechsels. Die Aminosäuren werden von den einzelnen Körperzellen in mannigfaltiger Weise verwendet. Einmal dienen sie zum Aufbau von Eiw^eiß. Jede Zelle enthält in der ganzen Organismenwelt mehrere Eiweißkörper. Je nach der Art der Zelle sind diese verschieden beschaffen. Jede Tierart hat eigene Eiweißstoffe und auch jedes Organ bildet in jeder Organismenart wieder, wie die chemische Untersuchung zeigt, besondere Proteine. Es ist wohl möglich, daß jede Zelle Proteine ganz verschiedener Bedeutung enthält. Es ist denkbar, daß es Eiweißkörper gibt, die aus- schließlich Bausteine der Zelle sind. Andere dagegen bilden vielleicht das Ausgangsmaterial zu mannigfachen Vorgängen. Es könnte auch sein, daß in gewissem Sinne jede einzelne Zelle Keserveeiweiß enthält. Es ist nicht auf bestimmte Zellen festgelegt und wird vielleicht nach Verbrauch immer wieder ersetzt. Es tritt nicht in Erscheinung, wie das Reservefett und das Glykogen, weil es sich nicht von deni übrigen Eiweiß der Zelle abhebt. Vielleicht werden weitere Fortschritte auf dem Gebiete der Eiweißchemio f)38 XXVI. Vorlesung. eine Unterscheidunji; der einzelnen Zellproteine ermöglichen. Vorläufig sind wir auf die Fermente als feinste Reagenzien auf Unterschiede im Aufbau nahverwandter Verbindungen angewiesen. Wir finden in der ganzen Organismenwelt neben den abbaufähigen Verbindungen auch die zugehörigen Fermente. Ein sehr schönes Beispiel für diese Tatsache ergeben die mannigfaltigen Glukoside der Pflanzenwelt. Stets treffen wir mit diesen auch Fermente an, das sie in ihre Bausteine zerlegen können. Es war zu erwarten, daß auch die Zellen des tierischen Organismus über Fermente verfügen, die Eivveißstoffe abbauen können. Die Fahndung auf solche hat ergeben, daß sowohl Proteasen in allen ~Körperzellen anzutreffen sind, als auch Fermente, die Peptone und Polypeptide bis zu Aminosäuren abzubauen vermögen. Würde die Annahme eines allen Körperzellen zukommenden, in gewissem Sinne für den täglichen Bedarf bestimmten Reserveeiweißes in der Form zutreffen, daß dieses Proteingemisch für jede Tierart einheitlich ist, dann wäre zu erwarten, daß alle Zellen der verschiedensten Organe über Fermente verfügen, die diese Eiweißart abbauen können. Die direkte Prüfung hat ergeben, daß jede Zellart proteolytische Fermente besitzt, die zelieigene Proteine spalten können, dagegen vermag z. B. der fermenthaltige Preßsaft aus Leberzellen nicht aus Nierenzellen stammende Eiweißstoffe zu zerlegen, i) Aus dieser Beobachtung folgt, daß offenbar jede Zellart über eigenartige Proteine verfügt und sich auf dem erwähnten Wege kein „Umsatzeiweiß", das allen Körperzellen gemeinsam ist, feststellen läßt. Es spricht vielmehr alles dafür, daß sich jede Zelle eigene Proteine bereitet. Die Zelle baut ohne Zweifel beständig Eiweißstoffe ab, weil sie Bruch- stücke davon zur Bildung von allen möglichen Produkten braucht. Es spricht vieles dafür, daß manche Fermente in nahen Beziehungen zum Eiweiß stehen. Auch andere Sekretstoffe dürften den Proteinen verwandt sein. Ferner bedarf der tierische Organismus beständig der Aminosäuren. Je weiter die Forschung der Funktionen der einzelnen Organe vordringt, um so eindringlicher hebt sich die wichtige Tatsache hervor, daß alle untereinander in Wechselbeziehung stehen. Die gegenseitige Beeinflussung bestimmter Organe untereinander kann durch Vermittlung des Nerven- systems erfolgen. Vielfach und vielleicht immer spielen auch bestimmte Inkretstoffe als Sendboten eine große Rolle. Diese werden an das Blut abgegeben und gelangen auf diesem Wege zu jenem Organ, das zu irgend einer Funktion angeregt werden soll. Diese Stoffe müssen eine ganz spezi- fische Struktur und Konfiguration haben und vermittelst dieser auf ein be- stimmtes Substrat eingestellt sein. Dieses wird durch jene Zellart darge- stellt, auf die der Inkretstoff eine Wirkung entfaltet. Wir könnten ohne diese Annahme nicht verstehen, weshalb ein bestimmter, dem Blute übergebener Stoff' nur auf eine bestimmte Zellart einwirkt und an allen anderen vorübereilt, ohne seine Wirkung geltend zu machen. Es können chemische Beziehungen maßgebend sein, es können jedoch auch physikalische eine Rolle spielen. Damit der Inkretstoff einen Einfluß ausüben kann, muß er ohne Zweifel ') Emil Abderhalden und Andor Fndor: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 87. 220(1913). — Emil Abderhalden und hruin Schiß': Ebenda. 87. 231 (1913). — Vgl. auch Martin Jacoby: Hofmeister?, Beitr. 3. 446 (19Ö3). — Ch. Eichet: Compt. rend. de la soc. de biol. 05. O.iß (1903). — Vgl. auch Tscherikowski: Zeitschr. f. physiol. Ohouiio. 111 76(1920). Fiiweißstoffe und ihre Bausteine. 539 in die Zelle eindringen. Vermag er das nicht, dann ist er für die be- treffende Zelle wirkungslos. Neuere Ergebnisse machen es nun sehr wahrscheinlich, daß manche dieser Inkretstoffe sich direkt auf bestimmte Aminosäuren zurückführen lassen. Wir haben bereits erwähnt, daß in der Hypophyse sich wirksame Verbindungen finden^), die dem Imidazolyl- äthylaniin nahestehen. Ferner haben wir im Adrenalin eine Verbindung kennen gelernt, die nahe Beziehungen zu aromatischen Aminosäuren zeigt. Von großem Interesse ist auch die Beobachtung, daß die Zephalopoden in ihren Speicheldrüsen p-Oxyphenyl-äthylamin bilden und nach außen abgeben. -j Werden den Zellen von außen Aminosäuren bestimmter Art zuge- führt, dann wird vielleicht der Eiweißabbau in der Zelle selbst wesentlich eingeschränkt. Es scheint, daß zu den Inkretstoffen vornehmlich Amino- säuren der aromatischen Reihe \'erwendung finden. Braucht eine Zelle solche, dann werden wahrscheinlich nach erfolgtem Abbau von Eiweiß zahlreiche Aminosäuren tÜr den weiteren Eiweißstoffwechsel entwertet sein. Sie werden ihrer Aminogruppe beraubt und dann in Form von Kohlehydraten der Zelle zur \'erfügung gestellt und, falls kein Bedarf an solchen ist, auch als (rjykogen oder Fett gespeichert. Vielleicht erklärt sich aus diesem Umstände, weshalb der tierische (Organismus stets beträchtliche Mengen von Stickstoff" im Harn zur Ausscheidung bringt, auch wenn ihm so viele stickstofffreie l'rodukte zur Verfügung stehen, daß er seinen ganzen Energieumsatz damit bestreiten und außerdem noch solche ablagern kann. Es muß jedoch auch hier, wie bei den Kohlehydraten, mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß zu bestimmten Funktionen nur Aminosäuren als Energiequelle dienen können. Mit der Annahme, daß die Aminosäuren im Mittelpunkt des ganzen Eiweißstoffwechsels stehen und dieser eigentlich besser als Aminosäurestoffwechsel bezeichnet wird, ergibt sich für folgende, eigenartige Erscheinung eine verständliche Erklärung. Wenn wir einem Tiere und auch dem Menschen Eiweißstoffe zuführen und gleichzeitig Kohlehydrate und Fett geben, dann können wir bei einer bestimmten Menge der ersteren ein sog. Stickstoftgleichgewicht erreichen. Es wird gerade soviel Stickstoff ausgeschieden, wie im Eiweiß zugeführt wird. Steigern wir nun die Eiweißmenge bei gleich bleibender Zufuhr an stickstofffreien Nahrungsstoffen, dann wird nicht etwa das nun als überschüssig zu betrachtende Eiweiß als solches im Organismus abge- lagert, sondern es erscheint annähernd ebensoviel mehr Stickstoff' im Harn, als in Form von Eiweiß mehr zugeführt wurde. Diese Feststellung läßt sich vielleicht, wie folgt, erklärend Die Eiweißstoffe werden im Magen- darmkanal weit abgebaut. Zum Transport in. der Blutbahn nach den Ge- weben gelangen offenbar hauptsächlich und vielleicht ausschließlieh Ami- nosäuren. Diese werden den einzelnen Körperzellen zur Verfügung gestellt. Hier ergänzt eine Zelle ihren Bedarf an Eiweiß, dort verwendet eine andere eine bestimmte Aminosäure zu einem bestimmten Zwecke. Wieder andere Zellen brauchen größere Mengen von Aminosäuren zur Bildung von Sekreten und Inkreten. Es werden z. B. von ungezählten Zellen des >'erdauungs- und Kespirationstraktus l>estimrate Eiweißarten — Muzin - gebildet und nach •) Vgl. S. b23. -) M. Henze: /eitsfhr. f. physiol. Chcm. 87. .'-.1 (1918). 540 XXVI. Voilesiiug. außen abgegeben. Alle sieb in denDarnikanal ergießenden Säfte sind eiweiß- haltig. Schließlich bleiben Aminosäuren übrig, für die keine \'erwendung vorhanden ist. Eine Speicherung von Aminosäuren in gr()ßerem Umfang ist nicht möglich. Die einzelnen Zellen haben ihr „Umsatzeiweiß" ergänzt. Die überschüssigen Aminosäuren werden desaminiert. Der Stickstoff' erscheint in organischer Bindung im Harn. Die verbleibenden Kohlenstott- ketten kininen sofort über manche Zwischenstufen bis zu Kohlensäure und Wasser abgebaut werden, falls gerade Bedarf an Energie ist. Ist dies nicht der Fall, dann setzt die Umwandlung der nach der Desaminierrtng verbliebenen Kohlenstoffketten in Kohlehydrate ein. Wenn längst schon aller Stickstoff den Organismus verlassen hat, können Kohlen- und Wasserstoff" der zerlegten Aminosäuren noch im Organismus vorhanden sein und mitten im Kohlehydratstoft'wechsel stehen. Vielleicht ist auch der Kohlenstoff mit dem Wasserstoff" über die Kohlehydrate herüber in Fette übergegangen! Vielleicht tinden sich von Kohlenstott'ketten, die von Aminosäuren abstammen, auch direkte Beziehungen zu den Bausteinen der Fette. Wir können in der Tat kaum je wissen, woher die Elemente stammen, die eine bestimmte in den Geweben vorhandene Verbindung aufbauen. Wir dürfen nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse des Zellstoffwechsels weder den Kohlehydrat-, noch den Fett-, noch den Eiweiß- stoff"wechsel eng umgrenzen. Der Stoff'wechsel jeder einzelnen Art von Verbindungen greift in den anderer Stoff"e ein. Infolgedessen, das sei noch- mals nachdrücklich hervorgehoben, ist es nicht angängig, den Eiweiß- bzw. Aminosäurestoff'wechsel allein von der Stickstoff bilanz aus zu beurteilen. Nur die Verfolgung des Gesamtstoff'vvechsels ergibt ein vollständiges Bild des Umsatzes von Aminosäuren und Eiweißstoff'en. Steigern wir nun die Zu- fuhr von Eiweiß, so stehen dem Organismus weitere Aminosäuren zur Verfügung, für die er keine direkte Verwertung hat. Spei- chern kann er sie nur in Form von Kohlehydraten bzw. von Fett. Es setzt die Desaminierung ein, und daran schließt sich dann der Umbau an. Im Harn erscheint eine der vermehrten Eiweißzufuhr entsprechende Zunahme des Stickstoffgehaltes. Ist diese Vorstellung richtig, dann muß man mit Eiweiß mästen können, denn jene Eiweißzufuhr, die über jenen Anteil herausgeht, der unbedingt notwendig ist, um Lücken im Zellstott- wechsel und im Bau der Zelle auszufüllen, muß zur Vermehrung des Kohlehydrat- bzw. Fettbestandes des Organismus führen. Je höher wir den Eiweißgehalt der Nahrung halten, um so mehr muß die Stickstoff'- ausscheidung im Harn ansteigen und um so mehr Kohlen stoft'ketten stehen den Zellen zu den verschiedensten Zwecken zur Verfügung. Es fragt sich nun. in welchen Zellarten die Umwandlung be- stimmter Aminosäuren in Zucker erfolgt. Kann jede einzelne Kör- perzelle aus diesen Zucker bilden oder ist eine besondere Zell- art mit dieser Aufgabe betraut? Im letzteren Falle müßten die in den einzelnen Organen frei werdenden Aminosäuren der betreff"enden Stelle zugeführt werden. Da wir jedoch, soweit unsere Kenntnisse reichen, im Blute unter normalen A'erhältnissen nie eine irgendwie in Betracht kommende Menge von diesen A'erbindungen antreffen, so müssen unzweifelhaft Mo- mente vorhanden sein, die den Transport der Aminosäuren regeln. Wenn wir nämlich solche ins Blut einführen, dann kommt es leicht zu ihrer Ausscheidung im Urin. Eine Aminosäure, das Glykokoll. wird oft im Eiweißstort'e und ilirt' Bausteine. 54[ Harn angetroffen. 'j Sie wird, wie selion erwähnt, in den Geweben gebildet. Es mag sein, daß sie manchmal im Überschnß entsteht und e-; zur Hyperglyzinoplasraie kommt. Die Xiere scheidet dann das über- schüssige Glykokoll aus. Es ist jedoch auch mitglich. daß die Xiere diese Aminosäure selbst zu besonderen Zwecken bereitet und dabei über das Ziel hinausschießt. Es sei daran erinnert, daß rhenylessigsäure und ferner die Benzoesäure an Glykokoll gepaart im Harn erscheinen.-) Es werden noch manche andere .Säuren auf diese Art gebunden. Wir kommen auf diese interessante Synthese noch zurück. ^Yir kennen mehrere Zustände, bei denen es zur Überschwemmung des Blutes mit Aminosäuren kommt. So beobachten wir bei Phosphorvergiftung das Auftreten von Aminosäuren im Harn.^j Ihrer Ausscheidung geht ein erhöhter Gehalt des Blutes an diesen voraus. Auch bei der akuten, gelben Leberatrophie*), bei der es zu raschem Zerfall von Zellen kommt, finden wir erhebliche Mengen von Aminosäuren im Blut und gleichzeitig eine .,Amiuoazidurie". Normalerweise enthält das Blut, wie schon erwähnt, sicher nur geringe Mengen von Aminosäuren. Es müssen daher unzweifel- haft, besonders während der AufMahme von solchen von der Darm wand aus, \'orgäuge eingreifen, die verhuidern, daß der Aminosäurespiegel im Blute ein bestimmtes Niveau überschreitet. Ob dem Blute eine bestimmte Menge von Aminosäuren lieständig zukommt, die nur zur Zeit des Transportes von solchen vom Darm nach den Geweben ansteigt, ist noch unentschieden, jedoch nach allen Erfahrungen sehr wahrscheinlich. Eigene Beobachtungen haben ergeben, daß das Blut wohl nie frei von Aminosäuren ist. Die Regelung der Zufuhr der Aminosäuren zum Blute dürfte eine mehrfache sein. Auf der einen Seite wachen die Xieren darüber, daß ein bestimmtes Xiveau des Aminosäuregehaltes des Blutplasmas nicht über- sehritten wird. Normalerweise treten sie wohl kaum in Funktion. Immerhin ist es wohl möglich, daß sie viel öfter, als wir es wissen, eingreifen. Es ist durchaus nicht gesagt, daß die Niere nur dann, wenn im Harn bestimmte Verbindungen, wie Zucker. Aminosäuren usw. erscheinen, regulierend in Tätigkeit getreten ist. Sie wird gewiß manches Produkt aus dem Blute abfangen, es zurückhalten und vielleicht nach Benutzung zu Synthesen oder in sonst einer Weise umgewandelt dem Blute zurückgeben. Weiter- hin dürfte der stufenweise Abbau der Proteine und Peptone im Magen- darmkanal jeder Überschwemmung des Blutes mit Aminosäuren vor- beugen. Es muß jedoch von der Darm wand oder der Leber s) aus noch *) V"gl. u. A. Gustav Enibden und Hetterich Reese: Hofmeisters Bcitr. 7. 411 (190.")). — G. Forstner: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 47. 15 (1906). — E'mil AbderhaMen und Alfred Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chem. 47. 339(1900). — Gustaf Kinhden und Alfred Marx: Hofmeisters Beiträge. 11. 308 (1905). — Franz Samuel;/: Zeitschr. f. pbvsiol. <;hem. 47. 376 (1906). — J. Wohlqemuth und Varl Xeuberq : Med". Klinik Nr. 9. (1906). ") Vgl. S. 5U, 555. ') Vgl. u. a. Emil Abderhalden uud Peter liergell : Zeitschr. f. physiol. Chem. 39. 464 (1903). — Emil Abderhalden und Lewclhjs F. ' Barker: p:benda 42. 524 (1904 1. *) Carl Neuberg und P. Fr. Richter: Deutsche med. Wochenschr. 30. 499 (1904). — H. Gideon Wells: Jouru. of experim. Med. 9. 627 (1907). — Vgl. auch Joh. Fei) Vgl. Emil Abderhalden und A. Fodor : Fermentforschung 6. 248. (1922). *) Vgl. hierzu A. v. Lebedew : Zeitschr. f. physiol. Chem. 73. 447 (1911). ') Vgl. Emil Abderhalden und Alfred Schittenhelm, Hans l'ringsheim: Zeitschr. f. physiol. Chem. 66. 137 (1910); 60. 421 (1909); 65. 180 (1910). — Vgl. auch Ilaud- buch der l)iochemischen Arbeitsmethoden. 5. 575 (1911) (bearl)eitet von Emil M>der- halden). TIrban & Schwarzenberg. Berlin-Wien 1911. •) Vgl. S. 328. Eiweißstoffe und ihre Baueteiue. 547 bestreicht und feststellt, ob diese Aminosäure auskristallisiert. Schließlicli kann man auch Peptone und Polypeptide in Lösung mit Preßsäften zu- sammenbringen und mittels eines Polarisationsapparates verfolgen, ob eine Änderung der Anfangsdrehung des Gemisches sich bemerkbai- macht. Ist dies der Fall, dann beweist es, wie eindeutige Versuche ergeben haben, daß ein Abbau des verwendeten Peptons oder Polypeptide eingetreten ist. Es läßt sich durch Benützung genau bekannter Polypeptids leicht beweisen, daß der Drehungsänderung ein bestimmter Abbau entspricht.') Am zweckmäßigsten ist es, verschiedene Methoden zugleich zum Nachweis von Formenten anzuwenden, die P'.iweiß und seine zusammengesetzten Abbaustufen unter Wasseraufnahme zerlegen können. Durch zahlreiche Untersuchungen ist festgestellt worden, daß sich in allen Zellen des tierischen Organismus Fermente finden, die Eiweißstoffe bis zu Aminosäuren abzubauen vermögen. Auch die Plutkörperchen und die Blutplättchen enthalten solche Fermente.^) Sie fehlen nur dem Plasma unter normalen Verhältnissen. Sic treten jedoch bald in Erscheinung, wenn blutfremdes Eiweiß oder eine höher molekulare, zusammengesetzte Abbaustufe davon ins Blut gelangt.^) Es sind somit in den Geweben die Bedingungen zum Abbau von Proteinen gegeben. Mit dieser Feststellung dürfen wir uns nicht begnügen. Es könnte ja sein, daß diese Fermente nur in ganz bestimmten Fällen in Wirkung treten und ganz besondere Aufgaben erfüllen. Sie könnten z. B. ausschließlich der Synthese von Eiweiß aus Aminosäuren dienen. Wir müssen uns nach Ei'gebnissen umsehen, die beweisen, daß im normal ablaufenden Zellstoff- wechsel Aminosäuren auftreten. Wir sind jedesmal, wenn es sich darum handelte, Stoffwechsel- Zwischenprodukte nachzuweisen, auf große Schwierigkeiten gestoßen. Die. einzelne Zelle läßt es nie zu Anhäufungen von solchen kommen. Sie ent- stehen nur in Spuren und werden sofort weiter verarbeitet. Es wird auch wohl selten der Fall sein, daß eine große Anzahl von Zellen bestimmte Verbindungen gleichzeitig in der gleichen Art und genau der gleichen (^«eschwindigkeit abbauen, so daß bei einer plötzlichen Unterbrechung des Zellstoffwechsels eine bestimmte Abbaustufe nachgewiesen werden kann. Dazu kommt noch, daß es ein plötzliches Aufhören der Zelltätigkeit unter Erhaltung der natürlichen Verhältnisse nicht gibt. Die Zellen sterben langsam ab. Bereits begonnene Vorgänge werden noch weiter geführt. Während einzelne Zellen in den Geweben bereits jede Herrschaft über ihre Fermente verloren haben, arbeiten andere zum Teil wenigstens noch in geregelter Weise weiter. So kommt es, daß uns die Untersuchung frischer Gewebe auf Aminosäuren keine einheitlichen Resultate ergibt. Bald macht sich die sogenannte Autolyse geltend. Sie führt rasch zu einem ausgedehnten Abbau der Zelleiweißstoffe. Es ist nun außerordentlich schwoi-, ') Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. 5. 575 (1911); 0. 223 (1912) (bearbeitet von Emil Abderhalden). Urban & Sehwarzeuberi,'. Berlin-Wien 1912. ') Kmil Abderhalden und H. Deetjen, Berthold Oppler, Feter Bona, Wilfred Manicaring, James Mc Lester: Zeitschr. f. physiol. Chem. 51. 334 (1907); 53. 280 (1907); 53. 294 (1907); 53. 308 (1907); 55. 377 (1908); 55. 371 (1908). ^) Vgl. Etnil Abderhalden: Die Abderhaldenschc Reaktion. 5. Aufl. J. Springer. Berlin 1922. Hier findet sich die Literatur. Arbeiten von Kmil Abderhalden und Mit- arbeiter (Ludwig Pincussohn, Wolfyang Weichardt, K. B. Immisch, A. Israel, J. G. Sleesicyk, E. Rathsmann, Benovar Schilling, Ernst Kämpf). 3fv^ 548 XXVIl. Vorlesiinsr. festzustellen, wann der normale Abbau der Eiweilistoffe aufhört und die Autolyse einsetzt. Sehr wahrscheinlich liegen die Verhältnisse so, daß die autolytischen Vorgänge an und für sich durchaus nor- malen Vorgängen in der lebenden Zelle entsprechen. Es wird nur der weitere Verlauf der Hydrolyse nicht mehr in bestimmter Weise ge- regelt, und ferner werden die entsprechenden Abbaustufen nicht in vollem Umfang weiter verarbeitet. Endlich fehlt die Fortführung der enstandenen Verbindungen. Dadurch muß notwendigerweise der weitere Abbau der einzelnen Zellbestandteile wesentlich beeinflußt werden, so daß schließlich der Verlauf der einzelnen Fermentvorgänge in abgestorbenen Geweben uns kein getreues Bild der normalen Vorgänge mehr geben kann. Wir wollen uns nach Beobachtungen umsehen, die für eine Ent- stehung von Aminosäuren im Zellstoffwechsel sprechen. Wir wollen gleich bemerken, daß der Umstand, daß solche vom Darm aus zur Aufnahme gelangen, die Beurteilung der Herkunft der Bausteine der Pro- teine sehr erschwert. Es muß in jedem Falle ausgeschlossen werden, daß es sich um resorbierte Aminosäuren handelt. Bei der Besprechung der Herkunft des Traubenzuckers kamen wir zu der sicheren Feststellung, daß Aminosäuren solchen liefern können. Diese Schlußfolgerung wurde zunächst nicht am normalen Organismus erhoben. Die Tatsache, daß im tierischen Organismus Glukose aus anderer Quelle als aus Kohlehydraten entstehen kann, ergab sich vielmehr aus Beobachtungen, die bei gestörtem Kohle- hydratstoffwechsel erhoben worden sind. Sind keine Störungen des Eiweißstoffwechsels und insbesondere des Aminosäurestoff- wechsels bekannt? Wir werden später erfahren, da(j bestimmte Drüsen, z. h. die Schilddrüse, einen bedeutungsvollen P^influß auf den pjweißstoff- wechsel haben. i) Er kann beschleunigt oder verlangsamt werden. Ferner aht man bei vielen Erkrankungen und vor allem bei Infektionskrank- heiten, die mit Fieber verknüpft sind, einen Einfluß auf den Eiweiß- umsatz beobachtet. Das Studium dieser Störungen des Eiweißstoffwechsels ergab bis jetzt im großen und ganzen nur quantitative Unterschiede. In einzelnen Fällen, so bei V'ergiftungen, z. B. auch beim Coma diabeticum und bei tiefen Narkosen, fand man Aminosäuren im Harn. 2) In anderen Fällen zeigten die in ihm auftretenden Verbindungen, daß der Abbau zwar über die Bausteine der Proteine hinausgeführt hatte, daß er jedoch verlangsamt und teilweise gehemmt war. Wir werden bald erfahren, daß der Schwefel der Proteine bzw. des Zystins unter normalen Verhältnissen zum größten Teil in Form von Schwefesäure im Harn erscheint. Nur ein kleiner Teil davon wird in reduziertem Zustand ausgeschieden. Ist der Stoffwechsel aus irgend einem Grunde geschädigt, dann beobachten wir in manchen Fällen, daß der Harn mehr von der letzteren Art von Schwefel- verbindungen enthält. Lassen schon diese Beobachtungen den Schluß zu, daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Abbau der Proteine üi)er Amino- ') Nach Jlans Sfiibel bewirkt Adronaliu ein Verschwinden von in der Leher gespeichertem Eiweiß [lyfiigers Archiv. 185. 74 (1920)]. ^) Mies: Münchener med. Wocheuschr. Nr. 34 (1904). — Emil Abderhalden und E. F. Barker: Zeitschr. f. physiol. Cbem. 42. 524 (1904). — Emil Abderhalden : Ebenda. 44. 17 (1905). — C. Neuberg und //. Strauss: Berliner klin. Wochenschr. 43. 258 (190B). — J. Wohlgemuth: Zeitschr. f. physiol. Chem. 44. 74 (1905). Ad. Lneiv)/: Biocliom. /citschr. 3.' 439 (1907). Eiweißstoffc uinl ihre Buiistoiue. 549 säuren führt und diese selbst wieder stufenweise weiter abgebaut werden, so können mr aus ihnen allein doch noch keine eindeutigen Rückschlüsse auf den Verlauf des normalen Eiweißstoffwechsels ziehen, weil immer noch der Einwand möglich ist, dal» die Ergebnisse von Stoffwechselversuchen, bei denen der Organismus sich unter pathologischen Bedingungen befindet, nicht auf normale Verhältnisse übertragbar sind. Nun kennen wir eine sehr interessante Stoffwechselanomalie, bei der es zur Ausscheidung einer Aminosäure, nämlich von/ystin kommt. Man spricht von einer Zy s tinur ie. i) Sie ist sehr selten und tritt manchmal bei mehreren Generationen und Gliedern einer P'amilie auf. ^) Diese Ano- malie ist dadurch charakterisiert, dali im Harn Zystin enthalten ist. Gleich- zeitig hat man in einigen F'ällen auch Dia m ine angetroffen. 3) Ferner sind aulJer Zystin wiederholt auch andere Aminosäuren beobachtet worden. Offenbar handelt es sich bei der Zystinurie um eine mehr oder weniger vollständige Hemmung des Abbaus des Zystins. Es gibt Fälle von Zystinurie, bei denen im Harn nur Zystin angetroffen wird. In anderen hat man daneben noch Leuzin und Ty rosin festgestellt.*) In den einen Fällen ist die Störung des Aminosäurestoffwechsels offenbar beschränkter als in anderen. Bei den letzteren kann man von einer Aminoazidurie sprechen. Es handelt sich bei der teilweisen Störung des Abbaus bestimmter Aminosäuren nicht um einen etwa dem Diabetes melitus an die Seite zu stellenden Vorgang. Den betreffenden Individuen entgeht mit der Ausschei- dung der betreffenden Aminosäuren Material, das noch in mannigfacher Weise verwertbar wäre, und ferner geht mit ihnen Energie verloren. Da jedoch der ganze Vorgang auf einige wenige, ja oft auf eine einzige Amino- säure beschränkt ist, so ergeben sich für den mit Zystinurie Behafteten zunächst keine schwereren und vor allem keine akuten Folgeerscheinungen. Auch die Diaminurie, d.h. die Ausscheidung von Diaminen, und zwar insbesondere von Kadaver in und Putreszin, verursacht keine Störungen. Die Zystinurie wird meistens erst dann entdeckt, wenn das Zystin Anlaß zur Bildung von Nieren- oder Blasensteinen gegeben hat. Das Zystin ist in Wasser schwer löslich. Tritt es im Harn in größerer Menge auf, dann kann es in diesem, während er noch im Nierenbecken oder der Harnblase weilt, zur Abscheidung kommen. Im Laufe der Zeit entstehen so oft ganz große Steine. Sie machen be- ') Vgl. u. a. : W. F. Loebisch: Liebigs Annaleu. 182. 231 (1876). — A. Niemann: Deutsches Archiv f. klin. Med. 18. 232 (1876). — Wilhelm Ebstein: Ebenda. 19. 138 (1877); 30. 594 (1882). — Bruno Mesfer: Zeitschr. f. physiol. Chem. 14. 109 (1890). - A. Loeivy und Carl Neuberf/: Ebenda. 43. 338 (1904). — CajJ Arlsberc/ und Otto Folin : Americ. Journ. of Physiol. 14. 54 (1905). — Emil Abderhalden und A. Schiitenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chem. 45. 468 (1905). — Archibald Garrod und W. H. Hurtley: The Journ. of Physiol. 34, 217 (1906). — A. Loeu-y und Carl Xeuberff: Biochem. Zeit- schrift. 2. 438 (1907). — Charles G. L Wolf und Philipp A. Schafer: The Journ. of Biol. Chem. 4. 439 (1908); 6. 337 (1909). ~ Achilles Müller : Wiener med, Wocheuschr. Nr. 37 und 38 (1911). ^) Vgl. hierzu Archibald E. Garrod: Inborn errors of metabolism. Eaucet. 4., 11,, 18. und 25. Juli 1908. — Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chem. 38. 557 (1903), '•') L. r. Udrdnszky und E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chem. IH. 562 (1889). *) Emil Abderhalden und Alfred Schittenhelm : Zeitschr. f. physiol. Chem. 45. 468 (1905); 104, 129 (1919). — Vgl. auch Emil Fischer und Umetaro Suzuki: Ebenda. 45, 405 (1905). 5oO XXVil. Vorlesung. sonders dann Beschwerden, wenn sie die Ureter oder auch die Urethra passieren wollen und infolge ihrer Größe einmal dem Harn den Weg verlegen, und ferner durch Dehnung und zum Teil auch durch Ver- letzung der genannten Gebilde zu Schmerzen führen. Der Umstand, daCi manche an Zystinurie Leidende über Schmerzen in Muskeln und oft auch in Gelenken klagen, ergibt die Möglichkeit, daß es auch zur Ab- scheidung von Zystin in den Geweben kommen kann. In einem Fall von Zystinurie bei einem Kinde ergab die direkte Betrachtung der einzelnen Organe eine dichte Infiltration mit den charakteristischen, sechsseitigen Tafeln von Zystin. ^ Daß das bei Zystinurie zur Beobachtung gelangende Zystin auf dasjenige des Eiweißes zurückzuführen ist, hat die vergleichende Untersuchung beider Zystinarten ergeben.-) Das Zystin ist, wie schon früher erwähnt wurde, zuerst in einem Harnstein aufgefunden worden. ») In diesem Zusammenhang möchten wir die Möglichkeit betonen, daß die Störung im Zystin-Zellstoffwechsel vielleicht eine tiefer gehende Be- deutung hat. Es ist wohl möglich, daß in der Zystinurie — vielleicht nicht in allen Fällen — eine Störung in der Bildung des von F. G. Hopkins*) entdeckten, aus Zystein und Glutaminsäure bestehenden, für die Oxy- dationsvorgänge so bedeutungsvollen Produktes vorliegt. Der von mir be- ol)achtete Fall von familiärer Zystinurie weist besonders auf eine solche Möglichkeit hin. Es starben drei Kiudei- unter Erscheinungen von Inanition, ohne daß eine bestimmte Ursache zu finden war. Vielleicht waren die Zellen dieser Kinder in ihrem Stoffwechsel durch das Ausbleiben des für die Oxydationsvorgänge so wesentlichen Wechselspiels zwischen Zystin und Zystein, auf das wir in Band II, Vorlesung 14, noch zurückkommen, gestört. Man wird in Zukunft Fälle von Zystinurie in der erwähnten Richtung zu untersuchen haben. Von großem Interesse ist auch, daß Mäuse und Ratten, die vollkommen zystinfrei ernährt werden, bald Störungen im [Wachstum zeigen. Die Gewebe dieser Tiere und insbesondere die Lei)er zeigen nur eine sehr schwache Reaktion auf Zystein. 5) Die Aminoazidurie und insbesondere die Zystinurie zeigen, daß der Abbau der Aminosänren in den Geweben nicht in einheitlicher Weise ge- regelt ist, es müßte sonst eine Störung im Abbau von Aminosäuren stets alle betreffen. Offenbar erfolgt die weitere Veränderung der einzelneu l)austeine der Proteine durch besondere Fermente, die der Struktur und Konfiguration der abzubauenden Verbindung genau angepaßt sind. Fehlen einzeln(^ dieser Fermente, oder können sie aus irgend einer Ursache ihre Wirkung nicht voll oder auch gar nicht entfalten, dann bleiben die ihnen entsprechenden Aminosäuren als solche erhalten und erscheinen infolge- dessen im Harn. Auch die Diaminurie darf vielleicht als eine Störung be- stimmter Art des Zellstoffwechsels aufgefaßt werden. Es ist leicht möglich, (laß. wie wir früher schon betont haben, der Abbau der Aminosäuren unter anderem auch über Amine führt. Sie gelangen unter normalen Verhält- ') Emil Abderhalden: Zeitschr. 1. physiol. Chcm. 38. 057 (1903) '^) Emil Fischer und Umetaro Suzuki: Zeitschr. f. physiol. Cheni. 45. 405 (1905). — Kmü Abderhalden: Ebenda. 51. 391 (1907); 104. 129 (1919). ») Vgl. S. 318. *) F. G. Hopkins: The hiochemical .1. 15. 286 (1921). 5) Emil Abderhalden: Pflügers Archiv, 195. 199. (1922) F.mil Abderhalden uikI Hrnst Wfrfheinter: Elieiida. 196. (1922). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 551 nissen nicht zur Beobachtung, weil sie rasch weiter zerlegt werden. Auch die vom Dannkanal aufgenommenen Amine werden sicher zum großen Teil in den Geweben abgebaut. Der un Diaminurie Leidende vermag diesen Abliau nicht durchzuführen. Er hydrolysiert noch Arginin in Harnstoff und D i a m i n 0 V a 1 e r i a n s ä u r e = Ornithin, spaltet aus der letzteren Verbindung Kohlensäure ab und bildet Tetramethylendia min = ? u t r e s z i n. Ferner führt er auf dem gleichen Wege L y s i n in P e n t a- methylendiamin = Kadaver in über. Der Abbau der genannten beiden Aminosäuren bleibt auf dieser Stufe stehen, weil die Bedingungen zu seiner weiteren Durchführung fehlen. Diese Vorstellungen über die Ursache der genannten Stoffwechsel- anomalie sind, das sei besonders betont noch nicht eindeutig bewiesen. Vieles spricht dafür, daß die Verhältnisse nicht so einfach liegen, wie wir sie eben dargestellt haben. Wir wissen nämUch, daß das Zystin von den Leberzellen als Ausgangsmaterial zur Bildung von Taurin verwendet wird.i) Dieses verläßt die Leber in der Galle mit Chol- bzw. Desoxy- cholsäure gepaart. Auch der an Zystinurie Leidende bildet Taurin und scheidet dieses in Form von Taurochol- und Taurodesoxycholsäure aus. Somit muß die Möglichkeit eines Abbaus von Zystin in einem gewissen Umfang gewahrt sein. Vielleicht vermögen ihn die Leberzellen noch zu vollziehen, während andere Zellarten zum Teil oder ganz versagen. Die Störung des Zystinabbaus braucht nicht auf alle Zellen des Körpers aus- gedehnt zu sein. Die Bildung von Taurin aus Z y s t i n bzw. Zystein zeigt, daß der tierische Organismus in seinen Geweben Aminosäuren unter Kohlensäure- abspaltung abbauen kann. Zugleich wird das wahrscheinlich als Zwischen- stufe entstehende Thioäthylamin oxydiert: S . CH2 I I NH2 • C . H NHa . C . H -h 2 H m 2 I ! COOH COOK CH2 . SH NH2 . C , H I COOH CO, = Zystin 2 Moleküle Zystein CH, .SH -h 30 = CH, .SO, .OH I I ' ' CH2 . NH., CHj . NH3 Thioäthylamin Taurin Es ist jedoch auch möglich, daß die Oxydation zuerst einsetzt, und dann die Abspaltung von Kohlensäure folgt : CH2 . SH CH, . SOa . OH CH, . SOj . OH I r r NH2 . C . H -h HO = NH., .CR — (JO2 VU^ . NH, 1 " ! COOH COOH Zystein Zysteinsäure Taurin. ') Vel. S. .^18. 552 XXVII. Vorlesung. Daß Zystin und Zystein wirklich als Ausgangsmaterial für die Bil- dung des Taurins in Betracht kommen, beweisen Versuche an einem Hunde, dem eine Gallenblasenfistel angelegt worden war. i) Es wurde der Gehalt der ausfließenden Galle an Taurocholsäure bestimmt. Dann erhielt das Tier Zystin. Es trat keine Zunahme an der genannten Gallensäure auf. Wurde jedoch gleichzeitig mit dem Zystin auch Natriumcholat, d. h. der andere zur Bildung von Taurocholsäure notwendige Anteil verabreicht, dann erschien sie in vermehrter Menge in der Galle. Versuche am Kaninchen bestätigten diese Befunde. 2) Mit der Feststellung, daß ein Baustein der Proteine, nämlich das Zystin, direkte Beziehungen zu einem Bestandteil der Taurochol- bzw. Taurodesoxycholsäure hat, ist bewiesen worden, daß eine bestimmte Amino- säure das Ausgangsmaterial zur Bildung eines bestimmten Produktes des Zellstoffwechsels sein kann. Wir müssen nun die Frage entscheiden, ob das Zystin, aus dem Taurin hervorgeht, aus Eiweißstoffen der (lewebe herstammt oder aber, ob nur die im Darmkanal aufgenommene Amino- säure Verwendung findet. Es wäre denkbar, daß die Leber dem mit resor- bierten Aminosäuren versehenen Blute Zystin entnimmt, um es sofort oder nach einiger Zeit in Taurin umzuwandeln. In diesem Falle würde den Körperzellen nur der nicht zur Taurinbildung verwendete Teil des in so wie so geringer Menge vorhandenen Zystins zugeführt. Würde die Tauro- cholsäure und die Taurodesoxycholsäure eine Verbindung darstellen, ohne die der tierische Organismus nicht auskommt, wäre sie z. B. für den Zellstoffwechsel bestimmter Organe unentbehrlich, dann wäre es verständ- lich, daß der tierische Organismus in erster Linie dafür Sorge trägt, daß sie gebildet wird. Schon der Umstand, daß die Gallensäuren in den Darm abgegeben werden, und daß ihre Menge sehr schwankt, macht es sehr wahrscheinlich, daß das Taurin, die Cholsäure und die Desoxycholsäure Produkte darstellen, die zu den Stoffwechselendprodukten zu rechnen sind. An dieser Auffassung ändert die Beobachtung nichts, daß die Gallensäuren als Aktivatoren der Vorstufe der Lipase eine bedeutungsvolle Rolle spielen. ^) Wir wissen nämlich, daß der tierische Organismus auch andere Stoff- wechselendprodukte, wie z. B. die Kohlensäure, noch zu wichtigen Funk- tionen nutzbar macht. Ferner können die Taurin enthaltenden Gallensäuren durch die Glykocholsäure und Glykodesoxycholsäure in ihrer Wirkung auf das Lipasezymogen vertreten werden. Es hat mehr Wahrscheinlichkeit für sich, daß das Zystin zunächst den Gew^eben zur Verfügung gestellt wird. Ihre Zellen verwenden es zum Aufbau von Proteinen. Besonders die Kera- tine brauchen zu ihrer Bildung sehr viel von dieser Aminosäure. Ob sie synthetisch aus Serin oder Alanin oder einer anderen Aminosäure unter An- lagerung der Thiogruppe bereitet werden kann, wissen wir nicht. Sehr wahr- scheinlich ist diese Bildungsweise nicht, denn der tierische Organismus müßte zur Bildung der Thiogruppe energische Keduktionsvorgänge durchführen. Als einziges Material für diese käme wohl die Schwefelsäure in Betracht. Nun wird sicher immer Zystin, das eben vom Darme resorbiert wurde, direkt zur Taurinbildung zur Verfügung stehen. Ohne Zweifel wird jedoch ') V. Bergmann: Hofmeisters Beitr. 4. 132 (1908). ^) J. Wohlgemuth: Zeitschr. f. phvsiol. Cheniio. 40. 81 (1908). ») Vgl. 8.261. Eiweißstofle und ihre Bausteine. OOH den Leberzellen auch Zystin zugeführt, das Baustein von Zelleiweili ge- worden war. Beweisend für diese Annahme ist die Tatsache, daß auch bei lang andauerndem Hunger Taurin enthaltende Gallensäuren zur Aus- scheidung gelangen. Wenn auch mit der Tatsache gerechnet werden muß, daü solche nach erfolgter Ausscheidung vom Darme wieder aufgenommen und der Leber wiederum zugeführt wird, so sprechen doch alle Beobach- tungen dafür, daß immer auch eine Neubildung von Taurin erfolgt. Wir werden noch eingehend') auf die Beobachtung zurückkommen, daß alle Zellarten mit lebhaftem Stoffwechsel ständig Zystein als solches oder in Verbindung mit Glutaminsäure'^) bzw. mit anderen Aminosäuren enthalten. Wir werden erfahren, daß der SH-Gruppe eine große Bedeutung bei Oxydations- bzw^ Reduktionsvorgängen in den Zellen zukommt. Zystein geht durch Oxydation leicht in Zystin und dieses wieder durch Reduktion in Zystein über. Kehren wir nunmehr zur Zystinurie zurück. Zu einer Zeit, als man annahm, daß der Abbau der Proteine im Darmkanal nicht bis zu Amino- säuren führe, sondern hochmolekulare Peptone zur Resorption gelangen und sofort wieder in Eiweiß übergehen sollten, war man geneigt, die Aus- scheidung von Zystin auf seine Entstehung im Darmkanal zurückzuführen. Der Organismus sollte mit dieser Aminosäure nichts anzufangen wissen. Daß diese Vorstellung ganz unbegründet war, ergab die Feststellung, daß der normale Organismus selbst sehr große Cystinmengen abbauen kann. 3) Auch Poly- peptide, an deren Aufbau Zystin beteiligt ist, ergeben eine Steigerung des Schwefelsäuregehaltes im Harn.*) Der aufgenommene Schwefel gelangt fast ausschUeßlich in dieser Form zur Ausscheidung. Die Bildung von Zystin bei der Verdauung der Proteine kann somit auf keinen Fall die Ursache der Zystinurie sein. Würde ferner das Zystin nicht mehr verwertbar sein, wenn es in freiem Zustand in den Organismus gelangt, dann müßte man erwarten, daß in jenen Fällen von Zystinurie, in denen annähernd soviel Zystin im Harn zur Ausscheidung kommt, als mit der Nahrung aufgenommen wird, die Proteine der Gewebe diesen Baustein nicht besitzen. Die Bestim- mung des Zystingehaltes von Geweben und insbesondere von Haaren und Nägeln bei Personen, die eine Zystinurie zeigten, ergab, daß kein Unter- schied gegenüber der Zusammensetzung der entsprechenden Proteine von normalen Individuen vorhanden ist.'') Das bei der Cystinurie zur Ausscheidung gelangende Zystin dürfte so- mit mindestens zwei Quellen entstammen. Einmal wird solches direkt von der aus dem Darmkanal resorbierten Aminosäure abstammen können. Wird diese von den Zellen der einzelnen Organe und insbesondere auch von den Leberzellen nicht gebraucht, dann wird es ohne Zweifel durch die Nieren ausgeschieden. Ferner entsteht Zystin beim Abbau von Zellproteinen. Die Herkunft der erwähnten Aminosäure aus dieser Quelle beweist, daß im Zellstoffwechsel Aminosäuren gebildet werden. Die Aminoazidurie und *) Vgl. Band 2, Vorlesung 14. ^) Vgl. S. 333. ') Vgl. u. a. //. Blum: Hofmeister» Beitr. 5. 1 (1903). Hier tiudet sich weitere Literatur. — C. H. Rothera: Journ. of Physiol. 32. 175 (1905). — //. li. Lewis und Lude E. Boot: The J. of Biol. Chem. 50. 303 (1922). *) Emil Abderhalden und Franz Samueli/: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 187 (190.')). 0 Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 38. 557 (1903). 554 XXVII. Vorlesung. die Diaminurie deuten in gleicher Weise darauf hin, daß die Körperzel len Eiweiß bis zu den einfachsten Bausteinen abbauen können. Bei Hunden und Kaninchen läßt sich noch auf eine andere Weise der Beweis erbringen, daß Zystin im Zellstoffwechsel auftritt. Verfüttert man nämlich diesen Tieren Halogenbenzol, z. B. Brombenzol, CeHg.Br, dann tritt im Harn eine schwefelhaltige Verbindung — Merkaptursäure genannt — auf.i) Sie hat die folgende Struktur 2): CH^ . S . Ce H, . Br I CH3.CO.NH.C.H I COOH Merkaptursäure. Vergleicht man den Aufbau dieser Verbindung mit demjenigen des Zysteins, dann erkennt man leicht die nahen Beziehungen, die zwischen diesen beiden Verbindungen bestehen. Das verabreichte Halogenbenzol ist mit der Thiogruppe des Zysteins in Verbindung getreten. Es hat außerdem noch eine zweite Reaktion stattgefunden. Mit der Aminogruppe hat sich ein Essigsäurerest verbunden. Die folgenden Formehi bringen die beiden Reaktionen zum Ausdruck: CH2.SH + CeHs.Br + 0 CHa.S.CoH^.Br I Brombenzol — >- | NH2C.H + HOOC.CH3 CHs.CO.NH.C.H + 2H2O I Essigsäure | COOH COOH Zystein Merkaptursäure. Die Bindung des aufgenommenen Halogenbenzols durch Zystein und Essigsäure ist im Prinzip ein ähnlicher Vorgang, wie die Paarung mancher Verbindungen mit Schwefelsäure und Glukuronsäure und die Kuppelung von Säuren mit Glykokoll. Es wird ohne Zweifel Zystein, das sonst in den Ge- weben zum weiteren Abbau gelangen würde, abgefangen. Wir erhalten damit ohne Zweifel auch Zystin bzw. Zystein, das aus Zelleiweiß hervorgegangen ist. zu Gesicht, denn es tritt auch beim hungernden Hunde die Bildung von Merkaptursäuren ein. Das Auftreten von Zystin bei der Zystinurie, die Bildung von Taurin und die Möglichkeit, große Mengen von Zystein durch Verfütterung von Halogenbenzol abzufangen — d. h. künstlich eine Zysteinurie zu erzeugen — und endlich die Beobachtung, daß auch beim hungernden Tiere zystinreiche Proteine, wie Haare und Nägel, gebildet werden, alle diese Feststellungen zu- sammen beweisen, daß im Zellstoffwechsel Aminosäuren und insbesondere Zystin bzw. Zystein entstehen. s) Es ist nach den vor- *) E. Baumann und C. Preusse: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 12.806(1879); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 5. 309 (1881). — Vgl. ferner W. Mc Kim Marriot und C. G. ('. Wolf: Biochem. Zeitschr. 7. 213 (1907). -) Bj. Friedmann: Hofmeistern Beitr. 4. 486 (1903). ^) Vgl. auch //. B. Letcis und D. A. Mc Ginfy : The J of hiol. Chem. 5.'{ .•549 (1922). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 555 liegenden Ergebnissen sehr unwahrscheinlich, daß Zystin allein aus vor- handenem Zelleiweiß abgespalten wird und ein an dieser Aminosäure ärmeres Protein in der Zelle zurückbleibt. Es spricht vielmehr alles dafür, daß die Loslösung einzelner Aminosäuren mit einem weitgehenden Abbau des ganzen Eiweißmoleküls verknüpft ist. Wir kennen noch zwei weitere Aminosäuren, die sich abfangen lassen, wenn man bestimmte Verbindungen verfüttert oder solche im Organismus selbst entstehen. Der einen sind wir schon begegnet, nämlich dem Gly ko- koll. Wir stellten fest, daß Phenylessigsäure im Harn als Phenazetur- säure erscheint.') Diese liefert bei der Hydrolyse Gly kokoll und Phenyl- essigsäure. Schon lange bevor diese Verbindung zur Beobachtung kam, war festgestellt worden, daß im Harne eine Verbindung vorkommt, die aus Glykokoll und Benzoesäure hervorgegangen ist. Liebic/ hatte im Jahre 1829 die Hippursäure im Harn von Pferden entdeckt. Bald darauf stellten Fre"^), Kel Ir r nnd Wöhlcr^) fest, daß verfütterte Benzoe- säure nicht oder doch nur zum kleinsten Teil als solche im Urin auftritt, sondern eine Zunahme der Hippursäure zur Folge hat. Mit dieser Beobachtung war die erste Synthese im tierischen Organismus festgestellt. Hatte man bis dahin nur der Pflanzenzelle die Fähigkeit, Synthesen zu vollziehen, zuerkannt, so konnte nach der wichtigen Feststellung von Wähler bald an zahlreichen Beispielen gezeigt werden, daß auch die Zellen der Tiere aus Bausteinen zusammen- gesetzte Verbindungen aufzubauen vermögen. Die Entstehung der Hippur- säure ergibt sich ohne weiteres aus dem Resultat ihrer Hydrolyse: ( \ H, . CO . NH . GH, . G0( )H + Hg 0 ^ C« H^ . COOK -f NH, . GH., . COOH Hippursäure Benzoesäure Glykokoll. CV,H, .GOOH + H NH. GHa. COOH — HoO^CfiHs. CO. NH.CH^. COOH Benzoesäure Glykokoll Hippursäure. Hippursäure ist synthetisch z. B. aus Benz am id und Monochlor- essigsäure erhalten worden: Ce Hg . CO . NHa + Gl . GH., . COOH = C« H^ . ('0 . NH . CHg . COOH -h HCl Benzamid Monochloressigsäure Hippursäure. Man erhält sie ferner, indem man Glykokoll und Benzoesäure im eingeschlossenen Ptohi- 1 — 2 Stunden auf 160" erhitzt. Die Phenazetursäure stellt die nächste Homologe der Hippursäure dar: C„ H5 . CO . NH . GH., . COOH C^ H5 . GH, . CO . NH . CH^ . COOH Hippursäure Phenazetursäure. Es sind noch zahlreiche Paarungen von Säuren mit Glykokoll be- kannt geworden. So wurde beobachtet, daß in den Organismus von Ka- ninchen und Hunden eingeführte Naphtoesäuren im Harn als Naph- •) Vgl. S. 514. ^) Vre: Proc. med. and surg .louni. (1841). 3) Wilh. Keller (und Wühler): Liebigs Annaleu. 43. 108 (1843). - F. Wähler und F. Frerichs: Ebenda. 65. 33ö (1843). — Vgl. weitere Literatur hei Wilhelm Wiechouski: llo/ni ei steril Beitr. 7. 204 (190.^). 5,")6 XXVII. Vorlesuiigr. tursäuren wieder erscheinen. ') Die Bildung dieser Verbindunj^en ist der- jenigen der Hippursänre ganz entsprechend: C,oH, COOK + HiNH . CR, . COOH = C,oH,CO.NH . CH^ . COOK + H,() Naphtoesäuro Glykokoll Naphtursiäure. Ebenso wird auch Salizylsiiiire mit (ilykokolP) gepaart. Es ent- steht Oxyhippursäure: ()H.C6H,.COOH-hHNH.CH2.C()UH=()H.cyi4.C().NH.CHs.COOH + H.,() Salizylsäure Glykokoll o-Oxyliippursäure=Salizylursäure. Von Interesse ist, dali auch alkylierte Benzoesäuren, wie z. B. die Toluylsäure^), an Glykokoll gekuppelt werden und dann als alkylierte Hippur säure zur Ausscheidung gelangen: CH, .an,. CO OH -i- h nh . ch, . cooh = Toluylsäure Glykokoll = CH3 ■ CeH, ■ CO . NH . CH2 . cooh + HaO. Tolursäure. Wir haben schon bei der Besprechung der Glukuronsäure, die im tierischen Organismus eine ganz gleiche Rolle spielt, wie das Glykokoll, gesehen, daß die Zellen Stoffe, die an und für sich zur Kuppelung nicht geeignet sind, teils durch Oxydation, teils auch durch Reduktion und unter Umständen auch durch Kombination beider Prozesse vorbereiten. So wird Toluol*) zunächst in Benzoesäure übergeführt und dann mit Glykokoll gekuppelt. Ganz ebenso verhalten sich Äthyl- und Propylbenzol. ^) Ferner wird Xylol zu Toluylsäure oxydiert. Von Interesse ist auch die Oxydation von Aldehyden zu Säuren. Als Beispiele eines solchen Vor- ganges seien die Überführung von Nitrobenzaldehyd in Nitrobenzoesäure und die nun erfolgende Bildung von Nitrohippursäure^) und ferner die Entstehung von Pyromykursäure=Brenzschleimsäure-glykokoll an- geführt: NO2 . Ce H, . CHO 4- O = NO2.CeH4.COOH Nitrobenzaldehyd Nitrobezoesäure NO2 . Cß H, . COOH + NHo . CHg . COOH = Nitrobenzoesäure Glykokoll NO2 . Ce H4 . CO . NH . CH2 . COOH + H, O. Nitrohippursäure. ») Rudolf Cohn: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 18. 112. (119) (1894). ') Bertagnini : Liebigs Annalen. 97. 248. (1856) und E. Baumann und /'>'. Herfer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 1. 244 (253) (1877/78). ») Schnitzen und Nauni/n: Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 352 (1867). *) E. und //. Salkou'ski: Zeitschr. f. physiol, Chemie. 7. 161 (1882/83). — K. Sal- kowski: Ebenda. 9. 229 (1885). ') M. Nencki und P. Giucooa: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 4. 325 (1880). *) Rudolf Cohn: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 17. 224 (292) (1893). EiweiBstoffe iinrl ihr*» Bausteine 557 CH = C. C0 — )^ i >() CH r:r CH CH = CH a-Furfurol— Brenzschleim- Glykokoll. Brenzschleim- säure Säurealdehyd CH = C.CO.NH.CH, .COOH I >0 4- H.,0. CH = CH Brenzsch leim Sau re-gly kokoll. Von besonderem Interesse ist die Cherführung von Benzaraid') in Hippursäure, denn hier muß unter Wasseraufnahme zunächst Benzoesäure gebildet werden: Cß H5 . CO . NH, + H., O =: Cß H, . COOH + NH^. Benzaraid Benzoesäure Die Fähigkeit des Organismus. Verbindungen mit Glykokoll zu kuppeln, erstreckt sich nicht nur auf die Benzoesäure und ihre Derivate, sondern auch auf Karbonsäuren des Furan-, Thiophen- und Pyridin- kerns. So wird aus Thiophenaldehyd-j zunächst Thiophensäure ge- bildet und diese mit Glykokoll in die Thiophenursäure verwandelt: C, H3 S . CHO + O = C, H3 S . COOH ; C, H3 8 . COOH + NH, . CH, . COOH = Thiophenaldehyd Thiophensäure C, H3 S . CO . NH . CH, . COOH + H, 0. Thiophenursäure. Die Verfolgung des Verhaltens derartiger Verbindungen im Orga- nismus hat in mehr als einer Hinsicht großes Interesse. "Wir erhalten durch diese Untersuchungen einen klaren Einblick in die Leistungen der tierischen Zelle. Wir sehen sie mit der größten Leichtigkeit Oxydations- und auch Reduktionsvorgänge ausführen, Wasser abspalten und Wasser anlagern, je nachdem die Umstände es verlangen. Die Fähigkeit des tierischen Organismus, alle möglichen Verbin- dungen, die ihm mit wenig Ausnahmen normalerweise nie zugeführt werden, mit bestimmten Produkten, wie Glykokoll, Zystein, Schwefelsäure und Glukuronsäure und auch mit Harnstoff zu verknüpfen, hat zu der Frage geführt, welchen Zweck wohl diese Paarung haben mag. Es werden die ein- zelnen dem Organismus zum größten Teil ganz fremden Stoffe bald nach ihrem Eintritt in den Organismus in eine bestimmte Form gebracht, in dieser durch den Körper geleitet und durch die Nieren ausgeschieden. Man hat *) Leon r. Nenrki: Archiv f. expcrini. Path. u. l'hanuak. 1. 42U tl873). ■-) Budolf Cohn: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 17. 281 (1893). — \g\. Kmil Fromm: Die chemischen Schutzmittel des Tierkorpors bei Vergiftungen. Karl J. Trüt)ner. Straßliurg 1V)03. S. 14 ff. und in Marceli Xencki „Opera omnia" die zahlreichen dieses Gebiet berührenden Untersuchungen dieses Forschers (Viewcg & Sohn, Braunschweig 190'i). 558 XXVIl. Vorlesung. vielfach den ganzen Vorgang als einen Schutz des tierischen Organismus gegen fremdartige Produkte aufgefaßt. Manchmal entledigt er sich ihrer durch Abbau. Ist aus irgend einem Grunde eine völUge Zerstörung des eingeführten Moleküls unmöglich, dann kommt es, wenn irgend möglich, zur Paarung. Daß in der Tat in vielen Fällen durch die Kuppelung mit den genannten Verbindungen eine schädliche Verbindung in eine unschädliche oder doch viel weniger schädliche verwandelt wird, zeigen die folgenden Ergebnisse.*) Die tödliche Dosis von Phenylpropionsäure, Cg H5 . CH„ . CH2 . COOH, ist ca. O'Qg pro Kilogramm Körpergewicht. Phenylpropionyl-glykokoU, Cg H5 . CH2 . CH2 . CO . NH . CH2 . COOK, bewirkt selbst in einer Menge von 15^ keine Erscheinungen. Zimtsäure ist zwar weniger giftig als Phenyl- propionsäure, aber immerhin nicht ganz unwirksam. Sie wird nach erfolgter Paarung mit Glykokoll ganz ungiftig. Hippurs äure ist immer im Harne vorhanden. Ihre Menge ist beim Karnivoren am geringsten und am größten beim Herbivoren.2) Mit der Pflanzennahrung werden stets aromatische Verbindungen aller Art auf- genommen. Soweit diese in Benzoesäure verwandelt werden können, treten sie in Form von Hippursäure in den Harn über. Ferner trifft man im Harn Phenazetursäure. Endlich haben wir schon erwähnt, daß Glykokoll die einzige Aminosäure ist, die sich häufig im Urin auch im freien Zu- stande vorfindet. Uns interessiert zunächst die Frage, ob der Bildung von Hippursäure im tierischen Organismus Grenzen auferlegt sind, und wo diese beginnen. A priori ist zu erwarten, daß er nicht allzuviel Hippur- säure bilden kann, denn die meisten Eiweißkörper enthalten sehr wenig Glykokoll, ja manchen, wie den Albuminen, fehlt diese Aminosäure ganz. Wir treffen nur in jenen Eiweißstoffen viel Glykokoll an, die im Orga- nismus eine mechanische Rolle spielen. So enthalten das Elastin, das Kollagen usw. viel von diesem Eiweißbaustein. Schon die großen Hippur- säuremengen, die manche Pflanzenfresser bei Aufnahme von Heu aus- scheiden, erweckten Zweifel, ob ihre Bildung von der Menge des im Eiweiß zur Verfügung stehenden GlykokoUs abhängig ist. Dazu kamen dann noch die Erfahrungen, die bei Versuchen über die Hippursäurebildung nach Ver- fütterung von Benzoesäure gemacht worden sind.^) Es zeigte sich, daß man hungernden Tieren durch Eingabe dieser Säure große Mengen von Glykokoll entziehen kann. Nun wurden die Versuchstiere getötet und der Gehalt ihres gesamten Körpers an Glykokoll festgestellt. Die erhaltene Ausbeute an dieser Aminosäure war nicht geringer als diejenige, die Hungertiere lieferten, die keine Benzoesäure erhalten hatten.*) Dieses Ergebnis beweist in einwandfreier Weise, daß der tierische ') H. D. Dakin: The Journ. of Biol. Chem. 5. 413 (1909). ^) Vgl. z. ß. Henneherg, Stohmann und Rautenberg: Liehig^ Annalen. 124. 200 (1862). — Weiske, Wildt und Pfeiffer: Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 6. 1410 (1873). '■*) Wilhelm Wiechowski: Hofmeisters Beiträge. 7. 204 (1905). — Rudolf Cohn: Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 53. 435 (1905). — Adolf Magnus- Levij : Biochem. Zeitschr. 6. 523 (1907). — Johann Letvinski: Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 58. 397 (1908). — W. H. Parker und Graham Lusk: Amer. Journ. of Pliysiol. 3. 472 (1900). — A. J. Ringer: Journ. of Biol. Chem. 10. 327 (1911). — Albert A. Epjystein und Samvel Bookman: Ebenda. 10. 327 (1911). *) Emil Abderhalden und Paul Hirsch: Zeitschr. f. physiol. Cliem. 78. 292 (1912). — Vgl. auch Emil Abderhalden, Alfred Gigon und Eduard Sirauss: Ebenda. 51. 311 (1907). Eiweißstofl'e und ihra BauBteinc. 559 Organismus große Mengen von Glykokoll selbst bereiten kann. Es ist noch unentschieden, ob seine Bildung durch Abbau von anderen Aminosäuren erfolgt, oder ob eine Synthese vorliegt. Es ist wohl möglich, daLi beide Wege eingeschlagen werden. Übrigens entgeht bei sehr reichlicher Zufuhr von Benzoesäure eine geringe Menge davon der Kuppelung mit Glykokoll.') Ein kleiner Teil kann sich auch mit Glukuronsäure paaren. 2) Wir können somit den Nachweis von Glykokoll nicht un- mittelbar als Beweis dafür anführen, daß diese Aminosäure als solche bei der Hydrolyse von Zellproteinen entsteht. Würde es sich feststellen lassen, daß Glykokoll beim Abbau von bestimmten Amino- säuren gebildet wird, dann wäre durch die Beobachtung der Hippursäure- bildung erwiesen, daß im Zellstoffwechsel Aminosäuren gebildet werden. Es kämen ganz besonders die Versuche an hungernden Tieren in Betracht. Vielleicht erfolgt die Bildung der Hippursäure nicht immer in der gleichen Art. Es wäre z. B. auch denkbar, daß die Benzoesäure mit irgend einer aliphatischen Monoamino-monokarbonsäure verbunden und diese dann sekundär durch Abbau bis auf den GlykokoUkomplex zerlegt würde. Die Synthese von Hippursäure aus Glykokoll und Benzoesäure hat nicht nur deshalb allgemeinere Bedeutung erlangt, weil sie die erste im tierischen Organismus nachgewiesene Synthese darstellt, sondern vor allem auch deshalb, weil Bunge und Schwiedeherg'^) zum ersten- mal diesen Aufbau als Prüfstein dafür wählten, ob derartige Vorgänge auch von bestimmten Organen dann vollzogen werden, wenn sie nicht mehr mit dem Körper in Zusammenhang stehen Diese beiden Forscher entfernten Hunden eine Niere und leiteten durch das frische Organ Blut, das ungerinnbar gemacht worden war. Es wurde durch die Nierenarterie zu- und durch die Nierenvene abgeleitet. Gleich- zeitig wurde die aus dem Ureter ausfließende Flüssigkeit — Harn — auf- gefangen. Es wurde nun festgestellt, ob das Blut und der Harn Hippursäure enthielten. Dann wurden der Durchströmungsflüssigkeit Glykokoll und Benzoesäure zugesetzt. Die überlebende Niere vollzog die Synthese zu Hippursäure. Wurde nun Benzoesäure durch die Niere geleitet, dann kam die Synthese bald zum Stillstand. Es fehlte an Glykokoll. Sie kam wieder in Gang, wenn diese Aminosäure zur Verfügung gestellt wurde. Die Syn- these der Hippursäure erfolgte sowohl, wenn bei ST" gearbeitet wurd(\ als auch bei Zimmertemperatur. Für das Zustandekommen der Hippursäuresynthese haben sich die roten Blutkörperchen und die lebenden Zellen der Niere als von großer Bedeutung erwiesen. Wird das Nierengewebe durch Zerhacken zerstört oder noch besser durch Zerreiben mit Glasscherben, so findet die Kuppelung von Glykokoll und Benzoesäure anscheinend nicht mehr statt. Auch wenn die Niere auf — 20° abgekühlt und bei 40" wieder aufgetaut worden war, bildete sie keine Hippursäure mehr aus den Komponenten. Ebensowenig gelang es, die Synthese zu bewirken, wenn statt des ganzen Blutes nur Blutserum durch die Niere geleitet wurde. Daß dem Sauerstoff eine wich- *) Vgl. z. B. Theodor Brtigsch und Rahel Hirsch: Zeitschr. f. experim. Path. u Ther. 3. 663 (1906) — .1. ./. Rinqer: The Journ. of Biol. Chem. 10. 327 (1911). ^) Vgl. S. 40. ^) G. V, Bunge und O. Schmiedeberg : Archiv f. experim. Path. 11. Fharniak (i 233 (1877). 560 XXV II. N'orlesung. tige Rolle bei dieser Synthese zukcrmmt, geht aus den folgenden Ver- suchen hervor. ij Leitet man Blut durch die Niere, in dem der Sauerstoff durch Kohlenoxyd verdrängt ist, so erhält man keine Hippursäuresynthese. Es konnte den Niereuzellen auch durch Chinin die Fähigkeit genommen werden, Hippursäure zu bilden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Synthese der Hippursäure aus (ilykokoll und Benzoesäure unter Wasserabspaltung einem Ferment zuzu- schreiben ist. Man hat versucht, ein solches zu isoheren. Einige Ver- suche, in denen es — im Gegensatz zu früheren — glückte, auch in zerhackter Niere die Hippursäuresynthese festzustellen ^j, lassen hoffen, da(j es gelingen wird, die Kuppelung von Glykokoll und Benzoesäure auch ohne direkte Verwendung von Organen und Zellen zu vollziehen. Was den Ort der Hippursäurebildung im tierischen Organismus an- betrifft, so ist zu bemerken, daß das eben Angeführte nur für Hunde gilt. Frösche bilden auch nach Entfernung der Niere und der Leber s) Hippur- säure. Ebenso ließ sich bei Kaninchen nach Wegnahme der Nieren nach Eingabe von Benzoesäure reichlich Hippursäure feststellen.*) Diese Beob- achtung wird durch die Feststellung ergänzt, daß die Leber von Kaninchen beim Durchleiten von Benzoesäure Hippursäure liefert.^) Es ist möglich, daß beim Fleischfresser die Hippursäuresynthese eine lokalisiertere ist als beim Pflanzenfresser, weil bei ihm die Hippursäure unter normalen Ver- hältnissen nur in geringer Menge gebildet wird. Die Menge der vom Menschen pro Tag ausgeschiedenen Hippursäure beträgt im Mittel bei ge- wöhnlicher Kost 0-7 g/) Sie kann nach reichlichem Genuß von Gemüse und Obst auf mehr als 2 g ansteigen. Es ist in Erwägung gezogen worden, ob nicht die aromatischen Bau- steine des Eiweißes — insbesondere das Phenylalanin und das Tyrosin — in den Geweben zu Benzoesäure abgebaut werden. Es scheint dies jedoch nach allen vorUegenden Beobachtungen nicht der Fall zu sein. Dagegen kann die im Darm durch Bakterien aus Phenylalanin entstehende Phenyl- propionsäure in Benzoesäure übergeführt werden. Das Glykokoll findet im tierischen Organismus nicht nur zur Kuppelung der erwähnten Verbindungen Verwendung, sondern es tritt regelmäßig gepaart mit ('holsäure und Desoxycholsäure in der Galle auf. Die Glykochol- und Glykodesoxycholsäure, oder richtiger Cholyl- bzw. Desoxycholyl-glyzin genannt, sind entsprechend wie die Taurochol- und Taurodesoxycholsäure zusammengesetzt. Beide enthalten den gleichen Paarling, nämlich die Cholsäure bzw. die Desoxycholsäure. Der Umstand, (laß beständig zur Bildung dieser Gallensäuren (jrlykokoll verwendet wird, entzieht der Hippursäurebildung bei Verabreichung von Benzoesäure und anderen zur Paarung fähigen Verbindungen diese Aminosäure zum Teil. ') A. Hoffmann: Archiv f. experim. Path. u. Pharmak. 7. 233 (1877). *) Wilhelm Kochs: rßür/ers Archiv. 20. 64 (1879). — ./. K. Abelons et H. Ribaut : Compt. rend. de la Soc. hiol. 1). juiii 1900. — M. E. Berminzone : Bollettino acad. med. di Genua. 16. 1 (1901). ^) G. V. Bunge und O. Schmiedeberq : 1. c. S. 559. Zitat '). *) W. Salom'on: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 3. 365 (1879). ') E. Friedmann und Hermann Tachau: Biochem. Zeitschr. 35. 88. (1911). «) Halluachs: Licbix/s Annalen. 106. 164 (1858). — 6'. Platt: Journ. of the Americ. Chem. Soc. 19. 382 (1897). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 561 Die Notwendigkeit einer unter Umständen sehr umfassenden Neubildung von Glyzin erhellt auch aus dieser Beobachtung. Interessanterweise bil(^en die Vögel, wenn ihnen Benzoesäure ver- füttert wird, keine Hippursäure.'j An ihrer Stelle tritt im Kloakeninhalt eine Säure auf, die zwei Benzoylgruppen trägt. Sie wurde bald als Di- benzoyl-ornithin = Dibenzoyl-a-£-diamino-valeriansäure erkannt. Sie ist Ornithur säure genannt worden : CH2 . CH., . CH. . CH . COOH I " I Cs H5 . COOH + NHs NH, -f HOOC . C, H, Ornithin = Benzoesäure a,£-Diamino-valeriansäure Benzoesäure i CH2 . CH2 . CH, . CH . COOH + 2 H, 0. i l C« H5 . CO . NH NH . CO . C« H, Es liegt genau die gleiche Synthese vor, wie bei der Bildung von Hippursäure aus Glykokoll und Benzoesäure: CH. . COOH CHg . COOH 1 ' =1 NH, + HOOC . C« n, NH . CO . C, H, Das Ornithin stammt ohne Zweifel aus dem Arginin. Es wird unter normalen Verhältnissen weiter abgebaut und kommt nur zum Vorschein, wenn es durch Eingabe von Benzoesäure abgefangen wird. In diesem Zusammenhang sei der interessanten Beobachtung gedacht, daß Menschen nach Eingabe von Phenylessigsäure Phenylazetylglut- amin im Harn ausscheiden. 2) Wir kennen nun noch eine Stoffwechselanomalie, bei der im Harn eine Verbindung erscheint, die mit bestimmten Bausteinen der Proteine in Zusammenhang steht. Es ist dies die Alkaptonurie. Bei ihr treten zwar nicht Aminosäuren als solche auf, wohl aber eine Abbaustufe aus solchen, die sicher nur aus ihnen selbst und nicht aus zusammenge- setzten Verbindungen hervorgegangen sein kann. Infolgedessen können wir diese Stoffwechselanomalie ebenfalls als Beweis dafür heranziehen, daß im Zellstoffwechsel aus Zelleiweiß Aminosäuren gebildet werden. Die Alkaptonurie ist im Jahre 1859 von Boedeker *) entdeckt worden. Er beobachtete, daß der Harn bei dieser Stoffwechselanomalie stark reduzierende ') M. Joffe: Ber. d. Deutsch. Chem. Ges. 10. 1925 (1877); 11 401 (1878). — Vgl. auch ./. Yoshikawa: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 68. 79 (1910). 2) Vgl. S. 515, Zitat *). «) Boedeker: Zeitschr. f. ration. Med. 7. 130 (1859); Liebig?, Annalen. 117 98 <1861). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, ö. Ana. ■'><> 5H2 XXVII. Vorlesung. Eigenschaften besitzt und ferner beim Stehen an der Luft sich bei alkalischer Reaktion bald dunkel färbt. Schließlich wird er ganz schwarz und scheidet braune Flocken ab.-) Baedeker beobachtete ferner, daß sich das „Alkapton"«;, so wurde die den eigenartigen Eigenschaften des Harns bei Alkaptonurie zugrunde liegende Substanz genannt, mit basischem Bleiazetat ausfällen läßt. Zerlegt man das entstandene Bleisalz durch Schwefelwasserstoff, dann gelangt man zu einer kristalüsierenden Verbindung. Ihre Zusammen- setzung wurde von Wolkow und E. Baumann'^) erkannt. Es handelt sich um eine 1, 4-Dioxjphenyl-3-essigsäure=:Hydrochinonessigsäure*), auch Homogentisinsäure genannt : CH.OH HC HC <\CH C . CH, . COOH C.OH Homogentisinsäure. Die genannten beiden Forscher erkannten auch schon eine Mutfer- substanz der erwähnten Verbindung, nämlich das Ty rosin. Eingabe dieser Aminosäure führte nämlich nicht nur zu einer starken Vermehrung der Homo- gentisinsäure, sondern es entsprach die Zunahme genau der eingeführten Menge der erwähnten Verbindung. W. Falta und E. Längstem^) erhoben den gleichen Befund für Phenylalanin. Tryptophan ergab keine Zunahme der Homogentinsäure im Harn des mit Alkaptonurie Behafteten. Die nahen Beziehungen von Phenylalanin und Tyrosin zur Homogen- tisinsäure zeigen die folgenden Formeln : CH C . OH C . OH HC CH HC CH H.C HC CH NH, HC CH nH, ^\/ \/ • \/ • C.OH C . CH, . CH . COOH C . CH. . CH . COOH C.CH,.C()OH •^2 ß-Phenyl-a-amino- ß-p-Oxyphenyl-a-amino- 1, 4-Dioxypheny!-3- propionsäure Propionsäure essigsaure *) Vgl. hierzu Carl Th. Mörner: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 329 (19101. *) Der Name Alkapton gründet sich auf die Eigenschaft des Harns, bei Zusatz von Alkali und Sauerstoff (Luft) sich rasch dunkel zu färben. xa:iT£iv = begierig ver- schlucken. *) M. Wolkow und E. Baumann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 15 . 228 (1891). Hier findet sich die Literatur über alle bis 1891 gemachten Beoba;;htu ngen. — Vgl; auch Kirk: British med. Journ. 2. 1017 (1886); Journ. of. anat. and p hysiol. 23. 69 (1889). — Archihald E. Garrod und W. H. Hurtley: Journ. of physiol. 3 6. 13G (1907). — G. Katsch: Münchener med. Wocheaschr. Nr. 48. S. 1337 (1918). *) Vgl. die Synthese der Homogentisinsäure bei E. Baumann und S. Fränkel: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 20. 219 (1894). ') W. Falta und Leo Langstein: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 513 (1903). Eiweißstofle und ihre Bausteine. 56H Wir werden auf diese interessante Stoffwechselanomalie noch zurück- koramen.i) Sie hat viele Aufschlüsse über die Art des Abbaus von Amino- säuren im tierischen Organismus gebracht. Hier wollen wir sie nur insofern besprechen, als sich Beweise für die Bildung von Aminosäuren aus Zell- eiweiß aus den Ergebnissen der an Personen, die eine Alkaptonurie auf- weisen, angestellten Versuche ergeben haben. Das Studium der im Harn erscheinenden Menge an'Homogentisinsäure ergab, daß ein Einfluß der Art und Quantität des aufgenommenen Eiweißes unverkennbar ist.^) Je mehr Tyrosin und Phenylalanin die verabreichten Proteine besitzen, um so mehr Homogentisinsäure wird im allgemeinen gebildet. Die mit Alkaptonurie Behafteten sind ausgezeichnete Objekte zum Studium des Eiweißstoffwechsels. Wir können bei ihnen einmal das. Verhalten des mit dem Eiweiß zugeführten Stickstoffs und Schwefels ver- folgen. Außerdem gibt uns die Feststellung der im Xahrungseiweiß ent- haltenen homozyklischen Verbindungen und der ausgeschiedenen Homo- gentisinsäm-e Auskunft darüber, ob Teile von Tyrosin und Phenylalanin in irgend einer Form im Organismus zurückgebUeben sind. Je mehr Anhaltspunkte wir für das Verhalten des Nahrungseiweißes im tierischen Organismus besitzen, um so eindeutiger werden die Ergebnisse. Zunächst glaubte man, daß die Bildung der Homogentisinsäure sich im Darmkanal vollziehe. Es sollte eine Bakterienwirkung vorliegen. Bald erkannte man jedoch, daß ihre Entstehung in die Gewebe verlegt werden muß. In vielen Fällen von Alkaptonurie wird offenbar unter bestimmten Bedingungen 3) überhaupt kein Phenylalanin und Tyrosin ganz abgebaut. Es bleibt die Zerlegung dieser Aminosäuren bei der Homogentisinsäure stehen. W^ürde, bevor diese in die Gewebe übertreten, aus ihnen die genannte Säure gebildet, dann müßten die Zelleiweißstoffe jener Individuen, die mit Alkaptonurie behaftet sind, frei von Phenylalanin und Tyrosin sein, oder es müßte eine Neubildung dieser Aminosäuren in den Zellen eintreten. Eine solche von aromatischen Aminosäuren ist nun nach allen bisherigen Erfahrungen sehr unwahrscheinlich. Es sei in dieser Beziehung, an die Erfahrungen mit Gelatine erinnert, mit der der tierische Organismus als einziger Eiweißart nicht auskommt.*) Ihr fehlen die aromatischen' ') Vgl. Leo Lanqstein und Erich Meyer: Deutsches Arch. f. klin. Med. 78. 161. (1903). — A. E. Garrod und F. Shirley Hele: Ebenda. 33. 198 (1905) ; 35. 15. Dez. (1906). — A. E. Garod und ./. Wood Clarke : The Biochem. .Jouru. 2. 219 (1907). — Oscar Gross und Eduard Allard: Zeitschr. f. klin. Med. 64. H. -544 (1908). — Oskar Adler:] Biochem. Zeitschr. 21. 5 (1909). — Emil Abderhalden und i?. Massini: Zeitschr. f., physiol. Chemie. 66. 140 (1910). — Vgl. auch die Zusammenfassung von Konrad From-. herz: Über- Alkaptonurie. In.-Diss. Karl .1. Trübner. Straßburg 1908. — Ludwig Pincus- sohn : Ergebn. d. inneren Med. und Kinderheilk. 8. 454 (1912). — Gotthard Söderbcrgh.\ Nordisk Med. Arkiv. Abt. IL 1 (1915). — M. W. Scheltema: Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. Nr. 18. 1464 (1914); Nr. 25. 2659 (1915). — Ratsch: Deutsches Archiv f.. klin. Med. 127. H. 3 u. 4 (1918). 2) Vgl. W. Falta: Archiv f. klin. Med. 81. 231 (1904). — Emil Abderhalden und Bruno Bloch: Ebenda. Zeitschr. f. physiol. Cheni. 53. 464 (1907). ') Es ist von großem Interesse, daß die Ausscheidung der Homogentisinsäure bei Alkaptonurie zum Verschwinden gebracht werden kann, wenn in der Nahrung die Kohle- hydratzufuhr stark herabgedrückt bis aufgehoben wird. Gleichzeitig zeigt sich Azeton- bildung. Diese Beobachtungen von G. Katsch [Deutsches Archiv, f. klin. Med. 127. 210 (1918); 134. .59 (1920)] müssen weiter verfolgt Averden. *) Vgl. S. .500. ' 36* 5(i4 XXVn. Vorlesung. Bausteine. Erst tMue Zugabe von splchen bewirkt, daß die (lelatine anderen Proteinen gleichwertij2: wird. Ferner haben Stoffwechsel versuche ergeben, daß zwar eine der beiden homozyklischen Aminosäuren in der Nahrung fehlen darf, es werden jedoch nicht beide von den Zellen aus ersetzt. Die direkte Untersuchung von Eiweißstoffen eines an Alkaptonurie Leidenden hat ergeben, daß sie ebensoviel Tyrosin und Phenyl- alanin enthalten, wie die entsprechenden Proteine normaler Individuen. M Daß die Bildung der Homogentisinsäure in den Geweben erfolgt, konnte auch noch dadurch bewiesen werden, daß subkutan ein- geführtes Glyzyl-l-tyrosin zu einer Vermehrung der Homogen- tisinsäure führt.-) Die Alkaptonurie beweist mit voller Schärfe, daß im Zellstoffweclisel aus Eiweiß Aminosäuren entstehen. Auch das hungernde, an Alkaptonurie leidende Individuum scheidet beständig Homogentisinsäure aus. Da ihre Entstehung ohne Zweifel von den erwähnten Aminosäuren ausgeht, so müssen diese gebildet werden. Bei Verabreichung von Eiweiß in der Nahrung wird, falls seine Menge bzw. sein Gehalt an Phenylalanin und Tyrosin nicht sehr gering ist, wohl stets ein Teil der ausgeschiedenen Homogentisinsäure direkt auf die resorbierten Aminosäuren zurückzuführen sein. Ein Teil stammt jedoch sicher immer aus abgebautem Zelleiweiß. Man könnte auch hier den Einwand erheben, daß gerade die Bil- dung von Tyrosin und Phenylalanin im Zellstoffwechsel die Ursache der Entstehung von Homogentisinsäure sein könnte, während normalerweise diese Aminosäuren in den Geweben nicht entstehen. Diese Annahme ist jedoch ganz unhaltbar. Wir wissen, daß zugeführtes Tyrosin und Phenyl- alanin nicht zur Bildung von Homogentisinsäure führen, wenn nicht sehr große Mengen davon gegeben werden. 3) Es erscheinen im Harn ganz geringe Mengen von aromatischen Verbindungen, der allergrößte Teil der verfütterten homozyklischen Aminosäuren wird vollständig über den Benzol- kern hinaus abgebaut. Wir wollen noch bemerken, daß die mit Alkaptonurie behafteten Personen zumeist keine besonderen Erscheinungen zeigen. Sie wird meistens erst in den Krankenhäusern entdeckt. Das Dunkelwerden des Harns führt gewöhnlich zu ihrer Auffindung. Oft fällt den betreffenden Personen auch auf, daß ihr Ohrschmalz tiefbraun gefärbt ist. Es liegt unzweifelhaft eine ganz lokalisierte Stoffwechselanomalie vor. Sie kann verschiedene Ursachen haben. Einmal ist es denkbar, daß die Homogentisinsäure ein ganz normales Ab- bauprodukt der beiden homozyklischen Aminosäuren darstellt. Diese An- nahme wird dadurch gestützt, daß es, wie eben erwähnt wurde, gelungen ist, bei einem Individuum, das keine Alkaptonurie aufwies, durch reichliche Aufnahme von Tyrosin Homogentisinsäure zur Ausscheidung zu bringen. Es könnte jedoch auch sein, daß die experimentell hervorgerufene Bildung von Homogentisinsäure eine Nebenreaktion beim Abbau der homozyklischen Verbindungen darstellt. Wir haben frühci- schon erwähnt, daß bei \'er- ') Awu'/ Abderhalden und H'. Falta: Zeitschr. f. physiol. Chem. 39. 14B (V.M\). *) I'Jmil Abdirhdlden, Bruno Bloch und l'eter Rona ; Zeitschr. f. physiol. Clicin. 52. 435 (1907). ') Vgl. hierzu Kmil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Cheni. 77. 4.54 (1912). KiweilistdHe iiiid ihre Bausteine. 555 fütterung von allen möglichen Verbindungen in geringer Menge Abbaustufen im Harn auftreten, die ohne Zweifel nicht solche darstellen, über die der Abbau der ganzen Menge der betreffenden Substanz geht, sondern vielmehr als ein in geringem Umfange eingeschlagener Nebenweg zu betrachten sind.') Der Umstand, daß Individuen, die keine Alkaptonurie besitzen, ver- fütterte Homogentisinsiiure leicht vollständig abbauen, läßt es jedoch als wahrscheinlich erscheinen, daß die bei einem normalen Individuum fest- gestellte Bildung dieser Säure in dem Sinne zu deuten ist, daß der Abbau der homozyklischen Aminosäui'en auch normalerweise über die Homogen- tisinsiiure führt. Es liegt offenbar eine Hemmung in der weiteren Zer- legung dieser Bausteine der Proteine vor. Damit tritt die Alkaptonurie in die Reihe jener Stoffwechselanomalien ein. bei denen Fermente fehlen, oder sich Bedingungen finden, unter denen diese ihre Wirkung nicht entfalten können. Es ist sehr wohl möglich, daß irgend ein Organ versagt, das beim Abbau dieser Verbindungen teilzunehmen hat. Es ist z. B. denkbar, daß die Fermentvorstufe zugegen ist, es fehlt jedoch der Aktivator, der aus dieser das wirksame Ferment bereitet. Auch der umgekehrte Fall ist natürlich möglich. Es ist von größtem Interesse, daß derartige Stoff wechsel- anomalien vererbbar sind. Auch die Alkaptonurie tritt oft bei mehreren Oliedern der gleichen Familie auf. Interessant ist die Beobachtung, daß die sogenannte Ochronose 2) direkt oder indirekt mit der Alkaptonurie zusammenhängt. Man findet bei dieser neben anderen Veränderungen eine mehr oder weniger aus- gesprochene Schwarzfärbung der Knorpel. Es spricht vieles dafür, daß dieses Pigment auf die aromatischen Bausteine der Proteine zurückzuführen ist. Welche Beziehungen zur Homogentisinsäurebildung bestehen, ist zurzeit noch unbekannt. Sie scheinen nicht direkter Natur zu sein. Es gibt ohne Zweifel auch Fälle von Ochronose, bei denen die Alkaptonurie fehlt. 3) Die Veränderung des Knorpels bei der Ochronose kann auch Ursache der Arthritis deformans (alcaptonurica) sein.*) W^ir hatten die Frage aufgeworfen, ob die Zellen des tierischen Organismus unter normalen Verhältnissen Eiweiß bis zu Amino- säuren abbauen. Zunächst konnten wir feststellen, daß in allen Zellen sich Fermente finden, die einen solchen Abbau durchführen können. Ferner haben wir Stoffwechselanomalien — Aminoazidurie, Zystinurie, Diaminurie und Alkaptonurie — kennen gelernt, die unzweifelhaft beweisen, daß es in den (ieweben zur Bildung von Aminosäuren aus Eiweiß kommt. Ferner ergab sich, daß es gelingt, bei Zufuhr bestimmter Verbindungen einzelne Aminosäuren abzufangen. So glückte es durch Eingabe von Halogenbenzol. Zystin bzw. Zystein festzulegen und als Merkaptursäure zur Ausscheidung zu bringen. P'erner konnte bei Vögeln Ornithin, ein Baustein des Arginins, durch Eingabe von Benzoesäure festgelegt werden. Auch die Entstehung von Glutamin - Amid der Glutaminsäure — ließ sich beweisen, indem nach Eingabe von Phenylessigsäure das Kuppelungsprodukt Phenylazetylglutumin 1) Vgl. hierzu S. 284. ') Virchow: Virchous Archiv. 37. 217 (186G). ') Vgl. u. A. Leo Langsfein: Hofmeisters Beiträge. 4. 145 (19ü3). — Valdemar Foulsen: Beiträge zur path. Anat. u. zur allg. Path. 48. 346 (1910). Hier finden sich viele Literaturangaben. *) Vgl. z. B. Gotthard Söderhergh: Nordish Med. Archiv. Abt. II. 1. (1915). 566 ^ XXVII.^Vorlesunj,'. lUT Ausscheidung" kam. Auch Glykokoll läßt sich in großen Mengen zur Ausscheidung im Harn in Form gepaarter Verbindungen bringen, doch vermag uns dieser Umstand nichts über die Bildung dieser Aminosäure aus Eiweiß auszusagen, weil sicher festgestellt werden konnte, daß sie von den Zellen des tierischen Organismus — wenigstens ist dies für die Säugetiere bewiesen — neu gebildet werden kann. Wir kommen somit zum Schlüsse, daß die Zellen des tierischen Organismus nicht nur die mit dem Blute ihnen zugeführten, vom Darme auf- genommenen Aminosäuren zum Ausgangspunkt aller möglichen Vorgänge machen, sondern daß sie selbst solche durch Ab- bau von Eiweiß bereiten können. Vorlesung XXVIII. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 12. Der Abbau der Aminosäuren im Zellstoffwechsel. Die Endprodukte des Eiweiß- und Aminosäurestoffwechsels. Die Feststellung, daß der Abbau von Eiweißstoffen in den Zellen zu Aminosäuren führt, ist von grundlegender Bedeutung, denn wir müssen genau wissen, von welchen Produkten aus wir die Bildung der Stoff- wechselendprodukte des Eiweißstoffwechsels zu verfolgen haben. Es sei schon hier festgestellt, daß beim Menschen, bei den Säugetieren, den eigent- lichen Amphibien und, soweit unsere Kenntnisse reichen, auch den Irischen der Harnstoff das charakteristische, stickstoffhaltige End- produkt des Aminosäurestoffwechsels darstellt. Bei den Vögeln und Rep- tilien und vielen Wirbellosen finden wir Harnsäure an Stelle der er- wähnten Verbindung. Stellen wir diese beiden Verbindungen irgend einer Aminosäure, z. B. dem Leuzin, gegenüber, dann erkennen wir sofort, daß eine direkte Entstehung dieser Abbaustulen aus den Bausteinen der Pro- teine nicht denkbar ist: NH., CH3 ^jj'>CH . CH2 . CH . COOK Leuzin HN CO i i OC C NH. /NH., I II >co c^o HN C NH/ \NH2 Harnsäure. Harnstoff. Eine Ausnahme macht nur das Ajginin, das durch hydrolytische Spaltung in Harnstoff und Ornithin übergeht.») Es muß unzweifelhaft bei allen übrigen Aminosäuren ein weiterer Abbau eintreten, bis Produkte entstanden sind, die Harnstoff bzw. Harn- *) Vgl. S. 32(\ 568 XXVIU. Vorlesung. Säure liefern können. Ist schon eine direkte Beziehung der einzehien Amino- säuren zu den genannten Stoffwechselendprodukten nicht denkbar, so kommt eine direkte Entstehung von Harnstofl' aus Eiweiß, Peptonen oder auch aus Polypeptiden erst recht nicht in Frage. Es sei als Beispiel ein Tripeptid dem Harnstoff gegenübergestellt: NHj . CHj . (^O . XH . CH . (CH,) . CO . NH . CH (C,Hg) . COOH (ilvzyl-alanyl-leuzin. /NH, \NH, Harnstoff. Es muß unzweifelhaft der Bildung der Stoffwechselend- produkte aus Eiweiß ein Abbau zu den einzelnen Bausteinen vorausgehen. Die Beobachtungen über das« Auftreten von Aminosäuren im Zellstoffwechsel geben die einfachste Erklärung der Art des Abbaus der zusammengesetzten Eiweißabkömmlinge. Die Frage der Bildung des Harnstoffes bzw. der Harnsäure aus Eiweiß deckt sich mit derjenigen nach der Art des Abbaus der einzelnen Amino- säuren. Als ein weiterer Beweis dafür, daß die Bildung von Harnstoff bzw. von Harnsäure von den Aminosäuren ausgeht, können wir die Tat- sache anführen, daß verfütterte und auch mit Umgehung des Darmkanals eingeführte Aminosäuren zu Harnstoff bzw. Harn- säure abgebaut werden, i) Es erscheint der in ihnen enthaltene Stick- stoff beim Hunde bis zu SOVo und mehr in Form von Harnstoff im Harne wieder. Das gleiche Resultat erhält man, M'enn an Stelle von Aminosäuren Polypeptide verfüttert werden. 2) Man muß allerdings zu derartigen Versuchen diejenigen Aminosäuren verwenden, die in der Natur vor- kommen, s) Verfüttert man z. B. dl-Leuzin, dann tritt im Harn d-Leuziu auf. Das im Eiweiß vorkommende 1-Leuzin ist abgebaut worden. Die Konfiguration des d-Leuzins ist den Zellen des Organismus „fremd^*. Sie sind nicht auf den Abbau dieser Verbindung, die ihnen ja unter nor- malen Verhältnissen nie zugeführt wird, eingerichtet. Wir kennen noch eine ganze Pteihe weiterer Tatsachen, die uns zu der Annahme zwingen, daß in den Geweben Eiweißkörper unter ») O. Schultzen and M. Neneki: Ber. d. Deutschen Chem. (iesellsch. 2. 566'{18(i9); Zeitschr. f. Biol. 8. 124. (1872). — M. Neneki: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 5. 890 (1872). — \V. r. Knieriem: Zeitschr. f. Biol. 10. 263 (1874). - E. Salkowski: Zeit- schrift f. physiol. Chem. 4. .o4. 100 (1880). — S. Salaskin und Kafh. Koxvalew.sky : Ebenda: 42. 410 (1904). *) Vgl. Emil Abderhalden und Franz Samuely, l'eter Rona, Yutaka Teruurhi, Boris Bahkin, Karl Kautzsch: Zeitschr. f. physiol. Chem. 46. 17(5, 187 (1905); 47. 159,346, 391 (19(J6); 48. 557 (1906). Vgl. auch P. A. Lerene und (J. M. Meyer: The Americ. .lourn. of Physiol. 25. 214 (1909). ") J. Wohlgemuth: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 38. 2064 (1905). — M. Plaut und H. Reese: Hofmeistern Beitr. 7. 425 (1905). — A. Schittenhilm und A. Katzenstein: Journ. f. experim. Path. u. Ther. 2. 560 (1906). — P^mil Abderhalden und F. Samuely: Zeitschr. f. physiol. Chem. 47. 346 (1906). — H. D. Dakin: Journ. of biol. Chem. 8 25 (1910). — Emil Abderhalden und Artur Weil: Kbenda. 77 435 (1912). KiweilistofiV iiiul ihn- Baiistpiuo. 569 Wasseraufnahme gespalten werden. Wir beobachten nämlich auch dann eine Neubildung von Proteinen, wenn kein Eiwei(\ von außen zugeführt wird. Wir sehen, da(J beim hungernden Tier manche Drüsen ihre P'unktionen nicht einstellen. Die Schleim- drü sehen bilden immer noch eiweißhaltiges Sekret. Auch die Milch- drüse arbeitet weiter. Ferner wachsen die Haare und die Nägel. Kndlich beobachten wir, daß beständig rote Blutkörperchen zu- grunde gehen. Wir werden bald erfahren, daß der Gallenfarbstoft' aus dem Blutfarbstoff hervorgeht. Die Menge des erste ren gibt uns einen Einbhck in den Umfang des Zerfalls roter Blutkörperchen. Da das Blut annähernd den gleichen (iehalt an Hämoglobin beibehält, so muß der verloren gegangene Blutfarbstoff immer wieder ersetzt werden. Er enthält einen Eiweißanteil, das Globin. Kein Protein der (Ge- webe besitzt einen dem Eiweißpaarling des Hämoglobins ähnlichen Bau. Das Globin enthält auffallend viel Histidin. Es ist nicht denkbar, daß irgend ein Protein der Zellen oder des Blutplasmas direkt in Globin übergeht. Wir müssen vielmehr annehmen, daß der Überführung eines Eiweißkörpers in einen anderen ein tiefer Abbau vor- ausgeht. Aus den entstandenen Spaltprodukten wird dann das neue, eigen- artige Molekül zusammengefügt. Beim Kaseinogen der Milch liegen die Verhältnisse ganz gleich. Es ist uns kein Eiweißkörper des Orga- nismus bekannt, der nach geringfügigen Veränderungen in jenes Protein übergeführt werden könnte. Die Zellen der Milchdrüse müssen ohne Zweifel ihnen zugeführtes Eiweiß, sofern ein Transport von solchem überhaupt stattfindet, weitgehend abbauen und dann das Kaseinogen synthetisch bereiten. Das gleiche gilt für jeden Eiweißkörper, der in irgend welchen Zellen neu gebildet werden muß. Stehen Aminosäuren zur Verfügung, die durch Piesorption in die Blutbahn gelangt und den Körperzellen zugeführt worden sind, dann werden diese als Baumaterial verwendet. Sind jedoch keine solchen zur Verfügung, dann müssen sich durch Abbau von Eiweiß die Zellen diese selbst bereiten. Es ist wohl möglich, daß dann, wenn eine bestimmte Zellart Eiweiß für eine andere liefert, sie dieses zunächst selbst spaltet und die Abbaustufen dem Blute übergibt. Ein sehr schönes Beispiel der Umwandlung von Proteinen im tieri- schen Organismus hat Friedrich Miescher^) beim Lachs beobachtet. Dieser Fisch wandert bekanntlich während seiner Laichzeit aus dem Meer ins Süßwasser, so auch in den Rhein. Von der J]inwanderung des Lachses in die Flüsse bis zur Abgabe der Geschlechtsprodukte nimmt er keine Nahrung auf. Dies war schon Barfurth-) und His^) bekannt. Miescher berechnet, daß der größte Teil der Lachse 6 — 9^2 Monate im Rhein sich aufhält, ein kleiner Teil Q^/o — 12 Monate, und einige wenige bleiben so- gar bis über 15 Monate. Während dieses ganzen Aufenthaltes im Süß- wasser nehmen diese Tiere nichts zu sich. Stets wird ihr Magen und Daim ') Friedrich Mies-cher: Histochemische und physiologische Arbeiten. 2. V. C. W. Vogel. Leipzig 1897. — Vgl. auch F. Zschokke: Der Lachs und seine Wanderungen. Krwin Nägele. Stuttgart 1906. — Charles W. Greene : The. .1. of Biol. Cliem. 39. 435, 457 (1919). ») Barfurth: Troscheh Arch. f. Maturgesch. Jg. XLl. 1. 122 (1875). *) Tlis: Untersuchungen über das Ki und die Entwicklung bei Knochentisciien. Leipzig. 24 (1873). f)70 XXVIII.- Vorlesung. leer gefunden, ja, Miescher hat auch festgestellt, daß die Verdauungsdrüsen keine wirksamen Säfte abgeben. Betrachtet man den Lachs auf seiner Wande- rung, dann sieht man eigentümliche Wandlungen seiner Körperbeschaffen- heit und seines gesamten Aussehens sich vollziehen. Der in das Süßwasser übergehende Lachs ist nicht geschlechtsreif. Seine Geschlechtsorgane sind noch wenig entwickelt. Ausgestattet mit einer kräftigen Rumpfmuskulatur, überwindet er alle Strömungen des Rheins, ja sogar die Stromschnellen. Vergleicht man den eben eingewanderten Lachs mit dem kurz vor der Laichzeit befindlichen, dann glaubt man zwei ganz verschiedene Fisch- arten vor sich zu haben. Der große Rumpfmuskel ist zusammen- geschrumpft, die Geschlechtsorgane dagegen haben stark an Masse zu- genommen. Beide Vorgänge gehen parallel. So sah Miescher z. B. das Gewicht der Eierstöcke des Lachses von 04 g bis auf 15 C^O \0H \NH., OH NH, /NH., 0^0 -^ C;-0 ->. c^o \H \H NH.J Kohlen- Harn- Ameisen- Amino- Harnstoff. säure Stoff säure ameisen- säure= Karbamin- säure Wir haben früher schon erwähnt, daß bei Stoff Wechsel versuchen der zur Ausscheidung gelangende Kohlenstoff einmal in der Exspirations- luft dui-ch Feststellung ihres Kohlensäuregehaltes und dann durch Be- stimmung des Kohlenstoffes des Harnes ermittelt wird. Die Hauptmenge des Kohlenstoffes findet sich in Form von Harnstoff im Harn. Man zählt diesen Kohlenstoff dem Eiweiß- bzw. Aminosäurestoffwechsel zu. Genau genommen ist diese Annahme eine willkürliche, denn der Kohlen- stoff des im Harn zur Ausscheiduug gelangenden Harnstoffes kann ganz gut auch von Kohlehydraten oder Fetten bzw. deren Bausteinen abstammen. da ja diese Verbindungen beim vollständigen Abbau in den Geweben Kohlensäure und Wasser und auch Ameisensäure liefern. Für die Beur- teilung des Ergebnisses eines Stoffwechselversuches hat diese Überlegung selbstverständlich keine Bedeutung, denn es kommt auf das Gleiche hinaus, ob aus Aminosäuren gebildeter Kohlenstoff den Organismus durch die Lungen verläßt und dafür solcher aus Zucker usw. mit dem Harnstoff zur Ausscheidung gelangt. Es greifen offenbar auch an dieser Stelle die Stoffwechsel Vorgänge jedes einzelnen Nahrungsstoffes unentwirrbar in- einander. F. Hofmeister^) ist der Ansicht, daß der Harnstoff auch auf andere Weise gebildet werden kann, als es bisher geschildert wurde. Er beobachtete nämlich, daß bei der Oxydation von Eiweiß und von Aminosäuren in Gegenwart von Ammoniak Harnstoff entsteht. Auch durch Oxydation von stickstofffreien Verbindungen erhielt er diesen bei Gegenwart von Ammoniak. Nach diesen Beobachtungen ist die Annahme am wahr- scheinlichsten, daß durch Oxydation von Ammoniak die NH.2-Gruppe ge- bildet wird, die in statu nascendi mit dem dem gleichen Vorgang seine Ent- stehung verdankenden CO.NH.,-Rest zusammentritt. Diese Art der Bildung von Harnstoff setzt gleichfalls Desaminierung der Aminosäuren voraus. Sie schien durch die Feststellung der sogenannten Uraminosäuren im Harn eine wichtige Stütze zu erhalten. Man fand nämlich nach Verfütterung ') Franz Hofmeister: Archiv f. ejfperim. Path. u. l'harm. 33. 198 (1894); 37 42C) (1896). — Vgl. ferner auch //. Eppinger: Hofmeistern, Beitrage. 6. 481 (1905). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Aufl. 37 578 XX VIII. Vorlesung. verschiedener Substanzen, wie z. B. von Taurin ^j, Tyrosin, von Aminobenzoe- säure usw. im Harn Verbindungen dieser Körper mit Harnstoff der fol- genden Art: CH2 . SO., . OH CH2 . SO2 . OH I —^ I CH2 . NH, CH2 . NH . CO . NH2 Taurin Uraminoisäthionsäure. HOOC . Ce H, . NHs — >► HOOC . C« H, . NH . (10 . NH^ Aminobenzoesäure Urarainobenzoesäure. Man könnte diese Beobachtungen im Sinne eines Abfangens der ge- bildeten CO . NHg-Gruppen durch die erwähnten Verbindungen deuten. Seitdem jedoch bekannt geworden ist, daß die Uraminosäuren sich schon beim Einengen wässeriger Lösungen von Aminosäuren und von Harnstoff bilden 2), muß ihr Nachweis aus der Reihe der Beweise für die genannte Art der Harnstoffbildung ausscheiden, es sei denn, daß eindeutig ihre primäre Entstehung erwiesen würde. *) Es sind übrigens noch andere Mög- lichkeiten der Bildung von Harnstoff erörtert worden.*) Sie sind jedoch alle durch keine direkten Beobachtungen am Organismus bzw. an Zellen gestützt. Wir wollen sie deshalb übergehen. Der Harnstoff wird sicher in der Leber gebildet. Dieses Organ ist jedoch nicht die einzige Stätte seiner Bereitung. Man beob- achtet, daß nach schweren Schädigungen der Leber die im Harn zur Aus- scheidung gelangende Harnstoffmenge zwar abnimmt, jedoch seine Bildung nicht aufgehoben ist.^) Auch Haifische, die interessanterweise in ihrem Blut und ihren Geweben auffallend viel Harnstoff aufweisen, zeigen nach Leberexstirpation keine Einschränkung in der Bildung dieses Stoffwechsel- endproduktes.«) Hunde mit Eckscher Fistel scheiden gleichfalls noch große Mengen von Harnstoff aus.") Diese Beobachtung ist insofern nicht ein- deutig, als die Leber immer noch mit dem gesamten Kreislauf durch die Leberarterie in Verbindung steht. Es könnten ihr mit dem arteriellen Blute Vorstufen — z. B. Ammoniak zur Bildung des Harnstoffes zu- geleitet werden.. Die Abnahme der Menge des Harnstoffes nach Schädigung oder Ausschaltung der Leber wurde zunächst im Sinne des Ausfalles eines Organes aufgefaßt, das an seiner Bildung den Hauptanteil hat. Die genauere ') Vgl. E. Salkowski: Virchows Archiv. 58. 460 (1873); Zeitscbr. f. pliysiol. Chemie. 7. 93 (1882/83). — P. Philosophow : Biochem. Zeitschr. 26. 131 (1910). — Rudolf Cohn: Ebenda. 17. 274(1893). — 0. Schmiedeberg: Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 8. 1 (1877). — Vgl. hiezu auch Carl /.. A. Schmidt und G. W. Clark: .1. of biol. ehem. 50. 21 (1922). ^) Vgl. S. 345. *) Die üraminoverbindung des Phenylalanins kristallisiert ohne Kioengeii direkt aus dem Harn aus. Sie ist hiermit als primär vorhanden zu i)etrachten. *) Vgl. z. B. Hoppe-Seyler : Physiol. Chemie. 809—810. Berlin 1881. — K. Sal- kowski: Zeitschr. f. physiol. (Jhemie. 1. 1 (1887). — Vgl. aucii die interessanten Beob- achtungen von Fr. Fichter über die elektrolytische Bildung von Harnstoff. Zeitschr. f. Elektrochemie. Nr. 15 (1910); 24. 41 (1918). — Fr. Fichter, Karl Stutz und Fritz Gries- haber: Verhandl. d. Naturforsch. Gesellsch. in Basel. 23. 222 (1912). ') Vgl. z. B. W.Frey: Zeitschr. f. kl. Medizin. 72. 38.'5 (1911). «) W. V. Schröder: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 14. 586 (1890). ') M. Hahn, 0. Massen, M. Nencki und J. Paulow : Archiv f. experim. Path. u Pharm. 32. 161 (1892). Eiweißstoffe und ihre ßauB(eine. 579 Analyse der nach der teilweisen oder vollständigen Ausschaltung der Leber auftretenden Verhältnisse hat gezeigt, daß die Abnahme der Harn- stoffmenge eine andere Deutung zuläßt. Es treten nämlich Säuren auf, für die Ammoniak zur Neutralisation verwendet wird. Dieses wird dann der Harnstoffbildung entzogen. Aus den vorliegenden Beobachtungen ergibt sich der Schluß, daß die Leber Harnstoff bildet. Der Versuch am überlebenden Organ hat das eindeutig bewiesen. Die Harnstoffbildung läßt sich auch mikroskopisch in den Leberzellen feststellen, während der Nachweis von Harnstoff in an- deren Geweben mikrochemisch mißlang. Es scheint, daß in der Leber den so- genannten Kupff'er sehen Sternzelleu eine besondere Funktion l)ei der fber- leitung des gebildeten Harnstoffs an die Lymphe und ins Blut zukommt.') Harnstoff kann sehr wahrscheinlich auch von allen anderen Körper- zellen erzeugt werden. Allerdings fielen bis jetzt die Versuche an anderen überlebenden Organen als der Leber negativ aus. Die Beobachtungen an Individuen mit pathologisch veränderter Leber und vor allem die Tierver- suche, bei denen die Leber künstlich schwer geschädigt wurde, zwingen uns jedoch zu der Annahme, daß die verschiedensten Gewebe Harnstoff zu bilden imstande sind. 2) Die Leber wird wohl dann besonders stark in Anspruch genommen werden, wenn sie in größerem Umfange ans Amino- säuren Zucker zu bilden hat. Der Harnstoff kristallisiert in Nadeln oder in farblosen, vierseitigen, rhombischen Prismen. Er hat einen eigenartigen, an Salpeter erinnernden, kühlenden Geschmack. Er schmilzt bei 132" und löst sich in der gleichen (iewichtsmenge Wasser. Er ist auch in Alkohol löslich. Zum Nachweis des Harnstoffes dient vor allem folgende Reaktion. Erhitzt man ihn in einem trockenen Reagenzglas, dann beobachtet man zunächst, daß er schmilzt. Steigt die Temperatur höher, dann bemerkt man bald, daß Ammoniak entweicht. Er gibt sich am Geruch zu erkennen. Ein in die Dämpfe gehaltenes rotes Lackmuspapier wird gebläut. Schließlich erstarrt die ganze Masse wieder. Nimmt man die feste Masse in Wasser auf, und fügt man Alkali hinzu, dann tritt beim Zusatz von verdünnter Kupfer- sulfatlösung Rotviolettfärbung ein. Man nennt diese Reaktion Biuret- reaktion. Sie beruht auf der Entstehung von Biuret, das aus zwei Molekülen Harnstoff unter Abspaltung von Ammoniak hervorgeht: NH /NH, C=0 \nh., ^^^ /Nh; -nh3= ^nh Cf 0 cf 0 \nh3 \nh, 2 Moleküle Harnstoff Biuret. Wir haben eine ganz ähnliche, in gleicher Weise angestellte Reaktion bei den Proteinen und Peptonen und manchen Polypeptiden kennen ge- lernt. Es darf nicht aus der Ähnlichkeit beider Reaktionen auf eine Über- einstimmung der sie ergebenden Produkte geschlossen werden. In der ») Erich Lescfike: Zeitscbr. f. experim. Path. u. Ther. 16. 498 (1914). *) Vgl. Cyrus H. Fiske und James B. Sumner: Journ. of Biol. Cliem. 18. 28f) (1914i 37* 580 XXVIII. Vorlesung. Gruppe der Proteine dürfte eine dem Biuret entsprechende Atomgruppierung nicht vorkommen. In den Polypeptiden, die die Biuretreaktion geben, fehlt sie sicher. Neben dem Biuret entsteht immer auch Cyanursäure: NH, . CO . NHo + NH2 . CO . NH2 + NH2 . CO NH., — n NH3 = 3 Moleküle Harnstoff NH . CO . NH . CO . NH . CO Cyanursäure. Harnstoff gibt Salze mit Säuren, so mit Salpetersäure / /NHo\ / /NHoA COOH CM> I • HNOä. mit Oxalsäure C^O 1. | usw. \ \NH./ V \NH,y2 COOH Neben dem Harnstoff finden wir im Harn aller Tiere Harnsäure. Sie ist früher ganz allgemein als ein mit dem Eiweißstoffwechsel in Zu- sammenhang stehendes Produkt betrachtet worden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Harnsäure bei den Vögeln, den Reptilien und vielen wirbellosen Tieren vom p]iweiß bzw. den Amino- säuren abstammt, dagegen kennen wir keine eindeutige Beob- achtung, die beweisen würde, daß auch der Mensch, die Säuge- tiere, die Amphibien und die Fische aus Eiweißabkömmlingen die erwähnte Verbindung bereiten. Sie stammt vielmehr bei diesen Tieren aus anderer Quelle. Sie geht nämlich aus bestimmten Bausteinen der Nukleinsäuren, den Purinbasen, hervor. Das exakte Studium der Her- kunft der Harnsäure bei den zuerst genannten Tierklassen hat ergeben, daß ein kleiner Teil der ausgeschiedenen Verbindung ebenfalls von Purinbasen aus gebildet wird. Die folgende Übersicht zeigt, daß alle Tiere eine gemeinsame Quelle der Harnsäure besitzen, nämhch die Purin- basen. Bei den Vögeln, Reptilien und vielen Wirbellosen kommen als Ausgangsmaterial außerdem noch die Aminosäuren in Betracht. Beim Menschen, den Säugetieren. Amphibien und Fischen finden wir an Stelle dieses Anteils der Harnsäure Harnstoff. Fast stets tritt neben Harnstoff und Harnsäure auch in geringen, w^echselnden Mengen Ammoniak auf. Die folgende Übersicht gibt die Herkunft der Harnsäure bei den ver- schiedenen Tierklassen wieder: Harnstoff -< — Aminosäuren -< — Eiweiß — >- Aminosäuren — >- Harnsäure Mensch, Säugetiere, Amphibien. Fische Vögel, Reptilien, Wirbellose Nukleinsäuren i Purinbasen i Harnsäure. Wir werden auf die Bildung der Harnsäure aus Puribasen später zurückkommen ^) und beschäftigen uns jetzt ausschließlich mit ihrer Ent- ') Vgl. Vorlesung XXXII. Fiiweißstoü'e uud ihre Bausteine. 581 stehung aus Eiweiß bzw. aus Aminosäuren. Sie zeigt in vielen Beziehungen eine große Übereinstimmung mit derjenigen des Harnstoffs. Eine direkte Umwandlung irgend eines p]iweißabkömmlings bis herunter zu den Amino- säuren in Harnsäure ist so gut, wie ausgeschlossen. Die einzige Amino- säure, die mit der Harnsäure verwandte Züge zeigt, ist das Histidin. Es enthält den Imidazolkern, der auch in der Harnsäure wiederkehrt: COOH HN— CO I I I CH.NH., CH— NU OC C— NH. I -11 >CH I il >C0 CH2 C N HN— C-NH/ Histidin — a-Amiuo-ß-imidazolyl- Harnsäure. Propionsäure. Es ist schwer, zu entscheiden, ob die Imidazolgruppe zur Bildung von Harnsäure direkt übernommen wird, weil die genannten Organismen sowieso aus Aminosäuren Harnsäure bilden und daher eine dem zugeführten Histidin entsprechende Vermehrung des Harnsäuregehaltes des Kloaken- inhaltes nichts über die direkte Verwertbarkeit jener Gruppe aussagen würde. Es ist untersucht worden, ob die genannte heterozyklische Amino- säure beim Säugetier die Bildung der Harnsäure beeinflußt. 1) Es war dies nicht der Fall. Mit Ausnahme des Globins enthalten die übrigen Proteine nur geringe Mengen von Histidin, so daß selbst dann, wenn der Imidazolring direkte Verwendung finden würde, nur für einen geringen Teil der gebil- deten Harnsäure die Herkunft erklärt wäre. Es sprechen alle Erfahrungen dafür, daß die Bildung der Harnsäure kein einfacher Vorgang ist, sondern eine umfassende Synthese darstellt. Es ist festgestellt Avorden, daß Vögel nach Verfütterung von Aminosäuren 2) eine der in dieser P'orm verab- reichten Stickstoffmenge entsprechende Vermehrung der Harnsäure aufweisen. Ferner bewirken auch Ammonsalze^) ein Ansteigen der Harnsäurebildung. Besonders interessant ist die Beobachtung, daß auch verfütterter Harn- stoff*) zu einer Vermehrung der Harnsäure führt, w\ährcnd zugeführte Harnsäure selbst unverändert zur Ausscheidung gelangt. Vom Harnstoff kann nur ein bestimmter Teil zur Harnsäurebildung Verwendung finden. Führt man einen großen Überschuß davon zu, dann wird ein Teil davon unverändert au-'-geschieden.») Alle vorliegenden Beobachtungen führen zu der Annahme, daß auch im Organismus des Vogels und der Reptilien der Eiweiß- und Aminosäuren- abbau ebenso verläuft, wie bei denjenigen Tieren die Harnstoff ausschei- den. Auch bei den Vögeln und Pieptilien erfolgt im Darmkanal ein tief- gehender Abbau der Proteine. Es gelangen Aminosäuren zur Resorption. Ferner entstehen solche auch aus Eiweiß im Zellstoffwechsel. Beim Abbau ») Emü Abderhalden uud //. Einbeck: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 62. 322 (1909). - K. Kowaleivskij : Biochem. Journ. 23. 1 (1910). — E. Abderhalden, II Einbeck uud Julius Schmid) Ebenda. 68. 395 (1911). — ^'gl. auch llarold Ackroyd uud E. G. Hopkina: Biochem. Journ. 10. 561 (1916). «) V. Knieriem: Zeitschr. f. Biol. 13. 36 (1877). 3) IV. V. Schröder: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 2. 228 (1878). *} Hans Jlorfit Mei/er: lu.-Diss. Könifrshertr 1878. ^y Hugo Wiener: llofvieistir^ Beitrage. 2. 42 (1902|. 582 XXV 111. Vorlesimg. der Aminosäuren wird ferner Ammoniak gebildet. Dieses bildet das Ausgangs- material zur Synthese von Harnsäure. Ferner ist festgestellt worden, daß die Leber bei der Bildung der Harnsäure eine sehr wichtige Rolle spielt.i) Wird sie vollständig ausge- .schaltet, dann wird nur noch eine ganz geringe Menge Harnsäure gebildet. Diese scheint nicht von Aminosäuren, sondern von Pur in blasen abzu- stammen.2) An Stelle der Harnsäure tritt in großen Mengen Milchsäure im Kloakeninhalt auf. Ferner wird viel Ammoniak ausgeschieden. Es war naheliegend, diese beiden Verbindungen als die Grundsubstanzen der Harnsäurebildung aufzufassen. Bald kamen jedoch wichtige Bedenken. I)ie Milchsäure bewirkt als Säure ein Abfangen von Ammoniak. Je mehr Ammoniak durch diese festgelegt wird, um so weniger Harnsäure kann gebildet werden. Wir hätten somit ganz ähnliche Beziehungen zwischen dem Ammoniak und der Harnsäure, wie zwischen diesem und dem Harnstoff. Das Auftreten der Milchsäure konnte durch irgend eine sonstige im (xefolge der Leberausschaltung auftretende Störung des Stoffwechsels bedingt sein. Wäre die iVnsicht richtig, dali die Harnsäurebildung nur indirekt dadurch gestört ist, daß mit dem Fortfallen der Funktion der Leber auch das Material zur Harnsäurebildung fehlt, dann müßte sie sich wieder in Gang bringen lassen, wenn man Alkali zuführt und dadurch das Ammoniak zur Synthese von Harnsäure zur Verfügung stellt. Der Erfolg dieser Versuche war ein negativer. Es wurde trotz reichlicher Zufuhr von Alkali keine Harnsäure aus Ammoniak gebildet. Man darf wohl aus dem Ergebnis des erwähnten Versuches schließen, daß die Milchsäure in irgend einem Zusammenhang mit der Harnsäure- bildung steht; und ferner stützen diese Untersuchungen die Ansicht, daß die lieber bei manchen Tieren für die Harnsäurebildung aus Aminosäuren unent- behrlich ist. Von dieser Grundlage aus sind die folgenden Versuche von großer Wichtigkeit. Es wurde milchsaures Amnion durch die Leber hindurch- geleitet und festgestellt, daß eine Zunahme der Harnsäure eintrat. 3) Diese Beobachtung wurde freilich bei einer Wiederholung der Versuche nicht bestätigt.*) Die Versuche müssen wiederholt werden. Ferner wurde durch Fütterungsversuche gezeigt, daß bestimmte organische stickstofffreie Ver- bindungen die Hnrnsäurebildung beeinflussen, wenn gleichzeitig Harnstoff zugeführt wird. So erschien nach Eingabe von Milchsäure, ferner von Brenztraubensäure, Hydrakrylsäure und von Glyzerinsäure mehr Harnsäure im Kloakeninhalt. Besonders günstig wirkten die zweibasischen Säuren: Malonsäure, Tartronsäure und Mesoxalsäure. Auf Grund der Ergebnisse dieser Versuche hat Wiener^) die Vermutung ausge- sprochen, daß die Harnsäurebildung im Organismus des Vogels in folgen- der Weise vor sich gehe. Zunächst würde aus irgend einer Quelle — aus Kohlehydraten oder Aminosäuren — sich Milchsäure bilden. Diese würde ') O. Minkow.Hki: Arch. f. e.\perim. Path. ii. Pharm. 20. 41 (1886); 31. 214 (1893). 2) V. Mach: Arch. f. pxperim. Path. n. Pharm. 24. 389 (1888). ■^) F. Kovalenskij und .S". Salaskin: Zeitsch. f. physiol. Chom. 33. 210 (1901). *) E. Friedmann und //. Mandel: Arch. f. experim. Palh. u. Pharm. „Schmied>i- fcfr//- Festschrift". 1908. *) H. Wiener: Hofmeister?, Beitr. 2. 42 (1902) — Vgl. dazu R. liurian: Zeitschr. f. physiol. Chem. 43. 497 (1905). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 583 durch Oxydation in Tartronsäure übergehen. Unter Wasserabspaltung erh.ält man aus ihr und Harnstoff Dialursäure. Diese gibt mit einem zweiten Molekül Harnstoff Harnsäure: CH« I CH . OH +30 — H, 0 NH COOH Milch isäure NH., 1 COOH 1 CO 1 + CH . OH 1 NH, COOH Harn- Tartron- stoff säure CO COOH 1 CH . OH I COOH Tartronsäure 2 H, 0— >► NH- I CO NH- -CO CH . OH I -CO Dialursäure NH CO CO CH.OH 4- NH,. —V CO t I >C0-2H,0 I NH^/ Harnstoff C- NH- -CO NH- -NHs / CO Dialursäure — C NH Harnsäure. Vorläufig darf die geschilderte Art der Synthese von Harnsäure nur als eine Hypothese aufgefaßt werden. Fütterungsversuche sind vieldeutig. Vor allem wissen wir nie, ob die verabreichte Substanz direkt verwertet wird, oder ob nicht ein Abbauprodukt entsteht das dann zur Synthese Verwendung findet. Wir wollen versuchen, den Gang der Harnsäurebildung auf Grund der bisher erörterten Befunde über den Verlauf des Zellstoff- wechsels zu schildern. Zunächst spricht alles dafür, daß bei der Bildung der Harnsäure Harnstoff eine Rolle spielt. Dieser entsteht im Organismus der Vögel und der Reptilien ohne Zweifel in der gleichen Weise, wie bei den übrigen Harnstoff bildenden Tieren. Bis zu diesem Punkte dürften sich in der ganzen Tierreihe kaum wesentliche Unterschiede finden. Würden die Vögel und Reptihen den Harnstoff zur Ausscheidung bringen, dann wäre der Kloakeninhalt nicht halbfest, sondern flüssig. Der Harn- stoff löst sich nämlich leicht in Wasser, während die Harnsäure sehr schwer löslich ist. Sie wird infolgedessen in festem Zustande ausgeschieden. Man könnte an eine Anpassung des Stoffwechsels an die besonderen Verhältnisse des Ausscheidungsorganes bei den ,. Kloakentieren" denken. Damit Harnsäure entstehen kann, muß ein „ Dreikohlenstoff skelett^ zur Verfügung gestellt werden, wie die folgenden Formeln zeigen: NH- I CO- 1 NH- -CO -C -NH. -NH^ >CO NH, I CO I NH, CO I c— il NH, NH, \ CO. Harnsäure. 584 XXVIII. Voilesuug. Wir kennen nun eine ganze Anzahl von Verbindungen, die zur Synthese von Harnsäure geeignet sein könnten. Es sei daran erinnert, daß beim Abbau des Traubenzuckers die Verbindungen Methylglyoxal, Benz trau ben- säure, Milchsäure und Glyzerinaldehyd als Zwischenprodukte in Frage kommen. 1) Ferner sei darauf hingewiesen, daß die gleichen Verbindungen und vor allem Methylglyoxal, Brenztraubensäure und Milchsäure auch beim Ab- bau von Aminosäuren entstehen können. Endlich bestehen noch Beziehungen zwischen Glyzerin. Glyzerinaldehyd und den genannten Verbindungen. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß Verbindungen der Dreikohlenstoffreihe im Mittelpunkt des Zellstoffwechsels stehen und in diesen der Kohlehydrat-, Fett- und Eiweiß- bzw. Aminosäurestoffwechsel sich gegenseitig ineinander verlieren. Es ist mögUch, daß Milchsäure das einzige Ausgangsmaterial der Harnsäurebildung ist. Ebenso gut können jedoch auch die anderen Verbindungen in Betracht kommen. Vor allem vermuten wir, daß Brenz- traubensäure und Methylglyoxal direkt zur Harnsäurebildung heran- gezogen werden können: NH. C C0 I II ;C0 NH2 CH2 NHo/' NH C NH/ • Harn- Methyl- Harnstoff Harnsäure. Stoff glyoxal Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß die Synthese der Harnsäure auch in einer Weise erfolgen könnte, die der Bildung von Methyl im id- azol aus Methylglyoxal, Ammoniak und Formaldehyd entspricht 2): Kh NH, H. CH, i OH + -F CH — h C NH\ + 3H2O iCH CH N X CHo NH3 0 Methylglyoxal Formaldehyd Methylimidazol. Man erkennt ohne weiteres die nahen Beziehungen dieser Verbindung zu der Harnsäure, doch ist es aus verschiedenen Gründen fraglich, ob der tierische Organismus diesen Weg einschlägt. Vor allem ist noch nicht erwiesen, daß er über Formaldehyd verfügt. Da jedoch noch kein Weg der Harnsäurebildung durch eindeutige Versuche festgelegt ist, so muß man nach allen möglichen Richtungen Umschau halten. Wir werden noch einmal auf die Harnsäure treffen, wenn wir ihre Bildung aus Purinbasen besprechen werden. Dort werden wir genauer auf ihre physikalischen Eigenschaften und vor allem auf ihre Löslichkeitsver- hältnisse eingehen. Hier sei nur erwähnt, daß sie schon im Jahre 1776 ») Vgl. S. 137. *) Vgl. hiezu A. Windaus und F. Knoop : Ber. d. Deutschen Chem. Gesells-cli. ÜH. 1166 (190Ö); Hofmeisters Beitr. 6. 392 (190.0). Vgl. auch S. 137. Kiweißstotte und ihre Bausteine. 585 \oü Scheele^) und von Bergmann'^) im Harn und in Blasensteinen aufge- funden worden ist. Pearson^) erkannte, daß sich in Gichtknoten Harn- säure findet. Endlich haben Fourcroy und Vauquelhi*) festgestellt, daß die Exkremente der Vögel zum großen Teil solche enthalten. William Prout^) erhob den gleichen Befund für den Kloakeninhalt der Boa con- strictor. Die Harnsäure ist auf verschiedenem Wege synthetisch dargestellt worden. Es seien hier jene Synthesen erwähnt, die auch bei der biologi- schen Bildung dieser Verbindung aus einfacheren Bausteinen in Betracht kommen und uns zugleich einen Einblick in ihre Konstitution ergeben. Dem Aufbau der Harnsäure gingen zunächst Studien über ihre Abbau- produkte voraus. Wähler und Liebig ^) erhielten bei der Einwirkung von Salpetersäure auf Harnsäure Harnstoff und Alloxan: NH— CO NH— CO CO C— NH - -> CO CO-f-NH,, 1 1 >CO-fH20-hO NH-C— NH-^ 1 1 >co NH— CO NH/ Harnsäure Alloxan Harnstoff. Alloxan zerfällt unter der Wirkung von Alkalien unter Aufnahme von zwei Molekülen Wasser in Mesoxalsäure und Harnstoff: NH— CO + HÖH COOK NH, II II CO CO — >► CO -h CO II II- NH-CO -F- HÖH COOH NH^ Alloxan Mesoxal- Harn- säure Stoff. Nach dieser Beobachtung kann man das Alloxan als Mesoxalyl- harnstoff auffassen. Für die Auffassung der Struktur der Harnsäure ist ferner die fol- gende Feststellung von Wichtigkeit. Wird Harnsäure vorsichtig oxydiert, dann entsteht neben Harnstoff Parabansäure. ') Diese geht beim Er- wärmen mit verdünnten Alkalien unter Aufnahme von einem Molekül *) Karl Wilhelm Scheele: Examen chemicum calculi urinarii. Opusculäll. 73 (1876). '') Tobern Bergmann: Opuscula IV. 232 (1876). — Es sei bezüglich der Ent- wicklung der Kenntnis der Harnsäuregruppe in erster Linie auf den seine eigenen Unter- suchungen zusammenfassenden Vortrag von Emil Fischer: Synthesen in der Puriu- gruppe. Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 32. 435 (1899) verwiesen. - Vgl. auch Syn- thesen in der Purin- und Zuckergruppe. Friedr. Vieweg & Sohn, ßraunschweig 1903. — Untersuchungen in der Puringruppe (1882 — 1906). J. Springer. Berlin 1907. — Vgl. ferner Karl Bunte: Zur Geschichte der Konstitution der Harnsäure. Inaug.- Dissert. Berlin 1905. •') Pearson: Philosophical Trausäctions pi the Royal Society. London. 15 (1798). *) Fourcroi/ et Vauquelin: Annales de chimie. 56. 258 (1805). ») William I'rouf: Annales of Philosophy. 5. 413 (1815). «) F. Wähler und ./. Liebig: Liebigs Annalen. 26. 241 (1838). — Vgl auch Adolf V. Baeyer: Vgl. seine gesammelten Werke. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschwei^-- 1. 57 ff. (1905). ') J. Liebig und F. Wöhler: Liebigs Annalen. 26. 285 (1838). — Vgl. auch Strecker: Ebenda. 118. 151 (1861). 586 XXVIII. Vorlesung. Wasser in Oxalur säure über.i) Läßt man das Alkali länger wirken, dann entstehen unter Aufnahme eines weiteren Moleküls Wasser Oxal- säure und Harnstoff. Man kann die Parabansäure auf Grund der Ergebnisse dieser Abbauversuche als Oxalylharnstoff auffassen: NH— CO I I CO C— NH^ I II NH C-NH^ Harnsäure -j- H, 0 + 2 0 NH I CO >co NH CO -CO CO .NH, + C0< 4- CO, CO + H, O NH Paraban- säure NH I V CO ^NH, Harnstoff. CO NH CO Parabansäure NHä COOH Oxalursäure. NH CO 0 i NH, + H,0 COOH Oxalursäure NH« I CO I NH^ Harn- stoff + COOH I COOH Oxal- säure. Die Struktur der Parabansäure ist auch durch die Synthese aus Oxalsäure und Harnstoff erhärtet worden: NH, I CO I NH, Harn- stoff + COOH COOH Oxal- säure NH I CO CO + 2H,0 NH CO Paraban- säure r= Oxalyl- harnstoff. Aus Alloxan erhält man durch Oxydation ebenfalls Parabansäure: NH CO NH CO CO :o + 0 NH CO Alloxan CO NH + CO, CO Parabansäure. Somit haben wir von der Harnsäure eine ganze Reihe von Abbau- stufen kennen gelernt, die durchlaufen werden, wenn diese oxydiert wird. ') F. Wöhler und J. Liebig: lAehign Anualen. 26. 287 (1H38). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 587 Dem AUoxan folgt die Parabansäure. Diese geht in Oxalursäure über, und schließlich verbleiben Harnstoff und Oxalsäure. Wird die Oxydation bei alkalischer Reaktion, z. B. mit Bleisuper- oxyd oder Kaliumpermanganat vollzogen, dann erhält man Allantoin 'i: NH-CO I I CO C— NH. I II NH— C— NH^ Harnsäure ,C0 + 0 + HsO- COa NH— CH— NH I I I CO CO 1 i I NH— C NH I OH Allantoin. Ferner ist bei der Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd auf Harn- sjiure in alkalischer Lösung Tetrakar bonimid erhalten worden*); NH— CO I I CO C— NH I II NH— C— NH^ Harnsäure \ CO + 3 0 — COj NH-CO— NH I I > CO CO NH— CO— NH Tetrakarbonimid. Dieses zerfällt dann weiter in Karbonyldiharnstoff und dieser in Harnstoffs): NH— CO— NH CO CO + Hj 0 — COj NH., I > CO NH, CO NH— CO— NH Tetrakarbonimid + H*0 — CO, NH-CO— NH Karbonyldiharnstoff ^NH. ^ I CO i. NH,;, 2 Moleküle Harnstoff. Die Feststellung, daß Harnsäure durch Oxydation bei saurer Reak- tion in Alloxan und bei alkalischer in Allantoin übergeführt wird, weist im ersteren Falle auf das Vorhandensein des Atomkomplexes •) Vgl. hiozu u.a. Claus: Ber. d. Deutschen Ghcm. Gesellsch. 7. 226 (1874). — A'. E. Sundtvick: Zeitschr. f. physiol. Chem. 41. 343 (1904). — lt. Behrend: Liehig% Annalen. 333. 144 (1904); 365. 21 (1909). — Vgl. auch Vorlesung XXXII. -') M. Scholtz: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 34. 4130 (1901). — Vgl. auch K. H. Walters und Louis E. M'ise: Jouru. Americ. Chem. Soc. 39. 2472 (1917). •') A. Schittenhelm uud'A'. Wiener: Zeitschr. f. physiol. Chem. 62. 100 (1909). — Vgl. auch Ohta Kohshi: Biochem. Zeitschr. 54. 439 (1913). 533 XXVlll. Vorlesung. N— (" I I 1 i in der Harnsänre hin. l>ie Bildung des Allantoins läl,»t auf die (iruppierung- (.'— Ns (^— N- C schließen: NH- 1 -CO 1 1 CO 1 CO H NH— C— NH CO NH— CO Alloxan ;C0 NH— C— NH OH Allantoin NH— CO I I CO C— NHs I II NH— C— NH^ Harn saure. >C() Um das Verständnis der Struktur der Harnsäure und der ganzen Gruppe der Purine zu erleichtern, sei auch noch daran erinnert, daß wir mehrfach auf sogenannte Uraminosäuren gestoßen sind. Diese gehen aus Aminosäuren und Amiden hervor, wenn Harnstoff auf sie einwirkt. Es wird dabei Ammoniak frei. An Stelle der NHa-Gruppe findet sich die NH — CO — NHs-Gruppe. Nun haben wir unter den Abbaustufen der Harn- säure mehrere Verbindungen kennen gelernt, die die Uraminogruppe auf- weisen. Es sei an die Oxalursäure und den Karbonyldiharnstoff erinnert. Manche der übrigen Verbindungen können wir uns aus Uraminoverbin- dungen unter Wasseraustritt entstanden denken. So z. B. die Parabansäure aus Oxalursäure: NH- -C :o CO 1 NHiHC ^OOH Oxal ur säure H, O NH-CO I I CO NH-CO Parabansäure. Von diesen Gesichtspunkten aus könnte man die Harnsäure vom Amid der a-Aminopropionsäure, dem Alaninamid, ableiten: CH, 1 CH.NH^ + NHo.C'O.NH, — 2 NHg = NH2 . CO . NH, + NH2 — C = 0 Harnstoff Alaninamid Harnstoff. Eiweißstort'o iiiid ihre Bausteine. 589 CH, NH— CO I I i CH . NH . CO . NH., CO C— NH. I " 1 II >0 NHa . CO . NH — C = 0 NH— C— NH^ Diuraminopropionsäuie Harnsäure. Wir stellen diese Formeln nur deshalb einander gegenüber, weil erfahrungsgemäß mit derjenigen der Harnsäure und der Purine überhaupt keine besondere Vorstellung verknüpft wird. Es wird der Purinkern als gegebene Formel aufgefaßt und von ihm alle übrigen Verbindungen ab- geleitet. Die mitgeteilten Ergebnisse der Abbauversuche und die erwähnten Beziehungen sollen zeigen, daß die Purine nicht für sich bestehen, sondern mit bekannten Verbindungen innig verknüpft sind. Strecker'^) beobachtete ferner die Bildung von Glykokoll, Kohlensäure und Ammoniak, als er Harnsäure im eingeschlossenen Rohr mit konzen- trierter Salzsäure auf 170° erhitzte: NH-CO I 1 CO C—NHv -f- f) H., 0 = CH2 (NHa) . COOH + 3 CO, + 3 NH^ I II >^o " - ■ " • NH— C— NH^ Harnsäure GlykokoH. Strecker betrachtete die Harnsäure entsprechend diesem Zerfall als ein mit Zyansäure gepaartes Glykokoll. Er stellte sich vor, daß die Harnsäure zunächst in Glykokoll und Zyansäure zerfalle und letztere c() nh/ > CO 1 NH C C NH\ NH-^ + Harn- Trichlormi Ich- Ham- Harnsäure. stoff s ä u r e a m id Stoff H.. 0 -h NH, Cl + 2 HCl. *) A. Strecker: Liebiffs Anualen. 146. 142 (1868). «) Joh. Uorbaczewski: Monatshefte f. Chemie. 3. 796 (1882); 6. :^56 (1885). ») Joh. Uorbaczewski: Monatshefte f. Chemie. 8. 201 (1887). 590 XXVIII. Vorlesung. Die Resultate der Abbaustudien und der Synthese der Harnsäure vermochten kein klares Bild der Struktur der Harnsäure zu geben. Ks blieb Emil Fischers'^) genialen, umfassenden Untersuchungen vorbehalten, nicht nur die Konstitution dieser Verbindung, sondern zugleich die der ganzen Puringruppe aufzuklären. Wir werden bei der Besprechung der Bildung der Harnsäure aus Purinbasen erkennen, welch nahe Beziehungen zwischen diesen Verbindungen bestehen. Zum Nachweis der Harnsäure dienen Farbreaktionen. Die bekannteste davon ist die sogen. Murexid probe. Wird Harnsäure mit verdünnter Sal- petersäure oder mit Chlorwasser eingedampft, dann verbleibt ein gelb bis rot gefärbter Rückstand. Gibt man zu diesem Ammoniak, dann tritt eine prachtvolle purpurrote Farbe auf. Auf Zusatz von Alkalilauge zum er- wähnten Verdampfungsrückstand erhält man eine blauviolette Färbung. Der Verlauf dieser Reaktion ist der folgende. Es entsteht aus der Harn- säure durch Oxydation Alloxantin. Dieses kann man sich aus Dialur- säure und Alloxan entstanden denken: NH— CO CO— NH NH— CO CO— NH I ! i I i l/OH I I CO CH.OH + CO CO -> CO C^-^^^^^ — 7C CO 1 I i 1 .1 ^H/, i NH— CO CO— NH NH— CO CO— NH Dialursäure Alloxan Alloxantin. Läßt man Ammoniak auf Alloxantin einwirken, dann erhält mau Purpursäure und aus dieser das Ammoniumsalz, Murexid genannt*): NH— CO CO— NH NH -CO CO— NH I l/OH I i \ l/NH J I CO C^^^ — 7C CO + NH, — >► CO C^ ^C C0 + 2H, O I II OH/, , , ^ I NH— CO CO— NH NH— CO CO— NH Alloxantin Purpursäure. Neben den stickstoffhaltigen Verbindungen finden wir bei allen Tier- arten noch solche, die Schwefel besitzen und auch zum p]iweißstoff Wechsel in Beziehung stehen. Alle Eiweißstoffe, die als Nahrungsstoffe eine Rolle spielen, enthalten Schwefel. Er gehört zum größten Teil — vielleicht bei manchen Proteinen sogar ausschließlich — dem Zystin an. Diese Amino- säure enthält den Schwefel in Form einer Thiogruppe. Wir haben bereits festgestellt, daß ein Teil dieser Aminosäure zur Bildung von Taurin ver- wendet wird. Dieses wird mit Cholsäure bzw. Desoxycholsäure gekuppelt. Der Rest wird weiter abgebaut. Dabei wird unter normalen Verhältnissen der Schwefel zum weitaus größten Teil oxydiert. Es ist noch nicht festge- stellt, ob die Thiogruppe stets im Zystinmolekül selbst oxydiert wird, und dann erst die Spaltung des Moleküls einsetzt, oder ob sie zunächst in Frei- heit gesetzt und gleichzeitig oxydiert wird. Es ist wohl möglich, daß die Taurinbildung uns den Weg der weiteren Veränderung des gesamten Zystins ') Emil Fischer: Untersucluingeu etc. 1. c. S. 585. Zitat -). *) J. Liebig und F. Wähler: Liebig^ Annaleu, 26. 254, 2()7, 319 (1838). (). FiloUj und K. Finckh: p:benda. 333. 22 (1904). Eiweißstoife und ihre Bausteiue. 591 zeigt. Im Harn erscheint der Schwefel zum größten Teil in 1^'orm von Schwefelsäure. Auch dann, wenn man Zystin i) verfüttert oder Polypep- tide«), an deren Aufbau diese Aminosäure beteiligt ist, findet man im Harn den weitaus größten Teil des zugeführten Schwefels in Form von Schwefelsäure wieder. Die Schwefelsäure tritt im Harn in zwei Formen auf. Wir können sie leicht erkennen, indem wir den Urin z. B. mit Jiaryumhydroxyd ver- setzen. Es fällt sofort ein weißer Niederschlag aus. Er besteht aus Baryumsulfat. Schließlich bleibt auch bei weiterem Zusatz von Baryum- hydroxyd jede Fällung aus. Nun filtrieren wir ab und versetzen das Filtrat mit Salzsäure und kochen. War ein Überschuß an Baryum zu- gegen, dann tritt schon nach kurzer Zeit erneut eine Fällung von Baryum- sulfat auf. Wir vervollständigen sie durch weiteren Zusatz von Baryum- hvdroxyd. Die zuerst gefallene Schwefelsäure entspricht der freien Schwefel- säure bzw. der Sulfatschwefelsäure. Die zweite Fällung ist durch die Ätherschwefelsäure bedingt. Sie ist durch das Kochen mit Salzsäure aus ihrer Verbindung mit Kresol, Phenol oder Indoxyl abgespalten worden. Die Menge dieser Art von Schwefelsäure ist unter normalen Verhältnissen gering. Sie steigt, wie wir früher schon gesehen haben »), an, wenn im Darm viele zur Kuppelung mit Schwefelsäure geeignete Produkte gebildet werden. Untersucht man den Harn, nachdem man die beiden Formen von Schwefelsäure aus ihm entfernt hat, auf Schwefel, dann findet man noch solchen. Folgüch muß der Harn noch andere schwefelhaltige Verbindungen außer der Sulfat- und der Ätherschwefelsäure enthalten. Zu dem gleichen Resultate gelangt man, wenn man den Harn mit einem Oxydationsmittel behandelt und dadurch den gesamten vorhandenen Schwefel in Schwefel- säure überführt und nunmehr den Gehalt an Gesamtschwefel bestimmt. Wird in einer zweiten Portion des gleichen Harnes diejenige Schwefel- menge festgestellt, die der Summe der Sulfat- und der Ätherschwefel- säure entspricht, dann bleibt sie hinter der Menge des Gesamtschwefels zurück. Dieser „Fehlbetrag", der jenem Schwefel entspricht, der nicht bis zur Schwefelsäure oxydiert worden ist, ist noch nicht in allen Teilen aufgeklärt. Salkowski*) hat diesen Schvvefel als „neutralen" Schwefel bezeichnet. Wir werden später erfahren, daß im Urin stets kleine Mengen von Substanzen vor- kommen, die noch höher molekulare Eiweißabkömmlinge unbekannter Natur darstellen. Sie können Schwefel enthalten. Ferner kommen im Harn auch einfache Verbindungen vor, die reduzierten Schwefel aufweisen. Die Behauptung, daß im normalen Urin immer Zystiu enthalten sei, ist un- bewiesen. Dagegen findet man im Harn immer geringe Mengen von Rhodan Wasserstoff, HGNS. Wir werden auf seine Herkunft noch zurück- kommen. Bei manchen Tieren, z. B. bei Katzen und Hunden, findet man ') Vgl. z. B. r. n. Rothera: Jonrn. of Pbysiol. 32. 175 (1905). — J. Wohlgt- muth: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 81 (1907). *) tJmil Abderhalden und Franz Samuely : Ebenda. 46. 187 (1905). ") Vgl. S. 513 ff. *) K. Salkowski: Vircho%f>% Archiv. 58. 172 (1873). f)92 XXVIII. Vorlesung. im Harn auch Thiosulfate.i) Im Urin des Menschen fehlen sie. Erwähnt sei noch, daß im Hundeharn eine Verbindung der folgenden Zusammen- setzung beobachtet worden ist 2): C2 Hb\ /CH3 Diäthyl-methyl-sulfiniumbase. Sie ist ohne Zweifel auf Zystin zurückzuführen, das offenbar zunächst Diäthylsulfid liefert. Dieses wird dann methyliert. Endlich wollen wir noch erwähnen, daß ein Teil der im Harn auf- tretenden Phosphorsäure auf Eiweißstoffe zurückzuführen ist, die, wie z.B. das Kaseinogen. Phosphor enthalten. Eine andere Form der Ausschei- dung des Phosphors ist nicht bekannt. Wir hätten nunmehr alle Elemente des Eiweißes in bestimmten ►Stoffwechselendprodukten wieder erkannt. Es fehlen nur noch zwei wesent- liche Endprodukte des Eiweißstoffwechsels, die dieser mit demjenigen der Kohlehydrate und Fette gemein hat. nämlich Kohlensäure und Wasser. Es sind dies die einzigen p]ndprodukte des Eiweiß- bzw. Aminosäurestoff- wechsels, die den Organismus durch die Lungen verlassen. Zum Schlüsse wollen wir noch die Frage streifen, ob beim Abbau der Proteine und Aminosäuren in den Zellen die gleichen Endprodukte entstehen, wie wenn Eiweiß außerhalb des Organismus verbrannt wird. Es ist dies nicht der Fall. Bei der Verbrennung von Eiweiß oder Aminosäuren entstehen unter geeigneten Bedingungen Stickstoff. Kohlensäure und W^asser. Nur die beiden letzteren Verbindungen bilden sich auch im Or- ganismus. Dagegen wird der Stickstoff stets zum größten Teil mit Kohlen- .stoff, Wasser- und Sauerstoff zusammen ausgeschieden. Würde man den Harnstoff bzw. die Harnsäure im Reagenzglas verbrennen, dann würden Kohlensäure, Wasser und Stickstoff entstehen. Gleichzeitig kann man feststellen, daß Energie frei wird. Daraus folgt, daß der tierische Or- ganismus nicht, wie es bei den Kohlehydraten und Fetten der Fall ist, den gesamten Energieinhalt des zugeführten Eiweißes ausnützt. Stets geht ein Teil davon je nach der Tierart in Form von Harnstoff bzw. von Harnsäure für die Zellen verloren. Wir werden später auf diese wichtige Tatsache noch zurückkommen. ') 0. Schmiedeberg : Archiv der Heilkunde. 8. 422 (1867). — G. Meissner: Zeitschr. f. ration. Med. 31. (3). 323 (1868). - J. Wohlgeimith: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 496 (1904). — L. Blum: Hofmeistern Beiträge.' 5. 1 (1904). ^) C. Neuberg und F.' Grosser: Zentralbl. f. Physiol. 19. 316 (1905). Vorlesung XXIX. Eiweißstott'e und ihre Bausteine. Der Abbau der Aminosäuren im Zellstoffwechsel. Neubildung von Amino- säuren. Wir haben die wesentliciisten Stoffwechseleudprodukte des EiweiÜ- stoffwechsels kennen gelernt. Es sind dies von stickstoffhaltigen Produkten beim Menschen, den Säugetieren, den xlmphibien und Fischen der Harn- stoff und ferner Ammoniak. ITei den Vögeln, Reptilien und einigen Amphibien die Harnsäure, von schwefelhaltigen die beiden Formen der Schwefelsäure und der neutrale Schwefel und von phosphorhaltigen die Phosphorsäure. Ferner sind Kohlensäure und Wasser Stoffwechselendprodukte des Eiweiß- bzw. Aminosäurestoffwechsels. Unsere nächste Aufgabe ist nun die, festzustellen, welche Verbindungen zwischen den Aminosäuren und diesen tiefsten Abbaustufen stehen. Wir haben dieses Forschungsgebiet schon wiederholt betreten. Einmal beschäftigten wir uns mit Verbindungen, die beim stufenweisen Abbau von Aminosäuren entstehen, als wir der Tatsache gedachten, daß manche von ihnen Material zur Bildung von Zucker liefern. Ferner haben wir testgestellt, daß die Mikroorganismen aus Aminosäuren teils stickstoffhaltige, teils stickstofffreie Abbaustufen bilden. Auch in der Pflanze vollzieht sich ohne Zweifel fortwährend ein Abbau von Aminosäuren. Es finden sich keine durchgreifenden Unter- schiede in den Stoffwechselvorgängen der Pflanzen und Tiere, wenn man von der Tatsache der Kohlenstoff-, Wasser- und Stickstoffassimilation durch die chlorophyllhaltigen Pflanzen absieht. Wir werden deshalb bei der Besprechung des Verhaltens der Aminosäuren im Zellstoffwechsel des tierischen Organismus auf manchen bereits bekannten \'organg und viele schon besprochene Verbindungen stoßen. Mit der Besprechung der Abbaustufen der Aminosäuren betreten wir ein außerordentlich interessantes und erfolgreich bearbeitetes ( iebiet. Es ist mit ganz verschiedenen Methoden durchforscht worden. Einmal begegnen wir dem Stoffwechselversuch am ganzen Tiere. Es werden bestimmte \er- bindungen verfüttert. Im Harn wird dann nach Produkten gefahndet, die direkte oder indirekte Beziehungen zu der eingeführten Substanz zeigen. Oder es wird einem bestimmten Organe die Frage vorgelegt, ob und Abderhalden, Physiologiäctia Chemie. I. Teil, ö. AuÜ. 38 594: XXIX. Voilesimg. was es mit einer bestimmten Verbindung ;inzutangen weili. P]in Beispiel möge diesen Gang der Erforschung der Art des Abbaues bestimmter Amino- säuren erläutern. Wir haben bereits festgestellt, daß aus den Amino- säuren die NIL-Gruppe auf verschiedene Arten entfernt werden kann. Lange Zeit schien die hydrolytische Desaminierung der gegebene Weg des Abbaues von Aminosäuren zu sein. Dabei müssen zunächst Oxysäuren entstehen. p-Oxy Phenylalanin müüte bei dieser Art der Desaminierung p - 0 X y p h e n y 1 m i 1 c h s ä u r e 1 i e fe r n : OH . Co H, NH, OH . C, H, GH., . ("H . COOH + H, 0 — NH3 — >► GH2 . GH . ((JH) . G( t( )H. Die Desaminierung unter gleichzeitiger Oxydation führt zu Keton- säuren. Im vorliegendem Fall würde man p-( ) x y p h e n y 1 b r e n z tr au b e n s ä u r e zu erwarten haben. NH3 OH . Gg H, . GH., . GH . G0( )H + () — XH^ — y ( )H . G^ H, . GH., . GO . G( )( )H. Welche von beiden N'erbindungen entsteht direkt aus Tyrosin'.- Durch- blutung von Organen — insbesondere von Leber - und auch Fütte- rungsversuche ergaben, daß Tyrosin und p-Oxyphenylbrenztrauben- säure in gleicher Weise abgebaut werden, während die p-Oxyphenyl- mi Ichsäure sich als schwer angreifbar erwies.^) Dieses P^rgebnis macht es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Desaminierung von Aminosäuren sich in der Hauptsache durch Oxydation unter Bildung von Ke ton säuren vollzieht. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß auch andere Arten des Abbaues sich finden. Ferner können sekundär aus Ketonsäuren durch Reduktion sich Oxysäuien bilden, doch tritt dieser Vorgang nach allen Erfahrungen höchstens in geringem Umfange ein. Ein anderes Beispiel zur Entscheidung des Problems des Abbaues bestimmter Aminosäuren in bestimmten Organen haben wir schon früher besprochen. P]s ist dies die Frage nach der Bildung von Azetessigsäure bzw. Azeton aus einzelnen Aminosäuren. Leuzin und I so val er i an- säure ergaben diese Verbindung, als sie durch die Leber hindurchgeleitet wurden. Dagegen gingen Val in und Lsobutter säure nicht in Azetessig- säure über. Aus diesem Ergebnis wurde der Schluß gezogen, daß der Ab- bau dieser Aminosäuren zunächst zur Abspaltung der Amino- und der Karboxylgruppe führt.-) Es entsteht aus Leuzin Isovaleriansäure und aus \'alin Isobuttersäure. Diese Fettsäuren werden nun in der früher besprochenen Weise unter [i-Oxydation und paarweiser Abspaltung von Kohlenstoff weiter zerlegt. =5) Dabei fühlt der Abbau der Isovaleriansäure zu Azeton, während die Isobutt er säure diese Verbindung nicht liefern kann.-*) /u dem gleichen Ilesultat gelangt man, wenn man annimmt, daß aus der entstandenen, um ein Kohlenstoff ärmeren Fettsäure [i-Oxybutter säure hervorgeht : 1) y. Kotake: /eitschr. f. physiol. Chemie. 69.>()9 (l'.UO). ') Über den Mechanismus dieser Al)spaltung vgl. weiter unten. =•) Vgl. S. 282 ff. *) Vgl. hirrzu S 198. EiweiBstoffc luid ihre Bausteine. 59Ö CHg CHg \ / \/ CH '1 CH2 1 CHg CHg ßCH -> I - y. CH, > CHg CHg CO CHg OH CH CH, CH . NH, 1 (OOH COUH 1 C(.)()H Leuzin = a-Amino- Isovalerian - Azeton ;i-()xybutter- isobutylessig- säure säure. säure CHg CH, CH ßCHg CH,;i xCH CH . NH, COOH I COOH Valin = 7.-Amino- Isobiittersäure kein keine .i-Oxy- isovaleriausiuire Azeton l)nttersäure. Als ein außerordentlich wertvolles Untersuchungsobjekt zur Fest- stellung der Art des Abbaues bestimmter Aminosäuren und ihrer Abbau- stufen erwies sich die Alkapt onurie. Bei dieser Stoff wechselanom alle werden die homozyklischen Aminosäuren — Phenylalanin und Tyrosin — nicht vollständig abgebaut. Es erscheint im Harn Homogen- tisinsäure=l,4 — ^Dioxyphenylessigsäure. (iibt man einem mit der genannten Stoffwechselanomalie behafteten Individuum alle als Abbaii- stufen der genannten Aminosäuren in Betracht kommenden \'orbiudungen ein, dann läßt sich leicht verfolgen, ob der Abbau zu Homogentisinsiiure führt oder aber, ob die verfütterten Substanzen gar nicht oder nur teilweise angegriffen werden. Selbstverständlich kann, da die Aus- scheidung der Homogentisinsäure als Maßstab für die Gleichartigkeit des Abbaues der verfütterten Verbindungen mit der des Phenylalanins und des Tyrosins verfolgt wird, nur der Abbau der aromatischen x\mino- säuren au den mit Alkaptonurie Behafteten studiert werden. Doch lassen sich die Piesultate auch von allgemeineren (jesichtspunkten aus verwerten.. Es sei als eines der Ergebnisse derartiger \'ersuche erwähnt, daß p-Oxyphenvlbrenztraubensäure eine Vermehrung der Bildung von Homogentisinsäure bewirkte, während die Eingabe von p-(Jxy pheny 1- mi Ich säure keine Zunahme der Ausscheidung der genannten Säure im (iefolge hatte.i) Es spricht dieser Ausfall des \'ersuches ebenfalls dafür, daß die oxydative Desaminierung diejenige Art der Abspaltung der Amino- gruppe ist, die den Zellen die geläufigste ist. Wichtig ist, daß der Alkap- toniuiker einen Teil der p-0.\yphenylbrenztraubensäure vollständig abzu- *) 0. Neubauer und II'. Falta: Zeitschr. f. physiol. Cliemie. 42. 81 (19()4>. — O. Neubauer: Deutsches Archiv f. kliii. Mediziu. 95. 211 (19Ü9). 38* 596 XXIX. Vorlesiiug bauen vermochte. ^j Offenbar verfügt der Organismus über mehr als einen Weg zum Abbau aromatischer Verbindungen. Es sei gleich erwähnt, daß man gegen die mit den erwähnten \'er- suchsanordnungen erhaltenen Ergebnisse Einwände erheben kann. Gegen den Fütterungsversuch läßt sich einwerfen, daß die verabreichten Substanzen bereits im Darmkanal eine Veränderung erleiden können. Die Darmflora kann sich ihrer bemächtigen und sie umwandeln. Ferner ist es leicht möglich, daß im Organismus verschiedene Organe zusammenwirken, bis aus einer Amino- säure schließlich bestimmte Abbaustufen gebildet sind. Führen wir dem Organismus eine bestimmte ^'erbindung zu, so gelangt diese vielleicht nicht zu jenen Zellen, die sonst den typischen Abbau durchführen. Es kann auch sein, daß die gebildeten Abbaustufen von sich aus bestimmte Reak- tionen auslösen und dadurch den weiteren Abbau regeln. Das fällt vielleicht weg, wenn wir eine bestimmte Abbaustute auf einmal in größeren Mengen ver- abreichen. Der erste Einwand — Veränderung der verfütterten Substanzen im Darmkanal — läßt sich durch die subkutane oder intravaskuläre Verabrei- <'hung der Verbindungen ausschließen. Die übrigen Bedenken bleiben bestehen. Die Versuche am überlebenden Organ verlaufen sicher nicht unter normalen Verhältnissen. Einmal führen wir eine be- stimmte Verbindung, die sonst vielleicht nur in Spuren entsteht, um so- fort weiter verändert oder fortgeführt zu werden, in größerer Menge zu. Ferner werden die entstandenen Abbaustufen nicht fortgeschafft. Sie werden immer wieder an den gleichen Zellen vorbeigeführt. Vielleicht kommt es durch Anreicherung einer bestimmten Abbaustufe zur Hemmung des weiteren Abbaues. Es würde unter diesen Umständen ein Stoffwechselzwischenprodukt zur Beobachtung kommen, das uns sonst entgeht. In diesem Falle würde die Abweichung von den normalen Vorgängen nur in einem Aufhalten des weiteren Abbaues bestehen. Das erhaltene Produkt wäre dagegen ein auch sonst auftretendes. Es könnte jedoch auch sein, daß der Abbau bestimmter Verbindungen in nicht normale Bahnen gedrängt würde. Vor allem könnte man bei Verbindungen, die nicht angegriffen werden, den Einwand erheben, daß es vielleicht zu einem Abbau gekommen wäre, wenn man nicht die Mitwirkung anderer Organe ausgeschlossen hätte. Die \'ersuche an einem mit Alkaptonurie behafteten Individuum sind auch nicht ohne weiteres verwertbar. Zunächst muß die Frage ent- schieden werden, ob die Bildung der Homogentisinsäure eine normale Stufe im Abbau der homozyklischen Aminosäuren darstellt, oder ob die Anomalie im Abbau des Phenylalanins und Tyrosins nicht vielmehr darin zu suchen ist. daß es zur Bildung der Dioxyphenylessigsäure kommt. Es wäre ja denkbar, daß eine Verbindung gebildet wird, die nur deshalb nicht weiter abgebaut wird, weil sie anormal und damit den Zellen unge- wohnt ist. In diesem Falle würde den Versuchen über die \'erwertung ein- zelner aromatischer \'erbindungen durch den Homogentisinsäure bildenden Organismus nur eine besondere und keine allgemeine Bedeutung zukommen. Es ist immer noch nicht mit voller Schärfe entschieden, welche Stellung die Homogentisinsäure als Abbaustufe der homozyklischen Aminosäuren einnimmt. Es spricht jedoch sehr vieles dafür, daß sie ein auch im nor- malen Organismus auftretendes Abbauprodukt dieser Bausteine der Proteine darstellt. Abge.sehen von der Übereinstimmung der Resultate der am nor- ') Konrad Fromherz und Leo Iferrmannfi: Zeitschr. f. phys. Chemie 91. 194 (1914). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 597 malen Individuum, am überlebenden Organe und an dem mit Alkaptonurie Behafteten durchgeführten Untersuchungen über die Verwertung bestimmter aromatischer Abbaustufen des Tyrosins und Phenylalanins spricht auch dafür, daß es gelungen ist, nach \'erfütterung sehr großer Mengen von Tyrosin an ein normales Individuum Homogentisinsäure im Harn nachzuweisen. ^) Man könnte freilich daran denken, daß die beobachtete, gewissermaßen erzwungene Homogentisinsäurebildung einen Nebenweg im x\bbau des Tyro- sins darstellt, doch wäre eine solche Annahme gesucht. Wir heben die Schwierigkeiten in der Deutung der einzelnen Ergeb- nisse der verschiedenartigen Anordnungen der Versuche absichtlich hervor, weil sie im allgemeinen viel zu wenig berücksichtigt werden. Erst dann, wenn auf verschiedenen Wegen der gleiche Befund erhoben werden kann, dürfen wir ihn als gesichert betrachten und auf die normale Zelltatigkeit übertragen. Daß z. B. der Versuch am überlebenden (Jrgan unter anderen Bedingungen vor sich geht, als im nicht isolierten Organ, beweist schon der Umstand, daß die im Oganismus befindliche Leber beständig unver- änderte Aminosäuren hindurch läßt. Es wäre gewiß verkehrt, würde man, befangen durch das Ergebnis, daß z. B. die überlebende Leber Leuzin, das durch sie hindurchgeleitet wird, in Azetessigsäure bzw. Azeton überführt, schließen, daß dieses Organ auch im Organismus diesen Umbau be.ständig vollzieht und kein Leuzin unverändert vorbei läßt. Die ..normale" Leber wird bald Aminosäuren in ihre Zellen aufnehmen, bald sie vorbeiziehen lassen, je nachdem die Bedingungen und \'erhältnisse im einzelnen Ealle liegen. Das aus dem Zusammenhang mit anderen Organen herausgelüste Gewebe wird manche wichtige Regulation missen und ganz unter dem Einfluß der künstlich geschaffeneu Bedingungen stehen. Das ist für das Suchen nach bestimmten Abbaustuten von großem Vorteil, denn, wenn die Zellen, wie unter normalen ^'erhältnissen, jede Zwischenstufe nur in Spuren bilden würden, um sie auch sofort wieder weiter zu zer- legen, so würden wir nur sehr schwer zu bestimmten Resultaten gelangen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Abbau der einzelnen Amino- säuren auf verschiedene Weisen erfolgen kann. Wir wollen die einzelneu Möglichkeiten betrachten und feststellen, welche Beweise für jeden einzelnen Weg vorliegen. Zunächst kann der Abbau mit \'erlust des Karbox vis einsetzen. Es entsteht ein Amin. Dieses kann, wie Fütterungs- und Durch- blutungsversuche ergeben haben ^j, desaminiert und durch Oxydation in eine Säure übergeführt werden. Es sei diese Art des Abbaus am Beispiel dos Tvrosins erörtert : NH., NH OH . C«H, . CH2 . ("H . COOH -CO., —^ OH . C.ll^ . CH^ . GH., — NH, + 20 p-Oxyphenyl-a-aminoproprion- p-Oxyphenyl- säure = Tyrosin äthylamin — >► OH . CeH, . CH., . COOH p-Oxyphenylessigsäure. ') Emil Abdirhaldcn: Zeitschr. i. physiol. Chemie. 77. 454 (1912). *) K. Sjriro: Hofmeistern Beiträge. 10. 277 (1907). Otto Neuhauer: Über deu Abbau der Aminosäuren im gesunden und kranken Organismus. Habilitationsschrift. F. C. W. Vogel. Leipzig 1908. — A.J.Eirins und P. /'. Lr/jV//o/r.- Journ. of. Physiol. 41. 78 (1910). Vgl. auch S. 524. Ö9S XXIX. Vorlesung. Die Überführung in die p-Oxyphenylessigsäure kann über Zwischen- stufen erfolgen. Es kann die Desaminierung durch Hydrolyse herbeigeführt werden, i) Es entsteht ein Alkohol. Dieser kann zum x-Mdehyd oxydiert werden und dieser endlich zur 8äuie: NH, OH . an, . CH, . CH, + H,()— NH3 = OH . C,H, . GH., . GH., . OH p-Oxyphenyl-äthylamin p-Oxyphenyl-äthyl- alkohol = Tyrosol. OH . G,H4 . GH., . GH2 . OH + O — H^O =: OH . GgH, . GH^ . C(^ p-Oxyphenyl-äthylalkohol p-Oxyphenyl-azetaldehyd. OH . C\ H, . GH, . G<;|^ + O = OH . G^ H, . GH., . GOOH p-Oxyphenyl-azetaldehyd p-Oxyphenyl essigsaure. Es kann jedoch die Abspaltung der NHo-Gruppe auch durch Oxy- dation erfolgen. p]s würde in diesem Falle zunächst ein Aldehyd entstehen, der dann durch Reduktion in Alkohol übergehen könnte-): R . GH., . NH2 + O = R . cS, + NH3. -0 ,/H R . GQ; + 2H = R . GH., . OH. Alle Aminosäuren, die sich als am VKohlenstot'fatom substituiertes Alanin auffassen lassen, können genau die gleiche Art des Abbaus zeigen. So ist es z.B. möglich, daß Histidin = '/-Amin(»-;i-imidazolyl-propioii- säureüberlmidazolyl-äthylamin. Imidazolyl-äthylalkohol und Imid- azolyl-azetaldehyd in Imidazoiyl-essigsäure übergeht, und ferner Tryptophan = 3c-Amino-(i-indolpropionsäure zunächst Indol-äthyl- amin, dann Indol-äthylalkohol, ferner Indol-azetaldehyd und schließ- lich Indolessigsäure liefert. Auch die übrigen Aminosäuren schlagen viel- leicht beim Abbau zum Teil den gleichen Weg ein. Jedenfalls weiden auch aliphatische Amine weiter abgebaut. So liefert z. B. das dem Leuzin entspre- chende Isoamylamin in der künstlich durchbluteten Leber Azetessigsäure. ^) Wir kennen eine Aminosäure, bei der die erste der genannten Ab- baustufen im Stoffwechsel in Erscheinung tritt, es ist dies das Zystin bzw. Zystein. Es liefert Taurin. das als eine Äthylainin-sulfonsäure aufgefaßt werden kann: GHo . SH GH., . SH + 3 0 GH., . SO-, .OH I I " ! ' ' GH . NH, — >► GH., . NH., — >- GH., . NH, I " " " " GOOH GO, Zystein Thioäthylamin Äthylamin-sul- fonsäure=:Taurin. ') Vgl. die Arbeiteu von Feli.r Ehrlich: S. 458 tt. -) Vgl. Carl Neuberg imd U. Steenbock: Biochem. Zcitschi. 52. 494 (1913) •') F. Sachs: Biochem. Zeitschr. 27. 27 (1910). Eiweißstoffe uuil ihre Baiisteiue. 599 Schließlich sei noch daran eriimert. dali vielleicht die bei einigen Fällen von Zystinurie beobachteten Diamine Kadaverin undPutreszin eben- falls /Aun Teil wenigstens in den (Teweben entstehen, und ihr Auftreten viel- leicht auf eine Hemmung des weiteren Abbaus zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhange sei auch der Beobachtung gedacht, daß im Sekret der Speicheldrüsen der Kephalopoden p-Oxyphenylathylamin enthalten ist.i) Es entsteht ohne Zweifel in den Zellen dieser Drüsen aus Tyrosin. Für den genannten Weg des Abbaus von Aminosäuren sprechen so- mit mehrere Momente. Einmal die Fütterungs- und Durchblutungsversuche und dann die Feststellung von Taurin. Oregen die Annahme, daß diese Art der Zerlegung von Aminosäuren und insbesondere der aromatischen eine umfassende ist, spricht der Umstand, daß Abbaustufen entstehen, die ohne Zweifel schwer angreifbar sind. Eine weitere Art des Abbaus von Aminosäuren ist die folgende. Es wird primär die Aminogruppe unter Bildung einer Oxygruppe abge- spalten. Wir können diese Art dei- Desaminierung als hydrolytische be- zeichnen. I)ie folgende allgemeine Formel gibt diese Art des Abbaus wieder: R . CH . C( )()H + Ho 0 — NH3 = R . CH . COOK i I - NH.3 OH Früher glaubte man, daß diese Art dei- Desaminierung die gewöhn- liche sei. Neuere Beobachtungen haben gezeigt, daß sie zwar eintreten kann, dalj dieser Weg des Abbaus von Aminosäure jedoch nicht häufig ein- geschlagen wird. Die folgenden Beispiele zeigen, daß eine hydiolytische Des- aminierung vorkommt- Es muß allerdings gleich bemerkt werden, daß stets dei' Einwand bestehen bleibt, daß die Bildung der Oxysäuren auch eine sekundäre sein kann. Es könnten z.B. zuerst durch oxydative Desaminierung Ketonsäuren sich bilden und diese dann sekundär reduziert werden. Es liegen folgende Beobachtungen vor. Nach Verfütterung von viel Alanin tritt im Harn Milchsäure auf.-) Ferner hat man nach Eingabe von '/-, ß-Diaminopropionsäure — einer Aminosäure, die nicht unter den Bausteinen der Proteine sich findet — im Harn Glyzerinsäure aufgefunden.') Endlich beobachtet man nach reichlicher Fütterung von Tyrosin l-p-()xyphenyl-milchsäure im Urin. CH3 CH, CH.XH2 -f H2O — NH3 — > CH.OH oder COOK COOK Alanin Milchsäure CH,, CHh CH, I I CH . NH.. + 0 — KH, — >► CO + 2H — >► CH . OH I I COOK COOH COOK Alanin Brenztraubensäure Milchsäure. ') 3/. Herne: Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 87. 51 (1913). *) Carl Neuberg uud Leo Langsteiii : Archiv f.(Anat. u.) Physiol Suppl. r)14(1913). ') Faul Mayer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. ö9 (1904). g()(( XXIX. VorlesuDg. (Ho . NHa CH, . < >H CH .NH, + 2H,U 2NH3=r CH .OH i I C'OOH COOH Diaminopro- (xlyzerin- pionsäiire säure Der Abbau dieser Verbindung- könnte sich auch in den folgenden bluten vollziehen: CH., . NU., ("H., . NH, CH .NH. + O^NH, — >► CO +2H — > I ' I COOH COOH lJiaminciJ)ro- Aminobreuz- pionsäure traubensäure CH., . NH., V^H CH .OH + o NH, — >. CH.OH (U)OH COOH Aniinoglyzeiin- (ilyzerin- säure aldehvd CH., OH —y + L> H = CH . OH I COOH Glyzerinsäure. Selbstverständlich sind auch noch andere Möglichkeiten des Abiiaus gegeben. Die hier angeführten Wege sollen nur zeigen, dall die Ver- hältnisse nicht so einfach zu liegen brauchen, wie die Annahme einer Abspaltung beider Aminogruppen unter Wasseraufnahme sie zunächst darstellt. Bei der Bildung der 1-p-Oxyphenyl-iniUhsäure aus Tyrosin liegen die Verhältnisse wesentlich klarer. i) Sie entsteht ohne Zweifel primär durch hydrolytische Desaminierung. Dieser Schluß ergibt sich aus der Beobachtung, daß nach Eingabe von p-Oxyphenyl-brenztrauben- säure der Mensch d-p-Oxyphenyl-milchsäure ausscheidet.-) Würde somit die Bildung von p-Oxyphenyl-milchsäure aus Tyrosin durch sekundäre Reduktion von primär entstandener Ketonsäure sich vollziehen, dann wäre d-p-Oxyphenylmilchsäure zu erwarten. Wir können somit ihre Bildung durch die folgende Formel wiedergeben : *) Y. Kotake: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 65. 3U7 (1910). - Vfrl. auch Bh'wler- munn: Ebenda. 6. 2.S4 (1882). — Feiner )'. Kotake: Ebenda. «9. 409 (1910». — K.rromhfrz: Ebenda. 70. .351 (1911). 2) A. Suua: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 72. 113 (1911). Kiweißstofie und ihre Bausteine. (301 CHo . Cg H, . OH CH2 . Cfi H, . OH I ' I CH.NH. + H. O— NH3 — y CH.OH I " " ! . COOK COOH p-Oxyphenyl-a-amino- p-Oxyphenyl- propionsäure milchsäure. Erwähüt sei noch, daß die Bildung der 1-p-Oxyphenyl-milchsiiure bis jetzt nur unter nicht normalen Verhältnissen festgestellt werden konnte. So fand man sie nach Phosphorvergiftung M und bei der akuten gelben Leberatrophie.2) Ferner ist sie nach reichlicher Zufuhr von Tyrosin auf- gefunden worden.3) Es ist möglich, daß eine Abbaustufe des Tyrosins vorliegt, die nicht zu den normalen gehört. Dafür spricht die schwere Angreifbarkeit dieser Verbindung. Es wäre jedoch auch denkbar, daß sie stets in kleineren Mengen entsteht und somit die vermehrte Bildung der p-Oxyphenyl-milchsäure keine neue Art des Abbaus, sondern nur ein in größerem Umfange eingeschlagener Nebenweg im Abbau des Tyrosins bedeuten würde. Wir kommen nun zu jener Art des Abbaus von Aminosäuren, die am eingehendsten studiert worden ist, nämlich zur oxydativen Desaminie- rung. Sie führt zur Bildung von Ketonsäuren: R.CH.COOH + O — NH, — ^ R. CO. COOH. Als Zwischenprodukt dürfte das Hydrat der entsprechenden Imino- säure auftreten: OH K . GH . COOH + 0 — y R . C . COOH — XH. — >► R . CO . COOH. I i NH2 NH, Die Kenntnis dieses Weges des Abbaus der Aminosäuren verdanken wir Otto XcNbauerJ) Er zeigte, daß nach Eingabe bestimmter, unter den Eiweißspaltprodukten nicht vorkommender Aminosäuren im Harn die ent- sprechenden Ketonsäuren anzutreffen sind. So ergab Phenylaminoessig- säure Phenylglyoxylsäure.^) Aus p-Oxyphenylaminoessigsäure entstand p-Oxyphenyl-glyoxylsjä ure, m-Tyrosin ergab m-Oxyphenyl- brenztrauben säure: ') Y. Kotake: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 414 (1910). *) Schulfzen nnd Ries.'i : Chai'itö-Anualeu. 15. 1 (1869). — A'. haninaiiii: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 6. 192 (1882). ■') Blemtermann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 6. 234 (1882). — Vgl. auch //. L). Dahin: The Journ. of biol. Chemie. 8. 25 (1910). *) Otto Neubauer: Deutsches Archiv f. klin. .Med. 95. 211 (1909). — Vgl. auch Haiidb. d. biochem. Arbeitsmethoden. 4. 371 (1911) (bearbeitet von Otto Nenbauer). .1. Springer. Berlin 1911. — H. D. Dakin: Oxydations and Reductions in the aniraal body. Longmans, Green & Cie. London 1912. Hier rindet sich die vollständige Literatur. ') Vgl. O110 Xcuhancr und Han.^ Fisrßicr: Zoitsclir. f. phvsidj. Chemie. 67, 232 (1910). 602 XXIX. Vorlesung. NH, an, .cH.cooH > ('. H, . CO . COOH Phenylamino essigsaure Phenyl-glyoxvisäure OH . l'e H, . CH . COOH - p-Oxyphenyl-amino-essig- säure CH HC^\c . OH HC iCH NH, C . CH., . CH . COOH M e t a - 0 X y p h e n y 1 - 7. - a m i n 0 p r 0- pionsäure = m-Ty rosin OH . Ce H, . CO . COOH p-Oxyphenyl-glyoxyl- säure. CH HC^\c . OH HC. "CH C . CH., . CO . COOH m-Oxyphenyl-brenz- traubensilure. Als Stütze für die Annahme, daß die Ke tonsäuren ein typi- sches Abbauprodukt der Aminosäuren darsteUen. läßt sich an- führen, daß bei reichlicher Verfütterung von Tyrosin p-Oxy- phenyl -brenztraubensäure im Harn angetroffen wird, und ferner die Ketonsäuren ebenso leicht und in gleicherweise ab- gebaut werden, wie die entsprechenden Aminosäuren selbst. i) Auch die Durchblutung.'5versuche ergaben, daß die letzteren und die zu- gehörigen Ketonsäuren zu den gleichen Verbindungen führen. So liefert Tyrosin in der künsthch durchbluteten Leber Azeton. 2) Das gleiche Kesultat liefert p-Oxy Phenylbrenztraubensäure, während die Alkohol- säure, p-Oxyphenylmilchsäure, fast gar nicht angegriffen wird. Daß jedoch keine allgemeine Regel der Art besteht, daß Alkoholsinnen nicht abgebaut werden können, beweist, daß Phenylalanin. Phenyl-brenz- t raubensäure und Phenyl-milchsäure in vielen Beziehungen ein gleiches Verhalten zeigen. ^i Tyrosin undPhenylalanin gehen bei den mit Alkaptonurie Behafteten in Homogentisinsäure über. Auch p-Oxy- phenylbrenztraubensäure und Phenyl-brenztraubensäure liefern Dioxyphenyl-essigsäure, während p-Oxyphenyl-milchsäure zu keiner Vermehrung der letzteren Verbindung führt.*) Dagegen liefert Phenyl- milchsäure Homogentisinsäure.^) Es fragt sich nun, wie der weitere Abbau der gebildeten Ketonsäuren vor sich geht. Es sind zahlreiche Beobachtungen bekannt geworden, die zeigen, daß beim Abbau von Aminosäuren Fettsäuren ') \g\. Yushiro Kotakc : Zeitschr. f. physiol. Chem. 69. 409 (191U). — A. Sinra: Ebenda. 72. 113 (1911). — F. Knoop: Hofmeistern Beitr. 6. 150 (1905): Zeitschr. f. physiol. Chemie. 67. 49;? (1910). -) 0. Neubauer und \V. Gross: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 67. 219 (1910) — /■;. Sehmifz: Biochem. Zeitschr. 28. 117 (1910). ^) Vergl. auch Y. Mori : ZA. physiol. Chemie 122. 22;! (1922). *) 0. Neubauer: Deutsches Arch. f. klin. Med. 95, 211 (1909). ') 0. Neubauer und [V. Folta : Zeitschr. f. physiol. Chem. 42. Hl (1904). Kiweiüstoffe und ihre Bausteine. ()03 eutsteheu, die um ein Kohlenstoffatom ärmer als diese sind. So geht z. B. l'hcnylaminoessigsäure zum Teil in Benzoesäure über i): NH, Cg H, . ("H . GOCH — >► C'e H5 . t'OOH. Besonders interessant ist die Beobachtung, daß Y-Phenyl--/-amino- huttersäure ebenfalls Benzoesäure liefert."^) Der Übergang in diese ist allerdings bei weitem kein (juantitativer : NH., I Ce H, . CR, . CH., . CH . COOK — >■ G, H5 . COOK. Als erste Abbaiistufe dieser Verbindung wäre die Benzyl-brenztrauben- säure zu erwarten: NHo I C, H5 . CH., . CH., . CH ;C0( )H + () — NH. — >- C, H, . CH, . CH., . CO . CU( )H. Diese Verbindung wird nun offenbar zunächst unter Abspaltung von Kohlensäure in die um ein Kohlenstoffatom ärmere Fettsäure übergeführt. Dann setzt die bei den Fettsäuren übliche Art des Abbaus der Kohlenstoff- kette ein. Unter Oxydation am ß-Kohlenstoffatom erfolgt die paarweise Abspaltung von Kohlenstoffatomen. Beim Abbau der Ketonsäure zu der um ein Kohlenstoffatom ärmeren Fettsäure dürften Zwischenprodukte auf- treten. Es entsteht wahrscheinlich zuerst ein Aldehyd »), der dann zur Säure oxydiert wird. Der Abbau der y-Phenyl-y.-aminobuttersäure würde somit etwa folgende Abbaustufen durchlaufen : NH-, C„ H5 . CH., . CH., . CH . COOH + ( ) y-Phenyl-a-aminobutt er säure NH., I C, Hg . CR, . CR, . C . COOH — NH3 OH Hvdrat der "-Pheuvl-x- aminobuttersäure I yr C, H, . CR, . CR . CO . COOH —CO., Benz vl-brenztrauben säure I C« H5 . CH, . CR . C^NCH C .OH ^^CH CH NH, C . CH., . C^H . COOH + 0 — NH3 Tyrosin = p-Oxyphenyl-a-amino-pro- pionsäure HC HC<\ /CH C . CH, . CO . COOH p-()xyphenyl-brenz- traubensäure. Es folgt somit, der Abbau der Seitenkette der genannten aromati- schen Aminosäuren der oben angeführten Regel. Zu erklären bleibt nur noch die Veränderung im Benzolkern. Beim Tyrosin muß die in Para- stellung befindliche OH-Gruppe verschwinden. Ferner müssen in Ortho- und MetaStellung neue Hydroxylgruppen eintreten. Beim Phenylalanin müssen letztere ebenfalls gebildet werden. Es ist zurzeit nicht möglich, anzugeben, wo die Umwandlung im Benzolkern sich vollzieht. Dagegen kann in Übereinstimmung mit ähnlichen Vorgängen die folgende Annahme als wahrscheinlicher Weg des Umbaus des Phenol- bzw. Benzolkerns in den Hydrochinonkern bezeichnet werden, p - K r e s 0 1 liefert bei der Oxydation mit Caros Reagens 2) Toluhydrochinon. Dabei tritt als Zwischenstufe p-Toluchinol auf^): •) Nach B. Hemmerle' [Auü. Chim. (9). 7. 226(1917)] hat die Fheuvl-breiiztraubeu- eäure die Endstiuktur: Cg H^ . CH : C (OH) . COOH. ^) Sulfomonopersäure, H^SOj. ') Erich Mayer: Deutsches Arch. f. klin. Med. 70. 447 (1901). — E. Bamberger : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 28. 245 (1895); 36. 2028 (1903). — Vgl. auch K Friedmann: Hofmeister?, Beitr. 11. 304 (1908). 606 OH I C HC HC .^^CH CH XXIX. Vorlesung HC () C CH HC \ ' / CH OR C c ncf ^ CH c C . CH, OH Toluhvdroehiiioii c CH, OH CH, p-Kresol p-Tolucliinol In Übereinstimmung mit dieser Umwandlung läßt sich die Überfüh- rung von Tyrosin bzw. p-Oxyphenyl-brenztraubensänre in Homogentisin- säure; wie folgt, darstellen: OH 0 C HC^NCH C HC CH C CH-, .CO.COOH p-Oxyphenyl-brenztraubensäure OH C HC / \ CH -^ HC C CH ( )H CH, . CO . COOH äure C h i n 0 1 OH Hc/NcH HC 'C— CH, . CO . COOH HC CH HC C . CH., . COOH C OH Hydro chinon-br enztrauben- säure C OH Hydrochinonessigsäure = Homogen tisinsäure. Es ist noch nicht festgestellt, in welcher Phase des Abbaus der Seitenkette die Veränderungen am Benzolkern erfolgen. Nur soviel ist bekannt, daß Verfütterung und p-Oxyphenyl-essigsäure nicht zur Bildung von Ilomogentisinsäure führt. M Daraus kann man vielleicht den Schluß ableiten, daß die Veränderung am Benzolkern kurz nach der Über- führung der erwähnten aromatischen Aminosäuren in die entsprechenden Ketonsäuren einsetzt, und erst dann die Verkürzung der Seitenkette zum Essigsäurerest erfolgt. 1) H. Embden: /eitschr. f. phvsiol. l'iiein. 18. 317 (1894). — O. Neubauer uud W.Falta: p:benda. 42. 81 (1904). — H. I). />«/>•/«.• .lourn. nf biol. Chem. 6. 235(1909). EiweiOstoffe uulI ihre Bausteine. ß07 Der UmwaiidluDg' von Phenylalanin in Homogentisinsäure geht wahr- scheinlich eine solche in Tyrosin voraus. Es ist nämlich beobachtet worden, daß die genannte Aminosäure in der künstlich durchbluteten Leber in Tyrosin übergeführt wird.') Ferner konnte festgestellt werden, daß der Organismus mit Phenylalanin allein auskommt, d. h. das Tyrosin in der Nahrung entbehren kann.') Für die Autfassung des normalen Abbaus der erwähnten aromatischen Aminosäuren ist es von größter Bedeutung, welche Stellung der Homo- gentisinsäure in der Pteihe der Abbaustufen des Phenylalanins und Tyrosins einzuräumen ist.-^) Ist sie das Produkt eines ..ent- gleisten" Stoffwechsels, oder stellt sie eine Abbaustufe dar, die auch sonst durchlaufen wird? Wir haben diese Frage bereits aufgeworfen und fest- gestellt, daß manche Gründe für die letztere Annahme sprechen. Wichtig ist die Beobachtung, daß normale Individuen eingeführte Homogentisin- säure abbauen, während solche, die Alkaptonurie aufweisen, sie unver- ändert ausscheiden.*) Ferner hefert die Hydrochinonessigsäure in der über- lebenden Leber die gleichen x\bbaustufen. wie Tyrosin und Phenylalanin.'^) Endlich haben wir schon erwähnt, daß es geglückt ist, nach Zufuhr großer Mengen von Tyrosin bei einem nicht mit Alkaptonurie Behafteten Homogentisinsäure im Harn nachzuweisen. 6) Wir möchten nun gerne wissen, in welcher Weise die Homogentisin- säure im normalen Organismus weiter zerlegt wird. Zuletzt müssen Kohlen- säure und Wasser aus ihr hervorgehen. Sicher reiht sich Abbaustufe an Abbaustufe, bis diese Produkte entstanden sind. Leider ist es noch nicht gelungen, den bis zur Homogentisinsäure wenigstens in den Hauptpunkten festgelegten Weg des Abbaus der homozyklischen Aminosäuren über den Benzolkern hinaus zu verfolgen. Es muß im weiteren Verlauf des Abbaus aromatischer Verbindungen zur Aufsprengung des Benzolringes kommen. Die einzige Beobachtung über diesen Vorgang verdanken wir JafeJ) Er stellte fest, daß Benzol in Mukonsäure^) übergeht: CH CH Hc/\ CH HC^^COOH —> »S/ CH HCy /COOH CH CH Benzol Mukonsäure zw. C()( )H . CH : = CH CH = = CH . CHJOH ^) Gustav Embden und Karl Baldes: Biochem. Zeitschr. 55. 3U1 (1918). -) Emil Abderhalden : Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 96. 1 (1915); Ffingers Archiv. 195. 199 (1922). ^) Vgl. hierzu auch M. W'olkoii- und K. Baumaim: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 15. 23S (1891). — //. 1>. I>akln: Journ. of. biol. Ghem. 8. 11 (1910): 9. 151 (1911). — .-1. ./. Wakcman und H. D. Dakin : Ebenda. 9. 139 (1911). *) H. Embden: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 18. 326 (1894). ^) G. Embden, Salomon und Schmidt: Hofmeistern Beiträge. 8. l.'>2 (190()). «) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physioL Ghem. 77. 454 (1912). ') M. Jaffe: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 62. 58 (1909). — Marie Mensel und Otto Riesser: Ebenda. 88. 38 (1913). — Vgl. auch Yoshitane Mori: .]. of biol. Ghem. 35. 341 (1918). «) Robert Hehrend: Ber. d. Deutschen Ghem. (ies. 49. 999 (1917). g()^ XXIX. Vorlesung. Schließlich erhält man. wie schon wiederholt erwähnt wurde, aus Phenylalanin und Tyrosiu und ihren Abbaustufen Azetonkörper. Damit ist selbstverständlich die Bildung anderer Abbauprodukte nicht ausge- schlossen. Wir würden ohne Zweifel einen großen Fehler begehen, wenn wir den Versuchen am überlebenden Organ auch in quantitativer Richtung eine ausschlaggebende Bedeutung zuschreiben würden. Sie zeigen uns nur den Weg an. der beim Abbau einer bestimmten Verbindung eingeschlagen werden kann. Dabei bleibt vollständig unentschieden, ob nicht auch andere Bahnen benützt werden, um von bestimmten Abbaustufen aus Beziehungen zu Verbindungen anderer Körperklassen anzuknüpfen. Das Tryptophan dürfte, was die Seitenkette anbelangt, ebenso abge- baut werden, wie die homozyklischen Aminosäuren. Über die Veränderungen, die den Indolkern betreffen, wissen wir noch nichts Genaues. Vielleicht führt die folgende Beobachtung in dieser Beziehung weiter. Hunde scheiden nämlich eine eigenartige Säure aus, die mit dem Tryptophan in Zusammen- hang steht. Es ist dies die Kynurensäure. Sie hat die Konstitution einer v-Oxy-chinolin-a-karbonsäure^): CH C . OH 8 ] .1 1! CH 2 \ N HC^^ A\/^ ■ COOH CH N C'h in Dlin-) Ky nurensäure = Y-Oxy- chinolin-y.-karbon säure. Sie ist von J. Liebif/^) im Jahre 1853 im Harn von Hunden ent- deckt worden. Später wurde sie auch im Urin des Steppenhundes, Canis ochropus, beobachtet.*) Es ist von größtem Interesse, daß die übrigen Karnivoren keine Kynurensäure ausscheiden. Den Zusammenhang dieser Verbindung mit dem Tryptophan bewies Ä. EllingerJ') Er verab- reichte Hunden, bei denen er die ausgeschiedene Menge von Kynurensäure bei einer bestimmten Art der Ernährung — Brot- und Milchfütterung — be- stimmt hatte, per os und auch subkutan Tryptophan. Die Menge der Kynuren- säure stieg an. Es wurden ca. 25o/o der zugeführten Aminosäure in der ge- nannten Farm ausgeschieden. Da der Hund Kynurensäure abbauen kann — er scheidet die ihm zugeführte Verbindung nur zum Teil wieder aus — . so 1) Annie Homer: l'roceed. of the Physiol. Soc. 15. März. XVIII (1913); 28. .Iimi. LXII (1918); Joiiru. of. Physiol. 46. (1913). — Joiirii. of biol. Chein. 17. 509 (1914). — E. Bestkorn: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 54. 1330 (1921). — Ernst Späth: Sitzungsberichte der Akad. der Wisseuschafteu. Wien 130. Abt. IIb. 93. 1921. — Vgl. auch Camps: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 83. 390 (1901). *) Im ('hinolin werden die C-Atome des Benzolkerns (B.) mit 1. 2, 3, 4 bezeichnet und im Pyridinkern (P.) mit a, ß usw. '^) J. Liebig: Liebiqs Ann. 86. 125 (1853). — Vgl. die Synthese bei H. Catiips: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 31. 390 (1901). *) R. E. Swain: Amer. Journ. of Physiol. 9. 391 (1903). ^) .1. Ellinger: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 325 (1904). — Vgl. auch K. Gläs^nt'r und L. Langstein: Hofmeisters Beiträge. 1. 34 (1902). — Annie Homer: .lourn of biol Chem. 22. 391 (1915).' Eiweißstotte luid ihre liiuisteiue. 609 darf daraus. daU nur ein geringer Teil des Tryptophans in Form von Kynurensäure zur Ausscheidung gelangte, nicht geschlossen werden, dall nur dieser in das Chinolinderivat verwandelt wurde. Es liegt vielmehr die Möglichkeit vor, daß die Kynurensäure eine normale Abbaustufe des Trypto- phans darstellt, die vielleicht auch bei anderen Tieren durchlaufen wird. In dieser Richtung ist die Beobachtung von Interesse, daß Kaninchen, die sonst nie Kynurensäure ausscheiden, solche im Harn enhielten, als iimen Tryptophan zugeführt wurde. Über die Bildungsstätte dieser interessanten Verbindung wissen wir noch nichts (Jenaues. Jedenfalls wird sie bei Hunden mit £'c^scher Fistel auch gebildet, ^j Die Entstehung der Kynurensäure aus Tryptophan ist noch nicht aufgeklärt. Man kann sich vorstellen, daß die Inciol-y.-amino-propion- säure zunächst durch oxydative Desaminienmg in Indol-brenztrauben- säure übergeht. In der Tat liefert diese Verbindung Kynurensäure.^i Dann folgt nach der Ansicht von Ellinger-} die weitere Umwandlung im Sinne der folgenden Formeln: XH. -C.CH.,.('H.(()UH + 0— NH, CH HC^ \'- I \ ■■ HC<^ /'^\ /CH (:h nh Trypt ophan = Indol- '/-am inopropion säure CH hc^^c- HC C C . CH, . CO . COOH tl CH HC CH \ CH NH Indol-brenztraubensäure CH CO HC^^ rc^^CH, HC C— CO.CH.. . CO . COOH I! CH NHo HC CH H( CH CO ./\c/\ Cn CO . COOH NH, CH., ^^S/C\/C.C(H)I1 CH N CH C . OH Hc^Xc/^XcH .^^....^^C.COOH CH N •Oxv-chinolin-a-karbonsäure = Kynurensäure. 'j l-lniil Abderlialdeii, f.. S. London und Li(dint/ Pincusso/iH : /eitsclir. f. pliysiol. Cheiii. 62. 139 ri909). ■-) .1. EUinffer und Z. Matsuoka: Zeitschr. f. pliysiol. Cheni. 109. 2.i9 (1920). Abderhalden, F'hysiologiBche Chemie. 1. Teil, ö. AuH. 39 ßlQ XXIX. Vorlesuug. In diesem Znsammenhange sei erwähnt, daß im Sekret der Anal- drüse des amerikanischen Stinktieres z-Methylchinolin aufgefunden worden ist.M Es dürfte auch zum Tryptophan in Beziehung stehen: HC HC CH CH ■c CH C.CH, C CH N -/-Methylchinolin. Wir haben damit die wesentlichsten, bis jetzt bekannten Verbindungen kennen gelernt, die uns auf den Weg, auf dem sich der Abbau der Amino- säuren wohl in der Hauptsache vollzieht, hinweisen. Er läßt sich durch die folgenden allgemeinen Formeln wiedergeben: R . CH, . CH . COOH I NH, Aminosäure i OH i 11 . CH., . C . COOH NH, Hydrat der Iminosäure W . CHo . CO . COOH Ketonsäure I R . CH, . COOH Fettsäure ^ \ CO, H, 0 Streng genommen ist diese Art des Abbaues von Aminosäitren nur für die homozyklischen Aminosäuren bewiesen, doch mehren sich immer mehr die Bewei.se dafür, daß auch die übrigen Bausteine des Eiweißes in ganz entsprechender Weise abgebaut werden. Besonders eingehend unter- sucht sind die Abbaustufen des Alan ins. Als solche sind Brenzt rauben- säure und ferner Methylglyoxal festgestellt worden. Die Beziehungen dieser Verbindungen unter sich und ferner zur Milchsäure ergeben die folgenden Formeln 2): ' ./. n. Aldrich und W. Jones: .loiirn. of exper. Med. 2. 439 (1897). ") V'gl. hierzu S. 130 ff. uud H. I). iJakin und H. W. Dudley: Joarn, of biol. Chem. 14. 55.0 (1913). — Vgl. auch F. A. Levene und G. M. Mei/er: The Jouru. of biol. Chem. 15. 475 (1913). ■ ' Kiweißstoffc und ihre Bunsteine. 61 1 CH, CH, *3 "-^^^3 CH.NH, +0— Nil, ^ CO +2H - Ho O <— i "^1 ^ COOH COOH Alanin=: a-Ainino- Brenztrauben- propionsilure säure CO + H. () ^— CH.OH ^^H Methylglyoxal Milchsäure.^) Diese Verbindungen gehen ^Yechselseitig in einander über. Es sei daran erinnert, daß in diesen Verbindungen Abbaustufen des Traubenzuckers und solche aus Aminosäuren zusammentreffen. Es führen von ihnen aus auch Wege zur Glukose.-) Bemerken wollen wir noch, daß über den Abbau der heterozyklischen Aminosäuren noch wenig bekannt ist. Vom His tidin ist festgestellt, daß es in der durchbluteten Leber Azetessigsäure liefert. 3) Der Abbau zu dieser führt wahrscheinlich über die folgenden Zwischenstufen: CH-NH CH— NH il >CH .|| >CH C N C N CH^ CH. I (^H . NHo + 0 — NH3 CO I " I COOH COOH —CO, Histidin = [i-Imidazolyl- S-Imidazolyl-brenz- a-aminopropionsäure t raubensäure CH— NH CH3 1 >CH • I NH,. C— N CO + >C = 0 > CH, NH./ CH, I > I (jX COOH \h [i-Imidazoly 1- Azetessig- Harnstoff, azetaldehyd säure *) Vgl. üVier die Bildung von Milchsäure aus Bronztrauliensäure auch Gustav Kmbden und Max Oppenheimer : Biochem. Zeitschr. 55. 33.') (1913). ^) Vgl. S. 137 ti'. — H. D. Dakin und //. W. Dudle ti : The .Journ. of biol. Chem. 15. 127 (1913). — Ferner IL D. Dakin und .V. W. Janney; Ebenda. 15. 177 (1913). — A. B. Ringer: Ebenda. 15. 145 (1913). *) H. D. Dakin und A. J. Wakeman: The Journ. of biol. Chem. 10. 499 (1912). 39* ^^]'> XXIX. \ orlcsuiiij. Prolin liefert unter den «leichen Bedingungen keine Azetessigsäure. Dagegen liefert es Zucker, wie P'ütterungsversuche an mit Phlorhizin ver- gifteten Hunden ergaben. i) Bei der Verfolgung des Abbaus der verschiedensten \'erbindungeii sind wir wiederholt auf Reaktionen gestolien, die umkehrbar sind. Es sei z. B. an die Beziehungen der Aminosäuren zum Traubenzucker erinnert.-) Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Umbau der ersteren \'erbin- dungen in Glukose über Dreikohlenstoffverbindungen führt. Solche entstehen auch aus Glukose selbst und können in umgekehrter Richtung wieder zu dieser aufgebaut werden. Ferner sei an die wechselseitigen Beziehungen der [i-Oxybuttersäure und der Azetessigsäure erinnert. Die letztere kann aus ersterer sich bilden und umgekehrt kann die letztere in die erstere übergehen. 3) Es ist von größtem Interesse, daß Beobachtungen vorliegen, wonach Ketonsäuren in Aminosäuren verwandelt werden können. Die erste Beobachtung dieser Art stammt von Franz Knoop.*} Er ver- fütterte Hunden Benzyl-brenztraubensäure und fand im Harn azety- 1 i e r t e P h e n y 1 - 7. - a m i n o b u 1 1 e r s ä u r e : Cß H, . CH-, . GHj . CO . COOH —^ C.H, . GH., . GH., . GH . GOOH NH, Benzyl-brenztraubensäure Y-Phenyl-'/-aminobuttersäure bzw. Cfi H, . GH., . GH, . GH . GOOH NH . GO . CH, Y-Phen>l-'/-azet}iaminobuttersäure. Die Umwandlung einer Ketonsäure in die entsprechende Aminosäure dürfte wohl kaum direkt erfolgen. Es ist möglich, daß die Reaktion zwischen Ammoniak und der Ketonsäure zunächst zum Hydrat der Iminosäure führt, und diese dann durch Reduktion in die Aminosäure verwandelt wird: OH R . GH., . GO . G( nm + NH, — >► R . GH, . G . G( )0H + "211 — H.,( ) NIL — >► R . GH., . GH . GOOH NH2 Auf dem umgekehrten Wege sahen wir aus der Aminosäure das Hydrat der Iminosäure und daraus die Ketonsäure entstehen. Die Phenyl- aminobuttersäure ist bis jetzt in der Natur nicht aufgefunden worden. Man könnte daran denken, daß die Umwandlung der sicher dem Körper fremden P»enzyl-brenztraubensäure in die entsprechende Aminosäure einen \'organg darstellt, der etwa der Kuppelung körperfremder Substanzen ') H. I). hakin: The Jourii. of biol. Clieiii. Vi. :A'.] (11)13). ^) Vgl. S. 172 ff. ') Vgl. S. 190. *) F. Knoop: /eitsclir. f. pliysiol. Cliomie. 67. 4S7 (l'.tlO). — /''. Knno/, und h'rn.it Kfrfe^s: Klionda. 71. 2.ö2 d'.)!!). Kiwciüstoflc iiiiil ihre Baiisteiin'. (51;-^ mit Glykokoll, (ilukuronsäure usw. entspricht. \Veitere Versuche von Gustar Emhden^) zeigten jedoch, daß eine Reaktion ganz allgemeiner Natur vor- liegt. Er fand, daß bei der Durchströmung der Leber mit Blut, dem Brenz- traubensäure zugesetzt worden war, sich d-Alanin bildete. Aus p-Oxy- phenylbrenztraubensaure entstand 1-Tyrosin, aus Phenylbrenz- traubensäure Phenylalanin, aus z-Keto-n-buttersäure a-Amino-n- buttersäure, aus a-Keto-n-kapronsäure -/-Amino-n-kapronsäure und endlich bildete sich Leuzin aus der entsprechenden Ketonsäure. Stets entstand diejenige optisch-aktive Komponente, die sich in der Natur vor- findet. Auch Milchsäure wurde in Alanin übergeführt. Wahrscheinlich geht sie zunächst in Brenztraubensäure und dann in die Aminosäure über. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, daß der tierische Organismus Aminosäuren aus Ammoniak und stickstofffreien Verbindungen bilden kann. Diese müssen in a-Oxy- bzw. a-Ketonsäuren überführbar sein. \'on diesen Gesichtspunkten aus steht der Bildung bestimmter Aminosäuren aus Kohlehydraten nichts im Wege.^) Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Kohlehydraten und Aminosäuren ergibt die folgende, die wesent- lichsten Glieder der Umwandlung darstellende Übersicht: Ce H,., Oe Glukose t GH. OH GH, . OH (ilvzerinaldeh^ d 1 A ^ I COOH GOOH 1 GH. OH - ->■ • 1 CH, CH, Milchsäure Brenztrauben- 1 säure y >. GOOH G(JOH CO —> GH . NH., GH;,, OH, Brenztrauben- AI an in säure Aminierung . Desaminierung. ') Gustav Embden und Ernst Schmitz: Bioclicni. Zeitselir. 29. 423 (1910); 38. 393 (1912). — Kura Kondo: Ebenda. 38. 407. (1912). — Hatmi Fellner : Ebenda. 38. 414 (1912). ■'') Vgl. hierzu Hanni Fdhur: Binehoni. Zeitsclir. 38. 414 (1912i (314 XXIX. Vorlesuii':. Diese FeststeUungeu führen unmittelbar zu der Fragestellung, ob im Zellstoffwechsel unter normalen Verhältnissen eine praktisch in Betracht kommende Bildung von Aminosäuren aus stickstoff- freien Verbindungen erfolgt. Diese Frage ist schwer zu entscheiden. Es ist sehr wohl mögUch, daß bei Mangel einzelner Aminosäuren solche gebildet werden. Dagegen kann die Frage, ob alle Aminosäuren aus Abbaustufen der Kohlehydrate und eventuell der Bausteine der Fette hervorgehen können, sicher verneint werden. Eine Bildung von Eiweiß aus Bausteinen der genannten Nahrungsstoffe und aus Ammoniak ließ sich durch direkte Stoffwechselversuche nicht erweisen. i) Ferner sei daran erinnert, daß gewisse Aminosäuren, wie z. B. Tryptophan und Tyrosin bzw. Phenylalanin nicht ersetzbar sind.^) Falls eine Synthese von Aminosäuren aus Kohlehydraten und eventuell aus Bausteinen der Fette erfolgt, dann ist diese ohne Zweifel auf einige wenige Eiweißbausteine be- schränkt. Es wird stets darauf ankommen, ob die Zelle aus dem ihr zuge- führten Materiale a-Ketonsäuren bereiten kann. Nun kennen wir kein aus Kohlehydraten bzw. Fetten stammendes Baumaterial, das aromatische Keton- säuren liefern könnte. Es würden somit nie alle zur Eiweißsynthese not- wendigen Bausteine sich von den stickstofffreien Nahrungsstoffen aus bilden können. Würde man jedoch den Zellen jene Aminosäuren, die sie nicht bereiten können, zur Verfügung stellen, dann wäre es denkbar, daß sie die übrigen Bausteine selbst bilden und dann zur Eiweißsynthese schreiten können. Die Synthese von Aminosäuren aus a-Ketonsäuren irgendwelcher Herkunft könnte dann von Bedeutung werden, wenn dem Organismus kein Eiweiß bzw. keine Aminosäuren zugeführt werden. Es wäre möglich, daß er unter diesen Verhältnissen entweder die unersetzlichen Amino- säuren vor dem Abbau bewahren bzw. schon in Ketonsäuren verwandelte Bausteine durch Aminierung wieder in die entsprechende Aminosäure zu- rückbilden würde. 3) Nun scheinen jedoch gerade die aromatischen Amino- säuren im tierischen Organismus eine besondere Rolle als Ausgangsmaterial zur Bildung von Inkretstoffen zu spielen. Wir werden gleich erfahren, daß das Adrenalin unzweifelhaft Beziehungen zum Tyrosin bzw. zum Phenylalanin besitzt. Ferner dient das Tryptophan wahrscheinlich zum Aufbau von Hämatin, dem eisenhaltigen Paarling des Blutfarbstoffs. Es sei auch noch daran erinnert, daß aus aromatischen Bausteinen ab- stammende Amine in Organen angetroffen worden sind. Wahrscheinlich stellen sie Verbindungen dar, die im Zellstoffwechsel unentbehrlich sind. Wenn somit die einzelne Zelle Proteine abbaut, so wird sie in vielen Fällen die Hydrolyse einleiten, um Baumaterial zur Bildung von Inkret- stoffen zu gewinnen. Die zur Bildung von Eiweiß unentbehrlichen Bau- ') Vgl. die Arbeiten von AA Grate und Mitarbeiteru und Kmil Abderhalden mit faul Hirsch uud Arno Ed. Lampe ^. 495, Zitat')- — Ernst PeschecJc: Biochem. Zeitschr. 43. 244 (1912). — Alonzo Engelbert Taylor und .1. ./. Ringer: Journ. of biol. Chemie, 14. 407 (1913). Frank P. Underhill: Ebenda. 15. H27, 337 (1913). — Frank P. Underhül und Samuel Goldschmidt : Ebenda. 15. 341 (1913). — \'gl. auch Emil Abderhalden uud Joseph Markwalder : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 72. 63 (1911). — Einil Abderhalden, Alberto Furno, Erich Goebel und Panl Sfriihel: Ebenda. 74. 481 (1911). -) Vgl. S. 499 tf. '■') Vgl. hierzu S. 499 ft. und Z-,'?«?'/ Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 96. 1 (1915). Eiweiüstotte und ihre Bausteiuc. 615 steine werden anderweitig verbraucht, so daß der Organismus wolil kaum je in den günstigen Fall kommen wird, Eiweiß aus Ketonsäuren aufzu- bauen, die aus stickstofffreien Nahrungsstoffen stammen. Die Synthese würde immer am Fehlen der aromatischen Bausteine scheitern. Es soll damit weder etwas über die Bedeutung der beobachteten Bildung von Aminosäuren aus Ketonsäuren für den Zellstoffwechsel aus- gesagt werden, noch über den Umfang derartiger Vorgänge. Unsere Kennt- nisse über die Bedeutung der einzelnen Aminosäuren für den Zellstoff- wechsel sind noch viel zu dürftige, als daß wir jetzt schon zu einem be- stimmten Schlüsse kommen könnten. Wir sind der Ansicht, daß die Amino- säuren im tierischen Organismus keinesw^egs nur als Bausteine der Proteine in Betracht kommen, sondern vielmehr als solche und in ihren Umwand- lungsprodukten von größter Bedeutung für einzelne Zellfunktionen sind. Zum Schlüsse sei noch der sicher festgestellten Bildung von GlykokoU im Zellstoffwechsel gedacht. Wir haben bereits er- fahren, daß seine Menge in gewissen Gremzen beliebig gesteigert werden kann, indem wir dem Organismus Substanzen zuführen, die entweder direkt /ur Verbindung mit Aminoessigsäure geeignet sind oder von den Zellen leicht in die dazu notwendige Form gebracht werden können. Die Beob- achtung, daß der tierische Organismus mehr GlykokoU aus- scheiden kann, als er in den ihm zur Verfügung stehenden Proteinen besitzt, läßt keine andere Deutung zu, als daß eine Neubildung dieser Aminosäure im Zellstoffwechsel erfolgt. Es fragt sich nun, ob sie synthetisch oder analytisch gebildet wird. Diese Frage ist noch unentschieden. Der Aminoessigsäure entspricht als Produkt der oxydativen Desaminierung die Glyoxylsäure. Es wäre möglich, daß diese mit Ammoniak zusammen GlykokoU Uefert. Vorläufig ließ sich diese Annahme nicht durch den direkten Versuch erhärten'): CH2.COOH H.CO. COOK + NH3 — 0 — >► CH.-COOH NH.> NH., GlykokoU =; Gl'yoxylsäure GlykokoU. Aminoessigsäure Es wäre ferner möglich, daß der Abbau der Aminosäuren je nach Bedarf so geleitet werden kann, daß GlykokoU entsteht. Man könnte z. B. an eine ß-Oxydation unter paarweiser Abspaltung von Kohlenstoffatomen denken. Die Aminosäure würde mit dem Karboxyl das Kohlenstoffatom verlieren, das die Aminogruppe trägt : CH3 . CH. . CH, . CHo ; . CH . COOH + H., O — >- ^5 I ; NH. a-Aminokap ronsäure CH, . Ca . CH, . CH, . OH + CH., . C( )0H NH., Butylalkohol GlykokoU. >) Georg Haas: Biochein. Zeitschr. 46. 296 (1902j. glg XXIX. Vorlesuug. Ferner hat man daran gedacht, daß die zu kuppelnde Verbindung, z. B. Benzoesäure, sich zunächst mit der Aminogruppe irgend einer Amino- säure verbinden und darauf ihr Abbau erfolgen könnte^): CH, . CH, . CH, . CHo . CH . COOH + H. () NH.CO.CeH, Benzoy 1-a- am inokap ronsäure CH3 . CH2 . CH.. . CHo . OH + CH., . COOH I NH.CO.CßH, Butylalkohol Hippursäure. Keine dieser Ansichten konnte jedoch bis jetzt durch \'ersuche ge- stützt werden. Die Frage nach der Herkunft des größten Teils des Glyko- kolls ist somit eine noch offene. .Nur für einen Teil davon kommen glyko- kollhaltige Proteine in Betracht. Schließüch sei daran erinnert, daß Stoffwechselversuche ergeben habend), daß Phenylalanin Ty rosin und die letztere Aminosäure die erstere vertreten kann. Ferner scheint Prolin neu gebildet werden zu können. Es entsteht wahrscheinlich über die a-Pyrrolidonkarbonsäure aus Glutaminsäure. PJs scheint auch, daß die verschiedenen Glieder der Sechskohlenstoffreihe ^). soweit sie Monoaminosäuren sind, für einander eintreten können, doch muß man mit allen Schlußfolgerungen auf diesem (iebiete sehr vorsichtig sein, weil nur sehr langfristige Versuche zu end- gültigen Schlüssen berechtigen. Daß Phenylalanin in tierischen Geweben in Tyrosin übergeführt werden kann, haben wir bereits erwähnt.^) Es handelt sich somit bei dem Ersatz der erwähnten Eiweilibausteine höchst- wahrscheinlich nicht um umfassendere Synthesen, sondern um eine mehr oder weniger direkte Umwandlung bereits vorhandener Aminosäuren. •) A. Magmis-Levy: Biochem. Zeitschr. 6. 523, 541 (1907). ^) Vgl. S'. 499 tf. ') Vgl. Emil Al,derhal(len : I'/fügers Archiv. 195. 199 (1922). *) Vgl. S. 499 ff. Vorlesung XXX. EiweilJstoffe und ihre Bausteine. 14. Verwendung von Aminosäuren zu Synthesen im Zellstoffweclisel. Ilire Beziehungen zu den Kohlehydraten und den Bausteinen der Fette und der Phosphatide. Stoffwechselprodul► GH . NH, + HOOG . GH., . C, U, GOGH Ornithin 2 Moleküle Phenylessigsäure GH2 . NH . OG . GH., . G0H5 + H.,0 GH, GH., GH .NH.OG.GH., <^gH, + ILO COOH Diphenylazetyl-ornithin. Weitere Verbindungen, die in ihrer Struktur den Glykokoll ent- haltenden Gallensäuren entsprechen, stellen die Taurochol- bzw. Tau- rodesoxycholsäure dar. An Stelle des GlykokoUs findet sich das Taurin als Paarhng. Seine Entstehung' aus Zystin bzw. Zystein haben wir bereits besprochen. =*) Eine weitere Synthese stellt die Bildung von Merkaptursäuren nach Eingabe von Halogenbenzol dar. Mit diesem vereinigt sich Zystein. Gleichzeitig erfolgt eine weitere Synthese, nämlich die Verknüpfung dei' Azetylgruppe mit der Aminogruppe des Zysteins. Es treten somit drei Ver- bindungen zusammen. Die Azetylierung stellt einen ganz entsprechenden Vorgang dar, wie die eben erwähnte Benzoylierung des GlykokoUs und des Ornithins. W'^ir haben einen weiteren Fall von Azetylierung bei der Be- ') Vgl. S. 514, 519 ff. -) G. Totani: Zeitselir. f. plivsioi. (Jheni. 08. 75 (1910). •') \''_'l <^ .",1«. Eiweißstoffe uud ihre Hausteine. Ö19 sprechuug der Umwandlung- der Phenyl-a.-ketobuttersiiure =^ Benzyl- brenztraubensäure in Pheny)-a-aminobuttersäure kennen gelernt') Diese Aminosäure erschien nicht in freiem Zustand im Harn, sondern als Azetylverbindung. Endlich ist beobachtet worden, daß Phenylamino- essigsilure beim Durchleiten durch die Leber azetyliert wird.^j Besonders interessant wegen der eigenartigen Verwendung der Essig- säure ist die Bildung der Furfuracryisäure nach Verfütterung von Furfurol an Hunde und Kaninchen ^j: HC — CH ^H HC C.C- NH HNH., 1 1 + CO.CH3 + H., 0 + CO., CR, . CO . COOH renztrauben säure. Azetvlierte Aminosäure. Für die Ansicht, daß Brenztraubensäure bei der Azetylierung eine Rolle spielt, spricht der Umstand, daß die Menge der azetvlierten Produkte stieg, wenn sie gleichzeitig mit dem zu kuppelnden Produkt verfüttert wurde.") Azetessigsäure hatte den gleichen Erfolg. Es ist möglich, daß bei der Azetylierung schon vorhandener Amino- säuren sich Essigsäure direkt anlagert, es ist jedoch auch denkbar, daß die Azetylierung uns geradezu anzeigt, daß die Bildung einer Ketonsäure erfolgt und dann der umkehrbare Vorgang der Aminierung eingetreten ist. Eine weitere Synthese ist die Bildung der Uraminosäuren aus Harnstoff und Aminosäuren. Wir haben schon mehrfach festgestellt, daß es immer schwer zu entscheiden ist, ob eine solche Verbindung im Zell- 1) Vgl. S. 612 ff. '^) 0. Neubauer uud 0. lVarbur- R . CH, . CH . COOH + H., ( ). '1 '1 NH2 + HOOC . C, H, NH . 0(' . Ce H^ Anlagerung des Phenylessigsäurerestes (Phenylazetylierung): R . CH2 . CH . COOH — >- R . CH2 . CH . COOH + H, ( ). NH, + H( )0C . CH, . Cg H, NH . OC . CH., . C, H, Anlagerung des Harnstoffrestes (Bildung von Uraminosäuren): R . CH, . CH . COOH — >► R . CH, . CH . COOH + NH,. 1 ' I NH, + NH., . CO . NH2 NH . CO . NH., In diesem Zusammenhange sei auch der Methylierung im tierischen Organismus gedacht, obwohl bis jetzt eine solche von Aminosäuren nicht durch die direkte Beobachtung festgestellt werden konnte. Es wäre trotz- dem möglich, daß der Stickstoff der Aminogruppe mit Methylgruppen be- setzt werden kann. I)iese könnten z. B. von intermediär entstandenem ») //. />. hakin: .loiini. of liiol. Clioni. 6. 2:-jr) (1909). — Vgl. auch S. Mb, 57.S. -) Vgl. S. 346. Eiweißstotte utiil ihre Baiisteiuo. 621 Methylalkohol herstammen. Die Annahme, dali im tierischen Organismus Methvlierung von Aminosäuren vorkommen kann, ist deshalb gerechtfertigt, weil er. wie früher erwähnt worden ist.i) in manchen Fällen die Bausteine der Phosphatide selbst bilden kann. Zu diesen gehört auch das Cholin. Dieses kann durch vollständige Methvlierung von Glykokoll und nach- trägliche Reduktion des entstandenen Betains gebildet w-erden. Erwähnt sei, daß auch die Möglichkeit einer Abstammung des Cholins vom Serin besteht. 2) Dieses könnte zunächst durch Verlust von Kohlensäure in Oxy- äthylamin übergehen. Dieses mül'tte dann methyliert werden. Die folgen- den Formeln zeigen die beiden, für den tierischen Organismus in Betracht kommenden Bildungsweisen des Cholins aus Aminosäuren, wobei immer wieder des Umstandes zu gedenken ist, daß jeder einzelne Vorgang um- kehrbar sein kann, und so die einzelnen Verbindungen wechselseitig mit einander verknüpft sind. CHa.C'OOH I NHo + HO.CH3 HO . C^H.. — 2 H. O H( ) . CH, rH... .\CH3 M)H Betain N CH.2.Cll2.()H I /CH3 I ^CH3 ^^XH3 H)H Cholin. + 411 — Ho 0 CH, .OH CH . XH., ! COOH —CO, Serin=a-Amino- [i-oxy-propion säure CHo . ( )H I CHo . XHo Oxyäthyl- amin CH. . OH /CH3 cH..xy;{l; ^OH Cholin. Daß der tierische Organismus imstande ist. Methylgruppen an Stickstoff anzulagern, beweisen die folgenden Feststellungen. Tellurige und seien ige Säure gehen in Tellur- bzw. Selenmethyl über.^j Ferner wird verfüttertes Pyridin in Form von Methylpyridylammonium- hydroxyd im Harn ausgeschieden*): ') Vgl. S. 225. ^) Vgl. S. 25(). ■') Franz Hofmeister: Archiv f. experim. Patli. u. Pharm. 33. 198 (1894) *) Wilhelm His : Archiv f. experim. Path. u. Pharm. 22. 253 (1887): (1894). — liudolf Colin: Zcitschr. f. physiol. Chemie. 18. 112 (1894). 33. 198 (522 XXX. Vorlesung. HC HC CH CH CH N Pvridin HC HC CH \. CH N/ CH CH, \ÜH Methyl-pyridyl-ammonium hydroxyd. Interessanterweise vermögen nicht alle Tiere diese Synthese zu voll- ziehen, i) Das Vorkommen der erwähnten Verbindung im Harn des Menschen dürfte auf zugeführtes Pyridin zurückzuführen sein, das im Tabak und im Kaffee und Tee enthalten ist.-) Auch das aus Pferdeharn gewonnene 4-Methyl-pyridin3) dürfte der Nahrung entstammen bzw. Pyridin ent- sprechen, das im Tierkörper methyliert worden ist. Ferner ist beobachtet worden, daß nach Verfütterung von Nikotin- säure im Harn Trigonellin auftritt.*) Wir sind dieser Verbindung bereits begegnet, als wir jene im Pflanzenreich vorkommenden Betaine besprachen, die sich auf bestimmte Aminosäuren zurückführen lassen &): CH HC HC C . COOK CH N Nikotinsäure=:ß-Pyridin- karbonsäure HC HC CH ^V.CO N CH -0 CH3 Betain der Nikotinsäure Trigonellin. Wichtig ist endlich die Beobachtung, daß im Harn von Hunden nach Phosphorvergiftung y-Trimethyl-aminobuttersäure^y-ßutyro- betain*') auftritt.^) Diese Verbindung geht wahrscheinUch aus Glutamin- säure hervor, wie die folgenden Formeln zeigen: ^) Emil Abderhalden uud Carl Brahni: Zeitschr. f. pliysiol. Chcinic. 62. 133 (1909). — Emil Abderhalden, Carl Bralim uud Alfred Schittenhelm: Ebenda. 59. 32 (1909). — Z. Hoshiai: Ebenda. 62. 118 (1909). — G. Tofani und Z. Hoshiai: Ebenda. 68. 83 (1910). — M. Tomitu: Biochem. Zeitschr. 116. 48, 55 (1921). ^) Vgl. z. B. F. Kutscher und A. Lohmann: Zeitschr. f. Untersuchung von Nali- rmigs- und üenußmitteln. 13. 177 (1907). ') W. Achelis und F. Kutscher: Zeitschr. f. physiol. Cliemie. 52. 91 (1907). *) D. Ackermann: Zeitschr. f. Biol. 59. 17 (1912). ') Vgl. S. 442. •) Vgl. Ji. Willstätter: Ber. d. Deutschon Chem. Gesellsch. 35. (517 (1902). ') K. Takeda: Pflüger?, Archiv, 135. 365 (1910). Kiweißstofle und ihre Baustoinc. COOH - CO., 62n CH . NH, CH., CH, COOH Gluta'minsäure /CH3 CH, .MI, CH, CH, COOH '-Aminobuttersäur e CH.. CCHo OOH OH H, 0 CH. . n(-CH, I I \CH, CH. O CH., I " co- v-Butyro-betain. Im Muskelextrakt ist eine Verbindung beobachtet worden, die einem ■; - Trimethylamino - x -oxybuttersäure - anhydrid 1) = Oxybutyro- hetain entspricht 2) und vielleicht durch Oxydation aus y-Butyrobetain entsteht. Sie ist Karnitin genannt worden. ^j CH. y CHo . X^CHo i " VCH3 3 CH., ^0 aCH.OH I CO Oxy-butyro betain. Es ist nach diesem Befunde wohl möglich, daß ^ias y-Butyrobetain einem Stoffwechselprodukt entspricht, das auch unter normalen Verhält- nissen gebildet wird, und nur infolge der Störung des Stoffwechsels nach Phosphorvergiftung in Erscheinung tritt. Aus Hunde- und Pferdefleisch ist eine Substanz, Myokynin genannt, gewonnen worden, die wahr- scheinlich ein Hexamethyl-ornithin darstellt.*) ') Früher wurde Karnitin für ein v-Trimethyl-ß-oxyhutyrobetain gehalten. ^) Vgl. S. 45:-5 und E. Engeland und F. Kutscher: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 281 (1910). — Vgl. auch W.'Gulewitsch und R. Krimberq: Ebenda. 45. 320 (1905). — h. Krimberq: Ebenda. 48. 412 (190(5): 49. 89 (1906); 50. 361 (1900/07); 53. 514 (1907); ferner R. Engeland: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 43. 2705 (1910); 54. 2208 (1921). ^) Das von Kutscher, Physiol. Zbl. 19. 504 (1905), beschriebene Novain ist nacl» Krimberg und Engeland (vgl. Zitat ^) identisch mit Karnitin. *) I). Ackermann: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 273 (1910). (j24 XXX. Vorlesiiug. Einstweilen verfügen wir noch über keine eindentigen Ergehnisse füj' die Annahme, daß Methvlierungen im tierischen Organismus unter nor- malen \'erhältnissen eine große Rolle spielen. Die Beobachtung, daß methy- lierte Produkte nur schwer angegriffen werden, spricht eher dagegen. ') Sehr wahrscheinlich verdankt das Adrenalin, auch Suprarenin genannt, ebenfalls der Methylierung einer ohne Zweifel aus einer aro- matischen Aminosäure hervorgegangenen Verbindung seine Entstehung. Es kommt ihm die folgende Struktur zu:-'^) CH OH . <^'^\' • CH (OH) . CH, . NH . CH^. OH . c. Ich CH Adrenalin = ">. 4-l)ioxyphenyl-methylaminilthanol. Das Adrenalin wird vom Mark der Nebennieren gebildet. Es wirkt auf alle Organe, die vom N. sympathicus innerviert werden. 0000001 g dieser \'erbindung pro Kilogramm Körpergewicht bewirken noch deutliche Erhöhung des Blutdruckes. Sie wird durch Zusammenziehung der Blut- gefälJemuskulatur bewirkt. Adrenalin wirkt für manche Drüsenzellen als Reiz. Es sei auch daran erinneit, daß es bei Zufuhr größerer Mengen davon zur HyperglukJimie mit nachfolgender Glukosurie kommt.*) Sehr interessant ist die Beobachtung, daß das in der Natur vorkommende linksdrehende Adrenahn ■■) wirksamer ist als die synthetisch gewonnene Razemform (dl-Adrenalin). Die vergleichende Untersuchung des 1- und d-Adrenalins brachte bald die Aufklärung dieser Erscheinung. Die in der Natur nicht vorkommende d-Komponente ist nämlich im vollständig reinen Zustande ') Vgl. dazu AckernuDui uiul F' Kutscher: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 26(S - . C . GH., . GH., . NH., + ()—>► C . GH (OH) . GH., . NH2 + CH3 . OH — H, 0 — >- . G . GH (OH) . GH., . NH . GH3. Es würde somit in bekannter Art zunächst durch Kohlensäureabspal- tuug z. B. aus Tyrosin p-Oxyphenyläthylamin entstehen. Dann folgt Oxyda- tion am [i-Kohlenstoffatom — sie kann natürlich auch vorausgehen — , und scliließlich wird die NH.,- Gruppe durch eine Methylgruppe besetzt. Gleich- zeitig müssen in 3, 4-S"tellung des Benzolkernes OH-Gruppen eintreten. Das Adrenalin läßt sich durch zahlreiche Farbreaktionen fest- stellen. Seine saure Lösung färbt sich auf Zusatz von Eisenchlorid pracht- voll grün. Diese Farbe geht auf Zusatz von Alkali in Karminrot über. Zur Feststellung der Anwesenheit von Adrenalin sind auch biologische Methoden ausgearbeitet worden. Bringt man z. B. eine ganz verdünnte Lösung davon auf das Auge z. B. eines Frosches, dann tritt bald Erweiterung der Pupille ein. Oder man läßt die Lösung auf Blutgefäße wirken und verfolgt ihre Verengerung direkt oder indirekt dadurch, daß man die Menge des in der Zeiteinheit ausfließenden Blutes bestimmt. Erfolgt Zusammenziehung der Blutgefäße, dann nimmt sie ab. Adrenalin wird als Polyphenol leicht verändert. Seine zunächst farblosen Lösungen beginnen sich besonders bei alkalischer Reaktion bald zu färben. Es tritt zunächst Rotfärbung auf. Schließlich entstehen braune bis fast schwarze Färbungen, die zum Teil Produkten entsprechen, die in Wasser schwer oder ganz unlöslich sind. Beim Studium der Wirkung von Adrenalin auf den tierischen Organismus ») Vgl. Emil Abderhalden uud Ernst Gellhorn: Pflügeri, Archiv. 196. 607 (1922). 2) Vgl. hierzu Arthur Ciishni/ : The .Jouru. of Physiol. 37. IHO (1908). — Emil Abderhalden und Franz Müller: Zei'tschr. f. physiol. Chemie. 58. 185 (1908). — E. Abder- halden und Friedrich Thies : Ebenda. 59. 22 (1909). — E. Abderhalden uud Slavu: Ebenda. 59. 129 (1909). — E. Abderhalden uud Karl A'aM/^.scA: Ebenda. 61. 119 (1909). — E. Abderhalden, Karl Knutzsch uud Franz Müller: Ebenda. 62. 404 (1909). — Watermann : Ebenda. 63. 4 (1909). •') ./. J. Abel uud JJ. J. Macht: Journ. of pharm, and experim. therap. 3. 319 (1912). •*» Eigene Versuche, die Menge des von Bufo agua horvorgebrachton Adrenalins durcli sulikutane Zufuhr von riienylalaniu und Tyrosin zu bccintlusseu, ergaben kein eiuiieutiges Resultat, auch dann nicht, wenn die erwähnten Aminosäuren in die soge- nannte T'arotisdrüse direkt eingespritzt wurden. ') Vgl. hierzu auch E. Friedmann: Hofmeister>i Beitr. 8. 9.0 (1906). Abderhalden, Physiologische Chemie. I.Teil, 5. Aufl. 40 ^326 XXX. Vorlesung. bzw. auf bestimmte Organe wird man sich die Frage vorlegen müssen, ob unverändertes Adrenalin bestimmte Erscheinungen hervorruft oder aber, ob sie aus ihm hervorgehenden Umwandlungsprodukten zukommen. Wir werden bei der Besprechung der Funktion der Nebennieren er- fahren, welche Bedeutung dieser so wirksamen Substanz im Haushalt des Organismus zukommt. Hier wollen wir uns mit der Feststellung begnügen, daß bestimmte Zellen des tierischen Organismus imstande sind, derartige Substanzen zu bereiten und an die Blutbahn abzugeben. Wir wissen be- stimmt, daß noch viele Zellarten Stoffe bilden, die dazu bestimmt sind. in anderen Organen eine bedeutsame Rolle zu spielen. Leider kennen wir sie noch nicht genau. Beobachtungen an der Hypophyse^) sprechen dafür, daß Amine in Betracht kommen. Man dachte an das Imidazolyl-äthylamin, doch sprechen die Eigenschaften der isolierten Produkte dagegen. 2) Daß p-Oxyphenyl-äthylamin im Sekret der Speicheldrüsen der Kephalo- poden vorkommt und dieses ihm seine Wirkung verdankt, haben wir schon erwähnt. 3) Es unterliegt keinem Zweifel, daß man noch manche Bezie- hungen von Aminosäuren zu Sekret- und Inkretstoffen finden wird. Vor allem wird man dem Tryptophan erhöhte Beachtung schenken müssen. Als ein interessantes Derivat des Tryptophans hat sich der Purpur- farbstoff ergeben. Er ist im Sekret der Hypobranchialdrüse der Purpur- schnecken enthalten. Dieses nimmt bei Belichtung eine prachtvolle rot- violette Färbung an. Der Farbstoff hat die Konstitution eines 6, 6-Di- bromindigo.*) Die nahe Verwandtschaft dieser Verbindung mit dem Tryptophan ergibt sich ohne weiteres aus seiner Formel und der früheren Feststellung über die Bildung des Indigos im Harn durch Oxydation von Indoxyl:^) CH HO- CH /\ €— CO CO— C CH Br.C C C C C C.Br \/\/ \/\X CH NH NH CH Wir haben mit der Feststellung der nahen Beziehungen bestimmte)- Inkretstoffe zu Aminosäuren und der Erörterung der Umwandlung des Glykokolls in Cholin bereits Anhaltspunkte dafür gewonnen, daß die Amino- säuren außer als Bausteine des Eiweißes im tierischen Organismus noch andere Aufgaben zu erfüllen haben. Es wird dies ganz besonders klar, wenn wir der Beziehungen der Aminosäuren zu den Kohle- hydraten gedenken. Wir brauchen hier nicht mehr auf deren Art einzu- gehen.«) Wir haben sie schon wiederholt erörtert und gesehen, daß zwar ') Vgl. u. a. Ilerniatin Fühner: Therap. Monatsh. März 1913. ^) Markus Guqqenheim: Biochem. Zeitschr. 65. 189 (1914). =*) Vgl. S. 599.' *) P. Friedländer : Ber. d. Deutschen Ghem. Ges. 42. 765 (1909); Monatsh. f. Ghcni. 30. 247 (1909); Ber. d. Deutschen Chem. Ges. 55. 1655 (1922). 5) Vgl. S. 516, 8) Vgl. hierzu S. 135 ft'. Eiweißstoft'e und ihre Bausteine. 627 nicht alle Aminosäuren Bausteine zur Bildung von Glukose liefern können, doch wird der größere Teil davon in diese übergeführt. Üb auch Bezie- hungen zu den höheren Fettsäuren bestehen, wissen wir zurzeit noch nicht. Glyzerin kann leicht aus Alanin und Serin hervorgehen und ferner aus allen Aminosäuren, die zu einer Dreikohlonstoffkette abge- baut werden können. Niedere Fettsäuren treten sicher unter den Abbaustufen der Aminosäuren auf. Wir wenden uns nun zu den wichtigsten jener Stoffwechselprodukte, die ihrer ganzen Konstitution nach Beziehungen zu bestimmten Amino- säuren aufweisen, für die jedoch ein eindeutiger Beweis für ihre Zuge- hörigkeit zu solchen noch nicht erbracht ist. Zunächst sei Verbindungen gedacht, die Beziehungen zum Guanidin, C=NH , haben. ^NH . CH Aus Harn sind Monomethvl-i), C==NH , undasymmetrisches \NH., /N.(CH3), Dimethylguanidin -), C=NH , isoliert worden. Die erstere Verbin- \NH, düng ist nach Phosphorvergiftung und ferner bei verbrühten Tieren in größerer Menge im Harn beobachtet worden. 3) Beide scheinen in geringen Mengen immer in diesem vorzukommen. Methylguanidin findet sich auch im frischen Muskel.^) Es ist bis jetzt nicht geglückt, die Herkunft der beiden Methylguanidine aufzuklären. Man könnte daran denken, daß sie mit dem Arginin in Zusammenhang stehen. Diese Aminosäure ist eine a-Amino-S-guanidino-valeriansäure: /NH, C^NH \nH . GH., . CH2 . GH. . CH . COOH. Guanidingruppe NH, Würde eine Spaltung dieser Aminosäure an der durch die punktierte Linie bezeichneten Stelle eintreten, dann würden Guanidin und /.-Amino- valeriansäure, bzw. wenn eine Hydrolyse eintreten würde, eine a-Amino-'^- oxy valeriansäure entstehen : *) ]V. Achelis: Zeitschr. f. phjsiol. Chemie. 50. 10 (1907). — F. Kutscher und A. Lohmunn: 49. 81 (190(5). — R. Kngeland: Klieuda. 57. 49 (1908). — Arthur James Eu'ins [Biochem. Journ. 10. 10.3 (1917)] macht darauf aufmerksam, daß Methylguauidin aus Kreatiu entsteheu kauii, weuu mau zu seinem Nachweis die Siihermethode anwendet. 2) K. Takeda: I'ßüyer?, Archiv. 115. 38ö (1910). — M. llciide: Zentralbl. f. l'hysiol. 25.441 (1911). «) R. Engeland: Zeitschr. f. phjsiol. Chemie. 57. 49 (1908). •*) R. Krimberq: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 4S. 412 (1901)). — Vgl. auch (f7. Cu- Irwitsch: Ebenda. 47. 475 (1906). — J. Smorodinzew: Ebenda. 80. 218 (1912); 87. 12 (1913). 40* (528 XXX. Vorlesung. C^NH \NH . CH., . GH., . CHo . CR . COOH +H2 0 = NH2 /NH., C^NH \NH2 + CH, . CH-, . CHo . CH . COOH. I I OH NH., Vorläufig fehlt für eine solche Annahme jede experimentelle Grund- lage. 1) Zwei weitere, unter sich in engem Zusammenhang stehende Guanidin- derivate sind das Kreatin und sein Anhydrid, das Kreatinin. Sie haben die folgende Konstitution: /NHo /IsH- C^NH C^NH ^^ \N (CH3) . CH2 . COOH \N (CH3J . CH., . CO Kreatin Kreatinin. Das Kreatin, das von Chevreul in der Fleischbrühe entdeckt worden ist, ist im tierischen Organismus 2), von allen Geweben in den Skelett- muskeln in größter Menge (etwa 0'55 — OAOg)'^) enthalten. In kleineren Mengen ist es in allen Organen*) und auch im Blutplasma^) aufgefunden worden. Im Harn kommt es unter normalen Verhältnissen meist nur in geringer Menge vor.^) An seiner Stelle findet man sein Anhydrid, das *) Erwähnt sei, daß aus Fleischextrakt und aus Harn vou Kutscher mehrere Ver- binduiigea isoliert worden sind, die mit dem Gluanidin in Zusammenhang stehen. Ihre Struktur ist jedoch nicht eindeutig aufgeklärt, und in vielen Fällen läßt sich nicht ent- scheiden, ob die isolierten Verbindungen einheitlich waren. So beschreibt er z. B. einen Körper der Struktur; ^N (CH3) . CH., . GH2 . NH . C/^^Jjs als Vitiatiu [Zentralbl. f. Physiol. 21. 33 (1907)]. ") Auch im Pflanzenreich kommt Kreatin vor. Vgl. Sullimn: Journ. of the Americ. Chem. Soc. 33. 2035 (1911). — Schrei/: Ebenda. 34. 99 (1912). — Antonof: Zeitschr. f. Bakteriol. I. Abteilung. 43. 209 (1907). ') Slädeler: Jahresber. d. Chemie. 543 (1857). — ./. C. Beker : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 87. 21 (1913). *) Ph. Shafcr: Journ. of biol. Chem. 18. 525 (1914). — V. C. Myers und M. S. Fine: Ebenda. 14. 29 (1914). S) Vgl. z. B. ./. Liebig: Liebim Anualen. 62. 257, 282 (1847). — Gregory: Eben- da. 64. 100 (1847). — Schiossberger: Ebenda. 66. 80 (1848). — Prize: Ebenda. 76. 362 (1850). — C. J. C. van Noogenhiiyze und JI. Verploei/h: Zeitschr. f. physiol. Chem. 46. 433 (1905). — J. F. hyman: Journ. of biol. Chem. 5. 125 (1908). — J. C. Beker: Zeit- schrift f. physiol. Chem. 87. 21 (1913). — Vgl. u. a. Joh. Feigl: Biochem. Zeitschr. 81. 14 (1917). Er findet im Blute als liüchsteu Normalgehalt 2 0 mg Kreatinin und 5 bis \Omg Kreatin in 100 nw' davon. Bei Kindern ist der Gehalt geringer. (Joh. Feigl: Bioche- mische Zeitschr. 84. 264 (1917). — Vgl. ferner W. C. Rose, J. St. Dimmitt und IL L. Bartlett: Journ. of biol. Chem. 34. 601 (1918). — 0. Biesser: Z. f. physiol. Ciiem. 120. 189 (1922). ») Vgl. F. P. Cathcart: Journ. of Thysiol. 39. 811 (1908). — Shaffer: Americ. Journ. of I'hysiol. 23. 1 (1908). — Noiil Pnton: .lourn. of Phvsiol. 39. 485 (1910). Eiweißstofte luul ihre Bausteine. (329 Kreatinin. Es wird sicher im Organismus aus Kreatin gebildet ^j und zwar ist die vorhandene Reaktion für seine Entstehung maligebend. Bei saurer Realition geht Kreatin vollständig in Kreatinin über. Bei alkalischer Reaktion vollzieht sich der umgekehrte Vorgang, jedoch unvollständig. 2) Das Kreatin kann seiner Struktur nach als eine a.-Methylguani- dinoessigsäure aufgefaßt werden. Beim Kochen mit Barytwasser zerfällt es in Harnstoff, Methylglykokoll = Sarkosin und w-eitere Zersetzungs- produkte. Es läßt sich aus Sarkosin und Zyanamid darstellen*): /NH^ H.NlCHa) /NH., C^N + I —y ('=NH CH. . CüOH \N (CH,) . GH., . COOH Zyanamid*) Sarkosin = Methyl- Kreatin. glykokoll. Es ist trotz aller Bemühungen bis jetzt nicht gelungen, die Herkunft des Kreatins bzw. Kreatinins vollständig aufzuklären. Früher nahm man an, daß beide Verbindungen in direkten Beziehungen zu dem mit der Nahrung aufgenommenen Kreatin und Kreatinin stehen. Auch die Milch enthält Kreatin. Eine andere Quelle sollte für beide Verbindungen nicht in Frage kommen. Als wesentlichstes Resultat der jüngsten Forschungen über die Herkunft des Kreatins ist die P'eststellung zu bezeichnen, daß es in den Geweben aus anderer Quelle als aus zugeführtem Kreatin und seinem Anhydrid gebildet w'erden kann. Auch dann, wenn keine Nahrung aufgenommen wird, kommt es zur Ausscheidung von Kreatin bzw. von Kreatinin.^) Die Menge des im Harn zur Ausscheidung gelangenden Kreatinins ist für jedes Individuum auffallend konstant'"'), wenn man das mit der Nahrung zugc- führte Kreatin und Kreatinin bei der Beurteilung des im Harn erscheinen- den Kreatinins in Betracht zieht bzw. die Bestimmungen bei hungernden Individuen ausführt. Pro Kilogramm Körpergewicht werden ungefähr 19 — 30 mg Kreatinin in 24 Stunden ausgeschieden. Sehr unsicher ist immer noch, ob in den (jeweben Kreatin bzw. Kreatinin zum Abbau ') C. A. Pekelharing und ('. J. ('. van Hoogcnlmyzc: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 395 (1910). — Viktor C. Mi/ers und Morris S. Fine: Jnuru. of biol. Chemie. 21. 383 (1915). ") Vgl. Ä. Huhn und Georg Barkan: Zeitschr. f. IJiol. 72. 25, 305 (1920). '■'■) J. Volhard: Sitzuiigsber. d. Miinchener Akad IL 472 (18(58). — Adolf Strecker: .Tahresher. über d. Fortschritte der Chemie. 686 (1868); Zeitschr. f. Chemie. 31S (1869). *) Vgl. zur Konstitutinnsfrage. i/^/iYp Colson: .lourn. Chem. Soc. 111. 554 (1917). 5) Vgl. u. a. C. Voit: Zeitschr. f. Biol. 4. 77 (1868). — G. Meissner: Zeitschr. f. rat. Medizin. 31 (3). 174 (18(58). — 0. Folin: Festschrift f. Olaf llammarsfen: Upsala. 1906. — K. Otio af Klerckcr: Biochem. Zeitschr. 3. 45 (1907). — E. P. Cathcart : Ebenda. 6. 130 (1907). — •/. B. Benedict und A. R. Diefendorf: Americ. .lourn. of I'bv- siol. 18. 362 (1907). — J. B. Leafhes: .lourn. of Physiol. 35.' 205 (1907). — C. J. ('. van Hoogenhuijze und H. Verploegh: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 57. 161 (1908). — Philip Shaff'cr: Americ. Journ. of Physiol. 23. 1 (1908). — /•-'. Mellanbi/: Journ. of Physiol. 36. 447 (1908). — Vgl. auch William C.Pose, F. 11'. /Unniiitt und Paul X. Cleatham: Journ. of biol. Chem. 26. 339. 345 (1916). «) 0. Folin: Americ. Journ. of Physiol. 13. 84 (1905). — Oliver E. Closson : Americ. Journ. of Physiol. 16. 252 (1906). — Francis Gano Benedict und Victor Cari/l Mi/ers: Ebenda. 18. 377 (1907). — CJ. ('. van Hoogen/iui/ze und //. Vorploeqh: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 57. 161 (1908); 59. 101 (1909). ' (330 XXX. Vorlesung. kommt. Die Angabe, wonach die Leber diese Verbindungen zerlegen solli). wird bezweifelt.-) Bestimmt festgestellt ist, daß im Darmkanal Kreatin durch Bakterien abgebaut werden kann. Durch zahlreiche Untersuchungen ist festgestellt worden, daß die Bildung des Kreatins mit dem allgemeinen Eiweißstoffvvechsel nicht in direktem Zusammenhang steht. Exakte Bestimmungen des Kreatin- und Kreatiningehaltes des Harnes zeigten, daß sich zwischen diesen Verbindungen und dem Stickstoffgehalt des Harnes keine direkten Beziehungen finden. Dagegen glaubten manche Forscher aus verschiedenen Beobachtungen den Schluß ziehen zu dürfen, daß das Kreatin jenem Eiweiß entstammt, das in den Zellen zum Abbau kommt und vorher Zelleiweiß gewesen ist.») Vom Darme aus resorbierte Aminosäuren würden somit nach dieser Annahme nicht direkt zur Bildung von Kreatin Verwendung finden können. Es liegen jedoch keine eindeutigen Beweise für die Annahme eines solchen Ablaufs des Kreatinstoffwechsels vor. Er würde voraussetzen, daß der Abbau der eigentlichen Zellproteine zu anderen Produkten führt, als wenn z. B. Um- satzeiweiß zur Zerlegung kommt, oder aber es müßten am Aufbau be- stimmter Gewebsproteine Atomkomplexe beteiligt sein, die bei ihrem Ab- bau zu Kreatin führen. In der Tat liegen Beobachtungen vor, wonach in den Muskelzellen kolloide Verbindungen sich finden sollen, aus denen sich Kreatin abspalten läßt, i) Diese sollen bei der Muskelarbeit zerfallen. Vielfach wird die Meinung vertreten, daß das Kreatin ein typisches Stoffwechselprodukt der Muskelzellen sei.^] Man hat auch die Ver- mutung ausgesprochen, daß es in irgend einer Weise die Muskelkontrak- tion beeinflusse. Es liegen jedoch keine eindeutigen Ergebnisse für eine solche Annahme vor.") Manche Forscher sind der Ansicht, daß das Kreatin ') F. GottUeh und R. Stangassiiiger: Zeitschr. f. physioi. Chemie. 52. 1 (1907); 55. 322 (1908). ~ R. Statt gassinger: Ebeuda. 55. 295 (1908). — Ä. Rothmann: Ebenda. 57. 131 (1908). — E. Meilanhg: Jouru. of Physioi. 36. 447 (1908). — C. A. Pekelharing und C. J. C. van BooqenJivi/zc: Zeitschr. f. physioi. Chemie. 69. 395 (1910). — Vgl. dazu auch J. C. Beker: Ebeuda 87. 21 (1913). — Frank P. UnderhiU [E. J. Bamnann, L. Jean Bogert] (Journ. of biol. Chem. 27. 127, 141, 147, 151, IGl) will einen engen Zusammenhang der KreatinausscheiduDg und der sog. ,,Azidosis" gefunden haben. Nach Alkalizufuhr nahm die Kreatinmenge im Harn ab, um schließlich ganz zu verschwinden. W. Denis und A. S. Minot [J. of biol. Chem. 37.245 (1919)] bestreiten die erwähnten Beobachtungen. ^) Vgl. u. a. E. London und Bojarski: Zeitschr. f. physioi. Chemie. 62. 4(35 (1909). — O. Folin und IV. Dems: Journ. of biol. Chem. 12. 141 (1912). •0 L. B. Mendel: Science. X. F. 29. 584 (1909). — L. B. Mendel und \V. C. Rose: .Journ. of biol. Chem. 10. 249 (1911). — Vgl. auch Steenbock und Gross: Journ. of. biol. Chem. 36. 265 (1918). — William C. Rose, J. St. IHmmift und H. L. Bartlett: Journ. of biol. Chem. 34. 601 (1918). *) R. Gottlieh und R. Stangassinger : 1. c. Diese Seite, Zitat '). ^) Vgl. R. H. Hahn: Pflüger^ Arch. 177 (1919). — Max Bürger: Zeitschr. f. d. gesamte experim. Med. 9. 262 (1819). «) Vgl. u. a. A. Gregor: Zeitschr. f. physioi. Chem. 31. 98 (1900). — S. Weber: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 58. 93 (1908). — E. Mellanby: Journ. of Physioi. 36. 447 (1908). — Ph. A. Shafj'er: Americ. Journ. of Physioi. 23. 1 (1908). — C. A. Pekelharing und ra« Hoogenhuyze : Zeitschr. f. physioi. Chem. 64. 262 (1908). — 0. r. Fürth und Karl Schwarz: Ebenda. 30. 413 (1910). — C. A. Pekelharing: Zeitschr. f. physioi. Chem. 75. 207 (1911). — ]'. Scaffidi: Biochem. Zeitschr. 50. 402 (1913). — Vgl. ferner ^'ictor C. Myers und Morris S. Eine: Journ. of. biol. Chem. 14. 9 (1913); 15. 183, 305 (1913); 16. 1()9 (1913). — Vgl. auch Otto Folin und If^ Denis: Journ. of biol. Chem. 17. 493(1914). — 0. Riesser: Zeitschr. f. physioi. ('hem. 86. 145 (1913); Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 80. 183 (1916). — Vgl. auch J. G. D. de Barenne und D. G. ('. Terraert: Pßügers Arch. f. d. ges. Physioi. 195. 370 (1922). Eiweißstott'e und ihre Bausteiue. 631 Einfluß auf den Tonus der Muskeln habe. Gewiß nicht ohne Bedeutung ist der Umstand, daß der Kreatingehalt der Muskeln um so größer ist, je reicher sie an quergestreiften P'ibrillen sind und je rascher der Verlauf ihrer Kontraktion ist. In gleichnamigen Muskeln ist der Kreatingehalt innerhalb ein und derselben Tierart unter normalen Verhältnissen inner- halb enger Grenzen ein auffallend konstanter, i) Da wir weder wissen, aus welchen Verbindungen Kreatin entsteht, und was aus dem Teil von ihm in den Geweben wird, der zum Abbau kommt, so können wir zurzeit auch nicht erwarten, einen klaren Einblick in den Kreatin- bzw. Kreatininsto ff Wechsel zu erhalten. Es sind noch zu viele Vorfragen von grundlegender Bedeutung zu lösen. Es ist bei dem jetzigen Stand der ganzen Forschung auf diesem Gebiet richtiger, die großen Lücken, die noch vorhanden sind, klar hervorzuheben, als sie durch bestimmte Vorstellungen rein hypothetischer Art zu überbrücken. Wir wollen uns nur noch die Frage vorlegen, welche Aminosäuren als Aus- gangsmaterial für die Bildung des Kreatins in Frage kommen könnten und ferner, was für Verbindungen bei seinem Abbau zu erwarten sind. Zunächst könnte man daran denken, daß das Kreatin mit dem Arginin in Zusammenhang steht und aus diesem durch die übliche Art des Abbaues von Aminosäuren hervorgeht: C^NH / CH, /NH, C^NH \NH / GH., CH. CH, CH, i CH . NH, CH, I CH, . NH, NH, -f 2 0 COOH — CO., Arginin Agi matin /NH^ C^NH \NH / CH2 /NH, C^NH \NH / CH2 /NH, C^NH \N (CH3) ca ßCH., -> 1 COOH —y COOH :cCH2 COOH Y-Guanidino- Guanidino- Me thyl -guanidino- buttersäure essigsäure essigsaure = Kreatin = Gly kozyamin ») 0. Biesser: Zeitschr. f. physiol. tlhem. 120. 189 (1922). Ö32 XXX. Vorlesung. Diese Art des Abbaus des Arginins ist bis jetzt nicht festgestellt. Wir kennen einstweilen nur diejenige über Ornithin und Harnstoff durch die Arginase.i) Bei dieser Zerlegung des Arginins kann selbstverstimd- lich nicht an eine direkte Beziehung dieser Aminosäure zum Kreatin gedacht werden. Es ist jedoch ganz gut möglich, daß in bestimmten Zellen oder auch allgemein unter ganz bestimmten Bedingungen der Abbau des Arginins auf die oben beschriebene oder eine ähnliche Art verläuft. Da- durch würde erklärt, weshalb die Bildung des Kreatins von der Menge des zugeführten Arginins nicht ohne weiteres abhängig ist. Da nun die Leber jenes Organ ist, das Arginase enthält, so wird es verständlich, weshalb es so schwer ist, durch Fütterungsversuche mit Arginin den Beweis zu führen, daß diese Aminosäure die Muttersubstanz des Kreatins ist. Neuere Ver- suche machen diese Beziehung wahrscheinlich. 2) Selbst in der Leber scheint eine Kreatinbildung stattzufinden. 3) Von Interesse ist in dieser Hinsicht auch die Beobachtung, daß bei den Insekten und Krustazeen Arginin vor- kommt, dagegen Kreatin ganz fehlt. Melolontha vulgaris enthält freies d-Arginin.*) Jaffe hat sich die Frage vorgelegt, obGlykozyamin = Guanidino- essigsäure in Kreatin übergehen kann.^) Die Ergebnisse der Versuche verschiedener Forscher stimmen nicht überein. Die Frage ist somit noch eine offene.*') Eine weitere Aminosäure, die gewisse Beziehungen zum Kreatin bzw. Kreatinin erkennen läßt, ist das Eis tidin: COOK CH . NH2 CH2 I C N CO— NH COOK %CH Nc = NH + H2 0 — >► CH— NH CH,— N (CH,) CH^ . N (CH,) Histidin = Kreatinin Kreatin. [i-Imidazolyl- a-aminopro- pionsäure Der Imidazolring des Histidins könnte, wie die vorstehenden Formeln zeigen, das Ausgangsmaterial zur Bildung des Kreatins bilden. Erwähnt sei, daß in diesem Fall auch die Purinbasen als Quelle für Kreatinin in ') Vgl. S. 320. 2) Vgl. hierzu: \V. U. Thompson: J. of Physiol. 51. 111, 347 (1917). — L. Ban- mann und J[. M. Hines: Zeitschr. f. biol. Cliera. 35. 75 (1918). ») K. Inoui/e: Zeilschr. f. phvsiol. Chem. 81. 71 (1912). *) I). Ackermann: .1. of Biol 73. 319 (1921). •') M. Joffe: Zeitschr. f. physiol. Chem. 48. 430 (1906). — G. Dornet-: Ebenda. 52. 226, 5 (1907). *) Vgl. auch die Versuche, einen Zusammenhang des Kreatins mit Guanidin herzustellen. Achelis: Zeitschr. f. physiol. Chem. 50. 16 (1906). — Geor^/e M. Wichart: .Jotirn. of Physiol. 53. 480 (1920). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 633 Betracht kommen würden. Sie enthalten nämlich, wie wir gleich erfahren werden, auch den Imidazolring. Es ist jedoch bis jetzt nicht gelungen, derartige Beziehungen zwischen Kreatin und dem Imidazolring durch den V^ersuch nachzuweisen. i) Man hat endlich auch daran gedacht, daß Cholin eine Muttersubstanz des Kreatins sein könnte.-) Endlich ist noch eine synthetische Bildung des Kreatins möglich. Sie könnte von GlykokoU ausgehen. Es fehlt jedoch zurzeit noch jeder Hinweis auf einen solchen Aufbau. Daß jedoch die Bildung des Kreatins für viele Zellen einen ihnen geläufigen Vorgang darstellt, beweist die Beobachtung, daß manche Bakterienarten diese Verbindung bilden.^) Was nun den Abbau des Kreatins anbetrifft, so ist es nahe- liegend, an eine Spaltung in Sarkosin und Harnstoff zu denken. Die erstere Verbindung ist bis jetzt in den Geweben nicht aufgefunden worden. Es wäre möglich, daß von ihr aus Cholin gebildet wird, und sie so der Beobachtung entgeht. Die einzige Feststellung genau bekannter Spal- tungsprodukte aus Kreatin bzw. Kreatinin verdanken wir Ackermann.*) Er fand, daß Bakterien aus Kreatinin N-Methylhydantoin bilden: /NH\^ /NH\ C^NH ^\ -fH^O — NH3— >► C=0 ^\ \N . CH, . CO N . CHc . CO oder CH3 CH3 Kreatinin Methyl-hydantoin /NH\ /NH2 Cf=NH \ +H., 0 —y C^NH +H., 0 \N . CH, . CO \N . CH., . COOH CH3 CH3 Kreatinin Kreatin C^O + CH.3 . COOH \NH, NH . CH3 Harnstoff Sarkosin = MethylglykokoU. /NH, CH, C^O -f 1 . CO()H /NH, -^ C^O \N . CH. . COOH — Ha 0 - NH3 \NH.2 NH . CH3 1 CH3 Harnstoff Sarkosin Methyl-hydantoin säure *) Vgl. auch H. Steudel und R. Freise: Z. f. physiol. Cheni. 120. 244 (1922). ^) Otto Riesser: Zeitschr. f. physiol. Chem. 86. 415 (1913); 90. 221 (1914). — liaamann und Hines: Journ. of biol.Chem.31. 549 (1917); 35. 75 (191S). — II'. F.Shanks: .lo'irn. of Physiol. 55 (1921). ^) Vgl. z. B. N. Antonoff: Zentralbl. f. Bakteriol. 43. 209 (1907). *) I). Ackermann: Zeitschr. f. Biol. 62. 208 (1913). g34 XXX. Vorlesimg. C— 0 \n . CHo .^CO CH3 Methylhydantoin. N-Methylhydantoin kann, wie die vorstehenden Formeln zeigen, unter Wasseraufnahme und Ammoniakabspaltung aus dem Kreatinin hervorgehen. Es ist jedoch auch möglich, daß zuerst unter Wasseraufnahme Harnstoff und Sarkosin sich bilden, und daß letzteres wieder mit ersterem unter Ammoniakaustritt in Reaktion tritt. Eine weitere Möglichkeit des Abbaus des Kreatinins bzw. Kreatins könnte zu Methyl guanidin führen. Dieses könnte weiterhin die Muttersubstanz des schon erwähnten Dimethyl- guanidins sein.^) Wir kennen weiterhin zwei Verbindungen, die mit größter W^ahr- scheinlichkeit auf Histidin zurückzuführen sind. Es sind dies das Karnosin und die Urokaninsäure. Die erstere Verbindung ist im Fleisch und im Fleischextrakt aufgefunden worden. Bei ihrer Spaltung werden Histidin und Aminopropionsäure erhalten.^) Die letztere ^'erbindung erwies sich als nicht mit Alanin identisch. Sie ist vielmehr eine in ß-Stellung substituierte Propionsäure: CH, . C^Ho . COOH i NH, ß-A min opropion säure. Wir sind dieser Verbindung bereits begegnet, als wir vom Abbau der Asparaginsäure durch Bakterien sprachen. 3) Diese Aminosäure geht unter Abspaltung von Kohlensäure in fi-Amino-propionsäure über: COOH - COo I CH.NH2 CH, .NH, I — ^ I ' " CH2 CH2 I I COOH COOH Asparaginsäure ß-Aminopro- pionsäure. ») Vgl. S. 627. ^) M7. Guhwitsch und Amiradzihi: Ber. d. Ueutscheu Chem. Gesellsch. 33. 1902 (1900); Zeitschr. f. physiol. Chem. 30. 565 (1900). — It. Krimberq: Ebenda. 48. 412 (1906). — Wl. Gulewitsch: Ebenda. 50. 204, 535 (1906/07); 73. 434 (1911); 87. 1 (1913). — J. Smorodinzew. Pil)enda. 87. 12 (1913). — \^gl. auch ül)er das Vorkommen: (). r. Fürth und Karl Schwarz: Biochem. Zeitschr. 30. 414 (1911). — Marie Mauthner: Monatsh. f. Chem. 34. 269 (1913). =•) Vgl. S. 453. Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 685 Das Karnosin hat die Struktur i) eines [i-Alanyl-histidins: Histidinrest HC = C . CH, . CH . CUOH HN N \/ CH NH . CO . CH, . CHg . NHo Ö-Alaninrest Im frischen Fleisch wurden etwa O'o« o Karnosin gefunden.-) Die Urokaninsäure ist im Hundeharn entdeckt worden. 3) Sie scheint nur äußerst selten aufzutreten. Sie ist ferner beim Abbau von Histidin durch Bakterien der Coli-Typhusgruppe beobachtet worden.*) Die Vermutung-, daß die im Harn von Hunden auftretende Urokaninsäure auf die Einwirkung von Darmbakterien auf Histidin zurückzuführen sei und nicht in den Geweben entstehe, konnte durch Fütterungsversuche mit der genannten Aminosäure als nicht bewiesen erwiesen werden.») Nach Hunter ^) kommt dieser Verbindung die Struktur einer [i-Imidazolyl- akrylsäure zu. Eine Gegenüberstellung der Formel dieser Verbindung und derjenigen des Histidins zeigt, daß die erstere durch Ammoniak- abspaltung aus letzterer entstanden sein. kann: CH— NH \ / C N I CH, CH CH— NH > C N I CH CH CH . NH, — NH. CH COOH COOH Histidin = ß-Imida- Urokaninsäure = zolyl-a-aminopro- ß-Imidazolyl-akryl- pionsäure. säure. Endlich sei noch der Rhodan wasserst off säure, CNSH. gedacht. Sie ist von Gscheidhn ') in geringer Menge im Harn des Menschen, von Pferden, Rindern, Hunden, Katzen und Kaninchen aufgefunden worden. *) Louis Baumann und Thorsten Inf/waldsen: Jouru. of biol. Chem. 35. 263 (1918). — Vgl. auch a. Barger und Frank Tutin: Biochem. J. 12. 402 (1918). ^) Otto r. Fürth und 'Iheodor Hryntschak : Biochem. Zeitschr. 64. 172 (1914).— Vgl. über die Verbreitung des Karnosins im Tierreich : W. M. Clifford: Biochem. Journal 25. 725 (1921). 3) M. Jaffe: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 7. 1669 (1874). — M. Siegtried : Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. B99 (1898). ■*) Harold Raistrick : Biochem. Journ. 11. 71 (1917). 5) Y. Kotake und M. Konishi: Z. f. physiol. Chem. 122. 230 (1922). «) Andrew Jlunter: Journ. of biol. Chem. 11. 537 (1912). — Vgl. dazu auch B. Barger und Ä. J. Fivins : Journ. of the Chem. Soc. 99. 2336 (1911). ') R. Gscheidlen: Tagblatt der 47. Versammlung deutscher Naturf. und Ärzte in Breslau (1874): Pfitk/er?. Archiv. 14. 401 (1877). — /. Munk: Virchows, Archiv. 69. 354 (1877). 636 XXX. Vorlesung. Sie findet sich auch im Parotis- und Submaxillarisspeichel des Menschen und mancher Tiere. Dem Speichel des Hundes und des Pferdes i) fehlt sie. Interessanterweise enthält der Magensaft beim Hunde und bei der Katze Rhodanwasserstoffsiiure.^) Mit dem Harn des Menschen werden im Tage etwa 0 03— 0'05 g Rhodankalium in 24 Stunden ausgeschieden. 3) Seine Menge ist bei Rauchern größer als bei Nichtrauchern.*) Über den Bildungsort der Rhodanwasserstoffsäure ist noch nichts Sicheres bekannt. Es ist möglich, daß bei manchen Tieren nur die Speichel- drüsen beteiligt sind und der in verschiedenen Organen gefundene Gehalt an Rhodansalzen auf die vom Speichel aus resorbierte Verbindung zurück- zuführen ist. Der Gehalt des Magensaftes beim Hund und bei der Katze an Rhodanwasserstoffsäure macht es sehr wahrscheinlich, daß die Zellen der Magendrüsen diese Verbindung bereiten können. Es bleibt jedoch die Möglichkeit, daß sie von anderen Organen gebildet und durch die Zellen des Magens nur ausgeschieden wird. Ebenso ist es natürlich auch denkbar, daß die Speicheldrüsen Rhodanwasserstoffsäure ausscheiden, die in anderen Geweben gebildet worden ist. Es ist bis jetzt unbekannt geblieben, wie die Rhodanwasserstoffsäure entsteht. Der Schwefel entstammt wohl sicher dem Eiweiß bzw. dem Zystin. Die Beobachtung, daß Blausäure, Zyanide und Nitrile im Tierkörper in Rhodanide übergehen, &) macht es wahrscheinlich, daß der- artige Produkte das Ausgangsmaterial zur Bildung der Rhodanwasserstoff- säure darstellen. Wahrscheinlich ist der erwähnte, erhöhte (behalt des Speichels von Rauchern an dieser Säure auf den Blausäuregehalt des Tabak- rauches zurückzuführen. Die Funktion der Rhodanide im tierischen Orga- nismus ist noch unaufgeklärt. Einige Forscher sind geneigt, sie als Schutz- stoffe aufzufassen. Es wird vermutet, daß sie antiseptische Wirkungen entfalten. Während des Hungers wurde die Ausscheidung von Rhodanwasser- stoffsäure stark vermindert gefunden. Ganz verschwand sie nicht.**) Zum Nachweis der Rhodanwasserstoffsäure benützt man die pracht- volle rote Farbe des Eisenrhodanids, Fe (CNS)3. Man gibt zu Speichel oder Harn verdünnte Eisenchloridlösung und beobachtet das Auftreten einer roten Färbung. Ganz eindeutig ist übrigens diese Probe nicht, weil auch andere Verbindungen des Harnes rote Eisensalze geben können. Beweisend für die Anwesenheit von Rhodanwasserstoffsäure ist nur ihre Isolierung. Damit hätten wir alle jene Verbindungen erwähnt, die direkt oder indirekt mit bestimmten Aminosäuren zusammenhängen. Sie gehen sehr wahrscheinlich aus solchen hervor, nachdem diese durch Hydrolyse aus ') 1. Munk: Pflüqer^ Archiv. 61. 620 (1895). '') G. Kelling: Zeitschr. f. physiol. Chem. 18. 397 (1884). — M. Nencki: Ber. d. Deutscheu Chem. Ges. 28. 1318 (1895). — M. Nencki und N. Sieb er : Zeitschr. f. i)hysiol. Chem. 32. 291 (1901). ■•*) A. Edinger und F. Clemens: Zeitschr. f. klin. Med. 59. 218 (1906). *) Fr. Kriiqer: Zeitschr. f. Biol. 37. 6 (1899). — ./. Toth: (]hemiker-Ztg. 33. 1301 (1909). — Vgl. auch A. Mayer: Deutsches Archiv f. klin. Med. 79. 209 (1904). ^) .S'. Lang: Arch. f. cxper. Path. u. Pharm. 34. 247 (1894). — Vgl. dazu: Seraßno Dezani: Arch. d. Farmac. sperim. 23. 245 (1917); 24. 189 (1917); 25. 278 (1918); 28. 115 (1918). *; S. Dezani: Arch. di Farmac. sperim. 25. 83 (1918). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 637 Proteinen entstanden sind. Der Abbau kann sich im Dannkanal oder aber in den Zellen vollzogen haben. Wir kennen nun noch eine Anzahl von Verbindungen, die nach allen bisherigen Beobachtungen sich nicht direkt von einzelnen x\niinosäuren ableiten, sondern mit hochmolekularen Eiweiß abbaustufen zusammenzuhängen scheinen. Sie finden sich beständig im Harn. Man nimmt ziemlich allgemein an, daß sie durch Oxydation von Eiweiß oder Peptonen bzw. Polypeptiden entstehen. Wir würden in diesem Fall zwei prinzipiell verschiedene Arten des Eiweißabbaues zu unterscheiden haben. Wohl der bei weitem größte Teil der Proteine wird im Zellstoff- wechsel über Peptone zu Aminosäuren abgebaut. Diese werden dann in der wiederholt geschilderten Weise weiter verwandelt. Daneben wird viel- leicht stets ein Teil des umgesetzten Eiweißes entweder direkt, oder nach- dem Peptone entstanden sind, der Oxydation und auch anderen Vorgängen unterworfen. Es würde in diesem Falle nicht zur Bildung von Aminosäuren kommen. Es ist jedoch auch ganz gut möglich, daß die unten erwähnten Produkte ihre Entstehung von Umwandlungsprodukten bestimmter Amino- säuren aus nehmen. Sie würden in diesem Falle durch Synthese entstehen. Vielleicht ergibt eine sorgfältige Analyse der durch die Darmbakterien erzeugten Eiweißabbau- und -Umwandlungsprodukte Hinweise auf die Herkunft der zu besprechenden Verbindungen. Es herrscht leider immer noch ein sehr großes Dunkel über den meisten dieser Produkte. Ihre Entdeckung verdanken wir Bondzynski und Gottlieb, i) Es seien die wichtigsten dieser Substanzen erwähnt und ihre elementare Zusammen- setzung angegeben. Hervorheben müssen wir noch, daß für kein einziges dieser mit besonderen Namen belegten Produkte der Nachweis geführt werden konnte, daß es einheitlich ist. Es sind folgende Substanzen als Bestandteile des Harns beschrieben worden 2) : Antoxyproteinsäure^): 43-21«/o C, 4-9 1 "/o H, 24-40o/o N, OGLVoS und 26-870/0O. Oxvproteinsäure*): 39-H20/0 0, 5-64o/o H. Ig-OSVo N, l-12''/o S, 35-54VoO. Alloxvproteinsäure^): 41-a3VoC, 5 TOVo H, l8-55o/o N, 2-U)Vo S und 37-23% 0. Üroferrinsäure e) : 45-4ö«/o C, 6-08VoH, 12-12»/oN, 3-46 "/o S. 32-89«/o 0. Die erwähnten Verbindungen sind dadurch ausgezeichnet, daß sie Säuren sind und in Wasser lösliche und in Alkohol unlösliche Barytsalze geben. Sie lassen sich ferner durch Quecksilberazetat bei schwach alkalischer ') St. Bondzyiiski uud R. Gottlieb: Zentrall)!, f. d. med. Wissensch. 33. 577 (1S97). — St. Bondzyiiski uud Paneh: Bull, de Pacad. des sciences de Cracovie. Octohre 1902, und Ber. d. Deutschen Chera. Ges. 35. 29.')9 (1902). — St. Bondztp'tski, St. Dombrou-s-ki und A'. I'anek: Zeitschr. f. physiol. Chem. 45. 83 (190Ö). — Fritz l'rcgl: Pflüge)-^ Archiv. 75. 87 (1899). — Vgl. hierzu auch: Wilhelm Ginsberfi: Hofmeistern Bahr. 10. 411(1907). — W. Czernecki: Anzeig. d. Akad. d. Wissensch. zu Krakau. 400 (1910). — Moriz Weiss: Biochem. Zeitschr. 27. 175 (1910). ") Weitere Säuren haben Udri [Zeitschr. f. phy.si(d.Chem. 46. 1 (1905)] uud Clo'rtta [.,Urop rotsäure-'. Arch. f. e.\per. Path. u. Pharmak. 40. 29 (1897/98)] beschrieben. ■') St. Bondzijn.tki, Dombroivski und I'anek: 1. c. S. 637. Zitat M. *) St. Bondzjfitski und R. Gottlieb: 1. c. S. 637, Zitat '). 5) St. liondzi/nski und Pane.k: 1. c. S. 637, Zitat ')■ «) O. Thiele: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 251 (1903). — Vgl. dazu auch St. Bondziffifiki: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 114 (1905). — Liebermann: Ebenda. 52. 129 (i907). 638 XXX. Vorlesung. Reaktion fällen. Die einzelnen der oben genannten Säuren unterscheiden sich durch ihr Verhalten gegenüber Schwermetallsalzen. Zur Beurteilung der Stellung dieser Produkte zum Eiweiß, zu den Peptonen und Polypep- tiden ist von größter Wichtigkeit, daß sie die Biuretreaktion nicht geben. Auch die für einzelne Aminosäuren charakteristischen Farbreaktionen fallen negativ aus. Es ist bis jetzt nicht gelungen, den einwandfreien Nachweis zu führen, daß am Aufbau dieser Produkte unveränderte Aminosäuren beteiligt sind.i) Edlbacher 2) hat bei der Zerlegung der Oxvproteinsäure Harnstoff gefunden. Es hat den Anschein, als ob außer diesem kein weiterer Baustein in Frage kommt, doch müssen noch weitere Unter- suchungen abgewartet werden, bevor ein endgültiges Urteil möglich ist. Unentschieden ist noch, in welcher Art und Weise die Harnstoffgruppen in der Oxyproteinsäure enthalten sind. Wahrscheinlich stehen die oben erwähnten Säuren in engem Zusammenhang und stellen vielleicht ver- schieden weit vorgeschrittene Zerfallsprodukte ^ eines noch unbekannten Ausgangsmateriales dar. Es ist wohl möglich, daß Studien über das Verhalten bestimmter Eiweißabbaustufen gegenüber verschiedenen Agenzien neue Wege zur Er- forschung der trotz aller Bemühungen noch immer nicht ausreichend auf- geklärten Bestandteile der sogenannten Oxyproteinsäurefraktion des Harns eröffnen. Man hat versucht, Eiweißstoffe und auch Peptone auf verschie- dene Arten, z. B. durch Anwendung von verschieden stark eingreifenden Oxy- dationsmitteln zu verändern 3) und die erhaltenen Produkte zu charakte- risieren und womöglich zu identifizieren. Es ist kaum zu erwarten, daß beim jetzigen Stande der Eiweißchemie auf diesem Wege jetzt schon fruchtbringende Ergebnisse zutage gefördert werden. Ein so kompliziert gebautes, aus zahlreichen verschiedenen Bausteinen zusammengesetztes Molekül kann bei eingreifenderen chemischen Prozessen kaum zu einheit- lichen Abbaustufen führen. Aussichtsvoller sind Versuche mit Poly- peptiden. Wir gehen dabei von Verbindungen mit bekannter Struktur aus und können dann die entstandenen Produkte mit dem Ausgangs- material in einen bestimmten Zusammenhang zu bringen suchen. So ist aus Glyzyl-glyzin bei der Oxydation Oxalyl-aminoessigsäure er- halten worden*): CH2 . CO . NH . CH2 . COOH — >► HOOC . CO . NH . CHg . COOH NH2 Glyzyl-glyzin Oxalyl-glyzin, ') Eigene Uütersuchungen machen es sehr wahrscheinlich, daß kein Aminostick- stoff in der Oxj proteiusäiiie voihaudcu ist. 2) S. Hdlhacher: /eitschr. f. phjsiol. Chemie. 120. 71 (1922). ^) Vgl z. B. Maly: Sitzungsbor der Kais. Akad. d. Wiss. in Wien. 91 (2). 157 (1885). — St. Bondzi/ii.ski und L Zoja: Zeitschr. f. physiol. Chem. 19. 225 (1894). — Fr. N. Schulz: Ebenda. 29. 8() (19 )()). - G. Zickgraf: Ebenda. 41. 259 (1904). — Otto V. Fürth: Ho/mnstira Heitr. 6. "i9B (1905). — J. Buraczewski und L. Kranze: Zeit- schrift f. physiol. Chemie. 76. 87 (1911). *) Leo I'ollak: Hofmeistern Beitr. 7. 17 (1905). — Vgl. ferner Otto FAsler: Biochcm. Zeitschr. 51. 45 (1913). Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 639 In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß Harn von Menschen bei manchen Krankheiten mit Diazobenzolsulfosäure i) bei alkalischer Reaktion unter Bildung eines roten Farbstoffes reagiert. 2) In saurer Lösung geben manche Harne mit der erwähnten Verbindung einen gelben Farbstoff. Seine Entstehung ist auf das Vorhandensein von Urobilinogen im Harne zurückzuführen. 3) Über die Muttersubstanz des roten Farbstoffes war man lange Zeit im Unklaren. Man fahndete nach einem bestimmten Bestandteil des Harnes, der mit Diazobenzolsulfosäure in Reaktion tritt. Es zeigte sich jedoch, daß verschiedene Stoffwechselprodukte mit phenol- artigem Charakter Träger der sogenannten Diazoreaktion sein können. Festgestellt wurde als eine solche Substanz Oxyindolessigsäure. *) Sie leitet sich vielleicht von Oxytryptophan ab^) oder geht aus Tryptophan hervor, wobei dieses eine Sauerstoffanlagerung im Benzolring erfahren müßte. Die Untersuchung des Harnes bei verschiedenartigen akuten und chronischen Erkrankungen unter Störung von Organfuuktionen bestimmter Art wird sicherlich noch manchen interessanten Befund bringen und Abbau- stufen von Bausteinen zusammengesetzter Verbindungen zutage fördern, die sonst dem Nachweis entgehen. Im Harn scheinen noch andere, mit dem Eiweiß im Zusammenhang stehende Verbindungen vorzukommen. So ließ sich ein schwer dialy- sables Produkt abtrennen, das bei der Hydrolyse Aminosäuren liefert. ß) Auch die schon wiederholt erwähnte Chondroitinschwefelsäure'^) ist im Harn beobachtet worden. Sie wird ebenfalls von manchen Forschern mit dem Eiweiß in Zusammenhang gebracht. Es ist jedoch fraglich, ob sie ein Produkt darstellt, das von allen Körperzellen bereitet werden kann. Es spricht manche Beobachtung über das Vorkommen der Chondroitin- schwefelsäure in bestimmten Geweben — Knorpel, Niere usw. — dafür, daß sie das Produkt bestimmter Zellarten ist. Im Harne findet man unter bestimmten Verhältnissen nur Spuren von Eiweiß.*^) Dieses entstammt den kleinen Drüschen jener Wege, die der Harn durchfließt, bis er nach außen gelangt. Enthält er größere Mengen von Proteinen, dann liegt unter allen Umständen eine Störung vor. Der Eiweißgehalt des Harnes — die sogenannte Albu- minurie, besser allgemein Proteinurie genannt — stellt nur ein Symptom dar. Die Eiweißausscheidung durch die Nieren kann durch ganz verschiedene Momente bedingt sein. Im Blute werden beständig große Eiweißmengen an jenen Zellen der Niere vorbeigeführt, die die Aufgabe ») Vgl. S. 331. '-) Paul Ehrlich: Zeitschr. f. klin. Medizin. 5. 28.i (1882); Deutsche med. Wochen- schrift. 10. 419 (1884). ^) 'Ihomas: Zeitschr. f. klin. Med. 64. 247 (1911). — Hans Fischer: Ha'oilit.- Schrift. München 1912. *) Leo Hermxmns : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 114. 79,88(1921); 122.98(1922). 5) Vgl. S. 329. *) Emil Allderhalden und Fritz Preql : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 19 (1905). ') Vgl. S. 73 und K. Ä. //. Mörner: Skaud Arch. f. Physiol. 6. 378 (1895). — iV. Eb- becke: Biochem. Zeitschr. 9. 386(1907). — K.Sasaki: Ho/meis/ers Beitr. 9. 386 (1907). — Ch. Föns: Ebenda. 9. 393 (1907); Arch. internat. de Physiol. 8. 393 (1909). 8) Vgl. hierzu K. A. U. Mörner: Skand. Arch. 6. 332 (1895). 540 XXX. Vorlesung. haben, gelöste Stoffwechselendprodukte zur Ausscheidung zu bringen. Eiweiß wird unter normalen Verhältnissen nicht durchgelassen. Man nimmt all- gemein an, daß seine kolloide Natur verhindert, daß es die Zellen der Harnkanälchen passiert und in den Harn übergeht. Die Verhältnisse können jedoch nicht so einfach liegen, denn wir kennen eine Art der Proteinurie, bei der die Niere sicher nicht primär beteiligt ist. Es ist dies die Aus- scheidung des Bence Jonesschen Eiweißkörpers.i) Er tritt namentlich bei \'orhaudensein von Sarkomen in Knochen auf. Man erkennt ihn leicht an seinem besonderen Verhalten bei der Hitzekoagulation. Er gerinnt nämlich bei Erwärmen des Harns, um dann bei höherer Temperatur wieder in Lösung zu gehen.-) Beim Abkühlen des Harns erscheint dann wieder das koagulierte Protein. Die Untersuchung der Zusammensetzung dieses Eiweißes oder besser Eiweißgemisches ergab, daß alle Aminosäuren vorhanden sind 3), jedoch in einem Mengenverhältnis, das keinem der bis jetzt untersuchten Proteine zukommt.*) Es handelt sich ohne Zweifel um Proteine, die nor- maler Weise im Blute nicht enthalten sind. Sie sind blutfremd und werden als fremdartige Bestandteile aus dem Körper entfernt.^) Es fragt sich nun, auf welche Art und Weise der Durchtritt des Eiweißes durch die Blutgefäßkapillaren und ferner die Epithelzellen der Harnkanälchen erfolgt. Muß dem Durchtritt ein Abbau zu diffundierbaren Produkten vor- ausgehen? Diese Annahme ist deshalb sehr unwahrscheinlich, weil schwer zu verstehen wäre, weshalb im Harn dann nicht diese Abbaustufen an Stelle von Eiweiß erscheinen würden. Es müßte noch im Harn zur Syn- these von Eiweiß kommen. Ein weiteres Beispiel einer Art von Proteinurie, bei der die Nieren Eiweiß durchtreten lassen, ohne offenbar selbst direkt erkrankt zu sein, ergibt die sogenannte orthostatische Proteinurie. Bei dieser beob- achten wir Eiweißausscheidung im Harn bei aufrechter Körperhaltung. Sie verschwindet beim Liegen. EndUch können wir durch sehr reichliche Zufuhr von Eiweiß Nahrungsproteine zur Resorption bringen. Das blutfremde Material wird zum Teil durch die Nieren ausgeschieden. Schließlich scheint es eine Proteinurie während der Schwangerschaft zu geben, die ebenfalls eine Ausscheidung von blutfremdem, vielleicht fötalem Eiweiß darstellt. ^j Man könnte die Frage aufwerfen, ob die Nieren nicht auch, wie beim Zucker, auf einen bestimmten Gehalt des Blutes an Eiweiß eingestellt ^) //. Bence Jones: F'hilosoph. Trausact. 1. 55 (1848); Liebigs Aunaleu. 67. 97 (1848). — W. Kühne: Zeitschr. f. Biol. 19. 209 (1883); 20. 40 (1884). — Huppert : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 22. 501 (1897). — A. Kllinger: Deutsches Arch. f. kliu. Med. 62. 255 (1898). — Magnus-Levij: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 30. 200 (1909). — F. W. Lamb :Proceed. of the Physiol. Soc. 29. Juui; Journ. of Physiol. 45 (1912). — Erich Krauss: Deutsches Archiv f. klin. Medizin. 137. 257 (1921). — F. Malengreau: Arch. internat. de physiol. 18. 151 (1921). -) Vgl. S. 396. ^) f'Jmil Abderhalden und 0. Rostoski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 125 (19U5). — Vgl. auch Alide Grutterink und Cornelia J. de Graaff: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 46. 47.^ (1905). — F. Gowland Hopkins und Horace Savory : Journ. of Physiol. 42. 189 (1911). *) Das will allerdings bei einem Gemisch von Proteinen nicht viel sagen. *) Vgl. hierzu auch A. K. Taylor, ('. \V. Miller and J. E. Sweet: J. of biol. Chem. 29. 425 (1917). — Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 106. 130 (1919). *) Vgl. Emil Abderh Iden : AbderhaJdensche Reaktion. 5. Autl. J. Springer, Ber- lin 1922. Eiweißstoüe iiud ihre Bausteine. (;)41 sind, und 'es eine Proteinurie infolge einer Ilyper proteinoplasmie i^ibt. Ferner wäre es möglich, daß die Epithelzellen der Nieren auf «inen verschiedenen Gehalt des Blutplasmas an Eiweiß eingestellt sind und manchmal Eiweiß schon dann durchtreten lassen, wenn keine Hyper- proteinoplasmie besteht. Die Nierenzellen verfügen über Fermente, die flie verschiedensten Proteinarten zerlegen können. Vielleicht besteht eine wichtige Aufgabe bestimmter Zellarten der Nieren darin, dem Blute nicht zugehörende Proteine — seien sie nun in einer zu großen Menge vorhanden oder seien sie an und für sich blutfremd (Heteroproteino- plasmie) — abzufangen und durch Abbau dem Zellstoffwechsel noch nutzbar zu machen.M In vielen Fällen werden die Nierenzellen dieser Auf- gabe gewachsen sein, in manchen wird jedoch zur raschen Entfernung dieser Proteine noch die Ausscheidung notwendig sein. Beim Abbau der Proteine in den Nierenzellen entstehen vielleicht unter manchen Umstän- den Abbaustufen, die für diese schädlich sind und sekundär zu Störungen in der Niere selbst Anlaß geben. Zu prüfen ist auch, ob die Durchlässig- keit von Nierenzellen für Eiweiß bestimmter Art in der gleichen Weise, wie wir es l)eim Traubenzucker kennen gelernt haben, von der Reaktion und dem lonengehalt des Blutplasmas abhängig ist. Endlich kommt es auch zur Ausscheidung von Eiw^eiß im Harn, wenn die Nierenzellen geschädigt sind. Es ist außerodentlich schwer, in jedem einzelnen Falle die Frage zu entscheiden, welche Erscheinungen primär sind, und welche sich sekundär entwickelt haben. Das Studium der verschiedenartigen Fälle von Proteinurie und vor allem die Ergründung ihrer Ursachen wird ohne Zweifel auch für die Beurteilung der Stellung der Niere im Eiweißstoffwechsel von großer Bedeutung werden. Fassen wir nunmehr alles zusammen, was wir über das Verhalten 07o Nukleinsäure, 3öVo Salmin und 2-5% anorganische Stoffe. Während, wie schon betont, die Nukleoproteide als solche im allge- meinen nicht so charakterisiert werden können, daß eine bestimmte ^'or- stellung über ihren Aufbau möglich ist, so sind dagegen unsere Kennt- nisse über die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Nuklein- säuren viel bessere. Wir werden uns hauptsächlich mit diesen Verbin- dungen und ihren Bausteinen befassen. Über die Proteinauteile der Nukleoproteide können wir nämUch nichts aussagen, was wir noch nicht erwähnt hätten. Sie unterliegen im Magendarmkanal dem gleichen Abbau, wie die als solche aufgenommenen Proteine. Im Zellstoffwechsel erleiden sie auch die gleichen Umwandlungen. Bei den Nukleinsäuren dagegen stoßen wir auf Vei'bindungen, die zu ganz eigenartigen charakteristischen Stoffwechselprodukten führen. Die Nukleinsäuren haben, wie ihr Name besagt, saure Eigen- schaften. Ihre typischen Bausteine sind Purinbasen und Pyrimidinbasen. Ferner enthalten sie eine Kohlehydratgruppe und Phosphorsäure. Die Nukleinsäuren sind bis jetzt, als solche nicht in Kristallform erhalten worden. Sie lösen sich in Wasser und ferner in AlkaUen. Sie lassen sich aus ihren Lösungen durch Mineralsäuren abscheiden. Mit Schwermetall- salzen und Erdalkalien bilden sie in Wasser unlösliche Salze. Ehe wir zur Besprechung der Konstitution der Nukleinsäuren über- gehen, wollen wir uns mit dem Aufbau der einzelnen ihrer Bausteine befassen, und uns erst dann die L^rage vorlegen, wie diese unter sich verknüpft sind. Wir beginnen mit der Besprechung der Purinbasen. Es sind bei den bisher untersuchten Nukleinsäuren zwei verschiedene Ver- bindungen der Klasse der Purine aufgefunden worden, nämlich das Adenin und das Guanin. Man hat sie auch als Aminopurine bezeichnet. Sie stehen in nächster Beziehung zu der bereits besprochenen Harnsäure. Sie enthalten, wie diese, den Purinkern: *) L. Lilienfeld: /eitschr. f. physiol. Chemie. 18. 478 (1894). — II'. Ihtiskamp : El.euda. 34. 32 fl'901). — J. Baiu/: Hofmeistcn Beitr. 4. 115. 331 (1903): ">. 317 (1904). — F. Malengreau: La Cellule. 17. 339 (1900). -) A. 'Ostvuld: Zeitschr. f. physiol. Ghem. 27. 14 (1899). ■*) O. Hammarsten : Zeitschr. f. physiol. Chern. 19. 19 (1894). — E. l'mber: Zeit- schrift f. kliu. Med. 40. 4(54 (1900). — A. Gamgie: Compt. reiid. de la soc. biol. 55. 22r> (1903). — A. (iaingee uud W'.. Tones: Hof meistens Beitr. 4. 10 (1903). *) W. Jones und G. H. Whipple: Americ. Journ. of Physiol. 7. 423 (1902). ') J. Wohlgemuth: Zeitschr. f. physiol. Chem. 37. 475 (1903); 42. 519 (1904); 44. 530 (1905). ^) A. Levene: Arch. f. Neurol. u. l'sycbopathol. 5. 1 (1899). ') Fr. Miescher: loc. cit. S. 643, Zitat '). — li. Burian : Kri/elmisse iler Fhvsiol. 5. 768 (1906). 640 N(i)- C (6) C[(6) -^ (7) N(3) — C(4) — N^9) Purinkern. XXXI. Vorlesung. N=CH ■ I I HC C— NH N— C— N Purin. Seine Glieder sind von Emil Fischer ^) in der in der vorstehenden Formel angegebenen Weise numeriert worden. Bei der Bezeichnung der einzelnen Verbindungen gibt die Zahl, die den einzelnen Gruppen beigegeben ist, an, an welcher Stelle diese in den Purinkern eingefügt sind. So ist die Harnsäure nach dieser Bezeichnungsweise ein 2, 6, 8-Trioxypurin: NH— CO I *^^ I 0C,o, C-NH (^^)C( ) NH— C-NH Harnsäure oder N=C.OH HO. C(2)C— NH (8))C . OH N— C— N Harnsäure. Beide" der angeführten tautomeren Formen der Harnsäure dürften vorkommen.'; Das Adenin ist ein 6-Aminopurin: N=C.NH. I 1 HC C— NH >CH N— C— N Ad enin = 6-Aminopurin. Dem Guanin entspricht die Konstitution eines 2-Amino-6-oxy- purins: NH-CO N=:C.OH NH., .C C— NH oder NH, . C C— NH ^CH N- -C- / -N VW -C-N N- Guanin = 2-Amiuo-6-oxypurin. Das Adenin ist von A. Kossei "^J im Pankreasgewebe aufgefunden worden. Es findet sich außer als Baustein von Nukleinsäuren auch frei im ') Vgl. über die Chemie der Piiringruppe die klassischen Arbeiten von r. Baeijer und besonders von Emil Fischer. Die Arbeiten des letzteren Forschers sind zusammen- gefaßt in: Untersuchungen in der Puringruppe (1882— 1906) von Emil Fischer. J.Springer. Berlin 1907. ■') Albrecht Kossei: Ber. d. Deutschen Chem. (iesellsch. 18. 79, 1928 (1885); Zeit- schrift f. phvsiol. Chemie. 10. 250 (1886); 12. 241 (1888). — Vgl. über seine Synthese: Emü Fischer: Ber. d. Deutschen Chem. (iesellsch. 30. 2226, 2241 (1897). — W. Traube: Liehiqi^ Annalen. 331. 64 (1904). Xukleoproteide. Nukleinsüurpn uikI ihre Bausteine. 547 Harn, jedoch nicht regelmäßig, ^j Auch in den Fäzes ist es enthalten. 2) Ferner wird es sicher beim Ab- und Aufbau der Nukleinsäuren in den Zellen in Er- scheinung treten. Im Pflanzenreich ist man dem Adenin oft begegnet, so in den Teeblättern 3), im Zuckerrübensaft *). in Bambusschößlingen ■'*), im Steinpilz *5) usw. Adenin kristallisiert aus verdünnten wässerigen Lösungen mit drei Molekülen Kristallwasser in langen Nadeln und aus konzentrierten Lösungen ohne Kristall Wasser. Im letzteren Falle entstehen wetzsteinförmige Kri- stalle.^) Adenin bildet Verbindungen mit Basen, Säuren und Salzen. So sind z. B. das Blei- und Silbersalz dargestellt worden, ferner das salzsaure und schwefelsaure Salz. Ferner ist das Pikrat zu erwähnen. Zum Nachweis des Adenins eignet sich am besten seine Umwandlung durch Erwärmen mit Zink und Salzsäure in eine Verbindung, die in neutraler oder alkalischer Lösung unter Aufnahme von Sauerstoff sich rot färbt.») Versetzt man die wässerige Lösung von Adenin mit Eisenchlorid, dann tritt Rotfärbung ein. Das Guanin ist von Unger '•*) im Guano entdeckt worden. Als Bau- stein der Nukleinsäuren erkannte es Ä. Kossel.'^^) Guanin ist im freien Zu- stand in verschiedenen Organen ''), ferner in den Fäzes ^2), in den Schuppen mancher Fische ^^) usw. nachgewiesen worden. Gewöhnlich erhält man das >'. Traube: Kbenda. 33. 1371 (1900). »M A. Kossei: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 7. 19 (1882/83); 8. 406 (1883/84). »-) M. Krüger und A. Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 35. 158 (1902). ") Veit: Zeitschr. f. wissench. Zoologie. 15. 515 (1865). — Bethe: Zeitschr. für physiol. Chemie. 20. 472 (1895). 648 XXXI. Vorlesuu^. N=C.()H HC C-NH oder NH— CO HC C-NH ^CH /' CH N— C— N N C— N I. Hy poxanthin — 6-().\ypnrin. H. N=:C.()H NH, . C C— NH oder / CH N— C— N NH-CO NH, .C C ~NH —> > N_C-N Guanin = 2-Amino-6-oxypuriii N=:C . OH NH— CO HO . C C— NH oder OC C— NH ■/ CH / CH N_C— N NH— C— N I. Xanthin=:2, rt-Dioxypurin. H. In beiden Fällen tritt die NHg-Gruppe aus und wird durch eine Oxy- gruppe ersetzt. Die erste Formel (I) zeigt beim Hypoxanthin und beim Xan- thin diese Umwandlung an. In der zweiten Formel (II) ist die Umlagerung dieser Laktimform in die Laktamform vollzogen. Dieser Oberführung von Aminopurinen in Oxypurine werden wir noch wiederholt begegnen, wenn wir das Verhalten der ersteren in den Geweben besprechen werden. Wir werden dann auf den Vorgang der Desaminierung eingehen. Hier sei nur erwähnt, daß man an eine hydrolytische Abspaltung der Aminogruppe denken kann: X = C . NIF, + H., O — NH, —y N = C . Oll — >► HN — CO Diese Umwandlung der Aminopurine in Oxypurine wurde auch bei der Darstellung der Bausteine der Nukleinsäuren beobachtet. Man glaubte lange Zeit, daß am Aufbau dieser Verbindungen auch Oxypurine beteiligt seien, bis vor allem Sieudel den Nachweis erbrachte, daß diese sekundär aus ersteren entstehen und somit nur Adenin und Guanin Bausteine der Nukleinsäuren sind. Hypoxanthin und Xanthin sind in der Natur sehr verbreitet. Die erstere Verbindung ') ist von Scherer 2) im Herzmuskel und in der Milz entdeckt worden. Sie findet sich auch in anderen Organen, ferner im ') Vgl. ihre Synthese: Emil Fischer: Her. d. Deutschen Chein. Gesellsch. 30. 2226 (1897). - W. Traube: Liebigs Anualeu. 332. 64 (1904). «) Scherer: Liehig?. Annalen. 73. 328 (1850). — Vgl. auch Strecker: Ebenda. 108. 129 (1858). Nukleoproteidc. Xukleiusaureu uiul iliro Baiisteino. g49 Harn ^) und in den Fiizes.-) Hypoxanthin wurde ferner \ on Kassel ») beim Abbau von Nukleoproteiden erhalten. Es bildet mikroskopische Nadeln. Es löst sich in Wasser ziemlich schwer und bildet mit Basen. Säuren und Salzen Verbindungen. Das Xanthin*) ist von Marcct^>) in Harnsteinen entdeckt worden. Es findet sich im Harn «) und in den Fäzes. ^) Bei der Spaltung von Nukleinsäuren wurde es von Kossei ^) aufgefunden. Es kristallisiert mit einem Molekül Wasser in farblosen, zu Drusen vereinigten, rhombischen Platten. Es löst sich sehr schwer in Wasser. Es sind Verbindungen des Xanthins mit Basen, Säuren und Salzen bekannt. Wird eine xanthinhaltige Flüssigkeit mit Chlorwasser eingedampft, dann hinterbleibt ein gelb ge- färbter Rückstand. Bei höherer Temperatur wird er rot. Befeuchtet man ihn mit Ammoniak, dann tritt eine prachtvolle purpurrote Färbung auf (Murexid).") Diese Reaktion ergibt auch die Harnsäure. Neben den Aminopurinen x\deuin und Guanin sind am Aufbau der Nukleinsäuren noch Pyrimidinbasen beteiligt. Ihre Entdeckung^ ver- danken wir Kossei. Es sind drei Vertreter dieser Klasse von \'erbindungen aus Nukleinsäuren gewonnen worden, nämlich das Thymin, das Zytosin und das Urazil. Sie leiten sich vom Pyrimidinkern ab. Auch in ihm sind die einzelnen Elemente mit Zahlen versehen worden, damit die Stellung der einzelnen Gruppen bei den einzelnen Verbindungen genau gekenn- zeichnet werden kann : I I HC(2) (5)CH 11 II Der Pyrimidinkern ist auch im Purinkern enthalten, wie die Formel I zeigt. Formel II stellt dar, daß im Purinkern auch der Imidazolkern vorhanden ist: N— (' N— C (' ("— N C : C— N I /c I N— (' ' N N— ("— N I. II. )(' *) E. Salkowski: Mrchows Archiv. 50. 19,') (1870). — G. Saloiuon: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 2. 94 (1878/79); 11. 410 (1887). ^) M. Krüger und A. Schittenhelm : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 35. 158 (1902). — A. Weintraud: Zentralbl. f. iuu. Med. 16. 453 (1895). ') A.Kossel: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 3. 291 (1879); 5. 152 (1881); 10. 258 (1886). ■•) Vgl. seine Synthese bei Emil Fischer: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 30. 2232 (1897). — W. Traube: Ebenda. 33. 1371, 3043 (1900). ^) Marcet: An essay ou the chemical history and mcdical treatment of calcul di- sorders. London 1817. — Vgl. auch Wöhler und J. Liebig: Liebigs Annalen. 26. 340 (1838). «) Sirecker: Lie%s Annalen. 102. 208 (1857);' 108. 140, 151 (1858). — Scherer: Ebenda. 107. 314 (1858). - M. Krüger und G. Salomon: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 21. 1B9 (1895). — M. Stadthagen: Virchoivs Archiv. 109. 414 (1875). ') M. Krüger und A. Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. (^hem. 35. 161 (1902) ") A. KoRsel: Zeitschr. f. i)hysiol. Chemie. 4. 292 (1880). ») V^'l. S. 590. 1 COOH 1 CO + CH - Hoü II yn. 11 CH, arnstoff Acrylsäure 550 XXXI. Vorlesung. Die Konstitution des Pyrimidinkernes ergibt sich aus der folgenden Synthese des Urazils^): NH=CO NH— (H) I I I I CO CH, — 2H — >► CO CH I r I II NH— CH., NH — CH Hydrourazil Urazil. Das Zytosin hat die Konstitution eines 6-Amino-2-oxypyrimidins2); N=c6)C.NH., I I 0C(2) CH I II HN CH Zytosin. Es ist von Ä. Kossei und A. Xeumann ») als Baustein der Thymus- uukleinsäure festgestellt worden. Durch Desaminierung geht es leicht in Urazil über. Dieses hat die Konstitution eines 2, 6-Dioxypyrimidins: HN— CO I I OC CH 1 II HN— CH Urazil. Zytosin und Urazil stehen in den gleichen Beziehungen zueinander, wie z. B. das Adeuin und das Hypoxanthin. Auch hier können wir an eine hydrolytisch herbeigeführte Desaminierung des Zytosins denken. AscoU*) hat das Urazil zum erstenmal aus Hefenukleinsäure isoliert. '^) Das Thymin endlich ist 5-Methyl-urazil = 5-Methyl-2, G- dioxvpyrimidin ^)\ •^ HN— (^0 I I OC C.CHa I II HN — CH Thvmin. ') Emil Fischer uud Georg lioeder: Ber. d. Deutscheü Chem. Gesellsch. 34. 3752 (l'JOl). — Vgl. ferner: Henry L. Wheeler und L. M. Liddle: Americ. Chem. Jouru. 30. 1152, 1156 (1908). — H. L. Wheeler und F. U. Merrian: Ebenda. 29. 478 (19Ü3). — Ferner S. Gabriel und J. Colman: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 36. 3379 (1903). ^) Vgl. seine Synthese: U. L. Wheeler und Treat ß. Johnson: Americ. Chem. Journ. 29. 492, 503 (19Ü3). *) A. Eossei und A. Neumann: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 27. 2215 (1894). — A.Kossel und H. Sfcudel: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 177, 377 (1902); 38. 49 (1903). *) A. Ascoli: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 31. KU (1900/01). — U. Steiidel: Ebenda. 32. 244 (1901). — A. Kossei und II. Steudel: Ebenda. 37. 245 (1902). ^) Vgl. auch P.A.Levene u. W.A.Jacobs: Ber. d. Deutsch, ('hem. Gesellsch. 43. 3150 (1910); 44. 1027 (1911). — F.A.Levene und F.B.LaForge: Ebenda. 43. 3164 (1910). *) Vgl. seine Synthese: Emil Fischer und Georg lioeder: 1. c. S. 650, Zitat '). — Otto Gerngroß: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 38. 3408 (1905). Nukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. (551 Die Entdeckung- des Thymins verdanken wir ebenfalls A. Kossei und A. Neumann.^) Das Zytosin kristallisiert in farblosen, durchscheinenden Platten.2) Die Lösung dieser Verbindung ergibt, mit liromwasser erwärmt, auf Zusatz von Barytwasser eine Purpurfärbung. Thymin ist auch in Kristallform erhalten worden. Es bildet dendritisch oder sternförmig gruppierte kleine Plättchen. Beim vorsichtigen Erhitzen sublimiert es.») Das Urazil endlich kristallisiert in Form feiner Nädelchen.*) Als weitere Bausteine der Nukleinsäuren haben wir die Phosphor- säure und Kohlehydrate erwähnt. Die Kohlehydratgruppe ist ohne Zweifel nicht einheitlich. Es sind Kohlehydrate der Sechskohlenstoffreihe und ferner Pentosen am Aufbau von Nukleinsäuren beteiligt. Die Art der ersteren konnte bis jetzt nicht mit völliger Sicherheit festgestellt werden, dagegen ist als Baustein mancher Nukleinsäuren die Pentose d-Ribose erkannt worden:'') H— C— OH H— C— OH 1 H— C— OH I CH2 . OH d-Ribose. Ob daneben noch andere Pentosen, z. B. die Xylose''), als Baustein von Nukleinsäuren in Betracht kommen, ist sehr fraglich geworden. Auf das Vorkommen von Hexosen in Nukleinsäuren ist geschlossen worden, weil bei der Spaltung von solchen mit starken Säuren Lävulinsäure, CH3 . CO . CH2 . CH, . COOH, zur Beobachtung kam. Hexosen liefern nämlich unter den gleichen Bedingungen ebenfalls diese Säure. Ferner ist es gelungen, bei der Spaltung von Nukleinsäuren eine Epizucker- säure genannte, der Zuckersäure nahe verwandte Kohlehydratsäure zu isolieren.^) ') A. Kossei und A. Nemnann: Ber. d. Deutschen Ghem. Gesellsch. 26. 2753 (1893); Zcitschr. f. phvsiol. Chemie. 22. 188 (1896). — Vgl. ferner //. Steudel und A. Kossei: Ebenda. 29. 3Ö3 (19Ü0). — H. Steudel: Ebenda. 32. 241 (1901). — W. Jones: Ebenda. 29. 20 (1899). — Wl. Gidewitsch: Ebenda. 27. 292. 368 (1899). ") F. 320—325" unter Zersetzung. ^) F. 321'' unter Gasentwicklung. *) F. 325" unter Zersetzung. °) Vgl. S. 29. — P. A. Levene und W. Jacobs: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 1198, 2102, 2469, 2474, 3247 (1909); 43. 3142 (1910). — Vgl. auch F. Haiser und /-'. Wenzel: Mouatsh. f. Chemie. 31. 357 (1910). 8) Vgl. Carl Neilberg: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 35. 1467 (1902). — ('. Neuherg und ß. Brahn : Biochem. Zeitschr. 5. 438 (1907). ') H. Steudel: Zeitschr. f. phsyiol. Chemie. 50. 538 (1907): 52. 62(1907); 55. 4()7 (1908); 56. 212 (1908). (352 XXXI. Vorlesung. Neuerdings wird die Frage erörtert, ob der Sechskohlenstoffzucker mancher Nukleinsäuren in Beziehung zum Glukal'), einer Verbindung der Formel Ce,H,„0,, stehtJ) Nachdem wir nunmehr die Konstitution der einzelnen Bausteine der Nukleinsäuren kennen gelernt haben, ergibt sich ganz von selbst die P'rage, in welcher Weise die einzelnen Verbindungen in diesen verknüpft sind. Es ist auch hier wie bei den Proteinen versucht worden, durch stufen- weisen Abbau der einzelnen Nukleinsäuren zu Produkten zu gelangen, die noch mehrere Bausteine gebunden enthalten. Das Studium derartiger Bruch- stücke mußte ohne Zweifel zu Anhaltspunkten über die Struktur des Aus- gaugsmateriales selbst führen. Der ganzen Forschung auf diesem Gebiete kam die Beobachtung zu Hilfe, daß einfachere, den Nukleinsäuren sehr nahe stehende Verbindungen zum Studium der Verkettung der einzelnen Bausteine zur Verfügung standen. Es handelt sich in erster Linie um die von J. L'ich/g^) im Fleisch extrakt aufgefundene Inosinsäure. Sie ent- hält je ein Molekül Phosphorsäure, d-Pibose und Hypoxanthin. Es ist nun geglückt*), dieses Nukleotid einerseits in eine Verbindung zu zerlegen, die Phosphorsäure und d-Ribose enthält und andrerseits in eine solche, in der die Pentose mit Hypoxanthin verknüpft ist. Man kann diese aus zwei Bausteinen zusammengesetzten Produkte, da sie ein Kohlehydrat enthalten, als Glukoside auffassen und sie dementsprechend nach dem Vorschlage von Leren c Nukleoside nennen.^) Die Inosinsäure liefert bei der teilweisen Hydrolyse die Nukleoside d-Ribose-phosphorsäure und d-Ribose-hypoxanthin. Die letztere Verbindung ist Inosin genannt worden. Zweckmäßiger ist die Bezeich- nung Hypoxanthosin: Phosphor- säurerest (1-Kiboserest H 11 H //OH III A) 0=:P^0 — CH2 . C . G . C . Cf \0H III "H OH OH OH d-Ribose-phosphorsäure *) Vgl. Emil Fischer: Ber. d. Deutscbeu Chem. (iesellscli. 47. 19(5 (1914). •') Vgl. R. Feulqen: Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 100. 241 (1917). — R. Fenlgcn iiiul G. Landmann: Ebenda. 102. 2G2 (1918). — Vgl. aucb S. 20 und 27. ') J. V. Liebifi: Liebifß Annalen. 62. 317 (1847). — Gregori: Ebenda. 64. 1Ü(> (1847). — F. Haiser: Monatsb. f. Cbemie. 16. 190 (1895). - F. Bauer: Hofmeistern Beitr. 10. 34ö (1907). — C. Neuberg und B. Brahn: Ber. d. Deutschen Cbeni. Gesellscb. 5. 478 (1907). — F. Ifaiser und F.'Wnizel: Ebenda. 29. 161 (1908); l)>. 147, 377 (1909): 31. 357 (1910). *) P. A. Lcvene und W. A. Jacobs: Ber. d. Deutschen dheni. (iesellscb. 42. 33f». 1198 (1909); 43. 3162 (1910): 44. 746 (1911). ^) Vgl. über die Synthese von Nukleosiden: Emil Fischer und /:-'. Helfe ri eh : Ber. d. Deutschen Chem. fiesollsch. 37. 210 (1914). — Emil Fischer, B. Helferich und P. Ostmann: Ebenda. 53. 873 (1920). — B. Ilrlicrirh und M. r. Kühlirei'n: Ebenda. 53. 17 (1920). Nukleoproteide. Xiikleinsiuireu uud ihre Bausteine. d-Riboserest Hypoxanthinrest 658 H II H H CHo (OH) . C . C . C . C OH OH — 0 Ht'^ OC- N— r / II ii -XH CH N d-liihose-h}'poxanthin=:Inosin = Hypoxanthosin. Noch unentschieden ist, ob die Kibose mit der Purinbase in 7- oder >!-Stellung- verbunden ist.i) Beide Verbindungen zerfallen unter AVasser- aufnahme in ihre Anteile: II OH 0 = P^0 — CH. . (' . C . C . C< ; + H,0 OH ' ^H - OH OH OH d- Kibose- phosphorsäure H II H OH 0 = P^OH + CH., (OH) . C . C . C . C, OH Phosphorsäure H H H H I 1 CH, (OH) . C . C . C . C OH OH ! 1 0 ' OH OH OH d-Piibose OC- N— C HC^ N— C- -XH CH + H, () -X d - 1 ! i b 0 s e - h y p 0 X a n t h i n H II H OC— NH .^O CH, (OHj . C . C . C . Cf\: + /NH— C CH i I ^^ HC • II II OH OH OH (l-i;ibose ^N C — N Hypoxanthin. Die Inosinsäure muß nach dem Ergebnis der teilweisen Hydrolyse ^oinit die folüende Struktur besitzen: ') \?1. hierzu Richard Buriau : Ber. d. Deutscheu Chem. (iesellsch. 37. 696,' 708 (1934): Zeitschr. f. physinl. Chemie. 51. A'lb (1907). — Ihinf: Fischer: Klienda. 60. 69 (1909). 654 XXXI. Vorlesuiicf. OH H H H H 0 = P — () . ( 'H, . C . C . C . C ! ■ I ! ; OH OH OH 1 O OC— NH N— C CH HC oder OH H H H H \ N— C— N OC— NH HN— C CH 0 = P — 0 . CH, . C . (^ . C . C OH OH OH ()- — >. N— C— N Der Komplex Phosphorsäure-Kohlehydrat-Purin oder -Pyrimidin ist von Levene als Nukleotid bezeichnet worden. Ist er nur einmal vorhanden, dann spricht man von Mononukleotiden. Finden sich jedoch mehrere solcher Nukleotidkomplexe in einem Molekül vereinigt, dann wird das durch die Bezeichnung Polynukleotid zum Ausdruck gebracht. Kennt man die Anzahl der am Aufbau einer bestimmten Nukleinsäure beteiligten Nukleotide, dann wird man genauere Namen, wie Di-, Tri-, Tetra- usw. -nukleotide wählen. Ganz allgemein sind die Nukleinsäuren nach dieser Art der Bezeichnung als Polynukleotide aufzufassen. Ein weiteres, bis jetzt bekanntes Mononukleotid ist die Guanyl- säure. Sie ist von Ivar Bang^) in der Pankreasdrüse entdeckt worden. 2) Bei ihrer Spaltung erhält man je ein Molekül Phosphorsäure, d-ßibose und Guanin. Bei der teilweisen Hydrolyse sind die beiden Glukoside d-Ribose-phosphor säure und d-liibose-guanin = Guanosin: H H H H CH2 (OH) . C . C . C . C OH OH — 0 OC — NH N — C C.NHa HC \ N— C— N Guanosin. erhalten worden. 3) Der Guanylsäure muß daher eine der Inosinsäure ähn- liche Konstitution zukommen*), nur findet sich an Stelle des Hypoxanthins Guanin. Außerdem scheint nach neueren Ergebnissen die Bindung zwischen der d-Piibose und der Phosphorsäure eine andere als bei der Inosinsäure zu sein. Sicher wird auch bei diesen Verbindungen erst die Synthese ein endgültiges Urteil über ihre Konstitution ergeben. Bemerkt sei noch, daß ») Ivar Bang: Zeitsclir. f. phjsiul. Chemie. 20. 183 (1898); 31. 411 (1900). — Itar Bang und ('. A. Raaschou: Hofmeister?, Beitr. 4. 175 (1903). — Vf^l. auch W. Jones und L. G. Rowntree: Journ. of biol. Chem. 4. 289 (1908). — Walter ,/o»(?s;' Ebenda. 12. 31 (1912). *) Vgl. ihre Eigenschaften bei li. Feulgen: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 106.249(1919). *) P. A. Levene und W. A. Jacobs: Ber. d. Deutschen Chem. (lesellsch. 42. 24()9 (1909); Biochem. Zeitschr. 28. 127 (1910). *) r. A. Levene und W. A. Jacobs: Biochem. Zeitschr. 28. 127 (1910). — Vgl. auch //. Stetidel und P. Brigl: Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 68. 40 (1910). Nukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. 655 Guanosin in freiem Zustand aus der Pankreasdrüse gewonnen worden ist. Es kommen somit in der Natur freie Nukleoside vor. Ferner erwies sicli das in Pflanzen aufgefundene Vernin') als Guanosin. Es läßt sich durch Desaminierung in Xanthosin, d. h. eine Verbindung von d-Iiibose mit Xan- thin überführen. Auch durch Fermente wird diese Umwandlung bewirkt.-) Wir haben bereits erwähnt, daß man die Nukleinsäuren als aus mehreren Nukleotiden bestehend aufgefaßt und deshalb als Polynukleotide bezeichnet hat. Daß diese Bezeichnung zurecht besteht, geht daraus her- vor, daß es geglückt ist, aus Nukleinsäuren sowohl Nukleotide als Nukleo- side») zu gewinnen. Aus Hef enukleinsäure *) sind Guanosin und Ade no sin erhalten worden.^) Das letztere Nukleosid stellt eine Verbindung zwischen d-Eibose und Adenin dar. Es hat die folgende Struktur: H H H H CH., (OH) . C . C . C . C- OH OH I 0 ! NH, . C=N N— C CH HC \ N— C— N Adenosin konnte durch Desaminierung in Inosin, d. h. in Hypo- xanthosin. übergeführt werden. Auch Organfermente vermögen diese Umwandlung zu vollziehen.") In der Mutterlauge der beiden Nukleoside fanden sich noch Produkte, die Pyrimidinbasen gebunden enthalten. Sie sind Zytidin und Uridin genannt worden. Am Aufbau dieser beiden Verbindungen sind Zytosin bzw^ Urazil und d-Ribose beteiligt.') Über die Art der Verknüpfung der Pyrimidinbasen mit dem Kohlehydrat sind wir noch nicht genau unterrichtet. Es kommen folgende Strukturmöglich- keiten in Fraee: H H H H ^"^-^—^ CH., (OH) oder C . C . C . C I OH OH 1 0- C CO II I Cn — NH N=^=C . NH, H H H H CH., (OH) . C . C . C . C OH OH — 0 CO N— CH -CH Zytidin (d-Ribose-zytosin). ') K Schulze: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 66. 128 (1910). ') r. A. Levene und W. A. Jacobs: Biochem. Zeitschr. 28. 126 (191Ü). ^) P. A. Levene und IT, A. Jacobs: Journ. of biol. Ghem. 12. 421 (1912). *) Ihr Entdecker ist Alf mann: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 529 (1889). 5) P. A. Lerene und W. A. Jacobs: Ber. d. Deutschen Clieni. Gesellsch. 42. 2474, 2703 (1909); 43. 3150 (1910). 6) W. Jones: Journ. of biol. Chem. 9. 169 (1911). — S. Amberg und W. Jones: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 73. 407 (1911). ') P.A. Levene und F.B.LnForge: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 45. 608(1912'. 656 XXXI. Vorlesung. H H H H CHo (OH) . C . C . (' . (" OH OH I ( ) 1 CO XH ! I C CO CH— NH oder H H H H CH. (OH) . C . C . C . C OH OH 0 CO -CO 1 CH NH - CH Uridin (d-Ribose-urazil). Ferner ist es geglückt, aus Hefeuukleinsäure auch Verbindungen von Zytidin^) und Uridin-i mit Phosphorsäure zu gewinnen. Neben diesen Nukleotiden sind noch die folgenden isoliert worden: Adenosin-^) und Guanosinphosphorsäure.*) Aus Nukleinsäure, die aus der Thymusdrüse abgetrennt worden war. ist eine Thymin-hexose-phosphorsäure isoUert worden. »i Diese Verbindung ist in ihrer Zusammensetzung nach unter die Nukleotide ein- zureihen. Sie liefert bei der vollständigen Spaltung Thymin, Lävuhnsäure und Phosphorsäure. Ein weiteres ans Thymusnukleinsäure isoliertes Nukleotid stellt die Zytosin-hexose-phosphorsäure dar.*^) Ferner ist ein Guanin- hexosid aus der gleichen Nukleinsäure abgespalten worden.^) Es kommt ihm folgende Struktur zu: H CHa (OH) . C . C . C . C . C -N (' C . NH., HC \ OH H Oll OH H 'N— C N EndHch sei noch erwähnt, daß die aus Weizenembryonen gewonnene Tritikonukleinsäure^) beider teilweisen Hydrolyse auch Nukleoside. und zwar Guano sin und Adenosin ergab.-') Ferner wurde Zy tidin gewonnen. ') P. A. Leveiic und M\ A. Jacobs: Ber. d. Deutschen Cliem. Gesellsch. 44. 1027 (1911); Journ. of biol. Chemie. 124. 11 (1912). — -S*. ./. 1 hannhauser und //. Dorf- müller: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 104. 65 (1918). ^) S. J. Thannhanscr und //. iJorfmüUer : Zeitschr. f. physiol. Chemie, lül). 121 (1917J. — 1'. A. Levene: Journ. f. biol." Chemie. 33. 425 (1918)*; 4». 415 (1919). '■') Walter Jones und B. P. Kennedy: J. Pharm, and experim. Ther. 12. 253 (1918); 13. 45 (1919). *) P. A. Lerene: Journ. f. biol. Chem. 31). 77(1919i: 40. 171 (1920); 41.483 (1920). ^)P.A.Lcrene und J.A.Mandel: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 41. 1905 (1908). *) S. J. 1 hannhauser und B. Ottmslein: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 114. 39 (1921). ■) P. A. Lerene und W.A.Jacobs: The Journ. of biol. Chem. 12. 377 (1912). — Vgl. auch John A. Mandel und Eduard K. Ihtnliam: Ebenda. 11. 85 (1912). *) 'Ihoinas B. Oshorne und harte F. Harris: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 36. 85 (1902); Annal. Report of the Connecticut agricult. experim. Station. 305 (1900); 3(55 (1901); Journ. of the Americ. Chem. Soc. 22. 379 (1900). ") P. A. fjevene und F. B. La Forqr : Ber. d. Deutsclioii Chem. Gesellsch. 43. 31fi4 (1910). Xukleoproteide. Niikleiusaureu uud ihre Bausteine. ()0 ( Aus den mitgeteilten Feststellungen gebt klar hervor, dali in der Nukleinsäure Nukleotide bekannter Struktur enthalten sind. Es bleibt nun noch die Frage, in \Yelcher Art und Weise sie in den einzelnen Nukleinsäurearten unter einander zu Polynukleotiden vereinigt sind, und welche Nukleotide und in welcher Anzahl diese im einzelnen Molekül auftreten. Auch nach dieser Richtung sind bedeutsame Fortschritte erzielt. Es ist gelungen, Hefenukleinsäure in Uridinphosphorsäure und ein Trinukleotid^ -) aufzuspalten. Von dem letzteren hat T/mnnhauser folgende Strukturformel entworfen: HO II ( ) . C'H., . (' (' II C . HOx 0=^P . () . CH., OH/ 011 Ol! OH 11 11 H I C . C . C— c i I I ' OH OH OH i HOv 110/ H O . CH, . C OC— Nil I i N— C C . HC< I! I; N— C— N NH.3 . 0=N N— C CH MI. HC^ N— (- (iuanyl- s;iure Adeiiyl- siluro H H C . (' . C OH OH — O N (' . Nil. CO I NH (11 CH Zytidin- phosphor- säure Guanosyl-adenosyl -zytidyl-triphosphorsäure. Durch Hydrolyse der genannten Verbindung konnten zwei kristal- lisierte Produkte erhalten werden. Das eine erwies sich als Zytidin- phosphorsäure 3) und das andere als das Dinukleotid der Guanosin- adenosinphosphorsäure.*) Schließlich ist es auch geglückt s), ein Purinnukleotid aus den Spaltprodukten des erwähnten Trinuklontides zu i.-^olieren. nämlich die Adenosinphosphorsäure: ') S. J. Ihannhauser und G. Dorfmüller: Zeitscbr. f. plivsiol. ( heinie. 100. 121 (1917). ") Die von Thannhauser und Dorfmüller eingeführte Bezeichnun? Tripbosphor- nukleinsäure für diese Verbindung erscheint mir niclit besonders glücklich gewählt zu sein. Unter Nukleinsäure verstehen wir ein Polyuuklootid. Damit sind die Pbosphor- säuremoleküle mit eingeschlossen. Man wird, um allen Mißverständnissen vorzubeugen, die Bausteingruppen mit der Angabe, wieviele Nukleotide vereinigt sind, anführen müssen. 'i Vgl. auch .S. ./. Thaiinluiiiser und d. horlniiiller: Zeitschr. f. plnsiol. Chemie. 104. 6;^ (1919). ■*) ^'. ./. Thannhauser und (j. Dorfmiiller : Ber. d. Deutschen Chem. (iesellsch. 51. 4(j7 (1918). ^) S. J. Thannhauser : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 107, 157 (1919). Vgl. ferner Walter Jones und A. PJ. Richards: .lourn. of biol. Chemie. 20. 25 (1915). — Walter Jones und B. E. Read: Ebenda. 29. 111, 123 (1917). — P. A. Lerem: Jonrn. of biol. (.'hem. 31. 591 (1917); 33. 229, 425 (1918); 40. 415 (1919): 41 19, 4SB (1920). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, .'j. Aufl. 42 658 XXXI. Vorlesuuff. H0\ HO/ H H H H I I I I ) . CHo . C . C . C . C- NH, . G=N -N— C CH ( )H im — O HC^ '% II II N— C— N Sind wir auch zur Zeit über den allgemeinen Plan des Aufbaues der Nukleinsäuren ganz gut unterrichtet, so darf doch nicht übersehen werden, daß wir über die Art und Weise, wie die Nukleotide im Poly- nukleotid untereinander verknüpft sind, noch keine bestimmten Angaben machen können. Es stehen sich verschiedene Ansichten gegenüber. Levene^) ist der Ansicht, daß die Phosphorsäuremoleküle in den Polynukleotiden durch zweifache Veresterung mit den Kohlehydratgruppen vereinigt sind: HO 0= HO =P— 0 .C.H^O., . C5H4N0O i 0 0 =P— 0 . C5 H, 0.3 . C, H, N., 0 HO 0 =P— Thannhauser '"") dagegen stellt sich vor, daß der von ihm aus der Hefenukleinsäure gewonnene Trinukleotidkomplex (vgl. S. 657) durch äther- artige Sauerstoffbrücken von Kohlehydrat zu Kohlehydrat zusammen- gehalten wird. Ein solcher soll dann jeweils mit einem Mononukleotid unter Anhydrierung des Phosphorsäurerestes verknüpft sein. ^) Die Konstitution des aus der Thymusdrüse isolierten Polynukleo- tides ist auch noch umstritten. Wie schon S. 656 erwähnt, ist es gelungen, aus ihm Nukleotide zu isolieren. Bei vorsichtiger Spaltung ist aus der Thymusnukleinsäure eine Verbindung erhalten worden, Thymosinsäure*) genannt, deren Bariumsalz etw^a, wie folgt, aufgebaut sein soll :^) *) P. A. Leccne: Joiirn. of biol. Chem. 33. 229 (1918). — Die Angaben von Walter Jones und A. E. Richards: Jotirn. of biol. Chem. 20. 25 (191o) und Walter Jones und B.E.Read: Ebenda. 29. 111 (1917), wonach es diesen Forschern gelungen ist, aus Hefenukleinsäure Diuukleotide (Guaninzytosin- und Adeniuurazil-dinukleotid) zu isolieren, sind nicht eindeutig. Es ist möglich, daß Gemische von Mononukleotiden vorgelegen haben. Vgl. dazu P.A. Levene: Jouru. of biol. Chem, 33. 425 (1918). *) Thannhauser und P. Sachs: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 109. 177 (1920). ■') Vgl. ferner W.Jones und B. E. Read: J. of biol. Chem. 29. 111 (1917). ■•) Dieser von IL Sfeudel vorgeschlagene Name ersetzt die Bezeichnung 'rhymiusäure. *) R. Feulgen: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 101. 296 (1918). — Vgl. auch Stendel und S.Reiser: Ebenda. 111. 297(1921). S. J. Thannhauser und B. Ottenstein : Ebenda. 114. 39 (1921). Xuklooproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. 059 /Phosphorsäure— Kohlehydrat .... rhosphorsäure — Kohlehydrat — Zvtosin 1 .Phosphorsäure — Kohlehydrat — Thymin BaC Ba< Phosphorsäure — Kohlehydrat .... In der Thymusnukleinsäure selbst würden in dieses Molekül noch Guanin und Adenin einzufügen sein, und zwar in Bindung mit den beiden Kohlehydratgruppen, die in obiger Formel noch nicht besetzt sind.i) Die Nukleinsäuren sind nach dem Gewebe oder den Zellen, aus denen sie zum erstenmal isoliert worden sind, benannt worden. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Art der Bezeichnung zu Schwierigkeiten führen muß. So begegnen wir z. B. der Angabe, daß in der Pankreasdrüse Thymus- nukleinsäure vorkommt ! Sobald die Konstitution der einzelnen Nuklein- säuren aufgeklärt sein wird, wird man die bisherigen Namen fallen lassen müssen, um sie durch solche zu ersetzen, die auf die Zusammensetzung der Verbindung Bezug haben und nicht nur an ihre Herkunft erinnern. Wir kennen eine Thymusnukleinsäure.2) Sie ergibt bei der Spal- tung, wie schon erwähnt, eine Hexose, die erwähnten Purin- und Pyrimidin- basen und Phosphorsäure. Sie stellt ein weißes Pulver dar, das in kaltem Wasser schwer löslich ist. Dagegen ist sie in Alkalien, in Ammoniak und in Alkalikarbonat und -azetat leicht löslich. Durch Mineralsäuren läßt sich die Nukleinsäure wieder ausfällen. Mit Erdalkalien bildet sie lösliche Neutral- salze. Bei genügender Konzentration erstarren diese Lösungen zu einer Gallerte. Die aus Thymus isolierte Nukleinsäure dreht nach rechts. Wichtig ist die Beobachtung; daß sie schon bei gewöhnlicher Temperatur in saurer Lösung verändert und gespalten wird. Gegen Alkalien ist sie beständiger. Ferner ist eine Nukleinsäure aus Harn beschrieben. 3) Ihre Zu- sammensetzung und ihre Herkunft sind noch nicht genügend festgestellt. Außerdem sind noch Nukleinsäuren aus verschiedenen Organen isoliert worden.*) Eingehend untersucht ist ferner, wie S. 656 dargestellt, die aus Hefe dargestellte Nukleinsäure.») Sie ergibt mit Ausnahme der Kohlehyhrat- gruppe die gleichen Bausteine, wie die Thymusnukleinsäure. Sie dreht auch nach rechts. Das an ihrem Aufbau beteiligte Kohlehydrat ist eine Pentose, und zwar die d-Iiibose. Von Nukleinsäuren der. Pf lanzenweit ist bis jetzt nur die aus Weizen- keimlingen isolierteTritikonukleinsäure") eingehender untersucht worden. Sie ist sehr schwer von Beimengungen zu befreien. Ihre Eigenschaften entsprechen in den meisten Punkten denen der Thymusnukleinsäure. Die >) E. Fciügen: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 101. 288 (1918); 104. 1 (1919). 2) V gl. S. (556, 658. 3) K. A. H. Monier: Skand. Arch. f. Physiol. 6. 372 (1895). *) Vgl. z. B. ./. A. Mandel und P. A. Levene : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 47. 140, 151 (1906); 49. 262 (1906); 50. 1 (1906). 5) Vgl. S. 656. «) Vgl. S. 656. — Thomas B. Oshorne: The Americ. Journ. of Physiol. 9. 69 (1903). — Thomas B. Oshorne und F. W. Heiß: Ei)euda. 21. 157 (1908). 42* (360 XXXI. Vorlesung. Tritikonukleinsäure enthält Phosphorsäure, (Tiianin. Adenin, Zytosin. Thymin und d-Ribose, außerdem scheint Urazil als primärer Baustein zugegen zu sein. Wir werden bei der Besprechung des Verhaltens der Nukleinsäuren im tierischen Organismus uns hauptsächlich mit den Umwandlungen ihrer Bausteine l)eschäftigen. »Sobald wir von einer Verbindung ihre Konstitution nicht in allen Einzelheiten genau kennen, erhalten wir auf zahlreiche Fragestellungen keine genaue Antwort. Wir können zurzeit weder die Frage erörtern, in welcher Weise sich die Nukleoproteide der einzelnen Zellarten unterscheiden, und ebensowenig sind vergleichende Studien über die Eigenart einzelner Nukleinsäuren möglich. Es wiederholt sich bei allen zusammengesetzten Verbindungen das gleiche Bild. Wir sind über die Bausteine der einzelnen Substanzen genau imterrichtet. Ferner kennen wir meistens auch die Konstitution von Verbindungen, die mehrere von diesen Bausteinen enthalten. Je hoher wir jedoch in der Reihe der Abbau- bzw. Aufbaustufen der betreffenden Verbindung aufsteigen, um so un- sicherer werden unsere Kenntnisse. Sie versagen schlieljlich ganz, wenn wir bei jenem Produkte angelangt sind, das Bestandteil der Zellen ist. Immer- hin eröffnet die Kenntnis der Zusammensetzung derartiger, aus mehreren Bestandteilen bestehenden Verbindungen aus einzelnen Bausteinen mit be- kannter Konstitution tiefe Einblicke in manch'e Stoffwechselvorgänge. Vor allem können wir von den Bausteinen aus den weiteren Abbauprodukten bis zu den Stoffwechselendprodukten folgen. Vorlesung XXXII. ^ukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. Entstehung der Nukleoproteide und der Nukleinsäuren nebst ihren Bau- steinen in der Pflanzen- und Tierwelt. Ihr Verhalten im tierischen Or- ganismus. Die StofFwechselendprodukte der Bausteine der Nukleinsäuren. Störungen des PurinstofFwechsels. Die Nukleoproteide sind in der Pflanzenwelt ebenso verbreitet, wie in der Tierwelt, sind doch die Kerne der Zellen der ganzen Organismen- welt aus Vertretern dieser Körperklasse aufgebaut. Stets finden wir Eiweilianteile mit Nukleinsäuren gepaart. Sicher bildet die Pflanze die einzelnen Bestandteile der Nukleoproteide für sich, um dann durch ihren Zusammenschluß das fertige Produkt entstehen zu lassen. Die Frage des Anfbaus des Eiweißes in der Pflanzenzelle führten wir auf das Problem der Bildung der einzelnen Aminosäuren zurück. Ebenso müssen wir die Synthese der Nukleinsäuren von derjenigen der einzelnen Bausteine aus studieren. Zwei davon sind in ihrer Herkunft leicht aufzuklären. Es sind dies die Phosphorsäure und das Kohlehydrat. Die erstere wird als Phosphat mit den Wurzeln aufgenommen. Das Kohlehydrat ist ohne Zweifel ein direktes Produkt der Kohlensäure- und Wasserassimilation. Die Pentosen könnten auch durch Abbau einer Hexose etwa über die Glukuronsäure als Zwischenstufe gebildet werden'), doch sind für diese Art der Entstehung von Zuckern mit weniger als sechs Kohlenstoffatomen in der Pflanzenwelt keine Anhaltspunkte gegeben. Es bleibt noch die Frage zu lösen, wie die übrigen liausteine der Nukleinsäuren, die Purin- und Pyrimidinbasen, gebildet werden. Es ist bis jetzt nicht geglückt, bestimmte Zwischenstufen aufzufinden, die von bestimmten N'crhiudungen aus zu den genannton Produkten hinführen. Wir müssen uns leiiler auch hier darauf beschränken, den mciglichen Weg zu kennzeichnen. Die Purinbasen enthalten den Imidazolkern. Diesem sind wir schon beim Histidin begegnet. Es ist möglich, daß diese Aminosäure zu den Purinbasen Beziehungen unterhält. Über die mögliche Bildungsweise des Imidazols unterrichten uns Beobachtungen von Ulih/ans und Knoop"-) über ') Vgl. S. 27. '-) Ä. Winduus und F. Kiioop: Ber. d. Dcutsclieii Chem. Gesellsch. 38. 11()() (1005); Hofmtisfer?, Beitr. 6. 5<)2 (lOnfi). Vsjl. auch S. i:'.7. 662 XXXII. VorlesuuE die Entstehung dieser Verbindung bei Belichtung von Glukose und gleich- zeitiger Einwirkung von Zinkhydroxydammoniak. Die Bildung des Imid- azol- = Glyoxalringes aus Glukose erfolgt höchstwahrscheinlich nach erfolstem Abbau dieser Verbindung in folgender Weise: GH., CH. CO + H . NU, + H . C(g = C- NH C Methyl- glyoxal NH3 2 Moleküle Ammoniak Formal- dehyd CH^N Methvlimidazol + 3 H,0 Methylglyoxal und Form aide hyd entstehen offenbar bei der Spaltung der Glukose. Sie vereinigen sich bei Anwesenheit von Ammoniak zum Imidazolring. Die beiden genannten Forscher weisen darauf hin, daß man sich die Entstehung von Purinbasen aus den gleichen Bausteinen entstanden denken kann, indem man noch ein Molekül Harnstoff an der Reaktion sich be- teiligen läßt: NH, CH. C = 0 1 NH, Harnstoff + CO ^^0 ^^H Methyl- glyoxal -f H . NH, + TT o/Ö H.O\jj -f 4 0 = + NH3 2 Moleküle A m m 0 n i a k Form aide hyd NR— CO i ! CO C— Ml + 6 H. O ;CH II / NH— C— N Xanthin. Das so entstandene Xanthin könnte zu den übrigen Purinbasen hin- führen. Noch leichter als aus Glukose erhält man Imidazole und ferner auch Pyrrole aus Glukosamin.i) Von großem Interesse ist das Vorkommen von methy Herten Xanthinbasen im Pflanzenreich. Wir haben bereits bei der Besprechung der Betaine die Fähigkeit des Pflanzenorganismus, Methylgruppen anzulagern, hervorgehoben. In den Blättern und Bohnen des Kaffeebaumes, in den Früchten von Paulinia sorbilis, im Paraguay tee (Hex paraguayensis) und in den Kola- nüssen findet sich ein 1, 3, 7-Trimethyl-2,6-dioxypurin = Kaffein.^) ') //. Paul;/ und J) Über diese letzteren hinaus geht der Abbau im Darmkanal im allgemeinen offenbar nicht. Insbesondere werden keine Purin- und Pyri- midinbasen abgespalten. Man findet diese Verbindungen und insbesondere die ersteren allerdings beständig in den Fäzes. Martin Krüger und Alfred Schitteuhelm^) konnten jedoch den Beweis erbringen, dall sie zum Teil von P>akterien, zum Teil von abgestoßenen Darmepithelien herstammen und nicht auf Nukleinsäuren der Nahrung zurückzuführen sind. Noch fast gar nicht erforscht ist die Frage, ob die Darmflora die Bestandteile der Nukleinsäuren und diese selbst angreift, sie verändert und zu charakteristischen Produkten abbaut. Wir wissen zwar, daß Bak- terien die Bausteine der Nukleinsäuren und diese selbst in mannigfaltiger Weise um- und abbauen können. 3) Es sind uns jedoch keine bestimmten Produkte bekannt, die. wie es bei manchen Aminosäuren der Fall ist, im Darmkanal durch die Einwirkung der Darmflora entstehen und dann unverändert oder nach erfolgter Kuppelung mit bestimmten Verbindungen im Harn erscheinen und sich ohne weiteres auf bestimmte Bausteine zu- rückführen lassen. Dieser Umstand erschwert begreiflicher Weise die Ent- scheidung der Frage nach dem Umfang der durch Bestandteile der Darm- flora herbeigeführten Veränderungen der im Darmkanal frei werdenden Nukleinsäuren und der aus ihnen hervorgehenden Nukleotide und Nukleoside außerordentlich. Immerhin ist der Schluß berechtigt, daß unter normalen Verhältnissen kaum erhebliche Mengen von Bestandteilen der Nukleinsäuren den Darmbewohuern zum Opfer fallen.*) Anders liegen die Verhältnisse, wie wir gleich erfahren werden, wenn Purinbasen verfüttert werden. Es ist zunächst auffallend, daß der Abbau der Nukleinsäuren nicht bis zu den Bausteinen führt, sondern bei zusammengesetzten Verbindungen halt macht. Da jedoch manche Bestandteile der Nukleinsäuren, wie z. B. die Purinbasen, ganz allgemein außerordentlich schwer löshch sind, so könnte eine Aufspaltung der Nukleotide und Nukleoside in ihre Bestand- teile deren Resorption gefährden. In der Tat hat man beobachtet, daß nach Verfütterung von Purinbasen ganz erhebliche Mengen davon im Kot enthalten waren, ja manchmal war der größte Teil dieser Verbindungen gar nicht zur Ptesorption gelangt. ^) Ferner wird ein sehr großer Teil davon von Bakterien abgebaut und entgeht so der weiteren Verfolgung. ^) Diese ') Vgl. auch S. J. Thannhauser: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 91. 329 (1914). — S. J. Thannhauser und G. Dorfmüller : Ebenda. 100. 121 (1917). '•') M. Krüger und A. Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 35. 153 (1902). — A. Schittenhelm: Deutsches Archiv f. klin. Med. 81. 423 (1904). — A. Schittenhelm und C. Tollens: Zentralbl. f. inn. Med. Nr. 30 (1904). — Martin Krüger und Alfred Schitten- helm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 45. 14 (1905). ■') Vgl. hierzu A. Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 39. 199 (1903). — A. Schittenhelm und F.Schrötter: Ebenda. 39. 203 (1903); 41. 4 (1903). — H. Plenge: Ebenda. 39. 190 (19Ü3). *) Vgl. E. S.London, A. Schittenhelm und K. Hiener: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 77. 86 (1912). — 'S'. J. Thannhauser und G. J)orfmüller: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 102. 148 (1918). — A. Schittenhelm und K. IJarpuder: Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. 27. 29 (1922). •^) Vgl. z. B. Stadthagen: Virchotvs Arch. 109. 390 (1887). — A. Schittenhelm: Arch. f. exper. Patb. u. Pharm. 47. 432 (1902). — Walter Hall: Journ. of Pathol. and Bacteriol. 2. 246 (1905). «) V. 0. Siren: Pflügers Archiv. 157. 582 (1914). — S. ./. Ihannhauser und r;. f)orfmüller: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 102. 148 (1918). Nukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. 667 Feststellung ist zur Beurteilung von Fütterungsversuchen mit Purinbasen sehr wichtig. Man darf allerdings aus dem Verhalten verfütterter Purin- basen nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die normalen Verhältnisse ziehen. Es brauchten ja beim stufenweisen Abbau der Nukleinsäuren immer nur Spuren von einfachsten Bausteinen zu entstehen, die sofort zur Aufnahme gelangen könnten. Der Grund der nicht vollständigen Spaltung der Nuklein- säuren im Darmkanal ist vielleicht darin zu suchen, daß die Nukleotide und Nukleoside im Zellstoffwechsel direkt Verwendung finden können. ^ Nach allen bisherigen Erfahrungen führt, wie bereits er- wähnt, der Abbau der Nukleinsäuren im Darmkanal nur bis zu Nukleotiden und Nukleosiden. Diese kommen dann zur Resorption und schlagen den Blutweg ein. i) Im Blute konnten Nukleotide nach- gewiesen werden. 2) Ob solche und Nukleoside von den Zellen direkt zu Synthesen von Polynukleotiden verwendet werden oder, ob diese nur von den Bausteinen der Mononukleotide ausgehen, entzieht sich noch unserer Kenntnis. Wir wissen auch nicht, ob bei der Bildung der Nukleoproteide die Zwischenstufe Nuklein in Erscheinung tritt. Daß im tierischen Orga- nismus beständig Nukleoproteide und insbesondere auch Nukleinsäuren ge- bildet werden müssen, ist schon durch den Umstand sichergestellt, daß auch das hungernde Tier stets im Harne Produkte ausscheidet, die nur aus den Bau- steinen der letzteren Verbindungen hervorgegangen sein können. Die auf diese Weise stets entstehenden Lücken werden ohne Zweifel beständig durch die mit der Nahrung aufgenommenen Bausteine der Nukleinsäuren ausgefüllt. In den meisten Fällen werden sicher mehr Nukleotide und Nukleoside vom Darme übernommen, als zum Aufbau von Nukleinsäuren benötigt werden. Diese dienen vielleicht zum Teil besonderen Funktionen, zum größten Teil werden sie jedoch bald weiter abgebaut. Wir haben ohne Zweifel im Verhalten der Bausteine der Nuklein- säuren im tierischen Organismus ganz entsprechende Verhältnisse vor uns, wie bei allen übrigen organischen Nahrungsstoffen. Überall begegnen wir mannigfaltiger Verwertung der einzelnen Verbindungen. Bald wird ein aufgenommener Stoff Baustein von Zelibestandteilen, bald geht er in irgend einer Form in ein Sekret über, bald knüpft er Beziehungen zu allen möglichen anderen Verbindungen an, bald wird er auch direkt bis zu bestimmten Stoffv/echselendprodukten abgebaut. Wir stehen bei der Erörterung der Verwertung der Nukleinsäuren im tierischen Organismus den gleichen Schwierigkeiten gegenüber, wie bei den Proteinen bzw. ihren Bausteinen, den Aminosäuren. Es ist bis jetzt nicht bekannt geworden, ob es Orte gibt, an denen Nukleinsäuren oder ihre Bestandteile in irgend einer Form aufgespeichert werden können. Wahrscheinlich ist eine Ablage- rung nach allen bisherigen Erfahrungen nicht. Es wäre jedoch möglich, daß jede einzelne Zelle Umsatznukleoproteide bzw. -nukleinsäuren besitzt und aulüerdem bestimmte Vertreter dieser Ivlassen von Verbindungen das eigentliche Baumaterial der Zellkerne darstellen. Leider wissen wir gar nichts Genaues über die Rolle, die die Nukleinsäuren bzw. die Nukleoproteide in der Zelle .spielen. Es, ist uns immer noch ziemlich unbekannt, welche Bedeutung dem Kern bei den Stoff Wechsel Vorgängen der Zellen zukommt. M J. Biberfeld und J.Schmid: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 69. 292 (1909). -) ThannhauRfr und Czoniczcr: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 110. 307 (1920). (568 XX XU. Voilesuntr. Wir wissen nur, dalJ er l)ei der Zellteilung wichtige Funktionen über- nimmt und vielleicht bei der Vererbung eine besondere Bedeutung hat. Wir wollen zunächst versuchen, die Entstehung der Bausteine der Nukleinsäuren in den Zellen zu verfolgen und ferner ihren weiteren Abbau klarzustellen. Zunächst sei bemerkt, daß die verschiedenen Kör- perzellen Fermente besitzen, um die Nukleinsäuren stufenweise abzubauen. Zunächst werden sie durch Polynukleotidasen V) in Nukleo- •fide gespalten. Diese fallen einer weiteren Zerlegung in Nukleoside und l'hosphorsäure anheim. Das diesen Abbau vollziehende Ferment ist Nukleotidase genannt worden. Die Nukleoside endlich werden durch die Nukleosidasen in ihre Anteile, nämlich in Zucker und die mit ihm verbundene Base, gespalten.-) Es ist von groüem Interesse, daß festgestellt werden konnte, daß die Nukleoside bereits vor ihrer Spaltung Veränderungen erleiden können. So kann das Nukleosid Adenosin durch Desaminierung in Hypoxanthosin = Inosin übergeführt werden. Aus Guanosin entsteht in entsprechender Weise Xanthosin. Das folgende Schema soll die Stufen wiedergeben, die durchlaufen werden, wenn Nukleinsäuren = Polynukleotide in ihre Bausteine zerlegt werden : Phosphorsäure — Kohlehvdrat — (luanin I r Phosphorsäurc — Kohlehvdrat — Adenin I i" Phosphorsäurc — Kohlehydrat Zytosin I 1 Phosphorsäurc — Kohlehydrat Urazil Phosphorsäure — Kohlehydrat ~ Thymin Nukleinsäure = Polynukleotid. Das Polynukleotid zerfällt unter der Wirkung der Polynukleotidase unter Wasseraufnahme in die Nukleotide: Phosphorsäure Kohlehydrat — Guanin ) Guanylsäure Phosphorsäurc Kohlehydrat Adenin J Adenylsäure l'hosphorsäure Kohlehydrat — Zytosin ; Zytidinphosphorsäure Phosphorsäure — Kohlehydrat Urazil | Uridinphosphorsäure Phosphorsäurc Kohlehydrat Thymin } Thymidinphosphorsäure. Die Nukleotide werden durch Nnkleotidasen in Phosphorsäure und Nukleoside gespalten: 1) Vgl. hierzu Aniki: Zeitschr. f. physiol. Cheinie. 38. S4 (1903). — Ä. Schitte/i- /idm: Kbonda. 42. 2.')! (liKj4). — Sachs: Ebenda. 46. :-^37 (1905). — Jmtschenko: Biochom. Zeitschr. 31. 337 ('1911). - P. de la Blanchardiere: Zoitschr. f. physiol. Cheui. 87. 291 (1913). '-) Vgl. zur Feststellung dieser F^enacnte: 1'. A. Lerene und /'. Medifjrea anu: .louru. of Biol. Chem. 3. (iä. 375, 389 (1911). — S. Ambou/ und W. Jones: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 73. 407 (1911). — n alter Jones: Journ.'of Biol. Chem. 9. 129, 169 (1911). — /'. A. Jjfvene. IC. A. Jarohs und F. Medigreceanii : Khciida. 11. 371 (1912). Xukleoproteide. iS'uklciusauieii und ihre Bausteine CH + 0 N— C-X X C N Hypoxanthin = 6-Oxypurin. NH— CO XH— CO HO . C C— XH OC C-XH / X C— X CH —y \ / XH— C— N CH +0 —> Xanthin — 2,6-Dioxypurin. ^) Alfred Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. 251 (1904); 43. 228 (1904); 45. 121, 152(1905); 45. 161 (1905); 46. 354 (1905). — Alfred Schittenhelm und Julius Schmid: Ebenda. 50. 30 (1906); Zeitscbr. f. cxperim. Tath. u. Tlierapie. 4. 424, 432 (1907). — Werner Künzel und A. Schittenhelm: Ebenda. 5. 489, 393 (1908). — Alfred Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. ü(j. 53 (1910). — Alfred Schittenhelm und Karl Wiener: Ebenda. 77. 77 (1912). «) Walter Jones: Zeitscbr. f. physiol. Chemie. 41. 101 (1904); 42. 35 (1904). — Walter Jones und ('. L. Partridqe: Ebenda. 42. 343. (1904). -— Walter Jones und M. C. Winternitz: Ebenda. 44. 1 (1905). — Walter Jones: Ebenda. 45. 82 (1905). — Walter Jones und C. li.Austrian: Ebenda. 48. 110 (1906); Journ. of Biol. Chcniistry. 3. 227 (1907). — Vgl. auch Lafaijette B. Mendel and I'hilij) H. Mitchell: The Amer. .lourn. of Physiol. 20. 97 (1907). — A. E. Austin: Journ. of Med. Research. 16. 71 (1907). — Walter Jones: Journ. of Biol. Chem. 9. 129 (1911). — Samuel Amberg und Walter Jones: Ebenda. 10. 81 (1911); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 73. 407 (191J). Nukleoproteide. Nukleiusäureu iiud ihre Bausteiue. «71 NH— CO OC C— NH NH -CO OC C— NH / C . OH )C0 NH— C— N NH— C-NH Harnsäure = 2, 6, 8-Trioxypurin NH— CO NHo . C C— NH ^CH + H. 0 --NH3 N C— N Guaniii = 2Amino- 6-oxypurin NH -CO Harnsäure NH— CO OH.C C-NH >CH N C— N OC C-NH / NH-C— N CH + 0 Xanthin — 2, 6-Dioxypurin. Aus der gegebenen Darstellung ersieht man, daß dieBildungvon Hypoxanthin aus Adenin und diejenige von Xanthin aus Guanin in vollständig entsprechender Weise vor sich gehen. Es handelt sich offenbar um eine hydrolytische Desaminierung. Der weitere Abbau erfolgt unter Oxydation. Er bleibt aus, wenn kein Sauerstoff zugeführt wird. Hypoxanthin geht zunächst durch Oxydation in Xanthin über. Dieses wird dann weiter zu Harnsäure oxydiert. In den obigen Formeln ist angeführt, wie die Aminogruppe zunächst durch die OH-Gruppe ersetzt wird und sich dann durch Umlagerung einerseits die NH-Gruppe und andrerseits die CO-Gruppe bildet. Ebenso sind der Sauerstoffeintritt und die Umlagerung in beiden Phasen angegeben. Dazu ist zu bemerken, daß wir natürlich nicht wissen, in welcher Form die einzelnen Verbindungen in Wirklichkeit vorkommen. Es ist wohl möglich, daß sie beide im Orga- nismus vorhanden sind. Nach Beobachtungen von Thanriliauser und Otten- ste'm über den Abbau von Nukleosiden durch Leberauszug scheinen diese gleichzeitig desaminiert und in ihre Anteile gespalten zu werden.^) Es ist von großem Interesse, daß der Mensch und die anthropoiden Affen Harnsäure ausscheiden, während, wie besonders durch die Unter- suchungen von Wiechowski 2) gezeigt worden ist, viele Tiere, so der Hund, \) S. J. Thannhauser und B. Oitenstein: Zeitschr. für physiol. Chemie. 114. 17 (1921). ^) Wilhelm Wiechowski: Hofmeistern Beitr. 9. 295 (1907); Biocheru. Zeitschr. 2.). 431 (1910). 672 XXXIl. Vorles^l)l,^ die uicht-anthropoiden Affen ij usw.. an ihrer Stelle Allantoin bereiten. Diese Verbindung- ist als Abbauprodukt der Harnsäure zu betrachten: NH— CO I i CO C-NII ^CO NH_C— NH llai'nsänrc NH.3 OH^) CO C— NH l / XH — C- NH .CO oder H3) >H— C—NH CO CO NH— C— NH OH Allantoin. Die Überführung von Harnsäure in Allantoin wird einem oxydierenden Ferment, Urikase oder urikolytisches Ferment genannt, zugeschrieben.'* ) Das Allantoin. das seiner Bildung aus Glyoxylsäure und zwei Mole- külen Harnstoff entsprechend'') auch als Glyoxyldiureid bezeichnet werden kann, ist von Vauquelin und Buniva im Jahre 1791) in der Amnionflüssig- keit von Kühen und bald darauf von Lassa igne^) in der AUantoisflüssig- keit entdeckt worden. Wälder') fand das Allantoin später im Harn säugen- der Kälber. Durch zahlreiche F^ütterungsversuche konnte die Beziehung des Allantoins zu den Purinbasen und insbesondere zu der Harnsäure festgestellt werden.^) Schließlich wurde auch durch Versuche am überlebenden Organ *) Ainh-pw Iluntcr und Maurice IL (Hvens: .Tourn. of biol. Chem. 13. 371 (1921)- 2) Vgl. Lafmiettv, B. Mendel und //. IJ. Dakin : Journ. of biol. Chom. 7. 153 (lUlO)- ^) R.Behrend: Liebiy^ Annaleu. 333. 144 (1904); 365. 21 (1909): vgl. auch //. />. Dakin: J. (^hem. See. 107. 434 (1915). *) Vgl. hierzu Stockvis: Nederl. Tijdschr. voor Geneeskunde. 2. 26S (1860). — Hur/o Wimer: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 42. 375 (1889); Zeutralbl. f. Physiol. 18. (i9fi (1905). — .(. /-;. Austin: .lourn. of Medical Research. 15. 309 (1906); 16. 71 (1907). — Werner Kiinzel und A. Schittenhel in : Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 5. 389 (1908). — W. Wiechowski und //. Wiener: Hofmeisters Beitr. 9. 247 (1907). -- Vgl. auch Vittorio ScaX/idi: Biochem. Zeitschr. 18." 506 (1909); 25. 415 (1910). — F. Batelli und L.Stern: Biochem. Zeitschr. 10. 219 (1909). 5) Vgl. S. 664. *) Lassaigne: Annales de (Jhim. et de Physi(|ue. 17. 301 (1821). ') F. Wähler: Liebi. Min- kouski: Ebenda. 19. Nr. 19 (1898): Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 41. 393 (1898). — Theodor Cohn: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 25. 507 (1898). — ./. Pohl: Ebenda. 48. 367 (1902). — Lafayette B. Mendel und Benjamin White: American Journ. of Phvsiol. 12. 85 (1895). — F. P. Underhill und ./. S. Kleiner: Journ. of biol. Chem. 4. 165 ("1907). — ir. Wiechowski: Hofmeister':^ Beitr. 11. 109 (1908). — A. Schittenhehn und /'. Srisser: Zeit► I NH— CO NH., Glykolyl-di harnst off Die Versuche mit Organen. Organauszügen und aus Zellen isolierten Fermenten ergeben somit ein recht klares Bild des Abbaus der Purinbasen. Sie allein können jedoch nicht ohne weiteres einen Einblick in das Ver- halten dieser Verbindungen im Zellstoffwechsel geben. Wir haben schon mehrfach betont, daß es unumgänglich notwendig ist. jeden einzelnen Zell- vorgang unter verschiedenen Versuchsbedingungen zu verfolgen. Erst dann, wenn die Ergebnisse verschiedenartiger Versuche sich decken, darf der Schluß gezogen werden, daß eine bestimmte Art des Ablaufs von Stoff- wechselvorgängen der Wirklichkeit entspricht. Es sind, um weitere Erfah- rungen zu sammeln. Fütterungsversuche mit Purinbasen ausgeführt worden. Adenin erscheint zum Teil unverändert im Harn. Beim Menschen führt es zur \'ermehrung der Harnsäure. ^j Der Abbau dieses Aminopurins ist nicht immer der gleiche. Man fand nämUch bei Hunden nach Verfütterung von Adenin in den Nieren Ablagerungen von 6-Amino-2, 8-dioxypurin*j: X=C . NH, N=C . NH, HC C— NH >CH N— C— N A d e iii n = 6 - A m i 1 1 i > [ 1 11 r i n OC C— NH ^CO HN— C— NH 6 - A m i n 0-2. s -d i ox y p u r i ii. Ferner fand Schittenhelm'^) beim Digerieren von Guanin mit einem Auszug aus Schweinemilz 2-Amino-6, 8-dioxypurin: ') W. Wiechotcski: Hofmeistern Beitr. 9. 295 (1907). — Vgl. auch CS. Venable [Journ. Americ. Chem. Soc. 40. 1099 (1918)] über Aufspaltung der Harnsäure iu Allan- toin und Carbonyldiharnstoö' durch H, 0,. "•') H. Eppinger: Hofmeisters Beitr. 6. 287 (1905>. ') M. Krüger und ./. Schmid; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 34. 549 (1901/02). *) 0. Minkowski: Arch. f. experim. Patb. u. Pharm. 41. 406 (1898). — A. Xikolaier: Zeitschr f. klin. Med. 45. 3b9 (1902). — A. Schittenhelm : Arch. f. experim. Patb. u. Pharm 47. 432 (1902). — Erich Ebstein und E. Bendix: Virchoics Archiv. 178. 4H4(1901). '") Altred Schittenhehn; Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 46. 354 (1905); Deutsches Arch. f. klin. Med. 89. 266 (1906). Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 6. Aufl. 43 674 XXXII. Vorlesung. NH— CO NH— CO NH, . C C— NH — >CH N C N y NH2 . C C— NH ^co N C NH Guanin = 2-Amino- 2-Amino-6, 8-dioxy 6- oxyp urin pur in. Sowohl aus dem 6-Amino-2, 8-dioxypurin als auch aus dem 2-Amiuo- 6, 8-dioxypurin kann nach Desaminierung Harnsäure entstehen. Es kann somit der Abbau des Adenins und Guanins einmal durch die hydrolytische Desaminierung- eröffnet werden und dann unter Oxydation über Hypo- xanthin und Xanthin zu Harnsäure führen. Ferner ist die Möglichkeit gegeben, daß die beiden Purinbasen zuerst oxydiert und erst nachträglich ihrer Aminogruppe beraubt werden. Im letzteren Falle kann sich die Oxy- dation beim Adenin auch in zwei Phasen vollziehen. Es könnte zunächst 6-Amino-2-oxypurin bzw. 6-Amino-8-oxypurin entstehen und erst dann das 2, 8-Dioxypurin gebildet werden. Diese Zwischenstufen ließen sich jedoch noch nicht feststellen. Wird Kaninchen Guanin subkutan oder intravenös zugeführt, dann kommt es zur Ausscheidung von Xanthin und von Harnsäure. 1) Die Prü- fung des Verhaltens dieses Aminopurins im tierischen Organismus stößt auf große Schwierigkeiten, weil es außerordentlich schwer löslich ist. Aus diesem Grunde haben Fütterungsversuche beim Menschen keine eindeutigen Resultate ergeben. 2) Verfüttert man Hypoxanthin, dann gehen bis 60% der zugeführten 'Menge beim Menschen in Harnsäure über.^) Xanthin liefert gleichfalls Harnsäure.*) Versuche mit Adenosin und Guanosin ergaben bei subkutaner Zufuhr beim Kaninchen eine Zunahme von Allantoin, beim Menschen eine solche von Harnsäure im Harn.») Die Fütterungsversuche stehen somit im Einklang mit den mit Or- ganen gemachten Beobachtungen. Sie ergänzen sich in ausgezeichneter Weise, indem die Versuche im Reagenzglas vor allem die einzelnen Zwi- schenstufen, die beim Abbau jeder einzelnen Purinbase durchlaufen werden, klar erkennen lassen, während der Stoffwechselversuch meistens nur die Endprodukte wiedergibt. Der Abbau der Purinbasen ist wohl niemals ein vollständiger. Man findet stets im Harn neben Harnsäure und Allantoin noch Oxypurine, ja unter Umständen auch Aminopurine. So sind Adenin, Guanin, Hypoxanthin und Xanthin im Harn aufgefunden worden. Ferner findet man auch methy- lierte Purinbasen. So sind das 7-Methylderivat des Guanins = Epi- *) A. Schitfenhelm uud E. Bendix : ZGÜschr. f. physiol. Chemie. 43. 365 (1904/05) ■'') E. Burian und H. Schur: Pflilger?, Archiv. 80. 317 (19ÜU). — M- Krüger und ./. Schmid: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 34. 563 (1901/02). ") R. Burian und //. Schur: P/lüc/cm Archiv. 8ü. 241 (1900). — 0. Minkowaki : Arch. f. experim. l'ath. u. l'harm. 41. 375 (1898). — M. Kri'n/er und ./. Schmid: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 34. 549 (1901/02). *) M. Krüger uud ./. Schmid: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 34. 549 (1901/02). ^) S. ./. Thannhüuser und A. Bomnics: Zeitschr. f. piiysiol. Chemie. 91. 336 (1914). Nukleoproteide. Nukleinsäureu und ihre Bausteine. 675 guanini), das l-Methylxanthin^), das 1, 7-Dimethyl-xanthin = Paraxanthin») und das 7-Methylxanthin = Heteroxanthin*) beob- achtet worden. Ferner hat man ;-J-Methylxanthin nach Einnahme von methylierten Xanthinen (TheophyUin, Theobromin, Kaffein) festgestellt. Die folgenden Formeln geben die Struktur dieser Verbindungen wieder: NH— CO CH, . N— CO NH, .C C -N . CH3 >CH N C— N 7-Methyl-2-amino-6-oxy- purin = Epiguanin CH, . N— CO OC C— NH / CH HN—C— N l-Methyl-2, 6-dioxy- purin = 1-Methylxanthin NH— CO OC C- N . CH3 >CH HX— C— N 1, 7-Dimethyi-2, 6-dioxy- purin = 1, 7-dimethyl- xanthin = Paraxauthin HX— CO OC C— X . CH3 >CH HN C— X 7-Methyl-2, 6-dioxy- purin = 7-Methyl- xanthin = Hetero- xanthin. OC C— NH ^CH CH3 . N— C-X 3-Methyl-2, 6-dioxypurin = 8-Methylxanthin. Die Herkunft der methylierten Amino- und Oxypurine ist zum Teil festgestellt. So liefert Theobromin = 8, 7-Dimethyl-2, 6-dioxypurin 7-j\lethylxanthin.») Daneben tritt auch 3-Methylxanthin auf. Diese letztere Verbindung wird auch im Harn angetroffen, wenn man Theo- phyllin = 1, o-Dimethyl-2, 6-dioxypurin verfüttert.'') Xach Eingabe ') M. Krüger und Wtdfj': Verhaudl. d. phvsiol. GesLdkch. zu Berlin. 27. Juli 1894 (1893/94). — M. Krüyer und G. Salomon; Zeitschr. f. pbysiol. Chemie. 24. 387 (1898); 26. ö89 (l>^98/99). ^) M. Krüger und G. Salomon; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 364 (1898); 26. 358 (1898/99). '■') Thndichum: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 11. 415 (1887); Couipt. reud de l'acad. des Sciences. 106. 1805 (1888). — G. Salomon: Arch. f. (Auat. u.) IMiysiol. 426 (1882); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 16. 195 (1883); l'ircliows Archiv. 125. 554 (1891). ^) M. Krüger und G. Salomon: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 364 (1598); 26. 358 (1898/99). •') M. Krüger und J. Schmidt: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 36. 1 (1902). ^) St.Bondzijnski und H.Gotilieb: Arcli. f. experini. Path. u. Pharm. H6. 45 (1895); Berichte d. Deutschen Chem. Gesellsch. 28. 1117 (1895). — M. Krüger und /'. Schmidt: Ebrnda. 32. 2677 (1899). — M. Krüyer und ./. Schmid: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 45. 259 (1901). 43* fj76 XXXll. Vorlesung. von Kaffeiii = 1, o, 7-Trimethyl-2, 6-dioxypurin findet man im Harn von Kaninchen Paraxanthin und feiner 1- und 7-Methylxanthin.M Daneben tritt unverändertes Kaff ein auf. Hunde bereiten aus Kaffein Theobromin 3-Methylxantliin und o, 7-I)imetliylxantliin.2) Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß der tierische Organis- mus imstande ist, Methylgruppen abzuspalten. Es ist auch gelungen, aus Organbrei zugesetzten, mehrfach methylierten Xanthinbasen Verbin- dungen mit weniger Methylgruppen zu erhalten. ^j Es ist von. größtem Interesse, daß die einzelnen Tierarten nach Eingabe von Methylpurinen ganz verschiedene Mengen an den einzelnen Abbaustufen im Harn zur Ausscheidung bringen. So enthielt der Harn vom Hunde nach Eingabe von Theobromin 5ro57o unveränderte Substanz, 2"89*'/'o 3-Methyl-xanthin und U62*' 0 "-Methyl-xanthin. Beim Kaninchen fanden sich nach Ver- fütterung von Theobromin 16'05Vo unveränderte Verbindung, 14'Hlo/o ''^- Methyl-xanthin und O'OlVo 3-Methyl-xanthin im Harn. Im Urin vom Men- schen wurden nach Eingabe des gleichen Methylxanthins 16'3Vo 7-Methyl- xanthin und SößVo 3-Methyl-xanthin aufgefunden.*) Selbstverständlich haben die angeführten Zahlen keinen absoluten Wert, weil sicher je nach den gerade vorliegenden Bedingungen im einzelnen Organismus der Abbau der zugeführten Verbindungen ein quantitativ verschiedener ist. Auch dürften die Resorption der verfütterten Produkte und eventuelle Umwand- lungen durch die Darmflora nicht gleichmäßige gewesen sein. Doch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Tierarten so groß, daß ohne Zweifel ein für die einzelne Art charakteristischer Abbau des verabreichten 3, 7-Dimethylxanthins vorliegt. Wahrscheinlich ist die Entmethylierung eines Teiles der zugetührten Methylpurine eine vollständige. Ob es bis zur Bildung von Harnsäure bzw. von Allantoin kommt ist noch unentschieden. &) Sicher sind nicht alle methylierten Purinbasen des Harns auf in der Nahrung enthaltene Methylverbindungen dieser Reihe zurückzuführen. Vielmehr vermag der Organismus offenbar auch Purinbasen zu methylieren. Es gilt dies ohne Zweifel für das Methyl-guanin. Ferner ist das Auftreten von Heteroxanthin beobachtet worden, als nur Fleisch verfüttert wurde. •^) Wir haben bereits hervorgehoben, daß bei den einen Tieren der Ab- bau der Harnsäure im wesentlichen bei der Harnsäure stehen bleibt, während andere in der Hauptsache Allantoin liefern.^) Ferner haben wir gesehen, daß methylierte Xanthine bei verschiedenen Tierarten verschieden abgebaut werden. Nun gibt auch eine vergleichende Betrachtung des Purinbasengehaltes des Harns ganz charakteristische Unterschiede. Beim 1) M. Krüger: Ber. d. Deutscheu Cliem. Gcsellsch. 32. 3336 (1899). 2) J/. Krüger: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 32. 2318 (1899). 3) ./. Sclimid: Zeit.schr. f. physiol. Cliemie. 67, 155 (1910). *) M. Krüger und .7. Schmid: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 32. 2677 (1899); Arch. f. experim.'Path. u. Pharm. 45. 295 (1901). ^) 0. Minkowski: Arch. f. experim. l'hat. u. l'harm. 41. 375 (1898). — R. Buriari und H. Schur; rjlügers Archiv. 8f». 241 (1900); 87. 239 (1901). — M. Krüger und J. Schmid: /eiti^chr.' f physiol. Chemie. 32. 104 (1901). - J. Schmid: Eheuda. 67. 155 (1910). *) G.Salomon: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 11. 413 (1887). — G. Salotnon und Carl Neuberg: Salkoicski-Featachr. 37. Berlin 1894. ') U'.' Hicchoirski: Prager med. Wochenschr. 37. Nr. 22 (1912). Xukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. 677 Menschen findet man hauptsächlich Xanthin. Daneben geringe Mengen von Hypoxanthin und Spuren von Aminopurinen. Ob das in sehr geringer Menge vorhandene Allantoin in direkter Beziehung zum Abbau von Purinbasen steht oder nicht vielmehr vorgebildet in der Nahrung ent- halten war, ist noch unentschieden. Bei den anthropoiden Affen finden sich ganz ähnliche Verhältnisse wie beim Menschen, während die übrigen Vertreter dieser Tierklasse den Allantoin bildenden Tieren nahestehen. M Übrigens ist der Gehalt des Harnes an Purinbasen sehr gering (Oln— O^^r Stickstoff in dieser Form). Bei den Tieren, die Allantoin bilden, finden wir solche bei denen daneben relativ viel Harnsäure vorkommt. Die Purinbasen treten an Menge ganz zurück. Beim Hund, beim Kaninchen und Rind-j zeigt der Harn z. B. eine solche Verteilung der Purinbasenabkömmlinge. Beim Schwein und Pferd dagegen überwiegt die Menge der Purinbasen über die Harnsäure- raenge. Bei ersterem fehlt Guanin ganz. 3) Es ist von groliem Interesse, daß bei diesen Tieren Ablagerungen von Guanin in Gelenken, in der Leber und in Muskeln beobachtet worden sind.*) Ferner wurde in einem solchen Falle auch Guanin im Harne aufgefunden. &) Offenbar tehlt in diesen Fällen — man hat geradezu von einer Guanin gi cht gesprochen — jenes Ferment, das die erwähnte Purinbase abbauen kann. Da offenbar gleichzeitig Adenin ganz gut angegriffen und in seine typischen Abbau- stufen zerlegt wird, ist wohl der Schluß berechtigt, daß die Desaminierung von Guanin und von Adenin nicht durch das gleiche Ferment erfolgt. Dafür sprechen auch die Beobachtungen von Jones^), daß nicht jedes Organ Adenin und Guanin abbauen kann. Manche greifen nur Guanin an. andere wieder nur Adenin und endlich manche auch beide Aminopurine. Man hat daher von einer Adenase und einer Guanase gesprochen. Es ist möglich, daß auch diejenigen Fermente, die Hypoxanthin in Xanthin und dieses in Harnsäure überführen, besonderer Art sind und wiederum ein besonderes Ferment die Xukleoside Adenosin und Guanosin in die entsprechenden oxydierten \'erbindungen : Hypoxanthosin und Xanthosin überführt. Wenn wir nunmehr alles zusammenfassen, dann ergibt sich ein ganz klares Bild des Abbaus der Nukleinsäuren im tierischen Organis- mus. Er erfolgt über die Nukleotide zu den Nukleosiden, w^obei gleich- zeitig Phosphorsäure abgespalten wird. Diese letzteren Verbindungen zer- fallen dann in ihre Bausteine. Es entstehen Purin- und Pyrimidinbasen und ferner Kohlehydratmoleküle. Wahrscheinlich erfordert jede Art der Nukleotide und Nukleoside eigenartige Fermente. Die Purinbasen werden dann weiter über die Oxypurine bis zur Harnsäure und bei den meisten Tieren darüber hinaus zu Allantoin abgebaut. >) Vgl. z B. H. G. Wells: Jouru. of biul. Chem. 7. 171 (1909 10). — Andren- Hunter und Maurire H. Givens: Ebenda. 13. 371 (1912). *) A. Schittenhelm und E. Bendix: Zeitsclir. f. phvsiol. Chemie. 48. 140 (1906). — A. Schittenhelm: Ebenda. 46. Sö4 (1905). ') A. Schittenhelm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 66. n3 (1901). *) R. Virchoic: Virchous Archiv. 35. 358 (1860); 31. 147 (1866). — G. Salomon: Ebenda. 97. 360 (1884). — W. Mmdelsohn: The Americ. Jouru. of medical Science. 109 (1888). — Vgl. auch .4. Schittenhelm und E. Bendix: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 48. 140 (1906\ *) Pecile: Liebigs Annalen. 183. 141 (1876). «) Vgl. die Literatur S. 670, Zitat -). 678 XXXII. Vorlesung. Es fragt sich nun, ob die Purinbasen die einzige Quelle für die Bildung der Harnsäure bzw. des Allantoins darstellen. Lange Zeit glaubte man, daß in der ganzen Tierreihe auch die Eiweißstoffe zu den genannten Abbaustufen führen. Jetzt wissen wir ganz bestimmt, daß dies nur bei den Vögeln und Reptilien stets der Fall ist. Bei den Säugetieren, den meisten Amphibien und den Fischen bestehen keine direkten Beziehungen der Harnsäure bzw. des Allantoins zum Eiweißstoffwechsel. In der ganzen Tierreihe liefern dagegen die Purinbasen Harnsäure bzw. Allan- toin. Es gilt dies für jede einzelne Art. Dazu kommt dann bei den Vögeln und Reptilien als eine für diese Tieraiten charakteristische Quelle für Harnsäure das Eiweiß bzw. die Aminosäuren. Wie bei allen bisher besprochenen Verbindungen müssen wir auch hier die Frage nach den Beziehungen der Bausteine der Nuklein- siiuren zu anderen Substanzen erörtern. Ist eine Synthese von Nukleinsäuren aus Kohlehydraten, Fetten und Eiweißstoffen bzw. ihren Bausteinen möglichV Knüpfen ferner die typischen Bausteine der Nukleinsäuren, die Purin- und Pyrimidinbasen, Beziehungen zu Vertretern der genannten Klassen von Verbin- dungen anV Wir wollen mit der letzteren Fragestellung beginnen. So weit unsere Kenntnisse reichen, wandeln sich die im Organismus entstehenden und ihm zugeführten Purinbasen in keine Verbindungen um, die zur Synthese von anderen Stoffen dienen könnten. Sie scheinen vielmehr in ihrer Gesamtheit Stufe um Stufe bis zu den Stoffwechselendprodukten abgebaut zu werden. Was aus den Pyrimidinbasen wird, wissen wir zurzeit noch nicht. Es wäre denkbar, daü sie aufgespalten werden, und die entstandenen Bruchstücke in irgend einer Weise noch Verwendung finden. Viel besser sind wir über die Frage der Synthese der Nukleinsäurebausteine und insbesondere der Purin- und Pyri- midinbasen im tierischen Organismus aus Material, das keine direkten Beziehungen zu diesen Verbindungen besitzt, unter- richtet. Miescher^) hat festgestellt, daß Lachse, die sich monatelang im Süßwasser aufhalten, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, große Mengen von Spermatozoon bilden. Diese bestehen zum größten Teil aus Nukleopro- teiden. Ferner ist beobachtet worden, daß bebrütete Hühnereier Purinbasen neu bildrn können.'^) Die Fähigkeit der Neubildung scheint allerdings nur eine zeitlich beschränkte zu sein. Sie soll am 17. Bebrütungstage auf- hören. .\uch im Ei des Seidenspinners ist Synthese von Purinbasen be- obachtet worden. 3) Zweifelhaft in ihrer Deutung sind jene Versuche geworden, die mit Milch als Nahrung durchgeführt worden sind.*) Die Annahme, daß dieses Nahrungsmittel völlig frei von Purinbasen sein soll, hat sich nicht bestätigt.^) Zwei Bausteine kann die tierische Zelle ohne Zweifel leicht zur Syn- these von Nukleinsäuren zur Verfügung stellen. Es sind dies die Phos- 1) Fr. Miescher: Arcli. f. experim. Patli. u. Pharmak. 37. 100 (1896). 2) A. Kossei: Zeitschr. f. physiol. (Jhemie. 10. '248 (1886). — Lafayette B. Mendel und dharles S. Leacemvorth : Amer. Journ. of Physiol. 21. 77 (1908). — L. S. Fridericia: Skand. Arch. f. Physiol. 26. 1 (1912). •') .1. Tichomirojf: Zeitschr. f. physiol. Ciicmic. 9. 618 (1885). ^) Vgl. Richard liurian und Heinrich Schur: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 23. 55 (1897). 5) Carl Voee/diu und Carl P. Sheriviii : Jouru. of biol. (hcm. 33. 145 (1918). Nukleoproteide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. (379 phorsäure und das Kohlehydrat. Die erstere nimmt sie mit der Nah- rung in P'orra von Phosphaten auf. Sie kann auch aus Phosphatiden und den phosphorhaltigen Proteinen gebildet werden. Das Kohlehydrat dürfte aus solchen hervorgehen oder aber synthetisch z. B. aus desaminierten Aminosäuren gebildet werden. Aus welchem Material die Pyrimidin- und Purinbasen hervorgehen, wissen wir nicht. Es kommen dieselben Möglich- keiten in Betracht, die für die Pflanzenzelle Seite 661 ff. erörtert worden sind. Der Versuch, Histidin in Beziehungen zu den Purinbasen zu bringen, hatte keinen Erfolg. i) Hunde, denen große Mengen dieser Aminosäuren gegeben wurden, zeigten keine Vermehrung der Allantoinausscheidung. Für die ganze Auffassung der Herkunft der im Harn erscheinenden Abkömmlinge der Purinbasen ist die Entscheidung der Frage, ob beständig synthetisch Purinbasen gebildet werden können, von der allergrößten Be- deutung. Man ist geneigt, die im Urin auftretenden Stoff wechselelend- produkte, die sich auf Purinbasen zurückführen lassen, insbesondere bei den Säugetieren und dem Menschen nur auf solche zu beziehen, die entweder in den Geweben schon vorhanden sind oder aber von außen zugeführt werden. Man spricht von einem Purinstoffwechsel und will damit zum Ausdruck bringen, daß dieser in sich abgeschlossen sei. Es kann diese Auffassung auf das ganze Tierreich übertragen werden, nur vermögen wir bei jenen Organismen, die auch aus Aminosäuren Harnsäure bereiten, den Purinstoffwechsel nicht so scharf vom Eiweiß- bzw. Aminosäurestoff- wechsel zu trennen, wie bei denjenigen Tieren, die aus diesen Harnstoff und nur aus Purinbasen Harnsäure bilden. Es ist zurzeit unmöglich^ die Frage zu entscheiden, ob tatsächlich der Purinstoffwechsel in einem fest geschlossenen Kreise abläuft. Es müßte in diesem Falle jede Neubildung von Purin- basen ausgeschlossen sein.^) Wir kennen zurzeit wenig Analogien für die Annahme, daß tierische Zellen eine bestimmte synthetische Fähigkeit nur zeitweise besitzen, um sie dann für immer erlöschen zu lassen. Wohl aber kennen wir zahlreiche Beispiele dafür, daß eine solche nur in bestimmten Zeiten in Funktion tritt. Es sei z. B. an die Bildung der Milchbestand- teile erinnert. Die Zellen der Milchdrüse können jahrzehntelang ruhen. Erst dann, wenn ein sich entwickelnder Fötus bzw. eine Plazenta zugegen ist, nehmen sie die Herstellung der charakteristischen Bestandteile der Milch auf. So könnte es sich auch mit der Synthese von Purinbasen verhalten. Solange kein Bedarf an solchen besteht und diese in genügender Menge von außen zugeführt werden, findet vielleicht keine Neubildung von solchen statt. Im allgemeinen dürften die Purinbasen aus folgenden Quellen stammen. Mit der Nahrung werden normalerweise immer Purinbasen bzw. Verbin- dungen zugeführt, die diese gebunden enthalten. Es wird nun im einzelnen Falle darauf ankommen, ob einzelne Zellen diese Bausteine zu bestimmten Zwecken verwenden können. Der Rest wird weiter zerlegt. Beständig werden in den Zellen Nukleinsäuren abgebaut und aus diesen ihre Bausteine gebildet. Die Verhältnisse liegen offenbar im Prinzip genau gleich, wie bei M Emil Abderhalden und llans Kinheck : Zeitsclir. f. pliysiol. Chemie. 62. 322 (1909). — K. Kowalewski : Biochem. Zeitschr. 23. 1 (1909). — Emil Abderhalden, H. Einbeck und J. Schmid: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 68. 395 (1911). — H. Ackroijd und F.G. Hopkins: The Biochem. J. 10. 551 (1916). 2) Vgl. hierzu G. Kollmann: Biochem. Zeitschr. 123. 235 (1921). (3;^Q XXXII. Vorlesung. den Eiweißstoffeu. Auch von diesen wird immer ein Teil abgebaut. Nie A findet mau im Hungerzustand den Harn stickstofffrei. Stets sind di e b" baustufen der Proteine und der Nukleinsäuren in den Geweben anzutreffen. Wahrscheinlich verwendet die Zelle Teile der Nukleoproteide und vor allem der Nukleinsäuren zur Bildung von Sekret- und Inkretstoffen und vielleicht auch von Fermenten. Jedenfalls müssen beständig Lücken im Gehalt der einzelnen Zellen an Bausteinen der Nukleinsäuren entstehen. Diese können nur von der zugeführten Nahrung aus ausgefüllt werden, wenn nicht eine Neubildung von Bausteinen der Nukleinsäuren im Organismus selbst erfolgt, oder von anderen Zellen Material zur Verfügung gestellt werden kann. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß der tierische Organismus ihm zuge- führte Bausteine verschmäht, und es vorzieht, die sicher sehr komplizierte Svnthese durchzuführen, um zu denselben Produkten zu gelangen. Läßt man den tierischen Organismus hungern, dann beobachtet man, daß beständig im Harn Abkömmlinge von Purinbasen auftreten. Inter- essanterweise ist die Menge der Purinbasen im Harn annähernd konstant, und zwar scheidet jedes Individuum eine ganz bestimmte Menge dieser Substanzen aus. Daraus darf gefolgert werden, daß im Zellstoffwechsel Tag für Tag in engen Grenzen gleiche Mengen von Nukleoproteiden bzw. Nukleinsäuren oder noch genauer ausgedrückt von Purinbasen zum Umsatz kommen. Man hat von einer endogenen Abkunft dieses Anteils von Ab- kömmlingen der Purinbasen gesprochen. ^) Wenn man nun in der Nahrung solche in genügender Menge zuführt, 2) dann steigt der Gehalt des Harns an Stoffwechselendprodukten an, die sich auf Purinbasen zurückführen lassen. Dieses Plus an diesen Verbindungen hat man als exogenen Anteil der im Harn erscheinenden, mit den Purinbasen in Zusammenhang stehen- den Produkte bezeichnet. Uns scheint diese scharfe Abgrenzung einer endogenen und exogenen Abkunft von Stoffwechselprodukten wenig gerecht- fertigt. 3) Man müßte sie denn schon auf den gesamten Stoffwechsel über- tragen. LTnzweifelhaft werden mit der Nahrung aufgenommene Purinbasen auch Bestandteil von Zellen. Es reihen sich damit gewiß immer solche in den „endogenen" Anteil der Purinbasen ein. Wir können wohl rein äußer- lich eine Trennung von Stoffen, die aus zelleigenen Produkten hervorgehen, von solchen, die im Überschuß vom Darme aus zugeführt werden, durch- führen, doch dürfen wir derartige Begriffe nicht auf die Stoffwechselvor- gänge als solche übertragen. Sie können leicht zu Mißverständnissen führen und sagen entschieden mehr aus, als wir eigentlich wissen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß die verschiedenen Abbau stufen der Purinbasen in den Zellen vielleicht ganz besondere Funktionen erfüllen. Man darf sie nicht einfach als unnütze Schlacken betrachten. Schließlich hat eine wichtige Fragestellung bei der Besprechung der Frage nach der Herkunft der Harnsäure bzw. des AUantoins viel zu wenig Berücksichtigung gefunden, nämlich diejenige nach dem weiteren Schicksal dieser Vorbin- ») Richard Bunan und Heinrich Schur: Pflügerf^ Archiv. 80. 241 (1900); 87. 239 (1901). — Elbert W. liockwood: Aiueric. Jouru. of I^hysiol. 12. 38 (1905). - Schreiber und Waldvogel: Arch. f. oxperim. Path. u. Pharmak. 32. 69 (1899). 2) Vgl. über den Gehalt einiger Nahrungsmittel an Purinbasen: liessau und J. ScA/w/d; Therapeut. Monatshefte. 116(1910). — Th. Brugsch und Hesse: Med. Klinik. 623 (1910). — TA. V. Fellenberg: Biochem. Zeitschr. 88. 323 (1918). ■') Vgl. zu dieser F'rage auch M. Kikuchi: .1. of Biochem. 1. S3 (19221. — W. C. Rose: J. <.f bin], (hcm. 48. .')68. 57ö (1921). Nuk leopiotcide. Nukleinsäuren und ihre Bausteine. ßgl dangen. Geht der Abbau der Purinbasen beim Menschen und den anthropoiden Affen wirklich nicht über die Harnsäure hinaus? Ist dasAllantoin in der Tat das letzte Stoff Wechselprodukt, das bei den übrigen Tieren aus Purinbasen gebildet werden kann? Was die Harnsiiure anbetrifft, so steht zurzeit Meinung gegen Meinung, i) Dagegen verfügen wir beim AUantoin über Beobachtungen, die zeigen, daß beim Hunde vielleicht ein weiterer Abbau dieser Verbindung möglich ist.2) Es wurde nach Verfütterung von AUantoin, von Inosin und von Nukleinsäure ein sehr erheblicher Teil des im Harn zu erwartenden Allan- toins vermißt. Ganz eindeutig sind diese Versuche allerdings nicht weil sich die Ergebnisse auf Fütterungs versuche stützen und gegen diese der Einwand erhoben werden kann, daß die Üarmflora vielleicht weitgehende Umwandlungen der zugeführten Produkte bewirkt hat. Sollte es sich be- wahrheiten, daß AUantoin nicht die letzte Abbaustufe der Purinbasen dar- stellt, dann sind natürlich auch Schwankungen im Umfange des weiteren Abbaus dieser Verbindung denkbar. ») Es vAirden sich jedenfalls die Beziehungen zwischen den Zell- und Nahrungspurinen einerseits und den Abkömmlingen der Purinbasen des Harns nicht so klar abgrenzen lassen, wenn immer ein wechselnder Teil davon über das AUantoin hinaus zer- legt würde. Immer wieder hat man den Versuch unternommen, ganz bestimmte Zellarten mit dem sog. Purinstoffwechsel in Verbindung zu bringen. Zu- nächst sollten nur die Leukozyten*) an der Bildung der Abkömmlinge der Purinbasen beteiligt sein. Dann dachte man vor allem an die Mus- kulatur.^) Endlich brachte man die Entstehung der Stoffwechselendpro- dukte der Purinbasen mit der Tätigkeit der Verdauungsdrüsen ") in Zusammenhang. Es ist nun wohl möglich, daß bestimmte Zellen mehr Purinbasen hervorbringen als andere. So soll z. B. die Leber großen Anteil an der Bildung von Abkömmlingen der Purinbasen^) haben. Ja, es wird ihr sogar eine zentrale Stellung im Purinstoffwechsel zugeschrieben. Möge dem sein, wie ihm wolle, jedenfalls hat jede einzelne Zelle 1) F. Frank und A. Schitfenhelm .- Zeitschr. f. physiol. Clieniie. 63. 243 (1909). — Th. Brtigsch und A. Schitfenhelm : Zeitschr. i'. experim. Path. u. Therapie. 4. 480 (1907). — Vgl. auch L.B.Mendel und B. White: Amer. Journ. of Physiol. 12. 85 (1904). — l.afaycfte, B. Mendel und Frnest W. Brown: The Journ. of the Amer. Med. Assoc. 49. 896 (1907). — Wilhelm Wiechoivski : Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. 60. 185 (1909); Biochem. Zeitschr. 25. 431 (1910). — Vgl. auch 0. Loewi: Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. 44. 21 (1900). — F. Soefbeer und ./. Ibrahim: Zeitschr. f. physiol. Ciiemie. 35. 1 (1902). — W. Wie- choivski: Biochem. Zeitschr. 25. 431 (1910). ~ W. Lewinthal : 'A^it^^oXw. f. physiol. Chemie. 77. 273 (1912). — Moris S. Fine: Journ. f. hiol. Chem. 23. 471 (1915). — "//. G. Wells: El)enda. 26. 319 (1911). — S.J. Thannhauser und G. Czoniczer: Deutsches Arch f. kliu. Med. 135. 224 (1921). — A. Schittenhelm und K. Earpiider: Zeitschr. f. d. gas. experim. Medizin. 27. 14, 34, 43 (1922). *) P. A. Levene und F. Mediqreceanu : Amer. Journ. of Physiol. 27. 438 (1911). *) Beim Schweine scheint allerdings das AUantoin ein Endprodukt des Stoff- wechsels darzustellen. Vgl. A. Schittenhelm: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 66. 53 (1910). *) J. Horbaczewski: Monatshefte f. Chemie. 10. 624 ■(188'.»); 12. 221 (1891). ^) Richard Hurian: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 43. 532 (1905). — I'. O. Siren : Arch. f. Physiol. 18. 177 (1906). «) Fra»z Mare.i: Monatshefte f. Chemie. 13. 101 (1892): l'fUh/ers Archiv. 134. 59 (1910). — Franz Smetdnka: Ebenda. 138. 217 (1911); 149. 287 (1912). — Franz Mares: Pflügers Archiv. 149. 275 (1912). ') Vgl. Hans Rosenhrrc): Zeitschr. f. experim. l'ath. u. Therap. 14. 245 (1913). (382 XXXII. Vorlesuug. einen Purinstoff Wechsel für sich. Da einzelne davon den Abbau der Purinbasen nicht zu Ende führen können, so müssen wir annehmen, daß bestimmte, nicht weiter veränderbare Abbaustufen solchen Zellen zugeführt werden, die über jene Fermente verfügen, die der ersteren Zellart fehlen. Vielleicht erklärt sich das Vorkommen von Purinbasen im Urin zum Teil dadurch, daß nicht alle Zellen ihren Abbau zu Ende führen können und sich nicht immer die Gelegenheit findet, ihn in anderen Zellen zu vollenden. Zum Schlüsse wollen wir uns noch nach Anomalien im Purin- stoff Wechsel umsehen. Es ist klar, daß dann, wenn aus irgend einem Grunde Kernsubstanzen in vermehrtem Maße zerfallen, auch der Gehalt des Harns an Produkten, die auf die Purine zu beziehen sind, ansteigt. So findet man z. B. bei Leukämie, einer Erkrankung, bei der die Zahl der weißen Blutkörperchen sehr stark gesteigert ist und auch viele davon zugrunde gehen, eine erhöhte Ausfuhr von Purinbasen und ihren Abbau- produkten. Einer Anomalie des Purinstoffwechsels haben wir bereits ge- dacht, nämüch der sog. Guaningicht des Schweines. Wir haben als Erklärung für die interessante Beobachtung, daß bei dieser Guanin im Harn und ferner in den Geweben auftritt, angeführt, daß wahrscheinlich die Guanase nicht in Funktion tritt. Wir können diese Stoff wechselano- malie der Aminoazidurie mit den Spezialfällen der Diaminurie und der Cystinurie an die Seite stellen. Auch die Ausscheidung der Homogentisin- säure bei der Alkaptonurie hat wahrscheinlich eine ähnliche Ursache, wie die Guaninurie. Der Abbau ist in allen Fällen aufgehalten, weil die Fermente fehlen oder nicht wirken können, die sonst den weiteren Abbau besorgen. Beim Menschen gibt es eine Harnsäuregicht.^) Wir finden Ab- scheidungen von Harnsäure in bestimmten Geweben. 2) Bevorzugt für diese ist ganz besonders das Knorpelgewebe. 3) Eine Zeit lang schien es, als ob sich die erwähnte Erkrankung ohne weiteres als Anomalie des Purinstoff- wechsels erklären lasse. Man dachte daran, daß zunächst die Umwandlung der Aminopurine in Oxypurine und in Harnsäure stark verlangsamt sei, und endlich die Urikolyse entweder gar keine oder doch nur eine mangel- hafte Wirkung entfalte. Es sollte dadurch zur Zurückhaltung der Abbau- stufen der Purinbasen und schließlich zu einer Überschwemmung des Blutes und der Gewebe mit Harnsäure kommen. Nun werden wir gleich erfahren, daß die Harnsäure sehr schwer löslich ist. Ihre Salze lösen sich etwas leichter. Im Blute kommt nur das Mononatriumsalz der Harnsäure vor. *) Erreicht der Gehalt einer Flüssigkeit an Harnsäure einen gewissen Grad von Sättigung, dann kommt es zu ihrer Abscheidung. In der Tat ') Vgl. hierzu O.Minkowski: Die Gicht. Noihnageh HaiuRmch. 1903. ~ C. v. Noor- den: Handbuch der Pathol. des Stoffwechsels. Hirschwald. Berlin 1906. — Ebstein: Natur und Behandlung der Gicht. J. F. Bergmann. Wiesbaden 1906. — Th. Brugsch und A. Sehittenhelm: Der Nnkleinstoütwechsel und seine Störungen. G. Fischer. Jena 1910. ^) Vgl. dazu die Beobachtungen von Theodor Brugsch und A. Sehittenhelm : Zeit- schrift f. experim. Path. u. Ther. 4. .'i32 (1909). ^) Vgl. dazu ./. J. Loghein: Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Path. d. Stoffw. N. F. 2. 244 (1907). — Roberts: Brit. med. Journ. 18. June 25. 2. u. 3. Jahrg. (1892). — Vgl. dazu auch F. Gudzent: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 63. 455 (1909). — A. Almaqia : Hofmeistern Beitr. 7. 466 (1906). *) Vgl. F. Gudzent: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 63. 455 (1909). Nukleoproteide. Nukleinsäureu uud ihre Bausteiue. 688 hat man im Blute von an Gicht Leidenden wiederholt eine Vermehrung- der Harnsäure gefunden. i) Insbesondere unmitteli3ar vor und während eines sogenannten Anfalles ist meistens eine Hyperurikoplasmie gefunden w^orden. Interessanter Weise ließ sich feststellen, daß die Gelenkflüssigkeit bei Gichtikern einen auffallend hohen Gehalt an Harn- säure hat. Dem Versuche, das Zustandekommen der Harnsäureabscheidung in Geweben und das Zustandekommen der Gichtanfälle — dabei linden wir bestimmte Gelenke (meistens das Großzehengelenk) stark gerötet und ge- schw^oUen; der Patient klagt über heftige Schmerzen; es liegt eine Ent- zündung vor von einer Überschwemmung des Organismus mit Harn- säure abhängig zu machen, stehen nun viele Bedenken entgegen. Zunächst zeigt die Erfahrung, daß die Niere große Mengen von Harnsäure auszu- scheiden vermag, wenn das Blut mit solcher überschwemmt wird. Man kann experimentell durch Verfütterung von Purinbasen und auch durch Verabreichung von Gewebe, das reich an Nukleoproteiden ist, z. B. von Thymusgewebe, eine Hyperurikoplasmie hervorrufen.-) Man kann sie als eine alimentäre bezeichnen. Sie führt unter normalen Verhältnissen zu keinen Störungen. Die Niere zeigt eine vermehrte Ausscheidung der Harnsäure. Sie entfernt den Überschuß an dieser aus dem Blute. Es kann auch dann zu einer Hyperurikoplasmie kommen, wenn an Purinbasen reiche Zellen, z. B. Leukozyten, in großer Menge zerfallen. Es ist dies bei der Leukämie, der Pneumonie usw. der Fall. ^) Es w^äre auffallend, wenn die Nieren bei der Gicht dieser Aufgabe nicht gerecht werden sollten. Sollte eine funktionelle Störung jener Zellen der Harnkanälchen vorliegen, die Harnsäure auszuscheiden haben ? Es braucht sich eine solche nicht immer durch eine erkennbare morphologische Veränderung der betreffenden Zell- arten kund zu tun ! *) Man glaubte, wie schon oben erwähnt, die ganze Störung des Purin- stoffwechsels bei der Gicht restlos durch den Umstand erklären zu können, daß der fermentative Abbau der Purinbasen und vor allem die Zerlegung der Harnsäure gestört sei. "'>) Diese Annahme steht und fällt mit der ein- deutigen Entscheidung der Frage, ob Gewebe des Menschen Harn- säure abzubauen vermögen. Sie ist, wie S. 681 erw-ähnt, noch offen. Erwähnt sei noch, daß daran gedacht \Yorden ist, es könnte die Leber im Purinstoffwechsel eine ähnliche Rolle spielen, wie im Kohlehydratstoff- wechsel. 6) Sie soll Purinbasen speichern. Ferner soll in der Medulla oblon- gata ein Zentrum vorhanden sein, das den Purinumsatz der Leber regelt. 1) A. B. Garrod: Medical-chirurg. Transact. Loudou. 37. 49 (1884). -— Bruno Bloch: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 51. 472 (1907). — Theodor Brugsch und Alfred Schittenhelm: Zeitschr. f. experim. Path. n. Ther. 4. 438, 44G (1907). — P. Salecker: Arch. f. klin. Med. 95. 353(1909). — Vgl. auch Robert Bass uud R. lierzhery: Deutsches Arch. f. klin. Med. 119. 482 (1918). — Gudzent : Zeitschr. f. klin. Medizin. 90. ^r. 3'4 (1921). 2) Vgl. z. B. W. Weintraud: Wiener klin. Rundschau. 10. 3, 21 (1896). 3) Vgl. hierzu z. B. Linser und Sick: Arch. f. klin. Med. 89. 413 (1907). *) Vgl. hierzu auch S. J. Thannhauser: Hab.-Sclirift. München 1917. ^) Vgl. Th. Brugsch und A. Schittenhelm: Zeitschr. f. exper. l'ath. u. Ther. 4. 551 (1907). — F. Umher und //. Rcfzluf: Ber. d. 27. Kongresses f. innere Medizin. 436 (1910). — P. A. Levene und Leo Kristeller: Journ. f. experim. Med. 16. 303 (1912). «) Th. Brugsch und //. Poscnberg: Zeitschr. f. experim. l'ath. u. 'I'her. 14. 1 (1913). (384 XXXII. Vorlesung. Da diese Vorstellung noch nicht ausreichend begründet erscheint, wollen wir nicht auf die Folgerungen eingehen, die aus der Annahme eines Purin- oder Harnsäurezentrums für die Entstehung der Symptome der Gicht ge- zogen worden sind.') Die Störung im Purinstoffwechsel bei der Gicht 'kommt natürlich auch in der Zusammensetzung des Harns zum Ausdruck. 2) Der Harn ent- hält namentlich zur Zeit des Gichtanfalles weniger Harnsäure als unter normalen Verhältnissen. Die Harnsäureausscheidung ist verschleppt. Da- gegen ist der Gehalt des Harns infolge der verlangsamten Umwandlung der Purinbasen in Harnsäure relativ reich an diesen. Schließlich wollen wir noch kurz erwähnen, daß man daran gedacht hat, daß die Harnsäure unter normalen Verhältnissen nicht frei im Blute kreist, sondern in gebundenem Zustande.^) Bei der Gicht sollte diese Bindung gestört sein. Es ließen sich jedoch auch für diese Annahme keine eindeutigen Beweise erbringen. Dagegen ist die Beobachtung wichtig, daß die Harn- säure bei Gegenwart von Eiweiß in Wasser viel leichter löslich ist.*) Es handelt sich vielleicht um Adsorptionserscheinungen. ^) Endlich sei noch darauf hingewiesen, daß daran gedacht worden ist ß), daß die Harnsäure in tautomeren Formen vorkommt und bei der Gicht vielleicht jene Strukturform in Erscheinung tritt, die ein schwerer lösliches Salz bildet.') Es sind nach Emil Fischer^) die folgenden beiden Formen der Harnsäure möglich: NH-CO N^C.OH II II OH . C C— NH >C...H N— C-N Lak timform der Harn- säure. Eine solche Annahme hat wenig für sich. Man könnte mit dem gleichen Rechte auch annehmen, daß beim Diabetes der Traubenzucker in einer anderen Form zugegen ist. als normalerweise. Außerdem müßte ') Vgl. hierzu auch Th. Brugsch und ,7. liother: Klinische Wochenschr. 1. 1495, 1729 (1922). 2) Vgl. u. a. M. Kaufmann und L. Mohr: Archiv f. klin. Med. 74. 586 (1902). — Bruno Bloch: Deutsches Archiv f. kliu. Med. 83. 499 (19(35). — Theodor Brugsch: Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 2. 619 (1906). — Th. Brugsch und A. Schiftenhelm : Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 4. 480 (1907); ebenda. 4. 1 (1907). ^) 0. Minkowski: Die Gicht. Wien 1903. — Th. Brugsch: Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 6. 282 (1909). — A. Schiff enhelm: Ebenda. 7. 110 (1910). — Max Dohrn: Zeitschr. f. kliu. Med. 74. 445 (1912). — Zeitschr. f. physiol. Chemie. 86. 130 (1913). — Vgl. dazu auch O. Minkowski: Ebenda. 88. 159 (1913). — Mathieu-Fierre Weil und Ch. 0. Guillaumin: Compt. rend. de la soc. de biol. 86. 242, 319, 659 (1922). ^j H. Bechhold und J. Ziegler: Biochem. Zeitschr. 64. 471 (1914). — Vgl. auch H. Schade: Zeitschr. f. klin. Medizin. 93. Heft 1/3 (1922). ^) Vgl. hiezu H. Harpuder: Z. f. die gesamte experim. Medizin. 29. 208 (1922). *) F\ Gudzent: Deutsche med. Wochensclir. 21. 219 (1909); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 60. 38 (1909): 63. 4.55 (1909). ") Das unstabilere Salz (Laktamforni) ist löslicher (in 100 c«*'' Blutplasma lösen sich 18"4 w// Mononatrinmsalz) als die stal)ile Verbindung (Laktimform) (es lösen sich davon nur 8"3 mg in der gleichen Menge Plasma). «) Emil Fischer: Ber. d. Deutschen (;hem. Gesellsch. 32. 435 (1899). CO C— NH ^CO / NH— C--NH Laktamform der Harn säu re. Mukleoproteide. Mukleiusäuieii und üirc Bausteine gjKÖ die erwähnte Annahme auch zu Hilfshypothesen greifen und zu erklären ver- suchen, weshalb die eine Form bevorzugt sein sollte, und weshalb die Nieren die Harnsäure nicht in genügender Weise aus dem Blute entfernen. Die Ergebnisse der Studien über den Purinstoffwechsel bei der Gicht vermögen zurzeit, wie schon betont, unsere Kenntnisse des normalen Ablaufes des genannten Stoffwechsels nicht zu fördern, i) Es scheint vielmehr, als ob die Gicht im wesentlichen gar keine primäre Störung im Abbau der Puriubasen und ihrer Bildung darstelle, sondern vielmehr die Entfernung der Harnsäure aus den Zellen und dem Blute in irgend einer Weise gestört ist. Es könnte ganz gut sein, daß die Gegenwart größerer Mengen von Harnsäure für die Verlangsamung des Abbaues der Purinbasen verantwortlich ist, d. h. daß diese Erscheinung sekundärer Natur ist. Es ist auch möglich, daß die Harnsäure bei der beobachteten Ansammlung in der Gelenkflüssigkeit nicht primär in Frage kommt, viel- mehr könnte eine Veränderung im Gelenke selbst ihre vermehrte An- wesenheit bedingen. -) Jedenfalls ist die Aufklärung des Wesens der Gicht noch weit von ihrem Ziel entfernt. Erwähnen wollen wir noch, daß die Harnsäure als Bestandteil von Harnsteinen auftreten kann. Besonders interessant sind jene Steine, an deren Zusammensetzung Xanthin beteiligt ist. Es wäre von größtem Interesse, beim \'orkommen von Xanthinsteinen zu forschen, ob eine Anomalie im Abbau der Purinbasen und insbesondere des Xanthins vorliegt. Es wäre ja denkbar, daß die Umwandlung des Xanthins in Harnsäure nicht erfolgt. In diesem Falle dürfte allerdings keine Harnsäure aus den Purinbasen entstehen, w^enn nicht bei der Umwandlung von Adenin und Guanin die Oxydation zuerst einsetzt und erst dann die Hesaminierung erfolgt. ^) Das Studium der Gicht hat immer wieder zu der Frage nach den Löslichkeitsverhältnissen und den Eigenschaften der Harnsäure geführt. Die reine Verbindung bildet mikroskopische, rhombische, durch- sichtige Täfelchen. Sie löst sich sehr schwer in Wasser. Bei 18" löst sich ein Teil Harnsäure in o9-430 Teilen Wasser*) und bei oT" in 15505 Teilen. ^j Von großem Einfluß auf die Löslichkeit der Harnsäure ist die Wasserstoffionen- konzentration.ßj Die Harnsäure ist in wässeriger Lösung eine einbasische Säure. Sie dissoziiert nämlich ein Wasserstoff-Ion ab. Sie ist eine stärkere Säure als die Kohlensäure, HCO. . H. und als das primäre Natrium- phosphat, NaHPOi . H. In wässeriger Lösung finden sich nur primäre, ein- fachsaure Salze. Nur unter besonderen Umständen, z. B. bei Anwesen- heit von starken Basen, kann die Harnsäure noch ein zweites H-Ion abdissoziieren. Es können sich dann sekundäre Urate bilden. Sie sind nicht beständig und setzen sich in wässeriger Lösung sofort wieder in das primäre Salz um. Die folgenden Formeln veranschaulichen diese „stufenweise- Dissoziation der Harnsäure und die Bildung der beiden Reihen von Salzen: *) Vgl. hierzu auch •/. R. Müller und Walter Jones-: Zcitschr. f. physiol. Chemie. 61. 395 (1909). *) Bobert ßass und li. Jlerzbert/: Deutsches Arch. f. kliu. Med. 119. 482 (1918). =>) Vgl. S. 070 und 671. *) W. His und Th. Paul: Zeitschr. f. plivsiol. Chemie. 31. 1, 64 (1900i. 5) F. Gudzent: Ebenda. 56. l.öO (1908);' 60. 25. 38 (1909). «) A. Jung: Helvet. chim. acta. 5. 687 (1922). 536 XXXII. Vorlesung. C5 H, N, O3 Harnsäure / \ aH3N4 0r+ H+ C5H2N,Or+ h++ h + C.H^N.O^ .Na CVH2N, 03_Na2 Primäres Natriumsalz Sekundäres Natriumsalz. Das erstere Salz, das Mononatriumurat, kommt allein im tierischen Organismus vor. 1) Es ist in Lösung stark dissoziiert. Das Blutplasma und wahrscheinlich auch die Zellen können mehr Mononatriumurat aufnehmen, als eine entsprechende Menge von Wasser. Offenbar spielen die Kolloide eine große Rolle beim in Lösung halten des genannten Salzes. 2) Auch im Harn dürften durch solche bedingte, erhöhte Löslichkeitsverhältnisse vor- handen sein. 3) Im Harn kommt es oft zur Abscheidung von Harnsäure. Sie hat die Eigenschaft, Farbstoffe mitzureißen. Deshalb ist das Sediment, das der Harn absetzt, oft gelb bis rosarot gefärbt (Sedimentum lateritiiim). *) Meistens enthält diese Abscheidung freie Harnsäure und daneben wechselnde Mengen von Mononatriumurat. 0) Die Bildung der freien Harnsäure erfolgt offenbar erst im Harn. Die Nieren scheiden sie wohl in ihrer Gesamtheit als Sak aus. e) 1) Vgl. F. Gudzent: Zeits.chr. f. phvsiol. Chemie. 63. 455 (1909). 2) H. Bechhold und ./. Ziegler: Biochem. Zeitschr. 20. 189 (1909); 24. 146 (1910); 64. 471 (1914). — F. Gudzent: Ebenda. 23. 275 (1909). ^) L. Lichtwitz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 64. 144 (1910). — L. Lichtwitz und (). Bosenbach: Ebenda. 61. 112 (1909). *) Die gelbe Farbe ist durch Urochrom undUrobiliu bedingt. Die rote rührt von Uroerythrin her. ^) Vgl. hierzu W. E. Ringer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 75. 13 (1911). — Budolf Kohler: Ebenda. 70. 360 (1911); 72. 169 (1912); 88. 259 (1913). *) Vgl. weitere Einzelheiten in der Vorlesung über Harn. Vorlesung XXXIII. Blatt- und Blutfarbstoff. Chlorophyll und Hämo- globin. Ihre Herkunft und ihr Verhalten im tierischen Organismus. Die Beziehungen des Hämatins zum Gallen- farbstoff und zum Urobilin. Sonstige Farbstoffe. Eiue weitere Klasse von Proteiden stellt die Gruppe der Blutfarb- stoffe dar. Sie bestehen aus einem Eiweißanteil und einer Komponente, die mit den Proteinen in keinen unmittelbaren Beziehungen steht. Un^ interessiert hier am meisten der Blutfarbstoff der Wirbeltiere, das Hämoglobin. Es liefert bei der Spaltung einen an Histidin reichen Eiweiükörper, das Globin, und eine eisenhaltige Verbindung. Diese hat den Xameii fläraochromogen erhalten.') Das Hämoglobin findet sich als Bestandteil der roten Blutkörperchen. Es kommt ihm die wichtige Funktion zu. Sauerstoff zu binden. Dibei entsteht Oxyhämoglobin. Wir werden später erfahren, daij das Blut nur eine geringe Menge von Sauerstoff zu lösen vermag. Wären keine besonderen Einrichtungen vorhanden, dann würde die Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff eine außerordentlich be- schränkte sein. Die Zellen brauchen diesen wichtigen Nahrungsstoff vor allen Dingen, um sich die in den organischen Verbindungen vorhandene Energie zu erschließen. In ganz besonders hohem Maße ist der Warmblüter auf Sauerstoff angewiesen, muß er doch ununterbrochen Energie zur \'erfügung haben, um die Körpertemperatur auf bestimmter Höhe zu erhalten. Da- durch, daß im Blute Hämoglobin zugegen ist, das Sauerstoff binden kann, verfügt der tierische Organismus über die Möglichkeit, große Mengen von Sauerstoff aufzunehmen und für die Gewebe zur Verfügung zu halten. Die Bindung zwischen Hämoglobin und Sauerstoff ist nämlich keine feste. Das Oxyhämoglobin zerfällt leicht in Hämoglobin und Sauerstoff. So- lange die.ser gebunden ist, hat er keinen Einfluß auf die Sauerstoffspannung im Blute. Erst dann, wenn er frei wird und sich im gelösten Zustande im Blute bzw. in den Geweben findet, beeinflußt er den vorhandenen Sauerstoffdruck. Wir werden später bei der Besprechung der Bedeutung des Sauer- stoffs für den Organismus ausführlich auf die physikalischen Eigen- ') Dieser Name ist niclit sehr glücklich gewählt, denn es liegt kein „Chromogen" vor. Die Ausdrücke Oxyhämatin für Humatin und Hämatin für Hiimochromogei wären viel klarer. ßg3 XXXIII. Vorlesung. Schäften des Hämoglobins und Oxyhämoglobins eingehen. Wir werden dann erfahren, dal) Hämoglobin nnd .Sauerstoff sicli in einem bestimmten Mengen- verhältnis binden. Ferner werden wir sehen, daß an Stelle des Sauerstoffes andere Gase, wie Kohlenoxyd und Stickoxyd, Verbindungen mit Hämo- globin eingehen können. Hämoglobin und Oxyhämoglobin lassen sich in Kristallen zur Ab- scheiduDg bringen. Das Oxyhämoglobin des Eichhörnchens, der Maus und des Hamsters kristallisiert in sechsseitigen Tafeln des hexagonalen Systems, das der übrigen Tierarten in Nadeln, Prismen, Tetraedern oder Tafeln des rhombischen Systems. Man glaubte die verschiedene Kristall- form als Anzeichen von Verschiedenheiten in der Zusammensetzung der von verschiedenen Tieren herstammenden Oxyhämoglobinarten auffassen zu dürfen. Es zeigte sich jedoch, daß z. B. das gewöhnlich im hexagonalen System kristallisierende Oxyhämoglobin des Eichhörnchenblutes nach wieder- holtem Umkristallisieren Nadeln und Tetraeder des rhombischen Systems liefert. 1) Die Löslichkeit der Oxyhämoglobine verschiedener Tierarten in Wasser ist eine verschiedene. So ist z. B. das Oxyhämoglobin des Hundes schwerer löslich als das der Katze. 2) Leicht löslich und deshalb auch schwerer darstellbar sind die Oxyhämoglobine des Menschen-, Rinder- und Schweineblutes. =^) Man hat versucht, aus der elementaren Zusammensetzung der Blutfarbstoffe verschiedener Tierarten Schlüsse auf ihre Identität bzw. Verschiedenheit zu ziehen. Wir geben einige dieser Analysen in der fol- genden Tabelle wieder, möchten jedoch nicht versäumen, auch an dieser Stelle ausdrücklich zu betonen, daß bei so komplizierten Verbindungen die Ergebnisse von Elementaranalysen nach keiner Richtung hin etwas über eine etwaige Identität beweisen. Elementaranalysen des Oxyhämoglobins E lerne n t e 1 n P r 0 z e n t e n: C H N S 0 Fe P des Pferdes .... 54-75 6-98 17-35 0-42 20-12 0-38 0*) ., Hundes .... 54-57 7-22 16-38 0-57 20-43 0-34 05) der Katze .... 64-60 7-25 16-52 0-62 20-66 0-35 0^) des Schweines . . . 54-17 7-38 16-23 0-66 21-37 0-43 06) ,, Rindes .... 54-42 7-18 17-45 0-48 20-07 0-40 0 3) .. Meerschweinchens 54-12 7-36 16-78 0-58 20-68 0-48 8) 0 .. Eichhörnchens 54-09 7-39 16-09 0-4 21-44 0-59«) 0 der Gans 54-11 6-83 16-58 0-65 2P32 0-51«) 0 des Huhnes .... 52-47 7-19 16-45 0-86 22-50 0-34 0-1975) *) W. 1). Halliburton: Jouru. of Physiol. 7. Proceed. of the phvsioi. Soc. 13. Fe- bruar 1887. ^) Emil Abderhalden : Zeitschr. f. physiol. Chem. 24. 545 (1898) und Fr. Krüger: Zeitschr. f. Biol. 26. 469 (1890) und Zeitschr. f. physiol. Chemie. 25. 256 (1898). ') G. Hü /her: Beitr. z. Physiol. Carl Ltidtoig zu seinem 70. Geburtstag gewidmet von seinen Schülern (1887) und Archiv f. (Anat. u.) Physiol. 174 (1894). *) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 484 (1903). *) Alfred Jarjuet . Zeitschr. f. physiol. Chemie. 12. 285 (1888). «) ./. C. Otto: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 7. 57 (1882). ') Nach eigenen Analysen. 8) F. Hopjje-Seyler : IVled.-chem. Untersuchungen. 366 (1868). ^) Emil Abderhalden und F. Mediqreceanu: Zeitschr. f. phvsioi. Chemie. 59. 165 (1909). Blatt- uud^Blutfarbstoff. Chlorophyll uud Hämoglobin usw. (5^9 Wir können diesen Analysen entnehmen, daß das Oxyhämoglohin der Säugetiere die Elemente C, H, N, S, 0 und Fe enthält, während im Vogeloxvhämoglobin außerdem noch Phosphor aufgefunden worden ist. Der Phosphorgehalt des Oxyhämoglobins des Hühnerblutes ist jedoch ohne Zweifel auf eine Verunreinigung zurückzuführen. Es ist nämlich gelungen, das Oxyhämoglohin des Gänseblutes phosphorfrei zu gewinnen^), nachdem früher auch bei diesem ein Phosphorgehalt festgestellt worden war. Der Phosphor ist sehr wahrscheinlich auf beigemengte Nukleoproteide oder Nukleinsäuren zurückzuführen. Die roten Blutkörperchen der \'ögel enthalten nämlich Kerne und damit auch die genannten phosphorh altigen Bestandteile. Den roten Blutkörperchen der Säugetiere dagegen fehlen die Kerne. Darauf ist es zurückzuführen, daß das von ihnen gewonnene ( )xy- hämoglobin ohne weiteres frei von Phosphor erhalten wird. Die Beobachtung, daß Oxyhämoglobin mit Verunreinigungen beladen kristallisieren kann, zeigt immer wieder aufs neue, daß die Kristallbildung an und für sich bei so kompliziert gebauten Körpern nichts über ihre Reinheit auszusagen braucht. Wie weit eine Reinigung der Kristalle durch Umlösen möglich ist, ist schwer zu sagen. Es besteht nämlich die Gefahr, daß sie bei mehrfachem Umkristallisieren Änderungen in ihren Eigenschaften erfahren. Wir dürfen nie außer acht lassen, daß das Oxyhämoglobin Eiweiß enthält, das leicht Zustandsänderungen erleidet. Diese können dem ganzen Proteid andere Eigenschaften erteilen und z. B. auch das Gasbinduugsvermögen be- einflussen. Endlich ist beobachtet worden, daß das Oxyhämoglobin die Neigung hat, in eine vielleicht isomere Verbindung überzugehen, die den Sauerstoff fest gebunden enthält. Sie ist Methämoglobin genannt worden. 2) Es ist klar, daß schon geringe Mengen dieser Verbindung das Re- sultat der Bestimmung des vom Oxyhämoglobin gebundenen Sauerstoffes beeinflussen müssen, denn das Methämoglohin gibt seinen Sauerstoff nicht mehr ab. Wir werden später erfaliren, daß es für das Verständnis der Bindung des Sauerstoffes an das Hämoglobin und die Spaltung von Oxyhämoglobin in Sauerstoff und Hämoglobin von größter Bedeutung ist, genau zu wissen, wieviel Sauerstoff das letztere binden kann. Ferner möchten wir gerne wissen, ob das Blut jeder Tierart nur ein bestimmtes Hämoglobin besitzt. Endlich ist die Möglichkeit gegeben, daß in der ganzen Tierreihe über- haupt nur eine Art von Hämoglobin vorkommt. In vielen Eigenschaften stimmen alle Oxyhämoglobinarten der verschiedensten Tiere überein. So /eigen sie alle das gleiche oder doch ein sehr ähnliches Absorptions- spektrum. Andrerseits sind doch gewisse Unterschiede vorhanden. Wir haben schon der verschiedenen Löslichkeit gedacht. Vorläufig wäre es müßig, dieser Frage weiter nachzugehen. Dazu sind unsere Kenntnisse über den Bau des Oxyhämoglobins viel zu geringe. Es ist ganz gut möglich daß das Globin einen artspezifischen Aufbau hat und dadurch jeder Tier- art auch ein besonderes Oxvhämoglobin zukommt. Einheitlich scheint in der ') Vgl. hierzu Y. Inoko : Zeitt^chr. f. pliysiol. Chemie. 18. 57 (1894). — KmH Abderhalden und Florentin Mediyreceanu: Kbeuda. 51). Kiö (19'J9). 2) Vgl. u. a. Fh. Ellinf/er: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 111 SC) (Hi2ü). — IV.Heubner: Archiv f. ex.perim. Pathol. u. Pharm. 72. 241 (1913). Abderhald« 11 . Physiologiäche Chemie. I. l'ail, 5. Aufl 44 690 XXXIII. Vorlesung. ganzen Tierreihe die zweite Komponente des Blutfarbstoffes zu sein, nämlich das Hämochromogen bzw. dessen Sauerstoffverbindung, das Hämatin.i) Das reduzierte Oxyhämoglobin, das Hämoglobin, kristallisiert ebenfalls. Es bildet lange, dunkelrote, doppelbrechende Nadeln, rhombische Prismen und holoedrische Tafeln. Die Kristalle des Hämoglobins lösen sich in Wasser leichter als die des Oxyhämoglobins. Sie bilden dichroi- tische Lösungen. In dicker Schicht sehen sie dunkelkirschrot in dünner grünlich aus. Den Eiweißpaarling des Blutfarbstoffes haben wir bereits besprochen. Er gehört zu den basischen Proteinen. Sein auffallend hoher Gehalt an Histidin ist es hauptsächlich, der ihm die basischen Eigenschaften ver- leiht. Noch nicht begegnet sind wir bisher dem nichteiweißartigen Paarling des Hämoglobins bzw. Oxyhämoglobins. Schon der Umstand, daß wir zwei verschiedene ^>rbindungen nannten, als wir von diesem Paarling beim Hämoglobin und Oxyhämoglobin sprachen, weist darauf hin, daß offenbar ihm die Bindung des Sauerstoffs zukommt. Dem ist in der Tat so. Zunächst beobachtete man, daß die roten Blutkörperchen Sauerstoff binden können. Dann lokalisierte man diese Eigenschaft auf den in ihnen enthaltenen roten Farbstoff. Man fand, daß dieser ebensoviel Sauerstoff festhalten kann, wie die der betreffenden Hämoglobinmenge entsprechende Anzahl roter Blutkörperchen. Weiterhin wurde dann "gezeigt, daß das Hämochromogen genau so viel Sauerstoff binden kann, als die ihm ent- .sprechende Menge Hämoglobin. Damit ist sichergestellt, daß dem Hämo- chromogen die Funktion, Sauerstoff zu binden, zukommt. Es wäre von allergrößtem Interesse, wenn wir genau wissen würden, in welcher Art und Weise der Sauerstoff und auch die anderen Gase, die vom Hämochromogen gebunden werden können, mit diesem verankert sind. Da es Eisen enthält, dachte man .schon frühzeitig daran, daß diesem die Funktion zufällt, die betreffenden Gase zu binden. Einen klaren Ein- blick in die Bindungsverhältnisse des Hämochromogens und des Sauer- stoffs werden wir ohne Zweifel erst erhalten, wenn die Konstitution der erstereu Verbindung vollständig klargestellt ist, und wir vor allem auch genau wissen, wie das^Eisen in das ganze Molekül eingefügt ist. Es ist vielleicht im Hämoglobin in der Ferro- und im ^_ Oxyhämoglobin in der Ferriform vorhanden.-) Das Hämochromogen geht unter Sauer.stoffaufnahme in Hämatiii übei". Zerlegen wir Oxyhämoglobin in seine Anteile, dann erhalten wir direkt Hämatin. Das gleiche ist der Fall, wenn -Hämoglobin unter Luftzutritt gespalten wird. Will man zum Hämochromogen gelangen, dann muß man jeden Zutritt von Sauerstoff vermeiden. Der Blutfarbstoff läßt sich sehr leicht in seine Bestandteile zerlegen. Schon Essigsäure veranlaßt die Abscheiduug des eisenhaltigen Paarlings. Diese leichte Spaltbarkeit des Hämoglobins in seine Anteile weist darauf hin, daß Globin und V) Vgl. hierzu u. a. (f. Dilliny : Atlas der Kristallfoniieu iiiid der Absorptions- bäiider der Häniochromogeue. F. Enite. Stuttgart 1910. ") Wilhelm Manchot: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 70. 230 (1910): Liebigs Anoal. 372. 179(1910). — \V. Manchot u. F. mittner: Ebenda. 372. 153 (1910). — W. Man- chot: Biofhein. Zeitsehr. 43. 4,SH (1912): Bor. d. Deutschen Cheiii.Gesellsch. 45. 28ß9 (19121 Blatt- uucl Blutfaihstott. (Jhloropliyll und Hämogloliiii usw. f391 Hämochromogen nicht in fester chemischer Hindiing vereinigt sind, viel- mehr dürfte das letztere von der Eiweißkomponente adsorbiert sein. Man erhält aus 100«7 Blutfarbstoff ungefähr 4f/ Hämochromogen bzw. Hämatin.') Der Rest entfällt auf das Globin. Das Hämatin ist seit vielen Jahren Gegenstand eingehender Unter- suchungen. Es ist geglückt, es in verschiedene Verbindungen überzuführen, die ihm noch sehr nahe stehen, und ferner Abbaustufen zu erhalten, die in ihrer Struktur vollständig aufgeklärt sind. Es schien zunächst, als würde die Konstitution des Hämatins bald aufgeklärt sein. Man durfte um so eher an eine rasche Erweiterung unserer Kenntnisse des Aufbaus der genannten Verbindung denken, weil ein anderer Farbstoff ihm sehr nahe zu stehen schien, dessen Erforschung gleichzeitig mit großem Erfolg in Angriff genominen worden war. Es ist dies der Blattfarbstoff, das Chloro- phyll. Aus manchen Befunden hatte man geschlossen, dalo Hämatin und Chlorophyll nahe verwandt seien, ja man glaubte, da(i beide einen ganz ähnlichen, wenn nicht zum Teil identischen Bau besäßen. 2) Wir wollen gleich bemerken, daß die neueren Untersuchungen diese Vorstellung nur teilweise stützen. Gewiß sind gemeinsame Züge in beiden Verbindungen vorhanden, doch zeigen die fertigen Verbindungen große Unterschiede.^) Wir werden gleich erfahren, daß man Ijeim oxydativen und reduktiven Abbau des Hämatins und des Chlorophylls auf Verbindungen gestoßen ist die sich als sehr ähnlich und zum Teil identisch erwiesen. Wir müssen uns jedoch bei jedem Abbauprodukt, das durch eingreifende Maßnahmen aus einem kompliziert gebauten, zusammengesetzten Molekül gewonnen wird, die Frage vorlegen, ob man es als unverändertes Bruchstück der ursprünglichen Verbindung auffassen darf. Wir berühren damit den wun- desten Punkt der ganzen Forschung auf dem Gebiete des Hämatins und des Chlorophylls. ' Wir müssen uns bei jedem einzelnen Umwandluugs- produkt und jeder Abbaustufe fragen, ob noch direkte Beziehungen zum Ausgangsmaterial vorhanden sind. Es müssen sekundäre Veränderungen ausgeschlossen werden. Ergibt eine bestimmte Art des Eingriffs in ein -Molekül Änderungen der Konstitution der entstehenden Produkte, dann können verhängnisvolle Trugschlüsse auf bestimmte Befunde aufgebaut werden, wenn nicht rechtzeitig erkannt wird, welcher Vorgang vom neuen Ausgangsmaterial zur neuen Verbindung führt. Es ist hier nicht der Ort, die Entwicklung der Erforschung des Auf- baus des Hämatins wiederzugeben, und ebensowenig können wir hier auf alle erhaltenen Ergebnisse eingehen. Sie gehören einstweilen zum größten Teil noch vor das Forum der Forscher. In manchen Punkten bestehen noch Meinungsverschiedenheiten. Wir können gleich vorausschicken, daß zurzeit die Konstitution des Hämatins noch nicht völlig aufgeklärt ist. Da^iicgen M Fr. X. Schulz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 24. 449 (1898). -) E. Schunck uud L. Marchlewski; Liebu/s Annalen. 278. 329 (1894); 284. 81 (1890); 288. 209 (189f)): 290. 306 (1896). — L. Marchlewski : Bnll. de l'Acad. des Sciences du Gracovie. Math, uud uaturw. Klasse. Jauuar und April (1902); Jouru. f. praktische Chemie. 65. U',1 (1902); Biochem. Zeitschr. 3. 320 (1907). — M. Nencki und J. Zaleski: Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 34. 997 (1901). — •/. Zaleski; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 37. 54 (1902/03). ^) Vgl. dazu Bichard WiUstäfter uud Max Fischer: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 87. 423 (1913). 44* 692 XXXIII. Vorlesung. ist die Forschung dank der Bemühungen von Küster ^), Piloty 2), Hans Fischer^) und vor allem von WUhtätter ^) so weit vorgedrungen, daß sich eine Formel für das Hämatin entwerfen läßt, die ein ungefähres Bild der Anordnung der einzelnen Gruppen im Molekül wiedergibt») Aus Hämatin läßt sich leicht eine ihm sehr nahestehende Verbin- dung, Hämin genannt, gewinnen. Sie ist das wichtigste Ausgangsmaterial für Forschungen über die Konstitution des Hämatins geworden. Man erhält Hämin, wenn man das letztere oder auch Blutfarbstoff mit Salzsäure er- wärmt. Man kann es auch direkt aus Blut gewinnen, indem man dieses eintrocknet und den Rückstand mit etwas Kochsalz und Eisessig vorsichtig erwärmt. Das Hämin kristallisiert dann in rhombischen Tafeln und Prismen. Man nennt diese Art der Gewinnung von Häminkristallen, die zur Erkennung von Blut vorgenommen wird, die l'cicJimannsche Häminprobe. ") Je nach der Art der Darstellung des Hämins erhält man verschiedene Ver- bindungen, die wahrscheinlich ihre besonderen Eigenschaften und ihre ver- schiedene Zusammensetzung dem Umstände verdanken, daß Lösungsmittel mit gebunden oder doch eingeschlossen wird.^j In manchen Fällen ist das Verfahren der Darstellung der Häminkristalle ein so eingreifendes gewesen, daß ohne Zweifel sekundäre Veränderungen die Folge waren. s) Es sind 1) William Küster: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 27. 572 (1894); 29. 821 (1896;; 30. 105 (1897); Zeitschr. f. physiol. Chem. 28. 1 (1899); 29. 185 (1900): Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 32. 678 (1899): 33. 3021 (1900); 35. 1268 (1902); 35. 2948(1902); Liebigs Anna-len. 315.174(1900): Zeitschr. f. physiol. Chemie. 40.391, 423 (1904); 44. 391 (1906); Liebigs Annaleu. 345. 1 (1906); 346. 1 (1906); Zeitschr. für physiol. Chemie. 54. .501 (1908): 55. 505(1908): Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 2017, 2021 (1907). — William Küster und A. Greiner: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 86. 185 (1913). —William Küster u. Paul Deihle: Zeitschr. f.physiol. Chem. 86. 51 (1913). ■) 0. Pilofy und S. Merzhacher : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 42. 3253, 3258 (1909). — 0. Piloti/ und E. Quifmami: Ebenda. 42. 4693 (1909). — 0. Pilott/: Liebigs Annalen. 366. 237 (1909); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 43. 489 (1910); Liebigs Annalen. 377. 314 (1910). — Oscar Piloti/ und Edmund Dormann: Ebenda. 388. 314 (1912); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 46. 1002 (1913). — O.Piltoi/ und Sieqfried J. Thannhauser: Ebenda. 390. 191 (1912). — 0. Piloty und Josef Stock: Ebenda. 392. 215 (1912); ebenda. 46. 1008 (1913). — 0. Pilottj, H. Fink, K. Wilke, E. Dormann, P. Hirsch: Ebenda. 45. 2495, 2586, 2592, 2.595 (1912). ^) Hans Fischer und p]. Bartholomäus : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 44. 3313 (1911); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 77. 185 (1912); 81. 6 (1912); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 45. 466, 1315, 1919, 1979 (1912). — Hans Fischer und E.Bartholo- mäus: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 83. 50 (1913). — Hans Fischer und Jmandtis Hahn: Ebenda. 84. 264(1913). — H.Fischer, E. Bartholomäus und H.Röse: Ebenda. 84. 262 (1913). — Hans Fischer und Heinrich Böse: Ebenda. 87. 38 (1913). — H.Fischer und E. Bartholomäus: Ebenda. 87. 255 (1913). — H. Fischer und Heinrich Rö.'^e: Ebenda. 88. 9 (1913). *) Richard Willstätter : Liebigs Annalen. 358. 205 (1908). — Richard Willstätter und Max Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 87. 423 (1913). '") Zu allen Formeln der Hämatiureihe ist zu bemerken, daß Willstätter die An- zahl der Kohlenstoffatomc zu 33 annimmt, während Küster u. A. mit 34 rechnen. Wir haben uns der letzteren Meinung angeschlossen. ») L. T. S. Teichmann: Zeitschr. f. rationelle Medizin. N. F. 3. 375 (1853); 8. 141 (1857). ') Die Annahme, daß Hämin Essigsäure gebunden enthalte und somit eine Azetyl- verbindung sei, ist dadurch wiederlegt worden, daß man ohne Verwendung von Essigsäure das gleiche Hämin erhält. Vgl. ./. Heptner und L.Marchlewski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 42. 65 (1904). - A.c. Siewert: Archiv f. experim. Path. u. Pharmak. 58. 386 (1905). ') Vgl. zur Frage der Zusammensetzung des Hämins: M. Nenrki und N. Sieher: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 17. 2267 (1884). - M. Cloetta : Arch. f. expeiitn Blatt- und BlutfarbstoÖ. Chlorophyll und Hämoglobin usw. 693 jetzt Methoden zur Darstellung des Hämins ausgearbeitet, die zu einem Produkt von immer gleicher Zusammensetzung führen. Nach William Kilsfer^) kommt dem Hämin die folgende Konstitutions- formel zu: H HOOC -CH2— CH2— C=C H3 c- c = c' C— C-CH = CH., >N N^ \ HC C C— CH, CH Fe~Cl C— C— CH, n/ C— C— CH=:CH., HOOC— CH,— CH,— C=C H,C— C=C \c i H Hainiii. C,, H3., Ü4 Ni . FeCl. Ersetzen wir in der obigen Formel die Gruppe — Fe — durch — Fe — 1 I Cl OH dann entspricht sie der angenommenen Konstitution des Hämatins.^) Die Betrachtung der oben wiedergegebenen Formel zeigt, daß im Hämin bzw. Hämatin vier Pvrrolkerne enthalten sind: )NH CH=:rCH \ CH=:CH Pyrrol. Die vier Pyrrolringe sind nach Willstätter und Max Fischer, wie folgt, unter sich verbunden : Path. u. Pharmak. 36. :-^49 |1895). — K. A. H. Mörrier : Nord. med. Arch Nr. 14. 1 u. 26 (1897); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 41. 542 (1904). — M. Nencki und J. Zaleski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 30. 384 (1900). - R. v. Zcijnek: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 30. 128 (1900). — A. V. Sieu-ert: Arch. f. experim. Path. u. Pharmak. 58. 386 (1905). — Vgl. ferner die Arbeiten der S. 692 genannten Forscher. ') Vgl. hierzu William Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 110. 9.^ (1920). — auch 121. 121, 135 (1922). 2) Vgl. W. Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 40. 391 (1903). 594 XXXIII. Vorlesuug CH— CH CH— CH I Nn N^ II j CH— C C— CH CHr^C C=CH III .NH NH<^ IV I CH=CH CH=CH Läßt man auf Hämatin bzw. Hämin wässerige Brom Wasserstoff saure ein- wirken, dann erhält man ein Dihydrobromid, Ca^HsgOiNiFeßr . 2HBr, das schön kristallisiert. Bei weiterer Einwirkung der Säure erfolgt Um- wandlung in Hämatoporphyrin 1), Cä^HggOgNi. Diese Verbindung unterscheidet sich schon dadurch scharf vom Ausgangsmaterial, daß sie kein Eisen mehr enthält. Bei der Bildung des Hämatopor- phyrins dürften sich nach E. Wülstäfter und Max Fischer ^) die Brücken von den zwei Pyrrolstickstoffen loslösen, worauf sich die mittlere Gruppe /C : C\ in /C . C\ umwandelt. Die Entstehung des Hämatoporphyrins aus Hämin in zwei Stufen läßt sich durch die folgenden beiden Formeln wiedergeben : C3,H3,0,N, . FeCl + 4HBr = FeClBr. + CuH3,0,N, . 2HBr Cs^Hg.O.N, . 2HBr + 2H2O - 2 HBr -f C3,H3eO,N, (OH).,. Die letztere Formel bringt zum Ausdruck, daß das Hämatoporphyrin zwei alkoholische Hydroxyle besitzt. Sie sind die Ursache, daß dieses Äther und Ester bilden kann. Entsprechend dem Gehalt von zwei Karboxylgruppen ist Hämatoporphyrin eine zweisäurige Base. Das Hämatoporphyrin entsteht auch im tierischen Organismus aus Hämatin. Im normalen Harn findet es sich nur in Spuren. In größeren Mengen tritt es bei Fieber 3) und vor allem nach Sulfonal- und Trional- vergiftung auf.*) Es soll ferner bei manchen wirbellosen Tieren vor- kommen.^j Von großem Interesse ist die Beobachtung, daß das Hämatopor- phyrin ein ausgezeichneter optischer Sensibilisator ist.*') Fügt man z. B. eine Lösung dieser Verbindung zü einer Kultur von Paramäzien (Infusorien), dann beobachtet man, solange sie unbelichtet ist, keine Erscheinungen. Sobald jedoch Licht zutreten kann, gehen die Tierchen zugrunde. Auch ') Vgl. M. Nencki uad ./. Zale.^ki : Zeitschr. f. i)livsiol. Chemie. 30. 423 (1900). =) Ch. Mac Mimn: Journ. of Physiol. 10. 71 (1890): 11. 13 (1890). — Vgl. auch F. G. Hopkins: Guvs Hospital Keports. 359 (1883). — A. E. Garrod: Jouru. of Physiol. 15. 108 (1893); 17. '349 (1899). — H. Günther: Deutsches Archiv f. klin. Med. 105. 89 (1911). -^ 0. Hamniursten: Upsala Läkaref. förhandl. 26. 259 (1891). — E. Salkotvski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 15. 286 (1891.) ») A. Garrod: Journ. of Path. and Bact. Oktober (1892). *\ B. SfockiHs: Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 2. 409 (1889). — E. Salkoirski: Zeitsclir. f. physiol. Cliemie. 15. 28() (1891). — A. Käst und Th. Weiss: Berliner klin. Wochenschr. fi21 (189(5). ^) Ch. Mac Munn: Journ. of Physiol. 8. 384 (1887). ") W.Hausmann: Wiener klin. Wochenschr. 21. 1027(1908); Biochem. Zeitsciir. 14. 275 (1909); Fortschritte der Naturwissenschaften. 6. 243 (1912). — Vgl. ferner S. (56. Blatt- uud BlutfarbstotV. ( hlorophyll und Hämoglobin usw. (395 Warmblüter zeigen schwere Erscheinungen, wenn ihnen llamatoporphyrin ' eingespritzt wird und sie gleichzeitig dem Licht ausgesetzt werden. Spritzt man z. B. einer Maus eine ganz geringe Menge von Hämatoporphyrin ein, dann bleibt sie ganz munter, wenn sie im Dunkeln gehalten wird. Sobald das Tier dem IJcht ausgesetzt wird — es genügt diffuses Tageslicht — , so beginnt es an der Injektionsstelle sich lebhaft zu kratzen. Es wälzt sich bald umher. Alles deutet darauf hin. daß äußerst lebhafte Reizerscheinungen vorhanden sind. Nach einiger Zeit wird das Tier ruhiger. Es hegt meistens teilnahmslos da, schließlich geht es zugrunde. Vollzieht sich der ganze Symptomenkomplex langsamer, dann beobachtet man ausgedehnte Ödeme. Man könnte zunächst daran denken, daß durch das Licht das Hämato- porphyrin umgewandelt M-ird und dabei giftig wirkende Substanzen ent- stehen. Diese Möglichkeit läßt sich durch den folgenden Versuch mit größter Wahrscheinlichkeit i) experimentell ausschließen. Man belichtet eine Lösung von Hämatoporphyrin und spritzt dann einem im Dunkeln gehaltenen Tiere etwas davon ein. Es zeigen sich keine Erscheinungen. Sie treten erst bei Belichtung des Tieres auf. 2) Im pathologischen Harn ist ganz vereinzelt noch ein weiteres Por- phyrin aufgefunden worden. Es führt vorläufig den Namen Urin por- phyrin. •') Seine Konstitution ist noch nicht aufgeklärt. Im Kot kommt ebenfalls ein Porphyrin vor.*) Es hat den Namen Kotporphyrin erhalten. Es enthält drei, das Ürinporphyrin dagegen sieben Karboxylgruppen. Beide sind nahe verwandt. Es ist auch gelungen, das letztere in Kotporphyrin überzuführen. ■') ( )hne Zweifel ist dieses das primäre Produkt, das im Organismus durch Karboxylierung in das Urin- porphyrin übergeführt wird. Beide Porphyrine wirken auf weiße Mäuse stark sensibilisierend. Werden die Versuchstiere im Dunkeln aufbewahrt, dann erweist sich das Kotporphyrin doppelt so wirksam als das Urin- porphyrin. Bei Belichtung ist umgekehrt das letztere giftiger, ß) Läßt man auf Hämatin bzw. Hämin Jodwasserstoffsäure und Jod- phosphonium, d. h. ein energisches Reduktionsmittel einwirken, dann erhält man das Mesoporph yrin.') Es enthält zwei Karboxylgruppen. ') Mau könnte daran denken, daß das in den Geweben befindliche Hämato- porphyrin von Lichtstrahlen anders beeinflußt wird, als das in Lösung befindliche. Doch ist eine solche Annahme nicht sehr wahrscheinlich. -) Es sei darauf hingewiesen, daß unter pathologischen Verbältnissen wiederholt im Blute Hämatin aufgefunden worden ist. Es tritt dann auch im Harn auf. Vgl. z. B. O. Schlimm: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 97. 32 (1916). — //. Brii/t und <>. ScfiKmm: Z. f. Geburtsh. u. Gynäk. 80. 145 (1916). ') Hans Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 95. 34 (1915). — Vgl. auch (). Schumin: Ebenda. 96. 183 (1915); 98. 123 (1916): 105. 158 (1919). — Ich habe den gleichen Farbstoff bei einem Soldaten beobachtet, der weitgehende Nervendegenerationen bei der Sektion aufwies. Vgl. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 106. 178 (1919).— G. Grund: Zbl. f. innere Medizin. 40. 1 (1919). *) Hans Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 96. 148 (1915). — Vgl. auch Ale.i-. FUinuer und Otto Rießer: Ebenda. 98'. 1 (1916). '") Hans Fischer: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 97. 109 (1917). — Vgl. auch 97. 148 (1917); 98. 14, 78 (1917). *) Vgl. weitere Versuche über die sensibilisierende Wirkung von Porphyrinen: H'alther Hausmann: Biochem. Zeitschr. 67. 309(1914); 77. 2()S (1916). — Hans Fischer und G. A V. Kemnitz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 96. 309 (1916). ') Vgl. M. Nencki und ./. Zaleski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 34. 997 (1901), 37 54 (1902); 43. 11 ll904). — W. Küs/er: Ber. d. Deutschon Chem Gesellsch. 45. 696 XXXIII. Vorlesung. H'. Küster schreibt ihm folgende Struktur zu: H2 C — CHs H, C — C -^ CH C — C H3C H, C C \ V- C— CH // H( )(JC - H. C — H, C — C H, C — C C C = C — CH, CH, — CUOH NH NHc C = C CH, CH. CHg V X.3 Mesoporphyrin. Aus Hämatoporphyrin ist eine dem Mesoporphyrin offenbar sehr nahestehende Verbindung gewonnen worden. Sie hat den Namen Hämo- poiphyrin erhalten. 1) Sie ist zweibasisch: CH = CH CH, C — CH \ -C CHo — CHo — C — C \ c c- / N C CH / ■C HOOC — CH, — CH, C = C< )C = C— CH, — CH, — COCH NH NH CH, — C = C C = C — CH, CHg CHg Hämoporphyrin. Das Hämophorphyrin interessiert uns in besonders hohem Maße, weil aus ihm durch Abspaltung der beiden Karboxyle (oder bei Annahme von C34 eines Karboxyls und einer Essigsäuregruppe 2) ein Porphyrin gewonnen 193Ö (1912j; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 82. 463 (1912). — O. l'iloiy und Fink: Eer. (1. Deutschen Chem. Gos^ellsch. 45. 2495 (1912). — Hans Fischer und F. Meyer-Befz: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 82. 96 (1912). — W. Küster; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 86. 51 1913). — Hans Fischer, F. Bartholomäus und H. Rose: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 84. 2ü2 (1913). ») R. Willstäfter und Max Fischer: 1. c. S. 692, Zitat *). *) Der obigen Strukturfoniicl ist die Grundformel C33 Hjg 0^ N^ zugrunde gelebt. Bei Cj^ müßte ein Karboxyl durch dio Gruppe: CH^ . COOH ersetzt werden. Blatt- und Blutfarbstofi'. Chlorophyll und Hämoglobin usw. ß97 worden ist, das keine sauren Eigenschaften mehr besitzt und sich als iden- tisch mit dem aus Chlorophyll erhaltenen Ätioporphyrin erwiesen hat. i) Durch weitere Reduktion des oben erwähnten Mesoporphyrins gelangt man zum Mesoporphyrinogen. Es ist auch gelungen, durch Reduktion unter Anwendung von Pyridin ein Produkt zu gewinnen, das dem Mesoporphyrin entspricht, jedoch noch Eisen enthält. Es ist Mesohämatin genannt worden. Seine Chlorver- bindung heißt in Analogie zu den Beziehungen zwischen Hämatin und Hämin Mesohämin. 2) Seine Zusammensetzung ist die folgende: C34 Ho^ O4 N4 . Fe Cl. Dem Mesohämatin entspricht die Formel C'34 Hgg O4 N4 . Fe . OH. Durch weitere Spaltung und Reduktion von Hämatin, Hämin, Hämato- porphyrin und Mesoporphyrin gelangt man zu Abbaustufen, die unser Interesse deshalb in besonders hohem Maße gefangen nehmen, weil bei der (Xxydation ') und Reduktion*) von Spaltprodukten des Chlorophylls, auf das wir noch zurückkommen, Verbindungen erhalten werden, die diesen vollständig entsprechen. Bei der Oxydation sind gewonnen worden: CH3 . C = C . CH., . CH3 CH, . C rr. C . CH, . CH2 . COOH II'" " I 0 = C C = 0 0 = C C r= o NH NH Methyl-äthyl-maleinimid Imid der dreibasischen Hämatinsäure. Bei der Reduktion der Porphyrine sind vier verschiedene Pyrrol- abkömmlinge erhalten worden: CH3 . C — C. CH, . CHs CH, . C - C . CK, ■ CR, II II " " II II CH3.C C.CH3 CH3.C CH NH NH Phyllopyrrol Isohämopyrrol ') R.Willstütter; Liebig% Aonalen. 396. 186 (1913;: 400. 182 (1913). Zeitschr. f. physiol. Chemie. 87. 494 (1913j. ^) Vgl. Uanfi Fischer und Heinrich Rose: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 88. 9 (1913). =•) W. Küster; Zeitschr. f. physiol. Chemie. 28. 1 (1899): 29. 185 (1900); 44. 391 (19U5); 54. 501 (1908); 61. 164 (1909); Liebig?, Annalen. 315. 174 (1900); Her. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 2017 (1907). — R. Willstätter und Y.Asahina: Liebige, Annalen. 373. 227 (1910). *) R. Willstätter und Y. Asahina ; Liebigi Ann?ilen. 385. 188(1911); Hans Fischer und E. Bartholomäus: Ber. d. Deutschen Chem". Gesellsch. 44. 3313 (1911): 45. 466, 1979 (1912); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 77. 185 (1912) und 80. 6 (1912). — Hans Fischer : Her. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 48. 401 (1915). — 0. Piloty: Liebigs Annalen. 366. 237 (1909); 377. 314(1910); 0. P(7o^/ und ^j^Z/wa«».- Ber. d. Deutscheu Chem. Gesellsch. 42. 4693 (1909): 0. Piloti/ \im\ J. Stock: Liebiqs Annaleu. 392. 215 (1912); Ber. d. Deutschen Chem'. Gesellsch. 46. 1008 (1911): 0. J'iloty und K. Wilke: Ebcuda. 46. 1597 (1913). — L. Knorr und K. Hess: Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 44. 27.58 (1911) und 45. 2626 (1912). 698 XXXIII. Vorlesuug. CH3 . C — C . CE, . CH3 CH3 , C — C . GH., . CH, II II II -11 ■ ■ HC C.CH3 HC CH \/ \/ NH NH Kryptopyrrol 3-Methyl-4-äthyl-p\ rrol. Alle vier Verbindungen sind ß ß'-Methyl-äthyl-pyrrole und liefern bei der Oxydation M e t h y 1 - ä t h y 1 - m a 1 e i n i m i d. 1) Wir haben aus dem vorliegenden, sehr umfangreichen Materiale über die Erforschung des Aufbaus des Häraatins diejenigen Ergebnisse heraus- gegriffen, die zurzeit am besten gesichert sind und zugleich wenigstens in den Hauptzügen über die Konstitution des eisenhaltigen Paarlings des Blutfarbstoffes unterrichten. Fassen wir die zuletzt erwähnten Ergebnisse zusammen, so können wir aus ihnen folgendes herauslesen. Die Oxydation des Hämins und seiner nächsten Abbaustufen hat zu Verbindungen ge- führt, die sich als Abkömmlinge der Maleinsäure erwiesen haben. Sie müssen daher aus Pyrrolkernen des Hämatins hervorgegangen sein, und zwar aus zwei solchen, wie die quantitativen Versuche einsvandfrei ergehen haben. Die Entstehung der beobachteten Säuren führt zum Schluß, daß die ß- Stellungen dieser Kerne durch Substituenten besetzt waren und somit für die Verkettung im Gesamtmolekül nur die a-Stellnngen in Frage kommen. Die Reduktion führt zu den Mutterstoffen der Hämatinsäuren — sie sind als Phono- und Isophonopyrrol-karbonsäure bezeichnet worden. Außerdem entstehen die oben angeführten substituierten Pyrrole. Sie ent- stammen der zweiten Hälfte des Häminmoleküls. Auch hier decken sich die isolierten Mengen dieser Verbindungen mit dieser Annahme. Es sind vier Pyrrolringe im Hämatinmolekül vorhanden, unbewiesen ist zurzeit nur noch die Art ihrer Verknüpfung. Das Hämoglobin ist nicht der einzige Blutfarbstoff, den wir kennen. Manche wirbellosen Tiere besitzen besondere sog. Atmungspigmente. So findet man bei den Kephalopoden, manchen Lameliibranchiaten, Gastropoden, Krustazeen und Arachniden einen kupferhaltigen Blutfarbstoff. Hämozvanin genannt. 2) Seine Analvse ergab: 53-66"/o ^'^ 7-32«/o H, l6-09Vo N, O-SSVo Cu, 0-86Vo S und 21-67« « 0. ») Es ist noch nicht sicher festgestellt, ob es nur ein Hämocyanin oder mehrere Farb- stoffe dieser Art gibt. *) Es besteht aus Eiweiß und einem kupferhaltigen Anteil noch unbekannter Natur. Es kann Sauerstoff binden und in 0 W. Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 28. 1 (1899); 29. 185 (1900): 44. 391 (1905): 54. 501 (1908): 61. 164 (1909); Liebigs Ann. 315.174 (1900); Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 40. 2017 (1907). — M. Will'sfäiter und Y. Asahina: Lie.bigs Ann. 373. 227 (1910). =) L. Fredericq: Bull, de TAcad. Royale de Belg. (2). 46. (1878); 47. 409 (1879). — (■ F. W. Krukenberg: Zentralbl. f. med. Wissensch. Nr. 23 (1880j. — A. B. Griffith: €. r. de l'Aead. des Sciences. 114.496 (1892). — C. Ciienof: Ebenda. 115. 669 (1892). — ir. J). Halliburton: Journ. of Thysiol. 6. 300 (1885). - Ch. Dherr : ('. r. de TAcad. des Sc. 146. 784 (1908); C. r. de la Soc. de Biol. 64. 788 (1908). •^) A. B. Griffith: C. r. de PAcad. des Sc. 114. 496 (1892). — M. Nenze: Zeitschr. f. physiol. Chemie 33. 370 (1901). *) ('. L. Aisberg und E. J). Clark: .lourn. of biol. (Jhemistrv. 8. 1 (1950). — Krnst riiili/jpi: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 104. 88 (1919). Blatt- und Blntfarbstolt". Chlorophyll und Hanidglohiii usw. 699 Oxyhämozyanin übergehen. Dieses kristallisiert in doppelbrechenden Prismen. Das Hämozyanin ist farblos. Die iSauerstoffverbindung ergibt eine blaue Lösung. Ferner hat man im Dlute von Pinna scjuamosa eine Verbindung aufgefunden, die Mangan enthält. Sie ist Pinnaglobiu genannt worden.') Bei zahlreichen Avertebraten sind sogenannte Achroglobine beschrieben worden. 2) Auch sie sollen den respiratorischen Pigmenten zugehören. End- lich seien noch genannt das Echinochrora, ») ein Farbstoff, der in der Periviszeralflüssigkeit von Echinoiden vorkommt, das Hämerythrin \i. der rote Farbstoff der perienteritischen Flüssigkeit einiger Würmer, das Chlorcuorinä), ein grüner Farbstoff mancher Chätopoden, das Aktino- hämatin"), ein bei Aktinien vorkommender Farbstoff, die Histohäma- tine^), die bei zahlreichen Avertebraten im Integument angetroffen worden sind, usw. Alle diese Farbstoffe sollen in ihrem Bau Beziehungen zum Hämatiii bzw. Hämoglobin haben, doch ist bei keinem einzigen dieser Produkte ein Bew-eis für diese Annahme erbracht. Schließlich wollen wir noch erwähnen, daß der Farbstoff der Muskeln. Myochrom«) genannt, dem Hämoglobin sehr nahe steht und vielleicht mit ihm identisch ist. Im Anschluß an die Besprechung des Blutfarbstoffes, der, wie be- reits betont, die Aufgabe hat, einen umfassenden Sauerstofftransport zu ermöglichen, wollen wir noch jenes Farbstoffes gedenken, der die Pflanze befähigt, Kohlensäure und Wasser zu organischen Verbindungen zusammen- zufügen. Es ist dies der Blattfarbstoff und insbesondere das Chloro- phyll. Die ihn führenden Zellen, die Chloroplasten. enthalten vier Farbstoffe, nämlich die Chlorophyllkomponente a, C,^5 H-., Or, X4 . Mg, die Chloro- phyllkomponente b, Cgg H^o N^ . Mg, das Karotin, Cio H^e und das Xanthophyll, C^o H-.c O«.^) Das Karotin ist ein ungesättigter Kohlen- wasserstoff. Es kristallisiert in Rhomboedern und in rhombenförmigen. fast (|uadratischen Täfelchen. Die Kristalle zeigen einen lebhaften, bald 'I A. B. Griftith: C. r. de l'Acad. des Sc 114. 840 (1892). 2) A.B. Grifßlh: C. r. de TAcad. des Sc. 115. 259. 474, 738 (1892); 116. 1206 (1892). ") A. B. Griffith: C. r. de l'Acad. des Sc. 115. 419 (1892). — Mac Mtinn: Quarterlv •louru. of microsc. Sciences. 25. 469 (188.Ö): 30. 70 (1892). *)-A. B. Grityith: C. r. de PAcad. des Sc. 115. 419. 669 (1892). ^)Ray Lankesfer: Journ. of Anat. aud Physiol 3. 119 (1870). «) Moseleir Quart. Journ. of microsc. Sc. 13. 143 (1873). ') Mac. Munn: Philosoph. Transactions. 176. 641 (1885); 177. 267 (1881). 8) K. A. H. Mörnrr: Nordisk. Med. Archiv. Nr. 2. (1897). — Mac Mimn: Jouru. of Physiol. 5. 24 (1885); 8. 51 (1887). ^) Vgl. hierzu Handbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. 2. 671 (1910). (Bearbeitet von Richard H'iUs/äfter.) Urbau & Schwarzenberg. Berliu-Wien. 1910. — Biochemischee Handlexikon. 6. 1 (1911). (Bearbeitet von Richard WiJlstätter.) .1. Sprini^er. Berlin~'1911. — Richard U ill.'^fätfer und Arfliui Sfoll : Untersuchungen über Chloro- phyll. Julius Springer. Berlin 1913. — Vgl. auch L. Marchlewski: Die Chemie dos Chlorophylls. Leopold Voss. Hamburg- l^eipzig 1895. — Von einzelnen Arbeiten seien iiocii genannt: A'. Willutütter, Ferd. Hocheder, \i'. Mief/, Adolf PjatDiensfiel. Mex Benz, Ernst 'Hug, Arthur Stoll, Mar hier, Max IJtzinger, Lennart Forsen, Yasuhiko Asahina: Liehicß Anualen. 350. 48 (1916); 354. 505 (1907); 355. 1 (19!)7); 358. 205. 267 (1908); 371.1(1909); 380. 148, 154, 177 (1911); 382. 129 (1911); 387. 317 (1912); 100. 269 (1912); 396. 180 (1913); Ber, d. neutschen Chem. Ges. 44. 3707 (1911). — 700 XXXIII. Vorlesung. kupterigen, bald blauen Oberflächenglanz. Die Konstitution des Karotins ist noch nicht aufgeklärt. i) Das Xanthophyll bildet längliche Täf eichen und Prismen. Die Kristalle sind pleochromatisch und zeigen stahlblauen Glanz. Auch diese Verbindung ist in ihrem Aufbau noch wenig aufgeklärt. Seine Zu- sammensetzung deutet auf ein oxydiertes Karotin hin. Viel besser sind wir über die Struktur der beiden Chlorophyllarten a und h unterrichtet. Eine ganze Reihe von Forschern haben sich mit der Erforschung der Konsti- tution dieser wichtigen Verbindungen befalit. Es seien genannt Schunk, Marchleivski , Nencki und Tswett. Den Hauptfortschritt in der Erkenntnis der Zusammensetzung des Chlorophylls verdanken wir Willstätter. Ihm ist es gelungen, die vier genannten Farbstoffanteile der Chloroplasten zu trennen und genau zu charakterisieren. Das Chlorophyll enthält Magnesium. Dieses Element ist ein Bau- stein des Chlorophyllmoleküls. Chlorophyll hinterläßt bei der Verbrennung 4-5<'/o Asche. Sie besteht aus reiner Magnesia. Das Chlorophyll ist ein Derivat einer Trikarbonsäure. Ein Karboxyl ist mit Phytol und eines mit Methylalkohol verestert. Phytol ist ein ungesättigter, primärer Alkohol der Fettreihe mit offener Kette von Kohlenstoffatomen. Die Kohlen- stoffkette ist stark verzweigt.-) Phytol hat die Zusammensetzung C.q H39.OH2.-O Es macht etwa ein Drittel des Chlorophyllmoleküls aus. Chlorophyll a und b sind mikrokristallinisch. Chlorophyll a bildet ein blauschwarzes Pulver. Beim Verreiben nimmt es einen stahlblauen Glanz an. Die b-Form ist dunkelgrün bis grünschwarz. Die Lösung des Chloro- phylls a in Äthylalkohol ist blaugrün, tiefrot fluoreszierend. Die konzentrierte, ätherische Lösung ist blau. Beim Verdünnen wird die Farbe mehr grünlich. Chlorophyll b gibt mit Alkohol eine mattgrüne, mit Äther eine leuchtend grün gefärbte Lösung. Beide Anteile zeigen zum Teil verschiedene Eigen- schaften und haben eine verschiedene Zusammensetzung. Während man früher annahm, daß die Zahl der Chlorophyllarten eine sehr große sei, hat Willstätter beweisen können, daß wahrscheinlich im ganzen Pflanzen- reich der gleiche Farbstoff an der Assimilation von Kohlensäure und Wasser beteiligt ist. Von großem Interesse ist die Auffindung eines Fermentes in den chlorophyllführenden Pflanzenorganen, das ChlorophyU spalten kann. Es ist Chlorophyllase genannt worden.*) Dieses Ferment löst die ester- artige Bindung zwischen dem Phytol und dem Karboxyl, das es besetzt hält. Es handelt sich um eine Hydrolyse, die in Analogie mit der Ver- seifung von Fetten durch die Lipase zu setzen ist. Läßt man die Chloro- phyllase in alkoholischer Lösung auf Chlorophyll einwirken, dann folgt der Abspaltung des Phytols eine Anlagerung desjenigen Alkohols, den man als Lösungsmittel verwendet hat. /.. Marchleivski: Biochem. Zoitsehr. 42. 234 (1912). — B. A. Jacobsohn und L. March- leivski: Bull, de l'Ac. des sciences de Cracovie. Classes des sciences math et uature. A. Februar 1912. — Iswett: Biochem. Zeitschr. 35. 433 (1911) ') Vgl. Heinrich II. Escher: In.-Diss. Zürich 1909. ^) Vgl. dazu: li. Willstätter, Erwin W. Mayer und Ernst Uüni; Liebig?, Annaleu. 378. 73 (1910). ^) Richard Willstätter, 0. Schuppti und Erivin W. Mayer: Liebig^ Annalen. 418. 121 (1919). *) Richard Willstätter und Arthur Stoll : Liebic/» Annalen. 378. 4 (1910). Blatt- uüd Blutfarbstoff. Chlorophyll uud Hämoglobin iisw 701 Die folgenden Formeln ergeben den Verlauf der einzelnen Reaktionen Als Alkohol sei der Äthylalkohol gewählt. 1. Hydrolyse in wässeriger Lösung : Methyl- gruppe Phytol- gruppe Chlorophyll C3. H30 ON, Mg<^o[]j^^^^ + Co H3, .. ( )H Chlorophyllid Phytol. 2. Spaltung in äthylalkoholischer Lösung (Alkoholyse^: C3. H30 ON, Mg>^^^ : g|J^H3, + ^^-^ H^ • ^^H + C,, H30 ON, Mg^//.9S Auiialcu. 377. 314 (1910); //. Fischer und .V. Bartitolomäus- B.r. d. Deutsclicu Chem. Gesellsch. 45. 13iri (1912); H. Fischer uud F. Meijer-Betz: Zeitschr. f. phvsiol. Chemie. 82. 9B (1912); //. Fischer und //. liösc : Ebenda. 82. 391 (1912). — Vgl auch William Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 82. 403 (1912). -) II. Fischer und JI. liäs^ : Ber. d. Deutschen Chem. Gesellsch. 45. 3274 (1912); 4«. 439 (1913): Zeitschr. f. physiol. Chemie. 89. 25ö, 268 (1914). ^) Vgl, dazu auch Scherer: Liebiffn Aunalen. 57. 180 (1846). *) Friedrich Müller: Jahresber. d. Schlesischen Ges. f. vaterläud. Kultur. Breslau 1892. — Vgl. dazu auch Wilhelm llilclebrandt: Zeitschr. f. klin. Medizin. 59. H. 2—4 (19(J6); Deutsche med. Wochenschr. Nr. 12. Xr. IT) (1905); Münchener med. Wochenschr. Nr. 14 und 15 (1909). ^) M. Jaffe hat es zuerst aus Harn gewonnen (Zentralbl. f. die mcdiz. Wissen- schaft, 243 (1868); 177 (1869); Virchon-9, Archiv. 47. 405 (1869). 712 XXXIll. VoriesuDjr. C.N(CH3)2 CH CH I il CH CH \ C^^ eine prachtvolle Rotfärbung {Ehrlichsche. Reaktion i). Es besteht immer noch eine große Lücke in der Erforschung der Beziehungen des Hämatins zum Gallenfarbstoff. Es ist dies die eindeutige Feststellung, daß die erstere Verbindung nur auf diesem Wege zum Abbau gelangt. Es spricht vieles für eine derartige Annahme. Sie ist jedoch noch nicht scharf bewiesen. Ferner fehlen noch Einblicke in das weitere Schicksal des aus dem Darm resorbierten Urobilins. Wir wissen, daß es in den Harn übergehen kann und auch auf dem Wege der Galle in den Darm zurück- kehrt, dagegen ist es schwer, diesen Kreislauf des Urobilins eindeutig quantitativ zu verfolgen. Es ist einstweilen nicht ausgeschlossen, daß Urobilin und Urobilinogen von den tierischen Zellen zum Teil verwertet werden. Der Gallenfarbstoff kann leicht erkannt werden. Er erteilt der Galle die Farbe. Er wird in ihr vor allem durch die Gallensäuren in kolloider Lösung gehalten. 2) Meist enthält die Galle nicht nur Bilirubin, sondern auch aus ihm hervorgegangene Umwandlungsprodukte. So finden wir fast beständig das Biliverdin. ») Es ist ein Oxydationsprodukt des Bilirubins. Das Biliverdin bewirkt die grüne Farbe der Galle. Oberwiegt .seine Menge, dann zeigt die Galle eine olivengrüne Färbung, wenn dagegen mehr Bilirubin zugegen ist, dann finden sich rote bzw. braune Farbtöne. Jede Tierart hat im allgemeinen eine bestimmt gefärbte Galle. Eine ganze Skala von verschiedenen Oxydationsstufen erhält man aus Bilirubin, wenn man seine Lösung mit rauchender Salpetersäure oxydiert. Man sieht rote, rotgelbe, grüne, blaue und violette Farbtöne auftreten. Diese farbigen Umwandlungsprodukte liegen der sog. G melin sehen Reak- tion auf Gallenfarbstoffe zugrunde. Man unterschichtet die Gallenfarbstoff enthaltende Flüssigkeit vorsichtig mit konzentrierter Salpetersäure, die etwas salpetrige Säure enthält. An der Berührungsstelle beider Schichten treten dann farbige Ringe auf. Man kann den Gallenfarbstoff auch vor der Anstellung der Probe mit Chloroform ausziehen und dann die Salpetersäure zu dieser Lösung zufügen. Man hat den einzelnen Oxydationsstufen besondere Namen zugelegt, doch ist es fraglich, ob einheitliche Verbindungen zur Beobachtung gelangt sind. So hat man z.B. ein Cholecyanin *) und Choletelin •') unterschieden. ') P. Ehrlich: Mediz. Woche. 1901. — Vgl. auch O. Neubauer: Sitziingsber. iL Gesellsch. f. Morph, u. Physiol. München 1903. '') Hans Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 73. 204 (1911). ^) Vgl. seine Darstellung aus Bilirubin Städeler: Vierteljahrsschr. d. Züriclier Naturforsch. Ges. 8. 1 (1863). — A. .Tolles: Pßilger^ Archiv. 75. 46 (1899); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 27. 83 (1899). ') M. Joffe: Zentralbl. f. d. mediz. Wisseusch. 241 nSÖS). — A. Heynsius und .7. /''. F. Campbell: I'/liigers Archiv. 4. 520 (1871). =>) R. Mali/: Sitzungsber. der Wiener Akad. (math.-naturw. Kl.). 57. Abh. 2 (188öj; 59 (1869). — A. Heynsius und J. F. F. Campbell: PfiüfferH Archiv. 4. 497 0871). Blatt- und Blutfarbstoff. Chlorophyll und Hämoglobin, usw. 71;', Der Gallenfarbstoff tritt manchmal in großen Mengen in den sog. Gallensteinen auf. Es gibt insbesondere beim Rinde fast reine Bilirubin- steine. Derartige Konkremente können auch Biliverdin enthalten. Man hat in der Galle und in Gallensteinen noch andere Farbstoffe gefunden. Es !«!eien das Biliprasin, 1) das Gholeprasin,^) das Bilifuszin^) und end- lich das Bilipurpurin*) erwähnt. Das letztere ist identisch mit dem Phylloerythrin. 5; Es wird angenommen, daß diese Verbindung im Darm- kanal aus dem Chlorophyll hervorgeht, zur Resorption gelangt und dann durch die Galle wieder in den Darm zurückkehrt. Es bleibt späteren Untersuchungen vorbehalten, zu erweisen, ob die genannten Verbindungen wirklich einheitliche Substanzen darstellen, und in welchen Beziehungen sie zum Bilirubin stehen. So ist z. B. das sog. Hydrobilirubin bereits als ein Gemisch erkannt worden.^) Soviel scheint ganz sicher zu sein, daß einzig und allein Bilirubin ein primäres Stoffwechselprodukt der Leberzellen darstellt. Es sei noch erwähnt, daß dann, wenn der Abfluß der Galle nach dem Darme aus irgend einer Ursache — Verlegung des Gallengangs durch Schwellung seiner Schleimhaut, durch ein Konkrement, einen Tumor usw. — erschwert oder verhindert ist, es zu einem ohne weiteres in die Augen fallenden Symptomenkomplex kommt. Die Haut und besonders auch die Konjunktiven nehmen eine gelbe Farbe an. Sie ist durch Gallenfarbstoff bedingt. Die Galle staut sich. Die Bildung der Gallenbestandteile durch die Leberzellen erfolgt weiter. „Diese laufen schließlich gewissermaßen über". weil der normale Abfluß fehlt. Die Lymphbahnen tragen die Bestandteile der Galle dem Blute zu. Das Blutplasma wird gelb gefärbt") Es kommt dann bald zur Ausscheidung von Gallenfarbstoff in den Geweben und auch in der Haut. Der Urin zeigt gleichfalls eine tiefe, gelbe Färbung. Schüttelt man ihn, dann tritt gelb gefärbter Schaum auf. Auch Gallen- säuren finden sich im Blutplasma. Ihre Anwesenheit in diesem macht sich in einer starken Verlangsamung der Herztätigkeit geltend. Es kommt zui' Erscheinung des seltenen Pulses infolge der Einwirkung der erwähnten Säuren auf das Herz. Dauert die Behinderung des Gallenabflusses nach dem Darme längere Zeit an, dann kommt es auch zu einer Hyperchole- sterinoplasmie.®) Man nennt den ganzen Symptomenkomplex Ikterus. Im Anschluß an die besprochenen Farbstoffe wollen wir ganz kurz noch einiger gefärbter Verbindungen gedenken , die im Tierreich anzutreffen sind, jedoch unseres Wissens nichts mit dem Sauerstofftransport zu tun ') Städeler: Vierteljahrsschr. d. Naturforsch. Ges. in Zürich. 8. 1 (1863). — A. Dastre und N. Floresco : C. r. de la Soc. de biol. 49. 306, 513 (1897). •■') W. Küster: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 17. 294 (1906); 94. 163 (1915). ») Städeler: Liebig?, Aunalen. 132. 323 (1864). — L. r. Zumbusch: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 31. 446 (1900). *) W. F. Löbisch und M. Tischler: Monatsh. f. Chemie. 24. 335 (1903). — Ch. Marc Munn: Joum. of Physiol. 6. 22 (1885). «) L. Marrhlewski: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 48. 207 (1904); 45. 466 (1905). — Vgl. dazu auch E. Schunek und L. Marchlewski : Liebig^ Annalen. 278. 329 (1894); 284. 81 (1895); 288. 209 (1895); 290. 306 (1896). — L. Marrhletcski : Zeitschr. f. prakt. Chemie. 65. 161 (1902); Biochem. Zeitschr. 3. 320 (1907). — Hans Fischer: Zeitschr. f. phvsiol Chemie. 96. 293 (1916). ") Hans Fischer: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 73. 204 (1911). ') Vgl. u. a. J. Feigl und E. Querner: Zeitschr. f. d. gesamte experim. Med. {'. 153 (1919). 8) Jvar Bang: Biochem. Zeitschr. 91. 122 (1918). 714 XXXUL Vorlesung, haben und auch nicht als Sauerstoffspeicherer in Frage kommen. Wir haben bereits Mher hervorgehoben, daß die Pflanzen eine außerordentlich große Anzahl verschiedenartiger Farbstoffe hervorbringen. Von einem großem Teil davon kennen wir die Konstitution.^) Von den bei den Tieren vorkommenden Farbstoffen ist zumeist nicht viel mehr als der Name be- kannt. Nur bei einigen wenigen können wir wenigstens die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Verbindungen angeben. Wir kennen eine ganze Anzahl von schwarz oder braun gefärbten Farb- stoffen. Solche finden sich in den Haaren, in der Haut (insbesondere der dunkel gefärbten Rasseh), in den Pigmentzellen der Uvea usw.*) Man hat diese Faibstoffe als Melanine bezeichnet. 3) Von keinem dieser Produkte können wir etwas über seine Zusammensetzung aussagen. Sie treten zumeist in sehr geringen Mengen auf. Ferner sind sie schwer von Beimengungen zu trennen, und endlich sind sie sehr widerstandsfähig. Ab und zu kommt es zu größeren Ansammlungen von derartigen Pigmenten. So trifft man bei den unechten Schimmeln häufig große Geschwülste in den Muskeln an, die ganz mit einem tintenartigen Saft erfüllt sind. Man hat den Eindruck, als wäre bei diesen Tieren das in der Haut nach der Geburt noch vor- handene Pigment zu diesen Stellen hingewandert. Das Pigment ist Hippo- melanin genannt worden.*) Bei seiner oxydativen Spaltung konnte Gu a- nidin gewonnen werden.^) Sie können durch intensive Bestrahlung stark an Menge zunehmen. Auch die Melanosarkome des Menschen und der Tiere enthalten auffallend viel Pigment (Sarkomelanin).^) Ab und zu kommt es bei melanotischen Neubildungen zur Ausscheidung von Pigment im Urin. 7) Manchmal ist der frisch gelassene Harn bereits dunkel bis ^) Vgl. S. 71. *) Vgl. über da,s Melauiu der Ch orioidea: Landolt: Zeitschr. f. physiol. Chem. 28. 192 (1899). — Über das Fuszin (Melauiu der Retina): Kühne und Sewell: Unter- suchungen aus dem physiol. Institut der Univers. Heidelberg. 3. 221 (1883). — Haar- melanine: N. Sieber: Archiv, f. experim. Path. u. Pharm. 20. 3G4 (1886). — Spiegier: Hofmeisters Beitr. 10. 253 (1907). — Boss Aiken Gortner: Journ. of Biol. Chem. Ö. 341 (1910). — Hugo Fasal : Biochcm. Zeitschr. 55. 393 (1913). — Helmann: Arch. internat. de pharm". 12. 271 (1904). — H.Epjnnger: Biochera. Zeitschr. 28. 181 (1910). — Hautmelauin: J. Abel und Davis: Journ. of experim. Med. 1. 361 (1896). — E. Meirotvsky : t)ber den Ursprung des melanotischen Pigments der Haut und des Auges. Werner Klinkhardt. Leipzig 1908. Mit viel Literatur. ä) Vgl. u. a. 0. V. Fürth: Zeutralbl. f. allg. Pathol. u. pathol. Anat. 15. 617 (1904). Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. G. Fischer. Jena 1903. Biochem. Handlexikon. 6. 293 (1911). (Bearbeitet von Franz Samuely.) J.Springer. Berlin 1911. *) Berdez und M. Nencki: Arch. f. experim. Path. u.' Pharm. 20. 346 (1886). — JJ. Nencki und iV. Sieber: Ebenda. 24. 17 (1887). — O. v. Fürth und E. Jerusalem: Hofmeister?, Beitr. 10. 131 (1907). — Peter Ro na und Otto Riesser: Zeitschr. f. physiol. Chem. 57. 143 (1908); 61. 12 (1909). — Maurice Piettre: Congr^s internat. de Pathol. comparee. 17.— 23. Oktober 1912. — J. Adler- Herzmark: Biochem. Zeitschr. 49. 130 (1913). 5) Otto Riesser und J'eter Rona: Zeitsohr. f. physiol. Chem. 10*J. 16 (1920). «) K.A.H.Mörner: Zeitschr. f. physiol.'.Chem. 11. 66 (1886). — O. Schmiedeberg: Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 39. 1 (1897). — E. Zdarek und R. i\ Zeynek: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 36. 493 (1902). - //. Wolff: Hofmeisters Beitr. 5. 476 (1904). ') Zeller: Arch. f. klin. Chir. 29. 245' (1883). — r.Jaksch: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 13. 385 (1889). — E. Zdarek: Zeitschr. f. Heilkunde u. Path. 23. 379 (1912). - K. A. H. Monier: Zeitschr. f. pliysiol. Chemie. 11. 66 (1887). — A. Pribram und Gang- hofner-: Prager V'ierteljahrsschr. 88. 16 (1865). — J: Berdez und M. Nencki: Archiv für experim. Path. u. Pharm. 20. 24»; (1886). D. Ilelman: Arch. internat. de pharm, tet de th(5rap. 12. 271 (1903). Blatt- und Blutfarbstoff. Chlorophyll und Hämoglobin usw. 715 schwarz gefärbt. Meistens entsteht jedoch der Farbstoff erst nach erfolgter Oxydation des Harns. Man findet bei den Melaninen die Elemente C, H, N, S und 0. Es spricht vieles dafür, daß sie aus Eiweiß- bausteinen hervorgehen. Tryptophan, Prolin, Oxyprolin und auch Tyrosin und Glukosamin sind geeignete Ausgangsmaterialien zur Bildung von P'arbstoffen. Wir haben schon erwähnt, daß es Fermente gibt, die Tyrosin in einen Farbstoff und schließlich in ein braunes Pigment verwandeln, ^j Tryptophan zeigt auch große Neigung zur Farbstoff- bildung. Eine Umwandlung von Tyrosin in einen Farbstoff nimmt man auch bei der Bildung des Sepiaschwarzes 2), des Sekretes der Tintenfische, an. Es ist auch an das 3, 4-Dioxyphenylalanin als Ausgangsmaterial für Pigmente gedacht worden. ■^) Eine große Gruppe von Farbstoffen stellen die sogenannten Lipo- chrome*) dar. Sie finden sich in der Pflanzen- und Tierwelt in großer Zahl. Über ihren Bau läßt sich zurzeit nichts aussagen. Aufgeklärt ist dagegen die Natur einer ganzen Reihe von gelben, zum Teil mit be- sonderen Namen, wie z. B. Lutein ^) belegten Farbstoffen. Es hat sich herausgestellt, daß z. B. der gelbe Farbstoff des Blutserums, des Fettes, des Eidotters in engstem Zusammenhang mit der Nahrung steht, und zwar mit dem Xantophyll und dem Karotin der Pflanzennahrung. Das erstere ist im Hühnereigelb nachgewiesen worden. Das letztere findet sich im Blutplasma und im Fett, ß) Auch aus dem Corpus luteum ist ein Farbstoff erhalten worden, der dieser Reihe angehört. ') Der enge Zusammenhang der erwähnten gelben Farbstoffe mit den Blattfarbstoffen der Nahrung ließ sich direkt feststellen. Beim Diabetes ist wiederholt eine eigenartige kanariengelbe Farbe der Haut beobachtet worden. ^) Man hat von einer Xanthosis diabetica gesprochen. Diese Erscheinung ist in der letzten Zeit in Deutschland häufiger geworden. Der Umstand, daß reich- liche Zufuhr von grünem Gemüse und vor allem von Mohrrüben — ein wesentlicher Bestandteil der jetzigen Kost! — mit dem Auftreten der Xanthosis parallel geht und diese mit dem Übergang zu anderer Nahrung sich vermindert, darf wohl als ein Beweis für den erwähnten engen Zu- sammenhang der genannten Farbstoffe angesehen werden.'-*) M Vgl. S. .'526. - Vgl. auch Boss Aiken Gor/ner: Biochein. Bull. 1. 201 (1911); Aineric. Naturalist. 743 (1911). — L. C. MaiUord: Genese de matieres protöiques et dos iuatieres himiiques. Masson et Cie. Paris 1913 (S. 416). -) M. Nencki und .Y. Sieher: Arch. f. cxperim. Path. u. Pharm. 24. 21 (1887). — <>. r. Fürth und Schneider: Hofmeister?, Beitr. 1. 241 (1901). ^) Vgl. Bruno Bloch und F. Ryhner: Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 5. 179 (1917). *\ \g\. B. Krukenherij : Vergleichende physiologische Studien. 1. 11. 111 (1880); 2. III. SC), 108 (1882). '•) W. Halliburton: .Jouru. of Physiol. 7. 324 (1886). ^) Vgl. hierzu auch A. A. Hynians ran den Bergh und J. Snapper: Deutsches Arch. t. klin. Med. 110 (1913). — li. Wilhlätter und H.H. Escher : Zeitschr. f. physiol. Chemie. 76. 214 (1912). — l.rroy S. Bahner: .Journ. of biol. Chem. 23. 261 (1915); 27. 27 (1916). ') Heinrich II. Escher: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 83. 198 (1913). «) Vgl. von Noorden: Zuckerkrankheit. VI. AuH. 181 (1912). — Umher: Berliner klin. Wochenschr. Nr. 30 (1916). **) M. Bürger und A. Reinhart: Zeitschr. f. d. ges. experim. Med. 7. 119 (1918). — ./.Laupe: Münchener med. Wochenschr. Nr. 12 (1919). — W.Stölizner: P^benda. Nr. 15, 419 (1919). — H.Salomon: Wiener klin. Wochenschr. 32. 496 (1919). ^ Vgl. auch 7-u 716 XXXIII. Vorlesung. Unter den Purpurfarbstoffen stoßen wir auf einen, der von Murex brandaris gebildet wird, und dessen Konstitution vollständig auf- geklärt ist. Wir haben seiner früher schon gedacht und angeführt, daß ihm die Konstitution eines 6, 6-Dibromindigos zukommt.') Von den übrigen Farbstoffen erregt das Turazin^) noch unser be- sonderes Interesse. Es findet sich als rotvioletter Farbstoff in den far- bigen Federn von Turacus, Gallirex und Musophaga. Dieser Farbstoff ist durch einen hohen Gehalt an Kupfer ausgezeichnet. Ferner wollen wir noch die Kochen illefarbstoffe anführen. Sie werden aus den ge- trockneten, ungeflügelten Weibchen der Schildlaus, Coccus cacti coc- cineliferi, gewonnen und enthalten die Karminsäure, C^aHgjOiä. ') Von großem Interesse ist die Feststellung, daß manche Farbstoffe der Schmetterlinge enge Beziehungen zu Verbindungen der Purinreihe besitzen.*) Auch bei niederen Wirbeltieren, z. B. Fröschen, hat man „Purin- pigmente" (Guanin) festgestellt. &) Eingehend untersucht worden ist ferner der von Boll entdeckte Farbstoff der Netzhaut, der Sehpurpur. «) Er wird von Licht rasch ausgebleicht. Er löst sich in Galle und kann der Netz- haut damit entzogen werden. Bis jetzt ist über seine chemische Natur ebensowenig bekannt, wie über seine Beziehungen zum Sehakt. Schließlich sei noch der Harnfarbstoffe Urochrom, ürorosein^ und Uroerythrin^) gedacht. Der letztere Farbstoff verleiht dem Sediment des Harnes seine rote Farbe. Seine Herkunft ist noch unaufgeklärt. Strittig ist auch die Herkunft des gelben Harnfarbstoffes Urochrom.^) iler ganzen Frage llymuns van den Bergh und P. Müller (J. Broekmtyer) : Biochem. Zeitschr. 108. 279 (1920). — Interessant ist das Zusammentreffen von Cholesterinestern mit gelbem Farbstoff in den Xanthome genannten Geschwülsten. ') Vgl. S. 626. ') Church: Chemical News. 19. 265 (1869); 65. 218 (1892): Philosoph. Trans- actious. 183. 511 (1892). — B. Krukenberg : Vergleichende physiol. Studien. 1. V. 7.'> (1880). — P. P. Laidlaw: Journ. of Physiol. 31. 464 (1904). *'') C. Liebermann, Hörnig und F. Wiedermann: Ber. d: Deutscheu Chem. Gesell- schaft. 33. 149 (1900). — O.Dimroth: Ebenda. 42. 1611 (1909); 43. 1387 (1910). - Über ihre Konstitution vgl. 0. Dimroth, W. Scheurer und St. Goldschmidt: Liebigs Ann. 399. 1 (1913). — C. Liebermann und Hans Liebermann : Ber. d. Deutschen Chem. Ge- sellschaft. 47. 1213 (1914). *) F.G.Hopkins: Chem. News. 60. 57 (1899); Philosoph. Transactions. 186. »;61 (1894). — Griffiths: Compt. rend. de l'acad. des sciences. 115. 9.^8 (1892). ») J. Millot: C. r. ßoc. de biol. 87. 63 (1922). •) Boll: Sitzungsber. d. Berliner Akademie der Wissensch. S.November 1876. — W.Kühne- Untersuchungen des Heidelberger phvsiol. Instituts. 1. 515 (1878); Zeitschr. für Biol. 32. 21 (1895). — P. Trendelenburg: Arch. f. (Anat. n.) Phvsiol. (Suppl.) 228 (1904). ') Vgl. S. 518 ') Zoja: Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 705 (1892). — A. Garrod: Journ. (»t Physiol. 17. 439 (1845). — iV^. .ßorrt««; Journ. Pharmac. et Chim. [7.] 16. 45 (1917). «) M. Weiss: Biochem. Zeitschr. 30. 333 (1910); 81. 342 (1917); 102. 228 (1920) Vgl. u. a. Thudichum: Journ. f. prakt. Chemie. 104. 257 (1864); Journ. of the chem soc. 13 (2). 397, 401 (1875); Chem. News. 68. 275 (1893). — Archibald E. Garrod: Proceed. of the Royal Soc. 56. 394 (1894). — Ottorino Bocchi: Hofmeisters Beitrag 11. 79 (1907). — St. Dombrowski: Zeitschr. f. physiol. Chem. 45. 390 (1908). —J. Browinski und St. Dombrowski : Journ. de physiol. et de path. g6n4rale. 819 (1908). — H. Hohlweg: Biochem. Zeitschr. 13. 199 (1908). — K. E. Salomonsen: Ebenda. 13. 205 (1908). Blatt- und Blutfarbstoff. Chlorophyll und Hämoglobin usw. 717 Er soll durch Oxydation aus der Vorstufe Urochromogen hervorgehen. Es wird vermutet, daß das Urochrom in Beziehung zum Chlorophyll steht. 1) Wir sehen eine große Fülle von gefärbten Verbindungen vor uns, die alle dem Zellstoffwechsel entstammen und ohne Zweifel im Organis- mus eine ganz bestimmte Rolle spielen. Leider vermögen wir nur mit ganz wenigen Ausnahmen etwas über ihren Bau, ihre Herkunft und ihio Funktion auszusagen. ') Vgl. u. a. H. E. Roaf: Biochem. .). 15. 687 (1921). Sachverzeichnis. (Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen. Abfangeverfahren zum Stu- dium des Zuckerabbaus 128 ff. Abomasus 101. Accipenserin 398. Achroglobine 699. Acrylsäure 650. Actinohämatiu 699. Adenase 677. Adenin 645. — Abbau 670 ff. — in Pflanzen 647. — Vorkommen 646. Adenosin 655. Adenosinphosphorsäure 656. Adipocire 295. Adipositas 296. Adonin 70. Adonit 30. Adonitin 70. Adrenalin 156, 158, 525. 614, 624 ff. — Beziehung zum Kohle- hydratstoffwechsel 156, 158 ff. — Glukosurie 158. — Nachweis 625. Äpfelsäure, Beziehung zur Milchsäure 132. — Quelle für Glukose 208. Äther, Glukosurie 158. Ätherische Öle 463. Ätherschwefelsä.uren 513. — im Harn 591. Äthylalkohol, Bildung in der Leber 143. — Bildung beim Zucker- abbau 125 ff. Äthylaminsulfonsä-ure 598. Äthylbenzol, Verhalten im Organismus 556. Äthylchlorophyllid 701. Äthylenoxyd 243. Ätiopaphvrin 697. Ätiophyllni 703. Agar-Agar 56. Agmatin, Vorkommen in Pflanzen 438. — Wirkung 525. Akonitin 445. Akrolein 211. Akrose 19. Aktinohämatin 699. Aktivitä.t, optische 19. Akzessorische Nahrungs- stoffe 77, 107. Alanin 21, 315. — Abbaustufen 599. — Bildung von Brenz- traubensäure aus 133, 611. — Entstehung von — aus Brenztraubensäure 613. — Bildung in Pflanzen 438. — Konfiguration 316. — Quelle für Glukose 205, 208. ß-Alanin 453. Alaninamid 588. Alanyl-glyzin 354. d-Alanyl-d-alanin 361. d-Alanyl-glyzin 392. d-Alanyl-glyzin-anhydrid 357 Alanvl-glyzvl-glyzin 358, 359. Alan vl-glyzvl-leuzyl • valin 359." Alanyl - glyzyl - leuzyl - valyl- glyzyl-alanyl- glyzyl-leu- zyl-glyzyl-1-tyrosin 359. d-Alanyl-ülyzvl-1-tyrosin 398. " ß-Alanyl-histidin 635. Alanyl-leuzin 354. d-Aianyl-1-leuzin 364. Albumine 395. Albumosen 351. Albumosen, aussalzbare und nicht aussalzbare 351. Aldehyde, Einfluß auf alko- holische Gärung 132. Aldehydmutase 254. Aldohexosen 16. Aldol 187, 194. Aldosen 16. 35. Aleuronkristalle 392. Alimentäre Glukosurie 151. Alizarin 71, 78. Alkaliseifen 216. Alkaloide 444. — asymmetrische Synthese mittelst 91. — : Bedeutunji für die Pflan- zen 450 ff. Alkaptonurie 561. 595. Alkohol, Verfettung 294. Alkoholische Gärung 35. 108. AUantoin 587. — in Pflanzen 663. — Bildung 6114,' 672. Allesfresser 78. Allose, 1- und d- 25. AUosan 585. 590. Alloxantin 590. Alloxyproteinsäure 637. Almen-Nvlandersche Prohe 32. Altrose, 1- und d- 25. Alytes obst'etricans, Eiweiß- umbau 571. Amandin 396, Ameisensäure 13, 212. — als Abbaupiodukt 460. Amine, Bildung 452, 522. — im Harn 522. Aminoäthylalkohol 241, 462. Aminoaldehyde 462. Aminoameisensäure 313. 576. Aminoazetaldehyd 256, 347. 462. 720 Sachverzeichnis. Aminoazidurie 549, 553. Aminobenzoesäare, Fütte- rungsversuch mit 578. Aminobernsteinsäure 333. Aminobrenztraubensäure 600. K-Aminobuttersäure 318. — Abbaa 193. y-Aminobattersäure 455, 623. Aminobutylenguanidiii 439. 2-Amino-6, 8-dioxypurin 673. 6-Amino-2, 8-dioxypurin 673. Atninoessigsäure 21, 313. — Kupfersalz 313. Aminoglutarsäure 333. d-Aminoglyzerin 23. 1-Aminoglyzerin 23. Aminoglyzerinsäure 600. Aininoglyzerose 410. Aminogruppen, Bestim- mung 374 ff. a-Ämino-ß-dimethyl-propion- säure 322. a-Amino - 5 - guanidino-n-va- leriansäure 320. «-Amino-ß-imidazolyl- Pro- pionsäure 330. a-Amino-ß-indol- Propion- säure 323. a- Amino-isobutylessigsäure 322. — Beziehung zu Azeton 192, 193. a-Arainoisovaleriansäure 319. — Abbau 192, 595. a-Amino-n-kapronsäure323. a-Aminokapronsäure, Ab- bau 193, 615. 5;-Araino-ß-methyl-ß-äthyl- propionsäure 322. a-Amino-ß -methyl - Propion- säure 319. a-Amino- ß -oxypropionsäure 316. a-.\mino-ß-p-oxyphenyl-pro- pionsäure 326. 2-Amino-6-oxypurin 646, 648. 6-Amino-2-oxypyrimidiu 650. a-Amino-5- oxyvaleriansäure 332. p-Aminophenol 513. a-Amino-ß-phenylpropion- säure 324. c-Amino-propionsäure 21, 315. a-Animo-propionsäure, Bil- dung von Brenztrauben- säure aus 133. — Quelle für Glukose 205. 1-a-Aminopropionsäure, Be- ziehung zurß-Oxybutter- säure 191. ß-Aminopropionsäure 634. a-Amino- ß - propyl - Propion- säure 323. 6-Aminopurin 646. — Abbau 670 ff. Aminopurine 645. Aminosäurealdehyde 346. Aminosäurechloride 359. Aminosäureester 349. Aminosäuren 312 ff. — Abbau durch Bakterien 451 ff. — Abbau im Darmkanal 504 ff. — Abbau im Zellstoffwech- sel 572 ff., 593 ff. — Art des Abbaus 593 ff. — Bildung in Pflanzen 405 ff. — Bildung aus Eiweiß durch Pankreas- und Darmsaft 478 ff. — Bildung im Zelistoff- wechsel 545 ff. — im Blute 533 ff. — Einteilung 344. — Nachweis 348 ff., 374 ff. — Nachweis im Darmin- halt 478. — Neubildung 499, 612 ff. — Quellen für Glukose 172, 177, 186, 200,203. — Prüfung ihrer Wertig- keit 499 ff. — Schema des Abbaus 610. — Schema der Bildung 613. — Titration 376. — Übersicht über ihren Abbau 460 ff. — Rolle im Zellstoffwechsel 538 ff. — Zusammenstellung 340 bis 344. — Zusammenstellung der Kuppelung der Amino- gruppen 620. a-Amino-ß-thiopropionsäure 317. a-Aminovaleriansäure, Ab- bau 193. 5-Aminovaleriansäure 454. Ammoniak als Bestandteil von Proteinen 338. Ammoniumkarbonat 574. Ampholyte 312. Amygdalin 70. d-Amylalkohol 323. Amylane 56. Amylchlorid 22. Amylnitrit, Glukosurie 15R, 458. Ämylolytische Fermente 99. — — der Leber 147. Amylopektin 58. Amylose 58. Amylum 57. a- und ß-Amyrin 226. Anaphylaxie 402, 501. Anhalin 444. Anhydro-arabino- galaktose- galakturonsäure 57. Anhydrotrifruktosekom- plexe 55. Anoxybiose 139. Anpassung des Blattfarb- stoffs an Strahlenart 83. Anthocyano 71. Antiketogene Körper 190. Antimon, Verfettung 294. Antoxyproteinsäure 637. Apiin 41. Apiose 41. Arabinose 28, 29. Arabinoside 68. Arabit 30. Arabonsäure 30. Arachinsäure 212, 309. Arachnolysin 304. Arbeit,Einfluß auf Glykogeu- gehalt der Muskeln 119. Arbutin 68. — methyliertes 68. Arekaidin 446. Arekolin 447. Arginase 320, 572. Arginin 320. — Harnstoffbildung aus 572. — Quelle für Glukose 208. — Vorkommen in Pflanzen 436. — seine Bedeutung 499. — Beziehung zum Kreatin 631. Arsen, Glukosurie 158. — Verfettung 294. Artfremdes Fett 277. Arthritis deformans 565. Aschamin 246. Asparagin 335. — Bedeutung als Nahrungs- stoff 511. — Bedeutung für Pflanzen 435 ff. Asparaginsäure 333. — Quelle für Glukose 208. — seine Bedeutung 499. SachverzeicLnis. 21 Asparagyl-diglyzin 355. Asparagyl-monoglyzin 355. Assimilation von Kohlen- säure und Wasser 80 ff. Assimilationsgrcnze für Kohlehydrate 151. Assimilationsquotient 85. Assimilatorische Leistung 85. Assimilatorischer Koeffizient 84. Asvm metrische Synthesen " 85 ff., 89. .Asymmetrisches Kohlen- " Stoffatom 20. Atherosklerose 306. Atropin 445, 448. Aufzucht, sterile 10(1 ft. Ausflockung 311. Aussalznng von Proteinen 311, 386. Autolyse 464, 547. Azetaldehyd 128. — Vorkommen im Blut und Harn 134. 187. — Beziehung zurAzetessig- säure 194. Azetessigsäure 189. 283. — Bildung aus Brenztrau- bensäure 135. — Abbau 284. Azeton 15, 189, 283. 595. — Glukosurie 158. Azetonkörper 189. Azetonoplasmie 196, 202. Azetonurie 190. Azetophenon 283. Azetyl-benzol 283. Azetylcholin 244. Azetylierung 618 ff. Azetyl-glukosamin 42. Azetyl-propionsäure 33. Azi-nitromethan 415. B. Bacterium thermo 83. Bakterien 505. — denitrifizierende 419. — nitrifizierende 413. — stickstoffbindende 422. — thermophile 426! Bakteroidgewebe 425. Bence- Jonesscher Eiweiß- körper 396, 640. Benzaldehyd 129. Benzamid, Verhalten im (Jrganismus 557. Benzoesäure, Bildung 282. Benzol, Abbau 514, 607. Benzoyl-a-aminokapron- säure 616. Benzoylessigsäure 282, 604. Benzoyl-glukuronsäure 40. Benzoyl-glykokoU 314. Benzoyl-glyzin 314. Benzoylierung 619 ff. Benzylalkohol 459. Benzylazetaldehyd 603. Benzyl-brenztraubensäure, Aminierung 603, 612. Bernsteinsäure 454. — Quelle für Glukose 208. Betain 244. — Möglichkeit der Bildung 621. Betaine 440 ff'. Betonizin 442. Bezoarsteine 236. Biliansäure 231. Bilifuszin 713. Biliprasin 713. Bilipurpurin 713. Bilirubin 708. Bilirubinsäure 710. Biliverdin 712. Biologische Methode 402. Biologisches Gesetz über Zellproteine 382. Biosen 16. Biuret 579. Biuretreaktion 384, 579. Blättermagen 101. Blatt farbstoff 699 ff. Blausäure, Vorkommen in Pflanzen 412. Blut, Aminosäuregehalt 533 ff Blutfarbstoff 687 ff. — Herkunft 706. Blutkörperchen, rote, Zuckergehalt 145. Blutzucker 144. Bohnenstärke 58. Bombicesterin 225. Bornesit 43. Böttchersche Probe 32. Brenzkatechin 514. Brenzkatechinschwefelsänre 514. Brenztraubensäure 127. — aus Alanin 573. — als sekundäres Abbau- produkt aus Eiweiß 374. — Beziehung zur Glukose 205. — Beziehung zur Harn- säure 582. — kein Glykogenbildner 139. — liefert Alanin 613. Brenztraubensäurealdehyd, Beziehung zur Glukose 206. Abderhalden. Physiologigche Chemie, f. Teil, 6. Anfl. Brenzschleimsäure 557. Brenzschleimsäurealdehyd 557. BrenzschleimsäureglykokoU 557. d-Brom-chlor-propan-2-ol 23. d- und l-Brompropionsänre 316. Bufo agua, Adrenalin 625. Bufotalein 236. Bufotalin 236. Bufotoxin 237. Butter 309. Butterfett 221. Buttersäure 191, 212,. 253. Buttersäuregärung 35, 108. Butylalkohol 615. Y-Butyrobetain 622, 623. Byssus 399. Cannizzarosche Reaktion 131, 253. Carnaubasäure 309. Carnavtbylalkohol 309. Carnivore 78. Carotin 82. Cerealose 50. Cerebron 38, 249. Cerebronsäure 249. Cerebroside 249. Cerotinsäure 309. Cerotinsäure-cerylester 224. Cerylalkohol 309. Cetin 224. Cetylalkohol 213, 224. Cheiranthin 70. Chemie, Bedeutung für Physiologie 3. Chenocholsäure 236. Chenocholyltaurin 236. Chinaalkaloide 449. Chinidin, asymmetrische Synthese mittelst 91. Chinin 449. — asymmetrische Synthese mittelst 91. Chinol 606. Chinolin 445, 449. — Nomenklatur 608. Chinovose 30. Chitin 41. Chloral, Glukosurie 158. Chloralhydrat 123. Chlorcruorin 699. Chloroform, Glukosurie 158. — Verfettung 294. Chlorophyll 80, 81, 699 ff. — Herkunft 704. Chlorophyllase 700. Cldorophyllid 701. 46 722 Sachverzeichnis. Chlorophyllformaldehydper- oxyd 86. Chlorophyllkomponente a und b 599. Choladienkarbonsäure 231. Cholan 231. Cholankarbonsäure 232. Cholansäure 232. Cholatrienkarbonsäure 232. Cholecyanin 712. Choleprasin 713. Cholestan 227. ß-Cholestanol 227. Cholestenon 227. Cholgsterin 213, 225 ff. — Konstitution 229. — Beziehung zur Chol- bzw. Desoxycholsäure 232, 303. — Einfluß auf Hämolyse 303. Cholesterinester 225. Cholesterinnachweis 226. Cholesterinstoffwechsel 301 ff. Choletelin 712. Choiin 240. — Bildung in Pflanzen 243. — Bildung im tierischen Organismus 298. — Möglichkeiten der Bil- dung 621. — Einfluß auf Darmbewe- gung 300. Cliolsäure 230. — Beziehung zu Cholesterin 232. — Struktur 231. Cholyl-glyzin 234, 617. Cholyl-taurin 235. Chondroitinschwefelsäure 43, 73, 639. — Konstitution 337. Chondromukoid 397. Chondrosamin 43, 73. Chymosin 472 ff. Ciliansäure 232. Cinchonin 449. Colamin 241. Colchicin 446. Conliydrin 446. a-Coniin 446. Corpus luteum, Farbstoff 715. Ootonsäure, Übergang in Azetessigsäure 286. Cuorin 247. Curare, Glukosurie 158. Cyanhydrinsynthese 26. Cyanidin 71. Cyanin 71. Cyanursäure .ö80, 589. Cyclosen 43. — seine Bedeutung 553. Cystein 235, 317, 551. Cysteinsänre 235,318, 551. Cystin 317. — Bildung in Pflanzen 407. — Quelle für Glukose 208. — Unentbehrlichkeit 499. Cyklogallipharsäure 213. Cystinsteine 549. Cystinurie 318, 530, 549. Cytidin 655. Cytidin-phosphorsäure 656, 657. Cytosin 650. Cytosinhexosephosphor- säure 656. D. Dambonit 44. Darmflora 104. — Wirkung auf Amino- säuren 504 ff. -^ Wirkung auf Fettbau- steine 269. Darmmazin 3 »7. Darmsaft, Bedeutung für Kohlehvd ratverdauung 103. — Wirkung auf Eiweiß 477 ff. Darmwand, vielleicht Bil- dungsstätte gepaarter Verbindungen 522. Dehydro- cholsäure 231. Dehydro- desoxycholsäure 231. Delphinidin 71, Delphinin 71. Denaturierung der Proteine 389. Denitrifizierende Bakterien 419 ff. Desaminieruug 601. Desoxycholsäure 231, 233, 617. — Beziehung zu Cholesterin 232. Desoxycholylglyzin 234, 617. Deuteroalbumosen 351. Dextrine 59, 63. — kristallisierte 59. Dextrose 38. — Beziehung zum Glykogen 139. Dextroseabbau 123 ff. Diabetes melitus 178 ff. — Lipoplasmie bei 275. Diäthyl-methylsulfiniumbase 592. Diäthvlsulfid .52.") Dialursäure 583. Dialyse 311. — kompensatorische 144. Diamine bei Cystinurie 549. a, £-Diamino-n-kapronsäure 324. Diamino-monophosphatide 247. Diamino-propionsäure, Ab- bau 599. Di-(a-amino-ß-thiopropion- säure) 317. a-5-Diamino-valeriansäure 320. Diaminurie 549, 554. Diastase 50, 99. — der Leber 148. Diazeturie 190. Diazobenzolsulfosäure 331. Diazoreaktion 639. Dibenzoyl-a-c-diamino- valeriansäure 561. Dibenzoyl-ornithiü 561. 6, 6-Dibromindigo 626. 676. d-Dibutyrin 23. I-Dibutyrin 23. a, a-Dichlorhydrin 215. Dierucin 218. Digitalisglukoside 70. Digitonin 38. Digitonincholesterid 305. Digitonin-cholesterin verbin dang 226, 305. Diglyzeride 218. Diglyzeridphosphorsäurt' . ^^'^■ Diglyzyl-glyzin 376. Diglyzyl-lysin 356. Diglyzyl-lysyl-glyzin 356. Dihydrocholesterin 227. 2, ö-Diketopiperazine 357 3, 5-Dijodtyrosin 327. Diketone, Einfluß auf alkd holische Gärung 132. p-Dimethylaminobetizal- deliyd 711. Dimethylbetain des Prolins 411. 1, 3-Dimethyl-2, 6-dioxy- purin 663. 3, 7-Dimethyl-2. 6-dioxy- purin 663. Dimethyl-guanid in, asymme- trisches 627, 634. oxyprolin 442. propenylamin 245. 1, 7-Dimetliyl-xanthin 6()3. 675. 3-7-Dimethyl-xanthin 663. Di -ß- naphtalin-sulfo-1 vrosin 371. Dinukleotid 657. yachverzeichnis. ■•iH Dioleostearin 217. Diosen 16. 1, 2-Dioxyanthrachinon 78. Dioxyazetoa 130. ;}, 4-Dioxybenzoesäure 514. 1, 2-Dioxybenzol 514. 1, 3-Dioxybenzol 32. 1, 4-Dioxybenzol 514. Dioxybsnzole 513. 4, 6-Dioxy-2, 5-diaminopy- rimidin 665. Dioxyfettsäuren 213. 3, 4-Dioxy-phenylalanin 325. 1, 4-Dioxy-phenyl-3-essig- säure 562, 595. 3, 4-Dioxyphenyl-methyl- aminäthanol 624. 2, 6-Dioxypurin 647. — Abbau 670 ff. 6-Dioxypurin, Abbau 670 ff. 2, 6Dioxypyrimidin 650. Dioxystearinsäure 213. Dipentosamin 65. Diphenyl-azetyl-ornithin 618. Disaccharide 46 ff. Disulfide, Einfluß auf alko- holische Gärung 132. Dinraminopropionsäure 589. Döglingsäure 212. Drei kohlenstoffverbi n dün- gen, Bedeutung für Zell- stoffwechsel 194. Ductus thoracicus, Bahn für Pankreasinkret? 175. Dulcit 36. E. Ecgonin 449. Echinochrom 699. Ecksche P'istel 526. Edestin, Molekulargewicht 393. Edestine 396. Ehrlichsche Reaktion 712. Eichhörnchen, Oxyhämoglo- bin 688. Eieralbumin 395. — kristallisiertes 388. — Molekulargewicht 393. Eierglobuiin 395. Eisensalze, als Katalysatoren 87. Eiweißabbau im Darmkanal Bedeutung des 477 ff. Eiweißneubildung 569 ff. Eiweißphosphate 394. Eiweißstoffe 310 ff, — Aussalzmetiiode zu ilirer Darstellung 311, 3S6 ff. — Bildung in Pflanzen 405ff. Eiweißstoffe, Definition 312. — Eigenschaften 383 ff. — Einteilung 3134, 401. — Fällungsreaktionen 386. — Farbreaktionen 384. — kristallisierte 390. — Molekulargewicht 3J2 ff. — Struktur 384. — vergleichende Hydrolyse von 492 ff. Eiweißstoffwechsel der Pflan- zen 434 Eiweißsynthese im Tier- körper 494 ff. Ei weiß Verdauung 464 ff. Elastin 399. — , Gehalt an Animosäuren 493. Emulsin, asymmetrische Synthese mittels 91. Emulsion 210. — Bedeutung für Verdau- ung 259. Enterokinase 477. d-Epibromhydrin 23. l-Epiclilor!iydrin 23. Epigaanin 675. d-Epihydrinalkohol 23. 1-Epihydrinalkohol 23. Epizuckersäure 651. Erepsin 482. — in den Zellen 590. Ergosterin 226. Ergothionein 411. Erstarrungspunkt einiger Fettarten 220. Erukasäure 212, 277. Erythrit 14. Erythritsäure 14. Erythrose 14. Essigsäure 131, 212. — aus GlykokoU 454. Essigsäurecholinester 301 . Estermethode 349. Euphorbon 226. Exzelsin 396. Fadenpilze, stickstoffbin- dende 423. Farbreaktionen auf Zucker 31. Fäulnisbakterien 457. Fehlingsche Probe 32. Fellinsäure 235. Fessolungs- Glukosurie 158. Fett, freies und gebundenes 278 ff. — als sclilecliter Wärme- leiter 220, 280. — als Reservestoff 219. Fett, Stoffwechselendpro- dukte 281. Fettbildung aus Amino- säuren ? 291 ff. — aus Zucker 117, 209. Fettdepots 220. Fette, Beziehungen zu an- deren Nahrungsstoffen 276 ff — Bildung in Pflanzen 252 ff. — Löslichkeit 210. — optisch-aktive 217. — Resorbierbarkeit ver- schiedener 266. — Resorptionsweg 265. — Beziehung zu den Aze- ton körpern 195. Fettgewebe 220. Fettnachweis, Methodik 294. Fettresorption 263. Fettsäure-äthylester 266. — glykolester 266. Fettsäuren, Abbau 191, 282. — gesättigte 212. — mit verzweigter Kohlen- stoff l^ette, Abbau 287. — ungesättigte 212. — ungesättigte, Bildung 285. — aus Aminosäru-en 454 Fettstoffe 210 ff. Fettsucht 296. Fettsynthese 214 ff. — in der Darm wand 2(i3. Fettverdauung 258 ff'. Fettzellen 220. Fibrin 396. — Gehalt an Aminosäuren 493. Fibrinogen 396. Fistel, Anlegung einer 97. Flavone 71. Fieisciifresser 78. Fluoi'eszierende Stoffe 88. Formaldehyd 13, 16, 18,31. — erstes Assimilationspro- dukt 89. Forma Idehydperoxyd 86. Formamid 415. Formhydroxiimsäure 415. Formoltitration 376. Formylhydroperoxyd 86. Fruchtzucker 17, 37. Fruktose 17, 37. — Glukosebildner 207. Fruktosediphosphorsäure 125. Fraktosurie 37. Fukose 30. Fumarsäure, Quelle für Gin- kose 208. 46* 7-24 Sachverzeichnis. Fungisterin 226. Furanaldehyd 31. Furfurakrylsäure 288, 619. Furfurol 31. — Verhalten im Organis- mus 288, 557, 619. Fuselöl 458. Fuszin 714. G. Gadoleinsäure 212. Gänsefett 221. Gärung des Zuckers 35. Gärungsmilchsäure 35. Galaktane 38, 56. Gaiaktid 36. Galaktonsäure 36. Galaktose 36, 38. — Baustein des Zerebrons 249. — Bausteine von Phospha- tiden 248. d-Galaktose, Glukosebildner 207. 1- und d-Galaktose 25. Galaktoside 68. Galaktosurie 38. Galakturonsäure 56. Galle, Aktivator des Lipase- zymogens 261. — Bedeutung für Fett- resorption 268. — löst Seifen 268. Gallenfarbstoff 708 ff. — Menge pro Tag 707. Gallenmuzin 397. Gallensäuren 230 ff. — Aktivatoren des Lipase- zymogens 261. Gallensteine 227, 713. Gans, Oxyhämoglobin 688. Gaultherin 70. Geburtshelferkröte, Eiwreiß- umbau 571. Gelatine 399. — Nährwert 500. Gentiano'se 52. Gesamtschwefel im Harn 591. Gesetz der Erhaltung der Energie 75. — der Erhaltung des Stoffes 75. — biologisches 382. Gicht 682. Gliadin 396. Globin 399, 690. — Gehalt an Aminosäuren 493. Globulin, Molekulargewicht 393. Globuline 396. Glukal 26, 652. Glukit 36. Glukolyse 122. Glukolytische Fermente 122. Glukonsäure 28, 36. Glukoproteide 395. Glukosamin 41 ff., 336, 411. — Beziehung zu Pyrrol 662. Glukosaminsäure 411. Glukosazon 33. Glukose 36, 38. — Abbau 120 ff. a-Glukose 67. ß-Glukose 67. 1- und d-Glukose 24. Glukoside 66 ff. — a- 66. — ß- 66. Glukosurie 151. Glukothionsäure 72. Glukuron 39. Glukuronsäure 27, 38. — Frage, ob Ai)baustufe der Glukose 124. Glukiironsäurepaarlinge 39, 122. Glutamin 335. — Bedeutung als Nahrungs- stoff 511. — Bedeutung für Pflanzen 435. Glutaminsäure 333. — Quelle für Glukose 208. — seine Bedeutung 499. Gluteline 396. Glutenin 396. Glutin 399. Glykocholsäure 230, 617. Glyko-desoxycholsäure 230, 617. Glykogen 62. — Abbau 63. — Bedeutung als Reserve- kohlehydrat 114 ff. Glykogenbildner 139. Glykokoll 21, 313 ff — Kupfersalz 313. — seine Bedeutung 499, 559. — Möglichkeiten seiner Bil- dung 615. — -Neutralsalzverbindun- gen 314. — Quelle für Glukose 208. — Verwendung zu Synthe- sen 617 ff. — Vorkommen im Harn 540. — Vorkommen im Blut 533. — Baustein von Gallen- säuven 560. — Beziehung zu Betain 245. Glykokollesterchlorhydrat 314. Glykokollkarbonsäure 346. Glykol 14, 244. — Glykogenbildner 139, 207. Glykolaldehyd 14. — Glykogenbildner 139. — Quelle für Glukose 207. Glykolaldehyddikarbon- säure, Glykogenbildner 139. Glykolliarnstoff 663. Glykolose 14, 244. Glykolsäure 14. — aus Betain 440. — kein Glykogenbildner 139. Glykolyldiharnstoff 673. Glykozyamin 631, 632. Glyoxalase 134, 206. Glyoxyldiureid 672. Glyoxylsäure 285, 615. — kein Glykogenbildner 139. Glyoxylsäureprobe 328. Glyzeride 214. Glyzerin 14. — Abbau 281. — Baustein von Fetten 211. — Beziehung zur Glukose 205, 207, 208. — Bildung bei der alkoho- lischen Gärung 128. — Bildung in Pflanzen 252. Glyzerinaldehyd 600. — Bildung beim Glukose- abbau 130, 133. — Glykogenbildner 139. — Quelle für Glukose? 207. Glyzerinsäure 14. — Beziehung zur Harn- säure 582. — aus Diaminopropion- säure 599, 600. — Glykogenbildner 139. — Beziehung zur Glukose 207. Glyzerose 14, 19. — Beziehung zu Glyzerin 252. Glyzerylphosphorsäure 240. a- und ß-Glyzerylphosphor- säure 242. — optisch-aktive 242. Glyzin 313. Glyzinamine 398. Glyzinanhydrid 357. Glyzinin 396. Glyzyl-alanin 354, 357. Glyzyl-d-alanin 363. Glyzyl-alanin-anhydrid 357. Sachverzeichnis. 725 Glyzyl-d-alanin-anhydrid 363. Glyzyl-d-alanyl-glyzyl-1-ty- rosin 370. ülyzyl-alanyl-seryl-leuzyl- tyrosin 355. Glyzyl-asparaginsäure 355. Glyzyl-asparagyl-diglyzin 355. Glyzyl-glyzin 353, 357. — Oxydation 639. Glyzyl-Meuzin 364. Glyzyl - 1 - leuzin - anhydrid 864. Glyzyl-1-phenyIalanin 364. Glyzyl-1-prolin-anhydrid 364. Glyzyl-serinester 380. Glyzyl- 1-tyrosin 364. Glyzyl-1-tvrosin-anhydrid 364. Glyzyl-d-valin-anhydrid 364. Gmeiinsche Reaktion 712. Gorgonin 398. Guanase 677. Guanidin 320, 714. — Vorkommen in Pflanzen 436. y-Guanidinobuttersäure 631 . Guanidinoessigsäure 631. Gnanin 645. — Abbau 670 ff. — Vorkommen 647. Guaningicht 677. Guaninhexosid 656. Guaninurie 677. Guano 428. Guanosin 654, 664. Guanosin-adenosin-phos- phorsäure 657. Gnanosinphosphorsäure 656. Guanosyl- adenosyl - zytidyl- triphosphorsäure 657. Guanylsäure 657. Gulose, 1- und d-, 24. Gummi, tierischer 56, 65. Gummisubstanzen 56. H. Haarmelanine 714. Hämatin 690 ff. Hämatinsäure 697, 710. Hämatogen 708. Hämatoporphyrin 694. Hämerythrin 699. Hilmin 692. Häminprobe 692. Hämochromogen 690 tf. Hämozyanin 698. Hämoglobin 390,687 ff. Hämoglobin, Herkunft 704 ff. — Verhalten im Magen 706. Hämokonien 273. Hämolyse 304. Hämolysin 304. Hämoporphyrin 696. Haferstärke 58. Halogenbenz,ol, Verfütte- rung 618. Hammeltalg 221. — Ablagerung 277. Harn, Nukleinsäure des 659. Harnfarbstoffe 716. Harnglobuline 396. Harnmukoid 397. Harnsäure, Bildung 671 ff. — Eigenschaften 685. — Laktani- und Laktim- form 684. — Salze 682. Harnsäure aus Aminosäuren 580 ff. — aus Purinbasen 646 ff. — Bildungsmöglichkeiten 679 ff. — Synthese 589. Harnsäuregicht 682. Harnsteine 685. Harnstoff aus Aminosäuren 567 ff — Möglichkeiten der Bil- dungsweise 567 ff. — Salze 580. Hautmelanin 714. * Hefenukleinsäure 657 ff. Hemizellulosen 56. Hepatogene Glukosurie 155. Heptosen 16. Heptylsäure 212. Herbivore 78. Heteroalbumosen 351. Heteroazide Fette 222. Heteroproteinoplasmie 641. Heteroxanthin 675. Hexaamylose 59, 99. Hexamethylornithin 623. Hexaoxy-hexahy d robenzol . 44. Hexonbasen 366. Hexosediphosphorsiiure 74. Hexosediphosphorsäureester 74. Hexosen 16 Hexoside 68. Hilfsdisziplinen der Physio- logie 2 ff. Hippokoprosterin 230, 270. Hippomelanin 714. Hippursäure 282, 314. 353, 555 ff, 604. — -Bildung, Ort der 559. — Svnthese 79. Hippursäure im Harn 558. Histamin 438, 527. Histidin 330. — Abbaustufen 611, 632. — Bausteine des Karno- sins 634, 635. — Quelle für Glukose ? 208. — Quelle für Harnsäure? 581. — Quelle für Azetessigsäure 611. — Quelle für Kreatin? 632. — Quelle für Urokanin- säure 634. — seine Bedeutung 499. Histohä-T atine 699. Histol 458. Histon aus Thymusdrüse, Gehalt an Aminosäuren 493. Histone 397. Hitzekoagulation 311. Homoazide Fette 222. Homogentisinsäure 562, 595. — Bildungsalt 595 ff., 604 ff. Hordenin 396, 443. Huhn, Oxyhämoglobin 688. Hühnerfett 221. Huminsubstanzen 33, 65. 338. Hund, Oxyhämoglobin 688. Hundefett 221. Hunger, Eiweißumbau 616. — -Glukosurie 164. — Lipoplasmie bei 275^ Hyalomukoid 397. Hydantoin 346, 663. Hydrakrylsäure, Beziehung zur Harnsäure 582. Hydrazone 33. Hydrobilirubin 713. Hydrochinon 68, 514. Hydrochinonbrenztrauben- säure 606. Hvdrochinonessigsäure 562, " 595, 606. Hydrokephalin 247. Hydrolezithin 247. Hydrouracil 650. Hydroxyconiin 446. Hyocholsäure 235. Hyoscyamin 448. Hypaphorin 441. Hvperaminoazidoplasmie " 544. Hypercholesterinoplasniie 306, 713. Hyperglukoplasmie 151. Hyperglyzinoplasmie 541. Hvperproteinoplasmie 544, " 641. Hyperurikoplasmie 683. 726 Sachverzeichnis. Hypoaminoazidoplasmie 544. Hypophyse, Einfluß auf Fett- stofi'wechsel 2:'97. — Beziehung zum Kohle- hydratstoffwechsel 141, 16S, 183. — Bildung von Stoffen, die dem ß-Imidazolyläthyl- amin nahe stehen 523, 539, 626. Hypoproteinoplasmie 651. Hypothesen 4. Hypoxanthin 647. — Abbau 670 ff. — Bildung aus Adenin 670. — Vorkommen 649. ■ Hypoxanthosin 652, 655. I. Ichthuline 400. Idäin 71. Idose, 1- und d-, 24. Ikterus 508, 713. Imidazolyläthylalkohol 458. Imidazolyläthylamin 438, 522. — in der Darmschleimhaut 522. — Vorkommen in Pflanzen 438. — Wirkung 525. ß-lmidazolyl-akrylsäure 635. ß-Imidazolyl-azetaldehyd '611. ß-Imidazol yl- bren ztrauben - säure 611. Imidazolyl-essigsäure 598. Imidazolvl-propionsäure 454. " Indigo 71, 437, 516. Indigoblau 516 ff. Indijiorot 517. Indigotin 71. Indikan 71, 437. Indirubin 517. Indol 457, 521. — im Harn 509. — Vorkommen in Pflanzen 487. Indol-äthyl-nlkoliol 458, 598. Inuol-äthyl-amin 452, 523, 598. — Quelle von liidole^sig- säure 598. — Wirkung 525. Indol-azetaldehyd 598. liidolazetursäure 523. Indolazetyl-glyzin 523. 1 ndoi-brenztraubensäure 609. Indolessigsäure 457, 518, 520, 523, 524, 598. Pr-3-Iiidolkarbonsäure 517. Indol-Pr-S-essigsäure 518. Indolkern, Bezeichnung 517. I-Indolmilchsjiure 459. Indolpropionsäure 494, 457. Iiidoxyl 71, 557. Indoxylglukuronsäure 40, 516. Indoxylschvrefelsäure 516. Inkrete 161. Inosin 653, 655. Inosinsäure 652. — Struktur 652. Inosit 43. Inosit-dimethylester 44. Inosithexaphosphorsäure- ester 44. Inositmethylester 44. Inositpentapho jphorsL'; ure- ester 44. Intraperitoneale Zutiihr 96 Intravasculäre Zufuhr 96. Inulin 55. Inversion 48. Invertin 103. Invertzucker 48. Isoamylalkohol 323, 458. Isoamylamin, Vorkommen in Pflanzen 439. Isobiliansäure 231. Isobuttersäure, Abbau 287. — ; liefert kein Azeton 595. Isobutylalkohol 458. — Quelle für Glukose 207. Isobutylamin 452. Isobutylessigsäure aus Leu- zin 454. Isochinolin 445, 449. Iso-chlorophyllin 702. Isocholansäure 232. IsoCholesterin 225, 230, 309. Isohämopyrrol 697. Isolaktose 47. Isoleuzin 321. — Quelle für Glukose? 208. — Synthese 323. Isoleuzyl-valinanhydrid 364. Isomaltose 47. Isophonopyrrol-karbonsäure 698, 711. Isopropylalkohol 15. Isorhodeose 30. Isovaleraldehyd 323. Isovaleriansäure, Abbau zu Azeton 193, 641. - aus Valin 454. J. Jekorin 73, 246. Jekorinsäure 212. Jodgoriiosiiure 327. Jodreaktion 58. Jodzahl 221. Juglansin 396. K. Kadaverin 324, 438, 522. — bei Cystinurie 549. 599. — in Harn 547. — Vorkommen in Pflanzen 438. Kaffein 662. Kalkseife 217. Kalziumcyanamid 430. Kalziumion, Antagonist des Natriumions 157. Kalziumkarbid 430. Kaprin:=äure 212, 309. Kapronsäure 212, 309. — Abbau 191. Kaprylsäure 212, 309. Karamel 33. Karbaminsäure 313, 435. 620. Karbaminsaures Ammon 574, 577. Karbamino-bernstein säure 346. Karbide 430. Karboligase 129, 255. Karbonate, Rolle als Regu- latoren der Reaktion 196. Karbonylformel des Zuckers 24. Karbonyldiharnstoff 587. Karboxylase 127. Karmin äure 716. Karnaubasäure 212, 309. Karnaubylalkohol 213. Karnitin 453. Karnosin (534. Karotin 82, 699. Kartoffelstärke 58. Kasein 473. — Gehalt an Aminosäuren 493. Kaseinogen 473. Kastanienstärke 58. Kastration, Einfluß auf Fett- stoffwechsel 297. Katalysator 87. Katze, Oxyhämoglobin 688. Kauakt 97. Keimfreie Aufzucht 106 ff. Kephalin 246. Kephalinsäure 246. Kerasin 249, 250. Kerasinsäure 268. Sachverzeichnis. 27 Keratin, Gehalt an Amino- säui-en 493. Keratine 399. i-Ketö-n-buttersäure liefert a-Amino-n-buttersäure 613. Ketoglntarsäure 455. Ketohexüse 17. a-Keto-n-kapronsäure liefert a - Amino-n-kapronsäure 613. Ketone, Einfluß auf alko- holische Gärung 132. Ketosen 16, 35. Kleister 58. Klupein 398. Knoblauchkröte, keimfreie Aufzucht 107. Knöilchenbakterien 423. Knoopsche Regel 282. Koagulation 336. Koagulosen 472. Kobragift, Hämolvse 304. Kochenillefarbstoff 716. Kochsalzglukosnrie 157. Körperfett, Abhängigkeit von Nahrungsfett 277. Koeffizient, assimilator. 91. Koferment 126. Kohlehydratabbau 121 ff. — Überblick 137. Kohlehydrate 12 ff. — stickstoffhaltige 41. — Struktur 13 ff. — Synthese von kohlenstoff- reicheren 26. — Abbau in den Geweben 121. — Verhalten im Organismus 95. — Transport im Organis- mus 111 ff. — Umbildung in Fett 117. Kohlehydratnachweis 32. Kohlenlager 92. Kohlenoxydhämoglobin 688. Kohlenoxydvergiftung, Glu- kosurie 158. Kohlensäure, Glukosurie 158. Kohlensäureverbindung des Chlorophylls 85. Kohlenstoffatom, asymmetri- sches 20. Koilin 399. Kokain 445, 448 Kollagen 399. Kolloide 311. Koma diabeticum 197. Konchiolin 399. Konfiguration der Zucker 24, 25. Konfiguration, Bedeutung für Durchlässigkeit der Niere 165. Konglutin 396. Konvizin 664. Koprosterin 225, 229, 270. Kork säure 237. Korneamukoid 397. Korylin 396. Kotporphyrin 09.'). Krappfarbstoff 71, 78. Kreatin 628. — Abbau 633. — Herkunft 629 ff. — Möglichkeiten der Bil- dung 631 ff. Kreatinin 628, 664. Kreislauf des Stickstoffs 422. Kreislauf von Stoff- und Energie 92 ff'. Kresol 456, 555, p-Kresol 520. — im Harn 509. glakuronsäure 512. schwefelsaure 512. Kropf, Funktion 108. Krotonsäure 286. Kryptopyrrol 698, 711. Kynurensäure 608 Kyrine 352. L. Labferment 472 ff. Labmagen 101. Lachs, Eiweißumbau 569 ff'. Lävulin säure 33, 651, 656. Lävulose 37. — Verwertung beim Diabe- tiker 187. Laktase 103. Laktazidogen 125. Laktobiose 49. Laktoglobulin 396. Laktose 49. Langerhanssche Inseln 176. Lanolin 225, 308. — Resorbierbarkeitdes267. Lanopalminsäure 309. Lanozerinsäure 213, 309. Laurinsäure 212. lieber, Bildungsort des Harn- stoffs 574. — Bildungsort der Harn- säure aus Aminosäuren 581. Bildungsstätte der Aze- tonkörper 195, 397. - Bildungsstätte der ge- paarten Verbindungen 522. — Gehalt an Glykogen 115 ff. Leber, Verhalten bei Pan- kreasexstirpation 170. Leberatrophie, akute, gelbe 5il, 601. Legumelin 395. Legumin 396. Leichenwachs 295. Leim 399. Leimsüß 313. Leistung, assimilatorische 85. Lentoglobulin 396. Leuchtbakterien 84. licukämie 682. Lenkosin 395. Leukozyten, Rolle beim Ab- bau von Purinbasen 681. — Rolle bei Fettresorption 262. Leuzin 322. — Abbau zü Azeton 213, 595. — Qaelle für Glukose? 208. — Synthese 323. I-Leazinimid 374. Leuzyl-alanin 355. 1-Leuzyl-d-alanin 364. Leuzyl-alanyl-glyzyl-glyzin 359. 1-Leuzyl-d-glataminsäure 364. 1-Leuzyl-glyzin 364. 1-Leuzyl-glyzyl-d-alanin , A b- bau durch Fermente 369. I-Leuzyl- trigly zyl - 1 - leuzy 1- triglyzyl - 1 - leuzyl - okta- glyzyl-glyzin 381. 1- Leuzyl - triglyzyl - 1 - leuzyl- triglyzyl - 1 - leuzyl-trigly- zyl-l-leuzyl-penta-glyzvl- glyzin 381. Leuzvl-tvrosin-anhydrid 357." 1-Leuzyl-d-valinanhydrid 374. Lezithide 246. Lezithin 238 ff". — Bildung in Pflanzen 255. — Verdauung 270. Lezithinsynthese im tieri- schen Organismus 298 ff". Lichtchemische Wirkungen 87. Liebermann-Burchards Reaktion 226. Lignin 62. Lignozerinsäure 247, 24Q. Linolsäure 212. Lipase 218, 258. Lipasezymogen 260. Lipochrome 715. Lipoide 307. 728 Sachverzeichnis. Lipolytische Fermente 218. Lipoplasmie 275. Lithobilinsäure 236. Lithocholsäure 230, 234. Lithofellinsäure 236. Lösungsmittel für Fette 210. Lupeol 226. Lupeose 52. Luteiii 715. Lycoperdin 43. Lycoperdon 43. Lysin 324. — Quelle für Glukose? 208. — seine Bedeutung 499. Lysozithin 304. Lysyl-glyzin 356. d-Lyxohexosamin 336. M. Magenmuzin 397. Magensaft, Bedeutung für Kohlehydratverdauung 101. — Wirkung auf Eiweiß 468 ff. Magenverdauung des Ei- weißes, Bedeutung 472. — der Fette 259. — der Proteine 465 fi'. Magnesiumgehalt des Chlo- rophylls 82, 701. Maisglutenin 396. Malleinsänre 698. Malonsäure, Beziehung zur Harnsäure 582. Maltobiose 50. Maltose 50. Malzzucker 50. Mandelsäure 90. Mandelsäurenitril 90. Mandelnitrilglukosid 70. d-Mandelnitril-ß-glukosid71 . l-Mandelnitril-ß-glukosid71. Mannane 56. Mannit 36. Mannogalaktane 56. d-Mannoheptid 16. d-Mannoketoheptose 16. Mannosäure 36. Mannose 36. d- und 1-Mannose 24. Mannozuckersäure 36. Mazerationssaft 54G. Meerschweinchen, Oxyiiii- moglobin 788. Meibomsche Drüsen, fett- haltiges Sekret 309. Mekonium 505. Melanine 404, 714. Melanoidine 388. Melanosarkome 714. Melibiose 60. Melitriose 52. Menschen fett 221. Mei'kaptursäuren 554, 618. Mesobilirubin 710. Mesobilirubinogen 710. Mesohämatin 697. Mesohämin 697. Mesoxalsäure 585. — Beziehung zurHarnsäure 582. Mesoxalylharnstoff 585. Mesoporphyrin 695, 710. Mesoporphyrinogen 697. Methämoglobin 689. Methylalkohol 13, 700. Methylamin, Vorkommen in Pflanzen 439. Methyl-äthylmaleinimid 697, 710. Methyl-äthylmaleinsäure 697, 710. d-Methyl-äthyl-propionsäure 454. 3-Methyl-4-äthylpyrrol 698. Methylbetain der Nikotin- säure 442. a-Methyl-chinolin 610. Methylconiin 446. N-Methylconiin 446. l-Methyl-3,5-dioxybenzol31 . 5-Methyl-2, 6-dioxypryimi- din 650. Methylfarfurol 31. a-Methyl-d-glukosid 67. ß-Methyl-d-glukosid 67. Methylgly kokoll 629. Methylglyoxal, Bildung beim Glukoseabbau 130, 134. — Beziehung zur Glukose 206. • — Beziehung zur Harn- säure 584. Methylguanidin 634. a-Methyl-guanidinoessig- säure 629 ff. 7-Methyl-guanin 676. Methylhydantoin 633. Methylhydantoinsäure 633. Methyl-hydrochinon 513. Methylierung von Amino- säure 620 ff. Methylimidazol 137, 330, 584. Pr-3-Methylindül 517. ß-Methylindol, Vorkommen in Pflanzen 437. Methylmerkaptan 525. Methylornithin 324. Methylpentosane 55. Methylpentosen 30. 4-Methylpyridin 622. Methylpyridylammoiiiuiii- hydroxyd 621. N-Methyl-tetra-hydronikip- tinsäui'e 446. N- Methyl - tetra - hydroniko- tinsäure-methylester446. Methyltyrosin 443. 5-Methyl-urazil 650. 1-Methylxanthin 675. 3-Methylxanthin 675. 7-Methylxanthin 675. Mezcalin 444. Mikrochemie 136. Milchalbumin 395. Milchdrüse, Fett 309. Milchfett 295. — Verhalten bei Emulsion 259. Milchgerinnung 472 ft'. Milchglobulin 395. Milchsäure aus Alanin 599. — Beziehung zur Äpfel- säure 132. — Beziehung zur Gluko.se 206. — Beziehung zur Harn- säure 582. — Spaltung bei BeliohtunL!: 87. — liefert Alanin 613. d-Milchsäure, Glykogenbild- ner 139, 207. — aus Traubenzucker 125, 130. Milchsäuregärung 35, 108. Milchzucker 49. Millons Reagens 326. Milz, Beziehung zum Kohle- hydratstottwechsel 163. Molisch-Udränskvsche Re- aktion 32. Monoamino- di - phosphatide 247. Monoamino-nionophospha- tide 247. Monoazetylglukosamin 42. d-Monobromhydrin 23 d-Monobutyrin 23. 1-Monobutyrin 23. a-Monochlorhydrin 214. 1-Monochlorhydrin 23. Monoglyzeride 218. Monoglyzyllysin 356. Monolezithide 242. Monomethylguanidin im Harn 627. Mononaplitalinsulfotyrosin 370. Mononatriumurat 686. Mononitrotyrosin 326. Sachverzeichnis. 729 Mononukleotide 654. Mono-oxyfettsäuren 212. Monopalmityllezithin 304. Monosen 16. a-Monostearinsäureglyzerin- ester 214. Mooresche Probe 32. Morphium, Glukosurie 158. Mucoitin 73. Mucoitinschwefelsäure 42, 78. — Konstitution 337. Mukoide 397. Mukonsäure 607. Murexidprobe 590. Muscarin 246. Muskelarbeit, Beziehung zum Kohlehydratstoff- wechsel 115, 118, 152. Muskeln, Glykogenspeicher 117. Muskelzucker 43. Müzine 397. Myeline 247. Myochrom 699. Myogen 396. Myokynin 623. Myosin 396. Myricylalkohol 213. Myristinsäure 212, 309. ot-Myristinsäureester des a-Monochlorhydrins 215. a-Myristinsäure-ß-stearin- säureester des a-Mono- chlorhydrins 215. a-Myristin-ß-stearin 215. Myrtillidin 71. Myrtillin 71. Mytilit 45. N. Nahrungsfett, Einfluß auf Körperfett 277. ß-Naphtalinsulfo-alanyl-gly- zin 366. ß-Naphtalinsulfo-alanyl-gly- zyl-ty rosin 371. ß-Naphtalinsulfo-alanyl-ty- rosyl-glyzin 371. ß-Naphtalinsulfoglyzin 365. ß-Naphtalinsulfo-glyzyl - ala- nin 365. ß-Naphtalinsulfo-glyzyl - ala- nyl-leuzyl-tyrosin 365. ß-Naphtalinsulfo-glyzyl- ala- nyl-tyrosin 371. ß-Naphtalinsulfo-glyzyl-tyro- syl-alanin 371. ß-Naphtalinsulfo-tyrosyl- alanyl-glyzin 372. ß-Naphtalinaulfo-tyrosyl- glyzyl-alanin 372. Naphtoesäuren , Verhalten im Organismus 556. Naphtoresorcin 41. «-Naphtol 41. Reaktion 339. Naphtursäure 556. Natriumion, Beziehung zur Glukosurie 157. Nebenniere, Adrenalin 158, 624. — Beziehung zum Chole- sterinstoffwechsel 302. — Beziehung zum Kohle- hydratstoffwechsel 141, 158 ff., 183. — Beziehung zur Pankreas- drüse 171. Nebenschilddrüsen , Bezie- hung zum Kohlehydrat- stoffwechsel 163. Neottin 248. Nervi splanchnici, Beziehung zum Zuckerzentrum 154. Nervus vagus, Beziehung zum Zuckerzentrum 154. Netzmagen 100. Neurin 245. Neurokeratin 399. Neutraler Schwefel im Harn 591. Neutralfett 221. Nichtkolloide 311. Niere, Ort der Hippursäure- bildung 559 ff. — Verhalten bei Phlorhizin- zufuhr 200. — Retentionsvermögen für Glukose 164. Nikotin 442. Nikotin säure 442. — Verhalten im Organis- mus 622. Ninhydrin 314. Nitride 430. Nitrierung von Proteinen 376. Nitrifikation 413. Nitrifizierende Bakterien 413. Nitrobenzaldehyd, Verhalten im Organismus 556. Nitrobenzoesäure 556. Nitrobenzol, Glukosurie 158. Nitrobenzylalkohol 123. Nitrohippursäure 556. o-Nitrophenol 513. Nitrosomethylalkohol 415. Nitrosylkalium 415. Nitrotoluol 123. Norleuzin 323. Nuklein 644. — Verhalten gegen Paii- kreassaft 665. Verdauung 665 ff. Nukleinazidase 665. Nukleinsäuren 643 ff. — Bausteine 645 fi'. — Bildung in Pflanzen 661 ff — als Glukoside 652. — Schema des Abbaues 668. — Verdauung 666 ff'. Nukleoproteide 399, 643 ff. — Aufbau 665 ff. — Verhalten gegen Magen- saft 644, 665. — Verdauung 665 ff". Nukleosidasen 668. Nukleoside 652. — in Pflanzen 664. Nukleotidasen 668. Nukleotide 654. Nutramine 77, 107. 0. Obesitas 296. Ochronose 565. Öle 219. Ölsäure 212. Önidin 71. Önin 71. Ohrschmalzdrüsen, fetthal- tiges Sekret 309. Oktaazetyl-zellobiose 61 . Oktadezylalkohol 213. 224. Oktylsäure 212. Oleo-palmito-butyrin 218. Omasus 101. Omnivore 78. Onuphin 398. Optische Aktivität 19. — Methode 370. Ornithin 320. 561. — Quelle für Glukose 208. Ornithursäure 561. Orthostatische Proteinurie 640. Oryzenin 396. Orzin 31, 41, 513. Osazone 33. Osseomukoid 397. Ovarialkystome (Müzine) 397. Ovokeratin 399. Ovomukoid 397. Ovomuzin 397. Oxalsäure 14. 586. 7 HO Sachverzeichnis. Oxalursäure 586. Oxalyl-aminoessigsäure 638. Oxalylharnstoff 586. Oxamid 415. Oxyäthylamin 241, 246, 298, 462. m-Oxybenzoesäure 513. p-Oxybenzoesäure 457, 515. ß-Oxybuttersäure 189. — Entstehung aus Fett- säure 282 ff. Oxybutyrobetain 623. ß- Oxy-chinolin - a - karbon- säure 608. Oxycholesterine 230, 309. ß-Oxydation der Fettsäuren 191, 282. Oxydoformel der Zucker 24. Oxyfettsäuren 212. Oxyglutaminsäure 334. Oxyhämocyanin 699. Oxyhämoglobin 687 ff. — Kristalle 688. — Molekulargewicht 393. — Zusammensetzung 688. o-Oxyhippursäure 556. Oxyindolessigsäure 639 ß-Oxymethylerythrose 41. Oxymethylfurfurol 33. p-Oxyphenylalanin 326. p-Oxyphenylaminoesäig- säure 648. p-Oxypheny läthy lal koho 1 458, 524, 598. p-Oxyphenyläthylamin 327, 438, 443, 597, 598. — bei Cephalopoden 599, 626. — im Käse 527. — Vorkommen in Pflanzen 438. — Wirkung 525. p-Oxyphenylazetaldehyd 598. ni - Oxyphenylbrenztrauben- säure 601. p-Oxyphenylbrenztrauben- säare 594, 595 fi". — liefert Azeton 602. — liefert Homogentisin- säure 595 ff'. — liefert Tyrosin 613. p-Oxyphenyl - dimethyl- äthylamin 443. p-Oxyphenylessigsäure 456, 515, 520, 566, 644. p-Oxyphenylglvoxylsäure 601. p-Oxyphenyl-a-methyl- amino-propionsäure 434. p-Oxyphenylmilchsäure 459, 594, 595. Oxyphenylmilchsäure, Quelle von Homogen- tin säure 595. d-p-Oxyphenylmilchsäure 495, 600. 1-p-Oxyphenylmilchsäure 599. p-Oxyphenylpropionsäure 68, 199, 454, 456, 515, 520. Oxyprolin 332. Oxyprolinbetain 442. Oxyproteinsäuren 637. Oxypurine 647. 6-Oxypurin 647. Y-Oxy-pyrrolidin-«-karbon- säure 332. Oxystachydrine 476. Oxytryptophan 329. Palmitinsäure 212. Palmitinsäurecetylester 224. Palmitinsäurecholesterin- ester 225. Palmitinsäuremyricylester 224. Palmito-distearin 217. Palmito-olestearin 218. Pankreasdrüse, Beziehung zum Kohlehydratstoff- wechsel 141, 168ff. — Beziehung zur Leber 171. Pankreasnukleoproteide 643. Pankreassaft, Bedeutung für Kohlehydratverdau- ung 103. -— Wirkung auf Eiweiß 477 ff. Pansen 100. Papaverin 449. Parabansäure 585. Parabiose 174. Parach^-mosin 475. Paraffin, Verhalten im Darm 267. Paramuzin 397. Paraxanthin 675. Parasiten 417. Parenterale Zufuhr 96. Pathologie, Beziehung zur Physiologie 6. Pektinsäure 56. Pektinsäuremethylester 56. Pektinstoffo 56. Pontamethylendiamin 324, 522. — im Harn 564. Pentamethylendiamin, Vor- kommen in Pflanzen 438. Pentan 22. Pentasaccharide 53. Pentosane 55, 107. Pentosen 16, 29. — Farbreaktionen 31. Pentoside 68. Pentosurie 29. Pepsin 465. Pepsin, aktives, im Darm- inhalt 470. — Einwirkung auf Poly- peptide 380. Pepsinzymogen 465. Peptasen 378. Peptide 356. Peptolytische Fermente 378. Peptone 351, 377. — Entstehung im Magen 465. Perameisensäure 86. Perkaglobulin 396. Perseit 16. Petroleum 93. Pettenkofersche Reaktion 234. Pferd, Oxyhämoglobin 688. Pferdefett 221. Pflanzen, Eiweißstoffwechsel 434. — synthetische Leistungen 433. Pflanzenfresser 78. Pflanzenkristalloide aus Ei- weiß 392. Pflanzenschleime 56. Phäophorbid 701. Phäophytin 85, 701. Pharmakologie, Beziehung zur Physiologie 7. Phaseolin 396. Phenazetursäure 514, 555, 618. Phenol 456, 520. — im Harn 554. Phenol- glukuronsäure 40, 554. Phenolschwefelsäure 554. Phenosol 458. Phenyläthylalkohol 458. — Vorkommen 362. Phenyläthylamin 325, 524. Phenylalanin 324. — Quelle für Glukose V 208. — Quelle für Homogenti- sinsäure 563. ^ vertritt Tyrosin 499. 1-Phenylalanyl-d-alaninan- hydrid 874. Sachverzeichnis. 731 Phenyl-a-aminobuttersäure 612. y-Phenyl-a-aniinobutter- säure, Abbaustufen 603. — liefert Benzoesäure 603. Phenylaminoessigsäure 459, 603, 619. — liefert Benzoesäure 603. Phenylazetaldehyd 325. y-Phenyl-a-azetyl-amino- buttersäure 612. Plienyl-azetyl-glutamin 335, 515, 561. Phenylazetylglyzin 515,618. Phenylazetylierung 618. Phenylazetylkarbinol 1 29, 254. Piienylbenzopyrylium 72. 1 - Phenylbrenztrauben- alkohol 129. Phenylbrenztraubensäure . liefert Homogentisin- säure 602. — liefert Phenylalanin 613. Phenylbuttersäure 282. Phenylessigsäure 335, 456, 520, 618. Phenylglyoxylsäure 459, 601. Phenylhydrazin 33. Plicnyllactimid 325. d-Phenylmilchsäure 459. Phcnylmilchsäure liefert Homogentisinsäure 602. Phenvl-ß-oxy- Propionsäure 283, 284. Phenylpropionsäure 282, 283, 454, 456. Phenylvaleriansäure, Abbau 282. ■ Phloretin 68, 192. Phloretinsäure 68, 199, 222. Phlorin 68, 199. Phlorogluzin 31, 41, 199. Phlorogluzinglukosid 68, 199. Phlorhizin 68, 199. Phlorhizinglnkosurie 199. Phlorhizinglukuronsäure 199. a-Phocaecholsäure 236. fi-Phocaecholsäure 236. a-Phocaetaurocholsäure236. ß-Phocaetaurocholsäure 236. Phonopvrrolkarbonsäure 698,^711. Pliosphate, Rolle als Regu- latoren der Reaktion 196. Phosphatide 238. — Bildung in Pflanzen 255. — Verdauung 270. Phosphatidoproteide 400. Phosphatidsynthesen im tie- rischen Organismus 298 ff. Phosphor, Glukosurie 158. Phosphorproteide 399. Phosphorproteine 394. Phosphorsäure im Harn, Herkunft 592. Phosphorvergiftung, Amino- säuren im Harn 292, 541 . — Guanidinderivate im Harn 627. — 1-p-OxyphenyImilchsäure im Harn 601. Photodynamische Wirkungen 88. Phrenosin 249. Phycocyan 394. Phycoerythrin 394. Phylline 702. Pliylloerythrin 713. Phylloporphyrin 703. Phyllopyrrol 697. Physik, Bedeutung für Physiologie 3. Physikalische Chemie, Bedeutung für Physio- logie 2. Physiologie, Definition 1 . Phytin 44. Phytochlorin 702. Phytol 700. Phystosterine 225. Pigmente 404. Pilokarpin 663. Pinnaglobin 699. Piperidin 445. Plasmaalbumin 391. Plasmaglo1)ulin 391 Plasteine 472. Polylezithide 242. Polynukleotidase 665, 668. Polynukleotide 654. — Schema des Abbaues 668. Polypeptidasen 378. Polypeptide, Abbau durch Permente 368 ff. — beim partiellen Abbau von Proteinen gewonnen 363 ff". — als Bestandteile von Peptonen 366 ff. — aussalzbare 360. — Synthese 353 ft". — Zahl der Isomeren 367. Polyproteine 394. Polysaccharide 17, 4(), 54 ff". Porphyrine 702 ff Porphyrinogen 710. Präzipitinbildung 402 Prolamine 396 Prolin 331. 1-Prolyl-l-phenylalanin 364. Propepsin 465. Propionsäure 212. — Abbau 193. — aus Alanin 454, 573. Propionsäureätliylester 216. Propionsäurecholinester 301 . Propylaikohol, Quelle für Glukose 207. Propylbenzol, Verhalten im Organismus 556. d-Propylenglykol, Beziehung zur ß-Oxybuttersäure 191. d-, a-, n-Propylpiperidin446. Protagon 249. Protalbumosen 351. Protamine 397. — der Zellen 590. Proteasen 312, 477, 546. Proteide 394. — Verdauung 475. Proteinabbau im Darmka- ual, Bedeutung des 500 ff. Proteine 310 ff. — einfache 394. — zusammengesetzte 394. — Aussalzmethode zu ihrer Darstellung 311, 386. Proteine, Bildung in Pflanzen 405 fl'. — Definition 312, 388. — Eigenschaften 383 ff. — Einteilung 394, 401. — Fällungsreaktionen 494. — Farbreaktionen 384. — kristallisierte 390. — Molekulargewicht 392 ff'. Proteinoide 398. — Verdauung 476. Proteinsynthese im Tier- körper 494 ff. Proteinurie 639. — orthostatische 640. Proteinverdauung 464 fl'. Proteolytische Fermente 312. Protokatechusäure 513 Protone 398. Prunolaurasin 71. Psalterium 101. Pseudocholestan 232. Pseudomuzin 397. Ptyalose 50. Purin 646. Purinbasen 645 ff'. — Abbau im tierischen Organismus 669 ft. — Bildung in Pflanzen 661 ff. Frage der Neubildung 678 ff. 32 Sachverzeichnis. Purinbasenabbau, Fermente 669 if. Purinstoffwechsel 669 ft. Purpurfarbstoff 626, 716. Purpuvsäure 590. Putreszin 321, 522. — bei Cystinurie 522, 549, 599. — im Harn 522. Pyridin 445, 480, 621. J3-Pyridinkarbonsäure 442, 622. a-Py r idyl- ß-N-methyl-py rro- lidin 447. Pyridyl - pyrryl-pyrryl-pyro- len-methan 710. Pyrimidinbasen 649 ö. — Bildung in Pflanzen 661 ff. Pyrogallol 513. Pyromykursäure 556. Pyrrol 445, 693. Pyrrolidin 445, 704. a-Pyrrolidinkarbonsäure 331. Pyrrolidonkarbonsäure 334. Pyrrolin 445. Q. Quercetin 71. Quercitrin 71. Quotient D : N 186, 204. — respiratorisciier 120, 211. — respiratorischer, beim Diabetes melitus 184. — respiratorischer bei Fett- abbau 112. R. Raffinose 52. — Abbau 60. Ranzigwerden der Fette 221. Rastvorstellnngen 4. Ratanhin 443. Reaktion des Blutes 196. Reduktionsproben auf Zucker 32. Reisstärke 58. Renale Form des Diabetes 183. Reserveeiweiß 537. Reservekohiehydrate 57, 114. Reservezellulosen 56. Resorbierbarkeit verschie- dener Fette 267. Resorptionsweg der Fette 269. Resorzin 32. Respiratorischer Quotient 85, 211. — — beim Diabetes 184. Retikulin 399. Retikulum 100. Rhamninose 52. Rhamnose 30. Rhodan wasserstoffsaure 591, 635. — Bildung 636. — Nachweis 636. Rhodeose 30. Ribit 30. Ribonsäure 30. d-Ribose 29, 651. d-Ribosecytosin 655. d-Riboseguanin 654. d-Ribosehypoxanthin 653. d-Ribosephosphorsäure 652. d-Riboseurazil 656. Ribo-trioxyglutarsäure 30. Rind, Oxyhämoglobin 688. Rindertalg 221. Rizin 395. Rizinolsäure 213. Roggenstärke 58. Rohrzucker 48 ff". Rüböl, Ablagerung 277. Ruberythrinsäure 71, 78. Saccharase 103. Saccharide 17. Saccharobiose 48. Saccharose 48 ff'. Sapotoxin 38. Sauerstoffmangel , Glukos- urie 158. Säureamide 360. — Bedeutung als Nahrungs- stoff 465. Sahidin 248. Salizylamid 513. Salizylsäure, Verhalten im Organismus 556. — Bildung aus Benzoesäure 87. Salizylursäure 556. Salkowskische Probe auf Cholesterin 226. Salmin 378. Salpeter, Stickstoftquelle für Pflanzen 405 ff. Salpeterlager 428. Salzsäure als Aktivator 465. Sambunigrin 71. Saponin, Hämolyse 304. Saponine 72, 226. Saprophyten 417. Sarkomelanin 714. Sarkosin 629. Scheinfütterung 468. Schichtung des Magenin- haltes 101. Schilddrüse, Beziehung zum Kohlehydratstoff'wechsel 141, 163, 183. — Einfluß auf Eiweißstott- wechsel 548. — Einfluß auf Fettstoft- wechsel 297. Schleimsäure 36, .50. Sclilundrinne 101. Schmelzpunkt einiger Fett- arten 221. Schock 402. Schutzstoffe 123. Schwefel, neutraler im Harn 591. Schwefelausscheidung im Harn 590 ff'. Schwefelbakterien 416. Schwefelbleiprobe 318. Schwefelsäure, gepaarte 5 13. Schwefelwasserstoff 525. Schwein, Oxyhämoglobin 688. Schweinefett 221. Scyllit 45. a- und ,j-Scymnol 236. Scymnolschwefelsäuren 236. Sedolieptose 16. Sehpurpur 716. Seidenfibroin 399. Seidenleim 399. Seifen 216. Sekretin 507. Selenige Säure, Verhalten im Organismus 621. Selenmethyl 621. Sensibilisierung 88, 402, 694 ff. Sepiaschwarz 715. Serin 316. — Beziehung zu Cliolin 256. — Bildung in Pflanzen 407. — Quelle für Glukose 208. Serizin 399. Serosani uzin 397. Serumalbumin 395. — Molekulargewicht 393. — Gehalt an Aminosäuren 493. Serumglobulin 395. — Gehalt an Aminosäuren 493. Serummukoid 397. Silurin 398. Sinapin 445. Sacliverzeichnis. 733 Sinapinsäure 445. Sitosterin 226. Skatol 457, 517. — Vorkommen in Pflanzen 437. Skatolrot 517. Skatoxylschwefelsäure 517. Skombrin 398. Sonnenenergie 80. Sorbit 36. Sorbose 37. Speichel, Wirkung anf Kohlehydrate 97. Sphingomyelin 247. Sphingosin 247, 249. Spirographin 398. Spongin 398. Spongosterin 226. Stachydrin 441. Stachyose 52. Stärke 57 if. — Abbau 59. — Bildung in Pflanzen 81. StJirkearten, Zusammen- setzung .58. Stearinsäure 212. Stearo-dipalmitin 217. a-Stearo-ot, J3-dipalmitin 218. Steinkohle als Quelle für Stickstoff 429. Sterile Aufzucht 106 ff. Sterine 213, 225 ff. — Verhalten im Magen daim- kanal 270. — \'erhalten im tierischen Organismus 302. Stickoxydhämoglobin 688. Stickstoff, Kreislauf 422. StickstoffbindendeBakterien 422. Stickstoffbindung, künst- liche 430 ff'. ' Stickstoffdüngung 428. Stickstoffgleichgewicht 494. Stigmasterin 226. Stoffwechselendprodukte ans Kohlehydraten 120. Strahlenarten, die bei der Kohlensäureassimilation wirksam sind 82. Strophantin 70. Strychnin 449. — Glukosurie 158, 203. — Einfluß auf Reflexerreg- barkeit 115. Sturin 378. Suberylarginin 237. Subkutane Zufuhr 96. Sublimat, Glukosurie 158. Submaxillaris-muzin 397. Sulfatide 251. Sulfatschwefelsüure 591. Suprarenin 624 ff. Surinamin 443. Symbiose 77. Synthesen im tierischen Or- ganismus 79. T. Talg 295. Talgdrüsen, fetthaltiges Se- kret 309. Talose, 1- und d-. 25. Tanazeton 123. Tannin 513. Tannine 72. Tartronsäure 14. — Beziehung zur Harn- säure 582. Taurin 230, 318, 551, 578. — Fütterungsversuch mit 578. Taurochenocholsäure 236. Taurocholsäure 230, 618. Taurodesoxvcholsäure 230, 618. Teichmannsclie Härninprobe 692. Tellurige Säure, Verhalten im Organismus 621. Tellurmethyl 621. Tendomukoid 397. Terpene 463. Tetraamylose 59, 90. Tetrakarbonimid 587. Tetramethvlendiamin 321, 444, 522. — im Harn 522. Tetramethylputreszin 444. Tetramethoxy-benzyl-isochi- nolin 449. Tetrasaccharide 52. Tetrosen 16. Theobromin 663. Theophyllin 663. Theorien 4. Therapie, experim.entelle, Beziehung zur Physio- logie 7. Thermopliile Bakterien 426. Thioäthylamin 551, 598. a-Thiomilchsäure 374. Thiophenaldehyd, Verhalten im Organismus 557. Thiophensäure 557. Thiophenursäure 557. Thiosulfate im Harn 592. Thujon 123. Tliujonhydrat 123. Thujonhydratglukuronsäure 123. Thymin 650. Thymin-hexose-phosphor- säure 656. Thymol 513. Thymosinsäure 658. Thymusdrüse, Einfluß auf Fettst.offwechsel 297. Thymusnukleinsäure 658. 659. Thymusnukleoproteide 645. Thyreoglobulin 396. Thyroxin 330. p-Toluchinol 605. Toluhydrochinon 605. Toluol, V^erhalten im Or- ganismus 556. Tolursäure 556. Toluylsäure, Verhalten im Organismus 556. Toxikologie, Beziehung zur Physiologie 7. Traubenzucker 38. Traubenzuckerabbau 122ff. — Entstehung aus Nicht- kohlehvdraten 172, 187, 200. — Transportzucker 142. Trehalose 48. Triamino - monophosphatide 248. Triamino-diphosphatide248. Triazetin 216. Tribomphenol 513. Tributyrin 216. Trichloräthvlalkohol 123. Trichlorhydrin 213. Trichlormilchsäureamid 589. Triglyzeride, Einteilung 222. Trigonellin 442,622. Triindylmethanfarbstoffe 519. Triketohydrindenhydrat 314. Trilaurin 216. 3, 4, 5-Trimethoxyphenyl- äthvlamin 444. Trimethylamin 243, 301. Y-Trimethylaminobutter- säure 622. Y-Trimethylamino-a-oxy- buttersäure-anhvdrid 623. Trimethylbetain des Histi- dins 441. Trimethylbetain des Thio- histidins 441. Trimethylbetain des Tryto- phans 441. Y-Trimethyl-butyrobetain 453. 1, 3, 7-Trimethyl-2, 6-dioxy- purin 662. 734 Sachverzeichnis. Trimethyl -oxyäthyl - ammo- niumhydroxyd 243. Y-Trimethyl-a-oxybutyro- betain 453. Trimethyl -vinylammonium- hydroxyd 245. Trimy ristin 216. Trinükleotid 657. Triolein 216. Triosen 16. 1,3, 5-Trioxybenzol 31. Trioxyglutarsäure 30. 2, 6, 8-trioxypurin, Bildung 670. Tripalmitin 216. Trisaccharide 52. Tristearin 216. Triticonukleinsäure 656, 659. Trommersche Probe 32. Tropasäure 445, 448. Tropasäure-tropinester 448. Tropin 448. Trypsin 477 ff. Tryptophan 328.^ — Abbaustufen 598. — Abbau zu Kvnurensäure 608. — Quelle für Glukose? 208. — Unersetzbarkeit 499. Tryptophol 458. Tunicin 61. Turazin 716. Turizin 442. Tyramin 438, 527. Tyrosin 326. — Abbaustufen 597 ff. — durch Phenylalanin ver- tretbar 499. — liefert Azeton 602. — Quelle für Glukose? 208. — Quelle für Homogenti- sinsäure 563. m-Ty rosin 601. Tyrosinase 32.7. Tyrosol 458, 598. — Vorkommen in Pflanzen 440. u. Überempfindlichkeit 402. ümsatzeiweiß 538. ümsatznukleinsäuren 667. ümsatznukleoproteide 667. üraminobenzoösäure 578. üraminoisaethionsäure 578. a-Uraminopropionsäure 345. Uraminosäuren 345, 619. üransalze, Glukosurie 158. Uranylsulfat als Katalysator 87. Urazil 649. — Synthese 650. Urease 436. üreinpropansäure 345. üridin 655. Uridinphosphorsäure 656, 657. ürikase 672. ürikolytisches Ferment 672. Urinporphyrin 695. Urobilin 710, Urobilinogen 710. ürochloraisäure 123. Urochrom 716. Urochromogen 716. Uroerythrin 716. Urofemnsäure 637. Urokaninsäure 635. ürorosein 518, 523, 716. V. Valeraldehyd 323. Valeriansäure 212, 455. — Abbau 193. Valin 319. — Abbau 192. — liefert kein Azelon 595. — Quelle für Glukose? 208. Verdauung derKolilehydrate 99. Veidauungsdrüsen, Bezie- liung zur Bildung von Purinbasen 681. Verfettung nach Vergiftun- gen 292 ff. Vergiftungen, intestinale 526. Vernin 655, 664. Vernix caseosa, fetthaltiges Sekret 309. Ver eifung 216. Vicianose 46. Vignin 396. Vitamine 77, 107. Vitell ne 400. Vitiatin 628. Vizilin 396. Vizin 664. Volemit 16. Vormagen 100. w. Wachse 224. Wärmehaushalt, Funktion des Fettes bei 280. Walrat 224. — Resorption 266. Wechselbeziehungen zwi- schen Pflanze und Tier 93. Weinsäure 14. Weizenstärke 58. Whartonsche Sülze 397. Wiederkäuermagen 100. Wollfett. Zusammensetzung ms. ' X. Xanthelasma 306. Xanthin 647. — Abbau 670 ff. — Vorkommen und Nach- weis 649. Xanthinbasen, metl)ylierte 662 ff. Xanthinsteine 685. Xantliobilirubinsäure 711. Xantliome 306. Xanthopliyll 82, 699. Xanlhoproteinreaktion 325. Xanthosin 655. Xanthosis diabetica 715. Xylit 30. Xyloketose 30. Xylol, Verhalten im Orga- nismus 556. Xylonsäure 30. Xylose 27, 29, 30. Xyloside 68. Xylo-trioxyglutarsäure 30. z. Zein 396. Zellkerne, Nukleoproteide der 643. Zellobiuse 105. Zellobiose 51, 61. Zellproteasen 538. Zellulose 61. — Abbau 61. — Abbau im Darmkänal 103. Zellulosenitrate 61. Zerotinsäure 309. Zervlalkohol 3U9. Zetylalkohol 224. Zimtsäure 282. Zoosterine 225. Zuckeiabbau 121 fl. /uckerarten 12. Zuckcr;;eh:ilt des Blutes 145. ZuckerlKirnruhr 178 ff. SachverzeichHis 735 Zuckernachweis 32. Znckersänre 36. Zuckerstich 153. Zuckerzentrum 153. Zustand sänderungen Proteine 389. Zyanamid 430, 629. der Zyanursäure 580, 589. Zyklopterin 398. Zymase 126. Zyprinine 398. Zystein 317, 551. Zysteinsäure 235, 318, 551. Zystin 317. Zystin, seine Bedeutung 499, 553. Zystinurie 318, 522, 549, 599. Zytidin 655. Zytidinphosphorsäure 656 657. Zytösin 6.50 ü. Berichtigungen. Die Seite 22, oben, gemachte Bemerkung, wonach es noch nicht gehingen ist, die Konfiguration von d- und 1-Alanin festzustellen, ist überholt. Vgl. hierzu S. 316. S. 206 muß es in der zweiten Formelreihe statt Metyhylglyoxal heißen Methyl- glyoxal . Druck von Gottlieb GistPl & Cie., Wien. III.. Müiizgasse 6. 0 I I B!!^D!!^^G SECT. DEC 29 1971 PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY L QP Abderhalden, Emil ^^^ Lehrbuch der physiologischen A3 Chemie, $., neu bearb. Aufl 1923 T.i ßiologleal ^' 8c Medical