l\\ 1 Unter- suchung — graphische Untersuchung des normalen und krankhaft veränderten Herzstosses ■ Herz- töne und Herzgeräusche — Puls lehre — \ men- puls — Transfusion — normale und abweichende Athm ungsgeräusche — Ventilation — Unter su ch ung d e r L uf t i n Wo hnräumen — Sputum — Abweichungen von den normalen Verdau ungs-Processen — Diabetes — Cholämie — Verdauung Fiebernder — Thermo- metrie und Calorimetrie imFieber — Untersuchung des Trinkwassers — Fleisch und Fleischpräparate — übermässiger Fett- und Fleischansatz und seine Bekämpfung — die Untersuchung des normalen Harnes und die Bestimmung aller pathologischen Bestandtheile, sowie der Harnconcremente — Urämie Ammoniämie, Ha'r nsäuredy skrasie — krankhafte Störungen der Harnretention und Harnentleerung — pathologische Abweichungen der Schweiss- und Talgsecretion — galvanische Durchleitung durch die Haut — Turnen und Heilgymnastik — patholo- gische Abweichungen der Bewegungsfunctionen — Laryngoskopie und Rkinoskopie — Pathologie der Stimm- und Sprachbildung- — physiologische Prin- cipien der Anwendung der Elektricität zu Heil- zwecken — constante Ketten und elektrische Appa- rate. — Bei der Besprechung aller einzelnen Nerven und der verschiedenen Ner.vencentra ist consequent eine Skizze der pathologischen Erscheinungen an denselben hinzu- gefügt. In Bezug auf die Nervencentra ist besonders die Störung der Reflexe — die der Leitungen in den Cen tralorganen — die des Athmungs- Centrums, nebst Begründung der Hülfe leistung bei Erstickten - — die Gruppe der Angioneurosen berücksichtigt. — Besonderes Gewicht ist ferner gelegt auf die physiologische Topographie der Grosshirn ober fläche beim Men- schen mit Rücksicht auf die neuen Untersuchungen über die Localisation der Gehirnfimctionen. — Auch in Bezug auf die Physiologie der Sinneswerkzeuge ist nach gleichem Principe verfahren: die Refractionsanomalien des Auges, die Brillenlehre, die Ophthalmoskopie, das Orthoskop, die Farbenblindheit und die praktische Bedeutung derselben, ferner die Untersuchungen über die Functionen der übrigen Sinnesorgane und ihrevor- nehmlichsten Störungen liefern hierfür Belege. Die Entwickelungsgeschichte hat namentlich überall den Hemmungsbildung en, als den vorn ehmlichsten Formen der Missbildungen , Rechnung getragen — ebenso einer möglichst genauen Zeitbestimmung in der Entwicklung menschlicher Früchte. •Bei der Darstellung war es das Bestreben des Verfassers, möglichst kurz und übersichtlich zu sein. "Weitschweifige Discussionen sind grundsätzlich vermieden. Dabei ist im Aeusseren überall die Anordnung so gemacht, dass schon durch den Druck das Wichtigere und das rein normal Physiologische hervortritt. Auch kann zunächst der Anfänger ohne Störung die pathologisch- physiologischen Abschnitte übergehen; der Studirende in den klinischen Semestern wird jedoch mit Vortheil von den letzteren aus das Gebiet der normalen Physiologie repetiren. Der Verfasser hat es ferner für gerathen befunden, einem jeden Abseimitte der Physiologie einen kurzen Abriss der ge- schichtlichen Ent wickelung der betreffenden Disciplin anzufügen, ebenso einen Ueberblick über die vergleichende Physiologie des Thierreiches. — Endlich ist die Histo- logie und mikroskopische Anatomie in jedem Ab- schnitte eingehender berücksichtigt , als* dies in den meisten physiologischen Lehrbüchern der Fall zu sein pflegt. . Durch den hiermit entwickelten G rundplan in der ge- sammten Darstellung glaube ich das Erscheinen des vorliegenden Werkes rechtfertigen zu können. Dass der entworfene Plan für die Darstellung kein Fehl- griff gewesen, beweisen mir die vielfachen Besprechungen in den medicini sehen Blättern von Nord- und Süddeutschland. Oesterreich, der Schweiz. Ungarn, Russland. Frankreich. Eng- land. Italien. Skandinavien, die das Buch mit Wohlwollen und Anerkennung begrüsst halten. Ganz besonders aber hat es den Verfasser gefreut, dass auch aus den Reihen der Physiologen dem Buche Beifall ge- zollt worden ist. Lediglich um etwaige Bedenken derjenigen zu zerstreuen, welche vielleicht in der versuchten Anlehnung der Phvsiologie an die praktischen Zweige der Heilkunde die wissenschaftliche Hoheit unserer , für die gesammte Medicin fundamentalen Disciplin gefährdet sehen könnten, gestatte ich mir einige Worte aus einem Briefe eines unserer geistreichsten und erfahrensten Physiologen hierher zu setzen. „ Wenn Jemand ein Handbuch veröffentlicht, wie dasjenige, dessen erste Hälfte von Ihnen jetzt vorliegt, dann hat er den Dank nicht blos der Lernenden, sondern auch des Lehrers und Forschers. Und da mein Ehrgeiz darauf gerichtet ist, die drei bezeichneten Eigenschaften in rnir zu vereinigen, so sei Ihnen mein Dank aus vollem Herzen zugebracht. Ihre pathologischen Ausführungen sind in ihrer gedrängten Kürze so meisterhaft klar, dass ich mir von Ihrem Luche die heilsamste Wirkung und Rückwirkung nach auf klinischem Gebiete verspreche. — Rom, 10. April 1879. Ihr ergebener College Jac. Mo l es c hott." Wenn diese Worte sich erfüllen sollten, würde ich hierin den schönsten Lohn meines Strebens sehen. — Mir hat in meiner akademischen Lehrthätigkeit stets in erste r Linie vorgeschwebt, dass mein Hauptziel in der gründlichen Vorbildung physiologisch denkender Aer^ste liegen muss. Und wenn man mir diesem meinen Zieh' gegenüber das stolzer klingende "Wort „wir bilden Physiologen" ent- gegenhalten wollte, so würde mich dieses von meiner Richtung als Lehrer nicht entwegen, von der ich min einmal fest glaube, um mit dem Altmeister Herophil us zu reden: sctoj täutx Eivoci — swtx, zi /.y.i 23. Zerlegung des Hämoglobins 47 24. Das Hämin (Chlor-Hämatin) ; Erkennung des Blutes durch die Häminprobe 49 25. Das Hämatoidin 49 26. Der farblose Eiweisskörper des Hämoglobins 49 27. Dem Stroma angehörende Eiweisskörper 49 28. Die übrigen Bestandteile der rothen Blutkörperchen 50 29. Chemische Bestandteile der Leukocyten 50 30. Das Blut-Plasma und sein Verhältniss zum Serum . . . . * ... . 50 31. Der Faserstoff (das Fibrin) und seine allgemeinen Eigenschaften: die Gerinnung 51 32. Allgemeine Erscheinungen bei der Gerinnung 53 33. Wesen der Gerinnung 55 34. Herkunft der fibrinerzeugenden Substanzen 58 35. Beziehungen der rothen Blutkörperchen zur Faserstoffbildung .... 59 36. Chemische Zusammensetzung des Blut-Plasmas und des Serums ... 60 VIII Die Gase des Blutes. Seite 37- Absorption der Gase durch feste Körper und durch Flüssigkeiten . . 62 38- Diffusion der Gase; Absorption von Gasgemengen 62 39. Gewinnung der Blutgase 63 40. Quantitative Bestimmung der Blutgase 65 41. Specielles über die Blutgase 66 42. Ob Ozon im Blute vorhanden sei? 67 43- Kohlensäure und Stickgas im Blute 68 44. Bestimmungen der einzelnen Blutbestandtheile 69 45. Arterielles und venöses Blut 70 46. Die Blutmenge 71 47. Abnorme Vermehrung des Blutes oder einzelner Theile desselben ... 72 48. Abnorme Verminderung der Menge des Blutes oder einzelner Theile desselben 74 Physiologie des Kreislaufes. 49. Uebersicht des Kreislaufes 76 50. Das Herz 77 51. Anordnung der Muskelfasern am Herzen und ihre physiologische Be- deutung, Vorhofsmuskulatur 78 52. Anordnung der Kammermuskeln 79 53. Perikardium. Endokardium. Klappen 81 54. Die Kranzgefässe. Selbststeuerung des Herzens 82 55. Die Bewegung des Herzens. Tonusschwankungen 85 56. Pathologisch gestörte Thätigkeit des Herzens 88 57. Der Herzstoss. Das Kardiogramm 89 58. Die zeitlichen Verhältnisse der Berzbewegung 94 59. Pathologische Abweichungen des Herzstosses 97 60. Die Herztöne 100 61. Abweichungen an den Herztönen 102_ 62. Dauer der Herzbewegung 103 63. Die Herznerven 104 64. Erregbarkeit der automatischen Bewegungscentra des Herzens und des Herzmuskels 106 65. Die kardiopneuniatische Bewegung 112 66. Einfluss des Athmungsdruckes auf die Ausdehnung und Zusammen- ziehung des Herzens 114 Die Kreislaufbewegung. 67. Toricelli's Theorem über die Ausflussgeschwindigkeit der Flüssigkeiten 118 68. Treibkraft, Stromgeschwindigkeit und Seitendruck 118 69. Strömung durch Capillarröhrchen 121 70- Strombewegung und Wellenbewegung in elastischen Eöhren 121 71. Bau und Eigenschaften der Blutgefässe 123 72. Pulsbewegung; Technik der Pulsuntersuchung I 94. Messung der Geschwindigkeit des Blutstromes 11 1 95. Die Stromgeschwindigkeit in den Arterien, Capillaren und Venen . . 175 96. Berechnung des Kammerraumes aus der Stromgeschwindigkeit nach Vierordt 177 97. Die Kreislaufszeit 178 98. Arbeit des Herzens 179 99. Blutströmung in den kleinsten Gefässen 180 100. Auswanderung der Blutkörperchen aus den Gefässen. — Stasis, Diapedesis 182 101. Blutbewegung in den Venen 183 102. Ueber Töne und Geräusche in den Arterien 185 103. Schallerseheinimgen innerhalb der Venen ... 104. Der Venenpuls, das Phlebogramm 1 E E 105. Blutvertheilung 191 106. Plethysmographie . . . 192 107. Transfusion des Blutes 194 108. Die Blutgefässdrüsen 198 109. Vergleichendes 202 110. Historisches 204 Physiologie der Athmung. 111. Zweck und Eintheilung 206 112. Bau der Luftwege und der Lungen 2nij 113. Mechanismus der Athmung 209 114. Mengenverhältnisse der gewechselten Albmungsgase 211 115. Zahl der Atbemzüge 213 116. Die zeitlichen Verhältnisse und der Typus der Athembewegungen . 2lo 117. Pathologische Abweichungen der Athembewegungen . . ... 211 118. Uebersicht der Muskelwirkung bei der Inspiration und Exspiration . 219 119. Wirkung der einzelnen Athmungsniuskeln . . . . . 220 120. Maassverhältnisse und Ausdehnungsgrösse des Thorax, respiratorische Verschiebungen der Lungen in der Brusthöhle 225 121. Pathologische Abweichungen von den normalen Schallverhält niss» am Brustkörbe 2J~ 195. Ernährung durch ernährende Klystiere 378 190. System der Chylus- und Lymph-Gefässe 378 197. Ursprung der Lymphbahnen 379 198. Die Lymphdrüsen 382 199. Eigenschaften des Chylus und der Lymphe 385 200. Mengenverhältnisse der Lymphe und des Chylus 387 201. Ursprung der Lymphe » 389 202. Fortbewegung des Chylus und der Lymphe 3^1 203. Resorption parenchymatöser Ergüsse 393 204. Lymphstauungen und seröse Ergüsse 394 ^05. Vergleichendes 396 206. Historisches :;'-"; Physiologie der thierischen Wärme. 207. Quellen der Wärme 397 208. Gleiclnvarme und wechselwarme Thiere -101 209. Methoden der Temperaturmessung: Thermometrie 402 210. Temperatur-Topographie 406 211. Einflüsse auf die Temperatur der Einzelorgane 407 212. Wärmemengen-Messung: Calorimetrie 409 213. Die Wärmeleitung thierischer Gewebe ; Ausdehnbarkeit derselben durch die Wärme 412 214. Schwankungen der mittleren Körpertemperatur 41^ 215. Regulirung der Wärme 416 216. Wärmebilanz 421 217. Schwankungen der AVärmeproduction 424 218. Verhältniss der Wärmeproduction zur Arbeitsleistung im Körper . . 424 219. Accommoilation für verschiedene Temperaturgrade 426 220. Aufspeicherung der Wärme im Körper 421 221. Das Fieber 428 222. Künstliche Erhöhung der Körperwärme 430 223. Anwendung der Wärme 431 224. Postmortale Temperatursteigerung 431 225. Kältewirkung auf den Körper, — Erkältung, — Frostwirkung . . -132 226. Künstliche Herabsetzung der Körpertemperaturen bei Thieren . . . 433 227. Anwendung der Kälte 434 *28. AVänne entzündeter Theile 435 229. Historisches. — Vergleichendes 435 Physiologie des Stoffwechsels. 230. Inbegriff des Stoffwechsels 436 U eher sieht der wichtigsten zur Aufnahme verwendeten Substanzen. 231. Das Wasser. Untersuchung des Trinkwassers 436 232. Bau und Al.sonderungsthätigkeit der Milchdrüsen (Brüste) .... 44» ' 233. Milch und Müchpräparate 443 234. Vogelei 447 235. Fleisch und Fleischpräparate 447 236. Pflanzliche Nahrungsmittel 450 237. Die Genussmittel: Kaffee, Thee, Chokolade, die alkoholischen Getränke, Gewürze v .... 453 Erscheinungen und Gesetze des Stoffwechsels. 238. Gleichgewicht des Stoffwechsels 456 239. Stoffwechsel im Hungerzustande 464 ^10. Stoffwechsel bei reiner Fleischkost, Eiweiss oder Leim 466 241. Reine Fett- oder Kohlehydrat-Kost 467 •J42. Mischung von Fleisch mit Fett, oder von Fleisch mit Kohlehydraten 4r>8 243. Ursprung des Fettes im Körper l|iv XII . Seite 244. Uebermässiger Fett- u. Fleisch-Ansatz (Corpulenz) und seine Bekämpfung 470 245. Der Stoffwechsel der Gewebe 472 246. Ueber Eegeneration 475 247. Ueberpflanzung von Geweben 480 248. Zunahme der Grösse und des Gewichtes im "Wachsthume .... 481 Ueber sieht der chemischen Bestandt heile des Organismus. 249. A) Anorganische Bestandtheile 482 250. B) Organische Bestandtheile. Die Eiweisskörper oder Proteinsubstanzen 482 251. Die Eiweisskörper und ihre Kennzeichen 483 252. Die albuminoiden Körper . 485 253. Fette 487 254. Die Kohlehydrate 490 255. Historisches 493 Die Absonderung des Harnes. 256. Bau der Niere 494 257. Der Harn. Die physikalischen Eigenschaften des Harnes .... 498 I. Die organischen Bestandtheile des Harnes . . . 50 1 258. Der Harnstoff 501 259. Qualitative und quantitative Bestimmung des Harnstoffes .... 504 260. Die Harnsäure 506 26 1 . Qualitative und quantitative Bestimmung der Harnsäure 509 262. Kreatinin, Xanthin, Sarkin, Oxalur-, Oxal- und Hippursäure . . . 509 263. Farbstoffe des Harnes 512 264. Indigo-, Phenol-, Kresol-, Brenzkatecbin- und Skatol-bildende Sub- stanzen ; — sonstige Stoffe 513 II. Die anorganischen Bestandtheile 329. Wirkung des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel. — Der Multiplicator 678 330. Elektrolyse — Uebergangswiderstand — Galvanische Polarisation — Constante Ketten und unpolarisirbare Elektroden — Innere Polari- sation feuchter Leiter — Kataphorische Wirkung des galvanischen Stromes — Secundärer Widerstand 680 331. Induction — Der Exlrastrom — Magnetisirung des Eisci^? durch den galvanischen Strom — V olt a- Induction — Unipolare lnductions- wirkungen — Magncto-Induction 682 332. Du Bois-Reymond's Schlitten - Inductionsapparat — P i x i i- Saxton'sche Magneto-Inductionsmaschine 684 333. Elektrische Ströme im ruhenden Muskel und Nerven. — Hautströme. Drüsenströme 686 334. Ströme des gereizten Muskels und Nerven und der Secretionsorgane . 690 XIV Seite 335. Ströme des Nerven und Muskels im elektrotonischen Znstande . . . 694 336. Theorie der Muskel- und Nerven-Ströme 696 337- Veränderte Erregbarkeit des Nerven und Muskels im Elektrotonus . 699 338. Das Entstehen und Verschwinden des Elektrotonus. Das Zuckungs- gesetz 702 339. Schnelligkeit der Leitunz der Erregung im Nerven 707 340. Doppelsinnige Nervenleitung ' 709 341. Anwendung der Elektricität zu Heilzwecken 710 342. Elektrische Ladung des Gesammtkörpers und einzelner Theile . . . 715 443. Vergleichendes. — Historisches 716 Physiologie der peripheren Nerven. 344. Eintheilung der Nervenfasern nach ihrer Function 718 345. Nervus olfactorius 720 346. Nervus opticus 720 347. Nervus oculomotorius 722 348. Nervus trochlearis 724 349. Nervus trigeminus 724 350. Nervus abducens 735 351. Nervus facialis 736 352. Nervus acusticus 741 353. Nervus glossopharyngeus 745 354. Nervus vagus 745 355. Nervus accessorius Willisii 755 356. Nervus hypoglossus 756 357. Die Rückenmarksnerven 757 358. Nervus sympathieus 762 359. Vergleichendes. — Historisches 764 Physiologie der Nerven-Centra. 360. Allgemeines 766 _ Das Rückenmark. 361. Bau des Rückenmarkes 766 362. Reflexe im Eückenmarke 771 363. Hemmung der Reflexe 775 364. Centra im Rückenmarke . . 778 365. Erregbarkeit des Rückenmarkes : . . 780 366. Leitungsbahnen im Rückenmarke 782 Das Gehirn. 367- Allgemeines Schema des Gehirnbaues. — Verlauf der motorischen und sensiblen Bahnen 786 368. Das verlängerte Mark • 793 369. Reflexcentra der Medulla oblongata . ' 793 370. Das Athmungscentrum und die Innervation des Athmungsapparates . 796 371. Das Centrum der Hemmungsnerven des Herzens und die hemmenden Vagusfasern 804 372. Das Centrum der beschleunigenden Herznerven und die accelerirenden Fasern 806 373. Das Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven . . 808 ri74. Das Centrum der Vasodilatatoren und die vasodilatatorischen Nerven 817 375. Das Krampfcentrum. Das Schweisscentrum 819 376. Psychische Functionen des Grosshirns 821 377. Die motorischen Rindencentra des Grosshirns 827 378. Die sensoriellen Rindencentra 833 379. Das themjsfme Rindencentrum. — Abweichende Ansicht von der Locali- sation . . der Rinde. — Anderweitige Hirnfnnctionen 837 380- Physiologische Topographie der Grosshirn-Oberfläche beim Menschen 840 381. Die basalen Grosshirnganglien. — Das Mittelhirn. — Die Zwangs- bewegungen 850 382. Functionen des Kleinhirns 856 383. Schutz- und Ernährungs-Apparate des Gehirns 858 384. Vergleichendes. — Historisches 860 XV Physiologie der Sinneswerkzeuge. Seite 385. Einleitende Vorbemerkungen 862 Das Sehwerkzeug. 386. Anatomischdiistologische Vorbemerkungen. — Der intraoculäre Druck 864 387. Dioptrische Vorbemerkungen 872 388. Anwendung der dioptrischen Gesetze auf das Auge. — Construction des Netzhautbildes. Das Ophthalmometer. Aufrechtsehen .... 878 389. Accommodation des Auges 881 390. Refractionszustand des normalen Auges. Refractionsanonialien . . . 886 391. Maass des Accommodationsvermögens 889 392. Brillen 891 393. Chromatische und sphärische Aberration. — Mangelhafte Centrirung der brechenden Flächen. — Astigmatismus 892 1394. Iris 893 395. Entoptische Erscheinungen. — Wahrnehmung innerer Augentheile in Folge von Reizung der Netzhaut 896 396. Das Augenleuehten und der Augenspiegel 899 397. Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen 903 398. Wahrnehmung der Farben 909 399. Farbenblindheit; praktische Bedeutung derselben 915 400. Zeitlicher Verlauf der Retina-Erregung. Positive und negative Nach- bilder. Irradiation. Contrast 917 401. Augenbewegungen und Augenmuskeln 921 402. Das binoculäre Sehen 927 403. Einfachsehen. — Identische Netzhautstellen. — Horopter. — Ver- nachlässigung der Doppelbilder 927 Inj. Körperliches Sehen. Stereoskopie 930 405. Grössenwahrnehmung. Schätzung der Entfernung. Täuschungen über Grösse und Richtung 934 406. Schutzorgane des Auges 936 407. Vergleichendes. — Historisches 939 Das Gehörorgan. 408. Schema des Baues des Gehörorgane« Ü42 409. Physikalische Vorbemerkungen 94! 410. Ohrmuschel. Aeusserer Gehörgang Ü44 411. Das Trommelfell 946 412. Die Gehörknöchelchen und ihre Muskeln 948 413. Tuba Eustachi! Paukenhöhle 953 414. Schallleitung im Labyrinthe 955 415. Bau des Labyrinthes und die Endigungen der Gehörnerven . . . . 956 416. Qualitäten der Gehörsempfindungen. Wahrnehmung der Höhe und Stärke der Töne 959 417. Wahrnehmung der Klangfarbe. Analyse der Vocale 963 418. Thätigkeit des Labyrinthes beim Hören 967 419. Gleichzeitige Einwirkung zweier Töne: Harmonie, Schwetzingen, Dis- harmonie, Differenztöne, Sunrmationstöne 968 420. Gehörswahrnehmungen. Ermüdung des Ohres. Objectives und sub- jeetives Hören. Mitempfindungen. Akustische Nachempfindungen . 971 421. Vergleichendes. — Histoiisches 972 Das Geruchsorgan. 422. Bau des Geruchsorganes 974 423. Geruchsempfindung 975 Das Geschmacksorgan. 424. Sitz und Bau des Geschmacksorganes 977 425. Geschmacksempfindung 978 Der Tastsinn. 426. Endigungen der sensiblen Nerven 980 427. Sensible und tactile Empfindungen 983 XVI Seite 428. Der ßauinsinn 985 429. Der Drucksinn 988 430. Der Temperatursinn 991 431. Die Gemeingefühle. Der Schmerz 994 432. Das Muskelgefühl, der Kraftsinn 997 Physiologie der Zeugung- und Entwickelung. 433. Formen der Fortpflanzung 999 434. Der Samen 1003 435. Das Ei • 1007 436. Pubertät 1011 437. Menstruation 1011 438. Erection 1015 439. Ejaculation. — Aufnahme des Samens 1018 440. Befruchtung des Eies 1019 441. Furchung. Blastula , Gastrula, Bildung der Keimblätter. Erste Em- bryonalanlage 1021 442. Bildungen aus dem Epiblast 1027 443. Bildungen aus dem Mesoblast und Hypoblast 1029 444. Abschnürung des Embryo. Bildung des Herzens und des ersten Kreis- laufes 1031 445. Weitere Ausbildung des Leibes 1032 446. Bildung des Amnion und der Allantois 1034 447. Menschliche Eihäute. Placenta. Fötaler Kreislauf 1036 448. Chronologie der menschlichen Entwickelung. Bewegungen des Fötus . 1041 449. Bildung des Knochensystems 1044 450. Bildung des Gefässsystemes 1051 451. Bildung des Nahrungscanales 1055 452. Bildung der Harn- und Geschlechts-Organe 1056 453. Bildung des Centralnervensystemes 1060 454. Bildung der Sinnesorgane . 1062 455. Geburt 1063 456. Vergleichendes. — Historisches 1065 • 1. Inbegriff. Aufgabe und Stellung der Physiologie zu den verwandten Zweigen der Naturkunde. Die Physiologie ist die Wissenschaft von den Lebenserscheinungen der Org-aiiismen, oder schlecht- weg: die Lehre vom Leben, entsprechend . unterscheidet Pflanzen-Physiologie niedersten Lebewesen. — Der Eintheilung der Geschöpfe man : Thier -Physiologie, und die Physiologie der welche auf der Grenze von Thier und Pflanze stehen , der sogenannten Protisten, Mikro- organismen oder Mikrobien und der mit ihnen auf gleicher Stufe stehenden Elementarorganismen oder Zellen. Ihre Aufgabe ist es, diese Erscheinungen fest- zustellen, ihre Gesetzmässigkeit und Ursachen zu bestimmen und dieselben auf die allgemeinen Grund- gesetzeder Natur künde, namentlich auf die der Physik und Chemie z u r ü c k z u f ü h r e n. Die Stellung der Physiologie zu den verwandten Zweigen der Naturkunde ergiebt sich aus nachfolgendem Schema. Definition und Aufgabe der Physiologie. Stellung der- selotn. Biologie, die Wissenschaft von den organisirten Wesen, den Geschöpfen: (Thiere, Pflanzen, Protisten und Elementar Organismen). I. Morphologie: Die Lehre von der Gestaltun; Geschöpfe. der Allgem eine Morphologie, Lehre von den geformten Grundbe- standteilen der Geschöpfe (Histologie): a) Histologie der Pflanzen, b) Histologie der Thiere. Specielle Morphologie, Lehre von den T h e i 1 e n und Organen der Geschöpfe (Organologie, Anatomie): a) Phytotoini e. b) Zootomie. II. Physiologie: Die Lehre von den Lebenserschei- nungen der Geschöpfe. Allgemeine Physiologie, Lehre von den Lebens- e rs c h e i n u n g e n im Allgemeinen: a) der Pflanzen, b) der Thiere. Specielle Physiologie, Lehre von den Verrichtungen rder Einzelorgane : a) der Pflanzen, b) der Thiere. Landois, Physiologie. 7. Aufl. Aufgabe und Stellung der Physiologie. [§• 1-] III. Embryologie: Die Lehre vou der Zeugung und Entwickelung der Geschöpfe. Morphologi- scher Theil der Entwickelungslehre, d. i. die Lehre von der Gestaltung^ auf den Stufen der Entwickelung : a) im Allgemeinen, b) im Speciellen. Physiologi- scher Theil der Entwickelungslehre, d. i. die Lehre von der Thätigkeit während der Ent- wickelung : a) im Allgemeinen, b) im Speciellen. ( 1. Entwickelungsgeschichte des Ein-^ zelwesens, des Individuums (z.B. des Menschen), von seinem Keime an (Ontogenie): a) im Pflanzenreiche, b) im Thierreiche. 2. Entwickelungsgeschichte ganzer Stämme von Geschöpfen von den niedrigsten Formen der Schöpfung an , „S t a m in e s g e s c h i c h t e" (P h y 1 o g e n i e) : a) im Pflanzenreiche, b) im Thierreiche. ) "Will man denjenigen Geschöpfen, welche auf der niedersten Stufe der Entwickelung stehen und, gewissermaassen die Urform in der Stammesgeschichte repräsentirend, noch keine Differenzirung in Thier und Pflanze erfahren haben, diesen sogenannten Protisten (Haeckel), eine besondere Stellung im Systeme der Geschöpfe anweisen, so würde auch in der vorstehenden Darstellung eben- falls den Protisten neben Thieren und Pflanzen ein selbstständiger Platz gebühren. Die Morphologie und Physiologie sind gleich- geordnete Glieder der grossen biologischen Wissenschaft. Für das Verständniss der Physiologie wird indess die Kehntniss der Morphologie vorausgesetzt, weil nur dann die Leistung eines Organes richtig erfasst werden kann, wenn dessen äussere Gestaltung und inneres Gefüge zuvor erkannt ist. Die Entwickelungsgeschichte nimmt eine Mittelstellung zwischen Morphologie und Physiologie ein: sie ist eine morphologische Disciplin, sofern sich dieselbe mit der Beschreibung der Theile des sich Entwickelnden befasst; sie ist eine physiolo- gische Lehre, soweit sie die Thätigkeit en und Lebens- erscheinungen im Entwickelungslaufe der Geschöpfe er- gründet. In allen Zweigen der morphologischen Wissenschaften ist vor Allem bis zu den physikalischen und chemischen Grundgesetzen vorzudringen. Die Materie und der Lichtäther. 2. Die Materie. Die ganze sichtbare Welt mit Einschluss aller Geschöpfe besteht aus der Materie, d.h. aus dem Stoffe, der Substanz, die einen Raum ausfüllt. Wir unterscheiden ponderable Materie (im gewöhnlichen Sprachgebrauch oft schlechtweg Stoff genannt), welche auf die Waage drückt, und imponderable Materie, die nicht auf die Waage cfrückt. Letztere nennen wir A e t h e r (auch leuchtenden Aether oder Lichtäther). An der ponderablen Materie, den Körpern, nehmen wir die Form (oder Gestalt) wahr, d. i. die Beschaffenheit der Begrenzung, — ferner das Volumen, d. i. die Grösse des von einem Körper eingenommenen Raumes, und sodann den [§. 2.] Die Materie. Stoff und Aether. Partikel. Molekül. Atom. 3 Aggregatzustand, welcher als fester, flüssiger, oder gasförmiger in die Erscheinung tritt. Der Aether erfüllt die Räume des Universums, jedenfalls Eoeiuehaße» sicher bis zu den entferntesten sichtbaren Gestirnen. Dieser Lichtätker*. Lichtäther besitzt trotz seiner Imponderabilität ganz bestimmte mechanische Eigenschaften : er ist unendlich viel dünner , als irgend eine bekannte Gasart, und dennoch gleicht sein Ver- halten eher dem eines festen Körpers, als dem eines Gases. Er gleicht eher einer Gallertmasse, als der Luft. Er nimmt Theil an den, bei ihrer Lichterscheinung stattfindenden Schwin- gungen der Atome der fernsten Sterne, und ist so der Träger des Lichtes , welches er in seinen Vibrationen mit unvorstell- barer Geschwindigkeit (42220 geographische Meilen in 1 Secunde) zu unseren Sehwerkzeugen leitet (Tyndall). Imponderable Materie (Aether) und ponderable Materie (Stoff) sind nicht ausschliesslich gegen einander abgegrenzt, vielmehr durchdringt der Aether die vorhandenen Zwischen- räume der kleinsten Th eilchen der ponderablen Materie. Denken wir uns die ponderable Materie fort und fort in z& ugung des stets kleinere Theilchen zerlegt , so würden wir bei fort- PaitLin. schreitender Zerlegung zunächst auf Theilchen stossen, an denen der Aggregatzustand noch erkennbar ist. Diese nennen wir Partikeln. Die Partikeln des Eisens würden wir somit noch als fest, die des Wassers als tropfbar flüssig, die des Sauerstoffes noch als gasförmig erkennen. Denken wir uns den Theilungsprocess an den Partikeln noch weiter geführt , so gelangen wir endlich bis zur Grenze, über die hinaus eine weitere Spaltung weder durch mecha- nische , noch auch durch physikalische Mittel weiter geführt werden kann. Wir dringen vor bis zu den Molekülen. Ein Motekme. Molekül ist demnach die geringste Menge eines Körpers, welche im fr eienZu stände nochexistiren kann, welche ferner in der Einheit nicht mehr den Aggregatzustand anzeigt. Allein die Moleküle sind noch nicht die letzten End- einheiten der Körper. Vielmehr besteht jedes Molekül aus einer Gruppe kleinster Einheiten, welche wir Atome nennen. Ein Atome. Atom für sich kann im freien Zustand allein nicht mehr vor- kommen , vielmehr vereinigen sich die Atome mit materiell gleichen oder verschiedenen Atomen zu Atome omplexen . die wir Moleküle genannt haben. Den Atomen kommt unbedingte Untheilbarkeit zu, woher auch ihre Benennung. "Wir denken uns ferner die Atome von constanter Grösse und an sich fest. Vom chemischen Gesichtspunkte aus ist das Atom e^pss Ele- mentarkörpers (Elementes ) die geringste Menge des Ele- mentes, welche in eine chemische Verbindung ein- zutreten vermag. — So wie die ponderable Materie als ihre letzten Theilchen die ponderablen Atome in sich fasst, so setzt sich auch der Aether. die imponderable Materie, aus analogen kleinsten Theilchen. den Aetheratomen, zusammen. Aetheratome. 1* 4 Dynamide. Aggregatzustände. [§. 2.] verhä;tniss Innerhalb der ponderablen Materie sind nun die ponde- rode«S^rablen Atome mit den Aetheratomen in ganz bestimmten Ver- atomen. hältnissen zu einander angeordnet. Die ponderablen Atome ziehen sich gegenseitig an (Attraction) ; die ponderablen Atome ziehen gleichfalls die imponderablen Aetheratome an sich ; allein die Aetheratome stossen sich unter einander ab. So kommt es, dass in der ponderablen Masse um jedes ponderable Atom sich Aetheratome herumlagern. Diese Häufchen , von Redtenbacher pynamidc. „Dynamide" genannt, streben vermöge der Anziehungskraft der ponderablen Atome zu einander hin, aber nur so weit, als die Abstossung der umlagernden Aetheratome dies zugiebt. So können die ponderablen Atome niemals ohne Zwischenräume zusammen- kleben, sondern die ganze Materie muss als locker gedacht werden, eben durch die zwischengelagerten Aetheratome, welche jedem unmittelbaren Contacte der ponderablen Atome wider- streben. Von der gegenseitigen Anordnung der Moleküle (also derjenigen kleinen Theilchen der Materie, welche noch im freien Aggregat- Zustande isolirt vorkommen können) hängt nun der Aggregat- zustand der Korper ab. Innerhalb der festen Körper, die sich durch eine Bestän- digkeit des Volumes , sowie durch die Selbstständigkeit ihrer Form auszeichnen , sind die Moleküle in unverschieblicher Lage zu einander geordnet. Die tropfbar flüssigen Körper, denen zwar die Bestän- digkeit ihres Volumens, jedoch eine Veränderlichkeit ihrer Form eigenthümlich ist , besitzen ihre Moleküle in einer steten Be- wegung, ähnlich (so sagt ein passender Vergleich), wie in einem Haufen wimmelnder Würmer oder Käferchen die einzelnen Thiere zu einander unablässig ihren Ort wechseln. Nimmt diese Bewegung der Moleküle so grosse Ex- emtionen an , dass die einzelnen auseinander stieben (ähnlich wie der wimmelnde Haufen kleiner Käfer zu einem aufgelösten Schwärme auseinander fliegt), so wird der Körper gasförmig und ist als solcher sowohl durch die Unbeständigkeit der Form, als auch durch die Veränderlichkeit des Volumens aus- gezeichnet. Das Studium der Moleküle und ihrer Bewegungserschei- nungen ist die Aufgabe der Physik. 3. Kräfte. 1. Die Schwerkraft; Arbeit einer Kraft. — Alle Erschei- nungen haften an der Materie. Die Erscheinungen sind der wahr- nehmbare Ausdruck der dem Stoffe innewohnenden Kräfte. Die Kräfte selbst sind nicht wahrnehmbar, sie sind die Ursachen der Erscheinungen. Als die erste der Kräfte, welche in die Erscheinung tritt, Schwerkraft; behandeln wir die Schwerkraft oder Gravitation. Das Fai'gesetz. Qggg^ ^er Schwerkraft sagt an, dass jedes Theilchen der pon- [§. 3.] Kräfte, Schwerkraft, Arbeit einer Kraft. 5 derablen Materie im Universum jedes andere mit einer gewissen Kraft anzieht. Diese Kraft nimmt in dem Verhältnisse ab. wie das Quadrat der Entfernungen zwischen den Körpern zunimmt. Die Anziehungskraft ist ferner direct proportional der Quantität der anziehenden Materie, jedoch ohne jegliche Rücksicht auf die Qualität der Körper. Wir vermögen die Intensität der Schwer- kraft zu messen durch die Grösse der Bewegung . welche sie einem vordem unterstützten . nunmehr aber seiner Unterlage beraubten und im luftleeren Räume frei niederfallenden Körper mittheilt. Diese Zahl ist 30,16, weil die Schwerkraft, während 1 Secunde auf den freifallenden Körper einwirkend, diesem eine Geschwindigkeit von 30.16 par. Fuss (= 9.809 Meter) mittheilt. Wir bezeichnen mit g = 9,809 Meter die (experimentell bestimmte) End- geschwindigkeit des freifallenden Körpers am Ende der 1. Secnnde. Die Ge- schwindigkeit v des freifallenden Körpers ist überhaupt der verflossenen Fallzeit t proportional ; also v — gt (1) d. i. für das Ende der 1. Secunde v = g . 1 = g = 9,809 M. — Der Fallraum s = -f t* (2) d. h. die Fallräume verhalten sich wie die Quadrate der Fallzeiten. Aus 1 und 2 folgt (durch Elimination von t) v = ]/2gs~ (3) Die Geschwindigkeiten verhalten sich wie die Quadratwurzeln ans den Fallräumen ; also:;- = s (4) Unser freifallender Körper , aber auch überhaupt jede Lebendige sich in Bewegung befindende Masse enthält lebendige p'^JlTi Kraft in sich, sie ist gewissermaassen ein Kraftmagazin. Ksrpera. Die lebendige Kraft eines in Bewegung begriffenen Körpers ist stets gleich dem Producte seines (durch die Waage bestimm- baren) Gewichtes und der Höhe, bis zu welcher er vom Erd- boden aufsteigen würde , wenn er mit der ihm eigenen Ge- schwindigkeit vom Boden emporgeworfen würde. Bezeichnen wir mit W die lebendige Kraft des sich bewegenden Körpers und mit P sein Gewicht, so ist W = P . s : also folgt (aus 4) W = P — . . (5) Die lebendige Kraft eines Körpers ist also dem Quadrate seiner Geschwindigkeit proportional. Treibt eine auf einen Körper wirkende beschleunigende Kraft (Druck, Zug oder Spannung) denselben in der Richtung ihrer Wirkung eine Strecke weit fort . so leistet die Kraft hiermit eine Arbeit. Diese Arbeit ist gleich dem Producte. Arien. das gewonnen wird, wenn man die Grösse des Diaiekes oder Zuges, welcher den Körper fortbewegt, multipHcirt mit der Länge des durchlaufenen Weges. Ist K der Druck oder der Zug. mit welchem äie Kraft auf den Körper einwirkt, und S der Weg. dann ist die Arbeit A. = K . S. So ist auch die Anziehung zwischen Erde und einem emporgehobenen Körper (z. 1). einem Ranun- block) Quelle der Arbeit. 6 Arbeitseinheit. Mechanische Spannkraft. [§. 3.] j?%*f- Man ist gewohnt, den "Werth für K in Kilogrammen, hingegen den für S in Metern auszudrücken. Demgemäss ist die „Arbeitseinheit" das Kilogrammmeter (nach Anderen das Grammmeter), d.h. die Kraft, welche 1 Kilo (nach Anderen 1 Gramm) 1 Meter hoch zu heben vermag. 2. Spannkraft. Umsatz von Spannkraft in lebendige Kraft und umgekehrt. — Ausser der besprochenen lebendigen f™l°£^* Arbeit kann auch den Körpern mechanische Spannkraft zu eigen sein. Wir verstehen unter dieser Bezeichnung ein Maass von Kräften, welche in ihrer freien Entfaltung noch suspendirt sind, welche ferner Bewegungsursachen sind, ohne schon .selbst Bewegung zu sein. Die aufgewundene Uhr- feder, welche ein Sperrhaken von der Abwickelung noch zurück- hält, — der auf dem Gesimse eines Thurmes ruhende Stein sind Beispiele von Körpern, welche mit Spannkraft ausgerüstet sind. Es bedarf nur eines Anstosses, um aus den Spannkräften die lebendige Kraft zu entwickeln, oder dieselbe in lebendige Arbeit umzusetzen. Der auf dem Gesimse des Thurmes liegende Stein ist dorthin gehoben mittelst einer Arbeit (A). A == p . s, worin p das Gewicht und s die Höhe bezeichnet, p = m . g, also gleich dem Product aus Masse (m) und Schwerkraft (g), also ist A = m . g . s. Dies ist zugleich der Ausdruck für die dem Umsetzung Steine innewohnende Spannkraft. Diese Spannkraft mspännkraß kann alsbald in lebendige Kraft umgesetzt werden , wenn ein inlzra}tye dichter Anstoss den Stein vom Rande des Thurmes zum Fallen bringt. Die lebendige Kraft des Steines ist nämlich gleich der Endgeschwindigkeit, mit welcher er auf dem Boden ankommt. v = V 2g s (siehe oben (3) v3 = 2gs mv2 = 2mgs m — vJ = mgs; m g s war der Ausdruck für die , dem hoch oben noch ruhen- m den Steine innewohnende Spannkraft ; — v.2 ist also die dieser Li Spannkraft entsprechende lebendige Kraft (Brücke). Lebendige Kraft und mechanische Spannkraft können unter den verschiedenartigsten Verhältnissen in einander umgesetzt werden ; sie können auch von einem Körper auf den anderen übertragen werden. Für ersteres liefert die Pendelbewesung ein schlagendes Beispiel. Die in dem höchsten Punkte des Ausschlages sich befindende Pendellinse, die hier für ein kurzes Moment in absoluter Ruhe gedacht werden muss, ist (gerade wie der gehobene Stein unseres vorigen Beispieles) mit Spannkraft ausgerüstet. In der nunmehr sich vollziehenden freien Schwingung setzt sich diese Spannkraft in lebendige Arbeit um, welche dann am grössten ist, wenn die Linse mit grösster Bewegung sich in der Verticalen befindet. Von diesem Punkte wieder emporsteigend, setzt sich unter Abnahme der freien Bewegung die lebendige Arbeit wieder in Spannkraft um, welche wieder im Ruhepunkte des höchsten Aus- schlages ihr Maximum erreicht. Ohne die fort und fort einwirkenden "Widerstände [§. 3.1 Gegenseitiger Umsatz v. lebendiger Kraft in Spannkraft u. umgekehrt. 7 (Luftwiderstand, Eeibung) würde an dem Pendel dieses Spiel des abwechselnden Umsatzes von lebendiger Arbeit in Spannkraft und umgekehrt ununterbrochen fortwirken (wie am mathematischen Pendel). — Denken wir uns. die schwingende Pendellinse träfe genau in der Verticalen auf einen hier ruhenden, beweglichen Körper, etwa eine Kugel, so würde (vollkommene Elasticität der Pendellinse und der Kugel vorausgesetzt) die lebendige Arbeit der Pendellinse sich direct auf die Kugel übertragen : das Pendel würde zur Ruhe kommen, die Kugel würde sich (wiederum von den Widerständen abgesehen) mit gleicher lebendiger Arbeit fortbewegen. Das ist ein Beispiel von der Uebertragung der lebendigen Arbeit von einem Körper auf den anderen. — Endlich wollen wir uns vorstellen , eine gespannte Uhrfeder bringe bei ihrer Entspannung eine andere zum Aufrollen, so ist dies ein Beispiel der Uebertragung der Spannkraft eines Körpers auf einen anderen. Aus den gegebenen Beispielen lässt sich der allgemeine Satz herleiten: Wenn sich in einem Systeme die ein- zelnen sich bewegenden Massen der endlichen Gleichgewichtslage nähern, so wird in dem Systeme die Summe der lebendigen Kräfte ver- grössert — und wenn die Theilchen sich von der endlichen Gleichgewichtslage entfernen, dann wird die Summe der Spannkräfte auf Kosten der lebendigen Kräfte ver grosse rt: also die leben- digen Kräfte nehmen ab (Brücke). Das Pendel, welches vom höchsten Ausschlagspunkte an sich der Verticalen (der Gleichgewichtslage eines ruhenden Pendels) nähert, besitzt hier das grösste Maass lebendiger Kraft ; wiederum aufsteigend zum höchsten Aiisschlagspunkte der anderen Seite, erhält es auf Kosten der stetig abnehmenden Bewegung und somit auch der lebendigen Kraft wiederum allmählich das Maximum der Spannkraft. 3. Wärme. Verhältniss derselben zur lebendigen Arbeit und zur Spannkraft. — Stürzt von der Höhe des Thurmes ein Blei- Umsatz gewicht zur Erde nieder und stösst hier auf eine unnach- Arbeitskraft giebige Grundlage , so kommt hier zwar seine Massenbewegung in Wärm«- zur Ruhe, allein die lebendige Kraft, welche dem Auge zu er- löschen scheint, setzt sich um in eine lebhaft schwingende Bewegung der Atome. Beim Aufschlagen findet eine Er- wärmung statt. Die Menge der erzeugten "Wärme ist proportional der lebendigen Kraft, welche durch den Zusammenstoss umgesetzt wird. Im Momente des Aufschiagens des Fallgewichtes gerathen die Atome durch die Erschütterung in Schwingungen: sie stossen gegen einander, prallen dann wieder von einander zurück in Folge der elastischen Kraft, welche einer unmittelbaren An- einanderlagerung derselben widerstrebt , sie weichen bis zum Maximum auseinander, soweit die Attractionskraft der ponde- rablen Atome es zulässt. und oscilliren auf diese Weise hin und her. Alle Atome schwingen wie Pendel so lange , bis ihre Be- wegung sich den ringsumher befindlichen Aetheratomen allseitig mitgetheilt hat, d. h. bis die Wärme der erhitzten Massen „ausgestrahlt'' ist. Die Wärme ist eine schwin- Wuma» e Bewegung der Atome. Da die Menge der erzeugten Wärme proportional ist der lebendigen Kraft , welche durch den Zusammenstoss umgesetzt S Wesen der Wärme. Wärmemaass. Ursache der Wärme. [§. 3.] wird, so muss für beide Kräfte ein adäquates Maass zu finden sein. Die wärme- Für das Wärmemaass gilt als Einheit die ..Wärme-Einheit" , (die Calorie), d. h. diejenige Kraft, welche 1 Gramm Wasser um 1° Celsius erwärmt (§. 207). entspricht der Diese Wärmeeinheit entspricht 425,5 Grammmetern, d. h. Jnheit. dieselbe Kraft, welche 1 Gramm Wasser um 1° Celsius erwärmt, vermag ein Gewicht von 425,5 Gramm 1 Meter emporzuheben; oder: ein Gewicht van 425,5 Gramm, von der Höhe eines Meters herniederstürzend, würde beim Aufschlag soviel Wärme erzeugen, dass durch sie 1 Gramm Wasser um 1° C. höher temperirt würde. Das ,.mechanische Aequivalent" der Wärmeeinheit ist also 425,5 Grammmeter. Die Es ist einleuchtend , dass aus dem Zusammenstoss bewegter Massen eine Attractions- Wärmemenge von unermesslicher Grösse umgesetzt werden kann. Denken wir v'ahrscTiehi- uns ^as Gesagte auf die Weltkör per angewandt, so würde ihr Zusammenstoss liehe Urquelle eine Wärmemenge abgeben, grösser , als irgend welche irdische Verbrennung sie aller Kräfte, jemals zu liefern vermöchte. Würde die Erde plötzlich in ihrer Bahn gestört und stürzte dieselbe nunmehr durch die Attraction in die Sonne [wobei sie eine Endgeschwindigkeit von 85 geographischen Meilen in einer Secunde schliesslich erhalten haben würde (J. R. Mayer)~\, so würde durch den Zusammensturz eiue Wärmemenge entstehen, gleich der durch die Verbrennung von über 5000 gleich schweren Massen reinen Kohlenstoffes gelieferten (Julius Robert Mayer, v. Helm- holtz). Es kann auf solche Weise überhaupt naturwissenschaftlich der Nachweis geliefert werden, wie auch die Sonnen wärme selbst durch den Zusammenprall der kalten Materie hervorgegangen sein kann. Würde die kalte Materie des Universums in den Raum geworfen und dort der Auziehung ihrer Theilchen überlassen, so würde der Zusammeustoss dieser Theilchen schliesslich das Feuer der Sterne entzünden. So prallen noch jetzt im Weltenraume zahlreiche kos- mische Körper zusammen ; fortwährend stürzen unermesslich viele (in jeder Minute 9400—188000 Billionen Kilo) Meteore in die Sonne. So ist die Wirkung der Attractionskraft (der Schwerkraft) in der That vielleicht der alleinige Ursprung aller Wärme (J. R. Mayer, Tyndall). Als Beispiel von dem Umsätze lebendiger Arbeit in Wärme mag gelten: ein Schmied macht durch Hämmern ein Stück Eisen glühend. — Beispiel vom Umsatz der Wärme in lebendige Arbeit : die heissen Wasserdämpfe der Dampf- Maschine heben den Kolben empor. — Beispiel vom Umsatz einer Spannkraft in Wärme : eine sich abAvickelnde, gespannte Metallfeder bringt, auf rauher Grund- lage sich reibend, durch Friction Wärme hervor. Beispiele dieser Art, sowie anderer Wechselwirkungen, lassen sich leicht in beliebiger Menge vorführen. 4. Chemische Affinitätskraft der Atome: Verhältniss zur Wärme. — Während die Schwerkraft auf die Theilchen der Materie wirkt ohne jede Rücksicht auf die Beschaffenheit der Körper, finden wir im Reiche der Atome noch eine andere Kraft, welche zwischen den Atomen chemisch verschiedener Körper wirksam ist: die chemische Affinität. Diese ist die Kraft, vermittelst welcher die Atome chemisch verschie- be chemische dener Körper sich zu einer chemischen Verbindung ver- w< "ie"I>^ einigen. l)ie Kraft selbst ist zwischen den Atomen der ver- wwefc' schieäenen chemischen Körper sehr verschieden gross; wir unterscheiden starke chemische Affinitäten (oder Verwandt- schaften) und schwache Affinitäten. So wie wir im Stande waren, die lebendige Kraft eines bewegten Körpers zu bemessen aus der Menge der Wärme, welche er beim Anprall gegen eine [§. 3.] Chemische Affinität; ihr Verhältniss zur Wärme. 9 unnachgiebige Unterlage umsetzt, so kann man auch die Grösse der chemischen Verwandtschaftskräfte messen nach dem Maasse *ja™f f" der Wärme, welche gebildet wird, indem die Atome der verwandt- chemisch verschiedenen Körper zu einer chemischen Verbindung sa af*krafl- zusammentreten. Denn, wenn aus gesonderten, chemisch ver- schiedenartigen Atomen ein zusammengesetzter Körper sich bildet, so entsteht in der Regel eine "Wärmebildung. Wenn, durch die Affinitätskraft getrieben . die Atome von 1 Kilo Wasserstoff und 8 Kilo Sauerstoff zu der chemischen Verbindung Wasser zusammenstürzen, so wird eine Wärmemenge erzeugt, welche derjenigen gleich ist, die durch Aufprallen eines nieder- stürzenden Gewichtes von 47000 Kilo von einer Höhe von 1000 Fuss über der Erdoberfläche entsteht. — 1 Gramm H zu Wasser unter O-Zutritt verbrannt . liefert 34460 Wärme- Einheiten (Calorien),' — 1 Gramm C zu Kohlensäure verbrannt 8080 Wärme-Einheiten . — Heber all. wo bei chemischen Processen stärkere Affinitäten gesättigt werden, wird Wärme frei. d. h. aus der Affinitätskraft um- gesetzt. Die Affinitätskraft ist eine zwischen den verschiedenen Atomen herrschende Spannkraft, welche im chemischen Process in Wärme umgesetzt wird. So ist es auch erklärlich , dass bei denjenigen chemischen Processen . durch welche starke Affinitäten gelöst werden, bei denen die chemisch verbundenen Atome wieder von einander getrennt werden, eine Abkühlung entsteht oder, wie man sagt, Wärme latent wird. Das heisst, es wird die Kraft der latent gewordenen Wärme in chemische Spannkraft umgesetzt, die nunmehr nach Zerlegung des zusammengesetzten chemischen Körpers zwischen seinen isolirten, differenten Atomen als chemische Affinität hergestellt ist. 4. Gesetz yoe der Con stanz der Kraft. Julius Robert Mayer und v. Helmholtz haben das wichtige Gesetz aufgestellt, dass in einem Systeme . welches von aussen her keine Beeinflussung und Einwirkung erfährt, die Summe aller in demselben wirksamen Kräfte sich stets gleich gross erhält. Die Kräfte können wohl in einander über- T'as Maass „ .. , , , <-, , „n, i aller in einem geführt werden, so dass Spannkräfte sich in Systeme tor- lebendige Kräfte umsetzen und umgekehrt, aber ,/;.'.'":': niemals geht auch nur irgend ein Theil der Kraft stete gleich verloren. Der Umsatz, welcher an den Kräften sich voll- zieht, geht ferner nach ganz bestimmtem Maasse vor sich, so dass stets aus einem bestimmten Maasse der einen Kraft ein ganz bestimmtes Maass der neu erseheinenden hervorgeht. Die im thierischen Organismus wirkenden Kräfte ■'•''< ein- treten in den folgenden Modifikationen in die Erscheinung: «menKrä/te; 1. Als Massenbewegung — (gewöhnlich Bewegung ££££- schlechthin genannt), wie an der Bewegung des ganzen Körpers, der Glieder und vieler Eingeweide . auch sogar mikroskopisch an Zellen wahrnehmbar. 10 Gesetz von der Constanz der Kraft. [§. 4.] wärme- und 9 ^Js Bewegung der Atome: als Wärme. — Erscheinung. Bekanntlich, hängt es bei der Schwingung der Atome von der Grösse der Schwingungszahl in einer Zeiteinheit ab , ob sich die Oscillationen als Wärme, Licht oder chemisch wirksame Schwingungen zu erkennen geben. Die geringste Schwingungs- zahl haben die Wärmeschwingungen, die höchste die chemisch wirksamen, zwischen beiden stehen die Lichtschwingungen. Ln Körper des Menschen hat man von diesen dreien nur Wärme- schwingungen beobachten können ; manche niedere Organismen sind auch zu Lichterscheinungen befähigt. Im menschlichen Organismus werden Massenbewegungen an einzelnen Organen constant in Wärme umgesetzt, wie z. B. die lebendige Kraft an den Circulationsorganen , welche durch die Widerstände innerhalb des Gefässapparates in Wärme um- gewandelt wird (§. 98). Als Maass für diese Umsätze gilt auch hier die „Arbeitseinheit" — 1 Metergramm und die „Wärme- einheit^ = 425,5 Metergramme. chemische 3. Als Spannkräfte — (latente Kräfte) enthält der pan e' Organismus viele chemische Verbindungen . die sich namentlich durch eine grosse Complicirtheit ihrer Constitution , geringe Sättigung der enthaltenen Affinitäten und daher durch ihre grössere Neigung zum Zerfall in einfachere Körper kennzeichnen. Aus den Spannkräften vermag der Körper sowohl Wärme, als auch lebendige Arbeit, und zwar letztere stets mit ersterer vereint, erstere jedoch auch für sich allein, umzusetzen. Das einfachste Maass für die Spannkräfte ist das Wärme qu an tum, welches durch die Verbrennung der be- treffenden, die Spannkraft repräsentirenden chemischen Körper erhalten werden kann. In zweiter Linie kann dann wieder ans der gelieferten Wärmemenge die Zahl der äquivalenten Arbeitseinheiten berechnet werden (§. 218). Eiektrieiuus- 4. Es ist bekannt, dass die Erscheinungen der Elektri- sekeinungen. cität. des Magnetismus und Diamagnetismus nach zwei Richtungen hin sich zu erkennen geben können: als Be- wegung kleinster Theilchen, welche wir in dem Glühen des von starken Strömen durchflossenen , dünnen (viele Widerstände enthaltenden) Drahtes erkennen, und auch als Massenbewegung, die uns die Anziehung oder Ablenkung der Magnetnadel zeigt. Im Körper treten an den Muskeln, Nerven und Drüsen elektrische Erscheinungen zu Tage; dieselben sind indess den anderen Krafterscheinungen gegenüber nur von minimaler Grösse. Es ist nicht unwahrscheinlich . dass die elektrischen Kräfte im Körper sich fast ganz in Wärme umsetzen. Der Versuch jedoch, für die elektrischen Kräfte ein Maass zu ge- winnen, die „Elektricitätseinheit" , die den directen Vergleich mit der „Wärme--' und ..Arbeits-Einheit" gestattete, ist bis jetzt nicht mit sicherem Erfolge gekrönt. Sicher ist. dass im Organismus die Kräfte nach ganz bestimmtem . sich stets gleich bleibendem , Maasse in einander übergeführt werden , dass niemals in demselben neue Kräfte [§.4.] Thier und Pflanze. 11 durch, sich selbst entstehen, noch vorhandene ausgelöscht werden : nnd so ist auch der Organismus die Stätte, in welcher sich das Gesetz von der Constanz der Kraft fort und fort im steten Wechsel offenbart. Es mögen hier noch die eigenen Worte von Julius Robert Einheu der Mayer Platz finden: „Es giebt nur eine einzige Kraft. In ewigem Wechsel kreist dieselbe in der todten und lebenden Natur , da uud dort kein Vorgang ohne Formveränderung der Kraft. Die Physik hat nur die Metamorphosen der Kraft zu erforschen, wie die Chemie die Verwandlungen des Stoffes. Die Erschaffung wie die Vernichtung einer Kraft liegt ausser dem Bereiche des menschlichen Denkens und Wirkens ; aus Nichts wird nichts, Nichts kann zu Nichts werden. Lehrt die Chemie die Unveränderliehkeit des Stoffes , so hat die Physik die quantitative Unveränderliehkeit der Kraft trotz aller Veränderlichkeit in der Form nachzuweisen. Fallkraft, Bewegung, Wärme, Magnetismus, Elektricität, chemische Differenz sind alle nur verschiedene Darstellungs- formen einer uud derselben Naturkraft, die im Weltall herrscht, denn es kann jede unter besonderen Vorkehrungen von einer in die andere übergeführt werden." 5. Thier und Pflanze. Der thierische Körper enthält in seinen Körperbeständen eine Menge chemischer Spannkräfte aufgespeichert. Man würde die gesammte Menge dieser im menschlichen Körper messen können , wenn man einen ganzen Leichnam im C a 1 o r i m e t e r völlig verbrennte und sähe, wie viele Wärmeeinheiten aus seiner Veraschung sich bildeten. (Vgl. §. 207.) Die chemischen Verbindungen, welche die Spannkräfte in sich fassen, zeichnen sich aus durch c o m p 1 i c i r t e Lagerungs- verhältnisse ihrer Atome , eine nur geringe Sättigung der Affinitäten der Atome, einen relativ geringen Sauerstoffgehalt und die grosse Neigung und Leichtigkeit zum Zerfalle. Denken wir uns den Menschen zunächst ohne Xahrungs- zufuhr. Der Fastende verliert stündlich 50 Gramm an seinem Körpergewicht ; sein, die Spannkräfte bergendes Körpermaterial wird also verbraucht (§. 239). Unter Aufnahme von 0 findet nämlich fortwährend eine Verbrennung statt; durch den Ver- brennungsprocess werden aus den complicirteren Körperbeständen einfachere umgebildet, wobei die zwischen ihnen herrschenden Spannkräfte in lebendige Kraft umgesetzt werden. Es bleibt sich gleich, ob die Verbrennung schnell oder langsam erfolgt; stets liefert das gleiche Maass derselben chemischen Bestände das gleiche Maass lebendiger Kraft, also z. B. Wärme. Der Fastende fühlt nach einer gewissen Zeit den drohen- den Erschöpfungszustand seiner Spannkraftsreservoire : es stellt sich der Hunger ein. Der Hungernde nimmt Nahrung. Alle z%fe«tenS' scheint ein besonderer Stoff- und Kraft- Wechsel den belebten Bildungen der Erde eigenthümlich. Dieser besteht eben in der Fähigkeit der Geschöpfe , sich die Stoffe der Umgebung anzu- eignen urrrl in sich zu verarbeiten , so dass dieselben eine Zeit lang integrirende Theile des Belebten darstellen , um später wieder abgegeben zu werden. Wir nennen die ganze Kette der hier vorliegenden Erscheinungen „den Stoffwechsel", der sich somit aus der Aufnahme, — Assimilation. — Einschmelzung — und Excretion zusammensetzt (§. 230). [§. 6.] Der Stoffwechsel als Leben szei eben. 15 Wir haben vorhin ausgeführt, dass der Stoffwechsel der Pflanzen und Thiere ein verschiedenartiger sei. In der That ist dies, wie oben dargestellt, in den typisch und charakteristisch ausgebildeten Thieren und Pflanzen wirklich der Fall. Allein es giebt eine grosse Gruppe von Organismen, welche in ihrer Gesammtorganisation so wenig typische Ent- wickelung zeigen, dass man dieselben als undifferenzirte Grund- formen der Geschöpfe ansehen muss. Man vermag weder Pflanze noch Thier in ihnen zu erkennen, sie sind Adelmehr einfachster belebter Bildungsstoff. Man hat diese Wesen, als die ursprüng- lichsten und primitivsten Formen, Protisten (Haeckel) ge- nannt. Es ist unbedingt anzunehmen, dass diesen auch ein einfacher Stoffwechsel als Lebensbedingung eigen ist, doch fehlen hierüber ausreichende Beobachtungen. Physiologie des Blutes. 7. Physikalische Eigenschaften des Blutes. FamuteTs 1- ^e Farbe — des Blutes wechselt vom hellen Seh ar- lachroth in den Arterien bis zum tiefsten Dunkelblau- roth in den Venen. 0 (daher auch die Luft) macht das Blut hellroth, O-Mangel dunkel (§.45). Das O-freie (venöse) Blut ist dichroitisch, d h. es erscheint bei auifallendem Lichte dunkelroth, bei durchfallendem grün (Brücke). Das Blut ist in dünnen Schichten undurchsichtig, wie man einfach erkennen kann, wenn man Blut über eine Glas- platte giesst und ablaufen lässt. Das Blut verhält sich somit als „Deckfarbe" (Rollen), da sein Farbstoff in kleinen Körnchen, den Blutkörperchen, in der Flüssigkeit suspendirt ist. Aus diesem Grunde kann man auch den körnigen Blutfarbstoff durch Filtriren von der Blutflüssigkeit trennen ; doch gelingt dieses nur nach Vermischen des Blutes mit Flüssigkeiten, durch welche die Blutkörperchen rauh oder klebrig werden. Wird Säugethierblut mit 1/7 Volumen von concentrirtem schwefelsauren Natrium (Figuier), oder Froschblut mit 2procent. Zuckerlösuug (Joh. Müller) ver- mischt und nun filtrirt, so bleiben die geschrumpften und anhaftenderen Blut- körperchen auf dem Fillrum zurück. Reaction. 2. Die Reaction — ist alkalisch durch Dinatrium- phosphat (Na2 HP04) (Maly). Sie nimmt nach dem Austritt aus der Ader schnell an Intensität ab, und zwar um so früher, je grösser die Alkalescenz war. Dies beruht auf einer Säurebildung, an welcher die rothen Blutkörperchen, vielleicht durch Zer- setzung des Farbstoffes, betheiligt sind. Höhere Temperatur und Alkalizusatz befördern die Säurebildung (N. Zuntz). Die alkalische Beaction des Blutes nimmt ab : — a) durch starke Muskel- thätigkeit in Folge der Säurebildung im Muskelgewebe (§. 296. II), — ß) durch die Gerinnung (§. 32. VI.) Frischer Cruor reagirt stärker alkalisch, als das Serum. — y) altes, oder mit Wasser aus trockenen Stellen aufgelöstes Blut reagirt meist sauer. < — o) Nach anhaltendem Genuss von Soda erfährt die Alkalescenz eine Zunahme (Dubelir), durch Säuren eine Abnahme (Lassar). — ■ Kinder und Frauen haben eine geringere Alkalescenz als Männer, Wöchnerinnen eine geringere, als Schwangere (Jacob), Verdauende eine stärkere, als Nüchterne (Peiper). Methode der Prüfungsmethode : — Da man mit dem Blute wegen seiner Eigenfarbe Prüfung: rothes Lackmuspapier nicht direct in Verbindung bringen darf, so verfährt man qualitativ, in folgender Weise: — a) Man benetzt den rothen Lackmuspapierstreifen zuust [§. 7.] Physikalische Untersuchung des Blutes. 17 mit concentrirter Kochsalzlösung, dann taucht man ihn vorübergehend in das Blut, oder lässt einen Tropfen Blut auf dasselbe fallen, und wischt hierauf schnell die Blutschichte fort, noch ehe sie dem Papiere durch Eindringen ihre Farbe mitgetheilt haben kann (Zuntz). — b) Man mischt Blut mit gleichem Volumen concentrirter Natriumsulphatlösung, und bringt das Gemisch auf recht poröses Lacknmsfliesspapier. Die Blutkörperchen bleiben an Ort und Stelle liegen , die Flüssigkeit saugt sich weiter ein und bewirkt die Reaction (Landois), Zur quantitativen Bestimmung der Alkalescenz — setzt man zu einem quantitativ. Volumen Blut sehr dünne Weinsäure hinzu (1 Cubikcm. sättigt 3,1 Mgrm. Natron, d. h. 1 Liter Wasser enthält 7,5 Grm. krystallisirte Weinsäure) , so lange bis (nach Zuntz' Methode) blaues Papier sich röthet. Kaninchen zeigten so in 100 Grm. Blut eine Alkalescenz entsprechend 150 Mgrm. Natron, Fleischfresser gegen 180 (Lassar) , 100 Cc. normales Menschenblut haben einen Alkaligehalt entsprechend 260 — 300 Mgrm. Natron (v. Jaksch). Im Folgenden th eile ich die von mir ersonnene Methode mit, die Quantitative quantitative Bestimmung der Alkalescenz des Blutes mit nur Bestimmung wenigen Tröpfchen Blut auszuführen, welche man demgemäss bei jedem Bldtmewen. Kranken auszuführen in der Lage ist. Zur Neutralisation der Alkalescenz des Blutes dient die Weinsäure in der oben angegebenen Concentral ion. Von dieser Säure stelle ich nun durch Ver- mischung mit concentrirter, völlig neutraler Natriumsulphatlösung und nachträg- licher Sättigung des Ganzen mit diesem Salze die folgenden Gemische dar : I. 10 Theile Weinsäurelösung und 100 Theile concentrirter Natriumsulphatlösung ; II. 20 Theile Weinsäurelösung und 90 Salzlösung; III. enthält die genannten Substanzen im Verhältniss wie 30 und 80; IV. wie 40 und 70; V. wie 50 und 60; VI. wie 60 und 50; VII. wie 70 und 40; VIII. wie 80 und 30; IX. wie 90 und 20 und X. wie 100 und 10. In allen Gläsern liegt überschüssiges ungelöstes Natriumsulphat am Boden. Von dem zu untersuchenden Blute wird nun ein kleines Tröpfchen mit einem gleichgrossen Tröpfchen jener bezeichneten Gemische vermengt in einem Messröhrchen, welches man also verfertigt. In ein Glasröhrehen von 1 Mm. Durchmesser und mit verjüngter Spitze sauge ich etwa 8 Mm. hoch Wasser ein, so dass es bis zur Spitze gefüllt ist. Den oberen Rand des Flüssig- keitsfadens markire ich durch einen zarten Feilenstrich. Nun ziehe ich das Wasser in der Röhre so hoch hinauf, dass sein unterer Rand am Feilenstrich steht; den oberen Rand der Flüssigkeit markire ich abermals durch einen Feilen- strich. Auf diese Weise ist der kleine Messapparat hergestellt. Um nun das Blut zu prüfen, ziehe ich von dem Weinsäure-Glaubersalz- gemisch I ein Ti'öpfchen bis zur ersten Marke und sodann (nach sorgfältig abge- trockneter Spitze) das Blut nach, bis die Flüssigkeit bis zur zweiten Marke reicht. Nach abermaliger Reinigung der Spitze des Röhrchens bläst man den Inhalt in ein Uhrglas, rührt gut um und prüft mit dem Reagenzpapier. Nach der Reihe wird so in ganz gleicher Weise mit dem Gemische II, 111, IV u. s. w. vorfahren, bis die alkalische Reaction verschwunden, oder die saure sich einstellt. Das Lackmus -Reagenzpapier soll eine zarte F liederb lüthen l'a rl> e haben. Die geringsten Spuren Säure oder Alkali machen die Farbe des Papieres roth oder blau. Von diesem Papiere schneidet man sich schmale (4 Mm. breite) Streifchen und taucht sie mit einem Ende in die im Uhrglase betindliche Blut- probe. Es bleiben nun die Blutkörperchen im Bereiche des eingetunkten Papieres, während sich die Flüssigkeit darüber hinaus in die Höhe saugt und die Reaction anzeigt. Hat man so der Reihe nach die Proben mit den Gemischen I — X gemacht und legt nun die Streifchen des Reagonspapieres nebeneinander, so sieht man leicht, wo der blaue Ton (alkalische Reaction) aufhört und der rothe (saun' Reaction) anfängt. Beim Menschen kann man das Blut allemal direkt aus einer kleinen Nadelstichwunde aufsaugen. Das genaue Aufsaugen in die Röhre hinein kann man sehr sicher und sehr bequem erreichen, wenn man das obere Emir des Messglas-Röhrchens durch ein kurzes Gummiröhrchen mit einer Pravaz'schev Spritze in Verbindung bringt, dessen Stempelbewegung die feinste Aufsaugung erleichtert. Jede Probe muss ohne Zögern beendet werden, damit das Blul mittlerweile sich nicht zersetze. Der Alkalescenzgrad des Erwachsenen wird im Mittel durch Gemisch V— VI gesättigt, beim Kinde durch Gemisch IV Landois, Physiologie. 7. Aufl. 2 18 Physikalische und mikroskopische Untersuchuug des Blutes. [§. 7.] Specißsches G-evAckt. Pathologisches: — Anhaltend sich Erbrechende und Chlorotische (Gräber) haben gesteigerte — Diabetiker verminderte Alkalescenz (feiper), ebenso Kachektiker, Eheumatiker (Lepine), Urämische, hochgradig Anämische, stark Fiebernde (v. Jaksch), Cholerakranke (Cantani), mit CO Vergiftete und Kranke mit Leberentartung. — 3. Man erkennt am Blute einen eigenthümlichen Geruch (Halitus sanguinis). Derselbe ist beim Menschen und den Thieren verschieden und beruht auf der Gegenwart flüchtiger Fettsäuren (Matteucci). Setzt man Schwefelsäure zum Blute, wodurch die flüchtigen fetten Säuren aus ihrer Verbindung mit dem Alkali des Blutes frei gemacht werden, so tritt der charakteristische Geruch um vieles deutlicher hervor (Barruel). 4. Das Blut besitzt einen salinischen Geschmack, — herrührend von den in der Blutflüssigkeit gelösten Salzen. 5. Das specifische Gewicht — beträgt 1,056 — 1,059 —1,0607 beim Manne, 1,051—1,055 beim Weibe; das Blut der Kinder ist leichter (Nasse). Das specifische Gewicht der Blut- körperchen ist 1,105, das des Plasmas 1,027 — 1,0283. Hieraus erklärt sich die Neigung der Blutkörperchen, sich zu senken. Methode: — Für klinische Untersuchungen — kann ich folgende Methode (eine Modification der von Roy angegebenen) empfehlen. Ein dünnes Glasrohr wird unten ausgezogen und rechtwinkelig umgebogen , oben mit einer Kautschukkappe geschlossen. Nach einem leichten Druck auf letztere lässt man ein (durch Nadelstich frisch hervortretendes) Bluttröpfchen unten in das Eöhrchen eintreten. Sofort taucht man das Eöhrchen tief in ein Gläschen voll Glauber- salzlösung und bewirkt durch Druck auf die Kautschukkappe sorgsam den Aus- tritt des Bluttröpf'chens in die Salzlösung. Man hat verschiedene Concentrationen der letzteren zwischen 1050 — 1070 spec. Gew. Diejenige Lösung, in welcher das Tröpfchen sich schwebend erhält (weder aufsteigt , noch niedersinkt), giebt das specifische Gewicht des Blutes an. Wassertrinken und Hunger machen das specifische Gewicht vorübergehend geringer, Durst und Verdauung consistenter Nahrungsmittel höher. Es sinkt nach Blutverlusten und ist geringer bei schlecht ernährten Individuen mit wässerigem, dünnen, blutkörperchenarmen Blute. — Lässt man Blut wiederholt durch ein Organ künstlich hindurchlaufen, so steigt in Folge von Aufnahme gelöster Stoffe und Abgabe von Wasser das specifische Gewicht. Zur Bestimmung des specifischcn Gewichtes der rothen Blut- körperchen — sucht man dieselben durch Absetzenlassen zu isoliren (gelingt schnell beim Pferdeblute, noch besser, indem man das Blut in einem langen Cylinder auf die Centrifugalscheibe bringt, auf welcher der Cylinder im Eadius mit dem Grunde zur Peripherie liegt). Jiothe Blut- körperchen. 8. Mikroskopische Untersuchung des Blutes. I. Die rothen Blutkörperchen — wurden von Swammerdam 1658 beim Frosche entdeckt, beim Menschen 1673 durch van Leeuwenhoek. a) Maassverhältnisse. — Sie sin d kreisrunde, münzen- förmige, durch und durch homogene Scheibchen mit beiderseitiger tellerförmiger Aushöhlung und abgerundetem Rande. Der Durch- messer— 7,7 (a, die grösste Dicke = 1,9 (/. (f/. = 0,001 Mm.) (Fig. 1. C) (Welcher). Bei Gesunden schwankt der Durchmesser von 6,7 — 9,3^, die Durch- sclmittsgrösse = 7,7 — 8fJ-. Um ein Ger in ges verkleinert werden die Körpei'- chen durch Inanitionszustände, erhöhte Körperwärme, C02, Morphium; — hin- gegen vergrössert durch O, Wässerigkeit des Blutes, Kälte, Alkoholgenuss, Chinin, Blausäure (Manasse'in). [Pathologische Verhältnisse vgl. §. 16. 3.] [§•8.] Mikroskopische Untersuchung des Blutes. 19 Das Volumen — eines Blutkörperchens beträgt 0,000000077217 Cubik- millimeter, die Oberfläche 0,000128 Quadratmin. Nimmt man die Gesaniint- blutmasse des Menschen zu 4400 Cubikcm. an, so haben sämmtliche darin ent- haltene Blutkörperchen eine Oberfläche von 2816 Quadratmeter, d. i. gleich einer Quadratfläche von 80 Schritt in der Seite. In einer Secunde werden 176 Cubikcm. Blut in die Lungen getrieben , dessen Blutkörperchen eine Oberfläche von 81 Quadratmeter darbieten, d. i. eine Quadratfläche von 13 Schritt in der Seite (Welcher). b) Gewicht. — Das Gewicht eines Blutkörperchens be- stimmte Welcker gleich 0,00008 Mgrm. c) Zahl. — Diese beträgt bei Männern über 5 Millionen, bei Frauen gegen 4 Millionen in einem Cubikmm. (Vierordt), das macht für 10 Pfund Blut 25 Billionen. Die Zahl steht überhaupt im umgekehrten Verhältniss zur Menge des Plasmas, woraus sich ergiebt , dass je nach den Contractionszuständen der Gefässe, Druckverhältnissen, Diffusionsströmungen u. dgl. die Zahl wechseln muss. Volumen. Oberfäche. Gewicht. Zahl. Fig. 1. A Rotlie Blutkörperchen vom Menschen : l von der Fläche gesehen. — 2 von der Kante aus hetrachtet ; — 3 geldrolleu artige Aneinanderlagerung der rothen Blutkörperchen. — B Eothe Blutköi'percheu vom Frosche: l von der Fläche, und 2 von der Kante aus gesehen. — C Idealer Querschnitt eines rothen Blut- körperchens vom Menschen hei 50O0facher linearer Vergrösserung : a b Durch- messer, c d Dicke. Die Zahl der rothen Körperchen ist vermehrt: in venösem Blute (zumal kleiner Hautvenen und bei Stauungen), nach Aufnahme fester Nahrung, nach starker Wasserabgabe durch die Haut, den Darm und die Nieren, in der Inanition (wegen des Verbrauchs des Blutplasmas) (Buntzen) , im Blute des Neugeborenen (Panum &* Serensen), zumal nach später Abnabelung (§. 46) [vom 4. Tage ab vermindert sich wieder die Zahl (Hayeni)] , bei kräftigen Constitutionen , bei Landbewohnern. — Vermindert ist die Zahl: in der Schwangerschaft, nach reichlichem Trinken. Die Capillaren führen weniger Blutkörpen ?tfn. In den früheren Fötalstadien ist die Zahl nur '/s — 1 Million in 1 Cubikmm. (Cohn- stein 6° Zuntz). [lieber pathologische Verhältnisse vergl. §§. 47. 48.] Methode der Blutkörperchen-Zählung. — Erforderlich ist zunächst ein genauer Mischapparat zur Verdünnung des Blutes: hierzu dient der Schütte 1- mischer (Fig. 3). Derselbe (ein exaet calibrirtes, pipettenartiges Glasinstrument) wird mit seiner Spitze in das Blut getaucht , und durch Saugen an dem Kaut- schukschlauche f wird letzteres bis zu der Marke lL oder bis zur Marke 1 auf- Physiolog ische •an- klingen der Zahl. Methode der Blut- körperchen- mg. 20 Zählung der Blutkörperchen. [§•8.] gesaugt. Sodann hringt man die (abgewischte) Spitze in 3°/0. Kochsalzlösung und saugt diese auf bis zur Marke 101. Durch Schwenken des Schüttelmischers wird eine kleine Perle (a) in dem bauchigen Hohlräume umhergeschleudert, wo- durch die Mischung in demselben eine gleichmässige wird. War das Blut bis zur Marke 1/2 aufgesogen, so ist die Mischung 1 : 200 ; war es bis zur Marke 1 aufgesogen, so ist die Mischung 1 : 100. Fig. 2. ^T s* V TsT'"rTT° ' . ° T"i TT" Der Blutkörperchen - Zählapparat von .45 Je - -?eijw: A im Querschnitt, — c7 von d er Fläche gesehen (ohne Deckgläschen), — B das mikroskopische Bild mit den Blutkörperchen. Die Mischpipette. CoTimstenz. Behufs der Zählung giebt man nun das verdünnte Blut (die ersten Tröpf- chen werden verworfen) in die von Abbe und Zeiss construirte Zä hl kämm er (Fig. 2). Es ist dies eine, auf einem Objectträger gekittete , mit einem Deck- glase zu überdeckende, 1,0 Mm. tiefe Glaskammer, deren Boden in (Quadrate getheilt ist. Der Baum über einem jeden Quadrate == 1/4000 Cubikmm. Man zahlt die Zahl der Blutkörperchen in einem Quadrate ; diese Zahl multiplicirt mit 4000 giebt die Zahl der Blutkörperchen in 1 Cubikmm. Letalere ist noch zu multipliciren mit 100 oder mit 200 , je nachdem das Blut lOOmal oder 200mal verdünnt worden war. Zur grösseren Sicherheit zählt man viele Quadrate der Glaskanin) er aus und zieht aus allen Zahlen das Mittel. [Auch Vierordt, Malassez, Gowers n. A. haben besondere, zum Theil ein umständlicheres Verfahren erfordernde Zähl- apparate erfunden.] Zur alleinigen Zählung der weissen Blutkörperchen in der Kammer ver- setzt man Blut mit 10 Theilen Vs^o- Essigsäuremischung, wodurch alle rothen sich auflösen (Thoma). d) Die rothen Blutkörperchen zeichnen sich durch grosse Elasticität, Biegsamkeit und "Weichheit aus. [§.9] Histologie der rothen Blutkörperchen. 21 9. Die rothen Blutkörperchen. Die rothen Blutkörperchen sind einzeln von gelblicher Farbe mit einem leichten Stich in's Grünliche; dieselben besitzen Bsl''^m° \uni weder Hülle noch Kern, sind vielmehr durch und durch aus gleichartiger Masse. Letztere besteht — 1. aus einer G e r ü s t- substanz, einem äusserst blassen, durchsichtigen, weichen Protoplasma : das Stroma (Rollett) und — 2. aus dem rothen Blutfarbstoff, dem Hämoglobin, welcher das Stroma durchtränkt, ähnlich wie in einem Waschschwamm Flüssigkeit aufgesaugt gehalten wird. AeussereEinwirkungen — können sich auf die rothen Blutkörperchen in verschiedener Weise geltend machen : A. Auf ihre L ebenserscheinun gen. — Blut- Einwirkung cj auf f$i€ körperchen erhalten in entleertem und sogar defibrinirtem Blute, vi-ahiät der wenn es wieder in den Kreislauf zurückgebracht wird , ihre 7^-ctw." Lebens- und Functionsfähigkeit ungeschwächt. Dagegen wirkt auf ihre Vitalität zunächst die Wärme. Wird Blut bis gegen 52° C. erwärmt , so ist die Lebensfähigkeit der rothen Blut- körperchen erloschen, was daraus ersichtlich ist, dass derartiges Blut, wenn es in den Kreislauf zurückgebracht wird, schnell sich auflöst mit allen seinen Blutkörperchen. • — An einem ab- gekühlten Ort (in einer Flasche unter Eiswasser) aufbewahrt, kann Blut der Säugethiere selbst 4 — 5 Tage lang sich functions- fähig erhalten. Noch länger aus dem Körper entfernt und darauf in den Kreislauf zurückgebracht, zeigt es rapiden Zerfall seiner Blutkörperchen, ein Zeichen, dass dieselben ihre Lebensfähigkeit bis zu diesem Zeiträume eingebüsst haben (Landois). — Frisch ^'n- aus der Ader entleertes Blut zeigt sehr häufig eigenthümliche, VHauTd^1 maulbeerförmige Gestaltveränderung der rothen Blutkörperchen. e^at^t Man hat diese auf eine active Contraction von Seiten des körperchen. Stroma1 s zurückgeführt (Klebs) ; doch muss es bis dahin zweifel- haft erscheinen , ob hierin wirklich ein lebendiges Zusammen- ziehen zu suchen ist. Für die rothen Blutkörperchen ganz junger Hühneremb^onen hat allerdings Max Schnitze die active Con- traction und Beweglichkeit nachgewiesen. B. Auf ihre äussere Erscheinung — kann durch viele Agentien eingewirkt werden : — a) Die Farbe — wird in charakteristischer Weise durch verschiedene Gase verändert: 0 macht das Blut scbarlachroth, O-Mangel dunkelblauroth , CO kirschroth , NO violettroth. — Alle Agentien , welche die rothen Blutkörperhen stark ein- schrumpfen machen , bringen ein sehr helles Scharlaclu'oth her- vor (BartJwlums, 1661) (z. B. concentrirte Lösung von Natrium- sulphat, wodurch die Körperchen stark maulbeerförmig, schüssei- förmig gebogen und theilweise verdünnt werden), heller als es jemals in den Arterien angetroffen wird. Diejenigen Agentien. welche die Blutkörperchen kugelig machen . wie namentlich Wasser, verdunkeln die Farbe des Blutes. 22 Histologie und Formveränderungen der rothen Blutkörperchen. [§. 9.] Geldrollen' artige Lagerung. Gestaltver- änderungen. Maulbeer- form. Farben- Man hat die Farbe des arteriellen Blutes und des venösen Blutes so zu Veränderung, erklären versucht, dass beim arteriellen die Flächen der Körperchen stärker concav (also das Licht sammelnd), beim venösen mehr convex (also das Licht zerstreuend) seien (Harless). Doch hat man neuerdings durch genaue Betrachtung venöser Blutkörperchen keine Gestaltsveränderung erkennen können. b) Lage- und Form- Veränderung. — Eine häu- fige Erscheinung an frisch entleertem Blut ist die, dass die Blutkörperchen sich geld rollenartig auf einander legen (Fig. 1. A. 3). Die Bedingungen, welche die Gerinnbarkeit des Blutes erhöhen, begünstigen diese Erscheinung, welche ausser der Attraction der Scheibchen noch der Bildung einer klebrigen Substanz zuzuschreiben ist. Begünstigend wirkt eine massige Erwärmung des Objectträgers, auf welchen man alsdann das Blutströpfchen auf- trägt. ■ — Bringt man in diesem Zustande dem Blute quellende Agentien bei , so lösen sich die Beihen auseinander, indem die einzelnen Körperchen sich kugel- förmig gestalten. Die bindende Substanz , welche die Körperchen verklebt und sich nicht selten fadenförmig auszieht, gehört der peripheren Schicht der Körper- chen an, und zwar ist es das an der Oberfläche der Körperchen klebrig gewordene (durch den ersten Beginn einer Schädigung an der Peripherie) sich bildende Stromafibrin (§.35) (Dogiel). c) Von besonderem Interesse sind die Gestaltverände- rungen der rothen Blutkörperchen, welche dieselben nach ihrer Entleerung aus dem Körper allmählich bis zu ihrer Auflösung durchlaufen können. Manche Agentien bringen diese Reihe von Formveränderungen schnell hintereinander hervor. Lässt man z. B. den Funken einer Leydener Flasche auf Blut einwirken, so werden zuerst alle Blutkörperchen „maulbeerförmig", d. h. die Oberfläche wird rauh und bald mit grösseren, bald mit kleineren rundlichen Höckern besetzt (Fig. 4, cde). — Bei intensiverer Einwirkung werden die Blutkörperchen fast kugelig Stechapfel- mit vielen hervorragenden Spitzen, sie werden „stechapfel- fom. förmig" (gh); — noch weiter verursacht die Einwirkung, dass Kugeiform. die Körper chen völlige „Kugelform" annehmen (ii). In dieser Gestalt erscheinen sie kleiner , als die% normalen , da sich ihre scheibenförmige Masse anf eine Kugel von kleinerem Durch- messer zusammenzieht. Die so geformten Kugeln sind klebrig, benachbarte haften leicht an einander und fliessen sogar (wie Fettaugen) zu grösseren Kugeln zusammen. Bei noch längerer Entfärbung Einwirkung trennt sich der Blutfarbstoff endlich von dem S t r o m a (k) , in Folge dessen sich die Blutflüssigkeit röthet, während das Stroma nur als leichter Schatten erkennbar ist (1). Die geschilderten Formenreihen sind der Ausdruck auch mancher anderer schädlicher, auf die Auflösung der Blutkörperchen wirkender Agentien. So kann man z. B. auch in faulendem Blute alle diese Formveränderungen wahrnehmen. Einwirkung derWärme. — Erwärmt man auf einem heizbaren Objecttische ein Blutpräparat , so erkennt man , dass lTrn%ihmft von ö2° €. an die Blutkörperchen merkwürdige Gestaltverände- rungen zeigen. Sie werden theils kugelig, theils bisquit-förmig auseinander gezogen , mitunter durchlöchert , oder es schnüren sich grössere und kleinere Tröpfchen der Körperchensubstanz vollständig ab und schwimmen in der umgebenden Flüssigkeit : ein Beweis , dass höhere Wärmegrade die histologische Indivi- und Stroma- Bildung. Form- verändernde und auf- [§. 9.] Formveränderungen und Conservirung der rothen Blutkörperchen. 23 dualität der Gebilde vernichten (Max Schnitze). Bei länger an- haltender, hoher Temperatur lösen sich endlich die rothen Blut- körperchen völlig auf. [Vgl. §. 16. 3.] Der "Wärme ähnlich wirkt der Zusatz concentrirter Harnstoff lösung zum Blute. — Durch starken Druck im mikroskopischen Präparate lassen sich die Blutkörperchen zerdrücken und in Stücke zersprengen. Die Zerlegung der Blutkörperchen in Theile kann man als Haerno cy to- trypsie bezeichnen, im Gegensatze dazu ihre Auflösung als Hae mocy toly se. Fig. 4. Baemocyto- trypsie und üaemocyto- lyse. Kothe Blutkörperchen in verschiedenen Formveränderungen und Auflösungs- stadien: ab Unveränderte rothe Blutkörperchen vom Menschen bei verschiedener Einsteilung des Tubus: — die schüsselformige Vertief UDg erscheint wegen der verschiedenen Einstellung verschieden gross; — c d e sosenannte „Maulbeer- form" ; — g h „Stechapfel- oder Morgenstern"; i i „Kugelform" ; k abgeblasste Kugeln; l Stroma. — / Durch theilweise Wasseientziehung faltig geschrumpftes rothes Blutkörperchen vom Frosche. Fährt man über eine heisse Glasplatte mit einem mit Blut be- feuchteten Finger schnell dahin, so dass sehr rasch die dünne Flüssig- keitsschichte austrocknet , so erkennt man die sonderbarsten Formen langgezogener oder sonstig difformer Blutkörperchen. Dieser Versuch erläutert schlagend die grosse Weichheit und Dehnbarkeit der Blut- körperchenmasse. Mischt man Blut mit concentrirter Gummilösung und setzt unter dem Mikroskope sodann concentrirte Kochsalzlösung zu, so ziehen sich die Körperchen zu länglichen Formen aus (Lindwurm). Aehnliches beobachtet man , wenn man Blut mit gleicher Menge einer bei 36° C. zerfliessenden Leimmasse mengt und nun nach dem Erkalten aus der Gallerte Schnitte zur mikroskopischen Beob- achtung macht (Rollt tt). 10. Conservirnng der rothen Blutkörperchen. Unter den Flüssigkeiten, in denen sich Blutkörperchen voll- Consen-i- kommen erhalten, sind zu nennen Patini' s Gemisch : Hydrargyr. bicblorat. 2. Natrium chlorat. 4. Glycerin 26. Aqua destill. 22ß. Vor der Anwendung mit 2 Theilen destillirten "Wassers zu verdünnen. Hayem's Flüssigkeit : Hydrargyr. bicblorat. 0'5. Natrium sullüric. 5. Natrium chlorat. 1. Aqua destill. 200. rungs- jliistigkeiten. 24 Conservirung der Blutkörperchen. Darstellung des Stroma's. [§. 10.] Conservirend wirken auch Jodseruni, Eiweiss, l°/0. Osmium säure, Kochsalzlösung von 0'6°/0 an, Lösung von phosphorsaurem Natrium. Um bei der Untersuchung frischen Blutes vom Menschen jeg- lichen Einfluss der Luft fernzuhalten, empfiehlt sich folgen- der Kunstgriff: Man bringt einen Tropfen Pacini 'scher Flüssigkeit auf eine Hautstelle und sticht nun durch den Tropfen hindurch mit einer feinen Nadel in die Haut. So quillt das Blut, ohne jemals mit der Luft in Berührung gewesen zu sein , in die conservirende Flüssigkeit, welche die Form der Körperchen sofort fixirt (Landois). — Lässt man Blut bei gelinder Wärme in dünner Schichte auf einem Glase schnell austrocknen, so behalten die aufgetrockneten Körperehen für immer ihre normale Gestalt (C. Schmidt). Mihro- Bei einer Untersuchung auf Blut zu forensischen Zwecken Verjähren bedient man sich natürlich stets auch des Mikroskopes. Aufgetrocknete scLn ullter- ^GG^e werden mit concentrirter (Virchow) oder 30%. (Malinin) suchungen A etzkalilösung, oder mit conservirender Flüssigkeit (ohne Beiben) sorgsam aufgeweicht. Durch Aufweichen mittelst concentrirter Wein- säurelösung treten die weissen Zellen besonders scharf hervor (StruweJ. Oft genug wird man jedoch vergeblich nach erhaltenen Blutkörperchen suchen. Bothe, verdächtige Fluida werden direct untersucht. Wären die Blutkörperchen in der Flüssigkeit etwa bereits sehr blass geworden, oder nur noch als Stroma vorhanden, so macht ein Zusatz einer wein- gelben wässerigen Jodjodkaliumlösung zum mikroskopischen Prä- parate dieselben mitunter wieder um Vieles deutlicher. Auch gesättigte Pikrinsäurelösung, 20%. Pyrogallussäure oder 30%. Silbernitratlösung werden hierzu empfohlen (Meltzer & Welch). 11. Darstellung des Stroma's, Lackfarbigiuaclien des Blutes. Es giebt viele Agenden, welche den Farbstoff von dem Stroma trennen. Hierdurch löst sich das Hämoglobin in der Lackfarbiges Blutflüssigkeit auf: das Blut ist nun durchsichtig, es enthält seinen Farbstoff als Transparentfarbe ; man nennt es daher auch ,.lackfarben" (Rollett). Das lackfarbige Blut ist dunkelroth. Bei der Auflösung der rothen Blutkörperchen handelt es sich nicht um Aenderung des Aggregatzustandes des Hämoglobins, sondern nur um eine Ortsveränderung desselben ; es verlässt das Stroma und tritt in die Blutflüssigkeit. Daher findet hierbei keine Abkühlung statt (Landois). Methode : — Zur mikroskopischen Darstellung des Stroma's empfehle ich Blut, mit gleichem Volumen conc. Glaubersalzlösung ge- mischt, vorsichtig mit 1%. Weinsäurelösung zu versetzen. Um behufs chemischer Untersuchung Stroma in grösserer Menge zu gewinnen, versetzt man defibrinirtes Blut mit 10 Volumina einer Kochsalzlösung, enthaltend 1 Vol. conc. Lösung und 15 bis 20 Vol. Wasser. Hierin setzen sich die Stromata als weisslicher Boden- satz ab. Blut. [§■11.] Lackfarbigmachen des Blutes. 25 aj l>) 0 Avflösungs- mittel rother Blut- körperchen. Folgende Agentien bewirken Trennung von Stroma und Hämoglobin: Physikalisch e Agentien : — 1. Erwärmen des Blutes auf 60° (Schnitze) • dieser Wärmepnnkt wechselt jedoch bei verschiedenen Thieren. — 2. "Wieder- holtes Gefrieren- und Aufthauen-lassen (Rollett). — 3. Funken der Elektrisir- maschine (jedoch nicht mehr, wenn Salze dem Blute zugesetzt sind) (Rollett), constante und Inductions-Ströme (Nenmann). Im Körper erzeugte, chemisch wirksame Stoffe: — 4. Galle (Hünefeld) oder gallensaure Salze (Plattner, v. Dusch). — 5. Serum anderer Thierarten (Landois): so löst z. B. Hundeserum und Froschserum in wenigen Minuten Kaninchenblutkörperchen (vergl. §. 107). — 6. lackfarbiges Blut mancher anderer Thierarten /LandoisJ. Anderweitige Chemikalien: — 7. Wasser. — 8. Durchleiten von Dämpfen von Chloroform (Böttcher), Aether (v. Wittich), Amylen. Kleine Mengen Alkohol (Rollet/), Paraldehyd (Fröhner), Thymol (Marchand), Nitro- benzol, Aethyläther , Aceton, Petroleumäther u. A. (L. Lewin). — 9. Antimon- wasserstofi", Arsenikwasserstoff; Schwefelkohlenstoff (Hünefeld). — 10. Solche Salzlösungen, welche bei. Pflanzenzellen eine Trennung des Protoplasmas von der Zellmembran bewirken (Plasmolyse), machen Rindsblut lackfarbig (Ham- burger). — 1 1 . Zusatz von Borsäure (lu/r>-) zu Amphibienblut lässt die rothe Masse (welche zugleich den Kern, wenn ein solcher vorhanden ist, einschliesst), Zooid genannt, aus . dem Stroma, Oecoid genannt, sich im Innern des Körperchens von der Peripherie zurückziehen und oft ganz aus demselben heraustreten (Brücke, Stricker). Brücke sieht so in dem Stroma gewisser- maassen ein Gehäuse , innerhalb dessen die übrige , vorzugsweise mit den Lebenserscheinungen ausgestattete Blutkörperchensubstanz wohne. — 12. Stärkere Saurem ischungen lösen die Blutkörperchen auf ; schwächere bringen Niederschläge im Hämoglobin hervor. Dies ist sehr deutlich zu ver- folgen bei der Carbolsäure (Hüls unter Landois). — 13. Alkalien bei mittlerer Concentration bedingen plötzliche Auflösung. Eine etwa 10° 0. Kalilösung vom Eande des Deckgläschens dem Blute zugesetzt, lässt mikro- skopisch den Vorgang der Lösung sehr schön erkennen. Zuerst werden die Körperchen ruckweise kugelig und so scheinbar kleiner, dann verpuffen sie wie Seifenblasen. — [Vgl. weiterhin §. 267 und §. 182.] Merkwürdig ist der Einfluss des Gasgehaltes der rothen Blutkörperchen Einfluss des auf ihre Auflöslichkeit ; am leichtesten lösen sich die Körperchen des CO^-Blutes, Vasgehaltes. wesentlich weniger 1-icht die des O-Blutes, zwischen beiden stehen die des CO- Blutes (Landois, Litterski, Lepine). Völlige Entgasung des Blutes bewirkt schon an und für sich Lackfarbigwerden. Nach Bernstein und Becker bewirken Salze eine Erhöhung der Resistenz gegen physikalische Lösungsmittel, jedoch eine Erniedrigung gegen chemische. Werdt-n gewisse Salze in Substanz dem Blute zugesetzt, so machen sie das Blut lackfarbig : Ehodankalium , Chlornatrium u. A. (Kozualewsky . Den rothen Blutkörperchen kommt ein gewisser Grad widerstand* der Widerstandsfähigkeit gegenüber auflösenden Einflüssen zu. Ich gebe im Folgenden eine Methode an, diesen Grad praktisch leicht r.nd Messung des einfach zu bestimmen. Dieselbe beruht auf folgendem Principe : man mische ein kleines Tröpfchen Blut mit der gleichen Menge einer 3°/0igen Kochsalzlösung und setze nun nachträglich so viel dcslillirtes "Wasser hinzu, bis alle rothen Blut- körperchen sich aufgelöst haben. Die Ausführung gestaltet sich mit Menschen- blut also: Mittelst des Schüttelmischers der Blutkörperchen-Zählapparate (Fig. 3) entnehme ich aus einer Nadelstichwunde Blut bis zur Marke 1 iflöd blase es in eine hohlg^schliffene Glaszclle (zu mikroskopischen Untersuchungen), in welche vorher bereits das gleiche Quantum 3°(Uiger Kochsalzlösung eingebracht war. Gut umgerührt, zeigen sicli alle rothen Blutkörperchen wohl erhalten. Nun setzt man mittelst derselben Messröhre destillirtes "Wasser zu und beobachtet, bis unter dem Mikroskope alle rothen Blutkörperchen sich gelöst haben. Die Glaszelle wird nach jedem Zusätze vor Verdunstung geschützt. fähigkeit. Grades derselben. 26 Form, Grösse und Zahl der Blutkörperchen verschiedener Thiere. [§. 11.]. Es giebt Menschen, deren rothe Blutkörperchen entschied-n leichter auf- lösbar sind, als normal. Ihre Körperchen sind weich, schmierig, nehmen auffällige Veränderungen an. Ausserdem verweise auf folgende Zustände : alle Blutmischungen, welche den normalen Bestand der rothen Blutkörp wichen gefährden ; hierher gehören: Cholämie, Intoxicatiouen mit Blutkörperchen-lösenden Substanzen, hoch- gradige Venosität. Interessante Untersuchungsobjecte liefern ferner alle Blnt- mischungskrankheiten und Infectionen, die Hämoglobinurie, die Verbrennungen. Bei Anämie und im Fieber erscheint die Widerstandsfähigkeit erniedrigt (PeiperJ . 12. Form, Grösse und Zahl der Blutkörperchen verschiedener Thiere. Gestalt. Münzenförmige, zirkelrunde Körperchen haben alle Säuger (mit Ausnahme des Kameeis, Lama's, Alpakka's und deren Verwandten), sowie von den Fischen die Cyklostomen (z. B. das Neunauge). — Länglich-elliptische besitzen, und zwar ohne Kern, die oben erwähnten Säuger, dagegen mit Kern alle Vögel, Reptilien, Amphibien (Fig. 1, B) und Fische (mit Ausnahme der Cyklostomen). Grösse. Grösse ([* = 0,001 Millimeter) der münzenförmi- gen Blutkörperchen der elliptischen Blutkörperchen kleiner Durchmesser grosser Durchmesser Elephant (Mensch Hund Kaninchen Katze Schaf Ziege Moschusthier 9,4 7,7) 7,3 69 6,5 5,0 4,1 2,5 Lama 4,0 u- 8,0 p- Taube 6,5 „ 14,7 „ Frosch 15,7 „ 22,3 „ Triton 19,5 „ 29,3 „ Proteus 35,0 „ 58,0 „ Die Körperchen des Lurches Amphiuma sind noch gegen ein Drittel grösser als die des Proteus (Riddel). Unter den Vertebraten — hat Amphioxus farbloses Blut. Die grösseren Blutkörper vieler Amphibien sind mit blossem Auge sichtbar. In denen des Frosches ist ein Kernkörperchen nachweisbar (Auerbach, Ranvier). Es ist leicht erklärlich, dass je grösser die Blutzellen sind, um so geringer die Zahl und die gesammte Oberfläche derselben in einem Volumen Blnt sein muss. Nur bei den Vögeln ist trotz der bedeutenderen Grösse der Körper ihre Zahl doch relativ grösser, als in den anderen Classen der Vertebraten (Malassez). Es hängt dies jedenfalls damit zusammen, dass überhaupt bei ihnen der Stoifwechs 1 die grösste Energie besitzt Unter den Säugern haben die Carnivoren mehr Blutkörperchen als die Herbivoren. In 1 Cram. hat die Ziege 9,720-000, das Lama 13,900000, der Buchfink 8,600-000, die Eidechse 1,420 000 , der Frosie weissen Blutkörperchen. 31 Blutplasma reichlicher vorbanden und kann durch andere Drüsen abgeschieden weiden; doch kann es auch in diesen (Nierenrinde , Pankreas) zu einer Eisen- ablagcrung innerhalb der Drüs-enzellen und in den Gewebselementen anderer Organe kommen (Quincke). Nach reichlicher Blutvermehrung (bei Hunden) zeigen sich nach 4 Wochen die Leukocyten der Lebercapillaren enorm reich an eisenhaltigen Körnchen, ebenso die Zellen der Milz, des Knochenmarios, der Lymphdrüsen, ferner die Leberzellen und die Epithelien der Nierenrinde (Quincke). Die Eisenreaction iu den beiden letzten Orten findet sich auch nach Zufuhr von Haemoglobin, oder von Eisen- salzen in's Blut (Glaevecke, v. Stark). Innerhalb von Thromben oder auch in Blute xtrava säten, welche in das umgebende lebende Gewebe diffundiren , entsteht ebenfalls (neben dem Haematoidin (§.25), welches ausserhalb des Contactes mit den Geweben sieb bildet) Haematosiderin (E. Neumann). Wenn man bedenkt, dass nach wiederholten, grossen Blut- verlusten und nach der Menstruation das Blut innerhalb relativ kurzer Frist sich wieder ersetzt, so ist ein reges Bildungs- verfahren für die Entstehung der Blutkörperchen anzunehmen, lieber die Menge der täglich untergehenden Körperchen giebt einigermaassen die Menge des , aus dem Blutfarbstoff durch Umwandlung hervorgegangenen Gallen- und Harn-Farbstoffes einen Anhalt. (Vgl. §. 25 u. §. 23.) 15. Die weissen Blutkörperchen (Leukocyten), die Blut- plättchen UDd Elementarkörnchen. Das Blut enthält, wie manche andere Gewebe, eine An- zahl von aussen eingedrungener Zellen, die man in verschie- denen Formen antrifft und mit dem Namen „Leukocyten" Die farblosen oder „Lymphoidzellen" belegt hat. Ausser in der Blut- ksrperchen fiüssigkeit (Hewson, 177U) trifft man sie in der Lymphe, dem .inds^.mte adenoiden Gewebe, dem Knochenmarke und als Wanderzellen vmungs- innerhalb vieler Stellen der Bindesubstanzen, aber auch zwischen Drüsen- und Epithel-Zellen. So sind diese farblosen Blutkörperchen keineswegs Gebilde, die dem Blute als solchem allein zukommen. Alle zeichnen sich dadurch aus , dass sie aus kugeligen Klümpchen eines klebrigen, stark lichtbrechenden, weichen, be- wegimgsf ähigen , hüllenlosen Protoplasma's bestehen (Fig. (3). Ganz frisch (A) zeigen sie keine Kerne; letztere, in Zahl von 1 — 4, erscheinen erst nach Wasser- (B) oder Essigsäure-Zusatz, wodurch zugleich die Umgrenzung schärfer hervortritt. Wasser macht dazu den Inhalt körniger, trüber; Essigsäure (C) hellt ihn stark auf. Innerhalb der Kerne zeigen sich ein oder mehrere Kernkörperchen. Die Grösse der Zellen wechselt von 4 — 13 \j. im Durchmesser; bei den kleinsten ist die kernumhüllende Protoplasmaschicht äusserst dünn. Besonders zu betonen ist ihre Fähigkeit, amöboide Bewegungen auszuführen die namentlich bei den grossen sehr deutlich hervortritt, und von WJiarton Jones (1846) beim Rochen, von Davaine (1850) beim Menschen entdeckt wurde. Max Schnitze unterschied im menschlichen Blute 3 verschiedene Formen : 1. Die kleinsten, runden, kleiner als die rothen Körperchen, feinkörnig bis homogen , mit 1 — 2 Kernen und sehr geringer Protoplasmalage. Ihre Bewegungen. 32 Die weissen Blutkörperchen. [§• 15.] gleicher Grösse der rothen Körperchen, körnchenreichen Amöboidzellen mit reieh- Fig. 6. v, © w V 's 2. Runde, von 3. Die grossen, licherem Proto- plasma und beson- ders deutlicher Be- wegung. DieLeukocy- ten vermehren sich durch Theilung (Klein) , vornehm- lich in der Milz, den Lymphdrüsen und im Knochen- mark (J. Arnold). Die Zahl der Leukocy- t e n wechselt zu der der rothen Kör- perchen nicht un- erheblich : indem entleerten Blute ist sie erheblich ge- ringer, als in dem no ch krei- senden. Unmittel- bar nach der Ent- leerung gehen näm- lich massenhaft Leukocyten (zur Fibrinbildung, s. §. 34) zu Grunde (Alexander Schmidt, Landois). AI. Schmidt taxirt die Zahl der sich erhaltenden etwa nur auf '/io der Gesammtzahl im lebendig kreisenden Blute. Bei Kindern soll die Zahl der weissen Blutkörperchen grösser sein, als bei Erwachsenen (Bouchut 6° Dubrisay). Die folgenden Zahlen, die für das entleerte Blut gelten, haben daher nur eine sehr bedingte Richtigkeit. Leukocyten des Blutes oder weisse Blutkörperchen. A vom Menschen frisch ohne Zusatz ; — B dieselben nach Wasserznsatz mit scharfer Umgrenzung und hervor- tretenden Kernen ; — C dieselben nach Einwirkung von Essigsäure unter Aufhellung des Inhaltes und scharfer Markirung der Kerne ; — D die Amöboidzellen aus dem Froschblute verschiedene Stadien der amöboiden Bewe- gung zeigend; — E Fibrinfäden aus geronnenem Blute; — F Elementarkörnchen. Mertf/cn- beatimmung nach We Icke r. Zahl der Leukocyten im Verhältniss zu den rothen Blutkörperchen im normalen Zustande an verschiedenen Orten in verschiedenen Zuständen \ Vena lienalis 1 : 60 Arteria „ 1 : 2260 Vena hepatica 1 : 170 „ portarum 1 : 740 Ueberhaupt in den Venen zahlreicher, als in den Arterien. 1:335 Welcher Vena lienalis 1:60 Vermehrt durch 1:357 Moleschott Arteria „ 1:2260 Verdauung, Aderlässe, andauernde Eiterungen, Menstruation, Wochenbett. Agone, kräftigende Arzneien (Chinin, Bitterstoffe). Vermindert durch ; Hungerzustand, schlechte Ernährung. Welcher bestimmt in einer bequemen Weise das Mengenver- hältniss der rothen und weissen Blutkörperchen. Das durch den Schröpf- [§. 15.] Bewegungen der Leukocyten. 33 köpf entleerte Blut wird defibrinirt und durchgeseiht , dann in eine lange, 1 Cm. dicke Glasröhre gegossen. Nach Längerer Zeit bilden . sich durch .Senkung drei Schichten : — oben die klare Serumschicht, dann folgt die Schicht der weissen Zellen , dann die der rothen Körperchen. Die relative Dicke der letzten beiden Schichten giebt Anhalt über das Mengenverlniltniss von weissen und rothen Elementen. — Nach AI. Schmidt eignet sich zu gleichem Zwecke die Mischung des Blutes mit gleichem Volumen einer 28%. Lösung von schwefel- saurer Magnesia. Die Bewegungen der Leukocyten, — die man (weil Bewegungen sie den der Arno b e n vollkommen entsprechen) amöboide Leukocyten. genannt hat. bestehen darin, dass das Protoplasma in einer ab- wechselnden Contraction und Relaxation um den Kern begriffen ist. Sie giebt sich namentlich dadurch zu erkennen , dass von der Oberfläche Fortsätze ausgesendet und eingezogen werden (ähnlich den Pseudopodien der Amöben). Dabei hat das Proto- plasma einen inneren Fluss. Auch am Kerne beobachtet man Fig. 7. Leukocyten vom Menschen iu amöboider Bewegung begriffen, nach Michelson. Formveränderungen (Lazvdozvsky). Die Bewegung hat zweierlei Erscheinungen zur Folge : — 1 . Die W a n d e r u n g e n de r Zellen, indem sie sicli vermittelst des Ausstreckens und Ein- ziehens der klebrigen Fortsätze fortziehen, und — 2. die A u f- n ah nie kleiner Körnchen (Fett, Pigmente. Fremdkörperchen), die zuerst der Oberfläche ankleben und durch den inneren Fluss ins Innere gezogen (Preyer), eventuell später wieder aus- gestossen werden können (entsprechend der NahruEgsaufnahme der Amöben). Mets chnikoff betont die Thätigkeit der Leukocyten bei Rückbildungsprocessen, Phago indem die einzuschmelzenden Theile geradezu in Partikeln von ihnen aufgenommen, also gewissermaassen „gefressen" werden. Er nennt die so thiitigen Zellen dalier ,,F resszellen'" (Phagocy t e u). und er rindet z. B. in dem atrophirenden Schwänze der Batrachier solche Zellen, in deren Innern ganze Stücke von Nerven- rasern und Muskelprimitivbündebn enthalteu sind. (Vergl. auch die Resorption des La ndois, Physiologie. 7. Aufl. 3 34 Bewegungen der Leukocyten. — Die Blutplättchen. [§• 15-] Ausicande- rung der v>eissen Zellen aus den Gefässen. Die Blut- plättchen. Milchgebisses §. 159.) [So fand man auch zum Theil in das Blut eingedrungene Sehizomyceten (§. 186) oder Partikeln anderer Substanzen von Leukocyten auf- genommen.] — Chinin vernichtet die Beweglichkeit der Leukocyten (ßinz). Bei Warmblütern zeigen die Leukocyten auf warmem Objectträger lange Zeit ihre Bewegungen , bei 40° C. gegen 2 — 6 Stunden; 50° C. bedingt ein Starrwerden „Wärmestarre" und den Tod. Bei Kaltblütern (Frosch) sieht man sie aus einem kleinen coagulirten Bluttröpfchen (in der feuchten Kammer) herauskriechen und in dem ausgepressten Serum sich umher bewegen. 0 ist zur Bewegung nothwendig. Durch Inductions- schlage werden sie plötzlich durch Einziehung aller Fortsätze rund (wie gereizte Amöben). War der elektrische Schlag nicht zu stark, so beginnen sie nach einiger Zeit wieder ihre Be- wegungen. Starke und anhaltende Schläge tödten sie , machen sie ferner aufquellend und völlig zergehend. Die amöboiden Bewegungen bieten ein ganz besonderes Interesse durch die Auswanderungen der Leukocyten aus den Gefässen durch die Wandungen derselben hindurch. (Vgl. §. 100.) Der Chylus enthält Aviderstandsfähigere Leukocyten als das Blut , aber weniger resistente als die gerinnenden Transsudate (Heyl). Auch die Leukocyten der Lymphdrüsen sind der Auflösung fähig (Rauschenbach). Beachtenswerth ist das Verhalten der Leukocyten gegenüber den Farb- stoffen von saurer (Eosin, Pikrinsäure, Aurantia), basischer (Dahlia, essig- saures Rosanilin) oder neutraler (pikrinsaures Rosanilin) Reaction. Die kleinsten Protoplasmakörnchen der Zellen haben nämlich eine verschiedene Anziehungskraft (chemische Verwandtschaft) zu diesen Farbstoffen. So unterscheidet Ehr/ich eosinophile" Granula, — „basophile" (Mastzellen) und — „neutro- phile" innerhalb der Zellen. Eosinophile Granula finden sich in den Leukocyten, welche dem Knochenmarke entstammen (myelogene L.). Die kleinen Leukocyten (Grösse einer rothen Zelle oder etwas grösser) sind in den Lymphdrüsen gebildet (lyinphogene L.). Die grossen, mehrkernigen, bei Entzündungen auswandernden Amöboidzellen zeigen neutrophile Reaction. Ihre Herkunft ist unaufgeklärt, ebenso wie die der grossen einkernigen Zellen oder der grossen mit eingeschnürtem Kern (Ehrlich 6° Einhorn). In der Leukämie sind die eosinophilen Zellen be- trächtlich vermehrt (auch treten hier schon sehr frühzeitig „Mastzellen" auf). [Dünn aufgestrichenes Blut ist auf dem Objectglase zu trocknen , mit Eosin- Glycerin zu tingiren , dann mit Wasser schnell abzuspülen und wieder zu trocknen.] Die basophilen Granula findet man auch in Bindegewebszellen, besonders in der Nähe der Epithelien; sie nehmen überall dort sehr an Menge zu, wo locale Ernährungsstörungen, z. B. chronische Entzündungen, herrschen. Da solche Zustände stets mit einer nutritiven Steigerung der Zufuhr zelligen Materiales einhergehen, so nennt Ehrlich diese Zellen auch „Mastzellen" ; sie kommen im menschlichen Blute normal nicht vor. III. Besondere Aufmerksamkeit hat man neuerdings einem dritten Formbestandtheile des Blutes zugewandt, den „Blut- plättchen" Bizzozerds: blassen, farblosen, klebrigen, bicon- caven Scheibchen von wechselnder Grösse (im Mittel 3 [/.). Bei Gesunden fand Fnsari 1 80 — 250 Tausend in 1 Cmm. Man er- kennt sie bereits im circulirenden Blute (Mesenterium des Meer- schweinchens , Fledermausflügel) ; aus ganz frischem Blute schlagen sie sich massenhaft auf eingetauchten Fäden nieder (Bizzozero). Aus hervorquellendem Blute erhält man sie nach Vermischung mit 1%. Osmiumsäurelösung oder Hayems Flüssig- keit (pag. 23) (Laker). In Fig. 8 liegen sie (3) neben rothen [§■ 15.] Blutplättchen. Elementarkörnchen. Fibrinfäden. 35 Blutkörperchen (1 und 2) und um eine Leukocyte (4). Im ent- leerten Blute verändern sie sich jedoch sehr schnell zu mannig- fachen verschrumpften Formen (5), zerfallen in kleinere Partikel und lösen sich schliesslich auf. Wo sie gehäuft liegen , kleben sie leicht zu Haufen zusammen (7) und gehen in „stroma- fibrinähn liehe" Massen über (§.35), welche im geronnenen Blute mit Fibriirf äserchen vereint sein können (8 . 6). Bizzoaero glaubt, dass sie das Material für das Fibrin bei der Gerinnung liefern; Eberth und Schimmelbusch lassen die initiale weisse Thrombenbildung aus ihnen erfolgen. Nach Lö-mt bilden sie sich aus zerfallenen Leukocyten. und zwar erst in Folge einer Alteration des Blutes, nach Wooldridge sind sie Nieder- schläge aus dem Plasma. — Die Gebilde waren übrigens schon früheren Forschern (Max Schnitze , Riess u. A.) bekannt und sind verschiedenartig gedeutet und benannt worden. Bayern nannte sie Hämatoblasten, weil er sie irrthümlich für eine Vorstufe rother Blutkörperchen ansah. Bei Schwangeren fand Halla sie ver- mehrt, Afanassiew in Begenerationszuständen des Blutes, Fitsari bei fieberfreier Anämie ; im Fieber sind sie vermindert. Fig. 8. s o o 0 5 O £ „Blutplättchen" tmd ihre Derivate zum Theil nach niz-.o-.ero und Laker: — i rothes Blutkörperchen von der Fläche. — - ein solches von der Kante aus gesehen; — 3 die Blutplättchen unverändert. — ■* Eine Lymphoidzelle von Blutplättchen umgehen. — 5 Blutplättchen in verschiedener Gestaltveränderuug. — 6 Eine Lyniphoidzel'e nebst zwei Häufchen verklebter Blutplättchen und Fibrinfäden. — 7 Häufchen verklebter Plättcüen. — 8 Ein ähnliches kleineres Häufchen zum Theil aufgelöster Plättcheu mit ausgehenden Fibrinfäden. IV. Ausserdem kommt im Blute eine geringe Zahl kleiner m Die Kornchen vor, die ..Llementarkoriicnen (s. ±ig. b, J? ) : ?:srnden de, unregelmässige Stückchen von Protoplasma . losgelöst von der Oberfläche der Lymphoidzellen. oder aus dem Zerfalle derselben oder der Blutplättchen hervorgegangen. _ V. Im geronnenen Blute trifft man die zarten Fibrin- mr»*ßMm. fäden an [Fig. 6, E und 8, 8 . 6), spinnwebeartig zwischen den Körperchen ausgespannt. Nach Auflösung der letzteren werden sie isolirt. An einzelnen Stellen . namentlich wo viele Fädchen zusammentreten , erkennt man eine knoten artige, stärkere Anhäufung. 3* 36 Abnorme Veränderungen der rothen und weissen Blutkörperchen. [§. 16.] 16. Abnorme Veränderungen der rothen und weissen Blutkörperchen. Wirkung der 1. Alle Blutverluste vermindern zunächst die Zahl — (selbst Blutverluste, sogar mehr als die Hälfte) der rothen Blutkörperchen, also auch die Menstmatimi. Oligocythämie. Der Abgang wird zunächst durch Aufnahme wässeriger Bestandteile aus den Körpergeweben gedeckt Die Menstruation giebt uns den Fingerzeig, dass massige Verluste an rothen Blutkörperchen in 28 Tagen sich ersetzen müssen. Bei grösseren Blutverlusten, welche ein Sinken aller Bildungsprocesse hervorrufen, mag sich diese Zeit bis auf 5 Wochen erhöhen. — Bei acuten fieberhaften Krankheiten geht mit der Steigerung der Temperatur meist eine Abnahme der rothen, jedoch eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen einher (Riegel - (Durchschnittsgrösse = 6,0— 8 ;•>•). — „Z Wer gb lutkörp erchen" (6 {J- und darunter. Mikrocyt.en) sind als Jugendformen angesehen worden und bei fast allen Formen der Anämie reichlich zu treffen. — „Riesenblutkörperchen1' (Makrocyten, 10 ;-»- und darüber) sind constant bei pernieiöser Anämie, mitunter bei Leukämie, Chlorose und Lebercirrhose (Gram/. Form- 3. Abnormitäten in der Form — der rothen Blutkörperchen 'T^y"'76/'" ^iat man ^e°Larjhtet nach bedeutenden Verbrennungen: die Körperchen er- scheinen erheblich kleiner, und es ist daran zu denken, dass unter dem Einflüsse der Verbrennungshitze Tröpfchen von den Körperchen sich losgelöst haben, ähnlich wie man es im mikroskopischen Präparate unter Anwendung der Hitze (pag. ^ igen die rothen Blutkörperchen eine ganz abnorme ''";- Weichheit — so dass sie unter auffallenden Formveränderungen schon Bei geringen [§• 16. Chemische BestanJtheile der rothen Blutkörperchen. äusseren Ein Wirkungen auftreten. Ihre Substanz erscheint weich, schmierig, sie schrumpfen sehr leicht zu sonderbaren Formen zusammen. Im Innern der rothen Blutkörperchen von Vögeln, Fröschen, Schildkröten entwickeln sich mitunter niedere Thierchen in Form rundlicher Pseudo- vacuolen", aus denen später freie „Blntwürmchen" hervorgehen (Danilewsky). Auch bei der Malaria-Infection des Menschen beobachtete man protozoenartige Wesen innerhalb der rothen Blutkörperchen [Plasmodium malariae (Laveran, Marchiafava Sr Celli, Golgi, DanH'ewsky, Councilman ]. Die weissen Blutkörperchen — zeigen in der sogenannten Leukämie (Virchoiü) eine excessive Vermehrung, welche so weit gehen kann, dass mthe und weisse Körperchen in gleicher Zahl auftreten. Das Blut erhält hierdurch das Aussehen, als sei es mit Milch vermischt, indem an die Stelle der rothen zahl- reiche weisse Elemente getreten sind. Der Hauptbildungsherd der weissen Elemente scheint das Knochenmark zu sein (E. Neumann , weiterhin auch die Milz, oder die Lymphdrüsen (myelogene, lienale, lymphatische Leukämie). Blut- k'orpcrchen- Parasiten. J.: ukämie. 17. Chemische Bestandteile der rothen Blutkörperchen. Fi. <^r 1. Der Blutfarbstoff , — Hämoglobin (abgekürzt Hb), »«* Blutroth bedingt die rothe Farbe des Blutes ; er findet sieb ausserdem noch mmogiobm. in dem Muskelgewebe ('? Zaleski) und spurweise in der Blut- flüssigkeit (an letzterer Stelle wohl nur als Verunreinigung durch aufgelöste Zellen). Im Spectroskop zeigt er einen Absorptionsstreif im Grünen (Fig. 12, 4). Seine procen tische Zusammen- setzung ist für das Blut vom Schweine (und Rind eingeklam- mert) nach Hafner C 54,71 (54,66) — H 7.38 (7,25) — N 17,43 (17,70) — S 0,479 (0.447) — Fe 0.399 0.40 — 0 19.602 (19,543). Es kommen auf 1 Atom Eisen 2 Atome Schwefel (Hüfner.Zinoffsky) . Die rationelle F o r m e 1 ist unbe- kannt. Trotzdem es eine Colloid- substanz ist. krystallisirt es doch (Hünefeld 1840. Reichert) bei allen Vertebratenclassen. bei denen man es bis dahin darstellen konnte, im rhombische n Systeme , zu- meist in rhombischen Tafeln oder Prismen . beim Meerschweinchen in rhombischen Tetraedern (v. Lang) -? allein das Eichhörnchen weicht ab. indem dessen Krystalle li ex agonale Tafeln darstellen. Es ist anzunehmen, dass den verschiedenen Formen der Krystalle bei den Thieren*a&ch eine geringe chemische Abweichung in der Zusammensetzung ent- spreche. J)ie Krystalle scheiden sich bei sämmt liehen Wirbelthierclassen einfach aus beim langsamen Ver- dunsten des lackfarbig gemachten Blutes, jedoch mit verschiedener Leichtigkeit. Hämoglobin-Krystalle : — a i> aus Meusehenblut; — c von der Katze; — d vom Meerschweinchen ; — e vom Hamster; — /vom Eichhörnchen. Krystall- Rildang desselben. 38 Darstellung der Hämoglobin-Krystalle. [§. 17-] Sehr leicht krystallisirt der Blutfarbstoff von Menschen, Hund, Maus, Meerschweinchen, Batte, Hamster, Katze, Igel, Pferd, Kaninchen, Vögeln, Fischen ; schwer hingegen vom Schafe, Binde, Schweine ; gar nicht vom Frosche. Seiter, aber sicher, sieht man, dass der Blutfarbstoff eines einzigen Blutkörperchens mit Einschluss des Stromas einen kleinen Krystall bildet (Funke/ , wie ich es auch bei lange stehendem Kaninchenblute gesehen habe. Innerhalb der grösseren Blut- körperchen der Fische liegt der kleine Krystall mitunter innerhalb des Stromas neben dem Kerne ; auch hat man in dieser Vertebratenelasse mitunter farblose Krystalle beobachtet. Diciiroümus. j){e Hb-Krystalle sind doppelbrechend und p 1 e o c h r o- m a t i s c h : bei durchfallendem Lichte bläulichroth , bei auf- fallendem scharlachroth. Stets lösen sich die Krystalle (welche 3% his 9°/0 Krystallwasser besitzen und daher bei Abgabe desselben unter Verwitterung zertrümmert werden) in Wasser, leichter in dünnen Alkalien. Die Lösungen sind dichroitisch: bei auffallendem Lichte roth, bei durchfallendem grünlich. Un- löslich sind sie in Alkohol, Aether, Chloroform, Fetten. In Berührung mit protoplasmatischen Zellen (z. B. Leukocyten) wird das Hb in etwa 5 Tagen zerstört, sodann jedoch nach 12 Tagen wieder hergestellt (Aus;. Schwarte). In der Milz scheint eine Stätte der Hb-Bildung zu sein (v. Middendorjf). Leberzellen im Verein mit Glycogen zerstören das Hb für immer (Anthen). Durch den Krystallisationsprocess scheint der Blutfarbstoff selbst eine innere Veränderung zu erfahren. Vor der Krystallisation diffundirt er nicht als echte Colloidsubstanz, ferner zersetzt er stürmisch Wasserstoffsuperoxyd. Aus den Krystallen hingegen wieder aufgelöst, diffundirt er, wenngleich gering; femer zersetzt er das Wasserstoffsuperoxyd nicht und wird unter dessen Einwirkung selbst entfärbt. — Die Hb-Krystalle scheiden sich einer Säure ähnlich am positiven Pole ab. 18. Darstellung der Hämoglobin-Krys falle. Bereitung der Darstellung nach Rollett. — Defibrinirtes Blut in einem Platintiegel HK™°f°nin~ w^ durch Einsetzen des letzteren in eine Frostmisclmng durch und durch ge- frieren gelassen, dann allmählich aufgetkaut. Man giesst die lackfarbige Flüssig- keit in eine flache Schale, deren Boden nur l1/« Mm. hoch bedeckt wird, und lässt ganz langsam am kühlen Orte abdunsten. Je nach der Art des Blutes scheiden sich bald früher, bald später die Krystalle ab. Darstellung nach Hoppe-Seyler. — Defibrinirtes Blut wird mit 10 Volumina einer Kochsalzlösung (1 Vol. couc. Lösung auf 9 — 19 Vol. Wasser) A-ermiseht und absetzen gelassen. Nach 2 Tagen wird die helle , obenstellende Schicht abpipettirt , der dicke Blutkörperchen-Bodensatz wird mit etwas Wasser in einen Glaskolben gespült, und lange mit gleichem Volumen Aether geschüttelt, wodiirch die Blulkörperchen sich auflösen. Nach kurzem Stehen wird der oben sclnvirnmende Aether abgehoben, die Lackfarbe kalt filtrirt und mit */4 Volumen kalten (f)u) Alkohols versetzt; bei — 5 C. lässt man einige Tage stehen. Die nun reichlich gebildeten Krystalle können auf dem Filter gesammelt und zwischen Fliesspapier abgepresst werden. Durch ganz allmähliches Einwirken des Alkohols auf die Hb-Lösung (durch Eintreten desselben im Dialysator) erzielte ich Krystalle von einigen Mm. Länge. Darstellung nach Gscheidlen. — ■ Dieser Forscher erzielte die grösstcn Krystalle von mehreren Centimetern Länge dadurch, dass er defibrinirtes Blut, welches 24 Stunden an der Luft gestanden hatte, in kleinen Glasröhrchen ein- schmolz und mehrere Tage bei 37" C. aufbewahrte. Nunmehr auf einer Glasplatte ausgebreitel, lässt das Blut die Krystalle anschiessen. 19. Quantitative Bestini mung des Hämoglobins. Mengen- a) Aus d em E i s en geh al t d e ss e lb en. — Da in trockenem (1 00° C.) bestimmung jj], fj,42" „ Eisen dem Gewichte nach enthalten ist, so kann man also aus dun ffimorfobina Eisengehalt des Blutes den Hb-Gehalt berechnen. Bedeutet m die Gewichtsmenge [§• 19-] Quantitative Bestimmung des Hämoglobins. 39 des gefundenen metallischen Eisens in Procenten, so ist der Procentgehalt des 100 m Blutes an Hb = "7770 — Die Proeedur ist folgende: Ein bestimmtes Quantum Blut wird verascht, die Asche zur Bereitung von Eisenchlorid mit Chlorwasserstoffsäure erschöpft. Hierauf wird das Eisenchlorid in Eisenchlorür übergeführt und dieses mittelst einer Lösung von übermangansaurem Kali titrirt. _ b) Colorimetrisch. — Man bereitet sich eine wässerige verdünnte Lösung auskrvstallisirteinHb, deren Gehalt man somit genau kennt Mit dieser vergleicht man wässerige Verdünnungen des zu untersuchenden Blutes, indem man dem letzteren so lange Wasser zusetzt, bis die Farbe der Hb-Losung erreicht ist Die zu vergleichenden Proben befinden sich in gleichen, namentlich genau gleich dicken Gefässen (Haemat inome ter , §.267. §.Hoppi-Seyler). Zu klinischen Zwecken - wird v. Fleisch?* Hämometer em- pfohlen (Fig. 10). Dasselbe besteht aus einem (auf einem Objecttisch stehenden) Fig. io. v. FleiscM's Hämometer. in zwei Hälften geseilten Cvlinder. Beide Hälften werden mit Wasser gefallt, und darauf wird in der einen Hälfte eine bestimmte Menge Blut, welche in einem Mess röhr eben frisch aus einer Stichwunde aufgenommen ist. aufgelost. Mit dieser roth gefärbten Lösung vergleicht man die Farbe eines ^ unter dem reinen Wasser der anderen Hälfte (durch eine Schraube) vorbeigotiThrten rothen Rubinglaskeiles und sucht beide rotheu Farben gleich einzustellen. l>ie Be- leuchtung des Blutwassers und des Rubinkeiles geschieht von unten durch Lampenlicht. Der Glaskeil trägt Zahlen: ist die Gleichstellung gelungen, so zeigt die Zahl am Keile den Häinoglobing ehalt in Procenten des normalen Blutes an, z. B. 80 heisst : das untersuchte Blut enthalt 80 . Hb des normalen Blutes. 40 Anwendung des Spectralapparates. [§. 19-] c) Durch den Spectr alappara t. — Frey er fand, dass eine (1 Cm. dicke) Lösung von 0,8°/o -^ ^n Nasser ausser Roth und Gelb das erste Streifchen Grün im Spectralapparat erkennen lässt (s. Fig. 12, 1). Man nehme nun das zu untersuchende Blut (etwa 0,5 Cm.) und verdünne es so lange mit Wasser, bis ganz derselbe optische Effect im Spectralapparat sich zeigt. Ausser gleicher Dicke der Schichten der Flüssigkeit (= 1 Cm.) ist gleiche Spaltgrösse und gleicher Abstand des Gefässes vom Spalt des Spectroskopes, sowie gleich starke Licht- quelle (Stearinkerze) zu benutzen. Ist k der Procentgehalt an Hb, welcher das Grün durchlässt (0,8'J/„), b das zu untersuchende Blutvolumen (etwa 0,5 Cubikcm.), w das noth wendige Verdünnungswasser, so ist x (der Procentgehalt des zu unter- suchenden Blutes an Hb) _ k (w + b) b Sehr zweckmässig wird dem Blute eine Spur Aetzkali zugesetzt und das- selbe mit CO gesättigt. Schwan- Der Hb-Gehalt beträgt bei Männern 13,77%? hei Weibern Ät 12,59% (% G. Otto), bei Schwangeren 9—12% (Preyer). Nach Lcichtenstern ist das Hb im Bkite der Neugeborenen am reich- lichsten, aber nach 10 Wochen hört dies auf. Zwischen x/2 bis 5 Jahren ist es am spärlichsten im Blute, erreicht zwischen 21—45 Jahren das zweithöchste Maximum; dann sinkt es wieder. — Vom 10. Jahre an ist weibliches Blut ärmer. Nahrungs- aufnahme hat wegen der Verdünnung des Blutes vorübergehende Abnahme des Hb zur Folge. Unter den Thieren findet man Hb 9,7° ■'„ Hund, — 9,9°/„ Rind, — 10,3° o Schaf, — 12,7°/0 Schwein, — 13,1% Pferd, — 16% bis 17% Vögel (Müller). Pathologisches. — In der Reconvalescenz fieberhafter Krankheiten macht sich eine Verminderung bemerklich, ebenso bei Schwindsucht, Krebs, Magen- geschwür, Herzkrankheiten, chronischem Siechthum, Chlorose, Leukämie, pemiciöser Anämie und bei energischen Quecksilbercuren Syphilitischer. — Im Hunger ist Hb widerstandsfähiger, als die übrigen festen Bestandtheile des Blutes (Groll). 20. Anwendung des Spectralapparates. Einrichtung Ba das Spectroskop vielfach zur Untersuchung des Blutes (aber auch des Spectrai- anderer Substanzen des Körpers) angewandt wird, so soll hier eine kurze Be- apparatcs. schreibung desselben folgen (Fig. 11). — Dasselbe besteht: — 1. aus der Röhre A, welche an ihrem peripheren Ende einen Spalt (s) besitzt (der enger und weiter gemacht werden kann). Am anderen Ende ist eine Sammellinse C (Collimator genannt) so angebracht, dass der Spalt genau im Brennpunkt dieser Linse steht. Licht (von der Sonne oder Lampe), welches den Spalt erleuchtet, geht also genau parallel durch C gegen: — 2. das Prisma P, durch welches bekanntermaassen parallele Strahlen gebrochen und in die Regenbogenfarben r — v zerlegt werden. — !•). Ein astronomisches (bildumkehrendes) Fernrohr ist auf das Spectrum r—v gerichtet, und der Beobachter B sieht mit Hülfe des Fernrohres dasselbe H — 8 mal vergrössert. — 4 Ein drittes Rohr D enthält auf Glas eine zierliche Scala M, die, beleuchtet, ihr Bild auf die Prismafläche ab wirft, die es durch Reflexion in das Auge des Beobachters spiegelt. So sieht der Beobachter das Spectrum, und in oder über demselben die Scala. Zur Abhaltung äusseren, stö- renden Lichtes sind das Prisma und die inneren Enden der drei Röhren von einer geschwärzten Metallkapsel umgeben. (Vergl. auch die Abbildung im §. 267.) Ahsorptions- Absörptionsspectra. — Bringt man zwischen Spalt und Lichtquelle spectra. ein gefärbtes Medium mm, etwa Blutlösung, so lässt dieses nicht alle Strahlen des weissen Lichtes durch, vielmehr werden einige absorbirt: z.B. vom Blut- roth viele Strahlen gelben Lichtes. Daher erscheint dem Beobachter jener Theil des Spectrums dunkel, dessen Strahlen nicht durchgelassen werden. Wegen dieser Absorption nennt man diese Spectra Absörptionsspectra. [§.20. Anwendung des Spectralapparates. 41 Linien. Flamm enspectra. — Lässt man Aschenbestandtheile vor dem Spalte Fraun- in nicht leuchtender (Gas-) Flamme an der Spitze eines Platindrahtes ver- hoSfJ. brennen , so geben die in der Asche befindlichen Elemente in besonderer Farbe leuchtende Streifen, die eine bestimmte Lage inne haben. So giebt Natrium eine Fig. 11. K Schema des Spectialapparates zur Beobachtung der Absorptionsspectreu des Blutes. gelbe, Kalium eine rothe und eine violette Linie, welche man bei Verbrennung der Aschen fast aller Organe findet. Lässt man durch den Spalt allein das Sonnenlicht einfallen, so zeigt das Spectrum eine grosse Zahl von Linien (Fraunhofer* sdne Linien) in genau bestimmter Lage innerhalb der Farben, nach denen man sich im Spectrum rück- sichtlich der Oertlichkeit zu orientiren pflegt. Sie werden bezeichnet mit ABCD etc. abc etc. (s. Fig. 12). Sauerstoff- Verbindungen des Hämoglobins: — Oxyhämoglobin und Methämo globin. 1. Das Saue rstoff-Hb oder Ox^yhärooglobin (abgekürzt Das o-sumo- O-Hb), einer schwachen Säure ähnlich sich verhaltend. [S(>,7S glohin- bis 94,o0° o in trockenen rotten Körperchen vom Menschen (Jiidellj\ entsteht überall , wo Hb mit 0 oder atmosphärischer Luft in Berührung kommt, mit grösster Leichtigkeit. Es bindet ) Gr. Hb nach Bohr 1,56, nach Hiifner 1.50 Ccm. 0 bei 0° und 760 Mm. Hg-Druck. Das O-Hb ist etwas weniger leicht löslich als Hb ; das Spectroskop zeigt an demselben zwei dunkle Absorptionsstreifen im Gelb und Grün ( Hoppe- Seyler ) , deren Lage und Breite in 0,18°/o- tÄ^Äng dir Fig. 12 (2) angiebt. Es findet sich innerhalb der Blutkörperchen im kreisenden Blute der Arterien und Capülaren ( wie die spectroskopiscke Untersuchung des dünnen Kaninchenohres und der dünnen Hantschichten zwischen zwei aneinander gelegten Fingern zeigt 42 Blutspectra. Oxyliämoglobin. [§■20.] Eeduction (Vierordt). Das O-Hb ist eine sehr lockere chemische Verbindung; ja es giebt seinen 0 sogar schon durch solche Mittel ab , welche absorbirte Gase entbinden : durch Entgasen unter der Luftpumpe. Durchleiten anderer Gase (namentlich von CO) und Erhitzen bis zum Siede jmnkte. Auch im circulir enden Blute wird der 0 schnell an die Körpergewebe abgegeben, so Koth. Orange. Gelb. A a B C 4o 50 Fig. 12. Grün. Cyanblan E b F 70 80 00 100 110 M I I I I I II I II ' ' I II I M "1 I II 'I 1 I I ll 11 ' ' | Oxy = Hämoglobin 0,8% Oxy = Hämoglobin 0,18% Kohlenoxyd- Hämoglobin. Gasfreies oder redueirt« s Hämoglobin. Methämoglobin, — auch Häma- tin in saurer Lösung. Hämatin in alkalischer Lösung. Hämochro- mogen iu alkal. Lösung, auch reducirtes um nun iimiii|ii i iiiiiiiinjiniiii |i 1 1 ii i ;!,],,. ,! Hämatin. 4o 5o 60 70 80 C)o 100 A a B C D Et) F Die verschiedenen Absorptionsspectra des Blutfarbstoffes. — In allen Spectren sind die Fraunhofer' sehen Linien und ein Maassstab (Scala) nach mm. eingezeichnet. Beducirtes' Hämoglobin. dass bei durch Erstickung getödteten Thieren nur einfaches (reducirtes) Hb in den Adern angetroffen wird. Auch Bestandtkeile des Serums und Zucker nehmen den O fort. Durch Hinzufügen von r e d u c i r e 11 d e n S u b s t a 11 z e n zu einer O-Hb- Lösung (z. B. Ammoniumsulphid) verschwinden die beiden Streifen des O-Hb, es entsteht reducirtes Hb (gasfreies) (Fig. 12,4), kenntlich aiiEinem breiten, verwaschenen Absorptions- streifen (Stokes , lsG4!. Schütteln mit Luft ruft jedoch sofort [§. 20.] Methämoglobin. CO-Hämoglobin. 4H wieder zwei Streifen durch die Bildung von O-Hb hervor. Lösungen des O-Hb unterscheiden sich leicht durch ihre Scharlach- farbe von dem mehr weinviolettrothen Tone des reducirten. An der dem Roth zugewandten Seite des Absorptionsstreifens liegt noch ein sehr schwacher und schwer erkennbarer schmaler zweiter Streif (Hermann). Umschnürt man die Basis zweier Finger bis zur Circulationsunl erbrechung. so sieht man bei der spectroskopischen Untersuchung der rothen Hautsäume, mit welchen sich beide berühren, dass das O-Hb alsbald in reducirtes Hb übergeht (Vierordt). Einwirkung der Kälte verzögert diese Eeduction (Filehne) • im Jugend- alter, während der Muskelthätigkeit oder bei unterdrückter Athmung, meist auch im Fieber ist sie beschleunigt (Dennig). Die spectroskopische Untersuchung kleiner Blutflecken, etwa zu forensischen Spectrosko- Zwecken, kann von grösster Wichtigkeit sein. Es genügt oft ein minimales p,scJ^ch^e Fleckchen. Mit 1 oder 2 Tropfen destillirten Wassers gelöst, lässt es sich in kleinster Blut- einem dünnen Glasröhrchen der Länge nach vor den engen Spalt des Spectro- tpwren skopes bringen : es erscheinen die beiden Streifen des O-Hb (Leube). ^"zwechet^ Unter Alkohol aufbewahrt, geht O-Hb in eine in "Wasser unlösliche, im Uebrigen aber gleiche Modification über: das „Para-Hb" (Nencki ä? Sieber). 2. Eine zweite O-haltige , chemisch-festere, krystallisirbare Ver- bindung ist das M eth am o g lobin (Hoppe-Seyler). Es enthält gleiche v™ Mtt- ° ° i • -l i • i ii himoglob>n. Mengen 0 wie das O-Hb, jedoch in anderer chemischer Anlagerung (Külz , Hilfner , jF. G. Otto). Es zeigt vier Absorptionsstreifen (Fig. 12, o), im Ganzen ähnlich dem Hämatin in saurer Lösung, von denen nur der zwischen C und D liegende scharf hervortritt: [der 2. ist zum Verschwinden schwach, der 'S. und 4. verschwimmen leicht ineinander; es lassen sich daher diese nur in ganz klaren Lösungen und mit Hülfe vorzüglicher Instrumente erkennen]. Methämoglobin bildet sich zum Theil im Körper spontan, z B. im Mutigen Harne (§. V(j7. 6. b), in sitnguinolentem Cysteninhält, in alten Extra- vasaten, in aufgetrockneten Blutborken. — Chemisch erzeugt man es in Hh-Lösungen durch Einwirkung von rothem Blutlaugensalz fjäderholm , oder chlorsaurem Kali fMarchand), — in nicht lackfarbenem Blute durch Alloxanthin KowaleivskyJ . Auch durch geringe Säuremengen oder durch Erhitzen mit etwas Alkali tritt es auf. — Zur Krysta llbereitung schüttelt man defibrinirtes Blut mit etwas Amylnitrit und lässt die mahagonibraune, lackfarbige Flüssigkeit langsam abdunsten (Halliburton). Eine Spur von Ammoniak zu einer Methämoglobinlösung hinzugefügt, erzeugt alkalische Methämoglobinlösung, welche zwei Streifen zeigt, ähnlich dem O-Hb, von denen jedoch der vordere der breitere ist und sich mehr nach dem Roth ausdehnt. — Setzt man zu den Lösungen des Methämoglobins reducirende Schwefelammonlösung, so bildet sich reducirtes Hb (Marchand, Hoppe-Seyler). 21. Das KoMenoxyd-Hämoglobin und die Kohlenoxyd- Vergiftung. :•>. Das C ( >-Hb ist eine festere chemische Vorbindung, Das co- als die vorige und entsteht sofort, wenn CO in Contact mit Hb oder O-Hb gebracht wird {Cl. Bernard, 1857), Es ist kirsoh- roth. nicht dichroitisch und zeigt im Spectrxtm zwei Absorptions- st reifen, die denen des O-Hb sehr ähnlich sind, nur etvWk.1 näher aneinander und zum Violett hin liegen (s. Fig. 12, .">>. Leicht erkennt man es jedoch dadurch, dass reducirende Sub- stanzen (welche auf das O-Hb einwirken), diese Streifen nicht auslöschen, d. h. das CO-Hb nicht in reducirtes ver- Es ist nicht wandeln (Hoppe-Seyler). — Ein ferneres gutes Erkennuhgs- 44 CO-Hämoglobin und CO-Vergiftung. [§. 21.] Hoppe- mittel (gegenüber dem O-Hb) bestellt in der Natronprobe. Natronprobe Eine 10%. Aetznatronlösung zn CO-Hb hinzugesetzt und erwärmt ffimogubin. erzeugt eine zinnoberrothe Färbung; — dieselbe Lauge zu O-Hb gefügt, erzeugt eine schwarzbraune, grünliche, schmierige Masse (Hoppe- Seyler). Die spectral-analy tische Untersuchung und die Xatronprobe lassen etwa noch a/l0 CO-Hb mit 7/10 O-Hb vermischt erkennen. Andere CO-Hb-Reactioneil : — Modificirte Natronprobe : man verdünnt das Blut }■:■■,! -tionen. 20fach und setzt im Reagensglase die gleiche Menge Natronlauge von 1,3-1 spee. Gew. hinzu (Salkoivski). — GO-Blut bleibt nach Znsatz von Schwefelamtiion (2 Gr. Schwefel werden zu 100 Gr. gelben Schwefelammon zugesetzt) und 30°/0- Essigsäure schön roth, normales Blut wird grüngrau nussfarbig (Kuniyosi-Katayama), — Unterschiede zeigen auch folgende Reactionen zwischen normalem Blut und CO-Blut (in beiden 1 Theil Blut auf 10 Theile Wasser) : Zusatz von Salpetersaure ; — 3%. Tanninlösung bis zur Fällung ; — Zinkchlorid oder Sublimat t1//, 0. Lösung) (Kunkel). Verhalten Oxydirende Substanzen [Lösungen von übermangansaurem Kalium uxyäirenäe (0,025%), chlorsaurem Kalium (5°/0) und verdünntes Chlorwasser] Substanzen. }assen CO-Hb-Lösungen kirschroth, während dieselben O-Hb blassgelb machen. Beide Hämoglobine nehmen unter dieser Behandlung die Streifen des Methämoglobins auf (das CO-Hb erheblich später). Nach- träglicher Zusatz von Schwefelammonium wandelt die so veränderten Hämoglobine wieder in O-Hb und in CO-Hb zurück (Th. Weyl & v. Anrep), Wegen seiner grösseren Beständigkeit widersteht das CO-Hb der Fäulniss, sowie auch der Einwirkung von Schweielwasserstoff (E. Salko-wskyl. In dem Blute einer an CO-Vergiftung gestorbenen Frau , welches wegen der Fäulniss der Ei- weisskörper stark stank, jedoch seine kirschrothe Farbe noch bewahrt hatte, konnte ich durch das Spectroskop und die Natronprobe noch ganz bestimmt CO-Hb er- kennen nach Verlauf von 18 Monaten (Aehnlicb.es beobachtete Hofpe-Styler). Aufnahme Wird CO von Menschen oder Thieren eingeathmet . so des co durch verdrängt allmählich 1 Volumen desselben stets 1 Volumen 0 die Athmung. ^ dem Hb (iot]lt Meyer) , und es erfolgt schliesslich der Tod ; 1000 Ccm. CO tödten den Menschen, wenn es auf einmal ge- athmet wird. Es genügen aber bereits sehr kleine Mengen CO (V4000 — Vi noo) in der Luft, um in kurzer Zeit verhältnissmässig grosse Mengen CO-Hb zu bilden (Grehant). Da durch anhaltende Behandlung (Durchleiten) des CO-Hb mit anderen Oasen (nament- lich auch mit 0) allmählich das CO wieder vom Hb getrennt werden kann [unter Neubildung von O-Hb (Donders, Zimte, Podolinski)\ so gelangt auch im Körper durch den Athmungs- process der grösste Theil CO zur Ausscheidung. Dass jedoch ein geringer Theil innerhalb des Stoffwechsels zu C02 höher oxydirt und als solche ausgeschieden werde, ist nicht anzunehmen (Grehant, Gaglio). Die Kohlenoxydvei giftung — CO entsieht bei unvollständiger Verbrennung des Kohlenstoffes ; daher tritt es in die Zimmerluft über bei zu frühem Ver- schliessen der Ofenklappen. Auch im Brenngase kommen 12 — 28^ln CO vor. /eichen, Ver- "Wird durch Athmung CO-haltiger Luft mehr und mehr der 0 aus dem " "ud Aus- Blute verdrängt, so kann natürlich das Leben nur so lange bestehen, als noch gt eine noch stärkere chemische Verbindung als das CO-Hb; es zeichnet sich durch mehr bläulich-violetten Ton ans und giebt im Spectrum gleich- falls zwei Absorptionsstreifen, ziemlich ähnlich den der beiden anderen Gas Verbindungen, aber weniger intensiv. Redncirende Mittel löschen diese Streifen gleichfalls nicht aus. Da das NO-Hb niemals im Körper entstehen ^a^n, so ist es ohne praktische Bedentang. Die drei besprochenen Verbindungen des Hb mit 0, CO und >»<> krystallisiren wie das gasrreie Hb. sie sind isomorph, ihre Lösungen sind nicht dichroitisch. Alle drei Gase verbinden sich in gleichen Mengen mit dem Hb (Preyer, L. Hermann). Lässt man durch concentrirte Lösungen 46 Zerlegung des Hämoglobins. Hämatin. [§. 23] von gasfreiem Hb 0 hindurchleiten, so bildet sich leiclit ein Krystallbrei von O-Hb. Acety?en-und 5. Auch Cyanwasserstoff CNH — (Hoppe-Seyler) imd Acetylen Cijanwasser- q^ jj^ — (Bistrow , Liebreich) bilden leiclit zersetzliche Verbindungen mit Hb ; St%obin°~ ersteres entsteht bei der Blausäurevergiftung, hat zwei, etwas mehr zum Violetten hin liegende Streifen als das O-Hb, welche durch reducirende Substanzen [nur langsam (Belky)] verlöschen. Dieses Blausäure-Hb scheint als Blausäure + O-Hb zu bestehen. Es giebt ausserdem noch eine Verbindung von CNH mit O-freigm Hb. (Vergl. §. 140 und §. 245). 23. Zerlegung des Hämoglobins. Sowohl in der Lösung, als auch trocken aufbewahrt geht Hb allmählich leicht in Zersetzung über, wobei sich der eisenhaltige Farbstoff (das Hämatin) trennt neben auftretender Ameisen- und Butter- Säure. Zerlegung des Das Hb kann aber momentan zerlegt werden: — 1. in 5*ffiöta das eisenhaltige gefärbte Hämatin und 2. in einen, undgioiuun- ^em Globulin sehr nahestehenden , farblosen Eiweisskörper : ewmss- — a) durch Zusatz aller Säuren, selbst der schwachen C0.2 Substanz. ^ Q-egenwart von viel Wasser; — b) durch starke Alkalien, — c) durch alle das Eiweiss coagulirenden Agentien, auch durch Hitze bei 70-80° C. — d) durch Ozon. Humatin. A) Das Hämatin , C32 H32 N; Fe 04 (Nencki & Sieber), beträgt etwa 4°/0 des (Hunde-) Hämoglobins. Es ist unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether — löslich in verdünnten Alkalien und angesäuertem Aether und Alkohol. Bei der Zersetzung des O-h alt igen Hb entsteht sofort Hämatin, wobei 0 gebunden wird. Dahingegen liefert das O-freie Hb bei jener Spaltung zuerst eine O-ärmere Vorstufe des Hämatins, nämlich das purpurrothe Hä mo ehr o mögen [Cäi H:36 N. Fe OJ, letzteres geht jedoch bei Anwesenheit von 0 unter Aufnahme desselben in Hämatin über. Das Hämatin ist also eine Oxydationsstufe des Hämochromogens. Hämochromogen löst sich (bei O-Abschluss) kirschroth in dünnen Alkalien und zeigt zwei Absorptionsstreifen : einen zwischen D und E , den anderen auf der Linie E [Fig. 12, 7] (Hoppe-Seyler). Verdünnte Säuren in alkoholischer Lösung entziehen dem Hämo- chromogen das Eisen, und es entsteht nun das luftbeständige Hämato- porphyrin, — [C1C Hl8 N2 03, isomer mit Bilirubin, §. 25. Nencki & Sieber] — welches durch Säuren auch aus Hämatin dargestellt werden kann (Hoppe-Seyler). Von den Lösungsverhältnissen des Hämatins ist Folgendes be- kannt geworden: Hämatin in «■) Hämatin in säur er Lö sun g. — Lecanu zog es zuerst aus trockenen saurer Blutkörperchen mit schwefelsaure- und weinsäurehaltigem Alkohol aus. Versetzt lösung. man ^J," j^tfarbstofflösung mit etwas Essigsäure, so bildet sich ein mahagoni- braunes Eluidum, indem „Hämatin in saurer Lösung" entsteht, kenntlich durch vier Absorptionsstreifen in Gelb und Grün (Fig. 12, 5). Hwnatin in ß) Uebersättigt man diese Lösung mit Ammoniak, so bildet sich „Hämatin alkalischer jn alkalischer Lösung1', einen Absorptionsstreif an der Grenze von Roth Losung. ^ ^^ bewirkend (Fig_ 12_ ß). Reducirtes y) Ein Zusatz reducirender Agentien bringt diesen Streif zum Verlöschen Humatin, und ruft zwei breite Streifen im Gelben hervor, herrührend von dem somit [§.24.] Das Hämin. Erkennung des Blutes durch die Häminprobe. 47 entstandenen .,red ucirte n Häm at in" (Fi ^ I * L' 4 **^~ < v ' v ,^ Häminkrystalle : J vom Menschen. — 2 Seehunb — Häminkrystalle, dargestellt •J Kalb, — 4 Schwein . — 6 Lamm, — 6 Hecht. — axis* Blutspuren. 7 Kaninchen. Die Häminkrystalle erseheinen als kleine rhombische müu Täfelchen. Bälkchen oder Stäbchen, gehören jedoch wahrscheinlich Z^iinmiT-1 dem monoklinischen Systeme an. Nicht selten haben sie krys'a!lc- die Form von Hanfkörnern, Weberschiffchen oder von Paragraph- zeichen. Mitunter liegen einige gekreuzt oder in Bü-^luln. In der Kry stallform sind die Häminkrystalle aller untersuchten Blutarten übereinstimmend (JaJinkc, Fr. Högyes). — Sie sind doppelbrechend: unter dem Polarisationsmikroskope gelb glänzend . von der dunklen Umgebung sich abhebend (F. Falk, Moraclie) mit starker Absorption des Lichtes parallel der Längs- richtung des Kry stalles. Sie sind pleo chromatisch; bei auf- 48 Häminprobe. [§. 24.] fallendem Lichte sind sie blauschwarz (wie angelaufener Stahl glänzend), bei durchfallendem mahagonibraun. Darstellung ]_. Darstellung- aus trockenen Blutflecken. — Man der Kri/stalle . . „ !r a«* trockenen bringt einige Partikel der trockenen Masse auf einen Objectträger, t lecken. ge^ o — 3 Tropfen Eisessig und ein kleinstes Körnchen Kochsalz zu und erwärmt nach Auflage des Deckgläschens vorsichtig hoch über einer Spiritusflamme so lange, bis sich einige kleine Bläschen bilden. Hierauf erkaltet, zeigt das Präparat die Krystalle (Fig. 14). Darstellung 2. Darstellung aus Flecken auf porösen Körpern, von denen aus imbib.r- ^eT Farkstoff sich nicht abschaben lässt. Das behaftete Stück (Zeua;, Holz) wird t€11fl i'>'UtfClTu- sfoffm zuerst mit verdünnter Kalilösung extrahirt, dann noch mit Wasser. Zu beiden filtrirten Lösungen setzt man Tanninlösung und schliesslich Essigsäure bis zur sauren Eeaction. Der entstehende dunkle Niederschlag wird auf dem Filter gewaschen, dann einer Probe desselben auf einem Objectträger 1 Körnchen Koch- salz zugesetzt und getrocknet ; endlich wird das trockene Object behandelt wie 1. (S'ruwe). Darstellung 3. Darstellung ans flüssigem Blute. — Stets soll das Blut vorher aus gelöstem ]ailgpam un(j vorsichtig getrocknet werden; hierauf Verfahren wie bei 1. Farbstoff. e ° ° ' 4. Darstellung aus sehr verdünnten blutfarbstoffhalt igen Lösungen. — Man setzt der Flüssigkeit zu : Ammoniak, dann Gerbsäure, dann Essigsäure bis zur sauren Eeaction. Es bildet sich schnell ein schwärzlicher Niederschlag von gerbsaurem Hämatin. Dieser Avird auf dem Filter mit destillirtem Wasser gewaschen, dann getrocknet und behandelt wie bei 1., nur statt Koch- salz wird ein Körnchen Salmiak zugesetzt (SirwweJ. Nicht selten lassen sich noch Häminkrystalle darstellen aus völlig gefaultem und lackfarbigem Blute, welche aber oft nur sehr klein aus- fallen; oft versagt hier aber die Probe. Mit Eisenrost (etwa auf Waffen) eingetrocknet, giebt Blut meist nicht mehr die Eeaction. In solchen H. Rose's x^ällen schabt man nach Heinrich Rose die Masse ab und kocht sie mit lilutprooe. verdünnter Aetzkalilösung. War Blut beigemischt, so bildet das gelöste Hämatin ein Fluidum, das in dünnen Schichten gallengrün, in dicken hingegen roth aussieht. Die Häminkrystalle sind aus allen Wirbelthierclassen dargestellt, ebenso aus dem Blut des Regenwurmes. Von manchen Blutarten (Bind, Schwein) bilden sich mitunter nur ganz unregelmässige, kaum als kiwstallinisck erkennbare Massen. Chemische gie sind unlöslich im Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform. Concentrirte dts^HäminT Schwefelsäure löst sie unter Austreibung der Chlorwasserstoffsäure in violett- ' rother Farbe. Unter den Alkalien löst Ammoniak sie auf. Wird diese letztere Lösung verdunstet, dann auf 13Uft C. erwärmt, dann mit kochendem Wasser be- handelt, welches das gebildete Chlorammonium auszieht, so entsteht Hä,mato- porphyrin (Hoppe-Seylerj (§. 23), identisch mit Mulders „eisenf reiem Hämatin" und mit dem Hämatoin von Frey er. Dies ist ein blauschwarzes, heim Reiben braunes, amorphes Pulver. Seine Lösungen in kaustischen Alkalien sind dichroitisch : bei aurtällendem Lichte braunroth, bei durchfallendem in dicker Schicht granatroth , in dünner olivengrün. Die sauren Lösungen sind mono- chromatisch, braun. Zur Darstellung im Grossen — empfiehlt sich, trockenes Pferdeblut mit ltyTJyülen Ameisensäure bis zur Blasenbildung zu erhitzen. Werden die Häminkrystalle in Methylalkohol suspendirt, so lösen sie sieh nach Zusatz von Jod und Erwärmen purpurfarben, nach Zusatz von Brom braun, nach Einleiten von Chlorgas grün; allen diesen kommt ein charakteristisches Verhalten im Spectroskope zu (Axenfeld). Der Eisessig ist ersetzbar durch alkoholische Lösung von Oxal- oder Wein- steinsäure (Teichmaim) , das Kochsalz auch durch Jod- oder Bromsalze ; im letzteren Falle bildet sich das ähnliche Brom- oder Jod-Hämatin (Bikjalvi). [§. 25.] Sonstige Bestandteile der rothen Blutkörperchen. 49 25. Das Hämatoidin. Ein bemerkenswerther Abkömmling des Blutfarbstoffes ist „„ Das. ,. . -t • stt i rr\' ■ Recklinghausen, Landois). Ueber das Auftreten im Harn beim Icterus siehe §. 182 ; — im Sputum siehe §. 143. 26. B) Der farblose Eiweisskörper des Hämoglobins stellt dem Globulin sehr nahe. Das Globulin wird durch alle Säuren, selbst die schwache C02 gefällt und dann mittels durch- geleiteten 0 wieder aufgelöst. Der Eiweisskörper des Hb löst sich jedoch nicht nach seiner Füllung durch 0 wieder auf. Da man die Hb-Krystalle unter besondeien Bedingungen entfärben kann, so ist es das Wahrscheinlichste , dass die Hb-Krystalle ihre Form dem Eiweiss- körper verdanken. Als ich Hb-Krystalle mit Alkohol in einen Dialysator brachte, den ich mit durch Schwefelsäure gesäuertem Aether umgab, konnte ich die Krystalle entfärben. 27. II. Dem Stroma angehörende Eiweisskörper, 5,10 — 12,24° 0 in trockenen rothen Körperchen des Menschen (Jüdell), darunter Globulin, ein mit einem Nuclei'n-artigen Stoife verbundener Eiweisskörper (Wooldridge), Spuren ^ki sta- tischen Fermentes (v. Wittich). Mitunter beobachtet man. dass das Stroma, zu Haufen verklebt, eine dem Faserstoff ähn- liche Masse bildet (§. 35) (Landois). In den Kernen der kernhaltigen rothen Blutzellen fand L. Brunton einen mucinhaltigen Körper und Miescher das Nuclein (§.252. 3). Landois, Physiologie. 7. Auti. 4 50 Bestandteile der Leukocyten. Plasma und Serum. [§. 28.] 28. Die übrigen Bestandteile der rothen Blutkörperchen. III. Lecithin 0.35 — 0,72% in trockenen Blutkörperchen (§. 253. 2) (Jüdell). Cholesterin 0,25% (§-253. a) — [keine Fette]. Man erhält beide Körper, indem man entweder grössere Mengen Stroma oder isolirte Blutkörperchen mit A et her schüttelt. Lässt man den Aether ver- dunsten, so erkennt man die charakteristischen, knolligen „Myelinformen" des Lecithins und Cholesterin-Krystalle (§. 323). Aus dem P-Gehalte des Aether- auszuges lässt sich auch der Gehalt desselben an Lecithin bestimmen. IV. Wasser 681,63 pro Mille (Carl Schmidt). V. Salze 7,28 pro Mille (Carl Schmidt), namentlich Kali- und Phosphorsäure -Verbindungen ; die Phosphorsäure nur aus verbranntem Lecithin herrührend. Die Schwefelsäure entstammt grösstenteils dem, bei der Analyse verbrannten Hb. Blutanalyse: — 1000 Gewichtstheile Pferdeblut enthalten: 344,18 Blutkörperchen (mit etwa 128 festen Stoffen), 655,82 Plasma (mit etwa 10°/0 festen Stoffen) (Hoppe-Seyler & Sacharjin). 1000 Gewichtstheile feuchter Blutkörperchen enthalten: Feste Stoffe 367,9 (Schwein), 400,1 (Rind) Wasser . . 632,1 „ 599,9 „ Unter den festen Stoffen sind: Hämoglobin 261 (Schwein), 280,5 (Rind) Albumin 86,1 „ 107 „ Lecithin , Cholesterin und andere organische Stoffe 12,0 „ 7,5 „ Anorganische Stoffe 8,9 „ 4,8 „ darunter Kali 5,543 „ 0,747 „ Magnesia 0,158 „ 0,017 „ Chlor 1,504 „ 1,635 „ Phosphorsäure . . 2.067 „ 0.703 „ Natron 0 „ 2,093 „ (Bunge). 29. Chemische Bestandteile der Leukocyten. Chemie der Auf die chemischen Bestände der Leukocyten hat man '^"c^w". "namentlich aus Untersuchungen der identischen Eiterzellen geschlossen. Sie enthalten verschiedene Eiweisskörper: Albumin, Alkalialb uminat, ein bei 48° gerinnendes, ein myosin- ähnliches Albuminat, Nucleoalbumin , Globuline (Halliburton), Pepton und Gerinnungsferment, ferner das Nu dein der Kerne (Miescher) (§. 252. 2) , Grlycogen (§. 254) (Salomon) , Lecithin, Cerebrin, Cholesterin, Fett. In 100 Gewichtstheilen trockenen Eiters finden sich: 0,416 phosphorsaure Erden, — 0,143 Kochaalz, — 0,606 phosphorsaures Natron, — 0,^01 Kali. 30. Das Blut-Plasma und sein Verhältniss zum Serum. l)ie noch unveränderte Flüssigkeit des Blutes, in welcher die morjmologischen Elemente desselben schwimmen, heisst „Plasma". In dieser Flüssigkeit kommt es jedoch nach ihrer Da mut- Entfernung aus den Blutgefässen meist schon nach kurzer Frist zur Ausscheidung einer festen, faserigen Substanz, des „Faser- stoffes". Ist diese Abscheidung geschehen, so wird die nun [§. 30.] Das Blut-Plasma. Der Faserstoff. 51 übrig bleibende . spontan nicht mehr gerinnende Flüssigkeit (d. h. also Plasma minus dem Faserstoff; „Serum" genannt. Dtu 8erum- Das Plasma ist ein klares , durchscheinendes , nur etwas dickflüssigeres Flui dum , welches bei den meisten Thieren (Kaninchen . Rind . Katze , Hund) fast farblos , beim Menschen gelblich, beim Pferd citronengelb ist. Darstellung des Plasma's. A) Ohne Vermischung. — Die Eigenschaft des Plasma's, üourwng aea dass es auf 0° abgekühlt, längere Zeit hindurch ausserhalb des Körpers durch mite. nicht gerinnt, benutzte Brücke , um das Plasma in folgender Weise darzustellen. Das aus der Ader strömende Blut (namentlich des Pferdes, welches sich ganz besonders wegen der langsamen Gerinnung und schnellen Senkung der Blutkörperchen zur Plasma-Darstellung eignet) wird in einem engen, in Kältemischung stehenden, auf 0° abgekühlten Cylinder aufgefangen. In dem flüssigbleibenden Blute senken sich innerhalb einiger Stunden die rothen Körperchen , und das Plasma bildet oben eine , mit der (abgekühlten) Pipette abhebbare , klare Schicht. Wird diese Flüssigkeit schliesslich noch (auf eiskaltem Trichter) filtrirt. so ist das Plasma auch von allen Leukocyten befreit. Die Menge — des so separirten Plasma's kann man in einem Quantitative graduirten Cylinder ablesen ('allein offenbar nur unvollkommen, weil des Plasmas. zwischen den abgesetzten Körperchen noch Plasma vorhanden ist . Erwärmt geht das Plasma (durch Bildung des Faserstoffes) in eine zitternde Gallerte über; schlägt man es jedoch mit einem Stabe bei gleichzeitiger Erwärmung, so erhält man den Faserstoff als fadenreiche Masse isolirt. Bestimmt man die . durch Schlagen isolirte Menge des Fibrins in einem abgemessenen Volumen Plasma (schwankend von 0,7 — 1.0",). und ebenso in einer zweiten Probe die Menge Fibrin in einem abgemessenen Volumen Blute s, so liefern die beiden Bestimmungen Anhalt zur Berechnung der Plasma- menge des Blutes (Hoppe-StylerJ . B) Mit Vermischung. — Wird das aus der Ader strömende JMvrung des Blut im graduirten Cylinder unter Umrühren mit 1 - Vol. concentrirter durch Suis- Lösung v.m X a t r i u insu 1 p h a t (Hewson) — [oder mit 25%. *"*«»■ Lösung von Ma gnesiumsulphat (1 Volum auf 4 Vol. Blut: Setnmer) , — oder 1 Vol. Blut mit 2 Vol. einer 4° 0. Lösung von Monokaliumphosphat (Jfasw)] vermischt, so senken sich am kühlen Orte die Zellen, während das mit den Salzen vermischte, klar oben stellende Plasma abpipettirt wird. Wird letzterem der Salzgehalt (durch den Dialysator) entzogen, so tritt Gerinnung ein: dasselbe bewirkt schon eine Verdünnung mit Wasser [Jolianiics Müller). 31. Der Faserstoff (das Fibrin) v. und seine allgemeinen Eigenschaften. Die Gerinnung. Der Faserstoff ist diejenige Substanz, welche sowohl D%fuaT. in dem entleerten Blute, als auch in dem Plasma ebenso in der Lymphe) durch Festwerden die Gerinnung hervorruft. J',,',,';,"'^. Werden die beiden genannten Flüssigkeiten, ruhig hingestellt, 52 Der Faserstoff (das Fibrin). [§. 31.] sich selbst überlassen , so bildet der Faserston0 sich aus zahl- losen, mikroskopisch äusserst zarten (Fig. 6, E), dicht zusammen- liegenden [doppeltbrechenden (Hermann j] Fäden , welche die Blutzellen wie in einem Spinngewebenetze zusammenhalten und mit ihnen zugleich eine gallertige, feste Masse darstellen, die piacenta man „B 1 ut k u c h e n" (Placenta sanguinis) nennt. Anfänglich ist sangmt . ^esQY ^qq}^ gg]^ Weich , und es zeigen sich zuerst nach Verlauf von 2 — 15 Minuten auf der Oberfläche einige Fäden , die man mit der Nadel abziehen kann, während noch das Innere der Blutmasse flüssig ist. Später breiten sich die Fäden durch die ganze Masse aus. Man hat das Blut in diesem Stadium der cruor. Gerinnung mit dem nicht besonders passenden Namen „Cruor" belegt. Später jedoch (nach Verlauf von 12 — 15 Stunden) ziehen sich die Faserstoffladen enger und enger um die Körperchen zusammen ; es entsteht die festere, mit dem Messer zerschneid- bare, allerdings noch zitternde Substanz, welche nun eine klare semm. Flüssigkeit ausgepresst hat, das Blutwasser oder „Serum". Der Blutkuchen hat die Gestalt des Gefässes , in welchem das Blut aufbewahrt war. Durch Auflösen der Blutkörperchen (mit "Wasser) in dem zerstückelten Blutkuchen erhält man den Faser- stoff des Blutkuchens isolirt. C?stüaPJde°r Senken sich die Blutkörperchen im Blute sehr schnell, xpeckhaut. und verzögert sich der Eintritt der Gerinnung, so ist die oberste Partie des Blutkuchen nicht roth, sondern nur gelblich gefärbt wegen des Mangels an eingeschlossenen Blutkörperchen. Dies ist beim Pferdeblut die Regel , beim Menschenblute hat man es namentlich gesehen, wenn Entzündungen im Körper herrschten ; daher hat man diese Schicht auch „Crusta phlogistica" genannt. Derartiges Blut ist faserstoffreicher und gerinnt in Folge dessen langsamer. Die Crusta bildet sieb auch noch unter anderen Verbältnissen, und zwar ist die Ursache der Bildung nicht immer klar: bei grösserem speeifischen Gewicht der Blutkörperchen , oder geringerem des Plasma's (wie in der Hydrämie und Chlorose), wodurch sich erstere schneller senken, und in der Schwangerschaft. Je höher und enger das Gefäss, um so höher ist die Crusta (vgl. §. 48). Es ist leicht einzusehen, weshalb der Blutkuchen im Bereich der körperchen- freien, ungefärbten Schicht sich mehr zusammenzieht, also geschrumpfter erscheint. Volumen und Farbe der Crusta phlogistica gehen nach unten allmählich in die des normalen Kuchens über. Wird das frisch entleerte Blut mit einem Stabe geschlagen, so wickeln die sich bildenden Faserstofffäden sich um den Stab, und so erhält man das Fibrin in Gestalt einer festen, faserigen, 2?e/56nwwe« gelblich- weissen , elastischen Masse aus dem nunmehr „defi- brinirten" Blute. Das Plasma zeigt ganz analoge Erscheinungen, nur kommt es L.'f«QTim (wegen Fehlens der resistenten Blutkörperchen) natürli^n nicht zu einer Kuchenbildung, vielmehr bildet die Gerinnung meist nur eine weiche zitternde Gallerte. Eigenschaften Obschon das Fibrin voluminös erscheint, so beträgt es Faserlljjfes. doch nur 0,2° '„ (0,1 — 0,3%) der Blutmasse. Hierbei ist merk- würdig , dass in zwei verschiedenen Proben desselben Blutes [§. 31.] Allgemeine Erscheinungen bei der Gerinnung. 53 seine Menge nicht unerheblich schwanken kann (Sig. Mayer). Der Faserstoff ist unlöslich in "Wasser und Aether; Alkohol bringt ihn durch Wasserentziehung zum Schrumpfen ; Chlor- wasserstoffsäure (bis 0,1%) lässt ihn glasig aufquellen unter Veränderung zu Syntonin [vgl. §. 251. 8J). Er hat frisch ein grau-gelbliches , faseriges Aussehen und ist zäh elastisch ; ge- trocknet wird er kornartig, durchsichtig, spröde und pulverisirbar. Frisch löst er sich auf in 6— Sprocentigen Lösungen von Natriumnitrat oder Natriunisulphat, in dünnen Alkalien und Ammoniak (unter Bildung von Alkalialbuminat). Hitze coagulirt diese Lösungen nicht. Wasserstoffsuperoxyd wird vom Faserstoff lebhaft in Wasser und 0 zerlegt Tkenard). Längere Zeit an der Luft gelegenes Fibrin ist in Salpeterwasser nicht mehr löslich, jedoch in Neurin (§. 324) ■ Mauthner.i ; durch die Fäulniss geht es ebenso in Lösung über, unter Bildung von Eiweiss (J. v. Liebig). Das Fibrin enthält eingeschlossen Eisen, phosphorsauern Kalk, phosphorsaure Magnesia, deren Herkunft dunkel ist. Nach H. Nasse erfolgt die erste Gerinnung im Blute des Mannes nach Gerinnungs- 3 Min. 45 See, in dem des Weibes nach '2 Min. 20 See. Das Lebensalter ist zetL ohne Einfluss ; Nahrungsentziehung beschleunigt die Gerinnung (H. Vierordt). 32. Allgemeine Erscheinungen bei der Gerinnung. I. In unmittelbarer Berührung mit der lehen-DJ.eJ.elendif n r>- i ' i Ge fasswand di gen und unveränderten Gel ass wand gerinnt d a s verhindert die Blut nicht (Thackrah, 1819). Diese wichtige Thatsache konnte Gerin™n*' Brücke (1857) dadurch erweitert bestätigen, dass er bei 0° C. das Blut in noch schlagenden Herzen getödteter Schildkröten bis zum 8 Tage ungeronnen antraf. Innerhalb t o d t e r Herzen oder Gefässe [aber nicht in den Capillaren (Virchow)\ oder innerhalb anderer Canäle, z. B. der Harnleiter, gerinnt das Blut schnell. Stagnirt das Blut in einem lebenden Gefässe, so tritt in der centralen Axe Gerinnung ein , weil hier der Contact mit der lebenden Gef ässwand nicht besteht. Ist die Gefässwand durch pathologische Processe in ihrem normalen Auf patho- Bcstehen alterixt, z. B. durch Läsion der Intima rauh und uneben, oder entzünd- J'>!i'<*:h »«Jü- lich verändert, so kann bei bestehendem Kreislauf an diesen Stellen Gerinnung fassenden eintreten. tritt Gerin- II. Verhindert oder verzögert wird die G e- Einflüsse] rinnung des Blutes: *£.*■ a) Durch Zusatz von Alkalien oder von A m m o n i a k, ■ selbst in geringen Mengen ; — ferner von concentrirteren Lösungen neutraler Salze der Alkalien und Erden (der Chloralkalien, ferner der Sulphate . Phosphate. Nitrate. ( 'arbonate . Am günstigsten gerinnungshemmend wirkt Magne- siumsulphat 1 1 Vol. Lösung von 2S° . zu 3' 2 Vol. Pferdeblut); b) Durch Ausfällen der tibrinoplastischen Substanz durch schwache Säuren oder auch durch CO.,. ^^ So hört nach Zusatz von Essigsäure bis zur sauren Rea . i die Ge- rinnung völlig auf. Starker CÜ..-G ehalt verzögert gleichfalls wesentlich die Gerinnung, daher das Venenhltit langsamer als das arterielle gerinnt. Auch das Blut der Erstickten verhält sich aus demselben Grunde ebenso. c) Durch Zusatz von Hühner ei weiss, Z uck er- lös u n g , G 1 v c e r i n und v i el AV a s s e r. Wird un geronnenes verhindern. ö-L Behinderung nnd Beschleunigung der Gerinnung. [§. 32.] Blut mit einer Schicht bereits ausgeschiedenen Fibrins in Con- tact gesetzt, so erfolgt die Gerinnung später. d) Durch Kälte (bei 0°) kann die Gerinnung bis gegen 1 Stunde hintangehalten werden (J. Davy). Wenn man Blut sofort gefrieren lässt, so ist es nach dem Aufthauen noch flüssig und gerinnt erst dann (Hewso)i). Auch wenn das entleerte Blut unter hohem Drucke steht, gerinnt es später (Landois) . e) Das Blut der Vögelembryonen gerinnt vor dem 12. — 14. Tage gar nicht (Bell) , das der Lebervenen sehr wenig. Blut (Hund), welches nur durch das Herz und die Lungen geleitet wird , gerinnt lange Zeit hindurch nicht (Pawlow) ; Blut, welchem die Circulation durch Leber und Darm ver- schlossen ist, gerinnt gar nicht (Bohr). Fötalblut im Momente der Geburt gerinnt früh, aber langsam , sein Fibringehalt ist gering (Krüger). Das Menstrualblut zeigt geringere Neigung zur Gerinnung, wenn demselben reichlicher alkalischer Schleim des Geschlechtscanales beigemischt wurde; in ergiebiger Menge und schnell abgesondert zeigt es jedoch klumpige Gerinnung. patfl0. f) Das faserstoff reicher e Blut aus entzündeten Körpertheile n logisches, gerinnt langsamer. Bei der sogenannten Bluter-Krankheit (Hämophilie) scheint wegen Mangels der, das Fibrin erzeugenden Substanzen die Gerinnung ganz zu fehlen, weshalb Wunden der Gefässe nicht durch Fibrinpfröpfe (wie es unter normalen Verhältnissen der Fall ist) verstopft werden. Gerinnung*- In das Blut gespritztes peptisches Pancreasferment (in Glycerin gelöst) hemmende ^ebt die Gerinnung des Blutes auf ( Alber toni) , ebenso diastatisches Ferment l? rnnteer ^alvioli). Schmidt- Mülheim fand dasselbe nach Einspritzung von reinem Pepton in das Blut vom Hunde (nicht Kaiänchen !) (0,5 Gramm auf 1 Kilo Hund). Analog verhält sich die Lymphe (Fanoj. Nach Pepton ein spritzung lösen sich massenhaft Leukocyten im Blute auf (v. Samson-Himmelstjerna). — [Das Mund- secret des Blutegels (Haycraji), das Gift der Vipern (Wall) und die stark giftige Substanz im Serum des Aal-Blutes (Mosso) verhindern gleichfalls die Gerinnung]. Einflüsse, III. Beschleunigt wird die Gerinnung: Biutgerin- a) Durch Berührung mit fremdartigen Sub- smeunigm. stanzen aller Art. aber nur wenn das Blut an den- selben adhärirt [nicht jedoch z. B. an eingefetteten Körpern] (Freund). Daher überziehen sich Fäden und Nadeln, weichein die Adern gebracht sind, leicht mit Fibrin. Auch Einbringung von Luftbläschen in die Gefässe, oder Durchströmen anderer, indif- ferenter Gase, z. B. N und H, wirkt beschleunigend ; die patho- logisch veränderte Gefässwand wirkt einer fremden Substanz ähnlich. Aus der Ader entleert, gerinnt das Blut schnell an den Wänden der Behälter , an seiner freien , der Luft zugewandten Fläche, an dem Stabe,' der es peitscht, etc. b) Die Stoffe der regressiven Metamorphose der Albumi- nate (Harnsäure, Glycin, Leucin, Taurin, Kreatin, Sarkin, — nicht 'A^y Harnstoff), ebenso die Gallensäuren beschleunigen die Gerinnu:"^ durch erhöhte Fermentbildung; im Ueberschuss zu- gesetzt, wirken sie jedoch hemmend (Nauck). Wasseriges Hoden- oder Thymusextract lässt auf Essig-äurezusatz einen Stoff niederfallen, der in verdünntem kohlensaurem Natron sich löst. Es ist Ei- weiss mit Lecithin gemischt und tödtet bei intravenöser Einspritzung sofort durch Gerinuung (Wooldridge), [§. 32.] Wesen der Gerinnung. 55 c) Bei schneller Verblutung gerinnen die letzten Blut- mengen am frühesten (Holzmann). d) Erwärmung von 39° bis gegen 55° C. befördert schnell die Gerinnung (Hewson). IV. Unter den Vertebraten gerinnt das Blut der Vögel^^.- fast momentan, entschieden langsamer das der Kaltblüter, meren zwischen beiden stehen die Säuger. Das meist farblose Blut der Evertebraten bildet ein weiches , weisses Faserstoffgerinnsel. — Auch in der Lymphe und im Chylus findet eine lang- «»<* *« sam auftretende , ein wenig voluminöses , weiches Gerinnsel bildende Ausscheidung statt. V. Da es sich bei der Gerinnung um Aenderung des #« der A g gregatznsta ndes der fibrinerzeugenden Substanzen , handelt , so niuss natürlich W ä r m e frei werden (Valentin, Jret- L844, Schiffer), wodurch eine durch das Thermometer nachweis- bare Erwärmung statt hat. VI. Indem, aus der Ader entleerten Blute nimmt bis zur vollendeten Gerinnung der Grad der Alkalescenz ab er/oigts (Pflüger & Znntz), wahrscheinlich weil sich in dem Blute durch Zersetzungsvorgange eine, die alkalische Reaction ab stumpfende Säure erzeugt (siehe §. 7. 2). VII. Bei der Gerinnung ist eine Abnahme des 0 im°-rerzehrun9 Blute beobachtet worden (doch findet diese auch in noch nicht Ammmiah- geronnenem Blute statt), ebenso Ausscheidung von Spuren Au8^ ef,un,J von Ammoniak: beide Vorgänge scheinen jedoch nicht in ■■ causalem Connex mit der Fibrinbildung zu stehen. Kücksichtlich der Fähigkeit zu gerinnen, kann man die eiweiss- haltigen Körpersäfte in verschiedene Kategorien bringen. 1. Die spontan gerinnenden Flüssigkeiten: Blut, -Lymphe, Chylus. •-J. Die gerinnungsfähigen Säfte, wozu vielfältig die, unter krank- GeHnnungs- haften Verhältnissen reichlicher innerhalb seröser Höhlen sich absondernden j*^*tjf Fluida zu rechnen sind, namentlich die innerhalb der serösen Höhle der Tnnica Säfte. serosa der Hodenhülle sich mitunter ansammelnde , wasserklare Flüssigkeit der sog. Hydrocele oder des Wasserbruches. Diese scheinen nur Fibrinogen in Lösung zu enthalten , weshalb sie allein spontan nicht gerinnen. Zusatz von fibrino- plastiseher Substanz und Ferment (oder etwa des Blutserums, in welchem ja beide gelöst, vorkommen) ruft momentan Gerinnung hervor. 3. Die gerinnungsunfähigen eiweisshaltigen Safte des Körpers, z. B. die Milch oder die Samenflüssigkeit, scheinen keine fihrinogene Substanz zu enthalten. 33. Wesen der Gerinnung. Nach Alexander Schmidt erfolgt die Fibrinbildung durch das Zusammentreten zweier, in der gerinnungsfähigen Flüssigkeit (Piasmal gelöst vorhandener, eiweissartiger Sub- stanzen, nämlich: — 1. der fibrin ogenen Substai^-^das ist der. die eigentliche Masse des Fibrins liefernde Körpef und — 2. der fibrinoplastischen Substanz [= Serumglobulin (Th. Weyl & Hoppe-Seylen, §. 36. I. b]. Bei dem Zusammentreten ist endlich — 3. die Wirkung eines Fermentes nothwendig : des Gr e r i n n u n g s f e r m e n t e s. 56 "Wesen der Gerinnung. Die Fibringeneratoren. [§. 33.] Kriterien der i. Eigenschaften dieser Substanzen. — Die fibrogene undßVrlno- und fibrinoplastische Substanz, welche beide zu den Globulinen (§.251. II.) PSuf*tam? gehören, sind nicht durch scharfe chemische Kennzeichen von einander abgegrenzt, dennoch unterscheiden sie sich, wie folgt: a) Die fibrinoplastische Substanz wird durch die Fällungsmittel aus ihrer Lösung leichter niedergeschlagen, wird aber auch durch Lösungsmittel leichter wieder aufgelöst als die fibrogene. b) Die fibrinoplastische Substanz bildet im gefällten Zustande ein sehr leicht aufschwemmbares Präcipitat. Die fibrinogene Substanz haftet als klebriger Niederschlag fest an den "Wänden des Gefässes. Wegen ihrer grossen Aehnlichkeit stellt man beide Substanzen nicht aus Blutplasma dar, sondern die fibrinogene aus serösen Transsudaten (Perikardial-, Abdominal-, Pleural-Flüssigkeit), welche keine fibrinoplastische enthalten. — Die fibrinoplastische Sub- stanz bereitet man am leichtesten aus Serum (bequemer als aus Plasma) , in welchem dieselbe noch reichlich vorhanden ist (in dem jedoch Fibrinogen fehlt). 2. Darstellung derfibrinoplasti'schenSubstanz (= Serumglobulin oder Paraglobulin ) siehe §. 36. I. b. Einderserum enthält in 100 Ccmtr. 0,7—0,8 Gr., Pferdeserum 0,3 — 0,5ß Gr. Die fibrinoplastische Substanz kommt namentlich (ausser im Serum) noch reich- lich vor in den rothen Blutkörperchen , in der Bindegewebsflüssigkeit , in dem Hornhautsafte. Fibrinogene 3 Darstellung der fibrinogenen Substanz. — durch Koch- In die serösen Transsudate streut man gepulvertes Koch- aus lympka- s a 1 z bis zur völligen Sättigung ; besonders empfehlenswerth ist miistiuiten c^e Flüssigkeit des sog. Wasserbruches (Hydrocele) in der ' serösen Umhüllung des Hodens. Das niedergeschlagene Fibrinogen wird auf dem Filtrum gesammelt. (Auch in der Lymphe und im Chylus findet sich diese Substanz.) Auch aus Plasma (durch Vermischen von 3—4 Vol. Blut mit 1 Vol. con- centrirter Magnesiumsulphatlösung und nachfolgender Filtration erhalten) kann Fibrinogen niedergeschlagen werden durch Vermischen gleicher Volumina des Plasma's und conc. Kochsalzlösung. Zur Reinigung kann es dann schnell wieder- holt in verdünnter (8u/0.) Kochsalzlösung gelöst und durch concentrirte Kochsalz- lösung wieder niedergeschlagen werden (HammarstenJ . Das in Kochsalzlösung befind- liche Fibrinogen wird durch Wasserzusatz gefällt und sehr bald verändert, so dass es dem Fibrin ähnlich wird. Fibrinogen in Salzlösung gerinnt bei 52 - 55° C. ; salzfreie Lösungen gerinnen, rasch zum Sieden erhitzt, nicht (Hammarsten). Die fibrinogene sowohl, als auch die fibrinoplastische Substanz sind beide in sehr verdünnten Alkalien (z. B. Natron- lauge) löslich, aus dieser Lösung werden sie durch C02-Durchleitung niedergeschlagen. Beide sind ferner löslich in dünner Kochsalz- lösung, reichlicher Kochsalzzusatz fällt sie jedoch wieder. Auch sehr verdünnte Chlorwasserstoffsäure löst beide, doch werden sie nach einigem Stehen in einen Syn tonin-ähnlichen Körper (AcidaPjyjBiijrat ; §. 251. VI.) verwandelt. Gerinnvmgs- 4. Darstellung des Gerinnungsfermentes. — dulcTAimtoi Blutserum (vom Rinde, in welchem das Ferment reichlicher au\mum vorkommt, als im Serum der Carnivoren) wird mit dem 20fachen Volumen starken Alkohols vermischt, der entstehende Nieder- schlag wird nach 1 Monat (frühestens nach 14 Tagen) abfiltrirt. [§. 33.] Herstellung der Fibringeneratoren. Der Gerinnungsversuch. 57 Auf dem Filtrum liegt coagulirtes Eiweiss und das Ferment: man trocknet dieses über Schwefelsäure, dann wird es gepulvert. Je 1 Gramm dieses Pulvers wird mit 65 Ccmtr. Wasser 10 Minuten zerrührt. Wird nun filtrirt, so geht das Ferment in Wasser gelöst durch das Filtrum, während das Eiweiss auf demselben zurückbleibt. Das Ferment wird bei der Darstellung der fibrinopl astischen Substanz mechanisch mit niedergerissen. Es bildet sich um so mehr Ferment im Blute, je längere Zeit zwischen der Entleerung des Blutes und seiner Gerinnung verstrichen ist. Bei 70° C wird das Ferment unwirksam. — Direct aus der Ader in Alkohol triefendes Blut liefert kein Ferment. — Fibrinferment bildet sich auch noch in anderen protoplasmatischen Theilen (Rausclnnbach), z. B. in abgestorbenen Muskeln (§. 297), Stroma der rothen Blutkörperchen, Hirn, Nebennieren, Hoden (Foa e° Pellacani), Thymus (Wooldridge) und in pflanzlichen Mikroorganismen (Grohmann). 5. DerGerinnungs versuch. — AVerden die isolirten GJ^un Lösungen 1. der fibrinogenen Substanz, 2. der fibrinoplastischen entsteht durch Substanz und 3. des Fermentes zusammengemischt, so entsteht zusammen sofort Fibrinbildung. Am günstigsten ist dabei die Körper- "'in dvrt drei • t /-i • t «• ji '± •• l Generatoren. temperatur (0° verhindert die Gerinnung, die Sieclhitze zerstört das Ferment). Die Gegenwart von 0 ist zur Gerinnung noth- wendig. Es wird daher auch wohl das Fibrin als eine Oxy- dationsstufe des Fibrinogens angesehen, zumal da nach (1 bis ostündiger) Einleitung von 0 in eine Fibrinogenlösung diese gerinnt (Holzmann). Die Menge des Fermentes ist gleichgültig; grössere Mengen bedingen schnellere Coagulation , jedoch nicht umfangreichere Fibrinabsch eidungen. Zur Fibrinbildung ist ein gewisser Salzgehalt der Flüssigkeit erforderlich (L% Kochsalz), sonst tritt sie nur langsam und theilweise ein. Freund stellte fest, dass dem Vor- gänge der Gerinnung stets ein Ausscheiden von gesättigten phosphorsauren Erdalkalien zu Grunde liegt Das Fibrin hat einen constanten Gehalt an phosphorsauren Erdalkalien (pg. 53). Gerinnungsfähige Flüssigkeiten gerinnen nach Zusatz von diesen Salzen ; sie gerinnen nicht . wenn man die Ausscheidung von auslöslichem Tricalciumphosphat und phosphorsaurem Magnesia hintanhält. Die gerinnungsbefördernde Wirkung der Adhäsion (§. 32. III. a) beruht auf der Herbeiführung der Einwirkung der während des Lebens vornehmlich in den zelligen Elementen des Blutes befindlichen Phosphorsäure oder phosphorsauren Alkalis mit den hauptsächlich im Plasma vorkommenden Kalk- und Magnesia-Salzen. Ist innerhalb des Plasma' s des Blutes die Gerinnung er- folgt, so ist im Serum alle f ihr in o gen e Substanz ver- braucht zur Faserstoffbildung. Dahingegen ist noch librino- plastische Substanz und Fibrinferment im Serum in hinreichender Menge in Lösung verblieben. Daher kommt es. dass. ^y.m zu einer fibrinogenhaltigen (z. B. Hydrocele-) Flüssigkeit B-lTAserum hinzugesetzt wird, wiederum sofort Gerinnung erfolgt. Nach Hammarsten soll sich Fibrin bilden , wenn allein zu einer Lösung von Fibrinogen das Ferment hinzugesetzt wird Das Paraglobulin (fibrinoplastische Substanz) gehe nicht in das Fibrin ein, sondern begünstige nur dessen Aus- Bcheidung. 58 Herkunft der Fibringeneratoren. [§• 34.] Zerfa'lendc weisse Blut- körperchen liefern die Fibrin- generatoren. Entstehung aus Ueber- gangszellen. Das Ferment im normalen Blute und im Fieberblute. 34. Herkunft der fibrinerzeugenden Substanzen. Alexander ScJimidt hat gefunden, class alle drei das Fibrin erzeugenden Substanzen sich bilden aus dem Zerfalle von Leu- kocyten. In dem Blute des Menschen und der Säuger ist die fibrinogene Substanz neben einer Spur von Ferment bereits innerhalb des circulirenden Blutes im Plasma aufgelöst, als Lösungsproduct der ßiickbildungsprocesse der weissen Zellen. Allein das noch kreisende Blut ist sehr reich an Leukocyten, viel reicher, als man früher angenommen hatte (Alex. Schmidt, Landois). Sobald das Blut, die lebende Ader verlassend, entleert wird, gehen massenhaft weisse Körperchen durch Auflösung zu Grunde (Mantegazza) . zumal die mehrkernigen (Hlava), — nach Alex. Schmidt 71,7% (Pferd). Die Zerfallsprodukte lösen sich in der Blutflüssigkeit auf, und eines dieser Producte ist die fibrino- plastische Substanz. Zugleich entsteht aus dem Materiale der aufgelösten Leukocyten , gewissermaassen als ein Leichen- product , das die Faserstoff- Ausscheidung bewirkende Fibrin- ferment, welches demnach innerhalb der unversehrten Körper- chen nicht präexistirt. Auch die sogenannten „Ilebergangs- formen" zwischen farblosen Zellen und rotten Blutkörperchen im Säugethi erblute liefern durch ihren, unmittelbar nach der Entleerung stattfindenden Zerfall fibrinoplastische Sub- stanz und Ferment, ebenso vielleicht auch die ..Blutplättchen" (§. i5. in.). Die Leukocyten haben verschiedene Grade der Besistenzfähigkeit : die der Lymphe und des Chylus sind widerstandsfähiger, als die des Blutes, unter denen wieder Abstufungen angetroffen werden (Heyl). In dem Blute der Amphibien und Vögel sind es die rothen (kern- haltigen Blutkörperchen, welche nach der Entleerung reichlich zum Zerfalle gelangen und die fibrinbildenden Substanzen liefern. Bei den Blut arten dieser Thiere überzeugte sich Alex. Schmidt zugleich, dass auch die fibrinogene Substanz ursprünglich ein Bestandtheil der Blutk örperchen ist. Es ist nun vollkommen klar, dass, sobald durch die Auf- lösung der Blutkörperchen (weisser oder rother) die Fibrin- generatoren in Lösung gehen, alsobald die Fibrinausscheidung durch den Zusammentritt der drei Substanzen erfolgen muss. Bringt man in den Kreislauf eines Thieres grössere Mengen von Leukocyten , so lösen sich merkwürdiger Weise sehr schnell massenhaft Leukocyten im Blute auf, so dass selbst der Tod durch diffuse Gerinnungen erfolgt. Ueberstand das Thier bei massiger Coa- gulation die unmittelbare Todesgefahr, so ist weiterhin das Blut wegen des Fehlens der Leukocyten nun vollständig gerinnungsunfähig (Groth). Pathologisches: — Aus den Arbeiten Alex. Schmidts im Verein mit seinen Schülern Jakowicki und Birlt hat sich ergeben, dass schon im gesunden, functionjrenden Blute (aus dem Zerfall der sich normal auflösenden weissen Blut- körpero/i»|j. etwas Fibrinferment enthalten ist, und zwar reicher im venösen, als im ä^'-'/riellen Blute. Doch ist es im entleerten Blute stets reicher. Besonders beachtenswerth ist jedoch die Thatsache, dass im septischen Fieber die Menge des Fibrinfermentes im Blute so zunehmen kann, dass spontane Gerinnungen (Thrombosen) auftreten, die sogar den Tod herbeizuführen vermögen (Am. Köhler). Nach Jauche-Jn jeetionen werden massenhaft Leukocyten aufgelöst (F. Hoff mann ) . Aber auch im Blute der Fiebernden überhaupt (Edelberg, Birk) findet sich das [§, 35.] Stromafibrin. 59 Ferment ziemlich reichlich. Auch Einspritzung von Pepton, von Hb, und in geringerem Grade von destillirtem Wasser hat Auflösung zahlreicher Leukocytcn zur Folge. Es giebt somit Veränderungen des Blutes , wahre Bluterkrankungen , in welchen der phj'siologische Umsatz der farblosen Blutkörperchen über die Jlaassen gesteigert erscheint, und die bezüglichen Umsetzungsproducte sich in der Blut- flüssigkeit anhäufen (Alex. Schmiat). Die Folge davon ist natürlich das Auf- treten spontaner Gerinnung innerhalb der Kreislaufsorgane, wodurch sogar der Tod hervorgebracht werden kann. Zum Mindesten pflegen Temperatursteigerungen einzutreten. Nach Verlauf dieser Zustände ist weiterhin natürlich die Gerinn- barkeit eines solchen Blutes herabgesetzt. 35. Bezieh uugeii der rotlien Blutkörperchen zur Faser stoffbildung. Nachdem von einigen Forschern ermittelt war. dass auch ms»™ die rothen Blutkörperchen [der Vögel (Hoppe-Seyler), des Pferdes „', (Heynsius), des Frosches (Alex. Schmidt & Semmerj] zur Fibrin- "jjjjj erzeugung beitragen können, ist es mir (1874) gelungen, direct unter dem Mikroskope denUebergang derStromata der rothen Blutkörperchen der Säugethiere in Faser- ^JjJJ£j st off fasern zu verfolgen. Bringt man nämlich ein Tröpf- chen defibrinirten Kaninchenblutes in Froschserum, ohne umzu- rühren, so beobachtet man. dass die rothen Blutkörperchen sich an einander lagern ; sie werden klebrig an ihrer Oberfläche, und beim Drucke auf das Deckgläschen erkennt man, dass nur mit einer gewissen Gewalt das Ankleben gelöst werden kann, wobei oft die sich berührenden Oberflächen der kugelig aufgecpiollenen Körperchen fadig ausgezogen werden. Schon nach kurzdauernder Einwirkung sind die Körperchen sämmtlich zu Kugeln mit kleinerem Durchmesser umgeformt, und die am meisten peri- pherisch liegenden lassen ihren Farbstoff1 austreten. Die Ent- färbung schreitet von der Peripherie des Tröpfchens bis in das Centrum desselben fort, und schliesslich ist nur noch ein zu- sammenhängendes Stromahäufchen übrig geblieben. Die Stroma- substanz zeigt eine grosse Zähigkeit ; anfänglich kann man in derselben noch die runden Contouren der einzelnen Blutkörperchen erkennen , allein sobald durch Druck oder Verschiebung am Deckgläschen eine Strömung in der umgebenden Flüssigkeit entsteht, wird die Stromamasse hin und her agitirt, wobei sich die aneinander liegenden und untereinander verklebten Stromata zu zähweichen Fäden und Streifen unter gleichzeitigem Ver- schwinden der früheren Zellcontouren ausziehen. So kann man Schritt für Schritt die Bildung von Faserstoff- fäden aus den Stroma ta der rothen Blutkörperchen verfolgen. — Rothe Blutkörperchen von Menschen und von Thieren, die sich im Serum anderer verschiedener ThiqgB lösen, zeigen vielfältig ganz dasselbe. Auch in folgender einfacher Weise kann man Stromafibrin darstellen. In einem Beagensglase schüttle man 1° 0. Kochsalzlösung mit Aether und wenigen Tropfen defibrinirten Blutes. Das Gemisch wird schnell lackfarbig (pag. 25) : hin- gestellt schwemmt der nach Oben treibende Aether faseriges Stromafibrin an die Oberfläche der Flüssigkeit (Landeis). 60 Stromafibrin und Plasmafibrin. Serumanalyse. [§•35.] Stromafibrin und Plasmanbrin. Ich habe jene Fibrin- Siromaßbrin m ßbrin. bildung, welche direct ans dem Stroma der rothen Blutkörper- chen in der beschriebenen Weise vor sich geht, „Stromafibrin" genannt. Im Gegensatze hierzu kann der Faserstoff, der durch den Zusammentritt der, in der gerinnenden Flüssigkeit (Plasma) gelöst sich befindenden drei Fibringeneratoren sich erzeugt, „Plasmafibrin" oder gewöhnliches Fibrin genannt werden. Das Stromafibrin steht chemisch der Stromasub stanz natürlich sehr nahe, und wenn es auch bis jetzt nicht gelungen ist, beide Fibrinarten durch scharfe chemische Unterscheidungen zu charakterisiren . so scheinen mir dennoch beide Bezeichnungen allein schon für die Hindeutung auf die Entstehungsart Fibrinhüdung c\er Faserstoffmassen vollkommen gerechtfertigt. ■ — ■ Substanzen, Lelens.1 wenn welche die rothen Blutkörperchen schnell auflösen, bewirken rm-pen-hen umfangreiche Gerinnungen, z. B. Einspritzung von Galle, oder sich auflösen, gallensaurer Salze, oder von lackfarbenem Blute in die Adern (Naunyn & Francken). Das wirksame Agens hierbei ist das Stroma (durch Fermententwicklung in demselben), nicht das Hb (Alex. Schmidt). Da nach Einspritzung fremdartigen Blutes dieses oft schnell in der Blutbahn des Empfängers zerfällt, so sieht man auch hier häufig umfangreiche Gerinnungen (vgl. §. 34), daneben sind oft auch einzelne dünnere Gefässe mit kleinen Pfropfen von Stromafibrin verstopft (Landois ; vgl. §. 107). Allnminate der Blut- flüssigkeit: albumin, Serum- Globulin. 36. Chemische Zusammensetzung des Blntplasma's und des Serums. I. Die Ei weis skör per — des Plasma's betragen gegen 8 — 10% des Gesammtgewichtes. Von diesen sind etwa nur gegen 0,2% die das Fibrin zusammensetzenden Körper. Sind diese durch den Gerinnungsprocess ausgeschieden (§. 33), so ist also das Plasma zu Serum geworden. Das speci fische Gewicht des Menschen-Serums = 1027 — 1029. In der Blut- flüssigkeit sind noch ausserdem folgende Eiweisskörper vor- handen : a) Das Serum- Albumin: — ■ [3— 4% (Fredericq)]; es trübt sich bei Erwärmen auf 60° C, coagulirt bei 73° C, vor- heriger Zusatz von Chlornatrium zur Blutflüssigkeit kann den Coagulationspunkt bis zu 50° C. erniedrigen. Im Polarisations- apparate zeigt es eine Drehung des Lichtstrahles [von — 62,6 bis 64,5° (Starke)'], Chlorwasserstoffsäure verändert es zuSyntonin, Zusatz ätzender Alkalien zu Alkalialbuminat. Merkwürdiger Weise fehlt Senimalbumin im Blute hungernder Schlangen ; es tritt hier erst nach der Fütterung wieder auf (Tiegel). \ ;Njj '.Das Serum-Globulin — (Th. Weyl & Hoppe- Seyler) [auch wohl fibrino plastische Substanz, oder Para- globulin (Kühne) oder S e r u m c a s e i' n (Pannin) genannt, vgl. $. 33] 2 — 4%. Wird in Serum Magnesiumsulphat in Substanz bis zur Sättigung eingetragen, so fällt es bei 35° C. nieder. Man wäscht es auf dem Filter mit gesättigter Magnesium- [§• 36.] Serum- Analyse. 61 sulphatlösung (Hammarstcn). Es ist löslich in 10%. Kochsalz- lösung, coagulirt bei 69—05° C.j spec Drehung = — 47,8° (Fredericq) . Nach Ausfällung des Serumglobulins aus dem Serum durch Magnesium- sulphat wird das Semmalbumin durch weitere Sättigung mit Natriumsulphat niedergeschlagen (Starke, Schäfer). Neutrales schwefelsaures Ammoniak bis zur Sättigung eingetragen , fällt alle Eiweissstoffe aus Blutserum [ebenso aus Hühnereiweiss , aus der Milch, ferner Propepton (H?ynsiusj\. — Globulin kann auch durch Dialyse des Serums gefällt werden, da es in salzfreien Lösungen unlöslich ist. Im Hungerzustande nimmt das Globulin zu, das Albumin ab. Nach Blutentziehungen steigt der Globulingehalt des Blutes (Burkhardt). IL Fette (0.1— 0,2% Neutrale Fette (Stearin, äm& Palmitin , Olein) kommen in Form mikroskopisch kleinster Tröpfchen vor, welche nach reichlicher Fett- (auch Milch-) Nahrung oft durch ihre Gegenwart das Serum milchig trüben, (ebenso bei Säufern). Ferner finden sich: Seifen, — Chole- sterin, — Lecithin und dessen Spaltungsproduct, die Grlycerin- phosphorsäure. III. Spur von Traubenzucker — [0,1—0,15% (Seegei/), Zucker mehr im Lebervenenblut (0,23°/.,)], aus der Leberund den Muskeln stammend, nach Blutverlusten steigend (§. 178) (Cl. Bernard. v. Meting)\ — etwas Grlycogen (Pavy) und — eine andere reducirende. gährungsunfähige Substanz (Jac. G. Otto). Der Zuckergehalt des Blutes steigt bei Besorption von Zucker vom Darme aus, und zwar am meisten im Pfortader- und Lebervenen-Blute ; im arteriellen Blute steigt er zwar ebenfalls , doch wird er hier schnell verändert (Bleut ). — Zum Nachweise wird Blut nach Zusatz von Natriumsulphat durch Kochen coagulirt, und in der abgepressten Flüssigkeit der Zucker durch Fehlitig' sehe Lösung bestimmt; §. 155. II. (CL Bernard). — Pavy digerirt dreimal hintereinander Blut mit dem 6fachen Volumen Alkohol, kocht und presst ab: in dem Auszug, welchen man abdampft, ist aller Zucker vorhanden. IV. Kreatin, Harnstoff (0,016%, nach N- reicher Mahlzeit steigend) , — mitunter Bernstein-, Hippur- und Harn-Säure (reichlicher bei gichtischen Zuständen), Guanin, (? Carbaminsäure), im Leichen-Blut (Salonton) auch Fleischmilchsäure (Gaglio, Berlinerblau) : alle diese in sehr geringen Quantitäten. V. Salze (0,85%), vornehmlich Kochsalz und Natrium- carbonat. Fleischkost steigert den Salzgehalt, Pflanzennahrung vermindert denselben vorübergehend ; vermehrter Kochsalzgenuss namentlich lässt sich im Blute nachweisen. Salze enthält das Menschenblutserum (Hoppe-Seyler) : Kochsalz .... 4,92 pro Mille. Natriumphosphat. . . 0,15 pro Mille. Natriumsulphat . . . 0,44 „ „ Calciumphosphat . . | ~ -._, Natriumcarbonat . . 0,21 „ „ Magnesiumph.osph.at . J ' " " Werden Salze in grösser er Menge in"s Blut gebracht, so verschwindet schon nach wenigen Minuten der grösste Theil aus demselben, und zwar meisl in die Gewebe diffundirend. Nach und nach werden sie durch digfcJjüeren ans dem Körper wieder entfernt. (Aehnlich verhält es .-ich mit Zucker lw" Pepton) (Ludwig &f Klicowi.cz). VI. Wasser gegen 90° 0. VII. Ein gelblicher Farbstoff (§. 30). Der Farbstoff lässt sich mit Methylalkohol ausschütteln: er zeigt zwei Absorptionsstreifen des Lipochroms (ähnlich dem Lutei'n) (Krukenberg). Thudichwn hält ihn für Lutei'n, — Maty für Hydrobilirubin, — Mac Munn für Choletelin (§. 179. 3 - §. 263). Extractiv- stoffe. 62 Absorption und Diffusion der Gase ; Absorption von Gasgemengen [§. 37.] Die Grase des Blutes. 37. Absorption der Gase durch feste Körper und durch Flüssigkeiten. Absorption Zwischen den Theilclien fester, poröser Körper nnd gasförmiger Substanzen /er,hG5se besteht eine bedeutende Attraction der Art, dass die Gase von den festen Körpern Körper. angezogen und innerhalb der Poren derselben verdichtet werden : d. h. die Gase werden von denselben a b s o r b i r t. So absorbirte z. B. 1 Volumen Buchs- baumkohle (bei 12" C und mittlerem Barometerstand) 35 Volumina CO.,, — 9,4 Vol. 0, — 7.5 Vol. N, — 1,5 Vol. H. — Mit der Absorption der Gase geht stets eine "Wärmebildung einher, welche in einem Verhältnisse steht zu der Energie, mit welcher die Absorption erfolgt. (Nicht poröse Körper sind in analoger Weise an ihrer Oberfläche von einer Schicht verdichteter Gase innig umlagert.) Flüssigkeiten Flüssigkeiten sind in gleicher "Weise befähigt, Gase zu verschlucken, absorbiren' zll a.]jgorbir en. Hierbei ist ermittelt worden, dass eine bestimmte Menge denem Drucke Flüssigkeit bei verschiedenem Drucke dennoch stets das gleiche stets gleiche Volumen Gas absorbirt. Mag also der Druck gering oder gross sein, stets ist Volumina ^^ y0 lernen des absorbirten Gases gleich gross '"^p,'."' giebt uns in schematischem Aulriss die Einrichtung der P/lüger' sehen Ent- gasungspumpe. Dieselbe besteht zuerst aus dem Blutrecipiente n (A), einer 250 bis den Blut- 300 Ccmtr. Inhalt umfassenden Gl a sku gel , welche oben und unten sich in ein reeipienten, Rohr verjüngt, welche beide durch Hähne a und b verschlossen werden können. Hahn b ist ein gewöhnlicher Sperrhahn, der Hahn a jedoch hat eine, durch die Längsachse verlaufende, bei x ausmündende Durchbohrung der Art, dass diese je nach der Stellung entweder in den Reeipienten führt (Stellung x a) oder nach abwärts durch das untere Rohr leitet (Stellung x' a). Dieser Recipient wird zuerst (durch Aufsetzen auf eine Quecksilberluftpumpe) völlig luftleer gemacht und nun gewogen. Hierauf bindet man das Ende x' in eine Arterie oder Vene eines Thieres, und lässt nun bei der Stellung des unteren Hahnes x a Blut in den Reeipienten einströmen. Ist die nöthige Menge hineingelassen, so giebt man dem unteren Hahne wieder die Stellung x' a' (säubert äusserlich Alles sorg- faltig) und wägt nun den Reeipienten, um die Gewichtsmenge des eingelassenen Blutes zu bestimmen. — Der zweite Theil des Apparates ist das Schaum- das Sehaum- gefäss B, ebenfalls oben und unten in Röhren auslaufend, die mit einfachen Sperrhähnen c und d verschlossen werden können. Das Schaumgefäss hat ledig- lich die Bedeutung, dass in demselben der, durch die stürmische Entweichung der Gase aus dem Blute sich bildende Schaum zunächst aufgefangen ^fv.-?-c Nach unten steht das Schaumgefäss durch die eingeschliffene Röhre mitv uem Reei- pienten in Verbindung, nach oben ebenfalls durch genauen Einschliff mit dem — 3. Theile des Apparates, dem Trockenapparat G. Dieser ist eine D-förmige den T Röhre, unten mit einem kleinen Glasballon. Letzterer ist halb mit Schwefelsäure "M"'1'' gelullt, in den Schenkeln liegen Stücke von Bimstein, gleichfalls mit Schwefel- säure getränkt. Streichen die Blutgase durch diesen Apparat . der gleichfalls durch die beiden einfachen Sperrhähne e und f geschlossen werden kann, so 64 Blutentgasungspumpe. [§•39.] die Baro- geben sie jegliche mitgefühlten Wasser dämpfe an die Schwefelsäure ab, so meterprobe, und H verbinden sieh zu "Wasser. Hierdurch entsteht eine Volumenverkleinerung im Eudiometer, von welcher der dritte Thcil auf den zur Wasserbildung (H.0) verbrauchten 0 entfällt. Landois, Physiologie. 7. Anfl. 5 66 Specielles über die Blutgase. [§. 4L] N Weilt als 3. Bestimmung des N. — Sind nach den obigen Methoden CO^ und Best übrig, q aus ,jeni Gasbehälter entfernt, so ist der Best reiner N. 41. Specielles über die Blutgase. Der sauer- j Sauerstoff — ist im arteriellen (Hunde-) Blute stoif des Mutes, im Mittel m 17 Volumenprocent en (bei 0° C. und 1 Meter Druck) angetroffen worden (Pflüger); das arterielle Blut soll nach Pflüger zu 9/i0, nach Hüfner das des Hundes zu 14/lö mit 0 gesättigt sein. Jm venösen Blute wechselt seine Menge ausserordentlich : in dem Blute ruhender Muskeln fand Sczel- kow 6 Volumenprocente ; im Erstickungsblute fehlt er voll- ständig, oder er ist nur noch in Spuren vorhanden. In dem mehr gerötheten Blute thätiger Drüsen (Speicheldrüsen , Nieren) ist er zweifellos reichlicher vertreten, als im gewöhnlichen dunkleren Venenblute. Der 0 kommt im Blute vor: o ist nur in a) Einfach absorbirt, und zwar vom Plasma, ist nur °"'™r °i sor~ ein minimaler Theil vom 0 im Blute und beträgt nicht mehr, als destillirtes Wasser von Blutwärme beim Partiardruek des 0 in der Lungenluft aufnehmen würde (Loth. Meyer), o in fast b) Chemisch gebunden (also dem Absorptionsgesetze ^gelunlien' nicht unterworfen) ist fast sämmtlicher 0 des Blutes, und zwar an das Hb der rothen Blutkörperchen, mit welchen es das O-Hb bildet (siehe §. 20). Die Aufnahme dieser O-Mengen ist also vom Drucke vollkommen unabhängig, woraus es sich erklären lässt, dass Thiere in einem abge- schlossenen Räume bis zu ihrer Erstickung fast allen 0 bis auf Spuren aus der umgebenden Atmosphäre verzehren können (§. 139). Die Un- abhängigkeit vom Drucke zeigt sich auch darin , dass erst bei Ver- minderung des Luftdruckes bis gegen 20 Mm. Quecksilber das Blut (bei niederer Temperatur) reichlicher chemisch gebundenen 0 abgiebt (Worm-Müller) und umgekehrt, dass das Blut, selbst bei bis auf 6 Atmosphären gesteigertem^ Luftdruck, nur wenig mehr 0 aufnimmt (Paul Bert). Die chemische Trotz dieser vorhandenen chemischen Verbindung zwischen duriff Tat lsehr dem Hb und dem 0 lässt sich der gesammte 0 des Blutes locker-, dennoch schon austreiben durch diejenigen Mittel , welche ab- sorbirte Grase entbinden (§§. 37, 38): — a) durch Evacuiren, — b) Kochen, — c) Durchleiten anderer Gase, weil nämlich die ihre Lösung chemische Verbindung des O-Hb so locker ist , dass sie schon *jäbST*' ^urcn iene physikalischen Proceduren zerfällt. Unter den ch emisc he n Mitteln entziehen reducir ende und durch Substanzen (Schwefelammonium, Schwefelwasserstoff, alkalische chMttete Oxyclulsalzlösungen, Eisenfeile u. A.) dem Blute den 0 (pag. 42). Das gesammte Blut verhält sich der chemischen Aufnahme von 0 gegenüber völlig wie eine gasfreie Hb-Lösung (Preyer). Die Aufnahme des 0 geht aber vom Blute schneller vor sich, als von einer Hb-Lösung. Der u-Gehait Der Eisengehalt des Blutes ("0,55 in 1000 Theilen) steht im izfaengThait directen Verhältniss zum Hämoglobingehalt, dieser zum Blutkörperchen- proportionai. gehait? dieser wiederum nahezu zum speeifischen Gewichte des Blutes. 1:1 ute. [8.41.] Ob Ozon im Blute vorhanden sei? 67 Die O-Aumahme des Blutes hat sich als fast proportional dem speci- nschen Gewichte des Blutes erwiese», ^ie steht daher auch im Ver- hältniss zum Eisengehalte des Blutes. Auf 2,36 Gnn. Eisen kann das Blut 1 Grm. ( ) binden (Picard) , — nach Hoppe-Seyler auf 1 Atom Eisen 2 Atome 0. In der Morphium-Narkose fand man den O-Gehalt im Blute vermindert (Ewald), — nach Aderlässen das Arterienblut mit 0 gesattigt Jac. G. Otto . Schon unmittelbar nach der Entleerung des Blutes findet in ihm eine geringe O-Verzehrung als physiologische Erscheinung der Gewebsathmung inner- halb des lebenden Blutes statt ($. 138. 2). Nach längerem Verweilen ausserhalb O-Zehrung des Kreislaufes trifft man dann weiterhin mehr und mehr die Menge des 0 im im Blute vermindert, ja bei langem Verweilen untn- höherer Temperatur kann sogar der 0 ganz daraus verzehrt werden. Es rührt diese letztere O-Zehrung von Zer- setzungen innerhalb des entleerten Blutes her, durch welche sich reducirenie Substanzen bilden, die den 0 an sich reissen. Nicht alle Blutarten wirken in dieser Beziehung gleich energisch auf die 0- Verzehrung : am energischsten Venen- blut arbeitender Muskeln, fast gar nicht Lebervenenblut. An Stelle des verschwun- denen 0 tritt COjj im Blute unter Dunkelung der Farbe auf, mitunter sogar reichlicher, als 0 verzehrt- ist. Wird Blut (oder eine Oxyhämoglobiulösnng) mit Säuren bis zur stark Rundung des sauren Beaction versetzt (z. B. mit Weinstein säure, Loth. Meyer), so lässt sich " darch der 0 nur noch iu erheblich geringerer Menge auspumpen. Gleichzeitig ist hierbei die CO., -Bildimg nicht erhöht. Man muss daher annehmen, dass bei der, durch die Säuren stattfindenden Zerlegung des Hb (s. pag. 46) sich ein Spaltungs- produet durch intensive, chemische Bildung des 0 im Momente seiner Entstehung höher oxydirt fLoth. Meyer, Zuntz, Strassburg), Dieselbe Erscheinung zeigt sich, wenn O-Hb durch Sieden zerlegt wird. 42. Ob Ozon (03) im Blute vorhanden sei? "Wegen der vielfachen "und theilweise energischen Oxyda- Der aus niut tionen, welche vom Blute ausgeführt werden, ist die Frage auf- ist kein.oz m Müller). Die rothen Blutkörperchen zerfallen viel lang- samer, und das von ihnen gelieferte Material wird theils zu Harnstoff, theils zu Gallenfarbstoff (nicht constant) verarbeitet. Immerhin kann jedoch noch bis zu 1 Monat ein Ueberschuss an erhaltenen rothen Blutkörperchen beobachtet werden (Tschirjew). Dass in der Tbat die Blutkörperchen langsam im Stoffwechsel zerfallen, geht daraus hervor, dass der Harnstoff viel höher ist, wenn das Thier die gleiche Menge Blut frisst, als wenn demselben die gleiche Menge trans- fundirt wird Tschirjew, Landois,'. Im letzteren Falle hält oft Tage lang eine massige Steigerung des Harnstoffes an, als Zeichen eines langsamen Zerfalles der rothen Körperchen IVorm-Müller, Landois,. Eine starke Blutüberfüllung hat ferner Verlust des Appetites, sowie Neigung der Schleimhäute zu Blutungen zur Folge. 2. Polyaemia serosa — wird der Zustand des Blutes genannt, in welchem der Gehalt an Serum, also vorwiegend dessen Wassergehalt , gesteigert ist. Künstlich lässt sich der Zustand erzeugen , wenn man Thieren Serum der- selben Thierart in die Adern einspritzt. Hierbei wird das Wasser bald durch den Harn entleert , das Eiweiss jedoch zerfallt zu Harnstoff, ohne in den Harn als solches überzugehen. Ein Thier bildet aus einer Menge eingespritzten Serums mehr Harnstoff, als aus einer gleich grossen Blutmenge, ein Beweis, dass die Blutkörperchen sich länger als das Serum zu erhalten vermögen Forster, Landois, I. Wird jedoch einem Thiere Serum einer anderen Thierart eingelassen, in welchem sich die Blutkörperchen des Empfängers lösen (z. B. einem Kaninchen Hunde- serum) , so werden Blutzellen des Empfängers aufgelöst , es kommt zur Hämo- globinurie , und bei umfangreicher Auflösung zum Tode (vgl. §. 107) 'Landois), Einfach vermehrter Wassergebalt des Blutes (wohl zweckmässig Poly- aemia aquosa — genannt) findet sich vorübergehend räch starkem Trinken, doch stellt eine vermehrte Diurese schnell die normalen Verhältnisse wieder her. Krankheiten der Nieren, welche das secernirende Parenchym der Drüse vernichten, bedingen unter Polyaemia aquosa zugleich oft allgemeine Wassersucht durch U ebertritt von Wasser in alle Gewebe. Die Unterbindung der Harnleiter hat gleichfalls wässerige Blutvermehrung zur Folge. 3. Eine Vermehrung der rothen Blutkörperchen über das normale Mittel hinaus (Plethora polycythaemica, — Hyperglobuli e) hat man bei kräftigen Individuen dann annehmen zu können geglaubt, wenn bei denselben sonstig eintretende, regelmässige Blutungen ausgeblieben sind, und im Uebrigen alle Zeichen der Polyämie s eh. zeigen. Das Aufhören von Menstrual-, Hämorrhoidal- , Nasen-Blutungen wäre hier im Auge zu behalten , sowie das Unterbleiben früherer gewohnheitsmässiger Aderlässe. Immerhin ist in solchen Fällen die Polycythämie nur erschlossen, nicht durch Zählung festgestellt. Dahin- gegen giebt es einen Zustand sicher beobachteter Polycythämie. Nämlich nach Transfusion gleichartigen Blutes wird schnell ein Theil der Blutflüssigkeit ver- braucht , während die Körperchen sich länger erhalten IVorm-Miiller, Panum . — Merkwürdig ist die Vermehrung der rothen Körpereben [bis zu 8,82 Millionen in 1 Cmm. ! (vgl. pag. 10. c .)] bei schweren Herzfehlern mit bedeutenden Stauungen, bei denen mehr Wasser aus den Gefässen transsudirt Auch bei Hemiparesen ist aus demselben Grunde die Zahl auf der gelähmten , Stauungs- erscheinungen darbietenden Seite grösser Penzoldt, Toenissen , v. Hoff er . Nach Durchfällen, die das Blutwasser vermindern, zeigt sieh ebenfalls Zunahme iBronardel, ■' , dasselbe dürfte sieh nach reichlichem Schwitzen und bei Polyurie finden. Mittel, welche auf das Caliber der Gefässe einwirken (Alkohol, Chloral- hydrat, Amylnitrit), haben den Erfolg, dass im Zustande der Contraction der Gefässe die Zahl zu-, in dem der Relaxation jedoch abnimmt Andreesen . — Eine vorübergehende Vermehrung der Vorbildungsstufe der rothen Blutkörperchen trifft man als reparatorischen Process nach starken Blutverlusten (§. 13), oder nach einer acuten Krankheit. In kacb.ektiscb.ei) Zuständen ist die VermehriuÄrdauernd wegen der behinderten Umbildung derselben in rothe Körperchen. In den letzten Stadien der Kachexien nimmt dann mehr und mehr ihre Zahl ab, da jetzt auch die Erzeugung jener Vorbildungsstufen aufhört Hayem . 4. Mit der Bezeichnung Plethora hy peralbum i n osa — hat man die Vermehrung der Albuminate im Plasma benannt, wie man sie nach reich- licher Aufnahme vom Nahrungstractus aus erschliessen muss. (Vgl. ü 192. 3. u. 4.) Durch das Experiment wird derselbe Zustand nach Einspritzung von Serum der- Serum- einspritzung . P. poly- cythaemica. P. hi/per- albuminosa. 74 Verminderung des Blutes oder einzelner Theile desselben. [§. 47.] Lipämie. ■ Schwan- kungen der Blutsalze. Schwan- kungen des Fibrin- gehaltes. selben Thierart erzielt, wonach, zugleich die Harnstoffausscheidung steigt. — Ein- spritzung von Eieralbumin ruft Albuminurie hervor (§. 193. 4 ; §- 266) fStokes, Lehmann). Mellitaemia. — Unter denjenigen Veränderungen, welche die Kohle- hydrate im Blute erleiden, wird die Zuckerüberladung bei der Leberthätigkeit (§. 178) besprochen werden. Der Zucker des Blutes wird in den Harn zum Theil entleert, in hohen Graden bis zu 1 Kilo täglich, wobei die Harnmenge auf 25 Kilo steigen kann. Zum Ersatz dieser Verluste ist reichliche Nahrung und Getränk nöthig, wodurch zugleich der Harnstoff bis zum dreifachen gesteigert werden kann. Bei etwas geringerem O-Verbrauch (?) athmet der Befallene zugleich etwas weniger CO., aus , als ein Gesunder. Die bedeutende Zuckerproduction bringt auch die eiweisshaltigen Gewebe zum Zerfall , daher der Harnstoff stets gesteigert ist, auch bei unzureichender Albuminzufuhr. Die Erkrankten magern dabei ab, alle Drüsen, zumal die Hoden, atrophiren oder entarten (Lungen- schwindsucht häufig), Haut und Knochen werden verdünnt, am längsten wider- steht das Nervensystem. Die Zähne werden cariös wegen des sauern Speichels, die Linse trübt sich wegen des Zuckergehaltes der Augenfiüssigkeiten , welche Wasser aus der Linse anziehen (Kunde, Heubel) ■ Wunden heilen schlecht wegen des abnorm gemischten Blutes. Mangel aller Kohlehydrate in der Nahrung mindert zwar die Zuckermenge des Blutes, hebt sie aber in der Kegel nicht auf. Statt des Traubenzuckers hat man auch übermässige I n o s i t anhäufung im Blute (uncl Harne) gefunden: — Mellituria inosita (VohlJ. Lipämie. — Vermehrung des Fettgehaltes im Blute findet sich normal nach sehr fettreicher Nahrung (z. B. bei saugenden Kätzchen; Eimer}, so dass das Serum selbst milchig getrübt wird. Pathologisch zeigt sich dies in noch höheren Graden bei Säufern und bei fettsüchtigen Individuen. Bei stärkerem Eiweisszerfall im Körper (also in sehr vielen zehrenden Krankheiten) nimmt der Fettgehalt des Blutes zu, ebenso nach reichlicher Verabreichung leichter ver- brennlicher Kohlehydrate neben vielem Fett in der Nahrung. Nach Verletzungen der Knochen, welche das Fettmark treffen, gehen oft zahlreiche Fetttropfen von den z. Th. wandungslosen Gelassen des Markes aus (§. 13) in die Blutbahn , so dass es sogar zum Uebertritt in den Harn (§. 273) und zu lebensgefährlicher Fettembolie in den Lungen kommt. Werden kleine Partikeln von Fremdkörpern (Zinnober, Indigo) in das Blut gebracht, so werden sie durch Hülfe der Leukocyten schnell daraus wieder eliminirt. Die Leukocyten nehmen die Körperchen in sich auf und wandern aus dem Gefässsysteme aus (§. 15). Auch die Pulpazellen der Milz, Knochenmark und Lebercapillaren nehmen die Körnchen in sich auf (Siebel). Die Salze — pflegen sich mit grosser Energie zu erhalten (pag. 61). Vorenthalten von Kochsalz bringt Albuminurie , der Salze überhaupt Lähmungs- erscheinungen hervor (Forster). Ceberreiche Salzfütterung (Pöckelfleisch) hat nicht selten Tod durch fettige Entartung der Gewebe, namentlich der Drüsen, zur Folge. Vorenthalten von Kalk und Phosphorsäure verursacht Erweichung oder Atrophie der Knochen (§. 246 8). Bei Infectionskrankheiten und Wassersuchten fand man oft den Salzgehalt des Blutes vermehrt, vermindert bei Entzündungen (Kochsalz fehlt im Harn bei Lungenentzündung) und in der Cholera. Der Fibrin gehalt — ist vermehrt im Blute an Entzündungen, nament- lich der Lungen oder der Pleura, Leidender. Es bildet sich daher auch bei ihnen im Aderlassblute die Crusta phlogistica aus (s. §. 32. Gerinnung). Auch in anderen, mit Blutzersetzung einhergehenden Krankheiten kann das Fibrin vermehrt sein, offenbar weil die aufgelösten Blutkörperchen Material zur Fibrinbildung liefern (§. 34. §. 35). Nach wiederholten Aderlässen sah Sigm. Mayer ebenso eine Steige- rung. Faserstoffreiches Blut pflegt langsamer (!) zu gerinnen, als faserstoff- armes ; doch fehlt es nicht an Ausnahmen. 48. Abnorme Verminderung der Menge des Blutes oder einzelner Theile desselben. Oligaemia. 1. Verminderung der Blutmasse im Ganzen (Oligaemia vera) — tritt nach jedem directen Blutverluste auf. Neugeborenen kann schon ein Blutverlust von einigen Ccmtr., Einjährigen von 250 Ccmtr , Erwachsenen von ihrer halben Blutmenge lebensgefährlich werden. Frauen überstehen leichter selbst erhebliche Blutverluste. Blutverluste als Männer; bei ihnen scheint schon wegen der periodischen Er- [§•48.] Verminderung des Blutes oder einzelner Theile desselben. setzung des verlorenen Blutes in jeder Menstruation die Blutneubildung leichter und schneller zu erfolgen. Fette Personen, ferner Greise und Schwächlinge sind gegen Blutverluste weniger widerstandsfähig, Je schneller die Blutung erfolgt, um so gefährlicher ist sie. Allgemeine Blässe und Kälte der Hautdecken, ängstigende Beklommenheit, Erschlaffung, Flimmern vor den Augen, Ohrensausen und Schwindel, Erloschen der Stimme und Ohnmachtsanwandlungen pflegen grössere Blutverluste zu begleiten. Starke Athemnoth , Stocken der Drüsen- secretionen , tiefe Bewusstlosigkeit , sodann Erweiterung der Pupillen, unwill- kürlicher Harn- und Koth-Abgang und schliesslich allgemeine Convulsionen sind die sicheren Vorzeichen des schnellen Verblutungstodes. In der höchsten Gefahr ist die Restitution nur durch die Transfusion (§. 101 ) möglich. Bis zu ' 4 der normalen Blutmenge kann Thieren entzogen werden, ohne dass der Blutdruck in den Arterien dauernd sinkt , weil die letzteren durch Contraction sich dem kleineren Blutkörper anpassen (in Folge der anämischen Reizung des vasomotorischen Centrums der Medulla oblongata). Blutverlust bis 1/3 der Blutmenge setzt den Blutdruck erheblich (bis etwa auf 1/4 in der Carotis des Hundes) herab. Führt die Blutung nicht zum Tode, so ersetzt sich durch Resorption aus den Gewehen zuerst das Blutwasser mit den gelösten Salzen, unter allmählicher Zunahme des Blutdruckes, dann erst das Eiweiss; längerer Zeit bedarf es zur Neubildung der Blutkörperchen. Das Blut ist daher zunächst abnorm wasserreich (Hydra ein ia), zuletzt noch abnorm zellenarm (Oligocy tha emia , — Hypoglobulie). Mit dem gesteigerten Lymphstrome zum Blute sind bald die weissen Blutkörperchen er- heblich über ihre normale Zahl gesteigert (?) ; auch scheinen in der Zeit der Resti- tution weniger rothe Blutkörperchen (z. B. zur Gallenbildung) verbraucht zu werden. Nach mittelstarken Aderlässen bei Thieren sah Buntzen das Volumen des Blutes in einigen Stunden, — nach starken Blutverlusten nach 24 — 18 Stunden sich wieder ersetzen. Die rothen Blutkörperchen jedoch wurden nach Aderlässen von 1,1— 4,4°/o &es Körpergewichtes erst nach 7 — 34 Tagen wieder vollzählig. Der Beginn der Regeneration wurde schon nach 48 Stunden erkannt. Während dieser Reorganisationsperiode ist die Zahl der Vorbildungsstufen der Blutkörper- chen vermehrt (§. 13 C.). Die neugebildeten Blutkörperchen erscheinen anfangs ärmer an Hb zu sein, als normal (Jac. G. Otto . Auch beim Menschen erscheint die Zeitdauer der Regeneration abhängig von der Grösse des Blutverlustes Lyon . Der Hb-Gehalt des Blutes ist nach Aderlässen annähernd proportional der Grösse der letzteren vermindert rBizzozero &° Salvioli). Von besonderer Bedeutung ist das Verhältniss des St off ums atz es im Körper eines Blutarmen. Die Umsetzung der Eiweisskörper ist vermehrt (ebenso im Hungerzustande) , weshalb die Harnstoffausscheidung gesteigert ist (Bauer, Jiirgensevi, Die Umsetzung der Fette im Körper ist jedoch dem entsprechend vermindert, womit, die Herabsetzung der CO., -Abgabe im Einklänge steht. Blut- arme, sowie Chlorotische setzen daher leicht Fett an : die Mästung der Thiere wird demgemäss durch zeitweilige Aderlässe befördert. Aehnlich verhält es sich mit intercurrentem Hunger. Schon Aristoteles giebt an, dass Schweine und Vögel nach intercurrenten Hungertagen leicht erheblich fett werden. 2. Eine übermässige Eindickung des Blutes durch "Wasserverlust wird als Oligaemia sicca — bezeichnet. Dieselbe ist beim Menschen nach reich- lichen, wässerigen Durchfällen, namentlich bei der Cholera, beobachtet, so dass das theerartige, dickflüssige Blut in den Adern stockt. Wahrscheinlich kann auch reichliche Wasserabgabe durch die Haut bei Schwitzenren, zumal bei gleich- zeitigem Mangel an Getränk, Oligaemia sicca, wenn auch nur in massigen Graden, hervorrufen. 3. Sind die Eiweisskörper des Blutes abnorm vermindert, so ist Oli- gaemia hypalbuminosa — vorhanden; sie können bis über die Hälfte ver- mindert werden. An ihrer Stelle pflegt übermässiger Wasserreicht hum in das Blut, einzutreten. Eiweissverlnste aus dem Blute geben die directe Ursache ab: Albuminurie (sogar 25 Gr. Eiweiss pro die liefernd), andauerndf^Eiterungen. umfangreiche nässende Hautflächen, hochgradige Milchverluste, eiweisshaltige Durchfälle (Ruhr). Aber auch häutige und umfangreiche Blutungen bringen, da der Verlust zunächst vorwiegend durch Wasseraufnahme in die Gefasse gedeckt wird, im Anfänge hypalbuminöse Oligämie hervor. üeber abnorme Veränderungen der rothen und weissen Blut- körperchen ist im §, 16 Mittheilung gemacht worden. Verblutungs- tod. Stotfii-erhsel bei Blutarmen. Wasser- verliest aus dem /Hute. Ei neiss- verltut aus dem Plasma. Physiologie des Kreislaufes. 49. Uebersiclit des Kreislaufes. Der Kreislauf Das Blut befindet sich innerhalb des Gefässsystemes in des Blutes fortwährender Bewegung, welche von den Ventrikeln aus durch die Hauptschlagadern (Aorta und Pulmonalis) und ihre Zweige, weiterhin durch das System der Capillargef ässe , und end- lich aus diesen wieder in grössere , zusammentretende Stämme (Venen) führend, schliesslich in den Vorkammern endet (William Harvey, 1628). ist begründet U r s a c h e dieser Kreislaufsbewegung ist in letzter Instanz l"^^"ci'"die Druckdifferenz, unter welcher das Blut in der Aorta und A. pulmonalis einerseits und in den beiden Hohlvenen und den vier Lungenvenen andererseits steht. Die Blutflüssigkeit strömt natürlich fortwährend nach derjenigen Gegend des ge- schlossenen Röhrensystemes , in welcher der niedrigste Druck herrscht. Je grösser diese Druckdifferenz , um so lebhafter ist die Strombewegung ; Aufhören dieser Differenz muss (wie nach dem Tode) natürlich die Strömung sistiren lassen (§. 86). Schema des Man ist gewohnt, den Kreislauf des Blutes einzutheilen : re&rcZerS' 1. In den grossen Kreislauf, — umfassend die Bahn Kreislauf. vom \{n^en Yorhof, linken Ventrikel durch die Aorta und alle ihre Aeste , die Körpercapillaren und Venen , bis zur Einmün- dung der zwei Hohlvenen in den rechten Vorhof. Kleiner 2. In den kleinen Kreislauf, — umfassend die Bahn Kreislauf. ^eg pg^^ Vorhofs und der rechten Kammer, der Pulmonal- arterie, dp Lungencapillaren und der sich aus ihnen wieder zu- sammenfügenden vier Lungenvenen , bis zur Einmündungssteile derselben in der linken Vorhofs wand. p/ortader- 3. Der Pfortader-Kreislauf — wird mitunter als be- sonderes Kreislaufssystem bezeichnet, obgleich derselbe nur eine zweite , in eine Venenbahn eingefügte Capillarauflösung (inner- Kr eislau f. [§•49.] Das Herz. 77 Fig. 17. halb der Leber) darstellt. Er setzt sieh zusammen aus der. aus den vereinigten Eingeweidevenen sich zusammenfügenden Vena portarum, die sich innerhalb der Leber zu Capillaren auf- löst, aus denen sich die Venae hepaticae wieder vereinigen. Letztere gehen in die untere Hohlvene über (§. 1 76). Eine derartige Hervorhebung des Pfort- adersystemes als besonderer Kreislauf ist, streng genommen, nicht zu begründen. Aehnliche Ver- hältnisse finden sich bei manchen Thieren noch an anderen Stellen , z. B. besitzen die Schlangen ein derartiges System in der Nebenniere , die Frösche an den Nieren. Gehen auf der Bahn eines Arterien- stammes Auflösungen in feine Aeste vor sich, die sich bald (ohne capillar zu werden) zu einem Arterienstamme wieder vereinigen , so bieten sie die Erscheinung der sogenannten Wundernetze (Rete mirabile) , z. B. bei Affen und Edentaten. Mikroskopische Wundernetze enthält das Mesen- terium des Menschen (Schöbl). — Analoge Bil- dungen an den Venen werden v e n ö s e Wunder- netze genannt. 50. Das Herz. Die Herzmuskulatur der Säugethiere (Figur im §. 294) bestellt aus kurzen (50 bis 70 [/., Mensch), sehr dicht und fein quergestreiften (C. Krause, 1833), wirklich nur einzelligen (Eberth, 1866), sarkolemmalosen Elementen von mittlerer Breite (15 — 23 p-, Mensch), die an ihren abgestumpften Enden meist gespalten und mittelst dieser letzteren zu einem Netzwerk anastomotisch ver- bunden sind (van Leeuwenhoek , 1695). Eine durch Silbernitrat sich schwärzende (durch 33%. Kalilauge sich auflösende) Kittsubstanz verbindet die einzelnen Muskel- zellen , von denen jede in der Mittelaxe einen 14 [/. langen und halb so breiten Kern (selten zwei kleinere) trügt. Die quer- ArterieVe und venöse Wundernetze. Charakter der Hcrzmuskel- fasern. Schema des Kreislaufes: a Atrium dextrum, — A Ventri- culus dexter, — * Atrium slni- strum, — R Ventriculus sini- ster, — l. Arteria pulmonalis, — 2. Arteria aorta mit den Semi- lunarklappen , — l Gebiet des kleinen Kreislaufes. — k Gebiet des grossen Kreislaufes im Be- reiche der oberen Hohivene o, — ö Gebiet des grossen Kreis- laufes im Bereiche der unteren Hohlvene u , — d d Darmcanal, m Darmarterien, — ? Ptortader, o-estreitte Substanz ist ott von M o 1 ek u 1 a r- — L Leber, — h Lebervenen. ; k ("> r neue n reihenartig durchsetzt. — Die Fasern sind sämmtlich der Länge nach aneinander gefügt und von dem eindringenden Perimysium in vielfache Bündel abgetheilt, welche (nach Auflösung des Bindegewebes, durch Kochen) sich auf längere Strecken als gröbere Fasern isolireo lassen. Die Form dieser Muskolbündel ist in den Vorhöfen mehr rundlich auf dem Querschnitte, in den Ventrikeln mehr flach lamellös; auch setzen hier mehrere dünnere ein dickes Band zusammen. Die zwischen diesen Blättern liegenden Spalten dienen vielfach Lymphgefässen zur Aufnahme. Fasert 78 Anordnung der Muskelfasern der Vorhöfe. [§. 51.] 51. Anordnung der Muskelfasern am Herzen und ihre physiologische Bedeutung. Vorhofsmuskulatur. Die Betrachtung des embryonalen Herzens liefert in mancher Beziehung den Schlüssel zum Verstau dniss des vielfach verwickelten Faserverlaufes am Herzen. Der einfache Herzschlauch des Embryo zeigt äussere circuläre und innere longitudinale Faserzüge. An dem ursprünglich einfachen Herzschlauch bildet sich erst später die Scheidewand aus, woraus es einleuchtend ist, dass sowohl an den Kammern, als auch an den Vorkammern die Fasern beiden Hälften, wenigstens theilweise , angehören , da sie ursprünglich nur einen Raum umschlossen. Dahingegen sind die Muskelfasern der Vor- kammern von denen der Kammern durch die Faserringe (Annuli fibrocartilaginei) völlig getrennt (Lieutaud, 1782). An den Vorkammern bleibt die Anordnung der embryonalen Faserung in den Grundzügen erhalten. An den Kammern jedoch ist dieselbe ver- wischt, weil diese während der Entwickelung sowohl eine magen- förmige Biegung und Ausbuchtung, als auch eine spiralige Drehung erfahren. reriauf: der 1. Die Muskulatur der Vorhöfe, — welche viel dünner ist, als "an den' * die der Kammern, hat im Allgemeinen eine Anordnung in zwei Vorhäfen, Schichten, von denen die äussere transversal angeordnet ist und continuirlich sich über beide Vorhöfe forterstreckt, während die innere eine longitudinale Pachtung nimmt. Die äusseren, querverlaufenden Fasern lassen sich von den einmündenden Venen- stämmen aus auf die vordere und hintere Wand hin verfolgen. Die inneren Fasern sind besonders dort reichlich hervortretend , wo sie sich senk- recht an die Faserringe ansetzen , doch sind sie namentlich in der vorderen Wand der Vorhöfe an einzelnen Stellen nicht continuirlich am Septum. angeordnet. An dem Septum der Vorhöfe ist besonders der ring- förmige Muskelfaserzug hervortretend , welcher die Fossa ovalis Muskelfasern (die frühere embryonale Oeffnung des Foramen ovale) u m g i e b t. An "venen. den E i n m ü n d u ii g s s t e 1 1 e n der Venen in die Vorhöfe finden sich circuläre Faserzüge quergestreifter Muskeln : am wenigsten ausgeprägt finden sich diese an der Vena cava inferior, stark und weiter aufwärts reichend (bis zu 2,5 Cmtr.) an der Vena cava superior (s. Fig. 18. II). An den Einmündungen der 4 Lungenvenen in den linken Vorhof erstrecken sich beim Menschen und einigen Säugern quergestreifte Muskelfasern auf die Lungenvenen bis an den Hilus der Lungen mit inneren Piing- und äusseren Längs-Fasern ; bei anderen Mammalia (Affe, Ratte) sogar bis in die Lungen hinein. Bei manchen Säugern (Maus, Fledermaus) gehen die Fasern so weit in die Lungen hinein , dass bei kleinen Venen die ganze Wand fast nur aus quer- gestreiften Muskelfasern gebildet ist (Stieda). Ai'j'h an der Einmündungssteile der Vena magna cordis und in der, sie schliessenden, Val vula Thebesii finden sich Muskelfasern, _ . , . , zumal circuläre. riitjsioloijische Toiijen aus Vom physiologischen Gesichtspunkte aus er- "Anordnung geben sich aus diesen anatomischen Angaben folgende Einzel - dCfaIe7n°/s " lieiteii in Bezug auf die Contraction der Vorkammern. [§• 51.] Anordnung der Kammermuskeln. 79 1. Sie ziehen sich unabhängig von den Kammern zu- sammen : dies ist namentlich ersichtlich beim Erlöschen der Herz- thätigkeit, indem dann oft mehrere Vorhofscontractionen allein erfolgen, dem sich hin und wieder nur eine Kammercontraction anschliesst. (Weiteres im §. 62.) Fig. 18. 11 I. Verlauf der Muskelfasern an dem linken Vorhofe : die äussere transversale und die innere longitudinale Fasersckicht bemerkbar, ausserdem die circulären Fasern der Venae pulmonales (v. p.) : I' der Hake Ventrikel, nach John Heid. — II. Aus- breitung quergestreifter Muskelfasern an der oberen Hohlvene nach Eliaeher ; a Ein- miiudung der Vena azygos ; — v Vorhof. 2. Die beiden sich kreuzenden Hauptfaserschichten (trans- versale und longitudinale) dienen der allseitigen, gleichmässigen Verengerung des Innenraumes der Atrien, [wie sie auch an den meisten Hohlmuskel-Organen angetroffen werden (§. 308; A. 1)]. 3. Die, die einmündenden Yenenstämme umgebenden Cir- culärfasern verursachen durch die. mit der Bewegung der Vor- höfe erfolgende Zusammenziehung theils eine Entleerung in den Vorhof, theils verhindern sie, dass das Blut in die Venen sich in erheblichem Maasse zurückstauen kann. 52. Anordnung der Kaninierniuskeln. 2. Die Muskelfasern der Kammern — lassen sich innerhalb ihrer viel mächtigeren "Wände in eine Anzahl von Schichten zerlegen. Man trifft unter dem Pericardium zuerst eine äussere longitu- dinale Schicht (Fig. 19. Aj, die am rechten Ventrikel nur einzelne Bündel , am linken jedoch eine zusammenhängende Lage nmfasst von etwa 1/s der Gesammtdicke der Wandung. Eine zweite Schicht longitudinaler Fasern liegt a uf der I n n e n f 1 ä c h e derfeammern, wo sie namentlich an den Mündungen, sowie innerhalb der senkrecht aufsteigenden Papillarmuskeln deutlich sind, während sie an den anderen Stellen durch die unregelmässig verlautenden Züge der Trabeculae carneae ersetzt werden. Zwischen diesen beiden Längs- schichten liegt die mächtigste: die Schicht der transversal Faserverlauf an den Kammern. . I mtjitudinalt Schicht. longitudinale - MttcUi •'. Anordnung der Kammermuskeln. [§.52.] Uebergang der drei Schichten in einander. geordneten Züge, welche in einzelne blätterige, ringförmige Bündel zerlegbar ist. In den Spalten zwischen den Bündeln verlaufen die tiefen Lymphge fasse, während die Blutgefässe innerhalb der Substanz der Blätter selbst, ringsum von Primitivbündeln umgeben, liegen (Henle). Alle drei Schichten sind jedoch nicht völlig selb- ständig und von einander abgeschlossen, vielmehr vermitteln schräg verlaufende Faserzüge den allmählichen Uebergang zwischen den transversalen Blättern und den inneren und äusseren longitudinalen Zügen. Die vielfach gemachte Annahme jedoch, als wenn die äussere longitudinale Schicht ganz allmählich in die transversale überginge und diese endlich ebenfalls ganz wieder in die innere longitudinale (wie Fig. 19 in C schematisch gezeichnet), ist ein nicht gerechtfertigter Fig. 19. Verlauf der Muskelfasern an den Ventrikeln. A Verlauf auf der Vorderfläche ; -ß Ansicht der Spitze mit dem Wirbel, nach Henle ; C Scheniatischer Verlauf eines Muskelzuges innerhalb der Ventrikelwand ; D Verlauf eines solchen bis in den Papillarmuskel nach 0. Ludwig. Schematismus, gegen den schon das gewaltige Ueberwiegen der Mächtig- keit der Mittelschicht spricht (Henle). Im Allgemeinen haben die äusseren längsverlaufenden Züge eine Richtung der Art, dass sie mit der Richtung der inneren Längszüge sich unter einem spitzen Winkel schneiden. Die dazwischen liegende Transversalschicht ver- mittelt zwischen diesen Richtungen alimähliche Uebergänge. An der Spitze des linken Ventrikels biegen äussere längsverlaufende Fasern, Wirbel der indem sie/ in dem sogenannten Wirbel (B) zusammentreten, in das an der Spitze. Innere der Muskelsubstanz ein- und aufwärts und gelangen bis in die Papillarmuskeln (D) (Lower , 1669); doch muss es als ein Irrthum bezeichnet werden, wenn man sämmtliche in die Papillarmuskeln auf- steigende Züge von diesen verticalen Muskelbündeln der äusseren Ober- fläche ableiten will ; viele entstehen aus der Ventrikelwand selbständig. [§. 52.] Perikardium. Endokardium. Klappen. 81 Auch ist der Ursprung dieser Längsfasern niclit einzig und allein an der äusseren Herzfläche von den Annuli fibrocartilaginei oder den Arterienwurzeln herzuleiten. Es sei endlich noch die besondere Ring- faserschicht erwähnt, welche nach Art eines Sphincters das Mngfaaem Ostium sinistrum umgürtet (Henle). Oatium. Die Anordnung der Muskelfaserzüge in den Ventrikeln konnte liier nur in gröberen Zügen dargelegt werden: im Einzelnen herrscht eine sehr complicirte Faserung, deren Verlauf schon Rieh. Lower, Casp. Fried. Wolff, sodann C. Ludwig und zuletzt noch Pettygrew eingehender verfolgt haben. 53. Perikardium. Endokardium. Klappen. Das Perikardium , — welches zwischen seinen beiden Blättern einen Das mit geringer Menge Lymphe gefüllten Lymphrau m , die Perikardialhöhle, 1 1 '. — 8. Die Beobachtungen am Muskel haben gezeigt, dass während seiner Con- 6* 84 Der Coronarkreislauf. [§. 54.] traction seine kleineu Gefässe sich erweitern und der Blutstrom durch denselben beschleunigt wird (§. 296. IL). Es ist daher schwerlich anzunehmen, dass im con- trahirten Herzmuskel die Blutbewegung stocken sollte (LandoisJ. Da während der Sy stole die kleinen, der Ventrikelhöhle zunächst liegenden Gefässstämmchen einen höheren Druck auszuhalten haben, als der Aortendruck beträgt , so wird wohl an ihnen sj^stolisch eine Compression ihrer Lumina unter Entweichung des Inhaltes nach den Venen hin statthaben. Capiüar- Auch noch die folgenden, physiologisch wichtigen Einzelheiten an den Ge- ge/ä'se und fassen des Herzens sind beachtenswerth : — die Capillargetässe der Muskel- epen des sukstanz sind entsprechend der energischen Thätigkeit des Herzens sehr reichlich. Bei ihrem TJ ebergange in die Venen treten stets mehrere derselben sofort zu einem dickeren Venenstämmchen zusammen, wodurch ein sehr leichter Ueber- tritt des Blutes in die Venen ersichtlich ist. ■ — Die Venen sind mit Klappen ausgestattet. Diese bringen es mit sich , dass — 1) bei der Systole des rechten Vorhofes (also während der Diastole der Kammern) der Venenstrom unterbrochen wird, — 2) dass bei der Contraction der Ventrikel das Blut in den Herzvenen ähnlich beschleunigt wird, wie in den Venen der Muskeln (§. 101). Diese systo- lische Beschleunigung des Venenstromes lässt auf eine gleichzeitig nicht unter- brochene Arteriencirculation schliessen (Landois). Die Coronararterien, zwischen denen keine Anastomosen vorkommen (Hyrtl, Henle ; — ? W, . Krause, L. Langer), sind durch ihre sehr dicke, bindegewebige und elastische Intima ausgezeichnet, welche vielleicht das häufige Auftreten der Ver- kalkungen an diesen Gefässen erklärt (Henle). — Als eine merkwürdige Thatsache sei noch erwähnt, dass manche niedere Wirbelthiere gar keine Gefässe in der Herzsubstanz haben („anangische Herzen"), z. B. der Frosch (HyrtlJ. Bedeutung Von grosser Bedeutung sind die Erscheinungen , welche dKreS?au/es.' man am Herzen nach totaler oder partialer Unwegsamkeit der Kranzgefässe (etwa durch Ligatur) beobachtet, zumal auch beim Menschen analoge Zustände in Folge von Ver- stopfung, Verkalkung oder sonstiger Circulationsbehinderung im Gebiete der Aa. coronariae beobachtet worden sind. See , Bocliefontaine und Roussy unterbanden bei Hunden die Coronararterien und fanden nach 2 Minuten statt der Contractionen ein Zittern der Muskelbündel des Herzens eintreten und dann Herz- stillstand. Es genügt auch allein schon die Ligatur der vorderen Kranzader oder ihrer beiden Hauptäste. Folgen der Werden bei Kaninchen die Kranzarterien in dem Winkel zwischen der erco7onar- Bulbus aortae und Kammer zugedrückt oder unterbunden, so erfolgt arter.en. Wegen der plötzlichen Anämie und der Aufspeicherung der Umsatz- producte des Stoffwechsels im Herzen eine schnelle Abschwächung der Herzthätigkeit (v. Bezold & Erichsen) , und zwar beeinflusst die Ligatur einer Arterie zuerst die betreffende Kammer , dann die andere Kammer, zuletzt die Vorhöfe nebst den Aurikeln. Daher bewirkt Compression der linken Coronaria (bei gleichzeitiger künstlicher Eespiration am curarisirten Thiere) Verlangsamung der Contractionen insbesondere des linken Ventrikels, während der rechte seine Contractionen anfangs erst schneller , vollzieht und erst allmählich in die Verlangsamung des Rhythmus hineingezogen wird. Die verlangsamten Herzschläge des linken Herzens sind zugleich geschwächt, während die rechte Herz- hälfte ungeschwächt weiterpulsirt. Dadurch kommt es, dass die linke Herzhälfte das Blut nicht hinreichend fortpumpen kann, so dass sich namentlich der linke Vorhof strotzend füllt, während gleichzeitig der [§. 54.] Unwegsamkeit der Kranzarterien. — Herzbewegung. 85 rechte Ventrikel ungehindert Blut in die Lungen treibt. Hierdurch tritt Oedem der Lungen ein, in Folge des hohen Blutdruckes im ö v. Schulthess-Rechberz sahen nacb Unterbindung eines der grossen Aeste einer A. coronaria beim Hunde gegen Ende der 1. Minute ein- zelne Pulsationen aussetzen. Dann wird das Aussetzen häufiger, die Herzaction wird arkythmiseh unter deutlicber Verlanesamung der Scblagfolge; mit der Arhythmie tritt Sinken des Blutdruckes ein. Dann plötzlich, etwa gegen 105 See. nach der Ligatur, stehen beide Kammern still unter stärkstem Abfall des Blut- druckes. Nach 1Ö — 12 See. dauerndem Stillstand zeigen sich flimmernde Muskel- beweguhgen der Ventrikel bei regelmässiger Pulsation der Vorhöfe, die noch viele Minuten fortschlagen, während nach 50 See. die Ventrikel für immer stillstehen. Nach Lukjanow besteht zwischen den regelrechten Contractionen und dem Flimmern als Uebergangsstufe ein peristaltiseb.es Zusammenziehen , welches aufwärts und abwärts verlaufen kann. Vagusreizung vermag diese peristaltische Bewegung nicht mehr zu hemmen. Pathologisches: — Bei der sogenannten Sclerose der Kranzarterien im höheren Alter kommt es acut oder chronisch zu Anfällen verminderter Leistungs- fähigkeit des Herzens. Herzschwäche, veränderter Rhythmus und Frequenz (bis 8 in 1 Minute) bilden neben Athemnoth , Ohnmacht,- Stauungen, Anfällen von Lungenödem die charakteristischen Zeichen (Leyden) , denen sich der Tod durch sogenannten „Herzschlag" anschliessen kann. 55. Die Bewegungen des Herzens. Tonussdnv anklingen. Die Herzbewegung giebt sicli zu erkennen als eine ab- Die ab- wechselnde Contraction und Erschlaffung der Herzwandungen. l^hTäus der Die ganze Bewegungserscheinung. Revolutio cordis genannt, sy^j. ° . . öO -i • * i -\ rr • 1 i Diastole und setzt sich zusammen aus drei Acten : der Zusammenziehung der rause. Yorhöfe (Systole atriorum), — der Zusammenziehung der Kammern (Systole ventriculorum) — und der Pause. Während der Pause sind Vorkammern und Kammern erschlafft, während der Contraction der Yorhöfe ruhen die Kammern, während der Zusammenziehung der Kammern sind die Yorhöfe erschlafft. Die Ruhe in der Erschlaffung wird Diastole ge- nannt. Der Reihe nach geben sich folgende Erscheinungen während einer Herzrevolution zu erkennen: A) Das Blut strömt in die Yorhöfe, — welche mu»ng dar hierdurch ausgedehnt werden. Der Grund hierfür liegt: 1. In dem Drucke, unter welchem das Blut in den Enden der Hohlvenen (rechts» und der Lungenvenen (links) steht, welcher grösser ist, als der Druck in den Vorhöfen. 2. Indem elastischen Zug der Lungen {sißbß £.66 u. 1 1 3), welcher nach vollendeter Zusammenziehung der Yorhöfe die nunmehr erschlafften, zusammenliegenden, nachgiebigen Vor- hofswände wieder auseinander zieht. — Mit der Eiillung der Yorhöfe geht auch die der Herzohren einher, welche gewisser- maassen als Nebenreservoire der Yorhöfe für das sehr reichlich aus den Venen einströmende Blut funetioniren. S6 Die Bewegung des Herzens. [§•55.] Contraction der Vorhöfe. Undulatlons- bewegungen an den grossen V'enen- stämmen . Füllung de> Kammern. Eine Saug- kraft der Kammern existirt nicht Schlusn der venösen Klappen. Contraction der Kammern. B) Die Vorhöfe eontrahiren sich. — Hierbei er- kennt man in schnellster Folge : 1 . Die Znsammenziehung und Entleerung des Herzohres gegen den Vorhof hin. Zugleich verengern sich durch ihre circulären Muskellagen die einmündenden Venen, vor- nehmlich die obere Hohlvene (Albr. v. Haller, Nysten) und die Einmündungssteilen der Venae pulmonales. 2. Die Wandungen der Vorhöfe ziehen sich gleichmässig gegen die Zipfelklappen und die venösen Ostien hin zusammen, wodurch 3. das Blut abwärts in die erschlafften Ventrikel hinein- getrieben wird, welche sich nun beträchtlich erweitern. Die Contraction der Vorhöfe hat zur Folge : a) Ein leichtes Anstaue rt des Blutes in die grossen Venenstämme , wie man namentlich bei Kaninchen leicht erkennen kann , bei denen nach Durchschnei düng der Brustmuskeln der Zusammentritt der Venae jugulares und subclaviae freigelegt ist. Es findet kein eigentliches Zurückwerfen der Blutmasse statt, sondern nur eine theilweise stauende Unterbrechung des Einflusses in den Vorhof, weil, wie gesagt, die Einmündungs- stellen der Venen sich verengern, weil ferner der Druck in der oberen Hohlvene und in den Lungenvenen der Rückstauung bald das Gegengewicht hält, und endlich, weil in der weiteren Verzweigung der unteren , zum Theile auch der oberen Hohl- vene und der Herzvenen Klappen die Rückstauung verhindern. In dem anstauenden Hohlvenenblute bewirkt die Herzbewegung eine regelmässige, pulsatorische Erscheinung, die in abnormer Höhe zum Venenpuls führen kann. (Vgl. §. 104.) b) Der hauptsächlichste Bewegungseffect der Contraction der Vorhöfe ist die Erweiterung der erschlafften Ventrikel, die in geringem Grade schon durch den elasti- schen Zug der Lungen eine Ausdehnung erfahren. A eitere und neuere Forscher haben zum Theil die Erweiterung der Ven- Irikel auf die El astici tat der Muskel Wandungen mit zurückgeführt: die stark zusammengezogenen Kammerwände sollten (ähnlich einer comprimirten Gummiflasche) durch ihre Elasticität in die ruhende, normale Form zurückkehrend das Blut unter einem negativen Drucke aspiriren. Eine derartige Saugkraft der Ventrikel ist jedoch , wenn überhaupt, dann jedenfalls nur in sehr geringem Grade wirksam. c) Bei dieser Dehnung der Ventrikel durch das einströmende Blut flottiren sofort die Atrioventrikularklappen nach Oben (Fig. 20), indem sie theils durch den Gegen schlag des Blutes von der Ventrikel wand hinaufgedrängt werden, — theils sich ver- möge ihres geringeren specitischen Gewichtes leicht schwimmend horizontal ausbreiten, — theils endlich auch durch longitudinale Muskelfasern , welche vom Vorhof auf die Klappen übergehen, emporgezogen werden (Paladino). C) Nun eontrahiren sich die Ventrikel, indem gleichzeitig die Vorhöfe erschlaffen. Hierbei 1 . ziehen sich die Muskel wände allseitig zur Verkleinerung des Ventrikelraumes zusammen. [§•55] Die Bewegung des Herzens. 87 2. Somit presst sich sofort das Blut gegen die Unterfläche der Atrioventrikularklappen, die sich mit um- und nach unten gebogenen Rändern zahnförmig in einander greifend, hermetisch gegen einander legen (Sandborg & Worm-Müller) (Fig. 20). Fig. 20. Gypsausguss der Ventrikel des Menschenherzens, von hinten und oben gesehen ; die Wanduugeu sind entfernt, allein die Faserringe UDd die venösen Klappen sind erhalten. L linke, J: rechte Kammer. 8 Stelle des Septums. >' linker Faserring mit geschlossener Mitralis, D rechter Faserring mit der geschlossenen Tncuspiüalis. A Aorta mit der linken ('•,) und rechten (c) Coronararterie. •>', Sinus Valsalvae. P Art. pulmonalis. Hierbei ist ein Rückwärtsflottiren in die Vorhofshöhlen nicht möglich, da die Chordae tendineae ihre unteren Flächen und Ränder wie die geblähter Segel festhalten (Kürschner). Für die Aneinanderlagerung der benachbarten Klappenränder wirkt noch der Umstand günstig, dass von einem! Papillar- muskel die Sehnenfäden stets an die einander zugekehrten Ränder zweier Klappen gehen (Reid). Um so weit, als die untere Ventrikelwand sich bei der Contraction den Klappen nähert und so ein Rückschlagen ermöglichen könnte, compensirt dieses schon bald die Contraction der Papillarmuskeln und der Chordae tendineae. Die Bewegung des Herzens. Tonusschwankungen. [§•55.] Ofjfnung der arteriellen Klappen. Xegativer Druck im Ventrikel Fig. 21. vor dem Hbliepunkte der Systole. Die geschlossenen Semüunar- klappen der Pulmonalis vom Menschen (von unten). grösseren, muskelkaltigen Sehnenfäden selbst. Die geschlossenen Klappen sind der Fläche nach annähernd horizontal gestellt; daher bleibt in den Ventrikeln anch anf der Höhe der Con- traction stets ein Rest von Blnt zurück (Sandborg & VVorm- Müller) . 3. Hat der Druck im Ventrikel den in dem arteriellen Gefässe übertroffen, so öffnen sich die Halbmondklappen, spannen sich sehnenartig über ihre gewölbten Taschenräume, ohne sich an die Wand der Arterien fest anzulegen, und lassen das Blut eintreten. Goltz und Gaule fanden (mittelst einge- führter Maximal- und Minimal-Manometer) während einer bestimmten Phase der Herzbewe^üng im Innern der Ventrikel einen negativen Druck, der innerhalb der linken Kammer selbst — 23,5 Mm. Quecksilber betrug (Hund). Sie vermutheten, dass diese Phase mit der diastolischen Erweite- rung zusammenfalle, für welche sie somit eine erhebliche Aspirationskraft annahmen. Moens ist der Ansicht, dass dieser negative Druck im Ven- trikel herrsche , kurz bevor die Systole ihren Höhepunkt erreicht hat, also bevor noch die Innenwände des Ventrikels und die Klappen sich nach Entleerung des Blutes beinahe berühren. Er erklärt die Aspiration durch die Bildung des leeren Baumes in der Kammer, welcher durch die energische Fortbewegung des Blutes (durch die Aorta, resp. die Pulmonalis) hinter der abströmenden Blutmasse, also im Ventrikel, entstehen müsse. D) Nachdem die Contraction der Ventrikel ihr Ende er- reicht und die Erschlaffung derselben ihren Anfang genommen hat, schliessen klappend die Semilunarklappen zu (Fig. 21). — Auf die Diastole ventriculorum folgt die Pause. Unter normalen Verhältnissen sind beide Herzhälften stets zugleich und gleichmässig contrahirt, — oder erschlafft. Der Herzmuskel zeigt bei seiner Thätigkeit gewisse „Tonus- schwankungen", d. h. er zieht sich nicht bei jeder Systole von dem Stadium der gleich grossen Erschlaffung bis zum Stadium gleich- grosser Contraction zusammen sondern es erfolgen vielmehr in rhyth- misch abwechselnden Perioden allemal Reihen von Contractionen, welche aus grösserer Erschlaffung des Herzmuskels anheben, mit Reihen solcher, welche aus weniger vollkommener Erschlaffung desselben beginnen. Iki letzteren ist auch der Contractionsgrad ein höherer, als bei ersteren. Man fand diese Tonusschwankungen namentlich an dem Vorhofe des Schildkrötenherzens. Wärme steigert die Zahl der Herzcontractionen, liebt aber die Tonusschwankungen auf (Fano). 56. Pathologisch gestörte Thätigkeit des Herzens. Abnorme Alle (Widerstände, welche sich der Blutbewegung durch die verschie- Widerst'dnde denen Abtheilungen des Herzens oder durch die sie verbindenden Gefässbahnen eTHyper- hindurch, entgegenstellen, veranlassen eine dauernd grössere Arbeitsleistung des iro'phien am für diese Strecke des Kreislaufes besonders thätigen Herzab?chnittes und in Folge Herzen. davon eine Dickenzunahme der Muskelwandnngen und Erweiterung dieses Haumes. Wirken die Widerstände nicht allein auf e i h e n Herzabschnitt, sondern consecutiv auf andere, stromaufwärts belegene Theile, so werden auch diese Schluss der Semilunar- klappen . Tonus- schwan- kungen des Herzmuskels. [§.56.] Pathologisch gestörte Thätigkeit des Herzens. 89 eine nachfolgende Hypertrophie zeigen. Ist neben vermehrter Muskelsubstanz des betreuenden Herzabschnittes zugleich auch die innere Höhle desselben, was oft der Fall ist, erweitert, so spricht man von einer excentrischen Hypertrophie, oder Hypertrophie mit Dilatation. Die Widerstände, um welche es sich hier handelt, sind im Bereiche der Oefässbahnen: Verengerungen der arteriellen oder venösen Ostien, oder auch Un- dichtigkeiten (Insufficienz) der Klappen. Letztere bewirken dadurch "Widerstände in der Blutbewegung, dass sie von dem einmal fortbeförderten Blute stets eine Menge wieder rückwärts strömen lassen. So entsteht — 1. Hypertrophie des linken Ventrikels bei Hinder- nissen im Gebiete des grossen Kreislaufes, und zwar vornehmlich der Arterien und Capillaren, — nicht der Venen. Hierher gehören Verengerungen des Aorten- ostiums und der Aorta weiterhin, ferner Verkalkung und Undehnbarkeit der grossen Schlagadern, unregelmässige Erweiterungen an denselben (Aneurysmen), — Insufficienz der Aortaklappen, bei welcher im Ventrikel stets der Aortadruck herrscht, — endlich Affectionen der Nieren, wodurch diese Organe in ihrer Wasserausscheidung behindert sind. Aber auch bei Mitralmsufficienzen ist zur Compensation Hypertrophie des linken Herzventrikels nothwendig, die sich neben der des linken Atriums in Folge des erhöhten Blutdruckes im kleinen Kreisläufe ausbilden muss (A. Weil). 2- Hypertrophie des linken Vorhof es tritt ein bei Stenose des linken venösen Ostiums, oder bei Insufficienz der Mitralis, — consecutiv aber auch bei Insufficienz der Aortaklappen, weil der Vorhof hier den im Ventrikel ununter- brochen herrschenden Aortadruck zu überwältigen hat. 3. Hypertrophie des rechten Ventrikels wird sich ausbilden — a) bei allen Hindernissen , welche der Blutstrom im Gebiete des kleinen Kreislaufes erfährt. Diese sind : — a) Verödungen grösserer Gefässbezirke der Lungen in Folge von Zerstörung oder Schrumpfung oder Compression der Lungen , femer Untergang zahlreicher Capillaren in emphysematösen Lungen. — ß) Ueberfüllungen des kleinen Kreislaufes mit Blut in Folge von Stenose des linken venösen Ostiums oder von Insufficienz der Mitralis, — • consecutiv auch bei Hypertrophie des linken Vorhofes bei Aortaklappen-Insufficienz. — b) Hypertrophie des rechten Ventrikels wird sich aber auch ausbilden müssen bei Undichtigkeit der Pulmonalis-Klappen, die das Blut in die Kammer zurückströmen lässt, so dass im Innern derselben ununterbrochen der Druck der Pulmonalarterie herrscht (sehr selten). 4. Hypertrophie des rechten Vorhofes herrscht consecutiv bei letztgenanntem Zustande , ferner bei Stenose des rechten venösen Ostiums , oder bei Insufficienz der Tricuspidalis (selten). Treffen mehrere Hindernisse im Kreislaufsgebiete zusammen, so combiniren sich die daraus resultb enden Folgeerscheinungen. Uebcr die Art und Weise, wie das Herz sich bei entstehenden Klappen- fehlern in seiner Thätigkeit verhält, hat 0. Rosenbach Untersuchungen angestellt. Wurden die Aortenklappen durchlöchert, mit oder ohne gleichzeitige Verletzung der Mitralis und Tricuspidalis, so zeigt sich zuerst eine vermehrte Arbeit des Herzens, durch welche gegen den physikalischen Fehler so angekämpft wurde, dass der Blutdruck nicht sank. Das Herz gebietet also gewissermaacsen über Reservekräfte, die zuerst in Wirksamkeit treten. In Folge der Klappenundichtig- keit bildet sich nun zuerst Dilatation durch die Regurgitation des Blutes in den betrettenden Herzabschnitt. Dann erfolgt die Ausbildung der Hypertrophie , bis zu deren Vollendung die Reservekräfte die Compensation leisten müssen. Unter den Ursachen, welche die Diastole des Herzens besonders erschweren . sind noch zu nennen: hochgradige Ergüsse im Herzbeutel oder Druck von Ge- schwülsten auf das Herz. Die Systole wird m sentlich erschwert durch Ver- wachsung des Herzens mit dem Bindegewebe der Mediastinalcava. liier muss das umgebende Gewebe, sogar die Thoraxwan 1 bei der Contraction des Herzens mit herangezogen werden, so dass systolische Einziehung der lHerzstoss- gegend und diastolisches licrvorschnellen dieser Stelle erfolgt. Exzentrische Byper- trophien. Arten der Widerstände. T'rsachen der Hyper- trophie der Unken Kammer, des linken Yorhofes, der rechten Kommer, de? rechten I 'orhofes. Versuche übet Anlegung künstlicher Klappen- fehler. ■ rung ier Diastole. Systolische Einziehung. 57. Der Ilerzstoss. Das Kardiogramm. Unter Herzstoss verstellt man unter normalen Verhält- r":<"»f>on des hissen eine, an einer umschriebenen Stelle des 5. linken Inter- 90 Der Herzstoss, das Kardiogramm. [§■ 57.] costalraumes wahrnehmbare (fühl- und sichtbare) Erhebung, welche durch die Bewegung des Herzens hervorgebracht wird. Seltener trifft man den Stoss im 4. Intercostalraum ; mitunter ist er weniger deutlich, falls nämlich das Herz gegen die 5. Rippe selbst andrängt. Lageveränderungen des Körpers ändern etwas den Ort und die Stärke des Herzstosses. Der Herzs/oss Es gelingt von dieser Bewegung vermittelst registrirender "eriäsTgJtcn Werkzeuge ein Curvenbild verzeichnen zu lassen : „d i e H e r z- stosscurve" oder „das Kardiogramm". Methode: — Zur Registrirung der Herzstosscurven dient entweder der Sphygiuograpk von Marey (§. 72) oder der Kardiograph desselben Forschers. (Der Pansphygmograph von Brondgeest repräsentirt eigentlich dasselbe Werkzeug mit unwesentlichen Veränderungen ; siehe dessen Beschreibung und Ab- bildung im §. 72.) — Bei Thieren kann man das Rohr des Punsphygmographen mit dem Herzbeutel durch Einbinden vereinigen und so das Kardiogramm regi- striren (Fr. Franck, KnollJ. Fig. 22. ven aus der Her. stosscurve erkannt. A Normale Herzstosscurven vom Menschen: B desgleichen vom Hunde: C sehr beschleunigte vom Hunde : D \\. E normale Herzstosscurven vom Menschen auf schwingender Stimmeabelplatte verzeichnet: jedem Zähnchen entspricht, die Zeit = o-nir>i3 Secunde. In allen Curven bedeutet ab die Vorhofaeoutractio'i, — b c die Ventrikelcontraction, — d Schluss der Aortaklappen. — e Schlu^s der Pulmonalisklappen, — e f Erschlaffung der Ventrikel. Die Vorhop- Fig. 22 A zeigt uns die Herzstosscurve eines normalen Herzstoss-* Menschen , — B die des Hundes mittelst des Sphvgmographen curve. verzeichnet. An beiden erkennt man folgende Einzelheiten: ab entspricht der Zeit der Pause und der Contraction der Vorkammern (Marey, Landois). Da die Atrien sich in der Richtung der Herzaxe von rechts und oben nach links und [§• 57.] Der Herzstoss, das Kardiogramm. 91 unten zusammenziehen , so ist es nicht auffällig , dass sich die Herzspitze gegen den Intercostalraum vorschiebt. Man nimmt an diesem Curvenabschnitte gewöhnlich 2 , selbst 3 kleinere Erhebungen wahr, welche von den schnell hinter einander sich contrahirenden Venenenden , den Herzohren und den Atrien selbst herrühren mögen. Natürlich wird man nur in der letzten, kurz vor b mitunter selir deutlich ausgeprägten Elevation (entsprechend Fig. 2ö B v und C v) die „eigen t- liche Vorhof scontraction;< erkennen wollen; — v, Ziemsseii und l'.l;/hrt hat das höhere Hinaufragen des Diaphragma (durch Lungenschrumpfang J 'er durch Druck der Unterleibsorgane) das Hinaufgehen des Herzstosses (selbst bis zum dritten Intercostalraum) und etwas linksinn zxir Folge. — Verdickung der Muskelwandung des Herzens und Erweiterung der Höhlen (Hypertrophie un 1 Dilatation) macht, wenn sie den linken Ventrikel betrifft, denselben länger xvnd breiter, und der verstärkte. Herzstoss ist über die Mammillarlinie hinaus nach links, selbst bis in die Axillarlinie hin im b\, 7., ja 8. Intercostalraume fühlbar. Landois, Physiologie. 7. Aufl. 7 Herzstosses 98 Pathologische Abweichungen des Herzstosses. [§. 59.] Hypertrophie und Dilatation des rechten Ventrikels verbreitet das Herz : der Herzstoss ist mehr nach rechts , ja selbst rechts vom Brustbein , zugleich aber auch noch etwas über die linke Mammillarlinie hinaus, fühlbar. — In den seltenen Fällen des Situs inversus , in welchen das Herz in der rechten Brust- seite liegt, trifft man natürlich auch den Herzstoss genau an der entsprechenden rechten Thoraxseite. Ich habe von einem solchen Herzen zuerst eine Herzstoss- curve aufgenommen, die alle normalen Einzelheiten darbot. — "Wenn der Herz- stoss nach links hin die Mammillarlinie, oder nach rechts die Parastemallinie überschreitet, so ist derselbe verbreitert und zeigt stets eine Hypertrophie des Herzens an. Ein bedeutend verbreiteter Herzstoss kann sich sogar über mehrere Zwischenrippenräume oder beide Thoraxseiten erstrecken. Schwächung Der Herzstoss erscheint abnorm geschwächt bei Atrophie und Ent- des artung des Herzmuskels, oder bei Schwächung der Innervation der Herzganglien. Auch eine Abdrängung des Herzens von der Brustwand durch Ansammlung von Flüssigkeiten oder Gasen im Herzbeutel , oder durch die sehr ausgedehnte linke Lunge , oder durch eine linksseitige Füllung des Thoraxraumes , schwächt den Herzimpuls, oder löscht ihn sogar völlig aus. Dasselbe findet statt, wenn der linke Ventrikel entweder sehr wenig gefüllt ist während seiner Contraction (in Folge einer starken Verengerung der Mitralis), oder wenn er sich nur allmählich und langsam entleeren kann (bei starker Verengerung des Aortaostiums). Verstärkung Eine Verstärkung des Herzstosses wird beobachtet bei Hypertrophie der des "Wandung, sowie bei den verschiedenen Erregungen (psychische, entzündliche, fieberhafte, toxische), welche die Herzganglien treffen. Starke Hypertrophie des linken Ventrikels macht den Herzstoss „hebend", so dass ein Theil der linken Brustwand unter systolischer Erschütterung emporgehoben wird. Hen- Ein herzsystolischesEinsinken an der vorderen Brustwand findet systolisches gj^ jm 3 un(j ^_ linken Intercostalraum nicht selten unter normalen Verhält- nissen, zumal bei verstärkter Herzaction, ferner auch bei excentrischer Hyper- trophie der Kammern. Da mit der Kammercontraction die Herzspitze etwas dislocirt wird und die Ventrikel zugleich sich verkleinern , so werden zur Aus- füllung des leergewordenen Baumes die nachgiebigen "Weichtheile der Intercostal- räume einsinken. — Bei Verwachsung des Herzens mit dem Herzbeutel und dem umgebenden Bindegewebe, welche eine systolische Locomotion des Herzens unmöglich macht, findet sich anstatt des Herzstosses nur eine systolische Einziehung der Herzstossgegend (Skoda), In der Diastole tritt dann , gewissermassen als diastolischer Herzstoss, der betreffende Theil der Brustwand wieder hervor. Pathologische In bester "Weise erlangt man Aufschluss über etwaige Veränderungen des Herzstoss- Herzstosses bei Function sanomalien des Herzens durch die Verzeichnung der Herzstosscurven, wie sie nach meinem Vorgange (1876) von den Klinikern vielfach ausgeübt wird (Ott Ss" Haas, Malbranc, Maurer, Rosenstein, v. Ziemssen, d ' Espine u A.) Bei An der, bei bedeutender Hypertrophie und Dilatation des excentrischer nnken Ventrikels — (hier verkleinert) verzeichneten Curve (Fig. 26 P) ist in Yes^ilnhen ^er Kegel die Ventrikelcontraction sehr gross b c, trotzdem aber ist die Zeit, welche Ventrikels, die sehr vergrösserte Muskelmasse der Kammern zur Contraction gebraucht, nicht wesentlich länger , als die, welche die normale einnimmt. Die Curven P und Q sind gezeichnet von einem Manne, der hochgradige excentrische Hyper- trophie des linken Ventrikels in Folge von Insufficienz der Semilunarklappen der Aorta besass. Die Curve Q ist absichtlich an der Stelle (in der Nähe der Herz- grube) aufgenommen, an welcher eine systolische Einziehung bestand. Trotz der veränderten Lage der einzelnen Curvenabschnitte sind die einzelnen Momente der Herzaction wohl an denselben ausgeprägt. jsei Stenose Figur E zeigt ein Bild des Herzstosses bei Stenose des Aorten- des Aorta- ostiums. — Die Vorhofscontraction (ab) dauert nur kurze Zeit, die Ventrikel- contraction ist ersichtlich verlängert und zeigt nach kurzer Anhebung (b c) eine ganze, ."Vj^vie von Zähnchen (c e) , welche durch das Hindurchpressen der Blut- masse c/"ch. den verengten und rauhen Aortenanfang bewirkt sind. Bei Figur F bietet das Bild des Herzstosses bei Insufficienz der Insufficienz Mitralis; — ab ist wegen der verstärkten Thätigkeit des linken Vor hof es stark ' ausgeprägt ; der von dem Aortaklappenschluss herrührende Stoss (d) ist klein wegen der geringen Spannung im arteriellen System. Dahingegen steht als ein mächtiger Accent der Stoss des verstärkten zweiten Pulmonaltones (e) hoch oben auf dem [§■ 59.] Kardiogramme bei Herzfehlern. 99 Gipfel der Curve Durch starke Spannung in der Arteria pulmonalis kann der zweite Pulmonalton so stark werden und sich so schnell dem zweiten Aortentone (d) anreihen, dass beide beinahe oder völlig in einander übergehen (H und K). Die Curve von der Stenose des linken venösen Ostiums (G) — Bei Stenose lässt zunächst eine lange , unregelmässig gezähnte Vorhofscontraction (a b) er- dejJ^"^n kennen. Diese rührt daher, dass sich das Blut unter Erschütterung durch das Ostiuma. Fig. 26. Verschiedene Formen pathologischer Herzstosscurven. — In allen Curven be- zeichnet ab die Vorhofscontraction , l> c die der Ventrikel , d den Schluss der Semilunarklappen der Aorta, e den der Pulmonalis, ef die Zeit der Erschlaffung der Ventrikel. enge Osüum reibend hindurchzwängen muss. Die Ventrikelcontraction (b c) ist wegen der geringen Füllung desselben nur schwach. Die beiden Klappenschlüsse •d und e sind relativ weit von einander entfernt, und das Ohr vernimmt deutlich einen verdoppelten zweiten Herzton. Die Aortenklappen schliessen sich schnell, weil die Aorta nur wenig gespeist wird, die reichlichere Einströmung des Blutes in die Pulmonalis bedingt dagegen einen verspäteten Pulmonalklappenschluss , Gagel). Schlägt das Herz schnell und schwach bei nur geringer Spannung in der Bei Her» Aorta und Pulmonalis, so können die Zeichen der Klappcnsclilüsse in den letz- ^hwaeka. teren sogar ganz verwischt werden, wie in Curve L, die w il)(Y-7! Mädchen herrührt, welches an nervösem Herzklopfen litt bei Morbus f. tf l »vii. In seltenen Fällen hat man bei Insufticienz der Mitralis'--- [bei welcher der rechte Ventrikel sehr mit Blut überfüllt, der linke sehr leer ist, so dass der rechte einer energischeren Thätigkeit zur Entleerung bedarf als der linke | — die Beobachtung gemacht, dass das Herz so arbeitet, dass in gewissen Zeiten alternirend einmal beide Ventrikel gemeinsam und dann nur der rechte allein sich zusammenzuziehen scheinen (Figur M nach Malbrane). Curve (I) ist dio Inter- mittirende Ifemisystolie. 100 Pathologische Abweichungen des Herzstosses. [§. 59.] völlig wie normal erscheinende Herzstosscurve , während welcher das ganze Herz thätig war ; diesem Herzstosse entsprach ein Puls in den Arterien. Curve II hingegen scheint nur vom rechten Herzen gezeichnet; dementsprechend fehlt an ihr der Aortenklappenverschluss (d) , auch entsprach dieser Contraction kein Puls in den Arterien. Ich hatte schon 1879 in Betreff dieser Fälle die Ansicht ausgesprochen, das"s man sich die Sache denn doch nicht so denken dürfe , als arbeite in den betreffenden Phasen der rechte Ventrikel ganz allein, ohne jede gleiche Parallel- action des linken. Dies hielt ich schon wegen der gemeinsamen Anordnung der Muskulatur an beiden Ventrikeln und der gleichfalls gemeinsamen Innervation für unmöglich ; es sei vielmehr das scheinbare Pasten des linken Ventrikels nur eine sehr schwache Action, zu unkräftig, um sich in der Herzstosscurve durch Aortenklappenschluss und durch einen Pulsschlag auszuzeichnen. In der That haben Riegel &° Lachmann, Eger, Eichhorst und Stern diese Annahme bestätigt. 60. Die Herztöne. me Herztöne Wenn man die Herzgegend entweder mit direct dem ^Herzgegend Brustkasten aufgelegtem Ohre (Harvey) , oder mit dem Hörrohre vernommen. (Laennec's Stethoskop, 1819) behorcht, oder bei Thieren selbst das freigelegte Herz , so vernimmt man unschwer zwei, nur entfernt tonartig charakterisirte Geräusche, die man jedoch im Gegensatze zu den pathologischen Herzgeräuschen mit dem Namen „Herztöne" bezeichnet hat. Wegen ihrer einiger- maassen tonartigen Färbung hat man sie rücksichtlich der Höhe musikalisch bestimmen können (Küchenmeister). Charakter Der „erste Herz ton" ist etwas dumpfer, länger, um eine kleine Terz bis Quart tiefer, zwischen dis — g schwankend, namentlich im Beginne wenig scharf begrenzt, isochron mit der Sj^stole der Kammern (Turner). — Der „zweite Herzton" ist heller , klappend , küazer , daher auch prägnanter hervor- tretend, um eine kleine Terz bis Quart höher, zwischen fis — b variirend, sehr scharf abgegrenzt, isochron mit dem Schlüsse der Semilunarklappen. Zwischen dem ersten und zweiten Tone liegt ein kurzes Zeitintervall, zwischen dem zweiten und dem nächstfolgenden ersten ein entschieden längerer Zwischenraum, Dem Tempo nach erscheint der erste Ton wie ein Auftact zum zweiten, welchem letzteren nun die Pause folgt. Es würden sich hiernach die Verhältnisse der Schwingungszahlen und des Rhythmus also ausdrücken lassen: derselben. t * ^-k Bu - tup. mtsuhungs- Die Ursache des ersten Herztones — liegt in eisten Tows. zwei 3'. Renten. Da derselbe auch an ausgeschnittenen Herzen, in denen die -venösen Klappen an ihrer Aufblähung und Spannung verhindert sind (wenn auch schwach), gehört wird, ferner auch dann, wenn der in das venöse Ostium eingeführte Finger die Bewegung und den Schluss der Klappen hindert (C. Ludung & Dogiel) , so ist sein Hauptentstehungsmoment zu suchen in [§• 60.] Die Herztöne. 101 dem, durch die sich contrahirenden Muskelfasern der Ventrikel Derl- Ton.ist hervorgerufenen „Muskelgeräusch" (§. 305) (Williams). MusLuon. Unterstützt und verstärkt wird dieses Geräusch durch ^.^tX" die, im Momente der Ventrikelcontraction entstehende Spannung ■*»»»»*» und die Schwingungen der Atrioventrikularklappen (Rouanet, stärken ihn. Bayer^ Landois & Giese) und ihrer Sehnenfäden. Fig. 27. Topographie des Brustkorbes und der Brusteingeweide. a. d. Atrium dextrum. — o. s. Auricula sinistra. — >■. J. Ventriculus dexter. — I Ventriculus sinister mit /, der Herzspitze. — A Aorta; — // Artet ia pulmo- nalis; — C V. cava superior. — LL Begrenzung der Lungen. — PPBegrenzung der Pleura parietalis (nach v. Luschka und v. Dusch). Wintrich hat vermittelst passender Resonatoreii bc'Jide Töi einander unterscheiden können : den hellerei, kürzen one von einander unterscheiden Können: aen nenerei, Kurzeren Klappenton, sowie das tiefere, längere Muskelgeräusch. *■ *■ ° Vergleich In quergestreiften Muskeln entsteht das Mnskelgeräuscn nicht hei einer der Muske'- Zuckung , sondern nur , wenn mehrere zu einem Tetanus an einander gereiht *Me**fl sind. (Vgl. §. 305.) Nun ist die Ventrikelcontraction eigentlich nur eine Zuckung, "ZrkTivi'a.' allein sie dauert wesentlich länger als die Zuckung anderer Muskeln, und hierin SeiaOgueOe. 102 Die Herztöne. [§. 60.] liegt wohl offenbar der Grund des Auftretens des Muskelgeräusches bei der Ventrikelzuckung. Fehlen des In Zuständen ( Typhus , Herzverfettung) , in denen die Muskulatur des 1. Tones bei Herzens sehr geschwächt ist, kann der erste Herzton völlig unhörbar werden. neiden keu -^e* ^er Insufficienz der Aortaklappen, bei welcher wegen des Rückströniens des Fehlen des Blutes aus der Aorta in den Ventrikel sich die Mitralis allmählich und schon i. Tones bei eher spannt , als die Systole des Ventrikels beginnt , fehlt ebenso nicht selten Aenderung ,jer erste Herzton. Beide pathologischen Fälle beweisen , dass zur Entstehung der Mitralis, des ersten Herztones eventuell Muskelton und Klappenton zusammenwirken müssen, und dass mit dem Wegfalle des einen derselbe bei'eits unhörbar werden kann. Der 2. Herz- Die Ursache des zweiten Herztones — liegt JSJriHSJSt zweifellos in dem prompten Schluss der Semilunarklappen ; er gangen der {si aiso q^ reiner Ventil- oder Klappen-Ton (Carswell, Rouanet, Ma^peZ' T 1830). Vielleicht unterstützt ihn die plötzliche Erschütterung der Flüssigkeitstheilchen in den grossen arteriellen Gefässen. Ich habe aus den Herzstosscurven des Gesunden bewiesen, dass Die Klappen die Semilunarklappen der Aorta und Pulmonalis nicht gleich- ^ämonaiis'1 zeitig schliessen (pg. 93). Für gewöhnlich ist aber die Zeit- SChtesieich differenz so gering, dass beide Klappenschläge nur ein Geräusch zeitig. erzeugen ; dahingegen kann leicht, wenn durch Steigerung der Druckdifferenz in der Aorta und Pulmonalis der Zwischenraum Normale grösser wird, der zweite Ton ein vernehmbar „gespaltener" '^fJTonL. werden. So kann es auch bei ganz Gesunden vorkommen, wie man es namentlich am Ende der Inspiration oder zu Anfang der Exspiration trifft (v. Dusch), on der Ueber den Ort, — wo man am deutlichsten die Herztöne aus- Auscuitation cultirt, lässt sich der nur im Allgemeinen gültige Satz aussprechen, dass die- ser Herztöne. selben an jenen Stellen der Brustwand am deutlichsten vernommen werden, in deren nächster Nähe sie entstehen. Tricuspidai- Der am rechten venösen Ostium erzeugte erste Klappenton wird ton. am deutlichsten vernommen am Ansalze der fünften rechten Bippe am Sternuni, und von hier etwas ein- und schräg aufwärts am Sternum (Fig. 27. 1). — Da das Mitralton. linke venöse Ostium mehr nach hinten, in die Tiefe des Thorax, gewendet und vorn von den arteriellen Ostien bedeckt liegt, so hört man den ersten Klappenton der Mitralis am besten an der Herzspitze, oder dicht über derselben, wo ein Streifen des linken Ventrikels der Brustwand zunächst liegt (bei I, lt 1). — Die Ostien der Aorta und Pulmonalis liegen so dicht neben einander, dass man 2. Aortaton. gut thut , den zweiten Aorten-Herzton in der verlängerten Richtung der Aorta, d. h. am rechten Brustbeinrande, am inneren Ende des Knorpels der 2. Pulmonal- ersten rechten Rippe (bei 2) zu auscultiren. — Den zweiten Pnlmonalis- ton. II erzton trifft man am deutlichsten im zweiten linken Intercostalraum etwas nach links und aussen vom Brustbeinrande (bei II). Zur quantitativen Bestimmung der Stärke der Herztöne —be- dient sich H. Vierordt eines schallschwächenden Materials (welches zwischen Brustwand und Ohr eingeschaltet wird) in Form solider Kautschukpfropfen, die säulenartig auf einander gesetzt werden. t %\. Abweichungen an den Herztönen. Verstärkung Eh.-e^erstärkung des ersten Herztones an den beiden Ventrikeln deiitet des ersten auf ei„e energischere Contraction der Ventrikelmuskulatur und eine gleichzeitig damit erfolgende stärkere, plötzliche Spannung der Atrioventrikularklappen. — und des Eine Verstärkung des zweiten Tones ist das Zeichen einer erhöhten Spannung 2. Tones. jm Innern der betreffenden grossen Arterien. Daher deutet denn die diagnostisch so hochwichtige Verstärkung des zweiten Pulmonaltones stets auf eine Ueber- füllung und übermässige Spannung im kleinen Kreislauf hin. [§•61.] Abweichungen an den Herztönen. 103 Eine matte , geschwächte Herzaction , sowie abnorme Blutleere bedingen schwache Herztöne ; dies ist namentlich auch der Fall bei krankhaften Ent- artungen des Herzfleisches. Die Ursache der Schwäche einzelner Herztöne ist aus dem vorher Gesagten zu deduciren. Ungleichmässigkeiten im Bau der einzelnen Klappen können die Herztöne durch ungleichmässige Schwingungen „unrein" machen. — Befinden sich in nächster Nähe des Herzens luftgefülite (pathologische) Hohlräume, welche durch Resonanz die Herztöne verstärken können , so nehmen dieselben oftmals einen metallisch klingenden Charakter an. — Sowohl der erste, als auch der zweite Herzton können verdoppelt oder gespalten gehört werden. Die Yerdoppelung des ersten Tones ist so zu erklären, dass die Spannung der Tricu- spidalis und Mitralis nicht zu gleicher Zeit erfolgt. Mitunter kann man auch von dir Contraction stark entwickelter Vor höfe einen Ton hören, der präsystolisch dem ersten Herztone vorausgeht. Da der Schluss der Aortaklappen und Pulmonal- klappen zeitlich nicht genau coincidirt, so ist ein gespaltener zweiter Ton nur eine Steigerung physiologischer Verhältnisse (Landoisl. Alle Momente, welche den Aortenklappenschluss schnell erfolgen lassen (geringer Blutgehalt des linken Ventrikels) und den Pulmonalklappenschluss später ein- treten machen (grosser Blutgehalt des rechten Ventrikels ; beide Momente zu- sammen bei der Stenose des linken venösen Ostiums), werden das Auftreten des gespaltenen zweiten Tones begünstigen (pg. 99). Befinden sich im Herzen an den Klappen entweder bei Stenosen oder Insuf ficienzen Unregelmässigkeiten, an denen der ' Blutstrom zu wirbelnden Oscillationen und Reibungen gezwungen wird, so entstehen anstatt der Herztöne die „Geräusche", also Flüssigkeitsgeräusche , die unter den ge- nannten Klappen Verhältnissen stets mit Störungen der Circulation einhergehen. Selten nur bewirken in die Ventrikel hineinragende Auflagerungen und Tumoren Geräusche, oder gleichzeitige Klappenläsion und Circulationsstörungen. Die Herz- geräusche sind stets an die Systole oder an die Diastole gebunden , meist sind die systolischen accentuirter und lauter. Mitunter sind sie so laut, dass sogar der Thorax unter ihren unregelmässigen Oscillationen erzittert („Katzenschnurren'', Fremissement cataire). Den diastolischen Geräuschen liegen stets anatomische Veränderungen des Herzmechanismus zu Grunde. Diese sind Insufficienz der arteriellen Klappen oder Stenosen der venösen Ostien (meist nur links). — Den sy stolischen braucht nicht immer eine Störung des Herzmechanismus zu Grunde zu liegen. Im linken Herzen können systolische Geräusche entstehen durch Insufficienz der Mitralis, Stenose des Aortenostiums, ferner durch Verkalkungen oder abnorme Erweiterungen an der Aorta ascendens. Die viel selteneren im rechten Herzen haben ihre Ursache in der Insufficienz der Tricuspidalis und in Stenose des Pulmonalisostiums. Systolische Geräusche finden sich jedoch oft, jedoch stets weniger laut, auch ohne Klappenfehler, bedingt durch abnorme Schwingungen der Klappen oder der Arterien Wandungen. Meist finden sie sich am Pulmonalisostium, dann an der Mitralis, seltener am Aortenostium oder an der Tricuspidalis. Anämie, allge- meine schlechte Ernährung, sowie acute fieberhafte Affectionen sind die Ursachen dieser Geräusche. Geräusche am Herzen entstehen mitunter auch , wenn durch Entzündung rauhe Flächen des Pericardiums hörbare oder sogar fühlbare Reibungen gegen einander machen („Reibungsgeräusche"). Schwächung der Herztöne. ,, Unreine" Herztöne. Klingen der selben. Ver- doppelung und Spaltung. Herz- geräusche. Diastolische Geräusche. Systolische Geräusche. Systolische Geräusche ohne Herz- felder. Perikardiale Geräusche. 62. Dauer der Herzbewegmig'. Das ausgeschnittene Herz schlägt noch eine Weile Iseljöscatändig ScUag aus- fort (Cleanthes 300 v. Chr.): bei Kaltblütern i Frosch! Schildkröte geasenen. §. 32) länger, selbst Tage hindurch, bei Warmblütern sehr viel kürzer. Doch sah man die letzten Spuren der Herzaction beim Kaninehen midi nach 151 2 Stunden (Partum), bei der Main nach 463 9 und beim Hunde nach 96 V2 Stunden (Vulpian) , bei einem 3monatlichen 104 Dauer der Herzbewegung. [§. 62.] Schwächung menschlichen Embryo 4 Stunden (Rawitz). Reizungen bringen in Kammern, diesem Zustande eine Verstärkung und Beschleunigung hervor. Weiter- hin wird zuerst die Kammeraction geschwächt , und es zeigt sich ferner, dass nicht jeder Vorhofseontraction eine Kammersystole folgt: auf zwei oder mehrere der ersteren folgt nur eine schwächere Ven- trikelbewegung. Dabei ist die seltenere Bewegung der Kammern zu- gleich auch eine langsamer sich vollziehende, gewissermaassen mühsam schleppende (siehe Fig. 24, pag. 95). Dann ruhen die Kammern völlig, nur die Vorhöfe schlagen noch schwächer weiter ; doch ruft eine directe Kammerreizung, etwa ein Stich, eine Systole derselben hervor. Im Dir rechte weiteren Verlaufe ruht dann der linke Vorhof; der rechte schlägt schlägt am noch weiter, und an ihm ist es wiederum das rechte Herzohr (Galen & Cardanus , 1550), welches, als das „Ultimum moriens" der Alten, am längsten schlägt. Auch bei Hingerichteten ist diese That- sache beobachtet. Anfachimg Ruht das Herz endlich völlig, so kann es noch für kurze Zeit erloschenen durch directe Reize angeregt werden (Harvey) , namentlich durch Thätigkeü. Wärme; vornehmlich reagiren auch hierauf zuletzt noch die Vorhöfe und Herzohren. Im Allgemeinen bringen directe Herzreizungen nach vorübergehender grösserer Thätigkeit das Herz um so schneller zur Ruhe; hierbei geht dem Erlöschen der geordneten Schlagfolge oft ein zitterndes Gewoge der Muskelzüge voraus. Hat bei Säugern die Reiz- barkeit des Herzens aufgehört, so kann sie vorübergehend wieder hervorgerufen werden durch Einspritzung von arteriellem Blute in die Coronargefässe (C. Ludwig). — Umgekehrt haben Läsionen dieser Gefässe Schwächung des Herzschlages zur Folge (vgl. §. 54, pg. 84). Hammer sah bei einem Menschen mit Verstopfung der linken Arterie den Puls von 80 auf 8 Schläge sinken, die von einem krampfhaften Schwirren unterbrochen waren. — Da das Herz während seiner Merzschlag in Thätigkeit 0 verbraucht und C02 ausscheidet , so ist es einleuchtend, im racuum. dass es in reinem 0 am längsten schlägt (Castell). weniger lang in N, — H, — C02, — H2S — oder im Vacuum (Boyle 1570, Fontana, Tiedemann 1847), selbst wenn in demselben, um die Vertrocknung zu verhindern, Wasserdämpfe entwickelt sind (Castell 1854) ; Zurück- bringen des ruhenden Herzens von hier in O-haltige Luft facht auf's Neue die Bewegungen an. 63. Die Herznerven. Bezugsquellen Der Plexus cardiacus setzt sich aus folgenden Nerven geflecktes, zusammen: — 1. Aus den Rami cardiaci des N. Vagus-Stammes; dazu Aeste gleichen Namens aus dem Kam. externus des N. laryngeus superior, des inferior, mitunter auch des Plex. pulmonalis vom Vagus (zahlrettiiifrr rechts als links). — 2„ Aus den (an Zahl und Stärke nicht selttsi wechselnden) Rami cardiaci superior, medius, inferior und imus aus den drei Halsganglien und dem ersten Brustganglion des N. sympathicus. — 3, Aus dem unbeständigen Ast. des Ram. descendens hypoglossi, der indess eigentlich dem oberen Halsganglion entstammen soll (v. Luschka). Aus dem Geflechte gehen hervor: die tiefen und [§. 63] Die Herznerven. 105 die oberflächlichen Nerven (die letzteren in der Regel an der Theilung der Pulmonalis unter dem Aortenbogen ein Ganglion ent- haltend). Im Einzelnen kann man aus dem Geflechte hervorgehend verfolgen : a) Den Plexus corona rius dexter und sinister-0"* Klan^ (Scarpa), der die Gefässnerven führt (über welche jedoch physiologische Erfahrungen fehlen), ausserdem abwärts (zum Pericardium ?) ziehende sensible Fasern enthält (v. Luschka, Wooldridge). b) Die in der Herzsubstanz und in den Furchen liegen- . Die den Nerven, welche reichlich mit den Ganglien (Remak 1844) nerznervm versehen sind , die man als die automatischen Beweg ungs- Gangu'en. c e n t r e n des Herzens anerkennt. Ein ganglienreicher Nerven- ring streicht im Herzen, dem Rande des Septum atriorum entsprechend, — ein anderer in der Atrioventrikulargrenze. Wo beide sich treffen, tauschen sie die Fasern aus. Die Ganglien liegen meist nahe dem Perikard. Bei Säugern liegen die beiden grösseren Ganglien nahe der Einmündung der oberen Hohlvene, — bei Vögeln liegt der grösste (Tausende von Ganglien enthaltende) Nervenknoten an der hinteren Kreuzungsstelle des Sulcus longitudinalis und transversalis. Von diesen mit Nervenknoten durchsetzten Ringen bohren sich nun in die Muskelwände der Vor- kammern und Kammern feinere Nervenästchen ein, welche auch ihrer- seits wiederum kleine Ganglien tragen. Beim Frosche liegt ein grosser Ganglienhaufen ( Remak' s Haufen) neben den Vagusfasern innerhalb der Wand des Hohlvenensinus (dem erweiterten Einmündungsende der Hohlvenen in den rechten Vorhof, dessen selbstständige Bewegung der der Vorhöfe voraufgeht). Von diesem Ganglion aus verlaufen die Vagusfasern als vorderer und hinterer Scheidewandnerv , die an der Atrioventrikular- grenze jeder ein zweites Ganglion tragen: die Kammerganglien (oder Biäder"1 sehen Haufen). Von letzteren lassen sich abgehende Fäden zunächst nur kurze Strecken weit verfolgen, so dass der grösste Theil der Kammer dem Anschein nach nervenlos ist. Nach OpencJwwsky enthalten jedoch alle Theile des Herzens Mikroskopie (Frosch, Triton, Eidechse) Nervenfäden, die mit Endknötchen zu jeder Bermervm Muskelzelle hintreten. Im Vorhofe sieht man am Ende einer marklosen Faser einen dreieckigen Kein entstehen, von dem aus Fädchen in die Muskelbündel eintreten. Ein Flechtwerk feinster , ganglienloser Nervenfasern verbreitet sich un- mittelbar unter dem Endokardium ; es sind dies theils centripetal auf die Ganglien wirkende, theils motorische, für die Endokardmuskeln bestimmte Fasern. — Auch das parietale Blatt des Perikards besitzt (sensible) Nervenfasern. Unter den Ganglienzellen trifft man unipolare, deren Fortsatz und der sich aber mitunter im weiteren Verlaufe 1 heilt, und bipolare, beim Frosch in Ganglien. der Mehrzahl (ianglien mit umsponnenen Fasern (§.323.n.). Man hat wohl die Spiralfasern als die mit dem Vagus zusammenhängenden, die afaraden als die peripherisch weitergehenden betrachtet. In der Vorhofsschldewand fand Bidder sogeuannte Ganglien in opponirter Stellung, d. h. je 2 unif,..,:uv. keulen- förmige (Ianglien, deren Korper aufeinander liegen und deren Fortsätze in entgegengesetzter Richtung fortziehen. 106 Herznerven und Bewegungscentra des Herzens. [§. 64.] 64. Erregbarkeit der automatischen Bewegungscentra des Herzens und des Herzmuskels. Das Herz ]_. Wir müssen annehmen , dass innerhalb des Herzens sich selbst die selbst die die Bewegung anregenden und in geordnetem Rhyth- heZelitra.s' mus leitenden nervösen Centra belegen seien , welche wahr- scheinlich in den Ganglien repräsentirt sind. 2. Man ist ferner anzunehmen berechtigt, dass nicht ein, sondern mehrere derartige Centra im Herzen vorhanden seien, die untereinander durch Leitungsbahnen verbunden sind. So lange das Herz intact ist , werden von einem Hauptcentral- punkte aus alle übrigen in ganz bestimmter Ordnung zur rhythmischen Thätigkeit angefacht, indem sich der Impuls durch die Leitungsbahnen vom Hauptcentrum überträgt [Don- ders). Welches die auslösenden Kräfte dieser regelmässigen fortschreitenden Bewegungen sind, ist unbekannt. Werden jedoch auf das Herz diffuse Beize (am einfachsten starke elektrische Ströme) angewandt, so verfallen alle Centra in Action, und es entsteht im Herzen ein krampfhaftes Gewoge, jeder Rhythmik Pas baar. — Das dominirende Centrum liegt in den Vor- centmm. h ö f e n (Frosch), daher von hier aus in der Regel die regel- mässig fortschreitenden Bewegungen ausgehen. Wird die Reiz- barkeit herabgesetzt (durch Betupfen des Septums mit Opium, [C. Ludwig & Hoffd\), so scheint ein anderer Bezirk der Centra die Oberleitung zu gewinnen ; es kann nämlich dann auch vom Ventrikel aus sich die Bewegung auf die Vorhöfe erstrecken. — Im Hundeherzen liegt über der unteren Grenze des oberen Drittels des Kammerseptums eine Stelle, deren Verletzung Herzstillstand hervorruft; man hat diese Stelle daher auch als Coordinationscentrum bezeichnet (Kronecker & Schmey). 3. Alle Reize von massiger Stärke, welche direct das Herz treffen, bedingen zuerst eine Vermehrung der rhythmi- schen Herzschläge, stärkere bedingen weiterhin Verminderung bis Lähmung, oft unter vorher auftretendem krampfhaften Gewoge. Eine vermehrte Thätigkeit des Herzens erschöpft um so eher die Kräfte desselben. 4. Einzelne sehr schwache Reize, welche noch unwirksam auf das Herz sind, können durch Wiederholung wirksam werden, indem das Herz der „Summation der Einzelreize" fähig ist (v. Basch). 5. Schon die schwächsten Reize, welche überhaupt eine Contraction anzuregen im Stande sind, bewirken bereits eine energische Contraction, d. h. „der Mini mal reiz hat bereits -maximale Wirkung" (Bowditsch, Kroiiecker) (vgl. §. 300. i:i) 6. Einer jeden Zusammenziehung des Herzens folgt ein kurzes Stadium, in welchem das Herz für weitere Reize weniger empfänglich ist (Mareys „refractäre Periode"). 7. Ganglienlose Herzabschnitte vermögen sich ungereizt nicht selbstständig mehr zu bewegen, allein sie contrahiren sich [§. 64.] Die automatischen Bewegimgscentra des Herzens. 107 allemal einmal auf einmaligen directen Reiz, oder sie zeigen selbst fortlaufende Schlagfolgen bei andauernden continuirlichen Reizen. (Solche Reize können durch anhaltenden Flüssigkeitsdruck inner- halb der Herzhöhlen, oder durch benetzende chemische Agentien geliefert werden.) 8. Die Xervencentra der Vorhöfe sind reizbarer als die der Ventrikel, daher dieselben auch in dem sich selbst überlassenen Herzen am längsten schlagen. 9. Eine (wie es scheint reflectorische) Anregung der Herz- ^ßex- -, . -r-r n- i l ?il 1 •• Anregung der centra ist von der inneren Herztiaene aus gegeben. Alle scnwa- Cent™. cheren Reize wirken von hier aus lebhafter beschleunigend, anregend, und schon bei geringeren Reizstärken als von der äusseren Herzfläche aus (Landois 1864); stärkere Reize, welche das Herz zur Ruhe bringen, wirken ebenso leichter von der inneren Herzfläche als von der äusseren (Henry 1832) ; auch hierbei ist stet3 der Kammertheil der zuerst paralysirte. 10. Damit das Herz seine Thätigkeit fortzusetzen vermag, Ernähmngs- t i n • T-n •• • i D--1 -l Bedingungen ist es nothwendig. dass demselben eine Flüssigkeit zugerunrt der Ganglien. werde, welche ausser dem unentbehrlichen 0 (C. Ludwig, Volkmann , Goltz , Yeo) , die nothwendigen Er nährung s- materialien darbietet. Diese giebt in vollkommenster Weise das Blut. Daher kommt in indifferenten Lösungen (0,6° 0. Koch- salz) das Herz bald in einen Zustand des Scheintodtes, aus welchem es jedoch durch ..Xährflüssigkeiten" zu neuer Thätigkeit wieder erweckt werden kann. Solche Nähri'lüssigkeiten sind überhaupt Serumalbumin-haltige Lösungen: also Blut, Serum oder Lymphe Mai tius &> Kronecker u. A.). — Alkalische Natronlösung kann ein schwach schlagendes Froschherz dadurch wieder kräftigen , dass sie die gebildete Säure des Herzmuskels neutralisirt 'bidney Ringer, . 11. Die Pulsationen ganglienloser gereizter Herztheile Ganglienjose beweisen, dass die Ganglien nicht unbedingt zur Erzielung rhyth- mischer Contractionen nothwendig sind. Aber die Ganglien sind leichter erregbar als die Muskulatur selbst; die Ganglien leiten ferner die regelmässige, alternirende Action der ver- schiedenen Herztheile ; daher ist die normale Herzaction. als unter der Oberleitung der Ganglien stehend, aufzufassen. 12. Wird ein Herz derart in Stücke geschnitten, dass die ein- zelnen Stücke noch vereinigt bleiben, so halten die regelmässigen. vom Vorhofe ausgehenden und peristalisch oder wellenförmig auf die Ventrikel sich fortsetzenden Contractionen noch lange Zeit an. Wird jedoch das Herz in zwei einzelne Stücke (Kammer und Vorkammer) völlig getrennt, so dauern zwar die Bewegungen beider für sich weiter fort, allein nicht mehr in geordneter Zeit- folge, sondern völlig different. T Die Hauptversuche, welche den vorbenannten Sät/.»:; zur Stütze dienen, bestehen: — I. in Schnittversuchen, — II. in directen Herzreizungen. I. Schnitt- und Absclmürungs-Versiiclie — sind vorwiegend am w« Schnitt- Froschherzen angestellt. Letztere unterscheiden sieh von ersteren senen. 108 Die Schnitt- und A'bschnürungsversuche am Herzen. [§. 64.] dadurch, dass durch festes Anziehen und Wiederlockerung einer Faden- schlinge der physiologische Zusammenhang vernichtet ist, während noch die anatomische Continuität der Herzwand, sowie die Intactheit der Herzcavitäten bestehen bleibt. — Die wichtigsten hierher gehörigen Versuche sind: °er_ l. Stannius'scher Versuch: — Trennt man durchschnitt oder sehe versuch. Ligatur am Froschherzen den Hohlvenensinus von der Vorkammer, so steht das abgetrennte Herz in Diastole still , während der Sinus für sich allein fortschlägt. Wird nunmehr an der Atrioventrikulargrenze eine zweite Durchtrennung vorgenommen , so schlägt in der Kegel nunmehr sofort der Ventrikel wieder weiter , während die Vorhöfe in der diastolischen Ruhe verharren ; (je nach der Lage der zweiten Durch- trennungslinie können auch die Vorhöfe ebenfalls mitschlagen , oder gar die Vorhöfe allein, während der Ventrikel ruhen bleibt). Erklärungen Es sind verschiedene Interpretationen dieses Versuches versucht : — a) Es desselben. ]}efia(iet sich in dem Hohlvenensinus der J?emah'sche Haufen, der sich durch die grösste Reizbarkeit auszeichnet ; eine geringere Reizbarkeit haben die an der Atrioveutrikulargrenze liegenden Bidder' sehen Haufen ; letzteren werden die Be- wegungsimpulse im normalen Herzen vom ersteren mit zugebracht. Trenne ich nun den Hohlvenensinus ab , so ist der anregende Remak'sehe Haufen ohne Ein- fluss auf das Herz. Letzteres steht aus zwei Gründen still, nämlich einmal, weil die Bidder' sehen Haufen für sich allein keine bewegungsanregende Kraft für das Herz in hinreichender Menge besitzen; sodann auch, weil die Abtrennung die an dieser Stelle liegenden Hemmungsnerven des Herzens (N. vagus) reizt (Heidenhaiti) ' . An dem so ruhenden Herzen kann jedoch durch Reizung der Bidder'schen Haufen [leichter Stich in die Atrioventrikulargrenze (H. Munk), oder Durchströmung mit massig starken constanten Strömen (Eckhardf\ Pulsation erzeugt werden , wobei zuweilen der Schlag der Kammer dem der Vorkammer vorausgeht (v. Bezold, Bernstein). — Wird nunmehr die Atrioventrikulargrenze durchtrennt , so pulsirt der Ventrikel deshalb wieder, weil einmal nun durch diese Abtrennung die Bidder sehen Haufen gereizt werden, und zugleich die Kammer dem Einflüsse des durch die erste Trennung gereizten Vagus entzogen ist. (Fällt die Trennung an der Atrioventrikulargrenze so , dass die Bidder' sehe~n Haufen den Vorhöfen verbleiben, so pulsiren diese und die Kammer ruht ; werden sie in zwei Hälften zerlegt, so schlagen die Vorhöfe und die Kammer, jede durch die ihr zugefallene Hälfte angeregt.) — b) Nach einer anderen Interpretation sollen im Herzen der Remati sehen (a) und die Bidder'schen (b) Haufen beide Bewegungscentra sein ; ausserdem soll in den Vorhöfen noch ein Hemmungsgangliensystem (c) sich befinden (v. Bezold, Traube). Im normalen Verhalten ist a -f- b stärker als c, jedoch c stärker als a oder b einzeln für sich. Wird nun der Hohlvenensinus abgetrennt, so schlägt dieser vermöge a; — hingegen das Herz ruht, weil c stärker als b. Wird nun die Atrioventrikulargrenze durchtrennt, so ruhen die Vorhöfe vermöge c, hingegen der Ventrikel schlägt durch b. Abtrennung 2. Wird durch Li g a t u r oder S c h n i 1 1 am Froschherzen allein mer' der Ventrikel in der Atrioventrikularfurche abgetrennt, so pulsiren Sinus und Atrien ungestört weiter (Descartes 1644), aber der Ventrikel steht diastolisch still. Einen localen R e i z , der die Kammer trifft, be- antwortet diese mit einer Contraction. — War der Schnitt so angebracht v dass der untere Rand der Vorhofsscheidewand dem Ven- trikel verblieben war, so pulsirt auch der letztere weiter (Rosevberger 1850). [AövJi die Kammern des Kaninchenherzens mit einem kleinen Saume der Vorhöfe (abgetrennt von den Nerven der Vorhöfe) pulsiren weiter ( Tigers ledtj\. Kugel- l ö yj ■mann's 3. Versuche von A. Fick haben zuerst (1874) dargethan, dass der schnitte. Frregungsvorgang in dem contractilen Gewebe des Froschherzens sich [§. 64.] Die Schnitt- und Abschnürangsversuche am Herzen. 109 allseitig fortpflanzt, dass sich gewissermaassen das ganze Froschherz wie eine zusammenhängende Muskelfaser verhält. So hindert z. B. ein querer Schnitt in den Froschventrikel die getrennten Lappen nicht an der systolischen Contraction. Dies zeigen dann auch weiterhin die folgenden Versuche von Engelmann. Wird das Herz (etwa durch Zick- zackschnitte) so in Streifchen geschnitten, dass die einzelnen Stückchen noch durch Muskelsubstanz mit einander in Verbindung erhalten sind, so pulsiren die Streifen in regelmässig fortschreitender Folge , wie auch immer durch die Richtung der Schnitte die Streifen mit einander verbunden sein mögen. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit beträgt hier- bei 10 — 30 Mm. .in 1 See. (Engelmann, Marchand). Auch diese Versuche erhärten es, dass die Fortleitung des, die Contraction an- regenden , fortschreitenden Reizes nicht durch Nervenbahnen, sondern durch die Substanz der contractilen Masse hindurch er- folgen muss. 4. Die abgeschnürte Herzspitze nimmt an der Contraction Die isoiirte des weiter pulsirenden Herzens nicht mehr Theil (Heidenhain, Goltz) ; ein directer Reiz, z. B. Stich in die Spitze, bewirkt nur eine einmalige Contraction. Wird das Herz unter Druck (welcher als Reiz wirkt) mit Kochsalzlösung gefüllt , so pulsirt die Spitze weiter (Aubert, Löwit), ebenso nach Vergiftung mit Delphinin (Bowditsch) oder Chinin (Schtschc- potjezv). Bindet man eine Canüle über die Atrioventrikulargrenze hinaus gegen die Spitze hin in den Ventrikel, so steht ebenso die Spitze still ; füllt man jedoch nun den Spitzentheil durch die Canüle mit O-haltigem Blute unter stetigem Drucke , so pulsirt dieselbe (C. Ludwig & Merunowicz). Die abgeschnittene [ebenfalls spontan ruhende (A. W. Volk- viann)] Herzspitze zeigt , durch Inductionsströme gereizt , schon bei schwächster wirksamer Reizung bereits ihre maximalste Verkürzung, auch bleibt bei der Anwendung tetanisirender Ströme ein eigentlicher Tetanus aus. Schliessung und Oeffnung eines constanten Stromes an der abgeschnitteneu Herzspitze hat einfache Schliessungs- und Oeffnunas- Zuckungen zur Folge. 5. Liegt die Ligaturstelle im Bereiche der Vorhöfe, so erfolgen „Gruppmr t-> • i tt • • i . ,,. ,' ~ bihlunrj-- und die Pulsationen des Herzens p erio den weise abgetheut („Gruppen- bildung") und in ihrer Stärke oft „treppenartig ansteigend" „Treppe". (C. Ludwig & Luciani). 6. Der ganglienlose abgeschnürte Bulbus Aortae (Frosch) pulsirt Der uo unter massigem Binnendruck weiter; steht er still, so erzeugt ein ein- aortae. maliger Reiz eine ganze Reihe ueuer Contractionen. Temperaturerhöhungen bis 35° C. und Drucksteigerungen im Innern vermehren die Zahl der Zusammenzichungen (Engchnann) . IL Die directe Herzreizimg. — Alle directen Herzreize wirken von der inneren Herzfläche entschieden energischer, hibpvon der rci>„'., ä u s s e r e n (Landois) ; — bei starken oder andauerndeij 1 1 reizen er- lahmt stets zuerst der Kammertheil. a) Thermische Reize. — Descartes (1644) beobachtete bereits, dass die Wärme- Wärme das Herz des Aales zur vermehrten Pulsation anfache; AI. v. Humboldt re-.nnu erklärte so auch die oft bedeutend gesteigerte Pulsfrequenz in heissen Medien beim Menschen (§. 215. II. 2). Mit zunehmender Temperatur steigt zuerst die 110 Die directe Herzreizuns [§•64.] Mechanische Beize. Schlagfolge oft bis zu bedeutender Zahl, dann werden die Schläge wieder seltener, endlich erfolgt Stillstand, wobei die Muskulatur zusammengezogen erscheint; meist ruht der Kammertheil eher als die Vorkammern , mitunter nach einem tetanischen Gewoge (Schelske). Schon von 25° C. an gelangt das (in 0,6°/0. Salz- wasser untergetauchte, unterbundene) Herz des Frosches zur baldigen Euhe und verbleibt ruhend, wenn es in dieser Temperatur erhalten wird. Bis zu 38° C. sah ich es, schnell herausgenommen, sich wieder erholen. Die innere Herzüäche reagirt für alle Temperaturgrade entschieden eher, als die äussere. Wird das zur Euhe gekommene Herz aus dem warmen Bade herausgenommen , so schlägt es nach einer (mitunter von einem oder anderem Schlage unterbrochenen) Pause zuerst wieder sehr schnell, dann allmählich abnehmend bis zur normalen Schlag- folge (Lavdois 1864). Lässt man die "Wärmezunahme langsam ansteigen, so ändert sich nur die Zahl, nicht aber die Kraft der Herzschläge. — Die Grösse und der Umfang der Herzcontractionen nimmt bis gegen 20 C. zu, von da aufwärts wieder ab. — Die Zeit der Contraction dauert bei 20° C. nur etwa den 1/10 Theil der Zeit als bei 5° C ■ — Das Avärmere Herz reagirt ferner auf schnell inter- mittirende Beize, das kältere nur bei längeren Intervallen. Käiterehung. Mit abnehmender Wärme der Blutmasse pulsirt das Herz langsamer (Kielmeyer 1793) Ein Froschherz , zwischen zwei Uhrgläsern auf Eis gestellt, verlangsamt seine Schlagfolge beträchtlich (C. Ludwig) ; von 4° C. abwärts bis zu 0° hören die Pulsationen des Froschherzens auf (E. Cyoti). Bringt man ein Froschherz aus warmem Wasser plötzlich auf Eis, so beschleunigt sich sein Schlag ; umgekehrt, von Eis in warmes Wasser übertragen , wird es zuerst ver- langsamt, dann erst beschleunigt (Aristow). b) Mechanische Reize: — Von Aussen auf das Herz ausgeübter Druck bewirkt stets eine Beschleunigung der Herzaction. Auch beim Menschen (Frau Serafin; pg. 83. 3) hatte ein leichter Druck auf die Atrioventrikulargrenze eine zweite, kürzere Contraction beider Ventrikel nach jedem Herzschlage zur Folge fv. Ziemssen). Starker Druck erzeugte ein unregelmässiges Gewoge der Muskulatur. Solches kann man erzeugen, wenn man z. B. das frisch herausgenommene Herz eines Warmblüters zwischen den Fingern comprimirt. Auch eine Steigerung des Blutdruckes im Innern des Herzens bewirkt eine ähnliche Vermehrung, und eine Abnahme des Druckes hat ebenso Abnahme der Schläge zur Folge (C. Ludwig &* Thiry, M. Ludwig äf Luchsinger). Bei sehr starkem intrakar- dialen Drucke wird allerdings durch Ueberreizung der Herzschlag unregel- mässig und sogar seltener (Heidenhain). — Das bereits ruhende (noch reizbare) Heiz wird durch einen mechanischen Impuls (Stich) zu einer Contraction angeregt. c) Elektrische Reize. — Der constante elektrische, massig starke, das Herz dauernd durchfliessende Strom bewirkt eine Vermehrung der Schlag- folge. Auch v. Ziemssen konnte den Herzschlag (der Frau Serafin; pg. 83. 3) um das 2 — 3fache vermehren durch einen starken , ununterbrochen durch die Ventrikel geleiteten , constanten Strom. — Sehr starke constante Ströme , sowie tetanisirende Inductionsströme erzeugen ein tetanisches Gewoge der Herzmuskulatur (C. Ludwig & Hoffa) , wobei der Blutdruck selbstverständlich sinken muss fSig. MayerJ. Ist der Froschventrikel durch Abquetschen an der Atrioventrikulargrenze dauernd erschlafft, und setzt man nun eine Elektrode einer constanten Kette auf die Ventrikelwand, die andere auf eine indifferente Stelle des Rumpfes, so folgt eine systolische Contraction der Kammer bei der Schliessung nur, wenn die Kathode die Kammer berührte; umgekehrt, bei der Oeffnung nur, wenn die Anode der Herzwand anliegt (§.338. D.) (Biedermann), Ein einzelner Inductionsschlag hat, wenn er den systolisch contra- hirten Frosch Ventrikel trifft, keinen ersichtlichen Einfluss ; trifft er jedoch den diastolisch erschlafften, so erfolgt die nachfolgende Systole früher. Auch die Vorhöfe ijjid die, durch einen passenden Reiz (pg. 109) zur Thätigkeit angespornte ganglien freie Herzspitze (DastreJ verhalten sich ähnlich: während ihrer Con- traction ist ein Inductionsschlag unwirksam ; ruhen sie jedoch diastolisch , so bewirkt der Schlag eine Contraction, der eine Ventrikelcontraction nachfolgt (Hillebrand) . — Selbst starke tetanisirende Inductions-Ströme , auf das Herz angebracht, vermögen keinen Tetanus der gesammten Muskulatur zu bewirken. Es entstehen nur zwischen den Elektroden locale weisse, wulstförmige Erhaben- EleJclrische Erregung. [§.64.] Die directe Herzreizung. 111 heiten (ähnlich wie an den Dannmuskeln) , die sich selbst minutenlang erhalten können. — Die bereits schwach und unregelmässig gewordenen Contractionen des Froschherzens können durch elektrische, in rhythmischer Folge ange- brachte Reize wieder regelmässig und mit dem Rhythmus des Reizes isochron werden (Bowditsch). Hierbei wirken bereits die schwächsten Reize (die über- haupt noch wirksam sind) ähnlich wie die stärksten : die Herzcontraction ist bereits beim schwächsten Reiz die möglichst kräftigste. Es ist daher dieser minimale elektrische Herzreiz bereits wie ein „maximaler" Reiz wirksam Lvgl. §. 300. II]. v. Ziemssen konnte selbst durch starke In ductions- Ströme die Scklag- J'olge des Menschenherzens (Frau Serafin; pg. 83. 3) nicht variiren. Nur die Ventrikeldiastole schien nicht mehr vollständig zu werden, ausserdem zeigten sich kleinere Irregularitäten der Contractionen. Durch Sehliessen und Oeffnen oder durch Umwenden starker constanter Ströme am Herzen jener Frau konnte er die Schlagzahl steigern, und zwar gleichmässig mit den elektrischen Schlägen: z.B. auf J20 — 140—180 Pulsationen von der vorherigen Normalzahl 80 bei Anwendung von 120 — 140 — 180 Reizstössen. — Umgekehrt gelang es auch so, die normale Schlagzahl von 80 auf 60 und 50 herabzusetzen durch ebenso oft erfolgende starke Reizstösse. Auch am Gesunden fand v. Ziemssen. dass durch die unverletzte Brustwand durch den elektrischen Strom auf den Rhythmus und die Energie des Herzens eingewirkt werden kann. d) Chemische Reize. — Viele chemische Agentien wirken, namentlich von Chemische der inneren Herzfläche aus, im verdünnten Zustande schlagvermehrend, im con- i?eize- centrirten oder bei längerer Einwirkung schlagvermindernd und lähmend. Galle /Budgej oder gallensaure Salze /'Röhrig) vermindern den Herzschlag (auch bei Resorption der Galle in's Blut bei der Gelbsucht); in sehr verdünnter Lösung beschleunigen jedoch beide den Herzschlag (LandoisJ. Dasselbe leisten Essig- säure, "Weinsteinsäure, Citronensäure fBobrikj und Phosphorsäure fLeyden er MunkJ, Chloroform, Aether wirken von der inneren Herzfläche energisch schlag- vermindernd bis lähmend (Landois 1864), in geringer Menge beschleunigt Aether den Herzschlag ; Kronecker 6° M' Gregor-RobertsonJ . Opium, Strychnin, Alkohol erzeugen, verdünnt, von der inneren Herzfläche Vermehrung der Schläge /'C. Ludwig , concentrirt , schnell Stillstand derselben ; letzteres thut auch das Choralhydrat (P. v. Rokitansky). — Klug leitete Blut, welches verschiedene durchgeleitete Gaswirkung. Gase in sich aufgenommen hatte, durch das Froschherz und fand, dass schweflige Säure im Blute schnell und völlig das Herz tödtet ; nicht so rasch wirkte Chlorgas, welches zuerst reizende Wirkung zeigte ; auch Lüstgas hob schnell die Action auf, Schwefelwasserstoffblut wirkte lähmend ohne reizenden Einfluss , CO sistirte gleichfalls das Herz, doch konnte es durch frisches Blut wieder zur früheren Action angeregt werden. Blut ohne O wirkte weniger schädlich als C0.2-reiches. Völlig mit C02 gesättigtes Blut oder Serum erschöpfen das Herz fSaltet <5^ Kron- ecker/ , doch kann es sich wieder erholen, wenn die C02 entweicht. [Ueber die schädigende "Wirkung des comprimirten O siehe §. 144.] Rossbach fand, dass, wenn man local den Froschventrikel mechanisch, chemisch oder elektrisch während der Contraction an einer circumscripten Stelle reizt, dass dann die getroffene Stelle sofort erschlafft in partialer Diastole. Als unmittelbare Nachwirkung dieser Reizung tritt, sich ebenfalls scharf auf den Platz der Reizung beschränkend , bleibende Schrumpfung des gereizten Theiles der Herzfasern ein. Die geschrumpfte Partie übt keine Thätigkeit mehr aus und ist ihrer lebenden Eigenschaften dauernd beraubt. — "Wirken dieselben Reize in der Diastole ein, so erschlafft die gereizte Partie immer früher, als die nicht gereizte und die Diastole der gereizten Theile ist länger andauernd, als die der nicht gereizten. — Lässt man schwächste Reize längere Zeit auf irgend eine Stelle des Froschventrikels wirken, so erschlafft die gereizte Partie stets früher als die nicht gereizte, und die Diastole der gereizten Theile ist lang,," i»ndauernd, als die der nicht gereizten (Rossbach). Herzgifte — nennt man solche Körper, welche durch ihre, die Bewegung Uerzgi/tt. des Herzens vermindernde oder vernichtende Eigenschaft besonders auffallend wirken. Sehr merkwürdig sind iu dieser Beziehung die neutralen Kalisalze (Grandeau 6° Cl. BemaraJ. In geringen Dosen beschleunigen sie den Herz- schlag. Gelbes Blutlaugensalz, in das Herz des Frosches gespritzt, bewirkt schon in starker Verdünnung systolischen Stillstand des Ventrikels (§. 97). Tritt später 112 Die directe Herzreizung. [§. 64.] durch, die Vorhofsbewegung wieder Blut in die Kammer, so kann sie sich wieder an der Bewegung betheiligen. Hierbei sieht man, dass mitunter herdweise die Ven- trikelmuskeln zunächst unter Köthung wieder erschlaffen. Die sehr träge Bewegung des Ventrikels erfolgt weiterhin von der Atrioventrikulargrenze peristaltisch Ms zur Spitze. - Das javanische Pfeilgift Antiar bewirkt systolischen Stillstand des Kammertheils, diastolischen der Vorhöfe. Einige Herzgifte zeigen bei kleinen Dosen Verlangsamung , bei stärkeren nicht selten Beschleunigung des Schlages : Digitalis (und die ihr ähnlich wirkenden Giftstoffe des Oleanders und der Mai- blume) Morphium, Nicotin. Andere bewirken in kleinen Dosen Beschleunigung, in starken Verlangsamung : Veratrin, Aconitin, Kampher. Special- Die oft verwickelten Erscheinungen, welche man nach Einverleibung der u-irkung der Herzgifte beobachtet, sind die Veranlassung gewesen, dass man innerhalb des erzgiße. -gerzens verschiedene Apparate angenommen hat, auf welche die Herzgifte ihre Wirksamkeit entfalten können. Ausser der Muskulatur selbst und den auto- matischen Ganglien nehmen manche Toxikologen noch Hemm ungsganglien an, in welche sich die herzhemmenden Vagusfasern (§. 371) mittelst intrakardialer (markloser) Pasern zuerst einsenken, ferner noch Accel erations-G anglien, in welche die accelerirenden Pasern zuerst eintreten (§. 372). Sowohl die Hemmungsganglien, als auch die Accelerationsganglien stehen mit den automatischen in leitender Verbindung. Muscarin, sowie alle übrigen Trimethylammoniumbasen, reizt dauernd die Hemmungsganglien, so dass das Herz dauernd still steht (Schmiedeberg & Koppe j. Da Atropin oder Daturin dieselben Ganglien lähmt, so kann der Muscarinstillstand durch Atropin aufgehoben werden. Physostigmin erhöht so sehr die Energie des Herz- muskels, dass Vagusreizung keinen Stillstand des Herzens zu bewirken vermag, Jodaldehyd (Chloralhydrat , Chloroform) lähmen die automatischen Ganglien. Es entsteht also Herzstillstand, welchen Atropin nicht zu heben vermag. Der Muskel selbst ist sowohl beim Muscarin, als auch beim Jodaldehyd-Stillstand reizbar geblieben, in Folge dessen es sich bei Reizung noch zusammenzuziehen vermag. Die peripherischen Herznerven vgl. §§. 371, 372. 65. Die kardiopiieuniatisclie Bewegung. DieFüiiungs- Da das Herz im Innern des Thorax während der Systole Bhu- und einen kleineren Raum einnimmt als während der Diastole, so Lufthaltigen wird bei offenstehender Grlottis, wenn das Herz sich verkleinert, Thoraxstehen. Luft in den Thorax eindringen ; wenn hingegen das Herz in "beZTung1.' diastolischer Erweiterung erschlafft, wird, seiner Vergrösserung entsprechend, Luft durch die geöffnete Stimmritze entweichen. Aber nicht allein der Füllungsgrad des Herzens, sondern auch der der grossen Gefässe muss vom gleichen Einflüsse sein. Die schuuei- Diese Luftschwankungen innerhalb der Lungen sind bei solchen bLungmiufT Thieren, welche während des "Winterschlafes ihre Athembewe- durch das gungen suspendiren, zur Unterhaltung ihres immerhin noch fort- le/ördert den bestehenden, wenn auch minimalen Stoffwechsels von Wichtig- eren ™~ keit; durch die Agitation der Lungengase wird nämlich der Austausch. Austausch von C02 und 0 in den Lungen wesentlich befördert, und dieser Austausch genügt, das in sehr langsamer Strom- bewegung durch die Lungen sich bewegende Blut zu lüften. Methode der Msthode : — Die kardiopneumatische Bewegung , d. i. die Bewegung der Beobachtung Athemgas«, . abhängig von den Herz- und Gefäss-Bewegungen, lässt sich auf ver- schiedene Weise bei Thieren, zum Theil auch beim Menschen zur Demonstration durch die bringen. — 1. Zunächst ist hierzu die manometrische Flamme geeignet, wenn mano- man bei Thicreu die geöffnete Luftröhre mit einem Gabelrohr in Verbindung metrische setzt von dem der eine Ast zum Gasschlauche, der andere zu einer kleinen Gas- £* l(Vffi'f(i(* Stichflamme führt. Es ist klar, dass, da auf diese Weise das Athmungsorgan mit der Gasleitung frei communicirt, die Bewegung des Herzens sich auf das Gas [§• 65.] Die kardiopneuniatische Bewegung. 113 und somit auf die Flamme überträgt. Man nimmt am besten -rosse Thiere, welche vorher curarisirt sind. Beim Menschen gelingt die analoge Ueber- tragung der Bewegung auf das Brennglas durch ein Nasenloch hindurch nach Verschluss des anderen und des Mundes, oder durch die Mundöffnung nach Ver- schluss beider Nasenlöcher. Hierbei muss die Glottis möglichst erweitert sein; auch bedarf es einiger Uebung, um in dieser vollkommenen Ruhestellung des Thorax den geöffneten Respirationscanal mit der Gasleitung in freier Comniuni- cation zu erhalten (LandoisJ. 2- Auch durch akustische Mittel, nämlich durch Einfügung einer, auf sehr leisen Luftzug ansprechenden Hohlkugelpfeife , (bei Tbieren in die querdurch- schnittene Trachea, beim Menschen bei vorher absichtlich, etwa durch starkes Laufen hervorgerufener, forcirter Herzbewegung durch die Mundöffnung bei ver- schlossener Nase) kann man die kardiopneumatische Bewegung leicht nachweisen, namentlich dann, wenn bei weiter Glottis die Pfeife continuirlich, aber äusserst leise angeblasen wird (Landois). durch akustische Mittel, Fig. 28. Landois1 Kardiopneumograph und die damit verzeichneten kardiopneumographischen Curven : -i und B vom Menschen; l und 2 entsprechend der Zeit des 1. und 2. Herz- tones ; C Curven vom Hunde ; D das "Werkzeug in seiner Anwendung. :i. Ganz besonders aber empfiehlt es sich, die Bewegung durch den Kar- diopneumographen (Landois! (Fig. 28) zu verzeichnen. Derselbe besteht aus einem Rohre, welches der Mensch luftdicht zwischen den Lippen hält, bei sistirter Respiration, weit offener Glottis und geschlossenen Nasenlöchern (D). Das aufwärts gebogene Rohr durchbohrt den Grund eines Tellerchens (T), welches nicht zu straff überspannt ist von einem zarten Häutchen von Collodium mit Ricinusöl-Beimischung. Von dem Centrum der Membran reicht ein Glasfaden (H) über den freien Rand des Tellerchens, und trägt an seiner Spitze ein zartes Härchen, welches die Bewegungen der Membran auf ein, durch ein Uhrwerk vor- beigezogenes Täfelchen (S) aufschreibt. Jede exspiratorische Luftbewegung bewirkl eine Senkung, jede inspiratorische eine Ilrlmng der Zeichenspitze. An den Seiten des Rohres befindet sich ein Klappenventil mit hinreichend weiter Oeffhung (Kl. welches man öffnet, wenn die Versuchsperson während einer Pause sieh frei zu atbmen anschickt. Die periodischen Bewegungen der, durch den 1! Tzachlag ge- triebenen Athinungsga.se bedingen .Mitbewegungen der zarten CoUom'umUiaut, die sich weiterhin auf den Sehreibhebel übertragen. Die von dem Softreibhebel ver- zeichnete Cur vi: (Fig. 28 A und 1!) lässt folgende Einzelheiten erkennen Landois : 1. Im Momente des ersten Herztones (1) erleiden die Aihemgase eine brüske exspiratorische Bewegung, weil im ersten Momente der Systole der Kammern das Ventrikelblut den Thorax noch nicht verhissen hat, während venöses Blut durch die Hohlvcnon in den rechten Vorhof einströmt , und weil in dem- Landois, Physiologie. 7. Aurl. 8 durch den Kardio- pneumo- graphen. Inter- pretation der kardio- pneumo- graphischen Curve : Moment des l. Herztoites. 114 Die kardiopneumatische Bewegimg. [§. 65.] selben Momente der Systole die schwellenden Aeste der Art. puhuonalis die Bronchien, welche sie begleiten, comprimiren. Das Blut des rechten Ventrikels verlässt überhaupt den Thorax nicht; dasselbe wird vielmehr nur in den kleinen Kreislauf versetzt. Diese exspiratorische Bewegung, isochron mit der Ventrikel- systole , würde noch grösser ausfallen , wenn dieselbe nicht durch zwei Momente etwas verkleinert würde , nämlich : — a) weil die Muskelmasse der Ventrikel während der Contraction einen etwas kleineren Baum einnimmt (§. 299) und — b) weil durch den Herzstoss der Thoraxraum nach aussen gegen den fünften Intercostalraum und nach unten gegen das Zwerchfell erweitert wird. 2. Unmittelbar nach der exspiratorischen Bewegung erfolgt eine starke inspiratorische Strömung der Athemgase, wodurch der grosse aufsteigende .Curvenschenkel verzeichnet wird. Sobald nämlich das Blut von der "Wurzel der Aorta bis zu derjenigen Stelle der grossen Schlagadern gedrungen ist, die an der Grenze des Thoraxraumes liegen, so verlässt von nun an eine viel grössere Masse arteriellen Blutes den Thoraxraum , als gleichzeitig venöses durch die Hohlvenen in denselben hineinströmt. Diese inspiratorische Bewegung würde ebenfalls grösser ausfallen, wenn nicht gleichzeitig in der Mund- und Nasen-Höhle durch die Füllung ihrer arteriellen Gefässe [Mundhöhlenpuls, Nasenhöhlenpuls, §. 84 (LandoisJ\ eine mit exspiratorischer Bewegung einhergehende (wenn auch nur geringe) Raum- verkleinerung einträte. Moment des 3- Nach dem zweiten Herztone (bei 2), der mitunter an der Curvenspitze 2. Herztones. a]s leichte Depression erscheint , staut das arterielle Blut weiterhin , der rück- wärts laufenden Blutwelle entsprechend, in den Thoraxraum zurück. Hierdurch wird vom Gipfel abwärts eine abermalige exspiratorische Bewegung in der ( Jurve ausgeprägt. 4- Die sich hieran schliessende, abermalige peripherische Wellenbewegung des Blutes aus dem Thorax weg bewirkt sodann wieder eine inspiratorische Gas- bewegung (diese erzeugt in den Körperarterien die Bückstosselevation, §. 73. I). 5. Nun strömt unter leichten Schwankungen wieder mehr Blut durch die Venen in den Thorax, und es erfolgt sodann der nächstfolgende Herzschlag. Das kardio- Man hat beim gesunden Menschen nicht selten dicht, am Herzen knis- -pneumatische ternde Geräusche gehört, herrührend von der Luftbewegung in den Lungen durch die HerzbeTvegung fv. B amber %er). — Befinden sich im Innern der Lungen abnorme verengerte Stellen in den Bronchien, durch welche die Athmungsgase hindurchgezwängt werden , so dass sie einen Ton oder ein Geräusch von sich geben, so beobachtet man in seltenen Fällen bei Kranken ein ziemlich lautes, sausendes oder pfeifendes Geräusch , das sogar von Weitem gehört werden kann ; es ist dies das pathologische kardiopneumatische Geräusch (LandoisJ. 66. Einfluss des Athinungsdruckes auf die Ausdehnung und Zusammsnziehung des Herzens. Der Druckwechsel , welchem alle innerhalb des Brust- raumes belegenen Theile durch die inspiratorische Erweiterung und exspiratorische Verengerung desselben unterworfen sind, übt auch einen sichtbaren Einfluss auf die Systole und Diastole des Herzens aus, der namentlich von Carson (1820) und Donders (1854) festgestellt ist. — Wir betrachten zuerst die Verhältnisse in ruhender, verschiedenartiger Stel- lung d^s Brustkorbes bei offener Glottis. Der diastolischen Ausdehnung der Herzhöhlen liegt ausser dem Druck des Venenblutes und der elastischen Dehnung der Wirkung des erschlaffenden Muskel wände (§§. 55 und 113) „der elastische S£1£ Zug der Lungen" zu Grunde. Dieser ist aber um so stärker, Lungen-. je bedeutender die Lungen ausgedehnt sind (Inspiration), hingegen [§.66i] Einfluss des Athmungsdruckes auf das Hi-rz. 115 um so wirksamer, je stärker die Lungen bereits sich zusammen- ziehen konnten (Exspiration). Hieraus folgt: — 1. Bei starker Exspirationsstellung des /orA 6r^. Brustkorbes unter möglichster Zusammenziehung des Lungen- Exspiration*- gewebes (natürlich bei offener Glottis), bei welcher also der *tatunv> liest des noch wirksamen elastischen Zuges der Lungen nur noch sehr gering ist, wird nur wenig Blut in die Herzhöhlen einfliessen; das diastolisch ruhende Herz ist nur klein und weniger gefüllt. Daher werden auch die Systolen klein aus- fallen müssen . was weiterhin einen kleinen Pulsschlag zur Folge hat. 2. Bei höchster Inspirationsstellung des Brustraumes (bei hei stärkster offener Glottis) und unter der hierbei stattfindenden stärksten "SuwsT*" Dehnung der elastischen »Lungensäcke ist die Kraft des elasti- schen Zuges der Lungen natürlich am grössten. nämlich 30 Mm. Quecksilber (Donders). Die sehr erhebliche Wirkung desselben kann den Contractionen der dünnwandigen Atrien nebst den Herzohren Abbruch thun, in -Folge dessen sich diese Herztkeile nur unvollkommen in die Kammern entleeren. Das Herz ist diastolisch stark erweitert und mit Blut gefüllt : trotzdem können wegen der Beschränkung der Yorkofsthätigkeit nur kleine Pulswellen zur Beobachtung kommen. So fand Donders den Puls bei mehreren Personen kleiner und langsamer ; nachher wurde er wieder grösser und beschleunigter. Es scheint sogar mitunter bei schwacher Herzconstitution auch die Kammer- thätigkeit durch den starken elastischen Lungenzug Beeinträch- tigung zu erfahren, wofür wohl auch das bisweilen beobachtete Wegfallen der Herztöne spricht. 3. Die Stellung des Brustkorbes in mittlerer Ruhe, wobei bei ruhender der elastische Zug der Lungen nur mittlere Stärke hat. nämlich steint'. 7,5 Mm. Quecksilber (Donders). liefert für die Herzaction somit die günstigsten Verhältnisse: hinreichende diastolisch«' Ausdehnung der Herzhöhlen, sowie unbehinderte Entleerung derselben bei der Systole. Wir können nun fernerhin einen sehr wesentlichen Ein- fluss constatiren, welchen der willkürlich im Innern des Thorax verstärkte oder verminderte Druck auf die Herzbewegung ausübt . 1. Wird der Brustkorb zunächst in die tiefste Inspirations- vaisaiva'» Stellung gebracht, hierauf die Glottis geschlossen, und nunmehr durch Anspannung aller Exspirationsmuskeln der Brustraum stark verkleinert, so können die Herzhöhlen so sehr zrusammen- gepresst werden, dass sogar die Blutbewegung zeitw frrjjrg unter- drückt wird (.. Valsalvd's Versuch''. 1740). Der elastisr},, i Zug ist in dieser Exspirationsstellung zunächst sehr beschränkt, und hierzu wirkt nun noch die unter hohem Drucke stellende Lungenluft pressend auf das Herz und die intrathorakalen Gefässe. Von Aussen kann kein Venenblut in den Brustkorb eintreten, es schwellen daher die sichtbaren Venen . das Blut der Lungen 8* 116 Eiiifluss des Athrnungsdruckes auf das Herz. [§•66.] Johannes Müllers Versuch. wird von der stark gespannten Lnngenluft schnell in das linke Herz befördert, und letzteres entleert es baldigst nach Aussen. Daher sind die Lungen blutleer und die Herzhöhlen leer. Also herrscht grösserer Blutreichthum des grossen Kreislaufes gegen- über dem des kleinen Kreislaufes und des Herzens. Die Herz- töne hören auf und die Pulse verschwinden (E. H. Weber, Donders). 2. Wird umgekehrt in stärkster Exspirationsstellung die Glottis geschlossen, und nun mit aller Anstrengung der Brust- korb inspiratorisch erweitert, so wird das Herz gewaltsam Fig. 29. Apparat zur Demonstration des Einflusses der respiratorischen Ausdehnung (II) und Zusammenziehung (I) des Brustkorbes auf das Herz und den Blutstrom. dilatirt; denn ausser dem elastischen Zuge der Lungen wirkt noch die sehr verdünnte Luft in den Lungen ausdehnend auf die Herzhöhlen gegen die Lungen hin. In das rechte Herz ergiesst^sich beschleunigt der Venenstrom ; in dem Maasse ferner, wie der' richte Vorhof und die Kammer den Zug nach Aussen überwinden können, werden sich die Blutgefässe der Lungen stark mit Blut füllen, so theilweise den Lungenraum auszu- füllen strebend. Aus dem linken Herzen wird bedeutend weniger Blut ausgetrieben, so dass sogar die Pulse stocken können. Daher also prall gefülltes, grosses Herz, starker Blutreichthum [§.66.] Einfluss des Athmungsdruckes auf das Herz. 117 der Lungen, schwach gefülltes Aortensystem, grösserer Blut- reichthum des Herzens und des kleinen Kreislaufes gegenüber dem grossen („Johannes Müllers Versuch", 1838). Da bei der normalen Athmung während der Dauer D%f%%™9 der Inspiration die Lungenluft unter geringerem, bei der Ex- stunungs- spiration jedoch unter höherem Drucke steht, so wird dieses Kreuumfee. normale "Wechselverhältniss als Beförderungsmittel des Kreis- laufes dienen : die Inspiration befördert den venösen (und Lymph-) Zufluss durch die Hohlvenen (bei Operationen kann in die an- geschnittene V. axillaris oder jugularis sogar Luft, tödtlich wirkend, eingesaugt werden), und begünstigt eine ergiebige Diastole; die Exspiration befördert die ßlutbewegung in das Aortensystem hinein und begünstigt die systolische Entleerung des Herzens. Dabei ist durch die Ventileinrichtung am Herzen für die einsinnige Leitung des beförderten Stromes gesorgt. Auch auf den, ganz im Innern des Thorax liegenden, kleinen Kreislauf übt der elastische Zug der Lungen einen befördernden Einfluss; denn das Blut der Lungencapillaren steht unter dem Druck der Lungenluft, das der Venae pulmo- nales wird jedoch unter einem geringeren Druck stehen . da der elastische Zug der Lungen durch Dehnung des linken Vor- hofes befördernd auf den Abfluss aus den Capillaren in den linken Vorhof wirken muss. Auf den rechten Ventrikel und somit auf die Blutbewegung durch die Pulmonalis kann der elastische Zug der Lungen jedoch wenig störend zurückhaltend wirken, wegen der überwiegenden Gewalt, welche diese über den elastischen Lungenzug besitzen (Donders). Der vorstehend verzeichnete A p p a r a t zeigt uns deutlich den Einfluss der Esperimm- In- und Ex-Spirationsbewegung auf die Ausdehnung des Herzens und den Strom Begründung. in den grossen Blutbahnen, die zum und vom Herzen führen. Die umfangreiche Glasflasche stellt den Thorax dar, an Stelle des abgesprengten Flaschenbodens ist D, eine elastische Gummimembran , angebracht, welche das Zwerchfell reprä- sentirt. P P sind die Lungen ; L die Luftröhre, deren Eingang (Glottis) durch einen Hahn beliebig geschlossen werdeu kann, H ist das Herz, E die Bahn der Hohlvenen, A das Aortenrohr. Wird zuerst der Luftröhrenhahn geschlossen, und nun wie bei I die Exspirationsstcllung mit Verkleinerung des Thoraxraumis gemacht durch Aufwärtspressung von D , so wird die Luft in P P comprimirt. zugleich aber wird auch das Herz H comprimirt ; das venöse Ventil schliesst sich, das arterielle wird geöffnet, und die Flüssigkeit durch A ausgetrieben. Das ein- gesetzte Manometer M zeigt den verstärkten Intrathorakaldruek an. — Wird, gleichfalls bei geschlossenem Hahn 1 (in II), die Membran d stark abwärts ge- zogen, so erweitern sich die Lungen pp, aber auch das Herz h; die venöse Klappe öffnet sich, die arterielle schliesst sich, es erfolgt also Einströmen der venösen Flüssigkeit von c zum Herzen hin. So hat also stets die Inspiration Be- förderung des venösen und Behinderung des arteriellen, die Exspiration Behin- derung des venösen und Beförderung des arteriellen Stromes zur Folge. — Ist die Glottis (L und 1) offen, so wird natürlich bei Ein- und Aus-Athmungsstellung (D und d) auch die Luft in P '. Wirkung auf das Herz (H und in geringem Maasse auch so noch fortbestehen müssen. .■iiu. uuiuie Geschwindigkeit des Stromes v wird bestimmt: a) aus dem Lumen I der Röhre, und b) aus der Flüssigkeits menge q, welche in der ange- nommenen Zeiteinheit durch die Röhre hindurchfliesst. Es ist dann v = q : 1. Beide WcrtF'e, sowohl q als auch 1, lassen sich direct durch Messung bestimmen. [Der TJmfai V einer runden Röhre, deren Durchmesser = d, ist 3,14 . d. Der Querschnitt (Lumen der Röhre) ist 1 = -~- . d2.] Ist auf diese Weise die Grösse von v bestimmt, so lässt sich ferner aus v die sogenannte „Gesch win digk eits höhe F" (der Hydrauliker) berechnen, nämlich jene Höhe, aus welcher ein Körper im luftleeren Baume niederfallen 18-68.] Treibkraft, Stromgeschwindigkeit und Seitendruck. 119 müsste, wenn er die gefundene Geschwindigkeit von v erreichen sollte. Es ist dies F = -^-i (worin g den Fallraum in der 1. See. bezeichnet = 4,9 Meter). 2. Der Druck D (Widerstandshöhe) wird an den verschiedenen Stellen des Rohres direct durch eingesetzte Manonieterröhren gemessen (Fig. 81). Es ist nunmehr die Treibkraft h für eine beliebige Stelle der Röhre h = F + D oder: h 4g + D i'DonderS/ Zur experimentellen Prüfung diene das hinreichend weite cylindrische Druckgefäss (Fig. 31. A), innerhalb dessen Wasser durch eine passende Vorrich- tung stets bis zum gleichen Niveau h erhalten wird. Das von dem Boden desselben abgehende gleichweite, starre Rohr a b trägt als Druckmesser eine Anzahl Fig. 31. Ein Druckgefäss A mit Ausflussrohr a b und eingesetzten Druckmessern senkrecht eingesetzter Rohren (1, 2, 3) (Piezometer); am Ende b besitzt das Rohr eine nach oben gerichtete Oeffnung. Aus letzterer wird (stets gleiches Niveau bei h vorausgesetzt) das Wasser bis zu einer constanten Höhe empor- springen : das Maass hierfür ist gleich F (der Geschwindigkeitshöhe). Da in den Manometerröhren 1. 2, 3 der Druck D1, D.,, D3 direct abgelesen werden kann, so ist an den Rohrstellen I, II, III die Treibkraft des Wassers: h = F + D, ; — F + D., ; - F + D3. Am Ende des Rohres (bei b), wo D, = 0 geworden ist , ist h — F + 0, also h = F. Im Druckgefässe selbst ist es die constante Kraft h selbst, welche auf die Bewegung der Flüssigkeit einwirkt. Es ist somit sofort ersichtlich, dass die Treibkraft des Wassers von dem Widerstände. Hinströmen der Flüssigkeit aus dem Druckgefäss bis zum Ende der Röhre b stetig kleiner geworden ist. Das im Druckgefäss von h herabfallende Wasser steigt bei b nur noch bis zu F empor. Diese Verminderung der Treibkraft rührt her von den Widerständen, welche sich der Strömung in der Bohre entgegen- stellen und so einen Theil der lebendigen Kraft aufheben (d. i. in Wärme um- setzen). Da von der Bewegungskraft im Gefässe h endlich bei b nur noch V übrig geblieben ist, die Differenz also durch die Widerstände aufgehoben ist, SO muss die Summe dieser Widerstände D = h — F sein: hierauf folgt h = F + I) DondersJ. Bestimmung der Widerstände. Wenn eine Flüssigkeit durch eine, in ihrem ganzen Verlaufe gleichweite Bestimmung Röhre hindurchströmt, so nimmt von Stelle zu Stelle die Treihkrafl h durch die U..J^.. überall gleiehmässig wirkenden Widerstände ab; es ist daher die Summe der Widerstände in der ganzen Röhre der Länge derselben direct proportional. In Widerstände. 120 "Widerstände. Ungleiche Weite der Röhren. [§. 68.] einer überall gleichweiten Bohre strömt die Flüssigkeit durch jeden Querschnitt mit gleicher Geschwindigkeit, es ist also v (und folglich auch F) für alle Stellen der Röhre gleich. Die Abnahme, welche die Treibkraft h erfährt, kann also, da F überall gleich bleibt (und h = F -(- D ist), nur von einer Verminderung des Druckes D herrühren. Der Versuch am Druekgefässe zeigt in der That, dass der Druck gegen das Ausflussende des Rohres hin in stetiger Abnahme begriffen ist. — In einer überall gleich weiten Röhre ist die gefundene Druck- höhe in der Manometerröhre der Ausdruck für die Summe der Widerstände, welche derStrom derFlüssigkeit aufseinemWege von der untersuchten Stelle bis zur freien Ausflussöffnung noc h zu überwinden hat. Cohäsion der Arten der "Widerstände. — Die "Widerstände, welche sich einer strö- Fiussigkeits- men(jeil Flüssigkeit entgegenstellen, sind zunächst belegen in der Cohäsion derFlüssigkeitstheilchen unter einander. Während der Strömung befindet sich die äusserste, wandständige Schicht, welche die Röhre benetzt, in völliger Ruhe (Girard, Poiseuillej. Alle übrigen Flüssigkeitsschichten , welche man sich von der W^and aus als concentrisch in einander geschobene Cylinderschichten vorstellen kann, sind gegen die Axe der Röhre hin in fortschreitend grösserer Bewegung, der Axenfaden selbst endlich stellt den am meisten beschleunigten Theil der Flüssigkeit dar. Bei diesem Verschieben der cylindrischen Flüssigkeits- schichten an ihren Begrenzungsflächen müssen natürlich die aneinander liegenden Flüssigkeitstheilchen von einander gerissen werden , wobei von der lebendigen Treibkraft verloren gehen muss. Die Grösse der Widerstände hängt wesentlich ab von der Grösse der Cohäsionskraft der Flüssigkeitstheilchen unter einander : je inniger die Flüssigkeitstheilchen an einander haften , um so grösser werden die Widerstände sein und umgekehrt. So ist es leicht verständlich, dass die Widerstände, welche das klebrige Blut in seiner Strömung erkennen lässt, grösser sein müssen, als etwa Wasser oder Aether. Erwärmung vermindert die Cohäsion der Theilchen, sie ist daher auch ein Mittel zur Verminderung der Strömungswiderstände. Es ist ferner einleuch- tend, dass diese Widerstände erst Folge der Bewegung sind , denn erst mit dem Eintritte dieser beginnen die Flüssigkeitstheilchen auseinander gerissen zu werden. Offenbar muss fernerauch, je schneller die Strombewegung vor sich geht, das heisst: je mehr Flüssigkeitstheilchen in einer Zeiteinheit aus- einander gerissen werden, desto grösser auch die Summe der Wider- stände sich gestalten. — Die wandständige, die Röhrenfläche benetzende Flüssig- keit befindet sich, wie gesagt, während der Strömung in absoluter Ruhe; es folgt hieraus, dass das Material der Rölvrenwandung keinen Einfluss auf die Wider- stände hat. Einfluss der ungleichen "Weite der Höhre. Einfluss Bei gleicher Stromgeschwindigkeit ist die Grösse der Widerstände abhängig ungleicher von der Grösse des Durchmessers der Röhre ; je kleiner der Durchmesser ist, Weite. desto grösser sind die Widerstände ; je grösser der Durchmesser ist, desto kleiner in den weiten sind die Widerstände. Die Widerstände nehmen jedoch in engeren Röhren Stellen schneller zu, als die Durchmesser der Röhren abnehmen. Das hat die experimentelle Widerstände Untersuchung festgestellt. geringer. In Röhren , die in ihrem Verlaufe eine ungleiche Weite besitzen , ist die In den weiten Geschwindigkeit des Stromes verschieden : sie ist innerhalb der weiten Stellen Stellen ist natürlich langsamer, innerhalb der engen beschleunigter. Im Allgemeinen ist die öeschvindi'o- Stronigeschwindigkeit innerhalb ungleichweiter Röhren umgekehrt proportional iceit geringer, dem Durchschnitte des betreffenden Röhrenabschnittes , d. h. also , wenn die Röhren cylindrisch sind , umgekehrt pi'oportional dem Quadrate des Diameters des kreisförmigen Querschnittes. Wäl«Tend in überall gleichweiten Röhren die Treibkraft der strömenden Flüssigkeit *■ vm Strecke zu Strecke gleich massig abnimmt, nimmt dieselbe innerhalb ungleich weiter Röhren nicht gleich massig ab. Denn da, wie In den weiten vorhin angeführt , die AViderstände in engen Röhren grösser sind, als in weiten, stellen nimmt so jjinss natürlich innerhalb der engen Stellen die Treibkraft stärker abnehmen Weniger slark a^ innerhalb der weiten. Dabei hat sich gezeigt, dass der Druck innerhalb der ab. erweitei-ten Stellen grösser ist, als die Summe der noch zu überwindenden AViderstände, hingegen innerhalb der engen Stellen kleiner als diese. [§. 68-] Strömung durch Capillarröhrchen. 121 Krümmungen und Schlängelungen der Gefässe bringen weiter- Einßuss hin neue Widerstände mit sich : in Folge der Centrifugalkraft pressen sich nämlich " die Flüssigkeitstheilchen stärker an der convexen Seite des Bogens und finden hier somit grösseren Widerstand hei ihrer Strombewegung, als an der con- caven Seite. Theilungen der Röhre in zwei oder mehrere Aeste schwächen der gleichfalls die Treibkraft durch Schaffung neuer Widerstände. Theilt sich ein Theüung* Strom in zwei kleinere Ströme, so müssen theilweise Flüssigkeitstheilchen retardirt. andere stärker beschleunigt werden, wie aus der Betrachtung der ungleichen Ge- schwindigkeit der Fliissigkeitsschichten hervorgeht. Viele Theilchen, die im Haupt- strome als Axentheilchen die grösste Geschwindigkeit hatten, werden, in den Nebenströmen mehr in den Seitenschichten liegend, nun langsamer fortbewegt, und umgekehrt werden viele Seitenschichten im Hauptstrom in den Nebenströmen zu mehr centralen mit grösserer Geschwindigkeit. Durch die hierbei auftretenden Widerstände geht natürlich von der Treibkraft verloren. Auch das Auseinander- reissen der Flüssigkeitstheilchen bei Theilung des Stromes wirkt ähnlich. Treten umgekehrt zwei Röhren zu einer zusammen, so werden neue Widerstände, den und des angeführten entgegengesetzt wirkend, die Treibkraft schwächen müssen. - - J™"ffT~ Die Summe der mittleren Geschwindigkeiten m beiden tetromzweigen ist unab- strömen*. hängig von dem W i n k e 1, unter welchem die Verzweigung vor sich geht Jakob- son), Wird ah einem Rohre ein Nebenzweig eröffnet, so beschleunigt dies den Hauptstrom in deutlich gleichem Maasse, unter welchem Winkel der Seitenzweig auch abgehen mag. 69. Strömung durch CapillarröhrcheiL Die Strombewegungen der Flüssigkeiten durch Haarröhrchen sind, in Gesetz- Gemässheit der, in den Haargefässen herrschenden C apillarität skraf t, fch-*»^?*?' weichend von den vorhin entwickelten Gesetzen, besonderen Normen unterworfen, deren Kenntniss wir Poiseuille verdanken. Diese Sätze lauten : 1. Die Ausflussmengen (aus demselben Haarröhrchen) sind proportional den Drucken. 2. Die zum Ausfluss einer gleichen Flüssigkeitsmenge nöthigen Zeiten (bei gleichem Drucke, Durchmesser des Röhrchens und Temperatur) sind proportional den Längen der Röhren. 3. Die Producte des Ausflusses verhalten sich (bei Gleichheit aller sonstigen Umstände) wie die vierten Potenzen der Durchmesser. 4. Die Strömungsgeschwindigkeiten sind proportional den Druckhöhen und den Quadraten der Durchmesser, und umgekehrt proportional der Länge der Röhrchen. 5. Die Widerstände in den Capillaren sind proportional den Strom- geschwindigkeiten . 70. Stroinbewegung uud Wellenbewegung in elastischen Röhren. 1. Lässt man durch eine elastische Röhre einen ununterbrochenen, Einfache gleichmässigen Flüssigkeitsstrom hindurchlaufen, so ist diese St rom- . '" bewegung ganz denselben Gesetzen unterworfen, nach denen elastischer. dieselbe auch innerhalb starrer Röhren vor sich geht. Nimmt die Röhren. Treibkraft zu, oder nimmt dieselbe ab, so werden die elastischen Röhren ent- weder weiter oder enger, und sie verhalten sich nun dem Flüssigkeitsstrome gegenüber als einfach weitere oder engere starre Röhren. 2. Wird jedoch in eine elastische, ganz von Flüssigkeit erfsüte, Röhre WeUen- stossweise neue Flüssigkeit hineingeworfen, so wird dv; Rohr am Anfangstheile, der Menge der eingeworfenen Flüssigkeit entsprechend, plötzlich ' ^^e. ausgedehnt. Der Stoss ertheilt den Flüssigkeitstheilchen eine oscillatorische Bewegung, welche sich mit grosser Schnelligkeit allen Wassertheihhen vom An- fange bis zum Ende der Röhre mittheilt : es entstellt eine positive Welle, welche sich durch das Rohr schnell fortpflanzt. Denken wir nns das elastische Rohr an seinem peripheren Ende geschlossen, so wird die positive 122 Stroinbewegung und Wellenbewegung. [§. 70.] AVelle von der "Verschlussstelle zurückprallen, sie wird positiv rückläufig und kann sogar wiederholt ihren "Weg hin und her nehmen, bis dieselbe, allmählich kleiner werdend, erlischt. In einem solchen geschlossenen Schlauche bewirkt also das plötzliche, stossweise Einpressen einer Flüssigkeitsmenge nur Wellen- bewegung, d. h. also nur eine schwingende Bewegung oder die Bewegung einer Form. Strom- und 3. Werden jedoch in einer, ganz mit Flüssigkeit erfüllten, elastischen Wellen- Bbhre, in welcher sich dieselbe bereits in continuirlieher strömender Bewegung Ifaltischen'1 befindet, durch stossweises Einpumpen neue Flüssigkeitsmassen in den Anfangs- Sohre. theil der Röhre gebracht, so combinirt sich hier die Strombewegung mit der Wellenbewegung. Hier ist auf das Strengste zu unterscheiden die Strom- bewegung der Flüssigkeit, d. h. die Massenverschiebung der Flüssigkeit durch die Röhre, von der Wellenbe wegung, der oscillatorischen Bewegung, der Bewegung der Form Veränderung an der Flüssigkeitssäule. Die erste ist eine translatorische, die letztere eine oscillatorische Bewegung. Die Strombewegung erfolgt in elastischen Röhren langsamer, die Wellenbewegung mit grosser Schnelligkeit. Vergleich Gerade so, wie in diesem letzteren Falle, verhält es sich an dem arteriellen mit den Systeme der Blutbahn. Das Blut ist bereits in den Arterien in steter Strömung Be™gder9eU von ^er -A-ortenwurzel gegen die Capillaren hin begriffen (Strombewegung) ; durch Blutbahn, das stossweise Hineinwerfen einer Blutniasse in die Aortenwurzel bei jeder Systole der linken Kammer entsteht eine positive (Puls-) Welle, welche sich mit grosser Schnelligkeit zu dem Ende der arteriellen Bahn fortpflanzt (§ 83), während die fetrombe wegung um vieles langsamer vor sich geht (§ 94). jnter- Es ist von grosser AVichtigkeit , die Bewegungen der Flüssigkeiten in mütirendes starren Röhren lienen in elastischen gegenüberzustellen. Wird ein gewisses E die elastische Innenhaut, — e die musku- löse Eingfaserschicht, — d die binde- gewebige Adventitia. wirksam sein und die Gefässe in könnten. 2. Die Tunica media — enthält als am meisten charak- teristischen Bestandteil glatte Muskelfasern (c). Sie 'erscheint an den kleinsten Arterien aus querliegenden, zerstreuten, platten Muskelfasern formirt zwischen Endothclrohr und T. adventitia. Ein feinkörniges, mit wenigen feinen elastischen Fasern durchzogenes Ge- webe dient als Verbindungsmasse. Von den allerkleinsten zu den kleinen Arterien fortschreitend, wird die Zahl der glatten Muskeln Die Media. 124 Bau und Eigenschaften der Arterien und Capillaren. [§• 71.] Die Adventitia. so vermehrt, dass sie in Gestalt einer stark muskulösen Ring- faserschicht auftreten, in welcher die Bindesubstanz fast völlig zurücktritt. — In den grossen Arterien nimmt jedoch letztere sehr erheblich überhand : es erscheinen zwischen feinfaserigen Lagen zahlreiche (bis 50) concentrisch geschichtete, dicke, elastische, gefaserte oder gefensterte vorwiegend quergelagerte Häute. Da- zwischen liegen nur vereinzelt hie und da wie versprengt der Quere nach, seltener schief- oder längs-gerichtete glatte Muskelzellen. Die Anfangstheile der Aorta und Pulmonalis , sowie die Knochen- und Eetinalarterien sind muskellos. Die Aorta descendens , Iliaca communis und Poplitea weisen schräg- und längs-verlaufende Muskeln zwischen den queren auf. Längsbündel an der inneren Seite der Media besitzen die Aa. renalis, lienalis, spermatica interna, Längsbündel an der inneren und an der äusseren Fläche die überaus muskelreichen Aa. umbilicales. 3. Die Tunica adventitia — ist an den feinsten Arterien eine, mit spärlichen Protoplasmazellen besetzte, structurlose Haut ; an den etwas dickeren erscheint dann eine Lage feinfaserigen elasti- schen Gewebes mit Zügen fibrillären Bindegewebes untermischt (d). An den mittelstarken und dicksten Arterien besteht die Haupt- masse aus schräg verlaufenden und vielfach sich durchkreuzenden Bündeln fibrillären Bindegewebes mit Bindegewebszellen, nicht selten auch mit Fettzellen vermischt. Dazwischen liegen, namentlich reichlich gegen die Media hin, faserige oder gefensterte elastische Lamellen. An der Grenze gegen die Media hin formiren sich die elastischen Elemente an den kleineren und mittelstarken Arterien zu einer mehr selbstständigen elastischen Membran (Heule's äussere elastische Haut). Längsverlaufende, in zerstreuten Bündeln auftretende glatte Muskel- fasern trifft man in der Adventitia der Schlagadern des Penis, sowie auch den Aa. aorta des- Die Capülar- gefässe. cendens , renalis , lienalis, spermatica interna, iliaca, hypogastrica , mesenterica superior. IL Die Capillaren, — die sich vielfältig unter Wah- rung ihres Durchmessers theilen und im weiteren Ver- laufe wieder zusammen- treten, haben sehr verschie- dene Durchmesser von 5 bis 6 y. fRetina, Muskeln) bis zu 10 — 20 [J. (Knochenmark, Leber , Chorioidea). Die Röhren sind aus einem ein- schichtigen , kernhaltigen Endothel! ager zusammenge- fügt (Hoyer , Auerbach, Fig. 33. Capillargefässe , die Zellengrenzen (Kittsubstanz Eberth, Aeby 1865), dessen zwischen den Endothehen) durch Silbermtrat „ ,, • t i i i geschwärzt, die Kerne der Endothelen durch Zellen m den schmalen mehr 6 Tinction hervortretend. spindelförmig, in den brei- teren mehr polygonal geformt sind. Die Zellkörper haben das Aus- sehen des mattglänzenden Protoplasmas. [§• 71.] Bau und Eigenschaften der Capillaren und Venen. 125 Die Grenzen der einzelnen Zellen sind nur durch Injeetion mit Höllensteinlösungen als schwarze Linien erkennbar. Die geschwärzte Kittsubstanz zeigt an einzelnen »Stellen grössere, schwarze Schaltflecken. Ob diese als wirkliche Lücken (Stomata, J. Arnold) zu betrachten sind, durch welche eventuell weisse Blutkörper auswandern können (§. 100), oder als blosse reichlichere Anhäufung der geschwärzten Kittsubstanz , ist zur Zeit unentschieden. Feine , anastomosirende Fibrillen, aus marklosen Nerven herstammend, enden mit kleinen Endknöpfchen an der Capillarwand ; Ganglien in Verbindung mit Capillarnerven kommen nur im Gebiete des Sympathicus vor (Bremer & Waldeyer) . — Die an die Capillaren zunächst stossenden ganz kleinen Gefässe besitzen ausser dem Endothel noch eine völlig structur- lose Umhüllungshaut. III. Die Venen — zeichnen sich den Arterien gegenüber im Allgemeinen dadurch aus, dass ihr Lumen weiter als das der correspondirenden Arterien , ihre Wand dünner, wegen der viel geringeren Entwickelung der elastischen und muskulösen Elemente (unter denen letzteren viel häufiger längsverlaufende angetroffen werden) und entschieden dehnbarer ist (bei gleichem Zuge). Dabei ist ihre Advent itia meist die relativ dickste Membran ; das Vorkommen von Klappen ist nur auf gewisse Bezirke beschränkt. 1. Die Int im a — besitzt eine, aus kürzeren Eudothelzellen gebildete Zellhaut ; darunter findet sich bei den kleinsten eine structur- lose, bei den etwas dickeren eine vorwiegend längsgefaserte elastische Lage (stets dünner als an den Arterien). An den grossen Venen kann sie den Charakter einer gefensterten Haut annehmen, die sogar an einzelnen Stellen der Cruralis und Iliaca sich verdoppeln kann. Eine zarte Bindesubstanz mit Spindelzellen dient zur Vereinigung. Die Femoralis und Poplitea haben sogar zerstreute Muskelfasern in der Intima. 2. Die Media — ist an den grösseren Venen aus abwechselnden Lagen von elastischen und muskulösen Elementen mittelst ziemlich reichlichen nbrillären Bindegewebes zusammengefügt. Doch ist die Media stets dünner, als an den correspondirenden Arterien. Der Reich- thum solcher Lagen ist ein fortschreitend geringerer der Reihe nach bei folgenden Venen : Vena poplitea, — Venen der unteren Extremität, — Venen der oberen Extremität, Vena mesenterica sup., — übrige Venen der Bauchhöhle, — Vv. hepaticae, pulmonales, coronariae cordis. — Völlig muskellos sind folgende Venen: die der Knocheu, Muskeln, des Centralnervensystems und dessen Häute, der Retina, die Cava superior mit den grosseu einmündenden Stämmen, der obere Theil der Cava inferior. Hier erscheint die Media natürlich deshalb sehr geschwächt. In den feinsten Venen ist die Media nur durch feinfaseriges Binde- gewebe gebildet, dem sich mehr centralwärts versprengte läDgs- und querliegende glatte Muskelzellen zugesellen. 3. Die Adventitia — der Venen ist durchgehends dicker, als an den entsprechenden Arterien: sie enthält stets reichlicheres, meist längsgefasortes Bindegewebe, dahingegen geringere, grob- maschige Netze elastischer Elemente. An gewissen Venen kommen jedoch auch noch längsverlaufende glatte Muskelfasern Hau der Venen. Intima der Venen, Media der Venen. Ade erititia der Venen . 126 Bau der Venen. ■ — Eigenschaften der Gefässe. [§. 71.] hinzu : (Vena renalis, portarum, cava inferior im Leberbereich, Venen Venen- der unteren Extremität). — Die Klappen bestehen aus feinfibrillärem Bindegewebe mit eingelagerten Sternzellen ; die convexe Klappenfläche überzieht ein Netz elastischer Fasern, beide Flächen das endothele Zellenlager. Die Klappen enthalten viele Muskelfasern. Sinus. Die Sinus der Dura mater — sind von Endothel ausgekleidete Räume zwischen Duplicaturen, oder zwischen das Gewebe derselben eingegrabene Spalten dieser Haut. Cavernöse Cavernöse Räume ■ — kann man sich entstanden denken durch zahl- ume. reiche_ unmittelbar nach einander erfolgende Theilungen und Anastomosen ziemlich umfangreicher, jedoch ungleich dicker Venen. Es erscheint dann die Gefässwand vielfach durchbrochen, schwammig, — der Innenraum mit Bälkchen oder Fäden durchzogen. Dem Blute zugewandt lagert das Endothel. Die umgebende Wand besteht aus Bindegewebe, das oft sehr derb und sehnig ist, wie an den Schwell- körpern, und nicht selten glatte Muskelfasern eingelagert enthält. Cavernöse Bildungen analoger Art an den Arterien sind die Carotidendrüse des Frosches, das analoge Gebilde an der Aorta und Pul- monalis der Meerschildkröte und die Steissdrüse des Menschen /'z'. Luschka . Dieses räthselhafte, namentlich an sympathischen Nervenfasern reiche Gebilde kernreichen Bindegewebes ist ein Convolut ampullärer oder spindelförmiger Er- weiterungen der Art. sacralis media (Arnold), von glatten Muskelfasern durch- zogen und umlagert. (§. 108. V.) Die Vasa vasorum — sind durch nichts im Bau von den Gefässen gleichen Kalibers unterschieden. interceliuläre Wandungslose intercelluläre Blutbahnen — befinden sich in dem Granu- muthdhnen. lationsgewebe der Wunden. Anfänglich trifft man nur Blutplasma zwischen den Bildungszellen, später erst treibt der Blutstrom Blutkörperchen durch die Bahnen hindurch. In ganz ähnlicher Weise bildet sich im bebrüteten Ei die erste Anlage der Gefässe aus den Bildungszellen des Keimblattes. Ueber die wandungslosen Gefässe des Knochenmarks und der Milz vgl. §. 13. C. contractmm Unter den Eigenschaften der Blutgefässe — ist Gefässe, zunächst ihre Contractilität zu nennen: das Vermögen, durch die, in ihren Wandungen sich befindenden glatten Muskelfasern sich zu verengern. Die Intensität und Kraft, mit welcher die Zusammenziehung geschehen kann, hält mit der Entwicklung der Muskeln gleichen Schritt. AVärme bewirkt eine Contraction der Blutgefässe (Froschmesenterium) (Gärtner). Ausgeschnittene Arterien verengern sich bei Füllung mit schwachen Alkalien, Digitalin, Atropin und Antiarin (auch die isolirte Herzspitze schlägt gedehnter in Alkalien); — bei Füllung mit schwacher Milchsäure erweitern sich die Gefässe (auch schlägt in ihr die Herzspitze schneller (Gaskell). — Nach Roy verkürzen sich die Gefässe bei Erwärmung (bei Verhütung der Verdunstung und gleichbleibender Belastung). Lässt man die Gefässe ausgeschnittener lebensfrischer Organe durch- strömen von Blut, welchem gewisse Stoffe beigemengt sind, so zeigt sich: Er- weiternd wirken auf die Gefässe Amylnitrit, Chloralhydrat, Morphin, Chinin, Atropin (Harnstoff und Kochsalz auf die Nierengefässe) — verengernd Digitalin, Veratrin (Kobert). der Auch den Capillaren — kommt eine, von den Proto- ;' plasmakörpern der sie zusammensetzenden Zellen herrührende, Bewegung der Wandung unter Erweiterung und Verengerung des Lumens zu (§. 71. 2). Man hat die Capillaren geradezu „Protoplasma in Röhrenform" genannt (Stricker) und konnte an ihnen, namentlich auch nach Reizungen beim lebenden Thiere, Bewegungserscheinungen beobachten; Stricker sah dies vornehmlich an den Capillaren junger Froschlarven (während [§■ 71.] Phlsbeweerunt Technik der Pulsuntersuehung. u: im höheren Alter die Reaction derselben auf Reize mehr zurücktritt , Rouget auch hei neugehorenen Säugethieren. Aehnlicnes, beobachteten Golubew und Tarchanoff. Daher haben auch die einzelnen Zellen je nach dem Füllungsgrade der Gefässe eine sehr verschiedene Gestalt: in stark erweiterten Gefässen sind sie platt, in collabirten hingegen ragen sie mehr cylindrisch in das Lumen der Gefässe hinein (Renant) . Unter den physikalischen Eigenschaften ist zunächst die Elasticität Elasticität — der Gefässe zu bemerken : ihre Elasticität ist gering (d. h. sie setzen den dehnenden Kräften, wie Druck oder Zug . einen nur geringen Widerstand entgegen), aber sie ist zugleich vollkommen (d. h. sie kehren nach Aufhören der dehnenden Kräfte in ihre frühere Form wieder zurück). [Vgl. §. 303.] Nach Ed. Weber , Werlheim und A. W. Volkmann sollen die Längen der Gefässe (wie die der thierischen feuchten Theile überhaupt) nicht den span- nenden Gewichten proportional wachsen, sondern sie sollen hei steigender Be- lastung in ihrer Länge beträchtlich weniger gedehnt werden. Daher ist die Dehnungsfähigkeit einer todten Arterie am grössten, wenn der intravasculäre Druck sie erst wenig gedehnt hat Zivaardemaker) . Wundt hat jedoch nach erneuten Versuchen auch den Gefässen die Unter- ordnung unter das besagte allgemeine Elasticitätsgesetz zuerkennen wollen. Man hat aber nach ihm nicht allein die, nach der Belastung zuerst erfolgende Dehnung, sondern auch die, nach ihr noch allmählich erfolgende „elastische Nachwirkung" mit zu berücksichtigen. Diese, oft sehr langsam fortschreitende, endliche Dehnung erfolgt in den letzten Momenten so alimählich, dass eine Beob- achtung mit Vergrösserungsgläsern erforderlich ist, um den Zustand dar erfolgten definitiven Dehnung festzusetzen. Abweichungen von dem allgemeinen Gesetze kommen allerdings insofern vor. als der Ueberschreitung gewisser Belastungen geringere Dehnungen und zugleich dauernde Veränderungen nicht selten folgen. Ohne dass die Elasticitätsgrenze überschritten wird, können normale Venen bis mindestens 50° ,, gedehnt werden (K. Bardeleben . Pathologisches. — Ernährungsstörungen ändern die Elasticität der Arterien. Marasmus vor dem Tode bewirkt, dass die Arterien relativ weiter ge landen werden, als normal (Roy). Bei beginnender Bindegewebsentwh klung in der Intima, verbunden mit Verfettung derselben, ist die Dehnbarkeit zuerst erhöht und die Wandstärke geschwächt. Bei stärkerer Bindegewebsentwicklung in der Arterioscierose nimmt die Elasticität und Festigkeit der Arterien wider zu (Thotna dr3 Kaeferj . Verminderte Dehnbarkeit findet sieh auch bei Atherom, bei Nephritis und an den Arterien der Säufer Israel . Eine grosse C o h ä s i o n s k r a f t — ist überdies den G-efäss- cohösion. wandungen eigen , vermöge welcher sie , selbst bei erheblicher Spannung im Innern, der Zerreissung Widerstand zu leisten vermögen. Eine Carotis zerriss erst bei künstlich gesteigertem 14faehen Innendrucke (A. IV. Volkmann). Der Zerreissungs- widerstand der Venen ist noch grösser, als der gleich dicker Arterienwände. Nach Grihant & Quinquaud hält die Carotis oder Iliaca des Menschen einen Druck bis 8 Atmosphären aus. die Venen über die Hälfte dieses Werthes. Pathologisches. — Verminderte Cohäsion der Adern, zumal dos Arterien, ist im Alter nicht selten. 72. Pulsbeweffuns r • Technik der Pulsuiitersiichuiiir. Im Alterthume wurde von Seiten der Aerzte mehr dem krankhaft er- Geschicht- regten, als dem normalen Pulse die Aufmerksamkeit zugewandt. So spricht KeAe« *ur Hippokrates (4liO — 377 V. Chr.) nur von erstcrem und bezeichnet ihn mit 128 Poiseuille's Pulsniesser. — Herissoii's Sphyginometer. [§•72.] dem Ausdruck aciuyp.6?. Erst später wurde , namentlich von Herophilus (300 v. Chr.) der normale Puls (TtaXuö?) dem krankhaft erregten gegenübergestellt. Dieser Forscher legte ferner besonderes Gewicht auf die Zeitverhältnisse der Dilatation und Contraction des Arterienrohres , auch bestimmte er genauer die Eigenschaften der Grösse, der Fülle, der Celerität (atpuytxos ta^iis) und der Frequenz («WYp.ö's 7cuxvös). Sein alexandrinischer College Erasistratus (f 280 v. Chr.) hat zuerst über die Fortpflanzung der Pulswellen richtige Angaben gemacht, indem er ausdrücklich sagt, dass der Puls in den, dem Herzen näher liegenden Schlagadern früher auftrete als in den entfernteren, weil die Pulsbewegung eine vom Herzen ausgehende und peripherisch fortschreitende sei. Erasistratus fühlte ferner auch den Puls unterhalb einer , in der Continuität einer Schlagader eingeschalteten Canüle. Yon besonderem Interesse, nament- lich für die Pathologie des Pulses , ist Archigenes , weil er zuerst dem d i k r o- tischen Pulse seinen Namen gegeben hat , den er in fieberhaften Krank- heiten zu beobachten Gelegenheit hatte. Die Untersuchungen endlich des Galeniis (131 - 202 n. Chr.) sind dadurch von Interesse, weil er genauer als seine Vor- gänger die Dehnungs- und Contractions-Verhältnisse der Schlagader während der Pulsbewegung feststellte. Namentlich erklärte er den Pulsus tardus dadurch, dass das Moment der Ausdehnung verlängert sei. Auch über den Pulsrhythmus, ferner über den Einfluss des Temperamentes , des Geschlechtes, des Alters, der Jahres- zeiten, des Klimas, des Schlafens und des "Wachens, der Gemüt hsbewegungen, der kalten und warmen Bäder finden wir bei Galenus beachtenswerte Mit- theilungen. — Cusanns (1565) zählte zuerst die Pulsschläge nach der Uhr. Instrumente zur Pulsuntersuchung. instrumental- Lediglieh durch die Instrumental- Untersuchung ist man desr?uises? im Stande, zuverlässige Aufklärungen über die Natur der Pulsbewegung Fig. 35. Fig. 34. Poiseuüle's Kastenpulsmesser. aa die freigelegte Arterie, — KK das umgelagerte Kästchen mit dem Steigröhrchen und der Scala l. Das Röhren-Sphygmo- meter nach Hirisson und Chelius. zu erlangen. Abgesehen von denjenigen Werkzeugen, welche nur mit Eröffnung des Arterienrohres die Wellenbewegungen in diesem letz- teren nachweisen lassen (§. 89. 3 — 5), sind folgende Instrumente der Berücksichtigung werth : [§■ 72.] Marey's Sphygmograph. 129 Poi- seuille's Kaaten- Pu'smesser. 1. P o i 8 eu i 1 1 e's Kastenpulsmesser. — Die blossgelegte Arterie (Fig. 34 a a) wird in einem, mit einer indifferenten Flüssigkeit gefüllten, länglichen, kleinen Kästchen (K K) eine Strecke weit in der Continuität eingeschlossen. Mit dem Innern des Kästchens communicirt ein, his zu einem gewissen Grade gefülltes, graduirtes, senkrecht aufgerichtetes Röhrchen (b), in welchem die Flüssigkeit steigt und fällt, je nachdem die Arterie stärker gefüllt ist oder weniger Blut enthält. Das Kästchen besteht nach Art einer Schachtel aus Boden- hälfte und Deckelhälfte. An den gegenüber stehenden, schmalen Seiten des Kästchens ist je eine runde Oeffnung angebracht, halb dem Bodenstück, halb dem Deckelstück angehörig. Jedes dieser letzteren hat also an seinen schmalen Seiten einen halbkreisförmigen Ausschnitt, welcher mit dem analogen der anderen Schachtelhälfte den kreisförmigen Ausschnitt zusammensetzt , in welchem , mit weichem Fett eingedichtet, die Schlagader zu liegen kommt. Poiseuille fand die Ausdehnung der Carotis während der Diastole beim Pferde = * „3 , beim Hunde = l/29 des Gesammtvolumens des Arterienstückes. Genauere Bewegungs- einzelheiten während der Pulsphasen werden von dem Instrumente nicht an- gegeben. 2. Das Röhren-Sphygmometer von Herisson — (Fig. 35) besteht aus einer Glasröhre, deren unteres Ende mit einer nachgiebigen Membran verschlossen und im Innern bis zu einer gewissen Höhe mit Quecksilber angefüllt ist. Das mit der Membran verschlossene Ende wurde auf die Haut an solchen Körpersteilen des Menschen gesetzt, an denen die Schlagadern hinreichend oberflächlich liegen, so dass der Schlag derselben eine Bewegung des Quecksilbers bewirkte. Ein der- artiges Werkzeug benutzte auch Chelius (1850), und ihm gelang es, mittelst dieses Instrumentes die Entdeckung des Doppelschlages am normalen Pulse zu machen. „Nach dem Steigen durch die, an dasselbe anschlagende Blutwelle fällt es (das Quecksilber) ebenso plötzlich wieder herab auf seinen tiefsten Stand, nachdem es zuvor an einer mittleren Stelle nochmals einen kurzen Halt ge- macht hat." 3. Marey's Sphygmograph — beruht auf einer Combination sY™- des Hebels — (den übrigens zuerst Vierordt bei der Construction graph. seines „Sphy gmographen" in Anwendung zog) — mit einer elastischen Feder (Fig. 36. A). Letztere, an ihrem einen Ende fest- Be'risson's Röhren- Sphygmo- meter. Fig. 3G. uz* Xareifs Sphygmograph (sebematisch). geschraubt (z), an ihrem anderen Ende hingegen frei und mit einer abg enmdeten Pelotte (y) versehen, ist bestimmt, mit der Kraft der Feder gegen die A. radialis anzudrücken. Auf der oberen Seite der Pelotte steht senkrecht eine kleine Zahnstange (k); diese greift, durch eine schwache Feder (e) gedrängt, in eine kleine Rolle (t) ein, von deren Axe ein sehr leichter Holzhebel (v) in fast paralleler Rich- tung mit der elastischen Feder sich bin erstreckt. Dieser Sohreib- hehel trägt an seinem äusseren Ende eine zarte Spitze (s), welche bestimmt ist, in der berussten Fläche eines Täfelehens I'. welches Landois. Pbysio'ogic 7. Aufl. 9 130 Brondgeest's Pansphygrnograph. [§•72.] 31 a r e j/'s Pulszeichner mit elastischen Trommeln . durch ein Uhrwerk (U) an der Schreibspitze vorbeigeführt wird, die Pulsbewegungen einzukratzen. Das Mauysche Werkzeug ist als ein zuverlässiges zu betrachten und hat dasselbe eine grosse Verbreitung gefunden. Für die Application des Instrumentes sei noch bemerkt, dass dasselbe der Länge nach auf der Volarfläche des entblössten Vorderarmes zu liegen kommt, so dass die Pelotte auf der A. radialis, das Uhrwerk nebst Täfelchen gegen die Ellenbeuge hinaufragt. In dieser Lage wird es durch zwei , auf der volaren Fläche des Vorderarmes aufruhende, längliche Schienen S gestützt und durch eine Schnur befestigt. Es befindet sich an dem Apparate bei H noch eine starke Hülfsschraube angebracht, durch welche man auf die elastische Feder A einwirken kann. Wird sie stark angeschraubt, so wird die Feder niedergepresst , daher kürzer, unnachgiebiger und schwerer beweglich ; wird sie ganz zurückgeschraubt, so hat A freien Spielraum, und die Pelotte (y) liegt höher. 4. Der Sphygmograph mit Luftübertrag img — von Marey (mit Modifikationen von Knoll u. A.) ist construirt nach dem Princip der compressibeln Ampullen; ebenso der P a n- sphygmograph von Brondgecst. Zur Erklärung des letzteren diene Fig. 37. Zwei Paare tellerförmiger Metallschüsselchen [sog. Upkai)iüoh.e Kapseln ; 1859] (SS und S' S') sind in der Mitte des Grundes Brondgeesfs Pansphygmograph nach Upham's und Marey's Princip der Uebertragung der Bewegung durch lufthaltige, mit elastischen Membranen überspannte Trommeln construirt; zugleich als Schema für Marey's Kardiograph. von einem dünnen Metallröhrchen durchsetzt. Die Enden dieser letzteren sind je durch einen Kautschukschlauch (K und K') verbunden. Die sämmtlichen vier Tellerchen sind mit feiner Kautschukmembran über- spannt. Von der Mitte der zwei Kautschukmembranen S und S ragt je eine knopfförmige Pelotte (p und p') hervor, welche auf der pulsi- renden Schlagader applicirt wird. Um dieselben hier zu fixiren, dienen die Metallbügel B und B', welche sich auf der umgebenden Haut [§• 72.] Landein Angiograjjh. 131 stützen. Von der Mitte der zwei andern Kautschukmembranen, welche horizontal nach oben ausgebreitet sind, ragt je ein scharfes Plättchen hervor, welches dicht je am Hypomochlion (h und h') des einarmigen, sehr leichten Schreib hebeis Z und Z' (Buisson 1861) liegt. Es ist einleuchtend, dass ein Druck auf die Pelotten (p und p'j der einen Kautschukmembranen die anderen emporwölben macht, wodurch ver- mittelst des genannten Plättchens die Bewegung auf den Sehreibhebel übertragen wird. Das in beigefügter Skizze (Fig. 37) gezeichnete Werk- zeug hat den gesammten Registrirapparat doppelt ; man kann ein solches Instrument mit den beiden Pelotten auf zwei verschiedene Schlag- adern appliciren, zumal wenn es sich um den Nachweis handelt, dass an den, dem Herzen näher gelegenen Schlagadern der Puls eher eintritt. als an den entfernter belegenen. Die so construirten Werkzeuge sind zwar sehr bequem zu handhaben, allein die Prüfung hat gezeigt, dass dieselben plötzlich erfolgende Druckschwankungen durch Eigenschwin- gungen in hohem Grade entstellen, während sie allerdings weniger plötzliche Schwankungen nach Umständen mit ziemlicher Genauigkeit registriren (Donders). Ueberdies erfolgt die Bewegung des Schreib- hebels Z nicht völlig isochron mit der Pelotte p, weshalb alle, nach diesem Principe construirten Werkzeuge zu genauen zeitlichen Be- stimmungen nicht besonders tauglich sind. Man kann den ganzen Apparat natürlich auch mit Wasser füllen, was ihn für langsamere Bewegungen genauer macht, während die Luftfüllung mehr für schnell wechselnde Perioden passt, wie die Pulsbewegungen sie aufweisen. Es verdienen daher diese sämmtlichen Werkzeuge kein allzugrosses Vertrauen. 5. Der Angiograph von Landois. — An dem einen Ende Landois' der, als Basis dienenden, Platte (Fig. 38. G G) erhebt sich das Zapfen- Angio:'ra'''- Fiff. 38. Landois' Angiograph, schematisch; (aus dfm Schreihhehel ist zur Verkürzung der Figur ein Stü( k herausgeschnitten). paar p, zwischen deren oberen Theilen der Hebel d r zwischen Sp itzeii frei beweglich ist. Dieser Hebel trägt an seinem längeren Arme eine abwärts gerichtete Pelotte e, welche auf dem Pulse liegen soll. Der kürzere Hebelarm an der anderen Seite besitzt ein Gegengewicht d. so schwer, dass der ganze Hebel im Gleichgewichte ruht. Nach oben 9* 132 Bezeichnung, Fixirung. [§. 72.] hin trägt der lange Arm bei r die federnde Zahnstange h, welche gegen eine gezähnte Rolle drückt. Letztere ist unbeweglich befestigt auf der Axe des sehr leichten Schreibhebels e f, der, gleichfalls zwischen Spitzen laufend, durch ein paar Stützen q getragen, an dem entgegengesetzten Ende der Grundplatte G G angebracht ist. Auch der Schreibhebel ist durch ein kleines Gewichtchen vollkommen im Gleichgewichte. Von der Spitze des Schreibhebels 1 hängt, im Charnier- gelenk befestigt, leicht beweglich, die Schreibnadel k, welche durch das Gewicht ihrer Schwere gegen das schräg geneigte Täfelchen (in der Abbildung von der schmalen Kante gesehen) sich anlehnt und beim Auf- und Nieder-Gehen mit minimalster Reibung die Curve in die zart berusste Fläche des Schreibtäfelchens einradirt. Der erst- genannte Hebel d r trägt ungefähr dem Abgange der Pelotte e gegen- über die aufwärts gerichtete, gestielte, flache Schale Q, auf welche Gewichte gelegt werden sollen, um den Puls zu belasten. Die Vor- züge des Werkzeuges bestehen darin: dass — 1. der Grad der Be- lastung stets nach Belieben gewechselt und ganz genau angegeben werden kann [während die Spannung (Druck) der Feder des Marey- schen Sphygmographen während des Emporgehobenwerdens stets grösser wird], — 2. dass der Schreibstift stets im Contact mit der Schreib- tafel ist und dennoch mit minimalster Reibung zeichnet, und — 3. dass der Schreibhebel im senkrechten Auf- und Meder-Gehen zeichnet und nicht in Bogenführung, wie beim Marey'scken Apparate, was die genauere Betrachtung und Ausmessung der Curven ganz wesentlich erleichtert. Sommerbi-odt hat bei Construction seines Pulszeichners die in meinem Angiographen ausgeführten Verbesserungen acceptirt. Wahl des Für die Wahl des Pulszeichners — muss als Grundsatz Zeichners, gelten, dass derjenige der vollkommenste ist, und seine Curven mit den, wirklich in der Arterie vor sich gehenden, Druckvariationen am genauesten übereinstimmen, bei welchem die Widerstände im Apparate selbst gering sind, diejenigen Theile, welche die grössten Bewegungen ausführen, möglichst leicht sind, jene Masse des Werkzeuges jedoch, welche direct durch die arterielle Bewegung in Mitbewegung versetzt wird, selbst durch bedeutende Kräfte nur eine geringe Verschiebung aus der Gleichgewichtslage erleidet (Mach), Bezeichnung Bezeichnungen der Pulscurven. — Man unterscheidet an jeder Pulscurve der (Sphygmogramm oder Arteriogramni) den aufsteigenden Curven- schenkel, — den Gipfel — und denabsteigendenCurvenschenkel. Zackenartige Erhebungen , welche man im absteigenden Schenkel findet , nennt Katahrote man katak r o te Erh e bungen , die im aufsteigenden : anakrote Erhebungen und anakrote (Landois). Im absteigenden Curvenschenkel werden Erhebungen kaum jemals vermisst, während der aufsteigende Schenkel fast immer als einfach aufsteigende Linie sich darbietet. Kommt im absteigenden Schenkel die später genau zu be- schreibende Eückstosselevation einmal oder zweimal zur Ausprägung, so heisst die Pulscurve dikrot oder trikrot. Schneidet bei schnell auf einander folgenden Pulsen d»r nächste Schlag die Rückstosselevation der vorhergehenden Curve ab, so ist die Curve monokrot (LavdoisJ (vgl. §. 74). Methode des Methode des Curvenzeichnens. — Man zeichnet am besten die Pulscurven Curven- auf glattes Visitkarten- oder Kreide-Papier, welches über einer qualmenden Petroleumlampe einen nur dünnen, bräunlich-schimmernden Russüberzug erhalten hat. Zur Fixirung taucht man das Täfelchen in eine Auflösung von Schellack in Weingeist, und lässt trocknen. [§•72.] Ausmessung der Pulscurven. — Gassphygmoskop. 133 Ausmessung der Pulscurven. — Bewegt sich das Pulstäfelchen mittelst des Uhrwerks mit gleichmässiger Geschwindigkeit, so kann man durch Auflegung eines feinen Maassstabes die verticale Hühe und die horizontale Länge der einzelnen Curventheile messen. Weiss man, um eine wie grosse Strecke sich das Schreib- täfelchen in einer Secunde fortbewegt, so ergiebt die Ausmessung Anhaltspunkte für die Dauer der eiuzelnen Theile in der Pulsbewegung. Genaue Messungen dieser Art müssen unter d e m M i k r o s k o p e (bei schwacher Vergrösserung und auffallendem Lichte) mit einemOcularmikrometer ausgeführt werden. Die zu messenden Abschnitte werden dann zwischen zwei anzubringende Linien gelegt, welche bei den Pulszeichnern, welche, wie der Marey' sehe Sphygmograph, unter Bogenführung schreiben, Kreisbo^enlinien (der Schreibhebel als Radius), beim Angiographen senkrechte sein müssen. Ganz besonders bequem ist es, wenn man die Curve aufschreibt auf eine Tafel, welche an einer Branche einer, in Schwingung versetzten Stimmgabel be- festigt ist (Fig. 39) (Landois). (Vgl. § 58 und §. 82.) Weniger genau lässt sich messen, wenn man gleichzeitig bei Verzeichnung der Pulscurven unter denselben die Schwingungen einer Stimmgabel auf das Täfelchen des Sphygmo- graphen markiren lässt [Landois). Das Gassphygmoskop (Landois). — Um dem Vorwurfe zu begegnen, welchen man früher vielfach den puls- registrirenden Werkzeugen gemacht hat, dass die, im Sphygmogramm sich aus- prägenden, seeundären Elcvationen von einem Nachschwingen der Apparate aus Trägheitsmomenten herrühren, construirte ich mein Gassphygmoskop, bei welchem eine Bewegung fester Massen ausgeschlossen ist und somit jegliches Nachschwingen in Bewegung gesetzter tiäger Massen eliminirt ist. Die oberflächlich liegenden Schlagadern, welche ihre Bewegung der darüber liegenden Haut mittheilen , werden natürlich durch die Mitbewegung dieser Ausmessung der Pulscurven unter dem Mikroskope. Ausmessung auf schwingender Stimmgabel- platte. Die Pulscurve der Radialis durch Landois'1 Angiograph auf schwingender Stimmgabel- platte verzeichnet. Jeder Zacke entspricht 0,01613 Secunde. Gas- sphygmoskop. Fig. 40. Landois' Gassphygmoskop. Hautschicht auch diejenigen Lufttheilchen mit in Bewegung setzen, welche der Haut anliegen. Man sperrt nun die dünne Luftschicht oberhalb des ynüsirenden Hautbezirkes Fig. 40 a durch eine sehr seichte Metallrinne b ab, welche so auf die Haut gelegt wird , dass ihre Concavität wie ein kleiner Tunnel die Arterie bedeckt. Den sehr engen Zwischenraum zwischen der Metallwand und der Haut füllt man mit Leuchtgas. Zu dem Behüte verbindet man mit dem einen Ende des Metalltunnels einen zuleitenden Gasschlauch g, mit dem anderen Ende hin- gegen setzt man durch ein kurzes Kautschuckzwischenstück x «j ein knieförmig aufwärts gebogenes Röhrchen t in Verbindung , dessen Spitze eine nadeldünnc 134 Hämautogramm. — Die Pulscurve. — Die Eückstosselevation. [§. 72.] Fig. 41. Oefi'nung zum Ausströmen des Gases durchbohrt. Man lässt das Gas bei geringem Drucke durch den Metalltunnel streichen und regulirt das Zuströmen so, dass die Flamme v nur wenige Millimeter gross ist. Man erkennt nun mit Leichtigkeit, dass die Flamme isochron mit jedem Pulsschlage anwächst und beim Niedergehen einen vollkommen deutlich markirten Nachschlag zeigt. Eämauto- Hämautographie f Landois). — Durch- LandoU. schneidet mau bei Thieren eine freigelegte Schlagader, so dass der Blutstrahl frei her- vorspritzt, und fängt man den letzteren auf einer, in einiger Entfernung senkrecht vorbeigezogenen Glasplatte oder einem Papierbogen auf, so verzeichnet der Brut- strahl eine Curve , welche im höchsten Maasse übereinstimmt mit der, durch den Pulszeichner registrirten , normalen Curve dieser Arterie (Landois). Man erkennt ausser der primären Elevation (Fig. 41, P) deutlich die Rückstosselevation (R) und Elasticitätsschwankungen (e e). "Wir werden durch diese Selbstregistrirung der Blutwelle davon überzeugt, dass die Bewegung in der Blutflüssigkeit selbst ihren Sitz hat, und dass diese Bewegung als Wellenbewe- gung sich der Arterienwandung mittheilt. — Bestimmt, man die Blutmasse , welche in den einzelnen Theilen der hämautogra- < Hämautogra phische Curve aus der phischen Curve hingespritzt liegt, so kann ^^aff^fiM^ ü die Eückstosselevation ; — e e die Elasticitätselevationen. man daraus entnehmen, dass die, aus der querdurchschnittenen Schlagader hervor- tretenden Blutmassen während der ganzen Dauer einer Systole und Diastole des Schlagaderrohres (d. h. während der Ver- engerung und der Dehnung) sich annähernd verhalten wie 7 : 10. Es fliesst ferner in einer Zeiteinheit der Arteriendehnung etwas mehr als doppelt so viel Blut, als in einer Zeiteinheit während der Verengerung aus dem durchschnittenen Arterienrohr aus. Die Pulscurve. 73. Die Pulscurve. Die Eückstosselevation und die Elasticitätsschwingungen derselben. Im Sphygmogramm erkennt man zuerst den, in der Aus- dehnung (Diastole; der Arterie verzeichneten, aufsteigenden Schenkel, sodann den Gipfel (Fig. 42, P) — und endlich den, der Zusammenziehung (Systole) entsprechenden, absteigen- den Schenkel. Als die hervorragendste Eigenschaft der Pulscurve nimmt man zwei völlig verschiedene Erhabenheiten im absteigenden Curvenschenkel wahr. Die auffalligste ist ein, etwa in der Mitte sich befin- dender, meist deutlich markirter Hügel (R), den man mit dem Namen des dikrotischen Nachschlages, oder mit Bezug auf seine Entstehung als „Rückstosselevation" bezeichnet hat. Alle im absteigenden Curvenschenkel befindlichen Eleva- tionen werden als katakrote bezeichnet (pg. 132) (Landois). Die Pulscurve giebt den zeitlichen Verlauf des Druckes an, den das Blut durch die Wellenbewegung auf die Arterienmembran ausübt (§. 90- g). Denn [&. 73.] Die Rückstosselevation. 135 durch den -wechselnden Druck hebt und senkt sich die federnde Pelotte des Pulszeichners, letzterer verzeichnet somit „Druck pulse" (v. KriesJ. I. Entstehung und Eigenschaften der Eückstosselevation. Die „Eückstosselevation" fauch secundäre. oder 5"**" dik rotische genannt) entsteht m folgender Weise. .Nachdem Emotion. durch die Systole des Ventrikels in dem Arteriensystem das eingetriebene Blut eine positive Welle erregt hat, welche schnell, von der Aorta beginnend, alle Arterien fortschreitend aus- dehnt, bis zu den feinsten Arterienzweigen, in denen diese primäre Welle erlischt, so ziehen sich nun, sobald mit vollendetem Schluss der Semilunarklappen kein Blut mehr naeh- strömen kann , die Arterien wieder zusammen. Durch die Elasticität und die active Contraction wird nun auf die Blut- säule ein Gegendruck ausgeübt. Das Blut wird zum Ausweichen gezwungen. Nach der Peripherie hinströmend, findet es nirgends ein Hinderniss , gegen das Centrum aber weichend, prallt es von den bereits geschlossenen Semilunarklappen zurück. Durch diesen Anprall des Blutes wird eine neue positive Welle erzeugt, welche nun wieder peripherisch in die Arterien- röhren hin fortschreitet und in den äussersten feinen Zweigen dieser letzteren erlischt. In dem Falle nun, dass die Zeit für die völlige Entwickelung der Pulscurve hinreichend gross ist, kommt es an einigen Arterien (namentlich an den kurzen Strecken der Carotiden, aber auch noch der oberen Extremi- tätenschlagadern, dagegen nicht, wegen ihrer grossen Länge, an den unteren Extremitätenschlagadern), noch zur Bildung einer zweiten Reflexions welle in derselben Weise, wie die erste sich entwickelte. In ganz ähnlicher Weise, wie der Puls an den mehr peripherisch liegenden Arterien später auftritt, als an den dem Herzen nahe liegenden, ebenso muss auch die, durch das Zurückprallen des Blutes von den Aortenklappen entstehende, secundäre Welle in den peripherischen Arterien später erscheinen. Beide Arten der Wellen : die primäre Puls- welle , die secundäre , eventuell auch die tertiäre Rückstoss- welle haben ja gleichen Entstehungsort und gleichen Verlauf; und je länger ihr Weg ist, den sie bis zu einer bestimmten Schlagaderstelle zurückzulegen haben, um so später kommen sie an ihrem Ziele an. Die Bezeichnung ,,R ücks tossei evation" hat sich in der physiolo- gischen und klinischen Literatur eingebürgert. Nach Modus, -welcher dieselbe "Wellenbewegung als Schliessungswelle bezeichnet, soll die centripetale Flüssigkeits- bewegung, Avelche durch ihren Anprall von den geschlossenen Semilunarklappen zur Bildung der Eückstosselevation Veranlasung giebt . herrühren von einer Saugkraft im Anfangstheile der elastischen Röhre. Die, von dem Ventrikel mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortgetriebene Flüssitrkeitssiiule erzeuge hinter sich ein Collabiren des Gefässrohres. Indem letzteres in seine normale Form wieder zurückzutreten sieh bestrebe, sauge es die Flüssigkeit zurück und veran- lasse so den Rückprall des Blutes an den Semilunarklappen, welcher die Ursache der Rückstosselevation ist (vgl. auch £. 55, 3). Ueber die Eückstosselevation haben die Untersuchungen noch folgende Hauptgesetze ergeben: 136 Die Rückstosselevation. [§• 73.] fiesem zier \t ~Di& Rü cks t o s s ele v ati on er s ch eint im abstei- Entwiciceiung genden Curvenschenkel um so später, je länger de£Sr"die Arterie ist, vom Herzen bis zu ihrer Peripherie ge- messen (Landois 1863). (Man berechne die Curven Fig. 39. 45. 49.) Der kürzeste zugängliche Schlagaderbezirk ist der der Carotiden. Hier erreicht die Eückstosselevation nach Beginn des Pulses ihre höchste Höhe nach Fig. 42. I II III Pulscurven der Arteria carotis, — IV der Axillaris, — V— IX der Radialis, — X Doppelschlägiger Puls der Radialis, — XI XII Pulscurven der Cruralis, — XIII der Tibialis postica, — XIV XV der Pediaea. — In allen Curven bezeichnet P den Curvengipfel, R die Rückstosselevation. — ee die Elasticitäts- elevationen, — & die Erhebung durch den Klappenschluss der Semilunarklappen der Aorta bedingt. ungefähr 0,35 — 0,37 Secunde. — Die zweitlängste erreichbare Arterienstrecke ist die der oberenExtremität. Hier bildet sich der Gipfel der Rückstosselevation etwa 0,3*5—0,38 — 0,40 Secunde nach dem Anfange der Pulsbewegung aus. — Die längste Strecke ist die der Arterien der unteren Extremität. Der Gipfel der Rückstosselevation liegt hier 0,45—0,52 — 0,59 Secunde hinter dem Fusspunkte [§. 73.] Die Elasticitätselevationen. 137 der Curve, je nach der Grösse des Individuums. Natürlich erfolgt auch bei Kindern und kleinen Individuen die Rückstosselevation dementsprechend in allen Arterien früher. — Verbindet man mit der Carotis oder Cruralis eines Hundes ein Kautschukrohr, so kann man auch auf diesem die Pulscurve zeichnen lassen. Es entsteht natürlich die Rückstosselevation um so später, je länger das Rohr ist (LandoisJ. 2. DieRückstosselevation tritt um so niedriger am absteigenden Curvenschenkel auf (Naumann) und ist um so undeutlicher ausgeprägt (Landois), je weiter die Arterie vom Herzen entfernt liegt. Es ist nicht auf- fallend, dass die secundäre Welle, je weiter sie im Arterienrohre fortschreiten muss , um so kleiner wird und um so mehr ihre deutliche Ausprägung einbüsst. 3. Die Rückstosselevation fällt am Pulse um so deutlicher aus, je kürzer und kräftiger die primäre Pulswelle war (Marey, Landois). Sie ist daher bei einer kurzen, energischen Systole des Herzens relativ am grössten. 4. Die Rückstosselevation ist um so grösser, je geringer die Spannung im Arterienrohre ist (Marey, Landois). In Fig. -12 sind IX und X bei geringer, — V und VI bei mittlerer — und VII bei hoher Spannung der Artexienwand verzeichnet. Einflüsse auf die Gefäss-Spannung : — Wir kennen eine Anzahl von Einflüssen, welche auf die Spannung im Arterienrohre Einfluss haben. Herab- setzend wirken: die beginnende Inspiration (§. 79), Vasomotoren-Lähmung, der Aderlass, Aussetzen der Herzaction, Wärme, erhobene Position des Körpertheiles. — Erhöhend auf die Spannung wirken: die beginnende Exspiration, beschleunigter Herzschlag, Erregung der vasomotorischen Nerven, erschwerter Abfluss des Blutes an der Peripherie [etwa durch entzündliche Stauungen (Knecht}, gewisse Gifte, (z. B. Blei)], Compression anderer grösserer Arterienstämme, Einwirkung der Kälte auf die kleinen Gefässe der Haut und ebenso der Elektricität , Behinderung des Abflusses des venösen Blutes. — Ebenso hat das Freilegen und Entblössen der Arterienstämme in Folge der Reizung, welche der Zutritt der atmosphärischen Luft zu der Oberfläche auf die Gefässhaut ausübt, grössere Spannung des Gefässes zur Folge (Landois). Ausserdem finden wir eine vermehrte Spannung der Arterien bei verschiedenen krankhaften Zuständen. Bei erhöhter Spannung ist in der Regel die ganze Pulscurve zugleich niedriger. Allen diesen Zuständen entsprechend, wird sich allemal die erhöhte Span- nung durch eine erniedrigte, undeutlichere, die geringere Spannung im Arterien- rohre hingegen durch eine vergrösserte, mehr selbstständig hervortretende Rück- stosselevation erkennen lassen. — Die Beachtung der vorbenannten Gesetze über die Rückstosselevation hat grosse praktische Be- deutung fürdiePulsuntersuchung. — Moens giebt an, dass die zwischen der primären Elevation und der Rückstosselevation verstreichende Zeit zunehme, wenn der Durchmesser des Gefässes zunehme, wenn die Wanddicke abnehme, wenn der Elasticitätscoefficient kleiner werde. IL Entstehung und Eigenschaften der Elasticitätselevationen. Ausser der Rückstosselevation erkennt man an tfen Puls- curven noch eine ganze Anzahl zwar zahlreicher, aber viel weniger ausgeprägter, oft nur wenig angedeuteter Bewegungs- erschein imgen. Diese (in Figur 42 mit e e bezeichnet) ent- stehen dadurch, dass das, durch die Pulswelle schnell und energisch gedehnte, elastische Rohr wie eine gespannte elastische ]38 Die Elasticitätselevationen. [§-73.] Membran erzittert: ebenso wie eine ausgespannte elastische Kautschucklamelle, wenn dieselbe plötzlich und energisch ange- zogen und gespannt wird, unter Oscillationen in den gedehnten Zustand übergeht. Auch bei dem plötzlichen Uebergang aus dem gespannten Zustande in den erschlafften muss das ela- stische Rohr oscillirende Bewegungen zeigen. Man nennt diese durch die elastischen Schwingungen der Ar- terienwand hervorgerufenen, kleinen Erhöhungen an den Pulscurven die „Elasticitätselevationen" (Landois, 1869). Da die Elasticitätselevationen den Schwingungen der gespannten Gefässmembran ihren Ursprung verdanken, so ergeben sich leicht die Aufschlüsse über folgende Thatsachen (Landois) : Einflüsse 1. Die Elasticitätsschwankungen nehmen in e MwickeLng e i n e r und derselben Arterie an Zahl zu mit dem .,, fe?' Grade der Spannung der elastischen Arterien- Elasttatats- _. -t i i 1 « eievationen. membran. Eine besonders hohe Spannung hat man nament- lich im Kältestadium des kalten Fiebers (Febris intermittens) beobachtet, und gerade hier ist die augenscheinlichste Ver- mehrung der Eievationen beobachtet worden. 2. Ist die Spannung der Arterienmembran beträcht- lich herabgesetzt, so können die Elasticitäts- elevationen ganz wegfallen. Da die Verminderung der Spannung die Entwicklung der Rückstosselevation begünstigt, so stehen rücksichtlich ihrer Ausbildung die beiden Arten der Eievationen in einem einigermaassen gegensätzlichen Ver- hältnisse. 3. Bei solchen Erkrankungen der Gefäss- wandungen, welche die Elasticität derselben beeinträchtigen oder sogar vernichten, werden die Elasticitätselevationen entweder stark ver- kleinert oder sogar völlig ausgelöscht. 4. Je weiter vom Herzen die Arterie entfernt ist, um so höher treten an dem absteigen den Curven- schenkel die Elasticitätselevationen hervor. 5. Bei Steigerung des mittleren Druckes in der Arterie, in Folge behinderten Blutabflusses in den Arterien, rücken die Elasticitätselevationen höher gegen den Curvengipfel empor. 6. Die Elasticitätselevationen sind rücksichtlich ihrer Zahl und ihrer Lage in den Pulscurven der verschiedenen Arterien des menschlichen Körpers verschieden. Bei senkrechter Erhebung des Armes zeigt sich nach 5 Minuten Erschlaffung und Abnaume der Elasticität der Arterien der oberen Extremität, die zugleich blutleer sind. Die von uns als Elasticitätselevationen bezeichneten Erhebungen sollen nach Moens ihren Grund haben in der Entstehung zahlreicher kleiner Wellen, welche auf die Rückstosselevation aufgesetzt erscheinen. Nach Grashey sind sie nur zum Theil auf elastische Schwingungen zurückzuführen. Durch Untersuchungen über die Wellenbewegungen in elasti- schenKautschuckröhren, wie sie von Marey, mir, Moens, Grashey, G.v. [§•74.] Der doppelschlägige Puls. 139 Liebig u. A. angestellt worden sind, ist über alle, die Pulsbewegungen betreffen- den Punkte viel Liebt verbreitet worden. An ihnen lassen sieb dalier die Gesetze der Pulsbewegung am einfachsten demonstriren. 74. Der doppelschlägige Puls (Palsns dicrotus). Mitunter beobachtet man bei Menschen unter der Einwirkung hoher Fieber- grade , dass der Puls sich aus zwei Schlägen zusammensetzt (Fig. 4?"» Aspiration stark in den rechten Vorhof eingesogen wird, so ergiebt Fte. js Einfluss der Atbmung auf die Pulscurven mch Iliegel. sich, dass die Spannung in den Arterien während der Inspiration zu- nächst geringer sein muss. Die exspiratorische Verkleinerung des Thorax befördert den arteriellen Zufluss in die Stämme, staut das Venenblut gegen die Hohlvenen zurück : zwei Momente, durch welche die Spannung im arteriellen Systeme erhöbt wird. Die einer Inspiration voraufgehende Ausathmung lässt ferner zum Herzen weniger Blut hin- strömen , daher die Systolen im Anfange der Einathmung die Aorta weniger füllen werden ; das Entgegengesetzte bewirkt die einem Ex- spirium voraufgehende Inspiration. Die so erzeugten Spannungsverschiedenheiten erklären die Diffe- renzen in der Gestalt der während der Inspiration und während der Exspiration gezeichneten Pulscurven, wie sie in Fig. 48. sowie. .auch in der Fig. 42, I, III, IV, in denen ,1 die in die Inspiration fallende Curve, E die Exspirationscurve bezeichnet, ersichtlich sind. Diese Verschieden- heiten sind folgende: — 1. Die grössere Dehnung der Arterien während der Exspiration bewirkt ein allgemein höheres Niveau aller in das Ex- spirium fallenden Curven. — 2. Im Exspirium ist ferner der aufstei- gende Curvenschenkel verlängert, weil die exspiratorische Thoraxbe- 10* 149 Einfluss der Athembewegungen auf die Pulscurven, [§•79.] Einfluss des vasomo- torischen Centrums. wegung die Kraft der im Exspirium erzeugten Welle vergrössern hilft. — 3. Die Grösse der Rückstosselevation muss wegen der Verstärkung des Druckes im Exspirium geringer ausfallen. — 4. Aus denselben Gründen sind jedoch die Elasticitätselevationen deutlicher und höher gegen den Curvengipfel hinaufgeschoben. Im Stadium der Exspiration ist der Puls ein wenig frequenter, als in dem der Inspiration. 2) Dieser rein mechanisch wirksame Einfluss der Athem- bewegungen wird modificirt durch die gleicbzeitig mit denselben ein- hergehenden Erregungen des Vasomotore n-Centrums. Diese bewirken nämlich , dass zwar in der Phase der Inspiration der niedrigste Blutdruck in der Arterie herrscht , dass derselbe aber während der Inspiration bereits zu steigen anfängt und bis zum Ende derselben steigt, um erst im Anfange der Exspiration das Maximum zu erreichen. Während der weiteren Ausathmung fällt dann aber der Blutdruck, bis er wieder mit dem Beginn der Einathmung seinen tiefsten Stand erreicht. (Vergl. §. 90. f.) Diesen Einwirkungen folgen nun auch die Pulscurven, die demgemäss die Zeichen der grösseren oder geringeren Spannung der Arterieu, entsprechend den benannten Phasen der Athem- bewegungen, aufweisen (Klemensiewicz , KnolL , Schreiber, Lözvit). Es findet somit gewissermaassen eine Verschiebung der Druckcurve zur Athemcurve statt. Fig. 49. Wirkung starken Exspirationsdruckes und Inspirationsdruckes auf die Puls- curven. Cund -B Curven der Carotis (C) und Radialis (R) beim MüUer'schen. Ver- suche ; Cx und R-l dieselben beim Valsah-a' scheu Versuche. Die Curven sind auf schwingender Stimmgabelplatte verzeichnet. Einfluss lieber den Einfluss, welchen ein starker exspiratorischer f°Athtm- Druck und eine forcirte Inspiration auf die Form der Pulswellen bewegungen. ausübt , sind die Angaben verschieden. Starken Exspirationsdruck macht man hierbei am besten so, dass man bei starker Thoraxaus- dehnung Mund und Nase schliesst und nun möglichst intensive Action Vaisaiva- der Exspirationsmuskeln mit Hülfe der Bauchpresse ausführt (Valsalva's . *eherVersuch- Versuch, §. 66). Hierbei zeigt sich anfangs Steigerung des Blut- druckes und Bildung von Pulswellen, welche den, in dem gewöhnlichen Exspirium ausgeführten , ähnlich sind , namentlich ist die Rückstoss- elevation entschieden unentwickelter. Allein beim Anhalten der forcirten Pressung nehmen die Pulscurven die Zeichen einer verminderten Spannung an (Riegel & Frank, Sommer- brodt). Es beruht dies auf einer Einwirkung seitens des vasomotorischen Centrums, und zwar auf dem Wege des Reflexes von den Lungennerven aus. Man hat anzunehmen, dass eine forcirte Pressung, wie im Val- sa/va'schnn Versuche, im weiteren Verlaufe depressorisch wirke [§•79.] Einfluss der Athembewegungen auf die Pulscurven. 149 auf das vasomotorische Centrum. (Vergl. §. 373. II.) Husten, Singen, Declamiren wirkt dem Valsalvd sehen Versuche ähnlich, wobei zugleich die Pulsfrequenz steigt ( Sommer brodt). Nach Ablauf des Valsalvd sehen Versuches steigt der Blutdruck über die Norm (Sommerbrodt), fast so viel, als er während desselben gefallen war; dann kehrt nach einigen Minuten die Norm zurück (Lenzmann). Wird umgekehrt bei verkleinerter Stellung des Thorax Mund und Nase geschlossen und nunmehr eine starke inspiratorische Aus- dehnung des Brustkorbes vollführt (Müller 's Versuch, §. 66), so nehmen Müuer- ,)..., r/-i3 • scher \ ersuch. zuerst die Pulscurven die charakteristischen Zeichen der geringeren Pulsspannung an, namentlich höhere und deutlichere Piückstosselevation, dann kann — ebenfalls durch nervöse Einflüsse — sich vermehrte Spannung zeigen. Ich habe in der vorstehenden Figur 49 in C und R Carotis- und Radialis-Curven beim Müller'' sehen Versuche verzeichnet, deren grosse Rückstosselevation rr deutlich die verminderte Spannung in den Gefässen anzeigen, — Cx und PM sind von demselben Indivi- duum die Curven während des Valsa Iva' sehen Versuches, die deutlich das Entgegengesetzte ausdrücken. Ausathnien in ein spirometerähnliches Gefäss (Waldenburg's Respira- Athmen am tionsapparat) voll compriniirter Luft wirkt wie der Valsalva'scke Versuch, es er- '^f'™,™*' niedrigt im weiteren Verlaufe in etwas den Blutdruck, wobei die Pulszahl steigt; — umgekehrt wirkt die Einathmung verdünnter Luft aus diesem Behälter wie der Mitfler'sche Versuch, d h. sie erhöht den Effect einer Inspiration und kann weiterhin den Blutdruck erhöhen , der nun bei ferner fortdauerndem Ver- suche erhöht bleiben, oder auch fallen kann Lenzmann), Inspiration von compriniirter Luft erniedrigt den mittleren Blutdruck (ZuntzJ, — es erhält sich diese Nachwirkung. Der Puls ist während und nach dem Versuche frequenter. — Exspiration in verdünnte Luft steigert den Blutdruck fZuntz, Lenzmann). Bei verschiedenen Individuen treten jedoch diese letz- teren, vom Nervensysteme herrührenden, Aenderungen nicht gleich leicht und gleich scharf auf LandoisJ. Fig. 50. Pulsus paradoxus nach Kussmaul. Beim Aufenthalte in verdichteter Luft — (pneumatisches Athmen m Ca bin et) erniedrigt sich die Pulscurve, die Elasticitätsschwankungen werden pneuma- entsprechend undeutlicher , die Rückstosselevation wird verkleinert bis zum Er- löschen (v. Vivenot . Dabei ist der Herzschlag verlangsamt, der Blutdruck er- höht Bert, Jakobsohn, Lazarus . — Aufenthalt in verdünnter Luft zeigt die entgegengesetzten Einflüsse als Zeichen geringer Spannung im arteriellen Systeme, Unter pathologischen V e rhält niss en, — zumal bei Verwachsungen des Herzens oder der grossen Gelassstämme mit umgebenden Theih es paradoxus. vorkommen, dass bei der Inspiration der Puls äusserst verkleinen und ver- ändert erscheint, oder selbst ganz ausfällt. Mau hat diese Erscheinung Pulsus paradoxus Griesinger, Kussmaul) genannt. Sie rührt her von einer Verkleinerung des Arterienlumens bei der Inspirationsbewegung. Auch bei Gesunden lassen sich durch absichtliche Ver- änderung" der Athmung in dem Inspiriuui paradoxe Pulsformen erzeugen Rüget, Sommerbrodt) . tischen Cabinete. Ihilsus Ausprägung der Einzel- heiten bei verschiedener Belastung. 150 Einfluss der Belastung auf die Gestaltung der Pulscurven. [§. 80-] 80. Einfluss der Belastung auf die Gestaltung der Pulscurven,- Wenn auch die Pulscurven innerhalb einer ziemlichen Breite der Belastung die charakteristischen Eigenschaften erkennen lassen, so ist es doch wichtig, die Veränderungen kennen zu lernen, welche die Pulscurven bei verschieden grosser Belastung zeigen. Die Veränderungen beziehen sich sowohl auf die Form der Pulscurven und ihrer Theile, als auch auf die z e i 1 1 i c h e n Verhältnisse in der Entwicke- lung derselben. Die Fig. 51 zeigt uns in a b c d e Radialiscurven, welche von minimaler Belastung bei a, in weiterer Folge bei Belastung von 100, 200, 250 bis 450 Gr. gezeichnet wurden, Die Curven A und B hingegen zeigen die zeit- lichen Verhältnisse successiv höher belasteter Curven an. Die aus der Betrachtung der Curven sich ergebenden Punkte sind die folgenden : 1. Bei schwacher Belastung ist die Rückstosselevation relativ wenig aus- geprägt; die ganze Curve erscheint hoch. 2. Bei mittlerer Belastung (ungefähr 100 — 200 Gr.) ist die Rückstoss- elevation am deutlichsten ausgeprägt; die ganze Curve erscheint etwas kleiner. 3. Bei zunehmender Belastung nimmt die Grösse der Rückstosselevation wieder ab. 4. Die vor der Rückstosselevation liegende kleinere Elasticitätsschwankung tritt erst bei stärkerer Belastung (220 — 300 Gr.) auf. 5. Die Pulscelerität ändert sich mit zunehmender Belastung, so zwar, dass die Zeit für die Entwickelung des aufsteigenden Schenkels kürzer, die für die des absagenden Schenkels länger wird. 6. Die Höhe der Gesammtcurve nimmt mit zunehmender Belastung ab. Fig. 51. ■ ES 250 450 Formveränderung der Pulscurven, durch steigende Belastung hervorgerufen. Die mitgetheilten Punkte liefern den sicheren Anhalt, dass bei einer richtigen Beurtheilung der Formenentwickelung der Pulswellen stets auf die Be- lastung des registrirenden Werkzeuges Rücksicht genommen werden muss. Es sollte daher eigentlich bei Mittheilung jedes Pulsbildes der Grad der Belastung mit angegeben werden, d. h. das Gewicht, mit welchem das Instrument auf der Ader seinen Druck ausübte. Dass auch in der zeitlichen Entwickelung des Sphygmogramms durch die wechselnde Belastung Verschiedenheiten hervorgerufen werden können, zeigen die Radialcurven A und B, von denen erstere bei 1(J0 Gr. , letztere bei 220 Gr. Belastung in einer Sitzung bei demselben Individuum registrirt worden sind (1 Schwingung = 0,01613 See). Wird eine Arterie längere Zeit stärker belastet, so nimmt die Pulsstärke allmählich zu (Landois). Wenn man nunmehr nach Wegnahme der starken Belastung zu einer geringen [§. 81.] Fortpflanzung der Pulsbewegung in Kautsckukröhren. 151 übergeht, so nimmt nicht selten die Pulscurve unter bedeutenderer Entwicklung der Rückstosselevation die Form des Doppel- schlägers an. "Während des starken Druckes war das Blut ge- zwungen , unter Erweiterung collateraler Gelasse sich Durchgang zu bahnen. Wird nun die Hauptbahn freigegeben, so erweitert sich das Gesammtbett des Stromes natürlich plötzlich sehr bedeutend. Hieraus muss eine grössere Hervorbildung der Rückstosselevation resultiren (Landois). Die in Figur 42 gezeichnete Curve X ist eine solche dikro- tische Reihe, nach voraufgegangener starker Belastung gezeichnet. 81. Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen. Da die Pulswellen sich von der Aortenwurzel aus in alle Schlagadern nach der Peripherie hin fortbewegen, so wird in den, dem Herzen näher liegen- den, Arterien der Pulsschlag eher gefühlt, als in den peripherischen, wie schon Erasütratus angegeben hat. Vielfach bestätigt und vielfach bestritten wurde diese Erscheinung, bis E, H. Weber aus der Zeitdifferenz des Pulses in der A. maxillaris externa und der A. dorsalis pedis die Schnelligkeit der Fortbewegung der Pulswellen auf 9.240 Met. in einer Secunde bestimmte. Bei dieser grossen Geschwindigkeit, sayt dieser Forscher, mit welcher die Pulswelle fortschreitet, darf man sie sich nicht als eine kurze Welle vorstellen, die längs den Arterien fortläuft, sondern so lang, dass nicht einmal eine einzige Pulswalle Platz in der Strecke vom Anfang der Aorta bis zur Arterie der grossen Zehe hat. 82. Fortpflanzung derPulsbewegiiDg in Kautsclinkröliren. Da man durch Einpressen von "Wasser in Kautschukröhren ähnliche Wellen Allgemeine erregen kann , wie die Pulswellen , so ist es wichtig , die Resultate kennen zu Gesetze. lernen, welche das Studium dieser Wellenbewegungen geliefert hat. 1. Nach E. H. Weber ist die Geschwindigkeit der Fortbewegung dieser Wellen 11,259 Meter in einer Secunde. 2. Stärkere Spannung im Innern hat nach E. H. Weber eine nur unbe- deutende Verminderung der Bewegung zur Folge. 3. Bergwellen und Thalwellen pflanzen sich nach E. H. Weber mit gleicher Schnelligkeit fort ; ebenso schnell- oder langsam-erregte Wellen. 4. Nach Donders ist die Schnelligkeit der Wellen um so kleiner, je kleiner der Ela.-ticitätscoefficient ist. 5. Nach Marey steigt mit zunehmender Wanddicke die Geschwindigkeit. 6. Mit zunehmendem speeifischen Gewichte der Flüssigkeit nimmt nach Marey die Geschwindigkeit ab. Uebcr die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen in elastischen Röhren hat neuerdings Mocns folgende Gesetze aufgestellt: ■ — 1. sie verhält sich umgekehrt, wie die Quadratwurzel aus dem speeiiischen Gewicht der Flüssigkeit ; — 2. sie verhält sich wie die Quadratwurzel aus der Wanddicke bei demselben Seitendtucke; — 3. sie verhält sich umgekehrt wie die Quadratwurzel aus dem Durchmesser der Röhre bei demselben Seitendrucke ; — 4. sie verhält sich (wie schon Valentin angegeben) wie die Quadratwurzel aus dem Elasticitätscoefficienten der Röhrenwand bei demselben Seitendruck. Versuche an Kautschukröhren. — Für die Bestimmung der zeitlichen Methode der Verhältnisse bediene ich mich der folgenden Methode. Ich zeichne die Wellen Unur- im elastischen Rohre mittelst des Angiographen auf die schwingende Stimm- gabelplatte (Fig. 52). Es wird von dem langen Kautschukrohrs eine be- stimmte Strecke abgemessen und deren Enden bei a und b unter die Pelotte des Pulszeichners gelegt. B ist eine compressible Ampulle, durch deren Zusammen- drücken eine positive AVelle in das Rohr geworfen wird. [Q ist ein (abstellbares) Hg-Manometcr, welches den Druck im Apparate angiebt.] Indem die Pulswelle zuerst bei a durchtritt, später bei b, wird eine Figur mit zwei "Wellenbergen gezeichnet ( L und 2) Die einzelnen Zähnchen sind gleich 0,1)1613 See. Einfache Zählung derselben genügt für die Bestimmung der zeitlichen Verhältnisse. 152 Fortpflanzung der Pulsbewegung in Kautschukröhren. [§•82.] Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wasser- und Quecksiiber-Wellen inner- halb elastischer Röhren. — Meine (1879 veröffentlichten) Versuche ergaben (bei einem Innendruck von 75 Mm. Hg) eine Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Welle von 11.809 Meter in 1 Secunde. Ich habe keinen Unterschied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit finden können, wenn einmal die Wellen schnell, das andere Mal langsam erregt, — oder in einem Falle gross, in dem anderen klein erzeugt wurden. Fiff. 52. Eegistrirung der Pulscurve eines elastischen Schlauches auf schwingender Stimmgabelplatt e. Verstärkter Druck vermindert die Fort- pflanzungs- geschvjindig- keit. Geringe Dehnbarkeit der Wandung bewirk t grössere Schnelligkeit der Wellen. Quecksilber- Wellen bewegen sich viel langsamer. A) Dahingegen fand ich von einem nachweisbaren Ein- fluss auf die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen den intravasculären Druck. Als nämlich der Druck erhöht wurde, pflanzten sich die Wellen mit einer etwas verringerten Geschwindigkeit fort. Diese Erscheinung rührt daher, weil mit zunehmender Drucksteigerung die Dehnbarkeit der Kautschukschläuche zunimmt — [während in den Arterien dieselbe abnimmt (§. 83)] (Grunmach 1887). B) Um zu ermitteln, ob das Material des elastischen Schlauches einen Einfluss auf die Fortp f lanzungsgeschwindig- keit der Pulswellen habe, benutzte ich einen mehr rigiden, weniger dehn- baren, grauen, vulkanisirten Kautschukschlauch. Es ergab sich, dass die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Wellen in diesem weniger dehnbaren Schlauche mit grösserer Schnelligkeit vor sich ging. C) Der Einfluss, welchen das specifische Gewicht der Flüssigkeit ausübt, wurde von mir für das Quecksilber festgestellt, dessen erregte Wellen sich ungefähr viermal so langsam bewegen wie Wasserwellen. [§.83-] Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen beim Menschen. 153 Physio ■ logische Schwan- kungen. 83. Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen beim Menschen. Methode der Untersuchung. — Ich befestigte auf 2 verschiedene Arterien Methode. je einen langen Schilfhebel, die sc gerichtet waren, dass beide gleichzeitig auf derselben schwingenden Stimmgabelplatte ihre Pulscurven verzeichneten. Ein momentaner Schlag auf die Gabel gab für beide Curven das identische Zeit- moment an : Zählung der Zähnchen der Curven von diesem Punkte bis zum Be- ginne jeder Curve ergab die zeitliche Differenz. Ich fand so bei einem 174 Cmtr. grossen Studenten folgende Werthe: Differenz zwischen Carotis und Radialis = 0,074 See. (die in Betracht kommende Strecke schätzte ich zu 62 Cmtr.); — Carotis und Femoralis = 0,068 See. ; — Pemoralis (Schenkelbeuge) und Tibialis postica = 0,097 See. (Strecke = 91 Cmtr. geschätzt.) Ergebnisse : — Es ergiebt dies eine Fortpflanzungsge- Resultate. schwindigkeit der Pulswellen im Gebiete der Oberextremitäten- Arterien = 8,43 Meter in einer See., — für die Unterextremität = 9,40 Meter in 1 Secimde. Es zeigt sieb, dass in den weniger dehnbaren Arterien der unteren Extremität die Fortpflanzungsgeschwindigkeit auf gleicher Strecke grösser ist, als in den Schlagadern der oberen Extremität. Aus demselben Grunde ist sie in den peri- pheren Arterien, ebenso auch in den nachgiebigen Arterien des Kindes geringer (Czermak, Landois). Garrod nimmt 9 — 10,8 Meter in 1 Secimde als die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Pulswelle an, — Grashey 8,5 M. (bestimmt durch Differenzbestimmung zwischen Radialis und Pediaea), Moens im Mittel 8,3 M-., bei vermindertem Drucke (während des Valsalva'schew Versuches, §. 79) 7,3 M. Beeinflussungen : — Bei Thieren bewirken Blutverluste (Albert v. Haller), Herzschlagverlangsamung durch Vagusreizung (Moens), Rückenmarksdurchscbneidirag, Erweiterung der Gefässe (durch Wärme, tiefe Morphiumnarkose, Amylnitrit) eine Verlangsamung, — hingegen Rückenmarksreizung eine Beschleunigung der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen (Grunmach). Die Wellenlänge der Pulswellen — rindet man, wenn man die Dauer des Einströmens des Blutes in die Aorta = 0.08 bis 0,09 Secunden [§. 58] multiplicirt mit der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen. Mit einer anderen Methode gelingt die Messung der Fortpflanzungs- geschwindigkeit so: Zwei übereinander angebrachte Schreibhebel vom ßrotidgeest' sehen Pansphy gmograph (§. 72, Fig. 37) schreiben auf der vibrirenden Platte einer Stimmgabel. Die zugehörigen Pelottenbüchsen sind auf zwei zu untersuchenden Schlagadern angebracht. Beide Pulsbilder zeigen die Vibrationen der Gabel als Zeileinheiten in ihren Zügen. Ein auf die Gabel ab- gegebener kurzer Schlag (bei den Pfeilen in Fig 53) markirt das indentische Zeitmoment für beide Curven. Eine einfache Zählung der Vibrationen genügt zur Feststellung der zu untersuchenden Zeitdifl'erenzen. In Fig. 53 habe ich von einem gesunden, schlanken Studenten gleichzeitig die Curven der Carotis und Tibialis postica verzeichnen lassen ; die zeitliche Dilferenz beträgt hier = 0,137 See. An Aveit von einander liegenden Arterien, oder am Herzen und einer A rterie, gelingt es auch, die beidenPelottenbiichsen durch ein 6a b el- rohr mit Einem Schreibhebel zu verbinden und an ihm allein die beiden in einander geschriebenen Pulscurven zu erkennen. — Die Methode Verlang- somung und Jlesch/einii- gung. /lestimmung durch :■ tiges i" r» ichnen au/ dir . nde7i Stimmgabel- platte. ,15J4: Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen beim Menschen. [§.83.] gewährt Sicherheit, wenn man beide Pansphygmographen (mit starren Röhren) mit Wasser, fällt y in welc/heui sich alle Impulse momentan fortpflanzen (LandoisJ. ' ,ߧ '..•..■'Fig. 53. • TiV.fost. •:. | . Curven der Carotis und. Tibialis postica durch BrondgeesVs Pansphygmographen gleichzeitig auf schwingender Stimmgabelplatte verzeichnet. Die Pfeile geben das identische Zeitmoment an. ' ; In Fig 54 ist A die Curve der Cubitalis , B dieselbe und gleichzeitig in derselbem die ihr' durch ein Gabelrohr zugeführte Ventrikelcontractions-Curve vHp. In der Curvenreihe B bezeichnet H den Gipfel dr Veuü'ikelcontraction, P den primären Pulsgipfel der Cubitaliscurve ; — v bezeichnet den Beginn der Ventrikelcontraction , p den des Cubitalispulses. Ans den Curven geht hervor, dass bei dem untersuchten Individuum vom Beginn der Ventrikelcontraction bis zum Beginn des Pulses in der Arteria cubitalis 9 Schwingungen = 0,15 See. verstrichen sind. Grashey setzte auf 2 verschiedene Arterien 2 Sphygmographen und Hess von den Schreibspitzen in jede von denselben gezeichnete Curvenreihen vom Funkeninductor Funken einschlagen, die also ganz genau die zeitlich identischen Stellen beider Curven bezeichnen. Fig. 54. A Curve der CuTiifalis auf schwingender Stimmgabelplatte (1 = 0,01613 See); P der Curvengipfel, «e Elasticitätsschwingungen, H die Rückstosselevation. — B Curven dei selben Cubitalis , zugleich mit v H P ~ Ventrikelcontraction des- selben Individuums. Bei Pathologisches: — In Fällen verminderter Dehnbarkeit der Ar- Krankheiten, terien, z. B. bei Verkalkung (vgl. §. 82 B), muss sich die Pulswelle schneller fortpflanzen. — Locale Erweiterungen an den Schlagadern haben, wie z. B. schon lange an Aneurysmen bekannt ist, eine Retardation der Welle zur Folge, ähnlich auch locale Verengerungen. Erschlaffungen der Gefässwandungen in hohen Fiebern verlangsamen die Bewegung (HamervjkJ. Anzeichen aus Nach dem. was über die Entstehung der Rückstosselevation gesagt ist der Iiück- (g_ 73, j^.. muss auch ihr zeitliches Auftreten von vorbenannten Einflüssen bc- stoBselevahon. ^immt werden (LandohJ. Sie müsste also, ceteris paribus, z. B in atheromatösen (verkalkten) Arterien früher auftreten als in gesunden, und bei den dehnbaren Arterien des Kindes relativ spät. Letzteres habe ich durch Messungen festgestellt. "Während bei einem 30jährigen , 172 Cmtr. grossen Manne der Gipfel der Rück- stosselevation 0,387 Secunden nach Beginn der Radial curve erreicht wurde, fand ich dies bei einem 8jährigen, 103 Cmtr. grossen Mädchen nach 0,362 Secunden statthaben, was offenbar eine relative Verspätung anzeigt. [§. 84.] Anderweitige pulsatorische Erscheinungen. 155 84. Anderweitige pulsatorische Erscheinungen. 1. Mundhöhlen- und Nasenhöhlen-Puls Landois), Trommel- Hund- und feil puls. — Die mit Luft gefüllte Mundhöhle und die Nasenhöhle zeigen bei Naae^men- geschlossener Glottis dadurch, dass an den Schlagadern ihrer "Weichtheile sich die pulsatorischen Bewegungen vollziehen, ebenfalls in ihrer Luftmasse eine pulsa- torische Bewegung, die mit Hülfe des Kardiopneumographen (§. 65) registrirt werden kann. Die erzielten Curven , die den Pulscurven der Carotis am nächsten stehen müssen , sind natürlich nur relativ klein , können jedoch durch angestrengte Herzthätigkeit vergrössert werden. Namentlich aber bei patho- logischen Vergrösserungen des Herzens, bei Erweiterung des linken Ventrikels und Verdickungen seiner Wandungen (z. B. bei Insuffizienz der Aortaklappen) kann der Puls bedeutend vergrössert sein (Landois). — Durch systolische Schwellung der blutreichen Weichtheile der Paukenhöhle kann in analoger Trommeifelt- Weise eine Pulsation am intacten Trommelfelle beobachtet werden (Schwänze, Puls- v. Tröltsch), oder an Schaumbläschen, die etwa zufällig innerhalb der Oeffnung "eines krankhaft perforirtea sich festgesetzt haben (Wilde . 2. Bei lebhafter Anstrengung erscheint oftmals mit jedem Pulsschlage bei Entoptische verdunkeltem Gesichtsfelde eine pulsatorische Erhellung, — bei erhelltem Gesichts- ?uU- leide- eine analoge Verdunkelung (Landois/. Mit dem Augenspiegel erkennt man mitunter Pulsationen der Eetina-Arterien (Ed. Jäger), die namentlich bei Insuf- ficienz der Aortaklappen bedeutend sind (Quincke, O. Becker, Helfreich). 3- Der Musculus orbicularis palpebrarum zuckt unter ähnlichen Verhält- Pulsatorische nissen synchronisch mit dem Pulse; es rührt diese Zuckung, wie es scheint, "f.'"^^" davon her, dass der Pulsschlag die sensiblen Nerven reflectorisch zu einer Con- traction anregt (Landois . Ich muss bei dieser Gelegenheit auf eine Beobachtung der Gebrüder Weber aufmerksam machen, welche mit diesem Punkte im Zusammen- hang zu stehen scheint. Diese Forscher fanden nämlich , dass beim Gehen nicht selten allmählich ganz unwillkürlich Schritt und Puls zusammenfallen. Ich glaube, dass sich diese Erscheinung in der Weise erklärt, dass der Pulsschlag in der Muskelmasse der Schenkel eine Anreguug zur Contraction veranlasst, der sich nun allmählich die Muskeln wirklich accommodiren, so dass sie die Bewegungen des allemal activen Schenkels veranlassen. Da sich bei der Contraction der Muskeln die Blutgefässe desselben erweitern , so liegt in der Coincidenz von Puls und Schritt noch der Vortheil , dass sich die bei dem Pulsschlage zu be- fördernde grössere Blutmenge um so leichter durch die Muskelmassen hindurch bewegen kann. 4- Sitzt man mit übereinandergeschlagenen Beinen , so erkennt man an Puii- dem schwebenden Unterschenkel deutlich Pulsschlag und Rückstosselevation. 5. Hält man in ruhiger Rückenlage die Schneidezähne des Unterkiefers geschlagenen dicht gegen die des Oberkiefers, jedoch ganz locker, so vernimmt man einen i^ines. Doppelanschlag der Zähne gegen einander, da die Pulswelle, namentlich in den Puleatorischa Aa. maxillares externae , den Unterkiefer emporstösst. Der schnell erfolgende bnterkiejer- ' r ° beo-egung. zweite Anschlag rührt jedoch nicht von der Rüel^tosselevation, sondern von der Erschütterung durch den Schluss der Semüunarklappeh her. 6. Dem Gehirne wird durch die grossen, an der Basis verlaufenden, Pulsatorische Arterien eine Bewegung mitgetheilt, die im Ganzen den Typus der Pulsbewegung i,clrZ\\nq repräsentirt und die Einzelheiten der letzteren erkennen lässt. — Auch eine leichte Hebung bei der Exspiration und Senkung bei der Inspiration sieht man an demselben. Auch an den Fontanellen der Säuglinge sind diese Be- Fontanellen- wegungen wahrnehmbar (§. 383). Die respiratorische Bewegung rührt theils von der respiratorischen Puls- schwankung (§. 79), theils von den Schwankungen des Blutgehaltes in den Venen der Schädelhöhle her. 7. Zu den pathologischen Erscheinungen im Gebiete des Schlug- Epigastrische aderpulses gehören die systolischen Pulsationen im Epigastrium , theils hervor- ' 'ien' gerufen vom Herzen bei Hypertrophie des rechten oder linken Ventrikels bei Tiefstand des Zwerchfelles, theils durch starkes Klopfen der meist erweiterten Puhationm Abdominalaorta oder der Arteria coeliaca. — Abnorme Erweiterungen ^„cu'ri/smen (Aneurysmen) der Schlagadern lassen auch an anderen Stellen eine abnorm und Je« verstärkte Pulsation erkennen. Hypertrophie ,1- r Wntrikel. 156 Die Erschütterung des Korpers durch die Herzaction. [§•85.] Hypertrophie und Dilatation des linken Ventrikels machen die dem Herzen zunächst liegenden Arterien stark pulsiren; bei dem analogen Zustande der rechten Kammer pulsirt sieht- und fühlbar stärker die Pulmonalis im 2. linken Intercostalraum (Fig. 27. §. öO). 85. Die Erschütterung des Körpers durch die Herzaction und den Verlauf der Blutwellen innerhalb der grossen G-efässstämme. Die Herz- und Puls-Bewegung in unserem Körper theilen demselben in toto eine Erschütterung mit. Diese Erschütterung ist jedoch keine einfache, viel- mehr setzt sie sich aus Einzelheiten zusammen, welche in der Herz- und Puls- Bewegung zum Ausdruck gelangen. "Wenn sich eine Person in völlig aufrechter, steifer Körperhaltung auf eine gewöhnliehe Federwdge stellt, so zeigt der Index der Wage- keineswegs ein-; Ruhelage an, vielmehr spielt derselbe auf und ab, entsprechend ganz be- stimmten Phasen der Herzthätigkeit (Gordon). Wir nahmen zur Versuchseinrichtung (Fig. 55 1.), einen niedrigen, oben offenen Kasten (K) und spannten unweit der einen Schmalseite bei ab Fig. 53. I. Elastische Wippfi zur Registrirung der Erschütterungscurven. II. Erschütte- rungscurven des Körpers eines Gesunden. III. Erschütterungscurven eines an Insuffizienz der Aortaklappen und hochgradiger Herzhypertrophie leidenden Mannes. dicht nebeneinander eine Anzahl stark angezogener Gummischläuche. Ein vier- eckiges Brett (B), kleiner als die Oeffnung des Kastens, wird so gelegt, dass dasselbe mit dem einen Ende auf den Gummischläuchen, mit dem anderen auf -der schmalen Kante des Kastens ruht. Auf diesem Brette steht die Versuchs- person (A) senkrecht in möglicht steifer Körperhaltung. Zur Feststellung der Ursache der einzelnen Zackenbildung dient der Versuch, bei demselben Individuum die Erschütterungs curve und gleichzeitig die Herzsto ss curve zu verzeichnen. Zu diesem Zwecke wird die eine Büchse (p) des ßrondgeest' sehen Pansphygmographen (vgl. Fig. 37) auf das schwingende Brett, auf welchem die Versuchsperson steht, applicirt, die andere Büchse wird mit ihrer Pelotte auf die Herzstossgegend be- festigt. Beide Schreibhebel zeichnen auf der schwingenden Stimmgabelplatte ; der obere die Erschüttcrungscurve, der untere die Herzstosscurve (Fig. 56). [§• 85.] Die Erschütterung des Körpers durch die Herzaction. 157 Betrachtet man die correspondirenden Stellen in beiden Curvcnreihen A und B (in denen die beiden Pfeile und ebenso die correspondirenden Zahlen die identischen Zeitmoraente angeben), so sieht man, dass mit dem Beginn der Ventrikelsystole (3) der Körper einen stärkeren Druck auf die Unterlage ausübt. In dem Momente . in welchem der Ventrikel sich systolisch Während des Spitzen stosses drückt der Körper stäi her abwärts, Fig. 56. A ErschüUerimgscui've eines Gesunden; — B die Herzstosaeurve desselben Individuums zur Demonstration der gleichzeitigen Momente beider Bewegungen. entleert , erfährt derselbe eine nach unten und aussen gerichtete Bewegung , den Reactionsstoss im Gutbrocf sehen Sinne (Vgl. §.57. 4). Entsprechend den C urv en g ipf ein der Ventrikelcontractionen, zeigt auch die Erschütterungscurve an manchen Stellen, wie bei 10 und 11, eiue leichte gipfelartige Erhebung. Ich glaube, dass diese Erhebung herrührt von den, gegen den Kopf aufsteigenden Wellen, die sich durch die Carotiden und Subclavien aufwärts begeben und dem Kopfe und somit dem ganzen Körper einen Stoss aufwärts ertheilen. Während durch diese Erschütterung der Körper noch so aufwärts gehoben ist, erfolgt eine zweite, im gleichen Sinne wirksame Erschütterung. Durch den prompten Schluss der Semilunarklappen wird eine positive AVelle erregt, die zu- nächst ebenfalls gegen den Kopf hin als auf der kürzesten Arterienbahn vor- dringt. Der Schluss der Semilunarklappen ist in den 2 Herzstoss- curven der unteren Reihe überall deutlich ausgeprägt (20 — ^0). Der prompte Schluss der Semilunarklappen erzeugt in den Pulscurven der Aorta eine kleine Elevation; es ist daher nicht auffallend, dass diese Elevation auch dem gesammten Körper einen leichten Aufwärtsstoss ertheilt. Nach dem Schluss der Se m ilun ar klappe u erfolgt ein Niedergehen der elastischen Grundfläche. Während derselben Zeit pflanzt sich die Pulswelle durch die Aorta descemlens abwärts bis in die .-'chenkelgefasse fort. Es fällt daher das Niedergehen des Körpers in die Zeit der Abwärtsbewegung der Pulswelle. — Dem Nieder- gehen folgt weiterhin ein Aufsteigen. Da jedoch um diese Zeit der Herzbewegung promptere und wuchtigere Bewegungsvorgänge sich nicht mehr vollziehen, so kann man in Anbetracht der erheblichen Eigen- schwingungen der ganzen Vorrichtung nunmehr eine genauere Bestimmung der correspondirenden Einzelheiten füglich nicht mehr versuchen. Es wird richtig sein, wenn man sagt, dass dem Aufwärtsgehen der Seh wingungscurve die Rückwärtsbewegung der Wellen im Gefässsysteme zu Grunde liegt, welche dem dikrotischen Nach- schlage voraufgeht. Von der Dauer der einzelnen Herzschläge wird es abhängen, wie lange noch Oscillationen der schwingenden Grundlage bis zum nächsten Herzschlage erfolgen. Pathologisches: — Bei der Insufficienz der Aortaklappen ist die, dem Körper durch die Herzaction m i t g e t h e i 1 1 e , Er- schütterung eine sehr bedeutende (Fig. 55, III). Der am meisten empor- ragende Theil der Curve , welcher zur höchsten Spitze emporführt, fällt, sowie der vor dem aufsteigenden Schenkel dieser grössten Erhebung belegene , stets charakteristisch ausgedrückte Niedergang, auf die Systole des Ventrikels. die zum Kopfe dringenden Pu 's wellen erlf ben ihn, der Schluss der arteriellen Klappen hebt ihn, die äbwärts- lavfenden Pufswellen se7iken ihn toieder. Kiirper- erschiittet uny bei Tnsujfieietu der Aorta- k'appen. 158 Die Stronibewegung des Blutes. [§. 86.] Unterhalb der Spitze der höchsten Elevation markirt sich ein kleiner Absatz, welcher herrührt von einer nur geringen Erschütterung , welche die theilweise zerstörten Semilunarklappen bei ihrer unvollkommenen Schlussbewegung dem Blute mittheilen. Die gewaltige Blutwelle, welche nach dem Spiel der Semilunar- klappen durch die absteigende Aorta und die Aa. iliacae niedergeht , bedingt den tiefsten Niedergang der elastischen Grundfläche. An diese schliesst sich ein Emporgehen, durch die centripetal gerichtete Wellenbewegung bedingt. Ein sodann erfolgendes , geringeres , drittes Aufsteigen , welches jedoch relativ sehr niedrig auftritt, scheint der Entwickelung der dikrotischen Welle im abwärts gerichteten Theile der Schlagaderbahn zu entsprechen. 86. Die Strombewegung des Blutes. pas Das in sich geschlossene, vielfach verzweigte, mit Elasti- Ge{™7timT cität und Contractilität der "Wandungen begabte System der überßnc. Blutgefässe ist nicht allein vollkommen mit Blut angefüllt, sondern es ist sogar um etwas überfüllt. Die gesammte Blutmasse ist nämlich an Volumen etwas grösser, als der Hohl- raum des gesammten Gefässsystems. Daraus folgt, dass die Blutmasse auf die Gefäss- "Wandungen überall Druck ausüben muss, welcher eine entsprechende Dehnung der elastischen Gefässhäute bedingt (ßnmner). Dies gilt jedoch nur während des Lebens; nach dem Tode erfolgt eine Erschlaffung der Muskeln der Gefässe und ein Uebertritt von Blutflüssigkeit in die Gewebe, so dass nun die Gefässe sogar theilweise leer angetroffen werden. Denkt man sich die Blutmasse durch das ganze Röhren- gebiet gleichmässig vertheilt, unter überall gleich hohem Drucke, so wird sich dieselbe in der ruhenden Gleichgewichtslage be- finden (wie kurz nach dem Tode). Ist jedoch an einer Stelle des Röhrengebietes der Druck , unter welchem das Blut steht, erhöht, so wird dasselbe von dieser Stelle des höheren Druckes dorthin ausweichen, wo der geringere Druck herrscht: — die Der mutstrom Strombewegung (Verschiebung der Blutmasse) ist somit Drlck- ^die Folge der herrschenden Druckdifferenz. Wer- diferenz. ^Qn fa^Qj. ^e{ einem lebenden Thiere entweder die Hohlvenen oder die Aorta plötzlich verschlossen, so strömt das Blut, all- mählich sich verlangsamend, so lange, bis die Druckdifferenz im ganzen Gefässcirkel sich ausgeglichen hat. Die Schnelligkeit, — mit welcher die Strombewegung vor sich geht, ist um so grösser, je grösser die Druckdifferenz ist, und je geringer die Widerstände sind, welche sich der Strombewegung entgegenstellen. me mrz. Die die St rombewegungdes Blutes erzeugende JSfkDruckdifferenz schafft das Herz (E.H. Weber). Für WDruckie ^en grossen, wie für den kleinen Kreislauf liegt die Stelle des diferer.z. höchsten Druckes in der Wurzel der arteriellen Bahn, die Stelle des niedrigsten Druckes in den Endtheilen der venösen Gefässe. Daher wird von den Arterien stetig das Blut durch die Capillaren den grossen Venenstämmen zufliessen. Das Herz unterhält die zum Kreislauf nöthige Druck- differenz dadurch, dass es mit jeder Systole der Kammern eine [§. 86.] Die Strombewegung des Blutes. 159 gewisse Menge Blutes in die Arterienwurzeln wirft, nachdem diese Menge unmittelbar zuvor den Enden der Venenstämme durch die Diastole der Vorkammern entzogen war. Diesen . namentlich von E. H. Weber formulirten . Sätzen **?. ?^r über die Ursachen der Strombewegung des Blutes ist noch ein a-hsu den wichtiger Satz von Donders zuzufügen. Dieser Forscher hat m^Zk? bewiesen, dass das Herz durch seine Arbeit nicht allein die für die Strombewegung nothwendige Druckdifferenz schaffe, sondern dass das Herz zugleich den mittleren Druck im Kreislaufssysteme erhöhe. Die Enden der grossen in das Herz einmündenden Venen sind nämlich weiter und dehnbarer, als die Ursprünge der Arterien. Wenn nun das Herz die gleich grosse Flüssigkeitsmasse aus den Venenenden in die Arterienanfänge versetzt, so niuss hierdurch der arterielle Druck stärker wachsen, als der venöse abnimmt : die Summe des Ge- sammtdruckes muss also steigen. Die Massenbewegung des Blutes würde st o sswei se Ursachen der oder intermittirend vor sich gehen. — 1. wenn die Bohren mit uaen starren Wandungen ausgestattet wären, denn in diesen pflanzt Strömun9- sich ein auf die Flüssigkeit ausgeübter Druck momentan durch die ganze Länge der Röhren fort . und es hört auch die Be- wegung der Flüssigkeit sofort mit dem Aufhören des druck- erhöhenden Stosses wieder auf. — 2. Die Bewegung würde auch innerhalb elastischer Bohren dann noch intermittirend erfolgen, wenn die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Systolen länger wäre . als die . zur "Wiederausgleichung der systolisch gesetzten Druckdifferenz nöthige. Stronibewegrmg an- dauerte. Ist diese Zeit jedoch kürzer bemessen, als die Druck- ausgleichung erfordern würde, so wird das Strömen eontinuir- lich. Je schneller Systole auf Systole erfolgt, um so höher wird die Druckdifferenz, wobei die elastischen Wendungen der arteriellen Bohren stärker gedehnt werden. In der so hervor- gebrachten continuirlichen Strombewegung wird jedoch noch stets die plötzliche . durch das systolische Einpumpen einer Blutmasse von der Grösse des Ventrikelraumes bewirkte Druck- erhöhung sich als eine stossartige Acceleration des Stromes (Puls] zu erkennen geben [vgl. £. 70]. Diese stossweise auftretende Beschleunigung der Strom- £*. bewegung pflanzt sich durch die arterielle Bahn mit der Schnellig- AceOeratw». keit der Pulswelle fort : beiden liegt dasselbe ursächliche Moment zu Grunde. Jeder Pulsschlag bringt also eine vorübergehende, schnell fortschreitende Beschleunigung der Flüssigkeitstheilchen mit sich. Aber sowie die Form der Pulsbewegnng keine ein- fache ist. so ist es auch diese pulsatorische Strombeschleunigung nicht. Letztere erscheint vielmehr in der complicirten Form der Strompulscurve (§. 9b. 7 und §. 106), welche gleichfalls die primäre Elevation und die Rückstosselevation in sich aus- geprägt enthält, ähnlich einer (Druck-) Pulscurve. In ihr ent- spricht jedes Ansteigen des Curvenschenkels einer Acceleration. jedes Niedergehen einer Retardirung der strömenden Flüssigkeits- theilchen. 160 Scheniatische Nachbildung des Kreislaufes. [§•86.] Beobachtung der pulsatori- sehen Accelt- ration am elastischen Schlauche. Gleich- massiger Strom in den Capillaren. Capillarpuls. Physikalische Erörterung : — Durch einfache physikalische Versuche lassen sich die erörterten Verhältnisse veranschaulichen. Aus einer starren Röhre, welche mit dem Ausflussrohr einer Spritze in Verbindung gebracht ist, wird allemal bei jeder Vorbewegung des Stempels das Wasser stossweise, zeitlich genau der Stempelbewegung entsprechend, ausgetrieben. — Ueber die "Wirkung intermittii enden Einpressens von Flüssigkeit in ein, mit Elasticität begabtes, Röhrensystem giebt uns ein schlagendes Beispiel die F euer spritze. Hier ist die in elastischer Spannung befindliche Luft des Windkessels (statt der Elasticität der Röhren selbst am Circulationsapparate) wirksam. Bei langsam intermittirenden Pumpenschlägen erfolgt das Ausspritzen stossweise mit Unterbrechungen. Häufen sie i die Pumpbewegungen, so bewirkt die comprimirte Luft des Windkessels ein continuirliches Ausströmen, an wtlchem jedoch noch deutlich, jedem Pumpen- schlage entsprechend, eine Beschleunigung des Strahles bemerkbar ist. Dass in einem elastischen Schlauche die Wasserfheilchen während der Strömung durch jede pulsatorische Wellenerregung eine Bewegung vollführen, entsprechend dem Bilde der Pulscurve, . konnte ich leicht so demonstriren, dass ich in einen elastischen , langen Schlauch , in welchem Strom- und Wellen- Bewegung durch intermittirendes Einpumpen erregt wurde , ein kurzes Glas- röhrchen einschaltete, in dessen Lumen durch eine seitliche Oeffnung ein Fädchen im Strome flottirte. Unmittelbar davor war auf dem Schlauche ein Sphygmograph applicirt. Jeder Pulsschlag bewirkte eine isochrone Bewegung des Sphygnio- graphen und des Fädchens, und zwar ganz genau so, dass jedem Aufwärts- gehen des Schreibhebels ein stärkeres Flottiren des Fädchens gegen die Peripherie hin entsprach (Beschleunigung), jedem Niedergang ein leichter Rückgang (Retar dation). In den Capillargefässen — hört mit dem Erlöschen der Pulswelle auch die pulsatorische Acceleration der Strom- bewegung auf. Die bedeutenden Widerstände, welche sich der Strombewegung gegen das Capillargebiet hin darbieten, machen allmählich beide erlöschen. Nur wenn die Capillargefässe sehr erweitert werden, und der Druck im arteriellen Gebiete zu- nimmt, kann mit dem Pulse auch die pulsatorische Beschleuni- gung der Strombewegung durch die Capillaren hindurch bis in die Venenanfänge sich forterstrecken. So sieht man es an den Gefässen der Speicheldrüsen nach Reizung des N. facialis, welcher die Gefässbahnen erweitert (§. 150. L). Umschnürt man einen Finger mit einer elastischen Schnur, welche den Rücklauf des Venenblutes erschwert und den arteriellen Druck unter Er- weiterung der Capillaren des Fingers erhöht , so sieht man isochron mit dem bekannten klopfenden Gefühl die geschwellte Haut sich intermittirend stärker röthen. Das ist der so hervor- gerufene „Capillarpuls". 87. Schematische Nachbildung des Kreislaufes. Die besprochenen Einrichtungen des Kreislaufes gestatten eine Nachahmung der wesentlichsten Verhältnisse durch physikalische Mittel in dem sogenannten Schema df s „Schema des Kreislaufes". Es soll hier das IVeöer'sche Schema in Kürze Kreislaufes, besprochen werden. Die Arterienbahn und die (etwas weitere) Venenbahn sind durch Strecken eines Thierdannes dargestellt (Fig. 57). Das System der Capillaren zwischen beiden wird gebildet durch ein hinreichend weites Glasrohr, welches jedoch in seinem Lumen durch ein Stück Waschschwamm ausgefüllt wird, Ein kurzes Darmstück , welches an beiden Enden ein Stück Glasröhre eingebunden trägt, soll das Herz repräsentiren. An dem, nach dem Arterienstamme gerichteten, Glasrohre ist die Klappenvorrichtung angebracht. Letztere ist so dargestellt, dass ein Stück Dünndarm die Glasröhre überragt und an seinen freien Rändern mit drei Fäden befestigt ist. Durch [§•87.] Capacität der Ventrikel. 161 dieses Darmstück kann "Wasser nur eindringen von dem Glasrohr gegen den freien Darmrand hin, nicht umgekehrt, da sich dann die freien Ränder zusammen- legen und das Lumen schliessen. Von der venösen Seite her ist eine gleich- gebildete Klappe, durch ein besonderes Röhrenende getragen, in die zugewandte Glasröhre des Herzens eingefügt. Die beiden Klappen schlagen nach derselben Fig. 57. venöse Klappe arterielle Klappe Cap Maren Kieislaufs-Scliema Von Ernst Heinrich Weber. Richtung auf. Der ganze Apparat wird mit Wasser (durch einen Trichter) massig stark gefüllt. "Wird nun das Herzstück compriniirt, so strömt der Inhalt durch die arterielle Klappe in den Arterientheil ; — ■ nach Aufhören der Com- pression strömt aus dem Venentheil wiederum "Wasser durch die venöse Klappe in das Herz hinein. Durch diesen Apparat kann man die Strombewegung, die bei schnelleren Compressionen des Herzstückes continuirlick wird, und die Puls- bewegung demonstriren. Letztere geht über das Capillargebiet nicht hinaus, weil die grossen "Widerstände innerhalb der vielen Poren des Schwammes die Kraft der Pulswellen vernichten. Complicirtere Nachbildungen des Kreislaufes, welche jedoch im Grunde nichts mehr zu versinnlichen mögen, als dieses primitive Schema von E, H. Weber, sind von verschiedenen Seiten zusammengestellt worden. 88. Capacität der Ventrikel. Da das Herz die, zur Kreislaufsbewegung des Blutes noth- wendige, Druckdifferenz dadurch herstellt, dass dasselbe durch die systolische Entleerung seiner Ventrikel eine bestimmte Blut- masse in die Wurzeln der beiden grossen Arterien wirft, so wird es erforderlich, diese Blutmasse zu bestimmen. Da der rechte und linke Ventrikel sich gleichzeitig con- du capacität trahiren, und da ferner eben soviel Blut durch den kleinen, wie KammtZ ist durch den grossen Kreislauf hindurchströmen muss , so folgt, ,Jleich t>rüSS- dass der rechte Ventrikel gerade so geräumig sein muss, wie der linke. Uebrigens ist daran zu erinnern, dass der Ventrikel selbst auf der Höhe seiner Contraction sich nicht völlig entleert, sondern dass ein massiges Blutquantum in dem- selben zurückbleibt (§. 55. C. 2). Methoden: — 1. Direct bestimmt man die Ventrikelcapacität, indem man Methoden der mit einer erstarrenden Injectionsmasse die Kammerräumc des erschlafften^ todten Bestimmung. Herzens füllt und die Masse misst (Brücke 1850, Hiffelsheim, Robin). (Unsicher, da es unbekannt ist, unter welchem Drucke sich die lebendigen Ventrikel nach der Contraction der Vorkammern füllen.) 2. Indirecte Bestimmungen. — A. W. Volkmann hat (1850) durch Rechnung die Capacität des linken Ventrikels in folgender Weise festgestellt. Man bestimmt den Querschnitt der Aorta, ferner die Schnelligkeit des Blutstromes in derselben (vgl. §. 94. 1). Hieraus berechnet man. wie viel Blut in einer Zeit- Landois, Physiologie. 7. Aufl. \[ 162 Methoden der Blutdruck-Messung bei Thieren. [§. 89.] einheit durch, die Aorta läuft. Da die Blutmenge des Körpers (= '/is des Körper- gewichtes) bekannt ist, so berechnet sich leicht, innerhalb welcher Zeit diese durch die Aorta strömen muss. AVeiss man endlich, wie viele Systolen auf die Kreislaufszeit entfallen, so kommt auf jede derselben der, der Kammer- capacität entsprechende, Blutantheil. Gestützt auf zahlreiche Thierversuche berechnet er so den Werth auf ljiW des Körpergewichtes ; dieser ist für einen Menschen von 75 Kilo = 187,5 Gr. (Auch diese Bestimmung lässt an Genauigkeit zu. wünschen, da die Ermittelung der Stromgeschwindigkeit in der Aorta, die überdies nach C. Ludwig är' Dogiel erheblich schwanken kann, nur mit annähernder Sicherheit gelingt.) Place calculirt in folgender Weise: Der Mensch gebraucht in 24 Stunden gegen 500 Liter 0 (§. 132). Um diese in das venöse Blut aufzunehmen (welches im Mittel gegen 7 Vol. Procente "weniger 0 enthält, als das arterielle), müssen in 24 Stunden gegen 7000 Liter Blut durch die. Lungen getrieben werden. Rechnet man 100.000 Herzschläge auf 24 Stunden, so fördert jede Systole nur 70 Ccmtr. 89. Methoden der Blutdruck-Messung. Methoden der A. Bei Thieren : — I. Haies' Röhre. — Stephan Haies band zuerst (1727) Blutdruck- }n fae Seitenwand eines Gefässes eine lange Glasröhre ein und bestimmte den mesmng. ß^tdruck durch Messung der Höhe der Blutsäule, bis zu welcher das Blut in dieser Bohre emporstieg. Eales'sclie Die „ffa/es'sche Röhre" besass an ihrem unteren Ende ein rechtwinkelig Bohre. gebogenes, gegen das Herz gerichtetes Kupferröhrchen : sie stellte also eigentlich eine sog. P/tot'sche Röhre dar. Letzterer benützte eine ähnliche Röhre , um in Flüssen die Stromesgeschwindigkeit zu bestimmen. Nach dem Grade der Strom- geschwindigkeit steigt nämlich durch den , der Strömung zugewandten , Rohr- schenkel die Flüssigkeit empor in dem senkrecht aus dem Wasser emporragenden Schenkel. Diese Erhebung ist die „Geschwindigkeitshöhe" (§.67): sie zeigt an, dass das Wasser mit derselben Geschwindigkeit fliesst, wie ein freifallen- der Körper, welcher von der Geschwindigkeitshöhe niederfiele. So misst also die Ha/es'sche Röhre nicht allein die Spannung des Blutes , sondern zugleich die fiesch windigkeitshöhe desselben. Letztere ist jedoch der ersteren gegenüber verschwindend klein. Foi- 2. Poiseuille's Hämatodynamometer. — Dieser Forscher verwandte seuilie's (1828) eine U-förmige, mit Quecksilber gefüllte Manometerröhre, die seitlich 'monier?0 "durch ein starres Ansatzstück in die Wand des Gefässes eingefügt wurde. Zweckmässig kann man auch ein (— - förmiges Röhrchen zur Verbindung der Ader mit dem Manometer so anwenden, dass die gerade durchgehenden Enden in das geöffnete Gefäss (Fig. 58. I a a) eingefügt werden , und der senkrecht daraufstehende Schenkel durch ein Bleirohr mit dem Manometer (M) vereinigt wird. c.Ludwig's 3. c. Ludwig's Kymographium. — C. Ludzvig setzte auf graphiüm die Quecksilbersäule einen Schwimmer (ds), der an einem senkrechten Drahte oben eine horizontal gerichtete Schreibvorrichtung (f) trägt, welche auf einer, durch ein Uhrwerk gleichmässig rotirenden, Trommel (C) sowohl die Höhe des Blutdruckes, als auch die pulsatorischen Schwankungen desselben verzeichnet. A. W. Volkmann belegte dieses Werkzeug mit dem Namen Kymographium (Wellenzeichner). Die Differenz der Niveauhöhen der Quecksilbersäulen (c d) in beiden Schenkeln der Röhre zeigt den Druck innerhalb des Gefässes an. (Wird die Quecksilberhöhe mit 13,5 multiplicirt , so hat man die zeigt exaet Druckhöhe einer entsprechenden Blutsäule.) — Setschenow brachte in druck an, der Mitte der unteren Biegung (bei b) in der Röhre einen Hahn an. Wird dieser so weit zugedreht, dass nur eine feine Communications- öffnung übrig bleibt, so kommen die pulsatorischen Schwankungen nicht mehr zum Ausdruck ; das Instrument zeigt alsdann allein noch den mittleren Druck an. Es ist in dieser Herrichtung zu letzterem Zwecke das zuverlässigste Werkzeug von allen. [§• 89.] Methoden der Blutdruck-Messung bei Tkieren. 163 Die pulsatorischen Druckschwankungen geben sich an dem Kymographium als einfache Berge (Fig. 58. III) zu erkennen, sie stimmen daher mit den, durch die Sphygmographen gewonnenen Curven gar nicht überein. Das, durch die Puls- schläge einmal in Bewegung versetzte Quecksilber vollführt vermöge seiner grossen Eigenschwingung nur auf- und niedergehende Bewegungen, an denen alle feineren Nuancen der Pulsbewegungen völlig verwischt sind. Aus diesem Grunde kann das Kymographium nur zur Registrirung des Blut- druckes, aber niemals der Pulscurven verwendet werden. Handelt es sich darum, aus einer längeren, mit vielfachen Erhebungen und Senkungen versehenen Blutdruckcurve, die auf einem Papiere verzeichnet ist, den mittleren Blutdruck zu beslimmen, so bedient man sich hierzu des Plani- meters- Man umfährt mit diesem Werkzeuge die ganze Grenze der Curvenfläche (nämlich die Curvenlinie, die Abscisse (Basis) und die Anfangs- und End-Ordinate) und kann am Instrumente direct ablesen, wieviel Q Mm. das Areal umfasst. — Ist das Curvenpapier in Quadrate getheilt, so kann man die Grösse des, von der Curve umfassten, Areales annähernd genau auszählen. — ■ A. W. Volkmami schnitt das Curvenareal aus und wog es, und verglich mit ihm ein Rechteck desselben Papieres von derselben Grundlinie, dessen Höhe natürlich die mittlere Höhe der Curvenlinie angeben muss. 4. A. Fick's HoMfeder-KymograpMiim — ist (1864; nach dem Principe des, an sehr vielen Dampfmaschinen angebrachten, Bourdon- schen Hohlfedermanometers construirt (Fig. 58. II). fehlerhaft jedoch die Pulscurven. Ausmessung der Kymo- graphium- Curven. A. Fick's Hohlfeder- manometer. Fig. 58. I C. Ludng's Kymographium ; — II A. Fick's Hohlfeder-Kymographium ; — III gleich zeitig verzeichnete Blutdruckcurven (ohenl und Athmungscurven (unten) nach C. Ludwig <&* Einbrodt. Eine C-förmige gebogene, im Innern hohle (und mit Alkohol gefüllte Metall- feder (Fj wird an ihrem unteren Ende (a) mit der Seitenwand der Arterie (xx) durch ein passendes Ansatzstück in Verbindung gesetzt: das andere Ende der Feder ist 11* 164 Messung des Blutdruckes beim Menschen. [§•89.] geschlossen. Die gebogene Hohlfeder geht in eine mehr gestreckte Stellung über, sobald der Innendruck zunimmt. Es ist nun mit dem geschlossenen Ende (b) ein senkrechtes Stäbchen (g) in Verbindung gesetzt , welches auf ein, aus leichten Schilfstäbchen zusammengesetztes, Schreibhebelwerk (hike) wirkt, das auf einer vorbeigezogenen Fläche schreibt. Es wird sowohl der Blutdruck, als auch die , vom Pulse herrührende , periodische Schwankung verzeichnet : letztere ebenfalls nicht mit genügender Genauigkeit, da die Einzelheiten der Pulscurven durch die zu grosse Schwerfälligkeit des Instrumentes nicht zum Ausdruck gelangen können. iiJhjedlr- 5. A. Fick's Flachfeder-Kymographium. — A. Fick giebt Kymoyraph. nunmehr (1885) einer anderen Einrichtung den Vorzug. Eine 1 Mm. im Lichten messende, mit Luft gefüllte Röhre (Fig. 59. a a), welche mittelst einer Canüle (c) mit dem Gefässraume in Communication gesetzt wird , geht in ein vertieftes Näpfchen (A) aus , welches mit einer Kautschukmembran überspannt ist, von welcher ein Stift (s) niederragt. Letzterer drückt gegen eine straffe , horizontal gespannte Stahlfeder (F), welche vermittelst eines Ansatzstückes (b) gelenkig (d) mit dem Schreibhebel (H) articulirt. Ein Metallrahmen (RR) bildet den Träger dieser Theile. Um die absoluten Werthe der Druck- schwankungen [welche genauer, als mit dem Apparat 4. registirt werden können] , zu ermitteln , muss der Apparat vor dem Versuche mit einem Hg-Manometer empirisch graduirt werden. Fie. 59. Ä. Fick's Flachfeder-Eymographium. Blutdruck- B. Beim Menschen — lässt sich: — 1. der Blutdruck inner- mMenscLT halb einer Schlagader am einfachsten durch den belasteten Puls- zeichner — (§. 76) messen. Dasjenige Gewicht, welches den Aus- schlag des Schreibhebels zuerst gerade unterdrückt, entspricht der Gefässspannung. Die auf solche Weise nach meiner Anleitung unter- suchte (in 1 Cmtr. Länge belastete) Art. radialis gesunder Studirender ergab einen mittleren Blutdruck von 550 Gramm (Schöbe!). 2. Durch eine manometrische Methode — bestimmt v. Basch den Blutdruck, indem er auf das pulsirende Gefäss eine mit Flüssig- keit gefüllte Blasenpeiotte drücken lässt, deren Inhalt mit einem Hg-Manometer communicirt. Sobald der Druck, den das letztere an- zeigt , den Druck in der Arterie etwas übersteigt, wird die Arterie comprimirt, so dass ein peripher derselben aufliegender, puls- markirender Apparat keine Pulsationen mehr anzeigt (v. Basch, Marey). Beide Vorrichtungen zeigen aber den Blutdruck in den Arterien nicht allein an, sondern der Druck der Pelotten muss diesen noch [§. 90.] Der Blutdruck in den Arterien. 165 um so viel übertreffen, als nöthig' ist, um die leere Arterie (die ja für sich ein klaffendes Kohr darstellt} zu?ammenzudrücken (Waidenburg). Letzterer Werth ist jedoch gegenüber dem Blutdrucke nur gering : er beträgt bis 4 Mm. Hg, bei Arteriosclerose natürlich mehr. Auch die "Widerstände , welche die über der Arterie ausgebreiteten Weichtheile dem Druck entgegenstellen , müssen mit überwunden werden , welche bei Individuen mit straffer Faser und reicbem Fettgewebe nicht so gering sind. Es fand v. Basch so bei Erwachsenen in der Radialis einen Druck von 135 — 165 Mm. Hg. Bei Kindern — nimmt mit dem Alter, der Grösse und dem Ge- wichte der Blutdrack zu: er betrug in der Temporaiis superficialis im Alter von 2 — 3 Jahr 97 Mm. , — von 12 — 13 Jahr 113 Mm. Hg (Alexandra Eckert (vgl auch §. 105 am Ende). — Unmittelbar nach Körperbewegungen steigt der Blutdruck, im Liegen ist er stärker als im Sitzen und hier stärker als im Stehen , Friedmann). Nach einem kalten (L. Lehmann,, sowie nach einem heissen Bade zeigt sich anfangs Steigerung des Blutdruckes und Harnvennehrung (Grefberg), 90. Der Blutdruck in den Arterien. Die, durch die Druckmesser festgestellten, Ergebnisse über den Druck in den Arterien des grossen Kreislaufes sind folgende : a) Der Blutdruck in den Arterien ist ein sehr e r h e b- Der m-uaere lieh er, innerhalb ziemlich weiter Grenzen schwankend; er den Arterie1? beträgt in den stärkeren Arterien der grossen Säugethiere und wahrscheinlich auch des Menschen 140 — 160 Mm. einer Queck- silbersäule. — Beispiele: Carotis, Pferd 161 Mm. (Poiseuille). I Aorta des Frosches 22—29 Mm. {Volk- „ 122—214 Mm. (Volk- ! mann). mann). Kiemenarterie , Hecht 35 — 84 Mm. Hund 151 Mm. (Poiseuille). 130—190 Mm. 'Ludwig). Ziege 118—135 Mm. (Volk- mann . Kaninchen 90 Mm. < 'Volkmann, I. Huhn 88—171 Mm. (Volk- /Volkmann . Beim Menschen in der Arteria brachialis (bei einem Operirten) 110—120 Mm. fFaivre); vielleicht in Folge der Verletzung und Krankheit etwas zu niedrig. Bei, am Oberschenkel zu amputirenden, Kranken bestimmte E. Albert mano- metrisch den Blutdruck in der A. tibialis antica oberhalb des Fussgelcnkcs auf 100 — 160 Mm. Hg. Die pulsatorische Erhöhung der Hg-Säule betrug 17 — 20 Mm.. Hustenstösse hoben dieselbe um 20 — 30 Mm., straffe Einwickelung des gesunden Beines um 15 Mm., passives Aufrichten des Körpers, wobei nun die hydrostatisch wirksame Blutsäule verlängert wurde, um 40 Mm. Hg. In der Aorta grösserer Säuger veranschlagt man den Druck zu 200 bis 250 Mm. Quecksilber. — Im Allgemeinen ist der Blutdruck bei grösseren Thieren höher als bei kleineren, weil bei jenen wegen der erheblicheren Länge der Blutbalmen grössere Widerstände zu überwinden sind. Sehr junge und sehr alte Thierc haben niedrigeren Druck als Individuen auf der Höhe der Lebensfunctionen. Der arterielle Druck bei Föten — ist kaum halb so hoch als beim Neugeborenen, der venöse Druck ist jedoch bedeutender. Man fand die fötale Druckdifferenz zwischen arteriellem und venösem Blute kaum halb so gross, wie beim erwachsenen Thiere Cohnstein d~* Zimt: . b) Innerhalb der grossen Arterienstämme nimmt der Blut- druck gegen die Peripherie hin nur relativ wenig- ab, weil die nigten Herzaction. 2. Bei Vollblütigen. 3. Nach bedeutender Vermehrung der Blutmasse durch directe ßlutein- spritzung, — auch nach reichlicher 166 Einflüsse auf den Blutdruck in den Arterien. [§. 90.] Differenzen der Widerstände in den verschiedenen Strecken mü reich- grosser Röhren nur unerheblich sind. Sobald jedoch die Schlag- Verästeiung ädern unter vielfacher Theilung eine erhebliche Verjüngung dnimZf7e7 des Lumens erleiden, nimmt in ihnen der Blutdruck stark ab, Druck ab. weü &{q Treibkraft des Blutes durch die Ueberwindung hier- durch gesetzter , zahlreicher Widerstände geschwächt werden muss (pg. 121). Einfluss der c) Der arterielle Druck nimmt zu mit grösserer F ü 1- miung. lung der Schlagadern, und umgekehrt; er nimmt daher zu : ab : 1. Mit der verstärkten und beschleu- | 1. Mit geschwächter und verlangsamter Herzthätigkeit. 2. Bei Blutarmen. 3 Nach profusen Blutverlusten oder bedeutenden Ausgaben aus dem Blute (z. B. durch starke Schweisse, Nahrungsaufnahme. copiösen Durchfall). Mit der Blut-Vermehrung und -Verminderung ändert sich die Zunahme und Abnahme des Blutdruckes nicht im geraden Verhältnisse. Das Gefässsysteni besitzt vielmehr vermöge seiner Muskeln die Fähigkeit , sich dem grösseren oder geringeren Blutvolumen innerhalb ziemlicher Grenzen anzupassen (§. 107. d) (C. Ludwig &f Worin- Müller). Daher steigt bei massiger Blutver- mehrung der Blutdruck zunächst noch nicht (§.47. 1). Der Umstand, dass schnell Flüssigkeit aus dem Blute in die. Gewebe transsudirt (§.47), wirkt für das Constantbleiben des Blutdruckes mit (v. Regeczy). — Auch massige Ader- lässe (beim Hund bis zu 2,8° 0 des Körpergewichtes) haben noch keinen nennens- werten Abfall des Blutdruckes zur Folge (§. 48. 1) , nach kleinen Blutverlusten kann er sogar steigen (Worin- Müller). Grosse Entziehungen bringen jedoch ein starkes Sinken des Blutdruckes hervor (Haies, Magendie), solche von 4— 6°/0 des Körpergewichtes machen ihn — 0. Bei Messungen mittels v. Basclis Methode -fand Silva nach dem Aderlass in der Begel eine Abnahme des Blutdruckes beim Menschen. Einfluss der d) Der arterielle Druck steigt mit der Verengerung moefiuL? er ä e s I n n e n r a u m e s der Schlagadern und umgekehrt. In dieser Beziehung wirkt die Contraction oder Relaxation der glatten Muskelfasern der Arterienröhren (§. 373). Einfluss e) Der arterielle Druck innerhalb eines gewissen Ge- eSin de™cs hietes des Schlagadersystemes muss steigen oder fallen, je comterai- nac]ic]em benachbarte Gebiete sich verengern, eventuell sogar G-eJassen. m o o durch Druck (oder Unterbindung) unwegsam gemacht sind, — oder sich erweitern. Anwendung von Kälte oder Wärme auf beschränkte Körpertheile, — ferner von Druck oder Druck- verminderung (letztere durch Einbringung einer Extremität in einen abgeschlossenen luftverdünnten Raum , z. B. den Junod- schen Schröpfstiefel) , — von Reizung oder Lähmung gewisser Vasomotorenbezirke (§. 373) liefern hierfür schlagende Belege. Die respira- f) Der Druck in den Arterien erleidet durch die Athem- jsiutdnuk- bewegungen regelmässige Schwankungen, die sogenannten r e s p i- TunTJn ratorischen Druckschwankungen, und zwar der Art, dass bei jeder stärkeren Inspiration der Druck sinkt, bei jeder Exspiration steigt (§. 79). Diese Schwankungen erklären sich zunächst leicht daraus, dass mit jeder Exspiration das Blut in der Aorta den Druckzuwachs durch die comprimirte Luft im Thorax erfährt, bei jeder Inspiration dagegen die Druckabnahme [§• 90.] Einflüsse auf den Blutdruck in den Arterien. 167 durch die. auf die Aorta wirkende Verdünnung der Luft in den Lungen. Ausserdem aspirirt die inspiratorische Thorax- erweiterung das Blut der Hohlvenen zum Herzen, die Exspiration staut es an und wirkt so auch auf den Blutdruck. Die Schwan- kungen sind am ausgesprochensten in den dem Thorax nahe- liegenden Arterien. Zum Theil aber rühren die respiratorischen Blutdruck- HTerr™b,*~che Schwankungen her von einer, mit den Athembewegungen parallel i>ruck- gehenden, Erregungsschwankung des vasomotorischen Centrums, pen wodurch sich, jener Anregung entsprechend, die Arterien con- trahiren und so den arteriellen Druck steigern ( »Traube- Hering- sehe Druckschwankungen", §. 373. I.). Die Fig. 58. III zeigt eine nach C. Ludwig & Einbrodt gleichzeitig verzeichnete Athmungs- curve (dicke Linie) und Blutdruckcurve. Man erkennt zwar, dass vom Momente der beginnenden Exspiration (von ex an) mit der Steigerung des Exspirationsdruckes auch die Blutdruck- curve steigt, und dass umgekehrt vom Momente der Inspiration an (bei inj beide fallen. Allein die Blutdruckcurve steigt schon etwas eher (bei c), als die Exspiration selbst begonnen hat, näm- lich schon gegen die letzte Zeit der Inspiration (pg. 148). Das ist das Werk der Arterien contra ction, die bereits etwas vorher von dem vasomotorischen Centrum angeregt ist. Diese Wirkung wird noch dadurch unterstützt, class in dem Inspirationsstadium die Herzentleerungen wegen des vermehrten venösen Zustromes grösser sind. — Auch bei künstlicher Respiration sieht man die respiratorischen Blutdruckschwankungen ; wird diese plötzlich unterbrochen (bei curarisirten Thieren) , so steigt in Folge der dyspnoetischen Reizung der Medulla oblongata (§. 373. 1) der Blutdruck stark empor. Je nach der Stärke, mit welcher die Respiration vor sich geht, und nach der hierdurch bewirkten Druckschwankung der Luft im Thorax fallen die respi ratorischen Schwankungen sehr ungleich aus. Es ist. dies daraus ersichtlich, dass beim Menschen bei ruhiger Inspiration in der Luftröhre nur eine Drnck- verminderung von 1 Mm. Quecksilber beobachtet wird, bei stärkster (und fest- geschlossenem Respirationscanal) von 57 Mm. — Umgekehrt zeigt beim Menschen die ruhige Exspiration eine Druckvermehrung in der Luftröhre von 2 — 3 Mm., die Wirkung starker Bauchpresse beträgt jedoch 87 Mm. Quecksilber. Kronecker &> Hemriciw erklären die Schwankungen aus mechanischen Ursachen , nämlich aus den gleichzeitig durch die Athmung erfolgenden Com- pressionen des Herzens (weil nach ihnen nämlich auch rhythmische Lufteinblasungen in den Herzbeutel, die das Herz comprimiren, analoge BlutdruckschwankungeB erzeugen). Jede Behinderung der Herzdiastole erniedrigi den Blutdruck: sobald also die Inspiration die Lunge so sehr aufgebläht hat, dass das Berz bedrängt wird, so werden die Diastolen beeinträchtigt und hierdurch sinkt die Spannung im Aortensysteme. Sobald die Luft aus den Lungen entweichen kann und die- selben sich zusammenziehen, wird das Herz mehr gefüllt und der arterielle Druide steigt. g) Durch die Pulsbewegungen erleidet der mittlere DiepuUa- arterielle Druck intermittirende Schwankungen, die söge- Blutdruck- nannten „pulsatorischen Druckschwankungen". Die, vom Ventrikel systolisch eingeworfene. Blutmasse bewirkt mit der positiven Welle natürlich zugleich eine mit dieser conform verlaufende Druekerhöhuns; im Arteriens-ebiete. Diese findet in sc>i wa>i ■ kim Lortet's Dromograph ; dromographische Curve nach Chauveau. III Die Lässt man ein berusstes Täfelchen leise an der Spitze des Zeigers (entsprechend der Längsaxe desselben) vorbeilaufen, so kann man die mradumL ^eschwindigkeitscurve" (Fig. 61. III) aufzeichnen lassen. curve nach Der Apparat ist deshalb von Wichtigkeit, weil er die jeden Puls- ihauveau. g^^g begleitende, ganz charakteristische Variation der Geschwindig- keit des Blutstromes registrirt. Die „dromographische Curve" gleicht nämlich einer Pulscurve und besitzt namentlich auch, wie diese, die primäre (P) und die Rückstoss-Elevation (R). 5. Cybulski's Photohämotachometer — beruht auf dem Principe der Päofscheii Röhre. Strömt eine Flüssigkeit in einer Röhre (Fig. 62) II d e in der Richtung der Pfeile, so steht in dem Manometer p die Flüssigkeitssäule höher als in m. Wäh- rend m y nur den Seitendruck angiebt, zeigt p x diesen und dazu die Geschwin- digkeitshöhe der Flüssigkeit an (pag. 118). Aus der Differenz beider Niveau- stände lässt sich die Geschwindigkeit des Stromes in der Röhre bestimmen. Man kann auch rein empirisch Flüssigkeit mit verschieden grosser Geschwindigkeit durch die Röhre II d e hindurch strömen lassen und bestimmen, eine wie grosse Niveaudifferenz in beiden Röhren p und m den verschiedenen Geschwindigkeiten des Flüssigkeitsstromes entspricht. Die von Cybulski verwendete Pitot'sehe Röhre hat eine etwas abweichende Form : sie ist nämlich rechtwinklig gebogen (I, c p). Das Ende c wird in das [§• 94.] Stromgesclnvindigkeit in den Arterien. 175 .centrale, das Ende p in das periphere »Stück der durchschnittenen Arterie ein- gebunden. Es steigt nun bei freier Durehströmung auch hier in dem in der Richtung des Stromes liegenden Fig. 02. L Schema des Photohäniotachonieters von üybulski. II. PitoVs Röhre. Manometer a die Flüssigkeit höher, als in b. Um nun eine übermässige Länge der Manometer a und b zu vermeiden und somit das Werkzeug praktisch verwendbar zu machen , verbindet Cybulski die Manometer a und b durch eine haarnadelförmige Röhre, welche mit Luft gefüllt ist und über der Biegung durch einen Hahn (i) abgesperrt werden kann. Man lässt die Flüssigkeit bis 1 und 2 steigen. Ist nun der Hahn (i) geschlossen, so stellen die Röhren ein Luftmanometer dar, in welchem sich die Differenzen der Niveaustände 1 und 2 scharf ausprägen. Da nun die Oberfläche der Flüssigkeitssäulen 1 und 2 durch Ai Innung und Pulsschlag stets ihren Stand ändern, d. h. da die Manometer die respirato- rischen und pulsatorischen Ge- schwindigkeitsschwankungen der in der Röhre c p strömenden Flüssigkeit angeben, so ist es zweckmässig, die Schwankungen beider Niveauhöhen mittelst einer Camera (mit schnell beweglicher Hintergrundfläche, K) zu photo- graphiren. Die Figur C giebt eine Nachbildung der Curven aus der A. carotis eines Hundes. Die Schnelligkeit der Strö- 11— 1 = 238 Mm., in der Phase — 3 = 177 Mm. Die Geschwindig- mung betrug in dem Momente 2X — 2 = 225 Mm., endlich bei 3X keit ist am Ende der In- und am Anfange der Exspiration am grössten ; Asphyxie steigert sie anfänglich. Sympathicuslähmung macht sie grösser, seine Reizung geringer. Vagi-Durchschneidung vergrössert die Schnellig- keit, ihre Reizung vermindert sie natürlich. 95. Die Stromgeschwindigkeit in den Arterien. Capillaren und Venen. 1. Für die Beurtheilung der Ergebnisse der Untersuchungen Einfiüaat <*u/ über die Stromgescliwindigkeit des Blutes ist daran fesl zuhalten. ,;,,^,^X,. dass von dem Stamme der Aorta an das arterielle Gebiet durch k,'i' }." Jc" . ■• trefasien. die Theilung der Aeste sich stetig vergrössert. so dass in der Capillarauflösung sich der Querschnitt des Strombettes bis zum TUOfachen und darüber erweitert hat (C. Vierordt). Von hier aus wird durch Sammlung der venösen Stämme der Quer- 176 Die Stromgeschwindigkeit in den Arteiien, Capillaren und Venen. [§. 95.] schnitt wieder enger, bleibt aber dennoch weiter als der arterielle Anfang. Ausnahmen machen die Aa. iliacae communes , welche zusammen enger sind als der Stamm der Aorta. Ferner sind die Querschnitte der vier Venae pulmonales zusammen enger als der der Arteria pulmonalis. Emßuss des 2. Durch einen jeden Querschnitt des Kreislau f- querscjmittessystem.es, des grossen wie des kleinen, muss sich eine gleich- der£lutbahn' grosse Blutnienge verschieben. So muss auch durch die Aorta und Pulmonalis , trotz des sehr ungleichen Druckes in ihnen, die gleiche Blutmasse fliessen. 3. Die Geschwindigkeit der Strombewegung muss sich also an den einzelnen Querschnitten der Gefässröhren umgekehrt verhalten, wie deren Lumen. ström- 4. Es nimmt daher die Stromgeschwindigkeit von der 9keitl.nden Wurzel der Aorta und Pulmonalis bis zu den Capillaren hin capaiaren. ggj^ bedeutend ab , so dass sie in denen der Säuger nur noch 0,8 Mm. in einer Secunde (beim Frosche 0,53 Mm.) beträgt (E.H. Weber), beim Menschen 0,6 - 0,9 Mm. (C. Vierordt). Nach A. W. Volkmann fliesst das Blut in den Capillaren bei Säugern öOOmal langsamer, als in der Aorta. Es muss daher der Ge- sammtquerschnitt aller Capillaren ÖOOmal grösser sein, als der der Aorta. Donders fand in den kleinen zuführenden Arterien den Strom noch lOmal schneller, als in den Haargefässen. In den Venen stammen — wird der Strom wiederum mehr beschleunigt, er ist in den grösseren 0,5 — 0,75mal geringer, als in den zugehörigen Arterien. 5. Die Geschwindigkeit des Blutstromes hängt nicht ab von der Grösse des mittleren Blutdruckes, sie kann daher in blutarmen Gefässen, wie in blutüberfüllten, sich gleich bleiben (A. W. Volkmänn, Hering). 6. Dahingegen wird die Stromschnelligkeit in einer Strecke bedingt durch den Unterschied des Druckes, der im Querschnitte des Anfanges und des Endes dieser Bahnstrecke herrscht; sie wird daher abhängig sein — 1. von der vis a tergo (Herzaction) und — 2. von der Grösse der an der Peripherie liegenden Widerstände (Erweiterung oder Verengerung der kleineren Ge- fässe für den arteriellen Strom (C. Ludwig & Dogül). Entsprechend der geringen Druckdifferenz im arteriellen und venösen Gebiete beim Fötus (§. 90) ist die Stromgeschwindigkeit hier gering (Cohnstein & ZuntzJ , PuisatoHsche 7. In den Arterien bedingt jeder Pulsschlag eine, Acceieration. ^ Form der Pulscurve entsprechende, Acceleration der Strombewegung, [wie auch des Blutdruckes (pg. 167 u. 174)]. In grossen Gefässstämmen fand C. Vierordt den pulsatorischen Geschwindigkeitszuwachs = 1ji — 1/2 der Geschwindigkeit in der pulslosen Zeit. Diese pulsatorischen Stromgeschwindigkeits- Variationen hat Chanveau durch seinen Dromographen ver- zeichnen lassen: Fig. 61 III zeigt die S chnelligkeitscur ve aus der Carotis des Pferdes , die mit der Pulscurve in der Anzeige der primären Elevation (P), sowie der Rückstoss- [§. 95.] Venenstrom. — Berechnung des Kammerraumes. 177 elevation (R) übereinstimmt. [Auch die plethysmogra- phische Untersuchung einer Extremität (§. 106) giebt diese kitrompulse oder Volumpulse an (v. Kries).] — In den kleinen Arterien beobachtet man noch eine pulsatorische Acceleration. die in der ersten Phase schneller verläuft als in den letzteren. Dabei werden die Stämmchen selbst nicht sichtlich gedehnt. Gegen die Capillaren hin erlischt diese Erscheinung, wie die Pulsbewegung überhaupt. 8. In den Arterien muss jede Inspiration die Strom- Eirjjl™*der bewegung etwas r e t a r d i r e n , j ede Exspiration etwas bewegungen. antreiben; doch handelt es sich hier nur um sehr kleine Werthe. Vergleicht man das, was oben über den Einfluss des Athmungs- druckes auf die Ausdehnung und Zusammenziehung des Herzens und somit auch auf die Fortbewegung des Blutes gesagt ist (§. 66), so ist ersichtlich, dass auch die Respiration einen befördernden Einfluss auf den Blutstrom haben muss. Auch die künstliche Athmung thut dies : wenn man bei einem curarisirten Thiere die künstliche Athmung suspendirt, so erfolgt eine Verlangsamung des Blutstromes (Kowalewsky & Dogiel). Dauert jedoch die Suspension länger, so wird der Strom wieder beschleunigt durch die nunmehr erfolgende dyspnoetische Reizung des vasomotorischen Centrums (Heiden- hain). [Vgl. §.373. L] 9. In den Venen — kommen vielfältige Störungen der Störungen der gleichmässigen Strombewegung vor : — 1. regelmässige geaehmndig- Schwankungen durch Athmung und Herzbewegung an lce%^^n den Ausmündungen der grossen Stämme in 's Herz (Valsalva) [§§.55 u. 66]. — 2. Unregelmässige Einwirkungen durch. Druck, Reibung in der Richtung oder gegen die Richtung des Stromes , Lageveränderungen des Körpers oder der Gliedmaassen , pumpenartige Wirkung an der V. iliaca durch Gehbewegung etc. Bei der Streckung und Aussenrollung des Oberschenkels erschlafft und collabirt die Schenkelvene in der Fossa iliaca unter negativem Innendruck, beim Beugen und Erheben füllt sie sich strotzend unter steigendem Drucke. Durch diese pumpenartige Wirkung wird das Blut (mit Hülfe der Klappen) aufwärts geleitet. Etwas Aehnliches findet beim Gehen statt (Braune). 96. Berechnung des Kammerraumes aus der Stromgeschwindigkeit nach 0. Vierordt. Es mag hier die von Vierordt versuchte Berechnung der Ventrikel- capacität eingeschaltet werden, welche sich gründet auf die Schnelligkeit des Blutstromes in dem Truncus cleido-caroticus (A. anonynia), in der Aorta dicht hinter dem Abgang dieses Stammes , sowie in den beiden Coronararterien des Herzens. a) Die Stromgeschwindigkeit in der Carotis dextra beträgt in einer Seonnde 26,1 Cmtr. ; der Querschnitt derselben = 0,63 Q Cmtr. Also ist die Durchflnss- meuge 26,1 X 0,63= 16,4 Ccmtr. (1). Landois, Physiologie. 7. Aufl. 12 178 Die Kreislaufszeit. [§-97.] b) Die Stromgesckwindigkeit in der Subclavia dextra beträgt iu einer Secunde 26, 1 Crntr. ; der Querschnitt derselben = 0,99 G Cmtr. Also ist die Durchflussnienge 26,1 X 0,99 = 25,8 Ccmtr. (2). Aus 1 + 2 ergiebt sich die Durchflussmenge des Truncus cleido-caroticus = 16,4 + 25,8 = 42,2 Ccmtr. (Der Querschnitt dieses Stammes beträgt 1,44 □ Cmtr.) c) Der Querschnitt der Aorta dicht hinter dem Abgang der A. anonyma = 4,39 □ Cmtr. ; die Stromgeschwindigkeit in derselben wird ungefähr um 1/4 grösser als in der Anonyma taxirt, nämlich = 36,6 Cmtr. ; die Durchflussmenge ist demnach 161 Ccmtr. (3). d) Als Durchflussmenge der beiden Kranzschlagadern mag 4 Ccmtr. (4) angenommen werden. Die gesammte Durchflussmenge des Blutes durch den Querschnitt dieser Gefässe beträgt somit (1 + 2 + 3 + 4) = 207,2 Ccmtr Da diese Blutmenge der linke Ventiikel in einer Secunde liefern niuss , da ferner P/s Systole auf eine Secunde entfallen, so muss die mit jeder Systole in die Aorta geworfene Blutmenge 172 Ccmtr. = 180 Gr. Blut sein : — das ist die Capacität des linken Ventrikels. [Vgl. §. 88.] 97. Die Kreislaufszeit. Bestimmung Die Frage : Wie viel Zeit gebraucht das Blut , um einmal die Kreislaufs- ganze Bahn des Kreislaufes zu durchströmen? ist zuerst von Eduard zeit durch jjer{nar (1829) hei Pferden in der Weise geprüft worden, dass er in Injecnonen. o v / o i eine bestimmte Vene gelöstes Kaliumeisencyanür einspritzte und sah, wann diese (durch Eisenchlorid-Zusatz nachweisbare) Substanz in dem Aderlassblute derselben Vene der anderen Körperseite zuerst auftrat. C. Vier or dt vervollkommnete (1858) die Technik dieser Ver- suche, indem er unter der angeschlagenen Vene der anderen Körper- seite in ganz gleichmässigen Zeitabständen Näpfchen auf rotirender Scheibe vorbeischieben Hess. Das erste Auftreten der 2% -Lösung von Kaliumeisencyanür wird erkannt durch Zusatz von Eisenchlorid zu dem, aus der Blutprobe sich ausscheidenden Serum durch das Entstehen von Berlinerblau. Es fand sich nun die Dauer der Kreislaufszeit beim Pferde . . .31,5 See. I Igel . . . 7,61 See. I Ente . . . 10,64 See. Hunde . . . 16,7 „ j Katze . . . 6,69 „ ' Bussard . . 6,73 „ Kaninchen. . 7,79 „ | Gans . . . 10,86 „ j Huhn . . . 5,17 „ Ergebnisse. Vergleicht man diese Kreislaufszeiten mit der normalen Pulsfrequenz der Thiere, so ergiebt sich das Gesetz: 1. Dass die durchschnittliche Kreislaufszeit durch 21 Herzsystole n vollführt wird. Dies würde, auf den Menschen bezogen , 23,2 Secunden für die Kreislaufs- dauer ergeben, bei 72 Pulsen in 1 Minute. 2. Im Allgemeinen verhalten sich ferner die mittleren Kreislaufszeiten zweier warmblütiger Thierarten umgekehrt wie deren Pulsfrequenzen. Einflüsse au/ Unter den Einflüssen, — welche sich auf die Kreislauf s- laufsZu. Zeiten von Einwirkung erweisen, sind zu erwähnen: 1. Längere Gefässbahnen — (z. B. von der Vena inetatarsea des einen Fusses zu der des anderen) erfordern eine grössere Zeit, als kürzere Bahnen (z. B. zwischen den Jugulares) ; dieses Plus an Zeit kann gegen 100/0 der Um- laufszeit betragen. 2. Junge Thiere — (mit kürzeren Bahnstrecken und grösserer Puls- frequenz) haben eine kürzere Umlaufszeit als alte. 3. Schnelle und ergiebige Herzsystolen — (wie bei Muskel- anstrengungen) verkürzen die Zeit. Dahingegen haben schnelle und zugleich unergiebige Systolen (wie nach bilateraler Vagus-Durchschneidung), oder langsame, aber desto grössere Systolen (wie bei schwach gereiztem Vagus) keinen Einfluss. [§. 98.] Die Arbeit des Herzens. 179 C. Vierordt hat weiterhin in folgender Weise uns seinen Ver- Bestimmung suchen die Blut menge des Menschen zu bestimmen gesucht. Bei am der allen Warmblütern vollführen 27 Systolen einen Umlauf. Daher muss Uin'au^zeit- die gesammte Blutmasse 27mal so gross sein als die Yentrikelcapacität : also beim Menschen 27mal 187,5 Gr. = 5062.5 Gr. Diesem Blut- quantum würde (zu 1/13 des Körpergewichtes angenommen) ein Körper- gewicht von 65,8 Kilo entsprechen. [Vgl. §. 46.] Ich machte (1879) darauf aufmerksam, dass das Kaliumeisencyanür als Hedenken neutrales Kalisalz (pg 111) ein Herzgift sei, in schwachen Dosen beschleunigend, jS0^ in starken lähmend auf das Herz wirkend. Diese Experimente (an denen zahl- reiche Thiere zu Grunde gehen) bringen also an sich bereits Störungen der Cir- culation hervor. Es seien daher die Versuche mit einem wirklich indifferenten, leicht nachweisbaren Körper (vielleicht mikroskopischer Nachweis von Milch oder anderen Partikeln) zu wiederholen. L. Hermann hat daher (1884) das unschäd- liche Natr i u m eiseneyanür gewählt. Wolff fand so für das Kaninchen 5,5 See. ; daher wohl auch für andere Thiere die Zeiten kürzer sind, als nach Vierordt 's An- gaben. Bei Fröschen, denen ich Säugethierblutkörperchen in die seitliche Bauch- vene einspritzte und dieselben an der anderen Seite mikroskopisch aufsuchte, fand ich so 7 — 11 Secunden. — [v. Kries hat neuerdings gegen die allgemeine Gültig- keit der Methode selbst vom physikalischen Gesichtspunkte aus Bedenken erhoben. | Pathologisches : — Im Fieber scheint die Kreislaufsdauer vergrössert zu sein (E. Wolff). 98. Die Arbeit des Herzens. Johann Alfons Borelli (1679) und Julius Robert Mayer Berechnung haben nach physikalischen Principien die Arbeit des Herzens berechnet, der Eerz- Man drückt die geleistete Arbeit eines Motors aus durch Kilogramm- kammern- meter, d.h. durch die Anzahl Kilo, welche derselbe in einer Zeit- einheit einen Meter hoch heben kann (vgl. pg. 6). Der linke Ventrikel befördert mit jeder Systole 0,188 Kilo z.Lin^_ Blut ( Volkmann) und überwändet, um es in die Aorta zu heben, den hier herrschenden Druck, entsprechend einer Blutsäule von 3,21 Meter (Donders). Es ist also seine Arbeit bei jeder Systole 0,188 x 3,21 — 0,604 Kilogrammmeter. Bechnet man nun auf eine Minute 75 Systolen, so ist die Arbeit des linken Ventrikels innerhalb 24 Stunden = 0,604 x 75 x 60 X 24 = 65230 Kilogrammmeter. — Die Arbeit Beate des rechten Ventrikels beläuft sich etwa nur auf x/3 des linken, also auf etwa 21740 Kilogrammmeter. Beide Ventrikel leisten also zusammen 86970 Kilogrammmeter. [Ein Arbeiter schafft bei 8 Arbeits- stunden 300000 Kilogrammmeter (§. 302), also noch nicht das Vier- fache des Herzens.] Da nun die ganze lebendige Arbeit des Herzens durch die Widerstände innerhalb des Kreislaufs verbraucht wird, oder Dia Arien richtiger gesagt, in Wärme umgesetzt wird, so muss aus der geleisteten wird in Arbeit des Herzens dem Körper Wärme erwachsen: (425,5 Gramm- meter entsprechen einer Wärmeeinheit, d.h. dieselbe Kraft, welche 425,5 Gramm 1 Meter hoch heben kann , vermag 1 Ccmtr. Wasser um 1° C. zu erwärmen; pg. 8). So kommen dem Körper aus der, in Wärme umgesetzten , lebendigen Arbeit des Herzens gegen 204000 Wärmeeinheiten zu (§. 207. 2. a). Da 1 Gramm Kohle durch Verbrennung 8080 Wärmeeinheiten liefert, so leistet das arbeitende Herz für den Körper dasselbe, als würden über 25 Gr. Kohle zu seiner Wärmeerzeugung in ihm ver- brannt [vgl. pg. 10]. 12* Kammer. Wärme umgesetzt. 180 Blutströmung in den kleinsten Gefässen. [§•99.] Mikro- skopische Beobachtung des Capillar- stromes. Passende Objecte. Anordnung der Capillaren. Uebergang kleiner Arterien in Capillaren. Der Poi- ae uille'sche Kaum. 99. Die Blntströnmng in den kleinsten Gefässen. Für die Untersuchung der Strombewegung des Blutes innerhalb der kleinsten Gefässe liefert die mikroskopische Beobachtung durchsichtiger Theile lebender Thiere das wichtigste Object, welche seit den Zeiten Malpighis, der zuerst (1661) den Kreislauf in den Lungeng ef äs sen des Frosches betrachtete, fort und fort die Forscher gefesselt hat. Methode: — Als Objecte bieten sich dar für durchfallendes Licht: — der Schwanz von Froschlarven und jungen Fischen, die Schwimmhaut, die Zunge, sowie das, über einen auf den Objectträger geklebten Wachsstreifen mit Nadeln ausgespannte, Mesenterium, oder die Lunge curarisirter F r ö s c h e ; — bei Säugern: die Plughaut der Fledermäuse, die hervorgezogene, mit Fäden über ein senkrechtes Glasplättchen ausgebreitete Palpebra tertia (Baiser), viel weniger günstig das Mesenterium (Cowper 1704). Bei auffallendem Lichte — lassen sich mit schwachen Vergrösserungen betrachten : die Gefässe der Froschleber ( Gruithuisen 1812) , der Pia mater des Kaninchens (Donders), der Froschhaut und der menschlichen inneren Lippenhaut fC. Hüter), sowie auch der Conjunctiva palpebrarum et bulbi. Was zunächst die Gestalt und Anordnung der Capillaren — innerhalb der verschiedenen Gewebe anbelangt, so ist beachtenswerth : 1. Der Durchmesser , — welcher bei den kleinsten den Blutkörperchen nur je einzeln hinter einander den Durchgang gestattet, der jedoch von 5[J. — 2|J- wechseln kann und in den dickeren natürlich mehreren Körperchen neben ein- ander den Lauf ermöglicht. 2. Die Länge, — die im Mittel gegen 0,5 Mm. beträgt, jenseits welcher Strecke sie aus arteriellen kleinen Gefässen durch Theilung hervorgehen und in Venen sich sammeln. 3. Die Menge — der Capillaren ist sehr wechselnd, am reichlichsten in den Geweben, welche den lebhaftesten Stoffwechsel darbieten, wie die Lungen, die Leber, die Muskeln, — spärlich in anderen, wie in der Sclera, an den Nerven- stämmen. 4. Besonders hervortretend ist die Bildung der zahlreichen Anasto- mosen, — wodurch dieselben N e t z e formiren, die in ihrer Gestalt vornehmlich von der Form und dem Gefüge der Grundgewebe bestimmt werden. So finden sich die Capillaren einfach schlingenförmig in den Papillen der Haut, — als polygonale genetzte Maschen in den serösen Membranen und an der Oberfläche vieler Drüsenbläschen, — als langgestreckte, dicht neben einander verlaufende Röhrchen zwischen den Muskel- und Nerven-Fasern , wie zwischen den geraden Harncanälchen, in radiärem, zu einem Mittelpunkte hinstrebenden Verlaufe in der Leber, — in Form arkadenartiger Umbiegungen in dem freien Rande der Iris und in der Hornhautgrenze der Sclera. Rücksichtlich des Ueberganges der kleinsten Arterien in die Capillaren — ist zu unterscheiden, ob die Schlagaderästchen sich als „End- arterien" verhalten, d. h. ob dieselben keine Anastomosen mehr mit gleich- artigen arteriellen Aestchen eingehen, sondern sich direct in Capillaren auflösen und nur durch Haargefässe mit benachbarten Arterienästchen in Verbindung stehen, — oder ob vor der Capillarauflösung benachbarte Arterien durch stärkere, noch arterielle Anastomosen verbunden sind. Es ist dies Verhalten wichtig für die Ernährung des von den Gefässen versorgten Gebietes (Cohnheim). Bei der Betrachtung des Stromes selbst erkennt man nun zuerst, dass sich die rothenBlutkörperchen nur in der Mitte des G-efässes fortbewegen (Axenstrom), während die wandständige, durchsichtige Plasmaschicht von ihnen frei bleibt. Letztere, der „Poiseutf/S sehe Raum" genannt, ist namentlich an den kleinsten Arterien und Venen zu erkennen, wo der Axenstrom 3/6> die helle Plasmaschicht jederseits 1/5 der ganzen Breite ausmacht, weniger deutlich an den Capillaren. Nach [§. 99.] Blutströmung in den kleinsten Gefässen. 181 Rud. Wagner soll an den kleinsten Gefässen der Lungen und Kiemen der Potseuü/e'sche Raum ganz fehlen. — Die rothen Blutkörperchen verlaufen in den feinsten Capillaren nur Lau/ der einzeln hinter einander, in gröberen Gefässen dicht neben ein- r körperchen. ander, dabei vielfältig sich wendend und drehend. Im Ganzen ist hier die Bewegung gleichmässig strömend , nicht selten jedoch, wie an scharfen Biegungen der Gefässe , theils etwas retardirt, theils wieder accelerirt. Dort, wo der Strom sich theilt, bleibt mitunter ein Blutkörperchen auf der vorsprin- genden Theilungskante hängen, biegt sich mit seinen Rändern beiderseits in das Gabelrohr hinein und zieht sich sogar etwas in der Mitte verdünnt aus. So kann es oft lange Zeit haften, bis die zufällig einseitig stärker werdende Strömung es befreit, worauf es vermöge der ihm eigenen Elasticität schnell seine frühere Form wieder annimmt. Dort , wo zwei Gefässe in einander treten, wird die Elasticität der rothen Blutkörperchen oft nochmals erprobt: es entsteht hier nicht selten ein Ge- dränge, wobei sie nach der einen oder anderen Richtung hin zusammengeschoben werden. Mitunter, meist abwechselnd, staut sich durch eine derartige Anhäufung der Körperchen vorüber- gehend der Strom in dem einen Gefässzweige ; dann ergiessen wiederum für längere Zeit beide Röhren ihren Inhalt in das Sammelrohr, wobei die Körperchen vielfach durcheinander ge- würfelt werden. Durchaus abweichend ist die Bewegung der weissen Lau/ der Blutkörperchen: — sie rollen direct auf der Bahn der^re/,™.'" Gefässwand, an ihrer peripheren Zone vom Plasma des Poiseuille1 sehen Raumes bespült , mit ihrer jemaligen inneren Kugelfläche in den Zng der rothen Körperchen hineinragend. Die Erklärung, weshalb allein die weissen Zellen dicht der Wandung entlang verlaufen, ist von Schklarewski (1868) durch den experimentellen physikalischen Nachweis geliefert worden, dass überhaupt in Capillaren (z.B. von Glas) die speci fisch leichtesten Körperchen aus künstlichen, körnchenreichen Gemischen durch den „Auftrieb" an die "Wand gedrängt werden , während die speeifisch schwereren sich in der Mitte des Stromes halten. So einmal gegen die "Wand gedrängt, müssen sie rollen, theils weil ihre klebrige Oberfläche leicht der Gefäss- membran anhaftet, theils weil die nach der Gefässaxe gerichtete Oberfläche hier , wo die intensivste Bewegung herrscht . den wirksamsten Impuls, oft durch direct dagegen getriebene rothe Körperchen erfährt (D anders). Die rollende Bewegung ist jedoch nicht so sehr gleichmässig, als vielmehr nicht selten ruckweise, wohl wesentlich von einem ungleichmässigen Kleben an der Gefässwand herrührend. Ihrer Klebrigkeit /um Theil verdanken sie überdies ihre (10— 12mal) langsamere Bewegung (als der rothen Körperchen), zum Theil aber auch dem Umstände, dass sie als wandläufig mit einem grossen Flächenraum ihrer Körper in den peripheren Flüssigkeitsschichten 182 Auswanderung der Blutkörperchen aus den Gefässen. [§• 100.] des cylindri sehen Stromes sich befinden, wo die Strombewegung am langsamsten ist. (Vgl. pg. 120.) Merkwürdig ist die Beobachtung , dass in den zuerst gebildeten Gefässen des bebrüteten Eies , sowie ganz junger Froschlarven, die Blutbewegung vom Herzen aus nur stossweise erfolgt fSpallanzain, 1768). Auf die Schnelligkeit des Stromes wirkt auch, der jeweilige Durchmesser der G-efässe, welcher periodische Schwankungen zeigt, und zwar nicht allein an den mit Muskeln versehenen Röhren, sondern auch an den Capillaren, an letzteren durch eigene Contractionen ihrer protoplasmatischen Wandzellen (§. 71). Der Wassergehalt des Blutes ist insofern wichtig , als eine Vermehrung desselben die Circulation erleichtert und beschleunigt (C. A. Ewald). [Vgl. §. 68.] In den Lungencapillaren — strömt das Blut schneller, als in denen des grossen Kreislaufes (Haies 1727), woraus zu schliessen, dass der Gesammtquerschnitt der Lungencapillaren kleiner sein muss, als der aller Körpercapillaren (vom grossen Kreisläufe). ■)? 100. Die Auswanderung der Blutkörperchen aus den Gefässen; — Stasis; — Diapedesis. Betrachtet man den Kreislauf in den Mesenterialgef ässen , so gelingt es nicht selten, namentlich wenn durch Anwendung von schwachen Reizmitteln auf diese gefässhaltige Haut (wozu schon - der Contact der Luft gehört) eine Fig. 63. Entzündung sich zu entwickeln beginnt, weisse Blutkörperchen durch die Gefässmenibran in mehr oder weniger grosser Zahl auswandern zu Langsamere sehen. Man erblickt sie dann, die Bewegung der vorher in dem plasmatischen Raum LeuUcyten. auf der Gefässwand ruckweiSe fort- rollten , langsamer sich bewegend, wobei sich ihrer stets mehrere an- sammeln , dann sich 1 estsetzen : — bald bohren sie sich in die Wand hinein und gelangen dann schliess- lich völ.ig durch dieselbe hindurch, um noch eine Strecke weit in dem perivasculären Gewebe fortzu- wandern. Es ist zweifelhaft, ob sich die Rörnerehen dnreh die etwa vor- Kleines Mesenterialgefäss vom Frosche im aie Aoipeictien au ren die etwa vor- Zustaude der Auswanderung der Leukocyten : handenen mterendothehalen Stomata w w die Gefässwand, — a« der Po«eMiHe'sche hindurchzwängen, wonach sie zuerst Raum, — rr die rothen Blutkörperchen, — in das lymphatische Saftcanalsystem ll +die de^' Wa*d entlang laufenden Leuko- . j , . ". ™" "y^"1 cyten, bei u in verschiedenen Stadien der gelangen, oder ob sie einfach zwischen Auswanderung begriffen , // ausgewanderte den Endothelien durch die Kittsub- Zellen, stanz hindurchpassiren (§. 71. II). Man kann beim Auswanderungsprocess, Diapedesis genannt, gewisse auf- Acte der Aus- einanderfolgende Acte unterscheiden: — a) das Anhaften der Leucocyten an der Wanderung, inneren Fläche des Gefässes (nach vorhergegangener, sehr langsamer Fort- bewegung der Wandung entlang bis zu dieser Stelle); — b) das Aussenden von Fortsätzen in und durch die Gefasswandung; — c) das Nachziehen des Zell- körpers, wobei derselbe im Momente des Durchtrittes wie eingeschnürt erscheint, in Folge des Hindunhzwängens ; — d) das völlige Hindurchtreten durch die Gefässwand und die eventuelle Weiterbewegung durch die Amöboidbewegung. Hering beobachtete, dass aus grösseren Gefässen, welche von Lymphr äum en [§• 100-] Blutbewegung in den Venen. 183 • umgeben sind, die Zellen in letztere eintreten, woraus sich erklärt, dass Zellen selbst in solcher Lymphe auftreten können , welche noch keine Drüsen passirt hat. — Die Ursache der Wanderung aus den Gefässen liegt theils in der selbst- ihre ständigen Ortsbewegung, theils ist sie ein physikalischer Act, nämlich Filtration Ursachen. der colloiden Masse der Zellkörper durch die Kraft des Blutdruckes (Hering), in letzterer Beziehung daher wesentlich vom intravasculären Drucke und der Schnelligkeit des Blutstromes abhängig. Hering hält das Ueberwandern weisser, ja sogar einiger rotherBlutkörperchen ausdenkleinen Blutgefässen in die Lymphgef ä sse für einen normalen Vorgang, den er oft am Mesenterium des Frosches beobachten konnte. Die rothen Blut- körperchen treten ans bei Behinderung des venösen Abflusses. Diese verursacht zunächst Durchtritt von Blutplasma durch die Gefässwandung, mit welchem die rothen Blutkörperchen mit hindurchgezwängt werden, wobei sie im Momente des Durchttetens durch Zerrung ausserordentlich ihre Gestalt verändern, welche sie, nachdem sie b indurchgetreten sind, wieder annehmen (Cohnheim . Die Auswanderung der Blutkörperchen ist bereits von Dutrochet 1824 und Wesen der von Waller 1846 beschrieben worden. Am genauesten hat sodann Cohnheim die Entzündung. Erscheinung verfolgt : nach ihm ist die Auswanderung ein Zeichen der Entzündung, und die in grösserer Zahl sich in dem Gewebe an- häuf enden Leukocyt en sind nunmehr al s wahr e Eiterkörper chen zu betrachen, welche sich weiterhin durch Theilung vermehren können. "Wenn auf einem blutgefässhaltigen Theil ein stärkerer Reiz einwirkt , so beobachtet man alsbald eine hyperämische Röthung und Schwellung des- ssthung und selben. Mikroskopische Beobachtungen an durchsichtigen Theilen haben gezeigt, ^^ellung. dass sowohl die Capillaren, als auch die kleineren Gefässe ausgeweitet tvnd mit Blutkörperchen stark überfüllt sind; mitunter sah man der Er- weiterung eine kurzdauernde Verengerung voraufgehen. Zugleich erkennt man in den Gefässen eine Aendernng der Schnelligkeit des Blutstromes : selten und nur von kurzer Zeit währt eine Beschleunigung, meist zeigt sich der Strom verlangsamt. Bei fortdauerndem Reiz wird die Verlaugsamung bald so erheblich, dass nur noch stossweise der Strom fortrückt, dann beobachtet man ein Hin- und Her- Sc h wanken der Blutsäule („Mouvement de va et vien t") , ein Zeichen , dass an weiter belegenen Gefässtheilen bereits Stockung eingetreten ist. Endlich kommt der Strom in den vollgepfropften Gefässen völlig zum Stehen (Stasis). Donders weist auf die zahlreicheren weissen Blutkörperchen in dem stagnirenden Blute hin und glaubt mit Recht, dass ein grösseres Hinderniss für die Fortbewegung dieser, den rothen gegenüber, diese Anhäufung beding''. Während sich diese Processe A^ollziehen , findet nun das Auswandern der weissen Körperchen statt, seltener auch der rothen. Unter günstigen Verhältnissen kann sich die Stasis wieder lösen, meist unter der umgekehrten Reihe der Erscheinungen , unter denen sie sich entwickelt hat. Das Austreten der Blutkörperchen durch die intacte Wand der Gefässe wird Diapedesis genannt. Die Schwellung entzündeter Theile rührt ausser von Diopedesis. der Erweiterung der Gefässe, vorwiegend vom Austritt von Plasma in die Gewebe her. 101. Die Blntfoewegung in den Venen. Die kleinsten , aus dem Gebiete der Capillaren sich sammelnden. Venen zeigen einen schnelleren Blutstrom als jene, mfo&keitm iedoch einen langsameren, als die kleinsten Arterien. Dabei ist *■ Venen- der Strom durchaus gleiehmässig ; und nach hydrodynamischen Gesetzen müsste der Venenstrom bis zum Herzen hin, wenn nicht andere Störungen einwirkten, als ein durchaus regel- mässiger sich forterstrecken. Solche Störungen wirken nun aller- dings vielfältig ein. Als besondere Eigenthümlichkeiten der Venen, aus denen sich die Abweichungen der gleichmässigen Strömung herleiten lassen, sind namhaft zu machen: 184 Blutbewegung in den Venen. [§. 101.] erklären sich ±w J)[Q relative S chl a f f h e i t , grosse Dehnbarkeit und Ei^Lch^ften leichte Zusammendrückbarkeit der Wandungen , sogar rene^ä^e. der dicksten Stämme ; — 2. die unvollständige Füllung, die nicht bis zu einer irgendwie erheblichen elastischen Spannung der Wandungen sich steigert; — 3. die vielfältigen und zu- gleich geräumigen Anastomosen unter benachbarten Stämmen, sowohl in gleicher Gewebslage . als auch von der Oberfläche zur Tiefe eindringend. Hierdurch ist es möglich, dass bei partialer Compression des Venengebietes das Blut noch zahl- reiche, leicht dehnbare Wege zum Ausweichen offen findet, wo- durch also einer wirklichen Stauung des Blutes vorgebeugt wird; — 4. das Vorhandensein zahlreicher Klappen, welche dem JBlutstrome nur die centripetale Richtung gestatten (Fabricius ab Aquapendente) . Diese fehlen in den kleinsten Venen, sie sind am zahlreichsten in den mittelgrossen. Hydrostatisch sind die Klappen dadurch von hoher Bedeutung , dass sie lange Blut- säulen (etwa bei aufrechter Stellung in der Cruralvene) in Ab- schnitte zerlegen, so dass die ganze Säule nicht den hydrostatischen Druck bis nach unten hin wirken lassen kann. Distanz- Die Venenklappen , stets mit zwei Taschen ausgestattet , stehen in einem Gesetz der ganz bestimmten Abstände. Dieser beträgt nämlich das 1-, 2-, 3-, n-fache einer Kl''•' erzeugt. Analog verhält es sich an Knickungen, scharfen Biegungen und Schlängelungen der Schlagadern. Es handelt sich also ganz all- gemein um Druckgeräusche , innerhalb der Flüssigkeit hervorgerufen (Corrigan, Heynsius). Die Annahme, dass diese Geräusche von Schwingungen der Gefässwände herrührten (Boutllaud), ist als ver- lassen zu betrachten. Als ein Geräusch dieser Art ist auch das. an der Arieria subclavia beim Das Sub- Pulse mitunter hörbare „Subclavicularge rausch" zu bezeichnen A' welches durch Verwachsungen der beiden Pleurablätter an den Lungenspitzen : entsteht (namentlich bei Lungenkranken, Tuberculosen), wodurch die A. subclavia durch Zerrung und Knickung eine locale Verengerung erfährt Friedreich . die sich auch an der Verkleinerung oder am Fehlen der Pulswelle in der Radialis 186 Töne und Geräusche in den Arterien. [§. 102-j mitunter nachweisen lässt (pg. 149) (Weil). Es ist also den Stenosengeräuschen zuzuzählen. Es ist einleuchtend, dass im menschlichen Körper ebenso Geräusche ent- stehen: — ■ a) wenn durch krankhafte Verhältnisse das Arterienrohr an einer Stelle eine Erweiterung besitzt, in welche hinein der Blutstrom von dem normalen engen Rohre aus sich mit Macht ergiesst. Erweiterungen der Art be- Geräusche in zeichnet man als Aneurysmen, innerhalb derer Geräusche ganz allgemein neurysmen, beobachtet werden. — b) Ferner werden Druckgeräusche in den Schlagadern überall da entstehen können, wo seitens eines Organes auf eine Schlagader ein bei Druck Druck ausgeübt wird, z. B. durch den stärk vergrösserten Uterus in der von Aussen. Schwangerschaft, oder durch einen krankhaft erzeugten Tumor, welcher irgendwo eine grosse Arterie presst. Spontane In allen solchen Fällen, in denen kein von aussen einwirkender Druck oder eine ungleichartige (aneurysmatische) Erweiterung an den Schlagadern sich vorfindet, zeigt sich, dass die Erzeugung spontan auftretender Schallerscheinungen ganz besonders dadurch begünstigt wird , wenn im Momente der Arterienruhe (Systole) die Arterienmembranen möglichst wenig gespannt sind undwenn sie nun während der Pul sbewegung (Diastole) eine möglichst schnelle und möglichst hohe Spannung erreichen (Traube, Weil), d. h. wenn das systolische Spannungs- minimum der Arterienwand rasch in das diastolische Spannungsmaxi- mum übergeht. Dies ist ganz besonders bei Insufficienz der Aorten- klappen der Fall, bei welcher die Arterien oft ausgebreitet ertönen. — Ist von vornherein auch in der Ruhe das Spannungsininimum der Arterienmembran relativ gross , so treten die Schallerscheinungen in den Schlagadern bis zum Verschwinden zurück. Begünsti- Begünstigend für die Entstehung der Arteriengeräusche wirken flüs^aufdie — 1- hinreichende Zartheit und Elasticität der Röhrenwandungen Geräusche. (Xh. Weber), — 2. geringer peripherischer Widerstand, also leichter Abfluss der Flüssigkeit am Ende der Strombahn ( Kiwis ch), — S. eine beschleunigte Strombewegung in der Röhrenbahn überhaupt, — ■ und 4. eine erhebliche Differenz des Druckes , unter welchem die Flüssig- keit innerhalb des verengten Abschnittes und der peripheren Er- weiterung steht (Marey), — 5. stärkeres Caliber der Arterie. Auch an den pulsirenden normalen Arterien können Geräusche gehört werden, zumal wenn scharfe Biegungen, Krümmungen oder viele Schlängelungen an ihnen vorhanden sind. — Fast in allen Fällen, in denen spontane Arterien- geräusche gehört werden , lässt sich das Vorhandensein eines oder mehrerer der genannten Facloren nachweisen (WeilJ. Es ist einleuchtend, dass die Geräusche dieser Art am stärksten hervortreten werden, wo zwei oder mehrere grössere Geräusche Arterien zusammenliegen. Daher entsteht das ziemlich laute Geräusch in den in zusammen- zahlreichen , stark gewundenen , erweiterten Arterienstämmen des schwangeren Arterien. Uterus („ U t e r i n g er äu s ch" oder „Placentargeräusch") , viel weniger deutlich in den beiden Arteriae umbilicales des Nabelstranges („Nabelstrang- geräusch"). Hierher gehört auch das, an den dünnwandigen Köpfen fast der Hälfte der Säuglinge hörbare, „Gehirngeräusch" (Fischer 1833) , sowie das Geräusch in der krankhaft (Wechselfleber) vergrösserten Milz (MaissuriamJ . Die Die unter derartigen begünstigenden Verhältnissen unternommene des normalen Auscultation an der Arteria cubitalis (die man am besten bei mageren Pulses. Individuen mit weiten Arterien vornimmt) zeigt nun, dass einem jeden Pulsschlage zwei Schallerscheinungen entsprechen, die mit der primären und der Rückstoss-Elevation zusammenfallen. Namentlich bei alten Leuten oder bei Individuen mit doppelschlägigem Pulse sind diese [§. 102.] Töne und Geräusche in den Arterien und Venen. 187 beiden Lautäusserüngen ziemlich deutlich. FriedreicJi hält den ersten Ton für einen Membranton , d. h. durch die plötzlich eintretende Spannung der diastolisch gedehnten Arterien entstanden : das zweite Geräusch ist, der geringen Erweiterung der Arterie durch die Rüek- stosselevation entsprechend, natürlich schwächer als das erste. Mit- unter hört man sogar zwischen den beiden Geräuschen noch ein drittes, welches den Elasticitätsschwankungen unterhalb des Curvengipfels bis zur Piückstosselevation entspricht. In der Art. radialis und pediaea hört man meist nur ein mit dem Pulsschlage gleichzeitiges Geräusch (0. J. B. Wolff, Landois). Bei der Insu fficien z der Aortaklappen — vernimmt man in der Arteria cruralis charakteristische Schallerscheinungen. Uebt man einen Druck auf dieselbe aus, so erscheint ein doppeltes Blasen („Geräusch"), vou r>aa dem das erste daher rührt, dass synchronisch mit dem Pulse eine grosse Blut- ,,Doppei- masse peripherisch getrieben wird, — das zweite daher, dass bei der Systole der .?e''a"*cft" Arterie eine grosse Blutmasse in den Ventrikel zurückströmt (Duroziez 18'il). ,,Doppei- Wird hingegen kein Druck ausgeübt, so hört man zwei schwächere „Töne" ton" bei Duroziez , welche davon herrühren, dass der Vorhot' und der Ventrikel I^su/ßcie"3 schnell hinter einander je eine Welle in das Arterienrohr hineinwerfen (Landois) (Vgl. §. 78, Fig. 47. III.). — In anderen Fällen rührt der zweite Ton her (bei gleichzeitig vorhandener Insuffizienz der Tricuspidalis) von dem plötzlichen, klappenden Schliessen der Cruralvenenklappen , welche das Zurückwerfen des venösen Blutes verursacht (Friedreich}. — Auch bei rigiden Arterien (Atherom) Doppelton hört man mitunter einen mit der Pulswelle erfolgenden Doppelten; dieser wird beiAnakrotie. auf den, unter diesen Verhältnissen beobachteten, Anakrotismus der Pulsbewegung bezogen (Weil) (Vgl. §. 78. 2.). 103. SchaÜerscheinnngen innerhalb der Venen. I. ,.Das Nonuengeräuscll." — Oberhalb der Clavicula, in dem suz. Grübchen zwischen den Ursprüngen der beiden Köpfe des Sterno- cleidomastoideus , und zwar am häufigsten rechts , vernimmt man bei vielen Menschen (40%) entweder ein continuirlicb.es , oder ein der Diastole des Herzens, oder auch der In s p i r a t i o n entsprechendes rhythmisches Geräusch von sausendem oder brausendem, selbst zischen- dem oder singendem Charakter, welches innerhalb des Bulbus der Vena jugularis communis entsteht, und mit dem Namen des Nonnen- geräusches (Nonne 3= Brummkreisel; — bruit de diable) belegt wird. Soweit dieses Geräusch vernommen wird, ohne dass mit dem Hörrohr ein Druck ausgeübt wird, handelt es sich um eine patho- logische Erscheinung. Wird jedoch ein Druck ausgeübt und gleich- Beobachtung. zeitig der Kopf des zu Untersuchenden nach der entgegengesetzten Seite hin und etwas aufwärts gewendet, so ist ein derartig künstlich erzeugtes Nonnengeräusch fast bei allen Menschen vernehm- bar (Weil). l>as pathologische Nonnengeräusch findet sich vorwiegend bei jugendlichen Blutarmen, Bleichsüchtigen , bei denen der tastende Finger zugleich ein Schwirren des Gefässes fühlt, ferner bei mit Kropf Behafteten, zumal bei jugendliehen Individuen, während es mit zunehmendem Alter seltener wird. Die Ursache — des Nonnengeräusches beruht in dem wirbeln- Ursache. den Einströmen des Blutes aus dem relativ engen Theil der Vena jugularis communis in den darunter liegenden, erweiterten Bulbus der- selben. Es scheint vornehmlich dann zu entstehen, wenn die Wandungen 188 Venengeräusche. Der Venenpuls. [§. 103.] der dünnen Stelle der Vene ziemlich eng aneinander liegen , so dass der Blutstrom sich rieselnd durch dieselbe hindurchzwängen muss. Hierdurch ist verständlich, dass Druck sehr begünstigend auf das Auftreten des Geräusches wirkt, ebenso Seitenwendung des etwas erhobenen Kopfes. Auch mit der Schnelligkeit des so hindurch rieselnden Blutstromes wird die Intensität des Schalles gesteigert werden , und so erklärt es sich , dass die Inspiration und die Diastole des Herzens (beides den venösen Strom befördernde Momente) das Nonnengeräusch verstärken. Dasselbe gilt von der günstigen Wirkung der aufrechten Körperhaltung. — In seltenen Fällen hörte man ein, dem Nonnengeräusche ähnliches Sausen in den Venae subclaviae, axillares, thyreoidea (bei Kropf), faciales communes, anonymae, cava superior, crurales. Bückstrom- II. Regurgitirende Geräusche. — Das, bei plötzlichem Drängen mitunter Geräusche, gehörte, exspiratorische Cruralvenengeräusch rührt her von einem centrifugalen Blutstrom durch die entweder undichten oder fehlenden Klappen in der Vene in der Schehkelbeuge. — Sind die Klappen am Bulbus der Vena jugularis undicht , so kann es zu einem Rückstromgeräusch kommen , und zwar entweder bei der Exspiration (exspiratorisches Jugularklappengeräusch ; Hamer-njk) , oder bei der Systole des Herzens (systolisches Jugularklappen- geräusch ; v. Bamberger) . Eiappenf&ne. III. Klappentöne in den Venen. — Forcirte Exspiration kann Klappen- töne der Cruralvene erzeugen, indem die Ventile durch das zurückgestaute Blut klappend zuschlagen (Friedreich) . — Bei Undichtigkeit der Tricuspidalis wird mit der Ventrikel Systole eine grosse Blutmenge in die Hohlvenen zurückgeworfen. Auch hierbei können sich unter Erzeugung eines Tones plötzlich die Venen- klappen schliessen. Dies findet sich sowohl am Bulbus der Drosselvene fv. Bam- berger), als auch in der Cruralvene in der Schenkelbeuge (Friedreich) , natürlich nur so lange, als ihre Klappen sufficient sind. 104. Der Venenpuls. Das Phlebogramm. Methode: — Verzeichnet man von den Bewegungen einer Vene mittelst des schwach belasteten Sphygmographen (stärker belastete comprimiren die Vene oder löschen wenigstens die zarten Einzelheiten aus) , so erkennt man in gut gelungenen Venenpulscurven oder Phlebogrammen (Fig. 64) eine charak- teristische Gestaltung. Zeitliche Ver- Es kommt bei der richtigen Deutung der Einzelheiten des Phlebogrammes hältnisse des ganz besonders darauf an, seine zeitlichen Verhältnisse zu den Phasen der Herz- Venenpulses. kewegUng festzustellen: es ist daher die gleichzeitige Registrirung des Cardio- grammes und Phlebogrammes wo möglich auf schwingender Stimmgabelplatte (§ 82) anzurathen. Synchron mit a b verläuft die Vorhofs-Contraction (§. 57, pg. 90) , mit b c die Ventrikelsystole, bei welcher man den ersten Herzton hört, während a b als präsystolische Bewegung erscheint. Der Carotispuls berinnt ungefähr coincidirend mit dem Gipfel des Cardiogrammes (Landois) , also gleich- zeitig mit dem absteigenden Schenkel des Phlebogrammes (Riegel). Vorkommen Der Venenpuls innerhalb der Vena j ugularis communis gehört zu ' den normalen Erscheinungen. Dem Verlaufe dieser Vene entsprechend (vgl. Fig. 27) beobachtet man nämlich häufig eine, mit der Herz- bewegung synchronische, pulsatorische Bewegung. Diese erstreckt sich Er ist. centri- entweder nur auf den unteren Theil der Vene , den sogenannten Bulbus, oder höher hinauf auf den Stamm der Vene selbst. Im Falle die Klappen der Vena jugularis communis oberhalb des Bulbus insufii- cient sind fwas selbst bei Gesunden keineswegs selten ist), tritt die Erscheinung besonders stark hervor. Die Wellenbewegung schreitet von unten nach oben fort, sie zeigt sich meist nur bei ruhiger horizontaler [§• 104.] Der Venenpuls. 189 Lage, ferner rechterseits häufiger, als links, weil die rechte Vene dem Herzen näher liegt, als die linke. Sie pflanzt sieh langsamer fort, als die Arterienpulswelle. Der Venenpuls trägt die Einzelheiten der Herz- Da» nieio- , .., j. • i i n j / i Qramm gleicht bewegung in sieh ausgeprägt, — in hohem Grade ( zumal der Herz- bei den sogleich zu besprechenden pathologischen Zuständen; enthält 3t0sscurve- die Curve alle Details der Herzstosscurve und ist daher einer solchen sehr ähnlich (Landois), wie der Ver- gleich der Venenpulscurve Fig. 64. 1 mit der Herzstosscurve Fig. 22. A (pg. 90j unzweifelhaft ausprägt. Fig. 64. Verschiedene Formen des Venenpulses, nieist nach Friedreich. — 1 — S hei Insuf- fizienz der Tricuspidalis. — 9 und 10 Jugularvenenpuls von Gesunden. In allen Curven bedeutet a b Contraction des rechten Vorhofes, — bc des rechten Ventrikels, — d Aortenklappenschluss, — e Pulmonalklappenschluss, — ef Diastole des rechten Vorhofes. Uebeiiegt man sich , dass die gefüllte Drosselvene , in welcher das Blut nur unter einem sehr geringen Druck steht, mit dem Vor- hof direct communicirt, so ist ersichtlich, dass eine Contraction dieses sich als positive Welle in die Jugularis peripherisch fortpflanzen wird. Fig. 64. 9 und 10 sind Venenpulse von Gesunden: das Stück ab entspricht der Vorhof scontraction ; ich sah es mitunter aus 2 Hügelehen sich zusammensetzen, entsprechend der Herzohr- und Atrium-Contraetion. Da das Blut des rechten Vorhofs weiterhin von der plötzlich erfolgenden Spannung, der Tricuspidalis eine Erschütterung erfahren muss, so wird auch dieser Klappenschluss, isochron mit der Systole des rechten Ventrikels, eine positive Welle in die Jugularvcne hinauf- senden, die sich in 9 und 10 als das Stück bc ausprägt. Endlieh Vorho/s- Klevation. Ventrikel- Elevation. 190 Der Venenpuls. [§. 104.] Pulmonal- kann sogar der prompte Schluss der Klappen der Pulmonalis sich Emotion, durch das Blut des Ventrikels hindurch bis in den Vorhof und weiter aufwärts in die Jugularis markiren durch Erzeugung einer kleinen positiven Welle (e). Da die Aorta der Pulmonalis unmittelbar anliegt, so wird bei promptem Aortenklappenschluss auch von hier die zarte Welle sich in ähnlicher Weise geltend machen können (9 bei d) (Landois). Während der Diastole des Vorhofs und der Kammer strömt reichlich das Blut dem Herzen zu, wodurch die Vene unter Abwärts- bewegung des Schreibhebels collabirt (Riegel, Frangois-Franck). Sinus- und In den Sinns des Schädels — ist ebenfalls das Blut in pulsatori- Retinaivenen- scher Bewegung begriffen (Mosso), indem allemal in das diastolisch erschlaffende Puls. -gerz ygißhüßk venöses Blut einströmt. — Diese Bewegung kann unter begün- stigenden Verhältnissen sich bis in die Venen der Betina forterstrecken und erzeugt so den, schon früheren Forschern bekannten „Venenpuls der Netz- haut4 (Hei fr eich). Venenpuls Ui Pathologisches : — Viel grösser und in allen seinen charakteristischen Insuffidenz Theilen um vieles ausgeprägter kann der Venenpuls sein bei der d7pidaUsU~ Insufficienz der Tricuspidalis. Hier lehrt die Ueberlegung sofort, dass namentlich jede Contraction der rechten Kammer Blut in die Venen zurückwerfen muss, welches in den Venen eine grosse Welle erzeugen kann. In der Regel pulsirt nun in der That bei Insufficienz der Tricuspidalis die innere Drosselvene sehr stark; — jedoch in den Fällen, in welchen die Klappen am Bulbus der Jugularvene noch dicht halten, setzt sich der Puls nicht m diese Vene selbst fort. Es ist daher der Jugularvenenpuls nicht ein nothwendiges Zeichen der Tricuspidalinsuf ficienz, sondernnur der der Jugularvenenklappen (Friedreich). In die klappenlose untere Hohl - vene pflanzt sich jedoch der Kammerpulsschlag stets fort und bewirkt hier vor- Leberpuls. nehmlich den sogenannten „Leberpuls". Jede Kammercontraction wirft reich- lich Blut bis in die Venae hepaticae, und hierdurch erhält die Leber eine systo- lische Schwellung und Inj ectionsdehnung. Genauere Die Figuren 2 — 8 zeigen uns Venenpulscurven der Vena jugularis com- Inter- munis (nach Friedreich) . Wenngleich die Curven auf den ersten Blick sehr P™enenpuis-T differiren, so stimmen sie doch sämmtlich darin überein, dass sich in ihnen Curven. mehr oder weniger deutlich oder vollständig die einzelnen Bewegungsmomente der Herzcontraction ausprägen (Landois). In allen Curven bedeutet a b die Vor- hofscontraction : der sich zusammenziehende Vorhof wirft eine positive Welle in die Venen (Gendrin 1843, Marey, Friedreich) . Dieser Abschnitt erscheint theils als einfache anakrote Basalerhebung (3), nicht selten (wie namentlich in 1, der Venenpulscurve von einer Vena thyreoidea) erscheinen hier 2 — 3 kleine Zacken, die ich, wie an der Herzstosscurve , auf die successiv hinter einander erfolgende Contraction der oberen Hohlvene, des Herzohres und der Vorkammer selbst be- ziehe (Vgl. pg. 90). Je nach der Spannung der Vene, wie auch nach der Reichhaltigkeit des Abflusses des Blutes aus der Vene zum Herzen hin kann auch die Vorhofszacke im absteigenden Theile der vorhergehenden Curve auftreten, wie in 5 und 8, — bald abwechselnd, wie in 3 und wie in 8 (siehe 7) , — bald endlich liegt ein Theil der Vorhofswelle im absteigenden Aste der vorhergehenden Curve, der Rest im aufsteigenden Theile derselben Curve , wie in 6 , 2 und 4. Bei sehr schwacher Action des Vorhofes kann sogar die Vorhofswelle ganz abortiv werden , wie in 7 bei f. Die Elevationserhebung der Kammer b c i^t bedingt durch die , in die Vene zurückgeworfene, grosse Blutwelle durch die Entleerung der Kammer. Sic ist bei Tricuspidalinsufficienz natürlich stets viel grösser , als wenn diese (wie bei 9 und 10) nicht existirt. Denn im letzteren Falle macht nur der prompte Schluss der Tricuspidalis eine kleine Wellenbewegung in den Vorhof hinein. Der Gipfel (c) dieser Welle liegt (je nach der Spannung in der Vene und nach dein Drucke des Sphygmographen) bald höher, bald tiefer. An diesen schliesst sich in der Regel mindestens eine Zacke (4, 5, 6, e), herrührend von dem prompten Schluss der Semilunarklappen der Pulmonalis (nach v. Bamberger verursacht durch das, gegen das Ende der Systole erfolgende, Zusammenziehen der Papillär- [§• 104.] Die Blutvertheilung. 191 muskeln). Es kann nicht im Mindesten befremden, dass dieser Sckluss eine "Wellen- bewegung in dem Ventrikel und weiterhin durch die stets offenstehende Tricu- spidalis bis in den Vorhof und in die Venen hinein erzeugt. Die anliegende Aorta kann sogar durch den Schluss ihrer Klappen eine kleine Welle neben e erzeugen (wie in 1 und 2 d). Wird dieser Klappen schluss schwächer bei ver- minderter Spannung in den grossen Arterien, so schwindet zuerst die Aorten- klappenwelle d (wie in 4 und 5), dann auch selbst die Pulmonalklappenkebung e (wie in 3 und 7). — Von dem Klappenschluss an sinkt die Curve, der Diastole des Herzens entsprechend, hinab (bis f). Besonders deutlicher Venenpuls kann auch bei sehr grosser Füllung des rechten Vorhofes (bei Insufficienz oder Stenose der Mitralis) erfolgen. In seltenen Füllen pulsiren neben der Vena jugularis communis noch die externa, einzelne Gesichtsvenen, die jugularis anterior , thyreoideae , thoracicae externae, die der oberen und unteren Extremitäten. Ich sah einmal bei einer moribunden Frau (ohne Herzfehler), bei welcher die Section ein mächtiges, weisses Fibrin- gerinnsel, welches von der rechten Kammer in die Vorkammer hineinragte (ohne das venöse Ostiuni zu versperren) und den Tricuspidalschluss unmöglich machte, umfangreiche Venenpulsationen , so dass sogar die Hautvenen auf der vorderen Thoraxfiäche stark pulsirten. Es ist klar, dass analoge Pulsationen, wie sie die Venen des grossen Kreislaufes bei Insufficienz der Tricuspidalis zeigen , auch auftreten müssen i n den Lungenvenen bei Insufficienz der Mitralis. Allein hier sind sie direct nicht sichtbar; vielleicht gelingt ihr Nachweis durch Beobachtung der kardiopneumatischen Bewegung. (Vgl. §. 65.) In seltenen Fällen sieht man die Venen des Hand- und Fuss- Rückens — dadurch pulsiren, dass sich der Arterienpuls durch die Capillaren hindurch bis in diese Venen fortpflanzt. Es kann dies sogar unter normalen Verhältnissen vorkommen, namentlich wenn die peripheren Enden der Arterien erweitert und erschlafft sind , Quincke), oder wenn der Druck in denselben stark ansteigt und schnell wieder abfällt, wie bei Insufficienz der Aortaklappen. Bei zunehmenden Ergüssen in diePericardialhöhle werden zu- erst die Carotispulse kleiner und die Venenpulse grösser; jenseits einer bestimmten Druckgrenze hören dann letztere auf Riegel). Venenpu's lei starker Füllung des rechten Atriums. Venenpuls ;m Meinen Kreislauf. Centripetaler Yenen-PU'S der Hand- und Fuss- Venen. ünter- suchungs- methoden. 105. Die Blutvertlieilung. Die Methoden — zur Bestimmung des Blutgehaltes einzelner Organe und Glieder sind leider noch als ungenügend zu bezeichnen : — I . Man bestimmt entweder den Blutgehalt der Theile nach dem Tode an durchfrorenen Leichen (Welcher ; ungenau, da nach dem Tode, namentlich durch Erregung des vasomo- torischen Centrums, durch das ungleichzeitige Absterben und Erkalten der Blut- gehalt der Theile durchgreifende Veränderungen erfälrrt) ; oder — 2- man schnürt bei Thieren intra vitam die Theile gewaltsam ab, trennt dieselben sofort los und untersucht den Blutgchalt der noch warmen Gewebe (J. Ranke ; leider für sehr viele innere Organe unausführbar). J. Ranke bestimmte so am lebenden ruhenden Kaninchen die Vertlieilung des Blutes; es fand sich von der gesammten Blutmasse je 1/i : — a) in den ruhenden Muskeln. — b) in der Leber, — c) in den Kreislauforganen (Herz- und grosse Ader- stämme), — d) in allen übrigen Organen zusammen. Von Einfluss auf den Blutgehalt ist: — 1. Die anatomische Vertheilung Einflüsse mif (Reichhaltigkeit oder Armuth) an Gefässen überhaupt ; — ■ 2. ganz besonders die c Weite der Gefässe, welche von physiologischen Ursachen abhängt: a) vom Blut- druck in denselben ; b) von dem Erregungszustande der, die Gefässe verengernden oder erweiternden Nerven ; c) von Zuständen der Gewebe, in denen sich die Ge- fässe verbreiten, z. B. Darmgefässe während der Resorption der Nahrungssäfte ; — Muskelgefässe während der Contraction der Muskeln ; — (Gefässe in entzün- deten Theilen). geha'.t. Den hervorragendsten Einfluss auf den Blutgehalt der BltUgeha't bei der Organe hat die Thätigkeit derselben: hier gilt vor Allem nötigtet ° ö ' ° der Organe. 192 Die Blutvertheilung. Die Plethysmographie. [§. 105.] der alte Satz „ubi irritatio, ibi affluxus" : (Beispiele liefern die Speicheldrüsen, §. 150, — der Magen, §. 168, — die Muskeln, §. 296. II. — der Stoffwechsel, §. 245. 1). Da nun aber im normalen Zustande des Körpers die einzelnen Organe vielfältig in ihrer Thätigkeit abwechseln, so wird man im Laufe des Tages bald dieses, bald jenes Organ im Zustande höheren Blut- reichthumes antreffen. Es geht der Blutfüllungs- wechsel mit dem Thätigkeitswechsel der Organe stets Hand in Hand (J. Ranke). So sieht man denn auch während einer besonders gesteigerten Thätigkeit des einen blut- reichen Organes vielfach die anderen ruhen : bei der Verdauung herrscht Muskelmüdigkeit und geistige Abspannung ; — bei starker Muskelaction verzögert sich die Verdauung ; — bei starker Absonderung der gerötheten Haut ruht die Thätigkeit der Nieren. — Manche Organe (Herz, Athemmuskeln, gewisse Nervencentra) scheinen stets in gleichmässiger Weise thätig und blutreich zu sein. Während der Thätigkeit der Organe kann der Blutgehalt bis zu 30% — ja sogar 47% zunehmen. Die Bewegungsorgane jüngerer und kräftiger Individuen sind ebenso verhältniss- mässig blutreicher , als diejenigen alter und muskelschwacher (% Ranke). Bei geistiger Thätigkeit ist die Carotis erweitert, die Eückstosselevation der Carotiscurve ist vergrössert (die Radialis zeigt das Entgegengesetzte), die Pulse sind dabei vermehrt (GleyJ. In diesem Zustande der grösseren Thätigkeit pflegt die vermehrte Blutmenge auch zugleich einer schnelleren Er- neuerung zu unterliegen — [z. B. nach Muskel anstrengung verkürzt sich die Kreislaufsdauer (Vierordt)\ — worauf die ver- schiedenartigen Einflüsse, welche die Blutströmung beherrschen, wirksam sein können. Blut- Die Entwickelung des Herzens und der grossen Grefässstämme TelscMeTenen bedingt eine verschiedene Blutvertheilung beim Kinde und beim Er- Aitem. Wachsenen. Im Kindesalter bis zur Pubertät ist das Herz relativ klein, die Gefässe relativ weit ; umgekehrt findet sich nach Vollendung der Geschlechtsreife ein grosses Herz bei verhältnissmässig engen Arterien. Dem entsprechend muss der Blutdruck in den Arterien des grossen Kreislaufes beim Kinde ein niedrigerer sein als beim Er- wachsenen. — Die Art. pulmonalis ist im Kindesalter relativ weit, die Aorta relativ eng, nach dem Eintritt der Pubertät sind beide Arterien annähernd gleich weit. Hieraus folgt, dass der Blutdruck in den Lungengefässen des Kindes relativ höher sein muss, als beim Erwachsenen (Beneke). 106. Die Plethysmographie. Methode. Zur Bestimmung und Registrirung des Blutgehaltes und seiner Schwankungen in einer Extremität dient der Plethysmograph (Mosso), ein dem von Chelius (1850) angegebenen „Kastenpuls- messer" nachgebildetes und vervollkommnetes Werkzeug (Fig. 65). [§• 106.] Die Plethysmographie. 193 Letzteres besteht aus einem länglichen Behälter (Gj, bestimmt, eine ganze Der Piethys- Extremität aufzunehmen. Die Oeffnung um das eingebrachte Glied wird mit Gummi mogroph. gedichtet, der Innenraum des Gefässes ist mit "Wasser gefüllt. Seitlich in der Kastenwandung befindet sich eine communicirende Röhre bis zu einem gewissen Stande gleichfalls mit "Wasser gefüllt. Da mit jedem Pulsschlag die Extremität durch das verstärkte Zuströmen des arteriellen Blutstromes anschwillt , so wird das "Wasser in dem Rohre die Grösse dieser positiven Blutschwankung anzeigen. Das in der Abbildung gegebene Werkzeug Mosso's bewirkt die Uebertragung der Wasser-Bewegung auf eine, mit elastischer Membran überspannte Trommel T, mit welcher der (horizontal bewegliche) Schreibhebel in "Verbindung steht. — Der Cylinder G kann auch mit L u f t gefallt sein Flechsig . v. Kries führt die zur Registrirtrommel (Tj leitende Röhre (anstatt zu einer Trommel) zu einer Gaslampe: alsdann prägt sich die Volumschwankung des Armes in der Flamme aus, deren Schwankungen er photogr aphir t. Fig. 65. Mosso's Plethysmograph oder Hydrosphygmograph : G das die Extremität auf- nehmende Cylindergefäss; — V communicirende Flasche, durch Hö herstellen zur Verstärkung des "Wasserdruckes verwendbar; — T der Schrei bappardt. Die Schwankungen, welche der Plethysmograph verzeichnet, lassen Folgendes erkennen : 1. Die pulsatorischen Volum- Schwankungen. — Da der venöse Strom in der ruhenden Extremität als gleichmässig zu betrachten ist , so wird jedes Steigen der Volumscurve eine grössere Geschwindigkeit des arteriellen Stromes nach der Peripherie hin bedeuten, und umgekehrt (Fick). — Die durch den Apparat registrirten Curveu stellen „Volumpulse" dar: sie sind der dromographischen Curve ähnlich (Fig. Gl. III). Das Aufsteigen des Curvenschenkels zeigt ein grösseres, das Absteigen ein geringeres Einströmen des arteriellen Blutes an, ein Gleichbleiben der Höhe der Curve würde eine der venösen Abströmung gleiche arterielle Einströmung bedeuten. Auf den ersten Blick hat die plethysmographische Curve (Volumpuls, Die Volum- Strompuls, §. 95. 7) mit der Pulscurve (Druckpuls) grosse Aehnlichkeit, nament- ? "'sc "ne- lieh zeigen beide die Rückstosselevulion. Dennoch zeigt eine genaue Unter- suchung Unterschiede an: namentlich sinkt bei dem Strompulse nach dem pri- mären Gipfel die Curve viel tiefer abwärts. Dieses starke Sinken, welches nicht von einem entsprechenden Sinken des Druckes begleitet ist. leitet v, K von einer peripheren Reflexion ab, d.h. von einer solchen, bei welcher ein "Wellenberg als solcher reflectirt wird. Die Rückstosselevation (seeundäre Welle) erscheint ferner in dem Strompulse etwas früher, als in der Pulscurve ; doch hat auch diese centrifugalen Verlauf v. Kries . wie bei der Pulscurve. 2. Die respiratorischen Seh wa n kungen, — welche den respiratorischen Blutdruckschwankiingen (§. 90. f.) entsprechen. Leb- hafte Athmung und Athmunersstillstand bewirken Volumabnahme. Ferner Landois, Physiologie. 7. Aufl. 13 194 Die Transfusion des Blutes. [§.106.] beobachtet man die Anschwellung des Gliedes durch Pressen (v. Basch) und Husten , das Abschwellen beim Schluchzen. — 3. Gewisse periodische Schwankungen von den periodisch-regulatorischen Bewegungen der Gefässe, namentlich der kleineren Arterien, her- rührend (§. 373). ■ — 4. Verschiedenartige Schwankungen aus zu- fällig wirkenden Ursachen erfolgend, welche Aenderungen des Blutdruckes bewirken : hydrostatisch wirkende Lageveränderungen, Erweiterungen oder Verengerungen anderer grösserer Gefässprovinzen. — 5. Bewegung der Muskulatur der eingebrachten Extremität bewirkt Volumsabnahme (Franc. Glissons Versuch, 1677), da der Venenstrom beschleunigt ist (§. 101), dazu die Muskulatur selbst etwas im Volumen sich verkleinert (§. 299. I. 2), — wenn auch die intramuskulären Gefässe erweitert werden (§. 296. II). • — ■ 6. Geistige Anstrengung vermindert das Volumen der Extremität (Mosso), ebenso der Schlaf. Auch die Musik zeigt einen Einfluss : bald steigt der Blutdruck, bald fällt derselbe. Die Reizung des Acusticus über- trägt sich auf die Medulla oblongata, woselbst accelerirend auf die llerzaction eingewirkt wird (Dogiel). — 7. Gompression der zuführenden Arterie, hat Abnahme , — Venen Verengerung natürlich Zunahme des Volumens zur Folge (Mosso). — 8. Reizung der Vasomotoren hat Abnahme, die der Vasodilatatoren Zunahme des Volumens zur Folge (§§. 373. 374) (Bowditch & Warren). 107. Die Transfusion des Blutes. Die Transfusion ist die kunstgemässe TTebertragung von Blut in das Gefässsystem eines lebenden Wesens. Historisches. Die ersten Andeutungen über den directen Blutaustausch zwischen zwei Individuen von Gefäss zu Gefäss leiten bis zur Zeit vor Cardamis (1556) — Im Anschluss an die Entdeckung des Blutkreislaufes wurde sodann in England im Jahre 1638 zuerst von Potter der Gedanke an die Transfusion des Blutes angeregt. Zahlreiche Versuche an Thieren wurden angestellt; namentlich an ver- bluteten suchte man durch Ueberleitung frischen Blutes das Leben Avieder zu erwecken. Der Physiker Boyle , sowie der Anatom Lower waren bei diesen Ver- suchen besonders thätig (1666). Man verwendete theils das Blut derselben Species, theils das Blut anderer Arten. Die erste Transfusion an einem Menschen wurde von Jean Denis in Paris 1667 zur Ausführung gebracht, wobei Lamm- blut zur Verwendung kam. Bedeutung a) Die rothen Blutkörperchen — sind als die derjuuthen wichtigsten B estandtheile zu betrachten, durch wel- mrperchen. c h e dem Blute die wiederbelebende Kraft zukommt. Sie scheinen ihre vollkommenen Functionen beizubehalten, auch nach- dem das Blut ausserhalb des Körpers durch Schlagen defibrinirt ist (Prevost & Dumas , 1821). Wie sie sich bei längerem Aufbe- wahren und höheren Temperaturgraden gegenüber verhalten, ist §. 9, A beschrieben. Gasgehalt. b) Was den Gasgehalt der Blutkörperchen — anbelangt, so ist festzuhalten, dass das sauerstoffhaltige (arterielle) Blut unter keinen Umständen schädlich wirkt. Das venöse Blut kann jedoch nur dann ohne Schaden den Adern eines Wesens einverleibt werden, wenn die Athmung hinreichend ist, das eingebrachte Blut bei seinem Durch- tritt durch die Lungencapillaren zu arterialisiren. In diesem Falle [§. 1<)7. j Die Transfusion des Blutes. Indicationen. 195 wird durch den Athmungsprocess das kohlensäurehaltige Blut in O-reiches umgewandelt. Stockt jedoch die Athmung, oder wird sie nicht mit hinreichender Ergiebigkeit ausgeführt , so wird das Blut noch reich an C02 dem linken Herzen und weiter durch die Kopf- sehlagadern der Medulla oblongata zugeführt. Es entsteht hierdurch eine heftige Reizung der Centra derselben (§. 368), weiterhin sogar Lähmung und selbst der Tod. c) Der Faserstoff, — oder die denselben bildenden Substanzen Faserstoff. (§. 31 u. 33 ) spielen für die wiederbelebende Eigenschaft des Blutes keine Rolle; daher auch das defibrinirte Blut mit gleichem Erfolge wie das nichtdetibrinirte alle Functionen innerhalb des Körpers über- nimmt (Panum, Landois). d) Die Untersuchungen, namentlich von Worm-Müller , haben Blutmenge. gezeigt, dass das Gefässsystem (Hund) einen Ueberschuss fremden Blutes bis zu 83% in sich aufzunehmen vermag, ohne dass schädliche Folgezustände hieraus erwachsen. Es folgt daraus , dass dem Gefäss- systeme eine, bis zu einem gewissen Grade reichende, Accommodirungs- fähigkeit für grössere Blutmengen eigen ist, ähnlich wie auch eine derartige Anpassung für ein kleineres Blutvolumen (z. B. nach Blut- verlusten) bekannt ist. (Vgl. §. 90. c.) Die Transfusion wird zur Ausführung gebracht: — 1. bei der acuten Anämie — (vgl. §. 48. 1) namentlich nach starken Blut- verlusten. Hier gilt es, das verloren gegangene, die Lebensfunctionen unterhaltende Blut durch neues , in die Gefässbahnen eingelassenes Blut [150— 500 Ccmtr.] derselben Species direct zu ersetzen. 2. Bei Vergiftungen, — bei denen die Blutmasse durch Beimengung einer giftigen Substanz verdorben und zur Aufrechterhaltung der Lebensfunctionen somit untauglich geworden ist, kann in passenden Fällen durch einen ausgiebigen Aderlass eine grosse Menge dieses ver- dorbenen Blutes abgelassen und frisches, normales Blut an Stelle des entleerten in die Gefässe eingebracht werden. Vergiftungen dieser Art sind namentlich die mit Kohlenoxyd gas (Kühne) , dessen Eigen- schaften und Wirkungen auf den Körper §.21 und §. 22 nachzusehen sind. Auch die Vermischung des Blutes mit anderen Giften , zumal solchen, welche die rothen Blutkörperchen auflösen (z. B. chlorsaures Kali; vgl. §. 267 II), — sodann auch mit sonstigen toxischen Sub- stanzen (Aether, Chloroform, Chloralhydrat, Opium. Morphium. Strychnin , Schlangengift) kann in gleicher "Weise zu einer Ersetzung der vergifteten Blutmasse durch normales Blut die Indication abgeben (Eulenburg & Landois). 3. Unter gewissen krankhaften Umständen können im Köroei des Menschen sich fehlerhafte, das Leben bedrohende Blut- mischungen — entwickeln, die sowohl die Formbestaudtlieile. als auch die Mischungsbestandteile des Blutes betreffen. Zu den krank- haften, in hohem Grade lebensgefährlich wirkendeu, abnormen Ver- änderungen der Blutmischung gehören die Vergiftungen mit Harn- (Urämie), mit Gallen-Bestandtheilen (Cholämie) und durch Cöot Alle drei Zustände führen, wenn sie hochgradig >iml. den Tod herpei. Man kann daher in verzweifelten Fällen der Art | zumal bei vuriiltcr- geliender Ursache) die verderbte Blutmasse theilweise durch normales Blut ersetzen (Landois). iq* Anwendung bei acuter Anämie, bei Ver- giftungen, bei autochthonen In toxica - Honen. 196 Die Transfusion des Blutes. Verfahren. [§. 107.] Unter den fehlerhaften , auf die Formbestandtheile des Blutes bezüglichen Mischungsverhältnissen liefern die Hydrämie (§. 48. 1), die Oligocytkämie (§ 16. 1 und §. 48. 1) in besonders hochgradigen, gefahrdrohenden Formen und die perniciöseAnäraie (§ 16. 1), — kaum wohl aber die Leukämie (pg. 37) Objecte für den Ersatz des verderbten Blutes durch normales. Nach der Einspritzung normalen Blutes in die Adern des Menschen beobachtet man in der Regel nach 1/i bis 1/2 Stunde eine, je nach dem Umfange der Transfusion weniger heftig oder stärker auftretende Fieberreaction. (Vgl. Fieber, §.221.) Operations- Das operative Verfahren — bei der Transfusion ist verschieden, je nach- Yerfahren. dem defibrinirtes oder nicht defibrinirtes Blut zur Anwendung kommt. Zur Indirecte Defibrination wird das, von einem gesunden Menschen durch einen Transfusion. Aderlass entleerte Blut in einem offenen Gefässe aufgefangen und so lange mittelst eines Stäbchens geschlagen, bis der Faserstoff vollständig aus dem Blute entfernt ist (pg. 52). Hierauf wird das Blut sorgfältig durch ein Atlasfilter durchgeseiht, in einem Gefässe bis auf Bluttemperatur erwärmt (durch Ein- setzen in warmes "Wasser) und nun mittelst eines Büretten-Infusors oder einer Spritze in die geöffnete Ader des zu Operirenden übergeführt. Man kann als letztere entweder eine Vene wählen (z. B. die V. basilica in der Ellenbeuge, die V. saphena magna vor dem inneren Knöchel) ; in diesen Fällen erfolgt das Einspritzen in der Bichtung zum Herzen hin ; oder die Einspritzung erfolgt in eine Arterie (Arteria radialis oder A. tibialis postica) , und zwar entweder gegan die Peripherie (HueterJ oder gegen das Herz (Landois , Unger , Schäfer) Gefahr des hin. — Unter allen Umständen ist darauf zu achten, dass keine Luft zugleich Luft- mi(; ,jem ßiute in die Gef ässräume übertritt ; namentlich ist hierauf bei der Ein- spritzung in die Venen zu achten , da der Lufteintritt in die Venen sogar den Tod hervorrufen kann. Letzterer erfolgt dann , wenn die , in das rechte Herz gelangenden Luftmassen durch die Herzbewegung Schaum bilden, welcher, in die Verzweigungen der Pulmonalarterie eingepumpt, den Blutlauf durch die Lungen zum Stocken bringt, so dass mit grosser Schnelligkeit der Tod durch Erstickung erfolgen kann (vgl. §. 144). Directe Soll nicht defibrinirtes Blut von einem Menschen auf den anderen Transfusion, übertragen werden, so kann man direct die geöffnete Ader des Blutspenders mittelst eines beweglichen Schlauches mit dem Gefässe des Blutempfängers in Verbindung setzen, so dass ein directes Ueberfliessen erfolgt. Man kann auch das , beim Aderlass entleerte Blut schnell mit einer eingefetteten (pg. 54) Spritze undefibrinirt übertragen. Allein letztere Verfahren bringen die grosse Gefahr mit sich , dass schon während der Operation Gerinnung in dem Blute eintritt, in Folge deren leicht Blutgerinnsel in den Kreislauf des Empfängers übertragen werden können. Durch die hierdurch erfolgende Verstopfung, noch mehr aber durch die mögliche Fortschwemmung dieser Gerinnungsmassen bis in das Herz und in den kleinen Kreislauf kann selbst das Leben bedroht werden. EirtzpHtzung Es ist neuerdings vorgeschlagen worden , defibrinirtes Blut in die P e r i< in die tonealhöhle zu spritzen, von wo aus es resorbirt wird fPonfick) , denn schon höhle. von 20 Minuten an kann man eine Vermehrung der rothen Blutkörperchen im Blute des Empfängers (Kaninchen) constatiren, die am 1. oder 2. Tage ihr Maximum erreicht (Bizsozero &° GolgiJ. Es ist einleuchtend, dass diese Art der Blutübertragung nicht für solche Fälle (acute Blutverluste und Intoxicationen) pausen' kariu , in denen auf die möglichst schnelle Beschaffung normalen Blutes Bedacht -züj 'nehmen ist. Die Operation hat jedoch nicht selten, vornehmlich duJch;-iBau((i'hfcll:entzündung, tödtlichen Ausgang gehabt. Schädlichkeit --• .-■ l Beim Menschen ist die Einspritzung von Thierblut unter allen Umständen !'e'/'nacs'n zu v6fwe^eil- — In innrer Zeit sind freilich directe Blutüberleitungen aus der Carotis eines, Lammes in eine Armvene eines Menschen zu Heilzwecken vor- genommefl worden. Es ist jedoch daran festzuhalten, dass die Blutkörperchen des Auflösung Schafes sich sch'ne 11 im Blüte des Menschen auflösen. Hierdurch wird also der die'/'Atoküng''desi,l;|ffiU'' -diu 'Transfusion wirksamsten Blutbestandtheiles unfehlbar ■^?-^d*yv:A^"'" veraäiffW^ri/^fe»P&ife/-osfibb»^idJft' ■4aUgfaiteineii zeigt sich, dass die Blutflüssigkeit [§. 107.] Die Transfusion mit Thierblut. 197 vieler Säugethiere die Blutzellen anderer Säugethierarten schnell auflöst (§. 11. 5). So löst das Serum des Hundeblutes sehr schnell und intensiv, das des Pferdes und Kaninchens nur relativ langsam. Die Blutkörperchen der Säugethiere besitzen eine sehr verschieden grosse Widerstandsfähigkeit gegenüber der Blutflüssigkeit anderer Säuger. So werden die rothen Blutkörperchen des Kaninchens , mit andersartigem Blute vermengt, äusserst leicht aufgelöst, während sich die Zellen der Katze und des Hundes bedeutend widerstandsfähiger erweisen. Die Auflösung der Blutkörperchen erfolgt, gleichgültig, ob das Blut defibrinirt oder nicht defi- brinirt war. Der Zerfall der Blutkörperchen innerhalb eines fremden Blutes tritt um so schneller ein , je schneller die Blutzellen des fremden Blutes sich in der Blutflüssigkeit des Empfängers lösen. So zerfällt z. B. Kaninchenblut und Lamm- blut im Hundekreislauf schon in wenigen Minuten. Sind die Blutkörperchen der vermischten Sorten durch Grösse verschieden, so kann man an kleinen, durch Nadelstiche entleerten Blutproben die Auflösung der Blutkörperchen leicht ver- folgen. Mit der stattfindenden Auflösung der Blutkörperchen wird das Blut- plasma von dem freigewordenen Hämoglobin geröthet. Ein Theil dieses aufgelösten Materials kann im Körper des Empfängers dem Stoffwechsel anheimfallen und zur Umbildung und Anbildung verbraucht werden . zum Theil wird es zur Gallenbildung verwendet (§. 182. II). Ist jedoch die Menge des, aus den zerfallenden Blutkörperchen hervorgegangenen Hämoglobins irgendwie er- heblicher, so erfolgen Ausscheidungen von Hämoglobin in den Harn, EämogioUn- weniger reichlich in den Darm , die Bronchialverzweigungen und in die serösen AJl3~ Höhlen (PahumJ. Letzteres kann im weiteren Verlauf theilweise wieder zur s°' Resorption kommen. So hat man auch beim Menschen blutigen Harn nach Ein- spritzung von über 100 Gramm Lammblut beobachten können. — Wird einem Thicre fremdartiges Blut transfundirt, so können auch zum Theil die eigenen Blutkörperchen zum Zerfalle kommen. Das ist der Fall, wenn die Blutzellen des Empfängers leicht löslich sind in der Blutflüssigkeit des übergeleiteten Blutes. Hierauf beruht die grosse Gefahr fast aller etwas umfangreichen Transfusionen mit fremdem Blute bei Kaninchen , dessen rothe Blutkörperchen so sehr leicht sich auflösen. So würde es auch etwa bei Transfusion von Hundeblut in die Adern des Menschen der Fall sein. Bei Thieren mit leicht auflöslichen Blut- körperchen , z. B, den Kaninchen , bewirkt daher auch die Einspritzung vieler Serumarten, z. B. des Hundes, Menschen, Schweines, Schafes, der Katze, höchst bedrohliche Symptome je nach der eingeführten Menge : Vermehrung der Re- spirationsfrequenz oft in ganz bedeutender Weise , Athemnoth , Convulsionen. selbst Tod durch Asphyxie. Dabei kann man in den , durch Nadelstiche ent- nommenen Bluttröpfchen fast alle Stadien der Blutauflösung antreffen. Thiere mit resistenten Blutzellen, z. B. der Hund, ertragen Einspritzungen anderer Serumarten: vom Hammel, Rind, Pferd, Schwein, ohne diese Erscheinungen. Das eingespritzte fremde , wenig wirksame Serum wird im Kreislauf des Em- pfängers eher verarbeitet, als es die Blutzöllen in umfassender Weise angreifen oder sogar auflösen könnte (iAndoisj. (Ueber Einspritzung homogenen Serums vgl. Pg. 73. 2.) Bei dorn Vorgange der Auflösung der Blutkörperchen treten noch zwei wichtige Erscheinungen hervor, wodurch die Transfusion mit fremdartigem Blute besonders gefahrdrohend ist: — 1. Bevor die Blutkörperchen sich auflösen, pflegen sie in den meisten Fällen zu zäh aneinander geklebten Häufchen sich Gefahr der zu vereinigen. Derartige Klumpen von i0— 20 und noch mehr Blutkörperchen n,l'ilw »°» sind selbstverständlich äusserst leicht im Stande, umfangreiche Capillargebiete l «/„//" zu verstopfen. Bei längerem Verweilen im Blute geben die, zu den Häufchen törperchmr zusammengeklebten, rothen Blutkörperchen ihr Hämoglobin ab, und es bildet *<"*/*»• sich aus den, nun noch übrig gebliebenen, verschmolzenen Stromaresten eine klebrige, zähe, fadenziehende Masse (Stromaf ibrin), welche lange Zeit hin- durch feinere Gefässe verstopfen kann (vgl. pg. .*>9). •„'. 1 >i<- plötzliche (legen- Mfuse wart reichlichen aufgelösten Hämoglobins im Blute eines Thieres kann in dem- 'yn»'"'"^ selben umfangreiche ausgedehnte Gerinnungen bewirken. Schon //,,„,!,,. Naunyn &* Francken sahen bei Einspritzung gelösten Hämoglobins bei Thieren Gerinnungen dieser Art entstehen: ganz dasselbe limlet auch statt, wenn sich innerhalb der Blutbahn durch Auflösung von Blutkörperchen das IIb befreit. Ge- rinnungen dieser Art sind meist im Venensystem, auch in den grösseren Gefässen auf weite Strecken verbreitet. Die geschilderten Vbreänee können entweder 198 Transfusion. — Infusion. — Die Blutgefässdrüsen. [§• 107.] Circulation. plötzlich oder nach längerem Verlauf den Tod herbeiführen. Gelöstes Hb bewirkt nämlich in der Blutbahn Auflösung zahlreicher Leukocyten, aus deren Zerfall die Fibrin generatoren hervorgehen (§. 34). [Merkwürdiger Weise verliert an der Luft stehendes Hb allmählich diese Wirkung; auch wird das Fibrinferment in Be- rührung mit Hb allmählich zerstört oder unwirksam gemacht (Sachssendahlj .] Da durch die Verklebung der sich zur Auflösung anschickenden Blut- körperchen, sowie durch die Stromamassen viele kleine Gefässe verstopft werden, Zeichen der so wird man in den verschiedenen Körper organen Zeichen der gestörten behinderten Circulation und der Stauung antreffen. So erblickt man beim Menschen, dem Lammblut eingespritzt war, eine blaurothe Färbung der Haut — in Folge des Stagnirens des Blutes in den kleinen Hautgefässen. — Die Hindernisse, welche der Blutstrom in den Lungen erfährt, bewirken Athem- noth, — sogar Zerreissungen kleiner Gefässe der Luftwege, wodurch blutiger Auswusf bedingt wird. Die Athemnoth kann sich steigern, wenn in der Medulla oblongata, dem Centrum der Athembewegungen, eine Behinderung des freien Kreis- laufes sich entwickelt. — An den Verdauungswerkzeugen beobachtet man aus dem- selben Grunde vermehrte Peristaltik der Gedärme, — Kothentleerung, Stuhlzwang, Erbrechen und Leibschmerzen. Diese Erscheinungen erklären sich daraus, dass überhaupt Störungen der Circulation in den Darmgefässen vermehrte peristalti sehe Bewegungen nach sich ziehen (§. 165. 3). — In den Nieren sieht man in Folge der Verstopfungen der Gefässe nachfolgende Entartung der Drüsen- substanz eintreten (Mittler). Die Harncanälchen verstopfen sich durch Cylind er von geronnener Eiweisssubstanz (Ponfick) (§. 267. IL u. §. 272. I. E. 5). — In den Muskeln — kann die Verstopfung vieler Gefässe Steifigkeit, ja sogar Starre durch Myosingerinnung, gerade wie beim Stenson' sehen Versuche hervorrufen unter gleichzeitiger erhöhter Wärmeproduction, welche beim Eintritte der Myosingerinnung zu erfolgen pflegt (§. 297). — Auch an dem Nerven- systeme, — an den Sinnesapparaten, — dem Her zen — kommen Störungen vielfältiger Art zur Erscheinung, welche sich sämmtlich auf die Verstopfung der Gefässe und die hierdurch behinderte Circulalion zurückführen lassen. — Von besonderem Interesse ist es noch, anzuführen, dass nach der Transfusion mit fremdem Blute in der Begel nach einer halben Stunde ein lebhaftes Fieber — auftritt (§. 221). — Es verdient endlich noch erwähnt zu werden, dass auch Zer- reissungen der Gefässwände beobachtet werden. Hieraus erklären sich hartnäckige Blutungen, — die sowohl auf freien Flächen der Schleimhäute und serösen Häute, als auch in Parenchymen der Organe, sowie auch endlich aus angelegten Wunden erfolgen können; das Blut selbst gerinnt schwer und unvollkommen (pg. 58). — Weitaus die meisten der mitgetheilten Thatsachen, die Transfusion heterogenen Blutes betreffend, sind durch meine Versuche ermittelt worden. Vor Versuchen, anstatt des Blutes andere Stoffe einzuspritzen, kann nur gewarnt werden: 0,73°/o- Kochsalzlösung oder gleichnamiges Serum vermag wohl die Kreislaufverhältnisse auf rein mechanischem Wege zu bessern (Goh) und hierdurch günstig zu Avirken (Kronecker &• Sander, v. Ott u. A.), kann aber bei hochgradiger Anämie, bei welcher das , die vitalen Processe unterhaltende, nothwendige Blutquantum im Körper nicht mehr verblieben ist, ganz offenbar das Leben nicht erhalten (Eulenburg äf LandoüJ. Kochsalz-, Serum- Infusionen. Iteticulum, Pulpa. 108. Die Blutgefässdrüsen. I. Die Milz. — Dieselbe ist unter dem Peritoneum von einer festen, fibrösen Kapsel umschlossen , welche am Hilus zugleich den eintretenden Gefässen einen Ueberzug abgiebt. — Von der Innenfläche der Kapsel und der Oberfläche der scheidenartigen Umhüllung der Gefässe gehen zahlreiche, sich kreuzende und verästelnde Balken („Milzbalken") aus, welche somit im Innern der Milz ein überaus reiches, unregelmässiges (durch Auswaschen darstellbares) Maschenwerk erzeugen , den Hohlräumen eines Waschschwammes vergleichbar. Fibrilläres Bindegewebe, mit elastischen und glatten Muskel-Fasern vermischt, bildet die Grundlage dieser Theile. Im Innern der Maschenräume ist ein zartes Keticulum adenoiden Ge- webes ausgespannt (Billrothj, welches zugleich mit den, in den Maschen desselben liegenden, zelligen Elementen als Pulpa bezeichnet wird. [§. 108.] Die Blutgefässdrüsen. 199 Die starke Arterie und Vene — der Milz sind zunächst von der fibrösen Scheide überkleidet, die auch die weiteren Verästelungen dieser Gelasse über- Gefdsse. zieht. Die kleineren Arterienzweige, die allmählich diese Scheide verlieren, theilen sich schliesslich je in pinselförmig angelegte, nicht unter einander anastomosirendc Endästcheu (Penicilli). An den Theilungsstellen der Arterienstämmchen sind die weisslichen, bis stecknadelkopfgrossen MalpigAz' sehen Bläschen angebracht, deren Maipiyhi- Structur in allen Theilen derjenigen der solitären Lymphfollikel gleicht (Gerlach; "cheßiascfien. siebe §. 198, 1). Die Körperchen erweisen sich als kugelförmige , lymphatische Auflockerungen der Gefässscheide ; [sie rinden sich bei manchen Thieren anstatt in der Kugelform in Form gestreckter, aufgelockerter Arterienscheiden, gewisscr- maassen als perivasculäre Lymphscheiden, welche sich sogar bis auf die kleinsten Arterienzweige forterstrecken können {Willi. Müller, Sckweigger-SeydelJ~\. Nach Tonisa sollen von den Malpighi' sehen Bläschen herkommende Lyniphgefässe, weiterhin in der Wand der Arterienscheiden bis zum Hilus der Milz verlaufend, angetroffen werden. Andere Lyniphgefässe bilden Netze in der Kapsel. Ueber den Zusammenhang der Arterien- und Venen-Enden wird angenommen, Zusammen- dass zwischen den feinsten, capillar-gewordenen Arterienzweigen und den feinsten han? der Veneuästchen keine continuirliche Bahn liegt, dass vielmehr das Maschenwerk Venen. des Pulpa-Eeticulums das wandungslose Stromgebiet des Blutes abgiebt Stieda, IV. Müller, Peremeschko, Klein). Dieser Anschauung entsprechend strömt also das Blut durch die, mit dein Beticulum durchsetzten, Masebenräume der Milz, Avie der Lymphstrom durch die Hohlräume der Lymphdrüsen. — Nach einer anderen Ansieht f Billroth, Kölliker) ist zwischen den capillaren Arterien- und Venen-Enden wirklich eine geschlossene Blutbahn vorhanden , die allerdings aus erweiterten Bäumen besteht (ähnlich den cavernösen Bäumen der Schwellkörper). Diese intermediären Bäume sind aber von einem spindelförmigen Endothel völlig begrenzt, welches nach aussen direct an das Beticulum der Pulpa stösst. Innerhalb der Maschen des Beticulums finden sich zellige Elemente ver- Elemente der schiedener Art: — 1. Lymphoidzellen (§. 15) in verschiedener Grösse, theilweise Pulpa. gequollen und mit körnchenreicliem Inhalt ; — 2. rotbe Blutkörperchen ; — 3. Vorbildungsstufen letzterer (§. 13. C.) ; — 4. sogenannte blutkörperchenhaltige Zellen (vgl. §. 14). Die zahlreichen Nerven der Milz bestehen aus sogenannten ^wa^'schen Nerven. Fasern. (§. 323. 1. 3.) Von den chemischen Bestandtheilen — sind einige die höher Chemie der nxydirten Stufen der Eiweisskörper. Ausser den gewöhnlichen Bestandtheilen aß&- des Blutes finden sich nämlich : Leucin, Tyrosin, Xauthin, Hypoxanthin, Taurin, — ferner Milch-, Butter-, Essig-, Ameisen-, Bernstein-, Harn- und (?) Glycerin- phosphor-Säure ( Salkowski) , sodann Fette , Cholesterin , ein glutinartiger Körper, Glycogen , Inosit , eisenhaltige Pigmente , sogar freies Eisenoxyd (Nasse) (die Pulpa schwärzt sich durch Schwefelammonium). Die Asche ist reich an Phosphor- säure und Eisen, aber arm an Chlorverbindungen. Der Milzsaft reagirt alkalisch. Das spec. (! e wicht der Milz = 1059—1066 (Smidt). Die Function der Milz — ist überaus dunkel; das Folgende scheint Function der benierkenswertb. "1/,;r- 1. Die Milz kann ohne Nachtheil für das Leben entfernt wer den Exstirpation. (Galen) , wie für Thicre und Menschen [31 Fälle mit 9 Heilungen] erwiesen ist (Köberlc, P/an, Zacaralla u. A.). Hiernach vergrössern sich nicht constant die Lymphdrüsen, wohl aber scheint die blutbereitende Thätigkeit des Knochen- markes erhöht zu sein. Bei Fröschen sah man nach Milzexstirpation am Darme braunrothe Knötchen entstehen, die man als milzersetzcnde Organe gedeutet hat ; Tizzoni berichtet über Neubildungen von Milzen im Netze (Pferd, Hund) nach Verödungen des Parenchvnis und der Gefässe der Milz. — In äusserst seltenen Fällen fehlte die Milz (Meinhard, Koch, Wachsmutli . 2. Vermöge ihrer glatten Muskelfasern (Kölliker ist die Milz im Gontrac Stande, ihr Volumen zu ändern. Reizungen der Milz Rud. Wagner 1849) oder ihrer Nerven (durch Kälte, Elektricität, — Chinin, Eucalyptus, Seeale und andere „ Milzmittel") iMosler) ruft Verkleinerung derselben unter Abblassen und Granulirtwerden hervor. Man findet die Milz einige Stunden nach der Verdauung vergrössert, zu einer Zeit, in welcher die Verdauungsorgaue nach geleisteter Arbeit wieder blutärmer werden. Man hat so auch in der Milz einen Regulirungs- apparat für den Blutgehalt der Verdauungswerkzeuge sehen wollen. Zieht sich 200 Die Blutgefässdrüsen. [§• 108.] Milz als Bildungs- stätte von Zymphoid- zellen. Milz als Auflösungs- organ rotker Blut- körperchen. Milztumoren. Milznerven. die Milz bei der Reizung zusammen, so vergrössert sich, wie durch eine Injections- dehnnng, die Leber. Nach Roy ist die Circulation durch die Milz nicht allein vom Blutdruck in der Milzarterie abhängig , sondern in ganz hervorragender "Weise von der Contraction der glatten Muskelfasern der Kapsel und der Trabekeln, welche sich in 1 Minute langen, rhythmischen Bewegungen finden. Lähmungen der Milznerven, wie bei gewissen Fieberintoxicationen (Malaria, Typhusgift), bewirken Vergrösserung des Organes. Ebenso wirkt die Durchschneidung der Nerven ; ich sah hierbei nach Ausrottung der, zerstreut am Hilus liegenden Nervenästchen heerdweise die Vergrösserung unter blaurother Färbung auftreten. 3. Man hat f Gerlach, FunkeJ in der Milz ein Blutbildungsorgan — erkennen wollen. Sicher entstehen iu ihr zahlreiche Lymphoidzellen (bei Hyper- plasie der Milz sogar bis zur ausgesprochenen „lienalen" Leukämie). Das Milz- venenblut enthält stets zahlreiche Leukocyten (pg. 32), von denen in der Blut- bahn weiterhin zahlreiche durch fettige Entartung zu Grunde gehen fVirchow). Bizzozero & Salvioli fanden nach grossen Blutverlusten im Verlaufe einiger Tage die Milz geschwollen und ihr Parenchym reich an kernhaltigen Vorbildungsstufen der rothen Blutkörperchen. 4. Andere Forscher (Kölliker, Ecker) wollen in der Milz ein Einschmel- zungsorgan derBlutkörperchen sehen, — wofür namentlich die sogenannten „Blutkörperchenhaitigen Zellen" herangezogen werden (§.14). Nach den Beobach- tungen von Kusnetzow handelt es sich in diesen Gebilden um grosse Lymphoid- zellen, welche rothe Blutkörperchen durch die Amöboidbewegung in sich auf- genommen haben (wie sie sich ähnlich auch in Blutextra vasaten finden sollen; Virchow). Letztere zerfallen nun allmählich innerhalb derselben und liefern, als Abkömmlinge des Hämoglobins dem Humatin ähnliche , eisenhaltige Pigmente. Es enthält daher die Milz mehr Eisen, als ihrem unveränderten Blutgehalte ent- sprechen würde. Vergleicht man hiermit noch das Vorkommen der Zersetzungs- producte und höherer Oxydationsproducte der Eiweisskörper in der Milz, so dürfte in der That die Milz als Einschnielzungsorgan der rothen Blutkörperchen gelten, wofür auch noch das Auftreten der Salze der rothen Blutkörperchen im Milzsafte spricht. Nach Schiff soll allerdings die Milzexstirpation auf die absolute und relative Menge der rothen r,nd weissen Blutkörperchen ohne Einfluss sein. — Anderweitige Veränderungen des Blutes in der Milz : Zunahme von Wasser und Faserstoff, — kleinere, hellere, weniger abgeplattete, resistentere rothe Blut- körperchen der Milzvene , die sich nicht geldrollenartig an einander legen, — leichtere Krystallisation des Hämoglobins der Milzvene, reicherer O-Gehalt des Blutes der letzteren während der Verdauung lassen sich zur Zeit nicht deuten und dürften überhaupt nur mit Vorsicht acceptirt werden. 5. Zweifelhaft ist auch endlich die Ansicht, dass nach Exstirpation der Milz die Verdauungsthätigkeit des Pankreas leide und die des Magens erhöht werde (Schiff). — Die hervorgehobene Gefrässigkeit der Thiere ist nicht constant. Das Auftreten der Milzschwellung bei verschiedenen Krankheiten hat seit Alters die Aufmerksamkeit der Aerzte erregt. Schon im normalen Zustande zeigt die Milz , namentlich der wechselnden Thätigkeit der Verdauungsorgane entsprechend, während des Tages einen oftmaligen "Wechsel ihres Volumens. In dieser Beziehung verhält sich die Milz den arteriellen Gefässen ähnlich. Ihre Nerven (die demgeniäss den vasomotorischen angehören) haben ihr Centrum im verlängerten Marke. Die Erregungen dieses, namentlich auch Erstickung, rufen Contraction der Milz hervor. Von hier aus verlaufen die Fasern durch das Rückenmark (in welchem vom 1. bis 4. Halswirbel Ganglienzellen liegen sollen, die gleichfalls auf die Milzcontraction einwirken) , weiter durch den linken N. splanchnicus, das Ggl. semilunare bis in das Milzgeflecht ijaschkowitz). Reizungen der Nerven (ebenso directe Kälteapplication auf die Milz oder selbst die Milz- gegend) bedingen Contraction der Milz ; Lähmungen (auch durch Curare oder an- haltende Narkose) vergrössern die Milz (Bulgak). Druck auf die Vena lienalis macht die Milz leicht schwellen (Mosler). Hiermit stimmt es, dass bei erhöhtem Blutdruck in dieser Vene (bei Pfortader- stauungen, Aufhören von Hämorrhoidal- und Menstrual-Blutungen) Milzschwellung häufig beobachtet wird. — Die Wirkung der Milzmittel, namentlich des Chinins, auf die Contraction des geschwellten Organes glaubt Binz so erklären zu müssen, [§. 108.] Die Blutgefässdrüsen. 201 dass das Chinin die Production der Lymphoidzellen in der Milz hemme, in Folge dessen das Organ seine Haupti'unction einbüsse und dem entsprechend blutärmer werde. — Es ist unentschieden, ob die Contraction oder Schwellung der Milz das Verhältniss der weissen und rothen Blutkörperchen im Blute verändere. — Sensible Nerven scheint die Milz nur im Peritoneum zu besitzen. II. Die Thymus. — In der Fötalperiode relativ mächtig entwickelt und in Thymu. den beiden ersten Lebensjahren noch wachsend , wird das Organ bis gegen das 10. Lebensjahr statiouär , um weiterhin zu atrophiren und fettig zu entarten. Sie scheint, so lange sie besteht, die Function einer echten Lymphdrüse zu haben, — wofür der Umstand spricht, dass bei Reptilien lind Amphibien, welche keine Lymphdrüsen besitzen, die Thymus ein permanent functionirendes Organ ist. Das ganze Organ besteht aus 0,5 — 1,5 Mm. grossen, die Structur der ein- fachen Lymphfollikel zeigenden Bläschen (vgl. Fig. im §. 198). Die, im Reticulum liegenden Lymphoidzellen können verschiedene Stadien des Zerfalles zeigen. Ausserdem finden sich zerstreut in demselben noch eigenthümliche , räthselhafte ,,conccntrische Körper" (Ecker), zumal in der Zeit der Rückbildung vor. Simon, His u. A. haben der Thymus im Innern einen vielgewundenen, blind endigenden Canal , „den Centralcanal", zugesprochen, welchem äusserlich die Follikel auf- sitzen sollen ; doch haben andere Forscher denselben entweder nur für ein Lymph- gefäss oder sogar für ein Kunstproduct erklärt. Zahlreiche feinere Lymphgefässe durchziehen theüs das Innere, theils verbreiten sie siih auf der Oberfläche des Organs ; ihre Anfänge sind noch nicht sicher erkannt. Blutgefässe sind relativ reichlich vorhanden. Unter den chemischen Bestandtheilen — ist nennenswerth ausser Leim, Eiweiss, Natronalbuminat, Zucker und Fett, noch Leucin, Xanthin, Hypoxanthin, Ameisen-, Essig-, Butter-, Milch- und Bernstein-Säure. In der Asche sind Kali und Phosphorsäure über Natron, Calcium, Magnesium, (? Ammonium), Chlor und Schwefelsäure vorherrschend. Exstirpationen der Thymus haben über die Function derselben kein Licht verbreiten können. III. Die Schilddrüse. — Dieses Organ — [welchem übrigens in der Hälfte Thyreoidea. aller Fälle beim Menschen Neben-Schilddrüsen in grösserer oder geringerer Zahl zugestellt sind (Bruns, Griitzner u. A.) ; eine versprengte kleine Drüse liegt mit- unter vor der Aorta ascendens fWölßerj'] — enthält in einer bindegewebigen Grundlage reich an Zellen zahlreiche, völlig geschlossene Blasen (0,04 bis 0,1 Mm. im Durchmesser), welche beim Embryo und Neugebornen eine Aus- kleidung von einem einschichtigen Lager kernhaltiger, kubischer Zellen zeigen. Der Inhalt der Zellen ist eiweisshaltig. Schon frühzeitig vergrössern sich die Blasen unter Schwund ihres Zellenbelages und colloider Entartung der Inhalts- flüssigkeit. — Bestandteile der Schilddrüse sind: ausser den gewöhnlichen noch Leucin, Xanthin, Milch-, Bernstein- und flüchtige Fett-Säuren. Starke, namhafte Blutgefässe treten zu dem Organe hin. Lymph- gefässe beginnen theils im Innern zwischen den Blasen, theils bilden sie ein Netz in der Kapsel, welche das ganze Organ einhüllt Die Function ist völlig dunkel — vielleicht ist sie der Regu- li rungsapp arat für den Blutgehalt des Kopfes v. Liebermeister, vgl. §. 383). Nach Schiff, Zesas, J. Wagner u. A. zieht die Exstirpation (bei Hunden Folgen der und Affen, nicht bei Kaninchen) den Tod nach sich. Aufstossen und Erbrechen, Bxatirpatum. Beschleunigung der Athmung, später Dyspnoe, Alteration der Herzaction, Dysphagie, Somnolenz, langsame und stockende Bewegungen neben fibrill ären Zuckungen, die sich zum Krämpfe steigern können. Alterationen der Hautsensibilität, Sinken des Blutdruckes, Foetor ex ore sind die voraufgehenden Erscheinungen. Albuminurie, Verminderung von O im Arterienblute. Degeneration an beschränkten Punkten der Nervenfasern fanden Albertoni 5? Tizzoni. — Auch beim Menschen sind totale (Kropf-) Exstirpationen höchst bedenklich („Cachexia strumipriva"). Schiff fand, dass, wenn er bei Thieren die Exstirpation so ausfährte, dass er erst die eine und nach einem Monat die andere Hälfte abtrug, der Tod nicht stets erfolgte. Nach Rogowitsch hat die Schilddrüse die Function, eine im Körper erzeugte Substanz zu neutralisiren, deren Anhäufung giftig auf das centrale Nervensystem wirkt. Aehnlich scheint ihm die Hypo- 202 Blutgefässdrüsen. — Vergleichendes. [§• 108.] Morbus B asedoioii Kropf. Bypophysis. Gl. coccygea. Gl. carotidea physis zu functioniren. Andere Forscher bringen mit dem Ausfall der Thätigkeit der Thyreoidea das sogenannte Myxoedem, d.i. eine schleimige Infiltration des subcutanen Zellgewebes an Kopf und Hals , neben tiefen Störungen des Nerven- lebens bis zum Idiotismus in Verbindung. \Munk und Drobnick wollen die Erscheinungen nach Exstirpation der Schilddrüse auf Reizung der benachbarten Nerven zurückfähren, namentlich sollen hierdurch die zuerst auftretenden Störungen der Athmung und der Herzaction herrühren, welche ihrerseits die Alterationen in der Nerventkätigkeit bedingen, was ich jedoch mit Grützner für äusserst unwahi scheinlich halte.] Besonders merkwürdig ist die Vergrösserung der Thyreoidea neben Herz- klopfen und Hervortreten der Augäpfel in der sogenannten Basedow* sehen. Krank- heit, welche, wie es scheint, auf einer gleichzeitigen Erregung des N. accelerans cordis, der sympathischen Fäden für die glatten Muskelfasern im Augenhöhlen- grunde und in den Lidern (H. Müller), sowie der Hemmungsfasern der G-efässe der Thyreoidea zu beruhen scheint (§. 373). — In manchen Gegenden sind bedeutende Schwellungen (Kropf) sehr häufig, nicht selten neben Idiotie und Cretinismus. — Nach Gegenbaur ist die Schilddrüse ein , in den entfernten Thierclassen in Function stehendes Organ (z. B. bei den Tunicaten, wo sie als Rinne ein Ver- dauungssecret absondert), welches bei den Vertebraten zurückgebildet ist. IV. Die Nebennieren. — Diese , in Mark- und Rinden-Schicht getheilten Organe besitzen in der letzteren mehr längliche , radiär gestellte , in der Mark- substanz mehr rundliche, vom Bindegewebe gebildete und von Blutgefässen be- grenzte Fächer. In letzteren liegen in der Rinde (in einem Reticulum eingebettet) mehr polyedrische , kernhaltige , hüllenlose Protoplasmazellen , deren Substanz Pigment und Fettkörnchen enthält und dunkler und resistenter ist , als an den Zellen des Markes. Letzteres enthält auch polypolare Nervenzellen nebst zuleitenden Fasern , weshalb man auch diesen Theil wohl für einen nervösen Apparat gehalten hat. Die G-efässe sind relativ reichlich. Die Nebennieren enthalten die Bestandteile des Bindegewebes und der Nervensubstanz, ferner Lencin, Hypoxanthin, Benzoesäure, Taurocholsäure, Taurin, Inosit, Fette und Farbstoffe bildende Körper. Unter den anorganischen Stoffen sind Kali und Phosphorsäure vorherrschend. Die Function der Nebennieren ist völlig unbekannt. Merkwürdig ist, dass bei der, wahrscheinlich auf einer primären Nervenaffection beruhenden , so- genannten Addison' sehen Krankheit (bronzed skin), bei welcher die Haut bronze- farbig ist, häufig die Nebennieren entartet gefunden wurden. Bei Hemicephalen sind sie atrophisch. Exstirpation der Nebennieren ist wegen der Verletzung der Abdominalorgane sehr gefährlich , aber nicht absolut tödtlich. Brown-Siquard glaubt, dass den Nebennieren die Function zukomme, übermässige Pigment- bildung im Blute zu hemmen (?). V. Hirnanhang, Steissdrüse, Carotisdrüse. — Der Hirnanhang, dessen hinterer Theil zum Infundibulum gehört, in welchem jedoch die nervösen Ele- mente vielfach durch Bindegewebe und Blutgefässe verdrängt sind, dessen vor- derer Theil eine abgeschnürte und veränderte Partie der eingestülpten Rachenhaut darstellt (§. 453), in der sich jedoch noch drüsenartige Bildungen erhalten habeu, [die in ihrem Bau der Nebenniere gleichen (Ecker, Mihalkowiczf\, ist in seiner Function unbekannt. Dasselbe gilt von der, aus, durch Bindegewebe zusammengefügten, mehr cavernösen Gefässknäueln bestehenden, an der Steissbeinspitze liegenden, soge- nannten Steissdrüse fv. Luschka). — Aehnlich gebaut ist die C a r o t i s d r ü s e (Vgl. pg. 126.) Vielleicht handelt es sich in den letzten beiden um übrig ge- bliebene Reste embryonaler Gefässanlagen (Arnold). 109. Vergleichendes. Wirbelthiere Fische. Das Herz der Fische (Fig. 66, I), sowie der kiementragenden Larven der Amphibien ist ein einfaches, venöses: es besteht aus Vorkammer und Kammer. Letztere sendet das Blut zu den Kiemen, von diesen arterialisirt, sammelt es sich zur Aorta, fliesst in alle Körpertheile und kehrt endlich durch Amphibien, die Körpercapillaren und Venen wieder zum Vorhofe zurück. — Die Amphibien (Frosch, II) haben zwei Vorkammern und eine Kammer. Aus letzterer entspringt [§•109.] Vergleichendes. 203 nur ein Gefäss, welches die Arteriae pulmonales abgiebt und als Aorta dann alle Körperorgane versorgt. Die Venen des grossen Kreislaufes müuden in den rechten, die des kleinen in den linken Vorhof. Bei den Fischen und Amphibien besteht ein erweiterter Bulbus arteriosus am Anfang der Aorta , der theilweise mit starken Muskeln belegt ist. — Unter den Reptilien besitzen die Saurier Reptilien. (III) zwei gesonderte Vorhöfe, jedoch nur unvollkommen getheilte zwei Kammern. Aorta und Art. pulmonalis entspringen aus den letztei'en getrennt. Das gesondert Fig. 66. Schemata des Kreislaufes: — I. des Fisches: A Atrium mit dem Hohlvenen- Sinus (S), V Ventrikel, U Bulbus aoitae, c Aa. brachiales, ii Kiemeugefässe, D Vv. brachiales, E Circulus cephalicus aoitae, F Aorta communis, G Art. caudalis, II Ductus Cuvieri, 1 Ven. cardinalis anterior, K Ven. cardinalis posterior, L Ven. caudalis, MM Nieren. — II. Frosch: l Hohlvenen-Sinus , //Atrium dextrum. III Atrium sinistrum, IV Ventriculus coidis, V Truncus aorticus communis mit dem Bulbus; davon abgehend: / Aa. pulmonales, 2 Arcus aortae, 3 Aa. carotides, 4 Aa. linguales (5 Carotisdrüse), 6 Aa. axillares, 7 Aorta communis, S A. coeliaca, S A.a. cutaneae, o Vv. pulmonahs, pp Lungen. — III. Saurier: I Atrium dextrum mit den Hohlvenen, // Ventriculus dexter, ///Atriumsinistrum, /('Ventriculus sinister, V Aorta communis antica ; i Art. pulmonalis, 2 Arcus aortae, •? Aa. carotides, 4 Aorta communis postica, 5 Art. coeliaca, 6 Aa. subclaviae, 7 Vv. pulmonales, * Lungen. — IV. Schildkröte: /Atrium dextrum mit den Hohlvenen, //Ventriculus dexter, ///Atriumsinistrum, /^Ventriculus sinister. /Aorta dextra, 2 Aorta sinistra, 3 Aorta communis postica, -/Art. coeliaca, 5 Aa. subclaviae, s Aa. carotides, 7 Aa. pulmonales, $ Vv. pulmonales. in den rechten und linken Vorhof einfliessende Venenblut des grossen und kleinen Kreislaufes vermischt sicli innerhalb des Kammerraumes. Bei einigen Reptilien scheint jedoch die Oeffnung im Septum ventriculorum einer (willkürlichen oder reflectorischen '?) Verschliessung fähig zu sein. Die vollständige Trennung beider Herzhälften der Schildkröten ist aus Fig. IV ersichtlich. Die niederen Vertebrateu haben Klappen an der Einmiindungsstelle der Hohlvene, welche bei den Vögeln und einigen Säugern rudimentär sind. — Alle Vögel und Säuger haben, wie n der Mensch , zwei getrennte Vorkammern und zwei getrennte Kammern l'.ei 'armblüter. 204 Vergleichendes. Historisches. [§. 109.] Halicore, einem pflanzenfressenden, walartigen Meerthiere, ist der Ventrikel- theil des Herzens durch einen tiefen Spalt in zwei Hälften zerlegt. Bei den Fledermäusen pulsiren die Venen der Flughäute (Schiff). — Das niederste aller Wirbel thiere , Amphioxus, hat gar kein Herz, sondern rhythmisch sich zusammenziehende Gefässe. Von den Blutgefässdrüsen findet sich die Thymus und die Milz durchgehends bei den Vertebraten, letztere fehlt nur dem Amphioxus und einigen wenigen Fischen. Wirbellose Unter den Wirbellosen — finden sich g e s c h 1 o s s e n e Blutbahnen mit Thiere. pulsirender Bewegung nur vereinzelt, z. B. bei den Echinodermen (Seeigel, Seestern, Holothurie) und den höheren Würmern. — Die Insecten besitzen in der Dorsalgegend als Centralorgan der Circulation das „Rück engefäss" : ein, durch Muskeln erweiterungsfähiger, klappenreicher, contractiler Längsschlauch, welcher das Blut rhythmisch ausstösst in die Zwischenräume aller Körperorgane. Geschlossene Gefässbahnen fehlen ihnen. Auch die Muscheln und Schnecken besitzen ein Herz und lacunäre Gefässbahnen. — Die Cephalop öden (Kraken, Tintenfische) haben 3 Herzen: ein arterielles, einfaches Körperherz und zwei venöse , einfache Kiemenherzen , je an dem Grunde der Kiemen belegen. Die Gefässbahnen sind hier überwiegend geschlossen. — Die niedersten Thiere haben entweder nur pulsirende Vacuolen (selbst in der Vielzahl), welche den farblosen (Blut-) Saft in das weiche Körperparenchym hineintreiben, wie die Infusorien, oder es fehlt jeglicher Gefässapparat, so dass allein durch die Vermittelung der Körperbewegung der Leibessaft eine Ortsbewegung erfährt (Gregarinen). — Bei der Gruppe der Co lent erat en (Polypen, Quallen) ist ein „Wassergefässsystem" vorhanden, welches den Ernährungssaft direct aus der verdauenden Cavität umherleitet und welches durch gleichzeitige Hindurch- führung des (O-haltigen) Wassers durch das Röhrensystem ebenfalls als Athmungs- organ dient. Ueber die vergleichenden Verhältnisse des Blutes handelt §. 12. HO. Historisches. Den Alten war zwar nicht die Bewegung des Blutes, wohl aber der „Kreislauf" desselben unbekannt. Nach Aristoteles (384 v. Chr.) bereitet das Herz, die Akropolis des Leibes , (das bei keinem Blutthiere fehlt), das Blut in seinen Höhlen , und durch die Adern strömt es als Nährflüssigkeit zu allen Körpertheilen hin, gleichwie fort und fort sich theilende Wasserbäche ein Gelände durchrieselnd, dieses befeuchten und befruchten. Aber niemals strömt das Blut zum Herzen wieder zurück. Durch Herophüus und Erasistratus (300 v. Chr.), die berühmten Aerzte der alexandrinischen Schule, kam — (auf Grund des Leerseins der Schlagadern nach dem Tode) — die irrthüniliche Anschauung auf, dass in den Arterien Luft enthalten sei, welche denselben durch die Athmung zugeführt werde, (daher der Name „Arterie"). — Diesen Irrthum widerlegte Galeniis (131 — 203 n. Chr ) durch Vivisectionen. „Wo immer' — sagt er — „ich eine Arterie verletzte, sah ich Blut hervortreten. Und wenn ich durch zwei Ligaturen ein Stück Arterie an beiden Seiten unterband, so habe ich gezeigt, dass das Mittelstück voll Blut war." — Man hielt aber auch jetzt noch an der alleinigen centrif ugalen Blutbewegung fest: — zwischen dem rechten und linken Herzen nahm man irrthümlich im Septum vei'bindende Oeffnungen an. Michael Serveto (spanischer Mönch, 1553 in Genf auf Calvin 's Antrieb als Ketzer verbrannt) zeigte zuerst, dass das Septum des Herzens ohne Oeffnungen sei; er suchte daher nach einer Communication zwischen dem rechten und linken Herzen, und so gelang es seinen Forschungen (1546), den kle in en Kreisla uf zu entdecken: „fit autem communicatio haec non per parietem cordis medium (septum), ut vulgo creditur, sed magno artificio a cordis dextro ventriculo, longo per pulmones ductu, agitatur sanguis subtilis ; a pulmonibus praeparatur, flavus efficitur et a vena arteriosa (Arteria pulmonalis) in arteriam venosam (Venae pulmonales) tran.sfunditur." — Fast ein Vierteljahrhundert später verfolgte Caesalpinus die Bahn des grossen Kreislaufes (1569); bei ihm kommt zuerst das Wort „Circulatio" vor. — Weiterhin erkannte und bestätigte auch [§. HO.] Historisches. 205 Fabricius ab Aquapendcnte (Padua, 1574) aus der Stellung der, von ihm genauer untersuchten Venenklappen, (welche schon in der Mitte des 5. Jahrh. n. Chr. Theodoretus, Bischof von Syrien, entdeckt hatte) die centripetale Blutbewegung in den Venen, (welche bis dahin noch fast durchweg als centrifugal gegolten hatte; doch kannte schon Vesal den centripetalen Strom in den Hauptstämmen). William Harvey, Schüler des Fabricius (bis 1604), construirte endlich (1616 — 1619) theils auf eigene Forschungen sich stützend, theils die Ergebnisse der früheren Forscher zusammenfassend, das Bild des Gesammt krei slauf es, die grösste physiologische Errungenschaft (veröffentlicht 1628), von welcher eine neue Epoche der Physiologie angeht. In Bezug auf Einzelheiten des Gefässs ystemes — sei noch dos Folgende erwähnt. Nach Hippokrates ist das Herz fleischig und die Wurzel aller Gefässe; bekannt sind die einzelnen grossen, aus dem Herzen hervorgehenden Gefässe, die Klappen, die Sehnenfäden, die Herzohren, der Schluss der Semilunar- klappen. Aristoteles benennt zuerst die Aorta und die Hohlvenen, die Schule des Erasistratus die Carotis, dieser deutete auch die Function der venösen Klappen. — Bei Cicero findet sich die Unterscheidung zwischen Arterien und Venen, Celsus (.i n. Chr.) betont, dass die Venen, unterhalb einer Compressionsbinde angeschlagen, bluten. Aretaens (50 n. Chr.) weiss , dass das Arterienblut hell , das Venenblut dunkel ist. Plinius (f 79 u. Chr.) schreibt dem Menschen die pulsirende Fontanelle zu. Das Vorhandensein eines Knochens im Septum grösserer Säuger (Bos, Cervu*. Elephas) war Galen (131 — 203 n. Chr.) bekannt. Nach seiner Vermuthung com- municiren endlich die Venen mit den Arterien durch feinste Bohren, was aller- dings erst Blancard (1676) durch Injectionen und Malpighi durch mikroskopische Beobachtungen der Kreislaufsbewegung bei Kaltblütern und Will. Cowper (1697) bei Warmblütern erhärten konnten. Stenson (geb. 1638) constatirte zuerst die muskulöse Natur des Herzens, was freilich schon von der Hippokratischen und Alexandrinischen Schule ausgesprochen war. — Cole erwies die continuirlicbe Erweiterung des Arteriengebietes gegen die Capillaren hin (1681). — Joh. Alfons Borelli (1608 — 1679) berechnete zuerst die Kraft des Herzens nach hydraulischen Gesetzen. — Craanen beschrieb bereits sj'stolische Contractionen an den Venae pulmonales. Die Alten verlegten vielfach den Sitz des lebenden Princips für den Körper und sogar die Seele selbst in das Blut (Aristoteles, Galen . Nach Aristoteles können Schildkröten noch kurze Zeit nach heraus- genommenem Herzen leben. Physiologie der Athmung\ Zweck der Athmung. Aeussere und invere Athmuvg. 111. Zweck und Eintlieilimg. Die Athmung hat den Zweck, dem Körper die. zu den Oxydationspro cessen nothwendige Menge 0 zuzuführen , sowie die. durch den Stoffwechsel gebildete C02 zu entfernen. In wirksamster Weise wird die, hierzu erforderliche Thätigkeit von Seiten der Lungen geleistet. Man unterscheidet die ,. äussere" und die „innere" Athmung: erstere umfasst den Gasaustausch zwischen der äusseren Luft und den Blutgasen der Athmungs organe (Lungen und Haut). — letztere den Gas- wechsel zwischen dem Capillarblut des grossen Kreislaufes und den Geweben der Körperorgane. Die Luftröhre und die Bronchien. 112. Bau der Luftwege und der Lungen. Die Lungen sind zusammengesetzt-schlauchförmige (? traübenförmige), CO.ä absondernde Drüsen: jede derselben sendet ihren Ausführungsgang (Bronchus) dem gemeinsamen Luftwege, der Trachea, zu. Die Trachea — bat zur Grundlage eine Anzahl C-förmiger, übereinander gelagerter, hyaliner Knorpelbögen, vereinigt durch eine straffe Faserhaut dichter, mit Bindegewebe vermischter, elastischer Netze, welche vornehmlich in der Längs- richtung angeordnet sind. Die Knorpel haben die Aufgabe, dem Bohre unter den wechselnden Druckverhältnissen ein offenes Lumen zu wahren ; dieselben finden eine analoge Verwendung in den Bronchien — und deren Verzweigungen und fehlen erst in den Luftgängen von 1 Mm. Durchmesser. Schon vorher, in den kleineren Bronchien, sind sie spärlicher, unregelmässiger und namentlich noch an den Bifurcationsstellen in Form unregelmässiger Plättchen der Wandung eingefügt. Eine äussere Faserschicht von Bindegewebe und elastischem Gewebe überkleidet die Luftröhre und die Aeste des Bronchialbaumes; derselben sind gegen den Oesophagus zu reichere elastische Elemente und spärliche Bündel längsgeordneter glatter Muskelfasern zugefügt. Glatte Muskelfasern trifft man in der Trachea vornehmlich in querer Anordnung, die Enden der Knorpelbögen (hinten) verbindend (Munniks 1697), an welchen sie sich mittelst elastischer Sehnen inseriren ; vereinzelte Längsbündel finden sich an der äusseren Fläche der Luftröhre (Krämer). — Die Schleimhaut ist neben Bindegewebe und Lymphoidzellen ganz besonders reich an, vornehmlich längsverlaufenden, elasti- schen Fasern, die zumal dicht unter der, dem Epithel zur Grundlage dienenden, [§■ H2.] Bau der Luftwege. 207 Basalmembran die grösste Mächtigkeit haben. Das äusserst knappe, kaum trennbare Gewebe der vorwiegend bindegewebigen Submucosa heftet die Sehleimhaut den Knorpeln und der sie verbindenden Faserhaut an. — Das Epithel der Trachea ist ein geschichtetes Fl immer e pithel, dessen Wimpern gegen die Glottis hin schlagen, mit zwischenliegenden Becherzellen. — Zahlreiche kleine, verästelt-tubulüse Schleimdrüschen mit grösseren, helleren und kleineren, dunkleren Secreti onszellen (in deren Ausführungsgänge das "Wimperepithel theilweise hineinreicht), finden sich unter und in der Mucosa der Trachea (namentlich an der Vorder- und Hinter- Wand und zwischen den Knorpeln), aber auch der Bronchien. Sie sondern den zähklebrigen Schleim ab, durch welchen die Staubtheilchen der eingeathmeten Luft sich niederschlagen und nun mit dem Fig. 67. W&**L. Histologie der Lungenbläschen (halbschemntisch). w die Blutgefässe an den Grenzen der Alveolen; — cedie Blutcapillaren eines Alveolus; — E Lageverhältniss der Alveolen-Epithelien zu den Rlutcapillaren ; // die Alveolen-Epithelien allein gezeichnet ; — e e das elastische Gewebe der Lunscnsubstanz. Schleime zugleich durch das AVimperepithel aus dem Bronchialbaum und dem Kehlkopfe entfernt werden (§. 143). — Die Luftcanäle sind reich an Lymph- gefässen nebst Lymphfollikeln, dagegen treten Nerv en s t am in eben (an denen Ganglien vorkommen) und Blutgefässe mehr zurück C. Frankenhauser). Die „kleinen Bronchien" — sind den gröberen gegenüber, ausser dem Zurücktreten der Knorpel, durch das Vorhandensein einer geschlossenen Bing- muskellage ausgezeichnet; — in ihnen fehlen ferner die Schleimdrüschen, das Epithel wird niedriger. Schleimabsondernde Becherzellen werden bis in dir kleineren Luftcanäle verfolgt. Nachdem die kleinen Bronchien sich unter vielfacher Verästelung bis zu 0,5 — 0,-1 Mm. verjüngt haben, gehen sie zunächst über in „kleinste Bron- chien" — mit zusammenhängendem Flimmerepithel, die bereits einzelne wand- släudige Alveolen tragen. Kleine Ilronchivn. Kleinste lironchien. 208 Bau der Lungen. [§• 112-] Respira- torisch ■>. Bronchio'en A'veolen- G-'dnge. Bau der Lungen- Alveolen. Gefässe des kleinen -Kreislaufes. Bronchial- gefdsse. Lgmp'i ge/ässe der Lungen Die unmittelbare Fortsetzung dieser kleinsten Bronchien sind weiterhin die „respiratorischen Bronchiolen" — (Bronchioli respiratorii, Kölliker), an denen nach und nach, und zuerst nur auf einer Seite, die Cylinderepithelien kleinen Pflasterzellen und letztere einem gemischten Epithel aus grossen Platten- und kleinen Pflasterzellen weichen , und zugleich die wandständigen Alveolen zahlreicher auftreten. Aus diesen respiratorischen Bronchiolen gehen zuletzt unmittelbar die blind endigenden „Alveolengänge" — (Ductus alveoliferi) hervor, welche ringsum gemischtes Epithel führen und die kleinen Pflasterzellen nur noch in kleinen Nestern zeigen ■Köllikerj. Die Alveolengänge sind ringsum mit zahl- reichen, dicht nebeneinander befindlichen, halbkugeligen oder sphäroiden Aus- buchtungen (Alveoli) besetzt. Die feinsten Bronchien haben noch glatte Muskel- fasern (Fr. E. Schulze, Stieda). Ueber den feinen Bau der Alveolen ist zu bemerken : — 1. Die gestalt- gebende Bläschenmembran ist strncturlos , elastisch, mit eingelagerten Kernen. — 2. Netze zahlreicher, feiner, elastischer Fasern f Moleschott 1846) umspinnen die Bläschen. Sie verleihen der Lungensubstanz vornehmlich die grosse Elasticität. [Da die elastischen Fasern sich durch grosse Widerstandsfähigkeit auszeichnen, so trifft man im Auswurfe lungenkranker Menschen nicht selten dieselben in ihrer, noch erhaltenen, charakteristischen Anordnung: ein untrüg- liches Zeichen , dass die Substanz der Lunge dem Zerfalle preisgegeben ist (§. 143)-] Glatte Muskelfasern sind zuerst von Moleschott, und nach ihm von Anderen beobachtet worden, sie liegen zerstreut in dem Bindegewebe, welches die Lungenbläschen von einander trennt. — 3. Die Schlingen der reichhalt'gen Capillarnetze treten mehr gegen den Bläschenraum hervor (Rainey). — 4. Zwischen den Capillarschlingen liegen gruppenweise geordnet, die sehr zarten, platten, kernhaltigen Lung enepithelie n. Nach Elenz sind die Capillaren der Säuger und Eeptilien jedoch nicht völlig nackt, sondern von den sehr dünnen, kernlosen Theilen der umfangreicheren Plattenepithelien bedeckt, deren kern- fiihrende Abschnitte stets in den Interstitien der Capillarmaschen angetroffen werden; Aehnliches fand Kölliker in der Menschenlunge, woselbst die kleineren Zellen 7— 15"-, die grösseren 22— 45 u. messen. (Vgl. Fig. 67.) See schätzt die Zahl der Lungenbläschen auf 809 l ., Millionen und deren respiratorische Fläche auf 81 [jj-Meter (= 54mal die Oberfläche des Körpers). Die Gefässe der Lungen — gehören zwei verschiedenen Systemen an : — A) dem System der Pulmonalgefässe — (des kleinen Kreislaufes). Die Verzweigungen der A. pulmonalis folgen denen der Luftcanäle, welchen sie unmittelbar anliegen (so dass ihre pulsatoriscke Bewegung sich dem Luftinhalte mittheilen kann [§. Ii5. 1]. Das sich aus ihnen entwickelnde Gebiet der Capil- laren ist ein sehr reiches Netz mittelfeiner, im Gesammtquerschnitt jedoch nicht das Lumen des Gesammtquerschnittes der Capillaren des grossen Kreislaufes er- reichender Haargefässe. Daher ist der Strom in den Lungencapillaren schneller, als in den Haargefässen des Körpers (§. 99). Die Lungenvenen in ihren Stämmen gleichfalls die Luftcanäle begleitend, sind zusammen enger, als die Art. pulmonalis (Wasserabgabe in den Lungen) (§. 101). B) Das System der Bronchialge fasse — stellt das Ernährungs- material für das Athmungsorgan. Den Bronchien folgend, geben die Aa. bron- chiales Zweige an diese ab, sowie an die Lymphdrüsen im Lungenhilus, an die grossen Stämme der Lungengefässe (Vasa vasorum) und die Pleura pulmonalis. Vielfache Anastomosen bestehen zwischen den Verzweigungen der Arteriae bron- chiales und pulmonalis (ZuckerkandlJ. Die aus den Capillaren hervortretenden Gefässe gehen theils in die Anfänge der Venae pulmonales über, — (aus diesem Grunde haben alle erhebliehen Stauungen im kleinen Kreislaufe auch Stauungen in dem Blutlaufe der Bronchialschleimhaut, verbunden mit Bronchial-Katarrhen, zur Folge) — theils bilden sie besondere Venenbahnen, die als Venae bron- chiales sich im hinteren Mittelfellraum in die Stämme der Vv. azygos, inter- costales oder cava superior ergiessen. Die Venen der kleineren Bronchien, und zwar schon von den Bronchien 4. Ordnung an, münden sämmtlich in die Venae pulmonales, und auch die Venae bronchiales anteriores communiciren mit den Pulmonalvenen [ZuckerkandlJ . Das interstitielle, vielfach lymphadenoide [J. Arnold) Gewebe der Lungen ist von einem Netzwerk von Saftcanälchen durchzogen; um die gröberen [§■ 112-] Bau der Lungen. — Mechanismus der Athniunj 209 Bronchien, die Lungenläppchen und die Gefässe herum findet sich ein grösseres, unregelmässiges Lymphgefässnetz. Das Saflcaualsystem und die Lymphgefässe injiciren sich, wenn Thiere flüssige Farbstoffe zerstäubt einathmen , letztere dringen durch die zähflüssige Zwischensubstanz zwischen den Epithelien hinein (v. Wittich), nach Klein durch vorhandene kleine Poren. In der Wand der Lungenalveolen bilden die feinsten L ymph röhrche n ein, in den Lücken der Blutcapillaren liegendes, zartes Canalsystem, welches an den Kreuzungspunkten Erweiterungen zeigt fWydwozoffJ. Nach Pierret & Renaut ist jede Alveole beim Rinde (wie die Acini der Speicheldrüsen) von einem grossen lymphatischen Spaltenraum umgeben. Von hier ziehen die Gefässe an den Bronchien entlang, in der Mncosa und Submucosa ein dichtes läng-gemaschtes Netz bildend, zur Lungen wurzel, wo sie sich mit den hier liegenden Drüsen vereinigen. Auffällig ist es, mit welcher Schnelligkeit in die Lungen eingeführte, selbst grössere Flüssigkeitsmassen resorbirt werden, wie ich nach Einspritzen von "Wasser in die Trachea lebender Thiere oft gesehen habe und wie es Peiper für viele andere Stoffe feststellte. Sogar Blut wird in gleicher "Weise aufgenommen, so dass Nothnagel schon nach 3— 5 Minuti n die Blutkörperchen im interstitiellen Lungengewebe antraf. Von der, an elastischen Fasern sehr reichen Pleura pulmonalis — beginnen die Netze der oberflächlichen Lymphgefässe der Lungen mit freien Stomata (Klein) ; ebenso communiciren die Lymphgefässe der Pleura parietalis an vielen Stellen (am Zwerchfell nur an bestimmten Bezirken) durch Stomata mit dem Brustraume der Pleuren {Bizzozero, Sahio/i , nach Klein sogar mit der freien Fläche der Bronchialschleimhaut. — Die Lymphgefässe der Adern des kleinen Kreislaufes liegen zwischen Media und Adventitia Grancher . Die X e r v e n — der Bronchien, Trachea und des Larynx tragen Ganglien f Kandai azkij . Die Wirkung der glatten Muskelfasern — der Trachea und des gesammten Bronchialbaumes scheint mir darin zu bestehen , dem erhöhten Drucke (wie bei allen forcirten Exspirationen : Sprechen, Singen, Blasen etc.) innerhalb der Luftcanäle Widerstand zu leisten. Nach dem Zeugnisse vieler Forscher (seit Langet 1842) ist der N. vagus der motorische Nerv: von ihm hängt bei erhöhter Spannung innerhalb der Luftcanäle der sogenannte „L u n g e n t o n u s" ab. Plötz- liche, ausgiebige Bewegungen nimmt man (etwa an einem in die Trachea eingebundenen Manometer) nach Vagus- oder directer Lungen- Reizung nicht wahr. Pathologisches. — Reizungen der glatten Muskeln, wodurch eine krampfhafte Verengerung der kleineren Bronchien entsteht, können asthmatische Anfälle erzeugen. Ist hierbei das exspiraiorische Entweichen der Luft aus den Lungen- bläschen erschwert oder behindert, so kann es zu einer acuten Lungen- blähung (Emphysema acutum) kommen Biermer vgl. §. H54. Pathol.). Ansser den Elementen des Binde-, elastischen und Muskel-Gewehes und der Schleimhaut enthält die Lunge Lecithin, Inosit, Harnsäure (Taurin, Leucin beim Ochs; Guanin, [V] Xanthin, Hypoxanthin beim Hund). — sodann Natrium, Kalium, Kalk. Magnesium, Eisenoxyd, viel Phosphorsäure, dazu Chlor, Schwefel- säure und Kieselsäure. — Bei Diabetes fand man Zucker, — bei eitriger In- filtration Glycogen und Zucker, — bei Nierenentartung Harnstoff, Oxalsäure und Ammoniaksalzc, bei Zersetzungs-Krankheiten Leucin und Tyrosin. und der Pleuren . Glatte Muskeln der Luftcanäle. Chemie der Lungen. 113. Mechanismus der Ithembewegongen. Der Mechanismus des Atliemholens besteht in einer ab- f>"p>™t;<»< wechselnden Erweiterung und Verengerung des Brustkorbes. Eupin Die Erweiterung wird Einathmung oder Inspiration. — die Verkleinerung Ausathmung oder Exspiration genannt. — Da die ganzen äusseren Oberflächen der beiden elastischen Landois, Physiologie. 7. Aufl. 14 210 Mechanismus der Athmung. [§. 113.] Lungen vermittelst ihres glatten, feuchten Pleuraüberzuges der inneren Wand der ebenfalls, von der Pleura parietalis, über- kleideten inneren Fläche der Brustwandung unmittelbar und völlig luftdicht anliegen , so ist es ersichtlich , dass sie bei jeder Ausdehnung des Thorax ebenfalls ausgedehnt, bei jeder Ddern Lungen Verkleinerung mit verkleinert werden müssen. Diese Bewegungen ist immer nur der Lungen sind also völlig passive, von den Thorax- passiv. DewegU11gen abhängende (Galenus). Vermöge ihrer vollkommenen Elasticität und ihrer grossen Dehnbarkeit werden die Lungen jeglichem Raumwechsel der Brusthöhle zu fo]gen im Stande sein , ohne dass die beiden Pleurablätter jemals von einander weichen. Da auch im nicht erweiterten Thorax der Innenraum grösser ist, als das Volumen der zusammengesunkenen, herausgenommenen Lungen, so müssen sich die Lungen in ihrer natürlichen Lage innerhalb des Brüst- te Lungen korbes ausgedehnt, also in einem gewissen Grade elastischer sind tut int -» t • zustande fepannung befinden (§. Co). Letztere wird um so grösser Spannung, sein, je erweiterter der Brustraum ist, und umgekehrt. Sobald die Pleurahöhle von aussen her durch eine Perforation eröffnet wird, zieht sich die Lunge durch ihre Elasticität zusammen, und es entsteht ein, mit Luft gefüllter Raum zwischen Lungen- Fth"'a£~ 0Dernäche und Brustraum-Innenfläche (Pneumothorax). Die betreffende Lunge ist hierdurch für die Athmungsthätigkeit lahm gelegt ; doppelseitiger Pneumothorax zieht demnach den Tod nach sich. Es ist einleuchtend, dass auch eine Durchbohrung eines Luflcanales der Lunge durch die Oberfläche der Pleura pulmonalis hindurch die Atmosphäre von der Luftröhre aus in den Pleurasack zur Pneumothoraxbildung einlassen muss. Bestimmung Fügt man bei mensch liehen Leichnamen durch einen Infercostalraum ein der Manometer bis in den Pleuraraum, so kann man die Grösse des elastischen Zuges Spannung der gedehnt erhaltenen Lunge an der Quecksilbersäule messen. Sie beträgt hei der Lungen der im Tode , wie im Ausathmungszustande , zusammengesunkenen Brustkörb- en Leichen- Stellung 6 Mm. Quecksilber. Wird jedoch der Thorax durch Zug von aussen in die erweiterte Inspirationsstellung gebracht, so ist die Grösse des elastischen Zuges bis auf 30 Mm. vermehrt (DondersJ (§. 124. 1). Der Luft- Werden mit der inspiratorischen Erweiterung des Brustkastens am Lungen zugleich auch die elastischen Lungen ausgedehnt, so würde, — falls 'st 1Drvck-der fur diese Zeit zunächst die Glottis geschlossen wäre, — differem der eine Verdünnung der Luft innerhalb der Lungen stattfinden , da sich tai^uTI' ja das Volumen dieser Luft auf ein grösseres ausdehnen müsste. Würde der SLur,alen nun plötzlich die Glottis geöffnet, so würde die atmosphärische Luft so lange in die Lungen einströmen, bis die Lungenluft gleiche Dichtig- keit mit der Atmosphäre erlangt hätte. — Umgekehrt : werden mit dem Brustkorbe bei der Exspiration auch die Lungen verkleinert, so würde, — falls wir uns zunächst wieder die Stimmritze ge- schlossen denken, — die Lungenluft verdichtet, d h. auf ein kleineres Volumen zusammengepresst. Würde nun plötzlich die Glottis geöffnet, so würde so viel Luft aus den Lungen entweichen, bis innen und aussen gleicher Druck herrschte. Da beim gewöhnlichen Athmen die Stimmritze offen steht, so wird der Ausgleich des verminderten oder vermehrten Luftdruckes in der Lunge bei In- und Ex-Spiration [§. 113.] Mengenverhältniss der gewechselten Athmungsgase. 211 allmählich erfolgen. Dass aber auch so noch, während der ruhigen Einathmung ein geringer negativer Druck, bei der Ausathmung ein geringer positiver Druck in der Lungenluft herrscht, ist sicher : ersterer beträgt 1 Mm. , letzterer 2 — 3 Mm. Quecksilber in der Luftröhre (bei Menschen mit Luftröhrenwunden messbar). [Nach jf. R. Ewald betragen die genannten Werthe nur 0,1 und 0,13 Mm. Hg.] 114. Mengenverhältniss der gewechselten Athmungsgase. Da die Lungen im Brustkorbe niemals ihren Luftgehalt ^£^nr^ völlig abgeben, so wird bei der Füllung und Entleerung der- iu/t wird selben , bei der Inspiration und Exspiration stets nur ein g^le^u. Theil der Lungenluft dem Wechsel unterworfen sein. Dieser Theil wird allerdings rücksichtlich seines Volumens von der Tiefe der Athemzüge abhängen. Hutchinson (1860) hat in Bezug hierauf folgende Unterscheidungen getroffen : 1. Residualluft — nennt er dasjenige Luftvolumen, welches nach voll- ständiger Exspiration noch in den Lungen zurückbleibt. Bei Leichen ist dieselbe kaum annähernd bestimmbar, wenn man die Gase der (an der Luft- röhre vorher unterbundenen) herausgenommenen Lungen über Wasser auffängt (Goodwyn). H. Davy &* Grehnnt (1860) ermittelten beim Lebenden den Werth in folgender Weise. Nach vorher erfolgter vollständiger Exspiration athmet ein Mensch eine Zeit lang aus einem Gefässe mit einem ganz bestimmten Inhalt H ein und auch darin wieder aus. Kann man annehmen, dass sich die Residualluft mit dem H völlig gemischt hat, so zeigt die procentische Zusammensetzung des Luftgemenges nach stärkster Ausathmung das Quantum der Residualluft an: so fanden sie 1200—1*00 Ccmtr. Nach einem völlig abweichenden Verfahren hat man die Grösse der Residualluft in folgender Weise bestimmt /Nenpauer-Gad, Pßüger'. Man kann die Grösse eines unbekannten Luftvolums x berechnen aus der Volumen zunähme, welche es erfährt, wenn der auf ihm lastende Druck vermindert wird. Denn die, durch die Verminderung des belastenden Druckes entstehende Vergrösserung des • unbekannten Luftvolumens ist direct proportional der Grösse des Gasvolumens und der Verringerung des Druckes. Ist Pt der ursprüngliche Druck, unter welchem das Gasvolum steht, P., der andere, verminderte Druck, ist ferner d die mess- bare Volumzunahme von x, so ist x = (Pä X d) : (Pt— P8). Pflüger conslruirte zur Ausführung des Versuches sein Pneumonometer. Der Mensch befindet sich in einem grossen, hermetisch verschlossenen Kasten („Menschendose"), in welchem zunächst der Druck der Atmosphäre herrscht (Px). Nun wird die Luft darin durch partielles Auspumpen verdünnt bis zum Druck Pa, den ein eingesetztes Manometer angiebt. Hierbei wird natürlich dem, in der Exspiration ruhig Sitzenden von seiner Residualluft (x) ein Theil entweichen, der in einem kleinen, luftdicht mit den Luftwegen communicirenden Spirometer aufgefangen und gemessen wird (d). So fand Pfliiger x = 400 bis 800 Ccmtr. — Gad, der mit abweichender Vorrichtung, jedoch nach gleichem Principe arbeitete, giebt die Rcsidualluft gleich der halben Vitalcapaeität an. 2. Reserveluft — ist dasjenige Luftvolumen, welches nach einer ruhigen, mühelosen Exspiration noch nachträglich bei forcirter Ausathmung ausgetrieben werden kann. Es misst 1248 — 1804 Ccmtr. Auch zur Bestimmung der Reserve- luft lässt sich das Verfahren von H Davy S* Grehant anwenden. 3. Respirationsluft — heisst dasjenige Luftvolumen , welches bei ruhiger Athmung eingenommen und ausgegeben wird. Es beträgt dieselbe unter sonstigen gleichen Verhältnissen gegen 507 Ccmtr. (3(37—699 Ccmtr , Vierordt, . 4. Complementärluft — nennt Hutchinson dasjenige Luftvolumen, welches auf der Höhe einer ruhigen Inspiration durch eine unmittelbar sich anschliessende forcirte Einathmung aufgenommen werden kann. 14* 212 Titale Capacität. Spirometrie. [§•114.] Titale Capacität. Grösse des der vitalen Capacität Fig. 68. ö 6 5. Vitale Capacität — wird dasjenige Luftvokimen genannt, welches von der höchsten Inspirations- bis zur tiefsten Ex- spirations-Stellung des Brustkorbes aus den Lungen entweicht. Es beträgt für Deutsche im Mittel 3222 Ccmtr. (Haeser), für Engländer 3772 Ccmtr. Ans Vorstehendem folgt, dass nach einer ruhigen Ein- jr;;« athmung die beiden Lungen etwa 3000-3900 Ccmtr. Luft wechseis. enthalten (1 + 2 + 3), nach einer ruhigen Ausathmung (1+2) jedoch 2500 — 3400 Ccmtr. Hieraus, sowie aus 3. geht hervor, dass mit einem ruhigen Athemzuge ungefähr nur 1j6 — 1/7 der Lungenluft dem Bewegungswechsel unterworfen ist. Macht man während einer Eeihe ruhiger Athemzuge eine einmalige H-In- spiration und untersucht, wie lange noch bei weiteren ruhigen Athemzügen das H in der Ausathmung gefunden wird, so findet man gleichfalls, dass nach Ver- lauf von 6—10 Athemzügen die Lungenluft völlig erneuert (also H-frei) ist. Donders nimmt an, dass in dem gesammten Bronchialbaum und in der Trachea gegen 500 Ccmtr. Luft enthalten seien. Die Bestimmung der vitalen Capacität — ist bei Menschen, welche an einer Erkrankung der Brustorgane leiden, für den Arzt von grösster Wichtigkeit. Verdich- tungen oder Zerstörungen des Lungen- gewebes, — Eintritt von Ergüssen, Blut, Luft, Geschwulstmassen in den Thoraxraum, — verminderte Beweg- lichkeit des Brustkorbes, — Schwäche der Athemmuskeln, — Vergrößerun- gen des Herzens oder des Herzbeutels, — Auftreibungen des Abdomens müssen auf das Maass der vitalen: Capacität von Einfluss sein. durch das Die Bestimmung der vitalen Spirometer. Capacität gesebieht mittelst des S p i- rometers von Hutchinson (Fig. 68). Durch eine, mit einem Mund- stücke versehene, weite Röhre bläst man (bei geschlossener Nase) die Ex- spirationsluft in eine über Wasser (durch Gewichte im Gleichgewichte gehaltene) aufgehängte , graduirte Gasometerglocke. Nach vollen- deter Exspiration wird die Röhre geschlossen; die Zunahme der Luft in der Glocke (nachdem sich das innere und äussere Wasser gleich hoch gestellt haben) zeigt die vitale Capacität an. (Zweckmässig ist es, die Temperatur der ausgeathmeten Luft stets bis zu einem gleichen Grade sich abkühlen zu lassen.) Von den Einflüssen auf die vitale Capacität sind bekannt : 1. Die Körperlänge — (Hutchinson]. Bei verschiedener Körpergrösse zwischen 5—6 Fuss (engl.) kommt auf jeden Zoll (engl.) grösserer Körperlänge gegen 130 Ccmtr. Zunahme der vitalen Capacität. 2. Das Rumpf volumen — (C. W. Müller) beträgt im Durchschnitte das Siebenfache der vitalen Capacität. v- Ö Ä Hutchinson 's Spirometer. Einflüsse auf die vitale Capacität. [§.114.] Die Zahl der Athemzüge. 213 3. Das Körpergewicht: — Eine Überschreitung des Körpergewichtes um 7°/o des normalen Mittels hat anfänglich für jedes zunehmende Kilo eine Verminderung der vitalen Capacität um 37 Ccmtr. zur Folge. 4- Das Alter: — Das 35. Lebensjahr zeigt das Maximum der vitalen Capacität; von hier aufwärts bis zum 65. Jahr und abwärts bis zum 15. Jahr ist pro anno 23,4 Ccmtr. abzuziehen. 5- Das Geschlecht: — Arnold fand im Mittel bei Männern 3660, bei Weibern 2550 Ccmtr. Ist bei beiden Geschlechtern die Körperlänge und der Brustumfang gleich gross, so verhält sich im Mittel die vitale Capacität der Männer zu derjenigen der Weiber wie 10 : 7. 6. Stand und Beschäftigung — haben auf die Körperhaltung und die Ernährung und somit auch auf die vitale Capacität entschiedenen Einfluss. Arnold stellte drei Kategorien auf, von denen jede vorhergehende die nachfolgende um 200 Ccmtr. grösserer vitaler Capacität übertrifft: a) Soldaten und Seeleute: — b) Handwerker, Schriftsetzer, Polizisten; — c) Arme, Standespersonen und Studenten. 7. Sonstige Einflüsse: — Im Stehen und beim leeren Magen ist die vitale Capacität am grössten ; sie nimmt ab nach grossen Anstrengungen, sowie bei Körperschwäche 'Albers) ; Hochschwangere haben eine grössere vitile Capacität als Neuentbundene (Küchenmeister). Bis zu einem gewissen Grade kann Uebung am Spirometer eine Zunahme bewirken. 115. Zahl der Athemzüge, Die Zahl der Athemzüge schwankt bei Erwachsenen zwischen 12 — 16 — 24 in einer Minute, (4 Pulse kommen dabei im Mittel auf einen Athemzug). Dabei machen sich mannig- fache Einflüsse geltend : 1. Die Körperhaltung: • — Guy notirte bei Erwachsenen im Liegen 13, Einflüsse auf — im Sitzen 19, — iui Stehen 23 Athemzüge in einer Minute. die Zahl der ° A themzuge. 2. Das Alter: — Quetelet fand bei 300 Individuen die Zahl der Bespi- rationen in einer Minute : Jahr Athemzüge 0— l 44 5 26 15-20 20 3. Die Thätigkeit: — Gorham zählte bei Kindern zwischen 2 — 4 Jahren im Stehen 32, im Schlafe 24 Athemzüge in einer Minute. — Bei körperlichen Anstrengungen nimmt die Zahl der Athemzüge eher zu, als die der Herz- schläge (van Ghert). 4. Aufenthalt in heisser Umgebung, sowie auch Steigerung der Blut- temperatur im Fieber vermehren die Zahl der Athemzüge, die hierbei sogar einen dyspnoetischen Charakter annebmen können (Wärm e dys pn oe, §.370). 116. Die zeitlichen Verhältnisse und der Typus der Athembewegungen. Pneumatographie. Um über die zeitlichen Verhältnisse, in denen sich die Efes«f«*fc einzelnen Phasen der Athembewegung entwickeln. Anhalt zu ge- vwhäuni»* winnen, ist es zweckmässig, mit Hülfe registrirender Werkzeuge 9,\iu die A t h m u n g s c u r v e n (P n e u m a t o g r a m m e) zu verzeichnen. am* Au/schluss. Methode : — Die graphische Methode kann nach 3 verschiedenen Richtungen hier Verwendung linden: — 1) Die Darstellung des Bewegungsganges der einzelnen T heile des Brust- korbes wird in folgender Weise ermittelt: Jahr Athemzüge 20—25 18,7 25—30 16 30—50 18,1 214 Die zeitlichen Verhältnisse und der Typus der Athembewegungen. [§.116.] a) Vierordt 6° Ludwig Hessen zuerst die Bewegung einer bestimmten Thoraxstelle auf einen Fühlhebel übertragen, dessen verlängerter Arm als Schreibhebel die Curve auf rotirender Trommel aufzeichnete. — Gleichfalls nach Eegistrirende dem Principe des Hebels construirte Riegel (1873) seinen Doppel-Stetho- Werkzeuge. graphen: zwei Hebelwerke an demselben Stativ, zur Anwendung an Kranken stethograph. in der "Weise bestimmt, dass der eine Hebel an einer Stelle der gesunden Brust- seite, der andere an der entsprechenden Stelle der erkrankten applicirt wird. — Selbst der Marey' sehe Sphygmograph ist, wenn man denselben ausserhalb des Brustkorbes durch ein Stativ frei fixirt, so dass nur die Pelotte der elastischen Feder einer Stelle der Brustwand anliegt, zur Registrirung der Athmungscurven verwendbar (§. 72. Fig. 36). — J. Rosenthal construirte einen Fühlhebel, der bei Thieren gegen das Zwerchfell bei geöffneter Bauchhöhle andrückte, um die Bewegungen desselben zu registriren (Phrenograph). Fig. 69. A BrondgeesVs Luftkissen zur ßegistrirung der Athmungscurven — B eine Athmungscur ve vom Gesunden, zur Bestimmung der zeitlichen Ver- hältnisse auf schwingender Stimmgabelplatte (1 Schwingung = 0,01613 See.) verzeichnet. b) Nach dem Principe der Luftübertragung ist das Luftkissen des Brondgeest' sehen Pansphygmographen (Fig. 69. A) construirt. Letzteres stellt ein Untertassenförmiges Messinggefäss (a) dar, überspannt mit doppelter Kaut- schukmembran (b c), zwischen deren Blättern so viel Luft befindlich ist, dass sich die äussere Membran hervorwölbt, Diese wird an eine Thoraxstelle gelegt, und die Kapsel mit Bändern (d d) um den Brustkorb befestigt. Jede Erweiterung des letzteren presst gegen die Membran, wodurch der Luftraum in der Kapsel comprimirt wird. Dieser steht durch ein Röhrchen nebst Schlauch (S) mit der Registrir-Kapsel, welche in Fig. 37 (vgl §. 72, pg. 130) abgebildet ist, in Ver- bindung. — Auch eine, in den Brusttheil des Oesophagus geleitete Canüle kann mit der Upham sehen Kapsel verbunden werden (J. Rosenthal), [§. 116.] Die zeitlichen Verhältnisse und der Typus der Athembewegungen. 215 Pneumo- graph. Statt einer Kapsel nimmt Marey zur Construction seines ..Pneumo- graphen4 (1868) ein Stück eines dicken, cylindrischen, elastischen Schlauches (welches durch ein Röhrchen nebst Schlauch zur Eegistrirtrommel geleitet ist) und befestigt dasselbe mit Bändern gürtelförmig um die Brust. 2) Es kann die Darstellung der Volums Schwankung Verzeichnung ' , ' , der Volums- des Thorax oder -der gewechselten Athmungsgase graphisch erfolgen : E. Hering bringt zu diesem Zwecke das aufgespannte Thier in einen luft- dicht verschlossenen Kasten, in dessen Wandungen 2 Oeffnungen angebracht sind: die eine enthält ein Rohr, welches durch einen passenden Verbindungsschlauch zu einer, in die querdurchschnittene Luftröhre eingebundene Canüle leitet (durch welche die Athmung ungestört unterhalten wird), in der andern befindet sich ein, mit einem registrirenden Schwimmer versehenes Manometerrohr, gefüllt mit Wasser oder Quecksilber. — Gad hat die Volumsschwankungen der Athmungsluft graphisch durch einen besonderen Apparat verzeichnen lassen : die ausgeathmete Luft hebt einen sehr leichten, äquilibrirten, über Wasser aufgehängten Kasten, der bei seiner Hebung einen Schreibhebel mitbewegt. Bei der Einathmung sinkt dieser Kasten. Fig. 70. Pneumatogramme durch Riegel's Stethojrraphen verzeichnet: — l normale Curven, — 11 Curven eines Emphysematikers. — a aufsteigender Schenkel, b Gipfel, — c absteigender Schenkel der Curven. Die kleinen Elevationen rühren vom Herzstoss her. .3) Es kann endlich die Aufzeichnung der Geschwin- nnd _Ge- digkeitsschwankungen erfolgen, unter welchen die Athem- keiis-' gase gewechselt werden. Schwankung. Setzt man mit der Luftröhre (bei Thieren), oder beim Menschen mit dem Munde (bei geschlossener Nase) eine Röhre in Verbindung, ähnlich dem D Tomo- graphen (Fig. Gl), so wird beim Ein- und Ausathmen das in derselben schwin- gende (zweckmässig breitere) Pendel durch den Luftstrom hin- und herbewegt und kann so zur Registrirung der Geschwindigkeit der Gase bei der Athmung dienen. 216 Die zeitlichen Verhältnisse und der Typus der Athenibewegungen. [§. 116.] Inter- Die Curve Fig. 69. B ist von einem gesunden Manne mittelst Atkinungs- des, auf den Processus xiphoideus applicirten, Luftkissens des Brond- zurve. geest\Q\i&a. Pansphygmographen auf schwingender Stimmgabelplatte registrirt. Die Inspiration (aufsteigender Schenkel) beginnt mit massiger Geschwindigkeit, wird weiterhin in der Mitte beschleunigter, um gegen das Ende wieder langsamer zu werden. Die Exspiration beginnt mit massiger Geschwindigkeit, beschleunigt sich sodann und wird endlich im letzten Theile besonders stark und auffällig verlangsamt, so dass sich die Curve nur allmählich senkt. Die . Die Inspiration dauert etwas kürzer, als die ist kürzer Exspiration: die Zeiten beider verhalten sich nach Sibson Extpiruiun. für den erwachsenen Mann wie 6:7; bei Frauen, Kindern und Greisen wie 6 : 8 bis 6:9. — Vierordt fand das Verhältniss wie 10: 14-1 (bis 24' 1), '% R. Ewald wie 11 : 12. Fälle, in denen In- und Ex-Spiration gleich lang sind, oder in denen gar letztere kürzer ist, kommen nur als Ausnahmen in Betracht. An den verschiedenen Curventheilen werden nicht selten kleine Unregel- mässigkeiten beobachtet, welche davon herrühren, dass die Thoraxbewegungen zuweilen unter successivem Einsetzen der Thätigkeit der Athem- m u s k e 1 n erfolgen. Mitunter bringen auch kräftige Herzschläge Erschütte- rungen des Thorax hervor (Fig. 70). Eif/entuche Geht das Athemholen ununterbrochen und ruhig weiter, exMiXn so existirt eine eigentliche Pause (völlige Ruhe des meht. Brustkorbes) meistens nicht (Riegel) ; mitunter ist der unterste , sehr verflachte Theil des Exspirations - Schenkels irr- thümlich für die Pause gehalten. Willkürlich kann natürlich in jeder Phase der Bewegung eine Pause gemacht werden. Einige Forscher haben jedoch nicht nur zwischen dem Ende der Exspi- ration und dem Anfange der nächstfolgenden Inspiration eine Pause (Exspira- tionspause) angenommen, sondern sogar eine solche auf der Höhe der Inspiration (Inspirationspause); letztere sei immer nur von sehr kurzer Dauer und namentlich erheblich kürzer als die andere. Bei sehr tiefen, aber langsamen Athemzügen wird eine Exspirationspause fast regelmässig beobachtet; dahingegen fehlt sie fast immer bei beschleunigter Athmung. Eine Inspirationspause fehlt unter normalen Verhältnissen stets, dagegen hat man sie unter pathologischen Verhältnissen angetroffen. Respiration*- Mit Hülfe registrirter Curven von verschiedenen t/pus. Theilen des Thorax kann man auch über den sogenannten costaler „Typus" der Respiration Aufschluss erlangen. Schon Hutchinson Frauen* wies darauf hin, dass die Frauen vorzugsweise durch Hebung des Brustbeins und der Rippen den Brust- korb erweitern (Respiratio costalis sive thoracica), während Ahdominoi- die Männer dies vorzugsweise durch Senkung des Jlnnern. Zwerchfells bewirken (Respiratio diaphragmatica sive ab- dominalis). Misst man die Excursionshöhen (an den verzeichneten Curven) vom Manubrium sterni , Corpus sterni, Processus ensiformis und Epigastrium bei Männern und Weibern, so zeigt sich bei letzteren die Brustbeinbewegung, hei ersteren die epigastrische (durch das Zwerchfell) am ergiebigsten. Ich füge in folgender Tabelle nach einigen HiegeP sc\y.ea Untersuchungen die relative Bewegungsgrösse der genannten Punkte bei beiden Geschlechtern an. [§• 116J Athmungstypus. Pathologische Athembewegungen. 217 Mann 1 Pro- v£^2™ Corpus cessus ^OT steini ensi- sterm ! 1 formis Epiga- iWeib brium st,lum| sterni PlO- Corpus cessus steini | ensi- 1 foimis Epiga- strium I 1 1 1,5 4,5 I 1,8 1,1 1 1 0,73 II 1 1 1,1 6,6 II 1,5 1,2 ! 1 0,63 HI 1 1,3 10 12 m 1,4 1,3 1 1,5 IV 1 1,8 3,7 11,4 IV 5 3,1 1 1,9 V 1 1,2 1,5 ! 5 V 1,1 1 1 1,6 VI 1 1,1 1,8 1 6,8 VI 3,8 2,5 1 1,8 2,7 Diese durchgreifende Verschiedenheit beider Geschlechter im Typus des Forärte (ostalen und diaphragmatischen Athmens giebt sich iedoch nur bei ruhigem f^"'"'^ A ihemhol m kun< 1. — Bei tiefer und iorcirter Athmung ^ ird b( 51 den Typus beiden . Geschlechtern die Erweiterung des Brustraumes vor- nehmlich durch starke Erhebung des Brustkorbes und der Rippen bedingt, Man sieht alsdann sogar beim Manne das Epigastrium mitunter eher eingezogen, als hervcrgedrängt. — Im Schlafe wird bei beiden Geschlechtern der R spirationstypus thoracisch. Zugleich geht die inspiratorische Erweiterung des Thorax der Hebung der Bauchwand voran (MossoJ. Ob der Costaltypus der "Weiberathmung herrührt von der Einschnürung der unteren Rippen durch die Schnürleiber fSiösonJ, — oder ob derselbe als naturgemässe Anlage mit Rücksicht auf die Schwangerschaft, bei welcher ein Abdoininalathmen durch Pressung gegen den Uterus hinderlich und schädlich sein könnte, zu betrachten sei /Hutchinson,,, ist unentschieden. Vielleicht wirken beide Momente. Beobachtungen bei wilden Völkerstämmen würden entscheidend sein. Dass der Unterschied der Typen im Schlafe bei völliger Entkleidung und ebenso bei jungen Kindern noch ersichtlich sei, wird von Einigen bejaht, von Anderen wiederum bestritten. Einige Forscher behaupten, dass der Costaltypus bei Kindern beiderlei Geschlechtes angetroffen werde, und suchen den Grund für denselben überhaupt in einer grösseren Biegsamkeit der Rippen bei Kindern und Weibern, die darum eine ausgiebigere Wirkung der Thoraxmuskeln auf die Rippen zuliesse. Die Ursachen dar Athmungs- lypen sind zweifelhaft. 117. Pathologische Abweichungen der Atliembewegungen. I. Veränderungen im Modus der Bewegung. — Die Ausdehnung des Thorax kann bei Erkrankungen der Athmungswerkzeuge entweder auf beiden Seiten (bis auf 6 oder 5 Ccmtr.) vermindert sein, oder nur auf der einen Seite. Bei der so sehr häufigen Erkrankung der Lungenspitzen (bei der Lungen- schwindsucht) ist die subnormale Ausdehnung in den oberen Thoraxpartien be- achtenswert h (Haenisch). — Ein Einziehen der Thoraxweichtheile und auch des Schwertfortsatzes und der unteren Rippeninsertionen findet sich bei inspira- torischer, starker Luftverdünnuug im Thorax (etwa bei Verengerungen im Kehl- kopfe); lediglich auf die oberen Thoraxpartiecn beschränkt, deutet diese Erschei- nung auf einen, unter der einsinkenden Gegend liegenden, wenig ausdehnbaren erkrankten Lungentheil. Bei Menschen , die an chronischen hochgradigen Athmungsbeschwerden leiden, bei denen zugleich das Zwerchfell energisch thätig ist, prägt sich die Insertion des letzteren als eine, vom Schwertfortsatz horizontal nach aussen verlaufende, durch die bedeutende Anziehung erfolgte, seichte Furche schon äusserlich am Leibe aus ; „Harrison' sehe Furche"). Die Zeit des Inspiriums ist verlängert bei Menschen, die an einer Verengerung der Trachea oder des Larynx leiden; — die des Exspiriums bei solchen, die in Folge von Lungenerweiterung (Emphysem) mit Aufbietung aller Exspirationsmuskelu ausatlnnen müssen (Fig. 70)- Mitunter sieht man bei Emphysematikern einen der Inspiration vorauf- gehenden kurzen exspiratorischen Vorschlag Pick . II. Veränderungen im Rhythmus der Bewegungen. - - Alle irgendwie erheblichen Störungen am Athmungsapparat bringen eine Vermehrung oder Ver- tiefung der Athemzüge mit sich, oder beide zugleich. Diese Erscheinung wird Yermii ,!, - rung der Ausdehhioi . Partielle Ein- ziehungen. H arrison- sche Furche. Störunge» der normaien Atfimungs- zeiten . 218 Pathologische Abweichungen der Athembewegungen. [§. 117-] Dyspnoe. Dyspnoe genannt. Die Ursachen der Dyspnoe können sehr verschieden sein: — . 1. Beschränkung des respiratorischen Gasaustausches im Blute bei — a) Verkleinerung der respiratorischen Fläche (Lungenkrankheiten), — b) Verengerung der Luftwege, — c) Verminderung der rothen Blutkörperchen, — d) Störungen des Respirationsmechanismus (Leiden der Respirationsmuskeln und ihrer Nerven, schmerzhafte Affectionen am Thoraxgerüst), — e) Schwäche im Kreislaufe, namentlich Behinderung des kleinen, vornehmlich in Folge ver- schiedenartiser Herzaffectionen. — 2. Eine fernere Ursache der Vermehrung der Respirationsfrequenz kann belegen sein in fieberhaften Zuständen. Die stärkere Erwärmung des Athmungscentrums in der Medulla oblongata durch das wärmere Fieberblut regt direct die dyspnoetischen Athembewegungen auf 30 — 60 in 1 Minute an („Wärmedyspnoe"). Legt man bei TLieren die Carotiden in heisse Röhren, so erfolgt dieselbe Erscheinung (A. FickJ. [Das Genauere über Dyspnoe siehe beim Athmungs-Centrum, §. 370.] Ckeyne- Eine merkwürdige Veränderung im Rhythmus der Athemzüge liefert das Stokes'sches Cheyne-Stokes' sehe (1816) Respir a tion s phän om en, — welches vorkommt bei Phänomen' Leiden, welche den normalen Blutzufluss zum Gehirn alteiiren, oder auch die Blutbeschaffenheit verändern , z. B. bei Hirnaffectionen , Herzkrankheiten oder bei urämischer Intoxication. Hier wechseln Athmungspausen von 1/2 — s/4 Minuten mit Reihen von 20-30 Athemzügen ab, von zusammen ebenfalls 1/2 — s/4 Minuten. Diese Respirationsreihe setzt sich zusammen aus Athemzügen , die erst ober- flächlich, dann immer tiefer und dyspnoetisch werden, dann wieder oberflächlicher verlaufen. Nun folgt wieder die Pause. In dieser sind die Pupillen (während die Bulbi Bewegungen ausführen) eng und reactionslos. In sehr schweren Fällen sah man in den Pausen völlige Bewusstlosigkeit, Analgesie, Aufhören der Reflexe und sogar Aufhören der Schlingbewegungen (Bozzola 6° MossoJ, sehr selten auch gegen das Ende der Pause Muskelzuckungen (Saloz). Beim Beginn der Athem- bewegung werden die Pupillen wieder weiter und reactionsfähig (LeubeJ. Oft sah man das während der Pause erloschene Bewusstsein mit den beginnenden Respira- tionen regelmässig wieder aufdämmern. In Bezug auf die Ursache nimmt man mit Rosenbach und Luciani Schwankungen in der Erregbarkeit des Athmungscenlrums an, welche in der Pause ihren niedrigsten Grad erreicht. Luciani vergleicht das Phänomen mit den Er- scheinungen der periodenweise abgetheilten Herzcontractionen (§. 64. I. 5 und §. 75. 4)- Er sah es eintreten nach Verletzung der Oblongata oberhalb des Athmungscentrums, nach d^r Apnoe bei stark mit Opium vergifteten Thieren, — endlich im letzten Stadium der Asphyxie bei Athmung im abgeschlossenen Räume. Die Erscheinung erklärt s.ch wohl am einfachsten so, dass die Pause als „asphyetische" Athempause, die Reihe der Athemzüge als „prämortale" zu deuten ist (§. 730. 4.). Unter der recreirenden Wirkung der letzteren erholt sich das Athmungscentram wieder bis zur vorletzten Stufe der Erschöpfung. Im Winterschlaf — ist diese Athmungsart normal beim Sieben- schläfer (Myoxus) (MossoJ, dem Igel (LangendorffJ, dem Ca im an (Fano). — Periodisches Werden Frösche unter Wasser getaucht gehalten, oder wird ihnen die Aorta Mimen. ZUgeklemmt, so werden sie nach einigen Stunden reactionslos. Herausgenommen, resp. nach Wegnahme der Klemme erholen sie sich alsbald wieder und zeigen nun stets das Phänomen; bei solchen Fröschen kann die Blutbewegung zeit- weilig unterbrochen werden, während dessen die Erscheinung anhält fSokolow & Luchsinger). Abschneiden der Blutzufuhr beim Frosche durch Verblutung bewirkt in Perioden abgetheilte Athemzüge. Nun folgt ein Stadium einzelner, seltener Züge, dann stockt die Athmung völlig. In den Pausen zwischen den Perioden löst jede mechanische Hautreizung eine Athmungsgruppe aus (Siebert, LangendorffJ . Muscarin, Digitalin, Curare, Chloralhydrat, Schwefelwasserstoff und die Gifte mancher Infectionskrankheiten (Typhus, Diphtherie, Scharlach) ver- mögen ebenfalls ein periodisches Athmen zu erzeugen. „Periodisches Athmen" — ohne Variation in der Grösse der ein- zelnen Athemzüge (sogenanntes Biot'sches Athmen) kommt auch normal im Schlafe vor. Während die nervösen Centren sich auszuruhen streben, vergessen sie gewissermaassen die Athmung, und der Organismus merkt diese kurze Pause nicht (MossoJ. Periodische Unregelmässigkeiten in der Athmung sind auch häufig reflec- torischen Ursprungs (KnollJ. [§. 118.] Uebersicht der Muskelwirkung bei der Inspiration und Exspiration. 219 118. Uebersicht der Muskel Wirkung bei der Inspiration und Exspiration. A) Inspiration. I. Bei ruhiger Athmung sind thätig : 1. Das Diaphragma (N. phrenicus, ex Dil. et IV. n. cervicali). 2. Die Musculi intercostales externi et intereartilaginei (Nervi intercostales). 3. Die Mm. levatores costarum longi et breves (Rami posteriores nervorum dorsalium). Während des Ruheznstandes scheint der elastische Zug der Lungen den Brust- korb unter Anspannung seiner Elasticität allseitig etwas zusammenzuziehen. Dem entsprechend würde die, hierbei angespannte, elastische Kraft für den Beginn der Einathmung unterstützend wirken (Hyde Salter). Auch Landerer hält den Thorax in der Euhe für einen, nach der Inspirationsstellung hin federnden Apparat, und zwar durch die, nach aufwärts gerichtete Federkraft der 6 oberen Rippen. II. Bei angestrengter Athmung sind thätig : a) Muskeln am Stamme. 1. Die drei Mm. scaleni (Rami musculares des Plexus cervicalis et brachialis). 2. M. sternocleidomastoideus (Ramus externus N. accessorii). 3. M. trapezius (R. externus N. accessorii et Rr. musculares plexus cervicalis). 4. M. pectoralis minor (Nn. thoracici anteriores). 5. M. serratus posticus superior (N. dorsalis scapulae). 6. M. Mm. rhomboidei (N. dorsalis scapulae). 7. Mm. extensores columnae vertebralis (Rami posteriores ner- vorum dorsalium). [8. ?? M. serratus anticus major (N. thoracicus longus).] b) Muskeln des Kehlkopfes. 1. M. sternohyoideus (Ramus descendens hypoglossi). 2. M. sternothyreoideus (Ram. descendens hypoglossi). 3. M. cricoarytaenoideus posticus (N. laryngeus inferior vagi). 4. M. thyreoarytaenoideus (N. laryngeus inferior vagi). c) Muskeln des Gesichtes. 1. Mm. dilatator narium anterior et posterior (N. facialis). 2. M. levator alae nasi (N. facialis). 3. Die Erweiterer der Mund-Spalte und -Höhle bei der grössten Anstrengung des Atbmens [„Luftschnappen"] (N. facialis). d) Muskeln des Gaumens und Rachens. 1. M. levator veli palatini (N. facialis). 2. M. azygos uvulae (N. facialis). 3. Nach Garland verengert sich allemal der Pharynx. 220 "Wirkung der einzelnen Athniungsmuskeln. Zwerchfell. [§. 118.] B) Exspiration. I. Bei ruhiger Athmung wirken zur Verkleinerung des Thoraxraumes lediglich die Schwere des Brustkorbes, sowie die Elasticität der Lungen, der Rippen- knorpel und der Bauchmuskeln. II. Bei angestrengter Athmung wirken : 1. Die Bauchmuskeln (Nn. abdominis interni sive anteriores e nervis intercostalibus VIII. — XII). 2. Mm. intercostales interni (soweit sie zwischen den Rippen- knochen liegen) und Mm infracostales (Nn intercostales). 3. M. triangularis sterni (Nn. intercostales). 4. (?) M. serratus posticus inferior (Rami externi nervorum dorsalium). 5. (?) M. quadratus lumborum (Rami musculares e plexu lumbali). Pathologisches. — Es kommt unter Umständen selten eine Athmung derart vor, dass zuerst activ der Thorax verkleinert wird , worauf passiv derselbe in die Inspirationsstellung wieder zurückfedert [AduccoJ. 119. Wirkung der einzelnen Athnmngsniuskeln. A. Inspiration. — 1. Das Diaphragma — [entspringend mit 6 Portionen von den 6 unteren Bippenknorpeln und dem angrenzenden Knochen- hereiche der Rippen (Pars costalis), — mit 3 Schenkeln von den 4 oberen Lendenwirbeln (Pars lumbalis), — und dem Proc. ensiformis des Brustbeines (Pars sternalis}] — stellt eine, gegen den Brustraum gewölbte Doppel- kuppel dar, in deren grösserer, rechtsseitigen Concavität die Leber, in deren kleinerer, linksseitigen die Milz und der Magen liegen. In der Buhe werden diese Eingeweide durch die Elasticität der Bauctdecken und den intraabdomi- nalen Druck so gegen die untere Zwerchfellfiäche angedrückt, dass letzteres sich tief in die Thoraxhöhle hineinwölbt, wozu der elastische Zug der Lungen bei- trägt. Der Mitteltheil des Zwerchfelles (Centrum tendineum) ist oben grössten- theils mit dem Herzbeutel verwachsen. Diese Stelle, auf welcher das Herz ruht, und die von der unteren Hohlvene (Foramen quadrilaterum) durchbohrt wird, ragt im ruhenden Zustande wieder mehr gegen den Bauchraum herab und ist an Zwerchfellabgüssen deutlich als die tiefste Stelle des Mitteltheiles zu erkennen. mrkwng des Bei der Contraction werden beide Gewölbe- '' kuppeln abgeflacht, und der Brustraum, wird nach unten hin erweitert. Hierbei gehen vornehmlich die seitlichen, muscu- lösen Theile aus dem gewölbten Zustande in einen mehr ebenen über, wobei zugleich bei starker Zusammenziehung die unteren seitlichen Theile, die in der Buhe der Brustwand unmittelbar anliegen, sich von letzterer abheben. An dieser Bewegung nimmt die Mitte des Centrum tendineum, wo das Herz ruht, (fixirt durch den Herzbeutel und die untere Hohlvene), namentlich bei gewöhnlicher ruhiger Athmung , keinen erheblichen Antheil (Verheyen 1710), bei tiefster Inspiration senkt jedoch auch sie sich nachweislich (Hasse). Unzweifelhaft nimmt das Zwerchfell an der Thoraxerweiterung den hervor- ragendsten Antheil. Brücke glaubt sogar , dass das Zwerchfell ausser der Er- weiterung von oben nach unten den Thorax auch noch im unteren Theile in transversaler Richtung ausdehne: indem es nämlich von oben auf die Ein- geweidemassen des Abdomens drücke, suchten diese seitlich auszuweichen und verbreiterten so sich selbst und die anliegende Thoraxwand. AVerden bei lebenden Thieren die Baucheingeweide hinweggeräumt, so werden bei jeder Zwerchfell- [§. 119.] Wirkung der einzelnen Athmungsmuskeln. Bippenheber. 221 contraction die unteren Rippen nach innen gezogen (Alb. v. Hallet). Dies ist für eine ergiebige Thoraxerweiterung nach unten natürlich hinderlich , daher die Gegenlage der Eingeweide zur normalen Thätigkeit des Diaphragma nöthig erscheint. Um einigermaassen einen Anhalt über die Grösse der Bruster weite- Bestimmung rung durch das Zwerchfell zu erlangen, verfuhr ich in folgender Weise, der Aus- Bei einem kräftigen, durch Verblutung gestorbenen weiblichen Neugel iornen wurde (J^,"tt^*\ eine Trachealcanüle eingebunden, hierauf derselbe völlig unter Wasser getaucht, das und die Lungen wurden aufgeblasen. Aus der Grösse des so verdrängten Wassers Zwerchfell. wurde annähernd die vitale Capacität bestimmt Sodann wurde die Bauchhöhle geötfnet, alle Eingeweide wurden herausgenommen, und es wurde zuerst bei nicht aufgeblasenen Lungen (in der Exspirationsstellung) ein Wachsabguss von der unteren Zwerchfellfläche gemacht. Hierauf wurde in die Lungen eine, der gefundenen vitalen Capacität gleiche Menge Luft eingebracht, und nachdem die Luftröhre verschlossen, wurde in dieser Stellung abermals ein Zwerchfellabguss gemacht. Die Yolumendifl'erenz dieser Abgüsse wurde bestimmt, und es fand sich, dass an der Gesammterweiterung des Thorax sich das Zwerchfell zu 1 Theil betheiligte, während die übrigen Zunahmen der Erweiterung gegen 21,'., betrugen. Dieser AVerth ist selbstverständlich nur ein annähernd richtiger; denn 1) hat das Wegnehmen der Baucheingeweide beim Aufblasen der Lungen ein zu unbehindertes Niedergehen des Zwerchfelles zur Folge (das allerdings durch die Ausführung des Wachsabgusses einigermaassen compensirt wird), sodann aber wird 2) die untere Wölbung des activ contrahirten Zwerchfelles eine Abweichung in der Form darbieten von dem, durch die aufgeblasenen Lungen passiv niedergedruckten. Immerhin steht uns kein anderes Mittel zur Orient irung über die Tboraxerweite- rung durch das Zwerchfell zu Gebote. Jede Zwerchfellcontraetion fördert durch Steigerung des intraabdominalen Druckes den venösen Blutstrom der Unterleibsorgane nach der unteren Hohlvene zu (Hasse). Die eminente Wichtigkeit des Zwei chfells für den Athmungsprocess ergiebt X. phrenicus. sich daraus; dass nach beiderseitiger Phrenicus-Durchschneidung junger Kaninchen der Tod erfolgt (Btidge &> Eulenkamp). Der Nerv enthält, wie auch experimentell nachgewiesen Schreiber, v. Anrep & Cybulski), einige sensible Fasern für Pleura, Perikardium und einen Abschnitt des Bauchfelles (Henle, Schwalbe . Die Contraction des Zwerchfells ist nicht als eine „einfache Muskel- zuckung" aufzufassen, denn sie dauert 4 — 8mal so lange als eine solche; sie ist daher als eine kurzdauernde tetanische Bewegung zu bezeichnen (Kroneck, r ö3 Marckwald), die wir in jeder Phase (ohne etwaige Wirkung von Antagonisten) zu sistiren im Stande sind. — [Vgl. auch §. 344. 4.] 2. Die Rippenheher. — Für die Besprechung der Rippen heb er />,> muss folgender anatomischer Anhaltspunkt vorausgeschickt werden. An ihrer i-'ippenheber. Extremitas veitebralis (welche viel höher liegt, als die Extremitas sternalis) sind die Rippen durch Gelenke am Köpfchen und Tuberculum an den Wirbelkörpern und Querfortsätzen befestigt. Durch bnide Gelenke lässt sich eine horizontale A x e legen, um welche die Rippe eine Drehbewegung aufwärts und abwärts ausführen kann. Verlängert man die Drehaxen je eines Rippenpaares von beidun Seiten, bis sie sich in der Mittellinie schneiden, so entstehen Winkel, die an den oberen Rippen gross (125°), an den unteren kleiner (88°) sind A. IV. Volkmann . Durch die Bogenkrümmung jeder Rippe kann man sich eine Fläche gelegt denken, welche im Ruhezustande eine von hinten und innen nach vorn und aussen ab- schüssige Neigung hat. Dreht sich die Rippe um ihre Drehaxe, so wird diese geneigte Ebene mehr zur horizontalen erhoben. Da die Drehaxen der oberen Rippen mehr frontal, die der unteren mehr sagittal verlaufen, so bewirkt Hebung der oberen mehr eine Raumerweiterung von hinten nach vorn, die der unteren von innen nach aussen (da die Bewegungen der abwärts geneigten Rippen senkrecht zur Axe erfolgen) Die Knorpel der S ernalenden erleiden bei ihrer Erhebung zugleich eine leichte Torsion, wodurch ihre Elasticität in Anspruch genommen wird. Alle direct auf die Wände des Brustkorbes wirkenden Inspirationsmuskeln sind in der Art thätig. dass sie n!o,',: die Rippen erheben. Hierbei gelten folgende Punkte: — huplrvüm a) Bei der Erhebung der Rippen werden die Intercostal- 222 "Wirkung der einzelnen Athmungsmuskeln. Intercostalmuskeln. [§.119-] räume erweitert. — b) Bei der Erhebung der oberen Rippen müssen alle unteren Rippen und zugleich auch das Brustbein mit erhoben werden, weil alle Rippen durch die Weichtheile der Intercostalräume mit einander in Verbindung stehen. — c) Bei der Inspiration findet eine Erhebung der Rippen und eine Erweiterung der Intercostalräume statt. (Eine Ausnahme macht die unterste Rippe, die jedoch auch in keiner Weise mehr im Bereiche der eigentlichen Brusthöhle liegt. Diese wird, wenigstens bei tiefen Athemzügen, nicht mit aufwärts, sondern abwärts gezogen.) — d) Erhebt man an einem Thoraxpräparate die Rippen unter Erweiterung der Intercostalräume wie bei einer Inspirationsbewegung, so wird man alle diejenigen Muskeln als Rippenheber betrachten können, deren Ursprung und Ansatz sich einander nähern. Nur diese würde man also auch als Inspiratoren bezeichnen können. Völlig unbestritten sind in dieser Richtung als In- spiratoren die Scaleni und die Levatores costarum longi et breves, sowie der Serrat us posticus superior aner- kannt, und dürften diese auch die einflussreichsten und wichtigsten, auf die Rippen wirkenden Einathmungsmuskeln sein. Mm. inter- Von den Mm. intercostales lassen sich jedoch nach eztem^-nter- diesem Versuche nur die Externi und von den Interni nur die cartüaginei. Intercartilaginei als Inspiratoren bezeichnen, während der übrige Theil der Interni (soweit er von den Externi gedeckt wird) sich bei Hebung der Rippen verlängert, bei der Senkung jedoch sich verkürzt. Da nun ein Muskel bei seiner Thätigkeit sich nur verkürzen kann so hat man den Interni eine Thätigkeit bei der Senkung der Rippen (als Exspiratoren) zugesprochen (Hamburger 1121). Figur 71. I zeigt, dass bei Hebung der (wie die Rippen) gesenkten Stäbe a und b der Zwischenraum (Intercostalraum) sicli erweitern muss : (ef^>cd). — An der linken Seite der Figur ist ersichtlich , dass bei Hebung der Stäbe sich die Linie gh verkürzt: (ik<]gh; — Richtung der Intercostales externi) — Im jedoch sich verlängert: (lm<[on; — Richtung der interni). — Figur II zeigt, dass die durch g h angedeuteten Intercartilaginei und die durch 1 k gezeichneten Intercostales externi sich bei Hebung der Eippen verkürzen. Bei Hebung der Rippen würde nämlich die Lage dieser Muskelzüge durch die kürzer gewordenen Diagonalen der punktirten Rhomben gegeben sein. Verschiedene Uralt ist der Streit über die Wirkung der Intercostalmuskeln ; — Galenus Ansichten (131—203 n. Chr.) hielt die Externi für Inspiratoren, die Interni für Exspi- mrlunfder ratoren. — Hamburger (1727) schloss sich (nach Willis' Vorgange) dieser An- Intercostai- sieht an, und bekannte auch noch die Intercartilaginei als Inspiratoren. — musliein. ^_ v_ Haller (Hamburgers entschiedener Gegner) betrachtet Interni und Externi beide für Inspiratoren. Vesalius (1540) sprach beide für Exspiratoren an. — Landerer endlich, der die 2 — 3 oberen Intercostalräume sich bei der Inspiration verengern sah, glaubt beide bei der In- und Ex-Spiration thätig; indem sie eine Rippe gegen die andere angezogen halten, haben sie allein die Aufgabe, die auf sie übertragene Zugwirkung einfach durch die Thoraxwand fortzupflanzen. Sie sollen also selbst dann in Action bleiben, wenn auch die Abstände ihrer In- sertionspunkte grösser werden. Ich kann nach reiflicher Abwägung aller Verhältnisse mich ganz unbedingt für keine dieser Anschauungen erklären. Auch mir ist es einleuchtend, dass die Externi und Intercartilaginei sich füglich nur während der Inspiration, die Interni hingegen nur während der Exspiration zusammenziehen können (wie letztere auch Marlin 6° Harlwell bei Hunden durch Vivisection neuerdings er- [§.119.] Wirkung der einzelnen Athmungsmuskeln. Inspiration. 223 härtet haben), allein ich sehe bei dieser Bewegung nicht als Haupteffect die Hebung, resp. Senkung der Eippen. Ich bin vielmehr der Meinung, dass die hauptsächlichste Wirkung der Externi und Intercartilaginei darin besteht, der inspiratorischen Dehnung der Intercostalräume und dem gleichzeitig verstärkten elastischen Zuge der Lungen ein Gegengewicht zu setzen. Die Wirkung der In- terni erkenne ich darin, bei starker Exspirationsthätigkeit (z.B. Husten) der exspiratorischen Dehnung Widerstand zu leisten. Ohne Muskelgegenwirkung würde auf die Dauer der imunterbrochene Zug und Druck die Intercostalsub- stanz so sehr ausdehnen, dass geordnete respiratorische Bewegungen unmöglich sein würden. Fig. 71. Schema der Wirkung der Mm. intercostales. Der Pectoralis minor und (?? Serratus anticus Mm. major können zur Hebung der Rippen nur dann mitwirken. p minor" wenn die Schultern unnachgiebig gehalten werden, theils durch serrt££ ant' Frarung der Schultergelenke durch festes Aufstützen der Arme, theils durch die Mm. rhomboidei, wie an Athemnoth leidende Personen es instinetmässig ausführen. 3. Auf Brustbein, Schlüsselbein und Wirbelsäule wirkende ja ^mo- Muskeln. — Bei fixirtem Kopfe (durch die Nackenmuskeln) kann nuutmdeu*. der Sternocleidomastoideus durch Emporziehen des Manubrium sterni und der Extremitas sternalis der Clavicula den Brustkorb wirksam nach oben hin durch Emporheben er- weitern, die Scaleni somit unterstützend. — In ähnlicher Weise, u. trapemu. jedoch weniger erfolgreich , kann die Clavicularinsertion des Trapezius thätig sein. — Eine Streckung der Brust-amhn^rVr Wirbelsäule muss eine Erhebung der oberen Rippen und Erweiterung der Intercostalräume zur Folge haben . wodurch 224 Wirkung der einzelnen Athmungsmuskeln. Exspiration. [§119.] Kehlkopf und Gaumen. Gesichls- athmen. Wirkung der Schicere und Elasticität. Bauch- muskeln. M. triangu- laris sterni. J)f. serratus post. in/. M. quadrutu: lumborum. die inspiratorische Thätigkeit wesentlich unterstützt wird. Es wird daher bei tiefen Athemzügen unwillkürlich diese Streckung ausgeführt. 4. Bei angestrengter Athmung wird mit jeder Inspiration ein Senken des Kehlkopfes unter Erweiterung der Stimmritze beobachtet (Mende 1816). Zugleich wird der Gaumen stark emporgehoben, um dem, durch den Mund eintretenden Luftstrome einen möglichst freien Weg zu bereiten. 5. Im Gesichte prägt sich die forcirte Athmung zuerst durch inspiratorische Erweiterung der Nasenlöcher aus (Pferd, Kaninchen). Bei höchster Athemnoth wird die Mundhöhle unter Senkung des Kiefers allemal inspiratorisch erweitert („Luft- schnappen"). — Während des Exspiriums erschlaffen die, bei 4 und 5 inspiratorisch thätigen Muskeln, es stellt sich daher die Gleichgewichtslage der Ruhe ein , ohne dass es zu einer besonderen, der Inspirationsbewegung antagonistisch entgegen- wirkenden, activen Exspirationsbewegung käme. B. Exspiration. — Die ruhige Ausathmung verläuft ohne Muskel Wirkung, zunächst lediglich durch die Schwere des Brustkorbes — bedingt, der aus seiner erhobenen Stellung in die tiefere Exspirationslage zurückzusinken sich bestrebt. Sodann wirkt die Elasticität — verschiedener Theile unter- stützend mit. Bei der Erhebung der Rippenknorpel, welche mit einer leichten Drehung ihres unteren Randes von unten nach vorn und oben einhergeht, wird die Elasticität dieser in Anspruch genommen. Sobald daher die inspiratorischen Kräfte nachlassen, treten die Rippenknorpel in ihre mehr gesenkte und nicht mehr torquirte Exspirationslage zurück. Gleichzeitig zieht die Elasticität der gedehnten Lungen die Thorax- wandungen, sowie das Zwerchfell allseitig zusammen. Endlich werden auch die gespannten elastischen Bauchdecken, die namentlich beim Manne eine Dehnung und Hervorwölbung erfahren, beim Nachlass des Zwerchfelldruckes von oben her, wieder in die ungedehnte Ruhelage zurückgehen. (Dass bei umge- kehrter Körperlage die Wirkung der Schwere des Thorax wegfällt, dafür jedoch die Schwere der Eingeweide, die auf das Zwerch- fell drücken, zur Mitwirkung kommt, leuchtet von selbst ein.) Unter den Muskeln, die stets erst bei angestrengter Athmungsthätigkeit zur Verwendung kommen, stehen die Bauchmuskeln obenan. Sie verengern den Bauchraum und drängen somit die Eingeweide gegen das Zwerchfell auf- wärts. Bei ihrer gleichzeitigen Wirkung findet im Bereiche ihrer gesammten Ausbreitung eine Verengerung der Abdominal- höhle statt. — Der Triangularis sterni zieht die inspi- ratorisch erhobenen Sternalenden der vereinigten Knorpel und Knochen der 3.-6. Rippen abwärts, und — der Serratus posticus inferior bewegt die 4 unteren Rippen nieder, wobei die übrigen folgen müssen ; hierbei kann er durch — den Quadratus lumborum, der ein Abwärtsziehen der letzten Rippe bewirken kann, unterstützt werden. Nach Henle soll jedoch [§. 119.] Maassverhältnisse und Ausdehnungsgrösse des Thorax. 225 der Serratus posticus inferior die unteren Rippen dem Zuge des Zwerchfelles entgegen fixiren, also der Inspiration dienen. Landerer giebt sogar an, dass in den unteren Thoraxpartieen die Bewegungen der Rippen nach abwärts den Brustkorb erweitern. Bei aufrechter Stellung und fixirter Wirbelsäule hat eine tiefe Ein- und Aus-Athmung natürlich eine Verschiebung des Körpergleichgewichtes zur Folge, indem bei der Einathmung durch Hervortreten der Brust- und Bauchwand der Schwerpunkt etwas nach vorn rückt. Es wird dementsprechend unwillkürlich bei jeder Athembewegung ein Balanciren des Körpers stattfinden müssen. Bei sehr tiefer Inspiration bewirkt die Streckung der Wirbelsäule und das damit ver- bundene Zurückweichen des Kopfes eine Compensation für die Hervorwölbung der vorderen Bumpfwand. 120. MaassYerhältnisse und Äusdehnuiigsgrösse des Thorax. — Respiratorische Verschiebung der Lungen in der Brusthöhle. Es ist für den Arzt von grosser Wichtigkeit , die Thoraxdimensionen, sowie die Ausdehnungsgrössen desselben nach verschiedenen Bichtungen hin zu kennen. Bei der Einathnmng wird der Brustkorb in allen Durchmessern erweitert. Die Durchmesser des Thorax werden mit dem Tasterzirkel, — der Um- fang wird mit dem Centimeter-llessband bestimmt. Bei starken Männern misst der obere Brustumfang- (dicht unter den Armen) 88 Cmtr., bei Weibern 82 Cmtr. — der untere (in der Höhe des Sehwert- fortsatzes) 82 Cmtr. und 78 Cmtr. Bei wagerech- ter Stellung der Arme beträgt der Umfang bei ruhiger, massiger Exspi- rationsstellung dicht unter den Brustwarzen und den Schulterblattwinkeln d i e halbe Körper-Län- ge: bei Männern 82, bei tiefster Inspiration 80 Cmtr. In der Höhe des Schwertfortsatzes ist der Umfang um 6 Cmtr. ge- ringer. Bei Greisen ist der obere Brustumfang vermindert, so dass der untere weiter, als jener ist. (Meist ist die rechte Thoraxhälfte, wohl wegen der stärkeren Muskel- entwiekelung , um etwas umfangreicher). — Der Längendurch- messer des Brustkorbes (von der Clavicula bis zum untersten Kippen- rand) ist ein sehr wechselnder. Der Transversaldurchmesser (Abstand beider Seitenflächen von einander) ist bei Männern oben und unten 25 — 26 Cmtr. , bei Weibern 23 — 24 Cmtr. ; in der Höhe oberhalb der Brustwarze ist er 1 Cmtr. grösser. — Der sagittale Durchmesser (Abstand der vorderen Brustbeinfläche von der Spitze eines Processus spinosus) ist Landois, Physiologie. 7. Aufl. 15 -^t-^-ujlJ-- — >J / gesund- retrahirt. \ ■■/ JOsCtn. ,iOoC-m. \ [-« / ■ — — *- -* " , — ^^ *-j \ TJ / \ _9.SCm. " _T,oC-ni. / St Cyxtometercurve bei linksseitiger Thoraxretraction eines 12jährigen Mädchens nach Eichhorst. Oberer und untern- Brust- umfang. IMnge des Thorax. 226 Maassverhältnisse und Ausdehnungsgrösse des Thorax. [§• 120.] Sibso n's Thorako- metcr. in der oberen Thoraxpartie 17, in der unteren 19 Cmtr. — Valentin fand, dass bei tiefster Inspiration bei Männern sich der Brustkorb in der Circumferenz in der Höhe der Herzgrube um x/12 bis x\n aus- dehne , in der Höhe der Brustwarzen bestimmte Sibson diese Zu- nahme auf Vio- Um direct Aufschluss zu erlangen über den Grad der Bewegung (Hebung oder Senkung), welchen ein bestimmter Thoraxtheil bei der Respiration vollführt, sind verschiedene Instrumente angegeben. Woiiiez' Recht brauchbar ist das Cyrtometer von Woillez: — eine Messkette Cyrtometer. aus straffbeweglichen Gliedern wird der Thoraxoberüäche in einer bestimmten Richtung angedrückt, z. B. transversal in der Höhe der Herzgrube oder der Brustwarzen, oder senkrecht vorn durch die Mammillar- oder Axillar-Linie. An zwei Stellen sind leicht bewegliche Glieder, die ein Abnehmen der Messkette gestatten, so dass sie im Ganzen doch die Form beibehält. Auf einem Bogen Papier umzieht man die innere Begrenzung des FlS- 73- Instrumentes und erhält so die Thoraxform (Fig. 73). — Legt man das Werkzeug zuerst im ex- spiratorischen , dann im inspiratorischen Zustande an , so gewinnt man im Aufriss direct das Maass für die Bewegung an den einzelnen Thoraxstellen. Das T hör a kö- rne ter von Sibson — (Fig. 73) misst die Er- hebung der einzelnen Stellen des Sternunis. Dasselbe besteht aus zwei rechtwinkelig zu einander gestellten Metallstäben, von denen der eine (A) auf die Wirbelsäule gelegt wird. An B ist der Arm C verschiebbar, der an seinem Ende die senk- recht abwärts gerichtete, niederfedernde Zahnstange (Z) trägt. Letztere hat unten eine Pelotte, welche der zu untersuchenden Stelle des Sternums aufgelegt wird. Die Zahnstange treibt an einem Rädchen den Zeiger (o), der die Excursionen in vergrössertem Maass- stabe angiebt. Ueber die Ausdehnung und Grösse der ruhenden Lungen — an der vorderen Thoraxfläche giebt uns Fig. 27 (pg. 101) Aufschluss. Die schattirten Grenzen L L deuten die Lungenränder, die punktirten Linien P P die Ausdehnung der Pleura parietalis (Grenze der Pleura- höhle) an. Am Lebenden unterrichtet man sich über die Ausdehnung Percussion. der Lungen durch die Percussion, d. h. durch Anschlagen mittelst eines gepolsterten Hämmer chens ( Wintrictis Percussionshammer) gegen die Brustwand (auf ein unterlegtes , dünnes Hornplättchen : Piorrfs Plessimeter). Ueberall, wo lufthaltige Lungensubstanz der Brustwand anliegt, ertönt ein Schall, wie beim Anschlagen eines luft- gefüllten Fasses [„voller (lauter) Per cussionssc hall"] ; wo luftleere Theile anliegen, tritt ein Schall auf, wie wenn man auf den Schenkel klopft [„leerer (dumpfer) Percussionsschall"] ; Siison's Thorakometer. Lungen- grenzen. [§. 120.] Maassverhältnisse und Ausdehnungsgrösse des Thorax. ZZ~i sind die lufthaltigen Theile nur sehr dünn oder theilweise der Luft beraubt, so wird der Schall „gedämpft". Fig. 74 in Verbindung mit Fig. 27 giebt uns über die Aus- dehnungsverhältnisse an der vorderen Brnstfläche Auskunft. — Die Spitzen der Lungen überragen 3 bis 7 Cmtr. die Claviculae an Lungen- der vorderen, an der hinteren Thoraxseite die Spinae scapularum bis zur Höhe des 7 . Processus spinosus. Der untere Lungenrand Unterer reicht in der Ruhelage des Thorax am rechten Brustbeinrande bis gegen den Ansatz der 6. Rippe, senkrecht unter der rechten Brustwarze bis fast zum oberen Rande der 6. Rippe , in der Axillarlinie bis zum oberen Rande der 7. Rippe: — Links reicht (abgesehen von der Lage des Herzens) die untere Lungengrenze vorn gleichweit abwärts. In Fig. 74 zeigt die Linie atb die untere Grenze der ruhenden Lungen an. Hinten reichen beide Lungen bis zur 10. Rippe. Fig. 74. & Topographie der Lungen- uud Herz-Grenzen bei der In- und ExSpiiation, nach v. Dusch. Während einer möglichst tiefen Ein atb. mang steigen nun Respirato- die Lungen vorn über die 6. Rippe abwärts bis zur 7. nieder: hinten veracUdnma bis zur 11. Rippe (wobei sich das Zwerchfell von der Thoraxwand ,ler J ■""?'»- rL ^ runder. abhebt). Bei stä rkster Exspiration rücken die unteren Lungen- ränder fast ebenso hoch empor, als sie bei der Inspiration sinken. (In Fig. 74 zeigt mn die Grenze des rechten Lungenrandes bei tiefer Inspiration, h 1 bei völliger Exspiration.) Besondere Beobachtung verdient die Lage des linken Lungen- ' u, ,..'!"' randes zum Herzen. In Fig. 27 ist die fast dreieckige stelle \ondämP/ der Mitte des Ansatzes der 4. Rippe bis zur urg's ein Kautschukrohr mit passendem Ansatzstück zur Einfügung in ein Nasenloch ' 'meter," oder in die Mundöffnung versehen ist, kann bei Kranken benützt werden, um die Leistungsfähigkeit ihrer Muskeln bei den Athembewegungen zu messen (Pneumatometer von Waidenburg). Unter krankhaften Verhältnissen sieht man entweder blos den Iuspirationsdruck abnehmen (bei fast allen Krankheiten, welche die Ausdehnung der Lungen erschweren), oder blos den Exspirationsdrack sinken (bei Lungenerweiterang und Asthma), oder beide sind schwächer (wie bei hinfälligen, schlaffen Individuen). Bis zur Geburt — liegen die luftleeren Lungen völlig zusammengesunken Schaffung der (atelecta tisch) im Brustkorbe und füllen ihn so aus, dass eine Eröffnung des mechanischen Brustraumes (beim todten Fötus) keinen Pneumothorax erzeugt (Bemsieinj. Auch am Mhmungs- bei Kindern , welche bis 8 Tage gelebt und normal geathmet haben , sinken bei apparate Eröffnung der Pleurahöhle die Lungen nicht zusammen, sondern sie bleiben der durch die Brustwand anliegen. Erst in weiterem AVachsthum wird der Thorax so umfang- Athmung. reich, dass die Lungen sich unter elastischer Spannung dehnen müssen. Auch ilann erst ziehen sich die Lungen nach Eröffnung des Brustraumes elastisch auf ein kleineres A'olumen zusammen (Hermann). — Hennann erinnert an die That- sache , dass eine lufthaltige Lunge sich durch Druck von aussen nicht wieder entleeren lassen kann, weil eher die kleinen Bronchien zugedrückt werden, als die Luft aus den Alveolen entweicht. (ATgl. §. 370, Schluss.) Die Exspirations- muskeln haben also überhaupt nicht die Kraft, die Lungen luftleer zu com- jirimircn, — wohl aber genügt die inspiratorische Muskelkraft, die Lungen über ihr elastisches Gleichgewicht zu dehnen. So ist gewissermaassen durch die physi- kalische Eigenschaft der Lungen die Grenze der Athemmechanik vorgeschrieben: Die Inspiratoren dehnen die Lungen unter Vergrösserung der elastischen Lungen- spannung , die Exspiratoren setzen die letztere nur herab , ohne sie aufzuheben. 125. Anhang zur Mechanik der Athembewegangen. Bei ruhiger Athembewegimg und gereinigter Nase wird in der Regel mit geschlossenem Munde geathmet. Der Luftstrom streicht durch das C a v u m p h a r v n g o n a s a 1 e : derselbe wird Punctum der auf diesem \Vege — 1. beim Inspirium vorgewärmt, undjwm.i zwar um 6/,, ihres Wärmeabstandes von der Körpertemperatur 234 Anhang zur Mechanik der Athembewegungen. [§. 125.] erwärmt (Bloch) und bei mittlerer Temperatur zu 2/3 mit Wasser- dampf gesättigt (Bloch), damit nicht zu kalte und zu trockene Luft die zarte Lungen-Innenfläche reize. An den unregelmässigen Wandungen dieses Weges können — 2. Staubpartikel in dem schleimigen Ueberzuge haften bleiben, um durch das Wimper- epithel wieder nach aussen befördert zu werden. Auch wird — o. durch den Geruchsinn schlechte und von schädlichen Beimengungen geschwängerte Luft erkannt. Ist die Lunge Bläst man eine Lunge auf, so entweicht constant Luft durch die luftdicht? Wandungen der Alveolen und der Trachea. Dasselbe findet auch statt bei heftigem exspiratorischen Pressen (Hautemphysem bei Keuchhusten, so dass selbst Pneumothorax , Lufteintritt in die Blutbahn und sogar der Tod eintreten kann (J. R. Ewald & Kobert). Entstehung Pathologisches. — Als wichtige Erscheinung soll noch die Entstehung des Lungen- :'':ien- = lli (Scharling) , in dem Maasse, als die constante Wärme der Umgebung (Bett), die Dunkelheit, die fehlende Muskelthätigkeit und der Ausfall der Nahrungsaufnahme (siehe 5, 9, 6, 7) dies zur Folge 16* 244 Einflüsse auf die Grösse des respiratorischen Gaswechsels. [§. 133.] haben. — Nach Pettenkofer & Voit, sowie nach L. de Saint- Martin scheint im Schlafe eine geringe Aufspeicherung von 0 stattzufinden (? Lewin), Nach dem Aufwachen am Morgen beschleunigen und vertiefen sich die Athemzüge, wodurch zuerst die C02-Ausscheidung- steigt; im weiteren Verlaufe des Vormittags fällt sie jedoch wieder, bis die Mittagsmahlzeit eine neue Steigerung bis zum Höhepunkt bedingt. Am Nachmittage zeigt sich eine abermalige Abnahme und schliesslich durch das Abendbrod eine nur unerhebliche Steigerung. Im "Winter schlafe, — in welchem neben der Nahrungsaufnahme das Athemholen völlig unterbleibt , der Gaswechsel vielmehr nur allein durch die Diffusion in deu Lungen und die kardiopneumatische Bewegung (siehe §. 65) unterhalten wird, sinkt nach Valentin die C02-Abgabo auf 1/75 , die 0- Aufnahme auf 1j41 des Betrages im wachen Zustande. Es wird also viel weniger C02 abgegeben als 0 aufgenommen wird, so dass sogar das Körpergewicht durch das Plus der O-Aufnahme steigen kann. der 5. Einfluss der Temperatur der Umgebung. — Kaltblüter TemfeTatur, nehmen bei höherer Temperatur der Umgebung selbst leicht ebenfalls eine höhere Körpertemperatur an (§. 208), und sondern in diesem Zu- stande mehr C02 ab, als im Zustande grösserer Abkühlung (Spallanzani) .- z. B schied ein Frosch bei etwa 39° C. Umgebungstemperatur fast 3mal soviel C02 aus, als bei 6° C. (Moleschott) . — Warmblüter zeigen bei wechselnder Umgebungstemperatur ein verschiedenes Ver- halten, je nachdem die Eigenwärme des Körpers constant bleibt , oder ob dieselbe zugleich mit erhöht oder erniedrigt wird. Im letzteren Falle findet (wie bei Kaltblütern) bei Abkühlung des Körpers unter dem Einflüsse kalter Umgebung eine beträchtliche Verminderung der C02- Abgabe statt (Pflüger, Veiten, Erler), — umgekehrt hat Steigerung der Eigenwärme des Körpers (auch im Fieber) auch Steigerung der C02- Ausscheidung zur Folge (C. Ludwig & Sander s-Ezn). — Gerade umgekehrt zeigt sich das Verhalten, wenn bei wechselnder Umgebungs- temperatur gleichwohl die Eigenwärme des Körpers constant bleibt. Mit zunehmender Kälte der Umgebung nehmen nämlich durch reflec- torische Anregung die Oxydationsprocesse im Körper und damit auch die Zahl und Tiefe der Athemzüge zu, in Folge dessen mehr 0 ein- genommen und mehr C02 abgegeben wird (Lavoisier, Pflüger & Cola- santi, Carl Theodor Herzog in Bayern & Voit). So verbrauchte ein Mensch im Januar stündlich 32,2 Gr. 0, im Juli jedoch nur 31,8 Gr.; — bei Thieren fand man die C02-Abgabe bei einer Um- gebungstemperatur unter 8° C. etwa um ^/3 höher als bei einer solchen über 38° C. Mit zunehmender Luftwärme (bei übrigens gleich- bleibender Körpertemperatur) sinkt die Athemthätigkeit und die C02- Ausscheidung, während der Puls fast gleich bleibt (Vierordt, Erler, Litten). — Namentlich hat sich gezeigt, wenn der Uebergang aus kalter in warme Umgebung, und umgekehrt, sehr plötzlich erfolgt, dass alsdann im ersteren Falle die C02-Abgabe sehr beträchtlich ab- nimmt, im umgekehrten Falle jedoch bedeutend steigt (vgl. §. 215). der Muskel- 6. Muskelarbeit — bewirkt eine erhebliche Zunahme der C02- achon, Abgabe (Scharling), die z. B. beim Gehen gegen 3mal so gross sein kann, als beim ruhigen Liegen (Smith). Bei Kaninchen haben C. Ludwig & Sczelkow die O-Aufnahme und C02-Abgabe sowohl bei ruhigem Verhalten der Thiere, als auch während der tetanischen Contraction [§. 133.] Einflüsse auf die Grösse des respiratorischen Gaswechsels. 245 der Hinterextremitätenmuskeln bestimmt und die gefundenen Werthe verglichen. Im Tetanus stieg in bedeutendem Grade die O-Aufnahme und C02 -Abgabe , allein es wurde vom tetanisirten Thiere in der exhalirten C02 mehr 0 abgegeben, als gleichzeitig 0 durch die Ath- mung aufgenommen war; umgekehrt zeigte das ruhende Thier grössere (ungefähr die doppelte) O-Aufnahme, als C02-Abgabe (§. 296). 7. Nähr ungsauf nähme — hat constant eine nicht unbedeutende Steigerung der C02-Abgabe zur Folge, die sich im Allgemeinen nach der Quantität der Nahrung richtet und somit am bedeutendsten eine Stunde nach der Hauptmahlzeit (Mittagbrod) hervorzutreten pflegt (Vierordt). Die, bei Zufuhr von Nährstoffen in den Magen auftretende Steigerung des 0- Verbrauchs rührt von der stärkeren Arbeit des Tractus her (Ziuitz & v. Menng). Die Qualität der Nahrungsmittel ist insofern von Einfluss, als nach Aufnahme C- reicher Körper (Kohlehydrate und Fette) eine reichlichere C02-Abgabe erfolgt, als nach C-ärmeren (Eiweisskörper). So fanden Regnault & Reiset, dass ein Hund von dem eingeathmeten 0 wieder abgab in der C02 nach stattgehabtem Genuss von Fleisch 79%, nach dem von Amylum 91%. Ein erwachsener Gesunder von ■ 50 Kilo athmet nüchtern pro Kilo in 1 Stunde 8 Liter Luft ein: er verbraucht 0,45 Gr. 0 und bildet 0,5 Gr. C02. Die Nahrungsaufnahme steigert diese Zahlen zu : 9 Liter, — 0,5 Gr. 0 und 0.6 Gr. CO.,. Hanriot 6t5 Richet fanden den 0- Verbrauch um 12°/0. die CO^ -Aus- scheidung um 27% nach Kohlehydratnahrung vermehrt, weniger bei Fettgenuss, am wenigsten nach Eiweisskost. Bei directer Einführung in's Blut sind sowohl N-freie, wie N-haltige ohne Einfluss auf die O-Aufnahme. Die C02-Abgabe ändert sich in dem Sinne, wie es der Verbrennung der Substanzen durch die constant bleibende O-Menge entspricht (Zuntz & v. Mering). [Heber Inanition vgl. §. 239.] — Alkoholica , Thee, ätherische Oele setzen die C02-Abgabe bedeutend herab (Prout, Vierordt), viel- leicht bei gleichzeitiger Steigerung des O-Verbrauches. 8. Zahl und Tiefe der Athemzüge — haben auf die Bil- dung der C02 , also auf die Verbrennungs Vorgänge im Körper, so gut wie keinen Einfluss, letztere werden viel- mehr von den Geweben selbst durch noch unbekannte Mechanismen regulirt (Pflü^er, v. Voii) ; — wohl aber hat sich ein sichtbarer Einfluss desselben auf die Entleerung der , im Körper bereits ge- bildet vorhandenen C02 zu erkennen gegeben. Sowohl eine Vermeh- rung der Zahl der Athemzüge bei gleichbleibender Tiefe (gleich grossem Gaswechsel), als auch eine V er tief ung derselben bei gleich bleibender Zahl, hat eine absolute Zunahme der C02-Ausgabe zur Folge, welche jedoch mit Rücksicht auf die Grösse der gewechselten Gasmengen relativ vermindert erscheint. Beispiel nach Vierordt: der Sah rurigs- aufnahme, der Athem- mechanik. Zahl der I Gewech- Athemzüge iseltes Lut't- in l Minute! volumen enthält CO, CO, Grösse des Athem- zuges enthält COj CO; 12 24 48 96 6000 12000 24000 48000 258Ccmtr. = 4,3°/0 420 „ = 3,5 „ 744 „ - 3,1 „ 1392 „ = 2,9 „ 500 1000 1500 2000 3030 21 Ccmtr. 36 „ 51 „ 61 „ 72 „ 4,3° o 3,6 „ 3,4, 3,2 „ 2,4 „ 246 Gasdiffusion im Athmimgsorgaii. [§. 133.] Sehr intensive Athembewegungen , auch künstliche , steigern die O-Auf- nahme in das Blut bis zur Sättigung. (Vergl. §. 41. I. und §. 370. 1.) des Lkhtes. 9. Der Aufenthalt im Hellen — bewirkt vermehrte C03-Aus- scheidung bei Fröschen (Moleschott, 1855), Säugern und Vögeln (Selmi & Piacentini) , selbst bei lungenlosen Fröschen (Fnbini) oder solchen mit hoch durchtrenntem Rückenmarke (Chasanowits) . Zugleich ist der Verbrauch von 0 vermehrt f Pflüge r & v. Platen). — Die- selben Vorgänge finden auch bei augenlosen Individuen statt, doch in beschränkterem Maasse. Nager und Vögel zeigen das Maximum in rotkem Lichte, Kröten im violetten (Moleschott, Fabini & Spalita). Nach Loeb erzeugen belichtete Schmetterlingspuppen nicht mehr C02 als im Dunklen gehaltene. Nach ihm soll das Licht grössere Muskel- action anregen und so die Vermehrung der C02-Aussckeidung bewirken. 10. Nach Versuchen von Grehant bei Hunden scheint es , dass eine intensive Entzündung der Bronchialschleimhaut die C02-Abgabe be- einträchtigt, selbst bei gleichzeitigem Fieber. 11. Unter den Giften steigern Thebain die C02- Abgabe, während Morphin, Codei'n, Narce'in, Narcotin, Papaverin sie vermindern (FubiniJ. 134. Gasdiffusion innerhalb der verschiedenen Luftschichten des Athmungsorganes. In den Lungenalveolen ist die Luft am reichsten an C02 und am ärmsten an 0 ; weiterhin von den kleinsten Bronchien zu den grösseren und sodann gegen die Bronchi und die Trachea Spannung hin ist schichtweise die Athmungsluft mehr der atmosphärischen co2inden ähnlich (Allen & Pepys). Daher kommt es, dass, wenn man die ^Ih^kten^er Exspirationsluft eines Athemzuges in zwei Hälften auffängt, umgengase. die erste Hälfte (als aus den grösseren Luftcanälen stammend) weniger C02 enthält (3,7 Vol.-Procent, Vier or dt), als die zweite Hälfte (5,4 Vol.-Procent). Diese Ungleichheit des Gasgemenges in den verschiedenen Tiefen des Athmungsorganes ruft selbst- verständlich eine fortwährende Gasdiffusion zwischen den ver- schiedenen Schichten hervor, und ebenso endlich zwischen den Larynx- und Nasenhöhlen-Gasen und der äusseren atmosphäri- schen Luft: und zwar wird die C02 beständig aus der Tiefe du Gas- der Lungenbläschen gegen die äussere Luft , hingegen der 0 der letzteren in das Gasgemenge der Lungenalveolen diffun- unterstütu dir en (vgl. §. 38). Zweifellos wird diese Diffusion wesentlich kardiopnlu- unterstützt durch das beständige Schütteln der Athmungs- j^wegunl £ase ^ei der kardio pneumatischen Bewegung (Landois) . Im Winterschlafe und ebenso in Fällen länger dauernden, tiefen Scheintodes muss auf diese Weise einzig und allein der Gaswechsel innerhalb der Lungen unterhalten werden. (Vgl. §. 65). Für gewöhnlich ist jedoch dieser Mechanismus für den Athmungsprocess unzureichend; es kommt vielmehr der in- und ex-spiratorische directe Luftwechsel hinzu: hierdurch wird in die am meisten nach den Ausführungsröhren liegenden Theile der Lungen atmosphärische Luft eingebracht, aus welcher und in welche die Diffusionsströmung von 0 und C02, wegen der grösseren Spannungsdifferenzen der Gase zwischen beiden, um so lebhafter vor sich geht. [§. 135.] Gasaustausch zwischen dem Blute und der Alveolenluft. 247 135. Gasaustausch zwischen dem Blute der Lungencapillaren ur.d der Alveolenluft. Dieser G-asaustausch geht fast ausschliesslich Der respira- durch chemische Vorgänge (unabhängig von der Diffusion Oasaustausch der Gase) vor sich. 7XSef [Beim Studium ist es unerlässlich , hier die Lehre von den Blutgasen Process. (§§. 37 — 43) eingehend zu recapituliren.] Für die Ermittelung des Gasaustausches handelt es sich zuerst Lungenkathe- um die Feststellung der Spannung des 0 und der C02 in dem venösen Blute der Lungencapillaren. Pflüger & Wolffberg haben durch die „Lungenkatheterisation" diese Bestimmung ausgeführt. Bei geöffneter Trachea wird einem Hunde ein elastischer Katheter in den, zum linken unteren Lungenlappen führenden Bronchialast eingeführt. Um denselben in dem letzteren zu dichten , wird um den Katheter eine, von ihm durchbohrte Gummiblase aufgebläht, so dass nun aus dem zugehörigen Lungenterraiu keine Luft neben dem Katheter vorbei entweichen kann. Der Katheter ist an seinem Ausflussende vorerst ver- schlossen ; der Hund athmet selbstständig und möglichst ruhig. Schon nach 4 Minuten hat sich die Alveolenluft des abge- sperrten Lungenbezirkes völlig mit den Blutgasen ausgeglichen. Wird daher nunmehr aus dem Katheter mit der Luftpumpe die Lungenluft ausgesogen und untersucht, so zeigt die Spannung von C02 und 0 in ihr so zugleich auf indirectem Wege die Spannung dieser beiden Gase in dem venösen Blute der Lungencapillaren an. Zur directen Bestimmung der Gase in verschiedenen Blutproben entfernt man durch Schütteln des Blutes mit einer anderen Gasart die Gase aus demselben. Die Zusammensetzung des Schüttel- gases zeigt dann direct die Mischungsverhältnisse der Blutgase und deren Spannungen an. (Es ist zweckmässig, hierbei möglichst viel Blut mit wenig Schüttelgas zu behandeln und als letzteres ein Gasgemenge zu nehmen, welches dem vermuthlich im Blute vorhandenen Gasgemische nahe steht.) Im Folgenden stellen wir zuerst zusammen die Spannungen und den Procentgehalt an 0 und C02 sowohl des arteriellen und venösen Blutes , als auch der atmosphärischen und der abgesperrten Alveolenluft. I. O-Spannung im arteriellen Blute = 29,6 Mm. Hg (nimmt durch Erwär- men zu ; Worm-Müller) (entsprechend einem Gasgemenge von 3,9 Volumen- Procent 0). II. COo-Spannung im arteriellen Blute = 21 Mm. Hg (entsprechend 2,8 Vol.- Procent). III. O-Spannung im venösen Blute = 22 Mm. Hg (entsprechend 2,9 Vol.- Procent). IV. C02-Spannung im venösen Blute = 41 Mm. Hg (entsprechend 5.4 Vol.- Procent). V. O-Spannung in der Alveolenluft der katheterisirten Lunge = 27,44 Mm Hg (entsprechend 3,6 Vol. -Procent). VI. CO.-Spannung in der Alveolenluft der katheterisirten Lunge = 27 Mm. Hg (entsprechend 3,56 Vol.-Procent). VII. O-Spannung in der atmosph. Luft = 158 Mm. Hg (entsprechend 20,8 Vol.- Procent). VIII. C02-Spannung in der atmosph. Luft = 0,38 Mm. Hg (entsprechend 0,03 bis 0,05 Vol.-Procent). 248 GasatLstausch zwischen dem Blute und der Alveolenluft. [§. 135.] Betrachtet man VII mit III, respective V, so ergiebt sich, dass man sich den Process der O-Aufnahme bei der Athmung unter dem Bilde des Spannungs- Ausgleiches vor- stellen kann. Ebenso lehrt die Vergleichung von VIII und IV, respective VI, dass in ähnlicher Weise der Austausch der C02 erklärbar ist. Wenngleich nun auch die Betrachtung vorstehender Span- nungsdifferenzen einen Einblick in den Austausch der Gase beim Athmungsprocess ermöglicht, so sprechen doch gewichtige Thatsachen dafür, dass der respiratorische Gaswechsel nicht als einfacher Diffusionsvorgang der Gase unter einander aufzufassen ist, sondern dass er vorwiegend ein , von chemischen Kräften geleiteter Process ist. Nach v. Fidschi bewirkt die Erschütterung, welche das venöse Blut durch das Einpumpen in die Lungenarterie erfährt, ein leichtes Entweichen der C02, was für den Athmungsprocess von der grössten Wichtigkeit sei. Die 1. Eür die O-Aufnahme aus der Alveolenluft in das ein chemüd'er venöse Blut der Lungencapillaren behufs der Arterialisation Process. ^egge]_ken ist es völlig sicher erwiesen, dass dieselbe ein chemischer Process ist. Das gasfreie (reducirte) Hämo- globin nimmt in den Lungen 0 zur Bildung von Oxyhämoglobin auf (vgl. §. 20. 1.). Dass diese Aufnahme mit der Diffusion der Gase direct nichts zu thun hat, sondern dass dieselbe auf der Atomverbindung des chemischen Processes beruht, geht daraus hervor, dass das Blut beim Athmen in reinem 0 nicht mehr 0 aufnimmt, als beim Athmen in atmosphärischer Luft ; — ferner dass Thiere, die in einem abgesperrten kleinen Räume athmen, aus demselben bis zur erfolgten Erstickung fast allen 0 bis auf Spuren in ihr Blut aufgenommen haben (§. 139). Wäre die respira- torische O-Aufnahme ein Diffusionsprocess, so müsste entsprechend dem Partiardrucke des 0 im ersten Falle viel mehr 0 aufgenommen werden, im letzteren Falle könnte eine so weitgehende Aufnahme nicht mehr statthaben. Auch in sehr verdünnter Luft (hohe Ballonfahrten) bleibt die Aufnahme des 0 unabhängig vom Partiardruek (Loth. Meyer, Fernet), allein es bedarf allerdings zur Aufnahme des 0 Seitens des Blutes (bei Körpertemperatur) im luftverdünnten Räume einer längeren Zeit und eines stärkeren; Schütteins, d. h. die Aufnahme de3 0 ist nicht verkleinert, aber verzögert. So erklärt sich der Tod (z. B. der Luftschiffer Sivel und Croce'-Spinelli) bei einer Ascen- sion in einer Höhe, wo nur noch 1/3 Atmosphärendruck herrschte (Setschenow) . [Vgl. §. 144.] [Die Gesetze der Diffusion bei der O-Aufnahme kommen nur insoweit in Betracht, als der 0, um zu den rothen Blutkörperchen zu gelangen, allerdings zuerst in das Plasma diffundiren muss, hier aber sofort von den Körperchen chemisch gebunden wird.] 2. In Bezug auf die C02-A usscheidung aus dem Blute mag zunächst daran erinnert werden, dass im Blute chemisch leicht gebundene und fester gebundene C02 sich vorfindet. Da die erstere schon durch jene Mittel austreibbar ist , welche ab- [§. 135.] Der respiratorische Gaswechsel als Dissociation. 249 sorbirte Gase entbinden, so ist es bei der Entweichung der C02 ans dem Blute schwierig zu bestimmen , ob das entweichende Gras lediglich dem Diffusionsgesetze gehorcht, oder ob es chemisch ausgetrieben wird (§. 43). Wenn wir uns die COo-Abgabe aus dem Blute in die f°«-^«*« * ° .^ . .. _^ ebenfalls zum Alveolenluft auch sehr wohl unter dem Bilde des Span- r/ieii ein nungsausgleiches (Diffusion) vorstellen können, so spielen cpro^Sir dennoch jedenfalls chemische Processe eine wichtige Rolle hierbei, die allerdings in ihrem Wesen nicht bekannt sind. Die O-Aufnahme seitens der rothen Blutkörperchen wirkt nämlich zugleich C02-austreibend. Dies wird dadurch bewiesen, class die Austreibung von C02 aus dem Blute leichter vor sich geht, wenn 0 zugleich eintritt, als bei anderen Proceduren der Ent- gasung (C. Ludwig & Holmgren) . Hierbei wird nicht allein die leicht gebundene (auspumpbare), sondern auch die fester gebundene (nur durch Säure austreibbare) C02 verscheucht (C. Ludwig, Schöffer & Sczelkow). Für die Betheiligung der O-haltigen rothen Blutkörperchen bei der chemischen C02-Aus- treibung spricht endlich die Erscheinung, dass C02 auch aus dem Serum leichter entweicht, nachdem hellrothe Blutkörperchen (nicht aber allein 0) beigemischt worden sind. 136. Der respiratorische Gaswechsel als Dissociation der Gase nach Donders, Manche Gasarten gehen mit Körpern alsdann eine wahre iiwe« der chemische Verbindung (also nach. Aequivalenten) ein, ™*Gal°n wenn sie sich mit dem Gase zusammen unter einem gewissen hohen Grade des Parti ardruckes des betreffenden Gases befinden. Diese chemische Verbindung löst sich jedoch wieder, sobald der Partiardruck sich vermindert und eine gewisse untere Grenze erreicht. So kann bei steigendem und abnehmendem Partiar- druck abwechselnd eine chemische Verbindung des Gases ge- schlossen und wieder gelöst werden. Dieser Process heisst „Dissociation der Gase". Der minimale Partiardruck ist für die verschiedenen in Betracht kommenden Substanzen und Gase zwar ein constanter, doch hat die Temperatur (ähnlich wie bei der Absorption der Gase) einen hohen Einfluss : mit der Zunahme der Temperatur nimmt nämlich der Partiar- druck, der an der Grenze der Dissociation noch wirksam ist, ab. Als ein Beispiel für die Dissociation der Gase mag zunächst der kohlen- saure Kalk angeführt werden. Wird dieser in der Luft auf sehr hohe "Wärme- grade (440° C.) erhitzt, so entweicht COa aus der chemischen Verbindung ; dieselbe tritt jedoch später allmählich wieder in ihre chemische Verbindung zum Kalk zurück, nachdem Abkühlung eingetreten ist. In ganz ähnlicher Weise verhalten sich nun innerhalb der Dissociation Blutbahn die C02-haltigen, aber auch die O-haltigen chemischen *£f$ ,£Brf Verbindungen: also das Oxyhämoglobin und die C02 -Verbin- BlMe- düng; auch sie zeigen den Process der Dissociation (Donders). Befinden sich nämlich diese Gasverbindungen in einer Umgebung, 250 Hautathmung. [§. 136.] in welcher der Partiardruck dieser Gase sehr gering ist (die also sehr arm an ihnen sein muss) , so dissociiren sich die Verbin- dungen, d. h. sie geben CO, und 0 an die Umgebung ab. Treten sie nunmehr jedoch wieder in eine Umgebung , in der wegen des Reichthums an diesen Gasen der Partiardruck des 0 oder der C02 hoch ist, so nehmen sie wieder diese G ase in chemischer Verbindung auf. Das Hb des Lungencapillarblutes findet in den Alveolen reichlichen 0, daher vereint sich hier dasselbe unter dem hohen Partiardruck des 0 zu der chemischen Verbindung des O-Hb. Auf seinem Wege durch die Capillaren des grossen Kreislaufes kommt es in Berührung mit O-armen Geweben: es dissociirt sich das O-Hb, sein 0 fallt den Geweben zu, und befreit von diesem 0 kommt das Blut zum rechten Herzen und von da zur Lunge zurück, um auf's Neue 0 aufzunehmen. Die C02 trifft das kreisende Blut am reichlichsten in den Geweben an; der hohe Partiardruck der C02 an dieser Stelle bewirkt, dass sich ein Blutbestandtheil mit der C02 zu einer chemischen Verbindung vereinigt. In der Lunge jedoch, in welcher ein niedriger Partiardruck für C02 herrscht, dissociirt sich das Gas, und die C02 gelangt in der Lunge zur Ausscheidung. — Es ist so einleuchtend, dass von Seiten des Blutes Abgabe von 0 und Aufnahme von C02 in den Geweben, und umgekehrt, Aufnahme von 0 und Abgabe von C02 in den Lungen neben- einander verlaufende Processe sind. 137. Die Hautathmung. Methode : — Befindet sich ein Mensch oder ein Thier in der Kammer eines Athmungsapparates (etwa von Scharling oder von v. Pettenkofer, §. 129), nnd werden hierbei durch Bohren die zur Lunge bin- und von ihr wegführenden Gase durch ein Athmungsrohr so geleitet, dass in die Kammer nichts vom Gaswechsel der Lunge übertritt, sondern nur die „Berspiration" der Haut allein, so gelingt es , über die Hautathmung Aufschlüsse zu erhalten. "Weniger correct ist die Brocedur, den ganzen Kopf des Wesens ausserhalb des Kastens zu lassen und den Hals in der Kammerwand einzudichten. — Von einzelnen Körpertheilen, z. B. von einer Extremität, kann man die Hautathmung studiren, indem man sie in einen geschlossenen Cylinder eindichtet (Röhrig), ähnlich wie der Arm im Blethysmograph ruht (§. 108). Gerichts- Der gesunde Mensch erleidet durch die Haut , — die das ^d^muL1' respiratorische Organ in den feuchten und reich mit Blutgefässen versehenen Knäueldrüsen enthält (§. 287), — einen 24stündigen Gewichtsverlust — 1/67 seines gesammten Körpergewichtes (Se'gzdn), welcher noch einmal so gross ist, als der Verlust durch die Lungen, oder sich zu letzterem wie 2 : 3 verhält (Valentin, Abgabe von 1843). Von diesem grossen Gewichtsverluste kommen nur 10 Gr. »Wrd (Scharling) oder gar nur 3,9 Gr. (Aubert) auf C02-Abgabe: alles Andere umfasst die "Wasserverdunstung. Steigerung der Umgebungstemperatur vermehrt die C02-Abgabe (Gerlach) sogar bis über das Doppelte des ursprünglichen Gewichtes (Aubert) ; — ähnlich wirkt lebhafte Muskelthätigkeit. [§. 137.] Innere Athmung. 251 Auch O-Aufnahme seitens der Haut ist constatirt worden, Auf™h™ entweder dem Volumen der abgeschiedenen C02 gleich (Regnault & Reiset), oder etwas weniger. Da somit die COä-Ausscheidung durch die Haut nur etwa 1/22o der Lungenausscheidung und die O-Aufnahme nur etwa Viso der Lungenaufnahme beträgt, so ist die respiratorische Thätigkeit der äusseren Haut jedenfalls nur ge- ring anzuschlagen. — Ob die Haut etwas gasförmigen N oder Ammoniak abgiebt (§. 131.4 u. 8), ist noch ungewiss. Nach Funke secernirt die Haut stündlich 0,0824 Gr. löslichen r> bei Nierenleiden mehr). Nach Röhrig ist die C02- und H.20-Abgabe einigem Wechsel unterworfen : sie zeigt gewisse Tagesschwaukungen , sie steigt bei der Verdauung , nach Anwendung von Hautreizen , bei Behinderung der Lungenathmung, bei blutreicherer Haut und grösserem Gehalt des Blutes an rothen Körperchen. Bei Warmblütern mit dicken, trockenen Epidertnoidalgebilden ist der llantathmung cntane Gaswechsel noch geringer, als beim Menschen. — Frösche und andere der Th'ere- Amphibien mit stets durchfeuchteter Haut zeigen eine viel hervorragendere Haut- athmung. Die Haut liefert hier 8/8 — 3/4 aller abgeschiedenen CO., (BidJer,\ bei Winterfröschen noch mehr (Klug) : sie ist daher ein wichtigeres Athmungsorgan, als die Lungen. Eintauchen in Oel tödtet daher diese Lurche eher, als die Unter- bindung der Lungen. Leber Unterdrückung der Hautthätigkeit' siehe §. 289 und §. 226. 138. Die innere Athmung. Man versteht unter dem Namen „innere Athmung" Wesen den Gasaustausch zwischen den Capillaren des grossen Kreis- laufes und den Geweben der verschiedenen Körperorgane. Da die C-haltige organische Materie der Gewebe während ihrer lebendigen Thätigkeit einer allmählichen Oxydation unter COa- Bildung unterworfen ist, so wird sich annehmen lassen: — 1. Dass der vornehmste Herd der O-Aufnahme und ^«5j"äj der C02 -Bildung innerhalb der Gewebe selbst zu ' Gasa^- suchen sei. Dass der 0 vom Capillarblute aus schnell in die tausches- Gewebe eindringt , geht daraus hervor, dass dasselbe in den Haargefässen schnell C02-reicher und O-ärmer wird, während O-reiches Blut in der Wärme ausserhalb des Körpers aufbewahrt, viel langsamer und unvollkommener sich verändert. Legt riian ferner frische Gewebsstücke in O-reiches defibrinirtes Blut, so nimmt ebenfalls der 0 schnell ab (Hoppe-Seyler). Auch der Um- stand, dass entblutete Frösche einen fast gerade so hohen Gas- wechsel zeigen als normale, spricht dafür, dass in den Geweben selbst der Gaswechsel vor sich geht (Pflüger & Oerlmann). — Wäre ferner nicht in den Geweben selbst, sondern im Blute der Hauptsitz der Verbrennung . so müssten, wenn man dem Blute den 0 vorenthielte (bei der Erstickung), die zu oxydirenden. also reducirend wirkenden, O-verbrauchenden Stoffe im Blute sich bedeutender anhäufen. Dies ist nicht der Fall, denn auch das Blut der Erstickten enthält nur Spuren reducirender Stoffe 252 Innere Athmune. [§• 138.] . (Pflüger). Die 0- Auf nähme in die Gewebe kann sogar in der "Weise erfolgen, dass eine Aufspeicherung desselben (vielleicht zur Bildung intermediärer niedrigerer Oxydationsstufen) vor- übergehend stattfindet; hierauf folgt dann wieder eine Periode reichlicher C02-Absonderung. So braucht also O-Aufhahme und C02 -Abgabe auch in den Geweben nicht stets parallel und in gleichem Maasse zu erfolgen (§. 133). Gase der Ein klares Bild von der CO,-Entwieklung in den Geweben zeigt sich, darin, KörperhöKen dass in denKörperhöhlen, ihren Gasen und Flüssigkeiten einreicherer und Soße. COj.Gelialt angetroffen wird, als indemCapillarblute. Pßiiger & Strasburg fanden nämlich die CO.,-Spannung (in Mm. Quecksilber): Gase der Lymphe. Gaswec''sel in den Gev.-eben. im arteriellen Blute in der Darmhöhle . im sauren Harne 21,28 Mm. 58,8 „ 68,0 „ in der Galle 50,0 Mm. i der Hydrocelenflüssig- keit eines Mannes . . . 46,5 • „ O-Verhr auch und G02- Bildung im Blute. Dieser Eeichthum der genannten Säfte dem Blute gegen- über kann nur daher rühren, dass von Seitender Gewebe die,, in ihnen erzeugte C02 denselben zugeführt wird. In der Lymphe des Ductus thoracicus — ist die CO^-Spannung (z= 33,4 bis 37,2 Mm. Hg) zwar grösser, als im arteriellen Blute, aber doch erheblich geringer, als in dem venösen Blute (= 41,0 Mm. Hg) (Ludwig 6r= Hammanten, TschirjewJ. Es berechtigt diese Erscheinung noch nicht zu dem Schlüsse , dass in den Geweben , aus denen sich die Lymphe sammelt, nur wenig CO., erzeugt werde. Es gestattet diese Thatsache vielmehr die An- nahme, dass in der Lymphe entweder eine geringere Attractionskraft für die, in den Geweben gebildete CO, bestehe, als im Capillarblute , in welchem für ihre, wenigstens theilweise Bindung chemische Kräfte thätig sind, — oder dass auf dem sehr langsamen Lymphstrome C02 zum Theil durch Spannungsausgleich an die Gewebe wieder abgegeben werde, — oder endlich, dass noch im Blute selbst- ständig CCL -Bildung statthabe. Ueberdies ist darauf hinzuweisen, dass gerade die Muskeln, welche als hervorragendste CO,, -Bildner bekannt sind, die CO, sehr reich- lich dem Blute abgeben, da ihr Gewebe relativ arm an Lymphgefässen ist. Der Gehalt vorbenannter Säfte und Gase an nicht gebundener, „auspump- barer" CO, deutet darauf hin, dass die CO, im ungebundenen, freien Zustande aus den Geweben in das Blut übertritt, doch glaubt Preyer, dass in das Venen- blut auch C02 in chemischer Bindung hinübergeführt werde. DerWechsel von O und CO,, in den verschiedenen Geweben ist von sehr verschiedener Grösse: — in erster Linie sind die Muskeln zn nennen, die zumal in thätigem Zustande grosse Mengen CO, abscheiden und O verzehren. Die O-Zehrung geht in diesem Gewebe so energisch vor sich, dass im Muskelgewebe freier, auspumpbarer O überhaupt nicht gefunden werden kann (L. HermannJ. (Vgl. §. 296-) — Während der Thätigkeit der Gewebe steigt der Gaswechsel in denselben. Hiervon machen auch die secernirenden Speichel- drüsen, die Nieren und das Pancreas keine Ausnahme; denn wenn auch bei diesen während der Absonderung das Blut durch die erweiterten Gefässe hellroth abfliesst, so wird doch die hierdurch documentirte relative Ver- minderung der CO., in dem Venenblute durch ihre absolute Vermehrung in der bedeutend gesteigerten Masse des Durchströmungsblutes wohl übercompensirt ; (§. 150. A). Die Untersuchungen Ehrlich! s haben ergeben, dass in den meisten Geweben sich energische Reductionen vollziehen. Bringt man Thieren Farbstoffe in's Blut, z. B. Alizarinblau, Indophenolblau oder Methylenblau , so werden zunächst die Gewebe gefärbt. Diejenigen Organe, welche eine besonders starke O-Gier besitzen (z. B. Leber, Nierenrinde und Lungen), entziehen den genannten Farb- stoffen O und verwandeln sie in ungefärbte Reductionsproducte. Pancreas und Submaxillaris wirken fast gar nicht reducirend. 2. Im Blute selbst — ist, wie in allen Geweben, eine Stätte der O-Verzehrung und C02-Erzeugung. Dies beweist schon die Thatsache, dass das, aus dem Körper entleerte Blut schnell O-ärmer und C02-reicher wird (§. 41. I. b); ferner der [§. 138.] Athmung im abgesperrten Räume. 253 Umstand, dass im O-freien Blute Erstickter, und zwar in den Blutkörperchen (Afanassieff) immerhin, wenn auch nur geringe Mengen, reducirender Stoffe sich finden, die nach O-Zutritt sich oxydiren (AI. Schmidt). Allerdings ist dieser Gaswechsel gegenüber dem in allen übrigen Körpergeweben nur gering. Dass auch die Gr ef äs s wände, zumal durch ihre eingewebten i'-^mgung Muskeln, (hauptsächlich in den kleinen Arterien) , 0 verzehren ' "cän-u!'' und C0.2 produciren. ist unbestreitbar, wenn auch dieser Process nur so gering ist, dass das Blut auf seiner ganzen arteriellen Bahn das Auge keine Farbenveränderung gewahren lässt. Dass innerhalb des Blutes wirklich. Umsetzungen zu CO., vorkommen können, hat C.Ludwig mit seinen Schülern weiterhin durch eigenartige Ex- perimente bewiesen. Wurde das leicht oxydirbare milchsaure Natron dem Blute beigemischt, und dieses Gemisch durch die Adern eines frisch ausgeschnittenen (..überlebenden") Organes, wie Niere und Lunge, hindurch geleitet, so zeigte sich eine reichlichere O-Verzehrung und CO.^ -Bildung in diesem Jlischblute, als in vergleichsweise durchgeleitetem unvermischten Blute. 3. Dass auch die lebendigen Lungen — (in welche Beteiligung Lavoisier irrthümlich die ganze C0.2 -Bildung verlegte) — in ihrem Gewebe 0 verbrauchen und C02 erzeugen , kann schon von vornherein als wahrscheinlich erschlossen werden. Liessen C. Ludwig & Müller durch die Gefässe einer luftleer gemachten Lunge arterielles Blut strömen, so konnte in demselben O-Ab- nahme und C0.2-Zunahme constatirt werden (? Pflüger & Wolffbcrg). Da die zeitweilig im Gesammtblute sich findende C02 und der 0 im Ganzen nur gegen 4 Gr. betragen , die täglich ausgeschiedene CO, jedoch 9U0 Gr. und der aufgenommene 0 744 Gr. ausmachen, so ist es ersichtlich , dass der Gaswechsel mit grosser Schnelligkeit erfolgen, dass sehr schnell der aufge- nommene 0 verwendet und die gebildete C02 entleert werden muss. Immerhin bleibt es noch auffallend, dass so umfassende Oxydations- Ob Cum die processe, wie die Verbrennung des C zu CO., im Körper, bei der relativ so ZrcrdereY niedrigen Temperatur des Blutes und der Gewebe vor sich gehen kann. Man, hat wohl früher zur Erklärung darauf hingewiesen, dass das Blut als Ozon- ('? Erreger und) Ueberträger das, um Vieles energischer oxydirend ein- wirkende Ozon den Geweben zutragen könne (§. 42); jedoch mit Unrecht. — Ferner hatte Liebig darauf aufmerksam gemacht, dass die alkalische Keac- ebenso die t i o n des Blutes und der meisten Parenchymsäfte die Oxydationsprocesse begün- /leac'tione stigen müsse. Denn zahlreiche organische Substanzen, welche vom 0 allein nicht verändert werden, oxydiren leicht bei Gegenwart freier Alkalien, z. B. die Gal- lussäure, die Pyrogallussäure und der Zucker. Viele organische Säuren ferner, welche durch Ozon allein keine Ver- änderung erleiden, werden als Alkalisalze in CO» -Salze übergeführt fv. Gontf- Besavez ; in gleicher Weise gehen sie, für sich allein in den Thierkörper gebracht, unverändert (ganz oder zum Theil) in die Ausscheidungen (Harn) über, als Alkaliverbindungen jedoch verwandeln sie sich in CO.-Salze (§. 277). 139. Athmung im abgesperrten Räume und bei künstlich verändertem Gehalt an 0 und C03 der Athmungshft. Die Athmung im abgesperrten Räume hat zur Folge: — 1. die &>*ca«- allmähliche Verminderung des 0, — 2. die gleichzeitige Vermehrung der CO» — und 3. eine Verminderung des Gasvolumens. Ist der ab- 254 Athmung im abgesperrten Räume. [§• 139.] Athmen in kleineren Bäumen. grösseren Bäumen. Athmen in 0, Athmen in O-ärmeren Gas- gemischen. Athmen in künstlichen Gas- gesperrte Raum von nur m ä s s i g e m Umfange, so verzehrt das Thier daraus den 0 fast vollständig (Nysten) und unter Erstickungskrämpfen erfolgt schliesslich der Tod. Es findet also die O-Aufnahme (unab- hängig von den Absorptionsgesetzen) durch chemische Bindung statt. In dem Blute der Erstickten ist der 0 ebenfalls fast völlig aufgezehrt (Setschenow). (Vgl §. 135. 1.) In grösseren abgeschlossenen Räumen kommt es eher zu einer reichlichen C02-Ansammlung als zu einer, das Leben bedrohenden 0- Ver- minderung. Da die C02 -Ausscheidung aus dem Körper nur erfolgen kann, wenn die C02 -Spannung im Blute grösser ist, als in der um- gebenden Luft, so wird mit zunehmender C02-Ausathmung in dem ab- geschlossenen Räume alsbald C02-Retention, ja schliesslich C02-Zurück- tritt in den Körper statthaben. Dies erfolgt in grösseren Sperrräumen zu einer Zeit, in welcher der 0 zum Leben noch ausreicht. Es tritt daher hier der Tod direct durch C02-Vergiftung ein unter den Erscheinungen kurz dauernder Dyspnoe, der sich Betäubung und Abkühlung anschliessen. So starben Kaninchen, nachdem dieselben einen Theil der, nachweis- bar vorher von ihnen ausgeschiedenen C02 zurück aufgenommen hatten (IV. Müller). In reinem 0, oder in Oreicherer Luft (Regnanlt & Reiset, Herier, Lukjanow) ', athmen Thiere völlig normal, doch wird etwas mehr 0 aufgenommen. Dahingegen ist die C02-Ausscheidung nicht vermehrt (Speck). — In O-gefüllten abgesperrten Räumen sterben Thiere schliesslich durch Zurückaufnahme ihrer ausgeschiedenen C02. W. Müller sah so Kaninchen verenden, nachdem sie die Hälfte ihres Körpervolumens C02 aufgenommen hatten, trotzdem die abgesperrte Luft noch über 50% 0 enthielt. Thiere können gefahrlos noch ein Luftgemisch athmen, in welchem nur 9°/0 an 0 sind, bei 10% tritt vertieftes Athmen, bei 8% Unbehagen ein (Speck), bei 7% werden sie schwerathmig und bewusstlos, bei 4,5% 0 tritt hochgradige Dyspnoe, bei 3% 0 ziem- lieh rasche Erstickung ein (IV. Müller). [Die unter normalen Verhält- nissen vom Menschen ausgeathmete Luft enthält noch zwischen 14 — 18% 0.] Nach Kempner verbrauchten Säuger in O-ärmeren Gasgemengen etwas weniger 0. Sowohl O-Mangel, als auch CO^-Ueberladung reizt lebhaft die Inspiration an; es tritt Athemnoth ein, doch ist diese Dyspnoe im ersten Falle lange anhaltend und hochgradig, im letzteren sinkt die Athmung sthätigkeit bald ab. O-Mangel bewirkt ferner eine stärkere und anhaltendere Blutdrucksteigerung als die C02-Ueberladung; endlich ist der 0- Verbrauch des Körpers bei O-Ver- minderung in der Luft weniger beschränkt, als bei der CO^-Ueberladung. Bei der O-Beschränkung gehen dem Tode heftige Eeizerscheinungen und Krämpfe voraus, die bei dem Tode durch CO^-Ueberladung fehlen. — Bei der CO. -Vergütung ist endlich die C02- Ausscheidung stark vermindert (C. Friedländer 6° E. Herter). Bietet man Thieren, ein der atmosphärischen Luft ähnliches Gas- gemenge, in welchen N durch H ersetzt ist, so athmen die Thiere völlig wie normal (Lavoisier & Seguin) ; der H des Gemisches er- leidet keine nennenswerthe Mengen-Veränderung. Cl. Bernard fand , dass beim Athmen im abgesperrten Räume eine , bis auf einen gewissen Punkt gehende, Gewöhnun g an die successiv verschlechterte Luft statthat Liess er einen Vogel unter einer Glasglocke verweilen, so lebte er mehrere Stunden. "Wurde jedoch vor seinem Tode ein anderer aus der frischen Luft hinzugesetzt, so sank dieser sofort unter Convulsionen hin. [§. 139.] Athmen fremdartiger Gase. 255 Merkwürdiger Weise geben Frösche in O-freier Luft mehrere Stunden hindurch ebensoviel CO., ab, wie in O-haltiger, und zwar ohne merkliche Störungen (Pflüger, Auberl). Die C02-Bildung muss daher unabhängig von der O-Aufnanme geschehen , und es wird die CO., frei aus dem Zerfall anderer Ver- bindungen. Schliesslich tritt jedoch völlige Bewegungslosigkeit ein, während die Circulation zunächst ungestört bleibt (AnbertJ. 140. Athnien fremdartiger Gase. Es soll hier ein- für allemal bemerkt werden , dass kein Gas ohne hin- reichende O-Beimischung das Leben erhalten kann , es entsteht vielmehr ohne 0 auch bei allen, sonst völlig unschädlichen und indifferenten Gasen natürlich schnelle Erstickung (in 2 — 3 Minuten). I. Völlig indifferente Gase — sind N und H und CH, (Grubengas). Das lebendige Blut eines, diese Gase athmenden Thieres giebt in diese Gase keinen 0 ab (PflügerJ. II. Giftige Gase. a) O-venlrängende: — 1) CO (siehe §.21 u. 22). — 2) CNH (Blau- säure) verdrängt (?) 0 aus dem Hb, mit dem es eine stabilere Verbindung eingeht, und tödtet äusserst schnell. Es verhindert weiterhin die Ozonisirung des 0 im Blute. Blutkörperchen mit Blausäure beladen, verlieren die Fähigkeit, Wasserstoffsuperoxyd zu Wasser und 0 zu zersetzen. (Vgl. §. 22. 5 und §. 245. 2.) b) Narkotisirende: — 1) C02. Eine Luft von 0,!°/oCO2 bezeichnet v. Petten- kofer als „schlechte Luft", doch rührt das, in derselben empfundene Unbe- hagen (z. B. in überfüllten Bäumen) mehr von den ausgeathmeten widrigen Dünsten unbekannter Natur, als von der C03 selbst her. Luft mit 1% C02 erzeugt merkliches Unbehagen, bei 10% ****& das Leben ernstlich gefährdet, bei noch höheren Graden tritt der Tod unter den Erscheinungen der Betäubung ein. — 2) N.0 (Stickoxydulgas) eingeathmet (mit 1/s Vol. 0 vermischt), bewirkt in 1V2 bis 2 Minuten einen schnell vorübergehenden, besonders lustigen Bausch- zustand („Lustgas", Davy) , welchem eine vermehrte C02-Ausscheidung folgen soll. — 3) Ozonisirte reine Luft wirkt ähnlich: auch sie erzeugt kurze angenehme Erregung, dann Schläfrigkeit und rasch vorübergehenden Schlaf , 'BinzJ. c) Reducirende: — 1) H,S (Schwefelwasserstoff) entzieht schnell den rothen Blutkörperchen allen 0, wobei sich durch Oxydation S und H,0 bildet; hierdurch tritt schon schleuniger Tod ein, bevor noch das Gas eine Ver- änderung des Hämoglobins unter Bildung von Schwefelmethämoglobin bewirken kann (Hoppe-SeylerJ. Ausserdem bildet H.S im Blute aus kohlensaurem Natron Schwefelnatrium, welches schnell tödtlich wirkt (Diakenow^ Pohl). 2) PH3 (Phosphorwasserstoff) wird im Blute zu phosphoriger Säure und Wasser oxydirt unter Zersetzung des Hb (Dybkowski, Koschlakoff & Popoff). 3) AsH3 (Arsenwasserstoff) und SbH:! (Antimonwasserstoff) wirken dem Phosphorwasserstoff analog, lassen überdies das Hb aus dem Stroma austreten, so dass Hb-reiche Ausscheidungen erfolgen; (Harn, §. 2^7). 4) C3N3 (C y a n g a s) wirkt O-entziehend und weiterhin das Blut zersetzend (Rosenthal &* Laschkewitsch) . III. Irrespirabele Gase, — völlig uneinafhembar, indem beim Eintritt in den Kehlkopf reflectorischer Stimmritzenkrampf entsteht. Gewaltsam in die Luft- wege gebracht, bewirken sie lebhafte Entzündungen und weiterhin Zerstörungen und den Tod. Es sind (HCl) Chlorwasserstoffsäure , — (HF1) Fluorwasserstoff- säure, — (SOä) schweflige Säure, — (N, 04) Untersalpetersäure, — (^3 03) salpetrige Säure, — (NH3) Ammoniak, — Chlor, — Fluor, — Jod, — Brom, — unverdünntes Ozon, — unvermischte C03. 141. Anderweitige schädliche Beimengungen der Athmungsluft. Zu den Verunreinigungen der Luft, welche in grossen Mengen und bei ftrunratiri- anhaltender Einwirkung benachteiligend auf die Gesundheit einwirken, gehören f/^*^^ die massenhaft suspendirten Staubtheilchen. — Durch die, nach dem Kehl-' 256 Anderweitige schädliche Beimengungen der Athniungsluft. [§.14].] Staub- infiltration der Lungen. köpf hin schlagenden Flimmerepithelien der Respirationsorgane wird der grösste Theil dieser Partikeln wieder nach aussen eliminirt. Theilweise aber durch- bohren die Staubtheilchen die Epithelien der Lungenbläschen, gelangen so in das interstitielle Lungengewebe, und von da auch häufig durch die Lymphgefässe bis zu den Lymphdrüsen der Lungen. So findet sich in den Lungen aller älteren Individuen Kohlenstaub niedergeschlagen, der die Alveolen schwärzt. In massigen Mengen sind die Stoffe im Gewebe unschädlich, kommt es jedoch zu massenhafter Ablagerung , so kann dies zu Limgenkrankheiten , welche bis zum Zerfalle dieser Organe führen können, Veranlassung geben. Die Körnchen dringen zwischen die Alveolenepithelien ein in das interstitielle Lungengewebe und dann in die Lymphgefässe und Drüsen. (Die Lymphdrüsen der Pleura mediastinalis können Pigment nur aufnehmen, welches in die Pleurahöhlen hinein gelangt war) (Fleiner). — Manche Gewerbe bringen das Arbeiten in staubreicher Atmo- sphäre mit sich, und daher stammt die Gesundheitswidrigkeit derselben. Köhler, Schleifer, Steinhauer, Feiler, Weber, Spinner, Tabaksarbeiter, Säger, Müller, Bäcker leiden in ihren Lungen vielfach unter dem Staube ihrer Gewerbe. Fig. 80. ■ Flimmere pithel Platte Zellen Aeussere Schichte Zwischenformen Innere Schichte Geschichtetes, flimmerndes Cylinder-Epithel des Larynx (Pferd) nach Toldt. Keime Zweifellos ist es ferner, dass wir mit der eingeathmeten Luft vielfach niederer allcn fce Keime von ansteckenden Krankheiten — mit in unsere Athmungsorgane aufnehmen, von wo aus sie sich in den Körper hineinbegeben. So localisiren sich zunächst der Diphtheritis-Pilz (Bacillus diphtheriae, Löffler , Klebs , Oertel) im Rachen und im Kehlkopf, der Rotz in der Nase (Löffler & Schütz), — die Masern in den Bronchien, — die Keuchhusten- pilze in den Bronchien, — die Heufieber-Monaden in der Nase, — die Pilze der Lungenentzündung (Bacillus pneumoniae, Friedländer) in den Lungenbläschen. — Die Krankheitsursache der Tuberculose, der Bacillus tuberculosis (R. Koch) , der grösste Dämon des Menschengeschlechtes , gelangt aus dem Staube tuberculöser iSputa in das lufthaltige Lungengewebe hinein und kann von dort sich in alle Gewebe hin verbreiten. — Aehnlich entsteht der Aussatz durch Bacillus leprae (Hansen). — Der Urheber der Malaria-Er- krankungen, das der Amöboidbewegung fähige Plasmodium malariae, dringt vom Athmungsorgane aus in das Blut, verwandelt im Innern der rothen Blutkörper- chen Hb in Melanin (§. 16. 3) und macht sie zerfallen (Marchiafava & Celli). Ebenso gelangen in das Blut die Erzeuger der Pockenkran kh ei t (Micrococcus vaccinae, Keber, 1868), die Spirille des Rückfalltyphus f Obermeier, 1873), die noch unbekannten Mikroben der Masern, des Scharlachs u. a. Manche Krankheitskeime kommen mit der Luft (auch mit den Speisen) in die Mundhöhle und werden von hier verschluckt, so dass sie nun im Intestinal- tractus zur Entwicklung gelangen. So ist es bei der Cholera (Commabacillus, Koch), Ruhr und dem Typhus (Bacillus typhosus, Koch, Eberth , Klebs) der Fall, so entsteht auch beim Weidevieh der Milzbrand durch Bacterium an- thracis (Pollender, 1849). 142. Ueber Erneuerung der Luft in den Wohnräumen (Ventilation). — Untersuchung der Luft. Erforderliche Frische Luft ist für ,den Gesunden, wie für den Kranken eine der 6'rwwe des notwendigsten Bedingungen für die gedeihliche Ausführung der Lebensprocesse. Man kann annehmen, dass in den gewöhnlichen Wohnräumen einer hinreichenden Erneuerung der Luft entsprochen wird, wenn man für jeden Bewohner 800 Cub.- [§. 142.] Ueber Erneuerung der Luft in den Wohnräumen. 257 Fnss (= 22,52 Cub.-Meter), für jeden Kranken gegen 1000 Cub.-Fuss (= 28,15 Cub.- Meter) Zimmerraum verlangt. Hiernach wäre für Wohnungen, »Schulen, Casernen, Strafanstalten, Krankenzimmer der , für die Insassen nothwendige Raum zu be- messen, und es dürfte nur nach diesem Yerhältniss eine Belegung der Räume mit Individuen erfolgen. Man ist von dieser Norm jedoch in verschiedenen Ländern nicht unerheblich abgewichen. In übermässig überfüllten Räumen steigt zunächst der CO^-Gehalt der Luft ; v. Pettenkofer fand den normalen Gehalt der Luft (== 0,5 pro mille) ge- steigert im behaglichen "Wohnzimmer auf 0,54 — 0,7 pro mille, — in schlecht gelüfteten Krankenstuben auf 2,4 p. m , — in stark gefüllten Hörsälen auf 3,2 p. m. — in Schänk(n auf 4.9 p. m., — in Schulzimmern auf 7,2 p. m. Wenngleich es nun nicht die CO.j-Mei.gen sind, durch welche die Luft stark bewohnter Räume schädlich wirkt, sondern die Ausdünstungen von den äusseren und inneren Körperflächen, die zugleich die Luft widerlich für das Geruchs- organ machen, so giebt doch der COa-Gehalt Anhaltspunkte über den Grad der Luftverderbniss überhaupt. Ob in stark mit Menschen belegten Räumen die Ventilation hinreichend ist oder nicht , erkennt man daher durch die quantitative Bestimmung der CO, der Luft zur Zeit des Aufenthaltes , also in Schlafzimmern womöglich kurz vor dem Ende der Schulzeit, in Kranken- oder Schlaf-Sälen (Casernen) kurz vor Tagesanbruch. Da eine behagliche gute Zimmerluft nur bis 0.7 pro mille CO„ enthält, so muss die Ventilation eines Raumes als ungenügend erachtet werden, wenn über 1,0 pro mille CO., angetroffen wird. Da die atmosphärische Luft nur 0,0005 Cub.-M. Kohlensäure in 1 Cub.-M. Luft enthält, und da der Erwachsene stündlich 0,0266 Cub.-M. Kohlensäure producirt, so ergiebt sich durch die Rechnung, dass für jeden Kopf stündlich 113 Cub.-M. (für ein Kind 60 Cub.- M.) frische Luft durch die Ventilation zuge- führt werden müssen , wenn die Kohlensäure des Wohnraumes nicht über 0,7 pro mille steigen soll ; [denn 0,7 : 1000 = (0,0226 -+- x X 0,0005) : x; — also x = 113]. [Soll der Kohlensäuregehalt der Stubenluft jedoch bis 1,0 pro mille steigen, so genügt für den Erwachsenen eine stündliche Ventilation von 45 Cub.-M. (für ein Kind 24 Cub -M.)j. Ob nun ein Wohnraum hinreichend grosse Ventilation habe, wird in folgender Weise festgestellt Man entwickelt in dem Räume eine grössere Menge CO;,, und zwar für jeden Cubik-Meter des Raumes in 1 Stunde 1 — 2 Liter COj. (Als Quelle der COä kann dienen Anzünden von Stearinkerzen, deren jede in 1 Stunde 12 Liter CO^ erzeugt; — ein Gas-Schnittbrenner liefert stündlich 100 Liter, ein Erwachsener durch die Athmung 22,6 Liter, ein Schulkind 12 Liter stündlich.) Hat man so nach 1 Stunde hinreichende Mengen von CO;, erzeugt, so entfernt man die CO., -Erzeuger und macht die erste CO^-Bestimmung der Luft (nach der unten beschriebenen Methode). Nach Verlauf einer Stunde (während welcher Fenster und Thüren geschlossen waren) wird die zweite CO.,-Bestimniung gemacht. Wie viel frische Luft in dieser Stunde durch die Ventilation einge- treten ist, berechnet man nach folgender Formel: C = 2,3 X m X log.- — q — a (in welcher bedeutet C = das Volumen der, durch die Ventilation eingedrungenen frischen Luft in einer Stunde in Cubik-Meter; — m das Volumen des Zimmer- raumes in Cubik-Meter; — p den CO.,-Gehalt in 1 Cub.-M. Zimmerluft beim 1. Ver- suche (ausgedrückt in Cubik-Meter); — q den CO,-Gehalt in 1 Cub.-M. Zimmerluft beim 2. Versuche (ausgedrückt in Cubik-Meter) ; — a den CO., -Gehalt der atmo- sphärischen Luft = 0,0005 Cmtr. in 1 Cub.-M. Luft.) — Beispiel (nach Flügge): In einem Schulzimmer, in welchem sich 40 Kinder aufgehalten haben, wird kurz vor Schluss der Schule die erste Bestimmung der CO., gemacht ; das Resultat sei 1 1,2 pro mille, also 0,002 CO., in 1 Cub.-M. Luft. Nachdem die Kinder fortgegangen, Fenster und Thüren jedoch wieder verschlossen waren, wird nach einer Stunde die zweite analoge Bestimmung ausgeführt ; das Resultat sei 0.1 pro mille, d. h. 0,001 CO, in 1 Cub.-M. Luft. Die Grösse des Schulzimmers ist 600 Cub.-M. Die Menge frischer Luft, die in der verflossenen Stunde in das Local eingetreten ist, beträgt 0,002—0,0005 T.ooi— o.ooo5 also nach obiger Formel : C = 2,3 X 600 X log. = 1380 X log. 0,0015 Luft Hber/üllter Räume. Grösse der nüthigen Ventilation. 1380 X log. 3 = 1380 X 0,4771213 = 6i8,4 Cub.-M. Es sind also 658,4 Cub.-M. frische Luft durch die Ventilation in den Sehulnunn eingetreten. Da nun 1 Kind stündlich 60 Cub.-M. frischer Ventilationsluft bedarf, so bedurften Landois, Physiologie. 7. Aufl. 17 258 lieber Erneuerung der Luft in den Wohnräumen. [§• 142.} Künstliche Ventilation. Wirkung feuchter Wände. Praktische Methode zur Bestimmung der 00% in Wohnräumen nach v. Fetten- kofer. jene 40 Schüler: 40 X 60 = 2400 Cub.-M. frischer Luft in einer Stunde. Da nun aber thatsächlich die Ventilation dieses Baumes nur 658,4 Cub.-M. beträgt, so fehlen also noch 1741,6 Cub.-M. Es niuss daher entweder für stärkere Venti- lation gesorgt werden, oder es dürfen nur weniger Kinder die Schule besuchen. Eine Ventilation, welche mehr als das 3fache des Zimmerraumes beträgt, wird unangenehm als „Z u g" empfunden (und ist namentlich im Winter oft direct schädlich). Für vorliegenden , 600 Cub -M. geräumigen Schulraum wären also nur 1800 Cub.-M. Ventilation pro Stunde zulässig ; er kann daher in demselben höchstens für 30 Schüler passend Platz abgeben (30 X 60 = 1800). Da nun der Raum nur 658 Cub.-M. pro Stunde ventilirt wird , so muss durch verbesserte Ventilation noch (1800—658 = ) 1142 Cub.-M. frische Luft neu hinzugeführt werden. Ohne weitere Ventilation könnten aber nur 658 : 69 = 1 1 Kinder in der Schule Platz finden. In den gewöhnlichen Wohnräumen , in denen für jeden Bewohner das noth wendige Maass an Raum (800 Cub.-Fuss) gegeben ist, erneuert sich die Luft hinreichend durch die zahlreichen Poren, welche die Wände der Bäume besitzen , sowie durch das Ein- und Aus-Gehen , ferner im Winter durch die Oefen, wie man an dem Constantbleiben des COyGehaltes leicht ermessen kann. Namentlich tritt bei erheblicherer Temperaturdifferenz im Innern des Zimmers und in der Aussenluft (im Winter) eine mehr als nothwendige Ventilation ein. Ist jedoch von vornherein der Cubikraum für jeden Bewohner zu gering bemessen,, wie in stark belegten Spitälern , engen Schiffsräumen u. dgl. , so ist durch künstliche Ventila tions Vorrichtungen für die nothwendige Luftver- änderung Sorge zu tragen. Dasselbe muss geschehen , wenn von Kranken üble Dünste abgegeben werden. Vor allen Dingen ist jedoch wohl zu berücksichtigen , dass durch Feuchtigkeit der Wände die natürliche Ventilation durch die Poren der- selben hindurch enorm beeinträchtigt wird. Zugleich wirken feuchte Wände durch ihre stärkere Wärmeleitung beeinträchtigend auf die Gesundheit, sowie auch dadurch, dass in ihnen , wie im feuchten Untergrund überhaupt, die Keime von Ansteckungskrankheiten sich entwickeln können {Lindwurm). Durch einen lebhaft geheizten Ofen wird etwa 40—90 Cub.-M. Luft pro Stunde ventilirt. Zu Zwecken der Ventilirung sind sehr verschiedene Vorrichtungen ange- geben worden, theils Aspirations-Ventilirung, durch welche der Luft- wechsel durch Saugkraft hergestellt wird, — theils Pul siohs ventili run g, bei der durch die Wirkung mechanischer Kräftmaschinen die Lufterneuerung durch Einpumpen bewirkt wird. Zur Bestimmung des C02-Gehaltes der Luft in verschiedenen Wohnräumen verfährt man nach v. Peüenkofer so: Man bereitet eine Baryt- Lösung, von 10 Gr. krystallisirtem Baryumhydrat und 0,5 Gr. Chlorbaryum in 1 Liter Wasser. Eine geräumige , trockene , genau ausgemessene (6 Liter-) Flasche wird mit der Luft des zu untersuchenden Baumes angefüllt, indem man mit Hülfe eines Blase- balges längere Zeit bis auf den Boden der Flasche einbläst. Nun giesst man mit einer Pipette 1C0 Ccmtr. der Barytlösung in die Flasche (wodurch natürlich 100 Ccmtr. Luft verdrängt werden !) , schliefest mit einer Kautschukkappe und lässt unter zeitweiligem Umschwenken 2 Stunden stehen. Dadurch ist alle C02 an die Barytlösung getreten. Hierauf giebt man 25 Ccmtr. der klar abgesetzten Lösung in eine Medicinflasche und lässt aus einer graduirten Bürette so lange (unter Schütteln) von einer Normal-Oxalsäurelösung einlaufen, bis ein Tröpf- chen des Gemisches auf gelbes Curcuma-Papier gebracht, nicht mehr einen braunen Rand bildet, d. h. bis die Reaction völlig neutral ist. [Man kann auch der Barytlösung in der Medicinflache einige Tropfen einer Lösung von 0,2 Gr. Rosolsäure in 100 Ccmtr. verdünnten Weingeist zusetzen, wodurch Röthung eintritt. Wird nun Oxalsäure zugesetzt, so zeigt sich Entfärbung des Ge- misches durch den geringsten Ueberschuss dieser Säure.] (Zur Darstellung der Normaloxalsäurelösung löst man reine, krystallisirte, nicht verwitterte Oxalsäure 2,8636 Gr. , die zur Trocknung 4 Stunden unter einer Glasglocke über conc. Schwefelsäure gestanden hat, in 1 Liter Wasser: 1 Ccmtr. dieser Lösung ent- spricht in seiner Stärke 1 Millgr. C02.) Die Zahl der verwendeten Cub.-Cmtr. Säurelösung wird genau notirt. Nun werden in gleicher Weise 25 Ccmtr. der ßaryt- lösung (mit der weiter nichts gemacht ist) durch die Normalsäurelösung bis zur [§.142.] Der Auswurf. 259 völligen Neutralisation titrirt; auch hier wird die Menge der verwendeten Säure- lösung notirt. Durch Subtraction findet man die Differenz der, in beiden Titri- rungen verwendeten, Normalsäuremengen. Für jeden Cub.-Cmtr. der, zu der mit der CO^ -haltigen Luft geschüttelten Barytlösung weniger verwendeten Normal- säurelösung rechnet man 1 Mg. CO^ und multiplicirt in Anbetracht, dass von 100 Ccmtr. Barytlösung nur 25 titrirt sind) den gefundenen Werth mit 4. Das Resultat giebt die Milligramme C02 in 6 Liter minus 100 CC. Luft. Man verwandelt nun zweckmässig die gefundenen Milligramme C02 in Cubikcentimeter , indem man sie mit 0,508 multiplicirt (da 0,508 Ccmtr. C02 bei 0° C und 760 Mm. Barometer-Druck = 1 Miligramm wiegen). Ferner wird das Volumen der Luft auf 0" C. und 760 Mm. Barometer-Druck reducirt. Dies V B geschieht nach der Formel V, = — — — „ , ' „„„„.. — rr— . [worin V, das gesuchte ° 1 760 . (,1 -f 0,00366a . t> ' L 1 reducirte Volum , V das zum Versuche genommene Luftvolum (der Flascbe), B den zur Zeit des Versuches notirten Barometerstand und t die Temperatur in dem untersuchten Baume bedeutet]. Durch dies Beductionsverfahren kann man die Resultate in Procenten zu etwaigen Vergleichungen gewinnen. Beispiel : — 25 Ccmtr. der Baryumlösung werden genau neutralisirt durch 24,6 Ccmtr. der Oxalsäurelösung; — 25 Ccmtr. der Baryumlösung nach der COa- Absorption (aus der Versuchsflasche entnommen) werden neutralisirt durch 21,5 Ccmtr. Oxalsäurelösung. Die Differenz beider, also 24,6 — 21,5 = 3,1 ent- spricht somit 3,1 Milligramm C02, die in den 25 Ccmtr. Baryumlösung gebunden waren ; es sind demnach in den 100 Ccmtr. der verwendeten Baryumlösung ent- halten 4 X 3,1 = 12,4 Milligramm C02. Angenommen , die grosse Luftflasche habe 4100 Ccmtr. Inhalt gehabt, von welchem 100 Ccmtr. durch das gleich grosse Volumen der eingegossenen Baryumlösung verdrängt sind, so das also ein Luftvolum = 4000 Ccmtr. übrig bleibt; betrug nun zur Zeit des Versuches die Temperatur des Wohnraumes 20° C. und der Barometerstand 750 M., so ist das den 4000 Ccmtr. entsprechende „reducirte Luftvolumen'-' Vt = - -,-, -,-- ' y = 3678 Ccmtr, in denen also 12,4 Milligr. C02 enthalten sind. Nun ist aber 1 Milligr. CO, = 0,508 Ccmtr. , also waren in 3678 Ccmtr. Luft= 12,4 X 0,508 = 6,299 Ccmtr. Kohlensäure; — auf 1000 Ccmtr. Luft beträgt dies (nach der Formel x : 1000 = 6,299 : 3678) = J,7 Ccmtr. oder 1,7 pro mille C02 (Flügge). 143. Normale Sclileimbildimg in den Luftwegen. — Der Auswurf (Sputum). Die Schleimhaut des Respirationscanales ist ununterbrochen von Normale, einer dünnen Lage Schleim bedeckt. Diese inhibirt durch Abhaltung absondenmg. der gewöhnlichen Eeize der Luft und des Staubes eine weitere Schleim- bildung. Letztere erfolgt nur insoweit, als die Verdunstung dieselbe zum Ersätze nothwendig macht. Im Allgemeinen tritt mit vermehrter Blutdurchströmung der Tracheaischleimhaut auch vermehrte Secretion ein. Einseitige Nervendurchschneidung bewirkt Röthung dieser Seite und stärkere Absonderung (Rossbach, nach Versuchen an Katzen . Beim Eintritt von Erkältung — (Eisbedeckung des Bauches) wird die Schleimhaut zuerst völlig blass, dann unter sehr starker Zunahme der Abson- derung, tiefroth. — Einspritzung von Natriumcarbonat und Salmiak beschränkt die Secretion. Oertliche Anwendung von Alaun, Höllenstein oder Oerbsäure macht die Schleimhaut ti'ocken , und dass die Epithelien abgestossen werden. — Apo- morphin, Emetin und Pilocarpin regen lebhaft die Absonderung an ; — Atropin und Morphin beschränken sie t ' Rossbach). Selbst unter ganz normalen Verhältnissen kommt es unter Das normale Räuspern und Husten zum Auswerfen schleimig-klebriger Massen, die dem gesammten Respirationscanale entstammen können und stets mit etwas Speichel gemischt oder benetzt sind. Bei Katarrhen oder tieferen 17* 260 Das Sputum. [§• 143.] seine Iiestandtheile, Erkrankungen des Athmungsapparates wird der Auswurf reichlicher und oft mit charakteristischen Beimischungen versehen. Mikroskopisch finden sich im Sputum folgende Bestandtheile : 1 . Epithelzellen: — und zwar vorwiegend Pflasterzellen aus der Mund- und Rachenhöhle (Fig. 81. 8), seltener Alveolenepithel (2), noch seltener flimmerndes (7) aus den gröberen Luftcanälen. Unter den Epithelien finden sich nicht selten Veränderungen derselben durch Maceration, wozu auch die Cylinderzellen zu rechnen sind, weiche ihre Wimpern bereits verloren haben (6). Fig. 81. Die im Sputum beobachteten Befunde: l Detritus und Staubpartikel. — 2 Pig- mentirtes Alveolenepithel. — 3 Veifettetes und theilweise pigmentirtes Alveolen- epithel. — 4 Myelin entartetes Alveolenepithel. — 5 Freie Myelinformen. — 6, 7 Abgestossene Flimmerepithelien , zum Theil verändert und der Cilien be- raubt. — S Plattenepituel der Mundhöhle. — s Leukocyten. — io Elastische Fasern. — u Faserstoffabguss kleiner Bronchien. — 12 Leptothrix buccalis nebst Coccen , Stäbchen oder Spirochaeten. — a Fettsäurekrystalle und freie Fettkörnchen. — i> Hämatoidin. — c Charcot'sche Krystalle. — d Cholesterin. Alveolenepithel (2) — (Durchmesser 2 — 4fach eines weissen Blut- körperchens (findet sich namentlich im Morgensputum, jedoch nur bei Individuen über 30 Jahren. Bei jüngeren Individuen zeigen sie krankhafte Affectionen des Lungenparenchyms an (Guttmann, H. Smidt, Bizzozero). Das Alveolenepithel tritt auch verfettet und mit Pigmentkörnchen erfüllt auf (3), sowie auch in Form der „myelin degenerirten Zellen" (Buhl) (4), d. h. Zellen mit verschieden grossen, hell glänzenden Tröpfchen erfüllt, die theils farblos sind, theils Pig- mentkörnchen (Staubpartikeln) aufgenommen haben können. [Ueber die Bildung der Myelinformen in den Zellen giebt vielleicht §. 174. III Anhalt.] Auch Mucin in „Myelinformen" [d. h. in der Gestalt geronnenen Nervenmarkes (5)] ist constant im Sputum. 2. Lymphoid zellen (9) — als ausgewanderte weisse Blut- körperchen zu betrachten sehr zahlreich in dem gelben Auswurf, [§. 143.] Das Sputum. 261 spärlicher in dem glasig durchsichtigen. Auch diese Leukocyten be- finden sich im Sputum vielfach in veränderter Gestalt und im Zustande der Auflösung und Zersetzung : sie können geschrumpft , stark fettig gekörnt, zum Theil als Körnchenconglomerate auftreten ; endlich zeigen isolirte Kerne den Zerfall ihres Zellenleibes an. Die flüssige Substanz — des Sputums enthält viel Schleim aus den Schleimdrüsen und den Becherzellen herstammend, sodann etwas Nucle'i'n und Lecithin und, je nach der Reichlichkeit der Beimengung, die Bestandtheile des Speichels. E i w e i s s findet sich nur im Sputum bei Entzündung der Luftwege ; seine Menge wächst mit dem Grade der Entzündung selbst. Harnstoff fand Fleischer im Sputum bei hoch- gradiger Nierenentzündung. Pathologisches: — Bei Katarrhen pflegen die Sputa anfangs glasig-zäh Das Sputum und schleimig zu sein (Sputa cruda), nach längerem Verlaufe consistenter und in KTanli- gelb (Sputa cocta). Untei* pathologischen Verhältnissen kommen in den Sputis vor: a) Eothe Blutkörperchen, stets aus einer Zerreissung von Gelassen herstammend. b) Elastische Fasern (10) aus zerstörten Alveolen der Lungen ; meist sind es kleine Bündel zarter Fasern, die mitunter noch in ihrer gebogenen An- ordnung die rundliche Wand der Alveolen andeuten. Sie zeigen natürlich stets eine Destruction des Lungengewebes an. c) Viel seltener sind grössere, mehrere Alveolen umfassende Lungen- trümmer bei schnellem und weitgreifendem Lungenzerfall, — ebenso kleine Faserknorpelstückchen oder glatte Muskelfasern aus den kleinen Lnftcanälen. d) Farblose Faserstoff gerinnsei (11), meist als Abgüsse der kleineren oder grösseren Luftcanälchen zu erkennen , finden sich bei Entzündungen der Lungen oder der Bronchien, welche mit einer fibrinösen Ausschwitzung in die Canälchen einhergehen. So finden sie sich oft bei der Lungenentzündung bei Er- wachsenen, — beim Croup der Bronchien, — sowie auch selten bei heftiger Grippe. e) Krystalle verschiedener Art werden nicht selten im pathologischen Sputum gefunden: — Fettsäu rekrystalle (a) in Bündeln feiner Nadeln an- geordnet, meist in weisslich käsig-schmierigen , stinkenden Klümpchen des Spu- tums belegen. Sie zeigen einen tieferen Zersetzungsprocess der stagnirenden Secrete und der, von ihnen bedeckten Gewebe an. — Selten sind, als Zersetzungs- producte der Albuminate, Leucin- und Tyrosin-Krystalle (vgl. Abbildungen im §. 271 (Leyden, Jaffi , Fleischer/. Reichliches Auftreten von Tyrosin findet man beim Durchbruch alter Eiterherde in die Lungen (Leyden , Kannenberg . Farblose gestreckt-spitzige Octaeder oder rhombische Täfelchen (Char- cot'sche Krystalle) (c) [vgl. §. 434] fand man im Auswurf Asthmatischer in und an eigenthümlich spiral gewundenen Exsudatpfröpfen aus den dünnen Luft- canälchen, aber auch sonst bei exsudativen Affectionen der Bronchien (Leyden, Friedreich, Zenker, Riegel, Curschmann, Ungar, Vierordi ' u. A.). — Hämatoidin- krystalle (b) aus alten Blutergüssen in den Lungen sind seltener, — ebenso Cholesterin krystalle (d) aus aufgebrochenen Eiterherden stan.mend. f) Pilze und andere niedere Organismen, die durch Einathmen aufgenommen sind (§. 141). Häufig sind die Fäden von Leptothrix buccalis (12), welche sich vom Zahnbelage losgelöst haben. (§. 252. 2 c.) — Thallusfäden und Sporen finden sich im Auswurfe beim Soor, der als weisser wuchernder Belag meist im Munde der Säuglinge gefunden wird (Oülium albicans). In übel- riechendem Auswurf finden sich stäbchenförmige Bacterien. Bei der Lungcn- gangrän fand man Monaden und Cercomonaden /Kannenberg ; bei der Lungen- schwindsucht ausnahmslos den Tuberculosen-Bacillus J\. Koch; sehr selten Sar- cine, die öfter bei Magenkatarrhen im Magen, aber auch im Harne angetroffen wird (Abbildung im §. 272). Rücksichtlich der äusseren Erscheinung unterscheidet man schleimige, — schleimigeitrige — und eitrige Sputa (BiermerJ. Auf 60° C. erwärmt lösen sich alle Sputa zu einer gleichmässigen Flüssigkeit auf Fr, Müller . 262 Wirkungen des Luftdruckes. [§. 143.] Abnorme Färbungen — können dem Sputum eigen sein: roth durch Blutfarbstoff: — länger in den Lungen verweilend kann der Blutfarbstoff eine ganze Farbenscala durchlaufen (wie an äusserlich sichtbaren Blutbeulen) und so die Sputa färben : dunkelroth, blaubrann, braungelb, tiefgelb, gelbgrün, grasgrün. Gelb ist auch nicht selten das Sputum bei Gelbsüchtigen. Zufällig eingeathmete gefärbte Staubmassen können natürlich ebenfalls den Auswurf färben. Der Geruch der Sputa — ist meist fade, weniger oder mehr unan- genehm. Uebelriechend werden sie beim Verweilen in pathologischen Lungen- höhlen; aashaft stinkend beim Lungenbrande. 144. Wirkungen des Luftdruckes. Belastung Bei herrschendem mittleren Lnftdruck (Barometerstand = 760 Mm. durchlen Hg) wird auf die gesammte Körperoberfläche ein Druck ausgeübt, der Luftdruck. seiner Flächenausdehnung entsprechend, 15000 bis 20000 Kilo be- trägt [103 Kilo auf jeden □ Decimeter (Galilei)]. Dieser Druck wirkt von allen Seiten her auf den Körper ein und setzt sich natürlich auch in die inneren Lufträume fort, welche entweder constant (Athmungscanal nebst Stirn- , Kiefer- , Keilbein-Höhlen) , oder doch temporär (Digestionstractus , Paukenhöhlen) mit der äusseren Luft in directer Communication sind. [Längerer Abschluss eines lufterfüllten Baumes (z. B. der Paukenhöhle) von der äusseren Luft bewirkt Ver- dünnung der Gase in demselben in Folge der O-Zehrung und der nicht in gleichem Volumen dahin abgegeben C02.] — Da die Flüssigkeiten des Körpers (Blut, Lymphe, Secrete, Parenchym- säfte) so gut wie incompressibel sind, so wird ihr Volumen unter dem herrschenden Drucke als unverändert angesehen werden dürfen ; die- selben werden jedoch dem herrschenden Drucke (resp. dem Partiar- druck der einzelnen Gasbestände), sowie ihrer Temperatur entsprechend, Gase aus dem Luftmeere absorbiren müssen (vgl. §. 37). — Die festen Körperbestandtheile setzen sich bekanntlich aus zahl- losen kleinsten Elementartheilchen (Zellen, Fasern) zusammen, von denen jedes nur eine mikroskopische Flächenausdehnung dem Drucke darbieten kann, so dass sich für jede Zelle der herrschende Luftdruck nur auf wenige Milligramme berechnen würde, ein Druck, dem auch die zartesten histologischen Gebilde mit Leichtigkeit gewachsen sind. — Als eine Wirkung des Luftdruckes auf grössere Massen ist noch hervorzuheben, dass durch die Adhäsion der glatten, klebrigfeuchten Wirkung des Gelenkflächen des Schulter- und Hüft-Gelenkes gegen einander der au/dL™ Arm und derSchenkel ohne Muskelthätigkeit getrag en Gelenke. w e r ^ e n, so dass z. B. das Bein, nachdem alle Weichtheile um den Schenkelhals nebst der Gelenkkapsel durchschnitten sind, noch in der Gelenkpfanne gehalten wird (§. 312) (Gebrüder Weber). Wirkung der Die gewöhnlichen Barometersteigerungen haben auf die Athem- Ziman-' thätigkeit insofern Einfluss , als dieselben die Respirationsbewegungen kungen. etwag anregen; — die Abnahme des Luftdruckes wirkt umgekehrt. Die C02-Menge bleibt hierbei absolut dieselbe, ist jedoch in den selteneren Athemzügen bei niederem Barometerstand natürlich procentisch etwas erhöht (Prout, Vierordt) (vgl. §. 153. 8). Wirkungen iMfä" k Stärkere Verminderung des Luftdruckes , — wie sie bei Ballonfahrten Verlan-' (höchste Ascension 8600 Meter oder Bergbesteigungen vorkommt, hat eine Reihe derung. charakteristischer Erscheinungen zur Folge: — 1. In Folge starker Verminde- [§. 144.] Verminderung des Luftdruckes. 263 rung des Druckes auf die , von der Luft direct berührten Flächen findet starke Congestion zu diesen statt : daher Röthung und Schwellung der Haut und der freien Schleimhäute bis zum Eintritt von Blutungen aus den zarteren Theilen (Nase, Lungen, Zahnfleisch), pralle Füllung der Hautvenen, reichlicher Schweiss- ausbruch, starke Absonderungen der Schleimhäute. Die Arterien werden daher mehr entleert: schon bei 1/.2 Atmosphäre Druck sinkt der Blutdruck in der Radialis (Lazarus &° Schirmunski). — 2. Gleichfalls directe "Wirkungen des ver- minderten Druckes sind: Schwere in den Schenkeln, da der Luftdruck allein nicht mehr ausreichen soll (?), das Bein in der Pfanne zu tragen (§. 312): — Hervorpressung der Trommelfelle durch die Luft der Paukenhöhle (bis durch die Tuba die Spannungsdifferenz ausgeglichen ist), und in Folge davon Ohrenreissen und selbst Schwerhörigkeit. — 3. In Folge der Verminderung der O-Spannung in der umgebenden Luft (vgl. §. 135. 1): Schwerathmigkeit , Brustbeklemmung, wobei die Athemzüge schneller (ebenso der Puls), tiefer und unregelmässig er- folgen. Bei l/a — i/3 Atmosphären-Druck tritt O-Verarmung des Blutes ein (Bert, Fiänkel&f' Gtppert;, daher die unvollkommene Entfernung der C(L. aus dem Blute und die geringere Lebhaftigkeit der Oxydationsprocesse im Körper. Von l .2 Atm.- Druck an nimmt der CO^-Gelialt im arteriellen Blute ab , der N-Gehalt sinkt proportional der Abnahme des Luftdruckes ■ Fränkel c-5 GeppertJ. — 4. In Folge der Verminderung der Dichtigkeit der Luft ist dieselbe nicht im Stande, im Kehlkopfe durch Schwingungen der Stimmbänder in kräftiger Weise tönend zu schwingen, daher die Stimme matt und verändert erscheint. — 5. In Folge der Blutwallung zu den äusseren, von der Luft berührten Theilen werden die innern relativ blutarm, daher Verminderung der Harnsecretion , Muskelschwäche, Ver- dauungsstörungen, Umnelielung der Sinne, Ohnmächten (alle diese Erscheinungen unterstützt von 3). Nach den Beobachtungen, welche Whimper an sich selbst bei Besteigung der höchsten Andengipfel machte , findet jedoch rücksichtlich dieser letzteren Erscheinungen eine gewisse Gewöhnung statt. — Die Grenze für das Leben mit Besinnung scheint für den Menschen bei 8000 Meter Elevation (280 Mm. Hg) zu liegen (Tissandierj. Nach Hiifner soll bereits bei einer Höhe von 5500 Meter das Leben unmöglich werden für einen "Warmblüter weil das Hb nicht mehr genug O aufnehmen könne. [Beim Hunde tritt erst bei 200 Mm. Hg starkes Sinken des Blutdruckes ein bei kleinem und seltenem Pulse Fränkel er5 GeppertJ.] Die Bewohner hoher Berg gegen den — werden mitunter von einer Krankheit befallen („Bergkrankheit"), welche sich im Wesentlichen aus der- artigen Symptomen , zumal der Anämie der inneren Organe , zusammensetzt. AI. Humboldt fand bei Bewohnern der hohen Anden auffallende Geräumigkeit des Thorax. — Das Wasser 6000 — 8000 Fuss über dem Meere enthält nur noch etwa l/a der absorbirten Luftmenge , daher Fische in demselben nicht mehr zu leben vermögen (Boussingault), Thieren kann man unter dem Recipienten der Luftpumpe eine noch grössere Verhalten der Verdünnung der umgebenden Luft angedeihen lassen ; hierbei sterben Vögel bei Tjterej u"!er einer Erniedrigung des Luftdruckes bis auf 120 Mm. Hg; — Säuger bei 40 Mm. pumpe. Hg; — Frösche ertragen sogar wiederholte Evacuation, wobei sie stark durch entweichende Gase und Wasserdämpfe aufschwellen, nach dem Luftzutritt jedoch äusserst collabiren. — Als Todesursache der Warmblüter erkannte Hoppe-Seyler Gasentwicklung im Blute, deren Blasen die Capillaren verstopfen, so dass der Kreislauf stockt. Ich habe diese Erscheinung oft bestätigen können, doch möchte ich daran erinnern , ob nicht etwa auch Entwicklung von Gasblasen in den Parenchymsäften , namentlich des Nervensystemes , durch mechanische Zerrung der Gewebe nachtheilig wirken könne. [Lufteinblasen in die Venen sah zuerst Wcpfer (1685) födtlich wirken , in Folge mechanischer Kreislaufsbehinderung.] Locale Herabsetzungen des Luftdruckes — haben starke Blut- Wirkung wallung und Gewebsschwellung der betreffenden Stelle zur Folge, wie am ein- local!? Lu-n' ° ° ö ' verdunnunq. fachsten der Schröptkopf zeigt. Junod beschrieb als „Schröpfstiefel" einen, zur Aufnahme einer ganzen Extremität bestimmten Luftverdünnungsapparat, der eine Herabsetzung des , das Bein umgebenden Luftdruckes auf ' 3 ermöglicht. Hierdurch werden gegen 2 — 3 Kilo Blut in den Schenkel aspirirt, und dement- sprechend andere Körpertheile vorübergehend blutärmer (ohne dass das Blut für den Körper andauernd verloren geht !). Die energische Application ist sehr schmerz- haft, die Nachwirkung ist selbst bis zu 48 Stunden anhaltend. 264 Vermehrung des Luftdruckes. [§• 144J Ersckei- Starke Vermehrung des Luftdruckes. — Die hierbei auftretenden Er- würben des scheinungen lassen sich grösstenteils als die entgegengesetzten von den, hei Luftdruckes Verminderung des Luftdruckes beschri ebenen, herleiten. Die Erscheinungen sind vielfach beobachtet, theils in sogenannten pneumatischen Cabinett en, in denen zu Heilzwecken der Aufenthalt bei allmähliger Steigerung des Druckes auf lVg, l2.'s Atmosphären und darüber statihat , theils in abgeschlossenen Be- hältern bei Wasserbauten, aus denen durch Lufteiripumpen das eindringende Wasser verdrängt wird (Triegerj. Hierbei arbeiteten die Menschen zum Thcil sogar Unter 41/3 Atmosphärendruck. Folgende Erscheinungen sind beachtenswerth : — 1. Blässe und Trockenheit der äusseren Flächen, Collaps der Hautvenen, Abnahme der Perspiration und der Schleimhautabsonderungen , grösserer Blutreichthum der Bauchorgane (Suchcrsky). — 2. Erpressung der Trommelfelle (bis die Tuba , oft unter starkem Geräusch, die dichte Luft in die Paukenhöhle dringen lässt) ; an- fänglich scharfe Gehörwahrnehmung, weiterhin aber auch olt Ohrenschmerzen und selbst Schwerhörigkeit. — 3- Gefühl der Leichtigkeit und Frische beim Athemholen. Die Athemzüge werden verlangsamt (um 2 — 4 in einer Minute), die Inspiration ist erleichtert und verkürzt, die Exspiration verlängert, die Pause deutlich. Die Lungencapacität nimmt zu (wegen freierer Beweglichkeit des Zwerchfelles in Folge der Verkleinerung der gashaltigen Därme). Wegen der lebhafteren Oxydation im Körper zeigt s-ich grössere Lebhaftigkeit und Leichtig- keit der Bewegungen. G. v. .Liebig notirte eine Vermehrung der O-Aufnahme • Panum fand bei gleich grossem gewechselten Luftvolumen die C02-Abgabe ver- mehrt; das Venenblut erscheint mehr geröthet. — 4- Erschwerung des Sprechens, Aenderung des Stimmklanges , Unvermögen zum Pfeifen. — 5 Vermehrung der Harnsecretion , Steigerung der Muskelkraft, regerer Stoffwechsel, gesteigerter Appetit, subjectives Wärmegefühl. Der Pulsschlag ist verlangsamt, die Pulscurve erniedrigt. (Vgl. §. 79.) Wegen der belebenden und anregenden Wirkung des Aufenthaltes in massig comprimirter Luft hat n.an seine Anwendung zu Heilzwecken benutzt und gefunden, dass nach wiederholter Anwendung eine längere günstige Nachwirkung verblieb. Vor einer zu schnellen Drucksteigerung und ebenso vor einer zu schleunigen Entlastung ist zu warnen. Waidenburg und andere haben einen spirometerförmigen Apparat eon- struirt, aus dessen Glocke entweder verdichtete Luft eingeathmet werden kann, oder in dessen mit verdünnter Luft gefüllte Glocke hinein ausgeathmet wird ; beides in entsprechenden Fällen zu Heilzwecken, (pg. 148.) Bei excessiv hohem künstlichen Luftdruck — fand Paul Bert bei Thieren im arteriellen Blute bis über 30 Vol.-Procente 0 (bei 700 Mm. Hg) ; — steigt der O-Gehalt bis auf 35 Vol -Procente , so tritt der Tod ein unter Con- vulsionen. Schon bei noch niedrigerem O-Gehalt sinkt die Körperwärme , die Verbrennungsvorgänge im Körper nehmen merkwürdiger Weise ab, — und in Folge davon ist die C02- und Harnst off-Bil hing beschränkt. — Auch stark com- primirter 0 entfallet merkwürdiger Weise die Wirkung relativen O-Mangels. Die Thiere sterben darin unter Zeichen der Erstickung bei stark vermindertem Stotf- wechsel. — Bei 100 Atmosphären Luftdruck contrahiren sich Froschmuskeln noch normal, erst bei 400 werden sie gelähmt (Regnard). Bei Fröschen treten in comprimirten O (bis 14 Atmosphären) dieselben Erscheinungen auf, als wären sie im Vacuum oder in reinem N. Es zeigt i>ich Lähmung des centralen Nervensystemes mitunter nach voraufgegangenen Krämpfen. Dann sistirt der Herzschlag (nicht die Lymphherzen) unter gleichzeitigem Verlust der Reizbarkeit der motorischen Nerven , zuletzt schwindet die directe Muskel- erregbarkeit (K, B. Lehmami). Unter sehr hohem O-Druck (bis 13 Atmosphären) schlägt ein aus- geschnittenes Froschherz kaum 1/i der Zeit, in der es an der Luft thätig bleibt. Wird das ruhende Herz an die Luft gebracht , so kann die Pulsation wiederkehren. Comprimirter O macht also das Leben des Herzens latent, ehe er es vernichtet. Auch der Phosphor stellt unter hohem O-Druck sein Leuchten (Schönbein) [nicht jedoch die Leuchtorganismen z. B. Lameyris , Leuchtbacterien z. B. des Fleisches (Micrococcus Pflügeri) (K. B. Lehmann/]. — Sehr hoher Luftdruck ist auch den Pflanzen schädlich. [§. 145.] Vergleichendes. Historisches. 265 145. Vergleichendes. Historisches. Die Säuger haben den menschlichen ähnliche Lungen, — die der Vogel Athmung im zeigen ein schwammiges Gefüge ; sie sind mit der inneren Brustwand verwachsen Thierreich : und haben auf ihrer Oberfläche Oett'nungen , die zu grossen, zwischen den Ein- geweiden liegenden, dünnwandigen Luftsäcken führen. Aus letzteren gehen weitere Communicationen zu den Hohlräumen in den Knochen, die zur grösseren Leichtig- keit statt des Markes Luft im Inneren enthalten (Pneumaticität der Knochen) (Aristoteles). Das Zwerchfell fehlt. — Die Reptilien zeigen bereits die Lungen Reptilien. in grössere und kleinere Bläschenabtheilungen getrennt ; bei den Schlangen verkümmert die eine Lunge, während die andere, der Körperform entsprechend, sehr gestreckt und verlängert ist. Die Frösche pumpen Luft in ihre Lungen durch Contraction ihres Kehlsackes bei geschlossenen Nasenlöchern, während sie den Kehlkopf eröffnen (§. 354. 8). Die Schildkröten füllen durch eine Saugbewegung die Lungen mit Luft. — Die Amphibien (Frosch) besitzen Amphibien. zwei einfache Lungen , von denen jede in ihrem Bau gewissermaassen ein kolossales Lungenbläschen mit den Alveolen darstellt. In der Jugend (bis zu ihrer Metamorphose) athmen sie als Wasserbewohner durch Kiemen, unter ihnen die Perennibranchiaten (Proteus) jedoch, wie auch die Fische, zeitlebens. Unter Fische. den letzteren besitzen die Dipnoei in ihrer, mit zu- und ab-führenden Gefässen reichlich ausgestatteten Schwimmblase, neben ihren Kiemen, ein, den Lungen ent- fernt vergleichbares inneres Athmungsorgan. Unter Kiemen versteht man ein, in Form zahlreicher, gefässhaltiger , plättchenförmiger Ausstülpungen gebildetes Organ zur Athmung im "Wasser. Unter den Fischen zeigen die Schlammpitzger (Cobitis), zumal wenn es ihnen an Wasser gebricht und sie sich in Schlamm einwühlen, eine D armathmung, indem sie an der Oberfläche des Wassers Luft verschlucken, im Darme daraus den 0 entnehmen und sie schliesslich CO;, -reich durch den After wieder entleeren (Erman 1808). — Die Insecten und Insecten. Tausend fü ssler athmen durch Tracheen; zahlreiche im ganzen Körper verbreitete Luftcanäle, die auf der äusseren Körperoberfläche durch verschliessbare Oeffnungen (Stigmen) mit der atmosphärischen Luft in Communication stehen. Da die Insecten keine eigentliche Kreislaufsbewegung des Blutes besitzen , so dringt in ihre blutgefüllten Körperräume von allen Seiten her die , in Röhren geleitete Luft hinein , während bei den lungenathmenden Vertebraten das , in Röhren geleitete Blut aus dem ganzen Körper dem Athmungsorgan zugeführt wird. — Die Arachniden athmen durch Tracheen, lind lungenartige Luftsäcke Arachniden. (Tracheentaschen), — die K r e b s e durch Kiemen. — Den Muscheln und C e p h a- lopoden kommen ausgebildete Kiemen zu, den Schnecken theils Kiemen, theils ]\'eichtMere. Lungen. Unter den niederen Thieren finden sich noch kiemenartige Bildungen unter den Ringelwürmern und bei den Echinodermen, — Darm athmung bei Siedere den Tunicaten und manchen Milben. — Die Athmung durch ein Wassergef äss- Thiere. System, ein von Flüssigkeit durch strönites Canalsystem , ist den Quallen und Plattwürmern eigen. Den niedrigsten Thierformen : Protozoen , Polypen , kommt ein besonderes Athmungsorgan nicht zu, bei ihnen unterhalten die wasserumspiilten Flächen den respiratorischen Gasaustausch. Historisches. — Aristoteles (384 v. Chr.) hielt die Abkühlung für den ßesehieht- Zweck der Athmung, um die innere Wärme zu ermässigen. Er hatte völlig 'che3- correct beobachtet, dass die wärmsten Thiere auch am intensivsten athmen; allein in der Interpretation kehrte er Ursache und Wirkung geradezu um; denn die Warmblüter athmen nicht der Wärme wegen (etwa zur Abkühlung), sondern sie sind warm der Athmung wegen (durch die Oxydation mit dem eingeführten Sauerstoff). Durch Galen (131 — 203 n. Chr.) kommt bereits die 1 äut er nde Wirkung des Respirationsorganes in Betracht, indem er annimmt, dass der „Russ" mit der exspiratorischen Luft aus dem Körper entfernt werde, zugleich mit dem ans- geathmeten Wasser. Von Galen rühren die wichtigsten Experimente über die Mechanik der Athmung : er constath*te , dass die Lungen lediglich passiv den Bewegungen des Thorax folgen , dass das Zwerchfell der wichtigste Athmungs- muskel sei, dass die Intercostales externi In-, die interni Ex-Spiratoren seien. Er durchschnitt die Intercostal-Nerven und -Muskeln und sah darnach den Verlust der Stimme eintreten. Nach stets höher hinaufreichenden Rückenmarks-Durch- schneidungen fand er nach und nach höher liegende Thoraxmuskeln gelähmt. — 266 Historisches. [§. 145.] Oribasius sah bei doppelseitigem Pneuniothoi'ax beide Lungen zusammensinken 360 n. Chr.). — Vesalius (1540) beschreibt zuerst die künstliche Athmung zur Wiederbelebung und zur Anregung des Herzschlages. — Malpighi eruirte 1661 den eigentlichen Bau der Lungen; — Lower sah 1669 das Blut innerhalb der Lungen hellroth werden ; den Mechanismus der Athembewegungen erklärte zuerst am gründlichsten Joh. Alf. Borelli (f 1679). Die chemischen Vorgänge — bei der Athmung konnten erst bekannt werden nach Entdeckung der einzelnen, in Betracht kommenden Gase : Joh. Bapt. van Helmont (f 1644) entdeckte die C02 , er fand , dass die Luft durch die Athmung sich verschlechtere, aber erst Black 1757 ermittelte die Ausscheidung der C02 durch die Athmung. — 1774 entdeckte Pristley den 0; Lavoisier fand 1775 den N und eruirte zugleich die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft. Derselbe Forscher stellte dann auch die C02- und H,0-Bildung bei der Athmung als das Resultat einer Verbrennung im Innern der Lungen dar. J. Ingen-Houss (1730 — 1799) entdeckte die -Athmung der Pflanzen : Aufnahme der CO., und Ab- gabe des 0 durch dieselben. — Vogel und Andere wiesen mit Bestimmtheit C0.2 im venösen Blute, Hoffmann und Andere 0 im arteriellen nach. Völliger Einblick in den Gaswechsel bei der Athmung konnte erst ge- schaffen werden, nachdem durch Magnus die Gase des arteriellen und venösen Blutes ausgepumpt und analysirt wurden. (Vgl. pg. 65.) Physiologie der Verdauung1. 146. Die Mundhöhle und ihre Drüsen. Die Schleimhaut — der Mundhöhle trägt noch im Bereiche des rothen Talgdrüsen Lippensaumes eine Anzahl von Talgdrüsen (Kölliker). Ihr Gewebe besteht ™. 2. die eigentlichen Drüsennerven. Pflüger hat über die Endigungsweise der letzteren ermittelt, dass — a) markhaltige Fasern in den Acinus eindringen : hierbei verschmilzt die Schzuann' scho Seheide mit der Membrana propria des Acinus, — die Faser kann sich dann noch zwischen den Secretionszellen ( markhaltig bleibend theilen ; endlich erreicht sie, marklos geworden und gegen den Kern hin gewandt, das Protoplasma einer Secretionszelle (Fig. 83 F). 272 Functionen der Speicheldrüsen-Nerven. [§. 149] b) Von einem Theile der Nervenfasern giebt Pflüger an, dass dieselben in polypolare Ganglienzellen — eintreten, welche äusserlich der Acinus- wand anliegen ; diese Ganglienzellen senden dann erst einen Faden in den Acinus zu dessen Zellen bin. c) Endlich sollen auch noch markhaltige Fasern in das untere, pinsel- artig gefasert aussehende Ende der Cylinderepithelzellen eintreten, welche die Speichelröhren auskleiden (Ej. — Pflüger stellte die Hypothese auf, dass die direct eintretenden Fasern cerebralen , — die , mit eingeschalteten Ganglien versehenen jedoch sympathischen Ursprunges seien. — Die Angaben b und c sind anderweitig auf Zweifel gestossen. 150. Einfluss der Nerventhätigkeit auf die Absonderung des Speichels. Glandula A. Glandula submaxillaris. — I. Reizung des N. facialis mJcmims. an seiner Wurzel (C. Ludwig & Rahn) bewirkt eine sehr p r o- ■Fr°msA <■ fuse Absonderung eines dünnflüssigen, an den speci- Absondemng fischen Bestandtheilen sehr armen Speichels (Eckhardt). — Grleich- 'erLuefung zeitig hiermit erweitern sich die Gefässe der Drüse: durch den fae Capillaren erfahren unter Blutdrucksteigerung in denselben eine solche Dehnung, dass sogar die pulsatorische Bewegung der Arterien sich bis in die Venen fortpflanzt (pg. 160). Mehr als viermal so viel Blut fliesst aus der Yene zurück (Cl. Bernard), das überdies fasthellroth erscheint und mehr als 1/3 grösseren O-Grehalt zeigt , als das Venenblut der nicht gereizten Drüse. Trotz dieses relativ hohen O-Grehaltes des Venenblutes verzehrt die absondernde Drüse doch absolut mehr 0, als die ruhende. (Vgl. §. 138. 1.) ^ Im N. facialis liegen zweierlei, functionell verschiedene Nervenfasern : — 1 . echte Secretionsnerven (§. 344. I. b), — 2. gefässerweit ernde Nerven (§. 374). Es ist nicht zu- lässig, die Erscheinung der Secretion als eine einfache Folge der lebhafteren Circulation aufzufassen, wie weiterhin bewiesen werden soll (pg. 272). spärliche, II. Reizung des N. sympathicus bewirkt eine spär- za%ng8Zi£~ liehe Absonderung eines sehr dickflüssigen, zäh- ^dlr^Tmlfe gallertigen, fadenziehenden Speichels (Eckhardt), in welchem die der 8ub- speeifischen Bestandtheile (und die Speichelkörperchen) sehr reich durchZln sind, namentlich der Schleim (§. 148). Das speeifische Gewicht sympathicus. dieses Speichels ist auf 1007 — 1010 erhöht. Gleichzeitig hiermit verengern sich unter Abnahme des Blutdruckes die Gefässe der Drüse, so dass das Blut spärlich und tief dunkelblau aus den Venen zurückfliesst. Im N. sympathicus liegen ebenfalls zweierlei , functionell verschiedene Nervenfasern: — 1. echte Secretions fasern — und 2. gefässv erengernde Nerven (§.373). Verhäitnua Von schwacher Reizung der cerebralen Fasern beginnend, zeigt eine der Secretion allmählich gesteigerte Erregung der Nerven zugleich auch eine allmählich ge- UeteatärJce steigerte Secretion, in welcher die festen Speichelbestandtheile , zunfal die orga- nischen, zunehmen (Heidenhain) ; wird jedoch anhaltend und stark gereizt, so nimmt die Secretion wieder ab, der Speichel wird ferner dünnflüssiger und ärmer an speeifischen , und zwar mehr an organischen als an anorganischen Bestand- [§. 150.] Einfluss der Nerventhätigkeit auf die Absonderung des Speichels. 273 theilen (C. Ludwig & Becher J. So wird auch nach längerer Reizung des Sym- pathicus das Secret dem FacialisSpeichel ähnlicher. Demnach erscheinen im Grunde genommen Chorda- und Sympathicus-Speichel nicht speci fisch, sondern nur graduell verschieden. Während die Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels mit steigender Erregungsstärke des Nerven bis zu einer gewissen maximalen Grenze an- steigt, wächst mit derselben ebenfalls bis zu einem gewissen Maximum der Procent- gehalt an Salzen, und zwar unabhängig von dem sonstigen Zustande der Drüse. Der Procentgehalt an organischen Bestandteilen dagegen hängt zwar ebenfalls von der Stärke der Nervenerregung ab , aber doch nicht von dieser allein , son- dern er wird auch ganz wesentlich von dem Zustande bedingt, in welchen die Drüse durch voraufgegangene Thätigkeit versetzt wurde, und zwar sowohl durch die Dauer, als auch durch die Intensität der letzteren. Eine sehr starke Erregung hinterlässt nämlich in der Drüse eine Nachwirkung, welche dieselbe zur Abgabe organischer Bestandteile an das Secret geneigter macht (Heidenhain). — Auch die Blutmischung und die C irculatio ns Verhältnisse in der Drüse beeinflussen die Zusammensetzung des Speichels fLangley). — Zwischen Nerven- reiz und beginnender Secretion verfliessen 1(4 Sek. (Hering) bis zu 24 Sek. / C. Ludwig). Dass die Absonderung der Drüsen nicht als einfache Die Sektion i n n c n 'st ':on de"1 Folge der veränderten Bluttülle angesehen werden darr, sondern niutgeiaite dass sie als selbstständige Leistung neben der Veränderung an unahhän9"j- den Gefässen auftritt, geht aus folgenden Punkten hervor: 1. Die absondernde Thätigkeit der Drüse bei Reizung der Nerven hält sogar eine Zeit lang an, nachdem alle Gefässe unterbunden sind . C Ludivig, Czermak, Gianuzzi). 2- Atropin und Daturin vernichten die Thätigkeit der Secretionsfasern in der Chorda tynvpani (Keuchel), nicht jedoch die der gefässerweiternden Fasern (Heidenhain), 3. Der Druck im Ausführungsgange der Speicheldrüsen (durch ein ein- gebundenes Manometer zu messen) kann fast die doppelte Höhe betragen, als der in den arteriellen Gefässen der Drüse (C. Ludwig), im Ausführungsgang der Submaxillaris sogar gegen 290 Mm. Hg. 4. Aehnlich, wie Nerv und Muskel, ermüden auch die Speicheldrüsen, und zwar nach Einspritzung von Säuren oder Alkalien in den Ausführungsgang. Es beweist dies, dass das secretorische Gewebe unabhängig von der Circu'ation unter dem Einfluss der Nerven steht (Gianuzzi). 5. Dass bei der S| eicbelsecretion auch die Zelleivthätigkeit der Drüsen ersichtlich ist, zeigen die Vorsuche von Zerrter, der nach intravenöser Injection von Indigocarmin diesen Farbstoff im Innern der Schleimzellen und Stäbchen- zellen antraf (vgl. §. 21h. B). Es muss somit gefolgert werden , dass ein directer Einfluss der Nerven auf die Secretionszellen der Drüsen statthat, unabhängig von > iner Vermittlung der Gefässe. So wie die directe anatomische Verknüpfung der Nervenfaser mit der Secretionszelle erwiesen scheint, ist auch die physiologische festzuhalten. Während der Secretion steigt die Temperatur der Submaxillaris Temperatur gegen 1,5° C. (C. Ludwig); die Drüse, sowie das, aus der Vene abfliessende Blut J"[' l!er ist nicht selten wärmer, als das Arterienblut. „Paralytische Speichelabsonderung." — Man versteht unter paralytischer Paralytisch« Speichelabsonderung die andauernde Secretion eines dünnflüssigen Speichels aus ,Sp**??el~ der Submaxillaris, welche eintritt (Cl. Bernard) 24 Stunden nach Durchschnei- dung der cerebralen Nerven (gleichgültig, ob der Sympathicus mit verletzt oder erhalten ist). Sie nimmt bis zu 8 Tagen zu, dann unter Entartung der Drüse wieder ab. Auch Einspritzung von geringen Mengen von Curare in die Drüsenarterie ruft sie hervor; Apnoe verhindert, Dyspnoe befördert sie. Man glaubte sie als Degenerationsphänomen erklären zu können ähnlich den fibrillären Zuckungen nach Durchschneidung motorischer Nerven (vgl. £. 299) Aber bei einseitiger Läsion secerniren beide Drüsen I Langley giebt daher eine andere Erklärung. Nach ihm wird nach Durch- schneidung der Chorda das centrale Ende derselben in eine erhöhte Reizbarkeit Land ois, Physiologie. 7. Aufl. 18 274 Einfluss der Nerventhätigkeit auf die Absonderung des Speichels. [§. 15Ö.] versetzt. Diese Erregung wirkt centripetal auf das medulläre Speichelcentrum beider Seiten. Zugleich wird schon bald nach der Durchschneidung auch ein in der Drüse derselben Seite liegendes, gangliöses, örtliches Secretionscentrum erregt, so dass, wenn weiterhin auch alle zur Drüse tretenden Nervenfasern al- getrennt werden, die Speichelsecretion aus der Drüse noch anhält. gi. giMin.- B. Glandula subungualis. — Hier liegen wahrscheinlich 9Ualis' ganz ähnliche Verhältnisse vor, wie bei der Unterkieferdrüse. gi. Parotis. C. Glandula parotis. — Für die Parotis (Hund) hat die Reizung des Sympathicus allein keine Speichelabsonderung znr Folge; letztere tritt erst dann ein, wenn gleichzeitig auch der Glossopharyngeus-Ast der Parotis gereizt wird, (welcher innerhalb der Paukenhöhle im Plexus tympanicus der Reizung zugänglich ist). Dann erst ergiesst sich ein dickflüssiges, an organischen Bestandteilen reicheres Secret. Reizung des cerebralen Astes allein liefert einen ganz wasserhellen, dünn- flüssigen Speichel mit sehr spärlichen organischen Beständen, aber ausgestattet mit den Salzen des Speichels (Heidenhaiti). Nach Langt ey enthält der Sympathicus auch für sich allein absondernde Fasern, welche man nur nachweisen kann, wenn sehr schnell nach Ablauf der Eeizung der N. tympanicus gereizt wird. — Nach Zerstörung des Plexus tympanicus atrophirt die Parotis (Bradford). Der normale Im i n t a c t e n Körper findet die Erregung, der vo^gangZi die S p e i c h e 1 a b s o nd e r u n g bewirkenden Nerve li auf f£ÄS".dem Wege des Reflexes statt, wobei unter normalen Verhältnissen stets die Absonderung dünnflüssigen (cere- bralen) Speichels statthat. Die, die Erregung centripetal leiten- den Nervenfasern sind hierbei : — 1 . Die Geschmacks nerven; — ■ 2. die sensiblen Tri geminus- und Glossopharyngeus-Fäden der gesammten Mundhöhle; diese scheinen auch durch mecha- nische Reizung [Druck, Zug, Verschiebung] bei der Kaubewe- gung die Speichelabsonderung hervorzurufen. Pfiüzer fand, dass auf der Seite, auf welcher gekaut wurde, ein Drittel Speichel mehr secernirt wurde; bei Pferden sah Cl. Bernard während des Saufens die Absonderung ganz sistiren; — 3. die Geruchs- nerven, durch bestimmte Düfte erregt; — 4. die Vagus- äste des Magens (v. Frerichs, Oehl) , zumal bei gleichzeitiger Würgbewegung. 5. Sogar die Eeizung entfernt liegender sensibler Nerven, z. B. der Conjunctiva [durch Benetzung reizender Flüssigkeiten, bei Fleischfressern (Aschsn- brandtj\ ferner die des centralen Ischiadicusstumpfes bewirken Speichelsecretion (Otvsjannikow &> Tschierjew , GriitenerJ. Hierher ist wohl auch zu rechnen die Salivation, welche man mitunter bei Schwangeren beobachtet. centmm aer Das R e f 1 e x ce ii t r um — für die Speichelabsonderung Tertt. (§• 369. 5) liegt in der Medulla oblongata (Ursprung des 7. und 9. Hirnnerven) (Eckhard & Loeb). Auch die sympathischen Fasern haben hier ihr Centrum (Grützner & Chlapowski).^ Wird das Centrum durch mechanische Reizung (Stich) direct irritirt, so tritt Salivation ein (vgl. §. 369, 5), ebenso wirkt Erstickung. — Gehemmt kann der Reflex der Speichelabsonderung werden durch Reizung gewisser sensibler Nerven , z. B. durch Hervor- ziehen von Darmschlingen (Pawloiu) [§. 363, 3]. [§. 150.] Der Speichel der einzelnen Drüsen. 275 Das Renexcentrum steht in leitender Verbindung mit den Beziehung Grosshirn halb kugeln, was schon daraus hervorgeht, dass arosMm. • bei Vorstellungen schmeckender Substanzen, zumal im Hunger- zustande, dünnflüssige Salivation eintritt. Auch bewirkt Reizung der Grosshirnrinde in der Gegend des Sulcus cruciatus Speichelfluss beim Hunde (Fig. im §. 377) (Lepine 1875 , Eulen- burg & Landois 1876 , Bubnoff & Heidenhain , Bechterew & Mis- lawsky u. A.). Ebenso vermögen Erkrankungen des Gehirns beim Menschen Anomalien der Speichelsecretion durch Einwirkung auf das intracraniale Centrum hervorzubringen. So lange jede Nervenreizung unterbleibt, findet auch keine Speichelabsonderung statt, wie im Schlafe (Mit scher lieh). Ebenso sistirt unmittelbar nach Durchschneidung aller Drüsennerven sofort die Absonderung. Aft'ectionen, wie z. B. Entzündungen der Mundhöhle, Neuralgien der Nerven Wirkung derselben , Durchbruch der Zähne , Geschwüre der Schleimhaut , Auflockerungen p^thoio- des Zahnfleisches (z. B. nach anhaltendem Mercurial gebrauch) rufen oft lebhafte zoftändeuni Speichelabsonderung (Speichelfluss, Ptyalismus) hervor. Auch einige Gifte bewirken Speichelfluss durch directe Nerven- der Gifte. erregung, vornehmlich das Pilocarpin. Manche Gifte, vor allen das A t r o p i n, lahmen die cerebralen Speichelnerven, so dass eine Aufhebung der Speichel- secretion erfolgt; Verabreichung von Muscarin in diesem Zustande ruft die Secretion wieder hervor (Prevost). Pilocarpin wirkt durch Reizung der Chorda speicheltreibend. Verabreichung von Atropin, während dieses Speichelflusses macht ihn wieder aufhören. Umgekehrt wirkt im Zustande der Speichelsistirung nach Atropingaben die Verabreichung von Pilocarpin oder Physostigtnin wieder speichel- treibend. Ueber pathologische Einwirkungen seitens der Nerven vgl. §§. 351 und 398 (Pathologisches). 151. Der Speichel der einzelnen Drüsen. Methode. — Um den Speichel aus den einzelnen Drüsen isolirt zu ge- winnen, führt man ein dünnes M et allröhrche n in den betreffenden Aus- führungsgang. Werden nun Kaubcwegnngen gemacht, oder trägt man scharfe Substanzen auf die Zunge, so tropft der Speichel aus der Röhre ab (Eck- hard, Oehli. a) Der Parotis-Speicliel — reagirt alkalisch, im mich- Gewinnung. ternen Zustande die zuerst entleerten Tropfen neutral oder gar sauer [wegen freier CO., (Oehl)} und hat ein sp eci fisch es Kgenschaßen Gewicht von 1,003 bis 1,004. Beim Stehen scheidet er neben uadtt etwas Albuminstoff unter Trübung kohlensauren Kalk ab, welcher im frisch entleerten Speichel als Bicarbonat enthalten ist. Durch Kaikabscheidung können sich Speichelsteine — in den Drüsen- ausführungsgängen bilden; — ebenso entstellt der „Zahnstein", in welchem jedoch viele Leptothrix-Fäden und Spaltpilz-Reste eingeschlossen sind (SS. 143 und 152). Unter den organischen ist der wichtigste Bestandtheil das Ptyalin (Berzelins). Er enthält ferner geringe Mengen (reichlicher beim Pferde) eines Globulin-ähnlichen Albuminstoffes — daneben etwas Harnstoff (Gobley), eine Spur flüchtiger (? Capron-) Säure und scheint nie das CNKS (Rhodan- Kaliums oder -Natriums; Treviranus 1814) zu entbehren [das dem Schafe und dem Hunde fehlt (Brettel)]. 18* 276 Der Speichel der einzelnen Drüsen. [§. 151.] Es wird erkannt durch Zusatz von Eisenchloridlösung, wodurch unter Bildung von Eisenrhodanid eine dunkelrothe Färbung entsteht. — Ehodankalium reducirt auch die, dem Speichel zugesetzte Jodsäure unter Gelbfärbung zu Jod, welches sofort durch Stärkezusatz zu erkennen ist (Soleraj. Man vermuthet in ihm ein, erst im Munde gebildetes, Zersetzungsproduct vielleicht aus Harnstoff und Schwefelkalium entstanden fv. Pettenkoferj . Da Ehodankalium für Pflanzen und Mikroorganismen giftig wirkt, so ist daran zu denken, dass es in gewissen Grenzen desinficirend für die Mund- höhle wirke (Florain). M Ticin fehlt, weshalb der Parotidenspeichel leicht tropft und nicht fadenziehend ist. Im Ganzen enthält er beim Menschen 1,5 — 1,6°/0 feste Stoffe (MitscJierlicJi, van Selten), darunter etwa 0,3 — 1,0% unorganische. Asche. Die unorganischen Bestände sind: — am reichlichsten Chlor-Kalium und -Natrium, sodann kohlensaures Kalium, -Natrium und -Calcium, etwas phosphor- saure Salze und eine Spur schwefelsauren Alkalis. b) Der Submaxillaris-Speicliel — ist alkalisch bis stark alkalisch ; beim längeren Stehen scheidet er feine Krystalle von kohlensaurem Kalke ab neben einer amorphen eiweissartigen Substanz. Er enthält stets Mucin (§. 252, 1) (ist daher in der Regel etwas fadenziehend), ferner Ptyalin — (weniger als im Parotissecret) und nur 0,0037% Rhodankalium (Oehl). Im Su bmaxillaris-Speichel (des Hundes) fanden sich: Wasser 991,45 pro mille Organische Materie . . . 2,89 „ „ ( 4,50 Chlornatrium und Chlorcalcium. Anorganische Materie . . 5,66 \ 1,16 kohlensaurer Kalk, phosphorsaurer Kalk | und phosphorsaure Magnesia. Pßiiger untersuchte die Gase — des Submaxillarisspeichels und fand in ] 00 Ccmtr. Speichel : 0,6 0 ; — H4,7 C02 (theils auspumpbare , theils durch Phosphorsäure austreibbare); — 0,8 N. Öder in 100 Vol. Gasen: 0,91 O; — 97,88 CO.,; — 1,21 N. — Küh fand im Parotidenspeichel des Menschen bis 1;46 Vol -Procent 0, — 3,2 N, — 4,7 auspumpbarer C02 und 62 gebundener C02. c) Der Sublingualis-Speicliel — ■ klebriger und cohärenter als der Submaxillaris-Speichel, reagirt stark alkalisch. Er. enthält viel Mucin, zahlreiche Speichelkörperchen , auch etwas Rhodankalium (Ronget), ist aber im Ganzen wenig genau bekannt. 152. Der gemischte Speichel oder die Munclflüssigkeit. Eigen- Die „ M u n d f 1 ü s s i g k e i t " ist ein Gemisch der Secrete der Speicheldrüsen und der Schleimdrüsen de3 Mundes. 1. Physikalische Eigenschaften. — Opalescirende, geschmack- und geruch-lose, etwas fadenziehende Flüssigkeit von 1,004 bis 1 ,006 specifischem Gewicht und alkalischer Reaction. Nach Mitternacht bis zum Morgen kann der Speichel schwach sauer sein (Sticker). Auch Zersetzungen von Epithelien, Speichelkörperchen oder Speise- resten können ihn vorübergehend sauer erscheinen lassen, namentlich nach längerem Fasten und nach vielem Sprechen (Hoppe-SeylerJ, Ausserhalb des Körpers wird epithelreicher Speichel, bevor er fault, ebenso zuerst sauer (Gomp-BesanezJ. Bei Verdauungsstörungen und im Fieber ist saure Eeaction des Speichels (wegen Stagnirung und ungenügender Absonderung ; daher auch Trockenheit des Mundes) nicht selten. [§• 152.] Der gemischte Speichel oder die Mundflüssigkeit. 277 Die Menge — in (24 Stunden) beträgt 200 bis 1500 Gr.. nach Bidder & Schmidt 1000 bis 2000 Gr. — Die festen Stoff e im Mundsecrete betragen 5,8%. Die Fixa sind: — 2,2 Epithelien und Schleim, — 1,4 Ptyalin und Albumin — 2,2 Salze, — 0,04 Rhodankalium pro Mille. Die Asche enthält vorwiegend Kali, Phosphorsäure und Chlor t Hammerbacher) . 2. Mikroskopische Bestandteile. — a) Die Speichel- körperchen, — an Grösse (8 — 11 [/.) die Leucocyten übertreffend, sind kernhaltige , protoplasmatische , hüllenlose , kugelige Zellen. Sie zeigen als Lebenserscheinung die sogenannte „M olekularbewe- g u n g" ihrer zahlreichen dunklen Körnchen, welche dem Protoplasma eingelagert sind und durch die innere fliessende Bewegung des letzteren in eine zitternde, tanzende Locomotion versetzt werden, welche mit dem Absterben der Zellen erlischt. Speichelkörperchen findet man namentlich bei leichtem Druck auf die Ausführungsgänge unter der Zunge (Brücke). b) Abgestossene Plattenepithelien — werden niemals vermisst; bei Katarrhen der Muudhöhle reichlicher vorhanden (pg. 260. Fig. 81. 8). c) Lebende Organismen, — welche sich aus der Mimdflüssigkeit und den zerfallenden Speiseresten, zumal in hohlen Zähnen, ernähren, sind die (in der Regel durch Jod sich blaufärbenden) F ä d e n des Spaltpilzes Lepto- thrix buccalis fRobin), (Fig. 81. 12). die sich mit enormer Schnelligkeit ver- mehren (van Leenwenhoek 1678). Leptothrixvegetationen dringen auch in die Zahn- canälchen und erzeugen Zahncaries (Miller). Die Zoogloea-Form der Leptothrix ist der kahmartige , gelbe , schmierige Zahnbelag. — Miller fand in der Mundhöhle aller gesunden Menschen ausser Leptothrix buccalis noch deren Abart L. b. maxima , ferner Jodococcus vaginatus, Bacillus buccalis maximus, Spirillum sputigenum, Spirochaeta dentium. — Dazu können noch zahlreiche pathogene Spaltpilze kommen (Fig. 81. 12). 3. Chemische Eigenschaften. — Dieselben ergeben sich aus dem, über die drei verschiedenen Speichelarten Gesagten. a) Organische Bestandtheile: — Eiweiss, — globu unartige Substanz (§.251. 8), — Mucin, — Ptyalin (Berzelins) ;. — Fette und Harnstoff finden sich nur in Spuren, — in 24 Stunden etwa 130 Milligramm Rh od an- Kalium oder -Natrium. b) Anorganische Bestandtheile: — Chlornatrium. Chlorkalium, schwefelsaures Kalium, phosphorsaure Alkalien und Erden, phosphorsaures Eisenoxyd. Nach Schöubein enthält der Speichel Spuren salpetrigsauren Salzes, erkennbar durch Gelbfärbung durch Diamidobenzol des 5fach gewässerten Speichels nach Zusatz einiger Tropfen verdünnter Schwefelsäure (P, Griesj; — auch Spuren von Ammoniak {Brücke). Abnorme Speichelbestandtheile. — Bei der Zuckerharnruhr ist Milch- säure, hervorgehend aus Zersetzung des Traubenzuckers, vorgefunden Lehmann , welche den Kalk der Zähne auflöst (Zahncaries der Diabetiker) ; — Leucin fand v. Frerichs , etwas Harnstoff Fleischer. — Von fremden Substanzen, welche dem Körper einverleibt werden, gehen in den Speichel über: Quecksilber, Kali, Jod- und Brom-Metalle, freies Jod und Brom, letztere eine äquivalente Menge Chlor aus den Speichelchlorid-Salzen verdrängend (//". Kühne . Von den Speicheldrüsen des Neugeborenen — ist nur die Parotis ptyalinhaltig. In der Sttbmaxillaris und im Pankreas seheint das diastatische Ferment frühestens nach Ablauf von 2 Monaten sich zu bilden. Hiernach ist die Ernährung der Säuglinge Hpeichel- hörperchen. ICpilhelitn. Siedere Organismen der Mundhöhle. Organische Hnsl'dnde. Abnorme Speichel- bestandtheile. Spcichel- Üpnchel des Kindes. 278 Physiologische Wirkungen des Speichels. [§•152.] durch Amylaceen nicht rathsam. Merkwürdig ist es, dass bei am Soor-Pilz (Oi'dium albicans) erkrankten Neugeborenen kein Ptyalin im Speichel nachzuweisen ist (Zweifel). Für den Säugling, der nur Milch zu sich nimmt, ist die diastatische Wirkung des Speichels überhaupt nicht unumgänglich nothwendig; daher erscheint auch die Mundschleimhaut in den ersten 2 Monaten wenig befeuchtet, später wird reichlicher Speichel secernirt (Korowin) ■ auch pflegen erst nach dem ersten Halbjahre die Drüsen ein grösseres Volumen zu bekommen. Der Ausbruch der ersten Zähne verursacht , wegen der Reizung der Mundschleimhaut (§. 150), starke Absonderung des Speichels. 153. Physiologische Wirkungen des Speichels. Umwandlung I. Die wichtigste Wirkung des Speichels für den Ver- VD^xfr^und dauungsprocess ist die diastatische (Leuchs 1831), d. h. die Zucker. Spaltung der Stärke in Dextrin und Zucker. Diese Wirkung kommt allein dem Ptyalin zu, einem hydroly- tischen Fermente oder Enzym (§. 252. 9), welches schon in sehr geringer Menge bewirkt, dass die Stärke H20 aufnimmt und unter Wärmebindung löslich wird, ohne dass das Ferment selbst eine wesentliche Veränderung erfährt. Fig. 84. Kartoffelstärke. Nach Sullivan, Muskulus & v. Mering entstehen durch das diastatische Ferment des Speichels [und des Pankreas, §. 174. I] aus Stärke oder Glycogen Maltose und Dextrin, beide in Wasser löslich. C36 He2 031 + H2 0 = 2 (C6 Hl0 06) + 2 (C12 H23 Ou + H2 0) Stärke + Wasser = Dextrin + Maltose *#;^: Unter den Dextrinen bestehen nahe verwandte Arten, die sich durch ihre Farbenreaction auszeichnen (Brücke) : so entsteht zuerst ein, durch Jod sich roth färbendes Dextrin (Erythro de xtrin), dann ein, durch Jod nicht mehr färbbares, reducirend wirkendes Dextrin (A c h r o o- [§. 153.] Physiologische Wirkungen des Speichels. 279 d e x t r i n). — Die Maltose (das Zucker-Product der Diastase-Wirkung) unterscheidet sich durch ein Minus von 1 Molekül Wasser von Trauben- zucker, enthält aber das, ihm zum Uebergang in Dextrose nöthige Molekül Wasser bereits als Hydratwasser (§. 254. II. 2). Speichel (ebenso künstlicher Magensaft oder Pankreasinfus) vermag die Maltose weiterhin nicht in Dextrose überzuführen ; [es geschieht dies leicht beim Kochen mit verdünnter Schwefel- oder Salz-Säure]. Die Maltose geht im Darm , und zwar wie es scheint durch niedere Organismen, in Dextrose über, der grössere Theil wird unverändert resorbirt (vgl. §. 185. IL 2) (Dastre & Bourquelot). Auch das Achroodextrin geht durch Speichel später in Maltose über, das andere Dextrin nicht (Seegetis Dystropodextrim. Darstellung des Ptyalins. — 1. Dieselbe beruht darauf (wie bei allen Darstellung hydrolytischen Fermenten), dass ein, im Speichel bereiteter, volumi- du ' F'yaUns- ni'iser Niederschlag mechanisch das Ferment mit sich nieder- reisst, aus welchem es dann durch einfache Mittel isolirt wird. Zu diesem Behufe säuert man mit Phosphorsäure den Speichel stark an, mischt hierzu Kai k- wasser zu bis zur alkalischen Reaction; hierdurch bildet sich ein starker Niederschlag von basisch-phosph orsa urem Kalk , der das Ptyalin mit niederreisst. Dieser Niederschlag wird auf dem Filtrum gesammelt, dann wird mit wenig Wasser das Ptyalin daraus aufgelöst. In diesem Wasserauszug fällt Alkohol das Ptyalin als weisses Pulver. Durch wiederholtes Auflösen in Wasser u.d naehheriges Niederschlagen durch Alkohol wird das Ptyalin endlich rein dargestellt (Cohnheim). — Das Ptyalin (§. 252. 9) ist N haltig, zeigt jedoch keine Xanthoprote'in- Eigenschaften reaction, weshalb es nicht zu den Eiweissen zu zählen ist, — es verbrennt ohne d"s yah Hinterlassung von Asche, — aus seiner Lösung wird dasselbe durch neutrales und basisch-essigsaures Blei niedergeschlagen. Es zerlegt lebhaft Wasserstoff- superoxyd. 2. Aus den gereinigten, zerkleinerten, zuerst in starken Alkohol gelegten und dann getrockneten Speicheldrüsen [in denen das Ptyalin bereits fertig ge- bildet vorkommt /Ellenberger &> Ho/?neisterj] lehrte v. Wittich es durch wasserhaltiges Glycerin extrahiren. Nach mehrtägigem Stehen wird Auszieimng das abgegossene Glycerin mit Alkohol versetzt, welcher das Ptyalin nieder- Eucerin. schlägt. Letzteres wird auf dem Filtrum gesammelt, dann in Wasser gelöst. Um es von etwa noch anhaftendem Albumin zu befreien, wird die wässerige Lösung schnell auf 60" C. erhitzt, wodurch das Albumin niederfällt, während das Ptyalin ungeschwächt in Lösung des Filtrates bleibt. 3. W. Roberts empfiehlt zum Ausziehen von Fermenten aus Organen : Extraetlon 1) eine 3— 4°,'.,. Lösung eines Gemisches von 2 Theilen Borsäure und 1 Theil ,,0"baf^ts Borax; — Ü) Wasser mit 12— 15" 0 Alkohol: — 3) 1 Theil Chloroform auf 200 Theile Wasser Ueber d ie Ei n w i r k u n g d e s S p e i c h e 1 s bei d e r S a c c h a- ßcobaatw rification ist noch im Einzelnen Folgendes bemerkenswerth : wiritung. a) Die Saccharifications- Wirkung wird erkannt: — 1. Durch das Ver- schwinden des Am vi ums. In dünner Kleisterlösung bewirkt geringer Jod- zusatz eine blaue Färbung. Wird (bei Körpertemperatur) nunmehr Speichel zugesetzt und geschüttelt, so verschwindet schnell die blaue Farbe. — 2. Dired durch den Nachweis des entstandenen Zuckers durch die Zuckerproben (siehe §. 154). b) Am günstigsten verläuft der Process bei 35° Kühne) bis 39 ' (Paschiitin ; — in der Kälte langsamer — bei 58° C wird die Wirkung des Fermentes geschwächt, bei 71" C. zerstört Bourquelot). Das Ptyalin unterscheidet sich von der Diastase [d. i. das diastatische Ferment,, welches sich in keimenden Getreidekörnern bildet Tayen &" Persoz \ dadurch, dass letztere erst bei -f- 65° bis 69" C. ihre saccharificirende Wirkung entfaltet. — Das Ptyalin zerlegt auch Salicin in Saligenin und Traubenzucker fv. Frerichs o° Städelcr . 280 Speichelwirkung. — Zuckerproben. [§. 153.] c) Das Ptyalin wird zwar als Ferment selbst nicht bei der Sacchari- fication verändert, dennoch ist bereits einmal zur Wirkung gelangtes bei einem abermaligen Versuche nicht mehr von gleich grosser Wirksamkeit (Paschutin). d) Die Wirkung des Speichels erfolgt am intensivsten bei genau neu- traler E e a c t i o n (Langlev & Eves), aber auch bei alkalischer und selbst saurer Eeaction ; doch bewirkt das Ptyalin in saurem menschlichenMagen- saft nur dann Zucke rbil düng, wenn die Säuerung von organischen Säuren (Milch- oder Butter-Säure) herrührt, nicht jedoch, weun sie durch freie Salzsäure bewirkt wird (van de Vride). Die Dextrinbildung geht in beiden Fällen vor sich. Die Saccharification kann daher im Magen im ersteren Falle fortgeführt werden; doch wird das Ptyalin von der Salzsäure zerstört oder vom Pepsin verdaut (ChitiendenSff Griszvold, Langley). Gegenwart von Pepton soll der Zuckerbildung förderlich sein (Ellenberger &> Hofmeister u. A.). Auch stärkere Butter- und Milchsäurebildung (§. 186 I. 1. 2.) kann hemmend auf die Zucker- bildung wirken ; eine Abstumpfung dieser Säuren lässt jedoch den Process aufs Neue anfachen (Cl. Bernard). e) Zusatz von Kochsalz, Salmiak, Natriumsulphat (etwa in 4°/0. Lösungen) steigert die Umsatzthätigkeit des Ptyalins (O. Nasse), ebenso CO., die Acetate von Chinin, Strychnin, Morphin, ferner Curare und 0,625%. Schwefelsäure f) Viel Alkohol und kaustisches Kali zerstören das Ptyalin; längeres Stehen an der Luft schwächt dasselbe, — Natriumcarbonat und Magnesium- sulphat verzögern die Wirkung f Pfeiffer), — Salicylsäure hemmt die Zucker- bildung, ebenso viel Atropin. g) Auf rohe Stärke wirkt das Ptyalin nur schwach und ganz allmählich: erst nach 2—3 Stunden [Schiff), — auf durch Kochen gequollene (Kleister) sehr schnell. h) Die verschiedenen Stärkearten werden je nach demEeichthum an Cellulose verschieden schnell umgewandelt: rohe Kartoffelstärke erst nach 2 — 3 Stunden, rohe Maisstärke schon nach 2—3 Minuten (Hammarsten), Weizenstärke schneller als Eeissstärke (Solera). Zu Detritus zerrieben oder auf- gekocht, verhalten sich die Stärken jedoch gleich. i) Das Gemisch des Speichels aller Drüsen ist wirksamer, als der einer Drüse allein (Jakubowitsch) '■ — der Schleim ist unwirksam. Der Speichel H, Der Speichel betheiligt sich, an der Lösung der, in ° mim.98' Wasser löslichen Nahrungsstoffe in der Mundhöhle. Der Speichel ni. Der Speichel durchfeuchtet die trocken aufge- /euchtungs- nommenen Nährstoffe, ermöglicht durch seine Klebrigkeit die mittel. Formation des „Bissens" (Bolus) und begünstigt durch seine Schlüpfrigkeit, wegen des Schleimgehaltes, das Schlingen. Der Schleim wird weiterhin durch die Fäces entleert. Es ist neuerdings im Speichel auch das Vorkommen von etwas pep ton- bildenden Fermenten constatir t fHilfner , J. Munk , Kühne). — Nach Rossbach sollen die in die Mundhöhle einwandernden Leukocyten Ptyalin in die Mundflüssigkeit übertragen. 154. Zuckerproben. 1. Tr ommer'sche Probe. — Diese (wie manche andere) Probe beruht darauf, dass der Zucker in alkalischer Lösung als R e d u c t i o n s- mittel wirkt, hier speciell ein Metalloxyd in ein Oxydul verwandelnd. Der zu untersuchenden Flüssigkeit wird 1/2 Aetzkali- oder Aetz- natron-Lösung (1,25 spec. Gew.) zugesetzt. Hierauf giebt man tropfen- weise sehr dünne Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd hinein. Es entstellt anfänglich eine blaugefärbte T r ü b u n g, bestehend aus Kupferoxydhydrat. Ist Zucker in der alkalischen Flüssigkeit vorhanden , so geht die Fällung nach dem Schütteln wieder in eine tiefblaue, völlige Lösung über. Wird nunmehr bis zum Sieden erhitzt, [§. 154.] Bestimmung des Zuckers. 281 so bildet sich von oben her eine gelbliche bis rötbliche Farbenver- änderung und Trübung, und es erfolgt schliesslich ein Niederschlag von braunrothem Kupferoxydul, oder von gelbrotbem Kupfer- oxydulhydrat: 2 Cu 0-0 = Cu2 0. Die Auflösung des Kupferoxydhydrats wird zwar auch noch von anderen organischen Substanzen bewirkt, allein die schliessliche E eduction des Kupfer- oxyds bewirkt nur der Zucker : Maltose , Trauben-, Frucht-, Milch- (nicht Rohr-) Zucker. — Vorher trübe erscheinende Flüssigkeiten müssen filtrirt, eventuell mit basisch essigsaurem Blei behandelt werden. Im letzteren Falle wird das über- schüssige Blei durch phosphorsaures Natron ausgefällt, hierauf filtrirt man. Bei sehr geringen Zuckermengen kann eine Einengung der Flüssigkeit im Wasserbade nothwendig sein. Wenn sehr kleine Zuckermengen neben Ammoniakverbindungen vorhanden sind, kann statt des gelben Niederschlages blos gelbe Lösung (durch Ammoniak) des Kupferoxyduls eintreten. Zu reichlicher Zusatz von Kupfer- snlphat (der stets zu vermeiden ist) hat die störende Ausscheidung schwarzen Kupferoxyds zur Folge. — [Vgl. weiterhin §. 269.] 2. Böttger's Probe mit alkalischer Wismuthoxydlösung — [nach Nylander am besten in folgender Zusammensetzung : 2 Gr. Bismuth. subnitric. 4 Gr. Natr. Kai. tartaric. , 100 Gr. Natronlauge von 8J0]. Hiervon gebe man 1 Cbcm. auf 10 Cbcm. der zu untersuchenden Flüssigkeit. Wird mehrere Minuten gekocht, so bewirkt der Zucker eine Keduction zu metallischem Wismuth unter Bildung eines schwarzen Niederschlages. 3. Moore's & Heller's Probe : — Die Flüssigkeit wird mit A e t z k a 1 i oder Aetznatron bis zur stark alkalischen Beaction versetzt und gekocht: e< entsteht gelbe, braune bis braunschwarze Verfärbung ; wird nach der Abkühlung 1 Tropfen conc. Schwefelsäure zugesetzt, so entsteht der Geruch nach ge- branntem Zucker (Caramel) und Ameisensäure. 4. Mulder's & Neubauer's Probe: — Setzt man zu der trauben zucker- haltigen Flüssigkeit eine mit kohlensaurem Natron alkalisch gemachte Lösung von Indigocarmin bis zur schwach-blauen Färbung, und erhitzt nun, so geht die Farbe in grün, purpur, roth, gelb über. Geschüttelt mit atmosphärischer Luft nimmt das Fluidum wieder die blaue Farbe an. 5. Molisch's Proben : — l/9 Cbcm. der zu prüfenden Flüssigkeit versetze mit 2 Tropfen einer 17 'V,. alkoholischen a-Naphthol- oder einer Thymo 1 -Lösung [in sebr verdünnte Zuckerlösungen gebe man statt der Lösung eine kleine Menge festen a-Naphthols]. Hierauf giesse 1—2 Cbcm. conc. Schwefelsäure hinzu und schüttele rasch. Zuckei gegenwart färbt das a-Naphtholgemisch tief violett , die Thymolprobe tief roth. Nachträgliche Wasser Verdünnung bewirkt einen gleich- farbigen Niederschlag, der in concentrirter Salzsäure unlöslich ist. Auch Ei- weiss, Casein, Pepton geben die Reaction (Seegen), aber der Niederschlag nach Wasserzusatz löst sich in conc. Salzsäure. In allen, auf Zucker zu untersuchenden Flüssigkeiten wird zuerst etwa vorhandenes Eiweiss entfernt: im Harn durch Kochen nach schwachem Ansäuern mit Essigsäure, — im Blut nach der, im §. 36. III. beschriebenen Methode; der Alkohol wird durch Erhitzen verjagt. 155. Quantitative Bestimmung des Zuckers. I. Durch Gährung. — (Abbildung der Hefe im §. 237.) Es wird hierzu der Qährun& Apparat Figur So verwendet: in dem Glaskölbchen a befindet sich ein abge- Probe- messenes, z.B. 20 Ccmtr. , zuckerhaltiges Fluidum, dem etwas Hefe zugesetzt ist. Im Kölbchen b ist concentrirte Schwefelsäure. Der ganze Apparat wird un- mittelbar nach der Füllung gewogen. Bei gewöhnlicher Temperatur (10 — WC), am energischsten bei 25° C. zerfällt der Zucker in 2 Moleküle Alkohol und 2 Moleküle Kohleusäure : C0 Hia 0,, = 2 (C, H6 0) + 2 (CO,) Zucker = 2 Alkohol -f- 2 Kohlensäure (daneben bildet sich etwas Glycerin und Bernsteinsäure). Die CO., entweicht durch das Kölbchen b und giebt der Schwefelsäure etwa mitgenommenes Wasser zurück. Ist nach etwa zwei Tagen die Zerlegung vollendet, so wiegt man den Apparat abermals. Aus dem 282 Quantitative Bestimmung des Zuckers. [§■ 155.] Titrir- methode. Fig. 85. Gewichtsverluste desselben berechnet sich die Zuckermenge, welche in (den 20 Ccmtr.) der Flüssigkeit enthalten war, nach der Thatsache, dass 100 Gewichtstheile wasser- freien Zuckers = 48,89 Theilen C02 sind, — oder dass 100 Gewichtstheile CO.; = 204,54 Theilen Zucker entsprechen. II. Durch Titrirung — mittelst der (auf der Trommer' sehen Probe beruhenden) alkalischen Kupferoxydlösung nach Fehimg. Die tiefblaue Titrirfiüssigkeit (bestehend aus Kupfersulphat , weinsaurem Kali, Natron- lauge und Wasser) ist so zusammengesetzt, dass in 10 Ccmtr. der Lösung genau durch 0,05 Gr. Traubenzucker alles Kupfer zu gelbrothem Kupferoxydul reducirt wird. — Beispiel: —Etwa bei der Zuckerbestim- mung im Harne: Gieb 10 Ccmtr. Fehling- scher Lösung in eine Porcellanschale, setze zur Verdünnung 40 Ccmtr. Wasser hinzu und erhitze langsam fast bis zum Sieden. Der Harn , vorher auf sein 10- bis Apparat zur quantitativen Bestim- mung des Zuckers durch Gährung. Soleü- Ventzke's Polarisationsapparat. 20faches Volumen verdünnt, wird aus einer Bürette unter Umrühren so lange in die heisse Titrirlösung geträufelt, bis genau jede letzte Spur blauer Färbung ver- [§. 155-] Mechanismus der "Verdauungswerkzeuge. 283 schwunden ist, oder Ms ein Tropfen des Fluidums auf einem mit Essigsäure und Kaliumeisencyanür getränkten Fliesspapier keine rotlie Färbung mehr macht. Man liest nun an der Bürettenscala die Menge des verwendeten Harnes (mit Berück- sichtigung der Verdünnung) ab und weiss nun, dass in dem gefundenen Quantum des , zur Beduction verbrauchten Harnes 0,05 Gr. Traubenzucker war. Daraus folgt leicht die Beiechnung des Zuckers für die ganze ausgeschiedene Harnmenge. III. Durch Polarisation. — Zucker besitzt die Eigenschaft, die Ebene des n. Stimmung polarisirten Lichtes nach rechts zu drehen (Eiweiss nach links). „Specifisches /vf,ä^a^oL- D rehungs vermögen" nennt man den Grad der Drehung, welchen apparat. 1 Gr. der betreff enden Substanz, in 1 Ccmtr. Wasser gelöst, bei IDecmtr. dicker Schicht (Länge des B,ohres des Apparates) für gelbes Licht bewirkt; dieses ist für Dextrose = + 56. Da das Drehungsvermögen direct proportional ist der Menge der , in der Flüssigkeit gelösten Substanz , so giebt uns der Grad der Ablenkung Auskunft über den Gehalt der Flüssigkeit an der optisch wirksamen Substanz. Der Solet'l-Ventzke'sche Apparat (Fig. 86) zeigt an seiner Scala bei der Bestimmung rechts direct den procentischen Gehalt an Zucker, links an Eiweiss an. Das, von der Lampe ausgehende Licht trifft in a zuerst einen Kalkspath- krystall. Zwei M'col'sche Prismen befinden sich bei v und s, von denen das bei v um die Sehaxe drehbar ist, wäbrend das andere feststeht. In m ist die So/m/' sehe Doppelplatte von Quarz angebracht, deren eine Hälfte die Ebene des polarisirten Lichtes ebenso weit nach rechts ablenkt, als die andere sie nach links dreht. In c deckt das Gesichtsfeld eine Platte linksdrehenden Quarzes. Bei bc liegt der, aus zwei rechtsdrehenden Quarzprismen bestehende Compensator, welche durch die Drehscheibe g so seitlich verschoben werden können, dass das durch den Apparat gesendete polarisirte Licht je nach der Drehung eine dünnere oder dickere Schicht des rechtsdrehenden Quarzes zu durchdringen hat. Bei einer bestimmten Stellung dieser rechtsdrehenden Prismen wird die Drehung des links- drehenden Quarzes bei n genau aufgehoben; in dieser Stellung zeigt die oben auf dem Compensator angebrachte Scala mit Nonius gerade 0 an. In dieser Stellung erscheinen dem Beobachter (welcher von v weiterhin durch das , bei e eingeschaltete Fernrohr blickt) die beiden Hälften der bei m aufgestellten Doppel- platte von gleicher Färbung. Durch passende Drehung am NicoC sehen Prisma in v wählt man am besten helles Eosa. In dieser Position muss zugleich das Fem- rohr so eingestellt sein , dass die verticale Grenzlinie der Doppelplatte deutlich erscheint. In dieser Einstellung ist nun der Apparat zum Gebrauche fertig gestellt. Nun fülle ich die 1 Dcmtr. lange Röhre mit der zu untersuchenden Flüssigkeit, welche völlig klar sein muss, — (enthält diese etwa Eiweiss, so muss es durch Kochen und Filtriren entfernt, werden), — und füge dieselbe zwischen m und n in den Apparat ein. Durch Drehung des Nicols v stelle ich wieder die roseu- rothe Farbe her. Dann drehe ich an g den Compensator, bis beide Hälften des Gesichtsfeldes völlig gleich gefärbt sind. Ist dies erreicht, so lese ich direct an der Scala ab , um wie viele Theile der O-Strich des Nonius nach rechts (bei Eiweissbestimmung nach links) verschoben ist: die abgelesenen T heil- striche geben direct. die Anzahl Gramme derd rehenden Substanz in 100 Ccmtr. Flüssigkeit an. [Durch Filtriren nicht zu beseitigende Trü- bungen schwinden oft nach Zusatz von 1 Tropfen Essigsäure oder einigen Tropfen kohlensauren Natrons oder Kalkmilch bei nachheriger Filtration]. — Ueber die zu gleichen Zwecken verwendbaren Apparate von Mitscherlich oder den „Halb- schatten-Apparat" von Lauren/ ist in chemischen Büchern zu vergleichen. 156. Mechanismus der Yerdauungswerkzeuge. Der Mechanismus der Verdauungswerkzeuge umfasst: 1. Das Ergreifen der Nahrungsmittel, die Kau- und Zungen- Bewegungen, die Einspeichelung und Bissenbildung. 2. Die Schlingbewegung. 3. Die Bewegungen des Magens. Dünn- und Dick-Darms. 4. Die Ausstossuns: der Fäealstoffe. 284 Die Kaubewegungen. [§• 157.] 157. Ergreifen der Nahrungsmittel (Keprehensio). Die flüssigen Nahrungsmittel werden in die Mund- savgen. höhle befördert: — 1. Durch Saugen. Indem die Lippen zur Umschliessung des, die Flüssigkeit hergebenden Körpers luftdicht sich umlegen , bewirkt die abwärts gehende und zugleich ab- geplattete Zunge (oft unter Senkung des Kiefers) den Eintritt in die Mundhöhle (Auerbach). Herz fand , dass der , durch das Saugen von Säuglingen hervorgebrachte , negative Druck 3 bis 10 Mm. Hg beträgt. — 2. Die Flüssigkeit wird aufge- Sch'ür/tn. schlürft, wenn dieselbe direct mit den Lippen in Verbindung gebracht wird und sodann durch eine Aspiration zugleich mit Luft unter charakteristischem Geräusch in die Mundhöhle über- Eingiesscn. geht. — 3. Auch durch Eingiessen kann Flüssigkeit in die Mundhöhle gelangen, wobei in der Regel sich die Unterlippe an das Trinkgefäss dicht anlegt. Die festen Nahrungsstoffe werden, sofern es sich um kleinere Partikeln handelt, mit Hülfe der Lippen unterstützt Außesen. von der Zunge aufgelesen. — Von grösseren, zusammen- hängenden Substanzen wird durch die meisselförmigen Schneide- Abbdssen. und scharfen Eck-Zähne ein Stück abgebissen und sodann zum Behufe weiterer Zerkleinerung durch die Lippen, "Wangen und Zunge unter die höckerigen Flächen der Kauzähne gebracht. Einrichtung des Kiefer- gelenkes. Kiefer- bev egungen. Erhebung. Bebung des Ki'fers in besonderer Stellung. Senkung. 158. Die Kanbewegungen (Masticatio). Das Kiefergelenk ist durch einen Zwischenknorpel fVidius f 1567), — dem zugleich die Aufgabe zufällt, bei der energischen Wirkung der Kaumuskeln beim Beissen den gegenseitigen directen Druck der Gelenkflächen abzuhalten, — in zwei über einanderliegende Hohlräume getheilt. Die Gelenkkapsel, namentlich durch das äussere Band ansehnlich verstärkt, ist so geräumig, dass sie neben dem Heben und Senken des Unterkiefers zugleich noch eine Verschiebung des Gelenkkopfes nach vorn auf das Tnberculum articulare zulässt, wobei der Meniscus als deckende Kappe den Kopf nicht verlässt. Die Kaubewegungen umfassen : — a) Die Erhebung des Kiefers — wird durch die vereinigte Wirkung der Musculi temporales , masseteres und pterygoidei interni bewirkt. War vorher der Unterkiefer stark gesenkt , so dass die Gelenkköpfe nach vorn auf die Tubercula articularia getreten waren, so gehen sie nunmehr in die Gelenkhöhle zurück. Wird beim Erheben des Unterkiefers eine besondere Stellung des letzteren innegehalten, so fällt die Wirkung desjenigen Muskels aus, der den Kiefer aus dieser Stellung herausbewegen würde, wie sich aus Folgendem ergiebt: — 1. Bei Erhebung des möglichsthervorgestreckten Unterkiefers fällt die Wirkung der Mm. temporales aus, weil diese bei ihrer Hebewirkung den Kiefer zugleich zurückziehen würden. — 2. Bei möglichst stark zurückgeschobenem Unter- kiefer wirken hebend nur die Temporales, weil die anderen Muskel zugleich hervorziehend wirken würden. — 3. Bei seitlich verschoben gehaltenem Unterkiefer fällt die hebende Wirkung der Temporales aus. b) Die Abwärtsbewegung des Unterkiefers — geht schon durch das eigene Gewicht vor sich, — unterstützt wird dieselbe jedoch durch massige Contraction der vorderen Bäuche der Digastrici, und der Mm. mylo- und genio-hyoidei. Diese [§. 158.] ' Kaubewegungen. 285 Muskeln wirken stärker bei weiterer und angestrengter Eröffnung des Mundes. Die hierbei nothwendige Fixirung des Zungen- beines besorgen der Omo- und Sterno-hyoideus , sowie der ver- einigt wirkende Sternothyreoideus und Tbyreo-hyoideus. Da beim starken Niedergehen des Unterkiefers sich die Gelenkköpfe nach vorn auf die Tubercula articularia begeben (Ravius 1719), so ist angenommen worden , dass in diesem Falle die Mm. pterygoidei externi dieses Vorschieben activ begünstigen fBerard). — Bei besonders starker Munderöffnung wird der Kopf hintenüber gebeugt, wobei (bei fixirtem Zungenbein) die hinteren Bäuche der Digastrici , sowie der Stylohyoidei wirken (Fcrreiv, Borden). — [Bei manchen Thieren sind auf- und abwärts bewegliche Oberkiefer vorhanden , z. B. bei den Papageien, Krokodilen, Schlangen und Fischen.] c) Verschiebung beider, oder eines Gelenk- Horizontale kopfes nach vorn oder hinten. — In der Ruhe, bei ge- nach 'vorn? schlossenem Munde stehen die Schneidezähne des Unterkiefers etwas hinter denen des Oberkiefers. In dieser Lage bewirken — 1. das Hervorstrecken des Unterkiefers die Mm. pterygoidei externi. Da hierbei der Gelenkkopf auf das Tuberculum articulare (also auch niederwärts) tritt so müssen die Flächen der seitlichen Zähne in dieser Stellung von einander weichen. — 2. Die zu- ""* *'»'">■ rückziehende Bewegung besorgen die Mm. pterygoidei interni (wohl stets ohne Beihülfe der hinteren Temporalisfasernl — ';). Es wird nur der eine Gelenkkopf nach vorn gezogen, und Horizontale wieder zurück durch den M. pterygoideus extemus und internus Verschiebung. derselben Seite; hierbei findet eine Transversalbewegung des Unterkiefers statt. Je mehr der Unterkiefer gesenkt ist, um so unergiebiger ist diese Bewegung. Bei der Kaubewegung, bei welcher die einzelnen Bewegungen Geordnete des Unterkiefers, sowohl die Hebung und Senkung, als auch die bew^üng. transversale „Mahlbewegung" sich vielfach combiniren. werden nun die, zu zerkleinernden Gegenstände von aussen her durch die Lippenmuskeln (Orbicularis oris) und die Buccinatoren. — von innen durch die Zunge unter die Kauflächen der Mahl- zähne geschoben. Das MuskeJgefühl der Kaumuskeln, sowie das Tastgefühl der Zähne, der Mundschleimhaut und der Lippen reguliren die aufzubietende Kraft der Kiefermuskeln zum Zer- kleinern. Unter gleichzeitiger Einspei chelung kleben die Formation zertheilten Partikeln zu einer Masse zusammen , welche dann auf dem Zungenrücken zur länglich-runden Gestalt des „Bissens'' (Bolus) geformt werden. Die Kaumuskeln, sowie der Buccinator erhalten ihre motorischen Nerven .V«n;«i der — aus der Portio crotaphitico-buccinatoria des dritten Trigeminusastes /v<""""^»- (§• 34 '), ebenso der Mylohyoideus und der vordere Bauch des Digastricus mandi- bnlae. — Per N. hypoglossus ($. 356) innervirt die Mm. genio-, thyreo-, omo- und sternohyoidei , sowie den Sternothyreoideus. — Pen hinteren Bauch des Digastricus, den Stylohyoideus, die bei der Oeffnung und Schliessung des Mundes thät igen Gesichtsmuskeln versorgt der N. facialis (§.351). — Das gemeinsame Kau- nervöse Cent rum für die Kaubewegungen liegt in der Medulla oblongata (Schröder Gentium. ran der Kolk) (§. 369). Bei geschlossenem Munde wird die dauernde Stellung der Kiefer gegen Schubs der einander durch den Luftdruck bewirkt, da die Mundhöhle völlig luftleer j?*"£*'*ta gemacht ist, und vorn die Lippen, hinten das Gaumensegel den Lufteintritt ver- Uifutrwsk. wehren. Dieses Anpressen durch den Luftdruck entspricht einer Hg-Höhe von — 2 bis — 4 Mm. {Metzger &■» Donders). iS6 Bau der Zähne. [§• 159.] 159. Bau und Entwickelimg der Zähne. Dentin von Zahn- canälchen mit Zdhnschei'iea durchzogen, Fi£ Schmelz Der Zahn a7.9 Der Zahn ist als eine, durch charakteristische Bildungsvorgänge zu einer eigenfhümheh bedeutenden Grösse und eigenartigen Structur formirte Papille der Kiefer- S Papille. Schleimhaut zu bezeichnen. In seiner einfachsten Gestalt erscheint der Zahn noch als Hornzahn (z. B. des Neunauges und des Schnabelthieres), wo das bindegewebige Gerüst der Papille äusserlich mit starken verhornten Epithellagern überdeckt ist (der Haar- und Borsten-Bildung vergleichbar). — Bei der Zahn- bildung des Menschen geht eine dicke Mantelschicht des Papillarkegels in die feste verkalkte Dentinschicht über, — das Epithel der Papille liefert den Schmelz, — während endlich noch an der Basis des Kegels eine accessorische Umlagerung durch eine dünne Knochenrinde (C erneut) sich vollzieht. Das Zahnbein — (Ebur, Dentin) , welches ringsum das Cavum dentis (Fig. 87) und den Canalis radicis umschliesst, ist sehr fest, elastisch und spröde. Dasselbe erscheint bei gewisser Behand- lung fibrillär (v. Ebnerj [ähnlich der Grundsubstanz der Knochen] und wird von zahllosen langen , korkzieherartig gewundenen „Zahncanälchen" fvnn Leeuwenhoek 1678) durchzogen, welche sämmtlich mit freien Oeffnungen im Binnenraume des Zahnes beginnend und senkrecht das Dentin durchsetzend, bis zu dessen ausser 4er Schicht vordringen. Die Begrenzungsschicht der Canälchen bildet eine äusserst resistente, dünne, cmicula-ähnliche Lage, welche eingrei- fenden chemischen Agentien am längsten widersteht: die rZahnscheide" (Fig. 88) (E, Neumann 1863). Im Innern der Hohlräume der Zahncanälchen liegen endlich weiche , dieselben völlig aus- füllende Fasern, die „Zahnfasern" (Tomes 1840), welche als enorm ver- längerte Ausläufer der oberflächlichen Odontobiastcn Pulpazelleu , der „0 don toblas ten" enthaltend ( iValdeyer 1865), zu betrachten sind. Die Zahncanälchen und ebenso ihr Inhalt, die Zahnfasern, anastomo- s i r e n auf ihrem ganzen Verlaufe ver- mittelst abgehender Ausläufer ; gegen den Schmelz hin (in den sie niemals eintreten) biegen die letzten bogen- förmig in einander über (Fig. 90. A. c), Avährend andere in die hier reichlicher Intergioiuiar liegenden „Interglobularräume" räume. (Fig g9) (Czermak 1850) übergehen. Letztere sind kleine, namentlich an der Peripherie des Dentins zahlreicher liegende Lücken , begrenzt von kugeligen Flächen (in denen man mitunter Zellen liegend erkannt hat). Mit blossem Auge sieht man im Dentin (namentlich des Elephanten- zahnes) eigentümliche Linien , die parallel den Zahncontouren hinziehen, die Schreger'stdassa. Linien (1800), welche davon herrühren , dass an diesen Stellen alle Zahncanälchen in ihren Hauptbiegungen einen gleichen Verlauf einnehmen i'Retzius 1837). Der Schmelz — (Substantia vitrea), die härteste (dem Apatit nahestehende) Substanz des Körpers, überzieht die frei vorstehende Krone des Zahnes. Er besteht aus senkrecht neben einander pallisadenförmig aufgerichteten , sechs- bestehend aiu seit igen, gegen einander abgeflachten Prismen (Malpighi 1687), den Schmelz- Prismen, prismen (Fig. 90 B u. C). Sie sind 3— 5p. breit, in ihrem Verlaufe unregel- mässig dick, dabei etwas nach verschiedener Eichtung gebogen und zeigen durch verkaTktes ungleichartige Verdichtung ihrer Substanz meist eine grobe Querstreifung. Ihrer lip.thel. Natur nach sind die Schmelzprismen verlängerte und verkalkte C yl in d er- Dentin ~ Cavum dentis Cement Längsschliff durch einen Schneidezahn. Seh reger't Linien. Der Schmelz 159.] Bau der Zähne. 287 epithelien (der Zahnpapille). Retzius beschrieb im Schmelze dunkle, mit der äusseren Begrenzung des Schmelzes gleich verlaufende „bräunliche Parallelstreifen1', die von Pigmentablagerung im Schmelze herrühren (Fig. 87). — Der fertige Schmelz ist stark negativ doppelbrechend und einaxig, der sich entwickelnde positiv doppelbrechend (Hoppe-Seyler) \ Fig. so. Fig. 88. Querschnitt vom Dentin. Die lichten Ringe sind die Zahnscheiden, die dunklen Centren mit den hellen Punkten sind die . in den Zahncanälchen liegenden Zahnlasern. Interglohular-Räume im Dentin. Die5 Cuticula (Schmelzoberhäutchen) — überzieht die freie Schmelz- Da< Schmek- fläche als ein völlig structurloses , 1 — 2 [J- dickes Häutchen Nasmyth 1839), Obtth&viAKn welches bei ganz jungen Zähnen noch ein epithelartiges Gefüge zeigt und her- stammt vom äusseren Epithellager des Schmelzorganes. Fig. pische iemma umhüllt, an den Enden nicht selten gabelig getheilt (van Leeuwenhoekj . Die Bündel verflechten sich vielfältig unter einander, in deren Zwischenräumen kleine Fetteinlagerungen angetroffen werden. — Bei der Analyse der Zungen- bewegungen kann man ihre Formveränderungen und ihre Orts Ver- änderung unterscheiden. Analyse der 1. Verkürzung und Verbreiterung — durch den bewtguTicn. M. longitudinalis, unterstützt vom M. hyoglossus. 2. Verlängerung und Ver schmälerung — durch den M. transversus lineruae. [§• 160.] .Schlingbewegung. 291 3. Höhlung des Zungenrückens — als Längsrinne durch Contraction des M. transversus bei gleichzeitiger Wirkung der medialen, senkrecht durchgehenden Fasern. 4. Wölbung des Zungenrückens: — a) transversal, durch Contraction der untersten Querf'aserzüge, — b)longitudinal, durch Wirkung der untersten Längsmuskeln. 5. Herausstrecken — der Zunge bewirkt der M. genio- glossus ; dabei meistens zugleich die Wirkung 2. 6. Zurückziehen — der Zunge durch die Mm. hyoglossus und styloglossus ; dabei meistens zugleich Wirkung 1. 7. Niederdrücken — der Zunge an den Bodeu der Mund- höhle durch den M. hyoglossus. Dabei kann durch Senkung des Zungen- beines die Mundhöhle am Boden noch erheblicher vertieft werden. 8. Erhebung — der Zunge gegen den Gaumen : — a) an der Spitze durch die vorderen Theile der oberen Längsfasern , — b) in der Mitte vermittelst Hebung des ganzen Zungenbeines durch den M. mylohyoideus (N trigeminus), — c) der Wurzel durch die Mm. styloglossus und palatoglossus, sowie indirect durch den M. stylo- hyoideus (X. facialis). 9. Die seitlichen Bewegungen — der Zunge, wodurch die Spitze nach rechts oder links abweicht, bewirken die contraliirten Längsmuskeln einer Seite. Der Bewegungsnerv — der Zunge ist der N. hypoglossus (§.356). Motorischer — Bei seiner einseitigen Lähmung ist die Spitze der, in der Mundhöhle ruhig liegenden Zunge nach der gesunden Seite gerichtet, weil der Tonus der unge- lähruten Longitudinalfasern die gesunde Seite etwas verkürzt. Wird jedoch die Zunge herausgestreckt, so weicht die Spitze nach der gelähmten Seite hin (Magistel). Dies rührt her von der, von der Mitte (Spina mentalis interna) nach hinten und aussen verlaufenden Eichtung des M. genioglossus, dessen Zugrichtung die Zunge natürlich folgen niuss. — Zungen getödteter Thiere zeigen mitunter fibrilläre Muskelzuckungen einen ganzen Tag hindurch (Cardanus 1550). Xerv. 1'eristaUische Bewegung. 161. Schlingbewegung (Deglntatio). Die Fortbewegung des Inhaltes des Nahrungscanales er- Art der folgt durch einen Bewegungsvorgang der Art, dass sich das Rohr vor der Inhaltsmasse zusammenzieht , und , indem diese Contraction an dem Rohre entlang fortschreitet, auf diese Weise die Contenta vor sich her weiterschiebt. Diese Bewegung wird „Motus peristalticus" genannt. Der erste und complicirteste Act dieser Gesammt-Motion ist die Schlingbewegung, an welcher man der Reihe nach die folgenden Einzelmomente unterscheiden kann: 1. Die Mundspalte wird geschlossen durch den M. orbi- Die einzelnen cularis oris (N. facialis). „getL. 2. Die Kiefer werden gegen einander gepresst durch die Kaumuskeln (N. trigeminus^ ; hierbei giebt der Unterkiefer zu- gleich einen festen Punkt ab für die Wirkung der Unterkiefer - Zungenbeinmuskeln. 3. Nach einander werden Zungenspitze, Zungenrücken und Zungenwurzel (siehe Zungenbewegung. §. 160) dem harten Gaumen 19* 292 Schlingbewegung. [§. 161.] angepresst, wodurch der Mundinhalt (Bissen oder Schluck) nach dem Rachen hin verdrängt wird. 4. Ist der Bissen an den vorderen Gaumenbögen vorbei- geglitten, (der Schleim der Mandeldrüsen macht ihn nochmals schlüpfrig1, so wird ihm die Rückkehr in die Mundhöhle dadurch abgeschnitten, dass die, in den vorderen Gaumenbögen liegenden Mm. palatoglossi diese Bögen coulissenartig straff gegen einander und gegen den erhobenen Zungenrücken (M. styloglossus) an- spannen (Dzondi 1831). 5. Der Bissen befindet sich nunmehr hinter den vorderen Gaumenbögen und der Zungenwurzel, im Innern des Schlund- kopfes der successiven Einwirkung der drei Schlundschnürer ausgesetzt, welche ihn vor sich herschieben. Die Wirkung des zuerst in die Action tretenden oberen Schlundschnürers ist stets combinirt mit einer horizontalen Erhebung (M. levator veli palatini ; N. facialis) und Anspannung (M. tensor veli palatini ; X. trigeminus. Ggl. oticum) des weichen Gaumens (Bidder 1838;. Der obere Schlundschnürer presst (durch den M. pterygo- pharyngeus) die hintere und seitliche Pharynxwand wulst- förmig dicht gegen den hinteren Rand des horizontal erhobenen und gespannten Gaumensegels (Passavant), wobei sich zugleich die Ränder der hinteren Gaumenbögen nähern (M. palato- pharyngeus). Hierdurch ist das Cavum phary ngonasale völlig abgeschlossen, so dass der Bissen nicht in die Nasenhöhle auf- wärts gepresst werden kann. Bei Menschen mit angeborenen, oder erworbenen Defecten des weichen Gaumens gelangen beim Schlingen Massen zugleich in die Nase. Untersuchung Die Erhebung d e s G a u m e n s e g e 1 s — kann leicht dadurch demonstrirt deL,fJ^T^n' wer(len, dass man durch ein Nasenloch, dem Boden der Nasenhöhle entlang, ein leichtes Stäbchen so weit einführt, bis sein hinteres Ende auf dem Gaumensegel ruht. Bei jeder Schlingbewegung senkt sich das, aus dem Nasenloche hervor- ragende, vordere Ende des Stäbchens, weil durch die Erhebung des Gaumensegels sein hinteres Ende emporgehoben wird (Debrou 1841). — Auch die empfindliche Flamme kann benutzt werden, wenn man in ein Nasenloch eine T-förmige Bohre (bei Verschluss des anderen) fügt, deren einer Schenkel mit einem Gasleitungs- rohr, der andere mit einem Stichbrenner communicirt. Bei jeder Schlingbewegung zeigt die Flamme die Bewegungsvorgänge an (LandoitJ. 6. Vor der successiven Contraction der , unter einander angeordneten Fasern des oberen, mittleren uud unteren Schlund- schnürers und der Oesophagusmuskulatur ausweichend, wird der Bissen abwärts geschoben. Hierbei ist vor Allem nöthig, dass der Eingang zum Kehlkopfe geschlossen werde, um ein „Verschlucken" zu verhüten. 7. Nach Kronecker & Falk werden die Speisen und Getränke im Munde durch die energische Contraction der Mundhöhlen- schliesser, also namentlich desM. mylohyoideus durch den Rachen und den Oesophagus „hindurchgespritzt". — Lässt man eine Reihe von Schlucken schnell hinter einander erfolgen (wie beim Trinken;, so folgt nur auf den letzten Schluck eine Con- tractionsbewegung im Rachen und Oesophagus. Denn jeder neue Schluckact im Munde wirkt hemmend f durch Reizung des N. glosso- pharyngeus) auf die abwärts belegenen Theile des Schluckrohres. bewegung. bewegung beim Schlucken. [§• 161.] Schlingbewegung. 293 Kehlhopf- schluss. Nach Meltzer 6° Kronecker ist die Dauer des Schlingens — im Munde ScMuchdauer. 0,3 See. ; dann contrahiren sich die Schlundschnürer, 0,9 See. später der oberste Oesophagusabschnitt, sodann nach 1,8 See. der mittlere und dann nach 3 See. der untere. Die Verengerung der Gardia, nach dem Durchtritt der Massen, macht den Beschluss der gesammten Bewegungsreihe. Bei der Auscultation des Magens — hört man während des Schluckens Schluck- st Geräusche: zuerst das „Durchspritz-Geräusch", welches darin besteht, seräusche. dass der Schluck in den Magen hineingespritzt wird. Das 2. Geräusch kommt als „Durchpressgeräusch" dadurch zu Stande, dass die, am Ende des Schlingens erfolgende Peristaltik den Oesophagus-Inhalt durch die Cardia hineindrängt (Meltzer, Zenker, Ewald), Letzteres ist ein Basseigeräusch und als solches vom Luftgehalt der Schluckmasse abhängig [Zenker, Ewald, Quincke). Der Kehlkopfscliluss — wird durch folgende Bewegungen voll- zogen: — a) Es wird der ganze Kehlkopf (bei Fixation des Unter- kiefers) in der Richtung nach oben und vorn unter die, eben hier- durch sich über ihn hinweg wölbende, Zungenwurzel emporgezogen. Dies geschieht durch Emporhebung des Zungenbeines nach vorn und oben, durch den M. geniohyoideus, den vorderen Bauch des Digastricus und den M. mjdohyoideus , sowie durch Annäherung des Kehlkopfes dicht an das Zungenbein (Berengar 1521) durch den M. thyreohyoideus. — b) Indem der Kehlkopf so nach oben und vorn unter die tiber- hangende Zungenwurzel gezogen wird, drückt diese den Kehldeckel über den Kehlkopfseingang nieder, so dass nun der Bissen über ihn hinweggleiten kann. Es wird überdies der Kehldeckel durch besondere Muskelfasern des Refiector epiglottidis (TJieile) und den Aryepiglotticus über den Kehlkopfseingang gebeugt und niedergezogen. Absichtliche Verletzungen des Kehldeckels bei Thieren oder Zerstörung desselben bei Menschen ziehen leicht „Verschlucken" von Flüssigkeiten nach sich, während feste Bissen ziemlich ohne Störungen niedergebracht werden können. Bei H u n d e n werden allerdings (gefärbte) Flüssigkeiten vom Kücken der Zungen- wurzel direct in den Schlund abwärts befördert, ohne dass sie die obere Fläche des, unter der überhängenden Zungenwurzel verborgenen Kehldeckels zu tingiren brauchen (Magendie, Schiff). c) Endlich verhindert noch eine Schliessung der Stimm- ritze durch die Constrictoren des Kehlkopfes (§. 315.11. 2) ein Ein- dringen der niedergeschluckten Substanzen in den Larynx (Czennak). Damit durch den niedergehenden Bissen nicht auch der ..^f1-. Pharynx selbst mit niedergezogen werde, ziehen die Mm. stylo- Schlingen. pharyngeus, salpingopharyngeus und baseopharyngeus denselben während der Thätigkeit der Constrictoren aufwärts. Nerventhätigkeit: — Die Schlingbewegung ist nur soweit eine willkür- liche, als sie innerhalb der Mundhöhle vor sich geht. Von dem Durchgänge des Bissens durch die Gaumenbögen an den Mandeln vorbei in den Schlund an ist dieselbe unwillkürlich, ein wohlgeordneter Reflexvorgang. Man vormag daher Schlingbewegungen ohne Bissen willkürlich nur innerhalb der Mundhöhle zu vollführen; — der Schlundkopf nimmt die Bewegungen nur auf, falls ein Inhalt (Speisen oder Speichel) mechanisch die Ronexaction anregt. Die sensiblen Zweige, welche durch diese mechanische Erregung den unwillkürlichen Schling- act anregen, sind nach Schröder van der Kolk die Gaumeuzweige des N. trigeminus (aus dem Ggl. sphenopalatinum), und die Bachenäste des Vagus Waüer^ Pre% Nach ersterem Forscher soll das Centrum der betheiligten Nerven (für die quergestreiften Muskeln) in den Nebenoliven der Medulla oblongata liegen. Das Schlingen ist auch im bewusstlosen Zustande, sowie nach Zerstörung des Hirns, Kleinhirns und der Brücke noch möglich (§. 369. 6). — Reizung des 9. Hirn- nerven hemmt den Schlingreilex t Kronecker & Wassilieff). 294 Schlingbewegung. [§: 161.] Die Nerven des Schlundes — sind belegen in dem, aus Antheilen des Vagus, Glossopharyngeus und Synipathicus sich zusammensetzenden Plexus pharyngeus (§.354.4). Bewegung der Innerhalb der Speiseröhre, — deren geschichtetes e' Plattenepithel durch den Schleim zahlreicher, kleiner, einfach traubenformiger Schleimdrüschen schlüpfrig erhalten wird, geschieht die Abwärtsbewegung nur unwillkürlich (durch einen, vom Schlingcentrum aus geleiteten, coordinirten Bewegungsact), durch eine rein peristaltische Bewegung der äusseren, longi- tudinalen und der inneren, circulären, glatten Muskelfasern. Im oberen Theile des Oesophagus, in welchem quergestreifte Muskel- fasern liegen, verläuft die Peristaltik schneller, als im unteren. Die Bewegungen der Speiseröhre entstehen nie für sich allein und durch sich selbst allein, sondern sie schliessen sich stets an eine stattgehabte Schlingbewegung an. Wird nämlich durch eine äussere Oesophaguswunde ein Bissen in die Röhre derselben gesteckt, so bleibt er dort liegen; erst dann, wenn von oben her eine Schlingbewegung niedergeht, wird er mit nach unten genommen (Volkmann). Die Peristaltik setzt sich stets über die ganze Länge der Speiseröhre hinweg , sogar wenn dieselbe unterbunden ist, oder ein Theil derselben ausgeschnitten war (Mosso). Ebenso verläuft die Peristaltik bis abwärts, wenn man Hunde ein, an einem Faden be- festigtes Stück Fleisch bis zur halben Oesophaguslänge verschlucken lässt und es von hier wieder herauszieht (C. Ludwig &" WildJ. Ansführungsgang Fig. 95. Epithel Schleimhaut Schleimdrüse Muscularis longitudinalis Gefäss- c — capillaren Binde- gewehe Querschnitt durch die Speiseröhre. Beein- Sehr grosse und sehr kleine Bissen werden mit grösserer Anstrengung flussungen. durch die Schlingbewegung weiter befördert, als mittelgrosse. Hunde konnten den Bissen, welchem ein Gewicht bis 450 Gr. das Gegengewicht leistete, noch nieder- bringen (MossoJ. — Bei starker Thoraxausdehnung im Mülle* 'sehen Versuche, ebenso bei dessen Verkleinerung im Valsalva'schen Versuche (§. 66) ist das Schlingen erschwert. Der Bewegungsnerv des Oesophagus — ist der Vagus (§. 354. 3 u. 9), nach dessen doppelseitiger Durchschneidung die Bissen im Oesophagus, nament- lich im unteren Theile, stecken bleiben. Erregbarhi-.it Goltz fand die merkwürdige Thatsache , dass Schlund und Magen (vom ^o'^hTZl'1' Pr°scüe) ßine sehr gesteigerte Erregbarkeit erhalten (resp. die, in ihnen ent- haltenen nervösen gangliösen Plexus) , wenn Hirn und Rückenmark oder beide Vagi zerstört sind. Sie ziehen sich nämlich alsdann energisch perlschnurartig zusammen, auch schon nach geringfügiger Reizung, während Thiere mit unver- [§. 161-1 Bewegung des Magens. 295 letztem Centralnervensystem eingebrachte Flüssigkeit einfach durch Peristaltik niederschlncken. Es ist daran zu erinnern , dass Menschen mit hochgradig ge- schwächtem Nervensystem (Hysterische) nicht selten ähnliche spasmodische Con- tractionen der Schlundregion darbieten (Globus hystericus). Schiff sah auch bei Hunden nach bilateraler Vagussection krampfhafte Verengerungen im Schlünde. Mit jeder Schluckbewegung beschleunigen sich die Herzschläge, — sinkt Seien- der Blutdruck , — ist das Athmungsbedürfniss herabgesetzt, — werden endlich er3che™in- manche Bewegungen (wie Weben und Erection) gehemmt: — alles dies durch reflectorische Vermittelung (Kroticcker &* MeltzerJ. 162. Bewegungen des Magens. Das Erbrechen. Während der leere Magen die grosse Curvatur nach ab- i><*ge des wärts, die kleine aufwärts gewandt hält, macht der gefüllte Magen um eine horizontal durch Pylorus und Cardia gelegt gedachte Axe eine Drehung derart, dass nunmehr die grosse Curvatur nach vorn, die kleine nach hinten gerichtet erscheint. Am Magen verlaufen ausser den äusseren, longitudinalen, Anordnung und inneren, ringförmigen, Fasern noch in diagonaler Richtung fasern!" angeordnete Fibrae obliquae. Am Pylorus bildet die Muskulatur durch Verdickung einen ringförmigen Schliessmuskel, dessen Fasern sich bis in die Valvula pylori hinein erstrecken. Die Bewegungen des Magens sind zweierlei Art: — 1. Die Die rotirend- rotirend-reibende Bewegung, durch welche die. den Bewegung. Ingestis unmittelbar anliegenden Magenwandungen in langsamen, verschiebenden Reibbewegungen hin und her gleiten. Wie es scheint, erfolgen diese Bewegungen periodisch, jeder Turnus einige Minuten andauernd (Beaumont). Man kann sich diese Bewegung vorstellen, wenn man zwiscben beiden Hohlbänden dm'ch rotirende, im entgegengesetzten Sinne in beiden Händen aus- geführte. Bewegungen eine Kugel langsam wälzt oder formt; (in der That werden bei Rindern und Hunden im Magen verscbluckte Haare zu sehr regelmässigen Kugeln zusammengeballt). Zweck dieser Rotationsbewegung (deren Richtung genauer übrigens nicht bekannt ist) ist die innige Benetzung der Oberfläche der Con- tenta mit dem (zugleich durch den Druck und das Darüberhinwegstreichen zum Austritt beförderten) Magendrüsensecret, sowie das Abreiben der bereits ge- lockerten und erweichten obersten Lagen der Speisen. 2. Die andere Art der Bewegung besteht in der, in Perioden J^gen- auftretenden Peristaltik, wodurch schubweise . — zuerst nach einer Viertelstunde (Busch), zum letzten Mal bis gegen die 5. Stunde (Beaumont), — das, zum Theil gelöste Contentum in das Duodenum hinein befördert wird. Diese Peristaltik ist am ergiebigsten vom Antrum pylori aus gegen den Pförtner. Letzterer ist nicht etwa dauernd tonisch geschlossen und nur vorüber- gehend geöffnet, sondern es kommt ihm normaler Weise eine lebhaftere Beweglichkeit zu (Quincke). Nach Rndinger sollen die, gegen den Pylorus hintretenden , longitudinalen Fasern bei ihrer Contraction (zumal bei Füllung des Antrum pylori) dikta- torisch wirken. Um zu bestimmen, wann die Ingesta in den Barm treten, dient folgender Versuch. Das Salol spaltet sieh bei alkalischer Reaction (im Dann) in Phenol und Salicylsänre, letztere erkennt man im Harn durch Eisenchlorid an derViolett- färbung (Sievers 6° C. A. Ewald, Metz). Beim gesumhn Menschen beginnt die Peristaltik. 296 Bewegung des Magens. Erbrechen. [§. 162.] Reaction nach 1/3— 1 Stunde — und verschwindet nach 24 Stunden, bei motorischer Insufficienz des Magens 3—24 Stunden später (Huber). Die stark m u s k u 1 ö s e n Magenwandungen vieler körnerfressenden Vögel wirken zur Zerreibung der Ingesta mit. Die Kraft der hierzu nöthigen Muskelaction ist viel von älteren Forschem erprobt, indem man fand, dass Glas- kugeln in diesen Mägen zerbrochen und Blechröhren, (die erst 40 Kilo platt drücken konnten), im Magen des Puters comprimirt wurden. Auch der Kaumagen vieler Insecten ist zu ähnlicher Thätigkeit befähigt (§. 189). Nerven- Nerventhätigkeit: — Ueber die Nervenwirkung auf Bewegungen des Magens ltieUMag?n- verdanken wir Openchowski und seinen Schülern die neuesten und wichtigsten beweguvg. Forschungen. — Die C a r d i a besitzt automatische Ganglienzellen (analog den Herzganglien), welche mit dem Vagus und Sympathicus in Verbindung stehen. Ein Centrum für die Contraction der Cardia liegt in den hinteren Vier- hügeln, von wo aus die Bahnen meist durch die Vagi, weniger durch die Splanchnici abwärts laufen. Das Centrum für die Eröffnung liegt im Corpus striatum (und in Verbindung damit eins am Sulcus cruciatus der Hirniinde des Hundes): die leitende Bahn geben die Vagi ab. Auch im oberen Bückenmarke liegen er- öffnende Centra, von hier läuft die Bahn durch den Sympathicus (Plexus aorticus, Splanchnicus minor). Reflectorisch lässt sich eine Eröffnung der Cardia bewirken durch Reizung der sensiblen Eingeweidenerven und des Ischiadicus. Der Magenkörper besitzt gleichfalls automatische Ganglien, mit den Vagi und Sympathici zusammenhängend. Ein Contractionscentrum liegt in den Vierhügeln, von wo Bahnen durch die Vagi und das Rückenmark und von letzteren in den Grenzstrang treten. Hemmende Centra enthält das obere Rückenmark: Bahnen von hier gehen durch die Sympathici et Splanchnici. Der Pylorus enthält automati sehe Ganglie n. Das Centrum für die Eröffnung der Cardia hemmt die Pylorusbewegung : Bahn durch das Rückenmark, Splanchnici. Hemmende Pyloruscentra liegen in den Vier- hügeln und den Oliven: Bahn durch das Rückenmark. Das Cardia-eröffnende Hirnrindencentrum contrahirt zugleich den Pylorus : Bahn durch die Vagi. Con- tractionscentra des Pylorus liegen in den Vierhügeln : Bahn durch die Vagi (wenige Fasern durch das Rückenmark und den Sympathicus). Locale elektrischeReizung der Magenoberfläche bewirkt ringartige Einschnürung des Magens, die nur allmählich wieder vergeht; mitunter setzt sich die Bewegung auf andere Magenbezirke fort. — Erwärmung auf 25° C. erzeugt Bewegungen am ausgeschnittenen leeren Magen (CattiburcesJ. — Verletzungen der Pedunculi cerebri, des Thalamus opticus, der Medulla oblongata und selbst des Halsmarkes bringen nach Schiff's Angaben Lähmungen derGefässe gewisser Magenbezirke hervor mit nachfolgender Blutstauung und sogar Verschwärung in der Schleimhaut (§. 381). Das Erbrechen (Vomitus) Mechanismus erfolgt durch Zusammenziehung der Magenwände , wobei der Pylorussphincter de* geschlossen ist. Am leichtesten tritt es ein bei ausgedehntem Magen (Hunde Erlrechens. pflegen vor dem Brechact durch Verschlucken von Luft den Magen sehr stark auszudehnen). Es ist wohl zweifellos, dass bei Säuglingen das Erbrechen („Speien") ganz vorwiegend durch Contractionen der Magenwände, jedenfalls ohne jede krampfhafte Mitwirkung der Bauchpresse vor sich geht. Bei angestrengtem Brech- acte wirkt jedoch energisch die Baiichpresse mit. Magen- Die Contractionen der Magenwände, welche nur eine allgemeine Ver- kleinerung des Magenraumes, keine eigentliche Antiperistaltik sind, er- kennt man auch an dem blossgelegten Magen (Galenus). Es contrahirt sich der Pylorus, dann zeigen sich wellenförmige Zusammen Ziehungen von der Pars pylo- rica aufwärts am Magenkörper. Das obere Stück des Magens einschliesslich der Cardia contrahirt sich nicht, vielmehr wird es gedehnt (Openchowsky). Die Cardia eröffnet sich (Schiff) durch Zug der longitudinalen Magenfasern, welche gegen die Einmündungsstelle der Speiseröhre hinziehen, also bei gefülltem Magen dilatatorisch wirken müssen. Dem Ausstossen des Mageninhaltes selbst geht eine, den intrathorakalen iterwng. Theil der Speiseröhre erweiternde, Ructus-artige Bewegung unmittelbar [§. 162.] Brechmittel. Darmbewegungen. 297 vorauf. Diese erfolgt so, dass bei geschlossener Stimmritze plötzlich heftig stossweise inspirirt wird, wodurch der Oesophagus durch Gasaufsteigen vom Magen sich, dehnt (Lüttich). — Zugleich wird der Kehlkopf und das Zungenbein durch ver- SMwnd- einigte Wirkung der Mm. geniohyoidei, sternohyoidei nebst sternotbyreodei und Er";i thyreohyoidei stark nach vorn gezogen (durch Ausgleichung des Kehlwinkels). Zur Unterstützung wird sogar der Unterkiefer horizontal nach vorn bewegt (pag.285. c.) ; hierdurch tritt Luft vom Schlünde abwärts bis zum oberen Oesophagusabschnitte. Das Her vorstrecken und die Beugung des Kopfes wirkt für die Erweiterung des Schlundes günstig (Laiidois). Erfolgt hierauf plötzlicher Druck der Bauchpresse, unterstützt von der Eigenbewegung des Magens, so ergiesst sich der Mageninhalt Dach oben. — Bei anhaltendem Erbrechen kommt es sogar zu einer An tiper i- staltik des Duodenums, durch welche Galle in den Magen eintritt, die sich den erbrochenen Massen beimischt. Kinder, denen noch der ausgesackte Fundus des Magens fehlt, Nerven- , , . , , _ , , . °, . , ,. , , . i . einfluss auf erbrechen leichter, als Erwachsene, bei denen sich dieser stark contrahiren muss. ^Ps Das Centrum — für die Brechbeweguugen liegt in der Medulla oblon- abrechen. gata ; es hat Beziehungen zum Athmungscentrum, was schon die Erfahrung zeigt, dass Uebelkeitsanwandlungen durch schnelle und tiefe Athemzüge überwunden werden können. Ebenso kann man durch ausgiebige künstliche Athmung bei Thieren die Brechbewegung inhibiren. Andererseits lassen eingegebene Brechmittel das Eintreten der Apnoe nicht zu (§. 369. 7). Der Brechact kann leicht angeregt werden durch (chemische oder mecha- nische) Reizung der centripetal leitenden Schleimhautnerven des Gaumens, Rachens, der Zungenwurzel und des Magens, weiterhin unter Umständen (Schwan- gerschaft) durch Reizung des Uterus, der Därme (Unterleibsentzündung), auch des Harnapparates, ferner durch directe Reizung des Vomir-Cent rums. Auch Brechbewegungen , durch widrige Vorstellungen erweckt , scheinen durch Reizübertragung vom Grosshirn durch Verbindungsfasern auf das Vomir- Centrum aus eingeleitet zu werden. Auch bei Erkrankungen des Gehirns sind Brechbewegungen sehr häufig. — Reizung des centralen Vagusstumpfes vermag Erbrechen hervorzurufen . Dem Brechact ähnlich ist der Elimination sprocess der Wiederkäuer. Rumination. Auch bei Menschen hat man krankhaftes ruminations-artiges Aufstossen der Speisen beobachtet. Die Brechmittel sind — 1. auf das centrale Nervensystem wirkende Wirkung der (z. B. Apomorphin). Das centrale Erbrechen hört auf nach Zerstörung der Vier- ßrechmi^1- hügel oder Durchschneidung der Vorderstränge des Rückenmarkes oder Ausrottung aller spinalen Sympathicusfäden, welche zum Magen treten. — 2. Andere Brech- mittel wirken vom Magen (oder Darm) aus ref lectorisch auf das Brech- centrum (Cuprum sulfuricum, Tartarus stibiatus) ; diese Erregung gelangt weiterhin zur Magenmusculatur durch die Vagi. — 3. Es kann combinirte Wirkung von 1. und 2. sein. — Brechmittel können auch Schleim aus den Lungen entfernen. Es will mir scheinen, dass auch durch eine Enegung des Respirationscentrums die Brech- mittel günstig auf die Athembewcgungen einwirken. 163. Darmbewegungen. Methode: — Zur Beobachtung der peristaltischen Bewegungen bei Thieren Peristaltik wird die Bauchhöhle zur Vermeidung des Luftzutrittes unter blutwarmer 0,6° „• Koch- ,!er Gedärme. Salzlösung eröffnet ("Sanders & van Braam-Honckgeest). Das d ü n n e Gedärm zeigt die peristaltischen Bewegungen in classischer Weise : die sich am Rohre entlang bewegende Verengerung, welche den Inhalt vor sich her schiebt, verläuft stets von oben nach unten. Nach dem Tode und beim Zutritt der Luft zu den Darmschlingen sieht man vielfältig sie an mehreren Stellen des Darmes gleichzeitig sieb entwickeln, wo- durch die Darmschlingen das Aussehen eines Haufens durch 298 Afterverschluss. [§. 163.] einander kriechender Würmer gewinnen. Das Vorrücken neuen Darminhaltes und die, dadurch bedingte , stärkere Ausdehnung des Rohres durch Inhaltsmassen und Gase vermehrt auf's Neue die Bewegung. — Der Dickdarm hat trägere und weniger ausgiebige Bewegungen. Bei dünnen Bauchdecken und in Bruch- säcken kann man die Peristaltik durchfühlen und sogar sehen. ■— Pflanzenfresser zeigen eine regere Bewegung als Fleischfresser. Vielleicht geschieht die Fortleitung der Peristaltik durch die Muskelsubstanz direct [wie beim Herzen (§. 64. I. 3) und dem Bauhin'scke Ureter] (Engelmann). — Die Baukiii'sehe Klappe lässt in der Regel den Dickdarminhalt nicht in den Dünndarm zurücktreten. — Während der Nachtruhe hört die Bewegung des Magens und der Gedärme auf (Busch). Bei ganz allmählichem Ergiessen flüssiger Massen in den After durch ein Darmrohr können dieselben über die ßauhm'sche Klappe hinauf aufwärts in den Dünndarm gelangen. Pathologisches: — ■ Wenn durch einen acuten, entzündlichen Eeiz eine Entzündung der Darmschleimhaut,, ein Katarrh, schnell sich entwickelt, so treten am gefüllten Darme anfänglich sehr starke Contractionen der entzündeten Strecke ein. Hat sich die Strecke geleert , so sind die Bewegungen nicht mehr stärker, als normal. Kommt neuer Inhalt in den entzündeten Darm, so geschieht die peristaltische Abwärtsbewegung schneller als normal: — es erfolgt Durch- fall (Nothnagel). Mitunter schiebt sich ein sehr stark contra hirtes Darmstück in die angrenzende Strecke hinein (Invagination, Intussusception). — Herabsetzung der Körpertemperatur hat Abnahme der Peristaltik zur Folge (LüdcritzJ. Anti- Eine Antiperistaltik, — d. h. eine Bewegung aufwärts gegen den peristaltische ]\iagen hin, kommt normal nicht vor; dass eine solche bei Unwegsamkeit des ewegungen. j)armes „ feste Bestandteile; seine Menge wird von Beaumont (1834 nach einer Beobachtung an einem Menschen mit Magenfistel auf nur (!) 180 Gr. täglich angegeben, von Grunewald (1853) in einem ähnlichen Falle auf 26.4° 0 des Körpergewichtes in 24 Stunden (!) veranschlagt, endlich von ßidder& Carl Schmidt (nach vergleichenden Versuchen an Hunden") auf 61 a Kilo pro Tag, entsprechend Vio des Körpergewichtes, gerechnet. Er enthält : 1. Das Pepsin — (Th. Schwann, ls3ö). das charakte- ristische, N-haltige, hydrolytische Ferment oder Enzym, welches 20* Eigen- schaften. repsin. 308 Secretion des Magensaftes. [§• 167.] Salzsäure. Nachweis derselben. Anorganisch' Bestandtheiie die Eiweisskörper löst : in dem mit der Magensonde aus nüchternem Magen gewonnenen Safte 0.41 — 1,17°/0 (E. Schütz). 2. Die Chlor wasserst off säure — (Prout , 1824) 0,2—0,3 (nach Richet 0,8— 2,1) pro mille, (Hund 0,52° /„). Sie kommt frei im Magensafte vor (Carl Schmidt). Daneben scheint Milchsäure constant angetroffen zu werden , die entweder durch Grährung der Kohlehydrate entstehen (Grährungsmilch- säure, §. 186. I), oder aus der Fleischnahrung ausgelaugt sein kann (Fleischmilchsäure, §. 253. 3. c). Reactionen : — Salzsäure bläut 0,025°/0-Lösung von Methylviolett, zumal nachdem die zu untersuchende Flüssigkeit mit Tannin ausgefällt worden (Kost), — Oder : Eeife Heidelbeeren werden mit etwas Wasser zerquetscht und mit Amylalkohol stark geschüttelt. Die gefärbte blaue Alkoholschicht wird abgehoben; sie wird rosa durch Salzsäure. Auch kann man ein Reagenzpapier mit dem Alkoholextract herstellen, dessen blaugraue Farbe durch Salzsäure rosa wird und auch rosa bleibt, wenn man das Papier nachträglich im Schälchen mit Aether übergiesst (UffelmannJ. — Oder: Rother Bordeauxwein wird mit so viel Amylalkohol versetzt, dass die Farbe fast verschwindet, setzt man hierzu dünne Salzsäure , so tritt Rosafärbung ein. Man kann auch hiernach ein Reagenzpapier darstellen: mit einem filtrirten Gemisch von 1 Rothwein und 3 abs. Alkohol getränkte Filtrirpapierstreifen trocknet man im Kühlen. Diese schwach blänlith-rothen Streifen werden mit der salzsäurehaltigen Flüssigkeit rosa, und bleiben es auch nach Aetherüberschüttnng (Uffelmann), [Auch auf erbrochene Massen anwendbar.] — Oder: Alkoholische Lösung von Tropaeolin 00 wird lila. — Oder: Zu einigen Tropfen sehr verdünnter Salzsäure setzt man ebensoviele Tropfen einer Lösung von 2 Gr. Phloroglucin und l Gr. Vanillin in 100 Gr. Alkohol und dampft vorsichtig im Porzellanschälchen ab ; es entsteht ein rosiger Anflug (Günzburg) . Reaction auf Milchsäure: — Die frisch bereitete blaue Mischung von 10 CC. einer 4°/0. Carbolsäure mit 20 CC. Aqua destill, und 1 Tropfen Liquor ferri sesquichlorati wird durch Milchsäure gelb gefärbt (Uffelmann). Man lasse die zu untersuchende Flüssigkeit tropfenweise am Rande eines Röhrchens in die Reactionsflüssigkeit einfliessen : an der Berührungsstelle entsteht ein citronengelber Ring (Grundzack). 3. Der, an der Oberfläche der Mucosa haftende, reichliche Schleim ist eine Absonderung der Schleimbecher (pg. 305). 4. Mineral stoffe (2 pro mille). : Es sind vorzugsweise Chlomatrium und Chlorkalium, weniger Chlorcalcium (bei Thieren auch Chlorammonium) , ferner Spuren von phosphorsaurem Kalk und Magnesia , Eisenchlorür ; phosphorsaure und schwefelsaure Alkalien fehlen fast völlig. Von fremden Substanzen erscheinen nach Einführung in den Körper im Magensaft : Rhodankalium , milchsaures Eisen, Kaliumeisencyanür , Zucker u. A. — Ammoniumcarbonat findet sich bei Urämie. 168. Secretion des Magensaftes. Nachdem die zwei verschiedenen Arten der Magendrüsen, und in den Fundusdrüsen wiederum zwei differente Formen von Zellen bekannt geworden , lag es nahe , zu untersuchen, ob nicht die verschiedenen Bestandteile des Magensaftes von den verschiedenen Gebilden geliefert würden. verände- Während des Verlaufes der Verdauung gehen an den Haupt-, DriutnzeuL Beleg- und den Pylorusdrüsen-Zellen (Hund) charakteristische histolo- während der gische Veränderungen einher (Heidenhain, Ebstein). Im Hungerzustande ' sind die Hauptzellen hell und gross, die Belegzellen klein, die Pylorus- [§. 168-] Secretion des Magensaftes. 309 zellen hell und mittelgross. — Während der 6 ersten Verdauungs- stunden sind die Hauptzellen vergrössert. massig getrübt, die Beleg- zellen ebenfalls vergrössert, die Pylorusdrüsenzellen unverändert. — Bis zur 9 . Stunde verkleinern und trüben sich die Haupt- zellen mehr, die Belegzellen sind noch geschwellt, die Pyloruszellen vergrössern sich. — In den letzten Stunden der Verdauung werden die Hauptzellen wieder grösser und heller, die Belegzellen schwellen ab, die Pyloruszellen schrumpfen und trüben sich. Die Belegzellen mancher Thiere tragen während der Absonderung einen nach dem Lumen der Drüse hin gerichteten Besatz kurzer haarförmiger Fortsätze ( „ B ü r s t e n b e s a t z " Tomier'a) . Das Pepsin — wird in den Hauptzellen gebildet Die Haupt- (Heidenhain) . Sind diese hell und gross , so sind sie reich an 'eWpJ^en Pepsin ; sind sie geschrumpft und getrübt , so enthalten sie wenig (Grützner). Die. keine Belegzellen enthaltenden. Pylorus- Drüsen sondern ebenfalls, wenn auch in geringerem Maasse, Pepsin ab (Ebstein, Grützner, Klemensiewicz) . Während des ersten Stadiums des Hungers wird das Pepsin angesammelt, während der Verdauungsthätigkeit (aber auch bei anhaltendem Hunger) eliminirt. Innerhalb der Drüsen ist noch kein Pepsin, sondern nur rtsch, v. Swücickij. Die Salzsäure — wird von den Beleg zellen gebildet Salzsäure, (Heidenhain, Sehrwaid) ; sie findet sich auf der freien Fläche der dm Batg- Magenschleimhaut, sowie an den Ausführungsgängen der Magen- ^"v"'^' drüsen. In der Tiefe der Drüsenschläuche herrscht jedoch meist Magen- alkalische Reaction. Die Säure muss daher schnell aus der Tiefe an die Oberfläche befördert werden (Brücke). Freie Salzsäure lässt sich im sauren Magensaft des Menschen erst nach Verlauf von 1 2 — 3U — 2 Stunden nach einer massigen Mahlzeit (vande Veide, Lehmarm, Uffelmann, Seemann), jedoch schon nach 10 — lö Minuten im nüchtern getrunkenen Wasser (E. Frcrichs) nachweisen; weiterhin steigt der Gehalt im Verlauf der Verdauung stetig (Kretschr& Uft'elinann). — Die aus den Nahrungsmitteln stammende, vielleicht auch theilweise aus dem Map-enschleim durch Zersetzung 310 Secretion des Magensaftes. [§. 168.] sich bildende (Landwehr) Milchsäure ist sofort nach dem Essen im Magen nachweisbar (Ewald & Boas), nach etwa 1/a Stunde Salzsäure daneben , nach etwa abermals x/2 Stunde nur Salz- säure (Ewald). Entstehung lieber die Bildung der freien Säure — seheint Folgendes fest-- * Salzsäure. zusteiien- j)ie Belegzellen scheiden die Salzsäure aus Chloriden ab, welche die Schleimhaut aus dem Blute aufnimmt. [Es hört daher nach deren Entziehung in der Nahrung die Säurebildung auf (v. Voit).~\ Das hierbei wirksame Agens ist die Milchsäure (welche Brücke bei der Digestion von Magenschleimhaut sich bilden sah) ; diese vermag merkwürdiger Weise Kochsalz unter Bildung freier Salzsäure zu zer- legen (Maly). Die hierdurch frei werdenden Basen werden durch den Harn (unter Auftreten geringerer saurer Reaction) ausgeschieden (Jones, Ma/y). Im Hungerzustande hört die Salzsäurebildung schliesslich auf. Nach H. Schulz werden Chloralkalien und Chlor - Erdalkalien in wässeriger Lösung auch durch C02 schon bei niederer Temperatur zerlegt unter Bildung freier Salzsäure. AbJondeliT,'' -^ leerem Magen — findet keine Absonderung des ' Magensaftes statt ; diese erfolgt stets nur nach stattgehabten (mechanischen, thermischen oder chemischen) Reizen ; im natür- lichen Zustande also erst, sobald ein Schlingact erfolgt, oder in den Magen hinein Nahrungsstoffe (aber auch unverdauliche Gegenstände) eingeführt werden. Hierbei röthet sich die Schleimhaut unter regerer Circulation , so dass das Venenblut heller abfliesst. Die Erregung der Absonderung ist ein r e f 1 e c- torischer Vorgang. Die sensiblen Nerven des Rachens und Magens regen centripetalwärts die Medulla oblongata an, wo das Centrum dieses Secretionsreflexes liegt. Die centrifugale Bahn zu der Magenschleimhaut hin zieht durch die Vagi, nach deren Durchschneidung dieser Reflex aufhört und die Schleim- haut später eine massige Menge eines schlecht wirksamen, paraly- tischen Secretes liefert (Pawlow & Schnmova-Simanozvskaja). Heidenhain fand bei Versuchen an Hunden, bei denen er (ähnlich wie den Pylorus) den Fundus zur Bildung eines Blindsackes isolirt hatte, dass mechanische Reizung nur locale Absonderung bewirkte. Fand jedoch am Orte der localen Reizung zugleich Resorption von verdauten Substanzen statt, so breitete sich die Secretion auf grössere Flächen aus. Die Angabe von Schiff , dass der wirksame Magensaft erst dann abge- sondert würde, nachdem sogenannte peptogene Substanzen (namentlich Dextrin) resorbirt seien, wird anderweitig bestritten. Wirkung der Kleine Mengen Alkohol in den Magen gebracht, steigern die Absonde- Mkohohca. vun„ des Magensaftes, starke Dosen heben sie auf. — Künstliche Verdauung wird durch Alkohol bis 2% bereits etwas, bei 10% stärker gestört (Schute), 20% verlangsamen sie, noch stärkere Dosen heben sie auf. Bier und Wein ver- langsamen die Verdauung, unverdünnt hindern sie die künstliche Verdauung (Buchner). Schicksal de* Tjer Magensaft, welcher nach vollendeter Verdauung in das Duodenum übertritt , wird hier zunächst durch das Alkali der Darm- schleimhaut und des pancreatisehen Saftes neutralisirt. Das Pepsin wird als solches resorbirt und kann in geringer Menge im Harn (§. 264) und in dem Muskelsafte (§.295) angetroffen werden (Brücke). [§. 169.] Gewinnung des Magensaftes. 311 Entfernt man den Magensaft durch Magenfisteln völlig nach aussen, so erhält sich im Darme das Alkali so überreichlich , dass daraus alkalische Eeaction des Urins erfolgt (Maly). Der saure Magensaft des Neugeborenen — ist bereits ziemlich intensiv Magensaft wirksam ; am leichtesten werden von demselben Casei'n, hiernach Fibrin und die rft* ^eu~ übrigen Albnminate verdaut (Zweifel). Durch zu starken Säuregehalt des Magen- saftes entstellen im Magen des Säuglings grossstückige, schwer verdauliche Case'in- klumpen, die namentlich nach Genuss von Kuhmilch besonders derb sind (Simon, Biedert). (Vgl. §. 233.) 169. Gewinnung des Magensaftes; Bereitung künstlicher Verdanungsflüssigkeiten; larstellung und Eigenschaften des Pepsins. Zur Gewinnung des Magensaftes behufs der Untersuchung und Beobachtung seiner verdauenden Kraft Hess Spalla?izani nüchterne Thiere Schwämmchen verschlucken, die in durchlöcherten Blechkapseln eingeschlossen waren, und zog dieselben heraus , nachdem sie sich mit Saft vollgesogen. Zur Fernhaltung der Mundsecrete bringt man die Schwämmchen am besten von einer Oeffnung des oben unterbundenen Oesophagus ein (Manasse'in). Beim Menschen gelang es zuerst dem amerikanischen Arzte Beaumont (1825) bei einem kanadischen Jäger Mariin, dem durch einen Schuss der Magen eröffnet war, aus der, hieraus erwachsenen, dauernden — „Magenfistel" — reinen Magen- ßeob- saft zu gewinnen. Es wurden desgleichen diesem Manne durch die Oeffnung ver- "/al""?-^"" schiedene Substanzen direct in den Magen geschoben und von Zeit zu Zeit in Bezug auf ihre Auflösung untersucht. Hierdurch geleitet , legte Bassow (1842) zuerst bei Hunden künstliche Magen fisteln an. Unterhalb des Processus xiphoideus wird die vordere Magenwand eröffnet, Operations- und die Bänder der Mageneröffnung werden mit den Bändern der Wunde der Bauch- ver/ahren- decken durch Nähte vereinigt, In die Fistel legt man eine starke Canüle : ein fingergliedlanges silbernes Bohr mit Endplatte wird so in den Magen geschoben, dass die Endplatte dem Schleimhautrande anliegt, das Bohr besitzt ein Schrauben- gewinde, auf welches ein ganz analoges Canülenstück so aufgeschraubt wird, dass dessen Endplatte aussen den Wundrändern der Bauchdecken aufliegt. Die Zu- sammensetzung beider gestaltet sich dann wie ein H H. Für gewöhnlich wird die Oeffnung der Canüle verkorkt. Unterbindet man noch dazu solchen Hunden die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen , so gewinnt man ein reines Beob- achtungsfeld. Nach Leute kann man vom Menschen verdünnten Magensaft so gewinnen, Magenheber. dass man durch ein lieberartig wirkendes Bohr erst Wasser in den leeren Magen einführt und dasselbe nach kurzer Zeit wieder ablaufen lässt. Ein wichtiger Schritt wurde von Eberle (1834) gethan, indem er — „künst- Künstlicher liehen Magensaft" — darstellen lehrte durch Ausziehen von Pepsin aus der }f«9e>lsa."- Magenschleimhaut mit verdünnter Salzsäure. Ein ganz bestimmtes Con- centrations- Verhältnis^ der letzteren ist hierbei zu beachten Schwann . Zur Ex- traction der zerschnittenen Magenschleimhaut vom Schweine genügen gegen 4 Liter einer Mischung von 4 — 8 CG rauchender Salzsäure und 1 Liter Wasser Brück,- , die man in Mengen von i ._, Liter von 6 zu 6 Stunden stets auf's Neue infundirt. Die gesammelte Flüssigkeit wird endlich filtrirt > Hoppc-Scylcr . In dieselbe legt man die zu verdauenden Substanzen bei anhaltender Körperwärme : doch ist es nöthig, von Zeit zu Zeit wieder etwas Salzsäure zuzusetzen Schwann . Derjenige Säuregrad wirkt am günstigsten für die Verdauung , welcher die Eiweisskorper am besten zur Quellung bringt. Für den Faserstoff beträgt dies 0.8 — 0,9 pro mille Brücke . — Zwischen 37u bis 40" C. verläuft die Verdauung am energischsten, in der Kälte, sowie bei höheren Hitzegraden unterbleibt sie. Die verwendete Salzsäure kann bis zu einem gewissen Grade von der Andere 6— lOfachen Menge Meissner) Milchsäure ersetzt werden Lehmann , ebenso l'er^t"rdelna' von Salpetersäure, in viel unwirksamerer Weise endlieh auch von Oxal-, Schwefel- , Phosphor- , Essig- , Ameisen- , Bernstein- , Wein- und Citronen-Säure j unwirksam sind Butter- und Salicyl-Säure. 312 Magenverdauung : Syntonin, Propepton. [§•170.] , WitticVs Glycerin- Auszug. Darstellung des Pepsins nach B r ü che. Eigen- schaften dts Pepsins. v. Wittich zeigte, dass man auch mittelst Glycerin aus der Magen- schleimhaut das Pepsin sehr rein extrahiren kann. Die gereinigte Schleim- haut -wird 24 Stunden in Alkohol gelegt, dann getrocknet, gepulvert und gebeutelt, hierauf eine Woche in Glycerin estrahirt. Das abfiltrirte Extract lässt durch Alkohol das Pepsin ausfallen, welches in verdünnter Salzsäure gelöst den wirksamen Saft giebt. — Roberts Extractionsverfahren siehe pg. 279. 3. Die Darstellung völlig gereinigten Pepsins — hat E. Brücke so ausgeführt, dass er durch Erzeugung eines voluminösen Niederschlages dasselbe wiederholt mit fällte und schliesslich isolirte. Zu diesem Zwecke wird die fein zerriebene Schleimhaut vom Schweine mit 5°/o- Phosphorsäure zu einem dünnen Brei angesetzt, bis (durch Selbstverdauung) möglichst eine Lösung eingetreten ist. Nun wird Kalkwasser bis zur kaum merklich sauren Keaction zugemischt. Hierdurch entsteht ein voluminöser Niederschlag, — der das Pepsin mechanisch mit nieder reisst. Man sammelt denselben auf einem Tuche , lässt mehrmals "Wasser zur Spülung durchlaufen, und löst sodann die Masse in sehr verdünnter Salzsäure. In dieser wird abermals ein voluminöser Niederschlag erzeugt durch allmähliches Einmischen einer Cholesterinlösung (in 4 Th eilen Alkohol und 1 Theil Aether) unter wiederholtem Schütteln. Der Cholesterinbrei wird auf dem Filtrum gesammelt, hier erst mit essigsäurehaltigem, dann reinem Wasser gewaschen. Der feuchte Cholesterinbrei wird nun in Aether zur Auflösung des Cholesterins ein- getragen, der Aether oft erneuert und abgehoben. Der geringe wässerige Rück- stand ist klar und enthält das Pepsin in Lösung. Bei allen Extractionsverfahren ist die Ausbeute an Pepsin am grössten, wenn die Schleimhaut vor Fäulniss geschützt, einige Zeit an der Luft gelegen hat, indem sich noch nachträglich in den Drüsenzellen Propepsin und Pepsin bilden (Grützner &? Podwysotzki). Das reine Pepsin — ist eine Colloidsubstanz ; es reagirt nicht wie Eiweiss auf folgende Proben : es giebt keine Xantko- proteinprobe. wird nicht gefällt durch Essigsäure und Kalium- eisencyanür. nicht durch Gerbsäure , Quecksilberchlorid, Silber- nitrat oder Jod. Im Uebrigen ist es den Albuminoid-Substanzen beizuzählen (§. 252). Erhitzen, von 55° — 60° C. an , macht das Pepsin in saurer Lösung unwirksam (Ad. Mayer). 170. Vorgang der Mageny er darum g und die gebildeten Verdauungsprodncte. ohymus. Die zerkleinerten , mit Magensaft zu einem Brei ange- mengten Xahrungsstoffe werden „Chymus oder Speisebrei" genannt. Auf diese übt der Magensaft seine Wirkung aus. I. Einwirkung auf die Eiweisskörper. Die Das Pepsin und die freie Salzsäure vermögen die Eiweiss- körper bei Körpertemperatur in eine lösliche Veränderung überzuführen, welche man „Peptone" (Lehmann, 1850) genannt hat. Bei dieser Veränderung werden sie zuerst in Körper ver- queiien au wandelt, die den Charakter des Syntonin s haben (Mulder), (in welchem Zustande die coagulirten Albuminate gequollen sind). Syntonin ist ein Säure-Albuminat (§. 251. VI), durch Kochen gerinnbar ; durch Neutralisiren, nach Zusatz von Alkali, wird daraus Albuminat wieder niedergeschlagen. Dann folgt ein Product, gewissermaassen ein Zwischen- körper zwischen Eiweiss und Pepton : Schmidt- Mülheim s „Pro- pepton" (=Kühne's H e m i a 1 b u m o s e). Es ist löslich in Wasser, leicht löslich in Säuren , Salzen und Alkalien ; diese Lösungen Syntonin, gehen in Propepton iiher [§• 170.] Magenverdauung : Peptone. 313 Verlauf der Auflösung. werden nicht durch Sieden gefällt, wohl aber durch Essigsäure und Kaliumeisencyanür , sowie durch Essigsäure und Sättigen mit Kochsalz oder Bittersalz. Salpetersäure fällt es nach Koch- salzsättigung (Neumeister), es löst sich aber unter intensiver Gelbfärbung beim Erwärmen und fällt wieder beim Erkalten aus (E. Salkowski). Bei weiterer Einwirkung des Magensaftes geht das Pro- undd^den pepton in wirklich lösliches Pepton über. Die unver- au Peptone änderten Eiweisskörper verhalten sich den Peptonen gegenüber gelost' wie Anhydrite. Es erfolgt also die Peptonbildung und die Auf- lösung durch Wasseraufnahme, welche das hydrolytische Ferment, das Pepsin, veranlasst. Die Wirkung vollzieht sich am besten bei Körpertemperatur. — Leim wird in Leimpepton verwandelt. Im Eiweissmolekül sind nach Kühne zwei Substanzen präfonnirt : das Antialbumin und das Hemialhumi n. Magensaft führt sie zuerst in Anti- albumose und Hemialbuniose über, dann beide weiter in Antipepton und Hemipepton. [Nur das letztere wird durch Trypsin in Leucin und Ty rosin gespalten (Kühne & ChittendenJ.] (Vgl. §. 174. II.) — Durch die Einwirkung von Magensaft auf Fibrin entsteht auch Globulin (Hasebrock); (vgl. §. 174. II.) Je reichlicher der Pepsingehalt , um so schneller erfolgt (bis zu einem gewissen Grade) die Auflösung (v. Wittich). Das Pepsin erleidet als Ferment selbst fast keine Veränderung, und wenn für einen stets gleich bleibenden Salzsäuregehalt gesorgt wird, vermag es stets neue Mengen Eiweiss aufzulösen. Doch wird etwas Pepsin bei der Verdauung verbraucht (Grützner). Die Eiweisskörper werden entweder in flüssiger oder in fester (coagulirter) Form in den Magen eingeführt. Von den flüssigen wird allein nur das Casein zuerst in fester Form niedergeschlagen , geronnen und dann wieder aufgelöst. Die nicht geronnenen Eiweisskörper gehen in den Syntoninzustand über und werden unmittelbar zu Propepton und dann peptonisirt. d. h. wirklich gelöst. Die Peptonisirung beginnt schon bald nach dem Essen zuerst mit Hülfe der Milchsäure (pg. 310), dann mit der der Salzsäure (Ewald & Boas). Während der, bei Körpertemperatur verlaufenden Eiweiss- verdauung durch Pepsin findet ein bedeutender Wärmeverbrauch statt, der schon durch einfache calorimetrische Mittel nachweisbar ist (Maly). Demgemäss sinkt die Temperatur des Speisebreies im Magen in 2 — 3 Stunden gegen 0.2—0,6° C. (v. Vintschgau & Dietl). Man kann die geronnenen Eiweisskörper als die Anhy- drite der flüssigen, und diese letzteren wiederum als die An- hydrite der Peptone bezeichnen. So stellen also die Peptone die höchstmöglichen Hydrationsstufen der Eiweisskörper dar. Es können daher auch aus den Eisweisskörpern Peptone entstehen durch solche Mittel, welche gewöhnlich derartige Hydration bewirken, nämlich Be- handlung mit starken Säuren (aus Fibrin mit 0,2U 0- Salzsäure, v. Wittich Aetz- alkalien , Fäulniss- und verschiedenen anderen Fermenten, sowie durch Ozon (v. Gorup-Besanez). Aus diesen Hydrationsstufen lassen sich die Eiweissanhv drite durch Wasserentziehung wieder zurückführen. Wärme- bindung "ährend der Verdautini. Wesen der Eiweiss- verdauung. y.uriic'kfiihren der Peptone in Eiweiss. 314 Die Peptone. [§. 170.] Durch Kochen mit Essigsäure-Anhydrit bei 80° C. geht Pepton in Syntonin über (Henniger &■ Hofmeister). — Auch durch Erhitzen auf 170° C. (Hofmeister), — durch den galvanischen Strom in Gegenwart von Kochsalz (v. Wittich & CohnJ, — durch Alkohol nebst Salzen (Poehl &* A. DanilewskyJ geht Pepton in Eiweiss zurück. Aus Fibrinpepton sah man so zuerst Propepton entstehen. Eigen- Eigenschaften der Peptone: — 1. Sie sind in Wasser völlig Peptone, löslich. — 2. Sie diffundiren sehr leicht durch Membranen (Funke). — 3. Sie filtriren ebenso viel leichter durch Poren thierischer Membranen (Acker). — 4. Aus einem Gemisch von Pepton Eiweiss , Propepton und Pepsin fällt neutrales Ammoniumsulphat im Ueberschuss eintragen Alles, nur nicht das Pepton (Kühne & Wenz). — 5. Peptone werden nichtgefällt durch Kochen, Salpetersäure, Essigsäure und Kaliumeisencyanür, Essigsäure und Kochsalzsättigung. — 6. Gefällt werden sie aus neutraler oder schwach saurer Lösung durch Quecksilberchlorid, Gerbsäure und Gallensäuren (Brücke), durch Gerbsäure gefällt lösen sie sich in deren Ueberschuss wieder auf (Schelten). — 7. Sie reagiren wie Eiweisskörper auf Millon's Pieagenz mit rother Farbe und geben mit Salpetersäure Xanthoprothe'insäure-Reaction. — 8. Mit Aetznatron und etwas Kupfersulphat geben sie eine schöne purpurrothe Farbe (Biuret-Reaction). Die Biuret-Reaction giebt auch das Propepton, sowie ein, sich bei der künstlichen Verdauung zugleich bildender, in starkem Weingeist löslicher Eiweiss- körper, das sog. Alkophyr /'Brücke). — Leimpepton (und Leim) ist fällbar durch Trichloressigsäure, Albuminpepton löst sich im Ueberschusse dieser Säure wieder auf (Obermayer), [brauchbares Trennungsmittel beider]. Maass der Ura die Schnelligkeit der Auflösung des Fibrins — durch Einwirkung, Magensaft zu demonstriren, bringt Grünhagen in 0,20/0. Salzsäure gequollenes Fibrin auf einen Trichter, benetzt es mit Verdauungsflüssigkeit und constatirt die Schnelligkeit, mit welcher das Fibrin allmählich tropfenweise abschmilzt und sich endlich ganz löst. — Grützner färbt das Fibrin mit Carmin, quellt es mit 0,1' /,-,. Salzsäure und wirft es in die Verdauungsflüssigkeit. Je schneller sich letztere jileichmässig (durch Fibrinlösung) roth färbt, um so energischer ist natür- lich die verdauende Wirkung. Reines Zur Darstellung reinen Peptones — verfährt man so: Die dasselbe ent- Pepton. kältende Flüssigkeit wird durch Bariumcarbonat neutralisirt, unter Siedhitze auf dem AVasserbade eingeengt und filtrirt. Das Filtrat wird durch vorsichtigen Zusatz von Schwefelsäure des Bariums entledigt und abermals filtrirt (Hoppe-Seyler). Aus Magensaftpeptonen konnte Brieger mit Amylalkohol einen pepton- freien, wie Curare wirkenden (§.288) Giftstoff extrahiren, wie er dieselben auch aus faulenden Albuminaten gewann. Sie gehören den sogenannten Leichen- alkaloiden oder Ptoma'inen an. Die Peptone Die Peptone sind unzweifelhaft diejenigen Modificationen verbrauchten der Eiweissstoffe , welche bestimmt sind, nach ihrer Resorption Aibuminate. vom Nahrun gstractus aus und weiterhin durch das Blut als Ersatz für die , beim Umsatz im lebendigen Organismus ver- brauchten Eiweisskörper verwendet zu werden. Durch Fütterung mit Peptonen (statt Eiweiss) kann nämlich nicht allein das Leben erhalten, sondern sogar eine Zunahme des Körpergewichtes Rück- erzielt werden (Plösz & Maly, Adamkiewicz). Nach ihrer Auf- Peptone.' nähme in die Blutbahn werden die Peptone zuerst in Pro- pepton und dann in gewöhnliche Aibuminate wieder zurück- geführt (§. 193. 3). Störung der Ist bereits viel Eiweiss durch den Magensaft verdaut, so wird Pepsin ge- Magen- fä]jt un(j unwirbsam fv% Wittich), falls nicht von Zeit zu Zeit etwas Salzsäure wieder hinzugesetzt wird. — Erhitzen über 57" C, concentrirte Säuren, Alaun [§. 170.] Sonstige Wirkungen des Magensaftes. 315 und Gerbsäure vernichten die Verdauungsvorgänge; ebenso wirkt die Alkales- cenz des Magensaftes (z. B. durch Beimischung von sehr viel Speichel), auch die concentrirten Lösungen der Alkalisalze, wie Kochsalz, Bittersalz und Glaubersalz; [etwas Kochsalz steigert die Absonderung 'Grützner und befördert die Wirkung des Pepsins (WoIbe*gJ\, ferner auch schweflige und arsenige Säure, Jodkalium 'Fubini &• Fioril. Die Salze der schweren Metalle, welche mit Pepsin, Peptonen und Mucin Niederschläge bewirken, stören die Mägenverdauung. Nach Langley und Eakins zerstören Alkalien schnell das Pepsin , weniger rapide das Propepsin. — Säuren (Milch-, Essig-, Salz-Säure) schlagen den Magenschleim nieder und regen die Pepsinausscheidung an (gerade umgekehrt wirken die Salze der Alkalien) fjfaworskij. — Alkohol schlägt das Pepsin nieder, doch löst sich dasselbe durch nachfolgenden Wasserzusatz wieder auf, so dass die Ver- dauung dann wieder ungestört fortfahren kann. Mittel , welche das Aufquellen der Eiweisskörpcr verhindern, z. B. festes Umschnüren , verhindern die Ver- dauung. Dahin ist auch die Wirkung der schrumpfenden concentrirten Salz- lösungen zu rechnen. Ein Trunk von 0,5 Liter kühlen Wassers stört bei Gesunden die Magenverdauung noch nicht (wohl bei Magenkranken), noch reichlicheres Wasser- trinken beeinträchtigt die Magenthärigkeit. Dies thut auch starke Muskelaction. Warme Umschläge auf die Magengegend befördern, die Menstruation retardirt die Magenverdauung. IL Einwirkung auf andere Nahrungsmittel. Milch gerinnt sofort im Magen [unter Wärmeproduction -1/i7rf- (Musso, Ad. Mayer)'] durch Fällung des Case'ins , welches die Milchkügelchen einschliesst. Zur Fällung reicht allein schon die freie Säure des Magens hin, durch welche dem Casein das Alkali entzogen wird , welches dasselbe in Lösung erhält. Hammersten hat aber (1872) im Magensaft noch ein be- Lab/ermem. sonderes „Labferment" dargestellt, welches i ganz unabhängig von der Säure) auch in neutraler oder alkalischer Reaction das Ca sein niederschlägt. [Hierauf beruht die Käsebereitung durch Kälbermagen (Lab1, vgl. §.200.] Die Wirkung des Labfermentes ist vielleicht auch, wie die Wirkung aller Fennente , eine Hydration des Case'ins (Ad. Mayer ; sie ist grösser bei Gegen- wart von 0,2° rt. Salzsäure Schumburg . Das Lab entsteht, in den Hauptzellen der Magendrüsen aus einer Lab bildenden Substanz. Ein Theil Labferment kann 800,000 Theile Casein fallen. Bei der Gerinnung des Case'ins scheinen sich zwei neue Eiweisskörpcr zu bilden: der geronnene, den Käse constituirende , und ein peptonartiger , in den Molken gelöst bleibender. Zusatz von etwas Chlorcalcium beschleunigt, von Wasser ver- zögert die Gerinnung (Hatntnatsten), (Vgl. Milch, §.233.) Ueberschuss von Alkali schädigt die Labwirkung Johnson, Boas, Klemperer). Bei der Verdauung des, durch den Magensaft zuerst gelallten, dann unter Syntoninbildung schliesslich wieder zu Pepton aufgelösten Case'ins spaltet sich ein phosphorartiger, dem Nuclein nahestehender Körper ab (Lubavin , weniger C und N enthaltend als das Casein (das Caseindyspepton) Chittaiden . Endlich ist im Magensäfte noch ein Ferment enthalten. MUefo&tu-e. welches den Milchzucker in Milchsäure überführt ( .. Milc h s ä u r e- ferment" (Hammarstcn). Uebrigens geht zum Theil der Milch- zucker im Magen und Darm in Traubenzucker über £. 186). Auf Stärkemehl, Inulin und Gummi vermag der Magen- "««ny ou/1 saft nicht lösend einzuwirken. — Rohrzucker wird allmählich in Traubenzucker übergeführt (Bpuchardat &• Sandras 1845, Leh- mann), wobei nach Uffelmann der Magenschleim, nach Leube die Magensäure die wichtigste Rolle spielt. Vielleicht kommt dem Magen 316 Magengase. [§. 170.] auch geringe invertirende Kraft zu (§. 185.5) (Pavy). — Bei Encrpei. fler Verdauung des echten Knorpels entsteht (neben Chondrinpepton) ein, die Trommer' sah® Zuckerprobe liefernder Körper. — Völlig rein dargestelltes Elastin liefert Elastinpepton (dem Eiweisspepton ähnlich) und Hemielastin (der Hemialbumose analog) (Horbaczewski). Fette werden bereits (aber nur in kleinsten Mengen) in G-lycerin nnd fette Säuren zerlegt (Cash, Ogata). III. Einwirkung des Magensaftes auf die verschiedenen Gewebe und ihre Bildungssnbstanzen. 1. Die leimgebende Substanz der sämmtlichen Stützsubstanzen (Binde- gewebe, Bindegewebsknorpel und Knocbengrundsubstanz), sowie das Glutin selbst, ■werden im Magensafte peptonisirt nnd aufgelöst (Uffelmannj. — 2- Gleichfalls gelöst werden die structurlosen Membranen (Membranae propriae) der Drüsen, Sarkolemma, ScAwann'sche Nervenscheide , Linsenkapsel, die elastischen Hornhautmembranen, die Membranen der Fettzellen, kaum noch die elastischen (gefensterten) Membranen und Fasern. — 3. Die quergestreifte Muskelsubstanz bildet, nach Auflösung des Sarkolemmas und vielfacher Zertheilung des querge- streiften Inhaltes in Discs und Fibrillentrümmer , ebenso wie die glatte Musku- latur, ein echtes gelöstes Pepton. Stets gehen noch Fleischreste in den Darm über (v. Frerichs). — 4. Die weichen zelligen Elemente der Drüsen, geschichteten Epithelien, Endothelien, Lymphomzellen werden in ihrem Albumingehalte auf- gelöst zu Pepton, während das Nucleiin der Kerne anscheinend nicht verdaut werden kann. — 5. Unverdaulich sind die verhornten Theile der Epidermis, Nägel, Haare, sowie von niederen Thieren das Chitin , die Seidensubstanz , das Conchiolin , das Spongin, das Wachs. — 6. Die rothen Blutkörperchen werden aufgelöst, das Hämoglobin zerlegt in Hämatin und globulinartige Sub- stanz. Letztere wird peptonisirt ; ersteres bleibt unverändert und erscheint theils in den Fäces, theils wird es resorbirt und in Gallenfarbstoff verwandelt. — Das Fibrin wird sehr leicht zu Propepton und Fibrinpepton gelöst. — Das Mucin, welches auch von den Bechern der Magenschleimhaut abgesondert wird , geht unverändert durch den Darm ab. — 8- Von pflanzlichen Nahrungsbestand- theilen werden pflanzliche Fette vom Magensaft nicht verändert. Die Pflanzen- zellen geben ihren protoplasmatischen Inhalt zur Peptonbildung her, während die Cellulose der Zellwände im Magen des Menschen unverdaulich ist. [Weiteres §• 186.] Dass der Magen auch lebendige Körpertheile — verdauen kann, zeigt die Thatsache, dass ein, in eine Magenfistel eines Hundes eingebrachter Schenkel eines lebenden Frosches (Cl. Bernard), oder ein Kaninchenohr 'Pavy) theilweise verdaut werden. Auch die Eänder von Magengeschwüren und Fisteln beim Warum, der Menschen werden vom Magensafte durch Verdauung angefressen. — Man hat schon nichTseiist früher die FraSe aufSestellt (John Hunter, 1772), weshalb die Magen wand verdaut, sich nicht selbst verdaue? Da nach dem Tode in der That oft ziemlich schnell die Schleimhaut durch Selbstverdauung erweicht wird (Magenerweichung), so ist die Annahme gestattet, dass, so lange der Blutlauf besteht, das Gewebe durch das alkalische Blut stets der Säureeinwirkung entzogen wird; bei alkalischer Reaction kann aber die Verdauung nicht eingeleitet werden /Pavy). Unterbin- dung von Magengefässen hatte nach Pavy's Versuchen Verdauungs-Erweichung der Magenschleimhaut zur Folge. Beim Menschen wirkt in analoger Weise eine krankhafte Verstopfung der Gefässe zur Entstehung von Magengeschwüren (Virchow). Auch die dicke, fest anhaftende Schleimlage mag die oberste Schicht der Schleimhaut vor Selbstverdauung schützen helfen / Cl. Bernard). 171. Magengase. Verschluckte Der Magen enthält constant eine gewisse Menge von Gasen. Diese stammen theils aus direct verschluckter Luft (z. B. in den Schaumblasen des Speichels) , theils aus Grasen, die vom Duodenum zurücktreten. [§• 172.] Bau des Pancreas. 317 "Wird der Kehlkopf und das Zungenbein plötzlich stark nach vorn ge- richtet (pag. 297, Erbrechen), so tritt eine ziemliche Luftmenge in den Raum hinter den Kehlkopf, welche, wenn letzterer in seine Ruhelage zurücktritt, durch die Peristaltik des Oesophagus niedergebracht wird. Man kann an sich selbst das Abwärtsgehen eines solchen Luftquantums deutlich fühlen. — Mitunter tritt auch ohne Schlingbewegung eine Reihe kleiner Luftbläschen in den Magen (bei negativem Innendruck). Die Luftmassen erleiden constant im Magen eine Ver- zusammen- änrlerung. indem der 0 daraus vom Blute absorbirt. und für '.vageng^. 1 Volumen absorbirten 0 vom Blute 2 Volumina C02 dahin abgegeben werden. Daher ist nach Planer der 0- Gehalt äusserst gering, der C02-Gehalt sehr bedeutend. Magengase nach Planer in Volumen-Procenten. Menschlicher Leichuain, nach vegetabilischer Kost Hund I H I nach Fleischhost II nach Hülsenfrüchten CO., 20,79 H " 6,71 N 72.50 0 - 33,83 27,58 38,22 0,37 25,2 68,7 6,1 32,9 66,3 0,8 Ein Theil der C02 wird durch die Magensäure aus dem C03-reichen Speichel (§. 151) ausgetrieben. Es findet somit in gewissem beschränkten Sinne eine Art Athmung im Magen statt. (Vgl. Darmathmung, §. 145.) Der N verhält sich indifferent. Abnorme Gasentwickelungen — (bei Magenkatarrhen) kommen nur bei Abnorm» neutral er Reaction des Mageninhaltes vor: Lei der Buttersäuregährung kommen Gasbildung. so H und CO.J zur Production, (während die Essigsäure- und Milcksäure-Gährung keine Gase erzeugen). Auch CH4 (Grubengas) ist in den abnormen Magengasen gefunden ; doch kann dieses nur vom Darm in den Magen getreten sein , da es sich nur dann bilden kann, wenn kein 0 zugegen ist; (siehe § 186, Darmgase). 172. Bau des Pancreas. Das Pancreas ist nach dem Typus der zusammengesetzten trauben- förmigen (schlauchförmigen, Heidenhain) Drüsen, mit kleinen, länglich- kolbigen Acinis, gebaut. Auf der Innenfläche der fibrillär gewebten Membrana propria liegen die mehr cylindrisch-konischen Secretions- zellen. Die Zellen bestehen aus zwei Schichten : — 1. der schmäleren Parietalschicht, welche durchscheinend, leicht gestreift und durch Carmin stark färbbar ist, und — 2. der I n n e n s c h i c h fc f„ Bernard 'sehe Körnchenschicht"), die stark granulirt, wenig färbbar ist und bei der Secretion (unter Verschmälerung) entschieden durch Abgabe von Material zur Absonderung beiträgt, indem die Körnchen sich lösen (Heidenhain). Zwischen beiden Schichten liegt der Kern. Während der Secretion findet fortwährend ein sichtbarer Wandel an der Zellensubstanz statt : in der Körnchenschicht lösen sich die Granula in Secretbestandtheile auf, — in der äusseren Schicht erneut sich die homogene Substanz, welche sich weiterhin wieder in körnige Masse umsetzt, die dann wieder nach innen tritt (Heidenhain) (§. 245. 1). Im Einzelnen findet in dem 1. Verdauungsstadium (6. — 10- Stunde) ein Verbrauch der körnigen Innenzone und ein Wachsthum der gestrichelten Aussen Allgemeine Foitn. Secretions- zellen. Ihre Verati- de» der Absonderung. 318 Der pancreatisclie Saft. [§■ 173.] Fig. 102. Ä Li zone statt (Fig. 102. 2). Im 2. Stadium (10- — 20. Stunde) ist in der geschwellten Drüse die Innenzone stark gewachsen , die Aussenzone sehr verschmälert (Fig. 102. 3). Im Hungerzustande vergrössert sich letztere wieder (Fig. 102. 4). In dem paralytisch secernirenden . verkleinerten Pancreas ist die Innenzone der geschrumpften Zellen fast völlig verloren gegangen (Fig. 102. 4) (Heidenhain). In Folge vermehrter Abson- derung verändern sich einige Secre- tionszellen, so dass die Acini kernrei- chen unregelmässi- gen Häufchen glei- chen, welche jede Aehnlichkeit mit Drüsenacinis ver- loren haben 'Lewa- schewj. Aber auch ganze Zellen gehen während der Thätigkeit der Drüse zu Grunde, und es bilden sich wieder neue (OgataJ. Im Centrum des Acinus trifft man mitunter spindelförmige oder ver- ästelte Zellen an, welche ihre Fortsätze zwischen die Secretionszellen einschieben und als Stützzellen zu den Elementen der Acinuswand in Beziehung stehen (centro-acinäre Zellen {Langerhans, Po.dwisotzkyJ \ Der axial verlaufende Ductus pancreaticus — besteht aus einer inneren dichteren und einer äusseren lockeren , bindegewebigen und elastischen Wand, darin ein einschichtiges Cylinderepithel. Kleine Schleimdrüsen liegen im Haupt- Nemen und gange und in dessen grössten Nebenästen. — Marklose Nerven, deren Bahnen Ge/asse. (jauglien zugesellt sind, treten zu den Drüsenbläschen ; ihre Endigungen sind unbekannt. — Blutgefässe umgeben theils gross und reichlich, theils ver- einzelt die Bläschen. — Das frische Pancreas enthält: Wasser, Albimrinate, die Fermente, Fette und Salze. In der liegenden Drüse findet sich viel Leu- ein, Isoleucin (Nencki) und Tyrosin (Virchozv, v. Frerichs, Städe'.erJ , ferner Butalanin, oft Xanthin und Guanin ; Milchsäure, Ameisensäure, Fettsäuren ; das meiste hiervon durch Selbstzersetzung. 4 Veränderungen der Pancreas-Zellen in verschiedenen Stadien der Thätigkeit: — 2 im ersten Stadium der Verdauung, — 3 im zweiten Stadium, — l im Hungerzustande, — 4 bei der paralytischen Secretion. Ausführung!, gang. Chemie. 173. Der pancreatisclie Saft. Zur Gewinnung des pancreatischen Saftes — band Regner de Graaf (1664) bei Hunden in den Ausführungsgang eine Canüle, welche ein leeres Bläschen am Ende trug. In den Leib zurückgebracht, füllte sich dasselbe allmählich. — Andere leiteten das Röhrchen durch die Bauchdecken nach aussen und machten Transi- so eine trän sit orische Canülenfistel, (welche nach einigen Tagen stets durch torische wnd entzündliche Abstossung des eingebundenen Canülenendes untergeht). — Um da uernde Fisteln anzulegen, hat man entweder eine Duo de n alf istel (ähnlich einer Magenfistel) angebracht und von deren Oeffnung aus den Wirsung' sch.cn Gang durch eine eingeschobene dünne Bohre katheterisirt ; — oder man eröffnet bei Hunden den Gang, zieht ihn gegen die Bauchwunde und sucht die Gang- wunde mit der Bauchwunde zu einer Fistel zu verheilen. — Hciacnkain schaltet das Stück des Duodenums, wo der Gang mündet, aus der Continuität des Darmes aus, schneidet es auf und fixirt es ausserhalb der Bauchwunde. Aus den Dauer fisteln wird ein reichliches, schlecht wirksames, dünnflüssiges, an kohlensaurem Natron reicheres Secret gesammelt . während das , noch vor dem Ein • tritt der Entzündung gewonnene, spärliche, dickflüssigere Fluidum frisch angelegter Oeffnungen am energischsten seine charakteristischen Wirkungen entfaltet. Offenbar ist das spärliche, dickflüssige Secret das normale. Dass dünnflüssige, reichliche scheint durch Verschiedenes Secret beider. [§. 173] Verdauende Wirkung des pancreatisclien Saftes. 319 vermehrte Transsudation aus den (vielleicht in Folge der paralytisch gewordenen vasomotorischen Nerven' erweiterten Gelassen abgeschieden zu sein. Es würde so in gewissem Sinne eine „paralytische" Absonderung (vgl. §. 160) darstellen. Die Menge — muss s ehr wechseln, je nachdem dickflüssiges, Menge, oder dünnflüssiges Secret geliefert wird. Während der Ver- dauung sonderte ein grosser Hund 1 — 1,5 Gr. dickflüssiges Secret ab (Cl. Bernard). Dünnflüssiges gewannen Bidder & Schmidt aus permanenter Fistel für 1 Kilo Hund in 24 Stunden 35 bis 117 Gramm. Während die ruhende . unthätige Drüse schlaff ist. von gelblich-blassrother Farbe, ist die secernirende turgescirend und durch Erweiterung der heller-rothen Gefässe geröthet. Der normale Pancreassaft ist durchsichtig, färb- fgensc^^n und geruchlos , salzig von Geschmack und durch die Gegen- Seenta. wart von Natriumcarbonat stark alkalisch, daher bei Säure- zusatz, durch C02-Abgabe. aufbrausend. Er enthält Eiweiss und Kalialbuminat ; wie dünnflüssiges Eiereiweiss ist er klebrig, etwas viscide und schwerfliessend und erstarrt, wie dieses, durch Kochen zu einer weissen Masse. In der Kälte stehend, scheidet er ein gallertiges Eiweisscoagulum aus. In demselben erzeugen Salpeter- , Salz- und Schwefel-Säure einen Niederschlag : die durch Alkohol erzeugte Füllung ist im Wasser wieder auflöslich. Claude Bernard fand im Safte vom Hunde 8.2° 0 organische Stoffe und 0,8° 0 Asche. Der von Carl Schmidt analysirte Saft Quantitative vom Hunde enthielt: Feste Stoffe 90,38 f organische. .81,84 ( Kochsalz 7,36 in 1000 Theilen : ( anorganische . 8,54 } Phosphorsaures Natrium . . 0,45 (ahnlich denen des \ Schwefelsaures Natrium . . . 1.10 Blutserums) Natron 0,32 Kalk 0,22 Magnesia 0,05 Schwefelsaures Kalium . . . 0,02 Eisenoxyd 0,02 Je schneller und profuser die Absonderung fliesst, um so ärmer an organischen Beständen die anorganischen bleiben fast dieselben) ist das Secret (Weinmann, Bernstein)-, aber es ist dennoch in toto die Menge der abgesonderten festen Bestand- theile hierbei grösser, als bei spärlicher Entleerung (Bernstein). — Leucin (Radziejewski) und Seifen enthält der frisch entleerte Saft nur in Spuren. Selten bildet der Saft im Pancreas Concremeute, meist von kohlensaurem Kalk. — Bei Diabetes fand man Dextrose, bei Icterus Harnstoff im Safte, Die Angabe Schiffs, dass das Pancreas nur nach Resorption („Ladung") von Dextrin absondere, steht noch vereinzelt ; die Behauptung, dass das Pancreas nur wirksam sei bei vorhandener Milz , fand i c h durch wohlgelungene Yerdau- ungsversuche nach läugcr voraufgegaugener Milzexstirpation beim Hunde nicht bestätigt. 174. Verdauende Wirkung des pancreatisclien Saftes. Das Vorhandensein von vier hydrolytischen Fe r- menten — (Enzymen) macht den Pancreassaft zu einer sehr wichtigen Verdauungsflüssigkeit. 320 Verdauende Wirkung des pancreatischen Saftes. [§. 174.] Das I. Die diastatisclie Wirkung (Valentin, 1844) — wird von ptyaiin. dem P a n c r e a s-P t y al i n ausgeübt, welches dem des Speichels gleich zu sein scheint; doch wirkt es viel energischer als dieses, sowohl auf rohe, als auch anf gekochte Stärke; bei Körpertemperatur fast sofort , bei niedrigerer erheblich langsamer. Auch Glycogen wird in Dextrin und Zucker, ebenso das Achroodextrin (Brücke 's) in Zucker verwandelt. Selbst Cellulose soll gelöst (Schmulewitsch) und Grummi in Zucker verwandelt werden (v. Voit), Inulin bleibt unverändert. Nach v. Mering äf Muskulus wird das Amyluni [gleich der Wirkung des Speichels (§. 153)] in Maltose und ein reducirendes Dextrin verwandelt ; ebenso das Glycogen. Bei 40° C. soll dann Maltose langsam in Dextrose übergeführt werden (Rohrzucker wird nicht invertirt) (Brown &* HeronJ. Durch Alkohol wird das Ferment niedergeschlagen , in Glycerin wird es aufgelöst erhalten ohne wesentliche Schwächung. Alle Eingriffe , welche die diastatische Wirkung des Speichels zerstören (vgl. pg. 280). heben auch die des Pancreas-Ptyalins auf, doch ist Zumischung von saurem Magensaft (da seine Salzsäure gebunden wird) oder von Galle ohne nachtheiligen Einfiuss. — Im Pancreas des Neugeborenen fehlt diese Diastase (KoravinJ. Darstellung. Man isolirt das Ferment nach derselben Methode, nach welcher das Speichel- Ptyalin dargestellt wird (siehe pg. 279) SDanilewsky), doch fällt bei dieser Procedur zugleich das peptische Ferment mit nieder. Zusatz verschiedener neutraler Salze (etwa in 40/0. Lösungen) erhöht die diastatische Wirkung des Pancreassaftes, und zwar in nachfolgender Abstufung : Kaliumnitrat, Kochsalz, Salmiak, Natriumnitrat, Natriumsulphat, — Chlorkaliuni, Ammoniumnitrat, Ammoniumsulphat (O, Nasse). Das Trypsin. II. Die peptische Wirkung (Cl. Bernard, 1855) — beruht auf dem Vorhandensein eines hydrolytischen Fermentes, welches Corvisat (1858) Pancreatin, W. Kühne (1875) Trypsin genannt hat. Dasselbe verwandelt bei Körperwärme die Albu- minate bei alkalischerßeaction ohne vorhergehende Quellung zuerst in globulinartige Substanzen [Serum- globulin, (§.251.4; (J. G. Otto) und ein bei 55° coagulirendes Globulin, (Hermann)], — dann in Propepton (§. 170,1) und zuletzt in — echte Peptone (auch wohl Tryptone genannt). Vorheriges Aufquellen der Eiweisskörper durch Salzsäure, sowie saure ßeaction überhaupt wirken hindernd auf diese Umwand- lung ein. Leimgebende Substanz , Nuclem (Bokay) , und Hb widerstehen dem Trypsin ; Glutin und gequellte leimgebende Substanz gehen über in Leimpepton, letzteres wird nicht weiter verwandelt. O-Hb zerfällt in Eiweiss und Hämochromogen (§. 23). Im Uebrigen wirkt das Trypsin auf die eisweisshaltigen Gewebe dem Pepsin ähnlich (§. 170. III.) [Hoppe- Seyler) . Darstellung. Das peptische Ferment, das auch in der Drüse der Neugeborenen nicht fehlt (Zweifel), wird aus dem mit Wasser verdünnten Safte durch Bewirkung eines voluminösen Collodiumniederscklages- mechanisch mit niedergerissen. Der Nieder- schlag wird gewaschen und getrocknet, hierauf das Collodium durch ein Aether- Alkoholgemisch gelöst. Der Bückstand ist in Wasser löslich und stellt das Ferment dar (Danilewsky) . — Kühne trennt noch mit besonderer Sorgfalt das, mit dem Fermente im wässerigen Drüsenauszug noch verbundene Eiweiss und stellt so das Ferment in reinerer Form dar. Es ist löslich in Wasser, unlöslich in Alkohol und in reinem Glycerin. [§. 174.] Verdauende Wirkung des pancreatischen Saftes. 3'il Bei gegenseitiger Einwirkung von Pepsin und Salzsäure einerseits und Trypsin andererseits wird letzteres durch den Verdauungsprocess umgewandelt ; daher es sich nicht empfiehlt, etwa bei Verdauungsschwäche, das Trypsin per Os zu verabreichen (Ewald, MaysJ, Getrocknet kann es ohne Schaden auf 160° er- hitzt werden (Salkowski), Das Trypsin — entsteht durch 0- Aufnahme innerhalb des ^ntsuhurg. Pancreas aus einem Mutterkörper : dem Zymogen (Heide7ihain) , welches sich um die 6. bis 10. Stunde am spärlichsten, hingegen 16 Stunden nach der Fütterung in den inneren Theilen der Secretionszellen am reichlichsten ansammelt. Es ist in Wasser und in Glycerin löslich. In wässeriger Lösung spaltet dieser Körper das Ferment ab ; innerhalb des ausgeschnittenen Pan- creas geschieht dasselbe durch Behandlung mit starkem Alkohol (W. Kühne). Zusatz von Kochsalz, glykocholsaurem und kohlensaurem Natron steigert die Wirksamkeit des Fermentes (HeidenhainJ , — Magnesiumsulphat und Natrium- sul phat schwächen sie (Pfeifer). Bei weiterer Einwirkung des Trypsins auf die gebildeten Pep- mn^™ tone werden sie zum Theil (§. 170, I.) übergeführt in die Amido-a«/ Peptone. säuren Leucin (C6 H13 N02) und Tyrosin (C9 Hn N03) (Kühne) (§. 254. IV. 3). Es entsteht auch Btypoxanthin (? Xanthin) {Salomon) und Asparaginsäure (C4 H7 N04 = Amidobernstein- säure) bei Fibrin- und Kleber-Verdauung (Radziejewski & Sal- kowski, v. Knieriem), Glutaminsäure (C5 H9 N04), Amidovalerian- säure (C-, Hn N02) und ein durch Chlor- oder Brom-Wasser sich röthender Körper. Leimpepton liefert nach Ncncki bei weiterer Zersetzung Glycin und Ammoniak. Bei noch weiterer Einwirkung entstehen (besonders schnell F^ln>^- O \ ZBVS6 tZltflQt bei alkalischer Reaction) fäcal stinkende Stoffe, ferner Indol (C6 H7 N) (Kühne, Nencki) , Skatol (C9 H9 N) und Phenol (C6 H6 0) (Baumann) , flüchtige Fettsäuren, unter Entwicklung von H, — C02, — H2 S, — CHt — N. Diese Zersetzungsproducte entstehen aber lediglich durch Fäulniss der Präparate (§. 186. III); sie werden verhindert durch Salicylsäure oder Thymol, welche die fäulnisserregenden, stets vorhandenen, Organismen tödten (Hüfner, Kühne). Nach Harris & Tooth kann Indol auch direct aus Trypton hervorgehen. Längeres Sieden der Albumin ate mit verdünnter Schwefel- säure erzeugt, ähnlich der AVirkung des Trypsins, erst Pepton, dann Leu ein und Tyrosin (Kühne , aus Leim Glycin. Hypoxanthin und Xanthin entstehen so beim Kochen von Fibrin, ersteres auch durch Kochen von Fibrin mit Wasser (Chittenden). Leucin, Tyrosin, Glutamin- und Asparagin-Säure , sowie Xanthinkörper entstehen auch in Keimen einiger Pflanzen, woraus sich eine Aehnlichkeit des Umsatzes und des Verbrauches von Nährmaterialien in den Samen mit den diges- tiven Fermentwirkungen ergiebt (Salomon . in. Die Wirkung auf die neutralen Fette ist eine doppelte : /etlt£™enJe — 1. werden sie in eine feine, haltbare Emulsion Ferment. verwandelt (Eberle) , — 2. hierauf unter Wasser auf- nähme in Glycerin und fette Säure gespalten: — Tristearin (C57 H110 C6) 4- Wasser, 3 (H2 0) = Glycerin (C8 H3 08) -f Stearinsäure, 3 (C18 H3G 02). Letztere Wirkung kommt einem Landois, Physiologie. 7. Aufl. 21 322 Verdauende "Wirkung des pancreatischen Saftes. [§. 174.] (zumal durch Säuren) sehr leicht sich zersetzenden , noch nicht isolirt dargestellten Fermente zu (Cl. Bernard). Lecithin wird durch dieses Ferment gespalten in Glycerinphosphorsäure, Neurin und fette Säuren (§.253. 2) (Bokay). seifen- Nach vollendeter Spaltung werden die fetten Säuren zum Theil mit dem Alkali des Saftes und der Darmflüssigkeit ver- seift, — und zum Theil im alkalischen Darmsafte emulsionirt (J. Munk). Sowohl die Emulsionen, als auch die Seifenlösungen sind der Resorption fähig (§. 193). Enthält das zu emulgir ende Fett freie Fettsäure und reagirt zugleich das Fluidum alkalisch, so erfolgt die Emulsionirung äusserst schnell (Brücke). Ein Tröpfchen Leberthran, der stets etwas freie Fettsäure führt, in 0,3°/o- Soda- ^muisions- Lösung gebracht, zerstiebt momentan in feine Emulsionskörnchen (Gad). Es ung. bildet sich an der Oberfläche des Oeltropfens zuerst eine feste Seifenhaut, diese löst sich aber schnell auf, und es werden dabei kleine Tröpfchen abgerissen. Die frische Fläche bekleidet sich auf's Neue mit einer Seifendecke u. s. f. (G. Quincke). Die gebildeten Seifen wirken selbst wieder etnulsionsbildend. Steigert man den Gehalt des Oeles an Oelsäure und die Concentration der Sodalösung, so bilden sich sogenannte ..Myelin formen", d.h. Formen, wie sie das, in wässerige Flüssigkeiten austretende frische Nervenmark bildet (Brücke) [vergl. §. 323]. [Thierische Fette liefern leichter eine Emulsion als pflanzliche , das Eicinusöl überhaupt gar keine (Gadj\. Darstellung Danilewsky isolirte in folgender Weise die besprochenen Fermente. Wird der Fermente, fas sauer reagirende Infus eines Hundepancreas mit Magnesia usta übersättigt, so reisst der Niederschlag das Fettferment mit nieder. — Aus dem Filtrate fällt das Collodium das Trypsin mit nieder; der Niederschlag wird gesammelt; das Collodium desselben wird durch ein Alkohol-Aethergemisch gelöst. Im Filtrate des Collodiumniederschlages ist das diastatische Ferment enthalten. Zur Prüfung der Verdauungsthätigkeit des Pancreas kann man auch von der geschwellten und gerötheten Drüse des frisch getödteten Thieres nach Zer- reibung einen Wasserauszug bereiten. — Inwieweit die Extraction durch Glycerin (v. Wittich) für die verschiedenen Fermente anwendbar ist, ergiebt sich aus dem Mitgetheilten fpg. 279. 312). Zur Demonstration der Pancreaswirkungen — verfährt Setsche- now also: Gehacktes Kalbspancreas infundire mit nicht dem doppelten Volumen "Wasser und stelle bis 38° C. 5 Stunden warm. Die abgegossene Flüssigkeit wird durchgeseiht, mit Aether geschüttelt und mit Alkohol bis zur Bildung eines Niederschlages versetzt. Der letztere wird durch Filtration auf dem Filtrirpapier gleichmässig vertheilt, das Papier bei 40ü C. getrocknet. Ein iingergrosses Streifchen dieses Papieres mit 3-4 Ccm. "Wasser Übergossen, liefert ein auf Stärke, Eiweiss und Fett Avirksames Fluidum. Pancreas des Das Pancreas des Neugeborenen — enthält kein diastatisches, Saughngs. ^„^ a]jer ,jag peptische und fettzerlegende Ferment. Krankheiten der Säuglinge , zumal Durchfälle , scheinen auf die Wirksamkeit des Pancreas von grösserem Einflüsse zu sein (Zweifel). Geringe diastatische Kraft zeigt sich nach dem zweiten Monate des Lebens, volle Wirkung erst nach Ablauf des ersten Jahres (Korowin). Mach- iy. Nach W. Kühne und W. Roberts enthält das Pancreas c°Xmtn/. e* noch ein Milch-coagulirendes Ferment, welches durch concentrirte Kochsalzlösung extrahirt werden kann. 175. Die Absonderung des Pancreas-Saftes. j;uhe und Man kann beim Pancreas einen Ruhezustand, in welchem der1 Mise, die Drüse schlaff und blassgelb ist, und einen Zustand der secre- torischen Thätigkeit, in welchem das Organ geschwellt und blassroth erscheint, unterscheiden. Der letztere findet nur nach [§. 175.] Die Absonderung des Pancreassaftes. 323 Nahrungsaufnahme statt und erfolgt wahrscheinlich durch eine reflectorische Anregung durch die Nerven des Magens und des Duodenums. W. Kühne & Lea fanden, dass nicht alle Läppchen zu gleicher Zeit in Secretionsthätigkeit waren. [Das Pancreas der Herbivoren secernirt ununterbrochen.] Nach Bernstein und Heidenhain niesst mit der Einführung Zeit der Ab- der Ingesta in den Magen zuerst das Secret, dessen Menge mit der 2. — 3. Stunde seinen Höhepunkt erreicht. Hierauf sinkt die Menge bis zur 5. oder 7. Stunde, steigt dann (durch den völligen Uebertritt der gelösten Massen in das Duodenum) abermals gegen die 9.— 11. Stunde und fällt endlich ganz allmählich gegen die 17. — 24. Stunde bis zum völligen Versiegen. Im Allgemeinen ist das reichliche Secret ärmer, das spärliche reicher an festen Be- standteilen. Bei der Absonderung verhalten sich dieGrefässe ähnlich ''er*a?.ffn wie die der Speicheldrüsen nach Facialisreizung (sie sind er- weitert, das Venenblut ist hellroth) ; es ist daher wahrscheinlich, dass hier ein ähnlicher Nervenmechanismus thätig ist (§. 150). — Das Secret steht beim Kaninchen unter einem Absonde- rungs druck bis über 17 Mm. Hg. Die Nerven — entstammen dem Plexus hepaticus, lienalis Nervm- mesentericus superior, denen der Vagus und Splanchnicus Aeste zuge- sellen. — Erregt wird die Absonderung durch Pilocarpin, Reizung Anregung. der Medulla oblongata (Heidenhain & Landau) , sowie der Drüse selbst durch Inductionsströme (Kühne & Lea). — Unterdrückt wird Sist die Secretion durch Atropin , durch Erregung von Brechbewegungen (Cl. Bernard) , sowie durch Reizung des centralen Vagus stumpfes (C. Ludwig, Bernstein) , wie auch anderer sensibler Nerven, z. B. des N. cruralis und Ischiadicus (Afanassiew & Pawlow). Ausrottung der, die Gefässe umspinnenden, erreichbaren Nerven am Pancreas macht die besagten Eingriffe unwirksam. Dagegen wird nun die Secretion einer dünnen „paralytischen", wenig wirksamen Absonderung andauernd, paralytische deren Menge nun auch durch die Nahrungsaufnahme nicht modificirt wird (vgl. pg. 319) (Bernstein). Thiere ertragen Unterbindung des Wtrsung' sehen Ganges (v. Frerichs ' und Ausrottung die Ausrottung der Bauchspeicheldrüse (Schiff) ohne bedeutende Eingriffe in ihrer der Dr"se- Ernährung ; namentlich erleidet die Fettresorption im Darme keine Unterbrechung. Merkwürdigerweise kann sich nach Unterbindung des Ganges dieser von selbst wieder herstellen. Es kann aber auch diese Operation Cystenbildung der Gänge und Atrophie der Drüsensubstanz nach sich ziehen (Pawlow). 176. Bau der Leber. Die Leber wird den zusammengesetzten tubulösen Drüsen zugerechnet. Ihre Entwickeluug lehrt, dass sich dieselbe mit ihrem Ausführungsgange in Form einer netzförmig sich gestaltenden tubulösen Drüse ausbildet. Als noch makro- skopische Einheit der Drüse betrachten wir die kugeligen , polygonal gegen ein- ander abgeflachten Leberacini (Läppchen, Inseln) von 1 — 2 Mm. Durchmesser, welche die folgenden histologischen Einzelheiten aufweisen. I. Die Leberzellen — (Fig. 103. II a), [34 — 35 "-], unregelmässig polyedrisch, DrUsenzeüen. aus einem weichen, brüchigen Protoplasma bestehend, hüllenlos mit kugelförmigem, einfach oder mehrfach vorhandenem Kerne mit Kernkorperchen ; sind so ange- ordnet, dass sie vom Centrum des Acinus ans in mehr oder weniger langen, 21* 324 Bau der Leber. [§• 176.] zusammenhängenden Reihen radiär gegen die Oberfläche des Läppchens hin- streben. In dieser Anordnung sind sie theils von den feinsten Gallen röhrchen umsponnen (Fig. 103 I. x) , theils durch die grossmaschigeren Blutcapillaren in Reihen von einander abgesetzt (dd). — Im Hungerzustande sind die Leber- zellen fein granulirt und stark getrübt (Fig. 104. 1). Gegen 13 Stunden nach • Fig. 103. I Schema eines Leberläppchens. V. i V. i Venae interlobulares. — V. c Vena centralis. — c c Capillaren zwischen beiden. — V. s Vena sublobularis. — V. v Vena vascularis. — A A Aestchen der Leberaiterie, bei r r an die GUsson'ache Kapsel und die grösseren Gefässe tretend und weiterbin die Venae vasculares bildend, — bei i i in die Capillaren der Venae interlobulares eintretend. — g Aestchen des Gallenganges, bei x x sich intercellular zwischen den Leberzellen verzweigend. — dd Lage der Leberzellen zwischen den Maschen der Blutcapil- laren. — II. Isolirte Leberzellen, bei c einer Blutcapillare anliegend, bei a einen feinen Gallengang bildend. reicher Fütterung enthalten die Zellen grobe, glänzende Schollen von Glycogen (2). Zugleich ist das Protoplasma an der Oberfläche verdichtet, und von hier zieht ein Netz gegen die Zellenmitte, in welchem der Kern suspendirt ist (Kupffer, Heidenhein) . Fettkörnchen enthalten die Leberzellen oft. Venen- 2. Die Blutgefässe des Läppchens. — a) Verzweigungen des venösen Verzweigung. Systemes. — Folgt man den Verästelungen der, in die Porta hepatis eintretenden Vena portarum, so gelangt man nach reicher dendritischer Verzweigung schliess- lich zu kleinen Stämmchen , welche an der Grenze der Acini, von verschiedenen Seiten herkommend , einherziehen und hier durch capillare Anastomosen in Ver- Venae inter- bindung stehen: — Venae interlobulares (Fig. 103, V. i). Von diesen treten nun sofort Capillargefässe (c c) von der gesammten Peripherie des Acinus gegen die Mitte desselben vor. Sie sind relativ weit (10 — 14;-0 und bilden in radiärer Richtung längliche Maschen, zwischen denen allemal (d d) eine Reihe zusammen- hängender Leberzellen („Leberzellenbalken") eingelagert ist. Die Capillaren liegen lobulares. [§• 176.] Bau der Leber. 325 Ver,ae centrales. 1 Leberzelle im Hungerzu- stande, — 2 mit Glycogen- massen angefüllt, — 3 eine Leberzelle von Gallencapil- laren umgeben. Leber- Arterie. hierbei so, dass sie an den Kanten der Zellenreihen (nie zwischen den Flächen zweier benachbarter) entlang verlaufen. Der radiäre Verlauf der Capillaren bringt es nothwendig mit sich , dass dieselben im Centrum des Acinus zu dem Anfange eines grösseren Gefässes zusammenstossen müssen. Dies ist die — Vena centralis (Vena intralobularis (V. c), die nun ihrerseits an einer Stelle, quer das Läppchen durch- setzend, austritt und, an die Oberfläche gelangt, hier als Vena sublobularis (V. s) mit den gleichwerthigen Venae Gelassen benachbarter Acini zu grösseren Stämmchen sublobulares. sich vereinigt, welche (100 p. breit) die Wurzeln der Venae hepaticae darstellen. Die Stämme dieses mäch- tigen Venenwurzelstockes verlassen am stumpfen Leber- rande die Drüse. b) Verzweigungen der Arteria hepatica. — Die Schlagader der Leber befindet sich mit ihrer Verästelung in ihrem ganzen Verlaufe zunächst in Be- gleitung der (durchgehends dickeren) Pfortaderzweige, denen sie (sowie den be- nachbarten gröberen Gallengängen) Ernährungscapillaren abgiebt. Ihre Aeste haben unter einander vielfache anastomotische Verbindungen. Die sehr schmalen Capillaren treten meist von der Peripherie des Acinus her in die Capillaren des Pfortadersystemes ein (Fig. 103 i i). Diejenigen Capillaren der Arterie jedoch, welche noch im dickeren Bindegewebe an den gröberen Venen- und Gallengang-Aesten liegen (r r), gehen zumeist in je 2 Venenstämmchen über , welche (eine Strecke weit ihr entsprechen- des Arterienästchen begleitend) in Zweige der Pfortader einmünden (V. v.) (Ferrein . Einzelne Arterienzweige treten bis zur Oberfläche der Leber hervor , wo- selbst sie namentlich unter der Peritonealhülle ein weitmaschiges Emährungs- netzwerk bilden. Die sich von hier aus sammelnden Venenstämmchen gelangen gleichfalls zu Pfortaderästchen. 3. Die Gallengänge. — Die feinsten Gallengänge (Gallencapillaren) ent- Gallengänge. stehen vom Centrum des Acinus her, und ebenso im ganzen Binnenbereiche des- selben, als membranlose (1 — 2;j- dicke), sehr regelmässig anastomosirende, gerade verlaufende Röhrchen / Gerlack, Rudge u. A.). Sie bilden um j e d e Leberzelle eine (meist sechseckige) polygonale Masche (Fig. 104. 3). Die Röhrchen liegen fast stets in der Mitte derFlächen zweier benachbarter Leberzellen (Fig. 103- IL a) als echte Intercellulargänge /Hering). Beim Auseinanderfallen der Zellen durch IntereeUuläre Maceration verbleiben also den Zellen nur halbrinnenförmige Eindrücke auf ihren Gänge. Flächen ; [andere Forscher sprechen den Gallencapillaren selbstständige, structur- lose, zarte "Wandungen zu (Fritsch, Miura)\. Von den Gallencapillaren sah man sogar feinste Gänge in das Innere der Leberzelle eindringen und hier mit ge- wissen rundlichen Hohlräumen communiciren (Fig. 104. 3) (Asp} Pflügtr, Kttpffer, Pfeiffer). Da die Blutcapillaren auf den Kanten der Leberzellenreihen verlaufen, die Gallenröhrchen jedoch auf den Flächen der Zellen , so sind beide Röhrchen- systeme stets in einer entsprechenden Entfernung von einander (Fig. 105). Beim Menschen verlaufen mitunter auch einzelne Gallenröhrchen an den Kanten der Zellen, so dass dann dieselben als Intercellulargänge von 3 — 4 Zellen auftreten müssen ; diese Anordnung soll sogar in der embryonalen Leber die vorherrschende sein (Zuckerkand!, Toldt . Innerhalb des peripheren Rindentheiles des Acinus vergrössern sich die Interloluiäre wandungslosen Röhrchen durch Anastomosen benachbarter und verlassen sodann Ga'iengänge. den Acinus, um von nun an interlobulär (Fig. 103. g) sich mit den anstossenden vereinigend gröbere, vielfach anastomosirende ,'Asp) Gallengange zu bilden, welche fortan stets in Begleitung der Aeste der Arteria hepatica und der Vena portamm schliesslich ebenfalls mit einem Sammelrohr (Ductus hepaticus) die Leberpforte erreichen. Die feineren interlobulären Gallengänge besitzen eine structurlose Membrana propria mit einem niedrigen auskleidenden Epithel. Die gröberen (Fig. 106) zeigen eine, aus Bindegewebe und elastischen Fasern gewebte doppelte Haut, die iunere zugleich vornehmlich mit Blutcapillaren ausgestattet und ein einschichtiges Cylinderepithel tragend. Erst in den stärksten Aesten, sowie in der Gallenblase gestaltet sich die innere Lage zu einer selbstständigen Schleim- haut mit Submucosa. Glatte Muskelfasern tiuden sieh in einzelnen Zügen in den Hauptgängen, sowie in einer zarten Längs- und Circulär-Schicht in der Hallen- 326 Bau der Leber. [§• 176.] blase. In dieser ist die Schleimhaut mit zahlreichen Fältchen und Grübchen ausgestattet; das Epithel ist ein mit deutlichem Basalsaume versehenes ein- schichtiges Cylinderepithel mit zwischengelagerten Schleimbechern. Kleine, theils Blutgefäss Fig. 105. Durchschnittener feinster Gallengang Feinste Gallen- gänge Feinste Gallengänge Kerne der Leberzellen Blutcapillaren, feinste Gallengänge und Leberzellen in ihrem gegenseitigen Lage- verhältniss in der Kaninchenleber (nach E. Hering). Yasa aberrantia. Capsula Glissonii. Patho- logisches. Fig. 1G6. Kingfaser- schichte Cylinder- epithel mehr schlauchförmige, theils mehr acinöse, einfache Schleimdrüschen finden sich in der Schleimhaut der groben Gallengänge (Kölliker, RiessJ und der Gallenblase (v. Luschka). Vasa aberrantia — nennt man gewisse, an der Leberoberfläche wie ver- sprengt verlaufende Gallengänge , die zu keinem System von Leberläppchen gehören. Am scharfen Rande des linken Leberlappens und an den Furchen der Unterfläche liegen sie zumeist, und es hat den Anschein, als wäre das Parenchym der ursprünglich zu ihnen gehörenden Leberläppchen durch Druck dem Schwund anheimgefallen (Zucker- kandl £f Tuldt), 4. Das Bindegewebe — der Leber dringt als Umhüllung (Capsula Glissonii) der Gefässe in die Pforte ein und gelangt schliesslich mit elastischem Gewebe ge- mischt, zur Peripherie der Acini, woselbst es beim Schwein, Kameel und Eisbären eine deutlich nachweisbare Kapsel darstellt, beim Menschen jedoch nur wenig hervortritt. Aber auch bis in den Acinus hinein lassen sich zarte Elemente reticulären Bindegewebes und ein Netzwerk feiner Fäserchen (v. Fidschi, Kupffer) verfolgen, welche die Fixation der Elemente besorgen. Das Bindegewebe der Acini erlangt bei Säufern nicht selten eine be- trächtliche Vermehrung und kann durch seine Wucherung sogar den Inhalt der Acini durch Druck zur Verödung bringen (Lebercirrhose). In dem, so ver- dichteten , interacinösen Bindegewebe fand man neugebildete Gallengänge (Cornil, Charcot, Friedländer, Ackermann), ebenso in dem schwieligen Bindegewebe der Schnürleber. Inteiiobulärer Gallengang aus der Mensch enleber (nach /schenk). [§• 176.] Chemische Bestandtheile der Leberzellen. 327 5. Die Lymphgefässe — beginnen als pericapillare Röhrchen im Innern des Acinus (Mac Gillavry). Weiter verlaufen sie innerhalb der Wände der Lebervenen und der Pfortaderzweige, dann umspinnen sie die Venenzweige (v. Fidschi, A. Billige). Die, aus den intcrlobulären Bahnen sich sammelnden, grösseren Gefässe verlassen theils in der Porta , theils mit den Venae hepaticae, theils an verschiedenen Stellen der Oberfläche das Organ. An letzterer Stelle bilden sie ein enges Maschenwerk und ziehen durch die Ligamenta triangularia, das hepato-renale und Suspensorium hinweg. 6. Die Nerven — des theils aus Äcmak' sehen, theils aus markhaltigen Fasern des Sympathicus und Vagus zusammengesetzten Plexus hepaticus folgen den Verästelungen der Leberarterie. Ihrem Zuge im Innern des Organes finden sich Ganglien eingeschaltet. Die Nerven sind theils vasomotorischer Natur; nach Pflüger sollen andere Nervenfasern direct mit Leberzellen in Verbindung treten, ähnlich wie in den Speicheldrüsen (§. 149). Lymph- gefässe. 177. Chemische Bestandtheile der Leberzellen. Ein:eiss- korper. Das Glycogen. 1. Albuminate. — Das frische, weiche Leberparenchym reagirt alkalisch; nach dem Tode tritt eine Gerinnung unter Trübung des Zelleninhaltes ein, das Gewebe wird brüchig und nimmt allmählich saure Reaction an. Dieser Vorgang erinnert sehr an das Muskelgewebe und wird von einer myo sin artigen Eiweisssubstanz hergeleitet, welche während des Lebens löslich, nach dem Tode eine spontane Gerinnung eingeht (Plösz). — Ferner enthält die Leber einen bei 45° C, — einen anderen bei 70° C. coagulirbaren Eiweisskörper — ■ und einen in ver- dünnten Säuren und Alkalien wenig löslichen. Die Kerne ent- halten etwas Nu c lein (P/osz). Das Bindegewebe giebt Leim. 2. Das Glycogen, — (animalisches Amylum) 1,2 — 2,6% (Kratschmer), ein dem Inulin am nächsten stehender, in Wasser löslicher , schwer diffnndirender Körper , ein wahres Kohlehydrat (CL Bernard u. V. Hensen, 1857), 6(C6Hi0Oa) + H3O (Kiilz & Bornträger), welches in amorphen Massen die Kerne der Leberzellen umlagert (Fig. 104. 2) (Bock & Hoffmann) , jedoch nicht in allen Theilen der Leber gleich reichlich angetroffen wird {v. Wittich) . Durch Jod wird dasselbe , wie Inulin , tief roth gefärbt. [Vgl. §. 153. I, — §. 174. I, — §. 254. L] Nach der durch Kiih modificirten Methode von Brücke wird sofort nach Darstellung. dem Tode die grob zerschnittene Leber in siedendes "Wasser geworfen und eine halbe Stunde gekocht, dann zerdrückt mit Kalihydrat (auf 100 Gr. Leber 4 Gr.) versetzt. Auf dem Wasserbade lässt man eindampfen (auf das doppelte Gewicht des verwendeten Leberstückes), bis (in 3 Stunden) Alles gelöst ist. Nach dem Erkalten neutralisirt man mit Salzsäure und fällt das Ei weiss nebst dem Leim mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjodid. Nun tiltrirt man, (4mal muss nun noch der Niederschlag vom Filter genommen und mit einigen Tropfen Salzsäure und Kaliumquecksilberjodid in Wasser zum Brei angerührt und abfiltrirt werden) : Alles Glycogen ist nun im Filtrate, welchem mau unter Um- rühren das doppelte Volumen 96° 0. AI kohol zusetzt. Das nach 12 Stunden abgesetzte Glycogen bringt man auf's Filter, wäscht es mit 62° ,., dann mit absolutem Alkohol, mit Aether, abermals mit absolutem Alkohol und trocknet es bei 110° C. Als Mutterkörper — für das Glycogen der Leber sind sehr nudnng de* verschiedene bezeichnet: die Kohlehydrate der Nahrung (Pavy), — Fette (Olivenöl, Salovwn) , — Glycerin (van Deen, Weiss), — T aurin und Glycin [letzteres durch Spaltung in Glycogen und 328 Chemische Bestandteile der Leberzellen. [§. 177.] Harnstoff (Heynsius & Küthe)\ _ dieEiweisskÖrper (Cl. Bernard) und — Leim (Salomon). Sind die Albuminate die Ursprungsstoffe, so muss es aus einem abgespalteten N-losen Complex derselben her- vorgeben. Pßüger hält die Glycogenbildung aus Eiweiss für einen synthetischen Vorgang. Die im Eiweiss (wie in den Fettsäuren) vorkommende Molekülgruppe CH, muss durch Oxydation in CH OH verwandelt werden. Die den Bildungsprocess leitenden Zellen können aber auch diese Gruppe CH. OH, wo sie dieselbe bereits fertig vorfinden , wie im Zucker oder im Glycerin , ebenfalls verwenden. Dass somit das Glycogen aus Molekülen verschiedenartiger Herkunft entstehen kann, fiudet sein Analogon in der Bildung von Fett aus Kohlehydraten oder aus Eiweiss. [Ueber die Fettbildung aus Kohlehydraten. Vgl. §. 243- III.] Böhmann fand (Kaninchen) , dass durch Verabreichung von Asparagin oder kohlensaurem Ammoniak die Glycogenbildung bedeutend gesteigert wird. Die von Staddlmann nachgewiesene excessive Säurebildung im Diabetes (pg. 331) bindet das Ammoniak und setzt so die Glycogenbildung erheblich herab. Unterbindung des Ductus choledochus hat Abnahme des Glycogens in der Leber zur Folge (v. Wittich): es scheint nach diesem Eingriff die Leber die Fähigkeit, aus zugeführtem passenden Materiale Glycogen bilden zu können, ver- loren zu haben. Ander- Das Glycogen ist keineswegs allein auf die Leberzellen beschränkt, es weitiges fi^gt siCÜ in allen Geweben des Embryos, wie auch ganz junger Thiere Vorkommen ^Kiihnej^ ferner in den Eihüllen (Cl. Bernard). Im Erwachsenen trifft man es Glycogens. im Hoden (Kühne), in den Muskeln, (§§.295. 29ti) (Mac Donnel, O.Nasse). In manchen pathologischen Neubildungen, sowie in entzündeten Lungen (Kühne), im Eiter (Salomon), desgleichen in den Geweben niederer Thiere ist es erkannt (§. 254, III. 1). Einflüsse auf Werden zu den Eiweisskörpern der Nahrung grosse Mengen die Biuung. Amyluni) j^i^ Erucht-, Rohr-Zucker, Glycerin hinzugefügt, so steigt der Glycogengehalt der Leber sehr stark (bis 12°/0 beim Huhn), während reine Eiweisskost oder Fettkost ihn enorm herab- setzt, der Hungerzustand denselben sogar fast völlig unterdrückt {Pavy & Tscherinoff). Einspritzung von Zucker oder Glycerin in eine Mesenterialvene eines hungernden Kaninchens macht die glycogenfreie Leber wieder glycogenhaltig (Nannyn). Kaninchen, deren Leber durch Hunger glycogenfrei geworden ist, zeigen nach Einbringung von Rohr-, Milch- und Trauben-Zucker, Maltose, Amylum in den Tractus [nicht von Inosit (Külz) oder Mannit (Luchsinger)] neues Glycogen in der Leber. Forcirte Muskelbewegung macht die Leber der Hunde schnell glycogenfrei. Abkühlung setzt den Glycogengehalt herab. In der todtenstarren Leber findet sich Dextrin und Traubenzucker (Limpricht, Külz), Glycogen findet sich daneben noch längere Zeit nach dem Tode in der Leber und auch in den Muskeln. Wird Glycogen in das Blut eingespritzt, so erscheint Achroodextrin im Harne, daneben gelöster Blutfarbstoff, da Glycogen rothe Blutkörperchen aufzu- lösen vermag (Böhm, Hoffmann). Seine Unter normalen Verhältnissen wird während des Lebens ^Zucker!1 das Glycogen in der Leber — [wenn überhaupt (Pavy, Ritter, Eulenburg)] — dann jedenfalls nur in sehr geringen Mengen in Traubenzucker verwandelt. Der normale Zuckergehalt des Blutes beträgt 0,5 — 1 pro mille, das Lebervenenblut enthält etwas mehr. Reicherer Umsatz in Zucker findet erst statt bei erheblichen Circulationsstörungen in der Leber, wobei dann das Blut der Lebervenen stärker zuckerhaltig wird. Ebenso erleidet schnell nach dem Tode das Glycogen diese Umwandlung, so dass die Leber stetig zuckerreicher und glycogenärmer ge- funden wird. [§• 177.] Die Zuckerharnruhr. 329 Das , hierzu notliwendige , wirksame Ferment lässt sich aus einem Auszuge der Leberzellen (nach dem. für die Ptyalindarstellung üblichen Verfahren) gewinnen : doch soll es Di^^es nicht in den Leberzellen gebildet werden, sondern nur sehr schnell aus dem Blute hier zur Ablagerung gelangen, innerhalb dessen stets das Ferment mit Schnelligkeit sich bildet, sobald die Bewegung desselben eine erheblichere Störung erfährt (Ritter, Schiff). Umwandelndes Ferment entsteht auch bei der Auflösung rother Blutkörperchen (Tiegel) ; und da nun innerhalb der Leber eine stetige, geringe Einschmelzung rother Blutkörperchen sicher angenommen werden muss (§. 14), so ist hiermit eine Quelle von Fermentbildung gegeben, wodurch geringe Zuckermengen in der Leber fortwährend erzeugt werden. Nach Seegen Lüdet sich der Leberzucker aus Pepton (oder vielmehr ein Korper, aus welchem Salzsäure Zucker abspaltet). Nach diesem Forscher enthält das, aus der Leber abfliessende Blut (der Yv. hepaticae) doppelt so viel Zucker (0,23u/0), als das in dieselbe einfliessende (0,119° V,). Die Beobachtungen an Hunden ergaben, dass die Leber so an das durchströmende Blut innerhalb 24 Stunden bis über 400 Gr. Zucker abgiebt. Hiernach müsste (beim Fleischfresser) der grösste Theil des C der Fleischnahrung in Zucker übergehen, und es wäre demnach die Bildung des Zuckers in der Leber (und dessen Umsetzung im Blute, oder in den, von dem Blute durchströmten Organen) eine sehr wichtige Function des Stoff- wechsels. Seegen ist ferner der Ansicht, dass das Leherglycogen an der Zucker- Lildung in der Leber keinen Antheil hahe. 3. In den Leberzellen sind ferner beobachtet Fette — als Tröpfchen in den Leberzellen, sowie frei in den Gallengängen, zumal bei fettreicher Nahrung [reichlicher bei Säufern und Schwindsüchtigen] : Oiei'n, Palmitin, Stearin, ferner flüchtige Fettsäuren und Fleischmilch- säure, - — Spuren Cholesterin, das noch wenig bekannte , reducirend wirkende N-, P- und S-haltige Jecorin (Drechsler), endlich geringe Mengen von Harnstoff, Harnsäure, — [Leucin und Tyrosin (? G-uanin), Sarkin, Xanthin, Cystin pathologisch bei Zersetzungskrankheiten]. 4. Von den unorganischen Bestandtheilen — fand Anorganische man in menschlicher Leber: Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan ; — Chlor, Phosphorsäure, Schwefelsäure, Kohlen- säure, Kieselsäure; (Kupfer, Zink, Blei, Quecksilber, Arsen sind zufällig hier deponirt gefunden). Sonstige organüche Körper. 178. Die Zuckerliarnrnlir. Die Bildung grosser Mengen von Traubenzucker durch die Leber und damit der Uebertritt desselben in das Blut (pg. 74) und in den Harn (Glyeo- surie, Diabetes mellitus, Zuckerharnruhr §. 269), ist mit den erwähnten normalen Verhältnissen in Verbindung gebracht worden. Leberexstirpation (heim Frosche) (Moleschott) oder Zerstörung der Leberzellen [fettige Entartung durch Vergiftung mit Phosphor oder Arsenik fSalkowski, ] lassen die Erscheinung nicht zu Stande kommen. Sie tritt einige Stunden lang nach der Verletzung einer ganz bestimmten Stelle (Centrum der Lebervasomotoren) am Boden des unteren T heiles der Rautengrube auf Cl. Bernard' s Zuckerstich, Piqüre), ferner nach Durch- schneidung der vasomotorischen Bahnen im Rückenmark von oben abwärts bis zum Austritte der Lebernerven , nämlich bis zum Lendentheile, beim Frosch bis zum 4. Wirbel (Schiff . [§. 373.] Eine jede Durch sehn ei düng oder Lähmung der vasomo- torischen Leitun gs bahne u von dem Centrum bis zur Leber hin hat also Melliturie zur Folge. Es verlaufen jedoch nicht alle Bahnen Der Zuckerstic'i und die der Leber- Vasomotoren. /'ie Leber- hyperiim .'■ wirkt n bilden'!. 330 Die Zuckerhamruhr. [§• 178.] Wirksame Xerven- bahuen. Diabetes erzeugende Gifte. allein durch das Rückenmark. Eine Anzahl vasomotorischer Leberfasern verlassen nämlich schon höher das Rückenmark und treten weiterhin in der Bahn des Sympathicus zur Leber. So hat schon die Zerstörung des obersten (Pavy), sowie des untersten Halsganglions und des ersten Brustganglions (Eckhard), der Bauch- ganglien (Klebs, Munk) , oft auch des Splanchnicus (Hensen, v. Graefe) Zucker- harnen zur Folge. Die gelähmten , erweiterten Gefässe machen die Leber sehr blutreich, der Blutstrom ist in derselben verlangsamt. Diese Störung der Circula- tion bewirkt einen grossen Zuckerreichthum der Leber , da das Blutferment nun Zeit hat, auf das Glycogen umsetzend einzuwirken. [Durch Reizung des Sym- pathicus am letzten Hals- und ersten Brust-Ganglion ziehen sich die Lebergefässe an der Peripherie der Acini unter Erblassen zusammen (Cyon, Aladoff))\ Merk- würdig ist , dass vorhandene Melliturie durch Durchschneidung der Nn. splanch- nici aufgehoben werden kann. Dies erklärt sich dadurch, dass die kolossale, nach dieser Operation eintretende Eingeweidehyperämie die Leber blutarm macht. Auch eine Reihe von Giften — ■ welche die Lebervasomotoren lähmen, bewirken in gleicher Weise Diabetes : Curare (bei nicht unterhaltener künstlicher Respiration) (§. 269), CO (§. 21), Amylnitrit, Orthouitrophenylpropionsäure und Methyldelphinin , weniger constant Morphin , Chloralhydrat u. A. (v. Frerichs). Aehnlich wirken a,uch mitunter die tox; sehen Noxen mancher Infectionskrank- heiten. — Aber auch Blutstauungen anderer Art in der Leber scheinen Zueker- harnen zu veranlassen , z. B. nach mechanischen Reizungen der Leber. Hierher gehört wohl auch das Auftreten desselben nach Einspritzen diluirter Salzlösungen in das Blut (Bock, Hoffmami), wobei die Formveränderungen rother Blutkörperchen stauungserregend wirken. Auch die Erscheinung, dass wiederholte Aderlässe das Blut zuckerreicher machen , erklärt sich vielleicht aus der Circulationsverlang- samun g. Auch andauernde Reizungen peripherer Nerven können durch reflec- to rische Einwirkung auf das Centrum der Lebervasomotoren wirksam sein. Durch Reizung des centralen Vagusstumpfes wird mitunter ein Auftreten von Zucker im Harn beobachtet (Cl. Bernard, Eckhard, Küh, Landois &* Lobeck), ebenso nach Reizung des centralen Depressorstumpfes (FilehneJ. Selbst die Durchschneidung und centrale Reizung des Ischiadicus lässt Zucker im Harne erscheinen (Schiff, Küh, Böhm 6° Hoff mann, Fronitig) : so erklärt sich auch das Auftreten von Zucker im Harn bei Ischias und vielen anderen Nervenleiden. Nach Schiff soll sogar Blutstagnation in beliebiger umfangreicher Körper- region die Fermenten twicklung im Blute so steigern , dass Diabetes entstünde. Dahin mnsste denn auch jene Glycosurie gerechnet werden, welche nach Com- pression der Aorta oder der Pfortader entstellt , (doch wird hier vielleicht der ausgeübte Druck wirksame Nervenbahnen lähmen). Nach Eckhard soll auch eine Verletzung des Wurms am Kleinhirn der Kaninchen Diabetes bewirken. — Auch beim Menschen können Arfectionen der vorbenannten Nerventheile hochgradige Zuckerharnruhr hervorrufen. — Zur Erklärung der letzten Ursache dieser des Diabetes, Erscheinungen hat man auf verschiedene Gründe hingewiesen. a) Es kann das Leberglycogen nunmehr ungehemmt in Zucker umgesetzt werden, da aus der, in ihrer Bewegung darniederliegenden Blutmasse Ferment an die Leberzellen übertragen werden kann (siehe oben). So ist das normal funetio- nirende vasomotorische System der Leber und namentlich dessen Centrum am Boden der Rautengrube in gewissem Sinne ein „Hemmungs System für die Zucker- bildung" zu nennen. b) Wenn man annimmt, dass unter normalen Verhältnissen fortwährend eine, wenn auch nur geringe Menge Zuckers von der Leber her dem Blute durch die Lebervenen zufliesst, so könnte man auch den Diabetes erklären, als auf dem Wegfall derjenigen Umsetzungen beruhend (gestörte Verbrennung des Zuckers im Blute), welche diesen Zucker unter normalen Verhältnissen fort und fort aus dem Blute beseitigen. In der That fand man geringeren Verbrauch an 0 bei Diabetikern (v. Pettenkofer äf v, Voit) neben gesteigerter Harnstoffbildung. Es giebt thatsächlich diese zweite Art des Diabetes, welche darin besteht, dass das Individuum die Fähigkeit verloren hat, den gebildeten Zucker im Körper zu verbrennen. Dies bewirkt das Phloridzin, welches auch kohlehydratfreie Thiere diabetisch macht. Hier muss der Zucker aus Eiweiss entstanden und nicht weiter verbrannt sein (v. MeringJ. Charakteristik!! für die Diabetiker ist das enorme Bedürfniss an Speise und Trank neben den Zeichen der Consumption der Körpergewebe. — Nicht Zwei Arten [§• 178.] Bestandtheile der Galle. Schleim und Gallensäuren. 331 selten beobachtet man in hochgradigen Fällen ein kollap susartiges Coma, Coma welches auch als diabetisches bezeichnet wird , während dessen der Athem &<«>etieim. oft nach Aceton riecht und letzteres im Harne nachgewiesen werden kann (Peters) (§. 269). Aber weder das Aceton (§. 264) , noch auch dessen Vorstufe, die Acetessigsäure [erkannt durch Röthung des Harns nach Zusatz von Eisenchlorid (v. Jaksch/\ , nach deren Verabreichung der Harn viel Aceton ent- hält, sind, wie directe Fütterungsversuche lehrten, die Ursache jenes Comas (v\ Frerichs &* Briegerj ; vielleicht ist es die Folge einer übermässigen Säure- bildung im Körper, also eine Säure-Intoxikation (Stadelmavn . Zur Neutra- lisirung der Säure findet im Körper eine gesteigerte Ammoniakausfuhr statt (Hallervordcn) (pag. 328). — Die Harncanälchen zeigen oft die Zeichen der Coagula- tionsnecrose, die sich durch ein helles und gequollenes Aussehen der abgestorbenen Zellen der Harncanälchen zu erkennen giebt (Ebstein I; v. Frerichs fand ferner „glycogene" Degeneration in den JJenie' sehen Schleifen, an Leber, Herz, Leukocyten und in den Lungen. — Ueber den Harn des Diabetikers handelt §. 269. Eigen- schaften. Gallen- säuren. 179. Bestandtheile der Galle. Die Galle ist eine gelbbraun bis dunkelgrün gefärbte, durch sichtige Flüssigkeit, von süsslich stark bitterem Geschmack, schwachem moschusähnlichen Geruch , neutraler Reaction. Das speeifische Gewicht der menschlichen, aus der Blase entnommenen Galle ist 1'026 — 1*032, der aus einer Fistel gesammelten betrug l'OlO — rOll (Jacobsen). Ihre Bestandtheile sind: 1. Der Schleim , — welcher die Galle fadenziehend macht, ist das Product der Schleimdrüschen und der Becherzellen der Schleimhaut der Gallenwege. — Seine Eigenschaften siehe §. 252. 1. 2. Die beiden Gallensäuren : — Die Glycocholsäure und die Taurocholsäure , sogenannte gepaarte Säuren , mit Natron (in Spuren mit Kali) zu glycocholsaurem und taurocholsaurem Natron verbunden ; bitter schmeckend , rechts drehend. In menschlicher Galle (ebenso der Vögel, vieler Säuger und der Kaltblüter) ist die Taurocholsäure am reichlichsten vertreten, bei anderen (Schwein, Rind) die Glycocholsäure, [welche bei den Säuglingen ganz fehlt ( Jahtbotvitsck) ] . a) Die Glycocholsäure — (Lehmann) C20 H43 NOu zer- fällt durch Kochen mit Kalilauge oder Barytwasser oder mit verdünnten Mineralsäuren unter Aufnahme von H2 0 in : Glycin(= GIycocoll==Leimzucker==Amidoessigsäure)=C;J H. NOa -f- C holalsäure (auch Cholsäure genannt) =C..,4 H41 Ofi = Glycocholsäure + Wasser ~ =C.2G H,3 N06 + H.O. b) Die Taurocholsäure — C33 H45 NS07 , zerfällt bei gleicher Behandlung unter Aufnahme von H2 0 in : T aurin (= Amidoäthyl-Sclrwefelsäure) =C.t H7 NS03 -f- Chol al säure =C.,4 H40 0- = Taurocholsäure + Wasser =C.,6 H4. NS07 +H20 (Strecker). Darstellung der Galleitsäuren. — Die Galle wird auf ' \ ihres Volumens Darstellung. eingedampft, zur Entfernung der Farbstoffe mit Thierkohle zu einem Brei verrieben und bei 100° getrocknet. Die schwarze Masse wird mit absolutem Alkohol aus- gezogen, den man farblos abfiltrirt. Nachdem man einen Theil des Alkohols durch Abdampfen verjagt hat, schlägt in Ueberschuss hinzugesetzter Aether die gallen- sauren Salze anfangs harzartig nieder, die später in eine Krystallmasse 332 Bestandteile der Galle. Gallensäuren. [§. 179.] glänzender Nadeln übergehen : (Plattier1 s „krystallisirte Galle"). Die so gewonnenen Alkalisalze der Gallensäuren sind leicht in Wasser oder Alkohol löslich, unlöslich in Aether. Aus der Auflösung der beiden Salze schlägt neutrales essigsaures Blei die Glycocholsäure nieder (als glycocholsaures Blei) ; letzteres wird auf dem Filter gesammelt, in heissem Alkohol gelöst, durch H.2S wird Schwefelblei niedergeschlagen ; — nach Entfernung des Niederschlages be- wirkt Wasserzusatz das Ausfallen der isolirten Glycocholsäure. — AVird nach Ausfällung des glycocholsauren Bleies das obige Filtrat mit basisch essigsaurem Blei versetzt, so bildet sich ein Niederschlag von taurocholsaurem Blei, aus dem weiterhin in analoger Behandlung die freie Säure gewonnen wird (Strecker), zersetzungs- y0n den Zersetzungsproducten der Gallensäuren kommt der Gallen- das Gr 1 y c i n als solches nicht im Körper vor , sondern nur in der sauren. Qau_e -m Verbindung mit Cholalsäure, — im Harn in Verbindung mit Benzoesäure als Hippursäure (§. 262), — endlich im Leim in com- plicirter Bindung (pg. §. 174. II. §. 186. III.). Die Cholalsäure — ist rechtsdrehend, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol ; in Aether ist sie schwer löslich und scheidet sich daraus in Prismen ab. Ihre krystallinischen Alkalisalze sind leicht seifenartig in Wasser löslich. Sie wird durch Jod (Jodjodkaliumlösung) blau gefärbt (Mylius). Frei kommt sie nur im Darme vor (§. 184. 4). Die Cholalsäure wird in der Galle mancher Thiere ersetzt durch eine ver- wandte Säure, z. B. in der Schweinsgalle durch die Hyo-Cholalsäure (Strecker) ; in der Gänsegalle ist die Cheno-Cholalsäure vorhanden (Marsson, Roh. Otto). Nach Schotten enthält die menschliche Galle neben der Cholalsäure noch eine andere Säure: die Fellinsäure (Cj3 H10 04). Durch Kochen mit concentrirter Salzsäure oder trocken erhitzt auf 200° wird die Cholalsäure zum Anhydrit, nämlich : Cholalsäure = C24 H40 05 liefert: Cholo'idinsäure = G.u H38 0+ -f- H30 und dieses sodann wieder: _ Dyslysin _ = C,4 H86 03 = H^O. [Die Cholo'idinsäure ist jedoch nicht unwahrscheinlich nur ein Gemenge von Cholalsäure und Dyslysin. Das Dyslysin lässt sich mit Aetzkali geschmolzen zu cholalsaurem Kali zurückführen (Hoppe-Seyler) . Durch Oxydation geht aus der Cholalsäure hervor neben einer, noch nicht hinreichend bekannten, dreibasischen Säure ziemlich viel Oxalsäure, jedoch keine Fettsäuren (Cleve). /oflllThe ^*e Petteilkofer'sche Probe. — Die Gallensäuren, die Cholal- Gaiiensäure- säuren und ihre Anhydrite geben gelöst oder zertheilt in Wasser Probe. au£ Zusatz Von 2/3 concentrirter Schwefelsäure (tropfenweise, wobei die Flüssigkeit sich nicht über 70° C. erhitzen darf) und einiger Tropfen 10% • Rohrzuckerlösung eine purpurrothe, durch- sichtige Farbe, die bei E und F zwei Absorptionsstreifen im Spectrum zeigt (Schenk). Will man eine Flüssigkeit auf Gallensäuregehalt untersuchen, so muss stets vorher das Eiweiss aus derselben entfernt werden. Denn letzteres zeigt eine ähnliche Reaction wie jene. Doch ist die rothe Lösung hier nur durch einen Absorptionsstreifen ausgezeichnet. Sind nur geringe Mengen von Gallen- säuren vorhanden, so muss die Flüssigkeit zuerst durch Eindampfen eingeengt werden. Die Pettenkof er1 sehe Probe beruht auf der Bildung von durch Zucker und Schwefelsäure entstehendem Furfurol , welches mit den Gallensäuren sich roth färbt (Mylius). Statt Zucker kann daher mit Voftheil 0,l°/o Furfurolwasser zur Reaction genommen werden (v. Udransky). mögliche ~^e Entstehung der Grallensäuren geht in der Leber muung vor sich, da die Exstirpation der Leber keine Anhäufung von des\GureT~ GallenstofFen im Blute zur Folge hat (Johannes Müller, Kunde, Moleschott). [§• 179.] Bestandteile der Galle. Gallenfarbstoffe. 333 Gallen- farbstoffe. Bilirulin. Wie im Einzelnen die Bildung der N-haltigen Gallensäuren erfolgt , ist unbekannt. Es wird derselben Eiweissmatcrial zu Grunde liegen (vgl. pg. 335). (Reiche Eiweisskost steigert die Gallenabsonderung). Das Taurin enthält den S des Eiweisses ; die gallensauren Salze enthalten 4 — 6°,0 S fv. Voit). Wahrscheinlich betheiligt sich bei der Bildung das Material der, in der Leber aufgelösten, rothen Blutkörperchen. 3. Die G-allenfarbstoffe. — Die frisch secernirte Menschen- galle und die mancher Thiere hat eine gelbbraune Farbe , her- rührend von Bilirubin (Städeler) . Bei längerem Verweilen in der Blase, oder beim Stehen alkalischer Galle an der Luft ver- wandelt sich das Bilirubin durch O-Aufnahme in einen grünen Farbstoff, das Biliverdin. Dieser ist in der Galle der Pflanzen- fresser und der Kaltblüter von vornherein vorwiegend. Anthen fand unter Alex. Schmidt1 s Leitung, dass „über- lebende" Leberzellen das Vermögen besitzen, gelöstes Hämo- globin in ihren Zellenleib aufzunehmen und (bei Gegenwart von Glycogen) zum Theil in ein dem Gallenfarbstoff nahestehendes Pigment umzuwandeln. Die Gallenfarbstoffe sind: — a) Das Bilirubin, C32 H36 N4 06 — nach Städeler und Maly vielleicht an Alkali gebunden , krystallisirt in durch- sichtigen, fuchsrothen, klinorhombischen Prismen. Es ist un- löslich im Wasser, löslich in Chloroform, durch welches es von dem, darin unlöslichen, Biliverdin getrennt werden kann. Mit Alkalien verbindet es sich als einbasische Säure und ist so löslich. Es ist identisch mit dem H ä m a t o 'i d i n VirchouPs (siehe §. 25 und pg. 260, Fig. 81, b, sowie §. 268. I). Man stellt es am leichtesten aus rothen (Bilirubin-K alk-) Darstellung. Gallensteinen' dar, die zerrieben werden, und deren Kalk mit etwas Salz- säure gelöst wird; Schütteln mit Chloroform lässt dann das Bilirubin aufnehmen. — Die Abstammung des Bilirubin vom Blutfarbstoff ist wegen seiner Identität mit Hämatoidin nicht zu bezweifeln. Wahrscheinlich werden in der Leber rothe Blutkörperchen aufgelöst, deren Hämoglobin in Bilirubin umgewandelt wird. In normaler Hundegalle findet sich nicht selten ein Farbstoff von der Spectraleigenschaft des Methaemoglobins (§. 20. 2), welcher vielleicht den Ueber- gangskörper zwischen Blut- und Gallen-Farbstoff darstellt (Wertheimer 6° Meyer). b) Das Biliverdin — (He int z) — C32H3GN4Od — ist «*■»**. eine einfache Oxydationsstufe des vorigen, aus welchem es auch durch verschiedene oxydirende Processe gewonnen werden kann. Es ist in Alkohol sehr gut, in Aether sehr schwer, in Chloroform gar nicht löslich. Es findet sich in grosser Menge auf der Placenta des Hundes. Es ist bis jetzt nicht gelungen, dasselbe durch reducirende Stoffe in Bilirubin zurück zu ver- wandeln. Bilirubin und Biliverdin, welche ausser in der Galle sich rrCmfJin\ ti C l fx t z sehe mitunter auch in anderen Flüssigkeiten, zumal im Harne, finden, Gaiien/a,b- werden nachgewiesen durch die Gmeliu-Heiuts1 sehe Probe. Setzt stoffprot man der, sie enthaltenden Flüssigkeit einige Ccmtr. Salpeter- säure mit 1 Tropfen salpetriger Säure zu (man lässt sie in einem Spitzglase ohne zu schütteln vorsichtig vom Rande aus am Glase entlang laufen), so entstehen der Reihe nach Grün (Biliverdin) — Blau — Violett — Roth — Gelb. c) Stumpft man im Momente der blauen Färbung zur Verhinderung weiterer Oxydation die Säure ab , so bleibt das Umwandelungsproduct beständig. Es ist 334 Bestandtheile der Galle. Cholesterin. Salze. [§• 179.] Sydro- bilirubin. Cholesterin. das Bilicyanin (Heynsius, Campbell) in saurer Lösung blau (in alkalischer violett) gefärbt, welches zwei wenig begrenzte Absorptionsbänder bei D zeigt (JaffeJ. d) In Gallensteinen und fauler Galle ist noch in geringen Mengen gefunden Bilifuscin = Bilirubin -f- H.20. e) Ebendort auch das Biliprasin (Städeler) = Bilirubin + H^O -f- 0. f) Der , durch die dauernde oxydirende Einwirkung des Salpetersäure- geniisches auf alle Gallenfarbstoffe schliesslich erhaltene, gelbe Farbstoff ist das Choletelin (C]6 H18 N2 06) von Maly, amorph , in Wasser , Alkohol , Säuren und Alkalien löslich. (§. 268.) g) Das Bilirubin geht unter Aufnahme von H -f H2 0 ("durch Fäulniss , oder durch Behandlung alkalisch wässeriger Lösung mit dem stark reducirenden Natriumamalgam) in Malys Hydrobilirubin, C3 2 H40 N4 07 über, (in "Wasser nur wenig, leichter in Salzlösungen oder Alkalien, Alkohol, Aether, Chloro- form löslich), welches ein Absorptionsband beibF zeigt. Dieser Körper, welcher nach Hammarsten schon in der normalen Galle vorkommt, ist ein constanter Farbstoff der Faeces (= Sterko- bilin von Vaulair & Masius) (Maly). Auch ist er wahrscheinlich mit dem Harnfarbstoffe Urobilin von 7 äffe identisch (Stokvis) (Vgl. pg. 47 und §. 263. 1.) Nach Mac Munn ist ein Unterschied zwischen Hydrobilirubin und Urobilin vorhanden; derselbe betont die grosse Aehnlichkeit zwischen pathologischem Urobilin und Sterkobilin. 4. Das Cholesterin, — (§. 253. III. a) bildet glashelle, rhom- bische Tafeln (Fig. 81. d), ist unlöslich in Wasser, löslich in heissem Alkohol, in Aether oder Chloroform. Innerhalb der Galle wird es durch die gallensauren Salze in Lösung erhalten. Darstellung. Am einfachsten wird es aus sogenannten „weissen" Gallen- steinen dargestellt, (die nicht selten grossentheils aus fast reinem Chole- sterin bestehen) durch Kochen der zerriebenen mit Alkohol. Die sich, bei Ver- dunstung des Alkohols abscheidenden Krystalle färben sich mit Schwefelsäure Beaction. (ö. Vol. zu 1 Vol. Wasser) vom Bande aus roth (Moleschott), — durch Schwefel- säure und Jod (wie Cellulose) blau. — In Chloroform gelöst, bewirkt 1 Tropfen concentrirter Schwefelsäure tief rothe Färbung H. Schiff). — Mit tief weingelber alkoholischer Jodlösung benetzt , zeigen die Krystalle nach Schwefelsäurezusatz grüne, blaue und rothe Färbung. — In Eisessig gelöst bewirkt Zusatz von Schwefelsäure rosa, dann blaue Färbung (Liebermann). 5. Unter die sonstigen organischen Substanzen der Galle sind zu rechnen: — Lecithin (§. 28) oder dessen Zersetzungs- producte Neurin (sive Cholin) und Glycerinphosphorsäure , (in welche künstlich Lecithin durch Kochen mit Baryt zerlegt wird) ; — Palmitin, Stearin, Olei'n, sowie deren Natronseifen; — diastatischesFermentf 7acobson, v. Wittich) ; — Spuren von Harnstoff (Picard) — [in der Rindsgalle Essigsäure und Propionsäure verbunden mit Glycerin und mit Metallen (Dogiel)]. 6. Anorganische Bestandtheile der Galle (0,6 — 1%). Es sind: — Kochsalz, Chlorkalium, Calcium- und Magnesium-Phosphat und reichlich Eisen, letzteres schon in der frischen Galle die gewöhnlichen Eisen- reactionen gebend, so dass also Eisen in einer seiner O-Verbindungen in der Galle vorhanden sein muss (Kunkel); — endlich etwas Mangan und Kielererde. — Die frisch abgesonderte Galle enthält beim Hunde über 50, beim Kaninchen 109 Vol.-Procente CO., (Pflüger, Boguljubozu, Charles), theils an Alkali gebundene, theils absorbirte, welch' letztere innerhalb der Blase fast völlig resorbirt wird. Andere organische Bestände. Asche. [§• 180.] Absonderung der Galle. 335 Analyse der menschlichen Galle: — Wasser 82— 90 ','„, — g allen saure Q, Salze 6— ll°/0; — F ette und Seife 2° 0; — Cholesterin 0,4%; — Lecithin 0,5°/0 ; - Mucin 1— 3° „ ; — Asche 0,61u 0. Uebrigens geht wahr- scheinlich nicht verändertes Fett stets in die Galle über, wird aber später wieder daraus resorbirt (VirchowJ. Der Schwefelgehalt trockener Hundegalle ist 2.8 bis 3,l°/0, der N-Gehalt 7—10 |J „ Spiro) \ der Schwefel der Galle wird nicht zu Schwefelsäure oxydirt, sondern er erscheint in schwefelhaltigen Verbindungen im Harn (Kunkel, v. Voit) (vgl. §. 264. II). uantttalive Zusammin- setzung der Galle. 180. Absonderung der Galle. 1 . D i e Absonderung d e r G a 1 1 e — ist keine blosse Fil- ^""^; tration bereits fertiger Stoffe aus dem Blute durch, die Leber, seeraum. sondern eine, mit Oxydation verknüpfte, chemische Produktion der charakteristischen Gallenstoffe in den Leberzellen, die dabei während der Verdauung eine histologische Veränderung erkennen lassen (Heidenhain & Kays er) und denen das Blut der Drüse nur das Kohmaterial giebt. Sie findet continuirlich statt; hierbei wird sie theilweise zunächst in der Blase aufgespeichert und zur Zeit der Verdauung reichlicher ergossen (Kölliker, H. Müller, Bechamp). Die höhere Temperatur des Lebervenenblutes (§. 211. 1. a), sowie der grosse C02-Reichthmn der Galle (Pflüger) deuten auf Oxydation in der Leber. Selbst das Wasser der Galle wird nicht einfach abfiltrirt, da der Druck in den Gallengängen den Pfortaderdruck übersteigen kann. Bei entleberten Thieren (Vögeln findet keine Bildung von Gallenbestandtheilen statt. - Die unter Leitung von Alex. Schmidt angestellten Versuche von Kalimeyer haben das interessante Resultat geliefert . dass frischer „überlebender" Leberzellenbrei aus einer Vermischung von Hämoglobin und Glycogen Gallensäuren erzeugt und dass ein Zusatz von Soda oder von Serum diese Bildung begünstigt. 2. Die Menge der Galle. — Copemann&r Winston sahen bei einer kleinen Frau mit Gallenblasenfistel (bei welcher der Ductus choledochus vollständig verschlossen war . so dass gar keine Galle in den Darm fliessen konnte) 7ü0 — 800 Ccmtr. in 24 Stunden. Im Durchschnitt soll die Menge 1290 Ccmtr. pro Tag bei einem Körpergewicht von 70 Kilo betragen. Aeltere Angaben lauten : 533 Ccm. (v. Wittich), 453— 566 Gr. (Westphalen) \ 652 Ccm. (Ranke) in 24 Stunden. — Analoge Werthe für T liiere sind: — 1 Kilo Hund 32 Gr. (1,2 feste Stoffe), (Kölliker, H. Müller — 1 Kilo Kanin- chen 137 Gr. (2,5 feste Stoffe): — 1 Kilo Meerschweinchen 176 Gr. (5,2 fcslc Stoffe) (Bidder &■* Schmidt). ' 3. Der Abfluss der Galle in den Darm — zeigt während einer Verdauungsperiode zwei Maxima: um die 2. bis 5., sowie um die 13. bis 15. Stunde nach der Mahlzeit. Die Ursache liegt in einer reflectorischen Anregung zugleich auch der Leber- gefässe, die sich dann stärker füllen. 4. Der Einfluss der Nahrung — ist sehr auffallend. Die reichste Secretion zeigt sich nach Fleisehgenuss mit einigem J/enfie. Xahrunps- Einrluss. Fettzusatz, - - geringere nach Pflanzennahrung. sehr geringe beim puren Fettgenuss ; — im Hungerzustande sistirt sie. Wasser- trinken vermehrt die Menge unter gleichzeitiger relativer Ver- minderung der festen Bestandtheile. 336 Absonderung und Ausscheidung der Galle. [§. 180.] Einfluss der 5. Der Einfluss der Blutbewegung — ist von ver- schiedener Wirkung. a) Reichliche und möglichst schnelle Durchströmung wirkt am vortheil- haftesten für die Absonderung. Hierbei kommt der herrschende Blutdruck nicht in erster Linie in Betracht; denn die Ligatur der Cava inferior oberhalb des Zwerchfelles, wodurch in der Leber der höchste Stauungsblutdruck sich entfaltet, sistirt die Secretion (Heidenhain) . b) Gleichzeitige Unterbindung der Leberarterie (Durchmesser 5l/2 Mm.) unl zugleich der Pfortader (Durchmesser 16 Mm.) vernichtet die Gallenabsonderung (Röhrig). Beide zusammen liefern das Rohmaterial zur Gallenbildung. c) "Wird die Leberarterie unterbunden, so unterhält die Pfortader die Ab- sonderung allein (Simon, Schiff, Schmule-witsch, Asp). Nach Kottmeier, Beiz, Cohn- heim äf Litten soll weiterhin die Unterbindung der Arterie oder eines Astes der- selben die Necrose der versorgten Theile, event. der ganzen Leber zur Folge haben, da die Arterie das Ernährungsgefäss der Leber ist. d) "Wird der, für einen Leberlappen bestimmte Pfortaderast unterbunden, so findet in diesem Lappen nur noch eine geringe Absonderung statt durch die " Arterie (Schmule-witsch , Asp). Völlige Unterbindung der Pfortader tödtet sehr schnell. Es hat also somit weder die alleinige Unterbindung der Leberarterie (Schiff, Betz), noch auch die alleinige allmähliche Obliteration (Ore, Osler) der Vena portarum Sistirung der Absonderung zur Folge. Es tritt nur Vermin- derung ein. Die Beobachtung, dass nach plötzlicher Ligatur der Pfortader die Absonderung stockt, ist so zu erklären, dass neben der Verminderung der Ab- sonderung noch dazu die enorme Blutanstauung in den Unterleibsorganen nach dieser Operation die Leber sehr blutarm, also zur Secretion ungeeignet macht. e) "Wird direct das Blut der Leberarterie in die Bahn der (peripherisch unterbundenen) geöffneten Pfortader geleitet, so dauert die Absonderung fort (Schiff). f) Profuse Blutverluste machen die Gallenbildung eher aufhören, als die muskulösen und nervösen Apparate functionsunfähig werden. Reicher Blutstrom zu anderen Organen (z. B. zu den Rumpfmuskeln bei starker Arbeit) vermindert die Absonderung. Transfusionen grösserer Blutmengen vermehren stets die Gallen- bildung (Landois), nur zu hoher Druck in der Pfortader durch Einleitung des Carotisblutes eines anderen Thieres in dieselbe beschränkt sie (Heidenhain). Nerven- g) Einfluss der Nerven : — Alle Eingriffe , welche die arteriellen Gefässe Einfluss. — (normale Hunde an 99° 0) — (v. Voit). Der Chylus solcher Thiere ist dem- zufolge sehr fettarm, nicht weiss, sondern durchsichtig; — die Excremente jedoch sind um so fettreicher und schmierig. Die Thiere sind sehr gefrässig (Nasse) -r die Gewebe des Körpers zeigen eine grosse Fettarmuth, selbst dann, wenn die Ernährung der Thiere im Allgemeinen nicht sehr gelitten hat. — Bei Menschpn, die an Störungen der Gallenabsonderung oder an Leberleiden erkranken , ist aus diesem Grunde von einer reichen Fettverwendung in den Nahrungsmitteln abzustehen. B) Frische Galle enthält etwas diastatisches, Stärke und Glycogen in Zucker umwandelndes Ferment (Nasse, Jacobson, v. Witt ich, Bufalini). C) Die Galle wirkt anregend auf die Musku- latur des Darmes und trägt somit auch zur Resorption überhaupt bei. 1. Sie bewirkt vielleicht durch ihre, als Reizmittel wirkenden Gallensäuren, dass die Muskeln der Zotten sich von Zeit zu Zeit contrabiren, wodurch dieselben den Inhalt ihrer Lymphräume nach den grösseren Lymphstämmen hin entleeren, und so im Stande sind, wieder neue Mengen zu resorbiren (Schiff). 2- Auch die Muskulatur der Darmwandungen selbst scheint eine Anregung zu erfahren, wahrscheinlich durch Vermittlung des Plexus myentericus. Hierfür spricht, dass bei Gallenhstelthieren und bei Verstopfung der Gallenwege die Darmperistaltik sehr daniederliegt, — sowie dass gallensaure Salze, per os verabreicht, Durchfall und Erbrechen bewirken (Leyden, Schülern). Da aber die Darmcontractionen zur Resorption beitragen , so ist auch in dieser Beziehung die Galle zur Aufnahme der gelösten Nährstoffe thätig. [§■ 183.] Wirkung und Schicksal der Galle im Darmcanal. 341 D) Die Gegenwart der Galle scheint auch für die normale vitale Thätigkeit der Darmepithelien bei ihrer Aufnahme der Fettkörnchen förderlich zu sein (v. Thanhoffer , Rölimann (Vgl. §. 191). E) Die Galle bewirkt durch ihre reichliche Ergiessung den hinreichenden Wassergehalt der Faeces , so dass sie leicht entleert werden können. Gallenfistelthiere und Menschen mit verstopften Gallenwegen sind sehr hartleibig. Dazu bedingt noch der schlüpfrige Schleim der Galle ein leichteres Fort- rücken der Ingesta durch das Darmrohr. F) Die Galle schränkt die faulige Zersetzung des Darm- inhaltes ein (Bidder & Schmidt), zumal bei Fettkost (Röhmann, v. Voit). G) Beim Eintritt der stark sauer reagirenden Massen des Mageninhaltes in das Duodenum wird die Glycocholsäure durch die Magensäure gefällt und reisst das Pepsin mit nieder (Burkart). Es findet ferner Fäll u n g statt des etwa noch gelösten Eiweisses und des Leimes (nicht der Peptone und Propeptonej durch die Taurocholsäure (Maly & Etnüh), (durch die Magen- säure wurden die gallensauren Salze vorher zerlegt). Wird nun aber durch den pancreatischen . den Darm-Saft und das Alkali der, aus den gallensauren Salzen abgespaltenen Basen das Ge- misch wieder alkalisch, so treten nun die Pancreasfermente ener- gisch in Action (Moleschott). Wenn Galle, etwa beim Erbrechen, in den Magen tritt, so ver- bindet sich die Säure des Magensaftes mit den Basen der galleusauren Salze. Es entstehen also vorwiegend Chlornatrium und freie Gallensäuren. Dabei wird die saure Eeaction abgestumpft. Die Gallensäuren sind als Säuren (statt der nun gebundenen Salzsäure) nicht wirksam für die Magenverdauung Ipag. 311): die Neu- tralisation bewirkt auch F all ung des Pepsins und Mucins. Sobald jedoch die Wandung des Magens neue Säure absondert, geht das Pepsin wieder in Lösung. Die, in den Magen eintretende Galle wirkt auch dadurch störend auf die Magen- verdauung, dass sie die Albuminate stark schrumpft, welche nur bei Quellung peptonisirt werden können (pg. 315). Durch- feuchtung der Ingesta. Fäulniss- "idrige Wirkung. Galliges Erbrechen. 184. Endliches Schicksal der Galle im Darmcanal. Von den Gallenbestandtheilen werden einige mit den Exerementen völlig entfernt, andere wiederum von den Darm- wandungen resorbirt. 1. Das Mucin tritt unverändert in die Faeces über. 2. Die Gallenfarbstoffe werden stark reducirt und theils als Hydrobilirubin mit den Faeces entleert (§. 179. theils als dasUrobilin durch den Harn (§. 263\ Im Meconium fehlt das Hydrobilirubin, dagegen findet siel Bilirubin und Biliverdin Zweifel) neben einem unbekannten rothen Oxydationsproducte derselben. Es gehen daher im Fötusdarme keine Reduetions-, sondern Oxjdations- Processe vor sich Hoppe-Seyler). 3. Cholesterin wird gleichfalls mit den Faeces entleert. 4. DieG-allensäuren \v erde nzumgrösstenT heile v o n de n W änden des J e j u n u m s und Heu m s wieder resorbirt und im Haushalte des Körpers aufs Neue verwendet. 5 -\'ei»\. Cholesterin . i, allen- säuren. 342 Schicksal der Galle. Der Dannsaft. [§. 18 1J Tappeiner fand sie im Chylus des Ductus thoracieus ; geringe Mengen gelangen vom Blute aus in den normalen Harn (ij. 268). Nur ein geringer Theil Grlycochol säure erscheint unverwandelt in den Faeces. Die Tauroch ol säure wird jedoch im Darm, soweit sie nicht resorbirt wird, durch Fäulnissprocesse leicht in Cholal- säure und T aurin zerlegt; erstere wird in den Faeces ange- troffen, letzteres nicht constant. Die Cholalsäure wird aber auch zum Theil wieder resorbirt und kann sich in der Leber wieder mit Grlycin oder mit Taurin paaren (A. Weiss). Da im Fötaldarm die Fäulnisszersetzungen fehlen, so findet sich auch demgemäss im Meconium unveränderte Taurochol-äure (Zweifel). Die Anhydritstufe der Cholalsäure (die künstlich dargestellte Cholo'idin- säure? und) das Dyslysin ist nur ein Kunstproduct und kommt in den Faeces- nicht vor (Hoppe-Seyler). 5. Von Lecithin enthalten die Faeces gewiss nur Spuren ( Wegscheider, Bokay) . Ernährung Da somit der grösste Theil der 'wichtigsten Gallenbestandtheile, die Gallen- ie\ Gallfn' säuren , in das Blut zurückgeführt werden , so ist es erklärlich , warum Thierer denen durch eine Gallenfistel alle Galle verloren geht (ohne dass sie dieselbe ab- lecken), ganz bedeutend an Gewicht abnehmen. Es rührt dies einmal von der gestörten Fettverdauung her, dann aber auch von dem directen Verluste der sonst verwertheten Gallensäuren. Sollen sich Hunde dennoch auf gleichem Körpergewicht erhalten , so müssen sie sogar bis gegen das Doppelte ihrer Nah- rung verzehren. Hierbei sind ihnen statt Fett Kohlehydrate, als Ersatz derselben, besonders dienlich. Sind ihre Verdauungswerkzeuge im Uebrigen nur intact, sc- können sie bei ihrer meist enormen Gefrässigkeit sogar an Gewicht zunehmen. Aber hierbei vermehrt sich nur ihr Fleisch, nicht ihr Fett. Die Gaue Jjer Umstand, dass während der Fötalperiode Galle abge- ' Auswurfs- sondert wird, während keiner der anderen Verdauungssäfte sich stoff' bildet, weist darauf hin , dass die Galle theilvveise ein , durch die regressive Stoffmetamorphose erzeugter , und zur stetigen Abscheidung bestimmter Auswurfsstoff ist. Schicksal^ von Die Cholalsäure, welche von der Darmwandung resorbirt wird, gelangt in Cae2!r*' dem KörPer wonl schliesslich zur Verbrennung zu C0.2 und H,0. — Das Glycin giebt (neben Hippursäure ) zur Bildung von Harnstoff Veranlassung, da nach Ein- geben dieser Substanz der Harnstoff sehr zunimmt (Horsford, Schultzen, Nencki). Das Schicksal des Taurins ist nicht bekannt: grössere Mengen dem Magen des Menschen einverleibt , kommen hauptsächlich als Taurocarbaminsäure im Harne wieder zum Vorschein, neben geringer Menge unveränderten Taurins. Subcutan Kaninchen injicirt, erscheint es fast ganz im Harn. 185. Der Darmsaft. Der Darm des Menschen ist lOmal länger, als die Körperlänge vom Scheitel bis zum After. Hierin gleicht er dem der früchte-fressenden Affen: er ist ver- hältnissmässig länger, als der der Omnivoren (Henning). Im Minimum misst er 507, im Maximum 1149 Cmtr. in der Länge; seine Capacität ist bei Kindern relativ am grössten (Beneke). Der Succus entericus ist die, von den zahlreichen Drüsen der Darmschleimhaut abgesonderte Verdauungsrlüssigkeit Die grösste Menge desselben liefern die Lieberkülin sehen Drüsen ; oben im Duodenum wird dazu das spärliche Secret der kleinen, traubenförmigen Brunner sehen Drüsen ergossen. Brunner- Die B r u n n e r'schen Drüsen — besitzen längliche Acini, ihre cylindrischen sehe Drüsen. Zellen gleichen denen der Pylorusdrüsen. Während des Hungerzustandes sind die [§• 185.] Der Darmsaft. 343 Zellen trübe und klein , -während der Verdauungsthätigkeit gross und kell. Die Drüsen erhalten Nervenfäden aus dem Meissner sehen Sehleimhautplexus (Drasch). I. DasSecret der Brunner'' sehen Drüsen. — Der meist körnchenreiche Inhalt der Secretionszellen dieser Drüschen, welche beim Menschen nur vereinzelt, beim Schafe jedoch in continuir- licher, dicker Schicht am Duodenum angetroffen werden, besteht ausser aus Albuminstoffen aus M u c i n und Fermentsub- stanzen unbekannter Katar. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Drüsen dem Pancreas sehr nahe stehen, vielleicht geradezu Fig. 107. Bindegewebsschichte — * Zotten mit Cylinder- epithel bedeckt Lieberkiihn'sche Drüsen Muscularis mucosae Gehäufte Lyrnphfollikel Muscularis circularis • M usciüaris longitudinalis Längsschnitt durch den Dünndarm des Hundes so als versprengte Pancreasabschnitte zu betrachten sind. Hierfür spricht auch ihre Wirksamkeit. Der mit Wasser bereitete Auszug bewirkt: — 1. Auflösung von Albuminstoffen \ ei Körpertempe- ratur (Krolow), — 2. derselbe besitzt ausserdem (?) diastatische Wirkung. — Das Secret scheint auf die Fette unwirksam zu sein. Es muss besonders daran erinnert werden, dass wegen der Kleinheit der Drüschen, die einzeln mit der Lupe von der unteren Darmschleimhautfläche ab- gelesen werden müssen , die Verdauungsversuche immer mit grossen Schwierig- keiten zu kämpfen haben. 344 Der Darnisaft. [§• 185.] Lieb ei- le ii h n'sehe Drüsen. Anlegung einer Darmfistel. Die Li e b e r k ii h n'schen Drüsen — sind einfach-schlauchförmige Drüsen, einem Handsclrahfinger ähnlich, welche dicht neben einander in der Darnischleim- haut, und zwar am reichlichsten in der des Dickdarmes (wegen des Fehlens der Zotten) vorkommen. Sie besitzen eine strncturlose Membrana propria und eine einschichtige , cylindrische Zellenauskleidung , zwischen denen auch Becherzellen vorkommen , spärlich im dünnen , sehr reichlich im dicken Gedärme ; die Dünn- darmdrüsen liefern vorwiegend dünnes Secret, die des Dickdarmes aus ihren zahl- reichen Bechern zähen Schleim (Heidenhain & Klose). II. Das Secret der Lieberkühri sehen Drüsen ist vom Duodenum an abwärts der Hauptbestand des Darmsaftes. Letzteres Fluiduni wird nach Thir/s Methode (1864) in folgender Weise aus einer eigenartig angelegten Darmfistel — gewonnen. Aus einer hervorge- zogenen Darmschlinge des Hundes wird durch zwei Schnitte ein handlanges Stück so getrennt , dass nur die Continuität des Darmrohres , nicht aber das Mesenterium getrennt wird. Das eine Ende dieser Strecke wird zugebunden, das andere offen in die Bauchwunde eingenäht , — nachdem vorher die Enden des Darmes , zwischen denen die Strecke ausgeschaltet war , durch Nähte sorgfältig wieder vereinigt waren. \Vetta lässt beide Enden des hufeisenförmig umzu- biegenden Darmstückes auf der Bauchwand ausmünden.] Auf diese Weise kann das Thier nach gelungener Operation mit seinem , nur wenig verkürzten Darme weiterleben. Die blind endende , nach aussen frei mündende Darmfistel aber giebt einen, durch kein anderes Verdauungssecret verunreinigten Darmsaft. Fig. 108. Hohlraum der Drüsen- schläuche Drüsen-Epithel Bindegewebe Gefässe WH« Querschnitt Li 'eberkühn' scher Drüsen. Darmsa/t. Der D a r m s a f t (solcher Fisteln) fliesst spontan nur spärlich, während der Verdauung reicher ; — mechanische, chemische und elektrische Reizung vermehren die Absonderung, namentlich des Schleimes, unter ßöthung der Schleimhaut, so dass 100 □Cmtr. in 1 Stunde 13— 18 Gr. Saft lieferten (Thiry, Masloff). — Der Saft ist hellgelb, opalescirend, dünnflüssig, stark alkalisch, auf Säurezusatz aufbrausend, von 1*011 speeifischem Gewicht, — er enthält Eiweiss und Fermente , Mucin namentlich im Dickdarm- safte. Seine Zusammensetzung ist: 0,80°/o Eiweisskörper, — 0,73% andere organische Materien. — Salze 0,88°/o (darunter 0,32—0,34% Natriumcarbonat), — Wasser 97,59%. Die Menge des Darmsaftes ist am geringsten bei Gegenwart gelösten Traubenzuckers im Darme, stärker bei Bohrzucker, noch stärker bei Amylum und Pepton. In der 2. Stunde nimmt sie zu (Röhmann). Biedermann fand in den Becherzellen des Darmes (Frosch) die Bildung des Schleimes so, dass zuerst im Zellinhalte Körnchen auftreten. Diese Tröpfchen vergrössern sich zu Vacuolen , welche alsbald confluiren , dann quillt der Schleim aus ihnen hervor und wird aus der Zelle ausgestossen. Die verdauendeWirkung des Dünndarmsaftes ist noch vielfach unaufgeklärt. Am wirksamsten wurde er beim Hunde Schleim- bildung. Wirkung des Darm haftet. [§. 185.] Der Darmsaft, 345 gefunden , bei anderen Thieren hingegen mehr oder weniger unwirksam. 1. Er besitzt geringere diastatische Wirkung, als der Speichel und der Pancreassaft (Schiff, Busch, Quincke, Garland) ; er bildet jedoch keine Maltose ; den Dickdarindrüsen soll diese Fähigkeit abgehen (Eichhorst). Das Ferment hat v. Wittich mittelst ge- wässerten Glycerins extrahirt. 2. Darmsaft ist im Stande, Maltose in Traubenzucker um- zuwandeln ; derselbe setzt also die diastatische Wirkung des Speichels (§. 153) und des Pancreassaftes (§. 1 74), welche haupt- sächlich nur bis zur Bildung der Maltose wirksam sind. fort. Nach Bourquelot kommt diese AVirkung den Darmpilzen zu (nicht dem Darmsafte als solchen, noch dem Speichel , Magensafte oder dem Invertin). Der grössere Theil der Maltose scheint jedoch unverändert zur Resorption zu ge- langen (pg. 279). 3. Fibrin wird langsam [durch Trypsin und Pepsin (Kühne)'] peptonisirt (Thiry , Leube) , weniger leicht Albumin (Masloff), frisches Casein , Fleisch . roh oder gekocht , Pflanzenei weiss (Kölliker, Schiff). Wahrscheinlich wird auch Leim durch ein besonderes Ferment in nicht gelatinirende Lösung gebracht (Eichhorst). 4. Fette werden nur theilweise emulgirt (Schiff) und (?) später zerlegt (Vella). 5. Nach Cl. Bernard befindet sich auch Invertin im Darmsafte ; [dieses Ferment stammt wohl aus der Nahrung ; es kann auch aus Bierhefe durch Schütteln mit Wasser und Aether und Filtriren ausgezogen werden]. Dasselbe verwandelt den Rohrzucker (Cx2 H,2 On) unter Wasseraufnahme (+ EL 0) in Invertzucker [das ist ein Gemisch von linksdrehendem Zucker (Laevulose, C6 H12 0B) und von Traubenzucker (Dextrose, C„ H12 0«)] unter Wärmebindung (Leube u. A.). (Vgl. pg. 349. 7.) [Ueber diese Zuckerarten siehe §. 254.] In Bezug auf die Fermente des Nahrungscanais vertritt Latt?/C>y die Anschauung , dass sie eine Zerstörung erfahren : das diastatische Ferment des Speichels wird durch die Salzsäure des Magensaftes zerstört; Pepsin und Lab- ferment erliegen der Wirkung der Alkalisalze des Pancreas- und Darm-Saftes und dem Trypsin ; — das diastatische und peptische Ferment des Pancreas gehen unter Einwirkung der sauren Gährung im Dickdarm zu Grunde. Doch geht etwas Ferment in den Harn über (§. 26t). Von den Einwirkungen der Nerven — auf die Absonderung des Dann- Nerven- saftes ist wenig Sicheres ermittelt. Reizung oder Durchschneidung der Vagi ist einfluss auf ohne evidenten Einfluss. — Dahingegen hat die Ausrottung der, zu den Darm- n , ° JJCt YVtlSQ ft- schlingen hinlaufenden, die Gefässe begleitenden Nervenfäden (Moreau) eine Absonderung. reichliche wässerige Füllung des Darmrohres zur FoUe. Dieser Erfolg erklärt sich aus einer Lähmung der vasomotorischen Nerven des Darmtractus und aus der, bei der Operation oft erfolgenden Zerschneidung grösserer Lymphgefässe, wodurch die Aufsaugung gestört und die Transsudation durch Stauung im Blutlaufe vermehrt wird. — Da man die Nervenfäden für eine (doppelt unterbundene) be- schränkte Strecke des Darmes allein ausschneiden kann, so zeigt sich der wässerige Darminhalt, nur in der zugehörigen Darmschiingo. Nach Hanau handelt es sieh im Moreau'schen Versuche um eine paralytische Absonderung, die zeitlich einen typischen Verlauf hat. Verminderungen der Darm- und Magen-Seeretionen hat man bei Menschen auch unter dem Einflüsse mancherlei allgemeiner Nervenleiden (Hysterie, Hypo- 346 Die Gährungszersetzungen im Darme und die Danngase. [§. 185.] chondrie, verschiedener Geisteskrankheiten) beobachten können. In anderen Fällen sah man hingegen die Secretionen sehr vermehrt. Ausscheidung Von der D ar m s c h 1 e imh au t isolirter Fisteln werden aus- von Stoffen, g e s c h i e d e n (nach Verfütterung) : Jod, Brom, Lithium, Rhodanmetall (Quincke), Eisensalze (Glaevecke) u. a. Darm- Beim Säuglinge — zeigt sich mitunter abnorme Säurebildung, wenn verdauung foxch Spaltpilze (Leube) Michzucker, resp. Traubenzucker im Darm in Milchsäure Säugling, zerlegt wird (pg. 347). Auch das, in Traubenzucker übergeführte Amylum kann dieselben abnormen Processe durchmachen , daher die Ernährung der Säuglinge durch Amylaceen wenig rathsam ist (pg. 278. 322). Erreger. 186. Die Gälmmgszersetzungen im Darme durch die Mikrobien und die Darmgase. Völlig verschieden von den geschilderten, eigentlichen Ver- dauungsvorgängen, die durch bestimmte Fermente oder Enzyme zur Ausführung kommen, sind diejenigen Umsetzungen, welche als Gährungen oder Fäulnisszersetzungen zu be- trachten sind (v. Frerichs, Hoppe- Seyler). Diese sind geknüpft an siihro- das Vorhandensein niederer Organismen, sogenannter Gährungs- au9Täuin*iss- oder Fäulniss-Erreger (Nench) ; sie können daher auch ausser- halb des Körpers in passenden Substanzen ihren Ablauf nehmen. Niedere Organismen , welche die Gährungen im Darmtractus unterhalten, werden mit den Speisen und Getränken, sowie mit der Mundflüssigkeit vielfach verschluckt. Mit der Einführung dieser beginnen die Fäulnisszersetzungen und Gährungen unter gleichzeitiger Gasentwickelung. Während der ganzen Fötalperiode bis zur Geburt kann daher Gährung im Darme nicht vorkommen; es fehlen deshalb stets die Gase im Darme der Neugeborenen (Breslau). Die ersten Luftblasen gelangen in den Darm durch verschluckten, schaumigen Speichel , noch ehe Nahrung aufgenommen ist. Da nun aber mit der verschluckten Luft auch Organismenkeime in den Tractus gelangen , so wird auch alsbald eine Gasent- wickelung durch Gährung sich anschliessen müssen. Die Ent- wickelung der Darmgase geht also mit den Gährungen Hand in Hand. Da somit zum Theil auch atmosphärische Luft ver- schluckt wird , und im Darme Gase ausgetauscht werden , so wird sich die Zusammensetzung der Darmgase von verschiedenen Momenten abhängig erweisen. Kolbe und Rüge sammelten Darmgase aus dem After des Menschen und fanden darin in 100 Volumina Gasgemisch : Darmgase. Nahrung CO, Milch . . . . Fleisch . . . Hülsenfrüchte 16,8 12,4 21,0 n 43,3 2,1 4,0 CH, N 0,9 27,5 55,9 38,3 57,8 18,9 H,S Menge unbe- stimmt Ueber die Gasbildung und die Gährungsvorgänge ist im Einzelnen zu bemerken : 1. Bei jeder Nahrungsaufnahme werden Luftblasen mit verschluckt. Der 0 derselben wird von den Wänden des Tractus [§. 186.] Die Gährungszersetzungen im Darme. Spaltpilzwirkung. 347 schnell resorbirt, so dass im unteren Dickdarm sogar Spuren von 0 fehlen. Statt dessen giebt die Darm wand aus den Ge- fässen C02 in den Darm ab, so dass also ein Theil der C02 im Darme durch Diffusion aus dem Blute stammt. 2. H, C02 und NH3, sowie Grabengas (CH4) werden auch mdung von. entwickelt aus dem Darminhalt durch Gäkrung. die bereits im Dünndarm vor sich gehen kann (Planer). Die Spaltpilze als Gährungserreger. — Als diejenigen Lebewesen, welche Spaltpilze. die Gährungs-, Fäulniss- und andere Zersetzungen vornehmlich bewirken, sind die Spaltpilze (Schizomyeetes) zu nennen: kleinste, einzellige Gebilde, meist von Gestalt eines Kü gelchens (Mikrococcus) , Kurzstäbchens (Bac- Formen. terium), Langstäbchens (Bacillus) oder Spiralf ädchens (Vibrio, Spirilhnn, Spirochaeta), welche sich durch Theilung vermehren, entweder einzeln oder zu Colonien vereint vorkommen und theilweise der Bewegung fähig sind. Ihre Ver- mehrungsfähigkeit spottet jeder Vorstellung. Durch ihre Lebensäusserungen be- wirken sie in den, sie enthaltenden Materien tiefgreifende chemische Veränderungen. Indem sie nämlich zu ihrem Aufbau und Stoffwechsel aus der „Nährflüssig- keit", in welcher sie leben, gewisse Stoffe entnehmen, zersetzen sie die che- mischen Substanzen derselben. Hierbei bilden einige derselben gewisse Stoffe, welche als Fermente weiterhin auf Materien in der Nährflüssigkeit einwirken können. Die Spaltpilze bestehen aus Hülle und protoplasmatischem Inhal t, Bestandteile. manche besitzen als Bewegungsorgan Geissein, (die vielleicht allen bewegungs- fähigen zukommen). Die, durch Theilung neu entstandenen Wesen bleiben mit- Vermehrung. unter, durch Gallertmasse vereinigt , in umfangreicheren , oft schon mit blossem Auge sichtbaren Colonien vereinigt, die manZoogloea nennt. Diese erscheinen in Form von Knollen, Zweigen, Lappen, Flocken, Kamhäuten oder schleimigen, rahmigen oder schmierigen Belägen. — Bei einigen Spaltpilzen (zumal den Batterien) findet auch eine Vermehrung durch Sporen statt, zumal dann, wenn die Nährflüssigkeit an ernährendem Materiale verarmt. Die Stäbchen wachsen dann zu längeren Fäden aus, welche sich gliedern, und in den Gliedern entstehen kugelige, 1 — 2jJ- grosse, stark lichtbrechende Körner (Fig. 109. 8, 9). Bei einigen (Buttersäurepilz) nehmen die Stäbchen vor der Sporenbildung eine vergrösserte Spindelform an , in deren Inneren die Sporen sich bilden. Nach Untergang der Mutterzellen werden die Sporen frei und aus ihnen keimt, auf passenden Boden übertragen, die neugebildete Zelle des Spaltpilzes wieder hervor. In Fig. 109, B. sind die Vorgänge der Sporeubildung (7. 8. 9.) — und der Keimung (1. 2. 3. 4.) des Buttersäurepilzes gezeichnet. Die Sporen sind äusserst lebenszäh , sie ver- mögen selbst getrocknet lange Zeit auszudauern , einige widerstehen sogar der Siedhitze. — Unter den Spaltpilzen unterscheidet man solche, welche bei Gegen- wart von 0 ihre Lebensthätigkeit entwickeln (AerobieD), andere unter ihnen AHrobien und vermögen nur bei Abschluss von 0 zu gedeihen (Anaer obien) Pastcur . — AnaeroU Je nach den Producten, welche sie in ihren Nähiflüssigkeiten durch Zersetzungen erzeugen, kann man sie eintheilen in solche, welche Zersetzungen in Form von Gährungen bewirken (zymogene Schi zomycete n), — in solche, welche Wirkungen. Farbstoffe produciren (chrom ogen e), — in solche, welche üble Gerüche erzeugen, wie bei den Fäulnissvorgängen (bromogene) — und endlich in solche, welche, indem sie in den lebendigen Geweben anderer Organismen sich entwickeln, krankmachende Zustände, sogar selbst den Tod derselben hervorrufen (pathogen e) (§.141)- Manche erzeugen auch Gifte (toxogene). Von allen diesen sind in und an dem Körper des Menschen angetroffen worden. Wenn man bedenkt, dass mir, den Speisen und Getränken, sowie theilweise Aufnahme auch mit der eindringenden Luft zahlreiche Spaltpilze dem Nahrungsranale zu- geführt werden, — dass ferner der Darm bei seiner Temperatur besonders günstig für die Entwicklung derselben ist, — endlich dass hinreichendes, durch die eigentlichen Verdauungsprocesse noch nicht völlig verarbeitetes Material der ver- und Fon- schiedensten Art deu Vegetationen der Pilze Nährstoffe darbietet . so kann es ""«"•«<"'!/• nicht befremden, dass eine reiche Formation dieser Lebewesen im Nahrungsrohre angetroffen wird, und dass sie zahlreiche Zersetzungen im Intestinalinhalt hervor- rufen. Die Kenntniss dieser Vorgänge ist zur Zeit muh eine sehr lückenhafte — (die, für die Zersetzungen aufgestellten Formeln können daher nur annähernd 348 Die Gährungszersetzungen im Darme und die Darmgase. [§. 186.] den Vorgang erläutern) ; — es können somit die folgenden Mittheilungen vorläufig nur als Aphorismen zur Lehre von den mykotischen Intestinalzersetzungen be- trachtet werden. Gährung der I. G ä h r u n g e n d er K o h 1 e h y dr a t e (§. 254). — 1) Ba- i ehyän c 1 1 1 n s a c i d i lactici (Cohn), .dessen bisquitförmige, 1 ,5 — 3 [/. lange Zellen in Gruppen, Reihen oder vereinzelt liegen, bewirkt die Grährung des Zuckers in Milchsäure : 1 Traubenzucker = Cd H]2 06 = 2 (C„ H 6 03) = 2 Milchsäure. Der Milchzucker (C12 H2, Ou) kann durch denselben Spaltpilz unter Aufnahme von H20 zuerst in 2 Moleküle Traubenzucker 2 (C6 HI9 03) zerlegt werden und diese dann in 4 Moleküle Milch- säure 4 (Cs H6 03). Dieser Pilz, dessen Keime überall in der Luft schweben, erzeugt die spontan eintretende Säuerung und Gerinnung der Milch (§. 233), er bildet sich ferner im Sauerkraut, sauren Gurken u. dg].; er vergährt wie die benannten Zucker auch Bohrzucker, Mannit, Jnosit, Sorbit. Neben der Milchsäure entsteht noch C02. [Es giebt übrigens noch mehrere Milchsäure bildende Spaltpilze. Dieselben ver- mögen ferner noch Stärke in Zucker zu verwandeln.] van de Velde fand durch Bacillus subtilis (Fig. 110) als Gährungs- producte des Zuckers : Milch-, Butter-, Bernstein-Säure und als Beductionsproduct Mannit. 2) Bacillus butyricus, welcher in stärkehaltiger Um- gebung durch Jod sich oft blau färbt, verwandelt Milch- säure in Butt er säure (n eben C 0 , und H) (Prahmowski). ( C4 H8 Oo = 1 Buttersäure. 2 (C3 H6 03) Milchsäure =1 2 (CCM = 2 Kohlensäure. { 4 H = 4 Wasserstoff. Fig. 109. A. Bacterium aceti in Form von Coccen (l), — Diplococcen (2), — Kurz- stäbchen (3) und gegliederten Fäden (4, 6). — B. Bacillus butyricus: 1 isolirte Spore. — 2, 3. 4 Keimungazustände der Spore, — 5, ff, Kurzstäbchen und Langstäbchen, — 7,8,9 Sporenbildung in den Pilzzellen. Der Pilz (Fig. 109. B) ist ein echter Anaerobe, welcher nur bei O-Ab- wesenheit vegetirt. Der Milchsäurepilz, welcher 0 lebhaft verzehrt, ist daher sein natürlicher Vorläufer. Die Buttersäuregälirung vollendet die Umwandlung vieler Kohlehydrate, zumal der Stärke, des Dextrins und des Inulins. Sie findet sich constant in den Faeces. [Es giebt noch mehrere andere , ähnlich wirkende Bacterien.] [§. 186.] Die Gährungszersetzungen im Darme und die Darmgase. 349 3) Gewisse Mikrococcen vermögen ans Zucker Alkohol als hauptsächliches Product zu entwickeln (Fitz, Brieger) ; — auch die Gegenwart von Hefe kann Alkohol im Darme bilden, in beiden Fällen auch aus Milchzucker, der zuerst in Dextrose übergeht (§. 155. 1). Im Darm nur spurweise. 4) Bacterium aceti (Fig. 109. A) vermag ausserhalb des Körpers den Alkohol in Essigsäure überzuführen. Alkohol (C,,Hti 0) + 0 = C,H4Ü (Aldehyd) + H^O. Aus Aldehyd geht dann durch Oxydation Essigsäure (C.H.O.,) hervor. Nach Nägeli vermag derselbe Pilz sehr kleine Mengen COa und H_,0 zu bilden. Da die Essiggährung jedoch bei 35° C. sistirt, so wird im Darme "dieselbe wohl nicht vor sich gehen und die constant in den Faeces angetroffene Essigsäure ist daher aus anderen Vergährungen entstanden. Es sei bemerkt, dass bei der Faul, niss der Albuminate unter Luftabschluss ebenfalls Essigsäure entstellt (Nencki)^ 5) Auch eine theilweise Auflösung des Am yl um und der Cellulose wird durch Schizomyceten (Bacillus butyricus und Vibrio rugula) im Darme verursacht. Denn die Cellulose mit Cloaken schlämm (Hoppe-Seyler) oder mit Darminhalt (Tappeiner) gemischt geht in ein zuckerartiges Kohlehydrat über, welches dann zu gleichen Volumen C02 und Sumpfgas (CH4) zerfällt (Hoppe-Seyler). [Sumpfgas neben C02 liefert auch das (§. 174. III) durch das Pankreas erzeugte Neurin (Hasebroek).'] Die Lösung der Cellulose-Z eilwände lässt dann auch die Verdauungssäfte auf die eingeschlossenen verdaulichen Theile der Pflanzennahrung wirksam werden (Tappeiner , v. Knieriem). 6) Pilze unbekannter Art vermögen zum Theil auch Stärke (? und Cellulose) in Zucker zu verwandeln. 1) Im Darmcanale kommen auch Spaltpilze vor (Milchsäure- bacillen?), welche Invertin erzeugen, dasjenige Ferment, welches Rohrzucker, Milchzucker und Maltose in Glycosearten (Dextrose. Lävulose, Galaktose) umwandelt (§. 254). Auch die Hefe wirkt so (§. 185. IL 5). Ol, H.,2 01X + H2 0 = Cfi H12 0, 4- Cfi H12 06 Rohrzucker 4- Wasser = Dextrose + Lävulose. II. Gährungen der Fette (§. 253). — Die Fäulniss <™°£* vermag, unter der Einwirkung noch unbekannter Organismen, neutrale Fette nach Wasseraufnahme in Glycerin und fette Säuren zu zerlegen (§. 174. III). — Das Glycerin (§. 253) ist durch verschiedene Spaltpilze einer sehr differenten Vergährung fähig. Bei neutraler Reaction entsteht neben Bernsteinsäure und einem Gemenge fetter Säuren, H und C02. Filz fand unter dem Einflüsse des Heupilzes (Bacillus subtilis, Fig. 110) Alkohol neben Capron-, Butter- und Essig-Säure ; in anderen Fällen ent- stand vornehmlich Butylalkohol : van de Velde traf Butter- und Milch- neben Spuren Bernstein-Säure, ausserdem CO.., H.,0, N. Die Fettsäuren liefern zumal als (Kalk-) Seifen ein geeignetes Material für die Gährung. Ameisensaurer Kalk giebt mit Cloakenschlamm vergährt Calciumcarbonat. COa und H; — essigsaurer Kalk liefert hierbei Calciumcarbonat. COa und CH4. — Von den Oxy säuren kennt man die C abrang der Milch-, Glycerin-. Aepfel-, wein- und Citronen-Säure. Nach Fitz liefert Milchsäure (in Kalkvorbindung) Propion-, Essigsäure, COo, H20. Durch andere Gährungserreger bildet sich reichlich Valeriansäure. — Albuminate. 350 Die Gährungszersetzungen im Darme und die Darmgase. [§. 186.] Glycerinsäure giebt neben Alkohol und Bernsteinsäure vornehmlich Essig- säure. — Aepfelsäure bildet Bernsteinsäure und etwas Essigsäure, unter anderer Vergährung Propionsäure, unter noch anderer Buttersäure neben H, oder sie zerlegt sich in Milchsäure und CO,. — Weinsäure zerfällt in Essigsäure, Propionsäure, C02 und H30 (PasteurJ , durch andere Pilze in Buttersäure, oder noch durch andere in Essig-, neben etwas Butter- , Bernstein-Säure und Alkohol /'Fitz). — Citronen säure liefert endlich Essig- neben etwas Butter- und Bern- stein-Säure (Fitz), III. Grährung der Ei w eisskörper (§.251). — Für die Vergährung der, im Darme noch nicht verdauten Eiweiss- körper und ihrer Derivate scheinen ebenso Spaltpilze in Wirk- samkeit zu treten (§. 187). Zunächst ist zu betonen, dass manche Schizomyceten im Stande sind, peptonisirendes Ferment zu produciren [z. B. Bacillus subtilis, die Käsespirillen (Fermi)], so dass eine, wenn auch immerhin nur sehr geringfügige Unter- stützung der peptischen Enzyme seitens dieser Mikrobien nicht gerade ausgeschlossen erscheint. Fig. 110. 0 ° ? 12 3 4 Bacillus subtilis: l Spore. — 2, 3, 4 Keimung der Sporen, — 5, 6 Kurz- stäbchen. 7 gegliederter Faden mit Sporenbildung in jeder Zelle. — S Kurz- stäbchen, zum Theil mit Sporenbildung, 9 Sporen im einzelnen Kurzstäbcken, — io Pilzzellen mit Geissei. Wir fanden, dass die Pancreas Verdauung (§. 174. II) auf die Albuminate nicht weiter, als bis zur Bildung der Amido- säuren Leucin, Tyrosin und anderer Körper vorgeht. Erst die Fäulnissgährung (Hüfner, Nencki) im Dickdarme bringt weitere, tiefgehende Zersetzungen hervor. Leucin (C0 H13 N02) giebt unter 2 (H2 0)- Aufnahme : = Valeriansäure (C5 H10 02), Am- moniak, C02 und 4 H. Aehnlich verhält sich das Grlycin. — Tyrosin (C9 HX1 N08) zerlegt sich in Indol (C8 H7 N), welches constant im Darme angetroffen wird (Kühne) nebst C02 , H2 0, H ( Nencki j. Ist der O-Zutritt noch möglich, so entstehen noch andere Zersetzungen (§. 264). Diese Fäulniss- producte fehlen im Darme des Fötus und Neugebornen (Senator) . Bei den Fäulnisszersetzungen der Eiweisskörper kommt es (ebenso wie beim Kochen derselben mit Alkalien) zur Ent- wickelung von C02 und H2S , ferner treten H und CH4 auf. Leim liefert unter diesen Bedingungen neben reichlichem Leucin viel Ammoniak , C02 , Essig-, Butter- , Baldrian-Säure und Glycin (Nencki). Mucin und Nuclein erleiden keine Zer- setzungen. Künstliche Verdauungs versuche mit Pancreas zeigen eine ganz ausserordentliche Neigung zu Fäulnisszersetzungen. [§. 186.] Die Gährungszersetzungen im Darme und die Darmgase. 351 Der, den eigentlichen Fäcalgeruch gebende Körper, welcher ebenfalls durch die Fäulniss entsteht, ist noch nicht bekannt. Er haftet dem Indol und Skatol so innig an, dass man diese früher als die stark riechen- den ansah, doch sind diese rein dargestellt geruchlos (Bayer). Unter den festen Stoffen im Dickdarm , welche nur die irnoi. Fäulniss liefert, ist besonders das Indol (C8 H7 Xj hervor- zuheben, ein Stoff, der auch durch Erhitzen der Albuminate mit Alkalien , oder in geringerer Menge durch Ueberhitzung derselben mit Wasser auf 200° C. entsteht. Es ist die Vorstufe des Indicans im Harne. Wenn die Producte der Verdauung neonnstigung der Albuminate, die Peptone, schnell im Darme zur Resorption der jjj^f* gelangen , so kommt es nur zu einer geringen Bildung von Indol ; wenn hingegen bei geringfügiger Resorption die Fäulniss. zumal auf die noch reichlich vorhandenen, Producte der Pancreas- verdauung intensiv einwirken kann, so entsteht reichlich Indol, und weiterhin erscheint viel Indican im Harn (§. 261. 1). So fand Joffe bei Brucheinklemmung und Alschluss des Darmrohres reich- lich Indican im Harn. Nach Transfusion mit heterogenem Blute, bei welchem die Darmwandungen vielfach mit Blutaustritt und Gefässverstopfungen behaftet sind lind nicht selten Lähmungszustände der Gefässe des Darmes und der Darm- muskulatur selbst angetroffen werden, fand ich oft den Indicangehalt des Harnes sehr hoch. (Vgl. §. 264 1.) Eeaction auf Indol: — Man säuert mit viel Salzsäure an und schüttelt staik nach Zusatz einiger Tropfen verharzten Terpenthinöles. Bei intensiver Roth- färbung schüttelt man den Farbstoff durch Aether aus. — Der, bei der Trypsin- verdauung aus Fibrin entstehende, mit Bromwasser violett werdende Farbstoff (§. 174. II) lässt sich mit Chloroform ausschütteln. Neben diesem letzteren Farb- stoff findet sich noch ein zweiter Farbstoff, der bei Destillation übergeht und aus dem Destillat durch Aether gezogen werden kann. Beide scheinen der Indigo- gruppe anzugehören (Krukenberg). A. Bayer konnte künstlich aus Orthonitrophenylpropiolsäure durch Kochen mit dünner Natronlauge und nach Zusatz von etwas Traubenzucker Indigo blau darstellen. — Aus Indigoblau erhielt er neben Indol zugleich auch Skatol (letztere jedoch nicht fäcal stinkend). G. Hoppe-Seyler traf nach Verfütterung von orthonitrophenylpropiolsaurem Natron (Kaninchen) reichlich Indican im Harne an. Es bildet sich ferner im Darme durch den Fäulnissprocess p^noi. etwas Phenol (Cc H6 0), welches Batimann beim Faulen von Fibrin mit Pancreas ausserhalb des Körpers auftreten sah, und Brieger constant in den Faeces antraf. Es scheint diese Substanz unter analogen Verhältnissen wie das Indol eine Zunahme zu erfahren (Salkowski) , indem eine Steigerung des Indicans im Harne zugleich mit Vermehrung der P h e n y 1 s c h w e f e 1 s ä u r e in demselben verknüpft ist (§. 264). Aus faulendem Fleische und Fibrin lässt sich auch A m i doph en yl Pro- pionsäure gewinnen, als Zersetzung des Tyrosins. Ein Theil dieser wird durch Fäulnissfermente in Phenylpropionsäure (= Hydrozimmt säure) verwandelt (Schölten . Die Hydrozimmtsäure wird im Organismus vollständig zu Benzoesäure oxydirt und erscheint als Hippursäure im Harne (§. 262). Auf diese Weise erklärt sich Bildung der Hippursäure bei reiner Enveisskost i E. &* II Salkowski), Das Skatol (C9 H,, X = MethylindoL (Brieger). ein con- Katoi. stanter menschlicher Fäcalstoff, ist künstlich durch lange Fäulniss von Eier-Eiweiss unter AVasser durch Nencki und Secretan dar- gestellt worden. So entsteht auch Skatolcarbonsäure , die sich erhitzt sehr leicht in Skatol und CO., zerlegt (Gebr. Salkowski). 352 Vorsänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. [§. 186.] oder ohne 0. Auch das Skatol tritt im Harne als schwefelsaure Verbindung auf (§. 264). — Das, von Marcet beschriebene Excretin der menschlichen Faeces steht dem Cholesterin nahe, ist aber in seiner Bildung und Constitution unbekannt. Nach Gebr. Sallowski entstehen Skatol und Indol beide aus einer ge- meinsamen, im Eiweiss präformirten Substanz, welche zersetzt bald mehr Indol, bald mehr Skatol liefert, je nachdem der etwa hierbei wirksame hypothetische „Indolpilz" oder der „Skatolpilz" in der Entwicklung prävaliren. Es ist für den Vorgang der Fäulnissgährung von grossem Belange, ob dieselbe unter Abschluss von Sauerstoff verläuft oder nicht (Pasteur). Im ersteren Falle treten Reductionen auf: Oxysäuren werden zu Fettsäuren reducirt, und es entwickelt sich namentlich H, aber auch CEL und H2 S ; der H kann seinerseits weiter reducirend wirken. — Ist jedoch noch Sauerstoff -vorhanden, so theilt der nascirende H das Molekül des freien gewöhnlichen Sauerstoffes (= 02) (vgl. pg. 68) in 2 Atome activen Sauerstoffes (= 0). Es bildet sich nun einerseits H2 0, — andererseits übt das zweite Atom 0 kräftige Oxydationen aus (Hoppe-Seyler). Es soll hier noch die merkwürdige Thalsache erwähnt werden, dass die Fäulnissprocesse nach der Entwickelung von Phenol , Indol , Skatol , auch von Kresol, Phenylpropion- und Phenyl-Essigsäure wieder eingeschränkt werden und nach einer gewissen Concentration ihrer Bildung völlig aufhören. So erzeugt also die Fäulniss selbst zur Tödtung der Mikroorganismen antiseptisch wirkende Sub- stanzen (W ertlich). Denn ähnlich, wie bei den hoch organisirten Wesen, sind auch für die Spaltpilze ihre eigenen Aussen eidungsproducte für sie Gifte (Nencki). Es ist daher anzunehmen , dass auch im Darmcanal die Bildung der genannten Stoffe die Fäulnisszersetzungen einigeimaassen wieder einschränkt. Die Reaction — ist im Darme dicht unterhalb des Magens zunächst noch sauer, der Pancreassaft und Darmsaft bringen jedoch schon bald neutrale, dann alkalische Reaction hervor, die nun im ganzen Dünndarm vorherrscht. Im Dick- darm ist meist saure Reaction wegen der sauren Gährung und. Zersetzung der Ingesta und des Kothes. Einschr'dn ■ T;ung der Fäulniss. lieaction des Darm- inhaltes. 187. Vorgänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. vorwiegend Innerhalb des dicken Gedärmes überwiegen die Fäulniss- Thätiguudts und Gäkrungs-Zersetzungen der Ingesta entschieden über die Dickdarmes, fermentativen oder eigentlichen Verdauungsumsetzungen, da nur sehr geringe Mengen der Darmsaftfermente in ihm angetroffen werden (Kühne). Ausserdem ist die aufsaugende Thätigkeit der Dickdarmwandung grösser , als die absondernde , weshalb die Consistenz des Inhaltes, welche am Beginn des Dickdarmes noch breiig wässerig ist , im weiteren Verlaufe des Darmes fester wird. Die Aufsaugung umfasst nicht allein das Wasser und die in Lösung gebrachtenVerdauungsproducte, sondern auch unter Umständen sogar unverändertes flüssiges Eier-Eiweiss (v. Voit & Bauer , Czerny & Latschenberger) . Auch Milch und ihre Eiweissstoffe (Eichhorst), Fleischsaft, Leimlösung, Myosin mit Kochsalz werden resorbirt. Versuche mit Acidalbumin, Syntonin oder Blutserum waren ohne Erfolg. [Auch toxische Substanzen werden entschieden hier leichter [§• 187.] Vorgänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. 353 resorbirt, als vom Magen ans (Savory).] — Erst im unteren Abschnitt des Dickdarmes werden die FäcalstofFe geformt. Das Coecum mancher Thiere (z. B. Kaninchen) ist von beträcht- licher Grösse ; in ihm scheinen die Gäkrungszersetzungen intensiv vor sich zn gehen , unter Entwicklung saurer Reaction. Beim Menschen ist das Coecum, wie der Reickthum lymphatischer Follikel zeigt, vorwiegend Resorptionsorgan. Vom unteren Theile des Dünndarmes und vom Coecum an nehmen die Ingesta den fäcalen Geruch an. Beobachtungen an 77«>y sehen Darmfisteln lassen darauf schliessen, dass ein Theil der Faeces von einer Secretion und Desquamation der Darmschleimhaut herrührt (Heidenliain, Her- mann) . Fic. in. Epithel Schleimhaut ( Gefässcapillaren Solitärfollikel Circuläre Muskel- schicht Muskelschichten Longitndinal^ Muskelschicht f. ieberkühn' sehe Drüsen Muscularis iuucosae Bindegewebe Längsschnitt durch den Dickdarm. Die Masse — der entleerten Faeces beträgt im Durch- schnitt 170 Gr. in 24 Stunden (60— 250 Gr.), doch werden bei reichlicher Aufnahme, zumal schwer verdaulicher Substanzen. sogar über 500 Gr. entleert. Nach Fleisch- und Eiweiss-Nahrung ist die Menge der Faeces kleiner, und die absolute Menge der festen Rückstände in denselben ist geringer . als nach Vegeta- bilienkost. Die consistenten Faeces sind durch Grasentwickelnng locker, schwimmen daher auf dem Wasser. Die Consistenz — - ist vom Wassergehalte abhängig, der meist 75% beträgt. Der Wassergehalt hängt theils von der Nahrung ab; reine Fleischkost bewirkt relativ trockene. Faeces L a n d o i s , Physiologie. 7. Auti. ■j:; 354 Vorgänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. [§, 187-] zuckerreiche Nahrung relativ wasserreiche Faeces. Die Menge aufgenommener Gretränke ist ohne Einfluss auf den Wasser- gehalt. Dahingegen hat die Energie der Peristaltik, insofern einen Einfluss, als, je schneller dieselbe, um so wässeriger die Faeces sind, wTeil nicht hinreichend Zeit vorhanden ist, aus den schnell weiter beförderten Ingestis die Flüssigkeiten zu resorbiren. Lähmungen der Blut- und Lymph-Gefässe am Darme nach Durchschneidung der Nerven (siehe §. 194) gehen ebenfalls mit Verflüssigung der Faeces einher. Die Reaction ist oft sauer, namentlich in Folge der Milchsäure-Gährung reichlich genossener Kohlehydrate. Auch zahlreiche andere, durch Gährung entstandene (siehe §. 186) Säuren finden sich. Kommt es jedoch im unteren Darmabschnitte zur Bildung reichlichen Ammoniaks, so kann neutrale und selbst alkalische Reaction überwiegen. Starke Absonderung von Schleim im Darme begünstigt neutrale Eeaction. Der Geruch, — welcher bei Fleischgenuss intensiver ist, als bei Pflanzennahrung, rührt her von den fäcal-stinkendon, noch nicht isolirt dargestellten, Fäulnissproducten, ferner von den flüchtigen Fettsäuren (§. 253. 1) und, wo er sich bildet, von Schwefelwasserstoff. Die Farbe — richtet sich nach der Menge der beige- gemischten, veränderten Gallenfarbstoffe , wodurch die hellgelbe bis dunkelbraune Nüancirung entsteht. Ausserdem wirkt die Farbe der Nahrungsmittel vielfach mit: reicher Blutgehalt der Nahrung macht die Faeces fast braunschwarz durch Hämatin; — grüne Vegetabilien braungrün durch Chlorophyll : — Knochen (beim Hunde) weiss durch Kalkgehalt; — blaurothe Pflanzensäfte blauschwarz; — Eisenpräparate färben sie durch Bildung von Schwefeleisen schwarz. Bestandtheüe Die Fäces enthalten (siehe Fig. 112): der Faeces. i _ j)[e unverdaulichen Rückstände der Gewebe thierischer oder pflanzlicher Nahrungsmittel : Haare, Horngewebe, elastisches Gewebe ; — die meiste Cellulose , Holzfasern , Obstkerne , Spiralgefässe von Pflanzenzellen, Gummi. 2. Bruchstücke sonst wohl verdaulicher Substanzen , namentlich wenn dieselben in übergrosser Menge genossen waren, oder durch Kauen nicht die hinreichende Zerkleinerung erfahren hatten. Also : Bruchstücke von Muskelfasern , Schinkenstücke , Sehnenfetzen . Knorpelstückchen, Flocken von Fettgewehe, Stückchen harten Eiweisses, — ferner Pflanzen- zellen aus Kartoffeln und Gemüsen, rohes Stärkemehl u. dgl. (Vgl. i?. 238.) [Reiche Fleisch- und Stärke-Mengen sprechen für einen be- stehenden Darmkatarrh.] Vou allen Nahrungsmitteln geben so gewisse Beste in die Faeces über: von Weissbrod 3,7°/0, - Reis 4,l°/0, — Fleisch 4,7%, — Kartoffelu 9,4%, — Kohl 14,9%, — Schwarzbrod 15%- — gelbe Rüben 20,7% (Rubner). 3. Die Umsetzungsproducte der Gallenfarbstoffe, welche nun die Gmelin-Heintz 'sehe Reaction nicht mehr geben, sowie die veränderten Gallensäuren (siehe §. 179, 2). In pathologischen Stühlen, z. B. den grünen, ist die Reaction jedoch oft sehr schön zu zeigen ; es deutet dies auf eine beschleunigte Peristaltik hin (Nothnagel) ; im Meconium [§. 187.] Vorgänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. 355 findet sich unverändertes Bilirubin, Biliverdin, Glycocholsäure und Taurocholsäure (Zweifel, Hoppe-Seyler). 4. Unverändertes Mucin und NucleTn, letzteres zumal nach Brod- kost, — daneben in verschiedenen Auflösungsstadien begriffene Cylinder- epithelien des Tractus, ferner mitunter Fetttropfen. Sehr selten ist Cholesterin. Je weniger innig der Schleim mit den Faeces vermischt ist, um einer so unteren Stelle des Darmes entstammt er (Nothnagel). 5. Nach sehr reichem Milchgenuss, ebenso nach Fettkost finden sich constant im Kothe Krystallnadeln von fettsaurem Kalk , also Kalkseifen, sogar schon bei Säuglingen (Wegschneider). Bei Milch- curen sah man daneben unverdaute Klumpen von Casei'n und Fett auftreten. Verbindungen ferner des Ammoniaks mit den, aus der Fäulniss hervorgegangenen, §. 186 genannten Säuren (Brieger) gehören zu den beständigen Fäcalstoffen. Reichere Fettmassen im Stuhl weisen auf eine beschleunigte Peristaltik hin. Faeces. — a Muskelfasern. & Veline, <■ Epithelien, d Leuki>cyten, e-i verschiedene Kormeu von Pfl mzeozellen, dazwischen überall massenhafte Bacterien (') ; zwischen h nud b Hefe, k phosphorsaure Ammoaiakma^uesia. 6 . Unter den unorganischen Rückständen sind die leicht löslichen Salze, welche eben deshalb auch leicht diffundiren, selten in den Fäces, also: Kochsalz und die übrigen Chloralkalien, die phos- phorsauren, sowie die schwefelsauren Verbindungen. Dahingegen sind die unlöslichen Verbindungen: phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, neutraler phosphorsaurer Kalk, gelb gefärbte Kalksalze, kohlensaurer Kalk und phosphorsaure Magnesia vorherrschend: 70% der Asche. Theils sind dies nicht aufgelöste Bestände, aus Nährstoffen stammend (wie der Kalk aus den Knochen) , theils sind sie erst ausgeschieden, nachdem die sie enthaltenden Nahrungsstoffe verdaut worden sind wie Asche sich aus verbrannten Nahrungsmitteln bildet). Der Kalk wird auch zum Theil in den Darm hinein aus dem Blute ausgeschieden (zum Theil geht er in den Harn über) (J. Forster). Mitunter ist die- Ausscheidung der anorganischen Substanzen so reichlich, dass sie Incrustationen anderer Fäcalstolfe bildet. Hierbei ist entweder nur die phosphorsaure Ammoniakmagnesia in grossen ELrystallen vorhanden, oder vermi mit diesen das Magnesiumphosphat. Namentlich (ienuss von Kogg.-nkleie im Brode, welche diese Stolle reichlich enthält, bewirkt dies . > 356 Vorgänge im Dickdarm. Bildung der Faeces. [§. 187-] Spaltpilze. 7. Ein erheblicher Theil der normalen Fäcalsubstanz besteht aus Spaltpilzen ( Woodward, Nothnagel) ; — Hefe wird selten yermisst (v. Frerichs, Nothnagel) . Zur Feststellung der einzelnen Spaltpilze hat Escherich Beinculturen aus dem Darminhalt von Säuglingen, Bieitstork von Erwachsenen gezüchtet. Im Darme von Säuglingen, — welche nur Muttermilch genossen haben, erzeugt, und zwar im oberen Theile, wo noch Milchzucker unresorbirt ist, dasBacterium lactis aerogenes (Fig. 113. 2) Essigsäure, neben C02 und H, CH4. Milch- saure Salze gehen in buttersaure über. [Auch aus Amylum erzeugt es Essig- säure (Baginskyj\ — In den Ausleerungen ist charakteristisch das schlanke Bacteriumcoli commune (Fig. 113. 1), welches Milchsäure und Ameisen- säure neben Essigsäure erzeugt (Baginsky). Im Kothe des Erwachsenen — fand Bienstock zunächst zwei grosse Bacillenarten (Fig. 113. 3 und 4), an Grösse und Aussehen dem Bacillus subtilis gleich und von letzterem nur durch die Form ihrer Eeincultur, durch die Art und "Weise ihrer Sporenkeimung und durch den Mangel an Eigenbewegung unter- schieden. Unter sich sind diese zwei Bacillen nur makroskopisch durch die Form ihrer Cultur unterscheidbar, welche entweder in Form einer Traube oder eines Mesenteriums auswächst. Diesen beiden komme keine fermentative Wirkung zu. Fig. 113. 9 Vi a b i. Bacterium coli commune. — 2. Bacterium lactis aerogenes. — 3. und 4. Die beiden grossen Bienstock' sch&n Bacillen mit theil weiser endogener Sporenbildung. — 5. Die verschiedenen Entwicklungsstadien des Bacillus der Eiweissfäulniss. Ein 3., Mikrococcus-ähnlicher (Bacillus coprogenus parvus), sehr kleiner, sich langsam vermehrender Bacillus fand sich in 3/4 aller Stühle. Die 4. Art ist der (im Säuglingskothe fehlende) speciflsche Spaltpilz der Eiweisszersetzung (Bacillus putrificus coli), welcher unter Fäcalgeruch die Fäulnissproducte der Eiweiss- körper erzeugt (§. 186. III.). Nur dieser und kein anderer bewirkt im Darme diese Processe; doch Case'in und Alkalialbuminat zersetzt er nicht. In Fig. 113, 5- a — g ist die Entwicklungsreihe dieses Spaltpilzes dargestellt , vou der die Stadien c und g jedoch in den Faeces fehlen und nur in künstlichen Züchtungen ange- troffen werden. Untersucht man die Stuhlentleeruugen einfach mikroskopisch ohne besondere Cautelen, so findet man noch andere Spaltpilze, deren theilweises Hineingelangen durch den After möglich ist: — den durch Jod (in stärkereichen Stühlen) sich oft blau färbenden Bacillus butyricus (pg. 348) und ähnlich sich färbende, kleinste, kugelige und stäbchenförmige Schizomycetea [Nothnagel, UffelmannJ. Bei Menschen, welche an zufällig erworbenen Darmfisteln leiden oder an einem künstlichen After (Darmfisteln im Bereiche des Dickdarmes), hat man Ge- legenheit, die Veränderungen des Darminhaltes genauer zu verfolgen. 188. Krankhafte Abweichungen der Verdauungsthätigkeiten. Nahrungs- A. Die Aufnahme der Nahrung — erleidet eine Behinderung beim Krampf aufnähme. fler Kaumuskeln (meist Theilerscheinung allgemeiner Krämpfe), Stricturen des Oesophagus entweder durch Aetznarben (nach Verschlucken ätzender Flüssigkeiten) oder Geschwulstbildungen, namentlich Krebs. Auch Entzündungen aller Art im [§. 188-] Krankhafte Abweichungen der Verdauungstliätigkeiten. 357 Munde und Rachen können die Nahrungsaufnahme erheblich erschweren. Unver- mögen zum Schlingen tritt ein als Theilerscheinung bei Erkrankung der Medulla oblongata in Folge der Lähmung des Centrums (Nebenoliven) der motorischen (Facialis , Vagus , Hypoglossus) und der reflexanregenden , sensiblen (Glosso- pharyngeus, Vagus, Trigeminusj Nerven. Reizungen oder abnorm gesteigerte Er- regung dieser Stelle kann krampfhaftes Schlingen und das Gefühl der Zusammen- schnürung im Halse (Globus hystericus) erzeugen (vgl. pg. 295). B. Die Speichelsecretion — erleidet eine Verminderung bei der Ent- Speiche'- zündung der Speicheldrüsen, Verstopfung ihrer Gänge durch Concretionen (Speichel- secretxon. steine) etc., ferner unter dem Einflüsse des Atropins, Daturins und des Fiebers, wodurch die secretorischen Chordafasern (nicht die vasomotorischen) gelähmt zu werden scheinen. — Bei sehr hohem Fieber wird gar kein Speichel secernirt. Der bei niedrigeren Fiebergraden abgesonderte Speichel ist trübe und dickflüssig und wird meist sauer. Mit der Zunahme des Fiebers steigert sich auch das Un- vermögen der diastatischen Wirkung (Uffelmann). Vermehrt wird die Speichel- secretion durch krankhafte Reizung der Mundnerven (Entzündungen, Geschwüre, Trigeminusneuralgien), so dass pfundweise Speichel entleert wird. Quecksilber und die Blätter von Jaborandi bewirken Speichelfluss. ersteres unter gleichzeitigem Auftreten einer Stomatitis , welche die Speichelsecretion reflectorisch hervorruft. Auch Erkrankungen des Magens können unter Uebelkeitsanwandelungen und Würgen die Speichelsecretion vermehren. Sehr zäher, fadenziehender Sympathicus- speichel tritt unter gleichzeitiger heftiger Gefässa'.fregung hervor bei lebhafter Geschlechtserregung , aber auch bei gewissen psychischen Affecten. Bei Mund- katarrhen, ferner bei Fiebern in Folge der Zersetzung angehäufter Mundepithelien, sowie bei Diabetes mellitus in Folge der Säuregährung aus dem zuckerhaltigen Speichel erscheint die Reaction der Mundflüssigkeit sauer. Diabetiker leiden daher vielfach an cariösen Zähnen. Auch die Mundflüssigkeit der Säuglinge reagirt, falls nicht die grösste Reinlichkeit beobachtet wird , leicht sauer. C. Störungen in der Thätigkeit der Muskulatur des Magens — können zunächst als Lähmungserscheinungen (unter Auftreibung des Magensund verlängertem Verweilen der Ingesta in demselben) sich zeigen. Eine besondere Form der Magenparalysen stellt die Nichtschlussfähigkeit desPylorus dar (Ebstein.'. Hier können Störungen der Innervation centraler oder peripherer Natur die Ursache sein , ferner wirkliche Lähmung des Sphincter pylori , oder Anästhesie der Pylorusschleimhaut, welche reflectorisch auf den Schliessmuskel wirkt, endlich auch Verhinderung der Reflexübertragung innerhalb des Centrums. — Abnorm gesteigerte Thätigkeit der Magenmuskulatur wird (als Magendurch- fall) schnell die Ingesta in den Darm befördern; oft trilt Erbrechen ein. Bei nervösen Individuen findet man mitunter sogenannte „peristal tisch e Un- ruhe des Magens", verbunden mit dyspeptisehen Zuständen (Kussmaul . — Auch Krampf der Cardia oder Parese der Hemmungsnerven der Cardia kommt vor (Meltzerj. Sehr selten (bei Strictur des Pylorus) sah man eine wirkliche Antiperistaltik des Magens D. Die Magenverdauung — wird durch alle sehr heftigen körperlichen ^^ und geistigen Anstrengungen verzögert, in höheren Graden sogar gehemmt. Auch v< plötzliche psychische Erregungen, sowie reflectorische Einwirkungen von anderen Organen her (Dyspppsia uterina, Kisch) können diesen Einfluss haben. Wahr- scheinlich verursachen diese Momente Einwirkungen auf die vasomotorischen Nerven des Magens. Schwäche und Daniederliegen der Magenverdauung kann unter Umständen rein nervöser Natur sein: Dyspepsia nervosa 'Leube. , — Neura- sthenia gastrica (BurkartJ. Auch eine überreichliche Absonderung des Magensaftes (Reichmann , Riegel) u.id ebenso auch eine übermässige Säurebildung kann auf einer Störung der Ncrvenlhätigkeit beruhen: „ner- vöse Gastro xyn sis" (Rossbach), Entzündliche oder katarrhalische Affec tionen — des töagensi sowie. Geschwüre und Neubildungen, stören die normale Verdauungsthätigk- iti — desgleichen übermässiger Oenuss schwer verdaulicher Speisen, reichlicher scharfer Gewürz- oder viel Alkohol. Grützner sah beim Hunde unter dem Einflüsse eines chronischen M a genk a ta rrhe s die Schleimhaut fortwährend abän- dern, allein der Magensaft war pepsinarm, trübe, zäh, weniger sauer, ja selbst alkalisch. Einführung der Speisen änderte die Secretion nicht; der Magen kommt 358 Krankhafte Abweichungen der Verdamm gsthatigkeiten. [§. 188.] also eigentlich nie zur Kühe. Dabei sind die Hauptzellen der Magendrüsen ge- trübt, Hiernach empfiehlt es sich also, beim Magenkatarrh häufig, aber immer sehr wenig zu essen und daneben als Getränk 0,4°/0 Salzsäure zu trinken. Kleine Gaben Kochsalz scheinen die Magenverdauung zu unterstützen. Bei der Verdauüngssch wache — kann entweder mangelnde Bildung der Salzsäure oder des Pepsins die Ursache sein. Beide Substanzen kann man daher als Abhülfemittel verabreichen. Bei geschwächter Magenverdauung kommen oft Zersetzungen des Inhaltes zu Milch-, Butter- und Essig-Säure vor unter der Einwirkung von niederen Organismen. Kleine Gaben Salicylsäure sind hier sehr anzurathen (Hoppe-SeylerJ, daneben etwas Salzsäure (trotz etwaigem Sodbrennen oder saurem Aufstossen). Wohl nur selten ist die Verabreichung von Pepsin un,- abweislich. da dies selbst der kranken Magenschleimhaut wohl nur selten fehlt. — Bei Magenkatarrhen und Cholera sah man Eiweiss im Magensafte auftreten. — Besondere Beachtung verdient noch die - Magenverdauung Fiebernder und Anämischer. — Schon Imitier9. Beaumont hatte durch Beobachtungen an dem von ihm untersuchten Magenfistel- Mann gefunden, dass beim Fieber nur eine spärliche Absonderung von Magen- saft statthatte ; die Schleimhaut war saftarm , roth und reizbar. Hunde, welche Manassein septikämisch fiebernd oder duich Aderlässe stark anämisch gemacht hatte, lieferten einen schlechter wirksamen Magensaft, in welchem namentlich ein zu geringer Salzsäurebestand vorhanden war. Hoppe-Seyler untersuchte die Magen- flüssigkeit eines Typhuskranken — [in der van de Velde keine freie Salzsäure antraf, (denn die Belegzellen gehen hier zu Grunde, Kupffer), ebenso auch beim Magenkrebs ; bei letzterem fehlt in der Regel freie überschüssige Salzsäure (Riegel, Honigmann &• v. Noordtiij] — und fand dieselbe völlig wirkungslos zur künstlichen Verdauung, selbst nachdem Salzsäure zugesetzt war. Dieser Forscher betont mit Kecht , dass die Verminderung der Salzsäure bei solchen Zuständen den Eintritt der neutralen Magenreaction befördert, bei welcher einerseits die Verdauung im Magen nicht mehr vor sich gehen kann , andererseits aber abnorme Gährungs- processe (Milchsäure-, Buttersäure-Gährung mit Gasentwickelung) unter Beihült'e sich entwickelnder Mikroorganismen und Sarcina ventriculi (Goodsir) (Fig. im §. 272) zur Ausbildung kommen müssen. Er räth daher Darreichung von Salzsäure und Pepsin und daneben, wenn Gährungserscheinungen. bestehen, kleine Dosen Salicylsäure [zur Vernichtung der niederen Organismen (vgl. §. 186)]. Uffelmann fand, dass bei Fi eb ernden dann die Absonderung eines peptonbildenden Magensaftes aufhört, wenn das Fieber sehr stürmisch beginnt, wenn ein grosser Schwächezustand sich einstellt, oder wenn anhaltend eine sehr hohe Temperatur besteht. Jedenfalls ist im Fieber auch die Menge des abgesonderten Saftes herab- gesetzt, so dass sich auch hieraus die Dyspepsie Fiebernder erklärt. Die Reiz- barkeit der Schleimhaut ist erhöht, so dass leicht Erbrechen hervorgerufen wird. Auch die erhöhte Erregbarkeit der vasomotorischen Nerven Fiebernder (Heiden- hain) ist für die Absonderung wirksamer Verdauungssäfte offenbar nachtheilig. Gluzinski fand bei acuten fieberhaften Infectionskrankheiten keine Salzsäure. — Flüssigkeiten sah Beaumont aus dem Magen des Fiebernden schnell resorbirt werden, dahingegen ist die Resorption der Peptone vermindert, schon wegen des sehr häufig begleitenden Magenkatarrhs und der gestörten Thätigkeit der Muscu- laris mucosae (LeubeJ. Viele Salze stören die Magenverdauung, wenn sie in grösserer Menge zugefügt werden, namentlich die schwefelsauren. — Unter den Alkaloiden stören ebenso Morphin, Strychnin, Digitalin , Narcotin , Veratrin; — Chinin be- fördert die Magenverdauung (Wolbergj. E. Die Absonderung der Galle — erleidet in den acuten Krankheiten eine Galle. Veränderung dahin, dafs dieselbe spärlicher und zugleich wässeriger, d. h. ärmer an speeifischen ßestandtheilen wird, z. B. im Fieber (PuentiJ. Erleidet die Leber selbst durch den Erkrankungsprocess tiefgreifende Structurveränderungen, so kann sogar die Gallensecretion vollständig stocken. F. Bei Zersetzung der Galle (? saure Gährung) bilden sich innerhalb der Gallenblase oder Gallengänge die Gallensteine. — Man unterscheidet GaiierMeir.e. ^ wejsseni welche fast ganz aus schichtweise abgelagerten Cholesterin- krystallen bestehen. Sie sind meist gegen 1 Cmtr. im Durchmesser, aber selbst bis wallnussgross und darüber. — Die braunen bestehen aus Bilirubinkalk und kohlensaurem Kalk, oft mit Eisen, Kupfer und Mangan vermischt. Alle Gallensteine enthalten (wie die Harnsteine) eine organische Gerüstsubstanz (PosnerJ, [§. 188.] Krankhafte Abweichungen der Verdauungsihätigkeitcn. 359 Einzelne Gallensteine sind mehr rundlich , oft mit maulbeerformigen Höckern versehen. Die, in der Gallenblase zusammenliegenden schleifen sich gegen ein- ander ab, durch die Contraction der Wandungen der Gallenblase gegen einander gerieben. Die weissen Steine enthalten oft als Kern Kalk und Gallenfarbstoffe, daneben N-haltige Reste, wohl aus abgestossenen Epithelicn herstammend, Schleim, gallensaure Salze und etwas Fett. Gallensteine können Verstopfungen der Gallen- wege erzeugen und so zu den Erscheinungen der Cholämie führen. Kleinere können eingeklemmt in den Gängen lebhafte Schmerzen erzeugen (Gallenstein- kolik) und selbst Zerren sungen der Gänge durch scharfe Kanten bewirken. Die Gallensteinbildung ist wohl lediglich örtlich begründet in stagnirender, sich zer- setzender Galle in der Gallenblase, z. B. verui sacht durch starkes Schnüren, wodurch eine Knickung der Gallenblase entsteht (M. RothJ. — Von der Cholämie und dem Icterus war bereits (§. 182) die Rede. G. In hohen Fiebern scheint das Secret des Pancreas — vermindert und seine Wirksamkeit geschwächt zu sein (Stolnikow) . Aufhebung der Absonderung bewirkt das Auftreten von Fett in Form von Tropfen und krystallinischen Bündeln im Stuhl. — Merkwürdig erscheint die Beobachtung von v. Mering &* Minkowski, dass Hunde nach to taler (nicht th eil weiter) Ausrottung des Pancreas diabetisch werden. Vielleicht hängt von ihm der Umsatz des Zuckers im Körper ab. H. Unter den Störungen in der Thätigkeit des Darmtractus — tritt uns Verstopfung. zuerst die Verstopfung (Obstipatio) — entgegen. Die Ursache derselben kann in folgenden Momenten belegen sein: — 1. In Hindernissen, welche den normalen Weg versperren. Hierher gehören Verengerungen des Darm- tractus duich Narbenstricturen (z. B. im Dickdarm oft nach Ruhr), Geschwulst- massen, ferner durch Axtndrehung einer Darmschlinge (Volvulus), oder Einstül- pung eines Stückes in ein anderes (Invaginatio) oder in einen Bruchsack (Hernia), weiterhin durch Druck von Geschwülsten oder Exsudaten von aussen her. Endlich kann das angeborene Fehlen des Afters die Ursache abgeben. - 2. Zu grosse Trockenheit der Contenta kann die Ursache der Obstipation sein. Hier können die folgenden Momente wirken : zu grosse Trockenheit der Nahrungsmittel, ferner Verminderung der Verdauungssäfle, z. B. der Galle beim Icterus; oder in Folge starker Flüssigkeitsabgabe durch andere Organe des Körpers, wie nach reichlichen Sehweissen, Milchabsonderung; oder endlich im Fieber. — 3- Abweichungen in der Thätigkeit der Muskeln und der motorischen Nerven- apparate des Darmes können Verstopfung durch mangelhafte Peristaltik er- zeugen. Namentlich bewirken dies Lähmungszustände , wie bei Entzündungen, Entartungen, chronischen Katarrhen und Bauchfell-Entzündungen; Rückenmarks- lähmungen sind meist mit träger Stuhlentleerung verbunden, vielfältig auch Geliima tled ioner. Ob die Erscheinungen geistiger Abspannung und Hypochondrie die Begleiterscheinungen oder die Flogen der Obstipation sind, ist nicht erwiesen. Krampfhafte Zusammenziehungen gewisser Darmabschnitte können noter lebhaften Schmerzen (Kolik) vorübergehende Retention des Darminhaltes veranlassen; ebenso ein Krampf der Afterschliesser, der auch reflectorisch durch Reizung des unteren Darmabschnittes erfolgen kann. Fast immer sind die Fäcalstofte bei Obstipation hart und wasserarm, weil während ihres langen Verweilens im Darme Flüssigkeit aus ihnen resorbirt wird. In Folge dessen ballen sich die Kothinassen zu grösseren Stücken (Skybala) innerhalb des Dickdarmes zusammen und diese können ihrer- seits wiederum neue Hindernisse der Fortbewegung veranlassen (Koprostasis). Unter den Mitteln, - welche Anhalten des Stuhles bewirken, sind theils solche, welche den motorischen Apparat vorübergehend lähmen, wie Opium, Morphin, — theils solche, welche secretionsbeschräukend auf die Darmschleimhaut und auf die Gefässe und die Schleimhaut selbst zusammenziehend wirken, wie Gerbsäure, Alaun, Kalk, Bleiacetat, Silber- und Wismuth-Nitrat. J. Vermehrungen der Darmausleerungen — sind meisi mit einer grösseren Durchfall. Flüssigkeit der Paeces verbunden (Durchfall, Diarrhoe). Die Ursache liegt: 1. In einer zu schnellen Fortbewegung der Contenta durch das Darmrobr, namentlich durch das dicke Gedärm, so dass hier die Resorption aus denselben nicht in normaler Weise erfolgen kann. Die vermehrte Peristaltik hängt von einer Reizung des motorischen Nervenajpparates des Hannes, vorwiegend wohl reüectorischer Natur, ab. Ein sehr schneller Durchgang der [ngesta durch das Darmrobr bewirkt, dass die Entleerungen noch Substanzen enthalten, die in der kurzen Zeit noch nicht völlig oder gar nicht verdaut werden konnten (Lienterie). 360 Vergleichendes. [§.188.] Dies wird sich auch ereignen , wenn hochliegende Darmpartieen durch abnorme Communicationsöffnungen mit den unteren Darmabschnitten verbunden sind. 2. Breiig wird der Stuhl durch reichere Wasser-, Schleim- und Fett- Beimischung, ferner durch Obst- und Gemüse-Reste. In seltenen Fällen schleim- reichen Kothes finden sich sogenannte CAarcot' sehe Krystalle (pg. 260, Fig. 81. c). Bei Geschwürsbildung im Darme trifft man Leucocyten (Eiter) (Nothnagel) . 3. Diarrhöen können entstehen in Folge von Störungen der Diffusions- vorgänge durch die Darmwandung. In dieser Beziehung sind Affectionen der Epithelien zu nennen, Schwellungen derselben bei katarrhalischen oder entzünd- lichen Zuständen der Schleimhaut. Da ferner bei der Resorption im Darme eine eigene Thätigkeit der Cylinderzellen in Betracht kommt, die vielleicht vom Nervensystem beherrscht wird, so ist erklärlich, wie auch plötzliche Erregungen durch Schreck, Angst etc. Durchfälle erzeugen. 4. Durchfall kann die Folge einer vermehrten Absonderung in den Darm hinein sein. In einfachster Form geschieht dies durch Capillartranssudatiou wenn in den Darm gebrachte Salze, z. B. Bittersalz, endosmotisch Wasser aus dem Blute anziehen. Hierher gehören die reichlichen flüssigen Absonderungen, die nach Alteration der Darmepithelien sich einstellen, wie bei der Cholera, in welcher eine so hoch- gradige Transsudation in den Darm statthat, dass das Blut dickflüssig wird und sogar in den Adern stockt. Sodann aber kann auch durch eine Lähmung der (vasomotorischen) Nerven des Darmes Transsudation in den Darm statthaben. Hierher scheinen die Er- kältungsdiarrhöen gerechnet werden zu müssen. Gewisse Substanzen scheinen direct die Absonderungsorgane des Darmes oder ihre Nerven zu reizen. Hierher gehören die scharfen Abführmittel. Auch Pilocarpin, in' s Blut gespritzt, erzeugt starke Absonderung (Masloff). Unter fieberhaften Erkrankungen scheint das Secret der Darmdrüsen quanti- tativ und qualitativ verändert zu sein, bei gleichzeitiger Störung in der Thätig- keit der Darmmuskulatnr und der Resorptionsorgane, unter gesteigerter Reizbarkeit der Schleimhaut fUffelmann). Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass bei vielen acuten fieberhaften Krankheilen der Kochsalzgehalt im Harn bedeutend abnimmt, mit dem Nachlassen der Krankheit wieder steigt. In Bezug auf die Gährungen im Darm (§. 186) sei nur betont, dass al'e überreichen, z. B. der Butter- oder Essig-Säure, zu pathologischen Erscheinungen führen. Ueber die, vom Darmcanale aus wirkenden pathogenen Schizo- myceten (Cholera, Typhus, Ruhr u. a.) vgl. §. 141. 189. Vergleichendes. Speichel- Unter den Säugern -- besitzen die Herbivoren grössere Speiche 1- sen' drüsen, als die Carnivoren : die Omnivoren halten die Mitte. Die Wale haben gar keine Speicheldrüsen; die Pinnipedia eine kleine, Echidna gar keine Parotis. Der Hund hat, wie manche Carnivoren. noch eine, in der Orbita liegende Glandula zygomatica. — Bei den Vögeln münden die Speicheldrüsen im Mundwinkel; die Parotis fehlt ihnen. — Unter den Schlangen sind die Parotiden bei einigen zu den Giftdrüsen verwandelt; die Schildkröten haben Unterzungendrüsen; ausser- dem kommen bei den Reptilien am Mundsaume die Lippendrüsen vor. — Die Amphibien und Fische haben nur kleinere, zerstreut liegende Munddrüschen. — Unter den Insecten sind die Speicheldrüsen sehr verbreitet, theils einzellige [z. B. bei den Läusen 2 Paare (Landois)\ theils zusammengesetzte ; meist sind ihrer mehrere Paare vorhanden. Bei manchen ist ihr Secret anieisensäurehaltig, weshalb Stiche dieser Thiere brennen und entzündungserregend wirken ; — bei anderen ist das Secret stark alkalisch, wie das der grossen Speicheldrüsen der Bettwanze (Landois). Bei Bienen und Ameisen sondern die unteren Speicheldrüsen eine Art Kittstoff ab. (Nicht zu verwechseln mit den Speicheldrüsen sind die Seidensubstanz absondernden Gespinnstdrüsen an der Unterlippe der Raupen, zumal der Seiden- raupe.) — Unter den Würmern haben die Blutegel einzellige Speicheldrüsen. — Bei den Schnecken sind Speicheldrüsen gleichfalls verbreitet und enthalt der Speichel von Dolium galea über SV-Z/o freier Schwefelsäure (!), die auch bei anderen Schnecken (Murex, Cassis, Aplysia) gefunden ist. — Die Cephalopoden haben doppelte Speicheldrüsen. [«. 189.] Vergleichendes 361 KropfartigeBildungen fehlen allen Säugern; der Magen erscheint Magen. entweder einfach (wie beim Menschen) oder wie bei vielen Nagern in zwei Hälften getheilt, in einen Cardiatheil und einen Pylorustheil. Der Magen der Wiederkäuer besteht aus 4 Abschnitten : der erste und Darm. grösste ist der Pansen (Rumen), dann folgt der Netzmagen (Reticulum). In diesen beiden Theilen, zumnl im Pan-en, erfolgt die Erweichung und Durchgährung der Ingesta. Nun werden sie durch die, bis zum Magen führenden willkürlichen Muskelfasern wieder zum Munde entleert, abermals durchgekaut, uud durch den Verschluss einer besonderen Halbrinne (Sclilundrinne) wird nun der Biss n in den dritten Magen, den Blätter magen (Psalterium) , geleitet (fehlt den Kameelen) und von da in den eigentlichen vierten Magen, Labmagen (Abo- masus). In den beiden ersten Mägen wird Stärke und Cellulose verdaut, der ge- bildete Zucker zum Theil in Milchsäure übergeführt. Der 6. Magen leistet vor- nehmlich mechanische Arbeit, der 4. verdaut wesentlich Eiweiss. Im Dünndarm werden weiterhin Eiweiss und Kohlehydrate verdaut ; Elletiberger & Hofmeister). — Der Darm zerfällt in Dünn- und Dickdarm , er ist bei Fleischfressern kurz, bei Herbivoren beträchtlich länger. Der Blinddarm, der bei den Pflanzenfressern als wichtigstes Verdauungsorgan eine beträchtliche Grösse hat, bei einigen Nagern sogar in der Mehrzahl auftritt, sinkt beim Menschen auf ein unbedeutendes typisches Residuum zurück und fehlt bei den Carnivoren gänzlich. — Bei den Vögeln besitzt die Speiseröhre oft (namentlich bei den Raubvögeln und Körner- fressern) einen blindsackartigen Anhang, den Kropf, zur Einweichung der Nahrung. Im Kropf der Tauben kommt es zur Brutzeit zur Absonderung der „Kropfmilch", eines Secretes einer besonderen Drüse, welches mit zur Fütterung benutzt wird (J. Hunter). Der Magen besteht aus dem drüsenreichen Vormagen (Proventriculus) und dem starkwandigen Musk el magen, der mit Hülfe innerer Hornplatten die Zermalmung, zumal der Körner, bewirkt. Am Daime findet sich an der Grenze gegen den kurzen Dickdarm fast constant ein Paar handschuh- flngerförmiger Blinddärmchen. Die Darmschleimhaut zeigt vorwiegend Längs- falten. — Der Nahrungscanal der Fische ist meist einfach: der Magen stellt häufig nur eine Erweiterung dar, seltener besitzt der Pylorus einen, häufiger eine grosse Anzahl blinder, drüsenreicher Anhangssäcke (Appendices pyloricae, z. B. beim Lachs). Die Schleimhaut des meist kürzeren Darmes zeigt in der Regel Längsfaltung, oder durch eine wendeltreppenartige Anordnung die soge- nannte S p i r a 1 k 1 a p p e (z. B. Stör). D'ir Tractus der Fische hat vom Oesophagus bis zum Enddarm peptonisirende Kraft Decker). Das kurze Rectum führt bei Haien und Rochen einen blindsackartigen Anhang (Bursa Entiana). — Bei Amphibien und Reptilien ist der Magen meist eine einfache Erweiterung; der Darm ist bei pflanzenfressenden länger, als bei fleischfressenden. Besonders interessant ist in dieser Beziehung, dass die vegetabilienfressenden Froschlarven mit der Metamorphose, die sie zu landbewohnenden Fleischfressern macht, einen viel kürzeren Darm erhalten fSwammerdam . Vielfältige Falten- bildungen zeigt namentlich die Darmschleimhaut der Reptilien. — Die Leber fehlt keinem Wirbelthiere , bei den Fischen ist sie besonders gross; (Amphioxus hat nur einen, als Leber gedeuteten Blindsack); die Gallenblase fehlt wechselnd in allen Olassen. Das Pancreas wird nur bei einigen Fischen vermisst. — Eine (Amphioxus) oder zwei Oeffnungen, (Haie, Rochen, Stör, Aal, Lachs) führen von aussen her frei in die Bauchhöhle; ebenso noch bei den Krokodilen. Unter den Wei chthi e r en haben nur die Schnecken und dieCepha- lopoden eigentliche Kauwerkzeuge. Manche pflanzenfressenden Land- schnecken haben eine, in der oberen Schlundwand liegende , bewegliche, hornige Reibplatte. Horizontal gegen einander wirkende, hartrandige Kieferplatten finden sich namentlich bei den fleischfressenden nacktkiemigen Schnecken. Eine, wie eine Zunge gelagerte, hornige Reibplatte (deren eigen ihümliche Sculptur zur systematischen Unterscheidung vieler Schnecken dient l findet sich bei anderen vielfältig vor. Die Cephalopoden besitzen einen starken Beissapparat in Form eines grossen, hornigen, papageischnabelförmigen Kieferpaares. Auch diese haben auf einem zungenartigen Wulst eine Reibplatte, besetzl mit Stacheln. Der Nahrungscanal ist in Speiseröhre, Magen und Darm abgetheilt, mitunter mit Blindsäcken ausgestattet. Der Enddarm durchbohrt bei vielen Muscheln das Herz und den Herzbeutel. Bei den Schnecken finde! sich der After meist in Uoiiutken. der Nähe der Athmungsnrgane. l>ie Leber ist in der Regel sehr gross. Bei den Cephalopoden mündet der Tintenbeutel in den Emidarm oder neben dem After. Leber und Cephalo- poden . 362 Vergleichendes. [§• 189. Crustaceen. Unter den Gliederthieren haben die Krebst hiere aus Fuss Werkzeugen umgewandelte Kauapparate ; bei einigen besteben noch wahre Kauf üsse ; unter den parasitischen Krebsen linden sich auch saugende Mundtheile. — Unter den AracJtniden. Arachniden haben die Milben saugende Mundtheile; bei den echten Spinnen finden sich neben den saugenden Mundtheilen horizontal wirkende , zum Theil jfyriapodtn. mit Giftdrüsen in Verbindung stehende Klauenkiefer. Den Tausend füsslern insecten. kommt ein starkes, horizontal wirkendes Kieferpaar zu. — Von den Insecten besitzen die, mit kauenden Mundtheilen ausgerüsteten, zwischen der Ober- und Unter-Lippe zwei Paar horizontal gegen einander wirkender Kieferpaare , von denen die Oberkiefer (Mandibulae) die Unterkiefer (Maxillae) an Stärke übertreffen. Bei den saugenden Insecten sind die vier Kiefer zu einer langen, längsgeschlitzten Röhre (Stechrüssel der Wanz^) umgebildet, die in der halbrinnenförmigen Unter- lippe wie in einem Futterale liegt. Der Rüssel der Schmetterlinge besteht aus den sehr verlängerten, neben einander liegenden, aufrollbaren Unterkiefern (Ober- kiefer verkümmert). Die Immen haben eine Saugzunge , die in einer , aus den Unterkiefern gebildeten, Rinne liegt; daneben bestehen noch die schwachen Ober- kiefer als Kauwerkzeuge. Bei den Krebsthieren ist die Speiseröhre kurz; der Magen ist bei manchen eine einfache Erweiterung, bei anderen besitzt er blinde Ausstülpungen, in denen gallebereitende Drüsen liegen. Der Flusskrebs nebst Verwandten besitzen eine stark chitinisirte Intima im Magen, wodurch dieser als Kaumagen befähigt wird. Die Haut wird bei der Häutung mit ausgeworfen. — Unter den Arachniden haben die Skorpione einen einfachen Nahrungscanal. Die echten Spinnen be- sitzen einen dünnen Oesophagus, einen ringförmigen Magen, jederseits noch dazu mit Aussackungen (in deren Grunde Lebersubstanz liegt), die sich bis in die Füsse hinein erstrecken können. Bei den Insecten findet man ausser dem Oesophagus und dem meist drüsenreichen, mitunter ausgesackten Chylusmagen noch verschiedene Abschnitte, wie Kropf (z. B. Grille), Saugmagen (Schmetterlinge), Kaumagen (Käfer), in verschiedener Weise vor. Der Darmcanal ist bei den fleischfressenden Insecten meist kürzer, als bei den pflanzenfressenden. Sehr merkwürdig ist es, dass im Larvenzustand (z. B. der meisten Immen) der Tractus unterhalb des Chylusmagens geschlossen ist ! Der Enddarm mit seinen Nebenapparaten besteht für sich und mündet als Excretionsrohr in den After. Eigentümliche lange, röhrenförmige Excretionsorgane, die Afa/p^g/n' sehen Gefässe, in der Mahrzahl vorhanden, münden an der Grenze des Dünn- und Dick-Darmes. Von den Würmern haben die Bandwürmer, sowie auch die Kratzer (Echinorrhynchus) unter den Rundwürmern gar kein besonderes Verdauungsorgan, sie ernähren sich endosmotisch durch Aufsaugung seitens der Haut. Den Trematoden (Distomum), den Gordiusformen und fast allen Strudelwürmern fehlt der After. Bei ersteren, sowie bei den Egeln (Sanguisuga) ist die Mundöffnung von einem Saugnapfe umgeben, der bei den Blutegeln in der Tiefe drei gezähnte Schneide- werkzeuge besitzt. Manche Egel, sowie die Planarien, haben einen vorstreckbaren Rüssel. Der afterlose Darm der Strudelwürmer ist einfach handschuhfingerförmig ; vielfach verzweigt ist er bei den Leberegeln (Distomum). Bei den Ringelwürmern verläuft der Darm vom vorderen Körperende bis zum hinteren gestreckt, Mund ■und After sind vorhanden. Die Regenwürmer unter ihnen besitzen einen musku- lösen Pharynx, die Blutegel einen, mit vielen seitlichen Blindsäcken versehenen, sehr dehnbaren Magen (den man , wenn das Thier sich vollgesogen hat , durch die Rückenhaut hindurch anschneiden kann, so dass das Blut fortwährend aus der Wunde abläuft, während das Thier mit dem Saugmunde weiter Blut auf- nimmt [Bdellotomie]1. Allen Würmern fehlt die Leber. Alle Stachelhäuter (Echinodermen) besitzen einen Darmcanal. Der Mund ist vielfach mit Beisswerkzeugen ausgerüstet, welche bei den Seeigeln in Form von 5 Schmelzzähnen, die mit einem beweglichen, complicirlen Kiefer- apparate (Laterne des Aristoteles) in Verbindung stehen, auftreten. Unter den Seesternen sind viele afterlos ; in Blindsäcken ihres Magenabschnittes wird ein gallenartiges Secret angetroffen. Speicheldrüsen fand man bei den Seeigeln. Die wasserbewohnenden Coelente raten besitzen keinen, mit gesonderten Wandungen versehenen Darmtractus mehr. Die Leibeshöhle ist die verdauende Cavität; Mund und After ist dieselbe centrale Oeffnung, die oft mit Fangarmen umstellt ist (Medusen, Polypen). Ein, mit der Verdauungshöhle zusammenhängendes, den Körper durchziehendes Canalsystem (Medusen) leitet den Ernährnngssaft und Würmer. Echino- dermen. Cjelente- raten. Fermente. [§. 189.] Vergleichendes. Historisches. 363 zugleich das O-haltige AVasser. Es ist daher als „Wassergefässsys tem" zu- gleich Ernährungs-, Athmungs- und Ausscheidungs-Organ (pg. ^65). Unter den Protoz o en ernähren sich die Gregarinen endosmotisch durch Protozo'in. die Haut. — Die Infusorien besitzen Mund und After, doch ist ihre Leibeshöhle nur von dem Protoplasma ihrer Körpersubstanz begrenzt. — Die Rhizopoden umhüllen ihre Nahrung mit ihrer Leibessubstanz und scheiden an anderer Körper- stelle das Unverdauliche aus, — bei den Spongien erfolgt dieser Vorgang von dem Inneren ihrer vielfachen Canäle, welche die Colonien ihrer protoplasmatischen Leiber durchziehen. Verdauungserscheinungen bei Pflanzen. — In hohem Grade merkwürdig Verdauende sind die Beobachtungen über Eiweissverdauung seitens einiger Pflanzen pflanzen- (Canby 1869, CA. Darwin 1875). Der „Sonnenthau" (Drosera) besitzt auf der Oberfläche der Blätter viele tentakelartige Fortsätze mit Drüsen besetzt. Sobald ein Insect sich auf das Blatt begiebt, umgreifen es plötzlich die Tentakeln ; die Drüsen ergiessen einen sauer reagirenden Saft darüber und verdauen das Thier bis auf die unlöslichen Chitinreste. Der Saft enthält ein pepsinartiges Ferment und Ameisensäure. Die Absonderung, sowie auch später die Resorption der ge- lösten Substanzen erfolgt unter Bewegung des Protoplasmas der Blattzelleu. Aehnliche Vorgänge zeigen die „Fliegenfalle" (Dionaea), das „Fett- blümchen" (Pinguicula) , sowie die Höhle der transmutirten Blätter von Nepenthes ; im Ganzen sind gegen 15 Gattungen solcher „fleischfressenden" Dikotylen bekannt. Der, durch Einschnitte in die grünen Früchte des Melonenbaumes (Carica Pflanzliche Papaya) ausfliessende Saft besitzt peptonisirende Eigenschaften (Roy , IVittmackJ, lind zwar durch ein, dem Trypsin (§. 174. II.) nahestehendes Ferment (Moncorva, Würz & BouchutJ. Ebenso wirksam ist der Milchsaft des Feigenbaumes fBouchitt , der zugleich diastatisch und (bei 50° C.) milchroagulirend wirkt. Auch der Saft der Aloe und des Zuckerrohres (Mariano) , sowie die getrockneten käuflichen Feigen wirken peptonisirend (Hansen) , ebenso auch Wicken, Lupinen, Gerste, Lein, Hanf während des Keimens , sowie der Boden der Artischoke (v. Gorup- Beianez) , endlich der gewöhnliche Mehlteig beim Anmengen (Scfuurer-Kestner). (Vgl. auch §. 25*. 9- a ) 190. Historisches. Mundhöhlenverdauung. — Der Hippokrates'schea. Schule waren die Gefässe der Zähne bekannt; Aristoteles schrieb letzteren ein ununterbrochenes Wachs- thum zu ; ausserdem macht er darauf aufmerksam , dass diejenigen Thiere , die eine Entwickelung von Hörnern und Geweihen (Zweihufer) zeigen, ein mangel- haftes Gebiss (Fehlen der oberen Schneidezähne) haben. (Merkwürdiger Weise hat man bei Menschen mit excessiver Hornsubstanzbildung durch übermässige Behaarung gleichfalls mangelhafte Zahnbildung [Fehlen der Schneidezähne] beob- achtet.) Die Kaumuskeln waren schon sehr früh bekannt; Vidius (f 1567) beschrieb das Kiefergelenk mit dem Meniscus. — Den Alten galt der Speichel nur als Lösungs- und Durchfeuchtungs-Mittel ; daneben schrieb man ihm — namentlich dem nüchternen — (im Anschluss an die Kenntniss des Geifers wuthkranker Thiere und des Parotidensecretes der Giftschlangen) — vielfach giftige Eigen- schaften zu, eine Angabe, die Pasteur neuerdings bestätigt und die Wirkung auf pathogene Spaltpilze der Mundflüssigkeit bezogen hat; doch soll menschlicher Speichel auch ohne Organismen giftig auf Vögel wirken (Gautier, [.-' Griffini, Gaglia 6° Mettei\ Die Speicheldrüsen waren schon im Alterthuiue aufgefunden ; Galeniis (131 — 203 n. Chr.) kennt sogar schon den Whartori 'sehen Gang, Aetius (270 n. Chr.) die Submaxillaris und Subungualis. — Hapel de la Chenaye gewann 1780 aus der, zuerst von ihm an einem Pferde angelegten, Speichelfistel grössere Mengen zur Untersuchung. Spallanzani gab an (1786), dass durchspeichelte Speisen leichter verdaut würden, als mit Wasser durchfeuchtete Hambergei und Siebold untersuchten die Reaction, Consistenz und das speeifische Gewicht des Speichels und fanden in demselben Schleim und Eiweiss, ferner Kochsalz, phos- phorsauren Kalk und phosphorsaures Natron. Berzelius führte die Bezeichnung Ptyalin für den charakteristischen organischen Speichelstoff ein, doch erst Leuchs (1831) entdeckte die diastatische Wirkung desselben. 364 Historisches. [§. 190.] Magenverdauung. — Die Alten verglichen die Verdauung mit der Kochung, wodurch Autlösung erfolge : Aristoteles lässt aus der Nahrun r durch die Pepsis zuerst Chylos (Ichor) entstehen, der in das Herz gelangt. Nach Galen soll durch den Pylorus nur gelöste Masse in den Darm fliessen ; er beschreibt die Bewegung des Magens und die Peristaltik der Gedärme. Aelian kennt die 4 Mägen der Wiederkäuer und nennt ihre Namen. Vidius (f 1567) sah die vielen kleinen lDrüsenöffnungen der Magenschleimhaut. Van Hehnont (f 1644) erwähnt ausdrück- lich die Säure des Magens. Reauvmr (1752) erkannte, dass vom Magen ein Saft abgesondert werde, der die Lösung vollzieht, mit welchem er und Spallanzani ausserhalb des Magens Verdauungsversuche anstellten. Carminati (1785) fand dann, dass namentlich der, in der Verdauung begriffene Magen der Carnivoren einen sehr sauren Saft absondere. Proui entdeckte (1824) die Salzsäure des Magen- saftes , Sprott und Boyd (183 >) fanden die Drüsen der Magenschleimhaut , unter denen IVarsmann und Bischoff die zwei verschiedenen Arten erkannten. Nachdem Beaumont (1834) Beobachtungen an einem Menschen mit Magenfistel angestellt, machten Bassow (1842) und Blondlot (1843) die ersten künstlichen Magenfisteln an Thieren. Eberle bereitete weiterhin (1834) künstlichen Magensaft. Mialhe nannte das, durch die Verdauung modificirte Eiweiss Albuminose, Lehmann führte für dasselbe, das er genauer untersuchte, den Namen Pepton ein. Schwann stellte zuerst das Pepsin dar (1*36) und bestimmte seine Wirksamkeit in Verbindung mit der Salzsäure. Pancreas, Galle, Darmverdauung. — Der Hippokrates" sehen Schule war bereits das Pancreas bekannt; Manr. Hof marin zeigte (1642) den Ausführungs- gang desselben (beim Huhn) dem Wirstmg, welcher ihn dann beim Menschen als seine Entdeckung beschrieb. Regner de Graaf sammelte (1664) den Saft desselben aus Fisteln, den Tiedemann und Gmelin alkalisch, Leuret und Lassaigne Speichel - ähnlich fanden. Valentin entdeckte dessen diastatische, Eberle die emulsionirende, Corvisart (1857) die peptische, und Cl. Beinard (1846) die fettspaltende Fähigkeit, auf welch' letztere schon Purkyhe und Pappenheim hingewiesen hatten (1836). Aristoteles nennt die Galle einen nutzlosen Auswurfsstoff, nach Erasistratus (304 v. Chr.) sollen feinste unsichtbare Gänge die Galle aus der Leber zur Gallenblase leiten. Aretaeus leitete die Ursache des Icterus von Verstopfung der Gallengänge ab. Benedetti (1493) beschreibt die Gallensteine. Nach Jasolinus (1573) entleert sich die Gallenblase durch ihre eigene Contraction. Sylvius de le Boe sah die Leberlymphgefässe (1640), Walaeus das Bindegewebe der sogenannten Capsula Glissonii (1641). Albr. v. Haller betonte den Nutzen der Galle für der Fettverdauung. Die Leberzellen beschrieben Henle, Purkyhe, Dutrochet (1838)- H.ynsius entdeckte den Harnstoff, Cl. Bernard (1853) den Zucker in der Leber, er und Hensen fanden (1857) das Glycogen in derselben, Kieman beschrieb ge- nauer die Blutgefässe (1834', Beale injicirte die Lymphgefässe, Gerlach die feinsten Gallengänge. Schwann (1844) legte die erste Gallenfistel an. Gmelin entdeckte das Cholesterin, das Taurin, die G^illensäure. Demarcey betonte die Verbindung der Gallensäuren mit Natron (1838). Strecker fand die Natronverbindung der beiden Gallensäuren und isolirte sie. Schon Com. Celsus erwähnt die ernährenden Klystiere (3 — 5 n. Chr ) . Laguna (15 "(3) und Rondelet (1554) kennen bereits die Bauhi/i'sclie Klappe. — Fallopia (1561) beschreibt die Falten und Zotten der Darmschleimhaut, ebenso die nervösen Geflechte des Mesenteriums. Dem Severinus (1645) waren schon die gehäuften Follikel fPeyer' sehe Inseln), Galeati bereits (1731) die Lieberkuhn'' scheu. (1745) Drüsen des Darmes bekannt Physiologie der Resorption. 191. Bau der Resorption sorgane. Die Schleimhaut des gesammten I n t e s t i n a 1 1 r a c t u s ist , so- Die_ weit sie mit einschichtigem Cylinderepithel ausgekleidet ist , also von orgaZ des der Cardia bis zum After, für die Resorption befähigt. Mundhöhle und anales*' Oesophagus können sich an derselben wegen ihres dicken , vielfach geschichteten Plattenepithels nur in sehr geringfügigem Grade bethei- ligen. Doch findet Vergiftung (z. B. mit Cyankalium) durch Resorption schon von der Mundhöhle aus statt. Als Resorptionscanäle des Inte- stinaltractus sind die Capillaren der Blutgefässe, sowie die Chylusge fasse der Schleimhaut thätig, von denen erstere die resorbirten Stoffe fast völlig durch die Pfortader der Leber zuführen, während letztere, in weiterem Verlaufe mit Lymphgefässen zusammen- tretend , den resorbirten Chylus oder Milchsaft durch den Ductus thoracicus in das System der oberen Hohlvene entleeren. Vom Magen aus gelangen wässerige Salzlösungen (Penzoldt & Resorption Faber), [zuerst nach 6 Minuten (J. Wolff)\ Traubenzucker (Leabc), im Magen- Pepton, Gifte, in noch höherem Grade alkoholische Lösungen von Giften zur Resorption (Tappeiner , v. Anrep). Dahingegen sahen Klemperer und Scheuerler beim Hunde weder Fette noch Fettsäuren resorbirt werden. Der leere Magen resorbirt schneller, als der mit Speisebrei gefüllte. [Magenkrankheiten und Fieber wirken verspätend C Quetsch, Zweifel) .] Das vornehmste Resorptionsfeld bietet der Dünnd arm — dar zotttn des [vorwiegend in seiner oberen Hälfte (Lannois & Lepine)\ der durch Dünndarmes. seine vielen Seh leimhaut- Falten und durch die zahllosen, auf denselben hervorragenden, kegelförmigen Zotten eine ausserordent- liche Flächenvergrösserung für die Aufsaugung entfaltet. Die Zotten, weiche allein der Dünndarm aufweist, stehen mit ihren Grundflächen dicht aneinander, so dass die ganze Schleimhautfläche mit ihnen bestanden erscheint. In den Spalten zwischen ihren Grundflächen münden die zahlreichen, einfachen Schläuche der Lieberkühn 'sehen Drüsen §. L85 Jede Zotte ist als eine Hervorragusg der ganzen Schleimhaut zu betrachten, denn sie enthält die sämmt liehen Elemente der- selben in sich zusammengefügt. 366 Bau der Kesorptionsorgane. [§• 191.] Das Der mantelförmige Ueberzug der Zotten besteht aus ein- zottenepühei. g^^tigem Cylinderepithelmit zwischenliegenden einzelnen Schleim- bechern (welche nicht etwa als Artefacte zu betrachten sind, oder etwa als Alters- und Rückbildungs-Formen der Epithelien). Die, dem Darm- lumen zugewandte Fläche der Zellen ist polygonal (Fig. 114. D) und zeigt von der Seite gesehen (C) eine breite saumartige Zeichnung, welche man früher als verdickte Wandung der Zellmembran aufgefasst und mit dem Namen „Deckelmembran" bezeichnet hat Dieser Saum zeigt eine, durch die Dicke verlaufende zarte Streifung, Fig. 114. Bau der Resor pt ionsorgane der Zotte. — Ä. Querschnitt von einer Zotte (zum Theil) : a Cylinderepithel mit b dem verdickten Saum^; c eine Becher- zelle ; i i das Gerüst des adenoiden Gewebes der Zotte ; d auer die Permeabilität der Gefässwände erhöht (Cohnheim). Wasserige lymphatische Aos- scheidungen aus wässerigem Blute (kachektische Oedeme) zeigen namentlich ab- geschwächte, schlecht genährte, schlaffe Individuen. 396 Vergleichendes. Historisches. [§. 205.] 205. Vergleichendes. Beim Frosche befinden sich unter der gesammten äusseren Haut mit Endothel ausgekleidete, ausgedehnte Lymphräume; ausserdem erstreckt sich vor der Wirbelsäule, von der Bauchhöhle durch das Bauchfell getrennt , ein grosser Lymphraum : Panizzas Cysterna lymphatica magna. — Die geschwänzten Amphibien, sowie viele Beptilien haben unter der Haut grosse Lymphräume, welche die ganze Bumpflänge im Seitenbereiche des Bückens einnehmen. Im Verlaufe der Aorta besitzen ferner alle Beptilien und die geschwänzten Amphibien grosse, langge- streckte Lymphreservoire. Sehr umfangreiche Lymphapparate besitzen auch die Schildkröten (Fig. 117. II). — Die Knochenfische haben im seitlichen Bereiche des Bückens, vom Schwänze bis zu den Vorderflossen, langgezogene Lympbstämme, die mit erweiterten Lymphräumen an der Wurzel der Schwanz- und der Ex- tremitäten-Flossen in Verbindung stehen. Im Innern der Leibeshöhle erhalten die umfangreichen Lymphsinus die grösste Ausdehnung in der Umgebung des Schlundes. — Viele Vögel besitzen eine sinusartige Erweiterung eines Lymphraumes in der Gegend des Schwanzes. — Bei den Carnivoren sind die Lymphdrüsen des Mesenteriums zu einer grossen compacten Masse vereinigt, dem sogenannten PancreasAsellii". — Selbstverständlich communiciren die Lymphräume stets (unter Klappen einrichtung) mit dem Venensysteme, und zwar zumeist mit dem Gebiete der oberen Hohlvene. — Ueber Lymphherzen vgl. §. 202. 6. 206. Historisches. Wenngleich auch der Schule des Hippokrates die Lymphdrüsen, zumal durch ihre krankhaften Schwellungen, bekannt waren, und wenn auch Herophilus und Erasistratus die Mesenteriallymphgefas.se gesehen haben, so hat doch erst Aselli (1622) die Chylusgefässe im Mesenterium genauer zugleich mit ihren Klappen beobachtet. Pecqiiet fand (1648) das Chylusreservoir, Rudbeck und Thom. Bartholimis die Lymphgefässe (1650—52); Eustachius kennt (1563) bereits den Ductus thoracicus, den weiterhin Gassendus (1654) zuerst gesehen zu haben be- hauptet. Lister sah den Chylus gebläut nach Injection von Indigo in den Darm (1671). Sömmering beobachtete die Faserstoffausscheidung in der Lymphe; Reuss und Emmert fanden zuerst die Lymphkörperchen. — Die c h e m i s c h e n Untersuchungen datiren erst seit dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts, von Lassaigne, Tiede- mann, Gmelin u. A. ausgeführt, von denen die Letzteren auch die weisse Farbe als abhängig von feinen Fettkörnchen erkannten. Physiologie der thierischen Wärme. 207. Quellen der Wärme. Die Wärme des Körpers ist eine ununterbrochen in die uesen und Erscheinung tretende lebendige Kraft, welche wir uns als Qu^jT Schwingungen der Körperatome vorstellen müssen. In letzter Instanz ist jegliche Qu eile der Wärme enthalten in der Masse der, als Nahrung in den Körper aufgenommenen Spannkräfte in Verbindung mit dem, bei der Athmung zugeführten 0 der Luft; das Maass der gebildeten Wärme hängt ab von der Masse der sich umsetzenden Spannkräfte. (Vgl. §. 3.) Man kann die Spannkräfte der Nahrungsstoffe geradezu als „latente Wärme" bezeichnen, indem man sich vorstellt, dass bei ihrer Verarbeitung im Körper, welche vorwiegend ein Verbrennungspro cess ist , lebendige Kraft nur in Form von Wärme umgesetzt werde. Thatsächlich wird allerdings auch Arbeitskraft und Elektricität aus den zugeführten Spannkräften entwickelt. Allein , um ein einheitliches Maass für die umge- setzten Kräfte zu gewinnen, empfiehlt es sich in der Tkat, alle Spannkraft durch Wärmeeinheiten auszudrücken. Wir besitzen nun ein Mittel, durch welches wir experi- Das mentell die , in den Nahrungsstoffen enthaltenen Spannkräfte alle in Wärme umsetzen und zugleich die Einheiten der letzteren messen können. Dieses Mittel bietet das Calorimeter. Favre äf Silbermann bedienten sich des sog. Wasser-Calorimeters U'asser- (Fig. 120). Eine geräumige, cylindriselie Büchse, die sog. Verbren nungskamm er (K), Calorimeter. dient zur Aufnahme der zu verbrennenden Substanz. Diese Büchse befindet sich suspendirt in einem grösseren, cylindrischen Gefässe (L), welches mit Wasser (\v) angefüllt ist, so dass die Verbrenn ungskannner vollständig von demselben umgeben ist. In den oberen Thcil der Kammer münden drei Röhren ein: die eine (0) ist bestimmt für den Zutritt der sauerstoffhaltigen Luft, welche bei der Verbrennung nöthig ist; sie führt bis dicht auf den Boden der Kammer. Die zweite Röhre (a) in der Mitte des oberen Deckels ist oben mit einer dicken Glasplatte verschlossm : auf letzterer steht winkelig ein Spiegel (s), welcher dem Beobachter (B) gestattet, von einem seitlichen Standpunkte aus (in der Richtung b b) in das Innere der 398 Quellen der Wärme. [§• 207.] Eis- Calorimeter. Verbrennung der Nährstoffe im Körper. Kaminer zu sehen, nm den Verbrennuugsvorgang (bei c) zu betrachten. (Das dritte Bohr (d) wird nur benutzt, wenn brennbare Gase im Innern der Kammer verbrannt werden sollen , welche dann durch dasselbe eingeleitet werden. Für gewöhnlich ist dieses Rohr durch einen Hahn verschlossen.) Es führt endlich noch aus dem oberen Theile der Kammer ein Bleirohr (e e) aus , welches in vielen Schlängelungen die Wassermasse durchzieht und schliesslich aus der Oberfläche desselben (bei g) emportaucht. Durch dieses sollen die Terbrennungsgase abströmen und sich in dem Schlangenrohr zur Temperatur des Wassers abkühlen. Das wasserhaltige Cylindergefäss ist bis auf die vier durchtretenden Bohre durch einen Deckel völlig geschlossen. Der Wassercylinder steht auf Füssen innerhalb eines grösseren Cylinders (M), der mit einem schlechten Wärmeleiter angefüllt ist. Endlich steht dieser wiederum in einem noch grösseren Cylinder (N), welcher abermals Wasser (W) enthält. Letztere Wasserschicht soll verhindern , dass etwa von aussen her eindringende ^S- 12°- Wärme das Binnenwasser höher temperire. In der Ver- brennungskammer wird nun ein bestimmtes Quantum der zu untersuchenden Substanz (c) verbrannt. Ist die Ver- brennung völlig vollendet, während welcher das Binnen- wasser wiederholt um- gerührt wird, so bestimmt man mittelst eines feinen Thermometers die Tempera- tur desselben. Ist die Höhe der Temperaturzunahme con- statirt, und ist das Quantum des Wassers im Binnencylin- der bekannt, so ergiebt sich daraus mit Leichtigkeit die, durch die Verbrennung der bestimmten Menge der unter- suchten Substanz gelieferte Zahl von Wärmeeinheiten. (Vgl. §. 3. 3.) Statt des Wasser-Calori- meters kann auch das „Eis- Calorimeter" — verwen- det werden. Bei diesem ist der innere Behälter, statt mit Wasser, mit Eis umgeben ; um dieses herum liegt in einem weiteren Behälter nochmals Eis, welches verhindert, dass von aussen auf das erste Eis Wärme einwirken kann. Der, in der Binnenkammer befindliche, Wärme abgebende Körper schmilzt einen Theil des umgebenden Eises, das Eiswasser läuft unten aus einer Röhre ab und wird gemessen ; Hierbei ist zu bemerken, dass zum Schmelzen von 1 Gr. Eis zu 1 Gr. Wasser von 0° C. 79 Wärmeeinheiten erforderlich sind. Auch das „Luftcalorim eter" ist anwendbar. Aehnlich wie im Calorimeter , nur um Vieles langsamer, werden in unserem Körper die Nahrungsmittel unter O-Zufuhr verbrannt, und es erfolgt somit eine Umsetzung der Spannkräfte in lebendige Kräfte, die im ruhenden Menschen fast völlig "Wasser-Calorimeter nach Favre &° Silbermann. als Wärme auftreten. (Vgl. §. 5.) Favre e^ Silbermann, .Frankland, Rechenberg, Stohmann, B. Danilewsky u. A. haben calorimetrische Versuche über die Verbrennungswärme vieler Nahrungs- stofle angestellt. 207.] Quellen der Wärme. 399 Nach DaniUw\ky liefert ein Gramm wasserfreier Substanz Wärmeeinheiten: Ca sein . 5855 Palmitin . 8883 Kuhmilch . 5733 Alkohol . . 6980 Fi lirin . 5772 Olein . . 8958 Frauenmilch 4837 Harnstoff . 2537 Pepton . -I.S7U Stearin . . 9036 Eigelb . . 4479 Muskelextrac- Glutin . 549iJ Rindsfett 9686 Kartoffel . 4234 tivstoffe . 4400 Rindsblut .V.ini) Glycerin . 4179 Roggenbrod 447 L Ijebigs TJ nid fleisch . 5724 Starke . 447H Weizenbrod 4351 Fleischex- Pflanzen- Dextrose . 3939 Reis . . . 4806 tract . . 3216 ti lirin . 6231 Maltose . . 4163 Erbsen . . 4889 Essigsäure . 3318 Kleber . 6141 Milchzucker 4162 Buchweizen 4288 Bnttersäure 5647 Legumin . 5573 Rohrzucker 4173 Mais . . .5188 Palmitin-S. 9316 Da im Körper das Eiweiss nur bis zum Harnstoff verbrannt wird, so ist von der Verbrennungswärme des Eiweisses die des Harnstoffes abzuziehen. Da aus 1 Theile Eiweiss rund * 8 Theil Harnstoff gebildet wird, so bleiben als Ver- brennungswärme für 1 Gr. Eiweiss rund 5100 Calorien [= 2170 Meter-Kilo- gramm]. Isodyname Nahrungsstoffe — (die gleiche Verbrennungswärme liefern) sind: 100 Gr. thierisches Eiweiss (nach Abzug der Verbrennungswärme für Harnstoff) sind gleichwertig = 52 Fett = 114 Stärke ;= 129 Dextrose. — 100 Gr. Fett sind isodynam mit 243 trockenem Fleische oder 225 trockenem Syn- tonin KubnerJ. — 100 Gr. pflanzliches Eiweiss ebenso = 55 Fett = 121 Stärke = 1H7 Dextrose (B. Danilewsky). \_Ritbner rechnet bei gemischter Kost des Menschen die verwerthbare wärmebildende Kraft für 1 Gr. Eiweiss rund = 4100, für 1 Gr. Fett = 9300, für 1 Gr. Kohlehydrat = 4100 Calorien.] Ist es also bekannt, wie viel Gewichtstheile der vor- stehenden Stoffe ein Mensch innerhalb 21 Stunden in der Nahrung seinem Körper zufuhrt . so ergiebt die einfache Be- rechnung , wie viel "Wärmeeinheiten derselbe hieraus in seinem Körper durch Oxydation bilden kann. Die Unt ersuch ungeu von Rubner haben ergeben, dass bei jedweder abun- danten Zufuhr sich sofort am 1. Tage der Fütterung eine reichlichere Wärnie- bildung (verglichen mit dem vorhergehenden Hnngertage) nachweisen lässt. Die Eigenwärme ist dabei unverändert. Am meisten Wärme wird durch überreiche Eiweisszufuhr gebildet, weniger durch Kohlehydrate, am wenigsten durch Fett. Im Einzelnen liegen nun die Quellen der Wärme in folgenden Vorgängen: 1. In der Umwandlung der, mit hohen Spann- kräften ausgestatteten chemischen Verbindungen der Nährstoffe in solche von minderen, oder sogar völlig erschöpften Spannkräften. Da die organischen Nahrungsmittel (ausser den anorganischen Beigaben) aus C, H. N, O bestehen, so ist es vor Allem : — a) eine Verbrennung des C zu C02 und des H zu H20 , wodurch "Wärme erzeugt wird. Hierbei ist zu beachten, dass die Verbrennung von 1 Gr. C zu C02 8080 Wärmeeinheiten liefert. — von 1 Gr. H zu H.20 jedoch H4460 derselben. Der hierzu nothwendige O wird durch die Respiration aufgenommen. Man kann daher bei einem Weser schon aus dem O- Verbrauch in der Zeiteinheit einigermaassen auf das Quantum der erzeugten Wanne zurückschliessen. Ein gleicher O- Verbrauch entspricht einer gleichen Wärmeprodnction. einerlei, ob er zur Oxydation von H oder C diente (Pflüger,. In der That besteht zwischen Wärmeproduction im Thierkörper und dem O-Verbrauch eine Beziehung, wie zwischen Wirkung und Ursache. So haben die. wenig O verbrauchenden, Kaltblüter eine geringe Körperwärme ; unter den Warmblütern nimmt 1 Kilo Die erschiedenen Quellen der Wärme. I" rbrenmmg. 400 Quellen der Wärme. [§• 207.] Andere chemische, Wärme erzeuy-nde Vorgänge. Wärme- bindende chemische Zwischen- Vorgänge. Physikalische Wärme- quellen. i 'msatz lebendiger A rljc.it in Wärme. lebendes Kaninchen innerhalb einer Stunde 0,914 Gramm 0 auf und erwärmt hiermit seinen Körper auf durchschnittlich 38° C. ; — 1 Kilo lebendiges Huhn hingegen braucht in einer Stunde 1,186 Gramm 0 und bereitet damit eine Durchschnittswärme von 43,9° C. (Regnault & Reiset) . Die gebildete Wärmemenge ist gleich gross, ob die Verbrennung langsam oder schnell erfolgt ; die Lebhaftigkeit des Stoffwechsels hat demnach nur auf die Schnelligkeit, niemals aber auf die absolute Menge der Wärme- bildung einen Einfluss. — Auch die Verbrennung von anorgani- schen Stoifen im Körper, wie die des Schwefels zu Schwefelsäure, die des Phosphors zu Phosphorsäure, liefert eine (wenngleich nur geringfügige) Quelle der Wärme. b) Aber auch ausser den Verbrennungsvorgängen haben alle diejenigen chemischen Processe in unserem Körper, durch welche überhaupt das Maass der vorhan- denen gesammten Spannkräfte vermindert wird, in Folge von grösserer Sättigung früher vorhandener Affinitäten der Atome , Wärmeentwickelung zur Folge. Ueberall , wo die Atome sich zur grösseren Stabilität ihrer endlichen Ruhelage mit gesättigten Affinitäten zusammenfügen, geht die chemische Spannkraft in lebendige Wärmekraft über (pag. 9), — wie z. B. bei der Alkoholgährung des Traubenzuckers und anderen, diesem Vorgange ähnlichen Processen. Auch in den folgenden chemischen Vorgängen kommt es zur Wärmebildung : a) Verbindung von Basen mit Säuren (Andrews). Hierbei bestimmt die Art der Basis die Menge der gebildeten Wärme, die Art der Säure ist ohne Einfluss. Nur dann, wenn die Säure, Avie CO.,, nicht im Stande ist, die alkalische Reaction aufzuheben , ist die Wärmebildung eine geringere. Auch Bildung von Chlorverbindungen (etwa im Magen) erzeugt Wärme. ß) Die Umwandlung eines neutralen Salzes in ein basisches (Andrezvs). Im Blute verbinden sich die, aus der Verbrennung des Schwefels und Phosphors her- vorgegangene Schwefelsäure und Phosphorsäure mit den Alkalien des Blutes zu basischen Salzen. Die Zerlegung der ÖÜ,-Salze des Blutes durch Milchsäure und Phosphorsäure bildet eine doppelte Quelle der Wärme: nämlich sowohl durch Bildung eines neuen Salzes, als auch durch die Entbindung von C02, die theil- weise vom Blute absorbirt wird. y) Die Verbindung des Hämoglobins mit 0. (Vgl. §. 4L) Bei den chemischen Processen, welche dem Körper die Wärme liefern , kommt es aber auch nicht selten zu wärmeabsorbirenden Zwischenumwandlungen der Körper. Mitunter müssen nämlich erst, um den Endzweck grösserer Sättigung der Affinitäten zu erreichen, intermediär an sich fest gelagerte Atomgruppen gelöst werden. Hierzu wird Wärniekraft verbraucht. Auch bei Auflösung fester Aggregat- zustände bei einschmelzenden Rückbildungsprocessen wird Wärme gebunden. Allein alle diese intermediären Wärmeverluste sind gegen die, durch die Darstellung der Endproducte gelieferten und frei werdenden Wärmemengen sehr geringfügig. 2. Als zweite Wärme quelle sind physikalische Vorgänge zu nennen • — aj Der Umsatz lebendiger Arbeitskräfte innerer Organe bietet, da die geleistete Arbeit nicht nach Aussen übertragen wird , Wärme. So geht die ganze lebendige Arbeit des Herzens durch die Widerstände, [§. 207.] "Wärmequellen. — Gleichwarme und Wechsel warme Thiere. 40 L welche sich dem Blutstrom entgegensetzten . in Wärme über (§. 98). Aehnlich ist es mit der lebendigen Arbeit mancher muskulösen Eingeweide. So liefert auch die Torsion der Rippen- knorpel, die Reibung des Luftstromes im Athmungsorgane und der Contenta im Digestionstractus etwas Wärme. Sehr geringe Mengen der Arbeitskraft des Herzens übertragen sich beim Herzstoss und den oberflächlichen Pulsen auf die umgebenden Körper, allein die.-e sind verschwindend klein. Auch bei der Athembewegung , bei der Ausstossung der Athmungsgase, der Auswurfs- und anderer Stoffe findet eine sehr kleine Ueber- 1 ragung von Arbeit nach aussen statt, welche also nicht in Wärme übergeht. — Joule hat die , aus der verloren gegangenen lebendigen Arbeit einer strömenden Flüssigkeit sich erzeugende Wärme zu bestimmen gesucht. Nach ihm muss der "Werth lür die, hierbei durch die Reibung gelieferte Wärme in einem Verhältnisse stehen zu dem Product ans der Differenz des Anfangs- und End-Druckes in das Gewicht der vorbeigeflossenen Flüssigkeitsmasse. Wenn man annimmt, dass die tägliche Arbeit des Kreislaufes über 86000 Meter-Kilogramm betrage, so berechnet sich die hieraus umgesetzte Wärmemenge in 24 Stunden gegen ^04000 Calorien (vgl. §. 98) , welche hinreichen , die Leibesmasse eines mittelgrossen Menschen etwa um 2U C. zu erwärmen. b) Leistet der Körper durch Muskelaction eine nach aussen übertragene Arbeit, indem z. B. der Mensch einen Thurm er- steigt oder ein schweres Gewicht fortschleudert, so geht hier- bei ein Theil der lebendigen Arbeit durch Reibung der Muskeln, der Sehnen, der Gelenkflächen, ferner durch Erschütterung und Pressung der Knochenenden gegeneinander in Wärme über. c) Die in den Muskeln, Nerven, Drüsen sich findenden elektrischen Ströme gehen (abgesehen von den geringen Zweigen, welche bei passender Lösung vom Körper nach aussen ab- fliessen) höchst wahrscheinlich in Wärme über. Auch die wärme- erzeugenden chemischen Processe rufen Elektrieität hervor, welche ebenfalls in Wärme umgesetzt wird. Diese Wärme- quelle ist jedenfalls sehr gering. d) Als fernere sehr geringfügige Wärmequellen aus physikalischen Ursachen sollen noch genannt sein: Wärmebildung durch Absorption von CO\j (Henry), — durch die Verdichtung des "Wassers beim Durchdringen von Membranen (Regnaidt & Pouillet) und bei der Imbibition (Matteucci 1834), — Bildung- fester Aggregatzustände, z. B. des Kalkes in den Knochen. (Durch Ein- schmelzung von festen Beständen im höheren Alter geht allerdings theilweise wieder Wärme verloren.) Nach dem Tode, (mitunter auch unter pathologischen Vorgängen während des Lebens) ist in dieser Weise auch die Gerinnung des Blutes (§. 32. V) und das Starrwerden der Muskeln eine wärmeliefernde Quelle (§. 224.) 208. Gleichwaraie und wechselwarme Thiere. Statt der älteren Eintheilung der Thiere in „Kaltblüter" und Kommt „Warmblüter" (Säugethiere und Vögel) empfiehlt es sich, ein anderes mJmbwter. Merkmal der Classification zu Grunde zu legen, nämlich die G 1 e i c h- mässigkeit oder Ungleichmässigkeit der Körpertemperatur den äusseren Einflüssen gegenüber. Für die Classe der Warmblüter ist von Bergmann der Name Giekhucume „Gleichwarme (h omoiotherme) Thiere" eingeführt worden, "«„»"/ weil nämlich diese , trotz eines erheblichen Wechsels der Temperatur der Umgebung, ihre Eigenwärme mit auffallender Gleichmässigkeit sich Landois, Physiologie. 7. Aufl. 26 402 Gleickwarme und wechselwarme Thiere. [§■ 208.] Wesen. zu erhalten im Stande sind. Die kaltblütigen Thiere wurden jedoch von demselben Forscher „wechselwarme" (poikilotherme) genannt, weil ihre Körpertemperatur innerhalb grosser Breiten mit der Wärme des umgebenden Mediums steigt und fällt. Es muss daher Bomoiofherme bei den Gleichwarmen bei längerem Aufenthalt in kalter Umgebung die Wärmeproduction gesteigert, bei längerem Verweilen in warmen Medien vermindert sein. Ein Beispiel von dieser grossen Beständigkeit der Temperatur im mensch- lichen Körper stellte schon Fordyce auf. Als ein Mann 10 Minuten in einem, mit sehr heisser trockener Luft erfüllten Räume verweilte (§. 219), war das Innere seiner geschlossenen Hand, die Mundhöhle unter der Zunge, sowie der Harn nur einige Zehntel eines Thermometergrades erhöht. — Als Becquerel &* Brechet die Temperatur in der Mitte des Biceps bei einem Manne (mittelst therm o-elektrischer Nadel) untersuchten , dessen Arm eine ganze Stunde in Eiswasser eingetaucht gewesen war, fanden sie das Muskelgewebe nur um 0,2° C. abgekühlt. Derselbe Muskel zeigte entweder gar keine Temperaturzunahme , oder nur von 0,3° C, als der Mann 1/4 Stunde den Arm in Wasser von 42° C. getaucht hatte. Wird durch gewaltsame Mittel, nämlich durch energische Wärme- entziehungen (§. 226) oder durch beträchtliche Wärmezufuhr (§. 222), auf eine Aenderung der Temperatur eingewirkt, so entsteht grosse Gefahr für das Fortbestehen des Lebens. Die Wechselwarmen — verhalten sich wesentlich anders: die Temperatur ihres Körpers folgt im Allgemeinen , wenn auch in grossen Schwankungen, der Wärme der Umgebung. Bei gesteigerter Wärme der Umgebung ist daher auch ihre Wärmeproduction gesteigert, bei Abnahme derselben sinkt jedoch die Wärmeerzeugung im Körper. wärme Als Beispiele der Körpertemperatur im Thierreiche — mögen die fol- verschiedener gencien genügen: Vögel: 37,8° C. Möwe. — . 44,03° Schwalbe und Meise. — Thiere' Säuger: 35,5° Delphin — 41,1° Maus. — Reptilien: 10— 12° Riesenschlange; dieselbe brütend höher. — Amphibien und Fische: 0,5° — 3° über die Tem- peratur der Umgebung. — Arthropoden: 0,1 — 5, 8U ebenso. Bei Bienen in ihrer Anhäufung im Bien3nstocke 30— 32J, bei schwärmenden Schaaren sogar 40°. Die folgenden Thiere erheben ihre Temperatur über die Umgebung: Cephalo- poden 0,57°, — Mollusken: 0,46°, — E chinoder men : 0,40°, — Medusen: 0,27°. — Polypen: 0,21° C. Poikilotherme Wesen. Thermo- metrie. 209. Methoden der Temperaturmessung. Therinometrie. Thermometrie. — Durch die thermometrischen Apparate erhalten wir Aufschluss über den Grad der Wärme des zu untersuchenden Körpers. Hierzu werden angewendet : A. Das Thermometer — Galilei (1603), welches in seiner Construction als bekannt vorausgesetzt werden muss. (Sanctonius machte die ersten thermometrischen Messungen am Menschen, 1626.) Zu wissenschaftlichen Zwecken und ärztlichen Beobachtungen sollen nur 100-theilige nach Celsius (1701 bis 1744) gebraucht werden , bei denen jeder Grad noch in 10 Theile getheilt ist. Das Werkzeug soll mit einem Normalthermometer vorher verglichen sein. Der Quecksilberfaden sei dünn , die Spindel nicht zu klein und nicht zu gross , am besten von cy- lindrischer Form. Eine grosse Kugel steigert die Empfindlichkeit, aber auch die Beobachtungs d a u e r (weil die grosse Hg-Masse sich schwerer durch und durch erwärmt) ; bei kleinerer Spindel beobachtet man zwar schneller , aber auch weniger zuverlässig. Die Scala sei von Porzellan. Alle Thermometer be- kommen mit längerem Gebrauche einen Fehler: sie zeigen zu hoch an (Bellani). Daher sind sie von Zeit zu Zeit mit einem Normalwerkzeug zu vergleichen. Bei einer jeden Messung soll die Kugel wenigstens 15 Minuten völlig umschlossen und ruhig liegen , und zwar darf in den letzten 5 Minuten eine Schwankung am Faden nicht mehr zu bemerken sein. Minima 1-, nament- [§• 209.] Methoden der Temperaturmessung : Thermometrie. 403 lieh aber Maximal-Thernioineter (zur Fiebermessung) sind für den Arzt oft von grösster Bequemlichkeit. Zu feinen vergleichenden Messungen eignet sich besonders JIeta~ Fig. 121. ^//^/«'; „Metastatisches Termometer" (Fig. 121). Die ^^Jer. Röhre ist sehr eng im Vergleich zur Kugel ; damit hierdurch jedoch das Instrument nicht ausserordentlich verlängert werde, ist die Einrichtung getroffen , dass man die wirksame Menge des Queck- silbers beliebig vermehren oder vermindern kann. Man nimmt so viel, dass der Faden bei der, etwa zu erwartenden Temperatur ungefähr in der Mitte der Röhre steht. Man erreicht seinen Zweck dadurch, dass am oberen Ende der Röhre eine Erweiterung ist, in welche man das überflüssige Quecksilber hineinlässt. Soll z. B. eine Temperatur gemessen werden, die voraussichtlich zwischen 37 ' bis 40r' C. liegt, so erhitzt man die Kugel zuerst bis etwas über 40° C, darauf kühlt man sie schnell ab und bewirkt gleichzeitig durch eine Erschütterung ein Abreissen des Fadens unterhalb der oberen Erweiterung. So ist der Spielraum des Fadens von un- gefähr 40° C. abwärts. Die Röhre ist so eng, dass 1° C. gegen 10 Cm Länge umfasst, so dass Vioo° c- nocü 1 Mm- lanS ist5 Ja man hat sogar noch eine Ablesung bis Vtooo0 C- ermöglicht. Die Scala ist willkürlich getheilt; es niuss durch Yergleichuug mit einem Normalthermometer der Werth der Theilung festgestellt werden, desgleichen ebenso die Temperaturhöhe bei einem gewissen Stande der benutzten Fadenlänge. Kroneck^r &° Mayer Hessen sehr kleine Maximalthermometer T^^'ter durch den Nahrungseanal oder durch grössere Gefässe forttreiben. Die kleinen Werkzeuge sind sogenannte Ausflussthermometer (Dulo)ig 6° Petit j, deren Quecksilber durch das kurze offene Röhr- chen abfliesst, und zwar natürlich bei der höchsten Temperatur am reichlichsten. Nach dem Herausnehmen untersucht man durch Vergleichung mit einem Normalthermometer, bei welcher Tempe- ratur das Quecksilber wieder genau bis zum freien Rande des Röhr- chens steigt. B. Die thermo-elektrische Vorrichtung — gestattet eine sehr schnelle und sehr genaue Temperaturmessung (Fig. 122- 1). Das hierzu gebräuchliche The r mo-elektro- Galvano met er von Meissner & Meyerstein enthält zunächst einen, frei an einem Cocont'aden (c) aufgehängten, ringförmigen Magnet (m), mit wel- chem, durch einen Bügel fest verbunden, ein kleines Spiegelchen (S) befestigt ist. Diesem Magneten wird ein anderer, festliegender, mit seinen Polen gleichgerichteter, — (die beiden Nordpole n und N haben gleiche Richtung) — grosser Stabmagnet (M) so genähert. dass der freihängende nur noch mit minimalster Kraft nach Norden sich einzustellen vermag. Um den letzteren ist in wenigen Win- dungen — (in der schematischen Zeichnung ist nur eine Windung gezeichnet) —ein dicker Kupferdraht (bb) geführt, mit dessen weit verlängerten Enden zwei, aus verschiedenen Metallen (Eisen und Neusilber) zusammengelöthete , nadelartige Thermo -Element e (af, fa) verbunden sind, deren gleichnamige, freie Enden schliess- lich noch durch einen Draht (bt) vereinigt sind. So sind die beiden Thermo-Elemente in den geschlossenen Kreis eingeschaltet. In einer Entfernung von 3 Metern vom Spiegelchen ist horizontal eine Scala (KK) aufgestellt, deren Zahlen sich in dem Spiegelchen abbilden. Die Scala selbst ruht auf einem Fernrohre (F), wel- ches gegen das Spiegelchen gerichtet ist. Der, durch das Fernrohr blickende Beoba chte r (B) erkennt im Spiegelchen die Zahlen der Scala, die sich an einem Fadenkreuz genau einstellen. Schwingl der Magnet, und mit ihm das Spiegelchen, aus dem magnetischen Wdl/erdin's Meridiail heraus, so stellen sich andere Zahlen der Scala für den ThermomeCterS Beobachter im Spiegelches ein. Wird das eine der Thermo- Elemente erwärmt, so entsteht ein elektrischer Strom, welcher in de m w ärmeren Elemente vom Eise n z u m 26* Thermo- e'ektrisdte Messung. 404 Temperaturmessung: Thermo-elektrische Vorrichtung. [§.209.] Neusilber gerichtet ist und zugleich den schwingenden Mag- net zur Ablenkung bringt. Denkt man sich in der Richtung des Stromes innerhalb des Leitungsdrahtes schwimmend, so weicht der Nordpol des Magneten nach links hin ab (Ampere). Die Tangente des "Winkels cp, um welchen der freischwebende Magnet aus seiner Ruhelage im magnetischen Meridian durch einen, an demselben vorbeigeführten galvanischen Strom abgelenkt wird, ist Fig. 122. i: j-f DI Kc A B IV z=:K Schema der thermo-elektrischen Vorrichtung zur Bestimmung der Temperatur. deich dem Verhältniss der galvanischen Directionskraft G zu der magne- C tischen Directionskraft D. Also tang. 9= D. Um also bei gleich gross- bleibcndem G die tang.

. je geschützter ihre Lage ist. Nach Heidenhain & Körner soll das Grosshirn am wärmsten sein. Berger maass beim Scbaf verschiedene Gewebe und fand : Unterhautzellgewebe . . 37,35" C. "j Daneben war die Wärme im : Gehirn 40,25 | Mastdarm 40.67° C. Leber . . . ■ ... 41,25 rechten Herzen .... 41,40 Lungen 41,40 J linken Herzen 40,90 Eeim Menschen fanden Bccquerel &° Brechet die Temperatur des Unterhaut- zellgewebes 2,1° C. niedriger, als die der benachbarten Muskeln. Die Horn- gewebe haben gar keine selbst erzeugte Wärme; ihre geringe Temperatur ver- danken sie der Mittheilung von der Matrix, auf der sie wachsen. — Die Tem- peratur der Cornea und des Kammerwassers hängt zum Theil ab von der Iris, sie müssen, je enger das Sehloch ist, um so mehr Wärme aus den Gelassen der Iris erhalten. 211. Einflüsse auf die Temperatur der Einzelorgane. Die Temperatur der Einzelorgane ist keineswegs eine constant hohe , vielmehr giebt es mancherlei Einflüsse , welche dieselbe bald steigen, bald fallen machen. 1. Je mehr ein Körpertheil selbstständig Einfiusi der Wärme in sich erzeugt, umso höher ist die Tempe- *&£%£* r a tu r desselben. Da die Wärmeerzeugung von dem. in den .' Wärmeeinheiten. Ist es nun durch die Wäguug bestimmt, wieviele Gramme der einzelnen Nahrungsstotfe der Mensch geniesst, so ergiebt sich einfach die Zahl der aufgenommenen Wärmeeinheiten. (Vgl. §. 207.) Nach der Art der Nahrung ist daher selbstverständlich das Maass der Wärmebiblung verschieden. So erzeugte J. Ranke; bei Fleischkost 2.779.524 Wärmeeinheiten „ N-loserKost 2,059. 50' i ., „ gemischter Kost . . .2,200.000 ., im H unger zustande . . . .2,012.816 „ (durch Verbrennung eigener Körperbestandtheile). 424 Schwankungen der Wärmeproduction. [§• 217.] 217. Schwankungen der Wärmeproduction. Einfluss auf Nach v. Heimholte beträgt im Mittel die "Wärmeproduction eines gesunden, die wärme- g£ Kii0 schweren Erwachsenen in 24 Stunden 2,732.000 Calorien (pg. 422). Oberfläche. l. Einfluss der Körperoberfläche. — Rubner fand, dass die Wärmeproduction nicht mit dem Körpergewichte, dahingegen mit der Körpergrösse und der mit ihr im Zusammenhange stehenden Oberflächenausdehnung in einem abhängigen Verhältnisse steht. Kleinere Thiere (oder auch jüngere) haben eine relativ grössere Oberfläche , als grosse (oder auch ältere). Da nun die Wärmeabfuhr gerade von den äusseren Flächen zumeist statthat, so wird dementsprechend bei Thieren mit grosserer Oberfläche (Wärmeabfuhrfläche) auch eine grössere Wärmeproduction statthaben müssen. (So fand man entsprechend auch bei kleineren Thieren einen relativ grösseren O-Verbrauch.) Rubner 's Untersuchungen haben nun ergeben, dass für verschieden grosse Hunde gleichmässig die Wärmeerzeugung für je IQ Meter Körperoberfläche 1,143.000 Calorien betrug. Verglich er das Körpergewicht mit der Oberfläche bei verschiedenen Wesen, so fand er, dass auf je 1 Kilo Gewicht kam (in □Centimetern ausgedrückt) bei der Ratte 1650, beim Kaninchen 946 , beim Menschen 287 □ Centimeter Oberfläche. Nach y. Rosenthal ist die Wärmeproduction in folgender Weise zu berechnen : Ist n die Wärmeproduction in 1 Stunde, g das Körpergewicht und A ein Factor, welcher nahezu gleichbleibt bei gleicher Thierart und für gleiche Er- nährungsverhältnisse (für den Hund = 49, — für das Kaninchen == 33), so 3 ist n = A V g2. Alter und 2. Alter und Geschlecht. — In der ersten Lebenszeit, sowie im Greisen- Geschiecht. aiter ist die Wärmeproduction geringer, als im gereiften Alter; ebenso beim weiblichen Geschlechte im Verhältnisse zu dem männlichen. Tages- 3. Tägliche Schwankung. — Die Wärmeproduction zeigt in der stündigen Periode. Periode einen ähnlichen Gang, wie die Körpertemperatur (§. 214. 4). Functionen. 4. Körperfunctionen. — Während des Wachens, bei körperlicher und geistiger Anstrengung, sowie während der Verdauung (wegen der grösseren Drüsenthätigkeit) (Senator, y. Rosenthal) ist die Wärmeproduction grösser, als in den entgegengesetzten Zuständen. 218. Verliältniss der Wärmeproduction zur Arbeitsleistung im Körper. Die dem Körper zugeführten Spannkräfte können von demselben umgesetzt werden in Wärme und in lebendige Arbeit (vgl. §. 3). In dem ruhenden Leibe wird fast das ganze Maass der Spannkräfte allein in Wärme umgesetzt; der Arbeiter hingegen setzt neben Wärmebildung die Spannkräfte auch in Arbeit um. Zur Vergleichung beider Leistungen dient ein äquivalentes Maass: 1 Wärmeeinheit (Kraft, welche 1 Gr. Wasser um 1° C. erhöht) = 425,5 Gramm-Meter. Zur Veranschaulichung des Verhältnisses der Wärmeproduction zur Arbeitsleistung mag zuvörderst das folgende Beispiel dienen. Setze ich in den Binnenkasten eines geräumigen Calorimeters eine kleine Dampfmaschine, in welcher ich ein bestimmtes Gewicht Kohlen verheize, so wird, so lange die [§• 218.] Wärmeproduction und Arbeitsleistung. 425 Maschine nicht zur arbeits I eist end e n Bewegung gebracht wird, von den Kohlen nur Wanne umgesetzt. Das Wasser des Calorimeters wird durch die Erhöhung der Temperatur genau anzeigen, wie viele Wänneeinheiten die ver- heizten Kohlen geliefert haben. Ist dies constatirt, so wird in einem zweiten Versuche in der Maschine dasselbe Quantum Kohlen verheizt, zugleich aber wird durch eine passende Uebertragungsvorrichtung ausserhalb des Calorimeters eine Arbeit verrichtet: etwa ein Gewicht wird emporgewunden durch die Maschine. Diese Arbeit muss natürlich aus den Spannkräften des Heizmaterials geliefert, d. h. umgesetzt werden. Wird nun wiederum am Ende des Versuches die Temperaturerhöhung des Wassers im Calorimeterkasten bestimmt, so zeigt sich in diesem zweiten Versuche, dass dem Wasser weniger Wärmeeinheiten mitgetheilt sind , als im ersten Versuche, in welchem die Maschine zwar ange- heizt war, aber nicht arbeitete. Vergleichende Versuche dieser Art haben nun zweifellos dargethan, dass im zweiten Versuche der Arbeitsnutzeff ect sehr nahe propor- tional ist dem beobachteten W arme- Minus (Hirn). Setzen wir mit diesem Beispiele die Vorgänge im Orga- nismus in Vergleich: Der ruhende Mensch bildet aus den, in der Nahrung aufgenommenen Spannkräften gegen 21/2 — 23 /4 Millionen Calorien. Die Arbeitsleistung eines Arbeiters wird gegen 300000 Kilogramm-Meter veranschlagt (§. 302). Es müsste also, falls der Organismus genau der Maschine vergleichbar wäre , ein , der besagten Arbeit entsprechendes Wärmequantum im Körper weniger gebildet werden. Und in der That : aus demselben Quantum von Spannkräften kann der Organismus bei geleisteter Arbeit natürlich nur weniger Wärme umsetzen. Allein es kommt nun ein Moment in Betracht, wodurch sich der Arbeiter von der arbeitenden Maschine unterscheidet. Der Arbeiter consumirt in derselben Zeit viel mehr Spannkräfte, als der Ruhende; es wird in seinem Körper viel mehr verheizt , und so kommt es , dass der Ausfall durch die Mehrverbrennung nicht allein gedeckt, sondern sogar übercompensirt wird. Der Arbeiter ist auch vermöge seiner lebhafteren Muskelthätigkeit (§. 311. 1. b) wärmer, als der Ruhende. Als Beispiel für das vorgetragene Verhältniss diene Folgendes : Hirn (1 858) nahm in der Buhe im Calorimeterkasten in einer Stunde 30 Gr. 0 auf und producirte 155 Calorien. Als er darauf im Kasten nach aussen übertragene Arbeit leistete, nämlich 27.450 Kilogramm- Meter, verzehrte er 132 Gr. 0 und lieferte nur 251 Calorien. Bei Veranschlagung geleisteter Arbeit ist nur die nach aussen über- tragene Arbeit als Wärmeäquivalent zu verrechnen : z. B. Heben von Lasten, Emporschleudern von Gewichtsstücken, Fortschieben von Massen ; auch das Empor- steigen des Körpers gehört hierher. Beim gewöhnlichen Gehen ist die Ueber- windung des Luftwiderstandes und die Thätigkeit der Muskeln beim Gehacte in Rechnung zu bringen (§ 31<0 Beim Niedersteigen von der Höhe ist auch nicht etwa eine Wärmezunahme für den Körper zu veranschlagen , denn es wird auch Muskelthätigkeit erfordert, um ein Hinab- und Zusammenstürzen des Körpers zu bewirken und um ein zu jähes Abwärtstreiben zu hemmen. Der Organismus ist darin der Maschine überlegen, dass derselbe aus demselben Maasse von Spannkräften mehr Arbeit im Verhältniss zur Wärme umsetzen kann. Während die beste Dampfmaschine aus den Spannkräften nur x/8 Arbeit und 7 a Wärme umsetzt, vermag der Körper J ö Arbeit und 45 Wärme zu liefern. Niemals kann aus Wärme- bildung des liuhenden. Wärme- bildung des Arbeitenden . Die Luft: von 18° C massig warm, „ 25- 28° C. heiss, über 28° C. sehr heiss. 426 Accommodation für verschiedene Temperaturgräde. [§. 219.] chemischen Spannkräften in einem unbelebten oder belebten Motor allein nur Arbeit ohne gleichzeitige Wärmebildung umgesetzt werden. 219. Accommodation für verschiedene Temperaturgrade. Gute und Alle Körper, welchen ein grosses Wärmeleitungsvermögen Wärmeleiter, zukommt, erscheinen uns, wenn sie mit der Haut in Berührung gebracht werden, ungleich kälter, beziehungsweise wärmer, als die schlechten Wärmeleiter. Der Grund liegt eben darin, dass dieselben dem Leibe viel mehr Wärme entziehen beziehungs- weise zuführen, als jene. So wird auch das Wasser kühler Bäder als besserer Wärmeleiter bei gleichem Grade der Tempe- ratur stets für kälter gehalten, als die Luft. In unseren Breiten erscheint uns : Das Wasser: bis zu 18° C kalt, von 18—29° C. frisch, „ 34—35" indifferent über 35,5° C. warm, von 37,5° C und darüber, heiss. So lange die Temperatur des Körpers höher ist, als die des umgebenden Mediums, giebt derselbe Wärme ab, und zwar um so reich- licher und schneller, je besser die Umgebung Wärme leitet. Sobald Au/enthalt in jedoch die Temperatur der Umgebung höher steigt, als die des Körpers, Umgebung, nimmt letzterer Wärme auf, und zwar um so mehr und schneller, als das Medium besser leitet. Daher erscheint uns heisses Wasser von höherer Temperatur zu sein, als gleich hoch temperirte heisse Luft. In einem B ade von 45,5° C. vermag ein Mensch noch 8 Minuten auszuhalten (lebensgefährlich !) ; die Hände ertragen noch ein Unter- tauchen in 50,5° C. heisses Wasser, nicht mehr bei 51,65° C. Bei 60° C. entsteht der heftigste Schmerz in den Bedeckungen. Dahingegen konnte ein Mensch in heisser Luft bei 127° C. noch bis zu 8 Minuten aushalten ; ja Mädchen verweilten sogar bei 132° C. 20 Minuten lang in derselben (Tillet, 1763). Hierbei steigt die Körpertemperatur nur wenig, nämlich nur bis 38,7 — 38,9° C. (Fordyce, Blagden 1774). Dies rührt einmal daher, weil die Luft als schlechterer Wärmeleiter dem Körper nicht so viel Wärme zuführt, als das Wasser. Dann aber, und das ist das Wesentlichste, vermag der Körper in heisser Luft an seiner Oberfläche durch reichliche Schweiss- verdunstung Kälte zu erzeugen, wozu die durch die vermehrte Thätigkeit der Lungen gesteigerte Wasserverdunstung beiträgt. Die enorme Vermehrung des Herzschlages bis über 160 führt der, mit stark er- weiterten Gefässen versehenen Haut stets neue Blutmassen zur Schweissabsonderung und V e r d u n s t u n g zu. — In dem Maasse, wie diese abnehmen , vermag der Körper die heisse Umgebung nicht mehr zu ertragen, und so erklärt es sich leicht, dass in Luft, die reich an Wasserdämpfen ist, der Mensch bei weitem nicht bei gleich hoher Temperatur aushalten kann, als in trockener; die Wärme muss sich im Körper anhäufen. So steigt im russischen Dampfbade von 53° C. bis 60° C. die normale Mastdarmtemperatur bis 40,7 — 41, 6° C. (Bartheis, Jürgensen, Krishaber) . — [In einer mit Wasserdämpfen [§•219.] Aufspeicherung der Wanne im Körper. 427 fast gesättigten Luft von 31° C. kann der Mensch noch anhaltend arbeiten (Stapff).] Im Wasser von der Temperatur des Körpers steigt die normale Körpertemperatur in 1 Stunde um 1°C. , in IV2 Stunden bis gegen 2°C. (v. Liebermeister). Allmähliche Erhöhung der Wassertemperatur von 38,6 auf 40,2° C. bewirkte schon in 15 Minuten Temperatur- zunahme der Achselhöhle bis zu 39,0° C. 220. Aufspeicherung der Wärme im Körper. Da unter normalen Verhältnissen die Constanz der Körper- temperatur die Folge ist der untereinander stets gleichbleiben- den Wärmeproduction und Wärmeabgabe, so ist es einleuchtend, dass Wärme innerhalb des Körpers aufgespeichert werden muss, wenn die Wärmeabgabe vermindert wird. Das vornehmste, die Wärmeabgabe regulirende Organ ist die äussere Haut: Contraction derselben und ihrer Gefässe vermindert dieselbe, Relaxation derselben mit Erweiterung der Gefässe vermehrt dieselbe. Wärmeaufspeicherung lässt sich somit hervorrufen : a) Durch intensive und ausgedehnte Hautreize, durch welche auf die Haut und ihre Gefässe vorübergehend erregend eingewirkt wird (Röhrig}. — b) Auch durch anderweitige Beschränkungen des Wärmeverlustes durch die Haut / Wintemitz/ . — c) Durch eine lebhaftere Thätigkeitdes vasomotorischen Cent rums, wodurch eine Contraction aller Gefässe, natürlich also auch die der äusseren Haut, bedingt wird. So erkläre ich nämlich die Temperatursteigerung nach Transfusion gleichartigen Blutes, [es genügt allein schon die directe Ueber- leitung des Arterienblutes (A. cruralis) in die nebenliegeode Vene bei demselben Thiere ( Albert & Stricker/ ; was ich auch durch Versuche an der Carotis und Vena jugularis externa bestätigen kann], — sowie in Folge des Aderlasses (nach vorhergegangenem Temperaturabfall). In beiden Fällen entsteht eine abnorme Blutvertheilung : in dem einen Falle wird das Venensystem abnorm überfüllt, im zweiten abnorm entleert. Zur Wiederherstellung der normalen Vertheilung bedarf es einer energischen Thätigkeit der Gefüssmuseulatur, angeregt durch das Centrum der Vasomotoren. Die hierdurch mitbedingte, starke Zusammenziehung der Haut- gefässe wirkt verhindernd auf die Wärmeabgabe , und so entsteht Wärme- aufspeicherung. Aehnlich scheint mir auch die Temperatursteigerung des Körpers erklärt werden zu müssen, welche man nach plötzlicher Wasserentziehung des Körpers beobachtet. Das eingedicktere Blut beansprucht einen geringen Gefäss- raum, die verengten Gefässe lassen aber in der Haut weniger Wärme abtreten. — d) AVird an den Hautgefässen auf grösseren Gebieten die Circulation durch mechanische Ursachen verlangsamt (etwa durch Verstopfung kleinster Gefässe durch die klebrigen Stromamasscn oder Gerinnungen, die sich nach Transfusion fremdartigen Thierblutes bilden) , so kommt es gleichfalls wegen verminderter Abgabe zur Wärnieaufspeicherung (§. 107). Vielleicht wirken in ähnlicher Weise manche andere fiebererzeugende Agentien. Bei Hunden, denen ich in einer Sitzung beide Carotiden, beide Aa. axillares und crurales unterband, mit oder ohne die zugehörigen Venen , sah icli innerhalb zwei Stunden Temperatursteigerung bis fast um 1" C. Es ist einleuchtend, dass eine gesteigerte Wärnie- produetion bei normaler Wärmeabgabe eine Auf- speicherung der Wärme nach sich ziehen muss. Hierher gehört die Temperatursteigerung nach Muskelthätig- keit, geistiger Thätigkeit, bei der Verdauung. Endlich gehört hierher wahrscheinlich die, nach Einwirkung kalter Bäder nach Wärmeauf- speicherung durch verminderte Wärme- abgabe. Wiirmcau/- tpeicherung durch Ol TON ' ■■■■ Wärme- prodvetion. 4.28 Das Fieber. [§ 220.] Folgen der TTeberhitzung mehreren Stunden sich einstellende, Temperaturerhöhung, hervor- gerufen durch eine, von der erkälteten Haut renectorisch ange- regte, grössere Wärmeproduction (Jürgensen). Wird die Körpertemperatur durch und durch um etwa 6° C. erhöht, so tritt der Tod ein, wie beim Hitzschlag oder dem Sonnen- stich. Es scheint bei diesem Wärmegrade eine molekulare Decomposition der Gewebe vor sich zu gehen ; bei anhaltenden, weniger hohen Steigerungen tritt eine deutliche fettige Entartung vieler Gewebe in die Erscheinung (Litten). — Gelangen küustlich auf 42— 44° C. tiber - wärmte Thiere später in kühle Umgebung, so wird zunächst ihre Temperatur subnormal (36° C.) und kann Tage lang so anhalten. 221. Das Fieber. Wesen. Vielfach anknüpfend an die, grösstentheils noch innerhalb der Breite physiologischer Erscheinungen liegende, Aufspeicherung der Wärme treffen wir als die verbreitetste pathologische Störung im Körperhaushalte das Fieber, auf welches einige Hinweise gestattet seien. Das Fieber besteht seinem "Wesen nach in einem stärkeren Stoff- umsatz [zumal in den Muskeln (Finkler, Zunte)\ unter gleichzeitiger Tempe- ratursteigerung. Hierbei muss natürlich eine Störung derßegulirung der Wärmebilanz stattfinden; denn wenn nur dafür gesorgt würde, dass bei der gesteigerten Wärmeproduction auch eine gesteigerte Wärmeabfuhr vorhanden wäre, dann könnte es nicht zur Temperatursteigerung (Wärmeanhäufung) kommen. Da im Zustande des Fiebers der Körper zu mechanischer Arbeitsleistung im hohen Grade unbefähigt erscheint, so muss die Umsetzung dieser grösseren Masse der zerfallenden Spannkräfte im Körper fast völlig in War me und die Nichtverwerthung derselben zur lebendigen Arbeits- leistung als charakteristisch weiterhin ganz besonders betont werden. Als Prototyp des Fiebers mag das Wechsel fieber (oder kalte Fieber) gelten , bei welchem heftige , mehrstündige Fieberanfälle mit völlig fieberlosen Zeiten abwechseln. Dieses gestattet am besten die Zergliederung seiner Symptome. Unter den einzelnen Erscheinungen des Fiebers treffen wir zunächst: Erhöhte 1. Die erhöhte Körpertemperatur: — (von 38—39° C. als leichtes, — Temperatur. Von 39 — 41° C. und darüber als schweres Fieber). Nicht allein die brennend rothe Haut (Calor mordax) des Fiebernden, sondern auch die scheinbar kalte des im Fieberfroste Erzitternden zeigt diese erhöhte Temperatur (Ant. de Haen 1760). Die geröthete Haut ist jedoch ein guter, die blasse Haut ein viel schlechterer Wärmeleiter, daher erscheint erstere unserem Gefühle wärmer (v. Bärensprung). (Vgl. §. 213.) 2. Die Erhöhung der Wärmeproduction — (schon von Lavoisier und Craw- ford angenommen) giebt sich unzweifelhaft durch calorimetrische Messungen zu erkennen. Theilweise nur kann diese aus dem Umsatz der gesteigerten Circu- lationsthätigkeit in Wärme hergeleitet werden (§. 207. 2. a.), grösstentheils handelt es sich vielmehr um Verbrennungswärme. 3. Diese Vermehrung des Stoffumsatzes, — wodurch der consumi- rende Charakter des Fiebers sich herleitet, der schon dem Hippokrates und Galenits bekannt war, wurde durch v. Bärensprnng (1852) also bestimmt: „Alle sogenannten Fiebersymptome deuten darauf hin , dass beim Fieber der Stoff- verbrauch regelwidrig gesteigert ist." Die Vermehrung des Stoffumsatzes zeigt sich durch die (um 70 — 80°/0) gesteigerte C02- A us s c hei düng (Leyden und Fränkeli. — Neben der CO^- Ausgabe geht die vermehrte O-Aufnahme (10 — 16°/0 1 Meerschweinchen) einher; der respiratorische Quotient (§. 131. 3) bleibt sich gleich (Zuntz &* Lilienfeld!. Nach D. Finkler unterliegt die C02-Pro- duction grösseren Schwankungen, als der O-Verbrauch ; für die Grösse des respi- ratorischen Quotienten ist nur der Ernährungszustand maassgebend. Die Steigerung des Gaswechsels ist nicht die Folge, sondern die Ursache der erhöhten Körpertempe- Erhöhte Wärme- production Vermehrter Stoffumsatz [§• 221. Das Fieber. 429 ratur. Die Steigerang findet auch statt, wenn durch ein kaltes Bad die Körpertempe- ratur bis zur normalen herabged rückt ist (Zuntz &* Lilienfeld, . — Die Harnstoff- ausscheidung ist um l/3 — a/s vermehrt. Bei septisch fiebernden Hunden sah Naunyn eine erhöhte Harnstoffausscheidung , schon ehe die Temperatur stieg : „präfebrile Steigerung". Mitunter wird jedoch der Harnstoff während des Fiebers theilweise zurückgehalten und erscheint erst in enormer Ausscheidung nach vollendetem Fieberanfall : „epikritische Harnstoffausscheidung" Naunyn . — Auch die Harnsäure ist vermehrt; — daneben kann der, aus dem Blut- farbstoffe stammende Harnfarbstoff (§.24) um das ^Ofache, — die Kali- ausscheidung um das 7fache gesteigert sein. Besonders hemerkenswerth erscheint , dass die Verbrennungsvorgänge im Körper des Fiebernden ausnahmsweise erhöht sind, wenn sich derselbe in warmer Umgebung befindet. Es besteht auch im Fieber zwar eine Erhöhung der Oxy- dationen unter dem Einflüsse kühlerer Umgebung (§. Ül5. I. 2), aber die Steigerung der Verbrennung in warmer Umgebung ist weit höher, als in kalter (D. Finkler). Merkwürdiger Weise fand man d en COyG ehalt des Blutes beträcht- lich herabgesetzt, jedoch nicht sogleich nach dem Beginn eines, selbst sehr intensiven, Fiebers ; Geppert . 4. Verminderte Wärmeabgabe — (auf welche Traube das Fieber allein zurückführen wollte) ist in verschiedenen Stadien des Fiebers verschieden. Zur genaueren Analyse unterscheiden wir im Fieber hierfür die folgenden Stadien : — a) Das Froststadium. Hier ist der Wärnievei lust durch die blasse, blutblose Haut entschieden am meisten vermindert, aber es ist auch die Wärine- produetion um's l'/2 — 27.jfac.hu vermehrt. Das, oft sehr schnelle und hohe Steigen der Temperatur im Froststadium lässt allein schon sicherstellen , dass die ver- minderte Wärmeabgabe nicht allein die Ursache der Temperatursteigerung ist. — b) Im Hitzestadium ist von der gerötheten, blutreichen Haut die Wärme- abgabe entschieden erhöht, aber es wirkt zugleich noch die gesteigerte Wärmeproduction. v. Liebermeister nimmt für eine Temperatursteigerung von 1, 2, 3, 4° C eine entsprechend erhöhte Wärmeproduction an von 6. 12, 18, 24° 0. — c) Im Schweissstadium ist die Wärmeabgabe durch die geröthete, nasse Haut und die Verdunstung am stärksten, sie übertrifft die normale Abgabe um das 2 — 3fache (Leyden . Die Wärmeproduction ist hier entweder noch gesteigert oder normal , oder subnormal , so dass unter diesen Verhältnissen sogar die Körper- temperatur ebenfalls subnormal (bis gegen 36' C.) werden kann. 5. Die Wärmeregulation ist geschädigt : — Warme Umgebungstemperatur kann die Temperatur des Fiebernden mehr erhöhen, als des nicht Fiebernden. Die Depression der Wärmeproduction , welche normalen Thieren die Erhaltung ihrer Normaltemperatur in warmer Umgebung ermöglicht (ij. 215), ist im Fieber weit geringer ( D. Link/er . Als Nebenerscheinungendes Fiebers — sind besonders beachtens- werth: Vermehrung der Intensität uad Zahl der Herzschläge (§. 215. II. 2) und Athemzüge (beim Erwachsenen bis 40, beim Kinde bis 60 in 1 Minute) : beides Compensationserscheinungen der erhöhten Temperatur , — ferner verminderte Verdauungsthätigkeit (§. 188. D.) und Darmbewegung, Störungen der Gehirn- thätigkeit , der Absonderungen, der Muskelthätigkeit , Verlangsamung der Aus- scheidungen (z. B. von verabreichtem Jodkalium durch den Harn) Bacfirach, Schulze . In hohen Fiebern fand man oft molekulare Entartung der Gewebe. Ueber die Blutkörperchen im Fieber siehe §. 16. 1, — die Gefässspannung §, 74, — den Speichel §. 152, — die Verdauung §. 188. D. — Die Aus- nutzung der Nahrungsmittel im ganzen Tractus fand sich nicht auf- fallend beeinträchtigt (v. Kösslin, Sassetzky . Chinin, das wichtigste Fiebermittel, wirkt Temperatur-herabsetzend durch Beschränkung der Wärmeproduction (§. ^14. 6.) Lewizky, Binss, Naunyn, Quincke, ArntzJ, Toxische Dosen von Metallsalzen wirken ebenso, zugleich ist verminderte CO..-Bildung nachweisbar Luchsinger . Verminderte Wärme- abgabe. Gestörte Wärme- regviirung. Nebener- scheinungen les Fitbers. 430 Künstliche Erhöhung der Körperwärme. L§- 222.] Erschei- nungen hei künstlicher Erhöhung der Körper- v.'ürmc. Kaltblüter. Pflanzen. 222. Künstliche Erhöbung der Körperwärme. Werden Säugethiere dauernd in Luft von 40° C. gebracht, so bort die Wärmeabfuhr aus dem Körper auf, es muss daher zu einer Aufspeicherung der producirten Wärme kommen. Im Anfange sinkt sehr kurze Zeit die Körpertemperatur etwas (Obemier) , dann aber beginnt eine deutliche Steigerung derselben. Athmung und Pulsschlag vermehren sich , letzterer wird dann schwächer und unregelmässig. O-Aufnahme und C02-Abgabe vermindern sich etwa nach 6 — 8 Stunden (Litten), und unter grosser Mattigkeit, Krämpfen, Speichehiuss und Bewusstlosigkeit erfolgt der Tod dann, wenn der Körper noch nicht mehr als 4°, höchstens 6° C. höher temperirt ist. Der Tod beruht nicht auf Starrwerden der Muskeln [da die Myosingerinnung derselben bei Säugern erst bei 49— 50° C, bei Vögeln bei 53° C, — (bei Fröschen bei 40° C.) eintritt]. — Bringt man Säuger sofort in sehr hohe Lufttemperatur bei 100° C, so erfolgt unter ähnlichen Erschei- nungen, nur noch schneller (in 15 — 20 Minuten), der Tod; die Eigen- wärme des Körpers nimmt auch jetzt nur gegen 4 — 5° C. zu. Dabei sieht man bei Kaninchen Verlust des Körpergewichtes von 1 Gr. innerhalb einer Minute. (Vögel ertragen die hohe Wärme etwas länger ; sie sterben erst, nachdem ihr Blut 48— 50° C. misst.) Auch der Mensch vermag sich zwar bei 100— 132° C. in der Luft kurze Zeit aufzuhalten , doch tritt schon nach 10 — 15 Minuten die grösste Lebensgefahr ein. Dabei wird die Haut brennend-roth, reicher Schweiss perlt hervor, die Hautvenen sind prall gefüllt und mehr hellroth (Crawford). Puls und Athemholen ist sehr beschleunigt; starker Kopfschmerz, Schwindel, Mattigkeit, Versagen der Sinnes- thätigkeiten deuten grosse Gefahr an. Dabei ist die Körpertemperatur (im After) nur um 1 — 2° C. gestiegen. — Nach den Beobachtungen von C. A. Koch, v. Voit & Simanowsky hat die künstliche Erwärmung bei Menschen und Thieren keinen vermehrten Eiweisszerfall zur Folge, woraus zu schliessen ist, dass der vermehrte Eiweisszerfall im Fieber nicht von der erhöhten Körpertemperatur abhängen kann, sondern durch den unzureichenden Ernährungszustand der Gewebe bedingt sein muss. Auch das Fieber wirkt durch die gesteigerte Körpertemperatur das Leben bedrohend; hält sich die Temperatur länger auf 42,5° C. so ist der Tod unausbleiblich. Wird die künstliche Erhitzung nicht bis zum Tode gesteigert, so zeigt sich, nach 36 — 48 Stunden beginnend, fettige Infiltration und Degeneration an Leber, Herz, Nieren und Muskeln (Litten). Kaltblüter — lassen sich in kurzer Zeit um 6—10° C. höher tempe- riren, sowohl durch Aufenthalt im warmen Wasser als auch in warmer Luft. Da das Herz des Frosches schon Lei 40° stillsteht, und bei derselben Temperatur im Innern des Körpers die Muskeln starr zu werden beginnen, so liegt hier die höchste Temperaturgrenze für das Bestehen des Lebens entschieden tiefer. Dem eigentlichen Tode geht ein scheintodähnlicher Zustand vorher, aus welchem noch die Wiederbelebung möglich ist. Die meisten safthaltigen Pflanzen — sterben in '/2 Stunde beim Aufenthalt in Luft von 52° C. oder im Wasser von 46° C. (Sachs). Ausgetrocknete Samen (Hafer) können sich jedoch sogar nach längerem Verweilen in Luft von 120" C keimfähig erhalten. — Niedrig organisirte Pflanzen, wie die Algen, ver- mögen in warmen Quellen bis zu 60° C. zu leben (Hoppe-Seyler). Einige Bacterien ertragen Siedetemperatur (pg. 347) (Tyndall, Chamberland) . [§. 223.] Anwendung der Wärme. — Postmortale Temperatursteigerung. 431 223. Anwendung der Wärme. Kurze, nicht intensive Wärmeeinwirkung auf die Körperoberfläche bewirkt zuerst eine vorübergehende , geringe Herabsetzung der Körpertemperatur , theils weil hierdurch reflectorisch die Wärmeproduction retardirt (Kernig, , theils weil durch Erweiterung der Hautgefässe und Dehnung der Haut mehr Wärme abgegeben Wirkung wird 'Senator). Bäder über Blutwärme steigern sofort die Körpertemperatur. Nach de^ ]*arme- dem Bade zeigt sich im weiteren Verlaufe eine geringe Temperaturerniedrigung. Oppenheimer berechnet (abgesehen von den Aenderungen der Körperwärme, hervorgerufen durch Veränderung des Kreislaufes und der Athmung) die Tempe- raturerhöhung t, welche ein 40° C. warmes Bad von 400 Liter (Kilo) von l/2 Stunde Dauer (die Zeit, welche hinreicht, den Köq)er zu durchwärmen) bei einem 75 Kilo schweren'.Mensehen von 37° C. Körpertemperatur bewirkt (gleiche Wärmecapacität des Körpers und des Badewassers vorausgesetzt): (400 + 75) t = 400.40 + 75.37; — also: t = ]-^p = 39,5. Die Temperatur des Körpers steigt somit von 37° auf 39,5° C. ; es kommt ihm also ein Zuwachs von 2V2°C. zu, entsprechend 187500 Wärmeeinheiten. Die Wärmezufuhr zum Gesammtkö rp e r — kommt in Betracht Therapeu- bei stark gesunkener Körpertemperatur oder bei drohender Gefahr derselben nsc!\e (Stadium algidum der Cholera ; — unreife menschliche Früchte). Allgemeine Wärmezufuhr wird durch warme Bäder, Einwickelungen (Betten), Dämpfe, Inso- lation, reichliche heisse Getränke bewirkt. — Local sind zur Anwendung gezogen: warme Umschläge, Partialbäder , Vergraben einzelner Theile in heisse Erde oder Sand, Einbringen derselben in den Leib frisch getödteter Thiere (Thierbäder), Einbringen von wunden Stellen in Behälter voll erhitzter Luft. — Es ist nach der Entfernung des wärmenden Agens die , durch die Erweiterung der Gefässe bedingte, grössere AVärmeabgabe zu berücksichtigen. 224. Postmortale Temperatursteigerung-. A'. Heidenhain fand bei getödteten Hunden als constante Erscheinung, dass, Erscheinung. bevor die Abkühlung des Cadavers eintrat, eine vorübergehende Temperatur- erhöhung sich zeigte, welche die normale Temperatur des Körpers um etwas überschritt. — Schon früher waren bei menschlichen Leichnamen ähnliche, zum Theil sehr auffallende Temperatursteigerungen unmittelbar nach dem Tode beobachtet worden , namentlich dann , wenn der letztere in Folge von starken Muskelkrämpfen erfolgt war. So maass z. B. Wunderlich bei einer Leiche 57 Minuten nach dem, durch Tetanus bedingten Tode 45,375° C. — Die Ur- sachen der postmortalen Temperatursteigerung liegen: 1. In einer vorübergehenden gesteigerten Wärmeproduction nach Ursachen. dem Tode, und zwar ganz vornehmlich durch den Uebergang des dick- flüssigen Muskelin kaltes (Myosin) in die feste Form der Gerinnung (Muskel- starre). Der starrwerdende Muskel producirt im Momente des Festwerdens Wärme -.•. Wal/her, Juck (§. 297). Alle Ursachen, welche eine schnelle und intensive Muskelstarre hervorrufen (wozu auch vorübergehende Krämpfe gehören), werden daher der postmortalen Temperaturerhöhung günstig sein. — Auch eine schnelle Gerinnung des Blutes muss wärmeerzeugend wirken. (§.32. V.) ~i. Im Innern des Körpers gehen ferner in den ersten Zeiten nach dem Tode noch eine Beihe von chemischen Processen vor sich, welche Wanne erzeugen. Als Valentin getödtete Kaninchen in einen körperwarmen Baum brachte, in welchem die AVärrneabgabe seitens des Körpers unmöglich war, stieg constam die Binnenwärme des letzteren. Die Vorgänge, welche so post mortem noch Wärme erzeugen, verlaufen in der ersten Stunde schneller, als in der zweiten; — je höher ferner im Augenblicke des Todes die Körpertemperatur ist, um so bedeutender ist diese postmortale Wärmeerzeugung Quincke &* Brüger, . 3. Als dritte Ursache wirkt die verminderte Wärmeabgabe nach dem Tode. Da die Circulation in wenigen Minuten erloschen ist, so wird von der Hautoberfläche des Cadavers nur wenig Wärme mehr abgegeben, weil zur schnellen Abgabe eine stets neue Füllung der Hautgefässe mit warmem Blute nüthig ist. 432 Kältewirkung auf den Körper. [§•225.] Erschei- nungen. Nach- wirkungen. Erkaltung. Wirkung des Frostes. Kältewirkwig auf den Körper. Erkältung. — Frostwirkung. Eine kurz vorübergehende leichte Abkühlung der äusseren Haut bewirkt entweder gar keine Veränderung der Körpertemperatur oder eine geringe Steigerung (v. Liebermeister) . Letztere rührt daher, dass sowohl reflectorisch der schnellere Molekularumsatz zur Wärmeproduction angeregt wird (v. Liebermeister) , als auch durch Contraction der kleinen Hautgefässe und der Haut selbst die Wärmeabgabe verringert ist {Jürgensen, Senator, Speck). Anhaltende und intensivere Kältewirkung bedingt jedoch Temperaturabnahme (Curie), vornehmlich durch Leitung (trotz gleichzeitig bestehender grösserer Wärmeproduction). So findet man nach kalten Bädern 34°— 32° — selbst bis 30° C. Als Nachwirkung — stärkerer Wärmeentziehung zeigt sich, dass noch einige Zeit nachher die Körpertemperatur niedriger bleibt, als sie vor derselben war [primäre N a c h w i r k u n g (v. Liebermeister)]. Sie betrug z. B. nach einer Stunde — 0,22° C. im Rectum. — Als secundäre Nachwirkung bezeichnet man die Erscheinung, dass, nachdem die primäre Nachwirkung ausgeglichen ist, nunmehr eine Steigerung der Temperatur statthat (Jürgensen). Diese beginnt (nach kalten Bädern) nach 5 — 8 Stunden und beträgt im Rectum gegen 0,2° C. (In analoger Weise fand Hoppe-Seyler nach Einwirkung von Wärme auf den Körper im späteren Verlaufe eine Erniedrigung der Körpertemperatur.) Erkältung. — Wird der Körper (Kaninchen) aus einer Umgebungstempe- ratur von 35u C. plötzlich, stark gekühlt, so zeigt sich, abgesehen von Zittern, mitunter vorübergehende Diarrhoe. Nach 1 — 2 Tagen erhebt sich die Temperatur um 1,5° C, und es tritt Albuminurie ein. Nieren, Leber, Lungen, Herz, Nerven- scheiden zeigen mikroskopische Spuren interstitieller Entzündungen, die erweiterten Arterien, namentlich in Leber und Lunge, zeigen Thromben, die Venen in der Umgebung Herde ausgewanderter Lymphomzellen . Bei trächtigen Thieren zeigte sogar der Fötus dieselben Leiden (Lassar). Für die Erklärung der Erscheinung ist zu bedenken, ob nicht etwa in dem stark abgekühlten Blute ein vermehrter Untergang der zelligen Elemente statthat (§. 34). (Vgl. auch §. 143.) Frostwirkung. — Unter andauernder Wirkung hoher Kältegrade auf die Haut contrahirt sich zuerst, durch den Kältereiz veranlasst, die Muskulatur der Haut und ihrer Gefässe ; es entsteht daher Blässe der Bedeckungen. Bei fort- gesetzter Wirkung tritt Lähmung der Gefässwände ein: die Haut röthet sich unter Erweiterung der Gefässe, und, da der Durchgang von Flüssigkeiten durch Capillarröhren überhaupt unter dem Einflüsse der Kälte wesentlich erschwert wird, so kommt es zur Stockung des Blutes, die sich bald als 1 i vi d e Verfärbung zu ei kennen giebt, da auf dem verlangsamten Wege der 0 in den kleinen Gefässen fast verbraucht wird. So ist die Circulation an der Peripherie verlangsamt. Bei weiterer intensiver Einwirkung des Frostes hört die Blutbewegung an der Peri- pherie völlig auf, zumal an den dünnsten Stellen (Ohren, Nase, Zehen, Finger). Die sensiblen Nerven werden dadurch functiohsunfähig (Taubheit und Gefühl- losigkeit). Weiterhin kann es sogar zu einer vollkommenen Durchfrierung kommen. Das Herz strotzt von Blut fv. Dieberg). — Da sich die Verlangsamung der Circu- lation von der Körperoberfläche natürlich auch den anderen Kreislaufbezirken mittheilen muss, so entsteht wegen Verminderung der ßlutbewegung durch die Lungen hindurch eine stärkere Venosität des Blutes (trotz des grossen O-Gehaltes der kalten Luft), in Folge deren die Nervencent ren in ihrer Action beein- flusst werden. Grosse Unlust zu Bewegungen, ein peinliches Gefühl der Ermüdung, ein eigentümlicher , unwiderstehlicher Hang zum Einschlafen, Unvermögen, folgerecht zu denken, Wanken der Sinnesthätigkeiten, endlich völlige Bewusst- losigkeit sind Zeichen dieses Zustandes. Bei — 3,9" C gefriert das Blut, während [§•225.] Künstliche Herabsetzung der Körpertemperatur bei Thieren. 433 die Säfte der oberflächlichen Körpertheile schon eher erstarren. [Bei etwaigen Wiederbelebungs- oder Aufthauungs-Versuchen vermeide man alle biegenden oder brechenden Bewegungen der erstarrten Theile , damit nicht die Eiskrystalle die Gewebe zerstechen. Ferner ist zu schnelles Erwärmen zu unterlassen , da hier- durch eine zu plötzliche Ausdehnung der Gewebtstheile bewirkt würde, die ihre molekulare Destruction nach sich ziehen könnte. Einlaches Reiben (mit Schnee), um womöglich das Blut von nicht, durchfrorenen Stellen allmählich gegen die erstarrten in Bewegung zu setzen, unter ganz allmählicher Erwärmung verspricht den besten Erfolg.] Oft hat das Durchfrorensein den partialen Tod der betreffenden Theile zur Folge. 226. Künstliche Herabsetzung der Körpertemperatur bei Thieren, Künstliche Abkühlungen warmblütiger Thiere durch Aufenthalt in kalter Luft oder in Kältemischungen haben eine Reihe charakteristischer Erscheinungen zur Folge (A. Walther). Sind die Erschei- Thiere (Kaninchen) bis auf 18° C. (Aftertemperatur) abgekühlt, so bemächtigt sich derselben grosse Abgeschlagenheit, ohue dass jedoch die willkürlichen und reflectorischen Bewegungen aufgehoben wären, welche bei 17° erlöschen (Rieh et & Rondeau) . Der Puls vermindert sich (von 100 — 150) auf 20 Schläge in der Minute, wobei der Blutdruck bis auf einige Millimeter Quecksilber sinkt. Die Athemzüge sind selten und oberflächlich, die Athmung wird daher unzureichend (bei 25" C, Kaninchen). Erstickung vermag keine Krämpfe mehr hervorzurufen (Howarth) , die Harnausscheidung stockt , die Leber zeigt einen übermässigen Blutreich thum. In diesem Zustande vermag das Thier bis 12 Stunden zu verharren, dann tritt, — nach- dem Muskeln und Nerven die Zeichen der Lähmung darbieten, Gerin- nung des Blutes nach dem Untergange zahlreicher Blutkörperchen eingetreten , der Augenhintergrund erblasst ist, — der Tod unter Herzlähmung, Krämpfen und Erstickungszeichen ein. Das bis auf 18° C. abgekühlte Thier vermag, sich selbst über- lassen , bei gleichwarmer Umgebung sich nicht mehr zu erholen ; — wird demselben jedoch die künstliche Respiration gemacht , so steigt die Körperwärme um 10° C. Wird mit letzterer noch überdies die Zufuhr von Wärme von aussen verbunden, so erholen sich die Thiere völlig wieder, selbst dann, wenn sie anscheinend todt gegen 40 Minuten dagelegen haben. Walther konnte so erwachsene, bis auf 9° C. ab- gekühlte Thiere wieder beleben , Hoivarth j u n g e Thiere sogar von 5fl C. an. Blindgeborene Säuger und nackt auskommende Vögel kühlen, sich selbst überlassen, viel schneller ab, als die übrigen. — Morphium, noch mehr Alkohol, beschleunigen die Abkühlung der Säuger, wobei der Gaswechsel erheblich sinkt (Rumpf), weshalb trunkene Menschen leichter dem Erfrierungstode ausgesetzt sind (§. 214. 6). Cl. Bernardt machte die merkwürdige Entdeckung, dass die Künstliche Muskeln abgekühlter Thiere sich auflallend lange reizbar erhalten, biutigkeit. sowohl für directe Reize, als auch für Reizung vom Nerven ans: dasselbe fand er, wenn die Thiere durch (»-Mangel erstickt worden waren. „Künstliche Kaltblütigkeit", d. h. ein derartiger Zu- stand, in welchem Warmblüter niedrig temperirt sind unter Erhaltung der Reizbarkeit der Muskeln und Nerven (Cl. Bernard), lässt sich Landois, Physiologie. 7. Aufl. 434 Anwendung der Kälte. [§. 226.] bei Warmblütern auch erreichen durch Durchsehneidimg' des Hals- markes bei erhaltener künstlicher Athmung . ferner durch Benetzung des Peritoneums durch kühle Kochsalzlösung (Wegner). Der Der Winterschlaf — bietet eine Eeilie analoger Erscheinungen dar. Valentin Winterschlaf . fan^ ^&ss die Murmelthiere halbwach zu sein beginnen, wenn ihre Körpertempe- ratur 28° C. beträgt ; bei 18° C. sind sie schlaftrunken, bei 6° zeigen sie leisen., bei 1,6° C. festen Schlaf. Hierbei sinkt der Herzschlag unter Abnahme des Blutdruckes bis auf 8 — 10 in einer Minute. Die Athemzüge, Blasen- und Darm- bewegungen stocken völlig, nur die kardiopneumatische Bewegung (§. 65) unter- stützt die geringe Gasdiffusion in den Lungen. Eine Abkühlung bis gegen 0° erfahren sie nicht, sondern sie erwachen, bevor die Temperatur bis zu dieser Erniedrigung gesunken ist. Winterschläfer können jedoch (gleichgiltig, ob im wachen oder im Schlaf-Zustande) sogar eine künstliche Abkühlung bis auf — 1°C. überstehen und sich spontan wieder erhoien (Howarth). Die Winterschläfer lassen sich somit viel tiefer abkühlen, als andere Säuger; sie geben hierbei ihre Wärme schnell ab und sie vermögen sich mit Schnelligkeit sogar spontan wieder zu erwärmen. Neugeborene Säuger stehen in dieser Beziehung den Winterschläfern näher, als erwachsene. Gefrierender Kaltblüter — können bei hoher Kälte bis auf 0° abgekühlt werden; ''' ja, wenn das Blut gefriert und Eisstücke in der Lymphe der Bauchhöhle sich gebildet haben, können Frösche sich wieder beleben. In dem Kältezustande erscheinen dieselben scheintodt, sie erholen sich jedoch bald bei wärmerer Um- gebung; ihre eingefrorenen Muskeln werden wieder bewegungsfähig (§. 295). — Die Keime und Eier niederer Thiere (z. B. Insecteneier) überdauern anhaltendeu heftigsten Frost ; — bei massiger Kälte wird die Entwickelung nur verzögert. Bacterien (z. B. Bacillus anthracis) ertragen Frost bis zu — 130° C. (Pictet &° Youtig), Hefe bis 100° C. (Frisch). Feier- Das Ueberfirnissen der Haut — bringt eine Eeihe ähnlicher Zustände firnissen der hervor, wie die Abkühlung. Die überrlrnisste Haut giebt sehr leicht die Wärme nach aussen durch Strahlung ab [Krieger), zumal die Blutgefässe der Haut äusserst flilatirt erscheinen (Laschkewitsch) . Daher kühlen sich die Thiere stark ab und manche sterben sogar. Verhindert man die Abkühlung (Valentin, Schiff! durch Erwärmen und Einwickelungen, so bleiben die Thiere am Leben. Das Blut der gestorbenen Thiere enthält keine giftigen Substanzen, noch auch Eetentionsstoffe, die den Tod bedingt haben könnten, denn andere Thiere, denen man es einspritzt, bleiben gesund. Beim Menschen scheint das Ueberfirnissen der Haut nicht schädlich zu wirken (Senator). (Vgl. §. 289. 1.) 227. Anwendung der Kälte. Die Anwendung der Kälte auf den grössten Theil der Körperoberfläche kann von folgenden Gesichtspunkten aus geschehen: um Allgemeine a) durch längere Zeit dauernde kalte Bäder (oder Einwickelungen) der Härme- Körperoberfläche möglichst viel Wärme zu entziehen, wenn die Körpertemperatur im Fieber eine gefahrdrohende Höhe erreicht hat. Es geschieht dies am nach- haltigsten, wenn von massiger Wärme an das Bad allmählich abgekühlt wird, weil dunh plötzliche niedrige Grade die Haut stark blutarm und contrahirt wird, so dass sofort der Wärmeabgabe hierdurch starke Hindernisse bereitet werden. Auch wird das allmählich erkaltende Bad längere Zeit ertragen (v. ZiemssenJ. Zusatz reizender Stoffe, z. B. Salz, welches auf die Erweiterung der Hautgefässe wirkt, befördert die Wärmeabgabe, zumal auch das Salzwasser in erhöhtem Grade die Wärme leitet. Gleichzeitige innerliche Darreichung von Alkohol befördert die Abkühlung. — Auch Wasserverdunstung von der Haut (durch Besprühen mit Wassernebeln) ist zur Herabsetzung der Körperwärme geeignet (Preyer). LocäU • b) Locale äussere Wärmeableitungen (Eisbeutel) dienen in erster Linie Wärmer zur Contraction der Gefässe und Zusammenziehung der Gewebe (bei Entzündungen) unter gleichzeitiger localer Wärmeentziehung. Ob hierbei an Ort und Stelle der wärmebildende molekulare Zerfall der Spannkräfte retardirt wird,-ist unentschieden. c) Locale Wärmeentziehung durch schnell verdunstende Stoffe (Aether, Schwefelkohlenstoff) bewirkt Abstumpfung der (j efühlsnerven. — Zufuhr niedrig [§.227.] Wärme entzündeter Theile. — Historisches. Vergleichendes. 435 temperirter Medien zum Körperinnern (Athmung kühler Luft , kühle Getränke, kühle Darm-, Blasen-, Genital-Einspritzungen) wirken theils local, theils vermögen sie bei anhaltender und intensiver Einwirkung eine allgemeine Wärmeentziehung nach sich zu ziehen. Bei Einwirkung der Kälte ist in Betracht zu ziehen, dass der Verengerung der Gefässe und dem Zusammenfallen der Gewebe nach Aufhören der Einwirkung eine stärkere Füllung und Turgescenz zu folgen pflegt. 228. Wärine entzündeter Theile. „Calor" wird zu den Fundamental-Erscheinungen der Entzündung gerechnet (neben Rubor, Tumor und Dolor). Dennoch beruht die anscheinend gesteigerte Wärme entzündeter Theile keineswegs auf Steigerung der Temperatur über die Blutwärme, was nie beobachtet wird (v. Bärensprung, Jacobson &• Bernhardt). Wegen der Erweiterung der Gefässe (Rubor) und der damit in Zusammenhang stehenden Beschleunigung der Circulation in der Entzündungsstelle, sowie wegen der Schwellung der Gewebe durch gut leitende (§.213) Flüssigkeit pflegen äussere Körpertheüe (Haut) meist wärmer zu sein, als gewöhnlich, und zugleich leichter die Wärme durch Leitung abzugeben. Ob im Entzündungsherde selbst nicht etwa auch (vielleicht je nach der Art der Entzündung) vermehrte Wärnie- production durch beschleunigten Molekularzerfall statthat, ist zur Zeit unermittelt. 229. Historisches. Vergleichendes. Die ältesten Forscher führten die Erscheinungen des Lebens auf die Wä rme (Feuer) zurück. Nach Aristoteles bereitet das Herz in sich die Wärme und sendet dieselbe zugleich mit dem Blute allen Körpertheilen zu. Diese , in ähnlicher Weise auch bei Hippokrates und Galenus anzutreffende , Lehre war lange Zeit die dominirende und wird zuletzt noch bei Cartesius und Bartholitius (1667, „Flammula cordis") angetroffen. — Die iatromec hanische Schule (Boerhave , ran Swieien leitete die Wärme von der Friction des Blutes an den Gefässwänden ab. (Vgl. §.98.) — Die iatr ochem ische Schule suchte hingegen die Quellt der Wärme in Gährungen, welche durch den Eintritt der resorbirten Nähr- stoffe in das Blut entständen van Helmont, Sylvias, Ettmiiller). Erst durch Lavoisier (1777) wurde die Verbrennung des C in den Lungen als AVärmequelle hingestellt. Nach Entdeckung des Thermometers durch Galilei machte Sanctorius (1626) die ersten thermometrischen Untersuchungen an Kranken, — während die ersten ca 1 o rime trischen Messungen von Lavoisier & Laplace ausgeführr wurden. Vergleichende Mittheilungen — sind bereits im §. 208 gemacht worden, ebenso über den Winterschlaf im ^. 226. 18 Physiologie des Stoffwechsels. 230. Inbegriff des Stoffwechsels. Deßnüion Unter dem Stoffwechsel verstehen wir die, den sämmtlichen, Auf^aun auch den niedersten, lebenden Wesen zukommende, — die orga- stoffweclseis. nisirte Schöpfung gegen die unorganisirte scharf abgrenzende — Erscheinung (vgl. §. 6), welche darin besteht, dass das Wesen im Stande ist, die , ans der Nahrung (bei den Thieren durch die Verdauung) gewonnenen Substanzen ihren Greweben einzu- verleiben und dieselben zu einem integrirenden Theile ihres belebten Leibes zu gestalten: diesen Theil des Stoffwechsels nennt man die Assimilation. Weiterhin vermag der Orga- nismus vermöge des Stoffwechsels aus den assimilirten Be- ständen , die ein Reservoir von Spannkräften darstellen, durch Umsetzung Leistungen in Form lebendiger Kräfte zu er- zielen, welche in der Reihe der höheren Thiere am auffälligsten als Muskelarbeit und Wärme hervortreten. Der hierdurch entstehende Umsatz der Gewebsbest ände, welcher schliesslich in der Bildung von Aus wurfsst offen sein Ende erreicht, ist somit ein ferneres Object der Stoffwechsellehre. Zum normalen Stoffwechsel gehört also zunächst ein qualitativ und quantitativ passend gewähltes Nährmaterial, — eine dem Verbrauche in dem Thierkörper entsprechende Anbildung, — ein geregelter chemischer Umsatz der Ge- webe und — die Zubereitung der , den Excretionsorganen zur Verfügung gestellten Auswurfsstoffe. Uebersicht der wichtigsten zur Aufnahme verwendeten Substanzen. 231. Das Wasser. — Untersuchung des Trinkwassers. Bedeutung Wenn man bedenkt, dass der Körper gegen 58,5% Wasser in JKürter. allen seinen Geweben enthält, dass beständig Wasser durch Harn und Koth, sowie durch die Haut und die Lungen ausgeschieden wird, dass für die Processe der Verdauung und der Resorption eine Auflösung [§•231.] Das Wasser. 4:J>" der meisten Substanzen im Wasser nothwendig ist, und ebenso, dass zahlreiche Auswurfsstofte, zumal im Harn , als wässerige Lösungen den Körper wieder verlassen müssen , so tritt die grosse Bedeutung des Wassers und seines steten Wechsels für den Organismus so- fort hervor. Trefflich fasst Hoppc-Seyler die Wichtigkeit des Wassers für das Leben in den Worten zusammen: „alle Organismen leben im Wasser, und zwar im fliessenden Wasser", ein Ausspruch, der dem altbewährten „Corpora non agunt nisi fluida" an die Seite gestellt zu werden verdient. Das Wasser (soweit es nicht als Bestandteil aller feuchten Nahrungsmittel in Betracht kommt) wird als Getränk in verschiedener Weise dargeboten: — 1. Als Regenwasser (zumal in manchen itegenwatser. Ländern in passenden Behältern , Cisternen etc. gesammelt) , welches am meisten dem destillirten (chemisch reinen) Wasser nahe steht, aber dennoch stets geringe Mengen C02, NH3, salpetrige Säure und Salpeter- säure enthält. — 2. Als Brunnen- oder Qu eil -Wasser, gewöhnlich nrunnen- reich an Mineralbeständen. Seine Entstehung verdankt es den atmo- sphärischen Niederschlägen , welche die C0.,-reichen Bodenschichten durchsickern und mit Hülfe der absorbirten C02 die Alkalien, alka- lischen Erden und Metalle daraus zu lösen im Stande sind. Diese gehen nämlich so als doppelt-kohlensaure Salze in Lösung, z. B. der kohlensaure Kalk, das kohlensaure Eisenoxydul. Es wird entweder den Brunnen durch Schöpfvorrichtungen entnommen, oder es sprudelt an gewissen Stellen als Quell aus den Erdschichten hervor. — 3. Das fliessende Wasser der Ströme, Flüsse, Bäche ist ge- Flusswasser. wohnlich viel ärmer an Mineralstoffen , als das Brunnen- und Quell- Wasser. An der Oberfläche fliessend, giebt nämlich das Quellwasser alsbald viel C02 ab. Da nur durch das Vorhandensein dieser die Lösung vieler Mineralstoffe, namentlich des Kalkes, möglich ist. so werden unlösliche Niederschläge dieser Stoffe erfolgen müssen. Das Wasser der Brunnen und Quellen ist sehr arm an 0, da- Gasgehalt. gegen reich an C02 ; letztere giebt ihm das Erfrischende und Er- quickende. Aus gleichem Grunde vermag an den Quellen wohl ein reiches Pflanzenleben zu gedeihen (§. 5), dagegen ist die Existenz der O-bedürftigen, thierischen Organismen im Quell- und Brunnen-Wasser äusserst beschränkt. Das frei fliessende Wasser absorbirt jedoch aus der Luft 0 unter Abgabe von C02 (§. 38) und giebt so den Fischen und anderen Wasserthieren die nothwendige Existenzbedingung. Das Flusswasser enthält gegen l/30 — '/20 seines Volumens an absorbirten Gasen; — durch Sieden oder Frieren werden letztere ausgetrieben. Als Trinkwasser dient vornehmlich das Wasser der Brunnen und Quellen. Flusswasser (mit dem sieh manche grosse Städte be- gütigen müssen) bedarf zunächst einer sorgfältigen Reinigung von dem darin aufgeschwemmten Thon und anderen zufälligen Verunreinigungen, indem man es durch grosse, mit dicken (mit Holzkohle vermengten Sandschichten belegte „Filtrirbeete'1 klärt und läutert. — Im Kleinen kann man sich mit Vortheil zur Klärung der käuflichen Kohlen- filter bedienen, zumal die Kohle noch dazu desinfieirend wirkt. — Merkwürdig ist in dieser Richtung noch die Wirkung des Alauns, der in einer Verdünnung von 0,0001" 0 trübes Wasser zu klären vermag. Klärung trüben 438 Untersuchung des Trinkwassers. [§• 231.] Eigen- schaften eines guten Trink- ,, Härte" des Wassers. Nachweis von Schwefel- säure, von Chlor, von Magnesia, von Halpi ter- säure. Untersuchung des Trinkwassers. Das Trinkwasser soll (selbst in dicken Schickten betrachtet) völlig farblos und ungetrübt sein, ebenso ohne Geruch (am besten bei Erwärmung auf 50° mit oder ohne Zusatz von Natronlauge wahrzunehmen). Es darf ferner nicht zu hart, d. h. nicht über- mässig reich an Kalk- (und Magnesia-) Salzen sein. Mit dem Namen „Härtegrad" — bezeichnet man die Einheit an Kalk- (und Magnesia-) Verbindungen in 100-000 Theilen AVasser: ein "Wasser von 20 Härte- graden enthielte demgemäss in 100.000 Theilen 20 Theile Kalk (Calciumoxyd), an C02, Schwefelsäure und Chlorwasserstoffsäure gebunden, (die geringen Mengen Magnesia kommen wenig in Betracht). Ein gutes Trinkwasser soll 20 Härtegrade nicht bedeutend übersteigen. [Zur Bestimmung des Härte- grades kann man eine titrirte Seifenlösung benutzen , die, mit dem zu unter- suchenden Wasser geschüttelt, um so später Schaum giebt, je härter das Wasser ist.] Man nennt die Härte, welche ungekochtes Wasser zeigt, seine „Gesammt- härte", die Härte des gekochten seine „permanente Härte" (Kübel). Durch das Sieden wird nämlich in Folge der C02 -Entweichung vornehmlich der kohlen- saure Kalk gefällt, daher das gekochte Wasser weicher wird. Trübung des Wassers nach Zusatz von etwas Salzsäure und Chlorbarium- lösung zeigt das Vorhandensein von Schwefelsäure -— an (meist in Gyps). Da in reinem Brunnenwasser Chlor — nur in geringen Mengen vorkommt, dort aber, wo es in grösserem Gehalte sich findet (abgesehen von Salzquellen, Meeresnähe oder Fabrikabgängen), meist auf eine Communication von Abtritts- gruben oder Düngstätten zu rechnen ist, so ist die Chlorbestimmung von beson- derem Interesse. — Zur Titrirung ist erforderlich eine Lösung A von 17 Gr. krystallisirtem Argentum nitricum in 1 Liter Wasser ; 1 Ccmü\ ■ dieser Lösung fällt 3,55 Milligramm Chlor als Chlorsilber aus; — ferner eine kalt gesättigte Lösung B von neutralem Kaliumchromat. Zur Prüfung nimmt man 50 Ccmtr. des zu untersuchenden Wassers in ein Becherglas, setzt 2 — 3 Tropfen der Lösung B hinzu und lässt dann aus einer Bürette so lange Lösung A hinzutröpfeln , bis der, anfangs weisse Niederschlag schwach roth bleibt, selbst nach dem Umrühren. Multiplicirt man' die verbrauchten Cubikcentimeter von A mit 7,1, so resultiren die in 100.000 Theilen Wasser befindlichen Theile Chlor. — Beispiel : 50 Ccmtr. gebrauchten 2,9 Ccmtr. Silberlösung , es enthalten also 100,000 Theile Wasser : 2,9 X 7,1 = 20,59 Theile Chlor (Kübel, Tiemann). [In gutem Trinkwasser darf das Chlor 15 Milligr. in 1 Liter nicht übersteigen.] 50 Ccmtr. Wasser werden mit etwas Salzsäure angesäuert, dann Ammoniak im Ueberschuss zugesetzt und hierauf Lösung von oxalsaurem Amnion zugeselzt: der weisse Niederschlag ist — Kalk Oxalat. Je nachdem die eintretende Trübung nur leicht wolkig oder stark milchig ist, erkennt man, ob das Wasser „weich" (kalkarm) oder „hart" (kalkreich) ist. Nach Absetzung dieses Kalkniederschlages wird die klare Flüssigkeit ab- gegossen und mit Lösung von phosphorsaurem Natron and etwas Ammoniak ver- setzt; der nun entstehende krystallinische Niederschlag zeigt Magnesia an. — Je schwächer diese Reactionen auf Schwefelsäure, Chlor, Kalk und Magnesia sind, um so besser ist das Wasser. — Gutes Trinkwasser soll ferner nur Spuren von salpetersauren Salzen, salpetriger Säure und Amnion ver bin dun g en enthalten, da ihr Vor- handensein auf, in Zersetzung begriffene N-haltige, organische Substanzen hindeutet. Salpetersäure — wird angezeigt, wenn man 100 Ccmtr. Wasser mit 2 bis 3 Tropfen concentrirter Schwefelsäure ansäuert, einige Stückchen Zink hineinlegt und nun eine Lösung von (reinem!) Jodkalium mit etwas Stärkelösung zusetzt, so dass Bläuung entsteht. — Sehr empfindlich ist auch folgende Probe: zu 1 '2 Tropfen des zu untersuchenden Wassers setzt man im Schälchen 2 Tropfen wässerige Lösung von B mein um sulfuricum, dann einige Tropfen conc. Schwefel- säure: es entsteht eine rosarothe Färbung. — D iphenylaminsul fat giebt mit Nitraten selbst in starker Verdünnung blaue Färbung ; (wird daher auch empfohlen zum Nachweis von Brunnenwasser in der Milch). Ver- bindungen. [%'. 231.] Untersuchung des Trinkwassers. 439 Der Nachweis von salpetriger Säure — geschieht durch Bläuung nach Zusatz von von Jodkaliumlösung und etwas Stärkekleisterlösung nach Ansäuerung des Wassers aalpetnger mit etwas .Schwefelsäure. Ammon Verbindungen — erkennt man durch AW.fAv-'sches Reagenz. [Man von Ammon- löst 2 Gr. .Todkalium in 50 Ccmtr. Wasser und setzt unter Erwärmen so lange Quecksilberjodid zu, bis etwas ungelöst bleibt, — lässt erkalten, — verdünnt mit 20 Ccmtr. Wasser. Zwei Theile dieser Lösung versetzt man mit 3 Theilen concentrirter Kalilauge, filtrirt und bewahrt wohl verschlossen.] Spuren von Ammoniak im "Wasser bewirken mit Nessler's Eeagenz gelbe bis röthliche .v««j'«r'j Färbung; grosse Mengen machen einen braunen Niederschlag von tjuecksilber- Reagenz. Ammonium-Jodid. Die Verunreinigung des Wassers durch zersetzte animalische Sub- Quantitative stanzen wird auch an der Menge des darin enthaltenen N erkannt. In den ^«^!_"i"i""? meisten Fällen genügt es, die Menge der Salpeter säure zu bestimmen. Hierzu er sü„re. ^ sind erforderlich: A) eine Lösung von 1,871 Gr. Kali nitricum in 1 Liter destil- lirten Wassers ; 1 Ccmtr. desselben enthält 1 Milligr. Salpetersäure. — B) Eine verdünnte Indigolösung: [1 Theil pulverisirtes Indigotin langsam unter Umrühren in li Theile rauchender Schwefelsäure eintragen; man lässt absetzen, giesst die blaue Flüssigkeit in die 40fache Menge destillirten Wassers, filtrirt. Schliesslich verdünnt man noch die Flüssigkeit so Aveit mit destillirtem Wasser, bis sie anfängt, in 12 — 15 Mm. dicken Schichten durchsichtig zu werden.] Zur Prüfung der Wirkungskraft von B giebt man ] Ccmtr. von A in 24 Ccmtr. Wasser, setzt etwas Kochsalz und 50 Ccmtr. concentrirte Schwefel- säure hinzu und lässt nun von B aus einer Bürette so viel zufliessen , bis eine schwache Grünfärbung entsteht. Die verbrauchten Cubikcentimeter von B entsprechen 1 Milligr. Salpetersäure. 25 Ccmtr. des zur Untersuchung bestimmten Wassers werden nun mit 50 Ccmtr. concentrirter Schwefelsäure versetzt und bis zur Grünfärbung mit B titrirt. Man muss jedoch diese Titrirung wiederholen und das 2. Mal die gefundenen Cubikcentimeter Indigolösung in einem Strahle zufliessen lassen; man wird nun meist noch etwas mehr Lösung bis zur Grünfärbung gebrauchen. Die so gefundenen Cubikcentimeter von Lösung B geben (entsprechend der vorher ermittelten Stärke der Lösung) die Menge der, in 25 Ccmtr. des Wassers vor- handenen Salpetersäure an. Man findet im Brunnenwasser bis zu li! Milligr. Salpetersäure in 1 Liter (Marx, TrommsdorfJ. Schwefelwasserstoff — erkennt man, ausser durch den Geruch, durch Schwefd- Bräunung eines mit alkalischer Bleilösung getränkten Fliesspapieres, welches wa^erstoff. über dem, in einem Kolben kochenden Wasser gehalten wird. Ist es gebunden im Wasser vorhanden , so entsteht durch Nitroprussidnatrium rothviolette Farbe. Von der grössten Bedeutung für die Güte des Trinkwassers ist es, dass Die dasselbe frei sei von — in Verwesung oder Zersetzung begriffenen organischen °j££££chen Materien. Letztere im Verein mit den, stets in ihnen anzutreffenden , niederen des Trink- Organismen bringen nämlich, im Trinkwasser genossen, dem Körper schwere wassers Gefahren, da eine Anzahl ansteckender Krankheiten, namentlich Cholera und J*5? Typhus, durch sie ihre Verbreitung finden können. Letzteres ist namentlich der Ursachen. Fall, wenn sich die benutzten Brunnen in der Nähe dir Abtritte und Düngstätten befinden, so dass die Zersetzungsstoffe in die Wasserbehälter durchsickern können. — Quali tat i ver Nachweis: — 1. Man dampft eiue etwas grössere Wasser- menge in einer Porcellanschale ab bis zum Trocknen, und erhitzt weiterhin stärker: es wird sich beim Vorhandensein grösserer Mengen organischer Sub- Qualitative stanzen Bräunung bis Schwärzung einstellen; sind letztere N-haltit:'. so Irin zu- !lestl'n"'""9 gleich der Geruch nach verbrannten Haaren auf. Gutes Wasser zeigt so behandelt organisehen nur eine schwache Bräunung. Man kann auch mikroskopisch untersuchen, ob Hestandtheiie. Mikroorganismen im Wasser vorhanden sind. Auf einem Objectträger mit aufgekittetem Glasrande verdunstet man (an staubfreiem Orte) etwa 1 Ccmtr. AVasser und durchsucht die eingetrocknete Stelle. — 2. Etwas Goldchlorid- kali uni-Lösung zum Wasser zugesetzt, verursacht einen schwärzliehen, schlam- migen Niederschlag nach längerem Stehen. — ';]. Etwas Lösung von über- mangansaurem Kali, zu dem verdeckt hingestellten Wasser hinzugefügt, entfärbt sich allmählich unter Bildung eines braunen, schlammigen Bodensatzes. Die Niederschläge von 2. und 3. sind um so reichlicher, je grösser die Menge vorhandener organischer Substanzen im Trinkwasser war. 440 Untersuchung des Trinkwassers. [§. 231.] Quantitative Quantitativ — bestimmt man die Menge der organischen Substanzen Bestimmung. n&Gh. Ktibel also : Erforderlich ist A) eine Lösung von 0,63 reiner krystallisirter Oxalsäure in 1 Liter destillirten Wassers. — B) Eine Lösung von 0,33 Kali hypermanganicum in 1 Liter reinsten destillirten Wassers. Zur Feststellung der Wirkungskraft letzterer Lösung Averden 100 Ccmtr. destillirtes AVasser in einem weithalsigenr 300 Ccmtr. fassenden Kolben mit 5 Ccmtr. verdünnter Schwefel- säure (1 Säure auf 3 Vol. verdünnt) versetzt und zum Sieden erhitzt. Darauf lässt man aus einer Glashahnbürette 3 — 4 Ccmtr. der Lösung B zufliessen, kocht bis 10 Minuten , entfernt das Feuer und setzt 10 Ccmtr. der Lösung A hinzu. Endlich wird die farblos gewordene Flüssigkeit mit Lösung B bis zur schwachen Röthung versetzt. Die hierzu verbrauchten Cubikcentimeter entsprechen 6,3Milligr. Oxalsäure, welche in den 10 Ccmtr. der Lösung A vorhanden sind, und enthalten genau 3,16 Milligr. Kali hypermanganicum , oder 0,8 Milligr. für die Oxydation verfügbaren Sauerstoffes, welche zu der Umwandlung der obigen 6,3 Milligr. Oxalsäure in CO^ erforderlich sind. Um nun ein bestimmtes Wasser auf die Menge der organischen Substanzen zu prüfen, nimmt man 100 Ccmtr. desselben (wie oben) in den 300 Ccmtr. fassenden Kolben, setzt 5 Ccmtr. verdünnte Schwefelsäure (1 Vol. zu 3 Vol.) hinzu und so viel von der Lösung B, dass die Flüssigkeit stark roth ist und auch beim Kochen roth bleibt. Nach 5 Minuten Sieden setzt man 10 Ccmtr. der Lösung A hinzu ; die hierdurch farblos gewordene Flüssigkeit wird mit Lösung B titrirt bis zur schwachen Röthung. Zur Berechnung zieht man von der Gesammtmenge der, bei dem Versuche zugesetzten Cubikcentimeter der Lösung B soviel Cubikcentimeter ab , als zur Oxydation der 10 Ccmtr. von Lösung A nöthig sind. Die Differenz in Cubikcenti- meter multiplicirt man mit 3,16 : x, wenn man die Theile Kali hypermanganicum, oder mit 0,8 : x, wenn man die Theile O erfahren will, welche zur Oxydation der, in 100.000 Theilen Wasser vorkommenden, oi ganischen Substanzen nothwendig sind; (x bezeichnet die Cubikcentimeter der Lösung B, welche 10 Ccmtr. der Lösung A entsprechen). Beispiel: Den 10 Ccmtr. der Lösung A entsprechen 9,9 Ccmtr. der Lösung B. 100 Ccmtr. des zu untersuchenden Wassers wurden nach dem Ansäuern mit Schwefelsäure mit 15 Ccmtr. der Lösung B versetzt und gekocht. Die rothe Flüssigkeit wurde durch 10 Ccmtr. der Lösung A entfärbt ; zur Wiederherstellung einer schwachen Röthung mussten noch 4,4 Ccmtr. Lösung B zugesetzt werden. Berechnung: 15 + 4,4 = 19,4; 19,4 — 9,9 = 9,5. Zur Oxydation der orga- nischen Substanzen in 100.000 Theilen Wassers sind daher erforderlich (9,5x3,16) : 9,9 = 3,03 Kali hypermanganicum, oder (6,5 X 0,8): 9,9 = 0,77 Theile Sauerstoff. Vorsicht hd Nie sollte schlechtes Trinkwasser, zumal wenn es reich ist an organischen schiechtem Materien, so wie es ist, genossen werden, namentlich aber nicht zur Zeit herrschender oder drohender Epidemien von Typhus, Cholera, Ruhr. Es ist dringend an- zurathen, das Wasser vorher gründlich aufzukochen (wodurch die Ansteckuugs- keime vernichtet werden): der hiernach entstehende fade Geschmack lässt sich leicht durch etwas Brausepulver, Zucker oder Fruchtsaft verbessern. 232. Bau und Aüsondenmgstliätigkeit der Milchdrüsen (Brüste). Müch'jiinge. Gegen 20, isolirt auf der Spitze der Warze mündende, Milchgänge (Posthitis 1590; Bartholinus 1673), die kurz vor ihrer Oeffnung mit länglich ovaler und meist seitlich ausgebuchteter Erweiterung (Sinus lacteus) versehen sind, führen unter dendritischer Verästelung je zu einem besonderen Drüsenlobus, welche ein lockeres interstitielles Bindegewebe vereint. Nur zur Zeit der Drüsen- Lact ation tragen alle End Verzweigungen der Milchglinge die rundlichen Drü sen- Maschea. aCini gruppenartig geordnet. Jedes Bläschen hat auf seiner Membrana propria aussen ein Gespinnst sternförmiger Bindesubstanzzellen, und trägt im Innern eine Secrctions- einfache Schicht etwas platter, polyedri^cher , gekernter Secretions-Zellen. zeUen. j)aSi je nach dem Grade der absondernden Thätigkeit des Acinus bald entere, bald weitere Lumen desselben ist mit einer Flüssigkeit erfüllt, in welcher kugelige, glänzende Fettkörnchen schwimmen (Milch). Fihrilläres, vorwiegend circulär [§.232.] Bau und Absonderungsthätigkeil der Milchdrüsen (Brüste). 441 geordnetes Bindegewebe, aussen von feinen elastischen Fasern durchzogen, bildet die Wand der, mit Cylind erepithel ausgekleideten Drüsengänge: an den feinsten unter ihnen erkennt man noch eine Membrana propria, welche mit der des End- bläschens im Zusammenhange steht. In den ersten Tagen nach der Entbindung (ebenso wie vor derselben) sondern die Brüste wenig Milch von grösserer Consistenz und gelblicher Farbe ab (Colostrum), iu welcher grössere, völlig mit Fettkörnchen angefüllte Zellen t'olostrum- der Acini angetroffen werden (Colos t r um körp er chen). Man erkennt mit- und Miich- unter in ihnen einen Kern, selten amöboide Bewegung (Fig. 125, c, d, e). Die, ' nach 3 — 4 Tagen erfolgende . regelrechte Milchabsonderung ist eine produetive Thätigkeit der Drüsenzellen (Stricker, Schwarz, Hcidenliain tfb-5 Partsch . HcidenJiain & Partsch fanden die Secretiouszellen in der unthätigen Drüse (Fig. I2f>. I) flach polyedrisch, einkernig-, in der thätigen hingegen oft mehrkernig, albuminreicher , höher , cylinderförmig (Fig. II). Ihr dem Hohlraum des Acinus zugewendeter, freier Rand geht bei der Secretion charakteristische Wandlungen ein. Es bilden sich nämlich in diesem Theile der Zellen einzelne Fettkörnchen , welche bei der »Secretion nebst dem Zellrande abgestossen werden. Die zerfallene Substanz der Zellen löst sich in der Milch , die Fetttropfen werden als Milch kügelchen frei (Fig. IL a). In dem sich abstossenden Theile der Zellen zerfallen auch die Kerne (Nissen) , deren Producte eben- falls in die Milch übergehen (Nucle'i'ngehalt der Milch). Fig. 125. n oV;oc o l o - acp. 1 Milclidrüsen-Aciuus unthätig. — H während der Milchbüdung. — n b Milchluigelcheii, — c de Colostruinkörperchen. — / blasse Zellen (vom Hunde). In der Milch linden sich ausser den Milch- und Colostrum-Kiirperchen noch verfettete Lenkocyten Rauber, und vereinzelte blasse Zellen (f). Einzelne Milch- kügelchen haben noch Fetzen von Zellsubstanz an ihrer Oberfläche (b). "Was die Bildung einzelner Mi Ich best and theile — anbetrifft, MOcVbüdwng so fand ff. Thierfelder, welcher frische Milchdrüsen unmittelbar nach dem Tode digerirte. dass während der Digestion der Drüse bei Körpertemperatur durch einen Fermentalionsproeess ein reducirender Körper, wahrscheinlich der Milchzucker, entsteht. Die Muttersubstanz (Saccharogen) ist in "Wasser (nicht in Alkohol oder Aether) löslich, sie wird nicht durch Kochen zerstört und ist mit Glycogen nicht identisch. Das, den Milchzucker bildende Ferment scheint an der Drüsenzelle gebunden zu sein, denn es geht nicht in die Milch über, ebensowenig in einen wässerigen Auszug der Drüse. — Während der Digestion der Milchdrüse bei Körperwärme entsteht ferner durch einen Fermentprocess Case'in, und zwar wahr- scheinlich aus Serumalbumin. Dieses Ferment findet sich in der Milch. Der Warzenhof und die Warze — sind durch Pigmentablagerung in den Zellen des Rete Malpighii (während der Schwangerschaft reichlicher und umfang- reicher) und durch grosse Cutispapillen ausgezeichnet, von denen einige Tast- körperchen enthalten. Zahlreiche glatte Muskelfasern in den tiefen Chorium- schichten und im subcutanen (stets fettfreien) Gewebe umgeben die Milchgänge der Warze und verlaufen auch theilweise longitudinäl bis zur Warzenspitze. Die. zur Zeit derLactation im Warzenhofe liegenden, hirsekorngrossen Montgomery'schen Wanenhof und Wime, 442 Bau und Absonderungsthätigkeit der Milchdrüsen (Brüste). [§. 232.] Gefässe der Mamma. Xerven der Mamma. Milchdrüsen der Thiere. Entwicklung der Mamma. Geschlechts- verschieden- heiten. Weibliche Ilrust. Männliche Brustdrüse. Varietäten. Entleerung der Milch. Nerven- einfluss. Drüsen sind höckerartig hervorragende , subcutane, kleine Milchdrüschen mit besonderem Ausführungsgange auf der Kuppe des Hockerchens. Arterien — dringen von verschiedenen Seiten in die Mamma ein , ihre Aeste begleiten nicht die Drüsengänge; netzförmig angeordnete Capillaren umstricken die Drüsenacini, die durch kleine Arterien und Venen mit denen der benachbarten Bläschen anastomosiren. Im Warzenhofe sind die Venen ringförmig angeordnet (Circulus Halleri). — Die Nerven — der Drüse stammen aus den Nn. supraclaviculares und intercostales II - IV — VI ; sie gehen theils zur Haut der Drüse und der sehr empfindlichen Warze, theils zu den Gefässen , theils zu den glatten Muskelfasern der Warze und zu den Drüsenbläschen selbst, woselbst ihre Endigungsweise jedoch noch unbekannt ist. — Um die Erforschung der Brustdrüse hat sich C. Langer das grösste Verdienst erworben. Lymphgefässe — finden sich dicht um die Alveolen herum, oft strotzend gefüllt, aus denen Material zur Milchbereitung hergegeben zu werden scheint. Vergleichendes : — 10 — 12 Zitzen finden sich bei Nagethieren , Insecti- voren, Fleischfressern; andere unter ihnen haben nur 4; Dickhäuter und Wieder- käuer tragen meist 2 — 4 am Abdomen, 2 die fleischfressenden Wale neben der Vulva. Dem Menschen gleichen die Affen , Flatterthiere und pflanzenfressenden Wale, Elephant, Faulthier; die Halbaffen haben 2 — 4 Zitzen. Bei den Schnabel - thieren finden sich zu Gruppen geordnete Schläuche (Aebnlichkeir, mit Hautdrüsen), welche ohne Zitze auf einem haarlosen, flachen Hautfelde münden. Die, unreife Junge gebärenden Beutelthiere tragen die Jungen in einem muskulösen Haut- duplicatur-Sack am Bauehe, in welchem die Zitzen liegen. Bei ihnen und bei den Schnabelthieren existirt ein Musculus compressor mammae , welcher die Milch- entleerung befördert. Die Entwickelung der Mamma — beginnt bei beiden Geschlechtern bereits im 3. Monat; im 4. — 5. findet man bereits einige einfach-schlauchförmige Drüsengänge unter dem haarlosen, grubenartig vertieften Warzenhofe in radialer Anordnung. Beim Neugeborenen sind die Gänge bereits 2 — 3mal verästelt und mit ausgebuchteten Enden versehen. Bei beiden Geschlechtern theilen sich bis zum 12- Jahre die Gänge dendritisch, jedoch ohne eigentliche Acinusentwickelung an denselben. Bei geschlechtsreifen Mädchen schreitet diese Verästelung rasch und umfangreich vor, doch zeigt auch hier die bindegewebsreiche Drüse nur an derPeripherie Acinusbildung, während erst mit der eintretenden Schwanger- schaft auch in der Mitte des Drüsenkörpers sich charakteristische Acini entwickeln unter Auflockerung der Bindegewebszüge. — In den klimakterischen Jahren gehen alle Acini und zahlreiche feine Milchgänge zu Grunde. — Der erwachsene Mann besitzt meist eine, der des Neugeborenen ähnliche Drüse, die also seit der Pubertät zurückgebildet ist. — Accessorische Warzen auf der Brust sind als selbstständige Ausmündungen einzelner Milchgänge von Interesse ; — Vermehrung der Drüsen (selbst 5) in der Unterbrust- und Bauch-Gegend sind als Thierähnlich- keit beachtenswerth. Merkwürdig ist die Lage einer Mamma in der Achsel, auf dem Rücken , dem Akromion oder am Schenkel. — Geringe Absonderung der Brüste bei Neugeborenen (Hexenmilch) ist normal , dagegen gehört das Säugen seitens eines Mannes zu den grössten Seltenheiten (Talmud, Cardanus 1556, FLorentinus 1553, A. v. Humboldt, HüserJ. Milch geben (von Schlossberger bestätigt) , häufig angesaugt, und unbelegte Ziegen gereizt sind. Bei der Entleerung der Milch — (500 — 1500 Ccmtr. pro Tag) -- wirkt nicht allein rein mechanisch das Saugen, sondern es kommt eine active Thätigkeit der Brustdrüse hinzu. Diese besteht zunächst in der Erection der Warze , wobei die glatten Muskeln derselben zur Entleerung der Milch auf die Sinus der Gänge drücken , so dass dieselbe sogar im Strahle hervorspritzen kann. Aber auch der eigentliche Drüsenkörper wird reflectorisch durch Reizung der sensiblen Warzennerven zur lebhafteren Absonderung angeregt. Aus den plötzlich erweiterten Drüsengefässen ergiesst sich reichlicher ein Transsud.it zur Drüse, die es mit den Milch körperchen vereint, als Milchflüssigkeit verarbeitet abgiebt. Die Menge der Absonderung hängt so von der Höhe des Blutdruckes ab I Röhrig). So wird nicht allein die, in der Brust aufgespeicherte Milch aufgesogen, sondern es kommt während des Saugens zur neuen, beschleunigten Secretion : „Die Nach Aristoteles sollen mitunter Böcke ebenso Kälber , nachdem ihre Zitzen nachdem ihre Euter mittelst Nesseln [§.232.] Milchabsonderana;. Milch. 443 Brust lässt zu" , wie hei uns die säugenden Frauen sich ausdrücken. Nur so erklärt sich auch , wie hei plötzlichen GemüthsbeWegungen , die (wie Zorn, Furcht etc.) auf die vasomotorischen Nerven erfahrungsgemäss wirken, schnell die Milchsecretion stocken kann. Laffont sah nach Reizung des N. inammarius Hündin) Erection der Warze, Erweiterung der Gefässe und Absonderung von Milch. Nach Durchschneidung der (cerebrospinalem Nerven der Mamma sah Experimente. Eckkard die Erection der Zitzen fehlen, doch erlitt die Milchbildung bei Ziegen keine Unterbrechung. — Die selten beobachtete sogenannte Galactorrhoe ist vielleicht als eine Art paralytischer Secretion aufzufassen, ähnlich der analogen Speichelabsonderung. — Heidenhain <&■» Partscli sahen vermehrte Secretion (Hund), als nach Durchschneidung des Drüsennerven Stiychnin oder Curare injicirt war. Atropin setzt die Milchmenge herab (Hammerbacher). Das. mit beginnender Milchabsonderung einhergehende, leichte „Milchfieber" rührt wahrscheinlich Mdchfieber. von einer lebhafteren Erregung der Vasomotoren her, deren Thätigkeit auch zur anderweitigen Dislocirung der Blutmasse der Beckenhöhle nach der Geburt in Anspruch genommen werden muss (siehe §. 220- c.). 233. Milch und Milchpräparate. Die Milch muss als ein vollkommenes Nahrungsmittel be- zeichnet werden, in welcher alle Bestandteile so vorhanden sind, dass der Körper davon gedeihen kann. Es kommen darin auf 10 Th eile Albuminate etwa 10 Theile Fett und 20 Theile Zucker. Von der Milch wird im Darme relativ mehr Fett aufgenommen als Albuminate (Rubner). Undurchsichtig, bläulich weiss, von süsslichem Geschmacke und einem charakteristischen Gerüche, wahrscheinlich von eigenthümlichen Riechstoffen des Hautsecrets der Drüse stammend, hat die Milch ein spec. Gewicht von 1,026 — 1,035 (Radenhausen). Beim Stehen sammeln sich an ihrer Oberfläche zahlreiche Butterkiigelchen (als Rahm), unter denen eine wässerige, bläuliche Schicht liegt. Frauenmilch r e a g i r t stets alkalisch (Kuhmilch bald alkalisch, bald sauer, bald am- photer, Milch der Fleischfresser stets sauer). Die Milch besteht aus der Flüssigkeit (M i 1 c h p 1 a s m a, Plasma lactis) und den, darin schwimmenden, morphologischenBestand- t heilen, unter denen die Mi 1 chküg eichen vorherrschen (§.232). Ist die Milch geronnen, so scheidet sich der Käsekuchen (Placenta lactis), welcher aus dem geronnenen Case'in mit Einschluss der Milch- kügelchen besteht , von den Molken (Serum lactis). Letztere ent- halten etwas gelöstes Albumin, den Milchzucker und die meisten Salze. Die Milch- oder Butter-KügelcheD. — Mikroskopisch (Fig. 125) enthält die Milch zahllose, kleine Mi 1 chküg eichen, welche in dem Milchplasma aufgeschwemmt sind. Colostrumkörperchen und Epithelien der Milchgänge sind in der reifen Milch seltener. Die Milchkügelcben bewirken (wegen der Reflexion des Lichtes) die weisse Farbe und die Undurchsichtigkeit der Milch. Die Milch- körperchen bestehen aus dem Butterfett und sind an scheinend von einer sehr dünnen Lage Casei'n (Haptogenmembran ) umschlossen. Ob die Milchkörperehen thatsächlich von einer C as e i nh Uli e umschlossen sind, ist jedoch neuerdings vorzugsweise verneint. Kür das Vorhandensein der Hülle hat man früher folgende Beobachtungen angeführt : Setzt man zu einem mikroskopischen Präparat Essigsäure, welche die Caseinhüllen löst, so ftiessen die Milchkügelchen wie Fettaugen in einander. Wird ferner Kuhmilch mit Aetz- kali geschüttelt, welches die Caseinhüllen zerstört, und hierauf mit Aether ver- AUgemeine Eigen- schaften. Milrh- Migelchen. CwH/SnMiXU derselben. 444 Milchanalyse. [§. 233-] mischt, so wird die Milch hell und durchsichtig, da der Aether alle Fettkörnchen in Lösung bringt. Vor Behandlung mit Aetzkali oder Essigsäure vermag Aether nicht die Fette der Kuhmilch aus ihren Hüllen zu befreien; bei Frauenmilch genügt alleiniger Zusatz und Schütteln mit Aether (Radenhausen). — Andere Forscher (Kehrer) leugnen jedoch das Vorhandensein der Case'mhüllen ; nach ihnen ist die Milch eine einfache Emulsion , als solche dauernd erhalten durch das colloide, im Milchplasma nur gequollene Case'in. Die Behandlung der Milch mit Kali und Aether mache das Case'in des Plasma ungeeignet, die Emulsion der Milch dauernd zu erhalten Soxhlet). mich/ette. Die Fette der Milchkü gelchen — ■ sind die Triglyceride der Stearin-, Palmitin-, Oel-Säure, spärlicher der Myristin-, Arachin-, (Butin-), Caprin-, Capryl-, Capron- und Butter-Säure (§. 253). Daneben finden sich Spuren von Essig- und Ameisen-Säure (Heintz) und Cholesterin ( 'Hoppe- Seyler & Tolmatscheff) . Durch längeres Schlagen der Milch („Buttern") (leichter noch des Rahms) wird das Fett der Milchkügelcben (eventuell nach Zerreissen der Casein- hüllen) als Butter in zusammenhängender Masse gewonnen. Butter ist in Alkohol und Aether löslich, durch Schmelzen (60° C.) oder Auswaschen mit Wasser von 40' wird sie gereinigt, — An der Luft stehend, wird sie ranzig, indem durch Pilze das Gtycerin der neutralen Butterfette in Acrolein und Ameisensäure zersetzt wird, und diese mit den flüchtigen Fettsäuren den Geruch geben. michpiasma. Die Milchflüssig'keit (Plasma lactis) — ist klar, etwas opale- scirend und enthält: Eiweis sstof f e, — darunter als den hervor- ragendsten das Case'in (§. 251. IV.), — etwas Serumalbumin (§. 36), — wenig Nucle'in, — eine Spur diastatischen Fermentes (in der Frauenmilch ; Bichamp) . Eiweisshörper Ob noch andere eigenartig , chemisch wohl charakterisirte Eiweisskörper der Milch. in ,ier Milch vorhanden seien: [Lactoprote'in (Millon 6° Comaille , Liebermann) ', Globulin, Albumose, Galactin u. a.], wird von namhaften Chemikern bestritten (Hoppe-Seyler). — Die Kuhmilch scheidet bei Sättigung mit Magnesiasulfat den grössten Theil der Eiweisskörper aus , — die menschliche nur sehr wenig [Biedert äf Schröter). Sebelien unterscheidet ausser dem Casein noch das Lactoglobulin — und das Lactoalbumin. — Zur Darstellung wird Milch, falls sie sauer war, durch Natronlauge neutralisirt , sodann mit eingepulvertem Kochsalz gesättigt. Auf 35° C. erwärmt , scheidet sich Kalkphosphat aus , der abfiltrirt wird. Wird nun mit Magnesiumsulphat gesättigt, so fällt Lactoglobulin nieder (einige pro Mille). — Im Filtrate bringt 1lial0. Essigsäure Fällung des Lactoalbumins hervor. Beim Kochen gerinnt das Albumin in der Milch ; dazu über- zieht sich die freie Fläche mit einer Haut unlöslich gewordeneu Case'ins. Das Case'in — wird bei der Filtration der Milch durch frische thierische Häute (Hoppe-Seyler) oder durch Thoncylinder zurückbehalten (v. Heimholte, Zahn, Kehrer); es kann aus Menschenmilch durch Sättigung mit schwefelsaurer Magnesia völlig gefällt werden (Tolmatscheff) . — Quantitative Bestimmung aus Kuhmilch: 20 Ccmtr. Milch verdünne mit 60 Ccmtr. Wasser und rühre 30 Ccmtr. 1 pro Mille Schwefelsäure zu, welche das Kuh-Casem fällt. Nach 5 Stunden filtrire, wasche das Filter mit Wasser, zweimal mit Alkohol und 15mal mit Aether, trockene und wäge (JVeyl &f Frenzel). sonstige Ferner enthält das Plasma Milchzucker (§. 254), ein dextrin- substanzen. ä]mliches Kohlehydrat (Ritthausen), (? Milchsäure), — Lecithin, Harn- stoff, Kreatin, Sarkin, (Rhodankalium in der Kuhmilch) ; — Chlornatrium, Chlorkalium, phosphorsaure Alkalien, Calcium- und Magnesiuin-Sulphat, kohlensaures Alkali, dazu Spuren von Eisen, Fluormetallen und Kiesel- erde; — C02— N— O. Milch- Die Gerinnung der Milch — bestellt in einer Coagulation des gerinnuno. Cas-eins. Letzteres ist in der Milch an Calciumphosphat gebunden und hierdurch [§• 233.] Milchanalyse. 445 löslich ; Säuren, welche demselben letzteres entziehen, bedingen Coagulation des Caseins. (Essigsäure und Weinsäure lösen in Ueberschuss zugesetzt das gefällte Casein wieder auf.) Frauenmilch gerinnt nicht durch alle Säuren (Simor und Lehmann), sondern nur durch zwei oder mehr Tropfen einer 0,1 °'0. Salzsäure oder 2",. Essigsäure (Pfeiffer), — Die spontane Milchgerinnung nach längerem Stehen, zumal in der "Wanne, erfolgt durch Bildung von Milchsäure durch Bacillus aeidi lactici (pg. 345); sie führt das neutrale Alkaliphosphat in saures über, entzieht dem Casein das Calciumphosphat und fällt es so (pg. 313). Der Zucker wird in Milchsäure und Kohlensäure übergeführt. Der Bacillus giebt die Anregung zu dieser Zersetzung, während das Casein der Milch der eigent- liche fermentirende Körper ist (FokkerJ. Durch Lab — (§. 252. 9. d.) kann Milch bei alkal ischer Reaction coagulirt werden (süsse Molke); dies Ferment spaltet das Casein in den nieder- fallenden Käse und das, nur spärliche, leicht lösliche Molken- ei weiss (Hammarsten, Kastei). Es ist also die Labgerinnung von der anderen sehr vei'schieden. (Auch manche Bacterien vermögen ähnlich zu wirken, d. h. die Milch selbst bei alkalischer Reaction zu coaguliren, z. B. die Buttersäurebacillen u. a. ) Aufkochen (durch Tödtung niederer Organismen) , doppelt kohlensaures Natron (7ioou)> Ammoniak, Salicylsäure (Vsoon)? auch Glycerin und ätherisches Senföl verhindern die spontane Gerinnung. Frische Milch bläut Guajaktinktur. gekochte nicht (Schacht, C. Arnold). — Längere Zeit an der Luft stehend giebt die Milch CO., ab und nimmt 0 auf; — es wird (durch die. alsbald sich ent- wickelnden Pilze in der Milch ?) dabei eine Vermehrung des Fettes (daneben des beim Slehen Alkohol- und Aetherextractes) auf Kosten des Caseins hervorgerufen (Hoppc-Seyler, Kemmerich ; nach Schmidt-Mülheim geht etwas Casein in Pepton über, aber nur in ungekochter Milch. Milch-Analyse: — Es enthält in 100 Theilen die Milch der Frau Wasser .... 87.24—90,58 Feste Stoffe . . . 9,42—12,39 Casein . . . 2,91— 3,92 ) (nach Pfeiffer l,25°/c) 1,90—2,30 Albumin ... ) Butter . . . 2,1:17- 4.30 Milchzucker . 3,15— 6,09 Salze. . . . 0.14— 0,28 Verhindern, der Gerinnung. Veränderung der Milch Kuh Zieze 86,23 86,85 L3,77 13,52 3,23 2,53 0^50 U2ij 4,50 4.34 4,93 3,78 0,61 0,65 1 Eselin 89,01 10.99 3,57 1,85 5,05 Quantitative Zusammen- setzung der Milch, Frauenmilch enthält Aveuiger und leichter lösliches Eiweiss, als Thiermilch. Das Colostrum — enthält viel Serumalbumin und sehr wenig Casein, dahingegen alle anderen festen Stoffe reichlicher, namentlich auch die Butter. Pflüger und Setschenow fanden in 1(iO Volumina Milch dem Volumen nach : 5,i il— 7,60 CO,; — 0,09—0,32 O; — 0,70— 1,41 N. Die CO, ist zum Thcil nur durch Phosphorsäure austreibbar. Unter den Salzen — überwiegen die Kalisalze über die Natronver- bindungen (wie in den Blutkörperchen und im Fleische), ausserdem ist ein erheb- liches Quantum Calciumphosphat zur Knochenbildung des Säuglings vorhanden. Wildenstein fand in ] I II I Theilen Asche der Frauenmilch: Kochsalz L0,73, Chlor- kalium 26,33, Kali 21,44, Kalk 18,78, Magnesia 0,87, Phosphorsäure 19, phos- phorsaures Eisenoxyd 0,21, Schwefelsaure 2.61, Kieselerde Spur. Der Reichihum an Salzen wird vom Gehalt der Nahrung an denselben becinflusst. Je öfter die Brust entleert wird, um so Caseih-reicher ist die Milch. Die zuletzt (in derselben Sitzung) entleerte Milch ist die butterreichste, da sie ans den tiefstgelegenen Theilen der Drüse, den Acinis, stammt (Reiset, Parmentier, Heynsius, Forster, de Leon). — In den progressiven Zeiten nach der Geburt nehmen einige Theile in der Milch zu, andere ab. Es nehmen zu: bis zum 2. Monat nach der Geburt das Casein und die Butter, bis zum 5. Monat die Salze (vim da an progressiv wieder ab), vom 8. — 10. Monat der Zucker. Es nehmen ab: vom 10.— 24. Monat das Casein, vom 5. — 6. Monat und vom lu. — 11. Monat die Butter, im 1. Monat der Zucker, vom 5. Monat die Salze. Je grösser die Menge der gebildeten Frauenmilch ist, um so reicher isl in ihr das Casein und der Zucker, um so spärlicher die Butter. — Die Milch Erstgebarender soll wasserärmer sein. Reiche Nahrung, namentlich Eiweisskosl (weniger Pflanzenkost) vermehrt die Menge der Milch und in ihr das Casein, den des i- 'ul ostrums Salze. Einflüsse nur die Zusammen- setsung dir Mi,' eh. 446 Milchproben. Milch-Beimengungen. [§. 233.] Zucker und die Butter; Aufnahme von reichlichen Kohlehydraten (nicht von Fett) steigert den Zuckergehalt. TMermiich Ist man genöthigt, Th i e r mi 1 ch — -zu verwenden, so beachte man, dass _ f."'- (Steppenstutenmilch, dann auch) Eselsmilch der menschlichen am ähnlichsten ist. "■ng. Kuhmilch (am besten recht fette) muss mit Wasser (anfangs zur Hälfte) verdünnt und mit Milchzucker versetzt werden. Bas Case'in der Kuhmilch ist qualitativ- verschieden (Biedert), ferner grobflockiger , als das feinflockige der Frauenmilch ; ersteres wird von den Verdauungssäften nur zu y/4 gelöst, während letzteres sich gut löst. Gekochte Kuhmilch ist schwerer verdaulich, als rohe (E. Jessen). — Bei etwas älteren Kindern kann man mit Nutzen die Kuhmilch mit Fleischbrühe verdünnen. Milch darf nicht in Zinkgefässen wegen der Bildung des nachtheiligen milchsauren Zinkes aufbewahrt werden. — Für Kinder, welche keine Milch ver- tragen, hat v. Liebig besondere Suppen empfohlen, die aus Kuhmilch, Wasser, Weizen- mehl, Malzmehl und doppeltkohlensaurem Natron bereitet werden. Die Stärke geht bei der Bereitung in Zucker und Dextrin über. Praktische Milchproben : — Der Rahmgehalt wird gemessen, indem man Milch Mdchproien. {n einem hohen, in 100 Theile getheilten , Glasmesscylinder kühl 24 Stunden stehen lässt. Der sich oben sammelnde Bahm soll 10 — 14 Volum enprocente betragen. — ■ Das specifische Gewicht (der ganzen Kuhmilch = 1029 — 1034, der ab- gerahmten 1032 — 1040) bestimmt man mit dem Aräometer bei 15° C.; [jeder Grad C. weniger oder mehr macht eine Differenz von — 0,1 oder +0,2 Grad am Aräome ter aus]. — Handelt es sich nur um eine annähernde Bestimmung, so kann der Zuckergehalt sowohl in der Molke, als auch in der (mit Wasser verdünnten) ganzen Milch direct durch Fehlina'sche Lösung titrirt werden (§. 155 II.), [doch entspricht hier 1 Ccmtr. dieser Lösung 0,0067 Gr. Milchzucker], oder man kann ihn in der Molke durch den Polar isation sapparat (§. 155) bestimmen. Soll die Bestimmung genau gemacht werden, so sind die Eiweisskörper aus der Molke und aus der ganzen Milch noch dazu die Fettkügelchen aufzulösen, und das Fett ist zu entfernen. — Den Wa sserge halt im Vergleich zu dem Beichthum an Milchkörperchen (Fett), [letzteres bei ganzer Milch nicht unter 3"V, , bei halb- abgerahmter nicht unter l1/2°/0 betragend] bestimmt man durch den Milch- prober (den Diaphanometer von Donne, modificirt von Vogel, Hoppe- Seyler), ein Glasgefäss mit planplanen Wänden von 1 Cmtr. Durchmesser. Ein abgemessenes Quantum Milch wird hineingegeben , und nun so viel Wasser (aus einem Mess- glase) zugesetzt, bis das, dicht vor dem Apparat gehaltene Auge eine, etwa 1 Meter hinter demselben brennende Kerzenflamme in ihren Umrissen (im dunklen Räume) deutlich sieht. Zu 1 Ccmtr. guter Kuhmilch gehören so 70 — 85 Ccmtr. Wasser. — Sehr brauchbar zur Milchantersuchung ist auch Feser s Galaktoskop. in die Milch In dieMilch gehen über: — zahlreiche duftende Pflanzenstoffe (Anis. übergehende wenuuth, Knoblauch u. a.), ferner Chloralhydrat, Opium, Indigo, Salicylsäure. Jod, Eisen, Zink, Quecksilber, Blei, Wismuth, Antimon. Bei Osteomalacie fand man den Kalkgehalt der Milch vermehrt (Gusserow). Jodkalium vermindert die Milchsecretion (Stumpf). Abnorme Abnorme Beimengungen sind: - Hämoglobin, Gallenfarbstoffe, Mucin, Bei' Blutkörperchen, Eiter, Faserstoffgerinnsel, Tuberkelbacillen. mengungen. In entleerter Milcll entwickeln sich zahlreiche Pilze, von denen Bacillus Blaue Milch, cyanogenus die selten vorkommende himmelblaue Milch färbt (Steinhoff, Fuchs, Neelsen). Das Milchserum ist blau, nicht der Pilz. Es giebt auch b 1 au- flöse, #eMe schwarz oder grün färbende Spaltpilze {Hüppe). Auch rothe und gelbe Milch. Milch durch ähnliche Wirkung chromogener Spaltpilze (pg. 347) wird beobachtet : erstere bewirkt der berüchtigte Micrococcus prodigiosus, der selbst farblos ist, letztere der Bacillus synxanthus (Ehrenbers;). Von den gebildeten Pig- menten scheinen einige den Anilin-, andere den Phenol-Farbstoffen nahe zu stehen (Hüppe). Da auch das Hineingelangen anderer, krankmachender Mikrobien nicht ausgeschlossen ist, so koche man in verdächtigen Fallen die Milch auf. Verbreitet ist die labähnliche Wirkung der Bacterien, sie coaguliren und peptonisiren sodann das Case'in und bewirken endlich noch weitere Spaltungen. So bringen auch die Buttersäurebacillen (pg. 346) zuerst das Case'in zur Gerinnung, dann peptonisiren sie es und spalten es ferner unter Ammoniak- entwicklung (Hüppe). Fadenziehend wird die Milch durch Coccen (Schmidt-Mülheim), welche aus Milchzucker durch eine Gährung fadenziehende, pfianzenschleimähnliche Sub- stanz bilden, (ähnlich wie auch Bier oder Wein „lang" werden können). [§. 233j Milchpräparate. — Eier. — Fleisch. 447 Milchpräparate: — 1. Condensirte Milch: — Auf je l Liter werden Condensirte 80 Gr. Rohrzucker zugesetzt, hierauf wird die Milch auf1;, eingedampft und in MOeh. Blechbüchsen kochend heis.s verlöthet (Lignac), Zum Gebrauch für Säuglinge wir.! 1 Theelöffel in l Schoppen kalten Wassers gelöst und dann aufgekocht. ^. Kumys — bereiten die Tataren aus Stuten- oder Kuh-Milch. Nach Kumys. Zusatz von fertigein Kumys und saurer Milch wird die Milch bei heftiger Rühr- bewegung in die alkoholische Gährung übergeführt, wobei der Milchzucker zuerst in Galaktose und dann in Alkohol übergeht. Er enthält 2 — 3°/n Alkohol; das anfangs gefällte, später theilweise wieder gelöste Casei'n ist in Acidalbumin und Pepton übergeführt (Dochmann.). Bei Bereitung des Tataren-Kumys scheint ein besonderer Pilz (Diaspora caucasica. Kern) wirksam zu sein. Auch in manchen Curorten wird dies Getränk hergestellt, wobei Hefe und ßacterium lacticum die wirksame Umsetzung vollführen (Hüppe). — Auch der Kefir-Pilz (Dispora Kefir. caucasica) liefert ein ähnliches, zum Theil peptonhaltiges Präparat. 3. Käse — wird bereitet, indem man entweder die abgerahmte (magere Käse. Käse) oder ganze Milch (fette Käse) durch Lab coagulirt, die Molken ablaufen lässt, und das Coagulum stark salzt. Nach längerer Zeit „reif t" der Käse, indem das Casei'n, wahrscheinlich unter Bildung von Natronalbuminat, wieder in Wasser löslich wird ; in manchen Käsen wird es weich zerfliesslich, wobei es den Charakter des Peptons annimmt. Bei weiterer Zersetzung bilden sich Leucin und Tyrosin. Der Fettgehalt des Käses vermehrt sich aus Casein, weiterhin zersetzen sich die Fette; die flüchtigen Fettsäuren geben den charakteristischen Geruch. Die Bildung von Pepton, Leucin, Tyrosin und die Fettzerlegung erinnern an die Verdauungs- vorgänge. — Der Käse enthält saprophytische Mikrobien. 234. Vogel-Ei. Auch die Eier müssen als ein vollkommenes Nahrungsmittel Bestände. betrachtet werden, da aus ihnen sich der Organismus des jungen Vogels zu entwickeln vermag. — ■ Der Dotter enthält als charakte- ristischen Eiweisskörper das Vitellin (§.251. II. 2), — ferner ein Albuminat der Hüllen der gelben Dotterkugeln — das durch 1 %- Kochsalzlösung unter O-Bindung niederfallende Ei-Case'in (Wuster), — Nucle'm aus dem weissen Dotter, — Fette im gelben Dotter (Palmitin. olein), — Cholesterin, viel Lecithin, und (als dessen Zersetzungs- produet Glycerinphosphorsäure), — Traubenzucker, — Pigmente (Lutem), darunter eins eisenhaltig und dem Hämoglobin nahestehend. — endlich 8 a 1 z e qualitativ wie im Blute — quantitativ wie in den Blutkörperchen, — Gase. Im Eiereiweiss findet sich das E i e r a 1 b u m i n (§. 251. I. 2) Das Weisse. als Hauptbestandteil, daneben etwas Globulin, forner kleine Mengen Palmitin und Olein, zum Theil mit Natrium verseift, — Traubenzucker. — Extractivstort'e , ■ — endlich »Salze, — ■ die qualitativ denen des Blutes, quantitativ denen des Serums gleichen: ausserdem linden sich Spuren von Fluor. Bei Eier- und bei Braten- Kost werden relativ mehr N-haltige Bestandteile resorbirt, als von den enthaltenen Fetten (Rubncr). 235. Fleisch und Fleischpräparate. Das Fleisch enthält in der Form, wie es genossen wird, neben BestcmdtheOe der eigentlichen Muskelsubstanz noch vielfältig mehr oder weniger die ** Elemente des Fett-, Binde- und elastischen Gewebes beigemengt, üeber die Chemie des Muskels handelt ausführlicher §. 295. Die E i weiss kör per des Muskels gehören der contraotilen Substanz an, zum Theil auch der Durchtränkungsflüssigkeit. — Die Fette stammen grösstenteils aus interfibrillären Fettzellen, — das Lecithin und 448 Fleisch-Analyse. [§• 235.] Quantitative Analyse des Fleisches. Cholesterin vorwiegend aus den Muskelnerven; — die Leim- gebende Substanz wird geliefert von den Bindegewebsfasern des Perimysiums , des Perineuriums , der Gefässwände und der sehnigen Theile. — Der, in wechselnder Menge, selbst in den Muskeln desselben Thieres (rothe Muskeln und weisse Muskeln) vorkommende rothe Farbstoff ist Hämoglobin (Kühne, Gscheidlen — ? Zaleski) ; daneben findet sich in einigen Muskeln (z. B. Herz) das verwandte Myohaematin (Mac Munn) ; — Elast in findet sich im Sarkolemma, im Neurilemma und in den elastischen Fasern des Perimysiums und der Gefässwände ; — das spärliche Keratin stammt aus den Endo- thelien der Gefässe. — Als die Producte der regressiven Metamorphose der eigentlichen Muskelsubstanz und auch in ihr in grösster Verbreitung vorkommend, gelten Kreatin (Chevreul ; O,25°/0 Perls) , ? Kreatinin, Sarkin, Xanthin [zumal bei hungernden Tauben (Demant)\ (Carnin, in Xanthin oxydirbar, im Fleischextract) (Weidel), Harnsäure, Harnstoff O,01°/0. — Ferner findet sich Inosit (reichlich in Säufermuskeln), — Ino si n säure finconstant), Taurin (zumal bei Kaltblütern), — Traubenzucker ^ww«-), wohl erst postmortal aus Glycogen (0,43%) (reichlich in fötalen Muskeln) entstanden (0. Nasse). Weiterhin enthält das Fhisch Milch- säuren (§.253) neben flüchtigen Fettsäuren — Unter den Salzen prävaliren Kaliverbindungen mit Phosphorsäure (Braconnot) ; Magnesiumphosphat überwiegt über das Calciumphosphat. 100 Theile Fleisch enthalten (Schlossberger und v. BibraJ : Ochs Wasser . Feste Stoffe Lösliches AI bumin . Farbstoff . Glutin Alkohol - Ex- •tract Fette . . Unlösliches Eiweiss,Ge- fässe etc. . 77,50 22,50 } 2,20 1,30 1,50 17,50 Kalb Ken I Schwein Mensch Huhn j 5^" Frosch 78,20 21,80 2,60 1,60 1,40 16,2 74,63 78,30 25,37 21,70 1,94 0,50 4,75 1,30 2,40 0,80 1,70 16,81 ! 16,81 15,54 16,5 74,45 25,55 1,93 2,07 3,71 2,30 77,30 22,7 3,0 ' 1,2 1,4 79,78 20,22 2,35 1,98 3,47 1,11 80,43 19,57 1,86 2,48 3,46 0,10 11,31 11,67 In 100 Theilen Asche ist weiterhin enthalten : Kali . . . Natron . . Magnesia . . Kalk . . . Kalium . . Natrium . . Chlor . . . Eisenoxyd . Phosphorsäure Schwefelsäure Kieselsäure . Kohlensäure Ammoniak . Pferd Ochs Kalb 39,40 1,47 1,0 46,74 0,30 35,94 3,31 1,73 5,56 4,? 6 0,98 34,36 3,37 2,07 8,02 U,15 34,40 2,35 1,45 1,99 10,59 0,27 48,13 0,81 Schwein 37,79 4,02 4,81 7,54 0,40 0,62 0,35 44,47 [§. 235.] Fleischbereitung. Fleischpräparate. 449 Der Fettgehalt — des Fleisches ist sehr wechselnd je nach dem Mästungs- Fette zustande des Thieres; er betrug im Fleische (nachdem das sichtbare Fett weg- m beiseite. präparirt war) in 100 Theilen vom Menschen 7 — 15; Ochs 11 — 12; Kalb 10.4; Schaf 3,9; wilde Gans 8,8; Huhn *,5°/0. Die Menge der Extractivstoffe — ist im Fleische derjenigen Thiere Extractiv- am reichlichsten, welche sehr energische Muskelthätigkeit haben, daher namentlich ^f^c;™ beim Wilde. Nach starken Muskelanstrengungen vermehrt sich das Extract, zu- gleich bildet sich Fleischmilchsäure, wodurch das Fleisch mürber und wohl- schmeckender wird. Unter den Extractivstoffen befinden sich theils solche, welche anregend auf das Nervens.ystem wirken, wie das Kreatin, Kreatinin etc., theils solche, welche dem Fleische den angenehmen charakteristischen Geschmack ver- leihen („Osmazom"). Letzterer rührt zum Theil auch von den verschiedenen Fetten des Fleisches her und tritt mitunter erst bei der Bereitung deutlicher hervor. In 100 Theilen Fleisch finden sich Extractivstoffe : beim Menschen und der Taube 3%, — Reh, Ente 4%, — Schwalbe 7°/0. Fleischzubereitung. — Ganz allgemein gilt, dass das Fleisch jüngerer Zubereitung Thiere, wegen der noch geringeren Festigkeit des Sarkolemmas, der bindegewebigen — von Extractivstoffen 13,5°/0, — von Phosphorsäure 8,5% Verlust. — Die Anwendung des „Räucherns" beruht auf der antiseptischen Wirkung des Rauches. Beachtenswerth für den Arzt sind schlechte Beschaffenheit und Verderb- niss des Fleisches. — Fauliges Fleisch (am besten durch die Nase erkannt) sollte stets vermieden werden, wenngleich es auch (wie die Beliebtheit des haut goüt zeigt) oft genug ungestraft verzehrt wird. Mindestens sollte es stets vor dem Genüsse durch und durch der Siedhitze ausgesetzt werden. — In Würsten und ähnlichen Fleischwaaren erzeugt zuweilen die Fäulniss ein eigenthümliches, selbst tödtlich wirkendes Gift: „das AVurstgift". Mitunter bewirkt die Zersetzung am Fleische, namentlich auch an Fischen, ein eigenartiges, lebhaft phosphores- cirendes Leuchten, das auf der Entwicklung niederer Organismen beruht (pg. 264), do Stunden ihr Maximum und sinkt dann allmählich ab. Aehnlich verhält es sich mit der S- und P-Ansscheidung , nur tritt hier das Maximum der Aus- scheidung nach Fleischgenuss schon nach 1 Stunden hervor. Nach Zusatz von Methode der Unter- suchung. Kreislauf des C'. Kreislauf des X. X-Deficit. Zeitlicher Verlauf der X-, P- und scheiduuy. 458 Gleichgewicht des Stoffwechsels. [§. 238.] Fett zur Fleisclmahrnng wird die N- und S-Ausscheidung gleichmässiger auf die einzelnen Tagesstunden vertheilt fv. Voit &* Feder). Die N-haltigen Körperhestandtheile werden auf dem Wege des Stoffwechsels ärmer an C, dahingegen reicher an N und an 0. Denn es kommen auf 1 Atom N in den Albuminen 4 Atome C, — im Leim 3V6 Atome C, — im Glyco- coll 2 C, — im Kreatin P/8 C, — in der Harnsäure l1^ C, — im Allantoin 1 C, ■ — im Harnstoff nur noch 1U Atom C. Kreislauf Der H verlässt vornehmlich zu Wasser verbrannt den Körper, ' einiger natürlich auch in den organischen Auswurfsstoffen gebunden. — Der 0 kommt überwiegend in der C02 und in Wasser zum Vor- schein ; etwas verlässt in den Auswurfsstoffen den Körper. — Das Wasser wird durch den Harn, Koth, durch die Lungen- und Haut- Verdunstung abgegeben. Da H zu H20 verbrannt wird , so ist die Menge des abgegebenen Wassers natürlich grösser; als die des auf- der Salze, genommenen. — Die Salze vertheilen sich so, dass die meisten leicht- löslichen durch den Harn , wenige , namentlich Kalisalze und schwer lösliche Salze durch den Koth, einige, z. B. Kochsalz auch durch den des Schweiss austreten. — Der Schwefel, vornehmlich der Eiweisskost, ' wird etwa zur Hälfte in schwefelsauren Verbindungen in dem Harn, zur anderen Hälfte in den Koth (Taurin) oder in den Epidermoidal- gebilden ausgeschieden. Minimai- Für jeden Körper giebt es , seinem Gewichte und seinen jiaTimai- Leistungen entsprechend, eine Minimal- nnd eine Maximal- %TfbiiaZ Grenze der Stoffwechselbilanz : geringere Verabreichung von Nährstoffen, als zu ersterer nothwendig sind, bewirkt Abnahme des Körpergewichtes ; dagegen werden die , über das Nöthige verabreichten Stoffe, nach Ueberschreitung der Maximalgrenze, unresorbirt als überflüssiger Ballast mit den Faeces entleert. Je mehr bei reichlicher Zufuhr der Körper an Gewicht zu- nimmt, um so höher steigt natürlich stetig die Minimalgrenze; — bei starker Mästung muss daher die nothwendige Stoff- aufnahme verhältnissmässig viel grösser sein , als bei Mageren, um gleichen St off ansät z im Körper zu bewirken. Bei stets steigender Mästung tritt natürlich endlich ein Zustand ein , in welchem die Verdauungsorgane nur noch für die Erhaltung, nicht aber mehr für neuen Ansatz Ausreichendes verarbeiten können (v. Bischoff, v. Voit, v. Pettenhofer) . Luxus- Mit dem Namen „Luxusconsumption" hat m an consumpt.on. fj^gj, woni fce directe Verbrennung überflüssig aufgenommener Nährstoffe im Blute bezeichnet. Eine solche existirt jedoch nicht, vielmehr findet das reichlich in die Säfte Aufgenommene wohl stets eine Verwendung zur Anbildung. Jn den Ge- drcuiiren des weben wird allerdings das, in Form einer Durchtränkungs- undeiwZT' Flüssigkeit „circulirende Eiweiss" eher zerfallen, als das organisirte „Organ eiweiss" (v. Voit), der integrirende Be- standteil der Gewebe. Nach v. Voit werden in 24 Stunden von dem im Körper vorhandenen Organeiweiss 1% , von dem circulirenden jedoch 70°/o umgesetzt. [§. 238.] Gleichgewicht des Stoffwechsels. 459 Qualität und Quantität der Aufnahmsn für den gesunden Erwachsenen. Die Frage, welche Substanzen der Mensch zu einer gedeih- lichen Ernährung nothwendig habe und dazu in welcher Menge, ist natürlich rein empirisch durch Beobachtung der Ernährungs- weise gesunder Individuen in verschiedenem Alter und bei ver- schieden geforderter Leistung derselben festgestellt worden. Da beispielsweise der Säugling durch den Milchgenuss gedeiht und wächst, so wird die Milch unzweifelhaft in sich eine Zu- sammensetzung qualitativ und quantitativ passender Nahrungs- stoffe umfassen. Seiner ganzen Organisation nach gehört der Mensch zu Der Mensch den Omnivoren, also zu denjenigen Wesen, welche auf eine omnivore gemischte Nahrung angewiesen sind. Zu seiner Existenz bedarf der Mensch die folgenden 4 Haupt-Nahrungssubstanzen : keine derselben darf auf irgend wie längere Zeit in der Nahrung fehlen. Diese sind : 1. Das Wasser: — für den Erwachsenen in Speise und gebraucht Trank 2700—2800 Gr. täglich. [§. 231 u. §. 249. L] 2. Anorganische Bestandtheile — [§. 249] als inte- sai*. grirende Bestände aller Gewebe, ohne welche ein Aufbau derselben unmöglich wäre. Diese Substanzen finden sich in den gewöhn- lichen Nahrungsmitteln, die wir zu uns nehmen, überall in hin- reichender Anzahl vor, so dass es einer besonderen Verab- reichung derselben (wie auch die Ernährung der Thiere zeigt) nicht bedarf. Zunahme der Salzzufuhr zieht vermehrte Wasser- aufnahme nach sich, und diese letztere vermehrt den N-Umsatz im Körper (Weiske). Entziehen der noth wendigen Salze hat Störungen der Ernährung der , sie enthaltenden Gewebe zur Folge : kalkfreie Nahrung stört die normale Knochenbildung. — Vorenthalten von Kochsalz bewirkt Albuminurie. Das. für die Blutbildung so unumgänglich nothwendige Eisen nimmt der Körper in Form complicirter organischer Verbindungen des Pflanzen- und Thierreiches auf (Bimge). Die alkalischen Salze der Pflanzennahrung dienen dazu, die. aus der Oxydation des Schwefels der Albuminate gebildete Schwefelsäure zu neutrali- siren (E. Salkowski, Bunge, Lunin). Nur durch Noth gedrängt greift der Mensch mitunter zur Aufnahme grösserer Mengen anorganischer Substanzen, um die, denselben heigemischten organischen Nahrungsstoffe daraus zu entnehmen , wie A. v. Humboldt von den Bewohnern der Orino co- und Meta-Ufer berichtet, welche in knappen Zeiten, wenn der Fischfang stockt, eine fette Thonerde, die reich an Infusorien ist, zu verzehren gezwungen sind. 3. Mindestens ein thierischer oder pflanzlicher Ei weiss- awew*, kör per (§.250—252). — Die Albuminate werden zum Ersätze der verbrauchten N-haltigen Gewebe, also namentlich auch der Muskeln, verwendet. Sie enthalten 15 — 18% N. Von den verschiedenen Körpertheilen enthalten: Blut 20,56%, —Muskeln 19,9°/0. — LeDer L1.740 „, — Gehirn 8,63°/0, — Blutplasma 7,5%, — Milch 3,94%, — Lymphe 2,46% an Eiwei sskörpern. — Nach Pfliiger &• Bohland setzt ein 62 Kilo schwerer erwachsener Jüngling täglich 89,9 Gt. Eiweisa um. 460 Gleichgewicht des Stoffwechsels. [§•238.] Verhältnisse der N-haltigen zu N-losen Nährstoffen. Merkwürdiger Weise vermag Aspa ragin in Verbindung mit Leim das Eiweiss in der Nahrung zu ersetzen fWeiske). Asparagin allein vermag (nur bei Herbivoren!) die Eiweisszersetzung zu beschränken (Weiske, Zuntz, Bahlmann, Lehmann!. — Ammoniaksalze, Glycocoll, Sarcosin, Benzamid steigern den Eiweiss- zerfall des Körpers. Fttte oder 4. Mindestens ein Fett (§.253) — oder verdauliches **"***'*"■ Kohle Hydrat (§.254). — Diese dienen vornehmlich zum "Wiederersatze des umgesetzten Fettes und der N-losen Körper- bestandtheile. "Wegen ihres reichen Gehaltes an C sind sie bei ihrer Oxydation im Körper die vornehmste Quelle der Wärme- erzeugung (§. 207). Fette und Kohlehydrate können sich in der Nahrung vertreten, und zwar in einem gegenseitigen Mengen- verhältnisse welches den "Wärmemengen entspricht, welche sie bei ihrer Verbrennung im Thierkörper zu bilden im Stande sind (§. 207). In dieser Beziehung entsprechen 100 Gewichtstheile Fett == 256 Traubenzucker = 234 Rohrzucker = 221 trockene Stärke (Rubner) . Im Menschen verbrennen täglich 210 Gr. Fett (v. Voit & v. Pettenkofer). Was nun die relative Mengenzusammensetzung dieser verschiedenen Nahrungsstoffe anbetrifft, so ist durch die Erfahrung festgestellt, dass diejenige Nahrung als die dem Organismus am zuträglichsten bezeichnet werden muss . in welcher die N-haltigen und N-losen Bestandtheile so gemischt sind, dass auf 1 N-haltigen Nährkörper 3V2 bis höchstens 47a N-lose kommen. Betrachtet man nach diesem Maassstabe die üblichen Nahrungsmittel . so übersieht man leicht, inwiefern dieselben dieser Anforderung entsprechen, — und dass ferner durch Zusammenstellung mehrerer oft eine passende Kost gemischt werden kann. Es enthalten: 10- Frauenmilch 11. Weizenmehl 12. Hafermehl . 13. Roggenmehl 14. Gerstenmehl j 15. Weisse Kartoffeln 16. Blaue , 1?. Reis . . . ' . . 18. Buchweizenmehl Auswahl der Bie Betrachtung zeigt, dass neben der Frauenmilch noch das Weizenmehl Nahrung, im Bereiche der normalen Mischungsverhältnisse liegt. Dahingegen erfordern die Nahrungsmittel von 1 bis 9 noch einen Zusatz N-loser, die von 12 bis 18 einen solchen von N-haltigen Substanzen, damit im Ganzen das Verhältniss 10 : 35 bis 10 : 45 herauskommt. Ein Mensch, welcher sich nur vom Fleisch ernähren wollte, würde daber ebenso irrationell handeln, als ein solcher, der nur Kartoffeln zur Nahrung nimmt. Die Empirie hat es längst dem Volksbewusstsein eingeprägt, dass man wohl von Milch und Eiern leben kann, dass aber zu einem Gerichte Fleisch Kartoffeln oder Brod gehören, — zu einer Schüssel Hülsenfrüchte ein Stück Speck. Es soll noch besonders erwähnt werden, dass je nach den Klimaten und Jahreszeiten das Verhältniss der Nahrung wechselt. Da nämlich bei grösserer Kälte der Organisnras mehr Wärme produciren muss , so nimmt der liewohncr höherer Breiten relativ mehr N-lose Nahrung (Fett und Zucker oder Amylaceen) zu sich, die ihres C-Reichthums wegen zur AVärmeerzeugung im Körper besonders geeignet sind. (Vgl. §. 215. I. 4.) N-haltige N-lose 1. Kalbfleisch . . 10 1 2. Hasenfleisch . 10 2 ?■>. Ochsenfleisch 10 17 4. Linsen 10 21 5. Bohnen 10 22 6. Erbsen . . . 10 23 7. Schaffleisch, gemästet 10 27 8. Schweinefleisch . 10 30 y. Kuhmilch . 10 30 Nhaltige N-lose 10 37 10 46 10 50 . 10 57 10 57 1 Ki 86 10 115 10 123 . 10 130 Einfluss der Kälte. f§. 238.] Gleichgewicht des Stoffwechsels. 461 Besonders übersichtlich ist die bildliche Darstellung der Zusammensetzung der wichtigsten Nahrungsmittel, die wir in der Figur 129 (nach A. Fick) hier mittheilen. Erklärung der Zeichen : Fig. 129. Animalische Nahrungsmittel. "Wasser. Rindfleisch Schweinefleisch Geflügel Fische Hühnerei Kubmilch Menschenmilch V-:i 'I Alhuminate. Alhuminoide. X-freie org. Stoße. Salze. 62 55 33 | 2,5 |1 73 7G 6 I' 73,5 8fi 39 Vegetabilische Nahrungsmittel. Erklärung der Zeichen: Wasser. Weizenbrod Erbsen Reis Kartoffeln Weisse Rüben Blumenkohl Bier Alhuminate. Verdauliche. Unverdauliche N-freie organ. Stoße. Salze. 4-1,3 75 90,5 90 90 1,4 lw ü ' A I1 ] Hält man daran fest, dass die N-haltigen Körper sich zu den N-losen wie 1 : 31 2 bis 41 3 in der Nahrung verhalten müssen , so ergiebt sofort die Betrachtung . welche Nahrungs- 462 Gleichgewicht des Stoffwechsels. [§•238.] Absolute Nahrungs- menge, mittel sicli im. vermischt zur Kost eignen , sowie auch , welche unter ihnen man in passender Combination zur gegenseitigen Ergänzung auswählen kann. Die absolute Menge der Nahrungsstoffe , welche der Erwachsene in 24 Stunden gebraucht, wird von verschiedenen Momenten beeinflusst. Da die Nahrungsmittel das chemische Spannkraftsreservoir darstellen, aus denen der Körper einerseits A\ arme, andererseits lebendige Arbeitskraft umsetzt (§. 207), so wird die absolute Nahrungsmenge zunehmen müssen, wenn der Wärmeverlust des Körpers (Winter) und wenn seine Muskel- thätigkeit (Arbeit) zunimmt. Im Mittel gebraucht der Mensch 130 Gr. Albuminate, — 84 Gr. Fett, — 404 Gr. Kohlehydrate. Die folgenden Zahlenangaben sind als Mittel we rthe ans vielen Einzel- Leobachtungen zu betrachten. Der Erwachsene bedarf in 24 Stunden: Nahrunssmittel in Grammen ruhend (Play fair) massig arbeitend (Moleschott) stark arbeitend (Playfair) (■v. Pettenkofer &* v. Voit) Eiweissstoffe Fette .... Kohlehydrate (Zucker, Stärke etc.) . 70,87 28,35 310,20 130 84 404 155,92 70,87 567,50 137 117 352 In einem analogen Beispiel nach Vierordt wollen wir die, in dieser Nah- rung enthaltenen Elementarstoffe berechnen (§. 216, B), und zugleich der Ein- nahme die Ausgabe gegenüberstellen. Der Erwachsene nimmt bei mittlerer Leistung auf: C H O 120 Gr. Eiweiss, enthaltend 90 „ Fette „ 330 „ Amylum „ 64,18 70,20 _146J82_ 281,20 8,60 10,26 20,33 18,88 28,34 9,54 162,85 39.19 18,88 200,73 Hierzu 744,11 Gr. O aus der Luft bei der Athmung, 2818 Gr. Wasser, 32 Gr. anorganische Verbindungen (Salze). Das Ganze beträgt gegen 3Ve Kilo, also etwa 1/20 des Körpergewichtes. Es wird so über 6% des Wassers, gegen 6°/0 des Fettes, gegen l°/0 vom Eiweiss und gegen 0,4°/0 der Salze täglich im Körper ersetzt. Der Erwachsene giebt bei mittlerer Leistung ab: Wasser Durch Athmung Transpiration. Ham . . Koth . . . 330 660 1700 128 H N 248,8 2,6 9,8 20,0 3,3 3,0 15,8 3,0 6,3 18,8 o 651,15 7,2 11,1 12,0 681,45 || 2818 | 281,2 Hierzu kommt noch (ausser den 2818 Gr. genossenen Wassers) 296 Gr. Wasser, welches sich im Körper aus dem H der Nahrung durch Oxydation bildet. Diese 296 Gr. Wasser enthalten 34,89 Gr. H und 263,31 Gr. O. Ferner gehen 26 Gr. Salze durch den Harn und 6 Gr. durch den Koth ab. [§• 238.] Gleichgewicht des Stoffwechsels. 463 96,5 Gr. Eiweiss (= 1,46 Gr. pro Kilo) zersetzt ein ruhender Erwachsener in 24 Stunden, ein stark arbeitender 107.6 Gr. (=s 1,6 Gr. pro Kilo) (Bleibt reu & Bohlcmd). Im normalen Zu- stande wird pro Tag 3 — 4mal so viel Fett wie Eiweiss umgesetzt. Die Untersuchungen, zumal der Münchener Forscher, haben für die verschiedenen Lebensalter folgendes geringstes Kostmaass festgestellt. Kostmaass der Lebensalter. Alter N-haltig Fett Kohlehydrat Kind bis l1/., Jahr alt . . . II 20—36 Gr. Kind von 6—15 Jahren . . 70—80 „ Mann (bei mittlerer Arbeit) . 118 „ Weib (bei mittlerer Arbeit) . 92 „ Greis 100 „ Greisin 80 „ 30-45 Gr. 37-50 „ 56 „ 44 „ 68 „ 50 60—9M Gr. 250—400 .. 51 10 „ 4i M i .. 350 „ 260 „ Ntihr- ä'juivalent oer Haupt- nahrnngs- mittel Es genügt jedoch auch nöthigenfalls eine erheblich kleinere Eiweiss- portion (über 40 Gr. bei einem Manne), vorausgesetzt, dass die gesammten Nahrungs- mittel ausreichen, die nothwendige Menge der Calorien für den Körper zu liefern (§. 216) (Hirschfela, Kumagawa, Klemperer). Die Kost der Japaner enthält so z. B. einen viel geringeren N-G ehalt als die der Europäer. Kleinere Thiere besitzen einen lebhafteren Stoffwechsel als grosse (Regnauü &■ h'eisetj. Bei Kleinen (Thieren) ist der Eiweisszerfall für die Körpergewichts- einheit beträchtlicher, als bei Grossen (v. Voit). Kleine verbrauchen eben deshalb relativ mehr Eiweiss als Grosse, weil sie in der Kegel weniger Körperfett besitzen, als Grosse (RubnerJ. (Vgl. §. 217.) In den meisten der gewöhnlichen Nahrungsmittel finden sich N-haltige und N-lose Körper neben einander vor . allein wie die obigen Mittheilungen zeigen , in sehr verschiedenem Mengenverhältnisse. Der Mensch bedarf einer Kost, in welcher mekaühaui N-haltige zu N-loser Substanz sich verhält wie 1 : 31 2 bis 1 : 41/2. Nimmt daher der Mensch eine Nahrung zu sich . in welcher dieses Verhältniss nicht herrscht , so muss derselbe. um ein hinreichendes Maass derjenigen Substanz zu erlangen, welche dieses Nahrungsmittel relativ zu wenig enthält . über- mässig grosse Mengen desselben verzehren, was offenbar nur mit Vergeudung der präponderirenden Substanz statthaben kann. Moleschott hat in dieser Beziehung die Hauptnahrungs- mittel zusammengestellt. Damit ein Arbeiter die nothwendigen 1 30 Gr. Eiweissstoffe in der Nahrung aufbringe . muss er ver- zehren : Käse 388 Gr Linsen .... 491 „ Erbsen .... 582 _ Reis .... 2562 Gr Roggenbrod . 2875 .. Kartoffeln . 10000 .. Ochsenfleisch . 614 Gr. Eier 968 „ Weizenbrod . . 1414 „ Es ist ganz einleuchtend, dass der Arbeiter in den letzteren Stoffen ein nutzloses Uebermaass an N-loser Nahrung zu sich nehmen muss. Um die, zu seinem Unterhalte nothwendigen 44S Gr. Kohlehydrate (oder die äquivalente Menge Fett) in der Nahrung zu gewinnen, müsste derselbe Arbeiter verzehren: . 819 <;r. Käse . . . .2011 Gr. 902 „ Kartoffeln . . 2039 „ 930 „ Fleisch . . . 2261 .. . 572 Gr. Erbsen . . . . Weizenbrod . Linsen . . . .625 „ • 806 „ Eier Roggenbrod . . 464 Stoffwechsel im Hungerzustande. [§• 239.] Ausnutzung der Xahrungs- mittel im Darm. Also namentlich bei ausschliesslichem G-enuss von Käse oder Fleisch müsste der Arbeiter geradezu enorme Quantitäten ver- zehren, was einer Vergeudung der N-haltigen Stoffe gleichkommt. Es muss schliesslich noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass von den Nahrungsmitteln nicht Alles im Tractus verdaut und resorbirt wird, sondern dass stets ein gewisser Rest „un aus genützt" mit den Fäces entleert wird, und zwar an Trockensubstanz in Procenten : Reis 4, 1 — Weissbrod 4,5 — Fleisch 5,2 — Ei 5,2 — Milch 9 — Kartoffeln 9,4 — Erbsen 11,8 — Bohnen 18,3 — Schwarzbrod 15 (Prausnitz) . [Vgl. §. 187. 2.] Für den Pflanzenfresser genügt eine Nahrung, in der auf 1 Theil N-haltiger 8-9 Theile N-loser Bestandteile kommen. 239. Stoffwechsel im Hungerzustande. Allgemeine Wird einem Warmblüter sämmtliche Nahrung entzogen, so muss scheinungen, derselbe natürlich, um die Wärme seines Leibes zu erzeugen und eventuell geforderte mechanische Arbeit zu leisten , die Spannkräfte seines eigenen Körpermateriales zersetzen und verbrauchen. — • Sein Körpergewicht nimmt demgemäss stetig bis zum Hungertode ab. Methode: — Zur genaueren Untersuchung des Inanilionszustandes wird — 1. täglich, genau das Körpergewicht des Thieres gewogen. — 2. Wird täglich aller C und N in der ausgeathmeten Luft, dem Harne und dem Kothe bestimmt. Der gefundene N kann nur aus verbrauchten Albuminaten des Körpers, vor- nehmlich den Muskeln , stammen , aus derselben Quelle natürlich auch ein (der Zusammensetzung des Muskels entsprechender) zugehöriger Theil C. Der, nach Abzug dieses noch übrigbleibende Theil von C wird auf Zersetzung N-loser Körpersubstanz verrechnet, und zwar ganz vorwiegend auf das Fett. Hat man so die Menge der eingeschmolzenen Muskelsubstanz und des Fettes berechnet, s*o ergiebt der Abzug dieser vom Gesammtverlust des Körpers die Menge des Wasserverlustes. Das folgende Beispiel, welches eine von Bidder & Schmidt zw Tode gehungerte Katze betrifft, zeigt zunächst die verschiedenen Ausgaben an den Hungertagen. Art der Unter- suchung. Tag. Körper- gewicht Getrun- kenes Wasser Harn- menge Harn- stoff Uuorg. Be- stände d. Harns Trock. Faeces Ausge- athmeter C Wasser in Harn und Kotb 1. 2464 98 7,9 1,3 1,2 13,9 91,4 2. 2297 11,5 54 5,3 0,8 1,2 12,9 50,5 3. 2210 45 4,2 0,7 1,1 13 42,9 4. 2172 68,2 45 3,8 0,7 1,1 12,3 43 5. 2129 55 4,7 0,7 1,7 11,9 54,1 6. 2024 44 4,3 0,6 0,6 11,6 41,1 7. 1946 40 3,8 0,5 0,7 11 37,5 8. 1873 42 3,9 0,6 1,1 10,6 40 9. 1782 15,2 42 4 0,5 1,7 10,6 41,4 10. 1717 35 3,3 0,4 1,3 10,5 34 11. 1695 4 32 2,9 0,5 1,1 10,2 30,9 12. 1634 22,5 30 2,7 0,4 1,1 10,3 29,6 13. 1570 7,1 40 3,4 9.5 0,4 10,1 36,6 14. 1518 3 41 3,4 0,5 0,3 9,7 38 15. 1-13-1 41 2,9 0,4 0,3 9,4 38,4 16. 1389 48 3 0,4 0,2 8,8 45,5 17. 1335 28 1,6 0,2 0,3 7,8 26,6 18. f 1267 13 0,7 0,1 0,3 6,1 12,9 | -1197 | 131,5 | 775 | 65,9 | 9,8 15,8 190,8 734,4 [§• 239.] Stoffwechsel im Hungerzustande. 46t Die Katze hatte bis zum Tode 1197 Gr. Körpergewicht ver- loren. Diese vertheilen sich nach dem oben Gesagten der Rechnung nach so: 204,43 Gr. {= 17,01 °/0) Eiweissverlust, — 132.75 Gr. (= 11,05%) Fettverlust, — 863,82 Gr. Wasserverlust (= 71,91" 0 des totalen Körpergewichtsverlustes}. Unter den allgemeinen Erscheinungen der Inanition ist bemerk enswerth, dass kräftige , wohlgenährte Hunde erst nach 4 Wochen dem Hungertode erliegen, der Mensch nach 21 — 22 Tagen (Moleschott), (6 Melancholiker, welche Wasser getrunken harten, erst nach 41 Tagen). Neuerdings sind freiwillige Hungerproductionen vielfach Modesache geworden : das bedeutendste leistete hierin der italienische Maler Mer latti. welcher angeblich (?) bei Genuss von Wasser eine frei- willige Hungerzeit von 50 Tagen überstand. - — Kleinere Säuger und Vögel erliegen nach 9 Tagen, (Frösche erst nach 9 Monaten). Aus- gewachsene, kräftige Säuger haben bis dahin gegen 4 ,0 ihres Körper- gewichtes eingeschmolzen ('/5 — Al*)- Junge Individuen sterben viel eher, als erwachsene. Aeusserlich ist schon die Abmagerung auffällig ; — der Mund ist trocken , die Wände des Nahruugscanals werden auffällend verdünnt, Verdauungssecrete werden nicht mehr gebildet, — Puls und Athemzüge sind seltener, — der Harn ist durch vermehrte Schwefel- und Phosphor-Säure stark sauer, seine Chlorverbindungen verschwinden schon bald fast ganz, — das Blut ist an Wasser, das Plasma an Eiweiss ärmer, — die Gallenblase ist stark gefüllt , was auf einen ununterbrochenen Untergang von Blutkörperchen in der Leber hinweist. Die Leber ist klein und auffallend dunkel. Schliesslich stellt sich grosse Schwäche der (sehr welken und brüchigen Muskeln ein, und unter den Zeichen grösster Abgeschlagenheit und des Comas erfolgt der Tod. Die Verhältnisse des Stoffwechsels ergeben sich aus vorstehender Tabelle; hiernach ist namentlich die Verminderung der Harn- stoffausscheidung viel grösser, als die der CO,, woraus auf eine entsprechende grössere Einschmelzung von Fett den Albu- minaten gegenüber geschlossen werden muss. Xaeli den Berechnungen wird nämlich täglich eine ziemlich constante Fettmenge eingeschmolzen, während mit den laufenden Hungertagen die Albuminate einen bedeu- tend geringeren Zerfall zeigen (Wassertrinken beschleunigte den Eiweiss- z er fäll). An dem Hunger-Virtuosen Cetti fanden Zimtz &* Lehmann , dass der O-Verbrauch und die CO.,-Prodnction, bezogen auf die Einheit des Körpergewichtes, sehr rasch einen Minimalwerth erreichen, unter welchen sie bei fortgesetztem Hungern nicht hinabgehen. Im Durchschnitt betrug der O-Verbrauch am 3. bis (i. Hungertage = 4,65 Cc. pro Kilo und Minute. Absolut für das ganze Indi- viduum nahm der respiratorische Stoffumsatz ganz langsam ab: diese Abnahme hielt aber nicht gleichen Schritt mit der Abnahme des Körpergewichtes. Im Anfange des Hungers sinkt die CO. stärker ab als der O-Verbrauch. Der re- spiratorische Quotient war 0|67. — Der Harnstoff nahm vom l.— 10. Hunger- tage von 29 bis zu 20 Gr. ab. Von besonderem Interesse ist weiterhin die Betrachtung, in welchem Maasse die einzelnen K 8 r p e r o r g a n e an Gewicht eingebüsst haben, wie durch den Vergleich mit einem getödteten ähn- lichen, nicht verhungerten Thiere hervorgeht. Doch ist hierbei zu Landois, Physiologie. 7. Aufl. ,jn Verhalten des T/iieres 'ml Hunger- zu-itande. Ein- . , l F ■ J -' und Fett. 466 Stoffwechsel bei reiner Fleischkost. Erweiss oder Leim. [§. 239. Ein- schmelzung der einzelnen Organe. bemerken , dass manche Orgaue allerdings einfach direct abnehmen, z. B. die Knochen ; — andere Theile zeigen eine verhältnissmässig sehr bedeutende Einschmelzung (z. B. das Fett) : diese werden näm- lich rapide eingeschmolzen, und aus ihnen andere Organe während des Hungers zum Theil noch ernährt. Endlich lassen gewisse Organe (z. B. das Herz) sehr geringe Abnahme erkennen, da sie sich eben aus den Einschmelzungsproducten anderer Gewebe zu erhalten ver- mögen. Ein verhungerter Kater hatte nach v. Voit verloren : Procent des Ursprung lieh vor- handenen Fett Milz Leber Hoden Muskeln Blut Nieren Haut 97 66,7 53,7 40,0 30,5 27,0 25.9 20,6 18,0 Procent des Gesamnit- verlustes d. Körpers 26,2 0,6 4,8 0,1 42,2 3,7 0,6 8,8 2,0 10- Lungen . 11. Pancreas 12. Knochen 13. Centr. Nerven 14. Herz . . . 15. Gesammter übriger Rest des Körpers Pmcent des ursprüng- lich vor- handenen . 17,7 17,0 13,9 3,2 2,6 Pro cent des Gesammt- verlustes d. Körpers 0,3 0,1 5,4 0,1 0,02 36,8 5,0 Verhalten des sog. „ Vorraths- nac/i v. Voit. 9. Darm Es soll endlich noch auf einen wichtigen Unterschied hingewiesen werden, den die Tbiere zeigen, je nachdem sie vor Beginn der Inanition sehr reichlich mit Fleisch und Fett gefüttert, oder ob sie nur in knapp- auskömmlicher Nahrung gehalten waren. Beich gefütterte Thiere zeigen nämlich in den ersten Tagen des Hungers erheblich grössere Gewichtsabnahme, als an späteren, v. Voit glaubt, dass das, aus der reichen Nahrung stammende, Eiweiss sich als „circulirendes" oder „Vorraths-Eiweiss" in gewisser lockerer Ablagerung im Körper vorfinde, so dass dieses im Hungerzustande eher und massenhafter zerfallen muss, als das, als integrirender Theil der Gewebe gebundene, „Organ -Ei weiss". — Ferner zeigen sehr fette Individuen von vornherein einen grösseren Fettzerfall den Albuminaten gegenüber, als die mageren. vom allein zu leben. 240. Stoffwechsel bei reiner Fleischkost, Eiweiss und Leim. Der Mensch Mit fettfreiem, reinen Fleische ist der Mensch nicht im Stande, ma!Fieisch das Gleichgewicht eines Stoffwechsels aufrecht zu erhalten ; zu einer solchen Nahrung dauernd gezwungen, würde er unbedingt unterliegen müssen. Der Grund ist leicht einzusehen. Im Ochsenfleische ist das Verhältniss der N-haltigen zu den N-losen elementaren Nahrungs- beständen enthalten wie 1 : 1,7 (vgl. pg. 460). Der Gesunde giebt in der C02 der Athmung, ferner im Koth und Harn gegen 280 Gr. C täglich ab. Wollte der Mensch diese 280 Gr. C aus dem C der reinen Fleischnahrung entnehmen, so müsste er in 24 Stunden über 2 Kilo reinen Fleisches verdauen und assimiliren. Hierzu reichen jedoch auf die Dauer die Organe des Menschen in keiner Weise aus. Der Mensch würde unter diesen Verhältnissen bald gezwungen sein, weniger Fleisch zu verzehren: das würde aber nothwendig die Einschmelzung seiner [§. 240.] Reine Fett- oder Kohlehydrat-Kost. 467 eigenen Körperbestände zur Folge haben, und zwar zunächst des Fettes, dann aber auch der Eiweisssubstanzen. Der Fleischfresser (Hund), — dessen Verdauungsorgane ganz besonders PieUehhoat der Fleischverdauung angepasst sind (kurzer Darm und intensiv Eiweiss-auf- be"". Fleu ^gg) die gieiclie Wirkung für den Stoffwechsel hat. G-lycerin vermag den Zerfall des Körper-Eiweisses nicht geringer zu machen (Lewin, Tschirzvinsky, J. Munk). Nach Lebedeff, v. Voit und Amschink setzt es jedoch die Zersetzung des Körperfettes herab, ist also ein Nahrungsmittel. 243. Ursprung des Fettes im Körper. I. Man muss annehmen, dass das Fett des Körpers (§. 253) theilweise direct aus dem Fette der Nahrung stamme, dass also letzteres einfach riZnieüe aufgenommen und in den Geweben deponirt werde (Dumas, Bous- rftl"S singault). Hierfür spricht die Beobachtung, dass bei geringer Eiweiss- kost ein reicher Fettzusatz grosse Mengen von Fett im Körper zur Ablagerung bringt (v. Voit, Hof mann). Lebedeff fand hei Hunden, die zuerst einen Monat gehungert hatten , (so dass sie ihr eigenes Fett verloren) und dann entweder mit Leinöl oder mit Hammeltalg neben Fleisch gefüttert waren, diesen fast identische Fette innerhalb des Fettgewebes. Es musste also dieses Fett resorbirt und deponirt sein. J. Munk fand Aehnliches nach Fütterung mit Rüböl. deponirt, [§. 243.] Ursprung des Fettes im Körper. 469 Auch allein verfütterte Fettsäuren können zur Fettbildung beitragen, indem Glycerin, vom Körper gebildet , im Stoffwechsel an dieselben sich anlagern muss (J. Munk, Minkowski). IL Eine zweite Quelle des Fettes liegt in der Neubildung neJ^rfet. desselben aus Albuminaten (v. Ptttenkofer & v. Voit u. A.j. Man glaubt, dass bei der Fettbildung aus Eiweissstoft'en — (nach Heimeberg können unter H.,0-Aut nähme 100 Theile ge- trockneten Eiweisses 51,39 Theile Fett bilden neben 33,45 Harnstoff und 27,4 C02), — diese sich in einen N-losen und in einen N-hal- tigen Atomeneomplex spalten. Ersterer soll, (falls er bei reicher Eiweisskost nicht völlig zu C02 und H20 verbrannt den Körper ver- lässt) zur Fettbildung das Material hergeben, — letzterer vornehm- lich zu Harnstoff oxydirt den Körper verlassen (Hoppe-^eyler, Fürsten- bersr, v. Voit. v. Pettenkofer). Als Beispiele, welche für diese Fettbildung aus Albuminaten sprechen, für dfe Fet(m seien aufgeführt: — 1. Eine Kuh, die täglich 1 Pfund Butter producirt , nimmt hüdvmg am in der Nahrung bei "Weitem nicht das hierzu nöthige Fett auf, muss es vielmehr den aus anderen Ptianzenbestandtheilen umsetzen. — 2. So erzeugen auch säugende * lhu Carnivoren, mit vielem Fleisch und etwas Fett gefüttert, reichliche, fette Milch. — 3. Hunde, mit vielem Fleisch und etwas Fett ernährt, setzen viel mehr Körperfett an , als dem Fette der Nahrung entspricht. — 4. Die fettige Ent- artung z. B. im Innern der Muskel- und Nervenfasern kann nur als aus Eiweiss hervorgehend angenommen werden. — 5. Die Umwandlung ganzer Leichname (die z. B. lange von "Wasser überschwemmt gelegen haben) in eine fast ganz ausPalniitin-undStearin-Säu rebestehen de Masse oder „Leiche n- wachs" (Adipocire von Fourcroy) spricht für den Uebergang der Albuminate zum Theil in Fett. — 6. Schimmelpilze vermögen in ihren Vegetationen Fett aus Eiweiss zu bilden (v. Naegeli &? O. Low), . . Versuche, welche es wahrscheinlich machen, da'ss des Mästungsfett nicht daflir^dass als solches von der Nahrung aus resorbirt wird, sind: — 1. Es gelingt Fett- das Körper- mästung mit Fleisch und Seifen; letztere werden aber höchst unwahrscheinlich fett nicht durch Glycerinaufnahme unter Alkaliabspaltung zu neutralen Fetten umgebildet „wrbtrt üt. Kühne &* Radziejewski) . — 2. "Wurde ein magerer Hund mit Fleisch und Pal- mitin- und Stearin-Natronseife gemästet, so enthielt sein reiches Körperfett neben Palmitin- und Stearin- noch Ol ein -Fett; letzteres musste der Organismus aus Umsetzung des Albumins des Fleisches selbst gebildet haben. Ferner fand man bei analoger Mästung mit magerem Fleisch und Spermacetfett nur wenig des letzteren in dem Fette des Hundes vor Ssubolin . — Wenn diese Versuche auch beweisen, dass Fett des Körpers durch Zerlegung der Albuminate entstehen niuss, so beweisen sie dennoch noch nicht, dass alles Fett so entstehen muss, und dass gar nichts davon einfach resorbiri und deponirt werden kann. Kohlehydrate 111. Durch Mästungsversuche an verschiedenen Warmblütern (Schwein, Gans, Hund), wobei neben einem grossen Ueberschusa von'" Stärke nur sehr wenig Fett und Eiweiss dargeboten wurde, ist man neuerdings allgemein (Lawes, Lehmann, Heiden u. A.) zu der An- nahme einer directen Umbildung der resorbirten Kohle- hydrate in die Fettsubstanz gelangt. Bei der Fettbildung aus Kohlehydraten lindet der umgekehrte Process statt, als wie bei der Glycogenbildung aus Eiweiss (Vgl. §. 177. 2). Dio Molekül- gruppe CH OH wird durch Reduction in OH, verwandelt (Pflüger). Denkt man sich die Kohlehydrate (ähnlich dem Eiweiss) in Fett. CO., und H20 zerfallend, so können LOO Gr. Stärke (- 111,1 Gr. Zucken höchstens liefern : 11. 1 Fett, 17,5 Gr. COä und ll,4Gr. Ha0 (Meissl). — Nach Pasteur und E. Voit kann sich Glycerin aus Kohle- hydraten bilden. 470 Uebermässiger Fett- und Fleisch-Ansatz. [§•243.] Man glaubte früher, Bienen vermöchten allein aus Honig Wachs zu bereiten : dies ist irrthümlich , es bedarf vielmehr auch hierzu stets eines ent- sprechenden Albumin atenzusatzes, (der sich im rohen Honig hinreichend findet). Angeborene Disposition. Cebergrossei Kahrungs- consum die Haupt- ursache. Unter- stützende Momente. 244. Ueberinässiger Fett- und Fleisch-Ansatz (Corpulenz) und seine Bekämpfung. Uebermässiger Ansatz im Körper ist als eine pathologische Erscheinung des Stoffwechsels zu betrachten , welche dem damit Behafteten nicht allein vie- lfache Unbequemlichkeiten, sondern auch Beschwerden, oder gar ernste Gefahren bereiten kann. — In Bezug auf die Ursachen der Obesitas lässt sich zunächst allerdings eine gewisse angeborne Disposition — (in 33 — 56% der Fälle, Bouchard, Chambers) — nicht in Abrede stellen, insofern manche Familien leichter stark werden, — (ganz ebenso ist es mit gewissen Stämmen unseres Mastviehes), — während andere, selbst bei reichlichster Zufuhr, die sich bis zur Gefrässig- keit steigern kann, mager bleiben. Die Hauptursache aber ist und bleibt eine gewohnheitsmässige übergrosse, das normale Stoff wechs el -Mittel überschreitende Nahrungszufuhr, — wenngleich fast jeder Corpulente in lächerlicher Selbsttäuschung befangen mit der ernstesten Miene zu versichern nicht nachlässt , dass er eigentlich auffallend wenig esse. Angaben dieser Art sind um so weniger begründet, als völlig fest bewiesen ist, dass Corpulente, um ihren Körperkoloss zu mästen , nicht allein absolut , sondern sogar relativ viel mehr verzehren müssen , als wenig Beleibte unter analogen Ernährungsbedin- gungen. (Vgl. pg. 458.) Es soll hier zunächst dem verbreiteten I r r t h u m e entgegengetreten werden, als wäre der Corpulente stets lediglich zu fett. Die Mästung bezieht sich anfangs vielmehr meist so wohl auf den Ansatz von Fett, als auch von Fleisch. Bei weiterer Mästung tritt nun allerdings die Ausbildung des Muskelgewebes oft zurück, schon deshalb, weil Schwerfälligkeit und Unbehülf- lichkeit den Corpulenten zur Ruhe zwingt. Hierdurch geht secundär die Muskel - Substanz in der Ernährung zurück. Manche regsame Corpulente behalten jedoch ihren grossen Fleischvorrath zeitlebens bei. — Wenn aber weiterhin diejenigen Momente ganz besonders wirken, welche die vornehmliche Fettproduction begün- stigen, so kann die Corpulenz in alleinige Fettsucht übergehen, wie es freilich häufig der Fall ist. Folgende Momente begünstigen den Eintritt der Beleibtheit: — 1. Reiche Eiweisskost mit entsprechendem Fett- oder Kohlehydrat-Zusatz. Da sich das Fleisch aus den Albuminaten, aber auch das Körperfett zum Theil aus Eiweiss bildet (pg. 469), so ist die Annahme, dass nur Fette und Kohlehydrate mästend, oder nur allein fettmachend wirken, völlig unbegründet. — 2. Ver- minderter Stoffverbrauch im Körper: hierher gehört — a) geringe Muskelthätigkeit (wenig Bewegung, viel Schlaf); — b) Darnieder- liegen der Geschle chtsfunc tio nen, (wie die leichte Mästung der Ver- schnittenen zeigt, sowie der Umstand, dass Frauen nach Cessiren der Menses leicht corpulent werden), wohl hauptsächlich wegen Wegfall aufregender Gefäss- thätigkeit; — c) Geringe geistige Thätigkeit (Obesitas der Blödsinnigen), phlegmatisches Temperament, (Avohl aus vorbenanntem Grunde). Umgekehrt sind lebhafte Geistesarbeit, aufgeregtes Temperament, weiterhin Sorgen und Kummer einer Mästung widerstrebend. — d) Eine geringere Ergiebigkeit der Athmungsthätigkeit, wie sie bei Corpulenten in Folge der Fettansamm- lung im Abdomen, durch Behinderung der Zwerchfell-Action , zu Tage tritt (Kurzathmigkeit der Feisten), beschränkt die Verbrennung des sich bildenden Körperfettes , das dem entsprechend zur Ablagerung verwandt wird. — e) Der Corpulente braucht relativ weniger Stoffe zur Wärmebildung in seinem Körper zu verbrennen, theils weil seine compacte Leibesform in Folge der grösseren Concentrirung der Massen weniger Wärme von der äusseren Körper - obertläche abgiebt, als ein zarter, schlank gegliederter Leib (§. 217), theils, weil die dicke Speckschichte als schlechter Wärmeleiter der directen Wärmeabgabe durch Leitung hinderlich ist (vgl. §. 215, II. 4). Der, also hierdurch geforderten, relativ geringeren Wärmebildung im Körper entsprechend kann ein reicherer Ansatz statthaben. — f) Eine Verminderung der, die Oxydation im Köi-per an- [§•244.] Uebermässiger Fett- und Fleisch-Ansatz. 471 regenden rothen Blutkörperchen hat ganz allgemein eine Vermehrung des Fettes zur Folge ; Fettleibige sind nicht selten auch deshalb fett, weil sie blut- ärmer sind (vgl. §. 48, I). Frauen mit weniger rothen Blutkörperchen (§. 8. 1. c.) sind meist fetter, als Männer. — ■ g) Alkoholgenuss begünstigt • die Conser- virung des Fettes im Körper, weil er wegen seiner leichten Oxydirung das Fett vor dem Verbrennen im Körper schätzt : (Feistheit der Trinker), (§. 237). Ausser grosser Unbequemlichkeit der Körperlast hat die Corpulenz und zumal tue Fettsucht verschiedene Nachi heile und Gefahren : Ku rz a t Innig- keit, leichte Ermüdung, Entstehung von Intertrigo in den Hautfalten, und von sog. Fetlhernien, und endlich Gefahr fettiger Entartungen (siehe unten], der Herzlähmung, sowie der Apoplexie. Zur Bekämpfung der Fettleibigkeit ist zu befolgen: — 1. Gleich- massige Reduction aller genommenen Nahrungsmittel bis zur Nor- maldiät (pg. 462). Her Gemästete wiege sich und sein tägliches Nahrungsquantum von Woche zu Woche : so lange er keine Abnahme des Körpergewichtes consta- tiren kann, ist (trotz allen Appetites) das Futterquantum gleichmässig all- mählich einzuschränken. Man mag hierin ganz langsam vorgehen, ohne eine zu plötzliche Beschränkung. (An dem gar zu vortrefflichen Appetite scheitern aber last alle guten Vorsätze.) Eine massige Beschränkung von Fett und Kohle- hydraten in der Normaldiät würde zugleich zur Einschmelzung des eigenen Körper- fettes Veranlassung geben. Man concedire solchen Individuen, welche noch der Muskelanstrengungen fähig sind, 156 Gr. Eiweiss, 43 Gr. Fett, 114 Gr. Kohle- hydrat. Bei solchen, bei denen bereits Stauungen. Hydrämie, Athembeschwerden sich eingestellt haben, sind zulässig 170 Gr. Eiweiss, 25 Gr. Fett, 70 Gr. Kohlehydrate (Oertelj. Nicht anzurathen aber ist es, dem Corpulenten allein Fette und Kohlehydrate übermässig zu beschränken, wie es in der sog. Banting- Cur üblich ist. Denn ganz abgesehen davon, dass sich Fett ja auch aus Albu- minaten bilden kann , bringt eine so gewaltsame Aenderung der normalen Nah- rung oft schwere Störungen des ganzen Stoffwechsels mit sich. Viele haben daher durch diese Procedur ihre Gesundheit eingebüsst. Jede einseitige Kostbe- schränkung ist nachtheilig (§.240. §.241) und wird demgemäss Ab- magerung hervorbringen, aber nicht ohne Gefahr. — 2- Es ist anzurathen, während der Hauptmahlzeiten möglichst den Genuss von Flüssigkeiten aller Art (bis etwa ,; 4 Stunden nach derselben) zu meiden, weil hierdurch die Resorption und die Verdauungsthätigkeit im Darme weniger ausgiebig wird fOertel. — 3. Man steigere die Muskelthätigkeit durch lebhaftere Arbeit, — ev. auch die Thätigkeit des Geistes. — 4- Man befördere die Wärmeabgabe durch langandauernde kühle Bäder mit nachherigem starken Frottiren der Haut bis zur lebhaften Röthung; — dabei leichte Bekleidung; kühle, kurze Nachtruhe. In dieser Weise nützt auch der vermehrte Genuss von Thee und Kaffee, indem sie die Circulation zur Haut (und somit zur Wärmeabgabe) lebhaft anregen. — 5. Leichte Abführmittel: saure Früchte, Apfelwein, — kohlensaure Alkalien (Marienbad, Carlsbad, Vichy, Neuenahr, Ems etc.) wirken durch Vermehrung der Darmausleerangen und Verminderung der Eesorption günstig gegen die Cor- pulenz. — 6. Ist bei bedeutender Fettablagerung bereits Gefahr für Schwächung der Herzaction vorhanden , so suche man durch lebhafte Muskelaction (Berg- steigen u. dgl .) das Herz anzuregen und dessen Muskulatur zu kräf- tigen. Hierdurch hebt sich die Circulation, und der Stoffwechsel wird reger Oertelj, so dass selbst jetzt noch bei vernünftiger Diät Heilung erzielt werden kann. Völlig verschieden von der Fettmästung, die in der Ablagerung grosser Fetttropfen in den Fettzellen des Panniculus und um die Eingeweide, sowie im Knochenmark (nie im Unterhautzellgewebe der Lider, des Penis, der rothen Lippen, der Ohren , der Nase) besteht, ist die — „fettige Atrophie oder fettige Entartung" , — welche in Form von Fettkörnchen in den eiweisshaltigen Ge- weben sich zeigt, z. B. in Muskelfasern (Herz), Drüsenzelleu (Leber, Niere), Knorpelzellen, Lymphoid- und Eiter-Körperchen, sowie im abgetrennten Nerven. Das Fett ist hier auch aus dem Albumin entstanden, ähnlich wie phy- siologisch in den Drüsenzellen der Milch- und Talg-Drüsen. Nimmt in den Ge- weben diese Verfettung so zu, dass das Eiweiss hierdurch zum Schwunde gelangt, ohne wieder ersetzt zu werden, so ist die fettige Atrophie oder Entartung aus- gesprochen. Sie findet sich nach heftigen Fiebern, starker (künstlicher) Erhitzuni: der Gewebe, — verminderter O-Aufnahme in den Körper [wie es namentlich Xachtheile der Corpulenz. Behandlung derselben. Die " antin g- Cur ist irrationell und schädlich. Fettige Degeneration und Atrophie. 472 Der Stoffwechsel der Gewebe. [§. 244:.] nach. Phosphorvergiftung beobachtet wird (Bauer;} , ferner bei Säufern , nach manchen Vergiftungen (Arsen), bei Störungen der Circulation und Innervation. Endlich zeigen manche Organe bei besonderen Erkrankungen die fettige Ent- artung. In seltenen Fällen kann bei Neugeborenen schnell der ganze Körper der fettigen Atrophie unterliegen. 245. Der Stoffwechsel der Gewebe. Das Blut als Alle Gewebe bedürfen zu ihrem normalen Bestehen und stoff-sPender. z^ ^^ ^ vo]i i]inen geforderten Leistungen des Stoffwechsels. Der Vermittler desselben ist vor allen der Blutstrom, welcher als Hauptverkekrs-Träger des Stoffwechsels das Ersatzmaterial zuführt und das Verbrauchte wegschwemmt. Diejenigen Gewebe, welche (wie die Cornea, der Knorpel) in ihrer Grundmasse keine Gefässe besitzen, müssen von den zunächst belegenen Capillaren durch ihre zelligen Elemente, welche so als Saftleiter auftreten, den ernährenden plasmatischen Saftstrom empfangen. Daher geht eine Behinderung der normalen Circulation in den Ge- weben , (wie durch Verengerung oder Verkalkung der Gefäss- wände u. dgl.) mit einer Störung der Ernährung einher; — völlige Unwegsamkeit, wie etwa durch Thrombose, totale Com- pression , oder künstlich durch Ligatur aller zuführenden Gefässe, hat sicheren Untergang der Gewebe zur Folge, der sich alsbald als Brand (Nekrose) zu erkennen giebt. Atrophien, welche durch Verminderung der normalen Blutzufuhr entstanden sind, nehmen im weiteren Verlaufe allmählich mehr und mehr wieder ab i Samuel). Der Dem Mitgetheilten entsprechend wird sich in den Geweben ltoomll!er e^ne doppelte Strömung der Gewebssäfte erkennen lassen Ernährung, müssen : der zuführende Strom, welcher das Ersatzmaterial hinschafft, und der abführende Strom, der die abgenutzten Umsetzungsproducte entfernt. Ersterer wird die Älbuminate, Fette , Kohlehydrate , sowie die gelösten Salze , wie sie von den Resorptionsorganen aufgenommen sind, zur Anbildung den Geweben überliefern. Es ist klar, dass eine Behinderung jeg- licher Art im arteriellen Systeme des betreffenden Gewebes diese Zufuhr verkürzt: der Stoffwechsel wird hierdurch be- schränkt in Folge mangelhafter Anbildung. Man erkennt den Strom dadurch, dass nach Einspritzung einer relativ indifferenten, leicht nachweisbaren Substanz, z. B. Kaliumeisencyanür in das Blut dieses innerhalb der Gewebe angetroffen wird, wohin es mit dem hinleitenden Strome befördert worden ist. Der Der abführende Strom entnimmt die Umsatzproducte, abführende vornehmlich Harnstoff, — CO,, — H,0 und Salze, um diese Strom der , .-' .- ._. .. . abgenutzten den Ausscheidungsorganen mit möglichster Schnelligkeit zu übermitteln. Man erkennt diese Strömung dadurch, dass man eine gelöste Substanz in die Gewebe selbst, (etwa mit einer Spritze zu subcutanen Injectionen) einführt (z. B. Kaliumeisencyanür) und dasselbe bereits nach wenigen (2 — 5) Minuten im Harne wieder antrifft. Ist der aus den Geweben herkommende Strom bedeutender und umfangreicher , als die Ausscheidungsorgane daraus die Stoffe eliminiren können , so werden diese letzteren sogar aber- [§.245.] Der Stoffwechsel der Gewebe. 473 mals durch die Grewebe wandern können. So sehen wir es an subcutan eingebrachten grösseren (liftdosen . welche oft so reichlich in das Blut strömen, dass, bevor sie noch ausgeschieden werden konnten, dieselben anderen Geweben zugebracht werden. z. B. dem Nervensysteme, das so ihrer Einwirkung unterliegen kann, bevor noch irgend eine bedeutende Ausscheidung erfolgt war. Da der abführende Strom durch zwei Canalsysteme geleitet wird , die Venen und die Lymphgefässe , so ist ersicht- lich, dass eine Beschränkung dieser Bahnen den Stoffwechsel in Folge der Behinderung der normalen Abfuhr des Ver- brauchten stören muss. Bei fester Umschnürung eines peri- pheren Körpertheiles . wodurch Venen und Lymphgefässe com- primirt werden . staut der Strom so bedeutend , dass selbst Schwellungen der Gewebe eintreten können (§. 204). Für die Fortbewegung der Strömungen in den Geweben ist die Thätigkeit der Muskeln von grossem Einflüsse, indem sie nicht allein durch Druck innerhalb der nachgiebigen Gewebe die Fortbewegung in den Saftcanälen befördern, sondern auch dort, wo sie sich an das Periost, Perich ondrium und die Gelenke inseriren . durch abwechselnden Zug und Erschlaffung auf die Formveränderung der Saftlücken und damit auch auf die Orts- bewegung des Saftes innerhalb dieser letzteren wirken (Hasse j. H. Na.-se fand das Blut der Vena jugularis um 0,2ü5 p. M. speeifisch schwerer, als das Carotisblut ist, und um 0,9 Gewichtstheile auf 1000 Theile an festen Bestandteilen reicher; — 1000 Ccmtr. Blut liefern bei ihrer Circulation durch den Kopf über 5 Ccmtr. Transsudat in die Gewebe. Die Grösse des Stoffwechsels in den Geweben und damit zugleich die Intensität der wechselnden Strömungen hängt von verschiedenen Momenten ab. 1. Von der Thätigkeit derselben. — Die gesteigerte Der Stoff- Thätigkeit des Organes giebt sich schon durch die grössere Blutfülle abhängig vm und regere Circulation zu erkennen (§. 105), welche ihrerseits die Ver- Jele™j'el9~ mittlerin des Stoffwechsels ist. Ist ein Organ zur völligen Unthätig- Organe, keit gezwungen, wie ein gelähmter Muskel, das peripherische Ende eines durchschnittenen Nerven , so nehmen alsbald in demselben die Blutmenge und der Blutwechscl ab. Nur dem thätigen Gewebe spendet der Organismus seine Säfte. Der betreffende Theil wird blass, BChlaff und geht endlich der fettigen Entartung entgegen. — Für manche Organe ist der erhöhte Stoffwechsel hei ihrer Thätigkeit festgestellt, z. B. für die Muskeln [? und das Gehirn (Speck) §. 264]. Langley & Sewatl haben neuerdings direct den Stoffwechsel in ge- nügend dünnen Läppchen der Drüsen während des Lebens beob- achten können. Die Zillen sowohl der serösen (§. L46), als auch der Schleim- und Pepsin-bereitenden Drüsen (§. L56) füllen sich im Ruhe- zustände mit »-rolien, im durchfallenden Lichte dunklen, im auffallen- den Lichte weissen Körnchen, welche bei der Thätigkeit wieder ver- braucht werden. Im Schlafe, in welchem die meisten Organe ruhen, ist der Stoffamsatz beschränkt: ebenso vermindert ihn die Dunkel- heit, während das Licht ihn anregt (offenbar durch nervöse \ mittelling). Die Schwankungen des GesammtstonVeehsels werden sieh in der Ausscheidung von ('(>, §. L33) und Harnstoff vj. 258 wieder- 474 Der Stoffwechsel der Gewebe. [§. 245.] spiegeln, die, der Thätigkeit des Organismus conform verlaufend, eine Curve darstellen, welche mit der Curve der täglichen Respirations -, Puls- und Temperaturschwankungen ziemlich parallel verläuft (pg. 415). von der bim- 2. Auch die Beschaffenheit der Blutmischung — • hat mischung, einen entschiedenen Einfluss auf die, den Stoffwechsel tragenden Strö- mungen in den Geweben. Ein sehr concentrirtes, wasserarmes Blut (nach heftigen Schweissen, starken Durchfällen, z. B in der Cholera) macht die Gewebe trocken, — umgekehrt hat eine starke Wasseraufnahme in das Blut eine grössere Succulenz derselben , sogar bis zur Hydropsie zur Folge. Ein grösserer Koch Salzgehalt des Blutes und eine Verminderung des O-G e h a 1 1 e s der rothen Blutkörperchen, letztere bei gleichzeitigen , Dyspnoe verursachenden Muskelanstrengungen haben vermehrten Zerfall der Albuminate zur Folge und somit reichlichere Harnstoff bildung; daher bedingt auch der Aufenthalt in verdünnter Luft vermehrte Harnstoffausscheidung (Fränkel, Penzoldt und R. Fleischer). Beachtenswerth sind nocli gewisse abnorme Blutveränderungen: das CO-Blut vermag nicht 0 aus der Luft aufzunehmen und C02 aus den Geweben abzuleiten. (Vgl. §§. 21 und 22.) Die Gegenwart der Blausäure im Blute (vgl. §§. 22. 5) wirkt so, dass dieselbe augenblicklich die chemischen Oxydationsprocesse durch das Blut unterbricht (Mialhe) ; die Gewebe nehmen keinen 0 mehr von dem hellrothen und reichlich mit 0 über- ladenen Blute auf (Geppert) ; es entsteht so auch eine schnelle Er- stickung durch Behinderung der inneren Athmung (Ed. Wagner). [Ebenso wird durch dieselbe auch der Gährungsprocess unterbrochen.] — Eine Verminderung der gesammten Blutmasse lässt einerseits allerdings reichlicher Wasser aus den Geweben in die Ge- fässe eintreten (vgl. §. 48. 1), anderseits aber verzögert sich die Aufnahme von Substanzen aus den Geweben [z. B. Gifte (Kaupp) oder pathologische Ergüsse] , oder von der Darmfläche. — Werden die, aus den Geweben herstammenden Substanzen vom Blute schnell eliminirt, oder in demselben verarbeitet, so geht die nachfolgende Resorption um so schneller von statten. vom 3. Der Blutdruck — ist für die vermittelnde Saftströmung Blutdruck, insofern von Einfluss, als die höbe Steigerung desselben die Gewebe saftreicher, das Blut selbst aber concentrirter (bis zu 3 — 5 pro mille) macht (Nasse). An einer, von der Epidermis entblössten Chorium- fläche (z. B. Brandblase) überzeugt man sich leicht, dass jeder Druck auf die abführenden Gefässe Blutplasma durch die Capillarwände durch- treten lässt. — Eine Herabsetzung des Blutdruckes wird den ent- gegengesetzten Erfolg haben. — Nach Verabreichung von Phosphor, Kupfer, Aether, Chloroform, Chloral ist die Oxydationsthätigkeit im Thierkörper vermindert (Nencki & Sieber), von der 4. Erhöhte Temperatur der Gewebe — (einige Stunden Temperatur, am Tage) hat keine Erhöhung de^ Zerfalles von Eiweiss und Fett zur Folge (C. A. Koch, Stokvis, Simanowsky & v. Voit). (Siehe künstliche Erwärmung §. 222, Fieber §.221 und künstliche Abküh- lung §. 326.) vom Nerven- 5. Constatirt ist endlich ein Einfluss des Nervensystemes einfluss. auf den 3toffweckse] der Gewebe. — Zweifellos ist dieser Einfluss ein [§.245.] Ueber Regeneration. 475 doppelter, nämlich einmal kann er indirect durch Vermittlung der Gefässe wirksam sein : indem nämlich die G e f ä s s n e r v e n eine Ver- engerung oder Erweiterung der Gefässe hervorrufen, können sie durch Vermehrung oder Beschränkung der durchströmenden Blutmasse, oder des Blutdruckes einwirken. In dieser Beziehung ist auch besonders auf pathologische Zustände , abnorme Erregung oder Lähmung der Gefässnerven oder ihrer Centren hinzuweisen. — Allein auch unab- hängig von den Gelassen beherrschen wahrscheinlich gewisse besondere Nerven, die man trophische genannt hat, den Stoffwechsel in den Geweben (§. 344. I. c). Atrophien , durch Nervenlähmung bedingt, nehmen, je länger sie bestehen, desto mehr zu (Samuel). Beispiele des direct von den Nerven hervorgerufenen .Stoffumsatzes in den Ge- weben sind : Absonderung des Speichels durch Nervenreizung nach Ausschaltung des Kreislaufes (§. 150), Stoffumsatz bei der Contraction blutloser Muskeln. — Vermehrte Athmung, sowie Apnoe hat keine vermehrte Oxydation zur Eolge (Pflüger). (Vgl. §. 133, 8.) 246. Ueber Regeneration. Der Ersatz verloren gegangener Theile findet sich in den verschiedenen Organen sehr verschieden ausgebildet. Unter den niederen Thieren ist der Wiederersatz sehr viel verbreiteter, Regeneration als bei den Warmblütern. Eine Zerschneidung des kleinen Süsswasser- ie^eie Aschenbcstandtheile der Knochen werden vermindert. Die Veränderungen der Knochen, welche die Entziehung der Kalksalze erzeugt, werden durch die Fütterung mit Milchsäure gesteigert (Baginsky). [Die Knochen werden den rachi- tischen ähnlich.] — 5. Künstliche Stauungshyperämien vermögen das Knochenwachsthum zu vermehren (Helferich). — lieber das normale Wachsthum der Knochen wird bei der Entwicklung derselben, im ij. 449 gehandelt. An allen Körperstellen, an denen Substanzverluste sich nicht Degeneration durch das gleiche Gewebe wieder zu ersetzen vermögen, wird die Bintegeuebe ; vorhandene Lücke durch narbiges Bindegewebe — ausgefüllt. -Vnr Dort, wo dem Bindegewebe diese Bolle zufallt, kommt es zunächst zu einer entzündlichen Schwellung und Durchtränkung mit Plasma, Die Gefässe erweitern sich, sind strotzend gefällt, und trotz des verlang- samten Blutlaufes ist der Wechsel der gesummten Blutmasse in ihnen grösser. Zugleich vermehren sich nun die Gefässe durch Neubildung. Aus denselben kommt es zur Auswanderung weisser Blutzellen (§. Hui), die sich weiterhin durch Thei- lung vermehren können. Viele von diesen gehen später durch fettige Entartung wieder dem Zerfalle entgegen. 480 Ueberpflanzung von Geweben. [§. 246.] In dem entzündeten Gewebe entwickeln sich gleichzeitig einkernige grosse Protoplasmazellen von dem doppelten Umfange der Leukocyten. Durch Aufnahme weiteren Materiales gehen aus letzteren zum Theil sehr grosse, vielkernige „Biesenzellen'' hervor, welche vielleicht so ent- standen sind, dass die Protoplasmazellen von aussen her Lymphoidzellen in sich aufnehmen (Ziegler, ColmheimJ. Die neugebildeten Blutgefässe ertheilen allen diesen reichlichen Zellenbildungen das Ernährungsmaterial, ohne Avelches sie dem fettigen Zerfall anheimfallen würden. Vor allen aber sind es die einzelligen Protoplasmazellen von der doppelten Grösse der weissen Blutkörperchen, welche weiterhin Fortsätze auswachsen lassen , sternförmig werden und sich in Bindegewebsfibrillen schliesslich zerspalten, so dass ihr Protoplasma fast ganz in eine fibrillenbildende Intercellularsubstanz übergeht, während ihr Kern mit einer nur geringen Binde übriggebliebenen Protoplasmas zum fixen Bindegewebs- körperchen wird. [Die Biesenzellen , welche eigentlich hypertrophische Bildungs- zellen sind (Cohnheim), gehen theilweise fettig zu Grunde.] Im weiteren Verlaufe nimmt die Zahl und der Umfang der Gefässe in diesem Gewebe wieder ab , es wird saftärmer, und es entsteht schliesslich wahres Bindegewebe. Der geschilderte Bildungsvorgang entwickelt sich an allen Stellen , an welchen Substanzverluste in Geweben sich durch Bindegewebe ausfüllen. An der freien Körperfläche wächst (aus Wunden und Geschwüren) nicht selten das neu- gebildete, gefässreiche Gewebe über das Niveau zunächst hinaus (Caro luxurians), tritt aber bald (nach Anwendung constringirender Mittel auf die Gefässe) er- blassend zur ebenen Fläche zurück, und erzeugt schliesslich , nachdem sich auf der freien Fläche ein abschliessender Epidermis-Zellenbelag entwickelt hat, — die Narbe. Die überziehenden Epithelien wachsen von den anstossenden ge- Xarbe. sunden Epidermisrändern , und zwar aus deren Bete Malpighii über das Granu- lationsgewebe als deckende Lage hinweg (§. 246. 2). Ist die Continuität eines Gewebes durch eine Verwundung , etwa durch Heilung per Schnitt getrennt, so kann nach sorgfältiger Gegeneinanderlagerung der getrennten pnmam aut Flächen eine Vereinigung beider direct und ohne Entzündung wieder erfolgen; Putmtione%T (Restitutio per primam intentionem). Die Flächen verkleben zunächst durch Blut- plasma, und weiterhin wird ein directes Verwachsen der Theile beobachtet. — Durchschnittene Blutgefässe gehen jedoch nie eine Wiedervereinigung zu einem Blutcanale ein. Die Schnittflächen der Nerven heilen zwar oft direct an ein- ander, aber es erfolgt keine directe physiologische Wiederherstellung (§. 327, Regeneration der Nerven). — Ueberall , wo keine directe Vereinigung erfolgt, kommt es unter Entzündung und Eiterbildung zur Entwicklung eines narbigen Zwischengewebes (Restitutio per secundam intentionem ; siehe oben). 247. Ueberpflanzung von Geweben. Ueber- jüt scharfen und reinen Schnittflächen abgetrennte Nasen, Ohren, selbst ^uTTlli Finger hat man , sogar noch nach Verlauf von Stunden , wieder anheilen sehen, derselben ein Beweis , dass das Leben abgetrennter Gewebe noch eine Zeit lang sich zu Art. erhalten vermag. — Vielfältig von Chirurgen geübt wird die Ueberpflanzung von Hantlappen zur Ausfüllung vorhandener Defecte. Den , zur Ueberpflanzung bestimmten, von der unteren Fläche losgelösten Baut. Lappen lässt man zunächst noch mit einem Stiele mit seiner heimatlichen Haut in Verbindung, näht dann die Ränder mit den angefrischten Rändern des Defectcs genau zusammen, und durchschneidet erst den Stiel, nachdem die zusammenge- gefügten Ränder gut verheilt sind. So lässt sich z.B. eine neue Nasenhaut bilden aus der Bückenhaut eines anderen Menschen, oder aus der eigenen Armhaut, oder aus der Stirnhaut. — Zur Ueberhäutung grosser, granulirender (vorher sorg- fältig gereinigter) Geschwürsflächen legt Reverdin unter Druck zahlreiche, schnell abgeschnittene Cutisläppchen von Buhnengrösse auf die Granulationen oder nach Entfernung derselben auf die angefrischte Wundfläche, woselbst sie verwachsen. Von den Rändern dieser Läppchen überziehen neugebildete, sich ausbreitende Epidermislager die grosse Geschwürfläche. — Beim Hahn kann man die abge- schnittenen Sporen in die Kopfhaut einwachsen lassen. — Bert brachte ent- Grössere häutete Schwänze und Füsse von Batten unter die Rückenhaut anderer : dieselben Theile. ]ieiiten ein, zeigten Gefässcommunicationen mit dem benachbarten Gewebe und [§•247.] Zunahme der Grösse und des Gewichtes. 481 wuchsen sogar in ihren knöchernen Theilen : selbst 3 Tage vorher abgeschnittene zeigten dasselbe. — Losgelöste und an andere Stellen verpflanzte Periost- stücke heilen gleichfalls *-in und entwickeln sogar Knochen / ' Ollier), v. Hippel heilte mit Erfolg ein 4 Mm. grosses Stück einer Kaninchencornea in einen Defect des menschlichen Auges, bei welchem jedoch die klargebliebene Membrana Descemet! als Unterlage erhalten worden war. Auch Blut und Lymphe lässt sieh völlig übertragen (vgl. Transfusion, §. 107). Alle diese Ueberpflanzungen gelingen jedoch fast nur zwischen Individuen derselben Species. — Die Weh meisten Gewebe sind jedoch gar nicht übertragungsfähig, wie Muskeln, Nerven, Drüsen und Sinnesorgane. übertrafllare Gevjtbe. 3,5 248. Zunahme der Grösse und des Gewichtes während des Wachsthums. In der ersten Zeit nach der Geburt zeigt die Körperlänge, welche im Mittel des Erwachsenen beträgt , die schnellste Ziinahnie : im ersten Jahre etwa 20, im zweiten noch 10, im dritten gegen 7 Cmtr. ; vom 5- — 16. Jahre ist weiterhin die jährliche Zunahme (gegen 5Va Cmtr.) ziemlich gleich gross. Mit Beginn der Zwanziger- Jahre zeigt sich nur noch ein sehr geringes Wachsthum. Vom 50. Jahre an nimmt die Körpergrösse, hauptsächlich wegen der Verdünnung der Intervertebralscheiben wieder ab ; die Abnahme kann bis zum 80. Jahre bis gegen 6 — 7 Cmtr. betragen. — Das Körpergewicht (gegen '/so ^es -^r" wachsenen) sinkt in den ersten 5 — 7 Tagen nach der Geburt constant etwas wegen der Ausleerung des Meconiums und der anfangs nur geringen Nahrungs- aufnahme, bei gesteigerten Leistungen (Wärmeerzeugung, Athmung, Verdauungs- thätigkeit) , wodurch die Stoft'wechselproducte erheblich vermehrt werden (M. Hofmeierl. Erst am 10. Tage ist das Gewicht dem des Neugeborenen wieder gleich. Weiterhin ist die Zunahme des Gewichtes der der Körperlänge in den entsprechenden Zeiten überlegen. Im ersten Jahre verdreifacht sich das Gewicht. Beim Manne ist gegen das 40- Jahr der Höhepunkt erreicht. Gegen das 60. Jahr beginnt, wegen der rückschreitenden Ernährungsprocesse im Alter, eine Gewichts- abnahme, die bis zum 80. Jahr gegen 6 Kilo ausmachen kann. Genaueres zeigt die folgende Tabelle : L'dngen- uachsthum. Gewichts- zunahme. Alter Länge (Cmtr.) Mann Weib Gewicht (Kilo) Mann W eib Alter Länge (Cmtr.) Gewicht (Kilo) Mann | Weib Mann , Weib 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 49,6 69,6 79,6 86,0 93,2 99,0 104,6 111,2 117,0 122,7 128,2 132,7 i: ;:,.'.i 140,3 14.-.; 48,3 69,0 78,0 85,0 91,0 97.0 103,2 109,6 1 13,9 120,0 124,8 127,5 1 32,1 L38>6 144,7 3,20 10,00 12.00 13,21 15,01 16,70 18,04 •jiüi; 22,26 24,1)9 26,12 27, *5 iil.nii 35,32 48,50 2,91 9,30 11,40 12,45 14, LS 15.50 16,74 LS.45 lü.N'J 22,44 2 1.24 26,25 30,54 : 54.65 :is.lo 15 16 17 18 19 20 25 30 40 50 60 70 80 90 155.9 161,0 167,0 170.0 170,6 171,1 172,2 172.2 171.3 167,4 163.9 162,3 161,3 147,5 150,0 154,4 I.Mi. 2 157.0 L57.1 157,9 156,5 153,6 löl.ii 151,4 L50.6 46,41 53,39 57,40 61,26 63,32 65,00 68,29 liS.JIll 6N.S1 67,45 65.5H 63,03 61,22 57,83 41,30 44.44 IH.OS 53,10 54,46 55,i is 55,14 56,65 58,45 56,73 53,72 51,52 49,34 (Meist nach QueteU-t.) Zwischen dem 12. und 15. Jahre ist das Gewicht und die Grösse der Mädchen bedeutender, als der Jünglinge (frühzeitigere Pubertät der Mädchen). Am schnellsten ist das Wachsthum in den letzten Fötalmonaten, dann vom 6.-9. Jahre bis gegen das 13. — 16. Jahr. Gegen das 30. Lebensjahr ist die Körperlänge vollständig, das Gewicht noch nicht Thoma). Landois, Physiologie. 7. Aufl. 31 482 Bestandteile des Körpers. — Albuminate. [§• 248.] Verglichen mit dem Wachsthuin des Gesammtkörpers verhalten sich die einzelnen Theile des Leibes sehr verschieden. Das Gehirn wächst am wenigsten mit, nämlich nur Ms zum 3. Jahre, von da kaum noch mehr. Auch die Leber nebst den Eingeweiden bleibt stark im Wachsthum zurück, während Herz, Milz und Nieren nur in wenig geringerem Maasse wachsen als der Gesammt- körper. Fett und namentlich Muskeln wachsen mehr, als der Gesammtkörper ( OppenheimerJ . Uebersicht der chemischen Bestandteile des Organismus. 249. A) Anorganische Bestandtheile, Wasser. I. Wasser: — Im ganzen Körper zu 58,5°/0 . in den verschiedenen Ge- weben sehr verschieden reichhaltig vertreten : das wasserreichste Gewebe besitzen die Nieren 82,7°/0, — das wasserärmste die Knochen 22°/0 , Zähne 10% und der Zahnschmelz 0,2%. — Etwas Wasserstoffsuperoxyd (H2 02) fand Schönbein im Harne. Gase. II. Gase: — 0, - Os (Ozon §. 42), - H, — N, — C0.2 (§. 43), - CH4 (Grubengas §. 131. 9), — NH3 (Ammoniakgas) (§. 32, VIII, §. 131. 8, §. 186 III), — H,S (Schwefelwasserstoff) §. 186, §. 264. Salze. J III. S a ] z e : — Na Cl . Chlornatrium, — K Cl . Chlorkalium, — NH4 Cl . Chlor- ammonium, — CaFl2 . Fluorcalcium, — CNa.,03 . Natriumcarbonat, — CH Na 03 . Natriumbicarbonat, — C Ca 03 . Calciumcarbonat, — P Na3 04 . phosphorsaures Natrium , — P Na2H04 . saures phosphorsaures Natrium , — PK2H04 . saures phosphorsaures Kalium , — P.2 Ca3 Os . dreibasisch phosphorsaures Calcium, — P.2 CaH4 08 . saures phosphorsaures Calcium, — PMg3 04 . phosphorsaures Magne- sium, — SNa2 04 . schwefelsaures Natrium , — SK2 04 . schwefelsaures Kalium. Säuren. IV. Freie Säuren: — H Cl . Chlorwasserstoffsäure (§. 167) — [und S0.2 (OH).2 Schwefelsäure (§ 189) im Speichel einiger Schnecken]. Basen. V. Silicium (als Kieselsäure Si 02), — Mangan, — Eisen, — (? Kupfer) (§. 177, 4, §. 188, F). 250. B) Organische Bestandtheile. I. Die Eiweisskörper oder Proteinsubstanzen. 1) Die echten Albumiiistoffe. Herkunft. Die, aus C, H, N, 0 und S sich zusammensetzenden Eiweisskörper (Albumin- oder Protein-Stoffe) werden dem thierischen Organismus durch die Nahrung von Seiten der Pflanzen zugeführt (§. 5). Man trifft dieselben in fast Form. allen thierischen Säften und Geweben an, und zwar theils in flüssiger Form, — [in welcher sich jedoch die Eiweissmoleküle nicht in wirklich gelöstem, sondern in einem Zwischenzustande zwischen Quellung und wahrer Lösung befinden], — theils in mehr consistenterer, fest-weicher als Gewebebestandtheile. Constitution. Die chemische Constitution — ist unbekannt, ihre procentische Zusammensetzung siehe im §. 5. Der N scheint in zweierlei verschiedener Weise in ihnen gebunden zu sein, nämlich theils locker, der sich bei weiteren Zer- setzungen leicht unter Ammoniakbildung abspaltet, theils fester (0. Nasse, Hlasiwetz, Habermann, Schützenberger) . Auch der S ist theils fester, theils locker im Molekül gebunden (A. Krüger). Nach Pflüger soll ein Theil des N der lebendigen eiweisshaltigen Körper theile in Form von Cyan gebunden sein. Die Eiweissmoleküle sind sehr gross; das Molekül ist wahrscheinlich ein zusammengesetztes: ein kleiner Theil des Moleküls gehört in die Gruppe der aromatischen Substanzen (die zumal bei der Fäulniss hervortreten), — der grössere Theil des Moleküls in die Keihe der Fettkörper (bei der Oxy- dation des Eiweisses entstehen namentlich fette Säuren). Auch Kohlehydrate können als Zersetzungsproducte auftreten, welche Krukenberg bei keinem Eiweiss- stoffe ganz vermisste. lieber die physiologisch vornehmlich interessanten Zer- [§. 250.] Die tkierisclien Eiweisskörper und ihre Kennzeichen. 48:3 Setzungen durch die Verdauung siehe §. 174, über die Fäulnissspaltungen §. 186. Die Eiweisskörper bilden eine grosse Gruppe verwandter Substanzen , die viel- leicht alle nur Modificationen desselben Körpers darstellen. Wenn man bedenkt, dass aus dem Case'in der Milch der Säugling wohl weitaus die Mehrzahl aller Albuminate seines wachsenden Leibes erzeugt , so drängt sich allerdings letztere Anschauung mit Nachdruck auf. Die Eiweisskörper, die Anhydrite der Peptone (§. 170). gehören zu den Kennzeichen. collo'iden (§.182), nicht diffundirenden Substanzen; sie sind nicht kry- stallisirbar und deshalb schwer rein darzustellen, — sie drehen die Ebene des polarisirten Lichtes nach links, in der Flamme geben sie den Geruch ver- brannten Hornes. Durch verschiedene Einwirkungen (siehe bei den Reactionen). sodann durch Hitze, anhaltende Alkoholwirkung werden sie in eine feste Moditication übergeführt: coagulirt. Kaustische Alkalien lösen sie (gelblich) auf, durch Säurezusatz werden sie aus dieser Lösung wieder niedergeschlagen. Durch kräftige Oxydationsmittel wurden aus Eiweiss dargestellt: Carbaminsäure (Hoppe-Seyler), auch Guanidin (Losse) , sowie hauptsächlich flüch- tige fette Säuren. Reactionen : — 1. Mit Salpetersäure coagulirt und erhitzt färben sie sich Reactionen. gelb (Xanthoproteinsäure Mulder' sj; Uebersättigen mit Ammoniak macht dann orange. — 2. Millon's Reagenz (salpetersaures Quecksilberoxyd mit salpetriger Säure) färbt, von 60° an erhitzt, roth. — 3. Mit Aetzkali gekocht und dann mit Kupfersulphat versetzt werden sie tief violettblau. — 4. Aus der Lösung in concentrirter Essigsäure schlägt Ferrocyankaliuni sie nieder. — Aus nicht zu stark salzsaurer Lösung fällt sie Gerbsäure, Phosphorwolframsäure oder Jod- queeksilberkalium. Gelöste Albuminkörper schlägt 1/8 Yol. Salpetersäure nieder. — 5. Concentrirte Chlorwasserstoffsäure (rein!) löst sie beim Kochen violett. — Ij. Von molybdänsäurehaltiger Schwefelsäure werden feste Eiweissstoffe ge- bläut (Fröhde). — 7. Die Lösung in Eisessig wird durch concentrirte Schwefel- säure violett und zeigt den Absorptionsstreif des Hydro bilirubins fAdamkiewicz). — 8. Eiweisskörper geben auf Zusatz von 2 — 3 Tropfen einer dünnen Lösung von Benzaldehyd nebst ziemlich viel Schwefelsäure (1 : 1 Wasser) und 1 Tropfen Ferrisulfatlösung beim Erwärmen oder nach Stehen eine dunkelblaue Färbung (Reiche'. — 9. Als gute mikroskopische Reagentien bemerke man Jod (vgl. §. 10), welches Eiweisskörper braungelb, und Schwefelsäure und Rohrzucker, welche sie purpurviolett färben (E. Schulze). 251. Die thierischen Eiweisskörper und ihre Kennzeichen, I. Die Albuminate — löslich in Wasser, fällbar durch Erhitzen, starke Mineralsäuren und Metallsalze. 1. Das Serumalbumin. — (Vgl. §. 36a und §. 47). Durch Diffusion kann ihm fast aller Salzgehalt und damit seine Coagnlirbarkeit durch Hitze genommen werden. Starker Alkohol fällt es ; in concentrirter Salzsäure ist es leicht löslich; aus der salzsauren Lösung schlägt Wasser Acidalbumin nieder (in Wasser löslich). [Sein Nachweis im Harn §. 266.] 2. Das Eieralbumin, — im Weissen der Vogeleier (ein Gemisch von 2 Globulinen und 3 Albuminen) , zeigt eine specifische Drehung des polari- sirten Lichtes von — 37,8'. Nach Einspritzung in die Adern Berzelitts) oder unter die Haut, selbst in grossen Mengen in den Darm gebracht, erscheint es theilweise unverändert im Harn (§. 193, I u. g. 266). Schütteln mit Aether fällt dasselbe. S-Gehalt 1,1)'/,,. 3. Muskelalbumine, — d. h. die, im Wasserextract gewonnenen Eiweiss- körper des Muskels (§. ^95), — [mit Ausnahme des Myosins, siehe unter II]. II. Die Globuline — unlöslich in Wasser, löslich in verdünnter Koch- und Bittersalzlösung, diese Lösungen werden erhitzt bei 75" C. coagulirt . durch reichlichen Wasserzusatz gefällt. Verdünnte Säuren machen 3ie zu Acidalbumin. Sättigung der neutralen Lösung mit M agnesiu msulph a t bei 3< ' fallt sie. Zu den Globulinen gehören: 1. Das Globulin der Linse und 2. das im Vogeldotter und ebenfalls in der Linse, vielleicht auch im Chylus (?) und im Fruchtwasser (?) Wcy! [auch in Cürbissamen Grübler, ]. vor- 31* Serum- albumin. Eieralbumin . .VusJcel- albumin. Globulin. Vitellin uwi andere Dotter- al uminate. 484 Die Eiweisskörper und ihre Kennzeichen. [§.251.] kommende Vitellin rHoppe-Seyler) : beide nicht fällbar durch Sättigung der neutralen Salzlösung mit Kochsalz, 3. das Myosin (§. 295), 4. das Serumglobulin (§. 36. I. 6). Sein Nachweis im Harn siehe §■ 266, — 5. das Fibrinogen — (§. 33). Fibrin. III. Faserstoff (Fibrin), (§. 31). Die denselben erzeugenden Substanzen siehe §. 33. — Ueber Stroma fibrin vgl. §. 35. Casein. IV. Das CaseYtl, — säureartig, Lackmus röthend, gelöst in der Milch (§. 233) aller Säuger, welches durch Säurezusatz, sowie durch Lab bei 40° coa- gulirt. Das Casein ist reicher an N, als das Alkalialbuminat (O. Nassej • wegen seines hohen P-Gehaltes (0,83°/0) gehört es zu den Nucleoalbuminen : in 0,1°/0HC1 gelöst, mit Pepsin versetzt und bei Blutwärme digerirt scheidet sich allmählich Nucle'in aus. S-Gehalt 0,76°/0 (Hammarsten) . Alkali- V. Alkali-Albuminate. — Kalium und Natrium (auch Aetzkalk und Aetz- Albuminate. baryuin) erzeugen (und zwar um so schneller, je concentrirter die Alkalilösung und je höher die Temperatur ist) mit den Eiweissstoffen Verbindungen , welche man Alkali-Albuminate (Lieberkühn j nennt. Sie zeigen besonders starke Circumpolarisation / Hoppe-Seylerj ', gerinnen nicht beim Kochen und werden aus ihrer Lösung durch Säuren, die das Alkali binden, niedergeschlagen. Vermischt man z. B. Eiereiweiss mit Aetzkalilösung, so bildet sich Kalialbuniinat als all- mählich gestehende Gallerte, die sich in (ausgekochtem) Wasser lösen lässt. — Tritt zu dieser Lösung (aus der Luft) C02, oder giebt man etwas Essigsäure hinzu, so scheidet sich ein zähelastischer, dem Fibrin äusserlich ziemlich ähn- Fseudofih-in licher Körper ab, das P send o fibrin (Brücke). In dünnen Alkalien ist letzteres, Brücke's. wje <}as Fibrin, langsam löslich; im Wasser und 1 pro mille Salzsäure quellen beide auf. Beide geben, nachdem sie durch künstliche Verdauungsflüssigkeit ge- löst sind, nach Abstumpfung der hierzu nöthigen Säure einen Niederschlag. Das hiervon abflltrirte Fluidum scheidet bei 70° erhitzt wohl aus dem Fibrin versuche, nicht aber aus dem Pseudofibrinpräparate Flocken von Eiweiss ab. Säure- VI. Säure-Albumine. — Werden Eiweissstoffe in stärkeren Säuren, z. B. Albumine. Chlorwasserstoffsäure, gelöst, so nehmen sie die Eigenschaften des sogenannten Acid- oder S äure- Albumins (Panum) an, welche grosse Aehnlichkeit (auch die specifische Drehung) mit dem Alkalialbuminat hat. Unlöslich in Wasser und neutralen Salzlösungen, leicht löslich in verdünnter Salzsäure. Aus der Lösung werden sie durch Einbringen vielen Salzes (Kochsalz oder Glaubersalz) gefällt, ebenso ruft Neutralisation durch Alkall Fällung hervor, nicht hingegen Siede- hitze. Nach dem Erkalten der gekochten (concentrirten) Flüssigkeit ist diese Syntonin. gallertig geworden und wird beim Erhitzen wieder flüssig. Das Syntonin aus Muskeln (§. 170, §. 295) ist gleichfalls ein Säurealbuminat ; Kalkmilch und Salmiak verwandeln es in Myosin. VII. Ueber Pepton und Propepton — siehe §. 170 ; ihr Nachweis im Harn vgl. §. 266. [Pepton ist auch in Pflanzen gefunden (Schuhe &* BarbieriJ]. VIII. Zu nennen sind noch die, in den Eiern in Form krystallinischer „üotterplättchen" vorkommenden — Ichthin (Knorpelfische, Frosch), — Ich- thidin (Knochenfische), — Ichthulin (Lachs), — Emydin (Schildkröte) l'ahnciennes & Fremy); ferner die, aus der Fleischflüssigkeit der Thiere (von Fischen) von Limpricht durch Säuren gefällte Protsäure, — endlich das (un- Amyloid. verdauliche) Amyloid (VirchozvJ, theils in Form geschichteter Körnchen auf dem Gehirn und in der Prostata, theils (pathologisch) als glänzende Infiltration der Leber , Milz , Nieren , Gefässhäute anzutreffen , kenntlich an seiner Bläuung durch Jod und Schwefelsäure (ähnlich der Cellulose), und der Röthung durch Jod. Durch Alkalien und Säuren ist es schwer in Albuminat überführbar. Anhang; Vegetabilische Eiweisskörper. Die Pflanzen enthalten, wenngleich in entschieden geringerer Menge als die Thiere, Eiweisskörper verschiedener Art. Sie treten entweder in flüssiger (gequollener) Form auf, namentlich in den Säften der lebenden Pflanzen, oder in fester Form. In der Zusammensetzung und Reaction gleichen die Pflanzenalbu- minate denen der Thiere. — Man unterscheidet: [§• 251.] Die albuminoiden Körper. 485 I. Das Pflanzenalbumin — in den meisten Pflanzensäften gelöst, dem flüssigen thierischen Eiweiss sehr ähnlich. Wäscht man Kleber des Weizenmehles mit Wasser aus, lässt das Amylum absetzen und erhitzt nun das klare Fluidum zum Sieden, so coagulirt das lösliche Pflanzenei weiss. II. Die Pflanzenglobuline — [früher irrthümlich als Pflanzen-Casei'n be- zeichnet, dessen präformirte Existenz zweifelhaft ist (Weyl)\ in ihrem Verhalten den gleichnamigen Thierstoffen ähnlich : hierher gehört : 1. das Pf 1 an zen- Vit eil in — umf'asst einige Körper, z. B. das L e- gumin der Hülsenfrüchte (Einhof), es reagirt sauer, unlöslich in Wasser, leicht löslich in verdünnten Alkalien , sehr verdünnter Salzsäure oder Essigsäure. — das Conglutin der Mandeln und Lupinen (Ritthansen) ', — das Glitten- C ase 'in des Weizenklebers. Diese Körper treten auch krystallinisch auf (Radihof er, \ z. B. die Aleuronkrystalle aus Paranüssen, die Krystalle aus Kürbissamen Grübler) und verschiedenen Oelsäniereien Ritthausen). 2. Das Pf lanzenmy osin — (dem thierischen ähnlich) im Hafer, Weizen, in den Erbsen. III. Das Pflanzenfibrin (Kleber), — wichtiger Bestandtheil des Getreides, dessen klebrige Eigenschaft es ermöglicht, da*s aus dem, mit Wasser versetzten Mehl ein zusammenhaltender Teig dargestellt werden kann. Aus Weizenmehl, das bis zu 17°/0 enthalten kann, stellt man ihn durch anhaltendes Auswaschen des Teiges mit Wasser dar: so gewonnen ist er zähelastisch, grau, unlöslich in Wasser und Alkohol, löslich in verdünnten Säuren (z. B. 1 pro mille Salzsäure) und in Alkalien. — Der Kleber ist kein einfacher, sondern ein zusammengesetzter Eiweisskörper. Kocht man nämlich den Kleber mit Wasser aus, so erhält man eine klebrige, firnissartige Masse aus demselben, das Glia- din — (oder Pflanzenieini). Wird das so gewonnene Gliadin mit starkem Alkohol behandelt, so löst sich das Gliadin darin auf; aber es bleibt ungelöst übrig ein anderer schleimiger Körper: das Mucedin. — Wird Kleber mit Alkohol digerirt, so lässt sich ein bräunlich-gelber Stoff ausziehen, das Glut en- Fibrin (Ritthausen). Der Kleber entsteht aus einer myosinähnlichen Globulinsubstanz, welche durch ein Ferment bei Gegenwart von Wasser in Kleber übergeführt wird (Th. Weyl& Bischoff \ Pflanzen- eiweiss. Pßanzen- Globulin. Kleber. 252. 2) Die albuminoiden Körper. Sie stehen den echten Albuminkörpern rücksichtlich ihrer Zusammen- setzung und Abstammung nahe, sie sind ebenfalls unkrystallisirbare Colloidsub- stanzen, einige von ihnen sind frei von S, die meisten jedoch sind nicht aschenfrei darstellbar. Ihre Eeactionen und Zersetzungsproducte sind denen der Eiweiss- körper ähnlich, einige liefern neben viel Leucin und Tyrosin zugleich Glycin und Alanin ( Amidopropionsäure). Sie finden sich sowohl als organisirte Be- standteile in den Geweben , als auch in flüssiger Form ; ob dieselben durch Oxydation aus den Eiweisskörpern oder durch Synthese gebildet sind . ist unbekannt. 1. Mucin (Schleimstoff) — enthält S bis l,79°/0, N bis 13,5°'n Harn. marsten) , es verflüssigt sich im Wasser fadenziehend „schleimig'" und lässt sich filtriren. Durch wenig Essigsäure wird es gefällt, viel Essigsäure löst es wieder auf. Gefällt wird es ferner durch Alkohol: der Alkoholniederschlag löst sich wieder in Wasser. Essigsäure und Kaliumeisencyanür geben keine Fällung, wohl aber Salpetersäure und andere Mineralsäuren (Scherer . Es giebt Xantho- proteinreaction und Rothfärbung durch Millons Reagenz. Es findet sich im Speichel (§. 151), in der Galle, in den Schleimdrüsen, sowie in den Secreteu der Schleimhäute, in dem „Schleimgewebe" und in den Sehneu ./. Rollert , doch ist es in den verschiedenen Organen etwas verschieden (Landwehr). Ausserdem trifft man es pathologisch nicht selten in Cysten , im Thierreiche besonders in Schnecken und in der Haut der Holothurien Eichwald, . — Kochen mit Wasser oder Stehen unter Alkohol verwandelt es in coagulirtes Albumin. Alkalien und Kalkwasser machen es zu Alkalialbuminat. Säuren zu Syntonin (Landwehr). Zersetzungen geben Leucin und 7" , Tyrosin. Die Mucine verhalten sich wie Glycoside : sie zerfallen bei höherer Temperatur unter Ein- wirkung verdünnter Mineralsäuren in einen Eiweisskörper und ein Kohlehydrat (Loebisch '. Eigen- schaften der Albumincide. Hucin. Die albuniinoiden Körper. [§• 252.] Nucle'in. Keratin. Fihroin. Spongin. Elastin, Glutin. Die hydro- lytischen Fermente. 2. Nucle'in (Miescher) — (§. 29. §. 232) enthält Phosphorsäure, die in der Kälte durch verdünnte Mineralsäuren nicht abgespalten wird. Es ist wenig in Wasser löslich, leicht in Ammoniak, kohlensauren Alkalien, starker Salpeter- säure ; es giebt Biuretreaction. — Es findet sich in den Kernen der Eiter- und Blutkörperchen (§. 27), in den Samenkörpern, Dotterkugeln, in Leber, Hirn, Milch, in der Hefe, in Schimmelpilzen und vielen Pflanzensamen. Es hat Aehnlich- keit mit Mucin, ist vielleicht eine Uebergangsstufe zwischen Albumin und Lecithin Hoppe-Seylerj. Man erhält es durch künstliche Verdauung des Eiters als unver- daulichen Rückstand ; aus alkalischer Lösung schlagen Säuren es nieder. Es zeigt schwache Xanthoprotei'nreaction. Nach längerer Einwirkung von Alkalien und Säuren erfolgt die Bildung von Substanzen, welche dem Albumin und Syntonin ähnlich sind. Als Spaltungsproduct kann aus demselben Xanthin, Hypoxanthin, Adenin und Guanin neben Phosphorsäure hervorgehen (Kossei). 3. Keratin — in allen Hörn- und Epidermoidal-Gebilden, nur in kochenden kaustischen Alkalien löslich, in kalten und in concentrirter Essigsäure quellend. Hydrolytisch zersetzt giebt es 10% Leucin und 3,6% Tyrosin. — Ueber Neuro- keratin vgl. §. 324. 4. Fibroin — in starken Alkalien und Mineralsäuren, sowie in Kupfer- sulphatammonium löslich ; mit Schwefelsäure gekocht liefert es 5 Procent Tyrosin, Leucin, Glycin. Es ist Hanptbestandtheil der Seidengespinnste der Insecten und Spinnen. (Durch langes Kochen wird aus Seide der Seidenleim (Sericin) gewonnen, 0- und H,0-reicher als das Fibroin. Mit Schwefelsäure behandelt giebt es neben Leucin und Tyrosin das Serin (eine krystallisirte Amidosäure). 5. Das, dem Fibroin ähnliche Spongin — der Badeschwämme giebt als Zersetzungsproducte Leucin und Glycin (Städeler). 6. Elastin, — Grundstoff aller elastischen Gewebselemente, nur in con- centrirter Kalilauge gekocht löslich, es liefert 36 — 45% Leucin neben %% Tyrosin. 7. Glutin, — aus allen Stütz- oder leimgebenden Substanzen (welche das Anhydrit (?) desselben, das Collagen, enthalten) durch Kochen mit Wasser als „Leim" darstellbar, welcher erkaltend gelatinirt. Er ist stark linksdrehend, langes Kochen und Verdauung führen ihn in einen nicht gelatinirenden, pepton- ähnlichen Zustand über. Ein glutinähnlicher Körper findet sich im leukämischen Blute und im Milzsafte (§. 108. 1.). Bei hydrolytischer Spaltung entsteht Glycin, Leucin, NH3, aber kein Tyrosin. S-Gehalt 0,7%. 8. Chondrin (Joh. Müller), der durch Kochen aus hyalinen Knorpeln und der Hornhaut erhaltene „Knorpelleim"; auch im Mantel der Weichthiere angetroffen. Es liefert mit Schwefelsäure gekocht Leucin, mit Salzsäure und bei der Verdauung Chondroglycose (Meissner) ; es gehört also zu den N-haltigen Glycosiden. Chondrin vermag unter Einwirkung oxydirender Mittel in Gelatine überzugehen (Brame). Die Chondrin gebende Substanz, das Chondrigen, ist viel- leicht das Anhydrit des Chondrins. Durch Mineralsäuren oder Natronlange wird aus dem Chondrin eine reducirende Substanz abgespalten, nämlich eine liuks- drehende N-haltige Kohlehydratsäure: die „Chondroit säure". Sie stellt ein intermediäres Product zwischen . Eiweissstoffen und Kohlehydrat dar (Krukenberg). Folgende Eigenschaften des Glutins und Chondrins sind bemerkenswert]! : Das Glutin wird gefällt durch Gerbsäure, Quecksilberchlorid, Chlorwasser, Platinchlorid, Alkohol, jedoch nicht durch Säuren, Alaun, Silber,- Eisen-, Kupfer- und Blei-Salze; seine spec. Drehung ist = — 130°. — Chondrin wird gefällt durch Essig- und verdünnte Salz- und Schwefel-Säure, durch Alaun, Silber-, Eisen-, Kupfer- und Blei-Salze; seine spec. Drehung beträgt = — 213°. — A. Danilewsky hat aus Casei'n und Syntonin ähnliche Körper : das C h o n d r i- noid und Glutinoid darstellen können. 9. Die hydrolytischen Fermente, — neuerdings Enzyme (W. Kühne) genannt, (um sie von den organisirten Fermenten, z. B. Hefe, Spalt- pilzen, zu unterscheiden). Der Charakter aller organischen Fermente ist der, dass sie nur bei Gegenwart von Wasser wirken, und zwar so , das» sie eine Spaltung des, von ihnen zu verändernden Körpers hervorrufen , wobei letzterer Wasser aufnimmt. Die Fermente zerlegen sämmtlich auch Wasserstoffsuperoxyd in Wasser und O ; sie wirken am intensivsten zwischen 30 — 35° C. ; Sieden zerstört sie; (trocken können sie ohne Schwächung eine Hitze von 100° ertragen). Während längerer Unthätigkeit unterliegen ihre Lösungen mehr oder weniger der Zer- störung. [§•252.] Andere N-haltige Körper. — Fette. 487 a) Zuckerbildende: im Speichel (§. 153), Panereassaft (§. 174), Darm- saft (§. 185. 1), Galle (§. 183. B.), Blut (§. 27), Chylus (§. 199. 2.). Leber (§. 177, 2), Harn (§. 264), Milch (§. 233). — Invertin im Darmsaft (§. 185. 5) (Cl. Bernard). Fast alle todten Gewebe, Organfiiissigkeiten und selbst Eiweisskörper können, wenn auch nur schwach, diastatisch wirken. Im Pfl anzenrei che sind diasta- tische Enzyme ebenso allgemein vertreten , wie das Stärkemehl ; sie stellen eine Art von Gummi dar (Hirschfeld). b) Eiweissspaltende: im Magensaft, Muskeln (Pepsin §. 167. I. und §. 295), [auch in gekeimten Samen , z. B. Wicken, gekeimter Gerste (vgl. auch §. 189) (Gorup-Besanez) und in den Myxomvceten (Kruke>iberg)\ — Panereassaft (Trypsin §. 174. IL), — Darmsaft (§. 185. 3), — Harn (§. 264). c) Fettzerlegende: im Panereassaft (§. 174. III), im Magen (§. 170. II). d) Milchcoagulirende: im Magen (§. 170. IL), Panereassaft (§. 174. IV.), Harn (§. 264). 10. Den Albuminoiden kann man auch zurechnen das eisenhaltige, gefärbte Hämoglobin (§. 17). 3) N-haltige Glycoside. Ausser dem Chondrin sind noch folgende beachten , die sich bei hydrolytischer Behandlung gruppen unter Wasseraufnahme spalten: Cerebrin (§. 324) = CB, H110 N3 02S (Geotfiegan). N-haltige Glycoside zu in Zucker und andere Atom- Protagon im Nervenmark C6 H, N.,. /o) (§• 324). Chitin, 2 (C1B H26 N2 Ov,), N-haltiges Glycosid im Panzer aller Glieder- thiere, auch im Darm und den Tracheen derselben, in concentrirter Salz- oder Salpeter-Säure löslich. — Dem Chitin nahe steht das Hyalin der Blasenwürmer. (Zu den Glycosiden des Pflanzenreiches gehören noch das Solanin, Amygdalin (§. 203), Salicin u. A.) 4) N-haltige Farbstoffe. Dieselben sind von unbekannter Constitution und kommen allein bei Thieren vor. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind sie alle Abkömmlinge des Hämoglobins ; es sind: — 1. Das Hämatin (§. 23. A.) und Hämatoidin (§. 25). — 2. Die Gallen färb stoffe (§. 179. 3.). — 3. Die Harnfarbstoffe (ausser Indican). — 4. Das Melanin C44.2, H3, N9.9. 042.6 (Hosaeus: oder das schwarze Pigment, theils in Epithelien (Chorioidea, Iris, tiefe Epidermiszellen der farbigen Rassen), theils in Bindegewebskörpern (Lamina t'usca der Chorioidea). Cerebrin. Chitin. N-haltige Farbstoffe. IL Organische N-freie Säuren. 1. Die Fettsäuren, — nach der Formel Cn H211— iO (OH) gebaut, finden Fette sich im Körper theils frei, theils gebunden. Frei trift't man flüchtige Fettsäuren Säuren. in sich zersetzenden Hautabsonderungen (Schweiss). Gebunden erscheint die Essig- säure und Capronsäure als Amidoverbindung in Glycin (= Amidoessigsäure) und Leucin (= Amidocapronsäure). Vornehmlich aber linden sich die Fettsäuren mit Glycerin zu neutralen Fetten vereint, aus denen bei der Pancreasverdauung die Fettsäuren wieder abgespaltet werden (§. 174. III.). 2. Die Säuren der Acrylsäure-Reihe — nach der Formel Cu Han— s(HO)o«j«aure. gebaut, geben dem thierischen Organismus allein nur eine Säure, nämlich die Oelsäure. Auch diese bildet mit Glycerin das neutrale Fett: Olein. — Wir besprechen an dieser Stelle nun zweckmässig die neutralen Fette, zu deren Bil- dung sowohl die Fettsäuren, als auch die Oelsäure verwendet werden. 253. Fette. Die Fette kommen vorzugsweise reichlich im Thierkörper , aber auch Die neutralen wohl in allen Pflanzen vor. bei letzteren vornehmlich in den Samen (Nuss, ■*■>««• Mantel, Cocus, Mohn), seltener in Fruchtfleisch (Olive), oder in der Wurzel. Sie werden durch Auspressen, Ausschmelzen oder durch Ausziehen mit Aether oder 488 Fette. [§•253.] Constitution derselben. Fett- säuren. Lecithine. kochendem Alkohol gewonnen. Sie besitzen einen geringeren Gehalt an 0 als die Kohlehydrate. Auf Papier bewirken sie charakteristische Fettflecken ; mit Colloidsubstanzen geschüttelt liefern sie eine Emulsion. "Werden neutrale Fette mit Wasser überhitzt oder mit gewissen Fermenten (pg. 482. c.) behandelt oder der Fäulniss überlassen (§. 186. IL), so zerlegen sie sich unter Aufnahme von H.,0 in Glycerin und freie Fettsäure, von denen die letztere, falls sie flüchtig ist, einen ranzigen Geruch verbreitet. Mit kaustischen Alkalien be- handelt, nehmen sie gleichfalls H20 auf und werden in Glycerin und fette Säure zerlegt: die Fettsäure bildet mit dem Alkali eine salzartige Verbindung (Seife), das . Glycerin wird frei. Die Seifenlösungen lösen ihrerseits Fette auf. — Das Glycerin, ein 3atomiger Alkohol C3H5 (OH)3 verbindet sich — 1. mit folgenden einbasischen Fettsäuren: 1. Ameisensäure: CH202. 2. Essigsäure: C2H40.,. 3. Propionsäure: CsH602. 4. Buttersäure: C4H8Ö2. [Isobuttersäure: C4Hg02.] Baldriansäure: C5H100.2. Capronsäure: C6H1202. Oenanthylsäure : C7H14Ö2. Caprylsäure: C8H16C2. Pelargonsäure : C9H18Ö2. 10- Caprinsäure: Cli;H20O2. 11. Laurostear insäur e : C12H2402. 12. Myristinsäure: C14H2802. 13. Palmitinsäure: C16H3202. [Margarinsäure: C17H3(02, ist ein Gemenge von 13 und 14.] Stearinsäure: C18H3602. 15. Arachinsäure : C20H40O2. 16. Hyänasäure : C26H50O2. 17. Cerotinsäure : C27H5402. 14 Die Säuren bilden eine homologe Reihe nach der Formel Cn H^n— l 0 (OH). Mit jedem hinzutretenden CH2 nimmt ihr Siedepunkt um 19° zu. Die C-reicheren sind consistent und verflüchtigen sich nicht; die C-ärmeren (bis inclusive 10) sind ölig-flüssig und flüchtig, schmecken brennend sauer, riechen ranzig. Durch Oxydation können die ersteren aus den folgenden hervorgehen, indem CH2 (Bildung von C02 und H20) heraustritt : so entsteht z. B. Buttersäure aus Propionsäure. Im menschlichen und thierischen Fett finden sich 13 und 14, spärlich und inconstant 12, 11, 6, 8, 10, 4. Einige sind im Seh weisse (§. 289, 3) und in der Milch (pg. 444). Viele entstehen bei der Fäulniss von Eiweiss und Leim. Im Dickdarminhalte finden sich (ausser 15 — 17) die meisten (§. 186). 2. Ausserdem verbindet sich das Glycerin mit den einbasischen Oel- säuren, die ebenfalls eine Reihe bilden und in inniger Beziehung zu den Fett- säuren stehen. Ihre allgemeine Formel ist : Cn H2n— * 0 (OH) ; sie besitzen also alle 2H weniger, als die correspondirenden Glieder der Fettsäurereihe. Durch passende Proceduren kann man aus den Oelsäuren die correspondirenden fetten Säuren erhalten, und auch umgekehrt entstehen Oelsäuren aus correspondirenden Fettsäuren. Im Organismus findet sich von allen die Oelsäure (Olein-, Elain- säure) C18H3.02, mit Glycerin verbunden liefert sie das flüssige Ölein (Gottlieb 1846). Das Fett Neugeborener enthält mehr Glyceride der Palmitin- und Stearin- Säure , als das der Erwachsenen , welches mehr Glycerid der Oelsäure besitzt fL. Langer). — Ausserdem kommt Oelsäure an Alkalien (in Seifen) gebunden vor, und (wie auch einige Fettsäuren) in den Lecithinen (§.28). — Lecithin wird als glycerinphosphorsaures Neurin betrachtet, in welchem im Radicale der Glycerinphosphorsäure 2 Atome H durch 2 Stearinsäure, Palmitinsäure oder Oelsäure ersetzt sind. Werden Lecithine mit Barythydrat zersetzt, so treten nämlich un- lösliches stearinsaures, oder ölsaures oder auch palmitinsaures -j- ölsaures Baryum auf neben gelöstem Neurin (§. 324. 2. b) und glycerinphosphorsaurem Baryum. Es scheint nämlich verschiedene Lecithine zu geben , von denen die mit dem Stearinsäure- und die mit dem Palmitin- -|- Oelsäure-Radical am häufigsten sind (Diakonow). [Man findet Lecithin in den Blutkörperchen (§. 28), im Samen, in der Nervensubstanz (§. 324). Neurin ist auch constanter Bestandtheil der Pilze.] Die neutralen Fette , die Glyceride der Fettsäuren und der Oelsäure, sind 3fache Aether des 3atomigen Alkohols Glycerin. — An die neutralen Fette schliesst sich die Glycerinphosphorsäure, ein saurer Glycerinäther durch Vereini- gung von Glycerin mit Phosphorsäure unter Abgabe von 1 Mol. Wasser ent- standen (CsH„POB) ; sie ist ein Zersetzungsproduct des Lecithins (siehe oben). — Im Walrath (Cetaceum) (vor der Kopfhöhle einiger Wale) findet sich vornehmlich Palmitinsäure-Cetyläther. [§.253.] Fette. — Alkohole. 489 3- Die Glycolsäuren — (Säuren der Milchsäure-Reihe), nach der Formel Giycoi- Cn H211— 2 0 (OHjj gebaut. Sie gehen aus den Fettsäuren durch Oxydation hervor, sauren. wenn man 1 Atom H der Fettsäuren durch OH (Hydroxyl) ersetzt. Auch umge- kehrt lassen sich aus den Glycolsäuren wieder Fettsäuren gewinnen. Diejenigen Fettsäuren, welche (von der Propionsäure abwärts) mehr als 2 Atome C enthalten, können verschiedene isomere Glycolsäuren bilden, je nach dem C-Atom, in welches die andere Hydroxylgruppe eintritt. Im Körper kommen vor: a) Kohlensäure (Oxy-Ameisensäure) CO (OH),; in dieser Form jedoch Kohlensäure. nur salzbildend. Die freie Kohlensäure ist das Anhydrit derselben, nämlich C02. b) Glycolsäure (Oxy-Essigsäure) C,H,0 (OH)., kommt im Körper nicht Glycolsäure. frei vor. Eine Verbindung derselben, das Glycin (Glycocol, Amidoessigsäure, Leimzucker) , findet sich als gepaarte Säure , nämlich als Glycocholalsäure (= Glycocholsäure) in der Galle (§ 179. 2.), und Hippursäure im Harne (^. 262). In complicirter Verbindung existirt das Glycin im Leim. (Siehe auch pag. 321.) c) Milchsäure (Oxy- Propionsäure) CsH40 (OH), trifft man im Körper Milchsäure. in 2 Isomeren : — 1. Die Aethylidenmilchsäure; sie kommt in 2 Modiüca- tionen vor, nämlich als rechts-drehende Fleischmilchsäure ( Paramilchsäure), ein Stoffwechselproduct des Muskels, (auch in Thymus und Thyreoidea (Gorup- Besanez, Moscatelli) — und als gewöhnliche, optisch inactive oder Gährungs- Milchsäure, die sich im Magensaft, in saurer Milch (Sauerkraut, sauren Gurken) findet und aus Zucker durch Gährung gewonnen werden kann (§. 187. I.). — 2. Die isomere Aethylenmilchsäure findet sich ebenfalls im Muskel (§• 295). d) Leucinsäure (Oxy-Capronsäure) CgH^Oa kommt nicht für sich, Leucinsäure. sondern nur das Derivat derselben, das Leu ein (Amidocapronsäure), als Stoff- wechselproduct in manchen Geweben vor, sowie als Erzeugniss der Pancreasver- dauung (§. 174. IL). — Durch Behandlung mit salpetriger Säure lässt sich aus Leucin die Leucinsäure und aus Glycin die Glycolsäure darstellen. 4. Säuren der Oxalsäure- oder Bernsteinsäure-Reihe — nach der Formel Säuren Cn H211— 4 (OH),, zwei-basische Säuren, welche als vollendete Oxydationsproducte der.. 0xal- durch 0-Aufnahme aus Fettsäuren und Glycolsäuren unter Abgabe von Wasser Reihe. sich bilden ; ihre Entstehung aus C-reichen Körpern, namentlich Fetten, Kohle- hydraten und Eiweisskörpern, ist daher bemerkenswerth. a) Oxalsäure — C202 (OH), (entsteht durch Oxydation von Glycol, Oralsäure. Glycin, Cellulose, Zucker, Amylum, Glycerin, vieler Pflanzensäuren), sie kommt normal mit Kalk verbunden im Harne vor (§. 262). b) Bernsteinsäure — C,H40,(OH), ist von Einigen in kleinen MeDgen Jiemstein- in thierischen Geweben und Flüssigkeiten angetroffen : Harn, Milz, Leber. Thymus. *omm. Thyreoidea ; in der Flüssigkeit der Echinococcen , des Hydrocephalus. der Hydro- cele. Im Hundeharn nach Fett- und Fleischkost reichlicher ; im Kaninchenharn bei Fütterung mit gelben Rüben. — Etwas entsteht bei der Alkoholgährung (§. 155. I.). 5. Die Cholalsäuren — in der Galle (§. 179), im Darm (§. 184). cuoiaisäuren. 6. Aromatische Säuren, welche den Benzolkeru enthalten: — die Ben- Aromatische zoesäure (= Phenyl-Ameisensäure) im Harn mit Glvcin gepaart als Hippur- Sauren. säure (§. 262). III. Die Alkohole. Alkohole nennt man solche Körper, welche aus Kohlenwasserstoffen ent- Charakter der stehen, indem an die Stelle von einem oder mehreren Atomen H sich Hydroxyl -Vto>*ole. H \ (HO) einfügt. Man kann dieselben auch als Wasser „ 0 auffassen, in welchem die Hälfte von H durch eine CH-Verbindung ersetzt ist. So geht z. B. C, H9 C H ) (Aethylwasserstoff) über in - „? \ 0 (Aethylalkohol). H ] a) Das Cholesterin C,a„J3 0 ist ein linksdrehender Alkohol und Cholesterin. findet sich im Blute, Dotter, Hirn, Galle (§. 179. 4.), ausserdem ganz allgemein in den Pflanzenzellen (Beneke, Hoppe-Seyler). Cholesterin findet sich auch in keratinhaltigen Gebilden des Mensehen und der Thiere. Liebreich hält das Cholesterin für ein necrobiotisrhes Fett. — 490 Kohlehydrate. [§• 253.J Glycerin. Phenol. Brenz- katechin. ZucJcerarten. Durch Oxydation entsteht aus Cholesterin die Cholesterinsäure (C8H10O5), welche auch als Oxydationsproduct der Cholalsäure auftritt. f OH b) Das Glycerin — C3 Hr { OH wird als dreiwerthiger Alkohol be- ( OH trachtet. Es findet sich mit Fettsäuren und Oelsäuren vereinigt in den neutralen Fetten (siehe oben); bei der Pancreasverdauung entsteht es durch Spaltung der neutralen Fette (§. 174. III.). Etwas entsteht bei der Gährung der Fette im Darm (§. 186. IL), sowie bei der Alkoholgährung (§. 155. I.). c) Phenol (= Phenylsäure, Carbolsäure, Oxybenzol) §. 186. III. *d) Brenzkatechin (= Dioxybenzol) [c und d siehe §. 254 am Schluss]. e) Den Alkoholen kann man zweckmässig die Zuckerarten anfügen, die sich wie mehrwerthige Alkohole verhalten. Sie sind in ihrer Constitution noch unbekannt. Mit einer Eeihe nahestehender Körper bilden die Zuckerarten zusammen die grosse Gruppe der Kohlehydrate, die wir hier im Zusammen- hange besprechen wollen. "Wenngleich viele unter ihnen nicht im Thierkörper vorkommen , so rechtfertigt sich dennoch ihre Aufführung schon deshalb , weil sie vielfältig als Theile der pflanzlichen Nahrungsmittel auftreten. 254. Die Kohlehydrate. Charakter der Kohlehydrate, Die Glycosen Trauben- zucker. Eigen- schaften. Galactose. Diese, im Thier- und Pflanzenreiche vorkommenden Körper haben daher ihre Bezeichnung erhalten, dass dieselben in ihren Molekülen neben (wenigstens 6 Atomen) C die Atome von H und 0 stets in dem Verhältnisse, wie es im "Wassermolekül gegeben ist, also wie ~B.fi enthalten. Alle sind fest, chemisch indifferent, ohne Geruch. Sie sind entweder süss schmeckend (Zuckerarten), oder können doch leicht durch verdünnte Säuren in Zucker übergeführt werden. Sie drehen das polarisirte Licht entweder nach rechts oder nach links. Ihrer Con- stitution nach kann man sie als fette Körper betrachten, als sechswerthige Alkohole, in welchen 2 H fehlen. — In geringeren Mengen sind die Kohlehydrate Bestandteile fast aller thierischen Gewebe. — Unter besonderen Ernährungs- störungen scheint es zu einer Spaltung complicirter organischer Organbestand- theile zu kommen. Ebenso wie bei der Fettentartung werden von den Albuminaten N-haltige, leicht in Harnstoff übergehende Producte abgespalten, und neben dieser tritt der N-lose Bestand als Kohlehydrat oder als Fett auf (Päschutin). Die Bil- dung von Kohlehydraten (Zucker) aus Fett findet sich beim Keimen ölhaltiger Samen unter O-Aufnahme. Nach Seegen soll auch in der Leber Glycogen aus Fett hervorgehen (§. 178). Die Kohlehydrate zerfallen in folgende Gruppen : 1. Abtheilung, die Glycosen (C6Hr206). — 1. Der Traubenzucker {=■ Glycose, Dextrose ; Krümel-, Stärke-, Leber- oder Harn-Zucker) : im thierischen Körper in geringen Mengen im Blute, Chylus, Muskel, (? Leber), Harn vorkom- mend; in grossen Mengen im Harne bei Diabetes mellitus (§. 178). Er bildet sich beim Verdauungsprocesse durch diastatische Fermente aus anderen Kohle- hydraten. — Im Pflanzenreiche ist er verbreitet in den süssen Säften mancher Früchte und Blüthen, (von dort in den Honig). Aus Rohrzucker, Mal- tose, Dextrin, Glycogen, Amylum (auch Trehalose, Melezitose) entsteht er durch Kochen mit verdünnten Säuren. Er krystallisirt in blumenkohlartigen Warzen mit 1 Molekül Krystallwasser ; verbindet sich mit Basen, Salzen, Säuren und Alkoholen, wird aber von Basen leicht zersetzt; auf viele Metalloxyde wirkt er reducirend (§. 154). Frische Lösung hat ein Drehungsvermögen von -f- 106° (das auf + 56° sinkt). Durch Gährung zerfällt er mit Hefe in Alkohol und üOj (§. 155); durch zersetzende Spaltpilze zerlegt er sich in zwei Moleküle Milchsäure (§. 186. I.) ; die Milchsäure zerfällt wieder unter analogen Umständen in alkalischer Lösung in Buttersäure, C03 und H. — Die qualitative und quan- titative Bestimmung des Traubenzuckers siehe §. 154, §. 155 und §. 269. In alkoholischer Lösung geht er schwer lösliche Verbindungen mit Kalk, Baryum oder Kalium ein ; auch mit Kochsalz krystallisirt er zu einer Verbindung. 2. Die Galactose, — durch Kochen der Lactose (Milchzucker) mit verdünnten Mineralsäuren erhalten; sie ist leicht krystallisirbar, sehr gährungs- fähig, giebt alle Reactionen der Glycose. Sie hat ein specifisches Drehungsver- mögen = + 88,08°. Mit Salpetersäure oxydirt geht sie in Schleimsäure über. [§•254.] Kohlehydrate. 491 Glycosen- Anhydrite. Olycogen. 3. Die Laevulose — (Links-Frucht-, Invert- oder Schleim-Zucker aus Laevulose. Inulin durch Säuren neben dem (dem Dextrin analogen) Laevulin entstehend ; in sauren Säften einiger Früchte und im Honig als farbloser Syrup, unkrystallisir- bar, unlöslich in Alkohol ; Rotationsvermögen = — 106". Normal im Darm sich bildend (§. 185. 5), selten krankhaft im Harn. II. Abtheilung enthält Kohlehydrate, welche mit der Formel C1.,1S.,.iOu als die Anhydrite der ersten Abtheilung betrachtet werden können. — 1. Der Milch- zucker (Lactose) nur in der Milch, krystallisirt in Krusten (mit 1 Molekül Milchzucker. Wasser) aus der syrupsdick eingedampften Molke: ist rechtsdrehend = + 59,3°, ferner in "Wasser und namentlich in Alkohol schwerer löslich als Traubenzucker. Durch Kochen mit verdünnten Mineralsäuren geht er in Galactose über; er ist direct nur durch Gährung in Milchsäure überführbar , die aus ihm hervorgehende Galactose ist jedoch mit Hefe der alkoholischen Gährung fähig (Kumysbereitung, §.233. 2). Seine quantitative Bestimmung siehe §. 233. Selten im Harn (§. 269). 2. Maltose, — C^H.,,0,,) + H,0 O. SttllivanJ, hat 1 Molekül Wasser ÄWftwe. weniger als der Traubenzucker (C12H24012). entsteht bei der diastatischen Um- setzung des Stärkemehls (§. 153); löslich in Alkohol, rechtsdrehend = 138,4°, krystallisirbar, 100 Theile reduciren ebenso stark wie 66 Dextrose. [3. Saccharose — (Rohr- oder Rübenzucker) im Zuckerrohr und einigen Rohrzucker. Pflanzen, Kupfer nicht reducirend, schwer löslich in Alkohol, rechtsdrehend, nicht gährungsfähig. Im Darme (auch mit verdünnten Säuren gekocht) geht er in ein Gemenge von rechts drehender, leicht gährender Glycose und links- drehender, schwerer gährender Laevulose über (§. 185. 5 lind §. 186. I. 7). Mit Salpetersäure oxydirt geht er in Zuckersäure und Oxalsäure über.] III. Abtheilung enthält Kohlehydrate, die mit der Formel C6Hlu05 als Anhydrite der zweiten Abtheilung betrachtet werden können. 1. Das Glycogen — mit einem Drehungsvermögen von 211° (Böhm ö-3 Hoffmann, Külzj, nicht reducirend wirkend: in der Leber ('§. 177). den Muskeln (§. 235) , vielen embryonalen Geweben , der Embryonalanlage des Hühnchens (Kuh,, zum Theil in normalen und pathologischen Epithelien (Schiele . In sehr geringen Mengen findet es sich in vielen Organen : Hoden, Lunge , Haut, Eiter, in entzündlichen Herden ('? Milz, Niere). Ausgedehnter traf man es im Körper des Diabetikers, wo es auch im Hirn, Pancreas, Knorpel gefunden ist. [Es kommt auch in Austern und anderen Mollusken vor Bizio , kann aber in den Zellen sogar aller Gewebe und aller Thierclassen sich finden (Barfurth). 2. Das D ex trin — ist rechtsdrehend = -\- 138°. im Wasser stark klebend löslich, durch Alkohol oder Essig daraus fällbar, wird von Jod schwach roth gefärbt. Es entsteht aus geröstetem Stärkemehl (daher reichlich in der Brod- rinde , §. 236) durch verdünnte Säuren, im Körper durch Fermente (pg. 487 a). Aus Cellulose geht es durch Behandlung mit wässeriger Schwefelsäure hervor. Kommt auch im Biere vor. Im Pflanzenreiche findet es sich in den meisten Pflanzensäften. [3. Amylum — (Stärke) theils in den .,mehligen" Theilen vieler Pflanzen, aus organisirten, innerhalb der Pflanzenzellen sich bildenden, geschichteten Körn- chen mit meist excentrisehem Kerne bestehend (§. 153). theils und zwar seltener ungeformt in den Pflanzen vorkommend. Der Durchmesser der Stärkekörnchen wechselt bei verschiedenen Pflanzen erheblich: er ist z. B. bei der Kartoffel 0,14 bis 0,18 Mm., im Runkelrübensamen nur 0.004 Mm. In 72° C. heissem Wasser quillt es als Kleister; Jod färbt es nur in der Kälte blau. Die Stärkekörnchen ent- halten ferner stets bald mehr, bald weniger Cellulose, sowie eine durch Jod sich roth färbende Substanz (Erythrogranulose). Die Umwandlung von Amylum und Glycogen durch Speichel. Pancreas. Darmsaft siehe an den bezüglichen Stellen ; Kochen mit verdünnter Schwefelsäure verwandelt beide in Dextrose.] 4. Gummi — (G10H20O1() findet sich in schleimhaltigen Organen des Menschen : Speicheldrüsen, Schleimgewebe, Lungen. Galle, etwas im Harn. Es ist gährungsfähig und verwandelt sich durch Kochen mit verdünnten Säuren in einen Kupferoxyd reducirenden Körper. Nach Landwehr ist Murin eine Verbindung von Gummi und Globulin. — Im Pflanzenreiche trifft Tiian Gummi in den Säften besonders der Acazicn und Mimosen , theils im Wasser sich lösend (Arabin), theils schleimig quellend (Bassorin). Alkohol fällt es. [5. Inulin — krystallinisches Pulver, in der Wurzel der Cichorie, des Löwenzahnes, besonders in den Knollen der Georginen (Dahlia variabilisl, wird Dextrin, Amylum. Gummi. Inulin. 492 Ammoniakderivate imd ihre Verbindungen. [§•254.] Inosit, Sorbit. Scyllit. durch Jod nicht gebläut. — 6. Liehen in, Flechtenstärke, aufquellende Inter- cellularsubstanz von Flechten [besonders des isländischen Mooses , (Cetraria islandica)] und Algen; durch verdünnte Schwefelsäure in Glycose überführbar. — 7. Paramylum, Körnchen, dem Amylum ähnlich, in dem Infusorinm Euglena viridis.] [8. Cellulose, — der Zellstoff" aller Pflanzen (auch in dem Arthropoden- panzer und der Schlangenhaut gefunden) nur in Kupferoxyd-Ammoniak löslich ; durch Schwefelsäure und Jod gebläut. Durch Kochen mit verdünnter Schwefel- säure bildet sich Dextrin und Glycose. Concentrirte Salpetersäure mit Schwefel- säure gemengt, verwandelt sie (Baumwolle) in Nitrocellulose (Schiessbaum wolle) C6H7(NO.,)305, welche in einem Gemische von Aether und Alkohol gelöst das Collodium bildet. — , Tu nie in, eine der Cellulose ähnliche Substanz, in dem Mantel der Tunicaten (Weichthiere).] IV. Abtheilung enthält die nicht gährungsfähigen Kohlehydrate. 1. Inosit — (Muskelzucker, Phaseomannit , Bohnenzucker) in Muskeln (Scherer) ^ in Lunge, Leber, Milz, Niere, Hirn vom Ochs, Niere des Menschen; pathologisch im Harn und Echinococcenflüssigkeit. Im Pflanzenreiche verbreitet, namentlich in Bohnen (Leguminosen) und im Traubensaft. Er ist isomer mit Traubenzucker, optisch inactiv, krystallisirt meist blumenkohlartig mit 2 Mole- külen "Wasser in langen monoklinischen Krystallen , schmeckt süss, in Alkohol unlöslich, giebt nicht die Trommer sehe Probe, ist nur der Fleisch-Milch säure- gährung fähig. [Verwandt sind: — 2. Sorbit aus Vogelbeersaft, — 3. Scyllit aus Eingeweiden vom Hai und Kochen.] Amine. Amide. Harnstoff. Amido- säuren. Glycin. Leucin. Serin Asparagin-S •Slutamin-S. IV. Ammoniakderivate und ihre Verbindungen. • Die Ammoniakderivate sind Abkömmlinge der Eiweisskorper, Umsatzpro- duete der Stotfmetamorphose derselben. I. Amine, — d. h. zusammengesetzte Ammoniake , die vom Ammoniak (H3N) oder von Ammoniumhydroxyd (H N — OH) dadurch abgeleitet werden können, dass man in denselben einzelne oder alle Atome H durch Kohlenwasser- stoffgruppen (Alkoholradicale) ersetzt. Die von einem Moleküle Ammoniak H ableitbaren Amine heissen Monamine. Unter diesen sind das H CH„ N N nur als Zersetzungsproducte des Methyl- CH3 amin und das Trim ethylamin CH3 CH3 J Cholins (Neurins) und des Kreatins bekannt. Das Neurin kommt in Lecithin in sehr complicirter Verbindung vor (siehe Lecithine, pg. 488) 2. Amide, — d. h. Abkömmlinge von Säuren, die statt Hydroxyl (HO) der Säuren NH2 eingetauscht enthalten. Der Harnstoff CO(NH2)2, das Biamid der CO;,, ist das hauptsächlichste Endproduct der Stoffmetamorphose der N-hal- tigen Körperbestandtheile (Harn, §. 253). — Die wasserhaltige Kohlensäure ist = CO(OH)2; in ihr sind beide OH durch NH, ersetzt: also CO(NHJ, Harnstoff. 3. Amidosäuren, — (§. 174. II.) d. h. N-haltige Verbindungen, die theils den Charakter einer Säure . theils den einer schwachen Basis zeigen , in denen H-Atome des Säure-Radicals durch NH, oder substituirte Ammoniakgruppen aus- getauscht sind. a) Glycin — (§. 179. 2) (= Amidoessigsäure , Glycocoll, Leimzucker) entsteht durch Kochen von Leim mit verdünnter Schwefelsäure (auch künstlich dargestellt). Es ist auch in der Cornea [die sonst Chondrin (§. 252. 8) enthält] (Horbaczewski). Es schmeckt süss (Leimzucker) , verhält sich wie eine schwache Säure, verbindet sich aber auch als Aminbase mit Säuren. Es findet sich: — als Glycin + Benzoesäure = Hippursäure im Harn (§. 262) (auch künstlich dar- gestellt), — und als Glycin + Cholalsäure — Glycocholsäure in der Galle (§. 179. 2.). — b) Leucin (§. 174. 2) = Amidocapronsäure. — c) Serin (= ? Amido- milchsäure) aus Seidenleim erhalten. — d)Asparaginsäure (Amidobernstein- säure) und — e) Glutaminsäure durch Spaltung der Albuminate erhalten (§. 174. II.)- Asparaginsäure ist durch Kochen mit Säuren unter Abspaltung von NH3 aus Asparagin zu gewinnen. Letzteres entsteht vielfach im Pflanzenreich aus Eiweiss, es ist künstlich dargestellt (Schall), im Thierkörper geht es in Harn- [§.254.] Ammoniakderivate. — Historisches zur Stoffwechsellehre. 493 stoff und Harnsäure über. — Weitere Amidosäuren sind: — f) Cystin = (Amido- Cystin. milchsäure), in welcher 0 durch S ersetzt ist. stark linksdrehend (Harn, §. 210). — g) Taurin (§. 179.2), (Amido-Aethylschwefelsäure) kommt (ausser in einigen Taurin. Drüsen) vornehmlich in Verbindung mit Cholalsäure als Taurocholsäure in der Galle vor (auch künstlich dargestellt). — Ty rosin (Parahydrooxyphenylamido- Tyrosin. Propionsäure, künstlich dargestellt) tritt neben Leucin bei der Pancreasverdauung auf (§. 174. IL), ist ein Zersetzungsproduct der Albuminate, reichlich pathologisch bei der sogenannten acuten gelben Leberatrophie im Harn (§, 271). An die Amidosäuren lehnen sich ferner noch an: — a) das Kreatin Kreatin. (im Muskel, Hirn, Blut, Harn), aufzufassen als Methyl-iiramido-Essigsäure (C4H8N30._,), ist auch künstlich dargestellt. Mit Barytwasser gekocht zerfällt es unter Auf- nahme von H,0 in Harnstoff und — b) Sarkosin (C8H7N03) = Methyl-amido- Sarkosin. Essigsäure. Durch Kochen mit Wasser, Erhitzen mit starken Säuren . bei Gegen- wart faulender Substanzen verwandelt sich das Kreatin unter Wasserabgabe in K reatinin C4H7N30. Diese starke Basis kann durch Alkalien wieder in Kreatin Kreatinin. übergeführt werden. 4. Ammoniakderivate von unbekannter Constitution: — Harnsäure Ammoniak- (§. 260); — AI 1 an toi n (§. 262) entsteht durch Oxydation der Harnsäure un)™annter mittelst übermangansaurem Kali, [neben Guanin und Sarkin auch in den Knospen Constitution. der Platanen gefunden (E. Schulze/]; — Kynuren säure im Hundeharn: — Inosinsäure im Muskel ; — Guanin (C5H5NsO), neben Adenin. Xanthin und Hypoxanthin ein Spaltungsproduct des Nucleins, findet sich in Spuren im normalen Blute, mehr im leukämischen, ebenso ziemlich viel im embryonalen Muskel, sowie in Leber, Milz, Pancreas. Pathologisch in schnell wachsenden kernreichen Ge- schwülsten (Kossei) und in den Muskeln der Schweine bei der Guanin-Gieht (Virchowj, Untersalpetersäure führt es in Xanthin, Oxydation in Harnstoff über, verfüttert steigert es die Harnstoffausscheidung. Es findet sich ferner im Guano , in den Excrementen der Spinnen, in der Haut von Amphibien und Rej>tilien, im Silber- glanze mancher Fische (z. B. Hering) A. Ewald &= Krukenberg; . — Hypoxanthin oder Sarkin (§. 262) in Begleitung von Xanthin in manchen Organen und im Harn. Kossei konnte durch anhaltendes Kochen Hypoxanthin aus Nuclein dar- stellen. Aus Fibrin kann es durch Fäulniss, Magen- und Pancreas-Saft gewonnen werden (Salonion, H. Krause, Chittenden • — Xanthin aus Hypoxanthin durch Oxydation darstellbar, selten Harnsteine bildend (§§. 262. 274). in Coffein (§. 237) überführbar (E. Fischer). [Xanthin und Giianidin hat Gautier künstlich dar- gestellt.] — Paraxanthin (Salomon im Harn (§. 262); — das ihm ähnliche Carnin (Weidelj im Fleische (§.235)- — Eine Zwischenstufe zwischen Nuclein und Hypoxanthin ist KosseTs Adenin (Cr,H;N5), in Milz, Pancreas (im Thee und in der Hefe) gefunden ; es scheint als Spaltungsproduct des Nucleins in allen thierischen und pflanzlichen Zellgeweben vorzukommen. Aromatische Substanzen : 1. Einatomige Phenole: a) das Phenol (Hydroxyl des Benzols) Aromatische im Darm (§. 174 II, §. 186. 6); die Phenylschwefelsäure im Harne (§. 264). — Körper. b) Kresol, und zwar das Orthokresol und Parakresol mit Schwefelsäure verbunden im Harn. — 2. Zweiatomige Phenole: a ) das B r e n z k a t e c h i n mit Schwefelsäure verbunden im Harne ($. 264). — 3. Aromatische Oxy- säuren : a) Hydroparacum a rsäur e : b) Para oxyphenylessigsäure im Harn (§.264).' — 4. Substituirte Kohlenwasserstoffe: ai Indol (auch künstlich dargestellt) und b)Skatol, beide im Darm (§. 174. IL §• 186. 6) und mit Schwefelsäure gepaart im Harn (§. 264). \Stoehr hat Skatol durch Destillation von Strychnin mit Kalk künstlich dargestellt.] 255. Historisches zur Stoffweclisellelire. Nach Aristoteles bedarf der Körper der Aufnahme der Nährstoffe zu drei Zwecken : nämlich zum Wachsthum, zur Wärmeerzeugung und zur Deckung der Ausgaben aus dem Körper. Die Erzeugung der Wärme findet im Herzen durch eine Aufkochung statt, und sie ergiesst sich mit «lein Blute zu allen Körperfheilen, während die Athmung als ein Act der Abkühlung für die zu grosse Verbrennnngs- wärme angesehen wird. — In etwas modificirter Form hat auch Galenits noch 494 Bau der Niere. [§. 255-] diese Anschauung: nach ihm ist der Stoffwechsel dem Bilde einer Lampe ver- gleichbar : das Blut stellt gewissermaassen das Oel, das Herz dem Docht, endlich die Lunge das anfächelnde Werkzeug dar. — Nach der Anschauung der iatro- chemischen Schule , van Helmont) geht der Stoffwechsel im Körper in Form von Gährungen vor sich, in welche die eingeführten Substanzen im Verein mit den Körpersäften versetzt werden : so entstehen geläuterte, verwerthbare Säfte und zum Auswurfe bestimmte Gährungsschlacken. — Seit der Mitte des 17. Jahr- hunderts (Boylej ist die Erkenntniss in den Vorgängen des Stoffwechsels der Ent- wickelung der Chemie gefolgt. A. v. Haller lässt die Wärme aus chemischen Processen entstehen ; die Nahrung soll die fortwährenden Verluste decken, welche durch die Auswurfsstoffe dem Körper erwachsen. Die Anbildung erfolgt durch einen lymphatischen Saft, der sich zur Eeconstruction der abgenutzten thierischen Fasern zwischen die letzteren ergiesst. — Nach Entdeckung des 0 (1774 durch Priestley und Scheel) stellte Lavoisier die Verbrennungstheorie der Stoffe in den Lungen auf, in denen CO\j und H30 sich bilden sollten. Er verglich die relativ langsam verlaufende physiologische Verbrennung mit der, bei niedriger Temperatur stattfindenden Erhitzung des Düngers. Mitscherlich stellte die Umsetzungsvorgänge im lebendigen Körper geradezu den Fäulnisserscheinungen gleich. — Magendie betonte zuerst den Unterschied der N-haltigen und N-freien Nährstoffe und zeigte, dass letztere allein das Leben nicht zu erhalten vermöchten. Auch der Leim allein sei hierzu unvermögend. Weniger präcis waren seine Ergebnisse über den Nahrungs- werth der Albumiuate, denen er zwar die höchste Stufe einräumt, unter denen er aber nur das Fleisch als allein ausreichendes Ernährungsmaterial anerkennen konnte. Den grössten Fortschritt in der Ernährungslehre verdanken wir J. v. Liebig, der den Grundstock unserer heutigen Kenntnisse gelegt hat. Er zeigte unter Anderem namentlich, dass aus Albuminaten im Thierkörper sich Fett bilden müsse. Nach ihm dienen die Nährstoffe vornehmlich zweien Anforderungen , nämlich als „plastische" dem Aufbau der Organe und als „respiratorische" der Wärmeerzeugung: erstere sind vornehmlich die Albumiuate, letztere besonders die N-freien Kohlehydrate und Fette. Unter den neueren Forschern (die in der Darstellung selbst genannt sind) verdienen vor Allen die Münchener Experimentatoren als Förderer der Wissen- schaft besonders genannt zu werden : v. Bischoff, v. Pettenkofer, v. Voll. Die Absonderung des Harnes. 256. Bau der Niere. Die Nieren gehören zu den zusammengesetzten schlauchförmigen Drüsen (Fig. 130). Drüsen- I. Die Harncanälchen — entstehen sämmtlich innerhalb der " 3tmwe. ** Corticalsubstanz der Niere mittelst einer 200 — 300a messenden, kugel- Kapsei. förmigen Kapsel (in II vergrössert) , der Bowman' sehen Kapsel, die sich aus endothelartigen Zellen (k) zusammensetzt (M. Roth), und deren Innenfläche mit einem flachen, einschichtigen Plattenepithel aus- gekleidet ist. Im Innern der Kapsel liegt das später zu besprechende Gewundenes G e f ä s s k n ä ue 1 : Glomerulus Malpighianus. Jede Kapsel canäicTen. geht vermittelst einer dünneren Stelle in das gewundene Harn- canälchen ( x) über (Bowman). Dieses besitzt eine Breite von 45u., hat eine structurlose Membrana propria und durchzieht in viel- fachen Windungen die Rindensubstanz. In seinem Innern trägt dasselbe ein charakteristisches Epithel: die Zellen desselben (III, 1 und 2) besitzen ein trübes, sehr quellbares, nicht selten von Fetttröpfchen durchsetztes Protoplasma, das in seinem, dem relativ engen Lumen des Canales zugewendeten, Theile einen kugelförmigen, deutlichen Kern oinschliesst, während die, der Membrana propria anliegende (auch chemisch [§•256.] Bau der Niere. 495 differente), Partie wie zerfasert, oder wie aus „Stäbchen" (Heiden- hain) zusammengesetzt erscheint. Dort, wo die Stäbchen die Membran Fig. 130. Baude r Niere. — I Die Gelasse und Harncanälchen in halbschematischer Zusammen- stellung; A Capillaren der Rinde; — ß Capillaren des Markes; — a Arteria interlobu- laris ; 1 Vas atferens ; — 2 Vas efferens ; — r . e Arteriolae rectae ; e Venulae rectae : — v .v Vena interlobularis ; — 8 Besinn einer Vena stellata. i . i Kapsel, den Glomernlus einschliessend ; — -Y . A' Tubuli contorti; — t .t Henle'sche Schleifen ; — n . n Schaltstücke ; — o . Sammelröhren ; — 0 Ausflussrohr. — — //Kapsel und Glomerulus; a Vas afterens ; — e Vas efferens ; — c Capillarnnetz der Rinde ; * endo- thelartiger Bau der Kapsel ; — h Anfang des gewundenen Canälchens. /// „Stabchen- zellen" aus den gewundenen Canälchen : — 2 von der Seite (i . Substanzen, welche den Eiweisszerfall im Körper steigern, z. B. Arsenik (Gäthgensj, Antimonverbindungen und kleine Phosphordosen 'Bauer , vermehren die Harnstortbildung, — solche, welche Eiweiss sparen, z. B. Chinin, vermindern dieselbe. Eine gesleigeite Gallenbildung in der Leber führt zugleich vermehrte Harnstoffbildung herbei Noel Paion . Der Harnstoff stellt das Endproduct des Stoffwechsels der Eiweisskörpcr dar. Ihm zunächst stehen als geringere Oxydationsstufen: Harnsäure, Guanin, Xanthin, Hypoxanthin, Alloxan, Allan toin. Verfütterte Harnsäure erscheint ald Harnstoff im Harne wieder; Alloxan und Hypoxanthin können in Harnstoff direct übergeführt werden. — Nach Verfütterung von Leucin, Glycin. Asparagin- säure, oder von Ammoniaksalzen tritt eine Vermehrung der Harnstoffausscheidnng ein (v.Schuhen, Nencl-i, t'. Knietiem u. A.). Die Leber ist der Hauptbildungsherd des Harn- stoffes. Die Richtigkeit der Vermuthung Schmiedeberg 's, dass der Harnstoff aus kohlensaurem Ammonium entstehe durch Austritt von Wasser, bewies v. Schröder dadurch, dass er rei

  • sl ichen. hellen Quadratoctaedern ; seltener ist die Bisquit- oder Sanduhr-Form (Fig. 148. c). Die genetische Beziehung der Oxalsäure zur Harnsäure scheint dadurch erwiesen , dass Hunde nach Fütterung von Harnsäure viel Oxalsäuren Kalk entleeren (v. Frerichs, Wähler). Es muss jedoch noch betont werden , dass die Oxalsäure auch als Oxydationsproduct von Derivaten aus der Fettsäurenreihe (pg. 489. 4. a.) hergeleitet werden kann. — Aus Oxalursäure bildet sich Oxalsäure unter Auf- nahme von H20 neben Bildung von Harnstoff. Genuss von Substanzen , welche Oxalsäuren Kalk enthalten (z. B. Sauer- ampfer) vermehrt die Ausscheidung-, Citronensäure, mit Ozon behandelt, liefert C02 und Oxalsäure 'v. Gorup-Besanez) • daher erklärt si< h auch das Vorkommen des Oxalsäuren Kalkes im Harne nach Citronengenuss. Vermehrte Ausscheidung von Oxalsäure im Harn wird als Oxalurie be- zeichnet und als Zeichen retardirten Stoffwechsels angesehen Bencke ■ sie kann wegen eintretender Steinbildung gefährlich werden. Bei der Oxalurie fand man oft die Harnsäure vermehrt. Jm Harne Icterischer zeigt Oxalsäure eine Zunahme (Schnitzen, Fürbringer). — Nach Neubauer soll im Harne auch gelöster oxal- saurer Kalk, und zwar durch saures phosphorsaures Xatrium in Lösung gehalten, vorkommen. Die Ausscheidung dieses erfolgt (in Krystallen) um so vollständiger, je mehr der Harn sich der neutralen Beaction nähert. Hippursäure — C9H9K03 (Benzoylamidoessigsänre, pg. 492j. Hippursäure. Diese, im Harne der Herbivoren reichlich (J. v. Liebig), und zwar als der Hauptrepräsentant der N-haltigen Umsatzproducte des Stoffwechsels, im Menschen- harn nur in geringen (0.3 bis 3,8 Gr. pro Tag» Men- gen auftretende , geruch- lose, bitterlieh schmeckende, einbasische Säure, krystallisirt in farblosen, vierseitigen Prismen, ist in Alkohol leicht, in Wasser nur in 600 Theilen löslieh. Sie ist eine ge- Entstehung. p a a r t e Säure und ent- steht im K <"> r p e r a u a Benzoesäure oder aus der ihr chemisch sehr nahe stehenden Cuticula r- Substanz der Pflanzen, oder aus Bittermandelöl, Zimmtsäure . ( IhinasänTO [im Heu (Lautemami, Lö'wy)]. welche leicht durch Reduetion (Chinasäure oder Oxydation (Zimmtsäure) in Benzoesäure übergehen, zu welcher sich Glycin hinzupaart unter Wasserabgabe (vgl. pg. 332): CyH^Oa + C2II.,NOo = < '.II. Nn, + H,0 Benzoesäure + Glycin = Hippursäure -f- Wasser. Hiernach ist ihre Bildung also ganz vornehmlich von der Nahrung abhängig (Weismann, Meissner «fr5 Shepard, . Daher fehlt sie im Harue saugender Kälber, Hippursä u r e. 512 Allantoin. — Urobilin. [§• 262 Kynuren- säure. Urobilin. sowie auch nach Genuss solcher Pflanzentheile , welche keine Cuticula besitzen (z. B. unterirdische Knollen, geschälte Vegetabilien). — [Aehnliche Synthesen des Glycins kommen im Organismus übrigens aiich noch nach der Einverleibung vieler anderer Substanzen vor, z. B. nach Genuss substituirter Benzoesäuren oder von aromatischen Säuren.] Da auch die Albuminate durch Oxydationsmittel Benzoe- säure und Bittermandelöl zu liefern im Stande sind, so kann auch aus zerfallen den Albuminate n Hippurs äure sich im Körper bilden. So erklärt es sich, dass man sie auch im Harne des Hungernden antrifft. (Vgl. pg. 349.) Beim Hunde erfolgt die Paarung der Hippursäure in der Niere (Schmiede- berg & Bunge; , bei Fröschen auch ausserhalb dieser. Kühne &* Hallwachs ver- legten die Bildung in die Leber, Jaarsfeld &• Stokvis in die Niere , Leber und in den Darm. Die Beobachtung Salomon's, dass auch bei nephrot omirten Kaninchen nach Einspritzung von Benzoesäure in das Blut sich Hippursäure in den Muskeln, in dem Blute und in der Leber fand, spricht für die nicht aus- schliessliche Bildung in den Nieren. (Vgl. §. 276.) Uebrigens kann die gebildete Hippursäure beim Menschen unter patholo- gischen Verhältnis- sen, nämlich bei alkalischer Reaction und Eiweissgehalt des Harnes in Folge eines Fermentprocesses im Urin wieder zerlegt werden (van Je Velde & Stokvis). Ob die gebildete ii ippursäure auch bereits innerhalb des Blutes und der Gewebe des Menschen zerlegt wird, ist zweifelhaft. [In den Nieren des Schweines (Schmiedeberg) und des Hundes findet eine fermentative Zerlegung der Hippursäure statt (Minkowski)]. Nach Genuss von Birnen , Pflaumen , Preisseibeeren (Lücke) , Aepfeln mit den Schalen nimmt sie sehr zu. Auch bei Icterus, Leberkrankheiten und Diabetes ist sie vermehrt. — Sind grössere Mengen im Menschenharn, so tritt sie im Sedimente auf, aus welchem man sie durch Auskochen mit Alkohol isolirt. — Gekocht in starken Säuren oder Alkalien, oder in Verbindung mit faulenden Substanzen oder dem Micrococcus ureae (van Tighem) zerfällt sie unter H20- Aufnahme wieder in Benzoesäure und Glycin. Im Harne des Hundes findet sich noch neben Harnsäure die Kynurensäure C„0H14NäO6 + H20 (J. v. Liebi?). Allantoin — C4 H6 N4 03 . Dieser Körper (ein Bestandtheil der Amniosflüssigkeit der Kuh, weniger der des Menschen) findet sich in Spuren, zumal nach Fleisch- genuss, normal im Harne (Gusserozv , Hermann), reichlicher in der ersten Lebenswoche und bei Schwangeren. Nach Einnehmen grösserer Mengen Gerbsäure steigt die Menge (Schottin), beim Hunde durch Oxydation verfütterter Harnsäure (Salkowski). Es bildet glänzende, prismatische Krystalle; aus dem Harne saugender Kälber krystallisirt es in durchsichtigen Prismen schon beim Eindampfen bis zum Syrup und tagelangem ruhigen Stehen aus. Durch Fermente wird es in Harnstoff, oxalsaures und kohlensaures Ammonium und eine nicht näher bekannte Säure zerlegt. In Wasser ist es leicht, in Alkohol schwer, in Aether gar nicht löslich. — Zur Darstellung wird der Harn durch basisch essigsaures Blei ausgefällt, das Filtrat entbleit durch Schwefelwasserstoff, dann eingedampft zum Syrup, aus welchen sich die Krystalle nach Tagen ausscheiden, die man mit Wasser wäscht und aus heissem Wasser umkrystallisirt (Salkowski) . 263. Farbstoffe des Harnes. 1. Das Urobilin (Jaffe), — besonders reichlich in stark gefärbten Fieberharnen, oft auch im normalen Harne, ist ein Abkömmling clesHämatins (§.24), beziehungsweise des, aus diesem hervorgehenden Gallenfarbstoffes, und zwar identisch mit Malys Hydrobilirubin (§. 179. 3. g.). Es giebt dem Harne rothes oder rothgelbes Colorit, das nach Vermischung mit Ammoniak in Gelb übergeht. [§. 263.] Urobilin; — Urochrom; — Urorubin; — Uromelanin. — Indican. 513 Bereitet man durch. Schütteln aus Urobilin-haltigem Harne einen Chloro- formauszug, setzt dann zu diesem Jod hinzu und bindet letzteres wieder durch Schütteln mit verdünnter Kalilösung (unter Bildung von Jodkalium) , so nimmt die Kalilösung eine gelbe bis braungelbe Färbung an mit prachtvoller Fluorescenz in Grün. Diese Reaction lässt sich an jedem Urobilin-haltigen Harn auch direct anstellen (Gerhardt). Das Urobilin ist aus manchen Harnen durch Aether extrahirbar. — Mit- unter geht beim Stehenlassen das Urobilin in eine Modifikation über, in welcher die gangbaren Reactionen im Stiche lassen (Salkotuski). Durch Anwendung von Reductionsmitteln (Natriumamalgam) wird aus Urobilin ein farbloses Reductionsproduct gebildet , das jedoch beim Stehen an der Luft unter Aufnahme von 0 wieder in Urobilin übergeht. Der farblose Körper ist identisch mit dem Chromogen, das Jaffc im Harn fand 'Disque'J. "Wird der Harn mit Natron oder Kali versetzt, so geht der zwischen b F liegende charakteristische Absorptionsstreif näher an b heran und wird viel dunkler und schärfer begrenzt. Mitunter (nach Hoppe-Seyler stets) entsteht Urobilin im Harn erst nach der Entleerung durch O-Aufnahme seitens eines anderen Urobilin-bildenden Körpers (Jaffas Chromogen). Wird der, mit Ammoniak alkalisch gemachte Urobilin-haltige Harn mit Chlorzink versetzt , so zeigt er eine ganz bedeutende Fluorescenz: starken grünen Schimmer zumal bei auffallen- den Sonnenstrahlen (das isolirte Urobilin fluorescirt auch ohne Chlorzink- Zusatz). — In vielen Fällen von Icterus (§. 182), in denen mitunter die Gmetin'sche Gallenfarbstoffprobe ausbleibt (v. Frericks , v. Bamberger) , findet sich Urobilin (Gerhardt, Loebisch/ namentlich bei nur unvollkommener G-allenstauung (Quincke). Dieser rUrobilin-Icterus" (Gerhardt) findet sich namentlich nach Resorp- tion grösserer Blutextravasate. Nach Cazeneuve ist bei allen Krankheiten, die mit vermehrter Einschmelzung rother Blutkörperchen einhergehen, das Urobilin vermehrt. 2. Das Urochrom — wird von Thudichum als der eigentümliche gelbe Farbstoff des Harnes angesehen. Es lässt sich in gelben Krusten isoliren, die in Wasser, sowie in verdünnten Säuren und Alkalien löslich sind. Die wässerige Lösung oxydirt sich an der Luft unter Röthung durch Bildung von Uroerythrin. Mit Säuren behandelt treten weitere Spaltungsproducte auf, unter ihnen das Uromelanin (Thudichum). Das Uroerythrin färbt die Urate oft schön roth (vgl. §. 260). Das Urochrom wird jedoch von Vielen nicht als wohlcharak- terisirtcr chemischer Körper angesehen. 3. Mit Salzsäure gekochter Harn giebt (neben Indigo) in das Aetherextract einen granatrothen rhombisch krystallisirenden Farbstoff ab, das Urorubin, — das erst durch Oxydation aus einem unbekannten Chromogen entwickelt wirJ. Seine Menge hängt von denselben Bedingungen ab , wie die des Indicans. — Der so extrahirte Harn giebt an Amylalkohol einen braunschwarzen Farbstoff ab: welches Uromelanin (PIJsz). — Alle Harnfarbstoffe, welche unter Einwirkung von Säure dargestellt sind , sind mit dunkel gefärbten H ä m in 3 üb s t an z e n verunreinigt, welche sich aus den Kohlehydraten des Harnes zu bilden scheinen (v. Udränsky). Bei melanotischen Geschwülsten wurde von Zeit zu Zeit sich schwärzender Harn beobachtet, von Melanin (§. 252) oder von einem eisenhaltigen Farbstoff herrührend (Kunkel). 4. Ein brauner, eisenhaltiger Farbstoff wird von der (durch Salzsäure- zusatz ausgeschiedenen) Harnsäure niedergerissen (§.260). Durch wiederholten Zusatz von harnsaurem Natron zum Harn und Fällung der Harnsäure durch Salzsäure lässt er sich reichlicher gewinnen (Kunkel). Urorubin. Ft-haltiger Farbstoff. 264. Indigo-, Phenol-, Kresol-, ßrenzkatechin- und Skatol-bildende Substanzen; — sonstige Stoffe. 1 . Das Indican — oder die indigobildende Substanz lniuan. (Schunk) leitet ihren Ursprung ab von dem Indol CH7X (Jaffe), dem Kernstoffe des Indigo's (r. Fxiwr . welches im Darme durch die Pancreasverdauung der Eiweisskörper ($. 174. II), Landois , Physiologie 7. Aufl. 33 514 Phenol-bildende Substanz. [§• 264.] Nachweis des Indicans. Pathologi- sches. Phenol. und zwar als ein Fäulniss-Product entsteht (§. 186. 6). Das Indol, mit dem Schwefelsäurerest S03H gepaart und mit Kalium verbunden, stellt das sogenannte Indigogen oder I n d i c a n des Harnes dar (Baumann, Brieger & Tiemannj, Dasselbe (C8H6NS04K = Indoxylschwefelsaures Kalium) bildet weisse, glänzende Tafeln und Blättchen, leicht in Wasser, wenig in Alkohol löslich ; durch Oxydation bildet es Indigoblau : 2 Indican + 02 = C16H10NaO2 (Indigoblau + 2 HKSO± (saures schwefelsaures Kali). Es ist reichlicher im Harne der Tropen- bewohner, fehlt aber im Harn der Neugeborenen (Senator). Jaffe fand in 1500 Ccmtr. normalen Menschenharnes 4,5 — 19,5 Milligramm Indigo ; der Pferdeharn enthält 23mal mehr. Subcutane Injectionen von Indol vermehren das Indican im Harn (Jaffe). — [E. Ludwig erhielt Indican durch Er- hitzen von Hämatin oder Bilirubin mit Aetzkali und Zinnstaub. — Man fand es auch im Schweisse (§. 291) (Bizio)\ Nachweis. — 1. Man versetzt 40 Tropfen Harn mit 3 — 4 Ccmtr. stark rauchender Salzsäure und 2 — 3 Tropfen Salpetersäure. Erhitzt gegen 70u bftdet sich eine violettrothe Färbung unter Abscheidung von krystallinischem (rhombischem) Indigoblau und Indigoroth. Schüttelt man nun mit Chloro- form, so geht das Indigo in Lösung (erkannt durch einen Absorptionsstreif vor D (Hoppe-Seyler)). — [Auch durch Fäulniss wird das Indican ähnlich zerlegt: daher beobachtet man auf faulem Harne nicht selten ein blauroth schillerndes Häutchen von mikroskopischen Indigoblau-Krystallen oder einen Bodensatz der- selben {Hü Hassal 1853, Hellers Uroglaucin).] — 2. Man mische ll.i Reagenzglas voll Harn mit ebensoviel Chlorwasserstoffsäure und setze zwei Tropfen frisch bereiteter Chlorkalklösung zu: die Mischung wird erst hell, dann graublau fjaffe'j. Nun setzt man etwas Chloroform zu und schüttelt anhaltend, wodurch der Farb- stoff vom letzteren aufgelöst wird. Lässt man nunmehr stehen, so setzt sich die blaue Chloroformschicht am Boden ab (Senator, Salkorvski). — 3. Zur Reaction auf Indigo roth verfährt man so: Ein viertel Reagenzglas voll Harn wird unter tropfenweisem Zusatz von Salpetersäure erhitzt bis zur rothen Farbe, dann gekühlt und mit Ammoniak alkalisch gemacht. Wird hierauf mit 2 Ccmtr. Aether leicht durchgeschüttelt, so geht Indigoroth in den Aether gelöst über (O. Rosetibach, RosinJ . Pathologisches. — Das Indican ist im Harn vermehrt bei verstärkter Indolbildung im Darm (§. 174. II), z. B. bei Typhus, Bleikolik, Trichinose, Magen-D arm-Katarrh und -Blutung, Dünndarmkrankheiten, Cholera nostras , Car- cinom der Leber und des Magens, Brucheinklemmung, Peritonitis (Hennige). 2. Das Phenol C0H6O — (Carbolsäure , §. 254 am Schluss) wurde von Städeler als Bestandtheil des Menschenharnes nachgewiesen (reichlich im Pferdeharn). Doch kommt dasselbe nicht isolirt, sondern in einer Substanz vor, aus welcher es erst durch Destillation mit ver- dünnten Mineralsäuren ausgetrieben wird. Diese phenolbildende Sub- stanz ist nach Baumann die Phenol seh we fei säure C6H50 S03H; sie ist im Harne als Kali gebunden. Das Phenol entsteht aus den Zersetzungen der Albuminate durch die Pancreasverdauung (§. 174, II), und zwar durch Fäulnissprocesse (§. 186, b) ; die Muttersubstanz ist das Tyrosin. Die Bildung der Phenolschwefelsäure verhält sich daher ganz analog der Bildung des Indicans. Wird Phenol innerlich oder äusserlich angewendet, so nimmt die Phenol- schwefelsäure im Harne sehr zu (Almen, Salkowski). Es muss also Schwefelsäure an sie herantreten; deshalb wird Alkalisulphat im Körper zerlegt, so dass letz- teres dann im Harne sogar völlig fehlen kann (Baumann). — [Lebende Muskel- substanz oder Leber mit Blut unter Zusatz von Phenol und schwefelsaurem Natron im Luftstrom 7 Stunden digerirt bildete Phenolschwcfelsäure ; ebenso bildete unter diesen Verhältnissen Brenzkatechin die Aethersclnvefelsäure (KochsjA [§. 264-] Phenol-, Brenzkateckin- und Skatol-bildende Substanz. 515 Die, nack innerlicker oder äusserlicker Anwendung von Pkenol beim rCarbol- Menscken oft beobachtete tiefdunkle Farbe des Harns beruht auf der ham.u Oxydirung des Phenols in Hy drockin on (Ortkobioxylbenzol = CaH60.,), welckes im Harne grösstenteils als Aetherschwefelsäure erscheint ( Baumann ^ Heiter, Preusse, v. Meririg). 3. Neben dem Phenol trifft man reichlicher Parakresol (Hy- droxyltoluol C7H80) , daneben die isomeren Ortho- und Metakresol, letzteres in Spuren (Baumann, Preusse). Auch diese finden sich mit Schwefelsäure gepaart als Kresolschwefelsäuren im Harne (Baumann, Brieger) . Zum Nachweis — von Phenol (auch Kresol) wird 150 Ccmtr. Harn mit ver- dünnter Schwefelsäure destillirt. Das Destillat giebt mit Bromwasser einen bald krystallinisck werdenden Niederschlag von Tribrompkenol , sowie Röthung durch Miliaris Reagenz. Auch die Hydroxylbenzole (Brenzkateckin, Hydrockinon) werden nack längerem Erwärmen des, mit Salzsäure versetzten Harnes abgegeben. [Das mit dem Hydrockinon isomere Resorcin verlässt, wenn es einge- geben ist, ebenfalls als Aetkersckwefelsäure im Harne den Körper. Analog ver- hält sich Toluol und Naphthalin. Verabreichtes Benzol wird zunächst zu Phenol oxydirt.] 4. Brenzkatecllin (= CcH602 Metabihydroxylbenzol) — entsteht Brem- neben Hydrochinon aus Phenol (Nencki & Giacosa) , und zwar ist dasselbe ebenfalls mit Hydrochinon isomer. Es verhält sich dem Indol und Phenol ganz analog, indem dasselbe, gleichfalls mit Schwefel- säure gepaart, die brenzkatechinbildende Substanz darstellt (Bau- mann, Herter). Kleine Mengen kommen im Menschenharne vor: reichlich sahen es Ebstein & Müller im Harne eines Kindes ; man erkennt es durch das Dunkelwerden des Harnes durch Fäulniss. Vielleicht entwickelt sich Brenzkatechin im Körper aus zersetzten Kohle- hydraten, aus denen Hoppe-Seyler dasselbe durch Erhitzen mit Wasser unter hohem Druck, sowie durch Behandlung mit Alkalien entstehen sah. 5. Das, bei der Fäulniss im Darm entstehende kristallinische sicatoi. Skatol — (§. 254 am Schluss) tritt ebenfalls als Schwefelsäure-Ver- bindung im Harne auf. So fand Brieger nach Fütterung von Skatol beim Hunde skatoloxylsckwe feisaures Kali. Nachweis : — Man erkennt die Skatolverbindung durck Zusatz von verdünnter Salpetersäure, wodurch Violettfärbung entsteht, oder von rauchender Salpetersäure, wodurch rothe Flocken niederfallen (Nencki). Sein Reicktkum ricktet sick nack denselben Ursachen wie der des Indicans. Auch die, zu den aromatischen Oxysäuren gehörenden — Hydropara- cumarsäure — und Paraoxy ph enyle ssigsäure — [erstere ein Fäulniss- product des Fleisches , letztere von E. 6° G. Salkowski aus faulendem Eiweiss erhalten], trifft man im Harne Baumann), (§. 254 am Schluss). — Nachweis: — Schüttelt man den, mit Mineralsäure versetzten Harn mit Aether aus, verdunstet letzteren uud nimmt den Rest mit Wasser auf. so giebt dies mit Milloris Reagenz eine rothe Farbe. Es ist dies die Reaction auf die aromatischen Oxysäuren. Baumann hat folgende Reihe von Körpern aufgestellt, welche' aus Tyrosin durch Spaltung und Oxydation entstehen , und deren meiste Glieder sowohl bei der Fäulniss des Eiweiss, als auch im Darme entstehen und von da in den Harn übertreten. Tyrosin C9 Hn NO? -f H_, = C9 H10 03 (Hydroparacumarsäure) + NHV — Ba H10 Oa = C8 H10 0 (Paräthylphenol, noch nicht nachgewiesen) + CO... — C„ H10 0 + 03 = C8 Hs 0, (Paraoxyphenylessigsäure) + H20. — CsH„03 = C-H, 0 (Parakresol) -f CO.. — 0, Hs 0 + 03 = C7 Hö 0 | Paraoxybenzogsäure, ' nock nickt nachgewiesen + H, 0 . — 0, H6 0;i = C6 Hß 0 (Phenol) + Cl >... Rhodankalium — (Gsclieidlen, Kuh) aus dem Speichel stam- i'.hodan- mend, welches nach Ansäuern mit Salzsänre durch die im §. 151. a. kaIium' 33* 516 Sonstige organische Substanzen. [§•264.] Bernstein' säure. Nephro- zymose. Fermente. Beducirende Stoffe. Kryptophan- säure. angegebene Eisenchloridprobe erkannt wird. In 1 Liter Menschenharn kommen 0,02 — 0,08 Gr. Schwefelcyansäure (an Alkali gebunden) vor (Gscheidlen, J. Munk)1 (? mehr bei Rauchern). Bernsteinsäure C4H604 — (Meissner & Shepard) findet sich namentlich nach Fleisch- und Fett-Kost , bis zum Verschwinden wenig nach Pflanzenkost. Als Zersetzungsproduct des Asparagins ist sie reichlich im Harne nach Spargelgenuss ; auch als Product der alko- holischen G-ährung (vgl. §. 155, I) gelangt sie beim Gebrauch von Spirituosen in den Körper: denn sie geht innerlich verabreicht unzersetzt in den Harn (Neubauer) . Milchsäure CsH^Og — ist ein constanter Bestandtheil des Harnes (Lehmann, Brücke) ; Gährungsmilchsäure fand man in diabetischem Harne, Fleischmilchsäure bei Phosphorvergiftung und Trichinose, Unbeständig sind Spuren flüchtiger Fettsäuren: sie finden sich namentlich bei destructiven Leberkrankheiten (v. Jaksch, Roki- tansky). Es findet sich etwas — thierisches Gummi — im Hame (§. 254, III. 4); aus Gummi besteht auch grösstentheils Bechamp's „N ephrozy mose" (Land- wehr). Diese Substanz wird, durch Fällen des Harnes mit der dreifachen Menge 90°/0. Alkohols dargestellt. Es ist kein einfacher Körper (Leube), der bei 60 bis 70° C. Stärke in Zucker verwandelt (v. Vinlschgau) , Fermente: — Diastatisches, peptisches [Pepsin (Brücke)~\ und Lab-Ferment fand Griitzner zumal in specifisch schweren Harnen. Trypsin findet sich normal nicht (Leo, H. Hoffmann, Stadelmann). Spuren von Zucker — (Brücke , Abeles, Bence Jones) bis 0,01 — 0,05°/0. Nach Genuss von Milch-, Rohr- oder Trauben-Zucker (50 Gr. und mehr) treten diese Zuckerarten in geringen Mengen (un- modificirt) in den Harn (Worm- Müller). Vgl. §. 269. Es kommen im Harne stets reducirende (die Trommer'sche Probe ge- bende) Körper vor; der normale Menschenharn reducirt wie eine 0,15 — 0,25u/o- Traubenzuckerlösung (im Fieber mehr). Gegen 5/6 dieser Substanzen sind wahr- scheinlich Verbindungen der Gly curonsäure (vgl. §. 277), 1I6 kommt auf Harnsäure und Kreatinin (M. Flächiger). Nach Thtidichum soll noch im Harne eine Säure: — Kryptophansäure C3H9N05 vorkommen , welche die normale freie Sänre des Harnes sein soll. Sie ist jedoch nach Landwehr ganz vorzugsweise thierisches Gummi. Wird normaler Harn (mit Kalibichromat und Schwefelsäure) oxydirt, so bildet sich Aceton (C3HjO), ■ — welches aus einer, im normalen Harne vor- kommenden reducirenden Substanz (die in letzter Instanz aus dem Traubenzucker des Blutes abstammt) entsteht. In Spuren ist Aceton zumal bei Kindern nor- maler (?) Hambestandtheil (§. 178) , in Zuständen vermehrten Gewebszerfalles (z. ß. bei Carcinom und Inanitionszuständen) steigend (§. 269). Man fand Aceton auch im Blute Fiebernder (v. Jaksch). — Nachweis: — Man säuert 1/3 Liter Harn mit HCl an und destillirt: mit Jodtinctur und Ammoniak bildet sich als Trübung Jodoform (Lieben, Gunning) (vgl. pg. 510). IL Die anorganischen Bestandtheile des Harnes. Die anorganischen Bestandtheile werden entweder bereits als solche dem Körper mit der Nahrung einverleibt und gelangen unverändert in den Harn , oder sie werden neugebildet, indem der S und der P der Nahrungsmittel verbrannt werden und sich nun mit Basen zu Salzen vereinigen. Es werden täglich 9 bis 25 Gr. Salze durch den Harn entleert. [§. 264-3 Anorganische Harnbestandtheile ; — Kochsalz. Phosphorsäure. 517 Während des Schlafes sind Chlor. Kalium und Natrium stark, Schwefel- säure (und feste Bestandtheile des Harnes überhaupt) etwas vermindert , die Acidität desselben beträchtlich erhöht (Laehr). 1. Das Chlornatrium (Kochsalz), — 12 (10—13) Gr. täglich, erscheint bald vermehrt: nach der Mahlzeit, durch Bewegungen , durch starkes "Wassertrinken , durch Steigerung der Harnmenge überhaupt, durch reichere Zufuhr von Kochsalz, aber auch von Kalium salzen ; — bald vermindert, zumal unter den entgegengesetzten Bedingungen. Unter krankhaften Verhältnissen ist die Kochsalzabsonderung sehr herabgesetzt: bei der Lungenentzündung und anderen, mit entzündlichen Ergüssen einhergehenden Affectionen. Aehnliches beobachtet man bei anhaltenden Durchfällen und Schweissen, constant auch bei Eiweissharnen und bei Wasser- suchten. Zerstörung rother Blutkörperchen steigert die Harnchloride ('Käst). In sonstigen chronischen Krankheiten hält die Ausscheidung der Menge des Kochsalzes ziemlich gleichen Schritt mit der Entleerung der Harnmenge über- haupt. In Excitationszuständen ist das Kochsalz vermindert, das Chlorkalium ver- mehrt; in Depressionszuständen umgekehrt (Ziilzer). Qualitative Bestimmung. — Harn wird im Reagenzglase mit etwas Salpeter- säure angesäuert und nun mit Silbernitratlösung versetzt, wobei ein käsiger, weisser Niederschlag von Chlorsilber entsteht. (Aus eiweisshaltigem Harne muss zuvor eine Entfernung des Eiweisses durch Kochen statthaben.) — Bei mikro- skopischer Untersuchung achte man auf die treppenförmig gebildeten Würfel von Kochsalz , zugleich aber auch auf die rhombischen Prismen von Chlornatrium- Harnstoff (§. 258). Quantitative Bestimmung — (nach Habelä? Fernholz!: Man misst 15 Ccmtr. des Harnbarytgemisches (§. 259. II) ab, säuert diese, nach der Neutralisation, mit 10 Tropfen verdünnter Salpetersäure (spec. Gewicht 1,119) an und setzt so lange von einer Silbernitratlösung (von der 1 Ccmtr. 10 Milligramme Koch- salz = 6,065 Chlor bindet) hinzu , als man die Entstehung des Niederschlages von Chlorsilber bemerken kann. — Hierauf filtrirt man eine kleine Portion in ein Reagenzglas ab und prüft, ob durch Zusatz von 1 — 2 Tropfen der Silber- lösung eine Trübung entsteht; ist diese stark, so giesst man das Ganze in das Becherglas zurück, setzt 0,1 Ccmtr. der Silberlösung zu und prüft von Neuem, bis die durch 2 Tropfen Silberlösung erzeugte Trübung nicht mehr besonders stark ist. Hierauf filtrirt man in ein zweites Reagenzglas eine ebenso grosse Portion ab und versetzt sie mit 2 Tropfen l°/0. Kochsalzlösung. Ist die Trübung ebenso stark wie durch 2 Tropfen der Silberlösung, so hat man den richtigen Punkt getroffen. Hierauf setzt man genau so viel Ccmtr. von der Silberlösung zu einer mit 10 Tropfen der Salpetersäure angesäuerten neuen Probe und vergleicht im Filtrate die Intensität der Trübungen durch 2 Tropfen Silberlösung und durch 2 Tropfen l°/0. Kochsalzlösung. Ist die Trübung durch Kochsalz stärker, so setzt man um 0,05 Ccmtr. der "Silberlösung weniger zu und vergleicht die Trübungen im Filtrate. Man setzt dann so viel mehr oder weniger von der Silberlösung hinzu, als dem Unterschiede beider letztgefundeneu Punkte entspricht, und setzt dies so lange fort, bis eine gleiche Menge von salpetersaurem Silber- oxyd und Kochsalz eine gleiche Trübung im Filtrate erzeugen. Nur ungefähre Genauigkeit gewährt die Jfo/rr'scke Probe: 10 Ccmtr. Harn, verdünnt mit Wasser auf 100 Ccmtr., neutralisire durch Kalkcarbonat, setze 3 Tropfen concentrirte gelbe Kalichromatlösung zu. Nun lasse ans einer Bürette Silber- lö sung (1-4,53 Gr. auf 500 Cmtr. Wasser) zufliessen, bis eine beim Umrühren nicht verschwindende Röthe entsteht. Jeder Cubikcentimeter Silber = 10 Milligramm Kochsalz oder 0,00607 Gr. Chlor. 2. Phosphor säure — kömmt im Harne in saurem Monokalium- und Mononatrium-Phosphat und in saurem phosphor sauren Kalk und Magnesia vor; sie beträgt etwa 2 Gr. pro Tag, ist jedoch reichlicher bei animalischer, als vegetabilischer Kost. Nach dem Mittagsmahl steigt ihre Menge bis zum Abend, sinkt dann in der Nacht bis zu dem nächsten Ausscheidung in Krankheiten. Qualitativer Nachweis. Quantitative Bestimmuno. l'hosphor- säure. 518 Phosphorsäure, Schwefelsäure. [§.264.] Vormittage. Muskelarbeit vermehrt sie. Sie stammt zum Theil aus phosphorsauren Alkalien und Erden der Nahrung, zum Theil ist sie StofFwechselproduct des Lecithins und Nucleins. Da näm- lich der P ein wichtiger Bestandtheil des Nervensystems ist, so erklärt es sich, dass die relative Vermehrung der Phosphor- säure ihren Ursprung einer vermehrten Zersetzung der Nerven- substanz verdankt. Bei Erregungszuständen soll die Menge demnach relativ vermindert, in Depressionszuständen, wie im Schlafe, vennehrt sein (Züher, StrübingJ. — Nach Mairet ist bei geistiger Arbeit die Menge der phosphorsauren Alkalien im Harn vermindert, die der phosphorsauren Erden aber vermehrte Verhalten in In Fiebern weist die vermehrte Ausscheidung von phosphorsaurem Kali Krankheiten. ^uf eine Consumption von Blut und Muskel hin (vgl. §. 221, 3). Auch bei Hirn- hautentzündung, Knochenerweichung, Diabetes und Oxalurie soll die Phosphor- Ausscheidung gesteigert sein , ebenso nach Milchsäure- , Morphin- , Chloral- oder Chloroform-Gaben. — Während der Schwangerschaft ist sie wegen der Knochen- "bildung des Fötus vermindert. Auch Aether- und Alkohol-Genuss machen sie ab- nehmen, ebenso Nierenentzündungen. Qualitativer Qualitative Bestimmung — versetzt man Harn im Reagenzglase mit Kali- Nachweis. ]aUge un(j erhitzt : so fallen die Erdphosphate flockig zu Boden (nicht das phos- phorsaure Natrium). Quantitative Zur quantitativen Bestimmung — ist nöthig: eine titrirte Lösung von Bestimmung, essigsaurem Uranoxyd, von welcher 1 Ccmtr. = 0,005 Gr. Phosphorsäure bindet. Ausführung: 50 Ccmtr. Harn werden mit 5 Ccmtr. einer Lösung essigsauren Natrons versetzt (enthaltend 100 Gr. letzteren Salzes und 100 Ccmtr. starker Essigsäure bis zu 1 Liter mit Wasser verdünnt), und es wird erwärmt. Nun lässt man die Titriiiösung unter Umrühren einlaufen so lange, als man noch Fällung spürt. Sobald freies Uranoxyd in der Flüssigkeit ist, giebt eine kleine Probe der Mischung in einem Uhrglase mit Kalium eis ency anür- lösung versetzt eine braun rothe Reaction. Neben der Phosphorsäure kommt noch Phosphor in unvollständig oxydirter Form im Harne vor: Glycerinphosphorsä.ure (§.253, 2) (Sotnitzschewsky) 15 Mllgr. auf 1 Liter Urin, mehr bei Nervenkranken (Lepine u. A.) und nach einer Chloroformnarcose (Zülzer). Bindung der 3. S c h w e f e 1 s ä u r e — ist im Harne theils an Altali- 8&wt~ m et alle, theils an Indol, Phenol, Skatol und BrCnzkatechin in Form von aromatischen Aetherschwefelsäuren (§. 264) (Baumann) gebunden, beide in dem Verhältnisse wie 1 : 0,1045 (van de Velde). Alle Momente, welche die Bildung von Indol, Phenol, Skatol oder Brenzkatechin begünstigen, vermeh- ren die gepaarten Schwefelsäuren. — Die gesammte ausge- schiedene Schwefelsäure beträgt 2,5 — 3,5 Gr. pro Tag, nach GeT nuss von Schwefel steigt sie (Krause). Die Schwefelsäure stammt ganz vornehmlich aus der Zersetzung der Albuminate, und deshalb geht ihre Menge durchweg der Menge des ausgeschiedenen Harn- stoffes parallel. (Die Zufuhr schwefelsäurehaltiger Alkalien in der Nahrung ist überdies in der Regel nur sehr gering.) Schwefel- Vermehrte Schwefelsäureausgabe im Fieberharne zeigt vermehrten Ge- T/aUj? "'.. websumsatz im Körper an. Bei Nierenentzündungen sah man einige Verminde- rung, bei Ekzem starke Vermehrung der Schwefelsäure im Harne. Bei Kaninchen (nicht bei Carnivoren und Menschen) bewirkt Fütterung des S-haltigen Taurins vermehrte Schwefelsäure im Harne (Salkowski). Nach Zülzer ist bei reicher Gallen- absonderung in den Darm die relative Schwefelsäuremenge des Harns gering. Qualitativer Der qualitative Nachweis — wird geführt durch Zusatz von Chlor- Nachweti. baryum zum Harn, der einen feinen, weissen, unlöslichen Niederschlag von Baryum sulp hat liefert. [§•264. Kieselsäure, Salpetersäure, Basen. 519 Zur quantitativen Bestimmung — nimmt man 50 Ccmtr. Harn, säuert sie stark mit Essigsäure an und setzt ein gleiches Volumen Wasser und Chlor- baryum zu. Nach s,4 Stunden Erwärmen auf dem Wasserbade hat sich der Niederschlag abgesetzt. Dieser wird auf dem Filtrum gesammelt, erst mit Wasser, dann mit warmer verdünnter Chlorwasserstoffsäure und schliesslich abermals mit Wasser ausgewaschen. Das so gereinigte schwefelsaure Baryum wird geglüht und gewogen: in ihm ist alle, an Salzen gebundene Schwefelsäure vor- handen. Das Filtrat und das Waschwasser enthalten noch die gepaarten Schwefelsäuren. Es wird das vereinigte Fluidum mit 1j9 seines Volumens con- centrirter Chlorwasserstoffsäure vermischt und längere Zeit erwärmt. Es scheidet sich schwefelsaures Baryum und eine harzige Masse ab. Man filtrirt, löst und wäscht mit heissem Alkohol die harzigen Massen vom Filter weg, wäscht mit heissem Wasser schliesslich nach, trocknet und glüht : — 1 Theil Baryumsulphat entspricht 0,3433 Schwefelsäure. Neben der Schwefelsäure kommt noch Schwefel (Vö) in unvollständig oxy- dirter Form im Harne vor (Bhodankalium, Cystin und aus der Galle stammende Schwefel führen de Substanz) (Kunkel, v. Voit, Lc'pine & GuerinJ (£. 179, 6). Unter schweflige Säure — (constant bei Hunden und Katzen, Schmiedebergj — kommt im normalen Menschenharn nicht vor /Presch), — doch trifft man sie , wenn Schwefelwasserstoff reichlicher im Darm sich bildet (Heffterj. Abnorm ist das mitunter beobachtete Schwefelwasserstoffgas — (erkennbar durch Schwärzung eines, über dem Harne mit essigsaurem Blei und etwas Ammoniak angefeuchteten Papiers), meistens durch Gährung mittels Mikro- bien entstanden, selten aus dem Darm oder aus pathologischen fauligen Herden resorbirt (Fr. Müller). 4. Sehr geringe Mengen von Kieselsäure, Salpetersäure, aus dem Triükwasser stammend, letztere zum Theil aber im Körper selbst erzeugt (Weyl). Bei der Harngährung werden die salpetersauren Salze zu salpetrig sauren reducirt. — Nach Genuss von pflanzen- sauren Salzen erscheinen kohlen saure Salze im Harne, der dann auf Säurezusatz aufbraust (Wohle}'). Natrium, ist im Harne vorwiegend an Chlor, etwas an Phosphorsäure und Harnsäure gebunden, — Kalium (bis gegen 1I3 des Natriums betragend) vornehmlich an Chlor. Im Fieber wird mehr Kali als Natron ausgeschieden , umgekehrt in der Reconvalescenz. — Calcium und Magnesium finden sich in saurem normalen Harne als Chloride oder saure Phos- phate. Wird der Harn neutral, so fällt neutraler phosphor- saurer Kalk und Magnesiumphosphat aus; [letzteres fand man auch im alkalischen Harne bei Magenkranken in grossen durch- sichtigen, vierseitigen Prismen (Ebstein)}. Wird der Harn alka- lisch, so scheidet sich Calciumcarbonat (Fig. 158. a) oder o-basisch- phosphorsaures Calcium aus, das Magnesium aber in Form von phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia (Tripelphosphat). Der Kalk stammt aus der Nahrung und richtet sich in seiner Menge nach der verdauenden, osmotischen und resorbirenden Fähigkeit des Nahrungscanales (§. 187. 6.) (Schetelig), [bei Phthisikern ist die Kalkausscheidung vermehrt. (Laivson, Senator)}. — Freies Ammoniak (0,72 Gr. pro Tag) ist auch . in ganz frischem Harne (Neubauer, Heins , Brücke) , reichlicher bei animalischer Kost als bei Pflanzenkost (Coranda). Nach Verabreichung von Mineralsäuren nimmt die Ausscheidung gebundenen Am- moniaks ebenfalls zu (Walther , Schmiedebergj Gäthgens). — Quantitative Bestimmung. Die gepaarten Schwefel- säuren. Unter- schweflige Säure. Schwefel- Andere Säuren. Xatrium. Kalium, Calcium, Magnesium. Ammoniak. 520 Veränderungen des Harnes beim Stehenlassen. [§• 264] Eiten. S202. Gase. Saure Harn gährung. Eisen fehlt niemals (1 — 11 Milligramm im Liter). — Ferner findet sich etwas Wasserstoffsuperoxyd (Schönbein) , erkennbar durch Entfärbung von Indigolösung auf Zusatz von etwas Eisensulphat. — In 1 Liter Harn sind 24,4 Ccmtr. Gase; 100 Volumina ausgepumpter Harngase enthalten 65,40 Volu- mina C02, — 2,74 0, — 31,86 N. Nach sehr starker Muskelaction kann die C02-Menge auf das Doppelte steigen; auch die Ver- dauung bewirkt Zunahme , vieles Trinken Abnahme ( Wurster & Schmidt). 265. Spontane Veränderungen des Harnes beim Stehenlassen: saure und ammoniakalische Harngährung. An einem kühlen Orte aufbewahrt, zeigt normaler Harn zunächst oft eine Bildung neu auftretender Säure : „saure Harngährung". Dieselbe entsteht während der Entwickelung eigenartiger Gährung s- pilze (Fig. 139. a) und wird begleitet durch Ausscheidung von Harn- säure (c), saurem harnsauren Natron (b) und oxalsaurem Kalk) (d). Nach Scherer sollen die Gährungspilze mit dem Blasen- schleime den Harnfarbstoff zum Theil zersetzen in Milchsäure und Essigsäure. Letztere treiben dann die Harnsäure aus dem neutralen harnsauren Natron aus, so dass eben freie Harn- säure und saures harn- saures Natron sich bilden niuss. Auch Butter- säure und Ameisen- säure fand man als abnorme Zersetzungspro- ducte anderer Harnbe- standtheile im Harne. Mit d — dem Beginne der sauren Gährung scheint der Harn 0 zu absorbiren (Pasteur) . — Nach Brücke ist es die Milch- säure, die sich aus den geringeren Zuckermengen des normalen Harnes bil- det, welche den beschrie- benen Process bewirkt. Nach Röhmann, der die saure Gährung nur ausnahmsweise entstehen lässt, rührt sie von Säuren her, die sich durch Umsetzung aus Zucker und zufällig vorhandenem Alkohol bilden. Noch während der Harn sauer reagirt, trübt ersieh und zeigt einen Gehalt an salpetrigerSäure, deren Herkunft noch unermittelt ist. Nach v. Voit & Hof mann soll vom sauren phosphorsauren Natron sich Phosphorsäure unter Bildung des basischen Salzes abspalten und Harnsäure aus harnsaurem Natron theils verdrängen, theils sie zur Umlagerung in saure Urate ver- anlassen. Sedimente bei der sauren Harngährung: a Gährungspilze. — b Amorphes saures harnsaures Natrium. — c Harnsäure. — d Oxalsaurer Kalk. [§• 265.] Eiweiss im Harne (Albuminurie) 521 Bei längerem Stehen und begünstigt durch die Wärme geht der Harn endlich in die „ammonia kaiische Gährung" über (Fig. 140) , indem unter der Entwicklung namentlich des mitunter rosenkranzähnlich angeordneten Micrococcus ureae (Fig. 141) (Pasteur, Colin) und von Bacterium ureae (Leube) der Harn- stoff unter Aufnahme von Wasser sich in C02 und Ammoniak zerlegt (pg. 502). Die Fähigkeit, den Harnstoff so zu zerlegen , kommt übrigens noch ver- schiedenen anderen Bacterien zu (im Ganzen 5 , darunter die Lungen-Sarcine), deren Keime überall in der Luft schweben (Leube). Diese Organismen erzeugen ein lösliches Ferment (Mtiskulus) , welches jedoch erst dann aus den Zellkörpern der Gährungserreger in die umgebende Flüssigkeit übertritt , nachdem dieselben durch Alkohol getödtet sind (Sheridan LeaJ. Durch die Gegenwart des gebildeten Ammoniaks im Harne trübt sich dieser, weil sich Substanzen ausscheiden, welche sich nicht mehr in Lösung zu erhalten ver- mögen : der amorphe drei- basisch -phosphorsaure Kalk, das saure h a r n- Ammonium (Fig. in Form der „Stech- oder „Morgenstern- Kugeln", endlich die grossen, wasserklaren, „ sargdeckelförmi- gen" Kry stalle von phosphor- saure 140. a; apfel-" Fig. Hl- Sedimente bei der ammoniakalischen Harngährung : a Saures harnsaures Ammonium. — b Phosphorsaure Ammoniak-Maguesia. Micrococcus ureae. saurer Ammoniak-Magnesia (b). Es bilden sich auch flüch- tige Fettsäuren, zumal Essigsäure (aus den Kohlehydraten des Urins) (Salkowski). — Bei Katarrhen und Entzündungen der Blase kann diese Gährung bereits innerhalb der Blase erfolgen ; alsdann sind jedoch dem Harne noch Lymphoidzellen (Eiterkörperehen) (Fig. 146) und abgelöste Epithelien in grösserer Zahl beigemengt. Bei reicher Eiterbeimischung wird dann der Harn auch eiweisshaltig. Jeder Harn, mit ammoniakalischer Gährung, entwickelt, wenn ein mit Chlorwasserstoffsäure befeuchteter Stab darüber gehalten wird, weisse Ohlorammon Nebel. Ammonia- kahsche Harn- (liihrunn. 266. Ei weiss im Harne (Albuminurie). Eiweiss stellt einen, für den Arzt sehr wichtigen abnormen Harnbestand- theil dar. 1. Serumalbumin — (dessen Eigenschaften §. 36. 1 a und §. 251 zu ver- gleichen sind) — kann im Harne erscheinen auch ohne anatomische Veränderungen des Nierengewebes (von v. Bamberger ,.häm at oge ne" , von Leube ..physio- Serum- Eiiceiss. 522 Eiweisskörper im Harne. [§. 266.] Ursachen d es 1 o g i s c h e Albuminurie'" genannt). In minimalen Spuren ist sogar Eiweiss AUnmin- ^ ^en meisten Fällen im Harne als normal gefunden (PosnerJ. Namentlich Harnes, findet sich dies in Folge grösseren Albumingehaltes des Blutplasmas (z. B. bei unterdrückter Milchsecretion) und nach excessiver Eiweissmahlzeit. Auch im Harn der Föten und Neugeborenen ist das Eiweiss häufig. — 2. Bei ge- steigerten Druckverhältnissen im Gebiete der Nierengef ässe (z. B. nach einem kalten Bade oder nach sehr reichlichem Trinken) entweder für längere Zeit, oder vorübergehend, namentlich bei Stauungshyperämien in Herz- leiden, Emphysem, chronischen Pleuraergüssen, Infiltrationen der Lungen — und nach Thorascompression , welche Stauungen im kleinen Kreislaufe und weiterhin bis in die Nierenvenen bewirkt (Schreiber ' . — 3. Nach Durchschneidung oder Lähmung der vasomotorischen Nerven der Niere, wodurch hoch- gradiger Blutreichthum der Niere gesetzt wird. Hierher gehört auch die Albu- minurie nach intensiven und länger dauernden schmerzhaften Affectionen der Unterleibsorgane, [z. B. bei eingeklemmten Brüchen (Englisch)] , durch welche eine reflectorische Paralyse der Nierengefässnerven (§. 278) hervorgerufen werden kann (Fischel). Nach heftigen Muskelanstrengungen (Märsche, LeubeJ oder Krampfanfällen, bei Epilepsie, Erstickungskrämpfen , nach Strychnin- wirkung (Hnppert). Die, bei Hirnerschütterung, Apoplexie und Rückenmarks- lähmungen, heftigen Gemüthsbewegungen, angestrengter Geistesarbeit, Morphinis- mus beobachtete Albuminurie ist vielleicht auch auf eine Affection der Centra der Vasomotoren zurückzuführen. — 4. Ein Unvermögen der Epithelien, das Eiweiss zurückzubehalten, kann Albuminurie bewirken, und zwar, wie es scheint, wegen mangelhafter Ernährung und functioneller Schwächung der secretorischen Elemente. Hierher gehört die Albuminurie bei Ischämie, aber auch nach Blutungen (Quincke] , bei anämischen Zuständen , Scorbut , Icterus, Diabetes und in der Agone. • — 5. In Begleitung vieler acuten fieberhaften Krankheiten, zumal bei acuten Exanthemen (z. B. Scharlach), ferner bei Typhus, Pneumonie, Pyämie. Möglich, dass auch hier die gesteigerte Temperatur lähmend auf die Gefässe wirkt , wahrscheinlicher ist es aber , dass der secreto- rische Apparat der Niere eine Veränderung erlitten hat („trü be Schwellung" der Epithelien der Harncanälchen, Entzündung der Glomeruli) , welche dieselben unfähig machen, das Eiweiss zurückzubehalten. — 6. Entartung der Nieren, wie Nierenschrumpfung, ani3Tloide Degeneration, ferner Entzündungen in den verschiedenen Stadien ziehen ganz gewöhnlich Albuminurie nach sich. — 7. End- lich können Entzündungen und Eiterungen in den ableitenden Qarnwegen von den Nierenkelchen bis zum Harnröhrenende den Harn eiweiss- haltig machen. Alsdann findet man jedoch stets Eiterzellen im Harne , nicht selten auch rothe Blutkörperchen oder ihre Auflösungsproducte und Fibringerinnsel. Gewisse Substanzen, welche reizend und entzündungserregend auf die Harn- apparate wirken, sind endlich zu nennen : Canthariden, Carbolsäure. — 8. Merk- würdig ist das Auftreten von Eiweiss im Harn, nachdem man Kochsalz völlig aus der Nahrung entfernt hat. Nach erneuert r Zufuhr verschwindet es wieder (Wundt, F. Kosenthai) . Qualitativer Nachweis des Albumins im Harne: — a) Zusatz von wenig Essigsäure Eiweiss- un(i concentrirter Kaliumeisencyanürlösivng bewirkt Niederschlag; Ham.X D) der mit 1/a seines Volumens Salpetersäure versetzte und zum Sieden erhitzte Harn zeigt Fällung ; c) der mit wenigen Tropfen Essigsäure versetzte und sodann mit gleichem Volumen concentrirter Glaubersalzlösung gemischte und gekochte Harn giebt einen Niederschlag ; d) schärfstes Eiweissreagenz : 5 Vol. conc. Magnesiumsulfat-Lösung und 1 Vol. conc. Salpetersäure (Roberts). Im alkalischen Harne kann das Kochen (durch Austreiben der C03 aus dem Harne) einen Niederschlag der Erdphosphate bewirken, die Eiweiss vor- täuschen können. Setzt man jedoch nun etwas Essigsäure zu, so lösen sich diese wieder auf, während Eiweiss coagulirt wird. — Zu der Eiweissreactiou sollen nur klare Harne verwendet werden, trübe sind daher zuvor zu filtriren. Quantitative Die quantitative Bestimmung des Eiweisses — geschieht also : 100 Ccmtr. Eiweiss- jjarn werden in einer Schale zum Kochen (eventuell nach Zusatz von etwas ^durch*19 Essigsäure) erhitzt, wodurch das Eiweiss flockig ausfällt. Man sammelt den Nieder- Wäguny. schlag auf einem gewogenen, bei 110° getrockneten, aschenfreien Filter, wäscht [§•266.] Eiweisskörper im Harne. 523 Das Albumini- meter. Fig. 142. Globulin. ■M '! : ,i Pepton. wiederholt mit heissem Wasser, dann mit Alkohol und trocknet völlig im Lui't- bade bei 110°. Das getrocknete Filtrum wird nnn gewogen, und es wird das Gewicht des Filtrums abgezogen. Endlich wird das Filtrum mit dem Eiweiss in gewogenem Platintiegel verascht, und das Gewicht der Asche wird gleichfalls noch abgezogen. Die Bestimmung durch den Polarisationsapparat siehe §. 155. Durch Fsbach's Albuminimeter. — Ein Glascylinder wird bis zur Marke U mit Harn, bis zur Marke R mit dem eiweissfällenden Reagenz (20 Citronen- säure, 10 Pikrinsäure, 97U Wasser) gefüllt und verstopft umge- schüttelt. Nach 24 Stunden (bei Zimmertemperatur) hat sich der gesammte Eiweissgehalt coagulirt gesenkt : die Theil striche der Scala des Glases geben die Gramme Eiweiss in 10W Grm. Harn an. [Der Harn muss sauer reagiren, frisch sein, darf kein zu hohes spec. Gewicht haben ; starker Eiweissgehalt kann daher die Ver- dünnung des Harnes mit der 2 — ^fachen Wassermenge nothwendig machen : die erhaltene Eiweissmenge ist dann natürlich mit 2—4 zu multipliciren.] 2. Globulin — wurde fast nur in Eiweissharnen , und zwar in den meisten Fällen angetroffen (Senator, Edtefsen;. — Zum Nach- weise wird 50 Ccmtr. Eiweissharn mit Kalilauge schwach alkalisch gemacht und mit gepulvertem Magnesiasulfat gesättigt; es fällt dann in 24 Stunden warm gestellt alles Globulin aus (vgl. §. 36. 1. b.). Je reicher Globulin neben Albumin ist, um so schwerer ist der Fall (F. A. Hof mann.) 3, Pepton — (v. Frerichs, 1851) kommt in manchem sauren Eiweissharn, selten auch in eiweissfreiem (Gerhardt) vor. — Maixner fand Pepton constant bei allen Eiterungskrankheiten (auch bei Lungen- schwindsucht, A«««m^V (pyenogene Peptonurie). Es rindet sich nämlich stets auch im. Eiter Pepton; die Peptonurie ist ein Zeichen des Zerfalles der Eiterzellen (Hofmeister). Sie tritt auch auf in Folge reichlichen Zerfalles lymphatischer Zellen im Blute (liäma- togene Peptonurie). Es findet sich ferner bei gesteigerten Rück' bildungs- oder Zerfall-Processen eiweissreicher Gewebe, z. B. bei Carcinom. Hierher gehört wohl auch das constante Vorkommen im Wochenbette (Fischet), oft auch in der Schwangerschaft bei ab- gestorbener und sich zersetzender Frucht (Köitnitz) (puerperale Peptonurie). Auch wenn der Harn mit Samen vermengt ist, trifft man Pepton und Propepton (Posner, . — Zum Nachweis wird EsbacVs Albu- durch Kochen unter Essigsäurezusatz das Eiweiss entfernt, Das minimeter. kkre j^rat, mjt 3fachem Volumen Alkohol geschüttelt, lässt das Pepton ausfallen. Im Wasser gelöst, zeigt dieses die charakteristi- schen Reactionen (vgl. pg. 314). Dies Verfahren ist jedoch nicht völlig genau. Zum sicheren Nachweis setzt Hofmeister zu '/a Liter sauren Harn 10 Ccmtr. conc. Lösung von Natriumacetat und hierauf so lange conc. Lösung von Eisenchlorid, bis die Flüssigkeit roth bleibt. Nun stumpft er mit Alkali die Flüssigkeit bis zu ganz schwach saurer Reaction ab, kocht und Iiltrirt kalt. In dem einge- dampften Filtrat gelingt die Peptonreaction. — Oder mau sättigt den Harn mit Ammoniumsulfat, wodurch alle Eiweisskörper ausser Pepton niedergeschlagen werden (Kühne &. IVenzJ, iiltrirt und setzt dem klaren Filtrate Gerbsäure oder EsbaMs Reagenz zu, wodurch das Pepton gefällt wird. 4. Propepton — (vgl. pg. 312) ist sehr selten bei Osteomalacie und Darm- tuberculose (meist neben Albumin) gefunden (Macynier &* Benee Jones, (V.Kühne, Ter Gregonanz, v. falsch). Der, mit Kochsalz gesättigte, mit viel Essigsäure ver- setzte Harn wird kochend heiss Iiltrirt (zum Abscheiden von Albumin und Globulin). Im kalt werdenden Filtrate bildet das Propepton eine Trübung, die beim Erhitzen sich allemal wieder löst. Auch die im Filtrate durch Salzsäure und Salpeter- säure in der Kälte gebildete Fällung löst sich in der Hitze Kühne, . — Der, durch Filtration isolirte Niederschlag wird in wenig warmen Wasser gelöst und giebt mit Salpetersäure gelbe Reaction; die Lösungen geben auch, wie die Peptone, Biuretreaction. 5. Eieralbumin — tritt nach sehr reichem Genüsse im Harne auf (vgl. Eiträßumln. pg. 375, 4), ebenso nach Einspritzung in die Blutbahn. [Das Eiweiss in der Propepton. 524 Blut im Harne (Hämaturie). [§• 26Ö.} Brig.ht' sehen Krankheit soll nach Semmola eine Molekularveränderung erlitten haben, in Folge derer es (ähnlich dem Eiereiweiss) ausgeschieden wird.] Schleim. 6. Schleim — ist in reichlicher Menge bei Katarrhen der Hamorgane, namentlich der Blase, vorhanden. Mikroskopisch ist der Befund zahlreicher Lymphoidzellen (Schleinikörpercken), welche sich von den Eiterkörperchen nicht unterscheiden, beachtenswerth. Da diese Eiweiss enthalten, so wird je nach ihrer Reichhaltigkeit auch Eiweissreaction sich zeigen. Die charakteristische Reaction auf Schleimstoff ist jedoch die Essigsäure (§. 252. 1), die auch in dem klar filtrirten Harne flockigen Niederschlag erzeugt; durch Kochen wird jedoch Mucin nicht gefällt. — Bei Blasenleiden findet sich mitunter eine eigenthümliche schleimige Degeneration, welche ein Anaerobe „Bacterium gliscrogenum" erzeugen soll (Malerba CT-5 Sanna-Salaris) . 267. Blut und Blutfarbstoff im Harne (Hämaturie; — Hämoglobinurie). Herkunft des I. Bei der Hämaturie — kann das Blut aus sämmtlichen Theilen des Blutes. Harnapparates stammen. — 1. Bei Nierenblutungen ist das Blut meist wenig copiös dem Harne beigemengt und sehr vertheilt. Die Blutkörperchen zeigen hier oft eigenthümliche Formveränderungen und Theilungsvorgänge, welche von der Einwirkung des Harnstoffes hergeleitet werden können (pg. 23), von Fried- reich aber auf eine selbstständige Amöboidbewegung bezogen worden sind (Fig. 144). Pathognostisch sind für die Nierenblutungen die, im Sedimente sich findenden „Blutcylinder" , d. h. längliche mikroskopische Coagula von Blut, die als echte Abgüsse der Sammelröhren der Nieren betrachtet werden müssen und die von hier in den Harn geschwemmt sind (Fig. 152). — 2. Bei Blutungen der Ureteren sieht man mitunter lange , wurmf örmige Stränge geronnenen Blutes als Abgüsse der Harnleiter im Harne. — 3. Die relativ grössten Coagula von Blut kommen bei Blasenblutungen vor. Fig. 144. °°°% ~o CO CO o o CDß Stechapf elf örmige Blutkörperchen im Harne. Eigenartige Formveränderungen der rothen Blutkörperchen bei renaler Hämaturie na,chB'riedreich. Bei allen Formen des Blutharnes wird man zunächst mit dem Mikroskop auf Blutkörperchen fahnden; daneben richtet man das Augenmerk auf etwaige Fibringerinnsel. Mikro- In saurem Harne kann man noch 2—3 Tage lang rothe Blutkörperchen skopische (niema]s geldrollenartig aneinander gelagert) erkennen. — War die Blutung aufm™9 ziemlich reichlich erfolgt, so sieht man sie meist normal gestaltet; war der Harn sehr concentrirt, so erscheinen sie maulbeer- oder stechapfel-förmig ge- schrumpft (Fig. 143). [Vgl. §. 9. B. c.] Die Blutkörperchen senken sich in ruhig stehendem Harne stets allmälig zu Boden. Ist das Blut dem Harne aus zerrissenen kleinen Capillaren langsam und spärlich beigemischt, so erscheinen die rothen Blutkörperchen alle von sehr ungleicher Grösse, manche von nur 1/2 — Vs Grösse der normalen. Dabei ist ihr Farbstoff brauugelb geworden (Fig. 145). Besteht bei Blutungen dieser Art eine katarrhalische Entzündung der Blase, so trifft man zwischen den rothen, oft stark geschrumpften Blut- Lymphoid- zellen. [§• 267.] Blutfarbstoff im Harne (Hämoglobinurie). 525 Fig. U5. körperchen zahlreiche , auch zu Massen mit einander verklebte Leucocyten (Fig. 146), an denen man an frischen Präparaten oft schöne Amöboid- bewegungen wahrnimmt (vgl. pg. 33). Ist der Ham. wie meist, alkalisch, so findet man zwischendurch Krystalle von phosphorsau rerAm- moniak - Magnesia vor (Fig. 146). Sind die rothen Blut- körperchen im Harne bereits hochgradig abgeblasst , so werden sie nicht selten durch Zusatz von einer weingelben Jodjodkaliumlösung wieder markirter (§. 10). — Blut findet sich im Harne con- stant als Beimengung während der Men- struation. II. Die Hämoglobinurie — d. h. die Ausscheidung des Hämoglobins durch die Nieren, ist von dem echten Blutharnen völlig unterschie- den. Sie findet sich nur, wenn bereits innerhalb der Gefässe reichlicher Hb aus aufgelösten rothen Blutkor- In reinster Weise findet sich dies Art (auch von Lammblut beim Menschen). Die fremden Blut- körperchen lösen sich in der Blutbahn des Empfängers auf, und der Blutfarbstoff er- scheint im Harne (vgl. pg. 25 u. 197); ausserdem finden sich mikroskopische ,,Cylin- der" aus den Harncanälchen von geronnener, durch Blut- farbstoff gelblich tingirrer globulinartiger Substanz. Blutfarbstoff fand man auch im Harne nach umfangreichen |s Verbrennungen (§. IG. 3.) Kleh , nach Blutzersetzun- gen im Körper bei Pyäinie, Scorbut, Purpura, heftigen Typhen, nach Genuss von ungebrühten Morcheln (Bo- strb'm (und Lupinen bei Schafen) Arnold ä? Lemckc , nach Einathmen von Arsen- wasserstoff, nach Uebertritt von Azobenzol Baumann J- Herter . von Na ph toi Kaposi, , Pyrogallnssänre Wedl, , To- luydendiamin Stadelmann, Affauasie-w . chlorsaurem Kali Marchand) ; von Chloral, Phosphor, Carbolsäure in die Circulation, indem diese Körper die rothen Blutkörperchen auflösen, endlich periodisch in noch nicht aufgeklärten Anfällen (auch beim Pferde), wobei es sich um eine leichtere Auf- Ungleichförmige rothe — und weisse (a) Blut- körperchen. perchen frei geworden ist (Hämocytolyse). nach Transfusion von Blut einer fremden i ■ jä3 -^vü-— ■ ■ Rothe, stark eingeschrumpfte Blutkörpereben im Harn bei Blasenkatarrh zwischen zahlreichen Leucocyten und kleinen Krystallen von Tripel- phosphat- Hämo- globinurie. 526 Blut im Harne (Hämaturie; — Hämoglobinurie). [§• 267.] Blutproben. Farbe. Eiweiss- reaction . He ller's Blutprobe. Häminprobe. Spectro- srcopischer Nachweis. lösbarkeit der rothen Blutkörperchen, namentlich der von Aussen einwirkenden Kälte gegenüber (auf die Haut) zu handeln scheint. (Vgl. §§. 11, 16 u. 182.) Nachweis von Blut im Harne: — 1. Die Farbe des bluthaltigen Harnes ist in allen Nuancen von schwachem Roth bis zum Dunkelschwarzbraun beob- achtet, je nach dem Reichthum der Beimengung. Oft ist der Harn trübe. ü. Blut- oder Blutfarbstoff-haltiger Harn muss stets alle Reactionen auf Eiweiss zeigen. 3. Heller' 's Blutprobe. — Man setzt in einem Reagenzglase dem Harne 1I3 Kalilauge zu und erhitzt massig. — Es fallen nun die Erdphosphate nieder, welche das Hämatin mit sich reissen, so dass granatrothe Flocken sich absetzen. Bei sehr schwach bluthaltigen Harnen sind letztere bei auffallendem Lichte roth, bei durchfallendem grünlich: (noch scharf bei 1 pro mille Hb-Gehalt. Sind im alkalischen Harne die Erdphosphate bereits gefällt, so erzeugt man künst- lich eine Fällung durch Zusatz von einigen Tropfen Magnesiumsulphat und Chlor- ammonium, an welcher man dasselbe wahrnimmt. 4. Aus den so dargestellten, auf dem Filtrum gesammelten, blutfarbstoff- haltigen Erdphosphaten kann man weiterhin Häminkry stalle darstellen. — Doch kann man hierzu auch verfahren, wie pg. 48, 4. beschrieben ist. 5. Man kann auch die Reaction mit Guajactinctur und Terpentinöl machen, wobei das Blut als Ozonüberträger wirkt (§. 42. 1) (van Deen). Der Harn darf die bläuende Eigenschaft durch vorheriges Kochen nicht verlieren (Brücke). 6. Bluthaitiger Harn bietet, mit dem Spectroskope untersucht, charak- teristische Erscheinungen dar (§. 20). Fig. 147. Spectroskop zur Untersuchung des Harnes auf Blutfarbstoff aufgestellt. 0.i:y!iäruo- globin. Fig. 147 zeigt uns die Aufstellung des Apparates zur Blutuntersuchung im Harne. Der Harn befindet sich in dem , mit planparallelen Glaswänden ver- sehenen, 1 Cmtr. dicken Kästchen (D) („Hämat i n ometer"). Durch ihn sendet die Lampe E ihre Strahlen. Die Lampe F beleuchtet die Scaia, während der Beobachter durch das Fernrohr A untersucht. (Vgl. pg. 41.) Die Untersuchung ergiebt nun : a) Frischer bluthaltiger Harn zeigt das Spectrum des Oxyhämo- globins (Fig. 12 [2], pg. 42). Hierbei ist unter Umständen für die nöthige Ver- diinnung des Harnes mit destillirtem "Wasser, und durch Filtriren für völlige Klarheit zu sorgen. Zur Bestätigung des Befundes kann man noch auf das Oxy- [§. 267.] Blut und Galleubestandtheile im Harne. 52^ Methämo- globin. hämoglobin die (pg. 42) beschriebenen reducirenden Substanzen einwirken lassen, welche „reducirtes" Hämoglobin erzeugen. bj Steht concentrirter Blutharn, zumal bei Blutwärme, etwas länger, so nimmt er unter saurer Reaction tief dunkelbraunschwarze Färbung (wie Kaffeesatz) an. Es verwandelt sich nämlich nun der Blutfarbstoff in Methämoglobin (§. 20i pg- 43). Gelöstes Methämoglobin ist (im Gegensatze zu Oxyhämoglobin) durch Bleiessig fällbar. Die so im Harne entstehende saure Lösung des Methä- moglobins hat grosse Aehnlichkeit im Spectroskope mit dem Hämatin in saurer Lösung (pg. 42, Fig. 12 [5]). Wird nun der Harn alkalisch gemacht, so zeigen sich die Absorptionsstreifen des Methämoglobins in alkalischer Lösung. Man trifft auch die Spectra von O-Hb und Met-Hb vereint im Harne. — Endlich beobachtete man auch Hämatin im Harne (Lewin &* Posner). c) Wird bluthaltiger Harn durch Kochen coagulirt und das schwarzbraune Darstellung Coagulum ausgewaschen, dann getrocknet, sodann dasselbe mit schwefelsaure- der Hamann- haltigem Alkohol bei gelinder Wärme extrahirt, so gewinnt man em braunes Fluidum , welches (wenn es hinreichend concentrirt ist) sich spectroskopisch als Hämatin in saurer Lösung (Fig. 12 [5]) zu erkennen giebt. VJsun b Tyrosinbüschel ; — c Doppelkugeln von liarnsaurem Ammonium. 272. Sedimente im Harne. Sowohl im normalen, als auch im pathologischen Harne können sich am Boden des Gefässes Abscheidungen finden, die man als Sedimente bezeichnet. Sie sind entweder „organisirte" oder „unorganisirte". I. Die organisirten Sedimente. niut. A. Sediment von Blut— herrührend: rothe und weisse Blutkörperchen (Fig. 143, 144, 145, 146), mitunter auch Faserstofffäden. Eiter. B. Eiterzellen — in grösserer oder geringerer Menge bei Katarrhen oder Entzündungen der Harnwege. — Die Zellen gleichen völlig den weissen Vonnis Blutkörperchen (Fig. 6 und 7). — Giesst man den Bodenersatz ab und löst ein Eiterprobe. Stück Aetzkali in demselben auf, so zergeht der Ei ter zu einer glasigen, faden- ziehenden, weiterhin mehr consistenteren Masse (Alkalialbuminat, Dünne). Schleim, auf diese Weise behandelt, löst sich zu einer dünnen Flüssigkeit mit Flocken vermischt. Epitheiien. ' C. Epithelien — verschiedener Form, nicht immer erkennbar, von welchen Stellen sie abstammen. Sie sind reichlicher bei Katarrhen der betreffenden Orte. Bei Frauen finden sich auch Plattenepithelien der Vagina. — Zu den Epithelial- Samenföden. gebilden gehören auch die Samenfäden (§.434). [§•272.] Sedimente im Harne. 531 ***** D. Niedere Organismen — entstehen in den Harnwegen selbst Niedere sehr selten, z. B. in der Blase , wenn Keime derselben durch unreine Katheter Organismen: hineingebracht worden sind. — Man kann folgende Formen unterscheiden : 1. Schizomyceten (Spaltpilze; "vgl. §. 186). — Der normale mensch- Spaltpilze, liehe Harn enthält weder jemals Spaltpilze, noch auch Keime derselben. In pathologischen Fällen können allerdings Pilze aus dem Blute in die Harncanäl- chen und den Harn gelangen (Leube). Fig. 150. — Im alkalisch gährenden Harne (pg. 521) erscheinen theils llikro- c o c c e n, theils stäbchenförmige B a c- terien oder Bacillen (Fig. 150). Zu den Schizomyceten gehört noch die Sarcine (vgl. §. 188 D). 2. Saccharomyceten (Gäh- rungspilze) : a) Der Pilz der sauren Harngährung (Saccharomyces urinae) : kleine bläschenförmige Zellen, theils in Gruppen, theils in Reihen liegend (Fig. 139 a— 150 f); b) im Zucker- harn findet sich die Hefe vor (Sac- charomyces fermentum) (Fig. 128). 3. Phycomyceten (Schimmelpilze) — zeigen sich als Schimmelbildungen im faulen Harne (Fig. 146. e) ; sie sind ohne Bedeutung. E. Von grosser Bedeutung für die Diagnose mancher Nierenkrankheiten ist das Vorkommen sogenannter „Harncylinder", — d. h. von Abgüssen der Harncanälchen (Vigla, Henle 1837). Sind diese Gebilde relativ dick und mehr gerade, so stammen sie wahrscheinlich aus den Sammelröhren der Nieren , sind sie dünner und gewunden, so vermuthet man ihre Herkunft aus den Tubuli contorti. Gährungs- pilze, e Schimmelpilze. — / Sprosspilze (Hefe). — dg Spaltpilze (Mikrococcen uud Ba- cillen). — abc Harnsäure, nach v, Jaksch. Schimmel- pilze. Harn- cylinder. Fig. 152. Fig. 153. v->. %<&& ^ Fig. 151. Epithelcylinder. — Fig. 152. Blutcyliuder. — Fij cylinder, nach v. Jaksch. 153. Leukocyten- Man kann verschiedene Arten der Cylinder unterscheiden : — 1. Epithel- cylinder (Fig. 151), welche aus verklebten und ausgestossenen Zellen der Harn- canälchen bestehen. Sie deuten an , dass innerhalb der Niere noch keine sehr tief greifenden Veränderungen vor sich gehen, sondern dass bis dahin, wie bei katar- rhalischen Entzündungen auf Schleimhäuten , das Epithel sich in Desquamation befindet. — 2. Hyaline Cylinder (Fig. 157), völlig homogen und glashell (am besten nach etwas Jodlösungzusatz zum Präparate aufzufinden) , meist laug und schmal ; mitunter sind sie mit ganz feinen zerstreuten Pünktchen oder mit Fettkörnchen besetzt | „fein grau uli rte" Cylinder) (Fig. 155). — Nach Ribbert leiten auch sie ihren Ursprung ab vom Eiweiss, das in die Harncanälchen trans- sudirt ist. Saure Reaction des Harnes scheint der Ausbildung derselben förder- 34* Epithel- cylinder. Hyaline 532 Sedimente im Harne. [§• 272.] lieh zu sein. Sie lösen sich im alkalischen Harne schnell auf. Der Erfahrung gemäss treten diese Cylinder erst im späteren Verlaufe von Nierenentzündungen Fig. 154. Fig. 155. Fig. 156. Dunkel- körnige Cylinder. Fig. 154. Saures harnsaures Natron in Cylinderform. — Fig. 155. Feinkörnige Cylinder. — Fig. 156. Grobkörnige Cylinder, nach v. Jaksch. auf, nachdem die Epithelien der Harncanälchen bereits zerstört sind. — 3. Dunkel- körnige Cylinder (Fig. 156) braungelb, undurchsichtig und ganz aus körniger Masse bestehend, meist etwas breiter als die hyalinen. Es kommen entschiedene Uebergänge zu den letzteren vor. Nicht selten sieht man sie mit fettig ent- Fig. 157. Amyloide arteten oder atrophischen Epi- Cyhnder. thelien der Harncanälchen besetzt. — 4. Amyloidcylinder, bei amyloider Entartung der Nieren (pg. 484) vor- handen; sie sind wachsartig glän- zend, völlig homogen (Fig. 157 a), geben mit Schwefelsäure und Jodlösung die blaue Färbung der Amyloidreaction. — ßiutcyiinder. 5. Blutcylinder, bei capillarer Blu- tung im Nierengewebe , ganz aus ge- ronnenem Blute bestehend , mit deut- lichen Blutkörperchen (Fig. 152). Diese schliessen sich an die Cylinder bei Hä- moglobinurie , z. B. nach Transfusion fremdartigen Blutes (Ponfick). Sie be- stehen aus Blutfarbstoff oder aus dem Globulin desselben mit Hämatin tingirt. Aus dem Eiweiss aufgelöster Blut- körperchen bestehen auch wohl die bei Icterus beobachteten , alsdann gelb- gefärbten Cylinder (vgl. §. 182, 7). — Harn, welcher Cylinder enthält , ist stets eiweissh altig. Auch Leukocytencylinder werden bei eitrigen Processen in den Harncanälchen beobachtet (Fig. 153). — Ohne Bedeutung sind cylinderartig an- einander gelagerte Urate (Fig. 154). IL Die unorganisirten Sedimente. Diese, theils krystallisirt, theils amorph, haben bereits in der Be- sprechung der einzelnen Harnbestandtheile ihre Erledigung gefunden. a Hyaliner Cylinder. — J Hyaliner Cylin- der mit Leukocyten besetzt. — c Hyali- ner Cylinder mit Nierenepithelien be- setzt, nach v. Jaksch. 273. Schematisclier Ueberblick zum Erkennen aller Harnsedimente. I. Im sauren Harne — können angetroffen werden : 1. Ein amorphes, krümeliges Sediment: a) das sich in der Wärme löst, in der Kälte wieder ausscheidet, das nach Zusatz von einem Tröpfchen Essigsäure zum mikroskopischen Präparate Krystalle von Harnsäure ausscheidet, [§. 273.] Schematischer TTeberblick zum Erkennen aller Harnsedimente. 533 das oftmals röthlick gefärbt ist („Ziegelmehlpulver'^. Dieses Sediment besteht aus Uraten, siehe Figur 139. b) Das Sediment löst sich nicht durch Erwärmen , sondern nach Zusatz von Essigsäure, und zwar ohne Aufbrausen: dieses ist wahrscheinlich drei- basisch-phosphorsaurer Kalk. Fiff. 158. a Kleinkörniger kohlensaurer Kalk, — l und c krystallinisclier neutraler phosphor saurer Kalk. c) Hin und wieder vorkommende kleine, sehr stark lichtbrechende Körnchen, die sich in Aether auflösen, sind Fettkörnchen. (Vgl. §. 48. Lipaemie.) Fett findet sich im Harne namentlich bei Anwesenheit eines Rundwurmes (Filaria sanguinis hominis) im Blute (nur bei Ausländern oder Gereisten), ferner mitunter gleichzeitig neben Zucker im Harne, bei Schwindsüchtigen, bei Phosphorvergiftung, im gelben Fieber , bei Pyämie , nacb langwierigen Eiterungen, endlich nach Fett- oder Milch-Injectionen in die Blutbahn. Fettige Degeneration im Bereiche der Harnapparate, Beimischung von Eiter aus alten Abscessen und schwere Knochenverletzungen kommen weiterhin in Betracht. Hier wird auch auf Cholesterin und Lecithin zu achten sein. Sehr selten kann der Fettgehalt des Harnes so hochgradig werden (Chylurie), dass der Harn rahmartig wird. Fis:. 160. Fig. 161. V Fig. 159. Phosphorsaure Ammoniak-Magnesia ; — Fig. 160. Unaussebüdete Krystalle derselben. — Fig. 161. Saures harnsauies Ammonium, nach v. -)ak3ch. 2. Ein aus Krystallen bestehendes Sediment: a) Harnsäure; siehe Figur 139 und 150: „Wetzstein-Krystalle". b) Oxalsaurer Kalk: siehe Figur 139 und 1-18. B; ..Briefcouvert-Krystalle' — nach Essigsäurezusatz unlöslich. c) Cystin (äusserst selten); siehe Figur 148 A. d) Leu ein und Tyrosin von grösster Seltenheit: siehe Figur L49. 534 Harnsediniente und Harnconcremeute. [§. 273-] Im alkalischen Harne — können sich vorfinden: 1. Das Sediment ist völlig amorph und krümelig: dasselbe besteht aus dreibasisch-phosphorsaurem Kalk; es löst sich nach Zusatz von Säuren ohne Aufbrausen. 2. Das Sediment ist krystallinisch , oder doch von charak- teristischer Form: a) Phosphorsaure Ammoniakmagnesia; siehe Figur 159, 146, 140: grosse „Sargdeckelkrystalle", nach Säurezusatz sofort löslich. b) Bei auffallendem Lichte gelbliche, bei durchfallendem dunkle kleine Kugeln, oft mit Spitzen besetzt: „Stechapfel- oder Morgenstern "-Formen , daneben amorphe Körnchen; siehe Figur 161 u. 140. Diese bestehen aus saurem harnsauren Ammonium. c) Kohlensaurer Kalk: Kleine weissliche Kugeln , bisquit- oder drusenförmig an ein- ander gelagert ; daneben amorphe Körnchen. Nach Säurezusatz erfolgt ein Aufbrausen (auch im mikroskopischen Präparate) (Figur 158, a). d) Aeusserst selten sind L e u c i n und T y r o s i n ; siehe Figur 149. — Selten sind auch mit den Spitzen zusammenstossende , spiessige Basisch-phosphorsaureMagnesia. Krystalle von neutralem phosphor- sauren Kalk (Fig. 158, c) , — sowie Tafeln von basisch-phosphor- saurer Magnesia (Fig. 162). Sowohl im sauren, als auch im alkalischen Harne können die organi- sirten Sedimente vorkommen; unter ihnen finden sich Eiterzellen vorwiegend im alkalischen Harne, ebenso sind die niederen pflanzlichen Organismen in diesem vorherrschend. 274. Die Hamconcremente. Vorkommen, Harnconcremente kommen von der Grösse der Sand- oder Kies-Körner bis Grösse. z11 Faustgrösse vor : man trifft sie ausser in der Blase noch im Nierenbecken, in den Ureteren und im Sinus prostaticus. In allen Harnconcrementen findet sich eine organische, die Concrementtheilchen verklebende Gerüstsubstanz (Ebstein). Man theilt dieselben nach Uttzmrinn ein: rrimäre ]_< jn Harnsteine, deren Kern aus Sedimentbildnern des sauren u"3' Harnes bestehen (primäre Steinbildung). Diese entstehen zunächst alle in der Niere und wandern von da in die Blase, wo sie entsprechend dem Wachsthum der Krystalle in dem Harne sich vergrössern. Secundäre 2- Steine, welche entweder Sedimentbildner des alkalischen Steinbiidurtg. Harnes oder einen Fremdkörper als Kern haben (seeundäre Steinbildung). Sie haben in der Blase selbst ihre Entstehung. Die primäre Steinbildung geht aus von freier Harnsäure in spiessiger Drusenform (Fig. 136. 7) als Kern, umlagert von Schichten oxalsauren Kalkes. — Die seeundäre Steinbildung erfolgt im neutralen Harne durch kohlensauren Kalk und krystallinischen phosphorsauren Kalk ; im alkalischen Harne durch saures harnsaures Ammonium, phosphorsaure Ammoniakmagnesia und amorphen phosphorsauren Kalk. Die chemische Untersuchung prüft zunächst, ob Partikeln des Con- crementes auf dem Platinblech verbrennlich sind, oder nicht. Verbrennliche I. Die verbrennlichen Concremente können nur aus organischen Sub- Concremente: stanzen bestehen. Harnsäure. a) Gelingt die Murexidprobe (§. 261. 2), so ist Harnsäure in denselben. Hamsäuresteine sind häufig , oft erheblich gro«s , glatt , ziemlich hart , gelb bis rothbraun gefärbt. Ammon. b) Entwickelt eine andere Probe beim Kochen mit Kalilauge Geruch nach Ammoniak (wobei zugleich feuchtes Curcumapapier in den Dämpfen sich bräunt, [§• 274.] Die Harnconcremente. 535 Xanthin. Indigo. Cystin. Protein- Substanz. Urostealith. oder ein, mit Salzsäure befeuchteter, darüber gehaltener Glasstab Salmiaknebel bildet), so enthält das Concreinent harnsaures Ammoniak. Fällt die Probe b) negativ ans , so ist reine Harnsäure vorhanden. — Steine aus harnsaurem Ammoniak sind selten , meist nur klein , von erdiger Consistenz , lehmgelb bis weisslicb. c) Gelingt die Xanthin-Reaetion (§. 262), so ist diese Substanz vor- handen (selten). — Einmal ist Indigo in einem Stein gefanden Ord . d) Lassen sich nach Auflösen in Ammoniak nach dem Verdunsten desselben Cystinkrystalle (Figur 148 A) darstellen, so ist die Gegenwart dieses seltenen Stoffes erwiesen. e) Concremente, entstanden aus Blutcoagulis oder Fibrinflocken, ohne jegliche Krystallisation, sind selten. Verbrannt riechen sie nach versengten Haaren ; sie sind in Wasser, Alkohol, Aether unlöslich. In Kalilauge lösen sie sich auf und werden durch Säuren daraus wieder niedergeschlagen. f) Urostealith hat man die Substanz sehr seltener Concretionen ge- nannt, die frisch weich, elastisch, Kautschuk-ähnlich sind. Beim Trocknen werden sie spröde und hart, braun bis schwarz. Wärme macht sie wieder weicher, beim Erhitzen schmelzen sie. In Aether erfolgt Auflösung, der Bückstand der verdampften ätherischen Lösung färbt sich bei weiterem Erwärmen violett. Erwärmte Aetz- kalilösung löst sie unter Verseifung. IL Sind Concremente nur zum Th eil ver bren nlich mit Hinterlassung Unverbrenn- eines Eückstandes , so enthalten sie organische und unorganische Bestandtheile. Concrcemeente, a) Man pulverisirt einen Theil des Steines, kocht das Pnlver mit Wasser und filtrirt heiss. Es gehen die etwa vorhandenen Urate in Lösung. Um zu sehen, ob die Harnsäure an Natron , Kali , Kalk oder Magnesium gebunden sei , wird das Filtrat verdampft und geglüht. Die Asche wird spectroskopisch untersucht (§. 20, „Flammenspectra"), wobei Natrium und Kalium erkannt werden. — Xatron. Kali, Harnsaure Magnesia und harnsaurer Kalk sind durch Glühen in Carbonate Magnesia. verwandelt. Um beide zu trennen, löst man die Asche in verdünnter Salzsäure Kalk- und filtrirt. Das Filtrat wird mit Ammoniak neutralisirt , dann wieder durch einige Tropfen Essigsäure gelöst. Zusatz von oxalsaurem Ammonium fällt Oxal- säuren Kalk. Nun filtrirt man und versetzt das Filtrat mit phosphorsaurem Natron und Ammoniak. Hierdurch scheidet sich die Magnesia als phosphor- saure Ammoniakmagnesia aus. b) Üxalsaurer Kalk (zumal bei Kindern entweder in kleinen, glatten, blassen „Hanfsamensteinen" , oder in dunklen , höckerigen , harten ..Maulbeer- steinen") wird von Essigsäure nicht angegriffen , von Mineralsäuren ohne Auf- brausen gelöst, durch Ammoniak wieder gefällt. Beim Glüben auf dem Platin- blech schwärzt sich die Probe, dann wird sie weiss zu kohlensaure ai Kalk ver- brannt, der auf Säurezusatz aufbraust. c) Kohlensaurer Kalk (meist in weis?grauen, erdigen, kreideähn- Kohlensaurer liehen, ziemlich seltenen, meist in der Mehrzahl vorkommenden Steinen) löst sich unter Aufbrausen in Salzsäure. Geglüht werden sie erst schwarz (wegen Schleim- beimengung), dann bald weiss. d) Phosphor saure Ammoniakmagnesia und basisch-phos- phorsaurer Kalk sind meist vereint in weichen, weissen, kreidigen Steinen, die mitunter sehr bedeutende Grösse haben. Solehe Steine setzen ein langes Ver- weilen im ammoniakalischen Harne voraus. Erstere Substanz verbreitet einen und basist Geruch nach Ammoniak beim Erhitzen, noch deutlicher beim Erwärmen mit Kali- phosphZZ,. ' . , . . . . saurer Aa'/v. lauge, sie löst sich in Essigsäure ohne Brausen, fallt nach Ammoniakzusatz ans dieser Lösung wieder krystailinisch aus. Beim Glühen schmilzt die Probe zu einer weissen emailartigen Masse. Basisch-phosphorsaurer Kalk braust nicht mit Säuren. Die Lösung in Salzsäure wird durch Ammoniak gefällt. Die essig- saure Lösung, mit oxalsaurem Ammon versetzt, giebt Oxalsäuren Kalk. [Um Kalk und Magnesia aus solchen Steinen zu trennen, verfährt man wie in a).J e) Neutraler phosphorsaurer Kalk wird in Steinen selten, dahin- Xeutraler gegen nicht selten im Harngries beobachtet. Diese Concremente gleichen in ihren ,(/u'^'7'av'- physikalischen und chemischen Eigenschaften den Erdphosphaten, nur dass sie keine Magnesia enthalten. Oxa'.saurer Kalk. Phosphor- saure Ammoniak- Magnesia 536 Der physiologische Vorgang der Harnabsonderung. [§. 275.] 275. Der physiologische Vorgang der flarnabsonderung. Theorie von Es sollen hier zunächst die zwei älteren wichtigsten Absonderungs- Theorien mitgetheilt werden: — 1. Bowman (1842) lässt die Glomeruli nur Wasser absondern ; die Epithelien der Harncanälchen liefern durch ihre Drüsenthätigkeit die specifischen Harnbestandtheile, welche das niederrieselnde Hamwasser aus den Zellen auslaugt. — und 2. C. Ludwig (1844) nimmt an, dass in den Kapseln ein sehr h diluirter Harn ausgeschieden werde. Niederrinnend durch die Harncanälchen giebt dieser durch Endosmose Wasser an das wasserärmere Blut und die Lymphe der Niere wieder zurück ab und dickt sich so zur normalen Consistenz ein. Die Absonderung des Harnes in den Nieren hängt jedoch nicht allein von physikalisch definirbaren Kräften ab, viel- mehr muss , entsprechend einer Reihe ermittelter Thatsachen, angenommen werden , dass die active, vitale Thätigkeit beson- derer Secretionszellen daneben eine hervorragende Rolle spielt (R. Heidenhain) . Die, dieser letzteren offenbar auch zu Grunde liegenden physikalischen Kräfte sind noch unermittelt. Die Absonderung umfasst — 1. das Harnwasser und — 2. die in demselben gelösten Harnbestandtheile: beide setzen die Gesammtheit der Secretion zusammen. Die Grösse des in den Glomerulis abgesonderten (abfiltrirten) Harnwassers bedingt vorwiegend die Harn menge; — das Quantum der im Harnwasser gelösten Stoffe bedingt die Concentration des Urines. me secretion A. Die Menge des Harnwassers, welches ganz vor- - Artigkeit, nehmlich in der Kapsel abgesondert wird, hängt zunächst ab von dem Blutdrucke im Gebiete der Nieren- arterie, folgt also somit den Gesetzen der Filtration (§. 192, II.) (C. Ludwig & Goll). Allein die Menge des gelieferten Harnwassers ist nicht allein vom hydrostatischen Druck abhängig, vielmehr wirkt mit die active Thätigkeit der den Glomerulus überkleiden- den Zellen. Neben dem "Wasser wird im Glomerulus ein gewisses Quantum der im Harn vorkommenden Salze abgeschieden, Eiweiss jedoch zurückbehalten. In Anbetracht der activen Zellenthätigkeit wird die Menge des Harnwassers auch abhängen müssen, theils von der Schnelligkeit, mit welcher stets neues , das Absonderungsmaterial bringendes Blut den Glomerulis zuströmt, theils vom Gehalte des Blutes an Harn- bestandtheilen und Wasser (R. Heidenhain). Die selbstständige Thätigkeit der Secretionszellen ist nur bei intacter Vitalität derselben vorhanden (Heidenhain). Vorübergehende Verschliessung der Nierenarterie paralysirt sie, weshalb die Niere alsdann nicht secernirt, selbst wenn nach aufgehobener Compression die Circulation sich wieder hergestellt hat (Overbek). mnfluss des Die Abhängigkeit der Secretion vom Blutdruck wird durch ui rucues. ^e f0igenden punkte klargestellt. [§. 275.] Der physiologische Vorgang der Harnabsonderung. 537 1. Vermehrung des gesammten Gef ässinhaltes, wodurch die Spannung im Gefässsysteme steigen muss , vermehrt die Menge des filtrirten Harnwassers. In dieser Beziehung wirken directe Wasserinjectionen in die Gefässe, oder der Genuss grosser Quantitäten von Flüssigkeiten. (Ueberschreitet die Blutdrucksteigerung eine gewisse Höhe, so geht sogar Eiweiss in den Harn über.) Umgekehrt wird Wasserabgabe durch starke Schweisse oder Durchfälle , reichlicher Aderlass, sowie prolongirter Durst Verminderung der Harnsecretion erzeugen. Für die a c t i v e Thätigkeit der Glomeruluszellen spricht der Umstand, dass nach starkem Trinken der Blutdruck nicht constant steigt (Pawlow) , ferner , dass nach grossen Trans- fusionen die Harnmenge nicht zunimmt. 2. Verkleinerung des Gefässraumes wird in ganz ähnlicher Weise wirken : Contraction der Hautgefässe bei Einwirkung der Kälte, Erregung des vasomotorischen Centrums oder grösserer Bezirke vasomotorischer Nerven, Unterbindung oder Compression grosser Arterien (vgl. §. 90. e), Einwickelung der Extremitäten in straffe Binden. Natürlich werden auch hier die entgegengesetzten Zustände eine Verminderung der Harnmenge nach sich ziehen : Einwirkung von Wärme auf die Haut bis zur Röthung und Erweiterung der Gefässe, Schwächung der Erregung des vasomotorischen Centrums oder Lähmung grösserer Gebiete vasomotorischer Nerven. 3. Vermehrte Herzthätigkeit, wodurch die Spannung und Stromgeschwindigkeit im arteriellen Gebiete gesteigert wird (vgl. §. 90. c), vergrössert die Harnmenge; umgekehrt werden Schwächung der Herzaction (Parese der motorischen Herznerven, Leiden des Herz- muskels, Klappenfehler) das Harnquantum herabsetzen. Künstliche Reizung der Vagi , wodurch bei Thieren unter Verlangsamung der Herzschläge der mittlere Blutdruck von etwa 130 auf 100 Mm. Queck- silber fiel , hatte eine Verminderung der Harnmenge gegen 1 .- zur Folge (Goll, Cl. Bernard) ; bei 40 Mm. Aortendruck hört die Harn- absonderung auf. 4. Mit steigender oder abnehmender Füllung der Arteria renalis steigt oder fällt das Maass des abgesonderten Harnes (C. Ludwig, Max Herrmann) ; schon ein massiges Zuklemmen der Arterie bei Thieren hat eine deutliche Verminderung zur Folge. Pathologisches : — Im Fieber zeigt sieli verminderte Füllung der Nieren- gefässe mit conseculiver Harnverminderung fMendelsohn . Besonders bemerkens- werth für die Pathogenese gewisser Nierenerkrankungen ist die Beobachtung, dass die Ligatur der Arteria renalis, selbst -wenn si^ nur 2 Stunden dauert, Nekrose der Epithelien der Harncanalchen zur Folge hat. Bei länger dauernder arterieller Anämie stirbt das ganze Nierengewebe ab (Litten. Ribbert fand auch die Knäuel- epithelien bei längerer Abklemmung der Nierenarterie hochgradig verändert. 5. Die meisten diu retischen Arzneimittel entfalten nach einer oder anderen der bezeichneten Richtungen hin ihre Wirksamkeit. Der Druck innerhalb eines jeden Vas afferens nmss ein relativ grosser Einflus» der sein, weil — 1. die doppelte Capillarordnung in der Niere bedeutende Wider- Dnickschican- stände setzt, und weil — 2. das \ as efterens viel enger im Linnen ist, als das r,,,. afferent . zuführende Gefäss. — Diesen Thatsarheu entsprechend wird aus den capillaren Schlingen des Glomerulns durch den Fillrationsdruck eine Ausscheidung aus dem Blute in die Kapseln der Harncanalchen erfolgen. Eine Erweiterung der Vasa afferentia (etwa durch Nervenwirkung auf die glatten Muskelfasern derselben) 538 Der physiologische Vorgang der Harnabsonderung. [§. 275.] wird den Filtrationsdruck erhöhen ; eine Verengerung wird die Absonderung ver- mindern. Ist die Druckverminderung so bedeutend geworden, dass der Blutstrom in der Vena renalis deutlich verlangsamt wird, so beginnt die Harnsecretion zu stocken, ilerk würdig ist es, däss ein Verschluss der Vena renalis die Secretion völlig unterdrückt (H. Meyer, v. Frerichs). C. Ludwig hat hieraus geschlossen, dass die Flüssigkeitsausscheidung demgemäss nicht aus den eigentlichen Nieren capillaren stattlinden könne, weil ja in diesen durch Venenverschluss der Blutdruck steigeu muss, was eine vermehrte Filtration nach sich ziehen müsste. Dahingegen spräche der genannte Versuch dafür, dass aus den Capillaren des Glomerulus die Absonderung erfolge; die venöse Stauung im Vas efferens dehne dieses (im Centrum des Knäuels entsprin- gende) Gefäss dermaassen aus , dass die Capillarschlingen gegen die Wand der Kapsel zusammengedrängt und comprimirt würden, so dass nun aus ihnen keine Filtration erfolgen könne. ■ — Ob nicht durch die Harncanälchen, zumal die gewun- denen, etwas Flüssigkeit abgegeben wird, ist noch unentschieden. Durch venöse Stauung in den Nieren nimmt die Harnmenge ab (Paneth) und in dem Harn der Harnstoff ; — [Kochsalz bleibt constant, Eiweiss in patholo- gischen Harnen nimmt zu (Senator &* y. Munkjj] Da der Blutdruck in der Art. renalis gegen 120 — 140 Mm. Hg beträgt, der Harn in dem Ureter nur unter sehr geringer Treibkraft weiter befördert wird , so dass er aus demselben schon bei einem Gegendrucke von 10 (Löbell) bis 40 Mm. (M. Herrmann) — [der durch ein , in den querdurchschnittenen Ureter eingesetztes Manometer hergestellt wird] — nicht mehr weiter zu strömen vermag , so ist es einleuchtend , dass der Blutdruck als vis a tergo auch im Stande ist, den Harnstrom durch den Ureter hindurch zu treiben. selbstständige B. DerGradderConcentrationdesUrineshängt TMUgUitder ab von der Menge der, aus dem Blute in das Harn- ^Itheu'en wasser übertretenden, gelösten Bestandtheile. Die Zellen der gewundenen Harncanälchen scheinen durch eine selbstständige Thätigkeit diese Substanzen aus dem Blute zunächst in sich aufzunehmen (Bowman, Heidenhain). Das, durch die Harncanälchen vom Glomerulus aus herabfliessende (nur leicht diffundirbare Salze enthaltende) Harnwasser, nimmt dann weiterhin durch einen Process der Äuslaugung diese Stoffe aus den Zellen der gewundenen Canälchen in sich auf. Für die selbstständige Thätigkeit der Zellen spricht : „Hamfä- 1- I n d i g o s c h w e f e 1 s a u r e s N a t r o n (Indigocarmin), welches kige Stoff* .- in jas ßiut gespritzt, in den Harn übergeht, erkennt man im Innern der Zellen der gewundenen Harncanälchen (nicht in den Kapseln) (Heidenhain, 1874j. Weiter abwärts sieht man diese Substanz imLumen der Harncanälchen, wohin sie durch das, aus dem fllomerulus niederrieselnde Harnwasser herabgeschwemmt ist. Wurde bei solchen Versuchen 2 Tage vorher die die Kapseln enthaltende Rindenschicht durch Aetzen (Heidenhain) oder Abtragung mit dem Messer {Hoegyes) entfernt, so blieb der blaue Farbstoff in den gewundenen Canälchen liegen. Er rückte nicht abwärts, da das befördernde Wasser aus den zerstörten Glomerulis fehlte. Es spricht dieser Versuch also auch dafür, dass die G-lomeruli vornehmlich das Harnwasser, die gewundenen Harncanälchen die speci fischen Harn- bestände abgeben. — Auch harn saure Salze (ins Blut gespritzt) sah Heidenhain durch die Tubuli contorti abgesondert werden. Auch für [§. 275.] Der physiologische Vorgang; der Harnabsonderung. 539 den Harnstoff hat es Nussbaum (1878) bewiesen, dass er nicht von den Kapseln , sondern von den Harncanälchen secernirt wird. Für den Gallenfarbstoff fand dasselbe Möbius (1877), für pflanzen- saure Eisensalze (subcutan eingespritzt) Glaevecke, für den Blut- farbstoff habe ich es zuerst (1875) beschrieben. Nach Infusion von Milch in die Gefässe traf ich zahlreiche Fetttröpfchen inner- halb der Zellen der Harncanälchen. Es scheint, dass nur nach sehr reichlicher Ausscheidung auch die Kapseln sich betheiligen können. Nach Infusion von reichlicher Menge indigschwefelsaurem Natrons und nach längerer Versuchsdauer zeigt sich nämlich auch die Bläuung am Epithel der Malpighi'schea Kapseln (Arnold 6° Pautynski), Auch bei der Albuminurie findet die abnorme Eiweissausscheidung zuerst in den Harncanälchen, später in den Kapseln statt (Senator); auch Hb findet man zum Thcil in den Kapseln (Grützner, Bridges, Adams). Hühnerei weiss soll nach Nussbaum durch die Knäuel abgeschieden werden. [Heule, H. Meckel, Leydig und Bial sahen bei Schnecken Harnbestandtheile (Guanin) innerhalb der Zellen der Niere liegen.] 2, Auch dann, wenn entweder nach Unterbindung des Ureters oder durch sehr bedeutende Blutdrucksverminderung in der Art. renalis (nach Halsmark-Durchschneidung oder Aderlass) Harnwasser gar nicht mehr secernirt wird , sieht man trotzdem noch jene Stoffe nach Ueberführung in das Blut in die Harncanälchen übertreten; ebenso regt nun Harnstoffinjection die Secretion wieder an. Es beweist dies, dass unabhängig vom Filtrationsdruck die secretorische Thätigkeit erfolgt (HeidenJiain^ Neisser, Ustimoivitsck, Grützner). Die selbstständige, vitale, nach physikalischen Vorgängen noch nicht erklärbare Thätigkeit der Drüsenzellen der Harncanälchen macht es also , dass wir in den Drüsenschläuchen keine einfachen , den physikalischen Membranen ähnliche Apparate erkennen können. — Dies zeigt auch der folgende Versuch : Abetes Hess durch lebensfrisch exstirpirte Nieren künstlich die Circulation mit arteriellem Blute fortbestehen. Aus dem Ureter tropfte ein blass-urinös gefärbtes Fluidum. War dem durchströmenden Blute etwas Harnstoff oder Zucker zugesetzt, so enthielt das Secret diese in grösserer Concentration. So scheidet also auch die „überlebende" Niere Substanzen, welche verdünnt durch das Blut zuströmen, in concentrirter Form wieder ab. Dasselbe fand J. Munk bei analogen Ver- suchen mit Kochsalz, Salpeter, Coffein, Traubenzucker und Glycerin unter Vermeh- rung der gesammten Secretmenge. Coffein- oder Theobromin-Zusatz zu dem durch- strömenden Blute regt eine Vermehrung des Secretes an, reizt also die Secretions- zellen selbst zu grösserer Thätigkeit (v. Schröder), Die vitale Thätigkeit erklärt es auch nur, weshalb das Serumalbumin des Blutes gar nicht in den Harn übertritt, jedoch sehr schnell in's Blut gebrachtes Eieralbumin oder gelöstes Hämoglobin. — Unter den Salzen, die in dem ge- sammelten Blute (auch in den Blutkörperchen) vorkommen, können natürlich nur die gelösten in den Harn übergehen. Diejenigen, welche an Eiweisskurper oder in den zelligen Elementen gebunden siud, können nicht übertreten, oder doch erst nach Zerlegung derselben. So erklärt sich die Differenz der Salze des Ge- sammthlutes und des Urines. Ebenso kann der Harn von den G a s e n des Blutes nur die absorbirten, nicht aber die chemisch gebundenen aufnehmen. Kommt es in dem Ureter (etwa nach Unterbindung) und weiterhin in sistinmg der den Harncanälchen zu einer Stauung des Secretes, so wird ein Zurücktreten ; Barn- des letzteren in das Gewebe der Niere und weiterhin in das Blut beobachtet. Die Niere wird ödematös durch Füllung der Lymphräume; das Secret wr- Ureteren- ändert sich, indem zuerst Wasser in das Blut zurückresorbirt wird : dann alier itgatur. sinkt auch das Kochsalz in dem Secrete, ebenso Schwefelsäure und Phosphor- säure, zuletzt auch der Harnstoff (C. Ludwig, M. Htmnann ; Kreatinin war noch reichlich vorhanden. Eine eigentliche Harnabsonderung findet weiterhin nicht mehr statt (LöbdlJ. 540 Die Bereitung des Harnes. [§•275.] Wechselnde Thätigkeit beiderXieren Ob in der Niere Rück- aufsaugung statthabe. Beachtenswerth ist noch der Umstand, dass beide Nieren niemals symmetrisch secerniren; es handelt sich hier um einen Thätigkeits- und Blutfüllungs wechsel (vgl. §. 105). Die eine Niere sondert ein wasser- reicheres Secret ab, das zugleich mehr Kochsalz und Harnstoff enthält (C. Ludwig, M. Herrmann). Schon v. Wittich hatte beobachtet, dass in den Yogelnieren die Ausscheidung der Harnsäure nicht in allen Harncanälchen gleichmässig, sondern stets nur in wechselnden Gebieten erfolge. — Die Exstirpation eine Niere, oder der krankhafte Untergang derselben beim Menschen vermindert nicht die Ab- sonderung Rosensteinj. Es tritt eine vermehrte Thätigkeit der übriggebliebenen ein unter Yergrösserung des Organes. Es will mir scheinen, dass bei der Beurtheilung der absondernden Thätig- keit der Niere besonderes Gewicht auf das Kaliber der Harncanälcben in ihrem Verlaufe gelegt werden muss. Vornehmlich möchte ich an die sehr beträchtliche Verjüngung des absteigenden Schenkels der üfrwfc'schen Schleife erinnern; viel- leicht kommt es an dieser Stelle zu einer Bückaufsaugung entweder von Wasser zur grösseren Concentrirung des Harnes , oder gar von Eiweiss, das bei der Fil- tration vielleicht in geringerer Menge im Glomerulus mit durchgeht. 276. Die Bereitung des Harnes. Die Harn- Die Frage, ob der Harn durch die Niere lediglich, abgeschieden bestandtheile i werden von werde , oder ob nicht auch zum Theil Harnbestandtheile durch die nZfaul ^ei*e selbst „bereitet" werden, ist vielfach erörtert. Die folgenden geschieden, Versuche sind im Stande, Anhalt über dieselbe zu liefern. 71 % eil t bereitet. 1. Das Blut enthält bereits in 3000—5000 Theilen 1 Theil Harnstoff {Fr. Simon, 18-11), aber das der Vena renalis ist ärmer an Harnstoff, als das Blut der Arterie (Picard 1856, Grehant) ; diese Thatsache spricht für die Aus- scheidung des Harnstoffes aus dem Blute. 2. Nach Exstirpation der Nieren [„Nephrotomie" fPrevost <5r= Dumas)\ oder der Unterbindung der Gefässe derselben , häuft sich Harnstoff im Blute an (Meissner, v. VoitJ, und zwar mit der Zeit zunehmend f Grehant) bis zu 1/300 — 1/400. Zugleich werden Harnstoff- und Ammoniak-haltige Flüssigkeiten erbrochen und mit Durchfällen entleert fCl. Bernard. Bareswill). (Thiere sterben nach dieser eingreifenden Operation übrigens nach 1 — 3 Tagen.) 3. Werden die Harnleiter unterbunden , so hört die eigentliche Absonde- rung der Nieren bald auf (Löbell). Hiernach steigt ebenfalls die Harnstoffanhäufung im Blute, und zwar wie es scheint nicht reichlicher, als nach der Nephro- tomie. — [Doch kann möglicherweise die Niere in ihrem Gewebe , wie andere Körpertheile, in ihrem Stoffwechsel etwas Harnstoff bereiten.] 4. Das Blut der Vögel enthält schon unter normalen Verhältnissen H a r n- säure ! Meissner j ; bei ihnen hat die Ligatur der Ureteren , ebenso eine Um- stechung der Kierengefässe (Pawlinoff) ', oder die allmähliche Ertödtung des secer- nirenden Nierenepithels durch subcutane Einspritzungen von neutralem chrom- sauren Kali {Ebstein) — eine Ablagerung von Harnsäure in den Gelenken und Geweben zur Folge, so dass namentlich die serösen Häute weisslich davon in- crustirt erscheinen; das Gehirn bleibt frei (Galvani 1767, Zalesky, OpplerJ ; auch saure harnsaure Verbindungen mit Ammoniak , Natron und Magnesia werden so deponirt (Colasantij. Die Nierenexstirpation bei Schlangen zeigt dasselbe in geringerem Grade. Es ist aus diesen Versuchen zu folgern, dass der Harnstoff und mit ihm wohl die meisten organischen Harnbestandtheile vorzugsweise durch die Nieren abgesondert, nicht aber in denselben bereitet werden. Die Bildungsstätte aller dieser Stoffe ist wohl vornehmlich in die Gewebe zu verlegen : der Harnstoff entsteht aus zersetztem Eiweiss, und zwar vornehmlich in der Leber (vergl. hierüber §. 258). Durch Versuche an Vögeln und Schlangen kommen v. Schröder und Colasanti zu der Ansicht , dass man die Bildung der Harnsäure als [§. 276.] Verhalten des Ueberganges verschiedener Stoffe in den Harn. 541 ausschliesslich in einem bestimmten Organe erfolgend nicht an- nehmen dürfe. ■ — Das Urobilin bildet sich aus Blutfarbstoff (§. 263). lieber physiologisch-chemische Vorgänge in den Nieren selbst ist PhysiologUch- sehr wenig bekannt. Die Hippur säure bildet sich zum Theil in der Xiere, denn Gemische das Blut der Herbivoren enthält keine Spur davon (Meissner &■ Shepard) • aber ' Zr^ifire™ es erfolgt bei Kaninchen die Synthese derselben auch noch in anderen Geweben. Leitet man Blut, versetzt mit benzoesaurem Natron und Glycin , durch die Ge- fässe einer frischen Niere, so bildet sich Hippursäure (§. 262) (Bunge, Sehmiedeberg, Kochs). — Wird ferner Phenol und Brenzkatechin mit frischer Nierensubstanz digerirt, so entstehen die im Harne vorkommenden entsprechenden Schwefelsäureverbindungen (§.264). Allerdings bilden sich die letzteren auch durch gleichartiges Digeriren mit Leber-, Pancreas-Substanz und Muskeln. Man darf aus diesen Versuchen schliessen, dass im Körper innerhalb der Nieren und der genannten Organe jene Substanzen präparirt werden (Kochs). Die Nieren sind ungemein wasserreich: ausser Serumalbumin, Globulin, Chemie der in kohlensaurem Natron löslichem Eiweiss (Gottwalt) , leimgebender Substanz, Vieren. Fett in den Epithelien (zumal nach Milch- und Fleisch-Genuss), der elastischen, Sarkolemma ähnlichen Substanz der Hüllen der Harncanälchen und den Gewebs- bestandtheilen der Gefässe und ihrer glatten Muskeln enthalten die Nieren Leucin, Xanthin , Hypoxanthin , Kreatin , Taurin , Inosit , Cystin (letzteres in keinem anderen Gewebe), von denen die meisten entweder gar nicht, oder nur in geringen Mengen in den Harn übergehen. Das Vorkommen dieser Stoffe deutet wohl einen regen Stoffwechsel in den Nieren an, auf den auch schon durch die mächtigen Gefässe der Niere hingewiesen wird. Während der Secretion der Nieren soll das Verhaltender Blut der Nieren vene hellroth werden fCl. Bemard) und seinen Faserstoff- ffe/«*se' gehalt verlieren (Simon). Zu betonen ist endlich noch die saure Reaction des Nierengewebes, die sich auch bei solchen Thieren findet , deren Harn alkalisch ist. Es steht dies vielleicht zu der Eiweissretention seitens der Harncanälchen in Beziehung (Heynsius). 277. Yerhalten des Ueberganges verschiedener Stoffe in den Harn. 1. Unverändert gehen in den Harn über: schwefel-, bor-, kiesel- Vr.verär.dtn Salpeter-, kohlen-saure Alkalien ; Chlor-, Brom- und Jod-Alkalien; Rhodankalium, Hitrgi7ict.de Kaliumeisencyanür ; — gallensaure Salze, -- Harnstoff, Kreatinin; — Cumar-, Stoffe- Oxal-, Campher-, Pyrogallus-, Sebacyl-Säure ; — ferner viele Alkaloide, z. B. Morphin, Strvchnin , Curarin , Chinin, Coffein; — unter den Farbstoffen indig- schwefelsaures Natron, Carmin, Gummigutti, Krapp, Campechc, der Farbstoff der Heidelbeeren , Maulbeeren , Kirschen , Eheum ; ferner Santonin ; — endlich die Salze von Gold, Silber, Quecksilber, Arsen, Wismuth, Antimon, Eisen (nicht von Blei), die jedoch grösstentheils in die Galle und in die Faeces gehen. 2. Anorganische Säuren treten beim Menschen und Carnivoren als neutrale Ammonsalze (Schmiedeberg £r> Walter, Hallervorden), bei Herbivoren als neutrale Alkalisalze auf (E. Salko-tvski). 3. Gewisse Stoffe (welche für gewöhnlich, und wenn sie in kleinen Mengen in das Blut gelangen, der Zersetzung anheimfallen) gehen zum Theil in den Harn , wenn sie sich in so grosser Menge im Blute anhäufen , dass sie nicht völlig zersetzt werden können : Zucker, Hämoglobin Eiereiweiss , pflanzensaure Alkalien, Alkohol, Chloroform. 4. Viele Stoffe erscheinen in ihren Ox y da t ionsproduet e n im Harne: Oxydationen, massige Mengen pflanzensaurer Alkalien als kohlensaure Alkalien (Wähler), — Harnsäure zum Theil als Allantoin Salkoiuski), — schweflig- und unterseh wer! iir- saures Natron zum Theil als schwefelsaures Natron, Schwefelkalium als schwefel- saures Kalium; — manche Oxydule treten als Oxyde auf, — Benzol als Phenol (Naunyn & Schnitzen). 5. Diejenigen Körper, welche, wie das Glycerin und Harze, völlig ver- brennen, zeigen im Harne keine besonderen Abkömmlinge. 6. Manche Substanzen gehen mit Stoffwechselprodncten eine Syn- Synthesen. these ein und erscheinen als gepaarte Verbindungen im Hame; hierher gehört 542 Einfluss der Nerven auf die Nierensecretion. [§. 277.] die Entstellung der Hippur säur e durch Paarung (§. 264), — die Bildung der gepaarten Schwefelsäuren (§.262), — sowie die Bildung des Harnstoffes durch Synthese aus Carbaminsäure und Ammoniak (DrechselJ. — Nach Dar- reichung von Campher (Wiedemann, Schmiedeberg &f H. Meyer)', oder von Chloral und Butylchloral (v. Mering &° Muskulus , Kiilzj erscheint eine gepaarte Verbindung mit Gly curonsäure (einer dem Zucker nahestehenden Säure) im Harne. Eine Paarung mit Sulphaminsäure oder Carbaminsäure gehen Taurin (SatkowskiJ und Sarcosin ein (SchultzenJ. — Mit der, dem Cystin (§. 270) nahe- stehenden Mercaptursäure paart sich dargereichtes Bromphenyl (Baumann äf Preusse, Jaffe); u. A. 7. Die Gerbsäure C14H10O9 nimmt H,0 auf und zerlegt sich so hydroly- tisch in 2 Moleküle Gallussäure — 2 (C7H8Oä). Reductionen. 8. Reducirt werden jodsaures und broinsaures Kalium zu Jod- und Brom-Kalium ; Aepfelsäure (C4H605) , zum Theil zu Bernsteinsäure (C4H604) ; das Indigoblau (C1RH10N,O.,) nimmt Wasserstoff auf zu Indigoweiss (C16H12N302). 9. Endlich gehen viele Substanzen gar nicht in den Harn über, wie Serumalbumin, Oele, unlösliche Metallsalze und Metalle. 278. Einfluss der Nerven auf die Nierensecretion. Wirkung der Es ist bis jetzt nur der Einfluss der vasomotorischen ■motorischen Nerven auf die Filtration des Harnes aus den Nierengefassen ^d^smn- bekannt, die aus beiden Kückenmarkshälften für jede Niere herzu- aisonderung. kommen scheinen (Nicolaides) . Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass eine Erweiterung der Nierenarterienäste , speciell der Vasa afferentia, den Druck in den Glomerulis verstärken muss, und daher also die Menge der filtrirten Flüssigkeit zunimmt. Je mehr die Erweiterung der Ge- fässe auf das Gebiet der Arteria renalis allein beschränkt ist, um so grösser ist das Harnquantum. Die unteren Dorsalnerven (beim Hunde zumal der 12. u. 13.) enthalten die m e i s t e n Vasomotoren der Niere (Bradford). ■KtewM 1. Eine Durchschneidung des Plexus renalis hat in der Regel Vermehrung der Harnmenge zur Folge ; mitunter beobachtet man wegen des gesteigerten Druckes Uebertritt von Eiweiss in die Malpighi' sehen. Kapseln, ja sogar (bei Zerreissung von Gefässen im Glomerulus) von Blut in den Harn (Krimer, Brächet, JoJi. Müller & Peipers). Centrum j)as Centrum dieser Nieren- Vasomotoren liegt am Boden des vierten Ventrikels vor den Vagusursprüngen: die Verletzung (Stich) dieser Stelle hat daher Vermehrung des Harnes zur Folge (Diabetes in- sipidus), mitunter unter gleichzeitigem Auftreten von Eiweiss und Blut (Cl. Bernard) ; natürlich wirkt ebenso jede Verletzung der wirk- samen Nervenbahn vom Centrum bis zu den Nieren hin. [Unfern dieses Gentrums liegt das der Lebervasomotoren , dessen Verletzung Zucker- bildung in der Leber hervorruft (vgl. §. 178)]. — Eckhard sah Hydrurie auftreten nach Reizung des, auf der Oblongata liegenden Wurmlappens. Auch beim Menschen tritt bei Reizung dieser Stellen durch Tumoren, Entzündungen u. dgl. Aehnliches auf. Lähmung 2. Wird ausser dem Gebiete der Nierenarterie noch ein be- nachbartes umfängreiches Gefässgebiet zugleich mit gelähmt , so wird der Blutdruck im Gebiete der Nierenarterie weniger gross sein, da zugleich viel Blut in die übrige gelähmte Provinz einströmt. Unter diesen Verhältnissen wird man daher entweder nur eine geringere, oder nur vorübergehende Polyurie sehen. So entsteht eine massige Ver- [§. 278.] Urämie. 543 mehrung der Harnmenge während einiger Stunden nach Durchschnei- dung des N. s p 1 a n c li n i c u s. Dieser enthält die vasomotorischen Nieren- nerven [die zum Theil schon am ersten Brustnerven das Rückenmark verlassen und in den sympathischen Grenzstrang übertreten (Eckhard)}, zugleich aber auch die des grossen Gebietes der Darmgefässe. Reizung desselben Nerven hat natürlich den entgegengesetzten Erfolg (Cl. Bernard, Eckhard). 3. Wird sofort mit der Lähmung der Nierennerven die über- und grosser wiegende Masse aller Körpervasomotoren gelähmt, so sinkt, der umfang- Vasomotoren. reichen Erschlaffung aller dieser Gefässbahnen entsprechend, der Druck im ganzen arteriellen Gebiete. In Folge davon sinkt auch die Harn- absonderung sogar bis zur völligen Sistirung. Diese letzte Wirkung zeigt sich nach Durchschneidung des Halsmarkes bis zum 7. Halswirbel abwärts (Eckhard). Es ist somit auch der Versuch erklärlich , dass die nach Verletzung des Bodens des 4. Ventrikels eintretende Polyurie wieder verschwindet, sobald das Rückenmark (bis zum 12. Brustnerven abwärts) durchschnitten wird. Eine Verkleinerung der Gefässe und damit zugleich des Nierenvolumens hat die Erstickung und Strychninvergiftung zur Folge, auch Reizung sensibler Nerven wirkt reflectorisch ebenso ; — den entgegengesetzten Erfolg hat die Aus- rottung der Nierennerven (Colinheim d^ Roy). — Während des Fiebers sind die Nierengefässe contrahirt , wahrscheinlich in Folge eines Reizes des Cen- trums durch das abnorm warme Blut (Mendelsohn). Bei wiederholter EinathmuDg von CO soll mitunter Polyurie eintreten, vielleicht in Folge einer Lähmung des Centrums der Nierenvasomotoren. Nach Cl. Bernard soll Reizung des N. vagus an der Cardia die Harn- Einfluss des secretion vermehren unter Röthung des Nierenvenen blutes. Vielleicht enthält der- N' vaous- selbe vasodilatatorische Fasern, die sich ähnlich verhalten würden , wie die ent- sprechenden Fasern im N. facialis für die Speicheldrüsen (vgl. §. 150). Nach Anhand &■= Butte u. A. soll im Gegentheil Reizung des peripheren Vagusendes die Harnsecretion und den Blutstrom in der Niere herabsetzen. (Atropin macht den Versuch unmöglich.) Der Vagus erscheint so als Vasomotor der Niere. — Reizung des Halssy mp at h icus beschränkt gleichfalls die Secretion ; dieser Reiz scheint sich reflectorisch durch das Rückenmark hindurch auf den N. splanchnicus zu übertragen (Masius). 279. Urämie, — Ämmomämie, — Harnsäuredyskrasie. Nach Ausrottung der Nieren (Nephrotomie) oder Unter bi ndung d e r H ar n 1 e i t e r, welche eine weitere Harnabsonderung unmöglich machen, weiter- hin alter auch beim Menschen in Folge hochgradiger Harnstauung, sowie nach krank- haften Veränderungen der Nieren (Entzündungen, Verfettung und Abstossung der Epithelien der Harncanälchen , bindegewebiger Nierenschrumpfung, amylo'ider Entartung) kommt es zu einer Reihe charakteristischer Erscheinungen, die einer Vergiftung gleichen und in hohen Graden den Tod nach sich ziehen. Man nennt diese die urämische Intoxication oder Urämie. Hervorstechend ist unter Zeichen der den Erscheinungen geistige Abgeschlagenheit, Schlafsucht, selbst Bewusstlosig- wämiteten keit bis zum tief comatösen Zustande und daneben von Zeit zu Zrjt der Ausbruch von Zuckungen oder selbst ausgebreiteter, heftiger Krämpfe. Mit- unter zeigen sich Delirien und allgemeine Aufregung. Dabei ist der Eintritt des sogenannten CAeyne-StoAes'schen Respirationsphänomens (ij. 117, 11) oft beob- achtet; — mitunter tritt vorübergehende, stets beiderseitige Blindheit durch Intnxicationslähmung des psyehooptischen Centrums auf (§.380. IV. I). Aber es kann auch ganz unabhängig davon zu Blutergüssen in der Netzhaut kommen, welche eine (selten andauernde) Erblindung verursacht (Retinitis apoplectica) ; auch Schwerhörigkeit wird beobachtet. Erbrechen und Durchfall sind häufig; in 544 Urämie, — Anmioniäniie, — Harnsäuredyskrasie. [§. 279] diesen ist Ammoniak (aus im Tractus zersetzten Harnstoff) mitunter nachweisbar. Auch der Athem und die Hautausdünstung können nach Ammoniak riechen. Ursachen Als Ursache — für diese Erscheinungen muss man das Zurückhalten der derselben, nc-rmalmässig durch den Harn entleerten Substanzen betrachten , ohne dass es jedoch bis jetzt gelungen wäre, mit Sicherheit denjenigen Stoff zu bezeichnen, der als Urheber der Vergiftungserscheinungen angesehen Averden müsste. Retention 1. Der erste Verdacht wurde auf den Harnstoff gelenkt; v. Voit beob- von achtete, dass selbst gesunde Hunde urämische Erscheinungen zeigten , wenn sie JS längere Zeit Harnstoff in ihrer Nahrung verzehrten, wenn dabei zugleich Wasser- genuss (der den Harnstoff schnell durch die Nieren abgeführt hätte) verwehrt war. — Ueberdies fand Meissner, dass der Tod unter urämischen Erscheinungen bei nephrotomirten Thieren sich beschleunigen liess , wenn zugleich Harnstoff in's Blut gespritzt wurde. Eine Einspritzung massiger Harnstoffmengen in das Blut ganz gesunder Thiere hat allerdings keine urämischen Erscheinungen zur Folge, 1 — •£. Gr. rufen jedoch bei Kaninchen bereits comatöse Zustände hervor (Meissner). Hunde starben nach subcutaner Einspritzung von Harnstoff von l°/0 des Körper- gewichtes nach voraufgegangenen Krämpfen durch Stillstand der Athembewe- gungen (Grehant & Quinquaud). (Die Hippursäure soll beim Frosche ganz ähnlich wirken.) "Wenn auch der Harnstoff, in grossen Dosen in's Blut gebracht, den Tod unter Krämpfen bewirkt, so ist dies doch nicht mit den intermittirend auftretenden urämischen Anfällen zu verwechseln. kohlensaurem 2. Da Einspritzung von kohlensaurem Ammonium den urämischen Ammonium, Erscheinungen ähnliche Störungen hervorruft , so glaubten v. Frerichs & Stannius, dass die Umsetzung des Harnstoffes im Blute in diese Substanz die Intoxication bedinge: Ammoniämie. Allein nach Nephrotomie oder Ureterenligatur, selbst mit gleichzeitiger Harnstoffinjection in das Blut , lässt eine tadelfreie chemische Untersuchung im Blute kein Ammoniak erkennen. Es kann daher auch eine spontane Ammoniakbildung im Blute nicht die Ursache der urämischen Erschei- nungen sein (W. Kühne Sr3 Strauch, Alf. Kruse). von anderen 3. Da bei Vögeln und Schlangen, die ganz vorwiegend Harnsäure ent- Sar>1- leeren, die Ureterenligatur gleichfalls comatöse Zustände hervorruft (Zalesky) , so theiun. musste auch an andere Substanzen gedacht werden , die möglicherweise die Ver- giftungssymptome bewirken. Meissner sah nach Kr eatinin- Einspritzung Mattig- keit und Zuckungen bei Hunden entstehen. Cl. Bernard, Traube, Ranke, Astaschewsky, Feltz & Ritter u. A. weisen die Erscheinungen einer Aufspeicherung der neu- tralen Kalisalze zu (vgl. §. 64), Schottin &" Oppler denken an die Auf- speicherung der normalen oder abnorm zersetzten Extractivstoffe, Thudichnm an Oxydationsstufen des Harnfarbstoffes. Vielleicht wirken viele Stoffe oder deren Zersetzungsproducte zusammen (v. Voit, Perls, Rosenstein). — R. Fteischer fand dem urämischen Anfalle beim Menschen vor- aufgehend eine Verringerung in der Ausscheidung der Schwefel- und Phos- phor-Säure. Als ich verschiedene im Harne vorkommende Substanzen direct auf die Oberfläche des Grosshirns brachte (Kreatinin, Kreatin, saures phosphorsaures Kalium, Uratsediment aus Menschenharn) , sah ich alle Zeichen der Urämie auf- treten. Namentlich traten durch Ruhepausen getrennt völlig ausgeprägte Krampf- anfälle auf, bei Hunden mit nachfolgendem Coma. Auch viele andere Neben- erscheinungen der urämischen Eklampsie Hessen sich so erzeugen. [Harnstoff ist so unwirksam, schwach wirksam kohlensaures Ammoniak, Leucin, kohlensaures Natron, Chlornatrium, Chorkalium] (vgl. §. 380). Giftigkeit Menschlicher Harn, Thieren unter die Haut oder in die Venen gespritzt, des Harnes, vrirktgiftig, sogar tödtlich (Cl. Bernard, Bocci, Schißer), namentlich Fieberharn. Die giftigen Eigenschaften kommen den organischen und anorganischen Bestand- theilen zu (Lepine &° P. AuberlJ. Harnsäure- Bei andauernd reichlicher N-haltiger Nahrungszufuhr, Spirituosengenuss Dyskrasie. nn(i geringer Thätigkeit, zumal wenn die Athmungsthätigkeit eine Störung er- litten hat, kommt es im Blute nicht selten zu starker Harnsäure-Ansammlung — fGarrod, Salomon). Letztere wird unter entzündlichen, schmerzhaften Anfällen in die Gelenke und deren Bänder und Knorpel deponirt , vornehmlich an Fuss und Hand (Gichtknoten, Arthritis urica) ; selten werden Nieren, Herz und Leber befallen. In den Umgebung dieser Depots nekrotisiren die Gewebe (Ebstein). [§. 280.] Die Harnleiter. 545 280. Bau und Thätigkeit der Harnleiter. Nierenbecken und Ureter haben eine, aus zarten Bindegewebsfasern Schleimhaut mit vielen eingelagerten Zellen gewebte Schleimhaut, auf welcher ein geschieh- m'' tetes „Ueb ergangs-Epi thel" sitzt. Die tiefste Lage dieses letzteren führt ^Vebergangs™ rundliche, kleinere, weiche Zellen, dann folgt ein Lager mehr aufgerichteter, keulen- epithel. und kolbenförmiger Zellen, deren verjüngte Enden zwischen den Zellen der tiefsten Schichte wurzeln ; die freie Fläche wird von würfelförmigen Zellen überdeckt, welche schliesslich noch ein homogener Cuticularsaum begrenzt. Unter dem Epithel findet sich eine Lage adenoiden Gewebes, in welchem zerstreute Lymphf oll ikel vorkommen (Ad. Hamburger, H. Chiari). Im Bereiche des Nierenbeckens trägt die Schleimhaut vereinzelte, kleine, traubige Schleimdrüschen, die sich auch im Harnleiter finden (Unruh, Egli). Die Muscularis besteht aus einer inneren, etwas stärkeren Längs- Dreifache Schicht und aus einer äusseren, circulären, zu denen im unteren Drittel Muskel- noch einige zerstreut liegende Bündel längs verlaufender Faserzüge hinzukommen : alle diese Lagen sind von Bindegewebe ziemlich stark durchwebt. Die äussere Bindegewebshülle bildet eine Art Adventitia, in welcher die gröberen Ge- fässe und Nerven liegen. Die Schichten des Harnleiters lassen sich aufwärts bis zum Nierenbecken und zu den Kelchen verfolgen ; sie überziehen schliesslich , auf die Basis der Pyramiden übergehend, diese selbst nur mit der Schleimhaut, während die Muskeln am Fusse der Pyramiden aufhören und hier durch circuläre Bündel noch eine Sphincter der Art von Sphincter um dieselben formiren (Henle) (pg. 498). Pyramiden. Die Blutgefässe versorgen die verschiedenen Schichten und bilden unter dem Epithel ein capillares Netzwerk. ■ — Die relativ spärlichen, markhaltigen Nerven, in deren Umgebung Ganglien angetroffen werden, versorgen theils Nerven. als motorische die Muskeln, theils dringen sie bis gegen das Epithel vor. Diese sind reflexanregend und sensibel (heftige Schmerzen bei Einklemmungen von Concrementen). Der Harnleiter durchbohrt die Dicke der Blasenwand, indem er sie schräg Mündung. in längerem Verlauf durchsetzt; die innere Oeffnung ist ein schräg nach innen und abwärts gerichteter Schlitz in der Schleimhaut, der mit einem zugeschärften, klappenartigen Vorsprung versehen ist (Fig. 163). Die Fortbewegung des Harns durch den Harnleiter ge- Fortbewegung schient — 1. dadurch, dass das in der Niere unter höherem Drucke tm Ureter. stets neu abgesonderte Secret das im Ureter befindliche , unter viel geringerem Drucke stehende, vor sich her treibt. — 2. Bei aufrechter Stellung rinnt der Harn durch seine Schwere im Harnleiter nieder. — 3. Die Muskeln des letzteren befördern durch peristaltische Bewegungen den Harn zur Blase. Letztere entstehen nur reflectorisch durch den eintretenden Harn [alle 8/4 Minute einige Tropfen (Mulder)\, oder durch directe Reizung; sie verlaufen mit einer Schnelligkeit von 20 — 30 Mm. in 1 Secunde stets abwärls (§ 301). — Je grösser die Spannung des Ureters durch den Harn, um so schneller erfolgen diese peristaltischen Bewegungen (Sokoleff & Luchsinger). Bei localer Reizung verläuft die Contraction nach beiden Seiten hin. Da Engelmann diese Bewegungen auch an solchen ausgeschnittenen Ureterenstücken sah, an denen weder Nervenfasern, noch Ganglien sichtbar waren, so glaubt er, dass sich die Bewegung durch directe Muskelleitung in den glatten Muskeln fortpflanze (ähnlich wie am Herzen; §. ti4, I, 3). Das Zurückstauen des Harns gegen die Niere hin wird Verhinderung verhindert: — 1. Dadurch, dass das im Nierenbecken und in den Stauung in Kelchen unter hohem Drucke sich sammelnde Secret von allen Seiten ,len N her die Pyramiden zusammendrückt, so dass der Harn nicht in die, so durch Druck verschlossenen, Harncanälchen zurücktreten kann (E. H. Weber). — 2. Tritt bei reichlicher Ansammlung von Harn L and oi 8, Physiologie. 7. Aufl. 35 546 Bau der Harnblase und der Harnröhre. [§• 280.] im Ureter (etwa bei Verstopfungen durch Concremente) die Musculatur zur Fortbewegung in lebhaftere Thätigkeit, so drückt der, die Pyra- miden umgürtende Theil der Muskelfasern die Harncanälchen derartig zusammen, dass der Harn nicht in die Ausflussröhren der Harncanälchen zurücktreten kann. — Ein Zurücktreten von Harn aus der und in den B 1 a s e in den Ureter ist theils dadurch erschwert, dass bei starker Spannung der Blasenwand der Harnleiter, soweit er innerhalb derselben liegt, mit zusammengepresst wird , theils dadurch , dass die Dehnung der Blasenschleimhaut die Ränder der schlitzförmigen Mündungen (Fig. 163) straff gegen einander spannt. Ureteren. 281. Bau der Harnblase und der Harnröhre. Schleimhaut. Die Schleimhaut der Harnblase ist der der Harnleiter nicht unähn- lich; das geschichtete Epithel zeigt in der oberen Lage plattere Zellen. — Bei Füllung der Blase werden die Epithelien der Fläche nach gedehnter und dünner Musculatur. ' Patieth, London, Oberdieck). — Die glatten Muskelfasern sind zu Bündeln angeordnet, die zwar vorwiegend eine äussere Lage longitudinaler und Fig. 163. Unterer Theil der männlichen Harnblase mit dem Anfange der Dretra durch einen Medianschnitt der vorderen Wand geöffnet und ausgebreitet (nach Beule). Man erkennt die (hellen) Züge des Trigonum , die schlitz- förmigen Ureterenöffuungen, die oben abgeschnittenen Ureteren nnd Samen- gefässe. Auf dem Colliculus seminalis erscheinen in der Mitte die grössere Oeffnung des Sinus prostaticus, jederseits davon die kleinere, runde Mündung des Ductus ejaculatorius und oberhalb beider die zahlreichen, punktförmigen Oeffnungen der. Ausführungsgänge der Glandula prostatica. eine innere circulärer Fasern erkennen lassen, ausserdem aber vielfältig nach verschiedenen Eichtungen hin unter Bildung eines weitmaschigen Balken- netzes sich durchkreuzen. Zwischen der Musculatur und der Schleimhaut befindet sich eine Schicht zarten, fibrillären, zellenhaltigen Bindegewebes mit elastischen Fasern untermischt. Eine zu minutiöse Zergliederung der einzelnen Lagen und Züge der Blasen- musculatur hat zu irrthümlichen physiologischen Deutungen Anlass gegeben. — M. detrusor Hierher gehört die Aufstellung eines besonderen Musculus detrusor urinae, urinae. ,jer aus v'schen Drüsen. Glatte Muskelfasern finden sich im prostatischen Theile als Längs- schicht, besonders am Colliculus seminalis , in dem membranösen Abschnitt sind vornehmlich circuläre Züge mit zwischengeschobenen longitudinalen ; der cavemöse Theil hat hinten zarte circuläre , nach vorn nur vereinzelte schiefe und longi- tudinale, unbedeutende Bündel. Was die V e r s c h 1 u s s v o r r i c h t u n g der männlichen Harnröhre anbetrifft, so ist zunächst daraufhinzuweisen, dass der. von den Anatomen so genannte SphiucteiM esiear internus, welcher, aus glatten Muskelfasern bestehend, noch als integrirender Theil der Blasenmusculatur abwärts bis innerhalb der Pars prostatica uretrae oberhalb des Colliculus seminalis den Harnröhrenanfang umkreist, gar kein Scliliessmuskel ist. Der eigentliche, quergestreifte M. sphincter Sphincter uretrae (sive Sph. ve>icae externus) liegt unter- halb des letzteren. Er ist ein völlig ringförmig um die Harnröhre herum geschlossener Muskel (dicht über dem Eintritt der Uretra in* das Sepjtum urogenitale) an der Spitze 35* 548 Ansammlung und Zurückhaltung des Harnes. [§. 281.] der Prostata, wo seine Fasern mit denen des darunter belegenen Muse, transversus perinei profundus Bündel austauschen. Es gehören zu diesem Schliessmuskel auch noch longitudinale Fasern, welche längs des oberen Bandes der Prostata von der Blase her herabziehen. Vereinzelte transversale Bündel kommen vorn von der Fläche des Blasenhalses her ; sodann gehören noch zu dem Schliessmuskel jene transversalen Züge, welche innerhalb der Prostata selbst dem Gipfel des Colliculus seminalis gegenüber liegen , einem starken Querbalken ähnlich vor dem Anfang der Uretra quer in die Substanz der Prostata hinein ziehend (Henle). Blut- und In der Harnröhre des Mannes bilden die Blutgefässe unter dem Epithel Lymph- ejn reiches capillares Maschenwerk, unter welchem ein lymphatisches weit- maschiges Gefässnetz liegt. 282. Ansammlung und Zurückhaltung des Harnes in der Blase, — Entleerung des Harnes. zurückhalten Nach der Entleerung der Blase sammelt sich, der Harn *" auf's Neue unter ganz allmählicher Dehnung wieder an. So lange das Quantum des Harns ein nur massiges ist, genügt Wirkung der völlig die Elasticität der die Harnröhre umgebenden elasti- der^dlwebe sehen Fasern und die des Muse, sphineter uretrae (beim Manne aruretraem nocn dazu die der Prostata), um den Harn in der Blase zurück- zuhalten. Es beweist dies schon der Umstand, dass beim Leichnam der Harn die Blase nicht verlässt. Sobald jedoch die Blase sich stärker füllt (bis zu 1,5 bis 1,8 Liter), wobei ihr Scheitel über die Schamfuge emporsteigt, so dehnen sich die Blasenwände unter massiger Erregung der sensiblen Nerven derselben (Gefühl der gefüllten Blase), und zugleich wird die Uretralöffnung durch diese Dehnung derartig dilatirt , dass etwas Harn in den Anfangstheil der Harnröhre einzutreten beginnt. Ausser der bewussten Empfindung der vollen Blase ruft diese Spannung aber auch Reflexe hervor, und zwar sowohl der Blasenwände, die sich nun periodisch leicht um den flüssigen Inhalt zusammenziehen, (es lässt sich diese Bewegung einigermaassen mit einer intermittirenden Peristaltik vergleichen), Reflex- als auch des quergestreiften M. sphineter uretrae, der die Harn- M.e9spHncter röhre beim Andränge eines jeden Harntropfens reflectorisch uretrae. schliesst. So lange die Spannung der Blase keinen hohen Grad erreicht hat, überwiegt die reflectorische Thätigkeit des quer- gestreiften Schliessmuskels (wie es im Schlafe der Fall ist) ; bei fortschreitender, höherer Dehnung jedoch überwinden die Blasenwände den Harnröhrenverschluss, und die Blase wird ent- leert, (wie es normalmässig bei kleinen Kindern der Fall zu sein pflegt). Eigen- Leichte Eigenbewegungen der Blase fand man bei psychischen Erregungen Bewegungen (Harnentleerung bei Angst), bei sensiblen Beizen (P. Bert, v. Basc/i, Meyerj , bei gewissen Erregungen des Gehörorganes, bei Anhalten des Athems und Stillstand des Herzens. Periodische leichte Schwankungen gehen auch mit den Blutdrucks- schwankungen einher. Nach tiefen Inspirationen hören diese Blasencontractionen auf, ebenso in der Apnoe (Mosso &* PellacaniJ. Auch ausgeschnittene Froschblasen und selbst ganglienfreie Stücke derselben zeigen rhythmische Contractionen, welche sich durch Erwärmung steigern (Pfalz). [§. 282.] Zurückhalten des Harnes in der Blase ; Harnentleerung. 549 Bei Heranwachsenden kommt in Betracht, dass der Harn- willkürliche röhrenschliesser dem Willen in der Art unterworfen ist, dass er ^TJphiLur sowohl willkürlich energisch zusammengezogen werden kann, «wef«. (wobei ihm bei grösster Anstrengung des Zurückhaltens der M. bulbocavernosus .beim Manne unterstützend hilft, bei dessen Wirkung zugleich der Sphincter ani in Action tritt), als auch, dass seine reflectorische Erregung willkürlich gehemmt werden kann, so dass er völlig erschlafft. Letzteres findet stets statt, wenn die Blase willkürlich entleert wird. Die, für die besprochenen Mechanismen thätigen Nerven sind: Xenen- — 1. Die motorischen Nerven des Muse, sphincter uretrae liegen im ' "f^die"8 N. pudendus (vordere Wurzeln des 3. und 4. Sacralnerven) : ihre llet<™tion ^ ' und Entlee- Durchsclmeidung hat, sobald die Füllung der Blase bis zur Dehnung rung des der Uretralöffhung vorschreitet, Harnträufeln (Incontinentia urinae) zur ' ' ar"( Folge. — 2. Die sensiblen Harn röhrennerven, welche die vorbenannten reflectorisch anregen, treten durch die hinteren Wurzeln des 3., 4. und 5. Sacralnerven zum Rückenmark. Auch ihre Durch- schneidimg hat Harnträufeln zur Folge. Das Centrum des Reflexes Hegt bei Hunden am 5., bei Kaninchen am 7. Lendenwirbel (Budge). — 3. Vom Grosshirn (Willensorgan) verlaufen Fasern durch den Pedunculus cerebri (Fuss desselben) und die Vorderstränge des Rücken- markes (nach Mosso & Pellacani durch die Hinterstränge und die hinteren Theile der Seitenstränge) zu den Bewegungsfasern des Harn- röhrenschliessers. — 4. Auf derselben Bahn (vielleicht vom Seh- hügel (?) aus) verlaufen die Hemmungsfasern des Reflexes des Harnröhrenschliessers im Rückenmarke abwärts bis zur Gegend des Austrittes des 3. — 5. Sacralnerven. — 5. Durch das Rückenmark aufwärts zum Gehirne (Bahn unbekannt) verlaufen endlich die Gefühls- nerven der Harnröhre und der Blase, welche das Gefühl der Blasen- füllung und des Harndranges in die Harnröhre vermitteln. (Zum Theil laufen sowohl sensible , als auch motorische Fasern durch die Bahn des Sympathicus.) Quere Durchtrennung des Rückenmarkes (ober- halb des Nervenaustrittes) hat stets in ersterLinie Harn- verhaltung zur Folge, wobei sich die Blase ausdehnt, Es rührt dies daher, weil — 1. die Rückenmarksdurchtrennung gesteigerten Reflex des Harnröhrenschliessers zur Folge hat (§ 363. 2), und — 2. weil die Hemmung dieses Reflexes nicht mehr erfolgen kann. Wird unter steigender Dehnung der Blasenwände endlich rein mechanisch auch die Uretral Öffnung dilatirt , so erfolgt Harnträufeln. Doch fliesst stets nur tropfenweise die. das Spannungsmaximum (bei der die Harnröhre noch schliesst) über- steigende, geringe Harnmenge ab. Daher dehnt sich mehr und mehr die Blase aus , da die Spannung der dauernd gedehnten Wände mehr und mehr nachlässt, und die Blase kann zu enormer Grösse gedehnt werden. Es kommt fast constant in der Blase zur ammoniakalischen Zersetzung des lange aufgespeichert» n Harnes, wodurch Katarrhe und Entzündungen der Blase hervor- gerufen werden (vgL pg. 521). — Die vorstehenden Thatsachen . 550 Die Harnentleerung". [§.282.] kann ich nach den Versuchen von Budge, bei deren Ausführung ich betheiligt war, bestätigen. willkürliche Ueber die willkürliche Harnentleerung bei beliebigem entieeru'ng geringeren Füllungsgrade der Blase sind die Anschauungen noch beiFuihm9s-n nicnt geeinigt. Dieselbe wird zum Theil so -gedeutet, als würde grade der vom "Willensorgane aus durch die Bahn des Pedunculus cerebri, die Vorderstränge des Rückenmarkes und weiter durch die vor- deren Wurzeln des 3. und 4. Sacralnerven , sowie zum Theil durch motorische Fasern aus dem 2. — 5. Lumbalnerven (vor- nehmlich dem 3.) direct auf die glatte Musculatur der Blase gewirkt, da nämlich durch elektrische Reizung dieser ganzen Bahn Blasencontraction erzielt werden kann. Ich halte diese Ansicht für unstatthaft. Vorher will ich noch erwähnen, dass, wie Budge mitgetheilt hat , die sensiblen Nerven der Blasen- wände durch den 1., 2., 3., 4. Sacralnerven in das Rückenmark treten , und ausserdem auch zum Theil durch die Bahn des Plexus hypogastricus und von ihm endlich durch die Rami communicantes in das Rückenmark. me Blasen- Nach meiner Auffassung kann die glatte Blasenmusculatur Z£d nicht nie direct willkürlich , sondern stets nur durch reflectorische wiuküriicii Anregung in Contraction versetzt werden. Wollen wir bei nur sondern ' schwach gefüllter Blase willkürlich harnen , so erregen wir reflerrX™Cl1 zuerst die sensiblen Nerven des Harnröhrenanfanges entweder dadurch, dass wir Contraction oder Erschlaffung des Sphincter uretrae bewirken, oder dadurch, dass wir durch Hülfe der Bauch- presse etwas Harn in die Uretralmündung pressen. Die sensible Erregung bringt reflectorische Contraction der Blasenwände her- vor, wozu sogar die Lenkung der Aufmerksamkeit auf das Gefühl am Harnapparate meist genügt. Zu gleicher Zeit wird vom intracraniellen Hemmungscentrum des Re- flexes des Harnröhrenschliessers die Wirkung dieses willkürlich hintangehalten. Das Centrum für die reflectorische Anregung der Bewegung der Blasen wandung liegt etwas höher im Rücken- marke, als das für den Sphincter uretrae ; beim Hunde am 4. Lum- balwirbel (Gianuzzi, Budge). Da auch Reizung der Gefühlsnerven durch schmerzhafte Erregungen reflec- torisch Blasencontractionen bedingt, — (hierher glaube ich, ist die Erfahrung zu rechnen , dass Kinder bei Zahnbeschwerden öfter nächtlich unwillkürlich den Harn entleeren) — so hat das Centrum wahrscheinlich grössere Ausdehnung aufwärts, vielleicht bis zum vorderen Sehhügeltheil (Bechterew &* MislawskiJ. — Nach Durchtrennung des Rückenmarkes sollen im weiteren Verlaufe auf sensible Reizung der unteren Körpertheile reflectorische Bewegungen der Blase hervor- gerufen werden können (Mos.>o &■ Peltacani) . — Auch durch das Ggl. mesentericum inferius (Katze) kann reflectorisch Blasencontraction erzielt werden. Nach Durchschneidung aller Blasennerven hat Verblutung mit Erstickung durch directe Erregung der Blasenmuskeln noch Contractionen zur Folge. Es ist jedoch bis jetzt nicht gelungen, die Hemmungsorgane des Schliessmuskels im Gehirn künstlich zu erregen fSokowht, Kozvalewsky) . Der Der vorstehenden Darstellung entsprechend bietet die Retention und Ent- sogenannte leerung des Harnes analoge Verhältnisse mit der der Faeces (vgl. §. 164). Es soll M. spkincier n()(fo schliesslich auf folgende Verhältnisse hingewiesen werden: — 1. Eine schiiesst die dauernde reflectorische Erregung des Harnröhrenschliessers (tonische Inner- Biase nicht, vation) scheint ebenso zu fehlen, wie an dem Afterschliesser ; erst die jedesmalige [§. 282.] Krankhafte Störungen der Harn-Retention und -Entleerung. 551 sensible Erregung weckt den Reflex. — 2. Wir können dem Sphincter vesicae der Anatomen, der ans glatten Muskelfasern besteht, einen Antheil an dem Blasenverschluss [etwa durch reflectorische tonische Innervation (Heidenhain, Colbtrgj\ nicht zuerkennen, zumal ich mit Budge gesehen, dass nach "Wegnahme des quergestreiften Sphincter uretrae eine Reizung jenes muskulösen Ringes niemals Blasenverschluss erzeugen konnte. — Auch L. Rosenthal und v. Wittich konnten sich von dem Vorhandensein eines Tonus dieses Muskelringes nicht überzeugen. Selbst eine nur unterstützende Betheiligung, wie Kuppressoix) will, kann ihm nicht zugesprochen werden. — Nachdem schon Sanctorius (1631) sich anatomisch von dem Vorhandensein eines selbstständigen Sphincter vesicae nicht überzeugen konnte, ist dessen Existenz weiterhin entschieden von Barkow und Heule bestritten worden. Der Harn erleidet, bei seinem Verweilen in der Blase Ver- Veränderung änderungen. Nach Ä~aupp, der bei gleicher Nahrungsaufnahme den länger oder .des Ha^nes kürzer in der Blase zurückgehaltenen Harn untersuchte, soll die Retention eine Vermehrung des Kochsalzes, eine Verminderung des Harnstoffes und des Wassers nach sich ziehen. Die Verminderung des letzteren ist bei gleichzeitigem Schwitzen noch viel erheblicher (Wundtj. Sehr lange verhaltener Harn verfällt der ammoni- akalischen Zersetzung (pg. 521). Die Frage, ob die Blasenschleimhaut resorbire, — ist von Cl. Bernard bejaht (Hund); auch nach Fleischer &r* Brinkmann, Maas äf Pinner, Mosso dr= Pellacani soll eine äusserst langsame und geringfügige Resorption (von Jodkalium und wohl auch) von löslichen Stoffen überhaupt vorkommen. Maas &* Pinner sahen auch die Harnröhren seh leimhaut resorbiren. Da die Harnleiter mehr gegen den Grund der Blase einmünden , so sind Schichten- die zuletzt abgesonderten Harnmengen stets die untersten. Unter wechselnden Abl^'esreun(. Verhältnissen der Secretion kann sich daher (bei ruhiger Lage) der Harn Schicht- des Harnes. weise in der Blase lagern , so dass man sogar noch bei der Entleerung die ver- schiedenen Schichten deutlich erkennen kann ^Edlefsen). In ruhiger Rückenlage ist der Druck in der Blase = 13 — 15 Ccmtr. Druck in der Wassersäule. Steigerung des intraabdominalen Druckes (durch Einathmung, actives Blase. Ausathmen, Husten, Pressen) steigert natürlich den Druck in der Blase ; ebenso wirkt aufrechtes Stehen wegen des Druckes der Eingeweide von oben (Schatz, Dubais). Bei der Harnentleerung ist die ausgetriebene Menge anfangs Schnelligkeit klein ; sie nimmt weiter in gleicher Zeit zu, gegen Ende der Entleerung wieder ab. ^€^?U™J Bei Männern werden die letzten Partien aus der Harnröhre durch willkürliche Contraction des Bulbocavernosus herausgeschleudert. Erwachsene Hunde acceleriren den Harnstrahl fortwährend rhythmisch durch Wirkung dieses Muskels. 283. Krankhafte Störungen der Harnretention und der Harnentleerung. Störungen in der Mechanik der Harnretention und Entleerung vermag der Arzt nur an der Hand der mitgetheilten physiologischen Verhaltnisse auf ihre Ursache zurückzuführen. Harnverhaltung (Ischurie) findet sich: — 1. Bei Ham- Unwegsamkeit der Harnrühre (Fremdkörper, Concremente , Stricturen , Prosteta- verhaltung. Schwellungen) ; — 2. bei Lähmung oder Erschöpfung der Blasenmuskeln (letzteres auch nach der Entbindung in Folge des Druckes der Kindi stheile gegen die Blase) ; — 3. primär nach Rückenmarksdurchtrennung (pg. 549) ; — 4. bei Störung des Willensimpulses auf die Hemmung des Harnröhrenschliesser-Reflexes , sowie bei erhöhtem Reflex des Harnrührensphincters. Incontinentia urinae (Stillicidium urinae) tritt auf in Folge von Incontiyienz. — 1. Lähmung des Harnröhrenschliessers. — 2. Gefühllosigkeit der Harnröhre, wodurch der Reflex des Schliessers fortfallen muss. — 3. Secundär ist Harn- träufeln stets Folge von Rückenmarks-Durchtrennungen (oder krankhaften Ent- artungen). — Harnzwang (Strangurie) wird als excessi ver Reflex der Blasen- Stranjurie. wände und des Schliessmuskels in Folge von Reizung der Blase und Harnröhre beobachtet (bei Entzündungen, Reizungen, Neuralgien). Die sogenannte Enuresi s Bnuietü. nocturna (nächtlicher unwillkürlicher Hanifluss) kann Folge gesteigerter Reflex- thätigkeit der Blasenwand sein, oder Schwächung des Schliessmoskelrefiexes. Ueber den Einfluss des gestörten Willensorgancs (zumal bei einseitiger Verletzung, Apo- plexie u. dgl.) ist nichts Sicheres bekannt. 552 Vergleichendes. Historisches. [§•284.] 284. Vergleichendes. — Historisches. Ver- gleichendes. Amphibia. Jieptilia. Wirbellose : Mollusca. Badiata. Spongiae. Bei denWirbelthi er en findet sich vielfach eine Vereinigung der Harn- mit den Generations-Organen vor (mit Ausnahme der Knochenfische). Die, in der ersten Embryonalzeit als Excretionsorgan dienende „Urniere" {IVolfscher Körper) übernimmt bei Fischen und Amphibien zeitlebens fortdauernd diese Rolle (Gegenbaur). Die Myxinoiden (Cyclostomen) besitzen die einfachsten Nieren: jederseits einen langen Harnleiter, dem reihenweise kurzgestielte, Glo- meruli-haltige Kapseln aufsitzen. Beide Ureteren münden in den Porus genitalis. Bei den übrigen Fischen liegen die Nieren, oft lang gestreckt, als compactere Massen an beiden Seiten der Wirbelsäule. Die beiden Ureteren vereinigen sich zur Uretra, die stets hinter dem After mündet, entweder mit der Ge- schlechtsöffnung vereint oder hinter dieser; bei Stören und Haien bilden After und Uretramündung zusammen eine Cloake. Auch blasenartige Bildungen, welche morphologisch jedoch der Harnblase der Säuger nicht gleichen , kommen bei Fischen vor, entweder an jedem Harnleiter (Boche, Hai) , oder an der Vereini- gung beider. Bei den Amphibien gehen die Vasa efferentia der Hoden eine Verbin- dung mit den Harncanälchen ein ; der Hoden-Nierengang tritt (beim Frosche) mit dem der anderen Seite zusammen, und beide gehen vereint in die Cloake, während die geräumige Harnblase durch die vordere "Wand der Cloake ausmündet. Von den Reptilien aufwärts ist bei allen Vertebraten die Niere nicht mehr die persistirende Urniere, sondern ein neugebildetes Organ. Bei den Rep- tilien ist sie meist länglich abgeplattet ; die Ureteren münden gesondert in die Cloake. Saurier und Schildkröten besitzen eine, in die vordere "Wand der letzteren mündende Blase. — Bei den Vögeln münden die isolirt bleibenden Harnleiter in den , in die Cloake eingehenden Sinus urogenitalis nach Innen von den Aus- führungsgängen der Geschlechtsdrüsen. Die Blase fehlt constant. — Bei den Säugern bestehen die Nieren oft aus vielen kleinen Läppchen (Reneuli), z. B. beim Seehund, Delphin, Rind. Unter den "Wirbellosen besitzen die "Weichthiere Excretionsorgane in Form von Canälen, welche mit einer äusseren und mit einer, in den Leibesraum führenden, inneren Oeffnung ausgestattet sind (und mitunter auch als Oviducte funetioniren). Bei den Muscheln ist dieser Canal zu einem schwammigen , an der Kiemenbasis liegenden, mit fiimmernden Secretionszellen besetzten Organe fBojanus' seh es Organ) aufgelockert, das oft einen grösseren centralen Hohlraum besitzt. Der innere (flimmernde) Ausführungsgang geht in den Pericardialraum, der äussere (mitunter mit den Geschlechtsöffnungen vereinigt) mündet auf der äusseren Körperoberfläche. — In dem (meist unpaaren) analogen, oft contractilen Organder Sehne cken istGuanin (pg. 539) nachgewiesen. Das Organ vermag merk- würdiger "Weise nicht allein "Wasser aus dem Blute abzuscheiden , sondern auch "Wasser in dasselbe hineinzuleiten. Sackartige, in die Mantelhöhle ausmündende, mit Drüsen versehene Excretionsorgane (an den Kiemengefässstämmen liegend) besitzen die Cephalopoden. Insecten, Spinnen und Tausendfüsse haben die sogenannten MalpigM 'sehen Gefässe, theils als Harnsäure-bereitende Excretionsorgane, theils auch als Gallenorgane). Diese Gefässe sind lange Schläuche, welche in den An- fangstheil des Dickdarms einmünden. Bei den Krebsen haben Blindschläuche des Nahrungsrohres wohl ähnliche Functionen. — Bei den Plattwürmern sind die Excretionsorgane längsverlaufende Röhren ; bei den Bandwürmern 2, durch die ganze Kette sich erstreckend, (bei den Taenien an der Grenze der Glieder durch eine breite Verbindung anastomosirend). Bei den Trematoden (Distomum) mündet das ramificirte Organ am hinteren Körperende. Auch bei den meisten Rundwürmern bilden Schläuche, die vereinigt auf einem Porus in der Bauch- linie ausmünden, das Excretionsorgan. — Die Ringelwürmer besitzen, fast in allen Körpersegmenten paarig, die sogenannten „Schleifencanäle", d. h. Röhren (oft viel verschlungen) , welche mit einer inneren , wimpernden Oeffnung in der Bauchhöhle beginnen und aussen auf der ventralen Körperoberfläche mit der äusseren Oeffnung münden. — Bei den Seeigeln, Seesternen und Medusen ist das Wassergefässsystem zugleich das Excretionsorgan. — Auch bei den Spongien können die, den Körper durchziehenden, Wasser führenden Gänge noch als solche gelten. [§. 284.] Bau der Haut. 553 Historisches — Aristoteles lässt den Harn aus dem in die Nieren niessenden Historisches. Blute entstellen, der dann durch die Ureteren in die Blase rinnt ; er weist auf die relativ bedeutende Grösse der menschlichen Harnblase hin. — Berengar (1521) sah, als er Wasser in die Nierengefässe spritzte, Flüssigkeit aus den Papillen her- vordringen. — Massa (155*4) fand Lymphgefässe an den Nieren. — Eustachius (f 1580) unterband die Harnleiter und fand darnach die Blase leer. — ■ Cusantts (1565) beschäftigt sich mit der Farbe und mit dem Gewichte des Harnes. — A'ousset (1581) betont die musculöse Natur der Wände der Blase , an denen Sanctorins (1631) keinen besonderen Schliessmuskel erkennen konnte, — dagegen Vesling (1641) bereits das Trigonum (Lieutaudii) (1753) beschreibt. — Die ersten wichtigeren chemischen Arbeiten unternahm van Helmont 1644: erstellte die festen Bestandtheile des Harnes dar , fand unter ihnen das Kochsalz , statuirte das höhere specifische Gewicht des Fieberharnes und erklärte das Entstehen der Harnsteine aus den festen Beständen des Urins. — Ueber die Auffindung ein- zelner Harnbestandtheile ist zu bemerken : Scheele entdeckte 1776 die Harnsäure und den phosphorsauren Kalk, — Brand und Kunckel den Phosphor, — Rouelle 1773 den Harnstoff, der von Fourcroy und V'auquelin 1799 benannt wurde, — Berzelius die Milchsäure, — Seguin Eiweiss im pathologischen Harn, — J. z\ Liebig die Hippursäure, — Heintz und v. Peüenkofer Kreatin und Kreatinin, — Wollaston 1810 das Cystin, — Marcet das Xanthin, — Lindbergscn die kohlen- saure Magnesia. — Ueber die neueren histologischen, physiologischen und chemischen Untersuchungen ist im Texte berichtet. Thätigkeit der äusseren Haut. 285. Bau der Haut. Die äussere Haut (2,3 — 2,7 Mm. dick — ; specifisches Gewicht 1,057) setzt sich zusammen aus der Lederhaut (Chorium. Cutis) und der sie überkleidenden Epidermis. Das Chorium — OFig. 164 I C) bildet auf der ganzen Oberfläche Das zahlreiche (0,1 — 0,5 Mm. hohe) Papillen, von denen die grössten " Papillen!' an der Volarfläche von Hand und Fuss, sowie an der Brustwarze und an der Eichel angetroffen werden. Die Mehrzahl der Papillen trägt capillare B 1 u t g e f ä s s s c h 1 i n ge n (g) ; in beschränkten Hautbezirken finden sich auch sogenannte Tastkör p er ch en (Fig. 165. a) in den- selben vor (§. 426). Die Papillen stehen auf der Haut gruppenweise auf den kleinen Terrains hervor, welche von den, noch makroskopisch sichtbaren, zarten Hautfurchen umgrenzt werden : an der Volarfläche von Fuss und Hand der Pveihe nach auf den charakteristisch angelegten Cutisleistchen. Die Lederhaut besteht aus einem dichten, überall gleich- massig gewebten (Tomsa) Geflechte elastischer Fasern (zarteren in den Papillen, stärkeren in den tiefen Schichten), denen hbrilläres Bindegewebe (mit Bindegew ebskörperchen und Lymphoid- z eilen) beigemischt ist. In den tiefsten Schichten nimmt letzteres über- hand und bildet hier durch Verflechtung seiner Bündel länglich r h o m- Pars bische, meist mit Fettgewebe gefüllte Mas chenrä um e (a a), deren Längsausdehnung der der grössten Spannung der Haut an der betreffen- den Körperstelle entspricht (C. Langer). Darunter liegt das sub- cutane Zellgewebe, welches jedoch an manchen Stellen (§.244) ohne Fettzellen ist. An manchen Punkten heften feste, fibröse Binde- gewebszüge die Haut an unterliegende Fascien, Bänder oder Knochen (Tenacula cutis): an anderen Stellen, zumal über hervorstehenden reticularis. 554 Bau der Haut. [§■ 285.] Knoch entheilen, finden sich die, mit synoviaartiger Flüssigkeit gefüllten Bursae subcutaneae mucosae, deren Wände zum Theil mit Endothel bekleidet sind. Fig. 164. Histologie der Haut und der Epidermoidalgebilde. I Querschnitt durch die Haut mit Haar und Talgdrüse (T) (Chorium und Epidermis verjüngt ausgezeichnet). — l äussere, — 2 innere Faserhaut des Haarbalges ; — 3 Cuticula des Haarbalges; — 4 äussere Wurzelscheide ; — ft Henle'a Schicht der inneren Wurzel- scheide; — 6 Huxley's Schicht derselben. — p Haarwurzel auf der gefässhaltigen Haar- papille befestigt; — A Musculus arrector pili; — 0 Chorium; — a Unterhautfettgewebe; — b Hornschicht ; — d Maipighi1 sehe Schleimschicht der Epidermis ; g Gefässe der Haut- payjillen, v Lymphgefässe derselben. — h Hornsubstanz , i Markcanal , k Epidermis des Haares. — K Knäueldrüse. — E Epidermisschüppchen aus der Hornschicht, theils seitlich, theils von der Fläche gesehen. — R Riffzellen aus dem AJalpigki' sehen Stratum ; n ober- flächliche, m tiefe Nagelzellen. — s Haar stärker vergrössert : e Epidermis, c Markcanal mit Markzellen, // Faserzellen der Haarsubstanz. — x Zellen der -ffux^'schen Schicht, — l die der 7/eraZe'schen Schicht. — S Querschnitt durch eine Knäueldrüse der Achsel- höhle, a glatte Muskelfasern der Umgebung. — t Zellen einer Talgdrüse zum Theil mit fettreichem Inhalt. Glatte Muskelfasern trifft man in den obersten Chorium- schichten, zumal an den Streckseiten (Neumann) , ferner namentlich in der Brustwarze , dem Warzenhof, am Präputium , Damm und in ganz besonderer Mächtigkeit in der Tunica dartos des Scrotums. [§• 285.] Epidermis. — Nagel. 555 Bei Silberarbeitern sind die elastischen Fasern der Handhaut durch auf- liegendes reducirtes Silber stellenweise geschwärzt, (ebenso in der medicamentösen Argyrie (Blaschko). Die Epidermis — ist eine 0,08 — 0,12 Mm. dicke Lage ge- schichteten , mit Kittsubstanz vereinigten Pflasterepithels. Die tiefste Schicht, die S c h 1 e i m s c h i c h t Cd), (R e t e M a 1 p i g h i i) , be- steht aus mehreren Lagen protoplasmatischer, gekernter, hüllenloser, (bei den farbigen Rassen , sowie am Scrotum und Anus gefärbten ) Riff zellen (R), (von denen die tiefsten mehr cylindrisch und senk- recht stehend sind), zwi- schen denen zerstreute 1 y m p h o i d e Wanderzellen angetroffen werden (v. Biesiadecki) , welche den Epithelien wichtiges Bau- und Nähr-Material zuführen (Aebyj. Starke Vergrösse- rungen lassen die Zellen mit einer flbrillären Structur ausgestattet sein (Blasch- ko). Die Spalten zwischen den Stacheln gelten als Lymphwege (Bizzozero, Key & Retzius) . Die ober- flächlicheren Schichten Cb) (Stratum corneum) bestehen aus flacher wer- denden, verhornten, kernlosen, in Natronlauge aufquellenden Epidermis- Schüppchen (E). — Den Uebergang zwischen diesen beiden Schichten bildet eine (zumal an dicker Epidermis deutliche) Lage heller erscheinen- der Uebergangsformen von Zellen (Stratum lucidum, Oe/il , — zwischen b und d). — Die obersten Schichten der Epidermis stossen sich fortwährend ab , während aus der Tiefe stets neue Zellenlager, durch Theilung der Rete-Zellen hervorgehend, emporrücken. Hierbei nehmen allmählich die emporgehobenen Zellen den mikroskopischen und chemischen Charakter der Hornschicht an. In der Epidermis selbst und ebenso in den Epidermoidalgebilden wird kein Pigment gebildet; wo sich solches findet, ist es vom unterliegenden Bindegewebe aus durch sternförmige Wanderzellen ein- getragen (Aeby, Ehrmann; RieJil, Kölliker, List) (§. 289). So erklärt es sich auch , dass weisse Epidermisstücke , von einem Weissen auf einen Neger übertragen (§. 247), alsbald dunkel werden (Karg). In derjenigen Schicht der Epidermis, in welcher der Verhornungsprocess vor sich geht, also von den höheren Riffzellenschichten bis zur eigentlich ver- hornten Epidermis, enthalten die Zellen zwei Arten von Kör ne rn (Avjfhamme* die albuminoiden, intracellulären Hyalin- (Waldiyer, und die fettartigen extra- cellulären El ei'din-K örner (Ranvier)y die in analoger Weise alle Horngebildc an der Verhornungsgrenze zeigen Waidiyer_ : letztere färben sich durch Alkanna, erstere durch Hämatoxvlin Bi<::/ . Die Epidermi3 : Schleim- schicht. Hautpapillen, ihre Epidermis abgelöst, die Ge- fässe injicirt; na je ein Meissner' sches Körper- chen bergende Tastpapillen; die übrigen sind Gefässpapillen. Helle. Schicht. Pigment- bildung. Gekörnte Schicht. 286. Nage und Haare. Die Nägel — bestehen aus zahlreichen Schichten fest miteinander ver- bundener, verhornter, stachlicher Epidermiszellen , welche durch Laugen isolirt werden können und zugleich aufquellend einen Kern erkennen lassen (Fig. 164 n m). XHgel. 556 Nägel. [§•286.] Nagelbett. Die ganze Unternäche des Nagels ruht auf dem Nagelbette: der hintere und Nagelfalz, die seitlichen Ränder stecken in einer vertieften Rinne, dem Nagel falze (Fig. 166. e). Das Chorium unter dem Nagel trägt im ganzen Bereiche des Nagel- bettes längsgerichtete Reihen (Leisten) von Papillen (Fig. 166. d). Ueber diesen liegt zunächst (gerade wie auf der Haut an anderen Stellen) das vielfach ge- schichtete Stachel-Zellenlager des Malpigh? 'sehen Schleimnetzes (Fig. 166. c) ; ober- halb dieses ist der Nagel ausgebreitet, der somit das Stratum corneum des Nagel- bettes darstellt (Fig. 1H6. a). Der hintere Nagelf alz und der halbmond- förmige, hellereTheildesNagels(dieLunula) ist dieWurzel des Nagels; sie ist [mit Ausnahme eines schmalen Saumes ringsumher (HebraJ] Nagelmatrix, zugleich die Matrix, von welcher das Wachsthum. des Nagels ausgeht (pg. 476). Das weissliche Möndchen (auch an isolirten Nägeln vorhanden) beruht auf einer geringeren Durchsichtigkeit dieser hinteren Nagelpartie, welche die Folge ist von der besonderen Dicke und gleichmässigen Ausbreitung der Zellen der Schleimschicht an dieser Stelle (Toldt). Wachsthum "Wachsthum und Ent Wickelung. — Nach Unna, der unter Waldeyer des Nagels, arbeitete, ist die Matrix des Nagels nur durch den Boden (nicht auch durch die Decke) des Falzes, bis zum vorderen Rand der Lunula hin, gegeben. — Der Nagel wächst continuirlich von hinten nach vorn , und zwar wird er schichtweise durch Absonderung der Matrix gebildet. Diese Schichten laufen der Matrixfläche (jedoch nicht der Nagelfläche) parallel: sie gehen schräg von oben und hinten nach unten und vorn durch die Dicke der Nagelsubstanz hindurch. Vom vorderen Rande der Lunula ab bis zum freien Rande ist der Nagel gleich dick; es wächst daher der Nagel in diesem Bereiche nicht mehr der Dicke nach , etwa durch Anlagerung neuer verhornter Zellenschichten der Schleimschicht an die untere Nagelfläche. Fig. 166. Querschnitt (der Hälfte) eines Nagels durch das eigentliche Nagelbett nach Biesiadecki. a Nagelsubstanz, l lockere Hoi'nschichte unter derselben, c Schleim- schichte, d querdurchschnittene Nagelleistehen, e papilleuloser Nagelfalz, / die Hornschichte des Nagelfalzest die über den Nagel sich vorgeschoben, g Papillen der Haut des Fingerrückens. im Laufe eines Jahres liefern die Finger gegen 2 Grm. Nagel Substanz, im Sommer relativ mehr als im Winter ( Moleschott, Beneke). EnimicJceiung In der Entwickelung ■ — des Nagels beobachtete Unna die folgenden des Nagels. Stadien: — 1. Im 2. bis 8. Monat des Fötallebens vertritt die Stelle des Nagels eine partielle, stärkere Verhornung der Epidermis am Rücken des End-Finger- Das gliedes : „das Eponychium". Als Rest desselben während des ganzen Lebens Eponychium. t»ieiljt noch jene , normal gebildete Epidermis-Hornschicht bestehen , welche den (später entwickelten, definitiven) Nagel von der Decke des Falzes trennt. — Der definitive 2 . Der defmiti ve Nagel entsteht im 4 . Monat (Kölliker) unter dem Eponychium; Nagel. ,jej, Nagelgrund sitzt anfangs an der- Spitze der Endphalange und rückt später dorsalwärts (Zander). Im 7- Monat bedeckt (selbst noch vom Eponychium bedeckt) der eigentliche, dünne Nagel bereits die ganze Ausdehnung des Nagelbettes, im 8. Monat dringt er ganz in den Falz ein (Kölliker). — 3. Wenn später das Eponychium sich abblättert, so wird der Nagel enthüllt. Nach der Geburt ent- [§.286.] Haare. 557 Der Haarbalg : äussere, innere Faserhaat. Fi?. 1G7. Die Wurzel- scheiden : stehen auf dem Nagelbette die Papillen, und es rückt gleichzeitig die Matrix bis in den hintersten Theil des Falzes. Das Haar. — Mit Ausnahme der Handfläche, Fusssohle, Dorsalfläche der dritten Phalangen der Finger und Zehen, der Aussenfläche der Lider, der Eichel, innerer Präputialfläche , einem Theil der Labien und dem Lippensaum ist die ganze Haut theils mit grösseren, theils mit kleineren Haaren (Lanugo) besetzt. Das Haar steckt mit der Haarwurzel in einer Vertiefung der Haut (Haarbalg) (Fig. 164. I.), der sich schräg durch die Dicke derselben, mitunter bis in das Unterhautzellgewebe hinein einsenkt. Man unterscheidet an dem Haarbalg: — 1. Die äussere Faserhaut (Fig. 164, 1 und Fig. 167 a) aus kernhaltigen, vor- wiegend längs verlaufenden Bindegewebsbündeln zusammengefügt, in denen sich Gefässe und Nerven verbreiten. — 2. Die innere Faserhaut (Fig. 164, 2 u. Fig. 167 c), welche vornehmlich transversal gerichtete Bindegewebszüge enthält. Gegen die Mündung des Haarbalges hin geht diese Lage in den papillenbildenden Theil der Lederhaut über ; im Grunde des Haarbalges bildet sich aus dem- selben die knopfförmige, gefässhaltige Haarpapille (einer Cutispapille ver- HaarpapiUe. gleichbar), die Matrix des Haares, von welcher das Wachsthum des Haares ausgeht. — 3. Die innerste Schichte des eigentlichen Haarbalges bildet noch eine Glashaut (Fig. 164, 3 und Glashaut. Fig. 167 d) (ICöllikerJ, sie endet am Halse der Haarpapille ; nach oben führt ihre Verlänge- rung bis zu der Grenze zwischen Lederhaut und Epidermis. — Ausser diesen Schichten kommen dem Haarbalge noch epitheliale Auskleidungen zu, welche als in Beziehung zur Epidermis stehend aufgefasst werden müssen. So erscheint der Glashaut anliegend, als eine directe Fortsetzung der „Malpig/n- schen Schleimschicht", zunächst die, aus mehre- ren Lagen weicher Zellen bestehende, äussere Wurzelscheide (Fig. 164, 4 und Fig. 167 e), deren äusserstes Zellenlager cylindrische Zellen aufweist. Im Grunde des Haarbalges verjüngt sie sich , und ist an ausgewachsenen Haaren von der Wurzel des Haares selbst ab- gegrenzt. — Die Hornschicht der Epidermis behält , bis zur Einmündungsstelle der Talg- drüsen in den Haarbalg sich einsenkend, ihre Eigenschaften , die sie auf der äusseren Haut besitzt. Unterhalb der Einmündung jedoch macht die Fortsetzung derselben die sogenannte innere Wurzelscheide. Diese besteht 1) aus der, der äusseren Wurzelscheide zunächst liegenden , einfachen Schicht (Fig. 164, 5 und Fig. 167 f) länglicher, platter, homogener, kernloser Zellen (Fig. 164 bei 1 vergrössert) fHenlc's Schicht). Nach innen von dieser liegt 2) die, aus kernhaltigen, mehr länglich poly- gonalen Zellen (Fig. 164 x) gebildete Huxley- 167 g), und endlich grenzt 3) die Cuticula der inneren Wurzelscheide , eine dem Oberhäutchen des Haares analog geformte deTcut'cuta. Zellenschicht, die innere Wurzelscheide gegen das Haar selbst ab. Gegen den Haarknopf hin wird diese dreifache Schichtung verwischt , indem ihre Zellen mit denen des Haarknopfes ohne deutliche Grenze zusammenstossen. — Alle Haarbälge sind mit besonderen Nervenendigungen ausgestaltet. Der M. arrector pili — (Fig. 164 A) ist eine flächenartig ausgebreitete Lage glatter Muskelfasern, welche von der äusseren Faserhaut des Haarbalg- grundes zur oberen Lage der Lederhaut hinzieht und stets den stumpfen Winkel überspannt, den der schräg gerichtete Haarbalg mit der Hautoberfläche bildet. So muss er bei seiner Contraction das Haar aufrichten („Gänsehaut"). Da in dem besagten Winkel meist eine Talgdrüse liegt , so kann seine Con- traction durch Druck eine Entleerung der Dr ü sensecrete beför- aussere Wurzel- scTuf'de, Querschnitt des Haares unter- halb des Halses der Haartasche. a Aeussere Haarbalgscheide mit b Querschnitten von Blutgefässen; c innere Haarbalgscheide, d Glas- haut des Haarbalges, e äussere, fß innere Wurzelscheide, /äussere Schichte derselben (ffenie'sche Scheide), g innere Schichte der- selben (Huxiey'Bche Scheide), h Cuticula, l Haar. sehe Schicht (Fig. 164, 6 und Fig innere Wurzel- scheide mit Ren l e's und H ti x l ey's Schicht und .V. arrector pili. 558 Ergrauen und Entwickelung des Haares. [§• 286.] Das Haar 'mit Mark. Minden- substanz Fig und Cuticula. Das Ergrauen der Haare. und inter- rnittirendes Ergrauen. Erste Entwickelung der Haare. dern (Hesse). Ausserdem wirkt er comprimirend auf die Gefässe des Papillar- körpers (Unna). Das Haar, — welches mit seinem angeschwollenen, untersten Theile, dem Haarkopf, auf der Oberfläche der Haarpapille fest wurzelt, besteht aus drei Bestandtheilen : — 1) der Marksubstanz (Fig. 164. I, i) (fehlt dem Wollhaar und den Haaren in dem ersten Kindesalter), einer aus 2 — 8 neben einander liegenden cubischen Zellen aufgebauten, centralen Zellen- reihe (H c). — 2) Um diese herum liegt die viel mächtigere Rindenschicht (h), die sich aus den langen, starren, verhornten Haar- faser-Zellen ( Kolli kerj (H f f ) zusammen- setzt, in denen die Pigmentkörnchen des Haares liegen: doch findet sich auch daneben mitunter diffuse Tinction der Haarfasern. Letztere setzen sich aus feinsten, längsver- laufenden „Hör nfib rill en" zusammen (Waldeyer) und zeigen, mit Laugen gekocht, einen länglichen Kern. — 3) Auf der Ober- fläche des Haares liegt die Cuticula (k), bestehend ans dachziegelförmig geschichteten und kernlosen Schüppchen (H e). Das Ergrauen der Haare — im Alter beruht auf einer m angelnden Pigment- bildungin der Rindensubstanz. Der Silberglanz des weissen Haares wird noch erhöht, wenn sich namentlich reichlich im Marke , aber auch zerstreut in der Rinde zahlreiche weisse Luftbläschen entwickeln, welche das Licht reflectiren. Mitunter entwickelt sich strecken- weise in dem wachsenden Haare bald Pig- ment, bald nicht, so dass es dem entsprechend stückweise gefärbt und nicht gefärbt er- scheint. — Das plötzliche Ergrauen des Haares (von dem wohlbeglaubigte Mit- theilungen vorliegen) fand ich in einem von mir beobachteten Falle, in welchem ein Mann während eines Anfalles von Säufer- wahnsinn , in welchem er von schrecken- haften Phantasiegebilden gequält wurde, während einer Nacht ergraute , darin be- grün det, dass sich reichliche Luftblä sehen im ganzen Marke der (blonden) Haare, zer- streut auch in der Rindensubstanz entwickelt hatten, während das Haarpigment erhalten war. Diese Luftbläschen verliehen dem Haare den exquisit grauen Schein. — In sehr sel- tenen Fällen hat man intermittirendes Ergrauen der Haupthaare beobachtet, so dass das Haar in Abständen von etwa 1 Mm. abwechselnd hell und dunkel geringelt war. Ich fand in einem derartigen Falle die hellen Stellen von einer reichlichen Entwickelung kleiner Luftbläschen im Markcanale und dem umgebenden Rindenbezirke herrührend, während das Pigment wohl erhalten war. Ueber die Entwickelung des Haares — hat K'ölliker ermittelt, dass zu- erst um die 12. — 13. Woche von der Epidermis aus sich handschuhfingerförmige Vertiefungen in das Chörion einsenken, welche aussen von einer Glashaut be- grenzt und im Inneren mit gleichartigen, weichen Zellen des Malpighi'1 sahen Schleimnetzes angefüllt sind. Indem weiterhin diese Einsenkungen sich nach der Tiefe zu vergrössern und flaschenförmige Gestalt annehmen , erhalten die axial gelagerten Zellen desselben eine mehr längliche Gestalt und bilden einen, Längsschnitt eines im Haarwechsel begriffenen Haarbalges (nach v. Ebner). — a. äussere und mittlere Haarbalg- scheide ; b Glashaut ; c Haarpapille mit Gefässschlinge ; d äussere ; e innere Wurzelscheide (in .Herabsehe und Huxley- sehe Schicht gesondert; ; / Cuticula der letzteren; g Cuticula des Haares; h junges (markloses) Haar; i Kegel- spitze der neuen Haaranlage; l Haar- kolben des abgestossenen Haares mit k den Resten der abgestossenen äusse- ren Wurzelscheide. [§. 286.] Haarwechsel. — Talgdrüsen. 559 vom Grunde des Recessus emporstelienden, konischen Körper. An letzterem er- kennt man weiterhin eine innere, dunklere Partie (die Haaranlage) und einen dünnen, hellen, überkleidenden Mantel (die innere Wurzelscheide) ; die äussersten, der Wand des Säckchens anliegende u Zellen werden zur äusseren Wurzelscheide. Schon früher wächst von unten her gegen die Haarwurzel die Papille empor, während sich zugleich äusserlich die Faserschichten des Haarbalges entwickeln. Weiterhin wächst nun die Spitze des Haares gegen die Hornschicht der Epi- dermis vor. Hier durchbohrt die Spitze desselben die innere Wurzelscheide, die sich nun wie ein Aermel an dem stets weiter hinauswachsenden Haare zurückstreift. In der 19- Woche treten die Haare an Stirn und Braue auf, in der 23. bis 25. Woche spriessen die Lanugohaare frei hervor, die an allen Körper- stellen eine ganz charakteristische Richtung („Strich") haben, genau wie bei den Thieren. Nach Kölliker kommen die Kinder nur mit den Lanugohaaren zur Welt. Von den physikalischen Eigenschaften der Haare ist ihre grosse physikalische Elasticität (Dehnung = 0,33 ihrer Länge), bedeutende Cohäsion (Tragkraft Eigen- 3 — 5 Loth), ihre grosse AViderstandsfähigkeit gegen Fäulniss , sowie ihr starkes hygroskopisch es Vermögen zu betonen. Letzteres besitzen auch die Epidermis- zellen, wie das Schmerzen der Clavi und Narben bei feuchtem Wetter beweist. Das Wachsthum des Haares — erfolgt in der Weise, dass auf der M'achsthum Oberfläche der Papille, welche die Matrix des Haares darstellt, sich stets neue, des Haares- anfangs weiche Zellen bilden durch Zelltheilung. Diese lagern sich auf die untere Fläche des Haarknopfes, nehmen den verschiedenen Theüen des Haares, denen sie sich anschliessen, entsprechend die charakteristische Gestalt an und verhornen schliesslich, tio hebt jede neugebildete Schicht das Haar höher aus dem Balge hervor. Der Mensch (18. — 26. Jahr) producirt täglich 0,20 Grm. Haarsubstanz [entsprechend einem N- Verlust = 0,0615 Grm. Harnstoff], im Sommer und bei häufigem Beschneiden noch mehr (Moleschott) , — nach Beneke 14,6 Grm. pro Jahr Haarsubstanz des Haupthaares. Ueber den Haarwechsel — liegen keineswegs übereinstimmende Angaben Der vor. Nach der einen Anschauung wird , nachdem das Haar seine typische Länge ^aar^chsel- erhalten hat, der Bildungsprocess auf der Oberfläche der Haarpapille unterbrochen : der Haarknopf hebt sich von der Papille ab , er verhornt, bleibt meist pigment- los und er wird schliesslich mehr und mehr von der Papillenoberfläche empor- gezogen, während sein kolbiges, unteres Ende sich besenförmig auffasert (Fig. 168). Der untere, somit leer gewordene Theil des Haarbalges verschmälert sich, und auf der alten Papille kommt es nunmehr durch erneuerte Bil- dungsvorgänge zur Bildung eines Ersatz haares, während alsbald das alte, losgelöste ausfällt (Unna, v. Ebner, Remke\ — Abweichend hiervon lassen Steinlein (1850), Stieda u. A. die Papille des alten Haares zu Grunde gehen, während sich in dem Haar balge eine neue bilden soll, von deren Oberfläche hervor der Aufbau des neuen Haares er- folge. — Endlich nehmen Kölliker und JValdeyer an, dass sowohl das neue Haar auf der alten Papille sich bilden, als auch , dass eine Bildung auf einer neuen Papille erfolgen könne. Die Angabe, dass sich auch beim Erwachsenen Haare neubi ld en können wie beim Fötus {Wertheim, Hesse), stellt v. Ebner in Abrede. 827. Die Drüsen der Haut. Die Haarbalgdrüsen — (Fig. 164. I. T), (Talgdrüsen), einfach acinöse Die Haar- Drüsen, münden bei grösseren Haaren seitlich zu 2 (1 — 3) in den Haarbalg, bei balgdrüsen. kleineren Haaren ragen letztere durch den Ausführungssang der Drüse frei hervor (Fig. 169); nicht zu B aarbälgen in Beziehung stehen die an den Labia minora, der Glans, dem Präputium Tyson' sehe Drüsen), dem rotheu Lippensauine. Die grössten finden sich au der Nase und den Labien; völlig fehlen sie nur der Vola manus und Planta pedis Die Drüsen enthalten mehr polyedrische oder flach-rundliche, kernhaltig« Secret io nszell en (Fig. I(j4. t), durch deren Wucherung ein vielschichtiges Epithel entsteht, dessen Elemente in dem Maasse verfetten, als sie nach dem Lumen der Drüse vorrücken, um hier in fettigem Detritus zu Grande zu geben (Heidenhain). Die gestaltgebende M e m b r a n der Drüsenbläschen ist eine structurlose Glashaut. 560 Schweissdrüsen. [§.287.] Fig. 169. Die Knäuel- Die Knäueldrüsen — (Fig. 164 I. K) (auch Schweissdrüsen genannt) drüben, bestehen aus einem darmartigen , langen , blindgeschlossenen Schlauche , dessen Ende knäuelartig aufgewickelt im Zellgewebe unter der Haut liegt, während das etwas schmälere Ausführungsende korkzieherartig Chorium und Epidermis durch- bohrt (im Bilde verkürzt gezeichnet). Zahlreich und gross sind sie in der Vola, Planta, Axilla, Leiste, an der Stirn und um die Brustwarze herum (Hörschelmann), spärlich am Dorsum des Rumpfes ; sie fehlen an Glans, Präputium und Lippen- rand. Als Modifikation sind die Circumanaldrüsen (GravyJ , die Ohren- schmalzdriisen (Gl. ceruminosae) und MolVs Lidrand drüsen (welche in den Haarbalg einer Cilie münden) zu bezeichnen. Der Drüsenschlauch trägt innerhalb des Knäuels bei den kleineren, ein einschichtiges, gekerntes P 1 a 1 1 e n-, bei den grösseren einCylinder-Epithel (Fig. 164 S) hüllenloser , zum Theil fett- körnchenführender Zellen (Ranvier). Die Membrana propria (Virchow) ist structurlos, von zarten Bindegewebsfibrillen umsponnen; glatte Muskelfasern (Kölliker) finden sich längsverlaufend an den grösseren Drüsen (Fig. 164 S. a). Der (muskellose) ausführende Gang (S c h w e i s s- c a n a 1) ist von einem geschichteten Epithel platterer Zellen belegt, deren Fläche einen dicken Cuticularsaum besitzt. Innerhalb der Epidermis verläuft derCanal ohne selbst- ständige Membran intercellular zwischen den Epidermiszellen (Heynold). Ein Netz- werk von Capillaren umspinnt das Knäuel. Bevor die Gefässe capillar werden, bilden die Arterien ein das Knäuel um- gebendes, wahres "Wundernetz (Brücke). Es ist dies eine bemerkenswerthe Ueber- einstimmung mit der Bildung des gleichfalls als Wundernetz aufzufassenden Glomerulus in der Malfii°-k?'schen Kapsel der Niere. Endlich tritt noch ein Nervengeflecht (Tomsa, Arnstein) zu den Drüsen hin. Die Gesammtzahl aller Knäuel" drüsen mag fast 21/2 Millionen betragen (C. Krause), denen eine secretorische Flächen- ausbreitung von annähernd 1080 QMeter gleichkommt. Rücksichtlich ihrer Function ist festzuhalten, dass sie Schweiss absondern. Doch wird ihrem Secret (vielleicht aus besonderen Zellen?) ein öliges Fett beigemischt, wel- ches bei Thieren (Hufdrüsen des Strahles des Pferdes, Drüsen an den Sohlen des Hundes und der Vögel) ganz vorwiegend zur Abscheidung kommt. — Meissner schreibt den Knäueldrüsen nur eine Fettabsonderung zu, ebenso Unna , der den Schweiss aus den Intercellularlücken der Stachelzellen entstehen lässt, die mit den durchtretenden Schweissgängen communiciren. Lymphge/ässe Röhren- und maschenförmige klappenlose Lymphgef ässe — (Fig. 164. I. v) finden sich in der Cutis, zum Theil blind endigend in den Papillen. Netz- förmig angelegt sah Neumann sie um die Haarbälge und ihre Drüsen herum. Im subcutanen Gewebe trifft man ein gröberes Netzwerk dickerer Lymphgefäss- stämme. Die Blutgefässe treten hauptsächlich in zwei Lagen auf, nämlich in einer oberflächlichen Schicht, aus denen die Schlingen für die Hautpapillen hervorgehen, und in einer tiefen, subcutanen Schicht. Beide Gefässgebiete ana- stomosiren durch Ausläufer (Tomsa). Ausserdem sind die Drüsen der Haut von einem Maschenwerk von Gefässen überkleidet. Talgdrüse mit einem Lanugohärchen. a Drüsen-Epithel , * Rete MalpigMi, in das Drüsen - Epithel sich fort- setzend, c fetthaltige Zellen und freies Fett als Drüseninhalt, d Acini, e Wurzel- scheide mit dem Haare. und Blutgefässe der Haut. [§• 288.] Bedeutung der Haut als äussere Bedeckung. 561 288. Bedeutung der Haut als äussere Bedeckung. Dem Unterhautfettgewebe kommt zunächst die Auf- gabe zu, die Vertiefungen zwischen den Körpertheilen zu füllen, sowie die hervorragenden Theile zu überwölben , so dass also hierdurch die, dem Auge wohlthuende, abgerundete Fülle der Körperformen entsteht. Das Fettgewebe schützt aber auch als weiches, elastisches Polster vor zu hohem Druck (Fusssohle, Hohlhaut, Gesäss) und hüllt vielfältig edlere , leicht verletzliche Theile mit seinem Gewebe ein (z. B. Gefässe und Nerven der Axilla, der Inguinalbeuge und Kniekehle). — Als schlechter Wärmeleiter bewahrt das subcutane Fett den Körper vor zu erheblichen Wärmeabgaben (§. 215. II. 4); — ebenso wirkt aber auch die Lederhaut und die Epidermis (§. 213). Schutz gegen äussere, mechanische Insulte vermag die feste, elastische, leicht verschiebbare Lederhaut zu leisten, sie wird unterstützt von der Epidermis, deren trockenes, impermeables, horniges Gewebe ohne Nerven und Gefässe auch noch als Schutz gegen benetzende Gifte besonders geeignet ist und selbst thermischen und chemischen Einwirkungen nicht unerheblich widerstehen kann. Ein dünner Talgüberzug behütet die freie Fläche der Epidermis vor der Maceration der benetzenden Flüssigkeiten und vor der zersetzenden Einwirkung der Luft. — ■ Das Epidermislager ist ferner für die Säfte- ökonomie des Körpers wichtig. Es übt auf die Hautcapillaren einen Druck aus und verhütet so eine zu ergiebige Saftabgabe aus den Hautgefässen. Hautstellen, die ihrer Epidermis beraubt sind, erscheinen daher geröthet und sie „nässen". Grosse nässende Hautflächen vermögen durch Eiweissverluste den Ernährungs- zustand des Körpers erheblich zu schwächen. — Die Epidermis und die Epidermoidalgebilde sind weiterhin trocken schlechte Leiter der Elektricität(§. 328). Hindurch leiten eines starken Stromes setzt diesen Widerstand auf 1;so herab in Folge kataphorischer Durchfeuchtung (Gärtner) (§. 328). — Endlich lässt sich behaupten, dass das Bestehen unverletzter Epidermis benachbarte Theile vor Verwachsungen schützt. Da die Epidermis sehr Avenig dehnbar ist, so ist dieselbe über die Falten und Papillen des Ckoriums hinweggespannt, welche sich bei Dehnung der Haut ausgleichen ; sogar die Papillen verschwinden so bei stärkerer Spannung I Lewinski . Das Fettpolster a?3 Schutz- organ, ah schlechter Wärmeleiter. Schlitz ihr Lederhaut und der Epidermis. 289. Die Hautatlimung. — Die Hautsecretion. Der Hauttalg, der Schweiss. — Die Pigmentbildung. Die absondernde Thätigkeit der äusseren Haut, deren Grösse über 1 72 D Bieter beträgt, nmfasst: — 1. Die respira- torische Ausscheidung, — 2. die Absonderung des Hautfettes, und — 3. die des Seh weisses. 1. Die Hautathimiiig- — ist bereits (§. 137) besprochen. Landois, Physiologie 7. Aufl. 36 ffaut- athmicng. 562 Der Hauttalg. Der Schweiss. [§• 289.] Unterdrückte Saut- fhätigkeü. Tod nach Ueber- firnissen der Baut bei Warm- blütern. Der Ilauttalg. Mikro- skopische. chemische Bestandteile. Vernix caseosa. Smegma. Beeret der Ohren- schmalz- und Hei bom- tchen Drusen. Perspiratio sensil/ilis et insensibilis. Die Unterdrückung der Hautthätigkeit — (durch Ueberfirnissen) hat bei Warmblütern zunächst keine Abnahme des gesammten Gaswechsels zur Folge. Wahrscheinlich compensirt eine vermehrte Athmungsthätigkeit der Lungen den Ausfall der respiratorischen Thätigkeit der Haut (Regnaitlt &■ Reiset). Bei einigen Säugethieren, zumal bei Kaninchen, erfolgt der Tod nach Ueber- firnissen der Haut (Fourcault , Becquerel är> Brechet) , wahrscheinlich wegen zu grossen Wärmeverlusten (§.226). Kräftige Thiere verenden später als schwache, Pferde erst nach mehreren Tagen (Gerlach) unter Zittern und Abmagerung. Je grösser eine Hautstelle ist , die nicht mitlackirt ist, um so später erfolgt der Tod ; Kaninchen sterben schon nach Ueberfirnissen von 1/a ihrer Hautfläche, nach totalem Ueberzug der Haut sinkt sofort ihre Temperatur (bis 19°); — Puls und Athmung sinken meist, bei beschränkter Lackirung sah man gesteigerte Eespirationsfrequenz und vermehrte Harnstoffausscheidung (Wilischanin) . — Schweine, Hunde, Pferde sollen nach Lackiren der 1/3 Körper- oberfläche nur vorübergehende Temperaturerniedrigung und Mattigkeit zeigen, aber am Leben bleiben (Ellenberger &1 V. Hofmeister). 2. Der Hauttalg. — Das von den Haarbalgdrüsen abge- sonderte Fett ist bei seiner Entleerung flüssig, wird aber bereits innerhalb des Ausführungsganges der Drüse stagnirend zu einer weissen, talgigen Masse . die sich (zumal an den Nasenflügeln) auf Druck wurstformig entleert (sogenannte Comedonen). Es bat die Aufgabe, die Epidermis und Haare geschmeidig zu er- balten und die Haut vor zu starker Eintrocknung zu schützen. — Mikroskopisch enthält das Secret zahllose Fettkörnchen, einzelne (nach Natronzusatz sichtbare) fettgefüllte Drüsenzeilen, mitunter Cholesterinkrystalle und fast bei allen Menschen mikro- skopische, milbenähnliche Thiere (Demodex folliculorum.) — : Epidermisschüppehen und zarte Wollhaare sind zufällige Ver- unreinigungen . ) Die chemische Untersuchung weist vorwiegend Fette nach: vornehmlich Ol e'in (flüssig) und Palmitin (fest), daneben Fe tt- seifen und etwas Cholesterin ; ausserdem wenig Albumin und unbe- kannte Extractivstoffe. Unter den anorganischen Bestandtheilen über- wiegen die unlöslichen phosphorsauren Erden ; die Chloralkalien und phosphorsauren Alkalien treten zurück. (Unsicher ist das Vorkommen von phosphorsaurem Natron-Ammonium und von Chlorammonium.) Die Vernix caseosa — welche die Haut des Neugeborenen überzieht, ist ein schmieriges Gemisch von Hauttalg und macerirten Epidermiszellen (ent- haltend 47,5% Fett). Ein ähnliches Product ist das Smegma praeputii (52,S°/0 Fett), in welchem eine Ammoniakseife vorkommt. Das Ohrenschmalz — ist ein Gemisch des Secretes der den Knäuel- drüsen ähnlichen Ohrenschmalzdrüsen und des der Haarbalgdrüsen des Gehörganges. Es enthält ausser den Bestandtheilen des Hautfettes gelbe oder bräunliche Krümel, einen bitteren, gelben Extractivstoff , der aus den Ohren- schmalzdrüsen stammt, Kaliumseifen und ein besonderes Fett (Berzelius). — Das Secret der Meibom' sehen. Drüsen ist Hauttalg. Die zur Einölung der Epidermis nöthige Fetterzeugung geschieht neben der Keratinbildung zum Theil innerhalb der Epidermis selbst (Liebreich) (pg. 555). Hier ist auch im Lager der beginnenden Verhornung der Nachweis von Chole- sterinfetten gelungen (G. Lewin). 3. Der Schweiss. — Der Schweiss wird von den Knäuel- drüsen secernirt, wobei die Kerne der Secretionszellen eine mehr runde Gestalt annehmen (Rubnoff) und die Zellen (beim Pferd) granulirt werden (Rencrnt). So lange sich die Absonderung in geringen Grenzen bewegt, verdunstet das secernirte Wasser [§. 289.] Der Schweiss. 563 mit den flüchtigen Bestandteilen sofort von der Hautoberfläclie ; sobald sie jedoch zunimmt . oder die Verdunstung- inhibirt ist. tritt der Schweiss perlend aus den Mündungen der Schweiß- drüsen hervor. — Ersteres hat man P e r s p i r a t i o i n s e n s i- bilis, letzteres Perspiratio sensibilis genannt. Die Perspiratio insensibilis wechselt sehr: meist perspirirt die rechte Körperseite mehr, als die linke. — Am reichlichsten sondert die Hohlhand ab. dann folgen Fusssohle, Wange, Brust. Oberschenkel , Unterarm. Sie steigt lang- sam vom Morgen an, noch stärker am Nachmittag , sinkt nach dem Abendbrod ; dann erreicht sie steigend vor Mitternacht ihren Höhepunkt. Grosse Feuchtig- keit und Kälte der umgebenden Luft vermindern sie , ebenso starkes vorauf- gegangenes Schwitzen und vermehrte Diärese. Kinder haben eine relativ grössere Perspiratio insensibilis (Peiperj. Wassergenuss steigert sie, Alkohol setzt sie herab (H. Schmid). Man erhält Schweiss vom Menschen am reichlichsten . wenn letzterer im Schweiss- Dampfbade bei hoher Temperatur in einer Metalhvanne liegt, in -welche das Haut- 9ev>'nnt^n9- secret niedertrieft. So sammelte Favre in l1 „ Stunden 2560 Gr. Schweiss. — Bequem ist so auch die partielle Seh we i ssgewinnung vom Arme, den man in ein Cylinderglas steckt , das durch Gummibinden an den Arm gedichtet ist Schottin . Unter den Thiercn vermögen zu schwitzen das Pferd, weniger das Rind ferner an der Vola und Planta Affe . Katze, Igel; — das Schwein schwitzt (?) an der Rüsselseheibe, das Rindvieh am Flotzmaul ; — gar nicht schwitzen Ziege, Kaninchen. Ratte, Maus, Hund (Luchsinger). Mikroskopisch — enthält der Schweiss zufällig beige- vskn- mengte Epidermisschüppchen und Fettkörnchen aus den Haut- drüsen. Er reagirt (.auch bei Thieren) alkalisch; man fand un&chemieche ihn jedoch wegen Beimengung von Fettsäuren aus zersetzten: Hauttalg oft sauer : bei profuser Absonderung wird er dann zunächst neutral und endlich alkalisch (Trümpy & Luchsinger). Der Schweiss erscheint farblos, leicht getrübt, von salzigem Geschmack und einem, von flüchtigen Fettsäuren her- rührenden, an den verschiedenen Körpertheilen eigenartigen Gerüche. Die Bestandtheile sind Wasser, das nach reichem Trinken zu- nimmt; die festen Stoff e fand Funke (0,696 — 2,559°/0) im Mittel l,180n,0, darunter organische 0,962%, anorganische 0,329%. Organische b. Unter den organischen sind zu nennen etwas neutrale Fette (Palmitin, Stearin) , auch im Schweisse der Hohlhand, die keine Talg- drüsen enthält (Krause) • daneben Cholesterin, flüchtige Fett- säuren (zumeist Ameisensäure, neben Essig-, Butter-, Propion-, Capron-, Caprin-Säure), wohl an verschiedenen Körperstellen qualitativ und quantitativ wechselnd. — sie sind in den zuerst abgesonderten (saureren) Mengen am reichlichsten. — Ferner finden sich Spuren E i w e i s s (dem C a s e T n ähnlich ) , Harnstof f (L. J Vol)T, Funke, Picard) über 0,1% [als dessen Zersetzungsproducte an der Luft auch Ammoniaksalze]. Auch Schwefelsäure mit Skatol und Phenol gepaart und Oxysäuren fand Käst im Schweisse. — Harnsäure Tichborne. Im urämischen Zustande (Anurie bei Cholera) fand man den Harnstoff sogar auf der Haut auskrystallisirt (Schottin, Dräsche). Bedeutende Steigerung der Schweisssecretion vermindert bei Gesunden und Urämischen die Harnstoffmenge im Harne Leute, . Unbekannt ist der rothgelbe Farbstoff, welchen Alkohol aus Schweissrückstand extrahirt und den Oxal- säure grün färbt. 36* 564 Pigmentbildung. — Sckweissabsonderung (Nerventhätigkeit). [§. 289.] Anorganische Unter den anorganischen Stoffen überwiegen die leichtlös- lichen die schwerlöslichen; (Schottin). Man fand Kochsalz 0,2, Chlor- kalium 0,02, schwefelsaure Salze 0,01 pro mille, neben Spuren von phosphorsaureu Erden und phosphorsaurem Natrium. Von Gasen enthält der Schweiss C02 absorbirt neben etwas N. In den Von einverleibten Stoffen finden sich im Seh weisse wieder: leicht Schweiss Benzoesäure (nach H. Meissner daneben auch Hippui säure ; pg. 511), Zimmt-, Stoffe. Weinstein-, Bernstein-Säure; schwerer Chinin, Jodkalium, Quecksilberchlorid, arsenige und Arsen-Säure, arsensaures Natron und Kali ; nach dem Einnehmen von arsenigsaurem Eisen wird Eisen im Harne , ar? enige Säure im Schweisse gefunden ; Quecksilberjodid wird als Chlorid gefunden , indem das Jod in den Speichel übergeht. Bautpigment. j)\e Pigmentbildung, — (zu welcher Wanderzellen das Material liefern, pg. 555) findet in körniger Ablagerung grössten- theils in den tieferen, weniger in den oberen Schichten des Malpighi- schen Netzes statt. So findet es sich namentlich in der Afterspalte, am Scrotum, und an der Brustwarze, sowie überall bei den farbigen Rassen. In der Hornschicht der Epidermis liegt ein diffuses, gelbweissliches Pigment, welches im Alter dunkler wird. Diese Pig- mentbildung soll (ebenso wie die Verhornung) auf einem chemischen Vorgange beruhen, wobei Eeduction stattbat. Das Licht steigert diesen Vorgang. Ausserdem liegt in der Stachelschicht körniges Pigment ; (durch freien 0 kann man die Dunkelfärbung der Epidermis aufheben und ebenso den Verhornungsvorgang verhindern) (Unna). Zu den pathologischen Pigmentbildungen gehört die Erzeugung in den Leberflecken, Sommersprossen und bei der Addison 'sehen Krankheit (§. 108, IV). 290. Einflüsse auf die Scüweissabsoiiderung;. Nerventhätigkeit. Einflüsse auf Die Absonderung der Haut, welche im Mittel gegen \tGi diesecretionS.s' des Körpergewichtes (das Doppelte der Lungenausscheidung) beträgt, kann unter verschiedenen Einflüssen vermehrt oder be- schränkt werden. Die Disposition zum Schwitzen ist bei ver- schiedenen Individuen sehr verschieden. Unter diesen Einflüssen sind bekannt: — 1. Erhöhte Temperatur der Umgebung bringt starke K-öthung der Haut und profuse Schweissabsonde- rung hervor (vgl. §. 215. II. 1.). Kälte, sowie Wärme der Haut über 50° heben die Secretion auf. — 2. Starker Wasser- gehalt des Blutes, zumal nach Aufnahme reichlichen warmen Getränkes, vermehrt den Schweiss. — 3. Lebhafte Thätig- keit des Herzens und der Ge fasse, durch welche der Blutdruck in den Capillaren der Haut erhöht wird , wirkt ebenso ; hierher gehört auch der vermehrte Schweiss in Folge starker Muskelthätigkeit. Hierbei ist die N- Ausfuhr durch den Schweiss gesteigert (Argutinsky) ; vergleiche §. 296. — 4. Gewisse Mittel (H y d r o t i c a) befördern das Schwitzen : P i 1 o- carpin, Calabar, Strychnin, Pikrotoxin. Muscarin, Nicotin, Kampfer, Ammoniakverbindungen ; andere, wie A tropin und Morphin in grossen Gaben, beschränken dasselbe. — 5. Be- sonders beachtenswert!! ist der Antagonismus, in welchem [§•290-] Einflüsse auf die Schweissabsonderung ; — Nerventhätigkeit. 565 die Schweisssecretion , wohl aus vorwiegend mechanischen Gründen, zur Harnsecretion und den Darmausleerungen steht, insofern reichliches Harnen (z. B. hei Diabetes) und dünne Stühle mit Trockenheit der Haut einhergehen (Theophrast) . Wird die Schweissmenge vermehrt, so nimmt der Gehalt an Salzen, Harnstoff (Funke), sowie an Albumin (Leitbe) in dem- selben procentisch zu , während die übrigen organischen Stoffe abnehmen. Je gesättigter die Luft mit "Wasserdämpfen ist, um so eher wird die Secretion tropfbar-flüssig, während in trockener und viel bewegter Luft wegen der schnellen Verdunstung es später zur flüssigen Secretion kommt. Nervenein flu ss auf die Sehw ei ssab sonderung: Nerven- I. Aehnlich wie bei der Secretion des Speichels (§. 150) sind meist bei der Schweissabsonderung Gefäss nerven neben den eigentlichen Secretion snerven zugleich thätig, und zwar am häufigsten die Vasodilatatoren (Schwitzen bei gerötheter Haut). Die Beobachtung des Schwitzens bei blasser Haut (Angst- und Todes-Sch weiss) zeigt jedoch, dass auch bei Reizungs- zuständen der Vasomotoren gleichzeitig die Schweissfasern thätig sein können. Unter gewissen Bedingungen scheint der Blutreichthum für das Zu- standekommen des Schwitzens allein schon maassgebend zu sein: hierher gehört die Beobachtung Dupuy's (1816), welcher halbseitiges Schwitzen am Halse des Pferdes nach Durchschneidung des Halssympathicus sah . — und im Gegensätze hierzu die Angabe NitzelnadePs , der nach percutaner Galvanisation des Hals- sympathicus beim Menschen Beschränkung des Schwitzens beobachtete. IL Unabhängig von der Circulation beherrschen selbst- *>•« Schweb*. ständig wirkende „Seh weis snerven" die Secretion der Haut- flächen. Reizung des betreffenden Nervenstammes bewirkt nämlich noch dann (vorübergehende) Schweisssecretion. wenn die Extre- mität vorher amputirt war, also die Circulation gar nicht mehr bestand (Goltz, Kendall& Luchsinger, Ostroumozv). Im intacten Körper scheint allerdings die profusere Schweissabsonderung meist mit gleichzeitiger Gefässerweiterung einherzugehen ^wie die Speichelabsonderung nach Facialisreizung : §. 150. A. I); ebenso scheinen die Schweissfasern und die Getassnerven in denselben Bahnen zu verlaufen. Für die Hin t er extrem ität — (der Katze) liegen sie im X. ischia- SA weüe- dicus. Luchsingey konnte '/., Stunde hindurch durch Reizung des peripheren r'e"]enf der Stumpfes immer neue Schweissabsonderung erzielen, wenn stets die Pfote wieder extreinität. abgetrocknet wurde. Atropin vernichtet diese Nerventhätigkeit. Bringt man eine junge Katze, welcher der N. ischiadicus einer Seite durchschnitten ist, in einen mit heisscr Luft erfüllten Baum . so schwitzen alsbald die drei intacten Beine, nicht das mit durchschnittenem Nerv, letzteres selbst dann nicht, wenn durch Unterbindung der Venen hochgradige Blutüberfüllung des Beines erzeugt wird. Vom N. ischiadicus verlaufen die Schweissfasern zum Theil direct zum Kücken- mark (Vulpian) , zum Theil in den Bauchgrenzstrang des Sympathicus Luch- iinger, Nawrocki, Ostroumow , um durch dessen Ranii commnnicantes und durch die vorderen Wurzeln in das obere Lenden- und untere Brust-Mark (9. bis 13. Brustwirbel der Katze) zu gelangen, wo das Centrum für die Schweisssecretion der hinteren Extremitäten liegt. Dieses spinale Centrum kann direct erregt werden: 1 . durch stark venöse Blutmischung . alsi i durch dyspnoetische 566 Nerventhätigkeit bei der Schweiss-Secretion. [§. 290.] Erregung; hierher gehört wohl auch der Schweiss im Todes- kampfe (Landois) ; — 2. durch überheisses Blut (45° C), welches dasselbe durchströmt; — 3. durch gewisse Gifte (siehe oben). — Reflectorisch, allerdings mit wechselndem Erfolge, gelingt die Anregung dieses Centrums durch Reizung des N. cruralis und peroneus derselben , sowie des N. ischiadicus der anderen Seite (Luchsinger) . Schweiss- Für die Vorderpfoten — (Katze) verlaufen die Sclrweissfasern im jasem der Tj]narjs un(] Medianus ; diese treten grösstenteils oder sogar sämmtlich (Naivrocki) extremifdt, von dort in den Bruststrang des Sympathicus (Ggl. stellatum), zum Theil (?) laufen sie in den Spinalwurzeln direct zum Rückenmarke (Luchsinger, Vulpian, Ott). In der unteren Hälfte des Halsmarkes liegt eine analoge centrale Stelle für die Vorderbeine. Reizung des centralen Stumpfes des Plexus brachialis macht die Pfote der anderen Seite reflectorisch schwitzen (Adamkiewicz). Hierdurch schwitzen zugleich auch die Hinterpfoten. Pathologisches : — Entartung der motorischen Ganglien der Vorderhörner des Rückenmarkes bewirkt Verlust der Schweisssecretion (neben Lähmung der quergestreiften Körpermuskeln) (Erb, Adamkiewicz , Strauss &° Bloch!. — An ge- schwächten, sowie an ödematösen Gliedmaassen ist die Perspiration gesteigert. Bei Nephritikern finden sich grosse Schwankungen in der AVasserabgabe durch die Haut 'Janssen). An überpflanzten Hautstücken sah Dieffenbach das Schwitzen erst wieder eintreten nach Wiederkehr der Sensibilität. des Gesichtes. Für den Kopf — (Mensch, Pferd; Eüsselscheibe des Schweines) stammen die Schweissfasern aus dem oberen Brustsynipalhicus, gehen durch das Ggl. stellatum und steigen im Halsstrang aufwärts. Hierher gehört wohl die Beob- achtung, dass beim Menschen percutane Galvanisirung des Halssympathicus Schwitzen an derselben Seite des Gesichtes und am Arme (M. Meyer) hervor- ruft, sowie die pathologische Beobachtung, dass bei einseitigem Schwitzen am Kopf, Hals und Oberextremität die entsprechende Pupille erweitert und die Haut blass war (Eulenburg). Im Kopftheile des Sympathicus legen sich die Schweiss- fasern den Aesten des Trigeminus an , woraus sich erklärt , dass Reizung des N. infraorbitalis Schweisssecretion hervorruft. Einige Fasern nehmen aber auch direct aus der Trigeminuswurzel (Luchsinger) und den Facialis (Vulpian, Adamkiewicz) ihren Ursprung (§. 351). Einwirkung Zweifellos muss noch eine directe Einwirkung des Gros s- irns' hirns entweder auf die Gefässnerven (I) oder die Schweiss- fasern (II) stattfinden, wofür das Schwitzen bei psychischen Erregungen, Angstsch weiss etc. zeugt (Theophrast) . Es spricht hierfür die Beobachtung von Adamkiewicz und Senator, welche bei einem Menschen, der einen Abscess in der motorischen Region der Hirn- rinde für den Ann besass, Krämpfe und Schweissausbruch in diesem Arme auf- treten sahen. Nach Adamkiewicz schwitzen bei Reizung der Medulla oblongata, in welcher das dominirende Centrum (§. 375) der Schweisssecretion zu liegen scheint (Marine, Nawrocki) , alle vier Pfoten der Katze, selbst noch A/i Stunden nach dem Tode. Nervender III. N e r v e ii f a s e r n , welche zu den glatten Muskel- h'drV£Z fasern der Schweissdrüsen verlaufen (die kleineren tiusuin. entbehren derselben) , werden auf die Entleerung des Secretes einwirken. Pilocarpin und andere Schwitzmittel bringen bei subcutaner Injection (auch nach Durchschneidung der Nerven) zuerst am Ort der Einspritzung Schweiss hervor. Atropin wirkt so auch zuerst örtlich Schweiss-hemmend. Sind die Schweissnerven durchschnitten (Katze), so tritt nach Injection von Pilocarpin nach Verlauf von 3 Tagen verspätetes Schwitzen auf, das [§. 290.] Pathologische Abweichungen der Schweiss- und Talg-Secretion. 567 nach 6 Tagen sogar bis auf 10 Minuten sich verzögern kann. In späterer Zeit kann dann endlich das Schwitzen ganz ausbleiben (Luchsinger) \ Mit dieser Beob- achtung stimmt die bekannte Erscheinung der trockenen Haut gelähmter Glieder (Landois). Reizt man beim Menschen einen motorischen Nerven (Tibialis, Medianus, i'ersuche am Facialis), so tritt im Gebiet der thätigen Muskulatur und in dem correspondirenden ■Vensch€n- Gebiete der nicht gereizten Körperhälfte Schweiss hervor, und zwar sowohl bei freiem , als auch bei unterdrücktem Kreislaufe. — Bei sensibler und Wärme - Reizung der Haut tritt ebenfalls reflectorisch, unabhängig vom Kreislauf, Schweiss stets beiderseitig hervor. Der Ort des Schwitzens ist unabhängig von dem Orte des Hautreizes Adamkiewicz). Bei mir selbst tritt sofort kalter Schweiss auf der Stirn hervor, sobald ich mit scharfem Essig die Mundschleimhaut reize. 291. Physiologische Hautpflege. Pathologische Abweichungen der Schweiss- und Talg-Secretion. Zur Aufrechterhaltung der normalen Secretion der Haut ist die Hautptlege Hautpflege durch öftere Waschungen und Bäder (wobei die Seife die fettige Hautschmiere durch r-aden. löst) von grösster Bedeutung, da durch sie die Poren offen erhalten werden. — Durch Abreiben der Epidermis unterstützen die Bäder den Stoffwechsel (pg. 457), beeinflussen durch Einwirkung auf die Hautgefässe den Kreislauf (§. 373. II) und die "W arm e Ökonomie des Körpers (pg. 419) und haben eine anregende Wirkung auf das Nervensystem. Einrichtung öffeutlicher Badeanstalten müssen zu den wohlthätigsten Beförderungsmitteln der Volksgesundheit gezählt werden. 1. Verminderung der Schweisssecretion — (Änidrosis) findet sich bei Anidrosis. Diabetes (pg. 528) und Krebskachexie, ferner neben anderen Ernährungsstörungen. der Haut bei manchen Nervenkrankheiten, z. B. der Dementia paralytica; an beschränkten Hautstellen sah man sie als Theilerscheinungen gewisser Troplio- neurosen, z.B. bei einseitiger Gesichtsatrophie und an gelähmten Theilen. In manchen dieser Fälle kann es sich um Lähmung der betreffenden Nerven handeln (Eulenburg), oder ihrer spinalen Centren (pg. 565). 2. Vermehrung der Schweisssecretion — (Hyperidrosis) findet sich Hyperidrosis. zum Theil bei leicht erregbaren Personen in Folge der Irritation der in Betracht kommenden Nerven (§. 290, I u. II). Hierher gehören die Schweisse in Schwäche- zuständen und bei Hysterischen (zumal an Kopf und Händen) und die anfalls- weise auftretenden sogenannten epilepto'iden Schweisse Eulenburg . — Besonders merkwürdig ist noch das vermehrte einseitige Schwitzen zumal am Kopfe (Hyperidrosis unilateralis). Man sah dasselbe gleichzeitig mit anderen Nerven- leiden auftreten, zum Theil unter den Zeichen der Halssympathicusreizung (weite Pupille, Exophthalmus) (Guttmann . Aber auch ohne anderweitige Zeichen einer Synipathicusaffection hat man einseitiges Schwitzen beobachtet , wohl als Reiz- erscheinung der eigentlichen Schweissfasern. 3. Qualitative Veränderungen der Schweisssecretion — (Paridrosis). ParidrosU. Hierher gehören die seltenen Fälle von Blutschwitzen (Hämat ohidr os i s, Th. Bartholimts 1654), auch einseitig, bei denen mitunter der blutige Austritt aus den Hautporen vicariirend für die fehlende Menstruation einzutreten scheint (Hebra). Oefter handelt es sich jedoch um Theilerscheinungen schwerer Nerven- leiden, zumal krampfhafter Anfälle. In den rothen hervorperlenden Schweiss- tropfen fand man Blutkörperchen, selten Blutkrystalle. Auch das gelbe Fieber begleiten zuweilen blutige Schweisse. — Gallen farbstoff fand man im Schweisse Icterischer; bläulichschwarze Färbung, ferner blaue durch Indigo Bizzo , durch Pyocyanin (Fordos) (den seltenen blauen Farbstoff des Eiters), den der Spaltpilz Bacillus pyoeyaneus erzeugt (Gessard), oder durch phosphorsaures Eiseuoxydul (Ose. Kollmann gehören zu den allergrössten Selten- heiten. Derartige farbige Schweisse werden als Chromidrosis bezeichnet. Zwischen den Epidermisschuppen und an den Haaren leben zahlreiche .Miro- Mikroorganismen, welche jedoch als unschädlich zu bezeichnen sind: <"-?a"'i'"en- 2 S a c c h a r o m y c e s - A r t e n , an den Intortrigostellen die L e p t o t h r i x epidermidis und verschiedene Spaltpilze (BtzBozero), nämlich 5 Mikrococcus- 568 Kesorption der Haut. [§. 291.] Arten und zwischen denZelien das den Fussschweissgeruch erzeugende Ba et e- rium graveolens (Bordoni- Uffreduzzij . — Den gelben (Eberlh) , blauen und rothen Schweiss (Babesiu) bedingen ebenfalls Spaltpilze (pg. 347), letzteren der Mikrococcus haematodes. Traubenzucker fand man bei der Zuckerharnruhr im Schweisse (Nasse, Röhrig); selten Harnsäure (bei Steinkranken), — Cystin bei Cystinurie. — In stinkenden Fussschweissen findet sich Leucin, Tyrosin, Baldriansäure und Ammoniak. Nur durch consequente peinlichste Reinlichkeit sind diese zu beseitigen ; den Fussbädern füge man Zersetzungen hindernde und Mikro- organismen tödtende Substanzen, z. B. Salicylsäure oder übermangansaures Kalium, zu. Eiechende Schweissabsonderung wird als Osmidrosis, stinkende als Bromidrosis bezeichnet. — Im Schweissstadium des Wechselfiebers fand man viel buttersauren Kalk, bei Puerperalfiebern Milchsäure. Der klebrige S h weiss bei acutem Gelenkrheumatismus soll mehr Albumin enthalten (Ansel- mi'noj, ebenso wie der Schweiss bei forcirtem Schwitzen (Leube). In Bezug auf Abnormitäten der Hauttalgabsonderung — ist zu erwähnen die pathologisch gesteigerte Absonderung (S eborrhoea), die entweder nur Abnorme local oder auf der ganzen Haut verbreitet vorkommt. — Bei vorzeitiger Kahl- Taig- köpfigkeit findet sich vermehrte Talgproduction der Kopfhaut. — Die ver- ' minderte Talgabscheidung (Asteatosis cutis) bedingt theils local, theils ausgebreitet, vielfach spröde, rauhe Haut; oft, wie an den Glatzen der Greise, gehen die Talgdrüsen zu Grunde. — Verstopfen sich die Ausführungsgänge der Talgdrüsen, so sammelt sich der Talg an, theils in geringerer, theils in grösserer Menge. Nicht selten verstopfen sich die Ausführnngsgänge durch Schmutzpartikeln, Ultramarinkörnchen (Unna) [aus dem Waschblau stammend] und Pflanzenfäserchen der Wäsche fW. Krause) : durch Druck wird der fettreiche wurmförmige „Mit- esser" (Comedo) entleert. 292. Besorption der Haut. — Galvanische Dnrclileituug. wässerige Nach längerem Verweilen im Wasser durchfeuchtet sich die Lösungen. Epidermis una quillt auf. — Dahingegen vermag die Haut aus ein- fach benetzenden wässerigen Lösungen (Bädern) keine Substanzen zu resorbiren, weder Salze, noch pflanzliche Gifte. Dieses Unvermögen beruht in dem normalen Fettgehalt der Epidermis Hautfett- und der Hautporen. Werden daher Substanzen in solchen Flüssig- Substmfzen. keiten gelöst auf die Haut applicirt, welche den Hauttalg lösen und extrahiren, wie Alkohol, Aether und namentlich Chloroform, so kann die Resorption derselben schon nach wenigen Minuten er- folgen (Parisot). — Nach Röhrig sind alle flüchtigen Stoffe, z. B. Carbolsäure, und solche, welche corrodirend auf die Epidermis wirken, nach Juhl auch solche wässerige Lösungen, welche in fein zerstäubtem Zustande auf die Haut eindringen, der Resorption fähig. Wahrscheinlich geht die Resorption durch die Interstitien der Epidermiszellen vor sich. Gewaltsames Aus einfach aufgetragenen Salben (R. Fleischer) wird Vilen' durch die Haut nichts resorbirt. Bei andauerndem, kräftigen „Ein- reiben" handelt es sich mitunter um ein gewaltsames Einpressen in die Hautporen , nicht selten unter gleichzeitigen , mechanischen Continui täts trenn ungen der Epidermisschichten. Unter solchen Um- ständen kann dann allerdings Resorption (z. B. von Jodkalium) aus Salben stattfinden. So fand v. Voit Quecksilberkügelchen zwischen den Epidermisschichten und selbst im Chorium eines Hingerichteton, dem er noch warm energische Einreibungen gemacht hatte. [§• 292.] Galvanische Durchleitung. Vergleichendes. 569 Bei Inunctio nscuren mit Quecksilbersalbe dringen M«tallkügelchen beim Einreiben auch in die Haarsäcke und Drüsenausführungsgänge (Ziilzer, Neumann, P. Für bringer). Hier können sie unter dem Einflüsse des Drüsen- secretes in eine resorptionsfähige Verbindung übergeführt werden. [Ausserdem gelangt Quecksilber in Dampfform auf die Athmungsschleimhaut und wird hier ebenfalls zu einer resorbirbaren Verbindung umgewandelt.] — Die entzünde te, zumal aber die mit aufgesprungener oder verletzter Epidermis bedeckte Haut resorbirt schnell, ähnlich einer Wundfläche. Da alle Stufte, welche die Haut reizen, bei längerer Einwirkung die Continuität derselben trennen , so erklärt es sich, dass sie schliesslich von den wund gewordenen Stellen aus resorbirt werden (Ritter). Wie die Haut unter normalen Verhältnissen 0 aus der Atmosphäre aufnimmt (§. 137), so vermag sie auch Gase zu resorbiren : Blausäure, — H,S, — CO, — C02, — Aether- und Chloroform-Dämpfe (Cliaiissier, Gerlach, RöJtrig). Aus einem Bade, welches H2S absorbirt enthält, wird dieses Gas ebenfalls resorbirt, umgekehrt wird C02 in das Bade- wasser abgegeben (Röhrig). Bei Fröschen — findet eine lebhafte Eesorption von wässerigen Lösungen durch die Haut statt (P. Glittmann, Stirling, v. Wittich '. wobei die Oberhautzellen unter Vergrösserung Bewegun^serscheinungen zeigen , die auch durch elektrische Reizung künstlich hervorgerufen werden können. Auch mit ausgeschaltetem Kreis- laufe, und zerstörtem centralen Nervensystem resorbirt der Frosch durch die Haut viel Wasser, noch mehr aber, wenn sein Kreislauf erhalten war Spina . Besonderes Interesse gewährt noch die Ueberführung wässeriger Lösungen durch die Haut hindurch vermittelst des Consta nten galvanischen Stromes (kataphorische Wirkung, §. 330). Die beiden Elektroden werden mit der wässerigen Lösung der Substanz imprägnirt; die Stromrichtung wird von Zeit zu Zeit ge- wechselt. So vermochte H. Munk durch die Haut von Kaninchen schon innerhalb mehrerer Minuten Strychnin einzuleiten, an dem sie verendeten. Beim Menschen gelang so die Einbringung von Chinin und Jodkalium in den Körper, welche dann im Harne nachgewiesen werden konnten. Resorption bei Inunctions- curen. Aufnahme von Gasen. Galvanische Durchleitung durch die Haut. 293. Vergleichendes. — Historisches. Bei allen Wirbelthieren findet sich die Haut aus Chorium und Epidermis Wirbelthiere. bestehend. Bei den Reptilien zeigt sich Verhornung der Epidermis zu grösseren Platten (Schuppen der Schlangen, Panzer der Schildkröten); ähnliche Bildungen zeigt unter den Säugern das Gürtelthier. Neben Haaren und Nägeln treten bei Thieren als Epidermoidalgebilde auf: Stacheln, Borsten, Federn. Krallen, Hufe, Hörner (Geweihe der Hirsche sind Knochenhildungen des Stirnbeines). Sporen (Hahn), Hornüberzug des Schildkröten- und Vogel-Schnabels und des Horns beim Nashorn. Die Schuppen der Fische bestehen abweichend aus verknöcherten Hautpartien; manche Fische tragen grössere Knochenstücke auf der Haut. — Vielfältig ist die Haut mit Drüsen ausgestattet; bei den Amphibien sondern sie entweder blos Schleim oder giftige Secrete ab. Schlangen und Schildkröten besitzen gar keine Hautdrüsen, bei Eidechsen reichen die „Schenkeldrüsen" vom After bis zu den Kniekehlen. Bei Krokodilen öffnen sich die Drüsen unter den Rändern der Hautknochenschilder. Die Vögel haben keine Hautdrüsen ; die oberhalb der Stcisswirbel liegende „Bürzel drüse" liefert ein Secret zur Ein- fettung des Gefieders. Die Zibethdrüsen am After der Viverren . die Vorhaut- driisen am Moschusbeutel der Moschusthiere , die Leistendrüsen der Hasen, die Klauendrüsen der Wiederkäuer sind eigenthümlich entwickelte Talgdrüsen. Das stark riechende Castoreum (Bibergeil) ist das Secret des Präputiums bei beiden Geschlechtern des Bibers. — Bei den Weichthicren ist die, aus Mollusken. Epidermis und Chorium bestehende Haut mit den darunter liegenden Muskeln innig zu einem „Hautmuskelschlauche" des Leibes zusammengefügt. Die Cepha- lopodcn führen in ihrer Haut die sogenannten Chrom a tophoren , d. h. mit körnigem Pigment gefüllte, runde Zellen , an deren Peripherie sich Muskelfasern radiär ansetzen, so dass deren Zusammeuziehung die färbige Fläche vergrössem rnuss. Durch das Spiel dieser Muskeln entsteht so der Farbenwechsel der Tinten- 570 Vergleichendes. Historisches. [§• 293.] Echino- dermen. fische (Brücke). Zu der Schalenbildung der Schnecken liefern besondere Drüsen das Material. Bei allen Weichthieren geht ihre Entstehung von einem Theile der Oberfläche des Tkierkörpers ans, den man Mantel genannt hat. Arüculaten. Bei allen Glieder thieren überzieht ein mehr oder weniger fester Panzer die Körperoberiläche, — derselbe ist als eine, ans Chitin (§. 252.3) bestehende Cuticularbildung, die von einer darunter liegenden Matrix abgeschieden wird, aufzufassen. Sie setzt sich eine Strecke weit in das Nakrungsrohr und die Tracheen hinein fort ; bei der Häutung wird sie abgeworfen und ersetzt sich von der Matrix aus auf's Neue. Dieser Panzer, welcher dem Körper Schutz verleiht, dient zugleich den Muskeln zum Ansatz; er wird dadurch zum passiven Bewe- gungsorgan, dem Skelete der Vertebraten vergleichbar. Die Echinodermen weisen in ihrer Haut Kalkablagerungen auf, wodurch diese vielfach ein Hautskelet erhält. Die Kalkablagerungen sind entweder zu grossen Platten unbeweglich zusammengefügt, wie in der Schale der See- Igel, oder gliedweise miteinander verbunden, wie an den Armen der See- Sterne. Allein bei den Holothurien tritt die Bedeutung der Verkalkung als Hautskelet zurück ; hier sind nur noch isolirte Kalkplättchen in verschiedenen Vermes. Formen übriggeblieben. — Bei den Würmern bildet die Haut mit den darunter liegenden Muskeln den Hautmuskelschlauch. Die Oberhaut ist bei einigen mit Wimpern bekleidet , bei anderen (Bandwürmern) ist sie mit Poren durch- setzt, bei anderen ist sie ohne Anhänge. Die Haken am Kopfe der Tänien, die stäbchenförmigen Bewegungsborsten am Leibe der Erdwürmer sind cuticulare Bildungen. Hautdrüsen finden sich bei den höher entwickelten Würmern, z. B. den Blutegeln. Zoophyten. j)as Integument der C oelentera ten (Zoophyten) ist durch die Anlage verbreiteter Nesselzellen ausgezeichnet, d. h. mit peitschenartigen Fortsätzen versehener Zellen, die einen ätzenden Saft enthalten und als Fangorgane dienen. Wimpern finden sich vielfach ; bei einigen kommt es zur Bildung eines röhren- förmigen, äusseren, chitinähnlichen Skelets. Protozoen. Das Integument der Spongien erinnert an das der Zoophyten; — bei den Infusorien finden sich vielfach Wimpern verbreitet; — die Rhizo- p o d e n entbehren völlig einer eigentlichen Haut. Doch sind hier theilweise die Bildungen kieseliger (Radiolarien) oder kalkhaltiger Gehäuse (Mono- und Polytha- lamien) beachtenswerth. Historisches. Historisches. — Hippokrates (geb. 460 v. Chr.) und Theophrast (geb. 371 v. Chr.) unterscheiden die Perspiration von dem Schweisse ; nach Letzterem steht die Schweisssecretion in einem gewissen antagonistischen Verhältniss zur Harn- ausscheidung und zum Wassergehalt der Faeces. Von Angst gequälte Individuen sollen stärker an den Füssen schwitzen. — Nach Casshis Felix (97 n. Chr.) nimmt die Haut im Bade Wasser in sich auf; derselbe stellt Versuche über die Hautausdünstuug an; Sanctorhts (1614) misst die „Perspiratio insensibilis" ge- nauer. — Im Talmud wird bereits der Haarbalg und die Haarwurzel er- wähnt. Alberti (1581) kennt die Haarzwiebel; Donatus (1588) berichtet zuerst über plötzliches Ergrauen ; Riolan (1626) entdeckte die Hautfarbe der Neger in der Epidermis. Physiologie des Bewegungsapparates. et intemum. Muskel- fasern. 294. Bau und Anordnung; der Muskeln. 1. Die quergestreiften (willkürlichen) Muskeln. — Der Muskel ist auf seiner Oberfläche von einer bindegewebigen Hülle (Perimysium externum) Perimysium überzogen, von welcher sich in das Innere desselben bindegewebige, dieGefässe «xtemum und Nerven tragende Septa (Perimysium internum) hinein erstrecken, welche den Muskel in einzelne Faserbündel , bald feineren (Augenmuskeln), bald gröberen (Glutaei) Kalibers zerlegen. In einem jeden, der so gebildeten, bindegewebigen Fächer liegt eine Mehrzahl von Muskelfasern parallel neben einander angeordnet. Jede Muskelfaser wird von einem reichen Maschenwerk von Bluteapi 1- laren — (in deren Nähe auch Lymphgefässe vorkommen) umsponnen, und zu einer jeden tritt ein Nervenfaden. Diese Gebilde sind durch eine äusserst zarte, kaum noch als fibrillär zu erkennende Bindesubstanz an der Ober- fläche, der Muskelfaser gehalten , welches Gewebe somit gewissermaassen ein Perimysium jeder einzelnen Faser darstellt (Toldt). Die einzelnen Muskelfasern (Fig. 170. 1) (11 — 07 u. breit) erreichen stets nur eine beschränkte Länge (Rollett), beim Menschen von 5,3 — 9,8 Cm. (Felix). Innerhalb kurzer Muskeln (M. stapedius, M. tensor tympani, kleine Froschmuskeln) verlaufen daher die Muskel- fasern durch die ganze Länge der Muskeln ; innerhalb der längeren Muskeln jedoch verjüngern sieh die einzelnen Fasern zugespitzt („Muskelspin de In") und sind schräg an der spitz beginnenden, nächst darunter folgenden Faser durch Kittsubstanz angeheftet. Die Isolirung der Muskelfasern gelingt am besten durch Salpetersäure mit chlorsaurem Kali im Ueberschuss (Bndgc)\ ferner durch 35°/0. Kali- lösung (Molescliott). Jede Muskelspindel ist ringsum von einer structurlosen, glashellen sarUie (in chemischer Beziehung zwischen Binde- und elastischem Gewebe stehenden) Hülle, dem Sarkolemma (1. S.) (ScJnvann), völlig um- schlossen, innerhalb dessen die contraetile Substanz der Muskelfaser belegen ist. Diese Substanz zeigt in Abständen von 2 — 2,8 \i. eine, aus ab- wechselnd hellen und dunklen Schichten gebildete Q uer streifung (van Lcaavcnhoek, 1679) (1. Q.)> [Durch Einwirkung von 1 pro mille Salzsäure, durch Magensaft, oder nacli Einfrieren erleidet die Faser nicht selten entsprechend der Querstreifung eine Lösung , so dass die Faser wie eine umgeworfene Geldrolle in Scheiben zerfällt (Fig. 170. 5.). Contractihr Inhalt. 512 Histologie der Muskeln. [§■ 294.] Discs. Diese Scheiben (Kunstproducte) nennt man Discs (Bowman, 1840.)] — Ausser der Querstreifung nimmt man an der Faser eine Längsstreifung wahr. Diese ist der Ausdruck dafür, dass in der Fig. 170. Histologie des Muskelgewebes. — l. Scbematische Zusammenstellung der Theile einer quergestreiften Muskelfaser : , Koiva- lewsky, Nawrocki), sowie dass sie entzündet schmerzhaft sind. Sie entarten natürlich nicht nach Durchschneidung der vorderen Wurzeln der Spinalnerven (§. 357). Rothe und blasse Muskeln. — Bei manchen Fischen (Stör), Vögeln (Puter i und Säugern (Kaninchen) kann man ganze „rothe" (z. B. M. soleus des Kaninchens) und „blasse" quergestreifte Muskeln unterscheiden (W.Krause)* Die Fasern der blassen sind dünner, ihre Querstreifung ist dichter, ihre Längsstreifung weniger hervor- tretend und ihre Muskelkörpereken sind weniger zahlreich, als in den rothen Fasern (Ranvier), ihr Gehalt an Glycogen und Myosin ist geringer (Danilezvsky), ebenso an Wasser (Worte). endhüge'.. Xerven- endplatte. InterfibriU'dre Xerven- Endigung. Sem " !e Muskel- nerven. RoÜte und Hasse Muskeln. 576 Glatte Muskelfasern. [§• St94.] Genese der quer- gestreiften Muskeln. Die glatten Muskel- Jul. Arnold fand beim Menschen ein ausgedehntes Vorkommen weisser Fasern zwischen den rothen. Es kommen nämlich auch innerhalb eines und desselben Muskels rothe und weisse Fassern gemischt vor (Frosch, Säuger) ; Grütsner fand dies fast in jedem Muskel ; doch muss betont werden, dass ihre Färbung nicht immer unterschiedlich hervortritt. (Ueber die physiologischen Unterschiede beider Fasern vgl. §. 300.) Im Herzen vom Frosche (sowie bei Wirbellosen) finden sich Uebergangs- formen von quergestreiften Muskelfasern zu glatten (Fig. 170. 6) ; die spindel- förmigen einkernigen Zellen haben nämlich die Gestalt der glatten, aber die Quer- streifung der willkürlichen Muskeln. Entwicklung: — Die quergestreiften Muskelfasern entstehen aus je einer einkernigen, hüllenlosen Zelle des Mesoderms , die sich spindelförmig verlängert. Unter stetiger Verlängerung vermehren sich in ihr die Kerne. Weiterhin geht die peripherische (Parietal-) Substanz dieses Gebildes in die fibrilläre , querge- streifte Masse der Faser über (Fig. 170. 7), während die Kerne mit spärlicher Protoplasma-Umhüllung (Muskelkörperchen) sich in der Axe zusammenhängend erhalten, woselbst sie bei manchen Thieren liegen bleiben. Beim Menschen rücken sie später gegen die Oberfläche der Faser vor, auf welcher es zur Ausscheidung einer structurlosen Cuticula (Sarkolemma) kommt. Die Muskelkörperchen beherr- schen in gewissem Sinne als Ernährungsherde die quergestreifte Parietalsubstanz : vielleicht kann von ihnen aus eine Einschmelzung oder Restitution der letzteren erfolgen (vgl. §. 246. 4). — Der jugendliche Muskel hat weniger Fasern als der des Erwachsenen, zugleich sind erstere durchgehends schmäler (Budge). In wachsenden Muskeln (und zwar beim Neugeborenen und im späteren Alter, Felix) vermehrt sich die Zahl der Fasern dadurch , dass sich von einer Faser ein Streifen mit einer zusammenhängenden Eeihe von Muskelkörperchen abspaltet, der sich zur neuen Faser heranbildet. Auch die neue Faser erhält ihre Nerven- faser, die sich aus Kernen der Schwann'' sehen Scheide herausbildet und abspaltet (Bremer). Nach Paneth sollen bei älteren Individuen Zellen mit Anhäufung con- tractiler Substanz (Sarkoblasten) durch ihr Auswachsen und ihre Verschmelzung zur Bildung neuer Muskelfasern führen können. Sig. Mayer hält diese Gebilde für Eückbildungsstufen des Muskelgewebes und nennt sie Sarkolyten. Quergestreifte Muskelfasern finden sich ausser in den , den menschlichen Organen analogen Theilen der Wirbelthiere noch in der Iris und Chorioidea der Vögel. — Die Gliederthiere haben nur quergestreifte, die Mollusken, Würmer, Strahlthiere vorwiegend glatte Fasern ; bei letzteren kommen noch besondere, energisch sich contrahirende Fasern mit doppelter Schrägstreifung vor (Schwalbe), die aus gekreuzten schrägen Linien zusammengesetzt ist. 2. Die glatten (unwillkürlichen) Muskeln — (Kölliker, 1847) oder contractilen Faserzellen sind durch 35°/0. Kalilösung isolirbare (Moleschott), hüllenlose, einzellige, spindelförmige, abgeplattete, bei starken Vergrösserungen an einigen Orten fibrillär längsgestreift er- scheinende (Guido Wagener, 1863 , Engelmann) 45 — 230 [/. lange, 4 — 10 \j. breite (J. Arnold), mitunter an einem Ende gabelig ge- theilte Fasern, die in der Mitte einen soliden, stäbchenförmigen (nach Zusatz verdünnter Essigsäure scharf hervortretenden) Kern enthalten, der 1 — 2 glänzende Nucleoli umschliesst (Fig. 170. 10 und 11). Eine sehr zähe, elastische Zwischen- (Kitt-) Substanz verbindet die Fasern zu zusammenhängenden Lagen oder netzförmig zusammenhängenden Bälkchen, wobei sie der Länge nach mit den verjüngten Enden gegen einander gelagert, angeordnet sind. Nach Engelmann ist die Sonderung der glatten Muskelsubstanz in die einzelnen spindelförmigen Elemente eine postmortale Veränderung des Gewebes. Mitunter beobachtete, quere, verdichtete Stellen sind nicht der Ausdruck einer [§.294.] Physikalische Eigenschaften der Muskelsubstanz, 577 Querstreifung 'Krause), sondern der einer partialen Contraction (Meissner . — Auch die glatten Muskelfasern haben mitunter sehnige Ansätze. — Die Blutcapillaren laufen in langgestreckten Maschen zwischen den Fasern, - auch die zahlreichen Lymphcapillaren. Die motorischen Nerven — bilden nach J. Arnold ans mark- haltigen und marklosen Fasern ein, theihveise mit Ganglienzellen aus- gestattetes, Geflecht, welches in dem Bindegewebe der Umhüllung der glatten Muskelfasern liegt (Grundplexus). — Aus diesem geht ein zweites markloses Xetz hervor, mit Kernen in den Knotenpunkten, entweder unmittelbar der Muskulatur aurliegend, oder im Bindegewebe zwischen den einzelnen Bündeln (int ermediär er Plexus). — Die aus letzterem hervortretenden, feinsten Fibrillen (0,2 — 0,3 (/.), die sich abermals netzartig verbinden (intermuskulärer Plexus), endigen in den Nucleolis (Frankenhäuser) , oder in der Umgebung des Kernes (Lustig) ; nach J. Arnold durchsetzen sie die Fasern und den Kern und gehen in das Geflecht wieder über. Löwit und Gscheidlen sahen die Terminalfibrillen, von denen einer jeden Muskelfaser eine zuzukommen scheint, nur den Rändern der letzteren entlang laufen. [Zur Darstellung wird Goldchlorid verwandt.] Innerhalb der Sehnen — (Frosch) finden sich Geflechte markhaltigcr Nerven , aus denen eben solche büschelförmig getheilte Fasern hervorgehen , die zuletzt in kernhaltige Platten einfach zugespitzt eintreten, die Nervenschollen RolletCs. Nach Sachs werden Endkolben-ähnliche Körperchen in den Sehnen, nacli Rauber Fater'sche Körperchen in deren Scheiden angetroffen ; Golgi fand ausser diesen auch spindelförmige Endkörperehen, die er für die speeifischen Appa- rate zur Abschätzung der Spannung hält (vgl. §. 432). Nerven- endigung. Xervcn der Sehnen. 295. Physikalische und chemische Eigenschaften der Muskelsubstanz. 1. Die Consistenz — der Muskelsubstanz ist derjenigen des lebenden Protoplasmas gleich: sie ist „festweich-', d. h. nicht in so hohem Grade flüssig , dass sie zu zerfliessen vermag, aber auch nicht bis zu einem so hohen Grade fest, dass nicht ein Zusammentreten getrennter Theile möglich wäre. Die Con- sistenz lässt sich somit mit der einer Gallerte im Momente ihres Zergeh ens vergleichen. — Die mitgetheilto Anschauung findet in folgenden Punkten ihre Begründung: — a) in der Analogie in der Function des Muskelinhaltes mit dem con.tr ac- tilen Protoplasma der Zellen, dein dieser festweiche Zustand sicher zukommt, da er aus der Bewegung des Protoplasmas ersehlnssen werden mus-i (vgl. pg. 33); — b) durch die Beobachtung des Verlaufes der Con t rac t i on y- Wellenbewegung durch die Länge der Muskelfaser (§. 301). Hierher grien-: auch die bei der Durchströmung des Muskels von einem Constanten Strome zuerst von IV. Kühne 1 bachtete wellen fö rin i g e Be wegungserscheinu n g. Es handelt sich nämlich auch in ihr um Ablaufen von Contractionswellen inner- halb der Fasern (Du-Bois-Reymond) . — c) Man hat endlich direct ante Mikroskope beobachtet, wie ein kleiner parasitischer Rundwurm (Myoryctes Weismanni) sieh schlängelnd im contractilen Inhal!'' fortbewegte, so dass hinter ihm die getheilten, festweichen Massen wieder zusammengingen ';'". Eberth . 2. Lichtbrechung. — Ueber die Eigenschaft der contractilen Substanz, das Licht doppelt zu brechen (Anisotropie) Botck L839), während die Grundsubstanz einfach brechend (isotrop) ist. verdanken wir Brück die wichtigsten Aufklarungen. Nach ihm verhall sich die contractile Substanz Die . i .. v:eich " . Jieoh- achtungen contra an >soirop . — die hei Landois, Physiologie. 7. Aufl. 37 578 Chemische Eigenschaften der Muskelsubstanz. [§. 295. | wie ein doppelbrechender, positiv einaxiger Körper, dessen optische Axe in der Längsaxe der Faser liegt. Unter dem Polarisationsmikroskope giebt sich die doppelbrechende Substanz dadurch als solche zu erkennen, dass dieselbe bei ge- kreuzten Nicols im verdunkelten Gesichtsfelde (wobei die Faser so orientirt ist, dass ihre Längsaxe die Schwingungsebenen der iVzVö/'schen Prismen unter 45° schneidet) hell, im farbigen (purpurrothen , durch Zwischenlagerung eines Gypsblättchens) andersfarbig (blau, gelbroth, bis gelb) erscheint. Da nun bei der Contraction der Muskelfasern (§.299. II) die contractile Masse des Muskelelementes niedriger und zugleich dicker wird, während die optischen Constanten hierbei sich nicht ändern, so kann nach Brücke die contractile Sub- stanz kein einfacher Körper sein , etwa wie ein Krystall , der seine Form nicht zu verändern vermag, sondern sie muss aus einer ganzen Anzahl kleiner, zu einer Gruppe vereinigter, doppelbrechender, an sich fester Moleküle bestehen, welche bei der Contraction oder Relaxation gegenseitig ihren Ort verändern können. Diese kleinsten Theilchen nennt Brücke die Disdiak lasten. Aendert sich je nach der Thätigkeit oder Ruhe die Form der contractilen Substanz , so nimmt Brücke eine verschiedenartige Formation durch das Aufmarschiren der Moleküle in verschieden formirten Colonnen an : also in der Ruhe eine Formation aus vielen Gliedern mit wenigen Einzelmolekülen, — bei der Contraction wenige Glieder mit vielen Molekülen. Sind endlich die Disdiaklasten ganz gleichmässig durch die Substanz der Muskelfaser zerstreut, so verschwindet auch die Quer- streifung. Dann erscheint vielmehr die ganze Faser unterbrochen gleichmässig doppelbrechend, wie es bei den glatten Muskelfasern constant in allen Zuständen der Fall ist. — Catherine Schipiloff, A. Danilewsky und O. Nasse lassen die con- tractionsfähige , anisotrope Masse aus Myosin bestehen. — Nach den Beobachtungen Engelmanti 's kommt allen contractilen Elementen Doppelbrechung zu, und zwar ist die Richtung der Verkürzung stets mit der optischen Axe Ursache der gleichgerichtet. — Was die eigentliche Ursache der Anisotropie anbetrifft, Anisotropie. g0 haben die umfassenden Untersuchungen v. Ebneres es klargelegt, dass durch Wachsthumsvorgänge in dem Gewebe Spannungen erzeugt werden (Spannungs- erscheinungen imbibirter Körper) , welche die Doppelbrechung hervorrufen. — Bei dauern derContraction an absterbenden Muskelfasern nimmt der Brechungsindex der Muskelsubstanz zu, und zwar in Folge von Wasser- verlust des Gewebes und hierdurch bedingter grösserer Concentration der gelösten Muskelbestandtheile. Chemie des Die chemische Zusammensetzung — des Muskels erleidet nach dem Tode schnell tiefgreifende Veränderungen. Da jedoch Froschmuskeln nach dem Einfrieren aufgethaut wieder contrae- tionsfähig werden, also das Durchfrieren sie chemisch nicht ver- ändert, so kühlt W.Kühne durch 1%. Kochsalzlösung entblutete Frosckmuskeln auf — 10° C. ab. zerreibt im eiskalten Mörser und presst den Brei, der schon bei — 3° aufthaut, durch Leinen aus. Das abgepresste Fluidum wird kalt filtrirt und stellt nun einen neutral , oder meist alkalisch reagirenden, leicht gelblich Musuu tingirten, schwach opalescirenden Saft dar, welcher „Muskel- plasma" genannt wird. Dasselbe hat mit dem Blutplasma die spontane Gerinnung gemein : letztere erfolgt so, dass das Muskel- plasma zuerst gleichmässig gallertig wird ; später ziehen sich in der Gallerte trübe, undurchsichtige, das Licht doppelt brechende Flocken und Fäden zusammen, die ähnlich wie die Fibrinfäden des sich contrahirenden Blutkuchens einen flüssigen Saft, das Mutkeiserum. s a u c r reagirende „M u s k e 1 s e r u m" , auspressen. Kälte verhin- dert die Gerinnung des Muskelplasmas ; über 0° erfolgt sie nur sehr langsam , dann mit steigernder Temperatur schneller, end- lich sehr schnell bei 40° C. für Kaltblüter-, oder bei 55° C. für Warmblüter-Muskeln. Zusatz von destillirtem Wasser oder von etwas Säure zum Muskelplasma ruft sofortige Gerinnung hervor. [§. 295.] Chemie des Muskels. — Stoffwechsel im Muskel. 579 Der geronnene Eiweisskörper, der reichlichste in den Muskeln, welcher der doppelbrechenden Substanz entstammt, heisst das ,.Myosin" (W. Kühne). Myosin. Dasselbe ist in stärkeren Kochsalzlösungen (von 10° 0 an) löslich und wird aus diesen nach Verdünnen mit Wasser oder sehr geringen Säuremengen (0,1 bis 0,2°/o- Milch- oder Salz-Säure) wieder niedergeschlagen. In verdünnten Alkalien oder etwas stärkeren Sänren (0,5°/o- Milch- oder Salz-Säure), sowie in 13°/0- Salmiaklösung ist das Myosin löslich. "Wie Fibrin zersetzt Myosin lebhaft H,0.,. Durch Behandeln mit Salzsäure und Erwärmen wird Myosin in Syntonin (§. 251. VI) verwandelt. — Aus Muskelbrei lässt sich Myosin auch durch 10 bis 15°/o- Salmiaklösung extrahiren. Hitze bis 65° C. schlägt es im Extracte nieder (Danilewsky) . A. Danilewsky ist es gelungen, Syntonin zum Theil in Myosin wieder zurückzuverwandeln (§. 251. VI). — Myosin findet sich auch in anderen thierischen (Cornea) , ja sogar pflanzlichen Gebilden (§. 251, II. 3) (O. Nasse). Das Muskelserum enthält nun weiterhin noch 3 Eiweiss- Mbuminate körper (2,3 — 3%), nämlich: — 1. Kalialbuminat, welches esSeruZ?.~ auf Säurezusatz schon bei 20— 24° C. gefällt wird ; — 2. S eruni- albumin 1,4—1,7% (§. 36. I. a), das bei 12 — 75° C. coagulirt; — 3. ein. bei 47° C. coagulirendes Albuminat. Halliburton unterscheidet im Muskel neuerdings folgende Eiweissstoffe : — 1) Paramyosinogen bei 47° C. coagulirend , — 2)Myosinogen bei 56° gerinnend, beide das Myosin bildend, — 3) Myoglobulin (dem Serumglobulin ähnlich) bei 63'' coagulirend, — 4) das dem Serumalbumin ähnliche My oa lbu- min, — 5) Myoalbumose, bei 73° gerinnen 1. — Der Farbstoff des Mus- kels (Myohaematin) ist vom Blutfarbstoff verschieden. [Das Gewebe wird zer- rieben und mit Aether Übergossen , wobei die rothe farbstoffhaltige Flüssigkeit ausschwitzt (Mac Muun ]. Nach Levy ist es identisch mit Hämochromogen (pg. 46). — Es giebt O-haltiges und reducirtes Myohämatin (durch Ammonium- sulphid; pg. 42). Ueber die sonstigen chemischen Bestaudtheile der Muskeln ist Sonstige bereits bei Besprechung- des „Fleisches" (§. 235) berichtet. Es genügt, hier nur noch "Weniges zuzufügen. — 1. Brücke wies Spuren von Pepsin und Pepton im Safte der Muskeln nach, Piotrowsky etwas diastatisches Ferment. — 2. Xeben flüchtigen Fettsäuren Ameisen-, säuren. Essig-, Butter-Säure) finden sich im sauer reagirenden Muskel zwei isomere Milchsäuren: a) Die Aethylidenmilchsäure in der Modification der rechtsdrehenden Para- oder Fleisch-Milchsäure. Daneben findet sich — b) Aetb ylen milchsäur e in geringen Mengen: (Vgl. §. 253. 3. c), welche Maly ebenfalls als gelegentliches Grährungs- produet von Kohlehydraten (Glycogen etc.) entstehen sah. Ueber die Bildung der Milchsäure in der Todtenstarre siehe ij. 2!» 7. Durch plötzliches Sieden oder Behandlung mit starkem Alkohol unterbleibt die Säuerung des Fleisches (Du Bois-Reymond). Saures phosphor- saures Kalium trägt weiterhin zur sauren Pveaetion bei. — 3. Ueber das Glycogen, welches bis zu 1° 0 nach reichlicher Fleischfütterung, CRycogen. zu 0,5% im nüchternen Zustande sich findet, sich während der Ver- dauung in den Muskeln (wie in der Leber) aufspeichert, im Hunger- zustande jedoch schwindet, und welches (wahrscheinlich ans Albumi- naten) in den Muskeln selbst sich bildet (Kiifc). vgl. §. 177, 2 und pg. 491. III. 1. — 4. Von Gasen findet sich COa [15—18 Vol.-pCt. Oase. (Stinzing), theils absorbirte, theils chemisch gebundene; letztere wohl erst durch Zersetzung gebildet], etwas absorbirter N. aber kein »>. obwohl der Muskel aus dem Blut fortwährend 0 aufnimmt (Her- 37* 580 Stoffwechsel im Muskel. [§. 295.] mann). Die Muskeln enthalten eine Substanz , die durch Zersetzung C02 liefert; Arbeit verbraucht dieselbe, so dass stark ermüdete Muskeln weniger C02 erzeugen können (Stinzing). 296. Stoffwechsel im Muskel. Gaswechsei I. Der ruhende Muskel — entnimmt fortwährend dem durch - "" 3ius1-etn strömenden Capillarblute 0 und giebt an 'dasselbe C02 wieder zurück. Doch scheidet derselbe weniger C02 aus, als dem, von ihm aufgenommenen 0 entspricht. Auch ausgeschnittene, ent- blutete Muskeln zeigen einen zwar geringeren, aber analogen Grasaustausch (Du Bois-Reymond , G. Liebig). Da letztere sich überdies in 0 oder an der Luft länger reizbar und leistungs- fähig zeigen als in O-freien, indifferenten Gasen (AI. v. Humboldt), so ist anzunehmen, dass der besagte Gaswechsel eine, mit dem normalen Stoffwechsel verknüpfte , die Leistungsfähigkeit des Muskels bedingende Lebenserscheinung desselben ist. Die O-Zehrung vom Blutstrome durchflössen er isolirter Hunde- muskeln ist zunächst innerhalb ziemlich weif er Temperaturgrenzen fast unabhängig von der Temperatur; bei bedeutenderen Schwankungen steigt und fällt sie dann mit der Temperatur desselben ; die CO.J -Ausscheidung der Muskelsubstanz sinkt während der Abkühlung (weniger als die O-Zehrung), sie hebt sich aber auch nicht wieder während einer darauf folgenden Wiedererwärmung (RubnerJ. Von diesem Gaswechsel ist wohl zu unterscheiden derjenige Wechsel von 0 und C0.2 im Fleische, welcher als Fäulnisserscheinung unter der Entwicklung niederer Organismen schon bald nach dem Tode (im Anschlüsse an den erloschenen physiologischen Gaswechsel) eintritt (Hermann). nermtige II. Im tliätigen Muskel — sind die Blutgefässe stets er- weitert (C. Ludwig & Sczelkow), ein Umstand, welcher offenbar auf eine lebhaftere StofFumsetzung hindeutet. Dem entsprechend zeichnet sich auch der thätige Muskel durch eine Reihe chemischer Umsetzungen vor dem ruhenden aus: reagirt sauer, l. Die neutrale oder schwach alkalische ßeaction des ruhenden Muskels (auch des glatten) geht mit dessen Thätig- keit in eine saure über (Du Bois-Reymond , 1859), und zwar nimmt der Säuregrad des Muskels mit der, von ihm geleisteten Arbeit bis zu einer gewissen Grenze zu (R. Heidenhain). Die Säuerung entsteht durch die, in Folge des Umsatzes von Lecithin und (?) Nuclei'n erzeugte Phosphorsäure (Weyl & Zeitler). Die frühere Annahme, dass es sich um Auftreten von Milchsäure handle , welche sich aus Glycogen erzeuge , ist unentschieden : Marcuse nimmt dies neuerdings wieder an , während Warren und Astaschewsky den Milchsäure- gehalt der tliätigen Muskeln (den ruhenden gegenüber) sogar vermindert fanden. — Nach Moleschott &* Battistini enthält bereits der ruhende Muskel freie Säure (Milchsäure), der ermüdete mehr (namentlich Phosphorsäure und COa). produdrt 2. Der thätige Muskel scheidet bedeutend mehr C02 aus, als während der Ruhe : — a) Schon die lebhafte Muskel- action von Mensch oder Thier steigert bedeutend die C02-Aus- scheidung (vgl. §. 133 , 6). — b) Auch das Venenblut fliesst C02-reicher aus den tetanisirten Extremitätenmuskeln zurück, und zwar wird unter diesen Verhältnissen mehr C02 ausge- schieden, als dem gleichzeitig aufgenommenen 0 entspricht Muskel [§. 296.] Stoffwechsel im Muskel. 531 (C.Ludwig & Sczelkow). Dasselbe zeigt sich auch bei künst- licher Blutdurchleitung (v. Frey). — c) Auch ausgeschnittene contrahirte Muskeln scheiden reichlicher COo ab (Matteucci, Valentin) . 3. Der thätige Muskel verbraucht mehr 0, und zwar: verbraucht — a) nimmt der gesammte Körper während der Arbeit sehr viel mehr (bis gegen das 4 — 5fache) an 0 auf (pg. 244 und 4iJ.~>> (Regnault & Reise/) . — b) das Venenblut fliesst O-ärmer aus thätigen Extremitätenmuskeln (C. Ludwig & Sczelkow & AI. Schmidt) [auch bei künstlicher Durchblutung (v. Frey)]. Jedoch ist die Zunahme des O-Verbrauches seitens des arbeitenden Muskels nicht so gross, als die der C02 -Abgabe (v. Pettenkofer & v. Voit). Die Steigerung der O-Zehrung lässt sich noch in der Ruheperiode verfolgen , welche der Thätigkeit unmittelbar folgt; ebenso verhält es sich mit der C0.3-Ausscheidung (v. Frey). An ausgeschnittenen, entbluteten Muskeln lässt sich gasometrisch eine O-Zehrung nicht nachweisen, auch scheint für kürzere Thätigkeit des Muskels der 0 nicht unbedingt erforder- lich, da der ausgeschnittene Muskel noch im Vacuum oder in O-freien Gasgemischen eine Zeit lang zu arbeiten vermag und kein 0 aus seinem Gewebe erhalten werden kann (Hermann). Froschmuskeln entziehen leicht reducirbaren Substanzen den 0 (so entbläuen sie z. B. Indigolösung), und zwar wirken ausge- ruhte Muskeln weniger energisch, als anhaltend thätig gewesene (Grützner, Gscheidlen). 4. Die Frage, inwieweit die Eiweisskörper der Muskelsubstanz durch den Umsatz ihrer chemischen Spannkraft die mechanische Kraft der Muskelarbeit erzeugen (pg. 8. 4), ist noch nicht einheitlich beantwortet. Auf der einen Seite stehen die jenigen Forscher, welche die Eiweisskörper nicht als die Quelle der Muskelkraft. — auf der anderen die- jenigen, welche sie allerdings dafür erklären. Fielt & Wislieenus, sowie v. Voit und v. Pettenkofer kamen durch ihre Ver- suche zu dem Resultate, dass durch ange strengte Arheit die 24-stündige N- Ausscheidung nicht in irgendwie erheblicher Weise gesteigert werde (während O-Verbrauch und CO._,-Abgabe bedeutend zunehmen), voraus- gesetzt, dass der Körper über ausreichendes C- haltiges Material in seinen Geweben (Glycogen, Fett) oder in der Nahrung verfügt. Wohl aber tritt vermehrte N- Ausfuhr ein, wenn die Arbeit zur Dyspnoe führt (Zuntz &■= Oppenheim) . Denn beim O-Mangel zerfallen die Albuniinate. Nach den im Institute zu Bonn angestellten Versuchen von Argutinsky hatte hingegen eine vermehrte Muskelthätigkei t (Bergsteigung) eine bedeutende Steigerung der N-Ausscheidung durch den Harn zur Fi 'lue, die mindestens 3 Tage anhielt. Berechnete man aus dieser vermehrten N-Ausfuhr die Quantität des Eiweisses, welche im Körper durch die gesteigerte Muskelaction verarbeitet worden war, so fand man. dass durch die Verbrennung derselben zu Harnstoff gegen 75 — 100% der Bergbesteigungs-Arbeit thatsächlich geleistet werden konnte. [Auch im Schweisse zeigte sich vermehrte N-Ausfuhr.] Hiernach müsste das Ei weiss die wesentlichste Quelle der Muskelkraft sein. [Von J.Munk wird die Beweiskräftigkeil dieser Angaben bestritten, weil die Versuchsperson nicht in ausreichenden Emährangsverhältniss gewesen sei.] 5. Nicht geringeren Unsicherheiten begegnen wir bei der enaau Frage, ob aus dem Umsätze des Muskel-Grlyco gens (oder ,, 582 Stoffwechsel im Muskel, [§.296.] anderer Kohlehydrate) die Muskelkraft erzeugt werde. In Thiermuskeln sah man den Gly cogengehalt (0,43°/0) durch die Arbeit sich vermindern (O. Nasse , Brücke & Weiss, Wert her). Andererseits behauptet Ltichsinger , dass auch völlig glycogenfreie Muskeln noch arbeiten könnten; es sei demnach nicht das Grlycogen die Quelle der Muskelkraft, sondern vielleicht ein noch unbekanntes Spaltungsproduct des letzteren. Die Frage, ob das Muskel-Glycogen vielleicht von der Leber aus (§. 177. 2) durch den Kreislauf in die Muskeln übertragen werde, oder ob sich dasselbe im Muskel selbst durch eine noch unbekannte Spaltung der Albuminate erzeuge, ist verschieden beantwortet. Külz sah bei entlebe rten Fröschen den Glycogen- gehalt der Muskeln steigen nach subcutanen Einspritzungen von Zucker: auch hielten sich die Muskeln im Hungerzustande viel länger glycogenhaltig als die Leber. Dies spricht für die Bildung in der Muskelsubstanz selbst. Jedenfalls ist die normale Circulation eine Bedingung für die Glycogenie im Muskel, denn nach der Ligatur aller Gefässe nimmt es ab (Chandelon) , wie denn auch überlebender Muskel Glycogen in Zucker verwandelt (Seegen). besitzt andere Q. Der thätige Muskel enthält weniger in "Wasser CK^peV.e lösliche, dahingegen mehr in Alkohol lösliche Ex- tractivstoffe (v. Helmholt 's, 1845); er enthält weniger C02- bildende Stoffe (Ranke), weniger Fettsäuren (Sczelkow), weniger Kreatin und Kreatinin (v. Voit). 7. Während der Contraction nimmt der Wasserge- halt des Muskelgewebes zu (der des Blutes entsprechend ab) (jf. Ranke). Im Blute nehmen daher die festen Substanzen zu, in der Lymphe nehmen letztere (Albumin) ab (Fano). An der Erzeugung der Muskelkraft sind viel- leicht alle Gruppen der chemischen Muskelstoffe durch einen lebhafteren Umsatz betheiligt (Ranke). Ob nun das Eiweiss oder die Kohlehydrate im Muskel die Haupt- quellen seien, ist immer noch nicht endgültig entschieden. Der vermehrte Stoffwechsel giebt sich durch den bei der Arbeit ge- steigerten grösseren Blutgehalt und die regere Circu- lation innerhalb der thätigen Muskeln zu erkennen (Ranke). Jedenfalls ist die normale Circulation eine Bedingung für die dauernde und geordnete Kraftentwickelung im Muskel , denn der blut haltige Muskel ist befähigt, grössere Arbeiten zu leisten, als der blutleere (Ranke), weshalb auch im intacten Körper dem arbeitenden Muskel eine 3 — 4fach grössere Blut- menge zuströmt. 297. Die Muskelstarre Todtenstarre ; (Rigor mortis). Wesen der Ausgeschnittene quergestreifte, sowie glatte Muskeln, aber auch die Muskeln des intacten Körpers einige Zeit nach dem Tode, verfallen in einen, unten näher zu charakterisirenden Zustand der Starre, den man Muskel starre genannt hat. — Werden die Muskeln der Leiche hiervon ergriffen, so nimmt der ganze Cadaver völlige Steifheit an („Leichenstarre"). Die Ursache dieser Erscheinung liegt in einer spontanen Gerinnung Die Muskelstarre (Todtenstarre : Eigor mortis). 583 (Brücke), und zwar des unveränderten Myos ins innerhalb der Muskelfasern (Kühne) in Folge geringer Säurebildung. [Unter Umständen kann auch die Gerinnung der übrigen Eiweisskörper des Muskels die Starre erhöhen . pg. 585. 3.] Während dieses Festwerdens wird Wärme frei (v. Walther, Fick) [§. 224]. und zwar wegen des Ueberganges des flüssigen Myosins in den festen Zustand und wegen der gleichzeitig erfolgenden Verdichtung des Gewebes. Der starre Muskel zeigt folgende Eigenschaften: er ist verkürzt, verdickt und etwas dichter (Schmulezuitsch, Walther) ; steif, derb und fest; trüb und undurchsichtig (wegen der Ge- rinnung des Myosins), unvollkommen elastisch, weniger dehnbar und weniger leicht zerreisslich : er ist für Reize völlig unerreg- bar ; der elektrische Strom desselben ist erloschen. Sein Glycogen- gehalt ist vermindert, er reagirt ferner wegen vermehrter Bildung der beiden Milchsäuren (Böhm) meist sauer (Harlcss, Du Bois-Rcymond) . und entwickelt freie C02. Aus Einschnitten starrer Muskeln tritt spontan Flüssigkeit ( ..Muskel ser um", pg. 578 aus. Die zuerst entstehenden Portionen Milchsäure führen zunächst die Salze des Muskels in saure Salze über, namentlich entsteht aus dem phosphorsauren Kalium so das milchsaure Kalium und saures phosphorsaures Kalium. Die noch weiter erzeugte Milchsäure verbleibt dann ungebunden in dem Muskel. Es war früher verbreitete Anschauung, dass in der Starre eine theilweise oder vollständige Umwandlung des Gly cogens in Zucker und dann in Milch- säure stattlinde, und es hat jüngst IVertker diese Ansicht bekräftigt. Dieser Annahme hat jedoch Böhm widersprochen, indem er behauptete, dass in den .Muskeln (wie in der Leber) während der Verdauung eine vorübergehende Auf- speicherung grosser Gl yeogenmengen stattfinde , so dass in den Muskeln an- nähernd so viel, wie in der Leber angetroffen werde. Die Starre habe keine Abnahme des Gly cogens zur Folge (falls nur die Fäulniss verhütet wird) ; es könne also auch die Milchsäure des starren Muskels nicht aus Glycogen ent- stehen, sondern wahrscheinlich aus Zersetzung der Albuminate (Demant, Böhm). Die Menge der Säure variirt nicht, mag die Starre langsam oder schnell sich einstellen (J. Ranke • mit dem Eintritt der Säuerung wird die beginnende Starre stärker wegen der Coagulation des Alkalialbuminats im Muskel. CO.; ent- wickelt der starre Muskel um so weniger, je mehr er vorher bei etwaiger Thätig- kcit bereits abgegeben hatte 'Hermann). Im todtenstarren Muskel findet sich Fibrinferment AI. Schmidt &° Grubert, Klemptner, KüglcrJ. Es ist dasselbe überhaupt ein Product des Proto- plasmas und fehlt nirgends, wo dieses sich findet (Rauschenbach . Es ergiebt sich so eine Analogie zwischen Blutgerinnung und Muskelstarre (pg. 57). Man muss für die Starre zwei Stadien unterscheiden: Im 1. Stadium ist der Muskel bereits etwas steif, aber noch reizbar, das Myosin erscheint in diesem Stadium gallertig ver- dickt. Aus diesem Stadium ist noch eine Restitution möglich. — Im 2. Stadium ist die Starre völlig ausgesprochen in allen vorbenannten Merkmalen. Der Eintritt der Starre — beim Menschen erfolgt zwischen 10 Minuten und 7 Stunden: ebenso wechselnd ist ihre Dauer: von 1 — 6 Tagen. Nach dem Vergehen derselben werden die Muskeln unter dem Eintritte weiterer Zersetzung und alkalischer Reaetion wieder weich: „die Starre löst sieh" (Nysten, Sommer). Dem Eintritte der Eigenschaften der starren Muskeln. Glycogen- gehalt. Stadien der Starre. Verlauf der Starre und E,n- teirkungen auf dieselbe , 584 Die Muskelstarre (Todtenstarre : Rigor mortis). [§.297.] Starre geht stets ein Erlöschen der Nerventhätigkeit vor- Veriust der aus. Deshalb werden zuerst die Muskeln des Kopfes und Nackens und ' weiterhin absteigend die übrigen ergriffen (§. 327). Bei den zuerst erstarrten Muskeln tritt auch zuerst wieder die „Lösung" ein (Nysten). Muskeiactiov.üehi' lebhafte Muskelactionen vor dem Tode (z.B. Krämpfe bei Tetanus, Cholera, Strychnin- und Opium- Vergiftung) bedingen eine schnelle und intensive Starre ; daher erstarrt auch das Herz relativ schnell und stark. Zu Tode gehetztes Wild kann in wenigen Minuten erstarren. Weisse Muskeln erstarren früher, als rothe (Bierfreimd). Die Starre dauert meist um so länger, je später sie eingetreten ist. Fötus vor dem 7. Monate erstarren nie. — Auf 0° C. abgekühlte Frosch niuskeln erstarren erst nach 4 — 7 Tagen. Biutgehait. Stenson'scher Versuch. — Besonders beachten swerth ist der Einfluss des Blutgehaltes der Muskeln auf den Eintritt der Starre. Unterbindung der Muskelarterien bewirkt bei Warmblütern zuerst einige Minuten dauernde gesteigerte Erregbarkeit der Muskeln (Muskelsubstanz als solcher), dann rasches Absinken derselben (Schmule- zvitsch) und im Anschlüsse hieran das Eintreten der Starre, und zwar stenson- beider Stadien hinter einander (JoJi. Swammerdamm ; Nie. Stenson ersuch, jggr?^ Wurden die Arterien der Muskeln unterbunden, so sah Stannius nach einer Stunde die Reizbarkeit der motorischen Nerven, nach 4 — 5 Stunden die der Muskelsubstanz selbst schwinden : hieran schliesst sich dann die Starre. Pathologisches: — Auch Verstopfung der Muskelgefässe durch Gerinnung bringt Starre hervor (Landois, vgl. pg. 198) — Auch zu fest angelegte Ver- bände bei Menschen bewirken durch Absperrung der Circulation eckte Starre; die Muskeln werden gelähmt, starr, zerfallen schollig und der Inhalt der Fasern wird später resorbirt (R. v. Volkmann). Die unter Einwirkung dauernder Kälte entstehenden Circulationshemmungen bringen wohl auch so oft sogenannte rheu- matische Lähmungen hervor (Landois). Zu den Muskelzusammenziehungen in Folge von Circulationsbehindernng gehören wohl auch die Contracturen bei der Cholera, bei welcher das eingedickte Blut zu Stockungen Veranlassung giebt, sowie gewisse Zusammenziehungen in der Agone (Landoisj. Gefässverschlüsse der Muskeln durch Infarcte können beim Menschen , zumal mit atheromatösen Arterien selbst Nekrose der Muskeln bedingen (Finch, Girandeau). — [Die sen- siblen Nerven sind in völlig anämischen Gliedern noch 5 — 10 Stunden lang reiz- bar (Stefani äf Cavazzani) .~\ Giebt man im 1. Stadium die Circulation wieder frei, so erholt sich alsbald der Muskel wieder (Stannius). Ist jedoch das 2. Stadium bereits eingetreten, so ist eine Restitution unmöglich geworden (Kühne). (Bei Kaltblütern erfolgt erst nach Verlauf mehrerer Tage nach der Ligatur der Eintritt der Starre.) Brown- Se'quard vermochte selbst 4 Stunden nach dem Tode menschliche Leichname aus dem 1. Stadium der Starre durch Einspritzen frischen, O-haltigen Blutes wieder weich und reizbar zu machen , Heubel das starre Froschherz nach 141/2 Stunde. Leiteten C. Ludwig & AI. Schmidt durch aus- geschnittene Muskeln 0- haltiges Blut, so wurde der Eintritt der Starre lange hingehalten ; (durch O-freies Blut gelingt dies jedoch nicht). Nach bedeutenden Blutverlusten tritt die Starre relativ früh auf. Unterhält man in todten Froschmuskeln eine künstliche Circulation mit schwach alkalischen Flüssigkeiten, so bleibt die Starre aus (ScJiipiloff). Zerstörung Vorherige Durchschneidung der motorischen Nerven der Nerven. ]ia{. jn jjen betreffenden Muskeln späteren Eintritt der Starre zur Folge [§.297.] Die Muskelatarre (Todtenstarre : Rigor mortis). 585 ( Brown- Sequard, Heine ke, v. Eisclsbcr^. v. Gendre). Der Grund liegt in dem grösseren Blutreichthum dieser Muskeln (wegen gleich- zeitiger Lähmung der Vasomotoren; , in denen auch noch nach dem Tode, während die Arterien der übrigen Körpertheile leer werden , das Blut verbleibt (Landois). Die Erscheinung , dass Fische mit sofort zertrümmerter Medulla oblongata viel später erstarren , als langsam absterbende (Plane), spricht für diese Annahme. Fortgesetzte passive Bewegungen vermögen den Eintritt der Starre auf- zuhalten, nach Aufhören der Bewegungen bricht dieselbe je) och um so schneller herein. Die bereits eingetretene Starre lässt sich auch durch forcirte Bewegungen wieder lösen und sie kann dann wieder eintreten (B rown-Säjuard) . Künstlich kann die Starre erzeugt werden: Künstliche 1. Durch Wärme — („Wärmestarr e" , Pickford), welche wärmes7- Läsionen der Nerven : nach 3 — 4 Tagen ist die Erregbarkeit des gelähmten Muskels rc^»j'fe;'J- für directe oder indirecte (Nerven-) Reize gesunken , dann folgt ein Stadium, in gelähmter welchem constante Ströme über die Norm wirksam . während inducirte fast oder Muskeln. völlig unwirksam sind (§. 341, I), auch beobachtet man nun erhöhte Reizbarkeit für directe mechanische Reize. Diese erhöhte Erregbarkeit findet sich gegen die 7. Woche; dann sinkt dieselbe mehr und mehr bis zum völligen Untergänge gegen den 6—7. Monat. Im Muskel zeigt sich von der zweiten Woche an fortschreitende fettige Entartung bis zur völligen Atrophie. — Bei Versuchen an Thieren fand Schmulevuitsch unmittelbar nach Durchschneidung des Ischiadicus die Reizbarkeit der, von ihm innervirten Muskeln erhöht. 299. Gestaltverändernng des tliätigen Muskels. 1. Makroskopische Erscheinungen. — 1. Der Verkürzung thätige Muskel verkürztsich unter g 1 e i c h z e i t i g e r Z u- aicXll^ls nähme seiner Dicke (Erasistratus, 304 v. Chr. . contra v - J/itM Der Grad der Verkürzung, — welche bei sehr reizbaren Fröschen bis 65—85% (™ Mittel 7~ ,,) der ganzen Muskellänge betragen kann, ist von verschiedenen Momenten abhängig: — a) bis zu einem gewissen Grade hat eine Verstärkung des Reizes einen höheren Grad der Verkürzung zur Folge; — 1)) mit zunehmender Ermüdung nach anhaltender, angestrengter Thätig- keit erfolgt bei gleicher Reizstärke eine geringere Verkürzung: — c) mit stei- gender Erwärmung bis zu !•>:•>' C. zeigt der Froschmuskel grössere Contraction. Wird die Wärme weiter gesteigert, so nimmt der Verkürzungsgrad wieder ab (Schmu 2. Der sich contrahirencle Muskel nimmt in seinem verdun,t,mg Volumen etwas ab (Joh, Swammerdamm f 1680). Dement- '^,j sprechend nimmt das speeifische Gewicht des contrahirterj Muskels um etwas zu: es verhält sich zu dem des nicht con- trahirten (Murmelthier-)Muskels wie 1062:1061 (Valentin); die Volumensabnahme betrug nur Vis 70 • [Ist bestritten, J. Ewai Methode: — Swammerdamm brachte einen Froschmuskel in ein luft- haltiges Glasrohr, welches in ein dünnes Röhrchen ausgezogen war. innerhall) sich ein kleines Tröpfchen befand. Der Nerv war durch eine kleine seit- liche Oeffnung hindurch nach aussen geleitet Mechanische Reizung des her hängenden Nerven bewirkte Zackung des Schenkels und ein Niedergehen 590 Gestaltveränderung des tliätigen Muskels. [§. 299.] kleinen Tröpfchens. — In analoger Weise brachte Erman reizbare Stücke vom Aal in ein, mit indifferenter F 1 ü s s i g k e i t gefülltes ähnliches Rohr. Die Flüssig- keit ragte in ein dünnes , mit dem Glasbehälter communicirendes Röhrchen bis zu einer bestimmten Stelle hinauf. Wurde die Aalmuskulatur zur Contraction gebracht, so sank die Flüssigkeit. — Ich pflege die Volumensverkleinerung des contrahirten Muskels durch die manometrische Flamme zu demonstriren : der die Muskeln bergende cylindrische Glasbehälter (durch dessen Wand 2 Elek- troden luftdicht eintreten) communicirt an einer Stelle mit einem Gasleitungs- rohr, an einer anderen Stelle geht daraus ein dünnes Glasröhrchen hervor, an dessen Oeffnung man ein kleines Flämmchen (bei geringem Gasdruck) entzündet. Jede, auf elektrische Reizung erfolgende Muskelzuckung verkleinert die Flamme. — Legt man ein schlagendes (selbstverständlich im Innern luftleeres) Herz in die Gaskammer, so geht jeder Schlag mit einer Verkleinerung der Flamme einher. Totau und 3. Unter normalen Verhältnissen pflegen alle , den moto- contraction. rischen Nerven und den Muskel treffenden Reize denselben in allen seinen Fasern zur Contraction zu bringen. Der Muskel leitet also die , ihm zuertheilte Erregung überall nach allen Fasern hin. Es werden jedoch nach zwei Richtungen hin Ab- weichungen beobachtet, nämlich : — a) bei hochgradiger Ermü- dung, oder bei eintretendem Absterben des Muskels ruft eine, auf eine beschränkte Stelle des Muskels angebrachte heftige mechanische (aber auch chemische oder elektrische) Reizung nur an dieser allein eine Contraction hervor, so dass sich hier eine wulstförmige Verdickung der Fasern zeigt [Schiffs „ideo- musculäre Contraction"]. Merkwürdiger Weise zeigt sich dieselbe Erscheinung auch, wenn man mit einer stumpfen Kante quer auf den Faserverlauf eines Muskels vom gesunden Menschen schlägt (Mühlhauser , Auerbach) , zumal bei Ermatteten und schlecht Genährten; — b) Unter gewissen, zum Theil noch nicht näher bekannten Bedingungen erkennt man, dass der Muskel so- genannte „fibrilläre Zuckungen" zeigt, d. h. dass wechsel- weise durch die verschiedenen Bündel des Muskels kurze Con- tractionen hindurchzucken. So zeigt es sich in den Zungen- muskeln des Hundes nach Durchschneidung des N. hypoglossus (Schiff), in den Gesichtsmuskeln nach Durchschneidung des N. facialis. [Zur Erklärung vgl. §. 351. 4.] Ursachen der Nach Bleuler &■= Lehmann hat die Durchschneidung des Hypoglossus beim Zuckungen. Kaninchen nach Verlauf von 60 — 80 Stunden fibrilläre Zuckungen zur Folge, die Monate lang anhalten, selbst wenn der schon verheilte Nerv, oberhalb der Ver- wachsung gereizt, Bewegungen in der Zungenhälfte wieder erzeugt. Reizung des Lingualis verstärkt die fibrillären Zuckungen. Dieser Nerv enthält Vasodilatoren aus der Chorda tympani (vgl. §. 351. 5)- Schiff glaubt, dass in der Vermehrung des Blutstromes zur Zunge die Ursache der Zuckungen liege. So sah auch Sigm, Mayer bei Kaninchen, denen er die Carotiden und Subclavien zugedrückt hatte, nach Freigebung des Blutlaufes die Muskeln des Gesichtes zucken. Durchschnei- dung des motorischen Nerven im Gesichte hebt die Erscheinung nicht auf, wohl aber abermalige Compression der Arterien. Die Ursache der Zuckungen ist dem- nach in der Muskulatur selbst belegen. [Die Erscheinung erinnert an die para- lytische Secretion der Speicheldrüsen (§. 150. A).] Auch beim Menschen hat man unter krankhaften Verhältnissen Aehnlich.es beobachtet. Mitunter sieht man aber hier fibrilläre Zuckungen auch ohne sonstige Zeichen pathologischer Störungen. Mikro- Beobalhmio ^- Mikroskopische Erscheinungen. — 1. Die ein- der zelnen Fibrillen des Muskels zeigen dieselben Erscheinungen Contraction • i , • n ..-...■..■, -. .. -. a der F.brülen wie der gesammte , indem sie sich nämlich verkurzen und ver- [§.299-] Gestaltveränderung des tbätigen Muskels. 591 dicken. — 2. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Beobach- tung der einzelnen Muskel elemente. Zunächst steht fest, und der dass dieselben während der Contraction sämmtlich niedriger und demente. von grösserem Durchmesser werden, wodurch die Querstreifung dichter aneinander gerückt erscheinen muss (Bowman , 1840). — 3. Ueber das Verhalten der Bestandteile eines jeden Muskel - dementes während der Contraction sind die Anschauungen noch nicht völlig geeinigt. Fig. 172, 1 stellt nach Engelmann links ein ruhendes Muskelelement dar: von c bis d reicht die doppeltbrechende, contractile Substanz, in deren Mitte die Mittelscheibe a b liegt ; — h und g _. sind die Endscheiben. Ausserdem liegt Fi°* 172 °' noch in der einfachbrechenden, hellen a 2 Schicht je eine (nur bei Insectenmuskeln ^_ _ a ^^^ vorkommende) „Nebenscheibe" f und e n «■■■ mm =i ^^^^ (die nur wenig doppelbrechend ist). Fig. 1 rechts zeigt dasselbe Element C ip in polarisirtem Lichte, wobei der mitt- 5 M |V--rrri ^^h lere Bereich des Elementes (soweit die b §| ""^™ ^^™ eigentliche contractile Substanz reicht) ° P i^hbb ^mmmm wegen der Doppeltbrechung hell . der 6 ^^J g| übrige Theil des Muskelelementes wegen S imiii ihm Bmi^ der Einfachbrechung schwarz erscheint. — Fig. 172, 2 ist das Uebergangs- Die mikroskopischen Erscheinungen der Stadium _— und 3 _ das eigentliche Muskelcontraction an den einzelnen Ele- Contractionsstadium des Muskei- menten der Fibrille: — l, 2, 3 nach elementes : beide links im gewöhn- liehen Lichte, rechts im polarisirten (§. 295. 2). Nach Engelmann wird während der Contraction (o^1 die einfachbrechende Schicht im Ganzen stärker lichtbrechend , die doppeltbrechende schwächer. In Folge hiervon kann die Faser bei einem gewissen Grade der Verkürzung (2"> bei Betrachtung im gewöhnlichen Lichte homogen, nur wenig deutlich quer- gestreift erscheinen: homogenes oder Uebergangsstadium (Merkels Stadium der Auflösung). Bei noch weitergehender Verkürzung (3) treten wieder sehr deutliche dunkle Querstreifen auf, welche den einfachbrechenden Lagen entsprechen. Auf jeder Stufe der Verkürzung, also auch im Uebergangsstadium. sind die einfach - und doppelt-brechenden Schichten mittelst des Polarisations- apparates als scharf begrenzte, regelmässig altern irende Lagen nachweisbar (in 1, 2, 3, rechts). Dieselben vertauschen bei der Contraction ihren Platz im Muskelfache nicht. Die Höhe beider Schichten nimmt während der Zusammenziehung ab. und zwar die der einfachbrechenden sehr viel schneller, als die der doppelt - brechenden. Das Gesammtvolumen eines jeden Elementes ändert sich während der Contraction nicht nachweisbar. Es nehmen also die doppelt-brechenden Schichten auf Kosten der einfacli- brechenden an Volumen zu. Hieraus folgt . dass bei der Con- traction Flüssigkeit aus der einfach- in die doppelt-brechende Schichte übertritt: erstere schrumpft, letztere quillt. Methode: — Die Beobachtung der hier vorliegenden Erscheinungen gelingt Methode der am besten so. dass man lebende Muskelflbrillen (von Insecten) in den verschiedenen Beobachtung. Stadien von Ruhe oder Contraction durch plötzliches Benetzen mit Alkohol oder 592 Das Myographium. [§• 299.] Spectrum de< Muskels. verdünnter Ueberosniiurnsäure momentan zur Gerinnung bringt und so die Stadien nxii't. — Man kann aber auch, die Bewegung selbst unter dem Mikroskope ver- folgen, entweder dadurch, dass man den ausgebreiteten, dünnen Muskel elektrisch reizt, — oder besser noch , indem man die selbstständigen Muskelcontractionen an durchsichtigen Insectentheilen (z. B. im Kopfe der Mückenlarven) beobachtet. Ein dünner, ausgebreiteter Muskel , z. B. der Sartorius vom Frosche, giebt (wie ein 2Voberfsch.es Glasgitter), Avenn man durch einen engen Spalt, der dicht vor den Fasern gehalten wird (wobei der Spalt den Faserverlauf rechtwinkelig schneidet), Licht einfallen lässt, ein doppeltes Spectrum. Contrahirt sich der Muskel, etwa durch mechanische Reizung, so verbreitet sich das Spectrum: ein Beweis, dass die Zwischenräume der Querstreifen enger werden (RanvierJ. Das Myo- graphium . Modißca- tionen des Myo- graphiums. 300. Zeitlicher Verlauf der Muskelcontraction. Myographie. — Einfache Zuckung. — Tetanus. Methode: — Den zeitlichen Verlauf der Zuckung zeigt v. Heimholt z1 Myographium (Fig. 173). Der an seinem oberen Ende befestigte (K), frei niederhängende Muskel (M) ist mit seinem unteren Ende an einem (nach Art einer Wippe construirten) Hebel [der durch Gewichte (W) beliebig belastet werden kann] befestigt, welchen er bei seiner Verkürzung emporhebt. Von dem freien Ende des Hebelarmes hängt im Charniergelenk ein Schreibstift (F) nieder, welcher auf der berussten Fläclie eines, mit gleichmässiger Geschwindigkeit an dem Schreibstifte sich (mit Hülfe eines Uhrwerkes) vorbeibewegenden Cylinders die Bewegung des unteren Muskel- endes einkratzt. So schreibt der Muskel selbst seine „Zuckungs curve" oder das „Myogramm", an welchem die Abscissen Fig. 173. die Zeiteinheiten Jlln i/ (die bei der bekannten Rotationsgeschwindigkeit des Cylinders in einer Secunde bekannt sind), die Ordinaten den Grad der (dem betref- fenden Zeitmomente) ent- sprechenden Verkür- zung darstellen. Die zur Aufnahme des Myogramms bestimm- te Fläche muss sich schnell bewegen, weil der Bewegungs Vorgang schnell verläuft. Daher benützt man entweder eine, an einer Pendel- stange befestigte Platte (Fülfs Pendel - Myogra- phium), oder eine durch Fall (JendrässiV s Fall- M.), oder durch Feder- kraft (Du Bois-ReymondJ bewegte Fläche oder eine rotirende Kreisel fläche (Kreisel-M. von Rosenthal). Unter dem Myogramm wird durch eine vibrirende Stimmgabel eine Zeitcurve verzeichnet. Es ist ausserdem an den Apparaten die Einrichtung getroffen , dass neben der Curve selbst zugleich auch das Moment des Reizes markirt wird. Sehr zweckmässig ist es, die Curve auf der schwingenden Platte einer Stimmgabel zeichnen zu lassen (vgl. Fig. 175,1) (Hensen & Klünderi . Sie trägt alsdann die Zeiteinheiten (jede ganze Schwingung = 0,01613 Secunde) in allen ihren Theilen selbst eingeschrieben. Das Moment der Reizung ist der Beginn der Vibration der Gabel (die anfangs eine Strecke, ohne zu schwingen. Schema des Myogrraphiums von v. Helmholtz. M der (bei K befestigte) Muskel. — -Pder, von der empor- zuhebenden Wippe niederhängende Schreibestift. — Pein zur Aequilibrirung dienendes Laufgewicht. — W Schale zur beliebigen Belastung des Muskels. — SS Säulen, welche die Hebelwippe tragen. [§• 300.] Myogramm der Zuckung. 593 seitlich fortbewegt wird), welche dadurch erfolgt, dass eine abgerissene Klammer zugleich durch Oeffuung eines Kettenstromes einen Inductions-(Oeffnungs-)Schlag der secundären Spirale durch den Muskel hindurch sendet. — Auch durch einen Schlag auf den einen Ast der Stimmgabel kann diese in Vibration versetzt werden. Liegt der Nerv hierbei auf der Gabel , so dass der Schlag ihn trifft, so ist der- selbe zugleich mechanischer Nervenreiz. Da die Wippe des Myographiums nicht ohne Eigenschwingungen ist, welche die Zuckungscurve fehlerhaft machen können , so kann man zweckmassig auch den Zug des zuckenden Muskels auf eine Feder wirken lassen. So Hess v. Wittich (1665) zur Verzeichnung des Myogramms die Feder (y) des Marey'schen Sphygmographen (Fig. 36, pg. 129) emporziehen. Auch beim Menschen — kann man Muskelzuckungen verzeichnen lassen, wobei man am besten die Verdickung bei der Contraction entweder auf ein Hebelwerk überträgt, oder auch auf eine compressible Ampulle (Marey, Edinger), z. B. auf die des Brondgeest'schen Pansphygmographen (Fig. 37, pg. 130). I. Trifft den Muskel ein einmaliger Reiz von nur a« einfache momentaner Dauer, so vollführt er eine „einfache Zuckung- Zuckung": d.h. er verkürzt sich schnell und kehrt auch rasch in den erschlafften Zustand wieder zurück. An der myographischen Zuckungscurve — (welche der Muskel, der nur allein den leichten Schreibhebel zu tragen hat und durch keine anderen, angehängten Gewichte ..überlastet" ist, schreibt), lassen sich die folgenden Einzelheiten erkennen (v. Helmholtz, 1850): — 1. Das „Stadium der latenten Reizung" (Fig. 174 ab), welches darin besteht, dass der Muskel nicht im Momente des Reizes selbst, sondern stets etwas später seine Zuckung beginnt. Es dauert, wenn der ganze Muskel direct von dem momentanen Reize (etwa Inductions- schlag) getroffen wird, ungefähr 0.01 Secunde. Fig. 174. Das Myogramm. Latente Beizung. Die myographische Zuckungs-Curve. Beim Menschen — variirt das Stadium der latenten Reizung zwischen Schwankung 0,004— 0.0L Secunde. Wird bei Versuchen darauf geachtet, dass der Muskel sich der Dauer. sofort contrahiren kann, ohne dass zuvor noch Zeit zur Anspannung des schlaffen Muskels bis zum Eintritt der Zuckung verloren geht, so kann das Latenzstadium bis unter 0.0U4 Secunde sinken fGad/. Bleibt der Muskel (möglichst von äusseren Schädlichkeiten ungetroffen) mit dem Körper vereint und vom Blute durch- strömt, so kann die latente Reizung bis auf 0,0033 P.'mc und 0,0025 Secunde (Kl iinder' verkürzt werden. Von Einflüssen auf die Dauer der Latenzzeit — gilt, dass zunehmende Einflüsse. Stärke des Reizes und Erwärmung sie verkürzt, — Ermüdung, Abküh- lung und zunehmende Belastung sie verlängern i Laulerbach, Mendelssohn, Yeo, CashJ. — Auch die Latenzzeit einer Oeffnungszuckung ist (bis 0,04 Secunden) länger, als die einer Schliessungszuckung. — Bevor der Muskel in seiner Gesammt- heit zuckt, müssen in seinem Innern bereits einzelne Muskelelemente in Land ois, Physiologie. 7. Aufl. 38 594 Zeitlicher Verlauf der Muskelzuckung. [§• 300.] Steigende Energie. Sinkende Energie. Zackung des „über- lasteten" Muskels. Einfluss der Ermüdung, der Ah- Kühlung. Zuckung durch den constanten Strom. Contraction gerathen sein. Man nimmt daher an , dass die Latenz der einzelnen Muskelelemente kürzer, als die des gesammten Muskels sei (Gad, Tigerstedt). [Ueber Fortpflanzung des Nervenreizes siehe §. 339.] 2. Vom Beginn der Contraction bis zur Höhe der Verkür- zung (bd) zieht sich der Muskel anfangs langsamer, dann schneller, und schliesslich gegen das Ende der Verkürzung hin wieder langsamer zusammen, so dass also der aufsteigende Curvenschenkel die Gestalt eines f erhält : „Stadium der steigenden Energie", das etwa 0,03 — 0,04 Secunden währt. Dasselbe dauert um so kürzer, je kleiner die Verkürzung (schwacher Reiz), je geringer die zu hebende Last und je uner- müdeter der Muskel ist. — 3. Von dem Höhepunkte der Ver- kürzung dehnt sich weiterhin der Muskel wieder : anfangs lang- samer , dann schneller und endlich wieder langsamer , so dass also die umgekehrt-y^-förmige Gestalt des absteigenden Curven- schenkels daraus resultirt: „Stadium der sinkenden Ener- gie" (de), meist etwas kürzer als 2. verlaufend. — 4. Nachdem der absteigende Curvenschenkel verzeichnet ist , erfolgen noch einige Nachschwankungen (von e bis f) , herrührend von der Elasticität des Muskels , die sich ganz allmählich verlieren : „Stadium der elastischen Nachschwingungen". — Letztere werden jedoch von Einigen als ein Artefact , durch Nachschwingungen des Apparates bedingt, angesehen. Triift der Reiz den motorischen Nerven anstatt des Muskels, so ist die Zuckung um desto grösser (Pflüger) und dauert um so länger (Wundt), je höher zum Rückenmarke hin am Nerven ge- reizt wurde. Es ist bis dahin angenommen, dass der Muskel nur durch den leichten Schreibhebel, den er beim Verzeichnen der Curve zu heben hat, belastet ist. „Ueber last et" man ihn jedoch, d. h. wenn man weitere Gewichte an den Hebel hängt, welche (in der Ruhe unter- stützt) bei der Contraction getragen werden müssen, so verzögert sich mit steigernder „Ueberl astung" der Eintritt der Contraction. Dies rührt daher, weil der Muskel vom Momente der Reizung an erst soviel Verkürzungskraft ansammeln muss, als zur Hebung des Gewichtes erforderlich ist. Je grösser das Gewicht wird, um so längere Zeit dauert es, bis die Hebung erfolgt. Endlich kommt man zu einem Ueberlastungs- grad, in welchem ein Erheben überhaupt nicht mehr möglich ist ; dies zeigt die Grenze an, bis zu welcher die Energie sich geltend machen kann (v. Heimholte). Ist der Muskel durch wiederholte Reizungen „er- müdet", so wird das Stadium der latenten Reizung grösser, die Curve bleibt niedriger (weil die Verkürzung des Muskels geringer ist), die Abscissenlänge nimmt jedoch zu' (weil der Muskel 1 an g sam er zuckt) (Fig. 175.1); ebenso wirkt Abkühlung des Muskels (v. Helmholtz, Pflüger). — Auch die Muskeln Neugeborener verhalten sich ähnlich : die Zuckungscurve zeigt flache Gipfel und erhebliche Streckung, zumal im absteigenden Schenkel (Soltmann, Westphal). Wird der Nerv des Muskels durch Schliessen oder Oeffnen eines constanten Stromes gereizt, so gleicht die Muskelzuckung [§. 300.1 Zeitlicher Verlauf der Muskelzuckung. völlig der vorhin besprochenen. Wird jedoch an dem Muskel selbst direct der Strom geschlossen und geöffnet, so zeigt sich während des Geschlossenseins ein gewisses (wenn auch oft nur geringes) Maass dauernder Verkürzung, so dass die Curve die Form von Fig. 175. IV annimmt , an welcher bei S die Schliessung und bei 0 die Oeffnung des Stromes stattfand (Wundt) [vgl. §. 338. D.]. Nach Cash & Kronecker scheint den einzelnen Muskeln eine besondere Verschieden- Form der Zuckungseurve zuzukommen; so contrahirt sich der Omohyoideus der he 'jr*^lnner Schildkröte schneller als der Pectoralis. Die Flexoren des Frosches ziehen sich schneller zusammen als die Strecker (Grützner, {%. ?>;>\), 5). Langsam contrahiren sich die Muskeln der Schildkröten, der Sehlie>smuskel der Muscheln, das Herz (§. 58). Die Muskeln fliegender Insecten contrahiren sich äusserst schnell : 350mal (Fliege), 400mal (Biene) in 1 Secunde (H. Landois, . Die w e i s s e n M u s k e 1 f a s e r n — (§.294) sind reizbarer, haben weisse kürzere Latenz und sind leichter ermüdend, ihre Contractionsdauer j"^/*' ist kürzer, sie sind also schneller arbeitend, als die rothen. — Auch produciren die weissen bei ihrer Arbeit mehr Säure (Gleiss) und Wärme. Die rothen vollführen die gedehnten andauernden Bewegungen, also den massigen physiologischen Tetanus, sie vermitteln das Anpassen der Muskelkraft an die zu überwindenden Widerstände : — die weissen erzeugen die flinken Einzelbewegungen. Muskeln, welche vorwiegend weisse Fasern enthalten , haben eine grössere Hubhöhe und eine be- trächtlichere absolute Kraft in der Einzelzuckung, — jedoch bei tetanischer Contraction stehen sie hierin den rothen nach (Grützner). Die Zuckungscurven eines aus weissen und rothen Fasern gemischten Muskels können im aufsteigenden Schenkel zwei Erhebungen zeigen : die erste von den flinken weissen, die zweite von den langsameren rothen Fasern herrührend {Grützner). Es zeigt sich dieses nament- lich auch nach der Einwirkung von Veratrin auf die Muskelsubstanz ( Overend) . Giftwirkung: — Ganz kleine C u r a r e gaben, ebenso Chinin (Schtschepotjew) Wirkung erhöhen die Zuckungen (welche durch Reizung des Nerven erzielt sind), weitere cmi9er Gifte. Dosen wirken erniedrigend bis völlig lähmend. Passende, kleine Veratrin- dosen erhöhen ebenfalls die Zuckungen , dabei ist das Stadium der Wiederaus- dehuung auffallend verlängert (Rossbach & Clostermeyer) . Veratrin, Antiarin. Digitaliu wirken in grossen Gaben so verändernd auf die Muskelsubstanz ein, dass die Zuckungen sehr gedehnt, einer anhaltenden tetanischen Contraction ähnlich werden fHatiess, 1862). Für den mit Veratrin und Strychnin vergifteten Muskel ist das Latenzstadium der Zuckung anfangs verkürzt , später verlängert. Ein von sodahaltigem Blute durchströmter Gastrocnemius (Frosch) zuckt schneller ( Grützner, . — Kunkel glaubt, dass das Wesentliche der Wirkungsweise der Muskel- gifte darin besteht, dass sie die Imbibition der Muskelsubstanz mit Wasser be- herrschen. Da die Muskelcontraction auf Quellung beruht (§. 299. II), so wird die Zuckungsform des vergifteten Muskels von seinem, bereits durch das Gifi veranlassten Imbibitionszustande bedingt sein. Die Zuckungscurven glatter Muskeln — sind denen der Zuckung quergestreiften zwar ähnlieh, doch erfolgt die Zusammenziehung nach mukdn. einer Latenz von einigen Secunden sichtlich träger und in langsamem Verlaufe. Der durch den Reiz verkürzte Muskel geht in den Zustand der Der 9r«r- ursprünglichen Länge nur dann völlig wieder zurück, wenn ein (durch •udctumd". angehängte Gewichte) hinreichender dehnender Zug auf ihn ausgeübt wird (Kühne). Anderenfalls bleibt derselbe längere Zeit etwas verkürzt (v, Helmholiz, Schiff), was man mit dem Namen „Contractur" 596 Zeitlicher Verlauf der Muskelzuckuns [§. 300.} Schnellste zuckende Bev;egung beim Menschen. ( Tiegel) oder „ V e r k ü r z u n g s r ü c k s t a n d" (Hermann) belegt hat. Dieser ist namentlich deutlich ausgeprägt an Muskeln , die vorher stark direct gereizt, hochgradig ermüdet (Tiegel), stärker sauer , der Erstarrung nahe , oder mit Veratrin vergifteten Thieren entnommen sind (v. Bezold). — Auch beim Menschen wird die Er- scheinung der Contractur beobachtet (Mosso). Beim Menschen — können einzelne zuckende Bewegungen der Muskeln mit grosser Schnelligkeit ausgeführt werden. Die zeitliche Bestimmung hierbei gelingt am einfachsten, wenn man die betreffende Bewegung auf die schwingende Stimmgabelplatte überträgt. In Fig. 175 stellt H die schnellste Bewegung dar, die ich willkürlich mit der rechten Hand wie beim Schreiben hintereinander folgender nn ausführen konnte : es fallen auf jeden auf- und ab-gehenden Zug der Bewegung gegen 3,5 Schwingungen (1 = 0,01613 Secunde) =: 0,0564 Secunde.. Fig. 175. /Zuckung eines ermüdeten Wadenmuskels vom Frosche auf schwingender Stimmgabelplatte (vgl. pg. 152) verzeichnet : [jedes Zähnchen = 0,01613 Secunde] : — ab latente Reizung, — bc Stadium der steigenden Energie, —cd Stadium der sinkenden Energie. — //Schnellste, schreibartige Bewegung der rechten Hand auf schwingender Stimmgabelplatte. — ///Schnellste tetanti sehe Zitter- bewegung des rechten Vorderarmes auf derselben Platte verzeichnet. — IVMyo- graphische Curve bei Schliessung und Oeffnung des Stromes am Muskel selbst (nach Wundt). In HI Hess ich den rechten Arm tetanisch zitternd auf der Stimm- gabelplatte seitlich hin- und her-vibriren : hier fallen auf die hin- und her-gehende Bewegung 2 bis 2,5 Schwingungen = 0,0323 bis 0,0403 Secunde. v. Kries fand, dass eine einfache , durch einen Inductionsschlag bewirkte Muskelzuckung länger dauert, als eine momentane willkürliche Einzelbewegung. Die directe Registrirung der Muskelverdickung bei einer einfachen willkürlichen Zuckung zeigt, dass die Contraction innerhalb des Muskels länger dauert, als die am passiven Bewegungsorgan zur Erscheinung kommende Bewegung selbst. Diese (zunächst paradox erscheinende) geringere Zeitdauer der resultirenden Bewegung kommt so zu Stande, dass kurz nach der primären willkürlichen Muskelcontrac- [§. 300.] Zuckung bei zwei Reizungen. 597 tion eine Contraction der Antagonisten statthat , durch welche ein Theil der intendirten Bewegung abgeschnitten wird. — Auch hei den schnellsten "Willkür- bewegungen der Menschen fand v. Kries gegen \ Anstösse im Muskel wirksam, so dass sie also eigentlich kurze Tetani darstellen. Pathologisches : — Bei secundärer Rückenmarksentartung nach Apoplexie, bei atrophischen Muskeln ankylotischer Glieder Edinger) , Muskelatrophie . pro- gressiver Ataxie, langwieriger Paralysis agitans ist das Late nzstadium ver- längert, verkürzt hingegen bei Contracturen seniler Chorea und spastischer Tabes /'Mendelssohn;. — Die ganze Curve erscheint verlänger tbei Icterus und Diabetes (Edinger). Bei cerebraler Hemiplegie im Stadium der Contractur ist die Muskelzucknng der Veratrincurve ähnlich, ebenso bei spastischer Spinal- paralyse, amyotrophischer Lateralselerose ; bei Pseudohypertrophie der Muskeln ist das Ansteigen kurz, das Absteigen sehr gedehnt. Bei Muskelatrophie nach Cere- bralhemiplegien und Tabes nimmt die Hohe der Curve ab, An- und Absteigen erfolgt sehr allmählich. — Bei Chorea ist die Curve kurz (Mendelssohn . (Ueber die Entartungsreaclion vgl. §. 341.) — In seltenen Fällen hat man bei Menschen die Beobachtung gemacht, dass ihre spontanen motorischen Erregungen sehr gedehnte Muskelzusammenziehungen mit einer Nachdauer der Con- traction (Erb) zur Folge hatten („Thomsen' sehe Krankheit"). Die Muskelfasern solcher Kranken sind sehr breit, die Kerne vermehrt (Erb . II. Treffen zwei, an sich momentane Schläge Wirkung nach einander den Muskel, und zwar: — (A) 2 Sehläge. Schläge. deren jeder bereits für sich eine ,,m a x i m a 1 e Z u c k u n g" (d. h. die möglichst grösste Znsammenziehung) hervorrufen würde, so ist der Effect verschieden je nach der Zeit, welche zwischen den beiden Schlägen verläuft. Erfolgt nämlich : — a) der zweite Schlag . nachdem der Muskel sich von dem ersten her bereits wieder verlängert hat. so erfolgt einfach eine zweite maximale Zuckung. — b) Befindet sich jedoch der Muskel von der Wirkung des ersten Schlages her noch in einer Phase der Verkürzung oder Wiederverlängerung, so erfolgt durch den zweiten Schlag eine neue maximale Verkürzung aus der , zur Zeit bestehenden Phase der Verkürzung heraus. — c) Wenn endlich der zweite Schlag so schnell auf den ersten folgt, dass beide noch in das Stadium der „latenten Reizung-' fallen, so erfolgt nur eine maximale Zuckung (v. Helmholtz). (B) Sind jedoch die beiden Sehläge nur von massiger. keine maximale Verkürzung bewirkender Stärke, so addiren sieh die Effecte beider. Befindet sieh der Muskel auf irgend einer Stufe der Verkürzung durch den ersten Schlag in Fig. 1 76 I bei b) , so erzeugt der zweite Schlag eine Wirkung der Art (b c) , als wäre die Phase der Verkürzung durch den ersten Sehlag die natürliche Ruheform des Muskels. So kann unter günstiger Bedingung die Verkürzung sogar doppelt so gross werden, als die durch den ersten Reiz allein bewirkte ist. — Hierbei ist es am günstigsten, wenn der zweite Reiz l/ao Seeunde nach dem ersten einsetzt (Seivall). — Beide Effecte addiren sich auch dann, wenn der zweite Schlag noch in die Zeit der latenten Reizung fiel (v. Helmholtz). Die zweite Zuckung einer summirton Zuckung erreicht ihren Gipfel in einer kürzeren Frist, als die erste für sich allein dies gethan haben würde (v. Frey, v. Kries)\ die Zeit für bc (Fig. 176. I) ist also kürzer als die für ab. III. Treffen den Muskel ziemlich schnell auf- wwkmg einander folgende Schläge, so hat derselbe keine Zeit. &wtyeT 598 Die tetanische Contraction. [§• 300.] Tetamts. in den Zwischenpausen sich wieder zu verlängern. Er verharrt daher in einer (der Schnelligkeit der sich folgenden Schläge entsprechenden) stossweise erzitternden, anhaltenden Verkürzung, welche „Tetanus" genannt wird. Der Tetanus (Starrkrampf ) ist also kein continuirlicher , gleichartiger Verkürzungszustand, sondern eine discontinuirliche , aus gehäuften Zuckungen resul- tirende Bewegungsform. Erfolgen die Reize nur massig schnell, so prägen sich in der Curve noch die einzelnen Stösse aus (II) , Fiff. 176. /Zwei aufeinanderfolgende untermaxiniale Zuckungen. — II Aneinandergereihte Zuckungen bei 12 Inductionsreizen in 1 Secunde. — ///Ausgeprägter Tetanus bei sehr schnellen ßeizschlägen. häufen sie sich jedoch in schneller Folge, so hat die Curve ein ununterbrochenes Aussehen (III). Da die Einzelzuckung in der Ermüdung langsamer verläuft , so ist ersichtlich , dass ein er- müdeter Muskel bei einer geringeren Zahl von Einzelreizen in Tetanus verfällt, als der frische (Marey, Fick, Minol). — Alle, in unserem Körper hervorgebrachten, länger dauernden Bewegungen sind als solche tetanische zu betrachten (Ed. Weber). Fig. 177. Tetanische Contraction beim Menschen. /Schwankungen bei anhaltender Contraction meines Flexor pollicis brevis und des Abductor pollicis, — //dieselben vom Extensor digiti III. Alle im Körper des Menschen länger verlaufenden Muskel-Contractionen — setzen sich aus einer Reihe schnell hinter einander erfolgender einzelner Zuckungen zusammen. Denn jede noch so stetige Bewegung lässt bei genauer Beobachtung ein intermittirendes Schwanken erkennen , das beim Zittern den Höhe- punkt erreicht (Ed. Weber). [§. 300.] Die tetanische Contraetion. 599 Die Zahl der unseren Muskeln bei den willkürlichen Bewe- gungen zugesendeten Einzelimpulse ist eine ziemlich schwan- kende: bei langsamen Contractionen 8 — 12, — bei schnellen 18 bis 20 Anstösse in 1 »Secunde betragend (v. Kries). In Fig. 177 I habe ich von meinem linken Muse. Flexor pollicis brevis und dem Abductor pollicis bei anhaltender Contraetion von massiger Intensität auf schwin- gender Stimmgabelplatte ein Myogramm aufgenommen (pg. 592). Die wellenförmigen Erhebungen zeigen die Einzelimpulse an (jedes Zähnchen in ihnen = 0,01613 Secunden). II ist eine analog registrirte Curve meines Muse, extensor digiti tertii. Durch Summation einzelner Erregungen pflegen wir den will- kürlich langsam zur Contraetion angeregten Muskel allmählich bis zu dem er- wünschten Grade der Verkürzung zu bringen. Eine genaue Abmessung der Bewegungsgrösse sind wir durch Erzeugung von Widerständen durch Antagonisten zu bewirken gewöhnt , wie die Beobachtung magerer muskulöser Leute zeigt (Brücke). Von der, unter normalen Verhältnissen im intacten Körper auftretenden tetanischen Zusammenziehung ist es auch dadurch bewiesen, dass sie sich aus einzelnen, aneinander gereihten Zuckungen zusammensetzt , da von ihr seeundärer Tetanus ausgeht [siehe diesen, §.334]; auch lässt sich dieser erzielen von Muskeln aus, die im Strychnin-Tetanus sich befinden (Lov&n). Verbindet man mit einem Muskel ein Telephon, dessen Drähte mit zwei Stecknadeln verbunden sind , von denen die eine in der Sehne , die andere im Fleische des Muskels steckt, so hört man, während der Muskel im Tetanus ver- setzt wird, einen Ton, was beweist, dass sich im Muskel periodische Bewegungs- vorgänge, d.h. aneinander gereihte Zuckungen, vollziehen (Bernstein&'Schönle/ii . — Der Ton ist am deutlichsten bei etwa 50 Schwingungen des tetanisirenden Neef 'sehen Hammers (Wedenski & Kronecker) (vgl. §. 305). Die verschiedenen Muskeln des Körpers sowohl , als auch die- jenigen versebiedener Thiere verfallen bei einer verschieden grossen Schnelligkeit der aufeinander folgenden Reize in die tetanische Con- traetion. Beim Froschmuskel sind durchschnittlich 15 hintereinander erfolgende Verschiedene Schläge in 1 Secunde erforderlich, um Tetanus zu erzeugen (beim M. kvoglossus ^schei- i r\ ■ • r>~ oii \ i-i , r? i i Illingen beim nur 10, — beim M. gastrocnemius 2i benläge); — auch sehr schwache Schläge Tetanus. über SdO in 1 Secunde bewirken den Tetanus (Kronecker) ■ Schildkrötenmuskeln verfallen schon bei 2 — 3 Schlägen in 1 Secunde in Tetanus; rothe Kaninchen- muskeln bei 1U, weisse bei über 30, — Vogelmuskeln noch nicht einmal bei 70 (Alarey), Insectenmuskeln noch nicht bei 350 — 400 Schlägen (II. Landois, Marey . Man beobachtet bei Krebsscheerenmuskeln bei tetanischer Beizung noch rhyth- mische Contractionen (Richet) oder rhythmisch unterbrochene Tetani (bei Astacus und Hydropkilus) (Schönlein '. O. Soltmann fand, dass weisse Kaninchenmuskeln von Neugeborenen bereits hei 1(3 Schlägen in 1 Secunde in Tetanus verfallen, und dass der so er- zeugte Tetanus dem ermüdeten Ausgewachsener glich. Hierdurch erklärt sich der leichte Eintritt von Starrkrampf bei Neugeborenen. Curarisirtc Muskeln verfallen bisweilen auf momentane Reize in eine tetanische Contraetion (Kühne, Hering). Die Verkürzungsgrösse des tetanisch contrahirten Muskels ist inner- halb gewisser Grenzen von der Stärke der Einzelreize abhängig, jedoch nicht von der Frequenz derselben. Die etwa nach dem Tetanus zurück- bleibende Contractur ist um so bedeutender, je stärker und länger der Reiz und je schwächer der Muskel war (Bohr . — Für den unbelasteten Muskel ist die Höhe der Zuckung und die des Tetanus gleich gross (v. Frey). Nur bei dem b e 1 a s t e t e n M u s k e 1 bleibt die Höhe der Einzel- zuckung niedriger, als die seiner tetanischen Contraetion. — Bisweilen hat ein unmittelbar nach einem Tetanus applicirter Ki-iz eine grössere Wirkung zur Folge, als vor dem Tetanus A'ossonch, Bohr . 600 Fortpflanzungs-G-eschwindigkeit der Contraction. [§■ 300.] Schnellste Reize. v Anfangs- zuckiin■ 2 — 3 Minuten tetanisirte Froschmuskel eine Temperatur- steigerung von 0,14 — 0,18° C. erkennen lasse. R. Heidenhain gelang es sogar , für jede einzelne Zuckung eine Tempe- raturzunahme von 0,001— 0,005° C. (thermoelektrisch, §. 209. B) nachzuweisen. Ebenso ist es mit dem schlagenden Herzen, welches sich mit jeder Systole erwärmt (Marey). Die Wärme- bildung zeigt im Muskel ein Latenz stadium. welches jedoch kürzer währt, als die Latenz der Bewegung (§. 300. I. 1) [Mendelssohn) . Im Einzelnen ist über die Wärmeentwickelung Folgendes ermittelt worden : 1. Sie steht in einem Verhältniss zur Arbeits- Xer1i^Ua N . . . der Warme leistung. — ai Irägt der Muskel bei der Oontraction ein «ur Arbeit. Gewicht, welches ihn in der Ruhe wieder ausdehnt, so leistet er hierbei keine nach aussen übertragene Arbeit (vgl. §. 302). Es geht somit alle umgesetzte chemische Spannkraft während dieser Bewegung in Wärme über. Unter diesen Verhältnissen geht die Wärmeentwickelung mit der Arbeitsleistung parallel , d. h. sie wächst zunächst mit zu- nehmender Belastung und Hubhöhe bis zum Maximalpunkte, dann nimmt sie mit weiterer Belastung wieder ab. Das Wärme- maximum wird aber bereits bei einer geringeren Belastung erreicht, als das Maximum der Arbeitsleistung (Heidenhain). b) Wird der Muskel auf der Höhe der Contraction seines anhängenden Gewichtes entlastet, so hat er eine lebendige, nach aussen übertragene Arbeit geleistet: in diesem Falle ist die erzeugte Wärme geringer (A. Fick) , und zwar sind die Werthe für die geleistete Arbeit und die minder producirte Wärme (entsprechend dem Gesetz von der Constanz der Kraft §.3, 3) äquivalent (Daniletvsky). c) Wird dieselbe Arbeitsleistung einmal durch viele, aber kleinere, das zweite Mal durch wenigere, aber grössere Con- tractionen geleistet , so ist in letzterem Falle die Wärmeent- wickelung grösser (Heidenhain & Nawalickin) . Es deutet dies also an , dass grosse Contractionen mit einem relativ bedeu- tenderen Stoffumsatz einhergehen , als kleinere . womit die Er- fahrung im Einklänge steht, dass z. B. die Ersteigung eines Thurmes auf einer steilen , hochstufigen Treppe viel mehr er- müdet (Stoffumsatz fordert), als auf einer mehr geneigten mit niedrigen Stufen. 608 "Wannebildung des thätigen Muskels. [§• 304.] Verhältnis der Wärme zur Spannung. Wärme- bildung bei Ermüdung. d) Vollführt der belastete Muskel hinter einander einzelne Verkürzungen, mittelst derer er arbeitet, so ist seine, hierdurch geleistete Wärme grösser, als wenn er in tetanischer Contraction dauernd das Gewicht trägt. Es wirkt also der Uebergang des Muskels in die verkürzte Form stärker wärmeerzeugend , als die Erhaltung in dieser Form. Auch wenn die Hubhöhe, die Stärke des Eeizes und die Spannung des arbeitenden Muskels bei auf einander folgenden Zuckungen sich gleich bleiben, so entwickelt der Muskel bei der ersten Zuckung dennoch mehr Wärme, als bei den folgenden (Danihwsky) '. 2. Die Wärmeentwickelung hängt ab von der Spannung des Muskels; — sie nimmt mit zunehmender Spannung ebenfalls zu (Heidenhain) . Verhindert man den Muskel durch Fixirung seiner Enden, dass er sich verkürzen kann, so erfolgt während der Reizung das Maximum der Erwärmung (Be'c/ard), und zwar um so schneller, je schneller die Reize auf einander folgen (A. Fick). Ein derartiger Zustand besteht während des Starrkrampfes, in welchem die heftig contrahirten Muskeln sich das Gegengewicht halten. Daher ist bei diesem (Wunderlich) eine sehr hohe Wärmeentwickelung beobachtet worden (vgl. §. 224), auch bei Thieren, die in Tetanus versetzt waren (Leyden). Hunde, die man durch Elektrisirung oder Krampf-Erregung in anhaltenden Tetanus versetzt , verenden sogar durch Steigung ihrer Körpertemperatur bis zu einer tödt- lichen Höhe (44 bis 45° C.) (Richet, Landois). Parallel mit dieser hohen Wärmebildung geht eine bedeutende Säuerung und Produc- tion von Alkoholextra ctivstoffen im Muskelgewebe (§. 296. 5). Fixirt man den gereizten Muskel so, dass er sich nicht contrahiren kann und lässt nun weiterhin durch Freigebung des unteren Endes eine Contraction zu, wobei ein Gewicht gehoben wird, so wird behufs der Leistung dieser letzteren Arbeit ein neues Quantum chemischer Spannkraft umgesetzt (A. Fick). o. Mit zunehmender Ermüdung nimmt die Wärmebildung ab, in der Erholung wieder zu (A. Fick). 4. In einem Muskel, welcher in normaler Weise vom Blute durchströmt wird, geht die Wärmeproduction (und auch die mechanische Arbeitsleistung) viel energischer von statten , als im Muskel mit unterbrochener Circulation. Auch erfolgt hier die Erholung nach der Ermüdung schneller und vollkommener und mit ihr die neue Steigerung der Wärmeproduction (Meade Smith). Die Summe von Arbeit und Wärme im Muskel muss stets dem Umsätze eines entsprechenden Maasses chemischer Spannkraft in demselben äquivalent sein. Von dieser wird ein um so grösserer Theil in Arbeit umgesetzt, je grösser die Kraft ist, die sich der Zusammenziehung des Muskels entgegenstellt ; im letzteren Falle beträgt dieser etwa '/4 der umgesetzten Spannkräfte. Bei geringeren Wider- ständen ist die geleistete Arbeit ein kleinerer Bruchtheil der umgesetzten Spann- kräfte (A. Fick, Harteneck). Bei höherer Temperatur (also wohl auch im Fieber, §. 221. 3) zeigt der Muskel grösseren Stoffumsatz, und zwar zur Erzeugung grösserer Wärme- mengen, ohne dass die Arbeitsleistung steigt (A. Fick). Beim Menschen kann man an den, elektrisch zur Contraction gebrachten Muskeln die Wärmebildung durch die Haut hindurch wahrnehmen (v. ZiemssenJ; dasselbe fand ich auch dann, wenn willkürlich die Bewegung ausgeführt wurde. [§. 304.] * Das Muskelgeräuseh. 609 Das aus dem thätigen Muskel abfliessende Venenblut wird wärmer, bei energischer Action selbst 0,6° C wärmer, als das Arterienblut (Meade Smith). Dass auch der thätige Nerv sich um etwas ('.^"C.) erwärme (Valentin , wird anderweitig bestritten (v. Helmholtz, Heidenhain) , — wohl aber erwärmt sich der absterbende Nerv fRottesUmJ. 5. Da der Muskel ein elastischer Körper ist, so kommen in demselben, ebenso wie in unbelebten elastischen Körpern (Kautschuk) auch unter Umständen auf rein physikalischem Wege Wärmeerscheinungen zur Beobachtung. So wird bei der Ausdehnung des lebenden oder todten Muskels Wärme frei (Steiner, Selimulezvitseli, Westermann) , — umgekehrt kühlt er sich bei der elastischen Verkürzung ab (Danilewsky) . 305. Das Muskel geräuscl). Wenn der contrahirte Muskel zugleich durch einen an Der ihm wirkenden Widerstand in Spannung erhalten wird, so ver- nimmt man einen Ton (oder Geräusch) (Szvammerdamm, Alb. v. Halter u. A.), herrührend von intermittirenden Spannungen innerhalb desselben (Wollastou). Methode: — Behufs der Beobachtung behorcht man entweder mit Beobachtung direct aufgelegtem Ohre, oder mittelst des Höhrrohres einen tetanisch gespannten am JIeniChen Muskel eines Anderen. Manche vernehmen auch den Muskelton ihrer Kaumuskeln, wenn sie bei zugestopften äusseren Gehörgängen hefiig die Kiefer gegen einander pressen. Steckt man in den äusseren Gehörgang (bei gleichzeitigem Verschluss des anderen) ein Stäbchen, von dessen Ende ein. mit Gewichten belasteter teta- nisirter Froschmuskel niederhängt , so hört man leicht den Ton dieses isolirten Muskels. Setzt man den Muskel in Verbindung mit schwingenden, elastischen Federn, Bestimmung deren Scbwingungszahl man leicht variiren kann , und probirt man nun aus, ., , ?er was für eine bcnwingungszahl den Jbedern gegeben werden muss , damit sie dauer durch den tönenden Muskel energisch in Mitschwingung gesetzt werden, so kann man leicht für die verschiedenen Fälle die Schwingungszahl des Muskeltones nach einigem Probiren feststellen. Mit der Spitze der vibrirenden Feder kann «»<* BegLtri- sogar ein Schreibstift in Verbindung ge.-etzt werden, der auf einer berussten r""?' Fläche die Vibrationen einkratzt :•. Helmholtz . Der v o in Willen aus in Contraction versetzte Muskel macht Beoiach- 19,5 — 20 Schwingungen in 1 Secunde. Man vernimmt aber nicht den, un?j"i" diesen wenigen Schwingungen entsprechenden, sehr tiefen Ton, sondern muhaton' den ersten Ob er ton, dem die doppelte Schwingungszahl zukommt. Dieselbe Scbwingungszahl hat der Muskelton, wenn man den Muskel bei Thieren durch Reizung des Rückenmarkes in Spannung versetzt (v. Helmholtz), ferner wenn der motorische Xerv eines Muskels durch chemische Mittel gereizt wird (Bernstein). Wendet man jedoch auf den Muskel (auch beim Menschen tetanisirende Inductionsströme an, so ist die Sohwingungs- zahl des Muskeltones genau übereinstimmend mit der Zahl der Vibrationeu des federnden Hammers des Inductionsapparates. Er kann daher mit veränderter Spannung der Feder erhöht oder vertieft werden. Lovcn fand, dass der Muskelton verhältnissmässig am stärksten auftritt. wenn man die schwächsten Ströme anwendet, welche überhaupt noch Tetanus hervorrufen. Dann hat der Ton die Schwingungszahl der nächst tieferen Octave. Lei stärkeren Strömen verschwindet dann der Muskelton , bei starken kehrt ei Landois, Physiologie. 7. Aufl. 39 610 Ermüdung des Muskels. [§• 305.] Hörbare Jhitkeltöne bei Fischen wieder in gleicher Schwingungszahl mit der des Interruptors des Inductions- apparates. Werden die Iuductionsschläge durch den Nerven geschickt, so ist der Ton nicht so stark (im Uebrigen aber von derselben Schwingungsdauer). Man hat durch schnelle Inductionsfchläge Töne bis zu 704 (Love'n) und 1000 Schwingungen in einer Secunde hervor- gerufen (Bernstein) . Der 1. Herzton (vgl. §. 60) ist zum Theil Muskelton. Ick habe 1873 zuerst die Beobachtung gemacht, dass die knurrenden Geräusche, welche manche Fische [Cottus („Knurrbahn")] von sich geben können, herrühren von den starken Tönen ihrer krampfhaft bewegten Muskeln des ^chultergürtels, die durch die grosse, von fes'em Knochengerüste umgebene Mund- rachenhöhle durch Resonanz noch verstärkt werden. Ich fand schon damals, dass selbst ein einziger Inductionssclilag, der die Muskeln erregte, das Muskelgeräusch hervorrufen könne . Auch Herroun, Yeo und Mac William fanden dasselbe an zuckenden Muskeln des Menschen. Dem- gemäss muss es als zweifelhaft betrachtet werden , ob der Muskelton als ein Beweis dafür gelten darf, dass der Tetanus sich aus einer Reihe einzelner Dichtig- keitsschwankungen zusammensetzt (§. 300. III). Ursrehen de* Ermüdung . 306. Ermüdung des Muskels. wesm der Als „Ermüdung" bezeichnet man denjenigen Zustand Ermüdung, geringerer Leistungsfähigkeit der Muskeln, in welchen er durch anhaltende Thätigkeit versetzt wird. Dem Lebenden giebt sich hierbei eine eigentümliche Gefühlsvvalirnehmung kund , die in den Muskeln localisirt ist. Im intacten Körper ist der ermüdete Muskel der „Erholung" fähig, in geringerem Grade sogar auch der ausgeschnittene (Ed. Weber, Valentin). Als Ursache — der Ermüdung ist die Ansammlung von Umsetzungsproducten : „Ermüdungsstoffen" (welche bei der Thätigkeit der Muskeln sich bilden) , in dem Gewebe der- selben zu betrachten: die freie oder die in sauren Salzen ge- bundene Phosphorsäure (pg. 580) , (das saure phosphorsaure Kalium) (PGlycerinphosphorsäure) und die CO.,. Hierfür spricht, dass der ermüdete Muskel wieder leistungsfähiger wird, wenn jene Substanzen durch Hindurchleiten von indifferenter (0,6%-) Kochsalzlösung , oder von schwacher Natriumcarbonatlösung durch die Muskelgefässe hinweggespült werden (J. Ranke, 1863). Auch der Verbrauch des O seitens des thätigen Muskels befördert die Ermüdung (v. Pettenkofer & v. Voit), denn die Durchleitung arteriellen — [nicht venösen (Bichat)] — ■ Blutes bewirkt (wohl auch dadurch, dass es dem Muskel verbrauchte Substanzen ersetzen kann) die Hebung der Ermüdung (Ranke, Kro?iecker) . — Umgekehrt kann man einen leistungsfähigen Muskel schnell ermüden durch Injection von verdünnter Phosphorsäure , von saurem phosphorsauren Kalium oder von gelöstem Fleischextract (Kemmerich) in seine Gefässe (J. Ranke). Auch kann man ein Thier ermüden, wenn man ihm. das Blut eines völlig ermüdeten transfundirt (Mosso). — Der durch Arbeit ermüdete Muskel nimmt in diesem Zustande weniger O auf. Auch entwickelt er in der Ermüdung nur wenig weitere Säure und C02. Die zur [§. 306-] Ermüdung des Muskels. 611 Ermüdung führende Thätigkeit hat also bereits bedeutenden Stoffumsatz im Muskel hervorgerufen. Der ermüdete Muskel bedarf zu gleicher Arbeitsleistung Leistung*- (Hubhöhe) einer stärkeren Reizung als der frische. — Dör ermüdeten' ermüdete Muskel vermag grosse Belastung gar nicht mehr zu Muskels- heben : seine absolute Muskelkraft ist also vermindert. — Bleibt der Muskel während des ganzen Versuches mit demselben Ge- wichte belastet, und ist die Reizung eine maximale (starker Inductions-Oeffnungsschlag), so nimmt von Zuckung zu Zuckung die Hubhöhe stetig ab um einen gleichen Bruchtheil der Ver- kürzung. Die Ermüdungscurve ist somit eine gerade Linie. Je schneller die Zuckungen sich einander folgen, um so bedeutender ist diese Verminderung der Hubhöhe , und um- gekehrt. Der ausgeschnittene Muskel ist nach e,i n er gewissen Zahl von Zuckungen bis zur Erschöpfung ermüdet. Hierbei ist es ohne Einfluss, ob die Reizungen in kurzen oder in längeren Pausen aufeinander folgen (Kronecker). [Analog verhält es sich auch für untermaximale Reize (Tiegel).] — Der ermüdete Muskel gebraucht ferner für seine Zuckung eine längere Zeit, sie verläuft somit träger ; endlich ist auch die Zeit der latenten Reizung im Ermüdungsstadium verlängert (§. 300,». Der er- müdete Muskel soll dehnbarer sein (Donders & van Mansvelt). — AVird der Muskel mit so starken Gewichten belastet , die er bei eintretender Contraction gar nicht zu heben vermag , so ermüdet er dennoch , und zwar in noch höherem Grade , als wenn er die Last zu heben vermöchte (Leber). Der Stoffumsatz und die Säurebildung ist nämlich in dem ausgestreckt erhaltenen gereizten Muskel noch grösser , als in dem gereizt sich ver- kürzenden (Heidenhain). — Lässt man einen Muskel durch Reizung sich verkürzen, der gar kein Gewicht trägt, so wird er nur sehr allmählich ermüdet. Ist der Muskel nur während der Contraction , nicht aber während der AViederausdelmung belastet , so ermüdet er langsamer (Heidenhain) , als wenn er dauernd belastet ist ; ebenso , wenn er sein Gewicht erst im Verlaufe seiner Zusammenziehung zu heben braucht, anstatt es sofort mit Beginn derselben zu heben (Volkmann). — Das Anhängen von Gewichten an den dauernd ruhenden Muskel ermüdet diesen nicht (Har/ess, Leber). Unterbindet man die Arterien bei Warmblütern, so tritt bei Reizung der Nerven schon nach 120 — 240 Zuckungen (iu 2 — 4 Min.) völlige Ermüdung ein ; directe Muskelreizung vermag aber noch eine Reihe von Zuckungen zu bewirken. Die Ermüdungscurveu sind in beiden Fällen gerade Linien. Bei unveränderter Blutcirculation durch den Muskel der Warmblüter zeigt die Reizung vom Nerven aus, dass die Zuckungen anfangs an Höhe zunehmen, dann geradlinig abnehmen (Rossbach &* Harteneck). Dem entsprechend zeigte sich auch bei Personen, welche ihre Muskeln bis zur Ermüdung anstrengten, dass die Muskeln und ihre Nerven gegen galvanische und faradische Reizung im Anfange der Arbeit lebhafter reagirten , im weiteren Verlaufe jedoch stets geringer , Orschanski, . Nach v. Kries verhält sich der maximal tetanisirte ermüdete Muskel ähn- lich wie der untermaximal tetanisirte frische: beide zeigen einen unvollstän- digen Uebergang aus dem ruhenden in den thätigen Zustand. 39* 612 Mechanik der Skeletverbindungen. [§. 306.] Erholung von Recreirend aus dem Zustande der Ermüdung zur Erholung Ernüdung. wirkt das D u r c h 1 e i t e n eines constanten elektrischen Stromes durch die Länge des ganzen Muskels (Heidenhain), ebenso die Einspritzung frischen arteriellen Blutes in die Ge- fässe desselben, sowie von sehr kleinen Gaben Veratrins. Werden Muskeln eines intacten Thieres durch (bis 14 Tage lang) andauernde Reizung Ms zur völligen Ermüdung in Contraction erhalten, so zeigen die Muskel- fasern hochgradige körnige und besonders wachsartige Degeneration (O. Roth). Unter den Giften — bewirken Curare und die Fäulnissgifte (Ptoma'ine) einen unregelmässigen Verlauf der Ermüdungscurve (Guareschi &* MossoJ. Ermüdungs- An lebenden Menschen experimentirten A. Mos so und un^leim Maggiora ', indem sie durch die Flexoren des Mittelfingers (bei fixirtem Menschen. Arme) ein Gewicht heben Hessen. Mosso fand, dass der direct ge- reizte Muskel fiüher ermüdet, als der indirect (vom Nerven aus) gereizte. Nur für mittlere Gewichte ist die Ermüdungscurve gerad- linig, für kleinere ist sie S-förmig, für grössere hyperbolisch. — Der bis zur Erschöpfung der Muskelkraft fortgesetzte tetanisirende elektrische Reiz lässt im Muskel noch einen Rest von Energie übrig, welcher von dem Willen ausgenutzt werden kann und umgekehrt : der durch willkürliche Contraction schliesslich erschöpfte Muskel kann noch durch elektrische Reize veranlasst etwas Arbeit leisten. Wirken beide Erregungen unmittelbar hintereinander , so erschöpfen sie den Muskel völlig. — Geistige Anstrengung vermindeit auffällig die Muskel- kraft. — Stärkste Muskelcontraction durch den Willen kann nicht noch verstärkt werden durch starke elektrische Reizung des motorischen Nerven. Im Gegentheil : wird der motorische Nerv bis zur Erzielung einer wenig starken Contraction elektrisch gereizt, so vermag der Wille nicht auf den Muskel noch stärker zu wirken (Mosso). — Die Arbeit, welche ein schon ermüdeter Muskel ausführt, wirkt auf deu- selben viel erschöpfender, als eine grössere Arbeitsleistung, welche er ausgeruht vollendet. — Anämie bewirkt der Ermüdung ähnliche Symptome bis zur Contractionsunfähigkeit, Freigabe des Blutlaufs er- frischt den Muskel schnell. — Ermüdung der Beine (Märsche) be- schleunigt die Ermüdung der Arme; — anhaltendes Wachen und Fasten fördert die Ermüdung; günstig gegen dieselbe wirkt die Massage (Maggiora). 307. Mechanik der Knochen und ihrer Verbindungen. Die Knochen — zeigen in der Spongiosa eine innere Architektur, die aus Druck- und Zug-Bälkchen genau nach Maassgabe derjenigen Linien zusammengesetzt ist, welche die graphische Statik der Darstellung der Kräfte in belasteten Balken von der gegebenen Form construirt. Sie ist daher der Aufgabe des Knochens so vollkommen angepasst, dass sie die grösste Leistungsfähigkeit als Stützapparat mit dem geringsten Materialaufwand verbindet (H. v. Meyer, Culman, Jul. Wulff). Gelenke. I. Die Gelenke — gestatten die ausgiebigsten Bewegungen der Knochen. Die Gelenkenden sind mit einer Knorpelschicht überzogen, welche, vermöge ihrer Elasticität , die auf die Knochen übertragenen Erschütterungen und Stösse zu massigen vermag. Die Oberfläche der [§• 307.] Mechanik der Skeletverbindungen. 613 Bau der Synovial- membran. Gelenkknorpel ist vollkommen glatt und ermöglicht so die leichte, gleitende Bewegung der Flächen gegen einander. An der äusseren Grenzlinie der Knorpel entspringt die Gelenkkapsel , welche als ein Sack die knorpeligen Enden einschliesst. Im Innern ist die Kapsel von der Synovialmembran überzogen, welche die klebrig schlüpfrige Synovia absondert, die eine geschmeidige Bewegung der Flächen wesentlich erleichtert. Die äussere Fläche der Gelenkkapsel ist vielfältig mit fibrösen Bändern belegt, die theils als Yerstärkungs-, theils als Hemmungs-Bänder functioniren. Zu den Hemmungsvorrichtungen an den Gelenkengehören auch die „Knochen aus schlage'"' , z. B. der Processus coronoideus ulnae, der nur die Flexion des Vorderarmes bis zur spitzwinkeligen Beugung zulässt, ferner das Olecranon, welches die Hyperextension im Ellenbogengelenk inhibirt. Das dauernde Zu- sammenhalten der Gelenkflächen wird ermöglicht' — 1. durch die Adhäsion der , mit der Synovia auf einander geriebenen , glatten Knorpelflächen, — 2. durch die äusseren Kapselbänder und — 3. durch die elastische Spannung und die Contraction der Muskeln. Die Synovialmembran — ist aus zarten, mit elastischen Fasern ver- mischten Bindegewebsbündeln gewebt und hat nach innen zu theils fettgewebe- haltige Falten, theils gefässführende Zotten. Die Innenfläche wird von Endothel bekleidet, welches rundlich-polygonale, platte Zellen enthält. Die inneren Gelenk- Bänder oder -Knorpel sind nicht von der Synovialis und dem Endothel bekleidet. Die Ansatzstellen der Synovialis an den Knochen heissen Ansatzzonen. Die farblose, fadenziehende Synovia reagirt alkalisch, ■ — hat die Zu- Die Synovia. sammensetzung der Transsudate und enthält ausserdem Mucin (v, Frerichs) neben Eiweiss und Spuren von Fett. Angestrengte Bewegung vermindert ihre Menge, dickt sie ein, vermehrt das Mucin, vermindert aber ihre Salze. Rücksichtlich des Bewegungsmodus kann man die Gelenke in folgende Arten eintheilen : 1. Gelenke mit Drehbewegung um eine Achse. — a) Das Charniergelenk (Giuglymus). Die eine Gelenkfläche stellt einen Abschnitt eines Cylinders oder Kegels dar, auf welcher die andere mit entsprechender Höhlung nur um eine Achse (des Cylinders oder Kegels) bei der Beugung oder Streckung im Gelenke sich bewegt. Beispiele: die Finger- und Zehengelenke. Stets finden sich seit- lich starke Hülfsbänder, die ein seitliches Einknicken des Gelenkes ver- hindern. Eine Modification des Charniergelenkes ist das „ Schraube n- Charniergelenk" (Langer, Henke). Hierher gehört das Humero- Ulnargelenk : streng genommen findet nämlich nicht einfache Beugung und Streckung im Ellenbogengelenke statt, sondern es schraubt sich die Ulna auf der Rotula humeri wie eine Schraubenmutter auf der Schraubenachse, — am rechten Humerus ist die Schraube rechts ge- wunden, am linken links. Auch das Sprunggelenk gehört hierher : die Schraubenmutter ist die Tibialfläche ; das rechte Gelenk gleicht einer linksgewundenen Schraube, das linke umgekehrt. — b) Das Dreh-, gelenk (Rotatio) , mit cylindrischer Gelenkform: z. B. das Gelenk zwischen Atlas und dem, die Drehachse enthaltenden, Dens epistrophei. — Das Pronations- und Supinations-Gelenk im Ellenbogengelenke hat seine Drehachse von der Mitte der Fovea patellaris des Radius- köpfchens bis zum Processus styloideus ulnae. (Hülfsgelenke dieses Drehgelenkes sind: oben die Gelenkverbindung zwischen der Circum- Einaehsige Gelenke. Das Charnier- gelenk. Das Schrauben- charnier- gelenk. Das Drehgelenk. 614 Mechanik der Skelet Verbindungen. [§. 307.] ferentia articularis . des .Radiusköpfchens in dem entsprechenden oberen Ulna- Ausschnitt , und unten das Gelenk zwischen Capi- tulum ulnae und dem seitlichen unteren halbmondförmigen Radius- Ausschnitte.) zweiachsige 2. Gelenke mit Drehbewegung um zwei Achsen. — a) Die Gelenke besitzen in den zwei , seukreeht sich schneidenden Achsen eine verschieden starke, aber in gl e i chem Sinne verlaufende Krümmung: z.B. das Atlanto-Occipital-Gelenk, oder das Handgelenk, in denen also sowohl Beugung und Streckung, als auch seitliche Neigung möglich ist. — b) Die Gelenke besitzen eine, in den beiden, sich senkrecht schneidenden Achsen in ungleichem Sinne verlaufende Das Sattel- Krümmungsfläche. Hierher gehört das „Sattelgelenk" (Bergmann), dessen Fläche in der Richtung der einen Achse concav , in der der anderen convex ist, z. B. das Gelenk zwischen Os multangulum majus und dem Metacarpus pollicis. Die Hauptbewegung ist hier: 1. Beugung und Streckung, — 2. Abduction und Adduction. Weiterhin ist in beschränkter Weise noch in allen anderen Richtungen eine Bewegung möglich , und es kann endlich noch vom Daumen ein kegelförmiger Raum umschrieben werden. Hierdurch ähnelt das Sattelgelenk einer beschränkten Arthrodie. Das Spiro;. 3. Gelenke mit Bewegung auf spiraliger Gelenk- fläche (Spiralgelenke). — • Hierher gehört vor Allem das Knie- gelenk (Langer). Die von vorn nach hinten gewölbten Condylen des Femur zeigen im sagittalen Schnitte ihrer Gelenkfläche eine Spirale (Ed. Weber), deren Mittelpunkt mehr im hinteren Theile des Condylus liegt und deren Radius vector von hinten nach unten und vorn zu- nimmt. Das Gelenk gestattet zunächst Flexion und Extension. Die starken, beiderseitigen Ligamenta lateralia entspringen an den Condylen des Femur, entsprechend dem Mittelpunkte der Spirale, und inseriren sich am Capitulum fibulae, beziehungsweise am Condylus internus tibiae. Bei starker Flexion im Kniegelenk sind die Seitenbänder erschlafft; sie spannen sich bei zunehmender Streckung an und sichern in der stärksten Extension als völlig gespannte Stränge die seitliche Fixation im Kniegelenke. Entsprechend der spiraligen Gestalt der Gelenkflächen geschieht Beugung und Streckung nicht um eine Achse , sondern die Achse rückt stets mit den Berührungspunkten fort : die Achse legt einen Weg zurück, der ebenfalls eine Spirale ist. Stärkste Beugung und Streckung umfassen ungefähr 145°. Das Lig. cruciatum anticum spannt sich mehr bei der Extension und ist Hemmungsband für zu starke Streckung, das posticum spannt sich mehr bei der Flexion und ist Hemmungsband für zu starke Beugung. Die Streck- und Beuge- bewegung im Knie ist aber noch dadurch complicirter, dass das Gelenk einen schraubenförmigen Gang hat, der Art, dass bei stärkster Exten- sion der Unterschenkel nach aussen abweicht. Dem entsprechend muss der Oberschenkel, wenn der Unterschenkel fixirt ist , bei der Flexion nach aussen gedreht werden. Man beobachtet ferner im Kniegelenk noch Pronation und Supination , die bei stärkster Beugung bis 41° betragen kann (Albert), bei stärkster Extension 0 wird. Sie erfolgt dadurch, dass der Condylus externus tibiae um den internus sich dreht. — Bei allen Stellungen in der Beugung haben die Kreuzbänder eine [§• 307.] Anordnung und Verwendung der Muskel», 615 ziemlich gleichbleibende Spannung', wodurch sie die Gelenkenden gegen einander gepresst erhalten. Ihre Anordnung bringt es überdies mit sich, dass bei zunehmender Spanuung des vorderen Bande? ( Streckung) die Condylen des Femur auf der Gelenkfläche der Tibia mehr auf deren vorderen Bereich rollen müssen, bei Zunahme de: Spannung des hinteren (Beugung) jedoch mehr nach hinten. 4. Gelenke mit Drehung um einen festen Punkt; — es sind dies die frei beweglichen Kugelgelenke (Arthrodie). Die Be- wegung ist um unendlich viele Achten möglich, welche sämmtlich im Drehpunkte sich schneiden. Die eine Gelenkfläche hat annähernd Kugel- form, die andere die einer Hohlkugel. Als Typen dieser Gelenke gelten das Schulter- und Hüft-Gelenk. Man kann auch statt der vielen Achsen, um welche die Bewegung möglich ist , drei sich rechtwinkelig im Räume schneidende substituiren. Deshalb hat man diese Gelenke auch dreiachsige genannt. Die Bewegungen können nun erfolgen : — 1. als pendelnde Bewegung in jeder beliebigen Ebene, — 2. als Rotation um die Längsachse der Extremität und — 3. als Umschreibung de, Mantels eines Kegels, dessen Spitze im Drehpunkte des Gelenke? liegt und dessen Mantelfläche von der Extremität selbst umschrieben wird. Als beschränkte Arthrodien — beschreibt man kugelige Gelenke mit beschränkteren Excursionsweiten der Bewegung , denen überdies noch die Rotation um die Längsachse abgeht. Hierher gehören z. B. die Metacarpo-Phalangeal-Gelenke. 5. Straffe Gelenke — (Amphiarthrosis) sind charakteristisch durch ihre, zwar nach allen Richtungen hin möglichen, aber sehr un- ergiebigen Bewegungen, in Folge der sehr kurzen und unnachgiebigen äusseren Gelenkbänder. Die Gelenkflächen, beide meist gleich gross, weichen nur wenig von der Ebene ab. Beispiele liefern die Verbindungen der Hand- und Fuss-Wurzelknochen unter einander. IL Die Symphysen, — Synchondrosen — und Syn- desmosen, welche Zusammenfügungen der Knochen ohne Bildung einer Gelenkhöhle darstellen, sind zwar nach allen Richtungen , aber nur äusserst wenig beweglich. Sie stehen als physiologisch den Amphi- arthrosen sehr nahe. III. Die Nähte — (Sutura) fügen die Knochen ohne jegliche Nachgiebigkeit zusammen. Die physiologische Bedeutung der Naht liegt darin, dass an ihren Rändern die Knochen zu wachsen vermögen, wodurch die Ausdehnbarkeit des, von den Knochen umschlossenen Hohlraumes ermöglicht wird (Herrn, v. Meyer). Dreiachsige Gelenke. Strafe Gelenke. Symphysen. NtiAte. 308. Anordnung und Verwendung der Muskeln im Körper. Von der Gesammtmasse des Körpers sind 45°/0 Muskel- substanz. Die Muskulatur der rechten Körperseite ist schwerer, als die der linken (Ed. Weber). Betrachtet man die Muskeln in Bezug auf ihre Verwendung im Sinne der Mechanik, so lassen sich die folgenden Kategorien derselben unterscheiden, A. Muskeln ohne bestimmten Ursprung und Ansatz. 616 Anordnung und Verwendung der Muskeln. [§. 308-] Die 1. Die Hohlmuskeln, — entweder kugelige, eiförmige, ln' unregelmässige Hohlräume umschliessend (Harn-, Samen-, Gallen- Blase, Uterus, Herz), — oder die Wandungen mehr oder weniger cylindrischer Canäle darstellend (Intestinaltractus , muskulöse Drüsengänge , Ureteren, Tuben, Vasa deferentia, Blut- und Lymph-Gefässe). Die Anordnung der Muskelfasern ist hier häufig in mehreren Lagen gegeben, z. B. in longitudinalen, circulären und schrägen Zügen. Bei der Thätigkeit werden stets durch die Contraction alle Schichten zur Verkleinerung des gesammten Innenraumes verwendet. Es ist unstatthaft , den verschiedenen Schichten verschiedene mechanische Effecte zu- zuschreiben , z. B. dass die circulären Fasern am Darme das Rohr verengern, die longitudinalen dasselbe aber erweitern sollten. Vielmehr wirken beide zugleich verkleinernd auf den Binnenraum, nämlich verengend und verkürzend. Nur für den Fall, dass die Wand des Hohlorganes entweder durch Druck von aussen oder durch partielle Contraction einiger Ringfasern einen Eindruck oder Einfaltung nach innen zu erlitten hätte, können Muskelfasern, die durch das Thal der Vertiefung bis zu den umgebenden Rändern laufen, durch partielle Contraction die Depression wieder ausgleichen (also partiell den Binnenraum erweitern) , da sie die ausgehöhlte Fläche der Vertiefung zu einer kleineren, ebenen wieder ausgleichen. Die verschiedenen Schichten werden von derselben motorischen Quelle innervirt, was ebenfalls für ihre homologe Wirkung spricht. me 2. Die Sphincteren — umgürten eine Oeffnung oder sphincteren. e[nen kUrZen Canal, den sie bei ihrer Action entweder verengern oder fest verschliessen : (Sph. pupillae, palpebrarum, oris, pylori, ani, cunni, uretrae). B. Muskeln mit bestimmtem Ursprünge und Ansätze. Mushein mit 1. Der Ursprung ist bei der Wirkung des Muskels ursp^Lg völlig f i x ; — der Verlauf der Muskelfasern bis zum Ansatz bewertetem gestattet es, dass bei der Contraction der Ansatz in gerader Ansatz. Linie sich dem Ursprung nähert (z. B. Mm. attolens, attrahens und retrahentes auriculae; rhomboidei). — Bei einigen dieser Muskeln verliert sich der Ansatz derselben in ein Weichgebilde, welches alsdann dem Zuge folgt (z. B. Mm. azygos uvulae, levator palati mollis, die meisten der von Knochen entspringenden und in die Haut sich ansetzenden Gesichtsmuskeln , Mm. stylo- glossus, stylopharyngeus u. a.). Muskeln mit 2. Ursprung und Ansatz sind beide beweglich. ^ürs^tng — ^n diesem Falle verhalten sich die Bewegungen beider Punkte und Ansatz, umgekehrt, wie die Widerstände, welche bei der Bewegung der- selben zu überwinden sind. Dabei ist zu berücksichtigen , dass diese Widerstände oft willkürlich, bald am Ursprünge, bald am Ansätze vergrössert werden können. So wirkt z. B. der M. sterno- cleido-mastoideus bald als Kopfnicker, bald (bei fixirtem Kopfe) als Brustkorb-Erheber , der M. pectoralis minor bald als Ein- [§. 308-] Anordnung und Verwendung der Muskeln. 617 und Abwärtszieher der Schulter, bald (bei Fixirung der letzteren) als Heber der 3. — 5. Rippe. 3. Manche, in ihrem Ursprung völlig fixe Muskeln erleiden Muskeln mc entweder im weiteren Verlaufe ihrer Fasern oder ihrer Sehnen 9venlu}7. Abweichungen aus der geraden Richtung, sei es in leichter Biegung (z. B. Mm. occipitalis , frontalis, levator palpebrae superioris), oder in winkeliger Umbiegung der Sehne um mnkdig einen festen Vorsprung, wobei der Muskelzug eine völlig andere Sichtung. Richtung erfährt, nämlich so, als wirke der Muskel von diesem Vorsprung aus direct auf seinen Ansatz (z. B. Mm. obliquus oculi superior, tensor tympani, tensor veli palatini, obturator internus). 4. Viele Muskeln der Extremitäten wirken auf d i e Wirkung der langen Knochen wie auf Hebel, und zwar: — >a) auf d uKnoch™ einarmige Hebel, bei denen also der Ansatz des Muskels und aU £™™i9e der Belastungspunkt auf derselben Seite des Unterst ützungs- ' punktes (Drehpunktes) liegen, z. B. Mm. biceps, deltoideus. Der Angriffspunkt des Muskels liegt hierbei oft sehr nahe dem Drehpunkte; hierdurch wird bei der Contraction des Muskels die Schnelligkeit der Bewegung am Ende des Hebelarmes sehr vergrössert. aber an Kraft wird hierdurch eingebüsst. Die Anordnung hat jedoch den Vortheil, dass bei der, somit nur ge- ringeren Verkürzung des Muskels seine Kraft weniger verkleinert wird, was bei bedeutender Verkürzung der Fall sein müsste (§. 302. I. 3). — b) Die Muskeln wirken auf die Knochen wie auf zweiarmige Hebel, bei denen der Angriffspunkt der Kraft Wirkung auf (Muskelansatz) auf der anderen Seite des Drehpunktes liegt, als "'"^m.9" der Angriffspunkt der Last : z. B. M. triceps, die Wadenmuskeln. — In beiden Fällen geschieht die Berechnung der Muskelkraft, welche zur Ueberwindung eines Widerstandes nöthig ist, nach den Hebelgesetzen ; es ist Gleichgewicht vorhanden , wenn die statischen Momente (= Product der Kraft in ihre senkrechte Entfernung vom Unterstützung spunkte) gleich sind ; oder wenn sich Kraft und Last umgekehrt verhalten wie ihre senkrechten Entfernungen vom Unterstützungspunkte. Ganz besonders aber ist bei der Feststellung der Grösse der Muskelkraft und der Belastung auf die Richtung zu achten, in welcher dieselben auf die Hebelarme wirken. Es kommt nämlich oft vor , dass die Richtung , welche in einer bestimmten Stellung senkrecht zum Hebelarme war, bei einer Bewegung schräg auf den Hebel einwirkt. Das statische Moment einer schräg auf einen Hebelarm einwirkenden Kraft oder Last findet man nämlich, indem man die Kraft multiplicirt mit der. von dem Drehpunkte auf die Richtung der Kraftwirkung ge- fällten Senkrechten. In Fig. 1781 soll Bx den Humerus, xZ den Radius darstellen; A y sei Beispiele. die Richtung des Biceps-Zuges Wirkte in der rechtwinkeligen Stellung allein der Biceps, indem er ein den Vorderarm oder die Hand belastendes Gewicht P horizontal hielte, so wäre die Kraft des Biceps ( = A) aus der Formel A.yx = P.xZ herzuleiten, nämlich A = (P.xZ):yx. Es ist einleuchtend, dass hei der gesenkten Stellung des Radius xC sich die Sache anders verhält; dann ist die Kraft des Biceps = At = (Pt . v x) : o x. 618 Anordnung und Verwendung der Muskeln. [§• 308.] In Fig. 178 II sei TF die Tibia, — F das Fussgelenk, — MC der Fuss in horizontaler Stellung. Die Kraft der Wademnuskeln (=a), um einer von unten gegen das vordere Fussende gerichteten Kraft p das Gegengewicht zu halten, würde sein: a = (p . M F) : F C. — Aendert sich die Stellung des Fusses in der Pachtung R S , so wäre nun die Kraft der Wadenmuskeln a,i = (Pl . m F) : F. c. Aus dem Vorbemerkten ist auch ersichtlich, mit welcher Kraft Muskeln, welche, wie z. B. der M. brachio radialis, über den Winkel eines Charniergelenkes gespannt sind, an ihrem Hebelarme wirken. Auch hier findet man das statische Moment gleich der Kraft multiplicirt mit dem , von dem Dreh- punkte auf die Richtung der Kraft gefällten Loth. In Skizze III sei HE der Humerus, E das Ellenbogengelenk, ER d:r .Radius, BR der M. brachioradialis. Sein Moment in dieser Stellung ist = A.I3E. Ist der Radius bis zu E R1 gehoben , so ist es = A . a E. Es ist jedoch auch hier zu beachten, dass Bßj <^ BR; daher also die absolute Muskelkraft in der gebeugteren Stellung geringer sein muss , weil jeder Muskel mit zuneh- mender Verkürzung weniger Last zu heben vermag. Was der Kraft SDmit abgeht, wird durch Vergrösserung des Hebelarmes gewonnen. Fig. 178. cffect. Schemata der Wirkung der Muskeln auf die Knochen. Muskeln mit 5. Manche Muskeln haben einen doppelten Beweg ungs- Bewlgungs- effect, — den sie für gewöhnlich combinirt zur Ausführung bringen ; z. B. der M. biceps brachii ist Flexor und Supinator des Vorderarmes. Hindere ich durch andere Muskeln , dass eine dieser Bewegungen ausgeführt wird, so betheiligt sich der Muskel auch nicht bei Ausführung der anderen. Beispiele: Pronirt man stark den Vorderarm und beugt ihn in dieser Stellung, so bleibt der Biceps unbetheiligt; oder bei straff gestrecktem Ellen- bogen supinirt nur der M. supinator brevis, nicht der Biceps. — Ein anderes Beispiel liefern die Kaumuskeln. Der M. masseter hebt den Unterkiefer und zieht ihn zugleich nach vorn. Wird der gesenkte Kiefer jedoch sehr stark rückwärts gezogen gehalten, so betheiligt sich an der, nun erfolgenden Hebung des Kiefers der Masseter nicht. — Der M. temporalis hebt den Kiefer und zieht ihn zugleich rückwärts. Wird der gesenkte Kiefer in stark vorgezogener Stellung gehoben, [§.308. Anordnung; und Verwendung; der Muskeln. 619 so betheiligt sich der Temporalis nicht an der Hebung (§. 158 a). — Erst bei stärkster Anstrengung, oder wenn durch andere mechanische Ursachen auf die Stellung der Knochen besonders eingewirkt wird, vollführen die Muskeln dieser Gruppe auch diesen einseitigen Bewegungsett'ect. — Interessante analoge Ver- hältnisse bieten auch die Flexoreh des Unterschenkels. 6. Zwei- oder vielgelenkige Muskeln — nennt man diejenigen , welche ihren Verlauf vom Ursprung bis zum Ansatz über 2 oder mehrere Gelenke hinweg nehmen. Bei ihnen erleidet entweder die Richtung der Sehnen in gewissen Stellungen einen von der geraden Richtung abweichenden Verlauf, wie z. B. die der Extensoren und FJexoren der Finger und Zehen bei Beugung der letzteren , — oder die Richtung bleibt stets eine Gerade , z. B. beim M. gastroenemius. Die Muskeln dieser Gruppen bieten noch folgende interessante Verhältnisse dar: — a) die Erscheinung der sogenannten activen Insufficienz (Hueter, Henke). Werden durch Stellungen der Gelenke, über welche der Muskel hinweg läuft, dessen Ursprung und Ansatz zu sehr genähert, so kann es hierdurch kommen, dass der Muskel sich so sehr zusammenziehen müsste, bevor er noch zur Wirkung kommt , dass von demjenigen Verkürzungsgrade an . von dem er erst wirksam sein könnte, eine fernere active Verkürzung nicht mehr möglich ist : z. B. kann bei winkeliger Kniestellung der M. gastroenemius eine Plantarflexion des Fusses überhaupt nicht mehr vollführen ; den Zug an der Achillessehne vollzieht allein der M, soleus. — b) Die passive Insufficienz (Hueter, Henke) zeigen die vielgelenkigen Muskeln unter fol- genden Bedingungen. Es kann bei gewissen Gelenkstellungen ein Muskel bereits so sehr gedehnt und gespannt sein , dass er von dieser Stellung aus gewisse Bewegungen anderer Muskeln wie ein straffer, behindernder Zügel hemmend beschränkt : z. B. ist der M. gastroenemius zu kurz , um bei Streckung im Knie die höchste Dorsalflexion des Fusses zu gestatten. — Die, vom Tuber ischii entspringenden langen Beuger des Unterschenkels sind zu kurz , um bei spitzwinkeliger Beugung im Hüftgelenk volle Streckung im Kniegelenk zu gestatten. — Die Streck- sehnen der Finger sind zu kurz, um bei stärkster Beugung im Handgelenk noch dazu stärkste Beugung der Fingerglieder zu- zulassen. 7. Synergeten — nennt man solche Muskeln, welche gemeinsam einem gewissen Bewegungsmodus dienen : z. B. die Flexoren des Unterschenkels, die Wadenmuskeln u. A. Auch die Bauchmuskeln mit Inbegriff des Zwerchfells als Verkleinerer des Bauchraumes (bei der Bauchpresse), — ferner die Inspiratoren, oder die Exspiratoren können als Synergeten betrachtet werden. Auch die verschiedenen Köpfe eines Muskels , oder die zwei Bäuche eines Biventer können von diesem Gesichtspunkte aus aufgefasst werden. Antagonisten — (Galenus) hingegen heissen solche Muskeln, die in ihrer Thätigkeit die entgegengesetzte Wirkung anderer Muskeln haben. So sind Antagonisten: Beuger und Strecker, — Pronatoren und Supinatoren . — Adductoren und Dy- und polyarthro- diale Muskeln. Active Insufficienz derselben. Pas>ice Insufficienz derselben. Synergeten. Antagonisten , 620 Turnen. — Abweichungen der Bewegungsorgane. [§• 308.] Abductoren, — Levatoren und Depressoren, — Spkincteren und Dilatatoren, ■ — Inspiratoren und Exspiratoren. UnwiiiMr- Unwillkürlich pflegen wir, wenn es sieh darum handelt, hAn/angs-te mit voller Kraft die Wirkung eines Muskels zu entfalten, s vlskeiTbei' diesen vorher in den Zustand möglichster Dehnung zu den versetzen („Ausholen"), da von dieser aus thatsächlich der Muskel der grössten Kraftentfaltung fähig ist [§. 302. I. 3. (Schwann)]. Umgekehrt wird bei zarten , möglichst kraftlosen Bewegungen eine Stellung gewählt, in welcher der betreibende Muskel sich bereits in grösserer Verkürzung befindet. Alle Fascien des Körpers stehen mit Muskeln in Verbindung, welche bei den entsprechenden Bewegungen dieselben in Spannung versetzen („Fascien- spanner") (K. Bardeleben/. Bewegungen. Turnen. Schvjedische Heil- gymnastik. Massage. Störungen der passiven Bewegungs- organe. Ver- hiegungen der Wirbelsäule . 309. Turnen nnd Heilgymnastik. Pathologische Abweichungen der Bewegnngsfunction. Zur Ausbildung der Muskelthätigkeit und der Kraft dient vor Allem das Turnen, — das für beide Geschlechter schon von früher Jugend an geübt zu werden verdient. Die systematische Thätigkeit vergrössert die Muskelmasse und befähigt sie zu grösserer Leistung ; daneben wird das Fett im Körper mehr ver- braucht. Mit der Vermehrung der Muskelmasse steigt die Blutmenge, und zugleich werden die Knochen , Sehnen und Bänder widerstandsfähiger. Da im thätigen Muskel die Circulation sehr vergrössert ist, so folgt aus dem Turnen eine allge- meine Hebung des Kreislaufes und der Herzthätigkeit , wodurch bei Menschen, die (meist bei sitzender Lebensweise) an Blutstockungen in den Abdominal- organen leiden (Hämorrhoiden- u. dgl.), günstig auf die Säftebewegung eingewirkt wird. Da ferner der thätige Muskel viel 0 verbraucht und reichlich C02 pro- ducirt, so wird die Athmung durch das Turnen lebhaft angeregt. Die gesammte Steigerung des Stoffwechsels giebt das Gefühl des Wohlseins und der Kraft, beschränkt krankhafte Reizung und Tendenz zur Ermüdung. Der ganze Körper wird kerniger, fester und specifisch schwerer (JägerJ. Durch die schwedische Heilgymnastik — (Ling) sucht man bei Menschen, welche an einer Schwäche gewisser Muskeln oder Muskelgruppen leiden und in Folge dessen nicht selten Difformitäten in der Haltung des Skeletes zeigen, diese Muskeln systematisch zu kräftigen. Es werden die Bewegungen dieser Muskeln besonders geübt, indem man ihnen passende Widerstände darbietet, die der sich Uebende entweder überwinden soll, oder gegen welche er ankämpft, ohne sie zu überwinden. Auch das Kneten, Drücken und Streichen der Muskeln (Massage) befördert den Blutlauf in denselben ; es kann daher diese Procedur mit Vortheil an solchen Muskeln angewendet werden, die durch Krankheit soweit geschwächt sind, dass eine selbstständige systematische Uebung durch Turnen oder Gymnastik nicht mehr mit Erfolg getrieben werden kann. Störungen der normalen Bewegungen kommen theils an dem passiven Bewegungsapparate (Knochen, Gelenke, Bänder, Aponeurosen) , theils an dem activen (Muskeln nebst Seimen und motorische Nerven) zur Erscheinung. Brüche , cariöse und nekrotische Zerstörungen , ferner Entzündungen, welche die Bewegungen der Knochen schmerzhaft machen , beeinträchtigen die Bewegungen, oder machen sie sogar völlig unmöglich. Aehnlich wirken Aus- renkungen oder Entzündungen derGelenke, Erschlaffungen der Gelenkverbindungen, oder gar feste Verwachsungen der Gelenkenden (Ankylose), oder der das Gelenk umgebenden Bänder und Weichtheile. Abweichungen von der normalen Function können ferner bedingt sein durch abnorme Krümmungen der Knochen, Anschwel- lungen (Hyperostose) oder Auswüchse (Exostose). — Zu den abnormen oft vor- kommenden Stellungen der Skelettheile sind zu rechnen die Verbieg ungen der Wirbelsäule nach der Seite (Skoliosis), nach hinten (Kyphosis), oder nach vorn (Lordosis). Diese bringen auch Störungen der Athembewegungen mit [§. 309.] Pathologische Abweichungen der Bewegungsorgane. 621 sich. — An den Unterextremitäten , welche die Last des Körpers zu tragen haben, bildet sich zumal bei schlaffen, langgewachsenen jugendlichen Individuen, Difforvutäten die vorwiegend stehendes Gewerbe treiben, das Genu valgum (Bäckerbein) aus. pr un^tn Die /Umgekehrte Biegung der Beine Genu varum (Säbelbein) ist vornehmlich Folge rachitischer Erkrankung. — Der Plattfuss (Pes valgus) beruht auf einer Niederpressung des Fussgewölbes, das nun nicht mehr auf seinen drei normalen' Stützpunkten ruht. Demselben liegen vielfach dies-lben Ursachen wie dem Genu valgum zu Grunde. Die Bänder der kleinen Gelenke der Fusswurzeln sind ge- dehnt, die Längsachsen der Füsse sind meist stark nach aussen gerichtet. Der innere Fussrand ist dem Boden mehr zugewendet. Schmerzen im Fusse und an den Malleolen machen das Gehen und Stehen beschwerlich. Der Klumpfuss (Pes varus), bei welchem der innere Fussrand emporgehoben und die Fussspitze aufwärts und nach innen gewendet ist, beruht auf einer fötalen Hemmungsbildung. Alle Kinder werden» mit sehr geringem Grade dieser Stellung geboren. — Der Spitzfuss (Pes equinus), bei welchem die Fusspitze. und der Hackenfuss (Pes calcaneus), bei welchem die Hacke den Fussboden berühren, beruhen meist auf einer Contractur der, diese Stellungen erzeugenden Muskeln, oder auf Läh- mung ihrer Antagonisten. Bei anhaltendem Mangel von Erdsalzen in der Nahrung verarmt Rachitis und das Skelet an diesen ; die Knochen (§. 246- 8) werden dünn, durchsichtig, sogar Osteomalacie. biegsam. Darauf, dass die Kalksalze der Nahrung wegen anhaltender Verdauungs- störungen nicht resorbirt werden können, beruht die Rachitis der Kinder und die identische Lähme junger Eausthiere. Verlieren jedoch die bereits ausge- bildeten Knochen späterhin wieder ihre Kalksalze bis zu 'l., oder ljs ( Halisteresis) und werden dadurch brüchig und weich (Osteomalacie) , so entstehen analoge Störungen der Bewegungsfunctionen. Ein gewisser geringer Grad der Knoehen- brüchigkeit und Halisterese ist dem Greisenalter eigenartig. Was die pathologischen Abweichungen der Muskeln anbetrifft, so sei Pathologische zunächst darauf hingewiesen, dass die normale Ernährung des Muskelgewebes^^"''""'"?«'» nur dann stattfinden kann, wenn hinreichende Zufuhr von Kochsalz undrfen ",'l.:.„;n von Kalisalzen in der Nahrung statthat, weil diese integrirende Bestandt heile des Muskelgewebes sind (Kemm rü/i, Forster). Die vorhandenen Muskeln atro- phiren, Neubildungen derselben werden verhindert. "Weiterhin leiden unter diesen Umständen noch das Centralnervensystem, der Verdauungsapparat, und die Thiere gehen zu Grunde. Inwieweit die Muskeln in Ina nition szu ständen leiden, ist §. 239 mitgetheilt. — Weiterhin pflegen aber auch Muskeln (und Knochen). welche aus irgend einem Grunde nicht arbeiten, der Atrophie zu verfallen (§§. 244. 245. 1); in den atrophischen Muskeln bei Ankylose trifft man oft eine enorme Vermehrung der Muskelkörperchen, die Sich als „atrophische Wucherung" auf Kosten des contractilen Inhaltes vermehren (Cohnb-rim). Ein gewisser Grad der Muskelatrophie tritt normal im Greisenalter ein. Besonders merkwürdig ist die bedeutende Reduction (von 1000 auf 350 Gr.") der Muskelsubstanz an dem Uterus nach der Geburt, die zum Theil auf der Beschränkung der Vascularisation des Organes beruht. — Bei der Blei- vergiftung gehen vornehmlich die Extensoren lind Interossei der Atrophie entgegen. — Atrophien und Entartungen der Muskeln haben in zweiter Linie Ver- kürzungen und Verdünnungen der Knochen im Gefolge, an denen sie sich ansetzen. D u r c h s c h n e i d u n g e n und Lähmungen der motorischen Nerven ziehen Unthätigkeit der Muskeln mit schliesslicher Entartung derselben nach sich. Aber auch Entzündungen, Erweichungen oder Sclerose der Ganglienzellen der Vor der hörn er oder der motorischen Kerne in der Medulla oblongata haben Atrophien der, mit ihnen in Verbindung stehenden Muskeln zur Folge (§. 369). Acut treten so die spinale Lähmung and die acute Billbärparalyse (Paralyse der Medulla oblongata) auf, in chronischem Verlaufe die progressive Muskelatrophie und die progressive Bulbärparalyse. Die Muskeln und ihre Nerven werden hierbei schmal, welk. Die Muskeln zeigen viel Kerne, ihr conlractilev Inhalt ist theilweise verfettet, später ganz geschwunden. Das intramusculäre Bindegewebe ist vermehrt, oft auch das zwischenliegend c Fett. Nach Charcot sind diese nervösen Cenlralstellen zugleich die Ernährungs- eentren der, von ihnen ausgehenden Nerven und der dazu gehörigen Muskeln. Nach Friedreieh handelt es sich jedoch bei der progressiven Muskelatrophie uin ein primäres Leiden der Muskeln, um eine primäre interstitielle Muskelentzündung mit atrophisch-degenerativem Ausgang, und erst seeundär wird der nervöse 622 Stehen. [§. 309.] Centraltheil mit in die Entartung hineingezogen, ähnlich wie nach Amputationen eines Gliedes entsprechende Theile des Rückenmarkes nachträglich entarten. Es sei endlich noch die Pseudohypertrophie oder lipomatöse Muskelatrophie erwähnt (Friedreich, Eulenburg), bei welcher die Muskel- fasern total atrophisch sind, bei reichlicher Fettentwicklung zwischen den Fasern, ohne dass jedoch die Nerven oder das Rückenmark entartet wären {Eulenburg, Cohnheimj. — Auch der amyloiden Entartung kann der Muskelinhalt anheimfallen, wobei die amyloide Substanz das Gewebe durchdringt und dasselbe intiltrirt (§. 251, VIII). Mitunter zeigen atrophische Muskeln eine tief braun- rot he Farbe, die wohl von einer Veränderung des Muskelhämoglobins herrührt. — Muskeln, denen dauernd die Uebenvältigung grösserer Arbeit obliegt, wie dem Herzmuskel (§. 56), oder den Muskeln der Blase, des Darmes zeigen eine Hyper- trophie ihres Gewebes. Specielle Bewegungslehre. 310. Stellen. Definition. Stehen ist die , durch Muskelaction gesicherte , senkrechte Gleichgewichtslage des Körpers , bei welcher die Schwerlinie (d. i. das vom Schwerpunkte des Körpers gefällte Loth) im Be- reiche der Unterstützungsfläche beider Fusssohlen den Boden trifft. — Unter den verschiedenen Stellungen soll hier das „Gerade- stehen" analysirt werden, bei welchem nach zwei Richtungen hin Muskel thätigkeit wirksam ist, nämlich: — 1. um den ge- gliederten Körper zu einer unbeugsamen Säule zu fixiren (zu „steifen"), und — 2. um im Falle einer Schwankung des Gleich- gewichtes durch passenden Muskelzug die Störungen desselben wieder auszugleichen. Beim Stehen kommen folgende Muskelthätigkeiten in Betracht : F.xation 1. Die F i x a t i o n des Kopfes auf der Wirbel- säule. — Das Hinterhaupt kann sich auf dem Atlas (dessen beide coneaven Gelenkflächen nach vorn convergiren) in ver- schiedener Weise bewegen. Am ergiebigsten ist die Nick- bewegung. Da der Schwerpunkt des Kopfes vor dem Unter- stützungspunkte am Atlas liegt, so senkt sich bei Erschlaffung der Muskeln (im Schlafe oder Tode) das Kinn auf die Brust. Die starke Nackenmuskulatur, welche von der Wirbelsäule gegen das Hinterhaupt zieht, fixirt den Kopf auf der Wirbelsäule. Neben der Nickbewegung gerade nach vorn ist auch eine solche schräg nach vorn und zur Seite möglich (L. Ger lach;. Nur unerheblich vermag der Kopf in den Atlasgeleiiken noch gedreht zu werden um die sagit tale Achse, ebenso, und zwar nur bei gebeugtem Nacken, um die verticale Achse. Zur Behinderung dieser Bewegungen bedarf es keiner besonderen Muskelthätigkeit beim Stehen. [Bei DrehuDg des Kopfes zur Seite hin wird die contralaterale A. vertebralis im Sulcus vertebralis compriniirt, die gleichseitige jedoch zu einer reicheren Durchströmung befähigt iL. Gerl. Der Schwerpunkt des so abgesteiften Körpertheiles .?***■ ("Kopf und Rumpf mit den Armen) liegt am vorderen Rande " "Kop/+°n der unteren Fläche des 11. Brustwirbels (Braune & Fischer). i:>""p.''- Das vom Schwerpunkte gefällte Loth geht hinter der Ver- cinigungslinie beider Hüftgelenke zur Erde nieder. Der Rumpf würde somit im Hüftgelenke hintenüber fallen . wenn dies nicht theils durch ligamentöse Apparate , theils durch Muskeln verhindert würde. — Erstere sind das 14 Mm. dicke (zwischen Spina anterior inferior und Linea intertrochanterica antica aus- gespannte) Ligamentum ileofemorale und das vordere straffe Blatt der Fascia lata. Da jedoch Bänder niemals für sich allein einem dauernden Zuge widerstehen können, so werden sie ganz wesentlich unterstützt durch den M. ileopsoas (Ansatz am Trochanter minor) . zum Theil auch von dem i^über der Pfanne aufwärts bis zur Spina anterior inferior entspringenden) M. rectus femoris. — Ein seitliches Einknicken im Hüftgelenke . wobei der eine Schenkel ab-, der andere adducirt werden müsste. wird vorwiegend durch die grossen Massen der Glutaei verhindert, die hinten und seitlich Schenkelknochen und Hüftbein fixiren. Bei gestrecktem Schenkel vermag auch das Lig. ileofemorale die Ad duetion zu verhindern, unterstützt von der genannten Fascia lata. Unrichtig ist die Angabe, dass unter normalen Verbältnissen das Lig. leres bei gestrecktem Oberschenkel die Abduction , bei gebeugtem die Rotation 624 Stehen. [§. 310.] im Hüftgelenke durch Spannung inhibiren könne. Das kann nur der Fall sein, nach- dem die Kapsel und das Lig. ilec-feniorale verletzt sind. Am unverletzten Gelenke vermag das Lig. teres bei keiner Bewegung durch Spannung hemmend einzuwirken. unter- 4. Das abgestreifte Stück der Körpersäule: Kopf, Rumpf Stützungen m^ Armen und Oberschenkel, dessen Schwerpunkt etwas niedriger obU?tentd un^ nur s0 weing mehr nach vornhin liegt, dass die Schwer- linie in die Verbindungslinie des hinteren Randes der Knie- gelenke fällt, — muss nun in den Kniegelenken fixirt werden. Zum Verhüten des Hintenüberfallens genügt die Kraft des M. quadrieeps femoris, unterstützt durch die Spannung der Fascia lata. Indirect soll auch das Lig. ileofemorale das Hintenüber- fallen verhindern helfen , weil nämlich bei letzterem die Ober- schenkel nach aussen rotirt werden müssen , was das besagte, in der senkrechten Stellung gespannte Ligament verhindert. Das seitliche Einknicken in den Kniegelenken ist schon durch die Einrichtung des , durch die starken Ligamenta genu late- ralia verstärkten Charniergelenkes unmöglich. — Eine Rotation im Kniegelenke ist im gestreckten Zustande nicht ausführbar (§. 307. I. 3). Stützung im 5. Vom Schwerpunkte des ganzen Körpers, welcher senk- FUSsgeienke. rec^t ^ Cm^ unterhalb des Promontoriums liegt (Braune & Fischer), trifft das Loth etwas vor der, die beiden Fuss- (Sprung-) Gelenke verbindenden Linie den Boden. Der Körper würde also in letzterem Gelenke vornüber fallen. Dies ver- hindern in erster Linie die Wadenmuskeln, unterstützt von den Muskeln der tiefen Schicht des Unterschenkels (Tibialis posticus, Zehenbeuger , Peroneus longus et brevis). Als unterstützende Momente sind noch namhaft gemacht worden : — a) Da die Längsachsen der Füsse unter einem Winkel von 50° (an den Fersen) zu- sammenstehen, so kann das Vornüberfallen erst dann stattfinden, nachdem die Füsse eine mehr mit den Längsachsen parallele Lage eingenommen haben. — b) Dem Vornüberfallen widerstrebt auch die Form der Gelenkflächen des Fusses, da hierbei der vordere breitere Theil der Talusrolle sich zwischen die beiden Condylen einklemmen müsste. Offenbar kommen letztere Momente wenig in Betracht, da es zum Vornüberfallen gar nicht einer so bedeutenden Veränderung der Stellung bedürfte, dass jene Mechanismen wirksam eingreifen könnten. DerFussund 6. Die Mittelfuss- und Fusswurzel-Knochen bilden, durch eesmtzung7- straffe Bänder vereint, das „Fussge wölbe", welches mit 3 Punkten punkte. den Bocien berührt: Tuber calcanei (Hacke) — Capitulum ossis metatarsi primi (Grosszehenballen) — et quinti. Zwischen beiden letzteren Punkten bilden jedoch auch die Metatarsalköpfchen der übrigen Zehen Stützpunkte. Die Körperlast trifft den höchsten Punkt des Fussgewölbes : das Caput tali. Die Wölbung des Fusses wird nur durch Bänder fixirt. Die Zehen spielen beim Stehen keine Rolle, sie können allerdings durch ihr Muskelspiel das Balanciren des Körpers wesentlich unterstützen. — Gerades Stehen ermüdet mehr, als das Gehen. Verschiedene Braune & Fischer haben neuerdings folgende Arten des Stehens unter- sten des scnje Trachea. M. th.-ar. Musculus thyreo-arytaenoideus. M. er.-ar. p. Musculus crico-ary'iaenoideus posticus. Sf. er.-ar. I. Musculus ciico-arytaen. lateralis. M. cr.-th. Musculus crico tbyreoideus. N. lar. svp. v. Nervus laryngeus superior nervi vagi. R- I. Ramus internus. K. ü- Ramus externus desselben. S. lar. rec. v. Nervus laryngeus recurrens vagi. K. I. Jf. L. B. Ilamus internus. — & V. -V. L. II. Ramus externus nervi aryngei recurrentis vagi. Aforgagnf sehen Taschen, welche ihren Schwingungen freien Spielraum gestatten, trennen sie von den oberen, falschen, aus Schleimhautfalten bestehenden Reändern, die nicht zur Phonation benutzt werden, deren zahlreiche Schleimdrüsen aber die Stimmbänder feucht erhalten. Den Functionen entsprechend, welche die Kehlkopfsknorpel zum Stimm- werke haben, hat C. Ludwig den Ringknorpel mit der Bezeichnung Grund- Korpel, den Schildknorpel mit der des Spann- und die Giesskannen mit der der St eil -Knorpel beliehen. 636 Muskeln des Kehlkopfes. [§• 315.] Erveiterung der Stimmritze. Die abwärts schief geneigte untere Fläche der Stimmbänder bringt es mit sich, dass bei engerer Stimmritze die Bänder inspira torisch leicbt zusammenklappen (z. B. beim Schluchzen, §. 126. 7) und dass bei bereits geschlossener Stimmritze inspiratorisch dieser Schluss noch fester wird. Das entgegengesetzte Verhalten zeigen die falschen Stimmbänder, die bei ihrer gegenseitigen Berührung inspira- torisch leicht von einander weichen, bei der Exspiration jedoch in Folge der sich aufblähenden Morgagni' sehen Taschen leicht schliessend sich berühren (Wyllie, L. Brimton und CashJ. n. Wirkung der Kehlkopfmuskeln. — 1. Die Erweite- rung der Glottis — bewirken die Mm. crico-ary- taenoidei postici: indem dieselben die Processus musculares der G-iesskannen nach hinten und unten medianwärts ziehen (Fig. 187, in der Richtung der Pfeile) , gehen dementsprechend die Processus vocales (I I) auseinander und aufwärts (II II). So entsteht sowohl zwischen den Stimmbändern (Glottis vocalis), als auch zwischen den inneren Rändern der Giesskannen je ein grosser gleichschenklig dreieckiger Raum, welche mit ihrer Basis zusammenstossen , wodurch die Eingangsöffnung eine grosse rautenförmig-e Gestalt annimmt. Fig. 187. Fig. 183. SchematischerHorizontalschnitt durch den Kehlkopf: // Lage der horizontal durch- schnittenen Giesskannen heim Athmen ; von ihrer vorderen Spitze laufen con- vergent die Stimmbänder zum iuneren Schildknorpelwinkel. Die Pfeile zeigen die Zugrichtung der Mm. crico-arytaenoidei postici an ; — u 11 Lage der Giesskannen in Folge jener Muskelwirkung. Schematischer Horizontalschnitt durch den Kehlkopf zur Erläuterung der Wir- kung des M. arytaenoideus : 1 1 Stellung der Giesskannen bei ruhigem Athmen. Die Pfeile zeigen die Zngrichtung des Muskels, — 11 U sind die durch die Muskelwirkung bedingten Stellungen der Giesskannen. Pathologisches: — Die Lähmung dieser Muskeln kann wegen des Weg- falles der Glottiserweiterung die heftigste inspiratorische Athemnoth nach sich ziehen (Riegel, L. Weber). Die Stimme bleibt unverändert. Im frisch exstirpirten Kehlkopfe verlieren die Erweiterer am ehesten ihre Reizbarkeit (SemdH 6° Horsley) (vgl. §. 326). Auch bei organischen Erkrankungen im Gebiete des N. recurrens wird zuerst der Zweig des crico-arytaenoideus posticus gelähmt (Semon). Ebenso durch Abkühlung des freigelegten Recurrens versagt stets zuerst dieser Zweig seinen Dienst (B. Fränkel > 1 internus, bedingen könne {{), nur dass sich die Processus vocales nicht so dicht aneinander legen. Pathologisches: — Lähmung der die beiden Stimmbänder an einander legenden Muskeln hat Stimmlosigkeit zur Folge. 4. Die Spannung der Stimmbänder — erfolgt Spannung dadurch, dass ihre beiden Ansatzpunkte sich von einander durch Stimmbänder, Muskelzug entfernen. Zu diesem Behufe ziehen vornehmlich die Mm. crico-thyreoidei den Schildknorpel nach vorn und abwärts (wobei der Winkel desselben etwas auseinander gebogen wird), wovon man sich durch Betastung seines eigenen Kehlkopfes bei Angabe hoher Töne leicht überzeugen kann. Zugleich müssen aber die iTm. crico-arytaenoidei postici beide Giesskannen etwas rückwärts ziehen und sodann fixirt halten. Die Geniohyoidei und Hyothyreoidei, welche vereint das Zungenbein und indirect hierdurch den Schildknorpel aufwärts und vorwärts in der Richtung zum Kinn hin ziehen, unterstützen die Spannung der Stimmbänder (C. Mayer, Grützner, . Nach Scheck und Kiesselbach bewirkt der Crico-thyreoideus eine Erhebung des Bogens des Ringknorpels gegen den Schildknorpel hinauf. Hierdurch wird die Platte des Ringknorpel nach hintenüber und abwärts gerichtet, und so eine stärkere Stimmbandspannung herbeigeführt. Pathologisches : — Lähmung der Crico-thyreoidei macht die Stimme wegen ungenügender Spannung der Stimmbänder rauh und tiefer. Die so bewirkte Spannung ist aber allein zur Phonation stemmg und keineswegs ausreichend. Denn einmal muss noch die zwischen w *?* den Giesskannen befindliche dreieckige Lücke der Glottis respi- Phonation- ratoria , welche bei der alleinigen Wirkung der M. thyreo-ary- taenoidei interni entstehen würde (siehe 3), verschlossen werden, was durch die Mm. arytaenoidei postici transversus und obliqui geschieht. Sodann müssen die Stimmbänder selbst, welche bei der 638 Muskeln des Kehlkopfes. — Kehlkopf-Schleimhaut. [§. 315.] Wirkung der Mm. crico-thyreoidei und crico-arytaenoidei postici noch einen concaven Rand behalten, so dass die Glottis vocalis noch als ein myrthenblattförmiger Spalt erscheint (Henle), noch völlig gerade gestreckt werden , so dass die Stimmritze einer linearen Spalte gleicht (Fig. 188). Diese Ausgleichung des bogenförmigen Randes des Stimmbandes in einen geraden be- wirkt auch der M. thyreo-arytaenoideus internus. Dieser Muskel ist es überdies , welcher die zarten Abstufungen der Spannung in dem Stimm bände selbst, welche bei dem Wechsel wenig differenter Tonhöhen nothwendig sind , vollzieht. Da dieser Muskel weit gegen den Rand des Stimmbandes vordringt und in dem elastischen Gewebe desselben fest eingefügt ist , so ist er hierzu besonders geeignet. — Der contrahirte Muskel giebt dazu dem schwingenden Stimmbande die , für die Vibrationen nöthige Resistenz. — Da einzelne Fasern dieses Muskels im elastischen Gewebe des Stimmbandes selbst endigen, so können dieselben einzelnen Abschnitten des Stimmbandes eine erhöhte Spannung ertheilen, wodurch Modifikation in der Ton- bildung möglich ist. Es muss somit angenommen werden, dass durch das Auseinanderrücken des Schildknorpels und der Giess- kannen die gröberen Spannungsgrade , hingegen durch den M. thyreo-arytaenoideus internus die feineren Abstufungen dieser Spannung bewirkt werden. Der Nutzen des elastischen Gewebes in den Stimmbändern besteht nicht sowohl in seiner Dehnbarkeit, als in seiner Eigenschaft, sich ohne Faltenbildung und Kräuselung zu verkürzen (Henle), Pathologisches : — Lähmung dieser Muskeln lässt die Stimme -hur bei gewaltigem Anblasen zu, da viel Luft durch die Stimmritze entweicht ; zugleich sind die Töne tief und unrein. — Einseitige Lähmung hat Schlottern des be- treffenden Stimmbandes zur Folge (Gerhardt). Abspannung 5. D i e Ab s p an n u n g d e r S t im m b ä n d e r — erfolgt von Stimmbänder, selbst, wenn die spannenden Kräfte nachlassen, da der vornüber gezogene Schildknorpel und die rückwärts iixirten Giesskannen durch die Elasticität, welche ihrer Anordnung eigen ist, in die Ruhelage zurückkehren. Bei der Wirkung der Mm. thyreo-ary- taenoidei und der crico-arytaenoidei laterales kann ebenfalls eine Abspannung der Stimmbänder erfolgen. Spannung Aus dem Mitgetkeilten ergiebt sich, dass bei der Phonation bZdfr'Tmd Spannung der Stimmbänder und Verengerung der Verengerung Glottis UOthwendig ist. der Glottis. ° Die Nerven des Kehlkopfes siehe §. 354. 5. Schleimhaut Die Schleimhaut — des Kehlkopfes ist reich an zarten elastischen Kehlkopfe? Fasernetzen, ebenso die Submucosa. Im Bereiche des Kehlkopfeinganges und an den Morgagni' sehen Taschen ist die lelztere locker und nachgiebig, woraus sich die oft colossale Schwellung derselben beim sogenannten Glottisödem erklärt. — Epithel. Gegen das Epithel findet sich eine helle, ebene Grenzschicht. Das Epithel ist ein geschichtetes cylindrisches Flimmerepithel mit zwischenliegenden Bechern, mit Ausnahme auf den wahren Stimmbändern (und der oberen Epiglottisfiäche), wo ein geschichtetes Plattenepithel auf der , hier papillentragenden Schreiinhaut Drüsen, lagert. T 'raubenförmige Schleimdrüschen findet man an den Wrisberg- schen Knorpeln, dem Epiglottiswulst und in den Morgagni 'sehen Taschen gehäuft, an den anderen Stellen zudem vielfach zertreut, zumal an der hinteren Kehl- [§. 315.] Untersuchungen am Stimmorgane. Laryngoskopie. 639 kopfswand. Die Blutgefässe — bilden vielfach unter der Glasschicht der Blut- und Schleimhaut ein dichtes Capillarnetz ; darunter liegen noch zwei Schichten von Lymph- Gefässnetzen. Die Lymphge fasse formiren ein oberflächliches engeres, unter Qefaaie. den Bluteapillaren liegendes Netz und ein tieferes gröberes. — Die mark hal- tigen Nerven, welche Ganglien an ihren Aesten tragen, sind reich in der Nerven. Schleimhaut; ihre Enden sind unbekannt. — Der Knorpel ist hyalin im Knorpel- Schild-, Bing- und fast im ganzen Giesskannen-Knorpel (mit Neigung zur Ver- geaebe. knöcherung) ; gegen die Spitze und den Processus vocalis hin ist die Giess- kanne aus Faserknorpel gewebt, ebenso alle übrigen Kehlkopfsknorpel. Der Kehlkopf wächst bis gegen das sechste Jahr, ruht dann, um erst Wacheämm. gegen die Pubertät sich rapider zu vergrössern (§. 436). 316. Untersuchungen am Stimmorgane. Die Laryngoskopie. — Untersuchung am ausgeschnittenen Kehlkopfe. Nachdem Bozzmi (1807) die Anregung gegeben, die Innenräume des Körpers Geschichtliche mit Hülfe des Spiegels zu beleuchten und zu betrachten, und Babington (1829) i,0tt2, die Glottis auf diese Weise gesehen hatte, stellte der Gesanglehrer Manuel Garcia (1854) mittelst des Kehlkopfspiegels sowohl an sich selbst, als auch bei Sängern Untersuchungen an über die Bewegungen dpr Stimmbänder bei der Respiration und Phonation. Die grössten Verdienste um die Handhabung des Kehlkopfspiegels zu ärztlichen Zwecken erwarben sich (1857) Türck und Czermak, von denen letzterer zuerst Lampenlicht zur Beleuchtung anwandte. Die Rhinoskopie wurde zuerst von Baumes (18>8) versucht, von Czemiak planmässig bearbeitet. Als Kehlkopfspiegel — dienen kleine, winkelig gestielte />erAV x x ° ° spiegel. Spiegel (Fig. 190 B), welche bei weit geöffnetem Munde und etwas hervorgezogener Zunge eingeführt werden (Fig. 190 A). Je nach der Kegion des Larynx, welche sich abspiegeln soll, muss die Stellung des letzteren verändert werden , wobei es mitunter einer Aufhebung des weichen Gaumens mittelst des Spiegels selbst bedarf (b). Der Spiegel nimmt in der Richtung der punktirten Linien das Bild des Kehlkopfes auf und reflectirt dasselbe unter demselben Winkel durch den Mund- canal hindurch zu dem Auge des Beobachters, welches in der Richtung des reflectirten Strahles Stellung genommen hat. Die Beleuchtung Beleuchtung des Kehlkopfes geschieht dadurch, dass man entweder das Licht der Sonne oder einer künstlichen Lichtquelle [Lampe oder Hydro- Oxygengas (DrummoncTsclies Kalklicht), elektrisches Licht] in einem Hohlspiegel auffängt, und das concentrirte Strahlenbündel durch Beleuchtung»- den Mund bis auf d-n im Rachen gehaltenen Kehlkopfspiegel fallen lässt. Letzterer reflectirt dasselbe gegen den Kehlkopf, der somit er- leuchtet wird. Der Beobachter blickt in derselben Richtung der Lichtstrahlen entweder unter dem Rande des Beleuchtungsspiegels (Fig. 191), oder durch ein angebrachtes centrales Loch desselben. Eine wichtige Bereicherung erhielt die Laryngoskopie durch Oertcl, welcher durch schnell erfolgende intermittirende Beleuchtung (durch eine stroboskopische Scheibe) die Bewegungen der Stimmbänder direct mit dem Auge verfolgen lehrte. Ssimauowsky , der an die Stelle des Auges die photo graphische Camera setzte, konnte so sogar die Stimmband - Schwingungen eines künstlichen Kehlkopfes photo- graphiren. v. ZietHssen zeigte, dass man anter Leitung des Laryngoskopes lange, dünne Elektroden Ins an den Kehlkopf hineinführen und sc durch Reizung der Muskeln ihre Thätigkeit anspornen kann ; nach Rostbach gelingt es, auch äusserlich durch 640 Laryngoskopie. [§• 316.] Autolaryngo- skopie. die Haut hindurch die Muskeln oder Nerven des Kehlkopfes zu reizen. Man kann auf diese Weise sowohl physiologische Aufschlüsse erhalten, als auch zu Heil- zwecken auf jene Theile einwirken. Die Autolaryngoskopie — wurde zuerst von Garda, dann besonders zum Studium über die Bewegungen des Kehlkopfes von Czermak geübt. Führt man den beleuchteten Kehlkopfspiegel sich selbst in den Sachen ein, während man dem Munde gegenüber einen Planspiegel aufstellt, so sieht man leicht das Bild seines eigenen Kehlkopfes in dem letzteren. Ä Verticaler Durchschnitt durch Kopf und Hals bis zum 1. Brustwirbel : a zeigt die Haltung des Kehlkopfspiegels, B Grösserer (b) wenn wir die hintere Partie der Stimmritze, die Aryknorpel, und kleinerer (a) die obere Fläche der hinteren Kehlkopfwand u. s. w. sehen, Kehlkopf- b die Haltung des Kehlkopfspiegels, wenn wir den vorderen Spiegel. Winkel der Stimmritze zu Gesichte bekommen wollen. [Die auf die laryngoskopische und rhinoskopische Untersuchung bezüg- lichen Abbildungen sind den, in der „Wiener Klinik" publicirten Vorlesungen Schnitzler 's entnommen.] Das laryngoskopische Bild — (Fig. 192) zeigt folgende Einzelheiten : — L die Zungenwurzel , von deren Mitte das Ligamentum glotto-epiglotticum niederzieht ; zu den Seiten des letzteren findet man (V.V) die sogenannten Valle- ys larync o- mm. [§• 316.] Laryngoskopie. 641 culae. Die Epiglottis (E) erscheint als ein oberKppen- förmiger Bogen ; darunter sieht man die (beim ruhigen Athmen) lanzettförmige Glottis (R), und zu deren Seiten je das_ helle, echte Stimmband (L. v.). Das Stimmband ist bei Kindern 6—8 Mm. lang, — bei Weibern erschlafft 10— 15 Mm. lang, Fig. 191. Fig. 192 . -j,._ L Ausführung der laryngoskopischen Beobachtung. gespannt 15 — 20 Mm. Das der Männer misst beziehungsweise 15 — 20 Mm. und 20 — 25 Mm. Genau von dieser Länge ist natürlich die Glottis vocalis ; die gesammte Glottis ist beim Manne 23, beim Weibe 1? Mm. lang, im gespannten Zustande 27,5 beziehungsweise 20 Mm. Die Breite der Stimmbänder variirt zwischen 2—5 Mm. Nach aussen vom Stimmbande markirt sich der Eingang zum S in u s M o r g a g n i i (S. M.) als ein dunkler Streifen ; noch weiter auswärts und höher liegend schaut man (L. v. s.) die oberen oder falschen Stimm- bänder. An der unteren, lippen- förmigen Begrenzung des Kehl- kopfeinganges unterscheidet man in der Mitte den hinteren unteren Einschnitt des Ostium pha- ryngeum laryngis (über P.) , zu dessen beiden Seiten (S. S.) die Spitzen der Cartilagines San- torinianae (auf den Spitzen der Giesskannen sitzend) sichtbar sind , während unmittelbar dahinter (P) die anstossende Pharynx wand sich zeigt. Im Liga- mentum ary-epiglotticum tritt (W.W.) die Cartilago Wris- bergiana hervor, und endlich erkennt man nach aussen davon die Vertiefungen (S. p.) der Sinus piriformes. Landois, Physiologie. 7. Aufl. 41 Das laryngoskopische Bild beim Athmen. 642 Untersuchungen ani Sthnmorgan. [§•316. Form der Besondere Beachtung verdient der Znstand der Stimmritze SiZTdlT und der Stimmbänder bei der Athmung und Phonation. Bei Respiration ruhigem Athmen erscheint die Glottis (Fig. 192) als ein lanzett- Phonation. förmiger Raum zwischen den hellen, gelblichen Stimmbändern. Fig. 193. Fig. 194. Das Keklkopfbild beim Anlauten. lblick in die Trachea bis zur Bifurcation. Wird sehr tief geathmet, so erweitert sich die Glottis sehr er- heblich (Fig. 194), und es gelingt , bei günstiger Stellung des Spiegels, die Trachearinge und selbst die Bifurcation zu sehen. AVird jedoch die Stimme erzeugt, so schliesst sich jedesmal die Stimmritze (Fig. 193) bis auf eine sehr enge Spalte. Die Anhang : Die Rhinoskopie. — Da die Nasenhöhle sowohl unter normalen, UMnoskopie. ajg aUch unter pathologischen Verhältnissen in wichtigen Beziehungen zur Sprache steht, so ist es Das rhino- sTcopische Bild. gewiss gerechtfertigt, hier in Kürze der Rhinoskopie zu gedenken. — Durch Ein- führung kleiüer, winkelig gebogener Spiegelcheu mit der spiegelnden Fläche nach oben gerichtet (Fig. 195), gelingt es , »llmählich ein Feld zu übersehen, wie es in Fig. 196 wiedergegeben ist. In der Mitte erscheint das Septum narium (S. n.), zu dessen Seiten die länglich ovalen , grossen Choanen (Ch.) sichtbar sind, darunter der weiche Gaumen (P. m.) mit dem niederhängenden Zäpfchen (U.). In dem Rahmen der Choanenöffnung vermag man die hinteren Umgebungen der unteren (C. i.), mittleren (C. m.) und oberen (C. s.) Muschel zu erkennen, so- wie unter einer jeden den entsprechenden Nasen- gang. Am undeutlichsten ist die obere Muschel und der untere Nasengang. Ganz oben übersieht man noch einen Streifen des Schlunddaches (0. R.) mit der mehr oder stehenden), über das Dach Fig. 195. ~-b Lage des Kehlkopfspiegels bei der Khinoskopie. weniger entwickelten (aus adenoidem Gewebe be- des Pharynx sich zwischen den beiden Tuben- [§. 316.] Einflüsse auf die Klänge des Stimimverkzeugea. 643 in ü n d u n g e n (T. T.) bogenförmig hinziehenden Pharynxtonsillen. Luschka . Nach aussen von der Mündung der EustacAi'scb.en Eühre (T. T.) erscheint noch der sogenannte Tuben wu Ist (W.), und noch mehr nach aussen die Hosen* w«7/«-'sche Grube (R.). Für die Erforschimg des Stimmorganes ist ferner die Experi- mentation am ausgeschnittenen Kehlkopfe von Wichtig- keit, wie sie Ferrein (1741), vor Allen aber Joh. Müller ausführte. Letzterer leitete die Luft iu einen ausgeschnittenen menschlichen Kehlkopf durch ein eingebundenes Tracheairohr. dessen Windspannung ein communicirendes Hg-Manometer maass. Die Basen der Giesskannen hielt eine angelegte Naht gegen einander fixirt , während eine Schnur (die, über eine Rolle lau- fend, Gewichte trug) den Schild- knorpel nach vorn zog. Durch v e rm ehrte Spannung konnte er die Töne um 21/2 Octaven erhöhen. Stärkeres An- blasen (bei sonst gleicher Span- nung) erhöhte bis zur Quinte. Ueber dem Kehlkopf in der Verlängerung angebrachte Röhren ver- tieften nicht den Ton, doch modificirten sie das Timbre und ver- stärkten den Ton durch Resonanz. Ich verwende die lebend frisch ausgeschnittenen Kehlköpfe von Hunden und Schafen, bei denen die Muskeln durch verschiedene Elektrodenpaare gereizt werden, während ein Blasetisch durch ein Tracheairohr den Wind liefert. Auf diese Weise erlangt man die sichersten Aufschlüsse über die Wirkuno- der einzelnen Muskeln. Das rhinoskopische Bild. (Obige Zeich- nung ist insofern eine mehr schema- tische, als, um das ganze Bild, wie es hier gegeben ist. zu erhalten, eine mehr- malige Aenderung in der Stellung des Spiegels notüwendig wird.) Directe Unter- suchung l'.eu an lebenden Kehlköpfen. der Bänder. 317. Einflüsse auf die Klänge des Stinimwerkzeuges. Die H ö h e des Stimm ton es hängt ab : 1. Von der Spannung der Stimmbänder. — also Spannung von dem Grade der Contraction der Mm. crico-thyreoidei und crico-arytaenoidei postici unter Beihülfe der Mm. thyreo-ary- taenoidei interni (s. §. 315. II. 4). 2. Von der Länge der Stimmbänder — In dieser Beziehung werden — al Kinder und Weiber mit kürzeren Stimmbändern höhere Töne orzengen. — b) "Werden die Giess- kannen durch Wirkung der Mm. arytaenoidei postici transversus und obliqui straff gegen einander gepresst. so dass nur die Stimm- bänder selbst schwingen können . nicht jedoch die intercartila- ginösen Theile zwischen den Processus vooales (Garcia), so ist der Ton erhöht. Beim Angeben tiefer Töne müssen die Stimm- bänder nebst den Rändern der Giesskannenknorpel schwingen. Hierbei erweitert sich zugleich der Raum oberhalb des Kehl- kopfausganges, so dass die Kehle mehr hervortritt. — c) Jedes 41* 644 Einflüsse auf die Klänge der Stimm Werkzeuge. [§. 317] Individuum hat eine gewisse mittlere Höhe des Stimmklanges, welche einer möglichst geringen Muskelspannung im Innern des Kehlkopfes entspricht. 3. Von der Stärke des Anblasens. — Dass die Stärke des Anblasens auch im menschlichen Kehlkopfe den Ton zu erhöhen vermag , geht daraus hervor , dass die Ansprache höchster Töne nur beim Forte gelingen will. Bei mittleren Tönen beträgt die Windspannung in der Luftröhre 160 Mm., bei hohen 200 Mm., bei sehr starken 945 Mm., beim Flüstern nur 30 Mm. Wassersäule (Cagniard-Latotir, Grützner), gemessen an einer Trachealfistel. Xebenerschei- . Als N e b en er s ch ein uu g en — bei Angabe höherer Töne hat man noch nungen bei folgende Einzelheiten beobachtet, ohne dass es bis dahin gelungen wäre , eine n9T!)ne° 6r sichere Interpretation hierfür zu geben: — a) Mit steigender Tonhöhe steigt der Kehlkopf höher empor, theils weil die ihn erhebenden Muskeln in Wirksamkeit treten , theils weil der gesteigerte intratracheale Druck die Luftröhre so ver- längert, dass der Larynx emporsteigt ; — die Uvula wird mehr und mehr erhoben f Latus). — b) Es nähern sich mehr und mehr die oberen Stimmbänder gegen einander, ohne jedoch sich einander zu berühren, oder in Mitschwingung zu gerathen. — c) Der Kehldeckel neigt sich mehr und mehr über die Stimmritze abwärts. — Zur Erklärung von c und b bedenke man , dass bei Angabe sehr hoher Töne alle, auf die Verkürzung des schwingenden Abschnittes des Glottis- randes und Verengerung der Glottis wirkenden Muskeln thätig sind. Hierbei wird der Kand des M. thyreo-arytaenoideus (externus, Heule) das obere Stimmband nach innen drängen, während den Kehldeckel diejenigen Fasern abwärts ziehen, welche vom M. thyreo-arytaenoideus gegen die Epiglottis seitlich aufwärts gehen : M. thyreo-ary-epiglotticus (Henle). Fistelstimme. 4. Besondere Beachtung verdient noch die Falsett- oder Fistel-Stimme — mit ihrem weichen Timbre und der fehlen- den Resonanz im Windrohre (PectoralfremitusJ. Oertel sah bei ihr die Stimmbänder so schwingen, dass der Breite nach Knoten- linien entstehen: mitunter nur eine, so dass der freie Rand des Stimmbandes und der basale Rand schwingen und durch eine Knotenlinie (parallel dem Stimmbandrande; von einander getrennt sind. Bei hohen Fisteltönen können sogar drei solcher Knotenlinien neben einander entstehen. Zur Bildung der Knotenlinien muss wohl eine partielle Contraction von Fasern des M. thyreo-arytaenoideus internus Veranlassung geben (pg. 638). Dabei müssen durch das Zusammenwirken der Mm. crico-thy- reoidei, arytaenoidei postici, thyreo- und genio-hyoidei die Stimm- bänder zu möglichst dünnen Platten ausgespannt werden (Oertel). Die Form der Glottis ist elliptisch , während bei der Brust- stimme die Stimmbänder dieselbe geradlinig begrenzen (Jelenffy) ; der Luftaustritt aus dem Kehlkopf ist reichlicher. Weiterhin fand Oertel, dass bei der Falsettstimme der Kehldeckel sich steil aufrichtet. Die Spitzen der Aryknorpel legen sich etwas rückwärts , der ganze Kehlkopf erscheint im Sagittaldurchmesser länger, im queren enger, die aryepiglottischen Falten sind stark gespannt mit scharfen Rändern, der Eingang zur A/orgagni' sehen Tasche ist verengt. Die Stimmbänder sind länger , als bei Angabe desselben Tones mit Bruststimme; ferner sind sie weniger breit, die Proc. vocales berühren sich. Die hierzu nöthige Drehung der Giesskannen soll nur vom Crir o-ary taenoideus lateralis herrühren , während der Thyreo-arytaenoi- deus nur als accessorischer Hülfsmuskel zu betrachten sei (Oertel). Die Erhöhung des Tones geschieht auch bei der Fistelstimme ausschliesslich durch stärkere Spannung der Stimmbänder. Ausser der oben als charakteristisch bezeichneten Einsa/z :1er Stimme. [§. 317.] Umfang der Stimme. 645 Modification der Schwingung der Stimmbänder kommen noch eine Reihe von theils transversalen, theils longitudinalen Partialschwingungen vor. die auf den ersteren sich ausbilden. Bei der Bruststimme schwingt ein schmalerer Saum des Stimmbandes, als bei der Falsettstimme fOerielJ , bei welch letzterer man im eigenen Kehlkopfe das Gefühl einer geringeren Muskelanstrengung empfindet. Die Uvula ist horizontal emporgehoben (Latus). Damit nun die Stimme erzeugt werde, sind folgende Vor- gänge nöthig : — 1) im Brustkorb wird die nöthige Luft an- gesammelt, — 2) der Kehlkopf und seine Theile werden in der zweckentsprechenden "Weise fixirt, — 3) nun erfolgt der „Ein- satz" der Stimme, indem entweder die linear geschlossene Glottis exspiratorisch gesprengt wird, oder indem zuerst etwas Luft fast lautlos durch die Stimmritze streicht, die dann bei allmählicher Verstärkung die Stimmbänder in Vibration versetzt. 318. Umfang der Stimme. Der Umfang der menschlichen Stimme giebt sich für die . Ä« Bruststimme aus folgendem Schema zu erkennen : 256 Sopran 1024 17L ! Alt 684 EFGAH I c d e fgahl c'd'e'f g'a'h' 1^. ± £ m !■*■ w ^ C'"d"e"f"s"a"h'' 80 ! Bass 842 128 Tenor 512 Die übergeschriebenen Zahlen zeigen die Schwingungszahl des betreffenden Tones in 1 Secunde an. Man sieht leicht , dass c' bis f allen Stimmlagen gemein sind: dennoch klingen sie in verschiedenem Timbre. — Der tiefste Ton, der ausnahmsweise von Bassisten gesungen wurde , ist das Contra-F mit nur 42 Schwingungen ; — der höchste der Sopranstimme war a'" mit 1708 Vibrationen. In besonders schöner Weise hat es Hansen ermöglicht, die Ciena uigkei t itensen's der Tonhöhe eines gesungenen Tones zu bestimmen. Man singt den Ton gegen BefJrm™"ng eine Kömg'sche Kapsel mit Gasflamme. Derselben gegenüber steht eine Stimm- genaui,jkei(- gabel , horizontal schwingend , die vor dem Ende einer Branche einen Spiegel trägt, in welchem sich das Flammenbild zeigt. Ist der Stimmton gleich dein der Gabel, so zeigt die Flamme im Spiegel 1 Zacke, bei der Octave 2, bei der Duodecime 3, bei der Doppeloctave 4 Zacken. Jedes Individuum hat sein charakteristisches S t i m m- *» .®Jjj*- Timbre; welches abhängt von der Configuration aller, zum Stimmorgan gehörigen Hohlräume. Die sogenannten Gaumen- töne entstehen durch Annäherung des weichen Gaumens an die hintere Pharynxwand (Liscovius). — Bei den Nasen tönen schwingt die Luft der Nasenhöhle, deren Zugang freier sein muss, stärker mit. 646 Die Sprache. — Vocale. [§. 319.] 319. Die Sprache. — Die Vocale. Inbegriff. Die die Sprache umfassenden Bewegungsvorgänge voll- ziehen sich im Ansatz röhre (Rachen-, Mund- und Nasen- Höhle) ; sie sind auf die Erzeugung von Klängen und Geräuschen gerichtet. Entstehen die letzteren für sich allein (während das Laute und Stimmwerk ruht), so wird die „Fl üster spräche" gebildet stäche. (Vox claudestina) ; schwingen jedoch gleichzeitig die Stimm- bänder mit, so wird die „laute Sprache" vernehmbar. Die Flüstersprache kann selbst in bedeutender Stärke angegeben werden; alsdann erfordert dieselbe jedoch ein sehr starkes An- blasen, weshalb sie so sehr ermüdet. Sie kann sowohl bei der In- als Ex-Spiration ausgeführt werden, im Gegensatz zur lauten Sprache, welche inspiratorisch nur vorübergehend und undeutlich gelingt. Die Flüstersprache wird durch das Geräusch erzeugt, welches bei massig verengter Stimmritze die durchstreichende Luft dadurch bewirkt , dass dieselbe an der stumpfen Kante des Bandes vorüberstreicht. Beim Angeben der lauten Stimme werden jedoch durch Stellung der Pro- cessus vocales die scharfen Ränder der Stimm- bänder dem Luft ströme zugewendet. Beiheiiigung Bei der Sprache tritt stets eine Betheiligung des weichen Gaumen™ Gaumens hervor: bei jedem Worte erhebt er sich, wobei zugleich am Pharynx der Passavant' sehe Querwulst sich bildet (pg. 292). Stärkste Hebung des Segels findet statt bei u und i, dann bei O und e, die geringste bei a. Bei Angabe von m und n steht das Segel unbewegt , bei den Verschlusslauten liegt es ähnlich hoch wie bei n, weniger hoch bei den Reibungsgeräuschen. Bei 1, S und zumal beim gutturalen r geräth es in zitternde Bewegungen (Gentzen, Falksoft). Die Sprache setzt sich zusammen aus V o c a 1 e n und C o n- sona nten. Vocale. (Analyse und künstliche Bildung vgl. §. 417.) Wesen des A. Bei der Flüstersprache ist der Vocal der Klang des' der (exspiratorisch oder inspiratorisch) angeblasenen charakteristisch gestalteten Mundhöhle (Donders), dem nicht allein eine bestimmte Tonhöhe, sondern auch ein charakteristisches Timbre eigenthümlich ist. Man kann die charakteristisch gestaltete Mundhöhle als „Vocalhöhle" bezeichnen. Untersuchung I. Die Tonhöhe der Vocale — kann man musikalisch be- Eigentonlier stimmen , indem man entweder aufmerksam auf den eigenen Flüster- Vocaihöhien. voca] achtet, oder bei anderen mit einem passenden Windrohre von der Mundöffnung aus den Hohlraum des Mundes bei der intendirten Vocalstellung anbläst. Merkwürdiger Weise ist bei verschiedenem Alter und Geschlechte der Eigenton der „Vocalhöhe" nahezu constant. Die verschiedene innere Geräumigkeit des Mundes kann durch ver- schiedene Grösse der Mundöffnung compensirt werden. — Man kann auch sehr zweckmässig die Tonhöhe der Vocalhöhe so bestimmen, dass man vor der Mundöffnung der Reihe nach verschieden hohe, schwin- [§•319.] Die Vocale. 647 gende Stimmgabeln hält. Trifft man diejenige, welche mit dem Eigen- ton der Vocalhnhe übereinstimmt, so wird der Stimmgabelton durch Resonanz aus der Mundhöhle bedeutend verstärkt (v. Hclmholtz). Endlich kann man auch die Schwingungen des Vocaltones auf eine, in gleicher Schwingungszahl mitschwingende Membran die vor die Mundhöhle gehalten wird) übertragen und die Schwingungen der Membran auf berusstes Papier zeichnen lassen: „Phonautograph" von Donders. König fand die Eigentöne der Vocalhöhlen für: U = b 0 = V A '= \s". E= V" I - b "" Giebt man in dieser Reihe flüsternd die Vocale an . so hört man sofort, dass ihre Tonhöhe steigt. Die mitgetheilten Eigentöne der Mundhöhle bei den Vocalstellungen können übrigens innerhalb einer gewissen Breite sehwanken ; man kann daher eigentlich besser von einer Region der charakteristischen Ton- lage sprechen. Man überzeugt sich hiervon am besten . wenn man den Mund charakteristisch stellt und nun die Wangen percuttirt (Auerbach) ; es erklingt alsdann der Vocal, und zwar |e nach der Mundstellung: innerhalb einer gewissen Breite der Vocalhöhle bei A. bti V. Tonhöhe. Bei A hat die Mundhöhle die Gestalt eines , nach vorn sich erweiternden Trichters (Fig. 197 A). Die Zunge liegt am Boden der Mundhöhle , die Lippen sind weit geöffnet. Das Gaumensegel ist massig gehoben (es wird bei 0 E U I successiv stets mehr gehoben) (Czermak). Das Zungenbein steht bei A wie in der Ruhe, der Kehlkopf aber ist etwas gehoben (er steht höher als bei U, aber tiefer als bei I). Geht man von A in I über , so behalten Kehlkopf und Zungenbein ihre gegenseitige Lage, aber beide steigen empor. Geht man von A in U über, so senkt sich der Larynx, so viel er kann. Dabei geht das Zungenbein etwas nach vorne (Brücke . Bei A ist der Raum zwischen Kehlkopf, hinterer Rachen- wand, Gaumensegel und Zungenwurzel nur massig weit , er wird weiter bei E und namentlich bei I (PurkyneJ\ bei U ist jedoch dieser Raum am engsten. Bei U ist die Gestalt der Mundhöhle die einer geräumigen rocaihSMa Flasche mit kurzem , engen Halse. Das gesammte Ansatzrohr ist hier am längsten. Dem entsprechend sind die Lippen mög- lichst weit vorgespitzt, in Falten gelegt und bis auf eine kleine Oeffnung geschlossen. Der Larynx steht am tiefsten Die Zungenwurzel ist den hinteren Gaumenbögen (Brücke). Bei O gleicht die Höhle, ebenfalls wie bei U, einer weit- bauchigen Flasche mit kurzem Halse. Doch ist letzterer, indem die Lippen dichter an die Zähne herantreten , kürzer und zu- gleich weiter geöffnet. Der Kehlkopf steht etwas höher, als bei U. Das ganze Ansatzrohr ist also kürzer, als bei U. Bei I hat die Mundhöhle die Gestalt einer, im hinteren Theile kleinbauchigen Flasche mit langem , engen Halse . von welcher der Bauch den Eigenton f. der Hals den von d"" haben soll (v. Hdmholtz). Das Ansatzrohr ist bei I am kürzesten, da der Kehlkopf möglichst gehoben und die Mundhöhle durch genähert Voca'höhle bei 0. Vocalhühle bei I. 648 Die Vocale. Die Diphthonge. [§. 319.] Yocalhöhle bei E. Zurückziehen der Lippen vorn bereits durch die Zähne begrenzt wird. — Zwischen hartem Gaumen und Zungenrücken ist der Mundcanal äusserst verengert bis auf eine mediale enge Rinne. Daher kann die Luft nur unter hell säuselnd-pfeifendem Ge- räusch hin durchtreten, wodurch selbst das Schädeldach in fühl- bare Vibrationen versetzt wird und bei zugestopften Ohren ein Gellen in denselben entsteht. Sowohl tiefe Stellung des Larynx, wie bei U, als auch Vorspitzen der Lippen, wie bei U, macht I unmöglich. Bei E, welches dem I zunächst steht, ist die Höhle eben- falls einer Flasche mit kleinem Bauche (Eigenton f) und mit langem, engen Halse (Eigenton b'") ähnlich (v. Helmholtz) . Allein dieser Hals ist weiter, so dass es nicht zum säuselnd-pfeifenden Geräusch beim Anlauten kommt. Der Kehlkopf steht etwas niedriger bei E, als bei I, doch noch höher, als bei A. Fig. 197. Sagittalschnitt durch das menschliche Stimmorgan bei den Vocalstellungen A, I und U. — X Zunge ; — p weicher Gaumen ; — <•■ Kehldeckel ; — g Stimmritze; — h. Zungenbein; — 1 Schildknorpel; 2 . 3 Ringknorpel; — 4 Giesskannenknorpel. I A u ah ^m Grunde genommen, hat Brücke Recht, wenn er nur drei Grund vocale Grundvocaie. annimmt: I, A, U, zwischen denen sich die anderen, sowie die sogenannten Umlaute, einschieben. [Auch die hieroglyphische , indische , althebräische und gothische Schrift führt nur diese 3 Vocale.] So würden sich zwischen I und A etwa folgende Nuancen finden , wie in den Worten : Sichel (reines I), Siege, Segen. Sehr, Sägen, Sagen (reines A). — Zwischen A und U: Acker (reines A), Wahl, encore, Schuppe, Uhr (tiefes reines U). — Endlich finden sich zwischen U und I folgende Uebergänge : Muth (reines U), Mutter, müder, Mythe, Mieder, Mitte (reines I). Die Diphthonge — entstehen so, dass man während des Anlaufens aus der Stellung für den einen Vocal in die für den arideren übergeht. Deutliche Diphthonge erklingen nur, wenn man von einem Vocal mit weiterer Mundöffnung in einen solchen mit engerer übergeht, — bei umgekehrter Anlautung erscheinen für unser Ohr die Vocale getrennt (Brücke). Es ist mir in besonders glücklicher Weise gelungen, künstliche Vo cale Voeai-Küpfe. zu erzeugen. An den Hälften eines sagittal durchsägten Kopfes stellte ich alle Theile so , wie sie bei Angabe eines bestimmten Vocales formirt sein müssen (Fig. 197) und fülle den Hohlraum von der Luftröhre bis zu den Lippen mit Die Diphthonge Künstliche [§• 319.'] Nasale Vocale. Anlauten der Vocale. G49 Paraffin. Dann werden die beiden zusammengehörigen Hälften auf einander geschmolzen. Das so erhaltene Gebilde ist der Abguss der betreffenden Vocalhöhle. Der Paraffinabguss wird mit Gyps überzogen, dann das Paraffin ausg» schmolzen. Auf diese Weise ist eine Gypsnachbildung der Vocalhöhle gewonnen. Nun wird von unten her in der Luftröhre ein Stimmwerk angebracht. Hierzu verfertige ich eine dünne , in weitem Rahmen durchschlagende Elfenbeinzunge, deren Ton ich auf den Eigenton der Gypshöhle möglichst genau abstimme. Es sind mir so überraschend gut alle Vocale gelungen, selbst I. II. Ausser der Tonhöhe ist noch ganz besonders das ^n^?Qrfe charakteristische Timbre — (Klangfarbe) des Vocales zu beachten. In dieser Beziehung kann man die für die Aussprache eines Vocales charakteristisch geformte Mundhöhle mit einem musikalischen Werkzeuge vergleichen , welches seinen Klang nicht allein in einer gewissen Tonhöhe angiebt . sondern den- selben auch mit charakteristischem Timbre erschallen lässt. So hat der Vocalklang U (flüsternd) neben seinem Eigenton b ein dumpf- pfeifendes Timbre, — I bei seinem Eigenton b"" ein zischend sausendes, — A bei b" ein voll offenes hauchendes Timbre. — Dieses Timbre rührt her von der Zahl und Höhe der dem Vocalklange eigenen Obertöne, über welche bei der Analyse der Vocale (beim Gehörwerkzeug §. 417) gehandelt wird. Das Timbre der Vocale kann noch in einer ganz beson- Die nasale deren Weise modificirt werden, wenn die Vocale „nasal" ge- deTvoTait. sprochen werden, was bekannter Weise namentlich nur in der französischen Sprache sehr verbreitet ist. Das nasale Timbre entsteht dadurch , dass das Gaumensegel nicht den Nasenraum absperrt (was allemal beim Anlauten der reinen Vocale ge- schieht), so dass die Luft der Nasenhöhle in Mitschwingungen versetzt wird. Beim nasal gesprochenen Vocal entweicht also die Luft durch Mund- und Nasen-Höhle zugleich , beim reinge- sprochenen nur durch die Mundhöhle. Daher flackert nur im ersten Falle ein vor die Nasenlöcher gehaltenes Licht (Brücke) oder beschlägt ein kaltes Glas oder Metall: nicht im letzteren (Liskovias, Czermak). Beim Angeben der reinen (nicht nasal gesprochenen") Vocale ist der Ab- schluß des Nasenraumes von der Mundhöhle so fest, dass er erst durch künstlich innerhalb der Nasenhöhle bewirkten gesteigerten Druck von 30 — 10' > Mm. Queck- silber unter Erzeugung eines gurgelnden Rasselgeräusches gesprengt werden kann (Hartmann). Vornehmlich werden die Vocale a , ä . ö , o . e nasal ver- wendet; das nasale i scheint jedoch in keiner Sprache vorzu- kommen. Jedenfalls ist es sehr schwer zu bilden, und zwar wohl deshalb, weil beim i der Mundcanal so eng ist, dass bei gleichzeitig offenem Nasenraume die Luft fast völlig durch letztere entweicht, während die geringe . durch den Mundcanal streichende Luftmenge kaum zur Klangerzeugung hinreicht. Beim Anlauten der Vocale ist endlich noch zu beachten, Das Anlauten ob dieselben aus büSier geschlossener Stimmritze angegeben werden, wie wir im Deutschen alle am Anfange der Wörter stehenden Vocale aussprechen. Es ist also bis dahin die Glottis verschlossen, und im Momente des Anlautens wird die Stimm- ritze zugleich mit der Intonirung gesprengt. AVu'alaussprachen dieser Art bezeichneten die Griechen mit dem Spiritus lenis. 650 Die Consonanten. [§■319.] Die lauten Vocale. Wird jedoch der Vocal angegeben, nachdem bereits vorher durch die geöffnete Stimmritze ein Anhauchen ausgeführt ist, dem der Vocalklang sich anschliesst , so entsteht der aspirirte Vocal (mit dem Spiritus asper der Griechen). B. Werden die Vocale laut angegeben, also bei zugleich ertönendem Stimmklange, so verstärkt der Eigenton der Vocal- höhle in charakteristischer Weise den entsprechenden, im Stimm- klange vorhandenen Partialton (Wheatstone, v. Helmholtz). Musi- kalisch lassen sich dementsprechend die Vocale dann am reinsten intoniren, wenn ihre Tonhöhe so bemessen ist, dass dieselbe Obertöne enthält, welche mit dem Eigenton der angeblasenen Vocalhöhle harmonisch stimmen. Wesen der Consonanten E'xplosivae. Spirantes. L-Lautc. Zilterlaute. Jiesonanles. 320. Die Consonanten. Die Consonanten sind Ger äu sehe, welche an bestimmten Stellen des Ansatzrohres hervorgebracht werden. Man theilt dieselben ein: —I. nach ihren akustischen Eigenschaften in: — 1. tönende (liquidae), d.h. solche, die auch ohne Vocal vernehmbar sind (m. n. L r. s.) , und 2. stumme (mutae), alle übrigen, die ohne gleichzeitige Angabe eines Vocales nicht deutlich vernommen werden ; — IL nach der Mechanik der Bildung, sowie nach den Theilen des Sprach- organes, durch welche sie erzeugt werden, wie folgt : 1. Verschlusslaute — (Explosivae), d. h. es wird ein gebildeter Verschluss durch die hindurchgepresste Luft unter stärkerem oder schwächerem Geräusche gesprengt; — oder umgekehrt: es wird plötzlich der Luftstrom abgebrochen, (dabei ist zugleich die Nasenhöhle durch Erhebung des weichen Gaumens abgesperrt). 2. Reibungslaute — (Spirantes), d. h. es wird eine Stelle des Canales verengt, so dass die Luft sich nur unter einem sausenden Geräusche hindurchzwängen kann. (Nase gesperrt.) Die L-Laute, — welche den Reibungsgeräuschen nahe stehen , aber sich dadurch von ihnen unterscheiden , dass die enge Passage, durch welche die Luft hindurchgezwängt wird, nicht in der Mitte, sondern zu beiden Seiten der verschlossenen Mitte liegt. (Die Nasenhöhle ist abgesperrt.) '6. Zitterlaute, — welche dadurch entstehen , dass die, durch eine enge Stelle des Canales hindurchgepresste Luft die Ränder der Enge in Vibrationen versetzt. (Nasenhöhle abge- schlossen.) 4. Resonanten — (auch Nasenlaute oder Halbvocale genannt). Die Nasenhöhle ist völlig frei, der Mundcanal ist jedoch nach vorn hin an einer Stelle fest verschlossen. Je nach der Stelle dieses Mundverschlusses kann die Luft in einem grösseren oder kleineren Theile der Mundhöhle in Mitschwin- gungen versetzt werden. [§.320.] Die Consonanten. 651 Diesen möglichen Entstehungsarten der Geräusche müssen Die ]• -cit 11 j • 11" Articu!ations- nun die Stellen, an denen sie er zeugt wer den können, stellender onanten. an die Seite gesetzt werden. Man kann diese Stellen als „Arti-0"07" culationsstelleir' bezeichnen (Brücke). Diese sind: — A. zwischen beiden Lippen. — B. zwischen Zunge und hartem Gaumen , — C. zwischen Zunge und weichem Gaumen , — D. zwischen den beiden wahren Stimmbändern. A. Consonanten der ersten Articulationsstelle. 1. Explosive Lippenlaute: b: die Stimme tönt be- du uPVen- reits, ehe die leise Explosion statthat; — p: die Stimme tönt Co erst, nachdem schon die viel stärkere Explosion stattgefunden hat (Kempelen) . 2. Reibungs-Lippenlaute: f; zwischen den oberen Schneidezähnen und der Unterlippe (labiodental) [es fehlt in allen echten slavischen Wörtern (Purkyne)]. — V: zwischen beiden Lippen (labial) ; — w entsteht , t wenn man den Mund für f einrichtet (sowohl labial, als auch labiodental), aber anstatt nur die Luft hinauszublasen , zugleich die Stimme tönen lässt. Es giebt also eigentlich zwei verschiedene W, nämlich das dem f entsprechende labiale, z. B. Würde. — und das labiodentale : z. B. Quelle (gesprochen: K welle; (Brücke). 3. Zitter-Lippenlaute (das ..Burr' -Geräusch der Kutscher) fehlt in den civilisirten Sprachen. 4 Resonant- Lippenlaut: m; es entsteht lediglich dadurch, dass beim Tönen der Stimme die Luft der Mundhöhle und Nasenhöhle in Resonanz versetzt wird. B. Consonanten der zweiten Articulationsstelle. Methode: — Um festzustellen, in welcher Ausdehnung- Zunge und Gaumen sich bei der Consonantenbildiing an der 2. und 3. Articulationsstelle berühren, bestreut man bei -weit geöli'neter Mundhöhle die Zunge mit gepulvertem Farbstoffe. Lässt man nun den Consonant angeben, so erhält der Gaumen an jenen Stellen einen farbigen Abdruck, ivo die Berührung stattgefunden hatte (Grützner), 1. Die Explosivlaute, welche zwischen der Zunge Die zungm- und dem harten Dach der Mundhöhle entstehen, sind, wenn sie coLin^ruen. scharf und ohne Mitlauten der Stimme angegeben werden, die harten T-Laute (auch dt und th) ; — wenn sie schwach und unter gleichzeitigem Ertönen des Stimmklanges hervorgebracht werden, die weichen D -Laute. (Je nachdem mehr die Spitze oder der Rücken der ZuQge einerseits. — und die Zähne oder der Alveolarrand. oder d^r harte Gaumen andererseits zur Bildung verwendet werden , finden sich in den verschiedenen Sprachen verschieden bezeichnete und gesprochene Modifikationen dieser Consonanten.) 2. Die Reibungsger ansehe umfassen die S-Laute: — scharte (auch SS oder sz geschrieben), welche ohne gleichzeitigen Stimmklang, und schwache, welche nur mit Angabe der Stimme ertönen. Auch hier sind Modifikationen vorhanden . je nach den 652 Die Consonanten. [§. 320.] Regionen, zwischen denen der Zischlaut entsteht: so gehört zu den scharfen Zischlauten noch das scharfe Seh und das harte englische Th, — zu den sanften das weiche französische J und das weiche englische Th. — Hier schliessen sich an die L-Laute, die gleichfalls in mannigfachen Modificationen in den Sprachen vorkommen, z. ß. das L mouille der Franzosen. Auch die L-Laute können schwach mit Stimmklang und scharf ohne denselben angegeben werden. 3. Die Zitter laute der zweiten Articulationsstelle oder Zungen-R -Laute, die gewöhnlich mit Stimmton angegeben werden, aber auch ohne diesen gebildet werden können. 4. Die Resonanten sind die N-Laute, die ebenfalls in verschiedenen Modificationen vorkommen können. C. Consonanten der dritten Articulationsstelle. du Zungen- 1. Die Explosiven sind die K-Laute. wenn hart und gaumeü- ohne Stimmklang . — die G-Laute , wenn mit denselben die Consonanten. Stimme angegeben wird. Es giebt von beiden verschiedene Modificationen ; so liegt z. B. die Explosionsstelle des G und K vor e und i mehr nach vorn am Gaumen, als die des G und K vor a, o, u (Brücke). 2. Die Aspiraten dieser Stellen sind, wenn hart und ohne Stimme lautirt wird, die Ch-Laute ; bei schwacher Angabe und ohne Stimmklang wird J gebildet. Nach a, o, u werden diese Consonanten weiter nach hinten am Gaumen gebildet, als die nach e und i gesprochenen (Purkyne). 3. Der Zitterlaut ist das Gaumen-R, welches durch Erzittern des Zäpfchens entsteht (Brücke). 4. Der Resonant ist das Gaumen-N. Nach e und i wird, der Verschluss mehr nach vorn, nach a, o, u mehr nach hinten verlegt. (Das nasale N der Franzosen ist jedoch gar kein Con- sonant , sondern nur das nasale Timbre des Vocales , welches dadurch entsteht, dass die Nasenhöhle offen steht, pg. 648.) D. Consonanten der vierten Articulationsstelle. Die summ- Man kann consequenter Weise auch die Glottis selbst noch consonanten. als vierte Articulationsstelle bezeichnen. 1. Ein Explosivlaut durch Sprengung der Stimmritze tritt nicht hervor, wenn man aus vorher verschlossener Glottis einen Vocal laut intonirt. Geschieht dies mit der Flüsterstimme, so kann man allerdings ein schwaches, kurzes Geräusch, von der plötzlichen Oeffnung der Stimmritze herrührend, vernehmen. Wie schon bemerkt, pflegten die Griechen die Aussprache des Vocales aus vordem geschlossener Glottis mit dem Spiritus lenis zu bezeichnen (pg. 649). 2. Die Aspirate der Glottis stellt der H-Laut dar, welcher bei mittlerer Weite der Stimmritze angegeben wird, (Im arabischen Hha bei noch engerer Stimmritze besonders scharf hervortritt). [§■ 320.] Die Consonanten. — Pathologisches. 653 3. Ein Gr 1 o 1 1 i s - Zitterlaut findet sich in dem sogenannten Kehlkopfs-R des Niedersächsischen ('und im Ain der Araber) (Brücke). Derselbe kann hervorgebracht werden, wenn man einen Vocal mit möglichst tiefer Stimme angiebt. Es folgt demselben alsdann ein deutlich stossweise erklingendes Vibriren der Stimm- bänder, welches eben das Kehlkopfs-R darstellt. Es findet sich namentlich vertreten in der plattdeutschen Mundart von Vor- pommern, z. B. in Coarl (Carl), Wucirt (Wort) (Brücke). 4. Ein Kehlkopfs-Resonant kann nicht existiren. Die Zusammensetzung verschiedener Consonanten er- zusammen- folgt so . dass schnell hintereinander die Bewegungen , welche conTonLten. zu denselben nöthig sind, ausgeführt werden. — Zusammen- gesetzte Consonanten sind solche, welche gebildet werden, indem die Mundtheile gleichzeitig für zwei verschiedene Con- sonanten eingerichtet sind , so dass sich aus den gleichzeitig entstehenden beiden Geräuschen ein Mischgeräusch bildet. Bei- spiele: Sch, — tsch, tz, ts, — Ps (VF), — Ks (X, Z). Zusammen- gesetzte C. 321. Pathologisches zur Stimm- and Sprach-Bildimg. Lähmungen der motorischen Kehlkopfsnerven (des Vagus) durch Verletzungen Aphonie. oder Tumorendruck haben Stimnilosigkeit (Aphonie) zur Folge (Galen). Bei Aneurysma des Aortenbogens wird oft der N. recurrens sinister durch zu starke Dehnung paralysirfc. Vorübergehend können Rheumatismen, Ueberanstrengungen, Hysterie die Kehlkopfsnerven lähmen; auch seröse Durchtränkung der Kehlkopfs- muskeln in Folge von Entzündungen werden Lähmung derselben und damit Aphonie erzeugen. Sind vornehmlich die Spanner ge- lähmt, so entsteht Monotonie der Stimme. Monotonie. — Beachtenswerth sind besonders die Athem- störungen bei Kehlkopfslähmungen. So lange die Respiration ruhig bleibt , kann jegliche Störung fehlen ; sobald jedoch lebhafter ge- athmet werden soll , tritt wegen des Unver- mögens, die Glottis zu erweitern, oft die hoch- gradige Dyspnoe ein, die ich auch bei Hunden beobachtet habe (pg. 636). Ist nur ein Stimmband gelähmt, so wird die Stimme unrein, falsettartig. Aeusser- Tumoren der Stimmbänder, welche lich fuhlt man schon am Kehlkopf das geringere Doppeltönigkeit der tetimmen er- Vibriren an der gelähmten Kehlkopfseite er- zeugten, hardt;. das noch besser durch die empfindliche Flamme erkannt wird Toboldt, . Mitunter sind die Stimmbänder nur so weit gelähmt , dass sie nicht bei der Phonation, wohl aber bei angestrengter Athmung und beim Husten sich bewegen (Phonische Lähmungen; Toboldt. . — Als Mog iph on i e (vorzeitige Ermüdung der Stimme) Mogiphonie bezeichnet Frünkel einen lähmungsartigen Zustand der Kehlkopfsmuskulatur, der darin besteht, dass gewisse coordinirte , durch Uebung angelernte Bewegungen versagen (der paralytischen Form des Schreibkrampfes entsprechend). Unvollständige einseitige Recurrens-Lähmung hat zuweilen wegen der un- gleichen Spannung beider Stimmbänder Doppeltönigkeit (Diphthongie) der Stimme zur Folge (Rossbach . Nach Türck und Schnitzler soll Doppeltönigkeit der Stimme auch dadurch entstehen, dass die beiden Stimmbänder sieh an einer Stelle ihres Verlaufes berühren (etwa durch Auflagerungen oder Tumoren), so dass die Stimmritze in zwei Abtheilungen zerfällt, die jede für sich in ungleicher Tonhöhe den Stimmklang erzeugen. — Wird bei dem Versuche din Gelier Scheide (3,8 — 6,8 pt, breit), werden als Remak'Bohe Fasern (nach ihrem Ent- Land ois, Physiologie. 7. Aufl. 40 Nervenfasern und Nervenzellen. Die Fasern sind Leitungs- organe. Die Nerven- zellen sind physiologische Centra. Nerven- fasern. Primitiv- fibrillen . Nackte Achsen- ci/linder. It e m a k 'sehe Fasern. 658 Bau und Anordnung der Nervenelemente. [§• 323.] decker) bezeichnet (Fig. 3). Die Scheide dieser „blassen" Nerven- fasern ist eine, mit ovalen Kernen hin und wieder besetzte, zarte, Fi";. 199. l- PrimitivfUn'illen. — 2. Achseneylinder. — «?. liemak'sahe Fasern. — 4. Mark- haltige varicöse Faser. — 5.6 Markhaltige Fasern mit Schwann' scher Scheide: c das Neurilemma, — 1 1 die Schnürringe lfanvier's, — * das Mark, — d Zellen des Endoneuriums, — et der Achseneylinder. — x Mark tropfen oder Myelinkugel. 7. Querschnitt eines Nerven mit deutlichen Achsencylindern, Markhüllen und Endoneurium. — 8. Nervenfaser mit Höllenstein behandelt: der Achseneylinder quergestreift vom Schnüiringe aus, nach Frommann. I Multipolare Gauglien- zelle des Rückenmarks; z Achsencyliuderfortsatz, y Protoplasmafortsätze; rechts davon eine bipolare Ganglienzelle. //Periphere (langlienzeile mit binde- gewebiger Hülle. — — ///Ganglienzelle mit umsponnenen Fasern: m Hülle, — n Achsencyliuderfortsatz, — o gerankter Fortsatz. structurlose, elastische Hülle. Verdünnte Säuren erhellen die Fasern ohne Quellung, Goldcblorid macht sie braunroth. Sie finden sich viel- [§. 323.] Bau und Anordnung der Nervenelemente. — Nervenfasern. 659 Fig. 200. ?v seh' miß fach im N. sympathicus ^namentlich in den Milznerven) , ferner im Geruchsnerven; weiterhin sind alle Nerven im e mbryonal en Leben (§, 361). sowie die Nerven vieler Wirbellosen von dieser Bauart. 4. Achsencylinder oder Nervenfibrillen, n u r v o n einerMark- scheide überkleidet, finden sich in der weissen und grauen Substanz der Centralorgane , ferner im N. opticus und acusticus. Sie zeigen nach dem Tode die Neigung-, varicöse und bucklige Verdickungen zu erzeugen (in Folge der Markgerinnung), weshalb sie auch varicöse Fasern genannt werden (Fig. 4). Ueberosmiiimsäure wirkt unvoll- kommen auf sie ein ; sonst zeigt das Mark dieselben Eigenschaften, wie bei den Fasern der folgenden Kategorie. 5. Den complicirtesten Bau zeigen die, in den cerebrospinalen Nerven vorherrschenden . aber auch im N. sympathicus vereinzelt vorkommenden mark- haltigen Fasern mit Sc/iwa??n' scher Scheide (Fig. 5, 6). Die Breite wechselt von 1,0—22.6 y.. Als das eigentlich „Nervöse"1 dieser Fasern ist der, etwa l/4 — 1/5 der Breite einnehmende Achsen- cylinder (Purkyne) zu bezeichnen (6 a), der wie der Docht in der Kerze vom Nervenmark umhüllt liegt. Gewöhnlich ist er etwas abgeplattet, liegt mit- unter auch etwas excentrisch (Fig. 7), im Uebrigen ist er aber aus Fibrillen zusammengesetzt (Reinak, Max Schnitze) . Seine Consistenz ist während des Lebens die des „festweichen" (§. 295. 1) Protoplasmas, oder sogar eine mehr flüssige (v. FleiscJd ' , Boll, Arndt). Nach Kupfer befindet sich zwischen den Fibrillen eine Flüssigkeit (das „N e u r o p 1 a s m a"). Chloroform . Collodium machen ihn sichtbar ; isolirt wird er am leichtesten durch Salpetersäure mit überschüssi- gem chlorsauren Kalium. Durch Behandlung mit Silbernitrat sah Frommann stellenAveise Querstreif ung am Achsencylinder (Fig. 8) auf- treten, deren Bedeutung nicht festgestellt -werden konnte. Den Achsencylinder umgiebt die „Mark- scheide", die im frischen Zustande völlig homogen und stark lichtbrechend , (in ihrer äusseren Schicht doppelbrechend, Beclitercw), dabei von flüssiger Con- sistenz ist, so dass sie aus den Schnittenden der Fasern in kugeligen Tropfen hervorquillt (x). Nach dem Tode jedoch, oder unter der Ein- wirkung heterogener Flüssigkeiten zieht sich das Mark zuerst etwas von der Hülle zurück, wodurch die Faser „dop p el t conto uri rtu wird , — dann zerfällt die Substanz durch eine Art E m u 1 s i o n i r u n g (Toldt) [nicht durch Gerinnung (Pertik)\ in viele theils grössere, theils kleinere Tropfen, die sich jedoch dicht gegen einander drängen. So kommt es in der Nervenfaser zur Bildung eigentümlicher zer- klüfteter Massen, die der Faser ein ganz charakteristisches Aussehen verleihen (Fig. 6). Die Substanz der Markscheide ist besonders reich an Cerebrin und Lecithin, die in warmem Wasser aufquellend ähnliche Formen — (die man auch wohl als ,.M y e 1 i n f Q r m e n"k \ Markhaltige varicöse) Fasern. Hreite markha'.tige Nerven- fasern. Achsen- cy'inder. Markhaltige Nerven- faser mit Osmium geschwärzt, — / s flanuier' scher Schnür- ring, — seh Schmann- sche Scheide (nach Eiclihorst), 660 Bau und Anordnung der Nervenelemente. — Nervenfasern. [§. 323-] bezeichnet hat) — annehmen. Aether, Chloroform, Benzin gehen durch Auflösung der fettähnlichen Bestandtheile in den Fasern letzteren eine grössere Durchsichtigkeit; Ueberosmiumsäure schwärzt sie. Seil wann- Unmittelbar der Markscheide liegt äusserlich die Schwanri sehe Scheide (oder das Neurilemma) an (6. c): eine zarte, structurlose, dem Sarkolemma ähnliche Membran. Sie enthält zerstreut oblonge, leicht tingirbare Kerne. Nach Zusatz von Essigsäure oder in Chrom- säurepräparaten erscheint diese Scheide streckenweise isolirt. üanvier's Die Sckwanti'sGh.e Scheide bildet (bei dickeren Fasern in etwas e' längeren, bei dünneren in etwas kürzeren Abständen) die „Ranvier- schen Schnür ringe" (Fig. 6, tt und 200, fs.). Es sind dies ring- förmige Einschnürungen, an denen das Mark fehlt. Allemal zwischen zwei Schnürringen liegt ein Kern, so dass man ein solches Stück der Faser als einer Zelle äquivalent und aus ihr hervorgegangen bezeichnen kann. An den Schnürringen tritt das ernährende Plasma in die Faser zum Achsencylinder (wie auch Farbstoffe von hier den letzteren zu färben vermögen) (8) ; ebenso werden von hier die Um- satzproduete abgeführt. Es scheint, dass am Scbnürringe durch Kitt- substanz je zwei Strecken Schwann seher Scheide zusammengefügt sind. Auch der Achsencylinder besitzt au der Stelle der bchnürringe regelmässige, präexistirende Discontinuitäten, wie am besten die Behand- lung mit Silbernitrat zeigt. Der Entdecker Engelmann glaubt aller- dings nicht, dass in der lebendigen Faser eine trennende Schicht von mikroskopisch messbarer Dicke zwischen je zwei, im Schnürring an- einander stossende, Achsencylinderstücke eingeschoben sei, aber es wird offenbar durch diesen Fund die Auffassung der Nervenfaser als Kette von Zellenindividuen wesentlich gestützt. In den Spinalnerven sind diejenigen Fasern die dicksten, welche die grösste Länge bis zu ihrem Endorgan haben fSchwalbeJ, ebenso sind diejenigen Ganglien- zellen am grössten, welche die längsten Nerven aussenden (Pierret). Die inneren Nach Ewald und W, Kühne ist endlich nun noch sowohl der Achsen- h°-T' cylinder, als auch die Markscheide von einer äusserst zarten, aus Neuro- k e r a t i n bestehenden Hornscheide überzogen. Beide stehen durch die Substanz des Markes hindurch vermittelst querer oder schräger Brücken in Verbindung, welche das Mark zwischen zwei Schnürringen in eine Anzahl hinter einander liegender Abschnitte iheilen fSc/imid/, Lantermann, Bohl, Kuhnt). Es bilden sich so die schrägen Schmidt- Lantermann'1 sehen. Einkerbungen an dem Marke, wie sie Fig. 200 zeigt. — Nach Leydig und Joseph sollen auch im Achsencylinder zarteste Gerüst- gebilde sich befinden, zwischen denen die Fibrillen desselben eingebettet liegen. Halbmondförmige, dem Marke, zumal der motorischen Nerven aufliegende (je 1 auf 5 Kerne der Schwann' sehen Scheide kommende) „Nervenkörper- chen" sind in ihrer Bedeutung noch unbekannt (Adamkiewicz) . Theiiung der Die Nervenfasern verlaufen in den Stämmen ungeteilt ; ihrer Endverbreitung sich nähernd , gabeln sie sich meist in zwei völlig gleichbleibende Fasern ; es kommen aber auch selbst mehrfache Theilungen vor. Bei Thieren gestalten sich die Nervenhüllen mitunter noch complicirter : so ist an dem elektrischen Nerven des Zitterwelses (§. 343) eine so reich- haltige Schichtung Schwann'seher Scheiden um die einzige Nervenfaser herum, dass diese die Dicke einer Stricknadel erreicht. — Bei den Evertebraten haben die Nervenfasern in der Regel keine Myelinhüllen, — bei der Garneele fand . . indess Retzius dieselben an, und' Endo- ^as lockere Bindegewebe, welches einen Nervenstamm überdeckt, nennt Neurium, man Epineurium (Fig. 201 ep) ; die einzelnen Nervenfasern liegen im Nerven- [§. 323.] Bau und Anordnung der Nervenelemente. — Ganglien. 661 stamme zu Bündeln vereinigt, jedes der letzteren ist überzogen von dem P e r i- neurium(pe). Von hier geht das Endoneurium (ed) zwischen die Nerven- fasern hinein (Axel Key 6° Retzius). Das Perineurium soll nach Ranvier von Endothel ausgekleidet sein. Bei ihrer Bildung — sind die Nervenfasern zuerst als Fibrillen ange- legt, die sich mit Bindesubstanz- und schliesslich mit Myelin-Hüllen umkleiden. Das Längenwachsthum der Fasern erfolgt durch Verlängerung der einzelnen „interannulären Segmente" und zugleich durch Neubildung dieser letzteren 'Vjgnal). Entwicklung der Nerven. Figr. 201. Querschnitt durch einen Theil desX. medianus : <";>Epineurium. — i>e Perineurium, — cd Endoneurium (nach Bichhoi-si). II. Die Ganglien sind theils als Zellen . theils als complicirter gebaute Gebilde aufgefasst worden. Man unterscheidet : 1. Multipolare Ganglien— (Fig. 199. I) (Pnrkynt, 1838) MuUipatare finden sich theils als grosse [(über 100 u, bequem mit blossem Auge sichtbare) in den Vorderhörnern des Rückenmarkes und der Klein- hirnrinde], theils als kleine [(20 — 10 u.) in den Hinterhörnern, vielen Stellen des Gross- und Klein-Hirnes, in der Retina], kugelige, ovoide oder birnförmige Zellen mit zahlreichen Ausläufern versehen, welche den Zellen oft ein sternförmiges Aussehen gewähren. Ich fand mit meinem Bruder die Ganglien jugendlicher Insecten um vieles kleiner, als die der Erwachsenen ; Aehnliches berichtet auch Schwalbe für diese Zellen und ihren Kern. Der Zellkörper ist hüllenlos, von weicher Consistenz und zeigt ein feinfaseriges Gefüge bis iu die Fortsätze hinein. Zwischen den Fibrillen hinein liegen zerstreut feinste Körnchen. — Ausserdem trifft man gelbes oder braunes feinkörniges Pigment, entweder an einer besonderen Stelle in der Zelle angehäuft, oder durch die ganze Zelle verbreitet. Der relativ grosse Kern ist ein wasserhelles Bläschen , in der Jugend jedoch ohne eine Membran (Schwalbe). Im Innern des Kernes liegt das frisch eckige und mit Fortsätzen versehene, bewegungsfähige .. nach dem Tode stark licht- brechende, kugelige Kernkörperehen, das abermals im Innern Ganglien. 662 Bau und Anordnung der Nervenelemente. — Ganglien. [§. 323.] oft ein Korn (Schrön) durchscheinen lässt. Unter den Fortsätzen findet sich an den Rückenmarksganglien ein unverästelter , welcher Achsencylinderfortsatz (I. z.) heisst, und der nach einem ungetheilten Verlaufe sich weiterhin mit Mark umgiebt, und so zum Achsencylinder einer markhaltigen Nervenfaser wird (Gerlach) . — Die übrigen Fortsätze theilen sich in viele feinste Verzweigungen (Trimitivfibrillen), einem verästelten Wurzelwerke ähnlich. Diese heissen Protoplasmafortsätze (X y). Durch sie hängen nach der früher geltenden Ansicht die Ganglienzellen theils unter einander in leitender Verbindung zusammen, theils gehen durch Zusammenlegen vieler dieser feinsten Fäden wieder andere Nervenfasern (Achsencylinder) hervor ( Waldeyer). Nach neueren Anschauungen anastomosiren die Proto- plasmafortsätze benachbarter Nervenzellen jedoch nicht, sondern sie nähern sich nur gegen einander. His, sowie Forei und Kölliker glauben nicht an die Existenz dieser Ana- stomosen. His ist vielmehr der Meinung, dass die Protoplasmafortsätze benach- barter Zellen sich nur nähern, aber nicht zusammen treten. Es ist eii.e Zwischen- substanz vorhanden. AVerden gewisse Nervenbahnen mehr geübt und gewöhnt, so lässt sich die erweiterte Leistung der betreffenden Ganglienzellen vielleicht durch ein weiteres Hineinwachsen der Protopla smafortsätze in weitere Gebiete der Zwischensubstanz erklären,, in welche sie bisher noch nicht vorgedrungen waren. Bipolare 2. Bipolare Ganglien ■ — • (R. Wagner, Robin , Bidder, Reichert) finden sich am schönsten bei Fischen, z. B. in den Spinal- ganglien der Rochen und Haie, sowie im Ggl. Gasseri des Hechtes. Sie erscheinen eigentlich als kernhaltige , spindelförmige Anschwel- lungen des Achsen cy linders (rechts neben I). Oft fehlt dort, wo das Ganglion in die Faser eingeschaltet ist, das Nervenmark; mitunter geht aber das Mark und die zarte Hülle der Primitivscheide über sie hinweg. Ganglien mit 3, Ganglien mit bindegewebigen Hüllen — (II) trifft gewebigtn man (gegen 50 [/. gross) innerhalb der peripherischen Nervenknoten Huiun. ^eg ]y{enschen, z. B. in den Spin algan glien an. Die weichen Zellkörper, welchen mehrere Fortsätze zuzukommen scheinen, sind mit einer derben , aus dicht aneinander gelagerten Bindegewebszellen zu- sammengefügten Hülle überkleidet, an deren Innenwand eine Schicht zarter Endothelzellen nachgewiesen werden kann. Der Zellenleib der Spinalganglien ist von feinen Fädchen durchzogen (Flemming) ; die Hülle steht weiterhin mit der der Nervenfasern in Zusammenhang. Raivilz und G Retzius finden die Spinalganglien unipolar; die abgehende Nervenfaser macht erst eine Halbkreistour innerhalb der Kapsel , bevor sie aus- tritt. Retzius und z\ Lenhossek sahen den Fortsatz sich T-förmig theilen; diese Theihmg entspricht den beiden Fortsätzen einer bipolaren Zelle; die dünne Faser verläuft weiterhin centralwärts, die dicke zur Peripherie. Auch das Ggl. jugulare und der Plexus gangliiformis vagi enthält beim Menschen nur unipolare Zellen, sie sind also den Spinalganglien gleich zu setzen, ebenso die Ganglien des 9. 7. Nerven und das Ggl. Gasseri. Das Ggl. ciliare, sphenopalatinum, oticum, submaxillare verhalten sich wie sympathische Ganglien (G. Retzius). Ganglien mit 4# Ganglien mit umsponnenen Fasern — (Reale, J. umspannt nen , . 7 . _ _ ° . , i t -i • t-> i ,, . -i-n.i Fasern. Arnold) finden sich vornehmlich im Bauchsympathicus der Jb rösche. Aus der birnförmigen Zelle geht nach einer Richtung gerade und unverästelt ein Fortsatz hervor (III. n), welcher weiterhin zum Achsen- cylinder eines Nerven wird. Ausserdem sammelt sich von der Ober- fläche der Zelle, aus einem äusserst zarten Netzwerk feinster Fasern [§. 323.] < .'ht-mie der Nervensubstanz. 663 eine zweite Nervenfaser, die spiralig- die erste umrankt und weiterhin in eine andere Richtung des Verlaufes übergeht (ö). Eine kernhaltige Hülle (m) überkleidet Zelle und Fortsätze. Man hält die gerade Faser für centrifugal-, die gewundene für centripetal-leitend (Ehrlich). 324. Chemie der Nerven Substanz, Mechanische Eigenschaften der Nerven. 1. Eiweisskorper. — Eiweiss gehört vornehmlich dem, Aibuminate. dem Protoplasma ähnlichen . Achsencylinder und der Substanz der Ganglienzellen an. Ein Theil erinnert in einigen Beziehungen in seinem Verhalten an das Myosin (§. 295): verdünnte Koch- salzlösung extrahirt einen Eiweisskorper aus der Nervensubstanz. der durch viel Wasser, aber auch durch concentrirte Kochsalz- lösung gefällt wird (Petrowsky). Ferner findet sich Kali- albuminat und Globulinsubstanz. — Unter den A 1 b u- Mbuminoide. minoiden trifft man N u c 1 e i n . vornehmlich in der grauen Masse (pg. 486. 2) (v. Jaksch) , ferner das dem Keratin ver- wandte schwefelreiche Neurokeratin (Kühne & Ewald) in den Hornscheiden der Nervenfasern und in der Neuroglia , beide nach künstlicher Trypsinverdauung der grauen Nervensubstanz übrig bleibend ; Behandlung mit Kalilauge liefert daraus das reine Neurokeratin. Die Substanz der Schzva «zischen Scheide steht dem Elastin nahe (pg. 486. 6), doch ist sie leichter in Alkali löslich. — Das Bindegewebe des Nerven giebt Leim. 2. Die in Aether löslichen Fette und die fett- in Aether ähnlichen Stoffe, vornehmlich in der weissen Marksubstanz : loi a) Liebreich' s Protagon (1865). dem Cerebrin ähnlich, Protagon. Hauptbestandtheil der Hirnmasse, N- und P -halt ig. Es ist ein Glykosid , krystallinisch , aus Gehirn durch warmen Alkohol extrahirbar , giebt gekocht mit Baryt die Zersetznngsproducte des Lecithins. Protagon wurde von Diakonow & Hoppe-Seyler als ein Gemenge von Lecithin und Cerebrin angeschen. b) Das phosphorfreie Cerebrin (Gobley) (siehe vorstehend) Cerebrin. entsteht als Zersetzungsproduct des Protagon. Weisses Pulver sphärischer Körnchen, löslich in heissem Alkohol und Aether: unlöslich in kaltem Wasser. Er zersetzt sich schon bei 80° C. ; seine Lösungen sind neutral. Längere Zeit mit Säuren gekocht, spaltet es sich in Galactose , pg. 490 fTkierfelder) und andere unbekannte Producte. — Zur Dar- stellung — wird Gehirn mit Barytwasser zur dünnen Milch zerrieben. Das gewonnene Extract wird zur Befreiung von Cholesterin (pg. 489) oft mir kaltem Aether behandelt W. Müller). — Parkas trennte vom Cerebrin das homologe, in Alkohol leichter lösliche, Homocerebrin und das in heisscm Wasser kleisterartig quellende Enkephälin. c) Lecithin (Gobley j (pg. 488, 2). chemisch im Protagon Lecithin. gebunden : — daneben Zersetzungsproducte desselben : Glycerin- phosphorsäure. Oleophosphorsäure. Das Lecithin ist eiue ätherartige Verbindung des Neurins, in welcher letzteres die Stelle des Alkohols vertritt (Gilson Das Xeurin (sive Cholin = Cs H15 NO;,) ist eine stark alkalische, farblose Flüssigkeit, mit Säuren krystallisirbare Salze bildend. Man kann es durch Synthese aus Grlycol und Trimethvhnnin bilden; es ist in H,0 und Alkohol löslich. 664 Stoffwechsel im Nerven. [§. 324.] Durch 3. Durch Wasser extrahirbare Producte der regressiven extrahirLre Stoffmetamorphose : Xanthin und Hypoxanthin (Scherer) , Kreatin Körper. (Lerch) , Harnstoff (bei Hamretention), ? Harnsäure. — Ferner fand W. Müller Ameisen- und Essig-Säure, viel Inosit und beim Ochsen Leucin, v. Bibra Milchsäure, Joffe eine stärkeähnliche Substanz im Menschenhirn. Beaction der Die ruhende Nervensubstanz reagirt neutral oder schwach se' alkalisch, — die thätige und abgestorbene sauer (Funke). Auch die Grosshirnrinde reagirt ganz frisch alkalisch (Liebreich) , der Tod macht sie schnell sauer [? durch Gährungs-Milchsäure (Gscheidlen)\ — Unter den Nervenfasern ist die Eeaction während des Lebens verschieden. Nach Ein- verleibung von Methylenblau bei lebendigen Thieren fand nämlich Ehrlich, dass die Substanz der Achsencylinder sich blau färbt, und zwar derjenigen Nerven, welche alkalisch reagiren (Hirnrinde, Herznerven, sensible, motorische Fasern der glatten Muskeln, Geschmacks-, Geruchs-Endigungen) , während die Endigungen der motorischen willkürlichen Nerven ungefärbt bleiben, die er für sauer reagirend hält. Nach Flesch sollen auch die Ganglienzellen je nach ihrer Function Verschiedenheiten in ihrem Verhalten Farbstoffen gegenüber darbieten. Da die abgestorbenen Nerven consistenter sind, so kommt postmortal in der Nervenmasse wohl eine der Muskelstarre (§. 297) vergleichbare Nervenstarre zur Ausbildung, bei welcher sich freie Säure abspaltet. Schnell bei 100° C. „gebrühte" frische Gehirne bleiben alkalisch (wie Muskeln, pg. 586). Quantitative Die graue Substanz ist wasserreicher (81,6%), als die weisse (68,4°/0) ; Bestimmung jQ ,jer trockenen Masse ist enthalten: 55,4°/0 Albumin und Glutin in der grauen Bestandteile Substanz, (24,7°/o iQ der weissen), Lecithin 17,2% (9,9%)» Cholesterin und 'Fette 18,7% (51,9%), Cerebrin 0,5% (9,5%), in Aether unlösliche Extracte 6,7% (3,3%), Salze 1,5% (0,6%,); die graue Substanz enthält mehr Phosphor- säure (Petrowsky) . — In 100 Theilen Asche fand Breed Kali 32, Natron 11, Magnesia 2 , Kalk 0,7 , Kochsalz 5 , Phosphorsaures Eisenoxyd 1,2 , gebundene Phosphorsäure 39, Schwefelsäure 0,1, Kieselsäure 0,4. Mechanische Unter den mechanischen Eigenschaften der Nervenfasern ist be- sekafun ~d er achtens wer th — das Fehlen jeglicher elastischen Spannung Nerven. ^ej ^en verschiedensten Haltungen der Körpertheile. Man erkennt dies schon daran, dass durchschnittene Nerven sich nicht retrahiren, und dass der Nerv sich auf seiner Oberfläche in zierliche makroskopisch sichtbare, zarte Querfalten legt: („Fontana's Querstreifung"). Die bedeutende Cohärenz — gegen Zug bewirkt es, dass bei gewaltsamem Abreissen von Gliedmaassen beim Menschen (etwa durch Maschinengewalt) die Nervenstämme oft widerstehen. In die einzelnen Fasern jedoch zerlegt sich der Nerv sehr leicht. 325. Stoffwechsel im Nerven. Umsatz- lieber den Stoffwechsel in dem Nervengewebe ist bisher r°Ne'rven!m sehr "Weniges ermittelt worden. Constatirt ist zunächst das Vorkommen verschiedener Extr activstoff e, welche als Um- setzungsproducte angesehen werden müssen (pg. 664. 3). Dahin- gegen ist es bisher nicht gelungen , mit Zuverlässigkeit einen Austausch von O und C02 nachzuweisen. Dass jedoch ein, vom Blute ausgehender Stoffwechsel in der Nervensubstanz statt- OfrcuiatiJn. finden muss, geht schon daraus hervor, dass nach Compression [§. 325] Erregbarkeit der Nerven. — Mechanische Reize. 665 der Ge fasse die Erregbarkeit der Nerven abnimmt und nach Freigebung des Kreislaufes sich wieder erneuert. So folgen der Compression der Aorta abdominalis Lähmung und Gefühllosig- keit der unteren Körperhälfte ; Unwegsamkeit der Kopfgefässe hat fast momentane Ausserfunctionssetzung des Grosshirns zur Folge. Bei solcher Bewandtniss ist immerhin die grosse Armuth der Nervenstämme an Blutgefässen auffallend. Da jedoch den Centralorganen (zumal dem Gehirn) eine zweifellos reichere Gefässvertheilung eigen ist, so dürfte die Annahme gerecht- fertigt sein , dass diesen ein umfangreicherer Stoffwechsel zu- kommt, als den einfachen Leitungen. Die Ganglien bilden viel Lymphe. Nach Hodge sollen die Zellen der Spinalganglien, wenn sie gereizt waren, sich von den ruhenden durch geringere Grösse, das Vorhandensein von Vacuolen im Protoplasma, sowie durch kleinere Kerne auszeichnen, woraus auf einen entsprechen- den Stoffwechsel in den Ganglien geschlossen werden muss. 326. Erregbarkeit der Nerven ; — Reize. Der Nerv besitzt die Fähigkeit , durch Reize in den erregten Zustand überzugehen, man nennt ihn daher erregbar. Reize können an jedem Punkt der Nervenbahn wirksam ein- greifen. 1. Mechanische Reize — wirken dann auf den Nerven, wenn Mechanisch* sie mit einer gewissen Schnelligkeit eine Formveränderung der Nerven- B^zimg. theilchen hervorrufen (z. B. Schlag , Druck , Quetschung , Zug, Stich, Schnitt). Rei sensiblen Nerven tritt also hierdurch Schmerz („Ein- schlafen" der Glieder ; Schmerz beim Stoss des Ulnaris in der Cubital- rinne), — bei motorischen Zuckung im Muskel auf. Haben die Fasern durch den mechanischen Insult eine Continuitätstrennung ihrer leitenden Bestandteile (Achsencylinder) erfahren, so hört hierdurch die Leitung in den Nerven auf; ist die moleculare Anordnung der Nerventheilchen (z. B. durch heftige Erschütterung) nachhaltig gestört, so ist hierdurch die Erregbarkeit der Nerven erloschen. Durch einen leichten Schlag auf den N. radialis am Oberarm, den Axillaris in der Supraclaviculargrube lässt sich hei Gesunden eine Zuckung in den zuge- hörigen Muskeln auslösen f Fr. Schnitze). Unter pa t hologis che n Verhältnissen kann die mechanische Erregbarkeit der Nerven abnorm gesteigert sein. Tigerstedt ermittelte, dass der Minim a 1 werth des mechanischen Reizes (hervorgebracht durch Niederfallen eines Gewichtes auf den isolirten Nerven) 900 Milligramm-Millimeter betrug, der Maxi mal werth 7000—8000. Stärkere Reize ermüden , doch geht die Ermüdung nicht über die gereizte Stelle hinaus. Der mechanisch gereizte Nerv nimmt keine saure Reactiou an. Geringer Druck oder Dehnung erhöhen die Erregbarkeit, die nach kurzer Dauer wieder schwindet. Der, in Folge des Reizes geleistete Arbeitswerth durch den erregten Muskel war bis lOOmal grösser, als die lebendige Kraft des mechanischen Nervenreizes. Wirkt der mechanische Insult ganz allmählich eiu, so kann der Nerv leitungsunfähig oder unerregbar werden , ohne dass eine Reizung sich vorher geltend machte {Fontana, 1785). Hierher ge- hören z. B. die Lähmungen im Bereiche des Armgeflechtes bei fort- gesetztem Krückendruck, Lähmung des N". recurrens durch Aneurysmen. //w'sehen Gesetze lassen sich nun zwei für die Elektrophysiologie wichtige Gesetze ableiten , nämlich : — I. Findet sich in der Kette ein a e 1) r grosser Widerstand im Schliessung sboge n (wie es also der Fall ist, wenn ein Nerv oder Muskel in den Schliessungsbogen eingeschaltet ist), so lässt sich die Stromstärke nur vefgrössern durch Vermehrung der Zahl der elektro- motorischen Elemente. — II. Wenn aber der Leitungswiderstand im Schliessungs- bogen (im Vergleich zu dem in der Kette) sehr klein ist , so kann nicht durch Vermehrung der Zahl der Elemente eine Vergrösscrung der Stromstärke entstehen, sondern nur durch Vergrösserung der Oberflächen der Platten im Elemente. Um den Leitungswiderstand nach einem einheitlichen Maasse zu messen, hat man seit 1881 vorgeschlagen, die Grösse des Widerstandes als Ein- heit zu nehmen, welche ein 1,06 Meter langer und IQ Mm. im Durchmesser haltender (in einer Glasröhre eingeschlosse- ner) Quecksilberfaden bei 0" C. bietet : Diese „Widerstands-Einheit" nennt man „1 Ohm". Als absolute Einheit für die Strom- stärke hat man sich 1881 geeinigt, „Ein Ampere" anzunehmen, d. h. eine Strom- stärke, welche in 1 Secunde 0,172 Cubik- meter Knallgas (bei 0° C. und 760 Mm. Luftdruck) erzengt; (1 Milliampere = l l00J Ampere). Die absolute Einheit der elektromotorischen Kraft heisst seit 1881 ..Volt", die des Widerstan- des „Oh m" und d i e d e r S t r o m s t ii r k e „Ampere". Zwischen diesen Einheiten findet, die Relation statt , dass 1 Ampere = 1 Volt : l Ohm. [Das Verhältniss dieser Einheiten zu den früher üblich gewesenen, willkürlieh angenommenen lautet dahin, dass 1 Volt = ungefähr 9/8 der elektro- motorischen Kraft von 1 Da nieW sehen Elemente ist. 1 Ohm = 1,061 Siemens Widerstandseinheit.] Von der Stromstärke ist beson- ders noch die Strom d ich tigkeit zu unterscheiden. Da durch einen beliebigen Querschnitt der Strombahn stets die gleiche Menge von Elektricität hindurch fiiesst, so muss offenbar, wenn die Grösse des Quer- schnittes in der Leitung variirt, die Elektri- cität dichter sein an den verengten Stellen, sie muss weniger dicht an den grösseren Querschnitten sein. [Be- zeichnet S die Stromstärke und q den Querschnitt der betreffenden Stelle, so ist die Dichtigkeit (d) an dieser letzteren : d = S : q.] Theilt man den Schliessungsbogen der galvanischen Kette von dem einen Pole aus in zwei (oder mehrere) Leitungen, die sich nach dem anderen Pole hin wieder vereinigen, so ist zunächst die Summe der Stromstärken gleich der Stärke des ungeteilten Stromes. Sind ferner die verschiedenen Leitungen verschieden (nach Länge, Querschnitt und Material), so verhalten sie h die durch d i e L e i t u n g e n gehenden Stronistiirkeu umgekehrt wie die Leitungs widerstände. Nach diesem Principe (der „Neben Schliessung") ist das Du Bot's- 7vVi'W(V/(/'sche Rheochord — verfertigt, welches gestattet, von einem galva- nischen Strome einen, nach seiner Stärke beliebig abgestuften Stromzweig zur Erregung von Nerv oder Muskel abzuleiten. Maass des Leitungs- jiderslandes. Maass der Stromstärke. Maass der elektromotori- schen Kraß. Dichtigkeit des galvanischen Stromes. Schema des Rheochords von Du Hois-lleymond. Theilung des galvanischen Stromes. Das Rheochord von Pu ßois- Heymond. 678 Das Rheocliord. [§. 328.] Yon den beiden Polen (Fig. 2J3 ab) einer constanten Kette gehen je zwei Leitungen ab, von denen die eine (a c und b d) zu dem Nerven des Frosch- präparates (F) hinführt. Die eingeschaltete Nervenstrecke (c d) setzt diesem Stromzweige (a c d b) einen sehr grossen "Widerstand entgegen. Der zweite von a nnd b abgeleitete Stromzweig (aA, bB) läuft durch eine dicke Messing- leiste (AB), welche aus 7 neben einander liegenden Stücken (1 — 7) zusammen- gefügt ist, welche (mit Ausnahme zwischen 1 und 2) durch die in die Zwischen- lücken eingesteckten Messingstöpsel (St bis S5) zu einer ununterbrochenen Leitung vereinigt sind. Es ist sofort klar, dass bei dieser Einrichtung, wie die Fig. 203 sie zeigt , durch die Nervenstrecke (c d) (die sehr grossen Leitungs- widerstand bietet) nur ein . minimaler Stromzweig hindurchgeht, während durch die sehr gut leitende Bahn der Messingklötze (ALB) weitaus der grösste Theil des galvanischen Stromes hindurchzieht. Füge ich in diese letztere Bahn grössere Widerstände ein, so muss natürlich der Stromzweig acdb sich entsprechend verstärken. Diese Widerstände können durch die, mit I a, I b, I c, II. V, X bezeichneten Strecken dünnen Drahtes eingeschaltet werden. Denken wir uns zunächst sämmtliche Messingstöpsel (SI bis S5) herausgezogen , so muss der, bei A eintretende Stromzweig durch das ganze System der dünnen Drähte laufen. Dadurch ist ihm ein bedeutender Widerstand gesetzt . um welchen der Stromzweig im Nerven zunehmen muss. "Wird nur einer der Stöpsel ausgezogen, so geht der Strom nur durch die entsprechende Drahtlänge. Die durch die ver- schiedenen Drahtstrecken (Ia - X) gegebenen "Widerstände verhalten sich so , dass I a, I b und I c je eine Einheit des Leitungswiderstandes darstellen , II den doppelten , V den fünffachen und X den zehnfachen "Widerstand beträgt. Die Strecke Ia kann endlich noch durch die aufwärts schiebbare Brücke (L) gekürzt werden, wobei der Maassstab (xy) die Länge der "Widerstandstrecke angiebt. Man erkennt leicht, dass je nach der Art der Anwendung der Stöpsel und der Brücke das WTerkzeug eine vielfältige Abstufung des, durch den Nerven zu sendenden Stromzweiges zulässt. Ist die Brücke L dicht an 1,2 hinaufgeschoben, so geht der Strom direct von Ä nachB, und nicht durch die dünnen Drahtstrecken Ia. Eheostate. Andere "Werkzeuge, die bestimmt sind, in den Schliessungsbogen einer Kette eingeschaltet zu werden , um den Leitungswiderstand beliebig vergrössern zu können, werden Eheostate genannt. 329. Wirkung des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel. — Der Multiplicator. Ablenkung Leitet man einen galvanischen Strom (etwa durch einen Draht hindurch) deTä]falneti der Länge nach an einer Magnetnadel vorbei, so wird dieselbe aus ihrer, nach den Norden hin weisenden Richtung abgelenkt {Oersiedt, 1822). Denkt man sich in galvanischen dem positiven Strome schwimmend, den Kopf voran und die Bauchfläche der Nadel Strom. zugewendet, so wird stets der Nordpol der Magnetnadel nach linkshin abge- Ampere's lenkt , '„Ampi rasche Regel"). Der Ablenkungsdruck, welchen der galvanische Strom Hegel. auf ^jg Xadel ausübt, wirkt stets senkrecht gegen die sogenannte elektro- magnetische Wirkungsebene. Letztere ist diejenige Ebene, welche durch den Nordpol der Nadel und zwei Punkte des (in gerader Richtung an dem- selben vorbeilaufenden) Leitungsdrahtes gelegt werden kann. [Verläuft z. B. der Leitungsdraht gerade oberhalb und der Länge nach über die Magnetnadel (deren Schwingungseben", die horizontale Fläche bildet), so ist demnach die elektro- magnetische Wirkungsebene senkrecht auf die Horizontalebene gerichtet und der Länge nach durch den Nordpol der Nadel und den Leitungsdraht gelegt.] Die Maass der Kraft des galvanischen Stromes, welche die Ablenkung der 'enden Magnetnadel bewirkt, ist proportional dem Sinus des Winkels Kraft. zwischen der elektromagnetischen Wirkungsebene und der Schwingungsebene der Nadel. Deisc ablenkende Kraft des galvanischen Stromes kann verstärkt werden, JHuMplicator. wenn man den stromleitenden Draht statt einmal, viel mal in derselben Richtung an der Magnetnadel vorbeiführt. Ein, nach diesem Prin- cipe coustruirt.es Werkzeug wird Multiplicator genannt. Durchweg verläuft Wirkung der in diesen der Leitungsdraht in vielen, senkrecht zur Horizontalen stehenden Win- mdungen. dungen) um die) jn der Mitte hängende, horizontal schwingende Magnetnadel. Je [§. 329.] Wirkung des galvanischen Stromes auf die Magnel 679 grösser die Anzahl der Windungen ist, um so grösser wird der Ablenkungswinkel der Nadel (allerdings nicht genau direct proportional, da ja dir- einzelnen Win- dungen in verschiedener Entfernung und auch in anderer Lage zur Nadel sich befinden). Der Multiplicator ist somit ein Werkzeug, durch welches wir seh wache Ströme leicht zur Wahrnehmung bringen können. Die Erfahrung hat nun weiterhin gelehrt, dass, wenn der zu untersuchende schwache galvanische Strom in der geschlossenen Kette einen sehr gl Widerstand hat (wie es bei stromführenden thierischen Geweben der Fall ist), dass dann sehr viele Windungen eines dünnen Drahtes um die Nadel herum zn leiten sind. Ist jedoch der Leitungswiderstand in der Kette nur gering [wie es z. B. der Fall ist bei Anwendung der thermo-elektrischen Vor- richtung (vgl pg. 404 B)], so werden nur wenige Windungen eines dicken Leitungsdrahtes um die Magnetnadel herumgeführt. Um den Multiplicator noch in einer anderen Weise empfindlicher zu machen, kann man die magnetische Direct ion s kr a ft der Nadel, durch welche sich dieselbe nach Norden einzustellen strebt, schwächen. [Inwieweit dies an dem. zur Unter- Aufhebwig der Wirkung de F.rd- Fig. 2.)4. suchung schwacher Ströme dienend n T h e r m o -elek- t ro - Ga 1 v a n oni eter er- reicht ist, wurde bei der Beschreibung der Beobach- tung schwacher Therme- Ströme (pg. 405 B) beschrie- ben und abgebildet. Es sei hier noch besonders erwähnt, dass zur Demonstration der elektrischen Ströme in thieri- schen Geweben eine . ans sehr zahlreichen Windungen dünnen Drahtes bestehende Folie auch an jenem Instru- mente anzubringen ist.] In dem . zu physiolo- gischen Zwecken verwendeten Multiplicator v o n ScJnveigger hat man das Be- streben der Nadel, sieh nach Norden einzustellen, wesent- lich geschwächt durch An- wendung des a statischen Na delpa a res nach Zwei gleiche Magnetnadeln werden durch ein festes Mittel- stück von Hörn parallel über einander tixirt . jedoch 30, dass ihre Nordpole nach ent- gegengesetzter Seite hinge- wendet sind. Da es unmög- lich ist. den beiden Nadeln eine absolut gleiche magnetische Stärke mitzutheilen, so is1 stets eine der Nadeln um etwas stärker, als die andere. Diese überwiegende Stärke darf jedoch nicht so gross sein, dass die stärkere Nadel sich nach Norden einstellt, sondern sie darf nur so weit reichen, dass sich das frei hängende Nadelpaar unter einem gewissen Winkel ii den magnetischen Meridian einstellt, in welche Stellung dasselbe auch - wiederum, wenn es aus dieser Laue abgelenkt worden war. zurückkehrt unter Ausführung einer ganzen Anzahl stets kleiner werdende] Schwingungen. D Winkelstellung des astatischen Nadelpaares gegen den magnetischen Meridian nennt man „freiwillige Ablenkung" Je grösser der erreichte Grad der Astasie ist, um so mehr ist der Winkel, den die Richtung der freiwilligen A lenkung mit dem magnetischen Meridian bildet, einem Rechten gleich. .1 <■ ferner die Astasie ist. um so weniger Schwingungen wird das Nadelpaar in Der XuttipliceUor - astatischen Xadclpaar. /Schema des Multiplic ato rs zur Unter- suchung eines Muskelstromes hergerichtet: — NN, astatisches Nadelpaar durch den Coconfaden ^aufgehängt, l'P die Zuleitungsgefässe mit dem Muskel v. — // nnd Hl andere Anordnungen des Muskels. — IV unpolarisirbare Elektroden. 680 Per Multiplicator. — Elektrolyse. [§• 329.] einer gewissen Zeit machen, wenn es sich (nach geschehener Ablenkung) wieder einzustellen sucht. Die Dauer jeder einzelnen Schwingung ist also alsdann sehr gross. Die Aufstellung des Multiplicators geschieht so, dass die Richtung der Nadeln die gleiche sein muss mit der der Drahtwindungen. Die obere Nadel schwingt über einem, in Grade getheilten Zifferblatte, an welchem man die Grösse des Ausschlages der Nadel ablesen kann. Selbst dem reinsten Kupferdrahte der Windungen ist stets noch etwas Eisen beigemischt, welches auf die Magnetnadeln eine Anziehung ausübt. Es ist daher noch an dem Multiplicator ein kleiner, gegen den einen Pol der oberen Nadel gerichteter, feststehender Magnetstift, der „Berichtigungsstab oder Compensationsmagne t>! (r) genannt, ange- bracht, welcher dem astasischen Paar wiederum so viel von seiner Kraft nimmt, dass die anziehenden Kräfte in den Drahtwindungen (wegen ihres Eisengehaltes) der Kraft des Erdmagnetismus sregenüber unwirksam werden. Elektrolyse. Ueiergar, gs- widerstand . Galvani sehe 330. Elektrolyse. — Uebergangswiderstaiid. — Galvanische Polarisation. — Constante Ketten und unpolarisir- tare Elektroden. — Innere Polarisation feuchter Leiter. — Kataphorische Wirkung des galvanischen Stromes. — Secundärer Widerstand. Jeder galvanische Strom , der durch einen flüssigen Leitergeführt wird, bringt eine Zersetzung in der Flüssigkeit (Elektrolyse) hervor. An den, in die Flüssigkeit eintauchenden P o 1 e n (den Elektro d en, von denen der -j- Pol als Anode, der — Pol als Kathode bezeichnet wird), werden die Zersetz ungsproducte (Ionen genannt) ausgeschieden , und zwar an der Anode die sogenannten Anionen. an der Kathode die Kationen. Lagern sich Zersetzungsproditete an den Elektroden ab, so können diese durch ihre Adhäsion zunächst rein mechanisch die Leitung des elektrischen Fluidums entweder erschweren oder erleichtern. Dies nennt man U ebergang s- widerstand. Wird durch diesen der. in der Kette bereits vorhandene Leilungs- widerstand erhöht, so wird der Uebergangswid erstand positiv genannt, vermindert er jedoch den Leitungswiderstand in der Kette, so heisst er negativer Uebe r- gangs widerstand. Die, an den Elektroden ausgeschiedenen Ionen können aber auch dadurch Polarisation. ^e Stromkraft verändern, dass zwischen den Anionen und Kationen (als zwischen zwei, durch leitende Flüssigkeit verbundenen, differenten Körpern) ein neuer galvanischer Strom sich entwickelt. Diese Erscheinung nennt man galvanische Polarisation. So wird z. B. Wasser durch ein- getauchte Platinelektroden derartig zersetzt, dass an dem -)- Pol sich der nega- tive 0 , an dem — Pol sich der positive H abscheidet. Meist hat dieser so entstehende Polarisationsstrom die entgegengesetzte Richtung des ursprüng- lichen ; man spricht alsdann von n egativer Polaris ation. In seltenen Fällen hat jedoch der Polarisationsstrom dieselbe Richtung wie der , welcher die Zer- setzung herbeiführte, dann ist positive Polarisation vorhanden. Selbstverständlich kann bei der Elektrolyse auch beides zusammen ein- treten, nämlich sowohl Uebergangswäderstand, als auch Polarisation. "Vorhandene Polarisation (die mitunter so gering sein kann, dass man sie mit blossem Auge nicht erkennen vermag) erkennt man in folgender Weise. Man schaltet nach einiger Zeit die primäre Stromquelle aus (etwa das Element, mit welchem die Elektroden in Verbindung waren) und setzt die, aus der Flüssig- keit hervorstehenden Enden der Elektroden mit einem Multiplicator in Ver- bindung, der sofort durch Ablenkung der Nadel selbst geringe Polarisation anzeigt. Die, durch die Elektrolyse ausgeschiedenen Ionen verursachen mitunter im Zersetzungen ^iomente ihrer Entstehung weitere, seeundäre Zersetzungen. Tauchen z. B. Platin- Polarisation. elektroden in Kochsalzlösung , so scheidet sich an der Anode Chlor ab , an der Kathode hingegen Natrium. Letzteres wirkt aber sofort zersetzend auf das Wasser, dessen 0 es zur Oxydation an sich reisst , während der H sich seeundär an der Kathode abscheidet. Einfluss d äigung der Po'ariialion . Die constanten Kelten : von B un 3 en, von Daniell. Unpolarisir- bare Elektroden. Unpolarisir- bare Anord- nung zur Untersuchung von Muskel- und Nerven- strümen. Innere Polarisation feuchter Leiter. 68.2 Unpolarisirbare Elektroden. — Extrastrom. [§.. 330.] gata. Leitet man die beiden Elektroden einer Kette in die beiden Abtheilungen phobische ejner Flüssigkeit, welche durch eine poröse Scheidewand in zwei Hälften ge- Wirkung des scllie(jen jst so beobachtet man , dass Flüssigkeitstheilchen in der Richtung des ^Stromes'™ galvanischen Stromes vom -j- Pole zum — Pole hingeleitet werden, so dass nach einiger Zeit die Menge der Flüssigkeit in der einen Gefässhälfte ab-, in der anderen zugenommen hat. Diese Erscheinung der directen Ueberleitung hat man die „kataphorische Wirkung"' — [Du Bois- Raymond) genannt; auf ihr beruht die galvanische Durchleitung gelöster Stoffe durch die äussere Haut (vgl. §. 292). ' Aeusserer Auf der kataphorischen Wirkung beruht weiterhin, wie es scheint, auch secundärer die Erscheinung des sogenannten „äusseren secundären Widerstandes". widerstand. Senkt man kupfern e Elektroden einer starken constanten Kette je in eine, mit Kupfersulphatlösung gefüllte Schale, aus welcher je ein, mit dieser Flüssigkeit durchtränkter Bausch hervorragt; brückt man ferner über diese beiden Bäusche ein Stück Muskel, Knorpel, pflanzliches Gewebe, oder einen prismatischen Streifen coagulirten Eiweisses, so sieht man, dass nach Schluss der Kette schon bald der Strom eine sehr erhebliche Schwächung erleidet. Wendet man nun den Strom um, so nimmt der Strom zuerst wieder zu, dann aber vom Maximum wieder ab. So hat ein fortwährendes, wechselndes Wenden des Stromes denselben Wechsel der Stromschwankung zur Folge. Hat man zu dem Versuche ein prismatisches Eiveissstück genommen, so beobachtet man. dass, gleichzeitig mit der Schwächung des Stromes , in der Umgebung des + Poles dasselbe wasserarm geworden ist und geschrumpft aussieht, während umgekehrt am — Pol das anliegende Eiweiss- stück (wohl durch kataphorische Wirkung) gequollen und wasserreicher ist. Aendert man die Richtung des Stromes, so findet sich dieselbe Erscheinung als- bald wieder an den gewechselten Polen. Die geschilderte Schrumpfung und Wasserverarmung am positiven Pole in dem Eiweiss muss die Ursache jenes Widerstandes in der Kette werden , welche die Schwächung des galvanischen Stromes erklärt. Man nennt diese Erscheinung die des „äusseren secun- dären Widerstandes'1 — (Du Bois-Reymond). Die Induction des Exlra- stromes. Bxlraslrom- Apparale. Magneti- sirung des Eisens durch den galvanischen Strom. 331. Iiiduction. — Der Extrastrom. — Magnetrsirung des Eisens durch den galvanischen Strom. — Volta-Indnction. Unipolare Indnctionswir klingen. — Magneto-Inducti;n. Ist ein galvanisches Element mittelst eines kurzen Drahtbogens geschlossen, so wird in dem Momente, in welchem man den Schliessungsbogen wieder öffnet, ein schwacher Funken wahrgenommen. War jedoch die Schliessung durch einen sehr langen, rollenartig aufgewickelten Draht vollzogen , so zeigt sich bei der Oeffnung ein s tark er Funken. Bringt man an dem Schliessungsdraht noch zwei Griffe an, welche ein Mensch so in seinen beiden Händen hält , dass der Strom (durch Unterbrechung der Drahtleitung zwischen den beiden Griffen) im Moment der Oeffnung nur noch durch den Körper geschlossen ist, so erfolgt im Momente der Oeffnung (zwischen den beiden Griffen) ein heftiger Erschütternngssehlag. Diese Erscheinung rührt her von einem, in der langen, gewundenen Schliessungs- spirale inducirten Strome, Ae-a Baraday den „Extrastrom" — genannt hat. Die Eutstehungsursache liegt im Folgenden: Wird die Kette durch die Drahtspirale geschlossen, so inducirt der, in sie eintretende galvanische Strom in den an- liegenden Windungen derselben Spirale einen elektrischen Strom. Dieser Inductionsstrom ist im Momente der Schliessung in der Spirale ein, dem galvanischen Strome in der Kette entgegengesetzter, daher ist seine Wirkung beschränkt und ruft auch keine Erschütterung hervor. Im Momente der Oeffnung ist dieser Inductionsstrom jedoch mit dem Kettenstrom gleichgerichtet, und daher ist seine Wirkung eine so kräftige. Elektrische Erschütterungs-Apparate, welche also so con- struirt sind, dass der, von ihnen gelieferte Reiz durch Unter- brechung der Schliessungsspirale der Kette entsteht , werden — Extrastrom-Apparate genannt. Wird in die Höhe einer aufgewundenen Drahtspirale ein Eisenstab hineingeschoben, so wird er so lange magnetisch, als ein elektrischer (galvanischer) Strom in der Spirale kreist. Befindet sich das eine Ende des Eisenstabes dem [§.331.] r-Wte-Induction. Beobachter zugewendet, das andere abgewendet, läuft ferner der positive Strom durch die Spirale wie der Zeiger auf der Uhr. so ist das zugewandte Stabende der negative Pol des Magneten. Die Kraft des so erzeugten Magneten hängt ab von der Stärke des galvanischen Stromes, von der Zahl der Spiralwindungen und von der Dicke des Eisenstabes. Sobald der Stromkreis geöffnet wird , ver- schwindet der Magnetismus im Eisenstabe. Hat man eine, aus einem sehr langen, umsponnenen Drahte aufgewickelte Voita- spiralförmige Rolle, die wir die seeundäre Spirale nennen wollen, ist lerner Inductl0v eine ähnliche Drahtspirale in deren Nähe aufgestellt, die primäre genannt, deren Enden mit den Polen eines galvanischen Elementes in Verbindung gesetzt werden können, so entsteht in der seeundären Spirale allemal ein elektrischer Strom, wenn der primäre Stromkreis geschlossen, oder der geschlossene geöffnet wird. Ebenso entsteht in der seeundären Spirale ein Strom, wenn diese der geschlossenen primären (also dauernd durchströmten) Spirale genähert, oder von ihr entfernt wird (Faraday, 1832). — Diesen, in der seeundären Spirale entstehenden Strom nennt man schlechtweg den „indueirten'' — oder auch den ..faradischen" Strom; den Vorgang dieser Induction selbst hat man auch alsVolta-Induc- tion oder elektrodynamische Vertheilung bezeichnet. — Der. bei der Schliessung des primären Stromes, oder bei Annäherung beider Rollen zu einander in der seeundären Spirale entstehende Strom hat die entgegen- gesetzte Richtung des Kettenstromes, dahingegen ist der, bei der ' »effnung des primären Stromes, oder bei Entfernung beider Spiralen von einander entstehende inducirte Strom von gleicher Richtung mit dem primären. Während des Geschlossenseins des primären Stromes, oder auch bei gleichbleibendem Ab- stände beider Spiralen ist in der seeundären Spirale kein Strom nachweisbar. Der Oeffnungs- und Schliessungs-Strom in der seeundären Spirale sind noch Unterschied X durch folgende wichtige Unterschiede von einander verschieden. Zwar ist die Menge de/s Schlie'!' der im Oeffnungs- und Schliessungs Strom sicli ausgleichenden Elektricität gleich Oeffmmgs- gross (so dass sowohl durch Elektrolyse, als auch durch das Galvanometer gleiche Stromes in Wirkung beider nachgewiesen werden kann), allein beim Oef fnungsstro m der?.. . . , ,& -, . -m i x • • x ■■ x e x • • , tj- •• i i-i seeundären bricht die Elektricität sofort in maximaler Holle und l n k u r z e r Kreise. Zeit durch, während beim Schliessungsstrom die Elektricitä t nur allmählich anschwillt, nicht ein gleich hohes Maximum er- reicht und in viel 1 änger er Zeit abström t. Der Grund für diese wichtige Differenz liegt im Folgenden. Mit dem Schlüsse der primären Kette entwickelt sich in der primären Spirale der Extrastrom, welcher dem Ketten ströme selbst entgegengesetzt ist. Er setzt daher der schnellen Ausbildung des primären Stromes zur vollen Stärke einen verzögernden Widerstand entgegen ; es kann also auch der, in der seeundären Spirale inducirte Strom nur langsam zur Entwicklung kommen. Da jedoch beim Oeffnen der primären Spirale der Extrastrom in der letzteren dieselbe Richtung mit dem Kettenstrome hat. so fällt jenes verzögernde Moment fort Die schnellere und intensivere Wirkung des Oef fnungs Stromes ist für die physiologische Ver- wendung der Indncti ons ströme von gross e r B e d eutun g. Es kann natürlich unter Umständen erwünscht sein, dies'' Ungleich- Beseitigung heit des Schliessungs- und Oeffnungs- Schlages zu beseitigen. »r ^SS* •, Man erreicht dieses einmal dadurch, dass man den Extrastrom sehr erheblich abschwächt Dies geschieht einfach dadurch, dass man der primären Spirale nur einige wenige Windungen ertheilt. In einer anderen Weise hat v. HelmkoUz das- selbe dadurch erreicht, dass er eine Nebenschliessung in dem primären Strom- kreis anbrachte. Hierdurch verschwindet der Strom nie vollständig in der pri- mären Spirale, sondern er wird nur durch abwechselndes Schliessen and Oeffnen dieser Nebenschliessung von viel geringerem Widerstand abwechselnd geschwächt oder verstärkt. Wenn mit sehr grosser Schnelligkeit in der primären Rolle ein Strom ent- Unipolare steht oder verschwindet, so tritt in der seeundären Spirale nicht allein dann I»luct,on3- , _ , .. „ ,... „i ■,-,■*■,, i- unsen. der Induetionsstrom auf, wenn die freien Enden des Spiraldrahtes (die etwa mit einem thierischen Theile verbunden sind i geschlossen sind, sondern auch schon dann, wenn nur ein Drahtende ableitend berührt wird (pg. 670). Es kommen daher dann bei der Berührung mit nur einem Ende der seeundären Spirale schon Zuckungen im Froschpriiparate zu Stande, die man unipolare [nduetions- zuckuugen — nennt. Sie treten meist nur bei Oeffnungen der primären Kette 684 Magneto-Induction. [§.331.] auf. Begünstigt wird das Auftreten dieser Zuckungen , wenn das andere Ende der Spirale mit dem Boden in ableitende Berührung gesetzt ist, und wenn auch das Froschpräparat nicht völlig isolirt gelagert ist. Magneto- Es bedarf min noch der Besprechung der sogenannten Magneto -In- inductun. duction. — Nach Ampere hat man sich einen Magnetstab vorzustellen als permanent von elektrischen Strömen umkreist, und zwar so, dass, wenn man den Südpol eines Magnetstabes gegen sich zugewandt hält , die Ströme um jeden Stabquerschnitt, wie der Zeiger auf der Uhr, kreisen. Dieses vorausgesetzt, er- klärt es sich leicht, dass ein Magnet in einem nahen Drahfkreise alsdann einen Strom erzeugen wird, sobald beide sich einander nähern, ferner auch, wenn ein weiches Eisenstück plötzlich magnetisch wird , oder plötzlich den Magnetismus verliert. Die Richtung der so inducirten Ströme in der Rolle ist gerade dieselbe wie die der, bei der Volta-Indu ction erzeugten, d. h. also: Entstehen des Magnetismus , oder Annäherung einer Drahtrolle an einen Magneten bewirkt einen, dem im Magneten angenommenen Strom entgegengesetzten Inductionsstrom ; umgekehrt hat das Vergehen des Magnetismus , oder die Entfernung der Rolle vom Magneten einen gleichgerichteten Strom zur Folge. [Annäherung und Entfernung eines Magneten zu und von einer Drahtrolle kann man in sehr schneller Folge vollziehen , wenn man einen Magnetstab, der an einem Ende festgeklemmt ist, in der Nähe frei schwingen lässt. Die Ton- höhe eines solchen Stabes giebt dann natürlich die Schnelligkeit der Bewegung und damit zugleich die Zahl der Stromstösse an. (Grossmanrts „akustische Stromstösse" und dadurch bewirkter „akustischer Tetanus" im Frosch- präparate, 1858).] 332. Du Bois-ßeymond's Schlitten-Inductioiisapparat. — Pixii-Saxton'sche Magnet o-Inductionsm aschine. Du Bois Der Schlitten apparat ist eine zu physiologischen Zwecken verbesserte H ey mo n d s Jlodification des Magneto-Elektromotors von Neef. Das Werkzeug wird Magneto- aus ^er Skizze (Fig. 205) leicht verständlich. Von dem constanten Ele- Eiekiromotor. mente (D) führt der eine Poldraht (a) zu der Metallsäule (S), von deren oberen Ende eine leichtschwingende Metallfeder (F) horizontal gerichtet ist, welche an ihrem äussersten Ende ein Quer stück Eisen (e) trägt. Der Mitte der Feder ist von oben her eine Stellschraube (b) so weit genähert, dass ein Contact beider statthat. Von der Schraube (b) leitet ein umsponnener Kupferdraht (c) weiter zu einer im Innern hohlen Spirale (xx), innerhalb welcher eine Anzahl durch Firnissüberzug isolirter weicher Eisenstäbe (ii) liegt. Von der Spirale verläuft der Draht (d) weiter zu einem , aus weichem Eisen bestehenden Huf- eisen (H) , welches er in spiraligen Touren umwindet, und geht endlich von hier aus (bei f) zum Elemente (g) wieder zurück. "Während in dieser Weise der Strom geschlossen ist, muss er folgende Wirkungen erzielen: er macht das Hufeisen (H) magnetisch, welches in Folge dessen sofort das bewegliche Eisenstück (e, den nNeef sehen Hammer") anzieht. Hierdurch wird aber der Contact der Feder (F) mit der Schraube (b) aufgehoben. Der Strom ist hierdurch unterbrochen , das Hufeisen (H) verliert demgemäss seinen Magnetismus, es lässt e los, welches durch die Feder wieder nach oben gehoben wird , so dass bei b der Contract wieder entsteht. Der neue Contact hat neue Magnetisirung von H zur Folge, und es muss sich so in schneller Folge Anziehen und Loslassen von e wiederholen , wodurch zwischen F und b ebenso oft der primäre Strom geöffnet und wieder geschlossen wird. In gleicher Richtung mit der Spirale (x x) des primären Stromes befindet sich auf einer langen Schiene (Schlitten) (p p) , [der mit einem Maassstabe versehen ist] eine , aus zahlreichen AVindungen eines dünnen , übersponnenen Drahtes bestehende, im Innern hohle Spirale (KK), die secundäre genannt. Sie kann auf dem „Schlitten" entweder über die primäre geschoben werden, die sie alsdann in ihre Höhle aufnimmt, oder sie kann beliebig weit davon ent- fernt werden. — Nach den Gesetzen der Volta-Induction (pg. 683) entsteht bei Schliessung des primären Stromes in der secundären Spirale (K K) ein , dem primären Strome entgegengesetzter, hingegen bei der Oeffnung des primären Stromes ein gleichgerichteter Inductionsstrom. Weiterhin hat nach den [§• 332.] Schlittenapparat, Gesetzen der Magneto-Induction das (durch den Schiusa des primären Stromes bewirkte) Magnetischwerden der Eisenstäbe (ii) innerhalb der primären Spirale (x x) zur Folge, dass in der secundären Rolle (KKJ ein entgegengesetzter Strom entsteht, das Verschwinden des Magnetismus aus den Stäben (durch Oeffnung der primären Kette) hat jedoch einen gleichgerichteten Induc- tionsstrom zur Folge. So erklärt sich die viel stärkere Wirkung des Inductio ns- Oefi nungsstr o mes dem Schliessungsstrome gegen- über. Ueber die mögliche Beseitigung der Ungleichheit der beiden Ströme war bereits pg. 683 die Rede. Der, von Pixii (1832) erfundene, von Saxtoii verbesserte und von Stöhn-,- Der Magneto- mit dem Commutator versehene Magneto-Induction s- (oder Rotations-) Iafu*lni0Vf~ Apparat — (Fig. 20tj) besteht zunächst aus einem .sehr kräftigen, hufeisen- förmigen Stahlmagneten. Seinen beiden Polen (N und S) .tregenübci' befindet sich ein Hufeisen aus weichem Eisen (H), welches um eine horizontal liegende Achse (ab) drehbar ist. Auf die Enden des Hufeisens sind Holzspulen (cd) ge- schoben, um welche ein isolirter Draht spiralig vielfach herumgewickeil ist. — Apparat. Fig. 205. Schema des Schlitten-Elektromotors von Du Bois-Beymond. — //Schlüssel zum Tetanisiren. — /// Elektroden mit Unterbrechungsvorrichtung. Befindet sich das Hufeisen zunächst in der Ruhestellung, wie die Figur es ab- bildet, so ist das Hufeisen unter dem Einflüsse des grossen Stahlmagneten selbst magnetisch geworden; es wendet den Polen des Stahlmagneten die ungleichen Pole s und n zu. In dem Draht der beiden Holzspulen c und d wird allemal ein elektrischer Strom entwickelt, wenn das Hufeisen seinen Magnetismus ver- liert, oder ihn auf's Neue wieder gewinnt. Wird nun eine halbe Umdrehung dir Achse ab gemacht, (wodurch die Spule c dem Pole S gegenüber gestellt wird), sii ändert natürlich der Magnetismus im Hufeisen seine Pole (da stets den l'olen des Stahlmagneten N und S die entgegengesetzten Pole des Eufeisens gegenüber sich befinden müssen). Dies Wechseln der Pole im Eufeisen kann natürlich nur so geschehen, dass der vorhandene ursprüngliche Magnetismus verschwindet und der neue, entgegengesetzte sich einstellt. Das Verschwinden lies Magnetismus im Hufeisen und das Entstehen des entgegengesetzten bewirkt in der Spirale Ströme derselben Richtung. Bei der zweiten halben Umdrehung werden die Pole in ihre alte ursprüngliche Lage wieder zurückver- setzt. Es muss daher hierbei eine Stromentwicklung in der Spirale von ent- gegengesetzter Richtung (von der, bei der ersten halben Umdrehung ent- 68$ Magneto-Induetionsapparat. [§• 332.] stehenden) inducirt werden. Jede ganze Umdrehung des Hufeisens hat also allemal zwei, in entgegengesetzter Richtung durch die Spirale verlaufende Ströme zur Folge, so dass also die abgehenden Drahtenden o und p abwechselnd -f- und — elektrisch werden. Siöhrer hat nun durch die Anbringung seines Commutators erzielt, dass die besagten zwei Ströme in derselben Richtung verlaufen. Auf der Achse (a b) befinden sich zu dem Behufe zwei Metallhülsen übereinander ge- schoben (m und n), beide von einander gut isolirt. Jede Hülse trägt an ihrem oberen und unteren Ende je einen hohen, metallenen Halbring: also die Hülse n die Halbringe 3 und 4 : die Hülse m die Halbringe 1 und 2. Die Halbringe stehen paarweise alternirend. Von den beiden Poldrähten der Spirale steht der eine (o) mit der inneren Hülse (m) in Verbindung, der andere (p) mit der äusseren (n). Die gespalte- ten Metallplatten Y und Z sind die Fortsetzungen der Poldrähte und leiten zu den Elektroden. Es ist leicht ersichtlich, dass in der jetzi- gen Stellung p zu 3 der äusseren Hülse und von dort nach Z führt. Nach einer halben Umdrehung aber steht o durch 2 der inneren Hülse mit Z in Verbindung. (Der analoge Stellungswechsel vollzieht sich bei Y.) "Wenn nun (wie oben auseinander- gesetzt) o und p bei jeder halben Umdrehung ihre Polarität wechseln, so dass allemal nach einer halben Drehung dann o, dann wieder p positiv wird , so bleibt durch die Commutatorvorrichtung Z stets mit dem positiven und demgemäss Y stets mit dem negativen Pole ver- einigt. — Die Halbringe 1 und 4, sowie 3 und 2 stehen an ihren Enden etwas über ein and er hinweg. Hierdurch kommt es, dass bei der entsprechenden Stellung o und p einmal auf kurze Zeit oben und unten durch Z und Y geschlossen werden. Dann tritt in diesem Mo- ment gar kein Strom in die Elektroden Fig. 206. Magneto-Induetionsapparat mit Stöhrer's Commutator. Der Apparat ist sehr wirksam und auch zu elektrolytischen Versuchen brauchbar. Als Hü lf sapparat — für diese Apparate dient der „Schlüssel" Tetaniairen. (Fig. 205, II). welcher einfach darin besteht, dass man den Strom so lange durch eine breite Metallbrücke (y, r, z) strömen lässt, bis man ihn durch die, zu reizenden Theile selbst hindurchsendet. Letzteres geschieht in dem Momente, wenn die verbindende Metallplatte (r) zwischen den beiden Klötzen (y und z) weggeschoben wird (Du Bois-Reymond) . — In ähnlicher Weise kann auch zu physiologischen Zwecken die Schlüsselelektrode (III) verwendet werden, welche den Strom in die Gewebe sendet, sobald die federnde Verbindungsplatte (e) durch Druck auf k gehoben wird. Dieses Instrument kann mit einer Hand geleitet werden : — ab sind die Poldrähte, r r die den zu reizenden Theilen anliegenden (isolirten) Elektroden, G ist der Griff des Instrumentes. 333. ElektrischeStrömeimruh.endenMnskel unOerven. — Hautströme, — Drüsenstrom. Methode: — Zur Prüfung des Gesetzes über den Muskelstrom bedarf es ßleichmäseig '''liuskei. eines Muskels, welcher einen , aus parallelen Fasern gefügten, einfachen Bau [§• 333.] Elektrischr Strome im ruhenden Muskel und Nerven. 6& Bezeich- nungen. besitzt, der also ein Prisma oder einen Cylinder (Fig. 207, I und II) darstellt. Der M. sartorius vom Frosche kann als solcher gelten. Man unterscheidet an einem solchen Muskel seine Oberfläche oder den natürlichen L schnitt, — ferner seine sehnigen Enden oder die natürlichen Quer- schnitte, weiterhin (wenn letztere senkrecht zur Längsachse abgeschnitten sind) die künstlichen Querschnitte (I, cd): endlich bezeichnet man als Aequator (ab, — mn) eine gezogene Linie, welche genau die Länge der Muskelfasern halbirt. Da die vorhandenen Ströme nur sehr schwach sind, so bedarf es zum Nachweise des Multiplicators — (Fig. 2' '4, Ii oder einer Tangenten- Die Spiegelboussole, — z. ß. des Elektrogal vanome ters (pg. 4U4) mit Rheosk°Pe- gedämpftem, aperiodisirtem Magneten. Wollte man die Drähte des Multiplicators direct mit dem feuchten thierischen Lipp- Gewebe in Verbindung setzen, so würden sie wegen ihrer Ungleichartigkeit naV£f. zu einer Strombildung Veranlassung geben , und ausserdem würde an der Ober- Eiektromtter. fläche der Drähte beim Hindurchgehen eines Stromes Polarisation entstehen (i^. 330). Daher setzt man stets mit den Zuleitungsdrähten die unpolar isir- baren Vorrichtungen in Verbindung, auf denen die Gewebe ruhen (Fig. 204. I. P. P.). Fig. 207. Fig. 208. a IT. i i T \|.,< r k l e ///. N Schema des Capillar -Elektro- meters (Ohristiani's Modell). Schema der Muskel-Ströme. Auch das Capillar- Elektrometer — vor. (Fig. 208) ist mit Vortheil zum Nachweis der Ströme benutzt worden ( Marey, Christian! , L v. Fidschi). Hier wird ein, in einer Gl as- Ca pillare eingeschlossen er Quecksilber faden, der an eine leitende Flüssigkeit (verdünnte Schwefelsäure) angrenzt, durch den galvanischen Strom verschoben, indem sich in Folge der, an der Grenzfläche stattfindenden Polarisation die CapiUaxitätsconstante des Hg ändert, Die Verschiebung, welche der Beobachter (B) mit dem Mikro- skope (M) erkennt, erfolgt in der Richtung des positiven Stromes. In Fig. 208, welche ein Schema des Apparates darstellt, ist K eine, unten capillar ausgezogene Glasröhre, welche von oben her mit Hg gefüllt ist, von e abwärts mit verdünnter Schwefelsäure. Die Capillare reicht abwärts in ein weiteres Glasrohr, welches unten einen eingeschmolzenen Platindraht hat und mit Hg (q) und darüber mit 688 Elektrische Ströme im ruhenden Muskel und Nerven. [§. 333.] Starke Ströme. Schwache Ströme. Unwirksame Anordnung. Neigungs . tröme. verdünnter Schwefelsäure (s) gelullt ist. Die Leitungsdrähte sind mit unpolari- sirbaren Elektroden verbunden . welche an Querschnitt und Oberfläche eines Muskels liegen. Beim Schluss der Leitung verschiebt sich der Hg-Faden von c in der Eichtung des Pfeiles abwärts. Die Stärke — der Ströme thierischer Organe wird am besten so gemessen, dass man in denselben Boussolen-Stromkreis einen anderen Strom von abstuf barer und bekannter Stärke in entgegengesetzter Eichtung eintreten lässt , so dass er den vorhandenen Gewebsstrom auf Null bringt: (Compen- sationsmethode nach Poggtndorf) (Du Bois-Reymond). 1. Ganz frische, unverletzte Muskeln sind völlig stromlos (L. Hermann. 1867), — ebenso total abgestorbene. 2. Starke elektrische Ströme werden beobachtet, wenn man (wie in Fig. 204, I. M) den Querschnitt des Muskels mit dem einen Zuleitungsgeiass in Verbindung setzt, hingegen die Oberfläche (Längsschnitt) mit dem andern (Nobili, 1827, Matteucci, Du Bois-Reymond) . Die Richtung ist von dem ( positiven) Längsschnitt zum (negativen) Querschnitte im Leitungsdrahte, (also im Muskel selbst vom Querschnitt zum Längsschnitt) (Fig. 204, I und 207, I). Dieser Strom ist um so stärker, je mehr die eine Ableitungsstelle dem Aequator genähert ist und die andere der Mitte des Querschnittes ; die Stärke nimmt um so mehr ab, je mehr die Ableitung von der Oberfläche sich dem Ende . und je mehr die Ableitung vom Querschnitte sich dem Rande des Querschnittes nähert. Der Nachweis des starken Stromes gelingt selbst an einer einzelnen isolirten Muskelfaser (Du Bois-Reymond) . Auch glatte Muskeln zeigen ähnliche Ströme zwischen Querschnitt und Oberfläche (§. 336. ID. 3. Schwache elektrische Ströme erhält man ■ — a) wenn man ungleich weit vom Aequator zwei Stellen der Oberfläche ableitet : der Strom verläuft dann von der, dem Aequator näher liegenden ( + ) Stelle zu dem ihm entfernter liegenden ( — ) Punkte, in dem Muskel natürlich umgekehrt, Fig. 207, IL ke und le). — b) Gleichfalls schwache Ströme entstehen bei ungleichmässiger Ableitung zweier Querschnittsstellen, und zwar geht hier der Strom von der . dem Rande des Querschnittes näher liegenden Ableitungsstelle zu der, der Mitte des Quer- schnittes anliegenden Ableitung (im Muskel selbst natürlich entgegengesetzt) (Fig. 207, IL ic). 4. Werden zwei gleichweit vom Aequator entfernt liegende Punkte der Oberfläche (I. x. y ; v. z. — IL r. e), oder zwei gleich weit von der Mitte der Querschnitte (I. c) abstehende Punkte abgeleitet, so zeigt sich kein Strom. 5. Werden die Querschnitte eines Muskels schräg an- gelegt (III), so dass die Gestalt des Stückes rhombisch ist, so ist das, unter 3 mitgeth eilte Verhalten gestört. Es verhält sich hier ein dem stumpfen Winkel nahe liegender Punkt des Querschnittes oder der Oberfläche positiv zu einem, der spitzen Ecke gleich nahe liegenden Punkte. Der Aequator verläuft schräg Ca c). Diese abweichenden Ströme heissen ,,Neigungs- ströme;' (Du Bois-Reymond). deren Verlauf die Linien 1, 2 und 3 III. angeben. [§. 333.] Elektrische Ströme im ruhenden Muskel und Nerven. 689 Die elektromotorische Kraft — eines starken Muskel-Stromes (beim Stärke der Frosch) ist gleich 0,05 — 0,08 Daniell , bei den stärksten Neigungsströmen sogar ßrö"',.e und bis 0,1 Daniell. Muskeln (und Nerven) curarisirter Thiere haben anfangs stärkere 'dieselben. Ströme ; die Ermüdung der Muskeln schwächt die Stromkraft (Roeberj, welche beim Absterben völlig erlischt. — Erwärmung eines Muskels steigert den Strom, über 40u C. hinaus schwächt dieselbe ihn jedoch wieder [Steiner;. A b- kühlung setzt die elektromotorische Kraft herunter. Erwärmte lebende Muskelsubstanz (L. Hermann, Worm-Müllerf und Nervensubstanz (Grützner) verhält sich positiv zu den kühleren. 6. Der ruhende Nerv verhält sich rücksichtlich 1, 2 und ?j servenstrom. ganz analog dem Muskel. Die elektromotorische Kraft der starken Nervenströme beträgt 0,02 Daniell (Du Bois-Reymond). Erwärmung des Nerven auf 15 — 25° C. verstärkt den Nerven- strom, höhere Temperaturen schwächen denselben (Steiner). 7. Werden von einem ausgeschnittenen Nerven die beiden Der axiale Querschnitte abgeleitet, oder zwei Stellen der Oberfläche gleich- weit vom Aequator, so zeigt sich ein schwacher Strom, welcher der physiologischen Wirkungsrichtung der Nervenfasern ent- gegengesetzt gerichtet ist („Achsenstrom"), also bei centri- fugalen Nerven centripetal läuft , — bei centripetal leitenden centrifugal (Mendelsohn & CJiristiani) . Die elektromotorische Kraft desselben nimmt mit der Länge der Nervenstrecke zu und ebenso mit der Grösse des Querschnittes. Ermüdung (durch Tetanisiren) schwächt ihn , zumal bei motorischen Nerven , weniger bei centripetal leitenden. Auch ohne Hülfe eines Multiplicators lässt sich der Muskelstrom Nachweis des nachweisen: — 1. Durch ein empfindliches Froschpräparat, Stromes durch „physiologisches Rheoskop" genannt. An den Querschnitt und hs-^as. die Oberfläche eines M. gastrocnemius vom Frosche lege man je einen ukeoskop. feuchten Leiter. Sobald über diese der N. ischiadicus eines Frosch- präparates, der mit dem Unterschenkel in Verbindung steht, gebrückt wird, erfolgt sofort Zuckung ; ebenso , sobald der Nerv wieder abge- hoben wird. — Man macht am unteren Ende eines Froschpräparates am M. gastrocnemius einen Querschnitt und lässt nun den Hüftnerv (dessen Ausbreitung im Muskel ja mit der Oberfläche aller Fasern in Verbindung steht) auf diesen Querschnitt sinken : — es zuckt der Schenkel, da ja nun der Muskelstrom (von der Oberfläche zum Quer- schnitt) in den Nerven einbricht. — Diese Beobachtungen sind als „Zuckungen ohne Metalle" schon lange bekannt (Galvani, Ai. v. Humboldt). 2. Man kann durch den Muskelstrom eines isolirten Muskels Nachweis den letzteren selbst direct reizen und zur Zuckung bringen. Legt man IrVegung des nämlich an Querschnitt und Oberfläche eines (curarisirten) Frosch- *»***»• muskels unpolarisirbare Elektroden und schliesst die Drähte durch Quecksilber , so zuckt der Muskel. Analog kann man so auch den Nerven durch den eigenen Nervenstrom reizen (Du Bois-Reymond, Kühne, Hering, Biedermann, Knoll). — Taucht man ferner das untere Ende eines, mit Querschnitt versehenen Muskels in eine 0,6%. Kochsalzlösung (die selbst völlig indifferent ist), so erfolgt durch diese Flüssigkeit eine Nebenschliessung zwischen Querschnitt und anliegen- der Oberfläche des Muskels; in Folge hiervon zuckt der Muskel. Auch andere als Nebenschliessung benutzte, indifferente Leiter wirken ebenso (vgl. pg. 588) (Hering). Landois, Physiologie. ;. AnH. 44 690 Ströme des gereizten Muskels und Nerven. [§. 333.] Kachweis 3. Leitet man den Muskelstrom in Jodkaliumkleister, so Elektrolyse, bewirkt er durch Elektrolyse eine Abscheidung des Jod am + Pole, wodurch Bläuung des Kleisters eintritt. Der „Frosch- Aus den elektrischen Strömen der einzelnen Muskeln und Nerven sollte Strom . gjßk i< y). In demselben Zeitmomente der Reizung ist nämlich die negative Schwankung noch nicht bis zum anderen Nervenende vorgedrungen. Wird jedoch nunmehr jene Vor- richtung, welche den Galvanometerkreis schliesst, au der Peripherie der Scheibe so verschoben (bis nach o), dass der Galvanometerkreis etwas später geschlossen wird, als der Nerv gereizt wurde, so erscheint der Strom durch die negative Schwankung geschwächt (Ausschlag bi* nach x zurückgehend). Bei der bekannten Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe findet man leicht, dass die Zeit für die Strecke der Schliessungsverschiebung gleich sein muss der Schnellig- keit, mit welcher sich der (die negative Schwankung erzeugende) Reiz von dem einen Ende des (in seiner Länge bekannten) Nerven (n) bis zum anderen Ende (N) fortpflanzt. 694 Ströme des gereizten Nerven. — Secretionsströme. [§• 334.] Strom- schwankung am Auge. Secretions- strom. Die negative Stromesschwankung im Nerven fehlt im degenerirten Nerven, sobald dessen Eeizbarkeit erloschen ist. Lässt man in ein frisch exstirpirtes Auge Licht fallen, so zeigt der im Auge von der Cornea ( + ) zum Sehnervenquerschnitt (•■ — ) gerichtete Strom anfangs eine Verstärkung des Stromes. Am stärksten wirkt das gelbe Licht, -weniger die anderen Farben (Holm-? gren, M' Kendrick). Es verhält sich die innere Fläche der ruhenden Netzhaut positiv zu der hinteren. Bei Beleuchtung derselben zeigt sich eine Doppelschwankung, und zwar eine negative mit positivem Vorschlage: beim Verschwinden des Lichtes tritt eine einfache positive Schwankung ein. Netzhäute mit durch Licht gebleichtem Sehroth zeigten kleinere Schwankungen (Kühne & Steiner). Reizung der Secretionsnerven — der drtisen hal- tigen Häute rufen unter Absonderung eines Secretes Aenderungen in den ruhenden Strömen hervor (Roeber). Dieser „Secretionsstrom" ist in der Haut des Frosches und der Warmblüter dem Ruhestrom gleichgerichtet, (beim Frosch geht mitunter ein umgekehrter Strom vorauf) (Hermann). Leitet man bei der Katze die Haut beider Hinterpfoten gleichmässig ab und reizt man nun einen Ischiadicus , so tritt unter Absonderung von Schweiss (pg. 565) ein einsteigender Secretionsstrom auf (Luchsinger &* Hermann). "Wenn in analoger Weise beim Menschen zwei Hautstellen der Extremitäten gleich- mässig abgeleitet werden , und die eine Extremität contrahirt die Muskeln , so tritt ebenso ein einsteigender Strom auf (Hermann). Tarchanoff sah an der Haut des Menschen schwache Ströme nach Eeizen (Kälte, Kitzeln, Schmerz), aber auch nach anderen nervösen Anregungen (geistige Anstrengung, grelles Licht) auftreten. Zerstörung der Drüsen, ferner Atropin vernichten mit der Absonde- rung zugleich den Secretionsstrom. Behaarte Hautstellen ohne Schweissdrüsen haben keinen Secretionsstrom (Bui.noff). — Speicheldrüsen (Hund) zeigen die äussere Oberfläche negativ gegen den Hilns. Bei reichlicher wässeriger Secretion (Chordareizung) zeigt die Oberfläche eine erste Phase negativer Span- nung gegen deu Hilus , welcher zuweilen eine 2. Phase schwächerer entgegen- gesetzter Spannungsdifferenz folgt. Bei reichlicher wässeriger Absonderung über- wiegt die 1. Phase, bei spärlicher zähflüssiger die 2. (W. Maddock &* J. Rose Bradford) . Positive Phase des Eleklrotonus. 335. Ströme des Nerven und Muskels im elektrischen Zustande. 1 . Wird ein Nerv so mit den Zuleitungsgefässen in Verbindung gesetzt (Fig. 210, I), dass ein Querschnitt dem einen anliegt und seine Oberfläche das andere berührt, so zeigt der Multiplicator einen starken Nervenstrom an. Wird nun durch das, das Zuleitungsgefäss überragende Nervenende der Länge nach ein constanter elektrischer Strom (den man den „polarisirenden" nennt), gesendet, dessen Richtung mit dem Strom im Nerven übereinstimmt, so zeigt die Magnetnadel einen noch stärkeren Ausschlag als Zeichen der Zunahme des Neryen- stromes: „positive Phase des Elektrotonus". Dieselbe ist um so grösser, je länger die durchströmte Nervenstrecke, und je stärker der galvanische Strom ist, ferner je kleiner der Abstand der durchströmten Strecke von dem, den Bäuschen anliegenden Theile des Nerven ist. Negative 2. Hat bei derselben Lage des Nerven der durchgeleitete elek- Eicictrotonus. frische constante Strom die entgegengesetzte Richtung des eigenen [§. 335] Ströme des Nerven und Muskels im elektrotonischen Zustande. 695 Nervenstromes (II), so zeigt sich Abnahme der elektromotorischen Kraft des letzteren: „negative Phase des Elektrotonus". 3. Liegt der Nerv mit zwei Stellen seiner Oberfläche den Zu- 1 ei tungsge fassen an, und zwar fast gleich weit vom Aequator (III), so zeigt das Galvanometer bei dieser unwirksamen Anordnung zunächst keinen Ausschlag (pg. 689. 7). Leitet man nunmehr durch das eine freie, überstehende Ende des Nerven einen constanten Strom, so zeigt die Magnetnadel ebenfalls elektromotorische Wirkung in gleichem Sinne mit dem constanten Strome. Diese Versuche zeigen, class der, von einem constanten elektrischen Strome durchflossene Nerv nicht allein innerhalb der direct durchströmten Strecke , sondern auch noch darüber hinaus eine Veränderung seiner elektromotorischen Wirksamkeit erfährt, welche man Elektrotonus nennt (Du Bois-Reymond, 1843). Der elektrotonische Strom ist am stärksten unfern den Elektroden, (er kann 2ömal stärker sein als der ruhende Nervenstrom, §. 333. 6); — er ist grösser auf der Seite der Anode, als auf der der Fig. 210. Kathode ; — er erfährt beim Tetanisiren eine negative Schwankung wie der ruhende Nervenstrom (Bernstein ; er tritt sofort mit Schliessung des constanten Stromes auf, doch nimmt er an der Kathode ununter- brochen ab Du Bois-Reymond, . Dahingegen ist zwischen den Elektroden ausser dem polarisirenden Strom selbst kein merklicher elektrotonischer Stromzuwachs zu erkennen (L. Hermann . — Die geschilderten Er- scheinungen zeigen sich nur so lange . als der Nerv reizbar ist. Eine Unterbindung des , den Galvanometerkreis überragenden Nervenendes hebt die Erscheinungen in der abgebundenen Strecke auf. Die oben be- schriebenen galvanischen [durch eigenartige, physikalisch vermittelte Ausbreitung des polarisirenden Stromes bedingte (§. 336)1 elektrotonischen Veränderungen der extra- polaren Strecken fehlen den m a r k lose n Nerven , während dagegen der physiologi- sche (§.337) Elektrotonus denselben zu- kommt. Durch Aetherbehandlung markhaltiger Nerven kann der physiologische Elektrotonus aufgehoben werden, während jene physikalischen Erscheinungen erhalten bleiben (Biedermann). Die negative Schwankung (§. 334) tritt schneller ein, als der elektrotonische Stromanwachs, so dass erstere schon abgelaufen ist, ehe der elektrotonische Strom- zuwachs sich zeigt. Die Schnelligkeit der elektrotonischen Stromänderangen ist kleiner, als die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung im Nerven, nämlich nur 8 — 10 Meter in 1 Secnnde (Tschirfew, Bernstein). Auf dem elektrotonischen Vorgang beruht „die secundäre Z u c k u n g Sccundäre vom Nerven aus". Wenn man an einen abgeschnittenen Nerven den Ischia- ^^^* dicus eines Froschpräparates anlegt und hierauf durch das freie Ende des ersteren einen constanten Strom sendet (nicht-elektrische Nervenreize sind wirkungslos), so zuckt das Froschpräparat. Es geschieht dies deshalb , weil der elektrotoni- sirende Strom in dem abgeschnittenen Nerven den anliegenden reizt. Bei schnellem Schliessen und Oeffhen entsteht so „der secundäre Tetanns vom Nerven aus". — Ganz so verhält es sich mit der „paradoxen Zuckung". Paradoxe "Wendet man nämlich den Strom an auf den einen der beiden Aeste. in welche sich der (oben abgeschnittene) N. ischiadicus vom Frosche theilt, so zucken die Muskeln, welche von beiden Nerven versorgt werden. 696 Theorien der Muskel- und Nerven-Ströine. [§■ 335.] Polarisation*- "Wird der constante Strom geöffnet, so zeigen sich Nach ström e , welche Nachströme. nach £>u Bois-Reymond auf innerer Polarisation beruhen (§. 330). Im lebendigen Nerven , Muskel und elektrischen Organ ist dieser innere Polarisationsstrom, wenn ein starker, sehr kurz dauernder primärer Strom verwendet worden war, stets positiv (d. h. mit dem primären Strome gleichgerichtet). Längere Dauer des primären Stromes bewirkt schliesslich negative Polarisation. Dazwischen liegt ein Stadium , in welchem das Präparat gar keine Polarisation zeigt. Positive Polarisation erscheint im Nerven besonders stark, wenn der primäre Strom die Sichtung des Erregungsverlaufes im Nerven hatte, im Muskel, wenn der primäre Strom von der Nerveneintrittsstelle zum Muskelende gerichtet war, (analog ver- hält es sich im elektrischen Organ) (Du Bois-Reymond). (Vgl. §. 336. II.) Muskeutrom 4. Der Muskel zeigt ebenfalls die elektrotonisirende Eiektr'otonus. Wirkung des constanten polarisirenden Stromes : ein gleichge- richteter constanter Strom verstärkt den Muskelstrom, ein ent- gegengesetzter schwächt ihn (Matteucci, Valentin) ; doch ist die Wirkung relativ schwach. Es soll schliesslich noch erwähnt werden , dass , wie H. Munk fand , mit dem Momente der Stromschliessung an der Anode und darüber hinaus Wasser- abnahme und Widerstandszunahme im Nerven eintritt, an den anderen Stellen bis über die Kathode hinaus das Umgekehrte. Der Gesammtwiderstand der durch- flossenen Strecke nimmt anfangs ab , wächst dann aber mit beschleunigter Ge- schwindigkeit. Nach Oeffnung des Stromes erfolgt schnell eine Ausgleichung dieser Differenzen (vgl. äusserer secundärer "Widerstand, pg. 682). 336. Theorien der Muskel- und Nerven-Ströme. Du Bois- i. Zur Erklärung der Muskel- und Nerven-Ströme hat Du Bois- Moiekuiar-8 Reymond die sog. „Molekular theo rie" aufgestellt. Dieser ent- theone. sprechend enthalten die Nerven- und Muskel-Fasern reihenweise hinter- einander angeordnete, kleinste , elektromotorisch wirksame Moleküle, umgehen von einer leitenden, indifferenten Flüssigkeit. Die Moleküle sind peripolar-elektrisch, nämlich mit einer positiven Aequatorialzone, welche der Oberfläche zugewandt ist, und je zwei negativen Pol flächen, welche gegen die Querschnitte hin schauen, ausgerüstet. Jeder neu angelegte Querschnitt legt stets neue negative Flächen frei, jeder künstliche Längsschnitt neue positive Bezirke. Dieses Schema erklärt die starken Ströme, denn wenn man mit einem Schliessungsbogen die + Oberfläche mit der — Querschnittsfläche verbindet, so muss sich durch diesen hindurch ein Strom bewegen von der Oberfläche zum Querschnitt. — Dahingegen erklärt das Schema nicht die schw ach en Ströme ; zur Yeranschaulichung dieser muss angenommen werden, dass die Moleküle einer- seits in ungleichen Abständen vom Aequator, andererseits in ungleicher Entfernung von der Querschnittsmitte mit verschiedener Geschwindigkeit in ihrer .elektro- motorischen Wirksamkeit geschwächt werden. Dann werden natürlich auch zwischen den noch stärker wirksamen und den, bereits geschwächten Molekülen elektrische Spannungsdifferenzen sich einstellen. Nun zeigen aber die Muskeln, dass ihr natürlicher Querschnitt (das Sehnenende) sich nicht wie ein künstlicher negativ, sondern mehr oder weniger stark positiv elektrisch verhält. Zur Erklärung dieser abweichenden Erscheinung nimmt Du Bois-Reymond an , dass sich am Sehnenende noch eine Lage elektro- positiver Muskel Substanz befinde. Zur leichteren Veranschaulichung denkt er sich nämlich die peripolaren Elemente des Muskels je aus 2 bipolaren Elementen bestehend; und es solle nun eine Schichte dieser H a 1 b elemente am Sehnenende so liegen, dass ihre positive Seite der freien Sehnenfläche zugewendet sei. Diese Schicht nennt er die „parelektronQmisch e Schicht". Sie fehlt nie völlig ; je stärker sie entwickelt ist, um so mehr herrscht bei Ableitung von Oberfläche Pareleklro- nomie. [§. 336.] Theorien der Muskel- und Nerven-Ströme. 697 und Sehne Stromlosigkeit. Ja es kann bei hoher Entwicklung der Parelektro- nomie sogar das Sehnende -+- gegen die Oberfläche werden. Aetzung zerstört diese Schicht. Die negative Stromes Schwankung wird so erklärt, dass während Erklärung der Thätigkeit von Muskel und Nerv die elektromotoriche Kraft aller Moleküle ders^^len abnehme. Bei partialer Contraction des Muskels nimmt das contrahirte Stück Schwankung. mehr den Charakter eines indifferenten Leiters an , der nun seinerseits mit den negativen Zonen des ruhenden Inhaltes der Muskelröhren in einfach leitender Verbindung steht. Speciell für die Nervenfasern sind noch besonders die elektrotouischen Erklärung Ströme jenseits der Pole zu erklären , während sich der elektrotonische Zustand derr fk*'r°- der Muskeln vorwiegend auf die intrapolare Strecke ausdehnt. Zur Erklärung der ströme. elektrotonischen Ströme wird angenommen, dass den bipolaren Molekülen das Vermögen zukomme , sich zu drehen. Der polarisirende Strom übt aber eine richtende Kraft auf die Moleküle aus, so dass sie nun der Anode die negativen, der Kathode die positiven Flächen zuwenden. Hierdurch erhalten die Moleküle der intrapolaren Strecke die Anordnung der fVto'schen Säule. In den jenseits der Pole liegenden Nervenstrecken sind , je weiter entfernt, um so weniger mehr die Moleküle genau eingestellt. Daher werden in den extrapolaren Strecken die Nadelausschläge um so schwächer, je weiter erstere entfernt liegen. II. Die von L. Hermann aufgestellte „Differenztheorie" L.Her- erklärt alle Erscheinungen der Muskel- und Nerven-Ströme durch Diferenz- folgende vier Sätze : — 1. Das Protoplasma wird an derjenigen Stelle, theone- welche abstirbt (sei es durch Verletzungen aller Art, oder durch Entartungen), negativ elektrisch gegenüber der lebensfrischen und reiz- baren. — 2. Das Protoplasma ist an derjenigen Stelle, welche erregt ist, negativ gegenüber derjenigen , welche im unerregten , ruhenden Zustande verharrt. — 3. Das Protoplasma wird an der erwärmten Stelle positiv, an der abgekühlten negativ elektrisch. — 4. Das Protoplasma ist an seiner Grenzfläche stark polar i- sirbar (Nerv, Muskel); die Polaritätsconstante nimmt durch Erregung (und Absterben) ab. Im Einzelnen sei darüber noch das Folgende bemerkt. Es zeigte sich Stromlosigkeit zunächst die Thatsache, dass ruhende, unverletzte und absolut frische Muskeln y™*ie?n völlig stromlos sind, ebenso völlig unversehrte Nerven (Grünhagen), Stromlos ist auch das Herz Engelmann), ferner die, noch mit der Haut bedeckte Musku- latur der Fische. Da die Haut des Frosches eigene Ströme besitzt, so gelingt es unter besonderen Vorsichtsmaassregeln . nach Zerstörung der Hautströme durch Aetzmittel , sich auch hier von der Stromlosigkeit der Froschmuskeln zu über- zeugen. — Weiterhin fand L. Hermann . dass der Muskelstrom stets erst nach Verlauf einer (wenn auch sehr kurzen) Zeit sich nach Anlegung eines Quer- schnittes entwickelt. Alle Verletzungen der Muskeln und Nerven erzeugen au den Orten der Verletzung (der Demarkationsfläohe) negative absterbende Substanz gegenüber der positiven intacteren. So erklärt sich die Negativität des Querschnittes gegen .die Oberfläche. Den so entstehenden Strom nennt Hermann den ..Demarkations- strom". — [Weiden einzelne Stellen eines Muskels mit Kalisalzen oder Muskel- saft benetzt, so werden diese negativ elektrisch ; werden nun diese Stoffe wieder abgewaschen, so verliert sich die Negativität dieser Stellen wieder Biedermann ]. Es scheint eine, allen lebenden, protoplasmatischen Substanzen eigentüm- liche Erscheinung zu sein , dass nach Verletzung einer Stelle derselben diese beim Absterben negativ wird, während die intact gebliebene sich positiv elektrisch verhält. So sind alle Querschnitte lebender Pflanzentheile negativ zu ihrer Oberfläche (Bufi)\ — ebenso ist es an thierischen Theilen: z. B. Drüsen und Knochen 'Matteucci). [Ueber das elektrische Organ der Fische, cf. §. 343.] Eine merkwürdige Beobachtung machte weiterhin Engelmann : derselbe fand, dass das Herz und die glatten Muskelfasern die Negativität ihres Quer- schnittes wieder verlieren, wenn die durchschnittenen Muskelzellen völlig bis an die nächstliegende Kittsubstanz der angrenzenden Zellen abgestorben sind, — 698 Theorien der Muskel- und Nerven-Ströme. [§.336-] im Nerven , wenn die , allemal einer Zelle entsprechenden , durchschnittenen Strecken bis zu den nächsten Ranvier' sehen Schnürringen total abgestorben sind. Dann sind alle diese Organe wieder völlig stromlos, denn die total abgestorbene Substanz verhält sich lediglich wie ein indifferenter feuchter Leiter. Ebenso zeigen auch subcutan durchschnittene Muskeln nach Ueberheilung ihrer Wund- flächen keine negativen Schnittflächen mehr (EngelmannJ. Nach allen diesen Erfahrungen kann die Präexistenz der Ströme im ruhenden lebendigen Gewebe nicht angenommen werden. innere Die Erklärung der elektrotonischen Ströme gaben Grünhagen und Polarisation L.Hermann ebenfalls völlig abweichend als auf innerer Polarisation in der eiektro- den Nervenfasern zwischen dem leitenden Kern der Nerven und den Umhüllungs- tonischen massen beruhend. Schon Matteucci hatte gefunden, dass, wenn man einen Draht Ströme. m[^ einer feuchten Hülle rings überziehe und die Hülle mit den Elektroden einer1 constanten Kette in Verbindung setze , dass dann auf Polarisation beruhende Ströme auftreten, welche den elektrotonischen im Nerven gleichen. Besitzt entweder der Draht oder die feuchte Hülle an einer Stelle eine Unterbrechung, so gehen die Polarisationsströme nicht über jene iJiscontinuitäts- stelle hinaus. Die, an der Oberfläche des Drahtes sich entwickelnde Polarisation macht durch ihren Uebergangswiderstand , dass der zugeleitete Strom sich weit über die Elektroden hinaus verbreitet. Muskeln und Nerven bestehen nun ähnlich aus Fäden , umgeben von in- differenten Leitern. Sobald ein constanter Strom an ihrer Oberfläche geschlossen wird , entwickelt sich innere Polarisation zwischen beiden , welche die elektro- tonische Stromausbreitung nach sich zieht ; (sie verschwindet bei der Oeffnung wieder). Die Polarisation erkennt man daran , dass beim lebenden Nerven der galvanische Leitungswiderstand quer durch die Fasern gegen 5mal, bei Muskeln 7. mal grösser ist, als der Länge nach. Ströme bei Eücksichtlich der Ströme bei der Thätigkeit der Muskeln (die m dV . , „A cti ons ströme") stellte L. Heimann zunächst den Satz auf: Wenn eine Tliö.fiolceit der Muskeln, einzelne Reizwelle (Zuckung) der Länge nach verläuft durch Muskelfasei'n , welche an zwei Punkten mit dem Galvanometer verbunden sind, so ist derjenige Punkt gegen den anderen negativ, unter welchem gerade die Welle hindurchzieht. [Mitunter finden sich in auspräparirten Muskeln an einzelnen Stellen locale Con- tractionsstellen, die sich negativ verhalten zu den anderen, ruhenden Stellen des- selben Muskels i Biedermann J.~\ — Um den, beim Tetanus von Froschmuskeln auftretenden Strom zu erklären, muss die Annahme gemacht werden, dass das Ende der Fasern an der, die Negativität bedingenden, Erregung weniger betheiligt ist, als die Mitte der Faser. Doch ist dies nur der Fall an ermüdeten oder im Absterben begriffenen Muskeln (§. 334. 2). Nach §. 338 D erfolgt bei directer Application eines Kettenstromes an dem Muskel die Contraction bei der Schliessung des Stromes zunächst von der Kathode aus, bei der Oeffnung von der Anode aus. Es erklärt sich so leicht, dass bei der Schliessungszuckung der Muskel Negativität an der Kathode zeigt, hingegen bei der Oeffnungszuckung an der Anode. [Aus diesen Thatsachen er- klären sich nach Hering <5r= Biedermahn die im §. 335 besprochenen Nachströme.] Bringt man durch Reizung des Nerven einen Muskel zur Zuckung, so verläuft von der Eintrittsstelle des Nerven aus nach beiden Enden hin die Erregungswelle, die sich ebenfalls negativ zum ruhenden Muskel verhält. Je nach dem Orte des Nerveneintrittes in den Muskel wird daher die aufsteigende oder die absteigende Reizwelle eher das Ende (Ursprung oder Ansatz) des Muskels erreichen. Wird daher ein solcher Muskel mit dem oberen und unteren Ende in den Galvanometerkreis eingeschaltet, so wird zuerst dasjenige Muskelende negativ, welches der Nerveneintrittsstelle am nächsten liegt (z. B. am Gastrocnemius das obere), hierauf das untere. Es erscheint also schnell hintereinander zuerst ein absteigender, dann ein aufsteigender Strom (im Galvanometerkreis, im Muskel natürlich umgekehrt) fSig. Mayer) (§. 334. 4). So zeigt es sich auch an den Vorderarmmtiskeln des Menschen. Wurden diese vom Nerven ans in Zuckung versetzt, so war zuerst die Eintrittsstelle der Nerven (10 Cm. unter dem Ellbogen) negativ, dann waren es die Muskelenden, wenn hier die Contrattionswelle (mit einer Geschwindigkeit von 10 — 13 Meter in I Seeunde) angelangt war (L, Hermann) (§. 301. 1). Zu diesem Versuche reizt man den Plexus brachialis in der Achselhöhle. Die Ableitungen am Vorderarm [§. 336.] Veränderte Erregbarkeit d. Nerven u. Muskels im Elektrotonus. 699 (im oberen Tkeile und oberhalb des Handgelenkes) werden so bewerkstelligt, dass man in Zinksulphat getränkte Zeugstreifen um die Haut schlingt. Die Streifen selbst berühren die Papierbäusche der Zuleitungsgefässe. "Wird ein völlig unversehrter, stromloser Muskel direct in toto zur Contraetion gebracht , so findet weder bei der einzelnen Zuckung , noch auch im Tetanus ein Strom statt, weil im gleichen Momente die ganze Muskel- substanz in die Erregung und in den festeren Zustand übergeht. Auch für den Nerven nimmt L. Hei mann an , dass absterbender und thätiger Inhalt negativ zum ruhenden, normalen sich verhält. Wenn Wasser durch capilläre Räume strömt, so ist hiermit eine gleich- Allgemeine sinnig gerichtete Elektricitätsbewegung verbunden .Quincke, Zöllner): so ist auch dDeu)u?g ■ das Vorwärtsschieben des Wassers in den capülaren Zwischenräumen unbelebter sehen Er- Gebilde (Poren einer Thon platte) mit einer Elektricitätsbewegung verbunden, die scheinungen. der Strömung des Wassers gleichgerichtet ist. Ganz dasselbe ist auch bei der Wasserbewegung der Fall, welche die Quell ung eines Körpers herbeiführt. — Ich will daran erinnern, dass an der Demarkationsfläche eines verletzten Muskels oder Nerven Imbibition und Quellung erfolgt, — ferner dass auch an den con- trahierten Stellen eines Muskels eine Quellung durch Flüssigkeitsaufnahme statthat (§. 299, II), — und dass bei der Secretion Flüssigkeitsbewegung aus dem Blute in die I)rüsenzellen und aus diesen zum Ausführungsgange vor sich geht. An Pflanzen — beobachtet man elektrische Erscheinungen sowohl bei passiven Verkrümmungen von Pflanzentheilen (Biegungen der Blätter oder Stiele), als auch bei activen Bewegungen, welche mit Verkrümmungen von Pflanzen- theilen verbunden sind, z. B. bei den Bewegungen der Mimosen, der Dionaea (pg. 363) u. A. ' Audi diese elektromotorischen Wirkungen sind mit grosser Wahr- scheinlichkeit durch die W asserbewegnng in den Pflanzentheilen zu erklären, welche bei der Bewegung im Innern derselben statthaben muss (A. G. Kunkel). — Die Wurzelspitze keimender Pflanzen ist negativ gegenüber der Samenschale Her- mann), die Cotyledonen positiv gegenüber allen übrigen Theilen des Keimlings (Müller-HeUlingen) . — Im bebrüteten Vogelei ist der Embryo -(-, der Dotter — (Hermann Sa* v. Gendrej . 337. Veränderte Erregbarkeit des Nerven und Muskels im Elektrotonus. Wird ein lebendiger Nerv in einer bestimmten Strecke Wesen des von einem constanten elektrischen („polarisirenden") Strome durchflössen, so geht er in den Zustand einer veränderten Erregbarkeit über (Ritter 1802, Nobili, Valentin, Eckhard. Pflüger) , den man den elektrotonischen Zustand oder einfach „Elektrotonus" nennt (Du Bois-Reymond) . Der Zustand der veränderten Erregbarkeit erstreckt sich nicht allein über die durchströmte („intrapolare") Strecke, sondern sie theilt sich dem gesammten Nerven mit. Rfliigcr hat (1859) das folgende Gesetz des Elektrotonus aufgedeckt: Am positiven Pole (Anode) (Fig. 211 A) ist die Erreg- verminderte barkeit vermindert, hier herrscht der An elektrotonus; £? 2n- am negativen Pole (Kathode) (K) ist sie erhöht, die hier "^JJ^* herrschende gesteigerte Erregbarkeit heisst K a t e 1 e k t r o t o n u s. »» «*■ In der Nähe der Pole sind diese Veränderungen der Erreg-" barkeit am bedeutendsten. In der intrapolaren Strecke muss natürlich ein Punkt intnpotmn vorhanden sein, wo Anelektrotonus und Katelektrotonua sich begrenzen, wo also die Erregbarkeit unverändert ist: diesen Punkt nennt man den Indifferenzpunkt. Derselbe liegt bei indiffertn*- schwachen Strömen nahe der Anode (i), bei starken jedoch nahe roo Veränderte Erregbarkeit d. Nerven u. Muskels im Elektrotonus. [§. 337.] Eztrapolare Strecke. der Kathode (in); daher ist im ersteren Falle fast die ganze intrapolare Strecke höher erregbar, im letzteren Falle weniger erregbar. Sehr starke Ströme setzen das Leitungsvermögen an der Anode sehr herab, sie können sogar hier den Nerven völlig leitungs unfähig machen. Auch, an der Kathode, aber erst nachdem der Strom einige Zeit am Nerven dauernd geschlossen war (Werigoj, wird die Erregbarkeit herabgesetzt und der Nerv hier leitungsunfähig (GrünhagenJ. Ausserhalb der Elektroden („extrapolar") dehnt sich der Bereich der veränderten Erregbarkeit um so weiter aus, je stärker der Strom ist. Ferner ist bei den schwächsten Strömen die Strecke des extrapolaren Anelektrotonus grösser, als die des extrapolaren Katelektrotonus; bei starken Strömen kehrt sich dieses Verhältniss um. Fig. 211. Elektrotonus / s\ *K A + ? d Je r m,/ , \ •;v^.... N e a i l - i \ t \i n p Schema der elektrotonisehen Erregbarkeits- Verhältnisse. Die Fig. 211 zeigt die Erregbarkeitsverhältnisse des Nerven (N n), der von einem constanten Strome in der Richtung des Pfeiles durchflössen wird, im sche- matischen Aufriss. Die Curven sind so dargestellt , dass die Grade der erhöhten Erregbarkeit in der Umgebung der Kathode (K) als Erhebungen oberhalb des Nerven aufgetragen sind, — die der erniedrigten an der Anode (A) als Senkungen, die Curve moitl p r zeigt die Erregbarkeit sgrössen bei starkem Strom , — die Curve efij kk bei mittelstarkem. — endlich abied bei schwachem Strome. Die elektrotonisehen Wirkungen nehmen mit der Länge der durchflossenen Nervenstrecke zu. — Die Veränderung der Erregbarkeit im Katelektrotonus tritt momentan mit der Schliessung der Kette hervor; der Anelektrotonus entwickelt sich und breitet sich langsam aus. — Durch Kälte wird der Elektrotonus ver- mindert [Hermann dr3 v. GendreJ. Wird der polarisirende Strom geöffnet, so zeigt sich zuerst eine Umkehrung der Erregbarkeitsverhältnisse; darauf folgt Uebergang in den normalen Erregbarkeitszustand des ruhenden Nerven (Pflüger). — Im allerersten Momente der Schliessung beobachtete Wundt , dass die Erregbarkeit des ganzen Nerven erhöht sei. I. Prüfung des Elektrotonus am motorischen Nerven. — Um die Gesetze des Elektrotonus am motorischen Nerven zu zeigen , wird das aus Unterschenkel und Hüftnerv bestehende „Fr o schnervenpr äparat" genommen (Fig. 212). Vermittelst unpolarisir barer Elektroden (Fig. 204 IV) wird der Strom einer constanten Kette (pg. 076) dem Nerven zugeleitet innerhalb einer beschränkten Strecke. Es wird nun an dem Nerven entweder im Bereiche der Anode oder der Kathode ein Reiz angebracht [elektrischer Schlag oder chemische Reizung durch Auftragen von Kochsalz oder mechanische Reizung (Tigerstedtj\ und man prüft [§. 337.] Veränderte Erregbarkeit d. Nerven u. Muskels im Elektrotonns. 701 Fig. 212. ■Absteigender extrapolarer An- elektrotonus. Absteigender extrapolarer Kat- elektrotonus. Aufsteigender extrapolarer An- elektrotonus . Aufsteigender extrapolarer Kat- elektrotonus. nun, ob die, durch den Reiz erfolgenden Zuckungen in ihrer Grösse variiren, wenn die polarisirende Kette geöffnet , oder wenn sie geschlossen ist. Die Zuckungen selbst kann der "Wadenmuskel durch das Myographium (§. 300) verzeichnen. Wir wollen hier folgende Fälle behandeln ; — a) Absteigender extrapolarer Anelektrotonus (d. h. es handelt sich bei absteigendem Strome um die Prüfung der Erregbarkeit an der Anode innerhalb der extrapolaren Strecke). Bewirkt in diesem Falle (A) der Reiz (Kochsalz), welcher bei R applicirt ist (während zunächst noch die Kette geöffnet war), massig grosse Zuckungen im Schenkel, so werden diese sofort schwächer oder erlöschen, sobald der constante Strom durch den Nerven geleitet wird. Nach der Oeffnung treten die Salzzuckungen wieder in ursprünglicher Stärke hervor. — b) Absteigender extra- polarer Katelektrotonus (A) : das reizende Salz liegt bei Rt ; die durch dasselbe bewirkten Zuckungen vergrössern sich sofort nach Schluss der polarisirenden Kette. Nach Oeffnung derselben werden sie wieder wie vorher. — c) Aufsteigen- der extrapolarer Anelektrotonus (B): das Salz liegt bei vt ; die vor Schluss der Kette bestehenden mittelstarken Salzzuckungen werden nach Schliessung schwächer. — d) Aufsteigender extrapolarer Katelektrotonus (B) : das Salz liegt bei r. In diesem Falle muss unterschieden werden nach der Stärke des polarisirenden Stromes : 1. Ist der Strom sehr schwach, wie man ihn mit Hülfe des R h e o- chords (Fig. 203) leicht passend abstuft, so zeigt sich nach Schliessung der polarisirenden Kette Vergrösserung der Salzzuckungen. — 2. Ist jedoch der Strom stärker, so werden die Salz- zuckungen kleiner, oder sogar völlig ausgelöscht. Der Grund dieses letzteren , anscheinend abwei- chenden Verhaltens liegt darin, dass unter dem Einflüsse starker Ströme das Leitungsvermögen an der Anode herabgesetzt oder selbst vernichtet ist (siehe pg. 700). — Obwohl daher in diesem Falle das Salz auf eine reizbarere Nervenstrecke wirkt , so kommt die Wirkung im Muskel nicht zur Erscheinung, da sich ihrer Fortleitung bis zu demselben Hindernisse in den Weg stellen. Man kann die Gesetze des Elektrotonus auch an einem völlig isolirten Nerven zeigen. Das Ende desselben bringt man auf die Zuleitungs- gefässe eines Galvanometers zur Erzeugung eines starken Stromes. Die polarisirende Kette liegt in einiger Entfernung am Nerven. Wird nun der Nerv bei geschlossener Kette in der anelektro- tonischen Strecke gereizt (etwa durch Lnductions- schläge), so zeigt sich die negative Stromesschwankung schwächer, als wenn die polarisirende Kette offen war. Umgekehrt ist sie stärker, wenn in der katelektrotonischen Strecke gereizt wurde Bernstein). Auch die, im Elektrotonus extrapolar auftretenden Ströme zeigen die negative Schwankung , wenn der Nerv gereizt wird (Bernstein]. Auch am lebenden Menschen ist das Gesetz des Elektrotonus festgestellt Prüfung an (EulenbnrgJ. — Will man jedoch hier dasselbe prüfen, so sind besonders die Menschen. Verhältnisse der Stromvertheilung in dem Körpertheile zu berücksichtigen. Legt man z. B. die beiden Elektroden an den Verlauf des N. ulnaris (Fig. 213), so sieht man, dass die in den Nerven eintretenden Stromfäden der Anode (+ aa) die Erregbarkeit herabsetzen müssen ; allein aufwärts und abwärts von der Anode (bei c c) tritt der positive Strom aus dem Nerven theils wieder hinaus und be- wirkt natürlich an diesen Stellen Katelektrotonus. In analoger Weise herrscht unmittelbar an der Applicationsstelle der Kathode (bei — c c) gesteigerte Erreg- barkeit, aber an der höheren und tieferen Nerven strecke, wo (bei a a) der positive Strom (von -\- herkommend) in die Nervenbahn eintritt, ist die Erregbarkeit herabgesetzt (Anelektrotonus) (v. Helmholtz, Erb). Wollte man also in der U m- gebung einer Elektrode reizen, so würde man nicht auf eine Stelle des Nerven wirken können, deren Erregbarkeit jene Elektrode beeinflusst. — Um daher die Reizung direct auf dieselbe Stelle der Elektrode einwirken lassen zu können. Prüfung des Elektrotonus durch die negative Stromes- schwankung. Prüfung der Erregbarkeit im Elektrotonus. 702 Veränderte Erregbarkeit d. Nerven u. Muskels im Elektrotonus. [§. 337.] Elektrotonus des tentripetal- leitenden Serven. ist es erforderlich, durch die Elektrode selbst zugleich auch den Eeiz zu geben, z. B. mechanisch, oder indem man bei elektrischer Reizung den reizenden Strom zugleich durch die Bahn des polaris iren den Stromes leitet (Walter &> de Waiteville) . II. Prüfung des Elektrotonus am sensiblen Nerven. — An einem ent- haupteten Frosche wird an einer Seite der Hüftnerv völlig frei präparirt und isolirt. Wird dieser an einer Stelle mit Kochsalz gereizt , so treten durch das intacte Rückenmark hindurch Reflexzuckungen in dem anderen Beine auf. Diese verschwinden, sobald man an dem Nerven einen constanten Strom so schliesst, dass das Salz in der anelektrotonischen Strecke liegt (Pfliiger &* Zurhelle, Halteten), u. s. w. Fig. 213. Schema der Vertheilung des elektrischen Stromes im Arme bei der Galvanisation des N. ulnaris. EieUrotonus III. Prüfung des Elektrotonus am Hemmungsnerven. — Um die Wirkung der der herzhemmendeu Vagusnerven im Elektrotonus zu erfahren, verfuhr ich in nerven. folgender Weise. Wenn man bei Kaninchen Dyspnoe erregt, vermindert sich die Zahl der Herzschläge, weil die dyspnoetische Blutmischung das Herzhemmungs centrum in der Medulla oblongata reizt. Wird in diesem Zustande am Stamme des Vagus (nachdem der der anderen Seite durchschnitten ist) ein constanter Strom absteigend geschlossen, so vermehren sich die Pulsschläge wieder, (ab- steigender extrapolarer Anelektrotonus). Wird hingegen der Sirom aufsteigend durch den Nerven gesendet, so nimmt bei schwachen Strömen der Herzschlag an Zahl noch mehr ab, bei starken Strömen jedoch vermehrt sich die Zahl der Herzschläge (aufsteigender extrapolarer Katelektrofonus). Es ergiebt sich also hieraus, dass die Wirkung der Hemmungsnerven im Elektrotonus gerade die entgegengesetzte ist von der der Bewegungsnerven. Elektrotonus Beim Muskel — befindet sich während des Elektrotonus '" die intrapolare Strecke in dem Zustande der veränderten Erregbarkeit. Auch die Verzögerung in der Leitung erstreckt sich nur auf diesen Bezirk (v. Bezold) [vgl. §. 339. ]]. 338. Das Entstehen und Verschwinden des Elektrotonus. Düs Zr,ckungsge?etz. Gesetz der Sowohl im Momente des Entstehens, als auch in dem des :chhessungs- yersc]lwinc[ens ^es Elektrotonus [also bei Schliessung und bei ^felzun9"' Oeffnung der Kette (Ritt ei)] erleidet der Nerv eine Reizung. — 1. Beim Schluss der Kette findet diese Reizung nur an der Katho de statt, also im Momente, wo der Katelektro- tonus entsteht. — 2. Bei der Oeffnung des Stromes erfolgt die Reizuug nur an der Anode, also im Momente, in welchem [§. 338.] -Das Entstehen und Verschwinden des Elektrotonus. 703 der Anelektrotonus vergeht. — 3. Von diesen beiden Reizen ist der beim Entstellen des Ivatelektrotonus auftretende stärker als der, durch das Verschwinden des Anelektrotonus erzeugte (Pflüger) . Dass die Reizung bei der Oeffnung des Stromes allein von Beweis der der Anode herrührt, bewies Pflüger in folgender Weise mit Hülfe des „Kitter- Re^unf iier sehen 0 ef f nungste tanu s". Letzterer besteht darin, dass, wenn man durch Oeffnung. eine längere Nervenstrecke einen stärkeren constanten Strom geleitet hat, nach der Oeffnung ein länger dauernder Tetanus entsteht. War der Strom absteigend gewesen, so hört dieser Tetanus sofort auf nach Durchschneidung der intrapolaren Nervenstrecke , ein Beweis , dass die (tetanisehe) Reizung von der (nunmehr ab- geschnittenen) Anode ausging. War der Strom aufsteigend , so hat dieselbe Operation kein Verschwinden des Tetanus zur Folge. Pflü^er und v. Bezold fanden einen weiteren Beweis dafür, das? die Bereit der Sc h Hess ungs zuckung von der Kathode, die Oeffnungszuckung BV^fLder von der Anode ausgehe, darin, dass sie beim absteigenden Strom die Schliessung Schliessungszuckung nach dem Momente der Schliessung früher, die Oeffnungs- zuckung nach dem Momente der Oeffnung später im Muskel eintreten sahen, uud umgekehrt : bei aufsteigendem Strome die Schliessungszuckung später, die Oeff- nungszuckung früher. Die beobachtete Zeitdifferenz entspricht der Fortpflanzungs- zeit des Reizes durch die intrapolare Strecke (§. 339). — Wenn man an einem Froschpräparate einen grossen Theil der intrapolaren Strecke (durch Betupfen mit Ammoniak) unerregbar macht, so wirkt immer nur die, dem Muskel zugewendete Elektrode erregend : also stets bei absteigendem Strome Schliessung und bei auf- steigendem Oeffnung (Biedermann . Das Gesetz der Erregung gilt für alle Arten der Nerven. A. Das Zuckungsgesetz. — I. Die bei Schliessung- und Oeffnung- zuckungs- der Kette auftretenden Zuckungen zeigen je nach der Richtung (Pf äff) 9es< — und Stärke der Ströme — Verschiedenheiten (Heidenhain). 1. Sehr schwache Ströme bewirken (in Gemässheit des dritten vorbenannten Hauptsatzes) sowohl bei absteigendem Strome , als auch bei aufsteigendem Strome nur Schliessungs-Zuckung. Das Ver- schwinden des Anelektrotonus ist ein so schwacher Reiz, dass der Xerv noch gar nicht darauf reagirt. 2. Mittelstarke Ströme bewirken aufsteigend, oder absteigeud sowohl Schliessung^-, als auch Oeffnungs-Zuckung. 3. Sehr starke Ströme zeigen absteigend nur Schlies- sungszuckung; die Oeffnungszuckung fehlt, weil im Elektrotonus bei sehr starken Strömen fast die ganze intrapolare Strecke leitungs- unfähig geworden ist (pg. 700). — Aufsteigende Ströme haben nur Oeffnungszuckung zur Folge aus demselben Grunde. Von einer gewissen Stärke des Stromes an bleibt der Muskel während des Geschlossenseins in Contraction („Schliessungstetanus"). II Der im Absterben nach dem Rittcr-l'alli^wcL Gesetze Zuckung»- seine Erregbarkeit ändernde Nerv zeigt auch ein modificirtes Zuckungs- absterbenden gesetz (§. 327. 7). Im Stadium der erhöhten Erregbarkeit nämlich yerven- zeigen schwache Ströme beider Richtungen nur Schliessungs-Zuckung. Im folgenden Stadium des beginnenden Sinkens der Erregbarkeit zeigen schwache Ströme beider Richtungen Schliessungs- und Oeffnungs-Zuckung ; endlich im Stadium stark verminderter Erregbarkeit hat der absteigende Strom nur Schliessungs-, der aufsteigende nur Oeffnungs-Zuckung zur Folge (Ritter, 1829). III. Da die verschiedenen Erregbarkeitsstadieu durch die Nerveu- bahn centrifugal fortschreiten, so kann man an den verschiedenen 704 Zuckungs-Gesetz. [§. 338.] Nervenstrecken oft gleichzeitig die verschiedenen Stadien vor- finden. — Nach Valentin, A. Fick , Cl. Bernard, Schiff u. A. soll der lebende , völlig unversehrte Nerv nur Schliessungszuckungen bei jeder Stromrichtung zeigen, nur bei grösserer Stromstärke auch Oeff- nungszuckungen . FieiscM's Mit Rücksicht auf die Thatsache , dass im Verlauf eines Nerven gewisse Zuckungs- punkte in ihrer Reizbarkeit prävaliren (§. 327. 8), ist von v. Fleisch! und Stricker ein abweichendes Zuckungsgesetz aufgestellt worden, v. Fidschi fonnulirt dasselbe also: — Der N. ischiadicus zerfällt in 3 Strecken: — die 1. Strecke reicht vom Muskel bis zum Abgang der Aeste für die Oberschenkelmuskulatur, — die 2. von hier bis zum Ggl. intervertebrale und die — 3. von hier bis in das Rücken- mark hinein. Jede dieser 3 Stellen besteht aus 2 Theilen („oberer und unterer Pol"), welche in einem „Aequator" an einander stossen. In jedem oberen Pol prävalirt die Empfindlichkeit des Nerven für absteigende Ströme, in jedem unteren Pol für aufsteigende. An jedem Aequator ist die Empfindlichkeit für auf- und ab-steigende Ströme gleich. — Der Unterschied in der Wirksamkeit der beiden Stromrichtungen ist für eine Stelle des Nerven um so grösser, je weiter diese Stelle von dem Aequator ihrer Strecke entfernt ist. An denjenigen Punkten des Nerven , an denen die drei Strecken aneinander stossen , herrscht eine geringe Reizbarkeit. Eckhard sah bei lebenden Kaninchen bei mittelstarken Strömen, die den N. hypoglossus durchliefen, bei aufsteigendem Strome ein F 1 i m m e r n der Zungen- hälfte (statt einer Zuckung) bei der Oeffnung, bei absteigendem ein solches bei der Schliessung der Kette. (Vgl. §. 299. 3.) Bildlicher Pflüger hat das Zuckungsgesetz durch eine bildliche Darstellung versinn- Vergieich des j^^ Nach ihm befinden sich die Moleküle des ruhenden Nerven im Zustande ZucKungs' gesetzes. einer gewissen mittleren Beweglichkeit. Im Katelektrotonus ist die Beweglichkeit der Moleküle erhöht, im Anelektrotonus hingegen herabgesetzt. Hiernach wirkt es also als ein Reiz , wenn die Nerven-Moleküle aus dem Ruhezustand in den leichtbeweglichen, — oder wenn sie aus dem schwerbeweglichen in den der mitt- leren Beweglichkeit (der Ruhe) übergehen. Erregungs- ß. Analoge Erscheinungen, wie sie das Zuckungsgesetz für die Hemmung*-6 motorischen Nerven liefert, lassen sich auch für die Hemmung s- nerven. n6rven feststellen. Mole sc hott , v. Bezold , Donders haben nach dieser Richtung hin den Herzvagus untersucht. Die Resultate entsprechen durchaus den an motorischen Nerven gewonnenen, nur dass natürlich der am Bewegungsnerven eintretenden Zuckung hier eine Hemmung der Herzschläge entspricht. p/ lüger 's C. Ebenfalls gleichmässig verhalten sich auch die Gefühls- Gr€ii€tz der elektrischen n e r v e n , — nur muss natürlich berücksichtigt werden, dass das per- dungen. cipirende Organ hier am centralen Ende der Nervenbahn liegt, während es sich beim motorischen Nerven am peripherischen Ende (Muskel) findet. Pflüger studirte den Einfluss von Schliessung und Oeffnung am sensiblen Nerven durch Beobachtung der auftretenden Reflexzuckung; schwache Ströme zeigten nur Schliessungszuckungen , — mittel- starke Schliessungs- und Oeffnungs-Zuckungen , — starke abstei- gende nur Oeffnungs-, aufsteigende nur Schliessungs-Zuckung. — Auf die Haut des Menschen applicirt, bewirken schwache Ströme bei beiden Stromesrichtungen nur Schliessungsempfindung , — starke absteigende nur Oeffnungsempfindung , starke aufsteigende schliesslich nur Schliessungsempfindung (Marianini, Matteucci). — Während des Geschlossenseins der Kette herrscht ein prickelndbrennen- des Gefühl, das mit der Stromstärke zunimmt (Volta). — Die, an den Sinnesnerven beobachteten Erscheinungen (Licht- und Klang- empfindungen) sind den vorstehenden analog (Volta, Ritter). [§. 338.] Zuckungs-Gesetz. 705 D. Am Muskel — wird das Zuckungsgesetz in der Weise ge- zuekunga- prüft, dass man das eine Ende desselben ausgespannt erhält, so das-* 9Mu»keh es sieh nicht verkürzen kann, und an diesem die Kette schliesst und öffnet. Es zeigt dann das bewegliche Ende genau dasselbe Gesetz der Zuckungen, als wäre der motorische Xerv gereizt (v. Bezold). Bei der Schliessung beginnt die Zuckung an der Kathode, bei der Oeffnung an der Anode (Enge/ mann). E. Hering und Biedermann zeigten noch genauer, dass Schli essungs- und Oeffnungs -Zuckungen reine Polar- wirkungen sind. Sie fanden nämlich, dass, wenn. ein schwacher Strom am Muskel geschlossen wird, als erster Erfolg eine kleine, auf die Kathodenhälfte des Muskels beschränkte Zuckung eintritt. Verstärkung des Stromes bewirkt stärkere Zuckung , die sich bis zur Anode hin erstreckt, aber hier doch schwächer ist, als an der Kathode ; zugleich verharrt nun der Muskel während des Geschlossenseins in einer dauernden Contraction. Bei der Oeffnung erfolgt die Zuckung von der Stelle der Anode aus; auch nach der Oeffnung kann der Muskel noch eine Zeit lang in einer Contraction verharren, welche durch Schliessung des gleichgerichteten Stromes aufhört. — Auch an den glatten Muskeln des ausgeschnittenen und warm gehaltenen Uterus und Darmes bekundet sich das Gesetz der polaren Wirkung (Engelmann. Biedermann & Simchowitz) , ebenso am Hautmuskel- schlauche der Würmer (Fürst) und der Holothurien (Biedermann) . [Merkwürdiger Weise zeigen die meisten Protisten (Rhizopodeu) gerade umgekehrt bei der Schliessung Anoden Wirkung (VerwornJ\. Abtödtung eines Muskelendes durch verschiedene Eingriffe luvt Abnahme der Erregbarkeit in der Nähe dieser todten Stelle zur Folge. Daher ist au einer solchen Stelle die polare Wirkung nur schwach (van Loon &> Engelmann , Biedermann . Auch Benetzung einer Stelle mit Fleischwasser, Kali oder Alkohol setzt local die polare Wirkung herab. Natronsalze und Verairin steigern sie Biedermann . Unter Umständen können bei Längsdur cliströmung eines Muskels (z. B. nach Abtödtung seines einen Endes, oder bei peripheren Muskellähmungen beim Menschen, pag. 713) sowohl während der Schliessung, als auch nach Oeffnung eines Kettenstromes an beiden Enden des Muskels nicht nur Dauererreguiigen hervortreten, sondern auch Zuckungen sich zeigen Biedermann . Die, am Muskel während des Geschlossenseins der Kette mitunter beob- achtete dauernde, massige Verkürzung [,,S c h 1 i e s s u n g s d a u e r c o n tr a c t i o n " J (Fig. 175. IV) rührt her vom abnormen Anhalten des Kathoden-Schliessungswulstes (bei starken Beizen, oder im Absterbestadium, oder bei abgekühlten Winterfröschen I : auch die Oeffnung bat mitunter eine ähnliche, von der Anode herrührende, Con- traction zur Folge Biedei-mann . — Behandlung des Muskels mit kohlensaures Natron haltiger 2°/0. Kochsalzlösung steigert die Dauercontraction erheblich, und sie treten dann mitunter als rhythmische Verkürzungen auf Biedermann). Wird der ganze Muskel in den Stromkreis eingeschaltet, so ist die Schliessungszuckung bei beiden Stromrichtungen vorherrschend : während des Geschlossenseins zeigt sich bei aufsteigendem Strome am stärksten eine dauernde Contraction (Wundt). Merkwürdiger Weise hat der constante Strom auf einen, in einer Bemmende Dauercontraction befindlichen Muskel den ganz entgegen- Zu- gesetzten Einfhiss, wie auf den erschlafften. Leitet man ^mittelst un- polarisirbarer Elektroden) einen Kettenstrom der Länge nach durch einen, in Dauercontraction befindlichen Muskel (z. B. bei Veratrinver giftung, oder durch den Contrahirten Ventrikel), so beginnt beim Schliß Landois, Physiologie. 7. Aufl. 45 ung. 706 Zuckungs-Gesetz. [§. 338.] an der Anode eine Erschlaffung und breitet sich von hier weiter aus ; beim Oefihen des Stromes am dauernd contrahirten Muskel erfolgt die Erschlaffung von der Kathode aus. Diesen merkwürdigen Erscheinungen entsprechend zeigen sich auch die Ströme in der Muskelsubstanz nach Maassgabe des Gesetzes, dass jede contrahirte Stelle negativ sich verhält zu jedem ruhenden Abschnitte eines Muskels (Bieder- mann). Vielleicht werfen auf diese Beobachtungen die Versuche Pawlow's Licht, welcher am Schliessmuskel der Muschel Nervenfasern fand , deren Reizung die Contraction des Muskels zur Erschlaffung brachte. roita- igt ein ]s[erv oder Muskel längere Zeit von einem con- Nach- stanten Strome durchflössen gewesen , so zeigt sich oft ein irkungen. <}auern(}er Tetanus nach der Oeffnung (der schon besprochene „Rüter'sche Oeffnungstetanus", 1798). Schliessung der ursprüng- lichen Stromesrichtung beseitigt ihn wieder, hingegen Schliessung eines entgegengesetzten Stromes verstärkt denselben („ Vo/ta^sche Alternative"). Die anhaltende Durchströmung erhöht nämlich die Erregbarkeit für die Oeffnung des gleichgerichteten und für die Schliessung des entgegengesetzten Stromes, umgekehrt ver- mindert sie dieselbe für die Schliessung des gleichgerichteten und die Oeffnung des entgegengesetzten (Volta, J. Rosenthal, Wundt). Nach Grützner und Tigerstedt liegt die Ursache der Oeffnungszuckung zum Theil in der Entstehung polarisirender Nachströme (§. 335) , nach Hermann in der Abnahme der auodischen positiven Polarisation. Engelmann und Grünhagen erklärten den Oeffnungs- und den Schliessungs- Tetanus in abweichender AYeise, nämlich von latenten Eeizungen des präparirten Nerven (Vertrocknen, Temperaturschwankungen) herrührend, die an und für sich zu schwach sind zum Tetanisiren, die aber zur Wirkung gelangen, wenn in der Kathodenwirkung nach der Schliessung, in der Anodengegend nach der Oeffnung eine gesteigerte Erregbarkeit des Nerven Platz greift. Biedermann zeigte, dass man unter Umständen am Froschnervenpräparate zwei hintereinander erfolgende Oeffnungszuckimgen beobachten kann, von denen die zweite (später erfolgende) dem A'zVfer' sehen Tetanus entspricht. Die erste dieser Zuckungen ist bedingt durch das Vorgehen des Anelektrotonus im Sinne Pflüger's, die zweite erklärt sich wie der AY/zVr'sche Oeffnungstetanus im Sinne Engelmann'' s und Grünhagen 's . Gleichzeitige Wirkung des constanten Stromes und des eigenen Stromes; — Wirkung zweier Ströme. — In dem, zur Prüfung des Zuckungsgesetzes her- gerichteten Froschpräparate kommt es im Nerven natürlich zur Entwickelung eines Demarkationsstromes (§. 336. II). Wird nun an einem solchen Nerven ein künstlicher schwacher Eeizstrom angebracht, so kann es zwischen diesen beiden Strömen zu Interferenzerscheinungen kommen : die Schliessung eines sehr schwachen Kettenstromes erzeugt eine Zuckung, die eigentlich keine Schliessungszuckung ist, sondern auf der Oeffnung (Ableitung) eines Zweiges des Demarkationsstromes beruht; — umgekehrt kann die Oeffnung eines schwachen Kettenstromes eine Zuckung erzeugen, die eigentlich auf Schliessung des durch Nebenschliessung (durch die Elek- troden) abgeleiteten Nervonstromzweiges beruht (E. Hering, Biederma?in, Griitzner). Wird ein motorischer Nerv gleichzeitig von 2 Inductionsschlägen getroffen, so sind folgende 2 Fälle möglich. Entweder der eine Inductionsschlag ist so schwach , dass der Nerv durch ihn allein nicht zuckungserregend gereizt wird, während der andere Schlag eine nur schwache Zuckung bewirkt. In diesem Falle spielt der inframinimale Schlag die Rolle eines schwachen Kettenstromes und die Grösse der Zuckung hängt nur davon ab, ob der wirksame Reizschlag im Bereiche der Anode oder der Kathode des inframinimalen Schlages liegt (Sewall, Grünlingen, WerigoJ. — Bringt man jedoch (weit von einander entfernt behufs Ausschluss elektrotonischer Wirkung) am Nerven 2 ungleich starke Reizschläge an, welche jeder für sich bereits wirksam sind, so tritt der Erfolg ein, als wenn der stärkere Reiz allein wirkte. Die schwächere Erregungswelle geht nämlich in der stärkeren vollkommen unter (Griinhagen, WerigoJ.. [§.339.] Schnelligkeit der Leitung der Erregung im Nerven. 70*3 339. Schnelligkeit der Leitung der Erregung im Nerven. 1 . "Wird ein motorischer Nerv an seinem centralen Fort- Ende gereizt, so pflanzt sich die Erregung durch die Bahn des ge$eh^nd%- Nerven hindurch bis zum Muskel mit einer grossen Geschwin- E^J^im digkeit fort, welche für den Hüftnerven des Frosches 211/i Meter motorischen in 1 Secunde (v. Helmholtz), für den motorischen des Menschen 33,9 M. beträgt (v. Helmholtz & Boxt). Den Eingeweidenerven kommt scheinbar eine geringere Leitungs- geschwindigkeit zu . z. B. den Schlundfasern des Vagus 8,2 M. Chauveau). — Für den motorischen Nerven des Hummers fanden Fredericq £? van de Felde 6 Meter. Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit unterliegt einigen E i n- EJ^^ße flüssen: — Kälte verlangsamt sie erheblich (v. Helmlwltz), aber auch stärkere Erwärmung des Nerven (Steiner & Trojtzky), — ebenso Curare, sowie der elektrotonische Zustand (v. Bezold), oder allein der Anelektrotonus , während der Katelektrotonus sie be- schleunigt (Rutherford, Wundt). Sie variirt ferner (?j mit der Länge der leitenden Strecke (H. Munk , Rosenthal), — nimmt jedoch mit der Stärke des Reizes zu (v. Helmholtz & Baxi ' u. A.), anfänglich jedoch nicht (v. Vintschgau) . (Vgl. auch §. 327. 7.) Methode: — v. Helmholtz (1850) bestimmte für den motorischen Frosch- v- Beim- nerven die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Erregung nach der Methode von ^tkode der Pouillet , welche darauf beruht , dass die Nadel des Galvanometers durch einen it-stimmung nur kurze Zeit dauernden Strom abgelenkt wird : — die Grösse der Ab- der Fort- lenkung ist proportional der Dauer und der (hier bekannten) Stärke g^'^lndiä- des Stromes. Die Methode selbst wird nun so verwendet, dass man den keit der „zeitmessenden Strom-' schliesst in dem Momente, in w e 1 c h e m Erregung im der Nerv gereizt wird, und ihn wieder öffnen lässt, wenn fr°aatnerven. der Muskel zuckt. Reizt man nun den Nerven einmal andern äussersten centralen Ende, das zweite Mal dicht an seinem Eintritte in den Muskel, so wird in letzterem Falle die Zeit zwischen Reiz beginn und Zuckung kürzer sein (also der Galvano- meterausschlag geringer ausfallen), als im ersteren Falle, da der Reiz durch den ganzen Nerven bis zum Muskel hin zu verlaufen hat. Die Differenz beider Zeiten ist die Fortpflanzungszeit für den Reiz in der untersuchten Nervenstre cke. Fig. Ü 14 giebt ein Schema der Versuchsanordnung. Das Galvano- meter G wird in den (vorläufig noch offenen), den zeitmessenden Strom liefernden Kreis (a. b. c. d. e. f. h.) eingeschaltet. Der Schluss erfolg! durch das Niederdrücken des Hebels S, wobei d die Platinplatte c der Wippe W niederdrückt. Sofort inii dem beginnenden Schluss schlägt die Magnetnadel aus: die Gr • des Ausschlages wird festgestellt. In demselben Momente nun, in welchem der Strom zwischen c und d geschlossen wird, wird durch Erhebung des Endes der Wippe bei i der primäre Kreis des In du cti onsappar a tes (k. i. p. 0. m. 1.) geöffnet. Hierdurch wird in der Indnctionsspirale 1! ein "effnungs- schlag inducirt, der den Nerven des aufgehängten Froschschenkels bei n reizt. Der Reiz pflanzt sich durch den Nerven zum Muskel (M) hin fort; letzterer zuckt sobald er ihn erreicht hat, und öffnet durch Erhebung des Hebels II (der um x drehbar ist) den zeitmessenden Strom bei dem Doppelcontacte e und f. Im Momente der Oeffnung hörl der weitere Ausschlag der Magnetnadel auf. [Der Contact in f besteht aus der, zu einem Faden ausgezogenen Quecksilberkuppe Senkt sich nach der Zuckung des Muskels der Hebel H nieder, so dass die Spitze e auf die darunterliegende feste Plane y zurücksinkt, so bleibt der Contact bei t dennoch offen, also auch der Galvanometerkrei tmung Ueber eme andere Methode siehe §. 334. 5. der Leitung*- Am Menschen — bestimmten .-. . & Baxi die Fortpflanze • 'y7* geschwindigkeit des Reizes im N. medianus dadurch, dass sie die Muskulatur mediemuä. 708 Schnelligkeit der Leitung der Erregung im Nerven. [§• 339.] des Daumenballens ihre Zuckung (Dickencurve) mittelst eines Hebels auf einen schnell rotirenden Cylinder aufschreiben Hessen. Die Beizung des Nerven geschah das eine Mal in der Achselhöhle , das zweite Mal am Handgelenke. An beiden Zuckungscurven zeigten sich natürlich Unterschiede im Momente des Beginnes. Die Differenz der Zeitwerthe für diese beiden giebt die Zeit für die Leitung in der vorliegenden Nervenstrecke. [Beim Versuche wird der ganze Arm , behufs Erzielung der Buhe in den Armmuskeln , in einen Gypsverband eingeschlossen.] Nach Bernstein dauert es, damit der Eeiz, welcher durch den motorischen Nerven zum Muskel hin verläuft, die motorischen Nerven- endigungen errege, im Mittel 0,0032 Secunde (Frosch). Fig. 214. W k v. Heimholte Methode zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Nervenreizes. Fort- pflanzungs- geschvnndig- keil im sensiblen Nerven. Methode der Bestimmung. Krankhafte Verlang- lamung d>:r Nercen- lei'ung. 2. Im sensiblen Nerven des M e n s c h e n pflanzt sich die Erregung wahrscheinlich ebenso schnell, wie im motorischen fort; [die ermittelten "Werthe schwanken allerdings in der er- heblichen Breite zwischen 94 — 30 Meter in 1 See. (v. Helmholtz, Kohlrausch, v. Wittich, Schelske, Hirsch, de Jaager u. A.)]. Methode der Untersuchung : — Bei einer Versuchsperson werden hinter- einander zwei, vom Gehirne möglichst ungleich weit entfernte Bunkte momentan gereizt (z. B. Ohrmuschel und die grosse Zehe, etwa durch einen Inductions- Oeffnungsschlag) ; das Beizmoment wird markirt (etwa durch das Beginnen der Schwingungen der Stimmgabelplatte, indem das Abreissen der Klammer von der Stimmgabel zugleich den primären Stromkreis öffnet) (vgl. pg. 152). Die Versuchsperson hat nun beide Male, sobald sie die Beizung empfindet , ein auf die Tafel zu vermerkendes Zeichen abzugeben. [Ueber die hierbei in Betracht kommende „Beactionszeit" vgl. §. 376.] Pathologisches: — Man hat bei Bückenmarkskranken (§.336) mitunter die merkwürdige Beobachtung einer auffallend verspäteten Leitung in den Gefühlsnerven der Haut gemacht. Hierbei kann die Empfindung selbst unver- ändert sein. Mitunter sah man blos die Leitung der Schmerzempfindung verlang- samt, so dass ein schmerzhafter Eingriff auf die Haut zuerst nur als Tastempfindung und dann als Schmerz pereipirt wurde , oder auch umgekehrt. Ist der zeitliche [§. 339.] Doppelsinnige Nervenleitung. 709 Abstand in diesen beiden Wahrnehmungen besonders gross , so kommt es zu einer völlig getrennten Doppelempfindung Naunyn, E. Remak , Eulenburg, F. Fischerj. Im Gebiete der motorischen Nerven beobachtete man selten, dass bei sonst gut entwickelter Muskulatur gewollte Bewegungen um sehr viel langsamer ausgeführt werden konnten, da die Zeit zwischen dem Willensinipulse und der Contraction verlängert war , und ausserdem die Muskeln sich in längerer Zeit, also mehr tonisch zusammengezogen Petrone . — Bei Tabetikern sah man auch die Reflexbewegungen verspätet ausgelöst werden: bei AVärmereizen (60°) später, als bei Kältereizen (0,5° C.) (Ewald). 340. Doppel sinnige Nervenleitung. Diejenige Eigenschaft des lebendigen Nerven . welche ihn Leutmg*- befähigt , einen empfangenen Reiz durch seine Bahn hindurch fortzupflanzen, wird sein Leitungs vermögen genannt. — Alle Eingriffe , welche im Verlaufe der Bahn den Nerven ent- weder in seiner Continuität verletzen (Durchschneidung. unter- Unterbindung , Abquetschung , chemische Zerstörung) , oder an rtLeüung. einer Stelle seine Erregbarkeit vernichten (absoluter Blutmangel ; gewisse Gifte , z. B. Curare für die motorischen Nerven; auch starker Anelektrotonus . vgl. pg. 700). zerstören das Leitungsvermögen. Die Leitung geschieht stets nur durch Gesetz der direct in Verbindung stehende Easern . niemals vermag die TeilL^. Leitung auf eine nebenliegende Faser übertragen zu werden (,. Gesetz der isolirten Leitung"). Unter „doppelsinniger Leitung" verstehen wir das du doppa- Vermögen des Nerven nach beiden Richtungen hin einen . in Nerven- seinem Verlaufe angebrachten Reiz in seiner Bahn fortzupflanzen. Mtuns- Freilich bringt es im intacten Körper die gegebene anatomische Verknüpfung mit sich , dass der motorische Nerv n u r centri- fugal , der sensible nur eentripetal zu leiten vermag: allein unter passend angeordneten Verhältnissen lässt sich zeigen, dass jeder Nerv nach beiden Richtungen hin zu leiten im Stande ist (ähnlich einem unbelebten Leiter). Die Beweise, — welche man für das Vorhandensein der flewefce. doppelsinnigen Leitung- beigebracht hat, sind folgende : 1. Wird ein Nerv gereizt, so zeigen sicli in der Richtung auf- Elektrische wärts und abwärts am Stamme Veränderungen seiner elek- achtungen. t riscben Eigenschaften (siehe negative Stromesschwankung im Nerven, pg. 700). 2. Wird beim Zitterwelse das hintere, freie Ende der elektrischen, Versuch am centrifugalleitendeu Nervenfasern gereizt, so gerathen die oberhalb davon abgehenden Zweige in Miterregung, so dass sich das ganze elektrische Organ entladet (RabucJiin. Mantey). — Wird das untere Drittel des FroBoh-Sartorius län^s gespalten und nun der eine Zipfel mechanisch "<* «»» gereizt, so geht der Reiz in solchen gabelig get heilten Nerven- fasern, deren eine Zinke in dem gereizten , die andere in dem unge- reizten Muskelzipfel liegt, zuerst aufwärts bis zur Theilungsstelle, dann von hier centrifugal in den nicht gereizten Muskelzipfel, dessen einzelne Fasern nun zucken (Kühne). — Der Musculus graoilis wird durch «*«<* Oraeau. eine Inscriptio tendinea in zwei Hälften gerheilt. Die Nerven zu beiden 710 Anwendung der Elektricität zu Heilzwecken. [§• 340.] gehen hervor aus einer Gabeltheilung je einzelner Fasern im Nervenstamm. Jede Keizung des Nerven für den einen Muskel- abschnitt bewirkt Zuckung in beiden Muskelhälften (Kühne) . Alle älteren, aus Durchsclmeidungs- und Wiederverwachsungs-Versuchen hergeleiteten Beweise für die doppelsinnige Nervenleitung (Ginge &• Thiernesse, B. PertJ sind einer eingehenden Kritik gegenüber nicht stichhaltig (Kochs). 341. Anwendung der Elektricität zu Heilzwecken. Entartungsreaction für Muskel und Nerv. Die Elektricität wird vielfach in der Medicin zu Heilzwecken angewandt, und zwar kommen ganz vorwiegend theils die schnell unterbrochenen Ströme des Inductionsapparates (§. 332) (faradische Ströme, namentlich seit Duchenne, 1847), der magnetelektromotorischen Maschinen (pg. 686), oder der Extrastrom-Apparate (pg. 682) , — theils die c o n s t a nt e n Kettenströme (pg. 676) (zumal seit Remak, 1855) zur Anwendung. Fig. 215. N. radialis. M. brachial, intern. radial, est. brev. M. extens. digit. communis. M. extens. digit. min M. extens. indicis M. triceps (caput ext.) M. triceps (caput long.) M. deltoideus i (hint. Hälfte). (N. axillaris). M. abduct. pollic. long, M. extens. pollic. brev. M. extens. poll. long. Anwendung inducirter Ströme bei Lähmungen, Mm. inteross. dorsal. I, II, III et IV. (N. ulnaris). Motorische Punkte des N. radialis und der von ihm versorgten Muskeln, Dorsalfläche der oberen Extremität (nach Eichhorst), Die Anwendung der Elektricität gründet sich auf die physikalischen und physiologischen Eigenschaft en derselben. I. Bei Lähmungen — werden faradische Ströme mittelst passender, mit Schwämmen überdeckter, nasser Elektroden entweder auf den Muskel selbst (Duchenne) , oder auf die Eintrittsstelle des motorischen Nerven (v. Ziemssen) applicirt: Fig. 215, 216, 217, 218; die Abbildung Fig. 224 zeigt die motorischen Punkte im Antlitz, — die Fig. 223 die des Halses. Man ist bei der Faradisirung zunächst von der Intention geleitet, den gelähmten Muskel durch die künstlich erregten Bewegungen vor secundärer Entartung zu schützen, der er bei andauernder Unthätigkeit anheimfallen würde. Sind für den gelähmten Muskel neben seinen motorischen Nerven auch noch seine trophischen unthätig, so hat leider selbst eine anhaltende Faradisation keinen durchschlagenden Erfolg, da der Muskel trotz derselben atrophirt (§. 327. 4). Die Anwendung der inducirten Ströme kann aber auch dadurch den gelähmten Muskeln einen Vortheil bringen, dass sie den Blutgehalt der Muskeln [§• 341.] Anwendung der Elektricität zu Heilzwecken. 711 vermehren und ref 1 ectorisch auf den Stoffwechsel in denselben einwirken. — Schwache Inductionsströme vennögen überdies die Erregbar- keit geschwächter Nerven wieder zu beleben fv. Bezold, Engelmann), Der constante Strom — verdient bei den Lähmungen nicht sowohl als Reiz durch Hervorrufen von Zuckungen (beim Schliessen , Oeffnen , Wenden, Verstärken und Schwächen des Stromes) Beachtung, als vielmehr durch die so- genannte „polare Wirkung". Beim Schluss der Kette wird nämlich der Nerv an der Kathode in Erregung versetzt, ebenso beim Oeffnen der Kette an der Anode (vgl. §.338). Sodann ist während des Geschlossen- seins der Kette am Nerven die Erregbarkeit erhöht an der Kathode (vgl. §. 337), wodurch also heilkräftigend auf den Nerven eingewirkt werden kann. Beim Menschen hat man jedoch bei percutaner Galvanisation auf die besonderen. pg. 701 beschriebenen Verhältnisse zu achten. Man trifft, nämlich in der Nähe der Anode auch gesteigerte Erregbarkeit. Man sieht dies zumal bei wiederholter Wendung des Stromes, aber auch nach Schliessung und Oeftnung, oder gar bei gleichmässiger Strömung. Wird der durch den Strom gewonnene Zuwachs der Erregbarkeit geprüft, so zeigt sich, dass durch die Richtung des Stromes die Wirkung des Ketten- stromes bei Lähmungen. Polare Wirkung. Fi Monakow; (§. 380, IV). Aus dem Kleinhirn kommen Wurzelfasern durch den Bindearm hinzu. Der Tractus bildet mit dem der anderen Seite das C h i a s m a, aus welchem jederseits der N. opticus hervorgeht. Im Chiasma findet (in der Regel) die halbe Kreuzung der Fasern statt (Fig. 219), so dass der linke Tractus Fasern in die beiden Unken Netzhauthälften, der reclite in die beiden rechten Hälften sendet. Schema der Semiclecussation der Sehnerven. [§. 346.] Nervus opticus. 721 So ist es erklärlich, dass beim Menschen die Zerstörung des einen Tractus sogenannte „gleichnamige Hemiopie", d. h. Blindheit der beiden correspondirenden Netzhauthälften im vorbesagten Sinne erzeugt (§. 370. IV. 1). — Sagittale Durchtrennung des Chiasma bewirkte beim Menschen in einem Falle Blindheit beider nasalen Netzhauthälften (Weir Mitchell). — In sehr seltenen Fällen fehlte beim Menschen die Kreuzung völlig fVesal , Caldani, Lösel u. A.). Unter den Thieren haben partielle Kreuzung: Kaninchen, Katze, Hund, — totale Kreuzung: Mau.--, Meerschweinchen, Taube, Eule 'Singer & Münzer). Bei den Knochenfischen laufen beide Sehnerven isolirt gekreuzt über einander weg ; bei den Cyclostomen fehlt jede Kreuzung. Eine b e s o n d e r e C o m m i s s u r (C. inferior) zieht bogenförmig den hinteren "Winkel des Chiasma auskleidend (Gudden,:. Sie entartet nicht nach Exstirpation der Bulbi, ist daher als intercentrale Verbindung aufzufassen. Wie die Zerstörung des Tractus opticus wirkt natürlich auch die seiner Ursprünge, nach Bechterew allein schon die des Corpus geniculatum externum und des Brachium anterius. Nach Ex stirpation eines Auges entarten centralwärts die in den N. opticus desselben eingetretenen Fasern (Gudden) , also beim Menschen je die Hälfte der Fasern in jedem Tractus Baumgarten, Mohn. Nach Durchschneidung bei der Nn. optici (oder Enucleation beider Bulbi) degeneriren centralwärts natürlich die beiden ganzen Tractus. Die Entartung geht bis zu den Ursprüngen in den Vier- hügeln, Kniehöckern und Pulvinar, jedoch nicht in die Leitungsbahn bis zum psychooptischen Centrum (v. Monakow, (vgl. §. 380. IV. 1). Er ist der Sehnerv, — dessen physiologische Erregung Function. nur durch Uebertragung der Schwingungen des Lichtäthers auf die Stäbchen und Zapfen der Retina erfolgt (siehe Gesichtssinn . Jede anderweitige Reizung des Nerven, auch in seinem Ver- laufe oder Centrum . erzeugt L i c h t e m p f i n d u n g. Durc li- sch neidung oder Entartung hat Blindheit zur Folge. — Reizung des Sehnerven bewirkt auch reflectorisch Ver- engerung der Pupillen durch den Oeulimotorius (pg. 723. 2). hochgradige auch Lidschluss und Thränenfluss (pg. 725). — lieber den Einfluss desLichtes auf den Stoffwechsel vgl. §. 133. 9. Da der Sehnerv gesonderte Verbindungen hat sowohl mit dem psychooptischen (§. 380. IV), als auch mit dem p u p i 1 1 e n- verengernden Centrum (§. 347), so ist es erklärlich, dass unter pathologischen Verhältnissen einerseits Erblindung mit erhaltener [ris reaction, andererseits Verlust der Irisbewegung bei erhaltener Sehkraft beobachtet ist (Wernicke). Im Sehnerven fand Gudden zwei verschiedene Arten von Fasern : feine oder Sehfasern, deren Centrum im contralateralen Vierhügel liegt — und grobe oder Pupillenfasern, deren Ursprung im äusseren Kniehöcker wurzelt. Zerstörung der Sehfasern macht blind. — die der i'upillenfasern zieht starke Sehloch-Erweiterung nach sich. Pathologisches: — Reizungen im Bereiche des ganzen nervösen Apparates fatho- können übermässige Empfindlichkeit des Sehwerkzeuges (Hyperaesthesia !°.'isches- optica), oder auch Gesichtsempfindungen verschiedenster Art hervorrufen (Pho- topsien, Chromopsien), die sich bei Erregungen des psychooptischen Centrnms sogar bis zu Gesichtshallucinationen steigern können (§. 380. IV). — Materielle Veränderungen und Entzündungen am Nervenapparal h;ilien oft nervöse Sehschwäche (Amblyopie) oder gar Blindheit (Amaurose) zur Folge. Doch können beide Umstände auch als Zeichen der Mitleidenschaft andern- Organe, als sogenannte „sympa thische" (wohl oft auf Veränderungen der Blutbewegung durch Erregung der Gefässnerven beruhend) auftreten, die am ehesten der Rück- bildung fähig sind. Landois, Physiologie. 7. Aufl. _J.( ; 722 Nervus oeulomotorius. [§• 346.] Manche Gifte, — wie Blei und Alkohol können die Sehthätigkeit stören. Merkwürdige intennittirende Formen der Amaurosen sind die Tag- und die Nacht- Blindheit (Hemeralopie, z.B. bei Leberkrankheiten und Nyktalopie). Anatomi- sches. 347. III. Nervus oeulomotorius. Er entspringt aus dem, in der Verlängerung der Vorderhörner liegenden Oculomotoriuskern (als vordere Fortsetzung des Trochleariskernes) unterhalb des Aquaeductus Sylvii (Fig. 220). Der Ursprung hängt mit dem vorderen Vierhügel zusammen, bis wohin sich die intraoeulären Fasern verfolgen lassen, Fia;. 220. Brachium conjunetivum anticum Brachium conjunctivuui posticum Corpus geniculatum mediale Eminentia tere; Pedunculus cerebri d corporat quadrige-l ruina / ad niedullam I oblontratam ' Ala cinerea Acceaaorius-Kern Obex Clava Funicnlus euneiforroi Funiculuä graciliä Medulla oblongata und Vierhügel vergrössert. — Die Zahlen IV— XU bezeichnen die austretenden Hirnnerven , —die Zahlen 3— 12 geben die Lage der Ursprungskerne derselben an. — t Funiculus teres. und ferner durch den Pedunculus mit der contralateralen Grosshimhälfte, wo im Gyrus angularis das Rindencentrum für ihn (und den 4. und 6. Hirnnerven) liegt (§.380.1). Dackschewitsch beschrieb noch einen oberen Ursprungskern. — Unweit des Pons tritt er zwischen den inneren Faserbündeln des Pedunculus hervor. [§. 347.] Nervus oculomotorius. 723 Er enthält: — 1. Die willkürlichen Bewegungsfasern für Function, alle äusseren Bulbusmuskeln (ausser den Mm. rectus externus und obliquus superior) und für den M. levator palpebrae supe- rioris. [Die Coordinationsbewegung beider Bulbi ist jedoch vom Willen unabhängig.] — 2. Die , durch reflectorische Erregung durch die Netzhaut thätigen Fasern für den M. s p h i n c t e r pupillae. — 3. Die Fasern für den Accommodationsmuskel (§. 380). Die Fasern 2 und 3 gehen hervor aus dem Aste für den M. obliquus inferior als Hadix brevis des Ggl. ciliare (Fig. 222. 3) und verlaufen von letzterem durch die Nn. ciliares breves in den Bulbus ; v. Trmiwetter, Adamük, Hensen & Völckers sahen bei Reizung des Nerven das Auge sich verändern wie beim Nahesehen und die Pupille sich verkleinern. [Genaueres über Ursprung der einzelnen Nervenpartien siehe im §. 380.] Das Centrum für die reflectorische Erregung der Sphincterfasern durch Lichtreize sind die Vierhügel, es liegt dem Aquaeductus Sylvii benachbart. [Genaueres darüber siehe §. 381 und §. 304.] — Die zugleich mit der Accommodations- bewegung erfolgende Sehlochverkleinerung ist als Mitbewegung aufzufassen (§. 304. 5). Beim Menschen anastoniosirt der Nerv am Sinus cavernosus mit dem Anastomosen. 1. Trigeminus-Aste , wodurch er Muskelgefühlsfasern bekommt (Valentin, Adamük), — ferner mit dem Sympathicus durch das carotische Geflecht und (?) indirect durch den Abducens, wodurch er G-ef ässn erven erhält. Als Varietäten — im Verlaufe der Pupillenfasern müssen die seltenen Varietäten. Fälle betrachtet werden, in welchen Sphincte renfasern im Abducens (Adamük), oder sogar im Tri gern inus (Schiff, v. Gräfe; angetroffen worden sind. Durch Atropin werden die intrabulbären Fasern des Au-opin. Oculimotorius gelähmt, — durch Calabar gereizt, [oder der ca'abar. Sympathicus gelähmt, oder beides ; — vgl. §. 304]. Pupillenverengerung bei Reizung des Nerven lässt sich am schönsten am abgeschnittenen und eröffneten Vogelkopfe demonstriren. Bei Erstickung, plötzlicher Hirnanämie (durch Ligatur der Kopfschlagadern oder durch Ent- hauptung) , ebenso durch plötzliche venöse Stase wird, wie im Tode, die Pupille weit durch Lähmung des Oculomotorius. Pathologisches: — Die vollständige Lähmung des Oculomotorius hat TAUimungen. zur Folge: — 1. Herabhängen des oberen Lides (Ptosis paralytica); — 2. Unbeweglichkeit des Augapfels; — 3. Schielen (Strabismus) nach aussen und unten [und in Folge hiervon Doppelsehen] ; — 4. Leichtes Hervortreten des Bulbus, weil der, nach vorn ziehende Obliquus superior an den (nach hinten ziehenden) drei gelähmten Eecti keine wirksamen Antagonisten mehr hat. Bei Thieren, die einen M. retractor bulbi haben, ist die Erscheinung prägnanter; — 5. Massige Erweiterung der Pupille (Mydriasis paralytica); — 6- Unver- mögen der Pupillenveränderung auf Lichtreiz ; — 7. Unvermögen der Accommo- dation des Auges für die Nähe. — Die Lähmung kann natürlich auch auf einzelne Zweige beschränkt oder unvollkommen seiu. Reizung — des Levator-Astes hat beim Menschen Lagophthalmus spasticus Heilungen. zur Folge, die der anderen Muskeläste einen entsprechenden Strabismus spasticus. Diese letzteren Reizungen können auch reflectorisch , z.B. beim Zahnen und bei Durchfällen der Kinder, erzeugt werden. Cionische Krämpfe äussern sieh bi- lateral als unwillkürliches Augenschwanken (Nystagmus) in Folge tiefer Reizung der Corpora nuadrigemina. — Tonischer Krampf des Sphincter pnpillai wird als Myosis spastica, clonischer als Hippus bezeichnet; auch wird Accommodationskrampf beobachtet, mir welchem wegen fehlerhafter Abschätzung der Entfernungen nicht selten Makropie verbunden ist. 46* 724 Nervus trochlearis. Nervus trigeniinus. [§•348.] Anatomi- sches. Anastomosen, Patho- logisches. 348. IV. Nervus trochlearis. Er entspringt nahe dem Oculomotorius aus dem, gewissermaassen eine Fortsetzung des Vorderhomes bildenden, Trochleariskem unterhalb der grauen Masse, welche die Sylvius1 sehe "Wasserleitung umgiebt, zieht dann zum unteren Eande des hinteren Vierhügels , weiterhin in das Velum medulläre superius, kreuzt sich mit der Wurzel der anderen Seite in demselben und tritt dann frei hervor (Fig. 220). Physiologisch gefordert sind Verbindungsfäden zu dem corticalen Bewegungscentrum der Augenmuskeln, pg. 722 (§. 380. I). Er ist willkürlicher Nerv des M. obliquus superior, (seine coordinirte Innervation aber ist unwillkürlich). Seine Verbindungen mit dem Plexus caroticus sympathici und dem ersten Aste des Trigeminus haben dieselbe Bedeutung, wie die analogen des Oculomotorius. Pathologisches: — Die Lähmung des Trochlearis hat nur eine geringe Einbusse der Beweglichkeit des Bulbus nach aussen und unten zur Folge : es besteht leichtes Ein- und Aufwärts- Schielen mit Doppelsehen. Die Bilder stehen schräg über einander, nähern sich einander, wenn der Kopf gegen die gesunde Seite geneigt wird , entfernen sich , wenn er auf die kranke sich senkt. Die Befallenen neigen anfangs den Kopf nach vorn, später drehen sie ihn um die verticale Achse nach der gesunden Seite. Bei Drehungen des Kopfes (wobei das gesunde Auge die primäre Stellung beibehalten kann) macht das Auge diese Drehung mit. — Krampf des Trochlearis hat Schielen nach aussen und unten zur Folge. Anatomi- sches. Motorische Wurzel. Sensible Wurzel. Centrale Anastomosen. Ggl. Gasser i X. recurrens. 349. V. Nervus trigeminus. Der Trigeminus (Fig. 222. 5) entspringt wie ein Spinalnerv mit zwei "Wurzeln (Fig. 121). Die kleinere, vordere, m o t o r i s c h e "Wurzel geht aus dem, an grossen Zellen reichen „motorischen Trigeminuskern" (Fig. 220. 5) hervor, am Boden Rautengrube unweit der Mittellinie. Vom corticalen Be- wegungscentram des Grosshirns gehen Fasern der anderen Seite durch den Pedunculus cerebri zu diesem Kerne. Ausserdem liefert die „absteigende1' Wurzel motorische Fasern. Diese (5,„) erstreckt sich vom vorderen Vierhügel seitlich entlang dem Aquaeductus Sylvii abwärts bis zur Austrittstelle des Nerven ^Henle, Forelj. [Diese Wurzel galt früher als trophisch (Merkel), oder als sensibel.] — Die grosse, sensible, hinter e Wurzel bezieht Fasern : — 1. aus den kleinen Zellen des seitlich vom motorischen Kern belegenen (5^ „sensiblen Trigeminuskern es", der ein Analogon des Hinterhornes ist; — 2. aus der grauen Substanz des Hinterhornes des Rückenmarkes abwärts bis zum 2. Hals- wirbel. Diese Fasern gehen in den weissen Hinterstrang und dann als „auf- steigende Wurzel" in den Trigeminus (5„); — 3. vom Kleinhirn durch den Bindearm hindurchziehende Fasern beschrieb Meynert. Die Ursprünge der sensiblen Wurzeln anastomosiren mit den motorischen Kernen aller, aus der Medulla oblongata her- vorkommenden Nerven mit Ausnahme des Abducens. Hierdurch er- klären sich die r ef lectorischen Einwirkungen. Der dicke Stamm tritt seitlich zwischen den Fasern des Pons hervor, dann bildet seine hintere Wurzel (vielleicht im Verein mit einigen Fasern der vorderen) auf der Spitze des Felsenbeines das Ggl. Gasseri (Fig. 222), zu welchen Fäden des Sympathicus aus dem Plexus cavernosus gehen). Dann theilt sich der Nerv in seine drei grossen Aeste. I. Ast: Raums ophthalmicus — (Fig. 222. d) erhält sym- pathische Fasern (Gefässnerven) aus dem Plexus caver- nosus, dann verläuft er durch die Fissura orbitalis in die Augen- höhle. Seine Zweige sind : 1. Der kleine N. recurrens giebt Gefühls äste zum Tentorium cerebelli. Zu ihm gesellen sich Fasern aus dem Plexus caroticus des Sympathicus als Gefässnerven der harten Hirnhaut. [§. 349.] Nervus tri°:eniinus. 725 2. Der N. lacrimalis giebt ab : — a) sensible Aeste -v. lacrimalis. zur Conjunctiva, dem oberen Lide , zur angrenzenden Schläfen- haut (Fig. 222. a); — b) wahre Secretionsf asern zur Thränendrüse (?); dem entsprechend soll Reizung des Nerven die Secretion bewirken . die Durchschneidung jedoch die reflec- torische Erregung der Absonderung durch die sensiblen Nerven am Auge aufheben. Später soll der Durchschneidung ein para- lytischer Thränenfluss folgen (Herzenstein & Wolferz, DemtscJienko ; Fig. 221. I. olf. II. opt. . III. ocm. Wjä IV. troch. %■ 1 W V.trg.^ VI. abd. VIII. acust.^ IX. ffloss2)h. X. vag. XI. access. Die Gehirnnerven I—XII nach Schwalbe. JR Insula Beilii. — h Hypophysis. — th Thalamus opticus. — cc Corpora candicantia. — um gl Corpora seniculata mediale et laterale. — py Pyramide. — ov Olive. — CYi erster Halsnerv. — von Reich bestritten). Reflectorisch kann auf die Absonderung- gewirkt werden durch starken Lichtreiz. Reizung des 1. und 2. Trigeminusastes [ja sogar aller sensiblen Hirnnerven (Devit- schenkoj] (§. 358. A. (i). 3, Der X. frontalis (f) giebt in seinem Supratroch- N.ßrantaHa. learis sensible und die T h r ä n e n s e c r e t i o n reflectoriscl i anregende Fasern zum oberen Lid. zur Braue, zur Glabella. — in seinem Supraorbitalis (b analoge Zweige zum oberen 726 Nervus trigeminus: (erster Ast; — Ggl. ciliare). [§•349.] A7. na30- ciliaris. Das Ggl. ciliare. Wurzeln desselben. Die Oiliarnerven. Sensible Fasern. Vaso- motorische Fasern. Motorische Faset n. Lid, zur Stirnhaut und der angrenzenden Schläfenhaut bis zum Scheitel hinauf. 4. Der N. nasociliaris (nc) giebt in seinem I n f r a- trochlearis analoge Fasern (wie 3) an die Conjunctiva, Caruncula und Saccus lacrimalis, das obere Lid, Braue, Nasen- wurzel. — Sein Ethmoi dalis versorgt die Nasen-Spitze und -Flügel aussen und innen mit sensiblen Aesten , ebenso den vorderen Theil des Septums und der unteren Muscheln mit Gefühls fasern (die auch zum Theil renectorisch Thränenfluss erregen) und vielleicht auch mit vasomotorischen Aesten, [welche der Anastomose mit dem Sympathicus entstammen dürften (?)]. Vom Nasociliaris kommen auch die lange Wurzel (1) des Ggl. ciliare (c) und 1 — 3 Nn. ciliares longi. Das Grg°l. ciliare (Fig. 222. c) — [eigentlich mit Recht eher dem 3. als dem 5. Nerven angehörig (Schwalbe)] hat drei Wurzeln: — ai die kurze vom Oculimotorius (3) (siehe pg. 723), ■ — b) die lange (1) vom Nasociliaris — und c) die sympathische (s) (mitunter mit b vereint) vom Plexus caro- ticus. — Aus dem Ganglion gehen 6 — 10 Nn. ciliares breves (t) hervor, welche zusammen mit den Longi in der Nähe des Ein- trittes des Opticus die Sclera durchbohren und zwischen ihr und der Aderhaut sich nach vorn begeben. Sie enthalten: 1. Die motorischenEasern für die Mm. Sphincter pupillae und Tensor chorioideae aus der Oculomotorius- wurzel (§. 347. 2, 3). 2. Sensible Fasern für die Cornea (Bochdalek), welche sich zwischen den Epithelien mit feinsten Fäserchen vertheilen, für die Conjunctiva bulbi, welche die Sclera durchbohren, (Giraldes). Diese erregen auch reflectorisch Thränenfluss (N- lacrimalis) und Lidschluss (N. facialis). Sensible Fasern erhält auch die Iris (schmerzt bei Entzündungen und Operationen), die Chorioidea (schmerzhafte Spannung bei Anstrengung des Tensor chorioideae) und die Sclera. 3. Vasomotorische Nerven für die Gefässe der Iris, Chorioidea und Retina. Diese entstammen aber nur zum Theil der sympathischen Wurzel und der Anastomose des Sym- pathicus mit dem ersten Aste (Wegner). Die Iris und Retina erhalten wohl die meisten Vasomotoren vom Trigeminus selbst (Rogow) , wenige vom Sympathicus; [nach Klein und Svetlin wer- den die Retinagefässe vom Sympathicus gar nicht (?) beeinflusst.] 4. Motorische Fasern für den M. dilatator pupillae, welche grösstentheils dem Sympathicus entstammen (Petit, 1727), und zwar der sympathischen Wurzel des Ganglions und der Anastomose des Sympathicus mit dem Trigeminus (Balogh, Oehl). — Aber auch der erste Ast enthält selbst pupillendilatirende Fasern (Schiff), die aus der Medulla oblongata direct in den ersten Ast gehen. Ob Dilatatorzweige beim Menschen durch die sympathische Wurzel des Ggl. ciliare und weiterhin durch die Nn. ciliares treten, ist nicht sicher erwiesen ; beim Hunde und bei der Katze wenigstens laufen diese Fasern nicht durch das [§. 349.] Nervus trigeminus : (Ggl. ciliare). 727 Ggl. ciliare , sondern direct am Opticus entlang zum Auge (Hensen &* Völckers) sämmtlich durch das Ggl. Gasseri, den 1. Ast ziehend und endlich durch die Nn. ciliares longi (Jegorow). Ueher das Centrum von 4. siehe §. 369. 8- Nach Durchschneidung des Trigeminus verengt sich daher nach einer kurz voraufgehenden Erweiterung (Kaninchen, Frosch) die Pupille , und nach Ausrottung des Ggl. cervicale supremum des Sympathicus ist die Erweiterungsfähigkeit der Pupille noch nicht völlig aufgehoben. Man kann jedoch auch die. bei Kaninchen schon nach einer halben Stunde sich ver- lierende, Verengerung auffassen als hervorgerufen durch eine reflectorische Erregung der Oculimotoriusfasern des Sphincter in Folge der schmerzhaften Reizung bei der Durchschneidung des Trigeminus. Es muss an dieser Stelle der Erscheinungen gedacht werden, welche die Reizung oder Lähmung des Halssympathicus — öder seiner Bahn aufwärts bis zum Auge hervorbringt. Bei der Beizung zeigt sich ausser Erweiterung der Pupille zunächst eine Wirkung auf die glatten Muskeln in der 0 r b i t a und in den Lidern. Dir Membrana orbitalis. welche die Augenhöhle von der Schläfengrube bei Thieren abgrenzt, enthält zahlreiche glatte Muskelfasern (M. orbitalis). Auch die, beim Menschen derselben entsprechende Membran der Fissura orbitalis inferior hat eine 1 Mm. dicke, meist der Länge nach durch die Spalte verlaufende Muskelschicht. Ferner haben beide Lider glatte Muskelfasern, welche sie verschmälern ; im oberen Lide verlaufen sie wie eine Verlängerung des Levator palpebrae supei ioris , im unteren liegen sie dicht unter der Con- junctiva. Auch die Te non' sehe Kapsel enthält glatte Muskelfasern. Auch diese Muskeln ^Heinrich Müller iunervirt der Sympathicus (den M. orbitalis zum Theil vom Ggl. sphenopalatinum aus) , bei Thieren auch noch den Zuriickzieher der Palpebra tertia am inneren Augenwinkel. Beizung des Sympathicus erweitert daher die Pupille und Li dspalte lind drängt den Bulbus hervor. Diese Reizung kann auch reliectorisch durch heftige Erregung von sen- siblen Nerven stattfinden. Auch lebhafte Erregung der Nerven der Geschlechts- organe hat als begleitende Erscheinung die angegebenen Zeichen am Auge in massiger Stärke zur Folge. Vielleicht gehört hierher auch das Weitsein der Pupillen bei Wurmreiz im Darme kleiner Kinder. Auch Reizung des Rückenmarks (Sym- pathicusnrsprung) im Starrkrampf erweitert die Pupillen. Durchs chneidung des Sympathicus verengt die Lidspalte, lässt den Bulbus zurücksinken (und die Palpebra tertia bei Thieren schlaff hervortreten). Die Durchschneidung bedingt beim Hunde noch Strabismus internus, weil der M. rectus externus zum Theil motorische Fasern vom Sympathicus erhält (§. 350). (Leber den Ursprung dieser Fasern ans der Regio ciliospinalis siehe §. 3ti4, 1.) 5. Unentschieden ist noch, ob dem Trigeminus durch die Ciliarnerven auch trophische Fasern zukommen. Wird der Trigeminus in der Schädelhöhle durchschnitten, so tritt nämlich im Verlaufe von 6 — 8 Tagen Entzündung, Nekrose der Cornea und schliesslicher Untergang des Bulbus auf (Fodira 1823, Magendie). Bei der Abwägung der Anschauungen über die trophischen Fasern müssen wir die folgenden Punkte berücksichtigen : — 1. Die Durchschneidung des Trigeminus macht das ganze Auge gefühllos; das Thier fühll also directe Insulte nicht und weicht ihnen nicht ans. Auch anhaftender Staub und Schleim wird nichl mehr reflectorisch durch den Lidschi ag weggeputzt ; überhaupt stehl v egen fehlenden Bcilexes das Auge viel mehr offen und ist somit vielen Schädlichkeiten preisgegeben; auch fehlt die reflectorische Thränenabsond erung. Als Stullen (1857) vor das Auge den fühlenden Ohrlöffel des Kaninchens fixirte, durch dessen Gefühl es die treffenden Insulte vermiid. so trat die Entzündung des Auges viel später ein; — das Anbringen einer völlig sicheren Schutzkapsel vor das Auge bali sogar die Entzündung völlig :iu1' Meissner ö* Büttner J. So war es auch der Fall, als Gudden die angefrischten Lidränder bei Kaninchen vernähte und zusammenwachsen Hess. Auch durch sorgsamste Reinhaltung der Cornea lässt Zeichen der Heizung oder Lähmung des sympathischen Antheiles. Trophische Fasern. Die trophischen inttfr- fasern des Auges uud ih r V hältniss :ur Ophthalmia paralytica. 728 Nervus trigeminus : (Pathologisches). [§. 349 ] sich diese intact erhalten (Gudden). Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dass der Verlust der Sensibilität des Auges den Eintritt der Entzündung begünstigt. — Weiterhin war man bestrebt, womöglich die trophischen Fasern aufzusuchen und isolirt zu durchschneiden. Da nun in der That Meissner, Büttner und Schiff das Auge auch dann noch der Entzündung anheimfallen sahen , nachdem sie nur die trophischen (innersten) Fasern des Trigeminus durchschnitten, wonach das Auge das Gefühl behielt, so wäre hiermit allerdings die Existenz der trophischen Fasern bewiesen ; aber Cohnheim & Senftleben bestreiten diese Thatsachen. Um- gekehrt kann man auch das Gefühl des Auges bei partieller Nervenverletzung erloschen sehen, und der Bulbus entzündet sich nicht (Schiff,. Ranvier [welcher die Existenz trophischer Nerven leugnet] umschneidet cirkelfönnig die Hornhaut in den oberflächlichen Lagen , wodurch die Nerven, die alle hier befindlich sind, durchschnitten werden. Es entsteht Gefühllosigkeit, aber angeblich niemals Keratitis. — Ferner sieht man bei Menschen und Thieren, bei denen Unvermögen des Lidschlusses besteht, zwar wohl Böthung mit Thränenfluss oder leichte Trocken- heit und Trübung der Bulbusfläche eintreten (X e r o s i s) . jedoch niemals jene verheerende Entzündung (Samuel). — 2. Es bedarf aber noch weiterhin der Erwägung der folgenden Momente, auf welche bis dahin zum Theil wenig Rück- sicht genommen worden ist. Die Durchschneidung des N. trigeminus lähmt die Vasomotoren im Innern des Bulbus, wodurch Störungen im Blutlaufe entstehen müssen. — Nach yesner & Grünhagen führt auch der Trigeminus dem Auge vasodilatatorische Fasern zu, deren Beizung gesteigerten Blutzufluss zum Auge mit consecutiver Ausscheidung von Fibringeneratoren uud Steigerung des Albumingehaltes im Humor aqueus hervorruft. — 3. Nach Durchschneidung des Nerven ist die Spannung des Bulbus herabgesetzt (umgekehrt hat die Beizung ein beträchtliches Steigen des intraoculären Druckes zur Folge; (Hippell, Grünhagen, Adamük) . Diese Verminderung des intraoculären Druckes muss natürlich die normalen Verhältnisse der Füllung der Blut- und Lyrnph-Bahnen und der Säftebewegung in ihnen alteriren, von denen die normale Ernährung im hohen Grade abhängt. — 4. W. Kühne sah auf Beizimg der Hornhautnerven die Corneakörperchen sich bewegen. Es scheint nun nicht ausgeschlosseu , dass die Bewegung dieser Eörperchen auf die normale Saftbewegung in dem Canalsystem der Cornea von Einfluss sei (§. 202, 7) ; ist sie aber abhängig vom Nerven- systeme, so muss die Zerstörung desselben auch Ernährungsstörungen nach sich ziehen. Pathologisches: — Auch beim Menschen hat man nach Trigeminus- anästhesien und seltener bei schweren Beizzuständen dieses Nerven Entzündungen der Conjunctiva, Verschwärung und Perforation der Cornea und endliche Panoph- thalmitis gesehen (Chailes Bell), welche als Ophthalmia neuroparaly tica bezeichnet wird. [Samuel konnte durch elektrische Beizung des Ggl. G asser i bei Thieren dasselbe bewirken.] Ophthalmia Völlig verschieden hiervon sind die Affectionen am Auge, welche von Leiden intermütens. (jer Ge fä s s n er ven herrühren, da sie niemals zu degenerativen Processen führen, wie die Trigeminusdurchschneidung. Hierher gehört die Ophthalmia inter- mittens: eine einseitige, intermittirend (unter dem Einflüsse der Malaria) auf- tretende hochgradige Füllung der Augengefässe mit Thräuenfluss, Lichtscheu, oft auch mit Irisentzündung und Eitererguss in die Augenkammer verbunden , die als eine vasoneurotische Affection der Augengefässe zuerst von Eulenburg und mir aufgefasst ist. — Pathologische Beobachtungen , sowie auch Versuche an Thieren Sympathische (Mooren dr5 Rumpf' habeu ergeben , dass ein inniger physiologischer Connex der Ophthalmie. Gefässgebiete beider Augen besteht , so dass Affectionen im Gefässgebiete des einen Augen leicht analoge des anderen hervorrufen. Hieraus erklärt es sich, dass entzündliche Processe zumal im Innern des einen Augapfels sogenannte „sym- pathische Ophthalmie" des anderen nach sich ziehen (Cassüts Felix, 97 n. Chr.). So rufen auch Beize, welche die Nn. ciliares, resp. den Quintus der einen Seite treffen, zu gleicher Zeit Erweiterung der Gefässe im anderen Auge nebst ihren Folgen hervor (Jesncr är Grünhagen). — Erwälmenswcrth ist noch die pathologische , übermässige Spannung des Auges mit ihren Folgezuständen Glaucoma (Glaucoma simples), die auf eine Eeizung des Trigeminus von Dondcrs be- simpiex. ZOgeil worden ist. — Einseitiger Thränenfluss bei Reizzuständen im 1. Aste wurden wiederholt, einseitige Thr an e n ve r siegu ng bei Lähmungszuständen sehr selten beobachtet (Uhihoff), [§. 349.] 729 Fig. tu. Halbschematische Zusammenstellung der Augennerven , der Verbindungen des Trigemiuus und seiner Ganglien, ferner des Facialis und Glossopharyngeus. — 3 Ast zum M. obliquus ocnli inferior fOi) vom Oculimotorius mit der dicken, kurzen Wurzel zum Ggl. ciliare (ej ; — t Nervi ciliares; — l lange Wurzel zum Ganglion aus dem Nasociliaris fne); — s sympathische Wurzel aus dem, die Carotis interna (G) umspinnenden Geflecht des Sympathicus >';. . ■ ■■' erster Ast des Trigeminu3 (5) mit den Nasociliaris (»■<■-) und den Endzweigen des Lacrimalis (<*), Snpraorbitalis (b) und Fron- talis (f). e zweiter Ast des Trigemiuus: — S [nfraorbitalis, — n Ggl. Bphenojpalatinum mit den Wurzeln j vom Facialis und ■■ vum Sympathicus : N die Xuseuzweige. ppx die Gaumenzweige des Ganglions. — g dritter Ast des Trigeminns ; fcLingualis. — i« Chorda tympani; » Ggl. oticnm mit den Wurzeln vom Plexus tympanicus . dem carotaschen Geflecht und vom :i. Ast. — und mit seinen Zweigen zum Anricnlotemporalia .r und zur Chorda ■• . C Ggl. sublinguale mit den Wurzeln vou Tympanieo-lingualis und dem sympathischen Geflecht der Art. maxillaris extern. 7 X. facialis, j dessen X. petrosua superficialis major, — a Gpl. geniouli, — ß Ast zum Plexus tympanicus. — y Rain, stapedius, — 3 Anastomose zum Rani, auricularis Vagi. * Foramen atylo- mastoideum. 9 X. glossopharyngeus, — '■ dessen Bamus tympanicus, — n und s Verbindungen zum Facialis. — U Endigung der Geschmacksfasern des 9. Nerven iu den Papulae circumvallatae. 8y Sympathicus mit Gg. Gg ale supremum. — 1 11 m iv die 4 obersten Hals- nerveu. V Parotis: — M Glandula submaxillaris. 730 Nervus trigeininus : (Zweiter Ast; — Ggl. sphenopalathmm). [§. 349.] N. recurrens. Nn. alveolares superiores. N. infra- -orbitalis. Das Ganglion sjphenopala- tinum. Aeste des Ganglions. Niesen, II. Ast: Ramus maxillaris superior (Fig. 222. e). — Er giebt ab : 1. Den zarten N. recurrens, einen Gefühlsast der Dura mater , der im Gebiet der Art. meningea media die , aus dem Ggl. cervicale supremum sympathici kommenden Vaso- motoren dieser Arterie begleitet. Derselbe bewirkt gereizt reflectorischen Lidschluss (Hund) (Exner & Paneth). 2. N. subcutaneus malae (o) (sive orbitalis) versorgt mit seinen beiden Ramis : dem R. temporalis und orbitalis den lateralen Augenwinkel und das anstossende Hautgebiet von Schläfe und Wange mit sensiblen Fasern. Einzelne Fäden des Nerven sollen echte Secretionsnerven der Thränen sein [vgl. N. lacrimalis, pg. 725. 2] (Herzenstein & Wolferz). 3. N. alveolar is superior posterior et medius und mit ihnen der anterior aus dem N. infraorbitalis geben Gefühls- fasern an die Oberkieferzähne (pg. 288) , das Zahnfleisch , das Periost und die Kieferhöhle. Die Vasomotoren aller dieser Theile giebt das obere Halsganglion des Sympathicus. 4. N. infraorbitalis (R) , der nach dem Austritt aus dem Foramen infraorbitale dem unteren Lid, dem Nasen-Rücken und -Flügel und der Oberlippe bis gegen den Mundwinkel sensible Fasern ertheilt. Die begleitenden Arterien erhalten die Vasomotoren vom Ggl. supremum cervicale sympathici. Ueber die (beim Schweine) in ihm liegenden Schweissfasern siehe pg. 566. Das Crgl. spflieiiopalatiiium (n) (s. nasale) steht mit dem II. Aste in Verbindung. Zu demselben gehen zuerst mit einem oder mehreren Fäden kurze sensible Wurzel fasern aus dem IL Aste selbst , die als N. s p h e n o p a 1 a t i n u s be- zeichnet werden. — Motorische Fasern treten von hinten in das Ganglion durch den N. petrosus superficialis major vom Facialis (j) (Bidder, Nuhn), und endlich graue Vasomotoren (v) vom sympathischen Geflechte der Carotis (N. petrosus pro- fundus major). Die motorischen und vasomotorischen Fasern bilden den N. Vidianus, welcher durch den gleichnamigen Canal zum Ganglion hinzieht. Die vom Ganglion ausgehenden Fasern sind : — 1 . Die sensiblen Fasern (N) versorgen die Decke, Seiten wand und Scheidewand der inneren Nase (Nn. nasales posteriores supe- riores) ; der N. nasopalatinus geht mit seinen Endfäden durch den Canalis incisivus bis zum harten Gaumen hinter den Schneidezähnen. Die sensiblen Nn. nasales posteriores inferiores für die untere und mittlere Muschel und die beiden unteren Nasengänge kommen vom N. palatinus anterior des Ganglions, welcher im Canalis pterygopalatinus niedersteigt. Endlich gehen noch die sensiblen Aeste des harten (p) und weichen (p3) Gaumens und der Tonsille aus dem absteigenden N. palatinus posterior hervor. Die gesammten sensiblen Fasern der Nase (siehe auch den N. etbmoidalisj rufen gereizt reflectorisch Niesen hervor (vgl. §. 126 3). Dem Niesen geht stets das Gefühl des Kribbeins [§.349.] Nervus trigeminus: (dritter Ast). 731 in der Nase vorauf. Dasselbe kann auch (ausser directer Reizung) dadurch entstehen, dass die Gefässe der Nase erweitert werden. Letzteres geschieht leicht durch Kälteerregung der äusseren Haut. Mit der Gefässerweiterung geht dann weiterhin vermehrte Secretion der Nasenschleimhaut einher. — Reizung der Nasen - nerven erregt auch T h r ä n e nf lus s (reflectorisch). Die Reizung der Nasenzweige bewirkt endlich noch exspiratorischen Still- standder Athemb ewegungen ( Hering & Kr atschmer) [vgl. Ath- mungscentrum. §. 870]. — 2. Die.Vasodilatatoren der Nase verlaufen mit den sensiblen des Ganglions, sie entstammen grössten- theils der sympathischen Wurzel (Prevost u. A.j. — 3. Die motorischen Aeste steigen durch den N. palatinus posterior im Canalis pterygopalatinus nieder und geben (h) den Mm. levator veli palatini und azygos uvnlae Bewegungsfasern (Nu/m, Früh- zvald), (die Muskelgefühlsfasern wird hier der Trigeminus liefern). [Krampfartige Zustände in diesen Muskeln sollen anfallsweise knisternde Geräusche im Ohre erzeugen (§. 420) (Politzer)^ — 4. Die Vasomotoren dieses ganzen Gebietes kommen von der sympathischen Wurzel, also aus dem obersten Halsganglion. — 5. Die Trigeminus wurzel liefert die Secretionsnerven der Schleimdrüschen der Nasenschleimhaut. Reizung bewirkt die Absonderung, Resection des Trigeminus vermindert sie bei gleich- zeitiger atrophischer Entartung der Schleimhaut. Demgemäss ist dem Trigeminus auch trophische Function für die Mucosa zugesprochen worden (Aschenbrandt) . Schwache elektrische Eeizung des freigelegten G a n g 1 i o u s bewirkt reich- Heizung des liehe Schleimabsonderung und Temperaturerhöhung in der Nase (Prevost), untt-r an9 10 Erweiterung der Gefässe (Asclienbrandt). Nach Durchschneidung des Trigeminus zeigt sich auch Röthung der Nasen- schleimhaut derselben Seite. Diese rührt wohl daher, dass eingedrungener Staub oder abgesonderter Nasenschleim nicht reflectorisch aus der Nase entfernt wird, sondern liegen bleibt und nun reizend und entzündungserregend wirkt. III. Ast: Ramus niaudibularis (g). — Er vereinigt alle motorischen Fäden des Quintus mit einer Anzahl sen- sibler zu einem Geflechte, aus welchem hervorgehen: 1. Der allein noch von der sensiblen« Wurzel entsprin *■ recurrens. gende N. recurrens, welcher durch das Foramen spinosum in den Schädel tritt und weiterhin mit dem gleichnamigen Nerven des zweiten Astes die Dura mit Gefühl sfäden aus- stattet. Von ihm gehen auch Fädchen durch die Fissura petroso- squamosa zur Schleimhaut der Warzenfortsatzzellen. 2. Motorische Zweige für die Kaumuskeln: N. masse- Kawmuka- tericus. 2 Nn. temporales profundi . Nu. pterygoideus externus und internus. Die Muskelgefühlsfasern werden von den sensiblen Fasern abstammen. .''>. Der N. buccinatorius ist ein s e d a i 1 1 1 « i r Nerv für v. &««* die Wangenschleimhaut und den Mundwinkel bis in die Lippen hinein. Nach Jolyet &» Laffont einhält sc überdies (wohl in letzter Instanz aus dem Sympathicus stammende) Vasomotoren für die Wangenschleimhaut, Unterlippe und die Schleimdrüschen derselben. 732 Nervus trigeininus : (dritter Ast). [§. 349.] Da nach der Durchschneidung des Trigeminus diese Region der Schleim- haut geschwürig zerfällt , so hat mau auch wohl der Bahn des Buccinatorius trophische Fasern zugesprochen. Allein Rollett machte darauf aufmerksam, dass die Durchschneidung des dritten Astes die Kaumuskeln derselben Seite lähmt, in Folge dessen die Zähne nicht senkrecht gegen einander wirken, sondern gegen die "Wange andrängen. Es kommt hinzu , dass wegen der Gefühllosigkeit im Munde Speisereste . oft nicht gehörig zerkleinert . an der Wange liegen bleiben und mechanisch, sowie, in Zersetzung übergegangen, auch chemisch die Schleim- haut reizen. Später treten wegen des abnormen Abschleifens der Zähne auch an der gesunden Seite Geschwürsbildungen auf. Es ist daher die Annahme trophischer Fasern nicht gerechtfertigt. n. lingual. 4, Der X. 1 1 ii g ii a 1 i s (k) nimmt unter einem spitzen Winkel die aus der Paukenhöhle kommende Chorda tympani (i i), einen Ast des X. facialis, in sich auf. Der Lingualis hat keine Bewegungs fasern. Er ist der sensible und Tast- nerv der Zunge, der vorderen G aumenbögen , der Mandel und des Bodens der Mundhöhle. Diese, sowie auch alle übrigen sensiblen Fasern der Mundhöhle, rufen gereizt reflectorische Speichelsecretion hervor (vgl. pg. 2 74, 2). Ausserdem ist der Lingualis Geschmacksnerv für die Spitze und Ränder der Zunge (zu denen der N. glossopharyngeus nicht hinverläuft), denn nach Xeurotomie des Lingualis beim Menschen sahen Busch, Inzani, Lussana u. A. das Tastgefühl der ganzen Zungenhälfte und das Geschmacksvermögen auf dem vorderen Zungentheil erlöschen. Diese Fasern rühren jedoch in der Regel von der Chorda tympani her. worüber beim N. facialis (pg. 737, 4) ge- handelt wird. [Nach Schiff soll jedoch der Lingualis selbst diese Geschmacksfasern enthalten , wofür auch Fälle von Erb und Senator sprechen. Es handelt sich in solchen Fällen wohl um Abweichungen von der allgemeinen Regel.] Im Innern der Zunge tragen die LiDgnalisfäden kleine Ganglien (Remak). Da Schiff nach Durchsclmeidung des Lingualis verbunden mit der des Hypoglossus Röthung der Zunge sah, so werden in seiner Bahn Vasomotoren vorhanden sein. Ob diese aus der Anastomose des Ggl. Gasseri mit dem Sympathicus stammen, ist unermittelt. — Der Lingualis scheint auch Vasodilatatoren für Zunge und Zahnfleisch aus der Chorda zu enthalten (§. 351). Nach Trigeminusdurchschneidung beissen Thiere sich oft in die Zunge, deren Lage und Bewegung im Munde sie nicht fühlen können, hierdurch entstehen vielfach Verletzungen und Entzündungen. n. aheoiaris 5. Der X. alveolaris inferior ist G e f ii h 1 s a s t der Zähne und des Zahnfleisches ; die Vasomotoren kommen vom Ggl. cervicale sup. Bevor er in den Kiefercanal tritt, giebt er den N. mylohyoideus ab, welcher die motorischen Fasern für den M. mylohyoideus und den vorderen Bauch des Digastricus liefert und ebenso einige Fäden an den Triangularis menti und das Platysma; es werden zugleich die Muskel gefühls fasern in diesen Fäden liegen. — Der aus dem Foramen mentale her- vortretende X. mentalis ist nur Gefühlsast für Kinn, Unter- lippe und Haut am Kieferrande. 6. Der X. auriculotemporalis (A) giebt Gefühls- zweige an die vordere Wand des äusseren Gehörganges , das [§. 349.] Nervus trigeminus: (Ggl. oticum). 733 Paukenfell , den vorderen Theil des Ohres . die angrenzende Schläfengegend und an das Kiefergelenk; (vgl. auch §. 149). In der Figur 223 ist der Verbreitungsbezirk der Trigeminuszweige am Kopfe, sowie der der Halsnerven gezeichnet, wodurch man sich bei krank- haften Afl'ectionen (Neuralgien , Anästhesien) in den einzelnen Gebieten leicht orientiren wird. Fig. 223. Muse, temporill uasseter N. hypoglossus Platysma myoides Muse, sternohyoideus Muse, sternothyreoideus H je. omohyoideus Xn. thoracic! anteriores — Muse, splenius Muse. Bternocleidoinastoideus N. accessorius Muse, levator anguli icapulae Muse, cueuliavia X. dorsalis scapulae X. axillaris us lonp/us N. plu Supraclavicular- punkt Plexus brachial ia Verbreitung der sensiblen Nerven am Kopfe , sowie, die Lage der motorischen Punkte am Halse. S 0 Verbreitungsbezirk des X. supraorbitalis. — S T N. supratrochlearis. —IT infra- trochlearis. — L X. lacrimalis. — -V X. ethmoidalis- — 10 'S. infraorbitalis. — B X. buccinatorius, — SM M. subeutaneus malae. — ■<£ T S- auriculotemporalis. — A.M X. auricularis magnus. — OMj S. occipitalis major. — 0 Mi X. ocoipitalis minor. — c:t 3. Cervioalnerv. — CS Hautzweige der Halsnerven. — Cir Kegion der Centralwindungeu des Grosshirns. — SC Region des Sprachcentrums (3. Frontalwindung*. Das Gcj» 1. oticum (Ohrknoten) liegt unter dem Foramen Das Ganglion ovale der inneren Seite des dritten Astes an. Als Wurzeln gehen in dasselbe hinein: — 1. kurze motorische Fäden vom dritten Aste selbst, — 2. vasomotorische vom Geflechte der Art. meningea media (also vom oberen Halsganglion des Sym- pathicus herkommend). — 3. Vom Kam. tympanieus des Grlosso- pharyngeus laufen zum Plexus tympanieus Fäden (Fig. 222 X), von hier durch den Canaliculus petrosus im N. petrosus super- oticum : desselben. tubmaxillare. 734 Nervus trigeminus (Ggl. subniaxillare). [§. 349.] fi cialis minor in die Schädelhöhle, dann durch das Foramen lacerum anticum denselben verlassend in das Ggl. oticum (m). Durch die Chorda tympani steht auch der N. facialis in constanter Verbindung mit dem Ganglion, dicht unterhalb dessen sie vor- beigeht (Fig. 222 ; m, i), Aeste Ausgehen vom Ggl. oticum als Fortsetzungen von — 1 . die motorischen Zweige für den M. tensor tympani und den M. tensor veli palatini (denen auch Muskelgefühlsfasern beigemischt sein werden) (C. Ludwig & Politzer) . — 2. Ein oder mehrere Verbindungszweige des Ganglions zum N. auriculo- temporalis werden die Wurzelfasern 2. und 3. vom Sym- pathicus und Glossopharyngeus weiterführen, welche der besagte Nerv (Fig. 222. A) bei seinem Durchtritt durch die Glandula parotis (P) an diese Drüse abgiebt. Diese Aeste stehen der Speichelsecretion der Parotis vor, worüber §§. 149 und 150 berichtet ist. Durchschneidung des Trigeminus ruft entzündliche Veränderungen in der Schleimhaut der Paukenhöhle in allen möglichen Graden (hei Kaninchen) hervor (Berthold <&■* Grünhagen, Kirchner) ; [Läsionen des Sympathicus oder Glossopha- ryngeus sind unwirksam.] Das Grgl. sufomaxillare (Fig. 222. L) (s. linguale), dem convexen Boden des vereinigten N. tympanico-lingualis und dem Ausführungsgang der Submaxillardrüse (M) anliegend, erhält als Wurzelfäden: — 1. Zweige der Chorda tympani (i i) [die nach Durchschneidung des N. facialis fettig entarten (Viäpian)\ Diese stehen in Beziehung zur Speichelsecretion der Unterkiefer- und Unterzungen-Drüse, indem sie S e c r e t i o n s n e r v e n (eines dünnflüssigen Speichels) und Vasodilatatoren enthalten (vgl. §§. 149 u. 150) ; ausserdem geben sie Zweige an die glatte Muskulatur des Ductus Whartonianus. [Es ziehen jedoch nicht alle Fasern der Chorda zur Drüse, andere gehen bis in die Zunge (vgl. Chorda tympani beim N. facialis).] — ■ 2. Die sym- pathische Wurzel des Ganglions tritt aus dem Geflecht der Art. submentalis der Maxillaris externa (q) hervor (also vom Ggl. cervicale supremum sympathici) ; sie geht zu den Drüsen und ist Secretionsnerv eines concentrirten Speichels (be- ziehungsweise trophischer Nerv der Drüsen); sie bringt ferner den Gefässen der Drüsen die Vasoconstrictoren. — 3. Sensible, aus dem Lingualis stammende Wurzelfäden geben theils den Drüsen und ihren Ausführungsgängen sensible Fäden, theils ziehen sie, vom Ganglion wieder in die Tympanico-lin- gualis eintretend, peripherisch zur Zunge weiter. Pathologisches: — Als pathologische Erscheinung im Gebiete des 3- Astes *"* tritt uns zunächst der Krampf in den Kaumuskeln entgegen, in der Regel *' bilateral, sowohl als klonischer (Zähneklappern), als auch als tonischer Krampf (Trismus). Die Krämpfe sind meist Theilerscheinungen ausgebreiteter Convulsionen , selten sind sie isolirt als Zeichen cerebraler Herderkrankungen der Medulla oblongata, des Pons oder der Rinde im Gebiete des motorischen Trigeminus-Centrums. Die Krämpfe können natürlich auch reflectorischer Natur sein, zumal durch Reizung sensibler Kopfnerven bedingt. Lähmung Entartungen des motorischen Kernes, oder Afi'ectionen der Wurzel im derselben. gchädel bringen Lähmung d er Kaumuskeln hervor, sehr selten doppelseitig. Kaumuskeln, [§• 349. N. trigeminus (Pathologisches). — N. abdncens. m Die Lähmung des M. tensor tympani soll Schwerhörigkeit (Romberg) oder Ohren- sausen (Benedict) bewirkt haben. Hierüber, sowie über die Lähmung des Tensor veli palatini sind weitere Beobachtungen erwünscht. In Bezug auf die säm mtli c hen Aeste des Trigeminus muss zuerst der Neuralgie Erwähnung geschehen, welche anfallsweise mit heftigsten Schmerzen in die peripheren Ausbreitungen des Nerven ausstrahlt. Meist einseitig, pflegt das Leiden gewöhnlich nur einzelne Aeste, ja Zweige zu befallen. Ausstrahlungs- punkte der Sehmerzen sind oft die Knochencanäle, aus denen die Zweige hervor- treten. Selten wird das Ohr, die Dura mater und die Zunge befallen. Nicht selten ist mit den Anfällen ein Zucken der entsprechenden Gruppen der Gesichts- muskeln verbunden, welches entweder reflectorisch hervorgerufen ist, oder bei peripherer Irritation direct durch Beizung der, mit Endfasern des Trigeminus ver- einigten Facialisfasern entsteht. Die reflectorischen Zuckungen können in hohen Graden sogar sich ausbreiten auf die Arm- und Rumpf-Muskulatur. Als begleitende Erscheinung des Gesichtsschmerzes tritt starke Rötbe des befallenen Gebietes hervor, dabei in betreffenden Fällen vermehrte oder ver- minderte Absonderung der Conjunctiva , der Nasen- und Mund-Schleimhaut, Es handelt sich hier gewiss um reflectorische Erscheinungen (Sympathicus). Auf vasomotorischer Erregung durch Reflex wird oft beobachtete Störung der H i rnthätigke it in Folge des veränderten Blutgehaltes beruhen. C. Ludwig und Dittmar fanden, dass Beizung sensibler Nerven eine Verengerung des arteriellen Strombettes und Blutdrucksteigeruug in den Gehirngefässen zur Folge hat. So findet man Melancholie und Hypochondrie oft ausgeprägt. Ich kenne einen Fall, bei welchem während der heftigen Anfälle (3. Ast) ganz ausgeprägte Gesichtshallucinationen auftraten. Es vermögen überhaupt die Affectionen des Quintus vielfache reflectorische Erregungen zu bewirken. Von hohem Interesse sind die trophischen Störungen, welche sich einstellen bei Trigeminusaffectionen. Hierher gehören das Spröde- und Struppig- werden der Haare, das Ergrauen und Ausfallen derselben, — circumscripte Hautentzündungen und Bläschenausschlag im Gesicht (Zoster), auch auf der Hornhaut: (neuralgischer Herpes corneae) (Schmidt-Rimpler) . Endlich ist zu erwähnen die fortschreitende Gesichtsatrophii\ die fast stets einseitig auftritt, aber auch doppelseitig gesehen ist (Eulenburg, Flashar, Jul. Wolf . Sie ist sehr wahrscheinlich durch ein Leiden der trophischen Thätigkeit [? absteigende "Wurzel Mendel)] des Trigeminus bedingt , doch kann auch reflectorisch die vasomotorische Thätigkeit des Sympathicus in Mitleiden- schaft gezogen sein. Ich fand bei sphygmographischer Untersuchung des be- rühmten üomberg'schen Falles, [eines Mannes mit Namen Schwahn\ die Pulscurve der Carotis der atrophischen Seite entschieden kleiner, als an der gesunden. — Das Gegenstück zu dieser räthselhaften, ebenso auf trophischen Beziehungen der Nerven zu den Geweben beruhenden (§. 344. I. c.) Abweichung ist die sehr seltene halbseitige Gesichts h y p e r tr op hie 'Friedreich, Scliieck u. A.) , die sich den analogen Erscheinungen des sogenannten partiellen Riesenwuchses anschliesst. Es soll hier noch der überaus merkwürdigen Beobachtung UrbanischitseK s gedacht werden , welcher fand , dass eine Reizung der Trigeminuszweige, zumal auch derjenigen, die zum Ohre verlaufen, eine Steigerung des Lichtsinnes der betreffenden Individuen bewirkt. Anblasen der Wange, der Nasenschleimhaut, elektrische Beizung, Tabakschnupfen, Riechen starker Düfte kann die Licht- empfindung vorübergebend steigern. Auch die Geschmacks- und Geruchs-Empfin- dung, sowie die Sensibilität gewisser Hautbezirke kann so reflectorisch durch leichte Trigcminusreizung erhöht werden. Bei intensiven Affectionen des Ohres, wodurch Trigeminusfasem in starke Mitleidenschaft gezogen sind, können jene Sinnesfunctionen herabgesetzt sein. Locale Besserung des Ohrleidens steigert dam: oft wieder jene Sinnesthätigkeiten (vgl. §.420). gie des ninus. vaso- motorische Erst hei- nungen. Trophische Störungen bei Trigeminus- leiden. 350. YI. Nervus abdncens. Er entspringt etwas vor und zum Thcil aus dem Facialis kern aus grossen (denen des Vorderhomes des Bückenmarkes entsprechenden) Ganglien in der Tiefe des vorderen Bereiches des 4. Ventrikels (Eminente teres) (Fig. 220) Physiologisch gefordert werden Verbindungsfäden des Ursprungskernes mit dem Anoto- 736 Nerviis abducens et facialis. [§• 350.] contralateralen corticalen Grosshirncentrum der Augenbewegungen (§. 380. I). — Der Nerv tritt am hinteren Eande des Pons hervor (Fig. 221). Function. Er ist willkürlicher Nerv des M. rectus externus, (bei der coordinirten Bewegung der Augen wird er jedoch unwillkürlich erregt). Anastomosen. Ansehnliche Zweige treten vom Sympathicus im Sinus cavernosus zu ihm (Fig. 222. 6), — geringere vom Trigeminus , deren Bedeutung wie die der ana- logen am Trochlearis und Oculomotorius ist. Patho- Pathologisches: — Vollständige L ä h m u n g bewirkt Schielen nach innen logisches. uruj jn p0]ge davon Doppelsehen. — Bei Hunden hat die Durchschneidung des Halssympathicus eine gelinge Wendung des Bulbus nach innen zur Folge (Petit). Es ist dies daraus herzuleiten, dass der Abducens einige motorische Muskel- nerven vom Sympathicus cervicalis bezieht. — Krampf des Abducens bewirkt Aussenschielen. Anderweitige Es soll hier endlich noch in Bezug auf das Schielen bemerkt werden, Artendes ^ass ausser durch Reizung oder Lähmung der Nerven, auch primäre Muskel- aifectionen die Ursache abgeben können : angeborene Kürze , Contracturen , Ver- letzungen. Endlich entsteht der Strabismus bei Trübungen der durchsichtigen Augenmedien : die Befallenen drehen das betreffende Auge unwillkürlich so, dass die Sehstrahlen womöglich durch die noch klaren Theile der Medien hindurchgehen. Aehnliche Folgen haben Netzhautaffectionen am gelben Flecke. 351. VII. Nervus facialis. Ana- tomisches. N. petrosus superficialis major. Der Nerv entspringt vom Boden der Rautengrube mit rein centrifugalen Fasern aus dem, etwas hinter dem Abducens-Ursprung gelegenen „Facialis- kern" (Fovea anterior) (Fig. 221, 7), mit einigen Fasern aus dem Abducenskerne selbst, den er in seinem Verlaufe umschlingt. Die für den M. orbicularis palpe- brarum bestimmten Fasern scheinen ihren eigentlichen Ursprung in dem Oculo- motoriuskerne zu haben (Mendel). Mit der Rinde der entgegengesetzten Gross- hirnhemisphäre steht der Ursprung des Nerven in Verbindung (§. 380- I). Er tritt mit 2 Wurzeln zu Tage, von denen die kleinere (Portio inter- media Wrisbergii) auch mit dem N. acusticus in Znsammenhang steht (siehe diesen). Die Ursprungsfäden der Portio intermedia entwickeln sich aus dem Glossopharyngeus-Kern (Sapolini). Es scheinen durch diese die Ge- schmacksfasern und Gefühlsfasern, welche die Chorda tympani besitzt, in den Facialis ein z u tre ten (Duval, Ed. Schnitze, Vulpian). Es wäre somit die Portio intermedia ein abgesonderter Theil des Geschmacksnerven, der sich dem Facialis zugesellt und mit der Chorda in die Zunge verläuft. — ■ Mit dem Acusticus betritt er zuerst den Porus acusticus internus und im Grunde dieses sodann von ihm getrennt den Canalis facialis s. Fallopiae. Er hat zuerst eine transversale Richtung bis gegen den Hiatus dieses Canales , dann wendet er sich, unter einem rechten Winkel an dem „Knie" (Fig. 222, a), über der Paukenhöhle hinwegziehend, um an der hinteren Seite dieser Höhle im Knochen niederzusteigen. Schliesslich tritt er aus dem Foramen stylomastoideum frei her- vor, durchdringt die Parotis und vertheilt sich fächerförmig getheilt (Pes anse- rinus major) in seine Endäste. Seine Aeste (vgl. Fig. 222, pg. 729) sind : 1. Der motorische N. petrosus superficialis maj or (j). Er tritt vom Knie durch den Hiatus aus dem Canalis facialis in die Schädelhöhle hinein , — läuft auf der vorderen Felsenbeinfläche abwärts, tritt durch das Foramen lacerum an- ticum auf die untere Fläche des Schädelgrundes und zieht dann durch den Canalis Vidianus zum Ggl. sphenopalatinum (siehe pg. 730). Ob der Nerv auch vielleicht vom zweiten Aste des Trigeminus dem Facialis sensible Fasern zuträgt, wird von Prevost bestritten, ist jedoch noch unermittelt. [§. 351.] Nervus facialis. 737 2. Vom Knie zum Ggl. oticum Verbinchingsfäden (ß), [deren vtrbinaunj Verlauf und Function siehe beim Ggl. oticum. pg. 733, 3]. "oücum. ' 3. Der motorische Ast zum M. stapedius (y §. 412 . v- stopedtua. 4. Die Chorda tympani ;iij entsteht vor dem Austritt Chorda des Facialis aus dem Foramen stylomastoideum (s), läuft durch tu'npnn die Paukenhöhle (über der Sehne des Tensor tympani zwischen Manubrium mallei und Processus longus incudis, tritt durch die Fissura petrotympanica nach aussen zur Schädelbasis und senkt sich unter einem spitzen Winkel in den N. lingualis (siehe pg. 732. 4). Vor dieser Vereinigung findet zwischen ihr und dem Ggl. oticum (m) ein Faseraustausch statt. Sowohl diese, als Sensau auch die Verbindung der Chorda mit dem Lingualis kann der Chorda und weiterhin dem Facialis Gefühlsfasern zuführen. Die Chorda enthält nämlich sensible Fasern, denn ihre Reizung (bei Menschen mit zerstörtem Trommelfell möglich) bewirkt ein stechend prickelndes Gefühl im vorderen Seitentheile u nd in der Spitze der Zunge (Tr ölt seh); nach Durchschneidung der Chorda fand O. Wolf beim Menschen die Sensibilität für t a c t i 1 e und thermische Reize auf eben demselben Gebiete aufgehoben (daselbst auch die Geschmacksempfindung, s. unten). Weiterhin enthält die Chorda Secretionsfasern und Vasodilatatoren seeretions- für die Glandula subungualis und submaxillaris (siehe Ggl. sub- JarZo- maxillare, pg. 734). *""* Durch die Beobachtung vieler Forscher ist ferner festge- stellt, dass die Chorda tympani auch Geschmacksf asern Geschmaci durch diese Anastomose dem Glossopharyngeus motorische Fasern vom Facialis zugebracht werden Henle)?[ — Eine 3. Vereinigung zwischen dem 9. und 7. Nerven liegt in der Paukenhöhle: der, in die Paukenhöhle dringende N. tym- panicus des Glossopharyngeus ("/-) hängt im Paukengeflechte zusammen mit dem N. petrosus superficialis minor (ß), welcher vom Knie des Facialis kommt. Der N. petrosus superficialis minor kann so Geschmacksf asern zum Knie des Facialis tragen. Er kann aber auch die Geschmacksfasern zuersl in das Ggl, oticum führen, welches constant mit der Chorda tympani zusammenhangt (vgl. Ggl. oticum, pg. 734, 3). — Endlich ist noch eine 4. Verbindung beschrieben durch ein Landois, Physiologie. 7. Aufl. 47 738 Nervus facialis. [§• 35L] Pseudo- mot&rische Wirkung, Verbindung mit dem K. auricularis vagi. Periphere Aeste. Bedeutung der peripheren Anastomosen Fädeken (~) vom Ggl. petrosum des 9. Nerven direct zum Facialisstamra im Fallopi 'sehen Canale ( Garibaldi). Die Chorda enthält Vasodilatatoren der vorderen 2/3 der Zunge (Vulpian). Hier muss die merkwürdige Thatsaclie besprochen werden, dass 1 — 3 Wochen nach Durchschneidung des N. hypoglossus die gereizte Chorda Bewegungen in der gelähmten Zunge hervor- ruft (Philippeaux & Vulpian, R. Heidenhain). Diese Bewegung ist im Vergleich mit der Hypoglossusreaction wenig energisch und verläuft träge. Heidenhain glaubt, dass eine, durch Chorda- reizung hervorgerufene vermehrte Lymphabsonderung, wodurch sogar die betreffende Zungenhälfte ödematös wird (Ostroumoff, Marcacci) , die Erregungsursache dieser Muskelcontraction sei. Er nennt diese Wirkung eine „pseudomotorische". In Bezug auf die B eidenhain' sehe Interpretation sei daran erinnert , dass die Muskelcontraction auf einer Quellung durch Flüssigkeitsaufnahme beruht (§■ 299. II). Die pseudomotorische Contraction hat ein lOmal so langes Latenz- stadium , wie die Hypoglossusreizung. Ein einzelner massiger Inductionsschlag ist unwirksam, ebenso chemische Reizung, doch gelingt die reflectorische An- regung von verschiedenen sensiblen Nerven aus. Nicotin erregt zuerst , dann lähmt es die Chordabewegung. Die Chorda wirkt bewegend sogar noch kurze Zeit nach Unterdrückung des Blutlaufes (Heidenhain) . Die pseudomotorische Contraction erzeugt keinen Muskelton Rogowüz) . 5. Noch vor dem Abgang der Chorda tritt der Stamm des Facialis in directe Beziehung zu dem , seine Bahn im Canaliculus mastoideus kreuzenden N. auricularis vagi (8) (§. 354 2), der ihm sensible Fasern zuführeu kann. 6. Hervorgetreten aus seinem Canale giebt der Facialis nur noch motorische iVeste an den M. stylohyoideus und den hinteren Biventerbauch , den M. occipitalis , ferner an alle Muskeln des äusseren Ohres und des Antlitzes, an den M. buc- cinator und das Platysma. — Es enthält auch der Facialis Schweiss fasern des Antlitzes (vgl. §. 290, pag. 566). Obwohl der Facialis in den meisten Gesichtszweigen dem Willen unter- worfen ist, so können doch die meisten Menschen die Muskeln der Nase und der Ohrmuschel nicht willkürlich bewegen. Ich bin im Stande , ganz allein die Mm. transversus und obliquus auriculae zu contrahiren , wobei zugleich durch die Biegung des Ohrknorpels ein knurpsendes Geräusch in dem betreuenden Ohr entsteht. Ebenso gelingt mir die halbseitige Contraction des Orbicularis oris der Unterlippe. — Nach Mendel sollen die Orbicularisfasern des Facialis ihren Ursprung nehmen aas dem hintersten Ende des Oculiraotoriuskernes. Im Gesicht anastomosiren die Facialiszweige regel- mässig mit denen des Trigeminus. Hierdurch tragen letztere den Muskeln zugleich Muskelgefühlsfasern zu. Dieselbe Be- deutung haben die peripheren Vereinigungen der sensiblen Zweige der Nn. auricularis vagi und auricularis magnus für die Ohrmuskeln , sowie endlich die Verbindung der sensiblen Fäden vom dritten C er vical nerven für die Faci ausfasern des Platysma. Durchschneidung des Facialis am Griffelwarzenloch ist schmerzhaft, noch schmerzhafter aber ist die der peri- pheren Gesichtsäste (Magendie), was sich aus dem Mitgeth eilten mit Leichtigkeit ergiebt. [Vgl. §. 357 „rückläufige Sensibilität".] Die nachstehende Abbildung- giebt uns genauer den Verlauf des Stammes des Facialis und seines oberen, mittleren und unteren Astes [§• 351.] Nervus facialis. 739 im Antlitze, sowie alle diejenigen Stellen, an denen die einzelnen motorischen Zweige in ihre Muskeln eintreten. An diesen Punkten kann man durch Aufsetzen einer Elektrode (die andere berührt einen beliebigen anderen Körpertkeü) die einzelnen Muskeln elektrisch zur Contraction bringen , und würde man auch hier bei Anwendung der Elektricität zu Heilzwecken (§. 341; die Application der Elektrode bewerkstelligen. Fig. 224. Oberer Facialisast, Facialisstaiom, Mm. retrahens et attolens auricul. Muse, occipitalis. Mittlerer Facialisast. M. stylohyoideus, M. digastricus, Unterer Faciali M. corrugator supercilii. M. orbicularä palpebr. H. compressor nasi et.pyram. aaai M. levator lab. sup. alaeuue nasi, M. levator lab. sup. pr>i]>r. M. zygoiuatic. minor. M. dilatat. nariura. M. zygomatic. major. M. levator menti. M. quadratus menti. M. triangolaris menti. Motorische Punkte des Facialis und der von ihm versorgten Gesichtsmuskeln (nach Eichhorst). Pathologisches : — Bei den Lähmungen des Facialis ist vor Allein wichtig, zu untersuchen, ob der Sitz der Affeetion entweder ein peripherer (in der (legend des Foramen stylomastoideum) sei , — oder im Verlaufe des langen Canalis Fallopiae, — oder endlich gar ein centraler (cerebraler). Eine genaue Analyse der Symptome giebt hierüber Auskunft. — Als Ursache der Lähmungen am Foramen stylomastoideum ist häutig eine rheumatisebe zu bezeichnen, welche wahrscheinlich auf einer Exsudation beruht, die den Nerven (vielleicht an der Stelle des, von Rüdinjfer an der inneren Seite des Fa//<>/). Intracrani e lle Reizungen der verschiedensten Art, welche das Rindencentrum oder den Kern des Nerven treffen . können gleichfalls zu Krämpfen Veranlassung geben. Endlich kann der Gesichtskrampf als Theilerscheinung allgemeiner Krämpfe auftreten, wie bei Epilepsie, Eklampsie, Chorea, Hysterie, Tetanus. Schon Aretäus (81 n. Chr.) macht die interessante Notiz , dass im Tetanus sich die Ohrmuskeln mitbewegen. — lieber den Einfluss der Facialisreizung auf den Geschmack müssen wir erst in Zukunft durch genauere ärztliche Untersuchungen belehrt werden. Sehr selten ist bei Reizung des Facialis krampfhaftes Heben des Gaumens und vermehrte Salivation beschrieben /Leube). Moos sah bei Reizung der Chorda in Folge einer Operation in der Paukenhöhle eine profuse Speichelsecretion. Schon Aristoteles fand während des Gähnens (§.126. 9) eine transitorische Schwerhörigkeit, welche ich auf einen Krampf des Stapedius beziehe: ein Gegen- stück zur Hyperakusis W' illi s i ana. Verbunden damit ist ein schwaches dröhnen- des Geräusch, von der Erschütterung des Labyrinthes durch diesen Muskel her- rührend (vgl. ja. 305). Gottslein beobachtete in einem Falle neben Blepharospasmus anfallsweise dieses Stapedius-Dröhnen. 352. VIII. Nervus acusticus. Zwei Wurzeln (Stirda dienen dem Hörnerven als Ursprung: eine vordere starkfaserige und eine hintere schmalfaserige. Aus ersterer geht der N. vestibuli, aus letzterer der N. Cochleae hervor [beim Schafe und .Pferde völlig getrennt Horbaczewski, ]. Jeder der beiden Wurzeln entsprechen ein medialer und lateraler Ursprungskern, so dass also eigentlich 4 Kerne bestehen (Fig. 220, 8, 8', 8". 8'"). Der N. vestibularis verbindet sich im Wesent- lichen mit grauen Massen, welche zum Kleinhirn in Beziehung stehen (FovilU, Meynert) ; diese dienen wahrscheinlich der G 1 e i c h g e w i c h t s r e g u 1 i r u n g. — Vom Ursprung der Seh necken fasern geht der Hauptzug auf die andere Seite zum hinteren Vierhügel und dem Corpus geniculatum inter- num und weiter [namentlich durch die untere Schleife, obere Olive und Corpus trapezoideum < Bechterew ■ & Flechsig ] zum Schläfenlappen des Grosshirns (§• 380. IV. 2) Babinsky, Spitzka . Nach Exstirpation des Schläfenlappens atro- phiren dessen Stabkranzfasern bis in die Capsula interna hinein und das Corpus geniculatum internum v. Monakow). Die Striae acusticae stellen eine centrale Bahn der lateralen Acusticuswurzel dar Nussbaum) ; sie bilden ein seeundäres , nach Art eines Chiasmus sich kreuzendes Proji'ctionssystem de'S Acusticus (v. Monakow . Die Urspiungskerne beider Acustici Stehen durch Com- missureufasern im Gehirn in Verbindung !■"< hsig . Im Verlaufe des Porus acusticus internus kommt es zwischen dem Gehör- nerven und der Portio intermedia des Facialis zu einem Faseraustausch, des physiologische Bedeutung nicht autgeklärt ist. Dem Acusticus kommt eine doppelte Function zu. näm- lich er ist der Gehörnerv: jede Reizung seiner Ursprangs- *4wo- tomisches- Function . 742 Nervus acusticus. [§. 352-] quellen, des Verlaufes oder der Endausbreitung bewirkt Gre- hörswahrnehmung, — jede Verletzung, je nach der Intensität. Schwerhörigkeit bis Taubheit. Hiervon verschieden ist die Function des Nerven, welche allein in den halbzirkelförmigen Canälen localisirt ist, nämlich die, durch Erregung der peripheren Ausbreitung in den Ampullen auf die zur Au fr echterhalt ung des Körpergleichgewichtes nothw endigen Bewegungen zu wirken. verhalten bei Von besonderer Wichtigkeit ist das Verhalten des Acusticus dem gaVDurcL w galvanischen Strome gegenüber. Bei Gesunden zeigt sich nämlich Strömung. jjei Kathodenschliessung eine Tonwahrnehmung im Ohre, die während des Geschlossenseins am Ohre , sich abschwächend , anhält. Ferner zeigt sich bei der Anodenöffnung ein schwächeres Tönen; ^Brenner 's akustische Normalformel". Dieser Klang stimmt genau mit dem Resonanz-Eigenton des Schallleitungsapparates des Ohres selbst (Kiesselbach). Das Auftreten dieses Tones erklärt sich in folgender Weise. Im Mittelohr Desteht ein permanentes Blutgeräusch, auf welches das Höhlensystem des Mittel- ohres mit seinem Eigenton resonirt. In Folge der Gewöhnung vernehmen wir in der Regel dieses Tönen nicht, es erscheint aber sofort, wenn der Acusticus in den Zustand höherer Erregung tritt, nämlich (im Sinne des Elektrotonus, §. 338) "bei Kathoden Schliessung und Anodenöffnung >' Kiesselbach). Nach Gradenigo , Pollak und Gärtner reagirt indess bei Ge- sunden der Acusticus auf Ströme mittlerer Stärke überhaupt gar nicht. Nur bei hyperämischen und irritativen Zuständen des Gehör- organes existirt eine Reaction, und zwar auf beiden Ohren selbst bei nur einseitiger Affection. Die dann auftretende Reactionsformel entspricht durchaus dem Pfliigei 'sehen Gesetze (§. 338) : Kathoden- schliessung erzeugt Ohrenklingen , Anodenöffnung ein tieferes Sausen. Während des Geschlossenseins besteht schon bei schwächeren Strömen Dauerreaction. Sogar bei völliger Taubheit kann diese typische Reaction erhalten sein. Pathologische Pathologisches zur Gehörthätigkeit. — Eine gesteigerte Erregbar- ter^GeWrs- keit des Gehörnerven an irgend einer Stelle seines Verlaufes, seiner Centren thätigkeit. oder der Endausbreitnngen bringt die nervöse Feinhörigkeit (Hyperakusis) mit sich, meist ein Zeichen ausgebreiteter gesteigerter Nervenerregbarkeit, z. B. bei Hysterischen. In besonders hohen Graden kann es bis zu einer entschieden schmerzhaften Empfindlichkeit kommen, die man als a ku stisc he Hyp e ralgi e bezeichnen kann (Eulenburg). — Reizungen der besagten Gebiete bringen Gehörswahrnehmungen hervor, unter denen das nervöse Ohrensausen oder Ohrenklingen (Tinnitus) entweder daher rührt, dass die Gefässgeräusche im Ohr abnorm stark sind, oder dass der Acusticus hyperästhetisch ist. So erklärt sich auch der Tinnitus nach grossen Chinin- oder Salicyl-Doseu in Folge vasomo- torischer Einwirkung auf die Labyrinthgefiisse, die sich sogar bis zur Gefäss- zerreissung steigern kann (Kirchner). Häufig findet sich beim Ohrensausen die Reaction auf die Anwendung des galvanischen Stromes verstärkt. Seltener besteht eine sogenannte „paradoxe Reaction" : d.h. bei Application des galvanischen Stromes an dem einen Ohre zeigt sich neben der Reaction in diesem Ohre die entgegengesetzte in dem nicht durchströmten Ohre ; es kann diese Erscheinung erklärt werden im Sinne des Transfert (§. 431) (Landois). In anderen Fällen von Leiden der Gehörnerven können (^rausche statt Klänge durch den Strom her- vorgerufen werden. Ausserdem beobachtete mau mancherlei Abweichung von der Brenn er' schon Formel, sogar völlige Umkehr derselben. — Erregungen vornehmlich des corticalen Centrums des Acusticus, zumal bei Geisteskranken, können Gehörs- [§• 352.] Nervus acustieus. 743 Phantasmen hervorbringen (§. 380. IV). — Ist die Erregbarkeit der Gehör- nerven vermindert, oder gar vernichtet, so zeigt sieh die nervöse Schwerhörigkeit (Hypaknsis) und die nervöse Taubheit (Anaknsis). Die Bogengänge des Labyrinthes. — Zerschneidung der Gänge zerstört nicht die Gehörwahrnehmung, dahingegen treten [jedoch nicht bei Fischen (Kiesselbach)] sehr prägnante, offenbar auf Schwindelgefühl beruhende Störungen des Gleich- gewichtes auf, mit Schwächung der Energie der quergestreiften Muskeln (J. R. Ewald), zumal bei doppelseitiger Verletzung (Flourens). Charakteristisch ist die pendelnde Bewegung des Kopfes in der Richtung der Ebene des verletzten Bogenganges. Wird der horizontale Bogengang durchschnitten , so dreht sich der Kopf (der Taube) abwechselnd nach rechts und links. Die Drehungen treten zumal hervor, wenn das Thier Bewegungen intendirt: ruht dasselbe, so treten sie zurück. Die Erscheinung kann selbst Monate lang dauern. Verletzung der hinteren verticalen Gänge verursacht starke auf- und nieder-gehende Mickbewegungen, wobei das Thier nicht selten nach vorn oder hinten überstürzt. Verletzungen endlich der oberen verticalen Bogengänge bewirkt ebenfalls pendelnde Verticalbewegungen des Kopfes mit öfterem Vornüberfallen. Bei Zerstörung aller Gänge erfolgen vielfach verschiedene pendelnde Kopfbewegungen , die das Stehen oft unmöglich machen. Brei/er sah bei mechanischer, thermischer und elektrischer Reizung der Canäle analoge Drehungen des Kopfes eintreten; als ich die freigelegten Gänge mit Kochsalzlösung be- piuselte, sah ich gleichfalls die geschilderten Pendelbewegungen ein- treten , die nach einiger Dauer mitunter wieder verschwanden. — Eine 25°/0ige Chlorallösung Kaninchen ins Ohr geträufelt, wirkt bereits nach 15 Minuten einer Zerstörung der Canäle ähnlich fVvl- pian). Zerschneidung der Acustici im Schädel hat denselben Erfolg (Bechterew). Goltz fasst die Canäle auf als Sinneswerkzeug für die Gleichgewichts- stellung des Kopfes , Mach als ein solches für die "Wahrnehmung der Kopf- bewegung. Nach Goltz übt bei jeder Kopfstellung die Endolymphe auf eine bestimmte Stelle der Bogengänge den stärksten Druck aus und erregt so in ver- schieden starken Graden die Nervenendigungen der Ampullen. Nach Breiter rinden in den Bogengängen bei Drehungen des Kopfes Strömungen der Endolymphe statt. die in festen Beziehungen zu Richtung und Ausmaass der Kopfliewegung stehen, die also, wenn sie pereipirt werden, ein Empfindungsmittel für die Beurtheilung der Kopfbewegung abgeben. Die nervösen Endorgane der Ampullen sind geeignet, diese Perception auszuführen. "Wenn somit die Bogengänge als "Werkzeuge, pewissermaassen als ein „Sinnesorgan" 'Goltz für das Gleichgewichtsgefühl, die "Wahrnehmung der Stellung oder der Bewegungen des Kopfes fonetioniren, so wird ihre Zerstörung oder Reizung diese "Wahrnehmungen alteriren und so zu abnormen Kopfschwankungen Veranlassung geben. Das Gefühl des Schwindels, Täuschung über die räumlichen Verhältnisse der Umgebung und damit zugleich Schwanken des Körpers, tritt vornehmlich ein bei er w orben en Veränderungen der normalen Augenbewegungen, mögen diese entweder in unwillkürlichem Hin- und Her-Schwanken (Nystagmus) der Bulbi bestehen, oder in Lähmungen derselben. Bei activen oder passiven Bewegungen des Kopfes oder des Körpers rinden normalmässig gleichzeitige Bewegungen beider Bulbi statt, die für eine jede Körperstellung ganz bestimmte sind. Der all- Gleich- gewichts- stb'rungen nach Verletzung der Bogengänge. Erklärung der Erschei- nungen. Schwindel. 744 Nervus acusticus. [§. 352.] gemeine Charakterzug dieser, als compensatorisch zu bezeichnenden, bilateralen Augenbewegungen besteht darin, dass durch dieselben beide Augen bei den verschiedenen Ortsveränderungen des Kopfes und des Körpers ihre primäre Ruhestellung beizubehalten streben. Durchschnei- dung des Aquaeductus Sylvii in der Höhe der vorderen Vierhügel, der Hirnpartie am Boden des 4. Ventrikels, der Acusticuskerne, beider Acustici, sowie Zerstörung beider häutigen Labyrinthe führen Ausfall dieser Bewegungen herbei: Reizung dieser Theile hat umgekehrt bilaterale associirte Augenbewegungen zur Folge. Es stellte sich nun heraus, dass compensatorische Augenbewegungen unter normalen Verhältnissen reflectorisch hervorgerufen werden von dem häutigen Labyrinthe aus. Aus beiden Labyrinthen gehen reflex- anregende Nervenbahnen für beide Augen, und zwar für jedes Auge aus beiden Labyrinthen. Diese ziehen durch die Acustici zum C en trum (welches Bechterew in den oberen Oliven vermuthetj, und von letzterem gehen centrifugalleitende Fasern zu den Augenmuskeln. Zerstörung der halbzirkelförmigen Canäle bewirkt somit Veränderung der nor- malen compensatorischen Augenbewegungen und erregt auf diese Weise Schwindel (Högyes). Chloroform und andere Gifte machen die compensatorischen Augenbewe- gungen ermatten. — Nicotin u. a., sowie Erstickung unterdrücken sie durch Ein- wirkung auf das Centrum (Högyes mit Kovacs &* Kerie'szL Schon früher fand Cyon , dass Reizung des horizontalen ßogens horizon- talen Nystagmus zur Folge hat, die des hinteren : verticalen , die des vorderen : diagonal gerichteten Nystagmus. Die Reizung eines Acusticus bewirkt rotirenden Nystagmus und Achsendrehung des Thieres nach der gereizten Seite. Galvanischer Der Gedanke liegt nahe, dass die Gleichgewichtsstörungen, Schwindelan fälle und das Gefühl der Scheinbewegung äusserer Gegenstände, welche bei der gal vani sehen Durchströ- mung des Kopfes zwischen beiden Ohren oder den beiden Processus mastoidei auftreten, ebenfalls von Einwirkungen auf die Bogengänge der Labyrinthes herrühren (§. 382). Auch bei diesem tritt Augen- schwanken ein (Hitzig), sowie auch eine Bewegung des Kopfes beim Schluss der Kette gegen die Anode hin (Hitzig, Kny). Patho- Pathologisches: — Die. bei Affectionen des Labyrinthes und bei der sogen. logisches, ji fernere' sehen Krankheit plötzlich auftretenden Schwindelanfälle, welch letztere nicht selten von Ohrensausen , Erbrechen , taumelndem Gans und hochgradiger Schwerhörigkeit begleitet sind , müssen auf eine Aftection der Ampullennerven, oder ihrer Centralorgane, oder der halbzirkelförmigen Canäle bezogen werden. — So bewirken auch gewaltsame Einspritzungen in die Ohren von Kaninchen Schwindelanfälle mit Nystagmus und Verdrehung des Kopfes nach der behan- delten Seite : Raginski;. Bei Trommelfelldefecten beim Menschen sah Lucae bei Anwendung der sogenannten Gehörgang-Luftdouche von 0,1 Atmosphäre Abduction des Bulbus unter Entstehung von Doppelbildern, Schwindel, öchwarzwerden vor den Augen und vertiefter, beschleunigter Athmung. Diese Erscheinungen müssen auf eine Reizung oder Erschöpfung der Vestibularzweige des Acusticus zurück- geführt werden 'Högyes;. So erklärt sich auch der bei Krämpfen des Tensor tympani, wodurch excessiver Druck dem Labyrinthe mitgetheilt wird, beobachtete Schwindel (Weber-Liel,. — Merkwürdiger Weise findet sich bei chronischen Magen erkrankungen mitunter die Neigung zu Schwindelanfällen (Trousseau's Magenschwindel). Vielleicht kommt derselbe so zu Stande, dass die Reizung der Magennerven die Gefässnerven des Labyrinthes erregt, was auf die Druckverhält- nisse der Endolymphe einwirken müsste. Als in analoger Weise zu Stande kommend hat man einen Darm-Schwindel (Leube) , Larynx-Schwindel (Charcot) und Lrethral-Schwindel (Erlenmeyer) beschrieben. [§. 353.] Nervus glossopharyngeus. 745 353. IX. Nervus glossopharyngeus. tomisches. Function. Geschmack. Dieser Nerv (Fig. 221. IX) entspringt aus dem gleichnamigen, theils gross- '/elligen (motorischen), theils kleinzelligen (den Geschmacksfasern angehörigeni Kerne in der unteren Hälfte der vierten Hirnhöhle (Fig. 220). Der Kern stösst rückwärts an den Vaguskern ; die vorderste Partie des Ursprungskerne» wird als Wurzel der Portio intermedia des Facialis gedeute* (§. 351). Der Nerv bezieht endlich noch Fasern aus den unter 2 und 3 aufge- führten Ursprungsgebieten des Vagus. Die Fäden sammeln sich zu zwei Stämmchen, die später verschmelzen, und verlassen vor dem Vagus die Medulla oblongata. In der Fossula petrosa schwillt er zu dem Ggl. jugulare (s. Anderschii s. petrosum) an (Fig. 225), von welchem mitunter ein versprengter Theil (an dem hinteren Stämmchen) noch innerhalb der Schädelhöhle als besonderes Ggl. Ehrenr itteri angetroffen wird. Im Ggl. jugulare anastomosirt der Nerv mit dem Trigeininus, Facialis (Fig. 222 c und 7;), Vagus und dem Plexus caroticus. Von diesem Ganglion steigt auch senkrecht der N. tympanicus (X) aufwärts in die Paukenhöhle, um sich mit dem Plexus tympanicus zu vereinigen. Dieser Ast (Vgl. §. Hol. 4) giebt auch der Paukenhöhle und der Tuba Eustachi] sensible Aeste, ferner bringt er in den N. petrosus superficialis minor Fasern für die Speichelabsonderung der Parotis (Hund) Heidenhain) (§. 149). Seiner Function nach ist er zunächst : — 1. Geschmacks- nerv auf dem hinteren Drittel der Zunge, dem Seitentheil des weichen Gaumens und dem Arcus glossopalatinus. (Vgl. §. 424.) [Ueber die Geschmacksth'atigkeit auf den vorderen zwei Dritteln der Zunge ist beim N. lingual is (§.349- III. 4) und der Chorda tympani (§.351.4) berichtet.] Die Zungenäste tragen Gan gl ien , zumal an den Theilungsstellen und an der Basis der Papulae vallatae (Kemak , Kölliker, Schivalbe). Die Endzweige lassen sich bis in die umwallten Papillen (Fig. 222 U) verfolgen, deren Gesch mack skn osp en den Endapparat darstellen (§.421). 2. Er ist Gefühlsnerv für das hintere Drittel der Zunge , die vordere Fläche des Kehldeckels , die Tonsillen . die vorderen Gaumenbögen . den weichen Gaumen und einen Theil des Pharynx. Diese ^Nerven wirken hemmend auf den Schling- act und die Athmung. Sie erzeugen ferner (ebenso wie die Geschmacksfasern) reiiectorische Speichelabsonderung (pg. 274). 3. Er ist motorischer Nerv für den Stylopharyngeus Bewegung und Constrictor pharyngis medius (Volkmann) [ferner nach einigen Angaben für den (?) Glossopalatinus (Hein) und den (??) Levator veli palatini und Azygos uvulae (vgl. Ggl. spheno- palatinum)]. Immerhin ist es zweifelhaft, ob der Glossopharyngeus schon an seinem Ursprünge motorische Fasern führt [man hat demselben allerdings von einigen Seiten einen motorischen Ur- sprungskern zugeschrieben (Meynert, Huguetiin , W. Krause, DuvalJ\ . oder ob ihm diese erst im Ggl. petrosum durch den communicirenden Ast vom Facialis zugetragen werden. I Ein Zweig begleitet die Arteria lingualis Cruveilhier ; dieser wirkt gef äs ser weitern d für das hintere ' ■■'., der Zunge fVtilpian). Sichere pa t b ol osj i s c h e Beobachtungen beim Menschen, welche sich auf Patho- reine und isolirte Affectionen des 8. Nerven beziehen, liegen nicht vor. logüehe». Gefühl. 354. X. Nervus vagus. Sein mit dem 9. und 11. Nerven im Zusammenhang stehender Ursprungs- kern ist — l.die Ala cinerea im unteren Titeile der Rautengrube (Fig. 220). — Ana- tomisches. 7d6 Nervus vagus. [§. 354.] 2. Andere Ursprungsfasern kommen aus einem , an der äusseren Seite des Kernes liegenden Längsfaserbündel hervor (Lenhossek's Bündel, W. Krause' 's Respirationsbündel), welches bis in die Halsanschwellung des Rückenmarkes ab- wärts reicht. — 3. Endlich giebt ein nach innen belegener motorischer Kern (Nucleus ambiguus) , eine Fortsetzung des Vorderhorns des Rückenmarkes Ur- sprungsfäden ab Der Vagus verlässt hinter dem 9. Nerv (Fig. 221) mit 10 bis 15 Fäden zwischen Keilstrang und Seitenstrang das verlängerte Mark und bildet am Foramen jugulare das gleichnamige Ganglion. Seine Aeste enthalten Fasern ver- schiedener Function. Bamus 1. Der sensible Ramus meningeus (vom Ggl. ju- gulare), welcher in Begleitung mit vasomotorischen Sym- pathicusfasern den hinteren Ast der Art. meningea media ver- folgt, und auch Aestchen zu den Sinus occipitalis und transversus schickt. Bei starken Congestionen zum Kopfe und Entzündungen der Dura mater vermag seine Reizung Erbrechen zu erregen. Ramus 2. Der Ramus auricularis (Fig. 225 au) vom Ggl. s' jugulare nimmt eine Verbindung vom Grgl. petrosum des 9. Nerven auf, kreuzt dann, durch den Canaliculus mastoideus verlaufend, die Bahn des Facialis (7), welchem er vermuthlich sensible Fasern zuführt. Weiterziehend giebt er sensible Aeste zum hinteren Umfang des Gehörganges und dem anstossenden Theil der Ohr- muschel. Ein Zweig läuft mit dem N. auricularis posterior des Facialis, welchem er für die Muskeln Muskelgefühlsfasern zuertheilt. Auch dieser Nerv vermag , durch Entzündungen oder Fremdkörper im äusseren Gehörgang gereizt, Erbrechen zu erregen. Reizung der Tiefe des äusseren Gehörganges im Innervationsgebiete des R. auricularis erregt reflectorisch auchH usten (Cassius Felix; 97 n. Chr.), selten Herzhemmungserscheinungen. End- lich erfolgt auf Reizung des R. auricularis reflectorische Verengerung der Ohrgefässe (Snellen, Loven). verHndungs- 3. Verbindungsäste des Vagus sind: — 1. Ein desVagus. Aestchen , welches das Ggl. petrosum des 9. mit dem Ggl. jugulare des 10. direct verbindet ; Function unbekannt. — 2. Dicht über dem Plexus gangliiformis vagi senkt sich die ganze innere Hälfte des Accessorius in den Vagusstamm. Me Dieser führt dem letzteren die Bewegungsnerven für den Ac7ZrZs' Kehlkopf (Bischoff 1832), Schlund und den Halstheil der Speise- röhre zu, sowie die Herzhemmungs fasern (Cl. Bernard). — 3. Im Plexus gangliiformis vereinigen sich mit dem Vagus Fasern unbekannter Function vom Hypoglossus, vom Ggl. cervicale su- premum sympathici und vom Plexus cervicalis. vagus-Aest- 4. Zum Schlundgeflechte sendet der Vagus (2) vom ^»flecMeT' oberen Theil des Plexus gangliiformis 1 bis 2 Aeste, die in der Höhe des mittleren Schlundschnürers mit den Schlundästen des 9. Nerven und des obersten sympathischen Halsganglions neben der Art pharyngea ascendens den Plexus pharyngeus bilden. Der Vagus versorgt in diesem Geflechte die drei Sc hlund-Schn ürer mit Bewegungsnerven, auch der Tensor (vgl. Ggl. oticum) und Levator veli palatini (vgl. Ggl. sphenopalatinum) sollen motorische Fäden (? Muskelgefühls- fasern) erhalten. Sensible Vagusfasern des Schlundgeflechtes [§• 354.] Nervus vagus. 747 versorgen den Schlundkopf von der Stelle unterhalb des Gaumen- segels an abwärts. Diese Fasern erregen reflectorisch die Schlund- Schnürer beim Schlingen (vgl. pg. 203). Bei stärkerer abnormer Reizung vermögen sie auch Erbrechen zu bewirken. [Die sympathischen Fasern des Schlundgeflechtes geben vaso- motorische Nerven an die Schlundgefässe ; über die Schlund- zweige des 9. Nerven siehe §. 353.] 5. Von den zwei Kehlkopf ästen des Vagus nimmt : a) der N. laryngeus superior (3) einen vasomoto- rischen Faden vom obersten Sympathicusganglion auf. Er theilt sich in einen Ramus externus und internus. — 1. Der Ramus externus nimmt abermals aus derselben Quelle Vasomotoren an sich (die weiterhin auch die Art. thyieoidea superior begleiten) und innervirt mit Beweg ungs fasern den M. cricothyreoideus , mit Gefühls fasern den unteren seitlichen Bereich der Larynxschleimhaut. — 2. Der Ramus internus giebt nur sensible Aeste ab : an die Plica glotto- epiglottica und die zunächst seitlich davon liegende Region der Zungenwurzel . an die Plica ary-epiglottica und an das ganze Innere des Kehlkopfes (soweit der R. externus nicht reichte) (Longcfj. Die Reizung dieser sensiblen Zweige ruft reflectorisch Husten hervor. Reizung der Stimmbänder jedoch nicht, sondern nur die der Begrenzung der Glottis respiratoria (Kohls). Dasselbe bewirken die sensiblen Vaguszweige der Trachea , namentlich an der Bifurcationsstelle , ferner die der Bronchialschleimhaut. ebenso des Lungengewebes und der krankhaft veränderten (ent- zündeten) Pleura. Das Hustencentrum soll zu beiden Seiten der Raphe in der Nähe der Ala cinera belegen sein (Kohts). Zu sehr heftigen Hustenanfällen kann sich durch Reizung des Schlundes oder als Mitbewegung Erbrechen hinzugesellen. Bemerkenswerth ist. dass bei manchen Mensehen Husten erregt werden kann durch Reizung selbst entlegener sensibler Nerven, z. B. des äusseren Gehörganges (N. auricnlaris vagi) , der Nasenschleimhaut („Trigeminushusten" Schadewald's), der Leber, Milz (Naunyn . des Magens und Darmes, des Uterus (Hegar/ , der Mammae . der Ovarien Strübing , ja sogar einzelner Hautstellen (Ebstein . Ob hierbei der erregte Nerv centripetal direct das (etwa abnorm reiz- bare) Hustencentrum anregt, — oder ob in Folge der Nervenreizung zuerst die Vascularisation und Secretion des Athmungsorganes beeinflusst wird (§. 143), die ihrerseits nun erst in zweiter Linie zum Hustenreflex führen . muss weiteren Studien überlassen bleiben. Der, durch Reiz der Luftröhre und der Bronchien bewirkte Husten (Hund, Katze) tritt sofort ein und dauert so lange, wie der Beiz währt. — bei Reizung des Larynx entsteht zuerst Hemmung der Athmung mit begleitenden Schlingbewe- gungen, und erst nach dem Aufhören der Reizung tritt der Husten ein Kandnrazky . Der Laryngeus superior enthält ferner noch centripetalleitende Fasern, welche gereizt Stillstand der A t h m u n g unter Schluss der Stimmritze bewirken Rostnthai [siehe Athmungscontrum , §.370], — ferner solche, welche eine Schluckbe w egnn g aaslösen (§. 369- 6). — endlich Fasern, die centri- petalleitend. jrereizt das vasomotorische Centrum zu höherer Energie anregen, also rpressor i sehe Fasern" [siehe Vasomotoren- Centram, £. M'.\. II]. b) Der N. laryngeus inferior s. recurrens (5) schlägt sich links um den Aortenbogen, rechts um den Truncus eleido- caroticus, giebt aufsteigend in der Rinne zwischen Trachea und Oesophagus . Bewegungsfäden an diese und den unteren Laryngeus superior: Ramus externus. Ramus internus Husten. Erregung. Ausgebreitete Husten-Beize. Athmungs- hemmungs- fasern . Pressorische Fasern . Laryngeus 748 [§■ 354.] [§. 354.] Nervus vagus. 749 Erklärung zu nebenstehender Figur 225. /. Schema der Verbreitung des N. vagus und acces3orius. — 10 Austritt des linken Vagusstammes aus der Schädelhöhle. — (10, rechter Vagus. — 9 N. glossopharyngeus. — 7 N. facialis. — IN. auricularis posterior profundus vom Facialis. — 2 Raums pharyngeus Vagi. — 6 Eamus pharvngeus glossopharyngei. — 3 X. laryngeus superior mit seineu Anastomosen tf vom Svmpathicus und seiner Theilung (4) iu den Ramus internus (y) und externus (e). — 5 N. laryngeus inferior sive recurrens. — au Ramus auricularis vagi. — Herznerven: — g Rami cardiaci aus demVagusstamm und aus dem Laryngeus superior. — i, h die drei Rami cardiaci aus dem oberen (S), mittleren x) und unteren / Halsganglion des Sympathicus. — k Ansa Vieussenii. — l Ramus cardiacus aus dem Recurrens. — L Lunge mit dem Plexus pulmonalis anterior und posterior. — r Plexus oesophageus. — o o Magenzweige des linken Vagus neust den abgehenden Leberzweigen (n — m Plexus coeliacus, — * der in denselben eintretende X. splanchnicus. — 11 N. accessorius Willisii, der seinen inneren Ast in den Plexus gangliiformis vagi sendet; sein äusserer Ast versorgt mit Zweigen (aa den M. sterno-cleidomastoideus 'St und (acx denM. cucullaris (Oc) — 0 Aeusserer Gehörgang. — Oh Os hyoideum. — K Schildknorpel. — T Luftröhre- — H Herz. — P Pulmonal- Arterie. — AA Aorta. — e Carotis dextra. — <-, Carotis sinistra. — s Subclavia dextra. — .«, Subclavia sinistra. — ZZ Zwerchfell. — # Niere. — An Neben- niere. — -J/Magen. — m Milz. — L L Lunge und Leber; [die Eingeweide kleiner gezeichnet]. //. Schema ues Verlaufes des N. depressor (sein Ursprung aus dem Vatrus liegt höher;, sowie des N. accelerans vom N. sympathicus (der Katze). Schlund-Schnürer ab und tritt dann zum Kehlkopf, dessen Muskeln er Bewegungsfasern ertheilt (mit Ausnahme des Crico-thyreoideus i. — Er wirkt auch hemmend auf das Athmungs- centrum; (siehe dieses, §. 370. Vom N. laryngeus superior läuft ein Verbindungszweig zu dem Anastomose Inferior hin (die sogenannte Anastomose Galen 'sj , welcher noch s en sible SUM s"Per>or- Aestchen zur oberen Hälfte der Luftröhre (? mitunter zum Larynx) , vielleicht auch zum Oesophagus Langet) und die Muskelgefühlsfasern (?) für die vom Recurrens versorgten Kehlkopfmnskeln abgiebt. Frangois Franck lässt in der Anastomose sensible Fasern des Recurrens in den Laryngeus superior übertreten. — Nach älteren Angaben stammen die Bewegungsfasern der beiden Laryngei Ursprung der sämmtlich vom Accessorius. Nach Graboiver sollen iedoch bei Thieren alle '""^jr'> *> fasern, motorischen Larynxfasern aus den 4 — 5 unteren Vagus wurzeln selbst entspringen. E.xncr beschreibt einen N. laryngeus medius aus dem Pharynxnerven des Vagus und dessen Verbindungen im Pharynxgeflecht stammend , welcher sich an der Innervation des M. cricothyreoideus und der vorderen und unteren Partie der Kehlkopf^chleimhaut betheiligt. Reiz u n g der Nu. laryngei superiores ist schmerzhaft und be~ Physiologische wirkt Bewegung der Cricothyreoidei I sowie retiectorische der übrigen „,.^',K?i Kehlkopfmuskelni. Die Durchschneidung derselben soll wegen an den der Lähmung des Cricothyreoidei geringe Verlangsamung der Athem- nerven. züge bewirken (Sklarek). Dabei wird beim Hunde die Stimme tiefer und rauh wegen mangelhafter Stimmbänderspannung (Lauget . Ferner ist der Kehlkopf gefühllos, so dass Mundrlüssigkeit und Speisetheilchen (ohne retlectorischen Sehluss des Kehlkopfes , resp. Husten, zu be- wirken) in die Luftröhre und Lungen gelangen, wodurch sogenannte ., s c h 1 u c k p n e u m o n i e:' mit tödtlichem Ausgange erfolgt [Fried- länder) . Reizung der Recurrentes hat Stimmritzenkram p f zur Folge. Die Durchsclmeidung lähmt die von ihnen versorgten Kehlkopfmuskeln, die Stimme wird klanglos und rauh [beim Schweine (Galen. Riolan. 1618), Menschen, Hunde, der Katze: Kaninchen behalten ihre hell- schreiende Stimme]. Die Stimmritze ist nur noch schmal : bei jeder Inspiration nähern sich die Bänder zumal in ihren vorderen Theilen bedeutend: bei der Ausathmung werden sie schlaff auseinander ge- blasen. Daher ist die Inspiration i zumal bei jungen Individuen, die nur eine enge Glottis respiratoria besitzen mühsam und geräuschvoll (Legallois), die Exspiration erfolgt völlig leicht. Nach ein paar Tagen 750 Nervus vagus. [§. 354.] beruhigt sich das Thier (Fleischfresser), es athmet mühelos, und die passiv schlotternden Stimmbandbewegungen treten zurück. Wenn aber im weiteren Verlaufe, selbst nach längerer Zeit, das Thier lebhaft erregt wird, so tritt bei dem nun stärkeren Athmungsbedürfniss oft ein Anfall hochgradiger Athemnoth ein , der erst nachlässt , wenn allmählich das Thier (Hund) sich mehr beruhigt. — Wegen der Kehl- kopfslähmung können auch Fremdkörper in die Luftröhre gelangen, zumal die Lähmung des obersten Oesophagusabschnittes das Nieder- schlucken erschwert. So kann es selbst zum Auftreten von Broncho- pneumonie kommen (Amsperger) . n. depressor. 6. Der N. depressor, welcher beim Kaninchen vom Stamme des Laryngeus superior und mitunter mit einer zweiten Wurzel vom Stamme des Vagus selbst entspringt, verläuft mit dem Sympathicus am Halse abwärts, senkt sich in das G-gl. stellatum und tritt von da in den Plexus cardiacus ein. Er ist ein centripetalleitender Nerv, dessen Reizung (auch des centralen Stumpfes) die Energie des Vasomotoren- Centrums herabsetzt, so dass der Blutdruck sinkt (Ludwig & Cyon). (Vgl. §. 373. 11.) Zugleich überträgt sich diese Reizung auf das Herzhemmungscentrum , so dass der Herzschlag abnimmt. Vorkommen Den N. depressor hat auch die Katze (Fig. .225. II) f Bernhardt) , der und Igel /'Auiert, Rover), die Ratte, Maus (Viti)\ beim Pferde und Menschen treten dem Depressor aualog entspringende Fasern in den Vagusstamm wieder zurück (Bern- hardt, Kreidmann . Auch beim Kaninchen können depressorisch wirkende Fasern im Vagusstamme selbst verlaufen (Dreschfeldt, Stelling). Hemmende. 7. Die Vagusäste des Herzgeflechtes (g, 1), sowie aeZ%iZd letzteres selbst sind bereits (vgl. §. 63) beschrieben. Sie ent- BeP/oTetn halten die Hemmungsfasern für die Herzbewegung (Ed. Weber 1845. Budge 1846), ferner sensible Fasern für das Herz [beim Frosche (Budge) und theil weise bei Säugethieren (Goltz)']. Endlich erhält das Herz auch durch die Vagusfasern einen Theil der beschleunigenden Fasern : schwache Vagus- reizung bewirkt nämlich mitunter Beschleunigung des Herz- schlages (Schiff, Moleschott, Gianuzzi). Bei Atropin- und Nicotin- Vergiftung , welche die Hemmungsfasern lähmt , hat Vagus- reizung Beschleunigung des Herzschlages zur Folge [Schiff, Schmiedeberg). (Vgl. §§. 371, 372.) Lungenäste 8. Die Lungenäste des Vagus gruppiren sich in dem iS vagus. pjexug puimonalis anterior und posterior. Ersterer giebt sen- sible und motorische Aestchen an die Trachea und verläuft dann an der vorderen Fläche der Bronchialverzweigungen in die Lunge (L). Der, aus 3 bis 5 starken, neben der Bifurcation von den Vagusstämmen kommenden Aesten sich formirende Plexus posterior vereinigt sich mit Zweigen aus dem untersten Halsganglion des Sympathicus und mit Fasern des Herz- geflechtes, und verläuft, nachdem sich Fasern beider Seiten kreuzweise ausgetauscht haben, mit den Zweigen des Bronchial- baumes in die Lunge. An den Lungenzweigen kommen Ganglien- zellen vor (Arnold), wie auch am Kehlkopf, an der Luftröhre L§- 354.] Nervus vagus. 751 und den Bronchien (Kandarazki). [Vom Lungengeflechte gehen Fädchen zum Herzbeutel und der oberen Hohlvene (v. Luschka, Zuckerkandl) ] Die Function der Lungenäste des Vagus ist eine viel- fache: — 1. Sie geben die motorischen Aeste für die glatten Muskeln des ganzen Bronchialbaumes ab (vgl. §. 112). — 2. Sie liefern zu geringeren Theilen vasomotorische Nerven den Lungengefässen (Schiff), die allerdings zum allergrössten Theile f? ganz) aus der Verbindung mit dem Sympathicus stammen (bei Thieren aus dem obersten Brustganglion) (Brown-Sequard , A. Fick & Badoud, Lichtheim). — 3. Sie geben die sensiblen (Husten erregenden) Fasern an den ganzen Bronchialbaum und die Lungen. — 4. Sie führen centripetal verlaufende Fasern, welche erregt depressorisch auf das vasomotorische Centrum wirken (Sinken des Blutdruckes bei forcirter Exspirationspressung. pg. 148). — 5. Desgleichen solche Fasern, welche erregt hemmend auf die herzhemmenden Vagusfasern (also pulsbeschleunigend' wirken (vgl. §. 371. II). Gleichzeitige Reizung von 4 und 5 ver- mag den Pulsrhythmus zu alteriren (Sommerbrodt) . — (3. Ent- halten sie centripetal verlaufende . vom Lungenparenchym zur Medulla oblongata ziehende Fasern, welche anregend auf das Athmungscentrum wirken. Durchschneidung beider Vagi hat dem entsprechend eine bedeutende Herabsetzung der Zahl der Athemzüge zur Folge: letztere sind zugleich sehr vertieft, so dass die Thiere zunächst gleiche Luftvolumina wechseln und in diesen gleiche Mengen 0 und C0.2 (Valentin). Reizung der centralen Vagi - Stümpfe beschleunigt die Athmung wieder (Traube , J. Rosenthal). — Dieses mühsame und erschwerte Athmen erklärt sich aus dem AVegfall dieser reflexanregenden Fasern, welche das normale leichte Spiel der Reflexathmung unterhalten; nach ihrer Durchschneidung wird die Anregung der Athembewegungen nun ganz vorzugsweise dir e et in der Medulla oblongata selbst erfolgen müssen. (Vgl. das Athmungs- centrum, §. 370.) Die Lungenentzündung nach doppelseitiger Vagusdurchschneidung — hat seit Valsalva, Morgagni (1740) und Legallois (1812) vielfach das Interesse der Forscher erregt. Für die Erklärung derselben ist Folgendes zu berücksichtigen : — a) Zunächst hat die beiderseitige Vagusdurcbschneidung den Verlust der Motilität d es Ke h 1 köpf es , sowie der Sensibilität des Kehlkopfes (falls die Durcbscbneidung oberhalb des Abganges der Nn. laryngei superiores statt- hatte), der Trachea , der Bronchien und der Lungen zur Folge. Es fällt daher der Schluss des Kehlkopfes beim Schlucken, sowie der reflectorische Schluss desselben bei eindringenden Schädlichkeiten (Mundflüssigkeit, Speisetheilchen. reizende Gase) völlig weg. und auch der reflectorisch angeregte Husten zur Wegbeförderung des einmal Eingedrungenen unterbleibt. So dringen also unge- hindert Schädlichkeiten auf die Lungen ein, und zwar um so leichter, als die gleichzeitige Lähmung des Oesophagus die Speisen in der Speiseröhre ver- weilen und so leicht in den Kehlkopf eintreten lässt. Dass hierin ein wesentliches anregendes Moment der Entzündung liege, konnte Traube dadurch zeigen, dass sich die Entzündung hintanhalten Hess, wenn er die Thiere durch eine Luftröhren- canüle von einer äusseren Halswunde aus athmen Hess. | Wurden umgekehrt allein nur die motorischen Eecurrentes durchschnitten und die Speiseröhre unterbunden, so dass sich die Thiere verschlucken mussten, so trat analoge „Fremd- körperpne umonie" mit tödtlichem Ausgange ein Traube, O. /•'■ Motorische, Vaso- motorische, Sensible, Athmungs- anregende Fasern, Die Broncho- pneumonie nach bilateraler Vagi-Sr 752 Nervus vagus. [§•354.] Plexus oesophageus. Plexus gastricus. Unterleibs- zweige. h) Ein zweites Moment liegt darin, dass bei der umfangreicheren und mühsam röchelnden und geräuschvollen Athmung (vgl. Lähmung der Recurrentes, pg. 750), die Lungen sehr blutreich werden müssen, da während der langgezogenen, bedeutenden Thoraxerweiterung der Lungenluftdruck abnorm niedrig ist. Hier- durch kommt es weiter zu serösen Transsudaten (Lungenödem), sogar zu Blutaustritt und Erweiterung der Lungenbläschen an den Lungenrändern (Frey). [Auch aus diesem Momente ist der Eintritt von Fremdkörpern . namentlich von Flüssigkeit, in die Glottis erleichtert.] Eine von aussen eingelegte Trachealcanüle wird auch hier die Entzündung hinhalten. — c) Vielleicht hat eine theilweise Lähmung der Lungen Vasomotoren mit Antheil an der Entzündung, da der hierdurch gesetzte grössere Blutreichthum für dieselbe ein günstig vorliereitetes Feld liefert. Endlich ist zu erwägen, ob nicht etwa noch trophi sehe Fa ser n im Vagus dem normalen Bestehen des Lungengewebes dienen. Nach Michaelson hat die sofort nach Vagidurchschneidung auftretende Pneumonie vorwiegend im unteren und mittleren Lappen ihren Sitz, die langsamer sich nach Be- currensdurchschneidung entwickelnde katarrhalische Entzündung meist in den oberen Lappen. — Kaninchen sterben unter den Erscheinungen der Lungen- entzündung in der Regel innerhalb 24 Stunden; bei den angegebenen Cautelen in einigen Tagen. Hunde können längere Zeit am Leben bleiben. Bei Kaninchen bringt auch die einseitige Ausreissung des 9., 10. und 12. Nerven Tod durch Pneumonie hervor (Grünhagen). — Bei Vögeln bleiben nach bilateraler Durch- schneidung der Vagi die Lungen entzündungsfrei (Blainville , Billroth), weil der obere Kehlkopf sich schlussfest erhält ; dennoch erfolgt der Tod in 8 Tagen durch Inanition wegen Kropfiähmung (Einbrodt , Zander, v. Aiirep), zugleich ist das Herz verfettet (Eichhorst), aber auch Leber, Magen, Muskeln (v. Anrep) ■ das Herz soll nach Wassilieff parenchymatöse Schwellung und geringe wachsartige Entartung zeigen. — "Wiederkäuer erleiden, weil ihnen das Aufstossen unmöglich ist, erheb- liche tympanitische Magen-Auftreibung (Ellenberg er). — Frösche, welche bei jedem Athemzuge die, in der Ruhe geschlossene , Glottis öffnen , sterben nach Durch- schneidung der Vagusstämme an Erstickung ; die der Lungenäste ist ohne einen schädlichen Einfiuss (Bidder). 9. Das Oesophagusgeflecht (r) bilden Vaguszweige oben vom Laryngeus inferior, dann von dem Plexus pulmonalis, unten vom Stamme selbst. Sie geben dem Oesophagus die Be- wegung (pg. 294) , das nur im oberen Theile vorhandene , un- deutliche Gefühl (auch das der Muskelcontraction) und Reflex- anregende Fasern. 10. Das Magengeflecht (o o) besteht aus dem vorderen (linken) Vagusende, welches noch zum Oesophagus Fasern sendet und der kleinen Curvatur entlang zieht und theils durch die Porta Zweige zur Leber schickt; auch der hintere (rechte) Vagus nimmt nach Abgabe einiger Oesophagusfasern Theil am Magengeflechte, welchem sich am Pylorus sympathische Fasern zugesellen. Die Vagi führen die S e c r e t i o n s f a s e r n der Magenschleimhaut (§. 168). In ihnen liegen auch vasomo- torische Nerven , denn die Durchschneidung der Vagusstämme bewirkt Hyperämie der Magenschleimhaut (Panvrn, Pincus). Nach doppelseitiger Durchschneidung der Vagi unterhalb des Zwerchfelles tritt nach längstens 3 Monaten unter Abmagerung, entzündlicher Veränderung der Magenschleimhaut und perivascnlärer Wucherung in der Leber und in den Nieren der Tod ein (Arthaud 6° Butte). 11. Etwa 2/3 des rechten Vagus geht jedoch am Magen in den Plexus coeliacus (m) über und von hier die Arterien begleitend zur Leber , Milz , Pancreas , Dünndarm , Nieren (N), Nebennieren. — Der Vagus giebt dem Magen motorische Fasern, die von seiner Wurzel (nicht vom Accessorius) stammen [§. 354.] Nervus vagus. 753 (Stilling , Bischoff, Chauveau) [vgl. pg. 296 . Die Magenfasern erhalten aber auch centripetale Bahnen, welche die Speiche 1- secretion anregen (vgl. pg. 274 1. Ob sie auch Erbrechen auslösen können, ist noch zweifelhaft. — lieber den Einfluss des Darmfasern. Vagus auf die Darmbewegungen ist im Zusammenhange mit den übrigen Darmnerven im §. 105 berichtet. Nach einigen Forschern soll die Vagusreizung sowohl am dünnen, als auch am dicken Gedärm Bewegungen wachrufen (Stilling , Kupffer, C. Ludwig, Remak). — Heizung des peripheren Vagusstumpfes «*&/««■». erzeugt in der Milz Contraction der glatten Muskeln in der Kapsel und in den Balken [beim Hunde und Kaninchen (Oehl)\ — für die Nieren bewirkt Reizung des Vagus an der Cardia xieren- Vermehrung der Harnsecretion unter Erweiterung der Nieren- gefässe und Köthung des Nierenvenenblutes (Cl. Bernard). — Bei Hunden und Kaninchen sollen auch einige vasomoto-r^moforen. rische Fasern der Unterleibsorgane vom Vagus geliefert werden (Rossbach & Quellhorst) , während die überwiegende Mehrzahl vom Splanchnicus kommt. 12. Es liegen im Stamme und in den Aesten des Vagus endlich noch (zum Auf andere Theil bereits namhaft gemachte) Fasern, welche eentripetal auf gewisse Nerven- ... , . . , • . * Apparate nervöse Apparate einwirken. »irfande a) Auf das vasomotorische Centrum wirken: — a) p res so rische Fasern Vagwfasem. (vornehmlich in den beiden Xn. laryngei), welche gereizt die Arterienbahnen reflectorisch verengern und so den Blutdruck steigern; — ß) depressorische Fasern (im Depressor, oder im Vagus selbst), welche die entgegengesetzte Wirkung haben. (Hierüber wird bei dem Gef ässn ervenc entrum §.373 gehandelt.) b) Auf das Athmungscentrum wirken — a) anregende Fasern (Lungen- äste), deren Erregung die Athmung beschleunigt. — und ß) unterdrückende (in beiden Laryngei). welche gereizt die Athmung hemmen. (Hierüber wird bei dem Athmungscentrum §. 370 gehandelt.) c) Auf das Herzhemmungssystem M-irken Fasern im Vagusstamme, welche gereizt eentripetal das Centrum erregen und das Herz in diastolische Ruhe ver- setzen. Reizung des centralen Vagusstumpfes bewirkt also Herzstillstand. Hierher gehört auch die Beobachtung von Mayer und PHbram , dass eine plötzliche Dehnung des Magens Verlangsamung und selbst Stillstand des Herzens bewirkt (zugleich contrahiren sich hierbei die Arterien der Medulla oblongata unter Blut- drucksteigerung). d) Auf das Vomircentrum (pg. 297) kann durch Reizung des centralen Vagusstnmpfes und (wie pg. 747 berichtet) mancher centripetaler Vagusfasern erregend eingewirkt werden. e) Auf die Pancreasseceretion wirkt Reizung des centralen Vagusstumpfes, indem hierdurch die Absonderung zum Stillstande kommt (vgl. pg. 323), also wohl durch Vermittlung gewisser Pancreasnerven. f) Nach Cl. Ber?iard sollen in den Lungenzweigen Fasern verlaufen, welche erregt reflectorisch die Zuckerbildung in der Leber erhöhen , vielleicht durch Vermittlung der Leberäste des Vagus. Die verschiedenen Zweige und Bahnen des Vagus besitzen einen ungleichen ; Grad d er Erregbarkeit. Erregt man centrifugal von schwacher Reizung höht beginnend, so bewegen sich zuerst die Kehlkopfsmuskeln, dann erst wird der E7"'v Herzschlag verlangsamt Rutherfora'). Wird der centrale Stumpf erregt, so ermüden fasern. "'. schon bei schwächerer Reizung die athmungsanregenden Fasern . später erst die athmungsunterdrückenden (Burkart). — Nach Steiner sind im Vagus des Kaninchens die verschiedenen Fasern so angeordnet, dass die centripetalen in der äusseren, die centrifngalcn in der inneren Hälfte des Halsstammes liegen. Pathologisches: — Reizungen oder Lähmungen im Gebiete des Vagus p^""^7 ,''", werden in sehr wechselvollem Bilde erscheinen müssen, je nachdem das Leiden Oesophagus. Lan dois , Physiologie. T.Ann. 48 754 Nervus vaarus. [§■ 354.] Heizung des Schlund- geflecktes. Krampf des Larynx. Hemmung der Athmung durch Beizung der Laryngei. Lähmung der Kehlkopfs- motoren. Asthma nervosum. f. '-'Zungen der Jferzäsle. den ganzen Stamm oder nur einzelne Zweige befallen hat, ferner je nachdem die Affection einseitig oder doppelseitig auftritt. — Lähmungendes Schlundes und der Speiseröhre, welche meist centralen oder doch intracraniellen Ursprunges sind, erschweren oder vernichten die Schlingbewegung, wobei Stauung im Oesophagus, Verschlucken, Athemnoth und auch Uebertritt des Genossenen in die Nasenhöhle beobachtet wird. Beim Trinken vernimmt man mitunter ein geräuschvolles Kollern in dem erschlafften Canale (Deglutatio sonora). — Bei unvollkommener Lähmung ist nur das Schlingen verzögert und erschwert, am leichtesten werden noch grössere Bissen verschluckt. — Vermehrte Con- traction, selbst krampfhaftes Zuschnüren wird unter den Erscheinungen all- gemeiner Nervenerregbarkeit beobachtet (vgl. pg. 294). Krämpfe der Kehlkopfsmuskeln bewirken ganz vorwiegend den krampfhaften Glottisverschluss, den Spasmus glottidis. Letzterer ist vornehmlich dem kindlichen Alter eigen und tritt anfallsweise unter Dyspnoe , beengter, pfeifender Inspiration auf, wozu sich Zuckungen in den Muskeln (der Augen, des Kiefers, der Finger, Zehen u. s. w.) hinzugesellen können. Es handelt sich wahr- scheinlich um einen reflectorisch erregten Krampf, der von den sensiblen Nerven verschiedener Gebiete (Zähne , Darm , Haut) in der Medulla oblongata ausgelöst werden kann (Eulenburg). — Es giebt aber auch Spasmen der Glottiserweiterer (Fräntzel) und der anderen Kehlkopfmuskeln. Reizungen der sensiblen Kehlkopfsnerven bringen erfahrungsgemäss Husten hervor. Ist die Erregung sehr intensiv, z.B. beim Keuchhusten, so können die, in den Laryngei liegenden, auf das Athmungscentrum hemmend einwirkenden Nerven mitgereizt werden : es erfolgt Verminderung der Athemzüge, schliesslich Athmungsstillstand bei erschlafftem Zwerchfell , und bei den inten- sivsten Reizen erfolgt ein krampfhafter Exspirationsstillstand unter Glottisver- schluss, selbst bis zur Dauer von 15 Secunden. "Wir haben es hier mit einer eigentlichen „Hemmungsneurose des Athmungsapparates;< zu thun (Eulenburg &s* LandoisJ. — Lähmungen der Kehlkopfsnerven, welche Störungen der Stimme bewirken , sind bereits (§. 315) namhaft gemacht worden. Bei doppelseitiger Recurrenslähmung [etwa durch Zerrung in Folge von Erwei- terung der Aorta und des Truncus cleidocaroticus hervorgerufen] findet bei den vergeblichen Phonationsbestrebungen beträchtliche Luftverschwendung statt; die Expectoration ist erschwert, kräftiger Husten unmöglich (v. Ziemssen). Hierzu können sich aber auch bei Anstrengungen gerade dieselben hochgradigen dyspnoetischen Anfälle hinzugesellen, wie man sie am Versuchsthier zu erzeugen im Stande ist. — Gewisse, ij4t bis mehrere Stunden dauernde Anfälle hochgradiger Athemnoth hat man auf Reizung des Plexus pulmonalis bezogen (Salter, BergsonJ (pg. 209), die einen Krampf der Bronchi almuskeln (Asthma bronchiale) erzeugen solle. Die physikalische Untersuchung der Lungen giebt ausser einigen Rhonchi (pg. 231) keinerlei Anhalt über die Ursachen des schweren Anfalles. Handelt es sich wirklich um einen Krampf, so wird dieser wohl meist ein reflec- torisch angeregter sein , bei welchem die centripetalleitenden Nerven der Lunge, aber auch der Haut (Erkältungen) oder der Genitalien (Asthma sexuale , PeyerJ im Spiele sind. Ich kann mich jedoch der Anschauung nicht erwehren , dass es sich in diesem nervösen Asthma vielleicht um eine vorübergehende Parese der, auf das Athmungscentrum anregend einwirkenden Lungennerven handle; es wäre dann der Anfall das Abbild der mühsamen Athmung nach bilateraler Vagussection. Ob ein bei dieser Krankheit constant beobachtetes acutes Lungenemphysem durch eine Reizung (Kredelj oder Lähmung (L. Langer) der Muskelfasern in den Lungen bedingt sei, bleibt zweifelhaft. Nach Bier?ner entsteht dieses durch kleine Ex- spirationshindernisse in den feinen Bronchien , welche bei der Inspiration besser überwunden werden, als bei der Exspiration. Solche Hindernisse sind katarrha- lische Schleimhautschwellungen, Ansammlung von Schleim, Blut, oder ein Krampf der Bronchien. Reizungen im Gebiete der Herzäste des Vagus können einmal durch directe Erregung Anfälle von verminderten , selbst zeitweise suspendirten Herz- contractionen bewirken, verbunden mit dem Gefühl grösster Hinfälligkeit und des Erlöschens der Lebensfunctionen, mitunter auch mit Schmerzen in der Herzgegend. Aber auch reflectorisch durch Reizungen der Unterleibsorgane (nach dem Vorbilde des Goltz'schen Klopfversuches) können Anfälle dieser Art hervorgerufen werden. J c h habe diese Erscheinungen zuerst (1865) nach dem Vorbilde des physiolo- [§. 354.] Nervus accessorius. 755 gischen Versuches analysirt und dieselbe mit dem Namen Angina pectoris pneumo- gastrica sive reflectoria bezeichnet. — Hennoch und Silbermann beobachteten bei Kindern mit Eeizungserscheinungen des Magens Verlangsamung , ich selbst bei Erwachsenen Aussetzen der Herzaction. Durch dieselbe Reflexwirkung kann auch eine Störung der respiratorischen Vagusfunctionen bewirkt werden , die Hennoch als Asthma dyspepticum bezeichnet hat. Selten zeigt sich bei intermittirenden Lähmungen der Herzäste des Vagus bedeutende Beschleunigung der Herz- Lähmungen. action auf 16U bis 240 Schläge (Riegel u. A.) , wobei mitunter Rhythmus und der Herza-ite- Stärke in grosser Unregelmässigkeit, erfolgen, theilweise auch gleichzeitige Athem- noth eintritt (WintemitzJ. Es bedarf hier jedoch in jedem Falle einer genauen Analyse , inwieweit Erregungen der automatischen Herzcentra , oder der accele- rirenden Herzfasern mit im Spiele sind. — Ueber krankhafte Afiectionen der intra-abdominalen Vagusfasern ist wenig Zuverl ässiges ermittelt. — Sind die Vagusstämme oder ihr Centrum gelähmt, so zeigt sich am hervor- stechendsten die mühsame, tiefe, verlangsamte Athmung, gerade wie nach Durchschneid ung beider Vagi (§. 354. 8) (Gutlmann 355. XL Nervus accessorius Willisii. Der einheitliche, langgestreckte Ursprungskern (Fig. 220) umfasst die -47"1" dorsolaterale Zellengruppe des Vorderhoms des Halsmarkes , welche unten vom ' 6. Cervicalnerven beginnt und sich nach oben ununterbrochen in die Oblongata bis an das obere Ende der Pyramidenkreuzung forterstreckt (Roller, v. Darksche- witsch . Der Ursprungskern geht hoch oben in den Hypoglossuskern über, liegt dann oberhalb des 1. Halsnerven in der Mitte des Vorderhorns, rückt dann seit- wärts und befindet sich vom 2. bis 4. Nerven am Seitenrande des Vorderhornea. Noch weiter abwärts bis unterhalb des 6. Halsnerven liegt er an der Basis des Seitenhornes Dees . Die durch das grosse Hinterhauptsloch aufsteigenden Wurzelfäden legen sich in der Nähe des Foramen jugulare rein äusserlich an einander (Holl), dann bilden sie die beiden Aeste des Nerven, von denen der innere sich^"71' ganz in den Plexus gangliiformis vagi einsenkt (Fig. 225). Dieser Ast giebt dem Vagus die meisten motorischen Fasern (§.354. 3), ferner die Herzhemmungsnerven Reisst man bei Thieren die Accessorii aus, so verfetten die heJ^^ga. Herzheinmungsfasern. Wird nach 4 — 5 Tagen nach der Operation fasem de* nun der Vagusstamm am Halse gereizt, so zeigt sich keine herz-*' hemmende Wirkung mehr (Waller, Schiff u. A.): nach HeidenJiain soll sogar unmittelbar nach dem Ausreissen der Wurzeln der Herz- schlag sich beschleunigen. Der äussere Ast — stammt von dem Rückenmarksan- Ae'^erer tbeile ab. Dieser verbindet sieb auch mit sensiblen Fäden der hinteren Wurzeln des 1., seltener auch des 2. Halsnerven, welche ihm Muskelgefühlsfasern zuführen ; dann schlägt er sich rückwärts über den Querfortsatz des Atlas und endet als motorischer Nerv im Sternocleido-mastoideus und Cucullaris (Fig. 225) (Galen). Der letztere grosse Muskel erhält aber in der Regel noch motorische Aeste vom Cervical- geflecbt. Der äussere Äst verbindet sich noch mit mehreren Halsnerven. Xer' Entweder betheiligen sich diese Fasern an der Innervation der genannten Muskeln, ,,v, "«'«Tieren oder der Accessorius giebt denselben theilweise die, von den hinteren Wurzeln Astes. der beiden obersten Halsnerven erhaltenen sensiblen Fädi n wieder zurück , die dann den Hautästen dieser Cervicalnerven zukommen. Patho- Pathologisches. Reizungen — des äusseren Astes äussern si« h als ^'InUcher klonische und tonische Krämpfe der benannten Muskeln, die meist einseitig sind. Krampf. 'S 756 Nervus hypoglossus. [§• 355.] Tonischer Krampf. Lähmung. Ist der Zweig für den Stemoeleidomastoideus allein afficirt, so folgt bei klonischem Krämpfe der Kopf dem Zuge dieses Muskels. Ist das Leiden doppelseitig, so erfolgt meist alternirend der Zug , viel seltener ist die Wirkung gleichzeitig , so dass der Kopf die Nickbewegung vollführt. — Bei dem Zuckungskrampfe des Cucullaris wird der Kopf nach hinten und seitwärts gezogen ; die Scapula folgt meist dem Zuge der am heftigsten ergriffenen Bündel dieses grossen Muskels. — Tonische Contractionen des Kopfnickers bedingen die charakteristische Stellung des Caput obstipum (spasticum); analoge Krämpfe im Cucullaris befallen meist nur einzelne Theile des Muskels , die dann natürlich je eine besondere Stellung des Kopfes oder der Scapula bedingen. Bei Lähmung — eines Kopfnickers wird der Kopf durch das Uebergewicht des Muskels der anderen Seite nach dieser letzteren hingezogen (Torticollis paralyticus). — Die Lähmung des Cucullaris ist meist nur auf einzelne Theile beschränkt. — Lähmungen des gesammten Acces- soriusstammes (zumeist durch centrale Processe bedingt) haben ausser den Lähmungen des Stemoeleidomastoideus und Cucullaris noch die der angeführten motorischen Vaguszweige zur Folge /'Erb, Fränkel, Holz). — Bei der sehr seltenen doppelseitigen Lähmung soll sogar die Beschleunigung der Herzschläge nicht gefehlt haben (§. 371) (Seligmüller, E. Re??iak). Ana- tomisches. Ver- bindungen. 356. XII. Nervus hypoglossus. Der gestreckte, grosszellige Ursprungskern (Fig. 216), eine Fortsetzung des Vorderhornes des Rückenmarkes, liegt in der Tiefe des untersten Theiles der Rauten grübe. Von der gegenüberliegenden Grosshirnrinde treten Verbindungs- fasern in denselben (§. 380. II). Dem grosszelligen Kerne liegt ein kleinzelliger an (Roller, Koch). Mit 10 — 15 Fäden taucht der Nerv in gleicher Fluchtlinie mit den vor- deren "Wurzeln der Spinalnerven hervor (Fig. 221). — Bei seiner Entwicklung erweist sich der Hypoglossus zum Theil als Spinalnerv (Froriep). An seiner Wurzel rein motorisch, ist er der Bewegungs- nerv aller Zungenmuskeln einschliesslicli der Mm» geniohyoideus und thyreohyoideus. Der Stamm des N. hypoglossus verbindet sich : — 1. mit dem G-gl. cervicale supremum sympathici, wodurch ihm Vasomotoren für die Zungengefasse zukommen. Nach Durchschneidung des Hypoglossus, verbunden mit der des Lin- gualis , röthet sich die Zungenhälfte (Schiff). — 2. Auch der Plexus gangliiformis vagi führt Fasern zu, ebenso dessen kleiner Kamus lingual is (v. Luschka) zum Anfang des Hypoglossus- bogens. Diese geben dem Hypoglossus Muskel gefü hl s fasern, denn nach Durchschneidung des Lingualis besitzt die Zunge noch ein dumpfes Gefühl. Dass Fasern dieser Art zum Theil auch von den Cervicalnerven, oder aus der unterhalb der Zunge liegenden constanten Anastomose mit dem Lingualis herkommen, ist anzunehmen (Lewin). — 3. Constante schlingenförmige Anastomosen (Ansa hypoglossi) verbinden ihn mit den 2 oberen Cervicalnerven. Diese Verbindungen verlaufen weiter durch den ßamus descendens (durch den auch Muskelgefühlsfasern aus dem Lingualis niedersteigen) (Lewin), zum Stern ohyoideus, Omohyoideus und Sternothyreoideus ; die Reizung der Wurzeln des Hypoglossus wirkt auf die genannten Muskeln nur selten und in sehr geringem Grade (Volkmann). — [Vgl. §. 299. 3. und §. 338. III.] [§.356.] Die Rückenmarksnerven. r57 Doppelseitige Durchschneidung des Nerven lähmt total die Zunge. Hunde können nicht mehr saufen, sie zerbeissensich die schlaff niederhängende Zunge. Frösche, die mit der Zunge ihre Beute taugen, müssen verhungern ; hängt die Zunge aus dem Maul hervor, so hindert sie den Verschluss desselben, und hierdurch ersticken die Thiere, die nur beim Mundverschluss Luft in die Lungen pumpen können. Pathologisches. — Lähmungen des Hypoglossus — (Glossoplegie), die meist centralen Ursprunges sind, haben Störungen der Sprache zur Folge (pg. 654). Die Abweichungen der Zunge bei halbseitiger Lähmung siehe pg. 291. — Zungenlähmung hindert ferner das normale Kauen, die Bissenbildung, das Schlucken im Munde. "Wegen der mangelnden Reibebewegung der Zunge ist der Geschmack stumpf. — Das Singen hoher Töne und der Falsettöne, bei deren Angabe bestimmte Zungenstellungen nothwendig zu sein scheinen , ist beeinträchtigt (BennatiJ. Krämpfe der Zunge, — welche die Aphthongie (pg. 654) bewirken, sind meist reflectorischen Ursprunges und jedenfalls äusserst selten. Es sind auch Fälle idiopathischen Zungenkrampfes beschrieben , wobei die Zunge mit grosser Gewalt bewegt wurde ; die Stelle der Reizung lag entweder in der Hirn- rinde oder in der Medulla oblongata (Berger, E. Remak). Patho- logisches. Zungen- lähmungen. Zungen- krämpfe. 357. Die Eückenmarksiierveii. Die 31 Spinalnerven entspringen mit einer (aus wenigeren , stärkeren, Ana- runden Bündeln bestehenden) hinteren Wurzel aus dem Sulcus zwischen dem tomisches. Hinter- und Seiten-Strang des Rückenmarkes und mit einer vorderen (aus zahlreicheren, feineren, platten Zügen sich bildenden) aus der Furche zwischen Seiten- und Vorder-Strang. Die hintere Wurzel ist (mit Ausnahme des ersten Halsnerven) stärker; sie bildet das spindelförmige Ggl. spinale (§. 323. II. 3). Hierauf legen sich beide Wurzeln innig an einander und bilden nun, noch innerhalb des Wirbelcanales, einen gemischten Stamm. Die, aus dem Stamme heraustretenden Nerven äste sind stets aus den Fäden beider Wurzeln gemischt. Die Zahl aller Nervenfasern im Stamm ist gerade so gross, wie die in den beiden Wurzeln; daher anzunehmen ist, dass die Zellen des Spinalganglions in Fasern eingeschaltet sein müssen (Gaule & BirgeJ. Davida findet das Spinalganglion mitunter doppelt, nach Hyrtl und Rattoiie Varietäten, kommen versprengte Ganglienzellen häutig in der hinteren Wurzel zwischen Spinalganglion und Rückenmark vor. Mitunter sind die Wurzeln etwas unsym- metrisch beiderseits ; im Dorsaltheile fehlt zuweilen die eine oder andere Wurzel vollständig oder selbst der ganze Spinalnerv Adamkiewicz . Charles Bell entdeckte (1811) das nach ihm benannte Gesetz, dass die vorderen Spinalnervenwurzeln die motorischen, die hinteren die sensiblen Fasern enthalten. Magendic fand (1822) die merkwürdige Thatsache, dass inner- halb der vorderen Wurzel der Warmblüter (nicht des Frosches, ScJiiff) ebenfalls sensible Fasern enthalten seien, so dass also Reizung derselben Schmerzen bewirkt. Allein dies rührt daher, dass von der sensiblen Wurzel, nach der Vereinigung beider, Fasern in die vordere central wärts hin verlaufen (ScJiiff, Cl. Bernard) ; man nennt diese Erscheinung die „rückläufige Sensibilität" (Sensi- bilite rekurrente). Es hört daher sofort die Sensibilität der vorderen Wurzel auf, sobald die hintere durchschnitten ist. Mit dem hierdurch entstandenen Verlust der Sensibilität der vorderen Wurzeln erlischt auch die der Oberfläche des Rückenmarkes im Umkreise der Wurzel. Längere Zeit nach Durchschneidung der vorderen Wurzel [wenn bereits Bell 'sches Gesetz. Rückläufige Sensibilität. 758 Die Eückenmarksnerven. [§• 357.] die Entartung (§. 327) eingetreten ist] findet man in ihrem peripheren Ende eine Anzahl nicht entarteter, in ihrem centralen Stumpfe jedoch einige entartete (sensible; Fasern (Schiff, Vulpian). Schiff fand in Fällen, in denen die motorischen Fasern entartet waren, unveränderte Fasern in der vorderen Wurzel , welche auf die Rückenmarkshäute übertraten. In seltenen Fällen erhält die vordere Wurzel noch von anderen Quellen, als aus ihrer entsprechenden hinteren, ihre Sensi- bilität (Cl. Bertiard). Der Uebertritt der sensiblen Fasern in die A. Fig- 226. me Vertheilung der Hautäste an der A. Dorsale Fläche der oberen Extremität. 1. scz= Nn. supraclaviculares. 2. ax = N. axillaris. 3. cps = N. cutaneus posterior superior n. radialis. 4. cmd = N. cutaneus medialis s. internus. 5. cpi — N. cutaneus posterior inferior n. ladialis. 6. cm = N. cutaneus medius s. internus major. 7. et = N. cutaneus lateralis s. externus. 8. u = N. ulnaris. 9. ra = N. radialis. 10. me = N. medianus. oberen Extremität (nach Herde). B Volare Fläche der oberen Extremität. 1. sc = Nn. supraclaviculares. 2. ax = N. axillaris. 3. cmd = N. cutaneus medialis s. internus, i. cl = N. cutaneus lateralis s. externus. 5. cm — N. cutaneus medius s. internus major. 6. me = N. medianus. 7. u = N- ulnaris. motorische Wurzel erfolgt entweder am Vereinigungswinkel beider Wurzeln, oder in den Plexus, oder in der Nähe der peripheren End- ausbreitung. [So treten auch in mehrere motorische Kopfnervenäste von der Peripherie her centralwärts laufende sensible Fasern ein (pg. 738).] Auch in die Stämme sensibler Nerven können sogar sensible Zweige anderer sensibler Nerven eintreten. Hierdurch erklärt sich die merkwürdige Beobachtung, dass nach Durchschneidung eines Nervenstammes (z. B. des Medianus) seine peripheren Enden noch [§. 357.] Die Rückenmarksnerven. 759 empfindlich sind (Ar hing & Tripier). Ich möchte am einfachsten das geschilderte Verhältniss so aussprechen : auch das Gewebe der motorischen und sensiblen Nerven enthält (wie die meisten Gewebe des Körpers) sensible Nerven. Durch sorgfältig beobachtete Durchschneidungs- Versuche der Wurzeln (Magendie, 1822), sowie nach Entdeckung der reflectorischen aus &£" Beziehungen der sensiblen Wurzeln auf die Erregung der vorderen Be(JJ^.^'1 (Reflexbewegungen) durch Johannes Müller (1832) und Marshall Hall lassen sich nunmehr aus dem allgemeinen Belachen Gesetze mit Leichtigkeit die folgenden Ableitungen gewinnen: — 1. Im Momente der Durchschneidung der vorderen Wurzel entsteht eine Zuckung [mechanischer Reiz der motorischen Fasern (§. 326. 1)] in den, von dieser Wurzel versorgten Muskeln. — 2. Es entsteht aber auch Schmerzempfindung („rückläufige Sensibilität"). — 3. Nach der Durchschneidung sind die zugehörigen Muskeln gelähmt. — 4. Reizung des peripheren Stumpfes der vorderen Wurzeln bewirkt (in der ersten Zeit nach der Operation) Contraction der Muskeln [eventuell auch Schmerzempfindung wegen der rückläufigen Sensibilität], — 5. Reizung des centralen Stumpfes ist ganz erfolglos. — 6. In den gelähmten Körpertheilen ist das Gefühl völlig erhalten. — 7. Im Momente der Durchschneidung einer hinteren Wurzel entsteht leb- hafter Schmerz. — 8. Zugleich entsteht eine reflectorisch aus- gelöste Bewegung. — 9. Nach der Durchschneidung sind alle, von der durchschnittenen Wurzel versorgten Gegenden gefühllos. — 10. Reizung des peripheren Stumpfes der durchschnittenen Wurzel ist ohne allen Erfolg. — 11. Reizung des centralen Stumpfes bewirkt Schmerz und reflect or ische Bewegungen. — 12. In den ge- fühllosen Theilen (z. B. den Extremitäten) ist die Bewegung völlig erhalten. Nach Waller (1851) entartet nach Durchschneidung der vor- Entartung deren Wurzel stets das periphere Stück. Die Durchschneidung der ,!a",(r(:t" ' hinteren Wurzel vor oder hinter dem Ganglion lässt diejenigen Faser- **ndl strecken unverändert, welche mit dem Ganglion in Verbindung ge- blieben sind; die abgetrennten entarten. Demgemäss soll nach Waller das Rückenmark das Nutritionscentrum der vorderen Wurzeln sein, das Spinalganglion hingegen der hinteren. Ueber die Entartung der hinteren AVurzel nach Durchschneidungen sind die Angaben Wallers neuerdings durch Joseph modificirt. Nach ihm liegt allerdings für den grössten Theil der Fasern der hinteren Wurzel das nutritive Centrum im Ganglion spinale (dessen Zellen im Verlaute der hinteren Wurzelfasern eingeschaltet sind), während jedoch einzelne Fasern durch dasselbe nur hindurchziehen, ohne mit den Zellen in Verbindung zu treten und somit ihr trophisches Centrum in dem Rückenmarke i ClcirAe'sche Säulen, §. 361) haben. Nach Durchschneidung der hinteren Wurzeln (z. B. der Hinterextremitäten- Nerven) haben zwar die Muskeln ihre Bewegung behalten, allein nichtsdesto- ^£"J ' weniger erkennt man charakteristische Störungen der letzteren. Diese bestehen g^fUhüoser darin, dass das Thier die Bewegungen in einer scheinlmr Ungeschickten Weise Glieder. (schleuderndes Hüpfen, gespreizte Gangart etc.) ausführt, der die Harmonie und gleiclunässige Eleganz abgeht. Hunde, denen ich die hinteren Wurzeln beider- seits für die Hinterbeine durchschnitten hatte, zeigten (nach völliger anderweitiger Herstellung) auch Schwierigkeiten in der Balancirung des Hinterkörpers, der beim Laufen oder Schwanzwedeln oft umsank Die Erscheinungen röhren daher, dass 760 Die Rückenniarksnerven. [§• 357.] wegen der Gefühllosigkeit der Muskeln und der Haut das Thier die Widerstände nickt fühlt , die sich seinen Bewegungen entgegenstellen. Es wird daher das Maass der aufzubietenden Muskelkraft nicht geschätzt werden können. Auch alle reflectorisch ausgelösten Hülfen bleiben natürlich aus. — Thiere mit erloschener Sensibilität einzelner Extremitäten verharren mit denselben oft in ganz abnormen Lagen, aus denen das fühlende Thier dieselben sofort herausbringen würde. Auch bei Menschen mit entarteten peripheren Enden der Hautnerven beobachtete man analoge atactische Bewegungsstörungen (Dije'rineJ (§. 366. 3). Fis 1 tt- \sel i\ m B. obt \ cp \ 9 \ i \peismj: pep Verbreitungsgebiet der Hautnerven an A. Vorderfläche. 1. N. cruralis. 2. iST. cuta- neus femoris externus lateralis, Henle. 3. N. ilio-inguinalis. 4. N. lumbo-inguinalis. 5. N. spermaticus externus 6. N. cutaneus posterior. 7. N. obturatorius. 6. N. sa- phenus major (N- cruralis). 9. N. communi- cans peronei s. fibularis. 10. N. peroneus superficialis. 11. N. peroneus profundus. 12. N. communicans tibialis s. suralis. Hö-. der unteren Extremität (nach Henle). B. Hinterfläche. 1. N. cutaneus posterior. 2. N. cutaneus femoris externus s. lateralis. Henle. 3. N. obturatorius. 4. N. cutaneus femoris posterior medius (N. peronei). 5. N. communicans peronei s. tibularis. 6. N. saphenus major (N. cruralis). 7. N. communicans tibialis s. suralis. 8. X. cuta- neus plantaris proprius (N. tibialis). 9. N. plantaris medius. (N. tibialis). 10. N. plan- taris lateralis (N. tibialis). Erreg barkeita- Steigerung der vorderen Wurzeln durch die hinteren. Harless ( L858), Ludwig &* Cyon haben die (jedoch von v. Bezold, Uspensky, Grünhagen und G. Heidenhain bestrittene) Beobachtung gemacht , d a s s die vorderen "Wurzeln einen höheren Grad der Erregbarkeit be- sitzen, so lange auch die hinteren intact und erregbar sind, — dass dieselben aber alsbald die Zeichen geringer er Erregbarkeit darbieten, so- bald die hinteren Wurzeln durchschnitten sind. Zur Erklärung dieser Erscheinung muss man wohl annehmen, dass im intacten Körper durch die hinteren Wurzeln [§. 357.] Die Rückenmarksnerven. 761 fort und fort eine Reihe geringer Reize zufliesst (durch Berührung, Lage, Tempe- ratureinwirkung auf die Körpertheile u. dgl.) , welche durch das Rückenmark reflectorisch auf die motorischen Wurzeln übertragen werden, so dass es hierdurch nunmehr nur eines geringeren Reizes bedarf, um die vorderen "Wurzeine zu erregen, als wenn dieser reflectorische Impuls der hinteren Wurzeln zur Steigerung der Erregbarkeit weggenommen ist. Denn offenbar braucht der Reiz zur Erregung einer bereits schwach erregten Nervenfaser nur niedriger zu sein, als bei einer nicht erregten, da sich im ersteren Falle der auslösende Reiz zu der beständig wirksamen Erregung hinzuaddirt (vgl. §. 364). Die vorderen Wurzeln — der Spinalnerven versorgen mit Verbreitung centrifu galleitenden Fasern: ^wm.6" 1 . Alle willkürlich bewegten, quergestreiften Muskeln des Rumpfes und der Extremitäten. Jeder Muskel erhält stets aus mehreren vorderen Wurzeln (nicht Arider aus einer einzigen) seine motorischen Fäden, wohingegen jede Wurzel einer Versorgung. zusammengehörigen Muskelgruppe Aeste zuertheilt fPreyer, P. Bert, Gad). Die Versuche , welche Ferrier är* Yeo an den vorderen Wurzeln bei Affen anstellten, haben demgemäss gezeigt, dass Reizung einer jeden Wurzel (im Plex. brachialis und lumbosacralis) eine synergische , coordinirte Bewegung auslöste. Die Durch- schneidung einer Wurzel hatte auch keine völlige Lähmung der, bei jener com- binirten Bewegung betheiligten Muskeln zur Folge , sondern diese hatten nur an Kraft Eiubusse erlitten. Diese Versuche bestätigen die pathologischen Erfahrungen beim Menschen. — Die Fasern für functionell zusammengehörige Muskelgruppen (z. B. für Beuger, Strecker) entspringen aus besonderen, abgegrenzten Bezirken des Rückenmarkes. So stellen auch die Hals- und Lenden- Anschwellung des Rückenmarkes Centralpunkte hochstehender coordinirter Muskel- actionen dar. 2. Die vorderen Wurzeln liefern ferner Bewegungsfasern für eine Anzahl mit glatten Muskelfasern versehener Organe, z. B. für die Harnblase (§. 282), die Samenleiter, den Uterus. 3. Bewegungsfasern für die glatten Muskeln der Gefässe: die Vasomotoren (§. 373). 4. Hemmungsfasern für die Contraction der Gefäss- muskeln (nur zum Theil bekannt): Vasodilatatoren (§. 374). 5. Secretions fasern für den Schweiss (§. 290. II). 6. Die trophischen Fasern der Gewebe (§. 344. I. c.). Die hinteren "Wurzeln — enthalten die Gefühls nerven Verbreitung der Haut und der inneren Gewebe. Ausgenommen ist der Vorder- Vu'^r köpf, das Gesicht und die inneren Theile des Kopfes (siehe Kopfnerven). Ferner enthalten sie die — Tastnerven der bezeichneten Hautflächen. — Durch die hinteren Wurzeln werden auch die reflexauslösenden Reize dem Rückenmarke zu- geführt. Die Gefühlsfasern eines gemischten Nervenstammes gehen zu dem Hautgebiete , welches durch diejenigen Muskeln bewegt wird , oder diejenigen Muskeln bedeckt (Frey er) , an welche derselbe Ast die Bewegungsfasern abgiebt (Schröder van der Kolk). In Fig. 226 und 227 sind die Verbreitungsbezirke der Gefühlsnerven der Extremitäten, in Fig. 223 die der sensiblen Rückenmarks- zweige am Kopfe verzeichnet. Man wird sich bei Neuralgien und Anästhesien in den betreffenden Gebieten leicht nach diesen Abbildungen orientiren. 762 Nervus sympathicus. [§■ 358.] 358. Nervus sympathicus. Ana- tomisclies. Der Grenzstrang. Kami com- municantes. Verbindung mit dem Bücken- marke. Kopfthti Brust- und Bauch-Theil. Functionen. Selbst- ständige Functionen. Abhängige Functionen. Das sympathische Nervensystem, welchem vornehmlich schmale nnd Ranak- sche Fasern zngetheilt sind, besteht zunächst aus dem Grenzstrang jeder- seits : einer an der Seite der Wirbelkörper senkrecht verlaufenden Ganglienkette. Jeder Spinalnerv sendet aus seinem Stamme einen Eamus communicans in den Grenzstrang ; letzterer trägt allemal dort, wo der Yerbinduugsfaden in den Strang eintritt, ein Ganglion. Die 4 obersten Eami communicantes aber verlaufen von den 4 ersten Halsnerven alle in das Ggl. cervicale supremuin (Fig. 222, Gg. s.), — der 5. und 6. in das Ggl. cervicale medium, — der 7. und 8. in das unterste sympathische Halsgaugliou. Vom 1. Brustnerven an entspricht jedem Verbindungs- faden ein besonderes sympathisches Ganglion. Das unterste Ganglienpaar wird in der Regel vor dem ersten Steisswirbel mittelst einer Nerven schleife verbunden, welcher das unpaare Ggl. coccygeum eingeschaltet sein kann. Die Eami communicantes gehen aus dem Rückenmarke hervor, welches sie theils durch vordere, theils durch hintere Spinalnerven wurzeln verlassen. Letzteres ist entscheidend für ihre Function, welche durchweg ähnlich ist den Functionen der vorderen oder hinteren Wurzeln selbst (§. 357). Gegen den Kopf hin aufsteigend verbindet sich der Sympathicus mit zahlreichen Kopfnerven. (Vgl. die Physiologie der Kopfnerven.) Von dem Grenzstrange verlaufen nun zahlreiche Fasern, welche vornehmlich der Brust- und Bauch-Höhle zustreben und hier grössere, ganglien- reiche Geflechte bilden, aus welchen schliesslich wieder Fäden, mit ver- schiedener Function ausgerüstet, für verschiedenartige Organe hervorgehen. lieber die Functionen des Sympathicus soll hier nur in übersichtlicher Zusammenstellung berichtet werden. I. Selbstständige Functionen — des Sympathicus nennen wir solche gewisser Geflechte, welche noch fortbestehen, nachdem sämmtliche Nervenverbindungen mit der cerebrospinalen Achse abgetrennt sind. Hierher gehören: 1. Die automatischen Ganglien des Herzens (§. 64). 2. Der Plexus myentericus des Darmes (§. 165). 3. Die Plexus des Uterus, der Tuben, Samenleiter, ferner der Blut- und Lymph-Ge fasse. Auf die Thätigkeit dieser Geflechte kann durch hinzu- tretende, von der Cerebrospinalachse hergeleitete Nerven theils anregend, theils hemmend eingewirkt werden. II. Abhängige Functionen. — Im Sj^mpathicus ver- laufen auch solche Fasern, welche (wie die peripheren Nerven) nur in Verbindung mit dem centralen Nervensystem functioniren, z. B. die Gefühlsfasern im N. splanchnicus. — Andere Fasern übertragen vom centralen Nervensysteme empfangene Anre- gungen auf Ganglien, welch letztere weiterhin die zuge- leiteten Erregungen in Form von Hemmungen oder Bewegungen den betreffenden Organen zuführen. Erweiterer der Pupille. A. Halstheil des Sympathicus. 1. Pupillenerweiternde Fasern (vgl. Ggl. ciliare, §. 349. 1. und Iris, §. 394/. Nach Budge entspringen diese aus dem Rücken- marke und laufen durch die zwei obersten Dorsal- und zwei untersten Cervical-Nerven in den Grenzstrang und steigen zum Kopfe empor. Durchschneidung des Grenzstranges oder seiner Rami communicantes [§. 358.] Nervus sympathicus. 763 verengt also das Sehloch. (Ueber den Ursprung dieser Fasern aus dem Centralorgan wird §. 264, 1 und §. 369, & gehandelt.] 2. Bewegungs fasern für die H. Müller1 sehen glatten Beweger der Muskeln der Augenhöhle, der Lider und den M. rectus oeuli externus muskau. zum Theil (vgl. §. 350). 3. Vasomotorische Aeste für die Gefässe des äusseren Vasomotoren Ohres und der Gesichtsseite (Cl. Beritard) , — der Paukenhöhle (PrussakJ , — der Conjunctiva, — Iris, Chorioidea, Retina (nur zum Theil, siehe Ggl. ciliare, §. 349. I.), — des Schlundes, Kehl- kopfes, der Schilddrüse, — des Gehirnes und der Hirnhäute (Donders & Callenfels) . 4. Im Halsgrenzstrange verlaufen centripetale Erreger des Gefässnervencentrums in der Medulla oblongata (Aubert). 5. Secretorische (trophische) und vasomotorische Fasern der Speicheldrüsen (§. 170). 6. Ueber die Seh w eissf asern siehe §. 290. IL 7. Nach Wolf er z und Demtschcnko sollen auch die Thränen- drüsen sympathische S ecreti ons fasern erhalten (?). Speichel-, Schweiss- Fasem. Fasern der Thräntn- driisen . E. Brust- und Bauch-Theil des Sympathicus. 1 . Hierher gehört zunächst der sympathische Antheil des Plexus Brust- und eardi actis (§. 63. 2), welcher vom unteren Hals- und obersten Brust-Ganglion accelerirende Fasern dem Herzen zuschickt (§. 372). 2. Ueber die, die Bahn des Sympathicus passirenden V a s o m o- toren der Extremitäten, der Rumpfhaut, der Lungen (zum Theil N. vagus) siehe §. 373, — über die Vasodil atat or en $. 474. 3. Im Halsgrenzstrang und Splanchnicus sollen Fasern liegen, deren Reizung centripetal das Herzhemmungssystem in der Medulla oblongata erregt (Bernstein). 4. Die Function des Splanchnicus siehe §. 165, S. 178, §. 278 und §. 373. 5. Ueber die Bedeutung der Plexus coeliacus und mesenterici ist §. 185 und §. 194 berichtet. Xach Exstirpation des Ggl. coeliacum sah Lamansky vorübergehende Störung des Verdauung, in Folge deren Unverdautes per anum entleert wurde. 6. Ueber Schweiss fasern siehe §. 290. H. 7. Endlich liegen noch im Bauchtheile des Sympathicus des Unterleibes bewegende und vasomotorische Fasern für die Milz (§. 108. I), den Dickdarm (zu welchem sie mit den Arterien- stämmeu verlaufen), für die Blase £. 282 . die Ureteren, den Uterus (zu dem sie im Plexus hypogastricus verlaufen), den Samen- leitern und Samenblasen: — Reizung aller dieser Nervenbahnen erzeugt vermehrte Bewegung der besagten Organe , für welche auch verminderte Blutzufuhr als Bewegungsreiz wirkt >£. 165). Durch- schneidung erzeugt Gefässerweiterung mit nachfolgenden Störungen des Blutlaufes, eventuell der Ernährung. — Ueber etwaige Beziehungen der Nebennieren zum Sympathicus ist §. los. IV. zu vergleichen. — Das Geflecht der Nieren siehe ij. 278; — über den Plexus cavernosus wird bei der Erection (§.438) berichtet. Bauch- Geflechte. 764 Vergleichendes. — Historisches. [§. 358.] Leiden des Hals- sympathicus. Affectionen des ßplancknicus Neuralgien der sym- pathischen Abdominal- gefleckte. Veränderung in der Dann- secretion. Pathologisches. — Entsprechend den vielfältigen Verzweigungen des Syni- pathicus wird er pathologischen Angriffen ein grosses Gebiet darbieten. [Wir bemerken hier zuvor, dass die Affectionen aller, zu dem Gefässsystem in Beziehung stehenden Fasern an anderer Stelle (§. 373) besprochen werden.] Der Halssympathicus wird am häufigsten durch directe traumatische Einwirkungen gelähmt oder gereizt. Schuss- oder Stich- Verletzungen, Geschwülste, geschwellte Lymphdrüsen, Aneurysmen, Entzündungen der Lungenspitzen und der angrenzenden Pleuren , Exostosen der "Wirbelsäule können theils reizend , theils lähmend einwirken. Die hierdurch entstehenden Erscheinungen sind zum Theile bereits analysirt bei Besprechung des Ggl. ciliare (§. 349.1). — Reizung des Halssympathicus zeigt beim Menschen Erweiterung der Pupille (Mydriasis spastica), daneben Blässe des Antlitzes und mitunter Hyperidrose (§. 290. II und §. 291. 2), — Störungen beim Nahesehen, bei welchem die Pupille sich nun nicht verkleinern kann (siehe Accommodation), und daher auch die sphärische Aberration (§. 393) störend einwirken muss, — Hervortreten des Augapfels unter Erweiterang der Lidspalte. — Lähmung bewirkt vermehrten Blutgehalt der Kopfseite mitunter neben Anidrose, — ferner Verengerung der Pupille (Myosis paralytica), die bei der Accommodatien , nicht aber bei Lichtreiz, noch Veränderungen ihres Durch- messers annimmt; Atropin erweitert sie etwas. Dabei ist die Lidspalte verengt, der Bulbus zurückgesunken, die Hornhaut etwas abgeplattet und die Consistenz des Bulbus vermindert. — Bei Beizung des Sympathicus sah man vermehrte Speichelabsonderung (§. 150). Auch hat man unter den bezeichneten Symptomen der Reizung des Halssympathicus halbseitigeGesichtsatrophie (§. 349) beobachtet. — Reizerscheinungen im Gebiete des Splanchnicus, zu- mal unter der Einwirkung der Bleivergiftung, geben sich durch heftige Schmerzen (Colica saturnina) , Hemmung der Darmbewegungen (daher hartnäckige Verstopfung) , reflectorisch gehemmte , verlangsamte Herzbewegung (im Sinne des G'oZ/s'schen Klopfversuches) zu erkennen. — Zu den Reizungen im Gebiete der sensiblen Nerven des Sympathicus gehören auch die , als Neuralgia hypogastrica (Romberg) bezeichnete Schmerzaffection in der Unterbauch- und Sacral-Gegend , die Hysteralgia , die Neuralgia testis , welche in den einzelnen Geflechten des Sympathicus localisirt sind. — Bei den Affectionen des Unter- leibssympathicus werden theils hartnäckige Verstopfungen, wobei neben einer Reizung der Splanchnici auch mangelnde Absonderung seitens der Darm- drüsen statthaben kann, beobachtet, — theils auch vermehrte Absonderungen der Darmschleimhaut (vgl. §. 194). Doch herrscht auf allen diesen Gebieten noch viel Dunkel. 359. Vergleichendes; — Historisches. Das periphere Unter den Gehirnnerven können einige ganz fehlen, andere abortiv Nervensystem 0(jer Zweige anderer werden. Den Cetaceen fehlt der N. olfactorius. -~ Der Vertebraten. N. facialis, der beim Menschen als m i m i s c h e r Gesichtsnerv undGesichts- Gehim- athmungsnerv auftritt, nimmt bei den niederen Vertebratenclassen mehr und nerven. mehr ab, gleichmässig mit der Reduction der Gesichtsmuskeln. Bei den Vögeln und Reptilien innervirt er die Muskeln am Zungenbein, oder die oberflächlichen Hals- und Nacken-Muskeln. Bei den Amphibien (Frosch) ist der Facialis gesondert nicht mehr vorhanden : der demselben äquivalente Ast kommt aus dem Ganglion des Trigeminus. Bei den Fischen bilden der 5. und 7. Nerv einen gemeinsamen Complex. Der, dem Facialis entsprechende Theil (auch als Ramus opercularis trigemini bezeichnet) ist vornehmlich Bewegungsnerv der Muskeln des Kiemendeckels und zeigt sich somit wieder als respiratorischer Nerv. Den Cyclostomen (Neunauge) kommt ein selbstständiger Facialis zu. — Den Vagus haben alle Vertebraten ; bei den Fischen und Froschlarven geht aus demselben der grosse Seitennerv des Leibes (N. lateralis) hervor, der in der Mittellinie des Körpers (längs des Seitencanales) einherzieht. Sein winziger Repräsentant beim Menschen ist der Ram. auricularis (Johannes Müller!. Beim Frosch entspringen der 9., 10- und IL, obeuso der 7. und 8. Nerv je aus einem Stamme. Bei Fischen Spinalnerven und Amphibien ist der Hypoglossus der 1. Rückenmarksnerv. — Beim Amphioxus sind Gehirn- und Spinal-Nerven nicht von einander unterschieden. Letztere zeigen in allen Vertebratenclassen grosse Uebereinstimmung. — Der Sympathicus [§. 359.] Vergleichendes. — Historisches. 765 fehlt den Cyclostomen , wo ihn der Vagus vertritt. Bei den übrigen Fischen ist sein Verlauf längs der Wirbelsäule , woselbst er die Kami communicantes der Spinalnerven empfängt. Im Bezirke des Kopfes sind vornehmlich seine Ver- bindungen mit dem 5. und 10. Nerven hervorstechend bei den Fischen. Bei den Fröschen , noch mehr bei den Vögeln , nehmen die Verbindungen mit den Kopf- nerven zu. Der Hippokrates 'sehen Schule war bereits der Vagus und Sympathicus Historisches. bekannt. Herophilus unterscheidet zuerst die Nerven von den Sehnen, die Aristoteles noch zusammenwarf. Erasistratus lässt alle Nerven aus Hirn und Rückenmark hervorgehen; er unterscheidet Bewegungs- und Empfindungs-Nerven. Marinus (80 n. Chr.) stellt zuerst 7 Paare Hirnnerven auf. Galen ist bereits im Besitze einer umfassenderen Kenntniss der Nerventhätigkeit (vgl. §. 145) : er sah Stimm- losigkeit nach Unterbindung der Nn. recurrentes ; er kennt den N. accessorius, auch die, den Abdominalnerven angefügten Ganglien. Im Talmud wird die Cauda equina erwähnt ; Coitcr (1573) beschreibt genau die vorderen und hinteren Rückenmarksnerven-Wurzeln. Van Helmont (f 1644) theilt bereits mit, dass die peripheren motorischen Nerven auch für Schmerz empfindlich seien , Caesalpinus (1571) giebt an, dass die Unterbrechung des Blutstromes die Theile unempfindlich mache. Thom. Willis beschrieb die hauptsächlichsten Ganglien (1664). Bei Des Cartes (1650) findet sich die erste Andeutung der Reflexbewegungen ; Steph. Haies und Rob. Wkytt zeigten, dass das Rückenmark für dieselben nöthig sei. Prochaska wies zuerst den Reflexweg nach. Von Duverney (1761) rührt die Entdeckung des Ggl. ciliare her, von Varolius (1573) die der Chorda tympani. Galt verfolgt genauer den 3. und 6- Nerv, ebenso die Spinalnerven bis in die graue Substanz. Bisher zählte man nur 9 Hirnnerven; Sömmering (1791) theilte den Facialis und Acusticus, — Andersch (1797) den 9., 10. und 11. Nerven. Physiologie der Nerven-Oentra. 360. Allgemeines. Die nervösen Centralorgane sind im Allgemeinen durch die folgenden Eigenschaften ausgezeichnet: Allgemeine i. Sie enthalten Nervenzellen, welche gruppenweise e ZT l angeordnet entweder im Innern der Centralorgane des Nerven- Functionen. svstemes, oder peripherisch den Zügen der Nerven angefügt sind. 2. Die nervösen Centra sind befähigt, Reflexe auszulösen: Reflex-Bewegungen, — R.-Secretionen, — R.-Hemmungen. 3. Die Centra können automatischer Erregung fähig sein , d. h. es können von ihnen , scheinbar ohne äussere Anregungen , Kräfte ausgehen , die sich auf periphere Organe übertragen. Diese automatischen Erregungen können entweder dauernd sein, also ohne Unterbrechung fortbestehen (tonische Automatie oder Tonus), — oder sie können intermittirend in einem gewissen Rhythmus erfolgen (rhythmische Automatie). 4. Die Centralorgane sind die Ernährungscentra für die von ihnen ausgehenden Nerven ; sie können weiterhin auch als Centra der Ernährung der von ihnen innervirten Gewebe wirksam sein (trophische Centra). 5. Die Seelenth ätigkeiten sind an das intacte Be- stehen der ganglienreichen Centralorgane gebunden. Diese verschiedenen Functionen sind auf verschiedene Centra vertheilt, — kein Centrum kann mehreren Thätig- keiten vorstehen. Das Rückenmark. 361. Bau des Rückenmarkes. Graue und Das Rückenmark enthält in seinem Inneren die — graue Substanz — von weisse )- (-förmiger Gestalt, an welcher man die vor d er en (co.a) und hinter en (co. p) „Hörner" und das mittlere Verbindungsstück unterscheidet. In der Mitte des letzteren verläuft vom Calamus scriptorius bis abwärts der Central c anal , mit Cylinderepithel ausgekleidet, der Rest des embryonalen „Medullarrohres". [§• 361.] Bau des Rückenmarkes. 767 Die weisse Substanz — umgiebt die graue: dieselbe zerfällt in mehrere Stränge. Von vorn dringt in der Mittellinie ein tiefer Spalt ein, der jedoch nicht bis zum Grau hineinreicht, sondern in der Tiefe noch die weisse Commissur unzertrennt lässt (c. a.). Zwischen dieser vorderen Längsspalte und der Austrittsfurche der vorderen Wurzeln liegt der — Vorderstrang (f. a.). Der seitliche Theil der weissen Masse zwischen den vorderen und hinteren Wurzeln heisst der — Seiten- strang (f. L); endlich wird der, von dem Austritt der hinteren Wurzeln bis zur hinteren Längsspalte reichende Theil der — Hinters trang (f. p.) genannt. Die hintere Längsspalte reicht tiefer in das Mark , bis zur grauen Substanz hinein. An den Hintersträngen kann man noch die, der Spalte zunächst liegenden zarten (Funiculi graciles oder) GW/'schen Stränge unterscheiden von dem übrigen grösseren, als Keilstrang (Funiculus cuneatus) (Burdach) bezeichneten, Reste des Hinterstranges. (Vgl. Fig. 229.) Fig. 228. co.a. Stränge. Querschnitt des Rückenmarks in der Höhe des achten Dorsalnerven. (Vergrösserung 10 : l), nach Schwalbe. s. a Fissura longitudinalis anterior, s. p. Septum posterius, die Fissura longitu- dinalis posterior ausfüllend, c, a. vordere Commissur. s. g. e. Substautia gelatinosa centralis, c. c. Centralcanal. e. p. Hintere Commissur. v. Vene. co. a. Vorder- horn. co. I. Seitenhorn, dahinter der Processus reticularis, co. p. Hinterhorn. a Vordere laterale, b vordere mediale Gruppe der Ganglienzellen, e Zellen des Seitenhorns, d Zellen der Ctarke' sehen Säulen, e Solitäre Zellen des Hinterhorns. r. a. Vordere Wurzel, r. p. Hintere Wurzel, / deren Hinterhornbtindel, /' Hinterstrangbündel, f" longitudinale Fasern des Hinterhorns. ». g. K. Sub- stantia gelatinosa Rolandi. /. a. Vorderstrang./. I. Seiteustrang. /. p. Hinterstrang. Die weisseSubstanz — besteht durchweg aus markhaltigen Xervenfasern [ohne Schwann* ^sche Scheide und Schnürringe, jedoch mit Hornscbeiden versehen (Kühne, Ewald/], die in den Strängeu longitudinal verlaufen. Die eintretenden Wurzeln, sowie auch die, aus der grauen Substanz in die Stränge hineintretenden Längsfasern haben, zwischen letztere durchtretend, theils queren, theils schrägen Verlauf. In der vorderen weissen Commissur kreuzen sich ebenfalls transversal verlaufende Fasern. Die graue Substanz — enthält zunächst ein äusserst reiches Faser netz Graue feinster Nervenf ibrill en Gerlach , die aus den Protoplasmafortsätzen SubsCan*- 768 Bau des Rückenmarkes. [§• 361.] der Ganglien hervorgegangen sind. Unregelmässig angeordnete und vielfach sich theilende markhaltige Fasern durchsetzen theils das graue Fasernetz, theils gehen sie , nach vielfachen Theilungen marklos geworden , in dasselbe Netz über. Vor und hinter dem Centralcanal gehen Fasern der grauen Substanz von der einen auf die andere Seite über. Von den Ganglienzellen — liegen die grössten gruppenweise in dem Vorderhorne („motorische Ganglien"), kleinere, spindelförmige Faserverlauf (ns e n sibl e") enthält das Hinterhorn. — Die Fasern der vorderen Wurzel Gerlach, gehen direct zu den Ganglien des Vorderhornes, in welche sie sich alsAchsencylinderfortsatz einsenken. Aus dem grauen Fasernetze, welches die Protoplasmafortsätze dieser Ganglien zusammensetzen , gehen breitere Fasern hervor , welche in die weisse Substanz übertreten. — Die Fasern der hinteren Wurzeln treten nur zum Theil in das Hinterhorn und lösen sich hier durch Theilung in zarte Fibrillen auf, welche dem grauen Fasernetz sich einfügen. Durch letzteres stehen sie indirect mit den Ganglienzellen des Hinterholmes (die also keinen Achsencylinderfortsatz haben) in Verbindung. Ueber den vollständigen Verlauf der hinteren Wurzeln han- delt §. 367. Das graue Fasernetz, welches auch zwischen den Ganglien der Vorder- und Hinterhörner eingefügt ist, sendet weiterhin Fäden ab, welche vor und hinter dem Centralcanal innerhalb der grauen Commissuren auf die andere Seite hinübertreten. Von der unteren Halsgegend bis zu dem unteren Drittel des Brustmarkes tritt von der grauen Substanz ein seit- wärts gerichteter Fortsatz, das „Seiten- horn", hervor. — Nach der Mittellinie zu, zunächst und etwas hinter der grauen Commissur, liegen jederseits die Ganglien- zellengruppen der Clarke 'sehen Säulen, welche vielleicht schon von der Medulla oblongataan beginnen, aber erst deutlich auftreten vom Ende der Halsanschwel- lung bis zum Anfang der Lendenan- schwellung. Zu den Ganglien derselben treten Fasern der hinteren Wurzeln und von hier durch die Kleinhirnseitenstrang- bahnen zum Cerebellum. (Genaueres §• 367.) Die . histologischen Untersuchun- gen sind nur zum Theil im Stande, über die Leitungsverhältnisse im Kücken- marke aufzuklären. Das Bindegewebe — des Rückenmarkes stammt theils von der Pia mater ab und dringt mit Gefässen nur Nervenfasern in verschiedene Bündel zu sondern. Hiervon zu unterscheiden ist die Neuroglia, — die eigentliche Stiitzsubstanz. Sie ist keine Bindesubstanz (bildet sich aus dem Ektoderm) und setzt sich zusammen aus einer homogenen struetur- losen, festweichen Grundsubstanz (Gierke) und daneben aus untereinander verbundenen G 1 i a z e 1 1 e n (Köllikerj, welche aus Neurokeratin bestehen (pg. 663) und entweder gekernt oder kernlos sind. Die Function der Neuroglia ist die, ein stützendes Gerüst den Nervenelementen zu bieten, sie vor Druck zu schützen und zu isoliren. Ausserdem bildet sie die (endothellosen) Saftbahnen oder Lymphwege für die, aus den Nervenelementen, besonders den Ganglien, bei ihrer Thätigkeit so ungemein reichlich ausgeschiedene Lymphe , die schliesslich in die perivascu- lären Räume übergehen oder direct in den Subpialraum (Gierke). Um den Central- canal herum lifgt die stützende Substanz dichter als sogenannter „centraler Ependym faden" ; ferner findet sie sich reichlicher an der Spitze und den Rändern der Hinterhörner, wo sie Substantia gelatinosa Rolandi genannt wird. Die Neuroglia findet sich ebenso im Gehirne. Sinde- substanz. Neuroglia. h System der Leitungshahnen im Rückenmarke (am 3. Dorsalnerven) nach Flechsig. Der schwarze Mitteltheil der Figur ist die graue Substanz. — v Vordere Wurzel. — h w Hintere Wur- zel. — a und g Pyramidenbahnen. — b Vorderstranggrundhündel. — c Goll- sche Stränge. — d Burdach'sche Keil- stränge. — e und / gemischte Seiten- strangbahnen. — h Kleinnirnseiten- stranghahnen. in die weisse Substanz ein , um die [§. 361.] Bau des Rückenmarkes. 769 Die Gesammtheit der longitudinalen Fasern der systematische Rückenmarkstränge sind je nach ihrer Function' nod™n'- systematisch in besondere Bündel geordnet. Länge/tuem J >.n /^sonderen Schon Türck hatte gefunden, dass bei Erkrankungen gewisser Gehirntheile Le>tungs- stets ganz bestimmte Faserzüge innerhalb des Rückenmarkes seeundär entarteten. P. Schieferdecker zeigte hiermit übereinstimmend, dass nach Dureh- schneidungen des Rückenmarkes oberhalb und unterhall) der Schnittstelle sich eine fettige Entartung innerhalb ganz besonderer Bündel ausbreitet. — Endlich ermittelte Flechsig, dass die Fasersysteme im Rückenmarke während der Ent- wickelung zu verschiedenen Zeiten ihre M velinhüllen erhalten, und zwar bekommen diejenigen Fasern sie am spätesten , welche den längsten Ver- lauf haben. Er legte auf diese Weise folgende Svsteme der Längsbahnen klar (Fig. 229): 1. Im Vorderstrang liegen der vorderen Längsspalte zu- nächst a) die Pyramidenbahnen; nach aussen davon b) die Vorderstranggrundbündel. — 2. Im Hinterstrange unterscheidet er c) die GolF sehen Stränge und d ) die Bitrdac/i sehen Keil stränge. — 3. In den Seitensträngen liegen e) die vorderen und f) die seitli chen gemischten Seitenstr ang- bahnen, g) die Pyramidenbahnen des Seitenstranges und h die Kleinhirnseitenstrang bahnen (welche nach Exstirpation des Kleinhirns entarten). Von diesen führen a und g alle Verbindungen, welche von den 'Vr- Centralwindungen der Grosshirnrinde als Bahn der diu»1 willkürlichen Bewegungen niedersteigen (§. 367). — h ver- I£%£%*~ bindet aufsteigend das Kleinhirn durch das Corpus restiforme hin- durch mit den Ganglien der Clarke'sehew Säulen. Da in letztere gleich- seitige hintere Wurzeln einstrahlen, so verbindet h das Klein- hirn mit hinteren Wurzeln des Rumpfes (nicht der Extre- mitäten) (§. 367). — b, e, f und ein geringer Theil von d stellen die Bahnen dar für die Verbindung der reflectorischen Centren in dem Rückenmarksgrau und in der Medulla oblongata f'§. 366) ; in b, e, f liegen auch einige sensible Leitungen. — End- lich sind c Verbindungen der hinteren Wurzeln mit den grauen Kernen der Funiculi graciles der Medulla oblongata, — d führt Ver- bindungsbahnen zwischen eintretenden hinteren Wurzeln bis in den Nucleus funiculi euneiformis (§. 367) und ausserdem Bahnen von hinteren Wurzeln durch das Corpus restiforme hindurch zu dem Wurm des Kleinhirns (Flechsig). Die Leitungseinrichtung in den Hintersträngen (die Fortsetzungen der hinteren Wurzeln sind) ist zweifellos aufsteigend, da sie nach Zerstörung der hinteren Wurzeln aufsteigend entarten. Fernerhin haben sich in Bezug auf diese Bahnen noch folgende Punkte herausgestellt: die Pyramidenbahnen (Fig. 230 1 und 2), die K lein hirnseitenst rangbahnen (3) , auch die GW/" sehen S t r ä n g e i 5) zeigen eine continuirliche Q, u e r s c h n i 1 1 a b n a lime in der Richtung von oben nach unten ; sie verbinden intraeraniclle Centraltheile mit den durch die Länge des Rückenmarkgraues zer- streut liegenden Ganglienheerden. — Die Keilstränge (4), die Vorderstranggrundbündel und die vorderen gemisch- ten Seitenstrangb ahnen (6) zeigen in verschiedenen Hohen Landois, Physiologie. 7. Aufl. 49 770 Bau des Rückenmarkes. [§• 361.] Nutritive Centren der Leitungs- bahnen. des Rückenmarkes Schwankungen in der Mächtigkeit ihres Durchmessers , und zwar entsprechend der Mächtigkeit der ein- tretenden Nervenwur- zeln. Man kann hieraus folgern, dass in diesen Bahnen Fasern liegen, welche verschiedene Niveaux des Rücken- markgraues mit ein- ander und schliesslich auch mit der Medulla oblongata verbinden, also nicht direct bis zu höheren Gehirn- theilen vordringen. Die Pyramiden- bahnen haben ihr nutritives Centrum im Grosshirn, die vor- deren Rückenmarks- wurzeln in den Gan- glien des Rücken- marksgraues. — Auf- wärts von einer Rückenmarks - Durch- trennung entarten secundär die Goll- schen Stränge und die Kleinhirn- seitenstrang- bahnen; letztere haben ihr nutritives Centrum vielleicht in den Ganglien der C/arke' sahen Säulen, erstere in den Spinal- ganglien der hinteren Wurzeln. — Diejenigen Fasern des Markes endlich, welche nach Durchtrennungen gar nicht entarten [zahl- reich in den Seiten- und Vorder-Strängen (Schieferdecker, Sin- ger)\ sind wohl Com- Fig. 230. Jpi's Ja 6 vsr Höhe des I. Cervicalnerven III. Cervicalnerv VI. Cervicalnerv" HI. Dorsalnerv i VI. Dorsalnerv XII. Dorsalnerv IV. Lendennerv — Schema derVertheilung der Hauptbahnen des Rückenmarkes. lpvs Pyramidenvorderstrangbahnen (ungekreuzt). 2psb Pyra- midenseitenstrangbahnen (gekreuzt). Msb Kleinhirnseiten- strangbahnen. 4aks äussere (Bu.rd.aM sehe) Keilstränge. Giks innere (Go«'sche) Stränge, ßvsr Vorderseitenstrangreste (nach Flechsig zerfallend in Grundbündel der Vorderstränge und in Seitenstrangreste). Vergrößerung 2fach. (§. 361.] Reflexe im Rückenmarke. 771 missuren des Rückenmarkes, die von Ganglien zu Ganglien hinziehen und an beiden Endpunkten nutritive Heerde besitzen. Rücksichtlich der Zeit der Bildung der einzelnen Systeme — Zeil der bemerkt Flechsig: Zuerst bilden sich die Bahnen zwischen der Peripherie und B'ldun3 d' dem centralen Markliühlengrau , zumal also die Nerven wurzel n. Sodann ent- Systeme. stehen Fasern, welche verschiedene, dem Markgrau angehörige Centren verbinden. Dann erscheinen Fasern, welche zwischen dem Markgrau und dem Kleinhirn, wie auch zwischen ersterem und der Haube des Pedunculns cerebri die Verbindung herstellen. Zuletzt entstehen die Fasersysteme . welche die Ganglien des Hirn- schenkel tu s s es , vielleicht auch das Grosshirnrindengrau mit dem Rückenmarks- grau in Verbindung setzen. Die Pyramidenbahnen sind noch znr Zeit der Geburt ohne Mark. (Bei angeborenem Mangel des Grosshirnes entstehen weder die Pyramidenbahnen, noch auch die Pyramiden.) Im Gehirn bilden. sich schon vor der Geburt markhaltige Fasern im Paracentralläppchen , den Centralwindungen, Hinterhauptslappen, Insel, — am spätesten im Stirnhirn (TuczekJ. 362. Reflexe im ßückenniarke. Unter Reflexbewegung verstehen wir eine Bewegung, w'e*en der welche hervorgerufen wird durch die Erregung eines centri- beJ-gvmg. petalleitenden (sensiblen) Nerven. Letzterer nimmt die Reizung auf. leitet sie zum Centrum ( Rückenmarke ) hin. dessen zellenreiche graue Substanz das Reflexe entrum darstellt: im Centrum wird schliesslich die hier angelangte Erregung auf die motorische, centrifugale Bahn übertragen. So gehören zur Reflexbewegung 3 Factoren : — die centripetalleitende Bedingungen. Faser, — das übertragende Centrum. — die centrifugalleitende Faser; sie stellen den sogenannten ,.Ref lexbogen" dar. Die Thätigkeit des Willensorganes ist beim Zustandekommen der Reflexbewegung ausgeschlossen. Man unterscheidet drei Arten der Reflexbewegung : Der partiei'e I. Der einfache oder partielleReflex, — welcher dadurch charakterisirt ist , dass die Erregung eines sensiblen Bezirkes die Bewegung von nur einem Muskel, oder doch nur von einer beschränkten Gruppe auslöst. Beispiel: Schlag auf's Knie bewirkt Zuckung im M. quadrieeps femoris : im Bereiche der Kopfnerven bewirkt Berührung der Conjunetiva Schluss der Lidspalte. II. Der ausgebreitete, u n g e o r d n e t e R e f 1 e x . oder Der Reße2- der R eflexkrampf. — Derselbe tritt in Form klonischer oder tetanischer Zuckungen auf. an denen sich ganze Muskel- grnppen, oder selbst alle Muskeln des Körpers betheiligen. Der Reflexkrampf hat eine doppelte Ursache : — a) Entweder befindet f>^«>. sich das Rückenmarksgrau im Zustande excessiver Reiz- barkeit, so dass der zugeleitete Reiz sich von der Stelle des Eintrittes den leicht erregbaren benachbarten Centralbezirken mittheilen kann. Hochgradige Reizbarkeit bedingen in dieser Weise gewisse Gifte , namentlich Strychnin, dann auch das Brucin, Coffein (Aubert), Atropin. Nicotin, die Carbolsäure u. A. Die leiseste Berührung eines mit Strychnin Vergifteten genügt, um alle Muskeln des Körpers sofort in Krampf zu versetzen. Abkühlung des Gesammtkörpers (Hund auf 23° C. bewirkt 772 Reflexe im Rückenmarke. [§• 362.] Ver- hinderung. Wirkung des Strychnins. Summatiori achir ti eher Reize. P flu ger's Gesetz der Ausbreitung der Reflexe, gleichfalls eine starke Reflexerregbarkeit (Quinquaud). Auch gewisse pathologische und krankhafte Affectionen können Aehn- liches erzeugen. Hierher gehört die excessive Reizbarkeit bei der Hydrophobie und dem Tetanus. — Umgekehrt kann auch das Centralorgan in einen Zustand versetzt werden, in welchem aus- gebreitete Reflexkrämpfe nicht zur Ausbildung kommen können: im Zustande der Apnoe bleiben die Krämpfe bei Strychninvergifteten aus (J. Rosenthal & Leube, Uspensky), und zwar in Folge der passiven künstlichen Athembewegungen (v. Ebner), indem sie eine Dehnung der Hautnerven von Bauch und Brust bewirken (Eckhard) (vgl. §. 363. 3). Auch die Aus- übung anderer passiver, periodischer Bewegungen an Körper- theilen ruft einen ähnlichen Zustand hervor (Buchkeim). Auch erhebliche Abkühlung des Rückenmarkes verhindert die Reflex- krämpfe (Kunde). — b) Ausgebreitete Reflexkrämpfe können aber auch zu Stande kommen, wenn die reflexauslösende Rei- zung sehr heftig ist. Beispiele dieser Art werden auch bei Menschen beobachtet : bei intensiven Neuralgien sah man aus- gebreitete Krämpfe auftreten. Die allgemeinen Krämpfe zeigen sich als „Streckkrämpfe" (aucli der Wirbelsäule: Opisthotonus), weil die Kraft der Extensoren die überwiegende ist. Nerven, welche aus der Hedulla oblongata entspringen, können übrigens auch durch Reizung entfernter liegender, centripetaler Nerven refleetorisch angeregt werden, ohne dass allgemeine Reflexkiämpfe auftreten. Das Strychnin, das heftigste, Reflexkrämpfe erregende Gift, wirkt direct auf die Ganglien des Rückenmarkgraues. Es treten daher auch dieselben Reflex- krämpfe auf, wenn man das Gift (beim Frosche nach Unterbindung des Herzens) direct auf das blossgelegte Rückenmark bringt. Die Krämpfe treten nur nach mechanischer, thermischer und elektrischer, jedoch nicht nach chemischer Reizung auf (Schlich). — Im Krampfanfalle steht das Herz (durch Vagireizung) diastolisch still, und der Druck in den Arterien erfährt durch Reizung der centralen vaso- motorischen Centren der Oblongata und des Rückenmarkes eine gewaltige Höhe. Säugethiere können im Anfalle durch Erstickung zu Grunde gehen , doch erfolgt nach grossen Dosen der Tod bei alsbald sehr zurücktretenden Krämpfen durch Rückenmarkslähmung Hühner sind gegen ziemliche Dosen immun. Auslösung der Reflexe. — S chw a c h e Reize, welche, einmal applicirt, nicht im Stande sind, Reflexe aus- zulösen , vermögen dies durch Wiederholung. Es findet dann im Rückenmarke, welchem die einzelnen Reize zugeführt werden, eine „Summation" derselben statt. Zu einem solchen Effecte reichen bereits 3 schwache Reize in einer Secunde hin ; am wirksamsten scheinen 16 in einer Secunde zu sein, über welches Maass hinaus keine intensivere Wirkung möglich ist (J. RosenthalJ. Doch sah man auch Reize (Inductionsschläge) innerhalb weiterer Grenzen : von 0,05 bis 0,4 Secunden Intervall noch wirksam (Ward). W. Stirling hat es wahrscheinlich gemacht, dass überhaupt die Reflexe durch wiederholte Anstösse der nervösen Centren zu Stande kommen. Ausbreitung der Reflexe. — Pflüger hat das Gesetz aufgestellt, nach welchem die Ausbreitung der Reflexe sich vollzieht: — 1. Zunächst erfolgt die Reflexbewegung auf derselben Seite, auf welcher auch der sensible Nerv gereizt ist, und zwar treten nur solche Muskeln in Action, deren Nerven in gleicher Niveauhöhe aus dem Marke hervorgehen. — 2. Wenn der Reflex weiter auch auf der anderen Seite erfolgt, so tritt er als Mitbewegung stets nur in den Muskeln auf, welche auf der primären Seite bereits ebenfalls contrahirt sind — :-i. Bei ungleicher Intensität der Krämpfe auf beiden Seiten gehören die heftigsten Bewegungen der primären Seite an. — 4. Beim Weitergreifen der [§• 362.] Reflexe im Rückenmarke. 773 Reflexerregung auf benachbarte Bewegungsnerven werden stets diejenigen heran- gezogen, welche in der Richtung zur Medulla oblongata liegen. — 5. Schliesslich werden die Muskeln vom Krämpfe befallen. In seltenen Fällen kommen jedoch auch Abweichungen von diesen Regeln vor. Bestreicht man nämlich z. B. einem Frosch (nach Exstirpation des Grosshirns) die Augengegend, so tritt oft ein Reflex im Hinterbein der entgegengesetz ten Seite ein. Bei enthaupteten Tritonin, Eidechsen. Schildkröten und tief narkoti- sirten Hunden und Katzen hat Kitzeln eines Vorderbeines oft Bewegung des diagonalen Hinterheines zur Folge 'Luchsingei . Man nennt diese Erscheinung „gekreuzte Reflexe'1. — Wird bei Thieren das Rückenmark der ganzen Länge nach in der Mittellinie getbeilt, so bleiben die -Reflexe natürlich nur ein- seitig (Schiff). Der Reflex kann innerhalb verschiedener Niveaus des Markes übertragen werden. Bei schwachen Reizen, welche das Bein des enthirnten Frosches treffen, findet dii Reflexübertragung statt an der Grenze des Halsmarks und der Oblongata, bei stärkeren Reizen findet die Uebertragung iu dem schwerer reflectorisch erreg- baren unteren Rückenmarke statt. — Legt man alternirende Halbquerschnitte im Rückenmarke an, so kann sich dennoch die Reflexerregung aufwärts fortpflanzen, welche also bilateral in Schlangenwindungen verlaufen niuss. Je mehr Schnitte, desto stärker nmss aber der sensible Reiz sein (Rosenthal), III. Der ausgebreitete, wohlgeordnete Reflex — ist dadurch charakterisirt , dass nach Erregung einer sen- siblen Faser innerhalb ganzer und sogar verschiedener Muskel- gruppen Bewegungen complicirter Art ausgelöst werden, welche den Charakter der Zweckmässigkeit, ja des willkürlich Inten- dirten haben. Die Versuche werden entweder an Kaltblütern angestellt (enthauptete Frösche, Eidechsen oder Aale) oder an Säugethieren, denen man (bei künstlicher Respiration) die 4 Kopfschlagadern unterbunden hat, so dass das Gehirn funetions- unfähig wird Sig Mayer, Luchsinger, . Reflexe im Bereiche des unteren Rücken- markes lassen sich auch an Thieren (oder Menschen) mit (im oberen Dorsal- theile) querdnrehtrenntem Rückenmarke studiren . nur mnss nach der Trennung- einige Zeit verflossen sein, so dass der primäre Reiz der Läsion (sog. Shock), welcher zunächst reflexhemmend wirkt, sich verloren hat. Ganz junge Säuge- thiere zeigen sogar nach dem Köpfen noch einige Zeit Reflexe. Zu den geordneten Reflexen gehören : 1. Die Abwehr- und Fluch t-Bewegu ngen — entbirnter oder decapitirter Frösche und Schildkröten, das Abwischen aufgetupfter Säure von der Haut derselben, das Anstemmen gegen fixirende Werk- zeuge u. dgl. Alle diese finden anscheinend mit Ueberlegung und unter Aufbietung der, am zweckmässigsten zu verwendenden Muskelgruppen statt, so dass Pflüger dieselben als von einer „R ticken mar ks- seele" geleitet bezeichnet hat. Sogar ausgeschnittene Stücke Aal wenden sich noch zweckmässig von einem angebrachten intensiven Reize (Flamme) fort. Auch wendet sich der Schwanz des decapitirten Triton, der Eidechse, des Molches, des Aales, der Natter einem sanften Streichen zu, hiugegen von einem heftigen Reize ab (Luchsinger). 2. Der Golte'&ohe Quar rrersuch, — welcher darin besteht, dass ein enthirnter Frosch allemal seine Stimme ertönen lässt, sobald man dessen Rückenhaut streichelt. 3. Der GW/sr'sche Umklammerungsversuoh. — Das Rumpfstück lies Froschmännchens \ zwischen Schädel und 4. Wirbel, umklammert (zur Zeit der Umarmung der Frösche im Frühlinge; jeden festen Gegenstand, der die Brusthaut leicht reizend berührt. Gekreuzte Reflexe. Der geordnete Reflex. Unter- suchung*- methode. Reispitle geordneter Befltxe. 774 Reflexe im Rückenmarke. [§• 362.} Unbeunisste, im Wachen ausgeführte geordnete Reflexe. Ort der Reiz einwirkung. lieizstürTce. Dauer der Reflex- bewegung v/nd die l'.eflexzeit. Einflüsse auf die Jleflexzeit. In dem intaeten Thiere liegt der anregende Reiz im Füllungsgrade der männlichen Samenorgane (Tarchanoff). Der Reflex hört sofort auf nach schwacher Reizung der Sehhügel (vgl. §. 363. 2) (Albertoni). 4. Bei Warmblütern (Hunden) gehören zu den geordneten Re- nexen im Bereiche des hinteren , abgetrennten Markendes : das Kratzen gekitzelter Hautstellen mit den Hinterpfoten (wie beim unver- letzten Thiere), ferner die zur Harn- oder Koth-Entleerung, sowie zur Erection nothwendigen Bewegungen ; die Bewegungen, welche zum Gebäract erforderlich sind (Goltz mit Frettsberg & Gergens) ; die geordneten Bewegungen an den Füssen und am Schwänze von Enten (Tarchanoff) und Tauben (Singer). — Geordnete Reflexe gleichzeitig in weit von einander liegenden Markstellen scheinen in der Regel nach Entfernung der Medulla oblongata nicht mehr statthaben zu können. Sie enthält so vielleicht ein Reflexorgan höherer Ordnung, welches die verschiedenen Reflexprovinzen im Rückenmarke (durch weisse Fasern) leitend verbindet (Ludwig & Owsjannikow) (§. 359. 9). 5. Beim Menschen kommen geordnete Reflexe auch noch im Schlafe vor, desgleichen in krankhaften soporösen Zuständen. Weitaus die meisten im wachen Zustande ausgeführten Bewegungen, welche wir unbewusst ausführen, oder auch dann, wenn die psychischen Thätigkeiten anderweitig intensiv in Anspruch genommen werden , müssen den geordneten Reflexen zugezählt werden. Manche complicirt^re Bewegungsmechanismen müssen erst angelernt werden, z. B. Tanzen, Schlitlschuhlaufen, Reiten, bevor bei ihnen unbewusst harmonisch geordnete Reflexe wieder ausgelöst werden können. — Zu den, vom Rückenmarke einschliesslich der Medulla oblongata ausgehenden, geordneten Reflexen gehören auch das Husten, Niesen, Erbrechen. In Bezug auf die Eigenart der Reflexe sind noch, folgende Punkte beachtenswerth : 1. Die Reflexe lassen sich leichter und in vollendeter Weise auslösen , wenn das specifische Endorgan des centripetalleitenden Nerven die Erregung aufnimmt , als wenn der Stamm des Nerven in seinem Verlaufe gereizt wird (Marsh. Hall 1837, Volkmann, Fick & Erlenmeyer) . 2. Zur Auslösung einer Reflexbewegung bedarf es einer stärkeren Reizung, als zur directen Reizung des motorischen Nerven. Die , durch einen ausreichend starken Reiz hervor- gerufene Reflexbewegung stellt sofort eine ziemlich starke Zuckung dar, welche bei wachsender Reizstärke nicht mehr an Grösse zunimmt (vgl. §. 326. 5). 3. Die reflectorisch erregte Bewegung ist von kürzerer Dauer, als die gleiche willkürlich ausgeführte. Weiterhin ist ihr Eintritt nach dem Momente der Reizung entschieden verzögert. Bis zum Eintritte der Zuckung verläuft (beim Eroschej eine etwa zwölfmal so lange Zeit , als die , welche während der Leitung in den sensiblen und motorischen Nerven verstreicht (v. Hehnholtz, 1854). Es setzt somit das Rückenmark dem zeitlichen Verlaufe der Erregung durch dasselbe Wider- stände entgegen. Beim Frosch beträgt die „Reflexzeit" — (d. h. die Zeit der Reizübertragung innerhalb der Ganglienzellen des Markes) 0,008 — 0,015 Secunde. Diese Zeit nimmt noch gegen 1/s zu, wenn die Leitung auf die and er e Seite übergeht, oder durch die Länge des Rückenmarkes hindurch (von der sensiblen Wurzel der vorderen [§• 362.] Hemmung der Reflexe. 775 Extremität bis zur motorischen des Hinterbeines). Wärme verkürzt die Reflexzeit und steigert die Reflexthätigkeit. Erniedrigung der Temperatur (Winter-Frösche), ebenso die vorhin benannten reflexsteigernden Gifte verlängern die Reflex- zeit während gleichzeitiger Erhöhung der Reflexerregbarkeit. — Umgekehrt nimmt die Reflexzeit ab mit steigender Reizstärke und kann so selbst von minimaler Dauer werden (J. Rosenthal). Man kann die Reflexzeit bestimmen, indem man das Moment der Bestimmung Reizung der sensiblen Faser und das Moment der Zuckung zeitlich markirt. Von der -ß«/«*2«'- dem so gefundenen Werthe ist abzuziehen die Zeit, welche die Leitung in den beiden Nervenbahnen beansprucht (§. 339), sowie die Dauer der latenten Reizung (§. 300. I. 1) (v. Heimholtz, J. Rosenthal, Exner, WundtJ. 363. Hemmung der Eeflexe. Es existiren im Körper Mechanismen, durch welche die Auslösung der Reflexe unterdrückt werden kann, die man demgemäss als Hemmungsmechanismen der Reflexe bezeichnet hat. Diese sind: 1. Durch das Willensorgan können sowohl im Bereiche w%wa.rUehe des Gehirnes , als auch des Rückenmarkes Reflexe willkürlich deTsejuL. gehemmt werden. Beispiele: Offenhalten des Auges bei Berüh- rung des Bulbus, — Hemmung der Bewegung beim Kitzeln der Haut. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass die Unterdrückung der Reflexe nur bis zu einem gewissen Punkte möglich ist; — bei starkem und oft wiederholtem Reizangriff siegt schliesslich die Reflexanregung über den Willen. Es können weiterhin über- haupt nicht solche Reflexbewegungen unterdrückt werden, welche auch willkürlich niemals als Bewegungen ausgeführt werden können. So können die Erection, die Ejaculation, der Gebäract, die Bewegungen der Iris, weder willkürlich direct ausgeführt, noch auch, wenn sie einmal reflectorisch erregt sind, durch den Willen unterdrückt werden. 2. Als Setsckenow'' sches Hemmungscentrum wird ein Hemmung zweiter cerebraler Apparat bezeichnet, der jederseits beim Frosche im Seh- und Vier-Hügel belegen ist. Abtrennung dieser Theile durch einen Schnitt erhöht die Reflexerregbarkeit. Reizung der unteren Schnittfläche (durch Kochsalz oder Blut) unterdrückt umgekehrt die Reflexbewegungen. Der Erfolg kann auch bei der Operation auf nur einer Seite beobachtet werden . Für die höheren Wirbelthiere schliesst man auf das Vorhandensein ana- loger Organe in den Vierhügeln und in der Medulla oblongata. Aus 1. und 2. erklärt sich, dass Reflexe nach Ausschaltung des Gehirnes regelmässigerauftreten und leichter hervorgeruf an werden können. 3. Stärkere Reizung eines Gefühlsnerven unter- drückt die Reflexbewegungen. Es unterbleibt sogar der Reflex, wenn der ihn auslösende centripetalleitende Xerv sehr stark gereizt wird (Goltz, Leivisson, A. Fick & Erlenmeyer). Beispiele: Unterdrückung des Niesens durch Friction der Nase , Unter- drückung der Bewegung beim Kitzeln durch Beissen auf die Zunge. Besonders heftige Reizungen können so sogar die , den willkürlichen Bewegungen zugeordneten ReHexe unterdrücken. durch Setsche- n o w's Centrum. Hemmung durch Iieizu n g sensibler Xerven. 776 Hemmung der Benexe. [§. 363.] Heftige Schmerzen der Unteiieibsorgane (Darm, Uterus, Nieren, Leber, Blase) zielten Unvermögen zum Gehen oder Stehen nach sich. Hierher ist auch zu rechnen das Niederfallen bei Verwun- dungen nervenreicher innerer Organe, welche an sich weder wegen Verletzung motorischer Nerven , noch auch wegen Blut- verlust das Vermögen, sich aufrecht zu erhalten, beeinträchtigen würden. — Auch Erregungen der Centralorgane durch andere centripetale Zuleitungen (durch die Sinnesorgane , Geschlechts- nerven etc.) vermindern die Reflexe in anderen Bahnen. 4. Es ist darauf aufmerksam zu machen , dass bei der Hemmung der Benexe oft die Erregung antagonistischer Bewegungen beobachtet ■wird, sei es durch den Willen, sei es durch Beizung sensibler Nerven , also reflec- torisch. — In manchen Fällen scheint es ferner schon zur Beflexhemmung zu genügen, unsere Aufmerksamkeit auf das Vollziehen einer solchen, etwas compli- cirten Beflexbewegung zu richten, damit diese verhindert werde. Manche vermögen z. B. nicht zu niesen, wenn sie intensiv an den Vorgang dieser Bewegung denken Darwin • indem der Wille, gewissermaassen voreilend, das Beflexcentrum durch den Gedanken zu beherrschen beginnt, ist der normale Ablauf der Beflexerregung für den, von der Peripherie herkommenden Beiz gestört (Schlösser) . 5. Gewisse Gifte setzen die Reflexerregbarkeit herab, wie Chloroform. Pikrotoxin, Morphin, Chinin, Bromkalium u. A., wahrscheinlich nach vorhergegangener transitorischer Erhöhung. — Constante Ströme, der Länge nach durch das Rücken- mark gesendet , schwächen die Reflexe (Ranke) , namentlich ab- steigende (Legros & Onimus, Uspensky). Werden Frösche in O-freier Luft asphyctiseh paralysirt, so ist das Gehirn und Bückenmark völlig unerregbar, also zur Beflexauslösung unfähig geworden. Die motorischen Nerven und die Muskeln haben jedoch sehr wenig an ihrer Er- regbarkeit, sogar tagelang, gelitten sAnbert). Prüfung de,- Nach der Methode von Türck — prüft man beim decapitirten Reflex- Frosche den Grad der Beflexerregbarkeit dadurch , dass man die Zeit bestimmt, CTTGOuCLTKCit- welche verstreicht von dem Eintauchen der Pfote in verdünnte Schwefel- säure bis zum Erfolg der Abwehrbewegung. Nach Betupfung der Lobi optici mit Blut oder auch nach Beizung eines sensiblen Nerven ist diese Zeit verlängert. Hemmung der Selschenow hat die Benexe unterschieden in tactile, welche durch Er- taCatKs hn' reoull& der Tastnerven ausgelöst werden , und in p a t h i s c h e , die ihren Reflexe. Ursprung der Beizung sensibler (Schmerzempfindung leitender) Fasern ver- danken. Er glaubt nun mit Paschulin, dass die tactilen Behexe durch das Willens- organ, die pathischen durch das von ihm beschriebene Centrum gehemmt würden. Theorie der Theorie der Reflexe. — Zur Erklärung der, bei den Beflexbewegungen Reflex- beobachteten Erscheinungen hat man folgende Theorie aufgestellt Man nimmt an, dass die centripetalleitende Faser innerhalb der grauen Substanz, mit deren Ganglien sie durch das Fasernetz der grauen Substanz nach allen Seiten hin in Verbindung steht, bei der Fortleitung des in derselben hingeleiteten Beizes auf beträchtlichen Widerstand stösst. Der geringste Widerstand liegt in der Bichtung zu denjenigen motorischen Fasern, welche in gleichem Markniveau der- Einfaeher selben Seite austreten. So entsteht bei den schwächsten Beizen der einfache Reflex. Reflex, der sich im Allgemeinen als einfachste Schutz- oder Abwehr-Bewegung für die Stelle des sensiblen Eingriffes zu erkennen giebt. In der Bichtung zu Aus- anderen motorischen Ganglien sind der Fortleitung der Erregung noch grössere nebredet'ir widerstände entgegengesetzt. Soll gleichwohl der Behex auch auf diese Bahnen 'übergehen, so muss entweder der auslösende Beiz erheblich verstärkt werden (denn mit der zunehmenden Stärke und Dauer der Beizung vermag die Beflex- bewegung an Ausbreitung zuzunehmen), oder es muss der Widerstand inner- halb der Verbindung der Ganglien der grauen Substanz abnehmen. Letzteres geschieht durch Einwirkung der erwähnten Gifte, sowie auch unter dem Einflüsse allgemeiner, gesteigerter, nervöser Beizbarkeit (Hysterie, Nervosität). So kann [§. 363-] Hemmung der Reflexe. 777 bei Verstärkung des Reizes , oder bei Herabsetzung der Leitungswiderstände im liückenmarke der ausgebreitete Reflexkrampf entstehen. Von denjenigen Mitteln, welche erfahrungsgemäss die Reflexe erschweren oder verhindern, ist dann Hemmung die Annahme gerechtfertigt , dass sie in die Leitungsbahnen des Reflexbogens . Rosen- bach , der darin besteht, dass auf Bestreichen der Bauchhaut mit dem Stiel des Percussionshammers sich die Bauchmuskeln zusammenziehen. So zeigt das beider- seitige Fehlen dieses Reflexes bei einem Hirnleiden eine diffuse Gehirnerkrankung an; einseitiges Fehlen deutet auf eine locale Affection der entgegengesetzten Hirnhälfte. Auch der Hypochondrien-, Cremaster-. Conjunctivae Mam miliar-, Pupillar-, Nasen -Reflex u. a. können so <»bject der Unter- suchung sein. Mit Hemiplegie verbundene Gehirnläsionen zeigen Btets auf der gelähmten Seite Herabsetzung der Reflexe (während nicht selten der Patellarrettex gesteigert sein kann). Bei ausgebreiteter Gehirnaffection besteht bei gleich- zeitigem Coma doppelseitiges Fehlen der Reflexe 0. Rosenbach . natürlich auch des Anus und der Blase. 778 Centra im Eückenmarke. [§. 363.] Reflexe im Beim Einschlafen — (§. 376) zeigt sich vorübergehende Steigerung der Schlafe und j>egexe) jm ersten Schlafe sind die Reflexe abgeschwächt, die Pupillen eng. Im Narkose festen Schlafe fehlen Bauch-, Cremaster- und Patellar-Beflex : Kitzeln der Sohle und der Nase wirkt erst bei gewisser Stärke. — In der Narkose (z, B. durch Chloroform und Morphin) schwinden zuerst der Bauch- , dann der Conjunctival- und Patellar-Reflex, endlich verengern sich die Pupillen (O. Rosenbach) . Erhöhung Abnorme Erhöhung der Reflex thätigkeit deutet meist auf eine Steigerung der Reflexe. ßer Erregbarkeit des Reflexcentrums ; es kann aber auch eine abnorme Empfind- Reflexsm-ung lichkeit des centripetalleitenden Nerven die Ursache sein, oder eine Schädigung der auf die Hemmung. — Da das harmonische Ebenmaass der willkürlichen Bewegungen viel- wiWkurhchen fältig von Reflexen geleitet und abgestuft wird, so ist es erklärlich, dass bei Rücken- euegwngen. inar]_sie^(jen vielfache Störungen desselben beobachtet werden, wie z. B. die charakte- ristische Störung beim Gehen und in den Greif bewegungen der Tabetiker (pg. 760). 364. Centra im Eückenmarke. Die An verschiedenen Stellen des Rückenmarkes befinden sich d^mcuen- Centra, welche auf reflectorische Anregung gewisse markes. wohlgeordnete Bewegungsmechanismen zur Auslösung gelangen lassen. Diese Centra vermögen zwar ihre Thätigkeit beizu- behalten, selbst dann, wenn das Rückenmark von der Medulla oblongata abgetrennt ist , — ferner können wohl auch die , im unteren Rückenmarkstheile liegenden Centra nach Trennung des oberen Theiles thätig bleiben , allein im normalen Körper sind diese Rückenmarkscentra in ihrer Thätigkeit anderen , höheren Reflexcentren der Medulla oblongata untergeordnet. suilrdHine -^an kaim die Centra daher auch als subordinirte Spinal- centra. centra bezeichnen. Ferner kann auch das Grrosshirn theils durch Erregung von Vorstellungen , theils als Willensorgan durch Anregung oder Unterdrückung der Reflexe Einfluss auf einzelne subordinirte Spinalcentren haben. Das Nähere ergiebt sich aus dem Folgenden : centrum der 1 . Das Centrum für die Pupillener Weiterung — liegt DUataüon. im unteren Cervicaltheil und abwärts im Bereich des ersten bis dritten Brustwirbels (Budgis Centrum ciliospinale). Es wird durch Verdunkelung erregt ; beim Menschen reagiren beide Pu- pillen zugleich auf die Beschattung einer Netzhaut, (vgl. N. opticus und Iris). Einseitige Exstirpation dieser Rückenmarks- partie verengt das Sehloch derselben Seite. Die motorischen Fasern treten durch die vorderen Wurzeln der 2 unteren Hais- und 2 oberen Brust-Nerven in den Halssympathicus über (vgl. diesen, pg. 726 und pg. 762). Bei Ziegen und Katzen kann dieses Centrum (abgetrennt von der Medulla oblongata) direct durch dyspnoetische Blutmischung erregt werden, ebenso durch reflectorische Erregung sensibler Nerven (z. B. des N. medianus), zumal wenn das Rückenmark durch Strychnin oder Atropin in gesteigerte Erregbarkeit versetzt war (Luchsinger). (Ueber das in der Medulla oblongata liegende obere Dilata- torencentrum siehe §. 369. 8.) 2. Das Centrum für die Kothentleerung: — Budgets Centrum anospinale. Die centripetalleitenden Nerven liegen in den PI. haemorrhoidalis und mesentericus inferior, das Centrum am 5. (Hund) oder 6. — 7. (Kaninchen) Lendenwirbel; die centri- fugalleitenden Fasern entstammen dem PI. pudendus nnd treten zu den Schliessmuskeln. Ueber die Erregung dieses Centrums Defäcation . [§. 364.] Centra im Kückenmarke. 779 und seine Unterordnung unter das Grosshirn siehe §. 1*>4. Nach Durehschneidung des Rückenmarkes sah Goltz , dass sich der Afterschliesser rhythmisch um den eingeführten Finger contrahirte ; die geordnete Thätigkeit des Centrums ist daher nur in Verbindung mit dem G-ehirne möglich. 3. Das Centrum der Harnentleerung, — Centrum vesico- cenimm der spinale (Budge), liegt für den Schliessmuskel am 5. (Hund) entlang. oder am 7. (Kaninchen) Lendenwirbel, für die Blasen muskeln etwas höher. In geordneter Weise functionirt es nur in Ab- hängigkeit vom Gehirn, worüber §. 282 berichtet ist. 4. Das Centrum für die Erection — [§.438] (Goltz, amrum der Eckhard) liegt im Lendentheile. Die sensiblen Nerven sind die Gefühlsäste des Penis; die centrifugalleitenden sind für die Arteria profunda penis die gefässerweiternden Nerven aus dem 1. — 3. Sacralnerven (Eckhards Nervi erigentes), für die Mm. ischiocavernosus und transversus perinei profundus die Be- wegungsfasern aus dem 3. — 4. Sacralnerven. Letztere können auch willkürlich erregt werden . erstere auch zum Theil vom Gehirn aus durch Richtung der Gedanken auf die Geschlechts- thätigkeit. Eckhard sah auch Erection nach Reizung höherer Rückenmarkstheile , sowie des Pons und der dura cerebri. 5. Das Centrum für die Ejaculation. — Die sensiblen centrum der Nerven (N. dorsalis penis) sind die anregenden , das Centrum ' (Budgis Centrum genitospinale) liegt am 4. Lendenwirbel (Kaninchen), die motorischen Fasern der Samenleiter entstammen dem 4. und 5. Lumbalnerven , welche in den Grenzstrang des Sympathicus und endlich von hier zu den Samenleitern hintreten. Für den M. bulbocavernosus, den Herausschleuderer des Samens aus dem Bulbus der Harnröhre , liegen die motorischen Fasern im 3. und 4. Sacralnerven (Nn. perinei). 6. Das Centrum für den Gebäract — (§. 455) am 1. und Omtrum des 2. Bauchwirbel (Körner) : die centripetalen Fasern kommen vom PI. uterinus , in welchen auch vom Rückenmarke her die moto- rischen Fasern wieder eintreten. Goltz und Ereusberg beobachteten Begattung und Geburt bei einer Hündin mit am 1. Bauch wirbel durchschnittenem Marke. 7 . G e f ä s s n e r v e n c e n t r a . — und zwar sowohl vaso- Oentra der motorische, als auch vasodilatatorische. finden sich durch die nerven. ganze spinale Axe verbreitet. Diesen ist auch das Milzcentrum (Bulgak) beiznzählen (1. — 4. Halswirbel. Hund). Sie werden refiectorisch erregt , — sind aber ausserdem den dominirenden Centren der Medulla oblongata (>; 373 u. £. 374) untergeordnet. Auch psvchische Erregungen (Grosshirn) vermögen sie zu beein- flussen (§. 370). s . Centra der Schweisssecretion, — vielleicht in Cent™ der analoger Vertheilung wie die Gefässnervementra §. 290). «eewtton. Die von den benannten Centren ausgelösten Bewegungen sind nach dem Mitgetheilten als geordnete Reflexe zu liezeichnen und im Grande somit den geordneten Reflexen der Rumjif- und Extremitäten-Muskulatur an die Seite zu stellen. Erregbarkeit des Eüekenmarkes. [§• 364.] Ein Tonus quer- gestreifter Muskeln existirt nicht B rond- p e es Vs sogenannter Reflextonus. Muskeltonus. — Man bat früher dem Kückenmarke aucb nocb auto- matische Functionen zugesprochen, und zwar zunächst für eine gewisse mittlere active Spannung der Muskeln, die man als Tonus bezeichnet. Den Tonus der quergestreiften Fasern wollte man beweisen durch das Zurückziehen der Enden eines durchschnittenen Muskels; allein dies rührt einfach daher, dass die Muskeln alle etwas über ihre normale Länge gedehnt sind (pag. 605), weshalb denn auch die gelähmten Muskeln (die doch den nervösen Tonus verloren haben müssten) ganz dasselbe zeigen. Auch die stärkere Contraction gewisser Muskeln nach Lähmung ihrer Antagonisten, ferner die Verziehung des Gesichtes nach der gesunden Seite nach einseitiger Facialislähmung hat man für den Tonus an- geführt. Allein diese rühren lediglich daher, dass nach Thätigkeit der intacten Muskeln es an Kräften fehlt, die betreffenden Theile wieder in die normale mittlere Euhelage zurückzuführen. Gegen die Annahme einer tonischen Contraction spricht auch folgender Versuch von Auerbach und Heidenhain. Versetzt man bei einem decapitirten Frosche die Unterschenkelmuskeln einer Seite in Spannung, so verlängern sich die Muskeln nicht nach Durchschneidung des Hüftnerven , oder nach Lähmung desselben durch Betupfung mit Ammoniak oder Carbolsäure. Bringt man jedoch einen decapitirten Frosch durch Aufhängen in eine abnorme Lage, so beobachtet man, dass, wenn auf einer Seite der Hüftnerv oder die hinteren Wurzeln der Nerven dieser Extremität durchschnitten wurden, dass dann auf dieser Seite das Bein schlaff niederhängt, während es auf der intacten Seite etwas angezogen gehalten wird. Die sensiblen Nerven des niederhängenden Beines werden durch das Gewicht des letzteren dauernd in gelinde Beizung versetzt, so dass hierdurch ein leichtes reflectorisches Aufwärts- ziehen des Beines statthat, welches unterbleibt, sobald die sensiblen Nervenfasern des Beines gelähmt sind. Will man das besagte geringe Anziehen als Tonus be- zeichnen, so ist also letzterer als „Ref 1 extonu s" zu kennzeichnen (Brondgeest). [Man vergleiche hiermit den Versuch von Harless, C. Ludwig & Cyon, pag. 760.] 365. Erregbarkeit des Rückenmarkes. unerregbar- Es herrscht bis in die gegenwärtige Zeit keine Ueberein- ^fanitihe Stimmung der Ansichten darüber, ob das Rückenmark (ähnlich und wie ein peripherer Nerv) reizbar sei, — oder ob es sich gerade elelRelzte durch die merkwürdige Eigenthümlichkeit auszeichne , dass die meisten seiner Leitungsbahnen und Ganglien gegen directe elektrische und mechanische Reize reactionslos sind. In Folgendem seien die Anschauungen der sich gegenüberstehenden Forscher näher präcisirt. — Werden Reize auf die blossgelegte weisse oder graue Substanz vorsichtig applicirt, so erfolgt weder eine Be- wegung, noch auch eine G efühls Wahrnehmung (van Deen 1841, Brown- Sequard, Schiff, Huizinga, Sigm. Mayer). Man hat sich bei Anstellung dieser Verliehe jedoch sorgfältigst zu hüten, die eintretenden Wurzeln der Rücken- marksnerven zu reizen , da diese natürlich auf die Reize reagiren und so Em- pfindungen, sowie auch reflectorische Bewegungen einerseits, ferner auch direet erregte Bewegungen andererseits hervorrufen. Da das Rückenmark somit zwar wohl die ihm von den gereizten hinteren Wurzeln zugebrachten Reize zum Gehirne fortleitet, selbst aber auf Gefühlsempfindungen hervorrufende Reize nicht zu reagiren vermag, so hat Schiff dasselbe als „ä sthesodi seh" (Empfindungen leitend; bezeichnet. Weiterhin, da dasselbe in gleicher Weise zwar die entweder willkürlich oder reflectorisch erregten Bewegungen durch seine Bahnen zu leiten vermag, ohne jedoch selbst für direet applicirte bewegungsanregende Impulse empfäng- lich zu sein, ist es „kinesodiseh" (Bewegungen leitend) genannt worden (Schiff). Nach Schiff sind daher alle Folgeerscheinungen , die bei Reizung des un- verletzten Rückenmarkes auftreten (Krämpfe, Contracturen), entweder bedingt von gleichzeitiger Reizung vorderer Wurzeln , oder sie sind Reflexe von den Hinter- strängen allein, oder gleichzeitig von Hintersträngen und hinteren Wurzeln. Krankheiten, welche nur die Vorder- und Seitenstränge betreffen, erzeugen nie Reizungs-, sondern nur Lähmungs-Symptome. [§. 365.] Erregbarkeit des Kückenmarkes. 781 Bei vollständiger Anästhesie und in der Apnoe ist jede Reizung ohne Erfolg. — Nach Schiffs Anschauung sind überhaupt alle Centra, spinale wie cerebrale, durch künstliche Mittel unerregbar. Nur durch die Lähmungsmethode kann man deshalb den Sitz eines Centrums bestimmen. Schiff schliesst also : 1. In den Hintersträngen sind die durchsetzenden sensiblen schi/fs W nrz elf a sem auf Reiz schmerzhaft, nicht jedoch die eigentlichen Bahnen der Hinterstränge selbst. Nur sah Schif als Zeichen, dass Reize der eigentlichen Bahnen Tast- Empfindungen bewirken, Erweiterung der Pupillen bei jeder Reizung (§. 894). Abtragung der Hinterstränge bewirkt Anästhesie (Tastverlust) ; Algesie ( Schmerzemphndung) bleibt erhalten (anfangs besteht sogar Hyperalgesie). 2. Die Vorderstränge sind unerregbar sowohl für (pier- gestreifte, als auch für glatte Muskeln, wenn man nur die eigentlichen Bahnen reizt. Aber es können Bewegungen eintreten . wenn man entweder die motorischen Wurzelfasern reizt, oder wenn Stromschleifen zu den Hintersträngen gelangen, in denen sie die sensiblen "Wurzelfäden zu reflec torischen Bewegungen anregen. Gegen diese Anschauungen, also für die Möglichkeit der directen Gegenteilige Reizung des Rückenmarkes — sprechen manche Forscher. Fick behauptet, AnsicJite^- Bewegungen der Hinterbeine zu erzielen, wenn er die auf lange Strecken isolirten Vorderstränge vom Frosch direct reizt (so dass Stromschleifen ausgeschlossen seien). — Biedermann macht folgenden Schluss : der motorische Nerv ist an seinem Querschnitte am reizbarsten. Auch am Rückenmarksiiuerschnitt (Frosch) sind schwache Reize (absteigende Oeffnungsschläge) wirksam, nicht jedoch weiter ab- wärts. Dieses spreche für analoge Reizempfanglichkeit beider. — Nun sollen aber nach Schiff 's bezüglichen Untersuchungen im Vor der st ränge des Frosch- markes ausser den, die Bewegung leitenden Längsfasern auch noch sensible Fasern seiu, deren Reizung Reflexe bewirken können. Daher seien alle. an den Vor der strängen des Frosches erzielten Versuche nicht für die directe Reizbarkeit der motorischen Bahnen in den Vordersträngen verwendbar! Diese G efühlsfasern sollen in der grauen Substanz entspringen und innerhalb des Rückenmarkes (ohne durch hintere Wurzeln erst auszutreten) zu den Vordersträngen treten („intracentrale Nerven-1, Schiff). ?>. Die, vom vasomotorischen Centrum durch das Rücken- Rtvbarkea mark abwärts verlaufenden Vasoconstrictoren sind inner- vaxmotortn. halb desselben durch alle Reize erregbar; die directe Reizung jedes Rückenmarks-Querschnittes verengt alle abwärts innervirten Grefässe (C. Ludwig & Thiry). — In gleicher Weise sind reizbar die im Rückenmarke aufsteigenden , auf das vasomotorische Centrum pressorisch wirkenden Fasern fC. Ludwig), §. 3o6. 10. (Ihre Reizung bewirkt keine Empfindung.) Nach Schiff handelt es sich in diesen Versuchen jedoch ebenfalls nicht um directe Reizerf ol ge . 4. Gegen chemische Reize (Benetzung der Schnittflächen Rei*1 mit Blut) scheint das Rückenmark empfänglich zu sein. chemisch-: 5. Die motorischen Centra sind direct erregbar durch Reüun/der über 40° erhitztes und durch Erstickungs-Blut, oder Cenlra- durch plötzliche und totale Anämie in Folge von Aorten- Unterbindung (Sig. Mayer); — ebenso durch einige Kit'te: Pikrotoxin, Nicotin. Baryumverbindungen (Luchsingi . 782 Leitungsbahnen im Elickenmarke. [§. 365.] Bei Versuchen hierüber muss das Bückenmari (z. B. am letzten Brustwirbel) gegen 20 Stunden vorher durchtrennt sein, damit sich dasselbe von der Erschüt- terung erholt hat. Auch sind am unteren Theile (um etwaige Beflexbeeinflussungen abzuschneiden) die hinteren Wurzeln vorher zu durchtrennen. Wird bei so vor- gerichteten Katzen Dyspnoe erregt, oder deren Blut überhitzt, so treten im Bereiche des unteren Marktheiles Streckkrämpfe, Gef ässcontr action, Schweisssecretion, Entleerung der Blase, des Mastdarmes ein, sowie Bewegung des Uterus und der Samenleiter. Aehnlich wirkt die Verabreichung mancher Gifte (wie Pikrotoxin) ('Marshall Hall, Luchsinger, v. Schroff). Bei Thieren mit abgetrennter Medulla oblongata werden sogar auf solche Weise rhythmische Athembewegungen hervorgerufen , wenn das Bückenmark durch Strychningaben oder Hitzeeinwirkung vorher hoch erregbar gemacht war (P. v. Rokitansky^ v. Schroff jun.), (§. 370). Auch mec lianische Reize vermögen die Ganglienzellen der Vorderhörner zu reizen (Birge) : — nach Biedermann reagirt die graue Substanz auch auf elektrischen Reiz. Hyperästhesie Erwähnung bedarf noch die merkwürdige Thatsache, dass nach Bypertinesie einseitiger Durchschneidung des Rückenmarkes , oder auch allein der D„ .nach , Hinter- und Seiten-Stränge, Hyperästhesie unterhalb des Schnittes Rückenmarks- o ? •/ l Verletzung, auf derselben Seite eintritt (Fodera 1823 u. A.), so dass Kaninchen schon bei einem leisen Drucke auf die Zehen laut schreien. Die Er- scheinung kann gegen 3 Wochen anhalten und kann dann einer nor- malen oder subnormalen Empfindlichkeit Platz machen. Die gesunde Seite zeigt dauernd Herabsetzung der Empfindlichkeit. Aehnliches sah man auch bei derartig verletzten Menschen. — Eine analoge Erscheinung zeigte sich nach Durchschneidung der Vorderstränge , nämlich eine grosse Neigung zu Zuckungen in den Muskeln unterhalb des Schnittes (Hyperkinesie) (Brozun- Se'qua rd) . Bedingung Im intacten Körper ist die normale Erregbarkeit des cinuZTo™ Rückenmarkes an das Fortbestehen der normalen Circulation gebunden. Unterbindung der Aorta abdominalis erzeugt schnell Lähmung der Hinterextremitäten (Stenson, 1667), und zwar in Folge von Anämie des Rückenmarkes (Schiffer). Plötzliche totale Anämie (durch Unwegsamkeit der Aorta beim Hunde) bewirkt zuerst Krämpfe (20 See), dann Lähmung (1 Min.), hierauf sensible Er- regung (2 Min.) und zuletzt Empfindungslosigkeit (3 Min.) (Fredericq). Nach anhaltender Ligatur entarten die vorderen Rücken- markswurzeln und die ganze graue Substanz der anämisch gemach • ten unteren Rücken markspartie. Motilität und Sensibilität bleiben den Hinterextremitäten dauernd verloren (Ehrlich & Brieger). 366. Leitungsbalmeii im Rückenmarke. Locaiisirte 1. Die localisirte Tastempfindung (Druck- "Wah r- empfindung. nehmung und das Muskelgefühl) wird geleitet durch die hintere Wurzel, sodann in die Ganglien des Hinterhornes, endlich von hier im Hinterstrange derselben Seite aufwärts. [Die Leitung der Wärmeempfindung soll durch die graue Sub- stanz geschehen.] Unterbrechung der Hinterstränge hebt das Kälte-, Druck- und Muskelgefühl auf. Beim Menschen verlaufen die von der Unterextremität herkommenden Bahnen durch die GV/'schen Stränge , die von der Oberextremität durch die Grundbündel (Fig. 229) ( Flechsig) i [§• 366.] ■Leitungsbahnen im Rückenmarke. r83 Beim Kaninchen liegt die Bahn der localisirten Tastempfindung im unteren Dorsaltheile im Seitenstrange (C. Ludwig e? Woroschiloff, Ott & Meade Smith). Durchschneidung einzelner Theile des Seitenstranges (beim Kaninchen) hebt diese Empfindungen für einzelne zugehörige Hautterrains auf: totale Durchschneidung auf einer Seite hat denselben Erfolg für die ganze Körperseite unterhalb des Schnittes. Der Zustand des aufgehobenen Tast- und Muskel-Gefühles wird Anästhesie genannt. 2. Die localisirte, willkürliche Bewegung wird beim Menschen auf derselben Seite durch den Vorder- und Seiten-Strang (Fig. 229) geleitet, und zwar durch die (§§. 360 und 367 näher bezeichneten ) Pyramidenbahnen. In der betreffenden Höhe des Rückenmarkes tritt die Leitung zuerst in die Ganglien des Vorderhornes und von hier in die betreffende Vorderwurzel. Die exacten Durchschneidungsversuche von C. Ludwig &■* Woroschiloff, Ott & Meade Smith ergaben für den unteren Dorsaltheil des Kaninchens den Verlauf im Seitenstrang allein. Partielle Durchschneidungen im Seitenstrange heben die willkürliche Bewegung einzelner entsprechender Muskeln unterhalb des Schnittes auf. — Wegen der Leitung 1 und 2 ist es erklärlich, dass die Seitenstränge von unten an aufwärts successive an Dicke und Faserreichthum zunehmen Siilling, Woroschiloff). Im Vorderhorn des Frosches tritt jede motorische Faser mit je einer Ganglienzelle in Verbindung (Gaule äf Birge . 3. Der tactile (ausgebreitete wohlgeordnete^ Reflex. Die Fasern treten durch die hinteren Wurzeln ein und sodann zu den Ganglien der Hinterhörner. Es stehen weiterhin in den verschiedenen Niveaus des Markes die Gangliengruppen, welche den wohlgeordneten Reflex beherrschen . in Verbindung durch Fasern . welche für die Extremitäten innerhalb der vorderen gemischten Seitenstrangbahnen (? der Vorderstranggrundbündel) und für den Rumpf in den Keilsträngen verlaufen rpg. 769). Von den motorischen Ganglien endlich treten die Fasern für die erregten Muskeln natürlich durch die vorderen "Wurzeln aus. Die atactische Tabes dorsalis. — bei welcher eine Entartung der Hinter- stränge angetroffen wird, ist durch eine charakteristische Bewegungsstörung bemerkenswerth. Die willkürlichen Bewegungen können zwar mit voller Kraft ausgeführt werden, allein es fehlt denselben durchaus die feine, harmonische Ab- stufung nach Intensität und Extensität. Diese wird zum Theil von dem normalen Bestehen der Tastempfindungen und des Muskelgefühles geleitet, deren Bahnen in den Hintersträngen liegen. Nach Entartung der letzteren tritt nicht allein Anästhesie ein, sondern auch Störung in der Auslösung der tactilen Reflexe, für welche ja der centripetale Bogenschenkel unterbrochen ist. Aber auch eine gleichzeitige Läsion der einfach sensiblen Nerven kann in analoger Weise durch Analgesie und Wegfall der pathischen Reflexe das Ebenmaass der Bewegungen wesentlich mit stören (§. 357). Da die Fäden der hinteren "Wurzeln die weissen llinterstränge durchsetzen, so ist auch hierdurch erklärlich, dass Störungen in der Gefühlssphäre während der Entartung dieser Theile auftreten (Charcotö3 Pierigt . Aber auch die hinteren Wurzeln selbst können von der Entartung mit- befallen werden, und auch ihr Ergriffensein vermag die Störungen in der Gefühls- sphäre zu erklären (§. 357). Letztere bestehen theils in einer abnormen Steigerung der Tast- oder Schmerz-Empfindungen, verbunden mit lancinirenden Seinnerzen, theils können dieselben bis zur Tast- oder Schmerz-Empfindungslosigkeit gesti-iirert sein. Zugleich ist die Tastempfindung (in Folge der Reizung der Hinterstränge) alterirt (Taubsein, Pelzigsein, Gefühl der Formication, oder Constriction). Oft ist die Gel'ühlslcitung verlangsamt (pg. 708). Auch die Sensibilität der Muskeln. Gelenke und innerer Theile ist alterirt. Liegen endlich wirklich in den Keil- Localitirte willkürliche Bewegung. Wohl- geordneter Reflex. Störungen bei der atacti$ch->n Form der Tabes. 784 Leitungsbahnen im Rückenmarke. [§■ 366.] Hemmung der taciüen Reflexe. Schmers- empfindung. Analgesie. Irradiation der Schmerzen. Unviillkür- liche Kramp/- bev;egun:, 8. Die Hemmung despathischen Reflexes erfolgt Hemmung des durch den Vor der sträng abwärts und sodann in die graue ^juZesT Substanz zu den Verbindungsbahnen der Reflexorgane, in welche hinein sie Widerstände übertragen. 9. Die Vasomotoren verlaufen durch die Seiten- Vasomotoren. stränge (Dittmar) und verlassen, nachdem sie in der ent- sprechenden Höhe in Ganglien der grauen Substanz eingetreten sind, das Rückenmark durch die vorderen Wurzeln. Weiterhin treten sie an die muskelhaltigen Gefässe entweder einfach durch die Bahn der Spinalnerven, oder häufiger durch die Rami com- municantes in den Sympathicus und von diesem zu den Gefäss- geflechten (§. 373). Düren schneidung des Rückenmarkes lahmt alle Vasomotoren unterhalb dieses Schnittes; Reizung des peripheren Rückenmarksstumpfes bewirkt um- gekehrt Contraction aller jener Gefässe. 10. Pressorisch wirkende Fasern treten durch die fressorische hinteren Wurzeln ein, laufen dann im Seitenstrange empor und erleiden eine unvollkommene Kreuzung (C. Ludwig & MiescJier). Ihr endlicher Zielpunkt ist das dominirende Vasomotorencentrum in der Medulla oblongata, welches sie somit refiectorisch anregen. — Analog wirksame depressorische Fasern müssen zwar auch im Rückenmarke ihre Leitung haben, doch ist über dieselben nichts ermittelt. 11. Vom Athmungscentrum im verlängerten Marke Athemterven. laufen ab w ärts in den Seitensträngen derselben Seite die Athem nerven, welche . vorher noch zu Ganglien der grauen Substanz tretend , durch die vorderen Wurzeln in die motorischen Nerven der Athmungsmuskeln übertreten (Schiff). Einseitige oder totale Durchschneidungen des Rückenmarkes höher und höher hinauf lähmen demgemäss successiv stets höher entspringende Athmungs- nerven derselben oder beider Seiten (§. 119). Pathologisches. — Bei Entartungen oder directen Verletzungen des Rücken- markes oiler einzelner Theile desselben ist besonders zu beachten, dass mitunter in frischen Fällen Reizerscheinungen und Lähmungserscheinungen in dicht be- nachbarten Rückenmarkstheilen neben einander vorkommen können, wodurch die Analyse des Krankheitsbildes erschwert wird. Entartung der Hinter st ränge (ohne dass die eintretenden hinteren Wurzeln mit ergriffen sind) bewirkt Ausfall der Tastempfindungen als auf- fälligste Erscheinung (die Wärmeempfindung bleibt erhalten). — Entartung der Gangliensäulen der Vorderhörner (z. B. bei der spinalen Kinder- lahmung) veranlasst Lähmung der von ihnen ausgehenden motorischen Nerven. Zugleich verfallen die von letzteren versorgten Muskeln rasch der Atrophie. Die Ganglien sind nämlich die trophischen Herde für Nerv und Muskel. (Es ist hier also dieselbe Folge wie nach dauernder Abtrennung eines peripheren moto- rischen Nerven). — Entartung des grauen Hinterhornes macht Schädi- gung der Hautsensibilität und erzeugt tropl ische Störungen in der Haut. — Entartung der mittleren Gebiete der grauen Substanz bedingt neben trophischen Störungen der Haut Wegfall der Wärmeempfindung. Von hohem Interesse ist die Thatsache, dass eine zeitweise Verschliessung der Aorta abdominalis (Kaninchen) dauernde sensible und motorische Lähmung zur Folge hat im ganzen Bereiche, wo die Aufhebung der Circulation im Rücken- marke statthatte: Ganglienzellen und Nervenfasern der Vorderhörner entarten: dann folgt seeundäre Entartung der Vorderwurzeln (nicht der vasomotorischen Fasern in denselben) und der weissen Substanz, welche den Vorderhörnern be- nachbart liegt. Später sind auch die Hinterhörner geschrumpft. Unversehrt bleiben die hinteren Wurzeln, Spinalganglien, Hinterstränge und äusserste Peripherie der Vorderseitenstrangreste [Ehrlich & Brieger, Singer u. A.). Landois, Physiologie. 7. Aufl. 5(1 Patho- logischts. - Circulation. 786 Allgemeines Schema des Gehirnbaues. [§. 367-] Das Gehirn. 367. Allgemeines Schema des Gehirnbaues. Verlauf der motorischen und sensiblen Bahnen. Für einen , in so hohem Grade verwickelten Bau , wie den des Gehirnes, ist es von der grössten Bedeutung, dass man sich über den Grundriss desselben, wenn auch nur in kurzer Skizze , orientire. Es ist ein grosses Verdienst von Meynert, einen derartigen brauchbaren Orientirungsplan auf Grund eingehender Forschungen vorgezeichnet zu haben. Auch wir legen denselben mit Berück- sichtigung der durch neuere Arbeiten gelieferten Ergänzungen und Berichtigungen unserer Besprechung zu Grunde. Das Gewicht des Gehirnes beträgt im Mittel beim Manne 1358 Gr., beim Weibe 1220 Gr. (Bischoff). Riato- Die oberste, äusserste Lage der Rinde besteht aus einer Glia-Schicht mit logisches, eingelagerten Nervenfasern. Daruuter liegt die Schicht kleiner Ganglienzellen, unter dieser die der grossen pyramidalen Zellen , und letztere deckt die Schicht unregelmässig gestalteter Ganglien. Alle Ganglien besitzen einen Axencylinder- fortsatz und zahlreiche Protoplasmafortsätze. Zwischen den Zellen liegen überall reichliche Bündel markhaltiger Nervenfasern. Rindengrau. Die Rinde des Grosshirns besteht aus dem windungs- und furchenreichen „peripheren Grau" (Fig. 231. C). Dasselbe giebt sich schon durch das Vorhandensein zahlreicher Ganglienzellen als nervöses Centralorgan zu erkennen (§. 360. 1). Von diesem gehen aus alle von der Psyche (Wille, Vorstellung) erregbaren Bewe- gungsfasern, — ebenso treten zu ihm hin alle von den Sinnes- werkzeugen und den sensiblen Organen herkommenden Fasern, welche die psychische Wahrnehmung äusserer Eindrücke ver- mitteln. Diese sämmtlichen (theils corticopetalen , theils corticofugalen) Bahnen nehmen einen, im Allgemeinen gegen das Centrum je einer Hirnhalbkugel Centrale gerichteten convergenten Verlauf , woselbst die grossen centralen Hirn- Sl™~ ganglien belegen sind [Corpus striatum (C. s.) , Nucleus lentiformis (N. 1.), Thalamus opticus (T. o.) und Corpora quadrigemina (v)]. Einige Fasern laufen an denselben vorbei (5, 5), viele senken sich jedoch in dieses „centrale Hirngrau" ein. Das benannte Fasersystem, welches innerhalb der Kugelmasse der Hirnsubstanz eine radiäre Anordnung hat, heisst die „Stab- Projections- kranz-Fa s er ung" (Corona radiata) oder das „Projectionssystem I.Ordnung". I. Ordnung. Ausser diesen enthält die weisse Substanz noch zwei andere Fasergruppen, Co mmissuren nämlich — a) die C o m m is s n r e n f a s e rn [Balken und vordere Commissur und (c c>yj( Welche beide Halbkugeln mit einander verbinden, und — b) die Asso- ^faiier™3' cia ti on sf a s e r n, wodurch verschiedene Rindengebiete derselben Seite verknüpft werden (a. a.). Die zellenreichen , grauen , mächtigen Massen der centralen Hirnganglien bilden für eine grosse Zahl der Fasern des Projectionssystems I. Ordnung die erste Etappe ihres Verlaufes. Indem sie in diese Centralherde eintreten, erleiden sie einmal eine Unterbrechung ihrer Bahn, sodann aber wird hier eine Reduction der Anzahl der Stabkranzfasern vorgenommen. Im Einzelnen ist nach Meynert das Verhältniss der Stabkranzfasern zu den grossen Centralganglien das folgende: Die gesammte Fasermasse des Stab-- kranzsystemes spaltet sich im Allgemeinen in so viele Bündel, als jederseits Ganglien vorhanden sind. Es findet sich also ein Stabkranzsystem des Streifen- hügels (1, 1), ein solches des Linsenkernes (2, 2), ferner des Thalamus (3, 3), sowie auch der Vierhügel (4, 4). Projeciions- Von den grossen Centralganglien entwickelt sich nun, weiterhin abwärts ti o'd™ zienen das „Projectionssystem II. Ordnung", dessen longitudinale Faserzüge ihr 'g' vorläufiges Ende erreichen in dem sogenannten „centralen Höhlengrau". [§. 367.] Allgemeines Schema des Gehirnbaues. 787 Dieses ist die zellenreiche, graue Substanz, welche sich erstreckt vom 3- Ventrikel durch den Aquaeductus S y 1 v i i , die Rautengrube, bis zum untersten Theile der grauen Substanz des Rückenmarkes. Es ist dies also die graue Masse , welche das „Medullarrohr" im Innern erfüllt. Sie stellt zugleich die zweite Etappe des Fig. 231. /Schema des Gehirnbaues : O. 0 Hirnrinde, — G.s Corpus striatum. — &.1 Nucleus lentiformis, — T.o Thalamus opticus.— V Vierhugel, — P Pedunculus cerebri, B Haube und p Fuss desselben, — l . l Stabkranz fasern des Corpus striatum 2.2 die des Linsenkernes, — 3.3 die des Sehhügels, — 4.4 die der Vierhiigel, — 5 directe Zuge zur Hirnrinde (Flechsig), — 6 . 6 Fasern von den Vierhügeln zur Haube, — 7 Fasern vom Sehhügel zur Haube, m weiterer Ver- lauf derselben, — S . 8 Fasern vom Streifenhüjrel und Liusenkern zum Fuss des Pedunculus cerebri, JU weiterer Verlauf derselben. SS Verlauf der sensiblen Fasern, — R Quei'schnitt des Rückenmarkes, v. W. vordere, und h. II'. hintei'e "Wurzel, — aa Associationsfasern, — c . c Commissurenfaseru. — — II Quer- schnitt durch das hintere Vierhügelpaar und diePedunculi cerebri vom Menschen (nach Meynert): p der Fuss des Pedunculus, * die Substantia nigra, v die Vier- hügel mit dem Querschnitt des Aquaeductus. — III dasselbe vom Hunde, — /("ebenso vom Affen, — V ebenso vom Meerschweinchen. Faserverlaufes dar; es reicht demnach das Projectionssystem zweiter Ordnung von den grossen Centralganglien des Hirnes abwärts bis zum centralen Höhlen- grau. Die Fasern dieses Systemes müssen offenbar von sehr verschiedener Länge sein: einzelne Züge endigen nämlich im centralen Höhlengrau schon oberhalb der 50* 788 Allgemeines Schema des- Gehirnbaues. [§. 367.] Medulla oblongata (Oculoniotoriusursprung) , andere reichen bis zum Niveau des letzten Spinalnerven. Das centrale Höhlengrau bildet zunächst eine Unter- brechungsmasse der Faserzüge, sodann aber findet hier wiederum eine Ver- mehrung der Fasern statt; denn von der grauen Substanz des verlängerten und des Ettckenmarkes treten weiterhin peripherisch viel mehr Fasern aus , als von oben aus den centralen Hirnganglien derselben zugeschickt worden sind. Was nun speciell die Fasergruppirung dieses Projectionssystemes zweiter Ordnung anbetrifft , so nimmt man an , dass die , von dem Linsenkern und Streifenhügel niedersteigenden Fasern (8, 8) zu einer besonderen Bahn sich gruppiren , welche durch den oberen Theil des Fusses des Pedunculus cerebri abwärts in das verlängerte Mark treten, [oder nur bis zur Brücke (Flechsig)']. — In gleicher Weise geht auch vom Thalamus (S) und von den Vierhügeln (6, 6) ein Bündel hervor, welches durch die Haube (H) des Pedunculus cerebri niedersteigt. Beide Fasergruppen (die im Fusse und die in der Haube) vereinigen sich erst unten am Rückenmarke. Nach Wernicke sind Linsenkern und Schweifkern keine Hirn- theile, in welche von der Rinde aus Stabkranzfasern eintreten, sie sind vielmehr selbstständige, der Rinde analoge Theile , aus denen Fasern hervorgehen. Diese Fasern gelangen weiterhin in die Haube, wo sie mit den , aus den Seh- und Vier-Hügeln stammenden Fasern zu- sammenliegen. Reflexbahn im Die Faserzüge, welche vom Thalamus und den Vierhügeln durch wstem die Haube des Hirnschenkels ziehen (6, 6 und 7), stellen nach IL Ordnuno- Meynert Reflexbahnen dar; es wären hiernach die genannten Hirnmassen die Centra gewisser ausgebreiteter , geordneter Reflexe. Dies beweist die Thatsache, dass nach Zerstörung der willkürlichen Bewegungsbahnen bei Thieren die technische Vollkommenheit der Be- wegungen, soweit dieselbe durch reflectorische Auslösung erreicht wird, intact bleibt. Die genannten Faserzüge laufen im Rückenmarke zunächst auf derselben Seite (m) abwärts , kreuzen sich aber sehr wahrscheinlich unten im Rückenmarke selbst. Protections- Endlich tritt aus dem gesammten centralen Höhlengrau eine Kategorie von IIlSOrdnun/ Fasern, "welche als das „Projectionssystem III. Ordnung" bezeichnet werden. Dieses 'sind die peripheren Nerven: die sensiblen und die motorischen. Sie zeigen in ihrer Gesammtheit eine Vermehrung von Fasern gegenüber der Menge der Fasern im Projectionssystem zweiter Ordnung. Das Ein besonderes Centralorgan sui generis stellt das Kleinhirn — dar, welches KlemMrn graue sUÜStanz theils als Rindenbelag, theils in inneren Anhäufungen enthält. yer. ' Das Kleinhirn verbindet sich mit dem Gross h irn: — 1. durch den Bin dearm Mndungen. (er entsteht aus Fasern des Stabkranzsystenies , geht dann über in die Haube und gewinnt nach totaler Kreuzung das Kleinhirn) und — 2. durch die Crura cerebelli ad pontem und vom Pons durch den Grosshirnschenkel zur Hemisphäre. Es verbindet sich aber auch das Kleinhirn mit dem Rückenmarke, und zwar : — 1. mit dessen Hinterstrang (Funiculus cuneatus und gracilis) und — 2. mit dessen Vorderstrang (Corpus restiforme). Beide Hälften sind durch die mächtigen transversalen Commiss urenfa sern der Brücke in Verbin- dung gesetzt. Emährunrjs- Beachtung verdient endlich vom praktischen Gesichtspunkte aus noch die ^Geufn' B'utgefässvertheilung am Hirne. — Die Arteria fossae Sylvii versorgt die Ge/ässe. motorischen Gebiete der Rinde bei Thieren (beim Menschen wird der Lobulus paracentralis von der Art. cerebralis antica versorgt) (Duret). Die, für die Sprach- function wichtige Region der dritten Stirnwindung wird constant von einem besonderen Ast der A. fossae Sylvii ernährt. Jene Bezirke des Stirnlappens, deren Verletzung nach Ferrier Störungen der Intelligenz hervorrufen soll, versorgt [§. 367.] Leitung der willkürlichen Bewegungen. 789 die Art. cerebralis anterior. Diejenigen Eindengebiete, deren Läsion nach Ferrier Hemianästhesie bedingt, durchrieselt die A. cerebralis posterior. Isolirte Anämien dieses Gebietes sollen zu melancholischen Zuständen beim Menschen in Be- ziehung stehen. Verlauf der Bahnen der willkürlichen Bewegungen: ,. psycho- motorische" oder „corticomuskuläre" Leitungen. — Von den moto- rischen Regionen der Grosshirnrinde (§§. 377. 880. I). von denen aus die willkürlichen Bewegungen für die Bahnen der motorischen Kopf- und Rückenmarks - Nerven angeregt werden, verlaufen die als „Pyramiden bahnen" (§§. 361. 36(5) bezeichneten Leitungen (abc) (Charcot, Flechsig) durch die vor- deren zwei Drittel des hinteren Schenkels der Capsula interna (Figur im §.381), (§.380 Gx\ so- dann durch den Pes des Pe- dunculus cerebri (Fig. 232, Pc, mittlerer Theil der unteren, freien Circumferenz des Fusses), weiter durch die gleichseitige Brückenhälfte (P) bis in die Pyramide (Py) des verlängerten Markes. Hier treten die meisten Fasern durch die Decussatio pyramidum auf die entgegen- gesetzte Seite über und verlaufen abwärts im Seitenstrange (Pyra- midenseiten strangbahn. x) bis zu dem Niveau des Rückenmarkes (Fig. 229). aus welchem die will- kürlich zu erregende vordere Wur- zel ( V W) hervortritt. Vor dem Uebertritt in die vordere Wurzel geht die Leitung jedoch stets zu- erst in die Ganglien des Vorder- hornes, die somit in die Leitungs- bahn eingeschaltet sind. Die grösste Zahl der in den Pyramiden gekreuzten Fasern führt zu den motorischen Nerven der Extre- mitäten. — Eine geringere An- zahl von Fasern (Z>) kreuzt sich jedoch in den Pyramiden nicht, sondern tritt auf derselben Seite in den Vorderstrang des Rücken- markes (Vorderstrang-Pyramidenbahn . z) und verbleibt auch weiterhin auf derselben Seite. Diese treten jedoch im weiteren Verlaufe durch das Rückenmark ebenfalls auf die gekreuzte Seite über, und zwar durch die vordere weisse Commissur hindurch. Verlauf der Bahnen für die willkür- liche Bewegung, a. b Baiinen der mo- torischen Körpernerven, c Bahn des Facialis, — /' Balken, — N. c. Xucleus caudatus, — &.i. Capsula interna, — N. l. Nucleus lentiformis, — P Pons, — Ar. /. Ursprungskern d-s Facialis, — -Py Pyramide mit der Decussatio, — 0. I. Olive, — O. r. Corpus restitorme. .— H. u\ hintere Wurzel, — V. W vor- dere Wurzel, — x Pyramiden-Seiten- strangbahn , — z P> raruiden-Vurder- stranebahn. Bahn der vnllkürlichen Beu-egungs- fasern. 790 Verlauf der motorischen und sensiblen Bannen im Grosshirn. [§. 367.] Ein Theil dieser, zunächst ungekreuzteu, Fasern scheint jedoch auf derselben Seite zu bleiben. Sie dienen vielleicht der Innervation derjenigen Rumpfmuskeln, welche (wie die Athem-, Bauch- und Damm-Muskeln) stets beiderseits in Thätigkeit gesetzt zu werden pflegen. In Bezug auf das Verhältniss der gekreuzten und nicht gekreuzten Fasern kommen individuelle Schwankungen vor (Flechsig). In vereinzelten Fällen kehrt sich das Verhalten um, ja in sehr seltenen Fällen bleiben die Pyramidenbahnen vom Gehirn an abwärts stets auf derselben Seite ! So erklären sich die überaus seltenen Fälle, in denen Lähmungen der willkürlichen Bewegungen auf derselben Seite der Läsion des Grosshirns gefunden wurden (Morgagni, Pierret) . Auch die motorischen Hirnnerven haben natürlich auf der Rinde der Grosshirnhalbkugel ihr willkürliches Er- regungscentrum (§. 380). Von hier aus ziehen diese Willkürbahnen ebenfalls durch die Capsula interna und den Pes des Grosshirn- schenkels, wo sie vor und innen von den Pyramiden- bahnen liegen (Flechsig). Sodann ist ihr Verlauf gegen ihre Ursprungskerne hin gerichtet. In unserer Fig. 232 ist c der Verlauf der Leitung des N. facialis zu seinem Ursprungskern. Der N. hypoglossus läuft mit der Pyramidenbahn und verhält sich so, wie eine vordere Wurzel eines Spinalnerven (vergleiche §§. 356, 3c9). Fig. 233. Verlauf der motorischen und sensiblen Bahnen durch einen Rückenmarks-Quer- schnitt. — / Pyramiden- Vorderstrangbahn, — 3 P = Seitenstrangbahn. — 4 u. 5 im Rückenmark sich kreuzende sensible Leitungen, — 6 im Rückenmarke nicht sich kreuzende, aufsteigende sensible Leitung, — 7 Sensible Leitung zur Ctarke- schen Säule und von da ungekreuzt durch die Kleinhirn-Seitenstrangbahnen aufwärts, — 2 Ursprung einer motorischen Faser aus einer Ganglienzelle des Vorderhornes. veriau/ der Verlauf der Bahnen der Hautsensibilität. — Von dem Bahnen. Rinden gebiete . auf welchem die Hautsensibilität ihr Centrum hat (das Parietal gebiet, vom Sulcus praecentralis bis zur Vorder- [§• 367.] Verlauf der sensiblen Bahnen im Grosshirn. 791 Fig. 234. grenze des Occipitallappens umfassend) verlaufen die Leitungs- bahnen durch das hintere Drittel des hinteren Schenkels der Capsula interna (siehe Figur im §. 381). Die Leitung für das Muskelgefühl geht durch die Mitte, die für Druck- , Tem- peratur- und Schmerz-Empfindungen durch die innere Hälfte des hinteren Drittels der Capsula interna (Allen Star?-). Dann treten sie durch die Haube des Pedunculus cerebri und ihre Fort- setzung durch die Brücke (Flechsig) zum verlängerten Marke hin. Die Verbindungen der die Sensibilität leitenden hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven bis nach aufwärts sind nun nach den Untersuchungen neuerer Forscher (Flechsig, Edinger) folgende : Die Hinterstränge führen Leitungen der ein- tretenden hinteren Wurzeln aufwärts. Man kann an der hinteren Wurzel ein latera- les und ein mediales Bündel unterscheiden. Das mediale Bündel einer jeden eintreten- den Wurzel hält sich aufsteigend im Hinterstrange zunächst am meisten nach Aussen , dem Hinterhorne benachbart (Fig. 234, 2). Jede höher eintretende Wurzel (1) drängt die von der darunter liegenden "Wurzel stammenden Fasern mehr nach Innen zu. Daher liegen im Hals- mark die von den Unterextre- mitäten herkommenden sensi- tiven Fasern wesentlich in den Goll 'sehen Strängen, während die BurdacW 'sehen Stränge noch viele Fasern der Oberextremi- täten enthalten. Aufsteigend endigen die Fasern der Hinter- stränge oben in der Oblongata, und zwar in den als Kerne der Hinterstränge bezeichneten Formationen (Nucleus funiculi gracilis et euneati [Singer, Wagner, Kahler, Schnitze]). Aus diesen Kernen treten viele Y.G.Fy.V Verlauf der sensiblen Leitungen von den hinteren "Wurzeln durch das Kückeninark aufwärts bis zum Gehirn. Die Erklärung der Leitungen ergiebt sich aus dem Wortlaute des Textes (mit dieser ver- gleiche man überdies die Fig. 233). — V. W, vordere Wurzel. — H. W. hintere Wurzel, — V. o. Vorderstrang - Grundbünde]. — Py. V. Pyramiden-Vorderstrang. — Px. S. Pyramiden - Seitenstrangbahn, — O. S. Seitenstranggrundbündel, — A7. S. Klein- hirn - Seitenstrangbabn. — G. GoWscber Strang, — n. Burdach' scher Strang, — l'y. Pvramiden, — Ol. Olive , — L. Schleife oder Oliven • Zwischenschicht. — Fibrae arcuatae. — Corpus restiforme. — Nucleus rfl,aril i,-, ,"|jp Solilpifp (TA rlpr funiculi gracilis et Nucleus funiculi euneati jasein in uie öcmeiie \±i) aei der Meduiia oblongata. gekreuzten t^eite {Edinger, Flechsig) ; ^andere Fasern ge- langen zum Kleinhirn). — Die lateralen Fasern (grobe und feine) der Hinterwurzel (3 und 4) treten in das zarte Faser- netz des Hinter hornes, in welchem die Ganglien des Hinter- hornes eingebettet sind (Gerlach, Lissaner). Aus dem Netz der Hinterhörner entwickeln sich zahlreiche Fasern, welche durch die 792 Verlauf der sensiblen Bahnen im Grosshirn. [§.367.] graue Substanz nach vorn hin treten, sich kreuzen und dann im Vorder- und Seitenstrange hirnwärts ziehen. Aufwärts treffen diese Fasern mit ihren ursprünglichen Begleitern wieder zusammen (in L), so dass nun in der Schleife oder Olivenzwischenschicht fast alle hinteren Wurzelfasern (gekreuzt) wieder vereint liegen (Edinger). — Ein Theil (5) der Fasern der hinteren Wurzel (wel- cher nicht mit den Zellen des Spinalganglions in Verbindung steht) endigt in den Zellen der Clarke^ohQn Säulen (welche zugleich ihr nutritives Centrum sind). Diese Fasern wenden sich von diesen aus nach aussen und steigen aufwärts in der Klein hirn- seitenstrangbahn (Flechsig, Edinger) ; ihr fernerer Verlauf ist aufwärts zum Corpus restiforme und von da zum Klein- hirn. Diese Fasern stehen mit der Regulirung des Gleich- gewichtes (dessen Oberleitung im Kleinhirn liegt, §. 382; in Be- ziehung. [Bei der Tabes dorsalis sind oft diese Bahnen und die £7a ;-&?' sehen Säulen entartet.] Der Umstand, dass ein Theil der sensiblen Hautnerven bereits im Rückenmarke auf die entgegengesetzte Seite übergeht, erklärt es, dass halbseitige Durchtrennungen des Rückenmarkes beim Menschen (und Affen. Ferrier) das Haut- gefühl auf der entgegengesetzten Körperseite unterhalb der Läsionsstelle aufheben (doch bleibt das Muskelgefühl erhalten). Auf derselben Seite der Verletzung findet man unterhalb der Durchtrennung Hyperästhesie (§. 365 Schluss). Aus Versuchen an Säugethieren schliesst Brown-Sequard , dass die sich kreuzenden sensiblen Nervenbahnen in verschiedener Höhe innerhalb des Rücken- markes auf die andere Seite treten: am tiefsten die Fasern, welche Berührungs- gefühle, dann diejenigen, welche Kitzel und Schmerz und am höchsten die, welche Temperaturwahrnehmungen vermitteln. Die sämmtlichen Fasern, welche längs verlaufend das Rückenmark mit der Markmasse des Gehirnes verbinden, erleiden Kreuzung also auf diesem Verlaufe [in der Regel (!)] eine vollständige ller ZV*™ Kreuzung. Daher ist beim Menschen Folgezustand einer Fr0jltem7~ obstructiven Affection einer Hemisphäre zumeist die vollkommene //. Ordnung. Lähmung und Aufhebung der Empfindung der entgegen- gesetzten Körperseite. Auch die, von den Ursprungsstellen der Grehirnnerven hervorgehenden Fasern kreuzen sich intracerebral. Nur in den allerdings nicht seltenen Fällen, in denen das Leiden (etwa durch Druck, Entzündung u. s. w.) die an der Basis liegenden Gehirnnerven in Mitleidenschaft gezogen hat, kommen auch Lähmungen und Anästhesien an der- selben Kopfseite zur Beobachtung. Das Genauere über die Stelle der Kreuzung ist im Vorstehenden mitgetheilt : sie findet — 1. im Rückenmarke, — 2. in der Oblongata und endlich — 3. noch im Pons statt. In den Pedunculis ist die Kreuzung bereits erfolgt. Gnbler sah Alternirende bei einseitigen Verletzungen der Brücke Lähmung des Facialis auf derselben Hemiplegie, gelte, jedoch Lähmung der entgegen gesetzten Körperhälfte. Hieraus schloss er, dass die Rumpfnerven unterhalb der Brücke, die Facialisfasern innerhalb der Brücke sich kreuzen müssen. Die seltenen Fälle nennt man „alternirende Hemiplegie". Die Figur 232 erläutert diese Verhältnisse. Ausnahmen Ausnahme von der Kreuzung macht der N. olf actorius , der sich gar von der nicht kreuzt (?) und der N. opticus, der sich nur theilweise im Chiasma kreuzt Kreuzung. (§_ 34g) _ yom Trochlearis nehmen Einige an, dass seine Ursprungsfasern sich kreuzen , Schröder van der Kolk hat dies jedoch bestritten. [§:- 368.] Das verlängerte Mark. 793 368. Das verlängerte Mark. Die Medulla oblongata, welche das Rückenmark mit dem Gehirne in Verbindung setzt, hat in mancher Beziehung mit dem ersteren noch Aehnlichkeit, namentlich darin, dass in derselben Centra vorhanden sind, welche, den -R/iickenmarkscentren ähnlich, einfache Reflexe (z. B. des Lidschlusses) vermitteln. — Weiterhin finden wir in derselben jedoch Centra, welche eine dominirende Stellung zu analog wirksamen Centren des Rückenmarkes einnehmen : hierher gehören z. B. die dominirenden Gefässnerven- . das Schweisssecretions-, das pupillenerweiternde, das die Reflexbewegungen des .Körpers verknüpfende Centrum. — Rücksichtlich der Erregung treffen wir theils reflectorisch wirksame (vgl. §. 360. 2), theils automatische Centra (vgl. §. 360. 3) an. — Die normale Function der Centra ist gebunden an den durch die normale Circulation in der Oblongata unter- haltenen Gaswechsel. Wird dieser durch Erstickung . oder plötzliche Anämie, oder venöse Stauung unterbrochen, so gerathen die Centra zuerst in den Zustand gesteigerter Erregung , dann erlahmen sie durch Ueberreizung. Auch die Ueberhitzung wirkt als Reiz auf dieselben ein. Nicht alle Centra sind zu gleicher Zeit und unter gleicher Erregbarkeit thätig. Im normalen Körper sind in fortwährend rhythmischer Thätigkeit das Athmungscentrum und das Vasoraotorencentrum. Das Herz- hemmungscentrum ist bei einigen Thieren dauernd gar nicht erregt, bei einigen erfolgt normalmässig nur im Inspirium (gleich- zeitig mit der Anregung des Athmungscentrums) eine sehr geringe Anregung. Gar nicht erregt wird im Normalzustände das Krampfcentrum. und während des intrauterinen Lebens das Athmungscentrum. — Die Medulla oblongata ist als Sitz vieler für das Bestehen des Lebens wichtiger Centra . sowie für die Leitung verschiedener Nervenbahnen von der grössten Bedeutung. Im Folgenden wird über die Einzelheiten gehandelt : es sollen zuerst die Reflex-Centra , sodann die automatischen besprochen werden. Allgemeine Uebersicht. 369. ßeflexceiitra der Medulla oblongata. In der Medulla oblongata befindet sich eine Anzahl von Reflexcentren. welche geordnete Bewegungen zur Auslösung gelangen lassen. 1. Cent r um des Lidschlusses. — Die sensiblen Trigeminusfasern der Cornea, der Conjunctiva. sowie der Haut in der Umgebung des Auges leiten centripetal die empfangenen Reize zur Medulla oblongata , woselbst sie auf die motorische Bahn des Facialiszweiges übertragen werden . der den Orbicu- laris palpebrarum innervirt (pag. 736). Das Centrum erstreckt sich von der Gegend der Mitte der Ala cinerea aufwärts bis zum hinteren Rande der Brücke (Nickeil). Der reflectorisclie Lidscliluss erfolgt Leim Menschen stets doppelseitig, willkürlich kann er auch einseitig ausgeführt werden. Bei starker Reizung Lidschluss- Centrum. 794 Eeflexcentra der Medulla oblongata. [§. 369.] ziehen sich auch noch der Corrugator, ferner die Muskelgruppe, welche die Nase und die "Wange gegen den unteren Augenhöhlenrand emporzieht, zur Bildung eines festeren Schutzes und Verschlusses des Auges zusammen. Auch intensive Lichtreizung der Netzhaut bewirkt den Lidschi uss. Mes- 2. Centrum des Niesens. — Die centripetale Leitung liegt in den inneren Nasenästen des Trigeminus und wohl auch im Olfactorius (für intensive Gerüche), die motorische Bahn leitet zu den Exspirationsmuskeln (§. 126. 3 und §. 349. II). Das Niesen kann nicht willkürlich erfolgen. Husten- 3. Centrum des Hustens, — nach Kohts etwas ober- halb des Inspirationscentrums belegen , wird centripetal erregt durch die sensiblen Vagusäste (§. 354. 5. a). Die centrifugalen Fasern sind die Exspirationsnerven einschliesslich der Verengerer der Glottis (§. 126. 1). saug- 4. Centrum der Saug-, sowie auch der Kau- ucentfum. Bewegungen. — Die centripetalen Nerven sind die sensiblen Aeste der Mundhöhle mit Inbegriff der der Lippen (2. und 3. Ast des Trigeminus und Glossopharyngeus). Die motorischen Nerven für die Saugbewegung (§. 157) sind: der Facialis (Lippen), der Hypoglossus (Zunge) , der 3. Ast des Trigeminus (Unter- kieferheber und die Aeste der Niederzieher des Unterkiefers (§. 158, b). — Für die Kaubewegung (§. 158) wirken zwar dieselben Muskelnerven, aber zur Schaffang der Speisen zwischen die Zahnreihen sind namentlich der Hypoglossus für die Zungen- Bewegung und der Facialis für die des Buccinator thätig. Speichel- 5. Zu den reflectorisch erregten Centren gehört auch das Speichelcentrum — (vgl. pg. 274), welches am Boden des 4. Ventrikels liegt (Eckhard , Nöllner , KülzJ. Reizung der Medulla oblongata bewirkt bei erhaltener Chorda tympani und N. glossopharyngeus starke Speichelsecretion, — eine schwächere, wenn diese durchschnitten sind, — endlich gar keine mehr, wenn auch der Halssympathicus ausgerottet wurde (Grützner), schling- 6. Das Centrum für den Schlingact — , am Boden um' des 4. Ventrikels oberhalb des Athmungscentrums, wird erregt durch die sensiblen Gaumen- und Rachen-Nerven (2. und 3. Ast des Trigeminus [pg. 293] und Vagus). Die centrifugale Bahn liegt in den motorischen Aesten des Schlundgeflechtes (§. 354. 4). Reizung des Glossopharyngeus löst kein Schlucken aus, viel- mehr wird dadurch der Schlingreflex gehemmt (pg. 292). Dahingegen hat jeder Schluckact, hervorgerufen durch Reizung der Gaumennerven oder des N. laryngeus superior, eine schnelle abortive Zwerchfellcontraction zur Folge („Schluckathmen") (Marckwald [§. 370].) jomir- 7. Centrum der Brechbewegung siehe §. 162; — über die Beziehungen gewisser Vagusäste zum Erbrechen ist §. 354. 2 und 12 d. berichtet. Watetor- 8. Das obere Centrum für den M. dilatator pupillae m Ms. er und die glatten Muskeln der Orbita und der Lider liegt in der Oblongata. Von hier laufen die Fasern theils durch den Trigeminus (pg. 726. 4) , theils durch die Seitenstränge des Rückenmarkes bis zur Regio ciliospinalis und von da durch die [§. 369.] Reflexcentra der Medulla oblongata. 795 2 untersten Hals- und die 2 obersten Brust-Nerven in den Hals- sympathicus (§. 358. A. 1). Das Centrum wird in der Norm reflectorisch durch Beschattung der Netzhaut erregt. Dys- pnoetische Blutmischung oder Carotiden verschluss reizt es direct. [Ueber das pupillenverengernde Centrum vgl. §. 347 und §. 394.] Das Centrum kann auch durch Reizung sensibler Körpernerven (N. ischia- Ueber- dicus) reflectorisch erregt werden. Diese Fasern ziehen (vom Ischiadicus) durch 9^dnetea die beiden Seitenstränge hinauf zum Centrum (Kowalewsky). Centrum. 9. Es befindet sich endlich in der Oblongata noch ein übergeordnetes Centrum, welches die verschiedenen Centren der Reflexe im Rückenmark unter einander in Ver- bindung setzt. Durchschnitt Owsjannikow die Oblongata 6 Mm. oberhalb des Calamus scriptorius (Kaninchen) , so blieben die allgemeinen Körperreflexe, an denen zugleich Vorder- und Hinter- pfoten Theil nahmen, noch bestehen. "Wird der Schnitt 1 Mm. tiefer angebracht, so treten meist nur noch partiale, örtliche Reflexe ein (vgl. §. 362. III. 4). Aufwärts reicht die Stelle bis ein weniges über das untere Drittel der Oblongata. Beim Frosche enthält die Oblongata das alleinige Centrum für die Ortsbewegung. Zerschneidung derselben hebt die Ortsbewegung auf äussere Reize auf, es bleiben nur einfache Reflexe übrig [keine reflectorischen Ortsbewegungen: Springen. Kriechen, Schwimmen (Steiner )~\. Pathologisches: — Die Medulla oblongata kann der Sitz einer typischen Lthmung der Erkrankung; werden, welche als B \a 1 b är p a r a 1 y s e oder Paralvsis glossopharvngo- c(»prungs- labialis (Duchenne , 1860) bezeichnet wird , bei welcher es sich um eine fort- yerven der schreitende Lähmung der bulbären (Bulbus rhachiticus = Medulla oblongata) Medulla Kerne verschiedener Gehirnnerven handelt, welch' letztere vielfach die moto- Mon9ata- rischen Abschnitte wichtiger Reflexapparate darstellen. Von letzterem Gesichtspunkte ans verdient das Krankheitsbild unsere Aufmerksamkeit. Meist beginnt es mit Lähmung der Zunge, begleitet von flbrillären Zuckungen (pg. 590), wodurch Sprache, Bissenbildung und das Mundscblingen erschwert sind (§. 356). Die Absonderung eines sehr viseösen Speichels deutet auf ein Unver- mögen zur Absonderung eines dünnflüssigen Facialis-Speichels (§. 150- A. II.) in Folge der Lähmung dieses Nerven Ferner ist das Schlucken erschwert, ja selbst unmöglich durch Lähmung des Schlundes und Gaumens. Durch letztere wird zugleich die Consonantenbildung an der 3- Articulationsstelle gestört (§• 32U- C), die Sprache wird ferner nasal (§.319. ID. und oft treten, zumal flüssige, Nahrungsmittel bei Schlingversuchen in die Nase. Dann werden auch die Facialiszweige der Lippen gelähmt ; der mimische Ausdruck des Mundes ist äusserst charakteristisch: ,.wie von Frost erstarrt" (Duchenne) und zugleich, wegen horizonlaler Verbreiterung der Mundspalte (da vorwiegend der Orbicularis oris gelähmt ist), mit einem weinerlichen Zuge ausgestattet. Weiterhin wird die Sprache noch mehr beeinträchtigt. In hohen Graden werden alle Gesichtsmuskeln paralytisch. Nicht selten werden dann auch die K ehlko pf m usk ein gelähmt, wodurch die Stimmbildung aufgehoben ist , und ein leichtes Eindringen von Flüssigkeiten in den Kehlkopf befördert wird. Der oft enorm retardirte Pulsschlag deutet auf eine Reizung der (vom Accessorius stammenden) Herz- hemmungsfasern ($. 371). Treten dann weiter noch dy spn oetische Anfälle, wie sie nach Recurrenslahmung beobachtet werden (§. 315. II. 1. u. §. 354. 5. b), oder wie sie nach Durchschneidung der Lungenäste der Vagi constant sind (§. 354. 8), in die Erscheinung, so kann, wenn diese Anfälle schwerer und häufiger werden, plötzlich der Tod unter asphyetischen Zeichen erfolgen. Selten gesellt sich zu dem Bilde noch die Lähmung der Kaumuskeln (in Folge von Lähmung der motorischen Quintusportion) , Verengerung der Pupillen (wegen Lähmung des Dilatatoren-Centrums) und A bducens 1 äh m u n g. 796 Das Athmungscentruni u. d. Innervation d.Athinungsapparates. [§. 370.] 370. Das Athmuiigsceiitruin und die Innervation des Athmungsapparates. Mhmungs- Im verlängerten Marke {Legallois, 1811), und zwar hinter centrum. ^ Aiistrittsstelle der Vagi, zu beiden Seiten der hinteren Spitze der Rautengrube , zwischen dem "Vagus- und Accessorius-Kern, bestimmte Flourens (1842) die Lage des Athmungscentrums, Noeud vitai. welches er den Point oder Noeud vital nannte, weil Zer- störung desselben sofortiges Aufhören der Athembewegungen und somit den Tod bewirkt. Das Centrum ist doppelseitig, es lässt sich durch einen Medianschnitt trennen {Longet, 1847), wobei die Athembewegungen gleichwohl auf beiden Seiten symmetrisch fortgehen. Wird nun ein Vagus durchschnitten, so verlangsamt sich auf dieser Seite die Athmung. Werden jedoch beide Vagi durchschnitten , so athmen nunmehr beide Körperhälften in ungleicher Zahl und Stärke. Reizung des cen- tralen Stumpfes eines der beiden durchschnittenen Vagi bewirkt Stillstand der Athmung nur auf der gleichen Seite, die andere athmet weiter ; dasselbe erzielt man, wenn man den N. trigeminus einer Seite reizt (Langendorff) . Bei einseitiger, querer Durch- trennung des Centrums erlischt die Athenibewegung auf der- selben Seite der Verletzung {Schiff). Ana- Schiff lässt das Athmungscentmm belegen sein nahe dem Seitenrande der tomisckes, grauen Masse, die den Boden des 4. Ventrikels bildet, hinterwärts Dicht so weit hinabreichend wie die Ala cinerea. — Nach Gierke 6° Heidenhain u. A. soll der- jenige Theil der Oblongata, dessen Zerstörung die Sistirung der Athembewegungen nach sich zieht, ein einfacher oder doppelter, in der Substanz der Oblongata abwärts ziehender, nervenartiger Strang sein, innerhalb dessen jedoch graue Substanz mit kleinen Ganglien angetroffen wird (Gierke). Dieser soll sich zum Theil aus den Wurzeln des Vagus, Trigeminus, Accessorius und Glosso- pharyngeus bilden (Meynert) , mit dem der anderen Seite durch Fasern in Ver- bindung stehen (Gierke) und bis in die Cervicalanschwellung des Bückenmarkes abwärts ziehen (GollJ. Der Strang verbindet also als inte r centrales Bündel das Bückenmark (die Ursprungsstätte der motorischen Athmungsnerven) mit den Ursprungskernen der genannten Hirnnerven, von denen zum Theil ihre Beziehungen zur Athembewegung erwiesen sind. Am wahrscheinlichsten ist es, dass in der Medulla oblongata das „dominirende Centrum" belegen ist, welches den Rhythmus und die Symmetrie der Athembewegungen leitet , — dass aber ausserdem subordinirte jm Rückenmarke weitere Centra untergeordneten Ranges Athmungs- wirken, welche vom Oblongatacentrum aus beherrscht werden (vgl. §. 364) , Oentm. ^ ^ yQn ,jiesem erst ihre Anregung zur Thätigkeit empfangen. Wird bei neugeborenen Thieren das Mark unterhalb der Oblongata mit mög- lichst scharfen Werkzeugen getrennt, so sieht mau mitunter noch Athembewegungen am Thorax, von den „spinalen Centren" an- geregt, fortbestehen (Brächet, 1835), was ich an jungen Hunden und Katzen bestätigen kann. Die spinalen Athmungscentren sind sogar noch der refiectorischen Be- einflussung (Anregung oder Hemmung) fähig (Wertheimer). — Nihclimann trennte das, im oberen Halsmarke liegende spinale Centrum durch einen Längsschnitt sogar in 2 gleiche Hälften , welche beide auch dann noch Atheni- crregend auf das Zwerchfell beiderseits wirkten, wenngleich die Medulla dicht unterhalb des Calamus scriptorius einseitig durchschnitten war. Es müssen [§. 370-] Das Athmungscentruni u. d. Innervation d. Athmungsapparates. 797 demnach die spinalen Centra beider Seiten mit einander verknüpft sein im Riickenmarke. Ausser im Kückenmarke sind aber auch im Gehirne noch subordinirte „cerebrale Athniungscentren" vorhanden. Im Gewebe zwischen Streifen- und Sehhügel fand J. Ott ein auf Reizung die Zahl der Athemzüge lebhaft vermehrendes Centrum. Wird das- selbe zerstört, so hörte die durch Wärme erzeugte dyspnoetische Athembeschleunigung („War medyspnoe", pag. 799) auf. Im Sehhügel, in dem Boden des 3. Ventrikels, fand Christiani cerebrale ferner ein besonderes Inspirationscentrum, welches durch Er- Acent?J?.s~ regung des Opticus und Acusticus (auch nach voraufgegangener Exstirpation des Grosshirns und der Streifenhügel) , oder auch durch directe Reizung inspiratorisch vertiefte und beschleunigte Athem- züge und selbst Stillstand in der Inspiration bewirkt. Dieses Inspi- rationscentrum lässt sich exstirpiren; hiernach lässt sich ein exspi- ratorisch wirksames Centrum in der Substanz der vorderen Vierhügel, nicht weit vom Aquaeductus Sylvii entfernt, nach- weisen. — Endlich liegt in den hinteren Vierhügeln noch ein zweites cerebrales Inspirationscentrum (Martin & Booker). Offenbar stehen auch diese Centra mit dem Oblongata-Centrum in -^ Verbindung. Nach Marckiuald soll ausser von den hinteren Vierhügeln auch noch von dem sensiblen Trigeminuskern die regelmässige Rhythmik der Athembewegungen mit unterhalten werden. Das Athmungscentrum besteht aus zwei, in abwechselnder Inspiration*. Thätigkeit begriffenen Centralstellen : dem Inspirations- und ExsplZfions- dem Exspirations-Centrum, von denen jedes den moto- o*»*™». rischen Centralpunkt für die bekannte Gruppe der Inspiratoren und der Exspiratoren bildet (§. 118). — Das Centrum ist ein AutomaHe. automatisches, denn noch nach Durchschneidung aller sen- siblen Nerven, welche auf dasselbe refiectorisch einwirken können, behält es seine Thätigkeit bei. Die Erregbarkeit und die Erregung des Centrums ist von Abhängigkeit der Blutmischung abhängig, und zwar von dem Gehalte e™geh?ite desselben an 0 und C02 (J. Rosenthal). des Blutes- In dieser Beziehung unterscheidet man: 1. Völlige Athmungslosigkeit (Apnoe), — d.h. das Apnoe. Hünen der Respirationsbewegungen wegen mangelnden Bedürf- nisses hierzu, findet sich, wenn das Blut mit 0 gesättigt und arm an C02 ist. Ein Blut von solcher Mischung wirkt auf das Centrum nicht erregend, und eben deshalb ruhen die von ihm beherrschten Muskeln. In diesem Zustande befindet sich der Fötus [ebenso manches Thier im Winterschlafe (§. 65)]. Lässt man ferner Thieren reichlich Luft durch künstliche Athmungs- vorrichtungen in die Lungen strömen, so hören sie auf zu athmen [Hook, 1667), weil die hochgradige Arterialisirung ihres Blutes eine Erregung des Respirationscentrums nicht zulässt. Wenn wir ferner selbst durch sehr schnelle und tiefe Athemzüge unserem Blute einen ähnlichen Gasgehalt bereiten, so treten hinterher längere „apnoetische Pausen" ein. m Das Athniungscentrum u. d. Innervation d. Athmungsapparates. [§. 370. ApncHsche A. Ewald fand das Blut in den Arterien apnoetischer Thiere fast völlig piut- m^ q gesättigt, dagegen den C03-Gehalt darin vermindert ; das venöse Blut war ärmer an 0 , als im normalen Zustande. Letzteres rührt wohl daher , dass die apnoische Blutmischung den Blutdruck bedeutend herabsetzt, in Folge dessen der Blutstrom verlangsamt wird. Es kann daher der 0 aus dem Capillarblute viel reichlicher entnommen werden (Pflüger). Im Ganzen ist jedoch der O-Verbrauch in der Apnoe nicht vermehrt (vgl. §. 133. 8). — Gad macht darauf aufmerksam, dass bei forcirter künstlicher Athmung die Lungenalveolen sehr reich mit atmosphärischer Luft gefüllt seien, weshalb sie in den Stand gesetzt sind, längere Zeit das, zu den Lungen tretende Blut zu arterialisiren , wodurch das Bedürfniss zum Athemholen herabgesetzt sein muss. Nach Gad und Knoll soll das Athmungs- centrum während der Apnoe in verminderter Erregbarkeit sein, welche reflectorisch hervorgerufen werde durch die forcirte Dehnung der Lungenendzweige der Vagi bei den künstlichen Athembewegungen. Bei ganz jungen Säugern lässt sich keine Apnoe herstellen (M. Runge, AronsonJ. Eupnoe. 2. Die normale Anregung der Athmungscentren zum ruhigen Athmen (Eupnoe) — erfolgt durch eine Blutmischung, in welcher der Gehalt an 0 und C03 die normalen Grenzen nicht übersteigt (vgl. §§. 40, 41). Dyspnoe. 3. Alle Momente, welche in dem. die Centra durchströmenden Blute den normalen O-Gehalt vermindern und den C02 -Gehalt vermehren , rufen Beschleunigung und Vertiefung der Athem- züge hervor , die sich schliesslich zu einer angestrengten und mühsamen Thätigkeit aller Respirationsmuskeln steigern kann. Man nennt diesen Zustand Dyspnoe (vgl. §. 117). Bei normaler Athmung und beginnendem Lufthunger reizt nach Gad der Gasgehalt des Blutes nur das Inspirationscentrum an ; die Exspiration erfolge reflectorisch durch Beizung des, durch die Lungendehnung erregten Lungenvagus (pag. 801). Gad glaubt, dass die normalen Athembewegungen durch die CO., an- geregt werden. Bei Dyspnoe, in Folge hochgradiger Arbeit, wirkt (neben der besagten Gasänderung im Blute) noch ein, bei der Muskelaction sich bildender, noch unbekannter Stoff als Beizmittel des Centrums (Zuntz äf Geppert), vielleicht eine Säure (Lehmann). — Ueber die Aenderungen des dyspnoetischen Athemrhvthmus s. g. 117. II. Asphyxie. 4. "Wirken die besagten Verhältnisse der abnormen Blut- mischung anhaltend reizend fort , oder werden dieselben noch verstärkt , so entsteht schliesslich durch Ueberreizung der Athmungscentra Erschöpfung: die Athmung wird nach Zahl und Tiefe der Bewegungen wieder beschränkt, es erfolgen weiterhin nur noch wenige schnappende Züge, — dann ruhen die erschöpften Muskeln völlig ; alsbald erstirbt dann auch die Herz- bewegung (§. 62). Diesen Zustand nennt man Asphyxie; — suffocation. an dieselbe schliesst sich der Erstickungstod: Suffocation. Können jedoch die Ursachen beseitigt werden, so lässt sich unter günstigen Verhältnissen unter Beihiilfe künstlicher Anregung der Athmungsmuskeln und der Herzthätigkeit die Asphyxie über- winden, so dass durch den dyspnoetischen Zustand hindurch der der Eupnoe wieder erreicht wird. — Wird die Blutmischung nur ganz allmählich mehr und mehr venös , so kann Asphyxie erfolgen, ohne die Zeichen vorausgegangener Dyspnoe, wie beim ruhigen, ganz allmählich erfolgenden Tode. Es handelt sich hier gewissermaassen um ein wirksames „Einschleichen des Reizes" (vgl. §.326. 5). [§• 370-] Das Athmungscentruni u. d. Innervation d. Athnmngsapparates. 799 Unter den Ursachen der Dyspnoe — sind zu nennen: — 1. Directe Be- schränkung derThätigkeit des Athmungsorganes: Verminderung der respiratorischen Fläche durch Entzündungen, acutes Oedem (pg. 85, 234), oder Collaps der Alveolen , Verstopfung der Alveolencapillaren , Compressionen der Lungen, oder Zusammensinken derselben durch Lufteintritt in die Pleurahöhlen, Stenosen der Luftwege. — 2- Absperren der normalen Athmungsluft durch Strangulation, Einschluss in enge Räume, Ertrinken. — 3. Darnieder- liegen des Kreislaufes, wodurch der Medulla oblongata nicht hinreichendes Blut und somit auch nicht die nöthige Ventilation gespendet wird : bei Entartungen des Herzens , Klappenfehlern , künstlich durch Ligatur der Kopfschlagadern (Kussmaul &• Tenner) , oder auch durch Behinderung des venösen Abflusses aus der Schädelhöhle 'Landois, L. Hermann &• Escher j, endlich durch reichliche Injection von Luft oder indifferenter Körper in das rechte Herz. — 4. Directe Blut- verluste, die ebenfalls durch die Stockung des Gaswechsels in der Medulla oblongata wirken (J. Rosenthal). Hierher gehört auch das dyspnoetische Luft- schnappen der abgeschnittenen Köpfe, namentlich junger Thiere. Betrachtet man den schnellen Verlauf der Einwirkung dieser Momente auf die Athemthätigkeit , so zeigt sich zuerst beschleunigtes und vertieftes Athmen, — dann folgt, nach Verlauf der allgemeinen Convulsionen und des gleichzeitigen Exspirationskrampfes, ein Stadium völliger Athemruhe in Erschlaffung („asphyc- tische Athempause"). Schliesslich treten nur noch einige schnappende „prä- mortale" Inspirationen auf, bis der Tod erfolgt fHögyes, Sig. Mayer) (vgl. pg. 218)- Gewöhnlich wirkt zur Erregung der Dyspnoe gleichzeitig der O-Mangel und die C02-Ueberladung (Pflüger &* Dohmenj , doch kann auch eines dieser beiden allein die Ursache abgeben. Bei geringen Abweichungen der Einathmungs- luft von der Norm wirkt die CO.,-Zunahme stärker erregend , als eine gleiche O-Abnahme (Gadj. — 1. Dyspnoe aus O-Mangel entsteht beim Athmen im abgesperrten, massig grossen Räume (§. 139), im luftverdünnten Räume, sowie beim Athmen in indifferenten, aber O-freien Gasen. Bei intensiver Venti- lation des Blutes mit N oder H kann der CO., -Gehalt in demselben sogar ver- mindert sein , und der Tod erfolgt dennoch unter den Zeichen der Erstickung (Pflüger). — 2. Dyspnoe aus CO.j-Ueberladung entsteht beim Athmen in CÖ.^ -reichen Gasgemengen (die sich auch bilden bei längerem Athmen im abge- sperrten grösseren Räume, oder in reinem 0; siehe §.139). Es wirken C02 -reiche Gasgemenge sogar dann Dyspnoe erregend, wenn ihr O-Gehalt noch grösser ist, als der der Atmosphäre ,'Thiry;. Auch selbst das Blut kann so O-reicher gefunden werden, als in der Norm {Pflüger). Auch durch erhöhte Temperatur — kann das Athmungscentrum zu ver- mehrter Thätigkeit angeregt werden (§. 215. II. 3). Dieses findet sogar auch dann statt , wenn allein das Gehirn von wärmerem Blute durchströmt wird, wie es A. Fick 6° Goldstein sahen , als sie die freigelegten Carotiden in Heizröhren einbetteten. Es wirkt in diesem Versuche offenbar das erhitzte Blut direct auf die Oblongata und die cerebralen Athmungscentra 'Gad, v. Mertschinsky . Directe Abkühlung setzt die Reizbarkeit herab -Fredericq). Bei gesteigerter Temperatur lässt sich durch forcirte künstliche Athmung und die dadurch geschaffene hohe Arterialisirung des Blutes dennoch keine Apnoe erzeugen (Ackermann). Aehnlieh wirken die Brechmittel (Hermann <5r> Grimm . Kronecker &= Marckiuald fanden auch elektrische Reizung des Centrums wirksam : die Reizung der vom Gehirn getrennten Medulla oblongata löste Athembewegungen aus, oder verstärkte die vorhandenen. Langendorff sah in Folge elektrischer, mechanischer oder chemischer (Salz-) Reizung meist exspira- torische Wirkung eintreten , dagegen nach Reizung des Halsmarkes (subordinirtes Centrum) inspiratorischen Effect. — Nach Laborde hat eine oberflächliche Läsion in der Gegend der Spitze des Calamus scriptorius einen, wenige Minuten langen Stillstand der Athembewegungen zur Folge. Bringt man durch Reizung eines peripheren Vagusstumpfes das Herz zum Stillstand , so erfolgt auf einige Secunden zugleich Athmungsstillstand. Durch den Herzstillstand tritt vorübergehende Anämie der Oblongata ein , in Folge deren die Erregbarkeit des Athmungscentrums abnimmt, so dass die Athmung für einige Zeit stockt ( Langendorff) . Auf die grosse Uebereinstimmung in der Erregung des Athmungs- und des Darm-Nervensystemes wurde bereits §. 165 hingewiesen. Lr sacken der Dyspnoe. Verhältnisse desO-Mangels und des CO^- Ueber- schusses. Wärme- reizung des Athmungs- centrums. Elektrische Heizung. Aehnli chkeit mit der Darm- bewegung. 800 Das Athmungscentrum n. d. Innervation d. Athmungsapparates. [§.370.] Einwirkung auf das Centrum durch den Willen. Einwirkung reflectorischer Nerven . Anregende Nerven. Hemmende Nerven. Ausser dieser directen Erregung des Athmungs- centrums an Ort und Stelle kann auf dasselbe noch eingewirkt werden durch den Willen und r eflectorisch durch eine Anzahl centripetalleitender Nerven. 1. Durch den Willen vermögen wir nur für kurze Zeit die Athmung anzuhalten, und zwar so lange, bis die gesteigerte venöse Blutmischung das Athmungscentrum zur neuen Thätig- keit anstachelt. Auf längere Zeit lässt sich Zahl und Tiefe der Bewegungen vergrössern ; ausserdem gebietet der Wille über den Rhythmus derselben. 2. Reflectorisch kann auf das Athmungscentrum ein- gewirkt werden, und zwar gibt es anregende und hemmende Nerven. — a) Die reflectorisch das Athmungscentrum anregenden Nerven liegen in den Lungenzweigen des Vagus, ferner in den Sinnesnerven des Auges , Ohres und der Haut ; sie haben unter normalen Verhältnissen das Uebergewicht über die hemmenden. So vertieft z. B. ein kühles Bad die Athemzüge und bewirkt so eine massige Beschleunigung der Lungenven- tilation (Speck). 3. Als eine Irradiation von der Erregung des Schluck- centrums auf das Athmungscentrum entsteht „das Schluck- athmen", d. h. eine geringe Zwerchfellcontraction nach jedem Schlucke (Waller & Prevost, Steiner, Marckwald) (§. 369. 6). Vagus-Einfluss. — Die beiderseitige Durchschneidung der Vagi bewirkt also in Folge des Wegfalles dieser anregenden Fasern Verlangsamung derAthembewegungen. Hierbei bleibt die gewechselte Luftmenge zwar zunächst dieselbe, allein die Athmung erfolgt unter übermässiger, unzweckmässiger Inspirationsanstrengung (GadJ. In Uebereinstimmung mit dem Durchschneidungsversuche hat nachfolgende schwache tetanisirende Beizung der centralen Vagusstümpfe wieder Beschleunigung der Athemzüge zur Folge (Budge, Eckhard/ ■ hierbei kann die Anstrengung der Atliemmuskeln vermehrt oder ver- mindert oder gleich geblieben sein (Gadj. Stärkere Beizung bewirkt Stillstand der Athmung ^ in der Inspiration (Traube) oder (namentlich bei Ermüdung des Nerven) in der Exspiration (Budge, BurkhartJ. [Einzelreize sind wirkungslos, z. B. ein einfacher Inductionsschlag (Marckwald 6° Kronecker). Ist eine Lunge atelectatisch (luftleer), so sind die Lungenfasern des Vagus dieser Seite unerregbar. Es wirkt daher die Durchschneidung des Vagus auf der Seite der gesunden Lunge ebenso wie die doppelseitige Vagisection (Lowy). Wedenskii &■» Heidenhain , welche neuerdings den Einfluss der Beizung des Vagusstammes auf die Athmung geprüft haben, fanden, dass eine flüchtige, im Momente der beginnenden Inspiration (beim Kaninchen) auf den Vagusstamm applicirte, elektrische schwache Beizung die Tiefe der nächsten Inspirationen, eine stärkere auch die Tiefe der folgenden Exspirationen beschränkt. Beizt man, wozu es stärkerer Beize bedarf, im Momente der beginnenden Exspiration, so zeigt sich eine Verkleinerung der Exspiration und der folgenden Inspiration. A n- haltende tetanische Eeizung des Vagusstammes kann Verkleinerung der Ex- spirationstiefe ohne gleichzeitige Aenderung der Inspirationstiefe und ohne Ver- änderung der Athemfrequenz bedingen, bei stärkerer Beizung Verkleinerung der In- und gleichzeitig der Ex-Spiration ohne oder mit Aenderung der Frequenz, endlich hei stärksten Beizen Stillstand der Athmung in inspiratorischer oder exspiratorischer Bhase. b) Die auf das Centrum einwirkenden Hemmungs- nerven der Athmungsbewegungen verlaufen im N. laryngeus superior (Rosenthal) und inferior (Pflüger & Burkart, Hering & Breuer) zum Athmungscentrum hin. [§. 370.] Das Athmungscentrum u. d. Innervation d. Athmungsapparates. 801 Sogar eine directe elektische , mechanische oder chemische Reizung des Centrums selbst kann die Athmung hemmen Langendorffi , vielleicht deshalb, weil der Reiz die centralen Enden jener Hemmungsnerven an ihrer Eintrittsstelle in die Ganglien des Athmungscentrums trifft. Bei der reflectorischen Hemmung der Athmung im Exspirationsstadium findet eine Unterdrückung von Bewegungsinipulsen im Inspirationscentrum statt (Wegele). Reizung der Nerven b), oder ihrer centralen Stümpfe bedingt also Verlangsamung und selbst Sistirung der Athmung [in der Exspiration (Roscnthal)\ — Auch die Nasenäste (Hering & Kratschmer , Sandmann) des Trigeminus und dessen Augenhöhlenzweige (Christiani), ferner der Olfactorius und Glossopharyngeus (Marckwald) bewirken gereizt Stillstand der Athmung in der Exspiration, ebenso die Reizung der Lungenfasern vom Vagus durch Einleiten einiger reizenden Gase in die Lungen. Chemische Reizung des Vagus stamm es (dünne Lösungen von kohlensaurem Natron) macht vornehmlich exspiratorische Hemmung der Athmung, mechanische Reizung (Reiben mit einem Glasstab) inspiratorische (Knoll). Auch die Reizung sensibler Hautnerven, namentlich des Brustkastens und des Bauches (z. B. durch eine plötzliche kalte Douche), ebenso des N. splanchnicus (J.C. Graham) erzeugt Exspirations-Stillstand (Schiff, Falk) , erstere oft nach vorher- gegangenen klonischen Zuckungen der Athmungsmuskeln. — Besonders beachtenswerth ist auch die Verlangsamung der Athmung bei Druck auf das grosse Gehirn, wobei die Athmung nicht selten erschwert und röchelnd wird (Hegelmayer, 1859). Beim Menschen bewirkt ein Reiz der Nasenschleimhaut bei der Inspiration zunächst Hemmung der Athmung in der gerade bestehenden Phase. Dann folgt Inspiration (Bloch). Wahrend der reflectorisch verlangsamten Athmung ist die geleistete Arbeit seitens der Athemmuskeln eine andere geworden, namentlich ist in den verlang- samten Zügen die Arbeit durch fruchtlose Inspirationsanstrengungen erhöht (Gad). Dahingegen fand sich, dass die Volumina der, durch die Lungen gewechselten Gase in gleichen Zeiten gleich bleiben Valentin, und dass auch der respi- ratorische Gasaustausch anfänglich direct nicht verändert wird (Voit & Räuber). Unter normalen Verhältnissen scheinen die Lungenäste des seibsi- Vagus durch einen Mechanismus der Selbststeuerung auf''e"SS- M die beiden Athmungscentra in der Weise einzuwirken, dass die centrums- inspiratorische Erweiterung der Lungen [und die damit in Ver- bindung stehende Luftverdünnung in denselben (Stefatä & Sighricelli)] mechanisch reizend wirkt auf die das Exspira- tions- Centrum reflectorisch anregenden Nervenfasern; — um- gekehrt bringt die exspiratorische Verkleinerung der Lungen [und der hierdurch erhöhte intrapulmonale Luftdruck] eine Erregung der zum Inspirationscentrum laufenden Nerven mit sich (Hering & Breiter, Head). Die Auslösung der ersten Atnembewegungen. — Der Fötus Autmamg befindet sich bis na'ch erfolgter Geburt im apnoetischen Zustande, AaJmOgt. da ihm reichlich 0 durch die Placenta zugeführt wird. Alle Momente, welehe diese Zufuhr hemmen, also vornehmlich Com- Landois, Physiologie. 7. Aufl. 51 8ü2 Das Athinungscentrum u. d. Innervation d. Athmungsapparates. [§. 370.] pression der Nabelgef ässe und anhaltende Wehenthätigkeit ziehen 0-Abnahme und C02-Zunahme im Blute nach sich, wodurch eine das Athmungscentrum erregende Blutmischung sich bildet und mit letzterer der Impuls zur Athembewegung selbst (Schwartz). So kann also auch bereits innerhalb der uneröffneten Häute des ausgestossenen Eies der Fötus zu Athembewegungen angeregt werden (Vesal, 1542). Dauern die den Gaswechsel unterbrechenden Ursachen an, so wird die angeregte Athmung dyspnoetisch, und schliesslich erfolgt der Tod durch Erstickung (Cazeaux). Ent- wickelt sich die Venosität des Fötalblutes ganz allmählich, wie z. B. beim ruhigen , langsamen Tode der Mutter , so kann die Medulla oblongata des Fötus allmählich absterben , ohne dass es zu Athembewegungen kam, ohne dass also die fötale Apnoe unterbrochen wurde. Das ist eine Lähmung durch langsam „ein- schleichenden" Reiz (§. 326. 5). Hiernach würde also die Athembewegung in der Oblongata direct durch die dyspnoetiscbe Blutmischung angeregt. Aehnlich wie die Compression der Nabelgefässe , kann auch die Erstickung der Mutter wirken. In diesem Falle entzieht sogar das mütterliche , schnell venös gewordene ßlut der Frucht den 0 aus dem Blute (N. Zuntz), wodurch also der Tod letzterer noch mehr beschleunigt wird. Ist die Mutter durch CO schnell aspbyctisch geworden (vgl. §. 22), so kann der Fötus länger am Leben bleiben, da das CO-Hämoglobin des Mutterblutes dem Fötalblute natürlich keinen 0 entziehen kann (§. 21) (Högyes). [Bei langsamer Vergiftung tritt aber auch CO in das Fötalblut über (Grihant &* Quinquaud))\ In vielen Fällen , zumal wenn nach anhaltender Wehen- thätigkeit das Athmungscentrum bereits in seiner Erregbarkeit sehr geschwächt ist , genügt die , nach der Geburt noch hoch- gradiger werdende dyspnoetische Beschaffenheit des Blutes allein nicht, die Athembewegungen in rhythmischer und typischer Form anzuregen. Hierzu bedarf es vielmehr noch der Reizung der äusseren Haut (v. Preuschen, Preyer), z. B. durch Abkühlung beim Verdunsten des Fruchtwassers an der Luft. Ist dann durch die erfolgten, ersten Bewegungen Luft in die Athemhöhlen ein- gedrungen, so kann nun auch die Luft auf die Lungenäste des Vagus erregend wirken (Pflüger) (pg. 800. 2. a). Nach den Beobachtungen von v. Preuschen ist die Anregung des Athmungs- centrums durch die Nerven der äusseren Haut Avirksamer, als durch die Vagus- äste des Respirationsorganes. Auch bei Thieren , welche durch sehr ergiebige künstliche Athmung apnoetisch gemacht waren, sah dieser Forscher nach Appli- cation von Hautreizen (Begiessen mit kaltem Wasser) lebhafte Athembewegungen auftreten. — Mechanische Hautreize, wie Frottiren oder Schlagen , unterstützen zweckmässig die Anregung des Athmungscentruras, ebenso Begiessen mit kaltem Wasser oder Reizung mit dem elektrischen Pinsel. Bei völlig intactem Placentarkreis- lauf lösen jedoch Hautreize allein keine Athembewegungen aus (Zuntz & Cohnstein). Ausübung Künstliche Athembewegungen bei Erstickten. — Bei Menschen pflegt man J^"™*^6^ zur Wiederbelebung im Zustande der Asphyxie künstliche Athembewe- Entickten. gungen zu bewirken. Es handelt sich hier zumeist um Erstickte, Erdrosselte, Ertränkte, oder um asphyctisch geborene (intrauterin erstickte) Kinder. Als erste Aufgabe gilt es hier, etwaige, in den Luftwegen befindliche, fremde Substanzen (Schleim oder ödematöse Flüssigkeiten bei Neugeborenen oder Erstickten, Wasser bei Ertrunkenen etc.) zu entfernen (P. Scheel), in verzweifelten Fällen sogar nach Anlegung einer Trachealöffnung durch Aussaugen mittelst eines eingeführten elastischen Katheters (V. Hüter). Sodann muss ungesäumt zur Ausführung der künstlichen Athembewegungen geschritten werden. Man erreicht die abwechselnde Erweiterung oder Verengerung des Brustkorbes , und damit zugleich den Gas- {§. 370.] Das Athmungscentrum u. d. Innervation d. Athmungsapparates. 803 Wechsel, einmal durch rhythmische Compression des Brustkorbes mittelst der auf- gelegten flachen Hände. Der Asphyctische befindet sich in der Rückenlage bei möglichster Rückwärtsbeugung der Wirbelsäule (durch passende Unterlagen): der Mund wird offen gehalten und die Zunge (die zurücksinkend den Kehldeckel niederdrücken würde) hervorgezogen. — Künstliche Erweiterung des Thorax lässt sich auch dadurch erzielen, dass man im passenden Tempo die Nn. phrenici durch die Schwammelektroden des Inductiunsapparates reizt. Sie werden auf die Gegend der Vorderfläche der Scaleni applicirt , deren Beizung selbst das Inspirium ver- grössern wird v. Ziemssen, Permce . — In verzweifelten Fällen kann man sogar durch die geöffnete Luftröhre direct mittelst eines eingeführten elastischen Rohres Luft in die Trachea (mit dem Blasebalge oder direct mit dem Munde) einblasen (V. Hüter). Doch ist hier Vorsicht nöthig, damit die Lungen nicht verletzt werden. — Die künstliche Athmung wirkt recreireud sowohl durch O-Zufuhr und CO.,- Abfuhr aus dem Blute, als auch namentlich unterstützend für die Fortbewegung desBlutes iniHerzen und in den grossen Ge fassen der Brusthöhle, also circul a tionsanr egen d B. S. Schnitze (vgl. §. 66). Ist die Herzaction bereits erloschen , so ist die Wiederbelebung erfolglos. Bei asphyctischen Neugeborenen möge man nie zu früh (d. h. vor Aufhören des Herz- schlages) von den Belebungsversuchen abstehen . selbst wenn sie anfangs aus- sichtslos erscheinen könnten, da die Oblongata noch lange die Reste ihrer Erreg- barkeit bewahrt. Pfliiger 6° Znntz sahen so noch mehrere Stunden nach dem Tode der Mutter die Beflexerregbarkeit und den Herzschlag beim Fötus anhalten. Beim wiederbelebten Neugeborenen höre man erst mit den Froceduren auf. wenn lautes Schreien erfolgt ist. Es sollen hier die merkwürdigen Versuche von Böhm angefügt werden, U'ieder- welcher Thiere (Katzen), deren Athmung und Herzschlag durch Erstickung, oder J>elej>ung Vergiftung durch Kalisalze oder Chloroform bereits 40 Minuten völlig aufgehört compression. hatten, und bei denen der Druck in der Carotis bis auf 0 gesunken war. durch rhythmische Compression des Herzens in Verbindung mit künstlicher Respiration wiederbeleben konnte. Die Compression des Herzens erzeugt eine geringe Blutbewegung (etwa wie ganz schwache Systolen); zugleich wirkt die Compression als rhythmischer Herzreiz. Zuerst kehrt der Herzschlag wieder, dann auch die Athmung. Der wiedererwachte Herzschlag wirkt selbst luftwechselnd (§. 65). Nach dem Wiedererwachen der Athmung tritt auch die Reflexerregbar- keit wieder ein. — allmählich auch die willkürlichen Bewegungen. Die Thiere sind erst einige Tage blind, ihr Gehirn ist sehr träge functionirend, ihr Harn ist stark zuckerreich. Die Versuche zeigen, wie hochwichtig bei der Wiederbelebung A*phyctischer die gleichzeitige Ein Wirkung auf das Herz ist. Zu physiologischen Zwecken — bedient man sich der künstlichen Künstliche Athmung durch Einblasen von Luft mittelst eines Blasebalges in die Tracheal- athmung canüle , die zum Abströmen der Exspirationsluft eine kleine Seitenöffnung hat. ™JjSchen Ist das Thier gleichzeitig durch Curare gelähmt , so kann es nicht durch selbst- Zwecken. ständige und reflectorische Bewegungen der Körpermuskulatur in störende Unruhe versetzt werden. Pathologisches: — Ist die Lunge durch Luft aufgeblasen, so kann sie Versehwinden durch directe Compression derselben nicht wieder beraubt werden, wahrscheinlich des deshalb, weil durch den, die Lunge treffenden directen Druck die kleinen Bronchien ^r Langen zugedrückt werden, ehe noch die Luft aus den Lungenbläschen entweichen konnte. Atelektase). Füllt man jedoch eine Lunge anstatt mit Luft mit CO., und hängt sie uuter Wasser auf, so wird die C02 von dem Wasser absorbirt, und die Lunge kann so völlig luftleer (atelectatisch) werden (Hermann &= Keller . Es lässt sicli so das Auftreten der Atelectase in einzelneu Lungenbezirken bei Erkrankungen dieses Organes erklären. Werden Bronchien verstopft durch Schleim oder Exsudate, so findet in den zugehörigen Lungenbläschen starke C04 -Ansammlung statt. Diese wird um so reicher sein , je reicher das Blut der Lungen (in Folge der eben herrschenden Lungenerkrankung) selbst mit CO, geschwängert ist. Wird schliesslich die CO., von dem Capillarblute der Alveolen oder von der Lymphe absorbirt , so kann das betreffende Lungengebiet atelectatisch werden. Zu den pathologischen Erscheinungen, welche durch abnorme (directe oder meist reflectorische) Erregungen des Atbmungscentrums veranlasst werden, ge- hören die Krämpfe der Athemmuskel n : Inspirations- , Eisspirations- oder -complicirte Krämpfe. 51* 804 Das Celltrum der Hemmnngsnerven des Herzens. [§. 371 .} 371. Das Celitram der Hemmungsiierven des Herzens und die hemmenden Vagusfasern. Die Fasern des N. vagus , welche , massig stark gereizt, die Herzthätigkeit vermindern, stark gereizt jedoch Stillstand des Herzens bewirken (§. 354. 7) und welche dem Vagus durch den Accessorius zugebracht werden (§. 355), haben ihr Centrum (Bndge) stark seitlich in der Ilautengrube nahe dem Corpus restiforme (Labor de) . Auch dieses Centrum kann sowohl d i r e c t an Ort und Stelle , — als auch reflectorisch von centripetalen Nerven aus erregt werden. Viele Forscher nehmen an, dass das Centrum tonisch innervirt sei, d. h. dass ununterbrochen von demselben aus durch die Bahn des Vagus hindurch regulirend und hemmend auf den Herzschlag eingewirkt werde: nach Bernstein soll diese tonische Erregung reflectorisch durch den Bauch- und Hals-Strang des Sympathicus zu Stande kommen. Ich kann mich dieser Annahme nicht anschliessen und glaube m vielmehr , dass unter normalen Verhältnissen der Athmung und der Blutmischung das Centrum nicht erregt ist, sondern dass es erst unter ganz besonderen Verhältnissen in die Erregung versetzt wird. ■Dvrecu. I. Directe Erregung des Centrums. — Das 'rreßeri es Centrum wird an Ort und Stelle von denselben Einwirkungen ^entruml' erregt, wie das Athmungscentrum. — 1. Plötzliche Anämie der Oblongata [durch Unterbindung beider Carotiden und beider Subclaviae. — oder durch Enthauptung (eines Kaninchens) bei alleiniger Erhaltung der Vagi] bewirkt Verlangsamung und selbst vorübergehenden Stillstand der Herzschläge [Landois, 1865). — 2. In ähnlicher Weise wirkt die plötzliche venöse Hyperämie, die man durch Unterbindung der, vom Kopfe herkommenden Venen erzeugen kann (Landois^ Hermann & Escher) . — 3. Auch die vermehrte Venosität des Blutes, entweder durch directe Athmungs-Unterbrechung [beim Kaninchen] (Landois), oder durch Einblasen C02-reicher Grasgemenge in die Lungen hervorgerufen (Traube), wirkt ebenso. Da bei starker Wehen- thätigkeit der Kreislauf in der Placenta (der eigentlichen Lunge des Fötus) beeinträchtigt wird , so erklärt sich die constante Schwächung der Herzaction bei starken Wehen als dyspnoetische, centrale Vagusreizung (ß. S. Schnitze). — 4. In dem Momente, in welchem durch Erregung des Athmungscentrums eine In- spiration erfolgt, findet eine Schwankung in der Erregung des Herzhemmungscentrums statt (Donders , Pflüger , Fredericq) [vgl. §. 79. 1. 4]. — 5. Auch erhöhter Blutdruck in den Schlag- adern des Grehirnes soll das Herzhemmungscentrum erregen. Das Centrum Dass das Centrum (bei Kaninchen) unter normalen Verhältnissen nicht ist nicht tonisch innervirt ist, habe ich (1863) dadurch bewiesen, dass, wenn man nach ■mnervirt. Freilegung der Vagi durch die künstliche Athmung dafür Sorge trägt , dass die Zahl der Herzschläge genau dieselbe bleibt, wie das intacte Kaninchen sie zeigte, dass dann die bilaterale Vagusdurchschneidung die Pulsfrequenz nicht steigert. Schiff hat meine Angaben bestätigt. Allerdings beobachtet man bei Hunden nach Durchschneidung der Vagi [und zwar nur bei erwachsenen , niemals aber bei neugeborenen (Soltmann, Langendorff, v. Anrep ] , mitunter, aber keineswegs constant (Rutherford, PawlowJ, eine plötzlich steigende Pulsfrequenz (Rieh. LowerJ und Blutdrucksteigerung. Doch muss sorgfältig vorher geprüft [§. 371.] Das Centrum der Hemmungsnerven des Herzens. 805 werden, wie hoch der Puls des ruhig vorher beobachteten Thieres war, und ob nicht die Herrichtung zum Versuche die Pulse verlangsamte. Dann kann auch der Schnitt selbst die, in den Vagis liegenden accelerirenden Fasern reizen, oder die, ebenfalls den Herzschlag beschleunigenden, pressorischeu Fasern. Beim Hunde, dessen Vagi man durch Einspritzung von Curare in die Venen, bei unter- haltener künstlicher Respiration, lähmt, wird der Herzschlag nicht beschleunigt, — und beim Frosche bleibt die beiderseitige Vagusdurchschneidung stets ohne Besclüeunigung des Pulses. Auch die Blutdrucksteigerung nach bilateraler Vagi- durchschneidung ist nicht allein abhängig von der gleichzeitig auftretenden Pulsvermehrung (MänzelJ. II. Reflectorisch — kann das Herzliemmungseentrnm Reße-.toHsche erregt werden: — ■ 1. durch Reizung sensibler Nerven rre!Herl (Lovin, Kratschmer), — 2. auch des Vagus selbst [Reizung ^"^"ff des centralen Vagusstumpfes bei Erhaltung des anderen Vagus (v. Bezold, Donders, Aubert & Roever)~\. — 3. Reizung der sen- siblen Nerven der Baucheingeweide durch Klopfen auf den , Bauch {Goltz' sehe? „Klopf versuch1') hat ..herzhemmende Wirkung", ebenso wie die des Splanchnicus direct (C. Ludwig & Asp) , oder des Bauch- und Hals-Stranges des Sympathicus (Bernstein). — Sehr starke Reizung sensibler Nerven hemmt jedoch die angeführten Reflexe auf den Vagus , ebenso wie sie überhaupt rerlexhemmend wirkt (§. 363. 3). Der t7J. 17S. über die der Nieren §.278, der Milz §. 108. I berichtet worden. — Nach Stricker verlassen die meisten Vasomotoren das Rückenmark vom fünften Hals- bis achten Brust-Wirbel. Sie sind sämmtlich markhaltig vom Ursprünge bis zum Grenzstrange Gaskell, . Im Allgemeinen werden die Gefässe der Rumpf- und Extremitäten -H aut von denjenigen Nerven innervirt. welche deren Theileu auch andere (z. B. sensible) 810 Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. [§. 373.] Fasern abgeben — Die verschiedenen Gefässprovinzen zeigen sich verschieden rücksichtlich der Intensität der Einwirkung der Vasomotoren : am stärksten wirken diese auf die Gefässe der peripheren Körpertheile, z. B. der Zehen, Finger, Ohren, weniger stark auf die centralen Gebiete (Lewaschew) [z. B. im kleinen Kreis- laufe, §. 93]. Eeflectorisciie II. Reflectorische Erregung des Centrums. — '^aso- "Es giebt innerhalb der verschiedensten centripetal verlaufenden "ce^utT ^erven solche Fasern , welche gereizt auf das vasomotorische Centrum einwirken. Und zwar giebt es solche Nerven, welche das Centrum erregen, die also stärkere Contraction der Ar- terien und damit vergrösserten Blutdruck bewirken ; diese nennt man auch „pressorische Fasern". — Umgekehrt sind solche Nerven nachgewiesen, deren Reizung reflectorisch das Vasomotorencentrum in seiner Erregbarkeit herabsetzt. Der Erfolg ist also der entgegengesetzte; sie wirken eigentlich als hemmende Nerven des Centrums und werden „depressorische Nerven" genannt. Pressorüche Pressorische Fasern — haben wir bereits im N. laryn- *ung' geus superior und inferior (§. 354. 12. a) namhaft gemacht; ferner im Trigeminus , dessen directe Reizung (pg. 735) pressorisch wirkt, sowie auch bei Einblasung reizender Dämpfe in die Nase (Hering & Kratschmer). Im Halssympathicus entdeckten Aubert & Roever pressorische Fasern ; S. Mayer und PHbram sahen mechanische Reizung des Magens , namentlich der Serosa, pressorisch wirken (§. 354. 12. c). Ja, es soll bei Reizung eines jeden beliebigen sensiblen Nerven zuerst pressorische Wirkung zu beobachten sein (Love'n). So sah auch 0. Naumann nach schwachen elektrischen Hautreizen zuerst pressorische Wirkung, nämlich Verengerung der Gefässe des Mesenteriums, der Lungen und der Schwimmhaut unter gleichzeitiger Anregung der Herzthätig- keit und unter Beschleunigung des Kreislaufes (Frosch); starke Reize hatten jedoch den entgegengesetzten, also depressorischen Effect, bei gleichzeitiger Herabsetzung der Herzthätigkeit. Grützner &* Heidenhain fanden allein schon durch Berührung der Haut pressorische Wirkung, starke Schmerzen verur- sachende Eingriffe waren wirkungslos. Auch durch cutane Application von Wärme und Kälte lässt sich auf dem Wege des Reflexes ähnlich eine Ver- änderung im Lumen der Gefässe und in der Herzthätigkeit erzielen (Röhrig, Wintemilz). — Schüller beobachtete nach Kneifen der Haut Contraction der Pia- Gefässe (Kaninchen) , ebenso nach warmen Bädern oder Umschlägen , während kalte die Gefässe erweiterten. Zum Theil deutet Schüller diese Erscheinungen auch als pressorische und depressorische Wirkungen: doch sieht er die vornehmste Ursache in der, durch die Kälte bewirkten Verengerung der Hautgefässe, die den Blutdruck erhöhen und so die Pia-Gefässe dilatiren muss. Die Wärme hat natürlich den entgegengesetzten Erfolg. — Beim Menschen verursachen die meisten Er- regungen der Empfindungsnerven: schwache Hautreize, Kitzeln (auch unange- nehme Gerüche , bittere oder saure Geschmäcke, optische oder acustische Reize) an der applicirten Stelle Sinken der Hauttemperatur und Abnahme des Volumens der betreffenden Extremität, zuweilen auch Steigerung des allgemeinen Blutdruckes und Veränderungen der Herzthätigkeit, die entgegengesetzten Erfolge hatten schmerzhafte Erregungen, ebenso Einwirkung von Wärme (auch Application an- genehmer Gerüche und süsser Geschmäcke). Erstere Erregungen erweitern gleich- zeitig die Hirngefässe und vergrössern den Schädelinhalt, — letztere erzeugen das Entgegengesetzte t Istomanoiv & Tarchanoff) . De; Depressorische Nerven, — deren Reizung also die Wirkung. Thätigkeit des vasomotorischen Centrums herabsetzt , enthalten viele Nerven. Besonders erwähnt ist schon der N. depressor [§.373.] Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. Sil des Vagus (§. o54. 6). Auch der Stamm des Vagus unterhalb des letzteren enthält depressorische Fasern (v. Bezold & Dresch- feld), sowie auch die Lungenfasern (Hund) (Taljanzeff). Letztere wirken auch bei starker exspiratorischer Pressung depressorisch (vgl. §. 79. 2) ; in Ueberein Stimmung hiermit zeigte Hering, dass starke Aufblasung der Lungen (bei 50 Mm. Hg Druck) den Blutdruck sinken mache [und den Herzschlag beschleunige (§. 371. II)]. Reizung sensibler Xerven , zumal wenn diese intensiver und anhaltender ist , hat Erweiterung der Gefässe in den, von ihnen innervirten Bezirken zur Folge (Loven). Auch Heizung der Muskel nerven durch Druck wirkt depres- sorisch (Kleen). Nach Latschefiber ger und Deahna liegen in allen sensiblen Nerven neben presse rischen zu- gleich auch depressorische Fasern. Schiff sah nach Reizung sensibler Nerven die normal vorhandenen, 3- bis 5mal in der Minute erfolgenden, periodisch-regulatorischen Contractionen im Kaninchenohr einer Erweiterung Platz machen, nachdem eine kurzdauernde Ver- engerung vorhergegangen war. Depressorisch wirkt auch jeder directe Druck auf eine Arterie innerhalb des Gebietes derselben, was daran ersichtlich ist, dass z.B. nach anhaltendem Druck des Sphygmographen die Pulscurven grösser werden und die Zeichen geringerer Arterienspannung aufweisen (§. 80). Im intacten Körper beobachtet man an den Arterienzweigen *°"!ialeJ -tj. -T -> -r-n i t -r-,1 T . Thatigkeit der (Ohrarterien der Kaninchen, m der ± lughaut der r latterthiere. Vasomotoren. der Schwimmhaut der Frösche) langsam abwechselnde Verenge- rungen und Erweiterungen ohne einen gleichmässigen Rhythmus. Diese, von Schiff entdeckte , Bewegung hat den Zweck, das betreifende Organ bald mit grösserer, bald mit kleinerer Blut- menge zu versorgen, je nachdem es Ernährung, oder äussere Einwirkungen erfordern. Man kann dieselbe passend als „perio- Periodisch- i t /^ n i i • i regulatorische disch- regulatorische Gefass be wegung'' bezeichnen, oe/dss- Letztere bewirkt wohl auch bei Unwegsamsein von Gefässbahnen bewe^Hn^- (z. B. nach Ligatur) die promptere Ausbildung des Collateral- kr eis lauf es. Diese kommt nämlich entschieden schwerer zu Stande nach Durchschneidung der Nerven (Stefani). Nothnagel sieht mit v. Recklinghausen in der gesteigerten Geschwindigkeit i mit welcher das Blut durch die collateralen Zweige des unwegsamen Gefässes strömt, das Moment, welches Hypertrophie der Gefässwände und Erweiterung der Lumina der Collateralen erzeugt. Vielleicht kommt den Arterien noch eine zweite Art der Bewegung zu, nämlich die pulsatorische , die darin besteht, dass nach jeder pulsatorischen Er- Aveiterung der Schlagader dieselbe sich activ zusammenzieht. Sie würde also zusammenfallen mit der Verzeichnung des absteigenden Curvenschenkels. Nach dem über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Pulswellen Gesagten (£. 83) müsste sich diese Contraction nach Art der Peristaltik mit derselben Schnellig- keit der Pulswellen centrifugal fortpflanzen. Doch soll besonders bemerkt werden, dass bis jetzt diese Art der Bewegung nicht sicher nachgewiesen ist. Direct, durch locale Application, kann auf das Lumen der Gefässe eingewirkt werden, und zwar bringen Kälte und massige elektrische Reizungen Verengerungen her- vor, umgekehrt die \V arme und starke mechanische oder elektrische Reize (die letzteren beiden wohl nach kurz vorhergegangener Verengerung) E r w e i t e r u n g. 812 Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. [§. 373.] Einfluss der Vasomotoren auf die Temperatur : Locale Einwirkung . Secunrfäre Folgen . Temperatur gelähmter Glieder. Unter den Giften — wirken fast alle zur Digitalisgruppe gehörenden Substanzen constrictorisch: Chinin und Salicin verengern die Milzgefässe. Die übrigen Fiebermittel erweitern die Gefässe (Thomson). Von grosser Bedeutung ist der Einfluss der vasomotorischen Nerven auf die T e mp e r a t u r , — und zwar sowohl beschränkter Körpertheile, als auch des gesammten Leibes. 1. Locale Wirkungen. — Durchschneidung eines peripheren vasomotorischen Nerven [z. B. des N. sympathicus cervicalis (Cl. Bernard)] erweitert die betreffende, von ihm ver- sorgte Gefässprovinz (da durch den intraarteriellen Druck die gelähmten Gefässwände leicht gedehnt werden). Hierdurch tritt sofort eine grössere Menge arteriellen Blutes in dieses Gebiet ein, wodurch eine Injections-Röthung entsteht und zu- gleich auch an Theilen , welche leicht abkühlen (wie das Ohr und die Gesichtshaut), eine erhöhte Temperatur. Durch die Wände der zugehörigen Capillaren findet vermehrte Trans- sudation statt. Innerhalb der erweiterten Gefässe ist natürlich die Geschwindigkeit des Blutstromes herabgesetzt, der Blutdruck erhöht; ferner fühlt man in ihnen, eben weil ihr Lumen weiter geworden ist, auch leichter den Pulsschlag. Bei der Ver- grösserung des Blutstromes kann das Blut hellroth in die Venen übertreten, und selbst der Pulsschlag kann sich bis in die Venen verfolgen lassen (Cl. Bernard). — Jede Reizung eines peripheren vasomotorischen Nerven hat die entgegengesetzten Erscheinungen, namentlich also auch Erblassen, verminderte Transsudation und Temperaturerniedrigung in den äusseren Bedeckungen zur Folge. Kleinere Arterien verengern sich bis zum völligen Ver- schwinden ihres Lumens. Anhaltende Beizung bedingt schliesslich Erschöpfung des Nerven und ruft damit zugleich die Zeichen der Lähmung der Gefässwand hervor. Die angegebenen Erscheinungen nach Lähmung vasomotorischer Nerven bleiben jedoch nicht für die Folge unverändert bestehen. Die Lähmung der Gefässmuskeln muss offenbar Stauungen der Blutbewegung zur Folge haben, da diesen ein wichtiger Factor an der normalen Fortbewegung des Blutes in den Gefässen zukommt. Die langsamere Blutbewegung bringt es mit sich, dass die, von der Luft berührten Theile sich leichter abkühlen. So kann sich an ein erstes Stadium, der Temperaturerhöhung, nach Durchschneidung der Vasomotoren ein zweites Stadium, der Temperatur- erniedrigung, anschliessen. Ich kann nach zahlreichen Versuchen so die Beobachtung von Schiff bestätigen, dass bei Kaninchen, denen etwa vor Wochen ein Halssympathicus ausgerottet war, allemal das Ohr der intacten Seite wärmer war (und zwar, wenn die Thiere lebhafter erregt waren, wodurch also ihr Kreislauf in den intacten Gefässpartien beschleunigter geworden). — Sind, wie z. ß. in gelähmten Extremitäten des Menschen, neben den Vasomotoren auch noch die Muskelnerven gelähmt, so wird die Extremität im Verlaufe auch noch deshalb kühler, weil die gelähmten Muskeln keine Wärme bei der Contraction mehr erzeugen können (§. 304), ferner weil die Erweiterung der Muskelgefässe, welche bei der Contraction der Muskeln jedesmal eintritt, wegfällt. Tritt endlich die Atrophie der gelähmten Muskeln ein, so werden auch die Gefässe in ihnen ver- kleinert. So erklärt es sich leicht, dass gelähmte Extremitäten beim Menschen in der Regel im weiteren Verlaufe sich kühl anfühlen, wie schon den älteren Forschern wohl bekannt war. Primär ist aber auch hier, z. B. nach Durch- schneidung des N. ischiadicus, oder nach Läsion des Plexus brachialis eine erhöhte Temperatur vorhanden. [§. 373.] Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. 813 Werden durch denselben Eingriff zu gleicher Zeit umfang- reiche Gebiete der äusseren Bedeckungen vasomotorisch gelähmt (wie z. B. an der ganzen unteren Körperpartie nach Durchtrennung des Rückenmarkes), so wird von den erweiterten Gefässen so viel Wärme abgegeben, dass entweder eine Erwärmung an der Haut nur sehr kurze Zeit und in geringem Grade, oder dass sogar sofort eine Abkühlung beobachtet wird. So sahen einige Forscher (Tschetschichin , Naunyn , Quincke , Heidenhain, Wood) nach Trennung des Halsmarkes Temperaturerhöhung, Riegel vermisste dieselbe. 2. Wirkungen auf die Temperatur des G e- £»«/?«** <*«• , -i .. t» • i t -l n &• Vasomotoren sammtkorpers. — .Reizungen oder Lahmungen von Gelass- au/ die nerven innerhalb kleiner Gebiete haben auf die Temperatur /e''!f!ra'"r. T7- • i • tt n ttt n (resammt- des gesammten Körpers so gut wie keinen Kinnuss. — Werden k&rpers. jedoch in umfangreichen Gebieten der äusseren Bedeckungen die Gefässe durch Lähmung ihrer Vasomotoren plötzlich er- weitert, so sinkt die Temperatur des gesammten Körpers, und zwar deshalb, weil von den erweiterten Gefässen viel mehr Wärme abgegeben wird, als unter normalen Verhältnissen. Dies ist z. B. der Fall bei allen hohen Rückenmarks-Durchtrennungen. Auch Einathmungeu von 2 — 3 Tropfen Amylnitrit zeigen beim Menschen in Folge der hierdurch eintretenden Gefässerweiterung der Haut einen Abfall der Körpertemperatur (Sassetski & Manasse'in). — Im entgegengesetzten Falle, der Reizung um- fangreicher Gebiete, erhöht sich die Körpertemperatur, weil die constringirten Gefässe weniger Wärme abgeben. So erklärt sich zum Theil auch die Fieberhitze (§. 221. 4). Auch die Herzthätigkeit, — d. h. die Zahl und Einwirkung Energie der Herzcontractionen, wird bedeutend beeinflusst von Vasomotoren dem Erregungszustande der vasomotorischen Nerven. Sind auf ^ letztere m grosseren Gebieten gelähmt . so erweitern sich die muskelhaltigen Blutbahnen, und das Blut selbst wird dem Herzen nicht in gewohnter Schnelligkeit und Reichlichkeit zutliessen, da ja der Druck, unter welchem dasselbe fliesst, ein bedeutend geringerer geworden ist. Die Folge davon ist, dass das Herz äusserst kleine, langsame und mühsame Contractionen vollführt, einem theil weise lahmgelegten Pumpwerke ähnlich , dem nicht hinreichend Stoff zur Weiterbeförderung zufliesst (Goltz). Stricker sah sogar das Herz des Hundes stillstehen , dem er das Mark vom 1. Hals- bis 8. Rücken-Wirbel exstirpirt hatte. Umgekehrt wissen wir . dass bei Reizung der Vasomotoren , in Folge der hierdurch bedingten Verengerungen der muskelhaltigen Gefäss- röhren, der Blutdruck erheblich steigt. Da der arterielle Druck bis zum linken Ventrikel wirksam ist , so hat derselbe als mechanischer Reiz der Herzwandung eine gesteigerte Herzaction nach Zahl und Stärke zur Folge. Hierdurch erhält der Kreis- lauf (der schon durch die Drucksteigerung im arteriellen Gebiete in Folge der Arterienverengerung beschleunigt war) vermehrte Beschleunigung (Heidenhain, C. Ludtvig & Slavjanski). 814 Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. [§. 373.] Innere Das weitaus umfangreichste Gebiet der Gefässbahnen beherrscht mit seinen Verblutung vasomotorischen Fasern der N. splanchnicus, da er die mächtigen Stämme aller Spianchnicus- Unterleibsarterien innervirt (§. 165). Eeizung desselben hat daher bedeutende Durch- Steigerung des Blutdruckes zur Folge. Umgekehrt findet bei Lähmung desselben schneidung. e\ne so grosse Blutanstauung in den erweiterten Abdominalgefässen statt, dass alle übrigen Körpertheile hierdurch anämisch werden , und dass sogar der Tod hiernach, also gewissermaassen in Folge einer „in travasculär en Ver- blutung", eintritt :v. Pezold, C. Ludwig &> Cyon). [Aus gleichem Grunde sterben Thiere auch anämisch nach Unterbindung der Pfortader (C. Ludwig 6° T/ihyJ.'] Einwirkung Der Umfang des Gefässbinnenraumes in seiner Abhängigkeit von den auf Gefässnerven hat erklärlich auch einen Einfluss auf das Körpergewicht, und aSqewichtr~ zwar durch Schwankung von Flüssigkeitsaufnahme oder Abgabe aus dem Blute. Starke Erregung des vasomotorischen Apparates kann durch schnelle Wasserab- gabe das Körpergewicht abnehmen machen. Hierher gehören wolil auch die, nach epileptischen Krämpfen von Einigen (Kowalewsky , Hailager J beobachteten Gewichtsabnahmen in Folge von Polyurie , vermehrter Schweiss- , Thränen- oder Speichel-Secretion. Umgekehrt bewirkt Lähmung oder Parese der Vasomotoren Erweiterung der Blutbahn unter Steigerung des Körpergewichtes. So wirken einige Gifte, z. B. Alkohol in starken Dosen ; nach dem Schwinden der Intoxi- cation stellt sich unter reichlicherem Harnen das Gleichgewicht wieder her. Einfluss der Besondere Beachtung verdienen noch die — trophischen Störungen, Gefässnerven welche die Affectionen der Gefässnerven begleiten. Die Lähmung der Vasomo- Ernährung *oren ruI"t neben Gefässerweiterung und localer Erhöhung des Blutdruckes auch vermehrte Transsudaten aus den Capillaren hervor. Durch den Wegfall der activ wirksamen Muskelaction an den Gefässen verlangsamt und staut sich der Blut- strom; in Folge dessen bildet sich Ausweitung der Capillaren, in denen das langsam strömende Blut stark venös wird, wodurch die livide Färbung der Haut entsteht. Ferner zeigen sich Behinderung der normalen Transspiration , daher Trockenheit der Epidermis . oft auch Abschuppung und Eissigwerden derselben. Passive Hyperämien, Neigung zur Verstopfung der Capillaren und zur Thromben- bildung in den Venen neben passiven Transsudaten und ödematösen Anschwel- lungen sind nicht selten. Auch die Haare und Nägel leiden leicht in dem normalen Wachsthum, die Haut zeigt leichtere Vulnerabilität, und auch alle übrigen Gewebe können in ihrer Ernährung leiden. — In Folge dauernder Eeizung vasomotorischer Nerven wird das, durch die betreffenden Gefässe strömende Blut vermindert, und es lässt sich denken , dass hierbei Ernährungsstörungen in den zu versorgenden Theilen auftreten. Doch ist hierüber bisher wenig Zuverlässiges ermittelt. unter- Ausser dem , in der Oblongata belegenen dominirenden vVslmotoren- allgemeinen Vasomotorencentrum sind die Gefässe noch nnter- °jmcken-s geordneten Centren im G-rau des Rückenmarkes markes. unterworfen. Man erkennt dies durch folgende Beobachtung. Wird einem Thiere das Rückenmark durchtrennt, so erweitern sich zunächst (in Folge der Trennung der Vasomotoren von der Oblongata) alle abwärts versorgten Gefässe paralytisch. Bleibt das Thier am Leben, so erlangen jedoch nach einigen Tagen die Gefässe wieder ihr früheres Caliber , und die rhythmischen Bewegungen ihrer Muskelwände werden nunmehr geleitet von den, in dem unteren Rückenmarksende liegenden, vasomotorischen untergeordneten Centren (Goltz, Vulpian) (§. 364. 7). Die untergeordneten Eückenmarkscentren lassen sich durch dyspnoetische Blutmischung d i r e c t reizen fUstimowitsch); sie sind auch der reflectorischen Anregung fähig beim Kaninchen fUstimowitsch) \ ebenso beim Frosche : nach Zer- störung des verlängerten Markes verengern sich die Schwimmhautarterien auf Eeizung der sensiblen Nerven des anderen Hinterbeines (Putnam, Altissbaum, Die Vtdpianj. — Beim Hunde liegt am 3. — 6- Brustnerven ein reflectorisch erreg- peripheren bares spinales Vasomotorencentruin (Ursprung des Splanchnicus) (Smirnow) , ein Oentra der ähnliches im unteren Theile des Eückenmarkes (Vulpian). I asomotoren in den "Wird nach der Durchschneidung nunmehr das untere GalgiTe'n. Rückenmarksende zermalmt, so erweitern sich, durch Ver- [§. 373.] Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. 815 nichtung der subordinirten Centra , abermals die Gefässe para- lytisch. — Aber auch jetzt weicht bei dem überlebenden Thiere allmählich die Erweiterung wieder einer normalen Verengerung und rhythmischen Bewegung ; und nunmehr wird diese Bewegung der Gefässwand geleitet von den, überall an derselben zerstreut angetroffenen Ganglien. Letztere vermögen also, ähnlich den Ganglienzellen des Herzens, auch für sich allein noch die Be- wegungen der Gefässwand zu unterhalten. Auch die stärkere Spannung im Gefässrohr ruft eine Contraction der Gefässmuskeln hervor. Sogar die Gefässe ausgeschnittener, überlebender Nieren, welche man von Blut durchströmen liess, zeigten diese perio- dischen Schwankungen ihres Calibers (C. Ludwig & Mosso). Erwähnenswerth ist namentlich die Beobachtung, dass die Gefäss- wände sich contrahiren , sobald die Blutmischung hochgradiger venös ist. Es stellen also die Gefässe dem Laufe des venösen Blutes einen grösseren Widerstand entgegen, als dem des arteriellen (C. Ludwig). Vielleicht erklären sich hieraus die allgemeinen Störungen der Ernährung, welche Menschen, die an langdauern- den dyspnoetischen Zuständen leiden, darbieten (Landois). — Immerhin scheinen jedoch die Gefässwände nach dieser Reihe von Eingriffen nicht wieder die vollendete Beweglichkeit und Reactionsfähigkeit zu erlangen, die sie unter normalen Ver- hältnissen besitzen. Durch die Vermittlung dieser peripheren Gefässganglien scheinen auch die Bewegungen der Gefässe zu Staude zu kommen , welche bei Anwendung directer mechanischer, chemischer und elektrischer Reize auf die Gefässe sich zeigen. Die Arterien verengern sich oft bis zum Verschwinden des Lumens, die Venen und Capillaren verhalten sich scheinbar unthätig. Mitunter folgt auf den Reiz primäre Erweiterung. Lewaschezü fand, dass an Extremitäten, deren Vasomotoren vorher der Degeneration anheimgegeben waren, durch Temperaturwechsel sich dieselben Erscheinungen an den Gefässen beobachten Hessen , als an intacten Gliedern. Temperaturerhöhung erschlaffte nämlich die Gefässe , Kälte contrahirte sie. Es ist im höchsten Grade wahrscheinlich , dass diese Lumenschwankungen von den Reizungen der peripheren vasomotorischen Centren abhängen. Auch Amylnitrit und Digitalis erweisen sich auf letztere wirksam. Die pulsirenden Venen — in der Flughaut der Fledermäuse setzen nach Durchschneidung aller Nerven ihre Bewegungen fort, was für die locale Innervation durch periphere Nervencentra spricht (Luchsiuger, Schiß . Endlich hat zweifellos das Grosshirn einen EinfTuss auf Einfluß des das vasomotorische Centrum, wie das plötzliche Erblassen der *e eS/al^ äusseren Bedeckungen bei psychischen Erregungen (Schreck, nerven- Angst) zeigt, Diese Beobachtung hat ihre befriedigende Er- klärung in der von Eulenburg und mir gemachten Entdeckung gefunden, dass in der grauen Rinde des Grosshirns (am Sulcus cruciatus beim Hunde; siehe §. 379) eine umschriebene Stelle existirt, deren Reizung Abkühlung, deren Zerstörung Erwärmung der contralateralen Extremitäten zur Folge hat. Von dieser Stelle werden also Fasern zum Centrum in der Oblongata hin verlaufen , welche sie entweder zur verstärkten oder zur schwächeren Thätigkeit stimmen. So erklärt es sich auch, wie ich mit Budge beobachten konnte, dass Reizung beider Pedunculi cerebri alle Gefässe zur Contraction brachte. Heidenhain sah 816 Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. [§. 373.] Partial- bezirke des vaso- motorischen Centrums. Wirksame Gifte. Die Angio- neurosen. Angio- neurosen der Haut. demgemäss. dass Reizung der Grenze zwischen Pons und Medulla oblongata die Körpertemperatur schnell ansteigen machte. Wenngleich in der Oblongata ein, für alle Gefässe gemein- sam wirkendes , dominirendes Vasomotorencentrum vorhanden ist. so ist doch anzunehmen, dass dasselbe in eine Anzahl dicht zusammenliegender Centralpunkte zerfällt, die für sich bestimmte Provinzen der Gefässe beherrschen. Bekannt geworden sind in dieser Beziehung die Centra der Lebergefässe und der Nie r enge fasse. Ueber ersteres ist §. 178, über letzteres §.278 eingehend berichtet. Endlich sei noch erwähnt, dass manche Gifte — die Vasomotoren vor- nehmlich erregen, wie: Ergotin , Gerbsäure , Copaivabalsam und Cubeben, — andere erst erregen, dann lähmen, wie : Chloralhydrat (Rajewsky &* Hamarstenj ', Morphium, Laudanosin, Digitalin, Veratrin, Calabar, Alkohol, — andere dieselben schnell lähmen, wie Amylnitrit, CO (§. 22), Atropin (Surminsky) , Muscarin (Klug &f Fr. Högyes), — Die lähmende Wirkung der Gifte wird daran erkannt, dass nach Durchschneidung oder Lähmung des Herzvagus und des Accelerans weder die pressorisch, noch die depressorisch wirksamen Nerven gereizt irgend einen Erfolg mehr haben. — Auch mancherlei ansteckende, krankmachende Agentien haben eine Wirkung auf die Gefässnerven. Auch die Venen — werden von Gefässnerven beherrscht (Goltz!, sowie die Lymphge fasse, — doch ist Genaueres über dieselben nicht ermittelt. Pathologisches : — Störungen im Gebiete der Gefässnerven (Angioneurosen) bilden eine wichtige Gruppe von Erscheinungen , die in verschiedenen Formen auftreten können. Angriffspunkte der abnormen Gefässnervenerregungen können entweder die, an den Gelassen selbst verbreitet liegenden, localen Ganglien abgeben, oder die spinalen Centra nebst dem dominirenden Oblongatacentrum, oder endlich die corticalen Gefässcentra des Grosshirns. Die Einwirkung kann ferner entweder direct geschehen, oder auf dem Wege des Reflex es. Conform den Erscheinungen des physiologischen Experimentes werden Reizungen der Gefässnerven Contraction der Blutbahnen , Blässe und Temperaturabnahme der Bedeckungen und verminderte Diffusion in die Gewebe zur Folge haben; — umgekehrt müssen Lähmungen neben Erweiterung der Gefässe, Wärme und Röthe der Bedeckungen , sowie vermehrte Ausschwitzung in die Gewebe nach sich ziehen. Die letzteren Erscheinungen können allerdings auch die Folge von Reizung der Vasodilatatoren sein, und es ist daher im gegebenen Falle Sache des Arztes, zu prüfen, ob die vorliegenden Erscheinungen als Reizung der er- weiternden, oder als Lähmung der verengernden Gefässnerven aufzufassen sind. Im Gebiete der Haut — tritt die Affection der Gefässnerven einmal als diffuses Erröthen oder Erblassen auf. Es kommt aber auch zu circum- scripten Affectionen: hierher gehört der, durch Reizung einzelner Gefässnerven entstehende locale cutane Arteriospasmus (Nothnagel!. Weiterhin treten aber auch im Gefolge zahlreicher acuter, fieberhafter Krankheiten auf der Haut (nach vorhergegangener initialer, heftiger Reizung der Vasomotoren, zumal im Fieber- froste) verschiedene Formen von Lähmungserscheinungen der cutanen Gefässnerven hervor: entweder einfache, herdweise auftretende Röthungen, oder vermehrte Transsudation aus den gelähmten Gefä«sen unter Bildung von Quaddeln, oder selbst Austritt weisser und rother Blutkörperchen aus den ge- lähmten, stark erweiterten Gefässbezirken. Auch bei Menschen, die an Epilepsie oder anderen schweren Nervenkrankheiten leiden , ' hat man mitunter eigen- tümliche, landkartenartige, rothe , angioparalytische Flecke beobachtet (Trousseaii 's Täches cerebrales). — Andauernde starke Erregungen können zu Unterbrechungen der Circulation führen, in Folge deren selbst Brand der be- fallenen Theile hervorrufen (Weiss), welcher ausser der Haut auch noch tiefere Theile treffen kann. Zu den Angioneurosen circumscripter Gebiete gehört der einseitige Krampf der Carotidenzweige am Kopfe, der mit hochgradigem Kopfschmerze einhergeht: die Hemicrania sympathico-tonica — (Du BoisReynumd). Hier ist der Halssympathicus intensiv gereizt; bleiche, verfallene, kühle Gesichtshälfte, sträng- [§. 373.] Centrum der Vasomotoren und die vasomotorischen Nerven. 817 artige Contraction der A. temporalis, Erweiterung der Pupille, Entleerung zähen Speichels (Berger) sind untrügliche Zeichen dieser Affection. Eulenburg hat der geschilderten Form die Hemicrania sympathico-paralytica — gegenüber- gestellt, bei welcher sich auf der Höhe des Anfalles unter den Zeichen der Lähmung des Sympathicus die entgegengesetzten Symptome zeigen. Diese Form kann sich auch unmittelbar an die erste anschliessen , als Lähmung nach inten- siver Reizung. Berger sah beide Formen sogar abwechseln. Als eine merkwürdige Affection des Sympathicus, bei welcher die Gefäss- Basedow nerven betheiligt sind, ist die Basedow' sehe Krankheit — zu nennen, bei welcher scke sich nach einander Herzklopfen (90 — 120 — 200 Schläge in einer Minute), Schwellung der Schilddrüse (Struma) und Hervortreten der Bulbi (Exophthalmus) bei mangelhafter Mitbewegung des oberen Augenlides bei der Hebung und Senkung der Blickebene entwickeln. Vielleicht handelt es sich bei dieser räthselhaften Krankheit um eine gleichzeitige Reizung des N. accelerans cordis (§. 372), der motorischen Fäden für die H. Miiller'schsa Muskeln der Orbita und der Lider (§. 349. I) , vielleicht auch der Fäden für die, von Sappey in der Orbitalaponeurose entdeckten glatten Muskeln , sowie der Vasodilatatoren der Schilddrüsengefässe. Das Leiden könnte entstehen entweder durch directe Reizung der genannten Sympathicusbahnen, oder ihrer spinalen Ursprungsbezirke, oder endlich könnte es sich auch um eine reflectorische Erregung handeln. Man hat aber auch andererseits das Krankheitsbild so erklärt, dass Exophthalmus und Struma Folgen der Lähmung der Vasomotoren seien, welche ein Anschwellen der Gefässe nach sich zögen. Die vermehrte Herzaction sei ein Zeichen verminderter oder aufgehobener Action der Herzhemmungsfasern der Vagi. Alle diese Er- scheinungen sollen sich erzeugen lassen durch Verletzung der oberen Partie des Corpus restiforme beiderseits bei Kaninchen (Filekne) , nach Durdufi unterhalb des Tuberculum acusticum. Als Angina pectoris vasomotoria — habe ich (1866) eine anfalls- Angina weise auftretende Affection entweder der gesammten oder doch zahlreicher Ge- pectoris fässnerven beschrieben. In Folge einer intensiven Erregung ziehen sich die Gefässe vasomotoria- zusammen, die Arterien sind hart und dünn, die Haut zumal an Händen und Füssen erblasst und ist kalt zugleich unter Kribbeln und Prickeln in den Fingerspitzen. Der durch die Gefässcontraction gesteigerte Blutdruck bewirkt enorme Puls- beschleunigung (§. 372) ; dabei zeigt sich das Gefühl der Oppression , des Schwindels, der Angst, des Erlöschens der Lebensfunctionen und selbst schmerz- haften Herzklopfens. Das Auftreten plötzlicher Hyperämien mit Transsudationen und Ecchymosen Viscerale in einzelnen Brust- oder Bauch -Organen muss gleichfalls auf angioneurotische Angio- Basis bezogen werden. Es sei hier daran erinnert, dass Schiff, Browii-Se'quard u. A. neurosen- nach Verletzung des Pons , Corpus striatum und Thalamus Hyperämien und Blut- ergüsse in den Lungen, Pleuren, Intestinum und Nieren sahen. Quetschung oder Durchschneidung einer Pons-Hälfte soll noch Brown-Seqtiard besonders Blutergüsse in der gegenüberliegenden Lunge bewirken ; derselbe sah nach Verletzung des Lumbaimarkes Blutergüsse in den Nierenkapseln (§. 381). — Die Lungen- gefässe können durch Vermittlung der Nerven Erschlaffungszustände zeigen, welche Anfälle von Asthma bewirken (Weber, Stoerk). Die Abhängigkeit der Zuckerharnruhr von vasomotorischen Einflüssen ist §. 178 besprochen, — die Wirkung der Vasomotoren auf die Harnsecretion §. 278. — Die Wirkung des Fiebers auf die Gefässnerven zeigt sich in Form des Reizes an der blassen Haut im Fieberfroste, als consecutive Lähmung an der Röthung derselben (vgl. §. 221. 4). — Anfallsweise auftretende plötzliche Temperatursteigerungen hat man als Zeichen der Reizung des Oblongata-Centrums gedeutet (Scherschewsky) . 374. Das Centrum der Vasodilatatoren und die vasodilatatorischen Nerven. "Wenngleich ein Centrum der vasodilatatorischen Xerven ä« Lage de* noch nicht nachgewiesen ist, so kann dennoch die Existenz eines ''unTm'uteit! solchen in der Oblongata vermuthet werden. Es würde also Landois, Physiologie. 7. Aufl. 52 818 Centruin der Vasodilatatoren n. die vasodilatatorischen Nerven. [§. 374.] dem Vasomotorencentruin antagonistisch entgegenstehen. Das Centrnm ist jedenfalls nicht in dauernder (tonischer) Erregung. Die vasodilatatorischen Nerven verhalten sich in ihren Functionen völlig ähnlich dem Herzvagus , beide bewirken also gereizt Erschlaffung im Zustande der Ruhe (Schiff, Cl. Bernard). Man kann die Nerven daher auch passend als „G-efässhemmungs- nerven" bezeichnen; (andere Bezeichnungen sind noch: vaso- hypotonisirende oder gefäss erweiternde oder gefäss- e r s c h 1 a f f e n d e Nerven). Die dyspnoetische Blutmischung reizt das Centrum (ebenso wie das der Vasomotoren), wobei vornehmlich die Blutgefässe dilatirt werden (während gleichzeitig die Gfefässe der inneren Organe durch gleichzeitige Reizung ihrer Vaso- motoren blutärmer werden (Dastre & Morat) . Nicotin ist ein kräftiges Erregungsmittel der Vasodilatatoren (Ostronmoff), [es steigert die Temperatur der Pfoten (Hund) und die Lymph- bildung (Rogowiczj\. Verlauf der Verlauf der Vasodilatatoren : — Zu einzelnen Organen verlaufen dieselben vasodüata- ajg -besondere Nerven , zu anderen Körpertheilen treten sie jedoch gemischt mit Nerven™ Vasomotoren und anderen Nerven. — Die Eegio buccofacialis erhält die Dilatatoren theils aus der Medulla oblongata direct durch den Trigeminus (Jolyet&Laffont, Vulpian), — theils aus dem Rückenmarke. Letztere treten nach Dastre & Morat durch den 1. — 3. Dorsalnerven (Hund) und gehen durch die Rami communicantes (Schenkel der Ansa Vieussenii) in den Grenzstrang, dann zum Ggl. cervicale supremum und endlich von hier durch den Plexus caroticus zum Ggl. Gasseri des Trigeminus (Moratj. — Das Ohr enthält die Nerven aus dem 1. Brust- und unteren Cervical-Ganglion, — die obere Extre- mität aus dem Brusttheil, — die untere aus dem oberen Bauchtheil des Sympathicus. — Zur Glandula submaxillar is und subungualis verlaufen die Gefässerweiterer in der Chorda tympani, ebenso für die vordere Zungenpartie (§.351. 4; Vulpian) , für den hinteren Theil der Zunge führt sie der Glossopharyngeus (§. 353. 4; Vulpian); — vielleicht enthält sie für die Nieren der Vagus (§. 278) — Reizung der, aus dem Sacralgeflechte hervor- gehenden Nn. erigentes bewirkt durch Erweiterung der Penis arterien Erection (§. 438, Eckhard, Loven). — Die Muskeln erhalten die erweiternden Fasern ihrer Gefässe durch die Stämme der motorischen Nerven ; werden die Muskelnerven oder das Rückenmark gereizt, so erweitern sich während der Con- traction der Muskelfasern die Lumina der Gefässe [§. 296, II] (C. Ludwig nebst Sczelkow 1861 , Hafiz, Gaskell , Heidenhain) , die letztere Erscheinung zeigt sich selbst dann, wenn die Muskeln an der Contraction verhindert werden. — Die Vasodilatatoren bleiben markhaltig bis zu den terminalen Ganglien (Gaskell). Auch die Vasodilatatoren haben im Rückenmarke ,subor dinirte Centra" (ähnlich wie die Vasomotoren, pg. 814); z. B. die Fasern der Regio buccolabialis am 1. — 3. Brustwirbel. Auf dieses kann reflectorisch gewirkt werden durch die Lungenfasern des Vagus, aber auch durch den N. ischiadicus (Laffont, Smirnow). Nach Holtz liegt auch im unteren Rückenmarke ein ähnliches Centrum, auf welches reflectorisch eingewirkt werden kann durch Eingeweide- Nerven (Thayer & Pal). Goltz zeigte, dass in den Extremitätenstämmen, z. B. im Ischiadicus, neben einander Vasomotoren und Vasodilatatoren belegen sind. Wird dieser Nerv nach der Durchschneidung sofort peripherisch gereizt., so überwiegt die Wirkung der Vasomotoren. Reizt man aber den peripheren Stumpf nach 4 — 6 Tagen (inner- halb derer die Vasomotoren ihre Erregbarkeit verloren haben), so erweitern sich die Gefässe durch die nunmehr alleinige Wirkung der Gefässerweiterer. Reize, welche in längeren Zwischenräu men den Nerven treffen, reizen vornehmlich die Gefässerweiterer; tetanisirende Reize jedoch Spinalcentra. [§• 374. Das Krampfcentrum. 819 erregen die Vasoconstrictoren. Die Latenzperiode der Vaso- dilatatoren ist länger; auch sind sie leichter erschöpfbar, als die Motoren (Bowditch &f Warrenj. (Der Ischiadicus erhält beide Nervenfasern durch Vermittlung des Sympathicus.) Die mitgetheilten Erscheinungen (welche von Goltz, Heidenhain & Ostrounioff, Putzeys dr5 Tarchanoff, Kendali er5 Luchsinger ermittelt wurden) erklären sich so , dass man annimmt : die an den Gefässen liegenden motorischen Ganglien (entsprechend den automatischen Herzganglien) werden von beiden Ai'ten der Gefässnerven beeinflusst : es bewirken nämlich die Vasomotoren eine Anregung , die Vasodilatatoren eine Hemmung der Thätigkeit dieser Ganglien. Reizung der Ansa Vieussenii hat in den, durch Facialisausrottung gelähmten Muskeln des G esichtes pseudomotorische Contractionen zur Folge, ganz ähnlich, wie die Reizung der Chorda tympani in der durch Hypoglossussection gelähmten Zunge (§. 351. 4) (Rogowicz). Bei der Analyse der Erscheinungen an den Gefässen wird vor Allem darauf zu achten sein, ob etwa vorhandene, vom Nerveneinfiuss herrührende Erweiterungen entweder die Folge einer Reizung der Vasodilatatoren, oder einer Lähmung der Vasoconstrictoren seien. Es ist dies für die Deutung auch pathologischer Erscheinungen von grossem Belang. — Auch psychische Ein- \ flüsse können auf das Centrum der Vasodilatatoren wirken : so ist die Schamröthe (die sich nicht allein auf das Antlitz erstreckt, sondern auf die ganze Haut sich ausdehnt) wahrscheinlich Folge der Erregung des Dilatatorencentrums. Die gefässerweiternden Nerven haben offenbar einen bedeutenden Einfluss Einfluss auf die Körpertemperatur und auf die Wärme der einzelnen Körpertheile, T^^w der sich aus dem, was über den bezüglichen Einfluss der Vasoconstrictoren gesagt wurde (§. 373), ableiten lässt. Es ist nicht zu leugnen, dass beide Gefässnervencentra einen wichtigen Regulator für die "Wärmeabgabe durch die Gefässe der Haut darstellen (§. 215. II)- Wahrscheinlich werden sie reflectorisch durch sensible Nerven in Thätigkeit erhalten. Störungen in der Function dieser Centra können zu einer abnormen Aufspeicherung der Wärme fuhren (wie im Fieber, §. 221), oder zu abnormer Abkühlung (§. 214. 7). 375. Das Kranipfceiitrum. — Das Sckweisscentruni. In der Medulla oblongata, und zwar in der Verbindung derselben mit dem Pons, ist ein Centrum belegen, dessen Reizung allgemeine Convulsionen hervorruft. Das Centrum kann erregt werden: durch plötzlich bereitete, hochgradige Yen o- sität des Blutes („Erstickungskrämpfe" z. B. Erdros- selter), ferner durch plötzliche Anämie der Medulla oblongata entweder in Folge schneller Verblutung, oder nach momentaner Unterbindung beider Carotiden und Subclavien [„ V e r b 1 u t u n g s- oder anämische Krämpfe" (Kussmaul & Tenner)], endlich auch durch Be Wirkung plötzlicher venöser Stagnation durch Constriction der vom Kopfe herkommenden Venen (Landois, Hermann & Escher). In allen diesen Fällen wird die Reizung des Centrums zu suchen sein in dem plötzlich unterbrochenen normalen Gaswechsel. Wirken diese Momente ganz allmählich ein , so kann der Tod erfolgen , ohne dass es zu Convulsionen kommt, wie es ja der unterbrochene Gaswechsel beim Eintritt eines jeden ruhigen Todes zeigt. — Auch directe Reizung mittelst aufgetragener chemischer Substanzen kohlensaures Ammoniak. Kali- und Natron-Salze u. a.^ vermag schnell heftige allgemeine Convulsionen zu erregen (Papettier unter Landois). — Endlich Krampf- Centrum. 820 Das Krampf centrum. Das Schweisseentrum. [§. 375.] ist seit Alters bekannt, dass intensive directe mechanische Reizung der Mednlla oblongata (z. B. plötzliche Zermalmung der- selben) allgemeine Convnlsionen hervorruft. Nothnagel hat durch directe Reizung der Oblongata beim Kaninchen die Ausdehnung des Krampf centrums zu begrenzen gesucht: nach ihm er- streckt sich dasselbe von dem Bereiche oberhalb der Ala cinerea aufwärts bis an die Vierhügel. Seine Breite begrenzen aussen der Locus coeruleus nebst dem Tuberculum acusticum, innen die rundlichen Erhabenheiten. — Beim Frosche bestimmte Heubel die Lage in der unteren Hälfte der 4. Hirnhöhle. Das Centrum wird in Mitleidenschaft gezogen bei dem ausgebreiteten Reflexkrainpfe (§. 366. 6), wie er bei excessiver Erregbarkeit der grauen Sub- stanz des Rückenmarkes und des damit im Zusammenhange stehenden Krampf- centrums eintritt, z. B. unter der Einwirkung der Strychninvergiftung, oder des Wuthgiftes. Zahlreiche anorganische , wie organische Gifte : — die meisten Herzgifte, Nicotin, Pikrotoxin, die Ammoniakalien (§. 279) und die Baryumverbin düngen tödten nach voraufgegangenen Convulsionen , indem sie reizend auf das Krampf- centrum wirken (Röber, Heubel, Bö~h??i). Entstellung Pathologisches. — Schon Schröder van der Kolk hatte darauf hingewiesen, epileptischer ^gg Dei ,jen allgemeinen Krämpfen der Fallsüchtigen der Sitz der Erregung amp/e. j^g^^ ^er Medulla oblongata belegen sei, deren Gelasse er wiederholt erweitert und vermehrt fand , so dass sie , zumal bei starker Füllung, mechanisch reizend auf die Nervensubstanz der Oblongata wirken mussten. Unter solchen Verhältnissen wird sich die Medulla oblongata im Zustande erhöhter Erregbarkeit befinden. Nun ist es nach dem, bei Besprechung des vasomotorischen Centrums Mitgetheilten erwiesen, dass Reizung sensibler Nerven sowohl eine plötzliche Verengerung (Nothnagel sah z. B. nach Ischiadicusreizung Contraction der Piagefässe) , als auch eine Erweiterung der Gefässe (Loven) nach sich ziehen kann. Findet dies an den Gefässen der Oblongata statt, so wird plötzliche Anämie oder momen- tane Blutüberfüllung in derselben sich ausbilden. Beide Zustände vermögen aber die Medulla oblongata so zu reizen , dass fallsuchtartige Anfälle die Folge sind. Es kommt nun bei allgemeinen (epileptischen) Krämpfen oft vor, dass man deutlich den Nerven nachweisen kann , dessen Erregung die Gefässveränderung nach sich zieht. Man kennt seit Alters die eigenthümliche Empfindung (Aura), die in einem solchen Nerven vor Ausbruch der Krämpfe sich zeigt. (Nicht selten sind solche Nerven Sitz abnormer Erregungen , daher die Durchschneidung der- selben, oder die Dehnung (§. 326. 1) die Ursache der Krämpfe beseitigen kann.) So scheint die Mehrzahl der Fälle von Epilepsie , welche der Reizung centri- petalleitender Nerven ihren Ursprung verdanken und somit oft von einer deut- lichen Aura angezeigt werden, der Wirkung der Gefässnerven zugesprochen werden zu müssen (Eulenburg &* LandoisJ. — Natürlich kann auch durch directe anderweitige Reizung der Medulla oblongata der Ausbruch von Krämpfen bewirkt werden. Brown- Sequard sah Meerschweinchen nach Verletzungen des centralen und peripheren Nervensystemes (Rückenmark , Oblongata , Hirnschenkel , Vierhügel ; N. ischiadicus) epileptisch werden, und diese Krankheit sich sogar vererben. Reizung der Wange und der vorderen Halsseite („epileptogene Zone") be- wirkt den Anfall , und zwar bei einseitigen Verletzungen von Rückenmark und Ischiadicus, wenn dieselbe Seite gereizt wird, — bei Pedunculusverletzungen, wenn die contralaterale Region gereizt wird. — Westphal machte Meerschweinchen durch wiederholte leichte Schläge auf den Schädel epileptisch; es bildete sich ein völlig epileptischer Zustand aus, der ebenso vererblich war. Als Ursache fand er Blutaustritt in der Medulla oblongata und dem oberen Halsmark. (Vgl. auch §. 377 und §. 380. I.) Ueber die epileptischen Convulsionen nach intensiver Reizung der motori- schen Rindengebiete des Grosshirnes vgl. §. 377 und §. 388. schweiss- Ein dominirendes Centrum für die Schweiss- absonderung — der ganzen Körperoberfläche (§. 290. II), welchem die localen Rückenmarkscentra (§. 364. 8) untergeordnet sind, befindet sich in der Medulla oblongata (Adamkiewicz , [§. 375.] Psychische Functionen des Grosshirns. 821 Maj-mJ, Nawrocki) . Dasselbe ist doppelseitig und in den seltenen Fällen halbseitigen Schwitzens (§. 291. 2) von ungleicher Erreg- barkeit. Calabar , Nicotin , Pikrotoxin (Luchsinger) \ Campher, Ammonium aceticum (Murme) wirken direct auf das Schweisscentrum secretionserregend. — Muscarin bewirkt locale Reizung der peripheren Schweissfasern, es ruft also selbst Schwitzen der Hinterpfote hervor nach Ischiadicusdurchschneidung ; Atropin hebt die Muscarinwirkung auf (Ott, Wood, Field, Nawrocki). 376. Psychische Functionen des Grosshirns. Die Hemisphären des Grosshirns sind der Sitz aller Das psychischen Thätigkeiten. Nur bei Intactheit derselben afsr°si^"Zr ist der Vorgang des Denkens , des Fühlens und des Wollens f^J^ möglich. Nach Zerstörung derselben sinkt der Organismus auf den Werth einer complicirten Maschine zurück , deren ganze ^ Thätigkeit nur noch als der Ausdruck der, auf dieselben ein- wirkenden inneren und äusseren Reize gelten kann. Die psy- chischen Thätigkeiten scheinen in beiden Halbkugeln localisirt zu sein, und zwar so, dass nach umfangreicher Verletzung der einen Halbkugel die andere . oder nach Verletzung auf beiden Seiten die noch erhaltene Gehirnsubstanz vicariirend einzutreten vermag. Fälle, in denen bei umfangreicher einseitiger Zerstörung einer Halb- Bcob- kugel die psychischen Thätigkeiten anscheinend nicht gelitten hatten, sind nicht achtungen selten. Auch sogar wenn beide Hemisphären in massiger Ausdehnung zerstört Menden. sind , kann die Intelligenz scheinbar intact sein. Ich meine jedoch, mit der Behauptung, die psychischen Fähigkeiten seien in allen solchen Fällen intact geblieben, solle man doch sehr vorsichtig sein, da es ja offenbar unendlich schwer sein wird, zu ermitteln, inwieweit dieselben nach den verschiedenen Richtungen hin vor dem Unfälle entwickelt waren. — Man hat neuerdings wiederholt nach Verletzungen des Stirnhirnes beim Menschen eine gewisse Gewalt- thätigkeit des "Wesens, Boshaf tigkeit und Rücksichtslosigkeit fest- gestellt (Welt), Veränderungen, welche Ferrier durch den Wegfall der durch die Erziehung und das Zusammenleben mit Anderen erworbene Vorstellungen herleitet, und die übereinstimmen mit den von Goltz beschriebenen analogen Umstimmungen bei Thieren (§. 379). Bildungsfehler des Grossbirnes: — Mikrocephalie, Hydro- cephalus bedingen einen Ausfall oder eine Herabsetzung der geistigen Fähig- keiten bis zum völligen Idiotismus und tiefsten Blödsinn. Umfangreiche Ent- zündungen , Entartungen , Druck , Blutleere der Hirngefässe , ferner auch die Einwirkung betäubender Mittel heben dieselben völlig auf. Inwieweit die Hemisphären in ihren Thätigkeiten wirksam sind, ist zur Fiourens' Zeit ein völliges Räthsel. Fiourens nahm an , dass die Halbkugeln an einer ■&«*»•«. jeden Leistung in ihrer ganzen Ausdehnung Theil nehmen. Daher genügt (nach seinen Versuchen an Tauben) selbst ein intact übriggebliebener geringer Theil der Halbkugeln zur Aufrechthaltung aller Functionen. In demselben Maasse, in welchem man die Hemisphären abträgt , schwächen sich alle Functionen des Grosshirns ; wird letzteres ganz elirainirt, so fallen alle Fähigkeiten aus. Daher sollen weder die verschiedenen Fähigkeiten , noch die verschiedenen Wahr- nehmungen an besonderen Stellen localisirt sein. Goltz schliesst sich an Flourciis an, dass ein unversehrt übrig gebliebener Rest gleichartiger Hirnsubstanz bis zu einem gewissen Grade die Functionen des verloren gegangenen Stückes übernehmen kann. Dieses Vermögen der Hirntheile , für ein verloren gegangenes anderes vicariirend eintreten zu können, nennt Vulpian; „Loi de suppleance" (Gesetz der funetionären Stellvertretung). Der Auffassung von Fiourens gegenüber sei an die „phrenologischen" Daf ph'^0' Lehren von Gall erinnert (f 1828), nach welchem in dem Gehirne die verschie- Grundgesea. S22 Psychische Functionen des Grosshirns. [§. 376] denen geistigen Fähigkeiten an ganz bestimmten Stellen localisirt seien. Einer hervorstechenden Fähigkeit entspreche allemal eine voluminösere Entwicklung der betreffenden Stelle der Hirnrinde , die sogar äusserlich an der Configuration des Schädels erkannt werden solle („Kranioskopie"). So wurden den ver- schiedenen geistigen Fähigkeiten gewisse Terrains auf der Hirnrinde angewiesen. Spurzheim, der das System seines Freundes erweiterte, stellte folgende Kategorien auf: die erste Classe umfasste die Empfindungen, welche die Triebe nnd die Gefühle in sich schloss ; die zweite Classe begriff die Verstandesfähigkeiten , zu denen er das Erkenntnissvermögen und das Denkvermögen zählte. Wenngleich auch in den Einzelausftthrungen dieses Systemes vielfache Willkürlichkeiten, offenbare Mängel und unleugbare Fehler hervortreten , so ist dennoch die Frage ernster Erwägung werth, ob der Grundgedanke des Systemes ebenfalls so völlig zu verwerfen sei. Die Entdeckung der Localisation der vom Willen geleiteten Bewegungen und der bewussten Empfindungen im Grosshirn weist mit Noth- wendigkeit auf eine erneute Prüfung des pbrenologischen Systemes hin, allerdings in ganz anderer Weise, wie die Urheber dasselbe begründet haben. Exstirpation Nach Wegnahme beider Grosshirnhemisphären — bei Grosshirns. Thieren bort jede willkürlich und bewusst ausgeführte Bewe- gung, ebenso jede bewusste Empfindung und sinnliche Wahrnehmung vollkommen auf. Dahingegen ist die gesammte Mechanik, die Harmonie und das Gleich- gewicht der Bewegungen verblieben. Letzteres Ver- mögen ist im Mittelhirne localisirt und wird durch wichtige Reflexbahnen geleitet (§.381). Plötzliche Aufhebung der Circulation im Gehirne, z. B. durch Enthauptung, hat momentanes Aufheben der geistigen Vorgänge zur Folge. Liessen Hayem und Barrier durch die Carotiden eines abgeschnittenen Hundskopfes sofort arte- rielles Blut eines lebenden Pferdes strömen , so konnten bis nach 10 Secunden am Kopfe Zeichen erhaltenen Bewusstseins nnd des Willens erkannt werden, später nicht mehr. Localisation Das Mittelhirn steht nicht allein mit der grauen Substanz rtio°nrima' des Rücken- und verlängerten Markes in Verbindung, dem Sitze MüteMrn. ^er ausgebreiteten geordneten Reflexe (§. 369), sondern es enthält sensible Elemente , sowie auch Fasern , die von den höheren Sinnesorganen herkommen, die ebenfalls reflexerregend auf die Bewegungen einwirken können. Endlich liegen im Mittelhirn Hemmungsapparate von Reflexen (§. 363. 2). Die Zusammen- wirkung aller dieser Theile macht das Mittelhirn zu einem leitenden Organ für die harmonische Ausführung der Bewegungen, und zwar in einem hö heren Grade, als dies dieMedulla oblongataist (Goltz). Es giebt sich dieses namentlich daran zu erkennen , dass Thiere mit erhaltenem Mittelhirn unter verschiedenartigen Verhältnissen die Gleichgewichtslage ihres Körpers zu erhalten vermögen, dessen sie sofort verlustig werden, sobald ihnen das Mittelhirn zerstört ist (Goltz). Christiani bestimmte die Lage des, für die Ortsveränderung und die Erhaltung des Gleichgewichtes func- tionirenden Coordinationscentrums bei Säugern vor dem In- spiration scentrum des 3. Ventrikels (pg. 797). Die Bedeutung des Zusammenwirkens des Hautgefühles und der Sinneserregungen für die Erhaltung des Gleichgewichtes giebt sich in Folgendem zu erkennen. Der enthirnte Frosch verliert sofort sein Balancirvermögen , sobald ihm die Haut der Hinterbeine abgezogen wird. Der Einfluss der Gesichtseindrücke wird erkannt aus dem Unvermögen, das Gleich- gewicht zu erhalten , welches bei Nystagmus (§. 352) beobachtet wird , und aus [§• 376.] Psychische Functionen des Grosshirns. 823 Frosche. Beob- achtung an dem Schwindel, welcher die Lähmungen der äusseren Augenmuskeln oft begleitet. Bei Menschen mit gesunkener Hautsensibilität sind die Augen die Hauptstützen für die Erhaltung des Gleichgewichtes : sie stürzen um , wenn sie die Augen schliessen. Der Frosch mit exstirpirtem Grosshirn — behält in jeder Lage und Beoo. Stellung das harmonische Gleichgewicht des Körpers und der Glieder bei: auf achtung am, den Rücken gelegt, dreht er sich sofort wieder um, — gereizt , springt er einen oder zwei Sprünge von dannen , — in's Wasser geworfen, schwimmt er bis zum Rande des Behälters, steigt auf diesen hinauf und bleibt hier ruhig sitzen. Unter den complicirtesten incitirenden Verhältnissen zeigt er volle Beherr- schung, Harmonie und Einheitlichkeit seiner Bewegungen. Allein ohne äussere Reizung macht er niemals selbstständig willkürliche, absicht- lich inten dirte Bewegungen. Er sitzt vielmehr immerfort wie im Schlafe an derselben Stelle, er nimmt keine Nahrung, er hat kein bewusstes Hunger- und Durst-Gefühl , er zeigt keine Furcht und vertrocknet schliesslich an derselben Stelle zur Mumie. Aehnlich verhält sich die Taube — mit entfernten Halbkugeln des Gross- hirnes. Ungereizt sitzt sie beständig wie im Schlafe, jedoch zeigt sie an- getrieben die völlige Harmonie aller Bewegungen beim Gehen, Fliegen, Ankrallen, der Taube- Körperbalanciren. Nach Verlauf mehrerer Tage nimmt sie auch anscheinend ohne äusseren Antrieb Ortsl^ewegungen vor. Die Gefühlsnerven und Sinnes- nerven leiten zwar noch die Impulse zum Hirne, allein sie vermögen nur Reflex- bewegungen auszulösen, bewusste Empfindungen vermögen sie nicht mehr zu veranlassen. Daher fährt der Vogel zusammen , wenn neben ihm ge- schossen wird, sein Auge blinzelt bei Annäherung einer Flamme, und die Pupillen verengen sich ; er wendet den Kopf ab, wenn Ammoniakdämpfe die Nase treffen. Allein alle diese Anregungen werden nicht bewusst als solche empfunden. Vorstellung, Wille, Gedächtniss sind dahin; das Thier nimmt spontan nicht Speise noch Trank. Werden letztere in den Rachen gebracht . so schluckt es ; auf solche Weise kann es Monate lang erhalten werden Flourens , Langet, Gott:, Vulpian, Lussana u. A.). Fische — verhalten sich wesentlich anders. Wird einem Karpfen das Grosshirn (Fig. 235, VI. 1) exstirpirt, so vermag er zu sehen und sogar seine Nahrung auszuwählen und sich völlig willkürlich zu bewegen (Steiner, Vulpian j . Säugethiere — (Kaninchen) eignen sich wegen Auftreten bedeutender Beob- Blutungen wenig zur Exstirpation des Grosshirns ; sie zeigen anfangs nach der achtungen Operation hochgradige Muskelschwäche. Haben sie sich erholt, so bieten sie im am. JUU9e~ Ganzen das geschilderte Verhalten dar, nur rennen sie, gereizt, blindlings davon, bis sie gegen einen Widerstand prallen. Vulpian macht auf einen besonders klagenden Schrei aufmerksam, den das sensibel gereizte Kaninchen ausstösst. (Ich erinnere hier daran, dass auch bei Menschen, denen in Folge von Entzündung, Druck u. dgl. die Grosshirnhemisphären funetionsunfähig geworden sind , eigen- tümliches Aufschreien als charakteristisch bezeichnet wird.) Die Beobachtungen an Nachtwandlern zeigen , dass auch beim Menschen die volle Harmonie aller Bewegungen ohne Beihülfe bewussten Willens oder bewusst er Empfindung und Wahrnehmung statthaben kann. Aber auch die meisten unserer gewöhnlichen Bewegungen im wachen Zustande erfolgen ohne Mitwirken des Bewusstseins, vom Mittelhirn aus geleitet. Der Grad der Intelligenz im Thierreiche — richtet sich nach der Grösse Grade der der Hemisphären des Grosshirns im Verhältniss zur Masse der übrigen Theile Intelligenz im des centralen Nervensystemes. Zieht man aber das Gehirn allein in Betracht, Thxerrn6he- so zeigt sich, dass diejenigen Thiere den höheren Grad der Intelligenz besitzen, bei denen die Hemisphären des Grosshirns das grössere Uebergewicht über das Mittelhim haben. Das letztere stellen bei den niederen Vertebraten die Lobi optici , bei den höheren die Vierhügel dar (Joh. Müller . In Fig. 235 ist bei VI das Gehirn des Karpfen, bei V das des Frosches, bei IV das Taubenhirn gezeichnet. In allen diesen Figuren ist mit l das Hemisphärenpaar, mit 2 die Lobi optici, mit 3 das Kleinhirn und mit 4 das verlängerte Mark beziffert. Bei \ S24 Psychische Functionen des Grosshirns. [§. 376.] den Knochenfischen stellt der Hirnmantel lediglich ein über die basalen Gebilde hinweggespanntes Zelt dar : eine ganglienh altige Hirnrinde fehlt allen Fischen und Amphibien , erst bei Eeptilien tritt eine eigentliche Hirnrinde auf. Beim Karpfen sind die Grosshirnhalbkugeln noch kleiner, als die Sehhügel, beim Frosche übertreffen sie die letzteren bereits an Grösse. Bei der Taube reicht das Grosshirn schon hinterwärts bis an das Kleinhirn. Analog diesen Grössenverhältnissen ist der Grad der Intelligenz bei den genannten Thieren vorhanden. Beim Hundegehirn (Fig. 235. II) überdecken die Hemisphären bereits die Yierhügel völlig, aber das Kleinhirn liegt noch hinter dem Grosshirn. Erst beim Menschen bedecken die Hinterhauptlappen des Grosshirns sogar völlig das Kleinhirn (Fig. 236). Bestimmung ]£s gelingt, nach Meynert, noch in einer anderen Weise diese Verhältnisse Meynert. übersichtlich darzulegen. Von den Grosshirnhemisphären verlaufen bekanntlich Fasern durch den Pedunculus cerebri abwärts , und zwar durch dessen unteren Theil, den man denFuss des Pedunculus nennt. Dieser ist durch die Substantia nigra von dem oberen Theile desselben getrennt, welcher Haube genannt wird, die mit den Vierhügeln und den Sehhügeln in Connex steht. Je grösser nun die Grosshirnhalbkugeln , um so zahlreicher sind die , durch den Fuss verlaufenden Fasern. In Fig. 231 ist bei II ein senkrechter Schnitt durch die hinteren Vier- hügel (mit dem Aquaeductus Sylvii) und die beiden Hirnschenkel abgebildet vom erwachsenen Menschen : p p ist der Fuss jedes Pedunculus, darüber liegt die Substantia nigra (s), Figur IV zeigt dasselbe vom Affen, Figur III vom Hunde und endlich Figur V vom Meerschweinchen. Man sieht sofort , dass in der ge- nannten Eeihenfolge die Masse des Fusses abnimmt. Dem entspricht eine analoge Abnahme der Hemisphärenmasse des Grosshirns und damit zugleich der Intelligen z des betreffenden Thieres. Suia, und Endlich zeigt sich der Grad der Intelligenz abhängig von dem Für che n- reichthum der Halbkugeln. "Während den niederen Thieren (Fisch, Frosch, Vogel) die Furchen noch völlig fehlen (Fig. 235 IV, V, VI) , sehen wir bei dem Kaninchen zwei leichte Furchen jederseits (III). Der Hund zeigt bereits ein windungsreiches Grosshirn (I, II). Auffallend ist der Reichthum der Windungen und Furchen beim Elephanten, dem klügsten, edelsten Thiere. Selbst bei Everte- braten , z. B. einigen Insecten mit hohem Instincte , hat man Windungen am Grosshirn beobachtet. Freilich lässt sich nicht verkennen, dass auch manche stumpfsinnige Thiere , wie das Rindvieh , windungsreiche Hemisphären besitzen. Auch beim Menschen traf man oft bei hoher geistiger Befähigung denselben Befund , doch werden auch windungsreiche Hirne bei Unbefähigten angetroffen. Das absolute Gewicht des Gehirnes kann nicht zur Schätzung des Intelligenzgrades benutzt werden. Der Elephant hat das absolut schwerste, der Mensch das relativ schwerste Gehirn (Aristoteles). EntZfckiung Zeitlicher Verlauf der geistigen Vorgänge. — Für das Zu- der standekommen psychischer Processe bedarf es einer gewissen Zeit, Processi welche zwischen der Einwirkung der Erregung und der bewussten Reaction verläuft. Diese Zeit, „Reactionszeit", [entschieden länger, als die einfache Reflexzeit (§. 362)] kann gemessen werden (Donders, de JaagerM. A.), wenn man das Moment der Erregung markirt und sodann von der Versuchsperson ein Signal über die erfolgte richtige Auffassung geben lässt. Es setzt sich dann die Reactionszeit zusammen : — 1. aus der Perceptionsdauer (Eintritt in das Bewusstsein) , — 2. aus der Apperceptionsdauer (Bewusstwerden der besonderen Eigen- schaften der Empfindung: Form, Tonhöhe, Farbe u. s. w.), — 3. aus der Dauer des Willens im pulses (für das Signalgeben). Hierzu kommt noch — 4. die Dauer der Fortpflanzungsgeschwindigkeit im zuleitenden Nervenapparat und — 5. in dem motorischen (signal- gebenden) Nerven. Wird das Signal, wie gewöhnlich, mit der Hand gegeben , so dauert die Reactionszeit für Eindrücke des Schalles 0,136 bis 0,167 Secunde, — des Lichtes 0,15 bis 0,224 Secunde, [§. 376.] Psychische Functionen des Grosshirns. 825 — des Geschmackes 0,15 bis 0,23, — des Tastsinnes 0,133 bis 0,201 Secunde (Hirsch, Hankel , Bonders, v. Wittich. Wundt, Exner, v. Kries , v. Vintschgau & Hönigsclimied , Auerbach, Buccola u. A.) [Wärme wird später empfunden als Kälte (Gold- scheider) , Druck früher als Wärme (v. Vintschgau & Steinach u. A.)]. — Die Reactionszeit für die Geruchs Wahrnehmung, die natürlich von vielen Umständen (Respirationsphasen . Luftzug) ab- hängt, beträgt 0,2 — 0,5 Secunde (Buccola, Moldenhauer) . Intensivere Reizung, gesteigerte Aufmerksamkeit, Hebung, Erwartung Einflüsse bekannter Eindrücke verkürzen die Zeit. Nach Lange fällt bei sensorieller auf dieselben. Reaction nach vorbereiteter Aufmerksamkeit die Apperception mit der Perception zusammen. Die musculäre Reaction (beim Signalgeben) kann sich aber auch schliesslich zu einem einfachen Reflex gestalten. — Bei Tasteindrücken kommen diejenigen am schnellsten zur Perception, welche auf Stellen wirken, denen die grüsste Schärfe des Ortssinnes zukommt (v. Vintschgau), — Verlängert wird die Zeit bei sehr starken Reizen, bei complicirten zu unterscheidenden Objecten i v. Helmholte äf BaxtJ. Die Apperceptionsdauer für eine gesehene 1 — 3stellige Zahl war bei Tigerstedt & Bergqttist 0,015 — 0,035 Secunde. — Alkohol und Anaesthetica ändern die Zeit : mitunter verkürzen sie dieselbe, oder sie verlängern dieselbe, je nach dem Grade ihrer Einwirkung {KräplinJ. — Sollen schnell nach einander zwei verschiedene Eindrücke psychisch erfasst werden, so ist eine gewisse Zwischenzeit nothwendig , welche für das Ohr 0,002 bis 0,0075 Secunde, für das Auge 0,044 bis 0,047 Secunde, für das Tastorgan der Finger 0,0277 Secunde beträgt. Im Schlafe und im Wachen — giebt sich die Periodicität des thätigen Der Schlaf. und ruhenden Zustandes des Seelenorganes zu erkennen. Im Schlafe ist eine verminderte Erregbarkeit des gesammten Nervensystems vorhanden, die nur theil- weise durch die Ermüdung der centripetalleitenden Nerven erklärbar ist, vielmehr vornehmlich dem centralen Nervensysteme in eigenartiger "Weise zukommt. "Während des Schlafes bedarf es stärkerer Reize, um Reflexe hervorzurufen. Im tiefsten Schlafe scheinen die psychischen Thätigkeiten völlig zu ruhen, so dass der Schlafende einem "Wesen mit exstirpirten Grosshirnhalbkugeln gleichen würde. "Wohl meist gegen die Zeit des Erwachens können psychische Thätigkeiten in Form der Träume, jedoch in einer , von den normalen psychischen Processen abweichenden Weise, wieder anheben. Sie umfassen entweder Empfindungen, denen Traun. die objective Ursache fehlt (also Hallucinationen sind), oder meist nicht zur Aus- führung kommende Willensäusserungen , oder Gedankenbildungen , denen zumeist die gesunde Logik des Denkprocesses im wachen Zustande abgeht. Oft , zumal gegen die Zeit des Aufwachens , verweben sich mit den Traumgebilden wirklich statthabende Reize, welche die verschiedenen Sinnesorgane treffen können. — Die verminderte Thätigkeit des Herzens (§. 75. 3- c), der Athmung (§. 133- 4). der Magen- und Darmbewegungen (§. 163), der "Wärmebildung (§. 214. 4), der Secretionen zeigt eine Herabsetzung der Thätigkeiten der betreffenden Nerven- centra , die verminderte Reflexthätigkeit eine solche des Rückenmarkes an. Die Pupillen sind im Schlafe um so enger, je tiefer er ist, so dass sie im tiefsten Schlafe durch Lichteinfall nicht noch enger werden können. Auf sensible oder akustische Reize erweitern sich dieselben, und zwar um so mehr, je weniger tief der Schlaf ist ; im Augenblicke des Erwachens nehmen sie die grösste "Weite an fPlotke). Es scheint im Schlafe weiterhin ein Reizzustand des Centralorganes zu bestehen, durch den eine vermehrte Action gewisser Schliessmuskeln , wie des Irissphincters und des Lidschlusses, bewirkt wird (Rosenbach), — Die Festig- keit des Schlafes lässt sich prüfen durch Bestimmung einer Schallintensität, welche zum Aufwecken eben hinreicht. So fand Kohlschiitter, dass der Schlaf sich anfangs sehr schnell, dann langsamer vertieft, nach einer Stunde (nach Mb'nmng- hoff & Priesbergen nach 13'4 Stunden) das Maximum erreicht, dann sich anfangs schneller, dann langsamer wieder verflacht und schliesslich mehrere Stunden vor dem Aufwachen in fast gleicher, sehr geringer Tiefe verharrt. Aeussere oder innere Reize vermögen die Tiefe plötzlich zu verringern, doch folgen dann wieder neue Vertiefungen. Je tiefer der Schlaf ist, um so länger dauert er. Die Ursache des Schlafes — ist der Verbrauch der Spannkräfte in den Nerven, zumal in den Centralorganen, der einen Ersatz nöthig macht. Vielleicht 826 Psychische Functionen des Grosshirns. [§• 376.] wirken Ansammlungen von Zersetzungsproducten im Körper (? milchsaure Salze, Preyerj Schlaf erregend. Möglichstes Fernhalten aller Sinnesreize befördert den Eintritt. Der Schlaf lässt sich willkürlich nicht auf die Dauer fernhalten, noch sich unterbrechen. Merkwürdig ist die Schlaf erregende Kraft vieler Narcotica. Hypnotismus. Hypnotismus. — Im Anschlüsse au den Schlaf seien hier die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen über den Hypnotismus oder thierischen Magnetismus angefügt, welche die Untersuchungen von Weinhold, Heidenhain, Grützner, Berger u. A. aufgedeckt haben. Als Ursache dieses Zustandes ver- Wesen niuthet Heidenhain eine Thätigkeitshemmung der Ganglienzellen der desselben. Grosshirnrinde, welche herbeigeführt wird durch schwache anhaltende Keizung des Antlitzes (leises Bestreichen, schwache elektrische Ströme), oder der Sehnerven (Hinstieren auf einen glänzenden Knopf) , oder der Hörnerven (gleichmässige Geräusche). Starke und plötzliche Erregung derselben Nerven hebt den Zustand schnell wieder auf, namentlich das Anblasen des Gesichtes. Berger legt ein entschiedenes Gewicht auf das psychologische Moment der künstlich erregten und auf bestimmte Körpertheile dirigirten Vorstellung und Aufmerksamkeit. Auch Schneider glaubt, dass die abnorm einseitige Bewusstseinsconcentration auf den Act des Hypnotisirens die Ursache der Erscheinung abgebe. Das erstmalige Ver- setzen eines Menschen in diesen Zustand gelingt am schwierigsten, und es scheint namentlich hierfür ein langes Fixiren eines glänzenden Gegenstandes (das schon Braid 1841 zur Erzeugung eines anästhetischen Zustandes empfohlen hatte) von Belang; doch ist das Vermögen, hypnotisch zu werden, individuell sehr verschieden. Bei wiederholt Hypnotisirten kann der Zustand oft äusserst leicht eintreten, z. B. durch einen einfachen Druck gegen die Stirn , durch passives Versetzen in eine bestimmte Stellung, durch Streichen ; ja bei Einigen genügt die blosse Vorstellung vom Herannahen des Zustandes, um ihn zu erzeugen , wie schon Cardamis (1553) es an sich selbst vermocht hat. Der Hypnotisirte vermag zuerst die ihm zugedrückten Lider nicht mehr zu öffnen. Es zeigt sich dann Krampf des Accommodationsapparates im Auge, die Breite der Accommodation ist verkürzt, abweichende Augenstellungen werden beobachtet: dann zeigen sich Reizerscheinungen im Bereiche sympathischer, aus dem verlängerten Marke entspringender Nerven : Erweiterung der Lidspalte und der Pupillen, Exophthalmus, Beschleunigung der Respiration und des Pulses. In einem gewissen Stadium lässt sich mitunter auch eine bedeutende Verfeinerung der Sinnesfunctionen nachweisen, ebenso des Muskelgefühles (Berger). "Weiterhin kann Analgesie bei Fortbestehen der Berührungsempfindung und Verlust des Geschmackes eintreten , schwieriger schwindet der Temperatursinn , noch später wird der Gesichtssinn, der Geruch und das Gehör afficirt. Die, auf die Sinnes- organe einwirkenden Reize vermitteln wegen der Suspension des Bewusstseins keine bewussten sinnlichen "Wahrnehmungen mehr. Dabei können aber dennoch die Reizungen der Sinnesorgane Bewegungen der Hypnotisirten zur Folge haben : unbewusste Handlungen, die gleichsam willkürlich nachgemacht erscheinen. So ist es zu erklären, dass der Hypnotisirte selbst thörichte Handlungen „auf Befehl" auszuführen scheint, während er nur vom Experimentator vorgemachte Bewegungen nachahmt, ohne sich der Bedeutung seiner Handlungen bewusst zu sein. — Bei Individuen mit hochgesteigerter Reflexerregbarkeit können willkür- liche Bewegungen Reflexkrämpfe erregen , z. B. Unvermögen geordneter Sprach- bewegungen. Typendes Nach Grützner giebt es mehrere Grund typen des Hypnotismus: — Hypnotismus. ^ ruhiger Schlaf, wobei noch "Worte verstanden werden, besonders bei Mädchen vorkommend ; ■ — 2. es weiden in Folge gesteigerter Reflexerregbarkeit der quergestreiften Muskeln (die Tage lang anhalten kann) Muskelgruppen in Spannung versetzt, besonders bei kräftigen Leuten; zugleich kann Ataxie auftreten, und können die Muskeln ihren Dienst versagen. Hypnotisirte lassen sich in Stellungen aller Art bringen (künstliche Katalepsie). Im Stadium der Lethargie Hysterischer sind mitunter die Sehnenreflexe gesteigert ; zugleich ver- fallen die Muskeln in Contractur, sobald man sie selbst oder ihre Nerven drückt. Nerv und Muskel zeigen im kataleptischen Stadium eine erhöhte Erregbarkeit dem constanten und eine herabgesetzte dem faradischen Strome gegenüber (Tereg). In der hysterischen Katalepsie sind die Sehnenreflexe oft ganz geschwunden (Charcot &f Richer). — 3. Die Befehlsautonomie, d.h. die Hypnotisirten leisten (zunächst bei noch erhaltenem Bewusstsein) Gehorsam bei verflachtem [§•376.] Die motorischen Rindeneentra des Grosshirns. 827 Schlafe. Beim Anfassen bei der Hand oder Streichen über den Kopf führen sie willenlos Bewegungen aus : Umherlaufen, Tanzen, Reiten auf einem Stuhle u. dgl. Eigenartig sind noch die "Wirkungen der sogenannten Suggestion, d. h. es lassen sich bei den Hypnotisirten durch Zureden Vorstellungen erwecken und einprägen, welche selbst für längere Zeit hin die Antriebe und Empfindungen des Individuums beherrschen. — 4. Hai luci nat ionen treten, und zwar nur bei einigen Individuen, auf, beim allmählichen Erwachen aus tiefem Schlafe; die Hallucinationen (meist Feuererscheinungen und Geruchsempfindungen) werden gemüthlich sehr tief empfunden, sowohl die angenehmen, als auch die schrecken- erregenden , die oft noch in Träumen wiederkehren. — 5. Selten ist das Nach- ahmen : grobe Bewegungen (wie Gehen) werden leicht imitirt, feinere oder selbst feinste kommen, zumal bei Ungebildeten, seltener vor. Die „Echo spräche" wird durch Druck auf den Nacken , Sprechen in den Rachen, gegen die Magen- grube und gegen den Nacken hervorgerufen. — Druck über dem rechten Augen- bogen benimmt oft die Sprache. Die Farbenempfindung wird aufgehoben oder gestört durch Auflegen der warmen Hand auf's Auge, oder durch Streichen über die entgegengesetzte Kopfseite (CohnJ. — Streichen nach der, der früheren Strichrichtung entgegengesetzten, hebt die Steifigkeit der Glieder und den Schlaf allmählich wieder auf, Anblasen hingegen momentan. Geisteskranke sind ebenso hypnotisirbar, wie Gesunde. — Unangenehme Störungen kommen nur bei Ueber- treibung der Versuche vor , wenn man sie etwa 1 — 2 Wochen täglich hinterein- ander mit derselben Person vornimmt: diese verfällt alsdann leicht von selbst in Hypnotismus und Katalepsie. Hypnotische Zustände lassen sich auch bei T liieren erzeugen: Hühner Hypnotismus verharren in starrer Position , wenn man ihnen plötzlich einen Gegenstand vor bei Thieren. das Auge rückt, oder ihnen einen Strohhalm über den Schnabel legt, oder einen Kreidestrich von dem, auf die Erde geduckten Kopfe hinzieht (Ä^VrA^VExperimentum mirabile, 1644). Vögel, Kaninchen, Frösche bleiben regungslos liegen, wenn man sie eine Zeit hindurch durch leisen Druck auf dem Rücken liegend fixirt hat ; Krebse stehen auf der Spitze des Kopfes nebst den beiden Scheerenspitzen. Therapeutisch kann der Hypnotismus bei Farbenblindheit, Schlaf- losigkeit, hysterischen Krämpfen und psychischen Aufregungen Verwendung finden ; auch die Wirkung der Suggestion kann von Belang sein. 377. Die motorischen Kindencentra des Grosshirns. Fritsch & Hitzig entdeckten (1870) auf der Oberfläche der Windungen des Grosshirns eine Anzahl circumscripter Regionen, deren elektrische Reizung Bewegungen in ganz bestimmten Muskelgruppen der entgegengesetzten Körperseite hervor- ruft (Fig. 235. I. II). Methode: — Auf die entblössten Gyri des Grosshirns (Hund, Affe) applicirt man entweder dicht neben einander ein stumpfes, unpolarisirbares (§. 330) Elek- trodenpaar und reizt entweder durch Schliessung, Oeff'nung oder Wendung eines constanten Stromes (dessen Stärke eine deutliche Empfindung an der Zungeu- spitze hervorruft) [Fritsch ö° Hitzig j, oder man bedient sich des inducirten Stromes , dessen Stärke eine leicht erträgliehe Reizung an der Zungenspitze bewirkt (FerrierJ. — Das Grosshirn ist gegen schmerzhafte Ein- griffe völlig unempfindlich. Wir müssen die Stellen der Hirnrinde, deren Reizung die ^har/^tfr charakteristischen Bewegungen auslöst, als wirkliche Centra betrachten, was schon daraus hervorgeht, dass die Reaktionszeit nach Reizung der Centra und die Dauer der Muskeleontraction länger ausfällt, als wenn die subcorticalen, von den Centren in die Tiefe ziehenden, leitenden Fasern gereizt werden. Ferner spricht hierfür der Umstand, dass die Erregbarkeit der besagten Stellen durch Reizung centripetalleitender Nerven modilicirt werden kann (Bubnoff & Heidenhain). Wahrscheinlich sind es der Centra. 828 Die motorischen Rindencentra des Grosshirns. [§. 377-] diese Centra, auf welche der Wille bei Ausführung intendirter Bewegungen einwirkt. Daher habe ich sie als — „psychomo- torische Centra" — bezeichnet. Als Centrum giebtsich die motorische Zone des Gehirns (Hund, Katze, Schaf) auch durch das Vorhandensein besonderer, grosser Pyramidenzellen zu erkennen (Betz, Merzejewski, Bevan Lewis, Obersteiner) . Es giebt Thiere, welche mit vollständig ausgebildeten Bewegungs- (und Sinnes-) Functionen geboren werden (Rind, Pferd) : bei diesen sind die motorischen Rindencentra der Neugeborenen bereits reiz- bar (Bechterew) . Bei solchen Thieren jedoch , welche mit unvoll- ständiger Bewegungs- und Sinnesfun ction geboren werden (Hund, Kaninchen), fehlt die Reizbarkeit der Rinde; bei diesen sind nur die tieferen Stabkranzfasern reizbar (Soltmann). Analog mag sich der Mensch verhalten. Unerreghar- Im Znstande tiefer Chloroform-, Aether-, Chloral-, Alkohol-, Absynth-, hext der Canabin- (Danillo) oder Morphin-Narkose . ferner in der Apnoe und Asphyxie wird die Reizbarkeit der Centra aufgehoben (Schiff), während die subcorticalen Leitungen noch reizbar bleiben (Bubnoff & Heidenhain). Schwache Dosen jener Gifte, sowie von Atropin steigern zuerst die Reizbarkeit der Centra. Auch massige Blutverluste wirken erregend , starke schwächen und vernichten endlich die Er- regbarkeit (Munk <5f OrschanskyJ. Ersteres vermögen auch leichte Entzündungs- zustände , letzteres Abkühlung der Hirnrinde (Frangois Franck 6° Pures), oder Bepinselung mit Cocain (Tumass). — Wird bei Thieren die Rinde entfernt, so erlischt die Erregbarkeit der Stabkranzfasern völlig gegen den 4. Tag, gerade so wie die eines peripheren Nerven, der von seinem Centrum abgetrennt ist f Alber- toni, Michieli, Dupuy, Franck 6° Pures). Die ausgehen- Da von der Hirnrinde aus die Fasern (Stabkranzfasern oder Projections- den system I. Ordnung) gegen das Centrum der Halbkugeln hinziehen, so ist es erklärlich, dass man auch nach Abtragung der Rinde, indem man dem Verlaufe der Nervenfasern in die Tiefe der Halbkugeln hinein folgt (Gliky &* Eckhard), durch deren Reizung denselben motorischen Effect erzielen kann. Denn es wird ja hierdurch nur die Reizung an eine tiefere Stelle der motorischen Leitung applicirt. Dringt man so in die Tiefe fortschreitend endlich mit dem Reize bis zur Capsula interna vor, wo die Leitungsfasern dicht zusammen liegen, so werden allgemeine Contractionen der contralateralen Muskeln beobachtet. zeitliche Ver- Zeitliche Verhältnisse der Reizung. — Nach Franck & Pures verstreicht häitnisse der zwiscüen dem Momente der Reizung der Hirnrinde und der Bewegung (nach nach Mnden- Abzug der latenten Muskelreizung und der Leitungszeit durch Rückenmark und reizung. Extremitätennerv) 0,045 Secunde. Bubnoff 6° Heidenhain fanden, dass in mittel- starker Morphin-Narkose mit zunehmender Stärke des reizenden Stromes die Zuckung grösser und die Reactionszeit kürzer wird. Nach Wegnahme der Rinde verminderte sich die Totalverspätung des Zuckungseintrittes (nach beginnender Reizung der weissen Marksubstanz) um 1li — -lls- Die Form der Muskelzuckung (Zuckungscurve) ist länger, gedehnter, wenn die Rinde, als wenn die subcorticale Leitung gereizt wird. Befindet sich das Thier (Hund) im Zustande hochgradiger Reflexerregbarkeit, so fallen diese Unterschiede weg ; in beiden Fällen erfolgt die Zuckung sehr schnell (Bubnoff är Heidenhain). Bei sehr starker Reizung zucken auch noch die Muskeln derselben Seite, und zwar etwas später, als die der gekreuzten Seite. Wird gleichzeitig der motorische Punkt für das Vorder- und der für das Hinterbein gereizt, so zuckt letzteres später. — [Die Zeit, welche zur willkürlichen Hemmung einer vorhandenen Bewegung erforderlich ist, ist ungefähr gleich der Zeit für die willkürlich erregte Bewegung (Orschansky &• Gadj(\ — Wurde der Reiz 40mal in 1 Secunde auf einen motorischen Punkt angebracht, so contrahirten sich 40mal die betreffenden Muskeln in einzelnen Zuckungen ; — bei 46 Einzelreizen in 1 Secunde erfolgte eine andauernde Contraction. Es ist bei einem und demselben Thier zur Hervorbringung einer Dauercontraction dieselbe Reizzahl nöthig, ob man das Rindencentrum, oder den motorischen Nerv, oder gar den Muskel reizt. Bei ganz schwachen Reizen beobachtet man das Phänomen [§• 377.] Die motorischen Rindeneentra des Grosshirns. 829 der „Summation der Reize", indem erst nach Verlauf einiger, anfangs un- wirksamer Reize die Mnskelcontractionen beginnen. Fig. 235. 1 Grosshirn des Hundes von Oben, II von der Seite: I II III IV die vier Urwiudungen, — S der Sulcus cruciatus, — P die Fossa Sylvii, — o Bulbus olfactorius, — p N. opticus. — l Motorischer Punkt für die Nackenmuskeln, — 2 Extensoren und Abductoren des V orderbeines, — 3 Flexoren und Rotatoren des Vorderbeines, — -Jdie Muskeln des Hinterbeines, — 6 den Facialis, — 6 laterale wedelnde Schwanzbewegung, — 7 Retraction und Abduction des Vorderbeines, — 8 Erheben der Schulter und Extension des Vorderbeines (Schreitbewegung), — 9. »Orbicularis palpebrarum, Zygomaticus, Lidschluss. — // a . a Retraction und Elevation des Mundwinkels, b Mundöffnung und Zungenbewegung (Mundcentrum), — cc Platysma, — d Oeffnen des Auges. — it Die thermisch wirksame Region nach ßuienburg und Landois. — Fig. III Grosshirn des Kaninchens von Oben: — IV Gehirn der Taube von Oben; — 7 Gehirn des Frosches von Oben; — vi Ge- hirn des Karpfen von Oben : (in allen diesen ist o Bulbus olfactorius, — i Gross- hirn, — 2 Lobus opticus, — 3 Kleinhirn, — t verlängertes Mark.) Die Lage der motorischen Centra — lässt sich für das Gehirn des Hundes aus Fig. 235. I und II erkennen. Zur Orientirung sei bemerkt, dass Die Primär- furchen und ürwindungen des Hunde- gehirns. 830 Die motorischen Eindencentra des Grosshirns. [§.. 377.] die Oberfläche des Grosshirns beim Hunde zwei „primäre Furchen" trägt: den Sulcus cruciatus (Leuret) (S), welcher den, die Halbkugeln trennenden Sulcus longitudinalis etwa im Bereiche des vorderen Drittels fast rechtwinkelig schneidet. — Die zweite primäre Furche ist die Fossa Sylvii (F). Vier „Urwindunge n" sind in einer bestimmten Lage zu diesen Primärfurchen an- geordnet. Die I. Urwindung (I) umzieht stark knieförmig gebogen die scharf einschneidende Fossa Sylvii (F). Die II. Urwindung (II) läuft der ersten ziemlich parallel. Die IV. Urwindung grenzt in der Medianlinie an die der anderen Seite ; sie umzieht vom den Sulcus cruciatus (S), so dass der, vor demselben liegende Theil desselben als Gyrus praecruciatus deutlich von dem , hinter demselben belegenen Gyrus postcruciatus unterschieden werden kann. Die Ell. Urwindung (III) endlich hat einen im Ganzen der vierten parallelen Verlauf. In Fig. 235, I und II sind die Stellen der motorischen Centra [deren Lage übrigens etwas variiren und sogar auf beiden Seiten etwas ver- schieden sein kann (Luciani & Tamburhii, Paneth u. A.)] in die Urwindungen eingetragen und durch Punkte bezeichnet. Es sei jedoch bemerkt, dass die einzelnen Centra nicht etwa nur eine punktförmige Ausdehnung haben, sondern dass sie. je nach der Grösse des Thieres , erbsengrosse Regionen und darüber darstellen, deren Mittelpunkte durch die schwarzen Punkte unserer Abbildung bezeichnet sind. Die Lage der Fvitsch und Hitzig haben (1870) die folgenden motorischen m°cmtra*n Centra ermittelt: — 1. ist das Centrum für die Nack enmuskeln, — 2. das für die Extensoren und Adductoren des Vorderbeines, — .3. das für die Beugung und Rotation des Vorderbeines, — 4. für die Bewegung des Hinterbeines (das Luciani & Tamburini noch in zwei antagonistisch wirksame Stellen zerlegen konnten), — 5. das für die Gesichtsmuskeln, oder das Facialiscentrum (nach diesen Forschern oft über 0,5 Cmtr. im Durchmesser). — Ferrier hat (1873) noch die ferneren Centra aufgedeckt: — 6. für die laterale wedelnde Schwanz- bewegung, — 7. für die Retraction und Abduction des Vorder- beines, — 8. für die Erhebung der Schulter und Streckung des Vorder- beines (Schreitbewegung) ; — das Terrain 9, 9, 9 beherrscht die Be- wegungen des Orbicularis palpebrarum , des Zygomaticus (Lidschluss, dabei Aufwärtsbewegung des Bulbus und Verengerung der Pupille). Beim vorderen 9 liegt der Punkt für die Bewegungen der Zunge, zwischen dem vorderen 9 und dem mittleren 9 der für den Schluss der Kiefer. - Es hatte ferner die Reizung der Stellen aa (Fig. II) Retraction und Elevation des Mundwinkels unter theilweiser Mund- eröffnung zur Folge; — bei b sah Ferrier Oeffnung des Mundes unter Ausstreckung und Zurückziehung der Zunge (bilaterale Wirkung!), wobei der Hund nicht selten bellende Laute von sich gab; er nennt diese Stelle „Mundcentrum". — Bei cc bewirkt die Reizung Retraction des Mundwinkels durch das Platysma , — bei c x Hebung des Mundwinkels und der Gesichtshälfte bis zum Lidschluss (ähnlich wie bei 9). — Bei Reizung vom mittleren e erfolgt Oeffnung des Auges und Dilatation der Pupille, wobei Augen und Kopf nach der anderen Seite gewendet werden. — Nach H. Munk soll das Stirn- hirn auf die Haltung des Rumpfes von Einfluss sein ('? Goltz). Vom Gyrus postcruciatus aus contrahiren sich auch die Dammmuskeln (Landois). Reizung der vorderen, steil nach unten abfallenden Fläche des Gyrus praecruciatus bewirkt Bewegungen am Schlund- und Kehl- kopfe (H. Krause). Von einem bestimmten Punkte in der vorderen Hälfte desFusses der aufsteigenden Stirnwindung (Aft'e) sahen Semoii& Horsley Verengerung der Stimmritze (wie zur Phonation) bewirkt werden. [§. 377.] Die motorischen Rindencentra des Grosshirns. 831 Die Untersuchungen am Affen ergaben gleichfalls eine streng localisirte Lagerung der Centren. Die durch die (Inductions-) Reizung erzeugten Bewegungen erwiesen sich den willkürlichen ähnlich. Selten zieht sich nur ein Muskel zu- sammen, meist eine coordinirte Gruppe. Auch die Antagonisten gerathen mitunter in Thätigkeit, insofern der primären Bewegung die der Antagonisten folgen kann. Die Contraction zeigt einen Oscillationsrhythmus von 10 — 15 in 1 Seainde (Vgl. pg. 599) (E. A. Schäfer . Bei stärkerer Reizung — können mit den Muskeln Doppelseitiger der gekreuzten Seite auch [durch Querleitung im Rückenmarke veranlasst (Lewaschew)\ die d e r s e 1 b e n sich mitbewegen. Jene Muskeln, welche gewöhnlich (Kaumuskeln) oder immer (Augen-. Damm- . Larynx- , Zungen-, Mund-Muskeln ) zugleich bewegt werden , scheinen ein Centrum nicht nur in der gekreuzten, sondern zugleich auch in der gleichseitigen Hemisphäre zu be- sitzen (Hitzig, Exner). Luciani sah Bewegungen in den Extremitäten eintreten, als er die betreffenden Stellen mechanisch durch Schaben reizte. Von grosser, praktisch-diagnostischer Bedeutung ist die Frage, ob nicht durch Reizung, in Folge localer Erkrankung ('Entzündung. Tumoren, degenerative Reizung u. dgl.) der mo- torischen Stellen im Hirne des Menschen Bewegungen hervor- gerufen werden können. HugJüings- Jackson bejaht diese Frage cerebrale und erklärt so das Auftreten einseitig localisirter, epilepti- piepsie former Krämpfe, die auch Ferner und ich bei entzündlicher Reizung sahen. Durch stärkere Reizung der motorischen Regionen lässt sich ein vollständiger, allgemein convulsivischer . ,.epilep- tischer Anfall-' bei Hunden erzeugen. Derselbe beginnt mit Zuckungen in der speciell zugehörigen Muskelgruppe (Ferrier, Eulenburg 6° Landois , Alberloni , Luciani &* Tamburini . geht dann, auf das correspondirende Glied der anderen Seite und erschüttert in anfangs clonischen, dann in tonischen , und endlich wieder in clonischen Krämpfen die gesammte Körpermuskulatur. Oberhalb der Capsula interna genügen oft schwache Reize zur Erzeugung dieser Epilepsie. Man sah auch die andere Körperseite erst dann in Krämpfe gerathen, und zwar von unten auf , nachdem an der primären die Zuckungen überall vorhanden waren. Die Krampferregung geht von Centrum zu Centrum , nie wird eine zwischenliegende motorische Region übersprungen (Unverrichti. Nach einem ersten derartigen Anfall reicht oft die leiseste Er- regung aus zur Hervorbringung neuer epileptischer Anfälle (vgl. §. 375). — Während des Anfalls ist die Circulation im Gehirn beschleunigt (Gärtner 6fi y, Wagner). Auch Reizung der subcort icalen , weissen Substanz erzeugt allgemeine Convulsionen, welche jedoch in den Muskeln d er selb en Seite beginnen Bubnoff &•> Heidenhain). Diese Zuckungen entstehen wohl durch Stromschleifen, welche bis in die Oblongata (§. 375) vordringen. Sind gewisse motorische Punkte exstirpirt, so kann beim epileptischen Anfall der Krampf in den , von diesen Punkten beherrschten Muskeln fehlen (Luciani . Abtrennung der motorischen Rindenpunkte durch flachen Schnitt hat während eines Anfalles die Coupirung dieses letzteren zur Folge Munk . Bei kurzem Bestehen eines epileptischen Anfalles gelingt es nicht selten , durch Ex- stärpation des Rindencentrums einer Extremität diese allein auszuschalten, während der übrige Körper von Krämpfen erschüttert bleibt. Anhaltende Darreichung von Bromkalium verhindert die Möglichkeit, durch Rindenreizung Epilepsie zu erzeugen. Von ganz besonderem Interesse sind hier die chemischen Reizungen. Als ich die motorischen Regionen mit einer Anzahl 832 Die motorischen Rindencentra des Grosshirns. [§. 377.] chemische von Stoffen, welche im Harne vorkommen (z. B. Kreatin, Krea- Bce^traunl tinin, saures phosphorsaures Kalium, Uratsediment aus Menschen- seizung durch -\1SiYne u a/) bestreute, sah ich ausgeprägte eklamptische Krankheits- ,, ,.■,,.•■ N ,~, -i ° r ? ■/■ , . Ursachen, (klonisch-tonische) Konvulsionen auftreten , welche sich längere Zeit spontan wiederholen, und denen tiefes C o m a (Hund) nachfolgt. Ich stehe nicht an. die urämischen Convulsionen beim Menschen diesen Versuchen gleich zu stellen (§. 279). Auch die sensoriellen Centren werden hierdurch afficirt, namentlich leidet das Sehvermögen. Exstirpation Die Exstirpation der motorischen Centra — motorischen h&t charakteristische Störungen der Bewegung in den betreffenden centra. contralateralen Muskeln zur Folge. Wie andere Forscher, sah ich beim Hunde nach Zerstörung der motorischen Punkte für die Extremitäten die letzteren kraftlos und ungeschickt sich bewegen (falsches Aufsetzen des Fusses, Ausgleiten, Umknicken, Nachziehen desselben). Während einige Forscher diese Er- scheinungen stets nur als vorübergehende bezeichnen, habe ich sie auch Monate hindurch beobachten können. Namentlich bleiben bei Hunden die Pfoten für alle diejenigen Bewegungen gelähmt, bei denen sie gewissermaassen als Hände gebraucht werden (Goltz), welche also mehr auf einer Anerziehung beruhen. Im weiteren Verlaufe entarten abwärts die Pyramidenbahnen (der willkürlichen Bewegungen §. 367), und bei Affen sah man Abmagerung der entsprechenden zugehörigen Muskeln eintreten (Schiff). Je höher in der Entwickelung der Intelligenz die Thiere stehen und um- somehr sie ihre Bewegungen haben erlernen und nach und nach unter die Herr- schaft des Willens unterordnen müssen, um so intensiver und nachhaltiger sind die Bewegungsstörungen nach Destruction der corticalen, psychomotorischen Centra. Während bei den niederen Vertebraten einschliesslich der Vögel die Exstirpation der ganzen Hemisphären die Bewegungen nicht ersichtlich stört, und die geord- neten Reflexe für die letzteren völlig ausreichen, hat schon beim Hunde zuweilen die Exstirpation einzelner motorischer Centra ersichtliche dauernde Störungen der Motilität zur Folge, welche bei Affen und Menschen (§. 380) so intensiv und langdauernd werden (Ferrier). Erklärung Hitzig leitet die Bewegungsstörungen nach Entfernung der motorischen der Centren von dem Verluste des „Muskelbewus stseins" ab. Nach Schiff ist Störungen durch die Zerstörung der motorischen Rindencentra allein das Tastgefühl auf- näch gehoben, welches sich niemals wieder ersetzt. Die absteigende Degeneration der Exstirpation Pyramidenbahn im Seitenstrange tritt nach Schiff auch ein nach Durchschneidung motorischen der hinteren Hälfte des Halsmarkes (die atactisch macht), oder auch nach blosser Centra. Durchschneidung des hinteren Theiles der Seitenstränge. Hatte er letztere durch- schnitten , so liess sich (nach eingetretener Entartung) von der Hirnrinde aus keine Bewegung mehr erzielen. Die Hinterstränge mit ihrer Fortsetzung in's Gehirn geben also den Anreiz zur Zuckung (aufsteigender Schenkel des cere- bralen Tastreflexes , welche weiterhin durch die Pyramidenbahnen (absteigender Reflexschenkel) zur Ausführung kommt. Dazwischen liegen (tiefer im Gehirn) die Centra der Tastempfindung. Bei der Reizung der Hirnrinde (motorisches Feld) wird somit nach Schiff kein motorisches Centrum , überhaupt kein Rinden- centrum gereizt, sondern nur die sensiblen Bahnen jenes Reflexbogens (als Fortsetzungen der Hinterstränge) : die Bewegungen nach Reizungen der motorischen Punkte sind Reflexbewegungen. Die Centra liegen tiefer im Inneren des Hirns. So sollen nach Schiff' s Vorstellung auch die willkürlichen Bewegungen lediglich Reflexbewegungen sein, angeregt durch eine Combination bewusster Em- pfindungen, von welcher die Vorstellung der entsprechenden Bewegung selbst ein [§. 377.] Die motorischen Rindencentra des Grosshirns. 833 Glied ist. Dieser Vorstellung wird aber durch den Mangel des Tastgefühls eine Stütze geraubt. Ich sah (1876) bei einem Hunde, welchem ich beiderseitig die moto- rischen Centren für die Extremitäten zerstört hatte, eine Störung in den willkürlichen Bewegungen, welche ich zuerst als „cerebrale Ataxie" bezeichnet habe, d. h. das Thier war nicht im Stande, geordnete Bewegungen behufs Gehens, Stehens etc. auszuführen. Ich glaube annehmen zu müssen, dass die corticalen Cen- tren sowohl die directen motorischen Angriffspunkte des Willens sind, als auch, dass in ihnen das bewusste Gefühl der jeweiligen Muskelcontraction localisirt ist. Die Erregbarkeit der motorischen Centra — kann Beeinflussung erheblich beeinflusst werden: Reizung sensibler Nerven barkeif dämpft sie, indem sie die Zuckungscurve der Muskeln erniedrigt des Centrums- und dehnt unter gleichzeitiger Verlängerung der Reactionszeit. Nur, wenn bei zu heftigen sensiblen Reizungen lebhafte refl.ee- torische Muskelzuckungen auftreten , erscheint die Erregbarkeit der Rindencentra gesteigert. — Besonders merkwürdig ist die Thatsache . dass in einem gewissen Stadium der Morphium- narkose ein für die Auslösung einer Zuckung noch zu schwacher Reiz sofort kräftig wirksam wird , wenn kurz vor seiner Einwirkung auf die Rindencentra die Haut gewisser Körperstellen einer nur leichten tactilen Reizung ausgesetzt wird. Die Zuckungen werden bei starkem Druck auf die Pfote tonischer Natur, so dass alle Reize, welche im Normal- zustande in den Centren nur schnell vorübergehende Erregungen hervorrufen , nun dauernd erregend wirken. Wenn man nun während der tonischen Contraction leise über die Haut des Pfotenrückens streicht, das Gesicht anbläst, leise die Nase schlägt, ruft, oder den Ischiadicus reizt, so tritt plötzlich wieder Erschlaffung der Muskeln ein. Diese Erscheinungen erinnern an die analogen Beobachtungen an Hj^pnotisirten (§. 376). Ueberraschend ist die ferner ermittelte Thatsache , dass, wenn durch Reflexanregung oder durch stärkere elektrische Reizung des Rindencentrums Contractur der betreffenden Muskeln hervorgerufen worden war, dass alsdann schwache Reizung desselben Centrums, aber auch beliebiger anderer Rindenregionen die Bewegung unterdrückte ! Es findet sich also die eigenthüm- liche Erscheinung, dass Reizung derselben Rindenstelle, je nach der Intensität des angewandten Stromes, Erregung des motorischen Apparates hervorruft, oder eine vorhandene Erregung hemmt (Bubnoff &■ HeidenJiain). 378. Die sensoriellen Rindencentra, Die Untersuchungen von Ferrier und H. Munk haben er- Charakter geben, dass sich auf bestimmten Stellen der Grosshirnrinde Bezirke befinden, an denen sich der Act der bewussten sinnlichen Wahrnehmung vollzieht. Diese Felder stehen durch Faserzüge mit den Sinnesnerven in Verbindung ; sie können als sensorielle Rindencentra oder als ..psycho sensorielle Centra" bezeichnet werden. — Totale Zerstörung eines L a n d o i s , Physiologie. 7. Aufl. 53 834 Die sensoriellen Rindencentra. [§•378.] Zerstörung solchen Centrums hebt die bewusste Empfindung des be- treffenden Sinneswerkzeuges auf. Bei partieller Verstümmelung derselben kann die Mechanik der Sinnesthätigkeit intact bleiben, allein „es fehlt das geistige Band". Ein Hund mit so verletzten Centren sieht zwar, hört und riecht, allein er weiss nicht mehr, was er sieht, hört und riecht. Die Centra sind gewissermaassen die Aufbewahrungsorte der gemachten Sinneserfahrungen. — und Beizung Reizungen dieser Stellen können zu Bewegungen Veranlassung geben, wie solche auftreten , wenn plötzliche , intensive Sinnes- empfindungen entstehen. Diese Bewegungen sind daher als reflectorische , zum Theil als ausgebreitete , wohlgeordnete re- flektorische zu bezeichnen und dürfen in keiner Weise mit den Bewegungen confundirt werden, welche als direct erregte in der Centra. Fig. 236. |k Nacken Das corticale Sehcentrum. Da« psychooptische und psychoakustische Centrum und die r,Fühlsphäre" des Hundegehirns nach //. Munk. Folge der Reizung der motorischen Centra der Rinde sich zeigen. Hierher gehört auch die Erweiterung der Pupille und Lidspalte, sowie Seitwärtsbewegung der Bulbi (Unverricht). 1. Das psychooptische Centrum — oder die „Seh- sphäre" umfasst nach Munk die, mit „Sehen" bezeichnete Partie des Occipitalhirnes (Fig. 236) des Hundes. — Wird diese Region vollständig zerstört, so ist der Hund auf dem entgegengesetzten Auge dauernd fast total blind („rindenblind"). Wird jedoch nur jene centralere (kreisförmig schattirte) Partie allein zerstört , so zeigt sich Wegfall der bewussten Gesichtsempfindung der entgegen- gesetzten Seite, welcher als „Seelenblin dheit" (Munk) oder Amnestia optica bezeichnet werden kann. Merkwürdiger Weise kommt es nach einseitiger Zerstörung dieser Partie alsbald zu einer Compensation : es scheint, dass andere, benachbarte Rindengebiete |§.378.] Die sensoriellen Eindencentra. 835 der Sehsphäre die Function für das verletzte mit tibernehmen können. Hierbei zeigt sich, dass die Thiere mit dem afficirten Auge gewisser- maassen erst wieder sehen lernen mussten , wie iu der frühesten Jugend (Munk). Doppelseitige Zerstörung der ganzen Centra macht beiderseits total blind, die der centralen (schattirten | Theile allein beim Hunde beiderseits seelenblind. Mauthner leugnet die Seelenblindheit und glaubt, dass nach Zerstörung der Mitte des Sehcentrums der Hund deshalb die Objeete mit dem eontralateralen Auge nicht erkenne, weil das, jetzt nur allein noch mögliche indirecte Sehen (mittels der Peripherie der Retina) keine deutlichen Netzhautbilder mehr liefere. Munk ermittelte (beim Hunde) ferner, dass beide Netzhäute Verknüpfung mit je einem psychooptischen Rindencentrum in Verbindung stehen. Netaauten. und zwar so, dass eine jede Retina zum gross ten Theile mit dem gekreuzten Rindencentrum zusammenhängt, und nur mit der äussersten lateralen Randpartie mit dem Centrum derselbe n Seite. Denkt man sich die Fläche e i n e r Netzhaut auf die Centra projicirt, so steht der äusserste Rand der ersteren mit dem Centrum derselben Seite in Connex, — der innere Rand der Retina mit dem inneren Bezirke des gekreuzten Centrums , der obere Randtheil mit dem vorderen Bezirke und der untere Randtheil der Netzhaut mit dem läuteren Bezirke ebenfalls des g ekre u z ten Centrums. Die (schattirte) Mitte des Centrums entspricht der Stelle des directen Sehens der Netzhaut der gegenüberliegenden Seite. Reizung des Sehcentrums bewirkt beim Hunde Bewegungen beider Augen nach der anderen Seite hin, zuweilen mit gleichartiger Kopfbewegung und Verengerung der Pupillen. Wird neugeborenen Hunden ein Auge ausgeschnitten, so zeigt sich nach Monaten das contralaterale psychooptische Centrum weniger entwickelt (Munk). — Nach Exstirpation der Seh- sphäre bei jungen Thieren werden das Corpus geniculatum externum, das Pulvinar (Fig. 220) , der vordere Zweihügel atrophisch (neben Entartung der Fühlsphäre des Auges, Fig. 236), in späterer Zeit auch der Tractus und Nervus opticus (v. Monakow). Die Lage des Sehcentrums ist von verschiedenen Forschern in wechselnder Abweichende Weise begrenzt. Nach Ferrier liegt es beim Hunde in der mit e e e (Fig. 235) ^sieMm. bezeichneten Region des Occipitaltheiles der III. Unvindung, nach seinen neueren Angaben im Occipitallappen und Gyrus angularis. Nach Luciani umgreift neben dem Occipital- auch noch der Parietal-Lappen (Hund, Affe) das Sehfeld. Auch leugnet er die präcise Projektion der Retina auf die Hirnrinde: beide Optici stehen vielmehr in Verbindung mit allen Partien der Occipito-Parietalregion. Ueberdies ist er der Meinung, dass die Gesichtsbilder in der Rinde nur psychisch verarbeitet werden, dass sie aber im Corpus quadri- geminum entstünden, da er seihst nach ausgedehntester bilateraler Zerstörung der Occipito-Parietalregionen nur Seelenblindheit , nicht aber dauernde wirkliehe Blindheit anerkennen will. Schon vordem behauptete Christiani , dass des Gross- hirns beraubte Kaninchen im Laufen noch Hindernissen ausweichen, weil sie solche noch mit den Augen wahrnehmen. Es würden also in solchen Thieren optische Eindrücke noch zweckmässig verwerthet. und zwar so, dass die optischen Eindrücke auf das im Sehhügel belegene Hauptrenex- und Coordinations-Centrum so einwirken, dass die Thiere zu zweckmässigen Reflexbewegungen gelangen, Das bewusste Sehen ist also dahin, die vom Sehapparate angeregten coordinirten Reflexthätigkeiten sind jedoch erhalten. Beim Affen liegt das Centrum auf der Spitze des Okzipitallappens. Ein- Ver- seitige Zerstörung bewirkt Blindheit für die, auf Seite der Verletzung liegenden ?*«'«*««*»■ 53* 836 Die sensoriellen Bindencentra . [§. 378.] Hälften beider Netzhäute. — Bei Vögeln liegt die Sehsphäre in dem, vom Pedunculns aus nach oben und vorn sich erstreckenden , den Ventrikel bedecken- den Hirnrindentheil. Die Betina des gekreuzten Auges gehört zu einer Halbkugel, mit Ausnahme ihres hintersten Bezirkes, welcher der gleichseitigen Hemisphäre zugeordnet ist (JfuhkJ. — Beim Frosch liegt das Sehvermögen im Lobus opticus fBlaschkoJ, Frosch und Fisch sehen somit ohne Grosshirn. Das corticaie 2. Das psychoakustische Centrum — oder die „Hör- ' sphäre" liegt beim Hunde [an der mit f f f (Fig. 235, II) bezeichneten Region der 2. Urwindung (Ferrür)] , nach Munk in dem Schläfen- lappen, mit „Hören" bezeichnet (Fig. 236). Zerstörung der ganzen Region macht das contralaterale Ohr taub , die der mittleren schattirten Partie allein bewirkt „Seelentaubheit" (Munk) (Am- nestia acustica), d. h. das Wesen hat die Erinnerungsbilder der Gehörs- empfindungen verloren. — Reizung des Centrums hat eine Reaction zur Folge , die jenem raschen Stutzigwerden entspricht , das durch plötzliches, unverhofftes Getöse hervorgebracht wird. Dabei werden die Ohrmuscheln verschiedenartig bewegt (Ferrier). Auch hier gleichen sich die Störungen bei einseitiger Verletzung der mittleren Partie in einigen Wochen aus (wie beim psychooptischen Centrum) , so dass das Thier von Neuem hören lernen muss (Munk) • doppelseitige Zerstörung der mittleren Theile macht beiderseits seelentaub. So verstümmelte Hunde spitzen nicht mehr die Ohren nach Gehörs- eindrücken und sie gewöhnen sich das Bellen ab. Die vorderen Abschnitte der Hörsphäre scheinen zur Wahrnehmung hoher , die hinteren zur Perception tiefer Töne zu dienen (Munk). Nach ein- seitiger Vernichtung eines Ohres am neugeborenen Hunde sah Munk das contralaterale Centrum weniger entwickelt. Die Zerstörung der ganzen Regionen beiderseits macht dauernd taub (-stumm). — Ferrier wies das Centrum beim Affen , Kaninchen , Schakal und bei der Katze nach. Nach Luciani greift das Hörcentrum vom Schläfenlappen auf den Scheitel-, Stirn-Lappen , den Gyrus hippocampi und das Cornu Ammonis über. Jedes Ohr steht mit beiden Centren in Verbindung, jedoch am intensivsten mit dem ge- kreuzten. Nach beiderseitiger Totalexstirpation tritt nur Seelentaubheit ein. Das corticaie 3 in den G-yrus hippocampi verlegt Munk das Geruchs- Geruchs- und J x ±. . l ° . .. _. Geschmacks- centrum beim Hunde, — Ferner hingegen m den Gyrus uncmatus centrum. und dessen Umgebung (Fig. 235 II g) (jedoch bis dahin ohne zwin- genden Beweis) die Centren für den Geruch und Geschmack (psychoosmisches und psychogeusisches Centrum), welche er jedoch bis dahin nicht von einander abzugrenzen vermochte. Nach Luciani ist der Gyrus hippocampi und das Ammonshorn das Geruchs- centrum ; auch hier ist eine partielle Kreuzung anzunehmen, aber das nichtgekreuzte Bündel ist hier das stärkere. Auf Reizung dieser Stelle sah er bei Affen, Hunden, Katzen und Kaninchen Verdrehung der Lippen und theihveisen Verschluss des Nasenloches derselben Seite (§. 367, Schluss). — Nach Zuckerkand!, welcher auf vergleichend anatomische Thatsachen sich stützt, setzt sich der Ein denantheil des Geruchscentrums zusammen: aus dem centralen Ende und dem Stirnende des Lobus corporis callosi, aus dem Lobus hippocampi sammt dem Uncus, aus dem Ammonshorn einschliess- lich der Bandwindung (insbesondere der Fascia dentata), aus der Einde des Pedunculns olfactorius, aus der Einde der Lamina perforata anterior und aus dem Bulbus olfactorius. Da,s corticaie 4. Munk glaubt , dass die Hirnoberfläche im Bereiche der mo- centrum. torischen Centren zugleich „Fühl sphäre" — sei, d. h. dass sie [§• 378.] Das thermische Rindencentrum. 837 auch dem Tastgefühle, der Muskel- und Inner vations- Empfindungen der entgegengesetzten Seite diene. Es ist in Fig. 2 3 6 die Vertheilung der Gebiete für die einzelnen Körpertheile des Hundes eingezeichnet. Nach Verletzung dieser Gebiete findet man nämlich nach ihm diese Vermögen beeinträchtigt. Luciani verwirft jedoch eine so präcise Abgrenzung der einzelnen Regionen des Körpers. Nach Bechterew sollen beim Hunde die Centra für die Perception der Tastempfindungen, des Muskelsinnes und der Schmerzgefühle in der Nähe der motorischen Zone belegen sein : erstere unmittelbar nach hinten und aussen vom motorischen Felde, die anderen in der Gegend dicht über dem Anfang der Fossa Sylvii. Nach Schäfer ist die Exstirpation des Gyrus fornicatus von dauernder Herabsetzung der Sensibilität (beim Affen) gefolgt. 379. Das thermische Rindencentrum. Abweichende Ansicht von der Localisation in der Rinde. — Anderweitige Eindenfunctionen. Es ist A. Eulenburg und mir gelungen, auf der Oberfläche des Grosshirns des Hundes eine Stelle zu entdecken, von welcher aus ein unzweifelhafter Einfluss auf die Temperatur und Ge- fäss weite der contralateralen Extremitäten ausgeübt wird. Diese Stelle (Fig. 235, I t) umfasst im Allgemeinen die Gegend, an welcher zugleich die motorischen Centra für die Flexoren und Rotatoren des Vorderbeines (3) und für die Muskeln der Hinter- extremität (4) belegen sind. Die wirksamen Bezirke für Vorder- und Hinter-Bein sind räumlich von einander getrennt : der für das Vorderbein liegt etwas mehr nach vorn, dem lateralen Ende des Sulcus cruciaticus benachbart. Zerstörung dieser Gegend zieht Steigerung der Temperatur der contralateralen Extremitäten nach sich, welche sehr verschieden hoch (1,5 bis 2°, selbst bis 13° C.) sein kann. (Bestätigt von Hitzig, Bechterew, Wood u. A.) Diese Temperaturzunahme steht in keinerlei Beziehung zu etwaigen Muskelstörungen in den afficirten Extremitäten . sie ist fast in allen Fällen noch längere Zeit nach der Verletzung- ausgesprochen, wenn auch mit erheblichen Schwankungen. Wir sahen sie selbst drei Monate lang anhalten , in anderen Fällen kommt am zweiten oder dritten Tage eine allmähliche Aus- gleichung zu Stande. In ausgeprägten Fällen zeigt sich eine Verminderung des Widerstandes der Wand der Art. femoralis gegen Druck und ein Niedrig werden der Pulscurven (Reinke). Localisirte elektrische Reizung der Bezirke bewirkt eine geringe vorübergehende Abkühlung der contralateralen Extre- mitäten. Bei Hunden kann selbst percutane Reizung dies bewirken (Feinberg). Auch durch Kochsalzapplication kann das Centrum gereizt werden, doch folgt hier alsbald oft die Erscheinung der Zerstörung. Die Reizung des Rindencentrums bewirkt auch bei curarisirten Thieren starke Blutdrucksteigerung in Folge der Gefässcontraction (Stricker). — Der Nachweis einer thermisch wirksamen Region für die K o p f h ä 1 f t e ist bisher nicht gelungen. Bei cerebral-epileptischen Anfällen (§. 377) steigt die Körper? Lähmung bewirkt IfarTOe- stcigerung. Bettung erzeugt Ab- iihlini') und Blutdruck- erhöhung. 838 Das thermische Rindencentrum. — Ansicht von Goltz. [§. 379.] temperatur theils wegen der vermehrten Wärmeproduction der Muskeln (§. 304), tlieils wegen behinderter Wärmeabgabe durch die Blutgefässe in Folge der Reizung der thermischen Rinden- centren. — (Bei Kaninchen führen die Versuche zu keinem evidenten Resultat.) Nach Wood hat die Zerstörung dieser, von uns entdeckten Centralstelle beim Hunde zugleich eine calorimetrisch nachweisbare Vermehrung der Wärme- production zur Folge, die Reizung hingegen eine Verminderung. Bei Hunden, denen ich durch ein schmales Messerchen (welches in der Tiefe durch Zug an einem Faden zum Einschnappen gebracht wurde) die Capsula interna durchtrennte, fand ich gleichfalls Erhöhung der Temperatur, woraus zu schliessen ist, dass die thermisch wirksamen Fasern durch die innere Kapsel hindurchziehen. Die mitgetheilten Versuche machen es erklärlich, dass bei psychischen Erregungen des Grosshirns eine Einwirkung auf die Gefässweite und Temperatur statthaben kann, wie das momentane Erblassen und Erröthen anzeigt (vgl. §. 380, III). Abweichende Im Gegensatz zu der vorgetragenen Lehre von der Localisation im Gross- Anneht von ]1jrn musä üier jn unparteiischer Weise der Anschauung von Goltz gedacht werden. Localisation Goltz hat eingehend die Erscheinungen beschrieben, welche sich bei Hunden zeigen, Inder denen umfangreiche Zerstörungen der Grosshirnrinde beigebracht Birnrmde ^ waren £Y unterscheidet einmal Hemmungserscheinungen, welche vorüber- "" gehend sind und abzuleiten sind von einer zeitweiligen Unterdrückung der Thätig- keit nervöser Apparate, die anatomisch nicht vernetzt wurden (diese erklären sich ähnlich, wie die Hemmung der Reflexe durch starke Reizung sensibler Nerven ; Aus/all- §.363. 3). Diesen gegenüber stehen die dauernden „A usfaller scheinungen", gen. welche herrühren von dem Wegfall der Thätigkeit der, durch den operativen Ein- griff vernichteten Nervenapparate. Ein solcher Hund mit umfangreichem Rinden- verlust kann als fressende, verwickelte Reflexmaschine bezeichnet werden. Er benimmt sich wie ein tief Blödsinniger, geht langsam, unbeholfen, gesenkten Hauptes einher, er zeigt Abstumpfung der HautempflnduDg in allen ihren Quali- täten : er ist weniger gegen Druck auf die Haut empfindlich, beobachtet Temperatur- schwankungen weniger und versteht es nicht , zu tasten ; er weiss sich sowohl in der Aussenwelt, als auch an seinem eigenen Körper schwer zurecht zu finden. Dies tritt namentlich hervor bei der Aufsuchung und Aufnahme der Nahrung. Dahingegen besteht durchaus keine Lähmung seiner Muskeln. Der Hund sieht zwar noch, aber ohne bewusste Empfindung des Gesehenen: er sieht wie ein Nachtwandler, der Hindernissen ausweicht , ohne sich derselben klar bewusst zu werden. Er hört zwar, denn er kann durch lauten Zuruf aus dem Schlafe, geweckt werden , aber er hört etwa nur wie ein Mensch , der aus tiefem Schlafe durch einen Anruf zuerst geweckt wird, ohne den Ruf sofort mit klarem Bewussisein zu erfassen. Analog ist die Störung der anderen Sinne. Er heult im Hunger, — frisst dann so lange , bis der Magen total gefüllt ist ; — er ist absolut theil- nahmslos und ohne geschlechtlichen Trieb. In Bezug auf die Localisation im Grosshirn hat Goltz abweichende Anschauungen. Er glaubt, dass jeder Abschnitt des Grosshirns sich an den Functionen betheiligt, aus welchen wir auf Wollen, Empfinden, Vorstellen und Denken schliessen. .Jeder Abschnitt ist, unabhängig von den übrigen , mit allen willkürlichen Muskeln durch Leitungen verknüpft und steht andererseits in Verbindung mit allen sensiblen Nerven des Körpers Nach Abtragung eines Vorderlappens einschliesslich der mo- torischen Zone zeigen sich zuerst halbseitige motorische und sensible Lähmung und halbseitige Sehstörungen. Hiervon bleibt nach Monaten nur der Verlust des Muskelgefühls. Doppelseitige Abtragungen zeigen diese Erscheinungen auffälliger, dazu kommen zahllose unzweckmässige Mitbe- wegungen und eine vermehrte Reflexerregbarkeit. Wiederholt sah Goltz allgemeine Hyperästhesie, einen merkwürdigen motorischen Drang und reizbaren, aggressiven Charakter bei den Hunden. Hochgradige dauernde Störungen in der Verwerthung [§.379.] Sonstige corticale Functionen. 839 der Sinne des Gesichts, Gehörs, Geruchs, Geschmacks sind nicht nothwendig selbst an eine sehr tiefe und ausgedehnte Zerstörung des Vorderhirns geknüptt. Entfernung der Hinterhauptslappen stört wegen vorhandenen Intelligenzdefectes die Verwerthung der Sinneswahrnehmungen ; am meisten ist das Sehvermögen geschädigt. Doppelseitige "Wegnahme macht zwar sehr hoch- gradige Sehstörungen, aber nicht völlig blind. Der Charakter der Hunde wird gutmüthig und bedächtig. Nie linden sich Störungen der Bewegungen und des Muskelgefühls. Nach Loeb (Goltz Schüler) lassen sich die nach partieller Rindenverletzung auftretenden Störungen des Sehens, der Sensibilität und Motilität kurz so zusam- menfassen. Auf der gekreuzten Seite kommen die Erregungen der Retina und der Gefühlsnerven weniger und langsamer zur Wirkung. Ebenso bleibt die Anregung der Muskeln bei den intendirten Bewegungen des Körpers auf der gekreuzten Seite etwas zurück. Die Verletzungen des Grosshirns haben aber auch Hemmungserschei- Hemmung*- nungen zur Folge: hierher gehören die Bewegungsstörungen; und auch die vollständige Hemiplegie, die man nicht selten nach einseitigen grossen Verletzungen der Rinde beobachtet, hält Goltz für eine Hemmungserscheinung. Die Verletzung wirkt nämlich bewegungshemmend auf andere (infracorticale) Organe, welche ihre Bewegung wieder aufnehmen, sobald diese Hemmungswirkung nachlässt. erschei- nungen. Anderweitige Hirnfunctionen. — Einige Forscher haben nach Reizung der Hirnrinde Blutdrucks ch wankung undAenderung des Herzschlages beobachtet, so z. B. Bochefontaine nach elektrischer Reizung der motorischen Bezirke für die Extremitäten. Nach Reizung des corticalen Facialiscentrums (Fig. 235. 5) beobachtete B. Damit wsky Steigerung des Blutdruckes unter an- fänglich beschleunigten , dann verlangsamten Pulsen (dasselbe auch bei Reizung der Cauda des Corpus striatum und der angrenzenden weissen Masse) ; zugleich sah er hierbei die Athmung verlangsamt, ja zeitweise unterbrochen. Balogh sah nach Reizung verschiedener Rindenpunkte beim Hunde Pulsbeschleunignng, von einem Punkte Palsverminderung. Eckhard reizte die Hirnoberfläche beim Kaninchen und fand als Regel , dass , so lange , als nur einzelne gekreuzte Be- wegungen in den Vorderextremitäten entstehen , kein Einfluss auf das Herz beobachtet wird , sondern dass erst mit dem Hinzutreten anderer Bewegungen auch Herzafiectionen sich einstellen. Sie bestehen in langsanieren, stärkeren, mit schwächeren untermischten Puhschlägen unter gleichzeitiger schwacher Erhöhung des Blutdruckes (Bochefontaine/, Durchschneidet man vorher die beiden Vagi , so fallen die Einflüsse auf den Pulsschlag fort , aber die Erhöhung des Blutdruckes bleibt bestehen. Alle diese Versuche lassen bis dahin einen genügenden Einblick in das Verhältniss des Grosshirns zur Herzthätigkeit vermissen. Dass ein solcher besteht, beweist unzweifelhaft die Wirkung psychischer Einflüsse auf den Herz- schlag, die schon Homer und Chrysipp kannten. — Ueber die zuerst von uns beobachtete vermehrte Speichelsecretion siehe §. 150, pg- 275. — Boche- fontaine und Lcpine sahen ferner namentlich nach Reizung der Umgebung des Sulcus cruciatus bei Hunden Ver langsam ung der Magenbewegung, Peristaltik der Gedärme, Contra ction der Milz, desUterus, der Blase, vermehrte Athemzüge. — Bufilini beobachtete nach Reizung der- jenigen Rindengebiete , welche beim Kaninchen Kieferbewegungen bewirkten, Magensa ftsecretion eintreten unter Temperaturerhöhung im Magen. — Ueber die Beziehung des Gebietes am Sulcus cruciatus (Hund) zur Cardia siehe pg. 296. Nach Bechterew und Mislawski hat Reizung verschiedener Stellen dieser Gegend theils Bewegungen am Pylorus , theils Hemmung derselben zur Folge ; mitunter bewegt sich die Cardia. Von derselben Stelle und der hinten und aussen anliegenden 3. Urwindung lässt sich Contraction und Ersehlaft'ung der Darm muskulatur erzeugen, ebenso von den Sehhügeln. Die leitenden Bahnen gehen theils durch die Vagi, theils durch das Rückenmark. Von letzterem verlaufen die Fasern für den Dünndarm durch die 8 unteren Brust- und den obersten Lendennerven (Hund) zum sympathischen Geflechte, die für den Die Iv- el a r m durch die 2 letzten Lenden- und die 3 oberen Kreuznerven (Bechterew &> Mislawski . ■ — Elektrische Reizung namentlich der Parietalregion bewirkt Er- weiterung der Pupille Mislawski, , ebenso chemische Reizung beim Kaninchen / Landois). Sonstige Ein- wirkungen des Hirnes: auf den Puls, die Athmung, Speichel- secretion, die Eingeweide, die Pupille 840 Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. [§. 379.] und auf die Es soll endlich noch aufmerksam gemacht werden auf einige, von patho- Emährung i0giscfler Seite wichtige Beobachtungen, die man nach Verletzungen des Gehirns ^^TheilT^ gemacht hat. So sahen Schiff, Brown-Sequar i \ Ebstein, Klosterhalfen u. A. nach Verletzungen des Pons, des Streifenhügels, des Thalamus, des Pedunculus cerebri, der Oblongata, oft Hyperämien und Blutergüsse in den Lungen, in den Pleuren, dem Magen, Darme und den Nieren. Magenblutung ist häufig nach Ponsverletzung im Niveau der Insertion der Pedunculi cerebelli. Analoge Erscheinungen sah man beim Menschen nach Apoplexien oder Hirn- erweichungen. Besonders beachtenswerth ist auch der, von Charcot beschriebene cerebrale einseitige Decubitus acutus, der sich stets auf der gelähmten, also der cerebralen Herdaffection gegenüberliegenden Seite findet, am 2 — 3. Tage schon beginnen und unter enormen Zerstörungen (Hinterbacke, Unterextremität) schnell zum Tode führen kann. [Der, nach Eückenmarkserkrankung auftretende Decubitus beginnt meist in der Mittellinie des Gesässes und breitet sich von dort symmetrisch nach beiden Seiten hin aus. In Fällen einseitiger Rückenmarksverletzung findet sich diese Zerstörung auf der entsprechenden Kreuzbeinseite.] 380. Physiologische Topographie der Grosshirn-Oberfläclie beim Menschen. , Di« I. Die motorischen Regionen — umfassen die vordere °Rinden- (Fig. 237. A) u ii d hintere (B) Centralwindung, den centra. Looiiliis paracentralis und reichen rückwärts bis in den Praecuneus hinein (Fig. 239). Sie enthalten grosse Ganglien- zellen (Betz, Lewis, Clarke), die sich jedoch zuerst beim 1 ^monat- lichen Kinde finden (Korsch). Lähmung der Eine Entartung dieses ganzen Gebietes — bewirkt motorischen die , von Charcot charakterisirte Hemiplegie centrale vulgaire, Region. ^ n. eine Lähmung der entgegengesetzten Körper- Hemfi"'** s e i t e , welche anfänglich sich als eine totale anlässt , dann aber allmählich in einen Zustand übergeht, in welchem nament- lich alle die , vornehmlich vom Willen aiis anzuregenden und besonders angelernten und geübten , kunstfertigen Bewegungen erloschen sind, während die associirten und bilateralen Be- wegungen (welche z. B. auch den Thieren, welche nach der Geburt sofort mancherlei complicirte Bewegungen ausführen können, eigen sind) mehr oder weniger unversehrt erhalten bleiben. Daher ist beim Menschen die Hand mehr gelähmt, als der Arm, — dieser mehr, als das Bein, — die unteren Facialisäste mehr, als die oberen , — die Rumpfnerven endlich fast gar nicht (Ferrier) . Bei Hemiplegischen hat auch die ungelähmte Körperseite an Kraft ein* gebüsst {Brozun-Sd'quard, Charcot, Pitres, R. Friedländer, DignatJ. Es erklärt sich diese Thatsache nicht allein daraus, dass einige Züge der Pyramidenbahnen auf derselben Körperseite verbleiben (§.367). Unter den Bewegungen des Menschen giebt es zum Theil solche, die mühsam haben erlernt werden müssen und so den , oft sehr wechselvollen, Impulsen des Willensorganes nach und nach untergeordnet sind , wie z. B. die kunstfertigen Bewegungen der Hände. Solche Bewegungen pflegen sich nach Läsion der psycho- motorischen Centren entweder nur sehr langsam und unvollkommen, oder gar nicht wieder zu ersetzen. Diejenigen Bewegungen jedoch , welche dem Körper sofort zu Gebote standen , wie die associirten Bewegungen der Augen , des Ge- sichtes, zum Theil auch der Beine, erholen sich nach besagten Eingriffen entweder schnell, oder sie scheinen überhaupt wenig zu leiden. So erscheinen nach corti- caler Läsion die Gesichtsmuskeln nie so völlig gelähmt , wie bei Affection des [§. 380.J Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. 841 Facialisstammes ; namentlich kann das Auge noch ziemlich gut geschlossen werden. Saugbewegungen sah man selbst bei hemicephalen Neugeborenen. Von den motorischen Rindencentren laufen die motorischen Faserbahnen für den Facialis und Hypoglossus durch das vor- dere, die für die Extremitäten-Muskulatur durch das mittlere Drittel des hinteren Schenkels der Capsula interna (Fig. 240). Das Gehirn mit den Hauptwindungen und Furchen (nach A. Ecker) in seinem Lageverhältniss zur Schädelkapsel. — 8 die ■Syvn'sche Spalte mit ihrem senkrecht aufsteigenden, kurzen, vorderen Schenkel und ihrem horizontal gerichteten, hinteren, längeren Schenkel. — 0 die Centralfur che (Salcus centralis si?e Eolando); — A vordere, — B hintere Centralwindung. — Fx obere. — K mittlere, — F< untere Stirnwindung. ft obere, — fi untere Stirnfurche. — /, senk- rechte Stirnfurche (Sulcus praecentralis). — — P{ oberes Scheitelläppchen, — P-i unteres Scheitelläppchen, und zwar P2 Gyrus supramarginalis, — P -1 Gyrus angularis. >p Sulcus interparietalis. cm Ende d^s Sulcus callosomargi- nahs. — 0, erste, — 02 zweite, — 0, dritte Hinterbauptswindun g. — po Fissura Jmrieto-occipitalis. - 0 Sulcus occipitalis transversus. — o2 Sulcus occipitalis ongitudinalis inferior. r, erste. — T> zweite, — r, dritte Schläfenwindung. — ty erste, — t2 zweite Schläfenfurche. — K, —Kf — JT, Punkte in der Kreuznaht. — L\ — L2 Punkte in der Lambdanaht. Nach Zerstörung der Rindengebiete — erfolgt eine Entartung dieser, von hier abwärts verlaufenden, cortico- motoTischen Bahnen (§. 367), deren Verlauf als ..Pyra- midenbahnen" (pg. 780) besprochen ist. Man fand diese Ent- artung innerhalb der weissen Masse unter der Rinde, in den vorderen 2/3 der hinteren Abtheilung der Capsula interna, im E ntartung der psycho- mo torischen L eitungs- bdhnen. 842 Physiolog. Topographie d. Grosshiru-Obernäche b. Menschen. [§. 380.] Pedunciüus cerebri (Mitteltheil der unteren, freien Circumferenz des Pes) , im Pons , in den Pyramiden der Oblongata und von da in den Pyranridenbahnen des Rückenmarkes (Charcot, Singer, M. Rosenthal, Moeli, Schiff). Es ist einleuchtend, dass Läsionen dieser Bahnen an irgend einer Stelle ihres Verlaufes denselben Erfolg der Hemiplegie haben müssen. Im Verlaufe der Ent- artung kann den gelähmten Muskeln ein gewisser Grad spastischer Steifigkeit und eine Steigerung der Reizbarkeit der Muskeln auf mechanische Reize (Sehnenreflexe j eigen sein , welche wohl als ein irritatives Degenerationsphänomen aufzufassen sind (Charcot, Lion) ; weiterhin beobachtet man auch Atrophie und Schwund der betreffenden Muskeln. — in einem Falle ange- borenen Mangels des linken Vorderarmes fanden sich die rechten Central Windungen geringer entwickelt (Edinger). Ob der sogenannte Muskelsinn gleichfalls in den motorischen Regionen localisirt sei , ist zweifelhaft ; Nothnagel vermuthet ihn im Scheitellappen. Beachtenswerth ist, dass man beim Menschen alleinigen Verlust des Muskelgefühles oder der Bewegungs Vorstellung gesehen hat, und andererseits auch reine motorische Lähmung ohne Störung des ersteren. Die ps}Tchomotorischen Centra können auch durch geistige Erregungen theils in Thätigkeit versetzt (Mienenspiel, Lautge- berden , Gesten) , theils durch starke psychische Erschütterungen ge- hemmt werden („vor Schreck gelähmt , — von Furcht gebannt , — - vor Trauer sprachlos etc."). — Bei Anregung von willkürlichen Be- wegungen innerhalb einzelner Muskeln wird in der Rinde zugleich eine Hemmungsvorrichtung wirksam , welche die benachbarten Rindencentra in Unthätigkeit versetzt. Ist diese Hemmung geschwächt, so kommt es zu nicht intendirten Mitbewegungen (Lanäois). Pathologisches: — Erregungen der psychomotorischen Regionen aus patho" logischen inneren Ursachen können maniakalische Bewegungsantriebe ver" anlassen (Landois). — Mangelhafte Wirkung der vorhin bezeichneten Hemmung der psychomotorischen Centra vermag cerebrale Chorea zu erzeugen (Lan- dois). — Analog den, bei Thieren beobachteten, atactischen Bewegungszuständen (pg. 833) giebt es auch beim Menschen eine „cerebrale Ataxie" (Krishaber, Wemickej. — Bei der cerebralen Kinderlähmung handelt es sich um degenerative entzündliche Processe in den motorischen Regionen. Beim Menschen kann das ganze System der Pyramidenbahnen auch aus inneren Ursachen entarten: Lähmung, spastische Contracturen und Atrophie der Körpermuskulatur (einseitig oder doppelseitig) ist charakteristisch : Charcot's amyotrophische Lateralsclerose des Rückenmarks. Im Kindesalter kann die Ent- wicklung des Pyramidenbahn- Systemes unterbleiben und so cerebrospinale Paralyse veranlassen. Lage der Zur Localisir iuig der einzelnen motorischen Partial-Cen- %Tinden-n * r e n dienen gut beobachtete klinische Fälle , die allerdings erst centra. theilweise übereinstimmende Resultate lieferten. — 1. Das Centrum für die Bewegung des Beines liegt in der Umgebung des oberen Endes der Rolandd sehen Furche (C. Fig. 237) und im Lobulus paracentralis (Fig. 239). — 2. Für die obere Extremität befindet sich das Centrum im mittleren Drittel der vorderen Central windung oder etwas tiefer (Fig. 237). — 3. Am unteren Ende der vorderen Central- [§. 380.] Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. 843 Secundäie Entartung der motorischen Leitungsbahnen im Pedunculus cerebri, Pons und in der Pyramide. Die mit * bezeichneten, scbattirten Stellen sind die entarteten (nach Charcot). windung ist das Facialis-Centrum belegen (Mund- und unterer Theil desselben; (Charcot & Pitres). Das untere Drittel der vorderen flinken) Centralwindung und der angrenzende Fuss der 2. und 3. Frontal windung enthält das (beiderseitige) Centrum des Trigeminus (Kaubewe- gung) (Hirt). Der vor- dere Abhang der vor- deren Centralwindung steht in Beziehung zum Hypoglossus (Exner, Flechsig) . Die Bahn des Facialis und Hypo glossus geht weiterhin durch das Knie der inneren Kapsel (Fig. 240) (W ernicke). Die Insel beherrscht die Stimmband - Bewegung (Rossbach). — 4. Der vor dem mittleren Drittel der vorderen Central- windung belegene Theil des Stirnhirns beherrscht die Nackenmuskeln ( Wer nicke , Franke/) . — 5. Die äusseren Augenmuskelnerven scheinen ihr corticales Centrum im G y r u s angularis (Fig. 237 P21) zu haben. Die motorischen Centren können nun entweder einzeln für sich, Lähmung ein- i i • • ii • i i n i j.-i xlnerSmden- oder auch combmirt gelähmt sein, und man hat daner corticale cmtren. oculomotorische Monoplegie, — crurale 'selten, — bra- Monoplegien. chiale, — brachio-crurale, [zumal nach Verletzung des o b e r e n (m e d i a 1 e n ) T h e i 1 e s der C e n t r a 1 w i n d u n g e n] — linguo-f aciale und endlich — facio-brachiale [zumal nach Verletzung der unteren (lateralen; Partie der Central- windungen] Monoplegie unterschieden. Aus seinen Versuchen an Affen hatte Fertier noch folgende motorische Bezirke aus der Analogie erschlossen , die jedoch für das Menschenhirn bisher nicht sichergestellt sind : — Lateralbewegung des Kopfes und der Augen mit Erhebung der oberen Lider. — Bewegung des Mundwinkels und des Platysma, — für die obere Extremität Adduction und Refraction, — Stipulation und Flexion, — Bewegung im Handgelenk und an den Fingern. Mit Reizung dieses letzteren Bezirkes bei Äffen associirt sich oft die Retraction des Mundwinkels. [So sieht man auch bei Kindern während der Erlernung der Schreibbewegung gleichzeitige Bewegungen am Munde eintreten.] "Werden die motorischen Centren durch krankhafte Pro- Heizung der cesse gereizt — (vornehmlich durch Hyperämien und Ent- Te^enT Zündungen auf syphilitischer Basis, seltener durch Tuberkel. Tumoren, Cysten, Narben, Knochensplitter', so entstehen krampf- hafte Bewegungen in den betreffenden Muskelgruppen. Gewisse Muskelgruppen, welche gewöhnlich beiderseits bewegt werden, scheinen auch so von einem (Zentrum erregt zu werden. 844 Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. [§. 380.] Mono- spasmen . Cerebrale Epilepsie. Augen - Bewegungen. Je nach ihrem Sitze werden diese Krämpfe als facialer, brachialer, cruraler u. s. w. Monospasmns bezeichnet. Es können natürlich auch diese Krämpfe gleichzeitig mehrere Centren befallen. — Bei Menschen mit freiliegender Heniisphärenoberfläche ist die Region der motorischen Centren von Bartholow und Sciamanna erfolgreich elektrisch gereizt worden. Bei sehr intensiver Reizung einer Seite können sogar bilaterale Krämpfe mit Suspension des Bewusstseins auftreten (auch wohl „ Jacksorfsche oder cerebrale Epilepsie" ge- nannt). Ueber das Centrum der willkürlichen combinirten Augenbewe- gungen der Kinde des Menschen liegen die folgenden Beobachtungen vor. Beide Bulbi werden von einer Hemisphäre aus beherrscht. Bei lähmenden Affec- tionen der Rinde oder der, von ihr ausgehenden Bahnen findet man mitunter beide Fig. 239. Ansicht der innern Fläche des menschlichen Gehirns. — OC das durchschnittene Corpus callosnm. — F[ erste Stirnwindung, bei a an die vordere Centralwindung (A) grenzend; R hintere Centralwindung ; zwischen A und B das mediale Ende der Polando'schfm Spalte (AB Paracentralläppchen genannt). — Of Gyrus fornicatus, durch die Fissura calloso-marginalis (cm) gegen die erste Stirnwindung und die Central- windungen abgegrenzt. Die Fissura calloso-mar-ginalis geht zwischen ß und P (dem oberen Scheitelläppchen) aufwärts (siehe cm der Figur 237). — po die Fissura Sarieto-occipitalis trennt den Occipitallappen (0) vom Parietallappen (P) (siehe p o er Figur 237). — Q Quadratlappen (Praecuneus oder Vorzwickel). — Ou Cuneus, — cc Fissura calcarina. — Lg Lobus lingualis (Gyrus occipito-temporalis medialis). — Fs Lobus fusif'ormis (Gyrus occipito-temporalis lateralis). — 3 Gyrus hippocampi. — U Gyrus uncinatus. — h Sulcus hippocampi. — [F Stirn-, — "P Parietal-, — 0 Occipital-Lappen.] Bulbi in einer seitlichen Deviation. Sitzt die lähmende Affection in einer Grosshirnhemisphäre, so erfolgt die conjugirte Deviation der Bulbi nach der gesunden Seite. Hat sie jedoch ihren Sitz in der Leitungsbahn, wo bereits Kreuzung stattgefunden hat, nämlich in der Brücke, so erfolgt die Augen- richtung nach der gelähmten Seite (Prevost). Befindet sich an dem Orte der Affection ein Reizzustand, welcher Zuckungen einer Körperseite bewirkt, so erfolgt die Augenwendung natürlich entgegengesetzt, als wie bei reiner Lähmung 'Landouzy und Grasset). Statt der ausgesprochenen Seitwärtswendung der Bulbi findet sich bei cerebralen Lähmungen mitunter nur eine Schwäche der Seitwärtswender der Bulbi, so dass in der Ruhe zwar dieselben noch nicht nach der gesunden Seite hingezogen sind, sondern dass sie nur nicht ausgiebig nach der kranken Seite gewendet werden können (Leichtenstem, Hunnius). — Auch [§. 380.] Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. 845 der Levator palpebrae superioris scheint im Gyrus angularis sein Centrum zu haben (Grassei, Landouzy, Chatiffard). IL Das motorische Sprachcentrum — welches die willkür- Das sprach- liche Bewegung der Zunge (N. hypoglossus; , des Mundes (N. facialis) mit Inbegriff des Unterkiefers (3. Ast des Quintus) leitet, liegt bei den meisten Menschen in der linken 3. Stirn- windung (Fig. 237, F 3) (Broca 1861, Bouiilaud, Kussmaul). Gerade so deutet auch die Rechtshändigkeit der meisten Menschen auf eine feinere Ausbildung der motorischen Apparate der Oberextremität in der linken Halbkugel. Denn die Menschen mit ausgebildeter Rechtshändigkeit sind offenbar links- hirnig (Broca). Vielleicht beruht diese Einrichtung auf ent- wickelungsgeschichtlicher Basis. Weitaus die meisten Menschen sind somit ..linksh irnige Sprecher'' (Kussmaul), doch giebt es auch Ausnahmen ; in der That sah man Linkshändige ihr Sprachvermögen verlieren nach Läsion der rechten Hemi- sphäre (Ogle, Jackson). Untersuchungen an Gehirnen bedeutender Männer haben ergeben, dass diesen vor den geistig niedriger stehenden eine grössere Ausdehnung und eine weniger einfache Form der dritten Stirnwindung zukommt. Bei Taubstummen ist sie sehr einfach : Mikrocephalen und Affen besitzen nur ein Rudiment derselben (Rüdinger) . Verletzungen dieses Sprach centrums ziehen entweder den Aphasie. Verlust, oder doch mehr oder weniger erhebliche Störungen des Sprachvermögens nach sich. Der Verlust des Sprachvermögens wird „Aphasie" genannt. Von der dritten Stirn windung zieht die „motorische Sprachbahn" Verlauf der zuerst entlang der oberen Kante der Insel, dann in die Tiefe der Hemisphäre. mot^"^en einwärts von der hinteren Kante des Linsenkernes Wernüke;, sodann durch den linken Pedunculus cerebri (PesJ und die linke Brückenhälfte zur Medulla oblon- gata , dem Ursprungssitze aller, beim Sprechen betheiligten motorischen Nerven (Trigeminus, Facialis, Hypoglossus, Vagus, Athmungsnerven). Totale Zerstörung dieser motorischen Sprachbahn verursacht ebenso totale Aphasie ; partielle Läsionen bewirken mehr oder minder gröbere Störungen der Articulationsmechanik, welche man als Anarthrie bezeichnet hat (Leyden, Wemicke, . Zur Sprache sind drei Thätigkeiten erforderlich: — 1. Die normale Be- wegung der Sprachwerkzeuge (Zunge, Lippen, Mundhöhle, Athemapparat) ; — 2. die Kenntniss der Bezeichnungen für die Dinge und Begriffe (Sprach-, Schrift- und Gcberden-Zeichen) ; — 3. die richtige Verknüpfung beider. Man muss daher die folgenden, wesentlich differenten Formen der Aphasie unterscheiden. 1. Die ataktische Aphasie — oder die orolinguale Hemiparese Ferrür's, AtaUische d. h. Sprachlosigkeit wegen Unvermögens, die zum Sprechen nothwendigen Bewe- ' p,a~ gungen wohlgeordnet auszuführen. Die Intention zum Sprechen zieht uucoordinirtes Grimassenschneiden nach sich und das Ausstossen unarticulirter Laute. Daher vermögen die Kranken auch nicht Vorgesprochenes nachzusprechen. Dabei sind die, für die Sprache nothwendigen geistigen Vorgänge völlig erhalten, und alle Worte wohl im Gedächtnisse, daher Manche noch im Stande sind, sich schriftlich auszudrücken. Sind aber auch die, zum Schreiben nothwendigen feinen Bewegungen durch Affection des Handbewegungscentrums verloren gegangen, so entsteht zugleich atak tische Agraphie (Unvermögen der Schreibbewe- gungen) ; Intention, die Gedanken zu Papier zu bringen, liefert nur vergebliches Gekritzel. — Mitunter leidet bei solchen Kranken sogar die Geberdensprache [A m i m i e] Kussmaul). 2. Die amnestische Aphasie. — Die Worte sind im Gedächtnisse Amnestische verschleiert : hört oder liest jedoch der Kranke die Worte , so taucht ihre Be- p a 846 Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. [§. 380.] Paraphasie. Agramma- tisnius und Alcataphasie. Bradyphasie. Tumultus sermonis. Thermisches Centrum, Seh-Centruiit Optisches IVahr- nehmungs- feld. deutung wieder hervor. Die, zur Sprache nothwendigen Bewegungen sind intact, daher der Kranke alles Vorgesprochene sofort nachsprechen oder nachschreiben kann. Mitunter sind nur gewisse Kategorien von Wörtern vergessen , oder selbst nur Theile von gewissen Wörtern, so dass diese nur verstümmelt oder stückweise producirt werden können. Man sah die amnestische Aphasie bei Zerstörung der linken ersten Schläfenwindung (Wemicke) (siehe unten: IV. 2). Es giebt auch combinirte ataktisch -amnestische Aphasie. — Eine andere Form der amnestischen Aphasie besteht darin , dass die Worte zwar noch wohl im Ge- dächtnisse haften, aber nicht fiott gemacht werden können, d. h. dass die Asso- ciation von Wort und Vorstellung gehemmt ist (Kussmaul!. Das Vergessen von Personen- und Sach-Namen ist, zumal im höheren Alter, eine in physiologischer Brei+e oft zu beobachtende Erscheinung, die schliesslich bis zur krankhaften Amnesia senilis führen kann. — Zu den cerebralen Sprachstörungen hat Kussmaul weiterhin noch als besondere Formen gerechnet : 3. Die Paraphasie — oder das Unvermögen, die Wortbilder mit ihren Vorstellungen richtig zu verknüpfen, so dass, statt der sinnentsprechenden, ver- kehrte oder ganz unverständliche Wortgebilde zum Vorschein kommen. Es findet gewissermaassen ein permanentes „sich versprechen" statt. 4. Den Agram matismus und die Akataphasie — ■ oder das Unver- mögen , die Worte grammatisch richtig zu formen und syntaktisch in Sätze zu ordnen. — Ausserdem giebt es : 5. noch ein krankhaft, verlangsamtes Sprechen (Bradyphasie) oder krankhaft überstürztes Eeden (Tumultus sermonis), ein lallendes, ein abnorm verlangsamtes Sprechen , die ebenfalls auf corticalen Störungen be- ruhen i Kussmaul!. — [Störungen der Sprache , welche lediglich auf Affectionen der peripheren Nerven, oder der Muskeln des Stimm- und Sprach-Organes beruhen, sind bereits §. 321, §. 351, §. 356 besprochen.] III. Das von Eulenburg und mir entdeckte corticale ther- mische Celltrum — für die Extremitäten ist zugleich an die Localisation der motorischen Punkte gebunden. Es liegen bereits verschiedene Beobachtungen vor . dass Verletzungen oder Ent- artungen dieser Stellen Ungleichheit der Temperatur beider Seiten nach sich gezogen hatten (Bechterew). Nach längerem Bestehen einer Lähmung kann die anfangs höhere Temperatur der afncirten Glieder niedriger werden , als an den gesunden (vgl. pg. 812). Bei der, unter Entzündung der Hirnrinde verlaufenden, allgemeinen pro- gressiven Paralyse der Irren pflegt die Temperatur der Achselhöhle auf der- selben Seite höher zu sein, welche der Sitz der Lähmungserscheinungen ist. — Handelt es sich umgekehrt um Con vul sionen , die durch entzündliche Reizung der Eindencentra bedingt sind, so war während der Dauer derselben die Temperatur auf der contralateralen Seite um einige Zehntel niedriger (Reinhard), Entartungen der Capsula interna ziehen vasomotorische Störungen nach sich (Nothnagel), woraus zu schliessen ist, dass durch dieselbe die thermisch wirksamen Bahnen hindurchziehen (§. 379) IV. Die sensoriellen Regionen — sind die Stellen, an denen die bewusste Empfindung der sinnlichen Wahrnehmungen sich vollzieht. Daneben bilden sie auch das Substrat der sensorischen Vorstellungen und des sensorischen Gedächtnisses. 1. Das psych ooptische Centrum — umfasst nach Meynert u. Hugiienin den Hinterhauptslappen (Fig. 237, 0102 O3), nach Exner vornehmlich die 1. und 2. Öccipitalwindung, sowie auch den oberen Theil des Cuneus (Fig. 239, Cu). Hugiienin sah bei seit langer Zeit Erblindeten und Giovanardi bei an- geborenem Mangel der Augen Atrophie der Occipitallappen. Nach neueren klinischen Erfahrungen umgreift die 1. Öcci- pitalwindung (O1) einschliesslich des Cuneus „das optische [§. 380.] Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. 847 Wahrnehmungsfeld". Dementsprechend erzeugt einseitige Zerstörung dieser Region gleichseitige Hemiopie (§. 346) Hemiopie. (Westphal, Jastrowitz, Curschmann, Jany, Nieden U.A.). Dem Erkrankten erscheint das gleichnamige halbe Gesichtsfeld nicht schwarz, sondern als nicht vorhanden (Ausfall der Ge- sichtsempfindung) (Dufour). In analoger Weise bewirken einseitige Reizungs zustände Photopsien beider gleichseitigen Gesichtsfeldhälften fCharcot, Parinaud) ; [man sah auch Hemiopie mitunter von Hallucina- tionen innerhalb der blinden Hälften begleitet (Vetter)']. — Doppelseitige Verletzung des genannten Bezirkes macht OorHeaie total blind (Pflüger) ; Irritationen beider Centra haben im Gesammtgesichtsfelde das Auftreten von Licht- oder Farben- Erscheinungen oder Gesichtshallucinationen zur Folge. Fälle ferner von Hirnläsionen, in denen Raum- und Licht-Sinn völlig intact . der Farbensinn allein jedoch vernichtet ist , deuten Farben- darauf hin, dass im Sehcentrum das Farbensinncentrum besonders localisirt sein muss (Samelsohn, Steffan), vielleicht im hintersten Theile des Lob. fusiformis und linguales (Fig. 239) (Verrey). Die klinischen Erfuhrungen über Hemiopie — (§. 346) lehren, dass das Gesichtsfeld jedes Auges in eine grössere äussere und eine kleinere innere Hälfte zerfällt, welche getrennt sind durch eine, durch die Macula lutea gehende Senk- rechte. Je die links oder rechts gelegenen Hälften beider Gesichtsfelder sind einer Hemisphäre zugeordnet: je die linken Hälften müssen auf dem rechten Occipitallappen, je die rechten auf dem linken Hinterhauptslappen projicirt sein. So wird jedes (nicht zu kleine) Bild beim binoculären Sehen in zwei Hälften gesehen : und zwar die linke Hälfte von der rechten , die rechte Hälfte von der linken Hirnhalbkugel (Wemicke). Die übrige Hinterhauptsrinde enthält „das B.°.pHa^ea op tische Erinnerungsfeld" (Nothnagel) ; ihre Zerstörung /?w. erzeugt die „Seelenblindheit" (bei einseitiger Läsion vor- nehmlich auf der gekreuzten Seite). Eine besondere Form dieser letzteren ist die „W ort- blind h e i t" (Coecitas verbalis), welche darin besteht, dass der Befallene die Schriftzeichen nicht mehr erkennt (Alexie). Hier ein interessanter Fall von Seelenblindheit. — Nach heftiger Gemüthsbewegung stellt sich bei einem intelligenten Manne plötzlich der Verlust der Erinnerung an Gesichtswahrnehmungen ein : alles ihm wohl Bekannte (Per- sonen , Strassen , Häuser) erscheint ihm völlig fremd , ja er erkennt sich selbst nicht mehr im Spiegel. Will er lesen oder rechnen , so muss er sich die Worte und Zahlen laut vorsprechen; in seinen Träumen fehlen Gesichtsvorstellungen völlig Cliarcot ■'. In Folge krankhafter Erregungen des Sehcentrums kann es beim Menschen (meist bei Irren) zu völlig ausgeprägten Gesichtsphantasmen kommen Gesicntahaiiu- (§. 395. 12). Berühmte Beispiele von Gesichtshallucinationen liefern Cardanus, dnattonen. Swedenborg, Nicolai, Justinus Kerner, Hölderlin. — Es sind auch Fälle beobachtet worden, in denen nur auf einem Auge Hallucinationen vorhanden waren. Mit- unter werden Hallucinationen (z. B. beim Delirium tremens) vorwiegend ohne Farben, also grau, wahrgenommen. Nach Entartung des corticalen Centrums degeneriren weiterhin die Faser- züge, welche den Occipitallappen verbinden, mit dem Corpus geniculatum externum, dem vorderen Vierhügel und dem Pulvinar des Thalamus, ferner diese Gebilde selbst und weiterhin der Ursprung des Tractus opticus dieser Seite (§, 346) i v. Monakow, . 848 Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. [§. 380.] Cortieäle Taubheit. Hörcentrum. 2. Das p s y c h o a k u s t i s c li e Centrum — liegt beider- seits (gekreuzt) im Schläfenlappen ; seine totale Zerstörung macht taub, — partiale (linksseitige) Verletzung kann Seelen- taubheit zur Folge haben. Zu den Erscheinungen der letzteren gehört auch die Surditas verbalis, die sowohl für sich, als auch mit der Coecitas verbalis vereinigt, beobachtet worden Seelen- und ist. Wernicke fand in Fällen von Worttaubheit Erweichung M' der hintern 2/3 der 1. linken (!) Temporalwindung (T1), ebenso Richte}', A. Rosenthal u. A. Man kann klinisch die Coecitas et surditas verbalis (Kussmaul) wohl der aphatischen Krankheitsgruppe zurechnen , insofern sie der amnestischen Form sich nähert. Der Wort-Taube oder -Blinde gleicht Jemandem, der in früher Jugend eine fremde Sprache erlernt hat, die er später jedoch vollständig wieder vergessen hat. Er hört daher , oder liest wohl die Worte und Schriftzeichen , er kann auch die Worte nachsagen und nachschreiben, allein er hat das Verständ- niss der Zeichen völlig verloren. Während also der amnestisch Aphatische nur den Schlüssel zum Schreine seines Sprachschatzes verloren hat, ist dem Wort-Tauben oder -Blinden dieser Schatz selber abhanden gekommen. Aus einem Genesungs- falle ist bekannt , dass dem Patienten das Wort wie ein verworrenes Geräusch klingt. [Bei Linkshändigen hat Zerstörung des linken Temporallappens keine Worttaubheit zur Folge , bei ihnen liegt das Centrum also wohl rechterseits (Westphal, Senator)]. — Die, durch Beizung des psychoakustischen Centrums auf- tretenden Gehörs hallucinationen treten meist im rechten Ohre auf, aber auch beiderseitig (Magnan). Mitunter sind sie gleichzeitig auf beiden Ohren verschieden nach Inhalt und Charakter. — Huguenin fand nach anhaltender Taubheit Atrophie des Schläfenlappens. Es giebt auch eine Agraphie wegen Wortblindheit (Patient kann nicht nach einer Vorlage schreiben , aber wohl aus dem Kopfe oder nach dem Dictat) — und eine wegen Worttaubheit (Patient kann nicht nach dem Dictat schreiben, wohl aber aus dem Kopfe oder nach der Vorlage) (Pitres). 3. Im Gyrus uncinatus (Fig. 239, U) vermuthet Fetrier das nicht deutlich getrennte Geruchs- und Geschmack s- Centrum (vgl. §. 345.),. — Carbonieri, sowie Jackson und Beevor das erstere auf Grund von Sectionsbefunden bei an Geruchs- hallucinationen Leidenden im Gyrus hippocampi (Fig. 239, H). Subjective Geschmacks- oder Geruchs-Empfindungen bei Geisteskranken und Epileptischen (Arelaeusj werden von einer abnormen Erregung dieser Begionen abgeleitet; Zerstörung derselben wird entsprechenden Ausfall bedingen. 4. Nach Tripier, Exner, Petrina u. A. fallen alle tactilen Rindenfelder der verschiedenen Körperabtheilungen zusammen mit dem motorischen Rindengebiete derselben. — Nach Ferrier ist der Gyrus fornicatus (Fig. 239. Gf) das sensible Rinden- centrum. Bei Epileptischen fand man als Reizerscheinungen, die den Krampfanfall begleiteten, mitunter starke Erregungen der sensoriellen Centren, welche sich in excessiven subjectiven Wahr- nehmungen offenbarten, oft verbunden mit psychischen Er- regungen. [Man vgl. anch §. 395, 12.] Es kommen jedoch auch derartige „epileptoide Hallucinationen" ohne Krämpfe vor, nur von kurzen Bewusstseinsstörungen begleitet (Kühn, BergerJ. Man sah auch in solchen Anfällen Amaurose, die allmählich nach den- selben wieder wich und einer concentrischen Gesichtsfeldeinengung Platz machte (Wilbrand). Die, von den sensoriellen und sensiblen Organen zu den psycho- sensoriellen Rindencentren hintretenden Nervenfasern nehmen Geruchs-, Geschmaclcs- centrum. Ge/ühls- centrum. Erregung der psycho- sensoriellen Centra in der Epilepiie Weiterer Ver lauf der sensoriellen Hahnen. [§. 380.] Physiolog. Topographie d. Grosshirn-Oberfläche b. Menschen. 849 ihren Verlauf durch das hintere Drittel des hinteren Schenkels der Capsula interna hindurch (Fig. 240). Zerstörung dieser Stelle bewirkt daher Gefühllosigkeit der contra- lateralen Körperhälfte (Charcot , Veyssiere , Carville, Duret, Raymond, M. Rosenthal u. A.). Nur die Eingeweide be- halten ihr Gefühl. Auch contralateraler Verlust des Gehöres (Vetter, Donkin) , des Geruches und Geschmackes und Hemiopie (Bechterew) tritt ein. Pathologisches. — Man findet bei Menschen mit mehr oder weniger voll- kommener Verletzung oder Entartung dieser Bahn dementsprechend auch mehr oder weniger ausgeprägten Verlust des Druck- und Temperatur-Sinnes, der cutanen und muskulären Sensibilität, des Geschmackes, Geruches, Gehöres. Das Auge ist selten ganz blind, aber die Sehschärfe hat sehr gelitten, das Gesichtsfeld ist eingeengt, der Farbensinn kann partiai oder total erloschen sein. In geringerem Grade kann allein das Auge derselben Seite leiden. Ausser bei materiellem Leiden des Hirnes findet sich die sensorische Anästhesie auch als functionelle Störung in Begleitung von Neurosen und Psychosen. V. Fälle von Verletzungen der vorderen Stirnregion ohne motorische und sensible Störungen sind zahlreich von Charcot, Pures, Ferrier u. A. gesammelt. Dagegen beobachtete man öfter Schwäche der Intelligenz und Idiotismus bei erwor- benen oder angeborenen Defecten der Frontalregion. Nach Flechsig ist es (den klinischen Erfahrungen entsprechend) nicht zu be- zweifeln, dass der Frontallappen und die Temporo-occipital- Zone zu geistigen Vorgängen, insbesondere „höheren", in naher Beziehung stehen [welche auch bei Greisen und Epileptischen vorwiegend schwinden (Meynert)]. (Vgl. pg. 821.) Lage der Hirnregionen im Schädel. — Um sich über die Lage der Haupt- Topo- furchen und AVindungen am unverletzten Kopfe zu orientiren, sind in unserer (irapMsche Fig. 237 (welche die Gehirntheile nach A. Ecker enthält) nach Broca verschiedene al^mrn- Orientirungspunkte vermerkt Kj K, K. sind Punkte in der, durch die Haut regiontn am durchfühlbaren Kranznaht. Kt liegt (zur Vermeidung des Sinus longitudinalis) »»verletzten 15 Mm. seitlich von der Medianlinie der Kranznaht. K, ist der Kreuzungspuukt der Kranznaht und der Schläi'cnlinie. Bei Ks trifft die Kranznaht den oberen Rand des grossen Keilbeinflügels. Lt und L., liegen in der Lamlidanaht. und zwar Lx 15 Mm. seitlich von der höchsten Spitze, und L.3 in der Mitte des hinteren Randes des Scheitelbeines. — M entspricht dem höchsten Punkte des Bogens der Schuppennaht. — Zieht man nun von den Punkten K, K, K, horizontale Linien nach hinten hin , so liegt beim Erwachsenen die , zur Orientirung so wichtige Centralf urche (C) in ihrem oberen Ende gegen 45 Mm. , in ihrem unteren Ende etwa 'SO Mm. hinter der Kranznaht. [Nach Merkel liegt das untere Ende fast 5 Cm. senkrecht über dem Kiefergelenk.] Die Bifurcation der grossen Fossa Sylvii trifft man 4 — 5 Mm. hinter K8, (oder nach Merkel 4— 4,5 Cm. über der Mitte des Jochbogens) , ihr vorderer Ast läuft dann parallel der Kranznaht, ihr hinterer Ast zieht durch den Punkt M. — Die Fissura parieto-occipitalis (po) liegt ziemlich genau in der Lambdanaht [oder mit dem Zirkel gemessen (j Cm. oberhalb der Protuberantia occipitalis externa Merkelj\. Das Tuber frontale bildet die Grenze zwischen Gyrus frontalis I. und II. Das Tuber parietale deckt den Gyrus supramarginalig JA Das Corpus ca.llo.sum — enthält Commissurenfasera beider Halbkngeln des G-rosshirna. Seine Durehtremmng beim Hunde ver- ursacht keine merklichen Störungen (v. Kordnyi). In Uebereinstimmung hiermit wurde beim Menschen eine fast totale Zerstörung beobachtet, ohne dass eine erhebliche Läsion der Motilität, der Coordination, der Sensibilität , der Reflexe , der Sinne, der Sprache, oder eine schwere Landois, Physiologie. 7. Autl. 54 850 Der Streifenhügel und der Liusenkern. [§• 380.] Beeinträchtigung der Intelligenz eingetreten war (Erb). — Der hintere Theil der vorderen Commissur dient zur Verbindung beider Gyn linguales (Popoff). Corpus striatum und Kucleus lenti/ormis. Hemiplegie nach Zerstörung derselben. Thalamus opticus. 381. Die basalen Grosshirnganglien. — Das Mittelhirn. — Die Zwangsbewegungen. — Anderweitige Hirnfunctionen. Der Streif enliügel und Liiiseiikeroi (Fig. 240, Fig. 241) haben keine directen Verbindungen zur Hirnrinde ; wohl aber ziehen Bahnen von ihren Verbindungen zum Grross- hirnschenkel und verlängerten Marke. Sie halten im Thier- reiche in ihrer Grössenentwickelung gleichen Schritt mit der Entwicklung der Grosshirnrinde (pg. 824). Die, bei elektrischer Reizung beobachteten, allgemeinen Muskelcontractionen der entgegengesetzten Körperseite sind wohl auf eine Mitreizung der benachbarten corticomuskulären Bahnen zu beziehen. GHky sah bei Reizung des Corpus striatum (Kaninchen) keine Bewegungen ; es scheint also , dass die motorischen Bahnen bei diesem Thiere den genannten Gehirntheil nicht durchsetzen , sondern an demselben vorbeiziehen. Zerstörung — des Linsenkernes oder des Streifenhügels hat nach älteren Angaben Verlust der willkürlichen Bewegungen der entgegengesetzten Seite zur Folge (Meynert) mit oder ohne Erhaltung der Empfindlichkeit; doch handelt es sich hier nur um Mitverletzung der corticomuskulären Bahnen. Neuerdings wurde nach Verletzungen vorübergehend eine gewisse Schwäche der contralateralen Extremitäten (Verlust des Muskel gefühls) bei grösserer allgemeiner Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit, sowie rapide (vorübergehende) Temperatursteigerung beobachtet (Baginsky & C. Lehmann). — Das Corpus striatum ist gegen Beizung ohne Schmerzempfindung (Longet). Pathologisches. — Beim Menschen hat jede, nicht zu kleine Zerstörung im vorderen Theile des Corpus striatum contralaterale Lähmung zur Folge, welche dauernd bleibt, falls die Capsula interna befallen ist, sich hingegen allmählich zurückbilden kann , wenn der Nucleus lentiformis et caudatus ergriffen ist (vgl. auch §. 367)- — Mitunter treten Gefässerweiterungen in Folge vasomotorischer Lähmung auf (§. 379), wenn der hintere Abschnitt gelitten hat (Nothnagel): Böthung und etwas erhöhte Temperatur der gelähmten Extremitäten (wenigstens für eine gewisse Zeit), Schwellung (Oedem) derselben, Schweisse, sphygmographisch nachweisbare Pulsanomalien, Decubitus acutus auf der gelähmten Seite, Anomalien der Nägel, Haare, Haut, acute Entzündungen der Gelenke, namentlich des Schulter- gelenkes. Später treten Contracturen der gelähmten Muskeln auf (Hugucnin, CharcotJ. — In einzelnen Fällen kommt daneben Hautanästhesie , mitunter auch ausserdem Schädigung der Sinnesthätigkeit der gelähmten Seite hinzu: beides, wenn der hintere Abschnitt der inneren Kapsel ergriffen ist. Meist besteht Hemiplegie und Hern ianästhesie zusammen. Da sich der Thalamus opticus, als theilweiser Ursprung des N. opticus, mit der Grrosshirnrinde durch Fasern in Verbindung setzt , so steht derselbe wohl in Beziehung zur Empfindung des Sehens. Beim Menschen kann Verletzung des hinteren Drittels Sehstörungen nach sich ziehen (Nothnagel) . — Abtragung der Sehhügel oder die Zerstörung der Theile in der Umgebung des Inspirationscentrums in der Wand des dritten [§• 381.] Thalamus opticus. 851 Ventrikels beeinträchtigt bei Kaninchen die coordinirten Bewe- gungen (Christiani) . Auch beim Menschen zeigten sich nach Entartungen des Sehhügels contralateraleCoordinations- störungen: choreiforme Zuckungen oder Ataxie (Senator). — Fig. 240. Septum lucidum Coluninae fornicis. Corpus striatum. Stria terminalia. W^HL— Claustr Caput nuclei caadati. Capsula interna (vorderer Schenkel). — Capsula externa. L Insel. s— Xucleus lentiformis. Thalamus opticus. Capsula interna (hinterer Schenkel). !38 _ Thalamus opticus. Corpus genicula- tum mediale. Cauda nuclei caudati. Hippocampus. Gehirn vom Menschen, rechts ist die Hemisphäre in horizontaler Ebene abgetragen, 4 N. trochlearis, S N. acusticus, 6 Ursprung des X. abducens. Beim Menschen hat eine Zerstörung des Sehhügels zur Folge, dass das Mienenspiel der entgegengesetzten Gesichtsseite durch Affecte nicht mehr in Action gesetzt werden kann : will- kürlich sind die Muskeln noch bewegungsfähig) (Nothnagel). 54* 852 Thalamus. — Pedunculi cerebri. [§•381.] Bechterew zieht aus Versuchen und pathologischen Beobachtungen den Schluss, dass den Sehhügeln eine hervorragende Rolle betreff des Ausdrucks verschiedenartiger Empfindungen, Gefühle und Gemüthsbewegungen zukommt. Sie sind Bewegungscentren, ver- mittelst derer vorzüglich die angeborenen Ausdrucksbewegungen aus- geführt werden, welche entweder unter dem Einflüsse unwillkürlicher psychischer Impulse, wie bei Affecten, oder reflectorisch durch Tastreize und Reizungen anderer Gefühlsorgane angeregt werden. Nach Verletzung eines Thalamus fand man theils Schwäche oder Lähmung der contralateralen Muskeln nebst Manegebewegung, theils wird über contralaterale Hemianästhesie mit oder ohne jene Affectionen der motorischen Sphäre berichtet, lieber das hier vermuthete "Wärmecentrum vgl. §.215. I. Vom Thalamus ziehen Fasern zur Rinde aller Grosshirnlappen, ferner zum Ammonshorn und zur Haube des Hirnschenkels. Exstirpation bestimmter Rinden- theile des Grosshirns (Kaninchen) zieht Atrophie einzelner Theile des Thalamus nach sich (v. Monakow). Ueber die Beziehungen der Sehhügel zu den Bewegungen des Magens siehe §. 162 — über die der Därme vgl. §. 379. Fig. 241. GrossHm- aehenJcel. Frontalschnitt durch das Grosshirn: — [l ie Capsula interna, — 2 lh Nucleus lentiformis, — 3 nc Nucleus caudatus, — 4 (ho Thalamus opticus, — 5 cc Corpus callosum. — 6 aec Capsula externa, — 7 d^ Claustrum, — 8 i Insel. Verletzung der Pedunculi cerebri hat zunächst heftige Schmerzen zur Folge und Krämpfe der entgegengesetzten Seite, deren Gefässe sich zugleich durch den Reiz contrahiren und deren Speicheldrüsen secerniren. Diesen Reizerscheinungen folgen als Lähmungssymptome contralaterale Anästhesie (§. 367) und Parese (unvollkommene Willensbeherrschung) der Muskeln, sowie Lähmungen von Vasomotoren. [Bei Affectionen beim Menschen ist auf den N. oculomotorius zu achten , welcher oft auf derselben Seite gelähmt ist (Nothnagel)}. [§. 381-] Pons. — Corpora quadrigemina. 853 Das mittlere Drittel des Hirnschenkelfusses umfasst die wohlbekannte Leitung der Pyramidenbahnen (§§. 367, 380). Die Fasern des inneren Drittels verbinden das Stirnhirn (durch die Brückenarme hindurch) mit dem Kleinhirn. Im äusseren Drittel liegen Fasern , welche den Pons mit dem Temporal- und Occipital-Lappen des Grosshirns verbinden 'Flechsig;. Die von der Haube in den Stabkranz einstrahlenden Fasern dienen der sensiblen Leitung (§. 367) Flechsig. . Nach Goltz hat die Durchschneidung beim Hunde Neigung nach derselben Seite zur Folge, die Bewegungen der gekreuzten Extremitäten erscheinen plumper, auch hat die ganze gekreuzte Seite stumpferes Hautgefühl, (das Thier sieht vor- zugsweise nur das, was auf seinen rechten Netzhauthälften sich abbildet). Dem- gemäss müssen nach Goltz in jedem Pedunculus cerebri Bewegungs- und Enipfin- dungs-Bahnen für den ganzen Körper enthalten sein. Während der Reizung oder Section des Pons entstehen Schmerzen und Krämpfe ; nach der Durchschneidung kann man sensible, motorische und vasomotorische Lähmungen sehen . da- neben Zwangsbewegungen. — Für diagnostische Zwecke beim Menschen ist auf das Vorhandensein etwaiger alternirender Hemiplegie (§. 367, Schluss) zu achten (Nothnagel). Die Vierliügel oder das jVIittelliirii. — Die BUndhea halbseitige Zerstörung der Vier hü gel bei Säugern zelmrung (oder des gleich werthigen Lobus opticus bei Vögeln, Amphibien nJf%geL und Fischen) hat Blindheit zur Folge , die je nach den Kreuzungsverhältnissen im Chiasma der Sehnerven (§. 346) gleichseitig oder ungleichseitig localisirt ist. Totale Zerstörung bewirkt Blindheit beider Augen. Hiermit ist der Reflex zwischen der Erregung der Xetzhaut und dem Oculomotorius (§. 347) aufgehoben , d.h. nach Beleuchtung der Netzhaut verengern sich die Pupillen nicht mehr (Flourens). — Waren allein die Grosshirnhalbkugeln weggenommen, so verengern sich noch die Pupillen auf Lichtreiz , sowie nach mechanischer Reizung des Sehnerven (H. Mayo). Exstirpation des Bulbus hat Atrophie des contralateralen vorderen Vierhügels zur Folge. Nach Bechterew treten die Fasern eines Tractus opticus durch das Brachium conjunctivum anterius (Fig. 220) in den vorderen Vierhügel (äussere Peripherie). Die im Chiasma gekreuzten Fasern (Fig. 219) treten bis in den hinteren Hügel hinein. Dieser Vertheilung entsprechend, sollen auch die Erscheinungen partieller Erblindung nach Zerstörung eines vorderen oder hinteren Hügels sich gestalten. In der inneren Peripherie des vorderen Hügels laufen Fasern weiterhin zur Rinde. Zerstörung der Vierhügel hat ferner Aufhören der voll- Gieich- kommenen Harmonie der Bewegungen im Gefolge; es treten ^e^Tg'. selbst Gleichgewichtsstörungen und Incoordination der Bewe- gungen auf (Serres). Auch bei Fröschen (Goltz). Vögeln (Mc Kentrick) und Kaninchen (Ferrler) ist dasselbe beobachtet. Ist neben dieser Zerstörung das Grosshirn unverletzt, so sind willkürliche -^^f""? rfer Bewegungen noch möglich. — Die Vierhügel reagiren auf elektrische , chemische und mechanische Reize. Ueber den Erfolg ,der Reizung sind die Angaben jedoch sehr verschieden: nach Einigen tritt Erweiterung der gleichseitigen Pupille ein, nach Ferner soll zunächst die contralaterale, alsbald auch die gleichseitige Pupille sich erweitern. Die Reizung setzt sich von den Vierhügeln auf die Medulla oblongata und weiterhin auf den Sympathicnsursprung fort, denn nach Durchschneidung des Halsstranges bleibt die Erweiterung aus Knolt . [Nach Knoll soll eine Verengerung der Pupille, welche ältere Forscher gesehen hatten, überhaupt nur erfolgen, wenn der anliegende Sehnerventract gereizt wird.] Ausserdem bewirkt Reizung des rechten vorderen Vierhügels Wendung beider Augen nach links (und umgekehrt): wird die Reizung fortgesetzt, so 854 Corpora quadrigeniitta. — Zwangsbewegungen. [§• 381-] Zwangs- bevjegungen: Reitbahn- Zeiger- Roll- Bewegungen . dreht sieh auch der Kopf nach dieser Seite hin. [Senkrechte Mediantrennung der Vierhügel lässt bei einseitiger Reizung diesen Effect nur auf derselben Seite erfolgen (Adamück)^\ Ferner bemerkte endlich noch bei Reizung der Vierhügel bei Säugern Zeichen des Schmerzes. Er fand bei Reizung eines Lobus opticus der Taube: Erweiterung der contralateralen Pupille, Drehung des Kopfes nach der anderen Seite und rückwärts, Bewegung des contralateralen Flügels und Beines ; stärkere Reize verursachten beiderseitigen Flügelschlag. - Danile-wsky , i't.rrier und U.nder Brunton sahen endlich noch Steigerung des Blutdruckes und Veiiangsamung des Herzschlages neben tiefer Inspiration und Exspiration. Bechterew lässt alle Erscheinungen, welche nach Verletzungen oder Reizungen der Vierhügel erfolgen , ausser den , auf das Sehen selbst bezüglichen , von Affectionen tiefer liegender Theile herrühren. Demgeniäss enthalten nach ihm die Vierhügel selbst weder das Centram der Pupillenbewegungen , noch das der com- binirten Augenbewegungen, ferner nicht für das Körpergleichgewicht. Reizung derselben bewirkt auffallendes Zusammenfahren der Thiere (als Reflexerscheinung). Nystagmus, Zwangsbewegungen und Unsicherheit des Ganges finden sich ebenfalls nur bei Verletzungen tiefer liegender Theile. Pathologisches. — Läsionen der vorderen Vierhügel beim Menschen haben je nach ihrem Umfange Sehstörungen, Reactionslosigkeit der Pupillen und selbst Blindheit zurFolga; daneben kann auf beiden Seiten Lähmung der Oculomotorii bestehen, wodurch die betreffenden Augenmuskeln nicht ganz symmetrisch und nicht gleich stark ergriffen sind. Ein unsicherer, schwankender Gang, besonders wenn er als erstes Symptom erscheint, ist gleichfalls charakteristisch (Nothnagel;. Zerstörung der Commissura posterior — (Kaninchen) wirkt wie eine Durchschneidung beider Nu. oculomotorii, eine Läsion be- wirkt nur Herabsetzung der Erregbarkeit dieser Nerven. Eine un- vollständige, ungleichseitige Läsion zieht ungleichseitige Herabsetzung der Erregbarkeit beider Nerven nach sich: der Nerv auf derselben Seite der Läsion ist weniger erregbar, als der der anderen Seite (Darkschewitsch) . Zwangsbewegungen. — Die vorbesprochene Bedeutung des Mittelhirns für die harmonische Ausführung der Bewegungen macht es erklärlich , dass einseitige Verletzungen solcher Theile . welche mit demselben durch Fasern in leitender Ver- bindung stehen , eigenthümliche , nach einer Seite gerichtete Gleichgewichtsstörungen und Abweichungen von der symme- trischen Bewegung beider Körperseiten zur Folge haben, welche man Zwangsbewegungen genannt hat. Hierher gehören die Reit b ahn be weg ung (Mouvement de manege), bei welcher das Thier, bei der Intention fortzulaufen , stets im Kreise um- herirrt. — die Zeigerbewegung, bei welcher der Vorder- körper um das, an Ort und Stelle verbleibende Hintertheil , wie der Zeiger um seine Achse, gedreht wird, — die Rollbe- wegung, durch welche der Körper um die Längsachse sich wälzt. Alle diese Formen der Bewegungen können in einander übergehen , und sie sind auch nur graduelle Unterschiede der- selben Störungen. Theile , deren Verletzungen diese Zwangs- bewegungen erzeugen, sind das Corpus striatum. der Thalamus opticus, der Pedunculus cerebri, der Pons, der Pedunculus cere- belli ad pontem. bestimmte Theile der Oblongata, ja sogar nach Verletzung der Oberfläche des Grosshirns sahen Eulenburg und ich Zeigerbew7egungen bei Kaninchen, Bechterew bei Hunden. [§. 381.] Arten und Erklärung der Zwangsbewegungen. 855 Auch bei Menschen sind Zwangsbewegungen zumal bei Läsion der Scheitel Windungen beobachtet (Bechterew). Zwangsbewe- gungen neben Nystagmus und Verdrehung der Augen bringt auch Verletzung der Olive mit sich (Bechterew). Bei pathologischer Entartung einer Olive des verlängerten Markes sah man intensive Rotationsbewegungen nach derselben Seite hin beim Menschen (Meschede,. lieber die Richtung und Art der Bewegungen nach den einzelnen Verletzungen schwanken die Angaben. Man beobachtete: Schnitt in den vorderen Theil des Pons und der Crura cerebelli bewirkt Zeiger- bis Roil-Bewegung nach der anderen (paretischen?; Seite; — Schnitt in den hinteren Theil derselben Regionen hat Rollen nach der- selben (paretischen?) Seite zur Folge, ebenso ein tieferer Stich am Tuberculum acusticum oder in das Corpus restiforme. — An- schneiden eines Grosshirnschenkels erzeugt Reitbahnbewegung mit nach derselben Seite gerichteter Convexität. Je näher der Schnitt dem Pons liegt, um so enger werdeu die Bahnkreise; schliesslich entsteht Zeigerbewegung. Verletzung eines Sehhügels bewirkt ähn- liche Erscheinungen, wie ein Stich in den vorderen Hirnschenkeltheil, und zwar deshalb , weil eben letzterer mit verletzt wird. Ver- letzung des vorderen Theiles eines Sehhügels hat entgegengesetzte Zwangsbewegung zur Folge , nämlich mit der Concavität nach der Seite der Verletzung hin. Biegung von Kopf und Wirbelsäule mit der Convexität nach der getroffenen Seite nebst Kreisbewegung hat Verletzung des spinalen Anfangs der Oblongata zur Folge, — nach der gesunden Seite die des vorderen Endes des Calamus und höher. Zu den Zwangsbewegungen gehören auch theils Verdrehungen Strabismus, (Strabismus), theils unwillkürliche Schwankungen (Nystagmus) ^stasmus- der Augen. Letztere treten nach einseitigen, oberflächlichen Läsionen des Corpus restiforme auf, sowie des Bodens des 4. Ventrikels und nach Reizung des Kleinhirns (Knoll). Einseitige, tiefe, quere Ver- letzungen von der Spitze des Calamus an aufwärts bis zum Tuberculum acusticum bewirken Strabismus des Auges derselben Seite nach unten und vorne, des anderen nach hinten und oben. Doppelseitige Ver- letzungen machen ihn wieder verschwinden (Schwahn). Man hat daher anzunehmen, dass in der Oblongata der Sitz eines die Augenbewegungen beherrschenden Apparates liege (Eckhard) , welcher durch plötzliche Anämie (Ligatur der Kopfarterien beim Kaninchen) erregt werden kann (Knoll). Zur Erklärung der Zwan gsbewegungen — hat mau theilweise Erklärung angenommen, es handle sich um halbseitige unvollkommene Lähmungen Lafarque), ~jj Zu"*n93- so dass das Thier bei der Tendenz, sich fortzubewegen, mit der paretischen Seite etwas zurückbliebe (z. B. bei der Reitbahnbewegung an der, dem Bahnmittelpunkt zugekehrten Körperseite), und daher von der Symmetrie der Bewegungen abweiche. Andere haben versucht, gerade im Gegensatze hierzu, eine Reizung durch den Act der Verletzung als Ursache einer übermassigen Thätigkeit der einen Körper- seite zu constatiren Brown-Siquard, . Ich möchte mich nach meinen Beobachtungen auf die Seite derjenigen Forscher stellen , welche als Ursache der Bewegungen Schwindelempfindungen annehmen (Henle , welche durch die Verletzung erregt werden. Ich sah mitunter, dass anmittelbar nach der Verletzung (Stilet- stich) die Bewegung in entgegengesetzter Richtung erfolgte, als ein wenig später. Ich deute diese Erscheinung als den Effect der unmittelbar auf einander folgenden 856 Functionen des Kleinhirns. [§. 381.] Reizung und Lähmung durch die Verletzung. Die letztere hat dadurch , dass sie die , die locomotorischen Empfindungen vermittelnden , Apparate reizt oder lähmt, Täuschungen zur Folge, als bewegten sich der Körper des Thieres , oder auch die Objecte der Aussenwelt nach einer bestimmten Richtung. Durch diese Bewegungstäuschung werden als Reaction die besagten Bewegungen ausgeführt, mit der Intention , die abnormen , fictiven Bewegungen durch passende Gegen- bewegungen zu corrigiren. Die Reitbahnbewegung nach Verletzung des Sehhügels kann durch Scheinbewegung, in Folge der Verletzung des Opticus, bewirkt werden. — Es mag bei dieser Gelegenheit mit erwähnt werden , dass Verletzung einer Stelle unweit der hinteren Grosshirnhemisphärenspitze nach einiger Frist intensive Vorwärts- oder Seitwärts-Bewegungen erzeugt, gleichfalls wohl als Folge einer Täuschung motorischer Empfindung (Nothnagel). Wohl ähnlich deutet sich so die unbezähmbare Laufbewegung nach Verletzung des „~L aufknoten su fNot/magelJ (des mittleren Theiles des Corpus striatum , nahe dem freien, dem Ventrikel zu- gewandten Rande). Zunächst bleibt das Thier ruhig ; wird es jedoch angetrieben, so rennt es jäb von dannen , bis es von einem Hinderniss zurückgehalten wird Magendie, Schiff). Ich habe die Beobachtung gemacht , dass bei allen Eingriffen an den Centralorganen , welche das Gleichgewicht tiefer beeinträchtigen, eine bedeutende Vermehrung und Vertiefung der Athemzüge statthat. 382. Functionen des Kleinhirns. Verletzungen des Kleinhirns bewirken in hervorragender Weise Störungen in der Harmonie der Körperbewe- gungen. Wahrscheinlich handelt es sich im Kleinhirn um ein wichtiges Centralorgan für die feinere Abstufung und das normale Ineinandergreifen der Bewegungen. Die Verbindungen mit allen Ganglienmassen der Centralorgane machen dasselbe hierzu befähigt. Durch die Kleinhirn- seitenstrangbahnen (§. 361) werden dem Kleinhirn Er- regungen zugeführt, welche über die Haltung des Rumpfes orientiren. Verbindungen des N. vestibuli (§. 352) mit dem Kleinhirn wirken ebenso regulirend für das Gleichgewicht. Auf die motorischen Nerven des Rückenmarkes kann das Klein- hirn wirken durch Fasern, welche durch das Corpus restiforme hindurch in den Seitenstrang des Rückenmarkes abwärts ziehen (Flechsig). — Verletzungen des Kleinhirns bewirken weder Störungen der Sinnesthätigkeiten, noch lähmen sie den Willen und das Bewusstsein. — Das Kleinhirn selbst ist gegen Verletzungen unempfindlich. Nach Schiff regelt das Kleinhirn nicht eigentlich die Coor- dination der Bewegungen. Es liegen in ihm vielmehr (zu beiden Seiten der Mittellinie symmetrisch) Apparate, welche alle, bei einer complicirten Bewegung auftretenden, Muskelactionen verstärken: sowohl die kräftigeren Zusammenziehungen, welche die eigentliche Be- wegung erzeugen , als auch die sehr viel schwächeren , welche nur die Glieder und Gelenke fixiren. Luciani spricht in ähnlichem Sinne davon, dass die Zerstörung des Kleinhirns den Zustand eines unvoll- ständigen Tonus und einer nicht ausreichenden Energie hervorrufe, mit der das Nervensystem die willkürlichen Muskeln beherrscht. Jede Hälfte des Kleinhirns wirkt auf beide Körperseiten. tunaennach. ^e Erscheinungen, — welche die Verletzungendes Klein- Flourens: hirns nach sich ziehen, hat Flourens treffend gescbildert. Als er (bei einer [§. 382.] Functionen des Kleinhirns. 857 Taube) die oberflächlichsten Schichten abtrug , zeigte das Thier nur Schwäche und Beeinträchtigung in der Gleichmässigkeit der Bewegungen. Waren die Lagen in mittlerer Tiefe entfernt, so trat grosse allgemeine Aufregung ein unter heftigen, unregelmässigen, aber nicht convulsi vischen Bewegungen. Dabei war das Sensorium ungetrübt, auch functionirte das Seh- und Gehör-Organ. Geordnete Bewegungen wie beim Gehen , Fliegen , Aufspringen , Umwenden waren nur in sichtlich ge- schwächter Ausführung möglich. Nach Wegschneiden der tiefsten Schichten endlich war das Vermögen, die genannten Bewegungen harmonisch zur Ausführung zu bringen, total vernichtet. Wurde die Taube auf den Bücken gelegt, so vermochte sie sich nicht aufzurichten, hierbei machte das Thier fortwährend die grössten Anstrengungen in seinen Bewegungen, die aber stets uncoordinirt und daher ohne geordneten Erfolg waren. Dabei war Wille, Intelligenz und Wahrnehmung erhalten, das Thier konnte sehen und hören, suchte drohenden Gegenständen auszuweichen, allein es erschöpfte sich in vergeblichen Bemühungen, sich aufzurichten und blieb schliesslich erschöpft in einer abnormen Lage liegen. — Flourens zog aus diesen Versuchen den Schluss, dass dem Kleinhirn das Vermögen innewohne, die erregten willkürlichen Bewegungen zu coordiniren. — Lussana und Morganti halten das Kleinhirn für den Sitz des Muskelgefühles. Nach oberflächlichen Läsionen, oder einfachen, wenn auch ziem- Dauer der lieh tiefen Incisionen gehen die Coordinationsstörungen bald wieder scheinungen. vorüber (Flourens). Reicht die Verletzung tief bis in's unterste Drittel des Kleinhirns, so erhalten sich die Bewegungsstörungen dauernd. Symmetrische Läsionen stören nicht die Coordination (Schiff). Daher hat man bei symmetrischen Verletzungen, selbst wenn diese den grössten Theil des Kleinhirns betrafen , keine eigentlichen Coor- dinationsstörungen, sondern nur eine gewisse Schwäche und leichtere Ermüdung beobachtet. Beim Hunde bedingen tiefe Wurmverletzungen oder Wegnahme einer Hemisphäre und eines Theiles des Vermis dauernde Steifbeinigkeit und Kopfzittern ; sind Wurm nebst beiden Hemisphären zerstört , so folgen dauernde hochgradige Störungen der Coordination fv. MeringJ. — Nach Babinsky soll die tiefe Zer- störung des Wurmes bei Säugern allein bereits dauernde Coordinationsstörungen veranlassen. — Ferrier fand bei Versuchen an Affen, dass sagittale Durch- 'Wirksamkeit trennung des Kleinhirns nur unbedeutende Gleichgewichtsstörungen setzte; nach verschiedener Verletzung des vorderen Theiles des Mittellappens stürzte das Thier oft vorn- über, nach der des hinteren Theiles desselben oft hintenüber, bei gleich- zeitiger Hintenüberziehung des Kopfes. Nach Verletzung des Seitenlappens wird das Thier nach der Seite der Verletzung gezogen (Schiff, Vulpian, Ferrier, Hitzig u. A.). Trifft endlich die Verletzung den Brücken arm, so rollt das Thier heftig nach der verletzten Seite hin um seine Längsachse (Magendie . Luciani beobachtete bei Thieren nach Exstirpation des Kleinhirns schliesslich allgemeinen Marasmus. Nach Exstirpation des Kleinhirns erfolgt seeundäre Degeneration Secimddre des um die Pyramiden herumliegenden Theiles des Pons, der unteren Oliven, aller Bntartungen, Kleinhirnstiele und der directen Kleinhirnbündel Flechsiges (meist an derselben Seite, weniger gekreuzt). Auch einzelne Fasern innerhalb aller Gehirnnerven und der vorderen Wurzeln der Spinalnerven entarten Marchi, . Bei Fröschen liegt an der Tereinigungsstelle der Oblongata mit dem Kleinhirn ein wichtiges Organ für die Fortbewegung (Eckhard, . Nach Wegnahme derselben vermag das Thier nicht mehr geordnet zu hüpfen und zu kriechen Goltz . In Folge der Kleinhirnverletzimg hat man unwillkürliches Augen- schwanken (Nystagmus) {Sancerotte, 1769) „ sowie Schielen Magendie, Hertwig), ebenso bei elektrischer Beizung Wendungen der Bulbi beobachtet Ferner . Doch findet sicli nach Curschmann, Eckhard und Schuuahn dieses nur. falls die Oblongata in Mitleidenschaft gezogen ist; (§. 381, Zwangsbewegungen). oieieh- Lässt man beim Menschen einen elektrischen Strom durch den ■>ewichts- Kopf gehen, indem man die Elektroden in die Fossae mastoideae hinter beide Störung und Ohren setzt, und zwar so, dass der + Pol rechts, der — Pol links steht, so erfolgt &Ä^-,"de7 beim Schluss unter starkem Schwindelgefühl Hinsinken des Kopfes und Menschen, 858 Kleinhirn — Schutz- und Ernährungs-Apparate des Gehirns. [§. 382.] Körpers gegen den -f- Pol hin, während sich die Objecte der Aussenwelt nach linkshin zu verschieben scheinen. Sind während des Stromes die Augen geschlossen, so wird die Scheinbewegung auf das Individuum selbst übertragen , so dass es das Gefühl der Drehung nach linkshin hat (Purkyne). In dem Momente, in welchem der Kopf gegen die Anode sinkt, wenden sich auch die Augen dorthin und gerathen häufig in Nystagmus (Hitzig I. Der elektrische Strom wirkt hier wahrscheinlich reizend auf die Ampullennerven, deren Affectionen Schwindel hervorrufen (vgl. §. 352). Mit der Geschlechtsthätigkeit (Galt) steht das Kleinhirn in keiner Beziehung. Die von Valentin, Budge und Spiegelberg beobachteten Uteruscontrac- tionen nach Keizung des Cerebellums sind unerklärt. Pathologisches. — Läsionen nur einer Hemisphäre verlaufen ohne Zeichen; ist der Mittellappen ergriffen, so zeigen sich Coordinationsstörungen, namentlich taumelnder, schwankender Gang und starker Schwindel. — Reiz- erkrankungen der Crura cerebelli ad pontem erzeugen vollständige Wälzungen des Körpers um seine Axe, nebst gleichsinniger Drehung der Augen (NonatJ und des Kopfes 'Nothnagel). 383. Schutz- und Ernährungs- Apparate des Gehirns. Die Die Dura mater cerebralis ist innig mit dem Perioste der Schädelhöhle Hirnhaut?, verwachsen, die spinalis bildet um das Rückenmark einen, nur an der Vorderseite fixirten, frei suspendirten , langen Sack. Sie ist eine fibröse Haut, welche aus straffen Bindegewebszügen, mit reichlichen elastischen Fasern durchwebt und mit platten Bindegewebs- und IValdey :•■;-' sehen Plasma-Zellen ausgestattet ist. Die glatte Innenfläche trägt ein plattenförmiges Endothel. Blutgefässe finden sich nur massig reichlich, etwas mehr im äusseren Bereiche, Lymphgefässe sind zahlreich. Nerven mit unbekannter Endigung (am Felsenbein fand man Paeini'sehe Körperchen) geben der Dura die grosse Empfindlichkeit gegen schmerzhafte Eingriffe. Zwischen Dura und Arachnoidea liegt der lymphatische Subduralraum (Key & Retzius). Pia mater und die, durch ein balkenartiges Netzwerk mit ihr verbundene Arachnoidea bilden eigentlich nur eine gemeinsame Haut, die nicht getrennt werden kann (Key & Retzius). Zwischen den beiden Lagen befindet sich — [wie im wassersüchtigen Bindegewebe eingeschlossen (Henle)~\ — Cerebro- spinal- Lymphe in einem Räume, dem Subarachnoidealraum, welcher vom Endothel ausgekleidet ist. Die äussere Grenzlamelle dieses Stratums, wohl auch Arachnoidea im engeren Sinne genannt, ist dünn, arm an Gefässen, ohne Nerven, hat an beiden Flächen ein plattes Endothelium. Doch ist sie nur am Rückenmark von der Pia getrennt, so dass zwischen beiden der lymphatische Subarachnoideal- raum liegt; am Hirn sind beide grösstentheils miteinander verwachsen, mit Aus- nahme der Snlci-Ueberbrückungen. Ueber diese' geht die Arachnoidea hinweg, während die Pia sich in die Tiefe einsenkt. Die Hirnventrikel communiciren frei mit dem lymphatischen Subarachnoidealraum (nicht mit dem Subduralraum) (Waldeyer 6° Fischer). Subdural- und Subarachnoideal-Raum communiciren nicht mit einander. — Die Pia, aus zarten Bindegewebsbüudeln ohne elastische Fasern gewebt, sehr reich an Blut- und Lymph-Gefassen, führt Nerven in Begleitung der Gefässe bis in die Substanz der Centralorgane (Kolliker). Die Lymphgefässe des Gehirnes bestehen (ausser den die Gefässe begleitenden [§. 197. 3]) aus solchen Räumen, welche die Ganglien umgeben und die Gliazellen umspinnen. Sie münden insgesammt schliesslich in den Subarachnoidealraum. Ueber die Cerebrospinalflüssigkeit siehe §. 199- — Die Pacchioni' sehen Granu- lationen sind bindegeAvebige Zotten , welche dem Abflüsse der Lymphe aus dem Subdural- und Subarachnoideal-Raum in die Sinus der harten Hirnhaut (namentlich den Sinus longitudinalis superior), in welche sie hineinragen, dienen. Der Sub- arachnoidealraum communicirt auch mit den spongiösen Knochenräumen des Schädels und mit den Venen der Schädel- und Gesichts-Oberfläche (Kollmann). Der Subduralraum steht aber ferner noch mit lymphatischen Spalträumen der Dura in Verbindung, und letztere communiciren direct mit den Venen der Dura. Auch mit den Lymphgefässen der Nasenschleimhaut stehen die beiden lymphatischen Zwischenhirnhauträume in Communication. Der Raum ausserhalb der Dura des Rückenmarkes (Epi dural räum) kann auch als ein lymphatischer [§. 383-] Schutz- und Ernährungs-Apparate des Gehirns. 859 gelten ; von ihm aus füllen sich leicht die Pleura- und die Peritoneal-Höhle ; er communicirt jedoch nicht mit der Schädelhöhle (Waldeyer &" Fischer). — Die Adergeflechte, welche vielleicht die Cerebrospinalflössigkeit absondern, um- fassen Gefässconvolute , von unentwickeltem Bindegewebe umgeben ; die Telae chorioideae tragen bei Nengebornen noch ein flimmerndes Epithel. Die Pulsationen der mächtigen basalen Hirngefässe ertheilen dem Die Bim- Gehirne die pulsatorischen Bewegungen (§. 84. 6), — die Athem- bewegungen (in Folge der Einwirkung auf den venösen Blutstrom) ausserdem noch eine respiratorische, so dass das Hirn bei der Exspiration sich hebt, bei der Inspiration sich senkt. Endlich erkennt man noch eine 2 — 6mal in der Minute wechselnde, vasculäre Hebung uud Senkung, entsprechend den periodisch -regula- torischen Erweiterungen und Verengerungen der Gefässe (pg. 811). Psychische Erregungen beeinflussen diese; im Schlafe erscheinen sie am regelmässigsten (Burckhardt, Mays). Die Hirnbewegungen zeigen sich namentlich dort, wo die Um- hüllungen des Gehirns geringen Widerstand leisten, also z. B. an den Fontanellen der Kinder, an künstlichen Trepanationsöffnungen. Doch ist das Vorhandensein der Cerebrospinalflüssigkeit für diese Bewegung sehr wichtig, wohl deshalb, weil sie den Druck gleichmässig fortpflanzt und so alle systolische und exspiratorische Gefässerweiterung auf die Stelle des nicht Widerstand leistenden Theiles der Hirnumhüllung concentrirt (Donders). Ist die Flüssigkeit abgelaufen, so wird die Bewegung bis zum Verschwinden klein. Geistige Erregung erhöht die Pulsation des Gehirnes. Im Momente des Schwaninm- Aufwachens nimmt der Blutgehalt des Gehirnes ab; sensorielle Reize im Schlafe lehaltea des (ohne dass der Untersuchte erwacht) vermehren den Blutgehalt. Da die Arterien Gehirnes. innerhalb der starren Schädelkapsel bei der Blutbewegung ihr Volumen ändern, so zeigt sich an den Venen (Sinus) allemal eine entgegengesetzte pulsatorische Volumschwankung, wie an den Arterien (Mosso). — In geringem Maasse kann auch das Gehirn bei Lageveränderungen des Kopfes passive Bewegungen im Schädel räume ausführen (Luys, Ventun). Die Gefässe dar Pia (pg 788) — stehen natürlich unter dem Einflüsse der Gefäss- Die... nerven (pg 809) , auf deren Weite auch von entlegenen Körpertheilen eingewirkt werden kann (§. 349 , Schluss). Schliesst man eine Trepanationsöffnung durch ein kleines eingesetztes Glasfenster, so kann man selbst mit dem Mikroskope die Einwirkungen auf die Gefässlumina beobachten (Donders). Lähmungen der Gefäss- nerven, auch durch Narcotica, erweitern die Gefässe; — im Tode ziehen sie sich« stark zusammen (§ 373.1). Sowohl bei Gehirnthäiigkeit (§. 106. 6), als auch beim Einschlafen erweitern sich die Hirngefasse. Vorübergehende Anämie der Hirnarterien hat nachfolgende Erweiterung derselben und Hyperämie zur Folge (Knoll). — Reizung des Vasomotorencentrums (z. B. durch Erstickung, Strychnin oder reflectorisch) bewirkt vermehrten Blutgehalt der Arterien des centralen Neivensystems (durch collaterale Hyperämie), die sich also an der Verengerung aller übrigen Arterien nicht bätheiligen. Einer zu starken Erhöhung des Druckes in der Schädelrückgratshöhle in Folge einer eingetretenen Hyperämie wird durch Austritt von Cerebrospinalflüssigkeit in die Lymphscheiden der Ccrebrospiualnerven begegnet (Knoll). — Hirnreizungen, welche epileptische Anfälle anregen (pg. 844 I bewirken bedeutende, vom Blutdrucke unabhängige Blutzufuhr (Gärtnei -d-" Wagner). — Verstärkter Druck in der Schädelhöhle erzeugt vielfache Störungen der Hirnthätigkeit: erschwertes Athmen (§. 870 b), Unbesinnlichkeit bis zur Be- täubung, Lähmungserscheinungen, die alle nur zum Theil auf Circulations- störungen bezogen werden können. Plötzliche Unterbindung aller Gehirnarterien bewirkt sofortigen Verlust des Sensoriums, weiterhin starke Reizung der Siedulla oblongata und ihrer Centra und schnellen Tod unter Krampten (vgl. §. 375). Durch die weiten Anastomosen an der Basis sind die einzelnen Hirntheile vor Blutverarmung bei Compression oder Ligatur eines oder des anderen 860 Gehirndruck. — Vergleichendes. [§• 383.] Gefässes gesichert. — Innerhalb des Gehirnes verbreiten sich die Schlagadern als Endarterien" (pg. 180), d. h. sie haben im Gebiete ihrer End Verbreitung keine Anastomosen durch arterielle Nebenäste (CohnheimJ. Dahingegen haben die aussen am Hirn verlaufenden peripheren Arterien (Aa. corporis callosi, fossae Sylvii und profunda cerebri) viele starke Anastomosen (Tichomyrow). — Plötzliches Aufrichten von Personen, die lange gelegen haben und zugleich blutarm sind, hat nicht selten Birnanämie aus hydrostatischer Ursache zur Folge, verbunden mit Schwinden des Bewusstseins und Unmebelung der Sinne, v. Liebermeister hält die Schilddrüse für ein collaterales Blutreservoir, welches bei den besagten Lageveränderungen sich gegen den Kopf hin entleeren kann. Vielleicht erklärt sich auch so die Schwellung der Schilddrüse bei vermehrter Herzaction , durch welche das Hirn mit Blut überladen werden könnte, als Compensationserscheinung (§. 108. III, §. 373, Schluss). — Sehr heftige Muskelanstreugungen, sowie starke Thätigkeit anderer Organe setzen den Druck in der Carotis sehr bedeutend herab. Das Gehirn und die dasselbe umgebende Flüssigkeit stehen constant unter einem gewissen mittleren Druck (10 Mm. Wasser, Leyden), der in letzter Instanz von dem Blutdruck im Gefässsysteme abhängen muss (§ 90 flg.). Die Untersuchungen Zeichen des von Naunyn 6° Schreiber über den Gehirndruck (oder Cerebrospinaldruck) haben Gehirn- gelehrt, dass derselbe eine Höhe bis etwas unter dem arteriellen Drucke in der Carotis erhalten muss, ehe die eigentlichen Gehirndrucksymptome eintreten. Diese sind: anfallsweise auftretende Kopfschmerzen mit starkem Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit, Erbrechen , Pulsverlangsamung , langsame und flache Athmung, Convulsionen, Unterlaufung der Conjunctiva; der Druck der Cerebrospinalflüssig- keit ist gesteigert. Die Ursache dieser Erscheinung liegt in Anämie des Gehirns (daher Aderlässe zu vermeiden !). Durch eine abnorm hohe Spannung des Liquor cerebrospinalis wird das Gehirn wie ein Schwamm ausgedrückt: das Blut aus ihm entweicht, und es stellt sich so acute Hirnanämie ein (v. Bergmann). — Erreicht der Druck eine nur massige Höhe, so können die genannten Er- scheinungen latent bleiben; trotzdem entwickeln sich Ernährungsstörungen im Hirn mit consecutiven Erscheinungen, als: dauernde geringe Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Muskelschwäche, Sehstörungen (durch Neuroretinitis mit Stauungs- papille). Erhöhung des Blutdruckes kann die Symptome vermindern, Erniedrigung jedoch stärkere Hirndruckerscheinungen veranlassen. Bei einem Drucke von 70 — 80 Mm. treten bei Hunden zuerst Schmerzen auf, bei höherem Drucke Bewusstlosigkeit, bei 80 — 100 Mm. Krämpfe. Ein Druck von 100 - 120 Mm. hat Pulsverlangsamung durch centrale Vagusreizung zur Folge, die Respirationsfrequenz zeigt eine schnell vorüber- gehende Steigerung, dann eine Abnahme. Lang anhaltende hochgradige Com- pressionen wirken stets früher oder später tödtlich. Der Blutdruck zeigt sich zuerst erhöht in Folge einer reflectorischen Erregung des vasomotorischen Centrums durch die Druckreizung der sensiblen Nerven, dann sinkt der Blutdruck mit hochgradiger Verlangsamung der Pulse. Daneben deuten unregelmässig auftretende Blutdruckschwankungen auf eine directe centrale Druckreizung des Vasomotoren- centrums hin. In der Höhe der Cauda equina beträgt der Druck der Spinalflüssigkeit im Arachnoidealsack nur 7,5 — 12 Mm. Hg (beim Hunde) (Naunyn & Falkenheim). Ver- gleichendes über das Nerven- system. 384. Vergleichendes. — Historisches. Bei den Protozoen fehlen die Nerven. — Unter den Coelenteraten finden sich in den Neuromuskelzellen (§. 298) der Hydroiden und Medusen die ersten Andeutungen eines Nervenapparates. Bei den letzteren läuft überdies dem Bande des Schirmes entlang eine geschlossene Nervenkette , welche allemal , den Randkörpern entsprechend, zellenartige Verdickungen erkennen lässt, von denen Fäden zu den Sinnesorganen verlaufen. — Unter den Würmern zeigt sich vielfach ein, dem Kopfe angehöriger Ring, der bei den darmhaltigen den Schlund als einfacher oder doppelter Schlundring umkreist. Von diesem gehen in den gestreckten Körper hinein Längsstämme ab, häufig zwei, welche den Körperringeln entsprechend Ganglien tragen und hier anastomosiren ; beim Blutegel ist nur e i n ganglientragender Längsstamm, das sogenannte „Bauchmark", vorhanden. — Bei den Echinodermen umgiebt den Mund ein grosser Nervenring ; von ihm gehen, den Hauptstämmen des Wassergefässsystems entsprechend, grosse Nerven ab. An [§. 384.] Vergleichendes. — Historisches. 861 der Abgangsstelle ist der Nervenring mit den sogenannten „Ambulacralgehirnen" versehen. — Die Arthropoden besitzen oberhalb des Schlundes ein grosses Kopfganglion, von welchem die Sinnesnerven aasgehen. Ein anderes unter dem Schlünde liegendes Ganglion ist jederseits mit dem ersteren durch eine Commissur verbunden. Von hier aus erstreckt sich die Bau ch g an glienkette durch die Brust und das Abdomen; bald verschmelzen mehrere Ganglien zu einem grösseren Nervenknoten, bald sind sie für die Mehrzahl der Körpersegmente isolirt erhalten. Auch bei den Mollusken ist der Schlundring noch vorherrschend, in welchem jedoch die gangliösen Massen eine sehr wechselvolle Lage innehaben können. Eine Anzahl entfernt liegender, mit dem Schlundring durch Fäden ver- einigter Ganglien repräsentirt den Sympathicus. — Bei den Cephalopoden wird ein Theil des , der Commissuren fast völlig entbehrenden , Schlundringes als „Gehirn" in eine knorpelige Schädelkapsel aufgenommen. Ausserdem trifft man Ganglien am Magen und an dem Herzen. — Bei den Wi rbelthi eren liegt das Nervensystem stets auf der Dorsalseite des Körpers. Bei Amphioxus ist es noch nicht in Hirn und Rückenmark getrennt. Ueber die Theile des Gehirns der Vertebraten ist bereits §. 376 und §.377 berichtet; über die peripheren Nerven vgl. §. 359. Historisches. — Alkmaeon (580 v. Chr.) verlegte das Bewusstsein in das Historisches. Gehirn, Galen (131 — 203 n. Chr.) den Antrieb zu den willkürlichen Bewegungen. Aristoteles (384 v. Chr.) schreibt dem Menschen das relativ grösste Gehirn zu ; er nennt es unerregbar für Beize (gefühllos); die kleinen Menschen hält er für die geistig bevorzugten. Sonderbarer "Weise betrachtet er als eine Function des Gehirnes, die vom Herzen aufsteigende Wärme zu kühlen. — Herophilus (300 v. Chr.) bezeichnet den Calamus scriptorius ; wohl durch Versuche geleitet, hält er den vierten Ventrikel für den wichtigsten für das Leben. Freilich findet sich schon bei Homer die wiederholte Andeutung über die Lebensgefährlichkeit der Ver- letzung des Nackens (Sitz der Medulla oblongata). Dem Aretaeus und Cussius Felix (97 n. Chr.) war bekannt, dass die Läsion einer Grosshirnhälfte Lähmung der entgegengesetzten Seite bewirke. — Galen erkennt in dem Rückenmaike die leitende Bahn für Bewegung und Empfindung. — Vesaiius beschreibt (1540) die fünf Hirnhöhlen. R. Columbo sah (1559) die, mit der Herzaction isochrone Him- bewegung, über welche auch Riolan (KJ18) Genaueres mittheilt. Coiter fand (1573) die Lebensfähigkeit nach Herausnahme des Grosshirns. Um die Mitte des 17- Jahrhunderts entdeckte Wepfer die hämorrhagische Natur der Apoplexie, während Sylvias de le Bo'J die nach ihm benannte Grube und Wasserleitung beschrieb. Schneider (1660) bestimmte das Gehinigewicht verschiedener Thiere. Mistichelli (1709) und Petit (1710) beschreiben die Durchkreuzung der Bückenmarks- fasern unterhalb des Pons. Gall wies den theilweisen Ursprung des Opticus aus dem vorderen Vierhügel nach , er lieferte durch die Hirnzergliederung von unten die besten Aufschlüsse über den Faserverlauf und die Windungen des Gehirns (1810). Luigi Rolando bestimmt (18 '9) die grosse Centrallürcke des Gehirns ; er, sowie Bellinger (1823) beschreiben genauer die Gestalt der grauen Bückenmarks- substanz , Carus entdeckt darin (1814) den Centralcanal. Das umfangreichste anatomische Werk über das Gehirn schrieb Burdach (1819 — 1826). Physiologie der Sinneswerkzeuge. 385. Einleitende Vorbemerkungen. Die Sinnesorgane haben die Aufgabe, von den ver- schiedenartigen Erscheinungen in der Au3senwelt Eindrücke auf die Psyche zu übertragen : sie sind also die vermittelnden Werkzeuge der sinnlichen Wahrnehmungen. Damit solche Erfordernisse zu Stande kommen , muss folgenden Erfordernissen genügt zulta^de- werden: — 1. Das mit seinen specifischen Endapparaten aus- ksinneslrakr gerüstete Sinn esorgan muss in seinen anatomischen Bestand- nehmungen. theilen intact und physiologisch fun et ionsfähig sein. — 2. Es muss ein „speeifischer" Beiz vorhanden sein, der in normaler Weise das Endorgan erregend trifft. — 3- Es muss vom Sinnesorgan durch die Bahn des betreffenden Sinnesnerven eine ununterbrochene Leitung zum Grosshirn vorhanden sein. — 4. Es muss bei der Einwirkung der Erregung die psychi- sche Thätigkeit (Aufmerksamkeit) auf den Erregungsvorgang gerichtet sein; — so entsteht zunächst die Empfindung, z. B. des Lichtes , des Schalles durch das Sinnesorgan. — 5. Wird nun endlich durch einen psychischen Act die Empfin- dung auf die äussere Ursache bezogen , so kommt es zur b e- wussten sinnlichen Wahrnehmung. Oft vollführt sich jedoch diese Beziehung als ein unbewusster Schluss, indem sie lediglich aus gemachten Erfahrungen hergeleitet wird. Unter den Reizen, welche den Endapparat des Sinnes- Eomoioge Werkzeuges treffen, unterscheidet man: — 1. Adäquate oder heuroioge homologe Reize, d. h. solche, für deren erregende Thätigkeit Beize- das Organ besonders gebaut ist, wie die Stäbchen und Zapfen der Netzhaut für die Schwingungen des Lichtäthers. So kommt einer jeden Sinnesnervenendigung eine speeifische Erregung zu (Gesetz der specifischen Energie von Johannes Müller). — 2. Es sind aber auch weiterhin noch Reize anderer Art (mechanische, thermische, chemische, elektrische, innere somatische) von Wirk- samkeit , z. B. Eunkensehen beim Schlag auf's Auge , Ohren- klingen bei Blutwallung zum Kopfe. Diese heterologen [§. 385.] Einleitende Vorbemerke. S63 Reize sind wirksam auf die nervösen Bestandteile des Sinnes- werkzeuges in ihrem ganzen Verlaufe von dem Endapparate bis zur Hirnrinde. Die adäquaten Reize wirken hingegen nur auf den Endapparat, z. B. ist Lieht, auf den Stamm des bloss- gelegten Sehnerven geworfen, völlig wirkungslos. Die homologen Reize sind für die Sinnesorgane nur in stärke und einer gewissen Breite der Stärke wirksam. Ganz sehwache rauu. der „Schwellenwertlr' (Fechner) genannt. Mitzunehmender Stärke des Reizes wachsen die Empfindungen, und zwar nehmen die Empfindungen um gleichviel zu , wenn die Reizgrössen in gleichen Verhältnisstheilen zunehmen. So haben wir z.B. Fechner's dieselbe Empfindung gleicher Helligkeitszunahme, wenn statt physiches 10 Kerzen 11 oder wenn statt 100 Kerzen 110 ihr Licht ent- Ge3etz- senden (Verhältniss der Zunahme in beiden Fällen gleich ein Zehntel). Da die Logarithmen der Zahlen um die gleiche Grösse wachsen, wenn die Zahlen um einen gleichen Ver- hältnisstheil wachsen . so hat man auch das Gesetz so ausge- drückt: „Die Empfindungen wachsen nicht wie die absoluten Grössen der Reize, sondern annähernd wie die Logarithmen der Reizgrössen.-' Die Richtigkeit dieses sogenannten ..psyckophy- sischen Gesetzes" Feclincr 's ist jedoch neuerdings von E. Hering bestritten worden. — Zu intensiv einwirkende specifische Reize erregen eigenthümliche schmerzhafte Gefühle, z. B. Gefühl der Blendung, der Betäubung des Ohres u. s. w. — Die Sinnesorgane reagiren weiterhin auf die adäquaten Reize nur innerhalb be- stimmter Grenzen dieser, z. B. das Ohr« auf Schwingungen tönender Körper nur für einen gewissen Umfang der Schwingungs- zahlen, oder die Netzhaut nur für die Schwingungen des Licht- äthers zwischen roth und violett, jedoch nicht für die Wärme- schwingungen mehr, und auch nicht für die chemisch wirksamen Schwingungen. — Als Nachempfindungen bezeichnet man xachempßn- die Erscheinung . dass die Empfindungen in der Regel länger dauern, als der Reiz; hierher gehören die Nachbilder, anhaltende Empfindung nach Druck auf die Haut u. dgl. — Subjective Subjectwe Empfindungen kommen endlich dadurch zu Stande, dass Reize dungm. aus inneren, somatischen Ursachen den Nervenapparat des Werk- zeuges erregen. Den höchsten Grad derselben, meist auf krank- haften Reizungen der psychosensoriellen Rindencentra beruhend (Landois, Tamburini) , bezeichnet man als Hallucinationen. HauwAna- z. B. wenn ein Delirant Gestalten sieht oder Stimmen vernimmt, die gar nicht vorhanden sind. Im Gegensatze zu diesen be- zeichnet man als Illusionen die Modification einer wirklich mummen. vorhandenen Empfindung durch die Psj-che ; wenn z. B. das Rollen eines Wagens für Donner gehalten wird. Die Besprechung der verschiedenen Sinneswerkzeuge wird das Einzelne erläutern. Die Bei Neugeborenen — ist das Tastgefühl stark entwickelt, schwach das Sinne^ant Schmerzgefühl , Muskelemptindungen sind zweifelhaft vorhanden , Geruch und Seugebomen. 864 Anatoiniseh-histologisehe Vorbemerkungen. — Cornea. [§• 385.] Geschmack -wird vielfach verwechselt. Gehörreize werden schon vom 2. Tage an empfunden, Lichtreize sofort nach der Geburt, ein peripheres Gesichtsfeld existirt noch nicht (Cuigneti. Gegen 4 — 5 Wochen werden Convergenz- und Accommodations- Bewegungen wahrgenommen, nach 4 Monaten erfolgt Unterscheidung der Farben. Verschiedene Reize werden nicht gleichzeitig percipirt: ein Reflexhemniungs- centrum ist noch nicht ausgebildet (Genzmeri. Vorderes Epithel. Bowman's Lamelle. Das Sehwerkzeug. 386. Anatomiscli-histologisclie Vorbemerkungen. Der intrao culäre Druck. Die folgende anatomisch-histologische Skizze kann sich nur auf die physio- logisch wichtigen Punkte beziehen; sie setzt natürlich die Kenntniss des anatomischen Baues des Auges voraus. Die Cornea — wird der Einfachheit wegen als gleichmässig kugelförmig gewölbt angenommen, obschon sie eigentlich von dieser Gestalt abweicht. Sie gleicht vielmehr dem Scheitelabschnitte eines etwas schiefliegenden Ellipsoides, welches man sich durch Umdrehung eine- Ellipse um ihre grosse Axe entstanden denken muss ('Brücke) ■ doch kommen mannichfaltige Abweichungen von einer derartigen regelmässigen Gestaltung vor (Laqueur). Dieselbe ist überall annähernd gleich dick, nur bei Neugeborenen im Centralbezirke etwas dicker, beim Erwachsenen etwas verdünnt. Die Hornhaut hat folgende Schichten: — 1. Das vordere, geschichtete, kernhaltige Epithel (Fig. 243, a) besteht aus zahlreichen Zellenlagen. Die tiefsten haben eine mehr kegelförmige Gestalt, stehen senkrecht nebeneinander und heissen Stützzellen. Die Zellen der mittleren Schichten sind mehr gewölbt und greifen mit zackigen Fortsätzen ihrer Ränder in entsprechende Lücken ihrer Nachbarn ein. Die obersten Zellen sind flache, völlig glatte, härtere, Keratin enthaltende Plattenepithelien. — 2. Die Epithel- schicht ruht auf der Membrana elastica antica (Bowman's Lamelle), einer structur- losen Glashaut (b), deren Existenz jedoch von Einigen {Brücke/ bestritten wird. — Fig. 242. Hornhautkörperchen vom Menschen in den Saftlücken. Saftcanälchen, untereinander in Verbindung stehend. Saftlücken für die Cornea- körperchen. Oornea- substanz. 3. Die eigentliche Corneas üb stanz besteht aus (chondrinhaltigen) Fasern 'Johannes Müller, Rolletlj, die sich aus zartesten Bindegewebsfibrillen zusammen- setzen. Diese Fasern sind zu mattenartigen Lamellen (1) miteinander verflochten, welch' letztere schichtenweise über einander gelagert sind. Gegen die vordere Elastica biegen diese Bündel als Stützfasern um. In den Lücken der Geflechte befindet sich ein System zusammenhängender Hohlgänge (Fig. 242) , welche eine Art von Wandungsschicht erkennen lassen. Diese anastomosirenden Gänge sind lymphatischer Natur (§. 197- 1) und stehen weiterhin mit Lymphgefässen der Conjunctiva in Verbindung. In den Lücken liegen die fixen Hornhautkörper- chen (Fig. 243. c), welche mit Ausläufern anastomosiren und den Charakter [§•386.] Cornea. 86.= protuplasmatischer Zellen haben. Kühne sah auf Reizung der Hornhautnerven diese Zellen sich zusammenziehen (§. 202. 7) ; auch der anatomische Zusammenhang der Nerven mit den Zellen ist nachgewiesen Kühne, Waldeyer). Nach v. Recklinghausen können auch Wanderzellen von aussen in das Gangwerk eindringen, über deren Vermehrung bei der Entzündung (§.201.4) berichtet ist. — 4. Die glashelle, structurlose, hintere elastische Membran (d), die Descemet' sehe oder Demoius' sehe Descemet- Haut, besitzt bei manchen Thieren eine streifige, auf geschichtete Verdichtungen üaut' deutende Zeichnung , gegen den Cornealrand mitunter einzelne leichte , buckei- förmige Hügel. Diese Membran ist sehr zäh und (bei Entzündungen u. dgl.) Fig. 243. Meridionaler Durchschnitt durch die Corneo-Scleralgrenze. a Vorderes Cornea-Epithel, b Boteman' sehe Lamelle, c Hornhautkörperchen resp. Saft- lücken, l Horahautlamellen : das Ganze zwischen b und d ist die Substantia propria corneae, d Descemet' sehe Membran, e das Epithel der letzteren, f Uebergang der Cornea in die Sclera, g Limbus conjunctivae, h Conjunctiva, i SchUmm'aßhsx Canal, fc Leber- scher Venenplexus, von Leber als zum vorigen gehörend angesehen, m m Maschen im Gewebe des Lig. iridis pectinatum, » Iriswurzel, o longitudinale, p circuläre (quer- get.roffene) Faserbündel der Sclera, q Perichorinidealraum, .* meridionale, t äquatorial (circulär) verlaufende Bündel des Ciliarmuskels, u Querschnitt einer Art. ciliaris. v Epithel der Iris (Fortsetzung desjenigen der hinteren Corneawand), w Substanz der Iris, x Pigment der Iris, » Ciliarfortsatz.» widerstandsfähig; wird sie abpräparirr, so rollt sie sich nach der convexen Seite um. [hre periphere Begrenzung geht in das faserige, elastische, genetzte Liga- mentum iridis pectinatum über, dessen Balken vom Epithel überzogen sind. — 5. Das hintere, einschichtige Hornhaut- Epithel bestellt aus ilachen, zarten, kernhaltigen Zellen (e), welche sich vom Rande der Hornhaut auf die vordere Fläche der Iris begeben (v). In den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Zellen befinden sich feine Saftlücken v. Reckliü^hausen^ . welche mit einem feinen Röhrensystem unter der Epithelschicht und weiter durch die Descemet 'sehe Haut Landois, Physiologie. 7. Aufl. 55 /Unteres Cornea- 866 Cornea. — Sclera. — Chorioidea. [§• 386.] Xerven. Oefässe. Schlemm- scher Canal. Uvealtract. Chorioidea. Ciliartheil. M. ciliaris. hindurch mit den Hornhautlücken im Zusammenhange stehen fPreiss). — Die Xerven der Hornhaut (aus den Nn. ciliares longi et breves stammend, §. 349) sind zum Theil sensibler Natur. Diese treten von der Umrandung der Hornhaut als Stämmchen anfangs markhaltiger Fasern ein. Weiterhin geht die Markhülle verloren, die zertheilten nackten Fibrillen dringen nun in die Epithel iallage ein , verzweigen sich , senkrecht aufsteigend , nochmals und endigen schliesslich zwischen den Epithelien als feinste (durch Behandlung mit Goldchlorid sichtbare) Fäserchen, mit punktförmigen Knöpf chen (Fig. im §. 426) (Hey er, Cohnheim). Die trophischen Fasern der Hornhaut (§.349) sind wohl jene tieferen, zu den Hornhautkörperchen hintretenden Zweige (§. 202. 7). — Blutgefässe besitzt nur der äusserste Hornhautrand (Fig. 244 v.), welche oben 2 Mm., unten 1,5 Mm., seitlich 1 Mm. über den Rand hinaus vordringen; doch biegen von hier die äussersten Capillarschlingen arkadenartig zurück. Die Hornhaut wird von ihrem äusseren Rande aus ernährt — Trübungen der Hornhaut verursachen ent- sprechende Sehstörungen. Die Sclera — ist eine derbe, fibröse, aus äquatorial (p) und meridional (o) verlaufenden Bindegewebsbündeln gewebte Haut. In ihren Spalträumen besitzt sie theils farblose und pigmentirte Bindegewebskörperchen (Waldeyer), theils wandernde Lymphoidzellen. Sie ist hinten am dicksten, gegen die Aequatorial- gegend am dünnsten; weiter vorn wird sie durch die Insertion der Sehnen der geraden Augenmuskeln wieder dicker. Sie enthält nur wenige Blutgefässe , die unter ihrer inneren Oberfläche ein weitmaschiges Capillarnetz bilden. Andere Gefässe flechten um den eintretenden Sehnerven einen arteriellen Gefässkranz. Selten hat sie die Gestalt einer Kugel , vielmehr ist sie entweder mehr einem Eilipsoid ähnlich, das entstanden gedacht werden muss durch die Rotation einer Ellipse um deren kleine Axe (kurze Augen), oder um deren grosse Axe (lange Augen). Von oben und von unten her greift die Sclera falzartig über den hellen Cornearand hinweg, weshalb die Hornhaut von vorn gesehen quer elliptisch, von hinten kreisförmig erscheint. Dem Rande der Hornhaut folgend, aber noch inner- halb der Substanz der Sclera selbst belegen , verläuft der , mit anderen anasto- mosirenden Venen (Z- dicke, glashelle Grenzschicht, die sich nach vorn etwas verdickt. Dann kommt — 2. das ausserordentlich reiche Capillarnetz der Choriocapillaris s. Membrana Ruyschii, eingebettet in einer homogenen Lage. Hieran grenzt — 3- eine Lage eines dichten elastischen Netzes, welches an beiden Flächen von einem Endothel überkleidet ist (Sattler). Dann folgt — 4. die eigentliche Chorioidea, eine Lage mit pigmentirten Bindegewebskörperchen, welche in einer Schicht eines kräftigeren, elastischen Netzes die zahlreichen venösen Gefässe, sowie die Arterien trägt. Endlich findet sich — 5. die, den grossen , mit Endothel ausgekleideten, lymphatischen Perichorioidealraum (q) umfassende, mit pigmentirtsn Binde- gewebszellen ausgestattete Schichte, welche auch Suprachorioidea oder Lamina fusca genannt wird. Bei Neugeborenen [die alle dunkelblaue Iris haben (Aristotelesj~\ , ist das Uvealgewebe noch pigmentlos ; bei Brünetten kommt es später zur Pigment-Entwicklung, bei Blonden nicht. In dem Ciliartheile der Aderhaut — treten die pigmentirten Bindegewebs- körperchen zurück. Hier liegt der Ciliarmuskel (Accommodationsmuskel, Tensor chorioideae, Brücke's Muskel), der theils mit meridional verlaufenden Bündeln (s) mittelst eines verzweigten , netzförmigen , bindegewebigen Ursprunges von der Innenseite der Corneoscleralgrenze, unweit des Schletnm'schen Canales entspringt und nach hinten in die Chorioidea ausstrahlt, theils mit mehr nach innen liegenden, circulären Bündeln (t) durch den Ciliarrand zieht (Heinr. Müllers Muskel). Der motorische Nerv dieses glatten Muskels ist der N. oculomotorius (§. 347. 3). Innerhalb der Ciliarfortsätze fand man Ganglienzellen, die wahrscheinlich dem Trigeminusgebiete angehören (Grünhagen). [§• 386.] Iris. 867 Die Iris — besteht, von vorn nach hinten gezählt; aus einem Endothel- häutchen (v), einem Stroma mit Bindegewebsfasern und Zellen, der Gefässschicht und endlich aus einer hinteren Begrenzungsmembran, die das Pigmentepithel (x) trägt (Michel), Sie enthält in ihrem, bei Brünetten mit pigmentirten ßindegewebs- zellen ausgestatteten, Gerüste 2 glatte Muskeln: — den Sphincter pupillae (Fig. 257), welcher das Sehloch umkreist und der hinteren Irisfläche naheliegt (er wird vom Oculomotorius innervirt, §. 347- 2) und — den Dilatator pupillae. Letzterer besteht aus einer dünneren Lage radiär ziehender Fasern, die theils Sphincter. Dilatator pupillae, Fig. 244. Schematische Darstellung: des Gefässverlaufes im Auge nach Th. Leber. Horizontalschnitt, Venen schwarz, Arterien hell (doppelt contourirt). a Art. eil. post. brev. l> Art. eil. post. long, cc' Art. und Ven. eil. ant. d d' Art. und Ven. con.junct. et' Art. und Ven. ceatr. ret. /G-efässe der inneren, g der äusseren Opticus-Scheide. h Ven. vort. i Veuul. eil. post. brev. gehören nur der Sclera an. k Ast der Art. eil. post. br. zum Opt. i Anastomose der Chor.-Gefässe mit denen des Opt. m Chorio;capillaris. n Episclerale Aeste. o Art. recurr. chor. P Circul. art. irid. maj. (Querdurctischnitt). q Gefäase der Iris, r Ciliarfortsatz. * Ast. der Ven. vort. aus dem Ciliarmuskel. t Ast der vord. Cil.-Ven. aus dem Ciliarmuskel, u Circ. ven. u Randschlingennetz der Hornhaut, w Art. und Ven. conjuuet. ant. bis zum Pupillarrand treten, theils in den Sphincter umbiegen. Am äusseren Irisrande gehen die radiären Züge bogenförmig in einander über und bilden hier einen kreisförmigen Muskelzu» Merkel, . Der Nerv des Dilatator pupillae ist vor- nehmlich der Sympathicus (§.349) |l'i'' Existenz des M. dilatator pupillae wird von Grünhagen bestritten.] Ganglien linden sich an den Ciliarnerven in der Chori- oidea. — [Gerlac/i hat passend als Ligamentum aunulare bulbi jenes ringförmige Prisma von Fasermassen bezeichnet, welches, die Irisperipherie um- grenzend, zugleich den Einigungspunkt für das Corpus ciliare, die Iris, den 55* Verbreitung der Gefässe des Auges. — Retina. [§• 386.] Fig. 245. Cüiannuskel, den Sinus venosus iridis und die Uebergangsstelle von Cornea und Sclera bildet.] Gefdsse der Von grosser Bedeutung für die Ernährung des Auges ist der Verlauf der Uvea. Chorioidealgefässe. — Derselbe verhält sich nach Leber also : Unter den Arterien sind: — 1. die Aa. ciliares posticae breves (Fig. 244 aa), welche gegen 20, die Sclera in der Umgebung des Sehnerven durchbohren. Sie gehen in das reiche Netz der Choriocapillaris (m) über, welches bis zur Ora serrata reicht. — 2. Die 2 Aa. ciliares posticae longae , von denen die eine an der Nasen- , die andere an der Schläfen-Seite liegt, verlaufen (b) bis zum Ciliartheil der Chorioidea, wo sie sich gabelig theilen und bis in die Iris vordringen, um hier in die Bildung des Circulus arteriosus iridis major (p) einzugehen. — 3. Die Aa. ciliares anticae (c), die den Bami musculares entstammen, durchbohren vorn die Sclera und geben Aeste in den Ciliartheil der Chorioidea und in die Iris. Von innen laufen etwa 12 Zweige rückwärts (o) zur Choriocapillaris. Von den Venen entnehmen — 1. die Venae ciliares anticae (c1) das Blut dem vorderen Theile der Uvea und führen es nach aussen. Diese Zweige hängen mit dem Schlemm 'sehen Canal und dem Leber'schen Venenplexus zusammen. Sie nehmen jedoch kein Blut aus der Iris auf. — 2. Die Venennetze des Ciliarkörpers (r), denen auch das Irisblut (q) zufliesst, begeben sich rück- wärts zu den Chorioidealvenen. — 3. Die grossen Vasa vorticosa Stenosis durchbohren endlich mit ihren Stämmen (h) hinter dem Aequator des Bulbus die Sclera. — Der innere Rand der Iris schleift auf der vorderen Linsenfläche ; die hintere Augenkammer ist zwar auch beim Erwachsenen wenig geräumig, aber nur beim Neugebornen bis zum Verschwinden eingeschränkt. Berliner Blau, in die vordere Augen- kammer injicirt, tritt fast regelmässig in die vorderen Ciliarvenen (Schwalbe), selbst bei lebenden Thieren, ebenso Carmin (Heisraih); daher schliessen diese Forscher, dass eine d i r e c t e Communication zwischen Venen und Kammer bestehen müsse, da eine Diffusion dieser Farbstoffe durch Membranen nicht statthat. Pigment- Nach Innen von der Chorioidea liegt das ein- epithei. schichtige, aus sechseckigen, 0,0135—0,02 Mm. breiten, mit krystallinischem Pigment erfüllten Zellen beste- hende Epithel, welches eigentlich der Retina angehört. Es ist einschichtig bis zur Ora serrata ; auf die Pro- K 's cessus ciliares und die Rückseite der Iris sich fort- setzend (Fig. 243 x) wird es mehrschichtig. Nur bei Albinos ist es pigmentlos ; dahingegen sind die ober- sten Zellen, welche auf den Firsten der Ciliarfortsätze liegen, stets ohne Pigment. Retina. Qje Netzhaut — grenzt nach aussen an das sechseckige Pigmentepithel (Pi), welches in entwick- lungsgeschichtlicher und functioneller Beziehung der Retina angehört. Die Zellen sind nicht platt, sondern sie senden pigmentirte Fortsätze in die, zwischen den Stäbchenenden befindlichen Lücken. Bei einigen Thieren befinden sich in den Zellen Körner von Fett (Kanin- chen) und anderen Substanzen. An der Ora serrata finden sich die Zellen grösser und dunkler (Kühne). — Schichten der- Unter den eigentlichen Schichten der Netzhaut liegen : — 1. die, als Neuro-Epithel bezeichneten ( Schwalbe) Stäbchen (St) und Zapfen (die an der Eintritts- stelle des Sehnerven fehlen) am meisten nach aussen. Beide bestehen aus einem Aussenglied und einem Innenglied. Die Aussenglieder enthalten während des Lebens einen rothen Farbstoff (Boll), den „Netzhaut-Purpur", der sich im Dunklen conserviren lässt, im Tageslicht aber ausbleicht, sich jedoch im Auge wieder ersetzt. Er ist durch 2,5% Galleusäuren ausziehbar [Kühne), namentlich aus Netzhäuten, welche in 10°/()- Kochsalzlösung gelegen haben (Ayres). Die Stäbchen, 0,04—0,06 Mm. hoch und 0,0016—0,0018 Mm. breit, zeigen eine longi- /?/,■ Wf Schichten der Netzhaut. selben. [§• 386.] Retina. — Linse. 869 tudinale, durch Vertiefungen bedingte Streifung; in der Axe verläuft eine feine Fibrille (Ritter). Das Aussenglied zerfällt mitunter in zahlreiche, feinste Quer- plättchen. Krause fand an der Grenze des Aussen- und Innen-Gliedes in den Stäbchen einen ellipsoiden Körper, das „Stäbchen-Ellipsoid". — Die flaschenförmigen Zapfen sind ohne Sehroth, das Aussenglied zeigt ebenfalls Längs- streifung und zerfällt sehr leicht in Plättchen. In der Macula lutea finden sich nur Zapfen ; in ihrer Umgebung ist allemal ein Zapfen von einem Kranze von Stäbchen umgeben. Je weiter in die Peripherie der Netzhaut hinein, um so spär- licher sind die Zapfen. Nächtliche Thiere (Eule, Fledermaus) besitzen entweder gar keine Zapfen, oder nur verkümmerte. Die Retina der Vögel hat viele Zapfen, die der Eidechse nur Zapfen. — Stäbchen und Zapfen stehen auf der siebartig durchbrochenen Membrana limitans externa (L e) , beide senden Fortsätze durch die Löcher : die Zapfen zu den grösseren und höher liegenden Zapfenkörnern, die Stäbchen zu den quergestreiften Stäbchenkörnern. Die Körner gehören — 2. der „äusseren Körnerschicht" (äu K) an, welche nebst allen folgenden Schichten als „Gehirnschichten" (Schwalbe) bezeichnet werden. Es folgt nun — 3. die Zwischenkörnerschicht (äu gr), durch welche die, von den Körnern ab- gehenden Fasern hindurch gehen (Merkel), um — 4. zu den Körnern der inneren Körnerschichte (in K) zu gelangen. Diese (Stölir), sowie die Stäbchenkörner und die Zapfenkörner der Macula lutea zeigen eine Art Querstreifung (Krause). — 5. Durch die moleculare, feinkörnige Lage (in gr) lassen sich die, von den Körnern weitergehenden Fasern nicht mehr continuirlich verfolgen. Hier scheinen sie sich in ein Netzwerk feinster Fibrillen aufzulösen', in welches sich auch die verästelten Ausläufer der Ganglien der — 6. Ganglienschicht (Ggl.) einsenken. Nach v. Vintschgau hängen jedoch die Ganglienausläuf.T mit den Fasern der Körner zusammen. Zuleizt liegt — 7. die Schicht der Opticus- fasern (o.) der Membrana limitans interna (Li) an. Nach Saher existiren im Ganzen 438.000, nach W. Krause aber 400-000 breitere und ebenso viele feinste Opticusfasern. Zu eiuer jeden Opticusfaser gehören 7 — 8 Zapfen , etwa 100 Stäbchen und 7 Pigmentzellen (der Chorioidea). Die Opticusfasern fehlen in der Macula lutea, woselbst jedoch reichlich Ganglien liegen. — Zwischen den beiden homogenen Membranae limitantes (Li und Le) liegt die bindegewebige Stützsubstanz der Netzhaut. Sie enthält die, nur im gelben Flecke fehlenden, radiär alle Gehirnschichten durchsetzenden Fasern, die Müller' sehen Stützfasem, (Rf) die verbreitert auf der Limitans interna beginnen (Rk) und in ihrem Verlaufe kernhaltige Bildungen (k) tragen. Im Uebrigen bildet die Stützsubstanz durch alle Schichten ein Netzwerk , welches für die durchtretenden nervösen Theile entsprechende Lücken lässt (Sg). Auch die Innenglieder der Stäbchen und Zapfen sind noch von einer Stützsubstanz umhüllt. — Die, nach der Ora serratahin stets dünner werdende, Netzhaut wird stetig reicher an Binde- und ärmer an Nerven-Gewebstheüen, bis man im Ciliartheil nur noch cylindrische Zellen antrifft. Die Blutgefässe der Netzhaut — liegen in den inneren Schichten bis gegen die inneren Körner hin. Dieselben stehen nur an der Eintrittsstelle des Sehnerven mit den Chorioidealgefässen durch feine Aestchen in Verbindung ; sie besitzen perivasculäre Lymphbahnen. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Capillaren nimmt ihren Weg in den Schichten jenseits der inneren Körner (Hesse, His). Die Fovea centralis hat keine Gefässe (Nettleship, Becker). [Ausser bei den Säugern, dem Aal (Denissenko) und einigen Schildkröten (Heinr. Müller) erhält die Netzhaut überhaupt keine Gefässe.] — Zerstörung der Netzhaut hat Blindheit zur Folge. Die (frisch sauer reagirende, im Dunkelaufenthalt alkalisch werdende) Retina enthält in den Stäbchen und Zapfen Albumin, Neurokeratin, Nuclein und gefärbte Oelkügelchen (in den Zapfen): sogenannte „Chromophane". In den übrigen Schichten finden sich die Bestandteile der grauen Hirnsubstanz. Die von einer, vorn dickeren, hinten dünneren Kapsel umgebene Linse — hat an der Innenfläche der vorderen Kapselwand ein niedriges, würfelförmiges Epithel. Nach dem Rande der Linse zu verlängern sich diese Zellen zu einkernigen (biobimki) Fasern, welche alle um den Rand der Linse umbiegen und auf beiden Seiten der Linse mit ihren Enden in je einer sternförmigen Figur (Linsen stern) zusammenstossen. Die Linsenfasern enthalten Globulin in einer Art Hülle einge- schlossen. Sie platten sich gegen einander sechseckig prismatisch ab und sind bei manchen Thieren (Fischen) an ihren Kanten mit Zähnchen in einander gefügt. Binde- substanz. Gefässe. Chemie der Retina. Linse. 870 Linse.' — Zomila Zinnii. — Glaskörper. [§• 386.] Zonula Zinnii. Polygonale Quer — schnitte der Linsenfasern. Der Einfachheit Wegen wird die Linse als biconvexe, mit kugeligen Flächen versehene Linse betrachtet, deren hintere Fläche eine stärkere Wölbung besitzt. Thatsächlich stellt jedoch die vordere Fläche einen Theil eines Ellipsoids dar, das durch Eotation um. die kleine Axe entstanden gedacht werden kann. Die hintere Fläche gleicht dem Scheitelabschnitt eines Paraboloids, d. h. sie kann ent- standen gedacht werden durch Eotation einer Parabel um ihre Achse (Brücke1. Die äusseren Lagen der Linsen haben ein geringeres Brechungsvermögen, als die mehr und mehr nach innen liegenden. Der mittlere Kern ist zugleich von festerer Consistenz und dabei stärker convex als die Gesammtlinse. Der Rand der Linse ist immer von den Pro- cessus ciliares durch einen Zwischenraum getrennt. Die, an der Ora serrata entstehende, Linsenfasern. Zonula Zinnii — legt sich als halskrausen- förmig gefaltete Membran an den Ciliartheil der Uvea so an, dass die Ciliarfortsätze sich in die Falten derselben hineindrücken und mit ihnen verklebt sind. Dann tritt sie zum Linsenrande, an dessen vorderem Bereiche sie sich mit wellenförmiger Insertion befestigt. Hinter der Zonula Zinnii, bis zum Glas- körper reichend , liegt der Petitsche Canal. Die Zonula ist eine faserig durchbrochene Membran (Schwalbe, Vlacovitsch) • nach Merkel undÄ Virchow ist auch der Petii 'sehe Canal von feinsten Fasern derselben eingenommen: er ist also eigentlich kein Canal , sondern ein complieiftes , zusammenhängendes Raumsystem (Gerlach). Immerhin erhält die Zonula als gespannte Membrana die Linse in ihrer Lage, und 'sie kann so als Aufhängeband derselben gelten. Trübungen der Linse (grauer Staar) erschweren den Eintritt der Licht- strahlen in das Auge. Das Fehlen der Linse (Aphakie) (nach Staaroperationen) kann durch eine starke Convexbrille ersetzt werden : natürlich fehlt aber einem solchen Auge das Accommodationsvermögen. Glaskörper. Her Glaskörper — wird äusserlich bis zur Ora serrata von der Membrana limitans interna retinae begrenzt (Henle, Iwanoff j. Von hier ab nach vorn ent- stehen zwischen beiden die meridional verlautenden Fasern der Zonula , welche mit der Glaskörperoberfläche und den Ciliarfortsätzen verklebt ist. Der Glaskörper ist gegen den Petit sehen Canal durch eine faserige Haut abgeschlossen (H. Virchow). — Von der Papilla N. optici bis zur hinteren Fläche der Linsenkapsel verläuft ein 2 Mm. weiter Canal, der (früher von Gefässen durchzogene) Canalis hyaloideus. — Der peripherische Theil des Glaskörpers ist zwiebelschalenartig geschichtet, die Mitte homogen; in ersterem finden sich, zumal noch bei Neugeborenen, rundliche, spindelförmige oder sternförmige, indifferente Zellen des Schleimgewebes, in der Tiefe findet man nur noch verkümmerte Reste derselben (Iwanoff). Dazwischen zeigt das Glaskörpergewebe eine feinfaserige Structur (Hans Virchow. Der Glas- körper enthält in seiner, nur 1,5% Fixa besitzenden, gallertartigen Masse Mucin. Lymphbahnen Die Lymphbahnen — des Auges umfassen eine vordere und eine hintere des Auges. (Schwalbe). — Die vordere setzt sich zusammen aus der vorderen und hinteren Augenkammer , welche mit den Lymphgefässen der Iris , der Ciliarfortsätze , der Cornea und Conjunctiva communiciren. Zu der hinteren Lymphbahn gehört zunächst der, zwischen Sclera und Chorioidea belegene, grosse Perichorioidealraum (Schwalbe). — Dieser steht durch Lymphgefässe, welche perivasculär die austretenden Stämme der Vasa vorticosa Stenonis überziehen, mit dem grossen 71'«o»'schen Lymphraum (Schwalbe) in Verbindung, der zwischen Sclera und der 7>«ö«'schen Kapsel liegt. Nach hinten setzt sich dieser in einen, die Sehnervenoberfläche scheidenartig umhüllenden Lymphweg weiter fort ; nach vorn steht er in directer Communication mit den subconjunctivalen Lymphraumen des Bulbus (Gerlach). — Der Sehnerv hat 3 Scheiden: — 1. die Dural-, 2. die Arachnoideal- und 3. die Pial-Scheide , her- kommend von den gleichbenannten Hirnhäuten. Zwischen diesen 3 Scheiden liegen [§• 386.] Lymphbahnen. — Kammerwasser. 871 2 lymphatische Eäume : der Subduralraum (zwischen 1 und 2) und der Sub- arachnoidealraum (zwischen 2 und 3) (Fig. 247). Beide sind von Endothel aus- gekleidet: feine, von einer Wand zur anderen ziehende Bälkchen sind ebenfalls überkleidet. Nach Axel Key 6° Relzius communiciren diese Lymphräume nach vorn mit dem Perichorioidealraum. Der Humor aqueus — steht der Cerebrospinalflüssigkeit nahe und enthält Eiweiss und Zucker (Kuhn); ersteres vermehrt sich, letzterer verschwindet nach dem Tode (dasselbe findet sich im Glaskörper). Das Eiweiss nimmt zu, wenn die Differenz zwischen Blutdruck und intraoculärem Druck steigt. Solche Druckver- änderungen und ebenso intensive Beize, welche das Auge treffen, bewirken auch Fibrinproduction in der vorderen Kammer (Jesner 6° Grünhagen}. Humor aqueus. Fig. 247. W M: n n r 7 O'J.HilllMlPH cit MAlülONl!«. Horizontalschnitt durch den Sehnerven hei seiner Insertion am Bulbus und durch die Membranen des Auges. a inrere, b äussere Netzhautschichten; c Aderhaut; d Sclerotica ; e physiolo- gischer Trichter; /Arteria centralis ret. im Axencanal; oder tt = -5- — t- 1 ' b f b 1 1 Beispiele: Es sei l = 24 Cm., f = 6 Cm. Dann ist — = — b o 24 = — ; also b = 8 Cm., d. h. das Bild befindet sich 8 Cm. hinter der Linse. — Ferner: es sei l = 10 Cm., f = 5 Cm. (also l = 2 f). Es ist dann -r- = — — ; also b = 10, d. h. das Bild befindet sich im Abstand der doppelten Bildpunktes. 10 10' 1 1 Brennweite von der Linse. — Endlich sei l = 00. Dann ist — = — — _ ; also b t 00 ' b = f, d.h. der Bildpunkt für parallele (aus unendlicher Ferne kommende) Strahlen liegt im Brennpunkt der Linse. Brechungs- Brechuncisverhältni? s (Brechungsexponent). — Ein Lichtstrahl, welcher in verhältniss. der Richtung des Einfallsloses aus einem Medium in ein zweites von ver- schiedener Dichtigkeit übergeht, geht ungebrochen durch dasselbe hindurch. Ist also (Fig. 249) GD _[_ AB, dann ist auch D D J_ A B. [Für eine ebene Fläche A B ist das Einfallsloth die Senkrechte G D. Ist aber die Fläche eine Kugelfläche, dann ist das Einfallsloth der verlängerte Radius dieser Kugelfläche.] — Fällt jedoch der Lichtstrahl schief auf die Fläche, so wird er „gebrochen", d. h. aus seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt. Der einfallende und der gebrochene Strahl liegen jedoch in einer Ebene. Geht der schief einfallende Strahl aus einem dünneren Medium (z. B. Luft) in ein dichteres (z. B. Wasser) über, so wird der gebrochene Strahl zum Einfallsloth hingelenkt. Geht er umgekehrt aus einem dichteren Medium in ein dünneres über, so wird er vom Einfallslothe weggelenkt. [Der Winkel, welchen der auffallende Strahl (SD) mit dem Einfallsloth (G D) bildet (<3C i), wird Einfalls winkel genannt ; der, welchen der gebrochene Strahl (DS,) mit dem verlängerten Loth (DD) bildet, heisst Brechungswinkel (<^C r)]. Die Stärke der Brechung wird aus- gedrückt durch das -Brechungsverhältniss" (oder Brechungsexponenten). Brechungsexponenten (n) nennt man diejenige Zahl, welche angiebt, wie vielmal beim Uebergange aus der Luft für die bestimmte Snbstanz der Sinus des Einfallswinkels grösser ist als der Sinus des Brechungswinkels. Also n — sin i : sin r = a b : c d. Will man die Brechungsexponenten zweier brechender Medien mit einander vergleichen, so nimmt man stets an, dass der Lichtstrahl aus der [§• 387.] Brechungsverhältniss. 875 Luft in die Medien übergeht. Beim Uebergange aus der Luft in Wasser wird der Lichtstrahl in solcher Weise abgelenkt , dass sich der Sinus des Einfalls- winkels zum Sinus des Brechungswinkels verhält wie 4^3; der Brechungsexponent ist also = — (genauer = 1,336). Beim Glase findet man das Brechungsverhältniss = 3:2 (genauer ist der Brechungsexponent = 1,535) (Snellius 1620, Descartes). — [Die Sinus des Einfalls- und des Brechungs-Winkels verhalten sich wie die Ge- schwindigkeiten, mit denen sich das Licht innerhalb der beiden Medien iortpflanzt.] Die Construction des gebrochenen Strahles bei bekannten Brechungs- verhältnissen ist dem Torgetragenen entsprechend leicht auszuführen. Beispiel: Es sei (Fig. 250) L die Luft , G ein dichteres Medium (Glas) mit sphärischer Trennungsfläche x y, deren Mittelpunkt in m liegt. — p o sei der schief auffallende Strahl; mZ ist dann das Einfallsloth, und «^C i der Einfallswinkel. Das gegebene 3 Brechungsverhältniss sei — ; die Aufgabe sei, die Richtung des gebrochenen Strahles zu finden. — Construction: Man beschreibe von o aus mit beliebig grossem Radius einen Kreis; sodann ziehe man von a eine Senkrechte ab auf das Einfallsloth m Z ; dann ist a b der Sinus des Einfallswinkels i. Die Linie a b theile man in 3 gleiche Theile und verlängere sie sodann um 2 dieser Theile, Construction des gebrochenen Slraldes. Fig. 249. s \/ G b \ \i \ D \ vi r\ 1 c \^y D i\ Fig. 250. nämlich bis nach p. Nun ziehe man von p die Linie p n m Z. Dann ist die Ver- bindung von o nach n die Richtung des gebrochenes Strahles. Denn wenn man von n die Linie ns senkrecht auf in Z zieht, so ist ns= b p. Es ist ferner n s = sin <£ r. Nach der Construction verhält sich dann a b : s n (oder : b p) = 3 : 2, oder sin i : sin r = — . 2 Optische Cardinalpunkte eines einfachen sammelnden Systemes. — Zwei brechende Medien (Fig. 251 L und G). welche durch eine sphärische Trennungs- fläche (ab) von einander geschieden sind, bilden ein einfaches sammelndes System. Aus der Kenntniss gewisser Eigenschaften eines solchen lässt sich leicht sowohl die Construction eines, aus dem ersten Mittel (L) schräg auf die Trennungsfläche (ab) auffallenden Strahles und seiner Richtung im zweiten Mittel G ausführen. als auch von einem Lichtpunkte im ersten Mittel die Lage des hierzu gehörenden Bildpunktes im zweiten Mittel bestimmen. Die hierzu nothwendig zu kennenden Eigenschaften und Punkte eines solchen einfachen sammelnden Systems sind folgende : Es ist L (Fig. 251) das erste, und G das zweite Medium, ab ist die sphärische Trennungsfläche, wozu m der Krümmungsmittelpunkt ist. Alle, von m zu ab gezogenen Radien (m x, m n) sind natürlich Einfallslose, daher denn auch alle, in der Richtung der Radien einfallenden Lichtstrahlen ungebrochen durch m hindurchgehen müssen. Alle derartigen Strahlen heissen Richtungsstrahlen ; m, der Durchschnittspunkt aller dieser, wird auch K n o t e n p u n k t genannt. Die Optische Cardinal- punkte eines einfachen sammelnden Systems. 876 Optische Cardinalpunkte. [§•387.] Linie, welche m mit dem Scheitelpunkt der sphärischen Fläche (x) verbindet und nach 'beiden Seiten verlängert ist, heisst die optische Axe (0 Q). Eine, in x senkrecht auf OQ errichtete Ebene (EF) heisst Hauptebene, und in ihr selbst ist X der Hauptpunkt. Man hat nun Folgendes ermittelt : — 1. Alle Strahlen ia bis a5), welche im ersten Medium parallel unter sich und mit der optischen Axe auf ab fallen, werden im zweiten Medium so gebrochen, dass sie alle in einem Punkte (pj des zweiten Mediums sich wieder vereinigen. Dieser heisst zweiter Hauptbrennpunkt. Eine, in diesem Punkte senkrecht zu 0 Q, er- richtete Ebene wird zweite Focalebene (CD) genannt. — 2. Alle Strahlen Fig. 251. (c bis c2), welche im ersten Mittel parallel untereinander, aber nicht parallel mit 0 Q sind, vereinigen sich wieder in einem Punkte der zweiten Focalebene (r), dort , wo der ungebrochene Richtungsstrahl (Cj m r) diese trifft (es darf jedoch hierbei der Winkel, welchen die Strahlen c bis c2 mit OQ bilden, nur ein kleiner sein). Die Sätze 1 und 2 können natürlich auch umgekehrt werden: die aus pt divergent gegen a b gerichteten Strahlen gehen im ersten Medium parallel mit einander und mit der Axe 0 Q weiter (a bis a5) ; — und : die aus r gehenden Strahlen verlaufen im ersten Medium parallel unter einander, aber nicht parallel mit der Axe 0 Q (als c bis c2) weiter. — Ferner ist gefunden : — 3- Alle Strahlen, welche im zweiten Medium parallel unter einander (b bis b5) und mit Fig. 252. der Axe 0 Q verlaufen , vereinigen sich wieder in einem Punkte des ersten Mediums (p) , dem ersten Hauptbrennpunkt; — (auch dieser Satz gilt natürlich umgekehrt). Eine in diesem Punkte senkrecht zu 0 Q errichtete Ebene heisst erste Hauptbrennebene (AB). Der Radius derbrechenden Fläche (m x) ist gleich der Differenz der Abstände der beiden Hauptbrennpunkte (p und pj vom Hauptpunkte (x) ; also mx = p:x — px. — Aus der Kenntniss dieser ein- Oonatruction fachen Verhältnisse lässt sich nun leicht d\^^ \ F II h \ ii v F, Construction des gebrochenen Strahles und des Bildpunktes bei vor- m*ung handenpn mehreren brechenden Medien. — Befinden sich hinter einander mehrere ,",eÄ,rcr7" brechende Medien angeordnet, so müsste mau von Medium zu Medium in der vor- MtdimHntar stehend beschriebenen Weise mit der Construction vorgehen. Allein dieses wäre, einander. 878 Anwendung der dioptriscken Gesetze auf das Auge. [§. 387.] zumal bei kleinen räumlichen Verhältnissen, ein mühsames Verfahren. Gauss hat nun (1840) durch Berechnungen (welche in elementarer Weise hier nicht klar- gelegt werden können) nachgewiesen, dass sich in allen solchen Fallen das Constructions verfahren ganz ausserordentlich vereinfachen lässt. Sind nämlich die hinter einander befindlichen vielen Medien „c entrirtu, d.h. haben alle dieselbe optische Axe, dann kann man die ßrechungsverhältnisse eines solchen centrirten Systems darstellen durch zwei gleich stark brechende, in einem bestimmten Ab- stände sich befindende Flächen. Die, auf die erste der beiden Flächen auffallenden Strahlen werden dann nicht von dieser gebrochen, sondern sie werden von dieser bis zur zweiten Fläche lediglich parallel mit sich selbst verschoben. Von der zweiten Fläche findet sodann erst die Brechung statt, und zwar in derselben Weise, wie vorstehend construirt ist, d. h. als wenn überhaupt nur eine brechende Fläche vorhanden wäre. [Zur Ausführung jener Rechnung muss man kennen : die Brechungsindices der Medien, — die Radien der brechenden Flächen, endlich den Abstand der brechenden Flächen von einander; doch kann auf die nähere Aus- führung hier nicht eingegangen werden.] — Die Construction des ge- brochenen Strahles — geschieht nun in folgender Weise : Es sei (Fig. ^54. 1) a b die optische Axe, ferner H der, durch Rechnung bestimmte erste Hauptpunkt, h h erste Hauptebene, Hj zweiter Hauptpunkt, h, \ zweite Hauptebene, k erster Knotenpunkt, k1 zweiter Knotenpunkt, F zweiter Brennpunkt und F1 F1 zweite Brennebene. — Es sei nun mn die Richtung des auffallenden Strahles; welches ist die Richtung des gebrochenen? — Con- struction: Ich verschiebe den Strahl mn parallel mit sich selbst als mt nx bis zur zweiten Hauptebene. Nun ziehe ich den Richtungsstrahl p \ parallel mit m1 n1. Nach Satz 2 müssen sich p kt und m1 nt in einem Punkte der Ebene Ft F± treffen. Da p kt ungebrochen durchgeht, so muss von nt der Strahl ebenfalls in r fallen ; — ^ r ist also die Richtung des gebro chen en Strahles. Construction des Bildpunktes. — Es sei (Fig. 254. II) o ein Lichtpunkt; es werde der Bildpunkt für denselben im letzten Medium gesucht. Man ziehe zuerst von o den Richtungsstrahl o k , und o x parallel a b. Beide Strahlen verschiebe man parallel mit sich selbst bis zur zweiten Hauptebene : also ziehe man m kx parallel o k , und o x verschiebe man bis n. Der mit a b parallele Strahl geht durch P; mk, geht als Richtungsstrahl ungebrochen durch. Dort, wo n F und m k( in der Verlängerung sich schneiden (also in 0) liegt der Bildpunkt zu o. 388. Anwendung der dioptrischen Gesetze auf das Auge. Construction des Netzhautbildes. Das Ophthalmometer. Aufrechtsehen. Lage der Das , an der Vorderfläche der Hornhaut von Luft um- cwdinal- gebene Auge stellt ein centrirtes System brechender Medien punkte des mft sphärischen Trennune;sfläcken dar. Um den Verlauf der Auges. -^ o Strahlen durch die verschiedenen Augenmedien feststellen zu können , ist die Kenntniss der Lage der beiden Hauptpunkte, der beiden Knotenpunkte , sowie der beiden Hauptbrennpunkte nothwendig. Im Anschluss an die, vorhin besprochene , verein- fachte Lösung von Gauss haben vornehmlich Listing und v. Helm- holtz die Lage dieser Punkte berechnet. [Zur Ausführung dieser Berechnung ist die Kenntniss der Brechungsindices der Augen- medien , die der Radien der brechenden Flächen und die der Abstände der letzteren erforderlich , auf welche weiterhin ein- gegangen werden soll.] Der ausgeführten Rechnung entsprechend liegen nun: — 1. der erste Hauptpunkt 2,1746 Mm., und 2. der zweite Hauptpunkt 2,5724 Mm. hinter der vorderen Hornhautfläche; — 3. der erste Knotenpunkt 0,7580 Mm., und — 4. der zweite Knotenpunkt 0,3602 Mm. vor der [§• 388.} Construction des Netzhautbildes. 879 hinteren Linsenfläche ; — 5. der zweite H a u p t b r e n n p u n k t 14,6470 Mm. hinter der hinteren Linsenfläche . imd — 6. der erste Hauptbrennpunkt 12,8526 vor der vorderen Horn- hautfläche. In Anbetracht der sehr geringen Grösse des Abstandes der Ltetingu beiden Hauptpunkte, beziehungsweise der beiden Knotenpunkte r Auge. von einander (von nur 0,4 Mm.), darf man, ohne einen nennens- werthen Fehler in der Construction zu begehen . in der Mitte zwischen den beiden Hauptpunkten und ebenso zwischen den beiden Knotenpunkten nur einen mittleren Haupt-, beziehungs- weise Knoten-Punkt annehmen. Geschieht dieses . so ist durch dieses vereinfachte Verfahren nur eine brechende Fläche für alle Medien des Auges gewonnen und nur ein Knotenpunkt, durch welchen also alle, von aussen herkommenden Richtungs- strahlen ungebrochen hindurchgehen müssen. Das so schematisch vereinfachte Auge wird auch „das reducirte Auge-' (Listing) genannt. Nunmehr ist die Construction des Bildes auf dem Augenhintergrunde eine einfache. Das umgekehrte Bild liegt bei deutlicher Sehwahrnehmung auf der Netzhaut. Fig. 255. Construction des Betina- Büdes. Es sei Fig. 255, AB ein, vor dem Auge senkrecht stehender Gegenstand. Ton A fällt ein Strahlenbündel in das Auge; — der Richtungsstrahl Ad geht ungebrochen durch den Knoten- punkt k. Da ferner der Bildpunkt für den Lichtpunkt A auf der Netzhaut liegt, so müssen sich alle, von A ausgehenden Strahlen in d wieder vereinigen. Dasselbe gilt von den. von B ausgehenden Strahlen , natürlich auch von den Strahlen, welche von einem beliebigen Punkte des Körpers A B ausgesendet werden. Das Netzhautbildchen ist somit eine Mosaik unendlich vieler Lichtpunkte des Gegenstandes. Da. der Construction entsprechend, alle Richtungsstrahlen durch den vereinigten Knotenpunkt k hindurchgehen müssen, so wird dieser auch der „Kreuzungspunkt der Sehstrahlen" genannt. Am ausgeschnittenen Albino-Auge oder an einem beliebigen anderen, bei Bereehnung dem man ein Stück Sclera und Chorioidea weggenommen und die Lücke mit einem J^^S^,. Gläseben bedeckt bat, siebt man leiebt das umgekehrte Bild. üides. Der vorstehend ausgeführten Construction des Netzhautbildchens ent- sprechend, kaun nun auch leicht die Grösse desselben bestimmt werden, ■wenn Das Ophthalmometer. [§•388.] Sehwinkel. Scheinbare Grösse. Brechungs- indices der Augen- medien . die Grösse des Gegenstandes und die Entfernung desselben von der Hornhaut bekannt sind. Da nämlich die beiden Dreiecke A B k und c d k einander ähnlich sind, so verhält sich offenbar A B : c d = f k : k g. Es ist also cd:=(AB.kg):fk. Alle diese Werthe sind bekannt, nämlich kg = 15, 16 Mm.; ferner ist fk =ak 4-af, wovon a f direct gemessen wird und a k = 7,44 Mm. beträgt. Diese Grösse von A B wird durch Messung bestimmt. Der Winkel AkB wird „Sehwinkel" genannt; natürlich ist demselben der Winkel c k d gleich. — Es ist sofort ein- leuchtend, dass die, dem Auge näher stehenden Gegenstände x y und r s den gleich grossen Sehwinkel haben müssen. Aus diesem Grunde haben auch alle drei Gegenstände AB, xy und r s ein gleich grosses Netzhautbildchen. Solchen Gegenständen nun, deren Endpunkte verbunden mit dem Knotenpunkte einen gleich grossen Sehwinkel bilden , und die demgemäss gleiche Grösse ihrer Netzhautbildchen haben, wird eine gleiche „scheinbare Grösse" zugesprochen. Zur Feststellung der optischen Cardinalpunkte durch Be- rechnung im Sinne von Gauss ist die Kenntniss folgender Ver- hältnisse nothwendig : 1. Die Brechungsindices sind: für die Cornea 1,377, Humor aqueus 1,377, Lens 1,454 (als Mittelwerth aller Schichten), Corpus vitreum 1,336 [für die Luft ist 1, und für das Wasser 1,335 genommen] (Chossat, Brewster, v. Helmholtz, C. und W. Krause, Aubert). 2. Die Radien der kugelförmigen brechenden Flächen sind: der Hornhaut 7,7 Mm., der vorderen Linsen- fläche 10,3, der hinteren Linsenfläche 6,1 Mm. 3. DerAbstand der brechenden Flächen beträgt : vom Hornhautscheitel bis zur vorderen Linsenfläche 3,4 Mm.; A^on letzterer bis zur Hinterfläche der Linse (Linsenaxe) 4 Mm., Glaskörperdurchmesser 14,6 Mm. Es beträgt demnach die Ge- sammtlänge der optischen Axe 22,0 Mm. Fig. 256. Ophthalmometer nach v. Heimholte. Da man an todten Augen wegen des schnellen Collapses die normalen der Radien Wölbungen nicht genau messen kann (Petit, 1723) , so ist man nach dem Vor- gehendem gange von Kohlrausch zur Berechnung der Radien der brechenden Flächen Flächen des geschritten aus der Kenntuiss der Grösse der von ihnen gelieferten Spiegelbildchen, s'9iT dU '^e s*c^ am lebenden Auge gewinnen lassen. Es verhält sich nämlich die Ophthaiml- Grösse eines leuchtenden Körpers zur Grösse des Spiegel- meters. bildchens desselben, wie derAbstand beider zum halbenRadius des Convexspiegels. Es handelt sich also darum, die Grösse des Spiegel- bildchens zu messen. Diese Messung geschieht nun durch das Ophthalmometer von v. Helmholtz. Das Werkzeug beruht auf folgendem Princip: Betrachtet man einen Gegenstand durch eine schräg gestellte planplane Gasplatte, so erscheint [§. 388.] Aufrechtsehen. — Accommodation des Auges. 881 derselbe seitlich verschoben ; diese Verschiebung wird um so grösser, je schräger die Lage der Platte ist. Betrachtet also der Beobachter A durch das Fernrohr F. vor dessen Objectiv (in seiner oberen Hälfte) die schräge Platte G1 angebracht ist, das Hornhautspiegelbildchen a b des Auges B , so erscheint dasselbe seitlich verschoben, nämlich in a1 b1. Befindet sich vor der unteren Hälfte des Fern- rohroculares eine zweite Platte G , welche die entgegengesetzte schräge Stellung inne hat (so dass sich beide Platten , der horizontalen Mittellinie des Objectives entsprechend , unter einem Winkel schneiden) , so erscheint durch diese dem Beobachter das Spiegelbildchen a b nach a" b" seitlich verrückt. Da beide Glas- platten (in ihrem Kreuzungspunkte) zu einander drehbar sind, so wird die Stellung beider so genommen , dass die beiden Spiegelbildchen sich mit ihren inneren Rändern genau berühren (dass also b1 dicht an a" stösst). Aus der Grösse dieser "Winkelstellung b eid er Platt en kann man die Grösse des Spiegel- bildchens berechnen, (wobei noch die Dicke der Glasplatten und der Brechungs- index der Glassorten in Betracht kommt). So kann man die Grösse des Spiegel- bildchens der Hornhaut und auch der Linse im ruhenden und für die Nähe aecommodirten Zustande bestimmen und daraus die Grösse des Radius der ge- wölbten Fläche berechnen (v. Heimholte, Donders, Maidhner, Woinow, Reuss u. A.). Alle Augenmedien, auch die Netzhaut, besitzen einen geringen Grad von Fluorescenz. Fluorescenz, am meisten die Linse, am wenigsten der Glaskörper (v. Heimholte . Da das Netzhautbildchen ein umgekehrtes ist, so bleibt Au/rechi- noch das Aufrechtsehen zu erklären. Durch einen psychischen Act werden die Erregungen eines jeden beliebigen Punktes der Netzhaut in der Richtung durch den Knotenpunkt wieder nach aussen verlegt : also die Erregung der Stelle d (Fig. 255) nach A, die von c nach B. Die Verlegung nach aussen geschieht dabei so. dass alle Punkte in einer, vor dem Auge schwebenden Gesichtsfeld. Fläche zu liegen scheinen, welche das „Gesichtsfeld'' genannt wird. Das Gesichtsfeld ist so die nach aussen und umgekehrt projicirte Fläche der erregten Netzhaut; daher erscheint das Gesichtsfeld wieder aufrecht , da das umgekehrt stehende Netz- hautbild umgekehrt nach aussen projicirt. Dass die Erregung einer jeden Stelle so durch den Knotenpunkt in um- gekehrter Richtung projicirt wird, beweist das einfache Experiment, dass ein Druck aussen am Bulbus nach innen in das Gesichtsfeld versetzt wird. Auch die entoptischen Erscheinungen der Netzhaut werden so nach aussen und umge- kehrt projicirt, so dass z. B. die Eintrittsstelle des Sehnerven nach aussen vom gelben Fleck liegt (siehe §. 895) u. dgl. — Alle Empfindung der Netzhaut wird so nach aussen hin verlegt : „AYir sehen die Sonne, die Sterne an den Himmel, nicht an dem Himmel" (v. Helmholte . 389. Accommodation des xVuges. Von einem Lichtpunkte, z. B. von einer Flamme, entstellt (nach Satz 2, Physikai ;sc'e pg. 873) durch eine Sammellinse stets in einem ganz bestimmten Ab- Vorbemerke. stände der dazu gehörige Bildpunkt. Wird in diesem Abstände eine Projections- rlächc (Schirm) angebracht, so wird das reelle und umgekehrte Bild hier auf- gefangen. Stellt man jedoch den Schirm näher an die Linse heran (Fig. 248. IV., ab), oder entfernter (c d) von derselben auf, so entsteht kein deutliches Bild, es entstehen vielmehr Zerstreuungskreise, und zwar im ersten Falle des- halb, weil die Strahlen sich noch nicht vereinigt haben, — im zweiten Falle, weil die Strahlen nach ihrer Vereinigung bereits gekreuzt wieder aus- einander gegangen sind. Wird der Lichtpunkt an eine Linse bald näher herangebracht, bald weiter von ihr entfernt, so muss natürlich zur Erhaltung eines scharfen Bildes allemal der Schirm, dem Abstände des Lichtpunkte entsprechend, bald näher, bald ferner aufgestellt werden. Wäre der Schirm ein für allemal feststehend, während der Lichtpunkt seinen Abstand von der Linse wechselt, so könnte nur dann auf dem Schirme stets ein scharfes Bild L a n d o i s , Physiologie. 7. Aufl. 5(3 882 Accommodation des Auges. [§• 389.] Wesen der Accom- modation . entstehen, wenn die Linse bei grösserer Annäherung des Lichtpunktes ent- sprechend gewölbter , also stärker brechend würde, — bei grösserem Abstände des Lichtpunktes jedoch weniger gewölbt, also weniger stark brechend würde. Da nun das Auge die Projectionsfläche (Retina) in einem unveränderlichen Abstand fixirt enthält, da ferner das Auge die Fähigkeit besitzt, sowohl von fernen, als auch von nahen Objecten scharfe Bilder auf der Netzhaut zu entwerfen, so muss das Brechungsvermögen (die Form der Linse) im Auge , den Abständen der Objecte allemal entsprechend, verändert werden können. Unter Accommodation versteht man die Fähigkeit des Auges , sowohl von fernen , als auch von nahen Gegenständen scharfe Bilder auf der Netzhaut zu entwerfen. Dieselbe beruht Fig. 257. Vorderer Quadrant von einem Horizontalschnitt des Bulbus. Cornea und Linse in sagittaler Halbirungslinie getroffen. — a Substantia propria corneae, h Howman' sehe Membrau, c vorderes Corneaepithel, d Descemet' sehe Membran, e deren Epithel, / Conjunctiva, g Sclera, h Iris, i Sphincter iridis, / Ligamentum iridis pectinatum mit dem sich anschliessenden Lückengewebe, Je Canalis Schiern mii, l longitudinale, m circuläre Fasern des Ciliarinuskels, n Ciliarfortsatz, o Pars ciliaris retinae, q l'etit'scher Canal, vor demselben (Z) Zonula Z i n n i i, hinter demselben (p) das hintere Blatt der Hyaloidea, r vordere, * hintere Linsenkapsel, t Chorioidea, u Perichorioidealraum, T Pigmentepithel der Iris, x Linsenrand (Aequator). darauf, dass die Linse, den Abständen der Objecte allemal entsprechend, bald weniger gewölbt (flacher), bald stärker gewölbt (dicker) gemacht werden kann. Fehlt die Linse im Auge, so ist die Accommodation unmöglich (TA. Young, Donders). Während der E, u h e ist das Auge für diegrössteFerne aecommodirt , d. h. es entstehen auf der Netzhaut scharfe Bilder von Gegenständen (z. B. vom Monde) , die sich in unendlicher Ferne befinden. Es werden also die (so gut wie) parallelen [§• 389.] Mechanismus der Accomraodation des Auges. 883 Strahlen, welche in das Auge eindringen, auf der Netzhaut des ruhenden, normalsichtigen Auges wieder vereinigt ; es liegt also der Brennpunkt in der Retina. Beim Sehen in die weite Ferne ist daher das Auge ohne Thätigkeit irgend eines, diese Einstellung bewirkenden Muskels. Dass in der That für das Sehen in die Ferne keine Musk el thä t ig k ei t Die Accom. wirksam ist, ergiebt sich aus folgenden Punkten : — 1. Der Normalsichtige sieht m0 390.] Das weit- sichtige Auge, des Fern- punktes. Optometer. Abstände von 4 bis 2 Zoll oder noch weniger scharf gesehen werden. Der Nahepunkt liegt also ebenfalls abnorm nahe ; die Aeeommo- dationsbreite ist verringert. Die Kurzsichtigkeit beruht meist auf einer angeborenen und häufig ver- erbten zu grossen Länge des Bulbus. Die Correction dieser Refractions- anomalie liefert einfach ein Zerstreuungsglas, welches die, aus weiter Ferne parallel einfallenden Strahlen divergent macht, so dass sie nun auf der Netzhaut vereinigt werden können. Merkwürdig ist es , dass die meisten Neugebornen kurzsichtig zur Welt kommen. Diese Myopie beruht aber auf zu starker Wölbung der Cornea und Linse imd auf zu grosser Annäherung der Linse an die Hornhaut. Durch das Wachsthum des Auges gleicht sich diese Kurzsichtig- keit ans. — Als Ursache der, in den Schuljahren entstehenden oder zunehmenden Kurzsichtigkeit nimmt man entweder die zu andauernde Thätigkeit des Tensor chorioideae an (beim Lesen , Schreiben etc.), oder die andauernde Convergenz der Bulbi, bei welcher der äussere Druck auf die Augäpfel vermehrt sei. 3. Das weitsichtige Auge — (Fig. 264) (hyperopische, hypermetropische , presbyopische , übersichtige , flachgebaute) vermag in der Ruhe nur convergent einfallende Strahlen auf der Netzhaut zu vereinigen (c). Es kann daher nur von solchen Gegenständen deut- liche Bilder empfangen, deren ausgesandte Strahlen durch eine Convex- linse convergent gemacht sind , denn parallele Strahlen würden erst hinter der Netzhaut zur Vereinigung kommen (in f). Alle von Natur- objecten ausgehenden Strahlen sind entweder divergent, oder höchstens annähernd parallel, niemals aber convergent. Daraus folgt, dass kein Weitsichtiger bei ruhender Accommodation ohne Sammellinse deutlich sehen kann. Wird der Accommodationsmuskel in Thätigkeit versetzt, so können schwächer convergirende , dann parallele, schliesslich wohl auch gering divergente Strahlen, je nach der wachsenden Stärke des Accommodationseffectes, vereinigt werden. — Der Fernpunkt (Ruhe- punkt) des Auges ist also negativ, der Nahepunkt abnorm weit (über 8 bis 80 Zoll), die Accommodations breite ist unendlich gross. Die Ursache dieses Fehlers ist abnorme Kürze der Augen, die in Folge einer behinderten Entwicklung in der Regel in allen Dimensionen zu klein geblieben sind. Das Correctiv des Fehlers liefert eine Convexlinse. Um den Fernpunkt eines Auges festzustellen, nähert man demselben Objecte, welche einen Sehwinkel von nur 5 Minuten bilden (z.B. Snelleti s kleine Buchstaben, oder die mittlere Jaegersche Druckschrift 4 bis 8) so lange, bis dieselben deutlich gesehen werden. Der gefundene Abstand vom Auge be- zeichnet den Fernpunkt. Handelt es sich um die Feststellung des Fernpunktes eines Kurzsichtigen, so bietet man auch wohl dem Auge aus 20 Zoll Entfernung dieselben Objecte, die also nur 5 Minuten grosse Sehwinkel bilden, und sucht nun dasjenige Concavglas aus, durch welches er die Objecte zuerst deutlich sieht. Zur Bestimmung des Nahepunktes bringe man kleinste Objecte (z B. feinste Druckschrift) näher und näher an das Auge, bis sie endlich undeutlich werden. Der Abstand des noch möglichen deutlichen Sehens bezeichnet den Nahepunkt. Zur Bestimmung von Fern- und Nahe-Punkt — kann man sich auch der „Optometer" bedienen. Auf einem Maassstabe, über welchen das zu untersuchende Auge der Länge nach (wie über einen Gewehrlauf hinweg) visirt, kann ein feines Object, z. B. eine Stecknadel, verschoben werden. Man bringt diese einmal so nahe wie möglich, dann so fern wie möglich, dass sie noch scharf gesehen werden kann! Der Maassstab giebt direct den Abstand des Nahe-, des Fern-Punktes und auch die Accommodationsbreite an (v. Gräfe). — Andere Optometer beruhen auf dem .SV/z^/zty-'schen Versuche. Bei analoger An- ordnung (wie vorstehend) betrachtet man das Object durch zwei Stichöffnungen eines Kartenblattes. Ist das Object näher an das Auge gebracht, als der Nahe- punkt liegt, so erscheint es im Doppelbilde, — ähnlich, wenn es jenseits des [§• 390.] Maass des Accommodationsverniögens. Fernpunktes sich befindet, wie sicli leicht aus der Betrachtung des S/w/ner' sehen Versuches (pg. 885) ergiebt. Nach diesem Principe sind die Werkzeuge von Porterfield und Stampfer construirt. Bei letzteren dient als Fixirobject ein hell- erleiichteter , schmaler , in einer dunklen Röhre verschiebbarer Spalt. — Das Optometer von Th. Young äf Lehot besteht aus einem weissen, über einem ge- schwärzten Maassstab gespannten Faden: derselbe erscheint durch zwei Sfich- ört'nungen betrachtet innerhalb der Accommodation^breite einfach und scharf, diesseits des Nahepunktes und jenseits des Fernpunktes erscheint jedoch der Faden wie gespalten, divergent auseinandergehend. 391. Maass des Accommodationsyermögens. Die durch die Untersuchung leicht festzustellende Accom- modations b r e i t e giebt an sich noch nicht das Maass für die eigentliche Accornmodationskraf t oder das A- Vermögen. Das Maass dieses letzteren ist die, von dem Accommodationsmuskel geleistete mechanischeArbeit. Diese kann jedoch am Auge selbst natürlich nicht dire et gemessen werden. Man ist daher darauf angewiesen, als Maass dieser Kraft den optischen Effect zu verwerthen, welcher entsteht in Folge der Linsen- formveränderung. welche die Kraft des Maskeis zu Stande bringt. Betrachten wir diese Verhältnisse zunächst an dem n o r- malsichtigen Auge. Im Ruhezustande werden in diesem diejenigen Strahlen auf der Netzhaut vereinigt (Fig. 2ß.~>. f), welche parallel (punktirt) aus unendlicher Ferne kommen. Sollen nun Strahlen, welche aus dem Nahepunkt von 5 Zoll Entfernung (p) herkommen, vereinigt werden, so muss durch Aufbietung aller Kraft des Accommodationsmuskels die Linse um so viel convexer gemacht werden, dass die Vereinigung möglich wird. Die Accommoclationskraft leistet also einen optischen EiFect. indem sie die vor- Fls" 26°' Y dem ruhende, flache Linse (A) um den Convexitätszuwachs (B) verstärkt ; es wird also gewisser- maassen der vorhan- denen Convexlinse A eine neue Convex- linse B zugefügt. Wie gross muss nun die Brennweite der Linse B sein, damit Strahlen aus dem Nahepunkte (5 Zoll) auf der Netzhaut in f sich vereinigen? — Offenbar muss die Linse B die aus p kom- menden divergenten Strahlen parallel machen; dann kann A sie in f vereinigen. Convexlinsen lassen aber diejenigen Strahlen an ihrer anderen Seite parallel weiter gehen, welche ans ihrem Brennpunkte kommen (§.387, 1). In unserem Falle müsste also die Linse die Brennweite von 5 Zoll haben. Das normale Auge also . mit dem Fernpunkt = x> und dem Nahepunkt = 5 Zoll, hat eine Accommodations -Kraft äquivalent einer Linse von 5 Zoll Brennweite. Ist nun die Linse durch die Accommo- dations-Kraft stärker brechend Seemacht . so kann ich offenbar Maass der Accom- modations- kra/C. 890 Maass der Accommodationskraft. [§■ 391.] Berechnung der Accom- modations- kraft aus dem Xahe- und Fern- punkt. Verhältn iss der Accom- modations- breite zur Accom- modalions- k raft. diesen Zuwachs (B) leicht wieder eliminiren, wenn ich nun vor das Auge eine Concavlinse setze, welche genau den entgegengesetzten optischen Effect wie der Accommodations- zuwachs (B) besitzt. Es ergiebt sich hieraus , dass es wohl möglich ist, eine Linse von bestimmter Brennweite als das Maass für die Accommodationskraft des Auges zu setzen, d. h. für den , durch die letztere erzielten optischen Effect. Demgemäss soll nach Donders das Maass für die Accommodationskraft des Auges der reciproke Werth der Brennweite einer Concavlinse sein, welche, vor das accommodirte Auge gesetzt , ein aus dem Nahepunkte (p) herkommendes Strahlenbündel so bricht, als käme es aus dem Fernpunkte (Ruhepunkte des Auges). Nach diesem maassgebenden Gesichtspunkte berechnet sich nun das Maass der Accommodationskraft nach folgender Formel: — = , d. h. die Accom- ° x p r ' modationskraft (ausgedrückt durch den dioptrischen Werth einer Hülfslinse von x Zoll Brennweite) ist gleich der Differenz der reciproken Werthe der Abstände des Nahepunktes (p) und des Fern- (Ruhe-) Punktes (r) vom Auge. — Beispiele : Das normalsichtige Auge hat, wie bereits erwähnt, p = 5; r = oc. Seine Accom- modationskraft ist also — = , also x = 5, d. h. sie ist gleich einer Linse X ft oo ° von 5 Zoll Brennweite. Ein kurzsichtiges Auge habe p = 4, r = 12 , so ist — = , also x=6. Ein anderes kurzsichtiges Auge mitp = 4 und r = 20 X 4 12 ° r hat also mit x = 5 sogar eine normale Accommodationskraft. Es kommt nun die wohl zu beachtende Thatsache vor, dass zwei verschiedene Augen, welche eine sehr verschieden grosse Accomodations breite besitzen, dennoch gleiche Accommodationskraft haben. Beispiel: Das eine Auge habe p = 4, r — oc, das andere p = 2, r=4. Es ist dann für beide — = — , also die Accom- r X 4 ' modationskraft beider Augen ist dem dioptrischen Werthe einer Linse von 4 Zoll Brennweite gleich. Umgekehrt können zwei Augen die gleiche Accommodations- breite besitzen, und dennoch ist ihre Accommodationskraft sehr ungleich. Beispiel: Das eine Auge habe p = 3 , r = 6 , das andere p = 6 , r = 9 (beide haben also die Accommodationsbreite von 3 Zoll). Für diese ist nun die Accommodationskraft — = — — — ; x = 6, — und — =— — — ; x = 18. — Das allgemeine Gesetz bezüglich dieser Verhältnisse lautet nun : Sind die Accommodations- breiten zweier Augen gleich gross, so sind ihre Accommodations k r ä f te nur unter der Bedingung gleich gross, falls ihre Nahepunkte gleich sind. Sind jedoch die Accommodations b r e i t e n gleich gross für zwei Augen, sind aber die Nahe- punkte beider ungleich , so sind auch die Accommodationskräfte ungleich gross; nnd zwar ist letztere in demjenigen Auge am grössten , welches den kleinsten Nahepunkt hat. Es hat dies darin seinen Grund , weil jeder Unterschied der Entfernung in der Nähe einer Linse einen viel bedeutenderen Einfluss auf das Bild ausübt, als der Unterschied der Entfernung in weitem Abstände von der Linse. So kann ja das normale Auge in dem Abstände zwischen 60 bis 70 Meter bis zur weitesten Entfernung ohne alle Accommodation deutlich sehen. Während für das normalsichtige und kurzsichtige Auge p und r direct bestimmt werden können, ist dies für das weitsichtige Auge nicht möglich. Der Ruhepunkt (Fernpunkt) ist hier negativ , ja bei hochgradiger Hyperopie bleibt sogar der Nahepunkt noch negativ, Den Fernpunkt kann man aber bestimmen wenn man durch eine passende Convexbrille das Auge in die Lage eines Normal, sichtigen setzt. Den relativen Nahepunkt stellt man dann mittelst der Linse fest- Schon vom 15. Jahre an wird meist das Accommodationsvcrmögen für die" Nähe verringert ; vielleicht weil die Elasticität der Linse abnimmt (Donders). [§. 392.] Brillen. 891 392. Brillen. Die Brennweite sowohl der concaven (zerstreuenden), als auch der convexen Bezeichnung (sammelnden) Brillengläser hängt natürlich ab von dem Brechungsverhältnisse der Brülen- des Glases (gewöhnlich 3 : 2) und von der Grösse des Krümmungsradius. Ist die Krümmungsform beider Linsenseiten dieselbe (biconcav oder biconvex), so ist bei dem gewöhnlichen Brechungsindex des Glases die Brennweite gerade so gross wie der Krümmungsradius. Ist die eine Fläche der Linse jedoch plan, dann ist die Brennweite doppelt so gross, wie der Radius der kugeligen Fläche. Man bezeichnet die Brillengläser einmal nach ihrer Brennweite in Zollen, wobei eine kürzere als 1 Zoll nicht genommen zu werden pflegt. Ferner kann man sie bezeichnen nach ihrer Brech kraft. Hierbei wird die Brechkrai't der Linse von 1 Zoll Brennweite als Maasseinheit angenommen. Eine Linse von 2 Zoll Brennweite bricht nun das Licht nur halb so stark, als die, als Einheit genommene Linse von 1 Zoll Brennweite ; eine Linse von 3 Zoll Brennweite bricht nur ein Drittel so stark u. s. w. Es gilt dies sowohl von den Convexlinsen , als auch von den Concavlinsen, die natürlich negative Brennweite haben. Es würde so z. B. die Bezeichnung „convex i/su heissen, die convexe Linse bricht das Licht nur ein Fünftel so stark , wie die Linse von 1 Zoll Brennweite ; — oder „concav i/8u würde bezeichnen, das Concavglas zerstreut das Licht nur ein Achtel so stark, wie die Concavlinse von 1 Zoll (negativer) Brennweite. Habe ich bei einem kurzsichtigen Auge den (stets zu naheliegenden) "o« Fernpunkt bestimmt, so bedarf es nalürlich, um die, vom Fern punkte kommenden, ' divergent auf das Auge fallenden Strahlen parallel zu machen , als kämen sie aus weitester Ferne, einer Concavlinse von der Brennweite des Fernpunktes. Die weiteste Ferne ist der Fernpunkt des Normalsichtigen. Hat also z. B. ein kurz- sichtiges Auge den Fernpunkt 6 Zoll, s-o bedarf es einer Concavlinse von 6 Zoll Brennweite, uin in weitester Entfernung deutlich zu sehen. So ist also bei einem kurzsichtigen Auge der leicht zu bestimmende Abstand des Fernpunktes vom Auge auch direct gleich der Brennweit e derjenigen (schwächsten) concaven Linse, welche noch vollkommen gena-ues Sehen sehr entfernter Gegenstände gestattet; diese Linse pflegt die gleiche Nummer (der zu wählenden Brille) zu haben. Beispiel: Ein kurzsichtiges Auge mit dem Fernpunkt 8 Zoll hedarf also einer Concavlinse von — 8 Zoll Brennweite, d. h. der Concavbrille Nr. 8. — Für das weitsichtige AugeistdieBrennweite derstärksten Convexlinse, welche dem hyperopis chen Auge noch scharfes Sehen ent- ferntester Objecte möglich macht, zugleich der Abstand des Fern punktes vom Auge. Beispiel: Ein weitsichtiges Auge, welches durch eine Sammellinse von 12 Zoll Brennweite die Gegenstände in grösster Entfernung deutlich sieht, hat den Fernpunkt 12; die passende Brille ist eben convex Nr. 12. Wird das metrische Maasssystem zur Bezeichnung der Brillennummern verwendet, so beträgt 1 Zoll = 27 Mm. Bei erkannter Kurz- oder Weit-Sichtigkeit ist das Tragen der Brille zur Ver£*£ng*' Schonung des Auges durchaus anzurathen. Ist beim Kurzsichtigen der ,eger Fernpunkt noch jenseits 5 Zoll, so darf die Brille dauernd getragen werden; dann soll aber die gewöhnliche Beschäftigung der Nähe , z. B. Lesen , Schreiben, Handarbeit stets in gegen 12 Zoll Abstand vom Auge gemacht werden. — Ver- langt jedoch die Ausführung feinster Arbeit (Sticken, Präpariren , Zeichnen etc ) eine grössere Annäherung des Auges an das Object zum Behüte der Erzeugung- eines grösseren Netzhautbildes, so nehme man entweder die Brille ganz ab, oder setze eine schwächere auf. Der "Weitsichtige gebrauche seine Convexbrille beim Sehen für die Nähe und zumal bei schwacher Beleuchtung, weil dann wegen der Erweiterung der Pupille die Zerstreuungskreise seines Auges besonders gross zu sein pflegen. Es ist zweckmässig, anfangs etwas zu starke Convexgläser zu wählen. — Ueber die Cy lind erb rill en wird bei Astigmatismus berichtet. — Um das Auge bei empfindlicher Netzhaut vor zu intensiver Beleuchtung zu schützen, werden als Schutzbrillen rauchfarbige oder blaue Brillen ange- Schutzbrillen. wendet. — Stenopäische Brillen sind vor das Auge gesetzte enge Diaphragmen, Stenopäisdie welche das Auge zwingen, nach einer bestimmten Richtung, nämlich durch die Brüten. Oeffnung des Diaphragma hindurch, zu sehen. — Ueber Contactb rillen siehe 892 Dioptrisclie Mängel des Auges. [§• 393.] Chromatische Aberration. Sphärische Aberration. Mangelhafte Oentrirung der brechenden Flächen. Itrgel- mässiger Astig- matismus. 393. Chromatische und sphärische Aberration. Mangelhafte Oentrirung derbrechenden Flächen. — Astigmatismus. 1. Chromatische Aberration im Auge. — Alle Strahlen des weissen Lichtes, welche eine Brechung erleiden, werden zugleich in die, das weisse Licht zusammensetzenden, Regenbogenfarben zerlegt, weil diesen letzteren eine verschieden grosse Brechbarkeit zukommt. Am stärksten werden die violetten, am schwächsten die rothen Strahlen gebrochen. Von einem weissen Punkt auf schwarzer Fläche kann daher auf der Netzhaut kein scharfes , einfaches Bild erscheinen ; es entstehen vielmehr viele, farbige Punkte hinter einander. Wird das Auge so stark accommodirt, dass die violetten Strahlen zu einem sehr scharfen Bildchen sich vereinigen, so müssen die folgenden Farben alle concentrische Zer- streuungskreise liefern, die nach dem Rothen zu um so umfangreicher werden. Im Centrum aller Kreise , wo alle Spectralfarben sich decken , entsteht durch Vereinigung aller ein weisser Punkt, um welchen herum die farbigen Ringe liegen. — Der Abstand des Brennpunktes der rothen Strahlen von dem für die violetten ist im Auge = 0,58 — 0,62 Mm. Die Brennweite für Roth hat v. Helmhollz für das reducirte Auge auf 20,524 Mm., für Violett auf 20,140 Mm. berechnet. Daher liegen auch Nahe- und Fern-Punkt für violettes Licht dem Auge näher, als für rothes. "Weisse Objecte erscheinen so jenseits des Fernpunktes röthlich gerändert, diesseits des Nahepunktes jedoch violett. Auch muss daher das Auge sich für rothe Strahlen stärker accommodiren, als für violette ; daher beurtheilen wir rothe Objecte für näher liegend, als gleich weit entfernte violette (Brücke). 2. Monochromatische oder sphärische Aberration. — Auch abgesehen von der Zerlegung des weissen Lichtes in seine Componenten , erleiden auch die von einem Punkte ausgehenden Strahlen einfachen Lichtes dadurch eine Abweichung von ihrer Wiedervereinigung in einem einzigen Punkte, dass die Rand bezirke der brechenden, (wenn auch nur annähernd) kugeligen Flächen die Strahlen viel stärker brechen, als die mittleren Theile derselben. Es wird also so nicht ein Bildpunkt, sondern es werden viele gebildet. — Als natürliche Cor- rection dieses Verhaltens dient einmal die Iris, welche die Randstrahlen ab- hält (Fig. 255) , zumal noch bei stärkster Wölbung der Linse , bei welcher sich das Sehloch verkleinert. Dazu kommt ferner noch, dass der Randbezirk der Linse ein schwächeres Lichtbrechungsvermögen besitzt, als die centrale Substanz ; endlich sind die Bezirke der brechenden Flächen am Auge nach dem Rande hin weniger gewölbt, als die, der optischen Axe näher liegenden Theile; [vgl. hierüber die Form der Hornhaut (pg. 864) und der Linsenflächen (pg. 870)]. 3. Mangelhafte Oentrirung der brechenden Flächen. — Etwas störend für die scharfe Projection des Bildes wirkt die im Auge vorhandene , nicht vollkommen genaue Oen- trirung der brechenden Flächen (Brücke). — So liegt der Scheitelpunkt der Hornhaut nicht absolut genau im End- punkte der optischen Axe ; auch die Scheitelpunkte der beiden Linsen Oberflächen und selbst die der verschiedenen Linsen- schichten fallen nicht genau in die optische Axe. Freilich find die Abweichungen und die dadurch bewirkten Seh- störungen gewöhnlich nur minimale. 4. Regelmässiger Astigmatismus. — Wenn die Krüm- mung der brechenden Flächen des Auges in verschiedenen Meridianen eine verschieden starke ist, so können sich die Lichtstrahlen nicht in einem Punkte vereinigen. Vornehm- lich hat in solchen Fällen die Cornea die stärkste Krüm- mung im verticalen Meridian, die schwächste im horizon- talen, [wie die ophthalmometrische Messung (pg. 880) zeigt]. Die ^Strahlen , welche durch den verticalen Meridian gehen , vereinigen sich natürlich zuerst, und zwar in einer horizontalen Brenn li nie. hingegen die horizontal eintretenden Strahlen dahinter in einer senkrechten Linie; es fehlt also dem Auge der gemeinsame Brennpunkt der Lichtstrahlen : daher der Name Astigmatismus. Neben der Cornea besitzt auch die Linse etwas von dieser un- gleichen Krümmung der Meridiane, aber gerade umgekehrt; folglich wird hier- Fig. 266. Ja ^L \n C ' o + c je ( J^L * Cylindergläser regen Astigmatis- mus. [§• 393.] Iris. 893 derselben. durch ein Theil der Krünimungsungleichheit der Hornhaut eompensirt , und nur ein Theil derselben bleibt somit dioptrisch wirksam. Einen sehr geringen Grad dieser Ungleichheit besitzt sogar das normale Auge (normaler Astigmatismus). Zeichnet man auf weisses Papier zwei sehr feine, sich rechtwinkelig schneidende Linien , so wird man finden , dass zum scharfen Sehen der horizontalen Linie das Papier dem Auge etwas näher gehalten werden muss , als bei Fixirung der verticalen; das Normalauge ist also für horizontal liegende Objecte etwas kmz- sichtiger, als für verticale. Wird die Krümmungsungleichheit erheblicher , so ist natürlich ein genaues Sehen überhaupt nicht mehr möglich. — Zur Correction Correction dient dann ein Glas, welches cylin drisch geschlifTen ist, d. h. nach einer Richtung ohne Krümmung , nach der anderen (senkrecht zu dieser stehenden) mit Krümmung versehen ist. Das Glas wird so vor das Auge gesetzt, dass die Richtung der Glaskrümmung mit der Richtung der geringeren Krümmung am + Auge zusammenfällt (v. Htlm/ioltz, Knapp, Donders). So stellt der Abschnitt Cabcd des Glascylinders (Fig. 266) eine planconvexe, der Abschnitt Ca|3yo eine con- cavconvexe Cylinderbrille dar. 5. Unregelmässiger Astigmatismus. — Wegen der sternförmigen Anordnung der Fasern im Innern der Linse und des, in Folge hiervon bestehenden, ungleichen Verlaufes der Fasern innerhalb verschiedener Theile eines und desselben Linsen meridianes werden die, durch einen Meridian der Linse passirenden Strahlen ebenfalls nicht alle zusammen in demselben Punkte zur Vereinigung kommen können. Daher kommt es, dass wir von fernen, leuchtenden Punkten (Stern oder Laterne) kein scharfes Bild , sondern sternförmige , gezackte , mit Strahlen ausgestattete Figuren sehen. Dasselbe sieht man, wenn man ein Karten- blatt mit feiner Sticköfihung gegen das Licht hält, etwas weiter vom Auge, als der Fernpunkt beträgt. Geringe Grade dieses unregelmässigen Astigmatismus sind normal ; hochgradig entwickelt , stören sie erheblich das Sehvermögen durch Er- zeugung mehrerer Bildpunkte vom Objectpunkte , statt des einzigen (Poliopia monocularis). [In linsenlosen Augen kann dieser Zustand natürlich nicht vorhanden sein.] — Auch unregelmässige Wölbungen der Cornea werden in ähnlicher Weise wirken. Diese lehrte A. E. Fick beseitigen, indem er durch ein diiect der Hornhaut anliegendes, uhrglasförmig gestaltetes Glas die unregelmässigen Krümmungen der Hornhaut beseitigte („Contactbrille"). Unregel- massiger Astig- matismus, 394. Iris. 1. Die Iris wirkt wie ein Diaphragma optischer "Werk- Function der zeuge zur Abhaltung der Randstrahlen (pg. 879, Fig. 255), deren Eintritt eine bedeutende sphärische Aberration und in Folge davon undeutliches Sehen bewirken würde. — 2. Dadurch ferner , dass sich die Pupille bei heller Beleuchtung stark ver- engt, bei schwacher sich erweitert, regulirt sie die ALenge des einfallenden Lichtes : so treten bei heller Beleuchtung wenigere, bei dunklerer zahlreichere Lichtstrahlen in das Auge. — o. Sie wirkt weiterhin einigermaassen unterstützend für den Accommodationsmuskel (pg. 885. 5.). In Bezug auf die W e i t e bei cl er Pupillen sei bemerkt : "Wo Semidecussation der Sehnerven vorhanden ist. sind stets beide Pupillen gleich weit und reagiren gleichsinnig Mensch. Katze); — bei Thieren mit totaler Kreuzung (Pferd. Eule) und bei solchen , welche nur eine sehr geringe Zahl ungekreuzter Fasern im T. opticus enthalten (Kaninchen), bleibt der Pupillen- reflex auf das Versuchsauge allein beschränkt (Steinach). Die Iris hat zwei Muskeln: — den das Sehloch um- kreisenden Sphincter (pg. 867), innervirt vom Oculomotorius (§. 347. 2), und den Dilatator pupillae (pg. 807). vornehm- Verhältnisse beider Pupillen. Muskeln und Serven der his. 894 Iris. [§. 394.] lieh vom Sympathicus cervicalis (§. 358. A. 1) und Trigeniinus (pg. 726. 4.) versorgt. Beide Muskeln stehen in einem antago- nistischen Verhältnisse (pg. 619); daher erweitert sich das Sehloch nach Lähmung des Oculomotorius (pg. 723) durch Ueber- gewicht des Sympathicus ; umgekehrt verengert es sich nach Aus- rottung des Sympathicus (Petit, 1727). Bei gleichzeitiger Reizung beider Nerven verengt sich das Sehloch; es überwiegt also die Reizbarkeit des Oculomotorius. Nach. Arnstein 6° A. Mayer verlieren alle myelinhaltigen Fasern nach einigem Verlaufe ihr Mark; die meisten Fasern (motorische) in der Region des Sphincter bestehen aus nackten Fibrillenbündeln. Unter dem vorderen Epithel liegt ein Netz zartester, sensibler Nerven. Zahlreiche Fäden treten zu den Capillaren lind den Arterien als G-ef'äss nerven. Em- Die Bewegungen der Iris — geschehen unter folgenden Bedingungen: — Wirkungen ^ Lichtreiz der Netzhaut hat eine (der Intensität und Extensität desselben Bewegungen entsprechende) Verengerung der Pupille zur Folge; dieselbe Wirkung hat Reizung der Iris, des Opticus selbst {Herb. Mayo, -j- 1679). Diese Bewegung ist eine reflectorisch Opticus- au£ ^jg Baün v. Helmholtzl, [wohl dem Gefühle der Formication beim Druck auf sensible Nerven vergleichbar („Einschlafen der Glieder")]. — c) Bei gleichem, anhaltenden Drucke sahen dann Steinbach und Purkvne ein Gefässnetz auftreten mit strömendem Inhalte , von bläulich-silberglänzender Farbe, das den Retinalvenen zu entsprechen scheint. Vierordt 6° Laiblm erkannten dann noch die Verästelungen der Gefässe der Aderhaut roth auf dunklem Grunde als ein Netz mit den, für diese Capillaren charakteristischen Formen. — d) Nach Houdiu soll man auch beim Druck auf den Bulbus die Stelle des gelben Fleckes erkennen können. 6. Die Eintrittsstelle des Sehnerven — nimmt man bei schneller, ruck- artiger Bewegung der Augen, zumal nach innen, wahr, als feurigen, über erbsen- grossen Ring, oder Halbring. Wahrscheinlich wird durch die Bewegung die Netz- haut rings um die Eintrittsstelle des Sehnerven durch die Biegung desselben mechanisch gereizt. Ich sehe wie Purkyne diesen Ring auch dauernd bei starker Wendung des Auges nach innen. Wird die Netzhaut stark beleuchtet, so erscheint der Ring dunkel, bei farbigem Gesichtsfelde andersfarbig. Bei gleichzeitiger Er- zeugung der Gefässschattenflgur kann man erkennen, dass die Gefässstämme aus diesem Ringe hervortreten , ein Beweis , dass der Ring dem Sehnerveneintritte entspricht /Landois . 7. Accommodationsfleck. — Accommodirt man möglichst stark gegen eine weisse Fläche, so erscheint in der Mitte zuerst ein kleiner, heller, zitternder Schimmer, in dessen Mitte ein rauchbrauner, erbsengrosser Fleck auf- taucht i Purkyne, v. HelmholtzJ. Bringe ich äusserlich am Bulbus nun noch einen Druck an, so wird dieser Fleck viel deutlicher. Hat man das Phänomen einmal er- kannt, so sieht man nun auch lediglich bei einem Seitendruck am geöffneten Auge mitten im Gesichtsfelde einen helleren Fleck, gleichfalls ein Beweis, dass auch bei Accommodation der intraoculäre Druck steigt ' Landois !. Durch gleichzeitige Erregung des vorigen Phänomens (Nr. (i) wird bewiesen, dass die Erscheinung an der Eintrittsstelle des Sehnerven stattfindet (Lindois). 8. Das Aceommodationsphosphen (Purkyne, Czermak) — ist die Erscheinung eines feurigen Reifens an der Peripherie des Gesichtsfeldes, welcher auftritt, wenn man nach langem , intensiven Accommodiren für die Nähe im Dunkeln plötzlich die Augen zur Ruhe gehen lässt. Die , mit dem Nachlasse sich einstellende, plötzliche Spannung der Zonula Z i n n i i übt eine mechanische Zerrung des äussersten Netzhautrandes aus, oder vielleicht auch des dahinter belegenen Netzhauttheiles (Hensen &° Völckers , Berlin) . Purkyne sah die Erscheinung ebenso nach plötzlichem Nachlass eines Druckes auf das Auge. 9. Mechanischer Opticus-Reiz. — Wird der Sehnerv beim Menschen (zu Operationszwecken) durchschnitten , so entstellt im Momente des Schnittes ein starkes Aufleuchten. [Der Schnitt durch die Nervenfasern selbst ist schmerzlos, nur die Hüllen schmerzen.] 10. Elektrische Phänomene. — Bei elektrischen Stromesschwankungen (ein Pol am Oberlid, der andere im Nacken) entstehen starke Lichtblitze, welche das ganze Gesichtsfeld überziehen. Der Schliessungsblitz ist bei aufsteigendem, der Oeffnungsblitz bei absteigendem Strome stärker (v, Helmholtz). Bei gleich- massig anhaltendem, aufsteigenden Strome am geschlossenen Auge erscheint im weisslich violetten Gesichtsfelde die duukle Scheibe des Sehnervenhügels. Bei absteigendem Strome wird das Gesichtsfeld hingegen röthlich und verdunkelt, in welchem hellblau die Stelle des Sehnerven erscheint (v. Helmholtz/ ; werden gleichzeitig äussere Farben betrachtet, so mischen sich diese Farbentöne violett, oder gelb den gesehenen Farben bei (Schelsk-J. Während der Dauer des aufsteigenden Stromes soll man bei offenen Augen äussere Objecte undeutlicher und verkleinert sehen, bei absteigendem deutlicher und vergrössert (Ritter/. Während des Anelektrotonus der Netzhaut ist (in Uebereinstimmung mit den [§. 395.] Entoptische Erscheinungen. — Das Augenleuchten. 899 Gesetzen des Elektrotonus, §. 337) die Empfindung für die elektrische Licht- erscheinung und auch die für objeetives Licht vermindert O. Schwarz . — Mit- unter erscheint die Stelle der Macula lutea bald dunkel auf hellem, bald hell auf dunklem Grunde, je nach der Richtung des Stromes. Wird die Kette geöffnet, so geht nach einer Umkehr der Erscheinungen (pg. 700) das Auge alsbald wieder zur Ruhe über v. Helmholtz) . 11. Der gelbe Fleck — erscheint auch mitunter bei gleichmässig blauer Gelber Fleck. Beleuchtung als dunkler Kreis. Bei stärkerem Lichte erkennt man die Stelle des gelben Fleckes noch umgeben von einem, im Durchmesser etwa dreimal so grossen, hellen Hofe, „dem Löwe'sch.en Ringe". "Wenn man das Auge auf ein Feld lichtet, von wo polarisirtes Licht Haidin- herkommt, so erscheinen „Haidinger 's Polarisationsbüschel" im Fixations- D-erhs7 punkte. Man sieht sie v. Helmholtzi, wenn man z. B. durch ein AY«"'sches Prisma nach einer hellen Wolkenfläche blickt. Sie erscheinen als helle , durch zwei zusammengehörige Hyperbeln begrenzte Flecke auf weissem Felde bläulich, das dunkle Büschel, welches sie trennt und im Centrum am schmälsten ist, gelblich. Von verschiedenen Farben homogenen Lichtes zeigt nur Blau die Büschel Stockes . Nach v. Helmholtz ist der Sitz der Erscheinung der gelbe Fleck, und rührt sie daher, dass die gelbgefärbten Elemente des gelben Fleckes schwach doppel- brechend sind , welche von den eintretenden Strahlen an der einen Stelle mehr, an der anderen weniger absorbiren. Endlich sind die Lichtempfindungen aus inneren Ursachen — zu er- Hchterschei- wähnen , durch vermehrte Blutwallung zur Netzhaut (z. B. bei heftigen Husten- nur}9en aus inner tn stössen), verstärkten intraoeulären Druck u. dgl., oder zu den centralen Gehirn- Ursachen. theilen [z. B. bei der Erscheinung des Lichtchaos oder Lichtstaubes FUehtie ]. — Erregungen der psychooptischen Centra (§. 380. IV) können ausgeprägte Phantasmen hervorrufen, die Cardanus (1550), Goethe und Johannes Müller sogar willkürlich au sich hervorrufen konnten. ,. Video quae volo, nee omnino semper cum volo. Moventur autem perpetuo quae videntur. Itaque video lucos, animalia, orbes ac quaeeunque cupio" Cardanus . Bei Menschen, welche am Delirium tremens leiden, findet mitunter etwas Aehnliches statt: sie vermögen selbst am Tage Hallucinationen hervorzurufen, sobald sie an bestimmte Dinge denken (Hallu- c i n a t i o n e s v o 1 u n t a r i a e). 396. Das Augeuleucliteii und der Augenspiegel. Das in das Auge hineinfallende Licht wird theils von dem !TM*£j®. f*" schwarzen Uvealpigmente absorbirt. zum Theil wird es aus dem gmnd dunM Auge wieder reflectirt, und zwar stets nach derselben Richtung hin, in welcher der Lichtstrahl eingedrungen ist. Belindcn wir uns dem Auge eines Anderen gegenüber, so hält natürlich unser Kopf, als undurchsichtiger Körper, eine ganze Menge von Strahlen ab. Da somit also aus der Richtung unseres Kopfes her keine Lichtstrahlen in das Auge einfallen können, so können natürlich auch keine aus dem Auge nach uns hin heraustreten. Das Auge des Beobachteten erscheint daher unseren Augen nur deshalb schwarz in der Tiefe, weil wir stets den Eintritt den- jenigen Strahlen in dasselbe verwehren . welche allein in der Richtung gegen unser Auge reflectirt werden könnten. Sobald es jedoch gelingt, in derselben Richtung, in welcher wir in Btfeuewunsi das Auge des Anderen hineinsehen, zugleich auch Lichtstrahlen ' grumte». hineinzusenden . so erscheint sofort der Augenhintergrund hell erleuchtet. Zur Erhärtung des Gesagten genügt die folgende einfache Vorrichtung (Fig. 268). B sei das Auge des zu untersuchenden, A das des Beobachters; befindet sich nun in x eine Flamme, so wirft diese ihre Strahlen gegen die Glasplatte SS. welche sie in der Richtung der punktirten Linien in das Auge B 900 Das Augenleuchten und der Augenspiegel. [§■ 396.] reflectirt. Der Augenhintergrund erscheint in dieser Stellung rings um b im Zerstreuungskreise hell erleuchtet. Da der Beobachter A durch die schräge Glas- platte S S ungehindert hindurch sehen kann , und zwar in derselben Richtung mit dem reflectirten Strahle xy, so sieht er die Netzhaut um b herum natürlich hell erleuchtet. Fig. 268. Vorrichtung zur Erhellung des Hintergrundes des Auges B. Erkennuvg Es kommt nun zum Behufe ärztlicher Untersuchung weiterhin ZiteTaxif darauf an, dass man auf dem Augenhintergrunde des zu Untersuchen- de™ Auge?,- fr ^ ßje Einzelheiten unterscheiden könne: etwa in Bezug gründe. Fig. 269. auf die Gefässe des Augenhintergrundes , die Macula lutea, die Ein- trittsstelle des Sehnerven, Abnormitäten der Netzhaut, des Chorioideal pigmentes u. dgl. Wie hier zu verfahren sei, lehrt die folgende Er- wägung. Wie wir gesehen (und wie Fig. 255, pg. 879, zeigt), entsteht von einem Gegenstande (AB), für den das Auge accommodirt ist, ein [§.396.] Das Augenleuchten und der Augenspiegel. 901 verkleinertes, umgewendetes Bild auf der Netzhaut (c dj. Umgekehrt wird aber auch, nach demselben dioptrischen Gesetze, von einem er- Fig. 270. Fig. 271. leuchteten, umschriebenen Bezirk der Netzhaut (eines auf einen be- stimmten Abstand accommodirten Auges) nach aussen hin (bei A B) ein vergrössertes, umgekehr- tes , reelles Bild dieses Netzhauttheiles (e d) ent- stehen müssen. Ist der Augen-Hintergrund dieses Auges hinreichend stark erhellt , so wird auch dieses, in der Luft schwe- bende Bild eine entspre- chende Lichtstärke be- sitzen. Will der Beobach- ter nun einzelne Theile dieses Retina-Bildes ge- nauer sehen , so hat er zunächst sein Auge auf den Ort dieses Bildes zu aecommodiren. Sein ein- gestelltes Auge ist dann natürlich um die eigene Sehweite und um die Sehweite des Auges des Untersuchten entfernt von der Retina des letzteren. Bei diesem bedeutenden Abstände sind die zarten Einzelheiten des Augenhintergrnndes nicht mehr zu erkennen. Ueberdies ist bei der Enge der Pupille de-; Unter- Die Eintrittsstelle des Sehnerven summt dem sie zuuächst umgebenden Bezirke eines normalen Augengrundes (nach Ed. Jaeger). A Sehnervenseheibe (Papille) , a Bindege- websring , '• Chorioidealring, c Arterien, d Venen, v Theilungsstelle des Ontralarterien- stammes, h Thpüungsstelle des Centralvenen- stammes, L Lamina eribrosa t temporale (äussere) Seite, n uasale (innere) Seite. 902 Der Augenspiegel. Der Augengrund. [§• 396.] suchten stets nur ein kleiner Bezirk des Augenhintergrundes und unter nur kleinem Sehwinkel zu übersehen, ganz abgesehen davon, dass die Accommodation für das reelle Bild des Augenhintergrundes des Unter- suchten oft nicht möglich ist. Es kommt daher nun darauf an, dass das Auge des Beobachters näher an das Auge des Untersuchten herangebracht werden kann. Das geschieht auf zweierlei Weise : — l . Entweder man bringt vor das Auge des Untersuchten eine starke Convex linse (von 1 Zoll Brennweite) (Fig. 269. C). Da hierdurch da-* Betinabildchen bereits nahe dem Auge (in Folge der stärkeren Brechung der Strahlen durch die Linse) entsteht (bei B), so kann der Beobachter M viel näher an dasselbe heran und kann doch noch für das Bild des Augenhinter- grundes accommodiren. — 2. Oder man setzt dicht vor Fis- 273- das Auge des Untersuchten eine Concavlinse (Fig. 270. o . Es werden dann die, aus dem Auge (P) des zu Untersuchen- den hervorgehenden Strahlen entweder durch die Concavlinse o parallel gemacht, welche sich nun auf der Netzhaut des em- metropischen Untersuchers A vereinigen. — Oder es ent- steht, wenn die Linse die Strahlen divergirend macht (Fig. 271), vom Augenhinter- grunde ein aufrechtes, virtuelles Bild in der Ferne hinter dem Auge des Untersuchten (bei R). Auch in diesen Fällen kann der Beobachter viel näher an das Auge herantreten. Augenspiegel. Der Beleuchtungsapparat, dazu eine dieser Linsen bilden den „Augenspiegel" (Oph- thalmoskop) von v. Helmholtz (1851), das Fundament der modernen Ophthalmiatrik , wodurch man alle Einzelnheiten des Augengrundes übersehen kann. An der Zur Beleuchtung nahm v. Helmholtz mehrere hinter einander gelegte J;eleuchtung. Scheiben (die hesser spiegeln, als nur eine) in derselben Lage wie SS in Fig. 268. Man kann auch einen, in der Mitte durchbohrten Planspiegel oder Concavspiegel von 7 Zoll Brennweite (Fig. 269, S, S.,) nehmen. — Fig. 272 zeigt uns das ophthalmoskopische Bild der Eintrittsstelle des Sehnerven und ihrer Umgebung von einem normalen Augenhintergrund, an welchem man die, in der Figur selbst näher bezeichneten Einzelheiten deutlich zu unterscheiden vermag. Bei Albinos erscheint der Augengrund deshalb hellroth, weil Licht durch die pigmentlose Sclera und Uvea in's Auge fallen kann. Legt man ein Diaphragma über das Auge, so dass nur die Pupille frei ist. so erscheint der Augengrund schwarz iDondersj. — Bei manchen Thieren leuchten die Augen in hell- grünem Scheine. Sie besitzen eine besondere Lage, das Tapetum, oder die Mem- brana versicolorFieldingii, bei Carnivoren aus Zellen, bei den Herbivoren Wirkung des 0 rthoskopes Leuchtende Augen. Tapetum. [§. 396. Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. 903 Das Orthoskop. aus Fasern bestehend und zwischen der Choriocapillaris und dem Stroma der Uvea liegend, welche Interferenzfarben giebt und viel Licht reflectirt, so dass ein farbiger Schein aus dem Auge hervorleuchtet. Zum Behufe der Untersuchung der vorderen Augenkammer hat man mit Die seitliche Vortheil auch die schiefe Beleuchtung angewendet. Man lässt seitlich Beleuchtung. durch die Hornhaut ein, durch eine Convexlinse gesammeltes, helles Lichtbündel in das Auge eintreten und richtet es auf den Punkt der Untersuchung, der nun hell und klar hervortritt. Der so stark erleuchtete Punkt, z. B. ein Theil der Iris, kann jetzt noch mit Hülfe einer Loupe, oder sogar eines Mikroskopes Liebräch in der Vergrösserung betrachtet werden. Czermak construirte das Orthoskop — (Fig. 273), durch welches er das Auge unter Wasser setzte. Ein kleiner Glastrog , dem die eine Wand fehlt , wird mit den Rändern dieser Lücke dicht der Augenumgebung angedrückt. Las Auge nebst Umgebung bildet so die 6. Wand des Troges , den man nun mit Wasser füllt, so dass die Cornea von demselben bespült wird. La das Brechuugsverhältniss des Wassers ähnlich ist dem der Augenmedien, so freien die Strahlen aus dem Auge ungebrochen in gerader Richtung heraus. Daher kann man so Objecte in der Vorderkammer direct sehen, wie wenn sie gar nicht im Auge eingeschlossen wären. Ein weiterer Vortheil liegt darin, dass die Objecte dem Auge des Be- obachters näher gerückt sind. Lie vom Punkte a des Augengrundes ausgehenden Strahlen würden, wenn das Auge von Luft umgeben wäre, dasselbe parallel als bc, bc verlassen. Unter Wasser gebracht behalten aber diese Strahlen ab, ab ihre Richtung bei , bis nach d, d, wo sie , aus dem Wasser hervortretend , von dem Einfallsloth weggebrochen werden, nämlich nach de, de. Das, in der Richtung ed schauende Auge des Beobachters sieht aber hierdurch den Punkt a näher, nämlich in der Richtung eda1, also bei a1 liegend. 397. Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. I. Nur die Stäbchen und Zapfen sind die lichtempfindenden Theile der Netzhaut (Heinr. Müller) , nur sie werden durch die Schwingungen des Lichtäthers in Erregung versetzt. Dies beweist der Mariotti "sehe Versuch (1668), welcher zeigt, dass die Ein- trittsstelle des Opticus, an welcher Stäbchen und Zapfen fehlen, ohne Lichtempfindung ist. Man nennt sie daher den „blinden Fleck«. Fixirt man mit einem Auge (bei geschlossenem anderen) von zwei auf weissem Papier gezeichneten Buchstaben (Fig. 255, pg. 879 B und f) den Buch- staben f. so dass dessen Bild auf die Fovea centralis retinae (n) fällt, das Bild von B jedoch auf die Eintrittsstelle des Sehnerven (N), so verschwindet sofort das letztgenannte. — Zeichnet man auf das Papier drei Punkte A f B und fixirt den mittleren Punkt f, so wird B verschwinden, jedoch die Punkte A und f werden sichtbar seiu. Die Eintrittsstelle des Sehnerven liegt etwa 3,5 Um. nach innen vom Eintritte der Sehaxe in die Netzhaut. Die Stelle selbst besitzt einen Durchmesser von 1,8 Mm. (v. Heimholte). Im Gesichtsfelde beträgt der scheinbare Durchmesser des blinden Fleckes in horizontaler Richtung 6U 5b', — diese liegen horizontal vom fixirten Punkte aus von 12° 81' bis 18 55'. Auf diesem Durchmesser würden noch 11 nebeneinanderliegende Vollmonde verschwinden, ebenso ein menschliches Antlitz bei über zwei Meter Entfernung. Der Beweis, — dass wirklich die Eintrittsstelle des Sehnerven es ist, welche unempfindlich ist, wird durch folgende Beobachtungen geliefert: — 1. Donders entwarf direct mittelst eines Spiegels ein kleines Flammenhildchen auf der Eintrittsstelle des Sehnerven eines Anderen: der Beobachtete hatte keine Lichtempfindung. Letztere trat sofort ein, wenn das Flammenbildchen auf die angrenzenden Theile der Retina verschoben wurde. — 2. Combinirt man mit dem JA/r/c/W'sehen Versuche die Versuche, welche entoptische Phänomene an der Eintrittsstelle des Sehnerven geben ■ (£. 3!'5. G und ?), so fallen diese mit dem blinden Fleck zusammen Landois . Stäbchen und Zapfen. Lage und Grösse des blinden Fleckes. /ieioeis des Ma riotte- schen Ver- suches. 904 Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. [§. 397.] Bestimmung Uni in dem eigenen Auge die Form und scheinbare Grosse des von Form blinden Fleckes zu bestimmen, befestige man den Kopf etwa 25 Cmtr. lie* bUnden gegenüber einer weissen Papierfläche; auf letzterer wird ein kleiner Punkt fixirt, Fleckes, dann geht man von der Stelle des blinden Fleckes auf dem Papiere nach allen Eichtungen mit einer weissen Feder vor: allemal dort, wo zuerst die Federspitze sichtbar wird , mache man eine Marke. So lässt sich der blinde Fleck ringsum „abtasten". Man findet dann, dass derselbe eine unregelmässig elliptische Form hat, von der man noch als Fortsätze die ebenfalls blinden Anfänge der grossen Gefässstämme der Netzhaut ausgehend findet (Hiteck, v. Heimholte). — \Mariotte schloss aus seinem Versuche , dass die Chorioidea , welche vom Sehnerv durch- bohrt wird, die lichtempfindende Membran sei , da in der Netzhaut nirgends die Nervenmasse fehle.] Ausfüllung Der blinde Fleck im Auge bewirkt keinen wahrnehmbaren des blinden Ausfall innerhalb des Gesichtsfeldes. Da an dieser Stelle eben gar Gesichtsfelde, keine Erregung durch das Licht statthat, so kann auch nicht etwa ein schwarzer Fleck im Gesichtsfelde entstehen ; denn die Empfindung schwarz setzt eben schon Netzhautelemente voraus, die auf dem blinden Flecke fehlen. Der Umstand aber, dass wir beim Sehen trotz der unerregbaren Stelle keine Partie im Ge- sichtsfelde un ausgefüllt wahrnehmen, wird auf eine Thätigkeit der Psyche bezogen. Durch einen psychischen Act wird der, dem blinden Fleck entsprechende unausgefüllte Bezirk des Gesichtsfeldes nach der Wahrscheinlichkeit aus- gefüllt (E. H. Weber). Daher erscheint uns, wenn ein weisser Punkt auf einer schwarzen Fläche verschwindet, die ganze Fläche schwarz ; eine weisse Fläche, von der ein schwarzer _ Punkt auf den blinden Fleck fällt, erscheint ganz 3i D C weiss, eine Seite Druckschrift durchweg grau, etc. So werden auch der Wahrscheinlichkeit gemäss er- setzt : Theile eines Kreises , mittlere Theile einer _ . . jy langen Linie , das Mittelstück eines Kreuzes. — Q, I 0 1 I Solche Bilder jedoch, die sich aus der Wahrschein- lichkeit nicht reconstruiren lassen, werden auch nicht ergänzt, z. B. nicht das Ende einer gezoge- _ nen Linie, oder ein menschliches Antlitz. — In ££ Jü \ anderen Fallen wirkt zur Ausfüllung der Lücke eine ~ Erscheinung mit, welche man als „Contraction des Gesichtsfeldes" bezeichnet hat. Dieselbe wird klar, wenn man von den neun nebenstehenden Buchstaben e verschwinden lässt ; man sieht dann nicht mehr oie drei Buchstaben jeder Seite in gerader Linie, sondern b, f, h, d sind gegen e hin herangezogen. So scheinen die benachbarten Theile des Gesichts- feldes sich ringsum über das Gebiet des blinden Fleckes hin auszudehnen und dasselbe erselzen zu helfen. Die Opticus- XI. Die vSclriclit der Op ticusf asern in der Netzhaut f°meZVfind- ist ii i c b t 1 i c li t p e r c i p i r e n d. Der Beweis hierfür liegt lich- darin, dass in der Fovea centralis, woselbst das schärfste Sehen möglich ist, gar keine Nervenfasern liegen. Ferner zeigt die (jrefässschattenfigur. dass, da die Adern der Netzhaut hinter den Opticusfasern liegen . letztere an ihrer Perception nicht betheiligt sind. sehwahr- m Die Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen durch zapfen besitzen runde Contouren ; sie stehen zwar dicht neben einander, und ämchen. avjein eg müssen (entsprechend den Zwischenräumen sich berüh- render Kreise) natürlich Lücken zwischen ihnen sein. Diese Lücken sind für das Licht unempfindlich. Das Netzhautbild setzt sich also zusammen , wie ein , aus runden Steinchen ge- fügtes Mosaikbild. Der Durchmesser eines Zapfens im gelben Fleck beträgt 2 — 2.5 (/. (M. Schnitze). Fallen nun von zwei, sehr dicht neben einander gezeichneten , kleinen Punkten zwei Bild- punkte auf die Netzhaut, so werden diese noch isolirt wahr- [§•397.] Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. 905 genommen , wenn die beiden Bildpnnkte noch auf zwei ver- schiedene Zapfen fallen. Es genügt demnach noch ein Abstand beider Bildpunkte auf der Netzhaut von 3 — 4 — 5,4 y.. damit beide isolirt gesehen werden können, dann fallen die Bilder auf noch zwei neben einander stehende Zapfen. Wird der Abstand so sehr verkleinert . dass beide Bildpunkte nur noch auf einen Zapfen fallen, oder der eine auf einen Zapfen, der andere auf die Zwischensubstanz, so wird nur ein Bildpunkt mehr wahr- genommen. Auf den peripheren Netzhauttheilen müssen die Bildpunkte noch weiter von einander stehen , um noch isolirt wahrgenommen zu werden. Da die runden Endflächen der Zapfen nicht gerade unter einander liegen, sondern vielfach so, dass eine Reihe der Kreise in die Interstitien der folgenden Reihe sich einfügt, so erklärt sich, dass feinste nebeneinandergezogene, dunkle Linien alternirende Biegungen zu haben scheinen , da die Bilder dieser alter- nirend bald rechts , bald links auf die Zapfen fallen müssen. — So erscheint auch jeder geradlinige Rand eines Gegenstandes , sobald sein Retinabild mit einer massigen Geschwindigkeit über die Netzhaut hingeleitet wird , gewellt fv. Fleischt :. IV. Das schärfste Sehen ist durch die Fovea centralis retinae möglich, wo nur Zapfen, und zwar am dichtesten neben einander stehen; spärlicher stehen sie in den peripheren "Retina- bezirken , hier ist das Sehen viel weniger scharf. Man kann daraus schliessen . dass die Zapfen zum Sehen geeigneter sind, als die Stäbchen. Beim möglichst scharfen Sehen wenden wir daher unwillkürlich die Augen so . dass das Netzhautbildchen auf die Fovea centralis fällt. Diese Einstellung nennen wir ,.Fixiren" ; der von der Fovea zu dem Objectpunkte gezogene Sehstrahl heisst die „Sekaxe" (Fig. 274 Sr). Dieselbe bildet mit der „optischen Axe" des Auges (0 A) (welche die Centren der sphärischen Flächen der brechenden Augenmedien verbindet) einen "Winkel von nur 3.5 — 7°: der Schnittpunkt liegt natürlich im Knotenpunkte (Kn) der Linse (pg. 906). Das Sehen mit directer Richtung der Sehaxen auf die Objectpunkte nennt man „directes Sehen". Sehr lichtschwache Objecte werden nicht so genau durch die Fovea cen- tralis, als vielmehr von den herumliegenden Netzhautbezirken wahrgenommen (Arago, Riitte, FecAner, Hubert . Lässt man durch einen siebförmig durchlöcherten Schirm Lichtpunkte auf die Centralgrube fallen, so erscheint eine zusammenhängende helle Fläche, wenn auf jeden Zapfen je ein Lichtpunkt fällt. Hierzu ist erforderlich, dass 140 bis 149 Lichtpunkte auf 0,01 QMm. der Fovea centralis fallen. [Nach Satzer stehen 138 Zapfen auf einem so grossen Räume.] Sollen die einzelnen Lichtpunkte des Schirmes isolirt wahrgenommen werden, so ist es nothwendig, dass jeder belichtete Zapfen von einem Kranze unbelichteter umgeben sei: hierbei müssen 72 Lichtpunkte auf 0.01 □Mm. der Centralgrube fallen (Claude Du Bois-Reymond). Zur Prüfung der Sehschärfe im directen Sehen — entfernt man zwei feine, sehr dicht neben einander gezogene Linien stets mehr von dem Auge, Itis beide in eine last zu verschmelzen scheinen. Ans dem Abstände der beiden Linien von einander und der Entfernung der Zeichnung vom Auge be- rechnel man die Grösse des Netzhautbildchens . oder auch des entsprechenden Seh winkels, der im Mittel zwischen 60 bis 90 Secnnden gefunden ist. „Indirectes Sehen" findet statt, wenn die Sehstrahlen von Objcct-Punkten auf periphere Xetzhautstellen fallen. Das Fovea centralis. Directes Sehen. Prüfung der Sehschärfe für directes Sehen. Indirectes Sehen. 906 Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. [§• 397.] indirecte Sehen ist viel weniger scharf, als das directe. Doch ist die Peripherie der Netzhaut in hohem Grade befähigt, Be- wegungen, Veränderungen oder Intermissionen der Lichteindrücke zu erkennen (S. Exner). Prüfung für Perimetrie, — Zur Prüfung des indirecten Sehens dient das Peri- indirectes m e t e r von Aubert und Forste*-. Das Auge befindet sich einem Fixirpunkt gegen- Perimeter. über, von welchem aus ein Halbkreis so ausgeht, dass das Auge im Centrum Horizontaler Durchschnitt des rechten Auges. a Cornea, b CoDj'unctiva, c Sclera, d vordere Kammer, enthaltend die wässerige Feuchtigkeit, e Iris, ff Pupille, g hintere Kammer, l Petü'schev Canal, ;' Ciliar- muskel, k Corneo-Scleralgrenze , i Schlemm'aGlier Canal, m Chorioidea, n Retina, o Glaskörper, No Sehnerv, q Nervenscheiden, p Nervenfasern, lc Siebplatte. — Die Linie AO bezeichnet die optische Axe, 6V die Sehaxe, r die Stelle der Fovea centralis. desselben liegt. Da der Halbkreis im Fixirpunkt drehbar ist , so lässt sich durch Drehen desselben die Oberfläche einer Halbkugel umschreiben, in deren Centrum das Auge ist. Es werden nun, vom Fixirpunkt ausgehend, Objecte an dem Halb- kreise immer weiter gegen die Peripherie des Gesichtsfeldes verschoben, bis das Object undeutlich wird und ganz verschwindet. Diese Prüfung wird durch ent- sprechende Stellung des Bogen s der Reihe nach für die verschiedenen Meridiane des Gesichtsfeldes vorgenommen. Je weiter vom Fixirpunkt nach dem Ende des Bogens man zwei Punkte neben einander anbringt, um so weiter kann man sie [§• 397.] Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. — Perimetrie. 907 von einander entfernen, ohne dass sie in einen verschmelzen. Das Unterscheidungs- vermögen für verschiedene Farben nimmt auf der Peripherie der Netzhaut schneller ab (sie ist leicht rothblind), als das für die Helligkeitsunterschiede. Die Abnahme ist überdies im verticalen Meridian des Auge stärker, als im horizontalen, sie nimmt ferner mit der Entfernung vom Fixirpunkt ab Aubert 6* Förster . Die genannten Forscher fanden femer die merkwürdige Thatsache, dass bei der Accommodation für die Ferne die Abnahme der Unterscheidungs- fähigkeit nach der Peripherie schneller folgt, als beim Nahesehen. Die Erregbarkeit der Netzhaut für Farben und Helligkeit ist höher an einem schläfenwärts, als an einem nasenwärts gleich weit von der Fovea centralis belegenen Punkte Schon . Perimetri scher Aufriss eines gesunden und eines kranken Auges. Theilt man den Bogen des Perimeters vom Fixirpunkt (Mittelpunkt) aus- gehend (Fig. 275) bis nach L und M in 90 Grade und zieht man überdies eine Anzahl concentrischer Kreise um den Fixirpunkt, so kann man leicht aus den Untersuchungen der Netzhaut ein topographisches Bild der Sehfähigkeit für das normale oder kranke Auge entwerfen. — Als Beispiel diene vorstehende Fig. 275. Die dick gezeichneten Linien beziehen sich auf ein krankes Auge, die entsprechenden zart gezogenen auf ein gesundes. Es entspricht die aus- gezogene Linie der Grenze für die Wahrnehmung von Weiss; — die ge- strichelte der von Blau, — die pun k tirt -gest rieh elte für Roth, — [m ist der blinde Fleck (nach Hirschberg ]. Für das normale Auge reicht die Grenze für die Wahrnehmung:: für Weiss Blau Roth nach Aussen ., Innen '., Oben Unten 70°— 88° 65u 50°— 60° 60° 45°-55° 45" 65°-70° 60° b0u 40° 50° 40° 40° 80—35° 50° 35u 908 Thätigkeit der Netzhaut beim Sehen. [§. 397.] Beteroioge V, Nur den Stäbchen und Zapfen kommt die „specifische NeMaarebe- Energie" zu (Joh. Müller), durch die Schwingungen des Lichtäthers in die Thätigkeit versetzt zu werden , welche wir Sehen nennen. Gleichwohl können auch mechanische und elektrische Reizungen, im ganzen Verlauf des nervösen Apparates angebracht, Lichterscheinungen hervorbringen. Der mechanische Reiz ist eine intensivere Reizung, als die Erregung durch die Lichtstrahlen, was sich daraus ergiebt, dass bei Aus- fährung der dunklen Druckfigur bei geöffnetem Auge (§. 395, 5. a), wodurch die Circulation der Netzhaut gehindert wird (Donders), im Bereiche derselben das Sehen äusserer Objecte, welche gleich- massig dauernd die Netzhaut treffen , nicht mehr statthat. Dauer der VI. Die D a u e r der Netzhauterregung kann äusserst kurz erregung. sein, da schon der elektrische Funke (von nur 0,000000868 Secunde Dauer) wahrgenommen wird. Doch ist im Allgemeinen zur Percipirung eine um so geringere Zeit nöthig, je grösser und je heller die Objecte sind. Die abwechselnde Lichtreizung, 17 — 18mal in einer Secunde, wird am intensivsten empfunden (Brücke). — Zwischen 2 Lichtblitzen muss 0,027 Secunde ver- gehen, damit beide isolirt erscheinen (Charpentier). Weiterhin wird noch eine Zu- oder Abnahme von 0,01 Theil der Lichtstärke wahrgenommen. — Für die Wahrnehmung von Gelb genügt ferner eine kürzere Zeit, als für die von Yiolett und Roth (Vierordt). - Längeres Verweilen im Dunkeln, also auch die Nachtruhe , macht die Netzhaut für Lichteinwirkung empfind- licher. Hat die Lichtreizang längere Dauer und starke Inten- sität, so tritt Ermüdung der Netzhaut ein, und zwar eher im Centrum derselben, als an der Peripherie (Aiibert). Sie hat anfangs einen schnelleren Verlauf als später ; am Morgen zeigt sie sich am auffälligsten (A. Fick & C. F. Müller). VII. Bei directem Sehen müssen Objecte eine Winkel- geschwindigkeit von 1 — 2 Minuten in 1 Secunde haben, um als bewegt zu erscheinen (Aiibert). Der Netzhaut- VIII. In Betreff der Art und Weise , wie das Licht auf Purpur, ^«g Endapparate der Netzhaut einwirkt , sei auf den schon be- sprochenen „Netzhaut -Purpur" (Boll , W. Kühne), pg. 868, hingewiesen. Kühne zeigte , dass durch die Beleuchtung der Netzhaut sich auf dieser wirkliche, dauernde Bilder erzeugen lassen (z. B. das Bild eines Fensters) , die allmählich wieder verschwinden. Es würde sich so die Netzhaut gewissermaassen der empfindlichen Platte des photographischen Apparates ähnlich verhalten , und es wäre so an eine chemische Wirkung des Lichtes bei der Lichtempfindung zu denken, wie schon frühere Forscher vermuthet hatten. Der Retinapurpur wird von dem pigmentirten Epithel der Netzhaut durch eine Art Secretion an die Stäbchen abgegeben. Eine gebleichte Netzhaut kann wieder den Purpur aufnehmen , wenn sie an eine lebende Pigmentepithelschicht gelagert wird. Die Netzhaut der Säuger bleicht durch Licht gegen 60mal schneller, als die des Frosches. Im fixirten Kaninchenauge mit Atropinmydriasis erzielten Ewald und Kühne von hellen, 24 Ctm. entfernten Objecten scharfe Optogramme in 1V4 — P/5 Minuten; vierprocentige Alaunlösung fixirt das Bild. Der Netzhaut- [§. 397.J Wahrnehmung der Farben. 900 purpur widersteht allen Oxydationsmitteln ; Chlorzink, Essigsäure, Sublimat ver- wandeln ihn in eine gelbe Substanz , weiss wird er allein durch das Lieht; die dunklen Wärmestrahlen sind wirkungslos (Klug) , Temperaturen über 52° zer- setzen ihn. Als fernere wichtige Thatsache sei erwähnt, dass die Bewtguna«* Innenglieder der Zapfen sich unter der Einwirkung des Lichtes und zapj™. verkürzen und im Dunkeln verlängern. Die Wirkung ist stets doppelseitig, auch wenn nur ein Auge belichtet war; aber nach Zerstörung des Gehirnes bleibt der Erfolg einseitig beschränkt (Strychnintetanus wirkt dem Lichte ähnlich;. Es müssen daher im N. opticus neben den lichtpercipirenden auch bewegende (retin omotorische) Fasern enthalten sein (Engelmann & van Gen- deren Stört). Auch an den Stäbchen- Aussen- (Angelucci) und Innen-Grliedern (Gradenigo) beobachtet man Bewegungserschei- nungen , wobei auch die äusseren Körner ihre Gestalt ändern. Die Wärme soll dem Lichte ähnlich wirken. Auch isolirte Zapfen-Innenglieder und Körner zeigen auf Belichtung Form- veränderungen (Gradenigo). IX. Zerstörungen der Stäbchen oder Zapfen der Netzhaut bewirken entsprechende dunkle Stellen im Gesichtsfelde. logisches. 398. Wahrnehmung der Farben. Physikalisches. — Die Schwingungen des Lichtäthers werden nur inner- halb bestimmter Grenzen von der Netzhaut wahrgenommen. Lässt man ein Bündel weissen Lichtes, z. B. der Sonne, durch ein Prisma hindurchgehen, so werden die Strahlen desselben gebrochen und in das „prismatische Spectrum." zerlegt (Fig. 11). Das weisse Licht enthält Strahlen von sehr verschiedener Wellenlänge oder Schwingungszahl. Am wenigsten stark gebrochen werden die dunklen Wärmestrahlen, deren Wellenlänge 0,00194 Mm. beträgt (Fizeau); sie wirken nicht auf die Netzhaut ein, sind also unsichtbar, (doch wirken sie bekanntermaassen auf sensible Nerven). Von diesen Strahlen werden gegen 90 Procent von den Augenmedien absorbirt (Brücke & Knobloch, Cima, Jansen/. Von der Fraunhofer* sehen Linie A an (Fig. 12) erregen die Oscillationen des Lichtäthers die Netzhaut, und zwar treten der Reihe nach auf: Roth mit 481 Billionen Schwingungen in einer öeeunde, Orange mit 532, Gelb mit 563, Griin mit 607, Blau mit 563, Indigo mit 676 und V iolett mit 764 Billionen Schwingungen in einer Secunde. Die Empfindung der Farben hängt also von der Schwingungszahl des Lichtäthers ab, [ähnlich wie die Höhe eines Tones von der Schwingungszahl des tönenden Körpers (Newton, 1704. Hartley, 1772)]. Jenseits des Violetten liegen im Spectrum die chemisch wirk- samen Lichtstrahlen. Doch gelingt es, nach Abbiendung des ganzen Spectrums mit Einschluss des Violetten, noch die ultravioletten Strahlen mit schwacher, graublau erFarbe zu erkennen (v. Heimholte). Die, in dem farbigen Spectral- theile liegenden Wärmestrahlen werden seitens der Augenmedien etwa in derselben Weise durchgelassen , wie vom Wasser (Franz! . Am leichtesten weist man die ultravioletten Strahlen durch das Phänomen der F lnoresccnz nach : beleuchtete nämlich v. Helmholte mit dem ultravioletten Lichte eine Lösung schwefelsauren Chinins, so sah er von allen Punkten der Lösung, welche von den ultravioletten Strahlen getroffen waren, ein bläulichweisses Licht ausgehen. Da nun die Augen- medien selbst die Erscheinung der Fluoreseenz zeigen (v. Helmholte, Setschenow, , so werden sie die Wahrnehmbarkeit jener durch die Netzhaut vergrössern. Die ultravioletten Strahlen werden durch die Augenmedien nicht besonders stark absorbirt Brücke, Dondtrs . Damit die Farbe wahrgenommen werde, ist es erforderlich, das- eine bestimmte Lichtmenge auf die Netzhaut falle. Blau giebt auf der niedrigsten Helligkeitsstufe schon eine Farbenempfindung bei einer Lichtmenge, welche Uimal kleiner ist, als die für roth erforderliche (Dobrowolsky). Vorbemerke. Prismatisches Spectrum. Dunkle Wärme- strahlen. Farbiger Theil des Spectrums. I Uraviolette Strahlen. f-Ävßuss der Helligkeit. 910 "Wahrnehmung der Farben. ["§. 39 8. Intensität des "Während also Licht von verschiedener Schwingungs d a u e r im Auge die .Ljch\ Empfindung der verschiedenen Farben erregt, bedingt die Schwingung s- amplitude (Höhe der "Wellen) die Intensität des Lichteindruckes, (sowie die Stärke eines Tones von der Schwingungsamplitude des tönenden Körpers abhängt). Das Sonnenlicht enthält sämmtliche Farben in sich vereinigt, deren gleichzeitigen Eindruck auf die Netzhaut wir mit der Empfindung weiss bezeichnen. [Werlen die, dnr h ein Prisma verlegten Spectralfarben wieder ge- sammelt, so erhält man wieder weisses Licht.] AVird die Netzhaut grar nicht getroffen von den Schwingungen des Lichtäthers, so fehlt jede Licht- und Farben- Empfindung, was wir jedoch nicht mit schwarz bezeichnen dürfen. Es ist eben das Fehlen der Empfindung, wie es z.B. auch der Fall ist, wenn ein Lichtstrahl etwa auf die Eückenhaut fällt. Diese hat ja nicht die Empfindung von Schwarz, sondern sie hat eben gar keine Lichtempfindung. Farben- "Wird ein farbiges Object von einem einfarbigen Lichte erhellt, so bewirkt einf'Uhi ^ es keinen farbigen Eindruck. "Wird ein farbiges Object von 2 verschiedenen Beleuchtung, farbigen Lichtern beleuchtet , so tritt der farbige Eindruck am besten hervor, wenn das eine Farbenlicht diejenigen Strahlen enthält, welche von der Farbe des Objectes am stärksten reflectirt wurden , hingegen das andere Licht solche, die im Sonnenspectrum weniger weit von denselben abstehen, als die complementären (ff. W. Vogel). Einjache Man unterscheidet einfache Farben, z. B. die des Farben. Spectrums; zum Empfinden derselben muss die Netzhaut durch eine ganz bestimmte Zahl von Oscillationen in Schwingung versetzt werden (siehe oben). — Ferner unterscheidet man Mischfarbe. .,M i s c h f a r b e n" , deren Empfindung hervorgerufen wird, wenn die Retina gleichzeitig, oder in schneller Abwechselung durch tlie Oscillationen zweier, oder mehrerer einfacher Farben erregt wird. Die complicirteste Mischfarbe ist AV e i s s , welche sich aus allen einfachen Farben des Spectrums zusammensetzt. — Be- compiemen- sonders beachten swerth sind endlich die „Complementär- tär/arben. farDen", unter denen man je zwei Farben versteht, welche beide zusammengemischt Weiss geben. Nur der einheitlichen contrast- Uebersichtlichkeit wegen sollen hier schon die ,. Contra st- farben. f a rb e ii" er wähnt werden, welche den Complementärfarben sehr nahe stehen. Diese sind je zwei Farben, welche gemischt sich ergänzen zu dem allemal herrschenden hellen Ton der Be- leuchtung : bei blauem Tageshimmel müssen die zwei Contrast- farben also Bläulichweiss, bei heller Gasbeleuchtung müssen sie Grelbweiss geben, bei rein weisser Beleuchtung fallen natürlich Complementärfarben und Contrastfarben zusammen (Brücke). Methoden für Methoden der Farbenmischung. — 1. Man entwirft zwei Sonnenspectra die Farben- un(j jgj-^ fljg zu mischenden Farben beider so, dass sie sich auf einem Schirme xung. ^k^^ — 2. Man blickt schräg durch eine senkrecht stehende Glastafel auf eine dahinter liegende Farbe. Eine andere liegt vor der Scheibe so, dass durch Reflexion ihr Bild ebenfalls in das Auge des Beobachters tritt So gelangt iu das Auge desselben gleichzeitig von der Glastafel durchgelassenes Licht der einen und reflectirtes Licht der anderen Farbe fv. Heimholte). — 3. Man lässt auf dem Farbenkreisel schnell Scheiben rotiren mit verschiedenfarbigen Seetoren. Bei schneller Drehung vermischen sich die Eindrücke der einzelnen Farben zu der Mischfarbe. Wird die rotirende Scheibe, welche z. B weiss zeigt, aus Vermischung der aufgetrasenen Regenbogenfarben, im schnell rotirenden Spiegel betrachtet, so treten aus dem "Weiss die einzelnen Conrponenten wieder hervor (Landois). — 4. Man setzt vor die kleinen Löcher des Kartenblattes beim Sc keiner' sehen Ver- suche (pg. 886, Fig. 260) je zwei verschiedene, farbige Gläser: die durch die Löcher hindurchgehenden farbigen Lichtstrahlen vereinigen sich auf dem Netz- hautpunkte zur Erzeugung der Mischfarbe (Czermak). [§• 3*8. Gesetze der Farbenmischung. 911 Die Untersuchungen haben gezeigt, dass folgende Spectral färben comple- Comple- mentäre sind, d. h. dass sie zusammen zu je zweien Weiss gelten: Roth -4- ™entäre Spectral- Grünblau; Orange + Cyanblau; Gelb + Indigoblau; Grüngell) -f" Violett. — färben. Grün hat die zusammengesetzte Comphmentärfarbe Purpur v. Helmholtz). Sämmt- liche Mischfarben ersieht man aus folgender Tabelle. An der Spitze der ver- Mischfarben. ticalen und horizontalen Columnen stehen die einfachen Farben : wo sich die betreffende verticale und horizontale Columne schneidet, liegt die Mischfarbe : Violett Indigo Cyimblau Blaugrün Grün Grüngelb Gelb Roth Purpur dk. Rosa Orange dk. Rosa wss. Rosa Gelb wss. Rosa Weiss Grüngelb Weiss jwss. Grün Grün wss. Blau Wasgerblan Blaugrün ttasserblan Wnsserblao Cyanblau Indigo dk. = dunkel wss. Rosa Weiss [wss. Gelb Goldgelb Orange Weiss wss. Gelb ! Gelb Gelb — wss. Grün wss. Grün Grüngelb — — wss. Grün' Grün — — — Blaugrün — — — — wss. = weisslich. Die Beobachtungen über die Farbenmischungen haben nun Bf "j^in(/eer zu folgenden Resultaten geführt: — 1. Werden zwei einfache, Farben- aber nicht complementäre Spectralfarben mit einander gemischt. m,sc} so erzeugen sie eine Farbenempfindung, welche sich reproduciren lässt durch eine , zwischen den beiden Farben im Spectrum liegende Farbe, der ein gewisses Quantum Weiss zugemischt ist. — Daher lässt sich jeder beliebige Mischfarbeneindruck erzeugen durch eine Spectralfarbe -f Weiss (Grassmann). — 2. Je weniger Weiss die Farben enthalten, um so „gesättigter" sind die- selben, — je mehr Weiss sie enthalten, um so ungesättigter erscheinen sie. Mit der Intensität der Beleuchtung einer Farbe nimmt ihr G-esättifftsein ab. Schon seit Newton hat man sich bemüht, aus den, über die Farbenmischung gezogenen Erfahrungen eine sogenannte „geometrische Farbentafel" zu construiren , an welcher sodann nach dem Princip der Schwerpunkt constru c- tionen die Mischfarbe leicht gefunden werden kann. Die nachstehende Figur giebt die Farbentafel : in der Mitte befindet sich das Weiss, und von hier bis zu jedem Punkte in der Curve, welche mit den Namen der Farben bezeichnet sind, denke man sich jede Farbe in der Weise aufgetragen, dass vom Weiss aus zuerst der hellste Ton, dann stets gesättigtere Töne folgen, bis endlich in dem, durch den Namen der Farbe bezeichneten Punkte der Curve die reine gesättigte Spectral- farbe liegt. Zwischen Violett und Roth ist die Mischfarbe beider, nämlich Purpur, eingetragen. Will man nun die Mischfarbe zweier Spectralfarben nach dieser Farbentafel suchen, so verbinde man die Punkte dieser Farben durch eine gerade Linie; in die beiden, die Farben bezeichnenden Punkte der Curve denke man sich femer Gewichte eingelegt, welche den Einheiten der Intensitäten dieser Farben entsprechen : dann giebt die Lage des, in der Verbindungsfarbe liegenden Schwerpunktes beider den Ort der Mischfarbe in der Farbentafel an. Die Misch- farbe zweier Spectralfarben liegt auf der Farbentafel stets in der, die beiden Parbenpnnkte verbindenden geraden Linie; man erkennt ferner leicht, dass der Mischeindruck einer zwischenliegenden Spectral- farbe entspricht, mit Weiss gemischt. — Die, zu einer Spectralfarbe gehörige Comp 1 e m entär färbe wird sofort gefunden, wenn man von dem Punkte dieser Farbe durch Weiss hindurch eine Linie zieht, bis sie den gegenüberliegenden Rand der Farbentafel schneidet: der Schnittpunkt giebt die Complementärfarbe an. Soll aus zwei Complementärfarban reines Weiss gemischt werden. 30 mnss jene besonders stark vertreten seiu, welche auf der verbindenden Linie dem Weiss am nächsten liegt, denn nur dann würde im Punkte Weiss der Schwerpunkt der die beiden Complcmentären verbindenden Linie liegen. Die geometrische Farbentafel und die Bestimmung der Misch- farben durch dieselbe. He.ttimmung der Compte- mentär- farben. 912 Mischfarben. — Theorien der Farbenwahrnehmung. [§. 398.] Bestimmung der Misch- farbe aus mehreren Farben . Bestimmung der Misch- farbe aus den 3 Grund- farben. Die Farbentafel gestattet aber auch ferner noch die Auffindung der Mischfarbe zwischen drei und mehreren Farben. Es seien z. B. die, durch die Punkte a (Blassgelb), b (ziemlich gesättigt Grünblau) und c (ziemlich gesättigt Blau) gegebenen Farben zur Mischung bestimmt. Man lege in die drei Punkte Gewichte, die den Intensitäten derselben entsprechen, und suche den Schwerpunkt des Dreieckes a b c ; derselbe wird bei p liegen. Man sieht aber leicht, dass dieser Mischeindruck, weisslich Grünblau , auch allein aus der Farbe Grünblau -f- Weiss hervorgebracht werden kann (laut Satz 1) , denn p kann ja ebenso gut der Schwerpunkt zweier Gewichte sein, die an der Linie vom Weiss zum Grünblau liegen. Man kann nun ncch um die Farbentafel herum ein Dreieck VGrR beschreiben, welches dieselbe völlig einschliesst. Als die drei Grundfarben liegen in den Ecken dieses Dreieckes Roth, Grün, Violett. Es ist nun leicht ein- zusehen , dass jeder der farbigen Eindrücke , d. h. jeder beliebige Punkt der Farbentafel sich finden lässt, wenn man in die Ecken des Dreieckes, den Inten- sitäten der Grundfarben entsprechend, Gewichte hineinlegt, so dass der Punkt der Farbentafel, also die gesuchte Mischfarbe, der Schwerpunkt des , so an den drei Ecken belasteten Dreieckes ist. Den Gewichten entsprechend muss die In- tensität der drei Grundfarben in der Mischung zur Erzeugung der Mischfarbe vertreten sein. Fig. 276. Cyanblau/ ^-Jir-1 Violett Geometrische Farhentafe!. Theorien der Zur Erklärung der Farbenwahrnehmung hat man verschiedene Theorien Farbenwahr- aufgestellt. 1. Nach der einen Theorie soll die Farbenempfindung daher rühren, dass die, nur einheitlich vorhandenen Elemente der Netzhaut von dem verschieden- farbigen Lichte (Oscillationen des Lichtäthers 'von verschiedener Wellenlänge, Schwingungszahl undj Brechungsverhältniss) in verschiedener Art erregt werden. Young- ' elmho 1 1: sehe Theorie. 2. Die Theorie von Thomas Young (1807) und v. Helmholt s '(1852) nimmt in der Netzhaut drei verschiedene, den Grund- farben entsprechende, terminale Netzhautelemente an : — Reizung der ersten Art bewirkt die Empfindung von Roth, — Reizung der zweiten die des Grün, — Reizung der dritten die des Violett. Die rothempfindenden Elemente werden am stärksten erregt von dem Lichte grösster Wellenlänge (rothe Strahlen) , die griinempfindenden von dem Lichte mittlerer Wellenlänge (grüne Strahlen) , die violettempfindenden von dem Lichte kleinster Wellenlänge (violette Strahlen). Es ist indessen hierbei nicht ausgeschlossen, muss vielmehr zur Erklärung einer Reihe von Erscheinungen an- genommen werden, dass jede Spectralf arbe alle Arten von Fasern erregt, aber die einen schwach, die anderen stark. Denken wir uns in Fig. 276 in horizontaler Richtung die Spectralfarben in ihrer natürlichen [§. 398-] Theorien der Farbenwahrnehmung. 913 Reihenfolge aufgetragen (von Roth bis Violett), so können die drei durcheinander gezeichneten Curven etwa die Erregungsstärke der drei Arten von Netzhaut- elementen darstellen : die ausgezogene Curve die der rothempfindenden, die punk- tirte die der grünempfindenden und die gestrichelte die der violettempfindenden. — Das einfache Roth erregt stark die rothempfindenden, schwach die beiden anderen Arten (ausgedrückt durch die in R errichteten Ordinatenhöhen): Empfin- dung roth. — Das einfache Gelb erregt massig stark die roth- und grün- empfindenden, schwächer die violetten : Empfindung gelb. — Das einfache Grün erregt stark die grünempfindenden , viel schwächer die beiden anderen Äxten : Empfindung grün. Das einfache Blau erregt massig stark die grün- und violett- empfindenden, schwach die rothen ; Empfindung blau. — Das einfache Violett erregt stark die gleichnamigen, schwach die anderen: Empfindung violett. — Erregung je zweier Elemente erzeugt den Eindruck der Mischfarbe; die Reizung aller von ziemlich gleicher Stärke macht die Empfindung von Weiss. Diese An- nahme der YoiMg-He/»iholtz's(<[\Qxi Theorie giebt in der That eine einfache und klare Uebersicht und Erklärung der Erscheinungen der physiologischen Farben- lehre. Die Theorie ist eine weitere Ausbildung der Lehre Joh. Müller 's über die specifische Energie der Nervenfasern. Man hat nun weiterhin die Befunde im Baue der Netzhaut dieser Theorie angepasst. Hiernach sollen nur die Zapfen die farbenpercipirenden Endapparate sein (Max Schnitze). — Durch die Längs- streifung ihres Aussengliedes sollen sie sich als Multipla terminaler Endapparate erweisen. Der Grad des Farbenempfindungsvermögens der Netzhaut steht dann im Verhältniss zur Zahl der Zapfen : er ist am höchsten entwickelt in der Macula lutea, die nur Zapfen hat , viel geringer mit zunehmender Entfernung von der- selben, um sich endlich an der Peripherie der Netzhaut zu verlieren. — Den Stäbchen der Netzhaut wird nur das Unterscheidungsvermögen quantitativer Lichtempfindung zugesprochen. Fig. 277. 0 G Gr H V Schema der l'oung- Heimhoitz'schen Farbentheorie. 3. Ewald Hering geht bei der Erklärung der Sehempfindung Hering'» von dem obersten Grundsätze aus: das, was uns als Gesichtsempfindung 7licht- und zum Bewusstsein kommt, ist der psychische Ausdruck für den Stoff- -m»'-*«*- wechsel in der Seh Substanz (d. h. in derjenigen Nervenmasse, welche beim Sehen in Erregung versetzt wird). Die Substanz fällt, wie jede andere Körpermaterie, während der Thätigkeit dem Stoffwechsel, der Zersetzung, der „D issimilirung" anheim; späterhin in der Ruhe muss sie sich wieder ersetzen, oder ,.assimi li ren". Zunächst für die Wahrnehmung von Weiss (hell) und Schwarz (dunkel) nimmt nun Hering zwei verschiedene Qualitäten des chemischen Vor- ganges in der Sehsubstanz an, so nämlich, dass der Empfindung des Weissen oder Hellen die Dissimilirung (Umsatz) , der Empfin- dung des Schwarzen (Dunklen) die Assimilirung (Ersatz) der Sehsubstanz entspricht. Demgemäss entsprechen den verschiedenen Verhältnissen der Deutlichkeit oder Intensität, mit welcher jene*-beiden Empfindungen in den einzelnen Uebergängen zwischen reinem Weiss und tiefstem Schwarz hervortreten, oder den Verhältnissen, in denen sie gemischt erscheinen (Grau), dieselben Verhältnisse der Intensitäten jener beiden psychophysischen Processe. Es sind also Verbrauch und Landois , Physiologie. 7. Aufl. 5g 914 Theorien der Farbenwahrnehmung. [§. 398.] Wiederersatz von Materie in der Sehsubstanz die ursächlichen Processe der Weiss- und Schwarz-Empfindung. Der Verbrauch der Sehsubstanz bei der Weissempfindung' geschieht durch die schwingenden Aether- wellen als auslösenden Eeiz , der Grad der Helligkeitsempfindung ist proportional der Menge der verbrauchten Materie. Der Wiederersatz löst die Schwarzempfindung aus ; je intensiver dieser erfolgt , um so tiefer ist die Schwarzempfindung. — Der Verbrauch der Seh- substanz an einer Stelle ruft in der Nachbarschaft stärkeren Ersatz hervor. Beide Processe beeinflussen sich dem- gemäss gleichzeitig und neben einander. [So ist die Erscheinung des Contrastes (siehe pg. 920) physiologisch erklärt, für welche die ältere Anschauung nur eine psychische Interpretation bieten konnte.] Ganz analog werden nun für die Farbenwahrnehmung eine Empfindung des Umsatzes (Dissimilirung) und eine der Anbildung (Assimilirung) angenommen: neben Weiss ist Roth und Gelb der Ausdruck der Umsetzung, hingegen Grün und Blau die Empfindung des Ersatzes ; es ist also die Sehsubstanz in dreifach verschiedener Weise der chemischen Veränderung oder des Stoffwechsels fähig. So lassen sich die farbigen Contrasterscheinungen, die complementären Nachbilder erklären. — Die schwarzweisse Empfindung kann ferner mit allen Farben zugleich eintreten, sie tönt daher bei jeder Farben- empfindung als dunkel oder hell mit durch, daher wir denn auch ab- solut reine Farben nicht besitzen. — Es giebt also drei verschiedene Bestandteile der Sehsubstanz: die schwarz-weiss (farblos) empfindende, die blaugelb und die rothgrün empfindende. — Alle Strahlen des sichtbaren Spectrums wirken dissimilaren d auf die schwarzweisse Sub- stanz, aber die verschiedenen Strahlen in verschiedenem Grade. Auf die blaugelbe oder die rothgrüne Substanz dagegen wirken nur gewisse Strahlen dissimilirend, gewisse andere assimilirend und gewisse Strahlen gar nicht. G emischtes Licht erscheint farblos , wenn es sowohl für die blaugelbe, als auch für die rothgrüne Substanz ein gleich starkes Dissimilirungs- und Assimilirungs-Moment setzt, weil dann beide Momente sich gegenseitig aufheben , und die Wirkung auf die schwarz-weisse Substanz rein hervortritt. Zwei objective Lichtarten, welche zusammen Weiss geben, sind also nicht als complementäre, sondern als antago- nistische Lichtarten zu bezeichnen , denn sie ergänzen sich nicht zu Weiss, sondern lassen dieses nur rein hervortreten, weil sie als Anta- gonisten gegenseitig ihre Wirkung unmöglich machen. Die Schwäche der Young- Heimholte sehen Farbentheorie liegt darin , dass diese nur eine Art der Erregbarkeit, Erregung und Ermüdung annimmt (der Hering' sehen Dissimilation entsprechend) und dass sie das antagonistische Ver- halten gewisser Lichtstrahlen zum Sehorgan verkennt; daher sie das "Weiss aus complementären Lichtstrahlen nicht dadurch entstehen lässt , dass sie sich in ihrer Wirkung auf die farbigen Sehsubstanzen aufheben, sondern dadurch, dass sie sich zu Weiss ergänzen (Hering). Wendet man diese Theorie auf die Farbenblindheit (siehe §. 399) an, so muss angenommen werden, dass dem Roth blinden die rothgrüne Sehsubstanz fehlt; in seinem Sonnenspectrum liegen nur zwei Partialspectren : das schwarzweisse und das gelbblaue. Die Stelle des Grün erscheint ihm farblos, die Strahlen des rothen Spectral- theiles sind soweit sichtbar , als die , von denselben erweckte Gelb- [§• 398.] Farbenblindheit. 91Ü und Weiss Empfindung noch stark genug ist, die Netzhaut hinreichend zu erregen ; er theilt sein Spectrum in eine gelbe und in eine blaue Hälfte (Hering). Dem Violettblinden fehlt die gelbblaue Seh- substanz ; in seinem Spectrum liegen nur zwei Partialspectren : das schwarzweisse und rothgrüne. Hei der totalen Farbenblindheit fehlen die gelbblaue und die rothgrüne Sehsubstanz. Der Betroffene hat also nur die Empfindung von hell und dunkel. Die Lichtempfind- lichkeit und die Länge des Spectrums sind erhalten, die hellste Stelle liegt auch hier, wie beim normalen Auge, im Gelb (Hering). Farben- blindheit. 399. Farbenblindheit; praktische Bedeutung derselben. — Man verstellt unter Farbenblindheit (Dyschromatopsie) einen Wesen der pathologischen Zustand, welcher darauf beruht, dass die, mit demselben behaf- teten Individuen gewisse Farben nicht wahrzunehmen vermögen. Schon Huddart (1777) bekannt, wurde die Farbenblindheit zuerst genau vom Physiker Dalton, der selbst rothblind war, beschrieben (1794) ; die Bezeichnung Färb enbl in d- heit („Colourbl indness") rührt von Brewster her. Die Anhänger der Young-Helmholfö 'sehen Theorie nehmen, entsprechend der Lähmung der 3 farbenpereipirenden Elemente der Netzhaut, folgende Arten der Farbenblindheit an: — 1. Die Eothblin dhe it, — 2. die Grün b lindheit. — 3. die Violettblindheit. — Dazu kommt als höchster Grad die totale Farbenblindheit. Die Anbänger der E. Hering sehen Farbentheorie unterscheiden die fol- genden A rten : 1. Die totale Farbenblindheit (Achromatopsie): — das Spectrum erscheint achromatisch , die Stelle des Grüngelb ist die lichtstärkste und wird nach beiden Seiten hin dunkler. — Ein farbiges Gemälde erscheint wie eine Photographie, oder wie ein Stich. Mitunter werden die verschiedenen Grade der Lichtintensität in einer Farbennuance (z. B. gelb) wahrgenommen, zu welcher jede andere Farbenvergleichung fehlt. O. Becker und v. Hippel beobachteten Fälle einseitiger angeborner totaler Farbenblindheit, während das andere Auge normal farbensichtig war. 2. Die Blau-gelb-Blindheit fStillingl. — Das Spectrum ist bichro- matisch, nur aus Roth uud Grün bestehend, die blauviolette Seite des Spectrums ist meist stark verkürzt. In reinen Fällen werden nur das spectrale Roth und Grün richtig erkannt (Mauüuicr's Erythrochloropie) , nicht jedoch die übrigen Farben. (Auch einseitig beobachtet.) 3. Die Roth-grün-Blindhei t. — Das Spectrum ist auch hier bichro- matisch, Gelb und Blau werden richtig erkannt, Violett und Blau werden beide als Blau bestimmt. Die Empfindung für Roth und Grün fehlt. — Man hat in dieser Kategorie noch unterschieden: — a) die Grünblindheit oder die Roth- grün-Blindheit mit unverkürztem Spectrum {Mauthner' s Xanthokyanopie), bei welcher Hellgrün und Dunkelroth verwechselt werden. Im Spectrum stösst Gelb direct mit Blau zusammen, oder es liegt zwischen beiden ein Streifen Grau. Das Maximum der Helligkeit liegt im Gelb. (Auch einseitig ; oft hereditär.) — b) Die Rothblindheit (oder die Roth-grün-Blindheit mit verkürztem Spectrum, auch Daltonismus genannt), bei der Hellroth mit Dunkelgrün verwechselt wird. — Das Spectrum besteht aus Gelb und Blau ; Gelb liegt aber bereits im Orange, die rothe Seite des Spectrums ist ungefärbt oder selbst dunkel. — Die grösste Helligkeit, sowie die Grenze zwischen Gelb und Blau liegt mehr nach rechts. 4. Unvollständige Farbenblindheit — oder herabgesetzten Farben- sinn bezeichnet man den Zustand, in welchem die Feinheit der Farbenempfindung herabgesetzt ist , so dass die Farben z. B. nur an grösseren Objecten oder nur in der Nähe wahrgenommen werden , auch beim Vermischen mit Weiss alsbald nicht mehr als solche erscheinen. Ein gewisser Grad dieser Form ist häutig, insofern Viele Grünblau und Blaugrün nicht zu unterscheiden vermögen. Erworbene Farbenblindheit kommt auch bei Retinaleiden und Opticus- Entzündung und -Atrophie (Benedict) , bei beginnender Tabes, bei Gehirnleiden 58* Uuvoll- atäii dige Farben- blindheit. 916 Farbenblindheit; praktische Bedeutung derselben. [§• 399.] Grenzen der normalen Farben- blindheit. Praktische Bedeutung. Unter- suchungs- ■methode nach llo Imgren. (pg. 84?) und Intoxicationen vor. Zuerst tritt dann Grünblindheit auf, -welcher bald auch Rothblindheit folgt. Die periphere Zone der Netzhaut leidet eher, als das centrale Gebiet (Schirmer). Bei Hysterischen kommt anfallsweise mitunter Farbenblindheit vor (Hubert, Charcot, LandoltJ • ebenso beobachtete man sie bei Hypnotisirten (pg. 827). Es soll hier endlich noch die merkwürdige Beobachtung von H. Co/m angeführt werden, welcher bei einigen Farbenblinden nach Erwärmung des Bulbus die Farbenblindheit vorübergehend verschwinden sah. — Bei Menschen ohne Linse oder bei sehr erweiterter Pupille fand man mitunter Rothsehen aus noch unbekannter Ursache. Vielleicht liegt letztere in einer über die ganze Netzhaut sich ausbreitenden Beleuchtung (Dobrowolsky). Holmgren fand 2,7°/n Farbenblinde, darunter vornehmlich Roth- und Grün- Blinde, sehr selten Violettblinde. Die Untersuchungen über das Farbenperceptionsvermögen der normalen Netzhaut, am besten mittelst Aubert-FörsteS s Perimeter angestellt, hat nun die überraschende Thatsache geliefert , dass wir vollständige Farbenper- ception nur in der Mitte des Gesichtsfeldes besitzen. Um diese liegt eine mittlere Zone, in der allein Blau und Gelb wahrge- nommen wird, in welcher also Rothblindheit besteht. Jenseits dieser Zone liegt endlich ein peripherer Gürtel, in dessen Be- reiche totale Farbenblindheit herrscht (pg. 907). Es unterscheidet sich daher der Rothblinde von dem Normalsehenden dadurch , dass der centrale Bezirk des normalen Gesichtsfeldes ihm fehlt , dieser vielmehr von der mittleren Zone mit eingenommen wird. — Das Gesichtsfeld des Grünblinden unterscheidet sich dadurch von dem des Normalsichtigen , dass seine periphere Zone den inter- mediären und peripheren Zonen des Normahichtigen entspricht. Der Violettblinde unterscheidet sich hingegen dadurch, dass die normale periphere Zone ihm völlig mangelt. — Die unvollständige Farbenblindheit dieser beiden Gattungen wird charakterisirt durch ein gleichmässig verkleinertes Centralfeld. Bei Intoxikation mit Santonin tritt Violettblindheit (Gelbsehen) ein, in Folge einer Lähmung der violett- empfindenden Retinaelemente, der nicht selten eine Reizung derselben unter Violettsehen voraufgeht (HüfnerJ. So ist die Er- klärung Holmgren 's nach der Young-Helwholtz1 sehen Theorie. M. Schultze bezieht jedoch das Gelbsehen auf eine Vermehrung des gelben Farbstoffes in der Macula lutea. Bei sehr grosser Kleinheit farbiger Objecte und bei kurzer Beleuchtung geht die Wahrnehmung für Both am leichtesten dem Normalauge verloren (Aubert, Lamansky) , es scheint daher, dass es zur Rothempfindung eines stärkeren Beizes bedürfe. — Hierfür spricht auch die Beobachtung Brücke 's , dass sehr schnell intermittirendes weisses Licht grünlich empfunden wird , weil die kurze Dauer der Erregung der rothempfindenden Elemente der Netzhaut noch nicht zu reizen vermag. Es ist das Verdienst von Holmgren, die Untersuchung auf Farbenblindheit vor das Forum der Sicher heitspolizei gezogen zu haben. Namentlich sollte kein Eisenbahnbeamter oder Schiffslenker angestellt werden, ohne dass er sich gründlich über die Zuverlässigkeit seines Farbensinnes ausgewiesen hat , da ja die richtige Erkennung der Signallichter Roth und Grün keinem Farbenblinden gelingen kann. Zur Methode der Untersuchung — wählt Holmgren im Anschluss an Seebeck als einfachstes Material Stickwolle, und zwar je mindestens in fünf Nuancen abschattirte Bündel von Roth, Orange, Gelb, Grüngelb, Grün, Grünblau, Blau, Violett, Purpur, — Rosa, Braun, Grau; womöglich habe man von den Farben mehrere differente Farbentöne zu Hand. Zur Prüfung nimmt man nun ein Gebind dieser Farbenwolle (z. B. helles Grün oder Rosa) heraus und legt es zur Seite hin, und zwar dasjenige, dessen Farbe man zur Prüfung des zu Unter- suchenden speciell benützen will ; alsdann fordert man den Prüfling auf, die- jenigen Gebinde, deren Farbe der des Musters am nächsten kommt, herauszu- suchen und sie zu demselben zu legen. Nach der Art und Weise , wie sich der Betreffende dieser Aufgabe entledigt, beurtheilt man seinen Farbensinn. — In genaueren Feststellungen prüft man den Farbensinn an dem Spectrum. Mace' und Nacati haben die Sehschärfe gemessen , welche man hat, wenn man ein feines Object mit den verschiedenen Theilen des Spectrums beleuchtet. [§. 400.] Zeitlicher Verlauf der Retina-Erregung. — Nachbilder. 917 Sie verglichen mit den Resultaten ihrer Untersuchung die Beobachtungen an Roth- und Grün-Blinden. Es fand sich , dass ein Rothblinder grünes Licht viel heller empfand, als ein Normalsichtiger. Beim Grünblinden war eine übermässige Empfindlichkeit für roth und violett. Es scheint also , dass den Farbenblinden das, was ihnen für die eine Farbe an Perceptionsvermögen abgeht, für andere Farben reichlicher verliehen ist. Auch findet man bei ihnen ein schärferes Unter- scheidungsvermögen für Helligkeitsgrade (Hilbertj. 400. Zeitlicher Verlauf der Retina-Erregung. Positive und negative Nachbilder. Irradiation. Contrast. Wie bei Reizung eines jeden nervösen Apparates, so ver- Verlauf der Hiesst auch nach dem Einfall der Strahlen in das Auge eine gewisse, wenn auch sehr kurze Zeit, bis die Lichtwirkung her- vortritt, sei es in Form der bewussten Empfindung . sei es in Form der Reflexauslösung auf die Iris. Die Stärke des Ein- druckes wird auch hier zum Theil wesentlich von der Reizbar- keit der Netzhaut und der übrigen nervösen Theile abhängen. Dauert die Lichteinwirkung längere Zeit in gleicher Stärke an. so erfährt die Erregung . nachdem sie den Culminationspunkt erreicht hat. bald wieder eine Abnahme, die anfangs schneller, dann successiv langsamer verläuft. — Wird die Lichterregung saMUder. der Netzhaut, nachdem sie eine Zeit hindurch eingewirkt hat. plötzlich entfernt, so verharrt die Netzhaut noch eine Zeit lang im erregten Zustande, und zwar um so intensiver und andauern- der, je stärker und länger der Lichtreiz einwirkte, und je reiz- barer die Netzhaut ist. So bleibt nach einer jeden Gesichts- wahrnehmung, namentlich wenn dieselbe recht hell und scharf hervortrat, ein sogenanntes „Nachbild" zurück. Wir unter- Positive scheiden zunächst das „positive Nachbild", welches darin besteht . dass dasselbe in gleichartiger Helligkeit und gleichartiger Farbe verharrt. „Dass der Eindruck irgend eines Bildes im Auge einige Zeit verharre, Krankhafte kennen wir als physiologisches Phänomen an ; die allzu lange Dauer eines solchen Steiserung Eindruckes hingegen kann als krankhaft angesehen werden. Je schwächer das Auge ist. desto länger bleibt das Bild in demselben. Die Eetina stellt sich nicht sobald wieder her, und man kann die Wirkung als eine Art von Para- lyse ansehen. Von blendenden Bildern ist es nicht zu verwundern. Wenn man in die Sonne sieht, so kann man das Bild mehrere Tage mit sich herumtragen. Das Gleiche findet auch verhältnissmässig von Bildern , welche nicht blendend sind, statt. Biiscli erzählt von sich selbst, dass ihm ein Kupferstich vollkommen mit allen seinen Theilen bei 17 Minuten im Auge geblieben" (Goethe). Versuche und Apparate für positive Nachbilder: — 1. Das Erscheinen versuche und eines feurigen Reifens bei schneller Rotation einer Kohle. — 2. Das T h a u- APParate/"r matrop von Paris: eine Papptafel enthält z. B. auf der einen Seite das Bild Nachbilder. einer Torsostatue, auf der anderen Fläche den, an entsprechenden Stellen hin- Thaumatrop. gezeichneten Entwurf der fehlenden Theile. Lässt man die Tafel so rotiren, dass sie schnell wechselnd die Flächen dem Beobachter zukehrt, so erscheint die Statue wie unverstümmelt. — 3. Das Phänakistoskop Plateau) oder die stroboskopischen Scheiben (Stampfer). Auf einer Scheibe oder einem Stroboskop. Cylinder befinden sich der Reihe nach Objecte so verzeichnet, dass die Zeich- nungen hinter einander einzelne Momente einer fortgesetzten Bewegung darstellen. Bei schneller Rotation sieht man durch eine Oeffnung die, vor dem Auge vorbei- bewegten Phasenbilder so schnell, dass das eine das vorhergehende schnell ab- löst. Da der Eindruck jedes Bildes so lange anhält , bis der folgende an seine Stelle tritt, so hat es den Anschein, als mache ein und dieselbe Figur die Be- 918 Nachbilder. — Irradiation. [§. 400.] wegungsphasen hinter einander continuirlieh durch. Das Werkzeug, gegenwärtig als Zoetrop ein verbreitetes Spielzeug, ist übrigens nicht, wie allgemein an- genommen wird, 1832 von den genannten Forschern entdeckt : ich finde es schon 1550 von Cardanus beschrieben. Dasselbe kann übrigens auch wissenschaftlich benutzt werden zur Darstellung gewisser Bewegungen : z. B. der Samenfäden und Flimmerzellen (Purkyne äf Valentin) ■ auch die Herz- und Geh-Bewegungen lassen Der Farben- gjp^ g0 ijjgtruetiv darstellen und analysiren (Landois). — 4. Der Farbenkreisel enthält in den Sectoren seiner Scheibenfläche die zu mischenden Farben einge- tragen. Da die Farbe jedes Sectors für die ganze Dauer der Umdrehung eine Erregung der Netzhaut zurücklässt, so müssen alle Farben gleichzeitig , also als Mischfarbe zur Perception kommen. Negative Mitunter , zumal wenn die Erregung der Netzbaut eine längere und intensivere war, entstellt statt des positiven Nach- bildes das ,. negative", welcbes dadurch charakteristisch ist, dass die hellen Partien des Objectes dunkel im Nachbilde erscheinen — und die farbigen Partien in der entsprechen- den Contrast färbe (pg. 910). Beispiele. Beispiele negativer Nachbilder: — Nach einem längeren Blick auf ein grell beleuchtetes , weisses Fenster empfindet man , bei nunmehr geschlossenen Augen , den Eindruck eines hellen Fensterkreuzes mit dunklen Scheiben. — ■ Negative farbige Nachbilder zeigt sehr schön Nörrenberg's Apparat: man blickt längere Zeit unverwandt auf eine farbige Fläche, z. B. eine gelbe Papp- tafel, in deren Mitte ein kleines blaues Quadrat geklebt ist. Plötzlich fällt ein weisser Schirm vor der Tafel nieder: man sieht nun die weisse Fläche bläulich mit einem gelblichen Vierecke in der Mitte. Erklärung Zur Erklärung der dunklen negativen Nachbilder wird angenommen, ^rachbiideV1 ^ass die Netzhautelemente durch das Licht so ermüdet sind, dass dieselben eine Zeit lang weniger erregbar geworden , so dass also in den betreffenden Netzhaut- bezirken das Licht nur schwach wahrgenommen werden kann , also Dunkelheit herrschen muss. Hering erklärt die dunklen Nachbilder als entstanden durch den Assimilirungsprocess der schwarzweissen Sehsubstanz. Zur Erklärung der far big en Nachbilder nimmt die Voung-Heim/ioltz'sche Theorie an, dass unter der Einwirkung der Farbe, z. B. Roth, die für diese bestimmten Netzhautelemente erlahmen. Wird nun plötzlich auf Weiss gesehen, so erscheint diese Mischung aller Farben weiss minus roth , d. h. grün (in der Contrastfarbe , die bei hellem Tageslicht der complementären sehr nahe liegt). Nach Hering erklärt sich das Contrastfarbennachbild durch die Assimilirung der betreffenden farbigen Sehsubstanz, also in unserem Falle der ,. rothgrünen " (pg. 914). Vom Beginn einer momentanen Belichtung bis zum Erscheinen eines Nach- bildes verstreichen (J,344 Secunden (v. Vintschgau 6° Lustig). Wechsel Nicht selten wechseln nach intensiver Netzhauterregung positive negativer und negative Nachbilder nach einander ab, bis sie ganz allmählich fjfkuifen^ zerrinnen. Das Zerrinnen wird auch „Abklingen" der Nachbilder derselben, genannt. So erscheinen nach einem Blick in die dunkelrothe, unter- gehende Sonne rothe und grüne Scheiben abwechselnd. Auf den peripheren Retinabezirken erleiden die Contrasterschei- nungen wegen der hier herrschenden theilweisen Farbenblindheit einige Modifikationen (Adamiick, Woinow) . Wesen der Als Irradiation — pflegen wir gewisse Erscheinungen einer Irradiation. /.llr>1., r • ■> -T falschen ßeurtheilung von Gesichtsempnndungen zu bezeichnen, welche bei ungenauer Accommodation eintritt. Werden nämlich bei ungenauer Accommodation die Ränder der Objecte auf der Netzhaut in Zerstreuungskreisen entworfen, so hat die Psyche die Tendenz, den unscharfen Saum demjenigen Theile des Gesichtsbildes hinzuzufügen, der am meisten im Bilde selbst hervorsticht. In dieser Beziehung [§. 400.] Irradiation. — Simultaner Coutrast. 919 erscheint einmal das Helle grösser und prävalirend vor dem Dunklen, sodann das Object, ohne Rücksicht auf Helligkeit oder Farbe, vor dem Hintergrunde. Bei völlig scharfer Accommodation ist die Erschei- nung der Irradiation nicht vorhanden. „Ein dunkler Gegenstand erscheint kleiner, als ein heller von derselben Ueüpiele. Grösse. Man sehe zugleich eine weisse Rundung auf schwarzem , eine schwarze auf diesem Grunde, welche nach einerlei Cirkelschlag ausgeschnitten sind , in einiger Entfernung an, und wir werden die letztere etwa um ein Fünftel kleiner, als die erste halten. Man mache das schwarze Bild um so viel grösser, und sie werden gleich erscheinen. So bemerkte Tycho de Brake , dass der Mond in der Conjunction (der finstere) um den fünften Theil kleiner erscheine , als in der Opposition (der volle, helle). Die erste Mondsichel scheint einer grösseren Scheibe anzugehören . als der an sie angrenzenden dunklen , die man zur Zeit des Neu- lichtes manchmal unterscheiden kann. Schwarze Kleider machen die Personen viel schmäler aussehen , als helle. Hinter einem Rand gesehene Lichter machen in den Rand einen scheinbaren Einschnitt. Ein Lineal , hinter welchem ein Kerzenlicht hervorblickt, hat für uns eine Scharte. Die auf- und untergehende Sonne scheint einen Einschnitt in den Horizont zu machen" (Goethe). Unter simultanem Contrast — versteht man zunächst jene Er- Definition des scheinung, welche darin besteht, dass, wo in einem Bild Hell und D un k el gleichzeitig vorhanden sind, die hellen (weissen) Partien stets um so intensiver hell erscheinen, je mehr in der Umgebung das Helle fehlt, also je dunkler dieselbe ist, und umgekehrt, um so weniger hell, je mehr in der Umgebung weissliche Töne vorhanden sind. — Ferner gehört hierher die analoge Erscheinung bei farbigen Bildern: eine Farbe erscheint uns in einem Bilde um so intensiver, je vollständiger dieselbe in ihrer Umgebung fehlt, also je mehr die Umgebung die Töne der Contrastfarbe hat. Der simultane Contrast geht so hervor aus zwei gleichzeitig neben einander bestehenden und verschiedene Netzhautstellen neben einander treffenden Eindrücken. Beispiele des Contrastes für Hell und Dunkel sind: — 1. Be- Beispiele de* trachtet man ein weisses Gitter auf schwarzem Grunde , so erscheinen die ^,°nirastt' ,, Kreuzungsstellen der weissen Linien dunkler, weil in der Umgebung dieser am und jünicei Avenigsten Schwarz vorhanden ist. — 2- Man betrachte einen Punkt eines schmalen Streifens dunkelgrauen Papiers vor einem tiefdunklen Hintergrund. Schiebt man sodann zwischen Streifen und Hintergrund ein grosses weisses Papier, so erscheint der Streifen auf diesem Grunde viel dunkler als zuvor ; entfernt man das weisse Papier wieder, so wird der Streifen sofort wieder heller (Hering). — 3. Ein sehr instruetiver Versuch ist auch folgender Man sehe mit beiden Aiigen zunächst gegen eine grauweisse Fläche, z. B. eine Zimmerdecke. Nachdem man eine Zeit lange gesehen, bringe man vor das eine Auge ein handlanges, innen geschwärztes Rohr aus Pappe von etwa Fingerdicke im Lichten : es erscheint nun der, durch das Rohr gesehene Theil der Decke als runder, heller Fleck (Landois). — Bei- spiele des Contrastes für Farben: — 1. Man legt ein graues Papierstückchen Beispiele des auf rothen, gelben oder blauen Grund: sofort erscheint es in der Contrastfarbe: •C?n!rra1'e's also beziehentlich grün , blau oder gelb. Die Erscheinung ist noch deutlicher, wenn man beim Anschauen das Ganze schnell mit durchsichtigem Oelpapier über- deckt (Herrn. Meyer). Unter gleichen Verhältnissen erscheint auch Druckschrift auf farbigem Grunde in der Complementären , W. v. Bezoldl. — 2. Eine Luftblase im stark tingirten Gesichtsfelde eines dicken mikroskopischen Präparates erscheint in intensiver Contrastfarbe (Landois). — 3. Auf rotirender weisser Scheibe sind vier grüne Sectoren aufgeklebt, die in ihrer Mitte, einem Ringe der Scheibe entsprechend , unterbrochen sind , also hier kein Grün besitzen , sondern ein schmales Streifchen Schwarz. Bei der Rotation erscheint dieser Ring auf der Scheibe zwingend roth [nicht grau Brücke >\ — 4. Man sehe mit beiden Augen gegen eine grauweisse Fläche, sodann bringt man vor das eine Auge eine finger- lange und fingerdicke Röhre aus durchsichtigem, geölten, bunten Papier geklebt, durch deren Wände das Licht hindurchfallen kann: alsbald erschein! der durch 920 Versuche über den simultanen Contrast. [§•400.] Erklärung des Oontrastea. dieses Rohr gesehene Theil der Fläche in der Contrastfarbe. Der Versuch zeigt überdies schön den Contrast in der Intensität der Beleuchtung (Landois). — 5. Ein weisses Blatt Papier, das in der Mitte einen runden schwarzen Fleck trägt, erscheint, durch ein blaues Glas gesehen, blau mit schwarzem Fleck. Lässt man von vorn her einen gerade so grossen, weissen Fleck auf schwarzem Grunde sich in der Tafel spiegeln, so dass er den schwarzen Fleck deckt, so erscheint er in der Contrastfarbe gelb (Ragona Sana). — 6. Auch die „farbigen Schatten" gehören zu dem simultanen Contrast. „Zu den farbigen Schatten gehören zwei Bedingungen, erstlich, dass das wirksame Licht auf irgend eine Art die weisse Fläche färbe , zweitens , dass ein Gegenlicht den geworfenen Schatten auf einen gewissen Grad erleuchte. Man setze bei der Dämmerung auf ein weisses Papier eine niedrig brennende Kerze; zwischen sie und das abnehmende Tageslicht stelle man einen Bleistift aufrecht, so dass der Schatten, welchen die Kerze wirft, von dem schwachen Tageslicht erhellt, aber nicht aufgehoben werden kann, und der Schatten wird im schönsten Blau erscheinen. Dass dieser Schatten blau sei, bemerkt man alsobald : aber man überzeugt sich nur durch Aufmerksamkeit, dass das weisse Papier als eine röthlich-gelbe Fläche wirkt, durch welchen Schein jene blaue Farbe im Auge gefördert wird. Einer der schönsten Fälle farbiger Schatten kann bei dem Vollmonde betrachtet werden. Der Kerzen- und Monden- schein lassen sich völlig in's Gleichgewicht bringen. Beide Schatten können gleich stark und deutlich dargestellt werden , so dass beide Farben sich vollkommen balanciren. Man setzt die Tafel dem Scheine des Vollmondes entgegen, das Kerzenlicht ein wenig an die Seite , in gehöriger Entfernung , vor die Tafel hält man einen undurchsichtigen Körper; alsdann entsteht ein doppelter Schatten, und zwar wird derjenige , den der Mond wirft und das Kerzenlicht bescheint, gewaltig rothgelb, und umgekehrt der, den das Licht wirft und der Mond bescheint, vom schönsten Blau gesehen werden. "Wo beide Schatten zusammentreffen und sich zu einem vereinigen, ist er schwarz" 'Goethe). — 7- Ein Gegenstück zu den farbigen Schatten bieten „die farbigen Lichtreflexe". Man lege im Zwie- licht ein Stück Silbergeschirr in die Nähe eines Fensters und lasse zugleich Kerzenlicht darauf fallen. Es erscheinen die Lichtreflexe der Flamme gelbleuchtend, die des sinkenden Tageslichtes zwingend blau (Landois). — 8. Auf den Tisch lege man ein weisses Papierblatt und darüber, durch eine horizontale Linie ge- trennt, ein schwarzes. Nun klebe man auf den weissen Grund einen senkrecht gerichteten schwarzen Streifen und auf den schwarzen Grund einen weissen Streifen. Betrachtet man diese Streifen durch ein doppelbrechendes Spath- Prisma, so wird jeder derselben verdoppelt, und zwar in grauer Farbe, weil der Streifen aus weiss und schwarz gemischt wird. Es erscheinen jedoch die Streifen auf schwarzem Grundeheller, die auf weissem Grunde dunkler. Auch mit farbigen Streifen auf andersfarbigem Hintergrunde zeigt der Versuch in analoger "Weise die Contrastfarben sehr schön (E. Hering). Diesen trefflichen Versuch finde ich zumal dann äusserst zwingend , wenn man die beobachteten Objecte mit durchscheinendem Pansenainer überdeckt. Man hat zum Theil diese Erscheinungen aus der Täuschung des Urtheiles erklären wollen: bei gleichzeitiger Einwirkung verschiedener Eindrücke täusche nämlich das Urtheil derart, dass, wenn an einer Stelle eine Einwirkung statt- habe, dass dann in der Umgebung diese möglichst wenig einwirke. Wenn also an einer Stelle der Netzhaut Helligkeit wirkt, so täusche das Urtheil eine möglichst geringe Helligkeitseinwirkung auf den benachbarten Netzhauttheilen vor. Ebenso sei es mit den Farben. — Wohl richtiger werden jedoch die Erscheinungen von Hering als auf wirklichen, physiologischen Vorgängen beruhend gedeutet (pg. 914). Auf partielle Reizung durch Licht reagirt nicht nur der getroffene Theil, sondern auch der umgebende Theil der Netzhaut, und zwar der direct gereizte Theil durch gesteigerte Dissimilirung, die (indirect gereizte) Umgebung durch gesteigerte Assimilirung derart, dass letztere Steigerung in der unmittelbaren Nähe der beleuchteten Stelle am grössten ist und mit dem Abstände von derselben rasch abnimmt. Durch die Steigerung der Assimilirung an den nicht vom Bilde des Objectes getroffenen Stellen wird überdies für ge- wöhnlich verhütet, dass das zerstreute Licht wahrgenommen wird. Dadurch, dass die Steigerung der Assimilirung in unmittelbarer Nähe der beleuchteten Stelle am grössten ist, wird auch die "Wahrnehmung dieses relativ starken , zerstreuten Lichtes grösstenteils unmöglich gemacht (Hering). [§. 400.] Augenbewegungen. 921 Blickt man längere Zeit auf ein dunkles oder helles Object, oder auf ein Sogenannter farbiges (z. B. rotkes) und lässt hinterher die hiermit contrastirenden Einwirkungen s"^e"s'ver auf die Netzhaut geschehen, also beziehentlich hell oder dunkel, oder die Contrast- farbe (grün), so erscheinen diese ganz besonders intensiv. Man hat diese Er- scheinung auch als „successiven ContrastJ bezeichnet. Es spielen hier offenbar die negativen Nachbilder gleichzeitig eine Rolle mit. 401. Angenbewegmigcen und Augenmuskeln. Der kugelförmige Bulbus ist auf dem entsprechend aus- s««w«- gehöhlten Fettpolster der Orbita einer ausgedehnten and freien Ja BUitL. Bewegung fähig, ähnlieh dem Gelenkkopfe in der entsprechenden Pfanne einer freien Arthrodie. Die Bevvegungsfähigkeit erleidet ihre Beschränkung einmal durch die Anheftung der Muskeln, und zwar in der Art. dass bei der Wirkung des einen Muskels der Antagonist desselben wie ein Zügel der Bewegung ein Ziel setzt , und ferner durch die Insertion de-? Opticus. Das weich- elastische Polster der Orbita. auf welchem der Bulbus ruht, ist selbst der Ortsbewegung nach vorne und rückwärts fähig , so dass der Bulbus diesen Bewegungen folgen muss. Ein Hervortreten des Bulbus findet statt: — 1. Durch starke Füllung Hervortreten der Gefässe , zumal der Venen im Orbitalraume , wie sie namentlich bei verhin- es dertem Abfluss des venösen Blutes (am Kopfe bei Erhängten statthat). Marey sah auch bei jedem Pulsschlage den Bulbus etwas hervortreten. — 2. Durch (Jontraetion der glatten Muskelfasern in der 7>«ö«'schen Kapsel (pg. 727). in der Fissura orbitalis inferior und in den Augenlidern (§. 406), die vom N. sym- pathicus cervicalis innervirt werden. — 3. Durch willkürliche, forcirte Oeffnung der Lidspalte, und zwar deshalb, weil der von vorn her wirkende Liddruck vermindert wird. — 4- Durch die Wirkung der Mm. obliqui, deren Zugrichtung nach innen und vorn gerichtet ist. Lässt man den Obliquus superior bei forcirt geöffneter Lidspalte wirken, so kann der Bulbus gegen 1 Mm. hervortreten. — Pathologische Prominenz der Bulbi (zumal durch 2 und 1 bewirkt) wird als Exophthalmus bezeichnet. — Umgekehrt lässt sich ein Zurücktreten des Zurücktreten Augapfels erkennen : — 1. Durch forcirtes Zusammenpressen der Lidspalte. — 2. Durch Leerheit der retrobulbären Gefässe, verminderte Succulenz oder Schwund des Gewebes der Augenhöhle. — 3. Bei Hunden hat Durchschneidung des Hals- sympathicus Zurücksinken des Bulbus zur Folge. — Damit nicht die vier Recti bei ihrer Thätigkeit den Bulbus zu sehr rückwärts ziehen, ist wahrscheinlich die glatte Muskulatur der 7>.vraeae des die folgenden Vortlieile. — 1. Das G esichtsfeld beider Augen '"seTe™.*™ ist beträchtlich, grösser, als das je eines Auges. — 2. Es ist die Auffassung der Tiefen dimension erleichtert , da die Netz- hautbilder von zwei verschiedenen Standpunkten aus aufge- nommen sind. — 3. Es wird eine genauere Schätzung der Ent- fernung und der Grösse der Objecte ermöglicht in Folge der Wahrnehmung des Convergenzgrades beider Augen. — 4. Es ist die Correction gewisser Fehler in einem Auge durch das andere ermöglicht. Bei einer festen Kopfstellung kann man sich leicht von der Form des Form des gemeinsamen Gesichtsfeldes — eine Vorstellung machen, wenn man ab- ^^meinsamen Gesichts- wechselnd das eine Auge schliesst und den Blick des offenen Auges nach innen fe'des. wendet. Man erkennt alsdann, dass dasselbe eine bimförmige Gestalt hat, oben breit , unten schmäler , und dass die Silhouette der Nase zwischen dem oberen breiteren und unteren schmäleren Theil eine , der Grösse dieser entsprechende Einbuchtung bewirkt Hält man dicht vor der Antlitzfläche eine senkrechte Papptafel, so kann man auf dieser für den betreffenden Abstand die Umgebung des gemeinsamen Gesichtsfeldes mit der Feder umziehen. 403. Einfachsehen. — Identische Netzhautstdlen. — Horopter. — Vernachlässigung der Doppelbilder. Denken wir uns die Netzhäute beider Augen wie ein Paar TdenUsche hohle Schalen in einander gesetzt, und zwar so, dass beide "ordnete gelben Flecke sich decken und ebenso die gleichartigen Net^htm Quadranten der Netzhäute, so heissen alle diejenigen Punkte beider Retinae, welche sich decken, „identische" oder „zu- geordnete" Netzhautpunkte. Die beiden Meridiane, welche die sich deckenden Quadranten trennen . heissen die ,.Tre n- nungslinien". Die identischen Punkte sind physiologisch dadurch charakterisirt , dass, wenn sie beide zugleich durch Licht erregt werden, von ihnen aus durch einen psy einsehen Act die Erregung an ein und dieselbe Stelle des Ge- sichtsfeldes verlegt wird (natürlich in der Richtung durch den Knotenpunkt eines jeden Auges). Die Erregung der beiden identischen Netzhautstellen bringt also nur einen Bildpunkt im Gesichtsfelde hervor. Daraus folgt , dass alle diejenigen Objecte der Aussenwelt , von denen die Sehstrahlen (durch die Knotenpunkte) auf identische Stellen der Netzhäute fallen, nur einfach gesehen werden, weil ihre Bilder von beiden Augen an dieselbe Stelle des Gesichtsfeldes gesetzt weiden, so dass sie sich decken. Von allen anderen Gegenständen , deren Bilder nicht auf identische Netzhautstellen fallen, entstehen ..Doppel- DoPPemider bilder". Der Beweis für das Gesagte lässt sich leicht liefern. Betrachten wir mit Versuche. beiden Augen einen linearen Gegenstand mit den Punkten 1, 2, 3 (Fig. 279). 9.28 Identische Netzhautstellen. — Horopter. [§•403.] Horopter. so sind die Punkte der Netzhautbilder hierfür 1, 2 , 3 und 2, 1, 3 ; es sind dies offen- bar identische (sich deckende) Punkte beider Netzhäute. Befindet sich gleichzeitig hei Betrachtung dieses linearen Gegenstandes ein Punkt (A) näher dem Auge, oder ein anderer Punkt (B) ferner vom Auge, so werden bei der Einrichtung der Augen für 1, 2, 3 weder die von A einfallenden Sehstrahlen (Aa, Aa), noch die von B herkommenden (Bb, Bb) auf identische Netzhautstellen fallen: daher erscheinen von A und B Doppelbilder. Auch folgender einfacher Versuch ist instructiv. Man fixire einen Punkt (z. B. 2) von Tinte auf weissem Papier ; es fällt offenbar das Bild auf beide Foveae centrales retinae (2, 2), die natürlich identische Stellen sind. Brücke ich nun seitlich auf das eine Auge, so dass dasselbe etwas sich verrückt, so erscheinen sofort zwei Punkte , weil nun in dem , zur Seite gedrückten Auge das Bild des Punktes nicht mehr auf die Fovea centralis fällt, sondern auf einen Fig. 279. daneben liegenden , nicht identi- schen Punkt. — Auch beim ab- " sichtlichen Schielen erscheinen so- ,* fort alle Objecte in Doppelbildern. / \ Die verticalen Trennungs- linien der Netzhäute fallen nicht / \ genau mit dem v e r t i c a 1 e n M e- / ridian zusammen, sie zeigen nach oben geringe , bei verschiedenen Individuen, ja selbst bei demselben Individuum zu verschiedener Zeit verschiedene Divergenz (Hering, Donders) von 0,5° — 3U, während die horizontalen Trennungslinien sich decken. Die Bilder , welche auf die verticalen Trennungslinien fallen , scheinen zu denen der horizontalen senkrecht zu stehen, obgleich sie es wirklich nicht sind. Daher sind die verticalen Tren- nungslinien die scheinbar ver- ticalen Meridiane. Einige Forscher halten die identischen Punkte der Netzhäute für eine angeborene Einrich- tung, andere betrachten sie als durch den normalen Gebrauch erworben. Menschen , welche von Geburt an schielen, sehen gleichwohl einfach ; hier müssen also die identischen Punkte anders angeordnet sein. Horopter — nennt man die Gesammtheit aller derjenigen Punkte der Aussenwelt, von denen Sehstrahlen, in beide Augen (bei einer bestimmten Stellung derselben) gezogen, auf identische Netzhautstellen treffen. Der Horopter ist für die verschiedenen Augenstellungen ver- schieden. 1 . In der Primärstellung — beider Augen bei parallel gerichteten Sehachsen gehen die, von zwei identischen Punkten beider Ptetinae gezogenen Richtungsstrahlen parallel in die Weite und schneiden sich erst in unendlicher Ferne. Es ist daher für die Primärstellung der Horopter eine in weitester Entfernung senkrecht errichtete Ebene. 2. Bei der Secundärstellung — der Augen mit conver- genten Sehachsen ist der Horopter für die transversalen Trennungs- linien ein Kreis , der durch die Knotenpunkte der beiden Augen (Fig. 280 K Ki) und durch den allemal fixirten Punkt (I, II, III) geht (Johannes Mit Her). — Der Horopter derverticalen Trennungslinien ist in dieser Stellung eine zur Visirebene gezogene Senkrechte (Privost). Schema identischer und nicht identischer Netzhautstellen. [§■403.] Horopter. — Doppelbilder. 929 Fig. 280. 3. Bei den (symmetrischen,) Ter tiärstell ungen, — bei denen horizontale und verticale Trennungslinien Winkel bilden , ist der Horopter der verticalen Trennungslinien eine gegen den Horizont geneigte Gerade. — Für die identischen Punkte der horizontalen Trennungslinien giebt es in diesen Stellungen keinen Horopter, da die, von den identischen Punkten dieser Linien in die Ferne gezogenen Richtungslinien sich nicht schneiden. 4. Bei den unsymmetrischen Tertiärstellungen (mit Rollung), — bei denen der fixirte Punkt ungleich entfernt von den beiden Knoten- punkten liegt, ist der Horopter eine Curve verwickelter Form. Auf die genauere Begründung des, im Einzelnen sehr schwierigen Horopters kann nicht eingegangen werden. Zur Ableitung des Horopters denke v. Heimholt* sich in der Primärstellung über beide Netzhäute gleiche Meridiane und Parallel- kreise gezogen ; die identischen Punkte liegen dann wie auf zwei Globen uuter gleicher Länge und Breite. — Hering legt in der Primärstellung zwei Systeme von Ebenen durch die Bulbi: die des einen Systemes (der Querschnitte) schneiden sich in der, die beiden Knotenpunkte verbinden- den Querachse der Bulbi. Die des zweiten Systemes schneiden sich in einer senkrecht durch den Knotenpunkt jedes Auges gelegten Senkrechten. Dort, wo die gleichen senk- rechten und die transversalen Ebenen die Netzhäute schneiden, liegen wieder die identischen Punkte. Alle Objecte, von denen die eietehaeüige Strahlen auf nicht identische DoppciHider. (disparate) Netzhautstellen beider Augen fallen , erscheinen in ,.D oppelbildern". Man kann gleichseitige und gekreuz- te Doppelbilder unterscheiden, je nachdem die, von den getroffenen, nicht identischen Netzhautstellen oder hinter dem fixirten Punkte Horopter für die Seeundärstellung mit Convergenz der Sehachsen. gezogenen Strahlen sich vor, schneiden. Zur Erläuterung halte man zwei Finger hinter einander vor beide Versuch, Augen. Fixirt man den vorderen, so erscheint der hintere im Doppelbilde, fixirt man den hinteren, s© scheint der vordere doppelt. Wird beim Fixiren des hinteren Fingers das rechte Auge geschlossen , so verschwindet das linke (gekreuzte) Doppelbild des vorderen Fingers. Fixirt man den vorderen und schliesst das rechte Auge , so verschwindet das rechte (gleichseitige) Doppelbild des hinteren Fingers. Die Doppelbilder werden ebenso , wie die einfachen in vemach- den richtigen Abstand von den Augen verlegt (v. Helmholte ^o^S«? E. Hering). Trotz der sehr grossen Zahl allemal beim Sehen entstehender Doppelbilder fallen dieselben nicht störend auf. Sie werden für ge- wöhnlich „vernachlässigt", so dass sogar die Aufmerksamkeit auf sie gespannt werden muss, damit man sie sehe. Die Vernachlässigung der Doppelbilder wird begünstigt durch folgende Momente: — 1. Die Aufmerksamkeit wendet sich stets dem Punkte des Gesichtsfeldes zu, der jeweilig fixirt wird. Dieser wirft aber dann sein Bild auf die beiden L a n d o i s , Physiologie. 7. Aufl. 59 930 Körperliches Sehen. — Stereoskopie. [§. 403-] gelben Flecke, welche identische Netzhautstellen sind. — 2. Mit den seitlichen Netzhautstellen wird weniger scharf Form und Farbe ge- sehen. — 3. Die Augen sind stets gegen diejenigen Punkte ac c om- ni o dir t, welche fixirt sind. Es entstehen also von den Körpern, welche Doppelbilder liefern, nur undeutliche Bilder (in Zerstreuungs- kreisen), die leichter vernachlässigt werden können. — 4. Viele Doppelbilder liegen so nahe bei einander, dass sich die meisten Theile derselben bei ausgedehnten Bildern über einander lagern. — 5. Durch eine gewisse psychische Gewöhnung werden oft noch Bilder vereinigt, die sich, genau genommen, nicht decken. 404. Körperliches Sehen, Stereoskopie. Ungleichheit Beim Anschauen körperlicher Objecte entwerfen die beiden ha^büder'. Augen nicht völlig gleiche Bilder, sie sind vielmehr wegen des verschiedenen Standpunktes der Augen dem Objecte gegenüber etwas verschieden. Mit dem rechten Auge kann mehr von der ihm gegenüberliegenden Seite des Körpers erblickt werden, ebenso beziehungsweise mit dem linken. Trotz dieser Ungleich- heit werden dennoch beide Bilder vereinigt. Die Frage nun, wie es kommt, dass durch die Zusammen- legung zweier , so difierenter Bilder der Eindruck der Körper- lichkeit des Gesehenen erzielt werde, lässt sich am besten durch Analysirung zweier zusammengehöriger, stereoskopischer Bilder eruiren. Fig. 281 III L und B, sind zwei derartige Bilder , die , stereoskopisch ge- sehen, eine abgestumpfte Pyramide , welche gegen das Auge des Beobachters her- vorsteht, bilden, indem die gleichartig bezeichneten Punkte sich decken. Misst man den Abstand der sich deckenden Punkte in den beiden Figuren, so zeigt sich, dass die Abstände A a, Bb, C c, Dd gleich gross und zugleich die weitesten von allen Punkten der beiden Figuren sind; ferner findet man gleich die Ab- stände Ee, Ff, Gg, Hh; aber diese Abstände sind kleiner als die ersteren. Betrachten wir endlich die sich deckenden Linien A E, a e und BF, b f , so erkennt man leicht, dass alle Punkte dieser Linien, die mehr nach Aa und Bb hin liegen, weiter von einander entfernt sind, als die mehr gegen E e und F f belegenen. Gesetze des Aus der Betrachtung dieser Verhältnisse im Vergleiche mit sknpischen den stereoskopischen Bildern ergeben sich nun folgende Sätze Sehens. f»r ^ag stereoskopische Sehen: — 1. Alle diejenigen Punkte zweier stereoskopischer Bilder (und natürlich ebenso zweier Netzhautbilder körperlicher Objecte), welche in beiden Bildern gl eich weit von einander entfernt sind , erscheinen in derselben Ebene. — 2. Alle Punkte, welche näher an einander liegen (als die Entfernung anderer beträgt) , treten gegen den Beobachter näher heran ; — '6. umgekehrt : alle Punkte, welche weiter von einander liegen, treten in den Hintergrund perspectivisch zurück. Der Grund für diese Erscheinung liegt nun einfach in folgendem Satze: „Beim Sehen mit beiden Augen verlegen wir constant den Ort der einzelnen Bildpunkte in der Richtung der Sehachsen dorthin, wo sich beide schneiden." Beweisende Der folgende Stereoskopversuch (Fig. 281 I) beweist dies. Man nehme als Versuche. ^je hgjjen Bilder zwei Paar Punkte (ab und a[i), die ungleich weit von einander auf der Papierfläche entfernt sind. Bringt man sie stereoskopisch [§• 404.] Körperliches Sehen. — Stereoskopie. 931 zur Deckung, so erscheint der aus a und a vereinigte Punkt (A) entfernt in der Ebene des Papieres, hingegen der andere (B) (aus der Deckung der beiden näheren Punkte b und ß entstandene) schwebt vor derselben in der Luft gegen den Be- obachter hin. Die Fig. 281 1 giebt die Construction deutlich an — Auch folgender Versuch erläutert dasselbe. Man zeichne als die beiden, zur Deckung bestimmten Figuren je zwei Linien, ähnlich den Linien B A, A E und b a, a e in Fig. 281 III. In den Linien B A und b a liegen alle zur Deckung kommenden Punkte gleich- weit von einander entfernt, dagegen liegen in A E und a e alle Punkte, die näher nach E und e hin liegen, stetig näher an einander. Stereoskopisch betrachtet, liegt die vereinigte Senkrechte AB, ab in der Ebene des Papiers, dahingegen steht die vereinigte Schräge A E und a e schräg gegen den Beobachter aus der Fiir. 281. \e g / F " / \ \ / e £ f 1 /. Schema des Stereoskops von Brewster. — //. des von IVheatstone. — III. Zwei stereoskopische Zeichnungen. — IV. Telestereoskop von v. Helmholtz. Ebene des Papieres hervor. — Aus diesen beiden Fundamental versuchen lassen sich alle stereoskopischen Bildpaare leicht anal ysiren ; namentlich ergiebt sich auch, dass, wenn man in Fig. 281 III beide Bilder vertauscht, so dass R an Stelle von L liegt, dass alsdann der Eindruck eines abgestumpft-pyramidalen Hohlgefässes entstehen muss. Zwei stereoskopische Bilder, die so hergestellt sind, dass das eine dea Körper von vorn und oben her, das andere denselben von vorn und unten her aufgenommen enthält (z. B. wenn die Figuren 281 III die Linien A B und a b zur Grundlinie hätten), werden niemals stereoskopisch vereinigt. Man hat den Vorgang des körperlichen Sehens auch noch in anderer Weise erklärt. Von den beiden Bildern R und L (Fig. 281 III) 59* 932 Körperliches Sehen. — Stereoskopie. [§. 404.] fallen zunächst nur AB CD und ab cd auf identische Netzhaut- punkte, und deshalb können nur diese zunächst sich decken (oder bei einer anderen Convergenz der Sehachsen können nur E F G H und efgh aus demselben Grunde sich decken). Gesetzt: es deckten sich zuerst die quadratischen Grundflächen der Figuren, so hat man weiterhin zur Erklärung des stereoskopischen Eindruckes angenommen, es seien beide Augen nach Deckung der Grundquadrate in einer schnellen „abtastenden" Bewegung gegen die Spitze der Pyramide hin. Und indem hierbei die Augenachsen immer mehr und mehr conver- giren müssten , so erscheine die Spitze der Pyramide hervorstehend ; denn alle Punkte , bei deren Sehen die Augenachsen sich mehr con- vergent stellen müssten, erscheinen uns näher (siehe unten). So würden also thatsächlich alle correspondirenden Theile der beiden Figuren durch die Augenbewegungen nach einander auf identische Netzh autpunkte gebracht (Brücke). Man hat gegen diese Auffassung eingewendet (Dove) , dass schon die Dauer des elektrischen Funkens zum stereoskopischen Sehen genüge : eine Zeit , die für die abtastenden Augenbewegungen völlig unzureichend sei. Wenngleich dies für manche Figuren zutrifft, so ist doch für die richtige Zusammenfügung complicirter oder ungewohnter Figuren diese Bewegung der Sehachsen nicht ausgeschlossen , und erweist sich dieselbe , zumal für manche Individuen , als vortheilhaft. Es will mir scheinen, dass nicht blos die wirklich zur Ausführung kommenden Bewegungen, als vielmehr auch allein schon das Inner- vationsgefühl der zur Bewegung notwendigen Muskeln hinreicht, um den Eindruck des Körperlichen zu erzeugen. Es kann demnach das körperliche Sehen zum Theil auf einem Muskelgelühl beruhen : das Gefühl, dass zur Deckung zweier Punkte in den stereoskopischen Bildern eine grössere Convergenz der Sehachsen nothwendig sei , be- wirkt den Eindruck grösserer Nähe dieser Punkte, — umgekehrt das Gefühl, dass zur Erzielung der Congruenz zweier Punkte eine grössere Divergenz der Sehachsen erforderlich sei , erzeugt den Eindruck grösserer Ferne. Wenn nun bei der momentanen Zusammenlegung zweier Figuren zu einem körperlichen Bilde eine Bewegung der Augen nicht statthat, so werden offenbar in den stereoskopischen Bildern viele Punkte vereinigt, die, genau genommen, nicht auf iden- tische Netzhautstellen fallen. Man kann daher die letzteren nicht mit mathematischer Schärfe als die sich deckenden Punkte beider Netzhäute bezeichnen (pg. 927), sondern muss, mehr vom physiologischen Gesichtspunkte aus, alle solche Stellen als iden- tische bezeichnen, deren gleichzeitige Erregung in der Regel ein einheitliches Bild erzeugt. Bei dieser Vereinigung spielt offenbar die Psyche eine Rolle : es besteht ein gewisser psychischer Zwang, die Doppeleindrücke beider Netzhäute einheitlich im Bilde zu verschmelzen, in der Weise, wie die Erfahrung die Zusammengehörigkeit beider Doppelbilder gelehrt hat. Wenn jedoch die Differenzen beider stereoskopischen Figuren zu gross sind, so dass gar zu sehr entfernte Netzhautstellen getroffen werden, oder wenn in einer Figur noch neue Linien hinzutreten, [§. 404.] Stereoskopie. — Telestereoskop. — Glanz. — Pseudoskop. 933 Fig. 282. die zu der körperlichen Figur nicht passen, oder gar die Zu- sammenlegung stören würden, so hört auch die stereoskopische Verschmelzung auf (Panum, Volkmann) . Die Stereoskope — sind Werkzeuge, durch welche zwei zusammengehörige, perspectivisch gezeichnete Bilder zur Deckung gebracht werden , so dass sie ein- fach und körperlich erscheinen. Wheatstone (1838) erreichte dies durch Hülfe zweier winklig gestellter Spiegel (Fig. 281 II); Brewster (1843) durch zwei Prismen (Fig. 281 I). Construction und Wirkung beider Werkzeuge ist aus den Figuren ersichtlich. Auch ohne Stereoskop vermögen Einige zwei derartige Bilder zu vereinigen, indem sie die Sehachse jedes Auges auf das demselben gegenüber gehaltene Bild richten. Zwei völlig gleiche Bilder, d. h. also solche, bei denen alle einander ent- sprechenden Punkte genau gleichen Abstand haben (z. B. dieselben Seiten von zwei Exemplaren eines Buches), erscheinen unter dem Stereoskope völlig eben; sobald jedoch in dem einen der eine oder andere Punkt etwas näher oder ferner steht in Bezug auf den correspondirenden Punkt, so tritt dieser sofort aus der Ebene hervor oder zurück. So lehrte Dove falsche Banknoten von echten durch den Mangel, mit echten genaue Flächenbilder zu geben, unterscheiden. Körperliche Objecte aus sehr weiter Ferne betrachtet, z. B. die entlegensten Partien einer Landschaft, erscheinen uns flächenhaft wie in einem Gemälde und nicht mehr körperlich hervortretend , weil nämlich in Bezug auf diese grossen Abstände der kleine Positionsunterschied unserer Augen im Kopfe gar nicht mehr in Betracht kommt. Um dennoch von solchen Objecten körperliche Anschauung zu gewinnen, construirte v. Helmholtz das Tele- stereoskop (Fig. 2S1 IV), ein Werkzeug, wel- ches mit Hülfe paralleler Spiegel den Standpunkt beider Augen gewissermaassen weit auseinandi r rückt. Die Spiegel L und R werfen je das er- haltene Bild der Landschaft auf die Spiegel 1 und r, gegen welche die beiden Augen 0 o gerichtet sind. Je nach dem Abstand von L und R können so beide Augen gewissermaassen um mehiere Fusse in ihrem Standpunkte (nach 0, oj auseinander rücken. Die entfernte Landschaft erscheint auf- fallend stark körperlich. Um die entfernten Theile deutlicher und näher zu sehen, kann vor die Augen noch ein doppeltes Fernrohr (Feldstecher) gesetzt werden. (Vgl. pg. 935.) Macht man an zwei zusammengehörigen stereoskopischen Bildern entsprechende Flächen in dem einen Bilde schwarz, in dem anderen weiss [man zeichne z. B. zwei abgestutzte Pyramiden, wie Fig. 281 III, zeichne die eine Figur genau wie L (nämlich mit weissen Flächen und schwarzen Linien) , die andere aber zeichne man mit schwarzen Flächen und weissen Linien], so erscheint unter dem Stereoskop der Körper glänzend. Das Wesen des Glanzes liegi darin, dass der glänzende Körper bei einer bestimmten Stellung in das eine Auge helles Licht renectirt, in das andere jedoch nicht, — weil der unter einem bestimmten Winkel retiectirte Strahl nicht gleichzeitig in beide Augen gelangen kann (Dove). Einen interessanten Versuch zur Erläuterung des stereoskopischen Sehens liefert noch das Pseudoskop von Wheatstone (1852). Dasselbe besteht aus zwei, in Röhren eingeschlossenen, rechtwinkeligen Prismen (Fig. 282, A und B), durch welche man parallel mit den Hypotenusenflächen hindurchsieht. Betrachtet man mit diesem Werkzeug z. B. eine Kugelfläche, so werden 1 1 i ■ - . in jedes Auge fallenden Bilder seitlich umgekehrt. Das rechte Auge sieht SO eine Ansicht, wie sie sonst das linke sieht und umgekehrt; der Schlag- schatten ist namentlich umgekehrt. Die Folge hiervon ist, dass die Kugel hohl erscheint. Stereoskope von Wheat- stone und Brewster. Tele- stereoskop von v. He l in- h oltz. Wheatstone's Pseudoskop. Wesen des Glanzes. Pseudoskop von Wheat- stone. 934 Sehfeldstreit. — Grössenwahrnehmung. [§• 404.] Wettstreit der Das Stereoskop kann auch benutzt werden, um über den „Wettstreit Sehfelder. ^er Sehfelder" Aufschluss zu geben. Beim Sehen mit beiden Augen sind nämlich fast niemals beide gleichzeitig und gleichmässig thätig, vielmehr lösen sich die beiden gewissermaassen mehr oder weniger umfangreich ab, so dass bald das Bild der einen , bald das der anderen Netzhaut überwiegt. Legt man z. B. unter das Stereoskop zwei verschiedenartige Flächen, so tauchen, zumal wenn sie lichtstark sind, abwechselnd diese beiden im gemeinsamen Gesichtsfelde auf, je nachdem das eine, oder das andere Auge besonders thälig ist fPanumJ. Nimmt man zwei Flächen , die so mit Linien bezogen sind , dass letztere sich kreuzen würden, wenn sich die Flächen decken, so tauchen ebenfalls vorwiegend bald die Linien des einen, bald des anderen Systemes auf fPanumJ. Aehnlich wie in dem Versuche mit dem Stereoskope bei verschiedenfarbigen Feldern , zeigt sich auch der Wettstreit der Sehfelder, wenn man eine Landschaft durch verschieden- farbige Gläser mit beiden Augen anschaut. Schätzung d Grösse : aus dem Setzhaut- bildchen, aus der Accom- modation, 405. Grössenwahrnehmung. — Schätzung der Entf enrun g. Täuschungen über Grösse und Richtung. Das Urtheil über die Grösse eines Gegenstandes hängt zunächst — (von allen übrigen Momenten abgesehen) — von der Grösse des Netzhautbildchens ab: so würde man z.B. den Mond zunächst für grösser halten, als einen Stern. Fliegt ferner beim Sehen in die ferne Landschaft plötzlich eine Fliege durch unser Gesichtsfeld nahe am Auge vorbei, so kann das Bild derselben, wegen seiner relativen Grösse auf der Netzhaut, den Eindruck eines grossen Vogels vortäuschen. Wird das Bild wegen mangelnder Accommodation im Zerstreuungskreise ent- worfen, so kann dadurch die Grösse noch erheblicher erscheinen. — Da nun aber sehr ungleich grosse Objecte gleich grosse Netz- hautbilder geben können, wenn nämlich ihre Entfernung derart ist, dass dieselben gleichen Sehwinkel bilden (Fig. 255), so wird also auf die Schätzung der wirklichen Grösse eines Objectes (gegenüber der, allein durch den Sehwinkel bedingten, „scheinbaren" Grösse) die Taxirung der Entfernung von dem grössten Einfluss sein. Ueber den Grad der Entfernung giebt nun einmal bereits das Gefühl der Accommodation Aufschluss, da für das genaue Sehen in der Nähe eine grössere Anstrengung des Accommodationsmuskels nöthig ist, als für das Sehen entfernter Objecte. Da nun aber bei gleicher Grösse der Netzhaut- bildchen zwei' r ungleich weiter Objecte dasjenige Object er- iahrungsgemäss das kleinere ist, welches näher liegt, so wird auch dasjenige Object als das kleinere taxirt, für welches beim Sehen stärker aecommodirt werden muss. Hieraus erklärt sich folgende Beobachtung: angehende und noch ungeübte Mikroskopiker pflegen stets bei slarker Accommodationseinstellung zu sehen, wührend der Erfahrene accommodationslos beobachtet; es erklärt sich daraus die Erfahrung , die man in jedem Cursus machen kann , dass die Anfänger alle mikroskopischen Bilder zu klein taxiren und sie bei der Eeproduction durch Zeichnen viel zu klein entwerfen. — Ein fernerer Beweis hierfür ist der folgende Versuch. Erzeugt man in einem Auge ein Nachbild, so erscheint dasselbe sofort kleiner, wenn man für die Nahe aecommodirt, und wieder grösser, wenn das Ange zur Buhe kommt. — Bei rächtet man mit einem Auge einen möglichst nahe vor dasselbe gehaltenen , schmalen Körper , so erscheint ein dahinter liegender, indirect mitgesehener, kleiner zu sein. [§.405.] Schätzung der Grösse. 935 Figr. 2*3. Viel bedeutender ist das Mittel zur Schätzung der Grösse eines Objectes mit Hülfe der Taxirung des Abstandes. welcher in dem Grad der Convergenz der Augenachsen gegeben ist. Wir verlegen den Ort eines binoculär gesehenen Objectes dort- hin, wo die beiden Sehachsen sich schneiden. Der Winkel, den beide Sehachsen an diesem Schnittpunkte bilden , heisst der ..Gesichtswinkel-'. Je grösser also der Gesichtswinkel (bei gleichgrossen Netzhautbildchen) . um so näher taxiren wir das Object. Je näher aber das Object ist, um so kleiner kann es sein, um dieselbe Grösse des ,, S e h w i n k e 1 s ■' zu bilden , die sonst ein entfernteres, grosses Object geben würde. Daraus schliessen wir: bei gleicher scheinbarer Grösse (gleich grossem Sehwinkel, oder gleicher Grösse der Netzhautbildchen) schätzen wir das- jenige Object als das kleinste, bei dessen binoculärer Betrachtung die Sehachsen die grösste Convergenz haben müssen. Ueber die Grösse der hierbei nöthigen Muskelanstrengung giebt uns das Muskelgefühl der Augenmuskeln Aufschluss. Belege für diese Darstellung liefern folgende Versuche: — 1. Das von Htrm. Meyer beschriebene Tapet enphänoiuen. Betrachtet man einen gleich- artig z. B. schachbrettförmig gemusterten Hintergrund (Tapete oder Bohrsessel- geflecht), so erscheinen bei geradeaus gerichteten Sehachsen die Felder in einer bestimmten Grösse. Es gelingt nun, zumal beim Anschauen eines näher gehaltenen Objectes , die Augenachsen zu kreuzen : es rückt dann das Muster scheinbar in die Ebene dieses fixirten Punktes, wobei sich die gekreuzt über einander ge- schobenen Doppelbilder decken , und das Muster erscheint sofort kleiner. — 2. Rollett betrachtet durch zwei winkelig gestellte , dicke Glasplatten ein Object, und zwar sind die Glasplatten einmal so gestellt (Fig. 283 II), dass die Winkel- kante beider Platten gegen den Beob- achter gewendet ist, das andere Mal (I) ist die Winkel ö ff nun g zugewandt Wollen die beiden Augen f und i (in I) das Object a sehen , so müssen , da die Glasplatten die Strahlen a c und a g parallel mit sich selbst verschieben (nämlich als e f und h i), die Augen mehr convergiren, als wenn sie direct auf a gerichtet wären. Daher ' erscheint das Object näher und kleiner, nämlich bei ax. — In II fallen von dem näheren kleineren Objecte hl die Strahlen bj k und bi o auf die Glasplatten. Um das Object bj zu sehen, müssen die Augen (n und q) mehr d i vergiren , und es er- scheint das Object bei b ferner und vergrössert. — 3- Bei Betrachtung des W/ieatsto>ie sehen Spiegelstereoskopes (Fig. 581 II) ist leicht einzusehen, dass, je mehr die beiden Bilder gegen den Beobachter hin rücken . der Beobachter um so mehr die Sehachsen convergiren muss (weil der Einfalls- und Reflexions- Winkel grösser wird). Daher erscheint ihm nun das zusammengefügte Bild kleiner. Bückte die Mitte des Bildes B nach B,, so müsste natürlich der Winkel Su r? gleich St rBj gemacht werden (ebenso natürlich links). — 4. Da beim Telestereoskop die beiden Augen gewissermaassen sehr weit von einander gerückt sind, so muss natürlich auch zur Betrachtung von Objecten in gewissen Abständen die Convergenz der Sehachsen stärker gemacht werden , als beim normalen Sehen. Es erscheinen daher landschaftliche Objecte wie in kleiner aus der Convergenz der Sehachsen. Gesichts- viinkel. Versuche über die Schaltung der Grösse aus der Grösse des Gesichts- winkels. Bolleti's Glasplattenapparat. 936 Schätzung der Entfernung. [§. 405.] Modellform. Da wir aber aus solcher Kleinheit auf eine weite Entfernung zu schliessen gewohnt sind, so scheinen uns die Gegenstände zugleich auffallend in die Ferne gerückt. Schätzung der Ueber die Taxirung der Entfernung ergiebt sich leicht EnauTdTJ das Folgende : bei gleichgrossem Netzhautbilde schätzen wir die mo taiionund Entfernung um so grösser, je geringer die Accommodations- convergenz anstrengung ist (und umgehehrt). Beim binoculären Sehen sehacLen. taxiren wir bei gleichgrossen Netzhautbildern dasjenige Object als das entferntere, für welches die Augenachsen am wenigsten convergent gestellt werden (und umgekehrt). So geht also die Schätzung der Grösse und der Entfernung vielfach Hand in Hand , und die richtige Abmessung der Ent- fernung giebt uns auch die richtige Schätzung der Grösse der Schätzung da- 0\)JQQ,tQ (Descartes). — Eine weitere Hülfe der Schätzung der uvdl&öZi Entfernung bietet die Beobachtung der scheinbaren Ver- Tctefn- Schiebung der Gegenstände bei Bewegung unseres Kopfes oder bewegung, Körpers. Bei letzterer nämlich verändern seitliche Objecte ihren Ort scheinbar um so schneller gegen den Hintergrund, je näher sie uns sind. Daher kommt es, dass wir beim Fahren im Courier- zuge, bei welchem die Stellungsänderung der Objecte besonders schnell geschieht, die Objecte für näher halten (Sick) und eben deshalb auch für kleiner (Dove). aus der Endlich scheinen uns diejenigen Objecte am nächsten zu sein, welche im Gesichtsfelde am deutlichsten hervortreten. Beispiele: — Ein Licht in einer dunklen Landschaft , ebenso ein blendender Schneegipfel erscheinen uns auffallend nahe ; — von einem hohen Berge aus betrachtet, treten die silberglänzenden, geschlängelten Fäden der Flüsse nicht selten wie ans der Ebene emporgehoben hervor. — Eichtet man im Eisen- bahnzuge den Blick auf den Bahndamm, so rieselt gleichsam der Boden undeutlich vor den Augen vorüber. Fixirt man nun plötzlich eine bestimmte Stelle desselben zum deutlichen Sehen , so tritt diese momentan gegen das Auge aus der Ebene hervor (LandoisJ. Täuschungen Täuschungen in Bezug auf Grösse und Richtung : — 1. Eine durch der Grosse. Zwischenpunkte ausgefüllte Distanz scheint grösser, als eine solche ohne diese. Daher erscheint uns das Himmelsgewölbe nicht als Hohlkugel, sondern elliptisch gewölbt; und aus letzterem Grunde wird die Scheibe der untergehenden Sonne grösser taxirt, als die der hoch am Himmel stehenden (Plolemaeus, 150 n. Chr.). — 1. Bewegt man hinter einem Spalte einen aufgezeichneten Kreis langsam hin und Täuschungen her, so erscheint er als horizontale Ellipse, bewegt man ihn schnell, so erscheint der Richtung. er ajs senkrechte> — 3. Zieht man durch eine senkrechte, dicke, schwarze Linie eine sehr feine schräge , so scheint jenseits der dicken die Richtung der feinen von der ursprünglichen Richtung abzuweichen. — 4. Man ziehe drei Parallelen, 1 Ctmr. von einander abstehend, horizontal untereinander. Zieht man nun durch die obere und untere schräge kurze Parallelstriche in der Richtung von links oben nach rechts unten , durch die mittlere Linie ähnlich schräge Striche von rechts oben nach links unten, so erscheint der Parallelismus der drei Linien stark gestört (Zöllner). — 5. Sieht man in einem dunklen Räume gegen eine helle, senkrechte Linie und neigt dann den Kopf gegen die Schulter, so scheint die Linie in entgegengesetzter Richtung gedreht (Aubert). 406. Schutzorgane des Auges. Hau der I. Die Lider — werden in ihrem Bau und der Zusammenfügung ihrer Lider. Bestandteile aus Fig. 284 nebst der beigefügten Erklärung erkannt. Der Tarsus ist kein Knorpel, sondern eine feste Bindegewebsplatte, in welcher die Meibom' sehen Drüsen eingebettet sind : acinöse Talgdrüsen , die den Lidrand befetten. Am [§.406.] Augenlider. 937 basalen Rande des Tarsus , zumal des oberen , dicht an der Umschlagsfalte der Oonjunctiva, münden die acino-tubulösen Ä>a«j Grünhagen). Die Pa u kenhöhle — bildet für die Gehörknöchelchen F.metüm der und ihre Muskeln eine schützende Umhüllung; ihr, durch die !'aukenhshle' Communication mit den Warzenfortsatzzellen vergrösserter Luft- gehalt gestattet dem Trommelfell freie Schwingung. Die Annahme , dass die Paukenhöhle durch Kesonanz die Schall- Unzulässig- Schwingungen, welche das Ohr treffen, verstärke behufs feineren Hörens, muss ke\l sonstiger als irrig bezeichnet werden. — Dass ferner die Luft der Paukenhöhle ihre Schwingungen auf die Membran des runden Fensters übertragen könne , muss zwar zugestanden werden (pg. 943, 3), doch kommt beim normalen Hören diese sehr schwache Leitung gegenüber der Leitung durch die Gehörknöchelchen nur wenig in Betracht. Tuba und Paukenhöhle haben eine zusammenhängende Schleimhaut; die in Kau der der Pauke liegenden Theile werden von der Mucosa überkleidet. Das Epithel Schleimhaut- besteht aus flimmernden Cyünderzellen ; das Trommelfell hat ein einschichtiges Plattenepithel. Traubenförmige Schleimdrüschen fanden Tröltsch und Wendt in der Schleimhaut. Pathologisches. — Unter den Erkrankungen der Tube soll hier die Yer- Patho- stopfung bei chronischen Katarrhen und die Verengerung durch Narben, Schleim- 09ts'' es' hautwueherangen oder Tumorendruck erwähnt werden. Die hierdurch bedingte Schwerhörigkeit kann oft beseitigt werden durch den. von den Nasenlöchern her bedingten Katheterismus der Tube. — Ergüsse und Eiteransammlungen in der Paukenhöhle müssen natürlich die normale Function aller, in der Paukenhöhle liegenden , sehallleitenden Apparate beeinträchtigen. Die Entzündungen haben aber auch oft nachtheilige Folgeu auf den Plexus tympanicus. Ausserdem kann bei fortschreitender Zerstörung durch Caries des Felsenbeines von der Pauken- höhle aus schliesslich sogar lebensgefährliche Mitentzündung zunächstliegender Gehirntheile erfolgen. Vgl. auch §. 349, Ggl. oticum. 414. Schallleitnng im Labyrinthe. Die Schwingungen der iu der Fenestra ovalis beweglich einge- Übertragung fügten Trittplatte des Stapes erzeugen in dem Labyrinthwasser Wellen, ^ngm auf und' zwar sogenannte B eugungs w el 1 en, d.h. Laf%uh- das Labyrinth wasser weicht in toto aus vor einem nasser. jeden Stosse des Steigbügels. Das Ausweichen des Wassers ist nur dadurch ermöglicht, dass an einer Stelle eine nachgiebige Membran, die Membrana fenestrae rotundae sive tympani secundaria, welche in der Ruhe in die Scala tympani hinein gebuchtet ist, beim Ausweichen des Wassers durch den Stoss deesULabyer?nt8b£s? 8'e8'en die Paukenhöhle ausgebuehtet werden kann das zum Vorhof füh- | Fig. 285, r). Diese BeugungBwellen, welche nach 1*0 nuP-ovftlG-FousTfvr ' die Schnecke, der obere Zahl und Insensität den Schwingungen der Gehör zontale6?*/ Bogengang knöchelchen entsprechen müssen, werden nun die. (links). im Lab) rinthwasser frei flottirenden Enden des Acusticus erregen müssen. Da mit den Vorliofsäckchen, deren Wasser zuerst den Stoss erhält, nach vorn die Schnecke, nach hinten die halbcirkelförmigen Canäle in Verbindung stehen, so wird sich die Verbindung des Wassers durch diese Canäle hindurch fortpflanzen müssen. Für die Schnecke läuft Leitung durch die Bewegung vom Sacculus (hemisphaericus) die Scala vestibuli hinaul 936 Bau des Labyrinthes und die Endigungen des Hörnerven. [§. 414.] bis zur Schneckenkuppel , hier durch das Helikotrema in die untere Treppe (Scala tympani), gegen deren Ende die Membran des runden Fensters nun die ausweichende Bewegung machen kann. Vom Utriculus ('Sacculus hemiellipticus) aus wird in ähnlicher Weise die ausweichende Leitung durch Bewegung des Wassers durch die halbcirkelförmigen Canäle erfolgen. So sah z. B. Politzer das Labyrinthwasser in den oberen, aufgebrochenen Bogengang hinaufsteigen, als er durch Reizung des Trigeminus eine Contraction des Tensor tympani bewirkte . die ja ebenfalls die Steigbügelplatte gegen das Labyrinthwasser drängen muss, wie jede Schallschwingung des Trommelfelles. die Tialh- cirltel- förmigen Canäle. 415. Bau des Labyrinthes und die Endigungen dss Hörnerven. Schema des Das Labyrinth (Fig. 296 III) besitzt in seinem Torhofe zwei von einander bynnthes. g-etreiiTite Säckchen, von denen das runde (Sacculus oder S. hemisphaericus Fig. 296. I Querschnitt der Schnecke. — HA Ampulle mit der Crista acustica; ap Zelle udcL Hörborste derselben; T Otolithen. — III Schema des menschlichen Lab5'- rinthes. — IV Schema des Vogel-Labyrinthes. — TSchema des Fisch-Labyrinthes. Scala tympani. Scala vestibuli. Ductus cochlearis. genannt) (S) mit dem Ductus cochlearis (Cc) der Schnecke in Verbindung steht, das elliptische (Utriculus s. Sacculus hemiellipticus) (U) mit den halb- cirkelförmigen Canälen (Cs, Cs). — Der, aus 2\„ "Windungen bestehende, ge- sammte Binnenraum der Schnecke wird durch eine horizontale (innen knöcherne, aussen häutige) Scheidewand (Lamina spiralis ossea et membranacea) in zwei Etagen getheilt (Fig. 296 1): die untere Etage ist die Scala tympani und wird von der Paukenhöhle durch die Membran des runden Fensters abgegrenzt ; die obere Etage ist die Scala vestibuli , welche zum Vorhofe des Labyrinthes führt (Fig. 285). Oben in der Kuppel der Schnecke stehen diese beiden Etagen der Schnecke durch eine kleine Oeffnung (Helikotrema) mit einander in directer Verbindung. Vom Raum der oberen Etage ist noch durch die schräg gestellte ßeissntr'sche Membran (Fig. 296 I), welche den äusseren unteren "Winkel überbrückt, ein kleiner Separatraum (Ductus sive Canalis cochlearis) abgeschieden (Cc), dessen Boden frrösstentheils die Lamina spiralis membranacea bildet, auf welch' letzterer das Corti' sehe Organ, der Endap parat des [§•415.] Bogengänge und Sackchen. £57 Schneckennerven, liegt. Der Canalis cochlearis wendet sein unterstes, blindes Anfangest iick (III) dem Sacculus zu, mit welchem er durch einen feinen Canalis reun iens(Cv)/IJtmsc-ri vereinigt ist. — Mit dem elliptischen Utriculus (Fig. 296 HD (U) communiciren die drei halbeirkelförmigen Canäle (Ca, Cs) so, dass jeder mittelst einer Ampulle, innerhalb derer die Endigungen der Ampullen- nerven liegen, beginnt, dass jedoch nur zwei gesonderte Ausmündungen der anderen , glatten Bogenschenkel sich finden . da der hintere und obere Bogen in einen gemeinsamen Schenkel übertreten. Vom Utriculus ziehen sich häutige Aus- fütterungen durch die Halbcirkel hindurch. Die dünnflüssige Perilympha, die auch in beiden Schneckenscalen ist, und die dickflüssige Endolympha füllen das ganze Raumsystem. Alle diese Räume tragen ein kurzcylindrisches Epithel. Nur das, von der Endolympha erfüllte System der Hohl- räume ist der Träger des nervösen Endapparates in seinem Innern. Alle diese stehen mit einander in Communication: nämlich die Bogengänge direct mit dem Utriculus, der Ductus cochlearis mit dem Sacculus durch den Canalis reuniens, und endlich stehen Sacculus und Utriculus in Communication durch den Aquaeductus vestibuli, welcher mit je einem iso- C'Criculut und CanaltM semi- circularia. Xtrvüse liestandthtile des Lahy. rinthe.<. Fig. 297 Corti'sches Organ lirten Schenkel aus den beiden Säckchen entspringt, dann sich vereinigt und durch den knöchernen Aquaeductus vestibuli zur Dura mater des Gehirnes zieht, woselbst er blind endigt (Fig. 296 III R) , Böttcher, Retzius , nach neueren Angaben jedoch mit dem subduraleu Lymphraum eommunicirt (Rüdinger, . — Ein anderes Canal- chen, der Aquaeductus Cochleae, ist eiu enger Gang, welcher in der Scala tympani, dicht vor dem runden Fenster beginnt und neben der Fossa jugularis ausmündet; er setzt die Perilymphe der Schnecke mit dem Sub- a r a c h n o i d e a 1 r a u m in d i r e c t e Verbindung. Bogengänge und Säckchen. — Die häutigen Bogengänge stehen ziemlich weit von ihren knöchernen Wandungen ab, zwischen beiden liegt reichliche Peri- lymphe; nur am eoncaveu Rande sind sie durch Bindegewebe dem Knochen enger angeheftet. Die Ampullen füllen die Knochenräume wieder vollständiger aus. Bogengänge und Säckchen besitzen eine äussere, gefässhaltige Bindegewebsschicht. darauf liegt innen eine Glashaut, die ein einschichtiges Plattenepithel trägt. Zu einer jeden Ampulle und jedem Säckchen sendet der Ramus vestibularia des Acusticus je einen Ast. Di den Ampullen (Fig 296 Q A) liegt die Nerven- endigung (c) auf einer gelblichen, äquatorialen, in das Innere hervorspringenden 958 CW/'sches Organ. [§• 415. yerven- endapparate in den Ampullen. Endapparotc der Säckchen. Otolithen. Corti'scTifs Organ. Pfeiler. Intralabyriv - thärer Drvrk. Leiste (Crista acustica) (Steifensand:. Die niarkhaltigen , zutretenden Nerven- fasern (n) bilden in der Bindegewebsschicht einen Plexus, verlieren, gegen die Basalmembran tretend, ihr Mark und endigen an Zellen mit je einer unbeweg- lichen, starren, 90 [a langen Borste io, p), welche der Crista aufsitzen (HartmannJ und zwischen denen indifferente , nicht selten durch gelbliche Pigmentkörnehen gefärbte Cylinderepithelien (a) stehen. Die Borste, von M. Schnitze „Hörhaar': genannt , soll noch aus vielen , feinsten Fasern zusammengesetzt sein (Retzius). Eine zarteste Membran (Membrana tectoria) (Lang) ist über die Haare ausgebreitet. — Die Nervenendigungen in den Maculae acusticae beider Säckchen gleichen völlig den beschriebenen in den Ampullen; nur ist die freie Fläche ihrer Membrana tectoria von kleinen kre i deweissen Otolithen (II T) aus kohlensaurem Kalk belegt , welche theils amorph , theils in Arragonitform in der zähen Endolymphe verklebt liegen. Auch hier treten die marklos gewordenen Achsencylinder der Säckchennerven direct in die Substanz der Borstenzellen ein. (Die Nerven- endigungen in den Ampullen und den Säckchen sind vornehmlich bei Fischen [Rochen] untersucht worden.) Schnecke. — Nur der , von Reissner^s Membran überdachte , C a n a 1 i s s.Ductus cochlearis (Fig. 296 I C c und III Cc und Fig. 297», der mit seiner Endolympha das Co?-ti'sche Organ (1851) umgiebt, birgt in letzterem die End- organe des Nervus Cochleae. Das Corti'sche Organ liegt auf der faserigen Lamina spiralis membranacea (Membrana basilaris) und besteht zunächst aus einem Stützapparat. Dieser setzt sich zusammen aus den sogenannten Cortt'sehen Bögen, von denen jeder aus 2 Pfeilern (zy) besteht, die wie Dachsparren gegen einander gelagert sind; doch bilden nicht stets je zwei Pfeiler einen Bogen, sondern es kommen auf drei innere zwei äussere / Claudius,/. E^s giebt gegeu 4500 äussere Bogenpfeiler (Waldeyerj. Der Ductus cochlearis nimmt in den aufsteigenden Windungen der Schnecke gegen die Kuppel hin an Grösse zu, und ebenso auch die Länge der Pfeiler: die inneren sind in der ersten Windung 30 jj-, in der obersten 34 u- lang, die äusseren entsprechend 47 [J- und 69 ,u. Ebenso nimmt die Spannweite der Bögen zu (Henseiiy. Als die eigentlichen Endapparate des Schneckennerven gelten nun die bereits von Corti beobachteten, eylindrischen ,.Haarz eilen" (c.W/'sche Zellen) (Kölliker), 16400—20.000 Stück (Hensen, Waldeyerj. Es giebt eine Reihe innerer (i), die mit ihrer Basis auf einer kleinzelligen Körnerschichte (k) (Böttcher, Waldey^ rj ruhen ; die äusseren (aa), beim Menschen 12.' 00 (Retzius , , stehen auf der Grundmembran in 3, beim Menschen sogar in 3 -4 Reihen hinter einander. Die Zellen haben durch faserige Fortsätze mit den Fasern der Membrana basilaris eine directe Verbindung (Böttcher, Schwalbe, Retzius, No'el , so dass jede Zelle mit 2-3 Fasern („Saiten") der Membran im Zusammenhange steht, also auch durch Schwingungen der letzteren in Mitschwingung gerathen muss (§. 418). Zwischen den äusseren Haarzellen liegen zellige Gebilde, welche man entweder für besondere Zellen (Deiter sehe Zellen) (Retzius) oder uur als Fortsätze der Haarzellen (Lavdowskyj erklärt hat. Die Fasern des Schneekennerven (N), welche aus der Lamina spiralis ossea hervortreten, endigen, nachdem sie eingeschaltete Ganglienzellen durchsetzt haben (Fig. 296 1 G), nun mittelst feinster, vari- cöser Fibrillen an den Haarzellen (Fig. 297) (Waldeyer, Gottslein, Landowsky, Retzius). Hie Hörhaare der Haarzellen bestehen bei allen Vertebraten aus dicht neben einander gelagerten feinsten Fibrillen (Retziusj. Eine besondere Membran (o) (Membrana reticulaiis, Köllikei) bedeckt die Ctr^'schen Bögen und die Haarzellen, deren obere Enden mit den Haaren jedoch aus Lücken derselben hervorragen; sie besteht aus Kittmasse, welche diese Theile zusammenhält (Lavdowskyj. — Es muss endlich noch der sehr weichen Cbm'schen Membran Erwähnung geschehen, welche, ziemlich dick, sich von oben her über das Co7ti' sehe Organ deckend ausbreitet. Waldeyer erkennt in ihr wohl mit Recht einen Dämpfungsapparat des Organes. Auch das Labyrinthwasser steht unter einem stetigen Drucke, dem „in tralabyrinth ären" Drucke. Jede Luftdruck Verminderung im Mittelohre ist auch von einer kurz dauernden Herabsetzung des intralabyrinthären Druckes begleitet , und ebenso jede Luftdruck- vermehrung von einer kurzdauernden Steigerung des Wasserdruckes (F. Bczold). [§.415.] Qualitäten der Gehörsempnnduugen. 959 Die Perilympha des inneren Obres fliesst hauptsächlich durch den Aquaeductus Cochleae im Umfange des Foramen jugulare in das periphere Lymphsystem, welches auch den Liquor cerebrospinalis des Cavum subarachnoideale aufnimmt, zum geringen Theil zum Subdural- raum durch den Porus acusticus internus. 416. Qualitäten der Gehörsempfindimgen. Wahrnehmung der Höhe und Stärke der Töne. Jedes normale Ohr ist befähigt, Klänge und Geräusch e Experimenten als solche zu erkennen und zu unterscheiden. Die physikalischen Ver- 't-nZTschild suche haben nun sichergestellt, dass Klänge erzeugt werden, wenn ein j"^chen ° . °. ° ' Klang und schwingender, elastischer Körper eine periodische Bewegung voll- Geräusch. führt, d. h. eine solche, bei welcher innerhalb gleicher Zeitabschnitte sich derselbe Bewegungsvorgang wiederholt, wie z. B. beim Schwingen einer angeschlagenen Saite. — Das Geräusch entsteht dann, wenn der schwingende Körper nicht periodische Bewegungen vollführt, d. h. wenn in gleichen Zeitabschnitten ungleiche Bewegungen erfolgen. Der Beweis für diese Definition von Klang und Geräusch kann leicht durch die Sirene erbracht werden. Befinden sich hier auf der Kreisscheibe derselben im Kreise eine Anzahl (z. B. 40) Oeffnungen in genau gleich grossen Abständen, und lässt man nun beider Rotation der Scheibe einen Luftstrom gegen die Lochreihe streichen, so wird offenbar bei jeder Umdrehung genau 40mal die Luft ver- dichtet und verdünnt ; je zwei Verdichtungen und Verdünnungen sind durch ein gleich grosses Zeittheilchen von einander getrennt. Bei dieser Einrichtung erklingt nun in der That ein musikalisch wohl- charakterisirter Klang. — Wenn man jedoch in einem anderen Kreise derselben Sirenenscheibe Löcher von völlig ungleicher Ent- fernung anbringt, so erzeugt der, gegen dieselbe geblasene Luftstrom ein wirres, sausendes Geräusch ohne jeden Klangcharakter, weil eben die Bewegungen des tönenden Körpers , die Verdichtungen und Verdünnungen der Luft, unperiodisch erfolgen. An einem Klange erkennt nun weiterhin das normale Ohr drei stärke des verschiedene Qualitäten desselben: — 1. Die Stärke des Klanges. s'an9<*- Diese rührt her von der Grösse der Schwingungsexcursion des tönenden Körpers (Schwingungsamplitude), da Jedem bekannt ist, dass eine allmählich schwächer und schwächer ausklagende Saite stets entsprechend kleinere Schwiugungsamplituden nachweisen lässt. [Der Klangstärke entspricht bei der Gesichtswahrnehmung der Grad der Helligkeit.] — 2. Die Höhe des Klanges. Diese hat ihren Grund in der Ruhe des Zahl der Schwingungen, welche in einer bestimmten Zeiteinheit er- folgen {Mersenne, 1636). Auch dies beweist in einfachster Weiso die Sirene: befinden sich auf derselben Scheibe in einer Reihe 40. in einer zweiten 80 gleichweit von einander entfernte Oeffnungen, so wird man beim Anblasen beider Reihen der rotirenden Scheibe zwei ungleich hohe Klänge vernehmen, und zwar ist der eine um eine Octave höher gestimmt, als der andere. [Der Wahrnehmung der Tonhöhe entspricht beim Gesichtssinne die Empfindung der Farben.] — 3. Die Klangfarbe, welche den verschiedenen, schallerzeugendeu Körpern K'anp/arbe. 960 Qualitäten der Gehörsempfiudungen. Tonhöhe. [§•416.] Tonhöhe, Per Dur- Accord. Octave. Grosse Terz. Quinte. Moll-Accord. Kleine Terz. Bestimmung der übrigen vjohl- lautenden Torverhält- nisse durch Umkelirung des Inter- valls. eigen ist, und die man auch als Timbre des Klanges bezeichnet hat. Diese ist , wie sich später ergeben wird , bedingt durch die eigen- tümliche Form der Schwingung des klangerzeugenden Körpers. [Für die Gesichtswahrnehmung giebt es keine analoge Em- pfindung der Lichteinwirkung.] I. Wahrnehmung der Tonhöhe. — Durch das Gehör werden wir darüber belehrt , dass die verschiedenen Töne sich durch eine verschiedene Höhe unter- scheiden. In dieser Beziehung ist dem normal gebildeten Ohre zunächst die ein für allemal feststehende Differenz der Tonhöhen in der sogenannten Tonleiter charakteristisch hervortretend. Sodann aber sind innerhalb der Tonleiter wiederum 4 Töne vorhanden, die, wenn sie zusammen erklingen, einem normal functioni- renden Ohre die Empfindung eines angenehmen Wohllautes verursachen, und die sich, einmal bekannt, stets in charakteristischer Höhenunterscheidung leicht unver- ändert reproducireu lassen. Es sind dies die Töne des sogenannten Accordes, bestehend aus dem 1., 3.. 5. Ton der Tonleiter, wozu sich als letzter Ton noch der 8. Ton hinzugesellt. — Es ist nun die Aufgabe gestellt, die Tonhöhen zu- nächst der Töne des Accordes, dann auch die der übrigen Töne der Tonleiter festzustellen. Zu dem Fundamentalversuche, von dem aus die ganze Berechnung leicht hergeleitet werden kann, dient uns wieder die S i r e n e. Es seien auf der Sirenenscheibe 4 concentrische Kreise gezogen, und es seien in dem inneren Kreise 40 Löcher eingeschlagen, in dem zweiten Kreise 50 Oeffnungen, in dem dritten Kreise 60 und endlich in dem äussersten 80 Löcher , und zwar alle Löcher von einander in gleichen Abständen. Werden diese Lochreihen nach einander bei rotirender Sirene angeblasen, so vernimmt man die vier Töne des Accordes (Dur- Accord); werden alle 4 Lochreihen gleichzeitig angeblasen, so erklingt in vollendeter Keinheit der Dur-Accord. In einfachster Weise giebt uns nun hier das Zahlen verhältniss der Löcher in den vier Reihen das Höhen- verhältniss der Töne des Dur-Accordes an. Während bei einer Umdrehung der Scheibe zur Hervorbringung des Grundtones 40 Verdichtungen und Ver- dünnungen der Luft stattfinden, wird zur Erzeugung der Octave die doppelte Zahl Verdichtungen und Verdünnungen in derselben Zeit (einer Umdrehung) er- folgen müssen. Das Verhältniss der Schwingungszahlen des Grundtones und der nächst höheren Octave ist also wie 1:2. — In der zweiten Lochreihe befinden sich 50 Oeffnungen, diese bewirken die Tonhöhe der Terz; es folgt daraus, dass sich also Grundton zur Terz verhält (an unserer Scheibe wie 40 : 50) wie 1 : 1'/., = 5/4, d. h. also : auf je eine Schwingung des Grundtones kommen bei der Terz 5 , Schwingungen. — In der dritten Lochreihe befinden sich 60 Löcher, die an- geblasen die Quinte geben; es folgt daraus ebenso, dass sich also Grundton zur Quinte verhält (in unserer Scheibe wie 40: 60) wie 1 : l'/2 = s/2- So ist experimentell die Tonhöhe der vier Töne des Dur-Accordes bestimmt, es ver- halten sich also die Schwingungszahlen der Prime, Terz, Quinte und Octave zu einander wie 1 : s/4 : 8/2 : 2. Ebenso wie der Dur-Accord, ist der Moll-Accord jedem normal gebildeten Ohre charakteristisch im Wohlklange hervortretend. Derselbe unterscheidet sich vom Dur-Accord lediglich dadurch, dass seine Terz um einen halben Ton niedriger liegt. Man kann es leicht mittelst der Sirene erhärten, dass dieser kleinen Terz eine Schwingungszahl zukommt, die sich zu der des Grundtones verhält wie 6 : 5, d. h. wenn auf den Grundton in einer Zeiteinheit fünf Schwingungen kommen, dann kommen auf die kleine Terz 6; ihre Schwingungszahl ist also 6/6. Aus diesen wohllautenden Verhältnissen des Dur- und Moll-Dreiklanges lassen sich nun weiterhin mit Leichtigkeit weitere, wohllautende Tonverhältnisse innerhalb der Tonleiter nachweisen. Hierbei ist zunächst der Gesichtspunkt maass- gebend, dass die Octave eines Tones stets völlige und vollkommenste Harmonie giebt. Dies vorausgesetzt, ist es klar, dass, wenn die grosse Terz, die kleine Terz und die Quinte mit dem Grundton harmoniren, dass sie alsdann auch mit der Octave des Grundtones harmoniren müssen. So leitet sich aus der grossen Terz mit der Schwingungszahl 6/4 die kleine Sext = 6/8 her, aus der kleinen Terz mit ,; - die grosse Sext = (6/10 = ) "/b'i aus der Quinte mit 3/2 die Quarte = a/4. Man nennt dieses Verfahren „die Umkehrung des Intervalles". — Diese so festgestellten Tonverhältnisse sind sämmtliche consonirenden Intervalle der Tonleiter. [§. 416.] Tonhöhe. Schwingungszahlen der Töne. 961 Aus den consonirenden Verhältnissen lassen sich nnn weiter leicht die ?f*"2J"^tBfll nicht consonirenden stufen der Tonleiter nach dem folgenden Verfahren berechnen. er Töne9™ Bekannt sind der Grandton C mit der Schwingungszahl 1, die Terz E = s/4, die Quinte G = J .,, die Octave C1 = 2. Wir construiren von der Quinte (Dominante) G einen Dur-Accord ; dieser ist G, H, Dl. Das Schwingungsverhältniss dieser drei Töne ist offenbar dasselbe wie im Dur-Accord C, E, G. Es verhält sich daher die Schwingungszahl von G : H wie die von C : E. — Setzen wir in diese Gleichung die "Werthe ein, so haben Avir 8/3 : H = 1 : 6/4 ; also H = 15/8. — Es verhält sich aber ebenso weiterhin D1 : H = G : E; also D : 16/8 = 8/a : bU ) aIso Dl — 1S 8> 0(^er um eine Octave tiefer gesetzt D = 9 8. — Nun construire ich von F (Unter- dominante) einen Dur-Accord, nämlich F, A, C. Es ist hier offenbar das Ver- hältniss von A : C1 = E : G; oder A : 2 = 6/4 : 3/.2 ; also A = 5/3. — Endlich ist auch F : A = C : E ; oder F : B/8 = 1 : s/4; also F = 4 8. Es haben nun also sämmt- liche Töne der Tonleiter folgende Schwingungszahlen : I. C = 1, — II. D = l78, — III. E = 8/4, — IV. F = 4/3, — V. G = 8/a, — VI. A = %, — VII. H = « B, — VIII. C1 = 2. Man ist seit 1885 allgemein darin übereingekommen , einen Ton von 435 Conven- Schwingungen in 1 Secunde als a zu bezeichnen. Die frühere Stimmung {Scheibler, ^"ff e 1834) war für a = 4-10 Schwingungen. Hieraus ergeben sich nun durch Rechnung, äer Höhe mit Zugrundelegung der vorstehenden Schwingungsverhältnisse, folgende absolute des Kammer- Schwingnngszahlen für die Töne der Tonleiter : C = 33 Schwingungen , — tones. D = 37,125, — E = 41,25, F = 44, - G = 49,5, - A = 55, - H = 61,875. Die bchwingungszahlen der Töne der nächst höheren Octave findet man sofort, wenn man diese Zahlen mit 2 multiplicirt Die tiefsten in der Musik angewendeten Töne sind nun: Contrabass E Tiefste und mit 41,25 Schwingungen, Ciavier C mit 33, Flügel A1 mit 27,5 und Orgel C1 betete Töne mit 1(5,5. — Die höchsten Töne in der Musik geben Ciavier cV mit 4224 ,B der JIus'k' Schwingungen und die Piccoloflöte dV mit 4752. Nach neueren , genauen Untersuchungen Preyer^s liegt die Grenzen der Grenze zwischen der Wahrnehmbarkeit der Töne zwischen 16 Zrlu^aZ bis 23 in 1 Secunde einerseits bis evin mit 40U60 Schwingungen Töne- in 1 Secunde andererseits; sie umfasst 1.1 x/a Octaven. Selten findet man , dass Töne von nur 35000 Schwingungen noch wahr- Abnormitäten genommen werden können. Bei Contraction des Tensor tympani steigert sich die ^mung Perceptionsfähigkeit für 3 — Stausend Schwingungen, selten mehr. Krankhaft findet höchster eine abnorme Höhenperception statt: — 1. bei vermehrter Spannung des schall- ^ne- leitenden Apparates überhaupt : — bei Elimination solcher Theile des schall- leitenden Apparates des Mittelohres , die in ihrer normalen Länge ein grösseres oder geringeres Hinderniss für die Fortpflanzung sehr hoher Töne bieten (also bei Perforation des Trommelfelles , bei Verlust des Hammers und Ambos). Der Stapes wird hier direct durch die Schallwellen in Schwingungen versetzt. In solchen Fällen sah man die Perceptionsfähigkeit für Töne bis von S0000 Schwin- gungen gesteigert. Verminderte Spannung des schallleitenden Apparates hat Herabsetzung der Perception für hohe Töne zur Folge (Blake , Weniger Schwingungen als 16 in 1 Secunde (Orgelpfeifen) werden nicht mehr als Töne, sondern als einzelne, dumpfe Stösse wahrgenommen. Jenseits der höchsten Töne, welche man durch Anstreichen kleinster Stimmgabeln mittelst des Violinbogens erzeugt 'Despreiz) , empfindet ebenfalls das Ohr die Schwingungen nicht mehr als Töne ; sie verursachen vielmehr einen schneidend schmerzhafteu, empfindlichen Eindruck im Ohre. In der Tonleiter entsprechen somit die Grenzen der äussersten Töne annähernd dem C der ersten Octave mit 16,5 Schwingungen und dem e der achtfach gestrichenen Octave. Vergleicht man mit diesem Umfange der Wahrnehmbarkeit das Auge, Vergleich des so zeigt sich sofort, dass in Bezug auf die Breite der Wahrnehmung das Ohr Ohres mit dem dem Auge weit überlegen ist. Da nämlich das spectrale Roth gegen 456 Billionen Schwingungen in 1 Secunde macht . das sichtbare Violett jedoch nur 667 in 1 Secunde, so ist also das Auge nur für Schwingungen des Lichtäthers befähigt, Geringste die nicht einmal um 1 Octave (doppelte Schwingungszahl) auseinander liegen. Zahl der Die Frage, wie viel Schwingungen nach einander überhaupt gungen, die erfolgen müssen, damit das Ohr den Eindruck des Tones erhält. "eUZLjSH L a n (1 o i s , Physiologie. 7. Aufl. Q\ 962 Schwingungszahlen der Töne. Tonstärke. [§, 416.] haben Savart und Pfaundler dahin beantwortet, dass schon zwei zur Tonerzeugung geniigen. Schliesst man jedoch bei Versuchen hierüber die Möglichkeit der Entstehung von Obertönen aus, so fand man, dass 4 bis 8 (Mach), ja sogar 16 bis 20 Schwingungen (F. Auerbach , Kohlrausch) [bei sehr schwachen noch mehr] zur Erzeugung eines wirklich wohlcharakterisirten Tones hinter ein- isöiirteWähr- ander erfolgen müssen. neh^nandearu/ Erfolgen Töne schnell hintereinander, so werden sie noch folgender isolirt wahrgenommen, wenn mindestens 0,1 Secunde zwischen beiden verstreicht (v. Helmholtz) ; erfolgen sie schneller nach einander . so verschwimmen sie leicht mit einander ; — doch Feinheit des g'enugt für manche Klänge eine kürzere Zwischenzeit. Ohres. Unter „Feinheit des Ohres" versteht man die Fähigkeit, zwei Töne von annähernd gleichen Schwingungszahlen noch als different in ihrer Höhe beurtheilen zu können. Dieses Vermögen kann durch Uebung erstaunlich geschärft werden , so dass jMusiker noch Töne rücksichtlich ihrer Höhe unterscheiden können, die um 1/500. ja selbst nur um Vi 200 der Schwingungs- zahl sich unterscheiden. Es ist leichter, Unterschiede der Ton- höhen an der Reinheit musikalischer Intervalle , als bei fast --... , unisonen festzustellen (Preyer). Zeitsmn des r> -\ rr • • ^ r\i • Ohres. In Bezug auf den Zeit sinn des Ohres sei bemerkt, dass Tacte präciser vom Ohre . als von den anderen Sinnesorganen ., wahrgenommen werden (Hör ins, Mach, Vier or dt). Abnorme O \ o' ' s Tiefhörigkeit Pathologisches. — ■ Nach Lucae giebt es unter den Normalhörenden, besonders Uhöriah°eit ' Je|loch unter den Schwerbörenden , solche , deren Ohr entweder mehr für die tieferen, oder mehr für die höheren Töne empfänglich ist; er nennt diese Tiefhörige und Hochhörige. Beides hat Nach theile für die normale Gehör- wahrnehmung der Sprache. Die Tiefhörigen nehmen nur mangelhaft die höchsten Consonantengeräusche wahr, z. B. Ch in „Kirche", ■ — die Hoch- hörigen nur unvollkommen die tiefsten Consonantengeräusche, z. B. Ch in „auch". Abnorme Tiefhörigkeit findet auch statt bei rheumatischer Facialis- lähmung, abnorme Hochhörigkeit besonders rein in Fällen von Verlust des Trommel- felles, des Hammers und Ambos. Der Stapedius soll nun das Uebergewicht haben, Verschieden- wodurch die höchsten Töne auf Kosten der tiefsten verstärkt wahrgenommen hörigkeit werden (Lucaej. — Viele Normalhörige sollen denselben Ton mit einem Ohre höher m' empfinden , als mit dem anderen (Fessel, Fechner) • um 1/„ Ton höher fand dies v. Witlich an sich selber bei einer Ohrenentzündung, Spaltung sogar um eine kleine Terz. In einem Falle von Moos wurden die tiefen Töne um 1/g Ton zu hoch, die hohen zu tief gehört. Vielleicht ist eine abnorme Veränderung: mitschwingender Basstaubheit. Theile im Labyrinthe die Ursache der Empfindung der einseitigen Tonerhöhung bei dieser, als Diplacusis binauralis bezeichneten, Anomalie. — In seltenen Fällen hat man plötzlichen Verlust der Wahrnehmung gewisser Tonhöhen ' beob- achtet, z. B. Basstaubheit (Moos)\ in einem von Magnus beschriebenen Falle fielen die Töne d1 — hl aus (vgl. §. 318). II. Wahrnehmung der Tonstärke. — In Bezug auf die Stärke des Tones ist festgestellt, dass dieselbe ihr Wesen in der Schwingungsamplitude des tönenden Körpers habe. Die Stärke des Tones ist proportional dem Quadrate der Schwingungsamplitude des tönenden Körp ers; also bei zwei-, drei-, vier-facher Amplitude ist die Tonstärke 4-, 9-, 16mal so stark. Da Tonschwingungen durch die Wellenbewegung der Luft dem Ohre zugetragen werden, so ist es leicht einzusehen, dass, so wie die Wasserwellen vom Orte ihrer Empfindlich- Entstehung fortschreitend kleiner und kleiner werden , bis sie endlich erlöschen, ktit für dagg so auch mit der Entfernung des Ohres vom schallerzeugenden Körper die DifferenTder Tonstärke abnehmen und schliesslich gleich Null werden muss. Die Schall- Tone. stärken verhalten sich umgekehrt, wie die Quadrate der Ab- [§.416.] "Wahrnehmung der Tonstärke und der Klangfarbe. 96 3 stände der Schallquelle vom Ohre Für Unterscheidung der Schallstärken ist das Ohr wenig empfindlich ; es kann noch eine Unterscheidung statthaben, wenn sich die Schallstärken verhalten wie 72 : 100 Rem & IVolff . Zur Prüfung der Schalls tä rke. — welche hinreicht, um das Ohr zu erregen, bringt man : — 1. eine schwache Schallquelle (tickende Uhr) in horizon- talem Abstände zum Ohre an uud prüft, sowohl aus der Entfernung diese an- nähernd , als auch aus der Nähe sie entfernend , bis wie weit der Klang noch vernommen wird. Durch einen Maassstab wird der Abstand festgestellt. — ^. Itard benützt ein , wie ein Pendel suspendirtes Hämmerchen , welches auf eine harte Fläche schlägt , wenn es aus der Elevatioa losgelassen wird. Bei zwei-, drei-, vier-facher Grösse des Elevationswinkels ist der Schall 4-, 9-, löfach verstärkt (doch gilt dies nur, wenn die Elevation nicht über 60 geht) — 3. In ähnlicher Weise kann man Kugeln verschiedenen Gewichtes aus verschiedener Höhe auf eine schwingungsfähige Platte niederfallen lassen. Hier verhalten sich die Schall- stärken proportional dem Producte aus dem Gewichte der Kugel in die Fallhöhe. — 4. Man lässt eine Stimmgabel (mit stets gleicher Amplitude in Schwingung versetzt) ausklingen : dem Kranken erlischt eher der Ton , als dem Gesunden (Hartmann, Barth, Jacob>onj. Ueber die Grenze der noch eben wahrnehmbaren Tonstärke ist ermittelt, dass ein , 1 Milligramm wiegendes Korkkügelchen, aus 1 Mm. Höhe auf eine Glasplatte niederfallend, noch auf 5 Cmtr. Abstand gehört wird (S hafhäutl). Doch kommen natürlich individuelle Schwankungen , sowie auch Unterschiede in der Schärfe der beiden Ohren desselben Menschen vor i'HögyesJ. — Top'cr ä~ Boltzmann berechnen die Schwingungsamplitude der Lufttheilchen, welche das Trommelfell in solche Schwingungen versetzen können, so dass noch eine Gehöremptindung statthat, auf nur O.OOJOl Mm., ja Rayleigh sogar auf nur 0,000001 Mm. Eine directe Beobachtung so minimaler Verschiebungen würde über die Leistung des besten Mikroskopes hinausgehen (Hensen;. — Mein Bruder machte die Ent- deckung, dass bei Thieren Lautäusserungen vorkommen, die ihrer Schwäche wegen von unserem Ohre nicht mehr wahrgenommen werden können. Dahin gehören manche Bockkäfer (Cerambyx), die durch Reibung einer gerillten Reibplatte am Nacken gegen eine scharfe Kante der Vorderbrust Schrilltöne hervorbringen. So bringt z. B. Gracilia pygmaea den Schrillton fILI mit 1413 Schwingungen hervor, den man wegen seiner Schwäche nicht mehr hört. [Man berechnet die Schwingungs- zahl (s) des Schrilltones aus der Länge (1) der Reibleiste des Insectes in Mm., der Anzahl (n) der Rillen auf 1 Mm. und der Zeit (t) der reibenden Bewegung ; B = (1 .. n) : tj. Grössere Bockkäfer erzeugen so vernehmbare Schrilltöne. Methoden zur Prüfung der Schall stärk .n. Grenze der wahrnehm- baren Tonstärke. Unhörbare Töne. 417. Wahrnehmung der Klangfarbe. — Analyse derYocale. Unter Klangfarbe, Timbre, versteht man eine besondere Eigenschaft der Klänge, wodurch sie sich ganz unabhängig von der Höhe und Stärke unter- scheiden. So kann z. B. eine Flöte, ein Hörn, eine Geige und eine menschliche Stimme dieselbe Note mit gleicher Stärke angeben und dennoch sind alle vier durch das Specifische ihrer Tonfärbuug sofort erkennbar. "Worin liegt nun das "Wesen der Klangfarbe? Die Untersuchungen, zumal die von v. Heimholte, haben nun gelehrt, dass unter den tonerzeugenden Werkzeugen nur der pendelartig hin- und herscrcwingenle (an einem Ende eingeklemmte) Metall stah und die Stimmgabel einfach-pendelartige und stetige Schwingungen vollführen. Man erkennt dies daran, dass, wenn man die, mit einer leinen Spitze versehene Branche einer schwingenden Stimmgabel über eine berusste Fläche gleichmässig fortbewegt, dass alsdann vollkommen gleichmässige Wellenlinien mit gleichartigen Erhebungen und Verliefungen verzeichnet werden. Nur die, durch diese einlädt pendel- artigen Bewegungen hervorgebrachten Schallerscheinungen hat man „Ton" genannt. Die nunmehr zu besprechenden Untersuchungen haben weiterhin gezeigt, dass die Klänge musikalischer Instrumente und der menschlichen Stimme, denen allen eine charakteristische Klangfarbe zukommt, aus vielen einzelnen, einfachen Tönen zusammengesetzt sind. Unter diesen vielen Tönen ist einer durch Stärke besonders hervorstechend . der zugleich die Höhenlage des ganzen zusammengefügten Klanggebildes bestimmt: dieser heisst der Grundton. Die übrigen, schwächeren Töne, welche sieh diesem Grandtone 61* I lesen des einfachen Tunes. Der Klan;/ ein ;u.-ammen- ;;- « täte» Tongebilde. Grundton und Obertbue. 964 "Wahrnehmung der Klangfarbe. [§•417.] Wahr- nehmung der Obertöne durch Resonatoren. Obertöne musikalischer Werkzeuge. Construction der Schvnngungs- curve tines Klanges. anfügen, sind für die verschiedenen Instrumente nach Zahl und Stärke sehr ver- schieden. Sie heissen „Obertöne"; ihre Schwingungszahl ist stets die 2-, 3-, 4-, 5- . . . fache des Grundtones. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass alle diejenigen Klänge, welche zahlreiche und starke Obertöne, zumal hohe, neben dem Grundtone besitzen, sich durch scharfe, einschneidende, rauhe Klang- farbe auszeichnen (z. B. Trompete , Clarinette) , dass dagegen umgekehrt den Klängen mit wenigen und schwachen und zumal tiefen Obertönen Weichheit und Milde der Klangfarbe eigenthümlich ist (z. B. Flöte). Es gehört schon ein wohl- geschultes, musikalisches Ohr dazu, wenn man bei Angabe eines Instrumenten- klanges mit unbewaffnetem Ohre neben dem, die Höhe bestimmenden Grundton noch den einen oder anderen Oberton heraushören will. Sehr einfach gelingt dies jedoch mit Hülfe der sogenannten Resonatoren. Es sind dies kugel- oder trichter-förmige Hohlapparate, die mittelst eines kurzen Rohres in den Gehörgang gesteckt werden. Dieselben sind alle so abgestimmt , dass jeder nächstfolgende Resonator einen Eigenton von der nächstfolgenden Vielfachen des ersten besitzt. Gesetzt also z.B., der erste Resonator habe den Eigen- ton B (der durch Anblasen leicht gehört wird), so hat der zweite Resonator den Eigenton des b (der folgenden Octave) , der dritte stimmt auf fl (dreifache Schwingungszahl), der vierte auf W (der zweithöheren Octave), der fünfte auf dH (fünffache Schwingungszahl), dann kommt fH , — asH , — bH — u. s. w. Setzt man einen derartigen Resonator an's Ohr, so gelingt es mittelst desselben , auch den schwächsten Oberton von derselben Schwingungszahl aus einem Instrumentenklange heraus- zuhören. So hat v. Helmholtz ge- Fig. 298. funden, dass die musikalischen r Werkzeuge sich je nach ihrer Klangfarbe alle durch eine be- stimmte Zahl, nach Höhe und Stärke verschiedener Obertöne auszeichnen. Die Stimmgabel jedoch und der ein- fache schwingende Metallstab haben keine Obertöne, sie geben nur den alleinigen Grundton an. Man hat nun nach?'. Helmholtz als „Ton" nur die einfach pendel- artigen, schallerzeugenden Schwingungen bezeichnet fOkmJ; — Schallschwingun- gen, bestehend aus Grund- ton und Ober tönen, werden „Klänge" genannt. Halten wir daran fest , dass einem Klange der Grundton und eine Anzahl, seine Klangfarbe be- stimmender, Obertöne von gewisser Intensität zukommen , so muss es gelingen, geometrisch durch Zusammensetzung der Schwingungen des Grundtones und der der Obertöne die Schwingungsform des Klanges zu construiren. Es sei die ausgezogene Curve A die Schwingungsform des Grundtones und B die des ersten , massig schwachen Obertones. Die Zusammensetzung dieser beiden Curven geschieht einfach durch Zusammenlegung der Ordinatenhöhen, wobei die über der Horizontalen liegenden Ordinaten der Obertoncurve addirt, die unter der Linie liegenden von den Ordinaten der Grundtoncurve abgezogen werden. Hierdurch entsteht die ausgezogene Curve C, die keiner einfach pendei- förmigen, sondern einer unsteten Bewegung entspricht. Zu der Curve C kann ich eine neue Curve des zweiten Obertones mit der dreifachen Schwingungszahl hinzufügen u.s.w. Das Resultat aller solcher Zusammensetzungen ist, dass die, den zusammengesetzten Klängen entsprechenden Schwingungscurven unstete periodische Curven sind; alle diese Curven müssen natürlich verschieden sein, je nach der Zahl und Höhe der zusammengefügten Obertönecurven. Hat man also durch die Resonator en Zahl und Stärke der Obertöne eines Instrumentalklanges analysirt, so kann daraus die geometrische Seh wingungscurve des Klanges construirt werden. [§. 417.] Klangfarbe. — Analyse der Yocale. 965 Es niuss jedoch hier noch auf einen Umstand aufmerksam gemacht werden. „ Ph^f^' Es kann nämlich die Schwingungsform eines und desselben Klanges sehr ver- schieden sich gestalten, wenn man bei der Zusammenlegung der Curven A und B die Curve B nur etwas seitlich verschiebt. Wird B so weit verschoben, dass das Wellenthal r unter A fällt, so ergiebt die Addition beider Curven die Curve rrr mit schmalen Bergen und breiten Thälern. Verschiebt man B noch weiter, bis der Wellenberg h mit A zusammenfällt, so entsteht abermals eine andere Form. Also durch Verschiebung der Phasen der Wellenbewegungen der zusammenzu- legenden, einfach pendeiförmigen Schwingungen entstehen zahlreiche, verschiedene Formen desselben Klanges. Auf das Ohr hat jedoch die Phasenver- schiebung keinerlei Ein flu ss Dem Tone kommt also, als durch einfach-pendelartige Schwingungen er- zeugt, ein gleich massiges An- und Ab-Schwellen der Oscillationen zu. während den Klängen je nach Zahl und Stärke ihrer Obertöne eine charakteristische Art des Anschwellens und Abschwellens der Schwingungscurve eigen ist (Euler, . So wie es gelungen ist, die unstete Schwingungscurve eines Klanges aus Zerlegung der mehreren, einfach pendelartigen Tönen zusammenzusetzen, so gelingt es nun auch Schmn9^gs- umgekehrt, jede un regelmässige Schwingungscurve eines Klanges Klanges. zu zerlegen. In der That hat Foiirier gezeigt, dass jede complicirte , unstete Schwingungscurve sich zerlegen lässt in eine Summe einfach pendelartiger Schwingungen, deren Schwingungszahlen sich verhalten wie 1:2:3:4... Eine solche Zerlegung gelingt stets nur in einer Art. [Dahingegen kann man aller- dings jede complicirte, unstete Bewegung auf sehr viele Weis -n in gleichfalls unstete zerlegen.] Das Resultat dieser Deduction ist also, dass in der That die Klangfarbe eines Klanges herrührt von der charakteristi seilen Form der schwingenden Bewegung. Analyse der Vocale. — Das menschliche Stimmorgan stellt Analyse der ein Blasinstrument mit schwingenden, elastischen Zungen (Stimm- bändern) dar (vgl. §. 314). Bei Angabe der verschiedenen Vocale nimmt die Mundhöhle eine ganz charakteristische G-estalt an. so dass ihr Binnenraum hierdurch einen bestimmten Eigenton erhält. Hierdurch werden nun dem . auf eine bestimmte Höhe angegebenen Grundtone des Stimmorganes gewisse Obertöne bei- gesellt, die dem Stimmklange das vocale Timbre ertheilen. Der Vocallaut ist somit die Klangfarbe eines, durch das Stimmorgan erzeugten Klanges. Die Klangfarbe rührt von der jeweiligen Zahl. Stärke und Höhe der Obertöne her. und letztere hängen eben ab von der Configuration der „Vocalhöhle" (§. 319) bei Angabe der verschiedenen Vocale. Lässt man nun auf eine bestimmte Tonhöhe, z. B. b, der Reihe nach die verschiedenen Vocale anhaltend singen, so kann man mit Hülfe der Resonatoren horchen, welche Obertöue und in welcher Stärke dem Grundtone (b) sich zur Vocalfärbung als charakteristisch beigesellen. Nach v. Hdmholtz ist nun , wenn die Stimme b angiebt, für drei Vocale je ein Oberton besonders charakteristisch, nämlich für A — MI; für 0 — bl ; für U — f. Die übrigen Vocale und dir Umlaute haben je zwei besonders charakteristische Obenöne, und zwar wohl deshalb, weil die Mundhöhle hierbei so formirt ist, dass der hintere, umfang- reichere Hohlraum derselben einen besonderen Eigenton erhält und ebenso die vordere, enge Partie derselben (vgl. §. 319 I und E). Diese zwei Obertöne sin 1 nun nach v. Heimholte für E — b^I und f I ; für I — dIV und f; — für Ä — glll und d'I; — für Ö — cisIH und f I : — für Ü — gHE und f Diese sind jedoch nur die ganz besonders charakteristischen Obertöne. Im Grunde ge- nommen existiren für die Vocale fast durchgängig sehr viel mehr, die aber mehr zurücktreten. Künstliche So wie es mit Hülfe der Resonatoren gelingt, den Vocal in seinen Grund- f"t>Hng'der ton und die Obertöne zu zerlegen, so muss es auch gelingen, künstlich den FoeafkUUiie: 966 Darstellung der Klangfarbe. [§-417.] Vocalklang zu erzeugen, indem man denselben durch gleichzeitiges Er- klingen des stärkeren Grundtones und der schwächeren übertöne zusammensetzt. 1. Durch Mit- Es gelingt dies auf folgende Weisen : — 1 . In einfachster Art kaun man den Schwingung yoca| so erzeugen, dass man auf eine bestimmte Note einen Vocal, z. B. A, mit "c'arieuaiben. kräftiger Stimme in ein geöffnetes Ciavier gegen die freien Saiten hineinsingt, während zugleich durch das Pedal die Dämpfung gehoben wird. Sobald die Stimme plötzlich abbrii ht, klingt nun völlig charakteristisch der Vocal aus den Saiten des Claviers hervor. Durch die Stimme sind nämlich alle diejenigen Saiten in Mitschwingung versetzt worden , deren Obertöue (ausser dem angesungeneu Grundton) in dem Vocalklange liegen ; sie klingen daher noch eine Zeit lang nach, nachdem schon die Stimme unteibrochen wurde (v. Helmlwlte). Dieser Versuch kann noch insofern modificirt werden, dass man nur die Dämpfung der- jenigen Töne (durch Niederhalten der Tasten) aufhebt , welche als Obertöne auftreten ; und so gelingt es , den Vocalklang Note für Note zu combiniren. — 2. Durch v. 2. Der von v. Helmholtz zusammengesetzte Vocalapparat besteht aus vielen Heimhoitz' Stimmgabeln, die sämmtlich elektromagnetisch in dauernden Schwingungen ^"vocai-6' erhalten werden. Die tiefste Stimmgabel giebt den Grundton B an, die übrigen Apparat, der Reihe nach die Obertöne. Vor einer jeden Stimmgabel befindet sich (in ver- änderungsfähigem Abstände) eine Resonanzröhre , welche mittelst eines Deckels geschlossen und geöffnet werden kann. Bei geschlossener Resonanzröhre ist der Ton der vor ihr stehenden Stimmgabel nicht zu hören; wenn man aber eine oder einige Resonanzröhren öffnet , so kommen deren Töne hinreichend kräftig zum Vorschein, und zwar desto stärker , je weiter man öffnet. So kann man schnell hintereinander verschiedene Zusammenstellungen des Grundtones mit einem oder mehreren harmonischen Obertönen in verschiedener Stärke hörbar machen und dadurch Klänge von verschiedener Klangfarbe (der Vocale) hervorbringen. So Künstliche machte v. Hehnholtz folgende Vocalzusammensetzungen für : U = B nebst Stimmgabel- schwach b und f I. — 0 = gedämpftes B nebst stark bl und schwächeren b, f I, Vocale. ^n — A== b (als Grundton), dazu massig stark bl und fH , und stark bH und diu. — Ä = b als Grundton , daneben bl und fU etwas stärker (als für A), dll stark, bH schwächer, diu und fHI möglichst stark. — E = b als Grundton massig stark, daneben bl massig, ebenso fl , dabei fHI asHI bUI möglichst stark. 3.Appunn's — I gelingt so nicht zu erzeugen. — 3. G. Appiinn hat einen Vocalapparat aus Pjrifen- Orgelpfeifen zusammengesetzt. Es sind 20 offene, starkklingende Pfeifen Apparat. v°m Grundton bis zu den 19 folgenden Obertönen und ebenso 20 gedackte, schwachklingende, die auf einer besonderen Windlade in zwei Reihen stehen. Durch Schieber kann jede Pfeife geöffnet und geschlossen werden ; ein Haupt- schieber am Eingang der Windlade gestattet, dass alle geöffneten Pfeifen zugleich ertönen. Die zwei Pfeifenreihen machen eine dreifache Abstufung der Tonstärke möglich , nämlich starke Töne , wenn beide Reihen zugleich , — mittelstarke, wenn die offenen, — und schwache, wenn die gedackten Pfeifen allein ertönen. Die Bildung der Vocale steht jedoch hinter der durch Stimmgabeln zurück , weil die Pfeifen keine einfachen Töne geben , sondern schon einige schwache (zumal die ungeraden) Obertöne enthalten ; sodann lässt sich auch die Abstufung der Tonstärke nicht so fein machen , als durch die Resonatoren der Stimmgabeln. Immerhin kann man aber doch einige Vocale sehr schön erzeugen ; sie klingen überhaupt stets am besten , wenn sie recht kurz angegeben werden. So finde ich Künstliche ein schönes A durch b und bl schwach, fU mittelstark, bH stark, dlH schwach °rgvoiaun' und fIK mittel- — U erzeugt man durch B stark nebst b mittel. — Tiefes 0 = B und b mittel, fl und bl stark, nebst fll schwach. — Ein hohes 0 erklingt durch bl schwach, dH mittel, f < I und bH stark, dHI und fHI schwach. — Nur unvollkommen gelingen die übrigen Vocalklange: E = dfl schwach nebst bH dHI alH stark. — Ä = bl fU bH schwach, dHI fHI mittel, asHI stark und aHI mittel. — 0 = bl schwach, fll bHI stark, flll schwach, bUI CIV dIV mittel. — Ü = fl fll schwach, flu elV stark. — I kann nicht angegeben werden; die höchste Pfeife dIV giebt annähernd den Charakter von I an; — ähnlich giebt die gedackte Pfeife B ein dumpfes U und die offene B ein etwas helleres U. ObjeciveDar- Die Vocale müssen nach dem oben Vorgetragenen, als aus Grundton und 'ichwiM JiTs Obertönen zusammengesetzt, eine bestimmte Schwingungscurve haben. Man twven der kann in verschiedener Weise diese Schwingungscurven zur Anschauung bringen. Vocale. Spricht man den Vocal gegen eine zarte Membran , die das Ende eines Hohl- Eäison's cylinders verschliesst, und befindet sich auf dem Centrum der Membran ein feiner Phonograph. Schreibstift, der einer weichen Stanniolplatte (die eine Walze bewegt) anliegt, so [§•417.] Thätigkeit des Labyrinthes beim Hören. 967 radirt der Schreibstift die Vocalcnrve in die Stanniolplatte. Lässt man sodann von dieser eingravirten Curve wieder den Schreibstift in Bewegung setzen , so geben die hierdurch bedingten Schwingungen der Membran wieder deutlich den Vocalklang an {Edisoris Phonograph). Lässt man die Eindrücke der Stanniol- platte auf ein Hebelwerk wirken, so gewinnt man vergrösserte Curven der Laut- eindrücke Fick . — Befindet sich an der anderen Seite einer solchen Membran ein kleiner, abgeschlossener Gasraum, von dem ein Stichbrenner ausgeht, so kann man beim Angeben eines Vocales im rotir enden Spiegel ein charakteri- stisches Curvenbild der vibrirenden Flamme erkennen fKönigj. Setzt man mit der Nasenhöhle ein Y-förmiges Rohr so in Verbindung, dass ein Schenkel in dem Nasenloch eingedichtet ist, der zweite zu einer Gasleitung und der dritte zu einem Stichbrenner führt, so hört man allemal beim Angeben eines Vocales, dass die Flamme in tönende Schwingungen versetzt wird, die genau den Vocalklang angeben. Giebt man den Vocal nasal an, so schiesst die Stich- flamme weit empor, weil die Luft in die Nasenhöhle eindringt Auch diese Flammen lassen sich im rotirenden Spiegel analysiren Landois . K6 niy's YocaX- flammen. Landois' tönende Vocal- flammen. 418. TMtigkeit des Labyrinthes beim Hören. Fragt man nach der Rolle, welche das Ohr bei der "Wahr- nehmung der Klangfarbe spielt, so müssen wir sagen, dass gerade so, wie mit Hülfe der Resonatoren ein Klang in seinen Grandton und die Obertöne zerlegt werden kann, dass so auch das Ohr eine derartige Analyse der Klänge auszuüben vermag. Das Ohr zerlegt die complicirten "Wellenformen der Klänge in ihre Componenten. Diese Componenten empfindet es einzeln als zu einander harmonische Töne ; es kann sie bei gehörig geschulter Aufmerksamkeit einzeln zum Bewusstsein bringen, und es unter- scheidet als A^erschiedene Klangfarben nur verschiedene Zu- sammensetzungen aus diesen einfachen Tonern ptindungen. Es ist somit diese Zerlegung der complicirten Schwingungen der Klang- Kianganaiyse färben in einfach pendelartige Schwingungen eine sehr auffallende Labyrinthe. Eigenschaft des Ohres. \Vo sind nun im Ohre die Apparate, die diese Zerlegung vornehmen? Singt man kräftig bei gehobener Dämpfung gegen die Saiten des offenen Claviers den Vocalklang A auf eine bestimmte Note (z. B. b) . so bringen wir alle die- jenigen, und zwar nur diejenigen Saiten in Mitschwingung. die in dem Vocalklange enthalten sind. Wir müssen nun annehmen, dass auch im Ohre analog wirksame, mitschwingende Apparate sich finden, die abgestimmt sind für gewisse Tonhöhen, und die also bei Angabe eines Klanges gerade so mitschwingen, wie die Saiten des Claviers. ..Könnten wir nun jede Saite eines Claviers mit einer Nervenfaser so verbinden, dass die Nervenfaser erregt würde und empfände . so oft die Saite in Bewegung geriethe. so würde in der That genau so, wie es im Ohr wirklich der Fall ist. jeder Klang, der das Instrument trifft, eine Reihe von Empfindungen erregen , genau entsprechend den pendelartigen Schwingungen . in welche die ursprüngliche Luftbewegung zu zerlegen wäre; und somit würde die Existenz jedes einzelnen Obertones genau ebenso wahrgenommen werden . wie es vom < >hre wirklich geschieht. Die Empfindungen verschieden hoher Töne würden unter diesen Umständen verschiedenen Nervenfasern 968 Thätigkeit des Labyrinthes beim Hören. [§. 418.] zufallen, und daher ganz getrennt und unabhängig von einander zu Stande kommen. — Nun lassen in der That die neueren Entdeckungen der Mikroskopiker über den inneren Bau des Ohres die Annahme zu. dass im Ohre ähnliche Einrichtungen vorhanden seien, wie wir sie uns eben erdacht haben. Es findet sich nämlich das Ende jeder Nervenfaser der Gehörnerven verbunden mit kleinen elastischen Theilen, von denen wir annehmen müssen, dass sie durch die Schallwellen in Mitschwingung versetzt werden " (v. Helmholtz). Kianganaiyse Früher glaubte v. Helmholt z, dass die Corti 'scheu Bögen äschnecte. diese , für die einzelnen Töne abgestimmten und durch Mit- schwingung die Nerven erregenden Apparate seien, also gewisser- maassen eine Claviatur darstellten. Da jedoch die Amphibien und Vögel, welche sicherlich musikalische Klänge zu empfinden vermögen, keine Bögen besitzen (Hasse), so hat man die ge- spannten, radiären Fasern der Membrana basilaris (auf welchen das Cor tische Organ ruht) und welche in dem ersten Schneckengang am kürzesten sind und gegen die Schneckenkuppel hin länger werden, als diese mitschwingenden Saiten aufgefasst (Hensen). Es entspräche so jedem möglichen, einfachen Tone eine mitschwingende , saitenähnliche Faser der Basilarmembran. — Nach Hensen könnten wohl auch die ver- schieden langen Haare im Labyrinthe diesen Zwecken dienen. Geräusche- Obige Annahme genügt auch zur Erklärung der Perception der Geräusche. Viele derselben lassen sich oft in ein Gewirr einzelner echter Töne zerlegen. Von den echten Geräuschen im physikalischen Sinne muss man annehmen, dass sie ähnlich wie einzelne Stösse durch die Sack che n und die Ampullen wahr- genommen werden. Bedeutung Will man die Rollen, welche die Schnecke und Säckchen derundCderen nebst Ampullen spielen, gegeneinander abwägen, so kann man Ampullen. sagen : durch Säckchen und Ampullen wird überhaupt nur die Grundempfindung, die allgemeine Wahrnehmung des Hörens als Erschütterung des Gehörnerven (also auch durch Stösse und Geräusche) erregt, — durch die Schnecke hingegen nehmen wir die Höhe und Tiefe der Schwingungen und den musikalischen Charakter der Tonschwingungen wahr. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass nach einer anderen Anschauung (Voltolini! jede einzelne Nervenzelle der Schnecke Alles hört, also nicht verschie- dene Zellen für verschiedene Töne abgestimmt sind. Alis der Summe der empfin- denden Hörzellen, die alle dasselbe hören, resultirt die Schärfe des Gehörvermögens. Die Beziehungen der halbcirkel förmigen C anale zum Körpergleichgewichte sind beim N. acusticus §. 352 behandelt. 419. Gleichzeitige Einwirkung zweier Töne. Harmonie. — Schwebungen. — Disharmonie. — Differenztöne. Wenn zu gleicher Zeit zwei verschieden hohe Töne zum Ohre gelangen, so verursachen dieselben, je nach der Höhen- differenz beider, verschiedenartige Empfindungen. [§. 419.] Consonanz. Stösse. Disharmonie. 969 1. Verhalten sich die Schwingungszahlen beider Tone zu vollkommene einander wie die Vielfache zur Einfachen , also wie 1:2:3:4, Consonanz- so dass also , wenn der tiefere Ton eine Schwingung macht. der höhere 2 , oder 3 , oder 4 . . . . vollführt . so entsteht für unser Ohr der Eindruck vollendeter Harmonie oder Consonanz. 2. Stehen die Schwingungszahlen beider Töne nicht in Interferenz dem Verhältnisse der Einfachen zur Vielfachen, so müssen offen- dZhwin- bar , wenn beide Schwingungen gleichzeitig erfolgen . I n t e r- sangen. ferenzen entstehen. Es kann natürlich nun nicht mehr stets Wellenberg mit Wellenberg und Thal mit Thal zusammenfallen, sondern entsprechend der Grösse der Differenz beider Schwingungs- zahlen, muss es an gewissen Stellen zum Zusammentreffen von Wellenberg und Wellenthal kommen. Hierdurch wird also allemal. wenn Wellenberg und Wellenberg zusammenfallen , eine V e r- stärkung der Tonwirkung statthaben, wenn aber Wellenberg und Wellenthal sich treffen , eine Schwächung. Hierdurch ent- steht der Eindruck von Schwankung der Tonintensität, die man als „Stösse" oder „Schwebungen" (Battements) be- stösse oder zeichnet hat. **»»***. Die Zahl der Schwebungen ist natürlich stets gleich der Differenz zähl der der Schwingungszahlen der beiden Töne. Man nimmt die Stösse am deutlichsten /fssf oder wahr, wenn man zwei tiefe Unisono-Töne, z. B. von Orgelpfeifen, um etwas ver- stimmt. Man habe zwei Orgelpfeifen, die jede C mit 33 Schwingungen in 1 Secunde angiebt. Verstimmt man die eine Pfeife derart, dass sie 34 Schwingungen in 1 Secunde macht, so wird man jede Secunde einen deutlichen Stoss vernehmen. — Es ergiebt sich weiterhin sehr leicht , dass die Stösse oder Schwebungen um so seltener auftreten, je geringer die Differenz der beiden Schwingungszahlen ist, um so häufiger jedoch, je grösser diese Differenz ist. — Es sind weiterhin aber auch natürlich bei gleicher relativer Höhendifferenz beider Töne die Stösse um so spärlicher, je tiefer die beiden Töne liegen, — und um so häufiger, je höher beide sind. Wenn z. B. der Ton c mit 66 Schwingungen erklingt und ein zweiter mit 68 in 1 Secunde, so müssen offenbar 2 Stösse in 1 Secunde erfolgen (während im vorhergehenden Beispiele bei gleicher relativer Höhendifferenz nur 1 Stoss vernommen wird). Die Stösse oder Schwebungen bringen nun aber weiterhin verschiedene auf unser Ohr einen sehr verschiedenartigen Eindruck dungVm'dcr hervor , und zwar je nach der Schnelligkeit, mit welcher Schiebungen: sie hintereinander erfolgen. 1. Erfolgen dieselben in grossen Zeitabstäuden hintereinander, i. afe isoUrt so kann man dieselben völlig isolirt als einzelne Verstärkungen mit er'sms7e, * nachfolgenden Schwächungen wahrnehmen , sie bewirken somit die Empfindungen völlig isolirter Stösse. 2. Wenn die Stösse schneller auf einander erfolgen, so ruft 2. als die hierdurch bewirkte Ungleichmässigkeit die Empfindung des Rauhen, Wirren hervor , welche wir als disharmonische Empfindung bezeichnen. Der höchste Grad unbehaglicher, peinlicher Disharmonie findet statt, wenn innerhalb 1 Secunde 33 Schwebungen erfolgen. Das intensiv Unangenehme dieser Empfindung kann man passend mit dem unangenehmen Eindrucke des Flackerns eines Lichtes vor dem Auge vergleichen. Es ist ersichtlich, dass diese höchste Disharmonie bei 2 Tönen in tiefer Lage bei einer viel grösseren Höhendifferenz erfolgen muss , als hei 2 Tönen in hoher Tonlage. 970 Harmonie. Differenztöne. [§•419.] 3. als Fort- schreiten zu harmo- iiischeren Verhält- nissen. 4. Wirkung zweier Klänge. 5. Differenz- töne. Differer,ztön> höherer Ordnung. Summations- töne. 3. Erfolgen die Schwebimgen durch eine Zunahme der Differenz der Schwingungszahlen beider Töne häufiger (als 33 in 1 Secunde), so nimmt die Empfindung der grellen Disharmonie allmählich wieder ab, und zwar umsomehr, je häufiger die Schwebungen erfolgen. Die Empfindung schreitet dann von massig disharmonischen Tonverhält- nissen (die in der Musik eine Auflösung in den nachfolgenden Ton- verhältnissen verlangen) zu mehr und mehr consonirenden, endlich bis zu wohllautenden hinüber. Diese Tonverhältnisse sind nacheinander die Secunde, Septime, kleine Terz, kleine Sext, grosse Terz, grosse Sext, Quarte, Quinte. Da, wie gesagt, 33 Schwellungen in 1 Secunde die höchste Disharmonie verursachen , so ist ersichtlich , dass zur Entstehung von Disharmonie in tiefen Tonlagen die Töne in der Tonleiter weiter von einander entfernt liegen müssen, als in hohen Tonlagen. In tiefen Tonlagen kann so schon leicht die grosse Terz disharmonisch klingen ; in hohen Tonlagen klingen hingegen selbst nahe bei einander liegende Töne deshalb viel weniger disharmonisch , weil die Zahl der Schwebungen wegen der grossen Schwingungszahlen sehr bald die Zahl 33 weit übertreffen muss. Es klingen daher ganz im Allgemeinen wenig harmonische Musikgänge in hohen Lagen sehr viel weniger disharmonisch, als in tiefen. 4. Ganz ähnlich, wie mit zwei einfachen Tönen, verhält es sich mit zwei Klängen, welche gleichzeitig das Ohr treffen. Bei diesen kommen aber nicht allein die die Höhen bestimmenden Grundtöne in Betracht, sondern auch die Obertöne. Der Grad der Disharmonie zweier Klänge ist daher um so hervorstechender, je mehr die beiden Grundtöne und die Obertöne (und endlich die Differenztöne, von denen nunmehr die Rede sein wird) Schwebungen von gegen 33 in 1 Secunde hervorrufen. 5. Endlich können zwei gleichzeitig erklingende Töne oder Klänge noch zur Bildung neuer Töne Veranlassung geben , wenn sie gleichzeitig und gleichmässig in entsprechender Stärke erklingen. Man hört nämlich ausser diesen beiden Primärtönen oder Klängen bei gespannter A ufmerksamkeit einen dritten , neuen Ton , der die Schwingungszahl hat gleich der Differenz beider Primärtöne. Man nennt diese Töne „Differenz töne" [oder Andreas Sorge1 sehe, (1740) oder Tatini sehe Töne]. Erklingen z. B. 2 Töne im Verhältniss der Quinte (2 : 3) oder der Quarte (3 : 4), oder der Terz (4:5), so hört man zugleich als Differenzton den Grund- ton = 1. — Klänge, die reich an Obertönen sind, lassen sogar noch Differenz- töne höherer Ordnung vernehmen. Lässt man z. B. die Terz (zweier Metall- zungenklänge) in höherer Lage, nämlich 16 : 20 (= 4 : 5) erklingen, so hört man als ersten Differenzton leicht den Ton = 4 (Grundton). Dieser Ton 4 bildet aber mit 16 abermals einen Differenzton 2. Ordnung, nämlich 16 — 4 = 12. Ja mit Hülfe von Resonatoren vernimmt man noch sogar den Differenzton 3. Ordnung, nämlich 12 — 4 = 8. Durch v. Heimholt s wurde ferner gezeigt, dass ebenso auch neue Töne entstehen könnten durch Addition ihrer Schwingungs- zahlen (sog. Summationstöne). Diese sind jedoch schwer zuhören, am besten noch, wenn die beiden primären Töne der mittleren und tiefen Lage angehören und reich an Obertönen sind (Preyer, Appunn). Bei gleichzeitig angegebenen Klängen kommen auch noch die etwaige Harmonie der Differenztöne in Betracht. Im Dur-Accorde consoniren diese, — im Moll-Accorde findet Dissonanz der Differenztöne statt fv. Helmholtz). Daher trägt ersterer den Charakter des Bestimmten, Fertigen, Befriedigenden, während [§. 419.] Gehörs Wahrnehmung. Objectives und subjectives Hören. 971 letzterer in dem Gefühle des Unbefriedigenden , Trüben , Ringenden , welches er erregt, die Lösung in bestimmtere, harmonischere Verhältnisse erwünscht er- scheinen lässt. 420. Gehörswaliruehniuiig. — Ermüdung des Ohres. Objectives und subjectives Hören. — Mitempfindungen. — Acustische Nachempfindungen. "Werden die Erregungen der Nervenendigungen im Labyrinthe Verlegung durch einen psychischen Act auf die vorhandene Schallquelle in der acusHcus- Aussenwelt bezogen , so entsteht die o b j e c t i v e Gehörs wahr- ^re^un? c ' u nach aussen. nehmung. Es werden indess nur solche Erregungen nach aussen versetzt , welche durch Schwingungen der Luft auf das Trommelfell übertragen werden. Dies wird dadurch bewiesen , dass man beim Tauchen unter Wasser, bei gefüllten äusseren Gehörgängen, alle Schallschwingungen wie im Kopfe selbst entstanden empfindet (Ed. Weber), ebenso die eigene Stimme bei festverstopften Gehör- gängen, sowie auch die durch die Kopfknochen geleiteten Schallwellen. — Ueber die Richtung, aus welcher der Schall kommt, giebt die Wahr- jeweilige Stellung beider Gehörgänge gegen die Schallquelle hin716^.^. Anhalt, namentlich wenn zeitweilig durch Wenden des Kopfes diese riehtung. Richtung ausgekundschaftet wird. Die Richtung, aus welcher mit Geräuschen verknüpfte Klänge kommen , wird leichter erkannt , als die, aus welcher Töne herkommen (Ra/eigh). Bei gleich starker Erregung beider Ohren verlegen wir die Schallquelle in die Median- ebene nach vorn als eine, jedoch mehr nach derselben Seite hin, sobald ein Ohr stärker erregt wird (Kessel). Die Stellung der Ohr- muscheln, die wie Fangtrichter der Schallstrahlen functioniren, ist für die Taxirung der Richtung , aus welcher diese kommen , natürlich wichtig. Denn nach Ed. Weber unterscheidet man viel schwieriger die Schallrichtung, wenn die Muscheln fest dem Kopfe unmittelbar angedrückt gehalten werden. Setzt man ferner nach ihm beide Hohl- hände so vor die Muscheln , dass sie nach hinten offene Höhlungen abgeben , so hält man einen von vorn her erklingenden Schall leicht für einen aus rückwärts liegender Richtung kommendeu. Es scheint, dass weiterhin den Bogengängen die Function zukommt, über die Richtung des Schalles zu orientiren , indem ein aus einer bestimmten Richtung kommender Schall stets einen Bogengang (oder die gleichen beider Seiten) stärker als die anderen treffen muss. So wird z. B. der linke horizontale Bogen am stärksten erregt von einem horizon- tal von links herkommenden Schall-Stosse (Preyer). — Andere Forscher (Weber, Rogdesfrveiisky) geben dem Trommelfell die Rolle, den Schall zu localisiren . indem bestimmte Stellen desselben oft allein getroffen werden. Ueber die Entfernung der Schallquelle giebt die Stärke wahr- der Schwingungen Anhalt, die wir bei bekannten Schallarten durch "^SJJJJS- *r die Gewöhnung zu bestimmen gelernt haben ; doch sind vielfache en'/emung. Täuschungen nicht ausgeschlossen. Zu den subjectiven Gehörsempfindungen gehören : das Nachklingen, Suijective zumal intensiver iind anhaltender Klänge. Das Ohrensausen und 0 h r e n- Ge^f£f/in klingen, welches häufig in einer abnormen Blutbewegung im Ohre begründet 972 Acustisclie Nachempfindungen. — Vergleichendes. [§• 420.] Entotische Wahr- nehmungen. Ermüdung. Acustische Kachbilder. Secundäre Sinnes-Em- pfindungen . Erregung des Gehörs durch heterologe Reize. ist, könnte herrühren von einer mechanischen Reizung einer Acusticusfaser (etwa durch den Blutstrom) (Brenner). — Entotische Wahrnehmungen, die von Vorgängen herrühren , die innerhalb des Ohres selbst erfolgen , sind das Hören des Pulsschlages in den umgebenden Arterien und sausende Stromgeräusche des Blutes, besonders stark hörbar bei verstärkter Resonanz im Ohre (Ver- schluss des Gehörganges, der Pauke, oder Flüssigkeitsansammlung in letzterer), ferner bei gesteigerter Herzaction, oder bei Hyperästhesie des Acusticus (Brenner). Fernere entotische Erscheinungen sind knurpsende und knackende Geräusche im Kiefergelenke, — das Geräusch durch Muskelzug an der Tuba (siehe diese) und bei Eindringen von Luft in dieselbe , oder bei Einwärts- oder Auswärtspressen der Trommelfelle. (Vgl. weiterhin §. 352. Pathologisches.) Das Ohr zeigt die Erscheinungen der Ermüdung, und zwar beschränkt sich dieselbe nur auf jenea Ton oder jene Tongruppe, denen das Ohr ausgesetzt war, wogegen die Perceptionsfähigkeit des Ohres für andere Töne keine nach- weisbare Beeinträchtigung erleidet. Nach wenigen Secuuden tritt jedoch bereits vollständige Erholung wieder ein (UrbantschitschJ. Als acustische Nachempfindungen — kann man unterscheiden : — 1. solche, welche den positiven Nachbildern entsprechen und als „Nach- hall", „Nachklang" bezeichnet werden können, d. h. es ist die Nachempfin- dung so eng mit dem abgebrochenen Tone verbunden, dass beide einen einzigen Gehörseindruck in continuo verursachen. — 2. Es existiren auch solche acustische Nachbilder, bei denen sich eine Pause einschiebt zwischen das Ende des objectiven und den Beginn des subjectiven Tones f UrbantschitschJ . Als eine eigentümliche Art der Nachempfindung hat man nach langdauernder Einwirkung eines Tones ein minutenlanges Plätschern beobachtet (Preyer). — 3. Eine dritte Form der Nachempfindung möchte ich den negativen Nachbildern an die Seite setzen. Als solche möchte ich das Gefühl einer auffallenden Stille bezeichnen, welches ich bei mir nach Unterbrechung eines langdauernden, intensiven Schalles empfinde. Bei manchen Menschen ist die Wahrnehmung von Tönen mit dem Auftreten subjectiver Farben- oder Lichtempfindungen vergesellschaftet, z B. der Trompeten- ton mit der Wahrnehmung von gelb. Seltener beobachtet man Photismen dieser Art bei Erregung der Geschmacks-, Geruchs- oder Gefühls-Nerven {Sachs 1812, Nussbaumer , Lehmann &* Bleuler u. A.). Häufiger ist es, dass bei intensivem, scharfen Schall eine Miterregung von Gefühlsnerven statthat. Hierhergehört das Kälteschaudern , welches Manche beim Quitschen eines Schieferstiftes , oder bei ähnlichen Schrilltönen empfinden. Nach Urbantschitsch bestehen zwischen allen Sinnesorganen analoge Wechsel- beziehungen : Beschattung der Augen schwächt meist das Hören, subjective Gehör- empfindungen werden durch Licht meist gesteigert , Geschmacksempfindungen werden durch roth und grün oftmals gesteigert u. dgl. (Vgl. §. 349, Schluss.) Farben- blinde zeigen auch typische Defecte des musikalischen Sinnes : Grünblinde ver- wechseln beim Hören und bei der Wiedergabe mit dem eigenen Stimmapparat andere Töne als Rothblinde (Albertoni). Oft beobachtet man , dass die , dem einen Ohre zugeführten Hörimpulse zugleich eine Steigerung der Hörfunction auf der anderen Seite, in Folge einer Erregung der akustischen Centren beider Seiten, hervorrufen (Urbantschitsch, Eitelberg. . Der Gehörapparat kann ausser durch Schallschwingungen auch noch durch andere, heterologe Reize erregt werden. Mechanisch wird er erregt bei plötzlichem Schlag oder Stoss gegen das Ohr. Setzt man luftdicht die Finger- spitze in den Gehörgang und macht eine zitternde Bewegung, so vernimmt man durch die Verdichtung und Verdünnung der Luft im äusseren Gehörgange ein singend klingendes Geräusch. — Ueber die Erregung durch Elektricität und über pathologische Erregungszustände ist §. 352 berichtet. 421. Vergleichendes. — Historisches. Fische. Die niedrigsten Fischformen, die Cyclostomen (Neunaugen), besitzen nur ein borstentragendes, otolithenhaltiges Säckchen mit zwei Bogengängen ; die Myxinoiden haben sogar nur einen Bogengang. Die meisten übrigen Fische führen jedoch den Utriculus mit drei halbcirkelförmigen Canälen in typischer Ausbildung. Die Knochenfische haben sodann die erste Andeutung des , vom Sacculus aus- [§•421.] Vergleichendes. Historisches. 973 gehenden Schneckencanales ; Hasse in der Brechet' sehen Cysticula (Fig. 296 V C). Bei den Karpfen und Welsen stehen hintere Verlängerungen und Aus- buchtungen des Labyrinthes durch eine Kette von drei Gehörknöchelchen mit der Schwimm blase in Verbindung. Bei einigen Häring- und Barsch- artigen Fischen stossen blasenartige Fortsetzungen der Schwimmblase mit dem Labyrinthe ent- weder unmittelbar, oder doch ziemlich nahe zusammen. — Die Amphibien Amphibien. stehen im Allgemeinen im Labyrinthbau den Fischen ziemlich nahe, namentlich fehlt ihnen noch ein typischer Ausbau der Schnecke. Die meisten von ihnen (ausser dem Frosch) entbehren der Trommelhöhle. Es existirt nur die Fenestra ovalis (nicht auch die rotunda), welche beim Frosche durch drei Gehörknöchelchen mit dem freiliegenden Trommelfell in Verbindung steht. — Bei den Reptilien Reptilien. gewinnt der , dem Schneckencanale entsprechende Anhang des Sacculus bereits eine hervorstechendere Gestalt, bei den Schildkröten zwar noch einfach sackförmig, bei den Krokodilen aber länger, bereits etwas gpkrümmt und am Ende erweitert. Bei allen Reptilien existirt zuerst auch das runde Fenster, wodurch die Schnecke mit dem Vorhof in Verbindung steht. Die Schnecke ist bereits in eine Scala tympani und Sc. vestibuli getheilt bei den Krokodilen und Vögeln. Die Schlangen haben keine Trommelhöhle. — Bei den Vögeln kommt es zu einer Verschmelzung Vögel. beider Säckchen (Fig. 296 IV U S) Hasse,; der Schneckencanal (UCj, welcher mittelst einer feinen Röhre (C) mit dem Säckchen vereint ist, ist schon länger, er kann Andeutungen spiraliger Anlagerungen zeigen und besitzt ein flaschen- förmiges, blindes Ende, die Lagen a (L) ; (ebenso bei den Krokodilen) (Windisch- mann . Die Gehörknöchelchen sind bei Reptilien und Vögeln auf ein säulenartiges reducirt , welches dem Steigbügel entspricht und Columella heisst. — Die niedersten Säuger (Echidna, Schnabelthier) stehen der Bildung beim Vogel noch Säuger. mehr nahe; die höheren Säuger jedoch zeigen den Typus der Bildung des Gehörganges wie der Mensch (Fig. 296 HI). — Bei den Walen ist die Tuba stets offen. — Nach G. lutzins besitzen alle Vertebraten als Endorgane des Gehörnerven sogenannte Haarzellen. Unter den Wirbellosen — ist das Gehörorgan in einfacher Form bei einigen Wirbellose. Medusen, Ringelwürmern und Weichthieren bekannt. Es ist ein rundes, mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen, an dessen Wand sich der Hörnerv mit gangliöser Anschwellung befestigt. Im Innern trägt die Bläschen wand mit Wimpern versehene Zellen (Hörzellen), welche entweder nur einen, concentrisch geschichteten Otolithen, oder zahlreichere, krystallinische, in Bewegung begriffene erhalten. Die Otolithen bestehen aus einer organischen Grundlage, die von Kalk- salzen imprägnirt ist. Bei den Medusen liegen die Gehörbläschen in dem Rande des Schirmes (Randkörper). (Vgl. pg. 939.) Nach neueren Anschauungen sollen jedoch die stets labil angebrachten Otolithen das Gleichgewicht des Thieres reguliren, indem sie bei jeder Abweichung der Haltung stärker nach einer Seite hin auf die Grundlage drücken 'Yves, Delage, Enge/mann . Bei den Weichthieren liegen die Gehörorgane seitlich am Schlundring Mollusca. und stehen bei einigen durch ein Röhrchen mit der Körperoberfläche in Verbindung (Helix). — Bei den Krebs thieren finden sich theils geschlossene, theils ofiene Crustacea. Otolithensäckchen. Die, mit Nerven versehenen, gefiederten Gehörborsten von ver- schiedener Grössenabstufung tragen die Otolithen. Von demselben Nervenstamme versorgt , finden sich noch andere Hörborsten auf der Körperoberfläche , an den Fühlern und am Schwänze. Wird ein Schall in das Wasser geleitet, so sah Sensen einzelne Borsten in Vibration gesetzt werden, die gleichsam auf verschiedene Tonhöhen abgestimmt sind. Die innere Membran der Gehörblase geht bei jeder Häutung verloren, und die Thiere ersetzen dann durch Sandkörnchen willkürlich ihre Otolithen. — Bei den Insecten deutet man als Gehörorgan (v. Siebold) ein inseeta. Trommelfell, dem eine Tracheenblase anliegt, zwischen denen man eine gangliöse Nervenausbreitung antrifft. Bei den Akridiern (Grille) liegt es über der Basis des dritten Fusses , bei den Heuschrecken in den Tibien der Vorderfüsse , bei den Käfern in der Wurzel der Hinterflügel und bei Fliegen an der Schwingkölbehen- basis. Doch sind auch in den Fühlern H. Landois mit gangliösen Fasern in Verbindung stehende Borsten und noch andere Gebilde als Gehörorgane gedeutet: „Hörstifte" der Arthropoden Leydigi . — Bei den Cephalopoden , deren Ohr cephalopoda. mit dem Kopfknorpel in Verbindung steht, unterscheidet man bereits die ersten Anfänge eines häutigen und knorpeligen Labyrinthes. Der Nerv tritt an eine Horn- Platte oder -Leiste, auf denen haartragende Epithelien die Endorgane darstellen. 974 Das Geruchsorffan. [§■421.] Historisches. — Empedokles (473 v. Chr.) setzt in die Schnecke die Gehörs- empfindung. Der Hippokrates,soh&-o. Schule ist das Paukenfell wohlbekannt; Aristoteles kennt (384 V. Chr.) die Eustachius' sehe Trompete. Nach Cassius Felix (97 n. Chr.) soll während des Gähnens das Hören erschwert sein. Vesal (1571) beschreibt den M. tensor tympani, Ingrassias (1544) den Steigbügel ; er setzt die Thätigkeit des Tensor mit dem genauen Hören in Verbindung. — Cardanus (1560) erwähnt zuerst der Gehörleitung durch die Kopfknochen. Genauere Beschreibungen von feineren Ohrtheilen liefert Fallopia (1531), welcher den Vorhof, die halbcirkel- formigen Canäle, die Chorda tympani, die zwei Fenster, die Schnecke und den Aquaeductus beschrieb, — Eustachius (f 1570) den Modiolus und die Scala ossea der Schnecke, die Tuba, sowie die Muskeln der Ohrmuschel, Plater die Ampullen (1583), Casseri (1600) die Lamina spiralis membranacea Cochleae. Sylvius de le Bo'e entdeckte (1667) das nach ihm benannte Knöchelchen , Vesling- (1641) den M. stapedius. — Mersenne (1618) kannte bereits die Obertöne ; Gassendus berichtet zuerst (1658) über die Schnelligkeit des Schalles; Follius beschreibt genauer (1645) das häutige Labyrinth und den nach ihm benannten Hammerfortsatz. — Tulpius (1641) erwägt die Möglichkeit des Luftdurchdringens durch die Ohren , (bei durchlöchertem Trommelfell) [was merkwürdigerweise Alkmäon (580 v. Chr.) bei den Ziegen als normal angiebt]. Weiterhin wurde vielfach über das etwaige Vorhandensein eines normalen Loches im Trommelfell (Foramen Eivini) ge- stritten. Scarpa zergliederte auf's Neue das Ohr mit Meisterschaft. Berzelius untersuchte chemisch das Ohrenschmalz , Krimer das Labyrinthwasser. Nach Authenrieth sollten die drei, verschieden gestellten, halbcirkelförmigen Canäle den Schall aus der betreffenden Richtung wahrnehmen helfen. Die Acustik wurde wesentlich durch Chladni (1802) gefördert. Das gehaltreichste Werk über das Gehörorgan der Wirbelthiere schrieb G. Retzius (1881 — 84). Das Geruchsorgan. 422. Bau des Greruchsorganes. Die Regio Das Gebiet der Endausbreitung des Geruchsnerven, die Regio olfactoria, olfactoria. unifaggt den oberen Theil des Septums, die obere (Fig. 300 Cs) und theilweise Fig. 293. Fi«:. 300. P.s./x h N Riechzelle vom Menschen , n vom Frosche, E Epithel der Regio olfactoria. Nasenhöhle und Nasenrachenraum. L Levator- wulst, P- s. p, Plica salpingo-palatina, — P- s. ph. Plica salpingo-pharyngea. — Cs, Cm, Ci die drei Muscheln, nach Urbantschitsch. die mittlere (C m) Muschel. Die ganze übrige Partie der Nasenhöhle wird als Bau Regio respiratoria bezeichnet. Der Unterschied beider Regionen ist folgender : derselben. 1. Die Regio olfactoria besitzt eine dickere Schleimhaut; — 2. sie trägt [§. 422.] Geruchsempfindung. 975 [während die Regio respiratoria ein mit Beeherzellen gemischtes, geschichtetes Flimmerepithel führt] ein einschichtiges Cy lindere pithel (Fig. 299 E), deren oft wurzelartig verzweigte Fussenden (namentlich bei Thieren) ein gelb- liches bis braunrothes Pigment enthalten, wodurch — 3. die Riechregion sich durch besagte Färbung auszeichnet; — 4- sie enthält ferner eigenthümliche keulenförmige Schlauchdrüsen (ßoTuman'sch.e Drüsen), welche als „ge- mischte" Drüsen (§.146) zu bezeichnen sind (Paulsen} , während die Pars respiratoria acinüse Dräschen führt. Nach A. Heidenhain sind letztere seröse, nach Stöhr (beim Menschen) gemischte Drüsen. Lymphfollikel liegen in der Schleimhaut unter dem Epithel , aus ihnen wandern zahlreiche Leucocyten auf die freie Fläche (Stühry. — 5. Endlich umfasst die Regio olfactoria natürlich die Spezifische Endapparate des N. olfactorius , Max Schultze). Zwischen den langen Eadapparatt. Cylinderepithelien (E) der Oberfläche liegen die Riechzellen (N) zerstreut. Ein spindelförmiger Zellenleib mit grossem, Nucleolus-führenden Kern sendet aufwärts zwischen die Cylindorzellen ein 0.9 bis 1 ,8 ;-«- breites, glattes Stäbchen bis zur freien Schleimhautfläche. Beim Frosch (n) trägt das freie Ende noch zarteste, vorstehende Härchen. In die Tiefe der Schleimhaut geht die Riechzelle in einen varicösen, feinsten Nervenfaden über, der in die Nervenfasern des Olfactorius überleitet (§. 323. I. 1). Nach C. K. Hoffmann 6° Exner verwandeln sich nach Durchschneidung der Riechuerven die specifischen Endapparate in ein flimmerloses Cylinderepithel (Frosch) , bei Warmblütern zerfallen sie fettig ; aber mit ihnen zugleich zeigen die zwischenliegenden Epithelien Zeichen der Entartung Hoffmann, Christmas-Dirckink-Holmfeld, Lustig). 423. (jeruchsempfindimg. Die Geruchsempfindung wird vermittelt durch die Ein- EArlr^ wirkung gasförmiger, duftender Substanzen, die direct mit den Riechzellen in Contact kommen . indem sie ganz vornehmlich bei der Inspiration in die Nase treten. Beim Einathmen strömt die Luft hart am Septum entlang, nach aufwärts unter dem Nasenrücken und unter dem Dach der Nasenhöhle einher und fällt dann im Bogen nach hinten und unten herab ; nur wenig Luft geht durch die Nasengänge , zumal durch den obersten (Paulsen & Exnej-, Kayser). Duftende Stoffe, vom Munde aus aufgenommen und dann durch die Choanen exspirirt . können gleichfalls, wenn auch weniger gut, gerochen werden (Aronsohn). Der erste Moment der Berührung der riechenden Substanz mit den Rieehzellen scheint der, für die Empfindung wirksamste zu sein, daher man denn auch bei genauem Beriechen diese in- spiratorischen Züge bei geschlossenem Munde oft schnell wieder- holt: Schnüffeln (§. 126. 4). Bei letzterem verdünnt sich die Luft in den Nebenhöhlen der Nase, und. indem nachher die Luftdichtigkeit sich ausgleicht, vermögen die duftenden Dämpfe über die ganze Region hinwegzustreichen (Braune & Clasen), Ueber die Natur der Einwirkung der riechenden Stoffe herrscht völliges Dunkel; bei vielen duftenden Dämpfen ist ein bedeu- tendes Absorptionsvermögen für Wärme beobachtet (Tyndall). Die Intensität der Empfindung hängt ab: — 1. Von der i»te>isität der Grösse der berührten Fläche, weshalb man bei Thieren mit t-">i'-n'"1""^ grosser Feinheit des Geruchs Vermögens (z. B. Seehund) oft er- staunlich faltenreiche, von der Riechhaut überzogene Muscheln findet. — 2. Von der Häufigkeit der Zuleitung der Dämpfe zu den Riechzellen (Schnüffeln). — 3. Von der Concentiation des 976 Vergleichendes. Historisches. [§. 423.] duftenden Lnftgemisches ; doch können manche Stoffe in über- raschender Verdünnung gerochen werden. Feinheit der 'ü.a.n riecht noch folgende Stoffe: Brom Vsoooo» Schwefelwasserstoff Vgoooco Nase. Milligr., wenn sie in 1 Ccmtr. Luft enthalten sind (Valentin). Man riecht noch von Chlorphenol Y-ieooooc , ™n Mercaptan 1/460oooooo von 1 Milligr. (E. Fischer b° Penzoldt). Duftende Stoffe in indifferenten Lösungen vertheilt (z. B. 0,73°/o- Koch- salzlösung) und in die Nase eingefüllt , erregen ebenfalls Geruch. — Durch an- dauernde Geruchseinwirkungen ermüdet der Olfactorius nach wenigen Minuten ; der ermüdete Nerv kann sich jedoch schon nach 1 Minute wieder erholen (Aronsohn) . Elektrischer Durch Einführung einer E 1 e k t r o d e in die mit 0,73% Kochsalzlösung ge- Gemch. füllte Nase fand Aronsohn eine specifische Geruchsempfindung : Schliessungs- kathoden- und Oeffnungsanodengeruch. Inducirte Ströme sind wirkungslos. — Mechanische oder thermische Reize lösen keine Geruchsempfindung aus. Eimrirkung Ueber Abweichungen der Geruchsempfindungen siehe §. 345. — Werden zweier Düfte, b e i d e Nasenhöhlen mit verschiedenen duftenden Substanzen erfüllt, so erfolgt bei manchen keine Mischung der Gerüche, sondern bald herrscht der eine, bald der andere vor (Valentin1, — bei manchen erfolgt jedoch ein Mischgeruch (Aronsohn;. — Viele Gerüche machen einander völlig schwinden, wenn sie gleich- zeitig dem Geruchsorgan zugeleitet werden , z. B. bittere Mandeln und Moschus, Kautschuk und Wachs. Man kann hierbei entweder beide Düfte in die beiden Nasenlöcher aufnehmen, oder sie in ein und dasselbe eintreten lassen (Zzuaardemakerj . Sonstige Die äusserst empfindlichen s e n s i b 1 e n Nerven der Nasenhöhle (§. 349. II.) Functionen werden von manchen stechenden Dämpfen schmerzhaft erregt-, z. B. von Ammoniak und Essigsäure ; letztere wirkt sehr verdünnt auch auf die Riechnerven. — Die Nase ist als Wächter für schlechte Athmungsluft und Speisen wichtig. — Viel- fach unterstützt der Geruch die Empfindungen des Geschmackes, und umgekehrt. oi/actometer. Zur Prüfung der Geruchsschärfe verwendet Zwaardemaker das „Olfactonieter", d.h. einen Hohlcylinder von duftender Substanz . (z. B. vulcanisirter Kautschuk), durch den hindurch man die Luft in das Nasenloch einzieht. In diesen kann ein nicht riechendes Rohr hineingeschoben werden, so dass eine beliebige Strecke der Duftfläche verdeckt wird. Die Intensität der Gerüche ist bei Anwendung des Apparates den verwendeten Cy linderlängen proportional. Ter- Vergleichendes. — Bei den niedersten Vertebraten stellen Grübchen, gleichendes. zu welchen der Riechnerv tritt , den Typus des Geruchsorganes dar. Amphioxus und die Cyclostomen haben nur eine Riechgrube, alle anderen Vertebraten zwei. Bei vielen Selachiern tritt eine Verbindung der Riechgrube mit dem Munde durch eine Rinne auf. Bei den Fröschen dringen die Geruchsorgane durch kurze Gänge in die Mundhöhle. Bei den höheren Wirbelthieren entwickelt sich mit dem Gaumen die mehr und mehr selbständig werdende Nase. Ausserordentlich ausgebildet durch das Vorhandensein von 4 Riechnerven ist der Geruchsapparat der Amphibien-Gruppe der Gymnophionen , bei denen andererseits Ohren und Augen verkümmert sind (Wiedeisheim, Waldschmidl). Den Cetaceen fehlt der Olfactorius. — Cephalopoden haben wimpernde, mit Riechzellen ausgestattete Riechgruben hinter den Augen ; der Olfactorius entspringt neben dem Opticus. — Auch bei den Mollusken hat man wimpernde Stellen als Riechorgane ange- sprochen. — In den Fühlern und den Palpen liegen die Geruchswerkzeuge der Arthropoden (Leydig) ; in ersteren als Haargebilde in Verbindung mit einem Ganglienkörper und Nerv fKraepelin). Speciell bei den Krebsen liegt das Geruchs- organ in dem äusseren Arm der Antennulla (Hensen 6° May). — Wimpernde, seichte , oder flaschenförmige Gruben , von Nerven versorgt , deutet man als die Geruchswerkszeuge höherer Würmer. — Alle übrigen Thiere scheinen besonderer Organe zu entbehren. Bistorüches. Historisches. — Theophrast (geb. 311 v. Chr.) betont die stumpfe Geruchs- ausbildung bei Menschen ; die Thiere erfreuten sich nur am Gerüche ihrer Nahrung. Starke Düfte erregen Kopfschmerzen ; viele duftende Salben verursachen riechen- den Harn. Zwischen Geruch und Geschmack herrschen vielfache Beziehungen. — Rufus Ephesius beschreibt den Durchtritt der Riechnerven durch das Siebbein [§.423.] Sitz und Bau der Geschmacksorgane. 977 (97 nach Chr.). — Nach Galen hat der Geruchsiun in den Hirnhühlen seinen .Sitz. Der Mönch Theophüus Protospatharius (Ende des 8. Jahrb.) spricht den Olfactorius als Geruchsnerven an. Radius (1600) secirte einen Menschen mit angeborener Anosmie , dem die Olfactorii fehlten. — Diernenbroeck (1672) und Mery hielten den Quintus für den Geruchsnerven. — Treviranus glaubte irr- thümlich, dass der N. nasopalatinus Scarpae physiologisch das Geruchsorgan mit dem Geschmack sorgan verbinde. Magendie wollte anfänglich beweisen , dass die Nasenäste des Trigeminus die Riechnerven seien ; dies bestritt mit Erfolg Eschricht. Meisterhaft beschrieb Sömmering das Geruchsorgan, Cloquel ausführlich die ver- schiedenen Arten der Gerüche. Das Geschmacks organ. 424. Sitz und Bau der Geschmack sorgaue. Ueber den Umfang derjenigen Gegend , an welcher die s-.hmeckeade Geschmacksempfindung statt hat, herrschen noch manche wider- egm sprechende Ansichten, und zwar je nachdem man den verschiedenen, in Betracht kommenden Nerven Geschmacksfasern zugesprochen Fi». 301. W ____ R ... --r~\ .T' \v*\2 I Querschnitt durch eine umwallte Papille ; W die Papille , v, v, der Wall im Querschnitt; — HH die ringförmige Spalte; — KK die Geschmacksknospen in ihrer Lage ; — -V .v Nerven. — // Isolirte Geschmacksknospe ; D Deckstücke, A' unteres Ende , E freies , offenes Ende mit hervorstehenden Spitzen der Ge- schmackszellen. — lll Isolirte Deckzelle (d) und Geschmackszelle (e). hat, oder nicht. — 1. Unzweifelhaft ist die Zungenwurzel im Bereich der Papulae circumvallatae. dem Verbreitungsbezirke des Nervus glosso-pharyngeus . mit Geschmack begabt (§. 353). — 2. Auch die Zungenspitze und die Ränder (Sdiirmer, KlaatscJi & Stich, Neinnann) schmecken vermittelst der meisten Papulae fungiformes — (die filiformes und etwa 20° 0 der fnngiformes ( Oehrzvall) sind unempfindlich für den Geschmack) — jedoch mit vielfachen, individuellen Schwankungen (Urbantschitsch)% und so. dass oft nicht alle Arten des Geschmackes statthaben (Lussami). [Ueber die Beziehungen der Nerven zu diesen Stellen ist beim Landois, Physiologie. 7. Aufl. 62 978 Geschmacksempfindungen. [§. 424.] X. lingualis und bei der Chorda tympani nachzusehen.] — 3. Der Seitentheil des weichen Gaumens und der Arcus glosso-palatinus (Joh. Müller, Drielsma , Schirmer, Klaatsch & Stick) besitzen Geschmack durch den N. glosso-pharyngeus ; — ob aber auch 4. der harte Gaumen (Drielsma) und der Kehlkopfeingang Geschmacksempfindung besitzen, ist unsicher ; — der Zungenmitte wird sie von den Meisten abgesprochen. Verbreitung Als Endapparate der Geschmacksnerven gelten die, von Schwalbe und Geschmacks- ^ov^n (1867) entdeckten, Geschmacksknospen oder Schnieckbecher. knospen. Man fan(l diese in den Seitenflächen der umwallten Papillen (Fig. 301 I), sich gegen die capillare Spalte ER der umgebenden Furche wendend, seltener auf der Fläche derselben und in der zugewandten Seite des Walles, — ferner auf den Papulae fungiformes, — in den Papillen des weichen Gaumens und an der Uvula (A. Hoffmann), aber auch (!) auf der Unterfläche des Kehldeckels, den oberen Theilen der Kehlkopfhinterfläche und der Innenseite der Aryknorpel Bau der (Verson , Davis) und auf den Stimmbändern (Shnanowsky). Im Alter sollen ^knoTet*1' viele KnosPen untergehen (A. Hoffmannl. — Die 81 ^ hohen und 33 [i dicken Knospen- oder Fass-förmigen Schmeckbecher sind in dem dicken, geschich- teten Plattenepithel der Zunge eingebettet. Man unterscheidet an ihnen gebogene, lancettförmige, gekernte Deck- oder Stütz-Zellen, die, wie die Dauben eines Fasses , die Begrenzung der Knospe bilden (Fig. 301 II D ; isolirt III d). Sie umgeben gegen die freie Fläche hin eine Oeffnung, den „Porus". Um- schlossen von diesen Zellen Hegen in der Achse der Knospe 1 — 10 Geschmacks- zellen (II E), die theils nach oben einen freien, zarten Fortsatz tragen („Stift- zellen") (III e), theils diesen entbehren („Stabzellen"). Zarteste, basale Fila werden als die Verbindungsfäden zu den , marklos gewordenen , plexusbildenden Geschmacksnerven gedeutet. Nach Durchschneidung des N. glossopharyngeus gehen die Schmeckbecher zu Grunde, wobei sich ihre Deckzellen in 4 Monaten in ge- wöhnliche Epithelzellen umwandeln (v. Vintsch^au äf Hönigschmied). — [Den Geschmacksknospen sehr ähnliche Gebilde fand Leydig in der Haut von Siiss- wasserfischen als sogenannte becherförmige Organe.] Die Drüsen der Zunge, deren Secretionsfasern der 9. Hirnnerv abgiebt (Drasch), siehe §. 146, — die Follikel ebendoit. 425. Geschmacksempfindungen. Qualitäten Es giebt v i e r verschiedene Geschmacksqualitäten : die Geschmacks- Empfindung des Süssen, Bitteren, Sauren und Salzigen. empfindung. Saure und salzige Substanzen wirken zugleich auch reizend auf die Gefühlsnerven der Zunge, in grösster Verdünnung wirken sie aber nur geschmackserregend auf die Endigungen der specifischen Geschmacksnerven. Wahrscheinlich existirt für jede Geschmacks- qualität (im Sinne der Lehre von den specifischen Energien) eine besondere, empfindende Fasergattung (v. Vintschgau). 0 ehrwall, und nach ihm Goldscheider äf H. Schmidt, fand unter den pilz- förmigen Papillen solche, welche auf Zucker, aber nicht auf Weinsäure, solche, welche auf Chinin, aber nicht auf Weinsäure und solche, welche auf Chinin und nicht auf Zucker reagiren. Durch elektrische Reizung der einzelnen Papillen konnte unterschiedlich bitterer, salziger oder süsser Geschmack erregt werden. Bei constantem Strome war die reinste Empfindung an der Anode. Der bei elektrischer diffuser Reizung auftretende sogenannte „metallische" Geschmack ist eine Mischempfindung aus bitter, salzig und sensibler Erregung. Bei anhaltenden Geschmacksreizen zeigten sich Ermüdungssymptome für einzelne Geschmäcke. Dieser Befund kann mit Leichtigkeit durch die Annahme speci- fischer Endapparate für die verschiedenen Geschmackskategorien erklärt werden , welche in relativ verschiedener Anzahl auf verschiedenen Papillen vor- kommen. [§. 425.] Geschmacksempfindungen. 979 In Betreff der Art der Erregung der Geschmacksnerven sind wir seit Demokrit (469 v. Chr.j. welcher den Geschmack von der Form der schmeckenden Atome herleitete , eigentlich um Nichts weiter gekommen. Zur Einwirkung ist nothwendig eine Lösung des Körpers in der Mundflüssigkeit, vornehmlich also der, bis dahin festen, oder auch gasförmigen Substanzen. Die Intensität der Geschmacksempfindung hängt ab : — 1 . Von der Einflüsse auf Grösse der afficirten Fläche, wie namentlich Camerer Gesctmacks- feststellte, als er auf 1, 2, 3, 4 umwallte Papillen die schmeckende ^pflndung. Substanz brachte. Durch Einreiben der letzteren in die Furchen und zwischen die Papillen (reibende Zungenbewegung beim Schmecken) wird die Empfindung erleichtert (vgl. §.356). — 2. Von grossem Einfluss ist die Concentration der Schmeck- substanz. Valentin fand folgende Reihe von Körpern, von denen die ersteren bei fortgesetzter Verdünnung am ehesten un- schmeckbar wurden: Syrup , Zucker, Kochsalz, Aloe, Chinin, Schwefelsäure. Chinin kann noch 20mal stärker verdünnt werden, als Kochsalz, um noch geschmeckt werden zu können (Camerer). — 3. Die Zeit, welche verstreicht zwischen der Application der Substanz und dem Eintritt der Empfindung, ist verschieden für die verschiedenen Substanzen. Am schnellsten wird Salz geschmeckt (nach 0*17 See, v. Vintschgau) , dann süss, sauer und bitter (Chinin nach 0*258 See, v. Vintschgau) ; dieses findet auch statt aus Gemischen (Schirmer). Die letztgenannten Stoffe erzeugen den längsten „Nachgeschmack"'. — 4. Die Fein- heit des Geschmackes ist zunächst angeboren und kann sehr geübt werden. Längeres Schmecken derselben, oder verwandter, oder sehr intensiver Schmeckstoffe stört sehr schnell das richtige Urtheil des Geschmackes. — 5. Vielfach unterstützt der Geruch den Geschmack, und es kommt so oft zu Täuschungen auf beiden Gebieten: (Aether. Chloroform, Pfefferminze. Moschus. Asa foetida riechen nur, — ohne eine gleichzeitige Geschmacks- empfindung zu erregen). Sogar das Auge vermag durch Erre- gung von Vorstellungen bekannter Geschmäcke den Geschmack zu unterstützen (abwechselndes Probiren von rothem und weissem Wein mit verbundenen Augen macht schnell unsicher). — 6. Die vorteilhafteste Temperatur zum Schmecken liegt zwischen 10° — 35° C. (Camerer) ; heisses und kaltes Wasser heben vorüber- gehend den Geschmack auf. Auf die Zunge gelegtes E:s unterdrückt zeitweise das ganze Geschmacks- vermögen, Cocain allein den bitteren Geschmack, das Kanen der Bialter von Gyranema sylvestre den bitteren und süssen. ^° , . Schwefelsaure lässt später genommenes Wasser süss erscheinen Aducco cv Mosso). — Bei Kindern und Nahrung verweigernden Geisteskranken ermöglicht mitunter ein gleichzeitiger angenehmer Duft das Nehmen von ihnen widerwärtigen Substanzen. Der constante elektrische Strom — erregt sowohl bei Schluss und Wirkung de* Orfft'nung, als auch während der Dauer des Stromes am + Pol sauere, am — Pol e;«i'''"'-s«Aen laugenartige, alkalische, oder richtiger her h - b renn en d e Empfindung Sulzer, 1752). Es kann dies nicht von der Einwirkung der Elektrolyse d r Bfondflüssig- keit herrühren, denn wenn auch die Zunge mir sanier Flüssigkeit benetzt war. hens'ht doch am — Pol der Laugengeschmack Volta . Nicht abzuweisen ist die Vorstellung, dass sich an den Nervenfasern iu der T i e f e Elektrolyt« abscheiden, 62* 980 Geschmacksempfindungen. — Vergleichendes. Historisches. [§. 425.] Patho- logisches. Ver- gleichendes Historisches. ■welche die Fasern erregen. Schnell intermittirende Ströme verursachen keine Geschmacksempfindung / GrünhagenJ. Die neuesten Versuche von v. Vintschgau, der an seiner Zungenspitze nur unvollkommenen Geschmack besitzt, zeigten diesem, dass nie bei elektrischer Durchströmung der Spitze eine Geschmacks- empfindung eintrat (wohl deutliche Gefühlswahrnehmung). Bei Versuchen an Honigschmied, der normalen Geschmack der Zungenspitze hat, zeigte sich an der Spitze am -f- Pole häufig metallischer Geschmack, nicht selten auch säuerlicher, am — Pole fehlte oft der Geschmack ; war er vorhanden, so war er fast stets alkalisch, ausnahmsweise säuerlich. Wichtig ist die Er- scheinung, dass nach Unterbrechung des Stromes sich ein metallischer Nachge- schmack bei beiden Stromesrichtungen zu erkennen gab. Pathologisches. — Krankheiten der Zunge, Zungenbelag, Trockenheit stören oder vernichten die Empfindung. Subjective Geschmäcke kommen vor bei Geisteskranken und Nervenleidenden wohl als Reizung des psychogeu- sischen Centrums (§. 380- IV. 3); nach Santonin-Intoxication (RoseJ sah man bitteren, nach subcutanen Morphingaben bitterlichen und säuerlichen Geschmack eintreten Bdigel, Wertlich, Eulenbur^l. Mit Hypergeusie, Hypogeusie und Ageusie bezeichnet man Steigerung, Schwächung und Verlust der Geschmacks- empfindungen. Mancherlei Tastempfindungen an der Zunge werden oft mit Ge- schmacksempfindungen verwechselt , z. B. sogenannte beissende , kühlende, prickelnde, sandige, mehlige, pappige, zusammenziehende, herbe Geschmäcke. Vergleichendes. — Beim Binde kommen bis 1760 Geschmacksknospen auf eine Papilla circumvallata. Als Papilla foliata wird ein grosses, faltenreiches Schmeckorgan an dem seitlichen, hinteren Zungentheil, z. B. des Kaninchens, beschrieben (Rapp 1832, J. F. C. Mayer 1842), das beim Menschen am hinteren Seitenrande der Zunge in den Fimbriae linguae ein aus parallelen Furchen be- stehendes Analogon hat (Krause, v. WyssJ. Reptilien und Vögel entbehren der Schmeckbecher ; die Mundkiemenhöhle der Froschlarven, ist reich an ihnen (F. E. Schuhe , doch ist die Zunge des erwachsenen Frosches nur mit einem, an Geschmacks- zellen erinnernden Epithel bekleidet (Billroth , Axel Keyj. Die becherförmigen Organe in der Oberhaut der Fische und Froschlarven (Leydig) sind den Schmeckbechern gleich gebaut und functioniren vielleicht ihnen ähnlich {F. E. Schulze). Am Gaumen des Karpfen und im Munde der Haie und Rochen liegen Geschmacksknospen. Die Zunge der Cyclostomen dient als Saugapparat, die der übrigen Fische entbehrt der Muskeln. Salamandrinen und die meisten Anuren können die Zunge aus dem Munde hinausklappen und wieder zurücklegen. Bei vielen niederen Verte- braten dient der Zunge als Stütze das Os entoglossum, an dessen Stelle bei den höheren die Cartilago sive septum linguae tritt. — Die Nervenendigungen am Rüssel (Fliegen), Kiefer und Zunge (Ameisen), Gaumen und Epipharynx sind der Sitz des Geschmacksorganes bei den Insecten (Forel). Auch bei den Schnecken fand man Geschmacksorgane (Hallerj. Historisches. — Bellini erklärt die Papillen der Zungenwurzel für die Geschmacksorgane (1711). Baur beschrieb zuerst genauer den Verlauf und die Theilung der Muskeln in der Zunge. Rudolphi erklärte den Verlauf der Nerven. Elsässer gab an (1834) , dass der Geschmack aller Substanzen auf den Papulae vallatae und am hinteren Seitenrande der Zunge am intensivsten sei. Richerand, Fodera , Mayo bezeichneten allein den Lingualis für den Geschmacksnerven; Magendie zeigte aber, dass nach seiner Durchschneidung der hintere Zungentheil den Geschmack behalte. Panizza (1834) bezeichnete den Glossopharyngeus für den Geschmacks-, den Lingualis für den Gefühls- und den Hypoglossus für den Bewegungs-Nerv. Der Tastsinn. 426. EndigungeiTder sensiblen Nerven. Die Tost- |. Die Tastkörperchen — (Meissner) liegen innerhalb der Papillen der korperchen. jjedf.rhaut (§. 285), und zwar reichlich in der Hohlhand und auf der Fusssohle, zumal an den Fingern und Zehen (21 auf 1 □Mm. Haut, oder zu 108 auf 400 [§. 426-] Endigungen der sensiblen Nerven. 981 Gefässpapillen) ; -weniger zahlreich sind sie am Hand- und Fuss-Rücken, an der Mammilla, den Lippen und der Zungenspitze Geber/, selten an der Glans clito- ridis, vereinzelt an der Volarseite des Vorderarmes (auch bei anthropoiden Allen und dem 'Waschbär). Ellipsoblisch, 40— 200 1* lang und 60— 70;-«- breit, haben sie aussen eine transversal gestreifte Bindegewebslage und einen feinkörnigen Inhalt mit länglichen, quergestreiften Kernen. Die markhaltigen Nervenfasern treten zu 1 — 3 an das untere Ende des Körperchens, umwickeln weiterhin einige Male rankenartig dasselbe, verlieren dann das Mark und begeben sich in 4 — 6 Fibrillen zertheilt in das Innere. Das Ende dieser ist nicht bekannt. Einige Forscher lassen die ganze transversale Faserung aus aufgeknäuelten Nerven- fibrillen bestehen Meissner (ähnlich den von Tomsa beschriebenen Nervenknäueln in der Glans penis). Nach Anderen besteht der Innenkolben aus zahlreichen, aufeinander geschichteten , flachen Zellen . zwischen denen die blassen Terminal- fasern entweder knopfformig, oder mit scheibenförmigen Ausbreitungen, wie sie bei den Merkel sehen Tastzellen beschrieben werden, endigen (IV. Krause). Fig. 302. ,rj. , % l d aGefüss-, b Tast-Papille, c Blutgefäss, d Nervenfaser, welche zum Tastkörperchen zieht , e Tastkörperchen , / quergeschnittene Nervenfasern , g Zellen der Maipighi' sehen Schleimschichte (nach Mesiadecki). A'-th. Kollmann unterscheidet speciell an der Hand drei hauptsächliche Tastbezirke: nämlich 1. die Fingerbeeren (hier stehen 24 Tastkörperchen auf 1(J Mm. Länge) — 2. dfc drei hinter den Zwischeniingerspalten belegenen Wülste der Mittelhand 5,4— 2,7 Tastkörperchen auf 10 Mm. Länge), — 3. den Daumen- und Kleinfinger-Ballen (3,1 — 3,5 Tastkörperchen). Die beiden ersten Terrains enthalten auch viele Vater'sche Körperchen, das letzte nur zerstreute. — An den übrigen Flächen der Hand treten die Nervenendapparate mehr zurück. 2. Die Vaterschen (1741) oder Pac in i'schen Körperchen — (Fig. 303), r<"e.(r- 1 — 2 Mm. lang, liegen im subcutanen Gewebe namentlich an der Beugeseite der 1^:}cr'ni'"he Finger- und Zehen-Nerven (IjlJU — 1400), in der Maminillargegend Hartenstein , orper< in der Umgebung von Gelenken und Muskeln, an den Membranae interosseae, am Perimysium, im Sehnengewebe (Kerschner), an den Unterleibsgeflechten des Sym- pathicus, neben der Aorta abdominalis und neben der Steissdrüse, am Kücken des Penis und der Clitoris, (sowie im Mesokolon der Katze). Zahlreiche gekernte, durch Flüssigkeit getrennt gehaltene Bindegewebskapseln, an den Innenflächen 982 Endigungen der sensiblen Nerven. [§.426.] m, V^othelien bedeckt (Hoyer), umgeben zwiebelschalenartig den inneren, homo- ZÄ^k^bln^Die markhaltige Nervenfaser, .^. ^ totandj- ^webi-en Stiel eintritt, lässt ihre SclmamtvSto Scheide mit den Hüllen ver- fcTmelzen, verliert ihr Mark und endigt als Achsencylinder entweder mit einem 13 Ubeli- cetheilten Enden unter leichter terminaler Anschwellung: dem °„EndSopfÄ SSalo dessen jede Nerventibrille mit zartestem „Terminal- nodulus" endet. ,.,.-. ^ ■ n 3 Die Krause'schen länglichen Endkolben - (wahrscheinlich bei allen *inX£ Säuget'hieren in der Cutis und den Schleimhäuten als regelmassige Art der Nervenendigung), 0,075 bis 0,14 Mm. lang, finden sich in der Conjunctiva bulbi, am Boden der Mundhöhle, am Lippenrande, m der Nasenschleimhaut , am Kehldeckel , an den Papulae fungiformes und circumvallatae, an der Glans penis et clitoridis, im Tendi- lemma, im Sehnengewebe (Kerschnerj und an vielen anderen Stellen, ferner an den Volarflächen der Zehen (Meerschwein), am Ohr und Rumpf (Maus), in der Flughaut der Fledermäuse. Die Adventitia der doppel- contourirten Faser geht in die bindegewebige Hülle des Kolbens über, die Sc/iwami'sche Scheide verdickt, und entfaltet sich zu den, aus Längs-Kolbenzellen bestehenden Innen- kolben f Krause; . Die runden Endkolben beim Menschen (Nasenschleimhaut , Con- junctiva, Mundhöhle, Epiglottis, Schleimhaut- falten des Rectums) bestehen nach Longworth Zf Waldeyer im Innern einer kugeligen, bindegewebigen Hülse aus zahlreichen, dicht o-elagerten Zellen, in denen die Terminal- fäden des Nerven endigen. Diese Zellen stellt Waldeyer den Merkel' scheu Nervenendzellen an die Seite. — Diesen Gebilden stehen^ offen- Woliust- und^w nahe die Wollust- und Gelenk-Körper- chen (Krause) : erstere in der Haut der Glans penis et clitoridis scheinen iu verschieden hohem Grade untereinander verschmolzene Endkolben zu sein. — Die G e 1 e n k k ö r p e r- che n findet man in der Synovialis der Finger- gelenke; sie sind grösser, als die Endkolben, zeigen zahlreiche, ovale Kerne aussen; m das Innere treten bis vier Nervenfasern ein. 4. Die M e r k e l'schen Tastzellen. — in dem sogenannten AVachshaut- Schnabel- überzug und in der Zunge der Enten, Gänse ; ferner bei Säugern und dem Menschen in der Fa,er'sches Epidermis der Haut und in der äusseren Wurzelscheide der Tasthaare. Grosse, mit rundem Kern und Kernkörperchen ausge- stattete Zellen, von bindegewebiger Hülle um- geben, zwischen welchen eine hüllen- und «„o^hA r Ta«t- niarkl'os gewordene Nervenfaser sich mit einer protoplasmatischer^ _ Scheibe [ Tast , oh ei de1' (Ranvier, IzquierdoA anlagert. Man findet oft zwe oder menrere 7 llen wieKäse aufeinander geschichtet und allemal zwischen ihnen die Nerven- SS Sind-" viele solcher Zellen über- und ™^™<%j^*» Pntstehen grössere Gebilde, die einen gewissen Uebergang zu den lastkorpercnen fSen^Sen. - Bei Thieren kommen noch ™fi«™*Z£^JZ Terminalkörnerchen der sensiblen Nerven vor: Die Herbs, sehen Korpeichen bei VÖg ,i Sinen Aschen ähnlich, mit peripherer Längs- und ™™^ strichelt«]* aber ohne ausgesprochene Hüllenumlagerung ; - die noch kleineren SÄ den langen" Ansehen Endkolben ähnlich, mit doppelter Kern- Gelenk- Körperchen. Mer UeVsche Tastzellen . Kör- b oder Pacini'sches perchen. a Stiel desselben, b eintretende Nervenfaser cd Bindegewebshüllen, e Achsencylinder mit getheiltem Ende /. Sonstige sensible Endorgane bei Thieren. [§. 426.] Endigungen der sensiblen Nerven. 983 reihe in der zarten Hülle, bei Vögeln, — die Tastkegel im Rüssel des Maul- wurfes (EimerJ und verwandter Thiere ■Moßhovics ;■■, — die Endkapseln am Penis des Igels und auf der Zunge des Elephanten (Krause;, — die Tastkolb en am Schnabel und an der Zunge einiger Vögel (Krause, Ihtderj, — die Nerven- ringe in den Auriculae der Maus (Schöbt \ — Terminale, mit Hautborsten in Verbindung stehende Ganglienkugeln bilden bei den Eotatorien, Crustaceen und Insecten das Tastorgan (Leydig). W. Krause hat (zum Theil abweichend von den vorstehenden Angaben) in dem Bau aller terminalen Körper eine Uebereinstimmung statuiren wollen : Der Innenkolben in sämmtlichen terminalen Körperchen besteht aus „Kolben- z eilen". Dies sind abgeplattete, ursprünglich kernhaltige Zellen, welche der verdickten Schwann' sehen Scheide angehören, während die seeundären Hüllen vom Perineurium gebildet werden (vgl. §. 3^3, I). Zwischen jenen Kolbenzellen endigen die Nerven mit Terminal fasern, die in birnförmige oder abgeplattet.- Endknopfchen auslaufen. Innerhalb dieser Knöpfchen aber hören die markloseu Nervenfibrillen, aus welchen die Terminalfaser zusammengesetzt ist, jede mit einer oder mehreren, wiederum knopü'örmigen Verdickungen auf, die Krause Termi- nalnoduli nennt. [Die Terminalfasern sowohl, als auch die Kolbenzellen sind der Fläche des Körpers nahezu parallel gerichtet.] Verzweigungen zwischen den Epithelien Zu den Epithelien abgehende Aeste -Xervenstämmchen Nervenendigungen im Hornhautepithel. 5. Ueber die Endigung der Nerven mittelst feinster Fibrillen mit End- Cohnheim- knöpfchen (Noduli terminales) zwischen den Hornhautepithelzellen ist §. 386 ,ian?e.r' berichtet. Aehnlich finden sie sich auch zwischen den Zellen der Epidermis Serven- ( Langer h ans ) Podcopaew , Eber/h, Mojsisovics u. A.) und den Epithelien der endigung. Genitalorgane Prus fand Ganglienzellen in der Haut, häutiger im Unterhautzell- gewebe , als im Corium , sie scheinen zu den Gefässen und Schweissdrüsen in Beziehung zu stehen. 427. Sensible und tactile Empfindungen. In den Gefühlsnervenstämmen liegen zweierlei functionell Senate und von einander verschiedene Nervenfasern, nämlich: — 1. solche, welche die schmerzhaften Empfindungen vermitteln, welche sensible Nerven im engeren Sinne genannt werden, und — 2. solche, welche die Tasteindrücke aufnehmen, die man daher als Tastnerven, oder tactile Fasern bezeichnet. Zu den Tastempfindungen werden die Wahrnehmungen der Tem- peratur und des Druckes gerechnet. Es ist im hohen Grade wahrscheinlich , dass die sensiblen und tactilen Nerven senMu und verschiedene Nerven-Endapparate und -Fasern besitzen. /E. H. Weberj. Die Untersuchungen haben nun zu folgenden Resultaten geführt : Augment Gesetze über Der Raumsinn einer Hautstelle ist umso schärfer ausgeprägt:- 1. Je zahlreicher die Tastnerven sind, die an der betreffenden Stelle endigen. 2. Je grösser die Be wo gungsfähigk ei t der betreffenden Ilautstelle ist, also an den Extremitäten gegen die Finger und Zehen hin zunehmend. Auch an Körperstellen, die besonders schnell bewegt werden, ist der Raumsinn scharf ausgeprägt (Vierordt). 3. An den Gliedern ist die Empfindlichkeit feiner der Breite nach, als der Länge nach (an der Beugeseite der Oberextremität um x 3, an der Streckseite um x , >: ebenso ist die Beugeseite vor der Streck- seite bevorzugt (an der Oberextremität um ' Sinti. 986 Der Raumshm. [§. 428.] 4. Einen Einfluss hat die Art der Application der Zirkel- spitzen : — a) werden sie hinter einander aufgesetzt, statt gleichzeitig, — oder sind die Spitzen erheblich wärmer, oder kälter als die Haut (Klug), so vermag man geringere Abstände anzugeben; — b) geht man von grossen Abständen der Spitzen stets zu kleineren über, so erkennt man noch kleinere Abstände, , . ■, j. . Fig. 306. als wenn man von nicht unter- scheidbarem Spitzenabstand all- m^-^L,,............^^-'- '-^ mälig zu grösserem übergeht; — i^ c) ist die eine Spitze kalt, die andere Aesthesiometer von Btoäumg. heiss, so fühlt man bei Ueberschrei- tung des nächsten Abstandes dennoch zwei Eindrücke, allein man kann über ihre gegenseitige Stellung nicht urtheilen (Czermak) , 5. Durch Uebung kann der Raumsinn sohr verschärft werden [daher die Feinheit desselben bei Blinden (Czermak, Gärttner)\ und zwar ist die Verschärfung stets beiderseitig (A. W. Volkmann) . 6. Benetzung der Haut mit indifferenten Flüssigkeiten steigert die Schärfe ; wird dagegen die Haut zwischen zwei Spitzen, die noch gesondert empfunden werden, leise gekitzelt, oder von unfühlbaren elektrischen Strömen durchflössen , so verschwimmen die Eindrücke in einander (Suslowa). Der Raumsinn wird unter Anwendung des constanten Stromes an der Kathode verschärft (Suslowa) (§. 337) , ebenso durch Röthung der Haut in Folge von Reizen (Klinkenberg), auch durch geringe Dehnung der Haut (Schmey), ferner nach kohlensauren (v. Basch & v. Dietl) , oder warmen Kochsalz-Bädern (Santlus), — auch vorübergehend nach Genuss von Coffein (Rumpf). 7. Anämie (durch Hochlegen der Glieder), oder venöse Hyperämie (durch Venencompression) stumpfen den Raumsinn ab, ebenso zu häufige Wiederholung von Tastprüfungen (durch Ermüdung) (M. Aisberg) ; — desgleichen abstumpfend wirken Kälte auf die Haut (Goltz), der Einfluss der Anode (Spanke), starke Dehnung der Haut, z. B. der Bauchdecken in der Schwangerschaft (Czermak, leuffel), ferner vorhergegangene Anstrengung der, unter dem Haut- bezirke liegenden Muskeln (Schmey), — sowie einige Gifte : Atropin, Daturin , Morphin , Strychuin , Alkohol (Lichtenfels) , Bromkalium, Cannabin (Rumpf), Ckloralhydrat. Kleinste Im Folgenden sind die kleinsten Entfernungen in Millimetern ange- dbsolute geDe:n ) jn denen noch zwei Zirkelspitzen getrennt wahrgenommen wurden bei gesonderter einem Erwachsenen (die analogen Zahlen für einen 12jährigen Knaben sind Eindrücke dahinter eingeklammert). Zungenspitze 1,1 Mm. (1,1). — Dritte Phalanx auf der Haut. Finger Yolar 2—2,3 (1,7). — Rothe Lippe 4,5 (3,9). — Zweite Phalanx Finger volar 4 — 4,5 (3,9). — Erste Phalanx Finger volar 5 — 5,5. — Dritte Phalanx Finger dorsal 6,8 (4,5). — Nasenspitze 6,8 (4,5). — Metacarpalköpfchen volar 5 — 5,5 — 6,8 (4,5). — Daumenballen 6,5 — 7. — Kleinfingerballen 5,5 — 6. — Hohlhandmitte 8 — 9. — Zungentücken Mitte und Rand, weisse Lippe, Meta- carpus des Daumens 9 (6,8). — Dritte Phalanx Grosszehe plantar 11,3 (6,8). — Zweite Phalanx Finger dorsal 11,3 (9) — Backe 11,3 (9). — Lid 11,3 (9). — Harter Gaumen Mitte 13,5 (11,3). — Unteres Drittel des Vorderarmes volar 15. — Jochbein-Haut vorn 15,8 (11,3). — Metatarsus hallucis plantar 15,8 (9). — Erste Fingerphalanx dorsal 15,8 (9). — Metacarpalköpfchen dorsal 18 (13,5). — Innere Lippe 20,3 (13,5). — Jochbein-Haut hinten 22,6 (15,8). — Stirn unten 2^,6 (18). — Ferse hinten 22,6 (20,3). — Hinterhaupt unten 27,1 (22,6). — [§•428.] Der Raumsinn. 987 Handrücken 31,6 (22,6). — Unterkinn 33,8 (22,6). — Scheitel 33,8 (22,6). — Kniescheibe 36,1 (31,6). — Kreuzbein und Glutäen 40,6 (33,8). — Unterarm und Unterschenkel 34,6 (36,1). — Fussrücken nahe den Zehen 40,6 (36,1). — Sternum 45,1 (33,8). — Nacken hoch 54,1 (36,1). — Rückgrat (fünfter Brust- wirbel), untere Brust- und Lenden-Gegend 54,1. — Nackenniitte 67,7. — Ober- arm-, Oberschenkel- und Bücken-Mitte 67,7 (31,6 — 40,6). Experimentirt man nach Methode 4 (pg. 985), so findet man den Ortssinn am ausgeprägtesten im Gesichte und in den Gelenkfurchen der Finger; — dann folgen Handteller, Handrücken (Fehler bis lx/2 Cm.), — Hals , Unterann (Fehler bis 2 Cm.), — Claviculargegend, Oberarm, Bauch (Fehler bis 3 Cm.), Brust, Fuss- rücken, Unterschenkel (Fehler bis 4 Cm.), Oberschenkel (Feliler bis 7 Cm.). Berührung einer Zehe wird oft verwechselt. Schwangere localisiren schlecht auf ihrer Bauchhaut , Leubuscher/ . Täuschungen des Raumsinnes — kommen vielfach vor, die auffälligsten sind: — 1. Eine gleichmässige Bewegung über eine Hautfläche scheint an jenen Stellen schneller zu erfolgen, welche den feinsten Baumsinn besitzen. — 2. Berührt man blos mit zwei Zirkelspitzen die Haut, so scheinen diese weiter von einander, als wenn man mit denselben über die Baut hinwegstreicht (Fechnerj. — 3. Eine Kugel mit kurzen Stäbchen belastet, erscheint uns grösser, als mit langen (Tourtual . — 4- Bei übereinander geschlagenen Fingern fühlen wir zwischengelegte, kleine Körper doppelt (Versuch des Aristoteles). — 5. Werden Hautlappen transplantirt, z. B. ein gestielter Stirnlappen zur Nase hin , so fühlt der Operirte (falls die Stirnnerven funct ionsfähig geblieben sind) den neuen Nasentheil oft Monate noch als Stirntheil. Um die Erscheinungen des Raumsinnes zu erklären, hat es nicht an viel- fachen Versuchen E.H. Weber, Lotse, Meissner, Czermak , Wundt , Bernstein gefehlt. E.H. Weber ging von der Vorstellung aus, dass eine und dieselbe vom Gehirn zur Haut verlaufende Nervenfaser innerhalb ihres Verbreitungs- bezirkes stets nur einen Eindruck aufnehmen und vermitteln könne. Er nennt nun „Empfindungskreis" einen jeden Bezirk der Haut, in welchem nur eine einzige Faser sich verbreitet. Wirken nun gleichzeitig zwei Eindrücke auf das Tastorgan ein , so entsteht dann die doppelte Empfindung , wenn ein , oder mehrere Empfindungskreise zwischen diesen beiden Erregungspunkten liegen. Mit dieser, also auf anatomischer Basis beruhenden Interpretation lässt es sich nicht vereinen, dass durch Uebung sich die Empfindungskreise verkleinern können, und ferner, dass ohne Unterschied nur eine Empfindung entsteht, wenn beide Zirkelspitzen so aufgesetzt werden, dass beide Spitzen (die etwas weiter von einander abstehen , als der Durchmesser eines Empfindungskreises beträgt) bald innerhalb zweier benachbarter Empfindungskreise stehen, bald innerhalb zweier anderer, zwischen denen einer eingeschoben liegt. — Im Anschlüsse an Lotze nimmt Wundt vom psychophysiologischen Gesichtspunkte aus an, dass jede Hautstelle mit dem Tasteindruck zugleich stets die Localisation der Empfindung dem Gehirn kundgebe. Jede Hautstelle vermag also der Tast- empfindung eine „locale F ärbung" zu verleihen, welche als „Loca lzeicken" verwerthet wird. Er nimmt an , dass diese locale Färbung sich von Punkt zu Punkt der Haut abstuft. Diese Abstufung ist an denjenigen Hautstellen sehr jäh, an denen der Raumsinn fein ausgebildet ist, an denjenigen jedoch sehr allmählich, erfolgend , wo stumpfer Raumsinn herrscht. Getrennte Eindrücke fliessen in einen einzigen zusammen, so weit die Abstufung jener localen Färbung unmerklich ist. Da durch Uebung und Aufmerksamkeit Differenzen der Empfindung, die für gewöhnlich nicht wahrgenommen werden, bemerklich gemacht werden können, so erklärt sich hieraus die Verkleinerung der Emiilimiungskreise eben durch die Uebung. Der Emptindungskreis ist ein Hautbezirk, innerhalb dessen sich die locale Färbung der Empfindung so wenig verändert, dass zwei gesonderte Eindrücke in einen verschmelzen. Loeb hat Untersuchungen über den „Fühl räum" der Hand angestellt, d. h. über die Gesammtkeit aller Punkte, welche wir mit der Spitze des Zeige- fingers (bei fester Körperhaltung) erreichen können. Bewegt mau (natürlich bei geschlossenen Augen) beide Hände an einem quer gespannten Faden entlang rechtshin, beziehungsweise linksinn , so zeigt sich Asymmetrie in den zurück- gelegten Strecken: bei Rechtshändern ist meist die rechte, bei Linkshändern die linke Fühlstrecke kleiner. Nervenkranke zeigen oft enorme Abweichungen. — Täuschungen des Raum- sinnes. Erklärung der Raum- sinn-Erschei- nungen nach E.H.Weber. Erklärung nach TI'u n d t. Fühlraum. 988 Der Drucksinn. [§.428.] Bei dem "Willen, Bewegungen von gleicher Ausdehnung auszuführen, fällt die aus- geführte Bewegung um so kleiner aus , je mehr die Muskeln bereits contrahirt waren. — Die Empfindung der Grösse und Richtung unserer Willkürbewegungen hängt ab vom Willensimpuls zur Bewegung (LoebJ. 429. Der Drucksinu. Durch den Drucksinn werden wir unterrichtet über den Grad der Belastung, welcher jeweilig auf den verschiedenen Stellen der Haut statthat. Dem Drucksinne dienen speci fische Nervenend- apparate in punktförmiger Lage. Diese „Druckpunkte" (Magnus Blix) sind mit einer ver- schiedenen Intensität der Empfindung Fig. 307. begabt ; an manchen Stellen (Rücken, •."...• Oberschenkel) zeichnen sie sich durch -.V.. \''..\>/: •*.""""• "*•■*••.• eine besonders lebhafte Nachempfin- .'JHv'-/ ":.":"-.'*/'*: "•"•"• '"':-.. ."v düng aus. Die Anordnung der Druck- ""•!:'■"•" ' punkte ist eine, dem Typus der An- a b c Ordnung der Temperaturpunkte ent- D r u e k p u n k t e : « von dar Mitte sprechende. Die Druckpunktketten der Fusssohie , — j von der Haut . v. . , t,. i , des Joeffbogens , — c vom Rücken schlagen meist eine andere Kichtung (nach voidscheUerj. ein, als die Wärme- und Kälte-Punkte ; im Allgemeinen ist ihre Dichtigkeit grösser. Als Minimalabstand, in welchem 2 Druckpunkte bei gleichzeitiger Reizung doppelt gefühlt werden können, ergaben sich am Rücken 4 — 6 Mm., an der Brust 0,8, am Bauch 1,5 — 2, an der Wange 0,4 — 0,6, am Oberarm 0,6 — 0,8, am Vorderarm 0,5 — 1, am Handrücken 0,3 — 0,6, am Handteller 0,1 — -0,5, am Nagelglied volar 0,1, daselbst dorsal 0,3 — 0,5, am Unterschenkel 0,8 — 2 , am Fussrücken 0,8 — 1, an der Fusssohie 0,8 — 1 Mm. Prüfungs- Methode der Prüfung : — ■ l. Man legt auf die zu untersuchenden Hautstellen meihoden des nacheinander Gewichte von verschiedener Schwere und lässt urtheilen über Wahrnehmung von Druckdifferenzen. Man hat hierbei , um Temperatur, Verschiebung und ungleiches Aufsetzen möglichst zu vermeiden, zuvor die Haut- stelle mit einer Platte zu bedecken, die für die Yersuchsdauer liegen bleibt; [auch niuss der Einfluss des Muskelgefühles eliminirt sein (siehe §. 432)]. — 2. Von einem Waagebalken geht ein, die Haut berührender Fortsatz aus, durch Belastung, oder Entlastung der Waage wird die Gewichtsdifferenz hergestellt, über welche die Versuchsperson zu unterscheiden hat fDohrnJ. — 3. Zur Vermeidung des lästigen Gewichtwechsels construirte A. Eulenburg sein Barästhesiometer, ein nach dem Princip der Spiralfederwaage construirtes Werkzeug ; dasselbe trägt eine abwärts gerichtete Pelotte , welche durch Federkraft niedergedrückt wird. Ein Zeiger giebt sofort den Grad des Druckes in Grammen an , den man durch festeres oder lockeres Niederdrücken sofort leicht variiren kann. — 4. Goltz bediente sich eines pulsirenden, elastischen Schlauches, in welchem verschieden hohe Wellen erregt werden konnten. Es wurde geprüft, wie gross die letzteren sein mussten, bis man sie an den verschiedenen Hautstellen (denen der Schlauch anlag) als Pulsbewegung wahrnahm. — 5. Allen Anforderungen genügt in bester Weise die von mir construirte Quecksilber druckwaage (Fig. 308). Ein Waagebalken (W), auf Schneiden (00) ruhend, wird von dem horizontalen Arme (b) eines schweren Stativs (T) getragen. Der eine Waagenarm besitzt ein Schraubengewinde (m), auf welchem ein, zur Aequilibrirung dienendes Gewicht (S) hin und her beweglich ist. Der andere Arm (d) geht in ein senkrecht empor- steigendes, calibrirtes' Eohr (R) über. Abwärts vor letzterem ragt die Druck- pelotte (P) nieder, welche noch nach Belieben durch ein Gewicht (G) belastet werden kann , und welche auf dem zu prüfenden Hautbezirke (H) ruht. Aus [§.429.] Der Druck sinn. 9S9 einer nebenstehenden Bürette (B) , die ein Stativ (A) hält, kann Quecksilber in der Richtung der Pfeile durch die eine Schneide des Waagebalkens bis in das Rohr (R) einsteigen. [Ein sehr zartes , leicht bewegliches Stück Gummischlauch verbindet die Schneide (0) mit einem fixirten Glasröhrchen, und weiterhin führt letzteres zu dem Gummischlauch der Bürette (DD).] Ist der Hahn (h) geschlossen, so steigt bei jedem Druck auf den Schlauch (D D) das Quecksilber durch d in R empor und verstärkt den Druck der Pelotte (P). Es ist ausgemessen , wie gross das Gewicht des Quecksilbers ist, welches einen Raumtheil des Rohres (R) füllt. Das Werkzeug gestattet ohne jede anderweitige Erschütterung ganz beliebig schnelle oder langsame Druck Steigerungen bei einer jeden (durch G) gewählten Anfangsbelastung. [In der Figur bedeutet a einen Trieb zur passenden Einstellung des Tragarmes (b); — t ist Fig. 308. Landois- Quecksilber-Druckwaage. eine Vorrichtung mit 2 Stellschrauben, welche ein Ueberschlagen des Waage- balkens verhüten.] Je umfangreicher auf den Schlauch (DD) gedruckt wird, um so grösser ist natürlich jeder Druckzuwachs. Auch durch Erheben der Bürette (B) kann der Druck (wenn h offen ist) verstärkt werden. Im Allgemeinen sind diejenigen Methoden vorzuziehen, bei denen zeitlich getrennt die differenten Drucke wirken, anstatt dass man einen Anfangsdruck an- oder abschwellen lässt , weil durch letzteres Verfahren die Hautnerven allmählich ermüden. Sowohl den Drucksinn, als auch den später zu besprechenden Temperatursinn prüft man am zuverlässigsten nach „dem Princip der eben merklichen Unterschiede", d. h. man lässt stufenweise die differenten Drucke (oder Temperaturen) entweder von grossen Differenzen beginnend, oder von minimalsten anfangend, einwirken und sucht die Grenze, an der noch, beziehungsweise bereits eine sichere Empfindung des Unterschiedes hervortritt. 990 Der Drucksinn. [§-429.] Die Ergebnisse über die Untersuchungen des Drucksinnes sind nun folgende: Allgemeine 1. Der minimalste Druck, welcher auf verschiedenen Körper- dL "dtÜcZ stellen noch soeben empfunden wird, ist je nach der Localität äusserst sinn. verschieden. Am feinsten fühlt die Stirnhaut, Schläfe, der Handrücken und Vorderarm, welche einen Druck von 0.002 Gr. wahrnehmen ; — die Finger fühlen ihn erst bei 0,005 — 0,015 Gr. Belastung; — Kinn, Bauch, Nase bei 0,04 — 0,05 Gr. ; — die Fingernägel bis zu 1 Gr. (Kammler & Aubert). 2. Intermittirende Druckschwankungen (Pulse im Goltz- schen Schlauche) werden jedoch durch die Fingerspitzen feiner wahr- genommen als durch die Stirnhaut. Je grösser die Sensibilität einer Hautstelle ist, desto schneller können einzelne Stösse oder Schläge aufeinander erfolgen, um noch isolirt wahrgenommen zu werden: an der Volarseite des Oberschenkels 52, am Handrücken 61, an den Fingerspitzen 70 Stösse in 1 Secunde (Bloch). 3. Es werden noch Differenzen zweier Gewichte durch die Fingerspitzen wahrgenommen, die sich wie 29 : 30 verhalten (an den Vorderarmen wie 18,2:20), vorausgesetzt, dass die Gewichte nicht gar zu leicht, oder gar zu schwer sind. Aufsteigend von sehr leichten zu schwereren Gewichten, wächst die Feinheit der Unterscheidung für zwei Gewichte zunächst, für schwerere Gewichte nimmt dann weiter- hin das Unterscheidungsvermögen schnell wieder ab (E. Hering, Loewit & Biedermann) . [Es widerstreitet diese Beobachtung dem psycho physischen Gesetze Fechter1 s (vergl. §. 385).] 4. A. Eulenburg fand folgende Abstufungen der Feinheit des Drucksinnes : Stirn , Lippen , Zungenrücken , Wange , Schläfe zeigten Differenzen von i/40— i/M an (200:205—300:310 Gr.). — Die Dorsalseite der letzten Fingerphalanx , des Vorderarmes , der Hand, der 1. und 2. Phalanx, die Volarseite der Hand und des Vorder- armes und Oberarm empfanden Unterschiede von ^io — 1/2 , (200:220 bis 200 : 210 Gr.). — Vorderseite des Unterschenkels und Ober- schenkels waren dem Vorderarm ähnlich. Dann folgten Fussrücken, Dorsum der Zehen; viel schwächer war die Empfindlichkeit an der Plantarseite der Zehen, der Planta selbst und an der hinteren Seite des Ober- und Unterschenkels. — Dohrn suchte das kleinste Zusatz- gewicht zu ermitteln, welches bei 1 Gr. Belastung an den verschiedenen Hautstellen zuerst gefühlt wurde; dieses war für: 3. Fingerphalanx 0,499 Gr., Fussrücken 0,5 Gr., 2. Fingerphalanx 0,771 Gr., 1. Finger- phalanx 0,82 Gr., Unterschenkel 1 Gr., Handrücken 1,156 Gr., Hand- teller 1,018 Gr., Kniescheibe 1,5 Gr., Vorderarm 1,99 Gr., Sternum 3 Gr., Nabelgegend 3,5 Gr., Rücken 3,8 Gr. Besonders für Druck empfindlich sind die zarten Wollhaare der Haut (Blaschko). 5. Zwischen dem Auflegen zweier Gewichte darf kein zu langer Zeitraum verstreichen, doch können selbst 100 Secunden verfliessen, wenn sich die Gewichtsdifferenz wie 4 : 5 verhielt (E. H. Weber). 6. Beim Drucksinn macht sich besonders auffällig die Nach- wirkung geltend bei anhaltend bedeutendem Drucke. Aber auch schwache, aufeinander folgende Drucke müssen mindestens 1/iS0 — 1/eJ0 -Secunde von einander getrennt sein, damit sie isolirt zur Perception gelangen. Schnellere Folge bewirkt Verschwimmen der Eindrücke. [§.429.] Der Temperatursinn. 991 Als Valentin die Fingerspitze gegen ein mit stumpfen Zähnen besetztes Rad hielt, empfand er den Eindruck eines glatten Randes, wenn die Zähne in den obengenannten Zeiten die Haut streiften : bei langsamerer Drehung verursachte jeder Zahn eine Einzeldruck- empfindung. Vibrationen von Saiten erkennt man noch als solche bei 1506 — 1552 Schwingungen in 1 Secunde (v. Wittich & Grünhag&n). 7. Merkwürdig ist die Erscheinung, dass ein Druck, welcher bewirkt wird durch völlig gleichmässige Compression eines Körper- theiles, z. B. durch Eintauchen eines Armes in Quecksilber, nicht al> solcher empfunden wird : nur an der Flüssigkeitsgrenze spürt ihn ein in Quecksilber eingetauchter Finger an seiner Volarfläche (Meissner). 430. Der Temperatursinn. Durch den Temperatursinn werden wir über die Temperatur- Schwankungen der Wärme der Bedeckungen unterrichtet. Dem Temperatursinne dienen s p e c i fische Nerven- endigungen in punktförmiger Anordnung. Diese „Temperaturpunkte" reihen sich in Ketten oder Temperatur- Linien aneinander , welche meist leicht gekrümmt sind. Sie strahlen pun radienartig von gewissen Punkten der Haut (meist Haarwurzeln; aus. Die Ketten der Kältepunkte fallen im Allgemeinen nicht zusammen mit denen der Wärmepunkte. ihre Ausstrahlungsorte sind aber ge- meinsam. Häufig sind nun diese Punktlinien nicht vollständig vorhanden, sondern nur durch vereinzelte Punkte angedeutet . zwischen welche sich dann nicht selten Punkte einer anderen Empfindungsqualität ein- schieben. Auf diese Weise resultiren dann gemischte Punktketten. An den Haaren liegen meist stets Temperaturpunkte ; an Hautstellen mit schwacher Temperatur-Empfindung liegen Temperaturpunkte nur an den Haaren. Das Kältegefühl erfolgt momentan, das Wärmegefühl erscheint anschwellend. Mechanische und elektrische Reizung erzeugt auch das Temperaturgefühl. Schwache Berührung wird auf den Temperaturpunkteu nicht wahrgenommen : es herrscht ferner auf denselben Anästhesie gegen Druck und Schmerz. Im Allgemeinen überwiegen am ganzen Körper die Kältepunkte, dieselben stehen dichter, an manchen Stellen fehlen die Wärmepunkte gänzlich. In Bezug auf den Grad der Empfindlich- keit der Punkte kann man stark empfindliche, mittelmässig , schwach und gar nicht empfindliche bezeichnen. Die Stärke der Temperaturreize und den Ort derselben vermögen wir anzugeben. Die Wärmepunkte werden durchschnittlich in grösseren Abständen doppelt gefühlt, als die Kältepunkte. Als Minimalabstände ergaben sich auf der Stirn 0,8 Mm. für die Kältepunkte, 4 — 5 Mm. für die Wärmepunkte, an der Brust waren die entsprechenden Werthe 2 und 4 — 5 Mm. , am Kücken 1,5 — 2 und 4 — 6, am Handrücken 2 — 3 und 3 — 5, an der Hohlhand 0,8 und 2, am Oberschenkel uu I Unterschenkel 2 — 3 und 3—4 Mm. Zur Prüfung der Wärme- und Kältepunkte dient ein auf 45 — 49' erhitztes oder kaltes (15°) bleistiftförmiges M etal 1 Stäbchen : an 992 Der Temperatursinn. [§• 430.] den Kältepunkten wird bei leichter Berührung nur das kalte Stäbchen empfunden, und zwar als kalt (ebenso entsprechend verhalten sich die Wärmepunkte). Gegen vorsichtige Berührung mit Objecten von Haut- temperatnr sind beide Punktarten unempfindlich. Das Bestimmende für die Temperaturempfindung ist nach E. Hering die Eigentemperatur des thermischen Endapparates. So oft derselbe an irgend einer Hautstelle eine Temperatur hat, welche über seiner Nullpunktstemperatur, d. h. seiner neutralen Eigentemperatur, liegt, empfinden wir Wärme, — im ent- gegengesetzten Falle hingegen Kälte. Die eine oder die andere Empfindung ist um so deutlicher oder stärker , je mehr die jeweilige Temperatur des thermischen Apparates von seiner Nullpunktstemperatur abweicht. Der Nullpunkt kann sich jedoch in Folge äusserer Einwirkungen ziemlich schnell innerhalb gewisser Grenzen verschieben. Fig. 309. K.P. W.P. K.P. W.P. C D A Kältepunkte, B Wärmepunkte von der Volarfläche des Nagelgliedes des Zeigefingers bis zu den Seitenrändern des Nagels (nach Goldscheider). 0 Kältepunkte und D Wärmepunkte der radialen Hälfte der Doräalfläeke des Handgelenkes (der Pfeil zeigt die Bichtung des Haar-Striches an) (nach Goldscheider). Methoden der Methode der Prüfung : — Es werden Hautstellen nach einander mit ver- Temperatur- schieden temperirten Objecten von gleicher Grösse und gleichem Wärmeleitungs- prujuntj. verm0gen berührt. — ■ 1. Nothnagel verwendet hierzu kleine , mit kaltem oder warmem Wasser gefüllte, mit Metallboden versehene und auf die Haut zu setzende Holzkästchen , in denen ein in das Wasser gesenktes Thermometer zugleich die Temperatur anzeigt. — 2. Man kann auch zwei Thermometer , welche man an ihren grossen Spindeln (eventuell auf elektrischem Wege) ungleich erwärmt hat, zum Vergleiche direct anlegen (A. Eulenburg) . Allgemeine Die über den Temperatursinn gemachten Erfahrungen sind : übtTden 1- Im Allgemeinen entsteht das Gefühl der Kälte, wenn ein Temperatur- , „ berichten. Man kann auch hier die Sensibilitäts- und dann das Schmerz-Minimum Sensibilität. feststellen. Der Gesunde erkennt mit der Oberextremität 1 Grm. Belastung, ebenso die Vermehrung um 1 Grm. bei 15 C4rm., Anfangsgewicht, um 2 Grm. bei 50 Grm. Anfangsgewicht, um 3 Grm. bei 100 Grm. Anfangsgewicht. Der Kraft- sinn einzelner Finger ist verschieden. Mit der Unterextremität (Belastung am Knie) erkennt man 30-40 Grm., oft erst ein grösseres Gewicht. Oft unter- scheidet man eine Differenz von 10 zu 20, 30 bis 70 Grm. Im Allgemeinen werden dieselben Unterschiede wahrgenommen, einerlei ob die Anfangsgewichte leicht oder schwer waren (Chavetj. Durclisclmeidung der sensiblen Nerven bringt Störungen der feinen Abstufung der Bewegung- hervor (vgl. Ä?//'scb.ea Gesetz). — Meyncrt vermuthete als cerebrales Centrum des Muskelgefühles die motorischen Rindencentra. Mit den liier liegenden Ganglienzellen sollen die Muskeln in motorischer und in sensibler Verbindung stehen. Hierfür spricht das Auftreten einer vollkommenen Ataxie, 998 Das Muskelgefühl, der Kraftsimi. [§-432.] die ich nach Zerstörung derjenigen Gebiete erzeugt habe, an denen die psychomotorischen Rindencentra der Extremitäten belegen sind (pg. 833 und 842). Im Gebiete des Muskelgefükles kommen Täuschungen vor. Ein Gewicht, von einer Extremität gehalten, scheint uns sofort leichter zu sein , sobald wir noch andere Muskeln des Gliedes contrahiren, welche zum Gewichthalten selbst nicht mitwirken (Charpentier)-, bei umgekehrter Anordnung des Versuches dünkt es uns schwerer zu werden. — Folgende Täuschung zeigt das Muskelgefühl der Zunge. Wird die Spitze derselben gegen und unter eine enge Zahnlücke gestemmt und dar- unter hin und her verschoben, so tritt das Gefühl hervor, als ob die Zähne beweglich nachgäben (Landois). Zu intensive Thätigkeit des Muskels ruft das Gefühl der Er- müdung, der Abgeschlagenheit und Schwere in den Gliedern hervor, was ebenfalls auf das Muskelgefühl zu beziehen ist. Patho- Pathologisches. — Abnorme Steigerungen des Muskelgefühles (musculäre logisches. Hyperalgien und Hyperästhesien sind immerhin selten. Es gehört hierher jene, als Anxietas tibiarum beschriebene qualvolle Uni'uhe, welche zu einem be- ständigen Stellungswechsel der Beine antreibt und die nicht selten Nachts selbst Gesunde belästigen kann. Bei Krämpfen tritt ein intensiver Schmerz durch Reizung der Muskelgefühlsnerven hervor, ebenso bei Entzündungen. — Vermin- derung der Erregbarkeit der Muskelgefühlsnerven scheint auch zum Theil ge- wissen choreatischen und atactischen (§. 366. 5) Bewegungen zu Grunde zu liegen. Bei Tabischen kann der Kraftsimi der Oberextremitäten normal oder geschwächt sein, an den Unterextremitäten ist er meist erheblich vermindert. Mit- unter findet sich die elektromusculäre Sensibilität geschwächt, oder selbst erloschen ; in anderen Fällen ist das subjective Gefühl der Activität der Muskeln verloren („Lähmung des Muskelbewusstseins"). Physiologie der Zeugung und Entwickelung. 433. Formen der Fortpflanzung. I. Abiogenesis — (Generatio aequivoca sive spontanea, Urzeugung). Man hatte selbst bis in die Neuzeit angenommen, dass unter Umständen unbelebter, aus der Zersetzung organisirter Materie hervorgegangener Stoff sich spontan in lebende "Wesen wieder verwandeln könne. Während Aristoteles die Urzeugung noch bis auf die Insecten (Ungeziefer) ausdehnte, hatten die neueren wenigen An- hänger sie nur noch den niedersten Lebewesen zugesprochen. Aus zahlreichen Ver- suchen pro und contra ist schliesslich das sichere Resultat hervorgegangen, dass, wenn die organisirte Materie durch hochgradige (bis 200u C.) Erhitzung in zuge- schmolzenen Röhren aller lebenden Keime wirklich beraubt wurde, dass dann auch keine Urzeugung stattfindet (§. 222). Dann hat der Satz Geltung: Alles Leben kommt vom Lebendigen (Omne vivum ex ovo (Harvey , oder ex vivo). — Merkwürdig ist die Thatsache , dass selbst höher entwickelte Wirbellose (Gordius, Anguilula Tardigrada, Rotatoria) längere Zeit trocken gehalten (wobei sie jedoch in ihrem Körperinnern nicht völlig ausgedörrt sein dürfen), wie Schein- tod t oft längere Zeit ruhen können , sich jedoch nach Befeuchtung wieder in's Leben rufen lassen (Anabiosis). II. Theilung — kommt vielen Protozoen (Amoeba, Infusoria) zu, und zwar in der Art, dass sich das Wesen nach Art der Zelltheilung mit seinem kern- artigen Binnengebilde und dem Zellenleibe durch eine active Thätigkeit in zwei Wesen zerlegt. — Seesterne (Ophidiaster) theilen sich spontan, oder sie eliminiren einen Arm, der zu einem ganzen Thier wieder auswächst. — Die künstliche Zertheilung niederer Thiere und das Heranwachsen der Bruchstücke zu ganzen Wesen zeigte zuerst Trembley (1744) bei Hydra (§. 2A6). III. Knospen- oder Sprossen-Bildung — findet sich in ausgesprochenster Weise bei den Polypen, aber auch bei Infusorien (Vorticellen) u. A. Sie besteht darin , dass aus dem Mutterkörper ein knospenartiges Gebilde hervorsprosst, welches nach und nach dem Mutterwesen ähnlich wird. Die Knospe nwesen bleiben entweder dauernd mit dem Mutterthiere vereint , so dass es nach und nach zu umfangreichen Thierstöcken kommen kann (Polyparien) . bei denen die Leiber der Individuen miteinander direct vereinigt bleiben (ja mitunter sogar ein gemein- sames „coloniales" Nervensystem besitzen , wie die Bryozoa), oder sie vermögen sich abzulösen und individuell selbstständig zu werden. Bei einigen Thierstöcken (Siphonophoren) fällt mitunter den einzelnen Wesen eine ganz bestimmte Rolle zu, so da^s man verdauende, bewegende, keimerzeugende unterscheiden kann (Arbeitsteilung der Thierstöcke). — Die Bildung innerer, sich ablösender Sprösslinge fand man bei den Rhizopoden. — Bei Thieren , welche sich durch Theilung oder Sprossung fortpflanzen, fand man auch zum Theil die Bildung von Samenfäden und Eiern (Polypen, Infusorien), so dass sich also hier neben der ungeschlechtlichen Zeugung zugleich eine geschlechtliche vutindet. Urzeugung. Theilung. Knospen- bildung. 1000 Formen der Fortpflanzung. [§• 433.] Concrescem. IV. Conjugation oder Concrescenz — nennt man eine Form der Zeugung, welche bereits an die geschlechtliche erinnert, z. B. der einzelligen Gregarinen. Ein solches "Wesen verwächst mittelst seines Vorderendes mit dem Hinterende eines anderen ; beide incystiren sich dann zu einem, einen Euhezustand durch- machenden , runden Körper. Die vereinte Körpermasse löst sich in eine form- lose Masse auf, aus welcher zahlreiche Bläschen hervorgehen. In jedem Bläschen entstehen viele kahnförmige Gebilde (Pseudonavicellen) ; letztere lassen ein amöboides Wesen entstehen, das sich durch Bildung von Kern und Hüllmembran wieder in eine Gregarine verwandelt. — Auch bei einigen Infusorien ist Con- crescenz beobachtet. Geschlecht- Die geschlechtliche Fortpflanzung — erfordert die Bildung des Jungen lühe Fort- ang ^r'sche Basis ab- giebt (P. Fürbringer) ; die zur Bil- dung derKrystalle nöthigePhosphor- säure liefert der Samen. Vielleicht verleiht der Prostatasaft den Samen- fäden den für ihre Befruchtungs- fähigkeit nothwendigen Bewegungs- anreiz (P. Fürbiinger). [Einen, dem des Samens ähnlichen Geruch be- sitzt auch das Brieger'sehe C a- d averin, (Pentamethyldiamin, Ladenburg) fein ungiftiges Leichen- Samenkrystalle. alkaloid). Vielleicht ist es auch dieses, welches den Sägespänen macerirter Knochen und mitunter nicht mehr frischen Eiern oder Hechten den Geruch verleiht.] Im Secrete der Samenblasen (Meerschwein) ist viel Fibrinogen (Hensen & Landwehr). Die Samenfäden — (Ludwig v. Hammen , ein Schüler v. LeeuwenhoeWs, 1677), 50 [/. lang, bestehen aus einem abge- flacht birnförmigen Kopfe (Fig. 320, 1 und 2 k), einem pfriem- förmigen, sich an das dickere Ende ansetzenden Mittel st tick (m) Schweigger-Seidel) und der fadenförmig verlängerten Cilie (Geissei oder Schwanz) (/), durch deren Hin- und Herschlagen sie sich , oft um die Achse rotirend , in 1 Minute um ihre 400fache Länge (Henle), oder 0,5—0,15 Mm. in 1 See. fort- bewegen ; am schnellsten sofort nach der Ejaculation, dann aber allmählich schwächer werdend. G. Retzius beschreibt t>ei den Samenfäden noch ein besonderes, abgesetztes Endstück des Schwanzes, welches das äusserste Stück desselben darstellt (Fig. 320- 1. e). Durch Mittelstück und Schwanz zieht ein Axen faden, von einem Protoplasmamantel umgeben (Eimer), welch' letzterer nur an der Schwanz- spitze fehlt (v. Brunn). Bei Säugethieren und Vögeln ist der Axenfaden der Sitz der Contractilität, er wird aus zahlreichen, parallelen Fädchen gebildet (Ballowiiz). Auch das Endstück lässt sich bis in 4 Fäserchen zerlegen (Ballowitz) . Bei Insecten und Amphibien ist der nicht fibrilläre Axenfaden das Stütz- gebilde. Bei manchen Wesen kommen noch complicirtere Bildungen vor. Nur die Axenfaden mit fibrillärer Structur zeigen Bewegungs- erscheinungen, die nicht fibrillär gebauten sind bewegungslos (Ballowitz). Die Bewegung der Samenfäden — erfolgt durch die im Kreise schlagende, geisselnde Schwingung des Schwanzes, welche zugleich eine Drehung um die Längs- achse bewirkt, und ausgeht von dem Protoplasma des Mittelstücks und des Schwanzes (welche auch losgelöst für sich der Bewegung fähig sind) (Eimer). [Die Flimmerzellen (deren einzelne Härchen sich aus zahlreichen neben einander liegenden Fädchen zusammensetzen, Engelmann), Schwärmsporen bei Pflanzen, Die Samen- fäden. Bevjegung. [§•434.] Die Samenfäden und ihre Entwicklung. 1005 aber weiterhin auch die Amöboidzellen zeigen Analoga dieser Bewegung (Eimer; , da man selbst Uebergänge zwischen Geisseibewegung und Amöboi'd- bewegung beobachtet hat (bei Moneren, HäckelJ.~\ Ohne Verdünnungsmittel im Hoden ruhend, fehlt den Fäden die Bewegung: Besonders regsam erhalten sie sich in den normalen Seoreten der weiblichen Sexualorgane f Bischoff J ; auch in allen normalen, animalischen Secreten (nicht im Speichel) bewegen sie sich ziemlich lange fort. Durch Wasserzusatz rollen sie sich sofort ösenartig um und erlahmen ; Rewegungs- lähmend wirken ferner Alkohol, Aether, Chloroform, Creosot, ferner Gummi, hemmende Dextrin und Pflanzenschleim, concentrirte Traubenzuckerlösung, sowie zu sehr uul' alkalischer Uterin- und zu saurer Vaginal-Schleim (Domu , Säuren und Metall- salze, zu hohe und zu niedere Temperaturen. — Indifferent verhalten sich indifferente auf die Bewegung die Narcotica (sofern sie chemisch nicht different sind), ebenso Flüssigkeiten. mittelstarke Lösungen von Harnstoff, Zucker, Eiweiss, Kochsalz, Glycerin, Amygdalin u. A. Doch wirken diese bei zu grosser Verdünnung wie "Wasser und Fig. 320. Spermatozoon: — / vom Menschen (600mal vergr.), der Kopf von der Fläche gesehen. 2 der Kopf von der Kante gesehen, k Kopf, m Mittelstück, / Schwanz, « Endfaden (nach Relziua), — 3 Samenfaden der Maus, — -t von Bothriocephalus latus, — 5 vom Reh, — 6 vom Maulwurf, - 7 vom Grünspecht, — 8 von der Schwarzdrossel — 9 vom Bastard vom Stieglitz-M. und Kanarienvogel- W, , — 10 vom Cobitis (Wetterfisch) nach A. Ecker. bei zu hoher Coucentration durch AVasserentziehung lähmend. — Merkwürdig ist, Wieder- dass die nach Wassereinwirkung eintretende Ruhe, sowie auch die Ruhe bei all- be!ftf",de mählichem Nachlassen der Bewegung durch verdünnte Alkalien wieder aufgehoben werden kann (Virchoiv), wie es auch die Wimperepithelien zeigen. Vielleicht wirken die Alkalien so, dass sie eine Säuerung des Protoplasmas durch Ermüdun. (§. 306) neutralisiren (Roth) ; doch schreibt Engelmann selbst geringen Mengen von Säuren, Alkohol und. Aether wiederbelebende Kraft zu. Die Samenfäden des Frosches können viermal nach einander ohne Nachtheil einfrieren , sie ertragen eine Hitze bis 43,75° C. und leben in den, in die Bauchhöhle anderer Frösche überpflanzten, Hoden bis 70 Tage , Maiitc-gazza) . Wegen ihres grossen Gehaltes an Erden können Samenfäden auf einem Resistenz Objectglase ausgeglüht werden, und dennoch behalten sie ihre Form (Valentin ,Arer Form- [ähnlich den sehr aschenreichen Zellen mancher Pflanzen, z. B. der Equiseten]. Auch Salpeter-, Schwefel-, Salz-Säure , kochende Essigsäure , kaustische Alkalien zerstören die Gestalt nicht; Kochsalz- und Salpeter-Lösungen von 10 — 15°\, ver- 1006 Die Samenfäden und ihre Entwicklung. [§434.] •wandeln die Samenfäden in formlose Klümpclien. Die organische Substanz gleicht dem festweichen Eiweiss der Epithelien. Neben den Samenfäden finden sich im Samen: Samenzellen, spärliche Epithelien der Samenwege (vereinzelte davon colloid entartet) , zahlreiche Leci- thinkörner, geschichtete Amyloidkörper (inconstant) , körniges oder scholliges, gelbes Pigment , zumal im Alter , Leukocyten und Spermakrystalle FürbringerJ. Entwickeiung Die Entwickehmg der Samenfäden — (Fig. 321) ist erst in der derfädeZm' neueren Zeit nach zahlreichen Untersuchungen (Letzerich, Neumann, de la Valette St. George, Merkel) , klargelegt worden , vornehmlich durch v. Ebner (1871), dessen Resultate gleichzeitig und unabhängig von mir gefunden wurden. Auf der Innenfläche der, mit spindel- förmigen Zellen ausgestatteten Wand der Samen canäl eben (Fig. 321 I. a und IV. n) liegt eine kernhaltige, protoplasmatische Schicht (I. b und IV. h) , von der sich in das Innere des Lumens hinein grosse, 0,053 Mm. lange, säulenartige Fortsätze erheben (I. c und II. III. IV.), Fig. 321. JV M TL Spermatogenese (halbschernatisoh). — I Querschnitt eines Samencanäl- chens, a Hülle desselben, b der protoplasniatische Innenbelag, c Sperrnatoblast, s Samenzellen. — II unreifer Spermatoblast, / die abgerundeten oberen Lappen desselben, p Samenzellen. — -TP Spermatoblast mit gereiften Köpfchen (k) und Cilien (r) , n Wand des Samencanälchens , h Protoplasmaschicht desselben, p Samenzellen. — ///Spermatoblast mit herausgelösten Samenfäden, t ein Samen- faden, p Samenzellen. die sich am freien Ende in mehrere, rundlich ovale Lappen (IL) wcMmo&er änrenar^g erstrecken, die Spermatoblasten (v. Ebner), oder die Samenähren. Samenähren (Landois). Dieselben bestehen aus weichem, feinkörnigem Protoplasma, und tragen meistens im unteren Theile einen ovalen Kern. Im Laufe der Entwickelung verlängert sich jeder Lappen der Samen- ähre in eine lange Cilie (den Grannen einer Aehre ähnlich (IV. r), und in der Tiefe des Lappens bildet sich durch Verdichtung des Protoplasmas der Kopf mit dem Mittelstück des Samenfadens aus (IV. k). In diesem Stadium gleicht die Samenähre einer mächtigen, un- regelmässig geformten Wimper- Cylinderzelle. Ist die Reifung vollendet, so lockert sich der Kopf und das Mittelstück aus dem Mutterboden (III. t), und der zurückgebliebene Spermatoblast gleicht nun mit seinen kelchförmigen , durch die Lösung entstandenen Lücken einer ausge- droschenen Aehre (III. 1) ; er geht später durch fettige Degeneration zu Grunde (W. Krause). Am Samenfaden selbst erkennt man oft Samensaß- zellen. [§. 434.] Das Ei. 1007 noch lange ein anhaftendes Protoplasmaklümpchen an der Grenze der Cilie und des Mittelstückes, ein mitgenommenes Resteben der Samen- ähre (III. t). — Zwischen den Spermatoblasten liegen zahlreiche rund- liche, amöbo'i'de, hüllenlose, durch Ausläufer vereinigte Zellen, welche den Saft des Samens zu secerniren scheinen, und welche man daher als Samensaftzellen (I. S und IL III. IV. p) bezeichnen kann. — So ist also der Entwickelung nach der Samenfaden eine losgelöste, selbst- ständig bewegliche Cilie eines grossen Wimperepithels. — Es soll jedoch bemerkt werden, dass manche Forscher sich dieser Darstellung nicht anschliessen (de la Valette St. George, Merkel u. A.) und sich zum Theile einer noch älteren Anschauung zuneigen, nach welcher die Samenfäden endogen innerhalb rundlicher Zellen entstehen sollen. Nach Benda, welchem sich v. Ebner anschliesst, entsteht der Spennatoblast aus einer Zusammenwachsung (Copulation) einer Gruppe von Samenzellen mit dem unteren Theile des aus Fussplatte und dem Stiel bestehenden Spermatoblasten. Jede Samenzelle entwickelt aus ihrem Kern den Kopf und aus ihrem Protoplasma den Schweif eines Samenfadens. Zur völligen Ausbildung dieser Theile aber bedürfe es einer Copulation der Samenzellen mit der Stammzelle (wie einer Art Pfropfung). Bei den meisten Thieren haben die Samenfäden die Haarform mit grösseren Formen der oder kleineren Köpfchen. Letztere sind elliptisch (Säuger) oder birnförmig (Säuger) Samenfäden. oder walzenförmig (Vögel, Amphibien, Fische) oder korkzieherförmig (Singvögel. Haie, Paludinen) oder einfach haarförmig (Iusecten u. A.) (Fig. 320). Unbeweg- liche Samenzellen , ganz von der Fadenform abweichend , finden sich bei den Myriapoden und Austern. 435. Das Ei. Das menschliche Ei (C. E. v. Baer, 1827) (0,18 — 0.2 Mm.) Das Ei und ist ein kugelförmiges, zellen ähnliches Gebilde, an dem man se eine dicke, feste, elastische, fein radiär gestreifte Hülle (Zona pellucida). den protoplasmatischen, körnigen, contractilen Inhalt (Dotter, Vitellus ', den darin liegenden, hellen, bläschenförmigen Kern. 40 — 50 y- (Keimbläschen Purkyiie 1825, Coste 1834) mit dem amöboid beweglichen Kern körperchen . 5 — 7 p. Keim- fleck, R. Wagner. 1835) erkennt. — lieber das chemische Verhalten des Eies ist §. 234 berichtet. Die Zona pellucida (Fig. 322), auf deren Oberfläche oft Zellen Zona. des GraaJ 'sehen Follikels haften, ist eine vom Follikel seeundär erzeugte Cuti- culannembran (Pflüger • • nach innen von ihr liegt unmittelbar dem Dotter eine sehr zarte Membran an, welche wohl die ursprüngliche Zellmembran der Ei- Dotter- zelle ist E. van Beneden . Die feinradiäre Streifung der Zona ist auf das Vor- '"t>mftra"- handensein zahlreicher Porencanälchen bezogen Kölliker, vonSehlen . Tili in der- selben ausserdem noch eine besondere, für das Eindringen der Samenfäden bestimmte Mikropyle Keber vorhanden ist, bleibt unentschieden. MkropyU. An den Eiern vieler Thiere wird eine besondere Mikropyle beobachtet [Holothurien. viele Fische (z. B. Stichling, Buchholtz , Muscbeln u. A. Johannes Müller \ Ausserdem besitzen einige Eier eine Anzahl, auf einem besonderen Terrain der Eihaut stehender Porencanäle (viele Insecten. z. B. Floh), die thcils . P%e?' dem Eindringen der Samenfäden , theils dem respiratorischen Gasaustausche des Eies dienen. Die Entwickelung der Ovula — geschieht in folgender Weise. Entwickelung Die Oberfläche des Ovariums ist mit einem Cylinderepithel . dem so- genanuten „Keimepithel" überzogen, zwischen welchem hie uud da runde „Eizellen" (Fig. 32:!. laa liegen; stellenweise senkt sieh 1008 Entwickelung des Ovulums. [§•435.] die Epithellage in schlauchförmige Vertiefungen der Ovarialoberfläche hinein (II.) (Waldeyer). Diese Schläuche (welche nach Waldeyer der Keimanlage des Ovariums entstammen) werden tiefer und tiefer, und man beobachtet zugleich im Innern derselben theils einzelne grössere, kugelförmige Zellen mit Kern und Kernkörperchen, theils wandständige kleinere, zahlreichere Zellen. Jene Schläuche sind die Ovarial- oder Ei-Schläuche (Valentin, Pflüger) ; die grösseren, runden Zellen sind die E i e r (Ureier), die kleineren Zellen sind die Epithelien der Schläuche (I). Weiterhin vergehen die offenen Mündungen der Eischläuche, und die letzteren werden in einzelne, rundliche Abtheilungen durch Hinein- wachsen des Ovarialstromas abgeschnürt (I c). Jede abgeschnürte Ab- theilung, welche meist ein, mitunter auch zwei Eier [IV o o] birgt, wird Graafsche zu einem GraaJ 'sehen Bläschen. Letztere erweitern sich, nehmen Flüssigkeit auf, ihre wandständigen Zellen werden zum Epithel des Follikels, oder zu len Granulosazellen, die an einer besonderen Stelle Fig. 322. Keimfleck Neben-Kernkörper- cli en, ebenso /. Zellen des Discus oophorus ,. Dotter Zona pellucida Reifes Kaninchen-Ei (nach Waldeyer). das Ei umwuchert halten (IV). Diese letzteren Stellen, auch Discus oophorus genannt, sind mehrfach geschichtet, spindel- und cylinder- förmig, — sie liefern die Zona ; nach einigen Forschern soll auch der Dotter zum Theil von diesen Zellen in das Ovulum hinein abgesondert werden , und es sollen sogar einzelne Zellen in das Ei einwandern (His, Lindgren , H. Virchow). Die Follikel, anfangs nur 0,03 Mm. gross, erhalten ihre volle Ausbildung erst zur Zeit der Geschlechts- reife. Die heranreifenden (IV) senken sich erst tiefer in das Stroma des Ovariums hinein, erweitern sich durch Flüssigkeitsaufnahme (Liquor folliculi), erhalten eine gefässreiche, selbstständiger hervortretende Hülle (Theca folliculi), und ihr Epithel (IV g) (Membrana granulosa) vermehrt sich in gleicher Weise zu einer mehrschichtigen, kleinzelligen Lage. Bei der letzten Reifung tauchen sie aus der Tiefe des Stromas wieder gegen die Oberfläche des Ovariums hervor, erhalten einen Durchmesser [§•435.] Entwicklung des Ovulums. 1009 bis zu 1,0 — 1,5 Mm., und sind nun bis zum Bersten reif. Von den Graafschen Follikeln erreicht nur ein kleiner Theil seine normale Endentwickelung, die Mehrzahl geht vorher atrophisch zu Grunde. Nach Palatino ist das Ovarium des Weibes einer fortwährenden Rück- bildung und wahrer Neubildung durch Einstülpung des Keimepithels stark unterworfen. Nach Waldeyer ist das Ei der Säuger keine einfache Zelle, sondern ein zusammengesetzteres Gebilde. Die ursprüngliche Eizelle wird nach ihm nur von dem Keimbläschen nebst Keimneck und dem darumliegenden, membranlosen, hellen Theile des Dotters gebildet (Fig. 323, III). Der übrige Dotterantheil geht aus umgewandelten Granulosazellen hervor, welche auch die Zona zusammensetzen. Fig. 323. i" Langer , in der Follikelbilduog begriffener Ovarialschlauch (neugeborenes Mädchen): an Eizellen zwischen den Epithelzellen der Ovariumobernäche, — b der Ovarialschlauch mit Eiern und Epithelzellen , — c ein abgeschnürter kleiner Follikel mit Ei. — //Offener Ovarialschlauch einer halbjährigen Hündin. — UI Isolirtes Primordiale! des Menschen. — IV Aelterer Follikel mit 2 Eiern (oo) und den Granulosazellen (g) (Hund). — V Theil der Oberfläche eines reifen Kaniucheneies : z Zona pellucida, — d Dotter, — e anhaftende Granulosazellen (nach Waldeyer). — VI Ausstossung des ersten Richtungskörperchens. — F//Aus- stossung zweier Kichtungskörperchen (nach Fol). Holoblastische und meroblastische Eier. — Nach demselben Typus, wie Boio- das Ei der Säuger, ist das der Batrachier und Cyclostomen gebaut: man nennt klastische und sie holoblastische Eier, weil ihr Inhalt ganz und gar in die, zum Aufbau stieehe gierm des Embryos dienenden Bildungszellen sich umwandelt. — Ihnen gegenüber haben die Vögel , die Monotremata unter den Säugern , die Reptilien und die übrigen Fische sogenannte meroblastische Eier (Reichert). Diese enthalten nämlich ausser dem (weissen) Bildungs-Dotter, welcher dem Dotter der holoblastischen Eier entspricht und die embryonalen Zellen liefert, noch den sogenannten Nabrungs- dotter (beim Yogel gelb), welcher während der Entwickelung das Nahrungsreservoir für den Embryo abgiebt. Dieses Nahrungsmaterial ist in die ursprünglich kleine und einfache Eizelle eingedrungen und hat das Ei so erheblich aufgeschwellt. — Landois, Physiologie. 7. Aufl. 64 1010 Holoblastische und meroblastische Eier. [§•435.] Die einzelnen j)ie Entwickelungsgeschichte des Vögele ies hat gezeigt, dass nur die kleine, Vogeleies, weisse , auf der Mitte der Oberfläche der Dotterkugel liegende , runde , proto- plasmatische Keim schicht (Hahnentritt, Cicatricula), 2,5 — 3, 5 Mm. breit und 0,28 Biidungs- bis 0,37 Mm. dick, dem Säugerei-Inhalte entspricht, also der Bildungsdo tter ist. dotier. jn |jjm \[egt das Keimbläschen und der Keimfleck (Fig. 324). Von ihm aus , in welchem auch die charakteristischen weissen Dotterelemente liegen (Fig. 325. a), erstrecken sich Fortsätze in den gelben Dotter hinein (Fig. 324)- Ausserdem setzt sicli von hier aus eine flaschenförmige, weisse Dottermasse bis in das Centrum des Dotters fort 'Piirkyne's Latebr a), und eine äusserst dünne Rinde umgiebt den Dotter (weisse Dotterrinde, oder das Rindenprotoplasma). Das Dottergelb Aahrungs- (Nahrungs dotter) besteht aus weichen, gelben, 23— 100 u. grossen, kernlosen, dotier. gegen einander oft leicht polyedrisch abgeflachten, zelligen Gebilden (Fig. 325. b). Diese sind aus einer proliferirenden Wucherung der Granulosazellen des Graaf- schen Follikels entstanden, welche auch zuletzt noch die körnig-faserige, doppel- Dotterhaut. schichtige Dotterhaut (Fig. 324) abscheiden (Eimer). [Man hat wohl auch den ganzen Dotter des Vogeleies dem Säuger-Ei nebst Corpus luteum äquivalent betrachtet; pag. 1015.] Keimbläschen und Keimflsck Fig. 324. Fig. 325. Keim -Keimfortsätze Rinden- protoplasma -—Dotterhaut Schema eines meroblastischen Eies (nach Waldeyer). a Weisse, h gelbe Dotterkugeln. Chemie des Dotters. Ist die Dotterkugel im Vogelovarium fertig gebildet, so zerreisst die Hülle des Graafschen Follikels, und die Dotterkugel geht rotirend durch den Oviduct, dessen , wie Züge des Gewehrlaufes gerichtete , Schleimhautfalten stets eine bestimmte Rotation bedingen. Zahlreiche Drüsen des Ovidactes sondern das Ei- weiss ab, das sich also um den Dotter schichtenweise herumwickelt, wobei sich am vorderen und hinteren Pole dieChalazen aufrollen. [Da die zähen Eiweiss- schichten sich wieder abzuwickeln streben , so rotirt im Vogelei das Eiweiss um den Dotter , und wenn man frischgelegte Eier in concentrirter Kochsalzlösung schwimmen lässt, so rotiren alle Eier in demselben Sinne (H. LandoisJ. Das Ei- weiss der Nesthocker ist gekocht glasig durchscheinend, verwandelt sich jedoch bei der Bebrütung in eine dem Nestflüchter-(Hühner-) Eiweiss gleiche Masse. Um- gekehrt gerinnt Hühnereiweiss, mit dünner Natronlauge versetzt, glasig durchsichtig (Tarchanoffj\. — Die Fasern der Membrana testacea sind secernirte, spontan geronnene , spiralig um das Eiweiss gewundene , keratinartige Fäden (Lindval &° Hamarstenj , um welche ein , aus Eiweiss und Kalk gemischter , sehr poröser Mörtel (Testa) im unteren Theile des Oviductes abgelagert wird. Eine structur- lose, poröse, schleimige, mitunter fettige Cuti etil a — liefert die äusserste Schalen- lage bei einigen Vögeln. Die Kalkschale des Vogeleies wird theilweise zum Aufbau der Knochen verwendet (Prout, Gruwe ; bestritten von Pott und Preyer). — Die oft in mehreren Schichten über einander liegenden Farbstoffe der Eioberfläche scheinen Derivate des Hämoglobins und Biliverdins zu sein. Der alkalisch reagirende , vom eisenhaltigen Lute'in gelb gefärbte Dotter enthält verschiedene Albuminate, einen Nucleinartigen Körper, Lecithin, Vitelin [§•435.] Pubertät. Menstruation. 1011 (Paarling von Eiweiss und Lecithin), Glycerinphosphorsäure . Cholesterin, Olei'n, Palmitin, Dextrose; — Chloralkalien, Eisen, phosphorsaure Erden, Fluor- und Kiesel-Säure. Unsicher ist das Vorkommen von Cerebrin, Glvcogen uud Amvlum (vgl. §. 234). 436. Pubertät. Die Zeit, in welcher der Mensch beginnt, geschlechtsreif zu werden , wird die Pubertätszeit genannt : für das weibliche Geschlecht im 13.— 15., für das männliche im 14. — 16. Jahre. In heissen Klimaten werden die Mädchen wohl schon im 8. Jahre geschlechtsreif. Gegen das 45. — 50. Jahr erlischt mit dem Auf- hören der Menses die Geschlechtsproduction des Weibes (Anni climacterici , Involutio), während beim Manne die Produktion von Samen noch bis in das höchste Alter beobachtet wird. Von der Pubertätszeit an erwacht der Geschlechtstrieb , und es werden die gereiften Keimstoffe ausgestossen. Alle inneren und äusseren Geschlechtsorgane nebst ihren accessorischen Gebilden vergrössern sich und werden blutreicher, das Becken des "Weibes wird charakteristisch weiblich. (lieber die Brüste siehe §. 232. ) Die Scham- und Achsel-Haare, beim Manne die Barthaare , sprossen hervor neben einer stärkeren Talgab- sonderung. Auch in manchen anderen Organen bringt die Pubertätszeit Ver- änderungen hervor: der Kehlkopf des Knaben wächst in sagittaler Richtung bedeutend, die Stimmbänder werden länger und dicker, daher die Stimme mindestens 1 Octave tiefer wird, (indem sie „bricht"). Beim Weibe wird der Kehlkopf im Ganzen länger, auch hier wird der Stimmumfang vergrössert. Die vitale Capacität (§.114. 5) nimmt, der Vergrosserung des Thorax entsprechend, erheblich zu; die ganze Gestalt und das Antlitz erhalten die, dem Geschlechte eigenartige Formung, und auch der geistigen Richtung verleiht die Pubertät ein charakteristisches Ge- präge. Die auf das Individuum bezügliche, vegetative Entwicklung ist vollendet, der Slrom des Wachsthums der organischen Kraft geht nun nach neuer Production, der Zeugung, hin (Johannes Müller . Pubertätszeit. Verände- rungen an den Genitalien. Verände- rungen an anderen Organen. 437. Menstruation. In regelmässigen Zeitabständen von 271/8 — 28 Tagen (Sonnenmonat) kommt es beim geschlechtsreifen Weibe zur Berstung eines oder mehrerer gereifter Graafscher Follikel unter gleichzeitiger, blutiger Ausscheidung aus den äusseren Ge- schlechtstheilen. Man nennt diesen Vorgang Menstruation (Menses , Katamenien , Regel , Periode . monatliche Reinigung). Die meisten Weiber menstruiren im 1. Viertel des Mondes, nur wenige zur Zeit des Neu- oder Vollmondes (Stroh/). Bei Säugern nennt man den analogen Vorgang Brunst (Aristoteles, Bise ho ff, 1844); namentlich kommt es bei Fleischfressern, Pferden und Kühen zu blutigem Abgang aus den Geschlechtstheilen (Aristoteles). und die Affen der alten Welt haben eine ausgeprägte menstrnale Blutung (Neubert). Dem Eintritt der Menses gehen zumeist Zeichen voraus, — welche auf eine vermehrte Biutwallung zu den inneru Geschlechtsorganen hinweisen: Ziehen im Kreuz und in den Lenden, sowie in der Gegend des Uterus und der Ovarien, die wohl auch auf Druck empfindlich sind, Müdigkeit in den Ü4* Aeussere Zeichen der Men- struation. Vorboten. 1012 Menstruation. [§•437.] Beinen, Blutwallung, Wärmewechsel, sogar geringe Temperatursteigerung (Korsch, ReinlJ in der äusseren Bedeckung. Daneben können Verlangsamung der Magen- verdauung (Kretschy, Fleischer), Abweichung der Kotli- und Harn-Entleerung und der Hautausscheidung vorkommen. — Der sodann erfolgende Ausfluss, erst schleimig, dann blutig, währt 3— 4 Tage (selten einen Tag bis gegen zwei Wochen); das Blut hat den Charakter des venösen und zeigt, falls reichliche, alkalische Genitalsecrete ihm beigemischt sind, eine geringere Tendenz zur Gerinnung, die jedoch bei lebhafter Blutung selbst in Klumpen erfolgen kann. Die Menge des entleerten Blutes beträgt 100 — 200 Grm. Nach dem Verlauf der eigentlichen Blutung folgt noch ein massiger Schleimabgang; darnach ist der sexuelle Trieb meist gesteigert. Die eigentlichen, charakteristischen inneren Vorgänge hei der Menstruation betreffen : — 1. Die Veränderungen an der Uterinschleimhaut und — 2. die Berstung des Eierstockfollikels. Fig. 326. ^Ampulle des Oviductes „.Tuba Fallopiae sive oviductus Inf ^Sg*^ <££5?% Ostiuni- '">-- ; ■;;,-;,;, , abdo- ^^illlPS minale (pusßHrtk Fimbria ovarict iAJ Isthmus tubae ■Vk Ligamentum infundibulo pelvicum i Lig. infundibulo ovaricum i Lig. latum Lisam" 0VarÜ Ovarium * Dem Rande des Ovariums folgender Gefässzweig. Eo Epoophoron, durch Abtrennung eines Theiles der hinteren Platte des Lig. latum freigelegt (nach Beule). Die Blutung aus der Uterin- schleimhaut . D'.e Uterinschleimhaut ist die eigentliche Quelle der Blutung. Das Flimmerepithel der gerötheten, stark geschwellten und gelockerten, weichen, 3 — 6 Mm. dicken Schleimhaut wird abge- stossen. Die Mündungen der zahlreichen, gewundenen Drüsen der Uterusschleimhaut sind deutlich, aber ihre Zellen zeigen f ettig e Entartung, ebenso das intraglanduläre Gewebe an den Zellen und an den Blutgefässen. Diese fettige Degeneration und die Abstossung der entarteten G-ewebe nach erfolgtem Zerfalle findet sich jedoch nur in den oberflächlichen Schichten der Mucosa, deren zerrissene Gefässe die Blutung liefern. Die tieferen Schleimhautlagen erhalten sich intact, und von ihnen aus erfolgt nach dem Verlaufe der Menses die Reconstruction der gesammten Mucosa (Kundrat und G. jf. Engelmann) . [§.437-] Menstruation. 1013 Der zweite, wichtige, innere Vorgang, die Ovulation, Die aus- vollzieht sich am Ovarium : dasselbe wird erheblich blutreicher, at033E^. der reifste Folli- lg' ' kel füllt sich pral- ^IH^A^ ler, ragt über die ■-i'^-r^lif &r,li&\M W^?r< ''''i^v-l/'-;^" Oberfläche hervor '-■if|M!:'V;%';V..'v-:r V3 t VV,"'#^. -"äcy v';'' '•''•• ''':-^ unc*- zerberstet .■■^fj}':'':-' ;':;:--'"s ^\,-:'K%i,':-:'-'^ "V-6';^-;., .$• schliesslich unter -^^v,./'', : -^."-' O':^''.''-:.'0''^i ''-^''/-v, :';'0^-))i blutiger Zerreis- ^''"";">;-:. ' W;ai^%y"^vl:fl'"v VW%,'^';-' '"-' >p sung seiner Hülle r2^ '•;•'.■ '••r'^^V-^i^ixl^ '.'/..'^l'V V"!,':'o .■•;~j, un(l des Ovarial- SS-'^V'- "■'S^^'^^^ll'^l^»'-^:^^^ Überzuges. _ Zu- ■ , .- = '-'''-'.^-"^.väV • "•-/ f I1' '- f •"•' r"{^l' gleicli legt sich der. Ä®^2®ÄW5^|l-':5i^^S dnrch Pralle G°- ^-'X^ l^vv^"-/ :-:-'ä^> .~:" - ~- -- fässfüllung gleich- -r'^^ • - '- --\'?1 ^^' ' :' ' rj ^lffi samerigirteTuben- ■^^f' Ä-- <-^"-::pTr' ~ """-/' "-; ' V" ^^J^x^-J-f ■- ' trichter so an das ^^^=~=-^ -?-'=' -^-^ ^-i" Ovarium, dass das, Dickendurchschnitt durch die normale Uterinschleim- mit dem Follikel- haut »» nebst eines Theils der anliegenden Muskel- ,->, t , schicht mx. satt und umgeben- den Granulosa- Flg- 328- zellen heraupge- ^^y^:\f^^^^7,^,^^7^^^'^^z ma^ entlang der 5^3p25&N .*';>-^i^?* ,|^:n^^SSS^' j|§ Fimbria ovarica. y,'J/W^M' ''''''- '"--'- ' :^ '^'"V^ *n c^e Tube hinein- jß0'.-'-'^\'--]0t^^^^'^^^^'^f1r-'__ sickern kann. Die, ^%-.;'~-"^H/^^-V.;'.-'.-: ;<-ti^C^^;-:^^ nach dem Uteras --"•^ !'^'.'J ./>' -^^^^n^;i'*?5 hin wimpernden ^s*.^^- ^"-'-j;^c^:Vg^^v- -1 -:" ^""^^^^r^&v" Zellen der Tuba giV'O"''?^ ','' v fk ^a'%5^-' -^^^^S^^fe bewirken eine Strö _,... . r~... , , TT* , , • n Ovarium benetzen- Flachenschnitt der normalen Lterusschleiinhaut -. „,., . , . (nach Orthmann). üen JD lUSSlgkeit, welche das Ei mit in den Trichter der Tuba hineinschwemmt. Ducalliez & Küss vermochten durch pralle Injection der Grefässe das Anschwellen Fig. 32a. ffl^**^-^' ""- EWstocksstroma % )Xw\ — Aenssere Follikelhaut a^^-sroC: iVIrT Gefäss zwischen äusserer Follikelhaut ' f wA fiW J/§ ■■"' un^ Tunica propria — Gefaltete und hypertrophische Tuuica propria Frisches Corpus luteum (nach Rai'oiani). und Anlegen der äusseren Tubenmündung an das Ovarium künstlich nachzuahmen. Rousret weist auf die glatt e n M u s k e 1- 1014 Menstruation. [§•437.] P.fl üger' s Theorie der Men- struation. Fig. 330. Theorie ton Reichert, Sig i s- m und u. A. fasern der breiten Mutterbänder bin, welcbe durch Constriction der G-efässe die nothwendige Injectionsspannung der Tuben- gefasse bewirken sollen. Ueber den Connex der Ovulum-Ausstossung und der Blutung aus der Uterinschleimhaut stehen sich zur Zeit zwei Ansichten gegen- über. Pflüger betrachtet die blutige Abstossung der oberen Schleim- hautschichte des Uterus als eine vorbereitende, physiologisch sich voll- ziehende „Anfrischung" des Gewebes (im chirurgischeu Sinne), durch welche es befähigt werde, das in den Uterus hinein- gelangende Ei durch Verwachsung (wie bei einer Pfropfung oder Verheilung) fest zu vereinigen, so dass es nun, wie ein auf- gewachsener, oder angeheilter Theil vom neuen Mutterboden aus weiter ernährt werde. — Dieser Auffassung steht eine völlig abweichende entgegen (Reichert, Sigismund , Kundrat und G. J. Engelmann, Williams, Gusserow) . Unter normalen Verhältnissen kommt es durch einen sympathischen Bildungsvorgang, noch vor der Ausstossung des Eies aus dem Follikel (Reichert) , innerhalb des Uterus zu einer erheblichen Blutfülle, Lockerung und Schwellung der Schleimhaut. Man nennt die so vor- bereitete Schleimhaut die Membrana decidua menstrualis: sie ist in dieser ihrer Verfassung befähigt, als passende Brutstätte ein Fig. 331. Corpus luteum mit fibrösem Kern Lutei'nzellen aus dem Corpus luteum der Kuh (nach Bis). $m Stroma des Eierstockes ---^WNfcs* ~J/V * \>i VW// mit Gefässlücken °|\3 VQj ^V )#f# --- Lymphgefässe Corpus luteum der Kuh l72mal vergrössert (nach Bis). etwa befruchtetes Ovulum aufzunehmen. Ist das Eichen jedoch nicht befruchtet worden und geht es also nach seinem Durchtritt durch den Geschlech tscanal verloren, so erfolgt nunmehr der Zerfall der Uterin- sehleimhaut unter Blutung, wie oben geschildert. Hiernach wäre also die Blutung der Uterinschleimhaut ein Zeichen des Nichteintretens der Schwangerschaft : die Schleimhaut zerfällt , weil sie für diesmal nicht verwendet werden konnte ; die Menstrualblutung ist hiernach ein äusseres Zeichen , dass das gelöste Ei nicht befruchtet worden ist. Hiernach [§•437.] Corpus luteum. — Erection. 1015 wäre dann die Schwangerschaft, d. h. die Fruchtentwickelung im Uterus, nicht von der zuletzt dagewesenen, sondern von der zuletzt ausgebliebenen Menstruation zu datiren. In einzelnen Fällen kann die Ovulation und die Bildung der Decidua menstrualis getrennt für sich erfolgen, so dass eine Menstruation ohne Ovulation, oder eine Ovulation ohne Menstruation auftritt. Wenngleich manche Anzeichen zu Gunsten dieser neuen Auffassung sprechen, so bleibt doch noch jene Schwierig- keit bestehen , die nämlich , dass Thiere , welche mehrere Placentarstellen haben (z. B. die Kuh), zur Zeit der Brunst aus diesen Stellen Blutausscheidung zeigen. Bildung des Corpus luteum. — Der seines Inhaltes entleerte Follikel collabirt; in seinem Innern ist die Auskleidung der Granulosazellen und ein kleiner Bluterguss, welcher alsbald gerinnt, zurückgeblieben. Die kleine Risswunde vernarbt zunächst . nachdem schon das Serum resorbirt war. Nun schwillt die gefässreicher gewordene Wand des Follikels an und treibt nach innen zotten- artige Granulationen junger Bindesubstanz (Fig. 331), reich an Capillaren und Zellen. Weisse Blutkörpereben wandern in den Baum hinein. Ausserdem wuchern aber auch die Granulosazellen, die sich schichtweise gegen das Innere ablagern und sich schliesslich (nach Obliteration zahlreicher Gefässe) als Zeichen fettiger Entartung mit Lutein (Fig. 330) und Fett füllen (gelber Körper). Die Kapsel geht mehr und mehr allmählich in das Ovarialstroma über. War nach der Menstrua- tion keine Schwangerschaft eingetreten, so erfolgt alsbald Resorption des gebildeten Fettes und Umwandlung des Blutcoagulums zu Hämatoidin (§. 25) und anderen Pigmentderivaten unter gleichmässiger Verschrumpfung des gelben Körpers innerhalb vier Wochen bis auf einen winzigen Best. Man nennt diese gelben Körper ohne erfolgte Gravidität Corpora lutea spuria. Ist jedoch letztere eingetreten, so ist die Grösse, entsprechend der bedeutend gesteigerten Bildungs- vorgänge, eine sehr erhebliche (zumal im 3. — 4. Monate), die Wand ist dicker, die Farbe gesättigter, so dass der Körper noch zur Zeit der Geburt gegen 6 — 10 Mm. misst und in seinen Besten noch nach Jahren erkennbar bleibt. Der gelbe Körper nach einer Schwangerschaft heisst Corpus luteum verum ( Bischoff) (Fig. 331). Corpus luteum. Corpus luttum spurium. Corpus luteum verum. 438. Erection. Bau des Penis. Die Kenntniss der Blutvertheilung innerhalb des Penis verdanken wir vornehmlich den Arbeiten C. Langer s. Die Albuginea der Schwellkörper besteht aus sehnigem Bindegewebe, dichtgenetztem elastischen Gewebe und glatten Muskelfasern, die eine feste, fibröse Hülle bilden, von der aus in das Innere zahllose gleichgebaute Bälkchen ausgehen, welche den Schwellköipern das Gefüge eines Schwammes verleihen. Die so entstandenen, anastomosirenden Lücken bilden ein Labyrinth von Venensinus , welche von Endothel ausgekleidet sind. Die grössten dieser Bäume liegen im unteren, äusseren Theile des Corpus cavernosum, im oberen Abschnitte nehmen die Räume an Zahl und Grösse ab. Die kleineren Arterien eines Schwellkörpers entspringen aus einem, am Septum entlang Anordnung laufenden Stamme der A. profunda penis und treten in sehr geschlängeltem Uer ^e/"f^ Laufe auf die Bälkchen. Von den kleinen Arterienästchen gehen im Rindengebiete desselben. einige direct in die grösseren Venen räume über, aber auch im Innern der Schwellkörper kommen derartige , directe Uebergänge von Arterien in die venösen Räume vor. Es lindet sich aber auch eine capillare Verästelung in der Rinde und im Innern der Schwellkörper, welche sich iu die venösen Räume eröffnet. [Die von Jeh. Müller beschriebene Art. helicinae penis sind nur um- gebeugt auf einander liegende Schenkel mehr weniger unvollkommen injicirter Arterienschlingen, deren Auftreten durch den strangförmigen Verlauf der Bälkchen bedingt ist.] — Aus dem Innern der Schenkel des Penis entwickeln sich mittelst feinerer Wurzeln die Venae profundae penis. Ausserdem treten aus den caveruösen Räumen auch auf dem Rücken des Penis venöse Zweige hervor. welche in die Vena dorsalis penis übergehen. Da diese Zweige durch die Maschen des Gefässnetzes in der Rinde der Corpora cavernosa penis hindurchtreten , so ist es ersichtlich, dass eine, durch pralle Füllung dieser Netze eintretende Ver- engerung der Maschen comprimirend auf die durchtretenden Vcnenästchen wirken muss. — Das Corpus cavernosum uretrae besteht zum grössten Theile aus einer 1016 Erection. [§•438.] Wesen der Erection. Einleitender Nervi erigentes. äusseren Lage dicht neben einander liegender und anastomosirender Venen, welche die mehr längs verlauf enden Gefässe der Uretra umgeben. Beim Hunde streben alle Arterien des Penis zunächst der Oberfläche zu , wo sie sich büschelförmig theilen. Aus den Capillarschlingen der Papillen gehen die Venen hervor, welche ihr Blut in die Schwellräume überführen. Nur wenig Blut gelaugt durch innere Capillaren und Venen in die Schwellräume, nie strömt jedoch Arterienblut direct in diese ein (M. v. Frey). Das "Wesen der Erection besteht in einer starken Füllung der Blutgefässe des Penis, wobei sicli eine 4 — 5fache Volums- vergrösserung, höhere Temperatur , Steigerung des Blutdruckes in den Penisgefässen bis zu 1,6 des Carotisdruckes (Eckhard) unter anfänglicher pulsatorischer Bewegung, vermehrte Con- sistenz und die Richtung mit Ausbildung der Scheidenkrümmung am Dorsum penis zeigt. Schon Regner de Graaf erzielte völlige Erection des Penis am Cadaver durch Injection der Blutgefässe (1668). Der einleitende Vorgang besteht in einer bedeuten- Yorgamg. ^en "Vermehrung des arteriellen Blutzuflusses, wobei die Arterien sich erweitern und stärker pulsiren; — dieser wird beherrscht von den Nervi erigentes. Sie entspringen vornehmlich aus dem 2. (seltener 3.) Sacralnerven (Hund), und tragen in ihrem Ver- laufe Ganglienzellen (Nikolsky). Diese, den Vasodilatatoren an- gehörigen , Gefässnerven können zum Theil reflectorisch erregt werden durch Reizung der sensiblen Penisnerven, wobei die Uebertragung der Erregung im Erectionscentrum des Rücken- markes statthat (vgl. §. 364. 4). So können auch durch will- kürliche Bewegungen am Genitalapparate bewirkte Gefühls- erregungen (durch die Mm. ischio- und bulbo-cavernosi und die Cremasteren) diesen Reflex auslösen ; selbst die Vorstellung von Gefühlserregungen am Penis ist hierzu geeignet. [Die Nn. eri- gentes innerviren auch die Längsfasern des Rectums (Fellner) .] Das Erectionscentrum im Rückenmarke (§. 364, 4) ist aber natürlich dem dominirenden Vasodilatatoren centrum der Oblongata (§.374) untergeordnet, von welchem aus abwärts durch das Rückenmark Verbindungsfasern zu jenem hinziehen. Daher hat auch eine Reizung des Rückenmarkes aufwärts Erection zur Folge (§. 364, 4). z. B. durch Erstickungsblut oder Muscarin (Nikolsky) (pathologisch auch bei Rückenmarks- krankheiten). Auf das Gebiet der genitalen Vasodilatatoren hat endlich auch die psychische Thätigkeit des Gross hirns einen entschiedenen Einfluss. Ganz ähnlich wie die psychische Er- regung des Zornes und der Scham Dilatation der Gefässe am Kopfe durch Erregung der Dilatatoren zur Folge hat, so hat die Lenkung der Vorstellung auf die Geschlechtssphäre eine Einwirkung auf die Nn. erigentes zur Folge. Diese Einwirkung des Gehirnes ist uns seit dem Bekanntwerden der Abhängigkeit der localen Gefässweite von der Hirnrinde (§. 379) verständlich geworden. Von der Hirnrinde werden wahrscheinlich die Fasern durch die Pedunculi cerebri und den Pons verlaufen, durch deren Reizung in der That Eckhard Erection erfolgen sah (§. 364, 4). Erections- centrum. Einfluss des Grosshirns. [§•438.] Erection. 101' Ist so durch die arterielle Fluxion die Einleitung zu der vollendete Erection gegeben, so kann nunmehr die völligeAusbildung d™E™*i?n. derselben durch die Thätigkeit folgender quergestreifter Muskeln erfolgen. — 1. Der M. ischio- cavernosus (Fig. 96, pg. 299), der sich , vom Sitzbein entspringend , durch seine sehnige Ver- einigung schlingenförmig um die Peniswurzel schlägt, wird bei seiner Contraction die Peniswurzel von oben und seitlich zu- sammendrücken , so dass das Entweichen des Venenblutes aus derselben behindert ist Fiff. 332. ^Ti Vordere Beckenwand mit dem Diaphragma uro- genitale [von vorn (anssen) gesehenl nach Heul?. Das Corpus cavernosnm uretrae 4 niit der Harn- röhre 3 ist unter der Austriitsstelle aus dem Becken durchschnitten. — 1 Symphysis ossium pubis, — 2 Vena dorsalis penis. — 5 Theil vom des Uretralschwellkoi'pers Muse, bulbocavernosus, vom Septum perineale behfilflioh , indem er den ( Varolius, 1573. Auf die V. dorsalis penis vermag er jedoch nicht einzu- wirken . da diese in der dorsalen Penisrinne vor einem Drucke der Sehne geschützt liegt. — 2. Der M. transversus perinei pro- fundus wird von den. aus den Schwellkörpern aus tretenden Venae profund ae penis (die sich weiterhin zur Vena pudenda com- munis und dem Plexus Santo rini begeben ) der artig durchbohrt , dass seine Contraction diese Venen zwischen den straff horizontal gegeneinander gespannten Fasern com primiren muss ( Fig. 332, 6 l (Heule). — 3. Endlich ist auch der M. bulbo- cavemosus zur Steifimg herkommend , — t JIusc. trausversus perinei profundus nebst seiner Kascie /. - R. Hert-uig . Die Stelle, an der die Befruchtung erfolgt, ist entweder on de- das Ovarium (hierfür spricht das Vorkommen einer Abdominal- Defrv' Schwangerschaft), oder die Tube, deren zahlreiche Schleim- hautrecessus ein passender Aufenthaltsort der Samenfäden sind ; (dass die Befruchtung auch hier erfolgen kann, zeigt das Vor- kommen der Tubenschwangerschaft). Es muss demnach also der Samen vom Uterus aus durch die Tuben bis zum Ovarium gelangen können, was wahrscheinlich lediglich durch die Eigen - bewegungen der Samenfäden geschieht. Ob peristaltische Be- wegungen des Uterus und der Tuben mitwirken können , ist ungewiss: die Flimmerbewegung kann jedoch wegen ihres, nach aussen gerichteten Wimperschlages nicht mitwirken. Ist das Ei einmal unbefruchtet in den Uterus gelangt, so wird es hier nun nicht mehr befruchtet. Man nimmt an . dass innerhalb 2 — 3 Wochen das losgelöste Ei in dem Uterus anlangt (beim Hunde in 8—14 Tagen). D o p p e 1 b e f r u c h t u n g e n (Zwillinge) kommen vor 1:87 M>J>r/ache (in heissen Gegenden öfter) , Drillinge 1 : 7600 . A'ierlinge ' 1020 Befruchtung des Eies. [§• 440.J Utber- sckwänge- rung. Ueber- fruchtung. 1 : 330000. Mehr als Sechslinge sind nicht beobachtet. Die Durchschnittszahl der Empfängnisse des Weibes ist 41/2. Unter Superföcundation — (Ueberschwängerung) versteht man das Vor- kommen einer doppelten Befruchtung zweier , bei derselben Menstruation gelöster Eier durch verschiedene Begattungen. So kann z. B. eine Stute ein Pferdefüllen und ein Maulthier werfen, nachdem sie zuvor vom Hengst und dann vom Esel gedeckt 'war. So sali man auch "Weiber einen Neger- und einen weissen Zwilling gebären. — Erfolgt jedoch eine zweite Befruchtung in einer späteren Zeit der Gravidität, etwa im zweiten oder dritten Monat (wie schon ein Fall im Talmud berichtet), so tritt der seltene Fall der Superfeiration — (Ueberfruchtung) ein. Es ist jedoch diese nur möglich beim Uterus duplex und fortbestehender Menstruation bis zur Zeit der zweiten Befruchtung. Schon Hippokrates erklärte die Ueberbefruchtung aus zwei, je für sich trächtig werdenden Hörnern des Uterus, was nach Aristoteles besonders oft bei Hasen sich ereignen soll. Beim einfachen Uterus kann von einer Ueberfruchtung nicht die Bede sein, da ein Schleimpfropf während der Gravidität den Cervicalcanal verstopft hält, wie schon Herophilus wusste ; abgesehen davon, dass meist die Menstruation cessirt. Bastarde, Bastardbildung. — Eine Befruchtung ist auch möglich unter verwandten Arten (Pferd, Esel, Zebra — Hund, Schakal, Wolf — Ziege, Steinbock — Ziege, Schaf — Arten von Lama — Kameel, Dromedar — Tiger, Löwe — Arten von Fasanen — Arten von Finken — Gans, Schwan — Karpfen, Karausche — Arten von Seidenschmetterlingen). Die meisten so erzeugten Bastarde sind steril vornehmlich wegen Mangels an ausgebildeten Samenfäden der Männchen ; die Bastardweibchen sind jedoch wohl auch vom Männchen der beiden Elternarteu befruchtbar, z. B. die Maulthierstute (Aristoteles); die Nachkommenschaft schlägt dann aber auf die Elternspecies wieder zurück. Nur wenige Bastarde sind unter sich fortpflanzungsfähig, wie die Hundebastarde. Bei verschiedenen Frosch-Arten ist die Ursache des häufigen Misslingens der Bastardirung in mechanischen Hinder- nissen für das Eindringen des Samenfadens in das Ei zu suchen. Nur solche Fäden, welche schlanker und kräftiger in ihrer Bewegung sind, als die der anderen Art, können Eier dieser befruchten. Daher ist die Möglichkeit der Bastardirung zwischen zwei Arten fast stets einseitig (Pflüger 6° Smith). Bei einigen Amphibien ist eine Bastardbefruchtung zwar wirksam , doch geht die Entwickelung nicht über die ersten Stadien hinaus. Es scheint dies darin zu liegen , dass nur ein Theil eines unvollkommen in das Ei gelangten Samenfadens zur Einwirkung gelangt (Pflüg(r). Nach O. &* R. Heriwig lassen sich bei Echinodermen Bastardirungen leichter erzeugen, je lebensfähiger die Spermatozoon sind, und je mehr die Eier eine Schwächung erfahren haben. Tuiau Ausnahmsweise kann aus dem geplatzten Follikel eines Ovariums rung des das Ei in die Tube der anderen Seite eintreten, wie die Fälle von Tubenschwangerschaft und von Gravidität innerhalb eines, abnormer Weise vorhandenen , rudimentären Uterushornes beweisen , bei denen man das Corpus luteum verum im Ovarium der anderen Seite ange- troffen hat („äussere Ueber wände rung") (Kussmaul, Leopold). Hiermit steht im Einklänge, dass auch körnchenreiche Flüssigkeiten (Tusche etc.) in die Bauchhöhle gespritzt, in beide Tuben durch die Flimmerbewegung bis zum Uterus eindringen (Pinner) . — Bei Thieren können auch Ovula durch den doppelten Muttermund wandern : durch den einen hinaus und durch den anderen in das andere Uterushorn wieder ein („innere Ueber wandern ng"). Im reifenden Ei betrifft die erste , eigenthümliche Ver- änderung das Keimbläschen: dieses rückt gegen die Ober- fläche des Eies hinan, geht eine rückschreitende Metamorphose ein und aus den Resten desselben, vornehmlich aus dem Keim- fleck, bildet sich ein längliches Gebilde, die „Kernspindel". Um die beiden Pole der Spindel herum gruppiren sich die Eies. Orificiale Veber- wanderung. Veränderung des Keim- bläschens. [§• 440.] Befruchtungsvorgang am Eichen. 1021 körnigen Elemente des protoplasmatischen Dotters in je einer eigentümlichen Strahlenform ( „D oppelstern-'. Fol). Ist dies geschehen, so tritt der periphere Pol des so veränderten Eikernes zugleich mit etwas Zellsubstanz des Eies aus der Ei- oberfläche hervor , wird abgeschnürt und aus dem Ei in Form eines kleinen Körperchens, wie ein Auswurfskörper ausgestossen (Fig. 323, VI und VII). Die Ausstossung erfolgt sodann noch einmal. Die beiden somit eliminirten Körperchen, welche nun für die Entwickelung und das Wachsthum des Eies nicht weiter benutzt werden, heissen „Richtungskörper chen:t (Fig.333. 334). Der übriggebliebene, centralwärts gelegene Theil des Keim- bläschens verbleibt innerhalb des Dotters , wandert gegen den Mittelpunkt des Eies zurück und bildet so den „Eikern" (0. Hertwig, Fol, Selenka), oder den „weiblichen Pronu- cleus1' (F. van Beneden). Fig. 335. Fijr. 331. Ausstossung der Ttichtungs- körperchen. Der Eikern. Ei vonSjorpaena serot'a. Das Keimbläschen stösst ein Richtungskörpercheu aus und zieht .-ich als E i k e r n zur Eimitte wieder zurück ; ihm nähert sich der Spermakern. Ei von einem Seestern (Asteracanthion) mit 2 ausgestossenenRichtungskörperchen ; Spermakern und Eikern benachbart. Der in das Ei eingedrungene Samenfaden bewegt sich gegen den Eikern hin, wobei sich sein Kopf mit einem Strahlen- kranze umgiebt, dann verschwindet seine Cilie, und sein allein übrig bleibender Kopf schwillt zu einem zweiten neuen Kerne an. dem „Spermakern" (0. Hertwig) oder dem „männlichen P r o n u c 1 e u s" (Fol, Selenka) . Nun verschmelzen der Eikern und Samenkern zu dem neuen Kerne des befruchteten Eies. Der Dotter nimmt hierbei ein strahlenförmiges Aussehen an (Fig. 334). O. Hertwig 6° Fol fanden (bei Echinodermen) die merkwürdige Thatsache, dass aus einem Ei mehrere Junge sich bilden, wenn abnormer Weise mehrere Samenfaden in das Ei eindringen. Die, aus den einzelnen Spermatoi'den entstehen- den männlichen Pronuclei verschmelzen dann mit je einem Fragment des zerlegten ■weiblichen. Bei Batrachiem fand man unter diesen Verhältnissen eine abnorm verlaufende Furehung ohne Weiterentwickelung fBorn . Der Spermakern. Ver- schmelzuiei- an den Urdarm inserirt, der Darmnabel. Noch bevor dieser Absei mürungsprocess zur Entwickehmg veranlage. kommt , entsteht von demjenigen Theile der Darmfaserplatte, welcher unten die Kopfdarmhöhle begrenzt, die Anlage des Herzens, beim Hühnchen mit Abschluss des ersten Tages als rhythmisch bewegtes Pünktchen (oriy^T] xivouf/ivn] des Aristoteles ; Fig. 340, Punctum saliens^ ; bei Säugern jedoch viel später. Das Herz (Fig. 340, VI; entsteht als eine, aus Zellen gebildete, hohle, blasige Knospe der Darmfaserplatte (ursprünglich als paarige Bildung, His, Dareste). Bald erweitert sich seine Höhle. es wächst, suspendirt an einer mesenterialfaltcnartigen Duplicatur (Mesocardium), in das Koelom hinein, dessen in der Umgebung 1032 Bildung des Herzens und des ersten Kreislaufes. [§•444.] Erste Wandlung am Herzen. Die primitiven Erster oder Doltersack- oder Nabelblasen- Kreislauf. Bildung der ersten Ge fasse. des Herzens liegender Theil nun die Herzhöhle (Fovea cardiaca) genannt wird. Das Herz nimmt weiterhin eine länglich schlauchförmige Gestalt an, deren Aortentheil nach vorn, deren venöser Theil nach hinten hin gerichtet ist; dann erfährt es eine leichte /-förmige Krümmung (Fig. 347, 1). Von der Mitte des zweiten Tages an schlägt das Herz beim Hühnchen regel- mässig, etwa 40mal in einer Minute. Vom vorderen (Aorta-) Ende des Herzens geht aus dem Bulbus aortae die Aorta hervor, welche sich vorwärts begiebt und , in zwei Bögen gespalten (primitive Aorten), dann unter den Hirnblasen sich krümmt und rückwärts vor den Ur- wirbeln niedersteigt. Beide primitiven Aorten endigen anfangs am Schwanzende des Embryos blind. Gegenüber dem Ductus omphalomesaraicus entsendet jede primitive Aorta beim Hühn- chen je eine, bei Säugern mehrere (Hund 4 — 5) Arteriae omphalo- mesaraicae (Fig. 340, VI, Ao), welche sich innerhalb des Mesoblasts auf dem Dottersacke, beziehungsweise dem Nabelbläschen, in ein reiches Netzwerk von Gefässen vertheilen. Aus diesen sammeln sich rückwärts ziehend (beim Vogel aus dem Sinus terminalis der späteren Vena terminalis der Area vasculosa entspringend) die Venae omphalomesaraicae (Vo) , welche am Ductus empor- steigen und mit zwei Stämmen in die beiden venösen Schenkel des Herzens einmünden. So ist der „erste Kreislauf" ge- schlossen. Derselbe hat die Bedeutung, dem Embryo Ernährungs- material zum Wach stimme und Sauerstoff zuzutragen. Letzteres tritt beim Vogel durch die poröse Eischale aus der Luft, ersteres birgt bis zum Ende der Brutzeit der Dottersack. Beim Säuger werden beide von den Gefässen der Uterinschleimhaut an das Ei geliefert. Beim Vogel wird wegen der Aufzehrung des Dotter- sackinhaltes das Kreislaufsterrain stetig verkleinert; schliess- lich schlüpft gegen Ende der Bebrütung das kleiner gewordene Dottersäckchen in die Leibeshöhle hinein. Auf dem Nabel- bläschen der Säuger geht der Kreislauf meist schon in früher Zeit wieder unter . und das Nabelbläschen wird zu einem winzigen Appendix, während der zweite Kreislauf zum Er- sätze des Nabelbläschenkreislaufes sich ausbildet. — Die ersten Gefässe bilden sich beim Vogel ausserhalb des Embryonal- körpers in der Area vasculosa schon am letzten Viertel des ersten Tages, noch bevor vom Herzen etwas zu sehen ist. Die Gefässe entstehen aus gefässbildenden Zellen in einer noch nicht sicher erforschten Weise; sie sind anfangs solide und werden später hohl (Kölliker, His) (vgl. §. 13, A). Innerhalb der Area vasculosa des Hühnchens kommt es zur Entwickelung eines enggenetzten, lymphatischen Röhrensystemes (His), welches mit der Amnionhöhle im Zusammenhang steht (A. Budge). Leibesvjand . 445. Weitere Ausbildung des Leibes. Die noch fehlenden Bildungsvorgänge , die zur typischen Ausbildung der Leibesform auftreten, sind die folgenden: [§. 445.] Weitere Ausbildung des Leibes. 1033 1. Das Koelom gewinnt mehr und mehr an Ausdehnung, Selbständige und es tritt hierdurch um so deutlicher die DifFerenzirung iJbes und zwischen Leibeswand und dem Darmrohr hervor. Letzteres rückt desr0%"™' mehr von den Urwirbeln ab . indem sich die Mittelplatten zu einer beginnenden Gekrösebildung verlängern. Die Leibeswand, welche zunächst noch aus dem Hornblatt und der äusseren Lamelle der Seitenplatte besteht (Hautplatte), erleidet eine Ver- dickung, indem von der Muskelplatte (siehe unten) her die Muskel- anlage und von den Urwirbeln her die Knochenanlage nebst den Spinalnerven zwischen Hornblatt und Hautplatte hinein- wachsen (Remak). 2. Von den Urwirbeln löst sich ein dorsalwärts liegendes wrbeuuuu. Stück ab, welches Muskel platte (Remak) heisst; der übrig- Muskeipwte. gebliebene Theil des Ur wirbeis („eigentlicher Urwirbel", Kölliker) tritt nun mit dem der anderen Seite zusammen , indem beide sowohl die Chorda völlig umwachsen (Membrana reuniens inferior. Reichert: beim Hühnchen am 3.. beim Kaninchen am 10. Tage), als auch das Medullarrohr umschliessen (M. reuniens 3/embranae superior, Rathke, Reichert, beim Hühnchen am 4. Tage). So ist vor dem Medullarrohr eine Verschmelzung der Urwirbel- massen. welche die Chorda einschliesst. entstanden, die also den Grundstock aller Wirbelkörper umfasst, während die zwischen Muskelplatten nebst Hornhaut einerseits und dem Medullarrohr andererseits eingeschobene M. reuniens superior die Anlage der gesammten Wirbel bögen nebst den zwischen denselben liegenden Ligamenta interarcuata darstellt. [Die Wirbelsäule ist in diesem häutigen Stadium durchaus das Ebenbild der AVirbelsäule der Cyclostomen (Neunaugen).] — Aus der Membrana reuniens superior bilden sich ausserdem noch die Hüllen des Rückenmarkes und die Spinal-Ganglien und Nerven. In seltenen Fällen unterbleibt die Rildung der M. reuniens superior : als- Spina bifida. dann ist hinten das Medullarrohr, -nur vou dem Hornblatt (Epidermis) überkleidet, entweder in ganzer Ausdehnung, oder nur an bestimmter Stelle. Diese Hemmungs- bilduug heisst Spina bifida (am Kopfe Hemieephalie). Zu den grossen Seltenheiten gehört das Unterbleiben der Ausbildung der Spaltung der Membrana reuniens inferior. Diese Hemmungsbildung hat die dauernde Spal- " >rbelkörPer- tung der Wirbelkörper in zwei seitliche Hälften zur Folge. Die Hautplatten wachsen endlich auch noch nach der ffautpkutm. Mittellinie des Rückens zu und schieben sich zwischen Muskel- platte und Hornblatt ein: so entsteht die Rückenhaut (Remak). In der häutigen Wirbelsäule kommt es weiterhin zur Bildung der einzelnen knorpeligen Wirbel hinter einander Knorpdige (Mensch 6. — 7. Woche), die jedoch anfänglich nicht geschlossene Wirbelbögen zeigen ; letztere schliessen sich beim Menschen im vierten Monat. Jeder knorpelige Wirbel entwickelt sich jedoch nicht aus je einem Paar Urwirbel (also nicht etwa der 6. Hals- wirbel aus dem (5. Paar Urwirbel). sondern es findet vorher eine neue Gliederung der Wirbelsäule statt (Remak), und zwar >>«- so, dass je die untere Hälfte der vorhergehenden und die obere 1«. ü Hälfte der nachfolgenden Urwirbel den definitiven Wirbel bilden. sii"!r- 1034 "Weitere Ausbildung des Leibes. j§ 445.] Bei der Verknorpelung der. Körper erleidet die Chorda schon •eine Rednction. sie erhält sich jedoch mehr in den Intervertebral- scheiben. Der Körper des ersten Wirbels verwächst mit dem des zweiten als dessen Zahn (Rathke), ausserdem bildet derselbe den Arcus anterior antlantis und das Lig. transversum (Hasse). Die Chorda lässt sich durch das Lig. Suspensorium dentis auf- wärts bis in den hinteren Keilbeinkörper verfolgen. Histiogenese Die histiogenetische Bildung des Knorpels aus den indifferenten Bildungs- des Knorpeh. ze\\en erfolgt durch Vermehrung und Vergrößerung der Zellen, die schliesslich zu hellen, gekernten Bläschen werden. Die Zwischensubstanz kommt wahrscheinlich so zu Stande, dass die Zellen peripher verwachsen, und dass ihre äusseren Bezirke (Parietalsubstanz) die Intercelhüarsubstanz abgiebt. Ob letztere feine Canälchen besitze, welche die Knorpellücken verbinden, wird von Einigen behauptet, von anderen bestritten. Nach Angabe einiger Untersucher erweist sich die Grund- substanz nach besonderer Behandlung als aus feinen Fibrillen zusammengesetzt. Schlund- 3. In den Seiten des Halstheiles entstehen jederseits spsclhund-d 4 spaltenförmige Oeffnungen: die Schlundspalten oder lögen. Kiem e nö f f n u n g e n (Rathke). Oberhalb der Spalten liegen Verdickungen der Seitenwand, die Schlundbögen (beim Hühn- chen am Ende des 3. Tages ausgebildet). Die Spalten entstehen durch einen Durchbruch des Vorderdarmes [der jedoch beim Hühn- chen . Säugethier und Menschen vielleicht nicht stets erfolgt (HisJ\ von innen her, und sie werden mit Endoblastzellen um- säumt. Auf den Kiemenbögen . oberhalb und unterhall) jeder Spalte, verlaufen jederseits die bis auf 5 vermehrten , Aorten- bögen (Fig. 340, IX). Diese Bildungen sind nur bei Fischen dauernd. Beim Menschen verwachsen alle Spalten bis auf die oberste, aus welcher der Gehörgang, die Pauke und Tuba sich umbilden (Huschke, Rathke, Reichert). Die 4 Kiemenbögen werden später grösstentheils zu anderen Bildungen umgeformt (pg. 104GV. Urmund und In der Mittellinie unter dem Vorderhirn ist eine dünne A/ter. grelle vorhanden ; hier entsteht erst eine Einbuchtung , dann ein Durchbruch: die Urmund Öffnung (welche noch Mund und Nase zusammen umfasst). Später bricht am Steissende ein Grübchen in den Enddarm durch, der After. Letzteres kann Atresia am. unterbleiben, und so entsteht die Hemmungsbildung der Atresia Aus- a n i. — Am Darme entstehen als Ausstülpungen des dlfPDarmeS. primären Darmrohres, und zwar sämmtlich vom Entoderm und der anliegenden Darmfaserplatte gebildet : die Lungen , die Leber, das Pankreas, die Blinddärmchen (beim Vogel) und die Extremitäten. (später zu besprechende) Allantois. — Die Extremitäten treten an dem, anfangs gliederlosen, Körper als kurze Stummeln hervor. 446. Bildung des Amnion und der Allantois. FMstehung Während des Abschnürungsprocesses des Embryos entsteht "' zuerst (am Ende des 2. Tages beim Hühnchen) vor dem Kopfe eine faltenartige Erhebung , bestehend aus dem Epiblast und der äusseren Lamelle des Mesoblast. und stülpt sich kapuzenartig als Kopfscheide über den Kopftheil des Embryos (Fig. 340, [§•446.] Bildung des Amnion und der Allantois. 1035 VI, A). Später und langsamer entstehen so die Schwanz- scheide von hinten her und endlich auch zwischen diesen beiden als seitliche Falten die Seitenscheiden (Fig. 340, III. A). Indem alle Falten gegen den Rücken des Embryos hinstreben, verwachsen sie schliesslich zu der Amnionnaht (am 3. Tage. Hühnchen). So entsteht um den Embryo eine Höhle, die sich mit Fruchtwasser füllt. Auch bei den Säugern entwickelt sich das Amnion sehr früh und ganz ähnlich . wie beim Vogel (Fig. 340, VII, A). Von der Mitte der Schwangerschaft an liegt das Amnion dem Chorion unmittelbar an, vereinigt durch eine gallertige Gewebsschicht (Tunica media, Bischoff). Das Amnion, und ebenso die Allantois, bildet sich nur bei den Säugern, Vögeln und Reptilien, welche daher auch Amnioten genannt werden, während die niederen Vertebraten, die Anamnier, derselben entbehren. Das Amnion wasser — eine klare, seröse, alkalische Flüssigkeit, spec. Gewicht 1007 — 1011, enthält ausser Epithelien, Lanugohaaren, 1/2— 2° ft Fixa. Darunter ist etwas Eiweiss (* ;'1C — 1/80/(i)1 Schleim, Globulin, ein vitellinartiger Körper, etwas Traubenzucker, Harnstoff, kohlensaures Ammonium (wohl aus Harn- stoff umgesetzt), manchmal Milchsäure und Kreatinin, schwefelsaurer und phosphor- saurer Kalk, Kochsalz. Dasselbe beträgt um die Mitte der Schwangerschaft 1 bis 1,5 Kilo, am Ende 0,5 Kilo. Das Fruchtwasser ist fötalen Ursprunges, wie das Vorkommen bei den Vögeln zeigt, und dürfte ein Transsudat der Eihäute sein. Bei Säugern trägt wohl der Harn des Fötus von der 2. Hälfte der Schwangerschaft an zur Bildung bei (Gusserow). [Beim Binde, bei welchem Allantoisflüssigkeit und Amnioswasser dauernd getrennt bleiben, ist ersteres als fötaler Harn, letzteres als Transsudat aufzufassen (Doederleinj ] Unter den pathologischen Fällen des Hydram- nion werden auch die Gefässe der Uterinschleimhaut Wasser absondern, nament- lich l>ei Stauungen im Gebiete der Vena umbilicalis in der Placenta. — Das- selbe schützt den Fötus gegen äussere Insulte, ebenso die Gefässe der Eihäute, es gestattet den Gliedern freie Bewegung und schützt sie vor Verwachsung: end- lich ist es wichtig zur Dilatation des Muttermundes beim Gebäract. — Das Amnion ist (beim Hühnchen vom 7. Tage an) contractionsfähig ; dies beruht auf glatten Muskelfasern, die sich in der Hautplatte (Mesodermantheil) entwickeln (Remak . Nerven fand man nicht. Aus der vorderen Endfläche des Schwanzdarmes wächst anfangs als kleines Doppelhöckerchen , dann hohl werdend, ein blasiges Säckchen hervor (Fig. 340. VI, a). das in die Koelom- höhle hineinragt: die Allantois oder der Harn sack (beim Hühnchen vor dem 5. Tage, beim Menschen in der 2. Voehe\ Als echte Ausstülpung des Enddarmes hat die Allantois 2 Schichten : die vom Entoderm und die Darmfaserschicht. Von beiden Seiten treten auf den Sack aus der Arteria hypogastrica je eine Arteria allantoidis s. umbilicalis, die sich auf der Ober- fläche des Sackes verästeln. Die Allantois wächst (einer stetig sich anfüllenden Harnblase vergleichbar) vor dem Enddarme in der Leibeshöhle gegen den Nabel hin und endlich aus diesem (neben dem Ductus omphalomesaraicus) hinaus, sammt ihren Gefässen (VII . a) , und zeigt nun beim Vogel und Säuger ein verschiedenes Verhalten. Beim Vogel entfaltet die Allantois, nachdem sie aus dem Nabel hervor- getreten ist, ein excessives Wachsthum, indem sie nach kurzer Zeit die ganze innere Eischale als gefässhaltiger Sack auskleidet. Ihre Arterien, anfangs Aeste der primitiven Aorta, erscheinen mit der Entwickelang der Binterextremitäten als Aeste der Bypogastricae. Aus den zahlreichen Capillaren der Allantois gehen zwei Venae allantoidis s. nmbilicales hervor. Diese treten in den Nabel zuriu k Amniota. Anamnia. Chemie des Frucht- wassers des Menschen. Herkunft. Zweck des Frucht- wassers. Bildung der Allantois. Verhalten der Allantois beim Vogel. 1036 Allantois. Decidua. [§•446.] und gehen, anfänglich vereint mit den Venae omphalomesaraicae, in die venösen Schenkel des Herzens ein. Beim Vogel hat dieser Allantoiskreislauf (oder zweiter Kreislauf) den Zweck der Athmung, indem seine Gefässe durch die poröse Schale den Gasaustausch unterhalten. Es löst somit dieser Kreislauf die respiratorische Function des Dottersackkreislaufes allmählich ab , was deshalb nöthig ist , weil der stetig an Grösse abnehmende Dottersack keine hinreichend grosse respirato- rische Fläche mehr bieten kann. Gegen das Ende der Bebrütung kann der Vogel bereits in der Schale athmen und piepen ; Aristoteles), ein Zeichen, dass die respi- ratorische Function der Allantois, wenigstens zum Theil, von den Lungen über- nommen wird. — Die Allantois ist ferner noch das Ausführungsorgan der Harnbestandtheile. In die Höhle derselben münden nämlich bei Säugern die Ausführungsgänge der Urnieren: die Wolff' sehen oder Oßen' sehen Gänge (bei Vögeln und Schlangen, die eine Cloake besitzen, in die hintere Wand der Cloake). Die Urniere, aus vielen Glomerulis bestehend, führt ihr Secret durch den Wolff'sehen Gang in die Allantois (beim Vogel in die Cloake), und das Secret gelangt durch die Allantois aus dem Nabel hinaus in den peripheren Theil des Harnsackes. Remak fand im Allantoisinhalt harnsaures Ammon und -Natron, Harnstoff, Allantoin, Traubenzucker und Salze. — Vom 8. Tage an ist die Allantois des Hühnchens contractu i'VulpianJ durch Faserzellen, die von dem Darmfaserplattenantheil stammen. — Lymphge fasse begleiten die Arterienverzweigungen (A. BudgeJ. me Mantois Bei Säugern und beim Menschen ist das Verhalten der ' Allantois ein theilweise anderes. Aus dem Anfangstheil bildet sich die Harnblase, von deren Vertex der , anfangs noch offene, Urachus als Rohr aus dem Nabel hinausleitet (Fig. 340, VIII. a). Der ausserhalb des Bauches belegene Blindsack der Allantois ist bei einigen Thieren mit etwas harnartiger Flüssigkeit gefüllt. Doch geht beim Menschen dieses Säckchen im Verlaufe des zweiten Monates unter. Es bleiben hier nur die Grefässe, die offenbar in dem Darmfaserplatten- Antheil der Allantois liegen. [Bei einigen Thieren wächst jedoch das Allantoissäckchen weiter , ohne zu verkümmern , und führt dann, von der Blase durch den Urachus, eine alkalische, trübe Flüssigkeit, die etwas Albumin, Zucker, Harnstoff und Allantoin enthält.] — Das Verhalten der Allantoisgefässe soll nun im Zusammenhange mit den Eihäuten beschrieben werden. Dass auch beim Menschen in frühester Entwickelung eine wirklich freie, aus dem Leibe hervorgetretene Allantoisblase existirt (W. Krause), kann ich mit v. Preuschen auf Grund eines , von uns untersuchten , menschlichen Embryo be- stätigen. Letzterer besass noch keine Kiemenspalten, ebenso keine Augenblasen ; die Allantois bildete eine, dem Schwanzende nahe liegende, längliche freie Blase. Von Anderen wird das Auftreten eines freien Allantois-Bläschens jedoch bestritten (His u. A.). reflex 447. Menschliche Eihäute. Placeuta. Fötaler Kreislauf. Wenn das befruchtete Ei in den Uterus gelangt, so wird es hier von einer besonderen Hülle umschlossen, welche Will. Hunter (1 7 75) als Membrana decidua beschrieb , weil sie bei der Geburt mit ausgestossen wird. Man unterscheidet nun zunächst die Decidua vera (Fig. 340. VIII, p) , welche nichts anderes, als die verdickte , sehr blutreiche , gelockerte und nur lose an der Uterin wand befestigte Schleimhaut des Uterus ist. Von dieser aus bildet sich um das Ovulum eine besondere Um- wucherung , welche dasselbe wie in eine schwalbennestförmige Tasche aufnimmt; diese dünnere Haut heisst Decidua reflexa [§. 447.] Menschliche Eihäute. Deciduae. Chorium. 103"i (VIII, r). Im 2. — 3. Monate ist noch ausserhalb der Reflexa ein Raum im Uterus ; im 4. Monate ist die ganze Höhle vom Ovum nebst der Reflexa eingenommen. An einer Stelle liegt somit das Ei der Uterinschleimhaut (Vera) direct an, im grössten Um- fange jedoch der .Reflexa ; an ersterer Stelle bildet sich später die Placenta oder der Mutterkuchen. Die Vera setzt sich in die Schleimhaut der Tuben und des Cervicalcanales Rau der fort ; sie ist im 3. Monat 4 — 7 Mm. dick, im 4. Monat nur 1 — 3 Mm., trägt kein D^\duae. Epithel mehr , ist reich an Gefässen , besitzt Lymphräume um die Drüsen und Gefässe (Leopold/ und hat in ihrem lockeren Gewebe grosse , rundliche Zellen (Decidualzellen, Köllikery, die sich in der Tiefe oft in Spindel- und Faser-Zellen umwandeln; daneben Lyniphoidzellen Friedländer Die Uterindrüsen, welche im Anfange der Schwangerschaft mächtig entwickelt waren, gehen vom 3. bis 4. Monat eine Umwandlung ein zu zellenlosen , weiten , buchtigen Schläuchen , die in den letzten Monaten undeutlich werden, und in denen das Epithel (welches nach Friedländer, Lott und Hennig ursprünglich flimmert) gegen die Tiefe hin mehr und mehr schwindet. — Die Reflexa, viel dünner als die Vera, bat von der Mitte der Schwangerschaft an kein Epithel mehr und ist ohne Gefässe und Drüsen. Gegen Ende der Schwangerschaft verkleben beide Deciduae völlig miteinander. Die Decidua vera und ebenso die Placenta uterina besteht aus einer, bei der Geburt sich ablösenden, compacteren Schicht (Pars eaduca) und ans einer tieferen spongiösen, in welcher der Ablösungsvorgang erfolgt und von dem ein Theil auf der Oberfläche der Muscularis zurnckbleibt (Pars fixa). Aus letzterem erfolgt die Wiedererzeugung der neuen Uterusschleimhaut nach der Geburt. Auch die Tuben zeigen in der Schwangerschaft Hyperplasie der Schleim- haut und der Muskeln (Thomson). Das Ei liegt anfänglich mit kleinen hohlen Zotten bekleidet von der Decidua umschlossen. Die Bildung des Amnion bringt es nun mit sich, dass, nachdem der A'erschluss desselben erfolgt ist, eine besondere, vom Epiblast abstammende, völlig ge- schlossene Blase über dem Embryo mit Amnion und über die Nabelblase hinweggeht, also dem Chorion primitivum zunächst Amnion und liegt. Diese Membran ist die ,, s e r ö s e H ü 1 1 e " (v. Baer) (Fig. 340. äimiite VII , S). Sie lagert sich nun dicht an das Chorion und geht selbst bis in die hohlen Zotten hinein. — Die aus dem Nabel »aehsthum hervortretende, gefässhaltige Allantois legt sich dann direct Je der Eihaut an; ihr Bläschen vergeht beim Mensehen im 2. Monat, aber ihre gefässreiche Schicht kleidet, schnell wachsend, die ganze innere Eihöhle ans, wo man sie am 18. Tage findet (Coste). Von der 4. Woche dringen nun die Gefässe nebst bindegewebigem Gerüst in die reichlicher verästelten, hohlen Zotten hinein und füllen sie völlig aus. Jetzt geht die ursprüng- liche Eihülle (Chorion primitivum) unter. Wir haben somit nun ein Stadium der allgemeinen Vascularisation des Stadium der Chorions: an Stelle des Abkömmlings der Zona pellucida ist "vaTcui'äri- jetzt als Eihülle die zottige Gefässschicht der Allantois getreten. sation- die von den (vom Epiblast abstammenden) Zellen der serösen Hülle bekleidet ist. — Dieses Stadium dauert aber nur bis Stadium der zum 3. Monat; alsdann geht die Vegetation der gefässh altigen kung der Zotten auf jenem ganzen Umfange der Eihaut unter, welcher der ,%'r","'°r'' Reflexa. anliegt, Dahingegen werden die Zotten der Eihaut, soweit sie der Vera direct anliegen , grösser und verästelter. So kommt es zu einem Gegensatz zwischen Chorion laeve und chorio» taeve n j et frondosum. irondosu m. J 1038 Menschliche Eihäute. Placenta. [§•447.] Placenta- bildung. Placenta foelalis et uterina. Uterinmilch. ' Das in seiner Structur bindegewebige , aussen von doppelschichtigem Epithel be leckte Chorion laeve besitzt noch winzige Zöttchen in grossen Ab- ständen , welche zur Reflexa ziehen Zwischen Chorion und Amnion findet sich noch eine gallertartige Lage (Memb. intermedia) unreifer Bindesubstanz (B. Schnitze, Robin). Die grossen Zotten des Chorion frondosum (Fig. 342) dringen nun. in das Gewebe der Uterinschleimhaut, und zwar zunächst in die Drüsengänge ein, wie Wurzeln in ein gelockertes Erdreich. Hierbei durchdringen sie die Wand der grossen , in ihrem Bau den Capillaren ähnlichen , Blutgefässe dieser Stelle, so dass nun die Zotten , vom Blute der Mutter (Uteringefässe) umspült , in diesen sogenannten , colossalen Decidualcapillaren flottiren (Fig. 340, VIII, b). Die Zotten innerhalb der Bluträume sind noch überkleidet von dem Endothelium derselben (Waldeyer). Fig. 342. Stroma und Seitliche Epithel Capillargefässe Sprossen der der der Zotten. Zotten. Zotten. Dickeres Gefäss stämmclien. Isolirtes Zottenstückchen einer menschlichen Placenta. Einzelne epithellose Zotten wachsen mit knopfförinigen Enden fest mit dem Gewebe der Placenta uterina zusammen und bilden so als „Haftzotten" ein festes Bindemittel (Friedländer, Winkler). Hiermit ist die Placenta gebildet: man unterscheidet an derselben die PI. foetalis, welche die Gesammtheit der Zotten umfasst, und die PI. uterina s. materna, das dem Ei anliegende Terrain der Uterusschleimhaut, die hier ganz besonders gefässreich ist. Beide Theile sind jedoch auch bei der Geburt nicht trennbar. Um den Rand der Placenta verlaufen grössere Venengefässe der Mutter, der Randsinus der Placenta. Die Placenta ist das Ernährungs- und Athmungs- Organ (§. 370) des Fötus; der letztere erhält das nöthige Material durch Endosmose von den mütterlichen Bluträumen aus durch die Hüllen und Gefässwände der Zotten , in denen das fötale Blut circulirt. Zwischen den Zotten der Placenta findet sieh eine klare Flüssig- keit, welche zahlreiche, kleine, eiweissartige Kügelchen enthält, die man Uterinmilch nennt (reichlich bei der Kuh) und welche aus dem Zerfall der Deciduazellen herstammen soll. Man schreibt ihr neben dem Blute einen Antheil an der Ernährung zu (G. v. Hoffmann) . L§- 447-j Menschliche Eihäute. Placenla. 1039 Die Untersuchungen von Waller ergaben, dass nach Vergiftung trächtiger Thiere Strychnin , Morphin, Veratrin , Curare und Ergotin im Fötus nicht nach- gewiesen werden konnten; manche andere chemische Stoffe geben jedoch über. Die Betrachtung einer Placenta zeigt, dass ilire Zotten auf grössere einzelne Terrains vertbeilt sind , zwischen denen l'urcbenartige Einschnitte liegen. Man kann diese einzelnen Complexe mit den Cotyledonen der Thiere vergleichen. Der Sitz der Placenta — ist in der Regel auf der vorderen oder hinteren Uterinwand, seltener im Fundus uteri, oder seitlich vor einer Tuben- öffnung, oder seitlich unter derselben (Placenta lateralis), oder vor dem Orificium internum (PI. praevia): letzteres ein verhängnissvoller Fall, da durch Zerreissung der Gefässe bei der Geburt der Tod der Mutter durch Verblutung erfolgen kann. — Der Nabelstrang kann entweder in dem Centrum der Placentarscheibe sitzen (Insertio centralis) , oder mehr am Rande (Ins. marginalis) , oder es kann der Strang sich an das Chorion laeve inseriren, so dass nun die Gefässe bis zur Placenta durch das dünne Ch. laeve verlaufen müssen (Ins. velamentosa). Man trifit selten neben der Placenta noch eine oder andere versprengte Nebenplacenta (PI. succenturiata, üyrtlj. — Plac. marginata nennt Kölliker eine solche, die nur in ihrem Centrum Zotten trägt. — Ist die Placenta aus zwei Hälften bestehend, so heisst sie duplex s. bipartita, [bei den Arien der alten Welt constant Hyrtl~\. f'tbergang von Stoffen, (rruppirung der Zotten. Sitz der Placenta. Insertion des Nabel- slranges. Fig. 343. Durchschnitt des Uterus und der mit ihm befestigten Placenta aus der 30. Woche (nach Ecker). — a Wurzel und Insertion der Nabelschnur. — b Aumionüberzug des Nabels. — c Chorion. — dd Fötaler Theil der Placenta. — e« Uteruswand. — ff Zottenbäumchen, das Gerüste der Plac. foet. bildend. — gg Decidua. — tili In die Plac. foet. eindringende Fortsätze der Decidua. — i« Aestchen einer Art. uterina. — ip Eine in die Placenta eintretende Arterie. — khkk Uterusvenen. Der Nabelstrang (reif 48— G0 Ctm. lang und 11— 18 Mm. dick) ist überzogen von der Amnionscheide. Die Gefässe zeigen bis 40 Spiraltouren (nach Mitte des 2. Monats beginnend), vom Embryo aus von links nach rechts gegen die Placenta ge wunden: es sind die 2 stark musculösen und contractilen Arteriae und 1 Vena umbilicalis. Beide Arterien anastomosiren in der Placenta (Hyrtl). Ausserdem enthält der Strang die Fortsetzung des Urachus. den entodennab n Antheil der Allantois (Fig. 340, Nabel- stranges. 1040 Placenta. Fötaler Kreislauf. [§. 447.] VIII, a), die bis zum 2. Monat erhalten, später oft verkümmert ist. Der Ductus omphalomesaraicus ist als ein fadendünnes Stielchen (VIII, D) des Nabelbläschens (N), welches sich erhält und in der Regel jenseits des Randes der Placenta liegt (Mayer , B. Schnitze), in der Nähe des Bläschens zur Geburts- zeit noch präparirbar. Das Bläschen enthält im Innern kleine Zöttchen , ein Pflasterepithel und die obliterirten Gefässe des ersten Kreislaufes. [Persistirende, immerhin nur winzige, Vasa omphalomesaraica sind sehr selten (Hartmann , Hecker). .] Die WJiarton1 sehe Sülze, ein gallertiges Bindegewebe , hüllt alle diese Theile ein ; dieselbe enthält bindegewebige Fibrillen, Binde- gewebskörperchen und Lymphoidzellen, selbst elastische Fasern. Die gallertige Substanz enthält Mucin. Zahlreiche Saftcanäle mit Endothelauskleidung durchziehen die Sülze (Köster); sonst fehlen Lymph- und Blutgefässe. Nerven findet man 3 — 8 — 11 Ctm. vom Nabel (Schott, Valentin). d^ fotau Der fötale Kreislauf — welcher nach der Entwickelung piaceZar- ^er Allantois besteht , hat nun folgenden Verlauf. Durch die Kreislauf. 2 Arteriae umbilicales (aus den Hypogastricae) läuft das Blut des Fötus durch den Nabelstrang zur Placenta , wo sich die Arterien in die Capillaren der Placentarzotten auflösen. Zurück- kehrend aus diesen, sammelt sich das Blut in die Vena umbili- calis (seine Farbe ist gegenüber der Farbe des venösen Blutes in den Umbilicalarterien kaum um ein weniges heller). Die Vena umbilicalis (Fig. 350. 3. ux) wendet sich vom Nabel nach oben und geht unter den Leberrand, giebt eine Anastomose zur Pfortader (a) und verläuft als Ductus venosus Arantii in die untere Hohlvene , welche also das Blut in den rechten Vorhof führt. Von hier leiten die Valvula Eustachii und das Tuber- culum Loweri (Fig. 347. 6. 1 1/) das Blut vorwiegend durch das Foramen ovale in den linken Vorhof, aus welchem es wegen der Valvula foraminis ovalis nicht wieder in das rechte Atrium zurückfliessen kann. Vom linken Vorhof kommt es in die linke Kammer, Aorta, Hypogastrica bis zu den Umbilicalarterien zurück. — Das Blut der oberen Hohlvene des Fötus läuft, wegen ihrer eigenartigen Einmündung, vom rechten Atrium in den rechten Ventrikel (Fig. 347. 6. C s). Von hier geht es in die Art. pulmonalis (Fig. 347. 7. p.), die es durch den, in ihrer Verlängerung in den Aortenbogen einmündenden Ductus arteriosus Botalli (B) in die Aorta überleitet. Nur wenig Blut geht durch die noch kleinen Aeste der Pulmonalis (1 , 2) durch die Lungen. Der Blutverlauf macht es klar, dass der Kopf und die oberen Extremitäten von einem gereinigteren Blute versorgt werden, als der übrige Rumpf, welcher noch das Blut der oberen Hohlvene beigemischt erhält. — Nach der Geburt obliteriren die Umbilicalarterien und werden zu den Ligamenta vesicae lateralia ; der untere Theil derselben erhält sich als Artt. vesicae superiores. Es obliterirt ferner die Nabelvene als Lig. teres, ebenso der Ductus venosus Arantii. Endlich schliesst sich das Foramen ovale, und der Ductus arteriosus Botalli obliterirt zum Lig. arteriosum. [§.447.] Chronologie der menschlichen Entwickelnng. 1041 Das Verhalten der Eihäute bei mehrfachen Früchten ist folgendes: — Verhaltender 1. Bei Zwillingen findet man zwei völlig getrennte Eier mit zwei Placenten und t-ihäutebei zwei Deciduae refiexae. — 2. Zwei völlig getrennte Eier haben nur eine Refiexa, "^y^Aren" wobei die Placenten verwachsen, aber ihre Gefässe getrennt sind. Das Chorion ist zwar doppelt, aber an der Berührungsfläche nicht in zwei Lamellen trennbar. — 3- Eine Reflexa, ein Chorion, eine Placenta, zwei Nabelschnüre, zwei Amnien. Die Gefässe anastomosiren in der Placenta (daher stets der centrale Stumpf des Nabelstranges des erstgeborenen Zwillings zu unterbinden!). Hier war entweder ein Ei mit doppeltem Dotter, oder mit zwei Keimbläschen in einem Dotter (oder man muss annehmen, dass nachträglich zwei getrennte Eier so weit verwachsen sind unter Resorption der sich berührenden Choriontheile). — 4. Wie 3, aber nur ein Amnion, entstanden aus der Bildung von zwei Embryonen in demselben Fruchthofe derselben Keimblase. Es soll hier noch kurz der Bildung der Eihäute der Thiere — Erwähnung Eihäute und geschehen, die man seit Home (1882), BlainvilU, H. Müne-Edward's, Owen u. A. ,f}?eenta: zur Classification der Säuger benutzt hat. — 1. Die ältesten Säuger haben gar l ThiereT keine Placenta oder Allantoisgefässe , es sind dies die Mammalia implacen- Impia- talia (Owen), nämlich Beutelthiere und Monotremata (Schnabelthiere und centalia. Echidna). Diese Thiere haben ausser zottenfreier, seröser Hülle und Amnion nur einen grossen gefässhaltigen Dottersack, der jedoch nie eine Placentarbildung eingeht. [Bei den eierlegenden (!) Monotremen entwickelt sich das Ei ausser- halb des mütterlichen Körpers.] — 2. Die zweite Gruppe umfasst die Mammalia placentalia Owenj. Unter diesen besitzen— a) die M. non deeiduat a nur Placentalia (von den Allantoisgefässen versorgte) Chorionzotten, die in Gruben der Uterin- ™on f Schleimhaut stecken, aus denen sie sich bei der Geburt herausziehen (Placenta pL diffusa. diffusa, z. B. Packydermata, Cetacea, Solidungula, Camelida). — Bei den "Wieder- PI. poiy- käuern stehen die grossen Zotten in Gruppen und wachsen in die Uterindrüsen «»ty'ka- entsprechender, stark hypertrophischer Schleimhautwülste (Kotyledonen! , aus denen sie bei der Geburt sich ausziehen. Das Ei ist sehr lang spindelförmig. — b) Die M. deeiduata bilden eine so innige Verwachsung der Chorionzolten mit Placentalia der Uterinschleimhaut, dass von letzterer bei der Geburt das entsprechende Stück deeiduata. abgestossen werden muss. — Hier ist entweder die Placenta gürtelförmig (PI. zonaria) (Carnivoren, Pinnipedia, Elephas, Hyrax [ob hier die Zotten in die PI. zonaria. Drüsen wachsen, ist unermitteltj. oder die Placenta ist scheibenförmig (PI. diseoideaj: dies findet sich bei den Affen, Insectivoren , Nagern, Flatterern. PI. diseoidea. Edentaten). Beim Kaninchen ist auch die Nabelblas ■ sehr verbreitert, und die grossen Vasa omphalomesaraica bet heiligen sich unter Bildung einer Dottersack- placenta mit an der Placentarbildung. Auch beim Meerschweinchen (das merk- würdigerweise die drei Keimblätter in umgekehrter Reihenfolge hat, den Epiblast nach innen, so dass bei der Abschnürung des Embryo letzterer in das Innere der Nabelblase hin sich einsenkt), findet eine starke Bitheiligung der Vasa omphalomesaraica an der Placenta statt. — Zuletzt sei noch erwähnt, dass der lebendiggebärende, glatte Hai (Mustela laevis) im Fruchthalter eine Dottersacks- ST«*. placenta bildet Aristoteles, Johannes Müller . 448. Chronologie der menschlichen Entwickelnng. Bewegungen des Fötus. Entwicklung im I. Monate: — L2. bis 13. Tag: ..Bläschenförmiger /- Tag. Zustand" des Eichens (5,5 Mm. und 3,3 lim. im Durchmesser); es existirt die einfache Keimblase, die an einer Slelle den, aus zwei Zellenschichten bestehenden Embryonalneck enthält; Ei an der Randzone mit kleinen Zöttchen besetzt Reichert . Die Eichen vom 15- bis 16. Tag — haben 5— ri Mm. im Durchmesser mit/s.— 16. einfach cylindrischen Zotten, oder von der Basis zur Spitze mit kolbigen Aus- wüchsen versehene. — Das jüngste Ei von Allen Thomson taxirt dieser auf 15 Tage: Grösse 13,2 Mm. , eiförmig, mit Zöttchen besetzt. Keimblase (abnorm klein) 2,2 Mm., Embryonalanlage 2,2 Mm. mit Rück e n fu rc h e und ß ü c k e a w ü 1 s i überragt an beiden Enden etwas die Blase. Eerzanlage vorhanden (und ? Amnion). Ein etwas älteres Ei desselben Forschers war 6,tJ Mm. gross, mit kurzen, dünnen Zöttchen, hatte eine grosse Keimblase, von welcher der Embryo (2,2 Mm.) mit geschlossenem Medullär roh r sich begann abzuschnüren. Lando is , Physiologie. 7. Aufl. ijii 1042 Chronologie der menschlichen Ent Wickelung. [§.448] Nun folgt das Stadium , in welchem die erste Bildung der Allantois auf- tritt. Es ist zur Zeit ein vielfach umstrittener Punkt, ob beim Menschen auch eine freie Allantoisblase, die aus dem Nabel hervorwächst, existire oder nicht. Der jüngste, sich hier anschliessende Embryo ist durch v. Pnuschen und mich untersucht worden. Derselbe war frisch 3 78 Mm. lang; er wurde in Schnitte zerlegt und genau durchforscht. Hirnblasen angelegt, Sinnesorgane fehlen, Ganglien im Kopfgebiete sichtbar, Kiemenbögen als Verdickungen im Querschnitte sichtbar, aber noch nicht isolirt; Kiemenspalien, Mund und After fehlen. Hypo- physentasche in der Einstülpung begriffen. Herz, Lungen, Leber in erster Anlage. Nabelbläschen (abgerissen) anscheinend noch mit weiter Oeffnung. Allan tois als freie Blase ausserhalb des Leibes sehr dem lieh, ihre Lamelle vom Mesoderm noch ohne Gefässe. Extremitäten völlig fehlend. Chorda dorsalis angelegt, zu beiden leiten derselben die Urwirbelmassen. (Eine freie hervorragende Allantoisblase ist auch an Embryonen von W. Krause und Bruch, welche jedoch älter sind, beschrieben.) 15.-18. Tag. 15—18 Tage — ist ein Ei von Coste: Grösse 13,2 Mm., Zottchen klein, leicht verästelt; Embryo 4,4 Mm. lang, von gekrümmter Form, mit massig ver- dicktem Kopftkeile. Amnion, Nabelbläschen (mit breitem Ductus omphalomesa- raicus), Allantois völlig entstanden, letztere bereits an die seröse Hülle an- gewachsen. Das S-förmige Herz liegt in der Herzhöhle, zeigt Höhle und Bulbus aortae , aber keine Kammern und Vorhöfe. Die Kiemenbögen und Spalten sind angedeutet, aber letztere noch undurchbrochen. — Auf dem Nabelbläschen ist der erste Kreislauf der zwei Artt. omphalomesaraicae ausgebildet, die Abschnürung nur massig weit vorgeschritten, der Ductus noch weit offen, zwei primitive Aorten verlaufen vor den Urwirbeln. Die, an die Kihaut angewachsene Allantois besitzt ihre Gefässe. Die zwei Venae omphalomesaraicae gehen vereinigt mit den zwei Ven. umbilicaies in den venösen, unteren Herztheil. Mund in Bildung begriffen. Extremitäten und Sinnesorgane fehlen , Ww^f 'scher Körper wahrscheinlich vor- handen. — Aehnliche Beschreibungen hat neuerdings His geliefert, doch war die Länge des Embryos geringer. 20. Tag. Nun folgt ein Stadium, in welchem alle Kiemenbögen angelegt und die Spalten durchbrochen sind. Das Mittelhirn bildet die höchste Sielle des Gehirnes, am Herzen treten die beiden Herzohren hervor. Die Verbindung mit der Nabel- blase ist noch ziemlich weit. Embryo 2,6 Mm. (His) — 3,3 — 4 Mm. lang. Der Kopf erfährt eine Drehung zur Seite hin {His). — In noch etwas späterer Zeit tritt am Gehirn die Scheitel- und Nacken-Krümmung hervor, die Hemisphären treten bestimmter hervor , der Zugang zur Nabelblase verengt sich , die Leber- anlage wird erkannt, die Extremitäten fehlen noch (His). Hierher gehört neben einem Embryo von His der von yohannes Müller beschriebene vom 20. Tage. Das Ei war 15,2 — 17,6 Mm. gross, Embryo 5,6 Mm. lang, Nabelstrang 1,3 Mm. dick. Nabelbläschen in weiter Verbindung mit dem Darme. Das Amnion um- hüllt den Embryo und bildet eine Scheide für den Nabelstrang. Kiemen-Bögen und -Spalten vorhanden ; dahinter der hervorragende Herzschlauch. Extremi- täten fehlen. 2i. Tag. 3. Woche — fR. Wagner): Ei 13 Mm., Embryo 4—4,5 Mm., Nabelbläschen 2,2 Mm., Darm fast ganz geschlossen Drei Kiemenspalten, Woljf'scker Körper, erste Extremitätenanlage, drei Hirnblasen, Gehörbläschen vorhanden. Hierher gehört ein ähnlicher Embryo von Hensen. — 21 Tage (Coste): Besonders bemerkt wurden die Nasengrube, Auge, Ohrblase, vier Kiemenbögen, Mundöffnung (gegen welche Stirnfortsatz und Oberkieferfortsatz heranwachsen), Herz mit zwei Kammern und zwei Vorkammern, Gefässe des Nabelbläschens vorhanden. 25.— 28. Tag. Ende des I.Monats: — Die Embryonen von 25— 28 Tagen charakterisiren sich durch das deutliche Gestieltsein des Nabelbläschens und durch bestimmt her- vortretende Extremitäten. Grösse des Eies 17,6 Mm , Embryo 8 — II Mm., Nabel- blase 4,5 Mm. mit Gefässen. 28.— 35. Tag. 2. Monat: — Die Embryonen von 28 — 35 Tagen beginnen sich mehr zu strecken ; die Kiemenspalten sind bis auf die erste geschlossen. Die Allantois hat nur noch drei Gefässe, da die rechte Ven. umbilicalis obliterirt ist. — In der 5. "Woche Rumpflänge 0,85 — 1,28 Cnitr., die Geruchsgruben durch Furchen mit den Mundwinkeln vereinigt, die sich in der 6. "Woche zu Canälen schliessen fToldt . 35.-t2.Tar. — 35 — 42 Tage alte Embiyonen haben eine Rttmpflänge von 1,3-1,1 Cmtr., [§•448.] Chronologie der menschlichen Entwickelung. 1043 zeigen getrennte Mund- und Nasen-Oeffnungen ; Gesicht platt; die Extremitäten zeigen drei Abteilungen ; am Fusse sind die Zehen nicht so scharf ausgebildet, wie die Finger. Die Ohrmuschel bildet sich als niedriges Leistchen zuerst in der 7. Woche i'Tuldt . Der Woljf' sehe Körper ist stark reducirt. Rumpflänge in der 7.-8. Woche 1,6—2,1 Omtr. Ende des 2. Monats: — Ei 61/» Cmtr., Zotten 1,3 Mm. Jang. Nabel- bläschen mit verödetem Kreislauf. Embryo 26 Mm., wiegt bis 4 Gramm. Augenlider und Nase vorhanden, Nabelstrang 8 Cmtr lang, Bauchhöhle ge- schlossen, beginnende Üssification im Unterkiefer, Clavicula, Rippen, Wirbel- körper; Geschlecht unbestimmbar. Nieren angelegt. 3. Monat : — Ovum gänseeigross, Beginn der Placenta, Embryo (Rumpf- länge 2,1 — 6,8, Gesammtlänge 6 — 11 Cmtr., Gewicht 11 Gramm) heisst von jetzt Fötus. Ohrmuschel ausgebildet, Nabelstrang 7 Cmtr.- lang: Begiun äusserer Geschlechtsditl'erenz, Nabel im unteren Viertel der Linea alba. 4. Monat: — Fötus Rumpflänge 6,9 — 9, Gesammtlänge 10 — 17 Cmtr., Gewicht 57 Gramm, Geschlecht deutlich, beginnende Haar- und Nägel- Bildung, Placenta wiegt 80 Gramm. Nabelstrang 19 Cmtr. lang, Nabel über dem unteren Drittel der Linea alba, zuckende Bewegungen der Extremitäten, im Darm Meconium, Haut mit durchscheinenden Gefässen, Lider geschlossen. 5. Monat: — Fötus Rumpflänge 9,7 — 14,7, Gesammtlänge 18—28 Cmtr., Gewicht bis 284 Gramm, Kopf- und Lanugo-Haare deutlich, Haut noch etwas hellroth und dünn , bedeckt sich mit Vernix caseosa (§ 289. 2) , ist weniger transparent, Gewicht der Placenta 178 Gramm, Nabelschnur 31 Cmtr. lang. 6. Monat: — Fötus Rumpflänge 15 — 18,7, Gesammtlänge 26—37 Cmtr., wiegt 634 Gramm. Gesicht wird fettreicher, weniger ältlich aussehend, Lanugo dichtflaumi^, Vernix reichlicher, Hoden im Abdomen, Pupillarmembran und Wimpern vorhanden, Meconium bis im Dickdarm. 7. Monat: — Fötus Rumpflänge 18—22,8, Gesammtlänge 35 — 38 Cmtr., 1218 Gramm w'egend. Dickdarm von Körperlänge (früher kürzer, später länger, Severij, Dcscensus testiculorum beginnt, ein Hoden im Leistencanal, Augen öffnen sich, die Pupillarmembran oft in der 28. Woche central geschwunden, ausser den Urwindungen beginnt die Bildung anderer Furchen. Der Fötus ist lebensfähig. Im Anfange dieses Monates ein Kern im Fersenbein (Toldt). 8. Monat: — Fötus Rumpflänge 24 — 27,5, Gesammtlänge 41—42 Cmtr., Gewicht 1569 Gramm, Kopfhaar dicht, 1,3 Cmtr. lang, Nagel mit kleinen Rändern, Nabel unter der Mitte der Linea alba, ein Hoden im Scrotum. 9. Monat: — Fötus Rumpf länge 27 — 30, Gesammtlänge 42 — 65 Cmtr., Gewicht 1971 Gramm, unterscheidet sich nicht vom reifen Kinde. 10. Monat: — Eumpflänge 30—37, Gesammtlänge 45— 67 Cmtr., Gewicht 2334 Gramm. Reife Frucht: — Körperlänge 51 Cmtr., Gewicht 3l 4 Kilo, Wollhaar nur noch auf den Schultern vorhanden , Haut weiss , Knorpel der Nase und der Ohren hart anzufühlen. Die Nägel der Finger überragen die Fingerspitze, Nabel etwas unterhalb der Mitte der Linea alba. Als Merkmal einer ausgetragenen Frucht gilt der Knochenkeru in der unteren Epiphyse des Femur von 4 -8 Mm. querem Durchmesser (er beginnt Anfangs oder Mitte des 9. Monates, ist am Ende des H. Monates 2 — 5 Mm. breit) 'Toldt;. Oft ist Ende des 10. Monates ein Knochenkern in der oberen Epiphyse der Tibia. Im Anschluss soll noch die Entwickelungsdauer folgender Thiere — gegeben werden: Colibri 12 Tage, Huhn. Ente 21 Tage, Gans 29 Tage, Storch 42 Tage, Casuar 65 Tage, Maus 3 Wochen, Kaninchen, Hase 4 Wochen, Ratte 5 Wochen, Igel 7 Wochen, Katze, Marder 8 Wochen, Hund, Fuchs, Iltis !l W.ichen, Dachs, Wolf 10 Wochen, Löwe 14 Wochen, Schwein 17 Wochen, Schaf 21 Wochen, Ziege 22 Wochen. Reh 24 Wochen, Bär, kleine Affen 30 Wochen, Hirsch 36—40 Wochen, [Mensch 40 Wochen], Pferd, Kamee! 13 Monate, Rhino- ceros ]8 Monate. Elephant 24 Monate Schenk. — Nach Maqgiorani retardirt die Anlegung eines Magneten an das bebrütete Vogelei die ersten Entwickelungs- vorgänge. Beschränkung der O-Zufuhr zum bebrüteten Vogelei hat Zwerg- bildung zur Folge //. Koch . Ende des 2 Monats. f. Monat. Monat. Kenneeichen reifer Frucht-'. hingsdauer einiger Thieri . 66 = 1044 Bildung des Knochensystenies, Wirbel, Rippen. [§. 448-] Intrauterin werden durch die Bauchdecken der Mutter hindurch verschieden- Bewegungeii. artige Bewegungen des Fötus wahrgenommen : Streckbewegungen des Rumpfes, Bewegungen der Extremitäten und in der letzten Zeit der Schwangerschaft eine regelmässige, in Perioden auftretende, rhythmische, meist einige Zeit andauernde Thätigkeit der Athemmuskeln (Ahlfeld &f H. Weber). Ausserdem macht der Fötus Saug- und Schluckbewegungen. 449. Bildung des Knochensystemes. Bildung der Wirbelsäule: — Die Verknöcherung der Wirbel beginnt in der 8. bis Wirbel. g Woche, und zwar entstehen zuerst injeder Bogenhälfteje ein Knochen- punkt, dann im Körper ein Punkt hinter der Chorda ( Robin j , der jedoch wohl auch aus zwei dichtliegenden sich zusammensetzt. Im 5. Monat rückt die Knochensubstanz bis zur Oberfläche vor, die Chorda im Körper ist verdrängt ; im 1. Jahre verwachsen die drei Stücke. — Der Atlas erhält einen Punkt im Arcus anterior und zwei im posterior; Verwachsung im 3. Jahr. — Der Epistropheus bekommt einen Kern im 1. Jahre. Die drei Punkte der Sacral- wirbel verwachsen im 2. bis 6- Jahre , alle Wirbel unter einander im 18. bis 25. Jahre. Die vier Steisswirbel erhalten je einen Körperpunkt vom 1. bis 10. Jahre. — Die Wirbel produciren in späteren Jahren noch 1 — 2 Punkte an jedem Dorn , 1 — 2 Punkte an jedem Querfortsatz , einen Punkt am Proc. mam- millaris der Lumbaiwirbel, einen Punkt an einzelnen Gelenkfortsätzen (8. bis 15. Jahr, Schwegel). Jede Fläche eines Wirbelkörpers erzeugt noch eine epiphysen- ähnliche, dünne Knochenplatte, die im 20. Jahre noch sichtbar sein kann. Haufen von Chordazellen erhalten sich noch beim Erwachsenen in der Intervertebral- scheibe. So lange Steissbeinwirbel, Zahn des Drehers und Schädelbasis knorpelig sind, liegen auch in ihnen noch Chordareste (H. Müller). — Die Steissbeinwirbel bilden den Schwanz, als deren Fortsetzung ein wirbelloser „Schwanzfaden" sich verlängert (Braun). Das Steissbein besteht ursprünglich beim Menschen als frei vorstehender Schwanz (Fig. .540. IX. T), welcher später von den über- Avachsenden Weichtheilen verdeckt und eingeschlossen wird. Sehr selten erhält sich ein frei vorstehender Schwanz; bleibt allein der „Schwanz faden" frei, so bildet er den sogenannten .weichen Schwanz" (HisJ. Ursprünglich besitzt der Embryo 25 wahre Wirbel, indem sich das Hüft- bein dem 26. Wirbel anfügt. Späier schiebt sich das Hüftbein so weit vor, dass der 25. Wirbel der erste Sacralwirbel wird. Die Persistenz von 25 wahren Wirbeln ist als Hemmungsbildung aufzufassen (Rosenberg). Rippen und Die Rippen — sprossen aus den Urwirbeln hervor, ihre erste Anlage Brustbein. ^ommf jedem Wirbel zu. Die Thoraxrippen verknorpeln im 2. Monate und wachsen in die Brustwand vor, wobei die 7 oberen durch einen knorpeligen, medialen Verbindungsstreif vereinigt sind (Rathkei. Letzterer ist die halbe Sternumanlage ; stossen später beide in der Mittellinie zusammen, so ist das Fissura Sternum gebildet. (Bemmungsbildung der Fissura sterni; bei manchen Brüll- uterni. affen ist das Manubrium permanent gespalten. Die unteren, falschen Rippen zeigen gewissermaassen die Fissura sterni normal; Löcher im Sternum als Reste einer Spalte sind häufig.) Im 6. Monate tritt ein Knochenpunkt im Manubrium auf, darunter 4 — 13 paarweise im Corpus , eiuer im Processus ensiformis. — Jede Rippe bekommt einen Knochenpunkt im Körper im 2. Monate, im 8. bis 14. Jahre je einen im Tuberculum und Capitulum ; Verschmelzung im 14. bis 25. Jahre. — Haisrippen, Die Rippenanlagen vor den Proc. Transversi am Halse werden zu den vorderen Spangen dieser Fortsätze. Am 7. und Ö. Wirbel erhalten sich selten isolirte, kurze, echte Halsrippen (bei Vögeln sind die Halsrippen grösser entwickelt). — Lenden- Im Lendentheile werden die knorpeligen Rippenanlagen später zu den tippen. Processus costani (transversi der Alten). Mitunter bildet sich eine 13. Rippe aus. [Der Proc. accessorius der Lendenwirbel ist der wahre Proc. trans versus, wie sich SakraiHpptn. am Skelett der Affen leicht ergiebt.] Die Sakral wir bei haben ebenfalls 3 bis 4 Rippenanlagen , die nach dem 6. Jahre mit der Superficies auricularis ver- wachsen. — An den Steisswirbeln ist das Rippenstück noch nicht gefunden. Schädel. Der Schädel, — das geschlossene Ende des Wirbelrohres, besitzt im Axial- theile seiner Basis die Chorda bis zum vorderen Keilbeinkörper. Derselbe ist zuerst ganz häutig angelegt (häutiges Primordialcranium) , darauf werden [§•449.] Bildung des Knochensystemes. Schädelknochen. 1045 Häutige* und knorpeliues Primordial- eraniuni. Hinteres Keilbein. die basalen Theile im 2. Monate knorpelig-, und zwar alle, wie aus einem Guss zusammenhängend: Os oeeipitis mit Ausnahme der oberen Hälfte der Schuppe , vorderes und hinteres Keilbein mit den Flügeln , die Pyramiden und Warzentheile des Felsenbeines , das Siebbein nebst Nasenscheidewand und die wenig entwickelte , äussere knorpelige Nase. Die übrigen Schädeltheile bleiben häutig. So hat man ein häutiges und ein knorpeliges Primordial- cranium unterschieden (Jacobson, 1844). [Bei Thieren (Schwein) kann auch die ganze Occipital- und zum Theil die Parietal-Gegend knorpelig werden {SpöndliJ.~\ Die Yerknöcherung der einzelnen Schädelknochen vollzieht sich nun wie folgt: I. Os oeeipitis — erhält im 3- Monat einen Knochenpunkt in der Pars Os oeeipitis hasilaris , je einen in der Pars condyloidea und in der Fossa cerebelli. Dazu kommen in den (häutigen) Fossae cerebri zwei Punkte Die vier Pnnkte der Schuppe verwachsen schon intrauterin, doch ist noch vom Rande jederseits ein Spalt zwischen dem oberen und unteren Schuppentheil zu sehen. Im 1. bis 2. Jahre verwachsen alle übrigen Punkte. Sehr selten bleibt die obere Schuppen- hälfte. als Analogon des, bei vielen Thieren constanten . Os interparietale, ein halbmondförmiger Knochen für sich (wovon ich ein schönes Beispiel vor mir habe), mitunter eine Hälfte dieses Theiles. Als besonders (auch für die Gehirn- entwickelung gewiss) wichtig soll noch hervorgehoben werden, dass beim Menschen der obere Theil der Hinterhauptschuppe sich iu der Entwickelung vergrössert. bei den Affen hingegen sich verkleinert fjosepli, IValdeyer;. An manchen Schädeln zeigen die obere und untere Schuppenhiilfte Wachsthumsdifferenzen. [Nach Albrecht bildet der vordere Theil der Pars basilaris ein besonderes Knochenstück, das Basioticum ] II. Das hintere Keilbein — hat folgende Knochenpunkte vom 3. Monat an: zwei in der Sei la turcica, zwei im Sulcus caroticus. zwei in beiden Alae magnae , die auch die Lamina externa des Proc. pterygoideus bilden, (während die nicht knorpelig vorgebildete, innere Lamina vom Oberkieferfortsatz des ersten Kiemenbogens herstammt). In der zweiten Hälfte des Fötallebens ver- einigen sich diese Punkte bis auf die Alae magnae ; knorpelig ist dann noch die Sattellehne und der Clivus bis zur Synchondrosis sphenooccipitalis , die vom 13. Jahre an ossificirt. III. Das vordere Keilbein — hat vom 8. Monat zwei Punkte in den Alae parvae, dann zwei im Corpus. Im 6. Monate verwachsen diese, doch findet sich noch im Inneren Knorpel vor Virchow , dessen Reste noch das 13. Jahr erleben. IV. Das Siebbein — erhält im 5. Monat einen Kern im Labyrinth Siebbein. nebst Papierplatte. Muscheln und Siebplatte, dann im 1. Jahr einen Kern in der Lamina perpendicularis nebst Crista galli. Die Verwachsung erfolgt im 5- bis 6. Jahre. V. Zu den häutig gebildeten Knochen gehören die innere Lamina des Bäuti-i Proc. pterygoideus (ein Punkt), die obere Hälfte der Occipitalschuppe (zwei Pr«f°™irte Punkte), das Scheitelbein (ein Punkt im Tuber parietale), das Stirnbein (ein Doppelpunkt im Tuber frontale) . dazu noch drei kleine in der Spina nasalis. Spina trochlearis und Proc. zygomaticus (Rambaut & Renault) , das Nasenbein (ein Punkt), die Schläfenschuppe (ein Punkt), der Paukenring (ein Punkt), das Thränen-, Pflugschar- und Zwischenkiefer-Bein. Man nennt alle diese Knochen auch wohl Deck- oder Beleg-Knochen ; sie bilden sich in einer besonderen häutigen Anlage, welche dem Primordialeranium von aussen anliegt. O. Hertwig erklärt sie für Haut- und Schleimhaut-Ussiticationen. Der Schädel stellt nach einer schon älteren Auffassung in seiner Gliederung WirteUKeari* drei grosse erweiterte Wirbel dar Goethe Yt^i, Oken 1807); den hinteren** Schädel». S chädel w i r bei bildet das Occiput, — den mittleren das hintere Keilbein nebst Alae magnae und Ossa parietalia, — den vorderen das vordere Keilbein nebst Stirnbein. — Bei Knorpelfischen ist die Zahl der Schädelwirbel eine grössere (Gegenbaur . Wie weit der Schädel nach vorne reiche, ist zur Zeit noch streitig. Kölliker hält es für statthaft, das Siebbein mit seiner Lamina perpendicularis und das Septum nariuin als das vordere Ende der Wirbelsäule des Schädels anzusehen. Vorderes Keilbein. 1046 Bildung des Knochensystemes. Gesichtsknochen. [§■449.] Gesichts- knochen. Proc. maxillaris sup. et in/er. Processus frontalis. Trennung der 3hi nd- und J\'osen- höhle. Zioischen - kiefer. Fig. 344. Hemmungs- bildungen des Gesichtes : HasenscharU Wolfsrachen . .Schräge Ga- sichtsspalte. Mundapaltc JHldungen aus dem 1. Kiimeit- bogen. Die Bildung der Gesichtsknochen — steht in inniger Beziehung zu den Umbildungen der Kiemen-Bögen und -Spalten. Gegen die grosse Mundöffnung ragt von jeder Seite her das mediale Ende des ersten Kieme n- bogens hin. Dasselbe bat zwei Fortsätze: den Oberkieferfortsatz (Fig. 345. Ä. 3), der mebr gegen die Seite der Mundöffnung heranwächst, und den Unterkieferfortsatz (u), der dem unteren Rande des Mundes entlang zieht. Von oben berab wächst nun als Verlängerung der Schädelbasis der Proc. frontalis (f) nieder, ein breiter, an seiner unteren, äusseren Ecke mit einer Spitze (1, innerer Nasenfortsatz) versebener Fortsatz. Stirnfortsatz und Ober- kieferfortsatz (3) verwachsen miteinander, und zwar so, dass ersterer (f) zwischen letztere (3) beiderseits sich einschiebt. Zugleich verwächst ein kleiner, oberhalb des Oberkieferfortsatzes liegender, äusserer Nasenfortsatz (2), eine Fortsetzung des Seitentheiles des Schädels, mit dem Oberkieferfortsatz. Zwischen letzterem und dem äusseren Nasenfortsatz war eine zum Auge (a) führende Spalte, welche bis auf den Thränencanal verwächst (B. 0.). So ist die Mundöffnung abgetbeilt von den darüber liegenden Nasenöffnungen. Die Thei- lung setzt sich aber auch in die Tiefe der Mundhöhle hin fort; der Oberkieferfortsatz liefert den Gaumen, der Stirnfortsatz den Zwischenkiefer (Fig. 345 B. Z), der auch dem Menschen zukommt ( 'Goethe , und später mit dem Oberkiefer verwächst. Der Zwischen- kiefer , bei vielen Thieren dauernd ein besonderer Knochen (Os incisivnm), trägt die Schneidezähne. In der 9. Woche ist der harte Gaumen bereits ge- schlossen , auf den sich senkrecht das vom Proc. frontalis abstammende Septuin der Nase stützt. Aus Linksseitige Hasenscharte, dem Unterkieferfort satze entsteht der Unterkiefer (ß. U). — An den Umrandungen der Mundhöhle bilden sich die Lippen und der Alveolarrand aus. — Die Zunge (z) entsteht hinter der Vereinigungsstelle vom 2. und 3. Kiemenbogen-Paar (His), nach Born aus einem Schaltstücke zwischen den Unterkieferfortsätzen, ihre Wurzel aus dem 2. Bogen. Diese Bildungen können Hemmungen erfahren. 1. Die Hasenscharte (Oro-Nasal-Spalte, Fig. 345. C) entsteht bei Nicht- vereinigung des inneren Nasenfortsatzes einerseits und des Oberkiefer- und äusseren Nasenfortsatzes andererseits. Die Spalte läuft in das Nasenloch. In der Regel verläuft die Spalte zwischen den Schneidezähnen , doch selten auch vor dem Eckzahn. Bei Kiet'erspalten finden sich oft überzählige Schneidezähne. Der Zwischenkiefer hat 2 Knochen p unkte , einen im inneren Nasenfortsatze, den anderen im Gebiete des Oberkieferfortsatzes. Aus dem äusseren Nasenfortsatz, der nicht bis nach unten reicht, entsteht kein besonderer Knochen. Es kann nun Nase und Mund entweder nur in den Weichtheilen nicht getrennt sein (Hasen- scharte) (Fig. 344), oder durch und durch auch im Gaumen (Wolfsrachen); beide Missbildungen können einseitig oder doppelseitig sein. Die Bildung des Wolfsrachens kann entweder daher rühren, dass die Oberkieferfortsätze und der Stirnfortsatz sämmtlich oder zum Theil zu kurz bleiben, so dass sie nicht an einander stossen können, oder es wächst der Stirnfortsatz rüsselartig und oft noch verschmälert zu weit hervor , so dass die Oberkieferfortsätze ihn nicht erreichen können. 2. Die NichtVereinigung zwischen innerem und äusserem Nasen fortsatz einerseits und dem Oberkieferfortsatz andererseits bedingt die „schräge Ge- sichtsspalte" (Oro-Orbital-Spalte, Fig, 345, D) ; das Nasenloch ist geschlossen (Albrechl, Kraske). 3. Die „Mundspalte" (Makmsto mie) ist die abnorm weit seitlich ausgedehnte Erweiterung zwischen Oberkiefer- und Unteikiefer-Fortsatz (Biondi), welche sogar bis zum Ohre reichen kann (Fig. 345. B. m.). 4. Ueberaus selten ist das Auftreten einer Fistel an der Unterlippe, welche gedeutet wird als der Rest einer fötalen Spalte zwischen Mittel- und Seitentlieil der sich bildenden Unterlippe (Rose, Madelung/. Aus dem hinteren Theile des ersten Kiemenbogens entstehen Ambos, Hammer (Verknöcherung im 4. Monat) und der von letzterem hinter dem Pauken- [§• 449.] Bildung des Knoehensystemes. Gesichtskhöchen. 1047 ring nach vorn abgehende, lange, knorpelige Mecketsch» Fortsatz Reichert 1837), welcher auf der inneren Seite des Unterkiefers fast bis zu dessen medialer Vereini- gung hinzieht. Letzterer verkümmert vom 6. Monat an, doch bildet sein hinterer Theil noch das Lig. laterale internum des Kiefergelenkes. Neben ihm an seinem Abgänge vom Hammer bildet sich der Proc. Folii Baumüller). Ein Theil seines medialen Endes verwächst ossificirend mit dem Unterkiefer. Der Unter- kiefer entstellt häutig als ein Belegknochen auf dem ersten Kiemenbogen, der Angolas und Condylus entstehen aus einem Knorpelansatz. Die Kinnnaht beider Unterkiefer verwächst im ersten Jahre. — Aus dem Oberkieferfortsatz entsteht ausser dem Oberkiefer noch die innere Lamelle des Proc. pterygoideus , femer der Proc. palatinus des Oberkiefers und das Os palatinum am Ende des 2. Mo- nats; endlich das Os zygomaticum. Der vom Felsenbein entstehende und parallel mit dem ersten Kiemenbogen Mi ziehende, zweite Bogen — bildet der Reihe nach den Steigbügel (nach Salemky soll dieser jedoch noch aus einer mit dem 1. Bogen zusammenhängenden Knorpelmasse hervorgehen), die Eminenlia pyramidalis mit dem Muse, stapedins, den Processus styloideus, das (früher knorpelige) Lig. stylohyoideum. das kleine Hörn des Zungenbeines — (ich sah den Griffelfortsatz bis zum kleinen Hörn inclusive in einen Knochen beiderseits verwandelt), endlich den Arcus glosso- palatinus (Hisj. Fitr. 3-15. Hüdungen aus dem 2. Kiemen- bogen. -ZT- Bildung des Gesichtes und Hemmungsbildungen desselben. — A erste fötale Anlage: /, //, ///, /'■' die 4 Kiemenbogen. / Processus frontalis, / innerer und - äusserer Nasenfortsatz, 3 Oberkieferfortsatz. u rnterkieferfortsatz. ''■. c erste und zweite Kiemenspalte, a Auge, z Zunge. — /' Normale Verwachsung der embryonalen Theile. '/. Zwisehenkiefer , -\ ' Nasenloch, " Thränen Xasencuual. 0 Unterkiefer, [m abnorme Erweiterung der Mimdspalte als Jlakrostomie.j — ' ' Henimuiigsbildung der Oronasal-Spalte (Hasenscharte oder Wolfs- rachen). — O Hemmungsbildung der rs c h r ä g e n Gesichtsspalte" IQ). Aus dem dritten Kiemenbogen — entsteht das grosse Hörn und Hildungen der Körper des Zungenbeines und endlich der Arcus pharyngopalatinus (His). *"s d*m Der vierte Kiemenbogen — enthält die Anlage des Schild- K.emenbogen. knorpels His . Von den Ki einen spal ten — bleibt nur die erste, als Gehör gang, Pauke und Tuba sich umbildend; alle anderen verwachsen. Bleibt die eine oder andere offen ( I lemmungsbildung , mitunter in einzelnen Familien erblich), so ist dies die angeborene Halsfistel. Es können die Gänge auch entweder nur an isf,iia com ihrer inneren oder äusseren Oeffnnng sich erhalten: es entstehen dann blinde congenita. Gänge, Divertikel, die alle als unvollkommene llalslistcln bezeichnet werden. Auch „branc hiogene" Geschwülste und Cysten leiten ihren Ursprung von den Kieinenbildungen ab (Koser). Auf eine Vermehrung der Kiemenbogen ist die überaus seltene partielle Verdoppelung des Unterkiefers zurückzuführen. Als paarige Ausstülpungen oder Verdickungen des. die Kiemenbogen be- Tky\ deckenden Epithels bilden sich Thymus und Thyreoidea. Die Schilddrüse t'hgreoxha. entsteht (beim Schwein) aus einer mittleren und l seitlichen Anlagen, welche spater verschmelzen (Stieda, Zorn, Fücheles). Das Epithel der 2 letzten Schlund- Spalten vergeht nicht (Sehwein), es psoliferirt, treibt nach innen cylindrische Fortsätze und entwickelt sich zu 2 Epithelblasen (die paarige Anlage der Glandula 1048 Bildung des Knochensystenies. Extremitäten. [§• 449.] Thyreoidea). Diese Blasen haben einen centralen Spalt, der anfangs noch mit der Schlundhöhle communicirt f Wölfler), — Die paarige Anlage der Thyreoidea lässt von dem ursprünglichen Hohlräume anfangs solide, später hohl werdende Sprossen ausgehen ; später verwachsen die paarigen Anlagen. Nach His liegt im Bereich des 2. Kiemenbogenpaares vor der Zunge als Epithelblase die Schilddrüse (Mensch, 4. Woche). Vom epithelialen Antheile der Thymus (die nach Born und Fischeies aus der 3. Kiemenspalte hervorgeht) persistiren nur die sogenannten, concentrischen Körper. His spricht Epithelialbuchten lateralwärts vom 4. und 5. Aortenbogen als Thymusanlage beim Menschen (4. Woche) an. — Auch die Glandula caroticaist epithelialer Herkunft, eine Abart der Thyreoidea fSHedaJ. Extremität en. Die Extremitäten. — Der Verlauf und die Herkunft der Nervea des Arm- geflechtes zeigen an, dass die Oberextremität eine Lage mehr schädelwärts an der Wirbelsäule innegehabt hat (letzter Hals- und erster Brust- Wirbel). Die Anlage der Hinterext remität entspricht dem letzten Lenden- bis 3. oder 4. Sacral-AVirbel (Hisj. Clavicula. Die Clavicula. nicht bindegewebig (Bruch), sondern knorpelig wie die Furcula der Vögel präformirt (Gegenbaur), zeigt ein sehr bedeutendes Wachsthum, so dass sie im 2. Monat viermal so gross ist, als der Oberschenkel; sie ossifleirt, zuerst von allen Knochen, in der 7. Woche. Zur Zeit der Pubertät tritt eine stemale Epiphyse hinzu. — [Episternale Bildungen müssen von der Cla- vicula abgeleitet werden (Gölte), Rüge deutet Knorpelstückchen zwischen Clavi- cula und Sternum als Analogon des Episternums der Thiere ] — Die Clavicula fehlt vielen Säugern (Hufthiere, Raubthiere) ; bei den Flatterern ist sie sehr gross, beim Kaninchen halb häutig. Die Furcula der Vögel stellt die vereinigten Clavi- culae dar. Scapula. Die Scapula ist in erster Anlage mit der Clavicula verbunden (Rathke, Gölte), zeigt am Ende des 2. Monats einen mittleren Kern, der sich schnell aus- breitet. Von den accessorischen Kernen sind morphologisch interessant der im Rabenschnabel ; letzterer bildet zugleich die oberste Partie der Gelenkfläche. Bei Vögeln wächst diese Anlage als Os coraeoideum bis zum Sternum, während beim Menschen von der Spitze des Processus coraeoideus nur Bandmasse zum Sternum zieht. Der basale, besondere, lange Knochenstreif entspricht dem Os suprascapulare mancher Thiere. Sonstige Knochenkerne sind noch: einer im unteren Winkel, zwei bis drei im Acromion, einer in der Gelenkfläche, ein unbe- ständiger in der Spina. Völlige Consolidation zur Pubertätszeit. Humerus. Qas Qs humeri ossifleirt in der 8. bis 9- Woche in der Diaphyse. Weitere Knochenpunkte sind : einer in der oberen Epiphyse und einer in der Eminentia capitata (1. Jahr), einer im Tuberculum majus und einer im Tub. minus (2. Jahr), zwei in- den Condylen (5. bis 10. Jahr), einer in der Trochlea (12. Jahr). Es verwächst die Diaphyse mit den Epiphysen im 16. bis 20. Jahre. Radius. Der Radius ossifleirt in der Diaphyse im 3. Monate. Dazu kommen : ein Kern in der unteren Epiphyse (5. Jahr) , einer in der oberen (6. Jahr) ; unbe- ständig ist ein Kern in der Tuberositas und einer im Proc. styloideus. Ver- wachsung findet zur Pubertätszeit statt. mna- Die Ulna ossifleirt im Mittelstück ebenfalls im 3. Monate. Dazu kommt : ein Kern im unteren Ende (6. Jahr), zwei im Olecranon (11. bis 14. Jahr) ( Uffelmaimj ; unbeständig ist ein Punkt im Proc. coronoideus (Schwegel) und einer im Proc. styloideus. Die Consolidation des Knochens erfolgt mit der Geschlechtsreife. [Beim fliegenden Hund bleibt das Olecranon ein besonderer Knochen (Patella cubitalis).] Carpur. Qje Handwurzt Iknochen sind Lei den Vertebraten in zwei Reihen ange- ordnet. Die erste Reihe enthält drei Knochen neben einander: das Radiale, das Litermedium und das Ulnare. Diese werden beim Menschen repräsentirt durch das Os naviculare, lunatum et triquetrum ; (das pisiforme ist nur ein Sesambein in der Sehne des Flexor carpi ulnaris). Die zweite Reihe enthält eigentlich (z. B. bei den Salamandrinen) so viele Knochen, als Finger vorhanden sind; beim Menschen entspricht der gemeinsamen Anlage für den 4. und 5. Finger das Os hamatum. Morphologisch ist es merkwürdig, dass zwischen beiden Reihen ein Os centrale (entsprechend dem Os carpale centrale der Reptilien , Amphibien und einiger Säuger) anfangs gebildet ist, das aber mit dem 3. Monat verschwindet [§■449.] Bildung des Rnochensystemes. Extremitäten. 1049 (Henke, Reyher , Rosenberg) oder mit dem Naviculare verschmilzt. Nur in sehr seltenen Fällen erhält es sich (Gegmbaur/ , [beim Orang bleibt es constant er- halten]. Alle Carpalknochen sind bei der Geburt noch knorpelig, sie verknöchern : Capitatum, hamatum (1. Jahr), triquetrum (3. Jahr), trapezium, lunatum (5. Jahr), naviculare (6. Jahr), trapezoidum (7. Jahr), pisiibrme (12. Jahr). Die Metacarpaiknochen zeigen am Ende des 3- Monats in der Diaphyse ihtacarpus. einen Kern, ebenso die Phalangen. Die knorpelige Epiphyse haben alle Phaiamjes. Phalangen und der erste Daumenknochen am centralen Ende , die übrigen Meta- carpusknochen am peripheren , Uffelmanni . Hiernach ist der erste Daumenknoehen als Phalange zu betrachten (Galen, Vesalj. Die Epiphysen der Metacarpi verknöchern im 2. Jahre, die der Phalangen im 3. Jahre ; Verwachsung zur Pubertätszeit. Merk- würdig ist die Angabe Schenk 's, dass in der ersten Anlage eine grössere Zahl von Fingern (bis 9) angelegt seien , die später bis auf 5 verschwinden. Es würde sich hieraus die P o 1 v- Fig. 346. Verknöcherune: des Hüftbeins. in der Crista ilei daktylie als eine, zu den Hemmungsbildungen zu zählen- de, Missbildung erklären lassen. Uebrigens findet sich bei vielen Sängern eine rudimentäre An- lage eines 6- Fingers (Radial- seite) und einer 6. Zehe (Tibial- seite), welche fC. Rardeleben als Praepol lex und Praehallux Polydaktylie. bezeichnet, z. B. beim Maulwurf, [beim Menschen als Thierähnlich- keit selten; Pliniusf\. Das Hüftbein bat iu der Becken. knorpeligen Anlage zwei Theile, den Scham- und den Darmsitz- theil fRosenbeig). Die Verknö- cberung beginnt mit drei Kernen : einer im Darmbein (3. bis A. Mo- nat), einer im absteigenden Sitz- beinast (4. bis 5. Monat), einer im horizontalen Schambeinast (5. bis 7. Monat). Zwischen dem 6 bis 14. Jahre entstehen drei Kerne dort, wo die Corpora der drei Knochen in der Pfanne zu- sammenstossen, ebenso einer an der Superficies auricularis und einer an der Symphyse. Weitere accessorische Punkte sind : je in der Tuberositas und in der einer in der Spina ant. inf. Spina ischii , Tuberc. pubis , Eminentia ileopectinea , Pfannengrund. Zuerst vereinigen sich der absteigende Scham- und aufsteigende Sitz-Beiuast im 7. bis 8. Jahre; die Y-förmige Pfannennaht bleibt bis zur Pubertät. — Als Os acetabuli erscheint ein besonderer Kern des Pfannenrandes (1^. Jahr), der im 18- Jahr mit den benachbarten Knochen verschmilzt //'. Krause . Das Femur erhält den Mittelkern am Ende des 2. Monates. Bei der Geburt Femur. ist ein Kern in der unteren Epiphyse, etwas später einer im Caput. Dazu kommen : einer im Trochanter major (3. bis M. Jahr), einer im Troch. minor (13. bis 14. Jahr), zwei in den Condylen (4. bis" 8. Jahr); Verwachsung aller gegen die Pubertätszeit. Die Kniescheibe ist ein Sesambein in der Sehne des Quadriceps femoris. |Bei wenigen Beutel (hieren verwächst sie mit dem Wadenbein als Ole- cranon flbulare.] Die Kniescheibe i- Spuren von Chlor. Der frische Knochen enthält Wasser etwa 23°/0, das Mark flüssiges Knochenfett, Albumin , Hypoxanthin , Cholesterin , Extractivstoffe. Das rothe Mark führt mehr Eisen, als seinem Hb-Gehalte entspricht (Nasse). IVachsthnm Der Knochen (z. B. der Röhrenknochen) wächst der Dicke nach der Knochen, d u r c h Auflagerungen des Periostes, wobei die Zellen desselben als Osteoblasten zu Knochenkörperchen werden. Theilweise gehen die peripheren Bezirke (Parietalschicht) der epithelartig dicht, gelagerten Osteoblasten in die erhärtende Grundsubstanz des Knochens über, wobei die Zellen sternförmig ein- geengt werden, als Knochenkörperchen. Theilweise gehen aber auch sternförmige, protoplasmatische, zerstreut liegende Periostzellen in Knochenzellen über, indem sich ein erhärtendes Blastem zwischen dieselben ergiesst, welches die Fasern des Periostes als Slmrßey' sehe Fasern in die Substanz des Knochens aufnimmt. — Gleichmässig mit dem Wachsthum der Knochenrinde wird die Markhöhle durch Resorption grösser. Ringe, jungen Thieren um die Röhren gelegt, fallen später in die Markhöhle (Duhamel). Das Länge uwachstb um der Knochen geschieht so (Hunter), dass der, der Diaphyse zunächst liegende Streif des Epiphysen- knorpels stets verknöchert, während sich am peripheren Ende stetig neuer Knorpel erzeugt. Ist das Knochenwachsthum vollendet, so ossificirt schliesslich der Epi- physenknorpel in toto. Ob neben diesem Wachsthum der Knochen durch Appo- sition noch ein solches durch Intussusception oder interstitielle Expansion statt- habe (Wolff), haben die Versuche (ob zwei in einem wachsenden Knochen eingeschlagene Stifte weiter von einander rücken oder nicht) noch nicht unbedingt sicher erwiesen (vgl. §. 246. 9). [§•449. Bildung des Gefässsystemes. Herz. L051 Die Formentwickelung der Knochen wird auch von äusseren Momenten beeinflusst. Sie entwickeln sich um so kräftiger, je grösser die Thätigkeit der, auf sie wirkenden Muskeln ist. Bei Aufhebung eines, normaler Weise auf die Knochen wirksamen Druckes richtet er sich nach der Seite des geringsten "Widerstandes und wird nach dieser Richtung hin dicker. Der Knochen wächst ferner langsanier auf der Seite des stärkeren, äusseren Druckes, und er krümmt sich bei einseitigem Druck (Lesslwft). 450. Bildung des Gefasssystemes. Herz. — Die einfach schlauchförmige Herzanlage nimmt eine]leicht S-förmige Gestalt, an (Fig. 347. 1) und lässt alsbald eine Unterscheidung des oberen Aorten- theiles (a) mit dem Bulbus (b) , des mittleren Kammertheiles und des unteren Fi"-. 347. Herz. c 4U^b En t wie ke 1 ung des Herzeus: /. Erste Herzanlage, a Aortentheil mit dem Bulbus 6, — v 'Venöser Theil. — -. Magenförmige Biegung des Herzens : « Aortentheil mit dem Bulbus b, — V Ventrikel. — -1 Vorhot'stheil. — 3. Bil- dung der Herzohren o o, und der äusseren Furche am Ventrikel. — *. Beginnende Zerli-guns der Aorta p in 2 Läugsröhren o — 5. Einblick von b inten durch den weitgeöffneten Vorhof (v v) in den linken (Li) und rechten (W Ventrikel, zwischen denen die Scheidewand hervorragt, und in deren jeden die 2 grossen arteriellen Gefässe (a) Aorta und (p) Pulmonalis einmünden. — e Bronchi, / hervorsprossende Drnsenbläschen. Der Darmcana] erzeugt durch Ausstülpungen verschiedene Drüsen; an diesen betheiligen sich die Zellen des Bypoblast's, welche zu den Seeretions- zellen der Drüsen werden, sowie die Darmfaserplatte, welche die gestaltgebenden Drüsenmembranen liefert. Diese Ausstülpungen sind der Reihe nach: - 1. die anfangs soliden Speicheldrüsen, we'che zu stark raraificirten Drüsenkörpern schon früh von dem Munddarme hervorsprossen. — SJ. Die Lungen entstehen als zwei getrennte Eohlbläschen (Fig. 352. A. 1) ( '. E.v. BcurJ, die später ein einfaches Vereiuigungsrohr zum Ursprung haben, als Ausstülpungen der Speise- röhre. Der obere Thcil des vereinigten Tracheairohres wird zum Kehlkopf. Die Epiglottis und der Schildknorpel stammen von der Zungenanlnge ab Gxmghofner . Die beiden Bläschen wachsen nach dem Typus einer sieh verästelnden, schlauch- förmigen Drüse mit hohlen Sprossen (B. f). In den frühesten EutwickelungS- Stadien existirt zwischen dem Epithel der Bronchien und dem der hervorge- sprossten . primitiven Lungenbläschen kein wesentlicher Unterschied [Milz und Nebennieren entstehen jedoch nicht in dieser Weise: erstere, als Falte Aus- stülpungen aus dem Pamir. Speichrl- Lungen. 1056 Darmdrüsen. — Bauchfell. [§.451.] Pankreas. Peritoneum und Netz- bildung . Fig. 353. m des Mesogastriunis vorgebildet (His), iru 2. Monate ; letztere sind anfangs grösser als die Nieren.] — 3. Das Pankreas entstellt ähnlich den Speicheldrüsen, ist jedoch in der 4. Woche noch nicht angelegt (His). — 4. Die sehr frühzeitig auftretende Leber beginnt als eine Ausstülpung mittelst zweier hohler, primi- tiver Lebergänge, die sich verästeln zu den Gallengängen. An ihrer Peri- pherie treiben jedoch die Gänge solide Zellenmassen , die Leberzellen , welche somit auch vom Hypoblast abstammen. Bereits im 2. Monate ist die Leber gross , sie secernirt schon im 3. Monate (vgl. §. 184). — 5. Beim Vogel bilden sich noch am Hinter- darme zwei kleine Blind- därmen en. — 6. Ueber das fötale Athmungs organ, die Allantois, wurde besonders gehan- delt (§. 446). Die Innenfläche des Koeloms, die Ober- fläche des Darmes und des Mesenteriums über- kleiden sich mit einer serösen Haut , dem Bauchfell. Dasselbe trägt den zunächst noch einfachen Darm in einer Duplicatur oder Falte. Am Magen, der anfangs als eine spindelförmige Erweiterung des Tractus i-enkreckt steht, heisst diese Falte das Meso- gastrium. Später legt sich der Magen auf die Seite, und zwar so, dass die linke Fläche zur vorderen, die rechte zur hinteren wird. Hier- durch ist die Insertion des Mesogastriums, die anfangs nach hinten (der Wirbelsäule zu) gewendet war, nach links gerichtet: die Insertiouslinie bildet die Gegend der grossen Curvatur, die sich weiterhin noch mehr krümmt. Von der grossen Curvatur verlängert sich nun das Mesogastrium als ein beuteiförmiger Anhang (Fig. 353. I u. II s i), welcher die Bursa omentalis ist, soweit abwärts, dass derselbe über das Colon transversum und die Dünndarmschlingen hinwegreicht (III N.). Da das Meso- gastrium ursprünglich zwei Platten hat, so muss die von ihm gebildete Duplicatur, der Netzbeutel , natürlich vier Platten haben. Im 4. Monate verwächst die hintere Fläche des Netzbeutels mit der Oberfläche des Colon transversum (yohannes Müller). Bildung des grossen Netzes. — I und II: — ^Ligamentum hepatogastricum , m grosse und n kleine Curvatur des Magens. — s hintere und i vordere Platte des Omentum. — mi Mesocolon, c Colon. — III (ausser den Bezeichnungen wie hei / und II) L Leber , t Dünndarm , * Mesenterium, P Pancreas, d Duodenum, r Rectum, N grosses Netz. 452. Bildung der Harn- und Geschlechts-Organe. Urnieren- Harnorgane. — Als erste Bildung für die fötalen Harnorgane entsteht gong. (beim Hühnchen am 2., beim Kaninchen am 9. Tage) der anfangs solide Ur- nierengang oder l-VolJ"sche Gang (Fig. 354. I. W) aus Zellen des Ectodermes (Spee, Flemming, Marlin, Bonnet), seitlich und etwas dorsalwärts von den Urwirbeln, sich vom 5. Urwirbel bis zu den letzten erstreckend. Diesem Gange innen auf- sitzend, entstehen von der Leberhöhe abwärts eine Reihe kleiner Schläuche [die beim Hühnchen anfangs mit dem anderen Ende frei in die Peritonealhöhle münden sollen (Köllikerj\ welche an ihrem Ende durch Hineinwachsen eines Gefässknäue's Giomtruii zu einem! dem Glomerulus der Niere ähnlichen Gebilde werden. Die Schläuche der arnLT verlängern sich, knäueln sich in Windungen und vervielfältigen sich noch durch Zuwachs neugebildeter und mit ihnen in Communication tretender, accessorischer Röhrchen (Bomhatipl , Fürbringer) . Das Kopfende des IVolJjPschen Ganges ist [§. 452.] Bildung der Harn- und Geschlechts-Organe. 1057 anfangs geschlossen , sein unteres Ende , welches in einer , in die Leibeshöhle • hinein vorspringenden Falte (Plica urogenitalis, Waldeyerj liegt, öffnet sich (beim Kaninchen am 11. Tage) in den Sinus urogenitalis. — Dicht oberhalb der Aus- mündung des Wolf sehen Ganges spro?st die Niere als „Nierengang" (Kupffer Mündung des aufwärts aus ihm hervor (Kupffer , Götte). Der verlängerte Gang verästelt sich Umieren- weiter strauchförmig an seinem oberen Ende, und diese Nebenäste bilden endlich ^f"' Windungen. Jedes Canälchen gestaltet sich an seinem Ende wie eine gestielte canälchen. Kautschukblase , die in sich selbst napfförmig eingedrückt ist 'Toldtj; in diesen Raum dringt der selbstständig gebildete Gefässknäuel hinein und wird hier innig Kapseln. umwachsen. Der Nierengang mündet weiterhin selbstständig in den Sinus urogenitalis und wird zum Ureter. Die Stelle, an welcher die Verästelung anhebt, Ureter. wird zum Nierenbecken, die Aestchen selbst zu den Harncanälchen. Toldt fand im 2. Monate bereits Malpighi 'sehe Körperchen fertig in der Menschenniere, im 4. Monate Henle'acb.e Schleifen. — Die Harnblase entsteht in erster Andeutung Blase. schon um die 4. Woche (His), dann deutlicher im 2. Monate aus dem Anfangs- theil der Allantois (Fig. 354. 4. a). Der obere Theil geht als obliterirter Urachus in das Lig. vesicae medium über [das oft noch von der Blase aus eine kleine Strecke weit sondirbar bleibt (Wutsj\\ doch erhalten sich selbst beim Erwachsenen im unteren Drittel (Wutz) noch oft offene Urachusstellen , die zu Cystenbildung Veranlassung geben können (v. Luschka). Innere Geschlechtsorgane. — Vor und nach innen vom WV^'schen Körper Keimdrüse. entsteht im Mesoblast die längliche, hervortretende Ke i mdrüs e (Fig. 354. I. D), Jiaiier- bei beiden Geschlechtern ursprünglich gleich (Zwitterstadium). Ausserdem bildet scher Gang. sich parallel dem IFo/ffschen Gange (W) ein Canal, der abwärts ebenfalls in den Sinus urogenitalis mündet: der Müller'sche Gang oder Geschlechtsgang (M). Die Keimdrüse erscheint zuerst als eine längliehe Hervorragung und ist von hohen Epithelien der Mittelplatten, dem Keimepithel l Valdeyer's , überkleidet. Der Keimepithel. Müller' sehe Gang [um die 4. Woche noch nicht vorhanden (His, ] entsteht anfangs als lineare Furche im Keimepithel, die sich dann tiefer einsenkt und sich zu einem anfangs soliden Strang abschnürt, der später hohl wird (Waldeyerj. Die obere Oeffnung des Ganges öffnet sich frei in die Bauchhöhle ; die unteren Enden beider Gänge verschmelzen eine Strecke weit. — Bei Ausbildung des weiblichen Geschlechtes entstehen im Keimepithel Eizellen, die sich in offene Schlaueh- bildungen der Keimdrüse einsenken (beim Menschen bis zur Zeit der Geburt) (§.435). Beim Weibe wird der Müller' sehe Gang zur Tube (II. T.) und das untere, verschmolzene Ende beider zum Uterus (U). Beim männlichen Geschlechte — gestaltet sich das Keimepithel Hoden- niedriger (zeigt aber anfänglich sogar noch Ovulaanlagen). Nun dringen nach Bildung. IValdeyer vom IVolff" sehen Körper aus , an welchem man zweierlei Schläuche unterscheid» n kann , die schmäleren in die Keimdrüsenanlage ein (Sexualtheil des Wolff sehen Körpers). Diese Schläuche, die mit dem Wolffsehva. Gange in Verbindung stehen (v. Wittich , werden zu den Hodencanälchen und der J^^sche Gang beim Manne zum Vas deferens (III. V) nebst Samenblase. — [Nach Sernoff, Bornhaupt, Egli und Biegehnv sollen sich jedoch innerhalb der Keimdrüse des Männchens autoehthon Zellenstränge entwickeln, die sich zu den Samencanälchen gestalten und später mit dem WV^f'schen Gange in Verbindung treten.] Die Müller' scheu Gänge (die eigentlichen Ausführungsgänge der Keimdrüsen) Müller' sehe gehen beim Manne unter bis auf das unterste Stück, welches zum Utriculus mas- 0*V« beim eulinus s. Vesicula prostatica (III. u) (Analogon des Uteras) wird. [Bei Fleischfressern und Wiederkäuern bilden sie sich grösser aus, als rud imentäre Scheide nebst Uterus bicornis ; in seltenen Fällen ist auch beim Manne ein wirk- licher, kleiner Uterus gefunden worden.] Die oberen Canälchen des Wolffsehexi Wolff »eher Körpers vereinigen sich im ?>. Monate mit der Keimdrüse und weiden zu den KXrpc- Coni vasculosi des mit Flimmerepithel versehenen Nebenhodens (E) (Köllik der übrige Theil der Urniere geht atrophisch unter. Einige versprengte Röhrchen werden zu den Vasa aberrantia (a) des Hodens (KobeK). [Die ungestielte Hydatide Morgagni'* (hl am Kopfe des Nebenhodens ist nach v. Luschka, Becker, M. Roth ein abgeschnürtes, mitunter samenhaltiges und im Innern flimmerndes Bläschen iles Nebenhodens, nach r. Fidschi jedoch das rudimentäre Ovarium maseuliivum, nach Waldeyer ein Homologon der Pars infundibulitWinis tul>ae.| Das Organ von Giraldes (gewundene Schläuche mit Flimmerepithel, M. Roth) am oberen Ende des Hodens ist wohl auch ein Rest vom Wotff*s/Sasa Körper (Kölliker). Der Laudois, Physiologie. 7. Aufl. (37 1058 Bildung der Geschlechts-Organe. [§• 452.] Woi/f scher IFoljjr sehe Gang selbst wird zum Vas deferens (V) nebst Samenblase (als Aus- Gang. wuchs). Die beiden Waschen und die beiden Müller' sehen Gänge lagern sieb beim Eingang in das Becken innig in einen Strang zusammen (Genital sträng, Thiersch). Später, wenn die Müller1 sehexs. Gänge untergegangen sind, rücken die^ aus den IVolff'sehen Gängen gebildeten Samenleiter weiter auseinander. ümierebeim Beim weiblicben Gescblecbte — gehen die Schläuche der Urniere Werbe. Djs auf ejnen ßest im Tnnern flimmemder Röhren [Parovarium (Kobelt) sive Rosenmüller' sches Organ und einen, dem Giraldes' sehen Organe ähnlichen Theil im breiten Mutterbande (Waldeyer)~\ zu Grunde (II. R), ebenso die IVolf sehen Gänge, doch sieht man sie noch bei Föten von 5 Monaten, jedoch abwärts nur bis zur Gegend des Vaginalgewölbes, unterhalb dieses und gegen die Urethral- mündung hin verschwinden sie völlig (Dohrn). Winzige Reste der Gänge finden sich oft vorn und seitlich der Uterus- und Scheiden-Muscularis eingelagert, zumal rechts (Rieder). [Sie erhalten sich jedoch dauernd bei Wiederkäuern, Pferd, Schwein Gärtner- (GartnerJ, Katze, Fuchs (v. PreuschenJ als Garlner' sehe Gänge; beim Menschen sehe Gange. können sje zu pathologischen Cystenbildungen Veranlassung geben (v. PreuschenJ .] Entwickelungder inneren Geschlechtsorgane. I. Indifferenz- zustand ; D Keimdrüse, den Schläuchen des Wolff' sehen Körpers anliegend. W WoyF'scher Gang, — M MiUler'scheY GaDg, — S Sinus urogenital is. — II. Um- bildung in den weiblichen Typus ; — F Finibria mit der Hydatide A1, T Tuba, — ü Uterus, — # Sinus urogenitalis, — 0 Ovarium, — t Parovarium. — — HI. Umbildung in den männlichen Typus : — n Hoden- — K Nebenhoden nebst der Hydatide h, — a Vas aberrans, — V Samenleiter, - S Sinus urogeni- talis, — u Utriculus masculinus. 4. d Enddarm, a AÜantois, — u Uracnus, — K Kloake. — 5. M Mastdarm, — m Mittelfleisch, — * Blasenanlage, - S Sinus urogenitalis. Genital sträng. Der Müller'&ehe Gang franzt sich an seiner oberen Oeffnung als Fimbria (F), an der oft eine Hydatide aufsitzt (h1). Nach Thiersch und Leuckart liegen die zwei Wol ff'sehen und zwei Müller1 sehen Gänge unten in dem Genital stränge zu- sammen. Nun verwachsen am unteren Ende die beiden Müller1 'sehen Gänge (Ende des 2. Monats, Dohrn) und bilden in ihrem vereinten Lumen Vagina und Uterus Uterus et (U) , während je ihr oberer, freier Theil zur Tuba (T) wird. (Hiernach erklärt du"lx s*°k ^er Uterus und die Vagina duplex als durch Nichtverschmelzung entstandene Hemmungsbildung.) Die Vagina ist ursprünglich epithelial verklebt (Geiglj; [Hemmungsbildung, Atresia vaginae]. Die Müller' 'sehen Gänge mündeten ursprüng- lich in den untersten, hinteren Theil der Harnblase ein, unterhalb der Ureteren [Sinus urogenitalis, (S)], -später wird dieser Blasentheil so nach hinten hin ver- längert, dass Vagina (vereinigte Müller'ache Gänge) und Harnröhre nur noch tief unten im Vestibulum vaginae ihren Vereinigungspunkt finden. Erst im 4. Monate ist Uterus und Vagina von einander getrennt erkennbar fv. Ackeren) ; im 5. bis 'i. Monate grenzt der Uterus sich charakteristisch ab. Der Hymen entsteht im 5. Monat. [§• 452.] Bildung der Geschlechts Organe. 1059 Der Hoden Hegt ursprünglich in der Lendengegend des Abdomens Descentus (Fig. 355. V t), von einer Bauchfellfalte (Mesorchium m.) getragen. Vom Hilus testiculorum des Hodens verläuft durch den Leistencanal bis in den Grund des Scrotums (nach C. Weil nur bis zur "Wurzel des Penis) ein Strang, das Gubernaculum Hunteri. Zugleich bildet sich ganz selbstständig vom Peritoneum aus ein scheidenartiger Fortsatz bis in den Grund des Hodensackes aus (p v). Ein Zurück- bleiben des Gubernaculum Hunteri in seinem Wachsthum, oder eine Schrumpfung bewirkt, dass der Hoden durch den Leistencanal hindurch in das Scrotum nieder- gezogen wird. Hierbei nimmt er von der Fascia abdominis superficialis oder trans versal is als Umhüllung die Tunica vaginalis communis mit, mit welcher die, vom Obliquus ascendens und transversus zugleich hinabgezogenen Muskelfaser- schlingen nun den Cremaster darstellen. Her Bauch fellüberzug des Hodens wird zum Doppelsack der Tunica vaginalis propria; der Processus vaginalis peritonei obliterirt in der Regel und liefert verkümmerte Reste als Lig. vaginale. Bleibt dieser, mit der Peritonealhöhle communicirende Scheidenfortsatz offen, so ist der offene Weg für eine Hernia inguinale externa congenita gegeben. Auch die Ovarien treten etwas nach abwärts. Ein dem Gubernaculum Hunteri ähnlicher , durch den Leistencanal ziehender Gang wird später zum muskelhaltigen Lig. uteri rotundum. Auch beim "Weibe schickt das Peritoneum einen Proc. vaginalis durch den Leistencanal N/icPscher Canal). Selten rücken sogar die Ovarien bis in die Labia majora, — - während umgekehrt ein Ver- weilen der Hoden in der Bauchhöhle (Kryptorchisnus) als eine Hemmungs- bildung gelten muss. Angeborene Leisten- hernie. Descensus ovariorum. Eut wickelung der äusseren Genitalien: I. u. //; Geschlechtshöcker, r Gescklecüts- rinne, * Steiss, <<• Hautwülste. — IV: P Penis, n Raphe, Penis, S Scrotum. — III: c Clitoris, / Labia minora. L Labia majora, a After. — rund VI: Descensus testiculi: t Testis, m. Mesorchium. p v Processus vaginalis peritonei, -M Bauch- wand, 6' Scrotum. Die äusseren Genitalien — sind anfänglich bei beiden Geschlechtern nicht Entwickeiunp zu unterscheiden (Fig. 355. 1'. In der 4- "Woche befindet sich am Steiss ein ler ä>^ser^ einfaches Loch, zugleich After und Urachusöffnung darstellend, also eineCloake re,^et/e. (Fig. 354. ! K). In dir 6- Woche erscheint vor der Oeffnung ein Höcker (Fig. 355. I. h), die Geschlechts warze, dann seitlich entfernt vom Loche jederseits ein grosser Hautwulst (II. w). Ende des 3. Monats zieht auf der unteren Seite der Geschlechtswarze eine Rinne zur Cloake hin, an deren beiden Seiten deutliche Ränder hervortreten (II. r). In der Mitte des dritten Monats wird die Cloakenöffhung getheilt, indem sowohl von oben, als auch von beiden Seiten sich Verlängerungen zwischen den Grachus (nunmehr hier zur Blase geworden) (Fig 354. 5. b) und den Mastdarm (M) als M it telfleisch (m) einschieben. Beim Manne (IV) wird nun der Geschlechtshöcker gross, sein.' Kinne Männliche verwachs! von der Blasenöffnung an (Urachusöffaung der früheren Cloake) bis Bildung. zur Spitze der Warze in der 10. Woche. So wird der Eingang zur Blase auf die Spitze des Geschlechtshöckers verlegt unterbleibt diese Verwachsung ent- weder völlig oder /.um Theil , so is1 die Hemmungsbildung der Hypospadie Hjpospadu. 67* 1060 Bildung der Geschlechts-Organe. [§• 452.] Weiblich". Bildung. vorhanden. Im 4. Monate entsteht die Eichel, im 6. das Praeputium, beide sind zuerst verklebt (BokaiJ. Die in der Eaphe zusammentretenden Hautwülste bilden das Scrotum. Beim "Weibe (III) bleibt der indifferente Zustand der ursprünglichen Geschlechtsanlage gewissermaassen permanent: der kleine Geschlechtshöcker wird zur Clitoris, die Ränder seiner Furche werden zu den Nymphen, die Hautwülste bleiben getrennt als Labia majora. Der Sinus urogenitalis ist kurz geblieben, wie er war (er wird zum vestibulum vaginae) , während er beim Manne durch Schluss der Genitalrinne ein langes Ansatzrohr erhalten hat. Zwitterbildung. — In seltenen Fällen verbleiben die äusseren Geschlechts- organe in ihrer ursprünglichen indifferenten Anlage (etwa wie Fig. 355 . II), also in einer Hemmungsbildung , bei welcher eine äussere Geschlechtsbestimmung unmöglich ist. — In äusserst seltenen Fällen kommt es auf der einen Seite zur Bildung männlicher, auf der andern Seite zu der weiblicher, innerer Geschlechts- theile; die äusseren Genitalien sind dabei nicht typisch ausgebildet. Diese Fälle werden als Hermaphrodisia vera lateralis bezeichnet (nicht so selten bei Schweinen vorkommend). Ursachen der Die Ursache der Geschlechtsbiidung — nach der einen oder anderen Seite Gmifalnh-i- k™ ist bisher nicht ermittelt. Aus statistischem Material (80.000 Fälle) hat man rung. zunächst den Einnuss des Alters der Eltern festgestellt {Hofacker und Saälerj. Ist der Mann jünger als die Frau, so werden gleichviele Knaben und Mädchen erzeugt. Sind beide gleich alt, so kommen 1029 Knaben auf 1000 Mädchen ; ist der Mann älter, sogar 1057 Knaben auf 1000 Mädchen. Früchte mit ver- wachsener, d. h. in ihren fötalen Gefässen eommunicirender Placenta sind stets gleichen Geschlechtes ! Heralose Zwillinge , welche jedesmal Blut erhalten , das den normalen Zwilling bereits ernährt hat, sind stets gleichen Geschlechtes mit der wohlgebildeten Frucht. [Diese Thatsachen finden in der merkwürdigen Be- obachtung bei Gürtelt hieren eine Beleuchtung. Bei diesen Säugethieren sind die vielen Jungen desselben "Wurfes, welche sich normaler Weise stets alle zu- sammen innerhalb desselben Choriums entwickeln , stets desselben Geschlechtes flhermgj.'] — Bei Insecten spielt die Ernährung eine grosse Rolle, sofern reich- lichst genährte Keime vorwiegend Weibchen bilden fH. Landois). — Nach Düsing soll im Allgemeinen die Befruchtung eines jungen Eies mit altem Sperma bei guter Ernährung der Mutter öfter weibliche Früchte zur Folge haben, und umgekehrt die Befruchtung eines alten Eies mit jungem Sperma , zumal bei etwas mangel- hafter Ernährung der Mutter, häufiger- männliche Nachkommen erzeugen. — Thury glaubte, dass Thiere (Kühe), welche kurz nach der Brunst belegt wurden, häufiger weibliche Früchte trügen. Das Umgekehrte will Fürst beim Menschen als Regel gelten lassen. Fiquet behauptet, dass Kuhkälber sich erzielen lassen , wenn die Kuh wochenlang dürftig , der Stier jedoch sehr reich vor dem Sprunge ernährt wird. — Andere Forscher kommen zu der Anschauung, dass das Geschlecht schon bei der Conception unabänderlich festgestellt sei (K. Mayrhoferj. Auch Pflüger's Untersuchungen ergaben, dass alle äusseren Einwirkungen (bei Fröschen) während der Entwickelung ohne Einnuss auf die Bildung des Geschlechtes seien, dass also letzteres schon vor der Befruchtung fest bestimmt sei. Unter den Froschlarven befinden sieh noch viele Zwitter, die später zu Männchen oder Weibchen werden. 453. Bildung des Central-Neryensystemes. Vorderhirn. An jeder Seite der Vorderhirnblase, die äusserlich vom Epiblast, innerlich von Ependym bekleidet ist , wächst eine grosse , gestielte Hohlblase hervor, die Anlage der Grosshirnhemisph är e. Die relativ enge Oeffnung in dem Stiele ist die Anlage des Foramen Monroi. Der in der Grösse zurück- Das bleibende Mitteltheil zwischen beiden Halbkugeln ist das „Zwischenhirn", in Zwischenhirn, dessen Innerem der 3. Ventrikel liegt, welcher sich im 2. Monat „trichter"-förmig nach der Basis zu verlängert als Tuber cinereum mit dem Infundibulum. Die vom Boden des Zvvischenhirns an beiden Seiten hervorwachsenden Thalami engen das Foramen Monroi zu einer halbmondförmigen Spalte ein. Im 2. Monate entstehen ferner an der Basis die Corpora candicantia, im 3. Monate das Chiasma ; im Innern des 3. Ventrikels bilden sich im 3. Monate die Commissuren. Die zum [§. 453-] Bildung des Central-Nervensystems. 1061 Mittelhirn gehörende Hypophyse ist eine Ausstülpung der Rachenschleimhaut durch die Schädelbasis gegen das ihr entgegengerichtete, hohle Infundibulum hin ■ Rathke, Dursy, Mihalkoivitsch), welche sich später abschnürt. [Es liegt also hier das Bestreben einer Vereinigung der Yorderdarmhöhle mit dem Medullarrohr vor. Hier soll des überaus merkwürdigen Fundes Erwähnung geschehen , dass beim Amphioxus Kozualewsky) , ferner bei der Gans fGasser: , dem Wellenpapagei (v. Bratmj und der Eidechse ( 'Strahl ursprünglich das Medullarrohr durch einen (lang (Canalis inyeloentericus) mit der Anlage des Hinterdarmes communicirt.] — Per durch das Foramen Monroi in die Hemisphärenhöhle hineinwachsende Plexus chorioideus ist eine gefässhaltige Wucherung des Ependyms. Im 4. Monate entsteht das Conarium, und es decken zu dieser Zeit die Hemisphären bereits die Vierhügel. — Im Innern der Höhle der Hemisphäre entsteht im 2. Monate der Streifenhügel, im 4. Monate das A mmonshor n. Im 3. Monate entsteht die Fossa Sylvii, in deren Grunde die Insel, als ein Theil des ursprünglichen Vorderhirnstammes , sich bildet, über die sich am Ende des Fötallebens der Klappeudeckel herüberwölbt. Vom 7. Monate an bilden sich die bleibenden Hirn- windungen. Pie Mittel hirnblase wird allmählich von den hintüberwuchernden -Vitteihirn. Hemisphären überdeckt; die Höhle derselben wird zu dem Aquaeductus Sylvii eingeengt. Auf der Oberfläche der Blase entsteht eine Viertheilung: Corpora «[uadrigemina , indem im 3. Monate sich eine Längs- und im 7. Monate eine l^uer-Furche ausbildet. Am Boden bilden sich, als Verdickungen, die Hirnstiele. — An dem Hinterhirn entstehen gesondert die Halbkugeln des Kleinhirns, Hinterhirn. welche hinterwärts wachsend sich in der Mittellinie vereinigen. Im Ij. Monate werden die Halbkugcln entwickelter, und es bildet sich der Vermis. Pas Klein- hirn deckt die darunter liegende, nicht geschlossene Stelle des Medullarrohres bis zum Calamus. [Pie Oeffnung des Medullarrohres am Calamus, ferner die Tendenz der 3. Höhle, mit dem Schlünde zu communiciren, bringt uns das Verständniss des Articulatenbaues näher, bei denen der Mund das centrale Nervens3'stein durch- !-etzt und letzteres an der Ventralseite hinab verläuft.] Am Boden des Hinter- liirns entsteht im 3. Monate der Pons. — Pas spindelförmig sich abwärts ver- Xaehhirn. jungende Nachhirn wird zur Oblongata, deren oberer Theil die offene Medullar- höhle zeigt. Aus dem Medullarrohr abwärts vom Nachhirn entsteht das Rückenmark: Rückenmark. die graue Substanz zunächst der Höhle; später lagert sich um diese die neu- gebildete weisse Masse ab. Pie Ganglienzellen (Amphibien) vermehren sich durch Theilnng Lominsky . Anfänglich reicht das Rückenmark bis zum Steissbein. Pa beim Erwachsenen die Spitze des Rückenmarkes nur bis zum 1. bis 2- Lenden- wirbel hinabreicht, so bleibt also das Rückenmark gegen die Wirbelsäule im Wachstkume zurück , weshalb die unteren Spinalnerven sich sehr verlängern müssen. [Es ist zu bedenken, inwiefern eine Disharmonie in diesen Wachsthums- verh'altnissen, so dass etwa die Wirbelsäule zu schnell, oder das Rückenmark zu langsam wächst , Sensibilitätsstöruugen oder Lähmungen der Unterextremitäten bei Kindern erzeugen kann.] — Pie Tastnerven des Fötus vermögen Reflex- bewegungen hervorzurufen (z. B. beim Brück auf die durchfühlbaren Kindestheile). Pie ersten MuskelaDlagen erscheinen am Rücken im 2. Monate, im 4. Monate werden sie röthlich, um die Hälfte der Schwangerschaft erscheinen die ersten, fühlbaren Kindesbewegungen, und zwar wohl als Reflexe (da auch Acephale die- selben bieten). — Die Spinalganglien entwickeln sich aus einem besonderen Streifen, welcher jederseits längs des Medullarrohres und des zwischen diesem und dem, seine directe Fortsetzung bildenden Hornblatte liegt Ws . Pie Spinal- jranglien stellen den Ursprungskern der sensiblen Nerven dar, von wo aus eine Verbindung zum Rückenmarke sich bildet und nach der Peripherie hin die periphere Nervenbahn auswächst. Die motorischen Rückenmarkswurzeln wachsen von den Ganglienanlagen im Rückenmarke (Neuroblasten) in die Peripherie hinein ffis . Anfangs sind die Nerven marklos. Vier Wochen alte, menschliche Embryonen zeigen die Spinalganglien, die vorderen Wurzeln und thcilweise die Stämme der Spinabierven . wohingegen die hinteren Wurzeln noch fehlen. Pie Ganglien des 5., 7., 8-, 9., 10. Hirnnerven und theil weise ihre Ursprünge sind vorhanden, dahingegen vermisste His den 1., 2., 3., 12. Kopfnerv, sowie den Sympathicus. 1062 Bildung der Sinnesorgane. [§• 454.] 454. Bildimg der Sinnesorgane. Entwickeiung Auge. — Die primäre Augenblase wächst bis gegen die äussere des Auges. Bedeckung des Kopfes (Epiblast) und wird nun von vorn her in sich selbst zurückgestülpt [wie bei vier Wochen alten, menschlichen Embryonen es bereits geschehen ist (Hisj\, so dass die gestielte Blase nunmehr die Gestalt eines Eier- bechers erhalten hat (Fig. 356. I). Der Binnenraum dieses Bechers, der spätere Augeninnenraum, heisst jetzt die secundäre Augenblase. Derjenige Theil der ursprünglichen Blase, welcher die Zurückstufung erfahren hat (also der vordere convexe, der nun concav zurückgebogen ist), wird zur Retina (IV, r), der hintere Theil der Blase wird zum pigmentirten Chorioideal- (Retinal-) Epithel (IY. p). Der Stiel ist der spätere Nerv, opticus. Die Einstülpung der primären Augenblase erfolgt jedoch nicht genau nach diesem einfachen Schema , sondern bei derselben bildet sich an der eierbecherförmigen Gestalt von unten ein Schlitz, der gewissen Theilen vom Mesoblast gestattet , in den Augenraum einzudringen. Diese Spalte, die sich vom Stiel der Augenblase bis zum Rande des eingestülpten Bechers hinzieht (II), heisst Coloboma. Dasselbe markirt sich vorn als pigment- loser Schlitz. Am Stiel der Augenblase zieht dieser als Rinne bis zur Basis der Grosshirnblase weiter, und in diese Rinne legt sich die Art. centralis retinae. Colöbom . Fig. 35G. V. Entwickelung des Auges : — I Einstülpung des Linsensäckcher s (L) in die primäre Augenblase flJJ. e Epidermis, m Mesoblast. — II bie eingestülpte primäre Augenblase von unten geseben. n Sehnerv, a die äussere, i die innere Lage der eingestülpten Blase. L Linse. — Hl Dieselbe Bildung im Längsschnitt. — IV "Weitere Entwickelung : e Corneaepithel, c Cornea, m Membrana capsulo- pupillaris, L Linse: a Arteria centralis retinae, * Sclera, ch ChorioideH. p Pigment- epithel der Netzhaut, r Netzhaut. — FPersistirender Rest der Pupillarmembran. Die Ränder des Coloboma verwachsen später vollständig miteinander; bleibt aber in seltenen Fällen die Vereinigung aus, so wird in der Retina und im Chorioi- dealpigmente ein Streifen fehlen müssen ; wir haben es dann mit einer angebo- renen Missbildung, einer Hemmungsbildung, dem Colobom der Chorioidea und Retina zu thun. [Beim Vogel verwächst die embryonale Colobomspalte über- haupt nicht, sondern durch sie dringt in den Binnenraum des Auges ein gefäss- haltiger Fortsatz des Mesoderms, der spätere Kamm (Pecten, §. 407) (Lieberkühn1. Ganz ähnlich ist es bei den Fischen, bei welchen der besonders grosse, aus Theilen des Meso- und Epiblast bestehende , eingestülpte Fortsatz sich als Pro- cessus falciformis erhält (§. 407).] Warum stülpt sich die primäre, gestielte Augenblase eierbecherförmig in sich selbst zurück? Weil ein vom Ektoderm stammendes [in der 4 Woche noch gestieltes (Bambeckej\ Säckchen sich in die primäre Augenblase hineinlagert (I L). Aus ihm wird die Linse, die ihre epitheliale Abstammung (vom Epiblast) auch im späteren Leben noch durch ihre Wachsthums Verhältnisse kundgiebt (§. 246. e>. Die Linsenkapsel ist eine Cuticularbildung der Ektodermzellen (Kessler, Bambecke). Derjenige Theil des Ektoderms , welcher vor der Linse her die Augenblase überzieht, wird später das geschichtete, vordere Cornea-Epithel. Die Cornea besteht schon in der 6. Woche (KöllikerJ. Die Pigment Schicht der eingestülpten Augenblase setzt sich vom Rande des Eierbechers über das Corpus ciliare und über die hintere Fläche der später gebildeten Iris fort. Es ist klar, dass ein [§• 454.] Bildung der Sinnesorgane. — Geburt. 1063 persistirendes Colobom auch so zur Bildung eines pigmentlosen Streifens auf der Iris oder selbst einer Spalte führen muss, dem Coloboma iridis. — Die Substanz der Ohorioidea , der Sclera und Cornea bilden sich aus dem Mesoblast rings um die Augenanlage herum (m). — Die Kapsel der Linse ist anfangs völlig umschlossen von einer gefässhaltigen Membran, der Membrana capsulopupillaris. Später weicht die Linse mehr nach hinten in den Augenraum zurück, der vordere Theil der Capsulopupillarmembran bleibt jedoch im vorderen Augentheile, und gegen diesen wächst der Irisrand (7. AVoche) heran, so dass nun die Pupille durch diesen Theil der gefässhaltigen Kapsel (Memb. papillaris) verschlossen ist (J. Müller, HenleJ. Die Gefässe der Iris gehen in die der Pupillarmembran über, die der hinteren Linsenkapsel liefert die Art. hyaloidea , eine Fortsetzung der centralis retinae, ihre Venen gehen in die der Iris und Chorioidea über. Der Glaskörper besitzt schon in der 4. AVoche seine erste Anlage als zellenreiche Masse zwischen Linse und Netzhaut (Kölliker). Im 7. Monate verschwindet die Pupillarmembran. Als Hemmungsbildung kann sie sogar das ganze Leben hindurch bestehen (V). Geruchsorgan. — An der unteren, seitlichen Begrenzung des Vorderhirns bildet der Epiblast ein mit verdicktem Epithel bekleidetes Grübchen , welches gegen das Hirn hin sich einsenkt, aber stets als Grube verbleibt: die Riech- grube, zu welcher später der Olfactorius seine Fädchen entsendet. Die Bildung der Nasenhöhle siehe pg. 1046. Gehörorgan. — Zu beiden Seiten des Nachhirns entsteht vom Epiblast aus ein eingestülptes Grübchen, welches sich von aussen gegen das Hirn hin einsenkt : die Labyrinthgrube (Huschke, ReissnerJ. Die Grube schliesst sich später völlig vom Ektoderm ab (ähnlich wie die Linse) und heisst nun Labyrinthblase. Sie stellt oifenbar die Vorhofsblase dar, aus welcher dann im 2. Monate die halb- cirk eiförmigen Canäle und die Schnecke durch Sprossung hervorwachsen. Ebenso erfolgt erst später die Vereinigung des Gehirns mit dem Labyrinthe durch den dorthin gewachsenen Acusticus. — Die erste Kiemenspalte wird zu einem unregel- mässig gestalteten, relativ schmalen Gang. Aussen entsteht in der 7- Woche die Muschel; am Grunde des Gehörganges bildet sich das Trommelfell; der innerste Theil wird zur Etes/ac/ii'schen Trompete. Geschmacksorgan. — Die Geschmackspapillen entwickeln sich erst in der letzten Zeit des Uterinlebens , einige Tage vor der Geburt erst erscheinen die Geschmacksknospen (Fr. Hermann). Pupillar- membran. Bildung des Geruchs- organes. Bildung des Gehör- organes. Labyrinth. 455. Die Gebnrt. Der Uterus wird mit dem Wachsthum des Eies gedehnter, seine Wände werden reicher an Muskelfasern und an Gefässen. In der letzten Zeit „verstreicht' auch der Hals des Uterus und nach 10 Ovulationsperioden , also gegen den 280. Tag der Schwangerschaft, beginnen die „Wehen" zur Entleerung des Inhaltes. Sie treten von freien Zwischenräumen unterbrochen auf; jede Wehe beginnt ferner allmählich, erreicht dann ihre Höhe und nimmt langsam wieder ab. Bei jeder Wehe nimmt die Wärme im Uterus zu (§. 304). Die Herzthätigkeit der Frucht wird ferner bei jeder Wehe etwas verlangsamt und ge- schwächt, was von einer Vagusreizung in der Oblongata der Frucht herrührt (§. 371, 3). Die Wehenbewegung verläuft peristaltisch von den Tuben zum <»ri- Jicium in 20 — 30 Secunden. Die, durch die Bewegung verzeichnete Curve hat gewöhnlich einen erheblich steileren, aufsteigenden, als niedersteigenden Schenkel, selten umgekehrt; mitunter sind Leide Schenkel gleich (Schah . Polaillon schätzt den Druck, den der Uterus bei der Wehe auf 'las Ei ausübt, auf 154 Kilo, dabei soll der Uterus bei jeder Wehe eine Arbeit leisten von 8,820 Kilogramm-Meter. (Vgl. §. 302.) Wehen. 1064 Geburt. [§. 455.] Ist die Frucht ausgestossen, so bleibt zunächst die Placenta noch zurück, um welche sich unter weiteren Wehen der Uterus inniger zusammenzieht. Hier- durch strömt eine nicht unerhebliche Menge des Placentarblutes dem Kinde zu. Daher kann es gerathen sein, die Abnabelung des Kindes nicht sofort nach der Geburt desselben auszuführen (Schücking) . (Vgl. §. 46.) Nach einiger Zeit erfolgt nun auch die Ausstossung der aus der Placenta, den Eihäuten und der Decidua Nachgeburt, bestehenden „Nachgeburt". Einfluss der Ueber die Bewegung des Uterus in ihrer Abhängigkeit vom Nervensystem Nerven auf js^ Folgendes ermittelt : — 1. Reizung des Plexus hypogastricus hat Contraction Bewegungen des Uterus zur Folge. Die Fasern entstammen dem Rückenmark (letzter Brust- und 3. und 4. Lendenwirbel) und treten in den Bauchstrang über und verlaufen von hier in den genannten Plexus f Frankenhäuser). — 2. Auch die Reizung der dem Sacralplexus entstammenden Nn. erigentes hat motorischen Effect fv. Basch und Hofmann). — 3. Reizung des Lenden- und Sacral-Theiles des Rückenmarkes hat starke Bewegungen zur Folge fSpiegelberg , Schifft. Es liegt zunächst ein Centrum für den Gebäract im Rückenmarke (§. 364. 6). — 4. Der Uterus besitzt wahrscheinlich , ähnlich wie der Darm , eigene parenchymatöse Centra (Körner), welche durch Athmungssuspension und Blutleere [durch Compression der Aorta (Spiegelberg) oder schnelle Verblutung] zur Bewegung angereizt werden können (Oser und Schlesinger). Abnahme der Körpertemperatur vermindert, Steigerung derselben vermehrt die Contractionen, welche bei hohen Fiebergraden aussetzen {Fromme). Die Versuche , welche Rein bei trächtigen Hündinnen an- stellte, denen er alle zum Uterus verlaufenden Nerven durchschnitt, haben das merkwürdige Ergebniss geliefert, dass in einem, von allen seinen Verbindungen mit cerebrospinalen Centren losgelösten Uterus alle diejenigen hauptsächlichen Vorgänge möglich sind , welche mit Empfängniss , Schwangerschaft und Geburt verknüpft sind. Es müssen daher dem Uterus eigene automatische Ganglien zugesprochen werden , unter deren Leitung sich diese Vorgänge vollziehen. — Nach Dembo liegt im oberen Theile der vorderen Vaginalwand (Kaninchen) ein Centrum. — Nach Jastreboff macht die Vagina des Kaninchen eigene rhythmische Contractionen Sclerotinsäure regt energisch die Bewegungen an {v. Swiecicki), ebenso Anämie (Kronecker und yastreboff). — 5. Reflectorisch sahen v. Basch und Hof mann nach Reizung des Ischiadicus Contractionen auftreten, Schlesinger nach centraler Reizung des Plexus brachialis, Scanzoni nach Reizung der Brust- warzen beim Menschen. — 6. Der Uterus enthält für seine Gefässe sowohl Vaso- constrictoren (durch die Bahn des Plexus hypogastricus), welche vom Splanchnicus herkommen , als auch Vasodilatatoren (durch die Nn. erigentes). Die Gefäss- nerven lassen sich auch durch Ischiadicusreizung reflectorisch anregen (v. Basch und Hof mann) . Lochien. Nach der Geburt ist der ganze Uterus seiner Schleimhaut beraubt (Decidua, pag. 1036) ; seine Innenfläche gleicht somit einer Wund- fläche, auf welcher sich unter anfangs fleischwasserähnlicher, dann zellen- reicher bis schleimiger Absonderung (Lochien) eine neue Schleimhaut Involution wieder ausbildet. Die dicke Muskelschicht des Uterus erleidet unter t heil weiser Verfettung der Fasern eine allmähliche Reduction. — Innerhalb des Lumens der grossen Gefässe des Uterus beginnt von der Intima aus eine obliterirende Bindegewebswucherung, welche inner- halb mehrerer Monate die Gefässe verengt oder völlig verschliesst. Die glatten Muskelfasern der Media entarten fettig. Die relativ mächtigen Bluträume an der Plaeentarstelle werden durch Gerinnungs- massen verstopft , letztere werden von den Wänden aus vom Binde- gewebe durchwachsen. Nach der Geburt beginnt unter einer eigenthümlichen Wirkung auf das Gefässnervensystem (? Milchfieber), wobei am 2. — 3. Tage eine lebhaftere Blutzufuhr den Milchdrüsen zugewandt wird , die Milch- secretion (§. 232). — Ueber die Auslösung der ersten Athembewe- gungen des Neugebornen ist §. 370 gehandelt. [§. 456.] Vergleichendes 1065 456. Vergleichendes. Historisches. Die Entwickelungsgeschiehte darf schliesslich einen Blick zu werfen sich Constanz der nicht versagen auf die allgemeine Entwickelung des ganzen Thierreiches. Die Arten. Frage: „Wie sind die zahllosen, gegenwärtig lebenden Thierarten entstanden?" ist theilweise so beantwortet worden , dass man sagte , alle Arten sind von An- beginn als solche geschalten, „jede Art ist ein verkörperter Schöpfungsgedanke" ; alle Arten erhalten sich ferner als solche ohne Abänderung , es herrscht die „Constanz der Arten". Dieser von Li'nne. Cuvtf-, Agassiz u. A. vertretenen Ansicht gegenüber entwickelte schon Jean Lamarck 1809 die Lehre von der „Einheit des Thierreiclies", den alten Empedokles 'sehen Gedanken nämlich, Einheit de» dass alle Arten sich aus wenigen Stammarten durch Varietätenbildung entwickelt Tierreiches. haben, — dass ursprünglich nur wenige Stammformen niederer Bildung existirt, aus denen sich die neuen, zahlreichen Arten herausgebildet haben : eine Anschauung, der auch Geoffroy St. Hilaire und Goethe zugethan waren. Nach langer Zeit wurde dieser Gedanke in besonders fruchtbringender Weise von Charles Darwin (1859) Darwin- zur Durchführung gebracht. Er stützte seine ,.monistische Auffassung" sche Theorie. des Thierreiches zunächst durch die Darlegung, wie eine allmähliche Ausbildung der Arten sich erklären lasse. Unter den Geschöpfen der Erde findet zur "Wahrung ihrer Existenz ein Kampf aller gegen alle statt, und aus diesem „Kampfe um's Dasein" wird nur allemal Derjenige siegreich hervorgehen, der sich durch besonders hervorragende Eigenschaften auszeichnet. Solche Eigen- schaften: Kraft, Schnelligkeit, Farbe, Fruchtbarkeit u. s. w. sind aber vererblich, und so ist es einleuchtend, dass auf diese Weise, gewissermaassen durch „natür- liche Züchtung", eine ununterbrochene Vervollkommnung und damit eine all- mähliche Abänderung der Arten statthat. Es kommt hinzu, dass die Geschöpfe fähig sind , in gewissen Grenzen sich ihrer Umgehung und dem herrschenden Zwange der äusseren Einwirkung anzupassen. So können gewisse Organe eine zweckmässige Umbildung erfahren, während unthätige Theile sich allmählich zu ru- dimentären Organen zurückbilden können. Die so durch „n atürliche Z ü chtung" vor sich gehende, allmähliche Veränderung der Thierformen findet ihre Wiederholung in der „künstlichen Züchtung" von Thieren und Pflanzen. Es ist bekannt, dass es z. B. den Thierzüchtern in relativ kurzer Zeit gelingt, Formverschiedenheiten zu schaffen, die sehr viel bedeutender sind, als die zwischen zwei wohl charak- terisirten Thierspecies. So zeigt der Schädel einer Dogge und eines Windspieles einen anatomisch viel hochgradigeren Unterschied , als der Schädel vom Fuchs und einer ihm ähnlichen Hunderasse. Aber so wie bei der künstlichen Züchtung plötzlich ein „Rückschlag" auf die Altvorderen beobachtet wird, so kann auch in der Entwickelung natürlicher Arten der Atavismus zum Ausdruck gelangen. Offenbar wird endlich durch eine räumlich sehr ausgedehnte Verbreitung einer Art in verschiedenen Klimaten die Leichtigkeit der Veränderung noch er- höht, da hierdurch sehr differente Einwirkungen zur Geltung kommen müssen. So kann die Wanderung der Organismen allmählich artverändernd wirken (Migrationsgesetz von M. Wagner). ohne auf die Entwickelung der verschiedenen Thierformen im Einzelnen Da» einzugehen, soll hier noch kurz das „biogenetische Grundgesetz" Haeckel h^9enetische beleuchtet werden. Es heisst: „Die Keimesgeschichte (Ontogenie) ist eine kurze Wiederholung der Stammesgeschichte (Ph ylogenie)." Speciell also auf den Menschen angewandt, besagt dieses Gesetz, dass die einzelnen Stadien in dem Entwickelungslaufe des menschlichen Embryos, z. B. seine Existenz als einzelliges Ei, als Zelleuhaufen nach vollendeter Furchung, als Zellcnblase (Keimblase), als zweischichtige Blase, als Wesen ohne Koelom u. s. w., — dass diese Stadien, der Entwickelung ebensoviele Thierformen andeuten, durch welche hindurch das Menschengeschlecht im Laufe unvorstellbarer Zeiten sieh allmählich hinaufgebildel habe. Die einzelnen Staffeln, welche das Menschengeschlecht auf diesem Umbildungsgange erklommen, sind in Kürze in seiner embryonalen Entwickelung recapitulirt. Diese Ausführung ist natürlich nicht ohne Widerspruch geblieben. Wichtig ist jedenfalls der Vergleich der menschlichen Entwickelung in Bezug auf die einzelnen Organe mit den entsprechenden, ausgebildeten Organen niederer Vertebraten. So besitzt auch dasjSäugethier in seiner Organentwickelong ursprünglich das einfache Herz, die Kiemenspalten, die anentwickelte Gehirn- 1066 Vergleichendes. Historisches. [§. 456.] anläge, die knorpelige Chorda dorsalis, vielfache Einrichtungen des Gefässsystemes 11. s. w. , was Alles den niedersten Wirbelthieren für ihre ganze Lebensdauer eigen ist. In den aufsteigenden Classen kommt diese unvollkommene Anlage zur stufenweisen Vervollkommnung. — ■ Im Einzelnen giebt es allerdings noch manche Schwierigkeiten, die Darwm'sehe Grundanschauung und das biogenetische Grund- gesetz zu begründen. Die älteren Historisches. — "Wenngleich auch die Errungenschaften der Entwickelungs- Forschungen. geschichte, mehr wie die einer anderen biologischen Wissenschaft, vorwiegend der neueren Zeit angehören , so ist es gleichwohl interessant, die Anschauungen der Alten über verschiedene Punkte zu vernehmen. Pythagoras (550 v. Chr.) verwirft die Urzeugung : alle Wesen entstehen durch Samen. — Nach Alkmaeon (580 v. Chr.) liefern zur Erzeugung beide Geschlechter die Zeugungsstoffe; das Geschlecht des Nachkommen richtet sich nach dem Gatten, der den meisten Samen liefert. In der Entwickelung entsteht der Kopf zuerst. — Anaxagoras (500 v. Chr.) meint, dass die Knaben aus der rechten, die Mädchen aus der linken Geschlechtsdrüse entstünden. — Empedokles (473 v. Chr.) erkennt die Ernährung des Embryos durch den Nabel ; er benennt zuerst das Chorion und Amnion. Die Gliederung des Embryos sei am j;6. Tage vollzogen. Er lehrt, dass die ersten Thiere der Schöpfung die unvollkommensten gewesen seien. — Hippokrates nimmt als erste Frist der Bewegung den 70. Tag an, als Zeit der Vollendung den 210- Er lehrt mit Demokrü , dass die Geschlechtsstoffe von allen Körpertheilen zusammenträten (Darwin's Pangenesis), wodurch die Aehnlichkeit der Nachkommen sich erkläre. Er beobachtete bebrütete Eier von Tag zu Tag, sah bei ihnen die Allantois aus dem Nabel hervortreten und am 20. Tage die Küchlein auskriechen. Er lehrt, dass 7-Monatskinder lebensfähig seien, erklärt die Möglichkeit der Superfötation aus den Hörnern des Uterus , beschreibt das Lithopädion. — Nach Plato (430 v. Chr.) wird zuerst das Rückenmark gebildet , als dessen Appendix vorn das Gehirn erscheine. — Eeich an Beobachtungen sind die Schriften des Aristoteles (geb. 384 v. Chr.); von denen manche bereits im Texte erwähnt sind. Er lehrt, dass der Embryo seine blutartige Nahrung mittelst der Gefässe des Nabelstranges und der Placenta aus dem blutreichen Uterus sauge, wie ein Baum die Feuchtig- keit durch seine Wurzeln. — Er unterscheidet die polykotyledonische Placenta und die zusammenhängende ; erstere schreibt er denjenigen Thieren zu, die nicht in beiden Kiefern vollkommene Zahnreihen haben. Im bebrüteten Vogelei kennt er die Gefässe des Dottersackes, welche Nahrung für den Embryo aus letzterem holen , und die Gefässe der Allantois. Richtig ist auch die Angabe , dass das Küchlein mit seinem Kopfe auf dem rechten Schenkel ruhe, und dass der Dotter- sack schliesslich in den Leib hineintrete — Bei der Geburt der Säuger athme der alleingeborne Kopf noch nicht. Die Bildung der Doppelmonstra leitet er von einer Verwachsung zweier Keime oder zweier naheliegender Embryonen ab. Bei der Zeugung liefere das Weib den Stoff, der Mann das, die Gestalt und die Be- wegung gebende Princip. — In Bezug auf die Erzeugung niederer Thiere sei erinnert an den Begattungsarm der Cephalopoden, den Dottersack der Tintenfische, die Dottersaekplacenta des glatten Haies, die Begattung der Schlangen, das Fehlen des Amnion und der Allantois bei den Fischen und Amphibien. — Diokles (Zeit- genosse des Theophrast, geb. 371 v. Chr.) scheint das Eichen schon in der 2. Woche gesehen zu haben als ein häutiges Bläschen, welches mit blutigen Pünktchen (Zöttchen?) besetzt sei. — Erasistrates (304 v. Chr.) lehrt die Entstehung des Embryos durch einen Neubildungsvorgang im Ei (Epigenese); als Grund der Sterilität führt er Narbenbildungen im Uterus an. Sein Zeitgenosse Herophilus fand , dass der schwangere Uterus geschlossen sei. Er sah die drüsige Natur der Prostata und nennt die Samenblasen und Nebenhoden. — Aretaeus (81 n. Chr.) kennt bereits die Decidua, Galen (131 — 203 n. Chr.) das Foramen ovale und den Lauf des Blutes im Fötus durch dasselbe und durch den Ductus arteriosus. Ihm sind die physiologischen Beziehungen zwischen den Gefässen der Brüste und des Uterus bekannt, und er beschreibt, wie der Uterus auf Druck sich contrahire. — Im Talmud findet sich die Angabe, dass ein Thier mit exstirpirtem Uterus leben könne, dass die Schambeine bei der Geburt auseinander weichen, und die Mittheilung eines erfolgreichen Kaiserschnittes mit lebendigem Kinde , angeblich auf Cleopalra's Befehl ausgeführt. — Sylvias (1555) beschreibt die Valvula foraminis ovalis, Vesalius (1540) die Bläschen des Ovariums, Eustachüis (f 1570) den Ductus arteriosus (BotalliJ und die Aeste der Umbilicalvene zur Leber. [§. 456.] Historisches. 1067 Arantius untersucht den nach ihm benannten Gang und giebt an , dass die Unibilicalarterien nicht mit den mütterlichen Gefässen im Mutterkuchen anastomo- siren. — Bei Libavius (1597) findet sich schon die Mittheilung, dass ein Kind bereits im Uterus geschrieen habe. — Riolan (1618) kennt das Corpus Higbmori. — Favius (1657) untersucht die Lage der Hoden in der Lendengegend des Fötus. — Harvey (1633) sprach den Grundsatz aus: Oinne vivum ex ovo. — Fabricius ab Aquapendente (1600) stellt den Entwickelungsgang des Vogels zusammen. — Regner de Graaf beschreibt genauer die nach ihm benannten Eierstockfollikel, er fand das Ei beim Säugethier in der Tube. — Swammerdam (f 1685) entr deckte die Metamorphose ; er zergliederte vor dem Grossherzog von Toscana den Schmetterling aus der Raupe. Er beschreibt die Furchung des Froscheies. — Malpighi (f 1694) giebt eine gute Entwickelungsgeschichte des Hähnchens mit Abbildungen. — Die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts verstrich unter dem Streite, ob das Ei oder der Same das Wichtigste für die Entwicklung sei (Ovisten und Animalculisten), ferner ob das Junge sich im Ei neubilde (Epigenese), oder ob es sich nur enthülle und wachse, also schon fertig im Ei stecke (Evolution). Die Frage nach der Generatio aequivoca wurde namentlich seit Needham (1745) eingehend experimentell behandelt und ist bis in die Neuzeit Object zahlreicher Versuche geblieben. Eine neue Epoche beginnt mit Caspar Fried. Wolff (1759), der zuerst die Neue Epoche. Bildung des Embryos aus Blatte rn (Keimblättern) lehrte, der ausserdem zuerst die Zusammensetzung der Gewebe aus kleinsten Theilchen (Zellen der Neueren) aussprach. Auch lieferte er als ein Muster für die Bearbeitung der speciellen Entwicklungslehre eine Monographie über die Bildung des Darmes. — Will. Hunter beschreibt (1775) die Eihüllen und den schwangeren Uterus, Sömmering (1799) die Bildung der äusseren Körperform des Menschen, Oken und Kieser die des Darmes. Oken und Goethe (1807) lehren die Zusammensetzung des Schädels aus Wirbeln, Tiedemann (1816) beschreibt die Bildung des Gehirns, M ecket die der Monstra. — Grundlegend für die Erforschung der Bildung der einzelnen Organe aus den drei Keimblättern sind die Arbeiten Fander's (1817). Carl Ernst v. ßaer's (1828 bis 1834), Remakes und vieler noch lebender Neuerer. Schwann verfolgte zuerst (1839) die Entwickelung aller Gewebe aus den ersten Keimzellen bis zur fertigen Ausbildung. Sachregister. (Die beigesetzten Ziffern bedeuten die Seitenzahlen.) Abführende Mittel 304. Abiogenesis 999. Abklingen der Nachbilder 893. Abkühlung 432, 434. Abnabelung 71, 1064. Abschnürung des Embryos 1031. Absolute Muskelkraft 603. Absorption der Gase 62. Absorptionsspectra 40- Abtritte 438. Accommodation 881. Accommodationsbreite 886. Accommodationskraft 889. Accommodationslinie 885. Accommodationsphosphen 898. Accord 960- Acetessigsäure 331. Aceton 331, 516, 510. Achromatische Aberration 892. Achromatopsie 913. Acidalbuminate 484. Acrylsäuren 487. Actionsströme 690, 698. Active Insufficienz 619. Adäquater Reiz 862. Adelomorphe Zellen 305. Adenin 493- Aderfigur 897. Aderhaut 866. Aderlass 166, 415. Adipocire 469. Adventitia 124, 125. Aegophonie 232. Aerobien 347. Aesthesiometer 986. Aesthesodische Substanz 780. Aether 2. Aethylenmilchsäure 489, 579. Aethylidenmilchsäure 489, 579. Aeusserer secundärer Widerstand 682. Affinitätskraft 8. — Maass derselben 9. After, Bildung 1034. Afterschliesser 298, 301. Ageusie 980. Aggregatzustände 4. Agrammatismus 846. Agraphie 845, 848. Akataphasie 846. Akustische Nachempfin- dungen 972. Akustischer Tetanus 684. Alanin 485. Albuminate 482. Albuminoide 485. Albuminurie 521. Alexie 847. Alkali-Albuminate 484. Alkalische Harngähiymg 521. Alkaloide 453- Alkohol 453. — , Wirkung bei der Ver- dauung 310, 315. — , abkühlende Wirkung 416, 434. Alkohole 489. Alkophyr 314. Allantoin 512. Allantois 1035, 1037. Allochirie 994- Allorhythmie 141. Alloxan 509. Alternirende Hemiplegie 792, 853. Alveolen (Lunge) 208. Alveolenepithel 208, 260. Amaurose 721. Amblyopie 721 Ameisensäure 488, 563. Amide 492- Amidosäuren 492. Amimie 845. Amine 492. Amme 1001. Ammoniämie 544. Ammoniakderivate 492. Amnestische Aphasie 845. Amnion 1034. Amöbe 33. Amöboide Bewegung 33, 182. Ampere, Elektricitäts- maass 677- Ampere's Eegel 678. Amphiarthrose 615. Amphorisches Athmen 230. Ampullennerven 957. Amygdalin 394. Amyloid 484. Amyloidcylinder 532. Amyotrophische Lateral- sclerose 842. Amylum 278, 491. Anämie, perniciöse 36. Anaerobien 347. Anaesthesie 714, 761, 783, 785, 792, 849. Anaesthesia dolorosa 995. Sachregister. 1069 Anakrotismus 144. Anakusis 743- Analgesie 784. Anarthrie 845. Anelektrotonus 699. Aneurysma 155, 186. Anfangszuckung 600- Angina pectoris retiectoria 755. Angina pectoris vasomo- toria 817. Angiograph 131. Angioneurosen 816. Anidrosis 567. Anionen 680. Anisotrope Muskelsubstanz 577. Anisotropie 577. Ankylose 620. — der Gehörknöchelchen 953. Anode 680, 699. Anorganische Stoffe 482. Anosmie 720. Ansteckungsstoffe 256, 440. Antagonisten 619. Anthrakometer 235. Antiperistaltik 298. Aorten , primitive 1032, 1034, 1052. Aperistaltik 302. Aphakie 870. Aphasie 845. Aphonia spastica 653. Aphonie 653. Aphthongie 654. Apnoe 797. Aquaeductus Cochleae 957. Aquaeductus S.ylvii 1061. Aquaeductus vestibuli 957. Arbeit 7, 424, 602. Arbeit des Herzens 179- Arbeitseinheit 8. Arbeitsleistung 424, 604. Arcliiblast 1030. Area embryonalis 1024. Arrector pili 557. Arterieller Druck 165. Arterielles Blut 70. Ai'terien 123. \ rterienent Wickelung] 052. Arteriengeräusche 185. Arterienpuls 127, 134. Artrrii'ntöne 185. Arteriolae rectae 497- Arthritis urica 544. Arthrodie 615. Articulationsstellen der Consonanten 651. Asparagin 460. Asparaginsäure 331. 492, Aspelaphesie 994- Asphvctische Athempause 218, 799. Asphyxie 798. Assimilation 436. Astatisches Nadelpaar 679. Asteatosis 568. Asthma bronchiale 754. Asthma dyspepticum 755. Asthma sexuale 754. Astigmatismus 892. Ataktische Aphasie 845- Atavismus 1065. Ataxie 760, 783, 833, 842. Atelectasis 233, 803. Atherom 187. Athmung 206- Athmung, künstliche 802. Athmungscentrum 796. Athmungsdruck 232. — Einfluss auf das Herz 114. Athmungsgeräusche 229, Ü30. Athmungsmechauik 209. Athmungsmuskeln 219- Athmungsstörungen 2 17. Athmungstypus 213. Athmungszahl 212. Atlas-Entwickelung 1044. Atmosphärische Luft 239. Atmosphärischer Druck 262, 628. Atome 3. Atresia ani 1034. Atrien s. Herz. Attracfionskraft 8. Aufrechtsehen 881. Auftrieb 181. Auge 864. 939. Augenaxen 921. Augenbewegungen 921. Augenblase 1062. Augengefasse 866. Augenleuchten s99, 902. Augenlider 936. Augenmuskeln 924. Augenspiegel 899. Augenstellungen 923. Aura 820. Aura seminalis 1003. Ausathmungsluft 240. Ansdrucksbewegungen 654, 845. Ausfallserscheinungen 838. Ausflussthermometer 403. Auslösung der ersten Atherazüge 801. Ausplatzen 235. Auswarf 259. Autolaryngosfctopie 6 10. Automatische Centra 106, 766. Axencylinder 657. Axenfibrillen 657. Axillariscurve 143. Bacillen 256, 261, 277, 347, 356, 521, 531. Bacillus acidi lactici 348. Bacillus butyricus 348. Bacillus coprogenus 356. Bacillus cyanogenus 446. Bacillus putrificus 356. Bacillus pyocyaneus 567. Bacillus subtilis 350. Bacillus synxanthus 446. Bacillus tuberculosis 256. Bacillus typhosus 256. Bacterien 347. Bacterium aceti 349. Bacterium coli commune 356. Bacterium gliscrogenum 524. Bacterium graveolens 568. Bacterium lactis aerogenes 356. Bäder 567. Bänder 613. Balgdrüsen 268, 343, 353, 383. Bandwürmer 450, 1001. Bantingcnr 471- Barästhesiometer 988. Barometerschwankungen 262. Basedow'sche Krankheit 202, 817. Basrtaubheit 962. Bastarde 1020. Battements 969. Bauchmark 861. Bauchnabel 1031. Bauchpresse 224. 301. Bauchreflex 7 77. Bdellatomie 362. Becken-Bildung 1049. Befruchtung 1019- Belegzellen 306. Beleuchtung des Larynx 639. Bell'sches Gesetz 757. Benzoesäure 511- Bergkrankheil 263. Berichtigungsstab 680. Bernsteinsäure 281, 349, 455, 189, 516 Beschleunigungsnerven des Bensens 806. Bewegung des Herzens 85. 1070 Sachregister. Bewegung, Dauer 103. — im Yacuum und in Gasen 104. Bienenstaat 1003. Bier 455. Bildpunkt 873, 879. Bildungsdotter 1009. Bilicyanin 334. Bilifuscin 334 Biliprasin 334, 527. Bilirubin 49, 333, 527. Biliverdin 333, 527. Bindegewebe 479. Binnenkolben 982. Binoculäres Seben 927. Biogenetisches Grundgesetz 1065. Biot'sches Athmen 218. Bissen 290. Biuretreaction 314. Blättermagen 361. Blase 546. Blasennerven 549. Blasenschluss 548. Blasensteine 534. Blasen wurm 1001. Blastoporus 1022. Blaue Milch 446. Blauer Eiter 567. Blausäure 46, 255, 394, 474. Blepharospasmus 741, 953. Blickebene 923. Blickfeld 923. Blicklinie 923- Blinder Fleck 903. Blut 16. Blut, Farbe 16. — Reaction 16. — Geruch und Geschmack 18. — Spec. Gewicht 18. — Plasma 50- — Serum 50- — Gerinnung 51, 55. — Defibrinirtes 52. — Bestimmungen des Wassers 69. — Bestimmung des Fettes 69. — Bestimmung des Faser- stoifes 69. — Bestimmung der Salze 70. — Bestimmung des Ei- weisses 70. — Gase des Blutes 62. — arterielles 70. — venöses 70. — Vermehrung 72. — Verminderung 74. i Blut, Wasserverlust 75. — Eiweissverlust 75. — Zucker 61, 74. — Fette 61, 74. Blutarmuth 74, 75. Blutbildung , verminderte 36 Blutcy linder 532. Blutdruck 162. Blutdruckschwankungen, respiratorische 166. — pulsatorische lö7. — Traube-Hering'sche 167. Blutentziehung 75, 166, 415. Bluter-Krankheit 54. Blutgase 02. — Gewinnung 63. — quantitative Bestim- mung ö5. Blutgase, Specielles 66. Blutgefässe, Bau {z'd. Blutgefäss-Drüsen 198. — Bildung 1047. Blutkörperchen, rothe 18. — Maasse 18. — Volumen 19. — Oberfläche 19. — Gewicht 19. — Zahl 19. — Zählung 19. — Consistenz 20. ■ — Abnorme Consistenz 36 — Stroma 2*. 23, 25, 49, 58, 197. — Vitalität 21- — Gestaltveränderungen 22. — Geldrollenlagerung 22. — Maulbeerform 22. — Stechapfelform 22. — Entfärbung 22. — Einfiuss der Wärme 22. — Conservirung 23. — Forensische Unter- suchung 24. — Lackfarbigwerden 24. — Auflösung 25. — auflösende Mittel 25. — der Thiere 26. — embryonale Entstehung 26. — nachenibryonale Bildung 27. — endogene Bildung in protoplasmatischen Zellen 28. — Bildung beim Erwach- senen 29. — Ucbergangsformen 29. — Form Verschiedenheit 36. Blutkörperchen, Zerfall 30, 36. — Beziehung der Ge- rinnung 58, 59. — Beziehung zur Faser- stoffbildung 59. — Bestimmung dem Ge- wichte nach 70- — Eiweisskörper derselben 70. — weisse 31, 37, 58. — Bewegungen 33. — Formen 31, 34. — Zahl , Mengenbestim- mung 20, 32. — Auswanderung 33, 182. — Chemie 50. Blutmenge 71. Blutplasma 50. — Chemie 60. Blutplättchen 34. Blutprobe von H. Rose 48. Blutprobe von Heller 526. Blutserum 50, 60. ■ — Chemie 60. Blutverlust 36, 74. Blutvertheilung 191- Blutwärme 70, 406. Bogengänge des Laby- rinthes 743, 957. Bohnen 452. Bojanus'sches Organ 552. Bothriocephalus 450. Bradyphasie 846. Brechende Flächen des Auges 880. Brechungsindices der Augenmedien 880. Brechungsverhältniss 874, 880. Brechmittel 297. Brenner' s acustische Formel 742. Brenzcatechin 490, 515. Brillen 891. Brod 451. Bromidrosis 568. Bromogene Schizomyceten 347, 568. Bronchiales Athmungsge- räusch 230. Bronchialfremitus 231. Bronchien 207. Bronchophonie 232. Brücke 853 Brüste 440. Bruit de diable 187. Brustwarze 440. Brunnenwasser 437. Brunner'sche Drüsen 342. Sachregister. 1071 ßürstenbesatz 309, 496. Bürzeldrüse 569. Bulbärparalyse 621, 795. Bursa Entiana 361. Bursae subcutaneae 554. Butter 444. Buttersäure 348, 444, 488. Callus 479. Calorimeter 397, 409. 424. Calor mordax 428. Campanula Halleri 940- Canalis eochlearis 956. Canalis reuniens 957. Capacität der Ventrikel 161, 177. Capillardruck 168. Capillarelektrometer 687. Capillaren 124. Capillarpuls 160. Capillarstrom 121. 160, 175, 180. Caprinsäure 444, 488. Capronsäure 4-14, 488. Caprylsäure 444, 488. Capsula Glissonii 326. Caput ohstipura 756. Carbolkarn 515. Carbolsäure 321. 493, 514. Carne pura 450. Carnin 448. 493. Caro luxurians 480. Carotiscurve 142. Carotisdrüse 202. Casein 444, 484. Castoreum 569. Caudalherz des Aales 393. Cavernöse Bäume 126. Ccllnlose 349, 492. Cement 287. Centrirtes optisches System 878. Centrirungsmangel 892. Centruin anospinale 778. Centrum ciliospinale 778. Centrum der Athmung 796. Centrum des Erbrechens 794. Centrum der Erection 7 7!'. Centrum des Gebäractes 779. ( lentrum der herzheschleu- nigenden Fasern 806. Centrum der Herzhem- mnngsnerven 804. Centrum des Hustens 7'.M. (Vntrum des Kanons 79 I- Centrum der Krampfbewe- gung 819. Centrum des Lidscklusses 793 Centrum des Niessens 794. Centrum des Schlingens 794. Centrum derSchweisssecre- tion 819. Centrum der Speichelsecre- tion 7H4. Centrum der Sprache 845. Centrum der Vasodilata- toren 817. Centrum der Vasomotoren 808. Centrum der "Warmeregu- lirung 417, 837. Centrum genitospinale779. Centrum vesicospinale 779. Ceiebrale Ataxie 842. — Chorea 842 — Hemmung 842. Cerebrin 487, 663. Cerebrospinalflüssigkeit 387, 858. Charcot'sche Krystalle 260, 974. Charniergelenk 613. Chemische Affinitätskraft 8. Chemisch wirksame Strahlen 909. Chenocholalsänre 332. Cheyue-Stockes' Ath- mungsphanomen 218, 543. Chiasma 720. Chitin 4S7, 57ii. Chlorliämatin 47. Chloroformwirkung 25, 111, 667, 828. Chlorose 36. Chocolade 453. Cholämie 195. Cholalsäure 332. Cholesterin 334, 489. Choletelin 334. Chol in 4>H Uli:;. Choloidinsäure 332. Chondrin 486. Chorda dorsalis 1029, 1044. Chorda tympani 737. Chorioidea 86 •• Chorioidea, Bildung 1063. Chorion 1037. Chorinm 553 Chromatische Aberration 892. Chromatophoren 569. Chromidrosis 568 Chromogene Schizomy- ceten 347, 146. Chromophane 869. Chromopsie 721. Chylöser Harn 500. Chylus 385. Chylusgefässe 37 - Chylusmagen 362. Chymus JJ12. Cicarricula 1010. Ciliarmuskel 866, 883. Ciliarnerven 726. Circulations-Eiweiss 458, 466- Circumanaldrüsen 560. Clitoris, Bildung 1060. Cloake 1058. Coecitas verbalis 847. Coffein 453. Cohäsion 127. Collagen 486. Collapstemperatur 414. Collateralkreislauf 798- Collimator 40. Collodium 492. Colloide 371. Colobom 1U62. Colostrum 44"». Comedo 562, 568. Compensationsmagnet 680. Complementärfarben 910. Complementärluft 211. Concremente des Harnes 534. Concrescenz 984. Conglutin 485. Conjugation 1000. Consonanten 650. Consonanz 960. Constante Ketten 681. Constanz der Arten 1065. Constanz der Kralt 9. Constante Elemente 681- Constanter Strom 681, 699. 711. Contractilität der Gefässe L26. Contractionsdaner 59 I. ( lontractionsfortpflanzung 600. Contraetionswelle lim». Contractur 595, 714. Contrast 910, 918, 919. Contrastfarben ylO. Cornea 864 - Bildung Corpora cavernosa L015. Corpora i|uadriiromi»a 85 \, Corpulenz 470. Corpus luteum 1015. 1072 Sachregister. Corpus striatum 850. Cortico-niotorische Bahnen 789, 841. Corti'sche Membran 958. Corti'sches Organ 958- Crista acustica 958. Croup der Bronchien 261. Cruor 52. Crusta phlogistica 52. Crystallkegel 939. Curare 587, 595. Cuticula 287, 511. Cuticularsubstanz der Pflanzen 511. Cylinderbrillen 891, 892. Cyrtometer 225. Cysterna lymphatica 396. Cysticercus 1001. Cysticula 973. Cystin 493, 529. Daltonismus 915. Darmathmung 265. Darmbewegungen 297. Darmdivertikel 1055. Darmdrüsen 342, 344. Darmentleerung 298. Darmentwickelung 1055. Darmerschöpfung 303. Darmfaserplatten 1030. Darmfistel 344- — angeborene 1055. Darmgährung 346. Darmgase 346. Darmlähmung 303. Darmlänge 342. Darmnabel 1031. Darmnerven 301- Darmparalyse 303. Darmparese 303- Darmruhe 302. Darmsaft 342. Darmschleimhaut 342. Darmschwindel 744. Darmverdauung 342. Darmzotten 343, 366, 368. Darwin's Theorie 1065. Decubitus acutus 840. Degeneration der Nerven 671, 672, 769, 785. Deglutatio sonora 754. Ik-hnungscurve 605. Demarcationsströme 667. Demodex folliculorum 562. Dentin 286, 289. Dentinkeim 289 Descensus ovariorum 1059. Descensus testieulorum 1059. Delomorphe Zellen 306. Depressorische Nerven 753, 785, 810. Dextrin 278, 320, 451, 491. Dextrose 279, 320, 345, 490- Diabetes 329, 359, 528. Diapedesis 182. Diaphanometer 446. Diaphragma 220. Diastatische Fermente 487. Dickdarm 298, 352. Differentialrheotoni 693. Differenztheorie 697. Differenztöne 970. Diffusion 369, 372. Diffusion der Gase 62. Dikrotie 128, 139. Dioptrik des Auges 872, 878. Diosmose 369, 372. Diphthonge 648. Diphthongie 653. Diplacusis 962. Directes Sehen 905. Discs 572 Disdiaklasten 578. Disharmonie 969. Disparate Netzhautstellen 929. Dissociation der Gase 249. Doppelbilder 929. Doppelbrechung der Mus- kelfaser 577. Doppelempfindung 709. Doppelgeräusch 187. Doppelschlägiger Puls 128, 139. Doppelsinnige Nervenlei- tung 709. Doppelton 187. Doppeltsehen 723, 724, 736. Dotter 1010. Dotterhaut 1010. Dotterplättchen 484. Dottersack 1031- Drehgelenk 613. Drehpunkt des Auges 921. Dreiaxiges Gelenk 615. Drillinge 1019. Dromograph 173. Dromographische Curve 174. Druckphosphen 897. Drucksinn 972. Drummond'sches Kalklieht 639. Drüsen, Regeneration 478. Dünndarm 297, 342. Ductus cochlearis 956- Durchfall 359. Durst 995. Dyarthrodiale Muskeln 619. I Dynamide 4. Dynamisches Pferd 604. Dynamometer 604. Dysarthria litteralis 654. Dyschroinatopsie 915. Dyslysin 332. Dyspepsia nervosa 357. Dyspepsia uterina 357. Dvsperistaltik 302. Dyspnoe 798, 799. Echinococcus 1002. Echosprache 827- Ejaeulation 1018. Ei 1007. Eient Wickelung 1007. Eier-Albumin 483, 523. ! Eierstock 1007, 1057. j Eihäute 1036. I Eintächseöen 927. I Einheit der Kraft 10. 1 Einheit des Thierreiches 1065. Eiscalorimeter 398, 411. Eischale 1010. Eischläuche 1008. Einschleichen des Reizes 668, 802. Eiweiss 483. Eiweisskörper 482. — des Hämoglobins 49. — des Stroma 49. — im Blute Ö0, 70, 73, 75. — im Harne 521. Eiweisskost 466. Eiweissdleactionen 483, 522. Eiweissverlust 75. Ektoderm 1022. Elasticität derGefässe 126. Elasticität des Muskels 604. Elasticitäts-Coefficient 604. Elastieitäts-Elevationen 137. Elasticitätsmaass 604- Elastin 486. Elastische Nachwirkung 127, 605. Eleidinkörner 555. Elektrische Apparate 685, 686, 710. Elektrische Fische 716. Elektrische Ladung 715. Elektrische Nerven 716. Sachregister, 1073 Elektrisches Orgau 716. Elektrische Platten 716. Elektroden 680, 700. Elektrolyse 68ü. Elektromotoren 675- Elektromotorische Kraft 675. Elektroniusculäre Sensi- bilität 997- Elektrophysiologie 675. Elektrotonische Nach- ströme 696. Elektrotonus 694, 699, 711. Elementaranalyse des Stoff- wechsels 457. Elementarkörnchen 35. Embryonalneck 1024. Empfindungskreis 987. Emulsin 394. Emydin 484. Endarterien 180, 860. Endarterien im Gehirn 860. Endkapseln 983. Endocardiographische Me- thode 96. Endocardium 81. Endoneurium 661. Endosmose 369, 372. Endosmotisches Aequiva- lent 370. Enkephalin 663. Entartungsreaction 671, 713. Entgasungspunipe 63. Entoderm 1022. Entoptische Pulserschei- mmg 897. Entoptische Wahrnehmun- gen 896. Entotische Wahrnehmun- gen 972. Entzündung 183. Entzündungswärme 435. Enuresis nocturna 551. Enzyme 486. Ependymfaden 768. Epiblast 1U27, 1022. Epidermis 555. Epidermoidalgebilde 555. Epilepsie 820, 831, 844. Epileptogene Zone 820- E]iileptoide Hallucination 84S. — Schweisse 567. Epineurium 661- Epistropheus-Bildung 1034. 1044. Epithelien 476. Eponychium 556. Erbrechen 296. Erbsen 452 Erection 1015. Erfrieren 432. Ergrauen 558. Erhaltung der Kraft 9. Erholung 612, 672. Erkältung 432. Ermüdung 610, 672. Ernährung 450. Ernährende Klystiere 378- Erregbarkeit des Muskels 586. Erregbarkeit der Nerven 665. Erstickung 254, 255, 798. Erythrochloropie 915. Essigsäure 349, 488. Eudiometer 65, 236. Euperistaltik 302. Eupnoe 798. E^entrische Hypertrophie des Herzens 89. Excremente 298, 353. Excretin 352. Excretionsorgane 552. Exostose 620. Exophthalmus 817, 921. Exspirationsmuskeln 220, 224. Explosivae litterae 650. Exstirpation des Gross- hirns 822. Extrapolare Strecke 695, 700. Extrastrom 682. Extrastromapparate 682, 710. Extremitätenbildung 1034. Facettirte Augen 940- Faeces 298, 353. Fallgesetz 4. Falsetstimme 644. Faradischer Strom 682, 685, 710- Farben 909. Farbenblindheit 915. Farbenkreisel 910. Farbenmischung 910. Farbenspectruni 909. Farbentafel 912. Farbentheorien 912. Farbenwahrnehmung 909. Farbige Lichtreflexe 920. Farbige Schatten 920- Farbstoffe 487. — des Harns 512. Faserstoff 51, 484. Landois, Physiologie. 7. Aufl. Faserstoff, Beziehung zur Gerinnung 51. — Eigenschaften 52. — Bildung aus rothen Blut- körperchen 59. — Bildung aus weissen Blutkörperchen 58- Faserstoif , Stromafibrin, Plasmafibrin 60. — Mengenbestimmung 69. — Schwankungen 74. Fäulniss 321, 346. Fechterstellungen der Choleraleichen 586. Federkymographium 163. Femoraliscurve 144. Fermente 486. Fernpunkt 886. Fettbildung 468, 470. Fette 487. Fettentartung 471 , 621, 672. Fettkost 467. Fettsäurekrystalle 261, 355. Fettsäuren 4S8. Fettsucht 471. Fettzerlegende Fermente 487. Fibrilläre Zuckung 590. Fibrin s. Faserstoff 51. Fibrinfäden 35, 51, 59. Fibrinogene Substanz 55, 57. Fibrinoplastische Substanz 55, 57, 60. Fibroin 486. i Fieber 428. — nach Transfusion 196. j Filaria sanguinis 533. Filtration 372. i Finnen 450. Fische, elektrische 716. Fissura sterni 96, 1044. Fistelstimme 644. Fixiren 905. Flammenspectra 40. Fleisch 447. Fleischbereitung 449. Fleischbrühe 449. Fleischextract 450, 610. I Fleischfressende Pflanzen 363. Fleischkost 466. Fleischmilchsäure 489, 448, 516, 579, 580, 583. Fleischpräparate 449. Fliegen 631. Fliegenfalle 363. Fluorcalcium 482. , Fluorescein im Auge 857. 68 1074 Sachregister. Fluorescenz 909. Flusswasser 437. Flüstersprache 646. Fontaua'sche Querstrei- fung 664. Fontanellenpuls 155, 859. Foramen Monroi 1061. Fovea centralis 869, 906- Fraunhofer 's che Linien 41. Freiwillige Ablenkung 679. Fresszellen 33. Froschpräparat 700. Froschstrom 690- Frostwirkung 432. Fruchthof 1U24. Fruchtwasser 1035. Fühlsphäre 836, 848. Fühlraum 972. Furchuug 1024, 1022. Fuselöl 454. Fuss 624. — Bildung 1050. Gähnen 235. Gährung 281, 347, 454. 520- Gährungsmilchsäure 489, 520. Gährungspilze, s. Hefe. Gänsehaut 557. Galactorrhoe 443. Galactose 490. Galactoskop 446. Galle 331- — ■ Absonderung 335. — Ausscheidung 337. — Schicksal 341. — Wirkung 339. Gallenfarbstoffe 333, 341, 527. Gallenferment 340. Gallenfistel 335, 336. Gallengänge 325. Gallenresorption 341. Gallensäuren 331, 335, 341, 527. Gallensteine 333, 358. Galopp 630. Galvanische Durchleitung 569. Galvanische Elemente 681. Galvanische Polarisation 680. Galvanischer Strom 675. Galvanokaustik 715. Galvanopunktur 715. Galvanotonus 669. Ganglienzellen 661. Ganglion Anderschii 745. — ciliare 726. — Ehrenritteri 745. — Gasseri 724. — jugulare 746. — oticum 733- — sphenopalatinum 730. — submaxillare 734. Gartner's Gänge 1058. Gasanalyse der Athmung 235. — des Blutes 62. Gasaustausch in den Lun- gen 247. Gasdiffusion im Athmungs- apparate 246. Gase des Blutes 62, 65. Gaspumpe 64. Gassphygmoskop 133. Gastroxynsis 357. Gaswechsel 246, 247. . Gaumenlaute 645. Gaumentöne 652. Geberdensprache 654, 845. Geburt 1063. Gefässe 123, 476, 808. Gefässbildende Zellen 28. Gefässerweiternde Nerven 817. Gefässhemmüngsnerven 818. Gefässnerven 808. Gefässnervencentrum 808, 817. — cerebrales 815, 837, 846. Gefassnervencentra,spiuale 814. Gefässschattenfigur 897- Gehen 625. Gehirn 786 Gehirnbau 786- Gehirngeräusch 186. Gehirnnerven 720. Gehirntopographie 840. Gehörgang 945. Gehörgrenze 961. Gehörhallucination 848. Gehörknöchelchen 948. — Bildung 1046, 1047- Gehörorgan 945. — Bildung 1063. Gekreuzte Reflexe 773. Gelber Fleck 869, 898, 899. Gelber Körper 1013. Gelbsucht 338, 527. Gelenkkörperchen 982. Gemeingefühle 994. Gemischte Kost 459, 468. Gemüse 453. Generatio aequivoca 998. Generationswechsel 1001. Genitalstrang 1058. Genu valgum 621. — varum 621. Genussmittel 453. Geordneier Reflex 771. Geradesitzen 625. Geräusch 959. — des gesprungenen Topfes 229. Gerinnung 51. — Wesen derselben 55. — Beziehung des Faser- stoffes 51. — Erscheinungen 53. — Verhinderung 53. — Beschleunigung 54. — bei Thieren 55. — in der Lymphe 55. Gerinnung, Wärmebildung 55. — Säurebildnng 55. — O-Zehrung 55. — Ammoniakentbindung 55. — fibrinoplastische Sub- stanz 55, 56, 60. — fibrinogene Substanz 55, 56. — Versuch 57. — Beziehung der rothen — Blutkörperchen 59. — während des Lebens 58. Gerinnung in thierischen Säften 55. Gerinnungsferment 56, 58, 59. Geruchsempfindung 975. Geruchsorgan 974. — Bildung 1063. Geschlechtsdifferenzirung 1059 Geschlechtsorgane, Bildung- lOSe. Geschlechtswarze 1059. Geschmacksbecher 978. Geschmacksempfindung 978. Geschmacksknospen 978. Geschmacksorgan 978- Geschwindigkeitshöhe 118. Gesetz der Constanz der Kraft 9. — der functionären Stell- vertretung 821. Gesetz der isolirten Leitung 709. Gesichtsathmungsnerv 219, 736, 764, 841. Sachregister. 107c Gesichtsatrophie 735. Gesichtsfeld 881- Gesichtshallucinationen 721, 847, 897. _ Gesichtshypertrophie 735. Gesichtsknochen 1046- Gesichtsphantasmen 721, 847, 899. Gesichtssinn 864. Gesichtswinkel 935. Gestopfter Mundton 654. Getreide 451. Gewebsathmung 251. Gewebsüberpflanzung 480. Gewichtszunahmen 481. Gewürze 456. Gicht 544. Gift des Speichels 363. Giftdrüsen der Schlangen 360. Giftige Gase 255. Ginglymus 613. Glanz 933. Glaskörper 870- Glatte Muskelfasern 576. Glaucom 728. Gleichgewicht 743, 854, 856. Gleichgewichtsstörungen 743, 854, 856. Gliadin 485. Globulin 46, 56, 483, 523. Globus lrystericus 295, 357. Glomerulus 494. Glossoplegie 757. Glottis-Zitterlaut 653. Glutaminsäure 321, 492. Gluten 485. Gluten-Fibrin 485. Glutin 486. Glycerin 281, 321, 349, 375, 488, 490. Glycerinphosphorsäure 488, 663. Glycin 331, 489, 511. Glycogen 327, 38U, 490, 581, 583. Glycolsäure 489. Glycosen 490. Glycoside 487. Glycosurie 528. Gmelin-Heintz'sche Probe 333, 527. Goll'sche Stränge 767, 769, 770, 782. Graaf'sclie Follikel 991. Granula der Leukocyten 34. Gravitation 4. Grössen wachsthum 481, 735. Grössenwalirnehmung 934. Grosshirn 786, 821, 840. Grundton 963, 960. Guanin 493, 516. Gubemaculum Hunteri 1059. Gummi 491, 516. — thierisches 491, 516. Gurgeln 235. Gyri 786, 824, 829, 840. Haar 557. Haarbalg 557. Haarentwickelung 558. Haarpapille 557. Haarwachsthum 559. Haarwechsel 559. Haarzellen des Labyrinthes 958. Haematoblasten 27, 35. Haematodynamoineter 162. Haematin 46- — in Lösungen, 46, 527. — reducirtes 46. Haematinometer 526. Haematogene Albuminurie 521. Haematoidin 49, 261, 527. Haematoin 48. Haematurie 524. Haemautographie 134. Haematohidrosis 561. ! Haematoporphyrin 46. Haematosiderin 30- Haemin 47. — Krystallform 47. — Darstellung 48. — forensische Bedeutung 48. — chemische Eigen- schaften 48. Haemochromogen 46. Haemocyanin 26 Haemocytolyse '4'd. 525. Haemocytotrypsie 23. Eaemodromoineter 171. Haemoglobin 37. — Krystallbildung 37. — Dichroismus 38. — Darstellung der Krv- stalle 38. — quantitative Bestim- mung 38. — Gas -Verbindungen 41, •ji; — O-Haemogl. 4L — CO-Haemogl. 4:5. — andere Verbindungen 45. Haemoglobin , Zerlegung des Hb 46. — Eiweisskörper (Globu- lin) desselben 46. 49. Haemoglobinurie 525. Haemophilie 54. Haemorrhoiden 620. Haemotachometer 173- Härtegrad des Wassers 438. Hahnentritt 1010. Haidinger'sche Büschel 899. Halbzirkelförmige Canäle 743, 957. Halbmonde Gianuzzi's 270. Halbvocale 650. Hales'sche Röhre 162. Halisteresis 621. Hallucinationeu 721, 743. 827, 847, 848, 899. Halsfistel 1047. Halsrippen 1044. Hangbein 626. Haptogenmembran 376. Harder'sche Drüse 940. Harmonie 9b'0. Harn 498. Harnabsonderung 536. Harnbereitung 54<». Harnblase 546. — Bildung 1057. Harnconcremente 534. Harneylinder 531. Harneiweiss 521. Harnentleerung 548. Harngährung 52l I. Harakanälchen 4^4. Harnleiter 545. Harnorgane 494, 545. — Bildung L056. Harnpilze 520, 531. Harnröhre 549. Harnsäure 506. Earnsäuredyskrasie 544. Harnsalze 5J6. Harnsecretion 536. Harnsedimente 532. Harnstoft 501. Harnstoffbestimmung 504. Harn trau Irin 551. Harnverhaltung 549. 551. Harnzucker 516. 528. Harnzwang 551. Harrison'sche Furche ','17 Hasenscharte L046. Hauptzellen .ii (5. Haut .V):;. Hautathmung '.'5". Hautdrüsen 55'.'. 68* 1076 Sachregister. Hautmuskelschlauch 570. Hautrnuskelplatten 1030. Hautpflege 567- Hautresorption 568. Hautsecretion 561. Hautstrom 690. Hauttalg 562. Hautthätigkeit , unter- drückte 562. Hefe 281, 355, 455, 531. Heilgymnastik 620. Heiserkeit 654. Helikotrema 956. Heliotropismus 940. Heller'sche Blutprobe 526. Hemeralopie 722. Hemialbumose 312, 313. Hemianästhesie 792, 849. Hemikranie 816. Hemiopie 721, 847. Hemiplegie 790, 842. Hemisystolie 99- Hemmungsbänder 613. Hemmungserscheinungen am Hirn 838. Hemmungsnerven 719. Hemmungsnerven der Athmung 753, 800- Hemmungsnerven des Darmes 303, 839. Hemmungsnerven des Herzens 804. Hemmungsneurosen der Athmung 754. Hemmungsneurosen der Darmbewegung 764. Henle'sche Schleife 496. Hepatogener Icterus 338. Herabsetzung der Körper- temperatur 433. Herbst'sche Körperchen 967. Herpes 735. Herz 77. — Muskeln 78, 79. - Vorhöfe 78, 86. — Kammern 79, 86. — Klappen 81, 87, 88. — Kranzgefässe 82. — Selbststeuerung 83. — Bewegung 85. — pathologische Thätig- keit 88. — Entwickelung 1051. Herzarbeit 179. Herzdämpfung 228- Herznerven 104. Herznervencentra, auto- matische 106- Herzreizungen , directe 109. Herzstoss 89, 81. — Pathologie 97. Herzstosscurve 90, 91. — Aufnahme derselben 90. — Interpretation 90. — zeitliche Verhältnisse 93. — Pathologie 97, 98. Herztöne 100. — Pathologie derselben 102. Heterologe Reize 862. Hexenmilch 442. Hinterhauptsbein 1045. Hintere Wurzeln 757. Hinterhirn 1027, 1061. Hippursäure 511. Hippus 723. Hirnbewegungen 859. Hirnblasen 1027, 1060. Hirngefässe 859. Hirnhäute 858. Hodenbildung 1057. Hochhörigkeit 961. Hörhaar 958. Hörsphäre 836, 848- Hohlmuskeln 616. Holoblastische Eier 992. Homocerebrin 663. Homoiotherme Thiere 401. Homologe Reize 862. Honig 490. Hornfibrillen des Haares 557. Hornhaut 864. Hornhautdruckfalten 896. Hornscheiden 660. Horopter 928. Hüftgelenk 615, 628. Hülsenfrüchte 452. Humor aqueus 871. Hunger 994, 464. Hungericterus 338. Hungerzustand 464, 503. Husten 234. Hyalin 487. Hyaline Cylinder 531. Hydraemia 75, 196. Hydrobilirubin 334, 341. Hydrochinon 515. Hydrodynamik 118. Hydrolytische Fermente 486. Hydroparacumarsäure 515. Hygrometer 240. Hyocholalsäure 332. Hypakusis 743. Hypalgie 996. Hyperästhesie 714, 782, '792. Hyperaesthesia optica 721. Hyperakusis 742. Hyperalgie 996. Hypercholie 338. Hypergeusie 980. Hyperglobulie 73. Hyperidrosis 567. Hyperkinese 782. Hypermetropie 888. Hyperopie 888. Hyperosmie 720. Hyperostose 620. Hyperpselaphesie 994- Hypertrophie des linken Ventrikels 89. Hypertrophie des linken Vorhofes 89. — des rechten Ventrikels 89. — des rechten Vorhofes 89. Hypnotismus 826. — bei Thieren 827. Hypogeusie 980. Hypoglobulie 75. Hypometropie 887. Hypophysis 202. Hypopselaphesie 994. Hyposmie 720. Hypospadie 1059. Hypoxanthin 493, 510. Jackson' sehe Epilepsie 831. 844. Ichtidin 484. Ichtin 484. Ichtulin 484. Ideomusculäre Contraction 590. Identische Netzhautstellen 927. Icterus 338, 527. Icterus neonatorum 338. Illusionen 863. Inanition 464. Incontinentia urinae 551. Indican 351, 513. Indifferente Gase 255. Indifferenzpunkt 699. Indigo 351, 513. Indigogen 351. Indirectes Sehen 905. Indol 321, 351, 513. Induction 682- Inductionsapparate 684. Infusum carnis 450. Sachregister. 1077 Innere Polarisation 681, 698. Inosinsäure 448, 493. Inosit 492. Inspirationsmuskeln 219, 220. Insufficienz der Aorten- klappen 146. — der Herzklappen 98. — active der Muskeln 619. — passive der Muskeln 619. Intelligenz im Tkierreiche 823. Intercelluläre Blutbahnen 126. Interglobularräume 286. Intercostalmuskeln 222. Interstitiallücken 382. Intima 53, 123, 125. Intralabyrinthärer Druck 958. Intraoculärer Druck 871. Intrapolare Strecke 699. Intravasculäre Verblutung 814. Intussusception 298. Inulin 327, 491. Invagination 298. Invertin 345, 487. Invertzucker 491. Ionen 680. Iris 867, 885, 893. Irradiation 918. — des Schmerzes 774. Irrespirable Gase 255. Irritabilität des Muskels 587. ischurie 551. Isolirte Leitung 709. Isotrope Muskelsubstanz 577. Kältewirkung 432, 433. Käse 447. Kaffee 453. Kalialbuminate 484. Kalisalze 111, 482, 541, 544, 610, 621. Kalk 459, 482, 621. Kaltblüter 401. Kamiuerraum 177. Kammerton 945. Kardiopneumatische Be- wegung 112. Kardiopneumograph 113. Kardiopneumatische Curve 113. Kastenpulsmesser 129, 192. Kartoffeln 452. Katalepsie 826. Katalytiscke "Wirkung 715. Kataphorische Wirkung 568, 682, 715. Katarrh 260. Katelectrotonus 699- Kathode 68U. Kationen 680. ! Kaubewegungen 284. Kaumagen 362. | Kaumuskeln 284'. | Kefir 447. Kehlkopf 633 u. f. Kehlkopfbänder 635. Kehlkopfknorpel 633. Kehlkopfmuskeln 636. Kehlkopfnerven 738. Kehlkopfspiegel 639. Keilbein 1045. Keilstrang 769. Keimbläschen 1007. Keimblase 1U22. Keimblätter 1026. Keimdrüse 1057. Keimepithel 1057. Keimfleck 1007. Keratin 486. Kiefer 284, 361. Kiefergelenk 284. Kieferwall 288. Kiemen 265. Kiemenbögen 1034, 1047. Kiemenherz 204. Kiemenspalten 1034, 1047. Kinderernährung durch Milch 445, 446. Kinerodische Substanz 780. Kittsubstanz 77, 124. Kitzel 995. Klang 959. Klangfarbe 963. Klanggeberde 654. Klangzerlegung 963. Klappen des Herzens 81, 87, 88. Klappen der Venen 126, 184, 188. Klappenfehler des Herzens 89. Klappentöne der Venen 188. Kleber 451, 485. Kleider 421. Kleie 451- Kleinhirn 856, 1027. 1060. Kleinhirnseitenst rang- bahnen 769. Klystiere, ernährende 378. Knäueldrüsen 560, 937. Kniegelenk 614. Kniephänomen 777. Knochen 478. — Bildung 1044. — Körperchen 1050. Knochenanschläge 613. Knochenbrüche 479. Knochenleim 486. Knorpel 478. — Histiogenese 1034. Knorpelleim 486. Knospenbildung 999. Knotenpunkt 879- Knurrhahn 610. Koelom 1029. Kohlehydrate 490. Kohlehvdratkost 373, 467/ Kohlenoxydvergiftung 44. Kohlensäure im Blute 68. — bei der Athmung 246. — Quantitative Bestim- mung 235. — Constitution 489. Kolik 359. Kopfdarmhöhle 1031. Kopf kappe 1031. Kopfknochenleitung 943. Koprostasis 359. Körperliches Sehen 930. Körpertemperatur 41"^. Kostmaass 462. Koth 353. Kotyledonen 1041. Kraft 5. — lebendige 5. — Spannkraft 6, 10. — Umsetzung derselben 6, 7. — Constanz der Kraft 9. — Arbeit 5. Kraftsinn 997. Kraftmesser 597. Krampf 598, 714, 771. 819, 831, S44. Krampfcentrum 819. Krappfütterung 479. Krause's Endkolben 982. Kreatin 493, 832. Kreatinin 493, 832. Kreiselmyographium 592. Kreislauf 7'>- — unterstützt von der Athmung 117. Kreislauf, erster 1032. Kreislauf, fötaler 1040. Kreislaufzeit 178. Kresol 193, 515. Kreuzuntr der Hirnfasem 792. 1078 Sachregister. Kreuzungspunkt der Sek- strahlen 879. Kropf 201, 361, 817. Kropfniilch 361. Krümelzueker 490- Kryptorchismus 1059- Kryptophansäure 516. Krystallkegel 939. Krystalloide 371. Kumys 447. Künstlicher After 356. Künstliche Athmung 802. Künstliche Kaltblütigkeit 433, 587. Künstlicher Magensaft 311. Künstliche Starre 585. Kurzsichtigkeit 887. Kymographium 162. Kynurensäure 512. Kyphose 620. Labdrüsen 305. Labfennent 315, 445 Labien. Bildung 1060- Labmagen 361. Labyrinth 956. Lachen 235. Lackfarbiges Blut 24. Lactose 491- Laevulose 491- Lagena 973. Lagophthalnrus 740. Lähmung 710. — des Darmes 303. Lamina spiralis 956. Lanugo 559. Laryngoskopie 639. Latebra 1010- Latente Beizung 593. Laufen 629. Laufknoten 856. Lautlehre 656. Leben 14. Lebendige Kraft 5. Lebensalter 481. Lebenskraft 14. Leber 323. — Nerven 327, 336. — Bildung 1061. Lebercirrhose 326. Leberentzündung 326. Leberferment 329. Leberläppchen 323. Leberpuls 190- Leberthran 322, Leberzellen 323, 327. Lecithin 488, 580, 663. Leersein d. Arterien nach dem Tode 808. Legumin 452, 485. Leguminosen 452. Leibeswand 1030. Leichenalkaloide 314. Leichenfett 469. Leichenstarre 582. Leim 313, 450, 467, 486. Leimkost 467. Leimpepton 313- Leimzucker 489. Leitung durch die Kopf- knochen 943. Leitungsvermögen der Nerven 701, 709. Leitungsbahnen imBücken- mark 782. Leitungswiderstand 676. Leitungswiderstand der Haut 561. 676. Leitungswiderstand thie- rischer Gewebe 676. Lendenrippen 1044. Leptotrix 261, 277. Leuchtorganismen 264. Leucin 321, 492, 531. Leucinsäure 489. Leucocyten 31, 50, 58. — lymphogene 34. — myelogene 34. Leukämie 37, 196. Levatorwulst 954. Leseproben 888. Lichenin 492. Licht äth er 2. — Eigenschaften 3. Lichtemphndung 903. Lichtwirkung auf den Stoffwechsel 246. Lider 936. Lidranddrüsen 560. Lieberkühn 'sehe Drüsen 344. Lienterie 359- Linkshändigkeit 845. Linse 476, 483, 869. Linsen 452. Linsenschatten 896. Linsenstern 869. Lipämie 74. Lippen 267. Lippen-Consonanten 651. Lippenlaute 651. Localzeichen 971. Lösung der Starre 583. Löwe'sche Binge 899. Loi de suppleance 821. Lordosis 620. Lücke 669. Luftdichtigkeit der Lungen 234. Luftdruck 262. Luftfeuchtigkeit 239. Lungen 206. — Bildung 1055. — elastischer Zug 85, 114. Lungenentzündung 255, 751. Lungengangrän 261. Lungengefässe 208. Lungenödem 85, 234. Lungentonus 209. Lunula 556. Luxusconsumtion 458. Lymphausscheidung 389. Lymphbahnen-Ursprung 379- Lymphbewegung 391. Lymphcapillaren 380. Lymphdrüsen 372. Lymphe 385. Lymphgefässe 378. Lvmphgefässnerven 393. Lymphfistel 387. Lymphfollikel 383. Lymphherzen 393. Lymphkuchen 386. Lymphoidzellen 31, 50, 58, 390. Lymphplasma 389. Lymphserum 386. Lymphstauungen 394. Lymphzellen 31, 50, 58, 390. Maasse des Herzens 82. Maasse des Thorax 225. Maculae acusticae 958. Macula lutea 869, 897. Magen 295, 304. Magenbewegung 295. Magendurchfall 357. Magenerweichung 316. Magenfistel 311. Magengase 316. Magenkatarrh 357. Magensäure 308, 357. Magensaft 307. — künstlicher 311. Magenschleimhaut 304. Magenschwindel 744. Magensecretion 308. Magenunruhe 357. Magenverdauung 307, 357. Magnetelektromotor 685. Magneto-Induction 684. Magneto-Inductionsappa- rat 685. Mahlbewegung 285. Makrocyten 36. Sachregister. 1079 Makropie 723. Makrostomie 1046. Maltose 278, 345, 491. Maniakalische Bewegungs- impulse 842. Mariotte'sches Gesetz 61. Mariotte' scher Versuch 903. Markscheide 659. Massage 620- Massenbewegung 9. Mastzellen 34. Mästung 470. Materie 2. Maximalreiz 111, 597, 603. Maximale Zuckung 597. Mechanisches Wärmeäqui- valent 8. Meckel' scher Fortsatz 1047. Media der Gelasse 123, 125. Meüulla oblongata 793. Medullarohr 1027. Mehl 451. Mekonium 311. Melanämie 36. Melanin 487. Mellitämie 74. Melliturie 329, 528. Mellituria inosita 74. Membrana basilaris 956. Membrana decidua 1036- Membrana Eeissneri 957. Membrana reticularis 958- Membrana reuniens 1033. Membrana tectoria 958. Membrana testacea lUlO. — versicolor 902. Meniere'sche Krankheit 744. Menschendose 211. Menstruation 31, 1011. Merkel'a Tastzellen 982. Meroblastische Eier 1009. Mesoderm 1025. Metalloskopie 996. Metamorphose 1000. M< lainorphosirendes Ath- men 231. Metastatisches Thermo- meter 403. Meteorismus 303. Methaemoglobin 43, 527. Methylamin 4H2. Mienenspiel 7-4* ». 711. 842, 845, 851. Mikrococcen s. Spaltpilze. Mikrococcus Ptiiigeri 204. Mikrococcus prodigiosus 446. Mikrococcus ureae 521. Mikrocyten 36. Mikroskopie des Capillar- stromes 180- Mikropvle 1019. Milch 443. Milchdrüse 440. Milchfieber 443- Milchpräparate 447. Milchproben 440 . Milchsäure 315, 348, 445, 489. Milchzucker 348, 444, 491. Millon's Reagenz 483. Milz 198. Milzblut 32. Mimischer Gesichtskrampf 741. Mischfarben 910- Mitbewegung 773, 831, 926- Mitempfindungen beim Hören 972. Mittelhirn 850. Mittelplatten 1029. Mogiphonie 653. Molekularbewegung 277. Molekulartheorie 696. Moleküle 3. Molke 443. Monochromatische Aber- ration 892. Monokratie 140. Monoplegie 843. Monospasmus 844. Monotonie 653. Morgagni"sche Hvdatide 1057. Most 455- Motorische Eindencentra 827, 840. Motorische Rückenmarks- centra 781. Motorisches Sprachcen- trum 845. Motorische Sprachbahn 845. Mouches volantes 896. Mouvement de manege 854. Mouvement de va et vient 183. Mucedin 485. Mucin 485. Müller*scher Gang 1057. Müllei'sche Ventile 237. 239. Joh. Müller"s Versuch 11»», 149. Münzenklirren 22! I . Multiplicator 679- Muudbildung 1010. Mundflüssigkeit 2 7 1 j . Mundhöhle 267. Mundhöhlenpuls 155. Mundwerkzeuge 362. Murexidprobe 509. Musivisches Sehen 904, 940. Muskelbewusstsein 832, 842, 857. Muskelcontraction 593. Muskeldegeneration 622, 673, 785. Muskelelemente 573. Muskelfasern 571. Muskelfasern des Herzens /ö. Muskelgefühl 593, 997. Muskelgenese 576. Muskelgeräusch 609. Muskelinsuificienz 619. Muskelirritabilität 587. Muskelkästchen 573- Muskelkörperchen 573. Muskelmagen 361. Muskelmechauik 615. Muskeln 571. Muskelplasma 578. Mnskelplatte 1033. Muskelregeneration 477. Muskelreize 587. Muskelserum 578. Muskelspectrum 592. Muskelspindel 575. Muskelstarre 582. Muskelstrom 688. Muskelton 609. Muskeltonus 781 1. Muskelzucker 492. Mutae litterae 650. Mutterkuchen 1038. Mydriasis paralytica 723. Mydriatica 895. Myelinformen 26(1. 322, 659. Myelinzellen 260. Myogramm 593. Myographium 592. Myopie 887. Myoryctea 577. Myosin 484, 579. Myosis spastica 723. Myotiea SJI.j. Nabel 1031. Nabelblase 1031. Nabelstrang 1039. Nabelstranggeräusch 186. Nachbilder 917. 1080 Sachregister. Nachempfindungen 990. Nachhall 972- Nachhirn 1060, 1027. Nachklang 972. Nackenkrümmung 1029. Nährflüssigkeit der Spalt- pilze 347. Nagel 555- Nagelbett 556. Nagelbildung 556. Nagelfalz 556. Nagelmatrix 556. Nahepunkt 886. Nahrungsbedarf 462. Nahrungs-Dotter 1010. Nahrungsmittel 436, 459. Naht 615. Narbe 480. Nase 974. Nasenbildung 1063- Nasenhöhlenpuls 154. Nasenlaute 650. Nasentöne 645. Nebennieren 202. Nebenschliessung 677. Necrose 472. Negative Phase des Elek- trotonus 695. Negative Schwankung im Nerven-Strome 692. Negative Stromesschwan- kung 690. Negativitätswelle 691. Neigungsstrom 688. Nephrotomie 543. Nephrozymose 516. Nerven 657. Nervendegeneration 672. Nervendehnung 666. Nervenendhügel 575. Nervenendigungen 575, 577. Nervenendkolben 982. Nervenendplatten 575. Nervenermüdung 672. Nervenerregbarkeit 665. Nervenerregung 665. Nervenfasern 657. Nervenfibrillen 657. Nervengeweih 575. Nervenleitung 707, 709. Nervennaht 673. Nervenphysiologie 657. Nervenregeneration 477, 673. Nervenreize 665. Nervenringe 983- Nervenschollen 577. Nervenstrom 689, 692. Nervenwurzeln 761, 1061. Nervenzellen 661. Nervosität 671. Nervus abducens 735. Nervus accessorius 759. Nervus acusticus 741. Nervi ciliares 726, 894. Nervus depressor 750, 810. Nervi erigentes 779. Nervus facialis 736. Nervus glossopharyngeus 745. Nervus hypoglossus 756. Nervus oculomotorius 722. Nervus olfactorius 720. Nervus opticus 720. Nervus sympathicus 762. Nervus trigeminus 724. Nervus trochlearis 724. Nervus vagus 745. Nessler's Reagenz 439. Netz-Bildung 1056. Netzhaut 868- Netzhautbild 901. Netzhautcapillaren 869, 897. Netzmagen 361. Neugeborne, Gewichtsab- nahme 481. — Grösse 481. — Puls 140. — Sinnesthätigkeiten 863. — Stoffwechsel 481. — Wärme 413. Neuralgie 714, 735. Neurasthenia gastrica 358 . Neuroglia 768. Neurokeratin 660. Neuromuskelzellen 587. Nickhaut 940. Niere 494. Nierengang 1057. Nierennerven 542, 753. Niesen 234. Noeud vital 796. Nonnengeräusch 187. Normalsichtigkeit 886. Nubecula 500. Nuck'scher Gang 1059. Nuclein 486. Nucleus lentiformis 786, 850. Nyktalopie 722. Nymphen, Bildung 1060. Nystagmus 723, 744, 855, 858, 926. Oberhaut 555. Oberkieferfortsatz 1046. Obertöne 964. Obesitas 470. Obst 453. Odontoblasten 289. Oedem 394. Oeffnungstetanus703, 706. Oeffnungszuckung 702, 705. Oelsäure 488. Oesophagus 294. Ohm 677. Ohm'sches Gesetz 676. Ohrensausen 742, 971. Ohrmuschel 944. Ohrschmalz 562. Ohrschmalzdrüsen 560. Oidiuni 261. Olein 488. Oligämie 74. Oligocythämie 75, 196. Omnivoren 459. Onomatopoesis 655. Ontogenie 2, lt.65. Ophthalmia intermittens 728. — neuroparalytica 728. Ophthalmometer 880. Ophthalmoskop 902. Ophthalmoskopisches Bild 901. Ophthalmotrop 926. Optik 872. Optische Achse 905. Optische Cardinalpunkte 875. Optogramm 908. Optometer 888. Ora serrata 869. Organ-Eiweiss 466. Orthoskop 902. Osmazom 449. Osmidrosis 568. Osmose 369. Ossification 1050. Osteomalacie 621. Osteoblasten 479, 1050. Otolithen 958, 973. Ovarialschläuche 1008. Ovulation 1013. Ovarium, Bildung 1058. Ovum 1007. Oxalsäure 489, 510. Oxalurie 511. Oxalursäure 510- Oxyakoia 742. Oxyhämoglobin 41, 66, 248, 526 (s. Hämo- globin). Ozon im Blute 67. — Ozonerreger 67. — Ozonüberträger 67, 526. Sachregister. 1081 Pacini'scke Flüssigkeit 23. — Körperchen 981. Palmitinsäure 488. Pancreas 317. — Nerven 323. — Ausrottung 323. — Bildung 1034. Pancreasfistel 318. Pancreas-Ptyalin 320. Pancreatin 320. Pancreatischer Saft 318. Pangenesis 1066. Pansen 361. Pansphygmograph 130. Papilla foliata 980. Parablast 1030. Paradoxe Eeaction des Hörnerven 742. Paradoxe Zuckung 695. Paraglobulin 55, 484. Parakresol 493, 515. Paralgie 996. Paralytischer Speichel 273- Paramilchsäure 489. Paramylum 492. Paraoxyphenylessigsäure 515. Paraphasie 846. Paraxanthin 493, 510. Parelektronomische Schicht 696. Parenchymatöse Injectio- nen 394. Paridrosis 567. Parietalauge 940. Parotis-Speichel 275. Parthenogenesie 1002. Partikeln 3. Passavant'scher Wulst 292, 646. Passgang 630. Passive Insuffizienz 619. Pathischer Reflex 776, 785. Pathogene Schizomyceten 256, 347, 439. Pathologische Pulse 139, 145, 149, 155. Paukenhöhle 953, 1063. Pecten 940. Pectoralfremitus 231. Pediaeacurve 144. Pedunculi cerebelli 854, 856. Pedunculi cerebri 789, 852. Pemmikan 450. Pendelbewegung 627. Pendelmvographium 592. Penis 1015. — Bildung 1059. Pepsin 307, 487. Pepsinschläuche 305. Peptone 312, 374, 484. Peptonurie 523. Percussion 226. Percussionsschall 226, 228. Peritoneumbildung 1056. Pericardium 81. Pericardialflüssigkeit 387. Perimeter 906. Perimysium 571. Perineurium 661. Periost 478. Periphere Wahrnehmung 881, 996. Peristaltik 291, 295, 297, 359. Perivasculäre Räume 381. Perniciöse Anämie 36, 196. Persönliche Gleichung 824. Perspiration 250, 563. Pes valgus, varus, equinus 621. Petit'scher Canal 870. Pettenkofer'sche Probe 332. Pferdekraft 604. Pflanze und Thier 11. Pflanzen-Albumin 485. Pflanzen- Casein 485. Pflanzenfibrin 485. Pflanzenleim 485. Pförtner 295. Pfortaderbildung 1054. Phänakistoskop 917. Pkagocyten 34. Phantasmen des Gehöres 743, 848. Phantasmen des Geruches 720, 848. Phantasmen des Ge- schmackes 848, 980. Phantasmen des Gesichts 721, 847, 899- Phenol 321, 351, 493, 514. Phenolschwefelsäure 514. Phlebogramm 188. Phlegmone 391. Phonautograph 647. Phonische Lähmung 653. Phonograph 967. Phonometrie 229. Phosphen 897. Phosphorsaure Salze 482, 517. Photopsie 721. Phrenograph 214. Phrenologie 821. Phycomyceten 531. Ph'vlogenie 2, 1065. Physiologie, Definition, Aufgabe, Stellung 1. Physiologisches Rheoskop 689. Piezometer 119. Pigmente 487. Pigmentbildung aus Blut 30, 49, 199, 261». Placenta 1017. Placentargeräusch 186. Placenta sanguinis 52. Plasma 50. — des Blutes 50. — Isolirung 51. — Quantitative Bestim- mung 51. — Chemie 60. Plasmafibrin 60. Plastische Nahrungs- mittel 494. Plessimeter 226. Plethysmograph 193. Plexus cardiacus 104. Plexus coronarius 105. Plexus myentericus 301- Plexus renalis 542. Plica urogenitalis 1058- Pneumaticität der Knochen 265. Pneumatische Cabinete 149. Pneumatometer 233. Pneumograph 215. Pneumonometer 211. Pleuroperitonealhöhle 1029. Poikilotherme Thiere 402- Points douloureux 735, 996. Poiseuille'scher Raum 180. Pökeln 450. Polare Wirkung des elek- trischen Stromes 705. Polarisation, elektrische 680, 681. Polarisationsapparat 283, 528, 578. Polarisationsbüschel 899. Polyaeinia 72. — apocoptica 72- — aquosa 73. — hyperalbuminosa 73. — polycythaemica 73. — serosa 73. — transfusoria 72. Polvarthrodiale Muskeln 619- Polyopia monocularis 893. Pons 853. Porenkanälchen 1007. Positive Phase des Elek- trotonus 695. 1082 Sachregister. Postmortale Temperatur- Steigerung 431. Prämortale Athemzüge 218. Presbyopie 888. Pressorische Nerven 810. Pressstrahl 185. Primärfurchen des Hirns 830. Primärstellung der Augen 923. Primitivstreifen 1024. Primordial cranium 1045. Principe der merklichen Unterschiede 985, 987. Processus falciformis 940. Processus vaginalis 1059. Projectionssysteme des Ge- hirns 786. Pronationsgelenk 613. Pronucleus 1021. Propepsin 309 Propepton 312, 320, 523. Prostata 1057, 1004. Protagon 655. Protisten 15. Protsäure 485. Pseudohypertrophie der Muskeln 622. Pseudomotorische Wirkung 738, 819. Pseudonavicellen 1000. Pseudoskop 933. Psychische Gehirnthätig- keit 821. Psychoakustisches Cen- trum 836, 848. Psychogeusisches Centrum 836, 848. Psychomotorische Centra 828, 840. Psychooptisches Centrum 834, 846. Psychoosmisches Centrum 836, 848. Psychophysisches Gesetz 863, 971. Psychosensible Centra 836, 848. Psychrometer 240. Ptomaine 314. Ptosis 723. Ptyalin 275, 279, 487, 516. Ptyalismus 275. Pubertät 1011. Pulmonalis, Blutdruck 170. Puls, Verschiedenheiten 140. — Stärke 142. — Grösse 142. ! Puls, Spannung 142. j — Zeit 140. I — Anomalien 139, 141, 154. Pulsatorische Körper-Er- schütterung 156. Pulsatorische Muskelcon- tractionen 155. Pulsauscultation 187. Pulsbewegung 121, 134. Pulsbewegung, Fortpflan- zungs-Geschwindigkeit 153. Pulscurve 134. — Bezeichnung 132. — anakrote und katakrote 132, 145. — Ausmessung 133. — der verschiedenen Ar- terien 142. — Einfluss der Athmung 147. — Einfluss der Belastung 150. — Rückstosselevation 135. Pulsgeräusch 187. Pulsrhythmen 141. Pulsuhr 142. Pulsuntersuchung 127. Pulsus alternans 141. Pulsus bigeminus 141. Pulsus capricans 140. Pulsus dicrotus 139. Pulsus monocrotus 140. Pulsus paradoxus 149. Pulszeichner 129. Pupille 893. Purkyne'sche Spiegel- bildchen 884. Pylorus 295, 296. Pylorusinsufficienz 357. Pyramidenbahnen769, 783, 789, 842. Quarrversuch 773. Quecksilberdruckwaage 989. Quecksilbereinheit 677. Quecksilberinunction 569. Quergestreifte Muskeln 571. Rachitis 621- Eaddrehungen der Augen 923. Radiali scurve 143. Räuchern 450. Räuspern 234. Randzellencomplexe 270. Rasseln 231. Raumsinn 985. Reactionsstoss 92. Reactionszeit 824. Rectum 298. Rechtshändigkeit 845. Reducirtes Auge 879. Reflectorische Erregungen 771. Reflectorische Pupillen- starre 896. Reflexe 771. — Pathologie 777. Reflexhemmung 775. Reflexhemmungscentra 775. Eeflexkrampf 771. Reflextonus 780. Reflexzeit 774. Refractionsanomalien 887. Refractionszustand 886. Refractäre Periode der Herzaction 106. Reibegeräusche 231. Reibungsgeräusche der Thiere 656. Reibungsgeräusch 650. Reibungslaute 650. Reibungs-Lippenlaute 651. Reitbahnbewegung 854. Reize 587, 665. Regeneration 475. Regenwasser 437. Remak'sche Fasern 657. Reneuli 552. Reserveluft 211. Residualluft 211. Resonanten 650. Resonatoren 964. Resorcin 515. Resorption im Darm 372. Resorption parenchyma- töser Ergüsse 393. Resorptionsicterus 338. Respiration 206. Respirationsapparate 237. Respiratorische Nahrungs- mittel 494. Respirationsluft 211. Reticulum 361. Retina 903. Retinapurpur 868, 908. Retinaströme 694. Retinomotorische Fasern 909. Rheochord 677. Rheostate 678. Rheumatische Lähmungen 584. Sachregister. 1083 Rhinoskopie 642. Rhodankalium 275, 515. Rhonchi 231. Richtungskörperchen 1021. Riechgrube 1063. Riechzellen 975. Riesenblutkörperchen 36. Riesenwuchs 735. Riffzellen 555. Rindencentra 827, 840. Rippenheber 221. Ritter'scher Oeffnungs- tetanus 703, 706. Ritter-Valli'sches Gesetz 674. Röhrenathmen 230. Röhren-Sphygmometer 129. Rohrzucker 491. Rollbewegung 854 Rosenmüller'sche Grube 643. Rosenmüller's Organ 1036. Rotatio 613. Rotationsapparat 685. Rothblindheit 915. Rothsehen 916. Rübenzucker 491. Rückenfurche 1027. Rückengei'äss 204. Rückenmark 766. — Bildung 1061. Rückenmarksnerven 757. Rückenmarksseele 773. Rückenmarksstrom 692. Rückenwülste 1027. Rückläufige Sensibilität 757. Rückläufiger Puls 145. Rückschlag 1065. Rückensaite 1029. Rückstosselevation 135. Rumination 297, 361. Saccadirtes Athmen 231. Saccharification, s. diasta- tische Fermente. Saccharomyces, s. Hefe. Saccharose 491. Saftkanälchen 3 79. Saftspalten 379. Salat 453. Salze des Körpers 482. Salzsäure 308, 482. Salpetersäure im Wasser 438. Salpetrige Säure iin Wasser 439. Samen 1003. Samenähren 1006. Samenaufnahme 1018. Samenkrystalle 1004. Samenfaden 1605. Samengenese 1006. Samensaftzellen 1007. Sammelröhre 496. Saprophyten 447. Sarcina ventriculi 261, 358, 531. Sarkin s. Hypoxanthin. Sarkosin 493- Sattelgelenk 614. Satyriasis 1017. Sauerstoff im Blut 41, 66. — bei der Athmung 241, 248, 250. — Bestimmung 236. Saugen 284. Saugmagen 362. Säurealbuminate 484. Säure-Harn gährung 520. Säurestarre 585. Schädelbildung 1044. Schädelwirbel 1045. Schall 943. Schallentfernung 971. Schallrichtung 971. Schallstärke 971. Schaltstück 496. Scheinbare Grösse 880, 934. Scheiner' scherVersuch 885. Schenkeldrüsen 569. Scheitelkrümmung 1029. Schenkelschall 226 Schiefe Beleuchtung 903. Schielen 723, 724, 736, 855, 928. Schilddrüse 201, 1047. Schimmelpilze 531. Schizomyceten 261, 347, 356, 531, 567. Schlaf 825. Schleifenkanäle 552. Schleim 485. Schleimbecher 3< 14. Schleimdrüsen 267. Schleimhautstrom 690. Schlcimzellen 270. Schleimzucker 491. Schlemm'scher Canal 866. Schliessungstetanus 669, 703, 705. Schliessunsszuckunir 669i 703. Schlingen 291. Schlittenapparat 685. Schluchzen 235. Schluckbewegungen 291. Schlucknerven 293. Schlundgefiecht 746. Schlundring 860. Schlundrinne 361. Schlürfen 284- Schlüsselelektrode 686. Schlüssel zum Tetanisiren 686. Schmelz 286. Schmelzorgan 288. Schmelzprismen 286. Schmerz 994. Schnarchen 235. Schnauben 234. Schnecke 958. — Bildung 1063. Schnelligkeit der Puls- wellen 153. Schneuzen 234. Schnürleber 326. Schnürringe 660. Schnurren 231. Schräge Gesichtsspalte 1046. Schraubencharniergelenk 613. Schreger's Linien 286. Schreiner's Basis 1004. Schritt 627. 630. Schröpf Stiefel 263. Schutzbrillen 891. Schwann'sche Scheide 657, 660. Schwanzdarmhöhle 1031. Schwanzkappe 1031- Schwebungen 969. Schwedische Heilgym- nastik 6"^0. Schwefelsäure 438, 482, 518. Schweiss 562. Schweisscentra, spinale 565. Schweisscentrum 820. Schweissdrüsen 560. Schweissnerven 565. Schwelle 863. Schwellenwerth 668, 863. Schwerkraft 4. Schwerlinie 623. Schwerpunkt 623. Schwimmen 630. Schwindel 743, 855. Sclera 866. — Bildung 1063. Scrotum, Bildung 1060. Scyllit 492. Seborrhoea 568. Sechslinge 1020. Secundäre Pulswelle 135. Secundäre Sinnesempfin- dungen 957. 1084 Sachregister. Secundärer Tetanus 692. Secundärer Tetanus vom Nerven aus 692. Secundäre Zuckung 691. Secundäre Zuckung vom Nerven aus 692. Secundärstellungen der Augen 923. Sedimente im Harn 530. Sedimentum lateritium 508. Seelenblindheit 834, 847 Seelentaubheit 836, 848. Sehaxe 906. Sehnen 478, 574. Sehnenreflexe 777. Sehsphäre 834, 847. Sehsubstanz 913. Seh winkel 880, 935. Seifen 322, 375. Seitendruck in Gefäss- röhren 119, 162. Seitennerv 764. Seitenplatten 1029. Seitliche Beleuchtung 903. Selbststeuerung des Her- zens 83. Selbstverdauung des Ma- gens 316. Semilunarklappen 81, 82, 88. Sensible Nerven 719. Sensorielle Rindencentra 833, 846. Seröse Drüsen 267. Seröse Ergüsse 395. Seröse Hülle 1037. Sericin 486. Serin 486, 492. Serum 50. — Chemie 60. Serum - Albumin 483, 521. Serumglobulin 484, 523. Serum-lDJection 73. Seufzen 235. Shock 773. Simultaner Contrast 919. Sinus lacteus 440. Sirene 633, 944. Sitzen 625. Skatol 351, 514. Skeletverbindungen 612. Skoliosis 620. Skybala 359. Smegma praeputii 562. Somite 1U29. Sonne 14. Soor 261. Sorbit 492. Sorge'sche Töne 970. Spaltpilze s. Schizomy- ceten. Spannkraft 6. Spannungsreihe 675. Spasmus 714. Spasmus glottidis 754. Spasmus nictitans 741. Specifische Energie 862, 908, 913. Specifische Reize 862, 908. Spectral-Apparat, Einrich- tung, 40, 526. Spectrum 40, 909. Spectrum mucolacrimale 896. Speicheldrüsen 269. — Bildung 1055. Speicheldrüsen-Nerven 271. Speichelfluss 275, 357. Speichel körperchen 277. Speichelsteine 275. Speisebrei 312. Speiseröhre 294. Sperma 1003. Spermakern 1021. Spermakrystalle 1004. Spermatoblasten 1006. Sperr-Raum (Athmen in demselben) 253. Sphärische Aberration 892. Spiegelbildchen des Auges 884. Sphincteren 616. Sphygmograph 129. Sphygmometer 129. Sphygmoskop 133. Spina bifida 1033. Spiralgelenk 614. Spiralklappe 361. Spirantes litterae 650. Spirillum 277, 347. Spirochaeta 277, 347. Spirometer 212. Spongin 486. Sporen 347. Sprachcentrum 845. Sprache 646, 845. Sprachmaschine 656. Sprachstörungen 653, 845. Sprossenbildung 999. Sputum 259. Stabkran zfaserung 786. Stäbchen der Netzhaut 868, 903. Stammeln 654. Stärke 491. Stärkezucker 490. Stanius'scher Versuch 108. Starrkrampf 598, 771. Stasis 183. Staub in der Luft 255. Staubinfiltration der Lun- gen 256. Stauungsödem 394. Stehen 622. Steissdrüse 202. Stenopäische Brillen 891. Stenose der Herzostien 98. Stenosengeräusche 185. Stenson'scher Versuch 584. Stereoskope 933. Stereoskopie 930. Stethograph 214. Stethoskop 100, 229. Stickgas im Blute 69. — bei der Athmung 241. Stickstoffdeficit 457. Stigmen 265. Stimmbänder 635. Stimme 632. Stimmbildung der Thiere 654. Stimmlosigkeit 653. Stimmtimbre 645. Stimmumfang 645. Stösse 969. Stoff 2. Stoffwechsel 436, 456. Stoffwechsel als Lebens- zeichen 14. Stoffwechselgleichgewicht 456. Stomata 125, 382. Strabismus 723, 724, 736, 855. Strahlenbrechung im Auge 878. Strangurie 551. Streckkrämpfe 772. Stroboskop 917. Stroma 21, 24, 49, 58, 197. — diastatisches Ferment desselben 49. — Globulin 49. — Uebergang in Faser- stoff 58, 197. Stromafibrin 59, 197. Strombewegung des Blutes 121, 158. Stromgeschwindigkeit in den Gefässen 118, 158, 175, 178. Stromuhr 172. Struma 201, 361, 817. Strychninkrampf 772. Stützbein 626. Subclaviculargeräusch 185. Subcutane Injectionen 394. Sublingualis-Speichel 276. Sachregister. 1085 S ubmaxillaris-Speichel 276. Substantia gelatinosa 768- Successiver Contrast 921. Successionsgeräusch 231. Suflbcation 798. Suggestion 827. Sulci 824. Summation der Reize 106, 772, 829. Sumniationstöne 970. Superföcundation 1020. Superfötation 1020. Supinationsgelenk 613. Surditas verbalis 848. Sutur 615. Sympathicus 762. Sympathische Ophthalmia 721, 728. Symphyse 615. Synchondrose 615. Syndesmose 615. Synergeten 619. Synovia 613. Synovialmembran 613. Synthesen im Thierkörper 511, 514, 541. Syntonin 312, 484. Tabes 783. Tactiler Reflex 776, 784. Taenia 450, 1001. Tagesmittel der Tempera- tur 414. Talgdrüsen 267, 559. Tapetenphänomen 935. Tapetum 902. Tastkegel 983. Tastkörperchen 980. Tastnerven 980. Tastsinn 980. Tastsinnlähmung 994. Tatini'sche Töne 970. Taurin 331, 493. Taurocholsäure 331, 342. Telestereoskop 931, 935. Temperatur-Accommoda- tion 4"2G. Temperaturcurve 415. Temperaturmessung 402. Temperatursch wankungen 412. Temperatursinn 991. Temperatur-Topographie 406. Tenacula cutis 553. Tertiärstellungen der Augen 923. Testa 1010. Tetanomotor 666. Tetanus 598, 771. Thalamus opticus 850. Thätigkeitswechsel der Organe 192. Thaumatrop 917. Thee 453. Thein 453. Theobromin 453. Thermisches Rindencen- trum 837, 846. Thermoelektrische Mes- sung 403. Thermometrie 402. Thier und Pflanze 11. Thierbäder 431. Thiermilch zur Ernährung 446. Thierische "Wärme 397. Thomsen'sche Krankheit 597. Thorakometer 226. Thoraxmaasse 226. Thränen 939. Thränenabsonderung 939. Thränenapparat 938. Thymus 201. — 'Bildung 1047. Thyreoidea 201. — Bildung 1047. Tibialiscurve 144. Tiefendimension, Wahr- nehmung 927. Tiefhörigkeit 947. Tinnitus 742. Todtenstarre 582. Ton 963. Tonhöhe 960. Tonleiter 960. Tonstärke 962. Tonus 299, 766, 780. Tonusschwankungen des Herzens 88. Tonsille 268. Topographie der Hirnrinde 829, 840. Torricelli's Theorem über die Ausflussgeschwindig- keit 118. Trab 630. Trachea 206. Tracheen 265. Trachomdrüsen 937. Transfer* 996. Transfusion 194. Transpiration 250, 563. Transsudate 394. Traube-Hering'sche Druck- schwankungen 167. Traubenzucker 490. Traum 825. Traumatische Degeneration 672. Treibkraft strömender Flüssigkeiten 118. Trichine 450. Trinkwasser, schlechtes 436, 440. Trismus 734. Trommelfell 946. Trommelfellpuls 155. Trommer'sche Probe 280. Trophische Nerven 718. Trübe Schwellung 522. Trypsin 321, 345, 516. Tuba Eustachii 953. — Bildung 1063. Tube 1012. — Bildung 1058. — Tubenschwangerschaft 1019. Tumultus sermonis 846. Tunicin 492. Turnen 620. Tympanitischer Percus- sionsschall 228. Tyrosin 321, 492, 531. Ueberfruchtung 1020. Uebergangswiderstand 680. Ueberhitzung 427, 430, 799. Ueberlastung 594. Uebermaximale Reizung 669. Ueberschwängerung 1020. Ueberwanderung des Eies 1020. Ultraviolette Strahlen 909. Umkehren des Interv alles 960- Umklammerungsversuch 773. Unbestimmtes Athmen 229. Unhörbare Töne 963. Unipolare Inductionswir- kung 670, 683. Unpolarisirbare Elektro- den 679, 681. Unterdrückte Hautthätig- keit 562. Unterkieferfortsatz 1046. ürachus 1057. Urämie 195, 543, 832. Urdarm 1023. Ureteren 345. Uretra 547. Urmund 1034- Urniere 552, 1056. 1086 Sachregister. Urnierengang 1056. Urobilin 47, 334, 341, 513, 527. Urobilinicterus 513. Urochrom 513. Uroerythrin 513. Uromelanin 513. Urorubin 513. Urostealith 535. Ursprache 655. Urwindungen des Gehirns 830. Urwirbel 1029. Urzellen 1022. Urzeugung 993. Uteringeräusch ISO. Uterinschleimhaut 1013, 1036. Uterusbewegung 1064. Uterus duplex 1058. Uteruserregung 1018. Uterusnerven 1064. Uvea 866. Vacuole 204. Vagina duplex 1058. Valsalva's Versuch 115, 148. Varicen 169. Varicöse Fasern 659. Vas aberrans 1057. Vasa coronaria cordis 82. Vas afferens 496. Vasa vasorum 126, 208. Vas efferens 496. Vasoconstrictoren 808. Vasodilatatoren 817. Vasoformativzellen 28. Vasomotoren 808. Vater'sche Körperchen 966. Veine fluid 185. Venenbau 125. Venendruck 169. Venenentwickelung 1053. Venen geräusche 187. Venenpuls 188. Venenpuls der Netzhaut 190. Venenpulscurve 188. Venensinus 126. Venen ström 183. Venöser Blutdruck 169. Ventilation 256. Ventrikel des Herzens 79. Venulae rectae 497- Verblutungstod 75, 814- Verbrennung 356. Verdauungsschwäche 358. Verdauungsstörungen 357. Verkürzungsrückstand 595, 714. Verlängertes Mark 793. Vernachlässigung der Doppelbilder 927, 929, Vernix caseosa 562. Verschlusslaute 650. Verstopfung 359. Vesiculäres Athmungs- geräusch 229. Vielgelenkige Muskeln 619. Vierhügel 853. Vierlinge 1019. Visceralbögen 1034, 1047. Vicerale Angioneurosen 817. Visceral spalten 1034, 1047. Vitale Capacität 212. Vitellin 447. Vocal-Analyse 965. Vocalapparate 966. Vocale 646. Vocale, künstliche 966. Vocalflammen 967. Vocalhöhe 646. Vocalhöhlen 646. Vocal-Köpfe, künstliche 648. Vocal Zusammensetzung 965. Vogelei 447. Volt 677. Volta-Induction 683. Volta'sche Alternative 706. Volumen 2. Volvulus 359. Vordere Wurzeln 757. Vorderhirn 1027, 1060. Vorhöfe des Herzens 78. Vorhof des Labyrinthes 958. Vormagen 361. Vorraths-Eiweiss 466. Wachsthum 481. Wärme 7, 10, 397. — Unisatz aus Arbeit 7. — Wesen derselben 8. Wärmeapplication 431. Wärmeaufspeicherung 427. Wärmebilanz 421. Wärmebildung im Muskel 408. Wärmecentra der Hirn- rinde 837, 846. Wärmeeinheit 8, 397, 399. Wärmeleitung der Gewebe 412. Wärmeproduction 407- Wärmequellen 399. Wärmeregulirung 416. Wärmeregulirungscentrum 417, 837. Wärmestarre 585. Wärmestrahlen 909. Wanderzellen 182, 390. Warmblüter 401. Warze (Brust) 441. Warzenhof 441. Wasser 438. Wasserabgabe 462. Wassercalorimeter 398, 410. Wasssergefässsystem 204, 265, 363. Wasserstarre 585. Wasseruntersuchung 438- Wehen 1063. Wein 455. Weinbereitung 455. Weinen 235. Weitsichtigkeit 888. Wellen 121, 943. Wellenbewegung in ela- stischen Röhren 121. Wettstreit der Sehfelder 934. Widerstandseinheit 677. Widerstände bei der Strom- bewegung 119. Wiederkäuer 361. Windrohr 633. Winkelgelenk Ijl3. Wirbelsäule 623. Wolff'scher Körper 1056. Wolfsrachen 1046. Wollustkörperchen 982. Wortblindheit 847. Worttaubheit 848. Wundernetze 77. Wurstgift 450. Wurzeln der Rücken- marksnerven 757- Wurzelscheideu 757. Xanthin 493, 510. Xanthokyanopie 915. Xanthoproteinsäure 483. Zahn 286. Zahnbein 286. Zahncanälchen 286. Zahnentwickelung 288. Zahn fasern 286. Zahnfleisch 288. Zahnfurche 288. Sachregister. 108- Zahnpulpa 288. Zahnsäckchen 289- Zahnstein 275. Zahn Wechsel 289. Zapfen der Netzhaut Slii», 905. Zeigerbewegung 854. Zeitliche Verhältnisse der Herzbewegung 94. — bei beschleunigtem Herzschlag 95. — der Pulsbewegung 133. Zerstreuungskreise 881. Zeugung 999. Zitterfische Tili. Zitterkrampf 714. Zittern 598. Zitterlaute 650. Zitter-Lippenlaut 651. Zoetrop 918. Zona 1007. Zonula Zinnii 870, 883. Zoogloea 277, 347. Zoster 735. Zucker 280, 4M0, 528. Zuckerbildung, s. diasta- tische Fermente. Zuckerharnruhr 329, 359, 528. Zuckerproben 280, 528. Zuckungscurve 593. Zuckungsgesetz 703. Zugeordnete Retinapunkte 927, 928, 932. Zunge 290. Zungenbewegungen 290. Zungenfleischnerv 291, 756. Zungenfollikel 268. Zungen-Hartgaumen-Con- sonanten 652. Zungenkranipf 757. Zungenlähmung 291, 654, 7o7- Zungenlaute 651. Zungenpapillen 977. Zungen- Weichgaumen-Con- sonanten 652. Zwangsbewegungen 854. Zweiaxiges Gelenk 614- Zweigelenkige Muskeln 619. Zwergblutkörperchen 36. Zwerchfell 220. Zwillinge 1041, 1019. Zwillingseihäute 1041. Zwischenhirn 1060. Zwischenkiefer 1046- Zymogen 309, 321. Zymogene Schizomvceten 347. Comp, in Wien, I , AugustinersI VERZEICHNIS WICHTIGER MEDICLMSCHER WERKE AUS DEM VERLAGE URBAN & SCHWARZENBEBG WIEN UND LEIPZIG. NOVEMBER 1890. MEDICTNISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN "WIEN UND LEIPZIG. REAL-ENCYCLOPÄDIE DER GESAMMTEN HEILKUNDE. Medicinisch-chirurgisches Handwörterbuch für praktische Aerzte. Unter Mitwirkung von 131 Professoren und Docenten herausgegeben von Prof. Dr. ALBERT EULENBURG. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage. ]Mit zahlreichen Holzschnitten. Band I — XXII, eomplet. Preis pro Band brosch. : 15 M. = 9 fl. ; elegant gebunden : 17 M. 50 Pf. = 10 fl. 50 kr. Preis des ganzen Werkes (22 Bände): eieÄlsSiSiliÄ:5 Kann auch in Heften ä 1 M. 50 Pf. = 90 kr. bezogen werden. Da eine neue Auflage für die nächsten Jahre nicht in Aussicht genommen ist, so hat die Verlagshandlung, um das grosse und kostbare "Werk vor dem Veralten ZU bewahren und es auf der Höhe der Wissenschaft zu erhalten, sich dazu entschlossen, dasselbe durch, nach Massgabe des Stoffes, alljährlich zur Ausgabe gelangende Supplementbände zu ergänzen. Diese werden, unter dem Titel: Encyclopädische Jahrbücher der gesamten Heilkunde. Ergänzungsbände zur Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde erscheinend, in gleicher alphabetischer Ordnung in selbständigen Artikeln die neueren Errungen- schaften der medicinischen Wissenschaft zur Darstellung bringen und sich auch in Form und Ausstattung dem Hauptwerke anschliessen. Illustration sprobe : Fig. 8. Unterer Theil des Ileum und Anfang des Colon. — Die Peyer'schen Plaques in der Nähe der Ileocöcal- klappe stark geschwollen und elevirt, ihre Oberfläche sehr höckerig , schwammartig. (Die Zell- wucherung betrifft vorzugsweise die Follikel, durch deren Anschwellung die Schleimhaut in unregel- mässiger Weise in die Höhe gezogen wird; Plaques molles , Louis.) Solitärdrüsen , auch im Colon, vergrössert. Mesenterialdrüsen stark angeschwollen. (Achtjähriges Kind, Mitte der zweiten Krankheits woche.) MEDICINISCHER VERLAG VON UßßAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. EEAL-ENCYCLOPÄDIE DER GESAMMTEN PHAKMAOIE. Handwörterbuch für Apotheker, Aerzte und Medicinalbeamte. Unter Mitwirkung von 83 Fachgenossen herausgegeben von Dr. EWALD GEISSLEE, und Dr. JOSEF MOELLEß, Professor der Chemie und Redacteur der „Pharmaceutischen Centralhalle" in Dresden o. ö. Professor der Pharmakologie und Pharmakognosie an der Universität Innsbruck. Mit zahlreichen Illustrationen in Holzschnitt. Erschienen sind bisher: Band. I — IX. Dürfte mit 10 Bänden vollständig werden und voraussichtlich Anfangs 1891 zum Abschluss gelangen. Preis pro Band (15 Hefte) brosck. : 15 M. = 9 fl. ; eleg. geb. : 17 M. 50 Pf. = 10 fl. 50 kr. Kann anch in Heften ä 1 Mark = 60 kr. bezogen werden. Fig. 14. Fig. 16. Fip;. 1£ MEDICINISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. THERAPEUTISCHES LEXIKON FÜR PRAKTISCHE ÄRZTE. UNTER MITWIRKUNG DER HERREN Doc. Dr. C. BEEUS — Dr. A. EITELBERG- — Doc. Dr. E. FINGER — Doc. Dr. S. FREUD — Doc. Dr. FELIX KAUDERS — Doc. Dr. L. KÖNIGSTEIN — Dr. R. LEWANDOWSEI — Doc. Dr. J. NEVINNY — Dr. 0. POSPISCHIL — Doc. Dr. W. ROTH — Dr. M. T. SCHNIRER — Doc. Dr. R. STEINER Freih. v. PFUNGEN — Dr. M. WITZ1NGER — Dr. OTTO ZUCKERKANDL HERAUSGEGEBEN VON DR ANTON BUM, REDACTEUE DER „WIENER MEDIZINISCHEN PRESSE". MIT ZAHLREICHEN ILLUSTRATIONEN IN HOLZSCHNITT. Erscheint in einem Bande von circa 60 Druckbogen. Die Ausgabe findet in Lieferungen ä 3 Druck- bogen statt. Bis jetzt (November 1890) liegen bereits 14 Lieferungen vor. Die Vollendung des Werkes dürfte Anfang 1891 zu erwarten sein. Preis pro Lieferung 1 M. SO Pf.= 72kr. ö. "W. Text- und Illustrationsprobe: Fig. l. Arterien-Unterbindung.fz./>afc/r.j Dieselbe wird entweder am Orte der Verletzung oder, falls dies in Folge hochgradiger Retraction des durchschnittenen Gefässes, aus anatomisch-topographischen oder anderen Gründen nicht thun- lich erscheint, am Orte der Wahl, in der Continuität des Gefässes ausgeführt. I. Ligatur in der Wunde. Hiezu bedarf man Instrumente zum Fassen des Gefässes und Ma- terials für die Umschnürung. Zu ersterem Zwecke dienen vorzüg- lich die Schieberpincetten (Fig. 1), zu letzterem sorgfältigst desinfi- cirte (aseptische) Catgut- oder Seidenfäden (s.Naht). Behufs Aus- führung der Ligatur wird zu- nächst das durchschnittene Ge- fäss mit der in der vollen Hand ruhenden Schieber- oder Sperr- pincette , auf deren Knopf die Endphalange des Datimens ruht, gefasst und mit Hilfe der von der linken Hand geführten ana- tomischen Pincette isolirt. Ver- fügt man über Assistenz, so lässt man sich von einem Gehilfen das Gefäss leicht vorziehen; fehlt diese, so muss die Schwere der herabhängenden Sperrpincette das Vorziehen des Gefässes be- sorgen. Sodann schlingt man den Faden, welchen man in der fla- chen Hand mit eingeschlagenen drei letzten Fingern hält und mit Daumen und Zeigefinger fasst. Hat die Schlinge die Pincette passirt, befestigt man die- selbe an dem Gefässe in der Weise, dass man die Spitzen der einander den Rücken zukeh- renden und an einander gestemmten Zeigefinger möglichst nahe an das Gefäss bringt und dann von einander entfernt (Fig. 2). Ebenso erfolgt die Schürzung des Knotens, worauf man die Pincette entfernt und die Fadenenden etwa 1 Cm. vor dem Knoten durchschneidet. Zu den üblen Zufällen bei der Ligatur zählt das Mitfassen der Pincettespitzen. Dasselbe wird dadurch verhindert, dass ein Gehilfe den Zeigefinger auf die Pincette setzt und deren Spitzen während der Schiingenschürzung mit Fig. 2. seinem Nagelrande deckt, bei Mangel eines Assistenten durch Heben und Vorziehen des Gefässes mittelst des umgelegten Fadens vor Schürzung des Knotens. Hastiges, ruckweises Anziehen des Fadens hat häufig Abreissen des- selben zur Folge. MEDICINISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre. Vorlesungen für praktische Aerzte und Studirende. Von Dr. EDUARD ALBERT, k. k. Hofrath, o. ö. Professor der Chirurgie und Vorstand der I chirurg. Klinik an der k. k. Universität Wien. Vierte, umgearbeitete Auflage. Vier Bände. I. Band. Die chirurgischen Krankheiten des Kopfes und Halses. Mit 135 Holzschnitten. VIII und 543 Seiten. II. „ Die chirurgischen Krankheiten der Wirbeisäule, der Brust, des Schultergürtels und der oberen Qlled- mas8en. Mit 214 Holzschnitten. IV und 559 Seiten. Die chirurgischen Krankheiten des Bauches, des Mastdarms und der Scrotalhöhle. Mit ca. 130 Holz- schnitten. IV und ca. 600 Seiten. Die chirurgischen Krankheiten des Beckens und der unteren Gliedmasse. Mit ta. 230 Holzschnitten. IV und ca. 600 Seiten. Preis für jeden Band : hroschirt 12 Mark = 7fl. 20 kr. ö.W. ; eleg. geb. 14 Mark = 8fl. 40 kr. ö. W. Die Bände III und IV, z. Z. in Vorbereitung, werden voraussichtlich bis 1891 zur Ausgabe gelangen. III IV. Lehrbuch der Psychiatrie für Aerzte und Studirende. Von Dr. Rudolf Arndt, Professor und Director der psychiatrischen Klinik an der Universität Greifstcald, Director der Provinzial-Irren- Anstatt daselbst. IV und 637 Seiten. Preis: broschirt 10 Mark = 6 ti. ö. W. ; eleg. geb. 12 Mark = 7 fl. 20 kr. ö. W. DIE NEURASTHENIE (Nervenschwäche), ihr Wesen, ihre Bedeutung und Behandlung, vom anatomisch-physiologischen Standpunkte fü !• Aerzte und Studirende bearbeitet von Dr. RUDOLF ARNDT, Professor der Psychiatrie und Director der psychiatrischen Klinik an der Universität Qreifswald, Director der ProYinr.i.il-IrrenAnstult dsselbst. VI und 2G4 Seiten JPreis: broschirt 6 Mark = 3 fl. 60 kr. ö. W.; eleg. geb. 7 M. 50 Pf. = 4 fl. 50 kr. ö. W. MEDICINISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. Der Verlauf der Psychosen. Von Dr. Rudolf ABWDT, Professor der Psychiatrie und Director der psychiatrischen Klinik an der Universität Greifswald und Dr. August DOBLM, weil. Assistenzarzt a. d. Universität Greifswald. Mit 21 theilweise farbigen Curventafeln. 48 Seiten. IPreis: brosch. 4 Mark = 2 fl. 40 kr. ö. W. Leitfaden der Veterinär - Polizei für Stallt- und Bezirksärzte, Thierärzte, Sanita'lsbeamte, sowie für Physikats-Candidaten. Von Dr. ANTON BARANSK1, Professor an der k. k. Thierarzneischule in Lemberg. VI und 198 Seiten. JPreis: broschirt 4 Mark = 2 fl. 40 kr. ö. "W. ; eleg. geb. 5 M. 50 Pf. = 3 fl. 30 kr. ö. "W. Preis: broschirt 4 Mark = 2 fl. 40 kr. ö.W.; eleg Anleitung zur :i- ond Ms für Stadt- und Bezirksärzte, Thierärzte, Sanitätsbeamte, sowie besonders zum Gebrauch für Phjsikats-Candidafen. Mit gleichmässiger Berücksichtigung der deutschen und österreichischen Gesetzgebung. Von Dr. Anton Baranski, Professor an der k. k. Thierarzneischule in Lemberg. Dritte, gänzlich umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit 6 Holzschnitten. IV und 248 Seiten. 5 M. 50 Pf. = 3 fl. 30 kr. ö. W. Die Trunksucht und ihre Abwehr. Ein Beitrag zum derzeitigen Stand der Alkoholfrage. Von Dr. A. BAER, königl. Sanitätsrath, Oberarzt am Strafgefängniss Plötzensee und Bezirks-Physikus in Berlin. 83 Seiten. Frei» : broschirt 2 Mark 50 Pf. = 1 fl. 50 kr. ö. W. Lehrbuch der Arzneimittellehre. Mit gleichmässiger Berücksichtigung der österreichischen und deutschen Pharmacopoe bearbeitet von Dr. W. BERNATZIK, und Dr. A. E. VOGL, k. k. Regierungsrath, emer. 0. Professor der Arzneimittellehre, k. k. Hofrath und o. ö. Professor der Phannacologie und Pharmacognosie an der Wiener Universität. Zweite, vermehrte und mit Rücksicht auf die neue österreichische Pharmacopoe vom Jahre 1890 (edit. VII) umgearbeitete Auflage. XII und 884 Seiten. Preis: broschirt 18 Mark = 10 fl. 80 kr. ö. W. 20 Mark = 12 fl. ö. W. MEDICINISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. Grundzüge einer Pathologie und Therapie der Nasen-, Mundrachen- und Kehlkopfkrankheiten für Aerzte und Studirende. P^^^^^S^j Von ^^^^^^ Dr. MAXIMILIAN BRESBEN K'vn^rfrffi^Sliyff Tftfe: '■ ' ^JKl^ 'n Frankfurt am Main. 0\/^'\\ Mit 156 Holzschnitten. ^^^mtm^.' _ .-- VI und 272 Seiten. IPreis: broschirt 6 Mark = 3 fl. 60 kr. ö. W. ; U ffl> eleg. geb. 7 M. 50 Pf. = 4 fl. 50 kr. ö. W. Der chronische Nasen- und Rachenkatarrh. Eine klinische Strudle von Dr. MAXIMILIAN BRESGEN in Frankfurt a. M. Mit 11 in den Text gedmckten Abbildungen. Zweite, vollständig umgearbeitete und bedeutend erweiterte Auflage. VI und 132 Seiten. r»reis : broschirt 2 M. 50 Pf. = 1 fl. 50 kr. ö. W. ; eleg. geb. 3 M. 70 Pf. = 2 fl. 20 kr. ö. W. Die Improvisation der Behandhngsmittel im Kriege und bei Unglücksfällen. Vademecum für Aerzte und Sanitätspersonen. Vom internationalen Comite des rothen Kreuzes prämiirte Preisschrift. Von I>r. TV. C ÜB ASCH. Mit 113 Holzjächnitten. — VIII und 148 Seiten. JPreis: broschirt 4 Mark = 2 fl. 40 kr. ö. W. ; eleg. geb. 6 Mark = 3 fl. ö. W. MEDICINISCHEE VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie für praktische Aerzte und Studirende. Von Dr. HERMANN EICSHORST, o. S. Professor der speciellen Pathologie und Therapie und Director der medic. Universitäts-Klinik in Zürich. Querschnitt aus dem linken Mediannerven bei acuter multipler Neuritis einer 66jährigen Frau. Man sieht drei quer durchschnittene Nervenbündel und theils in ihnen, theils in den einhüllenden Bindegewebsringen (per = Peri- neurium) zahlreiche Blutextravasate. Auch in dem weiter abge- legenen Bindegewebe {ep = Epineurium) vielfache Blutaustritte. Vergr. 90fach. (Eigene Beobachtung.) 0 ö H > Band IV, derzeit in Vorbereitung, dürfte im Laufe des nächsten Jahres erscheinen. Therapeutisches Hilfsbuch zur rationellen Behandlung in der internen Praxis. Für Aerzte und Studirende. Von Dr. J. MILNER-FOTHERGILL in London. Autorisirte Uebersetzung von Dr. I. KRAKAUER in Wien. II und 156 Seiten. "Preis : elegant gebunden 3 Mark = 1 fl. 80 kr. Pathologie und Therapie der Krankheiten des RESPIRATIONSAPPARATES. Erster Band: Diagnostik und allgemeine Symptomatologie der Lungenkrankheiten in Vorlesungen für Aerzte und Studirende von Prof. Dr. ALBERT FRAENKEL, Director der inneren Abtheilung des städtischen Krankenhauses am Urban zu Berlin. XIV und 370 Seiten. Preis : broscbirt lO Mark = 6 fl. ö. W. ; eleg. geb. 12 Mark = 7 fl. 20 kr. ö. W. MEDICINISCHER VERLAG VON URBAN & SCHWARZENBERG IN WIEN UND LEIPZIG. GERICHTSÄRZTLICHE PRAXIS. Vierzig gerichtsärztliche Gutachten erstattet von Dr. HERMANN ERIEDBERG, weil. Professor in Breslau. Mit einem Anhange: Ueber die Verletzung der Kopfschlagader bei Erhängten und Erdrosselten und über ein neues Zeichen des Erwürgungsversuches. XII und 452 Seiten. Preis : broschirt 10 Mark = 6 fl. ö. W. ; eleg. geb. 12 Mark = 7 fl. 20 kr. ö. W. Pathologie und Therapie der männlichen Impotenz. Von nr. VICTOR v. GYURKOVECHKY, k. Sanitätsrath. VI und 178 Seitf-n. Preis: broschirt 5 Mark = 3 fl. ö. W. ; eleg. geb. 6 M. 50 Pf. = 4 fl. ö. W. Pathologie und Therapie der Nervenkrankheiten für Aerzte und Studirende. Von Dr. I/iidwig HIRT, Professor an der Universität Breslau. Mit 178 Holzschnitten. VIII und 556 Seiten. Die Verbind itn £ Ö 6 9 j •S S "(D N •? s a« o e