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der ver;
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Lehrbuch Bi0L. DEPT.
der UNIV, TORONTO
TerneIGEndEN ENTWICKELNNOSOESCHICHTE
der niederen Wirbeltiere
in systematischer Reihenfolge
und mit Berücksichtigung der experimentellen Embryologie
bearbeitet
von
Dr. Heinrich Ernst Ziegler,
Professor an der Universität Jena.
Mit 327 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel.
Jen
Verlag von Gustav Fischer
1902.
FFB 20 1854
c
« ERsıpy or TOR“
582791.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
„D
BIS
Herrn Professor
Fern st Haeckel
in aufrichtiger Verehrung gewidmet
vom Verfasser.
a
Vorwort.
Dieses Buch soll eine Lücke ausfüllen. Während die Entwickelungs-
geschichte der wirbellosen Tiere in dem schönen Lehrbuch von
KORSCHELT und HEIDER behandelt ist, und hinsichtlich der Ent-
wickelung der höheren Wirbeltiere und des Menschen mehrere
gute Lehrbücher vorliegen !), ist eine zusammenfassende Bearbeitung
der Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbeltiere seit langer Zeit
nicht mehr unternommen worden. Das Lehrbuch von BALFOUR (1881)
ist schon veraltet, da in den letzten 20 Jahren auf diesem Gebiet sehr
viele wichtige Untersuchungen veröffentlicht wurden.
Das vorliegende Buch behandelt die einzelnen Klassen der niederen
Wirbeltiere (Anamniota) in der Reihenfolge des zoologischen Systems.
Die höheren Wirbeltiere (Amniota) sind nur in dem letzten Kapitel
besprochen, welches den Uebergang von den niederen Wirbeltieren
zu den höheren vermittelt. Ich halte es für besser, daß man die Ent-
wickelung der höheren Wirbeltiere aus derjenigen der niederen ableitet,
1) Die wichtigsten Lehrbücher der Entwickelungsgeschichte der Wirbeltiere
sind folgende:
Balfour, F. M., Handbuch der vergleichenden Embryologie. Aus dem Englischen über-
setzt von Vetter, Jena 1881.
Bonnet, Grundriss der Entwickelumgsgeschichte der Haussäugetiere, 1891.
Haeckel, E., Anthropogenie oder Entwickelumgsgeschichte des Menschen, Keimes- und
Stammesgeschichte, 4. Aufl., Leipzig 1891.
Hertwig, Oscar, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbel-
tiere, 6. Aufl., 1898 (7. Aufl. 1902).
— Handbuch der vergleichenden und. experimentellen Entwickelungslehre der Wirbeltiere.
Bis jetzt sind 3 Lieferungen erschienen, Jena 1901—1902.
Kölliker, A. v., Grundriss der Entwickehungsgeschichte des Menschen und der höheren
Tiere, 2. Aufl., Leipzig 1883.
Kollmann, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen, Jena 1898.
Marshall, A. M., Vertebrate Embryology, London 1893.
Minot, C. S., Human Embryology, New York 1892.
— Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen, Uebersetzung von Kästner, Leipzig
1894.
Schultze, Oscar, Grundriss der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Sünge-
tiere, Leipzig 1897.
vi Vorwort.
als daß man, wie es manchmal geschieht, die Entwickelung der niederen
Wirbeltiere im Lichte der Amniotenentwickelung betrachtet.
Durch das im Erscheinen begriffene eroße Handbuch der Ent-
wickelungsgeschichte der Wirbeltiere, welches OÖ. HERTwIG in Ver-
bindung mit vielen anderen Forschern herausgiebt, wird das vorliegende
Buch keineswegs überflüssig werden. Denn es besitzt eine völlig
andere Anordnung des Stoffes, abgesehen von Unterschieden in der
theoretischen Auffassung und von der verschiedenen Wahl der Ab-
bildungen.
Da ich dieses Buch schon vor mehr als 12 Jahren zu schreiben
begonnen habe, und mich seit mehr als 20 Jahren mit einschlägigen
Untersuchungen beschäftige, so konnte ich die große Litteratur in
ziemlich umfassender Weise berücksichtigen. Aber unter den zahl-
reichen Beobachtungen der Autoren mußten die wichtigeren hervor-
gehoben werden, und eine vollständige Erwähnung aller Angaben war
nicht möglich. Insbesondere habe ich diejenigen Ansichten der Autoren,
welche ich nach eigenen Studien für unrichtig halte, meist nicht auf-
geführt; denn es war hier kein Raum, um kritische Bemerkungen bei-
zufügen. Bei einigen besonders wichtigen Fragen habe ich in kleinerem
Druck die verschiedenen Auffassungen mehrerer Forscher neben-
einandergestellt.
Da die Litteratur bei manchen Capiteln so sehr angewachsen ist,
schien es mir nötig, für die Benützung derselben eine Führung zu
geben. Ich habe daher am Anfang der Abschnitte gewöhnlich einige
besonders wichtige Publieationen genannt und auch öfters auf einzelne
Arbeiten verwiesen, über welche ich nicht eingehend berichten konnte.
Ich habe die Schriften jeweils nur durch den Autornamen mit der
beigefügten Jahreszahl eitirt, da die ganzen Titel in den am Schlusse
jedes Capitels folgenden alphabetischen Litteraturverzeichnissen leicht
gefunden werden können. Bei diesen Litteraturverzeichnissen habe
ich mich bemüht, die neuere Litteratur in annähernder Vollständigkeit
anzuführen, während ältere Werke manchmal bei Seite gelassen wurden,
da man sie in den neueren Schriften eitirt findet.
Das Studium der umfangreichen Litteratur wurde mir erleichtert
durch die reichhaltige Bibliothek des hiesigen zoologischen Instituts,
sowie durch die zahlreichen Separatabdrücke, welche ich im Laufe
der Jahre erhalten habe, und für deren gütige Zusendung ich den
Herren Collegen auch hier meinen besten Dank ausspreche.
Die ersten Entwickelungsvorgänge sind ausführlicher besprochen
als die späteren. Insbesondere habe ich die Gastrulation und die
Keimblätterbildung bei den wichtigsten Classen ziemlich eingehend
behandelt, weil dieses Gebiet von besonderem theoretischen Interesse
ist und die Ansichten der Autoren manchmal weit auseinandergehen.
Andererseits habe ich über die Entwickelung der Organe meist nur
Vorwort. VI
kurz berichtet, denn eine ausführliche Darlegung der Organentwickelung
hätte dem Buche eine viel größere Ausdehnung gegeben: auch lag
dazu ein Bedürfnis nicht vor, da in den vorhandenen Lehrbüchern
schon ausführliche Beschreibungen der Entwiekelung der einzelnen
Organe zu finden sind. Insbesondere mußte ich darauf verzichten,
die Entwickelung des Schädels und des Skelets zu besprechen. Aber
über die Entwickelungsgeschichte des Medullarrohrs, des Darmkanals
mit seinen Drüsen, der Vorniere und der Urniere wird bei allen
Klassen berichtet.
Die leitenden Gesichtspunkte sind die morphologischen. Die ver-
sleichende Betrachtung bildet die Grundlage für die Erkenntnis der
phylogenetischen Verwandtschaft. Selbstverständlich muß zwischen
palingenetischen und cenogenetischen Vorgängen unterschieden werden.
Den Begriff der Homologie fasse ich im Sinne der Descendenzlehre auf;
demnach sind zwei Organe oder zwei Vorgänge, welche bei ver-
schiedenen Tieren sich zeigen, dann homolog zu nennen, wenn
anzunehmen ist, daß die Aehnlichkeit oder Uebereinstimmung zwischen
denselben auf der gemeinsamen Abstammung beruht). In dieser Auf-
fassung stimme ich mit HAECKEL und vielen anderen Forschern
überein, unterscheide mich aber von O. HERTWIG, welcher neuerdings
den Begriff der Homologie von dem Gedanken der Stammverwandt-
schaft wieder zu trennen versucht.
Die experimentelle Embryologie (Entwickelungsmechanik) hat
schon so viele wichtige Ergebnisse zu Tage gefördert, daß sie nicht
unberücksichtigt bleiben durfte. Auf diesem neuen Gebiet, auf
welchem noch soviel Widerstreit der Meinungen besteht, war zwar ein
vollständiger Bericht über alle Beobachtungen nicht möglich, je-
doch habe ich mich bemüht, das sicher Erkannte hervorzuheben und
das Unsichere und Strittige zurücktreten zu lassen.
Was die Figuren betrifft, sind diejenigen, bei welchen der Name
eines Autors nicht beigefügt ist, von mir neu gezeichnet oder aus
meinen früheren Schriften übernommen. Unter den 327 Figuren im
Text befinden sich in diesem Sinn 74 Originale; 166 Figuren sind aus
den speciellen Untersuchungen anderer Autoren übernommen, 87 aus
anderen Lehrbüchern.
Ich habe es absichtlich unterlassen, die Entwickelungsstadien der
Embryonen durch Zeitangaben zu bezeichnen: solche Alters-
bestimmungen würden wenig Wert haben, da das Fortschreiten der
Entwickelung in hohem Maße von der Temperatur abhängt. Besser
1) Nicht homolog sind solche Organe, welche infolge von Convergenz oder von
Parallelentwickelung sich ähnlich sind. Als Convergenz bezeichnet man die secundär
entstandene Aehnlichkeit ursprünglich ungleichartiger Organe. _Parallelentwickelung
a. dann vor, wenn zwei Organe oder Organteile in zwei Zweigen des Stammbaums
selbständig in gleichartiger oder ähnlicher Weise entstanden sind.
VII Vorwort.
wäre die Stadienbestimmung nach „Tagesgraden*“ (d. gabe der
Summe der zusammengezählten Temperaturen de chen der
Befruchtung des Eies und der Conservirung der } zelegenen
Tage); aber diese Bezeichnungsweise ist noch wuu äuchlich.
Ich habe daher die Stadien hauptsächlich durch Oberti«.nenbilder
charakterisirt.
Der neuerdings herrschenden Mode, alle Fremdwörter zu
vermeiden, bin ich nicht gefolgt. Ich halte es für keinen Fort-
schritt, wenn man in wissenschaftlichen Schriften alle Fachausdrücke
in das Deutsche übersetzt. Denn erstens wird dadurch das interna-
tionale Verständnis erschwert, zweitens sind die deutschen Bezeich-
nungen oft umständlicher (z. B. mittleres Keimblatt statt Mesoderm),
und drittens, was das Wichtigste ist, haben die Fachausdrücke einen
sanz bestimmt definirten Sinn, während die deutsche Uebersetzung
meist in verschiedenem Sinne verstanden werden kann. Wollte man
die lateinischen und griechischen Fachausdrücke, welche die wissen-
schaftlichen Begriffe mit Sicherheit und Bestimmtheit bezeichnen, aus
der wissenschaftlichen Darstellung völlig ausschließen, so würde da-
durch das Studium nicht erleichtert, sondern es würde nur der
Unklarheit und Verschwommenheit Vorschub geleistet.
Ich habe in dem ersten Capitel des Buches die gebrauchten
Fachausdrücke erläutert. Nötigenfalls wird man mit Hilfe des
Registers leicht die Stelle finden, wo die Erklärung des Wortes steht.
Falls etwa Irrtümer oder Auslassungen wichtiger Thatsachen in
dem Buche bemerkt werden, bitte ich um gefällige Mitteilung.
Jena, den 1. März 1902.
Uebersicht des Inhalts.
Seite
ee 19 20 m ee, le a EN
Mochnische Bemerkungen * . . ...» 2.2. wel. 1-8
A) Härtung und Conservirung . . 1
B) Ueber Schnitte und Schnittserien 4
C) Reconstructionen . le 5
D) Zeichnen und Photographiren : 6
Litteratur über die Technik 8
I. Capitel. Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbel-
tieren. Zugleich Erklärung der Fachausdrücke . 9—43
Bee Hin Hamenzelle .. 2 ana ee
Eihüllen . . a en EA NR 3 re a
Reifung und Befruchtung nr 9 a 2 Ser u TR
Furchung ET 07 I EU a AR Ir ER
Die Blastula BE Fr TEE ee
Die Gastrula . . Be
Das Mesoderm und die Chorda er 1 4 AS Ra
Die Entwickelungsvorgänge bei der Anlage der Organe a 1,
Organe des Ektoderms (äußeren Keimblattes) N a 5 GE
Organe des Entoderms (inneren Keimblattes) . . . ......3
Organe des Mesöderms (mittleren Keimblattes). . . . . . 86
Cenogenetische Abänderungen der Entwickelungsweise . . . 4
I. Capitel. Leptocardier (Amphioxus) . . 2.2... 4-73
Die Reifung des Eies und die Befruchtung . . . 2... #4
Dias Puscher wer Arüphiozus 2.0202. N ER
Die’ Bauten nen Amphoe... we a bl
Das Medullarrohr des Amphioxus . . 2. 2. 22 nn. 4
Das Mesoderm des Amphioxus . . .». . . 2 2.22... 58
Die Chorda des Amphioxus. . . FR 3
Die entodermalen Organe und die Or gane am Mind... . 61
Die mesodermalen Or. gane des Amphioxus . . . -» .... 67
Litteratur über die Entwickelung des Amphioxus . . ... 2
X
Ill.
Uebersicht des Inhalts.
Seite
Gapitel " Gyalostomen. ni. re ee N
1. Abschnitt: Petromyzonten, Neunaugen . . . . . 74-91
Die Befruchtung . u te > a
Die Furchung und die Gastrulation Bar! ee A
Das Medullarrohr, die Chorda und das Mesoderm ee,
Das Schwanzende des Embryo . . . si
Die Entwickelung der Organe bis zum Ausschlüpfen der Larve 81
Die Organe der Larve und die Metamorphose . . ...7. se
Litteratur über die Entwickelung der Petromyzonten . . . 89
2. Abschnitt: Myxinoiden, Inger . . in.“ gras
Die Entw ickelung von Bdellostoma stouti ne
Litteratur über die Entwickelung der Myxinoiden . . .„ „100
IV. Capitel. Selachier (Elasmobranchier, Knorpel-
fische)...‘ '; 0.
Die Fortpflanzung "und die Eier nie ..
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge und die Stadien von
Barrour . . un. 1
Das Ei und die Befruchtung bei Pristiurus melanostomus li:
Die Befruchtung und die Furchung bei Torpedo ocellata . . 107
Periblastkerne und Nebenspermakerne Be 5.
Die Gastrulation und die Keimblätter. . . en |
Vergleich der Keimblätterbildung der Selachier" mit derjenigen
der Amphibien. . . u 2.
Die Entstehung des Medullarrohres . 2 22.000200 004
Die Vorgänge am Schwanzende . . Re: 127
Die Differenciation im Mesoderm und die mesodermalen Organe 132
Der Darmkanal der Selachierembryonen . . 0 Re ee
Litteratur über die Entwickelung der Selachier 0:
Nachtrag: Die Furehung der Selachier betreffend . . . „151
V. Capitel. Ganoiden a Schmeleec Ep
Glanzschupper) . . . 4 ; . 153168
Die Entwickelung von Acipenser En
Die Entwiekelung von. Amia calva .... ..-. ....). A
Die Entw ickelung von Lepidosteus. . -. =»... . „au
Die Vorniere der Ganoiden . 2 2
Litteratur über die Entwickelung der Ganoiden 2
VI. Capitel. Teleosteer (Knochenfische) . . . . . .169—218
Das Laichen . te a
Die Richtungskörper und die Befruchtung af: 5 170
Die Furchung der Knochenfische und die Entstehung des
Periblastes er 0 Ve
Die Furchung beim Lachs und bei der Forelle 2
Die Gastrulation der Teleosteer . . . Be 180
Physiologisches, Experimentelles und Teratologisches zur Gastru-
lation der Teleosteer +. . u02 0 0. I
Uebersicht des Inhalts. XI
Seite
Die Bildung des Medullarrohres bei den Teleosteern . . . 187
Darmepithel und Chorda beim Lachs und bei der Forelle. . 191
Das Hinterende der Embryonalanlage, Randknopf, Kurrrer-
sche Blase, Bildung des Schwanzes . AN EN
Die mesodermalen Anlagen. Ursegmente ‚ Seitenplatten, Flossen-
anlagen, Vorniere und Urniere, Gefäßanlagen Be
Die Metamorphose einiger Knochönfische - a I ERETENTEN LE
Litteratur über die Entwickelung der Teleosteer . . . . „214
VE. Capitel.e. Dipnoer (Lurchfische) . . . 2. .....219—233
Die Entwickelung von Ceratodus Forsteri . . . . .......219
Die Entw ickelung von Lepidosiren paradoxa . . . .„ . „227
Litteratur über die Entwickelung der Dipnoer. . . . . ..233
MER; Capitel. Amphibien (Lurche) . . . .. 2.7.2, 234—313
Eiablage und Brutpflege. A) Anuren . . . . 2. .2.2.2..235
Biullradelen Are. ee
Richtungskörper, Befruchtung, Eihüllen . . . . 2.2..2..240
Bastardbefruchtung bei Amphibien DIR RAR ae FR a Re 2 =
Die Furchung der Amphibien . . . a 244
Experimentelle Untersuchungen über die Furchung des Frosches 249
Die Lage der Medianebene DEN SR FLRSEE © 14 72:
Der Einfluß der Schwerkraft . . . . EM RE ZE
Trennung der Blastomeren (Durchschnür ungsexperimente) . 252
Die Furchung der flachgedrückten Eier . . . . .... ..252
Experimente über die physikalischen und chemischen Be-
dingungen der Froschfürchung . . .». 2... 2... 254
ERdSTOHEISDErImentor.. Sn A ee ee N Be
Blastula und Gastrula.. A) Anuren u Aa ER 3)
B) Urodelen . . ' > 267
Beobachtungen und Experimente, die Gastr ulation beim Fr osche
betreffend . . Id BER TRR EIN
Mesoderm, Chorda und Tele A) Auen I
B) Wrodelan.» 1.) Zn 9,8277
Medullarplatte und Medullarrohr bei den anuren Amphibien . 280
Die entodermalen Organe beim Frosch . . . 2. 2.2..2..285
Die mesodermalen Organe des Frosches . . . 2.2.2... 290
Inc Darvensnnd.die Verwandlung. ,„ ,„ zo... 0.1.0 0,0. 297
Bestimmungstabelle der Larven . . BE 4. 42,35,8
Litteratur über die Entwickelung der Amphibien Par Be, AR ch
IX. Capitel. Gymnophionen en Schlangenlurche,
Birndwihlen).:n 4%, DE et LER
Die Euremme nnd Gastrüulation ."R . .Ue.., >25 „316
Chorda, Mesoderm und Enteroderm . re
Das Medullarrohr und der Schluß des Blastoporus 27%
Ursegmente, Vorniere und Urniere, Gonaden . . . ..... 326
Die Kiemen und die Lar venperiode N rn ee 3)
Litteratur über die Entwickelung der Gymnophionen Eee
X. Capitel. Amnioten (Uebergang zu den Ammioten) .
Das Ei der Reptilien und Vögel . . SER
Die Gastrulation bei den Reptilien. . ar
Darmhöhle, Chorda und Mesoderm bei den Reptilien it
Die phylogenetische Entstehung des Primitivstreifens der
Vögel und Säugetiere . R \
Litteratur über die Entwickelung der Reptilien
Litteratur über den Primitivstreifen der Vögel
Schlusswort
Erklärung der Tafel
&
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Kir u,
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PR A
PP ER VPRAUED 7 DIGEeo
Technische Bemerkungen.
A. Härtung und Conservirung.
Zur Untersuchung der Entwickelungsvorgänge ist es meistens not-
wendig, die Eier oder Embryonen zu härten und sie in Schnittserien zu
zerlegen. Die Bereitung und Anwendung der Härtungs- und Conservirungs-
mittel ist aus den Lehrbüchern der mikroskopischen Technik zu ersehen.
Die besten Werke dieser Art sind:
Böhm und Oppel, Taschenbuch der mikroskopischen Technik, 4. Aufl., München 1900.
Lee, A. B., und Mayer, Paul, Grundzüge der mikroskopischen Technik, Berlin 1898.
Unter den zahlreichen Methoden, welche zur Härtung und Con-
servirung von Eiern und Embryonen angewandt wurden, können hier
nur einige wenige erwähnt werden.
Im Allgemeinen wird man bei Eiern und Embryonen aller Art eine
für die meisten Zwecke ausreichende Conservirung auf folgende Art
erreichen: Man bringt die Eier in eine 4-proc. Lösung von Formolt);
darin bleiben dieselben 8 Tage; darauf werden sie in 30-proc. Alkohol
für 1 Tag, dann in 70-proc. Alkohol für i Tag gebracht und darauf in
95-proc. Alkohol aufbewahrt. Die Eier können auch längere Zeit (einige
Wochen oder Monate) in dem Formol verbleiben. Ihrer Einfachheit
wegen ist diese Methode besonders für Reisen zu empfehlen, wo andere
Methoden schwerer anzuwenden sind.
Öder man kann folgende Methode verwenden: Man legt die Eier
oder Embryonen auf 2—10 Stunden in wässerige Sublimatlösung (Queck-
silberchlorid löst sich in kaltem Wasser in 6—7-proc. Lösung). Bei
kleinen Eiern genügt eine kürzere Zeit. Es ist empfehlenswert, der
Sublimatlösung 1 Procent conc, Essigsäure zuzusetzen. Darauf bringt man
die Objecte in 30-proc. Alkohol auf 12—24 Stunden, dann in 70-proc.
Alkohol auf 1 Tag, schließlich in 95-proc. Alkohol.
Diese beiden Methoden sind brauchbar, wenn die Untersuchung der
feinsten Structurverhältnisse (Kernteilungsfiguren u. s. w.) nicht beab-
sichtigt ist. Auch wird man mit denselben nicht bei jedem Object gleich
guten Erfolg haben. Je nach der Größe des Eies, der Menge und Be-
schaffenheit des Dotters sind verschiedene Methoden zu empfehlen. Fol-
gende Methoden sind bei den Eiern der einzelnen Klassen bewährt.
1) Unter dem Namen Formol (Formalin) wird die im Handel befindliche 40-proc
Lösung von Formaldehyd (Methylaldehyd) verstanden. Eine 4-proc. Lösung von
Formol bedeutet natürlich 4 Teile Formol und 96 Teile Wasser.
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 1
9 Technische Bemerkungen.
Amphioxus,
Harschex verwandte bei den Embryonen von Amphioxus die
Kreisenpers'sche Pikrinschwefelsäure oder ganz schwache Osmiumsäure.
Nach Sororra werden die Eier von Amphioxus am besten mit FLEMMING-
scher Lösung fixirt (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 50, 1897). Auch Pikrin-
schwefelsäure sowie auch Pikrinsäure erwiesen sich als brauchbar. Zum
Schneiden wurden die Eier in Menge in Stücke vom Amnion eines Säuge-
tierembryo eingebettet.
Cyelostomen.
In der zoologischen Station zu Neapel wurden die Eier von Petro-
myzon Planeri für die Untersuchung von Bönm in folgender Weise be-
handelt: Fixirung in Freuwise’scher Lösung mit etwas größerem Gehalt
an Osmiumsäure; nach !/, Stunde Abwaschen mit dest. Wasser, Ueber-
tragung in 30-, 7O- und 90- -proz. Alkohol (Böum, Arch. f. mikr. Anat.,
Bd. 32, p. 635).
HerForT conservirte die Eier von Petromyzon tluviatilis mit Sub-
limat-Eisessig und mit den Mischungen von vom Rarn: Pikrinplatin-
chloridessigsäure und Pikrinosmiumplatinchloridessigsäure. Färbung mit.
Heıpennaim’s Eisenhämatoxylin.
Bei den Eiern von Bdellostoma erreichte DorLeın die beste Con-
servirung mit Sublimat-Eisessig und mit Zexker’s Flüssigkeit. Damit
die Flüssigkeit rascher eindringe, machte er in einiger Entfernung vom
Embryo Einschnitte in die Schale.
Selachier.
Nach Rückert ist für alle Stadien gesättigte wässerige Sublimat-
lösung zu empfehlen; für Furchungsstadien sind derselben 5 Procent conc.
Essigsäure beizufügen. Für späte Stadien ist auch Solutio Perenyi sehr
brauchbar.
In der zoologischen Station zu Neapel wird zur Conservirung von
Selachierembryonen folgende Methode gebraucht: koncentrirte Sublimat-
lösung in Meerwasser (in Meerwasser löst sich über 15 Proc. Sublimat)
für 510 Minuten, nachher Auswaschen mit jodhaltigem Alkohol (35-proc..
Alkohol mit 2,5 Proc. alkoholischer Jodtinctur), dann 70-proc. Alkohol,
schließlich 95-proc. Alkohol. — Es empfiehlt sich, die Embryonen in situ
auf dem Dotter zu härten und den Dotter erst später abzuschneiden.
Ganoiden.
Die Eier derjenigen Ganoiden, welche totale Furchung haben, kann
weg nach den für die Amphibien angegebenen Methoden conserviren ;
bei denjenigen Ganoiden, welche partielle Furchung haben, sind die für
Teleosteer empfohlenen Methoden zu versuchen.
Teleosteer.
Für die Eier des Lachses und der Forelle habe ich folgende Methode:
brauchbar gefunden: Einlegen in 1/s-proc. Chromsäure mit etwas Salpeter-
säure (etwa 1/, Procent) für 24 Stunden, dann in Wasser für 12 Stunden,
nachher Anstechen der Eihaut mit einer Nadel, darauf 30-proc. Alkohol
für 12—24 Stunden, dann 70-proc. Alkohol für 24 Stunden, schließlich
95-proc. Alkohol. Später kann man das Blastoderm oder den Embryo-
Technische Bemerkungen. 3
mitsamt dem Periblast von der Dotterkugel abheben !)l. Färbung mit
Alauncochenille nach Czokor (24 Stunden oder länger).
(FORONOWITSCH conservirte die Lachseier in KLeisexger@'scher Flüssig-
keit (3 Stunden), dann successive in 40-, 70- und 90-proc. Alkohol. Er
entfernte die Eihülle 10 Minuten nach dem Einlegen in die erstgenannte
Flüssigkeit.
Eine ähnliche Methode wandte Hexnesuy bei Forelleneiern an und
berichtet, daß bei derselben auch die Kernteilungstiguren sehr gut erhalten
bleiben. Einlegen in Kreıyengerg'sche Flüssigkeit (Pikrinschwefelsäure)
mit Zusatz von Eisessig (10 Teile auf 100) für 10 Minuten. Eröffnung
des Eies in Wasser mit 10 Procent Essigsäure. Herausnehmen des Embryo,
welcher auf einige Stunden in Kreıxesgers'sche Flüssigkeit gebracht
wird; dann successive 60-, 75-, 90-proc. Alkohol, und schließlich Alcohol
absolutus. Färbung mit alkoholischem Bor azkarmin, saurem Alaunkarmin
oder Hämatoxylin. — Ein wenig verschieden ist die Methode von H.
VırcHow und Korsch (s. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 51, 1898, p. 184).
Harrısox verwandte für Salmonideneier eine gesättigte Lösung von
Sublimat in 5-proc. Essigsäure. — Eine ähnliche Methode empfiehlt A.
Böun: Die Eier kommen in eine Sublimatlösung mit 20 Procent Essig-
säure: schon nach weniger als !/, Minute trübt sich der Keim, ist also
abgetötet. Alsdann überträgt man die Eier in eine ebensolche Sublimat-
lösung mit 5 Proc. Essigsäure; nach 3/, Stunden kommen die Eier in
70-proc. Alkohol (mit ein paar Tropfen Jodtinctur), und wiederum nach
Stunden wird der Embryo mit einem scharfen Rasirmesser von der
Dotterkugel abgetragen und in 70—SO-proc. Alkohol aufbewahrt.
Dipnoer.
Die Eier der Dipnoer können mit denselben Methoden behandelt
werden wie die Amphibieneier.
Amphibien.
BrocHmann (Zoolog. Anz., 1889) empfahl für Froscheier folgende
Methode: Einlegen in FrLeuuıne’sche Lösung (Chrom-Osmium-Essigsäure)
für einige Stunden. Auswaschen mit Wasser. Entfernung der Gallert-
hüllen durch Eau de Javelle (1 Teil auf 3 Teile Wasser) in 15—30 Mi-
nuten. Sorgfältiges Auswaschen mit Wasser. 30-proc. Alkohol, dann
70-proz. Alkohol. Aufbewahrung der Eier im Dunkeln. Färbung mit
Boraxkarmin.
OÖ. Herrwiıs (1892) conservirte Froscheier in 1-proc. Chromsäure
mit Zusatz von 0,2 Proc. Essigsäure. Nach genügender Erhärtung wurden
die Gallerthüllen nach der Angabe von Brocnuann (s. oben) durch vor-
sichtiges Schütteln in Eau de Javelle entfernt und die so freigelegten
Embryonen in 85-proc. Spiritus aufgehoben.
Aehnlich ist die Methode von R. Fıck: Die Eier werden in Chrom-
Essigsäure (1/, Proc. Chromsäure, !/,, Proc. Eisessig) eingelegt für 24
Stunden, dann geschält, dann 24 Stunden in fließendem Wasser belassen,
dann in 60-proc. Alkohol für 1 Tag, 80-proc. Alkohol für 1 Tag, mit
alkoholischem Boraxkarmin 24 Stunden gefärbt, mit salzsaurem 70-proc.
Alkohol ausgezogen, dann 90-proc. Alkohol, Bergamottöl (2—4 Stunden,
nicht länger), Paraffin 1/,—1 Stunde (nicht länger).
1) Der Embryo Er der Dotter sind bei dieser Methode vollständig gehärtet.
Ich habe ein Mißtrauen gegen diejenigen Methoden, bei welchen der Embryo vom
Dotter abgenommen wird, bevor die Härtung beendet ist.
1*
4 Technische Bemerkungen.
Oscar ScHuLtzE verwandte für Froscheier folgende Methode: Fixiren
in heißem Wasser (S0—90° C) 5—10 Minuten. Herauschneiden aus der
Gallerte und Eihaut. Abspülen in Wasser, Uebertragen in 7O-proc. Al-
kohol. Bald schneiden! Vorher 6—12 Stunden in Alcohol absolutus,
2-4 Stunden in Bergamottöl, 20 Minuten in Paraffın.
Oscar ScHULTzE bevorzugt in neuerer Zeit (1899) folgendes Ver-
fahren: „Ich übertrage die Eier nach Entfernung der Gallerthülle mit
der Schere (bis auf die der Dotterhaut anhaftende innerste Gallerthülle)
in 2-proc. wässerige Formalinlösung von 75 bis höchstens 80° C. für
5 Minuten. Bis die Eier zur weiteren Untersuchung kommen, bleiben
sie in 2-proc. Formalinlösung in der schützenden Hülle. Zur Einbettung
empfehle ich: aus der Formalinlösung in Alkohol von 70 und 95 Proc.,
dann in Bergamottöl je mindestens 2 Stunden; darauf je 10 Minuten in
einmal gewechseltes Paraffin zur definitiven Einbettung.“
Zum Fixiren der Eier und Embryonen von Gymnophionen wurden
von Braver O0,5-proc. Chromsäure, ferner Chromosmiumessigsäure oder
Sublimat benutzt.
Noch einige andere Methoden für Amphibieneier findet man in dem
erwähnten Buche von Leer und Mayer, p. 278—280, und in demjenigen
von BöHm und Orrer, p. 182—186 zusammengestellt.
B. Sehnitte und Schnittserien.
In Bezug auf die Bezeichnungsweise der Schnittebenen merke man
Folgendes.
Man bezeichnet als Medianebene die Symmetrieebene des Körpers,
also diejenige Ebene, welche den Körper in zwei symmetrische Hälften
teilt, d. h. die rechte und linke Seite scheidet. Schneidet man einen
Tierkörper in der Medianebene, so heißt der Schnitt Medianschnitt.
Was genau in der Medianebene liegt, wird median genannt: was ihr
genähert oder zugewandt ist, medial; was von ihr entfernt oder ab-
gewandt ist, lateral.
Ebenen, welche der Medianebene parallel sind, heißen Sagittal-
ebenen, die betreffenden Schritte Sagittalschnittet). — Eine Linie,
welche in der Medianebene entsprechend der Längsrichtung des Tieres in
der Mitte des Tierkörpers verläuft, heißt die Längsachse. Bei Wirbel-
tieren wird die Längsachse annähernd durch die Richtung der Chorda
oder Wirbelsäule angegeben. — Ebenen, welche senkrecht zur Längs-
achse gehen, heißen Transversalebenen, die betreffenden Schnitte
Transversalschnitte oder Querschnitte. — Ebenen, welche der
Längsachse parallel und auf der Medianebene senkrecht sind, heißen
Frontalebenen, die betreffenden Schnitte Frontalschnitte?).
Wenn man mit starker Vergrößerung beobachtet, so kann man nicht
gleichzeitig höhere und tiefere Stellen des Objectes sehen, sondern das
Mikroskop zeigt nur diejenigen Gebilde, welche in einer ganz bestimmten
Ebene liegen; man erhält daher ein ähnliches Bild, wie es ein Schnitt
durch das Object zeigen würde. Ein solches Bild nennt man einen
1) Statt Sagittalebene wird auch das Wort Paramedianebene gebraucht.
2) Man möge sich diese Bezeichnungen am menschlichen Körper klar machen.
Die Medianebene geht mitten durch das Gesicht und den Leib und trennt rechte und
linke Hälfte. Die Längsachse geht vom Scheitel zu den Füßen. Die Sagittal-
schnitte gehen parallel der Medianebene von der Bauchseite zur Rückenseite. Die
Frontalschnitte gehen parallel der Stirn, also parallel der Dorsal- und Ventralseite.
Technische Bemerkungen. 5
optischen Schnitt; je nach der Lage des Objectes kann derselbe
natürlich ein Querschnitt, ein Frontalschnitt oder sonst irgend ein Schnitt
sein.
Was man am Öberflächenbilde oder auf dem optischen Schnitte ge-
sehen hat, das soll man womöglich auch noch auf wirklichen Schnitten
genauer untersuchen. Für viele Fragen (z. B. für die Keimblätterbildung
der Knochenfische) sind die an optischen Schnitten am lebenden Embryo
gemachten Beobachtungen nahezu wertlos, wenn sie nicht auf Schnitten
bestätigt sind.
Zum Zweck der Anfertigung von Schnittserien werden die Objecte
in Paraffin oder in Celloidin eingebettet und mit dem Mikrotom ge-
schnitten. Die Methoden der Herstellung von Schnittserien sind in den
Lehrbüchern der mikroskopischen Technik angegeben, welche am Anfang
des vorigen Abschnittes eitirt sind (p..1).
Wenn man eine Schnittserie vor sich hat, stelle man zuerst fest,
ob sie genau in querer, sagittaler oder frontaler Richtung geht; ist das
nicht der Fall, so lege man sie vorerst beiseite, denn nur sehr geübte
Embryologen können schiefe Schnitte interpretiren. Es sind schon viele
Irrtümer dadurch in die Litteratur gekommen, daß Autoren an schiefen
Schnitten beobachteten, ohne sich darüber klar zu werden.
Man kombinire im Geiste die Querschnittbilder mit dem Oberflächen-
bilde und mit dem Bilde des Medianschnittes; bei schwierigen Objecten
verwende man die nachher beschriebenen Reconstructionsmethoden. —
Man zeichne in der Publication zahlreiche Querschnitte und gebe in einem
Uebersichtsbilde ihre Lage im Embryo an.
C. Reconstruetionen.
a) Construction des Grundrisses Zum Studium lang-
gestreckter Embryonen oder flach ausgebreiteter Gebilde, z. B. des in
Ausbreitung begriffenen Blastoderms der meroblastischen Wirbeltiere,
empfiehlt es sich, aus der Schnittserie den Grundriß zu construiren.
Man zeichnet mit dem Zeichenapparat alle Schnitte, oder jeden
2.. jeden 5. jeden 10. oder 20. Schnitt (je nach der Größe des
Öbjectes. und nach der erforderlichen Genauigkeit. Bei diesen
Bildern brauchen nur diejenigen Organe genau dargestellt zu werden,
welche in den Grundriß eingetragen werden sollen. Dann vergrößert
man ein vor dem Einbetten des ÖObjectes (mit dem Zeichenapparat)
gezeichnetes Bild der Umrisse des ÖObjectes, oder eine vor dem Ein-
betten aufgenommene Photographie auf den Malstab der Schnitt-
bilder, indem man bei einer Querschnittserie die größte Breite des Bildes
(bei einer Längsschnittserie die größe Länge des Bildes) mit der Länge
des Bildes des längsten Schnittes übereinstimmen läßt. Dann stellt man
die Zahl der Schnitte fest, welche das Object gegeben hat, und mißt,
wie viel Millimeter die Länge (wenn eine Längsschnittserie vorliegt, die
Breite) des aufgezeichneten Bildes beträgt. Dann dividirt man die erste
Zahl durch die zweite, und erfährt dadurch, wie viel Schnitte der Länge
eines Millimeters in der Länge (resp. Breite) des Bildes entsprechen.
Dann kann man ausrechnen, wo die Querlinie (resp. die Längslinie) liegt,
die einem beliebigen Schnitt, den man gezeichnet hat, entspricht, und
kann dieselbe einzeichnen. Nachdem man für sämtliche gezeichnete
Schnitte die Querlinien (resp. Längslinien) eingezeichnet und mit Nummern
versehen hat, nimmt man mit dem Zirkel an jedem einzelnen Schnitt-
6 Technische Bemerkungen.
bild diejenigen Dimensionen ab, welche für die Grundrißconstruction von
Wichtigkeit sind (z. B. Ausdehnung des Entoderms oder Mesoderms),
und überträgt dieselben auf das Constructionsbild. Wenn etwa die
Länge eines Schnittbildes nicht ganz mit der Breite (resp. Länge) der
betreffenden Schnittlinie übereinstimmt, so zeigt dies, daß man ungenau
gezeichnet hat, und kann man nötigenfalls noch Correctureu des Umriß-
bildes oder des Schnittbildes vornehmen. Indem man schließlich auf
dem Constructionsbild die eingetragenen Punkte zu Linien verbindet, stellt
man den Grundriß für die einzelnen Gebilde des Objectes fest.
b) Projective Construction. Ein ähnliches Verfahren ist die
von Hıs angewandte projective Üonstruction. Es wird bei einer bestimmten
Vergrößerung eine Zeichnung des Objectes aufgenommen, und bei der-
selben Vergößerung werden die Schnitte gezeichnet. Hat man z.B. einen
Embryo in der Seitenansicht bei 50-facher Vergrößerung gezeichnet, von
demselben eine Querschnittserie gefertigt, deren Schnitte 20 u dick sind,
und die Schnittbilder ebenfalls bei 50-facher Vergrößerung gezeichnet,
so entspricht dann der Abstand zweier Schnittbilder gerade einem Milli-
meter; folglich kann man eine Pause der Profilzeichnung auf Millimeter-
papier legen, so daß die Richtung der Linien der Richtung der Schnitte
entspricht: dann kann man mit dem Zirkel auf den Millimeterlinien die
Entfernungen der Organe von der Oberfläche des Objectes eintragen und
durch Verbindung der Punkte den Umriß des Objectes gewinnen.
Es ist zu empfehlen, vor dem Schneiden des Öbjectes an dem
Paraffinblock Richtebenen anzubringen und beim Eintragen der Maße von
den Richtungslinien auszugehen. Die Methode der Anbringung von
Richtungsebenen ist in der am Ende dieses Abschnittes eitirten Litteratur,
sowie in dem oben erwähnten Taschenbuch der mikroskopischen Technik
von Bönm und Orrer, p. 70—76, beschrieben. Ebenda findet man auch
eine eingehendere Darstellung der Methoden graphischer Reconstruction.
ec) Reconstruction durch Plattenmodell. Eine mühsame,
aber wegen ihrer Exactheit sehr wertvolle Methode der embryologischen
Forschung ist die Herstellung von Plattenmodellen !). Die Schnitte werden
auf Wachsplatten aufgezeichnet, die Wachsplatten ausgeschnitten und auf
einander gelegt. Ich verweise auf die am Ende dieses Abschnittes auf-
geführte Litteratur, insbesondere auf die Beschreibung, welche Professor
Bor in der neuesten Auflage des Taschenbuches der mikroskopischen
Technik von Bönm und OrreL gegeben hat (p. 73--78).
Die Wachsplatten von bestimmter Dicke kann man nach der von
Bor (1888) angegebenen Methode herstellen oder von der Firma
GeorG Grügrer (Mikrosk.-chemisches Laboratorium) in Leipzig beziehen.
D. Zeiehnen und Photographiren.
a) Zeichnen mit dem Zeichenapparat. Um ein richtiges
Bild eines mikroskopischen Objectes anzufertigen, bedient man sich des
1) Die Plattenmodellirmethode ist für embryologische ÖObjecte zuerst von
W. Hıs ausgebildet und erfolgreich angewandt worden. Die ersten Con-
structionen mittelst ausgeschnittener Platten machte Professor Hıs in Verbindung
mit meinem Vater, Dr. ADOLPH ZIEGLER, indem bei der Modellirung von Hühnchen-
embryonen einzelne Schnitte auf Blech aufgezeichnet und ausgeschnitten wurden,
um, in passender Höhe über einander befestigt, als Grundlage für ein Thonmodell
zu dienen. — Die Wachsplatten von bestimmter Dicke, welche jetzt meist angewendet
werden, sind von BORN eingeführt worden. BORN hat mit Platten von 1 mm Dicke
Modelle von ausgezeichneter Genauigkeit hergestellt.
Technische Bemerkungen. 7
Zeichenapparates. Da man in der Regel bei schwachen Vergrößerungen
zeichnet, um ein größeres Gesichtsfeld zu haben, so muß man die Einzel-
heiten nachher bei stärkerer Vergrößerung beobachten und nach freiem
Augenmaß eintragen.
Die Vergrößerung ist beim Zeichnen mit dem Zeichenapparat
nicht allein von dem Öbjectiv und dem Ocular, sondern auch von der
Höhe des Zeichentisches abhängig. Sie wird am besten in der Weise
bestimmt, daß man einen Objectivmikrometer oder einen kleinen Malstab
auf den Öbjecttisch legt, das Bild desselben zeichnet und dann die Ver-
größerung abmißt. Hat man z. B. einen Objectivmikrometer benutzt, bei
welchem 1 mm in 100 Teile geteilt ist, und mißt ein Teil in der Zeich-
nung 3 mm, so ist die Vergrößerung eine 300-fache.
Es ist wohl zu beachten, ob der Zeichenapparat für horizontale oder
für schiefe Stellung der Zeichenfläche eingerichtet ist, da sonst das Bild
in einer Richtung ein wenig verzerrt wird. Bei den meisten Zeichen-
apparaten ist ein etwa in einem Winkel von 30° aufwärtsgehender
Zeichentisch nötig. Um zu erproben, ob keine Verzerrungen stattfinden,
legt man einen ÖObjectivmikrometer unter das Mikroskop in mehreren
Richtungen und beachtet, ob in jedem Falle die Größe der gezeichneten
Teile dieselbe bleibt.
b) Vergrößerung und Verkleinerung von Zeichnungen.
Um eine Zeichnung genau auf eine bestimmte Größe zu vergrößern oder zu
verkleinern, bedient man sich eines sogenannten Netzes. Man legt in
gleichmäßigen Abständen horizontale und verticale Linien über das
Bild (die Linien können auf durchsichtiges Pauspapier aufgezeichnet
sein); dann zeichnet man ein entsprechendes Netz in der gewünschten
Vergrößerung oder Verkleinerung und trägt die Zeichnung in dasselbe ein.
Wenn man eine Zeichnung in der Weise vergrößern oder verkleinern
will, daß man sich nur einige Maße als Anhalt nimmt, so kann man sich
eines Vergrößerungswinkels bedienen. Einen solchen erhält man
in folgender Weise; man construirt über der gewünschten Dimension ein
gleichschenkliges Dreieck, dessen Schenkel die Länge der gegebenen
Dimensionen haben; will man dann eine beliebige Dimension in dem-
selben Verhältnis vergrößern, so trägt man sie von der Spitze des
gleichschenkligen Dreieckes auf die beiden Schenkel ab, und es stellt
dann die Entfernung der Endpunkte dieser Abschnitte die gesuchte
Dimension dar. — Oder man stellt den Vergrößerungswinkel in folgender
Art her. Auf einem Stück Millimeterpapier trägt man die gegebene
Dimension auf einer der horizontalen Linien ab; am Ende dieser Strecke
trägt man die gewünschte Dimension in verticaler Richtung auf. Dann
verbindet man die beiden freien Endpunkte der beiden Strecken durch
eine Linie. Wenn man nun irgend eine andere Dimension des gegebenen
Bildes von dem Anfangspunkt der erstgezeichneten horizontalen Linie auf
derselben abträgt, so erhält man jeweils die gewünschte Dimension, indem
man die zugehörige verticale Strecke mit dem Zirkel abnimmt.
Selbstverständlich kann man durch photographisches Verfahren die
genauesten Vergrößerungen oder Verkleinerungen von Zeichnungen er-
halten.
c) Photographiren der Embryonen. Es ist von großem
Vorteil, wenn man Embryonen, welche in Schnittserien zerlegt werden
sollen, vor dem Einbetten photographisch aufnimmt. Hat man einen
vertical stehenden mikrophotographischen Apparat, so kann man das
Object in einem mit Alkohol gefüllten Schälchen photographiren. Es
S Technische Bemerkungen.
ist dabei empfehlenswert, einen kleinen Maßstab neben das Object zu
legen und denselben mit aufzunehmen. Das Object kann mittelst einer
Beleuchtungslinie von oben beleuchtet werden. In diesem Falle exponirt
man bei Sonnenlicht einige Minuten, bei Lampenlicht (Auerbrenner) etwa
eine halbe Stunde oder länger.
Litteratur über die Technik.
Böhm, 4A.., und Oppel, 4A., Taschenbuch der mikroskopischen Technik, 4. Aufl.,
München 1900.
Born. G.. Die Plattenmodellirmethode. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 22, 1883.
— Noch einmal die Plattenmodellirmethode. Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie, Bd. 5, 1888.
— Reconstructionsmethoden, in: Taschenbuch der mikroskopischen Technik von Böhm u.
Oppel, 4. Aufl., München 1900.
Born, G., und Peter, K., Zur Herstellung von Richtebenen und Richtlinien. Zeitschr.
f. wiss. Mikroskopie, Bd. 15, 1898.
His, W., Ueber die Methoden der plastischen Reconstruction. Anat. Anz., Bd. 2, 1887.
Kastschenko, N., Methode zur genauen Reconstruction kleiner mikroskopischer Gegen-
stände. Arch. f. Anat. u. Entwickg., 1886.
— Die graphische Isolirung. Anat. Anz., Bd. 2, 1887.
— Die graphische Isolirung bei mittleren Vergrösserungen. Ebenda.
Keibel, F.. Ein kleiner Hilfsapparat für die Plattenmodellirmethode. Zeitschr. f. wiss.
Mikroskopie, Bd. 11, 1893.
Lee, A. B., und Mayer, Paul, Grundzüge der mikroskopischen Technik, Berlin 1898.
Peter, K.. Demonstration des Born-Peter’schen Verfahrens zur Herstellung von Richt-
ebenen. Verhandl. d. Anat. Gesellsch., 1899.
Schaper, A., Zur Methodik der Plattenmodellirung. Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie,
Bd. 18, 1887.
Strasser, H., Ueber die Methoden plastischer Reconstruction. Zeitschr. f. wiss. Mikro-
skopie, Bd. 4, 1887.
I. CAPITEL.
Uebersicht der Entwickelungsvorzänge bei
den Wirbeltieren.
Zugleich
Erklärung der Fachausdrücke.
Eizelle und Samenzelle.
Alle Wirbeltiere vermehren sich ausschließlich durch geschlecht-
liche Fortpflanzung (Amphigsnie) !).
Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung nimmt das neue Individuum
seinen Ursprung von zwei Geschlechtszellen, nämlich der männlichen
Geschlechtszelle, der Samenzelle {dem Spermatozoon), und der
weiblichen Geschlechtszelle, der Eizelle (dem Ovulum). Wenn die
Samenzelle und die Eizelle zusammentreffen, vereinigen sie sich, in-
dem die Samenzelle in die Eizelle eindringt. Der Kern der Samen-
zelle verschmilzt mit dem Kern der Eizelle. Der Vorgang der Ver-
einigung der Samenzelle und der Eizelle heißt die Besamung, die
dann folgende Verschmelzung der Kerne bildet die Befruchtung?).
Die so entstandene Zelle wird befruchtete Eizelle genannt: da
sie den Ausgangspunkt der Entwickelung des Individuums bildet und
mit ihr die Furchung beginnt, heißt sie auch erste Furchungs-
zelle.
Bei nahezu allen Wirbeltieren sind die Geschlechter getrennt, d.h.
die beiden Arten von Geschlechtszellen werden von zweierlei Individuen
hervorgebracht, den Weibchen und den Männchen (Geschlechtstrennung,
Gonochorismus). Die Eizelle ist also die Fortpflanzungszelle des weib-
lichen Organismus, die Samenzelle diejenige des männlichen. Wenn
aber ein Individuum beiderlei Geschlechtszellen, männliche und weib-
1) Die Parthenogenese (Jungferzeugung), d. h. die Entwickelung unbe-
fruchteter Eier, welche sich (meist neben der geschlechtlichen Fortpflanzung) bei
manchen wirbellosen Tieren (Trematoden, Crustaceen, Insecten u. a.) findet, kommt
bei den Wirbeltieren nicht vor. Ebensowenig die anderen Arten der ungeschlecht-
lichen Fortpflanzung, nämlich Teilung, Sprossung und Brutknospenbildung.
2) Es ist wohl zu unterscheiden zwischen der Begattung und der Befruchtung.
Bei der Begattung werden die Samenzellen in die weiblichen Geschlechtsorgane
rebracht, wo sie nachher (manchmal erst nach Tagen oder Wochen) zur Besamung
der Eizellen gelangen und so die Befruchtung ausführen.
10 1. Capitel.
liche hervorbringt, so heißt dasselbe ein Zwitter oder Herma-
phrodit (Zwitterbildung, Hermaphroditismus). — Als echte Zwitter
kann man solche Tiere bezeichnen, bei welchen jedes Individuum
normalerweise Eizellen und Samenzellen erzeugt). Echter Herma-
phroditismus ist unter den Wirbeltieren nur in wenigen vereinzelten
Fällen vorhanden; er kommt nur bei einigen Teleosteern vor, nämlich
bei Chrysophrys aurata und bei manchen Serranusarten ?).. — Aus-
nahmsweise, d. h. als Abnormität, findet man Hermaphroditismus
auch bei einigen anderen Teleosteern (Gadus morrhua, Scomber,
Clupea harengus u. a.). Von diesen und anderen Fällen anormaler
Zwitterbildung kann hier abgesehen werden.
Das weibliche Organ, in welchem die Eizellen sich ausbilden, ist
der Eierstock (Ovarium), das männliche Organ, in welchem die
Samenzellen sich entwickeln, ist der Hode (Testis).. Für Eierstock
und Hoden giebt es eine gemeinsame indifferente Bezeichnung: Keim-
drüse, Gonade. In der Embryonalentwickelung bemerkt man zur
Zeit der Differenzirung der Organe einige durch besondere Größe auf-
fällige Zellen, welche weiterhin die Gonade bilden und durch mehr-
fache Teilungen den Eizellen oder Samenzellen den Ursprung geben;
diese Zellen nennt man Genitalzellen oder Ureier?°). Bei allen
Wirbeltieren erscheinen die Genitalzellen in einem Teil des Epithels
der Leibeshöhle (Cölomepithels), am dorsalen Teil der Leibeshöhle;
dieser Teil des Epithels der Leibeshöhle, welcher die Ureier enthält,
heißt Keimepithel oder Geschlechtsepithel. — Die Anlage
der Gonade ist in der ersten Zeit indifferent, d.h. es ist anfangs nicht
zu erkennen, ob sie sich zu einem Eierstock oder einem Hoden weiter-
entwickeln wird.
Im Zustand der Reife unterscheiden sich die Eizelle und die
Samenzelle bei allen Tieren dadurch, daß die Eizelle relativ groß ist,
da sie eine große Menge Nährmaterial für die Entwickelung des jungen
Organismus mitbringt; dagegen ist die Samenzelle klein und meistens
sehr beweglich.
In Anbetracht ihrer Fähigkeit, sich selbständig zu bewegen, hat
1) Bei echten Zwittern kann das einzelne Tier zuerst als Männchen und später
als Weibchen fungiren (Protandrie), oder zuerst als Weibchen und später als
Männchen (Protogynie), oder bei wechselseitiger Begattung gleichzeitig als Männchen
und als Weibchen; oder es findet Selbstbefruchtung statt, was aber selten ist. — Echte
Zwitter sind z. B. die meisten Turbellarien, Trematoden und Cestoden, viele Anne-
liden (Regenwurm u. a.), viele Schnecken und einige Muscheln.
2) Bei Chrysophrys wie bei den Serranusarten ist der Hoden jederseits in der
Wand des Eierstockes gelegen. Bei Chrysophrys scheint Protandrie zu bestehen, beı
Serranus wird Selbstbefruchtung angenommen (DurossE, De l’hermaphrodisme chez
le Serran, Ann.d. Se. natur., S.4, T.5, Paris 1856. — J. Brock, Beitr. zur Anat.
u. Hist. der Geschlechtsorgane der Knochenfische, Morphol. Jahrb., Bd. 4, 1878).
— Beiläufig will ich erwähnen, daß man bei männlichen Kröten am Vorderende
des Hodens ein Organ findet, welches als zwitterige Anlage betrachtet wird; es ist
das Bıpvper’sche Organ, welches auch bei weiblichen Kröten vorkommt. Dasselbe
enthält bei Männchen Eizellen und dabei auch samenbildende Zellen. Da aber die
Eizellen nicht als solche in Function treten, liegt hier kein echter Hermaphroditis-
mus vor.
3) Während die Genitalzellen bei manchen wirbellosen Tieren schon früh,
manchmal schon während der Furchung sich differenziren, werden sie bei Wirbel-
tieren immer erst relativ spät bemerkbar, manchmal erst dann, wenn im Uebrigen
schon nahezu die Form und Organisation des ausgebildeten Tieres vorhanden ist.
Uebersicht der Entwickelungsvoreängre bei den Wirbeltieren.
24 sang
man den Samenzellen den Namen Samentierchen, Spermatozoa,
gegeben}. Bei den meisten Tieren, insbesondere bei allen Wirbel-
tieren, haben die Samenzellen eine schlanke,
fadenförmige Gestalt (Samenfäden) und können
sich in schlängelnder Weise schwimmend fortbe- SAPNETEL ARE
wegen um zu den Eizellen zu gelangen ?). Wahr-
scheinlich geht meistens von den Eizellen ein
chemischer Reiz aus, durch welchen die Sper-
matozoen angezogen werden (Chemotropismus).
Die Samenfäden setzen sich aus 3 Teilen zu-
sammen, aus dem Kopf, dem Mittelstück
und dem beweglichen Faden (Schwanz- R
faden). Der Kopf ist spießförmig, kegel-
förmig oder mandelförmig: an den Kopf schließt m
sich das Mittelstück an, welches gewöhnlich nur \ ’
eine geringe Größe hat und oft nur ein kleines \
Knöpfehen am Hinterende des Kopfes bildet.
Dann folgt der Faden, welcher sehr fein und )
im Verhältnis zum Kopf meist sehr lang ist; |
manchmal besitzt der Faden einen undulirenden 13
Saum (Fig. 1). Die Fortbewegung des Spermato-
zoons beruht auf der Bewegung des Fadens, N
welche man mit der Bewegung der Geißel einer
Geißelzelle vergleichen kann. Stets geht bei
der Bewegung der Kopf voran. Der Faden ist
nur das Bewegungsorgan der Samenzelle und
hat für die Befruchtung keine Bedeutung. Der
Kopf enthält den Kern der Samenzelle, er
besteht sogar fast ausschließlich aus der färb-
baren Kernsubstanz, aus Chromatin®). Man
kann bei der Entwickelung der Spermatozoen
Fig. 1. Samenfaden von Salamandra maculata. % Kopf,
m Mittelstück, ef Endfaden, sp Spitze, « undulirende Mem-
bran. (Nach O. HERTWIG.)
1) Die Spermatozoen wurden im Jahre 1677 entdeckt. Ein Student Hamm in
Leyden bemerkte dieselben bei mikroskopischer Untersuchung des Samens und machte
seinen Lehrer LEEUWENHOEK darauf aufmerksam. Dieser veröffentlichte die Be-
obachtung und knüpfte daran die Theorie, daß die Samentierchen die präexistirenden
Keime der Tiere seien; diese Ansicht wurde dann von der Schule der Animaleulisten
vertreten, während die Ovisten behaupteten, daß das junge Individuum im Ei vor-
gebildet sei. Beide Theorien sind unrichtig, da die Eizelle und die Samenzelle zwei
einfache Zellen sind, welche mit einander verschmelzen müssen und welche in Hin-
sicht der Vererbung der Eigenschaften auf die Entwickelung des neuen Individuums
gewöhnlich einen nahezu gleich starken Einfluß haben.
2) Wenn die Samenzellen nicht darauf angewiesen sind, die Eizellen im Wasser
oder in den weiblichen Genitalorganen aufzusuchen, so können sie eine annähernd
kugelige oder kegelförmige Gestalt haben, wie es bei den Nematoden und bei manchen
Crustaceen der Fall ist. Bei den Nematoden gelangen die Spermatozoen bei der
Begattung in das Receptaculum seminis, durch welches die Eier beim Austritt aus
dem Ovarium hindurchgehen müssen. Bei manchen Daphniden, bei welchen die
Spermatozoen die runde Form gewöhnlicher Zellen haben, werden dieselben bei der
Begattung in den Brutraum des Weibchens gebracht, in welchen auch die Eier aus
dem Ovarium austreten.
3) Als Chromatin bezeichnet man diejenige Substanz oder dasjenige Gemisch
von Substanzen, welches das färbbare Kerngerüst bildet, ohne Rücksicht auf die
12 1. Capitel.
schrittweise verfolgen, wie das (Chromatingerüst des Kernes zu
einer schmalen, compacten Masse sich zusammenzieht, aus welcher
dann der Kopf des Spermatozoons entsteht. Der Schwanzfaden nimmt
seinen Ursprung im Zellkörper. Dasselbe gilt wahrscheinlich auch von
dem Mittelstück; dasselbe ist dadurch wichtig, daß es die Cen-
trosomen enthält, wie sich dies nach dem Eindringen des Sper-
matozooenkopfes in die Eizelle zeigt !).
Die Eizelle hat gewöhnlich eine kugelige Gestalt und besitzt
eine im Vergleich zu anderen Zellen ganz außerordentliche Größe,
weil sie stets mit einer Menge von Nährmaterial beladen ist. Die
Eizellen der Reptilien und Vögel sind die größten Zellen, welche über-
haupt im Tierreiche vorkommen ?).
Wie bei jeder Zelle, so sind auch bei der Eizelle als wichtigste
Bestandteile der Kern und das Protoplasma zu nennen; dazu
kommt dann das Nährmaterial, der Nahrungsdotter (das Deuto-
plasma) hinzu.
Der Kern (Nucleus) der Eizelle wird mit einem alten Namen
als Keimbläschen (Vesicula germinativa) bezeichnet. Wie jeder
Zellkern ist er von einem färbbaren Netzwerk oder Fadenwerk, dem
-Chromatingerüst, durchzogen. Wenn das
Chromatin in Form von getrennten Faden-
stücken oder Kugeln vorhanden ist, so nennt
man dieselben Chromosomen. Die Flüssig-
keit, welche die Zwischenräume des Kern-
gerüstes ausfüllt, wird Kernsaft genannt.
Außer dem Chromatingerüst enthält der
Eikern ein -Kernkörperchen (Nucleo-
lus), welches mit einer alten Bezeichnung
Fig. 2. Schema eins Keimfleek (Macula germinativa) genannt
Eies ac TEGENBAUR 1: 3 b ö
a De "7, Wird ®). Bei manchen Eiern sind mehrere Kern-
körper, b Kern (Keim- körperchen vorhanden (Fig. 3). — Der Ei-
bläschen), c Kernkörper- kern besitzt eine Membran, welche manch-
chen (Keimfleck). mal sehr fein ist. manchmal aber eine deutlich
wahrnehmbare Haut bildet.
Das Protoplasma der Eizelle (wie das Protoplasma aller Zellen) ist
sehr wahrscheinlich keine chemisch ee sondern ein
Gemisch mehrerer Substanzen, deren chemische Natur noch nicht be-
chemische Natur desselben (welche nur unvollkommen bekannt ist); gewöhnlich be-
steht das Chromatin hauptsächlich aus derjenigen Substanz, welche nach chemischen
Reactionen als Nuclein definirt ist.
1) Die Centrosomen sind winzige Körperchen, welche in vielen, vielleicht in
allen Zellen vorhanden sind und bei ruhenden Zellen in der Zweizahl neben dem
Kern liegen; bei der Kernteilung bilden sie die Pole der Kernspindel und liegen
also im Centrum der Protoplasmastrahlung. Sie scheinen gewissermaßen die Kraft-
centren der Kernteilung zu sein. — Wenn das Spermatozoon in das Ei eingedrungen
ist, erscheint am Hinterende des Spermatozoenkopfes eine Strahlung, welche sich in
dem Zellkörper der Eizelle ausbreitet; daraus kann man schließen, daß die Centrosomen
ganz nahe am Hinterende des Kopfes, also im Mittelstück gelegen sind.
2) Bei den Eiern der Reptilien und Vögel stellt die gelbe Kugel im Inneren
des Eies die Eizelle dar. Die Eizelle ist von der Eiweißschicht und von der Eischale
umgeben.
- 3) Das Keimbläschen wurde von PURKINJE im Jahre 1825, der Keimfleck von
R. WAGNER im Jahre 1836 entdeckt. Nachdem durch SCHWANN, SCHLEIDEN
und Max ScHurTzE die Zellenlehre begründet war (1839, 1842 und 1861), erkannte
man, daß das Ei eine Zelle und das Keimbläschen der Zellkern ist.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 13
kannt ist, welche aber sicherlich einen sehr complieirten Bau des
Moleküls besitzen. Manchmal kann man auch schon mikroskopisch
zweierlei Substanzen im Protoplasma der Eizellen unterscheiden,
nämlich ein aus Fäden bestehendes Gerüst, die Filarmasse, und die
dazwischen liegende Interfilarmasse !).
Außer dem Kern und dem Protoplasma enthält die Eizelle eine
Menge von Nährmaterial, welches dann später während der Ent-
eenae allmählich aufgezehrt wird: dieses Nährmaterial bezeichnet
man als Nahrungsdotter oder Deutoplasma; es sind fettartige
oder eiweißstoffartige Stoffe, welche in Form von Blättchen, Körnchen,
Kugeln oder Tröpfehen dem Protoplasma
eingelagert sind. Das Deutoplasma ist bei
den meisten Eiern in sehr großer Menge
vorhanden. Infolge der Einlagerung des
Deutoplasmas können die Eizellen eine
solche Größe erhalten, wie sie anderen
tierischen Zellen nicht zukommt. Bei dotter-
reichen Eiern befindet sich das Protoplasma
hauptsächlich in der Umgebung des Kernes
und an der Peripherie der Eizelle, während
die übrige Masse der Eizelle von den deuto-
plasmatischen Bestandteilen ausgefüllt wird
und das Protoplasma sich nur zwischen den- ee
! = er ie. 3. Unreifes Ei aus dem
selben hindurchzieht, ‚wie Wasser zwischen gierstock einer Forelle (nach
Sand. Hıs). Im Innern des Eies
In Bezug auf die Menge der Reserve- sieht man das Keimbläschen
stoffe und ihre Verteilung in der Eizelle mit zahlreichen Keimflecken.
unterscheidet man gewöhnlich 3 Fälle: ent-
weder ist nur wenig Deutoplasma in dem Ei vorhanden, und das Deuto-
plasma ist nahezu gleichmäßig im Ei verteilt (dotterarme Eier,
alecithale Eier), oder das Deutoplasma nimmt die Mitte des Eies
ein, während die protoplasmatischen Teile des Eies ringsum die Deuto-
plasmamasse umgeben (Eier mit centralem N ahr ungsdotter,
centroleeithale Eier), oder der, Dötter liegt mehr nach der einen
Seite des Eies, die protoplasmatischen Teile mehr nach der anderen
(polar differenzirte Eier, Eier mit polständigem Nahrungs-
dotter, telolecithale Eier). Es ist aber auf diese Unterscheidung
kein großer Wert zu legen, da sie nicht streng durchführbar ist.
Bei den meisten Wirbeltieren sind die Eizellen zur Zeit der Reife
polar differenzirt und telolecithal. Bei jungen Eiern im Ovarium be-
findet sich zwar der Eikern in der Mitte der Eizelle, und der Dotter
wird zuerst in der Umgebung des Kernes abgelagert (Fig. 5). Später
aber, wenn das Ei seiner Reife entgegengeht, rückt der Eikern an
die Oberfläche des Eies. Daraus folgt eine polare Differenzirung
des Eies. — Man nennt denjenigen Pol, an welchem der Eikern sich
befindet, denanimalen Pol, den anderen den v egetativenPol?).
n Siehe: FLEMMING, Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung. Leipzig 1882.
2) Zunächst ist der animale Pol durch diejenige Stelle bezeichnet, wo der
Eikern an die Peripherie des Eies gekommen ist und die Bildung der Richtungs-
körper stattfindet. Ich möchte aber auf die Möglichkeit hinweisen, daß bei Eiern,
welche relativ mäßigen Dottergehalt haben, die Polarität zur Zeit der Befruchtung
sich ein wenig verändert. Denn bei der Befruchtung kann sich der weibliche Kern
in der Richtung nach dem männlichen Kern verschieben. Es ist also, streng ge-
nomen, eine doppelte Polarität zu unterscheiden, erstens die Polarität bei der Reife
14 1. Capitel.
In Bezug auf die Verteilung des Nährmaterials ist zu bemerken, daß
am animalen Pol die protoplasmatischen Bestandteile des Eies über-
wiegen, am vegetativen die deutoplasmatischen Bestandteile angehäuft
sind !). ‚Je mehr Dotter das Ei enthält, um so stärker macht sich dieser
Unterschied geltend. Bei dotterreichen
Eiern wird der größte Teil des Eies
von dem Deutoplasma gebildet und
Ei -- 25 befinden sich die protoplasmatischen
ee. sch. Bestandteile des Eies fast ausschließ-
ERRLER lich ganz nahe an dem animalen Pol;
diesen protoplasmahaltigen Teil des
Eies nennt man dann die Keim-
scheibe (Blastodiseus). Dieselbe um-
schließt den Eikern und enthält keinen
Dotter oder nur feine Dotterkörnchen
(Fig. 4). — Wenn in solcher Weise
ee die protoplasmatischen und die deuto-
Yp plasmatischen Teile des Eies geschieden
Fig. 4. Schema eines telolecithalen sind, > wird für die ersteren die
Eies mit reichlichem Nahrungsdotter. Bezeichnung Bildungsdotter, für
Am animalen Pole A4.P die Keim- die letzteren die Bezeichnung Nah-
scheibe %.sch, in welcher das Keim- rungsdotter gebraucht.
rasen ‚k.b eingeschlossen ist, Der Ich werde den animalen Pol ge-
Nahrungsdotter n.d füllt den übrigen er i
Eiraum nach dem vegetativen Pol wöhnlich als den oberen Pol be-
(V.P) zu aus. (Nach OÖ. Herrwıc.) zeichnen; in der That findet meistens
eine Orientierung des Eies in der
Weise statt, daß der anımale Pol sich nach oben dreht; der Grund .
liegt darin, daß die deutoplasmatischen Bestandteile des Eies in der
tegel schwerer sind als die protoplasmatischen. Es giebt aber auch
Eier (z. B. bei vielen Knochenfischen), welche in der deutoplasmatischen
Hälfte des Eies eine Oelkugel enthalten und infolgedessen den animalen
Pol nach unten kehren.
Eihüllen.
Wenn die Eizelle den mütterlichen Organismus verläßt, ist sie
bei den Wirbeltieren niemals nackt, sondern wird stets von Hüllen
umgeben. Man unterscheidet die primäre Hülle, welche stets vorhanden.
ist, und die secundären Hüllen, welche bei manchen Wirbeltieren über
der primären Hülle sich auflagern.
Die primäre Hülle ist de Eimembran oderZonaradiata; die-
selbe wird meist schon im Ovarium gebildet und ist ein Absonderungs-
des Eies zur Zeit des Beginnes der Richtungskörperbildung, zweitens die Polarität
nach der Befruchtung zur Zeit des Beginnes der ersten Furchungsteilung; im ersteren
Fall ist der animale Pol durch den reifen Eikern oder die erste Richtungsspindel
bezeichnet, im zweiten Fall durch den aus der Vereinigung der beiden Geschlechts-
kerne entstandenen ersten Furchungskern. Freilich bei denjenigen Wirbeltieren, bei
welchen das Ei vielen Nahrungsdotter enthält und schon bei der Reife des Eies
eine Keimscheibe sich bildet, findet auch die Befruchtung in der Keimscheibe statt
und hat also das befruchtete Ei dieselbe Polarität wie das unbefruchtete.
l) Wenn bei einer stark dotterhaltigen Zelle der Kern einseitig in der Zelle
liegt, so befinden sich stets die protoplasmatischen Bestandteile der Zelle haupt-
sächlich in der Nähe des Kernes. Dies gilt sowohl für die reife Eizelle wie auch
für die Furchungszellen. Die Ursache liegt darin, daß zur Zeit der Kernteilung das
Protoplasma zu den Polen der Spindel herangezogen wird.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 15
produet der Eizelle oder des dieselbe umgebenden Follikelepithels ; inwie-
weit die Eizelle an der Ausscheidung derselben beteiligt ist, kann oft
nicht mit Sicherheit entschieden werden; meistens (namentlich bei den
Vögeln und den Säugetieren) ist es das Fol-
likelepithel, welches die Eihaut hauptsächlich Var
ausscheidet ').— Die Eihaut ist mit feinen Poren MID, Er
versehen und hat daher auf dem optischen
(Juerschnitt ein radiär gestreiftes Aussehen,
daher der Name Zona radiata. Durch diese
Poren steht das Protoplasma der Eizelle mit
den Follikelzellen inVerbindung, und auf diesem ä
Wege wird der Eizelle Nährmaterial von den RE in
Follikelzellen zugeführt. Manchmal ist die ‚Fig. 5. Schnitt durch
= NIERE z n. 2 ein unreifes Ei im Ovarium
äußerste Schicht der Eihaut ohne radiäre eines Haifisches (Seyllium
Streifung (Fig. 5), doch glaube ich, daß man _ canicula). fe Follikelepithel,
diese Schicht deswegen nicht prineipiell von »tund zu die beiden Schich-
den tieferen Schichten der Eihaut zu scheiden en ‚der Eimembran, yk
re SUSDEEET, ellkörper des Eies. (Aus
braucht, sondern daß das Fehlen der Streifen Barrovr.)
nur daher kommt, daß zu der Zeit. als sich
die ungestreiften Verdickungsschichten auflagerten, die protoplasma-
tischen Verbindungen der Eizelle und der Follikelzellen schon unter-
brochen waren.
Indem ich die primäre Eihaut als Eimembran oder Zona radiata
bezeichnete, habe ich von dem üblichen Unterschied zwischen Dotter-
haut und Chorion abgesehen. Die primäre Eihülle wird Dotterhaut
genannt, wenn sie von der Eizelle abgesondert ist, dagegen Chorion,
wenn sie von den Follikelzellen gebildet wird. Der Durchführung dieser
Unterscheidung stellen sich aber große Schwierigkeiten entgegen,
insbesondere bei den Wirbeltieren ?). Um eine von den schwankenden
JE
1) Jede Eizelle ist, während sie heranwächst, von einer einschichtigen oder
mehrschichtigen Lage von Zellen umgeben, welche Follikelzellen genannt werden.
Bei den Säugetieren erfahren die Follikelzellen, welche anfangs in einfacher Schicht
die Eizelle umgeben, eine starke Vermehrung und bilden den GRAAF’Sschen
Follikel; nachdem die Follikelzellenlage mehrschichtig geworden ist, tritt in der-
selben eine Höhlung auf, welche von einer eiweißhaltigen Flüssigkeit erfüllt wird;
dabei wird das Ei auf die eine Seite des Follikels gedrängt und bildet mit seiner
Follikelzellenbekleidung eine in die Höhlung einspringende Vorragung („Discus oder
Cumulus proligerus*).
2) Die Eihaut der Fische, der Amphibien und der Reptilien wird von einigen
Autoren für eine Dotterhaut, von anderen für ein Chorion gehalten; bei den Fischen
werden manchınal eine äußere Schicht der Eihaut als Chorion und eine innere als
Dotterhaut unterschieden. Die Eihaut der Vögel und diejenige der Säugetiere gelten
als Chorion. Nach meiner Ansicht ist die Frage so wenig abgeklärt, daß es sich
zur Zeit im Unterricht nicht empfiehlt, auf den Unterschied zwischen Dotterhaut
und Chorion großen Wert zu legen. — Es ist mir auch zweifelhaft, ob die Dis-
cussion der Frage in dieser Form jemals zu einem befriedigenden Ergebnis führen
wird. Es ist möglich, daß die Eihaut bei allen Metazoen morphologisch dasselbe
ist; wenn das Ei bei seiner Entwickelung nicht von Follikelzellen umgeben ist, muß
die Eihaut von der Eizelle abgesondert werden; wenn die Eizelle aber mit Follikel-
zellen umlagert wurde, dıe mit dem Ei durch feine protoplasmatische Verbindungen
zusammenhängen, so konnten sich auch diese Follikelzellen an der Absonderung
beteiligen; allmählich wurde der Anteil der Eizelle gering im Vergleiche zu dem
Anteil der Follikelzellen. Auf Grund dieser Hypothese wird man davon absehen,
eine strenge Scheidung zwischen Dotterhaut und Chorion durchführen zu wollen,
und wird vielmehr die Fragestellung in folgender Weise formuliren: Ist die
Eihaut von der Eizelle allein oder unter Mitbeteiligung der Follikelzellen oder
hauptsächlich von den Follıkelzellen abgeschieden? Auch diese Frage wird oft
noch schwer zu entscheiden sein.
16 1. Capitel.
Ansiehten unabhängige Bezeichnung zu haben, ziehe ich den Namen
Eimembran vor.
Bei manchen Wirbeltieren, welche eine derbe Eimembran haben,
ist dieselbe an einer Stelle mit einer Oefinung versehen, durch welche
die Samenzelle Zutritt zu der Eizelle findet; diese Oeffnung wird
Mikropyle genannt. Wir wollen die Mikropyle des Lachseies, welche
von Hıs sorgfältig beschrieben wurde, etwas genauer betrachten.
Dieselbe ist von trichterförmiger Gestalt, oben erweitert, unten enger
und liegt in der Mitte einer flachen, uhrglasförmigen Einsenkung der
Eischale (Fig. 6): der Kanal hat in seinem engeren Teile annähernd
denselben Durchmesser wie der Kopf eines
Spermatozoons. Wenn das Ei in das Wasser
abgelegt ist, so muß bald darauf das Ein-
dringen des Spermatozoons erfolgen, da
nach etwa 10 Minuten infolge der Quellung
einer zwischen Ei und Eihaut gelegenen
Substanz die Eischale sich von der Eizelle
Fig. 6. Eimembran (Zona abhebt, und die Mikropyle mit dem Ver-
radiata) des Lachses (Salmo . 3 £ LER: L 3
salar) mit der Mikropyle. Oben schwinden der uhrglasförmigen Einsenkung
ein in die Mikropyle eindrin- eomprimirt und verschlossen wird. — Die
gendes Spermatozoon. (Nach Bildung des Mikropylenkanals erfolgt bei
Hıs.) Knochenfischen in der Weise, daß an einer
bestimmten Stelle eine besonders große
Follikelzelle liegt, die durch einen dicken Fortsatz mit der Eizelle zu-
sammenhängt und so den Mikropylenkanal offen hält (EIGENMANN 1890).
>ei manchen Wirbeltieren werden über der Eimembran noch
seeundäre Hüllen aufgelagert, welche im Eileiter entstehen. So
wird bei den Amphibien im Eileiter eine Gallerthülle der Eier secernirt,
welche aufquillt, wenn die Eier ins Wasser kommen. Bei den Selachiern
sondert der Eileiter in ähnlicher Weise eine Eiweißschicht ab und
darüber eine Eischale von hornartiger Festigkeit. Bei den Reptilien,
den Vögeln und den monotremen Säugetieren wird in dem Eileiter,
nachdem die Befruchtung des Eies erfolgt ist, eine Schicht von zäh-
flüssigem Eiweiß gebildet, und schließlich um das Ei eine kalkige
Schale abgeschieden. — Wir müssen später bei den einzelnen Klassen
auf die Eihüllen zurückkommen.
eiläufige können die zusammengesetzten Eier gewisser
wirbelloser Tiere erwähnt werden. Bei manchen Plattwürmern (bei
Trematoden, Cestoden, rhabdocölen und trieladen Turbellarien) werden
nämlich der Eizelle die aus dem Dotterstock stammenden Dotterzellen
aufgelagert, und wird dann die Eizelle samt den Dotterzellen von der
in der Sehalendrüse entstehenden Eischale umschlossen. Bei diesen
zusammengesetzten Eiern haben die dem Ei beigegebenen Dotterzellen
denselben Zweck wie die Eiweißschicht der genannten Wirbeltiereier:
sie werden während der Entwickelung des Embryo resorbiert, um zur
Ernährung desselben zu dienen.
Reifungsvorgänge und Befruchtung.
Wie die Eizellen aller Metazoen überhaupt müssen auch diejenigen
der Wirbeltiere vor der Befruchtung gewisse Reifeerscheinungen
durchmachen: es müssen nämlich erst die Riehtungskörper (Pol-
zellen) gebildet werden. Der Eikern (das Keimbläschen) begiebt sich
er
Pia
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 17
ganz an die Peripherie der Eizelle, seine Membran schwindet und er
geht in Mitose ein !). Es entsteht eine Kernspindel, welche sich senk-
recht zur Eioberfläche stellt, mit einem Pole über die Oberfläche hervor-
tritt und sich so teilt, daß an der Pe-
ripherie ein kleiner Körper abgeschnürt
wird, derersteRichtungskörper.
Der Vorgang ist als eine Zellteilung
aufzufassen, bei welcher 2 ungleiche
Zellen entstehen, die große Eizelle und
der kleine Richtungskörper. Die Chro-
mosomen, welche der Eikern enthielt,
werden gleichmäßig auf die Eizelle
und auf den Richtungskörper verteilt.
An den in der Eizelle verbliebenen } {
Chromosomen entsteht wieder eine Fig. 7. Erster Richtungskörper
2 - h ar und zweite Richtungsspindel bei dem
neue Spindel, welche sich ganz ähnlich gi von Triton taeniatus. (Nach
verhält wie die erste Richtungsspindel; Carxoy et LEBRUN.) ZRk erster
bei der eintretenden Teilung entsteht Richtungskörper.
der zweite Richtungskörper. Die Chro-
mosomen werden auch diesmal wieder gleichmäßig auf die Eizelle und
den Riehtungskörper verteilt. Die in der Eizelle liegenden Chromosomen
bilden nun einen neuen Kern, welcher weiblicher Geschlechts-
kern oder weiblicher Vorkern genannt wird. — Nun kann die
Befruchtung stattfinden. Wenn ein Spermatozoon in das Ei ein-
gedrungen ist (was oft schon vorher geschah), bildet der Kopf desselben
einen Kern, den männlichen Geschlechtskern oder männ-
lichen Vorkern. Neben demselben erscheint eine kleine Strahlen-
sonne, und im Centrum derselben liegen die beiden Centrosomen,
welche aus dem Mittelstück des Spermatozoons stammen. Die beiden
Geschlechtskerne rücken gegen einander, treffen zusammen und ver-
schmelzen, womit die Befruchtung vollzogen ist. Der durch die
Verschmelzung entstandene Kern heißt erster Furchungskern.
Sehr bald entsteht die erste Teilungsspindel, deren Pole von den
beiden Centrosomen gebildet werden ?).
Zu den Vorgängen der Richtungskörperbildung ist noch zu be-
merken, daß der erste Richtungskörper sich gewöhnlich auch einmal
teilt; dann sind also 3 Richtungskörper vorhanden. Da die Richtungs-
körper als rudimentäre Eizellen aufgefaßt werden können, so werden
1) Als Mitose oder indirekte Kernteiluug bezeichnet man diejenige Art
der Kernteilung, bei welcher das Chromatin des Kernes in einer bestimmten gesetz-
mäßigen Weise gleichmäßig auf die beiden Tochterkerne verteilt wird; das Chromatin
bildet während der Mitose eine bestimmte Anzahl von Körpern (Chromosomen),
welche Schleifenform oder Kugelform haben. Der Kern geht in eine spindelförmige
Teilungsfigur über. Die Mitose ist der gewöhnliche Teilungsmodus der Tier- und
Pflanzenzellen. Eine Beschreibung der Mitose ist in jedem Lehrbuch der Botanik,
Zoologie oder Histologie zu finden. — Ich behalte die von FLEMMING eingeführte
Bezeichnung Mitose bei, während O. HERTWIG neuerdings dafür den Namen Kern-
segmentirung einführen will; unter dem Wort „Mitose‘“ kann nichts anderes ver-
standen werden als die bestimmte Art der Kernteilung, für welche der Name ge-
macht wurde, aber das neuerdings dafür gebrauchte Wort „Kernsegmentirung‘“ kann
auch allerlei andere Teilungsarten des Kernes bedeuten, besonders da es in der
Litteratur schon in anderem Sinne verwandt wurde (z. B. ArNoLp’s direkte
Segmentirung ist ungefähr gleichbedeutend mit Amitose).
2) Abbildungen der Reifungs- und Befruchtungsvorgänge folgen in den Ab-
schnitten über Amphioxus, die Teleosteer und die Amphibien. In Fig. 24 IV sieht
man die beiden Vorkerne nebeneinander, in Fig. 24 V den ersten Furchungskern.
2
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere.
1S 1. Capitel.
gewissermaßen 4 Eizellen gebildet, von welchen aber 3 klein und
rudimentär sind und weiterhin keine Bedeutung haben. — Dieser
Vierteilung der Eizelle entspricht ein ähnlicher Vorgang bei der
Bildung der Samenzellen, indem aus einer Samenmutterzelle 4
Spermatozoen entstehen. |
In Bezug auf die Chromosomen ist bei den Mitosen der Richtungs-
körperbildung die Besonderheit zu beachten, daß nicht, wie bei anderen
Mitosen, die Chromosomen in der Spindelfigur gespalten werden,
sondern lediglich auf die Teilzellen sich gleichmäßig verteilen. Da nun
das reife Keimbläschen doppelt soviel Chromosomen enthält, wie für
die Mitosen der betreffenden Tierart charakteristisch sind (Normalzahl),
so bleibt infolge der doppelten Teilung der vierte Teil davon im Ei
zurück; es besitzt also der weibliche Geschlechtskern die halbe Normal-
zahl der Chromosomen !). — Ganz ähnliche Vorgänge finden bei der
Bildung der Samenzellen statt. Aus einer Samenmutterzelle gehen
durch zweimalige Teilungen 4 Samenzellen hervor; die Samenmutter-
zelle zeigt in ihrem Kern die doppelte Normalzahl der Chromosomen,
und bei den beiden Teilungen werden die Chromosomen nicht ge-
spalten, sondern auf die Teilzellen verteilt, ebenso wie bei der Richtungs-
körperbildung. Infolgedessen enthält jede der 4 Samenzellen nur die
halbe Normalzahl der Chromosomen. — Da demnach bei der Be-
fruchtung der männliche Vorkern ebenso wie der weib-
liche Vorkern eine halbe Chromosomenzahl mitbringt,
so bekommt der durch die Verschmelzung entstehende
erste Furchungskern die volle Normalzahl. Diese erhält
sich dann in allen Kernen des sich entwickelnden Individuums, da ja
bei jeder Mitose die Chromosomen gespalten werden.
Furchung.
‘ Die Entwickelung des jungen Individuums beginnt mit der
Furchung. Wenn die Befruchtung beendet ist, also der männliche
Geschlechtskern mit dem weiblichen sich vereinigt hat, so tritt der
durch die Verschmelzung entstandene Kern, der erste Furchungs-
kern, in Mitose ein und es folgt die Teilung des Kernes und der
Zelle. Die 2 Zellen teilen sich dann in 4 Zellen, diese in 8, und
indem die Teilung weiter geht, entsteht eine große Menge von Zellen.
Die bei der Furchung entstehenden Zellen heißen Furchungszellen
oder Blastomeren; die Gesamtheit derselben heißt das Blastoderm.
Wenn die Teilung synchron verläuft, d. h. wenn alle Zellen jeweils
gleichzeitig in Teilung treten, so entspricht jeder Teilung eine be-
1) In dem reifen Keimbläschen sind die Chromosomen meist in sogenannten
Vierergruppen angeordnet, indem je 4 Chromosomen beisammen liegen; die Zahl der
Vierergruppen ist die halbe Normalzahl, die Zahl der Chromosomen also die doppelte
N a Es ist wahrscheinlich, daß die Vierergruppen dadurch entstanden sus daß
erstens jeweils 2 Chromosomen zusammenhängen und zweitens beide gespalten sind.
Folglich muß die eine Richtungskörperbildung die Trennung der zusammenhängenden,
die andere die Trennung der gespaltenen Chromosomen bedeuten; es ist sehr wahr-
scheinlich, daß bei der Bildung des ersten Richtungskörpers die durch SR ge-
teilten Doppelsegmente getrennt werden, und in - zweiten Richtungsspindel die
Doppelsegmente zerlegt werden. In Bezug auf diese zum Teil noch strittigen
Verhältnisse verweise ich auf die Schriften von J. RÜCKERT, Zur Eireifung bei
Kopenoden, Anatom. Hefte, Heft 12, 1894; OÖ. vom RATH, Neue Beiträge zur Frage
der Öhromatinreduktion in der Samen- und Eireife, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 46,
1895; v. HÄCKER, Die Reifungserscheinungen, Anatom. Hefte, 2. Abt., Bd. 8, 1899.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 19
stimmte Zellenzahl (Die Zahlen bilden eine geometrische Progression
mit dem Factor 2).
Die 1. Teilung ergiebt 2 Blastomeren, die
4
_
7. Teilung ergiebt 128 Blastomeren
Ss
„ 2. „ ” „ ” os „ ” 256 „
”„ 3. „ „ 3 „ „ 9. „ „ 512 „
„ 4. „ „ 16 „ 2) 10. „ „ 1024 „
„ >. „ „ 32 „ „ 11. „ „ 2048 „
„ 6. „ ” 64 „ „ 12, „ „ 4096 „
Aber häufig verläuft die Teilung nicht synchron, indem sich bei
manchen Blastomeren im Vergleich zu den anderen die Teilung ver-
zögert. Diese Verzögerung ist gewöhnlich durch den Dottergehalt der Zelle
Fig. Ss. Furchung des Grasfrosches, Rana temporaria. (Nach ECKER aus
BALFOUR.) Die über den Figuren stehenden Zahlen geben die Anzahl der Blasto-
meren an.
veranlaßt, und man kann sagen, daß die Zellen sich um so langsamer
teilen, je mehr sie mit Dotter beladen sind. Da diejenigen Blastomeren,
welche viel Dotter enthalten, auch größer als die anderen sind, so er-
giebt sich der Satz, daß die großen Blastomeren sich langsamer teilen
als die kleinen.
In Bezug auf die Richtung der Furchungsteilungen ist Folgendes
zu bemerken: Denken wir uns das Ei wie einen Globus mit Linien
überzogen, welche den Längenkreisen und Breitekreisen entsprechen,
wobei der animale Pol den "Nordpol, der vegetative Pol den Südpol
bedeuten mag, so kann bei der Teilung einer Furchungszelle die Achse
der Teilungsspindel einem Längenkreise parallel sein, dann ist die
entstehende Teilungsebene einem Breitekreis parallel (latitudinale
Furche); oder die Spindel ist einem Breitekreise parallel , dann liegt
die entstehende Furche auf einem Längenkreise (meridionale Furch e).
Die meridionalen Furchen werden auch oft als radiäre, die latitudinalen
als concentrische bezeichnet. Bei Eiern, deren Furchung nicht allzu-
sehr durch Dotter beeinflußt ist, sieht man oft die beiden Arten der
Teilung mehrmals regelmäßig abwechselnd sich folgen.
Der Verlauf der Furchung ist wesentlich abhängig von der rela-
tiven Menge des Dotters. Wenn nur eine ganz unbeträchtliche Menge
von Dotter in der Eizelle vorhanden ist, so werden alle Blastomeren
gleich groß, und man bezeichnet die Furchung als äquale oder
gleichmäßige Furehung. Wenn eine beträchtliche Menge von
Dotter vorhanden ist, so erhalten die unteren Blastomeren mehr Dotter
als die oberen und sind folglich größer ; diese Furchung heißt eine
ungleichmäßige oder inäquale (Fig. 8). Bei der äqualen Furchung
sind folglich am Ende der Furchung (in dem später zu besprechenden
bE:
20 1. Capitel.
Blastulastadium) die Zellen am unteren Teil der Blase nicht größer
als die übrigen, während bei der inäqualen Furchung im Blastula-
stadium über der Furchungshöhle relativ kleine und unter derselben
relativ große Zellen getroffen werden.
Eine Furchung, wie diejenige des Amphioxus, welche zwar nicht
ganz äqual ist, aber doch der typischen äqualen Furchung näher steht
als der typischen inäqualen, könnte man als adäquale Furchung be-
zeichnen (Fig. 25). Jedoch wird die Furchung des Amphioxus gewöhn-
lich noch zu der äqualen Furchung gerechnet.
Die bisher besprochenen Furchungsarten werden als totale oder
holoblastische bezeichnet, da das ganze Ei in Furchungszellen
zerlegt wird. Den Gegensatz bildet die partielle oder mero-
blastische Furchung, bei welcher ein großer Teil des Eies un-
gefurcht bleibt. Da die Furchungszellen (Blastomeren) in diesem Falle
eine scheibenförmige Masse bilden, welche der ungefurchten Dotter-
kugel aufliegt, wird die meroblastische Furchung auch als scheiben-
förmige, discoidale Furchung bezeichnet!). Die Gesamtheit der
von der Dotterkugel abgetrennten Furchungszellen (Blastomeren) heißt
das Blastoderm.
Fig. 9. Schema der Furchung eines Knochenfisches (Teleosteers) als Beispiel
discoidaler Furchung. m Eimembran, ks Keimscheibe, » Rindenschicht, pe peri-
vitelliner Raum, d Dotterkugel, oe Oelkugel, bl Blastoderm, p Periblast.
Es ist leicht begreiflich, daß die partielle oder meroblastische
Furchung phylogenetisch aus der inäqualen Furchung abgeleitet
werden kann; je mehr sich in dem vegetativen Teile des Eies die
Dottermasse vermehrte, um so schwieriger wurde es für die trennenden
Furchen, diese ganze Masse bis zum unteren Pol zu durchschneiden ;
sobald die vollständige Durchtrennung unterblieb, entstand die partielle
Furchung.
Wenn nämlich die Masse des Dotters sehr groß ist und das den
ersten Furchungskern umgebende Protoplasma nur eine Keimscheibe
am animalen Pol des Eies bildet, so können die bei der Zellteilung
im Protoplasma thätigen Kräfte den passiven Widerstand des Deuto-
plasma nicht überwinden; es folgt daher auf die erste Kernteilung
1) Die partielle Furchung, wie sie bei den Wirbeltieren vorkommt, ist stets
eine discoidale Furchung. Bei manchen Arthropoden aber, insbesondere bei den
Insecten, findet man einen Furchungstypus, welcher ebenfalls als partielle Furchung
angesehen wird, nämlich die superficiale Furchung. Bei dieser Furchungsweise
tritt zuerst nur eine Vermehrung der Kerne ein, ohne daß Furchen auftreten; die
Kerne verteilen sich im Inneren des Eies und begeben sich dann größtenteils an die
Oberfläche des Eies, wo sie die Bildung einer Zellenschicht bewirken, der Keimhaut,
welche die ungefurchte Dottermasse umgiebt.
Ueberseiht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 9]
keine vollständige Zellteilung, sondern nur eine partielle Teilung; die
Teilungsfurche beginnt am animalen Pol, aber sie läuft dann auf dem
deutoplasmatischen Teile der Eizelle allmählich aus und schneidet
denselben nicht durch; dasselbe wiederholt sich bei der folgenden
Teilung der beiden ersten Blastomeren, und folglich gehen die vier
ersten Blastomeren nach unten in die allen gemeinsame Deutoplasma-
masse (Dotterkugel) über. Bei den folgenden Teilungen werden zwar
die nach dem animalen Pol hin liegenden Zellen vollständig frei, aber
die äußeren und unteren Zellen bleiben mit der Deutoplasmamasse in
Verbindung; nachdem dieselben sich mehrfach geteilt und dabei ab-
gefurchte Zellen an das Blastoderm abgegeben haben, fließen sie zu
einer eontinuirlichen Schicht zusammen, in welcher ihre Kerne noch
mehrfach sich teilen und sehr lange sich erhalten, Diese Schicht
nennt man den Periblast (oder auch das Dottersyneytium).
Am Ende der Furchung ist also eine Masse von abgefurchten
Zellen vorhanden, welche man das Blastoderm nennt, und diese ruht
auf dem Periblast und der Dotterkugel. Aus dem Blastoderm allein
gehen alle Teile des Embryo hervor. Obgleich der Periblast durch Ver-
schmelzung von Blastomeren entstanden ist, welche offenbar in phylo-
genetisch früherer Zeit am Aufbau des Embryo Anteil nahmen, und
obgleich der Periblast mit der Dotterkugel morphologisch einem Keim-
blatt, und zwar dem Entoderm zuzurechnen ist, so ist er doch an
der Bildung des Embryo nicht mehr beteiligt; insbesondere wird die
Wand des Darmes unter Ausschluß des Periblastes gebildet. Selbst-
verständlich ist dies ein phylogenetisch secundärer, ein cenogenetischer
Vorgang. — Der Periblast mit der Dotterkugel wird im Laufe der
Entwickelung resorbirt. Die Kerne des Periblastes erhalten sich bis
zur völligen Resorption des Dotters und haben wahrscheinlich für die
Assimilation und Resorption desselben eine große Bedeutung; indem
sie sich ihrer eigentümlichen Function anpassen, erleiden sie gewisse
Veränderungen hinsichtlich ihres Baues und hinsichtlich des Teilungs-
modus. Sie erreichen eine ungewöhnliche Größe und verlieren all-
mählich die Fähigkeit mitotischer Teilung.
Wie schon oben gesagt wurde, kann im Laufe der phylogenetischen
Entwickelung aus der äqualen Furchung eine inäquale und aus der
inäqualen eine partielle Furchung hervorgehen; eine successive Zu-
nahme der relativen Menge des Deutoplasmas muß dies bewirken.
Andererseits ist es auch denkbar, daß im Laufe der phylogenetischen
Entwickelung eine Abnahme des Deutoplasmas stattfindet, und daß
infolgedessen aus der inäqualen Furchung wieder eine äquale oder
aus der partiellen wieder eine inäquale und sogar eine äquale Furchung
hervorgeht. Bei den Säugetieren liegt höchst wahrscheinlich ein
solcher Fall vor, und haben dieselben früher wie die Reptilien und
Vögel eine partielle Furchung gehabt, in neuerer Zeit aber secundär
wieder eine totale Furchung angenommen. Demnach ist es nicht zu-
lässig, die Furchung der Säugetiere kurzweg mit anderen Fällen totaler
Furchung zusammenzustellen, sondern sie muß als eine ganz eigen-
artige Form der Furchung gelten.
Im Ganzen findet man bei den Wirbeltieren folgende Furchungs-
typen:
1) Die Furchung des Amphioxus (totale adäquale Furchung).
2) Die Furchung der Petromyzonten, der Amphibien und einiger
Ganoiden (totale inäquale Furchung).
» 1. Capitel.
3) Die Furchung der Myxinoiden, der Selachier, der Teleosteer,
mancher Ganoiden, der Reptilien und der Vögel (partielle Furchung,
discoidale Furchung).
Uebergänge von der inäqualen zur partiellen Furchung kommen
bei manchen Ganoiden vor, ferner bei den Gymnophionen und bei
einigen Amphibien, welche sehr große Eier haben.
4) Die Furchung der Säugetiere (secundär totale Furchung).
Genaueres über den Verlauf der Furchung findet man in den
Capiteln: Amphioxus, Selachier, Ganoiden, Teleosteer und Amphibien.
Die Blastula.
Das nächste Stadium, welches wir zu besprechen haben, ist das-
jenige einer Zellenblase, der Blastula (Keimblase). In diesem
Stadium umschließen die Blastomeren eine Höhle, die Furchungs-
höhle oder das Blastocöl. Meist haben sich in diesem Stadium
die Zellen schon alle oder teilweise zu einem Epithel zusammenge-
schlossen. — Je nach der Art der Furchung fällt auch die Blastula
verschieden aus. Wir unterscheiden erstens die Blastula der äqualen
und adäqualen Furchung (Fig. 10), zweitens die Blastula der inäqualen
Furchung (Fig. 11), drittens die Blastula der discoidalen Furchung.
Bei der äqualen und adäqualen Furchung tritt schon bei den
ersten Teilungen die Furchungshöhle zwischen den Blastomeren auf
Fig. 10. Blastula des Amphioxus. (Nach HATSCHER aus O0. HERTWIG.)
Fig. 11. Blastula eines Wassermolches, Triton taeniatus. (Nach OÖ. HERTWIG.)
/h Furchungshöhle, d> Zellen der vegetativen Hälfte.
und erweitert sich in dem Maße, als die Furchung fortschreitet. Die
Blastula ist dann eine aus einschichtigem Epithel bestehende Blase
mit großer Furchungshöhle !). Gewöhnlich kann man an dieser Blastula
leicht die animale Hälfte und die vegetative Hälfte unterscheiden, da
1) Es ist oben gezeigt worden, daß bei einer ganz regelmäßigen äqualen Furchung
nach der 9. Teilung 512, nach der 10. Teilung 1024 Zellen vorhanden sind. Nehmen
wir an, daß diese Zellen eine allseitig gleichmäßige Kugel bilden, so ist es eine inter-
essante mathematische Frage, wie viele Zellen auf dem mittleren optischen Schnitt
der Kugel zu sehen sind, also wie viele Zellen von einer durch den Mittelpunkt der
Uebersicht der Entwiekelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 23
die Zellen der letzteren etwas größer sind, indem der$Dotter, welchen
die Eizelle enthielt, hauptsächlich in die vegetativen Zellen zu liegen
kommt (Fig. 10).
Bei der inäqualen Furchung ist die Furchungshöhle kleiner, und
die vegetative Hälfte der Blastula besteht aus mehrschichtig liegenden
großen Zellen, während die animale Hälfte aus etwas kleineren Zellen
besteht, welche meist nur dreischichtig, zweischichtig oder einschichtig
liegen (Fig. 11). — Wenn das Ei, wie dies beim Froschei der Fall ist,
in der animalen Hälfte dunkel pigmentirt war, so ist die animale Hälfte der
entstehenden Blastula auch durch das dunkle Pigment kenntlich.
Bei der discoidalen Blastula ist die Furchungshöhle niedrig und
flach; über derselben befindet sich ein mehrschichtiges Blastoderm,
bei welchem gewöhnlich nur die oberste Zellenlage ein Epithel bildet:
Fig. 12. Blastula des Zitterrochens (Torpedo ocellata R.). fh Furchungshöhle,
vor vorderer Rand des Blastoderms, Ar hinterer Rand desselben, an welchem die
Gastrulation beginnt, » Periblast, * Kerne im Periblast, 7 Dotter (dunkel gezeichnet) ;
die sich anschließende große Dotterkugel ist nicht dargestellt.
unter der Furchungshöhle befinden sich der Periblast und die Dotter-
kugel (Fig. 12), oder eine dem Periblast entsprechende Schicht vege-
tativer Zellen und die Dotterkugel. Ein Schema der discoidalen
Blastula ist in Fig. 13 der Tafel dargestellt.
Die Gastrula.
Auf das Stadium der Blastula folgt das Stadium der Gastrula
(Darmlarve, Becherlarve). Durch eine Einstülpung entsteht eine neue
Höhle, die Urdarmhöhle oder Gastralhöhle. Die Mündung der
Gastralhöhle heißt der Urmund, Blastoporus oder Prostoma;
der Rand derselben Urmundrand oder Properistom. Die beiden
bei der Gastrula vorhandenen Schichten sind die primären Keim-
blätter: das äußere Keimblatt oder Ektoderm (Ektoblast,
Epiblast), und die eingestülpte Schicht, welche das innere Keim-
blatt oder Entoderm (Entoblast) bildet.
Bei der Gastrulation der Wirbeltiere tritt stets schon die Mono-
Kugel gehenden Ebene getroffen werden, oder wie viele Zellen auf einem größten
Kreis liegen. Bezeichnen wir mit dem Buchstaben F die Oberfläche der Kugel, mit
dem Buchstaben U den Umfang des größten Kreises, so it #=4r’tr, U=2rmr,
woraus sich berechnen läßt U = Y Fr. Nach dieser Formel ergiebt sich, daß auf
dem mittleren optischen Schnitt nach der 9. Teilung 40 Zellen, nach der 10. Teilung
56—57 Zellen zu sehen sind.
24 1. Capitel.
symmetrie (bilaterale Symmetrie) des Wirbeltierkörpers zu Tage').
Es verhält sich nämlich die Einstülpung an der dorsalen Seite anders
als an der ventralen. Es ist
also — wenn nicht schon
früher — jedenfalls von der
Zeit der Gastrulation an die
Medianebene des entstehenden
Embryo bestimmt ?).
Es kommen bei den
niederen Wirbeltieren 3 Typen
der Gastrulation vor, nämlich
die Gastrula nach äqualer
Furchung (Archigastrula), die
Gastrula nach inäqualer
Furchung (Amphigastrula)
und die Gastrula nach dis-
coidaler Furchung |[Disco-
gastrula] °).
Wenn die Furchung äqual
abläuft und die Blastula eine
Fig. 13. Gastrula von Amphioxus. (Nach nechichtise Bi : ß
HATSCHER aus KOLLMANN.) ec Ektoderm einschichtige Blase mit großem
(äußeres Keimblatt), en Entoderm (inneres Blastocöl ist, so sehen wir die
Keimblatt), d! Blastoporus (Urmund), g _Gastrulation in der einfachsten
Gastralhöhle. Weise vor sich gehen; die
vegetative Hälfte stülpt sich
in die animale ein, bis die Furchungshöhle völlig verschwunden ist
und das innere Epithel das äußere von innen berührt (Fig. 13).
Bei der inäqualen Furchung, wo die untere Hälfte der Blastula aus
mehreren Schichten großer Zellen besteht, erfolgt die Gastrulation in
einer etwas abgeänderten Weise. Die Einstülpung beginnt nicht am
vegetativen Pol, sondern an einer Stelle der Randzone, also an der
Grenze zwischen der animalen und der vegetativen Hälfte der Blastula.
Durch den Beginn der Einstülpung ist die Medianebene des ent-
stehenden Embryo bestimmt; es ist die Ebene, welche durch diese
Stelle und durch die Achse der Blastula geht; die Stelle der Einstül-
pung bezeichnet das Hinterende, der nach vorn hin anstoßende Teil
des Ektoderms die Dorsalseite des entstehenden Embryo. Der bei der
Einstülpung gebildete Urmund hat zuerst die Form einer kleinen
horizontalen Spalte‘); am oberen Rand derselben wird dieanimale Schicht
der Blastula nach innen eingestülpt, am unteren Rand die Masse der
vegetativen Zellen. Die letzere wird gewissermaßen nach innen
rotiert, und dabeirückt der vordere Teil der Randzone (welcher der Einstül-
1) Ich habe früher einmal vorgeschlagen, die sog. bilateral-symmetrischen
Tiere als monosymmetrisch zu bezeichnen, da sie nur eine Symmetrieebene (die
Medianebene) besitzen; Tiere mit zwei Symmetrieebenen, wie z. B. die Otenophoren,
könnte man bisymmetrisch, die sog. vierstrahligen und fünfstrahligen Tiere tetra-
symmetrisch resp. pentasymmetrisch nennen.
2) Oft ist die Lage der Medianebene schon im Blastulastadium zu erkennen,
wie z. B. bei den Selachiern und bei den Amphibien. — Gewöhnlich fällt die
Medianebene zusammen mit der Ebene der ersten Furchungsteilung, so daß also die
beiden ersten Blastomeren der rechten und linken Hälfte des Embryo entsprechen.
Dieser Satz darf aber nicht als allgemein giltiges Gesetz angesehen werden.
3) Ernst HAECcKEL, Studien zur Gastraeatheorie. Jena 1877.
4) Man kann dieselbe als Gastralrinne bezeichnen oder als Ruscoxt’sche Rinne
oder Ruscoxt’schen After.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 25
pungsstelle gegenüberliegt) in der Weise vor, daß die Schicht der animalen
Zellen die Masse der vegetativen Zellen umwächstund bedeckt. In dem En-
toderm der Gastrula wird also der ventrale Teil durch die Masse der großen
Zellen gebildet (Fig. 14). — Die hier kurz erwähnten Vorgänge werden
später bei der Gastrulation der Amphibien genauer besprochen werden.
Bei der aus discoidaler Furchung entstandenen Blastula erfolgt
die Gastrulation wieder in einer anderen Weise, welche aber mit der
Gastrulation der inäqualen Furchung in Beziehung gesetzt werden kann.
Die Masse der vegetativen
Zellen ist bei der Blastula
der discoidalen Furchung
durch die Dotterkugel und
den Periblast respräsentirt.
Der Uebergangszone zwi-
schen animalen und vege-
tativen Zellen entspricht
der Rand des Blastoderms.
An einer Stelle dieses
Randes beginnt die Gastru-
lation, indem sich die
Schicht des Blastoderms
nach innen umschlägt und
nach innen weiterwächst
(Fig. 15). Gleichzeitig be-
ginnt das Blastoderm die Fig. 14. Längsschnitt durch ein Ei des
Dotterkugel zu umwachsen. Wassermolches (Triton) nach beendeter Gastru-
i lation. (Nach OÖ. HErTWwIG.
Es setzt sich also auch “on. (ae )
bei der discoidalen Furchung
die Gastrulation aus einem Einstülpungsvorgang und einem Um-
wachsungsvorgang zusammen. — Man sieht auf der Tafel in Fig. 14
ein Schema der discoidalen Gastrula; bei ** erkennt man die Ein-
stülpung, welche der ebenfalls mit ** bezeichneten Einstülpung bei
der inäqualen Gastrula (Fig. 12) entspricht. Der mit * bezeichnete
fh
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Fig. 15. Gastrula des Zitterrochens (Torpedo ocellata). fh Rest der Furchungs-
höhle. Die rechts zwischen der eingestülpten Schicht und dem Dotter befindliche
Höhle ist die Gastralhöhle.
ventrale Rand des Blastoderms in Fig. 14 rückt über die Dotterkugel
herab, wie die entsprechende Uebergangszone der kleinen und der
großen Zellen in Fig. 12 sich über die Masse der großen Dotterzellen
hinwegschiebt.
Da die Dotterkugel der discoidalen Gastrula so sehr groß ist,
dauert es lange, bis die Umwachsung beendet ist. Infolgedessen
findet ein teilweiser Schluß des Blastoporus schon vorher statt, wie
wir dies am schönsten bei den Selachiern sehen. Es bilden sich
26 1. Capitel.
nämlich seitlich an der dorsalen Urmundlippe 2 vorspringende Wülste,
die sogenannten Schwanzlappen, welche sich median vereinigen, ehe
im Uebrigen die Umwachsung beendet ist; das (Genauere darüber ist
bei der Beschreibung der Selachierentwickelung nachzulesen. Ver-
schiedene Abänderungen dieses bei den Selachiern stattfindenden Vor-
ganges finden wir bei den Teleosteern und bei den Amnioten, wie in
den betreffenden Abschnitten gezeigt werden wird.
Das Mesoderm und die Chorda.
Nachdem die beiden primären Keimblätter gebildet sind, oder
manchmal schon während der Gastrulation entsteht ein neues Keim-
blatt, das Mesoderm (Mesoblast, mittleres Keimblatt). Die Bildungs-
weise desselben ist in den Klassen der Wirbeltiere verschieden, und
es muß in dieser Hinsicht auf die späteren Abschnitte dieses Buches
verwiesen werden. Es mögen hier
nur die drei wichtigsten Bildungs-
weisen genannt werden.
Bei Amphioxus enstehen die
beiden Mesodermstreifen aus zwei
Falten des Entoderms, welche auf
beiden Seiten längs des Urdarms sich
erheben und sich vom Entoderm
abschnüren (Fig. 16); es findet also
längst des Urdarms jederseits eine
Ausstülpung statt und der aus-
gestülpte Teil trennt sich von dem
Urdarm ab und bildet die Mesoderm-
streifen. Diese Bildungsweise wird
Fig. 16. Querschnitt eines Embryo gewöhnlich als die ursprüngliche
a a ee en
HATSCHER.) ak Ektoderm, ik: Entoderm, derms durch Divertikelbildung des
mk Mesoderm (Ursegment), mp Me. Urdarms, Enterocölbildung).
dullarplatte, ch Chorda, Ih Leibeshöhle Bei Selachiern entsteht das
(Höhle im Ursegment). Bei * die Ver- Mesoderm durch Herauswucherung
bindung derselben mit der Darmhöhle. aus dem Entoderm und zwar sowohl
jederseits längs der Gastralhöhle
(gastrales, axiales Mesoderm, Mesodermstreifen) als auch am Rande
des Blastoderms (peristomales, peripheres Mesoderm). Längs der
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Fig. 17. Querschnitt durch einen Selachierembryo des Stadiums C. Bildung
des axialen Mesoderms. — ec Ektoderm, en Entoderm, ch Chordaanlage, m gastrales
Mesoderm. Bei * die Mesodermbildungsrinne.
Linie der Entstehung des Mesoderms erscheint am Entoderm eine von
der Gastralhöhle her einschneidende Rinne, die Mesodermbildungsrinne.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 97
Bei den Ganoiden und Teleosteern entstehen die Mesodermstreifen
durch Differenzirung in der eingestülpten Schicht. Bei den Am-
phibien werden die Mesodermstreifen ebenfalls von der eingestülpten
Schicht gebildet durch einen Differenzirungsvorgang, wobei aber in
ähnlicher Weise wie bei den Selachiern am Entoderm eine Mesoderm-
bildungsrinne auftritt (Fig. 18 A neben ch), so daß der Vorgang als
Divertikelbildung aufgefaßt werden kann (0. HERTWIG).
Diese verschiedenen Bildungsarten des Mesoderms können leicht
aus einander abgeleitet und als Modificationen desselben Vorgangs be-
trachtet werden, doch ist es fraglich, welche Bildungsweise als die
ursprüngliche anzusehen ist. Wie oben gesagt, wird meist die Ent-
stehung des Mesoderms durch Divertikelbildung des Urdarms für die
primitive Bildungsweise gehalten und gelten also die Vorgänge bei
Amphioxus als die ursprünglichsten.
Nach meiner Ansicht ist die primitive Bildungsweise des Mesoderms
die Einwucherung zweier streifenartiger Zellmassen (Mesodermstreifen),
welche von der dorsalen Urmundlippe ausging. Die in den Mesoderm-
streifen entstehenden Hohlräume, welche die Leibeshöhle bilden, sind
demnach nicht von der Darmhöhle abzuleiten, sondern selbständig
in dem Mesoderm entstanden !).
Die Mesodermstreifen gliedern sich in die Ursegmente und die
Seitenplatten. Sobald die Mesodermstreifen entwickelt sind, bildet
die oberste Zellenlage ein Epithel; wenn die Mesodermstreifen durch
Faltung von dem entodermalen Epithel aus entstanden sind, haben
sie von Anfang an einen epithelialen Bau; wenn sie aber auf andere
Art entstanden sind, so fügt sich die oberste Zellenlage zu einem
1) Ich habe meine Ansicht im Zusammenhang mit der ganzen Mesoderm- und
Cölomfrage an anderer Stelle ausgesprochen und muß auf die dortige Darstellung
verweisen (Ueber den derzeitigen Stand der Cölomfrage, Verhandl. d. Deutsch.
Zool. Gesellschaft 1898). Ich will hier nur die hauptsächlichsten Sätze anführen.
„Für die Deutung und theoretische Auffassung der Mesodermbildung der Wirbel-
tiere giebt es offenbar 2 Möglichkeiten. Bei der gewöhnlichen Auffassung geht man
von Amphioxus aus, hält die Divertikelbildung für palingenetisch und sieht die Vor-
gänge bei den Amphibien und den Selachiern als stufenweise Abänderungen jenes
primitiven Vorganges an. Es ist aber auch zu bedenken, daß umgekehrt die Aus-
wucherung des Mesoderms das phylogenetisch Primäre gewesen sein kann. Denn
selbst die Divertikelbildung bei Amphioxus kann als cänogenetische Abänderung auf-
gefaßt werden, besonders wenn man den sehr raschen Verlauf der Entwickelung des
Amphioxus und die relative Zellenarmut der Blätter in Betracht zieht. Wir werden
sehen, daß bei Amphioxus auch das Sklerotom durch Ausstülpung entsteht und daß
man diesen Vorgang eher für cänogenetisch als für palingenetisch halten wird. Nach
Lworr wird die Bildung der Mesodermfalten bei Amphioxus nur dadurch bewirkt,
daß die Medullarplatte sich median herabsenkt und das Chorda-Entoderm nach unten
drückt. Wenn dies richtig ist, so hat man um so mehr Grund, den Modus der
Mesodermbildung des Am ‚hioxus nicht als das ursprüngliche Schema der Mesoderm-
entwickelung der Wirbeltiere anzusehen. Ferner berichtet Lworr, daß das Lumen
in den Urdarmdivertikeln verschwindet, so daß die Ursegmente solid werden, worauf
dann erst die secundäre Leibeshöhle gewissermaßen als Neubildung in ihnen ent-
steht. Wenn man die Divertikel für palingenetisch hält und das Cölom von den-
selben herleitet, muß man dieses Solidwerden der Ursegmente für cänogenetisch an-
sehen. Man kann aber ebenso gut die hohle Anlage, also die Divertikelbildung, für
etwas Cänogenetisches halten. — Viele Forscher sind der Ansicht, daß der Blasto-
porusrand der ursprüngliche Ort der Mesodermbildung war: dann erscheint es
natürlich als etwas Secundäres, daß die Mesodermbildung sich bei Amphioxus längs
des Urdarms so weit nach vorn erstreckt und daß die Ursegmente der Reihe nach
als Divertikel des Urdarms entstehen. — Es scheint mir also, daß uns Amphioxus
nicht den primitiven Bildungsmodus des Mesoderms der Wirbeltiere zeigt. Ich glaube
vielmehr, daß das Mesoderm der Wirbeltiere jederseits durch eine Einwucherung am
Blastoporusrand entstand, welche sich nachher in der dorsalen Urdarmwand nach
vorn erstreckte.“
28 1. Capitel.
Epithel zusammen. — Das Epithel beginnt sich zu falten und erzeugt
von oben her eindringende Falten, welche den oberen Teil des Mesoderm-
streifens in einzelne Abschnitte, die Ursegmente zerlegen. Die
Bildung der Ursegmente beginnt im Anfangsteil des Rumpfes und
schreitet von hier nach hinten hin fort. Meist bleibt das zuerst ent-
standene Ursegment das vorderste, aber manchmal bilden sich auch
noch einige Segmente in der Richtung nach vorn. Das zuerst ent-
standene Segment liest immer eine kurze Strecke hinter dem Ohr-
bläschen, und die etwa noch nach vorn entwickelten Segmente gehen
meist nicht weiter nach vorn als bis zu dem Öhrbläschen. Nur bei
wenigen Wirbeltieren (Petromyzonten, Selachier) sind noch vor dem
Öhrbläschen liegende Mesodermsegmente nachgewiesen. In allen anderen
Fällen bildet der vorderste Teil der Mesodermstreifen vor dem Ohr-
bläschen eine ungegliederte Masse.
Während der obere Teil der Mesodermstreifen in Ursegmente
zerlegt wird, bildet der untere oder äußere Teil die Seitenplatten;
dieser Teil der Mesodermstreifen wächst rasch in die Breite, und die
Zellen bilden zwei epitheliale Blätter, welche anfangs compact auf
einander liegen, zwischen welchen aber dann ein Spaltraum auftritt.
Das äußere Blatt der Seitenplatten heißt somatisches Blatt (Haut-
faserblatt, Somatopleura), das innere heißt splanchnisches
Blatt(Darmfaserblatt,Splanchnopleura!). Der zwischen den
beiden Blättern entstehende Hohlraum wird Cölom (Leibeshöhle?)
genannt. Das Cölom teilt sich jederseits in zwei Höhlen, eine vordere,
die Perieardialhöhle (Höhle des Herzbeutels) und eine hintere,
die Peritonealhöhle (Bauchhöhle). Aus den Seitenplatten gehen
also im Laufe der weiteren Entwickelung das den Herzbeutel aus-
kleidende Epithel, das Pericardialepithel und das die Bauchhöhle
auskleidende Epithel, das Peritonealepithel, hervor®.
Das Genauere über die Differenciation der Mesodermstreifen ist
in den Abschnitten über Amphioxus, die Selachier und die Amphibien
nachzusehen.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Entstehung des Mesenchyms.
Mesenchym ist derjenige Teil des Mesoderms, welcher außerhalb der
epithelialen Blätter desselben gelegen ist oder aus den epithelialen
Blättern heraustritt. Die Zellen des Mesenchyms stehen also unter
1) Auch wird die Somatopleura als parietales Mittelblatt, die Splanchno-
pleura als viscerales Mittelblatt bezeichnet. — CH. S.MınoT hat neuerdings
darauf aufmerksam gemacht (Anat. Anzeiger, Bd. 19, 1901, p. 203), daß die Worte
Somatopleura und Splanchnopleura ursprünglich nicht nur die entsprechenden Teile
der Seitenplatten, sondern die ganze Körperwand und die ganze Darmwand bezeich-
neten. Ich habe aber doch diese Worte in dem jetzt allgemein gebräuchlichen Sinne,
also nur für die beiden Blätter des Mesoderms angewandt. Es liegt gar kein Bedürfnis
vor, für die ganze Körperwand und die ganze Darmwand besondere Namen zu haben.
2) Die Leibeshöhle der Wirbeltiere ist eine sog. secundäre Leibeshöhle.
Als primäre Leibeshöhle (Protocöl, Pseudocöl) werden die Reste des
Hohlraums der Blastula (des Blastocöls) aufgefaßt und alle Spalträume, welche
außerhalb der Mesodermstreifen gelegen sind. Als secundäre Leibeshöhle
(Cölom, Deuterocöl, Enterocöl) gilt nur der Hohlraum, welcher im
Inneren der Mesodermstreifen auftritt, aus welchem also die Höhle des Herzbeutels
und die Bauchhöhle entstehen. — Da die secundäre Leibeshöhle bei den Embryoneu
mancher Wirbeltiere nicht nur zwischen den Seitenplatten auftritt, sondern durch
die ganzen Ursegmente sich erstreckt, führte HATSCHEK speciell für die Höhle
zwischen den Seitenplatten den Namen Splanchnocöl ein.
3) Bei den höheren Wirbeltieren wird die Peritonealhöhle durch das Zwerch-
fell in zwei Teile geteilt, in die Brustfellhöhle (Pleuralraum) und in die Bauchhöhle
(Peritonealhöhle) im engeren Sinn.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 29
einander nicht in epithelialem Verband, sondern in einem lockereren
Verhältnis, sie können sich von einander entfernen, sich wandernd
bewegen oder können durch Ausläufer in netzartige Verbindung treten
und verschiedenerlei Zwischensubstanz zwischen sich entwickeln. Das
Mesenchym ist die embryonale Anlage der sog. mesenchymatischen
Gewebe, zu welchen das Bindegewebe, ferner Knorpel, Knochen und
Zahnbein, Blutgefäße und Lymphgefäße mit Blut und Lymphe, die
Iymphoiden Organe, die glatte Musculatur und ein Teil der quer-
gestreiften Musculatur gehören. — Das Mesenchym wird oft als Stütz-
substanz, Bindesubstanz oder auch als Zwischenblatt
bezeichnet, letzteres aus dem Grunde, weil das Mesenchym zwischen die
Örgananlagen hineindringt und alle Hohlräume zwischen den Organen
oceupirt.
Die Entstehung des Mesenchyms sehen wir am schönsten bei”den
Selachiern, indem hier das Mesenchym aus den epithelialen Teilen”des
Mesoderms, also aus den Ursegmenten und den Seitenplatten heraus-
wuchert (Fig. 22). Man findet diese Vorgänge in einem späteren
Capitel beschrieben (s. Selachier).
Eine strenge Abgrenzung des Mesenchyms gegen das übrige
Mesoderm ist nicht
durchzuführen, da ERRRSIRN
ja an vielen Stellen T NEON EAUUNGORÄNT Alm B
Mesenchym aus epi- “ER N u He AN),
thelialem Mesoderm OV.; N) SI RR) a
entsteht. Es ist da- 4 2 AS) 2, NE
her auch nicht pas- 9 Se]
send, das Mesen- s
chym als Keimblatt %
zu bezeichnen; son-
dern das Mesenchym
entsteht aus Teilen
des mittleren Keim-
blattes. an fi
Die Chorda
(Wirbelsaite)
entsteht median
zwischen den beiden
Mesodermstreifen.
Bei Amphioxus wird
sie aus dem mitt-
leren Streifen des E {
Entoderms gebildet, 3
Be ae Fig. 184 u. B. Querschnitte durch einen Embryo des
D Wassermolches (Triton taeniatus) zur Zeit der Bildung
dermfalten gelegen der Chorda. (Nach ©. HERTWIG.) a: Ektoderm, ch Chorda-
ist (Fig. 16). Eben- anlage, ik Entoderm, mp Medullarplatte, m/ Medullarwülste,
so verhält es sich % Mesoderm.
auch bei manchen
anderen Wirbeltieren z. B. bei den Selachiern und bei manchen
Amphibien (Fig. 18). Die Bildungsweise der Chorda ist in diesen
Fällen folgende: der mittlere Streifen des Entoderms, welchen man
das Chorda-Entoderm nennen könnte, faltet sich median aufwärts,
wobei an der Unterseite eine Rinne, die Chordarinne auftritt; die
30 1. Capitel.
Falte schließt sich aber dann, und es entsteht eine compacte, stab-
förmige Zellmasse mit rundem Querschnitt. Unter derselben schließt
sich das Entoderm von den Seiten her zu einer continuirlichen
Schicht zusammen (Fig. 18 BD).
Bei manchen Wirbeltieren, bei welchen die eingestülpte Schicht
ziemlich diek ist, differenzirt sich die Chorda gleichzeitig mit den
Mesodermstreifen in der Weise, daß die seitlichen Teile der einge-
stülpten Schicht die beiden Mesodermstreifen geben, während der
mittlere Teil derselben zur Chorda wird; dabei sondert sich die
unterste Zellenlage der eingestülpten Schicht (sowohl unter den
Mesodermstreifen, wie unter der Chorda) als Darmepithel ab.
Nach dem Vorschlage von GOETTE kann man die Anlage des
Darmepithels als Enteroderm bezeichnen. Dann lassen sich also die
Vorgänge so ausdrücken: aus der an der Dorsalseite der Gastrula
eingestülpten Schicht entstehen die beiden Mesodermstreifen, die
Chorda und das Enteroderm. Da die eingestülpte Schicht als primäres
Entoderm bezeichnet wird, so kann man auch sagen: das primäre
Entoderm (primäres inneres Keimblatt) sondert sich in das Mesoderm
(mittleres Keimblatt), in die Chordaanlage und in das secundäre Ento-
derm (secundäres inneres Keimblatt, Darmdrüsenblatt, Enteroderm).
Die Entwickelungsvorgänge bei der Anlage der Organe.
Ehe wir nun zur Besprechung der Entwickelung der Organe
übergehen, wollen wir zuerst noch im Allgemeinen die Bildungsweisen
von Örgananlagen betrachten, also die verschiedenartigen Vorgänge,
welche bei der Entstehung von Organen an den Keimblättern auftreten
können. Die hauptsächlichsten Arten von Vorgängen sind folgende:
1) Zellenbewegungen. Viele Embryonalzellen, insbesondere
die Mesenchymzellen, haben die Fähigkeit der Ortsbewegung in ähn-
licher Weise wie Rhizopoden; solche Zellen können also von irgend
einer Stelle sich entfernen, irgend eine Stelle aufsuchen, an irgend
einer Stelle sich anhäufen. Am schönsten sieht man solches Wandern
einzelner Zellen auf dem durchsichtigen Dottersack mancher Knochen-
fische. Zellenwanderungen kommen schon bei der Keimblätterbildung
vor, sie können z. B. eine einseitige Verdickung einer Blastoderm-
scheibe bewirken, oder es können bei der Bildung eines epithelialen
Blattes auf einer Blastodermscheibe die tieferen Zellen in das Epithel
sich eindrängen. Oft wandern Zellen aus einem Epithel aus (vgl. 6).
2) Differenzierung. Wenn in einer gleichmäßigen Zellmasse
oder einem gleichmäßigen Epithel ein Teil der Zellen ein anderes
Ansehen annimmt, so nennt man dies eine Differenzirung. So werden
z. B. in dem gleichmäßigen Peritonealepithel auf einmal größere
Zellen sichtbar, die Genitalzellen. Oder es tritt in einer gleich-
mäßigen lockeren Mesenchymmasse eine dichtere Zellengruppe auf,
welche die erste Anlage eines Knorpels ist; oder die mittleren Zellen
in der dichten Mesenchymmasse werden zu Knorpelzellen, indem sie
zwischen sich knorpelige Intercellularsubstanz abscheiden. Oder es
werden in einem gleichmäßigen Hautepithel einige Zellen zu Sinnes-
zellen oder zu Drüsenzellen, während die übrigen Zellen gewöhnliche
Epithelzellen bleiben. Die Differenzirung oder Sonderung ist
einer der häufigsten Vorgänge in der Entwickelungsgeschichte !).
1) Man ist gewöhnlich der Meinung, daß die Differenciation der Zellen in den
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 31
3) UngleichmäßigesWachstum. Das ungleichmäßige Wachs-
tum rührt wohl fast immer von Differenzirung her oder führt zu
Differenzirung. Das ungleichmäßige Wachstum kann von zweierlei
Art sein; entweder beruht es auf besonderer Größenzunahme mancher
Zellen oder auf besonderer Häufiskeit der Zellteilungen. Es kann
z. B. bei einem jungen Drüsenschlauche ein Teil desselben sehr stark
wachsen, indem die Zellen durch Entwickelung von Drüsensecret sich
sehr vergrößern. Das ungleiche Wachstum durch ungleiche Häufigkeit
der Zellteilungen ist aber viel wichtiger und führt unter Umständen
zu großen Formveränderungen, wie wir unter 4—7 sehen. Wenn
z. B. in einem gleichmäßigen Epithel an einer Stelle die Zellen sich be-
sondersrasch teilen, so entsteht an dieser Stelle eine Volumsvergrößerung,
welche gewöhnlich eine Ausstülpung oder Einstülpung hervorruft.
4) Krümmung, Faltung und Rohrbildung. Eine Zellplatte
kann von den Seiten her zusammengedrückt werden, so daß sie sich
krümmen muß. Oder es kann im Inneren der Zellplatte durch ungleich-
mäßiges Wachstum oder durch Zellenbewegungen eine Spannung ent-
stehen, deren Folge eine Krümmung ist!). Dauert der Vorgang an, so
kann die Zellplatte zu einem Rohre zusammengebogen werden. Dabei
kann die Zellplatte in der Mittellinie geknickt werden, so daß da eine
Furche entsteht. Wir sehen diesen Vorgang am schönsten bei der Bil-
dung des Medullarrohres der Amphibien. — Ganz ähnlich wie die
Bildung eines Rohres erfolgt die Bildung einer Falte. Von besonderem
Interesse ist die Falte, welche kein Lumen enthält, die sog. geschlossene
Falte, bei welcher also die beiden Blätter dicht auf einander liegen,
so daß ihre Zellen in der Einfaltungsebene sich oft nicht unterscheiden
lassen; dabei ist aber doch der Vorgang der Einfaltung wenigstens
durch eine oberflächliche Rinne und durch die Stellung der Zellen ge-
kennzeichnet. Die besten Beispiele der geschlossenen Falte bietet die
Bildung der Medullarrohranlage bei den Petromyzonten und bei den
Teleosteern.
In ähnlicher Weise wie bei einer Platte durch Zusammendrücken
von den Seiten her eine Krümmung bewirkt werden kann, bringt bei
einem Rohre eine Zusammenstauchung in der Längsrichtung eine seit-
liche Krümmung hervor; bei fixirten Enden des Rohres wird ein Längen-
wachstum des Rohres zu demselben Resultat führen: auf diese Art
sehen wir oft Krümmungen von Rohren entstehen, z. B. die Auf-
knäuelung am vorderen Teil des Urnierenganges oder vorübergehende
Zickzackbildungen des Medullarrohrs der Knochenfische.
5) Ausstülpung oder Einstülpung, Zottenbildung oder
Schlauchbildung. Wenn an einem epithelialen Blatte eine Aus-
stülpung oder Einstülpung entsteht, welche über eine gewisse Strecke sich
fortsetzt, so ist dies gleichbedeutend mit der Bildung einer nach
außen gehenden oder nach innen einspringenden Falte. Wenn
aber die Ausstülpung sich auf eine Stelle beschränkt, so entsteht ein
Ruhephasen der Zelle eintrete, indem der Lebensproceß einer Zelle sich im Vergleich
zu anderen Zellen ein wenig verändere. Dies kommt gewiß häufig vor, aber es be-
steht auch die Möglichkeit, daß die Differenciation bei einer Teilung eintritt. Bei
der Furchunz mancher wirbelloser Tiere (z. B. Nematoden) ist leicht zu sehen, daß
die zwei Teilzellen einer Zelle schon während der Teilung ganz verschieden sich
verhalten (Differenciationsteilung).
1) Die Bedeutung derartiger Krümmungen für die Entwickelung ist besonders
von Hıs betont worden. Ich verweise auf die Schriften von Hıs, welche in den
Litteraturverzeichnissen bei den Teleosteern und bei den Selachiern aufgeführt sind.
39 1. Capitel.
zapfenartiger Auswuchs, eine vorspringende Papille oder Zotte, oder
ebenso bei der Einstülpung eine sich einsenkende Blase oder ein ein-
wachsender Schlauch. In beiden Fällen beruht der Vorgang auf un-
sleichmäßigem Wachstum, speciell darauf, daß
an der betreffenden Stelle des Epithels eine leb-
hafte Zellvermehrung stattfand. In dieser Weise
entstehen z. B. alle tubulösen oder alveolären
Drüsen.
6) Als Einwucherung oder Prolife-
ration bezeichne ich den Vorgang, daß an einem
Teile eines Epithels Zellen nach einer Seite des
Epithels hin heraustreten (Fig. 19a). Entweder
bleiben die proliferirten Zellen in compacter Masse
beisammen, wie es z. B. bei der sogenannten soli-
den Anlage von Drüsen der Fall ist, oder aber sie
zertreuen sich, wie dies bei der Proliferation
des Mesenchyms gewöhnlich geschieht. -— Wenn
die Einwucherung zur Bildung einer compacten
Masse führt, so kann dieser Vorgang einer Ein-
stülpung gleichwertig sein; sicherlich kann durch
Fig. 19. Wucherung cenogenetische Abänderung anstatt einer Ein-
und Ausstülpung, sche- stülpung eine Einwucherung erscheinen. Allein
une « Wucherung, os darf nicht vergessen werden, daß auch aus
roliferation, 5 Ueber- : ne Oo h = S
gang zwischen Prolife- einer früheren Einwucherung eine Einstülpung
rationundAusstülpung, entstanden sein kann; wenn also eine Organ
c Ausstülpung. manchmal durch Einstülpung und manchmal durch
Einwucherung entsteht, so darf man nicht immer
die Einstülpung für den primitiven Bildungsmodus halten, sondern es
müssen beide Möglichkeiten erörtert werden.
7) Die Abspaltung. Dieser Vorgang ist der Einwucherung
nahe verwandt; er besteht darin, daß das Epithel sich an einer Stelle
beträchtlich verdickt und dann an der Oberfläche der Verdickung
wieder epithelialen Habitus annimmt, worauf die Verdickung als
selbständige Organanlage sich ablöst. Bei vielen wirbellosen Tieren
entstehen die Ganglien in dieser Weise aus Verdickungen des Ektoderms.
Auch bei den Wirbeltieren kommt die Abspaltung vor, z. B. bei der
Entstehung von Blutanlagen am splanchnischen Blatte‘des Mesoderms.
Ganz ähnlich ist auch die Bildungsweise der Chorda ‘bei manchen
Amphibien (z. B. beim Frosch).
Organe des Ektoderms (äußeren Keimblattes).,
Was die aus den Keimblättern entstehenden Organe betrifft, so
sollen dieselben hier nur aufgezählt und die Art ihrer Entstehung kurz
angegeben werden !). Wir besprechen zuerst die Organe des Ektoderms,
dann diejenigen des Entoderms, nachher diejenigen des Mesoderms.
Das äußere Keimblatt, das Ektoderm, wird auch Hautsinnes-
blatt genannt, und sind damit seine Leistungen schon bezeichnet; von
dem Ektoderm geht die Bildung der Haut, des Nervensystems und
1) Eine eingehende Beschreibung der Organentwickelung kann in diesem Buche
nicht gegeben werden; es ist dies auch nicht notwendig, da alle Lehrbücher der
Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Wirbeltiere die Organ-
entwickelung behandeln. Ich verweise auf die Lehrbücher von O. HERTWIG, von
KOLLMANN und von OÖ. SCHULTZE.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 33
der Sinnesorgane aus. Aus dem Ektoderm entstehen demnach folgende
Organe.
a) Die epitheliale Schichte der Haut, die Epidermis und alle von
der Epidermis sich ableitenden Gebilde, also die Hornzähne der
Öyelostomen, die epidermoidalen Teile der Hautzähne und der echten
Zähne, der Schuppen und Schilder, der Haare und Federn, die Klauen,
Hufe und Nägel, die Hornscheide der Schnäbel, die Hornscheide der
Hörner, ferner die Hautdrüsen, Schweißdrüsen, Talgdrüsen und Milch-
drüsen. — Vom Ektoderm werden auch die epithelialen Auskleidungen
der Mundhöhle und der Kloake gebildet. \
b) Das ganze Nervensystem Sinnesepithelien,
vor allem das Centralnervensystem (Gehirn und Rückenmark), die
Ganglienknoten (die Spinalganglien, die Ganglien der Kopfnerven
und die Ganglien des Sympathicus), die Sinnesorgane der Haut und
die epithelialen Anlagen der Nase, des Auges und des Ohrlabyrinthes.
Außerdem entsteht vom Ektoderm aus die Linse des Auges. Da die
Nervenfasern von Zellen des Centralnervensystems, der Ganglien oder
der Sinnesepithelien auswachsen, so gehören auch sämtliche Nerven-
fasern dem Ektoderm an.
Die Anlage des Centralnervensystems zeigt sich bei den Embryonen
der Wirbeltiere schon früh, schon zur Zeit der Gastrulation oder bald
nachher. An der Dor salseite des Embryo differenzirt sich im Ektoderm
eine längliche Platte, die Medullarplatte
(Fig. 18); dieselbe nimmt an Dicke zu, während
das übrige Ektoderm dünner wird. Die Me-
dullarplatte faltet sich zusammen und bildet ein
Rohr, das Medullarrohr; es geschieht dies
in der Weise, daß die Ränder der Medullar-
platte sich erheben und so die Medullar-
wülste bilden, während die Platte in der
Mittellinie eingeknickt wird und hier eine
Rinne, die Medullarrinne, entsteht‘); der
Schluß des Medullarrohrs vollzieht sich da-
durch, daß die Medullarwülste oben zusammen-
stoßen und sich nahtartig vereinigen. Diese Fig. 20. Querschnitt
Vereinigung beginnt in der Gegend des Hinter- durch die Rückengegend
hirns und schreitet von da nach vorn und een
nach hinten hin fort. Nachher trennt sich das oe Ne
Medullarrohr von dem darüberliegenden Ekto- und Medullarrohr) sind
derm ab (Fig. 20). — Bei manchen Wirbel- dunkel dargestellt. ar vor-
tieren (Petromyzonten, Teleosteer, einige Ga- dere, Spinalnerven wurzeln,
5 i } ch Chorda, mp Myotom'
noiden) wird das Medullarrohr solid angelegt, ,„- Spinalganglienanlage
d. h. die Medullarplatte bildet eine geschlossene vr Mesenchym (Sklerotom),
Falte (Fig. 55 u. 56), in welcher erst später
eine Höhlung auftritt.
Das Medullarrohr bildet in seinem vorderen Teile das Gehir ie
in seinem übrigen Teile das Rückenmark. Der Gehirnteil des
Medullarrohrs erweitert sich und teilt sich in 3 Blasen, die Vorder-
1) Es ist nicht zu empfehlen, die Ausdrücke Medullarrinne und Medullar-
wülste in Rückenrinne und Rückenwülste zu übersetzen; denn manche Autoren
bezeichnen als Rückenrinne und Rückenwülste vereängliche Bildungen auf der
Medullarplatte, welche wieder verschwinden, ehe die Medullarw ülste und die Medullar-
rinne auftreten,
Ziegler, Entwickelungsg, d. niederen Wirbeltiere, 3
34 1. Capitel.
hirnblase, die Mittelhirnblase und die Hinterhirnblase.
Von der Vorderhirnblase stülpen sich nach den Seiten hin 2 kleine
Blasen aus, die primären Augenblasen; ferner entstehen am
Vorderhirn ebenfalls durch Ausstülpung 2 vorderste Blasen, die
Großhirnblasen. Späterhin hat man an der Gehirnanlage fünf
Teile zu unterscheiden: 1) die Großhirnblasen, 2) das Zwischen-
hirn, welches aus dem nach der Bildung des Großhirnblattes übrig
bleibenden Teil der Vorderhirnblase entstanden ist, 5) das Mittel-
hirn, 4) das Kleinhirn und 5) das Nachhirn (das sog.
verlängerte Mark). Das Kleinhirn entsteht am vordersten Teile der
Hinterhirnblase, das Nachhirn entspricht dem übrigen Teile der Hinter-
hirnblase.
Das Lumen des Medullarrohrs erhält sich zeitlebens, wird aber
durch die Verdiekung der Wandungen des Rohres mehr oder weniger
eingeengt: aus demselben gehen im Rücken-
mark der Centralkanal, im Gehirn die Ventrikel
des Gehirns hervor.
Die Spinalganglien und die Ganglien der
Kopfnerven differenziren sich an den Medullar-
wülsten, an der Uebergangsstelle von der Me-
dullarplatte zu dem dünneren Ektoderm. Un-
gefähr zu der Zeit, wenn das Medullarrohr sich
schließt, treten die Anlagen derselben am
oberen Rande der Medullarplatten hervor und
liegen nach dem Schluß des Medullarrohrs auf
demselben auf (Fig. 20), sie wachsen dann
an den Seiten des Medullarrohrs herab. —
Die Ganglien des Sympathicus entstehen wahr-
zy.v
\
aeunE
ZR
scheinlich aus abgespaltenen Teilen der Spinal-
Fig. 21. Querschnitt ganglien. 3
durch den Kopf eines Se- Als Anlage der Nase machen sich 2 flache
lachierembryo. aup Ohr- Gruben im Ektoderm des Kopfes bemerkbar,
grube, aun Ganglion des
Hörnerven, ivv Dach des
4.>3Ventrikels (Hinterhirn-
teil des Medullarrohrs), acv
vordere Cardinalvene, aa
Aortenwurzel, /aa Gefäß
im Mandibularbogen, pp
Kopfhöhle (Mesoderm-
höhle) im Mandibular-
bogen, Ive 1. Kiemenspalte,
Th Anlage der Thyreoidea.
hervorgeht, das Ohrbläschen.
die beiden Geruchsgrübchen. Indem die-
selben sich in die Tiefe einsenken und ihre
Oeffnung sich verengt, entstehen 2 Nasensäcke,
wie sie bei den meisten Fischen zeitlebens
bleiben. Bei den Amphibien und bei den
höheren Wirbeltieren bestehen Oeffnungen der
Nasensäcke in die Mundhöhle (Choanen).
Die Anlage des Gehörlabyrinths ist jeder-
seits dargestellt durch eine Einsenkung des
Ektoderms (Fig. 21), aus welcher ein Bläschen
Dasselbe schnürt sich vom Ekto-
derm ab und teilt sich später in den Utriculus und den Sacculus;
an ersterem entwickeln sich
die 3 halbzirkelförmigen Kanäle, an
letzterem entsteht bei höherer Entwickelung die Schnecke.
Das Auge entsteht aus der primären Augenblase, welche wir
schon oben aus dem Vorderhirn entstehen sahen.
Dieselbe wächst
nach hinten und außen gegen das äußere Ektoderm vor, bis sie das-
selbe berührt. Dann stülpt sich die äußere und die ventrale Wand
derselben ein; gleichzeitig senkt sich von außen her die Linse in die
Einstülpung ein, während von der ventralen Seite Mesenchym in die
Einstülpungshöhle hineinwächst, um den Glaskörper zu bilden. In-
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 35
folge der Einstülpung besitzt der Augenbecher eine doppelte Wandung;
das innere Blatt desselben erzeugt am Grunde des Bechers die Netz-
haut (Retina), das äußere Blatt wird zum Pigmentepithel derselben.
Die Linse wird vom Ektoderm gebildet, entweder durch Abspaltung
oder durch Abschnürung einer blasenartigen Einstülpung.
Organe des Entoderms (inneren Keimblattes).
Aus dem Entoderm im engeren Sinne, d. h. dem Entoderm,
welches nach der Abtrennung der Mesodermstreifen und der Chorda
vorhanden ist (secundäres Entoderm, Enteroderm), entstehen folgende
Organe:
a) die epitheliale Auskleidung des Darmkanals von der Mund-
höhle bis zum After oder bis zur Kloake, also das Epithel der Schleim-
haut des Kiemendarmes, der Speiseröhre, des Magens und des Darmes.
Ferner alle Drüsen, welche in der Schleimhaut der verschiedenen
Darmabschnitte liegen und in den Darmkanal münden.
b) alle drüsigen Organe, welche von dem Darme aus entstehen,
nämlich die Thymusdrüse, die Schilddrüse, die Nebenschilddrüsen,
die Schwimmblase oder die Lunge, die Leber und die Bauchspeicheldrüse.
Das entodermale Epithel, welches den Kiemendarm auskleidet,
bildet auch den größten Theil der Auskleidung der Kiemenspalten
(Visceralspalten), indem bei der Bildung einer Kiemenspalte eine
Ausstülpung des Entoderms gegen das Ektoderm hin wächst (Fig. 21)
und dort mit einer niedrigen Einstülpung des Ektoderms verschmilzt,
worauf die Kiemenspalte durchbricht. Gewöhnlich werden 4—6 Paar
Kiemenspalten gebildet, bei den Cycelostomen 7—14 Paar, bei Am-
phioxus noch viel mehr (ungefähr 90 Paar primäre Kiemenspalten).
Die 1. Kiemenspalte heißt das Spritzloch; sie bleibt nur
bei manchen Fischen bestehen. Bei den anuren Amphibien, ferner
den Reptilien, Vögeln und Säugetieren geht aus der 1. Kiemen-
spalte die Paukenhöhle des Ohres mit der Tuba Eustachii hervor.
Bei wasserbewohnenden Wirbeltieren dienen die Kiemenspalten
zur Kiemenatmung, und es entwickeln sich an den zwischen den Kiemen-
spalten gelegenen Kiemenbögen die Kiemenblättchen, in welche
Gefäßschlingen hineingehen, so daß für den Gasaustausch des Blutes
eine große Fläche geboten ist. — Bei den Reptilien, Vögeln und Säuge-
tieren werden die Kiemenspalten im Embryo angelegt, aber die Kiemen-
bögen entwickeln keine Kiemenblättchen, und die Kiemenspalten werden
bis auf gewisse Reste rückgebildet.
Die Thymusdrüse (Glandula thymus) entsteht am Kiemendarm
aus Teilen des Epithels der Kiemenspalten. Die Schilddrüse
(Glandula thyreoidea) wird vom Boden des Kiemendarmes aus median
durch eine hohle Ausstülpung oder eine solide Wucherung angelegt.
Die Nebenschilddrüsen nehmen ihren Ursprung von Teilen des
Epithels der letzten Kiemenspalte.
Die Schwimmblase der Fische entsteht durch eine dorsale oder
ventrale Ausstülpung vom vorderen Teile des Oesophagus aus!). Die
1) Als dorsale Ausstülpung entsteht die Schwimmblase bei den meisten Knochen-
fischen (s. das Kapitel Teleosteer) und bei manchen Ganoiden (z. B. Acipenser). Bei
anderen Ganoiden, wie bei Lepidosteus und Amia, liegt die Schwimmblase eben-
falls dorsal, aber ist paarig gestaltet. Bei einigen Ganoiden (Polypterus und
Calamoichthys) ist die Schwimmblase ein ventrales paariges Organ, und dasselbe gilt
+
36 l. Capitel.
Lungen der Dipnoer, Amphibien und Amnioten entstehen durch eine
ventrale Ausbuchtung am vorderen Teile des Oesophagus; dieselbe
ist ursprünglich rinnenartig und am unteren Ende erweitert; sie
schnürt sich von hinten nach vorn von dem Oesophagus ab, nur am
vorderen Ende bleibt die Verbindung mit dem Oesophagus erhalten
als Eingang in den Kehlkopf. Der folgende Teil wird zur Luftröhre
(Trachea), der unterste Teil wächst nach den beiden Seiten hin aus
und erzeugt die beiden Bronchien und die beiden Lungen.
Die Leber entsteht gewöhnlich durch eine Ausstülpung der
ventralen Darmwand; dieselbe ist in der Duodenalgegend gelegen, bei
den mit Dottersack und Dottergang versehenen Wirbeltieren unmittelbar
vor der Abgangsstelle des Dotterganges. Die Ausstülpung erhält dann
mehrere Divertikel, von. welchen die Entwickelung des Lebergewebes
ausgeht. Der Ductus choledochus entwickelt sich aus der Mündung
der Ausstülpung, während die ganze Leberanlage von der ventralen
Darmwand abrückt. Die Gallenblase entsteht meist aus einem kleinen
Divertikel, welches dicht hinter der Leberausstülpung zwischen den
beiden ventralen Pankreasanlagen gebildet wird und bei der Bildung
des Ductus choledochus an diesen zu liegen kommt. — Bei den
Knochenfischen ist die Leberanlage eine solide Zellmasse, welche an
der Ventralseite der Darmanlage sich befindet.
Die Bauchspeicheldrüse (das Pankreas) entsteht ebenfalls
durch Ausstülpungen am Duodenalteil des Darmes; meist sind
drei Pankreasanlagen vorhanden, eine dorsale und zwei ventrale. Der
Ausführungsgang, welcher aus der Verschmelzung der Mündungen der
beiden ventralen Pankreasanlagen hervorgeht, heißt Ductus Wirsungianus,
der Ausführungsgang der dorsalen Pankreasanlage ist der Ductus
Santorini. Der eine der beiden Gänge kann rudimentär werden.
Organe des Mesoderms (mittleren Keimblattes).
Es wurde schon oben gesagt, daß wir an dem Mesoderm die
epithelialen und die mesenchymatischen Teile unterscheiden müssen.
Aus den epithelialen Teilen des Mesoderms entsteht Folgendes:
a) die segmentale Musculatur und ein großer Teil der Musculatur
der Extremitäten.
b) die epitheliale Auskleidung der Pericardialhöhle, der Pleural-
höhle und der Peritonealhöhle, das Keimepithel, die epithelialen Be-
standteile der Vorniere, der Vornierengang (Urnierengang, WOLFF’scher
Gang), die epithelialen Bestandteile der Urnier e, die epithelialen Bestand-
teile der bleibenden Niere der Amnioten, die Harnleiter der Amnioten,
die bei vielen Wirbeltieren aus dem Urnierengang hervorgehenden
Samenleiter, die Eileiter (MÜLLER’schen Gänge) und die von denselben
stammenden Teile des weiblichen Geschlechtsapparates.
Was die mesenchymatischen Teile des Mesoderms betrifft,
so ist das Mesenchym an allen Organen des Wirbeltierkörpers beteiligt;
zu manchen Organen liefert das Mesenchym glatte oder quergestreifte
Museulatur, zu manchen Knorpel oder Knochen, aber zu allen Organen
giebt es die bindegewebigen Bestandteile und die Gefäße. Die haupt-
sächlichen Leistungen des Mesenchyms sind folgende:
für die Dipnoer Le En und Protopterus. So bestehen also Uebergänge zu der
paarigen ventralen Lunge der Amphibien und höheren Wirbeltiere.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 37
a) das ganze Stützgerüst des Körpers (mit Ausnahme der Chorlda),
also alle Knochen und Knorpel, insbesondere die knorpelige oder
knöcherne Wirbelsäule, das Kopfskelett und das Extremitätenskelett;
ferner das Zahnbein und der Cement der Hautzähne und Zähne;
b) das Bindegewebe und die Musculatur der Haut, das Binde-
gewebe und die Musculatur des Darmes und seiner drüsigen Organe,
das Bindegewebe und die Musculatur der Harn- und Geschlechts-
organe, das Bindegewebe und ein Teil der Museulatur im Kopf und
in den Extremitäten; ferner das Bindegewebe zwischen der
Museulatur überhaupt und die Sehnen der Muskeln sowie die Bänder
am Skelett:
c) das Blutgefäßsystem und das Lymphgefäßsystem, sämtliche
Lymphgefäße und Blutgefäße mit ihren endothelialen Auskleidungen,
ihren bindegewebigen und musculösen Bestandteilen, das Herz und die
Lymphherzen, ferner die blutbildenden Organe: die Milz, das Iymphoide
Gewebe der Urniere und das Knochenmark.
Es ist nun in Bezug auf die mesodermalen Organe noch einiges
nachzutragen. .
Was diesegmentale Musculatur betrifft, so entwickelt sie sich
aus den Ursegmenten, zuerst und hauptsächlich aus der medianwärts ge-
legenen Wand derselben (Fig. 22), nachher auch aus der lateralwärts ge-
legenen Wand. Man nennt denjenigen Abschnitt eines Ursegments,
welcher für die segmentale Musculatur bestimmt ist, das Myotom. Bei
manchen Wirbeltieren (z. B. den Selachiern) hat jedes Ursegment ur-
sprünglich einen Hohlraum (das Myocöl), welcher nach unten in die
Leibeshöhle (das Splanchnoecöl) übergeht. Diese Verbindung zwischen der
Höhle des Ursegments und der Leibeshöhle wird aber bald geschlossen,
das Ursegment löst sich von den Seitenplatten ab und wächst über die
Seitenplatten herab; daher reicht die segmentale Museulatur später bis
nahezu zur ventralen Mittelinie (wie man dies bei jedem Fisch leicht
sieht). — Es wird jedes Muskelsegment auf der Höhe der Chorda
in der Weise geknickt, daß die durch die Kniekung entstandene Spitze
nach vorn geht, das obere und das untere Ende des Ursegments aber
nach hinten stehen !).
Während die Myotome über die Seitenplatten herabwachsen, geben
sie an ihrem unteren Ende Knospen ab, die Muskelknospen; diese
treten in denjenigen Segmenten, in welchen die Extremitäten entstehen,
in die Extremitätenanlage ein und liefern die erste Musculatur der
Extremität; in den übrigen Segmenten lösen sie sich auf, und ihre
Zellen sind von den umgebenden Mesenchymzellen nicht mehr zu
unterscheiden. — Aehnliche Muskelknospen treten bei manchen Fischen
vom oberen und vom unteren Ende der Myotome in die unpaaren
Flossen ein und bilden die Musculatur an den Flossenstrahlen.
Die Leibeshöhle der Wirbeltiere tritt zwischen den Seiten-
platten auf, wie schon oben gesagt wurde; sie besteht also ursprünglich
aus 2 seitlichen Hohlräumen, und wenn diese sich ausdehnen, um-
schließen sie den Darm, und die Seitenplatten kommen oberhalb des
Darmes und unterhalb des Darmes von den Seiten her ganz nahe an
1) Man sehe die Abbildungen in dem Capitel: Teleosteer. — Alle hier in diesem
Abschnitt erwähnten Vorgänge werden in späteren Capiteln genauer beschrieben
und durch Abbildungen erläutert.
38 1. Capitel.
einander: es bleibt da nur eine dünne Wand, nämlich oberhalb des
Darmes das dorsaleMesenterium, unter dem Darme dasventrale
Mesenterium. Das ventrale Mesenterium wird dann größtenteils
resorbirt. und dadurch fließen die beiden seitlichen Teile zu der ein-
heitlichen Leibeshöhle zusammen.
Die Leibeshöhle der Wirbeltiere hat ursprünglich einen exere-
torischen Charakter, und die Bildung der Exceretionsorgane steht daher
anfangs mit der Leibeshöhle im Zusammenhang. Bei denjenigen
Wirbeltieren, bei welchen es Pori abdominales giebt, oder bei welchen
an der Vorniere oder Urniere flimmernde Trichter von der Peritoneal-
höhle in die Exeretionsorgane führen, ist der exceretorische Charakter
des Peritonealepithels nicht zu bezweifeln. Nur bei den höheren
Wirbeltieren, bei welchen die bleibenden Nieren keine offene Verbindung
mit der Peritonealhöhle haben, hat die Peritonealhöhle sozusagen einen
Funetionswechsel durchgemacht und steht ebenso wie die Pleuralhöhle
und die Pericardialhöhle mit dem Lymphsystem in Verbindung.
An Exeretionsorganen muß man bei den Wirbeltieren
dreierlei unterscheiden:
1) die Vorniere (Kopfniere, Pronephros),
2) die Urniere (Mesonephros),
3) die bleibende Niere der Amnioten (Metanephros).
Die Vorniere entsteht an dem äußeren Blatt der Seitenplatten,
an der Somatopleura. Es bilden sich hier einige segmentale Aus-
stülpungen, die Vornierentrichter, welche sich außerhalb der
Somatopleura miteinander verbinden und sich in den Vornierengang
fortsetzeu, welcher durch Abschnürung einer Falte von der Somatopleura
entsteht !). Gegenüber den Vornierentrichtern entwickelt sich an dem
dorsalen Mesenterium ein vorspringender Gefäßknäuel (Glomus,
Glomerulus der Vorniere) oder mehrere solche. Bei manchen
Wirbeltieren wird derjenige Teil der Leibeshöhle, welcher die Vornieren-
trichter und den Glomerulus enthält, von der übrigen Leibeshöhle
abgeschnürt und stellt die Vornierenkammer dar.
Die Urniere entsteht hinter der Vorniere: sie wird im ein-
fachsten Falle in der Weise gebildet, daß die Verbindungskanälchen,
welche zwischen den Myotomen der Ursegmente und der Leibeshöhle
gelegen sind, nachdem sie sich von den Myotomen abgelöst haben, in
den Urnierengang einmünden (s. das Capitel Selachier..
Bei der Urniere der niederen Wirbeltiere beginnen die Urnieren-
kanälchen mit flimmernden Trichtern (den Nephrostomen) in der
Leibeshöhle. An den Urnierenkanälchen bilden sich Aeste, welche in
MarpisHrschen Körperchen ihren Ursprung nehmen. Aus dem Bau
der Vorniere kann man den Schluß ziehen, daß ein MALPIGHT'schen
Körperchen einem abgeschnürten Teile der Leibeshöhle zu vergleichen
ist, welches einen Glomerulus enthält. Zwischen den Urnieren-
kanälchen bildet sich aus mesenchymatischer Grundlage das lymphoide
Gewebe der Urniere aus.
Die bleibende Niere (Metanephros) der Amnioten bildet
sich zum einen Teil vom hinteren Ende der Urniere aus, zum anderen
1) Bei den Selachiern ist aber von einigen Autoren beobachtet worden, daß
der Vornierengang zum Teil vom Ektoderm aus gebildet wird (s. das Capitel: Se-
lachier). ä
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 39
Teil von einer Ausstülpung des Endes des Urnierenganges, welche
hauptsächlich das Nierenbecken und den Harnleiter erzeugt.
Das Mesenchym entsteht an verschiedenen Stellen der Urseg-
mente und der Seitenplatten (Fig. 22). Die massigste Bildung von
Mesenchym findet an der Ueber gangsstelle zwischen dem Myotom und
den Seitenplatten statt, indem in jedem
Segment direet unter dem Myotom eine
große Masse von Mesenchym heraus-
wuchert und zwischen dem Myotom und
der Chorda nach oben vordringt; diese
Mesenchymmasse heißt dasSklerotom!).
Die Sklerotome der einzelnen Segmente
fließen zu einer einheitlichen Masse zu-
sammen; diese schiebt sich medianwärts
unter die Chorda und steigt auch seit-
lich neben dem Medullarrohr auf, das-
selbe schließlich ganz umfassend. — Aus
dem Mesenchym des Sklerotoms bildet
sich unmittelbar auf der Chorda eine aus
dichtem Bindegewebe bestehende häutige
Umhüllung, die häutige Chorda-
scheide, und darauf entsteht dann die
knorpelige Anlage der Wirbel-
säule, nämlich zuerst dieoberen und
die unteren Bögen, und dann die
knorpeligen Ringe, welche die Chorda um-
hüllen und die Anlage der Wirbel-
körper darstellen.
mio
4
o
eo
.
Bes
.
Te
B-
Das knorpelige Primordial- Fig. 22. Schematisirter Quer-
eranium differenzirt sich in dem Mesen- schnitt durch einen Selachier-
chym des Kopfes. Die Knochen des re ee =
.. D T ) 5) ur
Schädels entstehen zum Teil durch Ver- Subintestinalvene, mto oberesEnde
knöcherung von Teilen des Knorpel- des Myotoms, mtu unteres Ende
schädels (primäre Kopfknochen), zum en mm Muskelmasse des
Teil durch Verknöcherungen im Binde- Myotoms, / Leibeshöhle, e Ex-
ah dä Konkinoel Der tremität, sc Sklerotom, m Me-
gewebe (secundäre Kopfknochen, Deck- genchymzellen.
knochen).
Die Gliedmaßen (Extremitäten) zeigen bei ihrer Entstehung
ein Zusammenwirken von dreierlei Vorgängen: erstens erhebt sich an
der betreffenden Stelle das Ektoderm zu einer vorspringenden Leiste
oder einem vorspringenden zapfenartigen Auswuchs; zweitens vermehrt
sich das Mesenchym reichlich unter der Erhebung des Ektoderms
(Fig. 22); dieses Mesenchym stammt gewöhnlich von dem äußeren Blatte
der Seitenplatten (der Somatopleura); drittens wachsen in die Extremität
die Muskelknospen ein, von welchen schon oben die Rede war. Die
Musculatur der Extremität entsteht nicht allein aus den Muskel-
1) Bei manchen Tieren tritt vom Ursegment aus eine kleine Ausstülpung auf,
die Sklerotomhöhle. Manche Forscher (R. ABL u. a.) legen dieser Ausstülpung
palingenetische Bedeutung bei; ich betrachte sie als cänogenetisch, als eine bedeutungs-
lose Begleiterscheinung der starken Auswucherung.
40 1. Capitel.
knospen, sondern auch aus dem Mesenchym. Das Skelet der Extre-
mität entsteht durch Differeneiation im Mesenchym und ist bei allen
Wirbeltieren anfangs knorpelig; bei den Selachiern bleibt das knorpelige
Skelet erhalten, bei den höheren Wirbeltieren werden die Knorpel
teilweise durch Knochen ersetzt.
Das Blutgefäßsystem und das Lymphgefäßsystem sind
theoretisch abzuleiten von Lücken und Spalträumen zwischen den
Organen; sie können also als Reste der primären Leibeshöhle aufgefaßt
werden (p. 25 Anm.).
Die Blutgefäße haben dreierlei Arten der Entstehung. In einigen
Fällen entstehen Blutgefäße dadurch, daß Hohlräume zwischen den
Organen von Mesenchymzellen umkleidet werden (z. B. medianes
Gefäß auf dem Dottersack der Teleosteer, Herz der Selachier). Zweitens
können Blutgefäße in der Art gebildet werden, daß aus dem Mesenchym
eine compacte Zellmasse sich sondert, deren äußerste Zellen die Wand
des Blutgefäßes darstellen, während die inneren Zellen als Blutzellen
weggeschwemmt werden (z. B. Blutbildung in dem Gefäßhof des
Hühnchens, in dem peristomalen Mesoderm der Selachier, in der
Stammvene der Teleosteer). Drittens wachsen zahlreiche Blutgefäße
durch Sprossung aus schon bestehenden Gefäßen hervor.
Das Herz hat ursprünglich die Gestalt eines Schlauches; bei den
niederen Wirbeltieren entsteht es meist median als ein einheitliches Organ,
bei den höheren Wirbeltieren wird es durch zwei seitliche Schläuche
angelegt, welche dann medianwärts sich nähern und verschmelzen.
Wir wollen nur die erstere Bildungsweise in das Auge fassen, da die
letztere sicherlich von der ersten abzuleiten ist. Bei den niederen
Wirbeltieren entsteht das Herz unter dem Kiemendarme oder unter
dem Oesophagus zwischen den beiden median sich nähernden Blättern
der Splanchnopleura des Pericardiums; ebenso wie die beiden
Pleuroperitonealhöhlen medianwärts unter dem Darme sich nähern
ebenso thun dasselbe die beiden Pericardialhöhlen; in dem ven-
tralen Mesenterium zwischen den Pericardialhöhlen bildet sich der
Herzschlauch. — Das Endothel des Herzschlauches wird von Me-
senchymzellen gebildet; die contractiie Wand des Herzschlauches
besteht anfangs nur aus dem Pericardialepithel, wird aber dann durch
contractile Mesenchymzellen (Muskelzellen) verstärkt. — Der ursprüng-
lich geradlinig verlaufende Schlauch krümmt sich allmählich in Gestalt
eines N und gliedert sich gleichzeitig in mehrere Teile, nämlich den
Venensinus (Sinus venosus), den Vorhof (Atrium), die Herzkammer
(Ventrieulus) und den Aortenkegel (Conus arteriosus oder Bulbus
arteriosus). Die hintere Spitze des N entspricht der Spitze des Ven-
trikels, die vordere Spitze, welche abgerundet zu denken ist, dem
Atrium, der Anfangsteil des N dem Sinus venosus, der Endabschnitt
des N dem Conus arteriosus oder (bei anderen Wirbeltieren) dem
Bulbus arteriosus.
Was die großen Gefäße betrifft, so haben wir beim Embryo der
Wirbeltiere (abgesehen von den Gefäßen des Dottersackes und der
Allantois) hauptsächlich folgende zu beachten: erstens die Aorta
descendens, das große Gefäß, welches durch die beiden Aorten-
wurzeln das arterielle Blut aus den Kiemenbögen oder aus den
Aortenbögen erhält und welches, über dem Darme längs der Chorda
verlaufend, durch zahlreiche Aeste den ganzen Rumpf und den Schwanz
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren, 41
mit arteriellem Blut versieht!); zweitens die Subintestinalvene,
welche unter dem Darme in dem ventralen Mesenterium des Darmes
verläuft; sie führt das venöse Blut des Darmes zu der Leber und schließ-
lich in den Sinus venosus; drittens die Schwanzvene, welche,
im Schwanzteil direet unter der Aorta verlaufend, das venöse Blut des
Schwanzes zu der Subintestinalvene oder zu den Cardinalvenen bringt:
viertens die beiden Cardinalvenen, welche durch die Urniere
gehen oder seitlich längs der Urniere verlaufen und am Vorderende
des Rumpfes mit den aus dem Kopf kommenden sog. vorderen
Cardinalvenen sich vereinigen, um dann von beiden Seiten her als
Ductus Cuvieri zum Sinus venosus zu gehen.
Die Iymphoiden Organe entstehen aus dem Mesenchym. Die
Milz bildet sich aus einer Mesenchymmasse am dorsalen Mesenterium
des Magens. Das lIymphoide Gewebe der Urniere entwickelt sich aus
dem zwischen den Urnierenkanälchen gelegenen Mesenchym. Die
Lymphdrüsen entstehen ebenfalls aus mesenchymatischen Anlagen,
ebenso das Knochenmark, welches bei Amphibien und höheren Wirbel-
tieren die Function eines Blutzellen bildenden Organs übernimmt.
Das Blut der Wirbeltierembryonen enthält anfangs noch keine
Blutzellen. Bei manchen Knochenfischen findet mehrere Tage lang
eine Circulation des Serums ohne Blutzellen statt. Die ersten Blut-
zellen stammen embryonal aus soliden Gefäßanlagen, deren innere
Zellen als Blutzellen fortgeführt werden. Diese ersten Blutzellen sind
nur Erythrocyten (rote Blutkörperchen); erst später kommen aus den
Iymphoiden Organen Leukocyten (weiße Blutzellen) hinzu. Alle Blut-
zellen können theoretisch als schwimmende Mesenchymzellen aufgefaßt
werden.
Cenogenetische Abänderungen der Entwiekelungsweise.
Da die hauptsächlichen Organe bei allen Wirbeltieren homolog
sind, so könnte man erwarten, daß jedes Organ bei allen Wirbeltieren
dieselbe Entwickelungsweise habe. Dies ist aber nicht der Fall, sondern
man sieht oft dasselbe Organ bei verschiedenen Wirbeltieren in ab-
weichender Art sich entwickeln ?). Es ist dann oft schwer zu entscheiden,
welches die ursprüngliche Entwickelungsweise ist. Hält man die eine
Entwickelungsweise für ursprünglich, so erscheinen die anderen als
abgeändert. Man bezeichnet die ursprüngliche Entstehungsweise eines
Organs als palingenetisch, die abgeänderte als cenogenetisch.
Soweit die Vorgänge der Ontogenie palingenetisch sind, zeigen sie
diejenige Bildungsart, nach welcher das Organ in der Stamment-
wickelung (Phylogenie) entstanden ist?°).
1) Auf den Figuren 6 und 7 der Tafel sind die wichtigsten Gefäße zu sehen.
2) Selbst bei nahverwandten Tieren kann die Bildungsweise eines Organs ver-
schieden sein, auch wenn im späteren Zustand eine große Uebereinstimmung in
Bezug auf das Organ vorhanden ist; diese Thatsache erinnert an die bekannte Er-
fahrung, daß die Larven in einer Tiergruppe manchmal in Anpassung an ungleiche
Lebensverhältnisse mehr verschieden geworden sind als die ausgebildeten Tiere (wie
z. B. bei den Mücken‘. Auf Grund des Gesetzes der Vererbung im correspon-
direnden Lebensalter kann eine Entwickelungsstufe oder ein Entwickelungs-
vorgang im Laufe der phylogenetischen Entwickelung sich verändern, ohne daß das
spätere Stadium dadurch beträchtlich verändert wird. i
3) Die Ontogenie ist die Entwickelungsgeschichte des Individuums und
umfaßt alle Vorgänge von dem Beginn der Furchung bis zu der völligen Ausbildung
des Körpers und der Erreichung der Geschlechtsreife. Die Phylogenie ist die
42 i 1. Capitel.
Die Beziehung zwischen der Keimentwickelung und der Stamm-
entwickelung wird am klarsten durch das von FRITZ MÜLLER aus-
gesprochene und von HAECKEL in folgender Weise formulirte bio-
genetische Grundgesetz ausgedrückt: „Die Keimentwickelung
(Ontogenesis) ist eine gedrängte und abgekürzte Wiederholung der
Stammentwickelung (Phylogenesis), und zwar ist diese Wiederholung
um so vollständiger, je mehr durch beständige Vererbung die ursprüng-
liche Auszugsentwickelung (Palingenesis) beibehalten wird, und um so
unvollständiger, je mehr durch wechselnde Anpassung die spätere
Störungsentwickelung (Cenogenesis) eingeführt wird.“
„Die seeundären Abänderungen des ursprünglichen Bildungsganges
sind von sehr verschiedener Art: Verschiebung der örtlichen und zeit-
lichen Verhältnisse in der Ausbildung der Organe (Heterotopien und
Heterochronien); Zusammenziehung, Abkürzung und Ausfall einzelner
3ildungsstufen (abgekürzte Recapitulation) u. s. w. Der ontogenetische
Proceß erscheint infolgedessen bedeutend einfacher, kürzer und schneller
als sein phylogenetisches Vorbild; er kann aber von letzterem sich
auch dadurch noch weiter entfernen, daß im Laufe der Zeit neue
Processe (Metamorphosen, Larvenreihen, Bildung von Embryonal-
hüllen, provisorischen Organen etc.) eingeschoben werden“ (HAECKEL)').
HAECKEL betonte auch, daß die verschiedene Menge des Nahrungs-
dotters sehr häufig cenogenetische Abänderungen zur Folge hat.
In der That lassen sich viele Abänderungen aus der Zunahme des
Dottergehaltes des Eies erklären. Wir haben schon oben gesehen
(p. 18— 26), daß die verschiedenen Arten der Furchung und der Gastru-
lation durch die verschiedene Menge nnd Verteilung des Dotters be-
dingt sind. — Auch manche der Abänderungen der Bildungsweise
eines Organs, von welchen in einem früheren Abschnitt gesprochen
wurde (p. 30—32), lassen sich als indireete Folge des Dottergehaltes des
Eies ansehen. Bei großen, sehr dotterhaltigen Eiern ist die compacte
Anlage der Organe häufig, bei kleinen, dotterarmen Eiern die hohle
Anlage.
Von besonderer Bedeutung sind die zeitlichen und die ört-
lichen Verschiebungen. Die ersteren, die Heterochronien,
umfassen die verspätete und die verfrühte Anlage, welche beide häufig
vorkommen. Insbesondere ist oft zu bemerken, daß ein Organ, welches
im Laufe der phylogenetischen Entwickelung eine größere Bedeutung
Entwickelung der Art, giebt also an, wie die Tierspecies aus anderen meist aus-
gestorbenen, einfacher organisierten Arten im Laufe geologischer Zeiträume hervor-
gegangen ist (E. HAECKEL, Generelle Morphologie der Organismen 1866; E. HAECKEL,
Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen, 4. Aufl., Leipzig 1891). —
Während das Wort Ontogenie die ganze Entwickelungsgeschichte des jungen Individu-
ums bezeichnet bis zum Eintritt der Geschlechtsreife, ist Embryologie ein etwas
engerer Begriff, da er nur die Entwickelung bis zum Ausschlüpfen oder bis zur
Geburt umfaßt. Embryo bezeichnet ursprünglich das sich entwickelnde Tier
innerhalb der Eischale (bis zum Ausschlüpfen aus der Eischale). Da es aber mehr
von biologischen als morphologischen Verhältnissen abhängt, ob die Eischale früher
oder später abgeworfen wird, und der Begriff daher in diesem Sinne für die morpho-
logische Betrachtung wenig Wert hat, so verwendet man den Ausdruck Embryo für
alle Entwickelungsstadien vom Beginn der Entwickelung bis zu der Zeit, wenn
das sich entwickelnde Tier zum freien Leben (außerhalb der Eischale, Bruthöhle,
Uterus oder dergleichen) befähigt ist. Dasselbe kann zu dieser Zeit entweder schon
annähernd die definitive Organisation haben oder es kann eine Larve sein, welche
noch eine Verwandlung (Metamorphose) durchmachen muß, um die definitive Form
und Organisation zu erreichen.
1) E. HAECKEL, Systematische Phylogenie, Berlin 1894, p. 8.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge bei den Wirbeltieren. 43
und eine höhere Organisationsstufe erreicht hat (wie z. B. das Auge
der höheren Wirbeltiere, das Gehirn des Menschen), sehr frühzeitig
angelegt wird und von Anfang an relativ groß ist; dasselbe gilt von
solchen Organen, welchen in der Entwickelung selbst schon früh
eine größere Aufgabe zufällt (wie z. B. dem Herzen und dem Blut der
Amnioten). — Das frühzeitige Erscheinen einer Anlage wird oft als
vorzeitige Sonderung bezeichnet (precocious segregation der eng-
lichen Autoren).
Auch örtliche Verschiebungen (Heterotopien) sind oft zu finden.
— Es kann sogar in vereinzelten Fällen vorkommen, daß eine Organ-
anlage von einem Keimblatt auf ein anderes verschoben wird (z. B.
Blutanlagen der Amphibien vom Mesoderm auf das Entoderm). Das
kann aber nur an einer solchen Stelle geschehen, wo die beiden Keim-
blätter zusammenhängen, so daß also in der phylogenetischen Ent-
wickelung ein continuirlicher Uebergang von der einen Bildungs-
weise zur anderen möglich war.
Im Uebrigen ist es ausgeschlossen, daß ein Keimblatt Gewebe
erzeuge, welche ihm nicht zukommen, z. B. daß das Ektoderm Knorpel
oder Knochen hervorbringe. Einzelne Forscher haben derartige Vor-
gänge beschrieben, aber sie haben ihre Beobachtungen an so schwierigen
und undeutlichen Objecten gemacht, daß Irrtümer leicht möglich sind.
Es steht diesen vereinzelten Angaben die große Masse aller übrigen
Beobachtungen entgegen, welche gezeigt haben, daß jedes Keimblatt
seine specifischen Leistungen hat. Wenn bei den Wirbeltieren die
Gastrulation beendet ist und die Keimblätter gebildet sind, so haben
diese Keimblätter ganz getrennte Aufgaben in Bezug auf ihre Be-
teiligung an den Organen und die Bildung der Gewebe. Dieser Satz
spricht die Lehre von der Speecifität der Keimblätter aus,
welche eines der wichtigsten allgemeinen Resultate der embryolo-
gischen Forschung ist.
II. CAPITEL.
Leptocardier (Amphioxus).
Die Reifung des Eies und die Befruchtung.
Die wichtigsten Publicationen sind diejenigen von VAN DER STRICHT (1895)
und von SoBoTTA (1895—1897). Die betreffenden Schriften sind in dem am Ende
des Capitels stehenden Litteraturverzeichnis angegeben.
Die Gonaden sind bei Amphioxus in großer Zahl vorhanden und
liegen an der äußeren Wand der Peribranchialhöhle (Fig. 23); sie
gleichen kleinen Säckchen, bei
den Männchen mit Sperma, bei
bei den Weibchen mit Eiern
gefüllt. Sie entsprechen in der
Lage den Metameren, und zwar
entstehen 26 Gonadenpaare,
entsprechend den Myome-
ren 10-35 inclusive; aber
oft sind die ersten und die
letzten wenig oder garnicht
entwickelt. — Die Eier ge-
langen durch Zerreißung der
Wand des Ovariums in die
Fig. 23. Querschnitt durch die
Kiemenregion des Amphioxus. r
tückenmark, sn abgehende Nerven,
m Muskeln, ce Chorda. a Aorta de-
scendens (beiderseitig), cö Cölom
(Leibeshöhle), » Nierenkanal, Ad
Kiemendarm, %*b Kiemenbögen, sp
Kiemenspalten, 4 Gonaden, I Leber-
schlauch, 5b ribranchialraum, e
Hypobranchialrinne (Endostyl).
(Nach RAY LANKESTER u. BOVERI
aus R. HERTWIG.)
Peribranchialhöhle, die Spermatozoen in ähnlicher Weise durch eine
temporär zur Zeit der Reife sich bildende Oefinung (LEGROS 139).
Die Eier im Ovarium zeigen einen großen, hellen Kern mit relativ
sehr großem Nucleolus. Die Eier erreichen eine Größe von 0,1 bis
Leptocardier (Amphioxus). 45
0,13 mmd). Zur Zeit der Reife bilden die Eier noch im Ovarium den
ersten Richtungskörper. Ungefähr gleichzeitig wird an der Oberfläche
des Eies eine Membran sichtbar, dem Ei dicht aufliegend. Da diese
Membran vom Ei ausgeschieden ist, kann sie Dotterhaut genannt
werden. — Ehe die Eier aus dem Ovarium austreten, wird auch schon
die zweite Richtungsspindel angelegt: diese hat anfangs eine tangentiale,
dann eine radiäre Richtung (Fig. 24 Tu. II). Zur Zeit der Bildung des
zweiten Richtungskörpers werden die Eier aus dem Ovarium entleert.
Sobald die Eier in das Meerwasser gekommen sind, bildet sich unter
der vorhin genannten Membran eine zweite, festere Membran, und die
aus diesen beiden Membranen gebildete Eihülle hebt sich sofort nach
der Besamung des Eies von dem Ei ab (Fig. 24 I—III). Im Laufe der
nächsten Stunden wird die Eihülle immer mehr ausgedehnt, so daß der
Durchmesser der Eihülle ein Mehrfaches des Eidurchmessers beträgt ?).
Das Laichen findet an warmen Tagen gegen Abend statt’). Die
Eier werden stoßweise in Form weißer Wölkchen durch den Abdominal-
porus entleert. Die Männchen stoßen gleichzeitig in derselben Weise
das Sperma aus. Die Spermatozoen verteilen sich im Wasser, und die
Besamung der Eier findet alsbald nach ihrem Austritt statt. Die
Eier werden von zahllosen Spermatozoen umgeben, welche radiär gegen
die Eimembran gerichtet, an derselben festhaften und in dieselbe ein-
zudringen suchen. Wenn ein Spermatozoon in das Ei gelangt ist,
hebt sich alsbald die Eimembran von dem Ei ab, wodurch wahr-
scheinlich anderen Spermatozonen der Eintritt verwehrt wird).
Das Spermatozoon tritt an beliebiger Stelle in das Ei ein, am
häufigsten an demjenigen Pole, welcher dem Richtungskörperpole ent-
gsegengesetzt ist. — Der Kopf des Spermatozoons quillt im Eiplasma
auf und wird ein unregelmäßig längliches Gebilde (Fig. 24 I). Aus
diesem geht nachher der rundlich gestaltete männliche Kern hervor.
(Fig. 24 III—IV).
Ungefähr !/, Stunde nach der Besamung des Eies wird die Bildung
des zweiten Richtungskörpers beendet (Fig. 24 II). Wenn derselbe ab-
geschnürt ist, geht aus den am inneren Pole der Richtungsspindel be-
findlichen Chromosomen der weibliche Vorkern hervor. — Zu dieser
Zeit entsteht neben dem Spermakern ein von Dotterkörnchen freier Hot,
1) Das Ei des Amphioxus ist unter den Wirbeltieren eines der kleinsten. Un-
gefähr dieselbe Größe hat das Ei des Meerschweinchens, und noch kleiner ist das
Ei der Maus (0,06 mm). „Mit dem dotterarmen und protoplasmareichen Ei der
Säugetiere hat das Ei des Amphioxus absolut keine Aehnlichkeit. Dasselbe ist viel-
mehr außerordentlich dotterreich und ähnelt dem Ei der Amphibien und Petro-
myzonten, nur mit dem Unterschiede, daß nicht nur das Ei selbst, sondern auch
Dötterbestandteile, Protoplasma, Kern sich in stark verkleinertem Maßstabe vor-
finden“ (SoBoTTA). Die Dotterbestandteile sind kugelig und füllen den größten
Teil des Eies aus (Fig. 24).
2) Es ist zu vermuten, daß der Zwischenraum zwischen dem Ei und der
Membran in diesem wie in anderen Fällen dadurch sich vergrößert, daß er eine von
dem Ei abgeschiedene Substanz enthält, welche durch Osmose Wasser anzieht.
3) In Messina beginnt die Laichperiode im April, in Neapel im Juni. — Wenn
man zur Laichzeit die Tiere aus dem Sande heraussucht und sie wieder in etwas
Wasser bringt, so entleeren sie die Geschlechtsproducte meist schon nach '/, Minute,
spätestens nach 2—3 Minuten. Die Eier sind als feine weiße Punkte eben noch mit
bloßem Auge zu erkennen. — 45—50 Minuten nach der Besamung des Eies ist die
erste Furchungsspindel ausgebildet. Am folgenden Morgen ist schon das Gastrula-
stadium erreicht. Im Laufe des Tages findet dann die Bildung der Ursegmente und
der Chorda statt.
4) Es kommt ausnahmsweise vor, daß mehrere Spermatozoen in ein Ei ein-
dringen, doch folgen daraus stets abnorme Vorgänge.
40 2. Capitel.
und in demselben bemerkt man eine radiäre Strahlung, deren Centrum
von einem punktförmigen Centrosom gebildet ist (Fig. 24 III) Das
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Figg. 24 I-VI. Reifung und Befruchtung des Eies von Amphioxus lance-
olatus. (Nach SogorrA 1897.) I Ei nach dem Eintritt des Spermatozoons (sp).
Man bemerkt noch den 1. Richtungskörper (1. Rk), darunter im Ei die 2. Richtungs-
spindel. Die Eimembran ist ein wenig vom Ei abgehoben. II Bildung des 2.
ichtungskörpers.. Die Richtungsspindel ist im Diasterstadium. Man sieht die
aus 2 Schichten bestehende Eimembran (Dotterhaut). III Der 2. Richtungskörper
ist ausgetreten, der Spermakern nähert sich dem Eikern. IV Die beiden Vorkerne
haben sich a V Dieselben sind verschmolzen (1. Furchungskern).
VI Die 1. Furchungsspindel im Dyasterstadium.
Centrosom mit der Strahlung und der männliche Kern rücken in das
Innere des Eies und nähern sich also dem weiblichen Kern; der
Leptocardier (Amphioxus). 47
letztere kommt auch dem männlichen Kern entgegen, und die beiden
Kerne treffen zusammen; sie haben unterdessen an Größe beträchtlich
zugenommen und sind sich sehr ähnlich geworden (Fig. 24 IV), sie ver-
schmelzen dann zum ersten Furchungskern (Fig. 24 V). — Während
der gegenseitigen Annäherung der Kerne hat sich das Centrosoma des
Spermakerns geteilt und es sind nun zwei Öentrosomen mit zwei Strah-
lungen vorhanden (Fig. 24 IV u. V). Von den beiden Centrosomen aus
breitet sich die Strahlung im Zellkörper weiter aus, der erste Furchungs-
kern tritt in Mitose ein (Fig. 24 VI), und es folgt die Teilung der
Zelle, die erste Furchungsteilung ).
Die Furehung bei Amphioxus.
Die wichtigste Publication ist diejenige von HATSCHEK (1882).
Demonstrationsmittel: Wandtafeln von LEUCKART und CHUN, N0,72; Wachs-
modelle von FRIEDRICH ZIEGLER, Freiburg i. B., Serie 22.
Die Furchung des Amphioxus ist von großer Wichtigkeit, weil
sie offenbar sehr ursprünglich ist; alle anderen Furchungsarten,
welche man bei Wirbeltieren trifft, lassen sich von diesem Furchungs-
VOM
Fig. 25 A—F. Furchung von Amphioxus. (Nach HATSCHEK aus KORSCHELT-
HEIDER.) A ungefurchtes Ei mit dem 2. Richtungskörper, 2 das Ei in Teilung be-
eriffen, € 4-zelliges Stadium, D dasselbe von oben, Z S-zelliges, F 16-zelliges
Stadium.
schema ableiten, und die Abänderungen, welche wir bei anderen
Wirbeltieren finden, können durch das stufenweise reichlicher der Ei-
1) Während die Spindel ihre volle Ausbildung erhält, rückt sie nahezu in die
Mitte des Eies, so daß bei der Teilung zwei gleichgroße Teilzellen entstehen. Wenn
die Spindel zur Zeit der beginnenden Dyasterphase noch excentrisch liegt, „streben
die Centrosomen der Spindelfigur nach den Öentren der neuen Zellen, so daß die
anze Figur gekrümmt wird (Fig. 24 VI) und die Chromosomen der Dotterkerne nach
der Mitte hingezogen werden“ (SoBoTTA). Es findet also eine Bewegung und Ein-
stellung der Spindel statt, wie sie auch bei den Eiern mancher wirbellosen Tiere
beobachtet ist.
4
N
2. Capitel.
zelle eingelagerte Deutoplasma (Dotter) erklärt werden. Vielleicht
stellt eine derartige Furchung, wie wir sie bei Amphioxus sehen, eine
ganz primitive Entwickelungsweise für alle Metazoen dar, denn bei
manchen niederen wirbellosen Tieren (z. B. bei der Hydroidmeduse
Aequorea) findet man dieselbe wieder.
Die Furchung des Amphioxus ist total und adäqual (nahezu äqual).
Die Spindel der ersten Teilung liegt horizontal, die erste Furche verläuft
meridional und teilt das Ei in zwei gleiche Teile (Fig. 25 B). Die
zweite Furche ist ebenfalls meridional, und ihre Ebene senkrecht zu
derjenigen der ersten Furche, so daß 4 gleichgroße Blastomeren
entstehen (Fig. 25 Cu. D). Die Furchen der folgenden Teilung verlaufen
äquatorial (richtiger gesagt latitudinal), so daß man 4 obere und
4 untere Zellen erhält; diese Teilung ist aber keine völlig äquale,
sondern die 4 oberen Zellen sind etwas kleiner als die 4 unteren
(Fig. 25 E), Sodann folgen wieder meridionale Furchen, so daß 8 obere
und 8 untere Zellen entstehen |[Fig. 25 F']').
Die Furchen der nächsten Teilung verlaufen wieder horizontal,
so daß im Stadium von 32 Zellen 4 Kränze von je 8 Zellen über ein-
anderliegen. Wie schon im $-zelligen Stadium die 4 unteren Zellen
größer waren als die 4 oberen, so sind im Stadium der 32
Zellen die S am vegetativen Pol gelegenen bedeutend größer als alle
übrigen, und nimmt die Größe der Zellen in den 3 nach oben
folgenden Zellenkränzen successive ab. — Schon im 4-zelligen Stadium
ist zwischen den 4 Zellen ein kleiner Hohlraum vorhanden (Fig. 25 D),
und dasselbe gilt für das S-zellige Stadium. Dieser von den Blas-
tomeren umgebene Hohlraum ist die Furchungshöhle; sie er-
weitert sich während der folgenden Teilungen. Anfaugs ist sie nach
oben und nach unten offen, aber während der folgenden Teilungen
schließen sich die Zellen zuerst über derselben und dann auch unter
derselben zusammen, so daß die Blastomeren eine vollkommene
Blase bilden; im Stadium der 32 Zellen ist die Furchungshöhle nach
oben hin schon geschlossen, nach unten hin noch ein wenig geöffnet. —
Nach dem bisherigen Fortlauf der Furchung würde man erwarten,
daß nach dem Stadium der 32 Zellen ein Stadium von 64 Zellen
erzeugt werde, indem die 8 Zellen in jedem der 4 Zellenkränze
dureh verticale Furchen in 16 Zellen zerteilt werden. Jedoch erfolgt
eine solche Teilung nur in den 3 oberen Zellenkränzen und unter-
bleibt in dem untersten. Es ist dies eine Folge des ganz allgemein-
giltigen Gesetzes, daß die mehr Dotter enthaltenden Zellen sich lang-
samer teilen. Diese 8 untersten Zellen erleiden dann eine in-
äquale Teilung, so daß 8 kleine Zellen entstehen, welche den oberen
Kränzen sich anschließen und ein Kranz von 8 großen unteren
Zellen sich erhält. Dieser letztere bleibt längere Zeit bestehen, während
die Zellen der oberen Kränze wie bisher von horizontalen und ver-
ticalen Teilungen betroffen werden (Fig. 26 A u. DB).
Indem dann auch die großen Zellen des untersten Kranzes sich
mehrfach teilen und die Zellen der oberen Kränze ihre Anordnung
zu Kränzen aufgeben und sich enger zusammenschließen, entsteht die
Blastula, wie sie Fig. 26 C zeigt. Die Zellen bilden ein einschich-
1) Bei der Beschreibung der Furchung betrachte ich immer die im befruchteten
Ei vom animalen Pole zum vegetativen Pole gehende Axe als verticalstehend und
den animalen Pol als den oberen.
Leptocardier (Amphioxus). 49
tiges Epithel; am unteren Teile der kugeligen Blase sind größere
Zellen, im übrigen Teil kleinere Zellen zu bemerken; jene größeren
Zellen sind natürlich die Ab-
kömmlinge der 8 großen A
Zellen, welche im 52-zelligen SAL
Stadium und noch in den ELISE
nächstfolgenden Furchungs- )
stadien am vegetativen Pol 292 -
gelegen waren (Fig. 26 Au. | Ha |
B). \T I
Bei der vorstehenden
Beschreibung der Furchung \ \ \
des Amphioxus bin ich der
Darstellung von HATSCHEK
gefolgt. Bie Beobachtungen
von E. B. Wırsox und
von SAMASSA zeigen einige
kleine Abweichungen; ins-
besondere geben (diese For-
scher an, daß man schon
von einem frühen Furchungs-
stadium an die Lage der Me-
dianebene des entstehenden Fi sn a
Embryo erkennen könne; a ne aus en) A
schon im 16-zelligen Stadium späteres Furchungsstadium, 3 dasselbe halbirt
sei ein Teil der Zellen und von innen gesehen, € Blastula von außen,
symmetrisch zur Median- D dieselbe halbirt und von innen gesehen.
ebene angeordnet.
Es ist von Interesse, zu beachten, wie der Furchungsmodus des
Amphioxus als die notwendige Folge gewisser für die Furchung
aller Tiere gültigen Gesetze betrachtet werden kann. Diese
Gesetze können in folgender Weise ausgedrückt werden:
1) Die Richtung, in welcher eine Zelle sich teilen wird (d. h. die
Richtung, in welcher die Teilungsspindel sich einstellt), fällt zusammen
mit dem größten Durchmesser der Zelle, oder wenn die Zelle dotterhaltig
ist, mit der größten Dimension der Protoplasmamasse !). — Daraus läßt
sich z. B. ableiten, daß die erste Teilung der befruchteten Eizelle eine
horizontale sein muß, denn die Zelle ist kugelig und enthält in der
unteren Hälfte mehr Deutoplasma als in der oberen, und ist folglich das
Protoplasma in vertikaler Richtung weniger massig ausgedehnt als in
horizontaler; ferner folgt aus demselben Princip, daß im 4-zelligen
Stadium eine vertikale Teilung kommen muß, da die Zellen in diesem
Stadium in vertikaler Richtung etwas langgestreckt sind (Fig. 25 C).
Die Kräfte, welche die gegenseitige Anordnung der Blastomeren be-
dingen, sind folgende; erstens das Abrundungsbestreben der Zellen,
1) OÖ. HERTWIG hat „dieses Gesetz in folgender Weise formulirt: „Die Achse
der Kernspindel steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Form und Differenzirung
des sie umhüllenden protoplasmatischen Körpers und zwar so, daß sich die beiden
Pole des Kerns in der Richtung der größten Protoplasmamassen einstellen; so kann
z. B. in einer Kugel die tea gelegene Spindel in der Richtung eines jeden Radius
zu liegen kommen, in einem eiförmigen Protoplasmakörper dagegen nur in dem
längsten Durchmesser; in einer kreisrunden Protoplasmascheibe liegt die Kernachse
parallel zur Oberfläche derselben in einem beliebigen Durchmesser des Kreises, in
einer ovalen Scheibe dagegen wieder nur im längsten Durchmesser.
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeitiere. 4
50 2. Capitel.
welches, wenn es allein wirkte, zu einer kugeligen Form der Zelle
führen würde, und zweitens die Adhäsion der Blastomeren aneinander,
welche bestrebt ist, die Zellen mit möglichst großer Berührungsfläche
aneinanderzulegen und gegeneinander abzuplatten !). Durch die erste dieser
beiden Kräfte ist es zu erklären, daß die Zellen des 4-zelligen und des
8-zelligen Stadiums eine Furchungshöhle zwischen sich lassen, wie ja
auch 4 oder 8 in entsprechender Weise aneinandergelegte Kugeln einen
ähnlichen Hohlraum ausschließen. Beim Uebergang zum 16-zelligen
Stadium und überhaupt jedesmal, wenn die Zellen durch meridionale
Furchen geteilt werden, muß eine Erweiterung der Furchungshöhle er-
folgen, denn in jedem Blastomerenkranze nimmt dabei die Länge des
Kranzes zu und nimmt außerdem die Dicke des Kranzes ab, so daß aus
diesen beiden Gründen der (innere) Durchmesser des Kranzes wächst.
Bei Zellen, welche viel Dotter enthalten, ist das Abrundungsbestreben
weniger stark; sie legen sich mit größerer Berührungsfläche aneinander
und die zwischen ihnen auftretenden Trennungsfurchen sind schmäler.
Diese Erscheinung ist zwar auch schon bei Amphioxus an den Blastomeren
des untersten Kranzes einigermaßeu bemerkbar, aber sie zeigt sich noch
viel mehr, wenn man von der Furchung des Amphioxus zu den Furchungs-
arten der in höherem Grade dotterhaltigen Eier der anderen Vertebraten
übergeht.
3) Wenn eine Zelle sich teilt, welche Dotter enthält, so kann der
Dotter gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die beiden entstehenden Zellen
verteilt werden; im ersteren Falle sind die beiden Blastomeren von
gleicher, in letzterem Falle von ungleicher Größe. Wenn der Dotter
allseitig gleichmäßig in der Zelle angeordnet lag, so wird er gleichmäßig
verteilt?2), wenn der Dotter ein wenig einseitig in der Zelle angeordnet
lag, wenn also z. B. die untere Hälfte der Zelle mehr Dotter enthielt als
die obere, so wird der Dotter nur in dem Falle gleichmäßig auf die
Teilstücke verteilt, wenn die Richtung der Teilungsspindel senk-
recht steht auf der Achsenrichtung der polaren Dotterverteilung; wenn
diese beiden Richtungen zusammenfallen oder einen spitzen Winkel mit-
einander bilden, so findet eine ungleichmäßige Verteilung des Dotters
statt; diese kann soweit gehen, daß die eine Zelle fast allen Dotter, die
andere fast nur Protoplasma enthält. — Aus diesem Princip erklärt es
sich, daß bei der Furchung des Amphioxus bei allen horizontalen Teilungen
(meridionalen Furchen) die Teilstücke gleich groß sind, während bei den verti-
kalen Teilungen (latitudinalen Furchen) die untere Zelle stets etwas größer ist
als die obere; denn bekanntlich ist der Dotter in der Eizelle des Amphioxus
1) Das Abrundungsbestreben beruht zum Teil auf der Öberflächenspannung,
zum Teil darauf, daß zwischen den Centrosomen und dem Kern einerseits und dem
Protoplasma andererseits eine wechselseitige Anziehung besteht. Das Abrundungs-
bestreben der Zellen ist zu verschiedener Zeit ungleich stark; es ist am stärksten
vor der Teilung der Zelle und läßt nach vollzogener Teilung bedeutend nach. Es
folgt daraus, daß die Zellen sich vor der Teilung abrunden und mit kleineren Be-
rührungsflächen zusammenhängen, während sie nach der Teilung sich mit größeren
Flächen aneinanderlegen. — Das Bestreben der Furchungszellen, sich mit breiten
Flächen zusammenzulegen, ist von RAUBER (Morphol. Jahrb., 3. Bd.) „Segmental-
attraction“ genannt worden. Roux nennt diesen Vorgang „Selbstabplattung der
Zellen“ oder „Cytarme“ (Arch. f. Entwickelungsmech., 4. Bd. 1896).
2) Ich sehe hier ab von den bei wirbellosen Tieren häufig vorkommenden
Fällen, in welchen man annehmen muß, daß die Centren von ungleicher Kraft sind
(heterodynamische Teilung); in diesen Fällen können trotz gleichmäßiger Verteilung
des Dotters doch ungleich große Teilzellen entstehen (H. E. ZIEGLER, Experimentelle
Studien über die Zelltheilung, III. Furchung von BEROE. Arch. f. Entwickelungsmech.,
7. Bd., 1898, S. 47).;
zu,
Leptocardier (Amphioxus). 5]
und in den einzelnen Blastomeren in vertikaler Richtung ungleichmäßig
verteilt.
4) Zellen, welche mehr Dotter enthalten, teilen sich langsamer ).
Daraus erklärt sich, daß bei Amphioxus die Blastomeren desselben Zellen-
kranzes sich gleichzeitig teilen, daß aber in den aufeinanderfolgenden
Zellenkränzen der Zeitpunkt der eintretenden Teilung sich verschiebt,
und daß namentlich bei dem untersten Zellenkranz die Teilung zeitlich
zurückbleibt. Daraus folgt weiter, daß die Zahl der Blastomeren nur
eine Zeit lang der geometrischen Progression 2, 4, 8, 16, *32, 64 etc.
entspricht.
Die Gastrula des Amphioxus.
Es kommen hauptsächlich die Arbeiten von HATSCHEKR (1882) und SOBOTTA (1897
in Betracht.
Nachdem die Bildung der Blastula vollendet ist, erfolgt die
Gastrulation. Fassen wir die Blastula, deren Entstehung schon oben
besprochen wurde (Fig. 26), noch einmal ins Auge, so sehen wir am
vegetativen Pol eine wohl unterscheidbare, ungefähr ein Drittel des
Umfanges einnehmende Fläche von dunkleren Zellen, welche mehr
Dotterkörnchen enthalten als die übrigen Zellen und daher die Zell-
kerne weniger deutlich durchschimmern lassen. Diese untere Fläche
beginnt sich zunächst abzuflachen und sodann einzubuchten; die
eingestülpte Schicht verdrängt die Furchungshöhle und legt sich
allmählich der oberen, aus kleineren, helleren Zellen bestehenden
Schicht an. Die äußere Schicht ist das Ektoderm, die innere das
Entoderm. Die Entodermzellen haben während des Einstülpungs-
processes beträchtlich an Größe zugenommen ?).
Die Gastrula hat anfangs die Gestalt einer niedrigen Mütze
(Fig. 27 B); die Gastrulahöhle ist flach und weit geöffnet. Jetzt wird
dieselbe tiefer und die Mündung verengt sich. Während dieses Vor-
ganges wird die Form des Embryo immer deutlicher monosymmetrisch
(bilateral), d.h. man kann Rückenseite und Bauchseite unterscheiden.
An der Dorsalseite der Larve bildet sich allmählich eine Abflachung
aus (Fig. 27); die so entstehende Rückenfläche des Embryo ist der
späteren Längsachse des jungen Amphioxus parallel; die Biegung,
welche am Vorderende der Rückenfläche besteht, ist bei der weiteren
Entwickelung als Vorderende der Larve zu bezeichnen. Man sieht
bei Vergleichung der Fig. © mit D, daß die Rückenfläche successive
länger wird; man erkennt ferner, daß die Richtung der Rückenfläche
1) Anders ausgedrückt lautet dieses Gesetz: Die Schnelligkeit der Furchun
ist der Concentration des im Teilungsstück befindlichen Protoplasma proportiona
(BALFOUR, OÖ. HERTWIG).
2) HATSCHEK schreibt: „Wenn wir’die Stadien von der Blastula bis zur zwei-
schichtigen, mützenförmigen Gastrula mit einander vergleichen und namentlich die
Zahl and die Größenverhältnisse berücksichtigen, so sehen wir, daß die untere Zellen-
schicht, das Entoderm, wirklich nur wenig mehr als dem Drittteil der Blastula ent-
spricht; doch haben diese Zellen zugleich mit dem Schwinden der Furchungshöhle
an Größe zugenommen. Es ist dies nur dadurch zu erklären, daß die Entoderm-
zellen die in der Furchungshöhle befindliche Flüssigkeit zum Teil resorbirt haben.
Schon durch die erste Vergrößerung der Entodermzellen, die eine mehr hocheylin-
drische Form annehmen, tritt die Abflachung des unteren Poles ein. Weiterhin
wird durch Verringerung der Flüssigkeit in der Furchungshöhle, die wir einer Action
der Entodermzellen zuschreiben, dieses flache Feld nach innen eingebuchtet, da es
einer Einbuchtung geringeren Widerstand leistet als die convexe Wölbung der
Ektodermzellen.“
4*
52 2. Capitel.
und also auch die Richtung der späteren Längsachse nicht genau mit
der Längsachse der Blastula zusammenfällt, sondern einen spitzen
Winkel mit derselben bildet.
Fig. 27 4—D. Die Bildung der Gastrula bei Amphioxus. (Nach SOBOTTA.)
Die Figuren stellen Medianschnitte dar; die Dorsalseite ist nach rechts gestellt. bl
Blastoporus, dp dorsale Urmundlippe, ec Ektoderm, en Entoderm, fh Furchungshöhle,
q Gastralhöhle, vp ventrale Urmundlippe.
Es ist zu beachten, daß im Stadium der Gastrula eine überaus
zarte Bewimperung des Ektoderms bemerkbar wird, durch welche der
Embryo allmählich in langsam rotirende Bewegung versetzt wird; an
jeder Zelle des Ektoderms entsteht eine Geißel. Die Bewegungsform,
welche die Embryonen innerhalb der Eihüllen und später nach dem
Verlassen der Eihüllen!) zeigen, ist folgende; sie schwimmen stets
das vordere Körperende nach vorn gekehrt und zugleich um die
Längsachse in der Richtung von rechts nach links rotirend?). Die
Embryonen behalten diese Bewegung lange Zeit bei und geben sie
erst auf, wenn der Körper eine sehr gestreckte, fischähnliche Form
angenommen hat.
Die Gastrulation des Amphioxus ist von KowaLevsky (1867) zuerst
beschrieben und dann von Harscner (1882) genauer beobachtet worden;
in neuerer Zeit haben sich wieder mehrere Forscher mit derselben be-
schäftigt und weichen ihre Angaben in Einzelheiten von einander ab.
Ich muß auf einige von den Streitpunkten eingehen.
Harscnhek fand an der ventralen Blastoporuslippe median zwei
besonders große Entodermzellen, welche sich vom Gastrulastadium an bis
in ziemlich späte Stadien erhalten und als Polzellen des Mesoderms auf-
gefaßt werden (Fig. 13, 30). Da dieselben immer an der ventralen Lippe
verbleiben, so ist daraus zu schließen, daß an dem ventralen Blastoporus-
rande während der Gastrulation keine Verschiebungen von Zellen, ins-
besondere keine Einstülpung von seiten des Ektoderms stattfindet. Aber
diese zwei großen Entodermzellen sind von den neueren Forschern (Lworr,
1) Das Verlassen der Eihülle findet in der Regel in dem Stadium mit 2
Ursegmenten (Fig. 30) statt.
2) Eine ähnliche spiralige Bewegung kann man auch bei vielen mittels Cilien
sich bewegenden Larven wirbelloser Tiere (Spongien, Oölenteraten, Würmer, Echino-
dermen) beobachten, und zwar sowohl bei monaxonen als auch bei monosymmetrischen
(bilateralen) Larven.
-
Leptocardier (Amphioxus). 53
E. B. Wırsos, Kraarsen, Soporta u. A.) nicht wiedergefunden worden
und scheinen also kein regelmäßiges Vorkommnis zu sein.
Was die Bildung des Entoderms betrifft, so ist Lworr (1891 — 1894)
der Ansicht, daß die relativ großen Zellen am urteren Pol der Blastula
nicht das ganze Entoderm bilden, sondern daß dieselben bei der Ein-
stülpung nur den ventralen Teil des Entoderms darstellen, während an
der dorsalen Lippe eine Einwucherung der Zellen der äußeren Schicht
stattfindet; Lworr drückt dies in der Weise aus, daß der dorsale Teil
des Entoderms der Gastrula vom Ektoderm herstamme; er leitet folglich
auch die aus dem dorsalen Entoderm entstehenden Anlagen der Chorda
und des Mesoderms aus dem Ektoderm ab. Diese Auffassung (welche
offenbar auf der Uebertragung der Verhältnisse bei manchen höheren
Wirbeltieren beruht) hat bei den neueren Autoren (KLaArscH, SOBOTTA,
Samassa) keine Zustimmung gefunden. Es wird bestritten, daß an der
dorsalen Blastoporuslippe eine Einstülpung stattfindet, wie sie. Lworr
beschrieben hat. Selbst wenn eine Einwucherung bestände!), dürfte man
die eingestülpte Schicht nicht als Ektoderm bezeichnen, da die Benennungen
Ektoderm und Entoderm sich auf das Gastrulastadium beziehen und
erst nach beendeter Gastrulation angewendet werden sollten.
Manche Autoren (OÖ. Herrwıse u. A.) haben geglaubt bei der Ver-
engerung des Blastoporus des Amphioxus eine Nahtbildung annehmen
zu dürfen, und haben versucht, die Concrescenztheorie ?) auf den Amphioxus
anzuwenden. Aber die neueren Autoren (KLAATSCH, SOBOTTA, GARBOWSKI;
Lworr, Morcan and Haze) erklären ausdrücklich, daß der Blastoporus
stets eine kreisförmige oder ovale Contur hat, und daß von einer Naht-
bildung keine Spur zu bemerken ist; Samassa giebt an, daß der Blasto-
porus die Form eines länglichen Schlitzes annehme, welcher aber nicht,
wie es die Concrescenztheorie verlangte, in der Längsrichtung, sondern
in querer Richtung (senkrecht zur Längsachse) gestellt ist.
Experimente betreffend die Entwickelung getrennter
Blastomeren. Epmunp B. Wırsox (1892 u. 1893) hat bei Amphioxus
verschiedene Versuche gemacht, welche die Entwickelung aus getrennten
Blastomeren betreffen. Wenn man durch Schütteln die beiden Blastomeren
des 2-zelligen Stadiums trennt, so furcht sich jede derselben wie bei
der normalen Furchung und erzeugt eine Gastrula von normaler Form
und halber Größe, welche sich dann zu einer normal gebauten Larve
weiter entwickelt. Unvollständige Trennung der beiden ersten Blastomeren
führt zur Bildung mehr oder weniger verwachsener Zwillinge, welche
aber meist nicht über einen Tag am Leben bleiben. — Trennung der
Blastomeren im Vierzellenstadium giebt ähnliche Resultate, doch ent-
wickeln sich die Embryonen nicht viel über das Gastrulastadium hinaus.
Bei vollständiger Trennung erhält man 4 normal gebaute Gastrulae von
Viertelsgröße; wenn je 2 Zellen beisammen bleiben, giebt jedes Zellenpaar
einen normalen Embryo von halber Größe; bei unvollständiger Trennung
der 4 Blastomeren können 2 oder 3 oder 4 zusammenhängende Gastrulae
entstehen. — Trennung der Blastomeren im Achtzellenstadium führt
nicht zur Bildung von Gastrulae;; isolierte Zellen des oberen oder unteren
1) MORGAN and HAzEN (1900) bestätigen die Beobachtungen von LwOrrF in-
sofern, als die Entodermzellen an der Dorsalseite der Gastrula durch ihren geringen
Dottergehalt den Ektodermzellen gleichen.
2) Nach der Concrescenztheorie entsteht der Körper der Wirbeltiere aus der
Verwachsung zweier seitlicher Hälften. Genaueres über diese Theorie wird in den
Capiteln Selachier, Teleosteer und Amphibien berichtet.
54 2. Capitel.
Blastomerenkranzes bringen ebene oder gebogene Zellplatten oder ge-
schlossene Blastulae (von Achtelgröße) hervor.
T. H. Mora (1896) hat diese Resultate von Wırson bestätigt.
Er beobachtete ferner, daß die aus einem Blastomer des Zweizellen-
stadiums gezogenen Larven im Ektoderm und im Darm nur ?/, der
normalen Zellenzahl enthalten, aber im Rückenmark und in der Chorda
die volle normale Zellenzahl. Morcan zog auch Larven aus isolirten
Blastomeren des Vierzellenstadiums; diese Larven besaßen die halbe
Zahl der Zellen der normalen Larve, aber in der Chorda und im Rücken-
mark die normale Zellenzahl.
Das Medullarrohr des Amphioxus.
Verfolgen wir jetzt die Bildung des Medullarrohres. Die Ab-
ttachung der Rückenfläche, welche wir bei der Beschreibung der
Gastrula erwähnten, leitet dieselbe ein. Dann tritt in dem Ektoderm
der Dorsalfläche eine Trennung ein, indem eine mittlere Platte, die
Medullarplatte, sich von dem seitlich anstoßenden Ektoderm ab-
srenzt (Fig. 28 A): darauf schiebt sich das seitliche Ektoderm über die
Medullarplatte medianwärts vor!). Indem die vordringenden Ränder
in der Medianebene sich vereinigen, wird die Medullarplatte von dem
Ektoderm verdeckt (Fig. 285 B). Diese ersten auf die Bildung des
Fig. 28. A Querschnitt durch einen Amphioxusembryo mit der Anlage des
ersten Ursegmentes. (Nach HATSCHEK aus OÖ. HErTwıG’s Lehrbuch.)
B Querschnitt durch einen Embryo mit 5 Ursegmenten. Schnitt durch das erste
Ursegment. (Nach HATSCHER aus O. Herrwig’s Lebrbuch.) ak Ektoderm, » vor-
wachsender Rand desselben, = Entoderm, ch Chordaanlage, d" Urdarmhöhle, mk
Ursegment, mp Medullarplatte, 7 Ursegmenthöhle Bei * Verbindung derselben
mit der Urdarmhöhle.
Medullarrohres bezüglichen Vorgänge schreiten von hinten nach vorn
vor, so daß weiter vorn liegende Querschnitte späterer Stadien dieselben
silder geben, wie weiter hinter liegende Querschnitte jüngerer Stadien ;
. 1) Die mechanische Ursache dieser Erscheinung ist nicht allein die zu dieser
Zeit eintretende Verlängerung und Durchmesserverkürzung der Larve, sondern haupt-
sächlich ein energisches Wachstum des Ektoderms; während der Ueberwachsung der
Medulla nımmt die Menge der Dotterkörnchen in den Ektodermzellen sehr ab,
und darf man daraus auf eine hohe Lebensthätigkeit dieser Zellen schließen. In
der Medullarplatte verbleiben die Dotterkörnchen, da sich dieselbe zu dieser Zeit
passiv verhält.
-.-
Leptocardier (Amphioxus). 2)
z. B. stellt Fig. 28 B einen (Querschnitt durch das erste Ursegment
eines Embryo mit 5 Ursegmenten dar, und ein etwas weiter vorn
liegender Schnitt desselben Embryo würde die Medullarplatte offen
liegend zeigen, wie der Schnitt Fig. 25 A, welcher bei einem Embryo
mit einem Ursegment durch das 1. Ursegment geht.
Nachdem die Medullarplatte überwachsen ist, beginnen ihre
Ränder aufwärts vorzudringen, und die Mitte sinkt ein (Fig. 285 B): es
entsteht auf der Medullarplatte die Medullarrinne '). Die beiden auf-
steigenden Ränder der Meduliarplatte biegen sich oben zusammen, und
so bildet die Medullarplatte ein Rohr, das Medullarrohr (Fig. 29).
Dieser Verschluß des Medullarrohres erfolgt nicht von hinten her,
sondern er beginnt in der Gegend des 1. Ursegmentes uud schreitet
von da nach hinten und nach vorn weiter; diese Thatsache ist des-
wegen von besonderer Wichtigkeit, weil bei allen Wirbeltieren der
Verschluß des Medullarrohres sich zuerst in der Gegend der ersten
Ursegmente bildet.
Wenn man die Entstehung des Medullarrohres bei Amphioxus mit
demselben Vorgang bei anderen Wirbeltieren (z. B. den Amphibien)
vergleicht, so sieht man, daß die beiden
Processe, welche bei Amphioxus nach ein-
ander auftreten, nämlich die Ueberwachsung
der Medullarplatte und die Einkrümmung
(ler Medullarplatte, bei den anderen Wirbel-
tieren gemeinsam ablaufen ; dort erhebt sich
der seitliche Rand der Medullarplatte und
bleibt dabei mit dem anstoßenden Ektoderm
im Zusammenhang, so daß das Medullarrohr
und das darübergehende Ektoderm gleich-
zeitig zum Schluß kommen. Die Bildung der
Medullarwülste, welche man bei den anderen Fig. 29. Querschnitt durch
Wirbeltieren beobachtet, ist also bei Am- die Mitte des Körpers eines
phioxus in zwei Vorgänge zerlegt, in die Amphioxusembryo mit ILUr
- seementen. n Medullarrohr,
Ueberwachsung der Medullarplatte und in „2 Ektoderm, ch Chorda, dh
die Einkrümmung derselben. Darmhöhle, ik Entoderm, Ih
Aber merkwürdig und wichtig ist die Ursegmenthöhle/: Mesoderm,
Thatsache, daß bei der Bildung des Me- Ursegment. (Nach Har-
>> SCHEK.)
dullarrohres der Blastoporus überdeckt und
an das Medullarrohr angeschlossen wird. Dies geschieht in folgender
Weise: wenn das Ektoderm von den Seiten her die Medullarplatte über-
wächst, so beginnt dieser Vorgang am Blastoporus; es wird also der
Blastoporus vom Ektoderm überbrückt (Fig. 30). Der Blastoporus ist
zu dieser Zeit ziemlich verengt, und die ventrale Blastoporuslippe der
Dorsalseite genähert.
Wenn die Medullarplatte sich rinnenförmig gestaltet und sich
zu einem Rohre zusammenbiegt, steht die Höhlung des Medullarrohres
über die hintere Blastoporuslippe hinweg mit der Gastralhöhle in
Verbindung (Fig. 30). Bei dem Schluß des Medullarrohres gewinnt
1) Soweit die Medullarplatte überdeckt ist, hebt sich das überdeckende Ektoderm
von derselben ab, so daß ein Hohlraum über der Medullarplatte entsteht ; die mechanische
Erklärung dieser Erscheinung liegt offenbar darin, daß das Ektoderm infolge seines
Wachstums auf dem Querschnitt der Kreisform sich zu nähern bestrebt ist. Grleich-
zeitig beginnt die mediane Einsenkung der Medullarplatte; diese hängt vielleicht
damit zusammen, daß die Seitenteile der Medullarplatte durch die Mesodermfalten
in die Höhe getrieben werden (Fig. 28 B).
56 2. Capitel.
die obere Wand dieses Rohres Anschluß an das Entoderm der ventralen
Blastoporuslippe. Man gelangt also vom Gastralrohr aus durch einen
aufwärtssteigenden Kanal in das Medullar-
rohr: es ist dies der für die Morphologie
der Wirbeltiere so bedeutungsvolle Canalis
neurentericus.
Diese Verbindung des Darmrohres und
des Medullarrohres bleibt einige Zeit be-
Fig. 30. Embryo von Amphioxus mit 2 Paar
Ursegmenten zur Zeit des Beginnes der Medullar-
rohrbildung. (Nach HATSCHEK aus KORSCHELT und
HEIDER.) mr Medullarrinne, mr‘ überwachsener
Teil derselben, «s Ursegmente, mp Mesodermpolzellen.
Fig. 317. Embryo von Amphioxus mit 5 Ur-
segmenten. (Nach HATSCHEKR aus O. HERTWIG’s
Lehrbuch.) ne Canalis neurentericus, d} Darmhöhle,
ik Entoderm, mk= Mesodermfalten, n Medullarrohr,
i us Ursegment, «sh Ursegmenthöhle,
mp Fig. 3171. Derselbe Embryo im optischen Fron-
talschnitt.
Fig. 311. Fig. 3117:
ee 29 — dh
ash
mk
a Sl-- dh
stehen; wenn der Embryo aber eine langgestreckte, fischähnliche
(Gestalt angenommen hat, wird der Kanal an seinem unteren Ende
verschlossen, und es, entsteht direet unter der Verschlußstelle die
Afteröffnung (Fig. 55). Der Canalis neurentericus erscheint dann
als eine ventralwärts umbiegende Fortsetzung des Medullarrohres. Er
erhält sich noch lange und schwindet auf eine nicht bekannte Weise,
wenn der Embryo der Gestalt des ausgebildeten Amphioxus sich nähert.
Das Medullarrohr — oder wie man es auch nennt, das Neural-
rohr — ist gemäß seiner Entstehung am Vorderende geöffnet; diese
Oeffnung bleibt lange bestehen und heißt der vordere Neuroporus.
Im Medullarrohr befindet sich ein Flimmerepithel, welches die in dem-
selben enthaltene Flüssigkeit in Bewegung setzt; es ist folglich die
Möglichkeit vorhanden, daß Flüssigkeit durch den vorderen Neuroporus
“yt
Leptocardier (Amphioxus). 37
und das Medullarrohr in die Gastralhöhle eingeführt oder ausgeführt
wird; da die Cilien nach hinten gerichtet sind, kann man vermuten,
daß die Bewegung der Flüssigkeit in der Richtung von außen nach
innen geht '!).
Schon bei seiner Entstehung wird das Medullarrohr nicht in der
ganzen Länge gleichmäßig angelegt; in der Region des ersten Ur-
segmentes ist die Medullarplatte etwas massiger als weiter hinten:
während der Schließung des Medullarrohres und weiterhin streckt sich
der Körper des Embryo in die Länge und wird infolgedessen das
Medullarrohr verdünnt; jedoch betrifft diese Verdünnung den vorderen
Teil des Medullarrohres (bis zum zweiten Ursegment) viel weniger als
den folgenden Teil: infolgedessen zeigt das Medullarrohr am Vorder-
ende des Körpers (namentlich von der Vorderhälfte des ersten Ursegments
an) eine unverkennbare Anschwellung; man kann diesen vorderen
Teil des Medullarrohres als Gehirn bezeichnen. Nach HATSCHEK
lassen sich an demselben die wesentlichen Abschnitte des Wirbel-
tiergehirnes erkennen ; der vorderste Teil zeigt eine blasige Erweiterung
des CÖentralkanals und kann als Vorderhirn bezeichnet werden, ein
zweiter Abschnitt, welcher nur einen engen Centralkanal besitzt, ent-
Fig. 32.4 T-III. Quer-
schnitte durch das Ge-
hirn eines jungen Am-
phioxus. (Nach HAr-
SCHER.) J/ durch das
Vorderhirn, /7 durch
das Mittelhirn, ///durch
das Hinterhirn (Fossa
rhomboidalis). 3 Quer-
schnitt durch das ver-
längerte Mark. € Ge-
hirn eines jungen Am-
phioxus. (Nach HAar-
SCHEK.) ch Chorda, n
Flimmergrube (an ihrer
hinteren Wand der N.
olfactorius), /, II, III die
3 primären Ventrikel
(schematisch).
1) Darauf kann man folgende phylogenetische Ueberlegung gründen. Zur Zeit
als der Blastoporus der Mund war, stellte die Medullarplatte eine Flimmerrinne
dar, welche zu dem Munde führte, ähnlich dem Flimmerstreifen, welcher an der
Ventralseite der Trochophora von Anneliden und Mollusken verläuft. Die Er-
nährung fand also in der Weise statt, daß feine Nahrungsteilchen durch die
Flimmerung der Medullarplatte in den Blastoporus geführt wurden. Als dann die
Medullarplatte rinnenförmig wurde und an ihrem hinteren Teile vom Ektoderm über-
deckt war, ging der Wasserstrom durch den vorderen Neuroporus ein und gelangte
durch den Canalis neurentericus in den eigentlichen Darmkanal. Aus diesem mußte
das Wasser durch periodische Umkehrung der Strömungsbewegung wieder ausgeleert
werden oder durch die Körperwandung hindurchdiffundiren. Das eine wie das andere
war ein unvorteilhafter Umstand, welcher behoben wurde, indem an dem eigentlichen
Darm andere Oeffnungen entstanden, der After, die Kiemenspalten und der Mund.
Vielleicht ist der After die älteste dieser Oeffnungen und hatte ursprünglich nur
die Function, das durch den Neuralkanal einströmende Wasser periodisch aus dem
Darmkanal abzulassen. Als dann der Mund und die Kiemenspalten entstanden, war
die Nahrungszufuhr durch den Neuralkanal nicht mehr nötig =; folgte die Obliteration
des Canalis neurentericus. Nachdem der Neuralkanal seine Verbindung mit dem
Darm verloren hatte, hatte vielleicht das Epithel des Centralkanals noch lange Zeit
die Function eines Sinnesepithels, bis im weiteren Gange der Stammesentwickelung
auch der Verschluß des vorderen Neuroporus erfolgte.
58 2. Capitel.
spricht dem Mittelhirn, ein dritter Teil mit einer dorsalen Erweiterung
des Centralkanals (Fossa rhomboidalis) dem Hinterhirn (Fig. 32).
An der Stelle, wo der vordere Neuroporus mündet, bildet sich
eine trichterförmige Einsenkung des Ektoderms, welche Flimmer-
grube oder nach ihrer vermutlichen Function Riechgrube genannt
wird. Der vordere Neuroporus, welcher sich in der Tiefe dieser Grube
befindet, erhält sich bei jungen Tieren einige Zeit, wird aber dann ver-
schlossen '). — Die Flimmergrube liegt nicht median, sondern auf der
linken Seite, da sich median der dorsale Flossensaum entwickelt.
In dem Medullarrohr erscheint in der Gegend des 5. Ursegments
ein schwarzer Pizmentfleck. Bald darauf tritt am vorderen Teil des
Gehirns ein großer Pigmentfleck auf, welcher das Auge darstellt
(Fig. 32 u. 36). Allmählich entstehen im Medullarrohr zahlreiche kleine
Pigmentflecken, welche (nach den Untersuchungen von Hesse) den
Bau von Augen haben.
Das Mesoderm des Amphioxus.
Die wichtigste Publication ist diejenige von HATSCHEK, 1882.
Demonstrationsmittel: Wachsmodelle von FRIEDRICH ZIEGLER, Freiburg i. B.,
Serie 22.
Die Bildung der Mesodermstreifen findet in folgender Weise statt.
Während der Rücken sich abflacht und die Medullarplatte sich ein-
senkt, wird das Entoderm längs der Mittellinie herabgedrückt und es
entstehen seitlich 2 Längsfalten des Entoderms, die Mesoderm-
falten (Fig. 28A). Das Entoderm der Mesodermfalten setzt sich all-
mählich schärfer von dem medianen Teil des Entoderms ab; erst wird
die Abgrenzung nur durch eine an der Oberfläche des Entoderms ent-
stehende Furche oder Rinne angedeutet (Fig. 23 A) und späterhin macht
sie sich auch in der Stellung der Zellen bemerkbar (Fig. 28 5), indem
das Epithel der Mesodermfalte nicht mehr continuirlich in das Entoderm
übergeht. Die Mesodermfalten nehmen an Tiefe zu und grenzen sich
durch eine Einknickung gegen das seitlich anstoßende Darm-
entoderm ab (Fig. 25 B). — Die Mesodermfalten des Amphioxus ent-
sprechen den Mesodermstreifen der übrigen Wirbeltiere.
Schon sehr frühzeitig tritt an den Mesodermfalten die Segmentirung
auf, durch welche sie in die einzelnen Ursegmente zerlegt werden;
es bilden sich nämlich Querfalten, welche in der Richtung von oben
nach unten vordringen und den Hohlraum der Mesodermfalten in eine
teihe aufeinanderfolgender Divertikel abteilen?.. Gemäß dieser
Bildungsweise der Ursegmente hängt der Hohlraum jedes Segments
anfangs mit dem Darmlumen zusammen (Fig. 23 B); diese Verbindung
wird bald unterbrochen und schnüren sich die Ursegmente vom Darm
ab (Fig. 33). Man sieht in Fig. 30 einen Embryo mit 2 Ursegmenten,
im Stadium der Fig. 31 sind 5 Ursegmente vorhanden. Hinter den
1) Ich lasse mich nicht auf die Frage ein, ob die Flimmergrube der Hypophyse
oder der Nasengrube höherer Wirbeltiere entspricht. Die in dieser Beziehung auf-
gestellten Ansichten sind noch nicht genügend begründet. Selbst die entwickelungs-
geschichtlichen Thatsachen sind nicht sicher festgestellt und die Berichte der Autoren
gehen auseinander. Wir werden unten noch eine andere Ableitung der Riechgrube
kennen lernen (p. 66).
2) Die Ausbildung der Mesodermstreifen und die Bildung dieser Querfalten
sind offenbar durch Wachstumsvorgänge im Entoderm veranlaßt. Man wird die
Querfaltung als Folge eines in der Längsrichtung der Mesodermstreifen wirksamen
Druckes ansehen dürfen.
Leptocardier (Amphioxus). 59
Ursegmenten folgt der ungegliederte Teil der Mesodermstreifen.-FHier
bewahren die Mesodermstreifen einige Zeit den Charakter der Meso-
dermfalten, deren rinnenartiger Hohlraum nach dem Darmlumen ge-
öffnet ist; aber in einem späteren Stadium, wenn 14 Ursegmente
gebildet sind, schnüren sich die Meso-
dermstreifen auch hier vom Darmkanal
ab. — Am hinteren Teil der Mesoderm-
streifen werden noch lange Zeit neue
Ursegmente gebildet, bis die volle Zahl
der Segmente erreicht ist, welche bei
Amphioxus lanceolatus ungefähr 61
beträgt.
Im Vergleich zu anderen Wirbel-
tieren beginnt bei Amphioxus die Ur-
segmentbildung sehr früh, sozusagen
vorzeitig. Während bei anderen Wirbel-
tieren erst nach deutlicher Sonderung Fig. 33. Querschnitt durch einen
der Mesodermstreifen die Gliederung Amphioxusembryo nach der Ab-
derselben beginnt, werden die Meso- schnürung der ersten Ursegmente.
dermfalten des Amphioxus schon in (Nach Harscher.) «ak Ektoderm,
; * ch Chordaanlage, dh Darmhöhle, e%
Segmente zerlegt, wenn sie noch ganz ntoderm, In Ursegmenthöhle, us
unvollständig vom Entoderm gesondert Ursegment, mp Medullarplatte.
sind und ihre Bildung noch nicht bis
zu dem hinteren Teile der Gastralhöhle vorgeschritten ist.
Nach der oben gegebenen Darstellung, welche sich an die Unter-
suchungen von HATSCHEK anschließt, stammen die Höhlen der Ur-
segmente direkt von der Darmhöhle ab, da die Ursegmente als Diver-
tikel der Gastralhöhle entstanden sind. Nach Lworr aber ver-
schwindet das Lumen der Ursegmente bald nach der Bildung der-
selben, indem die Zellen der Ursegmente sich vermehren und die
mediale und laterale Wand sich aneinanderlegen; nach Lworr bilden
sich dann neue Ursegmenthöhlen durch Auseinanderweichen der
Zellen.
Die Bildung der Ursegmente durch Divertikelbildung ist von
großer theoretischer Wichtigkeit, da man diese Bildungsweise als ur-
sprünglich ansieht. Jedoch läßt sich auch die Ansicht begründen, daß die
Mesodermstreifen der Wirbeltiere ursprünglich als compacte Zellstreifen
entstanden, und daß der Hohlraum der Ursegmente in der Stammes-
entwickelung nicht von der Gastralhöhle sich ableitetee Wenn man
sich auf diesen Standpunkt stellt, muß man die Divertikelbildung bei
Amphioxus für einen cänogenetischen Vorgang halten, welcher durch
die rasche Entwickelung der Larve, die relative Zellenarmut derselben
und die vorzeitige Anlage der Ursegmente bedingt ist. Ich habe diese
Streitfrage schon früher berührt (p. 26 u. 27).
Das erste Ursegment treibt einen nach vorn gehenden Fortsatz,
wie dies an Fig. 54 zu erkennen ist; dieser wächst bis in die Spitze
hinein und durchsetzt also den vorderen Teil des Körpers, in welchem
kein Mesoderm sich anlegte. Dieser Fortsatz wird neuerdings von
HATSCHERK als das Rudiment eines vordersten Ursegments aufgefaßt.
In Fig. 34 bemerkt man, daß die Ursegmente nicht mehr gerad-
linig von der Rückenseite zur Bauchseite laufen, sondern daß der
ventrale Abschnitt derselben schwach nach hinten gekrümmt ist.
Dadurch wird die Knickung der Ursegmente eingeleitet, welche bei
60 2. Capitel.
Amphioxus wie bei allen anderen Wirbeltieren auftritt und dahin
führt, daß jedes Ursegment ‚auf der Höhe der Chorda einen nach
vorn vorspringenden Winkel»bildet, von dessen Spitze aus der obere
Teil schief nach hinten oben, der untere nach hinten unten geht (Fig. 34).
Die Urseemente
dehnen sich in der
Art aus, daß sie den
Darm umfassen. Da-
bei wird ihre Wand
verdünnt und aus-
gedehnt !). Die-
jenigen Zellen der
Ursegmente, welche
an der Chorda an-
liegen, verflachen
ee m sich nieht wie die
Fig. 34. Embryo von Amphioxus mit 9 Ursegmenten, übrigen, sondern er-
Nach HATSCHEK aus KORSCHELT und HEIDER.) dv vor- fahr er
Kar ahren eine Um-
deres Entodermdivertikel, ec Ektoderm, en Entoderm, m andiuneın Me
Kopfteil des Mesoderms, mf ungegliederte Mesodermfalten, Wandlungin Muskel-
mp HATscHER’s Polzellen des Mesoderms. mz Muskel- zellen, ein Vorgang,
bildungszellen (im 5.—7. Segment scharf gezeichnet), np auf welehen wir
vorderer Neuroporus, us‘ 1., ws‘ 2. Ursegment. später (p. 67) zu-
rückkommen.
In den ventralen Teilen der Ursegmente werden die Trennungs-
wände der Segmente rückgebildet und es entsteht also jederseits eine
unsegmentierte Höhle, die Peritonealhöhle (Leibeshöhle, Cölom). Von
der weiteren Differenciation der Ursegmente wird unten gesprochen
werden (p. 67— 71) — Es besteht ein Unterschied in der Bildung der
Ursegmente zwischen Amphioxus und den übrigen Wirbeltieren auch
insofern, als bei ersterem die Mesodermstreifen ganz in Ursegmente
zerfallen, so daß die Peritonealhöhle durch Zusammenfließen der ven-
tralen Teile der Ursegmente gebildet wird, während bei den übrigen
Wirbeltieren nur der obere oder mediale Teil der Mesodermstreifen
in Ursegmente zerlegt wird und der untere oder laterale Teil, welcher
die Seitenplatten bildet, unsegmentirt bleibt. Es ist wahrscheinlich,
daß Amphioxus in dieser Hinsicht den primitiveren Zustand zeigt.
Die Chorda des Amphioxus.
Die Bildung der Chorda findet in folgender Weise statt. Die
Chorda entsteht aus dem Entoderm, und zwar aus dem mittleren
Streifen desselben, welcher an der dorsalen Darmwand zwischen den
beiden Mesodermfalten befindlich ist. Zur Zeit der Bildung der ersten
Ursegmente ist dieser Teil des Entoderms im Bereich der Ursegmente
zu einer flachen Rinne zusammengekrümmt, deren Concavität dem
Darmlumen zugekehrt ist (Fig. 28 5). In den folgenden Stadien schreitet
die Bildung dieser Rinne nach hinten fort, und gleichzeitig wird die
Rinne im Bereich der Ursegmente vertieft und-es entsteht die Chorda-
falte (Fig. 33). Das Lumen der Rinne wird dabei zu einem engen
1) Währenddessen werden alle Dotterkörnchen aus den Zellen der Ursegmente
aufgebraucht; eine Verminderung der Dotterkörnchen und die damit zusammen-
hängende Aufhellung der Zellen war schon zu der Zeit bemerkbar, als sich die
Mesodermstreifen vom Entoderm sonderten.
Leptocardier (Amphioxus). 61
Spalt, und schließlich stoßen die Zellen der rechten und der linken
Hälfte der Falte zusammen. Soweit die Chordafalte geschlossen ist,
wird sie in den Chordastrang umgewandelt. Die Zellen, welche
von beiden Seiten zusammentrafen, wachsen zwischen einander hinein ;
es geht dadurch der Charakter einer geschlossenen Falte verloren und
die Chordaanlage hat nun das Aussehen einer mehrschichtigen dorsalen
Verdickung des Entoderms. Die Chorda grenzt sich nun allmählich
von den benachbarten Entodermzellen ab, und zwar so, daß sie selbst
noch an der Begrenzung des Darmlumens teilnimmt. Erst in den Stadien
mit 9und 10 Ursegmenten wird die Chorda successive von der Begrenzung
des Darms ausgeschlossen (Fig. 29), indem die Entodermzellen unter der
Chorda von beiden Seiten medianwärts vorrücken und sich vereinigen !).
Die Bildung der Chorda geht von der Region der ersten Ursegmente
aus und schreitet nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorn weiter.
Nach hinten geht die Bildung der Chordafalte bis zum hinteren Ende
des dorsalen Entoderms, und der Chordaspalt mündet dann unmittel-
bar in den Canalis neurentericus; ist die Abschnürung vollzogen, so
reicht demnach die Chorda bis zu dem Canalis neurenterieus. Im
vordersten Teil des Körpers schreitet der Vorgang der Chordabildung
langsamer weiter. Aber auch hier geht die Chordabildung soweit nach
vorn, als das Entoderm reicht. Im Stadium von 9 Ursegmenten ist
am Vorderende des Körpers noch die offene Chordafalte zu sehen,
welche sich aber dann bald verschließt.
Schließlich will igh über die Differenzirung der Chorda noch
Folgendes bemerken. In dem Chordastrang ordnen sich die Zellen
so an, daß auf dem Querschnitt nur 3 oder 4 übereinanderliegende
Zellen zu sehen sind. Indem Vacuolen in den Zellen auftreten, nimmt
dann der Chordastrang eine blasige Structur an. Bei dem ausge-
wachsenen Tier besteht die Chorda aus hintereinanderliegenden Platten
von der Form des Chordaquerschnitts (GOODSIR, HATSCHEK, JJOSEPH);
die Platten sind aus Fasern zusammengesetzt, welche größtenteils von
einer Seite zur anderen gehen; zwischen den Platten findet man Zellen
mit großen Kernen zerstreut, während kleinkernige Zellen oben und
unten an den Chordaplatten einen niedrigen Streifen bilden (MÜLLER-
sches Gewebe). Nach einer Angabe von HATSCHEK werden die
Zwischenräume zwischen den Platten durch die erwähnten Vacuolen
gebildet. Eine vollkommene Klarheit über die Histogenese der Chorda
habe ich aus den Darstellungen der Autoren nicht erhalten können.
Die entodermalen Organe und die Organe am Mund.
Die wichtigsten Publicationen sind diejenigen von HATSCHEK (1882) und von
Wirrey (1890—1894). — Demonstrationsmittel: Wandtafeln von LEUCKART und
CHun, No. 72.
Die Mundöffnung entsteht an der linken Seite des Körpers
in der Region des ersten Segments. Zuerst bildet sich eine scheiben-
förmige Verdickung des Ektoderms, an welche das Entoderm sich an-
1) Es wird nicht der ganze Streifen des dorsalen Entoderms, welcher zwischen
den Ursegmenten liegt, zur Bildung der Chorda verbraucht, sondern nur der größte
- Teil desselben; es bleibt jederseits ein kleiner Streifen erhalten, welcher an der
Darmwand teilnimmt. Man kann dies nur durch genaue Beobachtung feststellen,
weil im größten Teil des Körpers die Spalte des Ursegmentes sich jederseits früher
schließt als die Chordafalte und daher zur Zeit des Schlusses der Chordafalte dieser
kleine Teil des dorsalen Entoderms schon mit dem seitlichen Entoderm sich ver-
bunden hat.
62 2. Capitel.
legt, worauf eine Durchbrechung erfolgt. Es geschieht dies zu der Zeit,
wenn 14 Ursegmente gebildet sind.
Zu derselben Zeit wird in der ventralen Region des zweiten
Körpersegments die erste Kiemenspalte gebildet; es geschieht
dies in der Weise, daß eine Ausbuchtung des Entoderms an das
Ektoderm anstößt und darauf die Durchbrechung stattfindet. Nach
der Entstehung des Mundes und der ersten Kiemenspalte folgt die
Bildung des Afters, welcher nach der linken Seite hin durchbricht.
Unmittelbar hinter dem After wird zur gleichen Zeit die Verbindung
zwischen dem Canalis neurenterieus und dem Darme aufgehoben.
Fig. 35. Vorderende und Hinterende einer Amphioxuslarve, bei welcher der
Mund /m), die 1. Kiemenspalte (%s) und der After (an) entstanden sind. (Nach
HATSCHEK aus KORSCHELT und HEIDER.) A Vorderende von der rechten Seite ge-
sehen. B Hinterende von der linken Seite gesehen. c larvale Schwanzflosse, ch
Chorda, d Darmkanal, ds Dissepimente (Grenzen der Ursegmente), fl Flimmerstreifen
(Endostylanlage), * kolbenförmige Drüse, mr Medullarrohr, mr‘ Rest des Canalis
neurentericus, np vorderer Neuroporus, sv Subintestinalvene, » Wimperorgan.
Wenn die Larve dieses Entwickelungsstadium erreicht hat, schwimmt
sie nicht mehr an der Oberfläche des Meeres, sondern lebt in tieferen
Wasserschichten, ohne aber auf den Grund zu gehen; sie besitzt noch
die Bewimperung des Ektoderms, aber sie bewegt sich auch schon
häufig durch Muskeleontraction.
Die ersten Kiemenspalten bilden sich auf der rechten Seite der
Larve. In ähnlicher Weise wie die erste Kiemenspalte gebildet wurde,
entstehen dahinter noch mehrere; über der ersten Reihe von Kiemen-
spalten wird eine zweite Reihe angelegt, welche noch mehr rechts liegt
als die erste (Fig. 36). Nachher findet eine Verschiebung beider
Reihen nach links statt, so daß die erste Reihe zur linken Reihe, die
zweite zur rechten Reihe wird. In entsprechender Weise verschiebt
sich die Flimmerrinne (Endostyl), welche sich zwischen den beiden
Reihen der Kiemenspalten befindet (vergl. p. 66); bei der Ver-
Leptocardier (Amphioxus). 63
schiebung kommt sie in die Medianebene zu liegen (Fig. 36 u. 30). — An
jedem Kiemenloch entsteht eine vorspringende Zunge (Fig. 37), welche
allmählich vorwachsend die Oeffnung in 2 Teile teilt (Zungenbalken.,
secundärer Kiemenbogen).
A k n
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12 P mf dr es ı
Fig. 364 u. BZ. Amphioxuslarven mit 12—14 Kiemenspalten der linken Seite,
(jetzt noch rechts gelegen, und den Anlagen der Kiemenspalten der rechten Seite.
k Anlage der Kiemenspalten der rechten Seite, T—VII Kiemenspalten der rechten
Seite, au Augenfleck, ch Chorda, dr kolbenförmige Drüse, es Endostylanlage, m Mund-
rand, mf Rand der rechten Metapleuralfalte, n Medullarrohr, p Peribranchialraum,
s ventrales Gefäß, » Wimperorgan (Räderorgan), » Velum. (Nach WILLEY.)
Im Anschluß an die Entwickelung der Kiemen mag diejenige der
Peribranchialhöhle besprochen werden, welche eine ektodermale
Bildung ist.
Fig. 37. Amphioxuslarve, bei welcher sich die linke Reihe von Kiemenspalten
schon von rechts nach links verschoben hat. Ansicht von unten. (Nach WILLEY
‚aus KORSCHELT und HEIDER.) —12 linke Reihe, 7-V/IIT rechte Reihe der
opalten. m Mund, be are: ch Chorda, es Flimmerstreifen (Endostyl]),
v Velum.
Die Peribranchialhöhle wird durch 2 Falten angelegt, die Seiten-
falten oder Metapleuralfalten. Dieselben befinden sich anfangs
64 2. Capitel.
im größten Teil ihres Verlaufes nahe an der ventralen Medianlinie
und biegen sich am Kiementeil der Larve nach rechts, um die Kiemen-
anlagen zwischen sich zu fassen (Fig. 335 A). An der Innenseite der
Metapleuralfalten entstehen vorspringende Leisten (die Subatrialleisten),
welche von beiden Seiten gegeneinander wachsen und sich vereinigen ;
sie überdecken also die Rinne, welche zwischen den Metapleuralfalten
gelegen ist (Fig. 35 B), und der durch sie abgeschlossene Raum ist die
Fig. 38. 3 Larvenstadien von Amphioxus von der Ventralseite gesehen, die
Bildung der Peribranchialhöhle zeigend.. (Nach Ray LANKESTER und WILLEY aus
KOoRSCHELT und HEIDER.) 4 Die beiden Metapleuralfalten sind erschienen, B die-
selben sind hinter der Kiemenregion verbunden, (© dieselben sind auch unter der
en verbunden; «ap Atrioporus, k Kiemenspalten, // linke Metapleuralfalte,
rf rechte Metapleuralfalte, m Mund, » Wimperorgan (Räderorgan).
Peribranchialhöhle. Dieselbe ist anfangs ein ziemlich schmaler Kanal,
aber sie erweitert sich und wächst zwischen dem Kiemendarm und
der Körperwand aufwärts, so daß sie den Darm nicht nur ventral,
sondern auch lateral umgiebt. An ihrem Hinterende bleibt die Peri-
branchialhöhle offen, und diese Mündung ist der Atrioporus. Die
Metapleuralfalten erhalten sich zeitlebens und bilden bei dem aus-
z an tL mc %k
Fig. 39. Leberanlage bei Amphioxus. (Nach HammaAr.) c Chorda, k Kiemen-
darm, ! Leberbucht, cf Ort der einspringenden Leberfalten, m Medullarrohr, r ein
Darmteil mit verdicktem Epithel.
gewachsenen Amphioxus 2 Leisten, welche sich an den Seitenrändern
der Bauchfläche hinziehen (Fig. 47). Im Innern besitzt die Metapleural-
falte einen Hohlraum, die Metapleuralhöhle oder Seitenfaltenhöhle (nach
Leptocardier (Amphioxus). 65
HATSCHEK Öberfaltenhöhle). Nach RAY LANKESTER und WILLEY ist
dieselbe ein Lymphsinus, gehört also nicht der secundären Leibeshöhle
(Cölom), sondern der primären Leibeshöhle (Pseudocöl, Protocöl) zu.
Kehren wir nun zum Darmkanal zurück und betrachten die Ent-
wickelung der Leber. Eine kleine Strecke hinter dem Ende des
Kiemendarmes bemerkt man eine ventrale Ausstülpung des Darmes
(Fig. 39). Aus dieser geht der blindsackartige Leberschlauch hervor,
teils durch eigenes Wachstum, teils indem eindringende Falten einen
Teil des Darmlumens abschnüren, welcher zur Verlängerung des
Leberschlauches dient (HAMMAR 1598).
Am Kopfe der Larve entstehen mehrere Organe, deren morpho-
logische Bedeutung noch ganz fraglich ist: die vorderen Entoderm-
säckcehen, die kolbenförmige Drüse, der Flimmerstreifen (Endostyl), und
das Räderorgan. Auch über die Bildungsweise dieser Organe gehen
die Angaben der Forscher auseinander.
Nach den Beobachtungen von HATSCHEK entsteht im Stadium der
Larve mit 7 Ursegmenten jederseits am vordersten Teile des Urdarmes
vor dem ersten Ursegment eine Ausstülpung des Entoderms, welche
sich vom Darmcanal abschnürt und ein geschlossenes Säckchen bildet
(Fig. 34 dv). Die beiden Entodermsäckchen schlagen sehr ver-
schiedene Entwickelungswege ein. Das rechte Säckchen dehnt sich
bedeutend aus, wobei sich seine Wandung verdünnt; es füllt unter
der Chorda den Raum aus von dem Vorderende des Darmkanals bis
zur Schnauzenspitze. Das linke Säckchen bleibt klein und erhält eine
Oeffnung nach außen, welche auf der linken Körperseite vor dem Mund
gelegen ist. Es scheint ein Sinnesorgan zu sein, da sich ein Nerv
dazu ausbildet. Aus dem Endabschnitt desselben geht das sog.
Räderorgan hervor (Fig. 36), welches beim ausgebildeten Tier an
der Mundhöhle gelegen ist und in dieselbe sich öffnet.
VAn WIJHE faßt diese Organanlagen anders auf; er sagt, daß
der vorderste Darmteil in 2 Säckchen zerfällt, von welchen das rechte
geschlossen bleibt und dem ersten Kopfsomit der Selachier entsprechen
kann, während das linke eine Oeffnung nach außen erhält, welche van
WIJHE als den ursprünglichen Mund des Amphioxus ansieht.
LEGROoSs beschreibt die Vorgänge in folgender Weise: der vorderste
Teil des Urdarmes bildet ein unpaares Divertikel, welches sich ab-
schnürt und sich unter der Chorda ausdehnt; dieses Säckchen (das
rechte Entodermsäckchen von HATSCHEK) geht später spurlos zu
Grunde!). Das linke Entodermsäckchen von HATSCHEK entspricht
einer 'ektodermalen Organanlage, welche LEGROS die präorale Grube
nennt.
Auf der linken Seite vor der Mundöffnung entsteht nämlich eine
Ektodermverdickung, welche sich aushöhlt und eine Grube bildet (prä-
orale Grube). Dieselbe teilt sich in zwei Teile, einen dorsalen und
einen ventralen. Der letztere bildet das Räderorgan (welches schon oben
erwähnt wurde, da HATSCHER dasselbe von dem linken Entodermsäck-
chen ableitete). Der dorsale Teil der präoralen Grube teilt sich in
1) Auch nach Mac BRIDE wird ein unpaares Divertikel abgeschnürt und bildet
die Kopfhöhle. Mac BRIDE versuchte die Gliederung des Mesoderms bei Amphi-
oxus mit der Gliederung des Balanoglossus in Beziehung zu setzen. Er homologısirt
die Köpfhöhle des Amphioxus mit der Proboseishöhle, das 1. Ursegment mit der
Kragenhöhle und die übrigen Segmente mit der Rumpfhöhle des Balanoglossus. Ich
kann diese Auffassung, welche mir ganz hypothetisch erscheint, hier nicht ein-
gehender berücksichtigen.
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 9)
-
66 2. Capitel.
die schon früher beschriebeneFlimmergrube(HATScHEkr’sche Grube,
Riechgrube) und in ein Organ, welches von HATScCHERalsNephridium
bezeichnet wurde und neuerdings als Hypophyse angesehen wird.
Der dorsale Teil der präoralen Grube bildet nämlich einen kurzen
Fortsatz, welcher neben der Chorda sich aufwärts vorschiebt und eine
Mündung nach außen erhält; dies ist die Flimmergrube oder Riechgrube !).
Ferner erzeugt er einen langen Fortsatz,. welcher längs der Chorda
nach hinten geht und eine Mündung in den Pharynx bekommt (dies
ist das sog. Nephridium, oder die sog. Hypophyse). Es besteht
also eine Zeit lang eine Verbindung von der Flimmergrube zum Pharynx,
und man hat daran phylogenetische Spekulationen geknüpft, insbesondere
hat LEGROS die Flimmergrube der Nase und die Hypophyse dem
Nasenkanal der Petromyzonten verglichen, während van WIJHE
und KUPFFER die Flimmergrube für den ursprünglichen Mund halten.
Die Verbindung des Hypophysenkanals mit dem Pharynx bleibt zeit-
lebens erhalten, aber die Verbindung mit der Flimmergrube wird später
unterbrochen.
Eine kurze Strecke hinter dem Entodermsäckchen bildet sich an
der Ventralseite des Darmkanals eine Falte, welche von rechts nach
links hinüberzieht. Dieselbe schnürt sich von dem Darme ab und bildet
die sog. kolbenförmige Drüse (Fig. 35 u. 36); das links gelegene
Ende derselben erhält eine Mündung nach außen; der rechts gelegene Teil
hat anfangs eine kolbenförmige Gestalt, wird aber später röhrenartig
und gewinnt Verbindung mit dem Darmlumen (WıLLey). Die Be-
deutung dieses Organes ist zweifelhaft.
Unmittelbar vor der kolbenförmigen Drüse entsteht ein ziemlich
breiter Streifen verdickten Epithels, auf welchem eine Flimmerrinne
verläuft; derselbe liegt auf der rechten Körperseite und knickt sich
in spitzem Winkel (Fig. 35 u. 36). Später verschiebt er sich in der
Weise, daß er eine mediane Lage erhält (Fig. 37). Nach ‚WILLEY
entspricht dieser Flimmerstreifen dem End ostyl der Tunicaten.
Es ist nun noch die Entstehung der Mundhöhle, des Stomo-
däums zu besprechen. Denn die Mundöffnung, von welcher oben die
Rede war, entspricht der Uebergangsstelle von der Mundhöhle zur
Kiemenhöhle, also der Stelle, an welcher das Velum entsteht. Die Mund-
höhle bildet sich durch eine große Einsenkung, welche ursprünglich auf
der linken Seite entsteht (Fig. 35) und sich später medianwärts verschiebt.
An der Bildung des Randes der Mundhöhle beteiligen sich die Metapleural-
falten; wenigstens bildet der vorderste Teil der rechten Metapleural-
falte vorwachsend den rechtseitigen Rand der Mundhöhle; der linkseitige
sand wird durch eine selbständig entstehende Falte angelegt. Durch
das Einsinken der großen Mundhöhle wird das Räderorgan in dieselbe
hineingezogen und mündet also später in der Mundhöhle. — Am
Rand der Mundhöhle wachsen später die Cirren hervor (Fig. 37).
Es ist eine merkwürdige Thatsache, daß die Organanlagen am
vorderen Teil der Amphioxuslarve in so asymmetrischer Weise ent-
1) Von der Flimmergrube oder Riechgrube ist schon bei dem Medullarrohr die
Rede gewesen (p. 58). Zur der Flimmergrube geht ein unpaarer Nerv, welcher von
LANGERHANS endeckt wurde (Fig. 32), er begiebt sich an die hintere Wand der
Grube, welche dort besonders a an Sinneszellen ist. Die Grube wird als Riech-
grube, der Nerv als Riechnerv angesehen. Die vordere Oeffnung des Medullarrohres,
(der vordere Neuroporus) kommt in die Tiefe der Flimmergrube zu liegen ; die Oeff-
nung erhält sich bis nach der Zeit der Metamorphose; bei jungen Amphioxus findet
man sie noch offen, bei größeren geschlossen.
Leptocardier (Amphioxus.) 67
stehen, wie wir gesehen haben; der Mund tritt auf der linken Seite
auf, die Kiemenspalten und der Endostyl auf der rechten. Es ist an-
zunehmen, daß diese Asymmetrie eine Anpassung ist und keine phyloge-
netische Bedeutung hat. Es muß daher erwähnt werden, daß die
Amphioxuslarven, wenn sie die schwimmende Lebensweise aufgeben
und am Grunde liegen, sich auf die rechte Seite zu legen pflegen
(WiıLLEY), so daß also der Mund nach oben sieht und die Kiemen-
spalten nach unten. Später, wenn die Larve in der Verwandlung vor-
schreitet und sich in der Form dem erwachsenen Tier nähert, nimmt
sie auch die Lebensweise des erwachsenen Tieres an und bohrt sich
in den Sand ein. Dann liegt zu einer asymmetrischer Gestaltung kein
Grund mehr vor und die Asymmetrie verschwindet.
Die mesodermalen Organe des Amphioxus.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Sonderung der Anlagen, welche
in den Ursegmenten enthalten sind. Jedes Ursegment zerfällt in zwei
Teile, in einen oberen Abschnitt, das Myotom und einen unteren
Abschnitt, die Seitenplatten. An den Myotomen bleibt die Seg-
mentierung erhalten, aber im Bereich der Seitenplatten fließen die
einzelnen Segmente zusammen, und so entsteht jederseits ein ein-
heitlicher Hohlraum, die Peritonealhöhle (Splanchnocöl, Cölom).
Die rechte und die linke Peritonealhöhle treten durch den Schwund des
ventralen Mesenteriums unter dem Darm miteinander in Verbindung.
Von den Seitenplatten lest sich das äußere Blatt (Somatopleura) der
Haut an, das innere
Blatt (Splanchopleura)
umschließt den Darm
und die großen Gefäße,
nämlich unter dem
Darm die Subintesti-
nalvene, über dem
Darm in dem dorsalen
Mesenterium die
Aorta!) (Fig. 41 u. 42).
Wie zwischen den
Seitenplatten, so be-
steht auch zwischen
den beiden Blättern
des Myotoms eine
Höhle (Myotomhöhle),
welche freilich nur F ie. 8 un AssHhen ae N
+3 A Epidermis, 3 Medullarrohr. © Chorda, ©, Chorda-
schmal und spaltaı us scheide, N Darmepithel, E Subintestinalvene, I Myocöl,
ist, Das äußere Blatt IT Splanchnoecöl, 2 Cutisblatt, 2 Muskelblatt, 3 Skele-
legt sich der Haut an togenes Blatt, 4 Grenzzelle des Myotoms, 5 Somatopleura,
undheißtCutisblatt. 6 Splanchnopleura.
Das innere Blatt liegt
der Chorda und dem Medullarrohr an und wird Muskelblatt genannt.
Dieses Blatt hat eine beträchtliche Dicke, da sich in diesem Blatt
zuerst die Muskelzellen ausbilden. Die Muskeltfibrillen entwickeln sich
an der der Chorda anliegenden Seite, die Kerne der Muskelzellen
1) Diese Gefäße entstehen als Spalträume; ihr Hohlraum ist als Teil der primären
Leibeshöhle (des Protocöls oder Schizocöls) aufzufassen.
r*
J
68 2. Capitel.
liegen nahe an der Myotomhöhle (Fig. 29, 34 u. 40). Anfangs besitzt
jede Zelle nur eine einzige Muskelfibrille, später enthält sie zahlreiche
Fibrillen, welche in mehreren übereinanderliegenden Platten angeordnet
sind.
PwWwm-
Fig. 41. Querschnitt durch einen jungen Amphioxus in der Rumpfregion
zwischen Atrioporus und After. (Nach HATSCHER.)
Fig. 42. Schema desselben Schnittes.. (Nach HATSCHEK.)
Fig. 43. Schema des Myotoms (l u. 2) und des Sklerotoms (3 u. 4).
A Epidermis, 3 Medullarrohr, © Chorda, D Aorta, Z Darmepithel, F Sub-
intestinalvene, 1 Cutisblatt, 2 Muskelblatt, 3 Fascienblatt, 4 skeletogene Schicht.
5 gastrale Fortsetzung derselben, 6 Somatopleura, 7 Splanchnopleura, I Myocöl, II
Splanchnoeöl, I, dorsale, I,, ventrale Flossenhöhle.
Am unteren Teile des Myotoms entsteht eine vorwachsende Falte,
welche zwischen der Muskelplatte einerseits und der Chorda und dem
Medullarrohr andererseits aufwärts dringt (Fig. 4143). Die Falte heißt
das Sklerotom, ihre Höhlung die Sklerotomhöhle. Gemäß ihrer Ent-
stehung ist also die Sklerotomhöhle ein Divertikel der Ursegmenthöhle !).
Das innere Blatt an der Sklerotomhöhle heißt skeletogenes Blatt, das
äußere, welches der Muskulatur anliegt, heißt Fascienblatt.
Das untere Ende des Myotoms, welches an die Seitenplatten an-
srenzt, schiebt sich an der Außenseite der Seitenplatten, also zwischen
der Somatopleura und der Haut nach unten vor. Das Myotom nimmt
also dann an der Seite des Tieres die ganze Breite des Körpers ein
mit Ausnahme der medianen Flossensäume (Fig. 41—43).
Schon frühzeitig wird das Myotom winklig geknickt; die Spitze
des Winkels steht nach vorn, die Schenkel nach hinten (Fig. 36). An
dem unteren Ende des Myotoms entwickelt sich die Genitalanlage.
Schon zu der Zeit, wenn das Myotom sich von den Seiten-
platten sondert, bemerkt man an der unteren Grenze des Myotoms
eine auffallend große Zelle, die Grenzzelle (Fig. 40), und BOVERI,
welcher die Entwickelung der Genitalorgane beschrieben hat, hält
dieselbe für die Urgenitalzelle. Die Lage derselben (am unteren Ende
des Myotoms) würde demnach daran erinnern, daß bei den Selachiern
1) Es ist fraglich, ob diese Bildungsweise des Sklerotoms als palingenetisch an-
gesehen werden kann (vergl. p. 39 u. 72).
Leptocardier (Amphioxus). 69
die Genitalzellen in dem Verbindungsteil des Myotoms und der Seiten-
platten (in dem Gononephrotom) auftreten.
In späteren Stadien findet man die Genitalanlage am vorderen
Ende des unteren Randes des Myotoms (Fig. 44). Dieselbe stülpt
Fig. 44. Seitenan-
sicht derGenitalanlage
eines jungen Amphi-
oxus von ömm Länge.
(Nach Boverkiı.)
Fig. 45. Späteres
Stadium der Ent-
wickelung der Genital-
anlage v. Amphioxus.
(Nach Boverır.) Die
Genitalanlage stülpt
sich in die Höhle des
vorhergehenden Myo-
toms ein.
Fig. 46. Gonade
eins 8 mm langen
Amphioxus. (Nach
Boverı.) Die Gonade
ist in die Genital-
kammer eingesenkt; letztere wird nun durch eine Scheidewand von dem übrigen
Myoeöl abgetrennt.
sich dann in das vorhergehende Myotom ein (Fig. 45 u.46). Der hintere
Teil des vorhergehenden Myotoms bildet die Genitalkammer,
welche die Gonade umgiebt (das Gonocöl). Dieser Teil des Myotoms
grenzt sich durch eine Scheidewand von der übrigen Myotomhöhle ab.
Die Genitalkammern der einzelnen Segmente dehnen sich dann soweit
aus, daß sie miteinander zur Berührung kommen.
Während der Vermehrung der Genitalzellen erhält die Gonade
eine Höhlung Beim Hoden fallen später die reifen Samenzellen
in diese Höhlung und häufen sich in derselben an; zur Zeit der
Reife bildet sich dann an der Stelle, wo die Gonade an der Wand des
Gonoecöls ansitzt (am Hilus), eine temporäre Oeffnung, durch welche
das Sperma in die anstoßende Peribranchialhöhle austritt. — Bei dem
Ovarium aber entstehen während des Wachstums der Eier einspringende
Falten des Keimepithels; und dadurch wird der Hohlraum in der
(Gonade verengt und auf ein System feiner Spalten redueirt; die reifen
Eier können nicht durch diese Spalten hindurch gehen, sondern brechen
unter mehrfacher Zerreißung der Wand des Ovariums in die Peri-
branchialhöhle aus (LEGROS).
Vergleicht man die Gonaden des Amphioxus mit denjenigen der
anderen Wirbeltiere, so fällt zunächst der wichtige Unterschied auf,
daß die Gonaden des Amphioxus segmental angelegt werden und zu
segmentalen Organen sich ausbilden. Darin kann wohl ein primitives
Merkmal der Wirbeltiere gesehen werden !). Jedoch zeigen die Gonaden
1) In diesem Sinne schreibt ERNST HAECKEL (in der Systematischen Phylogenie,
Berlin 1895, 3. Bd., p. 196): „Im Gegensatze zu den Acraniern, welche ein Paar
Längsreihen von segmentalen Gonaden conservirt haben, besitzen die Cranioten nur
ein Paar Geschlechtsdrüsen. Dass aber auch diese ursprünglich auf die erstere
Bildung zurückzuführen und durch secundäre Verschmelzung aus zahlreichen
metameren (ronaden entstanden sind, zeigt deren segmentale Anlage bei den Embryonen
der ältesten Gnathostomen, der Selachier (s. diese). Interessante Anklänge an diese
70 2. Capitel.
des Amphioxus Eigentümlichkeiten, mit welchen nichts Aehnliches bei
anderen Wirbeltieren zu vergleichen ist: Die Gonaden werden von den
Genitalkammern umschlossen, welche von dem Myocöl des vorher-
gehenden Segments abstammen, und die Geschlechtsprodukte werden
unter Zerreißung der Wand entleert, anstatt durch die Peritonealhöhle
und die Nierenkanälchen ausgeführt zu werden.
\
zii
=r
—
=)
ZH
N
Fig. 47. Schematischer Querschnitt durch die Kiemen-
region von Amphioxus. (Nach BoVvERI u. HATSCHEK aus
KORSCHELT u. HEIDER.) Links sind die Verhältnisse eines
secundären, rechts diejenigen eines primären Kiemenbogens
dargestellt. «ao Aorta, c Outisblatt, ee Endostyleölom 5
Fascienblatt, jh dorsale Flossenhöhle, „ Gonade, gl Glo-
merulus, * Kiemengefäß, kd Kiemendarm, !d Ligamentum
denticulatum (Scheidewand zwischen der Peritonealhöhle
und der Peribranchialhöhle), m Muskelplatte, mt Musculus
transversus, n Nierenkanälchen, of Oberfaltenhöhle (Seiten-
faltenhöhle), » Peribranchialraum, sc Peritonealhöhle (sub-
chordales Cölom), sö ventrales Gefäß (hier Kiemenarterie),
sk Skeletogenes- Blatt, „/ Unterfaltenhöhle.
Um zu sehen,
wie die auf den
letzten Seiten be-
sprochenen Organe
gelagert sind, be-
trachten wir einen
schematischen
Querschnitt eines
erwachsenen Am-
phioxus, und zwar
einen Schnitt, wel-
cher durch die
Kiemengegend geht
und rechts einen
primären, links
einen secundären
Kiemenbogen zeigt
(Fig. 47, man ver-
gleiche das (Quer-
schnittsbild Fig. 23).
Man sieht oben den
unpaaren Flossen-
saum, darunter den
Querschnitt des
Medullarrohres,
darunter den Quer-
schnitt der Chorda,
darunter den Kie-
mendarm; unter der
Chorda bemerkt
man die beiden
Aortenwurzeln,
unter dem Darme
die Kiemenarterie,
welche die Gefäße
in die Kiemenbögen
entsendet. Der Kie-
mendarm ist von
der Peribranchial-
höhle umgeben.
Ueber der Peri-
branchialhöhle
sehen wir jederseits
die Peritonealhöhle
(Leibeshöhle, Cö-
ursprüngliche Metamerie der Gonaden haben IR auch noch bei einigen Gliedern
der Amphibien erhalten (Hoden der Cäcilien, Ovarium mancher Batrachier).“
Leptocardier (Amphioxus). 71
lom). Der ventrale mittlere Teil der Peritonealhöhle ist unter dem
Darme zu finden, und dieser Teil hängt in jedem primären Kiemen-
bogen (in der Zeichnung rechts) mit der übrigen Leibeshöhle zusammen.
Zwischen der Muskelmasse und dem Cutisblatt bemerkt man das Myoeöl,
an der Innenseite der Muskelmasse das Sklerotom. Von dem Myoeöl
stammen, wie wir gesehen haben, die (Genitalkammern ab, welche
an der äußeren Wand der Peribranchialhöhle gelegen sind und die
Gonaden umschließen.
In der schematischen Figur ist auf der linken Seite ein Nieren-
kanal eingezeichnet, welcher von der Peritonealhöhle in die Peri-
branchialhöhle führt (Fig. 47n). Die von BoveErı (1390, 1892) ent-
deckten Nierenkanälchen liegen im Bereich des Kiemendarms
und sind branchiomer ; die Ausmündungsstelle eines Kanälchens liegt
jeweils an einem secundären Kiemenbogen. Jedes Kanälchen beginnt
in der Peritonealhöhle mit mehreren Oeffnungen. Die Kanälchen be-
sitzen Flimmerepithel. Bei jedem Nierenkanälchen zeigt das vorbei-
ziehende Kiemengefäß eine Anschwellung und besitzt an dieser Stelle
Anastomosen (Fig. 47 gl); BovERI hat diese Bildung mit dem Glome-
rulus an der Vorniere anderer Wirbeltiere verglichen und die Nieren-
kanälchen des Amphioxus den Vornierenkanälchen homolog gesetzt.
— Die Entwickelung der Nierenkanälchen ist nicht bekannt. — Es
wurde schon früher gesagt, daß der Peribranchialraum eine ektoder-
male Bildung ist; die Nierenkanälchen des Amphioxus münden in die
Peribranchialhöhle, also in gewissem Sinne nach außen. Vergleicht
man die Nierenkanälchen des Amphioxus mit den Vornierenkanälchen
der übrigen Wirbeltiere, so zeigt sich vor allem der Unterschied, daß
die letzteren in den Vornierengang münden und ein solcher bei
Amphioxus nicht vorhanden ist. BOvErı hat die Peribranchialhöhle
des Amphioxus dem Vornierengang homolog gesetzt, doch scheint mir
diese Beziehung zweifelhaft, besonders da der Anfangsteil des Vornieren-
gangs bei allen Wirbeltieren nicht vom Ektoderm, sondern von den
Seitenplatten abstammt.
Es ist eine histologische Eigentümlichkeit des Amphioxus, daß die
mesenchymatischen Gewebe wenig entwickelt und zellenarm
sind. Daher ist auch die Entstehung derselben nur unvollkommen
bekannt. — Das Sklerotom, welches bei anderen Wirbeltieren von einer
beträchtlichen Menge oder sogar sehr großen Masse von Mesenchym-
zellen gebildet wird, ist hier durch eine Falte, also durch 2 Blätter
eines dünnen einschichtigen Epithels repräsentirt. Zwischen dem
inneren Blatt (dem skeletogenen Blatt) und der Chordascheide wird
eine dünne gallertige Schicht gebildet, welche von Fasern durch-
zogen ist und in welche spärliche Zellen von diesem Blatt aus ein-
dringen (JosEpH 1895). Diese Schicht, welche als cortikales Binde-
gewebe bezeichnet wird, besitzt nach oben und nach unten Fortsätze,
welche den oberen und unteren Bögen der höheren Wirbeltiere ähnlich
sind. — Die Cutis ist durch eine dünne gallertige, von Fasern durch-
setzte Schicht gebildet, in welcher sehr spärliche Zellen vorhanden
sind (J. W. SPENGEL, 1890); dieselben stammen wahrscheinlich durch
Auswanderung von dem äußeren Blatt des Myotoms, dem Cutisblatt.
Vermutlich entstehen aus der Splanchnopleura in ähnlicher Weise die
mesenchymatischen Zellen am Darmkanal, insbesondere die Muskel-
zellen des Darmes. — Auch die Gefäßwandungen und die Blutzellen
stammen wahrscheinlich von dem inneren Blatt der Ursegmente ab.
72 2. Capitel.
Amphioxus besitzt bekanntlich im Blute nur sehr wenige Blutzellen,
und diese haben den Charakter von weißen Blutkörperchen }).
Es ist fraglich, ob die Zellenarmut der mesenchymatischen Ge-
webe des Amphioxus ein ursprünglicher oder ein secundär erworbener
Charakter ist. Ich halte es für wahrscheinlich, daß Amphioxus von
Tieren abstammt, welche ein reichlicheres Mesenchym gehabt haben.
Ich bin daher der Meinung, daß auch der Bildungsmodus des Sklerotoms
bei Amphioxus nicht primitiv ist und daß das Sklerotom ursprünglich
durch Herauswuchern einer Menge von Mesenchymzellen, nicht durch
eine Faltenbildung entstand.
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1) Es ist wahrscheinlich, daß das Blut der Wirbeltiere ursprünglich ein zellen-
freies Serum war; denn bei allen Wirbeltieren findet man in dem Gefäßsystem zuerst
eine zellenfreie Flüssigkeit, in welche dann die Blutzellen an bestimmten Bildungs-
stätten eintreten. Daher kann man es für ein ursprüngliches Merkmal des Amphioxus
halten, daß sein Blut nur spärlich Zellen enthält (Genaueres darüber ist in meinem
Vortrage über die embryonale Anlage des Blutes der Wirbeltiere enthalten, Verhandl.
der Deutsch. Zool. Gesellsch. 1892).
Leptocardier (Amphioxus). 713
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III. CAPITEL.
Üyelostomen.
1. Abschnitt: Petromyzonten, Neunaugen.
Die embryologischen Beobachtungen an Petromyzonten beziehen sich
hauptsächlich auf das Flußneunauge (Flußbricke, Petromyzon fluviati-
lis L.) und auf das Bachneunauge (Sandbricke, Petromyzon Planeri Bl.);
nur einige Angaben betreffen das Meerneunauge (Meerbricke, Lamprete,
Petromyzon marinus L.).
Die Befruehtune.
Die wichtigsten Publicationen sind diejenigen von CALBERLA 1877, BÖHM 1888
und HERFORT 1900.
Die genannten Petromyzonten laichen im Frühjahr, gewöhnlich
im April. Für das Laichgeschäft legen sie in ziemlich flachem Wasser
eine seichte Grube an. Soll die Besamung erfolgen, so saugt sich
das Weibchen an einem Steine an und das Männchen am Kopfe des
Weibehens; dann biegen sich die Tiere so, daß die vorstehende Uro-
genitalpapille des Männchens die Kloake des Weibchens berührt, wo-
rauf die Eier und der Samen entleert werden und die Befruchtung
im Wasser erfolgt!). Die Geschlechtszellen treten aus der Leibeshöhle
durch die Pori genitales aus?). — Die künstliche Befruchtung gelingt
ohne Schwierigkeit, wenn man in ein Gefäß die Eier eines reifen
Weibchens und den Samen eines reifen Männchens ausdrückt; am
1) DEAY und SuUMNxEr berichten von Petromyzon wilderi, daß die Ausstossung
von Samen und Eiern der Berührung der Kloake unmittelbar folgt und daß dabei
beide Tiere mit dem hinteren Teil des Körpers rasche Vibrationen ausführen. Nach
HERFORT hat VEIDOVSKY die Befruchtung bei Petromyzon fluviatilis in folgender
Weise geschehen sehen. Das Männchen schmiegte die Gegend des Penis eng an den
Körper des Weibchens an und begann lebhaft an den geschwollenen Lippen des Ab-
dominalporus zu streichen. Sofort begann das Weibchen die Eier zu entleeren; das
Männchen hörte während der Eiblage nicht auf zu streichen; dann spritzte das
Männchen einen Strahl von Spermatozoen in das Wasser und verteilte das Sperma
durch lebhafte Schwanzbewegungen, welche die Eier aufwirbelten.
2) Die Gonaden der Petromyzonten besitzen keine besonderen Ausführungsgänge,
sondern Eier und Samen fallen in die Leibeshöhle und werden durch zwei in den
Sinus urogenitalis mündende Poren entleert, welche gewöhnlich Pori abdominales
heißen, aber nach WIEDERSHEIM besser Pori genitales genannt werden, da sie wahr-
scheinlich den Pori genitales anderer Vertebraten nicht homolog sind. Das Peritoneal-
epithel geschlechtsreifer Tiere ist ein hohes Cvlinderepithel (NESTLER 1890).
Petromyzonten. 75
besten ist die sog. trockene Befruchtung, wie man sie gewöhnlich bei
Knochenfischen ausführt (beschrieben in dem Capitel Teleosteer,
Knochenfische).
Die Richtungskörperbildung und die Befruchtung wurden zu-
erst bei Petromyzon Planeri beobachtet (hauptsächlich von Aut.
MÜLLER, ÜALBERLA, BÖHM). Die reifen Eier von Petromyzon
Planeri sind einer rundlichen Birne ähnlich und haben eine Länge
von 1,1—1,2 mm, eine Dicke von 0,9—1,0 mm. Auf dem Ei liegt
eine Eihaut, welche von dem Ei abgeschieden ist und aus zwei Schichten
besteht, einer inneren, von radiären Poren durchsetzten und einer
äußeren homogenen. Darüber befindet sich noch eine Schleimhülle,
welche bewirkt, daß das Ei, wenn es abgelegt wird, an Steinen oder
anderen Gegenständen hängen bleibt; dieselbe ist durch schleimige
Umwandlung der Follikelzellen entstanden (Bönm). An dem animalen
Pole ist anstatt dieser Schleimhülle eine hyaline, in Wasser kaum
sichtbare Kuppel (Flocke) vorhanden ; dieselbe läßt Spermatozoen durch-
treten, während die übrige Schleimschichte für diese undurchdringlich
ist. An dem animalen Pole ist die Eihaut uhrglasförmig vorgewölbt und
darunter befindet sich eine aus hellem Protoplasma bestehende Kappe,
während das übrige Ei infolge der massigen Einlagerung von Dotter-
körnchen undurchsichtig ist. Diese helle Protoplasmamasse heißt das
Polplasma (Bönm). Wenn die Eier ins Wasser gelangen, hebt sich
die Eimembran an dem animalen Pole ein wenig von dem Polplasma
ab, aber letzteres bleibt durch mehrere Plasmafäden, insbesondere ge-
wöhnlich durch einen dicken mittleren Strang (Achsenstrang, Leitband)
mit der Eihaut verbunden (Fig. 48). Der Achsenstrang ist amöboider
Bewegung fähig; er kann sich
zurückziehen und wieder aus- Fig. 48.
gestreckt werden. Das befruch- 7
tendeSpermatozoon kann durch
den Achsenstrang eintreten,
oder durch einen der anderen
Protoplasmafäden oder frei
durch den Zwischenraum ein-
dringen, während andere Sper-
matozoen in der Eihaut stecken
bleiben. Das Vorhandensein N
einer Micropyle wird von BÖHM
in Abrede gestellt‘. Wenn
das Spermatozoon in das Pol- SUN TI 4 Iy
plasma eingedrungen ist, I, Se = ER
werden der Achsenstrang und er St
2 e 3 Er en ee NN 3
die anderen Protoplasmafäden „ t'& 48. Ei von Petromyzon Planeri, 20
Secunden nach dem Eintritt des Spermatozoons
eingezogen, und es wird an in die Micropyle. Der Kopf des Spermatozoons
der ganzen Oberfläche des befindet sich'in dem Leitband unter der Mi-
Eies eine neue Membran ab- Tee (Nach CALBERLA.) _
geschieden. Gleichzeitig findet „Fig. 49. Dasselbe Ei einige Secunden
sstsfune. ex Warsten später, wenn das Leitband eingezogen ist.
: ee (Nach CALBERLA.)
Richtungskörpers statt.
1) Aber CALBERLA, welcher den Befruchtunsvorgang, soweit man ihn am lebenden
Ei sieht, genau beschrieb, hat eine Micropyle beobachtet; „man sieht deutlich, wie
das Spermatozoon die Eihaut im Centrum der Micropyle berührt und wie sich der
Kopf desselben, durch die kräftigen Undulationen des Schweifes unterstützt, den Weg '
76 3. Capitel, 1. Abt.
Betrachten wir nun das Verhalten der Kerne. Wenn das Ei sich
der Reife nähert, rückt das Keimbläschen an die Peripherie des Eies
und seine Membran löst sich auf. Das Keimbläschen ist so groß, daß
seine Masse den größten Teil des obengenannten Polplasma liefert.
Aus einem kleinen Teil des Keimbläschens geht die erste Richtungs-
spindel hervor; dieselbe ist bis jetzt nicht beobachtet worden, wohl
aber die beiden kleinen Kerne, welche bei der ersten Richtungsteilung
gebildet werden, nämlich der Kern des ersten Richtungskörpers und
der im Ei verbleibende Kern. Aus letzterem entsteht dann die zweite
Richtungsspindel; es folgt der Austritt des zweiten Richtungskörpers.
Der im Ei verbleibende Kern (der weibliche Vorkern) nähert sich dem
Spermatozoenkopfe, neben welchem jetzt eine deutliche Strahlung er-
schienen ist. Aus dem Spermatozoenkopfe geht ein Kern hervor (der
nämliche Vorkern), welcher sich mit dem weiblichen Kerne zusammen-
legt und dann mit ihm verschmilzt. Inzwischen ist das Polplasma,
welches die beiden Kerne umschließt, von der Oberfläche des Eies in
das Innere des Eies hereingewandert!). Auch haben sich aus der
einen Strahlung jetzt zwei Pole der Strahlung gebildet, welche zu
den Polen der ersten Furchungsspindel werden.
In ähnlicher Weise wie bei Petromyzon Planeri verläuft die Be-
fruchtung bei Petromyzon fluviatilis, wie aus der Beschreibung von
HERFORT hervorgeht. Das Spermatozoon tritt durch das Leitband ein,
welches also die Bedeutung eines Empfängnishügels hat. In der Tiefe
des Polplasmas entsteht aus dem Spermatozoon der männliche Vor-
kern, und neben demselben tritt eine Sphäre auf, von welcher radiäre
Strahlen ausgehen; in der Mitte der Sphäre liegt ein kleiner Central-
körper, welcher sich bald teilt. Das Spermatozoon und das umgebende
Polplasma sinken dann etwas tiefer in das Ei ein, und nur ein Streifen
des Polplasma führt zu der Oberfläche des Eies, wo inzwischen der
2. Richtungskörper gebildet wurde; der weibliche Vorkern wandert
durch diesen Streifen herab und vereinigt sich mit dem männlichen
Vorkern; bald darnach entsteht die 1. Furchungsspindel; sie liegt
in dem oberen Teile des Eies und ihre Richtung ist senkrecht zur Achse
des Eies ?).
durch den Micropylenkanal eröffnet.“ Der Kopf des Spermatozoons dringt dann
_ das Leitband in das Ei ein (Fig. 48), worauf das Leitband eingezogen wird
(Fig. 49).
1) BöHm berichtet, daß das Polplasma von der übrigen Eimasse durch eine
membranartige Hülle getrennt ist. Wenn das Polplasma in das Innere des Eies
hereinwandert, ist es von dieser welligen Hülle wie von einem Sack umschlossen.
Nach oben aber bleibt das Polplasma durch einen Strang dotterfreier Substanz mit
der Oberfläche in Zusammenhang. — HERFORT hat die genannte wellige Hülle
auch bei Petromyzon fluviatilis gefunden und hält sie für ein Difterenzirungsproduct
des Polplasmas, welches wurzelartige Fäden zwischen die darunter liegenden Dotter-
körner entsendet und bei der Assimilation des Dotters thätig ist.
2) Die protoplasmatischen Bestandteile des Eies befinden sich hauptsächlich im
oberen Drittel des Eies und im übrigen Ei befindet sich die Dottermasse, welche in
Bezug auf die Einstellung der Spindel inactiv ist; die Spindel muß sich also horizontal
stellen. HERFORT schreibt über die Einstellung folgendes: „Auf mehreren Präparaten
konnte ich eine schiefgestellte Spindel wahrnehmen, gewöhnlich aber steht dieselbe
senkrecht auf die Längsachse des Br diese Einstellung geschieht schon im Stadium
der Conjugation der Vorkerne, indem sich die durch die gemeinsame Berührungs-
fläche der Vorkerne und durch die Sphärencentren gehende Copulationsebene
eneht auf die Längsachse orientirt; die Einstellung kann aber auch später er-
olgen.“ :
Petromyzonten.
|
—]
Die Furchung und die Gastrulation.
Die Schriften von Max ScHhurtzeE 1856, Scorr 1882 und GoETTE 1890 sind
in erster Linie zu beachten.
Die Furchung der Petromyzonten ist total und inäqual; sie hat
große Aehnlichkeit mit der Furchung des Frosches und anderer
Amphibien. Bei der 1. Teilung schneidet die Furche in vertikaler
Richtung durch; die 2. Furche geht senkrecht zur 1. und ist ebenfalls
meridional. Die Furchen der 3. Teilung verlaufen bei Petromyzon
Planeri und Petromyzon fluviatilis horizontal (latitudinal) und schneiden
in der Nähe des Aequators des Eies etwas oberhalb desselben ein;
es entstehen also 4 kleinere und 4 größere Blastomeren. Bei Petromyzon
marinus sind die Furchen der 3. Teilung meist ebenfalls horizontal,
manchmal schief oder vertikal (EYCLESHYMER). Die Furchen der
4. Teilung verlaufen bei Petromyzon Planeri nach M. SCHULTZE latitu-
dinal, bei Petromyzon fluviatilis nach SuirLey meridional. Bei den
A B C D
Fig. 50. Furchungsstadien von Petromyzon fluviatilis (4 u. 2) und Petromyzon
Planeri (C u. D). (Aus HATSCHEK, A u. B nachSHIPLEY, Cu. D nach M. SCHULTZE.)
folgenden Furchungsstadien ist keine allgemeingültige Regelmäßigkeit
mehr festzustellen. Nur soviel mag bemerkt werden, daß die Furchung
in der animalen Hälfte rascher fortschreitet als in der vegetativen.
Die Furchungshöhle tritt früh auf. Ein junges Blastulastadium
ist demjenigen der Tritonen (Fig. 11) sehr ähnlich; man unterscheidet
einen animalen Teil, welcher aus kleinen Zellen besteht, und einen
vegetativen Teil, welcher aus größeren, sehr viel Dotter enthaltenden
Zellen zusammengesetzt ist. Zwischen dem animalen und dem vege-
tativen Teil befindet sich eine geräumige Furchungshöhle; dieselbe
wird verhältnismäßig größer als beim Froschei und ihr Dach verdünnt
sich allmählich so sehr, daß es nur noch von einer einzigen Schicht
kleiner Zellen gebildet wird (Fig. 5l). Am Rande der Furchungs-
höhle befinden sich mehrere Schichten von Zellen, welche allmählich in
die großen Zellen der unteren Hälfte übergehen (Fig. 51).
An einer Seite des Eies bildet sich an der Uebergangsstelle der
kleinen und großen Zellen eine wulstige Erhöhung (Fig. 51) und
darunter entsteht eine quere halbmondförmige Furche. Letztere be-
zeichnet die beginnende Gastrulaeinstülpung (Fig. 51 u. 52). Noch ehe
die taschenförmige Einstülpung nach oben vordringt, verschwindet die
genannte wulstige Erhebung. Die Einstülpung erweitert sich und die
entstehende Höhle ist die Urdarmhöhle. Während dieselbe sich immer
weiter nach vorn ausdehnt, verkleinert sich die Furchungshöhle und
verschwindet.
Das dorsale, an der Decke des Urdarms gelegene Entoderm hat.
während der Gastrulation durchweg eine Dicke von mehreren Zellen,
18 - 3. Capitel, 1. Abt.
wobei die an die Darmhöhle anstoßenden Zellen in epithelähnlicher
Weise sich zusammenordnen. Mit der Verlängerung der Gastralhöhle
verdünnt sich das Ektoderm an der Decke der Gastralhöhle und bildet
nur noch eine 1— 2 Zellen dicke epitheliale Schicht (Fig. 54) ').
Fig. 51—53. Blastula und Gastrula von Petro-
myzon fluviatilis. (Nach GoETTE.)
Fig. 51. Blastula mit beginnender Gastrula-
einstülpung (g); bl Blastocöl.
Fig. 52. Ein wenig älteres Stadium. g Ga-
strulaeinstülpung.
Fig. 53. Gastrula mit beginnender Bildung
der massiven Anlage des Medullarrohres.
Das Ektoderm ist zur Zeit der Ga-
strulation eine einschichtige Zellenlage.
Während der Gastrulation wird das Ek-
toderm an der Vorderseite und Unter-
seite des Embryo über die vegetativen
Zellen hin weitergeschoben, so daß das Ektoderm dann den ganzen
Embryo bedeckt (Fig. 53).
Das Medullarrohr, die Chorda und das Mesoderm.
Die wichtigsten Publicationen sind diejenigen von ScoTT 1882, GOETTE 1890,
HATTA 1891.
Das Medullarrohr wird solid angelegt, in ähnlicher Weise wie bei
den Knochenfischen; es bildet sich eine kielförmig nach unten vor-
springende Verdickung des Ektoderms, während an der Oberfläche nur
eine flache Furche die vor sich gehende Einfaltung der Medullarplatte
audeutet (Fig. 55); die kielförmige Verdickung ist natürlich gleich-
wertig mit der Bildung einer geschlossenen Falte?). Erst zu der Zeit,
1) „Dabei sieht man die oberen Zellen sich zwischen die unteren einkeilen und
- Verschiebung solange zunehmen, bis das Gewölbe nur 1—2 Zellen dick ist“
(GOETTE).
2) Nach der Beschreibung von CALBERLA wird das Ektoderm, welches ur-
sprünglich überall ein einschichtiges Cylinderepithel darstellt, im Bereich der Medullar-
latte zweischichtig und nachher mehrschichtig; nach CALBERLA dringt die obere
»Zellenlage in Form einer geschlossenen Falte in die kielförmige Medullaranlage ein,
was aber von anderen Beobachtern nicht bestätigt wurde.
en
-
Petromyzonten. 79
wenn der Embryo aus der kugeligen Körperform in die birnförmige
übergeht, entsteht in dem Medullarrohr ein Lumen; dasselbe erscheint
zuerst in dem vordersten Teile des Medullarrohres und setzt sich von
da nach hinten
fort. — Einen
offenen Canalis
neurentericus
giebt es niemals.
Die Entstehung
der Chorda und
die Bildung des
Mesoderms
müssen zusam-
men erörtert
werden, da die
Vorgänge mitein-
ander in Verbin-
dung stehen. Fig. 54. Querschnitt durch eine Gastrula von Petromyzon ,
Es wurdeschon 160 Stunden nach der Befruchtung. (Nach BALFOTR.) Das
oben gesagt, daß Stadium liegt zwischen Fig. 52 und Fig. 53. al Gastralhöhle,
das dorsale Ento- er Ektoderm, ms Mesoderm, y%k Dotterzellen.
derm in seinem
mittleren Teile ein 1—2-schichtiges, aus hohen schmalen Zellen be-
stehendes Epithel bildet; dieser Epithelstreifen ist die Anlage der
Chorda. Die Gastralhöhle ist so schmal, daß dieser Epithelstreifen
(das Chordaentoderm) hinreicht, ihre dorsale Bedeckung zu bilden
(Fig. 55). Die seitlich von dem Chordaentoderm gelegenen Zellen bilden
die Anlage der Mesodermstreifen. Diese trennen sich von der darunter
gelegenen Masse der vegetativen Zellen ab; es entsteht zwischen dem
Mesoderm und der darunter liegenden entodermalen Zellmasse ein
horizontaler Trennungsspalt, wobei aber das Mesoderm zunächst noch
sowohl medianwärts mit dem Chorda-
entoderm als auch am lateralen Rande
mit der Masse der entodermalen
Dotterzellen in Verbindung bleibt.
Dann lösen sich die Mesodermstreifen
an ihrem medianwärts gelegenen Rande
von dem Chordaentoderm ab (Fig. 55).
Fig. 55. Querschnitt durch einen Embryo
von Petromyzon Planeri von 208 Stunden.
(Nach BALrouR.) Die Figur zeigt die An-
lage des Medullarrohrs und der Chorda. ch
Chorda-Ektoderm, al Gastralhöhle, ne Me-
dullarstrang, ms Mesoderm, y%k Dotterzellen.
Später trennen sie sich an dem lateralen Rande von der entodermalen Zell-
masse ab (Fig. 56); der laterale Rand der Mesodermstreifen wächst dann
über die Masse der Dotterzellen herab, bis die beiden Ränder an der
Ventralseite zusammentreffen ). Wenn das Mesoderm sich von dem
1) Nach Scott (1882) wird eine Lamelle von Mesoderm von den Lateralseiten
und der Ventralseite der Masse der Dotterzellen abgelöst, so daß die Mesoderm-
streifen durch diese Lamelle ventral verbunden sind, in ähnlicher Weise, wie es beim
Frosch der Fall ist. Die anderen Autoren vertreten die obenstehende Ansicht.
SO 3. Capitel, 1. Abt.
Chordaentoderm getrennt hat, schieben sich die Zellen des Chordaento-
dderms medianwärts zusammen und bilden einen rundlichen Strang. Dabei
rücken die Entodermzellen von den Seiten medianwärts vor, kommen
unter dem Chordastrang median zur Vereinigung und erzeugen so die
dorsale Wand des Darmes (Fig. 56). Alle diese Vorgänge vollziehen
sich in der Richtung von vorn nach hinten.
Es bestehen aber über die Bildung des Mesoderms bei den Petromy-
zonten erhebliche Meinungsverschiedenheiten, welche ich hier wenigstens
teilweise anführen mul.
Nach Harra (1891) wird das Mesoderm am Vorderende der Gastral-
höhle durch zwei seitliche Falten des Urdarms angelegt, welche sich vom
Darm abschnüren; es wäre also hier dieselbe Bildungsweise wie bei
Amphioxus, nämlich eine Divertikel-
bildung. Im Rumpfe entsteht nach
HarradasMesoderm in etwas anderer
Weise; es finden in den Entoderm-
zellen seitlich von dem Chorda-
entoderm zahlreiche Mitosen statt,
und die entstandenen Zellmassen
trennen sich von dem darunter liegen-
den Dotterentoderm ab. In ähn-
Fig. 56.
Querschnitt durch einen
Embryo von Petromyzon Planeri von
256 Stunden. (Nach BALFOUR.) al Darm-
licher Weise entsteht Mesoderm an
dem ganzen Rande des Blastoporus.
Nach Gorrrz (1890) gehen die
kanal, ch Chorda, mc Medullarstrang, ms Chorda und die Mesodermstreifen aus
Mesodermstreifen. der sog. unteren Schicht, d. h. aus
der dorsalen Wand des Urdarms
hervor. Dieselbe ist anfangs mehrschichtig und wird dann in ihrem
mittleren Teil einschichtig (Fig. 54); der mittlere Teil bildet die Chorda-
anlage. Das Chordaentoderm und die beiden Mesodermstreifen stellen
eine zusammenhängende Platte dar, welche an den Außenrändern in die
Masse der Dotterzellen übergeht. Dann dringt ein Spalt vom Urdarm
aus unter die Mesodermstreifen ein und trennt dieselben von dem Entoderm
ab. Wenn nachher das Chordaentoderm sich median zusammenkrümmt,,
löst sich dasselbe von den anstoßenden Mesodermstreifen los. GoETTE be-
zeichnet das nach der Sonderung des Chordaentoderms und der Mesoderm-
streifen übrig bleibende Entoderm als Enteroderm, da es das Epithel des
Darmkanals bildet. Zellen des Enteroderms schieben sich von den Seiten
her unter den ('hordastrang medianwärts vor, um den Darmkanal dorsal
abzuschließen, d. h. die neue Decke des Darmes zu bilden. Nachher
trennt sich der laterale Rand der Mesodermstreifen von der Masse der
Dotterzellen ab; der mediale Teil der Mesodermstreifen wölbt sich an
der Seite des Chordastranges und des Medullarkieles in die Höhe und
bildet eine auf dem Querschnitt dreieckige solide Zellmasse; innerhalb
derselben treten die Höhlungen der einzelnen Ursegmente auf; diese
dehnen sich dann lateralwärts aus und fließen in dem lateralen Teile des
Mesoderms zur Bildung der Leibeshöhle zusammen. Die Ursegmente des
Kopfes entstehen etwas anders als diejenigen des Rumpfes, insofern als
die Mesodermplatte im Kopfe schon vor dem Auftreten der Segmentirung
einen inneren Spaltraum enthält, welcher dann durch die intersegmentalen
Einschnürungen in die Höhlen der einzelnen Segmente zerlegt wird; das
vorderste Ursegment bleibt sehr lange mit dem Entoderm in Verbindung ;
GoETTE bestreitet die Beobachtungen von Kurrrer, nach welchen die
Petromyzonten. 81
Kopfsegmente bei Petromyzon wie bei Amphioxus als Divertikel des
Urdarms entstehen.
Das Schwanzende des Embryo.
Aus dem Blastoporus geht der After hervor (Fig. 57). Was die
Vorgänge am Schwanzende betrifft, so werden dieselben von den
Autoren in verschiedener Weise dargestellt. Nach KUPFFER bildet
sich an der dorsalen Blastoporuslippe eine Masse undifferenzirter Zellen,
welche er Teloblast nennt und in welcher der Medullarstrang, die
Chorda und die Mesodermstreifen zusammen hängen; KUPFFER ver-
gleicht dieselbe der Schwanzknospe der Teleosteer. Auch SHIPLEY
berichtet, daß an der auswachsenden Schwanzspitze eine undifferenzirte
Zellmasse sich befindet, in welcher die Medullaranlage mit dem Mesoderm
zusammenfließt!), — GOETTE stellt die Verhältnisse in folgender
Weise dar. Zur Zeit der Gastrulation geht am äußersten Ende der
dorsalen Blastoporuslippe die Medullarplatte nach unten in die Ento-
dermlamelle über (neurenterischer Umschlag): die Mesodermplatten
sind in der Nähe des Umschlags mit dem Entoderm in Verschmelzung.
Wenn dann die Medullarplatte durch Bildung einer geschlossenen
Falte den Medullarstrang erzeugt, geht in continuirlicher Fortsetzung
dieses Vorganges aus dem neurenterischen Umschlag der neurenterische
Strang hervor; da der neurenterische Strang demnach ebenso wie
der Medullarstrang als eine geschlossene Falte anzusehen ist, faßt
GOETTE die Strecke zwischen der Stelle der gedachten unteren Mündung
des Canalis neurentericus und dem After als eine Urmundnaht auf;
er kommt daher zu dem Schluß, daß nur der unterste Teil des
Blastoporus zum After wird: dadurch führt GoETTE die Verhältnisse
der Petromyzonten auf diejenigen der anuren Amphibien zurück.
Ferner berichtet GOETTE, daß der neurenterische Strang bei dem
Hervorwachsen der Schwanzspitze in der Weise geknickt wird, daß der
obere Teil zur Verlängerung des Medullarrohres dient, der untere Teil
den Schwanzdarm bildet. Während das Lumen in dem Medullarrohr
bis nahezu zur Schwanzspitze sich fortsetzt, bleibt der Schwanzdarm
stets ein solider Strang. Das Ektoderm löst sich von dem neuren-
terischen Strang in derselben Weise ab wie von dem Medullarstrang.
Nach GoOETTE bildet das Ektoderm an dem Blastoporus in Verbindung
mit dem anstoßenden Entoderm eine Falte, welche wie eine obere
Lippe den Blastoporus bedeckt, so daß nur eine kleine Oeffnung
bleibt, welche später zum After wird.
Die Entwickelung der Organe bis zum Ausschlüpfen der Larve.
Indem der Embryo in die Länge wächst, tritt der Kopf desselben
freier hervor; der Embryo geht dabei aus der kugeligen Form in
eine retortenförmige Gestalt über (Fig. 57). Indem dann die Masse
der Dotterzellen, welche die dieke Form des hinteren Teiles des
Körpers bedingt, sich in die Länge streckt, nähert sich der Embryo
der Fischform. Der Darmkanal, welcher früher einen bogenförmigen
1) SHIPLEY schreibt: „Es giebt keinen (offenen) neurenterischen Kanal, jedoch
läuft von dem Darmkanal aus ein solider Strang nach hinten (Schwanzdarm) und
geht in eine undifferenzirte Zellmasse über, mit welcher auch die Medullaranlage
und das Mesoderm zusammenfließen.*
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 6
82 3. Capitel, 1. Abt.
Verlauf hatte (Fig. 57), wird dabei zu einem geradlinig durch den
Körper ziehenden Rohre. Noch ehe die Längsstreckung ganz beendet
ist, schlüpft der Embryo aus der Eihülle aus; es geschieht dies am
Fig. 57. Petromyzon fluviatilis; Embryo,
welcher bald zum Ausschlüpfen reif ist.
(Nach GOETTE.) a After, c Stelle des (nicht , Ba
mit Lumen versehenen) Canalis neurenteri-
cus, ch Chorda, d Darmlumen, do Dotter,
qg Gehirnteil des Medullarrohrs, A Herz, ! Leber, m Mundbucht, md Medullarrohr.
a [2 ch d do md
13.—21. Tage, je nach der Temperatur des Wassers. Das ausgeschlüpfte
Tier liegt, einem kleinen weißen Würmchen ähnlich, auf dem Boden,
und giebt nur von Zeit zu Zeit durch schlagende Bewegungen des
Vorderendes sein Leben kund.
Was die Organisation zu dieser Zeit betrifft, so ist zunächst
hervorzuheben, daß in dem Medullarrohr das Lumen ausgebildet
ist, und daß dasselbe im Gehirnteil erweitert ist, und die primären
Teile des Gehirns (Vorderhirn, Mittelhirn, Nachhirn) schon unterscheid-
bar sind (Fig. 58). — Die großen Ganglien der Kopfnerven
sind schon entwickelt (Fig. 58). Nach KUPFFER geht jedes derselben
aus zwei verschiedenartigen Anlagen hervor, erstens aus einer platten-
artigen Verdickung des Ektoderms (Plakode), und zweitens aus den
an dieselbe herantretenden Zellen des sog. Zwischenstranges, einer
ectodermalen Zellmasse, welche längs des Kopfteils der Larve (nach
Art der Spinalganglienanlagen) über dem Medullarstrang, zwischen
dem Medullarstrang und dem Ektoderm, eingeschoben ist.
Die Anlage des Auges ist eine kleine Augenblase, welche durch
einen relativ langen Stil mit dem Gehirn verbunden ist. Die Augen-
blase bleibt in einiger Entfernung von der Haut und das Auge bildet
sich unter der Haut aus. Die Linse entsteht durch eine compacte
Einstülpung des Ektoderms, welche bei der eben ausgeschlüpften Larve
noch mit der Haut zusammenhängt, aber sich dann gänzlich von der-
selben abtrennt, um dem tiefer liegenden Augenbecher angefügt zu werden.
Das Gehörbläschen, welches durch eine grubenartige Ein-
senkung des Ektoderms entstanden ist, hat sich von der Haut ab-
geschnürt und besitzt nach oben einen Fortsatz, die Anlage des Ductus
endolymphaticus (Fig. 58).
DieNasenanlage ist durch eine flache Grube des Ektoderms dar-
Petromyzonten. 83
gestellt (Fig. 58 u. 59). Wie KUPFFER gezeigt hat, entsteht zuerst eine
unpaare Verdickung des Ektoderms, eine unpaare Riechplatte, welche
der unpaaren Riechgrube von Amphioxus homolog gesetzt werden
kann; an diese unpaare Platte schließen sich seitlich 2 Verdiekungen
des Ektoderms (Plakoden) an, und die aus den 3 Verdiekungen ge-
bildete Platte senkt sich grubenförmig ein (Fig. 59). Es wächst jeder-
seits ein Riechnerv aus der Platte heraus und tritt mit dem Lobus
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HEHE Re RT, MB: Mil asven 02
ed? ep1 L. Au Iyp.D.
Fig. 58. Reconstruction des Kopfes einer Larve von Petromyzon Planeri, 1 Tag
nach dem Ausschlüpfen, 3,5 mm lang, mit 7 Kiementaschen. (Nach KoLTZorr.)
Ep Epiphysis cerebri, 1--13 Segmente (Somiten), III—VII Abschnitte des
Nachhirns (Neuromeren), #1 erstes Hauptganglion des Trigeminus, FII zweites Haupt-
ganglion des Trigeminus, # Facialisganglion, OB Ohrbläschen, @ Hauptganglion des
Glossopharyngeus, Y Vagusganglion, spl—sp? Spinalganglion, nl Nervus lateralis,
Pr Pronephros (Vorniere), A,—K, Kiementaschen, ep, und ep, das erste und zweite
Epibranchialganglion der Vagusgruppe, MB Mandibularbogen, 4 Mundbucht, Z Linse.
Au Auge, Hyp Nasenkanal („Hypophyse“), N Nasengrube.
olfactorius der betreffenden Seite in Verbindung!). Später entwickelt
sich in der Nasenhöhle ein medianes Septum. — Es ist noch zu
erwähnen, daß sich von der Nasenhöhle aus eine tiefe Einsenkung
bildet, der Nasenkanal. Derselbe wächst unter dem Gehirn nach
hinten bis zu dem Infundibulum; er berührt die dorsale Wand des
Darmes, aber tritt mit derselben nicht in Verbindung?).
1) „Sonach ist Petromyzon nicht rein monorhin, sondern stellt in dieser Hinsicht
eine Uebergangsform dar, die zwischen den reinen Monorhinen und den Amphirhinen
steht. Rein monorhin ist Amphioxus. Indem bei den Amphirhinen die auch da
zuerst auftretende unpaare Riechplakode sich zurückbildet, bevor eine Einstülpung
begonnen hat, die paarigen Plakoden isolirt bleiben und sich einzeln einsenken, ent-
steht die paarige Nase“ (KUPFFER).
2) Wenn später die Larve in die geschlechtsreife Form sich verwandelt, geht
aus diesem Nasenkanal bei Petromyzon fluviatilis und marinus ein geräumiger Sack
hervor (blinder Nasensack, Spritzsack). Bei Petromyzon Planeri aber nimmt der
Nasenkanal einen drüsigen Charakter an. Da der Nasensack von der Mund- und
Kiemenhöhle nur durch eine weiche Wand getrennt ist, wird er bei den periodischen
Athembewegungen des Tieres in Er ale Weise periodisch verengert und
erweitert; er dient so als Ventilationsapparat der Nase (RATHKE, JOH. MÜLLER,
DoHrN 1883). — Von DoHRN und von KUPFFER wird der Nasenkanal der Hypo-
pure homolog gesetzt. — Manche Autoren (KUPFFER u. A.) sehen in dem Nasen-
anal den Rest einer früheren Mundöffnung; ich gehe auf diese Hypothese nicht
ein, da sie mir nicht genügend begründet erscheint (vergl. p. 96).
6*
84 3. Capitel, 1. Abt.
Am Vorderende des Darmkanals bemerkt man eine ektodermale
Einstülpung, die Mundbucht. Dieselbe ist noch nicht in den Darm
geöffnet (Fig. 59). — Am Anfang des Kiemendarmes entstehen seitlich
2 eroße musculöse Schleimhautfalten, welche das Schlundsegel
(Velum) bilden. — Am Kiemendarm sind jederseits 7 Ausstülpungen
des Epithels vorhanden, welche die Anlagen von Kiemenspalten
sind (Fig. 58 u. 59). — Am Mitteldarm bemerkt man die Anlage der
Leber: von der Lichtung des Mitteldarmes geht ventralwärts eine
Bucht aus, welche in die Masse der Dotterzellen hineinragt (Fig. 57).
Unter dem Kiemendarm liest im Bereich der ersten 4 Kiemen-
spalten die Anlage der Glandula thyreoidea; sie hat die Form
eines länglichen Sackes, welcher zwischen der zweiten und dritten
Kiemenspalte mit dem Kiemendarm in offener Verbindung steht (Fig. 59).
Die Art, wie dieser Sack entstanden ist, hat eine besondere Bedeutung;
ch ev
Fig. 59. Schematischer Verticalschnitt durch den Kopf einer Larve von Petro-
myzon 3 Tage nach dem Ausschlüpfen, 4,85 mm lang. (Nach BALFOUR.) au.» Gehör-
bläschen (durch die Gewebe durchschimmernd), md Nachhirn, cb Kleinhirn, mb
Mittelhirn, pn Zirbeldrüse (Epiphyse), th Thalamus optieus, op Auge (durchschimmernd),
c.h Großhirn, ch Chorda, ht Herzkammer, ».ao Truncus arteriosus, br.c Kiementaschen,
th En, tv Gegend des Velums, » Mundbucht, in Infundibulum, ol! Nasen-
grube.
derselbe geht nämlich aus einer am Boden des Kiemendarmes_ sich
einsenkenden Rinne hervor, welche sich vom Kiemendarm abschnürt,
und nur an einer Stelle mit ihm in Verbindung bleibt. Die Rinne
heißt Hypobranchialrinne und wird dem Endostyl der Tunicaten
homolog gesetzt') — An die Mündungsstelle der Glandula thyreoidea
schließen sich 2 wimpernde Rinnen an, welche erst nach vorn gehen,
und, dann am vorderen Rande des ersten Kiemensackes hinter der
Anheftungslinie des Schlundsegels nach oben laufen?); ferner eine
mediane Wimperrinne, welche von der Mündungsstelle aus eine Strecke
weit nach hinten zieht (A. SCHNEIDER, J. SCHAFFER).
In den Mesodermstreifen sind zur Zeit des Ausschlüpfens der
Larve zahlreiche Ursegmente entwickelt. Im Kopfe geht die Reihe
der Ursegmente bis zu dem Öhrbläschen (Fig. 58), und außerdem
sind vor dem Öhrbläschen in dem Mesoderm des Kopfes noch 3 Seg-
mente erkennbar. Das erste Segment ist klein, liegt nahe an dem Auge
1) Ich verweise auf die Arbeiten von DoHRN (1885 u. 1887).
2) Manche Autoren nehmen an, daß an der Stelle, wo diese Rinnen verlaufen,
ee eine Kiemenspalte sich befunden habe, die Hyobranchialspalte (s. die Arbeiten
von SCOTT, DOHERN, JULIN u. A.).
Petromyzonten. 85
und liefert einen Teil der Augenmuskeln (Fig. 58); das zweite Segment
setzt sich in den Mandibularbogen fort (Fig. 58).
An dem äußeren Blatt der Seitenplatten, der Somatopleura, ist die
Vorniere entstanden; sie besteht aus den Vornierentrichtern und
dem Vornierengang. Die Trichter, von welchen jederseits 3—6
vorhanden sind, beginnen in der Pericardialhöhle (Fig. 60), und
führen in den Vornierengang; dieser knäult sich an der Vorniere ein
wenig auf und verläuft dann längs der Somatopleura nach hinten, um
in den hintersten Teil des Darmkanals einzumünden. Bei den Trichtern
der Vorniere ist jederseits ein in die Leibeshöhle vorspringender
Glomerulus der Vorniere vorhanden, gebildet durch eine Ausstülpung
des Peritoneums, in welche von der Aorta aus eine kleine Arterie
eintritt. — Die Entstehung der Vorniere wird von WHEELER (1899)
in folgender Weise beschrieben. Die Vornierenkanälchen entstehen
als segmentale Ausstülpungen der Somatopleura schon bei frühen
Stadien, bei welchen eben der Hohlraum zwischen den Seitenplatten
———— Medullarrohr
— Vornierengang
—- Darmkanal
Fig. 60. Querschnitt durch einen Embryo von Petromyzon fluviatilis im
Stadium der Fig. 57. (Nach GoETTE.) Der Schnitt geht durch die Gegend des
Herzens und der Vorniere.
erscheint. Es werden 6 Vornierenkanälchen (Trichter) angelegt, von
welchen aber die beiden ersten bald verschwinden. Der Vornieren-
gang wird in den auf die Vorniere folgenden Segmenfen ebenfalls
durch segmentale Ausstülpungen der Somatopleura gebildet, welche
denjenigen der Vornierenkanälchen ganz ähnlich sind und welche zur
Erzeugung des Ganges zusammenfließen. Weiter hinten entsteht der
Vornierengang ebenfalls von der Somatopleura aus durch Abschnürung
eines soliden Stranges!).
1) Bald nach der Publication von WHEELER erschien eine Arbeit von HATTA
N: in welcher die Entstehung der Vorniere ebenfalls ausführlich behandelt ist.
ie Resultate stimmen mit denjenigen von WHEELER ziemlich gut überein. Nach
HaATTA werden 6 Vornierenkanälchen gebildet (im 4.—9. Segment); dieselben ent-
stehen als Ausstülpungen der Somatopleura; der betreffende oberste Teil der Seiten-
platten ist segmentirt, und können die segmentalen Abschnitte den Nephrotomen
TE 3. Capitel, 1. Abt.
Unter dem Kiemendarm und dem Oesophagus ist die Anlage des
Herzens aufgetreten!); zur Zeit des Ausschlüpfens des Embryo pulsirt
das Herz schon. Es sind aber noch keine Blutkörperchen in den
Blutstrom eingetreten; wohl aber hat die Bildung der Blutkörperchen
begonnen: dieselben entstehen an der Unterseite des Mitteldarmes,
indem da ein Teil der großen dotterhaltigen Zellen durch mehrfache
Teilungen in Blutzellen zerfällt?).
Auch die Genitalzellen sind zur Zeit des Ausschlüpfens der
Larve schon erkennbar; sie liegen in der hinteren Hälfte des Embryo
jederseits in dem Mesoderm der Seitenplatten nahe an dem dorsalen
Mesenterium (GOETTE): sie sind durch beträchtliche Größe und durch
großen Gehalt an Dotterplättehen ausgezeichnet. WHEELER beschreibt,
wie die Genitalzellen schon bei jüngeren Embryonen sich zeigen,
indem sie zu der Zeit, wenn die Mesodermstreifen von der Masse der
Dotterzellen sich abspalten, als große dottergefüllte Zellen in den
Mesodermstreifen auffallen.
Die Organe der Larve und die Metamorphose.
Nach dem Ausschlüpfen der Larve schreitet die Entwickelung der
Organe rasch voran. Die Dotterplättchen in den Zellen werden all-
mählich resorbirt und die Larve wird infolgedessen durchsichtiger.
Bei der besseren Ausbildung der Musculatur wird die Larve befähigt
umherzuschwimmen, liegt aber gewöhnlich ruhig am Boden, mit Vor-
liebe an einer dunklen Stelle. — Wenn der Schwanzteil in die Länge
wächst, entwickelt sich am Schwanz median ein continuirlicher Flossen-
. saum oben und unten (Tafel I, Fig. 6). — Die Oberlippe wächst stark
nach vorn vor, und die Oeffnung der Mundbucht, welche bisher nach
unten gerichtet war, ist nun mehr nach vorn gerichtet (Fig. 61). Die
Nasengrube, welche an der Unterseite des Kopfes entstanden ist
(Fig. 59), wird dabei nach oben verschoben und liegt nun dorsal
der Selachier homologisirt werden. Die Vornierenkanälchen fließen an ihrem äußeren
Ende zu dem Sammelrohr zusammen, welches den Anfang des Vornierenganges
darstellt. In den folgenden Segmenten werden ähnliche segmentale Ausstülpungen
der Somatopleura angelegt, dieselben schnüren sich aber vom Peritonealepithel ab,
und bilden, indem sie zusammenfließen, den Vornierengang. Vom 20. Segment an
wird die Anlage des Vornierenganges in jedem Segment nur durch wenige Zellen
gebildet. Eine Beteiligung des Ektoderms an der Bildung des Vornierenganges ist
nur am äußersten Ende desselben möglich, wo der Kanal am After am eb
vom Ektoderm zum Entoderm mündet. Von den Vornierenkanälchen gehen das
erste, das zweite und das sechste bald zu Grunde. Von den Gefäßen, welche zu
den Vornierenkanälchen gehören, vergrößert sich nur ein Paar (dasjenige des fünften
ursprünglichen Vornierenkanälchens) zu einem wirklichen Glomerulus.
1) Das Herz entsteht zu der Zeit, wenn die Seitenplatten ventral unter dem
Vorderdarm zusammentreffen; die Endothelzellen des Herzens erscheinen in dem ven-
tralen Mesenterium zwischen den ventralen Rändern der Seitenplatten (Fig. 57); nach
SHIPLEY und nach OWSJANNIKOW stammen dieselben von den Seitenplatten her
und sind also mesodermaler Herkunft, nach GOETTE aber sind sie vom Vorderdarm
abgelöst und gehören also dem Entoderm zu. WHEELER giebt an, daß die Blut-
gefäße als Spalträume zwischen Entoderm und Mesoderm entstehen und anfangs
keine endotheliale Auskleidung besitzen; die endotheliale Auskleidung des Herzens
und der Gefäße werde durch amöboide Wanderzellen gebildet.
2) Ich folge hier den Beobachtungen von GOETTE, welcher bei Petromyzon die
Biläung der Blutzellen ebenso fand, wie bei Amphibien; in beiden Fällen stammen
die Blutzellen von den entodermalen Dotterzellen ab. Ich werde bei den Amphibien
erörtern, daß diese entodermale Entstehung der Blutzellen nach meiner Ansicht aus
einer mesodermalen Entstehung abzuleiten ist.
Petromyzonten. 87
(Fig. 61). Ihre Oeffnung wird bewimpert und verengert sich. — Das
Stomodaeum tritt in offene Verbindung mit der Kiemenhöhle. Am Ueber-
gang zur Kiemenhöhle tritt in der Mundhöhle ein Ring von Papillen
auf (Fig. 61). Die Reihe der Papillen setzt sich an der Unter-
seite der Oberlippe nach vorn fort. — Die entodermalen Kiemen-
taschen erweitern sich und ihre Wand faltet sich, um die Kiemenblätter
zu bilden. Später brechen die kleinen äußeren Oeffnungen der
Kiemensäcke durch.
Man aa oz
Fig. 61. Kopf einer 6 Wochen alten Larve von Petromyzon Planeri. (Nach
MAX SCHULTZE, aus BALFOUR.) au.» Gehörblase, op Augenblase, ol Riechgrube, vl
Oberlippe, 17 Unterlippe, or.p Papillen an der Seite der Mundhöhle, » Velum (der
Verweisungsstrich sollte bis zu der nächsten Linie hinaufgehen), br.s Kiemenskelet,
1—7 Kiemenspalten (äußere Oeffnungen der Kiemensäcke).
Neben dem Vorderende der Chorda erscheinen die basalen Teile
des Knorpelschädels (die sog. Trabekel). Auch das knorpelige Kiemen-
skelett tritt auf, zunächst in der Weise, daß in jedem Kiemenbogen
ein Knorpelstab verläuft (Fig. 61).
Am Darm bemerkt man eine schwach einspringende Falte, welche
sich um den Darm windet, einen Teil einer Spiraldrehung bildend;
sie entspricht offenbar jener Falte, welche bei Selachiern und Ganoiden
die Spiralklappe erzeugt. — Die Leberbucht teilt sich in 3 Lappen,
von welchen die Bildung des Lebergewebes ausgeht. Aus dem
Mündungsteil der Leberbucht entsteht ein Gallengang und an diesem
bildet sich eine Gallenblase. Der Gallengang mündet anfangs von der
Ventralseite her in den Darm, die Mündungsstelle verschiebt sich aber
nach der rechten Seite, dann auf die Oberseite und schließlich auf die
linke Seite des Darmes (GOETTE, BRACHET). Ein Pankreas kommt
nicht zur Ausbildung. KUPFFER hat die Anlage des Pankreas be-
schrieben als eine drüsige Wucherung, welche an der Dorsalseite des
Darmes über der Leberbucht erscheint. Aber die Existenz dieser
Pankreasanlage wird von BRACHET (1397) vollkommen in Abrede gestellt.
Das Gefäßsystem der Larve ist demjenigen junger Knochenfische
sehr ähnlich und zeigt überhaupt die charakteristischen Teile des
primitiven Gefäßsystems der Wirbeltiere; auf der Tafel sind in Fig. 6
(nach MAx SCHULTZE) die Gefäße einer Larve dargestellt, welche seit
11 Tagen ausgeschlüpft ist. — Das Herz besteht aus dem Sinus
venosus, dem Atrium, dem Ventrikel und dem Bulbus arteriosus. Es
sind jederseits 8 Kiemenbögen vorhanden und außerdem ein Gefäß von
wahrscheinlich derselben Natur in der Gegend des Velums (BALFOUR).
Die Kiemenbögen vereinigen sich zu der Aorta, welche nach vorn
S8 3. Capitel, 1. Abt.
in den Kopf ein Paar dünne Aestchen entsendet und unter der
Chorda nach hinten läuft bis zur Schwanzspitze. Die Aorta giebt eine
Arteria mesenterica ab, welche zur Leber und zum Darm geht, ferner
zahlreiche (Gefäße, welche zwischen den Somiten verlaufen (Inter-
seementalgefäße), und schließlich einige kleine Gefäße, welche den Darm
umgreifen und in die Subintestinalvene führen. An der Schwanz-
spitze biegt die Aorta um und bildet die Cardinalvene (Stammvene),
welche unter der Aorta nach vorn geht. Dieselbe teilt sich in die rechte
und linke Cardinalvene, welche sich am Sinus venosus mit den beiden
vorderen Cardinalvenen jederseits zu einem kurzen Ductus Ouvieri ver-
einigen, der in den Sinus venosus mündet (Tafel I, Fig. 6). Die Vena
subintestinalis löst sich in der Leber in Capillaren auf!), aus welchen
das Blut durch 2 kurze Lebervenen in den Sinus venosus gelangt.
Bei der Larve entsteht die Urniere (der Mesonephros); nach
völliger Ausbildung derselben geht die Vorniere (der Pronephros) zu
Grunde. Die Kanälchen der Urniere entstehen nach WHEELER in
folgender Weise. Zuerst bildet sich eine Verdiekung der Somatopleura
und daraus geht ein solider Zellenzapfen hervor, welcher sich an
seinem vorwachsenden Ende mit dem Vornierengaug verbindet; darauf
schnürt sich die Anlage des Kanals an dem anderen Ende von der
Somatopleura ab, und es entsteht bei diesem abgelösten Ende ein
Glomerulus; die Kanälchen der Urniere beginnen also mit einem
MALPIGHI schen Körper und münden in den Vornierengang. Die Ur-
niere wandert bei der Larve eine Strecke weit von vorn nach hinten, indem
an dem vorderen Ende die Kanälchen zu Grunde gehen und ‘am hinteren
Ende neue Kanälchen entstehen. — Zur Zeit, wenn die Vorniere rück-
gebildet wird, obliterirt der Vornierengang zwischen der Vorniere und
der Urniere und der vordere Teil desselben geht zu Grunde.
Die Vornierengänge (Urnierengänge) münden anfangs in den End-
darm. Wenn die Larven der Metamorphose nahe sind, wird in der
Cloake der hintere Teil abgetrennt und bildet den Urogenitalsinus;
derselbe mündet also hinter dem Anus. Der Urogenitalsinus nimmt
nicht nur die Urnierengänge auf, sondern enthält auch die Genital-
poren, durch welche die Geschlechtsproducte entleert werden (p. 74).
Die Larven von Petromyzon Planeri waren unter dem Namen
Ammocoetesbranchialis beschrieben, ehe man wußte, daß sie die
Jugendformen von Petromyzon sind; Ausust MÜLLER erzog im
Jahre 1856 die Larven aus den Eiern und entdeckte so den Zusammen-
hang zwischen Ammocoetes branchialis und Petromyzon Planeri. Der
deutsche Name für die Larven ist Querder. Die Larven erreichen
eine Länge von 13—20 em. Sie leben 3—4 Jahre, und dann vollzieht
sich die Umwandlung (Metamorphose) in wenigen Wochen während
des Spätjahres oder Winters.
Von den Veränderungen, welche bei der Metamorphose vor
sich gehen, sind folgende die wichtigsten. Während bei Ammocoetes
der Mund von einer hufeisenförmigen Oberlippe bedeckt ist und keine
Zähne enthält, hat Petromyzon einen kreisförmigen Saugmund, in welchem
sich zahlreiche Reihen von Hornzähnen befinden ?). Bei Ammocoetes
1) Bei jungen Larven teilt sich die Subintestinalvene an der Leber in einen
rechten und einen linken Ast; es bleibt aber nur der rechte Ast als Pfortader er-
halten (GoETTE).
2) Die Zähne der Petromyzonten sind von den Zähnen höherer Wirbeltiere
Petromyzonten. 89
liest das Auge in der Tiefe unter der Haut, bei Petromyzon be-
findet es sich an der Oberfläche. Bei Ammocoetes ist am Rücken und
Schwanz ein continuirlicher medianer Flossensaum vorhanden, bei
Petromyzon ragt die Rückenflosse weiter vor und ist in 2 Teile zer-
legt. Bei Ammocoetes geht der
Kiemendarm an seinem Hinter- NEE ER
ende in den Oesophagus GTZ EM
über '); bei Petromyzon ist SIT N
der Kiemendarm an seinem To Voss -
Hinterende geschlossen und
liegt unter dem Oesophagus
(Fig. 62); der Eingang in den
neugebildeten Oesophagus ist
unmittelbar vor dem Velum ?).
— Die bei Ammocoetes vor-
handene Gallenblase verliert
während der Metamorphose Fig. 62. Schematische Längsschnitte durch
ihre Liehtung(durchWucherung den an Wi a 4 und Petromyzon
des Epithels und des umgeben-
den Bindegewebes): sie ver-
schwindet allmählich ganz. Auch der Gallengang obliterirt und wandelt
sich in einen Haufen von Follikeln um (NESTLER, 1890). — Auch die
Knorpelteile des Schädels und des Kiemenskelettes erfahren während
der Metamorphose beträchtliche Veränderungen.
Litteratur über die Entwickelung der Petromyzonten.
Ahlborn, F., Untersuchungen über das Gehirn der Petromyzonten. Zeitschr. f. wiss.
Zool., Bd. 39, 1883.
— Ursprung und Austritt der Hirnnerven der Petromyzonten. Zeitschr. f. wiss. Zool.,
Bd. 40, 188}.
— Deber die Segmentation des Wirbeltierkörpers. Ebenda.
Boehm, 4A. A., Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Peiromyzon Planeri.
Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. 32, 1888.
Brachet, A., Sur le developpement du foie et sur le pancreas de l’Ammocoetes. Anat.
Anz., Bd. 18, 1897, p. 621—636.
Bujor, M. P., Contribution a l’ötude de la metamorphose de I’ Ammocoetes branchialis en
Petromyzon Planeri. Revue biologique du Nord de la France, 3. et 4. Annde, Lille
1891.
anz verschieden; sie sind durch kleine Epidermiszapfen gebildet, deren oberste
ellenschichten durch Verhornung eine feste Kappe erzeugen. Ich verweise auf die
Untersuchung von JACoBY (1894).
1) Bei Petromyzon sind ebenso wie bei Ammocoetes 7 Kiemenspalten vor-
handen; bei Ammocoetes münden dieselben jederseits in einer Längsrinne des Kopfes.
2) A. SCHNEIDER gab an, daß der über dem Kiemendarm hinziehende Oesophagus
zur Zeit der Metamorphose dadurch entsteht, daß ein solider Zellenstrang über dem
Kiemendarm bis zum Velum nach vorn wächst. NESTLER (1800) zeigte, daß dieser
Zellenstrang längs des Kiemendarms als eine leistenförmige Wucherung des Epithels
des Kiemendarms angelegt wird; die Leiste schnürt sich von hinten nach vorn als
solider Strang ab und bildet das Epithel des Oesophagus; die Bildung des Lumens
geht ebenfalls von hinten nach vorn. Es ist zu vermuten, daß im Laufe der phylo-
genetischen Entwickelung die Einmündung des Oesophagus in den Kiemendarm
immer weiter nach vorn rückte, oder daß oben an dem Kiemendarm eine Längsrinne
sich abtrennte, welche zur Verlängerung des Oesophagus diente.
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2. Abschnitt: Myxinoiden, In ger.
Die Entwickelung von Bdellostoma stouti.
Die wichtigsten Schriften sind für die Eibildung diejenigen von DOFLEIN und
von CUNNINGHAM, für die Embryonalentwickelung diejenigen von DEAN (1897) und
DOoFLEIN (1598).
Unter den Myxinoiden ist nur die Entwickelung von Bdellostoma
stouti Lockington (= B. dombeyi Lac.) bekannt geworden. Die Eier
dieses Fisches wurden zuerst von Price an der Küste von Californien
in der Bucht von Monterey gefunden; Deax und Dorrem, welche die
Eier und die Embryonalentwickelung eingehend beschrieben, haben ihr
Material auch da gesammelt!). — Die Tiere leben am Meeresgrund meist
in einer Tiefe von 10—40 m, seltener in größerer Tiefe. Sie dringen
oft als Parasiten in die Leibeshöhle von lebenden oder toten Fischen ein
und fressen dieselben aus; sie können aber auch an der Angel gefangen
werden. — Die Befruchtung findet wahrscheinlich in der Weise statt,
daß die beiden Individuen sich aneinander ansaugen und sich umschlingen,
1) Die Conservirung geschah an der marinen biologischen Station in Pacifiegrove,
welche zu der Universität in Palo Alto gehört und auf einer Stiftung beruht (Hopkins
Laboratory of the Leland Stanford Jr. University).
92 3. Capitel, 2. Abt.
worauf das Weibchen die Eier entleert und das Männchen das Sperma
über dieselben ergießt!). Die austretenden Eier (gewöhnlich sind es 15 bis
25) hängen sich durch ihre Hakenapparate aneinander und sind in eine
große Schleimmasso eingebettet; der zühe Schleim ist von der Haut
der elterlichen Tiere und von den sog. Schleimsäcken derselben
Fig. 63. Bdellostoma stouti mit Eiern, welche an ihren Enden mittels der
Hacken zusammenhängen. (Nach DoFLEIN.)
abgesondert ?) — Es findet eine Art Brutpflege statt, indem das Weibchen
nicht aus der Schleimmasse herausschlüpft, sondern von dem Schleim
mit den Eiern umgeben ist; die eierhegenden Weibchen liegen an ge-
eigneten Stellen des Meeresgrundes in Scharen bei einander. — Die
Fortpflanzung findet fast das ganze Jahr hindurch statt, aber haupt-
sächlich im Sommer; im Juli werden die jungen Stadien am häufigsten
gefunden.
Das Ei hat eine längliche Form, ähnlich einer Banane oder Gurke.
Die Länge beträgt 2—3 em, die Breite etwa 7—8 mm. Es ist von einer
derben gelblichen Membran umschlossen, welche nach der Eiablage bei
der Berührung mit dem Seewasser erhärtet und eine hornartige Festig-
keit erhält. Diese Membran wird in dem Ovarium von den Follikel-
zellen abgeschieden und besteht aus zwei Schichten, einer inneren,
welche homogen ist, und einer äußeren, welche radiär gestreift erscheint,
da sie aus aneinandergefügten schmalen Prismen zusammengesetzt ist.
Der obere Teil der Eimembran löst sich später als Deckel ab, und
die Trennungslinie des Deckels wird schon bei der Entstehung der Ei-
membran vorgebildet („Opereularring“). An jedem Pole der Eimembran
1) Bei Bdellostoma werden die Männchen in mindestens gleicher Zahl gefunden
wie die Weibchen und erreichen auch dieselbe Größe wie diese. Bei Myxine aber
sind die Männchen selten. Von einigen Autoren (CUNNINGHAM, FRIDTJOF NANSEN)
ist beobachtet worden, daß im vorderen Teil der Gonade junger männlicher Exemplare
von Myxine unreife Eizellen vorkommen, und wurde darauf die Theorie gegründet,
daß bei Myxine ein protandrischer Hermaphroditismus besteht, (d. h. die Individuen
zuerst männliche ee später weibliche Geschlechtszellen entwickeln). DEAN hat aber
darauf hingewiesen, daß das Vorkommen unreifer Eizellen im Hoden junger Tiere
kein Beweis für protandrischen Hermaphroditismus ist, da es auch bei getrennt ge-
schlechtlichen Species (bei Petromyzon, manchen Teleostiern und Amphibien) an-
getroffen wurde.
2) In dem Schleim sind zähe Fäden enthalten, welche zu Knäueln aufgewickelt
in den Zellen der Haut und in den Schleimsäcken producirt werden (DOFLEIN).
Myxinoiden. 93
befindet sich eine Anzahl feiner starrer Fortsätze („Polhaken“), welche
an ihrem Ende in der Weise verbreitert sind, daß sie mit 4-hakigen
Ankern große Aehnlichkeit haben (Fig. 64) ; ihre Länge beträgt 5—7 mm,
ihre Zahl an einem Pol meist 30—50.
Diese Fortsätze sind dadurch gebildet,
daß sich während der Eientwickelung das
Follikelepithel, welches die Schale abscheidet,
entsprechend der Form der Fortsätze zu tiefen
engen Buchten ausgestülpt hat. — Am animalen
Pole des Eies, in der Mitte zwischen den
Fortsätzen liegt die Micropyle, ein enger Kanal,
welcher in der Mitte seines Verlaufes ein wenig
erweitert ist (Fig. 65). Während der Bildung
der Eischale wird derselbe dadurch offen ge-
halten, daß ein Fortsatz vom Follikelepithel an
dieser Stelle bis zur Eizelle durchgeht.
Die Eizelle ist beinahe ebenso groß wie
die Schale, so daß der Zwischenraum zwischen
Ei und Schale nur gering ist. Die Farbe des
Eies ist hellgelb. Der Dotter enthält ellip- Fiss Nee
tische und runde Dotterplättchen. An dem eines Eies von Bdellostoma
animalen Pole des Eies unter der Micropyle stouti mit Opercularring
liegt eine Keimscheibe, welche den weiblichen und Polhaken. (Nach
Kern enthält (Fig. 65) und in welcher die Be- POFLEIN.)
fruchtung stattfindet. Die Keimscheibe ist frei
von Dotter plättehen und enthält nur feine Dotterkörnchen; ihre Farbe
ist heller als das übrige Ei.
Die Furchung ist meroblastisch und diseoidal: sie verläuft in ähn-
licher Weise wie Ei den Knochenfischen. aber ist im Einzelnen noch
a hear ve Stummel der Polhaken
Sean I
Fig. 65. Oberer Teil eines Eies von PBdellostoma stouti im Längsschnitt.
(Nach Dorrein.) Die Polhaken sind abgeschnitten.
nicht vollständig beobachtet. — Bei der 1. Teilung tritt eine Furche
auf der Keimscheibe auf, bei der 2. Teilung eine 2. Furche, welche
annähernd senkrecht zur 1. geht (Fig. 66). Bei der 3. und 4. Teilung
wird nicht mehr ganz die zu erwartende Zahl der Furchen gefunden,
vermutlich deswegen, weil die Zellen viel Dotter enthalten, und folglich
die Teilung bei einigen Zellen sich beträchtlich verzögert. Die Öber-
flächenbilder dieser Stadien sind in Fig. 66 dargestellt. Die ersten
verticalen Kernteilungen finden wahrscheinlich bei der 5. Teilung statt
(wie bei vielen Knochenfischen und Ganoiden).
In der weiteren Furchung kommt es zur Bildung eines Periblastes,
welcher in derselben Weise entsteht, wie bei der Furchung der
Teleosteer und anderer meroblastischer Vertebraten. Von dem Anfang
94 3. Capitel, 2. Abt.
der Furchung an hängen die peripheren Zellen des Blastoderms und
die untersten Zellen desselben continuirlich mit dem Dotter zusammen;
bei ihrer Teilung werden mehrmals Blastomeren abgeschnürt und nach-
her fließen die mit dem Dotter zusammenhängenden Zellen zusammen
und bilden den Periblast; man sieht in Fig. 67 die Schicht des
4 Zellen S Zellen 16 Zellen
Fig. 66. Furchungsstadien von Bdellostoma stouti. (Nach DEAN.)
Periblastes mit den Kernen: darüber liegt eine Schicht flacher
Zellen, deren Herkunft und Bedeutung nicht klargestellt ist; ich
vermute, daß sie ein Dotterepithel ist, ähnlich dem Dotterepithel der
Selachier.
Das Blastoderm bildet am Ende der Furchung eine Haube, welche
den animalen Pol des Eies überdeckt und von da mehr und mehr über
das Ei herabwächst. Ein Blastocöl ist nicht beobachtet worden.
Das Herabwachsen des Blastoderms geschieht nicht auf allen Seiten
gleichmäßig, sondern schreitet auf einer Seite beträchtlich stärker vor
(s. Fig. 1 der Tafel). Auf dieser Seite ist der Rand der Blastoderm-
haube dicker als am übrigen Umfang; es ist hier der hintere Blasto-
dermrand, an welchem die Gastrulation vor sich geht. Es tritt an
dem verdickten Rand eine Trennung in 2 Schichten ein (Fig. 67), von
welchen die obere peripherwärts weiterwächst, während die untere
centralwärts vordringt; die letztere ist als eingestülpte Schicht an-
zusehen und bildet Entoderm und Mesoderm. Eine Gastralhöhle ist zur
Zeit der Gastrulation nicht vorhanden (ebenso wie bei den Teleosteern).
Die Anlage des Embryo erscheint ebenda wo die untere Schicht
gebildet ist, also am hinteren Rand der Blastodermscheibe. Die
Embryonalanlage verlängert sich, während das Blastoderm weiter über
das Dotter herabwächst (Fig. 2 der Tafe]).
Im Ektoderm differenzirt sich längs der Embryonalanlage eine
Medullarplatte, welche sich im Stadium der Fig. 2 der Tafel schon zum
Medullarrohr entwickelt hat. Die Medullarplatte bildet nicht einen
soliden kielartigen Strang wie bei den Petromyzonten und bei den
Knochenfischen, sondern das Medullarrohr wird hohl angelegt, in ähn-
licher Weise wie bei den Amphibien. Nur am hintersten Teil des
Embryo ist die Medullaranlage wahrscheinlich solid wie bei den Knochen-
fischen !). — Die Gehörblase entsteht als eine offene Grube des Ekto-
derms, welche sich einsenkt und vom Ektoderm abschnürt.
1) Ich schließe dies aus den von DoFLEIN und von DEAN gegebenen Ab-
bildungen und aus der Bemerkung von DEAN: „It is not certain that in the posterior
portion of the neural canal the Jumen owes its origin to neural folds“. — Ein Canalis
neurentericus ist folglich wahrscheinlich nicht vorhanden. Die helle Stelle, welche
Myxinoiden. 95
Während die Umwachsung gegen den vegetativen Pol hin fort-
schreitet, bildet sich hinter dem Schwanzende des Embryo eine naht-
artige Vereinigung der Blastoporusränder (Fig. 3 der Tafel). Diese
"ey
EI) IE
BRD
E En 2
5 Re ”@-
\ ” Ö ni a = ed
eo OD:
OSSE Ö
Fig: 67. Sagittalschnitt durch den Embryonalteil des Blastodermrandes (die
dorsale Blastodermlippe) von Bdellostoma stouti. (Nach Dras.) $ Zellen an der
Oberfläche des Periblastes, 7 Kerne im Periblast, SZ Dotter.
Nahtbildung stellt theoretisch einen Teil des Blastoporusschlusses dar.
Der Rest des Blastoporus schließt sich am vegetativen Pole des Eies
oder in dessen Nähe: hier findet die letzte Vereinigung der Um-
wachsungsränder statt, und wird so das Dotterloch bedeckt.
Fig. 68 zeigt den Kopf eines Embryo, welcher ein wenig jünger
ist als der in Fig. 3 der Tafel abgebildete und bei welchem die Um-
wachsung des Dotters auch nahezu beendet war. In der Mittellinie
verläuft der Gehirnteil des Medullarrohres durch den Kopf hindurch !).
Neben dem Medullarrohr bemerkt man die ziemlich kleinen Augen-
blasen und weiter hinten die etwas größeren Ohrbläschen. Hinter dem
Öhrbläschen sieht man den Beginn der Reihe der Ursegmente. Seitlich
an dem Kopf bemerkt man die Kiemenspalten; es sind in diesem
Stadium 7—8 Kiemenspalten gebildet. Die vorderste derselben, welche
dem Spritzloch der Selachier entspricht, entfernt sich allmählich von
den anderen Spalten und verschwindet dann völlig; die folgenden
Kiemenspalten erhalten sich, und ihre Zahl wächst allmählich durch
Bildung neuer Spalten auf 13— 14 Spalten an, wie sie das erwachsene
Tier besitzt. Die äußeren Taschen, welche an jeder Kiemenspalte herein-
wachsen, um sich mit der entodermalen Anlage der Kiemenspalte
zu verbinden, verlängern sich später zu den Röhren, durch welche die
Kiemensäcke der Myxinoiden nach außen münden.
Die Augen sind bei den vorliegenden Embryonen stets von
auffallender Kleinheit. Die Augenanlage entsteht in derselben Weise
wie bei anderen Vertebraten aus dem Vorderhirn. Aber eine Linse
und eine Iris werden nicht gebildet, auch Augenmuskeln wurden nicht
DEAN als unteres Ende des Canalis neurentericus bezeichnet, ist vermutlich die
Kuprrer’sche Blase (vgl. die Verhältnisse bei den Teleosteern) DOFLEIN erwähnt
ausdrücklich, daß am Schwanzende eine große KUPFFEr’sche Blase vorhanden ist.
1) Sehr häufig ist das Medullarrohr zu dieser Zeit in der Gegend des 4. Ven-
trikels in vielfache hin- und hergehende Windungen gebogen, was aber bei dem ab-
ebildeten Embryo nicht der Fall war. Ferner ist am Hinterhirn oft eine Gliederung
(Neuromerie) sichtbar, welche aber zu den späteren segmentalen Nerven keine Be-
ziehung hat. Die Entwickelung des Gehirns und der Grehirnnerven ist neuerdings
(1900) von KUPFFER beschrieben worden und muß ich auf seine Darstellung ver-
weisen (s. das Litteraturverzeichnis).
96 P Capitel, 2. Abt.
beobachtet (Dean). Nach DOFLEIN tritt vorübergehend eine Linsen-
anlage auf, welche bald wieder verschwindet; die Augenblase buchtet
sich ohne eine Linse ein.
Die erste Anlage der Nase
ist eine flache Einsenkung des Ek-
toderms an der Unterseite des
Kopfes. In einem späteren
Stadium besteht die Nase aus
op 2 Nasenhöhlen, welche durch eine
mediane Scheidewand getrennt
sind, und wird jede Hälfte der
Nase durch secundäre Falten in
3—4 Abteilungen zerlegt (PRICE).
An die Nase sich anschließend
entsteht über dem Schlund ein
Kanal, welcher vorn mit der Nase,
hinten mit dem Schlund in Ver-
bindungsteht. EsistderNasen-
rachengang; KUPFFER be-
Fig. 68. Kopf eines Embryo von
Bdellostoma stouti mit 7—8 Kiemen-
spalten. (Nach DEAN.) op Auge, I
1. Kiemenspalte.
zeichnet ihn als Hypophysenkanal. Nach Kuprrer’s Darstellung
wird derselbe durch vorwachsende Falten von dem Lumen des
Schlundes abgeschnürt; jedoch scheint mir die Entwickelung dieses
Kanals noch nicht ganz klargestellt zu sein.
Die erste Anlage des Herzens zeigt sich bei jungen Embryonen ?)
vorn vor der Spitze des Kopfes zwischen den beiden Pericardialhöhlen,
welche nicht nur seitlich am Kopf hervortreten, sondern auch weiter vorn
sich ausdehnen. Später wächst der Kopf über die ganze Pericardial-
höhle hinweg, und so kommt das Herz unter den Kopf und hinter die
Kiemengegend zu liegen’). Es mag erwähnt werden, daß auch bei
manchen Knochenfischen das Herz vorn vor dem Kopfe des Embryo
sich anlegt und in derselben Weise in seiner relativen Lage zum Kopf
sich verschiebt.
Indem der Embryo sich verlängert, schiebt sich sein Kopfende
über das vordere Ende des Eies hinüber, sein Hinterende über das
hintere Ende; Kopf und Schwanz wachsen also auf der anderen Seite
des Eies einander entgegen (Fig. 4 und 5 der Tafel). — Längs der
1) KUPFFER und einige andere Autoren sind der Ansicht, daß der Nasenrachen-
gang den ursprünglichen Mundder Wirbeltiererepräsentiert. Ich geheauf diese Hypothese
nicht ein, da sie nach meiner Meinung nur schwach begründet und durchaus stritti
ist. Ich verweise auf die kritischen Bemerkungen von FÜRBRINGER (Mürshek
Jahrbuch, Bd. 18).
2) Zur Zeit der Entstehung der ersten Kiemenspalten.
3) Man sieht das Herz an Fig. 69, welche einen Querschnitt durch den Kopf
eines Embryo darstellt, der Entwickelungsstufe nach etwa Fig. 68 entsprechend. Man
sieht an der Fig. 69, daß das Endokemlegirnel 2 Röhren bildet; auf den folgenden
Schnitten fließen dieselben zu dem einheitlichen Herzschlauch zusammen. Fast in
der ganzen Länge des Herzens sind 2 Endothelschläuche vorhanden, die aneinander-
liegen und sich dann zu einem einfachen Truncus vereinen, um gleich darnach als
ventrale Aortenwurzeln zu divergiren (KUPFFER).
Myxinoiden. 97
Seiten des Embryo bildet sich ein breites Gefäß, von welchem zahl-
reiche feine (refäße über den Dotter gehen (Fig. 4 der Tafel). Ferner
fällt ein Gefäß auf, welches vor dem Kopfende verläuft und zahl-
vorderstes Gan- | _
glion d. Trigeminus(| "”——
Placode der Epi-\
dermis a
7 5 ID A = -———- Gehirn
äußere Kiemen- \ IE u ETNEREN r
furche ne
Ektoderm --- — u
Somatopleura ="
__. [Infundibular-
\teil d. Gehirns
Splanchnopleura —__ Mundbucht
‘
Entoderm (Dotter-\ _
epithel) |
Herzschlauch
Fig. 69. Querschnitt durch den Kopf eines Embryo von Bdellostoma stouti.
(Nach KUPFFER.) Das Stadium entspricht ungefähr Fig. 68. Der Schnitt ist der
6. hinter der Augenblase.
reiche seitliche Aestchen besitzt; vermutlich ist dies eine Vene, welche
das Blut vom Dottersack zu dem Vorhof des Herzens führt. Es ist
noch nicht genau bekannt, wie die genannten Gefäße in den Kreislauf
des Embryo eingefügt sind. Das Blut ist rot gefärbt.
Von äußerlich sichtbaren Organanlagen — die Entwickelung der
inneren Organe ist noch wenig bekannt — mögen noch die Schleim-
beutel und die Barteln erwähnt werden: an Fig. 70 sieht man die
Reihe der Schleimbeutel, welche unter der Reihe der Kiemenspalten
verläuft; die Reihe setzt sich über die ganze Länge des Körpers bis
auf den Schwanz fort; die Schleimbeutel liegen größtenteils segmental,
in jedem Segmente einer. — Die Barteln treten zuerst als warzenähn-
liche Höcker auf (Fig. 70) und wachsen dann in die Länge (Fig. 71);
es werden 4 Paar Barteln angelegt; 1) die Nasenbarteln, welche seitlich
vor der Nasenöffnung liegen, 2) die medianen Barteln, welche am
hinteren Rand der Nasenöffnung sitzen, 3) die äußeren Barteln, welche
seitlich vom Mund gelegen sind, und 4) die hinteren Barteln, welche
nachher mit den äußeren Barteln an der Basis sich vereinigen.
DOoFLEIN erwähnt, daß der Embryo am Hinterende mit seitlichen
Leisten versehen ist, in welche Muskelknospen hineinzuwachsen scheinen.
Diese Leisten werden von DEAN nicht erwähnt; wenn sie vorhanden
sind, haben sie vielleicht große theoretische Bedeutung, indem sie
eine Stütze der BALFOUR’schen Extremitätentheorie bilden, nach welcher
die Extremitäten der höheren Wirbeltiere aus einem continuirlichen
lateralen Flossensaum entstanden sind (vergl. das Capitel Selachier).
Zur Zeit des Ausschlüpfens ist der Embryo etwa 45 mm lang;
an der langgestreckten Körperform tritt der Dottersack deutlich hervor,
wie Fig. 71 zeigt. Die Zeit vom Beginn der Entwickelung bis zum
Ausschlüpfen des Embryo beträgt mindestens S Wochen. Der aus-
schlüpfende Embryo ist in der Körperform dem ausgebildeten Tiere
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, fe
g8 3. Capitel, 2. Abt.
ähnlich: es findet also keine Metamorphose statt, sondern die Ent-
wickelung ist direct.
Die Zähne der Myxinoiden, welche bekanntlich in 2 Reihen auf
der Zunge stehen, sind ebenso wie die Zähne der Petromyzonten nur
durch Epidermisverdiekungen gebildet (also ganz ungleich den Zähnen
der Gnathostomen).
„ aud
Fig. 70. Kopf eines Embryo, welcher ein wenig älter ist als Fig. 4 der Tafel.
(Nach DEAN.) «a Sinus venosus, aud Ohrbläschen, Asp Kiemenspalten (unter der
Reihe der Kiemenspalten sieht man die Reihe der Schleimbeutel), m Stelle der
Mundbucht. „ Stelle der Nasengrube; die Höcker sind die Anlage der Barteln, »
Ventrikel des Herzens.
Ueber die Entwickelung des Exeretionssystems der Myxino-
iden liegen mehrere eingehende Arbeiten vor. Auf Myxine beziehen sich
die Untersuchungen von KIRKALDY, SEMON, SPENGEL und Maas, auf
Fig. 71. Embryo von Bdellostoma stouti annähernd zur Zeit des Ausschlüpfens.
(Nach DEAN.)
Bdellostoma die Studien von WELDON und von PRICE. Es ist bei
den Myxinoiden eine Vorniere (Pronephros) und eine Urniere (Meso-
nephros) vorhanden, doch scheint eine strenge Trennung von Vorniere
und Urniere in frühen Entwickelungsstadien kaum möglich zu sein !).
Bei kleinen Exemplaren von Myxine besteht die Vorniere aus
einer Anzahl abteilungsweise hinter einander gelegener (ursprünglich
wohl segmentaler) Kanälchen, deren jedes von einem von der Aorta
1) Semox faßt das ganze Exeretionssystem der Myxinoiden als Vorniere auf.
Myxinoiden, 99
kommenden Gefäßnetze umspült wird. Die Kanälchen beginnen mit
mehreren Östien in der Pericardialhöhle, aber besitzen keine Aus-
führung, da der Urnierengang erst weiter hinten sich bildet. Die
Kanälchen der Vorniere wandeln sich samt den umspülenden Gefäßen
zu einem eigentümlichen nebennierenartigen Körper um, wobei (die
Ostien erhalten bleiben und sich an Zahl noch vermehren. Die hintersten
Gefäßnetze der Vorniere concentriren sich zu einem großen Gefäß-
knäuel (Glomus). — Eine kleine Strecke hinter dem Glomus der Vor-
niere beginnt die Urniere (Mesonephros). Sie besteht aus dem Ur-
nierengang und aus ursprünglich segmental gelegenen Urnieren-
kanälchen, welche jeweils mit einer Bowman’schen Kapsel an einem
Glomerulus beginnen und in den Urnierengang einmünden. Eben-
falls in ursprünglich segmentaler Anordnung findet man an dem Ur-
nierengang Gefäßgeflechte, welche denjenigen der Vornierenkanälchen
ähnlich sind (MAAS).
Bei Bdellostoma entstehen Vorniere und Urniere in ganz gleich-
artiger Weise (PRıcE). Vom oberen Blatt des Cölomepithels (von der
Somatopleura) aus bilden sich Kanälchen in ursprünglich segmentaler
Anordnung, und gleichzeitig entsteht der Gang (Vornieren- und Ur-
nierengang) aus einer die Anlagen der Kanälchen verbindenden streifen-
artigen Verdiekung der Somatopleura. Die Verbindung der Kanälchen
mit dem Cölom bleibt nur bei einem Teil der Kanälchen der Vor-
niere erhalten. Im ganzen Bereich der Urniere wird die Verbindung
derKanälchen mit dem Cölom aufgegeben, aber es bildet sich an jedem
Kanälchen ein MALPIGHT'scher Körper (BOwMan’ sche Kapsel mit Glo-
merulus). Im hintersten Rumpfteile kommen die Kanälchen nicht zur
Entwickelung, und es entstehtnur der Gang. — Es ist noch besonders
bemerkenswert, daß die Vorniere ursprünglich schon vor der Kiemen-
region, nämlich in dem Segment des 11. Spinalganglions beginnt: dann
atrophirt sie im Bereich der Kiemenregion, und die Vorniere ist beim
erwachsenen Tier auf einige hinter der Kiemenregion folgende Seg-
mente beschränkt !).
Von einer genaueren Besprechung des Exeretionssystems der
Myxinoiden muß hier abgesehen werden, besonders da das Gebiet noch
nicht ganz klar ist und viele Meinungsverschiedenheiten der Autoren
bestehen.
Es ist an mehreren Stellen darauf hingewiesen worden. daß die
Embryonalentwickelung von Bdellostoma manche Aehnlichkeiten mit
derjenigen der Teleosteer besitzt (p. 93—95). Diese Uebereinstimmung
kann aber schwerlich als Zeichen naher Verwandtschaft aufgefaßt
werden, sondern dürfte wohl als Convergenz anzusehen sein. Die Aehn-
lichkeit der Gastrulation folgt daraus, daß das Ei von Bdellostoma
eine ungewöhnliche Größe hat und sehr dotterreich ist wie die Eier
der Knochenfische.
1) Das Vorkommen der Vornierenkanälchen im Bereich der Kiemenregion von
Bdellostoma ist dadurch wichtig, daß sich bei Amphioxus die Nierenkanälchen in
der Kiemenregion befinden. Das von MAAS bei Myxine beschriebene Gefäßnetz der
Vornierenkanälchen erinnert auch an die Gefäße der Nierenkanälchen von Amphioxus
7*
100 3. Capitel, 2. Abt.
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(betrifft nur die Geschlechtsorgame).
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Spengel, J. W., Die Excretionsorgane von Myzine. Anat. Anz., Bd. 13, 1897, p. 49—60.
— Semon’s Schilderung der Mesonephros von Myzine. Anat. Anz., Bd. 13, 1897, p.
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Weldon, W. E. R., On the head kidney of Bdellostoma. Quart. Journ. mier. Sc.,
Bd. 24, 188}.
=
IV. CAPITEL.
Selachier.
Elasmobranchier, Knorpelfische.
Die Fortpflanzungsweise und die Eier.
Bei allen Selachiern (Haifischen, Rochen, Chimären) findet eine Be-
gattung statt und erfolgt die Befruchtung im Oviduct. Manche Selachier
sind eierlegend, andere lebendiggebärend. Bei den ersteren ist das Ei
von einer Eiweißschicht und von einer pergamentartigen braunen Ei-
schale umhüllt (Fig. 73); meist ist die Eischale zum Zweck der Be-
festigung der Eier an Wasserpflanzen mit fadenförmigen Ausläufern ver-
sehen. Zu den eierlegenden Selachiern gehören die Gattungen Scyllium,
Pristiurus, Cestracion, Raja u. a.
Dagegen sind lebendiggebärend die Gattungen Hexanchus, Notidanus,
.Acanthias, Scymnus, Galeus, Squalus, Mustelus, Carcharias, Zygaena,
Squatina, Torpedo u. A. Bei diesen ist die Eischale dünn und zart: sie
kann im Uterus verschwinden oder aber bis zu dem Ende der Embryo-
nalentwickelung erhalten bleiben!); in letzterem Falle legt sie sich der
Uterusschleimhaut dicht an, und dann findet auf osmotischem Wege aus
dem mütterlichem Körper eine Zufuhr von Flüssigkeit statt, welche
offenbar für die Ernährung des Embryo von Wichtigkeit ist.
Bei Mustelus laevis und Carchariasarten kommt es zur Bildung einer
Dottersack-Placenta, indem der langgestielte, gefäßreiche Dotter-
sack sich (wie die Allantois der placentalen Säugetiere) der Wand des
Uterus anfügt und die Lappen und Läppchen desselben sich in ähnlicher
Weise wie bei der Placenta der Säugetiere in entsprechende Vertiefungen
der Uteruswand einsenken ?).
1) Diese Eischale bleibt bei Mustelus bis zur Geburt, schwindet dagegen früh-
zeitig bei Scymnus und etwas später bei Acanthias. Bei Scymnus, Acanthias und
Spinax quillt der Dottersack im Uterus beträchtlich auf, und infolgedessen zerreißt
die Eischale und werden ihre Reste nach dem unteren Teil des Uterus weggeführt
(LeyvıG 1852).
2) Diese Placentabildung war schon ARISTOTELES bekannt; sie wurde von neuem
entdeckt durch JOHANNES MÜLLER (1840). — LEyDıc (1852), welcher einen Mustelus
102 4. Capitel,
Die primäre Hülle der Eier der Selachier ist die Eimembran,
welche der Eizelle unmittelbar aufliegt und welche der Eimembran
anderer Fische homolog ist!. Aber in vielen Fällen ist die Eimembran
rudimentär geworden, da das Ei durch die secundären Hüllen geschützt
war. Rückerr (1899) hat gezeigt, daß bei Torpedo ocellata und Pristi-
urus melanostomus ein feines Häutchen über der Keimscheibe liegt,
welches das Rudiment der Eimembran ist.
Die secundären Hüllen des Selachiereies sind die Eiweißschicht
und die Eischale. In ähnlicher Weise wie bei den Reptilien und
Vögeln ist die Eizelle der Selachier von einer Eiweißschicht umhüllt,
welche ebenso wie die Eischale im Eileiter gebildet wird.
Uebersicht der Entwickelungsvorgänge und die Stadien von
BALFOUR.
Es dringen zahlreiche Spermatozoen in das Ei ein, von denen aber
nur eines sich mit dem weiblichen Vorkern verbindet.
Die Furchung ist discoidal, die Furchungsbilder sind ähnlich wie
bei Knochenfischen, Reptilien und Vögeln. Noch im 16-zelligen Stadium
liegen alle Blastomeren in einer Ebene, und kann man gewöhnlich 4 cen-
trale und 12 periphere Zellen unterscheiden. Beim Uebergang zum
32-zelligen Stadium wird das Blastoderm in seinem mittleren Teil zwei-
schichtig. Bei der weiteren Furchung teilen sich die peripheren und
die untersten Zellen des Keimes mehrmals in der Weise, daß die eine
Zelle eine freie Blastodermzelle wird, die andere mit dem Dotter in Ver-
bindung bleibt. Die Zellen letzterer Art fließen schließlich mit dem
Dotter zusammen, und ihre Kerne degeneriren im Dotter ebenso wie die-
laevis mit 21 em langen Embryonen untersuchte, berichtet, daß jeder der im Uterus
befindlichen Embryonen noch von seiner Eischale umhüllt war, welche ein homogenes
gelbliches zartes Häutchen darstellte, das unmittelbar dem Pflasterepithel der zotten-
losen Uterusschleimhaut sich anschmiegte.e Der den Embryo umgebende Raum war
mit einer Flüssigkeit erfüllt, die aus der Verflüssigung der Eiweißschicht herzuleiten
ist; der am Embryo frei heraushängende Dottersack war fast 3 cm lang, gefäßreich
und gefaltet. LEYDpIG untersuchte ferner einen trächtigen Uterus, welcher ältere
Embryonen enthielt (von 33 cm Länge). Die zottenlose Schleimhaut des Uterus
setzte sich in mehrere zarte, sehr gefäßreiche Scheidewände fort, welche den Eiern
dicht anlagen und sie nestartig umschlossen. Es fand sich die homogene gelbliche
Eischale, welche der Uterusschleimhaut dicht anklebte; außer dem Embryo
umschloß dieselbe eine reichliche Menge von Flüssigkeit. Am Ende des 36 cm langen
Nabelstranges befand sich die über 4 cm im Durchmesser messende Placenta; diese
stellte einen plattrundlichen Körper dar und hatte eine dunkelrote Farbe; sie war
in einzelne Lappen und Läppchen geschieden, die man Cotyledonen nennen kann.
Die Placenta kann vom Nabelgang aus aufgeblasen werden, ist also nichts anderes
als der sehr gefaltete Diianack Die Schleimhaut des Uterus ist an der Stelle, wo
der Dottersack sich festsetzt, in sehr zahlreiche Fältchen erhoben, welche in die
Falten und Runzeln des Dottersackes eingreifen. Der Dottergang ist mit Flimmer-
epithel ausgekleidet und mündet in den Anfang des ebenfalls flimmernden und mit
Dottermasse erfüllten Klappendarmes.
1) Man kann an der Eimembran eine äußere homogene Schicht und eine innere
feingestreifte unterscheiden (Fig.5 auf p. 15). Nach SCHULTZ ist die äußere Schicht von
dem Follikelepithel abgeschieden und demnach als Chorion zu bezeichnen, während.
die innere als ein Absonderungsproduct der Eizelle angesehen wird. Nach BALFOUR
sind beide Schichten von der Eizelle abgeschieden, und zwar die äußere zuerst. Die
beiden Schichten der Eihaut werden, wenn das Ei der Reife entgegengeht, allmählich
Zone und sind größtenteils verschwunden, wenn das Ei seine völlige Reife erreicht
at.
Selachier. 103
jenigen Kerne, welche von den überzähligen Spermakernen (Nebensperma-
kernen) abstammen.
Ungefähr nach der 10. Teilung der Blastodermzellen entsteht unter
dem Blastoderm die Furchungshöhle. Dieselbe entwickelt sich einseitig,
indem das Blastoderm anfangs nur an einer Seite sich verdünnt; auf
dieser Seite bildet sich nachher die Anlage des Embryo.
Die Zellen des Blastoderms schließen sich an der Oberfläche des-
selben zu einer epithelialen Schicht zusammen; die unter derselben
liegenden Zellen ordnen sich zum Teil derselben ein, zum Teil bilden
sie eine am Boden der Furchungshöhle gelegene Zellschicht, das sub-
blastocöle Entoderm (Dotterepithel). Während der nun folgenden Aus-
breitung des Blastoderms findet die Gastrulation statt.
Es bildet sich am Hinterrande des Blastoderms eine Einstülpung, und
unter der eingestülpten Schicht erscheint die Gastralhöhle. Man unter-
scheidet die axiale Gastralhöhle, welche in.der Richtung des Embryo
nach vorn vordringt, und die periphere Gastralhöhle, welche von der
axialen Gastralhöhle aus am Rande des Blastoderms nach den Seiten
hin sich erstreckt. — Das Mesoderm wächst aus der eingestülpten Schicht
hervor; man unterscheidet das axiale Mesoderm, welches in der Anlage
des Embryo die beiden Mesodermstreifen bildet, und das periphere
Mesoderm, welches längs des Randes des Blastoderms sich entwickelt.
Das axiale Mesoderm bildet die Ursegmente und die Seitenplatten, aus
dem peripheren Mesoderm geht eine periphere Fortsetzung der Seiten-
platten und eine längs des seitlichen und vorderen Blastodermrandes
liegende Reihe von Blutanlagen hervor.
Aus der axialen Gastralhöhle entsteht der Darmkanal. Die peri-
phere Gastralhöhie verschwindet. Das über dem axialen Entoderm ge-
legene Ektoderm stellt die Medullarplatte dar. Am Hinterende des
Embryo bildet sich eine rinnenartige Einkerbung, welche die Medullar-
rinne mit der Darmrinne verbindet; aus derselben geht der Canalis
neurentericus hervor, indem das Medullarrohr sich bis zum Ende schließt
und 2 seitlich an der genannten Einkerbung gelegene Ausbuchtungen des
Blastodermrandes (die Schwanzlappen) sich median vereinigen.
Barrour hat die Stadien der Entwickelung der Selachier mit Buch-
staben bezeichnet, wobei er die Entwickelung von Pristiurus zu Grunde
legte. Da viele spätere Autoren seine Stadieneinteilung benutzt haben,
will ich dieselbe hier anführen }).
Stadium A: Blastodermscheibe, bei welcher am Hinterrande die
erste Anlage des Embryo (der Embryonalschild) sichtbar geworden ist
(Fig. 72A). — Stadium B: Aehnliches Stadium, bei welchem aber
schon die Medullarfurche auf dem Embryonalschild erschienen ist. —
Stadium C: Die Medullarplatte hat sich etwas mehr aus der Fläche
des Blastoderms herausgehoben; sie ist durch eine vordere Falte be-
grenzt (Kopffalte) und 2 seitliche Falten (Seitenfalten, Medullarwülste) ;
1) Da diese Reihe von Stadien nach der Entwickelung von Pristiurus und
Scyllium aufgestellt ist, kann sie nur annäherungsweise auf andere Selachier ange-
wandt werden; denn die relative Zeit der Anlage der Organe ist bei den Gattungen
und Arten nicht ganz übereinstimmend. Es müßte daher, streng genommen, für jede
' Art eine besondere Stadieneinteilung aufgestellt werden; dies wäre aber umständlich
und weitschweifig; jedenfalls ist zu empfehlen, daß man sich möglichst an die schon
bestehende Stadieneinteilung anschließt.
Zr u 3.5
104 4. Capitel.
die Medullarfurche ist im Rumpfteil tiefer geworden. — Stadium D:
Am Hinterende der Embryonalanlage sind die Schwanzlappen sichtbar
geworden, die Medullarplatte ist im Rumpfteil stark gefaltet, am Kopf-
teil noch flach (Fig. 72D).
Stadium E und F: Die Schwanzlappen treten deutlich hervor;
der Verschluß des Medullarrohres beginnt im Rumpfteil des Embryo
(Fig. 72F).
Stadium G: Die Schwanzlappen haben sich median vereinigt;
das Medullarrohr ist geschlossen und geht am Hinterende durch den
Canalis neurentericus in das Darmrohr über; es sind jetzt im Mesoderm
17 Segmente sichtbar; es erscheint die Anlage der 1. Kiemenspalte;
das Kopfende des Embryo hat sich jetzt mehr von der Blastodermscheibe
A D F G
. E}
o m ds an alv ds
Fig. 72. Embryonen von Pristiurus, Seyllium und Torpedo zur Darstellung der
Stadieneinteilung. (Nach BALFoUR.; A, D, F und J von Pristiurus, G von Tor-
pedo, L und N von Scyllium. Bei Fig. G und N sind die Embryonen als durch-
scheinende Objecte gezeichnet. alv Schwanzbläschen (Erweiterung des postanalen
Darmes unter dem Canalis neurentericus), an Stelle des Anus, aww Ohrbläschen, ds
Dotterstiel (Nabelstrang. Verbindung des Embryo mit dem Dottersack), es Embryo-
nalschild, fh Rest der urkhingsnöhle, m Mundbucht, mg Medullarrinne, o Auge, ts
Schwanzlappen.
abgeschnürt (Fig. 72G). — Stadium H: An der Gehirnanlage sind die
3 primären Gehirnbläschen erkennbar, am vordersten derselben sind die
primären Augenblasen hervorgewachsen; an der Stelle des Gehörbläschens
bemerkt man eine Verdickung des Ektoderms, auf welcher eine gruben-
förmige Einsenkung erscheint: in dem Mesodermstreifen sind 38 Segmente.
zu zählen; die Pericardialhöhle und die Anlage des Herzens sind erkenn-
bar; am Kiemendarm sind 2 Kiemenspalten angelegt, aber noch nicht
nach außen geöffnet. — Stadium J: Am Gehirn ist die Gehirnbeuge.,
stärker ausgeprägt; am Kiemendarm sind 3 Kiemenspalten angelegt,
aber noch keine nach außen geöffnet; der lebhaft pulsirende Herzschlauch
ist jetzt deutlicher, und es beginnt an ihm die Krümmung; der Schwanz
ist länger und die Stelle des Afters äußerlich bemerkbar (Fig. 72J);
der Embryo macht Muskelbewegungen.
N
ce er
Die
Selachier, 105
Stadium K: Der Nabelstrang, d.h. der Stiel, welcher den Embryo
mit dem den Dottersack umwachsenden Blastoderm verbindet, ist jetzt
schmäler geworden; der Schwanz ist beträchtlich länger; die beiden
Extremitätenpaare sind erschienen in Form von Längsleisten, das vordere
Paar über dem Vorderende des Bauchnabels, das hintere Paar eine
Strecke weit hinter dem Bauchnabel; das Gehörbläschen ist eingestülpt
und seine Oefinung beinahe geschlossen; am Auge ist die Bildung der
Linse beendet. Die Mundbucht bildet eine tiefe Grube, ist aber noch
nicht in den Kiemendarm durchgebrochen (am Ende dieses Stadiums bricht
sie durch); 4 Kiemenspalten sind nach außen geöffnet, eine 5. angelegt.
Stadium L: Der Stiel, welcher den Embryo mit dem Dottersack
verbindet, ist jetzt schmal und lang geworden; der Schwanz des Embryo
ist jetzt bedeutend in die Länge gewachsen und mit dorsalem und ven-
tralem Flossensaum versehen; die Teile des Gehirns sind deutlicher ge-
schieden; die Nasenanlagen sind grubenförmig; 5 Kiemenspalten sind
geöffnet, und es erscheinen die äußeren Kiemenfäden ; die 1. Kiemenspalte
nimmt die Form des Spritzloches an. Der Kieferbogen zeigt eine Knickung,
und der obere Teil desselben bildet den Oberkiefer (das Palatoquadra-
tum), der untere Teil den Unterkiefer (Fig. 72L). — Stadium M und
N: Es sind jetzt 6 Kiemenspalten ausgebildet, von welchen die 1. das
Spritzloch ist; die Extremitäten nehmen die definitive Stellung und Ge-
stalt an; aus den unpaaren Flossensäumen entstehen die unpaaren Flossen.
Stadium 0—@: Der Embryo nimmt allmählich die Gestalt der aus-
gebildeten Form an; er ist nur durch einen dünnen Stiel mit dem Dottersack
verbunden; die äußeren Kiemen sind jetzt lange Fäden (Fig. 122).
Das Ei und die Befruchtung bei Pristiurus melanostomus.
Die Befruchtung und Furchung der Selachier ist am genauesten von RÜCKERT
(1899) beschrieben worden, dessen Darstellung ich hier folge.
Das reife Ovarialei von Pristiurus melanostomus BonAP. ist kugelig
und mißt im Durchmesser 15—17 mm. Der Dotter ist weißlich-gelb
mit einem Stich ins Grünliche. Die Keimscheibe ist orangegelb ge-
färbt und von einem wallartigen weißlichen Hofe umgeben; sie mißt
zur Zeit der Befruchtung (nach der Rückbildung des Keimbläschens)
gegen 2 mm. — Das befruchtete Ei ist von einer
zäh-flüssigen Eiweißschicht umgeben und in eine
hornige Schale eingeschlossen, welehe an dem einen
Ende mit 2 Zipfeln versehen ist (Fig. 73). Entsprechend
der flachen Form der Eischale wird das Ei ein wenig
abgeplattet. Es schwimmt in dem Eiweiß und dreht
sich so, daß die Keimscheibe immer aufwärts gerichtet
ist. — Der Nahrungsdotter enthält Dotterplättehen von
elliptischer oder rechteckiger Form. Zwischen der Keim-
Fig. 73. Ei von Pristiurus melanostomus. °/, der natürl.
Größe. (Nach RÜckERT.) bl Blastodermscheibe mit Embryonal-
anlage, e Ei, s Eischale.
scheibe und der Masse des Nahrungsdotters befindet sich eine Schicht
mit feinen Dotterkörnchen, welche an der Oberfläche als der genannte
weißliche Hof zu Tage tritt.
106 4. Capitel.
Die Eireifung und Befruchtung ist an keine bestimmte Jahreszeit ge-
bunden, findet aber wahrscheinlich im April und Mai am häufigsten statt.
— Es gelangen stets nur 2 Eier gleichzeitig zur Reife, und je eines der
beiden geht durch einen Oviduct. — Das Eindringen der Spermatozoen
findet beim Eintritt des Eies in die Schalendrüse oder kurz vorher
statt. Während das Ei durch den ÖOviduet vorrückt, befindet sich die
Keimscheibe am Vorderende des Eies. In der Schalendrüse wird die
hornige Schale abgeschieden, in dem Maße, als das Ei in die Schalen-
drüse eintritt. Die Eier gelangen dann in den Uterus‘). Man findet
sewöhnlich in jedem Uterus eines Weibchens 1—4 Eier in verschie-
denen Entwickelungsstadien. Erst wenn die Furchung schon ziemlich
weit vorgeschritten ist, werden die Eier abgelegt.
Die Bildung der Richtungskörper ist von KASTSCHENKO (1890)
und von RÜCKERT (1892) beobachtet worden. Wenn das Keim-
bläschen, welches in dem Övarialei meist schon excentrisch liegt, an
die Peripherie des Eies gewandert ist, ziehen sich die Chromosomen
desselben an eine Stelle zusammen; sie gehen
dann in die erste Richtungsspindel über, während
SEN das ganze Keimbläschen sich auflöst, d. h. mit der
NAIYTUY Keimscheib fließt). Der erste Rich-
TER Ay \eımschelDe zusammen 1e E er erste ! 16
Fr DI tungskörper wird ausgestoßen, ehe das Ei das
LO RZESSA.
Hr BERN Fig. 74. Zusammenstellung der Chromosomenpaare
ET aus dem Keimbläschen eines 13 mm großen Ovarialeies
von Pristiurus. (Nach RÜCKERT.)
Ovarium verläßt, der zweite Richtungskörper wird gebildet, während
das Ei durch den Oviduect geht.
Bei der Besamung tritt nicht nur ein einziges Spermatozoon in
die Keimscheibe ein, sondern eine ganze Anzahl (meist 10—30, seltener
weniger oder mehr). Aus jedem Spermatozoon geht ein Kern hervor,
und an jedem derselben wird eine kleine Strahlung bemerkbar, in
deren Mitte ein Centrosom sich zeigt.
Aber nur einer dieser Kerne, nämlich derjenige, welcher dem
weiblichen Vorkern am nächsten liegt, kommt mit dem weiblichen
Vorkern zur Vereinigung’). Die beiden Vorkerne nähern sich, legen
1) Die Eischale von Pristiurus ist, wie schon gesagt wurde, an dem einen
Ende abgerundet, an dem anderen in 2 Fortsätze ausgezogen. Das runde Ende
geht beim Eintritt in den Uterus voran.
2) RÜCKERT beschreibt das Verhalten der Chromosomen in folgender Weise:
In kleinen ÖOvarialeiern sind 30—36 fadenartige Chromosomen vorhanden, welche
einen Knäuel bilden. Dieselben treiben feine seitliche Fortsätze, so daß sie wie be-
haart erscheinen; nachher spaltet sich jeder Faden der Länge nach, so daß die Zahl
der Chromosomen auf das Doppelte steigt. Dann nehmen die Chromosomen die Form
kurzer, dünner Fäden an (Fig. 74). Bis dahin waren die Chromosomen in dem
ganzen Keimbläschen verteilt, nun ziehen sie sich aber in dem Centrum desselben
zusammen. Gleichzeitig nehmen die Fäden an Länge ab, und es finden Vereinigungen
mehrerer Fäden statt. In der Aequatorialplatte der ersten Richtungsspindel stellen
dann die Chromosomen 18 kurze Stäbchen dar, welche den Vierergruppen anderer
Tiere entsprechen und welche bei der Bildung der beiden Richtungskörper zweimal
durchgeteilt werden.
3) Die polysperme Besamung des Eies ist also unschädlich, indem doch eine
eine monosperme Befrnehkung stattfindet. Da die vereinigten Vorkerne alsbald die
Spindel bilden, kann kein anderer Spermakern hinzukommen. Die überzähligen
Spermakerne werden während der Furchung aus der Keimscheibe verdrängt. — Die
|
De I 5
Selachier. 107
sich an einander und nehmen bald bedeutend an Größe zu, wobei der
männliche Kern aber immer etwas kleiner bleibt, als der weibliche
Kern. Das ÜCentrosom des männlichen Kernes teilt sich, es entstehen
2 deutliche Strahlungen,
und zwischen ihnen bildet
sich die erste Furchungs-
spindel aus. Während der
Teilung erscheint eine
schwache Andeutung der
ersten Furche.
Auch an den über-
zähligen Spermakernen
(Nebenspermakernen) tritt
die Teilung ein!); nahezu
zu derselben Zeit, wenn die
erste Furchungsspindel ent-
steht, aber ein wenig später,
sieht man auch die Spindel-
bildung an den Sperma-
kernen. Nach der Teilung
des ersten Furchungskernes Fig. 75. Keimscheibe von Pristiurus mit den
ist also auch die doppelte beiden Vorkernen in Berührung und mit über-
T a zähligen Spermakernen. Der Kreis bedeutet den
/ S - a: = 2
an. en Dre Umfang der Keimscheibe. (Nach RÜckeErr.)
Nach der zweiten Tei-
lung, also im Stadium von 4 Furchungskernen, sind an der Ober-
fläche der Keimscheibe 2 kurze, kreuzweise liegende Furchen vorhanden.
Auch bei der zweiten Teilung verdoppelt sich wieder die Zahl der Neben-
spermakerne.
Die weitere Furchung von Pristiurus verläuft ganz ähnlich wie
bei Torpedo.
Die Befruchtung und die Furchung bei Torpedo ocellata.
Beim Zitterrochen (Torpedo ocellata Run.) ist die reife Eizelle der-
jenigen von Pristiurus sehr ähnlich. Sie hat Kugelform, und der Durch-
messer beträgt 2—21!|, cm. Sie ist von blaßgelbem Aussehen und trägt
Polyspermie darf wohl ihre Erklärung darin finden, daß die Eimembran, welche
überhaupt einen rudimentären Charakter hat (p. 102), keinerlei Einrichtungen besitzt,
um die überzähligen Spermatozoen abzuhalten. — Vielleicht hat die Polyspermie bei
den großen und dotterreichen Eiern der Selachier und der Reptilien eine biologische
Bedeutung, indem dadurch die Sicherheit der Befruchtung erhöht wird. Denn wenn
nur ein einziges Spermatozoon eindringen würde, könnte es bei der Größe der Keim-
scheibe leicht geschehen, daß dasselbe zu weit von dem weiblichen Kern entfernt
läge. Infolge der Polyspermie aber sind die Spermakerne in allen Gegenden der
Keimscheibe zerstreut. — Auch bei den Reptilien, welche polysperme Besamung
haben, erfolgt die Befruchtung monosperm.
1) Das Wort Nebenspermakerne ist von OPPEL eingeführt, welcher bei ver-
schiedenen Reptilien das Eindringen überzähliger Spermatozoen als ein regelmäßiges
Vorkommnis nachgewiesen hat. — RÜCKERT bezeichnet die überzähligen Sperma-
kerne als Merocytenkerne; ich kann diesen Namen nicht übernehmen, da er in
keiner Hinsicht mehr zutreffend ist; RÜCKERT hat früher diese Bezeichnung für
Zellen und Kerne gebraucht, die an der Peripherie des Keimes gelegen sind und von
welchen Blastodermzellen abgeschnürt werden. Die überzähligen Spermakerne er-
zeugen aber keine Blastodermzellen. RÜCKERT giebt zwar auch in seiner neueren
Arbeit an, daß in seltenen Fällen Meroeyten zellenartige Gebilde erzeugen, welche
108 4. Capitel.
eine intensiver gelb gefärbte Keimscheibe. welche 11/,—2 mm mißt und
von einem weißlichen Hof umgeben ist. Der Dotter enthält ziemlich
große Dotterplättchen (8—22 1) von rechteckiger oder rundlicher Form ;
durch dichte Lagerung der Dotterplättchen werden in dem Ei concentrische
Schichten gebildet. Unter der Keimscheibe befindet sich eine dünne
Schicht, welche feine Dotterkörner enthält; sie bildet auch den genannten
weißlichen Hof, welcher die Keimscheibe umgiebt (wie bei Pristiurus).
Die Eimembran ist beim reifen Ei in Form eiues dünnen Häutchens
vorhanden, welches nur den animalen Eipol deckt. Eine Mikropyle wurde
in diesem Häutchen vergeblich gesucht.
Die Eireife und Befruchung tritt beim Zitterrochen im Golf von
Neapel in der zweiten Hälfte des April oder Anfang Mai ein. Die Be-
samung der Eier findet wahrscheinlich erst in demjenigen Abschnitte des
ÖOviductes statt, welcher zum Uterus erweitert ist und die Eier bis zur
Geburt der Jungen umschließt. Wenn die Eier in den Uterus eintreten,
werden sie durch das Sperma, welches infolge vorangehender Begattung
hier schon vorhanden ist, alle nahezu gleichzeitig befruchtet. Die Zahl
der im Uterus sich entwickelnden Eier schwankt beträchtlich (RÜCKERT
beobachtete 3—22 Eier in den beiden Uteri eines Tieres), aber alle
werden auf fast ganz gleicher Entwickelungsstufe getroffen.
Die Besamung ist auch bei Torpedo polysperm, ebenso wie bei
Pristiurus. Die Köpfe der Spermatozoen, welche in die Keimscheibe
eingedrungen sind, wandeln sich in runde Kerne um: einer derselben
kommt mit dem weiblichen Vorkern zur Vereinigung. Trotzdem meist
zahlreiche Spermatozoen in das Ei eindringen, wird also die Befruch-
tung doch nur durch ein einziges Spermatozoon vollzogen.
Wenn die beiden vereinigten Vorkerne die Furchungsspindel ge-
bildet haben, so treten auch die überzähligen Spermakerne in Mitose
ein; dies geschieht zuerst bei
denjenigen Kernen, welche der
Furchungsspindel zunächst
liegen, und allmählich bei den
weiter und weiter entfernten
Kernen. Es geht also offen-
bar von der Stelle der Befruch-
tung und der ersten Furchungs-
spindel eine Wirkung aus,
welche sich allmählich in der
Keimscheibe ausbreitet und
welche für die Nebensperma-
kerne einen Reiz bildet.
Fig. 76. Keimscheibe von Tor-
pedo ocellata mit der 1. Furchungs-
spindel (f) und überzähligen Sper-
sp f sp makernen (sp). Nach RÜCKERT.)
Da die beiden Vorkerne meist nicht genau in der Mitte der Keim-
sich dem Blastoderm beimischen, aber es ist ganz fraglich, ob dieselben am Aufbau
des Embryo teilnehmen. Ferner ist das Wort Merocytenkern zweideutig, denn es
bezeichnet sowohl die überzähligen Spermakerne, als auch jene von Furchungszellen
abstammenden Dotterkerne, welche den Periblastkernen der Teleostier homolog sind.
Selachier. 109
scheibe zusammentreffen, liegt auch die erste Furchungsspindel gewöhn-
lich ein wenig excentrisch; dann fällt natürlich das Centrum der
späteren Furchungsbilder auch nicht mit dem Centrum der Keim-
scheibe zusammen.
Nach der 1. Teilung kann man die beiden Furchungskerne leicht
von den überzähligen Spermakernen unterscheiden, da sie etwas größer
als die letzteren sind. Es folgt die 2. Teilung der Furchungskerne,
und gleich darauf die 2. Teilung der Spermakerne. j
Die Furchen treten bei Torpedo in der ersten Zeit der Furchung
verspätet und in nicht ganz regelmäßiger Reihenfolge auf; man findet
die 1. Furche gewöhnlich erst nach
der 2. Teilung; man sieht an Fig. 77
4 Furchungskerne und dazwischen eine
kleine Furche. Nach der 3. Teilung,
wenn 8 Furchungskerne vorhanden
sind, trifft man gewöhnlich nur die
1. und die 2. Furche ausgebildet.
Es kommt auch vor, daß die 2. Furche
früher erscheint als die 1., oder daß
die 1. und die 2. Furche am Ende
der 3. Teilung gleichzeitig auftreten.
Während der 1. Teilung werden
die Spermakerne an den Rand der
Keimscheibe gedrängt oder zum Teil
sogar über die Grenze der Keimscheibe
hinaus in den Dotter verschoben. Es
beruht dieser Vorgang darauf, daß die
Furchungskerne während ihrer Teilung Fig. 77. Keimscheibe von Tor-
sroße Bezirke der Keimscheibe be- pedo ocellata mit 4 Furchungskernen
herrschen und so die Spermakerne, (#) und überzähligen Spermakernen
: s : - (sp). (Nach RÜCKERT.)
deren Teilungsenergie relativ schwach
ist, aus ihren (Gebieten verdrängen !).
— Während der 4. und 5. Teilung der Furchungskerne tritt auch je-
weils wieder eine Teilung der Spermakerne ein, jedoch nehmen daran
nicht mehr alle Spermakerne teil, sondern bei den äußersten Sperma-
kernen bleibt die Teilung aus. Es zeigt sich auch hier das bekannte
Gesetz, daß die Teilung der Kerne verzögert oder gestört wird, wenn
die Kerne von Dotter umgeben sind.
Nach der 4. Teilung, wenn 16 Furchungskerne vorhanden
sind, findet man gewöhnlich ein Furchungsbild wie Fig. 7SI; man be-
merkt 4 centrale Blastomeren und 10 periphere; das Bild ist ähn-
lich wie das entsprechende Furchungsstadium der Teleostier ?). Die
peripheren Blastomeren sind nach außen gegen den Dotter hin nicht
abgegrenzt, sondern gehen in den Dotter über. Auch hängen in diesem
mMunmum—_ —--$
1) Als Analogie mag Folgendes angeführt werden. Wenn bei der Furchung der
Seeigel infolge irgend einer Schädigung nur Kernteilungen und keine Zellteilungen
eintreten, so kann man beobachten, daß jede Spindel durch die zugehörige Strahlung
ein gewisses Gebiet beherrscht, und daß infolgedessen die Spindeln sich in ziemlich
gleichmäßigen Abständen in dem Ei verteilen. Wenn aber eine Spindel eine größere
Teilungsenergie hat und eine stärkere Strahlung entwickelt, so nimmt sie auch ein
größeres Gebiet für sich in Anspruch und drängt so die schwächeren Spindeln
zurück.
2) Nur selten findet man bei Torpedo in diesem Stadium alle Furchen aus-
ebildet, so daß 16 Blastomeren zu sehen sind; die Zahl der sichtbaren Blastomeren
eträgt meist 11—14 oder noch weniger (RÜCKERT).
110 4. Capitel.
Stadium noch sämtliche Blastomeren nach unten mit dem Dotter zu-
sammen (Fig. 79). — Die 5. Teilung führt nun aber zur Bildung
einiger ganz abgegrenzter Blastomeren; denn bei dieser Teilung stellt
sich die Spindel in einigen Blastomeren vertical oder nahezu vertical;
natürlich geschieht dies am ehesten in den centralen Zellen, da diese
I II III
Fig. 78I—III. Furchungsbilder von Torpedo ocellata und Scyllium canicula.
(Nach RÜCKERT.) I Stadium mit 16 Furchungskernen von Torpedo, II Stadium mit
64 Furchungskernen von Scyllium, III späteres Furchungsstadium von Seyllium, bei
welchem 145 Zellen oberflächlich sichtbar sind.
in horizontaler Ausdehnung am kleinsten sind und also die verticale
Ausdehnung leicht größer ist als die horizontale. Bei einer solchen
Teilung wird die obere Teilzelle ein freies, ganz abgegrenztes Blasto-
mer, die untere bleibt mit dem Dotter in Verbindung. Es sind also
nicht mehr alle Blastomeren an der Oberfläche sichtbar; man sieht
von den 32 Blastomeren meist nur 19—24.
Durch die 6. Teilung entstehen 64 Blastomeren (Fig. 78II),
durch die 7. 128. Dabei wächst die Zahl der freien Blastomeren
sehr im Vergleich zu den mit dem Dotter zusammenhängenden Blasto-
meren; denn sowohl bei den Teilungen der peripheren Blastomeren
als auch bei den Teilungen der untersten Blastomeren werden immer
noch freie Blastomeren gebildet. An der Oberfläche ist jetzt nur noch
ein relativ kleinerer Teil der Blastomeren sichtbar: z. B. fand man
bei einem Furchungsstadium von 128 Zellen an der Oberfläche 68 Zellen,
darunter 25 periphere, bei einem anderen Ei desselben Stadiums 76
Zellen, darunter 26 periphere.
Bei der 8. Teilung entstehen 256 Zellen; es zeigt sich aber
bei dieser Teilung, daß diejenigen Zellen des Blastoderms, welche nahe
am Rande liegen, sich etwas später teilen als die anderen Zellen.
Bei den folgenden Teilungen ist der Zeitunterschied noch größer, und
daher kann man von jetzt an nicht mehr von allgemeinen Teilungs-
perioden des Blastoderms sprechen; während ein Teil der Zellen in
Teilung ist, bleibt ein anderer Teil in Ruhe.
Bei ungefähr 1000 Blastomeren, also ungefähr zu der Zeit, wenn
die 10. Teilung bei allen Zellen beendet ist, tritt die Blastula-
höhle auf. Sie ist anfangs ein Spaltraum, der unter der Masse der
abgefurchten Blastomeren erscheint (Fig. 81). Während die Teilungen
im Blastoderm fortschreiten, erweitert sich die Furchungshöhle auf
Selachier. 111
der einen Seite des Blastoderms (Fig. 83). Diese Erweiterung be-
zeichnet die embryonale
Seite des Blastoderms, Fie. 79
d. h. die hintere Seite, Dörlaz
an welcher vom Rand
aus die Gastrulation be-
ginnt und die Embryo-
nalanlage in die Keim-
scheibe hineinwächst ').
Fig. 79. Schnitt durch
ein l6-zelligees Furchungs-
stadium von Torpedo. (Nach
RüÜckErT.) Die Kerne der Fig. 80.
Furchungszellen sind nur in
den 2 mittleren Zellen auf
dem Schnitt getroffen. sp über-
zählige Spermakerne.
Fig. 80. Furchungsstadium
von Torpedo ocellata mit 64
Furchungsmitosen. sp über-
zählige Spermakerne. (Nach
Rückerr.) (Vergl. Fig. 7811.)
Fig. 81. Medianschnitt
durch das Blastoderm von
Torpedo am Ende der Fur-
chungsperiode. Zwischen dem
Blastoderm und dem Periblast
erscheint die Furchungshöhle,
hauptsächlich am hinteren
Blastodermteil (rechts). Unter
dem Blastoderm sieht man
Periblastkerne und überzäh-
lige Spermakerne. (Nach
RüÜckERT.)
Periblastkerne und Nebenspermakerne.
Es müssen nun noch einige Worte über die Kerne im Dotter
gesagt werden. Im Blastulastadium findet man am Rande des Blasto-
derms außerhalb desselben und ebenso an der Basis der Furchungshöhle da
und dort Kerne, die einzeln oder öfter gruppenweise liegen (Fig. 883—85).
Dieselben sind meistens von auffallender Größe und besitzen zum Teil
ein anormal dichtes Chromatinnetz, so daß sie sich bei der Färbung
ungewöhnlich dunkel färben. Die Kerne zeigen also derartige Ver-
änderungen, wie man sie auch sonst bei im Dotter liegenden Kernen
meroblastisch sich furchender Eier findet.
Diese Kerne können von zweierlei Ursprung sein, nämlich entweder
von den peripheren Furchungszellen sich herleiten und demnach Peri-
blastkerne darstellen, oder aber von den Nebenspermakernen
abstammen, von welchen in dem vorigen Abschnitt die Rede war.
1) Es ist nicht bekannt, wodurch es bedingt ist, daß sich an einer Seite des
Blastoderms die Erweiterung der Furchungshöhle und die Embryonalanlage bildet.
Man weiß nicht bestimmt, ob die Richtung des entstehenden Embryo mit der Lage
der Keimscheibe auf dem Dotter in Beziehung steht, oder mit der Excentrieität des
Furchungscentrums, oder mit der ersten Furchungsteilung oder mit irgend einem
anderen Verhältnis.
112 4. Capitel.
Es ist nicht völlig aufgeklärt, wie weit Kerne ersterer Art in Be-
tracht kommen. Früher haben BarLrour und andere Autoren alle die
Kerne im Dotter von den peripheren Furchungskernen abgeleitet. Dem-
nach kommt den Kernen im Dotter ein ähnlicher Ursprung zu wie den
Periblastkernen der Teleosteer!j. Diese Auffassung wird auch von So-
BOTTA vertreten.
Ferner muß die Ansicht von Hıs (1897) erwähnt werden. His leitet
neuerdings die Kerne des Dotters von Blastodermzellen ab, indem er
annimmt, daß abgefurchte Blastodermzellen sich mit Dotterkörnchen be-
laden und mit der Dottermasse verschmelzen.
Rückerr aber führt die Kerne im Dotter („Merocyten“) auf die
Nebenspermakerne zurück. Bis zu einem späten Furchungsstadium (kurz
vor dem Auftreten der Furchungshöhle) bestreitet er ausdrücklich, daß
Kerne vom Blastoderm aus in den Dotter gelangen; von dieser Zeit an
läßt er die Möglichkeit eines solchen Vorganges offen ?).
Ich bin der Ansicht, daß die Kerne, welche man im Blastulastadium
am Rande des Blastoderms und am Boden der Furchungshöhle findet,
einen zwiefachen Ursprung haben; ein Teil derselben stammt von den
überzähligen Spermatozoen, ein anderer Teil von den peripheren Fur-
chungskernen. Wir werden später sehen, daß es bei älteren Embryonen
noch einen dritten Ursprung von Kernen des Dotters giebt, nämlich das
subblastocöle Entoderm (Dotterentoderm) des Embryo. Man muß be-
denken, daß der Aufenthalt in dem Dotter zu einer Veränderung der
Natur der Kerne führt, und daß folglich Kerne von ganz verschiedener
Herkunft ganz gleichartige Umwandlungen erleiden und folglich im Aus-
sehen ganz ähnlich werden.
Ich stelle mir die Entstehung von Periblastkernen bei den Se-
lachiern in folgender Weise vor. In dem Stadium mit 32 Furchungs-
kernen stehen sowohl die peripheren Blastomeren als auch die untersten
Blastomeren mit dem Dotter in continuirlicher Verbindung. Dasselbe
gilt auch für die nächsten Furchungsstadien (vergl. Fig. 80); denn die
Zellen teilen sich meist so, daß die eine Teilzelle als freies Blastomer
dem Blastoderm beigefügt wird, die andere Teilzelle mit dem Dotter in
Verbindung bleibt. Die letztere Zelle wird dabei natürlich an Proto-
plasma ärmer als die Mutterzelle, und nach mehreren derartigen Teilungen
1) Ich verweise auf den späteren Abschnitt, in welchem die Entstehung des
Periblastes der Teleosteer besprochen wird (6. Capitel).
2) RÜCKERT zählte die Kerne des Blastoderms und zeigte, daß sie sich bei den
ersten Teilungen ganz regelmäßig vermehren, indem nach jeder Teilung doppelt so
viele Kerne vorhanden sind. Dies läßt sich bis zum Beginn der 9. Teilung
verfolgen, und darauf begründet RÜCKERT seine Meinung, daß bis zu dieser Zeit
keine Kerne aus dem Blastoderm in den Dotter gelangen können. Selbstverständlich
sind bei den Zählungen die Kerne derjenigen Zellen mitgezählt, welche an der Peri-
pherie und an der Basis des Blastoderms sich befinden und mit dem Dotter zu-
sammenhängen. Diese Zellen teilen sich so, daß die eine Teilzelle eine freie Blasto-
dermzelle wird, die andere mit dem Dotter in Verbindung bleibt. Es ist also die
Möglichkeit vorhanden, daß in einem späten Furchungsstadium die mit dem Dotter
in Verbindung stehenden Zellen zum Periblast zusammenfließen und daß ihre Kerne
in den Dotter geraten. — Beiläufig will ich erwähnen, daß RÜCKERT früher den
„Merocyten“ eine erhebliche Beteiligung am Aufbau der Keimblätter zuschrieb und
dabei ganz eigentümliche Zellbildungsvorgänge annahm. Ich habe mich in früheren
Schriften mehrfach gegen seine damalige Auffassung ausgesprochen und be-
stritten, daß von den Kernen im Dotter eine Zellbildung ausgehe. Seit RÜCKERT
die „Merocyten‘“ von überzähligen Spermakernen herleitet, ist er zu der Ansicht ge-
kommen, daß „eine Beteiligung der von Spermaköpfen stammenden Merocyten an
dem Aufbau des Embryo aus allgemeinen Gründen nicht wahrscheinlich ist“.
Selachier. 113
sind die mit dem Dotter verbundenen Zellen so arm an Protoplasma,
daß sie keine freien Blastodermzellen mehr erzeugen können; sie fließen
dann mit einander zusammen, da sie ja bisher auch nur unvollkommen
geschieden und an der Dottermasse nicht gegen einander ab-
gegrenzt waren. Es bildet sich also sozusagen ein Synceytium, eine
Schichte mit freien Kernen, welche das Blastoderm am Rande um-
gibt und sich unter dem Blastoderm hinzieht. Dann wirkt der umgebende
Dotter hemmend auf den Lebensprozeß der Kerne ein und veranlaßt die
genannten eigentümlichen Umänderungen der Kerne. Die Herkunft der
in Rede stehenden Kerne ist also dieselbe wie bei den Periblastkernen
der Teleosteer.
Da die Kerne, welche von den peripheren Furchungszellen ab-
stammen, ganz dieselben Umwandlungen erfahren wie die Nachkommen
der Spermakerne, sind sie von denselben immer schwerer zu unter-
scheiden; man kann also gegen Ende der Furchung die zwei Arten von
Kernen nicht mehr auseinanderhalten, und werde ich sie bei der Be-
schreibung der Blastula- und Gastrulastadien nur einfach als Kerne
im Dotter bezeichnen !).
Wenden wir uns nun nochmals zu den überzähligen Sperma-
kernen und überblicken wir das Schicksal, welches dieselben im
Laufe der Furchung erfahren. Wir haben gesehen, daß bei den ersten
Perioden der Furchung auf die Teilung der Furchungskerne alsbald
eine Teilung der Spermakerne folgt. Die Spermakerne sind von den
Furchungskernen durch ihre geringere Größe verschieden, und die
Mitosen der Spermakerne
durch die geringere Zahl der
Chromosomen (RÜCKERT);
denn nach den bekannten
(Gesetzen der Befruchtungs-
lehre (p. 18) besitzen die
Spermatozoen nur die halbe
Zahl der Chromosomen (im
Vergleich zu der Zahl,
welche dem ersten Fur-
chungskern und den von
ihm abstammenden Kernen
zukommt).
Solange die Sperma-
kerne noch im Bereiche der
Keimscheibe liegen und sich
hier teilen, bemerkt man
auch eine Abgrenzung von
Zellkörpern; an der Peri-
pherie der Furchungszellen
sieht man dann zahlreiche
Zellen, deren jede einen
Spermakern enthält (Fig. £
82); jedoch sind diese Zellen Fig. 82. Furchungsstadium mit 8 Furchungs-
: - indeln von Sceyllium canicula. (Nach RÜCcKERT.)
er 5
nur unvollständig gegen Bi sieht ringsum die Zellenbildung an den
den Dotter abgegrenzt und Nebenspermakernen.
£ 1) Wir werden später sehen, daß auch von dem subblastocölen Entoderm Kerne
in den Dotter gelangen, welche ähnliche Umwandlungen erfahren wie die soeben
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 8
114 4. Capitel.
haben nur vorübergehenden Bestand. Sie verschwinden in den spä-
teren Furchungsstadien, wenn die peripheren Teile der Keimscheibe
von den Furchungszellen in Anspruch genommen und die Sperma-
kerne nach außen in den Dotter gedrängt werden.
Je mehr die Furchung fortschreitet, um so mehr werden die Sperma-
kerne aus der Keimscheibe in den Dotter verschoben, und infolge-
dessen werden auch die Teilungen dieser Kerne immer seltener. Ferner
zeigen sich bei den Teilungen verschiedene Anormalitäten, z. B. un-
vollkommenes Auseinandertreten der Tochterkerne oder multipolare
Kernteilungsfiguren !). Es bilden sich Gruppen von Kernen, und die
Kerne wachsen zu ungewöhnlicher Größe heran. Die Kerne erleiden
die Umwandlungen, welche für Kerne im Dotter charakteristisch sind.
Die bastrulation und die Keimblätter.
Zur Einführung dienen die Publicatiouen von BALFOUR (1878), H. E. ZIEGLER
und F. ZIEGLER (1892), RABL (1889— 1896), RÜCKERT (1887, 1889 u. 1899).
Demonstrationsmittel: Wandtafeln von LEUCKART und CHUN, Neue Serie
No. 2—4. Wachsmodelle von FRIEDRICH ZIEGLER in Freiburg i. B., Serie 23.
Die Entwickelung der Keimblätter der Selachier ist am genauesten
bei Zitterrochen (Torpedo ocellata Rup. und Torpedo marmorata Rısso)
und bei Hundshaien (Pristiurus melanostomus BonaAr. u. a.) be-
obachtet werden ?). Die folgende Darstellung bezieht sich auf Torpedo.
Im Blastulastadium findet man unter dem Blastoderm die Fur-
chungshöhle, und diese liegt etwas einseitig (wie schon oben gesagt
wurde): sie ist nämlich hauptsächlich auf derjenigen Seite des Blasto-
derms entwickelt, welche dem späteren Hinterrand desselben genähert
ist. Infolgedessen ist das Blastoderm auf dieser Seite verdünnt,
während es nach der anderen Seite hin sehr diek ist und viele Zellen
in der Höhe mißt. Es beginnen nun die obersten Zellen des Blasto-
derms ein Epithel zu bilden. Dieser Vorgang nimmt in dem verdünnten
Teil des Blastoderms seinen Anfang und schreitet langsam über die
ganze Blastodermscheibe fort. Gleichzeitig beginnt das Blastoderm
sich auszubreiten, es nimmt an Ausdehnung zu, aber seine Dicke wird
geringer.
3etrachten wir nun Fig. 83: das Blastoderm ist abgeflacht, am
vorderen Teil (in der Figur rechts) noch ziemlich dick, auf der anderen
Seite verdünnt; auf dieser Seite beginnt die Gastrulation, wobei die
epitheliale Schichte eine Umstülpung erfährt (vergl. Fig. 84). Die
besprochenen Kerne. Was die Veränderungen der Kerne im Dotter betrifft, so ist
zunächst die Vergrößerung zu nennen; die Kerne werden zu Riesenkernen (Mega-
nuclei). Ferner zeigen die Kerne anormale Verteilung des Chromatins, meist auch
mehrere große und klumpige Kernkörper. Die Kerne können nicht mehr in reguläre
Mitose eintreten; man bemerkt multipolare Mitosen und polycentrische Anordnung
des Chromatins (von Hıs 1897 beschrieben). Es bilden sich oft Gruppen von dicht
beisammenliegenden Kernen (vielleicht durch multipolare Mitose, vielleicht durch
Amitose). Die Riesenkerne nehmen allerlei Gestalten an, insbesondere entstehen ge-
lappte, verzweigte und hantelförmige Formen. Dabei kommt es auch zu Teilungen
der Kerne (amitotische Kernteilung). In späten Stadien fließen oft mehrere alte
Riesenkerne zu einer großen Masse zusammen. Ich habe das Verhalten der Riesen-
kerne in einer früheren Schrift beschrieben (1894).
1) Ueber die Kernteilungsfiguren der Nebenspermakerne muß ich auf die Dar-
stellung von RÜCKERT (1899) verweisen.
2) Die marinen zovlogischen Stationen, insbesondere die Station zu Neapel
haben viele Forscher mit ausgezeichnet conservirten Embryonen dieser Arten ver-
SOTgt.
gi .
Selachier. 115
epitheliale Schicht ist im vorderen Teil des Blastoderms noch in Bil-
dung begriffen. Die Zellen, welche hier unter der epithelialen Schicht
liegen, ordnen sich zum Teil derselben ein '!), zum Teil kriechen sie
sh vr
Fig. 83. Medianschnitt der Blastula des Zitterrochens (Torpedo ocellata R.).
fh Furchungshöhle, vr vorderer Rand des Blastoderms, Ar hinterer Rand desselben
an welchem die Gastrulation beginnt, p Periblast, * Kerne im Periblast, 4 Dotter
(dunkel gezeichnet); die sich anschließende große Dotterkugel ist nicht dargestellt.
an dem Boden der Furchungshöhle hin und dienen hier zur Bildung
des subblastocölen Entoderms, von welchem später die Rede sein wird.
Der Boden der Furchungshöhle ist von dem Periblast gebildet, in
welchem zahlreiche große Kerne liegen, deren Herkunft schon früher
erörtert wurde (p. 111-114).
Zur Zeit der Gastrulation ist die epitheliale Schicht an der ganzen
Oberfläche des Blastoderms wohl ausgebildet und stellt das Ektoderm
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Fig. 84. Medianschnitt eines Blastoderms von Torpedo ocellata R. im Beginn
der Gastrulation. g Gastralhöhle, /% Furchungshöhle, vr vorderer Rand des Blasto-
derms, % Kerne im Periblast, p Periblast, d Dotter.
dar. Am Hinterrande des Blastoderms entsteht eine Einstülpung
der epithelialen Schieht (Fig. 84). Der eingestülpte Teil kann als
untere Schicht oder als primäres Entoderm bezeichnet werden.
Zwischen dieser Schicht und dem Periblast befndet sich eine Höhle,
die Gastralhöhle. |
Ein Teil der Zellen des Blastoderms, welcher nicht in die epi-
thelialen Blätter aufgenommen wurde, bildet am Boden der Furchungs-
höhle eine Zellenschicht, welche man nach ihrer Lage als subblasto-
cöles Entoderm bezeichnen kann. Besonders reichlich liegen
solche Zellen da, wo die epitheliale Schicht an den Dotter anstößt,
1) Die Einordnung locker liegender Zellen in ein schon bestehendes Epithel
ist von Hıs (1894) beschrieben worden.
*
116 4. Capitel.
also längs des Randes des Blastoderms:; die Bildung des subblastocölen
Entoderms geht vom Rande aus gegen die Mitte, und diese Schicht
bleibt an dem Rande mit der epithelialen Schicht in Zusammenhang.
Da die Gastralhöhle durch Einstülpung der epithelialen Schicht ent-
steht, so findet man während der Gastrulation diesen Uebergang der
epithelialen und der subblastocölen Schicht auch am ganzen Umfang der
Gastralhöhle ). — Das subblastocöle Entoderm schiebt sich von allen
Seiten her, insbesondere aber von der hinteren Seite her immer mehr
in die Furchungshöhle hinein (Fig. 83 u. 84), bis es schließlich den
ganzen Boden derselben bedeckt (Fig. 85). Zu der Zeit, wenn dies
erfolgt ist, sind in den meisten Zellen dieser Schicht die Dotterkörnchen
verschwunden, und die Schicht nimmt ein mesenchymähnliches Aus-
sehen an, da die Zellen durch Ausläufer zusammenhängen ?).
Während der Bildung der subblastocölen Schicht wird die Fur-
chungshöhle niedriger; doch behält sie an einer Stelle, welche nahe
an dem vorderen Rande der Keimscheibe liegt, eine relativ beträchtliche
Fig. 855. Medianschnitt der Gastrula des Zitterrochens (Torpedo ocellata) im
Stadium der Fig. 86. fh Rest der Furchungshöhle, darunter das subblastocöle Ento-
derm. Die rechts zwischen der eingestülpten Schicht und dem Dotter befindliche
Höhle ist die Gastralhöhle. Im Periblast sieht man zahlreiche Kerne.
Höhe: den hier befindlichen Teil der Furchungshöhle, welcher sehr
lange fortbesteht, werden wir weiterhin als Rest der Furchungs-
höhle bezeichnen. Einige große und viel Dotter enthaltende Zellen
finden sich in demselben. Das Ektoderm wölbt sich später über dieser
Stellein die Höhe, so daß ein knopfartiges Gebilde entsteht (Fig. 88 u. 97).
1) Das subblastocöle Entoderm erfährt an der Uebergangsstelle, wie es scheint,
einen von der epithelialen Schicht ausgehenden Zuwachs; aus der Form und dem Aus-
sehen der Zellen kann man schließen, daß an dem untersten Teile des eingestülpten
epithelialen Blattes derartige Zellteilungen vorkommen, bei welchen die eine der Teil-
zellen herausrückt und weiterhin dem subblastocölen Entoderm zugehört. — Ich ver-
mute, daß der innige Zusammenhang der eingestülpten Schicht und des subblastocölen
Entoderms für die mechanische Erklärung des Umstülpungsvorganges von Bedeutung
ist, da dadurch das vordere Ende der umgestülpten Schicht gewißermaßen festge-
halten wird und infolgedessen die Umstülpung immer größer werden muß, während
das Blastoderm sich ausdehnt.
2) Es giebt in dem subblastocölen Entoderm und auch in anderen Teilen des
Blastoderms einzelne unregelmäßig verteilte Zellen, welche zur Zeit der Gastrulation
noch einen großen Dotterklumpen enthalten; diese großen, dotterhaltigen Zellen sind
noch lange zu sehen, während in den übrigen Zellen des Blastoderms alle Dotter-
körnchen verschwinden. RÜCKERT nannte diese Zellen Megasphären. Bestimmte
Beobachtungen über den Ursprung und über das Schicksal dieser großen Dotter-
zellen liegen nicht vor. Ich habe die Meinung, daß sie von in die Keimscheibe ein-
gesprengten Dotterteilen herrühren, welche bei der Furchung in einzelne Furchungs-
zellen gelangen. Nach meiner Ansicht haben die Megasphären am Aufbau des
Embryo keinen bestimmten Anteil, wofür auch die Unregelmäßigkeit ihres Auftretens
spricht. Es ist fraglich, ob diese Zellen sich weiterhin teilen oder ob sie zu Grunde
ren, on ist nach dem eigentümlichen Verhalten der Kerne nicht unwahr-
scheinlich.
EVENT NEO
Selachier. 117
Betrachten wir jetzt, in welcher Weise bei den späteren Stadien
die Entwiekelung der Gastralhöhle fortschreitet. Die Gastrulation
findet nicht allein in der Mitte des Hinterrandes der Keimscheibe,
sondern an dem ganzen Hinterrande statt. In der Mitte geht die
Gastrulation am raschesten vor sich, und die Gastralhöhle schiebt
sich in der Richtung der Medianebene des entstehenden Embryonal-
leibes am weitesten nach vorn vor; da aber der (rastrulationsvorgang
an dem ganzen Hinterrande stattfindet, setzt sich die Gastralhöhle
unter dem Hinterrande zum seitlichen Rande hin fort: der Vorgang
schreitet allmählich am seitlichen Rande in der Art weiter, daß der
seitliche Rand durch eine Rinne unterhöhlt wird, welche nach vorn hin
allmählich verschwindet (Fig. 57, 88, 89). Da die Gastralhöhle bei ihrer
Entwickelung das Ektoderm in die Höhe hebt, wird die Ausdehnung
der Gastralhöhle schon an dem Oberflächen-
bilde der Keimscheibe sichtbar; den mitt-
leren Teil der durch die Ausdehnung der
Gastralhöhle gebildeten Erhebung, welcher
der Anlage des Embryonalleibes entspricht,
nennt man den Embryonalschild, die
beiden seitlichen Teile nennt man dieRand-
wülste. (Man betrachte die Oberflächenbilder
Fig. 86 und 58.) Der unter dem Embryonal-
schild gelegene Teil der (rastralhöhle wird
als axiale Gastralhöhle, der unter
dem Randwulst gelegene als periphere
Gastralhöhle bezeichnet.
Das Mesoderm wächst aus der einge- EE;
stülpten Schicht hervor. Der Vorgang be- Fig. 86. Blastoderm von
ö 3 an. r Torpedo im Stadium B. Ver-
ginnt jederseits am Hinterrande des Bla- sößerung 1Smal. Man be-
stoderms, wo die axiale Gastralhöhle in merkt hinten den Embryonal-
die periphere Gastralhöhle übergeht. Die schild, vorn den Rest der
Mesodermbildung setzt sich dann sowohl Furchungshöhle, außen den
- ; . Randwulst.
nach innen auf das axiale Entoderm fort,
als auch nach außen auf das periphere
Entoderm. Es entsteht also jederseits ein axiales Mesoderm,
welches die Mesodermstreifen darstellt, und ein peripheres
Mesoderm, welches dem Rande des Blastoderms entlang geht!).
Längs der Linie, in welcher das Mesoderm aus dem Entoderm
hervorwuchert, bildet sich an der der Gastralhöhle zugewandten Seite
des Entoderms eine Rinne: ich nenne dieselbe Verschmelzungsrinne
oder Mesodermbildungsrinne, da an dieser Rinne das Mesoderm
aus dem Entoderm herauswuchert (Fig. 17). Man kann dieselbe auch
als Cölombucht bezeichnen, wenn man die Mesodermbildung theoretisch
auf einen Ausstülpungsvorgang des Entoderms zurückführen will ?).
1) RABL bezeichnet das axiale Mesoderm als gastrales, das periphere als peri-
stomales.
2) Die Bildungsweise, nach welcher das Mesoderm entsteht, kann am besten
als Herauswuchern (Proliferation) bezeichnet werden. RÜCKERT (1886) hat den
Vorgang in folgender Weise beschrieben: „In dem mehrschichtigen Entoblast von
Torpedo läuft die Zellvermehrung immer in der centralen, dem Darmlumen zuge-
wandten Schicht ab, wie durch die Verteilung der karyokinetischen Figuren erwiesen
wird. Diese Proliferationsschicht ıst es denn auch, welche bei der Mesoblastproduction
ausschließlich beteiligt ist. In ihr entsteht an den erwähnten Stellen des Hinter-
randes (nämlich an der Mesodermbildungsrinne oder, wie RÜCKERT sagt, an der
Cölombucht) eine neue Generation von Zellen offenbar infolge sehr lebhafter Teilungen,
wie aus der großen Menge von Mitosen und dem oft auffallend kleinen Kaliber der
118 4. Capitel.
Auf Fig. 57 sieht man 3 Schnitte durch einen Embryo, an
welchem äußerlich der Embryonalschild hervortritt (wie bei Fig. 86)
und bei welchem die Mesodermbildung begonnen hat. Der vorderste
Schnitt geht durch den vorderen Teil des Embryonalschildes; er zeigt
in der Mitte die axiale Gastralhöhle und am Rande eine Bucht, welche
der peripheren Gastralhöhle angehört; die Mesodermbildung ist noch
nicht bis zu diesem Schnitte vorgeschritten. Fig. 87II geht durch das
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Fig. 87. Querschnitte durch einen Embryo von Torpedo im Stadium B (vergl.
Fig. 56). ag axiale Gastralhöhle, «m axiales Mesoderm, »g periphere Gastralhöhle,
pm peripheres Mesoderm, ch Chordaanlage, ec Ektoderm, en Entoderm, m Mesoderm.
Bei * die Mesodermbildungsrinne.
hintere Drittel des Embryonalschildes und zeigt am Rande das peri-
phere Mesoderm und eine deutliche Rinne an der Stelle, wo dasselbe
aus dem peripheren Entoderm herauswuchert (Mesodermbildungsrinne);
in der Mitte bemerkt man einen Streifen des Entoderms, welcher für
die Bildung der Chorda bestimmt ist (das Chordaentoderm), und da-
neben jederseits sieht man das beginnende Hervorwuchern des axialen
Mesoderms. Am Rande der Blastodermscheibe gehen das axiale und
jugendlichen Zellen hervorgeht. Die letzteren drängen nun gegen die dorsale Ober-
fläche des Entoderms vor, treten hier in den Raum zwischen die beiden primären
Keimblätter aus und stellen alsdann die erste Anlage des mittleren Blattes dar.“
In ähnlicher Weise ist die Mesodermbildung bei Pristiurus von RABL beobachtet
worden. „Zwischen Chordaentoderm und Darmentoderm bemerkt man eine kleine,
grubige Vertiefung, und man kann sich leicht überzeugen, daß hier insofern eine
Continuitätstrennung des Entoderms besteht, als Chordaentoderm und Darmentoderm
nicht unmittelbar in einander übergehen, sondern beide sich ins Mesoderm fortsetzen.
Im Grunde der Grube oder in geringer Entfernung davon bemerkt man häufig
Teilungsfignren, deren Achsen so stehen, daß sie ungefähr gegen die Grube, hinziehen,
Aehnliche Verhältnisss finden sich in der Nähe des Blastodermrandes; auch hier
sieht man eine kleine, grubige Vertiefung, und die Wände der Grube setzen sich
einerseits ins Mesoderm. andererseits ins Ektoderm des Umschlagsrandes, sowie in
den lateralen Rand des Entoderms fort. Auch hier sieht man im Grunde der Grube
oder nicht weit davon entfernt häufig Kernteilungsfiguren, mit der Achse gegen die
Grube gerichtet.“
Selachier. 119
das periphere Mesoderm in einander über, wie der nahe am Rande
liegende Schnitt Fig. STIII zeigt. Man erkennt die periphere Me-
sodermbildungsstelle mit einer deutlichen Mesodermbildungsrinne
(bei *) und neben dem Chordaentoderm die axiale Mesodermbildungs-
linie, welche auf diesem Schnitt ebenfalls eine deutliche Rinne aufweist
(bei *).
Wir wollen nun die weitere Entwickelung des Mesoderms ver-
folgen, welche das Stadium der Fig. 85 zeigt. Die Ausdehnung des
Mesoderms ist auf dem Grundriß Fig. SS II durch dunklen Ton be-
zeichnet; in diesem Grundriß ist auch die Lage der @uerschnitte
Fig. S9I VI eingetragen.
Die Bildung des axialen Mesoderms ist bis zum Vorderende der
Darmanlage vorgeschritten ; wie schon bei dem vorigen Stadium gesagt
wurde, geschah dies in der Weise, daß das Entoderm jederseits vom
Chordaentoderm sich verdickte und daß dann die Zellen sich lockerten
und das Mesoderm aus dem Entoderm hervorwucherte. Das axiale
Mesoderm hat aber nur am Vorderende und am Hinterende den Zu-
sammenhang mit dem Entoderm bewahrt (Fig. SII und V—VI) und
sich dazwischen vollständig von demselben abgelöst (Fig. 89 II—-IV).
Die vordere Verbindung liegt vor dem Schnitt Fig. S9I; an
diesem Schnitt sieht man das Mesoderm neben dem Chordaentoderm
nahe an das Entoderm herantreten, und auf den Schnitten, welche
weiter nach vorn hin bis znm Vorderende des Darmrohres folgen,
steht das Mesoderm an eben dieser Stelle immer deutlicher mit dem
Entoderm in Verbindung.
An dem Hinterrande und dem Außenrande des Blastoderms be-
steht die Verbindung des Mesoderms mit dem Entoderm in großer Aus-
dehnung. Auf dem Grundriß Fig. SSII ist der Verlauf der Mesoderm-
bildungslinie durch einen dunklen Strich markirt: man sieht, daß diese
Linie dem Blastodermrand annähernd parallel geht und daß sie neben
der Randkerbe sich einwärts wendet (bei *). An diesem einwärts
umgebogenen Ende hat der Schnitt Fig. S9 V die Mesodermbildungs-
linie getroffen, und wir sehen daraus, daß an dieser Stelle durch
längere Zeit hindurch der Proceß der Mesodermbildung fortgeht
(während weiter vorn das axiale Mesoderm schon vom Entoderm ab-
gelöst ist). Ebenso verhält sich der ganze periphere Teil der Meso-
dermbildungslinie; parallel dem ganzen Hinterrande und an dem
ganzen Seitenrande ist die Mesodermbildung noch im Fortschritt be-
sriffen. Auch in dem peripheren Teil der Gastralhöhle zeigt sich
entsprechend dem Verlauf der Mesodermbildungslinie eine Rinne, die
Mesodermbildungsrinne (Fig. 89 IIIT—V bei **).
Am vorderen Rande des Blastoderms, wo die periphere Gastral-
höhle nur andeutungsweise zur Entwickelung kommt, wächst das
Mesoderm zwischen dem Ektoderm und dem subblastocölen Entoderm
(eben an der Uebergangsstelle) hervor !).
1) Es hat stellenweise den Anschein, als ob das Mesoderm eher durch Ab-
trennung (Delamination) aus der subblastocölen Schicht, denn durch Einwucherung
entstehe; ich glaube aber doch, daß man den letzteren Vorgang als den wesentlichen
ansehen muß, “besonders wenn man die Entstehungsweise des Mesoderms am Hinter-
rande und die späteren Vorgänge am Vorder- und Seitenrande im Auge behält.
RÜCKERT (1887) spricht die en Ansicht aus: „Wenn die Mesoblastbildung bis
zum vorderen Ans nitt des Seitenrandes vorgedrungen ist, löst sich am Rande die
nen Schicht des Entoblasts von ihrer Unterlage ab und stellt ein mittleres
att dar.“
120 t. Capitel.
Das an den Seitenrändern und am Vorderrande entwickelte Meso-
derm ist anfangs ein schmaler, mehrere Zellen in der Dicke messender
Streifen, der an der Oberfläche des Blastoderms eine Erhöhung her-
vorruft, die als eine continuirliche Fortsetzung des früher schon er-
wähnten Randwulstes erscheint. Dieses am Vorderrande und an den
Seitenwänden entwickelte Mesoderm zerfällt bald in einzelne dickere
Zellmassen, welche durch dünne Verbindungen zusammenhängen, und
es mag im voraus erwähnt werden, daß aus diesen dickeren Zellgruppen
Blutinseln entstehen werden und daß sie zahlreichen Blutkörperchen den
Ursprung geben. Man sieht die Blutinseln an den Figuren 88, 92 u. 97.
Das subblastocöle Entoderm schließt sich ganz an den Periblast
an; die tieferen Zellen dringen in den Dotter ein, die anderen bilden
an (der Oberfläche des Periblastes ein einschichtiges Epithel, welches
II Fig. 88 Iu. II. Blasto-
I derm von Torpedo im Sta-
dium ©. I Oberflächen-
ansicht, II schematischer
Grundriß; in diesem ist
die Lage der in Fig. 89
abgebildeten Schnitte I bis
VI angegeben. Das Meso-
derm ist durch einen grauen
Ton bezeichnet, die Meso-
dermbildungsrinne durch
eine dicke schwarze Linie,
die Grenzen der Gastral-
höhle durch eine punktirte
Linie. An Blastocölblase
(Rest der Furchungshöhle),
pM peripheres Mesodern:.
Vergrößerung 18mal.
man als Dotterepithel bezeichnen kann (Fig. 89 und 90). Die
Kerne der Zellen, welche in den Dotter eindringen, erleiden dieselben
Umwandlungen wie die Periblastkerne und die Nebenspermakerne,
welche früher schon in den Dotter eingedrungen sind; sie sind von
denselben weiterhin nicht mehr zu unterscheiden. Man findet also in
allen späteren Stadien das Dotterepithel so weit auf dem Dotter aus-
gebreitet, als das Blastoderm den Dotter berührt; und unter dem Dotter-
epithel liegen zahlreiche große Kerne (Fig. 90 u. 119). In dem Dotter-
epithel kommen noch Mitosen vor, aber die tiefer gelegenen Kerne
zeigen keine Mitosen mehr, wohl aber eingeschnürte und hantelförmige
Formen, welche auf amitotische Teilung hinweisen. Auch sieht man
manche der sehr groß gewordenen Kerne mit einander verschmolzen !).
An dem Entoderm, welches die axiale Gastralhöhle begrenzt, ent-
wickelt sich in der Mittellinie die Chorda. Ein medianer Streifen
setzt sich von den seitlich anstoßenden Teilen ab und stellt das Chorda-
entoderm dar; dieses faltet sich in der Medianebene aufwärts, wobei
die seitlich anstoßenden Teile median zusammenrücken. Das aufwärts
zusammengefaltete Chordaentoderm bildet einen compacten runden
Strang, die Anlage der Chorda’). Der Vorgang der Chordabildung
1) Genaueres über das Verhalten der Kerne im Dotter findet man in den
Schriften von ZIEGLER (1894) und Hıs (1900).
2) Die Chordabildung der Selachier ist also im Grundzug ganz ähnlich wie
diejenige des Amphioxus; während aber bei Amphioxus das Chordaentoderm eine
sehr deutliche Falte bildet, deren Blätter durch die Chordarinne getrennt sind, liegen
bei den Selachiern diebeiden Blätter der Falte dicht auf einander, so daß die Chorda-
ee
Selachier. 121
beginnt im Rumpfteile des Embryo und schreitet von da nach hinten
und auch nach vorn hin fort. Das Chordaentoderm ist im Stadium der
Fig. 86 auf den Schnitten Fig. 57 II u. III zu sehen. Im Stadium der Fig. 88
ist auf den Schnitten Fig. S9 II u. III der Chordastrang schon gebildet,
auf den weiter vorn und weiter hinten gelegenen Schnitten ist aber
noch das ungefaltete Chordaentoderm vorhanden (Fig. S9I u. IV)
MS mr md sb k ec ”; pm
pm
)
F “ 89 I—VI. Schnitte durch einen Embryo von Torpedo im Stadium © (vergl.
Fig. SSII). ec Ektoderm, %* Kerne im Dotter, md Medullarplatte, mr Medullarrinne,
ms Mesoderm, pm peripheres Mesoderm, sb subblastocöles Entoderm (Dotterepithel)
>
Nachdem sich aus dem axialen Entoderm (d. h. dem primären
Entoderm an der axialen Gastralhöhle) das Mesoderm und die Chorda-
anlage abgetrennt haben, bildet dasselbe die Wand des Darmkanales
und kann daher als Enteroderm bezeichnet werden. An seinem
unteren Rand schließt sich das Enteroderm an das Dotterepithel an.
anlage wie eine solide Verdickung des Entoderms erscheint. Nur die . der
Zellen zeigt, daß eine Auffaltung vorliegt. Gute Abbildungen der Chordabildung
bei Torpedo hat SwAEN (1887) gegeben.
122 4. Capitel.
Es bedarf dies keiner besonderen Erklärung, da das gastrale Entoderm
schon im Stadium der Fig. S7I nach den Seiten hin in das subblasto-
cöle Entoderm überging, und das Dotterepithel aus dem letzteren ent-
standen ist. Man sieht den Uebergang des Enteroderms in das Dotter-
epithel auf vielen Figuren (Fig. S9II u. III, 100), am deutlichsten in
Fig. W.
Während sich der Körper des Embryo über die Fläche des Bla-
stoderms erhebt, wird die Darmhöhle, welche aus der axialen Gastral-
höhle hervorgeht, immer schmäler und höher: sie verengt sich in ihrem
Enteroderm —
Dotterkern en
Dotterepithel -
Fig. 90. Abschluß des Darmes bei einem Torpedo-Embryo des Stadiums F};
Uebergang des Enteroderms in das Dotterepithel. (Nach Hıs, 1900.) Die Figur ist
ein Detailbild zu einem ähnlichen Querschnitt wie Fig. 100.
unteren Teil und schnürt sich von dem Dotterepithel ab; dies geschieht
zuerst im Bereich des Vorderdarmes und später auch im Bereich des
Spiraldarmes. Das Darmrohr bleibt mit dem Dotter nur an einer Stelle
verbunden, nämlich da wo der Dottergang sich ausbildet. — Die weitere
Entwickelung des Darmkanals wird in einem späteren Abschnitt be-
sprochen (p. 143 u. f.).
Nach der Bildung der Chorda wird an der Dorsalseite des Darm-
rohres noch ein kleiner Strang längs der Medianebene von dem Ento-
derm abgeschnürt, die Hypochorda. Dieselbe legt sich der Chorda
dicht an (Fig. 106, 113, 115) und verschwindet später ohne in ein
Organ überzugehen. Es ist eine rudimentäre Anlage, welche in ähn-
licher Weise auch bei Amphibien und höheren Wirbeltieren auftritt,
und deren phyletischer Ursprung und Bedeutung noch dunkel sind !).
Vergleich der Keimblätterbildung der Selachier mit derjenigen
der Amphibien.
Zum morphologischen Verständnis der Selachierentwickelung ist
es notwendig. dieselbe mit der Entwickelung nach inäqualer Furchung,
z. B. mit der Amphibienentwickelung, zu vergleichen. Im Blastula-
stadium entspricht das Blastoderm der Selachier der kleinzelligen Hälfte
eines inäqual gefurchten Eies (vergl. Fig. 91 A und Fig. 91B). Am
3oden der Furchungshöhle findet man bei dem Typus der inäqualen
Furchung die Masse der dotterbeladenen großen Zellen, bei den Se-
1) KLAATScH (1897) betonte, daß bei der ersten Anlage der eine
Rinne längs des Darmrohres entsteht. Er setzt diese Rinne der Epibranchialrinne
des Amphioxus homolog, welche in der dorsalen Medianlinie längs des Kiemen-
darmes zieht.
a
Selachier. 123
lachiern aber das subblastocöle Entoderm, den Periblast und die Dotter-
kugel. Periblast und Dotterkugel entsprechen offenbar der Masse der
dotterbeladenen großen Zellen, während das subblastocöle Entoderm,
welches nachher das Dotterepithel bildet, den obersten Zellenlagen
der Masse der Dotterzellen homolog gesetzt werden kann.
Gehen wir zu dem Stadium über, in welchem die Gastrulation
beginnt, so sehen wir bei den Amphibien zuerst eine bogenförmige
Rinne auftreten, die Ruscont’'sche Rinne, an welcher die Einstülpung,
also die Bildung der unteren Schicht vor sich geht, und von wo die
Fig. 914. Blastula und junge Gastrula der Amphibien, schematisch. (Nach
Boas.) } Furchungshöhle, i Gastralhöhle.
Fig. 91 B. Blastula und Gastrula der Selachier, schematisch. (Nach Boas.)
ek Ektoderm, en Dotterepithel. en’ Dotterkugel, Furchunghöhle.
axiale Gastralhöhle eindringt (Fig. 91). Dem Rande dieser Rinne ent-
spricht der Hinterrand des Blastoderms der Selachier. Der vordere Rand
des Blastoderms der Selachier ist dem ventralen Uebergangsgebiet der
kleinen und großen Zellen der Amphibien homolog zu setzen.
Wie bei den Amphibien die Ruscoxt'sche Rinne, welche der äußere
Ausdruck der Gastrulation ist, anfangs nur einen kleinen Bogen bildet und
allmählich nach der Ventralseite sich verlängert, so erstreckt sich der
Gastrulationsvorgang bei den Selachiern zuerst auf den Hinterrand
und setzt sich auf die Seitenränder des Blastoderms fort (axiale und
124 t. Capitel.
periphere Gastralhöhle). Jedoch geht der Proceß bei den Selachiern
niemals bis zum vorderen Rande des Blastoderms. — Wie aus der
unteren Schicht der Amphibien Mesoderm, Chorda und Enteroderm
hervorgehen, so giebt die eingestülpte Schicht der Selachier denselben
Anlagen den Ursprung. Während aber bei den Amphibien die Bil-
dung des Mesoderms gleichzeitig mit dem Einstülpungsvorgang erfolgt,
ist bei den Selachiern die Einstülpung bereits weit vorgeschritten,
wenn das Mesoderm erscheint.
Wenn bei den Amphibien die Ruscontsche Rinne zu einem
Kreise sich schließt (Ruscoxt'schen Kreis), schreitet die Bildung des
Mesoderms längs derselben nach der Ventralseite des Blastoporus hin
fort, wie bei den Selachiern die Entwickelung des Mesoderms nach
dem vorderen Rande des Blastoderms hin sich fortsetzt (peripheres
Mesoderm). — Die Mesodermbildungsrinne der Selachier entspricht
jener Rinne oder Einkerbung, welche auch bei den Amphibien längs
des Zusammenhanges des Mesoderms und des Entoderms zu verfolgen
ist (welche OÖ. HERTWIG eingehend beschrieben hat, weil sie für die
Cölomtheorie von wesentlicher Bedeutung ist). Wie sich die Meso-
dermbildnngsrinne der Selachier am seitlichen Rand der Blastoderm-
scheibe fortsetzt, so erstreckt sich jene Rinne bei den Amphibien auf
die Seitenteile des Blastoporusrandes. (Vergl. das Capitel Amphibien.)
Das axiale Mesoderm der Selachier entspricht den beiden Meso-
dermstreifen der Amphibien und zerfällt hier ebenso wie dort in die
Ursegmente und die Seitenplatten. — Das periphere Mesoderm der Se-
lachier kann nicht in derselben Weise verwandt werden wie bei den
Amphibien, da bei den Selachiern infolge der Größe der Dotterkugel
die Umwachsung derselben lange Zeit braucht, und es folglich nicht
mehr möglich ist, daß der ganze Randwulst mit dem peripheren Meso-
derm in die Schwanzanlage des Embryo zusammengezogen wird, wie
dies bei den Amphibien der Fall ist. Infolgedessen wird bei den
Selachiern nur ein kleiner Teil des Randwulstes in das Hinterende des
Embryo einbezogen, wie wir im übernächsten Abschnitt sehen werden,
während der übrige Randwulst mit dem Umwachsungsrand langsam
über die Dotterkugel sich weiterschiebt und das periphere Mesoderm
dieses Teiles eine nene Function erhält, nämlich die Bildung von
Blutanlagen. — Wie schon früher gesagt wurde (p. 18—24), können
alle die Unterschiede des inäqualen und des discoidalen Entwickelungs-
typus aus der größeren Dottermasse des letzteren erklärt werden.
Die Entstehung des Medullarrohres.
Die wichtigsten Schriften sind dieselben wie bei dem Abschnitt: Gastrulation.
Das Oberflächenbild der Anlage des Embryonalleibes zeigt während
der nächsten Stadien zwei wichtige Vorgänge: die Bildung des Medullar-
rohres und die Vereinigung der beiden Schwanzlappen. — Das
Medullarrohr entsteht in folgender Weise: Während das Ektoderm
im Uebrigen im ganzen Bereiche des Blastoderms sich verdünnt, ver-
diekt es sich im Bereiche der Anlage des Embryonalleibes; hier bildet
das mehrschichtige Ektoderm eine längliche Platte, die Medullarplatte.
In der Mittellinie ist dieselbe etwas dünner, und hier senkt sich die
Medullarplatte ein, so daß eine Rinne entsteht, die Medullarrinne. Diese
zeigt am Hinterrande des Blastoderms eine deltaförmige Verbreiterung
(Fig. 88 und 96).
Selachier. 125
Allmählich werden die Medullarplatten seitlich gegen das an-
stoßende Ektoderm deutlicher abgegrenzt, und der äußere Rand der
Medullarplatten erhebt sich, wodurch die Medullarwülste gebildet
werden; diese Vorgänge machen sich zuerst am Vorderende der
Embryonalanlage bemerklich
(Fig. 58) und schreiten nach
hinten hin fort. Im Stadium
der Fig. 92 sieht man in der
ganzen Länge der Embryonal-
anlage median die Medullar-
rinne, seitlich die Medullar-
wülste, welche von dem er-
hobenen Rande der Medullar-
platten gebildet sind (Fig. 93).
Fig. 92. Blastoderm von Tor-
pedo im Stadium D. Vergrößerung
1Smal. 52 Blutinseln, m (Grenze des
peripheren Mesoderms gegen den
mesodermfreien Teil des Blastoderms.
Auch ist die Lage der 3 Schnitte Fig.
93, 94 und 95 eingezeichnet.
Zu dieser Zeit hebt sich der Embryo höher über die Fläche des
Blastoderms empor; es ist dies nicht nur durch die Vorgänge an
Fig. 92.
Fig. 9. Fig. 95.
Fig. 93—95. 3 Schnitte durch das in Fig. 92 dargestellte Blastoderm.-— bl
Blutinsel, ck Chorda, mp Medullarplatte, m Mesoderm, d Gastralhöhle, sb Dotter-
epithel (subblastocöles Entoderm), d Dotter. Bei ** die Verbindung des Mesoderms
mit dem Entoderm.
der Medullarplatte bedingt, sondern beruht auch auf dem Höher-
werden der axialen Gastralhöhle und auf der Bildung der Chorda und
der beginnenden Entwickelung der Ursegmente. Ferner schnürt sich
das Vorderende des Embryo vou der Fläche des Blastoderms ab, oder,
wie man wohl richtiger sagen würde, durch Verlängerung der Medullar-
platte, des axialen Entoderms und Mesoderms wächst das Kopfende
126 4. Capitel.
frei aus dem Blastoderm hervor. Dabei wird die Medullarplatte vorn
abwärts gekrümmt, wie dies schon im Stadium der Fig.’ 92 der Fall ist.
Die Einfaltung der Medullarplatte beginnt ganz langsam; all-
mählich nehmen die beiden Hälften derselben eine mehr geneigte Lage
gegen einander an, und später biegen sich ihre äußeren Ränder zu-
sammen; das so gebildete Medullarrohr kommt zuerst in der Nacken-
gegend zum Verschluß, und von da geht die Vereinigung der Medullar-
wülste nach vorn und nach hinten weiter (Fig. 97); am Vorderende
bleibt das Medullarrohr lange Zeit offen (vorderer Neuroporus, Fig. 98);
es schließt sich hier ungefähr zu derselben Zeit, wenn der Schließungs-
proceß das Hinterende erreicht und dort die Bildung des Canalis
neurentericus herbeiführt.
Der vordere Teil der Medullarplatte, welcher dem Gehirn entspricht,
ist bei manchen Selachiern sehr breit und schließt sich später als das
übrige Medullarrohr. Man kann in diesem Falle an der Medullarplatte
schon ehe sie zusammengefaltet ist, die Ausstülpung der Augenblasen
beginnen sehen, welche auf der Oberfläche der Gehirnplatte in der Ent-
stehung von 2 Gruben sich zeigt (Fig. 960). Ferner
hat Locy (1895) zu dieser Zeit am Rande der Me-
dullarplatte eine Reihe von kleinen Verdickungen be-
merkt (Fig. 96 2—10); er spricht daher von Meta-
meren der Medullarplatte (Neuromeren), welche aber
zu den Mesodermsegmenten des Kopfes keine regel-
mäßige Beziehung besitzen. Die ersten Neuromeren
gehören dem Vorderhirn und Mittelhirn an, die
Neuromeren 6—12 dem Nachhirn; die letzteren
sind noch nach dem Schluß des Medullarrohres
am Rande des 4. Ventrikels zu erkennen.
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Fig. 96. Embryo von Squalus acanthias im Stadium
D. Die Medullarplatte ist im Kopfteil noch nicht aufge-
faltet; man sieht die Augengruben (0) und die Gliederung
am Rande. Vergrößerung l10mal. (Nach Locy 1895.)
Das Ohrbläschen entsteht aus einer grubenförmigen Einsenkung
des Ektoderms an der Außenseite des Nachhirnes (Fig. 21 auf p. 34.)
Wenn sich dasselbe schließt und von der Haut zurückzieht, bleibt es
durch einen Gang mit dem Ektoderm verbunden (Ductus endolympha-
ticus), dessen Oeffnung der ursprünglichen Einstülpungsöffnung entspricht
und sich dauernd erhält.
Die Anlagen der Spinalganglien entstehen aus der Nerven-
leiste (Ganglienleiste), einem Zellstrang, welcher am Rande der Me-
dullarplatte, also an der Grenze zwischen dem Medullarrohr und dem Ekto-
derm, hervortritt (Fig. 115 u. 113). Aus dieser Nervenleiste wachsen die
Spinalganglien heraus, indem sich, entsprechend den Ursegmenten, Ver-
diekungen bilden und die zwischenliegenden Teile der Leiste schwinden.
Die ursprüngliche Verbindung der Ganglien mit dem dorsalen Rande des
Medullarrohres wird gelöst, und es entsteht etwas tiefer eine neue Ver-
bindung mit dem Medullarrohr, welche die dorsale Wurzel darstellt.
Nahezu gleichzeitig kommen am ventralen Teile des Medullarrohres die
ventralen Wurzeln hervor und wachsen nach dem ventralen Ende des
Spinalganglions hin, wo sie in den von dem Spinalganglion ansgehenden
Spinalnerven eintreten.
Selachier. 127
In ähnlicher Weise, wie die Nervenleiste am Rückenmark entsteht,
bildet sich auch eine solche am Gehirn; aus ihr geht vorn das Ganglion
des Trigeminus hervor (Ganglion Gasseri), ferner erzeugt sie vor dem
Ohrbläschen die Ganglien des Facialis und Acusticus, und hinter dem
Ohrbläschen giebt sie dem Glossopharyngeus und dem Vagus den Ur-
sprung. — Was die anderen Hirnnerven betrifft, sind Oculomotorius,
Trochlearis, Abducens und Hypoglossus nicht von der Nervenleiste her-
zuleiten, sondern wachsen nach Art der ventralen Wurzeln des Rücken-
markes aus dem Gehirn hervor (van Wisue u. A.)l).
Die Ganglien des Sympathicus werden von den Spinal-
ganglien aus gebildet; es sind abgetrennte Teile derselben, welche an den
Spinalnerven eine Strecke weit längs der Innenfläche des Myotoms ab-
wärts wandern und sich auf der Höhe der Aorta medianwärts wenden.
Die Vorgänge am Schwanzende.
Betrachten wir nun die Vorgänge, welche zur Bildung des Schwanz-
endes des Embryo führen. An der Stelle, wo die Medullarrinne mit
ihrer deltaförmigen Verbreiterung endet, bildet sich eine Einkerbung
des Hinterrandes des Blastoderms; man kann dieselbe Randkerbe
nennen oder sie nach ihrer späteren Bedeutung als rinnenförmige
Anlage des Canalis neurentericus bezeichnen ?). Die beiden seitlichen
Teile des Hinterrandes, welche durch diese mediane Kerbe getrennt
sind, bilden die Sehwanzlappen (Caudallappen), welche für die
Bildung des Schwanzendes des Embryo bestimmt sind (Fig. 85). Im
Verlaufe der weiteren Entwickelung nimmt die Randkerbe an Tiefe
zu, und die Schwanzlappen treten weiter hervor (Fig. 92). — Es ist
zu beachten, daß in den Schwanzlappen alle Keimblätter in Verbindung
stehen. Denn am Hinterrande des Blastoderms ging das Entoderm
durch Umschlag aus dem Ektoderm hervor, und wucherte das Meso-
derm aus dem Entoderm heraus, wie bei den jüngeren Stadien gezeigt
wurde. Das Mesoderm in den Schwanzlappen hängt nach vorn mit
den Mesodermstreifen, nach den Seiten hin mit dem peripheren Me-
soderm zusammen: es zeigt stets lebhafte Zellvermehrung und dient
zur Verlängerung der Mesodermstreifen. Seine Verbindung mit dem
Entoderm bleibt sehr lange erhalten (Fig. 103, 104, 108—110).
Das Schwanzende des Embryo wird dadurch gebildet, daß die
beiden Schwanzlappen sich zusammenlegen (Fig. 97). Es geschieht
dies in folgender Weise: Während die beiden Hälften der Medullar-
platte sich zusammenkrümmen, erheben sich die Schwanzlappen und
gehen aus der horizontalen Lage in eine schiefe und dann in eine
verticale Stellung über. Oben läuft die Medullarfurche, unten die Ga-
stralhöhle zwischen den Schwanzlappen aus (Fig. 101—104); man kann
sich vorstellen, daß die Medullarfurche nach hinten in die Randkerbe
umbiegt und mittels derselben in die ventrale Darmrinne sich fortsetzt.
1) Hinsichtlich des Oculomotorius und des Trochlearis stimmen aber die Darstel-
lungen der Autoren nicht überein. Miss PLArr (1891) giebt an, daß der Trochlearis
gemeinsam mit dem Trigeminus von der dorsalen Nervenleiste entstehe, der Oculo-
motorius von dem Ciliarganglion auswachse. Nach MARSHALL und SPENCER (1886)
entsteht der Oculomotorius an der Basis des Mittelhirnes, und stellt der Trochlearis
einen abgetrennten Teil des Trigeminus dar.
2) Der Ausdruck Randkerbe wird von RABL gebraucht, die Bezeichnung Incisura
neurenterica von Hıs. Die Schwanzlappen werden von BALFOUR Caudal-lobes oder
Tail-swellings, von Hıs Randbeugen, von KASTSCHENKO Uaudallappen genannt.
128 4. Capitel.
Wie also später das Medullarrohr durch einen Kanal (den Canalis
neurentericus) in das Darmrohr einmündet, so geht jetzt die Medullar-
furche sozusagen durch eine neurenterische Rinne in die Darmhöhle
über. Indem dann der Verschluß des Medullarrohres oben bis zu der
Schwanzspitze fortschreitet und auf die Ventralseite des Schwanzes
sich fortsetzt, geht aus der Rinne der Kanal hervor. Der Canalis
neurentericus wird also durch die Verlötung der
Außenränder der Schwanzlappen zum Abschluß ge-
bracht!). Man sieht den Canal an Fig. 72G u, J, sowie an Fig.
105.
Die Nahtbildung, welche, vom Medullarrohr herkommend und
über das Hinterende herablaufend, auf die Ventralseite des Schwanzes
übertritt, bringt, nach vorne fortschreitend, den an der Ventralseite
Fig.
Fig.
Fig.
Fig.
Fig. 97. Blastoderm von Torpedo im Stadium F. Vergrößerung 18mal. bk
Blastocölknopf (Rest der Furchungshöhle), 5! Blutinsel am peripheren Mesoderm.
Die Schnittlinien der Querschnitte Fig. 98—104 sind eingezeichnet.
des Schwanzes befindlichen Teil des Darmrohres zum Verschluß. Sie
setzt sich dann auf die Ränder des Blastoderms fort, indem die an
das Schwanzende angrenzenden Teile des Umwachsungsrandes median
zur Vereinigung kommen (Fig. 120 u. 121) 2).
1) Die Bildung des Schwanzendes und die Entstehung des Canalis neurentericus
ist schon von BALFOUR (1878) richtig beobachtet worden; später sind diese Vor-
gänge von RÜCKERT, KASTSCHENKO, SCHWARZ, His, E. H. ZIEGLER und F. ZIEGLER,
H. VırcHow u. A. beschrieben worden.
. 2) Schon BALrour (1878) hat beschrieben, wie sich die Ränder des Blastoderms
hinter dem Embryo eine Strecke weit vereinigen, und wie dann in einiger Ent-
fernung hinter dem Embryo der übrige Umwachsungsrand ein kreisförmiges Dotter-
loch umschließt (Fig, 120). SCHWARZ (1889) schrieb: „Ich muß noch die für die Ver-
gleichung wichtiger Vorgänge erwähnen, durch welche nach der Bildung des Schwanz-
endes des Embryo der Dotterblastoporus zum Verschluß kommt. Der Rand des
Blastoderms legt sich hinter der Ansatzstelle des Embryo von den Seiten her median
zu einer Naht zusammen, und hierdurch, sowie auch durch allseitige Contraction
des Blastodermrandes, wird allmählich das Dotterloch verschlossen. Die Vorgän
verlaufen so, daß man sich denken kann, die Nahtbildung, welche vom Medularoir
ausgeht, laufe um den Canalis neurentericus herum nach der Ventralseite des
Schwanzes, schreite hier in der Verschlußnaht der Darmrinne nach vorn weiter
Selachier. 129
Wenn die Schwanzlappen aus der horizontalen Lage in die verticale
übergehen, kommen die Außenränder derselben an die Ventralseite des
Schwanzes zu liegen ; während dann der Canalis neurentericus gebildet wird
und die Außenränder der Caudallappen zur Vereinigung kommen, fließen
am Hinterende der Mesodermstreifen die in den Schwanzlappen gelegenen
Mesodermmassen in eine einzige Masse zusammen; dieselbe ist unter dem
Canalis neurentericus gelegen; man kann sie als Schwanzknopf be-
Fig. 98. Fig. 101.
Fig. 102.
Fig. 103.
Fig. 100.
md
Fig. 104.
Fig. 98—104. Querschnitte des Embryo von Torpedo Fig. 97. Das Ektoderm
und das Entoderm sind in dunklem Tone, das Mesoderm heller dargestellt. md Me-
dullarrohr, m Mesoderm, d Darmhöhle, sp Seitenplatten, * Kerne im Dotter, us Ur-
segment, ch Chordaanlage, » vorderer Neuroporus.
bis zu der Stelle, wo der Embryo sich an die Keimscheibe ansetzt; von hier aus
geht dann derselbe Proceß auch auf die Blastodermränder über, welche sich ebenfalls
median vereinigen.“
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 9
130 4. Capitel.
zeichnen oder Primitivknopf nennen, um damit anzudeuten, daß
sie das Homologon dessen ist, was man bei den höheren Wirbeltieren
als Primitivstreif bezeichnet. Da das Hinterende der Mesodermstreifen
immer die Verbindung mit dem Ento-
derm bewahrt hat, sieht man im Schwanz-
5 knopf das Mesoderm mit dem Entoderm
zusammentließen; diese Verbindung der
beiden Keimblätter besteht nicht nur unter
dem Canalis neurentericus (Fig. 109 u. 110),
sondern man findet noch auf mehreren
weiter vorn gelegenen Schnitten den
unteren Rand des Mesoderms im Zu-
sammenhang mitdem Entoderm (Fig. 108);
es ist der Zusammenhang erhalten, wel-
Fig. 106 chen man in dem früheren Stadium an
Fig. 1077. dem Außenrande der Schwanzlappen ge-
Fig. 110 sehen hatte (vergl. Fig. 102—104).
Fi R Da die Schwanzlappen aus dem Hinter-
ig. 105. Embryo von Tor-
pedo im Stadium H. a After, rand des Blastoderms hervorgehen und
ksp erste Kiemenspalte, o Gegend aus Teilen des Randwulstes sich heraus-
des Ohrbläschens, p Pericardium. bilden, und da sie unter medianer Zu-
Feng ne gänzlich in die Bildung des
mbryonalleibes einbezogen werden, so
kann man behaupten, daß ein Teil des
Embryo durch mediane Verwachsung von Teilen des Randwulstes ent-
stehe. Es ist auch kein Zweifel, daß die Medullarplatte, die Mesoderm-
streifen und das Entoderm aus dem Material der Schwanzlappen Zu-
wachs erhalten und dadurch verlängert werden.
Diese Thatsachen geben der von Hıs (1876) aufgestellten und dann
von Mıxor (1889) weiter ausgeführten Concrescenztheorie eine
gewisse Berechtigung. Nach dieser Lehre wird der Embryonalleib der
Wirbeltiere durch mediane Verwachsung zweier seitlicher Hälften ge-
bildet. Auf Grund seiner Studien an Knochenfischen und Selachiern hat
Hıs die Ansicht gewonnen, daß der Leib des Embryo durch mediane
Zusammenlagerung der Randwülste entstehe.e „Der Verwachsungs-
modus des Körpers längs der Achse ist derselbe, wie entlang seiner
übrigen Nähte, der Medullar- und der Rückennaht, der Darmnaht, der
Herznähte und der Bauchnaht.“ — Wie mir scheint, kann aber diese
Theorie bei den Selachiern nur in einem sehr beschränkten Sinne An-
wendung finden, indem sie nur für das Schwanzende, nicht aber für den
übrigen Leib des Embryo Geltung hat. ’
Rückerr (1887) schreibt über die Vorgänge am Hinterende des
Blastoderms von Torpedo folgendes: „Ein Teil des Urmundrandes wird
nachträglich in die axiale Anlage aufgenommen. Um diesen Vor-
gang zu beurteilen muß man von der Thatsache ausgehen, daß ent-
sprechend dem fortschreitenden Wachstum des Blastoderms dessen ge-
samter Rand sich in centrifugaler Richtung ausbreitet. Die Ausdehnung
erfolgt nun insofern ungleichmäßig, als der hintere Rand sich nicht rein
nach rückwärts, sondern zugleich medianwärts gegen die axiale Anlage
des Embryo zu verschiebt. Dadurch werden dem caudalen Abschnitte
des letzteren ununterbrochen neue Bestandteile seitlich vom Rande her
einverleibt, was zur Folge hat, daß der Schwanzteil sich immer mehr in
die Länge streckt und den angrenzenden Blastodermrand nach rückwärts
Bd
Selachier. 131
überragt. Sonach kann ich die schon im Jahre 1876 von Hıs vertretene
Anschauung, nach welcher die axiale Anlage der Haie aus einer Ver-
wachsung der sich einfaltenden Blastodermränder hervorgeht, für einen
beschränkten (hinteren) Abschnitt des Embryo bestätigen.“ — Rückerrt
nennt denjenigen Teil des Hinterrandes des Blastoderms, welcher bei
der Bildung des Hinterendes
des Embryo verwendet wird,
das embryonale Properistom,
den übrigen Rand des Blasto-
derms das außerembryonale oder
Dotterperistom.
Es muß hier auch erwähnt
werden, daß KastscHenko (1888)
operative Eingriffe am lebenden
Embryo unternahm und folgende
interessante Resultate erhielt.
„Werden die Randwülste bei
dem Erscheinen der ersten Be-
grenzung des Embryo (Stadium Fig. 106. Querschnitt durch den Embryo
A-—-B Barrour’s) neben dem- Fig. 105 an der in jener tr eingezeich-
selben durchgeschnitten, so ent- Neten Stelle. ch Chorda, sb Subchorda, «us Ur-
: : = segment, sp Seitenplatten, y Randgefäß des
wickelt sich trotzdem ein nor- Bjastoderms (Dottervene), ao Aorta, v Vene.
maler Embryo, welcher das fol-
gende Stadium durchlaufen
kann. Wird in dem oben genannten Stadium der hintere Rand des Blasto-
derms zerstört, so entwickelt sich normal die vordere Hälfte des Em-
bryo, aber die hintere Hälfte desselben fehlt. Wird in demselben Stadium
der ganze Embryoleib mit Ausnahme des vorderen unpaarigen Höckers
Fig. 108. Fig. 109. Fig. 110.
Fig. 107-110. Querschnitte durch das Schwanzende des Embryo Fig. 105.
Das Mesoderm und die Chorda sind durch hellgrauen Ton bezeichnet. can neur
Canalis neurentericus, schwk Schwanzknopf.
der Länge nach in 2 Seitenhälften geteilt, so entwickelt sich jede
Hälfte des Embryo einige Zeit lang unabhängig (meistens bis zum
Auftreten der ersten 3 Urwirbel); die Knickungen der Caudallappen
bleiben trotzdem gut bemerkbar und erlauben die Topographie des
Embryo zu bestimmen; in einigen Fällen tritt die Wiederverwachsung
der beiden Hälften bis zu den Caudallappen auf.“
Es sind ferner neuere Versuche von KorscH veröffentlicht worden,
aus welchen hervorgeht, daß eine Verletzung des Randwulstes, welche
außerhalb der Schwanzlappen erfolgt, die symmetrische Ausbildung des
Schwanzendes nicht hemmt. Es wird also offenbar derjenige Teil des
Randwulstes, welcher außerhalb der Schwanzlappen liegt, nicht in die
9*
132 4. Capitel.
Embryonalanlage hineingezogen. Man sieht z. B. in Fig. 111 Aeinen Embryo
von Seyllium canicula, welcher ungefähr im Stadium A (wie Fig. 86)
sich befand und welcher an der in der Figur bezeichneten Stelle operirt
wurde: nach 2 Tagen war der Embryo so weit entwickelt, wie Fig. 111 B
zeigt: er ist an den Schwanzlappen symmetrisch ausgebildet, und es
Fig. 1114 u. B. Embryo von Seyllium canicula; von KoPscH operirt. Ver-
größerung 10mal.
hatte auch keine Annäherung der ÖOperationsstelle an den Embryo statt-
gefunden. Nur wenn man eine Operation ganz nahe an der Randkerbe
vornimmt, z. B. den Bereich des einen Schwanzlappens zerstört, so bleibt
der Embryo auf der betreffenden Seite defect.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß von einer Concrescenz
bei den Selachiern nur in dem Sinne gesprochen werden kann, als die
mediane Verwachsung der Schwanzlappen erfolgt, von welcher schon
oben gesprochen wurde.
Die Differeneiation im Mesoderm und die mesodermalen Organe.
Es kommen hauptsächlich die Schriften von BALFoUR (1878), H. E. ZIEGLER
(1888), RÜCKERT (1888), van WIJHE (1889), RABL (1889, 1892 und 1896) in Betracht.
Wie schon früher gesagt wurde, wird bei den Selachiern das axiale
und das periphere Mesoderm unterschieden. Das axiale Mesoderm
liegt im Körper des Embryo und bildet die beiden Mesodermstreifen,
aus welchen die Ursegmente und die Seitenplatten entstehen, das
periphere Mesoderm befindet sich am Rande des Blastoderms und
wird größtenteils zu Blutanlagen verwandt.
Die Mesodermstreifen haben in ihrem medianwärts gelegenen Teil
ihre größte Dicke, und dieser Teil wird in die Ursegmente zerlegt.
Die Bildung der Ursegmente beginnt in der vorderen Rumpfgegend
und schreitet immer weiter nach hinten fort. Auch nach vorn hin
schreitet die Ursegmentbildung weiter und erzeugt im Kopf des Embryo
eine Anzahl von Segmenten, welche aber immer einen rudimentären
Charakter haben und nur teilweise die charakteristische Differenzirung
erfahren wie die übrigen Segmente !).
In den Mesodermstreifen nehmen die Zellen eine epitheliale An-
1) Die Zahl der Mesodermsegmente des Kopfes ist in den verschiedenen Stadien
wechselnd, da einige derselben bald wieder verschwinden, d. h. sich in Mesenchym
auflösen. vANn WIJHE (1883) fand bei Sceyllium und Pristiurus 9 Kopfsegmente,
DoHRN (1890) bei Torpedo marmorata über 12—15, KILLIAN (1891) bei Torpedo ocel-
lata 17—18. SEWERTZOFF (1899) beschrieb bei Torpedo 13 Kopfsegmente, von welchen
5 vor dem Ohrbläschen liegen. Ich kann hier nicht auf die schwierigen und viel-
umstrittenen Fragen der Segmentirung des Kopfes der Selachier eingehen. Ich muß
auf die Publicationen der genannten Autoren verweisen.
Selachier. 133
ordnung an und bilden 2 einschichtige Blätter; man kann also sowohl
an den Ursegmenten wie an den Seitenplatten ein äußeres Blatt und
ein inneres Blatt unterscheiden. Zwischen diesen beiden Blättern tritt
im Bereich der Seitenplatten die Leibeshöhle (das Cölom, Splanchno-
cöl) auf, indem kleine Hohlräume erscheinen (Fig. 93 u. 100), welche
jederseits zu einer einheitlichen Höhle zusammenfließen. Ungefähr
gleichzeitig erscheint auch eine kleine Höhle in jedem Ursegment.
Man muß sich theoretisch vorstellen, daß
die Leibeshöhle auch in die Ursegmente
sich fortsetzt, daß also die Ursegment-
höhlen Divertikel der Leibeshöhle sind }). A FR
‚Jedes Ursegment zerfällt in mehrere
Teile. Der obere und hauptsächlichste
Teil desselben wird Myotom genannt,
die Höhle in demselben Myocöl. Dieser
Teil des Ursegmentes ist hauptsächlich
mto
zur Bildung von Musculatur bestimmt. ch-
Der untere engere Teil des Ursegmentes, mm-
welcher von dem Myotom zur Leibes- sc
höhle führt, wurde von RÜCKERT Sklero- ao”
nephrotom genannt’). Aus diesem e
Teile geht erstens das Sklerotom her- n a
ı
vor, eine Masse von Mesenchym, welche ug”
aus dem inneren Blatte desselben median-
wärts und aufwärts hervorwuchert (s. p.
136): zweitens bildet dieser Teil ein Ka-
nälchen (Nephrotom), welches im Bereich
der Urniere zu einem Urnierenkanälchen
wird. Während das Sklerotom entsteht,
wird die Verbindung zwischen dem Myo-
(Fi ae u unterbrochen j Fig. 112. Schematisirter Quer-
- - schnitt durch einen Selachier-
Die Segmentirung greift in weniger embryo. id Medullarrohr, ch
deutlicher Weise noch auf den obersten Chorda, ao Aorta, d Darm, sb
Teil der Seitenplatten über. Da die Ge- Subintestinalvene,mtooberes.Bnde
schlechtszellen an dem oberen Teil der desselben, mm Muskelmasse des
Seitenplatten erscheinen, hat RÜCKERT Myotoms, /h Leibeshöhle, e Ex-
für diesegmentalen Abschnitte des oberen tremität, sc Sklerotom, ms !Me-
Teiles der Seitenplatten den Namen Senehymzellen, „ Nephrotom.
S # Fe Bei * erfolgt die Trennung des
Gonotome eingeführt (vergl. p. 135). Myotoms oa Nah
e
sb
Ferner entsteht die Vorniere als eine segmentale Anlage am
oberen Rande der Seitenplatten. Es werden am äußeren Blatte der
1) BALFOUR, welcher bei seiner Darstellung vorzugsweise Pristiurus und Sceyl-
lium im Auge hatte, giebt an, daß die Höhlen der Ursegmente durch eine offene
Verbindung mit dem Cölom communieiren. Bei Torpedo besteht keine offene Ver-
bindung, aber die beiden Epithellamellen des Ursegmentes setzen sich auf den Schnitten,
welche durch die Mitte des Ursegmentes gehen, so continuirlich in die beiden Seiten-
platten fort und sind von einander so Seharf getrennt, daß man sagen muß, es sei an
der Stelle der offenen Verbindung wenigstens eine geschlossene Spalte vorhanden
(RÜCKERT 1887, ZIEGLER 1888).
2) RABL nennt diesen Teil Urwirbeleommunication. VAN WIIHE ge-
braucht für denselben den Namen Mesomer, für das Myotom Epimer, für das
später zu besprechende Gonotom Hypomer.
154 4. Capitel.
Seitenplatten (an der Somatopleura) in der Gegend der vorderen Ur-
segmente einige kleine Ausstülpungen gebildet (Fig. 113), welche sich
in kleine Kanälchen verwandeln, die mit ihren äußeren Teilen zu-
sammentließen. Durch dieses Zusammenfließen entsteht der Vor-
nierengang, welcher durch so viele Oeffnungen (Vornierentrichter) mit
der Leibeshöhle zusammenhängt, als Ausstülpungen gebildet wurden ?).
— Der Vornierengang verlängert sich nach hinten und schließt sich
eng an das Ektoderm an; mehrere Autoren geben an, daß seine Ver-
längerung vom Ektoderm aus geschehe (RÜCKERT, VAN WIJHE, LA-
GUESSE, GREGORY u. A.). RABL sagt aber, daß der Kanal nur schein-
bar vom Ektoderm sich abschnüre, in Wirklichkeit im Anschluß an
das Ektoderm durch eigene Zellteilungen nach hinten wachse. — Wenn
das Hinterende des Ganges die Cloake erreicht hat, verbindet es sich
mit derselben. — Alle die erwähnten Teile der Vorniere sind anfangs
solid, und erst nachträglich entwickelt sich das Lumen in den Vor-
nierentrichtern und dem Vornierengang.
Es treten an der Vor-
niere kleine Gefäße aus
der Aorta aus und gehen
zwischen den Vornieren-
sP9 trichtern hindurch; einige
dieser Gefäße sind auf der
rechten Seite besonders groß
entwickelt und vereinigen
sich zu der Dotterarterie.
mp Die Zahl der Oeff-
ch nungen der Vorniere ver-
PR mindert sich durch Zu-
sammenfließen der einzelnen
ao Oeffnungen, so daß nur eine
um einzige Vornierenöffnung
x bleibt. Diese wird schließ-
lich beim Weibchen zum
sp Eingang des Eileiters (Osti-
d um tubae), nachdem sich der
Vornierengang in 2 Kanäle
gespalten hat, in den
Fig. 113. Querschnitt durch einem Embryo Mö LER schen Gang oder
von Pristiurus. (Nach RAgBL.) — spg Spinal- Eileiter und in den WOLFF-
ganglienanlage, mp Muskelplatte des Myotoms, schen Gang oder Urnieren-
ch Chorda, se Sklerotom, sb Subchordalstrang, gang oder Harnsamenleiter.
ao Aorta, vn Vorniere, x spaltartige Fortsetzung a Waeret
der Leibeshöhle in das Myotom, sp Splanchno- d n Bu aßt Kr Vor nd
pleura, d Darmepithel. er Selachier als ein rudi-
mentäres Organ auf, da
keine Glomeruli gebildet werden?); er ist der Ansicht, daß die
1) Die Bildung der Exeretionsorgane der Selachier ist besonders von RÜCKERT
(1888), von VAN WIJHE (1889) und von RABL (1896) untersucht worden. VAN
WıJHE und RÜCKERT fanden, daß die Vorniere zuerst in Gestalt von segmentalen
Verdiekungen der Somatopleura auftritt. Nach RABL entwickelt sich die Vorniere
bei Pristiurus in 4 Segmenten, nämlich vom 7. bis 10. Segment (die Kopfsegmente
sind bei der Zählung nicht mitgerechnet). RÜCKERT fand bei Torpedo ocellata, daß
die Vorniere im Höhestadium ihrer Ausbildung sich über 7 Segmente erstreckt.
2) Rudimente von Glomeruli sind als ns Ausstülpungen der Gefäße der
Vorniere von VAN WIJHE u. A. bemerkt worden.
Selachier. 135
Nierenfunetion der Vorniere bei den Selachiern nicht in Betracht
komme, da die Urniere sich früh ausbildet und die Embryonen erst
spät aus der Eischale oder dem Uterus herauskommen, wenn die Ur-
niere schon wohl entwickelt ist.
Die Bildung der Urniere geht von den Nephrotomen (Ursegment-
communicationen) aus, wie schon oben gesagt wurde !). Nachdem das
Sklerotom gebildet ist, stellt jedes Nephrotom ein Kanälchen dar,
welches ursprünglich von der Leibeshöhle nach dem Myotom führte
(Fig. 112), aber nun von dem Myotom abgetrennt ist und sich mit dem
Vornierengang verbindet. An dem so gebildeten Urnierenkanälchen
kann man einen aufsteigenden Teil unterscheiden, welcher mit offenem
Trichter in der Leibeshöhle beginnt, und einen absteigenden Teil,
welcher nach hinten und unten geht und in den Vornierengang (Ur-
nierengang) einmündet. Am Uebergang zwischen den beiden Teilen
erhält das Kanälchen eine blasige Erweiterung, aus welcher ein MAL-
PIGHrscher Körper hervorgeht, da sich ein Glomerulus in dieselbe
einsenkt (RABL). Der absteigende Teil bildet dann bei seinem weitern
Wachstum einige Schlingen, welche knäuelartig beisammenliegen.
Wenn der Embryo ein Weibchen wird, so geht der erste Abschnitt
der Urniere (etwa 7— Urnierenkanälchen) zu Grunde. Der Vornieren-
gang spaltet sich von vorn nach hinten in den Nierengang, welcher
die Urnierenkanälchen aufnimmt, und in den Eileiter (MÜLLER’schen
Gang), welcher nur vorn durch das Ostium tubae, welches aus der
Vorniere entstanden ist, mit der Leibeshöhle in Verbindung steht. —
Wenn der Embryo aber ein Männchen wird, bildet der erste Abschnitt
der Urniere den Nebenhoden, indem die Urnierenkanälchen hier keinen
Glomerulus entwickeln, sondern mit der
Anlage des Hodens sich verbinden und
zu Ausführungsgängen desselben werden.
Der MÜLLER’sche Gang wird beim Männ-
chen auch angelegt, bleibt aber rudi-
mentär ?).
Die Urkeimzellen (Genitalzellen)
werden am oberen Teil der Leibeshöhle
in den Seitenplatten sichtbar (in den Gono-
toden vergl. p. 135). Sie sind zuerst nicht
allein in der Splanchnopleura, sondern
auch in der Somatopleura und in den ven-
tralen Teilen der Ursegmentcommunica-
tionen zu bemerken (RABL, 1896). Sie er-
Fig. 114. Querschnitt durch den Rumpf
eines Embryo von Scyllium. spe Spinalganglien-
anlage, mp Myotom, »r Sklerotom, st Urnieren-
kanälchen, sd Vornierengang, po Genitalzellen,
spe Darm, » Subintestinalvene, c} Chorda, x Sub-
chordalstrang, «0 Aorta. (Nach BALFOUR.)
halten sich aber nur in der Splanchnopleura (Fig. 114). Sie gelangen
dann aufdie beiden Keimdrüsenfalten, welche an der Wurzel des dor-
1) Nach RApr beginnt die Bildung der Urnierenkanälchen bei Pristiurus schon
im Bereich der Vorniere, nämlich im 9. Segment; bei den weiter vorn gelegenen
Segmenten löst sich das Skleronephrotom ganz in Mesenchym auf.
2) Die Entwickelung der Urniere und das Verhalten der Gänge ist am genauesten
von RABL, Morphol. Jahrb., Bd. 24 (1896), beschrieben worden.
136 4. Capitel.
salen Mesenteriums, entstehen und sich später an der dorsalen Wand
der Leibeshöhle befinden. Aus diesen Keimdrüsenfalten gehen die Go-
naden (Eierstöcke oder Hoden) hervor.
Das Mesenchym wächst an vielen Stellen aus den Ursegmenten
und aus den Seitenplatten hervor!). Die wichtigste Bildungsstelle
von Mesenchym ist der Uebergang von den Seitenplatten zum Myotom,
also das Skleronephrotom (die Ursegmenteommunication); hier wuchert
nach oben eine Masse von Mesenchym hervor, nämlich das Sklero-
tom (Fig. 112). Es kann sich an dieser Stelle eine kleine Ausstülpung
der Splanchnopleura bilden, wie sie von RABL bei Pristiurus beobachtet
ist (Fig. 115); diese Ausstülpung wird von RABL der Sklerotomhöhle des
Amphioxus (vergl. p. 68 u. 72) homolog gesetzt; es ist aber auch die Auf-
fassung denkbar, daß die kleine Ausstülpung nur die Begleiterscheinung
der an dieser Stelle stattfindenden starken Herauswucherung des Mesen-
chyms ist (vergl. Fig. 19b). Die Mesenchymmasse des Sklerotoms dringt
zwischen dem Myotom und der Chorda aufwärts vor und wächst an den
Seiten des Medullarrohres herauf
bis an den oberen Flossensaum.
Ferner dringt sie unter die Chorda,
vor und verschmilzt hier mit dem
Sklerotom der anderen Seite.
Obgleich die Sklerotome seg-
mental entstehen, fließt doch das
Fig. 115. Querschnitt durch einen
Embryo von Pristiurus. (Nach RABL.)
Die Ursegmente haben sich vom übrigen
Teil des Mesoderms noch nicht ganz
abgeschnürt. An der Uebergangsstelle
sieht man eine Ausbuchtung (sc), die
Anlage des Sklerotoms, ch Chorda, spg
Nervenleiste, aus der sich die Spinal-
knoten entwickeln, mp Muskelplatte
des Ursegments, sch subchordaler Strang,
ao Aorta, ik Entoderm, pmb parietales,
vmb viscerales Blatt des Mesoderms.
Mesenchym derselben in eine einheitliche, unsegmentirte Masse zu-
sammen; in dieser bildet sich später die Wirbelsäule.
Werfen wir beiläufig einen Blick auf die Bildung der Wirbel-
säule, so kommen hauptsächlich folgende Vorgänge in Betracht.
Zuerst bildet sich über der Chorda eine homogene Ausscheidung, die
Chordascheide. Dieselbe verdickt sich mehr und mehr, und es lassen
sich an ihr zwei Grenzschichten unterscheiden, von welchen die innere,
welche der Chorda direct aufliegt, Elastica interna genannt wird, die
äußere Elastica externa. Dann bildet sich über der Chorda jederseits
1) Die Entstehung mesenchymatischer Anlagen von den Mesodermstreifen ist
schon von BALFOUR (1878) richtig angegeben worden. Trotzdem kamen nachher
Theorien zur Geltung, nach welchen das Mesenchym außerhalb des Embryonal-
körpers entstehe und von Zellen im Dotter oder von einem außen gelegenen Neben-
keim, Bindegewebskeim, Gefäßkeim oder Randkeim seinen Ursprung nehme (Para-
blasttheorien). Im Gegensatz zu diesen Theorien haben RAgL (1888) und ich (1888)
unabhängig von einander die Entstehung des Mesenchyms aus den Mesodermstreifen
dargelegt, und sind dann die Parablasttheorien aufgegeben worden.
Selachier. 137
oben und unten eine Verdichtung des Mesenchyms, welche leisten-
förmig an der Chordascheide entlang zieht, und aus welcher die
segmental angeordneten vorknorpeligen Anlagen der oberen und der
unteren Bögen hervorgehen !). Gleichzeitig wandern Mesenchymzellen
in die Chordascheide ein, indem sie an den Ansatzstellen der oberen
und unteren Bögen die Elastica externa durchbrechen und sich in
der ganzen Chordascheide zwischen Elastica externa und Elastica in-
terna ausbreiten ?); es ist also jetzt eine zellige Chordascheide vor-
handen (Tunica sceletogena chordae). In dieser treten später seg-
mental liegende Knorpelringe auf, welche die Wirbelkörper bilden;
indem sie dieker werden und die Chorda zusammenschnüren, können
sie amphicöle Wirbelkörper bilden °).
Eine Menge von Mesenchym entsteht von dem inneren Blatte der
Seitenplatten aus (Fig. 112); dieses Mesenchym umhüllt den Darm und
bildet das Bindegewebe, die Gefäße und die Musculatur desselben.
Von dem inneren Blatte der Seitenplatten stammen auch die Endothel-
zellen des Herzens ab (vergl. p. 141). — Ferner wird vom äußeren
Blatt der Seitenplatten Mesenchym gebildet; insbesondere liefert das-
selbe die Mesenchymmassen, welche die erste Anlage der Extremitäten
darstellen (Fig. 112).
Ferner entsteht Mesenchym von dem äußeren Blatt des Myotoms
aus); es ist dies ebenfalls in Fig. 112 angegeben. — In dieser Figur
ist auch eine Mesenchymbildung am oberen und am unteren Ende
des Myotoms eingezeichnet. Dadurch wird angedeutet, daß sich auch
Mesenchym aus dem oberen Ende des Myotoms entwickelt, und daß
ferner die Bildung der Fortsätze, welche oben und unten an dem Myo-
tom stattfindet, ebenfalls der Mesenchymentwickelung gleichwertig ist.
Es wächst nämlich das obere und das untere Ende jedes Myotoms in
einen knospenartigen Fortsatz aus, welcher meist sich wieder in zwei
Fortsätze spaltet’). Die oberen Fortsätze sind bei der Bildung der
Rückenflosse, die unteren Fortsätze bei der Bildung der paarigen
Flossen beteiligt (Fig. 117). Ich halte die Entstehung dieser Fortsätze,
welche sich von dem Myotom ablösen, für einen ähnlichen Vorgang wie
das Hervorwuchern von Mesenchym. Ein Teil der Myotomfortsätze löst
sich in Mesenchym auf (Abortivknospen); nur diejenigen Myotom-
1) Die dorsale und die ventrale Längsleiste wurden von RABL (1892) beschrieben.
Aus den dorsalen Längsleisten bilden sich die oberen Bögen, die Intercalarstücke
und die verbindenden Bandmassen, aus den ventralen Längsleisten entstehen die
ventralen Bögen der Schwanzregion und die ventralen Bogenstümpfe des Rumpfes.
2) Dieser merkwürdige Vorgang ist von vielen Autoren. gesehen worden
(SCHNEIDER, HASSE, KLAATSCH, CLAUS u. A.).
3) Der so entstehende Wirbelkörper wird primärer Wirbelkörper genannt, zur
Unterscheidung von dem seeundären Wirbelkörper, welcher sich durch Zusammen-
fließen der Basalteile der Bögen bildet.
4) Da dieses Mesenchym bei der Bildung der Cutis beteiligt ist, hat man für
das äußere Blatt des Myotoms den Namen Cutisblatt gebraucht; jedoch bildet
dieses Blatt nicht nur Mesenchym, sondern ist auch bei der Bildung der Musculatur
beteiligt.
5) Die Bildung der knospenartigen Fortsätze der Myotome wurde schon von
BALFOUR (1878) beobachtet, dann vun DOHRN (1884) und PAUL MAYER (1886) ge-
nauer beschrieben. Später wurden diese Vorgänge von vielen Autoren erwähnt
und besonders ausführlich neuerdings wieder von BrAus (1899) besprochen. — Ich
habe über die Abwerfung der Knospen folgende Auffassung geäußert (1888):
Die Segmentation der Musculatur ist phylogenetisch älter als die Bildung der
Flossen; als die Flossen entstanden, erhielten sie Zellen von dem segmentirten
Teil der Mesodermstreifen, und die Abgabe dieser Zellen geschah folglich auch in
segmentalen Partien ; diese erscheinen dann als Fortsätze der Segmente.
135 4. Capitel.
fortsätze, welche in die unpaaren und paarigen Flossen eintreten,
werden direct zur Bildung von Muskeln verwendet (Muskelknospen).
Die unpaaren Flossen entstehen aus einem continuirlichen
Flossensaume. Auf der Dorsalseite geht der Flossensaum in der
Medianebene über den ganzen Rumpf und Schwanz, auf der Ventral-
seite verläuft er vom After bis zum Schwanzende Bei der Ent-
stehung des Flossensaumes bildet sich zuerst eine Hautfalte; dann
wächst Mesenchym in die Falte ein, und darauf treten Fortsätze der
Myotome heran, die Muskelknospen, welche die Musculatur an den
Flossenstrahlen bilden. — Aus dem dorsalen Flossensaume gehen die
Rückentlossen und der obere Teil der Schwanzflosse hervor, wobei
die zwischenliegenden Teile des Saumes verschwinden; in ähnlicher
Weise entstehen aus dem ventralen Saume die Afterflosse und der
untere Teil der Schwanzflosse.
Die Extremitäten werden zuerst dadurch bemerkbar, daß
sich an den betreffenden Stellen eine Ansammlung von Mesenchym
bildet, welche die Haut wulstförmig emporhebt (Fig. 112); wie schon
früher gesagt wurde, entsteht dieses Mesenchym von der Somato-
pleura aus'!). Auf der hügelartigen Er-
höhung bildet dann das Ektoderm eine
Längsfalte, welche die Form einer nie-
drigen Leiste hat (Fig. 116). Wie BAL-
FOUR (1578) beobachtete, ist die Leiste
der vorderen Extremität bei manchen
Selachierembryonen (insbesondere bei
Torpedo) mit der Leiste der hinteren
Extremität durch eine Linie eylinder-
förmiger Epiblastzellen verbunden;
RABL (1892) bestätigte diesen Befund
und beschrieb den continuirlichen Zu-
sammenhang der Ektodermleisten der
Fig. 116. Querschnitt durch die Brust-
flossenanlage eines 9 mm langen Embryo von
Pristiurus. (Nach WIEDERSHEIM.) RM Me-
dullarrohr, Ch Chorda, Un Urnierenkanälchen,
VNG Vornierengang, (Co Leibeshöhle, CoE Peri-
tonealepithel, 7 Myotom, Ve Extremitätenleiste.
u, Links sieht man den Fortsatz des Myotoms in
r die Extremitätenanlage eintreten.
vorderen und hinteren Extremität?).. Demnach ist die erste Anlage
der jExtremitäten eine ähnliche wie bei den unpaaren Flossensäumen,
und kann man daraus schließen, daß die Extremitäten jederseits aus
einem eontinuirlichen Flossensaum entstanden, welcher in einer Linie
von der Kiemenregion nach dem After hin verlief.
I) Das Mesenchym der Extremitätenanlage hängt zwischen den Ne
mit dem Mesenchym der Sklerotome zusammen (ZIEGLER 1888, BRAus 1899).
2) Bei Torpedo-Embryonen von 12 mm Länge war noch keine Verbindung der
Extremitätenanlagen zu bemerken. Bei Embryonen von 15 mm Länge, bei denen
sich die Brustflossen schon als ansehnliche Platten vom Rumpfe abheben und an
ihrem Rande eine breite Ektodermfalte tragen, ist auch die hintere Extremität schon
durch den Besitz einer solchen Falte ausgezeichnet; zwischen den beiden Flossen
ist eine Ektodermverdickung nachweisbar, die eine Verbindung der beiden Falten
herstellt. Bei Embryonen von 18 mm Länge ist eine continuirliche Ektodermfalte
vorhanden, die hinter der Kiemenregion beginnt und bis hinter den After nach rück-
wärts zieht.
Selachier. 139
Nachdem die wulstförmig vortretenden Extremitätenanlagen ge-
bildet sind, wachsen in dieselben die bereits erwähnten Fortsätze der
Myotome, die sog. Muskelknospen, hinein. Der Fortsatz jedes
Myotoms teilt sich in zwei Fortsätze, welche neben einander liegen;
man kann noch lange Zeit die paarweise zusammengehörigen Fort-
sätze daran erkennen, daß sie gemeinsam von dem Spinalnerven des
betreffenden Segmentes innervirt werden (Fig. 117IID. Jeder der ge-
teilten Fortsätze (Primärknospen) spaltet sich dann in einen oberen
und in einen unteren Teil (dorsale und ventrale Secundärknospen);
aus den oberen Teilen entstehen die oberen Museculi radiales, aus den
unteren die unteren Museculi radiales.
Die Skeletanlage erscheint als eine vorknorpelige Platte zwischen
den oberen und unteren Muskelknospen (Secundärknospen). Sie ist
Fig. 117. 3 Stadien der Entwickelung der Bauchflosse bei Spinax niger (die
Bauchflosse der linken Seite von oben gesehen). Die Bilder sind einer von BRAUS
(1898) dargestellten größeren Reihe von Stadien entnommen. Fig. III zeigt, die
Muskelknospen bei einem Embryo von ca.28 mm Länge. Fig. V zeigt in punktirter
Fläche die Anlage des Knorpelskelets bei einem Embryo von 32? mm Länge; darüber
die Conturen der Muskelknospen (7—XVIT). — Fig. VI stellt das Skelet der Bauch-
flosse des ausgewachsenen Tieres dar. — In Fig. III sind die Spinalnerven der
Segmente 18—41 eingezeichnet. An der Basis der Flosse findet zwischen den Nerven
eine Plexusbildung statt, und werden noch weiter vorn gelegene Nerven in den
Plexus einbezogen, so daß z. B. der Nerv des Segmentes 27 sich an den ersten
Radien verzweigt, welche in Fig VI dunkel schattirt sind.
in ihrem proximalen Teil einheitlich, spaltet sich aber distalwärts ın
Radien, wobei jedem Paar der Musculi radiales ein Knorpelstrahl
entspricht, wie Fig. 117 V zeigt).
In Bezug auf alle diese Vorgänge verhält sich die vordere Ex-
tremität ebenso wie die hintere. Die hintere Extremität läßt auch
in ihrem definitiven Skelet noch leicht die beschriebene Bildungsweise
erkennen; sie behält ihre horizontale Stellung bei, und der einheitliche
Längsstreifen der Skeletanlage bleibt als Basipterygium bestehen
(Fig. 117 VI); ein vorderer Teil der einheitlichen Platte gliedert sich ab
1) Ich habe in der obigen Beschreibung der Entstehung der Extremität nur
das Wesentliche hervorgehoben. Im Einzelnen zeigen sich mancherlei Complicationen
und Unregelmäßigkeiten, insbesondere durch Verschiebungen der Extremitäten und
140 4. Capitel. R
und bildet den Beckengürtel. Die Strahlen der Bauchflossen gehen
wie beim Embryo von dem Basipterygium distalwärts aus. — An der
Brustflosse finden stärkere Umbildungen statt. Aus der ursprünglich
einheitlichen Knorpelplatte entstehen mehrere Teile; der vorderste
Teil bildet den Schultergürtel,
ein folgender Teil das Meso-
pterygium, der übrige Teil das Me-
tapterygium (Mesopterygium und
Metapterygium entsprechen dem
Basipterygium der hinteren Extre-
mität). Die Strahlen gehen von
dem Mesopterygium und dem
Metapterygium aus, wobei auf
das Mesopterygium meist nur
wenige, auf «das Metapterygium
viele Strahlen kommen (Fig.-118).
Ein kleiner Teil des Mesoptery-
giums gliedert sich ab und bildet
das Propterygium.
Wie schon BALFOUR betont
hat, spricht die Bildungsweise der
Extremitäten keineswegs für die
Hypothese von GEGENBAUR, nach
welcher die Extremitäten von
Kiemenbögen abgeleitet werden,
und für die Flossenstrahlen ur-
sprünglich eine zweireihige An-
Fig. 118. Brustflosse eines Embryo
von Seyllium stellare. (Nach BALFOUR.) j 3 :
mp Metapterygium, me.p Anlage des Me- ordnung angenommen wird
sopterygiums und des Propterygiums, se (Archipterygium-Theorie). Alle
Schnittfläche des Scapularfortsatzes, cr embryologischen Thatsachen deu-
Coracoidfortsatz, fr Loch, / Hornfäden. ten vielmehr auf die von Bar-
FOUR u. A. vertretene Theorie
hin, nach welcher die Extremitäten jederseits aus einem seitlichen
Flossensaum, also aus einer continuirlichen Flossenfalte sich heraus-
gebildet haben, indem der zwischen den beiden Extremitäten befind-
liche Teil des Saumes rückgebildet wurde (Seitenfalten-Theorie, Flossen-
falten-Theorie, von HAECKEL Ptychopterygium-Theorie genannt). Ganz
besonders kann zu Gunsten dieser Theorie angeführt werden, daß
JALFOUR die oben erwähnte continuirlich von der vorderen zur hinteren
Extremität ziehende Hautfalte beobachtete; ferner daß an allen Myo-
tomen, welche zwischen der vorderen und der hinteren Extremität
liegen, ebenfalls Muskelknospen gebildet werden, welche teils zu Grunde
gehen (d. h. in Mesenchym aufgelöst werden), teils in schiefer Richtung
nach den Extremitäten sich hinziehen.
Indem ich mich der Falten-Theorie anschließe !), stelle ich mir die
phylogenetische Entstehung der Extremitäten in folgender Weise vor.
Zu der Zeit, als die Extremitätenfalte entstand, war die segmentale
durch die Zusammenziehungen, welche am vorderen und am hinteren Ende der Ex-
tremität stattfinden. Ich verweise auf die Arbeiten von RAgBL (1892), MOLLIER (1893)
und BrAvs (1899).
1) Als Vertreter der Seitenfalten-Theorie sind hauptsächlich folgende Forscher
zu nennen: THACHER, MIVART, BALFOUR, DOHRN, RABL, WIEDERSHEIM. Die
beiden erstgenannten Autoren, welche die Seitenfalten-Theorie aufgestellt haben, be-
gründeten dieselbe noch nicht auf embryologische, sondern auf vergleichend-ana-
tomische Thatsachen.
u 4
Selachier. 141
Körpermuseulatur, also die Segmentirung des Mesoderms schon vor-
handen; es wuchsen nun von den Ursegmenten Fortsätze in die Falte
hinein; es erhielt folglich die Falte ebenfalls eine segmentale Muscu-
latur. Durch die successive Contraction der segmentalen Muskeln
wurde eine undulirende Bewegung der Falte hervorgebracht. Die
Lage der Knorpelstrahlen mußte der Lage der Muskeln entsprechen,
und die Knorpelstrahlen liefen folglich in paralleler Anordnung vom
Körper nach dem Rande der Flosse hin !). Die continuirliche Seiten-
tlosse wurde dann in zwei Teile zerlegt (in ähnlicher Weise, wie aus den
unpaaren Flossensäumen die einzelnen unpaaren Flossen hervorgehen).
Es konnte dies unter der Wirkung der natürlichen Züchtung geschehen,
da die vordere Extremität eine freiere und kräftigere Wirkung bekam,
als sie aus dem Flossensaum heraus zu einem selbständigen Ruder
sich entwickelte.
Das Herz wird an den Seiten des Vorderdarmes angelegt, kurz
bevor der Vorderdarm von dem Dotterentoderm sich abschnürt; jeder-
seits entsteht ein Gefäßschlauch, indem Mesenchymzellen, welche sick
von der Splanchnopleura abgelöst haben, zwischen der Splanchnopleura
und dem Entoderm das Endothel eines Gefäßes bilden ?). Wenn dann
die Abschnürung des Vorderdarmes fortschreitet, vereinigen sich die
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DEE [6)
Fig. 119. Schnitt durch den Rand des Blastoderms eines Torpedoembryo vom
Stadium D (vergl. Fig. 93). Man sieht oben das Ektoderm e, unten das Dotter-
epithel ep, dazwischen das periphere Mesoderm m mit einer Blutinsel bl. Unter
dem Dotterepithel liegen große Dotterkerne dk. (Nach Hıs 1900.)
beiden Gefäßanlagen und bilden das Endothel des Herzschlauches,
während die Splanchnopleura denselben umschließt und seine Muskel-
wand erzeugt.
Die beiden Pericardialhöhlen vereinigen sich über und unter dem
Herzschlauch, so daß eine einheitliche Pericardialhöhle entsteht. Diese
schnürt sich allmählich von der Leibeshöhle ab, indem eine Scheide-
wand entsteht, in welcher die Ductus Cuvieri verlaufen. Nur eine enge
Verbindung bleibt jederseits zwischen der Lertbeshöhle und dem Peri-
cardium bestehen °).
1) Eine solche Anordnung der Strahlen ist bei manchen fossilen Selachiern
vorhanden; z. B. zeigt Cladoselache in der Brustflosse und in der Bauchflosse
a ng Bun, Strahlen in paralleler Lage (DEAN, Anat. Anz., Bd. 11, 1896,
2 673.% Ri).
5 2) Die Form der paarigen Herzanlage ist von Hıs (1894) abgebildet; jederseits
an dem sich abschnürenden Vorderdarm sieht man einen Gefäßstamm, welcher an
seinem unteren Ende aus mehreren Venen sich zusammensetzt.
3) Das Genauere über die Entstehung der Scheidewand zwischen der Peri-
cardial- und Peritonealhöhle, sowie über die Bildung des Canalis pericardiaco-perito-
nealis ist aus der Schrift von HOoCHSTETTER (1900) zu ersehen.
142 4. Capitel.
Wie das Endothel des Herzens wird auch das Endothel der Ge-
fäße von Mesenchymzellen gebildet. — Die Aorta entsteht durch me-
diane Vereinigung paariger Anlagen (Fig. 106). Auch die Subintesti-
nalvene wird paarig angelegt (Fig. 106). Aus den beiden Teilen der-
selben wird dann vor dem After eine einheitliche Vene gebildet, in
welche die Dottervone einmündet und welche auf der linken Seite des
Darmnabels zum Herzen geht (PAuL MAYER 1887).
Wenn die Cardinalvenen sich gebildet haben, was erst spät ge-
schieht, verbinden sie sich mit dem postanalen Teil der Subintestinal-
vene und führen das Blut des Schwanzes zum Herzen zurück.
Es bleibt nun noch dasjenige Mesoderm zu besprechen, welches
außerhalb des Embryonalleibes sich befindet, das extraembryonale
und periphere Mesoderm. Dasselbe besteht aus einer Zellenschicht,
welche als Fortsetzung der Seitenplatten vom Embryonalkörper zum
Rande des Blastoderms sich erstreckt und in dem Randwulst längs
des ganzen Randes des Bla-
stoderms sich fortsetzt. Diese
Schicht besitzt Verdiekungen,
aus welchen Blutinseln hervor-
gehen; solche Anlagen von
Blutinseln bilden sich an dem
ganzen Randwulst längs des
seitlichen und des vorderen
Randes des Blastoderms (Fig.
92). — Indem das Blastoderm
sich weiter ausbreitet, rücken
diese kleinen Zellmassen nicht
in dem Maße weiter, wie der
Rand des Blastoderms sich vor-
schiebt, und sie entfernen sich
folglich ein wenig von dem
Rande; sie bleiben mit dem-
selben durch eine dünne
Mesodermlamelle verbunden,
Fig. 120 A—C. Drei Stadien der
Entwickelung von Pristiurus, welche
die Umwachsung des Dottersackes
und die Gefäße auf dem Dotter
zeigen. (Nach BALFOUR.) — A Das
Blastoderm hat etwas mehr als die
Hälfte des Dottersackes umwachsen.
bl Blastoderm, y% Dotter, a Dotter-
arterie. — B Der Dottersack ist nahe-
zu umwachsen; nur ein kleinesDot-
terloch (y%) ist hinter dem Embryo
sichtbar. — C© Das Dotterloch ist ge-
schlossen. «a Dotterarterie, » Dotter-
vene, x Blastoderm, y Verschluß-
stelle des Dotterloches.
welche an der Uebergangsstelle des Ektoderms und der subblastocölen
Schicht herauswächst (Fig. 93); es läuft folglich eine continuirliche
schmale Mesodermschicht längs der ganzen Peripherie des Blasto-
Selachier. 143
derms, und am Innenrande derselben befinden sich die Anlagen der
Blutinseln (Fig. 119). Diese erscheinen als Verdickungen der Splanchno-
pleura. Indem sich die Blutinseln in Gefäßwandungen und in Blut-
körperchen differenziren, geht von ihnen die Bildung eines unter der
Splanchnopleura gelegenen Gefäßnetzes aus.
Die Circulation, welche in dem extraembryonalen Gebiet des Blasto-
derms eingerichtet wird, hat den Zweck, dem Embryo Nahrung und
Sauerstoff zuzuführen. Das Blut nimmt folgenden Weg. Auf der
rechten Seite des Darmnabels geht eine große Arterie auf den Dotter
über, verläuft nach vorn und teilt sich vor dem Kopfe des Embryo
in 2 Gefäße, welche sich nach rechts und links wenden. Dieses Gefäß
ist die Dotterarterie oder Nabelarterie (PAuL MAYER); sie entspringt
aus der Aorta an der rechten Vorniere !), wie schon oben gesagt wurde
(p. 134). Ihre beiden Teiläste gehen auf dem Dottersack in zahlreiche
Gefäße über, welche nach der Peripherie des Blastoderms verlaufen
und am Rande des Blastoderms in 2 große Dottervenen einmünden.
Diese gehen längs des Randes nach hinten, und da die Ränder des
Blastoderms sich hinter dem Embryo eine Strecke weit nahtartig ver-
einigen (Fig. 121), fließen auch diese beiden Gefäße hier zu einem ein-
zigen Venenstamme zusammen. Nun wird der Dottersack mehr und
mehr von dem Blastoderm umwachsen (Fig. 120), und schließlich wird
die Umwachsung mit dem Verschluß des Dotterloches beendet, welcher
in einer kurzen Entfernung hinter dem Embryo stattfindet. Dabei
werden die Randvenen zusammengezogen, und es bleibt nur eine große
Dottervene, welche von hinten her an den Embryo herantritt (Fig. 120 C).
Wie PAuL MAYER gezeigt hat, tritt die Dottervene am Hinterende
des Darmnabels mit der Subintestinalvene in Verbindung, ‘und geht
das Blut dieser Gefäße durch eine große an der linken Seite des Darm-
nabels verlaufende Vene zum Herzen zurück. Bei der Ausbildung
der Leber wird diese Vene zur Pfortader.
Der Darmkanal der Selachierembryonen.
Die hauptsächlichsten Publicationen sind diejenigen von LEyvıG (1852), BAL-
FOUR (1878), LAGUESSE (1894), RÜCKERT (1896).
Der Mund wird durch eine Einbuchtung des Ektoderms angelegt,
welche dann in den Darm sich öffnet (bei Pristiurus am Ende des
Stadiums K). Zu dieser Zeit besteht der Darmkanal aus folgenden
Abschnitten: erstens aus dem breiten Kiemendarm, an welchem seit-
lich die Kiemenspalteu entstehen, zweitens aus dem Vorderdarm,
welcher ein schmäleres Rohr bildet und sich später in den Oesophagus
und den Magen gliedert; dann folgt der Anfangsteil des Mitteldarms,
an welchem die Anlagen der Leber und des Pankreas sich finden, un-
mittelbar dahinter der Dottergang, durch welchen der Mitteldarm mit
dem Dottersack in Verbindung steht; sodann der Spiralklappendarm,
welcher in die der späteren Cloake entsprechende Erweiterung des
Darmrohres mündet. Hinter der Cloake findet man den postanalen
Darm, welcher nahe an der Schwanzspitze mit dem Schwanzbläschen
endet; dieses ist eine blasige Erweiterung des postanalen Darmes, in
welche der Canalis neurentericus sich öffnet.
1) Bei Teleosteerembryonen ist offenbar die Arteria mesenterica, welche im Be-
reich der Vorniere entspringt und auf der rechten Seite des Darmes nach der Leber
geht, der Nabelarterie der Selachier homolog; ein Teil des Blutes der Arteria mes-
enterica gelangt von der Leber aus auf den Dottersack.
144 4. Capitel.
Die Mundbucht ist seitlich von dem Kieferbogen begrenzt (Fig. 121).
Der Kieferbogen erfährt eine Knickung, der obere Teil desselben
bildet den Oberkiefer (das Palatoquadratum). der untere den Unter-
kiefer (Fig. 72L). — Am hinteren Ende der sich einstülpenden Mund-
bucht wächst eine kleine Ausstülpung nach hinten, welche sich an den
kob
df
Fig. 121. Embryo von Torpedo im Stadium I—K. Vergrößerung 10mal. —
a Stelle des Afters, d/ dorsaler Flossensaum, h Pericardium, % erste Kiemenspalte
(Spritzloch), md Hinterende des Medullarrohrs, ob Ohrbläschen, oe Auge, n Nasen-
grube, nt nahtartige Vereinigung der Blastodermränder, st Dotterstiel, sch Schwanz-
knopf, » Gegend der Vorniere und der vorderen Extremität.
Trichterteil des Gehirns anlegt und das Hypophysensäckchen
(den Pituitarkörper) darstellt. — Am Rande der Mundhöhle entstehen
später die Zähne !).
Am Kiemendarm entstehen die Kiemenspalten; zur Bildung
einer Kiemenspalte entsteht
eine Ausstülpung vom Ento-
4 3 derm aus (Fig. 21 auf p. 34),
welche an das Ektoderm
vordringt und mit einer Ein-
senkung des Ektoderms
sich verbindet, worauf der
Durchbruch der Spalte er-
folgt.
Die erste Kiemenspalte
wird zum Spritzloch,
\ indem ihr oberer Abschnitt
TEN: sich erweitert (Fig. 121), ihr
IHN: RUN ventraler Teil sich ver-
EHRNNAN schließt. — Hinter dem
UNNA Spritzloch folgen bei Tor-
Ian IN pedo und überhaupt bei den
EEE meisten Selachiern noch 5
Mei: . u. = Ein won en Kiemenspalten ?).
em C n n . L 1 N
aber mit dem Anker Kam een em An de
Teil des Dottersackes mit den Dottergefäßen dar- wachsen die Kiemen-
gestellt. fäden hervor; zuerst er-
1) Ich muß davon absehen, die Entwickelung der Zähne hier zu beschreiben.
Ich verweise auf die Arbeiten von O. HErTwıG (1874) und LAASER (1900).
2) Aber Hexanchus hat 6, Heptanchus 7 Kiemenspalten; unter den fossilen
Haien hat Cladoselache ebenfalls 7 ee
N
“
!
R
%
%
F
ä
Selachier. 145
scheinen die mittleren Kiemenfäden in Form kleiner Knöpfehen am
2. Bogen (Hyoidbogen) und am 3. Bogen (Fig. 121). Dann kommen
solche Knöpfchen längs der ganzen Kiemenbögen hervor (Fig. 72L);
so entstehen zahlreiche Kiemenfäden, welche zu sehr großer Länge
auswachsen und offenbar die Atmung des Embryo vermitteln (Fig. 122).
Sie sitzen an der vorderen Wand des Spritzlochs, an beiden Wänden
der nächsten 4 Spalten und an der vorderen Wand der 5. Spalte an.
— Zur Zeit, wenn der Embryo ausschlüpft, werden die Kiemenfäden
rückgebildet und’ ragen dann nicht mehr aus den Kiemenspalten hervor.
Am Boden der Kiemenhöhle entsteht in der Gegend des Man-
dibularbogens ein kleines Divertikel (Fig. 123), welches sich abschnürt
und in einzelne Follikel zerfällt. Es ist die
Schilddrüse (Glandula thyreoidea), ent-
sprechend der Thyreoidea der Petromyzonten
und der Hypobranchialrinne (dem Endostyl)
des Amphioxus (vergl. p. 66 u. 84).
Die Leber entsteht am Anfang des Mittel-
darmes und wird durch eine ventrale Bucht
angelegt, von welcher 2 seitliche Ausstülpungen
ausgehen (Fig. 124). Unmittelbar unter der
Leberanlage entsteht eine kleine Ausstülpung,
welche anfangs kein Lumen enthält; es ist
die Anlage der Gallenblase. Die Anlagen der
Leber und der Gallenblase schnüren sich vom we
Darme ab, wobei aus dem Reste der Ver- m ”
bindung mit dem Darm der Gallengang ent- Fig. 123. Querschnitt
steht und die Gallenblase an den Gallengang durch den Kopf eines Tor-
kommt ı) pedoembryo (Stadium mit
zu les . ’ 3 Kiemenspalten). aup Ohr-
Das Pankreas wird von einer Aus- Prube, aun Ganglion des
v. I ! » adlırahr ale örnerven, iv» Dach des
stülpung m on u N Be ler 4 Ventrikels (Hinterhirn-
er orTSsa sel e desse den gerät e uüper ( e1 teil des Medullarrohrs), acr
Leberanlage sich anlegt ?), wie Fig. 124 zeigt. vordere Cardinalvene, aa
Beiläufig mag bemerkt werden, daß die 4Artenwurzel, Jaa Gefäß
f e 3 im Mandibularbogen, pp
Milz gerade über dem Pankreas, aber unab- Kopfhöhle _(Mexoderm-
hängig von demselben entsteht. Sie nimmt höhle) im Mandibular-
ihren Ursprung an dem Mesenterium der bogen, Zve1. Kiemenspalte,
Magen- und Duodenalgegend und bildet sich re Sy der Thyreoidea.
aus dem Mesenchym (LAGUESSE). a
Unmittelbar hinter den Anlagen der Leber und des Pankreas
geht der Dottergang ab (Ductus vitello-intestinalis). Der Dotter-
gang entsteht dadurch, daß an dieser Stelle die ursprüngliche Ver-
bindung des gastralen Entoderms und des Dotterentoderms erhalten
bleibt, während der Embryo sich von der Dotterkugel abhebt. Indem
der Dottergang sich verlängert, wird die Dotterkugel zu dem lang-
gestielten Dottersack (Fig. 122B). Dieser wird später resorbirt. — Bei
manchen Selachiern bildet sich an dem in der Bauchhöhle gelegenen
Teile des Dotterganges durch Ausstülpung ein innerer Dottersack, in
welchen die Dottermasse übertritt; der innere Dottersack nimmt also
1) Genauere Beschreibungen der Bildung der Leber findet man bei LAGUESSE
(1894) und bei CHORONSHITZKY (1900).
2) Es ist also nur eine dorsale Pankreasanlage vorhanden; ihr Ausführungsgang
ist der Ductus Santorini; ventrale Pankreasanlagen sind nicht gefunden worden
(LAGUESSE 1894, BRACHET 1896).
Ziegler, Entwickelungsg, d. niederen Wirbeltiere, 10
146 4. Capitel.
in dem Maße zu, wie der äußere dünner und schmächtiger wird (so
bei Acanthias und Scymnus); bei anderen Arten (z. B. bei Mustelus
laevis) fehlt dieser innere Dottersack!). Aus dem inneren Dottersack
tritt die Dottermasse allmählich in den Spiraldarm über und wird da
resorbirt. — Es besteht bei Embryonen Flimmerung im Dottergange
und im Spiralklappendarme; im Dotter-
gange bleibt die Flimmerung bis zum Ende
des Eilebens, im Darme verschwindet sie
schon früher (Leypıqe 1852).
Fig. 124. Schema der Lebergegend des Darmes
bei Selachierembryonen. [Nach Tao (1894)
etwas verändert.| d» Dottergang, * Klappendarm,
i Leberbucht, 2! seitliche Leberausstülpung, p Pan-
kreasanlage, v Vorderdarm, »/ Anlage der Gallen-
blase.
Hinter dem Dottergange beginnt der Klappendarm. Die Ent-
wickelung der Spiralklappe ist neuerdings von RÜCKERT (1896),
von KANTOROWICZ (1597) und von PAUL MAYER (1897) beschrieben
worden. RÜCKERT hat die Vorgänge bei Pristiurus durch Platten-
modelle klargelegt. Es bildet sich zuerst eine rinnenförmige Ein-
biegung des noch gestreckt verlaufenden Entodermrohres, so daß die
Wand in Gestalt einer Längsfalte in das Lumen vorspringt. Dann
windet sich das entodermale Rohr innerhalb seines Peritonealschlauches
in Spiraltouren auf, in der Richtung einer rechtsgewundenen Schraube ?) ;
dieser Proceß beginnt am hinteren Ende und schreitet allmählich
nach vorn hin fort. Die Spirale macht bei Pristiurus 7'/, Windungen,
bei Torpedo 12, bei Acanthias vulgaris 15.
In der Gegend des Afters zeigt das Darmrohr eine hohe und
schmale Erweiterung, welche den entodermalen Teil der Kloake dar-
stellt. In diese Erweiterung münden die Urnierengänge ein, und am
vorderen Ende dieser Erweiterung wird sich der After bilden (Fig. 125D
bei el.al). Während sich das Darmrohr vor und hinter dem After von
dem ventralen Ektoderm entfernt, bleibt es an der Stelle des Afters
in Berührung mit demselben). Der Durchbruch des Afters erfolgt
erst in spätem Stadium (bei Pristiurus im Stadium O), nachdem sich
1) Die Gattung Mustelus verhält sich nach den Arten verschieden: Mustelus
vulgaris bekommt nur einen kleinen inneren Dottersack, und Mustelus laevis hat
keine Spur eines inneren Dottersackes. Bei Mustelus bleibt der äußere Dottersack
bis zur Geburt, und der Nabelgang hat sich dabei immer weiter und weiter ausge-
zogen (LEYDIG 1852). Mustelus laevis hat die merkwürdige Eigentümlichkeit, daß
der äußere Dottersack vermöge starker Faltung und Runzelung sich in Falten und
Buchten der Uterusschleimhaut anlegt und so die Dottersackplacenta bildet,
von welcher schon früher die Rede war (p. 101).
2) Die Längsrinne geht nach hinten in die Spiralrinne über, und die Gestalt
des gewundenen Darmteiles läßt sich, wie mir scheint, am besten mit einem Pfropfen-
zieher vergleichen. Der äußeren Spiralrinne entspricht im Innern die einspringende
Spiralfalte.e. Diese hat einen ähnlichen Verlauf, wie eine im Inneren eines Turmes
aufsteigende Wendeltreppe, welche nur an der Wand des Turmes (nicht an einer
Mittelsäule) befestigt ist. |
3) Es besteht aber zu dieser Zeit keine Verschmelzung mit dem Ektoderm.
„Obgleich das Darmrohr früher im ganzen Schwanzteile des Embryos ventralwärts
geöffnet war und sich in einer Naht geschlossen hat, und obgleich der After an
einer Stelle dieser Naht entsteht, kommt er dort nicht durch Offenbleiben zustande,
sondern bricht secundär durch, nachdem vorher das Darmrohr sich durchweg deut-
lich vom Ektoderm gesondert hatte“ (ScHwArz 1889).
Selachier. 147
vom Ektoderm eine taschenartige Einstülpung gebildet hat, welche
mit dem entodermalen Teile der Kloake verschmilzt (BALFOUR 1878).
Hinter der Kloake folgt der postanale Darm (Schwanzdarm).
Derselbe geht am oberen Teile der genannten Erweiterung ab und
wird zunächst sehr dünn (Fig. 125C al); er erweitert sich aber
wieder gegen das Hinterende des Schwanzes und endet am unteren
Teile des Canalis neurentericus mit dem Schwanzbläschen (caudal
j vesicle von BALFOUR)!). Bei
dem weiteren Wachstum ver- &
schwindet zunächst der verdünnte TR
Teil des Schwanzdarmes, während en:
das Schwanzbläschen sich lange ZZ
erhält. — An der Endblase fließen
die beiden Mesodermstreifen mit
dem Entoderm zusammen und
vereinigen sich in einer unter und
hinter der Endblase liegenden
Fig. 125 A—D. 4 Querschnitte
durch nn Schwanz eines Selachier-
embryo des Stadiums K. (Nach BAr-
FOUR.) Der Schnitt A trifft das Schwanz-
bläschen, die Schnitte B u. © den post-
analen Darm, der Schnitt D die Kloaken-
anlage. ao Aorta, al Schwanzdarm, ch
Chorda, alv Schwanzbläschen, n Me-
dullarrohr, nc Canalis neurentericus,
mp Mesoderm, cl.al Kloakenanlage, ».cau
Vena caudalis, x Subchordalstrang.
u
ARM
Y
(!
Zt
Big
ze
Zellmasse, welche früher schon (p. 125) erwähnt und als Schwanz-
knopf oder Primitivknopf bezeichnet wurde (vergl. Fig. 107”—110 und
Fig. 121 sch). Während diese Zellmasse bei dem Wachstum des
Schwanzes zur Verlängerung der Mesodermstreifen aufgebraucht
wird, verschwindet das Schwanzbläschen und obliterirt der Canalis
neurentericus (BALFOUR 1878). \
\,-
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1) Schwanzbläschen (Endblase) und Canalis neurentericus sind an Fig. 125A
zu sehen; das Zusammenfließen des Mesoderms mit dem Entoderm ist aber in der
Figur nicht dargestellt. — Beiläufig mag erwähnt werden, daß schon BALFOUR die
Homologie zwischen der Endblase der Selachier und der Kuprrer’schen Blase der
'Teleosteer erkannte.
10*
n j ” . ö ‘= >
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Nachtrag.
Die Furchung der Selachier betreffend.
Während des Druckes erschien eine Mitteilung von BasurorD DEAN
über die Furchung von Heterodontus (Cestracion) japonicus Macleay;
dieselbe ist so wichtig, daß ich hier nachtragsweise darüber berichten
mußt). Dean fand, daß der genannte Selachier eine totale inäquale
Furchung besitzt, ganz ähnlich derjenigen der Ganoiden (vergl. Amia
und Lepidosteus, p. 159 u. 164). — Das Ei mißt 4—5 cm im Durch-
messer und ist von halbflüssiger Consistenz. Es wird umgeben von
1) DEAN, BASHFORD, Reminiscence of Holoblastie Cleavage in the Egg of the
Shark, Heterodontus (Cestracion) japonicus Macleay. Annotationes zoologicae japo-
nenses, Vol. IV, Tokyo 1901.
152 4. Capitel.
einer feinen weißlichen Eihaut, darüber folgt das zähtlüssige Eiweiß,
welches den Zwischenraum zwischen der Eihaut und der Eischale (Ei-
kapsel) erfüllt. Das Ei pflegt sich in dem Eiweiß so zu drehen, daß der
animale Pol nach oben steht. Zur Zeit, wenn das Ei abgelegt wird, ist
die Entwickelung etwa bis zu dem Blastulastadium vorgeschritten. Das
Ei besitzt eine rötliche Keimscheibe, aber das Centrum der Furchung
fällt nicht mit dem Mittelpunkt der Keimscheibe zusammen.
Man sieht ein Furchungsstadium in Fig. 126 und bemerkt, daß die
Furchen den vegetativen Pol des Eies noch nicht erreichen. Im weiteren
Verlauf der Furchung wird aber die ganze Dottermasse in Zellen zerlegt,
Fig. 126. Furchungsstadium von
Heterodontus (Cestracion) japonicus.
(Nach DEAN.)
Fig. 127. Stadium der beginnenden
Gastrulation. (Nach DEAN.)
Fig. 126.
wie das Stadium der Fig. 127 zeigt, bei welchem die Gastrulation und
die Ausbreitung der Blastodermscheibe begonnen hat. DrAan hat noch
ein späteres Gastrulastadium beobachtet, in welchem, ähnlich wie beim
Frosch, ein kleiner, kreisrunder Blastoporus vorhanden war.
Da alle anderen Selachier, deren Entwickelung bis jetzt bekannt
wurde, eine discoidale Furchung haben, so ist es von großer Bedeutung,
daß bei Cestracion der ursprünglichere Furchungsmodus, die totale in-
äquale Furchung, gefunden wurde, besonders da die Gattung Üestracion
zu den phyletisch älteren Selachierformen gehört und der Rest einer
in der paläozoischen und mesozoischen Zeit artenreichen Familie ist.
wer
Pe
V. CAPITEL.
(Ganoiden.
Schmelzfische, Schmelzschupper, Glanzschupper.
Die in der Jetztzeit lebenden Ganoiden sind die wenigen Reste
des in älteren Zeiten (besonders in den paläozoischen und mesoz0-
ischen Formationen) sehr artenreichen Ganoidenstammes.
An der Wurzel dieses Stammes haben sich die Dipnoer und die
Amphibien abgezweigt; an einem jüngeren Ast sind zur Secundärzeit
die Knochenfische (Teleosteer) aus Ganoiden hervorgegangen. Diese
paläontologisch festgestellten Thatsachen werden auch durch die Em-
bryologie bestätigt. Die Entwickelung der Ganoiden zeigt uns Zwischen-
stufen zwischen der den Dipnoern und Amphibien zukommenden Ent-
wickelungsweise einerseits und derjenigen der Teleosteer andererseits.
Die Gattung Acipenser besitzt eine totale inäquale Furchung, ähnlich
wie die Amphibien, und gleicht denselben auch in Bezug auf die
Bildungsweise des Medullarrohres; die Gattung Lepidosteus aber hat
eine partielle Furchung und eine solide kielförmige Medullaranlage
wie die Teleosteer; Amia hält hinsichtlich der Furchung zwischen
Acipenser und Lepidosteus die Mitte. — Ich will die 3 Entwickelungs-
arten, welche bei den Ganoiden gefunden sind, getrennt besprechen
und berichte also zuerst über Acipenser, dann über Amia, dann über
Lepidosteus !). Am Schlusse will ich anhangsweise die Beobachtungen
über die Vorniere und Urniere der Ganoiden zusammenstellen.
Die Entwickelung von Acipenser.
In der Gattung Acipenser ist die Entwickelung des Störs (Aci-
penser sturio L.) und diejenige des Sterlets (Acipenser ruthenus L.)
bekannt geworden, erstere hauptsächlich durch die Untersuchungen
von DEAN, KUPFFER und EHRENBAUM, letztere besonders durch die
Studien von SALENSKY. Zwischen dem Stör und dem Sterlet besteht
in der Embryologie eine weitgehende Uebereinstimmung, so daß man
die beiden Arten gemeinsam besprechen kann.
1) Die Entwickelung der übrigen Ganoiden ist nicht bekannt. Nur von Poly-
pterus Lapradei wurde eine 3 cm lange Larve neulich von BungErT (1901) ab-
ebildet. Dieselbe besaß schon die große Kieme am Hyoidbogen am Rand des
fiemendeckels. Dorsalflosse und Schwanzflosse bildeten einen continuirlichen, durch
Strahlen gestützten Flossensaum. In der Ruhelage stützte sich die Larve auf die
Brustflossen, deren Strahlen am ventralen Rand der Flosse am längsten waren und
nach dem dorsalen Rand hin an Länge abnahmen. Dabei wurde der distale Teil der
Flosse nach vorn umgeknickt, in ähnlicher Weise wie es bei den Füßen der Am-
phibien geschieht.
154 5. Capitel.
Der Stör (Acipenser sturio) laicht im Sommer (an der Nordsee im
Juli, in Amerika am Delaware-Fluß im Mai). Das Ei des Störes besitzt
eine feine bräunliche Schleimhülle, die im Wasser die Eier untereinander
und an andere Gegenstände festheftet. Die Eier werden in Streifen oder
flachen Massen abgesetzt, die am Boden ankleben. Mit der Schleim-
hülle messen die Eier 3 mm, ohne dieselbe 2,8 mm (Kurrrer). Das Ei
besitzt 3—9 Mikropylen. Die Eizelle ist braun gefärbt, am animalen
Teile dunkler; am vegetativen Teile, welcher drei Viertel des Umfangs
einnimmt, etwas heller. — Wie bei Knochenfischen kann man die Eier
künstlich befruchten und in Brutkästen sich entwickeln lassen).
Der Sterlet (Acipenser ruthenus) laicht ebenfalls im Sommer (Mai
und Juni). Das Ei ist 2 mm lang; das frischgelegte Ei erscheint dunkel-
grau und besitzt am animalen Pol eine Keimscheibe von hellerem Aus-
sehen. — Nachdem das Ei in das Wasser gekommen ist, hebt sich
die Eihaut von der Eizelle ab; die Eihaut besteht aus zwei Schichten,
von welchen die äußere als Chorion, die innere als Dotterhaut betrachtet
wird. Der Eihaut ist eine klebrige Schichte aufgelagert, welche aus
umgewandelten Follikelzellen besteht und zur Festheftung dient. Am
animalen Pol sind einige Mikropylen vorhanden ?). — Hinsichtlich der
Menge des Dotters steht das Ei zwischen dem der Amphibien und dem
der Teleosteer. Das Protoplasma der Keimscheibe ist von feinen Dotter-
körnchen durchsetzt; die Keimscheibe nimmt etwa den fünften Teil des
Umfanges der Eizelle ein; an der Oberfläche enthält sie dunkles Pigment.
Die Dottermasse besteht aus dicht gedrängten groben Dotterkörnern und
ist von einer dünnen protoplasmatischen Schichte (Rindenschichte) um-
kleidet, welche ebenso wie die Keimscheibe nur feine Dotterkörnchen
enthält.
Die Befruchtung geht beim Sterlet in ähnlicher Weise wie beim
Frosch vor sich. Es treten mehrere Spermatozoen durch die Eihaut
hindurch, von welchen aber nur eines die Befruchtung vollzieht; sofort
nach dem Eindringen des ersten Spermatozoons wird an der Oberfläche
des Eies eine durchsichtige Grenzschicht abgeschieden, welche vermutlich
die anderen Spermatozoen abhält. Das eindringende Spermatozoon zieht
wie bei den Amphibien eine Pigmentstraße von der Oberfläche in die
Keimscheibe hinein. Am unteren Ende der Pigmentstraße findet die
Verschmelzung der beiden Vorkerne statt. Die erste Teilungsspindel
stellt sich senkrecht zur Vereinigungsrichtung der Kerne, und die erste
Furche fällt folglich in die Befruchtungsebene, d. h. diejenige Ebene,
welche durch die Eiachse und durch die Pigmentstraße des Spermato-
zoons bedingt ist (SaLensky). — Die ganze Furchung ist nach Ablauf
eines Tages beendet.
1) Der Laich wird ausgestreift und in Mengen von einem halben Kilo in
Schüsseln, Kübel oder Siebe gebracht. Hier wird jede Portion unter fleißigem
Rühren mit der Hand oder mit Federn mit 2 Theelöffel voll Samenflüssigkeit über-
gossen, unter Zusatz von nur soviel Wasser als für das bequeme Rühren notwendig
ist; nach etwa !/,-stündigem Rühren werden die Eier dann in die schwimmenden
Brutkästen gebracht (EHRENBAUM). — Wie bei anderen Nutzfischen ist die künst-
liche Aufzucht auch beim Stör von wirtschaftlicher Bedeutung; nicht nur das Fleisch
des Störes wird geschätzt, sondern auch der Rogen wird benutzt, da er, wie bei
anderen Acipenserarten, zur Kaviarbereitung dient. — RYDER giebt die Gesamtzahl
der Eier, die ein Stör zur Reife bringt, je nach der Größe des Fisches auf 800000
bis 2400000 Stück an, entsprechend einem Gewicht von 25-60 kg Rogen.
2) KOWALEVSKY, WAGNER und OWSJANNIKOW geben an, daß 7 Mikropylen-
öffnungen vorhanden seien, von denen 6 im Kreise um die 7. stehen; nach SA-
LENSKY schwankt ihre Zahl von 5—13.
en
PR
U Eu =
Ganoiden (Acipenser). 155
Die Furchung verläuft beim Stör und beim Sterlet in nahezu
übereinstimmender Weise. Die ersten Furchen erscheinen im Bereich
der Keimscheibe und setzen sich nur langsam auf die Dotterkugel
fort. Nachdem die erste Furche am animalen Pol aufgetreten ist,
erscheint die zweite, welche auf der ersten senkrecht steht; dann
schreitet die erste Furche auf den unteren Teil des Eies fort, bis sie
den vegetativen Pol erreicht; dasselbe thut nachher die zweite Furche.
Währenddessen erscheinen auf der Keimscheibe 4 neue Furchen, deren
Richtung nahezu meridional ist. Während diese Furchen auf den
unteren Teil des Eies sich fortsetzen, treten im Bereich der Keim-
scheibe neue Furchen auf, welche teils annähernd meridional, teils
annähernd latitudinal verlaufen; beim Stör zeigt das 16-zellige Stadium
4 innere Zellen und 12 äußere Zellen, so daß die Furchung derjenigen
der Teleosteer (Fig. 149) sehr ähnlich ist, nur mit dem Unterschied,
daß die Furchen bei den letzteren auf die Keimscheibe beschränkt
sind, während beim Stör die Furchen der äußeren Zellen über die
Dotterkugel herablaufen. In diesem Stadium hängen alle Zellen (auch
die mittleren) nach unten noch in der Dotterkugel zusammen. Erst
bei der folgenden Teilung werden im Bereich der Keimscheibe voll-
kommen abgetrennte Zellen gebildet. Schon bei dem 16-zelligen
Stadium kommen individuelle Verschiedenheiten im Verlauf der
Furchungslinien vor, und noch mehr ist dies bei den folgenden
Stadien der Fall.
Die Furchungshöhle erscheint zwischen den abgefurchten Zellen
einerseits und den großen Dotterzellen andererseits (Fig. 129). Da
aber nur wenige Furchen durch die ganze Dottermasse ganz hindurch-
geschnitten haben, so hängen mit den großen Dotterzellen an ihrer
Oberfläche noch einige kleinere Zellen zusammen). Bei der Teilung
»
Fig. 128. Ein Furchungs-
stadium des Sterlet (Acipenser
ruthenus). Nach SALENSKY.
Fig. 129. Längsschnitt durch
ein Ähnliches Stadium des Sterlet.
Die Furchungshöhle ist schon
vorhanden. Nach SALENSKY.
dieser Zellen werden einige freie Blastodermzellen gebildet, welche
sich nach dem äußeren Rande der Furchungshöhle begeben und an die
anderen abgefurchten Zellen anschließen. Im weiteren Verlauf der
Furchung werden dann die wenigen großen Dotterzellen in zahlreiche
große Blastomeren zerlegt.
Das Blastulastadium ist daher demjenigen der Amphibien sehr
ähnlich (vergl. Fig. 11). Das Dach der geräumigen Furchungshöhle
wird durch eine mehrere Zellen tiefe Schicht kleiner Zellen gebildet;
am Rande der kleinzelligen Scheibe trifft man mittelgroße Zellen,
welche zu den großen Zellen des Dotters überleiten. Das Dach der
Furchungshöhle nimmt nach dem Rand hin an Dicke zu; ganz be-
. 1) Die Kerne der großen Dotterzellen und die Kerne dieser kleineren Zellen
entsprechen den Periblastkernen der discoidalen Furchung, z. B. der Teleosteer.
156 5. Capitel.
sonders verdickt erscheint eine Stelle des Randes, welche den Ort
der beginnenden Gastrulation bezeichnet.
Die Gastrulation verläuft in ganz ähnlicher Weise wie bei den
Amphibien. Die Einstülpung beginnt am Uebergang der mittelgroßen
und der großen Zellen oberhalb des Aequators des Eies; es bildet
sich hier eine Rinne, entsprechend der Rusconxt'schen Rinne des
Fig. 130. Fig. 130 und Fig. 131. Fig. 131.
Embryonen von Acipenser
ruthenus. (Nach SALENSKY
aus BALFOUR.) — Fig. 129
zeigt die Medullarplatte,
die Medullarrinne (I/g) und
den Dotterpfropf (bl.p). —
Fig. 131 stellt den Kopf-
teil eines beträchtlich älte-
ren Embryo dar. — op
Kopfanlage, #b Höhle des
Vorderhirns, Hb Höhle
des Hinterhirns, 7b Kiefer-
bogen, Ha Hyoidbogen, Br‘ erster Kiemenbogen, Au» Ohrbläschen, sd Vornierengang.
Frosches, welche erst halbmondförmig ist und dann im weiteren Ver-
lauf der Gastrulation zu einem Kreise sich schließt. Der Kreis ver-
engt sich allmählich (Fig. 130), der Dotterpfropf wird eingezogen und
der Blastoporus verschwindet.
Das über der Gastralhöhle liegende Ektoderm verdickt sich und
stellt die Medullarplatte dar. Die eingestülpte Schicht, welche darunter
liegt und die Decke der Gastralhöhle bildet, differenzirt sich in ein
stark pigmentirtes Darmepithel (Enteroderm) und in das Mesoderm.
Das letztere gliedert sich in die Ursegmente und die Seitenplatten,
wobei zwischen beiden der Vornierengang sich abtrennt (Fig. 132).
Unterdessen hat sich die Medullarplatte eingefaltet; in ähnlicher Weise
wie bei den Amphibien erheben sich am Rande der Platte die Medullar-
Fig. 132. Querschnitt durch
den vorderen Rumpfteil eines
Embryo, welcher etwas älter
als Fig. 130 und jünger als
Fig. 131 war. (Nach SA-
LENSKY.) — Rf Medullarrohr,
Mp Medullarplatte, 0 Chorda,
En Darmepithel (Enteroderm),
Syp Ursegment, Wg Vornieren-
gang, Sp Seitenplatten.
wülste (Fig. 130) und führen, wenn sie zusammentreffen, den Ab-
schluß des Medullarrohres herbei (Fig. 132).
Am Hinterende des Medullarrohres entsteht der Canalis neur-
enterieus, welcher aus dem vordersten Teile des Blastoporus hervor-
geht (DEAN). Am unteren Ende des Canalis neurentericus zeigt das
Darmrohr eine Erweiterung, die der KuprreEr’schen Blase der Tele-
osteer homolog ist (Fig. 133 en).
Der Kopfteil des Embryos hebt sich nur langsam aus der Fläche
des Blastoderms hervor; die Anlage des Kopfteiles ist daher anfangs sehr
flach und breit (Fig. 131). Das Herz erscheint am Vorderende des
Kopfes, wie dies auch bei manchen Knochenfischen der Fall ist.
Ganoiden (Acipenser). 157
Das Ausschlüpfen der Embryonen erfolgt beim Stör am 3. oder
4. Tage, beim Sterlet am 9.—12. Tage. Die Larven des Störes sind
beim Ausschlüpfen ungefähr 10 mm lang, diejenigen des Sterlets
nicht ganz 7 mm. Die Larven haben zu dieser Zeit noch einen
großen und fast kugeligen Dottersack; der Kopf ruht noch auf dem
Fig. 133. Medianschnitt des
Hinterendes eines 58 Stunden alten > EEREZEN
Embryo von Acipenser sturio. Der sn --.. a ._ - - m
Blastoporus ist geschlossen und der ET TEE eo. ch
Schwanzknopf gebildet. ch Chorda, 4 =.
en Erweiterung der Gastralhöhle
unter dem Canalis neurentericus, d
Dotterzellen, ec Ektoderm, en Ento- NT ATS TORRENT NE
derm (Darmepithel), 9 Gastralhöhle, Pe > .
m Medullarrohr, sn Schwanzknopf. a g a
(Nach DEAN.)
Dotter auf und zeigt seitlich 5 Kiemenspalten, von welchen die 1.
dem Spritzloch entspricht. An der Vorderseite des Dottersackes liegt
das Herz, zu welchem das Blut (aus der Subintestinalvene?) durch
die zahlreichen Gefäße des Dottersackes (Venae vitellinae) heranströmt.
Wenn die Larven einige Tage alt sind, haben sie große Aehnlich-
keit mit den Larven von Amia und Lepidosteus (Fig. 139 u. 143);
aber der Kiemendeckel ist bedeutend kleiner und läßt am Rande
die Kiemenblättchen sichtbar hervortreten (Fig. 134). Der ventrale
Teil der 1. Kiemenspalte (Hyomandibularspalte) schließt sich, der
dorsale Teil bleibt einige Zeit als Spritzloch erhalten (Fig. 134). —
An der Unterseite des Kopfes
vor dem Munde findet man
jederseits 2 Wülste, welche zu op
den Barteln werden (Fig. 154). .
An dieser Stelle bemerkte
ol
Fig. 134. Kopf einer Larve
von Acipenser ruthenus von ll mm
Länge. (Nach BALFOUR.) op Auge,
ol Nasengrube, st Anlagen der
Barteln, m Mund, sp Spritzloch, 4
Kiemen.
man bei einem etwas jüngeren Stadium eine durch besondere Pig-
mentirung bezeichnete seichte Grube, welche der Saugscheibe von
Lepidosteus und Amia entspricht (EHRENBAUM). — Die Spitze des
Kopfes wächst allmählich vor und bildet die lange Schnauze.
Aus dem medianen Flossensaume, welcher bei den ausschlüpfenden
Larven continuirlich ist, bilden sich die unpaaren Flossen aus, wobei
das Ende der Chorda sich ein wenig aufwärts krümmt, so daß die
Schwanzflosse die bekannte heterocerke (Gestalt erhält. — Von der
Vorniere der Larven wird später die Rede sein (p. 167).
Von besonderem Interesse ist die Thatsache, daß die Larven
Zähnchen am Mundrande haben, während das erwachsene Tier zahnlos
ist. Die Zähnchen wurden von Knock beim Sterlet, von EHREN-
BAUM beim Stör gefunden; sie haben einige Aehnlichkeit mit Haifisch-
zähnen, indem sie eine breite Basis und eine längliche scharfe Spitze
besitzen; sie scheinen nicht zu verkalken.
158 5. Capitel.
MOLLIER hat beim Stör die Entstehung der Extremitäten ver-
folgt. Sowohl bei der Bildung der vorderen wie der hinteren Ex-
tremität wirken drei Vorgänge zusammen, erstens eine faltenförmige
Erhebung des Ektoderms, zweitens eine unter der Ektodermfalte sich
ausbreitende Wucherung des Mesenchyms, welches von der Somato-
pleura stammt, und drittens das Einwachsen der Fortsätze der Ur-
segmente. ‚Jeder Fortsatz eines Ursegments giebt 2 Knospen den
Ursprung, von welchen die eine an der dorsalen Wand, die andere
an der ventralen Wand der Extremitätenanlage vorwächst. An die
vordere Extremität treten die Fortsätze von 5 Ursegmenten (6. bis
10. Ursegment) heran, und sind folglich 5 dorsale und 5 ventrale
Knospen vorhanden; diese Knospen wandeln sich in Musculatur um,
während im übrigen die Fortsätze der Ursegmente sich auflösen,
d. h. zu Mesenchym werden. Zwischen den dorsalen und den ven-
tralen Knospen wird die Anlage des Skelets bemerklich, nämlich eine
plattenförmige Verdichtung des Mesenchyms, welche entsprechend der
Fünfzahl der Knospen distalwärts in 5 Fortsätze ausläuft; die erste
Anlage des Skelets zeigt also eine Basalplatte und 5 Strahlen. Die
Muskelknospen zerfallen nun in feinere Bündel und bilden dorsal und
ventral von der Skeletanlage eine continuirliche Muskelschicht. — In
die Anlage der hinteren Extremität treten die Fortsätze von 9 Ur-
segmenten ein (26.—34. Ursegment). Demgemäß werden auch die
dorsalen und ventralen Knospen in der Neunzahl gebildet, und zeigt
die zwischen ihnen entstehende Skeletanlage 9 Strahlen. Im Vor-
knorpelstadium sind diese Strahlen durch ein einheitliches Basalstück
verbunden, setzen sich aber als dichtere Gewebsstreifen in das Basal-
stück fort. Bei der Knorpelbildung bleibt der vordere Teil der
jasalplatte ein einheitliches Stück, während der hintere Teil derselben
entsprechend den hinteren Strahlen in mehrere Stücke zerfällt.
Die Entwickelung von Amia calva.
Im Jahre 1887 entdeckte ©. OÖ. WnırmAan die Nester und Eier von
Amia calva im Pewaukee-See in Wisconsin, und seitdem haben auch
mehrere andere Forscher ebenda und in anderen Seen Nordamerikas die
die Eier gesammelt. FürLesorn (1894), Dean (1896), WHıtTman and
EvcLesuvymer (1896) haben das Nest und die Eiablage beschrieben. Der
Fisch laicht im April und Mai, meist in der zweiten Hälfte des April
oder Anfang Mai. Es wird auf dem Grunde des Gewässers eine Art
Nest angelegt, an einer Stelle, welche nicht tief ist (etwa 0,5 m) und
von der Sonne erwärmt wird (Wnıtman und EycLesuyMmer). Im Pewaukee-
See und im Fowler-See giebt es streckenweise am Ufer zahlreiche Ka-
näle, die zwischen kleinen Inseln sich hindurchwinden und in denen
der Fisch mit Vorliebe das Nest anlegt (FüLLesors). Dasselbe befindet
sich zwischen Wasserpflanzen, ist rund und hat 50—60 em im Durch-
messer; bei schlammigem Grund ist der Boden an der Stelle des Nestes
vertieft, so daß das Nest eine flache Grube darstellt. Die Herstellung
des Nestes und die Eiablage sind nicht beobachtet worden. Zur Fort-
pflanzungszeit sieht man häufig ein Weibchen von zwei oder mehr
Männchen begleitet!). Es findet ein Kampf zwischen den Männchen statt,
1) Das Männchen von Amia calya ist leicht kenntlich an einem schwarzen
Fleck am oberen Teil der Schwanzflosse; der Fleck ist umgeben von einem orange-
farbigen Ring, dessen Farbe zur Laichzeit lebhaft hervortritt (FÜLLEBORN, WHIT-
MAN und EYCLESHYME R).
Ganoiden (Amia calva). 159
und der Sieger begiebt sich mit dem Weibchen zum Nest, wobei er das
Weibchen so heftig beißt, daß Schuppen abgerissen werden (WHITMAN
und Evcresuymer). Nach der Eiablage bleibt das Männchen auf dem
Nest, bis die Jungen das Nest verlassen. Die Eier sind über der Zona
radiata mit einer klebrigen Schicht umkleidet, so daß sie sich anheften,
meistens an Wurzelfäserchen und andere Pflanzenteile, die im Nest oder
am Nest hervorsteben. Draw meint, daß die Zahl der Eier ungefähr
eine Million erreichen kann.
Das Ei ist länglich und mißt (mit der Eihaut) im längeren Durch-
messer 2,5—5 mm, im kürzeren 2—2,5 mm. Der Dotter ist von
dunkler, graubrauner Farbe, und an dem einen Pol des Eies befindet
Fig. 135.
Fig. 135—138. 4 Furchungsstadien von Amia calva. (Nach WHITMAN und
EYCLESHYMER.)
sich eine Keimscheibe von gelblichbrauner Farbe. Ich nenne diesen
Pol den oberen Pol. Ueber der Keimscheibe befindet sich in der
Eihaut die Mikropyle.
Die Furchung von Amia leitet von der totalen inäqualen Furchung,
wie wir sie bei Acipenser gesehen haben (Fig. 128), zu der mero-
blastischen Furchung über, wie sie bei Lepidosteus sich findet (Fig. 140).
Die erste Furche beginnt auf der Mitte der Keimscheibe und
schreitet langsam an der Peripherie des Eies nach dem anderen Pole
hin fort, während auf der Keimscheibe die neuen Furchen erscheinen.
Die zweite Furche tritt rechtwinklig zur ersten auf der Keimscheibe
auf und breitet sich ebenfalls langsam über das Ei aus (Fig. 155).
Die beiden ersten Furchen teilen die Keimscheibe in 4 Quadranten,
und die Furchen der nächsten (dritten) Teilung teilen diese Quadranten
und setzen sich gleichfalls um das Ei herum fort (Fig. 136). Bei der
vierten Teilung wird jedes Blastomer in ein inneres und ein äußeres
Blastomer zerlegt, so daß 8 centrale Blastomeren entstehen und
8 periphere; um diese Zeit sind die zwei ersten Furchen bis zum
unteren Pole des Eies vorgedrungen (157). Nur bei der ersten,
160 5. Capitel.
zweiten und dritten Teilung ist die Teilungskraft so groß, daß die
Furchen allmählich durch die ganze Dottermasse hindurchschneiden ;
es wird also die Dottermasse nur in acht Stücke zerlegt; bei der
vierten Trennung, von welcher eben die Rede war, schneiden die
Furchen nur durch die Keimscheibe hindurch, und auch die weitere
Furchung verläuft wie bei einem meroblastischen Ei.
jei der fünften Teilung stehen die Spindeln in den äußeren 8
Zellen horizontal, in den inneren S Zellen vertikal oder schief;
so werden die 8 äußeren Zellen durch radiär gehende Furchen in
16 Zellen zerlegt (die freilich am Außenrande paarweise verbunden
bleiben), während die S inneren Zellen in obere und untere Zellen
sich teilen; die oberen Zellen sind nun ganz vom Dotter getrennt,
während die unteren mit dem Dotter in Verbindung bleiben!). Das
nächste Furchungsstadium ist in Fig. 138 im Oberflächenbild zu sehen;
bei der eben vollzogenen Teilung haben die Randzellen sich mit meri-
dional stehender Spindel geteilt und so der Masse der inneren Zellen
eine neue Reihe hinzugefügt.
Im weiteren Verlauf der Furchung geben die Randzellen noch
mehrmals Zellen an das Blastoderm ab; aber später findet in den
Dotterzellen nur noch Kernteilung ohne Zellteilung statt, so daß zur
Zeit der Gastrulation die Dotterzellen meist mehrere Kerne enthalten.
Die Furchung verläuft normal bei jeder Stellung des Eies, mag das
Ei vertikal gestellt sein oder horizontal oder verkehrt (Dean, WHITMAN
und Eycuesuymer). — Was die Zeit betrifft, erscheint die erste Furche
etwa 1!/, Stunden nach der Befurchung, die weiteren Furchen treten
ungefähr von Stunde zu Stunde auf; das Blastulastadium wird ungefähr
in der 15. Stunde erreicht.
Wenn die Furchung sich ihrem Ende nähert, schließen sich die
obersten Zellen zu einen flachen Epithel an einander und bilden so die
Deckschicht; diese Zellenlage ist bekanntlich auch bei Knochen-
fischen vorhanden und entspricht nur dem Stratum corneum der
Epidermis. — Am Ende der Furchung verändert das Blastoderm seine
Form, indem es sich über die Dotterzellen auszubreiten beginnt
(SogorTA 1896). Es tritt dann in dem Blastoderm ein feiner Spalt auf,
welcher die untersten Lagen der Blastodermzellen von den übrigen
trennt. Dieser Spalt ist die Furchungshöhle, und derjenige Teil
des Blastoderms, welcher über der Furchungshöhle sich befindet, re-
präsentirt den animalen Teil der Blastula. — Nun folgt die Gastru-
lation. Sie beginnt am Rande des Blastoderms (d. h. an der Grenze
zwischen den kleinen Zellen und den großen Dotterzellen), indem an einer
Stelle des Randes eine scharfe Trennungslinie zwischen dem Blastoderm
und den großen Dotterzellen erscheint und eine feine Spalte eindringt.
Wie beim Froschei bezeichnet diejenige Stelle, an der die Gastrulation
beginnt, die Dorsalseite des entstehenden Embryos; es setzt sich der
Gastrulationsproceß von da allmählich ventralwärts um den ganzen
Rand des Blastoderms herum fort. Indem die Gastrulationsspalte an
1) Die unteren Zellen werden an der Oberfläche des Blastoderms nur teilweise
oder gar nicht sichtbar. So erklärt sich der Befund von H. VIRCHOW: „Das
nächstfolgende (32-zellige) Stadium läßt bei der Oberflächenbetrachtung Regelmäßigkeit
in der Anordnung und Zahl der proximalen Stücke nicht mehr erkennen, vielmehr
kommen Fälle vor, in welchen die Zahl von acht Teilstücken gar nicht oder nur
wenig überschritten wird; wohl aber ist die Zahl und Lage der radiären Rand-
furchen noch regelmäßig und fanden sich 16 Randstücke vor.“
(ranoiden (Amia calva). 16]
der Dorsalseite des Embryos tiefer wird, nach vorn vordringt und
vorn sich erweitert, bildet sie die Gastralhöhle. Die dorsale Urdarm-
wand wird wie bei den Teleosteern von der sogenannten unteren
Schichte, also der eingestülpten Schichte gebildet. An diese untere
Schicht schliessen sich alle die Blastodermzellen an, welche im Blastula-
stadium zwischen der Furchungshöhle und den großen Dotterzellen
gelegen waren. Diese Zellen begeben sich also am Boden der Furchungs-
höhle peripherwärts nach dem Rand des Blastoderms hin. Gleichzeitig
wächst das Blastoderm über den Dotter herunter, d. h. es schreitet
die Umwachsung des Dotters weiter fort. Währenddessen kommt
die spaltartige Furchungshöhle allmählich zum Verschwinden. Wenn
die Umwachsung ihrem Ende sich nähert, geht eine Fortsetzung der
Gastralhöhle unter dem seitlichen Blastoporusrand bis zur ventralen
Blastoporuslippe (Fig. 138 bis), ebenso wie bei den Amphibien.
Die Zellen des Ektoderms sind die kleinsten; die Zellen der
unteren Schicht sind größer und zur Zeit der Gastrulation noch stark
mit Dotterkörnchen beladen. Die untere Schicht bildet das Mesoderm,
die Chorda und das Enteroderm (Darm-
epithel); das letztere entsteht aus der untersten
Zellenlage der unteren Schicht, und seine
Zellen enthalten grobe Dotterkörner ebenso
wie die Zellen, welche im Blastulastadium
am Boden der Furchungshöhle lagen (SOBOTTA
1896).
Fig. 138 bis. Gastrula von Amia calva. (Nach
SOoBOTTA.) di Dotterpfropf, D große Dotterzellen,
ec Ektoderm, en Enteroderm, q Gehirnteil der Medullar-
platte, m Mesoderm, vd Gastralhöhle.
Während der Umwachsung des Dotters wird die Anlage des
Embryo auf dem Blastoderm bemerkbar: das Aussehen des Embryo
ist ähnlich wie bei Lepidosteus und bei Knochenfischen. — Die Anlage
des Kopfes des Embryo ist anfangs flach und breit wie bei Acipenser
(vergl. Fig. 131) und hebt sich nur langsam ans der Fläche des Blasto-
derms hervor.
Das Medullarrohr wird solid angelegt ebenso wie bei den Knochen-
fischen. Demgemäß fehlt auch der Canalis neurenterieus (DEAN). —
Der Blastoporus schließt sich und verschwindet ebenso wie bei
Knochenfischen.
Wurrman und Eycresuymer untersuchten, ob die Medianebene des
entstehenden Embryos der Richtung der ersten Furche entspricht. Eine
solche Beziehung besteht nieht. Die Richtung des Embryos bildete etwa
in der Hälfte der Fälle mit der ersten Furchungsebene einen Winkel
von 0—44°, in den übrigen Fällen einen Winkel von 45—90°.
Die Entwiekelung der Larven wurde von DEAN beschrieben.
Am 8.—9. Tage schlüpften die Embryonen aus; sie sind 5—6 mm
lang und haben dasselbe Aussehen wie die ausschlüpfenden Larven von
Lepidosteus und Acipenser. Des großen Dottersackes wegen können
sie nicht schwimmen und heften sich mittelst der Saugscheibe irgendwo
an; die Saugscheibe ist unmittelbar vor dem Mund gelegen und
deutlich zweiteilig.. Die Augen sind zu dieser Zeit noch nicht pig-
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. al
16? d. Capitel.
mentirt, und die Bildung der Linse ist noch nicht beendet. Fünf
Kiemenspalten sind erkennbar. Die Anlage der Brustflosse wird eben
erst bemerklich. — In den nächsten Tagen wächst die Brustflosse in
die Höhe. Gleichzeitig bildet sich der Kiemendeckel und überwächst
die Kiemenspalten (Fig. 139). Der Kopf des Embryos hebt sich deut-
licher vom Dotter ab: unter der Kiemengegend wird an der vorderen
kd br
Fig. 139. Larve von Amia calva, 4 Tage alt, 10 mm lang. (Nach Ars.)
s Saugscheibe, *d Kiemendeckel, 5f Brusttlosse.
Fläche des Dottersacks das schlauchförmige Herz sichtbar. Der
Dottersack, welcher bisher kugelig war, nimmt bei zunehmender Ver-
kleinerung eine längliche Form an und wird allmählich in den Bauch
des Embryos aufgenommen. Die Saugscheibe beginnt der Rückbildung
zu verfallen.
Etwa S Tage nach dem Ausschlüpfen sind die Larven in de
Körperform Kaulquappen ähnlich, unterscheiden sich aber von solchen
durch den großen Kiemendeckel und die ziemlich großen Brustflossen,
Die Larven können nun schwimmen und drängen sich um das Männ-
chen, welches bis dahin im Nest Wache gehalten hat und bald in
Begleitung der Jungen das Nest verläßt. Die Jungen bleiben bei dem
Männchen mindestens einige Wochen, wahrscheinlich sogar mehrere
Monate lang.
Unterdessen nehmen die Larven die Form des ausgebildeten
Tieres an. Die Saugscheibe verschwindet, und mit der Ausbildung
des Knorpeleraniums nimmt der Kopf die definitive Form an. Der
Anus erscheint, die Bauchflossen wachsen allmählich hervor, und die
segmentale Musculatur wird am Körper und am Schwanz breiter,
wobei der Schwanz das Aussehen eines Kaulquappenschwanzes ver-
liert und ein Fischschwanz wird. In der vierten Woche nach dem
Ausschlüpfen ist das Ende des Schwanzes heterocerk wie bei einem
Haifisch !), und in der fünften Woche nimmt es durch starke Aus-
bildung der ventralen Flossenstrahlen die abgerundete Form an; zu
dieser Zeit sind auch die lange Rückenflosse und die Analflosse schon
vorhanden. — FÜLLEBORN berichtet, daß die jungen Amia ebenso
wie die alten von Zeit zu Zeit an die Oberfläche des Wassers kommen,
um Luft zu schnappen.
Dean hat auch über die Entwickelung einiger Organe Mitteilung
gemacht. Die Schwimmblase entsteht durch eine dorsale Ausstülpung
der Schlundwand; sie hat anfangs die Form einer Rinne, welche caudal-
1) Auch bei Knochenfischen, z. B. beim Hecht, giebt es bekanntlich ein Stadium,
in welchem der Schwanz heterocerk wird.
u
Ganoiden (Lepidosteus). 163
wärts verbreitert und deutlich zweiteilig ist; es scheint, daß die Rinne
durch Abschnürung vom caudalen Ende her sich vom Schlunde abschnürt,
worauf der caudale Teil zur Schwimmblase sich ausdehnt, der vordere
Teil den Luftgang bildet. — Der After entsteht ungefähr gleichzeitig
mit dem Mund; es ist bei seiner Bildung eine kleine Einstülpung des
Ektoderms beteiligt (Proctodaeum). — Die Leber wird in ähnlicher
Weise wie bei den Teleosteern gebildet, aber die Anlage ist hohl,
während sie bei den Teleosteern solid ist; an der Stelle der Leberanlage
geht das Lumen des Darmes bis auf den Dotter herab.
Dean hat ferner die Entwickelung des Gehirns beschrieben. Am
Mittelhirn und Kleinhirn entwickelt sich die Decke zu beträchtlicher
Dicke, während am Vorderhirn und Zwischenhirn die Decke schwach
bleibt. Die Entwickelung geht also in derselben Richtung wie beim
Gehirn der Knochenfische.
Von den Hautsinnesorganen der Larve und ihrer Umgestaltung
während der weiteren Entwickelung hat Aruıs (1889) eine ausführliche
Beschreibung gegeben. Indem Reihen von Sinnesorganen einsinken, bilden
sich die tiefliegenden Kanäle, welchein die Hautknochen eingelagert werden.
Die hauptsächlichsten Kanäle sind: Der Infraorbitalkanal, welcher unter
dem Auge verläuft und nach hinten in den Kanal der Seitenlinie übergeht,
ferner der Supraorbitalkanal, welcher über dem Auge liegt, und der
Operculomandibularkanal, welcher über den Kiemendeckel und den Unter-
kiefer geht (s. Fig. 139). Die Infraorbitalkanäle sind an der Schnauze durch
eine quere Commissur verbunden, welche unter den Nasenlöchern und
über der Saugscheibe verläuft. Am Nacken befindet sich eine quere
Commissur, welche die Seitenlinien verbindet (Supratemporal-Commissur).
Die Umgestaltungen dieser Kanäle und ihrer Ausführungsgänge sind
sehr complieirt und können hier nicht beschrieben werden.
Ausser den Sinnesorganen der Kanäle giebt es noch andere ähnliche
Sinnesorgane, welche in einzelnen kleinen Gruben liegen, die in Reihen
angeordnet sind (Sinnesgruben, pit-organs); am Kopf giebt es mehrere
solcher Reihen; ferner findet man kleine Reihen auf den einzelnen Seg-
menten an der Seitenlinie. — Ausserdem bilden sich zahlreiche ober-
flächliche Sinnesorgane (Terminalknospen Merker’s); sie liegen besonders
reichlich am Kopf, am Kiemendeckel und an der Kehle. Bei jungen
Larven sind sie ähnlich wie die Sinnesorgane der Kanäle in Linien an-
geordnet, bei erwachsenen Exemplaren aber findet man sie in Gruppen
oder Scharen am Kopf und in der Gegend des Kopfes zerstreut.
Die Entwickelung von Lepidosteus.
Der Knochenhecht (Lepidosteus osseus Ag.) laicht in den nordameri-
kanischen Seen im Juni. Die Laichstellen sind gewöhnlich flache (wenig
über 40 cm tiefe) Buchten, deren Grund mit Wasserpflanzen bewachsen
ist; im Black Lake findet das Laichen auf steinigem Grund statt. Zur
Laichzeit trifft man Züge von 3—10 männlichen Tieren, die einem voran-
schwimmenden Weibchen folgen. Die Eier werden über Wasserpflanzen
oder Steinen ausgestreut und kleben an der Unterlage an. Die Eihaut be-
sitzt nur eine einzige Mikropylet).
1) Die Eizelle ist umhüllt von einer Zona radiata, welche von feinen Poren
durchbrochen ist; darüber liegt eine klebrige Schicht, welche nicht ganz so dick ist
wie die Zona radiata; sie besteht aus aneinandergereihten zottenartigen Gebilden,
welche von BALFOUR und PARKER für chemisch umgewandelte Follikelzellen ge-
20°
164 5. Capitel.
Die Eier von Lepidosteus osseus sind 3,5 mm groß und haben
eine graue Farbe, oben mit einer helleren Keimscheibe. — Die Furchung
ist partiell!) und steht der Furchung der Knochenfische sehr nahe.
Die ersten Stadien der Furchung sind ganz ähnlich wie diejenigen von
Amia calva (Fig. 135 und 136). Bei der folgenden Teilung entstehen
4 centrale Zellen und 12 periphere Zellen; dieses Stadium erinnert
also an das entsprechende Stadium bei Acipenser und auch bei
Knochentischen (vergl. Fig. 149). Wenn die Furchung weiterschreitet,
Fig. 140 A. Fig. 140 B.
Fig. 140 A u. 140 B. 2 Furchungsstadien von Lepidosteus osseus. (Nach EYCLES-
HYMER.) Fig. 140 A. 5 Stunden nach der Befruchtung. Fig. 140 B. Späteres Stadium.
bleiben die Randzellen in Verbindung mit der Dotterkugel. Im Stadium
der Fig. 140 A sieht man im Bereich der Keimscheibe einen Haufen von
Blastomeren, welcher in der Mitte etwa 3 Zellen tief ist; außen be-
merkt man die Reihe der Randzellen, welche peripherwärts in den
Dotter übergehen. Ein etwas älteres Stadium zeigt zahlreiche Zellen
in der Keimscheibe und eine vermehrte Zahl von Randzellen (Fig. 140 B).
Die Randzellen und die untersten Zellen der in Furchung be-
sriffenen Keimscheibe teilen sich mehrmals in der Weise, daß die eine
der Teilzellen eine freie Blastodermzelle wird, während die andere
Teilzelle mit dem Dotter in Verbindung bleibt. Die mit dem Dotter
verbundenen Zellen fließen dann zusammen und bilden einen Periblast
wie bei den Knochenfischen. Im Blastulastadium findet man also in
der obersten Schicht der Dotterkugel zahlreiche Kerne, die Periblastkerne.
halten wurden, aber nach den neueren Angaben von MARK zu der Eihaut gehören;
nach MARK wird diese Schicht früher als die Zona radiata gebildet und ist wie
auch diese ein Absonderungsproduet des Eies. — Nach der Entdeckung von MARK
ist eine Mikropyle vorhanden; die Eihaut senkt sich trichterförmig ein, die Zona
radiata und die klebrige Schicht verdünnen sich im Innern des Trichters und beide
werden im Grunde desselben von einem feinen Kanal, der Mikropyle, durchbohrt.
Während der Entwickelung ist das Ei von einem einschichtigen Follikelepithel um-
hüllt, aber an der Stelle der Mikropyle wird dieses mehrschichtig (Mikropylenpflock),
und der untere Teil des Trichters ist von einer auffallend großen Zelle (Mikropylen-
zelle) erfüllt (MARK).
1) Ueber die Furchung von Lepidosteus osseus ist im Jahre 1899 eine Mitteilung
von EYCLESHYMER erschienen, welche mit der früheren Darstellung von DEAN im
Wesentlichen übereinstimmt. Beide Autoren haben an lebenden und conservirten
Eiern beobachtet, daß die ersten Furchen den unteren Pol des Eies nicht erreichen,
sondern nur bis ungefähr zum Aequator des Eies vorschreiten. Nach älteren An-
aben von BALFOUR und PARKER sowie von BEARD schien es, daß die ersten
urchen bis zum unteren Pol des Eies vordringen.
AB
78 mal. 3 und
ch Chorda, h Zellen der
Herzanlage, pc Pericardial-
höhle, %sp! 1. Kiemenspalte.
Unter dem Embryo sieht man
den Periblast mit Periblast-
kernen und Oelkugeln.
Kr
ER |
M
Mn eauessrae
‘
Yn
Rn
u fi
m
-f
ch h
Fig. 175. Querschnitt
durch einen älteren Embryo
des Lachses (zur Zeit des
Schlusses des Blastoporus).
Der Schnitt trifft die Herz-
anlage und den Kiemendarm
zwischen der 1. und der 2. - Y ,
Kiemenspalte. —Vergr. 7Smal. f y \
d.Kiemendarm, ı Herz- h 3
höhle, %* Periblastkerne, pe ;
Pericardialhöhle. Fi h
1) Demnach hat die Dotterkugel bei den Knochenfischen keinen Anteil an der
Bildung des Darmes. Die Entstehung des Darmkanals bei den Knochenfischen ist
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 13
194 6. Capitel.
herantritt (Fig. 174); an diesen Stellen entsteht später eine Ver-
schmelzung des Ektoderms und des Entoderms und der Durchbruch
einer Kiemenspalte. Die von den beiden seitlichen Falten gebildete
Anlage der Kiemenhöhle wird gegen den Periblast hin dadurch ab-
seschlossen, daß der untere Rand des äußeren Blattes der Falten
medianwärts vordringt und schließlich mit dem entsprechenden Rande
der anderen Seite sich verbindet (Fig. 174); so wird die Anlage des
Kiemendarmes vollendet, und alsbald drängen sich die Seitenplatten
medianwärts unter den Kiemendarm vor, und die Pericardialhöhlen
breiten sich unter demselben aus, zwischen sich die Anlage des Herzens
einschließend, Der Kiemendarm hat zu dieser Zeit die Gestalt eines
plattgedrückten Rohres; das Lumen erscheint zuerst in den seitlichen
Teilen desselben (Fig. 175).
Bei dem hinter der Kiemengegend folgenden Darmabschnitt zieht
sich das Enteroderm zu einer median aufsteigenden soliden Anlage
zusammen; die äußerste Zellenschicht, welche offenbar bei dieser Be-
wegung die Führung hat, zeigt in ihrem Habitus sehr deutlich, daß
die Anlage durch eine aufwärtsgehende Faltenbildung entsteht (Fig. 176).
Fig. 176. Querschnitt durch den Embryo des Lachses, bei welchem der Bla-
re sich geschlossen hat. Der Schnitt geht durch den vordersten Rumpfteil
und trifft den Vorderdarm und die Anlage der vorderen Extremität. md Medullar-
rohr, us Ursegment, ex Mesenchytnmasse, welche die erste Anlage der vorderen Ex-
tremität darstellt, 7% Leibeshöhle, p* Periblastkerne.
In der Gegend der Leber ist die solide Darmanlage am mächtigsten
entwickelt. — In dem mittleren und hinteren Rumpfteile erfolgt die
3ildung des Darmrohres nicht so früh wie in dem vorderen Rumpf-
teile und zeigt sich auch weniger deutlich. Etwas später aber bemerkt
man, daß das Enteroderm, welches als einschichtige Lage unter dem
Mesoderm liegt, in der Mitte eine aufsteigende Falte bildet (Fig. 195).
Indem das ganze Enteroderm medianwärts zusammengeschoben wird,
geht aus dieser Falte ein Rohr hervor, welches des Lumens noch ent-
folglich eine ganz ähnliche wie bei den Selachiern und bei den Amnioten: das
Enteroderm, welches durch einen Faltungsproceß den Darmkanal gebildet hat, schnürt
sich von vorn her und von hinten her von der Dotterkugel ab, bleibt aber in der
Gegend der Leber, an der Stelle, wo bei Selachiern und Amnioten der sogenannte
Dotterstiel besteht,noch einige Zeit mit dem Darmkanal in Berührung. Ein Dottergang
kommt aber nicht zur Ausbildung. Der Dotter kann also nicht in den Darm über-
treten. Die Resorption des Dottersackes findet allmählich statt, indem gelöste Dotter-
substanz in die Gefäße des Dottersackes diffundirt.
Teleosteer. 195
behrt (Fig. 192) und unter dem dann die Seitenplatten median zur Ver-
einigung kommen. — In dem hintersten Teile des Körpers, in welchem
die intermediäre Zellmasse fehlt, zieht sich das Enteroderm zu einer
medianen soliden Leiste zusammen; am hinteren Ende derselben ent-
steht die KupFFeEr'sche Blase (p. 199).
Bei einem Lachsembryo, der 2 Tage nach Schluß des Blastoporus
eonservirt worden war und bei welchem der Schwanzteil schon frei
hervorstand, war die Entstehung des Darmkanals bis zu folgender
Entwickelungsstufe gediehen: der Kiemendarm bot noch das Bild eines
tlachgedrückten Rohres, der Oesophagus- und Magenteil des Darm-
kanals besaß ein schmales Lumen, in der Lebergegend, wo die Darm-
anlage am massigsten war, erschien dieselbe compact, während der
folgende Darmteil bis in die Nähe des Afters ein niedriges, spaltförmiges
Lumen zeigte und hinter dem After ein solider, strangartiger Schwanz-
darm folgte).
Von den späteren Veränderungen des Darmkanales mag noch
Folgendes hervorgehoben werden.
Es brechen 5 Kiemenspalten durch (Fig. 177), aber die erste
Kiemenspalte, welche dem Spritzloch der Selachier und Ganoiden ent-
spricht, bleibt nicht erhalten, sondern verschließt sich. An dem hinter
dem Spritzloch liegenden Kiemenbogen, dem Hyoidbogen, entwickelt
my® bf my” my! ksp®
uf* uf® uf? h ksp!
Fig. 177. Kopf eines Lachsembryo von 8 mm Länge. (Nach HARRISON 1895.)
bf Brustflosse, ch Chorda, d Darm, % Ventrikel des Herzens, ksp! 1. Kiemenspalte
(Spritzloch, später verschwindend), %sp? 2. Kiemenspalte (später 1.), ksp® 5. Kiemen-
spalte (später 4.), md Medullarrohr, my' 1. Myotom (später verschwindend), my? 1.
bleibendes Myotom, my® 6. Myotom, o Ohrbläschen, «/?”—uf® ventrale Ursegment-
fortsätze des 2.—6. Segments, vn Vornierengang. #*
1) Beiläufig will ich erwähnen, daß durch die ganze Länge des Rumpfes und
auch im Bereich des Schwanzdarmes sich eine Hypochorda gebildet hat. Diese
ist ein schmaler, dünner Strang, welcher in dem eben erwähnten Stadium gerade unter
der Chorda liegt und sich derselben dicht anschmiegt. Die Hypochorda entsteht aus
Zellen des Enteroderms, welche sich von der aufsteigenden Darmfalte ablösen, aber
dann durch das zwischentretende Mesoderm vom Darm getrennt werden, (Genaueres
über die Bildung der Hypochorda bei Teleosteern findet man in der Schrift von
Franz (1897). Nach dessen Angaben findet die Differenzirung der Hypochorda
nicht gleichmäßig im ganzen Verlaufe des Darmstranges statt, sondern ihre Anlage
st vom 5.—14. Segment deutlich segmental, und bleiben einige Zeit segmentale Brücken
in ähnlicher Weise wie bei den Amphibien.
13*
196 6. Capitel.
sich ein großer Kiemendeckel, welcher bald alle übrigen Kiemenspalten
und Kiemenbögen überdeckt (Taf. I, Fig. 7). Am äußeren Rande der 4
echten Kiemenbögen entstehen je 2 Reihen von Kiemenblättchen.
Hinter dem breiten Kiemendarm folgt der Oesophagus; an
diesem ist die Bildung der Schwimmblase bemerkenswert. Es ent-
steht nämlich am hinteren Teil desselben dorsal eine Ausstülpung der
Wand (Fig. 178). Dieselbe wächst nach hinten, und der hintere Teil
erweitert sich zur Schwimmblase, während der vordere Teil den Luft-
gang darstellt (Fig. 179 u. 180).
Die Leber ist, wie schon gesagt, in ihrer ersten Anlage nur da-
durch erkennbar, daß die solide Darmanlage an der Stelle der Leber-
bildung besonders groß und hoch ist. Nachher schnürt sich die Leber-
anlage deutlicher von der Darmanlage ab: sie befindet sich an der
Unterseite derselben und schiebt sich mehr und mehr nach der rechten
rn Bee.
SU re en ==
Fig. 178. EIITTITEHEITTIEITIT
zr= —_ gb
sb
oe
Fig. 179.
Mg
gb
sb
.o8
Fig. 180.
ing
Fig. 178S—180. Der mittlere Teil des Darmkanals des Lachses auf 3 Ent-
wickelungsstufen.
Fig. 178. Darm eines Lachsembryo von 14,5 mm Länge. sb Schwimmblasen-
bucht, sv Subintestinalvene (über den Darm von links nach rechts zur Leber gehend),
1 Leber, gb Gallenblase.
Fig. 179. Darm eines Lachsembryo von 25 mm Länge (Stadium des Aus-
schlüpfens). oe Oesophagus, mg Magen, deh Ductus choledochus, m Milzanlage.
Fig. 180. Darm eines Lachsembryo von 30 mm Länge. py Anlage der Appen-
dices pyloricae. Die anderen Bezeichnungen wie oben.
Seite hinüber. Aus dem mit dem Darm zusammenhängenden Ver-
bindungsteil entsteht der Ductus choledochus!), der übrige Teil der
Anlage bringt zahlreiche Leberkanälchen hervor. Zur Zeit des Aus-
schlüpfens liegt die Leber an der rechten Seite des Embryo auf dem
Dottersack (Taf. I, Fig. 7%), wenn der Dottersack kleiner wird, rückt sie
an das Vorderende desselben. — Das Pankreas entsteht aus 3 An-
lagen, welche aus der Darmanlage hervorsprossen zu der Zeit, wenn die
1) Die Gallenblase bildet sich als eine Ausstülpung am Gallengang.
Teleosteer. 197
Leberanlage sich von dem Darm abschnürt. Die erste Pankreas-
anlage entsteht dorsal gerade gegenüber der Leberanlage, sie bildet
die Hauptmasse des Pankreas und den Canalis Santorini, der aber
bald wieder verschwindet. Die beiden anderen Pankreasanlagen nehmen
ihren Ursprung ventral an dem Ductus choledochus an der Stelle, wo
er aus dem Darm tritt; sie entstehen etwas später als die dorsale
Anlage, erzeugen einen kleineren Teil des Pankreas und haben 2 Aus-
führungsgänge, die sich zum Dnetus Wirsungianus vereinigen; die
ventrale Masse des Pankreas verbindet sich auf der rechten Seite des
Darmes mit der dorsal entstandenen Masse, und der Ductus Wirsungianus
wird zum Ausführungsgang für das ganze Pankreas !). — Das Pankr eas
sendet streifenförmige Fortsätze aus, welche längs des Magens und
längs des Darmes sich hinziehen und welche später von Fett durch-
setzt und teilweise von Fett eingehüllt werden 2).
Der Darmkanal erfährt einige Zeit nach dem Ausschlüpfen der
Embryonen in Folge zunehmenden Längenwachstums eine S-förmige
Krümmung. Die eine Biegung erfolgt am Magen, eine kurze Strecke
vor dem Pylorus, die andere Biegung liegt eine kurze Strecke hinter
dem Pylorus; in Fig. 180 ist der Beginn der Biegung am Magen schon
zu sehen. Die genannte Krümmung bringt Lageveränderungen der
Milz und der Pankreaslappen mit sich. Die Milz, welche über dem
Anfangsteil des Darmes entstanden ist, wo die Subintestinalvene über
den Darm hinweggeht (Fig. 179), kommt an das hinterste Ende des
Magens (hinter die Biegungsstelle desselben) zu liegen °).
Am Pylorus wachsen aus dem Anfangsteil des Darmes die Appen-
diees pyloricae hervor (Fig. 150); sie entstehen als schlauchartige
Ausstülpungen der Schleimhaut.
In das Ende des Darmes nahe an der Afteröffnung mündet die
Harnblase ein. Secundär entsteht dann eine Trennung, so daß später
der Porus des Exeretionssystems hinter dem After liegt (Taf I, Fig. 7).
Das Hinterende der Embryonalanlage,
Randknopf, KuprrEer’sche Blase, Bildung des Schwanzes.
Die wichtigsten Publicationen sind diejenigen von ÖELLACHER (1873), HENNE-
GUY (1888), Schwarz (1889), H. V. Wırson (1891). KorscH (1898 u. 1900).
Die Vorgänge am Hinterende des Embryonalkörpers und die
Bildung des Schwanzes müssen mit besonderer Aufmerksamkeit be-
trachtet werden. Die vorliegende Darstellung bezieht sich auf die
Salmoniden, speciell auf den Lachs, doch sind die Vorgänge bei den
anderen Knochenfischen ganz ähnlich.
Wenn die Medullarplatte sich einzufalten beginnt und die Anlage
des Körpers des Embryo an der Oberfläche der "Keimscheibe hervor-
tritt, zeigt sich am Hinterende des Embryo ein rundes, schwach ge-
wölbtes Gebilde, welches ein wenig über die kreisförmige Peripherie
1) Die Entwickelung des Pankreas der Forelle ist von STÖHR (1893), GÖPPERT
(1893) und von LAGUESSE (1894) beschrieben worden.
2) Die Verteilung des Pankreas und die Lageveränderungen seiner Teile sind
eomplieirt und können hier nicht dargestellt werden. Ich verweise auf die Arbeiten
von ln ein Referat über dieselben habe ich ich im Zoolog. Centralblatt 1894
egeben.
gr 3) Die Milz der Teleosteer entsteht aus dem Mesoderm, speciell aus dem
Mesenchym im Mesenterium des Darmes (LAGUVEssE 1894).
198 6. Capitel.
der Blastodermscheibe nach hinten hervorragt. Ich nenne dasselbe den
Randknopf!). Wie die Fig. 181, 182, 165 u. 155 zeigen, sieht man
den Randknopf in allen Stadien, bis zu der Zeit, wenn die Umwachsung
Fig. 182.
Fig. 181.
Fig. 151. Blastoderm der Forelle mit Embryonalschild und Randknopf. Vergr.
15mal. (Nach KoPrscH.)
Fig. 182. Aelteres Blastoderm der Forelle mit stärker hervortretender Embryo-
nalanlage (stärkerer Erhebung der Medullarplatte). Vergr. 15mal. (Nach KoPrsch.)
des Dotters vollendet ist?); dann fließt mit demselben der Randwulst
zusammen, welcher die Dotterkugel umwachsen und hinter der Anlage
des Körpers des Embryo sich zusammengezogen hat (Fig. 185), und
darauf geht aus der Verschmelzung des Randknopfes und des Rand-
wulstes die Anlage des Schwanzes hervor.
Da der Randknopf am Hinterrande des Blastoderms entsteht, wo
das Ektoderm in die untere Schichte sich umschlägt, so besteht in dem-
selben von Anfang an ein continuirlicher Zusammenhang des Ektoderms
Fig. 183. Längsschnitt durch das hintere Ende eines Embryo von Salmo
salvelinus im Stadium mit 10 Urwirbeln. Man sieht den Randknopf und die
KuPprFer’sche Blase. (Nach H. VırcHow, 1895.) Ch Chorda, R Medullarkiel, Z
Enteroderm, W Randknopf. Bei C.n.oder etwas davor ist die Stelle des Canalis neur-
entericus zu denken.
l) ÖELLACHER nennt dasselbe die Schwanzknospe, Hıs die Randknospe,
H. VırcHuow den Endwulst. Die Bezeichnung Schwanzknospe könnte zu dem
Irrtum Veranlassung geben, daß dieses Gebilde für sich allein die Anlage des
Schwanzes sei; wie oben ausgeführt werden wird, entsteht der Schwanz erst dann,
wenn sich diese „Schwanzknospe“ beim Schluß der Umwachsung mit dem ganzen
Randwulst vereinigt hat.
2) Die Figuren lassen deutlich erkennen, daß der Randknopf allmählich an
Größe abnimmt.
Teleosteer. 199
mit der unteren Schichte. Indem die Bildungsvorgänge des Medullar-
rohres von vorn her an den Randknopf herantreten, setzt sich die
Bildung des Medullarkiels in den Randknopf hinein fort. Bald kann
man den Medullarkiel bis zum Hinterende des Randknopfes verfolgen ;
jedoch ist er im letzten Teil seines Verlaufes nach unten gegen die
untere Schichte nicht abgegrenzt und fließt am Hinterende des Rand-
knopfes mit der unteren Schichte vollständig zusammen. Auch die
Differenzirung in der unteren Schichte, welche, wie oben gesagt wurde, im
Rumpfteile beginnt, geht nur langsam auf den Randkopf über. Während
die Bildung des Medullarkiels in den Randknopf hinein fortschreitet,
folgt ihr die Sonderung der Chorda'); jedoch reicht stets die Anlage
des Medullarkiels etwas weiter nach hinten als diejenige der Chorda. —
Im Stadium der Fig. 182 gehen alle Anlagen (Medullarrohr, Chorda,
Mesodermstreifen, Enteroderm) an ihrem Hinterende ohne irgendwelche
Abgrenzung in die undifterenzirte Zellmasse des Randknopfes über.
Die Sonderung des Enteroderms in dem Randknopf geht zusammen
mit.der Bildung der KuPFFER’'schen Blase?). Diese ist eine kleine
Höhle, welche im vorderen Teil des Randknopfes entsteht, zu der Zeit,
wenn die Umwachsung über ein Drittel oder nahezu die Hälfte der
Dotterkugel sich erstreckt. Die KuPFFER'sche Höhle ist an ihrer
Decke und an ihren Seitenwänden
von einem deutlichen Cylinder-
epithel begrenzt, welches aber
in der Nähe des Bodens nicht
mehr von den anstoßenden Zell-
massen abgegrenzt werden kann,
welche dem Hinterende der Meso-
dermstreifen angehören; eine
dünne Zellenschicht, welche eben-
falls mit den anstoßenden un-
differenzirten Zellenmassen zu-
sammenfließt, bildet den Boden
der Höhle?®). Eszeigt sich weiterhin,
Fig. 184 A—C. 3 Querschnitte
durch das Hinterende eines Lachsembryo
zur Zeit, wenn die Keimscheibe ®/, der
Dotterkugel umwachsen hat. — A vor
der KUPFFERr’schen Blase, B durch die
KuPrFer’sche Blase, © hinter derselben.
(Nach D. Schwarz 1889.) md Me-
dullaranlage, m Mesoderm, ch Chorda,
en Enteroderm.
1) Die Anlage des Medullarkiels zusammen mit derjenigen der Chorda zeigen
die concentrische Anordnung der Zellen, welche OELLACHER (1872) veranlaßte, diese
beiden Anlagen unter dem Namen „Achsenstrang‘“ zusammenzufassen (vergl. p. 192).
2) Man sieht die KUPFFER’sche Blase an den Fig. 183, 184, 187 u. 188.
Die Blase wurde zuerst von KUPFFER erwähnt (1866 und 1868), vorher schon
von COSTE und von LEREBOULLET abgebildet. Seither ist sie von vielen Autoren
beschrieben worden. KorscH (1900) hat die ganze bezügliche Litteratur und die
verschiedenen Ansichten der Autoren übersichtlich zusammengestellt.
3) Bei marinen Teleosteern, bei welchen die Embryonen ärmer an Zellen sind,
hat die KuPFFer’sche Blase zur Zeit ihrer Entstehung unten keine eigene Wand, so
daß sie unten von dem Periblast begrenzt wird. Die Höhle entsteht deutlich
durch eine Aufwölbung des Enteroderms. Sie erhält dann eine ventrale Wand
dadurch, daß die Zellen von den Seiten her sich unter die Höhle vorschieben
(H. V. Wırson 1891).
I 6. Capitel.
daß die Wand der KuPFFER'schen Höhle die continuirliche Fortsetzung
des Enteroderms darstellt, daß also die Höhle am Hinterende der
Darmanlage (speciell am Ende des postanalen Darmabschnittes) ge-
legen ist !).
Betrachten wir die Querschnitte durch den Randknopf eines Lachs-
embryo, bei welchem die Umwachsung des Dotters nahezu beendet ist
(wie bei Fig. 185). In der Nähe des Randknopfes hört die Reihe der
Ursegmente auf, und die noch unsegmentirten Hinterenden der Meso-
dermstreifen treten in den Randknopf ein; mit denselben tritt an den
Randknopf die Enterodermleiste heran (Fig. 1S4A), und diese compacte
Darmanlage geht in dem Randknopf in das Epithel der KuPFFER’schen
Höhle über, welche als
(frühzeitig hohl ge-
wordener) Endteil der
Darmanlage aufzu-
fassen ist (Fig. 184 B):
das Epithel dieser
Höhle ist an ihrem
unteren Teile und an
der hinteren Wand
Fig. 185 u. 186. Em-
bryonen der Forelle, von
der Seite gesehen. (Nach
Fig. 186. KopscH 1898.) — Vergr.
EEE 20mal.
Fig. 155. Stadium kurz
vor Beendigung der Um-
wachsung. inter dem
Embryo sieht man das
Dotterloch, am Ende des
Embryo den Randknopf.
Fig. 186. Stadium nach
Beendigung der Umwach-
„sung. Der Ah wächst
hervor.
mit dem Mesoderm verschmolzen. Hinter der KuPpFFEr’schen Höhle
fließt auch die Chorda mit der übrigen Zellmasse zusammen (Fig. 184C);
das Medullarrohr ist noch einige Schnitte weit zu verfolgen und ver-
liert dann im hintersten Teile des Randknopfes ebenfalls seine Ab-
grenzung.
Während die eben besprochenen Vorgänge in dem Randknopf
1) Da der Schwanzdarm der Teleosteer, abgesehen von der KuPFFERr’schen Höhle,
kein Lumen zeigt und auch kein offener Canalis neurentericus existirt, so kann es
auffallen, daß das Hinterende des Schwanzdarmes bei den Teleosteern eine so be-
deutende und früh erscheinende Erweiterung besitzt; es kommt dabei noch in Be-
tracht, daß die KuprFrEr’sche Blase bei allen bisher untersuchten Knochenfischen
in beträchtlicher Größe entwickelt ist. Ich möchte daher vermuten, daß derselben
eine physiologische Bedeutung in der Hinsicht zukommt, daß durch dieselbe die
Nahrungszufuhr und der Stoffwechsel für die Zellen des Randknopfes erleichtert
wird, in welchem ja stets eine lebhafte Zellteilung stattfindet. Es spricht zu Gunsten
dieser Hypothese, daß im Dotter unter der KuUPFFERr’schen Höhle stets eine Anzahl
Periblastkerne liegen, und daß die Dottersubstanz hier sehr häufig Vacuolen und
mancherlei Zeichen reger Resorption erkennen läßt.
Teleosteer. 201
sich vollzogen haben, ist die Umwachsung des Dotters beendet worden,
und es kommt jetzt der Randwulst des Umwachsungsrandes mit dem
Randknopfe zur Verschmelzung. Der Blastoporus verschwindet spur-
los. Jetzt sieht man die Anlage des Schwanzes hervortreten; sie geht
aus der Verschmelzung des Randknopfes und des Randwulstes hervor.
Mit der Masse der undifferenzirten Zellen, welche in dem Randknopfe
hinter der KuPFFER’schen Höhle lag, kommt die Zellmasse zur Ver-
einigung, welche durch die Zusammenziehung des Randwulstes herbei-
gebracht wird. Wir haben es weiterhin mit einer einzigen undifferen-
zirten Zellmasse zu thun, welche hinter der KurrFEr'schen Höhle
liegt und sich auch unter die Kuprrer’sche Höhle vorschiebt; die
beiden Mesodermstreifen und das Medullarrohr enden in derselben und
verlängern sich auf Kosten derselben, während der Schwanz in die
Länge wächst. Diese Zellmasse kann man den Schwanzknopf nennen
(Fig. 188). — Derselbe entspricht dem Primitivstreifen der Am-
phibien, welcher durch Verschmelzung der seitlichen Blastoporuslippen
entsteht.
Fig. 187 A—D zeigen Querschnitte durch das Hinterende eines
Embryo, bei welchem die Umwachsung beendet ist und die Schwanz-
knopf hervortritt. Gehen wir von vorn nach hinten, so sehen wir
Fig. 187 A—D. 4 Querschnitte durch das Hinterende eines Lachsembryo zur
Zeit,wenn die Umwachsung der Dotterkugel beendet ist. — A Schnitt, welcher eine
kleine Strecke vor dem Schwanzknopf liegt und den Schwanzdarm trifft, B kurz
vor der KuPprrer’schen Blase, C durch die KurrrEr'sche Blase, D hinter der-
selben durch den Schwanzknopf. (Nach D. Schwarz 1889.) — md Medullarrohr,
m Mesoderm, ch Chorda, en Enteroderm, kh KUPFFER’sche Blase.
beim Vergleich von Fig. A und B die Chorda mit dem Enteroderm
zusammenfließen. Etwas weiter hinten erscheint die KuUPFFER'sche
Höhle (Fig. C), unter derselben geht das Enteroderm in die indifferente
Zellmasse des Schwanzknopfes über. Auch das Medullarrohr fließt
‚nach unten mit dieser Zellmasse zusammen (Fig. D).
Indem die Schwanzanlage in die Länge wächst, treten folgende
202 6. Capitel.
Veränderungen ein: die indifferente Zellmasse verkleinert sich, während
die Mesodermstreifen, die Chorda und das Medullarrohr sich verlängern.
Die Kurrrer'sche Höhle verliert ihr Lumen und verschwindet. Der
zunächst vor derselben gelegene solide Teil der Darmanlage erweist sich
als Schwanzdarm, da der After am vorderen Ende desselben zur Ent-
wickelung kommt. “Während der Schwanz an Länge zunimmt, zieht
sich der Schwanzdarm zu einem dünnen Strange aus, welcher gleich
hinter dem After sich am raschesten verdünnt und schwindet und
am Hinterende des Schwanzes am längsten sich erhält. Der Schwanz-
darm besitzt zu keiner Zeit ein deutliches Lumen, doch nehmen die
Zellen eine epithelartige radiäre Gruppirung an.
Ein Canalis neurentericus ist bei Teleosteern nicht vorhanden;
der Schwanzdarm endet mit der KuPrreEr’schen Blase. Wenn ein
Canalis neurentericeus existirte, so müßte er von dieser aus aufsteigen
und würde, schief nach hinten verlaufend, die KuPFrFEr’sche Blase
hinter dem Ende der Chorda mit dem
Ende des Medullarrohrs verbinden. Da
aber das Medullarrohr solid angelegt
wird, so ist es keineswegs auffallend, daß
ein offener Canalis neurentericus nicht
vorkommt. Ein Canalis neurentericus,
welcher kein Lumen besitzt, kann wohl
theoretisch gedacht werden, aber ist
Fig. 188. Embryo des Herings in der Ei.
haut. Die Umwachsung des Dotters ist beendet
und der Schwanzknopf gebildet. (Nach KUPFFER
aus BALFOUR.) oc Auge, ht Pericardialhöhle, ch
Chorda, hyv KUPFFER’sche Blase.
empirisch schwer nachweisbar und bei den Teleosteern nicht mit
Sicherheit zu erkennen.
Die Kuprrer’sche Höhle ist in morphologischer Hinsicht offenbar
der Erweiterung des Schwanzdarmes homolog zu setzen, welche BAL-
FOUR (1878) bei den Selachiern an der Stelle beobachtete, wo der
Schwanzdarm in den Canalis neurentericus übergeht (vergl. p. 147).
Die mesodermalen Anlagen.
Ursegmente, Seitenplatten, Flossenanlagen, Vorniere
und Urniere, Gefäßanlagen.
Zur Einführung dienen die Arbeiten von ÖELLACHER (1873), H. E. ZIEGLER
(1887), HARRISON (1895), SwWAEN und BRACHET (1899).
Die folgende Beschreibung der Differenzirung in den Mesoderm-
streifen und der mesodermalen Organanlagen bezieht sich hauptsächlich
auf den Lachs und die Forelle, da die Vorgänge bei diesen Knochen-
fischen am genauesten beobachtet sind. — Aus den Mesodermstreifen
entstehen bei den Knochenfischen wie bei allen Wirbeltieren die Ur-
segmente und die Seitenplatten; bei manchen Knochenfischen
(und zwar insbesondere auch beim Lachs und bei der Forelle) erscheint
bei der Sonderung der Seitenplatten und der Ursegmente noch ein
dritter Teil, die sogenannte intermediäre Zellmasse. — Die
Teleosteer. A),
Ursegmente werden späterhin hauptsächlich zur Bildung der segmen-
talen Musculatur verbraucht, liefern aber außerdem das Sklerotom,
aus welchem die Wirbelsäule und auch das Iymphoide Gewebe in der
Urniere hervorgehen. Aus den Seitenplatten entsteht die epitheliale
Auskleidung der Pericardialhöhle und der Peritonealhöhle. Die inter-
medliäre Zellmasse bildet Gefäßanlagen.
Während der lateral gelegene Teil der Mesodermstreifen die
Seitenplatten bildet, gehen aus dem medianen Teile derselben die
Ursegmente hervor. Der für die letzteren bestimmte Teil der
Mesodermstreifen hat eine ziemliche Dicke; die äußerste Zellenlage
wächst von Strecke zu Strecke von oben her vertical herab und grenzt
so die einzelnen Ursegmente ab ''!); jedes derselben erscheint sozusagen
als ein von epithelial geordneten Zellen begrenztes und compact mit
Zellen erfülltes Kästchen (Fig. 190). Die Bildung der Ursegmente
beginnt eine kurze Strecke hinter dem Ohrbläschen und schreitet von
da nach hinten fort (Fig. 177). Der hinterste Teil der Mesoderm-
streifen bleibt sehr lange Zeit unsegmentirt, obgleich hinten an der
Reihe der bestehenden Segmente auf Kosten des unsegmentirten Teiles
der Mesodermstreifen fortwährend neue Segmente gebildet werden;
es ist dies dadurch möglich, daß die Mesodermstreifen an ihrem
Hinterende durch Zellenvermehrung fortwährend wachsen und auch
von dem Randknopf (später von dem Schwanzknopf) aus verlängert
werden, in welchem stets lebhafte Zellvermehrung stattfindet.
Bei der Forelle sind zu der Zeit, wenn das Blastoderm die Dotter-
kugel zur Hälfte umwachsen hat (Fig. 165). 3—6 Ursegmente jederseits
vorhanden, zur Zeit der Vollendung der Umwachsung etwa 21: im
(Ganzen entstehen 65—64 Ursegmente (H. VIRCHOwW 1595).
An demjenigen Teile der Mesodermstreifen, welcher im Kopfteile
des Embryo liegt, hat kein Beobachter irgendwelche Spur von Segment-
bildungen erkennen können; das Mesoderm des Kopfes (abgesehen von
den Pericardialplatten) bleibt lange in indifferentem Zustande (Mes-
enchym) und erzeugt schließlich die Skeletteile, das Bindegewebe und
die Muskeln des Kopfes.
Die Ursegmente werden größtenteils in Musculatur umgewandelt:
die Bildung der ersten Muskelzellen findet an der medianwärts ge-
‚legenen Seite der Ursegmente in der Nähe der Chorda statt. — Wie
bei allen Fischen erfahren die Ursegmente eine Knickung in der Weise,
daß die Mitte des Ursegments nach vorn gerichtet ist, der obere und
der untere Teil nach hinten (Fig. 189 u. Taf. I, Fig. 6).
An dem unteren Ende jedes einzelnen Ursegments entsteht das
Sklerotom; es wächst nämlich aus dem untersten und hintersten
Teile des Ursegments eine Zellmasse medianwärts hervor, deren
Zellen den epithelialen Verband aufgeben und zu Mesenchymzellen
werden. Dieselben bilden einen mesenchymatischen Streifen, welcher
unter der Chorda sich hinzieht, und in welchem bald die Aorta erscheint:
ferner dringen die Zellen des Sklerotoms zwischen der Chorda und
dem Ursegment (Myotom) aufwärts vor und schieben sich dann auch
an den Seiten des Medullarrohrs herauf?). Obgleich die Sklerotome
ihrer Entstehung nach segmental sind, fließen sie doch zu einer un-
segmentirten mesenchymatischen Masse zusammen, dem sogenannten
1) Eine genauere Darstellung dieses Vorganges findet man bei SWAEN und
BRACHET (1899).
2) Man sieht die Sklerotome an Fig. 194 und 192.
204 6. Capitel.
skeletogenen Gewebe. In diesem entstehen die Teile des Skelets.
also die Wirbel, die oberen Bögen, die unteren Bögen (Parapophysen, |
Pleurapophysen), die von denselben sich abgliedernden Rippen und |
außerdem die Fleischgräten }).
Die Ursegmente geben in die Flossenanlagen Fortsätze ab, welche
einen Teil der Musculatur der paarigen und der unpaaren Flossen |
liefern (Fig. 180). Stets wird die Bildung der Flossen durch die Ent-
Fig. 189. Hinterer Teil eines Lachsembryo von 12,5 mm Länge. (Nach
HARRISON 1895.) «a After, af Afterflosse, 5: Basalknorpel der Schwanzflosse, bil
Bauchflosse, ce Chorda, d Darm, ff Fettflosse, f Flossenstrahlen der Schwanzflosse,
h Mündung der Harnblase, m’, m®", m’, m", m®® Myotom 15, 30 etc., pf präanaler
Flossensaum, r Rückenmark, rf Rückenflosse.
wickelung einer Hautfalte eingeleitet, in welche dann reichlich Mes-
enchym hineindringt, und nachher auch die genannten Fortsätze der
Ursegmente („Muskelknospen“) hineinwachsen ?).
Aus den flachen seitlichen Teilen der Mesodermstreifen gehen die
Seitenplatten hervor; die Zellen ordnen sich zu 2 einschichtigen
epithelialen Blättern, zwischen welchen später ein Zwischenraum er-
scheint. — Derjenige Teil der Seitenplatten, welcher unter dem Kopf-
teil des Embryo liegt, bildet das Pericardium (Fig. 175); dasselbe
beginnt hinter den Augenblasen und reicht bis zu der Stelle der ersten
Ursegmente, welche eine kurze Strecke hinter dem Ohrbläschen ge-
legen ist.
1) Die Entstehung der Wirbelsäule der Teleosteer ist neuerdings von SCHEEL
(1893) beschrieben worden.
2) Zuerst von allen Flossen entsteht die vordere Extremität. Die erste Anlage
der Brustflosse besteht darin, daß sich unter dem Ektoderm eine Masse von Mesen-
chym bildet, welche größtenteils von der Somatopleura herstammt, aber medianwärts
auch mit den Sklerotomen der ersten Ursegmente und mit dem unsegmentirten Meso-
derm des Kopfes zusammenhängt; das Herauswachsen des Mesenchyms der Flossen-
anlage von der Somatopleura (Fig. 176) schreitet von vorn nach hinten vor, und es
geht dem Herauswachsen des Mesenchyms eine Verdickung der Somatopleura vorher.
Durch die massige Mesenchymentwickelung wird das Ektoderm wulstförmig gehoben;
dasselbe bildet außerdem eine aufsteigende Längsfalte. Dann treten die Fortsätze der
Ursegmente (von 5—6 Ursegmenten) an die Anlage der Extremität heran. Die
hintere Extremität wird in Ale Weise gebildet und erhält auch die Fortsätze
von ungefähr 6 Ursegmenten (Fig. 189). (Genaueres über die Entwickelung der
Extremitäten findet man in den Publicationen von BoYER (1892), CoRNING (1894)
und HArRrısoN (1895). — Nach HARRISON treten an der Brustflosse des Lachses
die Fortsätze der Segmente 3—6 heran und bilden hauptsächlich die Muskeln am
Ansatz der Brustflosse (Coraco-hyoideus u. a.).
Teleosteer, 20
Wenn die oben beschriebene Bildung des Kiemendarmes sich
vollzogen hat, rücken die Pericardialplatten von beiden Seiten her
medianwärts vor (vergl. Fig. 174 und 175); in der so entstehenden
medianen Scheidewand der beiden Pericardialhöhlen liegt die Anlage
«les Herzens; vor der Herzanlage und hinter derselben schwindet die
Scheidewand und fließen die beiden Pericardialhöhlen zu einem einzigen
Hohlraum zusammen. —' Das Herz bildet sich, wie eben gesagt,
zwischen den beiden Pericardialhöhlen; es stellt anfangs einen vertical
oder schief aufsteigenden Schlauch dar, welcher aus zwei Schichten
besteht, der Muskelschicht und dem Endothel. Die Muskelschicht
wird von den Pericardialplatten gebildet; das Endothel entsteht (zu-
sammen mit einer Menge von mesenchymatischen Wanderzellen) aus
einer kleinen Mesodermmasse, welche sich vom Mesoderm des Kopfes
aus unter die Pericardialplatten vorschiebt (in früher Zeit, wenn die
Pericardialhöhlen noch klein sind und noch nicht gegen die Median-
ebene vordringen, Fig. 174). In dieser Weise ist die Bildung des
Herzens von ÖELLACHER (1875), ZIEGLER (1887), HOLBROOK (1894),
SwAEN und BRACHET (1899) beschrieben worden; die abweichenden
Angaben einiger anderer Autoren glaube ich nicht erwähnen zu müssen.
Der im Rumpfe gelegene Teil der Seitenplatten bildet das
Peritoneum; zwischen den beiden Blättern desselben erscheint die
Peritonealhöhle (Leibeshöhle, Bauchhöhle); wenn das Darmrohr
gebildet ist, dringt das Peritoneum dorsal und ventral von demselben
medianwärts vor, und es entsteht ein oberes und ein unteres Nes-
enterium des Darmes; das letztere schwindet bald, so daß die beiden
Peritonealhöhlen unter dem Darme zusammenfließen. Indem die Seiten-
platten über die Dotterkugel herabwachsen, dehnt sich die Leibeshöhle
lateralwärts aus; allmählich wird die ganze Dotterkugel von den beiden
Blättern des Peritoneum umwachsen. Das untere Blatt desselben
(Splanchnopleura) liegt der Dotterkugel auf, das andere (Somatopleura)
schließt ich dem Ektoderm an (Fig. 192).
Beim Lachs und bei manchen anderen Knochenfischen gehen im
Rumpfe des Embryo aus den Mesodermstreifen nicht allein die Seiten-
platten und die Ursegmente hervor, sondern noch eine dritte Organ-
anlage, nämlich die sogenannte intermediäre Zellenmasse.
Wenn die Seitenplatten einerseits und die Ursegmente andererseits
sich abgrenzen, so bleibt zwischen denselben ein undifferenzirter Zell-
streifen, und diesen hat ÖELLACHER (1875) die intermediäre Zellmasse
genannt!). Ihre Bildung findet keineswegs in der ganzen Länge der
Mesodermstreifen statt, sondern unterbleibt im vorderen Teile des
Embryonalkörpers und im hintersten Teile desselben; späterhin zeigt
sich, daß die intermediäre Zellenmasse in der Gegend der vorderen
Extremitäten an der Vorniere beginnt und nach hinten bis nahe an
e: After reicht. Wenn die intermediäre Zellenmasse, wie oben gesagt
1) Neuerdings hat SoporrTA dafür die Bezeichnung „subchordale Mesoderm-
masse“, FELIX den Namen „Venenstrang“ gebraucht. — Es wird in der Litteratur
darüber gestritten, ob die intermediäre Zellenmasse zu den U rsegmenten oder zu den
Seitenplatten gehört. Da sie sich zwischen beiden bildet, scheinen mir beide Auf-
fassungen möglich. Ich beschrieb dieintermediäre Zellenmasse als eine mesenchymatische
Anlage, welche phylogenetisch mit dem Mesenchym des Sklerotoms zusammenhängt.
Ich verweise auf meine frühere Arbeit (1887). — Dagegen sehen SwAEN und BR ACHET
die intermediäre Zellmasse als einen Teil der Seitenplatten an.
4“
206 6. Capitel.
wurde, gleichzeitig mit der Differenzirung der Ursegmente und der
Seitenplatten zur Sonderung gekommen ist, schiebt sie sich medianwärts
unter die Reihe der Ursegmente, so daß die Seitenplatten an die Ur-
segmente herantreten können (Fig. 190, 191 u. 193). Die intermediären
Zellenmassen treten von beiden Seiten her medianwärts zusammen und
verschmelzen zu einem einzigen medianen Zellenstrang (Fig 192 u. 194).
Aus demselben geht dann hauptsächlich eine unter der Aorta gelegene
mediane Vene (die
Stammvene) hervor;
die peripheren Zellen
bilden die Wand der
Vene, die inneren
Zellen werden rote
Blutkörperchen ). —
Da die intermediäre
Zellenmasse sich nicht
bei allen Knochen-
fischen vorfindet und
da nichts weiter als
ein Gefäß aus der-
selben hervorgeht ?),
so braucht ihr bei der
vergleichenden Be-
trachtung der Differen-
tiation der Keimblätter
Fig. 190. Querschnitt durch das 5. Segment eines keine große Bedeutung
Embryo der Forelle (Trutta fario) mit 15 Ursegmenten. beigelegt zu Wweı den;
(Nach SwAEN et BRACHET.) my Ursegment (Myotom), sie muß als eine bei
en Enteroderm, im intermediäre Zellenmasse, sp Seiten einzelnen Knochen-
platten, » Vornierenanlage. Das Ektoderm ist weggelassen. fischen in jün gerer
Zeit entwickelte cäno-
genetische Erscheinung betrachtet werden. Es ist eine Gefäßanlage,
welche sehr groß geworden ist, um recht viele Blutkörperchen zu
my
im en
I) Die Stammvene ist eine große Vene, welche mitten durch die Urniere
hindurchgeht, und welche den median vereinigten Cardinalvenen entspricht. Hinter
der Vorniere spaltet sie sich in die beiden Cardinalvenen, welche seitlich unter der Vor-
niere hindurch zum Duectus Cuvieri gehen. — Genaueres über die embryonale Circu-
lation und über die Blutbildung aus der intermediären Zellenmasse ist in meiner
früheren Publication angegeben (1887). Auch über die theoretische Auffassung der
Gefäßbildung habe ich früher meine Ansicht ausgesprochen (1889 und 1892). Die
Bildung der Blutzellen in der intermediären Zellenmasse ist ein ähnlicher Vorgang,
En an den Blutinseln bei Torpedo (vergl. p. 143) oder im Gefäßhof des Hühnchens
vorkommt.
2) Beim Hecht habe ich beobachtet (1587), daß auch ein Teil der Aorta aus
der intermediären Zellenmasse hervorgeht. SwAEN und BRACHET (1899) geben an,
daß die intermediäre Zellenmasse bei der Forelle nicht erst hinter der Vornierenanlage,
sondern schon bei den ersten Ursegmenten beginnt, und daß dieselbe im Bereich der
> ersten Ursegmente die Aorta bildet, weiter hinten die Stammvene und die Aorta.
Diese Forscher betrachten die intermediären Zellenmassen als Teile der Seitenplatten.
Bei denjenigen Knochenfischen, bei welchen eine intermediäre Zellenmasse als solide
Gefäßanlage nicht vorhanden ist, leiten sie die Zellen der Aorta und der Cardinal-
venen ebenfalls von den Seitenplatten ab. — Eine intermediäre Zellenmasse als
compacte Gefäßanlage, wie sie bei den Salmoniden vorkommt, wurde auch bei den
Embryonen folgender Fische gefunden: Perca fluviatilis (WENCKEBACH 1885), Belone
acus (WENCKEBACH 1886), Esox lucius (ZIEGLER 1887), Leuciscus cephalus und
Exoeoetus volitans (SwAEN und BRACHET 1901).
Teleosteer. 207
erzeugen, und welche sich sehr früh anlegt, um diese Blutkörperchen
bald in die Circulation zu bringen ').
Ich will hier die Be-
schreibungdes Kreis- sp vg
laufs einfügen, wel- | TE el
cher bei der Forelle / | A
einige Tage nach dem
Ausschlüpfen des Fi-
sches vorhanden ist
888.1; Fig. 7): ‚Das
Blut geht vom Herzen
aus in die 4 Kiemen-
bögen, von da größ-
tenteils in die Aorta
descendens, zum klei-
neren Teil in die Ge-
fäße des Kopfes. Die
Aorta verläuft gerad- ,
linigbis in dieSchwanz- um en
flosse. Sie giebt die Fig. 191. Querschnitt durch das 10. Segment eines
Gefäße in den Glome- Embryo der Forelle mit 15 Ursegmenten. (Nach
= der Yorniers ab SWAEN et BRACHET.) my Ursegment (Myotom), vg Vor-
& z nierengang, sp Seitenplatten, im intermediäre Zellenmasse,
und gleich dahinter cu en (Darmepithel). Das Ektoderm ist weg-
die Arteria mesente- gelassen.
rica. Ferner entsendet
sie eine kleine Analarterie kurz vor dem After. Außerdem treten
aus ihr zahlreiche kleine segmentale Gefäße aus, welche zu den :Ur-
segmenten gehen (Vertebralarterien). Unter der Aorta sieht man
Fig. 192. Querschnitt eines Lachsembryo, bei welchem der Blastoporus_ sich
eschlossen hat (desselben Embryo wie Fig. 175 u. 176). Der Schnitt geht durch die
Mitte des Rumpfes. Vergr. 7Smal. sc Sklerotom, sp Seitenplatten, im intermediäre
Zellenmasse, d Darm, p% Periblastkerne, vg Vornierengang.
1) Beim Lachs wie bei anderen Knochenfischen findet anfangs eine Circulation
eines Serums statt, in welchem noch keine Blutkörperchen vorhanden sind; wenn
die Ablösung der Blutkörperchen aus der intermediären Zellenmasse beginnt, treten
in kurzer Zeit zahlreiche Blutkörperchen in die Circulation ein. — Bei denjenigen
Knochenfischen, bei welchen die a nicht wie bei den Salmoniden als com-
ri Gefäßanlage entsteht, sind zur Zeit des Ausschlüpfens der Embryonen noch
eine Blutzellen im Blute vorhanden. So verhält es sich bei vielen marinen Knochen-
fischen, welche kleine, pelagisch schwimmende Eier haben.
208 6. Capitel.
im Schwanz die Schwanzvene; diese tritt zwischen der Gegend des
Afters und der hinteren Extremität in die Urnierenanlage ein und
bildet von da an die Stammvene (vereinigte Cardinalvenen). Die
Schwanzvene und die Stammvene nehmen die kleinen segmentalen
Venen auf, welche das Blut der Vertebralarterien zurückführen. In
der Gegend der Vorniere teilt sich die Stammvene in die beiden
Cardinalvenen. Auf jeder Seite fließt dann die Cardinalvene mit der
aus dem Kopf kommenden Jugularvene zusammen und bildet mit ihr
den Ductus Cuvieri, welcher in den Sinus venosus einmündet. — Das
Blut, welches durch die Analarterien und die Arteria mesenterica zum
Darme floß, kommt in die Vena subintestinalis, welche unter dem
Darme verläuft, dann auf der linken Seite des Darmes aufsteigt und
in einem Bogen über denselben hinweggeht, um auf der rechten Seite
des Darmes in die Leber einzutreten (Fig. 179); an dem Bogen nimmt
sie von der Milzanlage und von der Pankreasanlage her einige Gefäße
auf, welche aus Aesten der Arteria mesenterica stammen). Aus der
Leber tritt das Blut in zahlreichen Gefäßen auf den Dottersack aus,
welche sich mannigfach verästeln, so daß der Dottersack mit einem
gleichmäßigen Gefäßnetz überzogen wird (Taf. I, Fig. 7). Die kleinen
Gefäße münden dann in eine große Dottervene, die erst unten am
Dottersack verläuft. dann auf der linken Seite desselben allmählich
ansteigt und in den Sinus venosus sich ergießt.
Es bleibt nun noch der embryonale Excretionsapparat zu be-
sprechen, also die Entstehung des Vornierenganges, der Vorniere und
der Urniere. — Die Vorniere und der Vornierengang nehmen
ihren Ursprung von den Seitenplatten. Die Vorniere entsteht im Be-
reich der ersten Ursegmente?).. Man kann die Anlage derselben an
den Fig. 190, 195 und 194 verfolgen, welche 3 Stadien der ersten Ent-
wickelung der Vorniere zeigen. An Fig. 190 sieht man zahlreiche
Mitosen in dem medianwärts gelegenen Teile der Seitenplatten, an
Fig. 193 eine sich erhebende
Falte, welche bei Fig. 194
4 bedeutend größer geworden
ist. Diese Anlage erhält später
In
fl
ER ein Lumen, zur Zeit, wenn auch
ESS der Hohlraum zwischen den
ZEN Seitenplatten sich ausbildet;
898
9?
3 Fig. 193. Querschnitt durch das
ge 6. Segment eines Embryo der Fo-
A relle (Trutta fario) mit 19 Urseg-
tir.- menten. (Nach SWAEN et BRACHET
e>$6 1 1899.) my Myotom, v Vornierenan-
; Fr .. lage, sp Seitenplatten, sc Sklerotom,
ß > en Enteroderm, im intermediäre
Zellenmasse. Das Ektoderm ist
en sc im weggelassen.
1) Die Milz der Teleosteer entsteht aus dem Mesenchym und bildet sich an
ne Stelle, wo die Subintestinalvene über den Darm hinweggeht (LAGUEssE 1890
und 1894).
2) Bei der Forelle nach SwAENn und BRACHET (1899) am 4.—6. Segment, nach
FELıx (1897) am 3.—7. Segment.
ES GE EEE
Teleosteer. 209
es geht daraus die Vornierenkammer hervor, welche anfangs noch
mit der Peritonealhöhle in offener Verbindung steht, später aber sich
von derselben abtrennt !). Die beiderseitigen Vornierenkammern wachsen
medianwärts gegen einander vor (Fig. 195), so daß nur eine dünne
Scheidewand zwischen ihnen bleibt. In diese tritt von der Aorta aus
eine Arterie ein und bildet in jeder Vornierenkammer einen kugelig
vorspringenden Glomerulus. {
Von der Vornierenkammer geht der Vornierengang aus; er
entsteht in ähnlicher Weise wie die Vorniere aus dem medianwärts
gelegenen Teile der Seitenplatten (Fig. 191); es ist anfangs ein solider
Strang, welcher sich von den Seitenplatten abschnürt und nachher ein
rundes Lumen erhält’). Die Bildung des Vornierenganges schreitet
längs der Seitenplatten von
der Vorniere aus nach hinten
fort. Wenn die Vornieren-
gänge bis zu der After-
gegend entwickelt sind,
münden sie in den Enddarm
ein. Bald darauf entsteht
am Enddarm an der Stelle
der Einmündung ein Di-
vertikel, welches sich mehr
und mehr vom Enddarm
abtrennt’); es bildet die
Harnblase, welche anfangs
in den Endteil des Darmes,
später aber hinter dem After
nach außen mündet (Taf. I,
Fig. 7).
Der vorderste Teil des
Vornierenganges knäuelt
sich auf und bildet zahlreiche
Windungen *). An dem fol-
" im
genden Teil desselben ent- en
steht die Urniere, und wird F ie: 194. Querschnitt durch das 6. Segment
der Vornierengang daher eines imbryo der Forelle (Trutta fario) mit 28
TER 4 rseg ROH ONE SWAEN HET.
auch Urnierengang genannt. fyotom, se Sklerotom, Zn intermediäre Zeilmasee
Die Urniere beginnt „ Vornierenanlage, sp Seitenplatten, en Entero-
hinter der Vorniere und derm (Darmepithel). Das Ektoderm ist weggelassen.
reicht annähernd bis zum
After. Die Stammvene geht mitten durch die Urniere hindurch
und teilt sich am vorderen Ende derselben in die Cardinalvenen,
welche jederseits in einem Bogen zum Sinus venosus gehen. In der
1) Man kann die Vornierenkammer als einen abgeschnürten Teil der Leibeshöhle
ansehen. Andererseits kann man sie auch als einen großen MArrıGHr’schen Körper
betrachten. Die beiden Auffassungen können vereinigt werden, wenn man die
agree Körper überhaupt theoretisch als abgetrennte Teile der Leibeshöhle
ansieht.
2) Nach SwAEN und BRACHET (1899) entsteht der Kanal in ähnlicher Weise
wie die Vornierenkammer und kann daher in seiner ganzen Länge als ein abgeschnürter
Teil der Leibeshöhle angesehen werden. ’
3) Nach der Darstellung von FELIX (1897).
4) Bei Embryonen des Barsches habe ich beobachtet, daß der Anfangsteil des
Vornierenganges eine von einzelnen großen Cilien gebildete Wimperung besitzt.
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 14
210 6. Capitel.
Urniere bilden sich zahlreiche Urnierenkanälchen, welche mit einer
MarrpıGHtschen Kapsel beginnen, einen aufgeknäuelten Verlauf haben
und in die Urnierengänge (Vornierengänge) einmünden. Außerdem
enthält die Urniere Iymphoides Gewebe: dasselbe ist dauernd eine
Bildungsstätte von Blutkörperchen.
Beiläufig will ich noch einige Worte über die Genitalzellen
beifügen. Beim Lachs werden einige Tage nach dem Schluß des
Blastoporus große Zellen in den Seitenplatten bemerkbar, welche in
der Somatopleura liegen, in der Nähe des Vornierenganges. Dies sind
die Genitalzellen, welche später in die Genitalfalten zu liegen kommen.
In späteren Stadien findet man nämlich jederseits neben dem dorsalen
Mesenterium und in geringer Entfernung von demselben eine kleine
vorspringende Längsfalte, welche die Anlage der Gonade ist, also zu
einem Hoden oder einem Eierstock sich ausbildet.
Die vorstehende Darstellung der Entstehung der Excretionsorgane
stützt sich auf die Publication von Swaen und BracHer (1899) und auf
ältere Arbeiten. Eine besondere Beachtung verdient aber die eingehende
Beschreibung dieser Vorgänge, welche Ferıx (1897) gegeben hat. Dar-
nach stellt sich die Bildung des Excretionsapparates bei der Forelle in
folgender Weise dar. — Bei einem Forellenembryo von 2,7 mm Länge,
welcher 11 Ursegmente besaß, fand Ferıx, daß die Seitenplatten an 5
auf einander folgenden Segmenten (Segment 3—7) jeweils unter der caudalen
Hälfte des Segmentes sich medianwärts ein wenig vorschieben, also so-
zusagen 5 kurze solide medianwärts gerichtete Zapfen bilden; diese be-
trachtet er als rudimentäre Vornierenkanälchen. Indem dieselben
zusammenfließen, bilden sie eine Falte (primäre Vornierenfalte) welche
anfangs noch solid ist und erst später ein Lumen erhalten wird. Die
primäre Vornierenfalte setzt sich nach hinten in den primären Harnleiter
(Vornierengang) fort; dieser differenzirt sich als eine solide Leiste an
der Somatopleura im Bereich des achten und der folgenden Segmente. In
dem Maße, als an der Somatopleura die Bildung des primären Harnleiters
(Vornierenganges) stattfindet, trennt sich auch ein medianwärts gelegener
Strang von den Seitenplatten ab, welchen Ferıx als Venenstrang be-
zeichnet und welcher die oben genannte intermediäre Zellenmasse dar-
stell. Die Bildung des primären Harnleiters schreitet caudalwärts weiter,
bis das Rohr die Gegend des später entstehenden Anus erreicht und hier
mit dem Darm sich verbindet. — Im Bereich der Vornierenfalte wird der
Fig. 195. Schema der Vornierenanlage der Forelle
(nach einer Figur von FELIX etwas verändert). g Glome-
rulus, » Vornierenkammer, vg Vornierengang, ve Vena car-
dinalis, m Verbindung der Vornierenkammer mit der
Leibeshöhle (diese Mündung verschließt sich), 4 Darm.
Harnleiter auch cranialwärts um eine kleine Strecke verlängert, indem
eine einspringende Längsfalte einen Teil der Vornierenfalte abtrennt;
dieser abgetrennte Teil bildet das Anfangsstück des primären Harnleiters,
der übrige Teil der Vornierenfalte bildet die Vornierenkammer. Die
Oeffnung der Vornierenkammer in die Leibeshöhle (welche man nach
Semox’s Theorie als den Außentrichter bezeichnen müßte) nennt Ferıx
Teleosteer. 21]
das Nephrostom, die Oeffnung des Vornierenganges in die Vornierenkamıner
(der Innentrichter nach Semox) nennt Ferıx das Pseudonephrostom ; er
will durch diese Bezeichnungsweise betonen, daß die Vornierenkammer
nicht ein abgeschnürter Teil der Leibeshöhle sei, sondern aus der Ver-
schmelzung der Vornierenkanälchen ihren Ursprung genommen habe. —
Wenn sich der Glomerulus anlegt, welcher von Anfang an ein paariges
Gebilde ist, wird er von der Vornierenkammer umfaßt, so daß er scheinbar
in dieselbe hineinwächst (Fig. 195). Der Glomerulus entsteht unabhängig
von der Aorta, wahrscheinlich aus Zellen, welche von der Splanchnopleura
stammen; es treten jederseits 2 kleine Gefäße aus der Aorta in den
Glomerulus ein (Vasa afferentia); die beiden austretenden Gefäße (Vasa
efferentia) münden in die Arteria mesenterica, welche unmittelbar hinter
der Vornierenkapsel aus der Aorta entspringt. Die vorderen der beiden
Vasa afferentia verstärken sich, und es entstehen außerdem noch mehrere
kleine Gefäße, die von der Aorta zu dem Glomerulus gehen (Neben-
afferentia). — In der Urniere unterscheidet Ferıx die Urnierenkanälchen
und die Nachnierenkanälchen; die ersteren bilden sich im vorderen Teil
der Urniere und entstehen aus sich abschnürenden Verdickungen der
dorsalen Wand des Vornierenganges; die Nachnierenkanälchen gehören
dem folgenden Teil der Urniere an und nehmen ihren Ursprung von
einzelnen Zellen, deren Herkunft nicht zu bestimmen ist. Bei den Ur-
nierenkanälchen bilden sich durch Teilung secundäre Urnierenkanälchen.
welche kein Lumen erhalten. Ferner entstehen später noch neue Nach-
nierenkanälchen (secundäre und tertiäre Nachnierenkanälchen). Für die
Nachnierenkanälchen des hintersten Teiles der Urniere wird ein eigener
Ausführungsgang (secundärer Harnleiter) durch Ausstülpung vom primären
Harnleiter gebildet. — Die Rückbildung der Vorniere beginnt im dritten
Monat nach dem Ausschlüpfen des Embryo, und der völlige Schwund
derselben tritt im zweiten Lebensjahre ein.
Die Metamorphose einiger Knochenfische.
Viele Teleosteer machen eine Metamorphose durch, indem sie zur
Zeit des Ausschlüpfens noch nicht die definitive Körpergestalt besitzen,
sondern sich stufenweise zu derselben entwickeln. Ich will nur zwei
der auffallendsten Fälle von Metamorphose erwähnen, nämlich die
Verwandlung der Flachfische oder Schollen (Pleuronectiden) und die
Verwandlung des Aales (Anguilla vulgaris F.).
Die Flachfische oder Schollen haben pelagisch schwimmende
Eier, aus welchen Embryonen entstehen, welche denjenigen anderer
Meerfische sehr ähnlich sind und noch keine Asymmetrie des Kopfes
zeigen. Erst allmählich tritt die Einseitigkeit auf, welche für die
Flachfische charakteristisch ist; das Wichtigste dabei ist dies, daß die
Augen, welche ursprünglich symmetrisch zur Medianebene lagen, auf
eine Seite des Kopfes zu liegen kommen. Das Auge derjenigen Seite,
welche später die Unterseite des Fisches wird, wandert etwas nach
vorn und verschiebt sich über die Dorsalseite hinweg nach der anderen
Seite. Dann wächst die Rückenflosse nach vorn über das Auge hinaus
(Fig. 196). Das wandernde Auge kann je nach der Species das rechte oder
das linke sein. — Bei der Gattung Plagusia verläuft der Vorgang etwas
anders, da die Rückenflosse schon früh nach vorn vorwächst, ehe das
Auge sich nach links verschoben hat. Dann versinkt das rechte Auge
an der Basis der Flosse über dem Stirnbein in den Kopf hinein, die
14%
212 6. Capitel.
Augenhöhle kommt auf der anderen Seite an die Oberfläche; während
sich die Augenhöhle auf der linken Seite eröffnet, schließt sie sich auf
der rechten Seite !).
a sa” S N N
SI
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(5
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SEEN
Fig. 196 A—C. Drei Entwickelungsstadien von Pleuronectes. (Nach AGAssız.)
Beiläufig mag auch die Umwandlung der Schwanzflosse bei den
Flachfischen besprochen werden. Die Schwanzflosse ist anfangs
B SRIZR
ee,
A——7
TA
Fig. 197 A—C. Drei Entwickelungs-
stadien des Schwanzes des Flunders (Pleuro-
nectes flesus L.). Nach AGassız.
A und B Stadien mit heterocerker
Schwanzflosse.
C Stadium mit homocerker Schwanz-
flosse.
c embryonale Schwanzspitze, f defini-
tive Schwanzspitze, n Chorda, « Urostyl.
EI
III Teen
NIS ra as
deutlich heterocerk (Fig. 197 A u. B). Dasselbe beobachtet man auch bei
vielen anderen Knochenfischen ?), und diese Thatsache deutet darauf
l) Genaueres über die Metamorphose der Flachfische findet man bei AGAssız
(1878), STEENSTRUP (1876), EHRENBAUM (1896).
2) Bei manchen Knochenfischen, wie z. B. bei der Forelle, hat zwar die Contour
des Schwanzes zur Zeit des Ausschlüpfens nicht die heterocerke Form, aber es ist
doch das Ende der Chorda nach Art der heterocerken Flosse nach oben gebogen
(Taf. I, Fig. 7). — Bei jungen Hechten ist die Heterocerkie der Schwanzflosse
deutlich zu sehen.
Teleosteer. 213
hin, daß die Knochenfische von heterocerken Ganoiden abstammen.
Die Schwanzflosse wird dann homocerk, indem die unteren Flossen-
strahlen derselben in entsprechender Weise vorwachsen (Fig. 1970).
Höchst merkwürdig ist die Metamorphose des Aales. Die Aale
müssen sich in das Meer begeben, um geschlechtsreif zu werden. Die
Fortpflanzung findet dann in der Tiefe des Meeres statt. Wahrscheinlich
schweben die Eier im Wasser in großer Tiefe. Es entsteht aus den-
selben eine Larve, welche so wenig Aehnlichkeit mit einem Aale hat,
daß man bis in die neueste Zeit ihre Zugehörigkeit zu dem Aal nicht
kannte. Erst in den letzten Jahren ist durch GRASSI gezeigt worden,
daß die schon früher bekannten Leptocephaliden die Larven des
Aales und der verwandten aalartigen Fische sind }).
Die Leptocephaliden leben in der Tiefe des Meeres: ihr Körper
ist lancettförmig, seitlich abgeflacht, und fast ganz durchsichtig; der
Schwanz ist kurz, also der After nicht weit vom Hinterende entfernt.
Die Larve des Aales (Anguilla vulgaris) ist Leptocephalus brevirostris
(Fig. 198); sie hat eine Länge von 6—S8 cm, besitzt aber schon die-
selbe Zahl der Segmente wie der Aal (112-117). Sie wird bei
Messina zuweilen durch Strömungen an die Oberfläche des Meeres ge-
führt, auch häufig im Magen eines Tiefseefisches, des Mondfisches (Ortha-
soriscus molaBL.SCH.)
gefunden. Die Larve
wandelt sich in der
Tiefe des Meeres in
einen jungen Aal um.
Während der Um-
wandlung nimmt sie Ku a a en u
T T FE ig. 195. Leptocephalus brevirostris, die Larve des
keine $ Nahrung ZU Aales. (Nach GRAsSsL) «a After, d Darm, A Herz, da-
sich; sie wird während hinter die Brustflosse.
derselben schmäler (in
der dorsoventralen Dimension) und auch etwas kürzer; die relativ
langen Zähne der Larvenform fallen aus, und es erscheint eine neue
Bezahnung; der After verschiebt sich weiter nach vorn. Die so ent-
standenen jungen Aale wandern nach einiger Zeit in grossen Massen
in die Flüsse ein: sie sind zu dieser Zeit 5—10 cm lang. Die Ein-
wanderung geschieht hauptsächlich in der Zeit von Ende November
bis Ende März. Die einwandernden jungen Aale sind unter dem
Namen Montde bekannt und bilden an manchen Orten einen Gegen-
stand des Fischfangs. — Die in das Süßwasser einwandernden jungen
Aale verteilen sich in Flüssen, Bächen und Seen und verweilen hier
einige Jahre, bis sie in das Meer zurückgehen. Wahrscheinlich
kommen die Männchen gewöhnlich nicht in das Süßwasser, sondern
bleiben ihre ganze Lebenszeit im Meer.
KLARE
\N » \.
1) Nach Grassı (1896) gehören Leptocephalus morrisii und punctatus, sowie
rößtenteils L. stenops in den ET sskreis von Conger vulgaris, Leptocephalus
aeckeli, yarelli, bibroni, gegenbanri, koellikeri zu Congromuraena mystax, Lepto-
cephalus taenia, ornatus und diaphanus zu Congromuraena balearica, Leptocephalus
brevirostris zu Anguilla vulgaris.
214 6. Capitel.
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r en
pP. 333— 370.
VI. CAPITEL.
Dipnoer.
Lurcehfische.
Die Dipnoer, von welchen paläontologisch eine Menge von Arten
bekannt ist, sind in der Jetztzeit nur durch 5 Gattungen mit im
Ganzen 4 Arten vertreten. Da sie sowohl durch Kiemen als auch
durch Lungen atmen, vermitteln sie den Uebergang von den Fischen
zu den Amphibien. Die Entwickelung der Dipnoer erinnert teils an
die Amphibien, teils an die Ganoiden, wie ja die Dipnoer mit diesen
beiden Klassen am nächsten verwandt sind).
Die Klasse der Dipnoer (Dipneusta, Lurchfische) zerfällt in
2 Ordnungen:
1) diejenigen mit einfacher Lunge (Monopneumones, nach HAECKEL
Paladipneusta), einzige Gattung Geratodus:
2) diejenigen mit paariger Lunge (Dipneumones, nach HAECKEL
Neodipneusta), Gattungen Protopterus und Lepidosiren.
Die Entwickelung von Ceratodus Forsteri.
Die Kenntnis der Entwickelungsgeschichte des Ceratodus ist SEMON
zu verdanken ?).
Das Vorkommen des Öeratodus ist auf die beiden kleinen Flußgebiete
des Burnett- und Mary-River in Queensland (Australien) beschränkt. Der
Ceratodus lebt an den tiefen Stellen der Flüsse, in Wasserlöchern, welche
in der dürren Jahreszeit nicht austrocknen. Er nimmt von Zeit zu Zeit
an der Oberfläche des Wassers Luft auf und kann also auch in fauligem
und sauerstoffarmem Wasser leben. Er frißt Pflanzen, aber verdaut die-
selben nicht, sondern nährt sich von den kleinen Tieren, welche er mit
den Pflanzen aufnimmt; er kann an der Angel gefangen werden, wobei
1) Unter den Ganoiden müssen die Crossopterygıer als nächste Verwandte der
Dipnoer angesehen werden (DoLro 1895). Die phylogenetische Beziehung zu den
Amphibien ist besonders von SEMON (1901) betont worden. — HAECcKEL leitet die
ältesten Dipnoer von Proganoiden ab „von der ältesten Stammgruppe der Ganoiden,
welche sich noch sehr nahe an die Proselachier-Ahnen einerseits, an die Crossoptery-
Be DpL onen andererseits anschließt“ (E. HAECKEL, Systematische Phylogenie,
d. 3, Berlin 1895, p. 261).
2) Mit Unterstützung der PAUL voX RıTTer’schen Stiftung unternahm SEMON
in den Jahren 1891—1893 eine Reise nach Australien und dem Malaiischen Archipel,
hauptsächlich um die Entwickelung der Monotremen und des Ceratodus zu untersuchen.
220 ‘. Capitel.
man Fleisch, Schnecken, tote Fische oder Süßwassercrustaceen als Köder
nimmt. — Der einheimische Name ist Djelleh, nicht, wie man bisher
glaubte, Barramunda; letzteres ist der australische Name eines Teleosteers
(Osteoglossum leichhardti).
Die Fortpflanzung des Ceratodus fällt in die Zeit vom April bis
Ende November, hauptsächlich in die Monate September und October. —
Das Ei besitzt eine dünne Eimembran (Dotterhaut nach Semox) und wird
im ÖOviduct von einer
schleimigen Umhüllung
umgeben, die ganz ähnlich
wie bei den Amphibien
im Wasser zu einer gal-
lertigen Hülle aufquillt.
— Die Befruchtung findet
wahrscheinlich im Innern
des weiblichen Körpers
statt, die Art der Be-
gattung konnte nicht be-
obachtet werden. Die Eier
werden einzeln abgelegt,
Fig. 199 A u. B. 4-zelliges
Furchungsstadium von Cera-
todus. (Nach SEMON.)
A Ansicht von oben, B
Ansicht von der Seite.
Fig. 200 A u. B. 16-zelliges
e ; Furchungsstadium von Uera-
Fig. 199. Fig. 200. todus. (Nach SEMoN.)
aber nicht angeklebt; man findet sie zwischen den Wasserpflanzen oder
am Grunde des Gewässers. Der Durchmesser des Eies mitsamt der
Gallerthülle beträgt 61/,—7 mm, des Eies allein etwa 3 mm.
Die Furchung des Ceratodus ist eine totale, inäquale und stimmt
in allen wesentlichen Punkten mit der Furchung des Amphibieneies
überein. Der animale Teil des Eies hat infolge der Anhäufung von
Pigment eine schwärzlich-graue, der vegetative Teil eine heller graue
Färbung. Während der Furchung erscheint der Blastomerenhaufen
TE Fig. 201. Furchungsstadium
EI von ÜOeratodus mit 32 Zellen.
DH =- SE (Nach SEMoN.) Seitenansicht.
h P- Fig. 202. Späteres Furchungs-
stadium von Ceratodus. (Nach
SEMON.) Seitenansicht.
Fig. 201.
nicht kugelig, sondern etwas zusammengedrückt in der Richtung der
Achse, welche vom animalen zum vegetativen Pol geht (Fig. 199-202).
Oft ist die erste Teilung noch nicht bis zum vegetativen Pol durch-
gedrungen, wenn oben schon die zweite Teilung beginnt, und die
Dipnoer. 29]
zweite Teilung noch nicht beendet, wenn die dritte beginnt. Die
zweite Furche kreuzt die erste rechtwinklig (Fig. 199), die Teilungs-
ebenen der dritten Teilung gehen ebenfalls vertical (meridional), an-
nähernd parallel der ersten Furche; erst bei der vierten Teilung gehen
die Trennungsebenen horizontal (latitudinal), so daß 8 obere kleinere
und 8 untere größere Blastomeren entstehen (Fig. 200). Bei der
nächsten Teilung liegen die Spindeln gewöhnlich nochmals in meri-
dionaler Richtung, so daß das Blastoderm nach dieser Teilung aus
+4 Kränzen von je 8 Zellen besteht (Fig. 201). Wie in diesem Stadium
so sind auch in späteren Furchungsstadien die Zellen in der Nähe des
animalen Poles kleiner als diejenigen des vegetativen Teiles (Fig. 202).
Da in der vegetativen Hälfte des Eies eine Masse von groben
Dotterkörnern liegt, so schneiden die ersten Furchen nicht durch die
ganze Masse des Eies hindurch, obgleich sie äußerlich um das ganze
Ei herumgehen. Im S-zelligen Stadium, oder manchmal noch später,
hängen also die unteren Blastomeren an der Stelle der groben
Dotterkörner noch mit einander zusammen. Demnach nimmt das Ei
des Ceratodus während der ersten Teilungen zwischen der totalen
inäqualen und der partiellen Furchung eine Zwischenstufe ein.
Die Furchungshöhle tritt bei Ceratodus früh auf. Schon im
»2-zelligen Stadium ist eine deutliche Höhle in der Mitte zwischen den
Blastomeren vorhanden, und diese erweitert sich im weiteren Verlauf
der Furchung.
Nach Ablauf der Furchung stellt der Embryo eine Blastula dar
von etwas abgeflachter, ellipsoidischer Gestalt. Die obere Wölbung
besteht aus kleineren Zellen, welche sich zu einem einschichtigen
Cylinderepithel zusammenfügen; unter der Furchungshöhle liegt die
Masse der großen Dotterzellen.
Nunmehr beginnt die Gastrulation. Die Urmundrinne tritt als
ein kleiner querer Spalt an der Unterfläche dee Blastula auf, gewöhnlich
in einem mittleren Bezirk zwischen dem unteren Pol und dem Aequator.
Der quere Spalt verlängert sich zu der Form eines Halbkreises oder
Hufeisens, dessen Concavität nach dem unteren Pol gerichtet ist.
Indem die Schenkel des Halbkreises oder Hufeisens nach abwärts
wachsen und sich vereinigen, kommt ein geschlossener, zuweilen kreis-
förmiger, zuweilen elliptischer Urmund zu Stande.
Schon zur Zeit des Beginnes der Ga-
strulation stellt das Ektoderm ein einschich- fh gh
tiges Cylinderepithel dar, und ebenso ver- |
hält sich auch die eingestülpte Schichte,
welche die Decke der Gastralhöhle bildet !).
Gleichzeitig mit der Gastrulation umwächst
das Ektoderm die Masse der Dotterzellen.
Es geschieht dies nach SEMoN’s Ansicht
Fig. 203. Medianer Längsschnitt durch eine
Gastrula von Ceratodus mit halbkreisförmigem Bla-
stoporus. (Nach SEMon.) sh Furchungshöhle, 71
Gastralhöhle.
1) Die Bildung des entodermalen Epithels an der Decke der Gastralhöhle be-
ruht nach SEMON zum Teil auf Einstülpung, zum Teil auf der lebhaften Zellvermehrung
am en zum Teil vielleicht auch darauf, daß Dotterzellen sich dem Epithel
anschließen.
292 7. Capitel.
durch einen Delaminationsvorgang, nämlich in der Weise, daß
Zellen von der Masse der Dotterzellen sich an das Ektoderm an-
schließen und zur Vergrößerung desselben dienen.
Zur Zeit, wenn die Gastralhöhle groß und weit wird und die
Furchungshöhle verschwindet (Fig. 203), sieht man an der Ober-
tläche des Embryo die Medullarwülste erscheinen, welche die Me-
dullarplatte begrenzen. Ueber die Medullarplatte läuft median eine
feine Rinne, die Rückenrinne oder Medullarrinne (s. die Oberflächen-
Fig. 204.
Fig. 205.
Fig. 206.
Fig. 204—206. Anlage und Bildung des Medullarrohres bei Ceratodus Forsteri.
(Nach SEmox.) Vergr. 10,5mal. A Ansicht von oben, B Ansicht von hinten.
Fig. 204 A u. B. Anlage der Medullarwülste (md) und der Medullarrinne (vr).
Bei Fig. B sieht man den Blastoporus. — Hierzu der Querschnitt Fig. 207.
Fig. 205A u.B. Aelteres Stadium. Lage und Bezeichnung wie Fig. 204.
Fig. 206A u. B. Aelteres Stadium, Schluß des Medullarrohres.
Dipnoer. 293
bilder Fig. 204 und 205, sowie das Schnittbild Fig. 207). Nach SEMON’s
Auffassung besteht hier eine „ektodermale Mediannaht“!). — Die Bildung
ddes Medullarrohres findet in ganz ähnlicher Weise statt wie bei den
Amphibien. Die Medullarwülste rücken medianwärts gegeneinander,
während die Medullarplatte zum Rohr gefaltet wird (Fig. 205 und 206).
Der von dem Blastoporus umschlossene Dotterpfropf tritt zurück;
der Urmund verengt sich und wird zu einem Längsspalt (Fig. 204 B
und Fig. 205 B). Die seitlichen Lippen des Blastoporus kommen
median zur Verschmelzung, und dadurch wird der Urmund in 2 Teile
zerlegt, von welchen der vordere zu dem spaltförmigen Canalis neur-
entericus, der hintere zum After wird (Fig. 205 B u. 206B). Indem
der Schluß des Medullarrohres so weit nach hinten fortschreitet, wird
der Canalis neurentericus oben verschlossen, und es entsteht an der
Verschlußstelle des Blastoporus vor dem After ein vorspringender
Wulst, welchen ich Schwanzknopf nenne, da er die Anlage des Schwanzes
ist (Fig. 206 B, 209 u. 210). — Demnach erfolgt der Schluß des Blasto-
porus in ganz ähnlicher Weise wie beim Frosch. In theoretischer Hinsicht
ist zu beachten, daß die Zusammenlegung der seitlichen Lippen des
Blastoporus (welche das Ende der Mesodermstreifen enthalten) wie
bei denzAmphibien die Bildung des Primitivstreifens darstellt.
Fig. 208.
Fig. 207. Querschnitt durch den Embryo Fig. 204 an der Grenze des mitt-
leren und des vorderen Körperdrittels. (Nach SEMON.) ec Ektoderm, ent Entero-
derm, d Gastralhöhle, m Mesoderm, mf Medullarwulst, rr Rückenrinne.
Fig. 208. Querschnitt durch einen ähnlichen Embryo wie Fig. 204 am Anfang
des hinteren Körperdrittels. (Nach SEemon.) ch Chorda.
1) SEMON hatte früher (1803) die Ansicht, daß eine Verschiebung des Urmundes
längs des Rückens stattfinde, und faßte demgemäß die Rückenrinne im Sinne der
Conerescenztheorie als Verwachsungnaht (Urmundnaht) auf. Da aber am Entoderm
294 7. Capitel.
Während des Blastoporusschlusses vollzieht sich in dem dorsalen
Entoderm die Sonderung des Mesoderms und der Chorda. Die Chorda-
anlage und die Anlagen der beiden Mesodermstreifen bilden eine conti-
nuirliche Schichte, in welcher die Chordaanlage zunächst nur dadurch
kennntlich wird, daß die Zellen derselben einschichtig sich ordnen
(Fig. 207). Der mittlere Teil dieser eontinuirlichen Schichte bildet die
Decke der Gastralhöhle, während diejenigen Zellen, welche später die
Darmwand bilden, (also das Enteroderm), sich im Anschluß an die
Masse der Dotterzellen von den Seiten her vorschieben, aber erst
später median zusammentreffen. — Die Zellen der Chorda bilden eine
aufwärts gehende Falte, deren Rinne nach dem Darm hin geöffnet ist
(Fig. 208). Dabei trennen sie sich deutlicher von dem seitlich anstoßenden
Mesoderm ab. Es entsteht dann ein stabförmiger Chordastrang. Dabei
dringen die Enterodermzellen medianwärts vor und treffen zusammen
um die obere Wand des Darmes unter der Chorda abzuschließen. — Im
Stadium der Figur 205 ist eine lange, schmale Gastralhöhle vorhanden,
welche oben von einem einschichtigen Enteroderm, unten von der
Masse der Dotterzellen begrenzt wird. Ueber dem Enteroderm findet
man median den Chordastrang und seitlich die Mesodermstreifen, an
welchen zu dieser Zeit schon die Segmentirung beginnt.
Allmählich hebt sich der Kopf des Embryo vom Dotter ab (Fig. 209).
Man sieht an dem Kopf die rinnenförmigen Anlagen der Kiemenspalten
(Fig. 209 und 210), ferner die Augenblasen und das Gehörbläschen !).
Außerdem findet
au man vor der Mund-
. bucht die beiden
ksp Er ® Nasengruben; von
Br a = den Nasengruben
We ‚gehen 2 nach der
a ar Medianebene con-
u Fig. 209. Embryo
z \"P" von Ceratodus. (Nach
IR. SEMOoN.) Verg. 10,5 mal.
= ksp Kiemenspalten, «
After, s Schwanzknopf.
Fig. 210. Aelterer
Embryo von Ceratodus.
(Nach Semon.) Vergr.
10,5mal. au Ohrbläs-
chen, %ksp Kiemenspal-
ten, oc Auge, pn Vor-
ww
Fig. 209. 5 niere, s Schwanzknopf,
t Ganglion des Tri-
Fig. 210. geminus,
vergirende Rinnen nach hinten gegen die Mundbucht. Diese Rinnen
werden später durch Ueberwölbung in Röhren umgewandelt, deren innere
Mündungen die inneren Nasenöffnungen sind. — Am Anfang des
Rumpfes sieht man eine Erhebung, welche die Stelle der Vorniere an-
keinerlei Naht zu erkennen ist, hat SEMON seine Auffassung dahin geändert, daß er
pur von einer „Mediannaht“ des Ektoderms spricht, welche durch nicht genauer
bekannte Wachstumsverhältnisse des Ektoderms bedingt ist.
. ,D Das Gehörbläschen bleibt lange Zeit durch einen Ductus endolymphaticus
mit der Außenwelt in Verbindung.
Dipnoer. 225
deutet). — Die Embryonen haben zu dieser Zeit große Aehnlichkeit
mit Embryonen der urodelen Amphibien und der Petromyzonten
(vergl. Fig. 209 u. 210 mit Fig. 57 auf p. 82.)
Bei etwas älteren Embryonen sieht man den Kiemendeckel vom
Hyoidbogen aus über die folgenden Kiemenbögen herüberwachsen
(Fig. 211). Unter dem Kopfe wird das Herz sichtbar. Am Gehirn
erkennt man die Gliederung in Vorderhirn, Mittelhirn und Hinterhirn:
in Folge der Kopfbeuge liegt das Mittelhirn an der Spitze des Kopfes
(Fig. 211). — Mit dem Auswachsen des Schwanzes nimmt der Embryo
eine mehr gestreckte Form an, wobei auch die Masse der Dotterzellen
eine längliche Gestalt erhält (Fig. 211).
Die Entwickelung innerhalb der Hülle dauert 10—12 Tage. Zur
Zeit des Ausschlüpfens ist der Mund des Embryo noch geschlossen
ebenso die Kiemenspalten. Der Embryo hat große Aehnlichkeit mit
Ganoiden- oder Urodelen-Embryonen von entsprechender Ausbildung
(Fig. 211). — Aeußere Kiemen finden sich zu keiner Zeit, auch ein
larvaler Saugapparat wird nicht angelegt.
Von den weiter folgenden Veränderungen sind hauptsächlich be-
merkenswert: die stärkere Entwickelung des Schwanzes, das Vorwachsen
ö MN“ SA
Ara
4 ae.
Pe
ade
nr Ta
op 1
Fig. 211. Junger Ceratodus, seit kurzer Zeit ausgeschlüpft. (Nach SEMON.)
Vergr. IO0mal. op Kiemendeckel, / Leber. Ueber der Leber sieht man die Vorniere.
des Kiemendeckels über die Kiemenregion, das Auftreten der Mund-
dachplatten (der sogenannten OÖberkieferfortsätze), der Durchbruch des
Mundes und der Kiemenspalten, die Entwickelung der Sinnesorgane
der Seitenlinie, welche in 3 nahe bei einander liegenden Längsreihen
angeordnet sind, die beginnende Pigmentirung der Haut, die allmähliche
Resorption des Dotters und die Bildung der Spiralklappe des Darmes,
schließlich das Hervorsprossen der Extremitäten. Etwa 14 Tage nach
dem Ausschlüpfen erscheinen die ersten Andeutungen der vorderen
Extremitäten in Gestalt winziger Knöpfehen. Die ersten Spuren der
hinteren Extremitäten treten erst einige Wochen später auf (Fig. 212).
Aus der Entwickelungsgeschichte der Organe muß ich die Entwickelung
der Extremitäten und die Entstehung der Zähne hervorheben, weil
Semox darüber genauen Bericht gegeben hat (1898 und 1899).
1) Die Vorniere des Ceratodus gehört ursprünglich dem 5. und 6. metotischen
Segment an, dehnt sich aber dann noch in das 4. und 7. Segment aus. Der Vornieren-
gang beginnt jederseits mit 2 Vornierentrichtern in einer Vornierenkammer, welche
von der übrigen Leibeshöhle nicht abgetrennt wird, und in welche von der Aorta
her ein Glomerulus eingestülpt ist (SEMON).
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 15
226 7, Capitel.
Die Anlage der Extremitäten wird wie bei vielen anderen
Wirbeltieren durch eine Hautfalte gebildet, in welche reichlich Mes-
enchym hineinwächst. Die Mesenchymzellen stammen teils von dem parie-
talen Blatt (Somatopleura) der Seitenplatten, teils von Fortsätzen der
Ursegmente. — Bei der Anlage der vorderen Extremität liegt die
Ektodermfalte im Bereich des 5.—7. metotischen Segments. Die heran-
tretenden Fortsätze der Ursegmente, welche den Muskelknospen der
Selachier gleichen, lösen sich in Mesenchym auf, wobei die segmentale
Entstehung nicht mehr zu erkennen ist. Das Mesenchym der Flossen-
anlage wird hauptsächlich zur Bildung der Musculatur und des Skelets
verwandt. — Die Anlage des Skelets der Brustflosse ist eine Janggestreckte.
vorknorpelige Platte, welche dem großen mittleren Strahl des Brustflossen-
skelets (Hauptstrahl, Achsenstab) entspricht und sich in zahlreiche
knorpelige Stücke gliedert. Aus dem ersten Stück geht der Knorpel des
Schultergürtels hervor. Das zweite Stück wird zu dem ersten Glied des
Hauptstrahls, welcher beim ausgebildeten Tier keine Seitenstrahlen trägt,
an welchem aber in der embryonalen Flosse schon früh ein dorsaler
Seitenstrahl auftritt, Aus dem dritten und den folgenden Stücken
werden die folgenden Glieder des Hauptstrahls, an deren Enden sich
jeweils ein Paar von Seitenstrahlen entwickelt.
Die Bauchflosse entwickelt sich viel später als die Brustflosse; die
Hautfalte wird als Höcker sichtbar zur Zeit, wenn die Larven etwa
6 Wochen alt sind (Fig. 212). Es treten die Fortsätze des 31.—33. meto-
tischen Segments heran, lösen sich aber wie bei der Brustflosse in
Mesenchym auf. Das Mesenchym der Bauchflosse sondert sich in 3 Schichten,
eine äußere (laterale), eine innere (mediale) und eine centrale. Die letztere
bildet die vorknorpelige Anlage des Skeletes. Die beiden anderen Schichten
bilden die Musculatur. Die vorknorpelige Anlage erzeugt wie bei der
Fig. 212. Junger Ceratodus, 6 Wochen nach dem Ausschlüpfen. (Nach SEMON.)
Vergr. 7,5. sp Spiralklappe des Darmes, bf Anlage der Bauchflosse.
Brustflosse eine Anzahl auf einander folgender Knorpelstücke. Das erste
bildet eine Hälfte des Beckengürtels, welche dann secundär mit der
jenseitigen Hälfte verwächst. Die folgenden Knorpelstücke werden die
Glieder des Hauptstrahls der Bauchflosse.
Von phylogenetischer Bedeutung ist die Thatsache, daß sowohl die
Brust- als auch die Bauchflosse am Ende des ersten Skeletstückes des
1) „Aus dieser entwickelungsgeschichtlichen Thatsache und dem gelegentlichen
Vorkommen von isolirten Knorpelelementen an dieser Stelle in der ausgebildeten
Flosse geht klar hervor, daß ursprünglich auch das erste Glied des Hauptstrahls
Radien getragen hat; diese Radien sind aber secundär rückgebildet worden, und
dadurch ist eine Verschmälerung und leichtere Beweglichkeit der Flossenbasis erzielt.“
(SEMON 1898.)
U
Dipnoer. 297
Hauptstrahls ein derartiges Gelenk besitzt, daß an dieser Stelle eine
winklige Knickung der Flosse möglich ist. Da das erste Skeletstück
dem Humerus oder Femur der höheren Wirbeltiere homolog ist, so ent-
spricht dieses Gelenk dem Ellbogen- und Kniegelenk (Semox).
Was die Entwickelung der Zähne betrifft, so ist vor allem wichtig,
daß die Zahnplatten des Ceratodus durch Verwachsung einer Anzahl ge-
trennter Zahnanlagen entstehen. Die einzelnen Zähnchen sind kegel-
förmig und werden durch ein Netzwerk von Knochenbälkchen verbunden,
aus welchem die Zahnplatten und die darunter liegenden Deckknochen
entstehen. — Die Zähnchen bilden sich nicht an Zahnleisten, sondern in
dem Epithel der Mundbucht (als placoide Zahnanlagen).
Am Öberkiefer eines 10 Wochen alten Ceratodus findet man jeder-
seits 3 Zähnchen auf der Vomerplatte und 9 Zähnchen auf der Gaumen-
platte (Pterygopalatinplatte). — Am Unterkiefer dieses Stadiums bemerkt
man zwei Zahnreihen, von welchen die vordere aus jederseits 5 Zähnchen
besteht; diese vordere Zahnreihe sitzt auf dem Dentale und geht beim
Erwachsenen verloren. Die zweite Zahnreihe des Unterkiefers befindet
sich etwas weiter hinten, und die Platte, welche sie trägt, ist das Oper-
culare. Außerdem zeigt sich bei der Larve noch ein kleines unpaares
(selten paariges) Zähnchen im Unterkiefer in der Mitte, welches später
spurlos verschwindet.
Die Entwickelung von Lepidosiren paradoxa.
Aus der zweiten Ordnung der Dipnoer, in welche die Gattungen
Protopterus und Lepidosiren gehören, beschreibe ich die Entwickelung
von Lepidosiren !).
Die Entwickelung von Lepidosiren paradoxa Fırz ist durch J. G. Kerr
bekannt geworden, welcher zum Zweck dieser Untersuchung in den
Jahren 1896 und 1897 eine Reise nach Paraguay unternahm. Wie
schon Bonts angegeben hatte, findet man Lepidosiren häufig in den
Sümpfen des Gebietes Gran Chaco. Kerr sammelte die Eier in Waik-
thlatingmayalwa (in dem nördlichen Teile des Gran Chaco). — Zur Regen-
zeit haben die erwähnten Sümpfe einen Wasserstand von 2—4 Fuß
(0,6— 1,2 m) oder mehr; während der trockenen Jahreszeit sind sie ganz
oder fast ganz ausgetrocknet. Lepidosiren frißt sowohl große Wasser-
schnecken (Ampullarien), als auch Algen (Confervaceen) und andere
Pflanzen. Seine gewöhnliche Bewegung ist ein langsames Kriechen in
schläpgelnder Weise, auch kann er sich mit Leichtigkeit in den Schlamm
hineinwühlen. — Lepidosiren benützt die Lungenatmung nicht nur zur
trockenen Zeit, sondern kommt auch, wenn er im Wasser lebt, an die
Oberfläche des Wassers, um Luft zu atmen (in Intervallen von einigen
Minuten oder auch bedeutend länger). — Beim Eintritt der trockenen
Zeit gräbt er sich in den Schlamm ein, ebenso wie es Protopterus thut;
das Tier liegt in eingerollter Stellung in einer kleinen Höhle, welche mit
einer Schichte getrockneten Schleimes ausgekleidet ist; eine Röhre geht
1) Die Entwickelung von Protopterus ist derjenigen von Lepidosiren so ähnlich,
daß ich sie nicht gesondert zu besprechen brauche. Die Entwickelungsgeschichte
von Protopterus anneetens wurde durch BupsErrt (1901) bekannt, welcher sich
einige Monate auf einer Insel des Gambia-Flusses aufhielt, um die Embryonen von
Polypterus und Protopterus zu erhalten. BupGErr beschrieb die Oberflächenbilder
der Embryonen von Protopterus und gab auch einige Stadien an KERR, welcher
in der Publication über Lepidosiren verschiedene Schnitte von Gastrulastadien ab-
bildete, welche denjenigen von Lepidosiren gleichen.
19
998 7. Capitel.
von der Höhle durch den getrockneten Schlamm zur Oberfläche, — Die
Männchen sind im Allgemeinen etwas kleiner als die Weibchen; erstere
messen meist etwa 77 cm, letztere etwa 86 cm; das größte beobachtete
Männchen war 98 cm, das größte Weibchen 102 cm lang. — Die Fort-
pflanzungszeit fällt in den Beginn der Regenzeit, welche in manchen
Jahren schon im September, in anderen Jahren erst viel später beginnt.
Zur Fortpflanzungszeit wachsen beim Männchen kleine Papillen, welche
sich an den hinteren Extremitäten befinden, zu langen roten Fäden aus,
welche quastenartig von der Extremität herabhängen; vielleicht kommt
diesen Fäden infolge ihrer reichlichen Blutdurchströmung eine respirato-
rische Function zu, vielleicht haben sie auch eine Bedeutung im Sinne
einer sexuellen Schmuckfärbung. Nach der Brunstzeit werden die Fäden
wieder rückgebildet.
Die Eier werden in Gruben abgelegt, welche am Grunde der Sümpfe
in den torfartigen Boden eingegraben werden. Die Grube ist 9 Zoll bis
1 Fuß (0,23—0,3 m) tief, hat einen Eingang von 4—5 Zoll (0,1—0,13 m)
Breite und ist nach unten verbreitert. Das Männchen besorgt die Brut-
pflege, indem es im Nest bei den Eiern verbleibt).
Das Ei ist kugelig und mißt 6,5—7 mm im Durchmesser. Es be-
sitzt eine schwach rötliche Farbe, welche durch die Dotterkörnchen bedingt
ist. Am animalen Pol befindet sich eine weiße Keimscheibe Wie beim
Froschei, hat der animale Pol die Tendenz, sich aufwärts zu drehen.
Das Ei ist von einer dünnen hornigen Kapsel umgeben, welche wahr-
scheinlich der Zona radiata der Fische entspricht. Ueber dieser Kapsel
findet man eine Gallerthülle, welehe manchmal wohl entwickelt, aber
gewöhnlich nur spurweise vorhanden ist.
Die Furchung
ist total und in-
äqual. Der re-
lative Dotterge-
halt ist etwas
größer als beim
Froschei, und die
Furchung gleicht
derjenigen von
Amia (vergl. p.
159). Während
Fig. 213 und
Fig. 214. Lepido-
siren paradoxa, Fur-
chungsstadien. Fig.
213 A u.B 8-zelliges
Stadium, vonoben u.
von unten gesehen.
Fig. 214A u. Bein
späteres Furchungs-
stadium von der
Seite und von unten
esehen. (Nach
Fig. 213A u. B. Fig. 214A u. B. ERR.)
1) Auch Protopterus legt ein Nest an in flachem Wasser. Es werden mehrere
Tausend Eier abgelegt, welche 35—4 mm im Durchmesser haben. Das Männchen
bleibt im Nest, um die Eier und Larven zu bewachen (BuUDgETT 1901).
Dipnoer. 299
die beiden ersten Furchen langsam bis zum unteren Pol vordringen,
treten auf der Keimscheibe schon die Furchen der dritten Teilung auf
(Fig. 213A u. B). Ein späteres Furchungsstadium zeigen die Fig. 214
A und B; man sieht am animalen Pol zahlreiche Zellen, ferner
ringsum einen Kranz von großen Dotterzellen; am unteren Pol sind
nur die Furchen der beiden ersten Teilungen vorhanden.
Wenn die Furchungshöhle gebildet ist, und das Dach derselben
sich in der Mitte zu einer nur zwei Zellen dicken Schicht verdünnt
hat, beginnt die Gastrulation. Die Gastrularinne erscheint ein wenig
unterhalb des Aequators des Eies an der Stelle, wo die kleinzellige
Masse der Zellen an die Masse der größeren Zellen anstößt (Fig. 215).
Es findet von hier aus eine Invagination statt, in ähnlicher Weise wie
bei Amphibien oder bei Petromyzon. Die Gastrularinne umfaßt etwa
ein Drittel des Umfanges des Eies, während am übrigen Teil des
Umfanges (Parallelkreises) die kleinzellige Masse allmählich in die
großzellige übergeht. Die Uebergangszone der kleinen und großen
Zellen schiebt sich während der Gastrulation wie ein Umwachsungs-
rand über die Masse der großen Zellen weiter (Fig. 216), Unterdessen
Fig. 215. Lepidosiren
aradoxa, Stadium des
eginns der Gastrula-
tion. Die Furchungs-
höhle (A) schimmert
durch die kleinzellige
Hälfte der Blastula hin-
durch. do relativ große
u. dotterhaltige Zellen.
An der Grenze des
kleinzelligen Teiles ist
die Gastrulafurche auf-
getreten. (Nach KERR.)
Fig. 216. Aelteres Gastrulastadium. Der kleinzellige Teil hat den großzelligen
schon größtenteils umwachsen. (Nach KERR.)
schreitet die Bildung der eingestülpten Schichte fort, und es entsteht
eine flache und schmale Gastralhöhle. Die Furchungshöhle verschwindet
allmählich, nicht allein in Folge des Vordringens der Gastralhöhle,
sondern auch dadurch, daß die obersten Dotterzellen am Rande der
Furchungshöhle nach dem Dach derselben aufsteigen und dann in
lockerer Lagerung die ganze Furchungshöhle erfüllen. Die eingestülpte
Schichte steht an ihrem Vorderende und an ihren Seiten mit den
eben genannten Zellen in Zusammenhang.
Die eingestülpte Schichte differenzirt sich in das Enteroderm
(Darmepithel), die Chorda und die beiden Mesodermstreifen; die
letzteren hängen an ihrem lateralen Rande mit den Dotterzellen zu-
sammen und wachsen lateralwärts durch Anschluß von Dotterzellen
(Delamination). Ueber der schmalen Gastralhöhle stehen anfangs die
Anlagen des Enteroderms, der Chorda und des Mesoderms in eontinuir-
lichem Zusammenhang; es spaltet sich dann zuerst das Mesoderm ab,
und etwas später erst wird die Chorda von dem Enteroderm getrennt.
Der Blastoporus nimmt die Form eines horizontalen Schlitzes an
(Fig. 217), welcher sich allmählich verkürzt, indem seine peripheren
Teile verschwinden. — Unterdessen treten die Medullarwülste auf;
dieselben sind niedrig und nähern sich gegenseitig medianwärts „wie
230 7. Capitel.
zwei in einander laufende Wellen“ (Fig. 217): gleichzeitig wächst die
Medullarplatte kielföürmig in die Tiefe, und es entsteht eine solide An-
lage des Medullarrohrs, welche erst später hohl wird. Der Vorgang
der Medullarrohrbildung steht also in der Mitte zwischen der hohlen
Fig. 217A u. B. Fig. 218A u.B.
Fig. 217Au.B und 218 Au.B. Lepidosiren paradoxa, Entstehung des Embryo.
(Nach KERR.)
Fig. 217 A zeigt die Medullarwülste von oben gesehen, Fig. 217B die Me-
dullarwülste und den Blastoporus von hinten gesehen.
Fig. 218 A u. B späteres Stadium von oben und von hinten. Das Medullar-
rohr ist größtenteils geschlossen. br Anlage der Kiemen, pn Anlage der Vorniere.
Medullarrohranlage des Frosches und der soliden Medullarrohranlage
des Lepidosteus, der Teleosteer und der Petromyzonten. — Während
der Entstehung der Medullarwülste nimmt der Blastoporus die Gestalt
einer kleinen dreieckigen Oeffnung an und verschwindet dann bald.
Ein Canalis neurenterieus wird nicht gebildet, wie dies in Anbetracht
der soliden Anlage des Medullarrohrs ganz begreiflich ist!).
Neben dem Kopfteil der Medullarrohranlage werden 4 knospen-
föormige Erhebungen sichtbar, welche die Anlagen von 4 großen
äußeren Kiemen sind, die auf den Kiemenbögen 1—4 aufsitzen. Etwas
weiter hinten bemerkt man die Anlage der Vorniere?). — Unter dem
Kopfe erscheint eine Sauggrube („Cement-Organ“) in Gestalt eines
queren bogenförmigen Organs (Fig. 219). Die Sauggrube wird bei
1) KERR giebt an, daß die Medullarfalten den Blastoporus umfassen; er ist
aber der Meinung, daß der Blastoporusrest nicht auf die Schwanzknospe (an die
Stelle des Canalis neurentericus) zu liegen komme, sondern hinter die Schwanzknospe,
und daß also der After dem Blastoporusrest entspreche. Offenbar sind diese Ver-
hältnisse ähnlich wie bei den urodelen Amphibien (Triton u. a.).
2) Der Vornierengang beginnt jederseits mit zwei Vornierentrichtern in einem
unvollkommen gesonderten Teil der Leibeshöhle, welcher einen großen Glomerulus
enthält (KERR).
Dipnoer. 231
älteren Larven von einem stark vorspringenden Wulst getragen (Fig. 221).
Die Sauggrube secernirt eine klebrige Substanz. Sie entspricht nach
ihrer Lage und nach ihrer Form dem Saugorgan der Larven der
k
Fig. 220.
Fig. 219.
Fig. 219. Lepidosiren paradoxa, Embryo 3 Tage vor dem Ausschlüpfen. (Nach
KERR.) % Anlagen der äußeren Kiemen, s Saugorgan. Vergr. 5,3.
Fig. 220. Larve 3 Tage nach dem Ausschlüpfen. (Nach Kerr.) Vergr. 5,3.
Frösche und Kröten. — Das Gehörbläschen, die Nasenblasen und das
Stomodaeum werden vom Ektoderm durch solide Einwucherung an-
gelegt, und ihre Höhlungen entstehen secundär.
Durch das Größerwerden des Schwanzes wird die Larve einer
Kaulquappe ähnlich (Fig. 220). Die segmentale Musculatur ist nun so
weit entwickelt, daß die ersten Bewegungen auftreten. Die Eischale,
welche bis jetzt hornartig war, wird aufgeweicht (vermutlich durch ein
Secret des Embryo), und der Embryo schlüpft aus.
Betrachten wir nun die Larve Fig. 221, welche 25 Tage alt ist
(die Tage vom Ausschlüpfen an gerechnet). Durch das Längenwachstum
ist der Körper mehr fischähnlich geworden. Der Schwanz ist diphycerk
wie der Schwanz einer Kaulquappe. Ders unpaare Flossensaum setzt
sich vom Schwanz aus unter allmählicher Verschmälerung über den
ganzen Rücken und über einen Teil des Bauches fort. — Der Dotter-
sack ist in die Länge gezogen. Da die Furchung eine totale war,
besteht der Dottersack aus den dotterhaltigen Zellen, welche den Darm
bilden. Man sieht am hinteren Teil des Dottersackes Furchen, welche
spiralig rings um den Darm gehen und die Anlage der Spiralklappe dar-
stellen. — Der Mund ist als Furche erkennbar (Fig. 221), und die
Mundöffnung beginnt durchzubrechen. — Der Darm ist noch größten-
teils solid, aber die Anlage der Lunge, welche median und ventral aus
dem Vorderdarm hervorgeknospt ist, hat schon eine Höhlung. — Das
Saugorgan hat jetzt seine höchste Entwickelung und beginnt bald sich
rückzubilden. — Der Kiemendeckel bedeckt die Kiemenspalten, welche
bei diesem Stadium noch nicht durchgebrochen sind. Hinter dem
Kiemendeckel kommen die 4 großen Kiemen hervor, welche nun ge-
fiedert und mit Flimmerepithel bedeckt sind. Darunter befindet sich
die vordere Extremität als ein kleines zapfenförmiges Gebilde (Fig. 221).—
An der Wurzel des Schwanzes hat sich die Kloakenöffnung gebildet,
und die beiden Vornierengänge münden in die Kloakenhöhle. Vor
der Kloakenöffnung sieht man die papillenförmige Anlage der hinteren
Extremität. Die Larve hat zu dieser Zeit große Aehnlichkeit mit
einer Tritonen-Larve.
232 7. Capitel.
Etwa 6 Wochen nach dem Ausschlüpfen, wenn die Larve 4—5 cm
lang geworden ist, beginnt die Metamorphose, durch welche die Larve
in die Form des Lepidosiren a
Zunächst erfolgt der Durchbruch der Kiemenspalten, außerdem
beginnt die Lungenatmung, indem die Larven anfangen, an die Ober-
tläche des Wassers zu kommen, um Luft einzunehmen und auszustoßen.
Dann schwinden die äußeren Kiemen und werden bis auf kleine Stummel
rückgebildet. Das Saugorgan verschwindet, und die Larven werden
el Ss
Fig. 221. Larve von Lepidosiren paradoxa. (Nach KERR.) Vergr. 5,3. el
Kloake, s Saugorgan. Man sieht unter den äußeren Kiemen die Anlage der vorderen
Extremität, vor der Kloake diejenige der hinteren.
lebhafter und bewegen sich häufiger schwimmend umher. Wenn sie
auf dem Boden ruhen, stützen sie sich auf die jetzt länger gewordenen
hinteren Extremitäten, welche dabei zweimal gebogen werden, also
dieselbe Krümmung zeigen wie das Hinterbein eines Amphibiums
(vergl. die ähnlichen Beobachtungen bei Protopterus p. 227 und bei
dem jungen Polypterus p. 155 Anm.).
Während das Tier länger wird und die Muskelmasse des Schwanzes
breiter, kommt allmählich mehr und mehr die Körperform des ausge-
wachsenen Tieres heraus.
Man bemerkt bei den Larven gelbe und braune Pigmentzellen. Die
letzteren nehmen an Zahl immer mehr zu und bringen die schwarzbraune
Farbe des Tieres hervor. In der Dunkelheit ziehen sich die braunen
Pigmentzellen zusammen, und das Tier erhält also eine viel hellere
Farbe!). Es geschieht dies nicht nur bei den Larven, sondern auch bei
den erwachsenen Tieren. £
1) Die Contraction der schwarzbraunen 'Pigmentzellen in der Dunkelheit ist
eine bei Fischlarven häufig bemerkte und oft erwähnte Thatsache. Als ich bei
Barsch- und Lachsembryonen die embryonale Circulation beobachtete, pflegte ich die
Tiere aus der Finsternis unter das Mikroskop zu bringen; sie waren dann ziemlich
gut durchsichtig, und die Pigmentzellen erschienen als kleine, schwarze, kugelige
Gebilde; wenn dann die Embryonen 10—15 Minuten in dem grellen Lichte des
nr waren, wurden sie allmählich undurchsichtig, indem sich das Pigment
ausbreitete.
)
|
Dipnoer. 233
Litteratur über die Entwickelung der Dipnoer.
Ayers, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Dipnoer. ‚Jenaische Zeitschrift,
Bd. 18, 1885, p. 479-527.
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— Ueber das Verwandtschaftsverhältnis der Dipnoer und Amphibien. Zool. Anz., Bd. 25,
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VIII. CAPITEL.
Amphibien. &
Lurche.
Die jetzt lebenden Amphibien, welche cine nackte Haut haben,
stammen von beschuppten Ahnenformen ab, welche in naher Verwandt-
schaft mit den Ganoiden und in noch näherer Beziehung mit den
Dipnoern standen. Die fossilen Stegocephalen, welche an der Unter-
seite beschuppt waren, waren wahrscheinlich die Stammformen der
Amphibien oder standen denselben sehr nahe!). Unter den jetzt
lebenden Amphibien hat sich nur bei den Gymnophionen die Be-
schuppung der Haut erhalten.
Die Embryonalentwickelung der Amphibien zeigt mit derjenigen
der Dipnoer die größte Aehnlichkeit. Auch mit der Entwickelung der
Ganoiden, insbesondere der Entwickelung von Acipenser besteht eine
große Uebereinstimmung. Manche Amphibien haben in ihrer Ent-
wickelung auch einige Aehnlichkeit mit den Petromyzonten.
Die jetzigen Amphibien werden gewöhnlich in folgender Weise
eingeteilt:
I. @ymnophiona (Apoda, Peromela), Schleichenlurche,
Schlangenlurche, Blindwühlen.
II. Urodela (Caudata), Schwanzlurche,
a) Phanerobranchia (Perennibranchiata), mit3 Paar
äußeren Kiemenbüscheln (z. B. Proteus anguineus
Olm, Menobranchus [Necturus] lateralis, Furchenmolch).
b) Cryptobranchia (Derotrema), mit Kiemen, welche
unter einem Kiemendeckel liegen, hinter dem ein Kiemen-
loch offen bleibt (z. B. Amphiuma, Menopoma, Crypto-
branchus).
c) Caducibranchia (Caducibranchiata, Salamandrina),
im ausgebildeten Stadium ohne Kiemen (z. B. Triton
[Molge], Salamandra maculosa, Salamandra atra).
III. Anura (Ecaudata, Batrachia),, Froschlurche,
schwanzlose Lurche (Frösche, Kröten etec.).
1) „Im Carbon und Perm treten uns sehr zahlreiche und wohlerhaltene Reste
von Stegocephalen entgegen, von der wichtigen paläozoischen Stammgruppe der
Amphibien. Die ältesten Formen (Progonamphibien) sind meistens noch von geringer
Größe, haben primitive Hülsenwirbel (ohne entwickelte Intercentra) und gleichen in
der Bildung des Schuppenkleides teilweise noch sehr ihren devonischen Ahnen aus
den Gruppen der Crossopterygier und Dipneusten. Aus dieser Stammgruppe der
ei sind von besonderem Interesse die zahlreichen wohlerhaltenen Skelete
des Branchiosaurus amblystomus; über 1000 Exemplare desselben fanden sich in
Amphibien. 235
Bei den Gymnophiona, bei den Urodela eadueibranchia und bei
den Anura atmen nur die Larven durch Kiemen, während bei den
ausgebildeten Tieren die Atmung durch die Lungen und durch die
Haut stattfindet.
In diesem Capitel will ich nur von den Urodelen und den
Anuren sprechen, da die Entwickelung bei diesen beiden Ordnungen
in vieler Hinsicht nahezu übereinstimmend verläuft. Die Entwickelung
der Gymnophionen wird erst in dem folgenden Capitel behandelt, weil
sie in vieler Beziehung eigenartig ist und einige Aehnlichkeit mit der
Entwickelung der höheren Wirbeltiere (Amnioten) besitzt.
Eiablage und Brutpflege.
Hauptsächlichste Litteratur: BREHM’s Tierleben, 3. Aufl. (bearb. von PECHVEL-
LoESCHE u. BOETTGER) und die Zusammenstellungen von WIEDERSHEIM (Biolog.
Centralblatt, 1900), von BRANDES u. SCHOENICHEN (Abhandl. der Naturf. Ges. zu
Halle, 1901) und von LiLıan V. SAmPpsoN (American Naturalist, Vol. 34, Sept. 1900).
A. Anuren.
Bei fast allen anuren Amphibien werden die Eier im Wasser
befruchtet. Bei der Begattung der Frösche, welche meist in seichtem
‚Wasser stattfindet, hält das Männchen vom Rücken her das Weibchen
umfaßt und entleert das Sperma alsbald, nachdem die Eier aus der
Kloake des Weibchens ausgetreten sind. Der Austritt der Eier und
die Besamung erfolgt gewöhnlich 24 Stunden nach dem Beginn der
Umarmung, kann sich aber bei kaltem Wetter auch längere Zeit ver-
zögern. Der Laich bildet einen großen Klumpen von gallertartiger
Beschaffenheit '). — Bei Kröten findet die Begattung und Besamung
in ähnlicher Weise statt, der Laich wird aber in Form von Schnüren
abgesetzt, welche gewöhnlich um Wasserpflanzen gewickelt werden ?).
Bei marchen anuren Amphibien kommen sehr merkwürdige Arten»
der Brutpflege vor. Am bekanntesten und vielleicht auch am
eigentümlichsten ist die Brutpflege von Pipa americana LAURr.,
einem krötenähnlichen Amphibium in Guiana und Brasilien. Bei der
Eiablage gelangen die Eier vermittelst der ausgestülpten Kloake auf
den Rücken des Weibchens®). Durch Wucherung der Rückenhaut
dem Plattenkalke des mittleren Rothliegenden im Plauenschen Grunde bei Dresden,
darunter auch kleine, noch mit 4 Paar Kiemenbogen und Kiemen versehene Larven;
der Lauf ihrer Metamorphose (durch Kiemen-Rückbildung) ließ sich deutlich er-
kennen.“ (Erst HAECcKEL, Systematische Phylogenie, Bd. 3. Berlin 1895, p. 271.)
1) Rana fusca ROESEL (= R. temporaria aut.), der braune Grasfrosch, laicht
Mitte März oder je nach der Witterung etwas später. — Rana arvalis NIELSSON
(= R. temporaria L.), der Moorfrosch, Tricht 2—3 Wochen später. — Rana escu-
lenta L. (= R. viridis RoESsEL), der grüne Wasserfrosch, laicht im Mai oder Anfang
Juni. — Hyla arborea L., der Laubfrosch. laicht vom April bis August und legt
kleine Eiklumpen mit 30—40 Eiern am Boden kleiner Pfützen an Pflanzen ab.
2) Die gemeine Kröte (Bufo vulgaris) laicht im März oder April mit gallertigen
Schnüren, bei welchen die Eier zweireihig angeordnet sind. — Die Kreuzkröte (Bufo
calamita LAur.) laicht im Mai oder Juni mit einreihigen Schnüren. — Die Wechsel-
kröte (Bufo variabilis PaLrL. — B. viridis Laur.) laicht im April mit zwei bis vier-
reihigen Schnüren. — Die Knoblauchkröte oder Teichunke (Pelobates fuscus WAGr.)
laicht im April, und der Laich bildet eine dicke Schnur mit mehreren Reihen von
Eiern. — Aber die Unke oder Feuerkröte (Bombinator igneus ROESEL), welche im
Juni laicht, legt den Laich in Klumpen ab.
3) BARTLETT konnte im Londoner zoologischen Garten diesen Vorgang be-
obachten und beschrieb ihn in folgender Weise (Notes on the Breeding ot the Su-
rinam Water-Toad, Pipa americana, Proc. Zool. Soc. London 1896, p. 59547):
Das Männchen umfaßt das Weibchen nahe an den Hinterbeinen, ganz ähnlich wie
es die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) thut. Die Kloake des Weibchens stülpt
236 8. Capitel.
entsteht für jedes Ei erst eine Grube und dann eine taschenartige
Höhle, in welcher die Entwickelung und die ganze Metamorphose
vor sich geht.
Bei einem brasilianischen Laubfrosch, Hyla Goeldii BLER., trägt
das Weibchen seine großen weißlichen Eier ebenfalls auf dem Rücken,
wobei dieselben aber insgesamt von einer Hautfalte umgeben sind,
also wie in einer Schüssel liegen.
Bei einigen südamerikanischen Laubfröschen, Nototrema marsu-
piatum GüÜNTH. und Notodelphys ovifera WEINL. werden die Eier in
eine unter der Rückenhaut befindliche und hinten sich öffnende Brut-
tasche des Weibchens gebracht: bei ersterer Art werden die Larven
als Quappen im Wasser abgesetzt, während sie bei letzterer Art in
dem Beutel ihre ganze Metamorphose durchlaufen und zur Atmung
im Ei gestielte blattartige Fortsätze an den beiden ersten Kiemen-
bögen erhalten }).
Das Weibchen eines Baumfrosches auf Ceylon, Rhacophorus reti-
culatus (= Polypedates reticulatus), legt etwa 20 hanfkorngroße- Eier
und trägt dieselben am Bauche mit sich herum, wo sie in gruben-
artigen Hohlräumen der Haut festhaften.
Eine nahe verwandte Art, der in Japan lebende Rhacophorus
Schlegeli GünTH.. legt die Eier in eine Schaummasse eingebettet in
einer Erdhöhlle am Ufer ab. Der westafrikanische Kletterfrosch,
Chiromantis rufescens (= Chir. guineensis), hängt seine Eier in eine
Schaummasse eingehüllt an Blättern an?); ähnlich ist die Eiablage bei
einem brasilianischen Laubfrosch Phyllomedusa Jheringi, und verwandten
Arten. Auch der in Westindien lebende Antillenfrosch Hylodes martini-
censis TscH. legst seine Eier in Haufen von 20—30 Stück in eine
Schaummasse eingehüllt an Landpflanzen; die Jungen durchlaufen in
10—12 Tagen die ganze Metamorphose im Innern der Eier und haben
‚beim Ausschlüpfen nur noch ein kurzes Rudiment des Larvenschwanzes °).
Ein in Südamerika und Westindien lebender Frosch Cystignathus
ocellatus WaGL. (= Leptodactylus ocellatus) laicht in selbstgegrabenen
schüsselförmigen, mit Wasser sich füllenden Vertiefungen; eine nahe-
verwandte Art Cystignathus mystacinus Spıx (= Leptodactylus mysta-
cinus) legt die Eier unter Steinen oder faulenden Baumstämmen in
kleinen selbstgegrabenen Erdlöchern ab und umgiebt die Eier mit
einer zähen, schaumartigen Masse. — Ein brasilianischer Laubfrosch,
Hyla faber WıIED, baut in seichtem Wasser Ringwälle aus Schlamm,
welche über den Wasserspiegel hervorstehen und innerhalb deren die
Eier abgelegt werden. Die Nester werden von den Weibchen zur
Nachtzeit gebaut.
sich nach außen und bildet eine längliche Blase, welche zwischen den Bauch des
Männchens und den Rücken des Weibchens geschoben wird und aus welcher das
Männchen durch lebhafte Bewegungen ein Ei nach dem anderen herausdrückt.
1) Bei den Amphibien mit ausgebildeter Brutpflege ist gewöhnlich die Zahl
der Eier gering, und sind die Eier relativ groß; z. B. hat Notodelphys ovifera nur
15 Eier von fast 1 cm Durchmesser (WEINLAND, 8. BREHM’s Tierleben, 3. Aufl.
». 7221. Bei der von BOETTGER beschriebenen Art Nototrema pygmaeum ist die
Zahl der Eier im Brutsack nur 4—7. Beiläufig mag bemerkt werden, daß bei dieser
Art die Oeffnung des Brutsackes ein Längsspalt ist, so daß man annehmen kann,
daß der Brutsack aus zwei seitlichen Falten entstanden ist.
2) Bei dieser Art wird die Schaummasse an Baumästen über dem Wasser
befestigt, so daß die Larven durch den Regen in das Wasser geschwemmt werden
können (BUCHHOLZ, BREHM’S Tierleben, 3. Aufl. 1892, p. 654).
3) Abbildung in BREHM’s Tierleben, 3. Aufl. 1892, p. 688.
Amphibien. 237
In zahlreichen Fällen wird die Brutpflege von dem Männchen
übernommen. Bei der (Greburtshelferkröte (Alytes obstetricans WAGL.),
welche in 3—4 Sätzen vom März bis zum August laicht, wickelt sich
das Männchen die beiden von dem Weibchen gelegten Eischnüre um
seine Hinterbeine, vergräbt sich darauf und begiebt sich erst nach
S—12 Tagen ins Wasser, um die Eier abzustreifen, aus welchen dann
sofort die Larven auskriechen. Diese leben dann noch lange Zeit im
Wasser, oft bis zum nächsten Sommer, und erreichen eine Länge von
7—)9 cm.
Bei einem kleinen Frosch, Arthroleptis seychellensis, welcher auf
den Seychellen an feuchten Stellen vorkommt, bedeckt das Männchen
die befruchteten Eier, bis die Larven ausschlüpfen, und die Larven
gelangen dann auf den Rücken desselben, wo sie an der schleimigen
Haut anhaften und eine Zeit lang da verbleiben (BRAUER 13898).
Auch bei mehreren Arten der Baumsteigerfrösche (Phyllobates trini-
tatis S. G., Dendrobates trivittatus u. a.) hat man die Larven auf dem
Rücken des Männchens gefunden.
Bei der in Chile lebenden Kröte Rhinoderma Darwini Dum. et
BIBrR. werden die Eier in den Kehlsack des Männchens anfgenommen
und machen da ihre Entwickelung durch !).
WIEDERSHEIM hat die verschiedenen Arten der Eiablage und Brut-
pflege der anuren Amphibien in einer Tabelle angeordnet, welche ich
mit einigen kleinen Aenderungen hier wiedergebe.
I. Die Eier werden einfach im Wasser ab- Die meisten Frösche,
gesetzt, in Klumpen. die Unke.
Oder in Schnüren. Die meisten Kröten.
II. Die Eier werden in Nestern im Wasser ab-
gelegt.
Es werden in seichtem Wasser Nester in Hyla faber.
Form von Ringwällen aus Schlamm ge- !(Aehnliches Nest bei Cy-
baut, die aus dem Wasser hervorragen. stignathus ocellatus.)
III. Die Eier werden außerhalb des Wassers ab-
gesetzt; die Larve macht einen Teil ihrer
Entwickelung oder auch ihre ganze Meta-
morphose innerhalb des Eies durch.
Die Eier werden in Höhlungen in der Nähe Racophorus Schlegeli,
des Ufers, auf Blättern oder einfach auf Cystignathus mystaci-
feuchtem Grund abgelegt; sie sind von nus,
einer eiweißartigen Schaummasse umgeben. Hylodes martinicensis,
Rana opisthodon,
Chiromantis rufescens,
Hyla nebulosa,
Phyllomedusa hypo-
chondrialis u. Jhe-
ringi und andere.
1) Der Kehlsack kann sich an der Bauchseite des Körpers bis an das Hinter-
ende des Körpers erstrecken. Die Eingänge zu dem Kehlsack sind die beiden
Oeffnungen der Schallblase an der Seite der Zungenbasis. Rhinoderma Darwini
ebt in feuchten Wäldern, in welchen der Boden mit einer tiefen Humusschicht be-
deekt ist, und folglich trotz vieler Regen keine Sümpfe und Tümpel entstehen
(PLATE 1897).
238 8. Capitel.
IV. Die Eier oder die Larven werden nach der
Ablage von einem der beiden Eltern
herumgetragen.
a) Aeußerlich auf der Haut:
1) an den hinteren Extremitäten: Alytes obstetricans
(Männchen),
2) am Bauche: Rhacophorus reticu-
latus (Weibchen),
3) am Rücken: Arthrolepis seychel-
lensis (Männchen),
Prostherapis trinitatis
(Männchen),
Dendrobates trivittatus
(Männchen),
Hylodes lineatus(Weib-
chen) und andere.
b) Von besonderen Bruträumen der Haut um-
schlossen :
1) Die Eier werden in ihrer Gesamtmasse Hyla Goeldii (Weib-
ringsum von einer Hautfalte auf dem chen).
Rücken umschlossen:
2) Die Eier entwickeln sich in einem Nototrema- und Noto-
Brutsacke am Rücken: delphys-Arten
(Weibchen).
3) Die Eier kommen in wabenartige Pipa americana (Weib-
Räume der Haut des Rückens: chen).
c) Die Eier entwickeln sich im Kehlsack Rhinoderma Darwini
des Männchens: (Männchen).
Wie WIEDERSHEIM ausführt, haben die Stammformen aller Amphibien,
die heutzutage durch eine Brutpflege charakterisiert sind, ihre Eier
ursprünglich ins Wasser abgesetzt‘. Die Eier waren damals klein,
dotterarm, d.,h. so, wie wir ihnen heute noch bei weitaus der größten
Zahl der geschwänzten und ungeschwänzten Amphibien begegnen. Zu-
gleich wird ihre Zahl eine ungleich größere gewesen sein, da die Eier und
Larven durch räuberische Wassertiere der verschiedensten Art gefährdet
waren und durch ihre Masse den Ausfall decken mußten. Nach der Ent-
stehung der Brutpflege waren nicht nur die Gefahren für die wachsende
Brut geringer, sondern die Art konnte sich auch in Gegenden erhalten, wo
stehendes Wasser fehlt?2). Die Brutpflege bringt eine Beschränkung in
der Zahl der Eier mit sich, da das einzelne Ei größer wird, indem es
mehr Dotter enthält, um den Embryo während der längeren Entwickelung
im Ei zu ernähren.
Wenn die Eier in einem Gallertklumpen abgesetzt werden, hat die
Gallerte nicht nur den Zweck des Schutzes, sondern bewahrt die
Embryonen auch einige Zeit vor dem Austrocknen, im Falle daß die
l) In den Fällen von Brutpflege, bei welchen die Larven in den Eiern sich
entwickeln, zeigen die Larven meist äußere Kiemen und einen großen Ruderschwanz,
selbst dann, wenn die Larven niemals in das Wasser kommen; in solchen Fällen
kann man mıt großer Sicherheit den Schluß ziehen, daß die Larven der betreffenden
Arten früher freilebend waren.
2) Dies trifft nicht allein in trockenen Gegenden und in Gebirgsgegenden zu,
sondern auch in feuchten Tropenwäldern, in welchen die dicke Humusdecke das
Wasser aufsaugt.
WE
Amphibieu. 239
Eier durch Sinken des Wasserspiegels auf das Trockene kommen. Einen
ähnlichen Zweck erfüllt die Schaummasse bei denjenigen Arten, welche
ihre Eier auf dem Trockenen absetzen. — Hat die Gallerte oder die
Schaummasse eine kleberige Beschaffenheit, so kann sie zur Festheftung
der Eier an Pflanzen oder Steinen dienen. Daraus läßt sich die An-
heftung der Eier am Körper des Männchens oder Weibchens ableiten.
Eine folgende Stufe ist dann die Entstehung von Hautfalten, welche die
Eier umschließen.
B. Urodelen.
Bei den urodelen Amphibien findet die Besamung des Eies
in anderer Weise statt als bei den Anuren. Das Sperma wird
in den weiblichen Körper aufgenommen. Es geschieht dies nicht
durch eine Begattung, sondern auf folgende Weise. Wenn ein Männ-
chen und ein Weibchen sich eine Zeit lang im Wasser bei einander
aufgehalten und durch eine Art Vorspiel mit allerlei Bewegungen sich
in Erregung gebracht haben, setzt das Männchen das Sperma in
Form eines Samenpacketes auf dem Boden ab, welches dann von dem
Weibchen alsbald in seine Kloake aufgenommen wird. Das Sperma
erhält sich dann lange Zeit in den Falten der Kloake und befruchtet
die aus den ÖOviducten austretenden Eier; bei manchen Urodelen
bewegt sich das Sperma in den Oviducten aufwärts, so daß die Be-
samung der Eier schon in den oberen Teilen des Eileiters stattfinden
kann.
Bei den einheimischen Molchen (Molge eristata — Triton cristatus
Kammmolch; Molge alpestris —= Triton alpestris Bergmolch; Molge
vulgaris — Triton taeniatus Streifenmolch; und Molge palmata —
Triton helveticus Fadenmolch) treten die Eier einzeln aus und werden
einzeln an Wasserpflanzen angeklebt. — Beim Axolotl (Amblystoma),
welcher als kiementragende Larve sich fortpflanzt, werden die Eier
auf einmal in großer Menge entleert und an Pflanzen oder Steinen
angeheftet.
Der gefleckte Salamander (Feuersalamander, Salamandra maculosa)
begiebt sich im Mai in Bäche oder Teiche und setzt da die Larven
ab, welche seit dem vorhergehenden Sommer in den Uteri sich ent-
wickelt haben. Darauf findet in der oben beschriebenen Weise die
Aufnahme des Samens statt, und die Besamung der Eier erfolgt dann
in den oberen Teilen des Eileiters. Darauf beginnt die Entwickelung
der Eier, und entstehen während des Sommers Larven mit den zwei
Beinpaaren und mit großen äußeren Kiemen. Die im folgenden Mai
zur Ablage kommenden Larven sind etwa 25 mm lang. Die Larven
(Fig. 10 d. Taf.) leben dann 4—5 Monate im Wasser und wachsen zu
einer Länge von etwa 5 cm heran, worauf sie das Wasser verlassen.
Bei dem Alpensalamander (Salamandra atra), an dessen Aufenthalts-
orten im Gebirge stehendes Wasser meist fehlt, vollenden die Larven
im mütterlichen Körper ihre ganze Entwickelung und werden lebendig
geboren. Es treten 15—20 Eier in jeden Eileiter ein, aber davon
entwickelt sich nur ein einziges weiter, während die übrigen Eier
sich auflösen und zur Ernährung desselben dienen. Es werden also
nur 2 Junge zur Welt gebracht. Die Aufnahme des Sperma
findet im Wasser statt, wahrscheinlich in ähnlicher Weise wie beim
gefleckten Salamander. Das Männchen hängt sich von unten an das
Weibchen an und wird von demselben ins Wasser geschleppt.
Ein in Nordamerika vorkommender Salamander, Desmognathys
240 S. Capitel.
fuseca Rar., trägt die Eier so lange an seinem Körper, daß der Aufent-
halt der Larven im Wasser ausfällt; das Weibchen wühlt sich in den
Eierhaufen ein, so daß derselbe an seinem Körper haftet).
Schließlich will ich noch einige Worte über die Eiablage der
perennibranchiaten und derotremen Urodelen (Phanerobranchia und
Cryptobranchia) beifügen. — Der Olm (Proteus anguineus) hat Eier
von 4 mm Durchmesser, welche aber von einer dicken Gallerthülle
umgeben sind, welche Il mm im Durchmesser mißt. Die Eier werden
an Steine oder Felsen angeklebt. Die Larven schlüpfen nach etwa
90 Tagen aus und haben zu dieser Zeit eine Länge von etwa 22 mm.
— Der Aalmolch (Amphiuma means) legt einen Eierklumpen ab, der
aus zwei rosenkranzähnlichen Schnüren besteht. Das Weibchen liegt
schraubenförmig um den Eiklumpen geringelt?. — Der zu den
Derotremen gehörige CUryptobranchus alleghaniensis (= Menopoma
alleghaniensis) legt die Eier ebenfalls in Schnüren ab.
Riehtungskörper, Befruchtung, Eihüllen.
Die hauptsächlichen Arbeiten sind diejenigen von OÖ. SCHULTZE (1887), G.
BORN (1892 u. 1894), R. Fick (1893 u. 1899), CARNOY et LEBRUN (1897 u. 1898).
Während das Ei der Amphibien in dem Ovarium zu seiner vollen
Größe heranwächst, besitzt es ein großes Keimbläschen, in
welchem das Chromatin in Form von Fäden verteilt ist, und zahlreiche
große Nucleolen sich an der Peripherie befinden. Die Chromatinfäden
besitzen in ihrem ganzen Verlauf eigentümliche feine, schlingenartige
Fortsätze: man kann annehmen, daß dieselben den Zweck haben, eine
möglichst ausgedehnte Berührungsfläche zwischen dem Chromatin
und dem übrigen Keimbläscheninhalt herzustellen. — Die Chromatin-
fäden sind zeitweilig schlecht färbbar und manchmal nicht deutlich zu
erkennen; daher nehmen manche Autoren an, daß sie aufgelöst und
neu gebildet werden’).
Wenn das Ei seiner Reife entgegengeht, verschiebt sich das Keim-
bläschen nach dem animalen Pole des Eies*). Zu dieser Zeit sind
die Chromosomen kürzer geworden und haben ihre seitlichen Fort-
sätze eingezogen. Die Chromosomen treten nun an einer Stelle im
Inneren des Keimbläschens zu einem Fadenknäuel zusammen; auch die
1) Nach H. H. WILDER (Americ. Naturalist, Vol. 33, 1899) eitirt von WIEDERS-
HEIM (1900).
2) Vergl. das ähnliche Verhalten der Gymnophionen (9. Capitel).
3) OÖ. SCHULTZE, CARNOY et LEBRUN und R. Fick vertreten die Ansicht,
daß die Chromosomen der ersten Richtungspindel nicht in continuirlicher Ent-
wickelung aus den Chromosomen der Ureierteilungen hervorgehen, sondern daß die
ursprünglichen Chromosomen aufgelöst werden und neue Ohromosomen von den
Nucleolen aus entstehen. Fick ist sogar der Ansicht, daß „während der Keim-
bläschenreifung mehrere Generationen von Nucleolen und Chromatinfiguren hinter
einander gebildet werden, so daß von einem Erhaltenbleiben des Kerngerüstes nicht
die Rede sein kann“. — Nach Born aber finden nur Formveränderungen der Fäden
und keine Auflösung derselben statt. Die Nucleolen erzeugen nach Born keine
Chromosomen, sondern haben eine physiologische Bedeutung für das Wachstum der
Eizelle, daher ihre große Zahl und ihre Lage an der Peripherie des Keimbläschens.
4) Bei den Fröschen kann man an nahezu reifen Ovarialeiern leicht erkennen,
welches die animale Seite des Eies ist, da das schwarze Pigment in der animalen
Hälfte des Eies sich ansammelt. Im Ovarium kann der animale Pol des Eies nach
oben, nach unten oder nach einer beliebigen Seite gerichtet sein; es darf also nicht
angenommen werden, daß das Keimbläschen in Folge geringeren specifischen Gewichts
zum animalen Pole aufsteige (R. FICK). F
Amphibien. 24]
Nucleolen ziehen sich von der Peripherie des Keimbläschens zurück
und lösen sich in der Nähe des Chromosomenknäuels auf.
An der Gruppe der Chromosomen entsteht die erste Rich-
tungsspindel'):; man sieht in Fig. 222 die Anlage der ersten Richtungs-
Fig. 222. Fig. 223.
Zum MER
ER 0%
Fig. 222. Keimbläschen von Triton eristatus mit- der in Bildung begriffenen
ersten Richtungsspindel, welche die Ohromosomen enthält. Das Keimbläschen befindet
sich nahe an der Oberfläche des Eies; man sieht darüber einen Teil des Follikel-
epithels. Die Membran des Keimbläschens ist aufgelöst.” (Nach CARNoY et LEBRUN,
1599.)
Fig. 223. Die erste Richtungsspindel eines Eies von Triton alpestris aus dem
oberen Teil des Oviductes. Die Richtungsspindel liegt an der Oberfläche des Eies
nahezu senkrecht zur Oberfläche. (Nach CARNoY et LEBRUN.) In der Mitte der
Spindel sieht man die Chromosomen (Aequatorialplatte).
spindel, welche die Chromosomen enthält. Zu dieser Zeit ist die
Membran des Keimbläschens schon völlig verschwunden. Die Richtungs-
spindel begiebt sich nun an die Oberfläche des Eies (Fig. 225).
In diesem Stadium treten die Eier aus dem Ovarium aus; sie
fallen in die Bauchhöhle und gelangen in die trichterförmige Mündung
Fig. 224. Fig. 225.
Fig. 224. Die erste Richtungsspindel von Triton alpestris etwas später, wenn
die Chromosomen an die Pole der Spindel gerückt sind und der erste Richtungs-
körper gebildet wird. (Nach CARNOY et LEBRUN.)
Fig. 225. Die zweite Richtungsspindel von Triton taeniatus. r% erster Rich-
tungskörper. (Nach CARNOY et LEBRUN.)
1) Die erste Richtungsspindel enthält beim Frosch, beim Salamander und bei
den Tritonen 12 Chromosomen, genauer gesagt, 12 Vierergruppen von Chromosomen.
Es sind ebensolche 12 Vierergruppen, wie man sie auch in der Spermatogenese dieser
Tiere gefunden hat. Bei den beiden Richtungskörperteilungen und ebenso bei den
beiden letzten Teilungen der Spermatogenese werden die vier Teile jeder Vierergruppe
auf 4 Zellen verteilt; der männliche und der weibliche Befruchtungskern erhalten
folglich je 12 Chromosomen. Die Zahl der Chromosomen bei der ersten Furchungs-
spindel und bei allen späteren Mitosen ist also 24.
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 16
242 S. Capitel.
des Eileiters'),. Während das Ei durch den Eileiter hindurchgeht,
stellt sich die Richtungsspindel senkrecht zur Oberfläche, und der
erste Richtungskörper wird abgeschnürt (Fig. 223—225). Die im Ei
zurückbleibenden Chromosomen bilden kein Kerngerüst, sondern treten
in die zweite Richtungsspindel ein, deren Bildung sehr bald
beginnt (Fig. 225). Die in dem untersten Teile des Eileiters, dem
sogenannten Uterus, befindlichen Eier sind bei Fröschen und Tritonen
im Stadium der zweiten Richtungsspindel.
Der Austritt des zweiten Richtungskörpers findet erst dann statt,
wenn das Spermatozoon in das Ei eingedrungen ist; der zweite
Richtungskörper erscheint bei Fröschen '/,; Stunde nach der Be-
samung, bei Tritonen °/, Stunde nach der Besamung. Die Eier der
Tritonen werden besamt, wenn sie durch die Kloake hindurchgehen,
die Eier der Frösche einige Sekunden, nachdem sie aus dem mütter-
lichem Körper ausgetreten sind, da das Männchen alsbald nach dem
Austritt der Eier das Sperma über die Eier in das Wasser ausspritzt.
Was die Eihüllen betrifft, so ist zunächst die dünne Ei-
membran (Dotterhaut, Membrana vitellina) zu nennen, welche schon
nach dem Austritt des Eies aus dem Ovarium gebildet wird. Dieser
Eimembran werden dann die Gallertschichten aufgelagert, welche
von dem Eileiter abgesondert werden. Die Froscheier gehen wie die
Tritoneneier einzeln nach einander durch den oberen Teil des Eileiters
hindurch und werden dabei mit den Gallertschichten umgeben; diese
Gallerte quillt später auf, wenn das Ei in das Wasser kommt. Man
kann dann 3 Schichten der Gallerte unterscheiden (Fig. 226); die
innerste ist nur dünn. aber von ziemlich dichter Beschaffenheit und
haftet der Eimembran fest an; die zweite Schicht ist ziemlich dick
und erscheint wässerig und weich; die dritte Schicht ist auch ziemlich
dick, aber dichter und fester als die zweite. — Die ganze dicke und
elastische Gallerthülle gewährt dem Ei Schutz gegen mechanische
Insulte und gegen den Fraß kleiner Tiere; auch läßt sie das Sonnen-
licht durchgehen, so daß die Eier der Frösche und Kröten bei ihrer
dunklen Farbe von der Sonne stärker erwärmt werden als das um-
gebende Wasser. Ferner schützt die Gallerthülle einige Zeit vor Aus-
trocknung, wenn die Eier zeitweilig trocken liegen.
Wenn das Ei in das Wasser gekommen und das Spermatozoon
eingedrungen ist, bildet sich ein Zwischenraum zwischen dem Ei und
der Eimembran, d. h. die Membran und die Gallertschichten heben
sich ein wenig von dem Ei ab?). Das Ei wird also in seinen Hüllen
1) Wahrscheinlich werden die Eier hauptsächlich durch die Flimmerung des
Epithels der Bauchhöhle zu den Tubenöffnungen geführt. Man hat beobachtet, daß
anch Fremdkörper, welche in die Bauchhöhle gebracht waren, durch die Fiimmerung
in die Tuben gebracht wurden (NussBAUM 1895).
2) „An befruchteten Eiern des Frosches wird schon in der ersten Viertelstunde
eine verhältnismäßig große Quantität perivitelliner Flüssigkeit ansgeschieden, an
unbefruchteten Eiern in längerer Zeitdauer nur eine geringe Menge“ (O. SCHULTZE).
Es wird angegeben, daß das Ei die den Zwischenraum erfüllende Flüssigkeit ab-
sondere. Ich glaube aber, daß das Ei nur eine kleine Menge einer quellbaren Sub-
stanz austreten läßt, welche dann osmotisch Wasser an sich zieht und so den
Zwischenraum erzeugt. Denn wenn Froscheier außerhalb des Wassers befruchtet
werden, tritt keine beträchtliche Menge perivitelliner Flüssigkeit auf. — Es kommt
auch bei vielen wirbellosen Tieren vor, daß das Ei durch die Befruchtung zur Ab-
scheidung einer perivitellinen Flüssigkeit veranlaßt wird; z. B. habe ich bei Eiern
von Nematoden gesehen, daß sofort nach der Befruchtung Vacuolen in den Raum
zwischen Eihaut und Ei sich entleeren (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 60. 1895. p. 362).
— Man vergleiche auch die Teleosteer p. 172 und 173.
a
Amphibien. 245
beweglich und nimmt von jetzt an immer eine bestimmte Orientirung
an: es ist nämlich die animale Hälfte des Eies von geringerem speci-
fischen Gewicht als die vegetative; folglich ist von jetzt an stets die
erstere nach oben, die letztere nach unten gerichtet.
Bei der Besamung müssen die Spermatozoen die Gallert-
schiehten durchbohren. Es dringen oft mehrere Spermatozoen in die
Gallerte ein, aber in der Regel gelangt nur ein einziges Spermatozoon
in das Ei. Das Spermatozoon dringt beim Froschei in die pigmentirte
Hälfte des Eies ein, gewöhnlich seitlich an irgend einer Seite derselben.
Der Kopf des Spermatozoons
schiebt sich in das Innere des
Eies, wobei sich längs seines
Weges eine Pigmentstraße bildet
(Fig. 226). Mit dem Kopf gelangt
Fig. 226. Ei des Frosches mit den
Hüllen zur Zeit der Befruchtung. (Nach
OÖ. SCHULTZE, schematisirt.) DieGrenzen
der 3 Gallertschichten gegen einander
sind durch punktirte Linien dargestellt.
! innerste Gallertschichte, 2 mittlere
Gallertschichte, 3 äußere Gallertschichte,
mb Eimembran (der Deutlichkeit wegen
zu dick gezeichnet), r Richtungskörper.
p Pigmentstraße des Spermatozoons.
Durch schwarze Punkte sind der männ-
liche und der weibliche Vorkern an-
gedeutet.
das Mittelstück des Spermatozoons in das Innere des Eies, und dieses
enthält das Centrosom, welches sich sehr bald teilt und die beiden
Centren der ersten Teilungsspindel bildet. Die Verschmelzung der
beiden Vorkerne findet in ähnlicher Weise statt, wie sie oben bei
Amphioxus und auch bei der Regenbogenforelle beschrieben wurde
(p. 45 und 171).
Beiläufig will ich bemerken, daß sich die künstliche Befruch-
“ tung bei Froscheiern leicht ausführen läßt, wenn man reife Eier aus
dem Eileiter (aus dem erweiterten Abschnitte desselben, dem sog. Uterus)
entnimmt und etwas Sperma aus dem Hoden eines Männchens hinzu-
bringt.
Ebenso kann bei Eiern der Tritonen aus dem unteren Teile der
Eileiter leicht die künstliche Befruchtung vorgenommen werden (O.
Herrwis). Es ist Born (1892) gelungen, auch Eier der Tritonen aus
der Bauchhöhle und aus dem oberen Teile der Tuben künstlich zu be-
fruchten.
Bastardbefruchtungen bei Amphibien.
Die wichtigsten Arbeiten sind diejenigen von PFLÜGER (1882), PFLÜGER
und SMITH (1885), BORN (1883 und 1886), GEBHARDT (1894).
Bastardbefruchtungen (Kreuzungen zweier Arten) sind bei den anuren
Amphibien oft ausgeführt worden. Es stehen der Bastardbefruchtung
hauptsächlich drei Hemmnisse entgegen. Erstens fällt die Laichperiode
der Arten auf verschiedene Zeit, so daß die zu kreuzenden Arten nicht
zu gleicher Zeit in voller Reife sich befinden; dieses Hindernis kann
man vermeiden, indem man die früher laichende Art aus einer kälteren
16*
244 S. Capitel.
oder die später laichende Art aus einer wärmeren Gegend kommen läßt.
Das zweite Hemmnis der Kreuzbefruchtung liegt darin, daß die Spermato-
zoen der Arten etwas verschieden sind, folglich manchmal die Spermato-
zoen der einen Art die Gallerthüllen der Eier der anderen Art nicht
durchdringen können. Ein drittes Hindernis der Bastardentwickelung
besteht darin, daß meist nach gelungener Befruchtung die Entwickelung
zwar beginnt, aber nach einiger Zeit einen anormalen Verlauf nimmt und
zum Stillstand kommt.
Die Resultate der Kreuzungsversuche von Prrüger, BoRN, GEB-
HARDT u. A. lassen sich in folgender Tabelle zusammenfassen:
Rana esculenta 2 \ Die Eier entwickeln sich bis zum Blastula-
Rana fusca d Stadium.
Die umgekehrte Kreuzung blieb ohne Erfolgt).
Rana arvalis 2 Die Eier entwickeln sich zu Larven, von welchen
Rana fusca d | einige sich sogar in Frösche verwandeln.
Die umgekehrte Kreuzung ohne Erfolg.
Rana arvalis $ Die Entwickelung geht bis zur Gastrulation, unter
Rana esculenta d günstigen Verhältnissen bis zur Entstehung
und umgekehrt der Medullarplatte und der Rückenwülste ?).
Bufo vulgaris 2 \ Die Eier furchen sich und entwickeln sich bis
Rana fusca d f zum Morula-Stadium.
Die umgekehrte Kreuzung gab kein Resultat, nur einmal furchten
sich unter 100 Eiern 2 in einer unregelmäßigen Weise.
Bufo cinereus 7 \ Die Eier entwickeln sich zu Larven, und diese
Bufo variabilis d verwandeln sich in Kröten.
Die Furchung der Amphibien.
Aus den zahlreichen Beschreibungen der Froschfurchung hebe ich hervor
diejenigen von A. ECKER (1859), MAx SCHULTZE (1863), ©. SCHULTZE! (1899),
T. H. MoRGAN (1897).
Demonstrationsmittel: Wandtafel von LEUCKART u. CHUN, Neue Serie, Taf. 5.
und Wachsmodelle von FRIEDRICH ZIEGLER, Freiburg i. B., Serie 25.
Alle Amphibien haben eine totale und inäquale Furchung. Wir
betrachten hauptsächlich die Furchung des Frosches; nachher wollen
wir noch einen Blick auf die Furchung der Molche und des Salamanders
werfen.
Die Furchung des Frosches ist für die Entwickelungsgeschichte
von jeher von großer Bedeutung gewesen; beim Frosch wurde zuerst
die Furchung eines tierischen Eies gesehen; schon SWAMMERDAM,
SPALLANZANI und RösEL von RosEnHor haben im 18. Jahrhundert die
ersten Furchungsstadien beobachtet, genauer wurde die Furchung dann
von Prevost und Dumas 1824 beschrieben. Ruscoxı (1826) und Kar
Erst vox Baer (1834) zeigten, daß eine Zerteilung des Eies in einzelne
Stücke stattfindet, und daß die Furchen nur der äußerliche Ausdruck dieser
Zerteilung sind. Nach der Entwickelung der Zellenlehre erkannte man,
1) Die Spermatozoen von Rana fusca haben einen spitzeren Kopf als diejenigen
von Rana esculenta; sie können also durch die Gallerthülle anderer Arten hindurch-
gehen, während die Spermatozoen von Rana esculenta nicht durch die Gallerte von
Rana fusca hindurchkommen.
2) GEBHARDT hat gezeigt, daß die Bastarde zwar die Furchung in normaler
Weise durchlaufen, aber von der Zeit der Gastrulation an eine ungenügende Teilungs-
energie der Zellen zeigen, welche zunächst einen anormalen Entwickelungsverlauf
und dann den Stillstand zur Folge hat.
Amphibien. 245
daß das Ei eine Zelle ist und daß die Furchung in vielfach wieder-
holten Zellteilungen besteht (BerGmann, KöLLıkEr, CRAMER, Remar,
Max SCHULTZE).
Die Eizelle des braunen Frosches (Rana fusca) besitzt eine
Größe von 1,5 mm. Ihre Farbe ist dunkelbraun, am vegetativen Pole
weiß; die Eizelle besitzt nämlich an ihrer Oberfläche eine braun-
schwarze Pigmentschicht, welche vom animalen Pol her über etwa °/,
der Eikugel sich erstreckt. (Das Genauere über die Lage der Pigment-
schicht siehe p. 250).
Die Furchung des Frosches verläuft in folgender Weise. Die
erste Teilung schneidet vertical (meridional) durch das Ei hindurch;
die Bildung der Furche beginnt auf der animalen Hälfte und schreitet
von hier auf die vegetative Hälfte fort (Fig. 230). In ähnlicher Weise
entsteht die zweite Furche, welche ebenfalls vertical verläuft und
Fig. 227. Furchung des Grasfrosches, Rana temporaria. (Nach ECKER aus
BALFOUR.) Die über den Figuren stehenden Zahlen geben die Anzahl der Blasto-
meren an.
deren Ebene zu der ersten Teilungsebene senkrecht steht!). Die
Sehnittlinie der beiden ersten Teilungsebenen kann als die Axe des
sich furchenden Eies bezeichnet werden. — Die Furchen der dritten
Teilung liegen horizontal, aber nicht in der Mitte des Eies, sondern
dem oberen Pol genähert, so daß vier obere kleinere und vier untere
größere Blastomeren entstehen (Fig. 227 und 231) ?).
1) Die 1. Furche tritt 2'/,—3 Stunden nach der Besamung auf, die 2.
/, Stunde später.
2) Es ıst von Interesse, die Stellung der Spindeln bei den ersten Teilungen
etwas genauer zu betrachten. Die Vereinigung der beiden Vorkerne fand in dem
oberen Teile des Eies statt, und die Spindel bildet sich normalerweise senkrecht zu
der Vereinigungsrichtung der Kerne (d. h. in der Berührungsebene derselben). Die
obere Hälfte der Eizelle enthält die Hauptmasse der protoplasmatischen Bestandteile
des Eies; die Stellung der 1. Spindel muß also eine horizontale sein, da die
horizontale Ausdehnung des auf die Spindel wirkenden Protoplasma größer ist als
die verticale (wie immer bei der Zellteilung zeigt sich die zwischen Kern und Proto-
plasma bestehende Wechselwirkung in dem Auftreten einer von den Polen der
Kernspindel ausgehenden Strahlung). Die beiden durch die erste Teilung entstan-
denen Blastomeren haben annähernd die Form einer Halbkugel; ihre größte Aus-
dehnung und also auch die Richtung der Kernspindel ist der Teilungsebene parallel ;
ferner liegt die Spindel horizontal, weil ebenso wie bei der ganzen Eizelle das
Protoplasma hauptsächlich in dem oberen Teile liegt und folglich in horizontaler
Richtung seine größte Ausdehnung hat. — Nachdem 4 Blastomeren gebildet sind,
hat jedes derselben annähernd die Gestalt eines Apfelschnitzes, und ist die verticale
Dimension bei weitem die größte. Daher folgt jetzt eine meridionale Stellung der
246 8. Capitel.
Die bei der vierten Teilung erscheinenden Furchen verlaufen
vertical (meridional), so daß S obere und S untere Blastomeren ent-
stehen. — Dann treten wieder horizontale Furchen auf, und werden
zuerst die S oberen und dann die S unteren Zellen geteilt, so
daß nachher 4 Kränze von je 8 Zellen vorhanden sind; die
Zellen des obersten Kranzes sind die kleinsten, und die Größe der
Zellen nimmt nach unten von Kranz zu Kranz zu.
Bis zu diesem Stadium verläuft die Furchung ganz ähnlich wie
die Furchung des Amphioxus, nur mit dem Unterschied, daß beim
Frosch die unteren Zellen viel mehr Dotter enthalten, folglich sich
an Größe viel mehr von den oberen Zellen unterscheiden. Damit
hängt es auch zusammen, daß beim Frosch von jetzt an die Teilung
in den unteren Blastomeren beträchtlich langsamer fortschreitet als
in den oberen.
Die nächsten Teilungen betreffen zunächst nur die oberen Zellen-
kränze. In dem obersten Zellenkranze, in welchem die Zellen die
Form spitzwinkliger Dreiecke haben, welche annähernd radiär zum
animalen Pol angeordnet sind, treten die Furchen senkrecht zur
Längsrichtung der Zellen auf, und die Teilung erzeugt also einen inneren
Kranz von 8 Zellen und einen äußeren Kranz von 8 Zellen). In
dem 2. und dem 3. Kranz aber haben die Zellen eine breite Form,
und hier treten die Teilungsfurchen in verticaler Richtung auf?).
Die Zellen des untersten Kranzes teilen sich erst später, und zwar
mit horizontalem oder schiefem Verlauf der Teilungsfurchen.
Nach den genannten Teilungen verwischt sich die kranzförmige
Ordnung der Zellen, indem sich die Zellen gegen einander verschieben.
Infolge dessen ist es kaum möglich die Reihenfolge der Teilungen
weiterhin zu verfolgen. Schon die fünfte und sechste Teilung, von
welchen oben die Rede war, finden nicht immer in der regelmäßigen
Weise statt, wie sie hier beschrieben wurde.
Im weiteren Verlauf der Furchung zerfallen die oberen Zellkränze
in relativ kleine Zellen, während die unteren Zellkränze große Zellen
bilden.
Eine Furchungshöhle existirt schon im 8-zelligen Stadium; die-
selbe ist jedoch viel kleiner als bei Amphioxus, da sich die Zellen
infolge ihres größeren Dottergehaltes mit viel breiterer Fläche
an einander legen: aus demselben Grunde ist die Furchungshöhle des
Frosches weder nach oben noch nach unten geöffnet. — Während
die Furchung fortschreitet, erweitert sich die Furchungshöhle.
Das Endresultat der Furchung ist eine Blastula von kugeliger
Form und von folgendem Bau. Man kann an der Blastula zwei Teile
unterscheiden, erstens den oberen Teil. an welchem die peripher
Spindel; die Richtung der Spindel ist nicht genau vertical, sondern schief von
innen nach außen gerichtet, da die untere Hälfte des Blastomers hauptsächlich
Dotterbestandteile enthält. Aus eben diesem Grunde bleibt die Spindel in dem
oberen Teil des Blastomers, und werden also die unteren Teilzellen viel größer als
die oberen.
1) Wenn die Zellen vor der Teilung nicht alle im Centrum zusammenstießen,
sondern, von oben gesehen, das Bild der 3 ur 147 boten, so kann auch ein innerer
Kranz von 4 und ein äußerer Kranz von 12 Zellen entstehen (MoRGAN 1897).
2) Bei dieser Teilung wie bei derjenigen des obersten Zellenkranzes ist es
offenbar, daß die Teilungsspindeln in die Längsrichtung der Zellen sich einstellen
ud ce die Teilungsfurchen quer zur Längsrichtung der Zelle verlaufen.
ergl. p. 253.
Amphibien. 247
gelegenen Zellen dunkles Pigment erhalten und den ich den animalen
Teil nennen will; zweitens den unteren Teil, welcher pigmentlos ist.
und den ich als vegetativen Teil bezeichne (Fig. 228). Die Zellen
des animalen Teiles sind relativ klein, diejenigen des vegetativen
Teiles sehr groß, und
an der Grenze gehen
die beiden Teile all-
mählich in einander
über. Wenn bei der
Blastula durch sue-
cessive Teilungen die
Größe der Zellen ab-
nimmt, bleibt doch
der Unterschied der
Fig. 228. Sagittalschnitt
eines jungen Blastula-
stadiums von Rana fusca.
(Nach O. SCHULTZE, 1899.)
sp die pigmentirte Bahn
des Spermatozoons, V Vor-
derseite, A Hinterseite der
der entstehenden Gastrula
(vergl. p. 250).
Größe der Zellen bestehen, so daß also in der vegetativen Hälfte
stets größere Zellen vorhanden sind als in der animalen (Fig. 237).
Zwischen dem animalen und dem vegetativen Teil liegt die
Furchungshöhle. Bei der völlig ausgebildeten Blastula ist die Decke
der Furchungshöhle stark gewölbt, der Boden derselben flacher; es
hängt dies damit zusammen, daß der vegetative Teil viel massiger ist
als der animale (Fig. 237).
: Alle Zellen der Blastula enthalten Dotterplättchen, aber in den großen
Zellen des vegetativen Teiles ist das deutoplasmatische Material viel
reichlicher als in den Zellen des animalen Teiles, welche viel kleiner
sind. — Es ist eine Eigentümlichkeit, welche die inäquale Furchung
von der discoidalen unterscheidet, daß bei der ersteren auch den
kleineren Zellen der Blastula viel Dottermaterial eingelagert ist, während
bei der letzteren die Zellen des Blastoderms, welche jenen homolog sind,
wenig oder gar keinen Dotter enthalten. Es hängt dies damit zusammen,
daß die polare Differenzirung (d. h. der Unterschied des animalen und
des vegetativen Teiles der Eizelle) in Bezug auf die Einlagerung des
Dotters bei den Eiern der discoidalen Furchung eine viel schärfere ist
als bei den Eiern der inäqualen Furchung.
Um auch die Furchung der urodelen Amphibien zu berück-
sichtigen, will ich über die Furchung des Kammmolches (Triton
eristatus LAUR.) und über diejenige des Erdsalamanders (Sala-
mandra maculosa LAUR.) berichten. Das Ei des ersteren enthält ver-
hältnismäßig wenig Dotter, dasjenige des letzteren ist sehr dotterreich,
daher verläuft die Furchung in den beiden Fällen verschieden !).
1) Die Furchung der genannten Urodelen weicht von derjenigen des Frosches
einigermaßen ab. Manche Urodelen stimmen in Bezug auf die Furchung mit dem
Frosch überein, so Amblystoma punctatum (nach EYCLESHYMER, 1895).
D48 S. Capitel.
Das Ei von Triton cristatus ist von einer ellipsoidischen Gallert-
hülle umschlossen, welche außen von einer klebrigen Schicht bedeckt
ist. Die Gallerthülle mißt im längeren Durchmesser etwa 5 mm. Der
Durchmesser der annähernd kugeligen Eizelle beträgt etwa 2 mm. Direet
auf der Eizelle liegt eine dünne Eimembran. Die untere Eihälfte hat
einen grünlichweißen Farbton, während die obere Hälfte gewöhnlich
gelblichweiß ist, aber manchmal durch braunes Pigment dunkler gefärbt
wird. Die Furchung beginnt bei gewöhnlicher Zimmertemperatur 6—7
Stunden nach dem Ablegen des Eies, bei 28°C schon nach 5 Stunden.
Die Furchung des Tritoneies (Triton eristatus) ist von EBNER
(1893) in folgender Weise beschrieben worden: Die erste Furche ist
eine Meridionalfurche, die zweite senkrecht zur ersten und ebenfalls
meridional. Die dritte Furche setzt an der zweiten Furche der
oberen Eihälfte parallel der ersten Furche ein und erreicht im Bogen
gegen den Aequator gehend die erste Furche. Daher sind im Stadium
von 8 Zellen wie beim Frosch 4 obere kleine und 4 untere große
Zellen vorhanden. Die Furchen der 4. Teilung sind in der Haupt-
sache parallel der zweiten, und erreichen, nachdem sie die 4 Mikro-
meren in 8 geteilt, im Bogen sich fortsetzend die zweite Furche
in der Gegend des Aequators, wodurch 4 neue Abschnitte von den
Makromeren abgeschnürt werden !), Die Furchen der 5. Teilung
laufen wieder parallel der ersten und teilen die vorhandenen 12 Mikro-
meren in 24 und fügen denselben 4 neue Abschnitte hinzu, indem
die Fortsetzungen der Furchen wieder 4 Abschnitte von den unteren
Blastomeren wegnehmen. Im Stadium von 32 Zellen sind demnach
98 kleinere Zellen und 4 größere Zellen vorhanden. Jedoch verlaufen
die Teilungen nicht immer so regelmäßig, und kommen oft indivi-
duelle Abweichungen vor. Die Regelmäßigkeit wird auch dadurch
gestört, daß die Blastomeren sich gleitend gegen einander verschieben.
Die Blastula von Triton ist schon früher .beschrieben und ab-
gebildet worden (Fig. 11, p. 22). Sie besitzt eine geräumige Furchungs-
höhle und zeigt in der oberen Hälfte kleine, in der unteren größere
Zellen. f
Das Ei des Erdsalamanders (Salamandra maculosa Laur.) hat eine
Größe von 4—5 mm. Es besitzt eine sehr zarte und durchsichtige Ei-
ımembran und eine dünne zähe Gallertschicht, welche ein Absonderungs-
product des Eileiters ist. Das Ei wird nicht abgelegt, sondern furcht
sich in den Eileitern (vergl. p. 239). Am animalen Pole besitzt das reife
Ei eine feinkörnige Scheibe von hellerer Farbe, das Keimfeld.
Die Furchung des Erdsalamanders ist eine totale und inäquale;
jedoch nähert sie sich dem Typus der partiellen Furchung. Die erste
Furche beginnt auf dem Keimfeld und greift allmählich um das Ei
herum, ebenso die zweite Furche, welche senkrecht zur ersten geht.
Die dritte Furche ist in ihrem Verlauf nicht constant, indem sie bald
in latitudinaler, bald in meridionaler oder schräger Richtung verläuft;
die ersten latitudinalen Furchen liegen dem animalen Pol sehr ge-
1) Bei dem amerikanischen Molche Diemyctylus viridescens RAr. verlaufen die
ersten Teilungen in ähnlicher Weise wie bei Triton cristatus; es kommt auch ein
Stadium mit 12 kleineren und 4 größeren Blastomeren vor. Infolge der häufigen
individuellen Abweichungen läßt sich die Regelmäßigkeit der Furchung nicht weiter
verfolgen (E. O. JORDAN 1893).
Amphibien. 249
nähert (GRÖNROOS, 1895). Manchmal schneiden die ersten Furchen nicht
dureh die Dottermasse hindurch, so daß die Furchung in den ersten
Stadien partiell ist. Auch bei normaler Furchung finden sich die
Kerne der unteren Segmente lange
Zeit nur in deren obersten Ab-
Fig. 229 A u.B. Ein Furchungsstadium
von Salamandra maculosa mit 32 Zellen.
A Ansicht von oben, B Ansicht von unten.
Die Blastomeren im Bereich der Keim-
scheibe lieren nahezu alle noch in einer
einzigen Schichte. Die unteren Blastomeren
sind noch nicht völlig von einander ge-
trennt. (Nach GRÖNROOS.) a und $ zwei
der großen Blastomeren.
schnitten, nahe am Boden der Furchungshöhle. Erst in den spätesten
Furchungsstadien verbreiten sich die Kerne in die untersten Ab-
schnitte des Eies (GRÖNROoS) Die Blastula ist derjenigen von
Triton ähnlich.
Experimentelle Untersuchungen
über die Furchung des Frosches.
Mit den Eiern des Frosches sind zahlreiche Experimente angestellt
worden, deren Ergebnisse nicht allein zur genaueren Kenntnis mancher
Entwickelungsvorgänge geführt haben, sondern auch für allgemeine
physiologische Fragen von Bedeutung sind. Ich will über die wichtig-
sten Resultate hier kurz berichten.
Die Lage der Medianebene.
Ueber die Frage, wann und wodurch die Medianebene des ent-
stehenden Embryo des Frosches bestimmt wird, liegen viele Erörterungen
vor; die hauptsächlichsten Arbeiten sind diejenigen von Roux, OÖ.
ScuuLtze und KorscH, außerdem haben noch viele andere Forscher
sich mit dieser Frage beschäftigt (Newrort, PrLücer, OÖ. HerrwiG,
Jorpan und EYCLESHYMER u. a.).
Wenn die Eizelle das Ovarium verläßt und durch den Eileiter hin-
durchgeht, kann man an demselben leicht die animale und die vegetative
Hälfte unterscheiden, indem die Gegend des vegetativen Poles von
Pigment frei ist; da sich ferner an dem animalen Pol die erste und die
zweite Richtungsspindel bildet, so kann man sich wohl eine Achse in
das Ei hineindenken, welche den animalen Pol und den vegetativen
verbindet (die ursprüngliche Eiachse), aber eine Symmetrieebene, welche
der späteren Medianebene entsprechen könnte, scheint in dem Ei dieses
Stadiums noch nicht vorgebildet zu sein.
Bei der Besamung tritt das Spermatozoon, wie schon oben gesagt
wurde, in der animalen Hälfte des Eies auf einer Seite ein; durch das
Spermatozoon wird in dem Ei eine Ebene bestimmt, welche man die
Befruchtungsebene nennen kann; sie ist gekennzeichnet durch den
Pigmentstreifen, welcher durch das eindringende Spermatozoon in das
Ei hineingezogen wird (Fig. 226).
2 bis 3 Stunden nach der Besamung vergrößert sich das helle
Feld des vegetativen Poles nach einer Seite hin, so daß der Rand der
250 Ss. Capitel.
Pigmentirung auf dieser Seite nahe unter dem Aequator liegt (Fig. 230 B).
Rovux hat gezeigt, daß diese Verschiebung der Pigmentirung in der
Befruchtungsebene erfolgt, indem das weiße Feld nach derjenigen Seite
hin sich vergrößert, welche der Eintrittsstelle des Spermatozoons gegen-
überliegt !).
Aus den Experimenten von Roux (1887) hat sich ferner ergeben,
daß die Teilungsspindel der ersten Teilung senkrecht zu der Befruch-
tungsebene steht, und folglich die erste Teilungsebene mit der Befruch-
tungsebene zusammenfällt?2).. Die erste Teilungsebene ist also senkrecht
zu der Berührungsfläche der
beiden Vorkerne. — In Fig.
230 ist das Ei zur Zeit des
Auftretens der ersten Furche
abgebildet, und sieht man, daß
das weiße Feld auf der einen
Seite höher hinaufreicht als an
der anderen (vergl. Fig. 230 A
und B).
Wenn man das Ei con-
tinuirlich weiter beobachtet, bis
sich an der Blastula der Be-
A Fig. 231. B ginn der Gastrulation zeigt,
so erkennt man, daß die Me-
A Fig. 230. B
Fig. 230A u.B und 231 A u. B.
Furchungsstadien des Frosches (Rana
fusca).
Fig. 230. Beginn der Zweiteilung,
A Ansicht von vorn, B von hinten.
Fig. 231. Achtzellenstadium, A
von vorn, B von hinten. (Nach O.
SCHULTZE, 1899.)
dianebene des entstehenden Embryo mit der ersten Furchungsebene an-
nähernd zusammenfällt®); die Einstülpung der Gastrula beginnt an derjenigen
Seite, welche der Eintrittsstelle des Spermatozoons gegenüberliegt, also
in der Gegend, wo das weiße Feld am meisten aufwärts reicht) — Bei
ganz exacter Aufzeichnung ergiebt sich, daß die Uebereinstimmung
zwischen der ersten Furchungsebene und der Medianebene keine ganz
genaue, sondern nur eine annähernde ist; ein genaues Zusammentreffen
ist nicht zu erwarten, da die erste Furchungsebene im Verlauf der
weiteren Furchung durch Ineinandergreifen der Zellen verwischt wird,
und da außerdem das Ei durch die Zellenbewegungen während der
Furchung kleine Veränderungen seiner Lage erfährt (KorscH, 1900).
Der Winkel zwischen der ersten Teilungsebene und der Medianebene be-
trägt oft 20—30°; und es kommen manchmal sogar größere Abweichungen
1) Man könnte, wie mir scheint, die Pigmentverschiebung dadurch erklären,
daß sich die Pigmenthaube nach der Eintrittsstelle des Spermatozoons zusammenzieht.
2) „Von den unendlich vielen Ebenen, welche durch die Eiachse gelegt werden
können, wird diejenige zur Medianebene, in deren Richtung die Copulation der
beiden Vorkerne erfolgt“ (Roux, 1887).
3) Diese Thatsache ist von NEWPORT (1854), PLÜGER (1883) und Roux (1883).
nachher von OÖ. SCHULTZE (1887), KorscH (1895) und anderen beobachtet worden.
4) Siehe Fig. 228 und Fig. 237. Bei Fig. 228 ist an den Zellen der Blastula
noch - Pigmentstreif zu erkennen, welcher bei dem Eindringen des Spermatozoons
entstanden ist.
Amphibien. 25]
vor. Diese stören aber die normale Weiterentwickelung nicht. Es be-
steht also, wie O. ScuuLtzs sagt, zweifellos in der Norm ein gewisses
Abhängigkeitsverhältnis zwischen der ersten Teilungsebene und der
Symmetrieebene des Embryo; dieses ist aber ein ganz lockeres und
nicht derart bedeutungsvoll, daß die Störung desselben zu abnormer
Entwickelung oder gar zu Stillstand führen würde !).
Für den Fall ganz normaler, d. h. ganz ungestörter Entwickelung
ist also festzuhalten, daß die Befruchtungsebene die Lage der
ersten Teilungsebene bedingt, und die erste Teilung die
Lage der Symmetrieebene (Medianebene) des Embryo.
Im 8-zelligen Studium ist die Lage des hellen Feldes noch dieselbe
wie beim Beginn der Furchung; die unteren vier Zellen sind also auf
der Befruchtungsseite stärker pigmentirt als auf der entgegengesetzten
(Fig. 231 A und B). Bei Rana fusca sind von den vier oberen Zellen oft die
beiden auf der Befruchtungsseite gelegenen Blastomeren größer als die
beiden anderen, ein Verhalten, das nach Roux bei Rana esculenta
constant ist. — Man kann bei aufmerksamer Beobachtung während der
ganzen Furchung den Unterschied der Pigmentirung und also auch an-
nähernd die Richtung der ersten Furche erkennen. — Im Blastula-
stadium ist die Schichte der kleinen Zellen, welche die Decke der
Furchungshöhle bildet, auf der Befruchtungsseite (vorderen Seite) etwas
dicker als auf der anderen Seite, an welcher die Gastrulation beginnt
(0. Scuuutze). Fig. 237 läßt dies erkennen.
Der Einfluß der Schwerkraft.
Mehrere Vorgänge in der Entwickelung des Frosches stehen unter
dem Einfluß der Schwerkraft, indem die Schwerkraft die Lage des Eies
bestimmt. Denn, wie schon gesagt wurde, kann sich das Ei in der Ei-
haut drehen, wenn nach der Befruchtung der perivitelline Raum zwischen
dem Ei und der Eihaut entstanden ist; es dreht sich dann der animale
Pol nach oben, der vegetative Pol nach unten, da die schwereren Dotter-
elemente hauptsächlich in der vegetativen Hälfte des Eies angehäuft
sind. Umfangreiche Untersuchungen von Prrücer, Born, Roux und 0.
Schustze haben sich auf die Frage bezogen, wie sich die Ent-
wickelung gestaltet, wenn man die Schwerkraft in anormaler Weise auf
das Ei einwirken läßt oder sie durch die COentrifugalkraft ersetzt.
Wenn man das Ei durch Zusatz von etwas Sperma befruchtet, ohne
das Ei in Wasser zu bringen und ohne soviel Wasser zuzufügen, daß die
Eihüllen quellen könnten, so kann sich der Zwischenraum zwischen dem Ei
und der Eihaut nicht bilden (p. 242). Folglich bleibt die Eihaut an der
Oberfläche des Eies haften, so daß das Ei oder wenigstens dessen oberste
Schichte sich nicht drehen kann und in einer beliebigen Lage ge-
halten werden kann. Wenn man nun das Ei so aufsetzt, daß der ani-
male Pol nach unten oder nach der Seite steht, so tritt dennoch die
erste Furche oben auf dem Ei auf. Daraus hatte PrLüser geschlossen, daß
die Schwerkraft einen direkten Einfluß auf die Zellteilung habe. Jedoch
wurde von Borx nachgewiesen, daß bei diesem Versuche nur die äußerste
1) Es geht auch aus einigen Experimenten von BORN hervor, daß die Median-
ebene nicht unbedingt durch die Ebene der ersten Furchung bestimmt ist. Als
BORN bei seinen Versuchen über den Einfluß der Schwerkraft (vergl. unten) die
Eier so aufsetzte, daß der vegetative Pol nach einer Seite gerichtet war und dann
nach unten herabsank, so fiel die Medianebene in den Strömungsmeridian,
d. h. der Urmundanfang entstand in demjenigen Meridian und auf der Seite, auf
welcher der schwerere weiße ı)otter abgesunken war.
352 8. Capitel.
Eischicht, welche das Pigment enthält, in der Lage fixirt bleibt, während
die innere Masse des Eies mit dem Eikern schon vor Ablauf einer Stunde
dennoch die Rotation ausführt, so daß wie bei normalen Verhältnissen
der animale Teil mit dem Eikern sich nach oben, der vegetative Teil
sich nach unten wendet!), Die Schwerkraft hat also keinen direkten
Einfluß auf die Zellteilung, sondern sie bestimmt nur die Anordnung
der Teile im Ei. Wie schon PıÜGEr zeigte, können aus solchen um-
edrehten Eiern normale Larven entstehen.
Anders wird das Resultat, wenn man die Eier dreht, nachdem die
Furchung begonnen hat. Es treten dann mancherlei Abnormitäten auf.
Den merkwürdigsten Fall bietet das Experiment von O. Schutze (1894),
durch welches Doppelbildungen erzeugt werden; die Eier wurden
zwischen horizontalen Glasplatten gepreßt, bis sie sich stark abplatteten;
dann wurden die Platten während der ersten Teilung der Eier ‘oder
kurz nach derselben umgedreht; nach 24 Stunden wurden die Eier aus
dem Apparat herausgenommen. Ein Teil der Eier ergab Zwillinge,
nämlich zwei verwachsene Individuen, welche aus den beiden ersten
Blastomeren hervorgingen.
TrennungderBlastomeren(Durchschnürungsexperimente)
Mehrere Forscher (O. Hertwıc, Ener, EnprEs, HERLITZKA,
SpEMAnN) haben versucht, mittels eines Haares während der Furchung
eine Trennung der Blastomeren vorzunehmen. Es gelang HERrLITZzKA
durch Umschnürung mit einem Haar die beiden ersten Furchungszellen
eines Molches (Triton) von einander zu isolieren; er erhielt aus jeder der-
selben nicht einen halben, sondern einen ganzen Embryo. Aehnliche
Versuche mit gleichem Resultat wurden von Expres gemacht. Neuer-
dings hat Sremann eine größere Reihe derartiger Experimente veröffent-
licht, welche das Resultat von HerLırzka und Expres bestätigen, und
aus welchen außerdem folgendes hervorgeht.
Schnürt man Triton-Eier nach der ersten Teilung längs der ersten
Furche ein (ohne völlig durchzuschnüren), so bildet sich der Embryo in
der überwiegenden Mehrzahl der Fälle quer zur Ligatur aus; nur in
einer kleinen Minderzahl liegt die Medianebene unter der Ligatur.
Läßt man solche im Zweizellenstadium eingeschnürte Eier sich bis
zum Blastulastadium entwickeln und zerschnürt sie dann vollends durch
stärkeres Anziehen der Ligatur, so gehen aus den beiden Hälften ganze
Embryonen von halber Größe hervor.
Schnürt man einen Triton-Embryo während der Gastrulation oder
vor der Ausbildung der Medullarplatte durch ein umgeschlungenes
Haar in der Richtung der Medianebene ein, so kann man vordere
Doppelbildungen (Duplieitas anterior) erhalten. Der Grad der Trennung
der Vorderenden hängt von dem Maaß der Schnürung ab.
Die Furchung der flachgedrückten Eier.
Es läßt sich schon bei der normalen Furchung zeigen, daß die Ein-
stellung der Teilungsspindel den physiologischen Gesetzen folgt, welche
l) Wenn man durch fortgesetztes langsames Drehen der Eier die Wieder-
herstellung der normalen Orientirung der Teile verhindert und eine vollkommene
Mischung der Eisubstanzen herbeiführt, so tritt keine Entwickelung ein (O. SCHULTZE).
Ebenso bleibt die Entwickelung meist aus, wenn der vegetative Pol genau nach
oben gedreht wurde und die Dottermasse nicht seitlich, sondern durch die Mitte
des Eies herabsank.
Amphibien. 253
im allgemeinen die Stellung der Spindel in den Zellen bestimmen. Es
besteht nämlich überhaupt in allen Zellen eine Wechselbeziehung
zwischen den Polen der Spindel und der unter ihrem Einfluß stehenden
Protoplasmamasse der Zelle; man kann sich dieselbe als eine wechsel-
seitige Anziehung vorstellen, und daraus folgt, daß sich die Spindel in
die Längsrichtung der Zelle einstellt, oder bei dotterhaltigen Zellen in
die Längsrichtung des protoplasmatischen Teiles der Zellei). — Es ist
schon den älteren Beobachtern der Froschfurchung aufgefallen, daß die
Teilungsfurchen meist quer zur Längsrichtung der Zellen gehen. So
schrieb K. E. v. Baer (1834): „Eine allgemeine Regel der Teilungen ist,
daß wenn an einer Dottermasse (d. h. Furchungszelle) eine Seite ent-
schieden länger ist als die anderen, diese von der Teilung getroffen
wird.“ (Vergl. p. 244 u. f.)
Da also der Verlauf der Furchen nicht durch eine geheimnisvolle
Beziehung zu der Eiachse, sondern durch die Gestalt der Zellen und
anfangs durch die Form und Structur des Eies bestimmt wird, so ist
es begreiflich, daß bei künstlicher Gestaltveränderung des Eies der
Verlauf der Furchung abgeändert wird.
PrLrüser (1884), Borvn (1893), O. Herrwiıc (1893), Roux u. a.
haben die Furchung flachgedrückter Froscheier beobachtet. Die Eier
wurden meist zwischen zwei parallelen Glasplatten so komprimirt, daß
sie eine flache kuchenähnliche Gestalt annahmen. Man erhält dann eine
abgeänderte Furchung, ganz ähnlich derjenigen meroblastischer Eier,
bei welchen die Furchung in einer flachen Keimscheibe stattfindet. Es
stellen sich nämlich bei den ersten Teilungen die Spindeln parallel den
flachen Seiten, so daß die entstehenden Blastomeren in einer Ebene
nebeneinanderliegen. Da das Ei keine homogene Masse ist, sondern die
schon früher erwähnten Unterschiede der animalen und vegetativen
Hälfte zeigt, so fällt die Furchung verschieden aus je nach der Richtung,
in welcher das Ei flachgedrückt wurde. Wir wollen hier nur zwei Fälle
betrachten.
Fig. 232 zeigt die Furchung eines Eies, welches durch horizontale
Platten senkrecht zur Eiachse comprimirt wurde. Die erste Furche
teilte das Ei in zwei gleiche Hälften, die zweite ging senkrecht zu der
ersten; die zweite Furche geht im vorliegenden Fall nicht durch die
Mitte des Eies, offenbar weil das Ei nicht ganz genau in der Richtung
der Achse comprimirt wurde oder die Dottermasse der vegetativen
Hälfte sich bei der Compression des Eies etwas verschoben hatte (in
1) ©. HerrtwiG hat die Gesetzmäßigkeit der Spindeleinstellung in folgender
Weise ausgedrückt: „Die Kernspindeln stellen sich so ein, daß die beiden Pole der
Teilungsfigur . in der Richtung der größten Protoplasmamassen zu liegen kommen,
etwa in der Weise, wie die Lage der Pole eines Magneten durch Eisenteile in seiner
Umgebung beeinflußt wird.“ Roux formulierte das Gesetz in folgender Weise:
„Die Kernspindel der Furchungszellen stellt sich in die, resp. in eine Richtung
festesten Gleichgewichtes der traktiven Einwirkungen der Protoplasmamasse.“ Ie
möchte folgenden Ausdruck wählen: Bei der Wechselwirkung oder Anziehung,
welche zwischen den Polen der Spindel und dem Protoplasma stattfindet, stellt sich
die Spindel in die Lage stabilen Gleichgewichtes. Es läßt sich durch mathematische
Betrachtung leicht zeigen, daß bei einer länglichen (ovalen, rechteckigen oder spitz-
winkligen) Zelle die Spindel nur in der Längsrichtung im stabilen Gleichgewicht
sich befindet. — Ich habe die Einstellung der Spindel bei flachgedrückten Echino-
dermeneiern beobachtet. (Ueber Furchung unter Pressung, Verhandl. d. anat. Gesell-
schaft 1894), sowie bei Nematodeneiern (Untersuchungen über die ersten Ent-
wickelungsvorgänge bei Nematoden, Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 60, 1595). Ich habe
für die Einstellung der Spindel die Bezeichnung Taxis vorgeschlagen, noch
bestimmter wäre wohl Karyotaxis (in Anlehnung an das Wort Karyokinese).
Di s. Capitel.
der Figur nach unten). Die Furchen. der dritten Teilung, welche bei
normaler Furchung horizontal gehen, verlaufen hier vertical, ebenso die
Furchen der vierten Teilung, welche punktirt angegeben sind.
Fig. 233. Fig. 232. Furchung eines axial
1 comprimirten Froscheies. (Nach Born.)
Die Furchen der ersten und zweiten
RN 2 Teilung sind durch dicke Linien dar-
gestellt, die Furchen der vierten Teilung
punktirt.
Fig. 233. Furchung eines parallel
der Eiachse comprimirten Froscheies.
(Nach Born.)
1 1
Wenn das Ei parallel der Eiachse zwischen vertikalen Platten
comprimirt wird, so geht die erste Furche vertical und teilt das Ei in
zwei gleiche Hälften; die zweite Furche teilt dann jede Hälfte quer,
aber nicht in der Mitte, sondern höher oben, nahe am animalen Pol, da
ja die untere Hälfte des Eies die Hauptmasse des Dotters enthält. Auch
bei der dritten und vierten Teilung stellen sich die Spindeln annähernd
parallel den Platten, so daß im 16-zelligen Stadium noch alle Blastomeren
in einer verticalen Ebene liegen.
Besonders bemerkenswert ist noch die Thatsache, dass solche zwischen
Platten flachgedrückte Eier, welche in der beschriebenen Weise sich
gefurcht haben, dennoch sich weiter entwickeln. Obgleich die Blasto-
meren des Eies in einer ganz ungewöhnlichen Weise angeordnet sind,
folgt doch eine annähernd normale Gastrulation und die Entwickelung
des Medullarrohrs. O. Hrrrwıc (1893) und T. H. Mor«ax (1897) ziehen
aus dieser Thatsache den Schluß, daß die Kernteilungen der ersten
Furchungsperiode keine gesetzmäßige Beziehung zu der Bildung des
Embryo haben, und daß die Kerne zu dieser Zeit alle equivalent sind.
Experimente über die physikalischen und chemischen
Bedingungen der Froschfurchung.
A. Das Sauerstoffbedürfnis. Wenn in Furchung begriffene
Froscheier von der Luft abgeschlossen werden, so bleiben sie doch einige
Zeit lebend und können sich sogar weiterentwickeln, allerdings mit ver-
minderter Geschwindigkeit. Ich betrachte diese Unempfindlichkeit gegen
Sauerstoffmangel als eine Anpassungserscheinung, indem sie bewirkt,
daß diejenigen Eier, welche im Innern des dicken Laichklumpens liegen,
sich trotz des geringen Gasaustausches weiterentwickeln können.
Ich hebe aus den Ergebnissen der Experimente von Samassa, Roux,
O0. Scnuutze, E. Goprewskı u. a. folgendes hervor. Wenn die in
Furchung begriffenen Eier gar keinen Sauerstoff mehr erhalten, so wird
die Furchung verlangsamt und kommt nach einigen Teilungen zum
Stillstand; der Sanerstoffmangel hemmt die Zellteilung!). Wird solchen
Eiern wieder Sauerstoff zugeführt, so geht die Entwickelung weiter und
verläuft gewöhnlich normal. — Von der Zeit der Gastrulation an haben
die Eier ein größeres Bedürfnis an Sauerstoff als während der Furchung;
1) Bei den meisten anderen Eiern (von Echinodermen, Nematoden u. s. w.)
führt Sauerstoffmangel viel rascher den Stillstand der Zellteilungen herbei.
Amphibien. 255
die Atmungsenergie nimmt mit dem Fortschritt der Entwickelung zu. —
Die Empfindlichkeit gegen Sauerstoffentziehung hängt viel von der
Individualität der einzelnen Eier ab.
Wenn Eier in Röhrchen eingeschlossen sind, so wirkt nicht allein
der Sauerstoffmangel hemmend auf die Eier ein, sondern auch die
toxische Wirkung der sich anhäufenden Kohlensäure (GopLewskı, 1901).
Wenn man Eier im Sauerstoffstrom sich entwickeln läßt, so geht
die Furchung rascher vor sich als unter normalen Umständen bei gleicher
Temperatur (GopLewskı, 1901).
B. Chemische Beeinflussung der Furchung. O0. Herrwıs
(1895) hat gezeigt, daß die Furchung des Frosches durch einen geringen
Kochsalzgehalt des umgebenden Wassers erheblich beeinflußt wird, und
daß das Froschei für sehr kleine Schwankungen des Kochsalzgehaltes
empfindlich ist. Eier von Rana esculenta werden in einer Kochsalz-
lösung von 1 Proc. nicht in Zellen zerlegt, sondern es treten nur am
animalen Pol Spuren der ersten und der zweiten Furche auf. Aber
schon in einer Q,9-proc. Lösung wird das Ei, wenn auch in verlang-
samter Weise, vollständig in Zellen zerlegt, zerfällt jedoch noch vor
Ausbildung der normalen Blastula. In einer 0,8-proc. oder 0,7-proc.
Lösung wird die Furchung bis zum Blastulastadium durchgeführt, aber
nur bei noch schwächerem Salzgehalt tritt die Gastrulation ein. Bei
der Furchung in 0,9—0,7-proc. Lösung ist beachtenswert, daß die Furchung
verlangsamt ist, und daß sich die vegetative Hälfte des Eies in ihrer Ent-
wickelung am stärksten gehemmt zeigt. In einleuchtender Weise wird
dies von OÖ. Herrwıs dadurch erklärt, daß der Kochsalzgehalt die Ent-
wickelungsenergie herabsetzt, und daß diese verminderte Teilungsenergie
sich da am meisten äußert, wo das Protoplasma am spärlichsten zwischen
den -mehr passiven Dottermaterialien verteilt ist und daher eine größere
Arbeit bei der Zellteiluug durch Bewältigung des passiven Materials zu
verrichten ist.
Bei einem Salzgehalt des Wassers von 0,6 Proc. führen Furchung
und Gastrulation zur Entstehung des embryonalen Körpers, jedoch ist
die Gastrulation abgeändert, insbesondere dadurch, daß der Dotterpfropf
zu groß bleibt und nicht in das Innere des Embryo aufgenommen wird.
Davon wird später die Rede sein (p. 272).
Nach den Experimenten von Gurwıtsch (1896) hat Lithiumchlorid
eine ganz ähnliche Wirkung wie Kochsalz. Eier von Rana fusca, welche
in einer Lösung von Lithiumchlorid von 0,7—0,8 Proc. gezüchtet wurden,
zeigten ein auffallendes Zurückbleiben der Furchung der weißen Hemi-
sphäre; in vielen Fällen blieb die letztere ganz ungefurcht, in anderen
Fällen wurde sie nur von den ersten zwei Furchen durchschnitten.
In Lithiumlösung von 0,5 Proc. findet zwar die Furchung der
vegetativen Eihälfte statt, aber es zeigt sich bei der Gastrulation eine
Abnormität insofern, als die Ruscoxtsche Rinne nahe am Aequator
des Eies um das Ei herumgeht; der Dotterpfropf ist also sehr groß und
die Masse der Dotterzellen kann nicht völlig in das Innere der Gastrula
aufgenommen werden,
C. Beeinflussung der Furchung durch die Temperatur.
Gegen niedrige Temperatur sind die Eier des braunen Frosches (Rana
fusca) auffallend unempfindlich. Auch darin kann man eine Anpassung
sehen, da ja im ersten Frühjahr, wenn diese Art laicht, oft noch kaltes
Wetter eintritt.
4
n
256 $. Capitel.
Die Versuche über die Entwickelungsfähigkeit bei niederer Temperatur
sind von O. Herrwıs (1894, 1896 und 1898) und von ÖO. ScHULTZE
(1894 und 1899) gemacht worden. Es ergab sich, daß befruchtete Eier
in einer Eiskammer bei einer Temperatur von 0° bis höchstens 19 C
sich langsam, aber stetig entwickeln. Bis zur Gastrulation vergeht in
diesem Falle eine Zeit von 30 Tagen (O. Scnurtze). Die niedere Tempe-
ratur bringt während der Furchung eine Störung nur insofern hervor,
als ein Zurückbleiben der Teilungen in der vegetativen Hälfte des Eies
eintritt. Wenn die Eier nicht allzulange in der Eiskammer verbleiben,
wenn sie nämlich nach 14 Tagen herausgenommen werden, so können
aus den Eiern unter Ausgleich der eingetretenen Störung doch noch
normale Quappen entstehen. Läßt man die Kälte länger einwirken, so
schreiten die Zellteilungen langsam fort, aber die Entwickelung führt
zu Mißbildungen.
Die höchste Temperatur, bis zu welcher man eine normale Ent-
wickelung der Eier beobachtet, beträgt bei Rana fusca 24° C, bei Rana
esculenta 32—33° C (O. Herrwıc), Sobald die Temperatur etwas höher
steigt, tritt anormale Entwickelung ein; am vegetativen Pol schneiden die
Furchen nicht durch. So entstehen Gastrulae mit abnorm großem
Dotterpfropff und aus ihnen gespaltene Embryonen (Embryonen mit
Spina bifida).
Die Schädigung, welche durch zu hohe Temperatur an den Zellen
hervorgebracht wird, zeigt sich zunächst in verminderter Teilungsenergie,
später in Wärmestarre.. Bei verminderter Teilungsenergie kann die
große Dottermasse nicht mehr durchgeteilt werden. Wenn man die Eier
erst dann der höheren Temperatur aussetzt, wenn die Dottermasse in
zahlreiche Zellen zerlegt ist, so werden etwas höhere Grade ertragen;
dann entwickeln sich die Eier von Rana fusca bei 28° C fast alle in
normaler und sehr beschleunigter Weise, und geht die Entwickelung
sogar bei noch höherer Temperatur (29—35°) eine Zeit lang weiter
(O. HERTWIG),.
Innerhalb der zulässigen Temperaturgrenzen (also zwischen 0°
und 24, resp. 33°) hängt die Geschwindigkeit der Entwickelung von der
Höhe der Temperatur ab. So ist das Ei von Rana esculenta nach
24 Stunden bei 15° C noch im Blastulastadium, während bei 32° in
dieser Zeit schon ein Embryo mit Rückenmark und Chorda entstanden
ist, an welchem schon Kopf und Schwanzende hervortreten. Am 6. Tage
befindet sich das Ei bei einer Temperatur von 2—5° noch im Blastula-
stadium, bei einer Temperatur von 15° ist ein Embryo mit Rücken-
mark und -Chorda entstanden (wie bei 32° nach 24 Stunden), bei 32°
sind lebhaft schwimmende Kaulquappen entstanden mit langem Ruder-
schwanz, mit Hornzähnchen im Mund, mit Kiemen, die in eine Kiemen-
höhle eingeschlossen sind, und mit spiralig aufgerolltem Darmkanal
(0. HEerrwis).
Andere Experimente,
OÖ. Herrwıs (1897) rotierte die Eier auf einer Scheibe mit solcher
Geschwindigkeit, dab die Centrifugalkraft stärker auf das Ei wirkte, als
unter normalen Verhältnissen die Schwerkraft wirkt. Dadurch wurde
eine stärkere Sonderung der protoplasmatischen und der deutoplas-
matischen Bestandteile des Eies herbeigeführt, indem sich die schweren
Dotterplättehen nach der äußeren Seite der Rotationsscheibe verschoben
Amphibien. 297
und auf dieser Seite ansammelten !). Infolgedessen trat partielle Fur-
chung ein, da die Furchungsteilungen die dicht angesammelte Dotter-
masse nicht durchzufurchen vermochten. So wurde also die totale in-
äquale Furchung des Frosches experimentell
in den discoidalen Furchungstypus der Tele-
osteer, Selachier und Amnioten übergeführt.
Die Eier verlieren dabei die Entwickelungs-
fähigkeit nicht; wenn man dieselben im
Blastulastadium von dem Apparat abnimmt,
entwickeln sie sich zu Larven, bei welchen
freilich Mißbildungen häufig sind.
Interessante Versuche sind auch in der
Weise angestellt worden, daß man einzelne
Furchungszellen abtötete; selbstverständlich LE
genügt es, den Kern und dessen Umgebung BR entall all, auch
lebensunfähig zu machen, um die weitere ler Dee der oe.
Furchung des betroffenen Blastomers zu ver- eies. (Nach ©. HERTWIG.)
hindern.
Roux (1888) hat im zweizelligen Stadium die eine der beiden Zellen
mittelst einer eingestochenen heißen Nadel abgetötet?); die unverletzte
Zelle entwickelte sich weiter wie bei der normalen Entwickelung und
erzeugte im Blastula- und im Gastrulastadium einen halben Embryo
(Hemiembryo lateralis). Dieser Befund paßt zu der früher erwähnten
Beobachtung, daß die erste Teilungs-
ebene bei normaler Entwickelung der
Medianebene des entstehenden Embryo
entspricht (vergl. p. 250). — Während
der Furchung wandern in die abgetötete
Eihälfte Kerne ein, welche von Fur-
chungskernen der sich entwickelenden
Hälfte abstammen (Fig. 235). Die ersten
Kerne, welche in dieser Weise ein-
wandern, erfahren in der Dottermasse
des abgestorbenen Blastomers eine ähn-
liche Umwandlung wie die Dotterkerne
meroblastischer Eier ; sie erreichen eine
außergewöhnliche Größe und bilden
auch Gruppen von Kernen verschiedener Re; t
Größe (Kernnester). Es wandern aber Fig. 235. Blastula des Prosches
e F N 3 (Rana esculenta) nach Abtötung eines
weiter Kerne ein, und diese bewirken Bjastomers des Zweizellen-Stadiums
eine Zerlegung der Masse in Zellen, (Semiblastulalateralis). (Nach Roux,
gewissermaßen eine nachträgliche Fur- 1888.)
chung (Postgeneration).
Die Entstehung von halben Embryonen wurde in ähnlicher Weise
wie von Roux auch von H. Expres und H. E. WaArrer, sowie von T.H.
MorGan beobachtet. Ferner stellte ©. Hrrrwıc (1893) solche Versuche
an, kam aber zu anderen Ergebnissen; er fand, daß „bei vollständiger
1) „An Durchschnitten findet man, wenn man sie mit starken Vergrößerungen
durchmustert, alle großen und daher verhältnismäßig schweren Dotterplättchen nach
dem vegetativen Pol hin dicht zusammengedrängt ; die animale Hälfte ist in gleichem
Maße protoplasmareicher geworden.“ 1
2) Eine Beschreibung der Methode findet man im Anatom. Anzeiger, Bd. 9,
1894, p. 251. — Als Instrument diente eine dicke Präparirnadel, an welcher 12 mm
hinter der Spitze eine 7 mm dicke Messingkugel als Wärmeträger angebracht ist.
Ziegler, Entwickelungsg, d. niederen Wirbeltiere, 17
358 8. Capitel.
Zerstörung von einer der beiden ersten Teilhälften des Eies die über-
lebende Hälfte sich zu einem ziemlich normal beschaffenen, nur mit Defecten
an untergeordneten Körpergegenden versehenen Embryo entwickelt“.
Samassa (1895) hat im achtzelligen Stadium die vier unteren (vege-
tativen) Zellen durch Inductionsschläge abgetötet; er konnte die Ent-
wickelung bis zu dem Gastrulastadium verfolgen, welches eine auf-
fallende Aehnlichkeit mit der dis-
coidalen Gastrula der Teleosteer
oder Selachier besitzt (Fig. 236).
Auf der Dorsalseite sieht man die
Gastrulaeinstülpung, auf der Ven-
tralseite den Umwachsungsrand,
welcher über die Dotterkugel
herabrückt.
Es ist nicht möglich, daß ich
hier alle Experimente anführe,
welche an Froscheiern angestellt
wurden. Es ist auch vielfach die
Deutung der Befunde noch ganz
strittig. Ich habe aus der großen
Litteratur nur diejenigen Experi-
mente herausgegriffen, welche mir
von besonderer Wichtigkeit zu sein
Fig. 236. Gastrula des Frosches (Rana Shienen. Einige Versuche werden
fusca) nach Abtötung der 4 unteren Zellen noch später erwähnt (p. 271). Im
des Achtzellen-Stadiums. (Nach SAMASsSsA.) Uebrigen muß ich auf die Schriften
von Roux, O. Herrwie und ©.
SCHULTZE verweisen, sodann auch auf das von Roux herausgegebene
Archiv für Entwickelungsmechanik, in welchen viele experimentelle Unter-
suchungen an Froscheiern veröffentlicht sind.
Blastula und Gastrula.
Anuren.
Zur Einführung dienen die Arbeiten von GoETTE (1874), OÖ. HERTWIG (1882
u. 1883), T. H. MoRGAN (1897), ©. SCHULTZE (1899).
Demonstrationsmittel: Wandtafeln von LEUCKART und CHUN, Neue Serie,
No. 5 u. 9, gezeichnet von L. Wırr. — Wachsmodelle von FRIEDRICH ZIEGLER,
Freiburg i. B., Serie 25.
Bei der Darstellung der Keimblätterbildung der Amphibien empfiehlt
es sich, 2 Typen zu unterscheiden. Für den ersten können Rana
(Frosch), Bufo (Kröte) und Bombinator (Unke), für den letzteren
Triton (Wassermolch) und Amblystoma (Axolotl) als Beispiel dienen;
Wahrscheinlich folgen dem ersten Typus die meisten Anuren!), dem
letzteren alle urodelen Amphibien.
Wir betrachten zuerst die Gastrulation bei den anuren Amphibien,
speciell bei dem Grasfrosch, Rana fusca R.
Die Entwickelung des Frosches ist insofern geschichtlich von Be-
1) Unter den Anuren nimmt die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) eine
Sonderstellung ein; hier ist der Dotter viel reichlicher vorhanden als bei den übrigen
Anuren, und zeigt die Entwickelung Aehnlichkeiten mit der Urodelen- und mit der
Teleosteerentwickelung. Ebenso verhalten sich wahrscheinlich auch die Eier der-
jenigen Anuren, welche keine freilebenden Larven haben, da diese Eier relativ sehr
viel Nahrungsdotter enthalten (vergl. p. 235—238).
—_
EN VS
Bi
a
Bi.) ERNEUERT N
Amphibien. 259
deutung, als man beim Frosch früher als bei anderen Wirbeltieren das
Blastula- und das Gastrula-Stadium erkannte.
Rena kam schon 1850 zu der Ansicht, daß die von Rusconı be-
obachtete Höhle die Nahrungshöhle (Gastralhöhle) ist und daß diese die
vorher bestehende Barr’sche Höhle (Furchungshöhle) verdrängt. Remak
wußte auch schon, daß die Nahrungshöhle durch eine blindsackartige,
von außen nach innen vordringende Einstülpung gebildet wird. Eine
genauere Darstellung wurde daan von GoerrE (1875) in seiner Ent-
wickelungsgeschichte der Unke gegeben. Darauf lehrte HazckeL (1875)
die genannten Entwickelungsvorgänge im Lichte der Gastrulatheorie
verstehen, indem er sie mit den primitiveren Entwickelungsformen des
Amphioxus verglich, welche durch Kowarevskv (1867) bekannt geworden
waren).
Der Bau der Blastula des Frosches wurde schon früher erwähnt
(p. 247). Man unterscheidet den animalen Teil, welcher aus relativ kleineren
und pigmenthaltigen Zellen besteht, und den vegetativen Teil, welcher
aus größeren Zellen zusammengesetzt und auch durch das Fehlen des Pig-
ments ausgezeichnet ist (Fig. 237). Zwischen dem animalen und dem
vegetativen Teil liegt die Furchungshöhle; jedoch ist zu beachten, daß
der animale Teil ringsum etwas tiefer herabreicht als der Boden der
Furchungshöhle. An der Grenze des animalen und des vegetativen
Teiles gehen die kleineren pigmentirten und die großen pigmentlosen
Zellen allmählich durch Zwischenformen in einander über; die Grenze
ist daher keine scharfe, aber doch einigermaßen bestimmpbar.
Die obersten Zellen
(des animalen Teiles fügen
sich zu einem einschichti-
gen Epithel zusammen ?).
Die Schichte der darunter
gelegenen Zellen ist auf
derjenigen Seite, welche
der Gastrulation gegen-
überliegt, etwas dicker
als auf derjenigen Seite,
auf welcher die Gastru-
lation beginnt (Fig. 237),
wie dasselbe auch bei
manchen meroblastischen
Eiern beobachtet. wird
(z. B. Forelle, Selachier). / PART
Der erste Anfang ITS
der Gastrulation ch Fig. 237. Sagittalschnitt durch eine ältere Bla-
sich eine kurze Strecke stula von Rana fusca mit dem Anfang der Gastru-
unterhalb des Aequators lation. (Nach O. ScHuLrtze, 1899.) 1 Vorderseite,
des Eies in dem Ueber- % Hinterseite, w beginnende Einstülpung der Gastru-
gangsgebiet des ani- lation.
1) Ich verweise auf folgende Publicationen, in welchen überhaupt die embryolo-
gische und phylogenetische Bedeutung der Gastrulation zum ersten Mal dargelegt wurde:
ERNST HAECKEL, Die Gastraea - Theorie, die phylogenetische Olassification des
Tierreichs und die Homologie der Keimblätter. Jenaische Zeitschrift, Bd. 8, 1874.
— Die Gastrula und die Eifurchung der Tiere. Jenaische Zeitschr., Bd. 9, 1875, p. 429.
2) GOETTE (1374) bezeichnet den animalen Teil der Blastula als primäre Keim-
schicht, das oberflächliche Epithel als Deckschicht, die übrigen Zellen desselben als
Grundschicht. — Die Deckschicht ist der Deckschicht der Teleosteer ähnlich (p. 176).
1
260 S. Capitel.
malen und des vegetativen Teiles der Blastula. Wie schon früher
gesagt wurde (p. 250), findet der Beginn der Gastrulaeinstülpung in
der Regel an derjenigen Stelle statt, wo das helle Feld am weitesten
nach oben reicht, also an derjenigen Seite, welche der Befruchtungs-
seite entgegengesetzt ist (vergl. Fig. 237 mit Fig. 228).
Als Anfang der Gastrulation erscheint eine kleine Rinne, welche
sich in horizontaler Richtung an der Grenze der animalen und der
vegetativen Zellen hinzieht (Fig. 237); sie verlängert sich nach den
Seiten und nimmt also die Gestalt eines Kreisbogens oder Halbmondes
an. Man kann diese Rinne nach ihrem Entdecker die Ruscont’sche
Rinne?) nennen (Fig. 258).
Die Lage der Rinne bezeichnet die Medianebene des entstehenden
Embryo; denn diese ist durch die Eiachse und durch die Mitte der
Rinne bestimmt. Von der Mitte der Rinne nach dem animalen Pol
Fig. 238. F 18 A: Fig. 238. Gastrula des Frosches mit
halbkreisförmiger Ruscoxt’scher Rinne,
von unten gesehen. (Nach OÖ. HERTWIG.)
Fig. 239. Aeltere Gastrula des Frosches
mit kreisförmiger RusconT’scher Rinne,
von unten gesehen. (Nach OÖ. HERTWIG.)
hin entwickelt sich die künftige Dorsalseite; die Concavität des Bogens
der Rinne ist ventralwärts gerichtet. Die obere Lippe der Rinne ist
die dorsale Blastoporuslippe.
Die Rinne ist trotz ihrer geringen Tiefe sehr deutlich erkennbar,
weil das Pigment sich an derselben scharf absetzt. Anfeinem Median-
schnitt Fig. 237 sieht man, daß an dieser Stelle ein Einstülpungsvorgang
sich eingeleitet hat und daß die Zellen der animalen Hälfte von der
Rinne her einwärtsgeschoben werden; daher wird bei der Bildung der
Rinne das Uebergangsgebiet der kleinen
pigmentirten und der großen pigmentlosen
Zellen in das Innere gezogen.
Fig. 240. Schema eines Medianschnittes
durch die Gastrula eines Batrachiers (die Con-
touren nach GoETTE’s Entwickelungsgeschichte
der Unke). Die Pfeile geben die Richtung der
Zellenbewegungen an. ie punktirte Linie be-
zeichnet die .seitliche Grenze des Gastralspaltes.
d große Dotterzellen, ep epitheliale Deckschicht
des Ektoderms, ec Ektoderm, fh Furchungshöhle,
q Mündung des Gastralspaltes (RuscoxT’sche
Rinne), r RusconT’sche Rinne (seitlicher Teil),
untere Schichte. Bei * Uebergang von den kleinen
nn des animalen Teiles zu den großen Dotter-
zellen.
1) Ich bilde diesen Namen im Anschluß an die übliche Bezeichnung RuscoNI-
scher After, welche ich nicht gebrauchen will. Man bezeichnet als RuscoxT’schen
After den Inhalt des Kreises, wenn sich die Ruscoxt’sche Rinne zum Kreise ge-
schlossen hat (Fig. 239). Der Ruscoxt’sche After entspricht also nicht dem After,
sondern dem Blastoporus.
en
|
Amphibien. 261
In welcher Weise diese Einstülpung vor sich geht, ist aus der
beistehenden schematischen Figur zu ersehen (Fig. 240). Der Einstül-
pungsvorgang kann in mechanischer Hinsicht daraus abgeleitet werden,
daß der animale Teil der Blastula, in welchem lebhafte Zellver-
mehrung stattfindet, das Bestreben hat sich auszubreiten; ander dor-
salen Blastoporuslippe werden die sich abwärts vor-
schiebenden Zellen nach innen und dann nach oben
gedrängt, so daß also ein wirklicher Umschlag der Zellen-
schichte, eine wirkliche Einstülpung derselben, stattfindet. Die
beiden Schichten, welche man im Gebiet der Gastrulation beobachtet,
kann man einstweilen als die obere und die untere Schichte
bezeichnen. Unter der unteren Schichte bildet sich die Gastral-
höhle; sie ist in der schematischen Figur nur durch eine Linie angedeutet;
in der That erscheint ihr Lumen erst spät (Fig. 241). Infolge dessen
kann man die an der dorsalen Blastoporuslippe stattfindende Um-
stülpung daraus erklären, daß die herabdringenden Zellen der oberen
Schichte an den Dotterzellen Widerstand finden und deshalb ihre
Bewegungsrichtung ändern müssen!).
Wie in der schematischen Figur angedeutet ist, sind die ventral
von der Ruscoxtschen Rinne befindlichen Zellen ebenfalls in einer
einwärtsgehenden Bewegung begriffen; in dem Maße, als an der
Dorsalseite die untere Schichte nach oben vorrückt, werden die am
Vorderende derselben mit ihr zusammenhängenden Dotterzellen nach
innen eingestülpt, und gleichzeitig folgt die ganze Masse der Dotter-
zellen, nach.
1) GOETTE hat in seiner Entwickelungsgeschichte der Unke (1874, p. 129—132)
zuerst den Versuch gemacht. die bei der Gastrulation der anuren Batrachier auf-
tretenden Zellverschiebungen in ihrem causalen Zusammenhang zu erfassen. GOETTE
nennt bei dem Blastulastadium den animalen Teil die „primäre Keimschicht“ ; die-
selbe ist bei der Blastula „so über die compacte Masse der Dotterzellen gestülpt,
daß sie den größeren Teil der Kugeloberfläche, jene Masse nur den kleineren unteren
Teil derselben herstellt“. „Die oberflächliche Lage der Zellen der primären Keim-
schicht schließt sich zu einem Epithel zusammen und bildet die Deckschicht, die
übrigen Zellen die Grundschicht.“ Das Centrum der letzteren wird nun allmählich
dünner, während ihre Randzone an Mächtigkeit zunimmt; es entsteht ein „Rand-
wulst‘“ der primären Keimschicht. An der unteren Grenze desselben tritt die
Ruscost'sche Furche auf; dieselbe beginnt halbkreisföürmig an der Dorsalseite und
schließt sich dann zu einem Kreise. Von der Furche aus dringt eine Spalte ins
Innere ein, indem sie an der Innenfläche des Randwulstes hingleitet und denselben
von der Masse der Dotterzellen trennt. „Aber nur an der Rückenseite des künftigen
Embryö setzt sie sich’ über den Bereich des Randwulstes hinaus aufwärts fort, in
dem übrigen Umfange macht sie nur den lippenförmigen Saum der Keimschicht
frei, welcher bei der darauffolgenden Ausdehnung der letzteren beständig gegen den
unteren Pol vorrückt; so wird der von diesem Saum eingeschlossene Teil der
Dotterzellenmasse (der Dotterpfropf) immer mehr zusammengeschnürt.“ — Diese
Vorgänge erklären sich in folgender Weise. Die Embryonalzellen sammeln sich offen-
bar deshalb in der Randzone der primären Keimschicht an, weil ihr Vorrücken in
eentrifugaler Richtung dort durch den Widerstand der Dotterzellenmasse eine Ver-
zögerung erfährt. Die wachsende Verdickung überwindet diesen Widerstand all-
mählich, indem sie die anstoßenden Dotterzellen aufwärts gegen die Keimhöhle
(Furchungshöhle) hin drängt. Die Dotterzellen bewegen sich also, wenn auch lang-
sam, gerade in entgegengesetzter Richtung wie die primäre Keimschicht; daher
erfolgt eine Sonderung, welche von der Ruscoxt’schen Rinne aus in die Tiefe vor-
dringt; „endlich ea auch der gestaute Strom der Zellen der primären Keim-
schicht für sich selbst einen leichteren Abfluß und findet ihn in derselben Richtung,
wohin schon die von ihm gedrängten Dotterzellen auswichen. Im Anschluß an die
letzteren bewegen sich also die im Randwulste am weitesten vorgerückten Embryonal-
zellen an der Innenseite der primären Keimschicht aufwärts“ und bilden die secun-
däre Keimschichte. „Dieser ganze Vorgang wird zuerst an der Rückenseite deut-
lich und setzt sich von hier aus mit verminderter Energie um das ganze Ei fort.“
262 8. Capitel.
Dabei rückt an der Ventralseite die Uebergangsstelle der kleinen
pigmentirten Zellen und der großen Dotterzellen tiefer herab und
nähert sich der dorsalen Blastoporuslippe; bei dieser Bewegung ist oflen-
bar als wirkende Kraft auch das schon oben erwähnte Ausdehnungs-
bestreben des animalen Teiles der Blastula in Betracht zuziehen. Die
eben genannte Uebergangsstelle ist in Fig. 240 und Fig. 12 d. Taf. durch
ein * bezeichnet. — Diese Stelle muß man als die ventrale Bla-
stoporuslippe ansehen. Man könnte vielleicht zunächst geneigt
sein, die von den Dotterzellen gebildete ventrale Lippe der spalt-
förmigen Gastrulahöhle als ventrale Blastoporuslippe zu bezeichnen
(Fig. 240 bei 9); aber wenn man die Entwickelung des Frosches mit der-
jenigen des Amphioxus vergleicht, so muß man die ganze Masse der
Dotterzellen dem Entoderm zurechnen; offenbar ist bei den Amphibien
die Gastrulahöhle während der Gastrulation infolge des großen Vo-
lumens der Dotterzellenmasse sehr verkleinert, und hat der ventrale
tand der Gastralhöhle gar keine morphologische Wichtigkeit; daher
ist es richtiger, die oben genannte Stelle bei * als ventrale Blasto-
poruslippe zu bezeichnen. Man möge beachten, daß an dieser Stelle
in den ersten Stadien der Gastrulation eine Einstülpung oder ein Um-
schlag nicht stattfindet. Da die Einstülpung der animalen Schichte
anfangs nur an der Dorsalseite stattfindet, so erklärt es sich, daß die
tinne, welche das äußere Zeichen dieser Einstülpung ist, anfangs nur
die Form eines Hufeisens oder Kreisbogens und nicht die Form eines
Kreises hat (Fig. 238). >
Nachdem wir nun an der Gastrula auf Grund der stattfindenden
Bewegungsvorgänge die dorsale und die ventrale Blastoporuslippe be-
stimmt haben, werden wir natürlich weiterhin die äußere Zellschichte
der Gastrula als Ektoderm bezeichnen; das Ektoderm ist aus dem
animalen Teil der Blastula hervorgegangen; jedoch entspricht es dem-
selben insofern nicht vollständig, als der animale Teil durch die an
der dorsalen Blastoporuslippe stattfindende Einstülpung auch bei der
3ildung der unteren Schichte beteiligt ist; das Ektoderm besteht aus
kleinen pigmentirten Zellen, und man kann in demselben die vorhin
erwähnte einschichtige Zellenlage die Deekschicht und die darunter
folgende mehrschichtige Zellenlage die Grundschiceht unterscheiden.
— Zum Entoderm der Gastrula gehört sowohl die ganze Masse
der Dotterzellen als auch die an der Dorsalseite der Gastrulahöhle
befindliche untere Schichte (Fig. 240 und 241). In der letzteren be-
ginnt jedoch zu dieser Zeit schon eine Differenzirung einzutreten, in-
dem sich eine einfache Zellenlage als den Gastralraum begrenzendes
Epithel (Entoderm im engeren Sinne, Enteroderm) von den darüber
liegenden Zellen sondert und die letzteren Chorda und Mesoderm
bilden: darauf werden wir später zurückkommen (p. 273 u. £.).
Die untere Schichte schließt sich seitlich unter allmählichem
Uebergang an die Masse der Dotterzellen an (Fig. 254). An ihrem
Vorderende geht sie in einen Wulst von Dotterzellen über, welchen
sie bei ihrem Vordringen vor sich her schiebt; dieser hängt mit der
übrigen Masse der Dotterzellen zusammen und bildet den vorderen
Abschluß der Gastralhöhle. — Indem weiterhin die untere Schichte
nach vorn vorrückt, und die Gastralhöhle sich erweitert, wird die
Furchungshöhle verkleinert und schließlich vollständig verdrängt
(Fig. 241 und 245); die an der Vorderwand der Gastralhöhle befind-
lichen Dotterzellen fügen sich der übrigen Masse der Dotterzellen an.
a
en
Amphibien. 265
Wir haben also späterhin in dem Embryo nur noch eine einzige Höhle,
die Gastralhöhle oder Darmhöhle.
Die zwischen der dorsalen und der ventralen Blastoporuslippe
befindliche Masse von Dotterzellen nennt man den Dotterpfropf;
es wurde schon oben gesagt, daß die ventrale und die dorsale Blasto-
poruslippe gegen einander rücken; dabei wird natürlich der Dotter-
pfropf immer kleiner. Die Ruscont'sche Rinne, welche früher nur
einen Teil eines Kreises bildete, schließt sich zu einem vollständigen
Kreise; es erscheint also auch die ventrale Blastoporuslippe auf dem
Medianschnitt durch eine Furche von dem Dotterpfropf abgegrenzt
(Fig. 241). Macht man in diesem Stadium einen Frontalschnitt,
welcher durch die Seitenteile des Ruscont’schen Kreises hindurch-
geht, so sieht man, daß die
Umstülpung der äußeren
Schichte und die Entstehung
der unteren Schichte sich nicht
auf die Dorsalseite des Em-
bryos beschränken, sondern
auch an den Seitenteilen der
Fig. 241. Medianschnitt einer
Gastrula des Frosches im Stadium
des kreisförmigen Blastoporus. (Nach
OÖ. HERTwIG.) Man sieht rechts
den Gastralspalt, welcher sich zur
Gastralhöhle zu erweitern beginnt.
d dorsale Blastoporuslippe und dor-
saler Teil der Gastraleinstülpung, v
ventrale Blastoporuslippe und ven-
traler Gastralspalt, m Mesoderm des
Urmundrandes, ec Ektoderm, fh
Furchungshöhle. Vergr. 20mal.
Ruscont’schen Rinne sich vorfinden (vergl. Fig. 258); es schreiten also
diese Vorgänge am Blastoporusrande nach der Ventralseite hin vor. Auch
eine Fortsetzung des Gastrulaspaltes ist zu sehen, welche allmählich den
Dotterpfropf umgreift; sie dringt aber nur bis zu geringer Tiefe ein !).
Während der Dotterpfropf sich verkleinert, geht die Fortsetzung des
Gastralspaltes und die Bildung der unteren Schichte bis zur Ventral-
seite weiter, so daß man auf dem Medianschnitt auch an der ventralen
Blastoporuslippe ein ähnliches Bild erhält, wie an der lateralen.
Man sieht die Umstülpung an Fig. 241 bei v.
Das Loch, welches von dem Dotterpfropf ausgefüllt ist, hat wäh-
rend seiner allmählichen Verkleinerung eine runde Contour; wenn der
Dotterpfropf aber auf eine geringe Größe redueirt ist, nimmt es eine
ovale Form an. Indem die beiden Seitenlippen des Blastoporus sich
nähern und der Dotterpfropf versinkt, entsteht eine längliche Spalte,
welche an ihrem Vorderende und an ihrem Hinterende etwas erweitert
erscheint; die vordere Erweiterung, in welche die Medullarrinne ein-
1) Soweit die Gastralhöhle in die seitlichen Teile des Blastoporusrandes sich
fortsetzt, kann sie als periphere oder peristomale Gastralhöhle bezeichnet werden ;
ich bin der Ansicht, daß dieser Teil der Gastralhöhle der peripheren Gastralhöhle
der Selachier entspricht, insbesondere dem Hohlraum unter den Schwanzlappen der
Selachier (vergl. p. 117 u. £.).
264 8. Capitel.
mündet, bildet nach dem Schlusse des Medullarrohres den Canalis
neurenterieus; die hintere Erweiterung entspricht dem Anus (Fig. 242
B u. ©). Die beiden seitlichen Ränder des Blastoporus, welche zwischen
der Anlage des Canalis neurenterieus und des Anus median zusammen-
treffen, verschmelzen so mit einander, daß eine einheitliche mediane
Zellmasse entsteht, an deren Oberfläche noch eine Zeit lang eine
Furche die erfolgte Verschmelzung andeutet. Diese Zellmasse, in
B
Fig. 242 A—E. Embryonen von Rana fusca in verschiedenen Stadien des
Blastoporusschlusses von hinten gesehen. (Nach Modellen von FRIEDRICH ZIEGLER.)
A Stadium mit kleingewordenem runden Dotterpfropf, B Stadium des spaltförmigen
Blastoporus, C Erhebung der Medullarwülste, D Verschluß des Medullarrohres, E
Stadium mit geschlossenem Medullarrohr und hervortretendem Schwanz. Zugehörige
Vorderansichten siehe Fig. 259—261 auf p. 280.
welcher, da sie aus den Blastoporusrändern entstanden ist, Ektoderm,
Mesoderm und Entoderm verschmolzen sind, kann man den Pri-
mitivstreifen nennen, die mediane Rinne die Primitivrinne®).
Es wird im letzten Capitel erörtert werden, daß diese Gebilde den
gleichnamigen Teilen des Amnioten-Embryo homolog sind. — Zieht
man die Selachier zum Vergleich bei, so erinnert die Zusammen-
legung der seitlichen Blastoporuslippen an die Vereinigung der beiden
Schwanzlappen der Selachier (vergl. p. 127 u. f.).
Bei der Verschmelzung der Blastoporuslippen wird auch der
After verschlossen, jedoch so, daß nur Ektoderm und Entoderm an
dieser Stelle vorhanden sind; daher bleibt eine von außen her ein-
sinkende Vertiefung erhalten, die Aftergrube (Fig. 244). — Von
dem Canalis neurentericus wird in dem Abschnitt über die Bildung
des Medullarrohres wieder die Rede sein (p. 281).
Der Blastoporusschluß der anuren Amphibien — welcher für die
Vergleichung mit anderen Entwickelungstypen von großer Wichtigkeit
ist — wurde von vielen Autoren beschrieben (Ruscoxı, Van BAMBERE,
GoETTE, Gasser, OÖ. Hertrwis, Barpwın SPENCER, ScHANnZz, DURHAM,
SıpErBoTHam, R. v. ErLanger, MorGan, Fr. ZiEeGLER, Ropınson and
AssuEeTox u. A.). Ich habe mich hauptsächlich an die Darstellungen
1) Ich halte es für durchaus unpassend, den Namen Primitivstreifen für irgend
eine Bildung zu verwenden, welche vor dem Canalis neurentericus liegt. Der Name
ist zuerst bei den Amnioten gebraucht worden und bezeichnet dort eine Bildung,
welche zwischen Canalis neurentericus und After lieg. Da nach meiner Ansicht
der Canalis neurentericus und der After bei allen Wirbeitieren homolog sind, so
kann der Primitivstreifen bei allen Wirbeltieren nur an dieser Stelle gesucht werden.
Beim Frosch bildet unzweifelhaft der dorsale Rand des Blastoporus den vorderen
Rand des Canalis neurentericus, und kann es keinen Primitivstreifen vor demselben
geben; und wenn (was ich nicht glaube) vor der dorsalen Blastoporuslippe noch
weiter nach vorn hin eine primitivstreifenähnliche Verschmelzung der Keimblätter
existiren würde, so müßte man sie mit irgend einem neuen Namen bezeichnen.
Amphibien. 265
von Scuaxnz, R. v. ErtanGer, GoEeTTE, Rosınsoxn and Assueroxn und
Frieprıcn ZıesLer angeschlossen. Ich will aber hier die speciellen
Beschreibungen einiger Autoren noch genauer anführen.
Nach Scuanz (1887) finden die in Rede stehenden Vorgänge in
folgender Weise statt. „Der Urmund ist ursprünglich anzusehen als
ein Ring von undifferenzirten Zellen, der nach innen vorspringt und
oben in die Keimblätter übergeht. Die Rückenwülste, welche sich stark
von dem Ektoderm erheben, gehen zu beiden Seiten in die undifferen-
zirten Zellen des Ringes über, der die Oeffnung des Urmundes umgiebt.
Durch das stärkere Wachstum der Rückenwülste werden auch die seit-
lichen Partien dieses Ringes, die ich als seitliche Urmundslippen be-
zeichnet habe, beeinflußt, sie werden nach innen gedrängt, so daß aus
der runden Oeffnung eine bisquitähnliche wird, und dadurch, daß sich
Fig. 243. Medianschnitt durch einen Embryo von Triton nach Beendigung der
Gastrulation. Der esrere hat sich in Canalis neurentericus und A terdarm
geteilt. (Nach ScHanz, 1897.) o obere Blastoporuslippe, » untere Blastoporuslippe,
S Zellwulst, entstanden durch die Vereinigung der seitlichen Blastoporusränder, en
Canalis neurentericus, « Anus.
Fig. 244. Medianschnitt durch einen Embryo des Frosches in demselben Sta-
dium. (Nach Schaxz, 1897.) Bezeichnungen wie oben. 5 Verschluß des Blasto-
porus an der Aftergrube. Das Stadium liegt zwischen Fig. 242B und C.
beim weiteren Wachstum die seitlichen Lippen berühren, entstehen zwei
Oeffnungen. Dies ist der Proceß beim Triton. Beim Frosch ändert
sich nur die Richtung, in der die Rückenwülste ihren Einfluß auf die
Urmundslippen ausüben, infolge der Rückenkrümmung werden sie mehr
nach hinten zu gedrängt. Die seitlichen Urmundslippen legen sich
nicht nur an einander, sondern sie werden auch in der Tiefe mit der
hinteren Urmundslippe zusammengedrängt.“ Daher ist beim Frosch
nur eine einzige ÖOeffnung vorhanden, nämlich. der vor der Ver-
schmelzungsstelle gelegene Kanal (Canalis neurentericus), und am Hinter-
ende der Verschmelzung findet sich keine Oeffnung, sondern nur eine
Grube, welche später nach dem Enddarm durchbricht und aus welcher
so der After entsteht; der letztere liegt also an der ursprünglichen
ventralen Blastoporuslippe.
266 8. Capitel.
GorrTTE vertritt die Ansicht, daß die seitlichen Ränder des Blasto-
porus unter Bildung einer medianen Naht sich vereinigen und so den
Primitivstreifen erzeugen; die Primitivrinne ist der äußere Ausdruck der
Vereinigung. Der vor dem Primitivstreifen befindliche Rest des Blasto-
porus ist der Canalis neurentericus, der hinter demselben gelegene Rest
der Anus. GoFrTTE beschreibt in seiner Arbeit über Petromyzon (1890) den
Schluß des Blastoporus bei Bombinator igneus in folgender Weise: Kurz vor
dem Schluß des Rückenmarkrohres läuft das spaltförmig enge Hinterende
der Medullarfurche über die Oberlippe des Prostoma in dieses hinein —
offener rinnenförmiger Canalis neurentericus. Dann schließt sich das
Prostoma durch eine mediane Naht seiner Außenlippen von der neuren-
renterischen Rinne bis zum unteren Ende, wo eine kleine, vorübergehend
fest zusammengezogene Oeffnung übrig bleibt — der künftige After.
Die Innenlippen schließen sich nun ganz oben und klaffen abwärts;
zwischen ihnen und der Außennaht befindet sich der kanalartig enge,
unten weite und mit dem Afterdarm breit communicirende Schwanz-
darm. Durch eine Fortsetzung der Prostomanaht über die auf der
Oberfläche verlaufende Medullarfurche wird der Canalis neurentericus
vollends hergestellt; daran schließt sich die Vollendung des angrenzenden
Medullarrohres. Mit dem hervorwachsenden Schwanzende wird der
Schwanzdarm längs der Chorda immer länger und dünner ausgezogen,
das Darmblatt der unteren Darmhälfte in die Hinterwand des After-
darms verwandelt. Die Prostomanaht erstreckt sich also vom After bis
zur Schwanzspitze. Bei Rana temporaria und Bufo einereus sind die
Verhältnisse im Wesentlichen die gleichen. Doch ist der neurenterische
Canal lange nicht so weit und regelmäßig wie bei der Unke und ins-
besondere die Schwanzdarmanlage in querer Richtung oft merklich ver-
engt. Die Afteröffnung des Prostoma ist in gleich alten Embryonen
bald weit offen, bald in der Tiefe eines grübchenförmigen Eingangs
ebenso zusammengezogen, wie es von Bombinator beschrieben wurde.
Schließlich will ich noch die Beobachtungen erwähnen, welche mein
Bruder gemeinsam mit mir am lebenden Embryo gemacht hat
(Frieprıcn ZıeGLer 1892). „Wenn der Dotterpfropf so klein geworden
ist, wie man ihn an Fig. 242 A sieht, so geht er allmählich aus der runden
Form in eine ovale, langgestreckte Form über. Wenn er sich dann in
das Innere zurückzieht, so bleibt nicht eine kreisförmige, sondern eine
spaltförmige Oeffnung zurück; das obere Ende des Spaltes bezeichnet
die Stelle des Canalis neurentericus, das untere bezeichnet die Stelle
des Afters. Der Dotterpfropf tritt zurück, während die beiden seitlichen
Blastoporusränder lippenartig sich einander nähern. Der allerletzte
kleine Rest des Dotterpfropfes verschwindet manchmal an der Stelle
des Canalis neurentericus; es giebt aber insofern individuelle Unter-
schiede, als man bei vielen Eiern desselben Laiches den letzten Rest
in der Mitte des Spaltes sieht; in selteneren Fällen kann an der
Stelle des Afters noch lange Zeit ein kleiner Teil des Dotterpfropfes
verharren, welcher vermutlich von dem übrigen Dotterpfropf abgeklemmt
wurde. Der Spalt ist häufig nicht so weit, wie er in Fig. 242B erscheint,
sondern etwas enger und durchweg von gleicher Breite; er kann ganz
gerade sein, so wie ihn O. Hrrrwıc (1883) abgebildet hat, oder er
zeigt eine schwache S-förmige Biegung. Etwas später sieht man an
Stelle des Spaltes eine Rinne, welche vorn in den Canalis neurentericus,
hinten in die Aftergrube übergeht (Fig. 242 C u. D); es sind nämlich jetzt
|
Amphibien. 967
die seitlichen Blastoporuslippen median zur Vereinigung gekommen),
Die Entwickelungszeit vom Stadium A bis zum Stadium C betrug etwa
4 Stunden.
Urodela.
Die wichtigsten Schriften sind diejenigen von ScorTr and OsBOoRN (1579),
O. HERTwIG (1882), BELLONCI (1884), E. OÖ. JORDAN (1893), EYCLESHYMER (1895).
Um auch die Gastrulation eines urodelen Amphibiums zu be-
handeln, berichte ich über die Gastrulation eines Wassermolches
(Triton alpestris). Die Gastrula der Molche ist in mancher Hinsicht
von derjenigen der Frösche verschieden und hat die größte Aehnlich-
keit mit derjenigen der Dipnoer (insbesondere Ceratodus); sie er-
innert auch an die Gastrula der Petromyzonten.
Die Entstehung der Blastula und der Beginn der Gastrulation
verlaufen bei Triton so ähnlich wie bei Rana, daß es überflüssig ist,
diese Vorgänge hier ausführlich zu beschreiben. — Das Blastula-
stadium von Triton wurde schon früher erwähnt und abgebildet (p. 22).
— Das erste äußerliche Zeichen der stattfindenden Gastrulation ist bei
Triton wie bei Rana das Erscheinen einer halbkreisförmigen Rinne
(Rusconrt'sche Rinne). Auf Schnitten durch dieses Stadium überzeugt
man sich, daß die Bildung der unteren Schichte, die Entstehung der
Gastralhöhle, die relative Einwärtsbewegung der Masse der Dotter-
zellen und das Vorrücken der ventralen Blastoporuslippe ebenso ge-
schehen wie beim Frosch. Das Ektoderm besteht aus 2—3, die untere
Schichte aus 3—4 Zelllagen. Die Blätter sind demnach weniger zellen-
reich als beim Frosch.
Der Bogen der Ruscont’schen Rinne verengt sich und schließt
sich dann zu einem Kreise; die innerhalb der Rinne gelegenen Dotter-
zellen bilden den Dotterpfropf (Fig. 245d). In diesem Stadium ist die
Furehungshöhle verdrängt und die Gastralhöhle weit ausgedehnt. Das
Ektoderm hat sich auf eine ein-
fache Lage von Zellen verdünnt,
welche ein Cylinderepithel bilden ;
am Blastoporusrande bleibt das-
selbe mehrschichtig und geht in
die untere Schichte über; diese
ist am Blastoporusrande eben-
Fig. 245. Längsschnitt durch die
Gastrula des Wassermolches (Triton).
(Nach OÖ. HERTWwIG.) ak Ektoderm,
ik Entoderm, d Dotterpfropf, d! dorsale
Blastoporuslippe, dz Dotterzellen, mx
Mesoderm an der ventralen Blastoporus-
lippe, «d Urdarm, »/ ventrale Blasto-
poruslippe.
1) Bei der Beobachtung des Oberflächenbildes am lebenden Embryo ist Folgen-
des zu beachten. Die Embryonen nehmen in der Eihaut eine solche Lage ein, daß
der Rücken nach oben steht (p. 270); daher kann man bei vertical stehendem Tubus
des Mikroskops den Schluß des Blastoporus nicht gut beobachten. Es empfiehlt
sich, den Tubus zur horizontalen Stellung umzulegen, den Schlitten, der die Blen-
dung trägt, zu entfernen und den Laich in ein dünnwandiges, etwa 2,5 cm weites
Glasrohr gefüllt, unmittelbar hinter das Loch des Objecttisches zu bringen. Die
Embryonen müssen durch direktes Sonnenlicht oder Lampenlicht mittels einer
Beleuchtungslinse erhellt werden.
268 8. Capitel.
falls mehrschichtig, aber in der Decke der Gastralhöhle erscheint sie
auf dem Medianschnitt einschichtig, da der mediane Teil derselben,
welcher die Chordaanlage bildet, nur aus einem einschichtigen Cylinder-
epithel besteht.
Ehe der Dotterpfropf in das Innere des Eies eingezogen wird,
nimmt der Blastoporus eine ovale Gestalt an, indem er mehr in
querer Richtung als in der Längsrichtung sich zusammenzieht. Beim
Verschwinden des Dotterpfropfes rücken die beiden seitlichen Blasto-
poruslippen gegen einander, und der Blastoporus erhält die Form eines
Längsspaltes, wie Fig. 246B zeigt!). Fig. 258 auf p. 279 stellt einen
Querschnitt durch den Spalt dar.
Die beiden seitlichen Lippen des Spaltes vereinigen sich; am
vorderen Ende des Spaltes besteht zunächst noch eine Oeffnung,
welche dem Canalis neurenterieus des Frosches entspricht?); am
hinteren Ende des Spaltes bleibt ebenfalls eine Oeffnung, und aus
dieser geht der Anus hervor. Die vordere Oeffnung schließt sich
bald, so daß die Anlage des Canalis neurentericus verschwindet, ehe
A A A
Fig. 246. Fig. 247. Fig. 248.
Fig. 246 A u. B, 247A u. B und 248A u. B. 3 Embryonen eines Molches
(Triton alpestris) zur Zeit der Erhebung der Medullarwülste. Jedes Stadium ist so-
wohl von vorn als auch von hinten gezeichnet. Das Stadium der Fig. 246A u. B
zeigt die beginnende Erhebung der Medullarwülste und den spaltförmig gewordenen
Blastoporus (vergl. die Querschnitte Fig. 256, 257 u.258). Bei Fig. 247A u. B sind die
Medullarwülste in ganzer Länge entwickelt. Bei Fig. 248 beginnt die Vereinigung
der Medullarwülste. Die Stelle des Afters ist durch ein beigesetztes Sternchen be-
zeichnet.
1) Bei continuirlicher Beobachtung und Messung am lebenden Embryo habe
ich gesehen, daß die Länge dieses Spaltes etwa halb so groß war als der Durch-
messer des Blastoporus, wenn sich die RuscoxT’sche Rinne zum Kreise schloss.
2) Der Canalis neurentericus ist bei Triton von SCHANZ beobachtet worden
(Fig. 243), bei Diemyctylus viridescens von JORDAN, bei Amblystoma von MORGAN
und von EYCLESHYMER. Alle diese Autoren stimmen darin überein, daß das Lumen
des Kanales bald verschwindet.
Amphibien. 269
die Bildung des Medullarrohres das Hinterende des Embryo erreicht
hat. Es bleibt also von dem Blastoporusspalt, der sich vorn schließt,
nur das hinterste Ende bestehen, und dieses bildet den After.
Diejenige Strecke, welche zwischen der Stelle des Canalis neur-
entericus und dem After liegt, kann als Primitivstreifen be-
zeichnet werden. Die Medullarwülste, welche zuerst im Kopfteil
auftreten und allmählich nach hinten wachsen, erstrecken sich auch
auf das Gebiet des Primitivstreifens, so daß zeitweilig das Bild ein
derartiges ist, wie wenn der After am Ende des Medullarrohres läge
(Fig. 247). Die Medullarwülste treffen im Bereich des Primitivstreifens
median zusammen, wie Fig. 248 zeigt!). Die Medullaranlage stellt
in dieser Gegend kein hohles Rohr dar, sondern ist eine kielförmige
Zellenmasse (ähnlich wie bei den Teleosteern und bei Lepidosteus),
welche vor dem Anus mit der undifferenzirten Zellenmasse verschmilzt,
die aus der Vereinigung der seitlichen Blastoporuslippen entstanden ist.
Diese undifferenzirte Zellmasse wölbt sich nach außen hervor; es entsteht
also vor dem Anus ein knopfartiger Wulst, der Schwanzwulst ?2). Da
kein Canalis neurentericus mehr besteht und da der After sich zu
einer deutlichen Oeffnung erweitert, werden die Verhältnisse ganz
ähnlich denjenigen von Petromyzon, wie sie in Fig. 57 auf p. 82 dar-
gestellt sind °).
Der Embryo ist stark über den Dotter gekrümmt, so daß das
Kopfende nicht weit von dem Schwanzende sich befindet; das Aus-
sehen ist ganz ähnlich, wie es Fig. 209 von Ceratodus und Fig. 219
von Lepidosiren darstellt. Es erhebt sich vor dem Anus der oben
erwähnte knopfartige Wulst, welcher allmählich zum Schwanz aus-
wächst).
1) Die von mir beobachteten Bilder zeigen eine große Aehnlichkeit mit den
von SEMON veröffentlichten Abbildungen von Ceratodus. Man vergleiche Fig. 246
mit Fig. 204, Fig. 248 mit Fig. 205 und 206 auf p. 222.
2) Wie früher an der Blastoporuslippe, so hängen auch jetzt in diesem Schwanz-
knopfe alle Keimblätter zusammen. „Auf Querschnitten zeigt sich, daß beim Ueber-
gange von den deutlich gesonderten dorsalen Anlagen in jene knopfartige End-
anschwellung nicht nur das Medullarrohr, die Chorda und das Darmblatt mit einander,
sondern auch mit den beiden Mesodermplatten in der ganzen Höhe verschmelzen“
(GOETTE, 1890).
3) In dem Längsschnitt Fig. 57 auf p. 82 erkennt man, daß die Gastralhöhle
durch den After sich nach außen öffnet und daß über dem After die undifferenzirte
Zellmasse des Primitivstreifens sich befindet; die Stelle des theoretisch anzu-
nehmenden soliden Canalis neurentericus ist bezeichnet. Das Lumen des Medullar-
rohres verschwindet, wenn man sich von vorn her der Stelle des Canalis neur-
entericus nähert.
4) Da kein offener Canalis neurentericus vorhanden ist, giebt es auch
keinen mit Lumen versehenen Schwanzdarm; darin er eine Abkürzung der
Entwickelung gegenüber den Vorgängen bei Rana, da im letzteren Falle Schwanz-
darm und Canalis neurentericus erst offen angelegt werden und später sich schließen
und verschwinden. Jedoch sind im Uebrigen die Vorgänge bei der Bildung des
Schwanzes durchaus die gleichen wie beim Frosch; der Primitivstreifen kommt an
die Ventralseite des Schwanzes zu liegen; indem der Schwanz sich verlängert, bildet
sich aus der Masse des Primitivstreifens ein solider Schwanzdarm, und bleibt ein
Rest des Primitivstreifens noch lange an der Schwanzspitze bestehen ; daher sieht
man, wenn man in einer Schnittserie durch den auswachsenden Schwanz nach
hinten geht, die Chorda und die Mesodermstreifen mit dem soliden Schwanzdarme
zusammenfließen und den so entstandenen Rest des Primitivstreifens an der Schwanz-
spitze (an der Stelle des soliden Canalis neurentericus) mit dem Medullarrohr ver-
schmelzen (JOHNSON and SHELDON 1886, ScHANXZz 1397).
270 S. Capitel.
Beobachtungen und Experimente,
die Gastrulation beim Frosche betreffend.
Die Experimente, welche mit Frocheiern angestellt wurden, können
in zwei Gruppen geteilt werden, erstens solche, bei welchen der Versuch
schon vor der Furchung oder während der Furchung beginnt, und
zweitens diejenigen, welche sich nur auf die Gastrulation oder auf
spätere Stadien beziehen. Die Experimente ersterer Art wurden schon
in einem früheren Abschnitt besprochen (p. 249 u. f.). Ich will jetzt hier
noch in Kürze einige Versuche erwähnen, welche die Gastrulation be-
treffen.
Um in Bezug auf die relativen Verschiebungen der embryonalen
Teile nieht in Irrtümer zu verfallen, muß man beachten, daß der Embryo
während der Gastrulation Drehungen ausführt, welche durch Ver-
schiebungen des Schwerpunktes veranlaßt sind. Pruüscer, Roux, ©.
SchuLtze und andere Autoren haben diese Bewegungen verfolgt. KorscH
(1900) hat dieselben mittelst photographischer Aufnahmen beobachtet
und in folgender Weise beschrieben.
Fig. 249 ist ein Sagittalschnitt durch das Achtzellenstadium, die punk-
tirte Linie bezeichnet die Grenze des hellen Feldes. Wie schon früher dar-
gelegt wurde (p. 260), beginnt die Gastrulation an derjenigen Stelle, wo
der Rand des hellen Feldes am höchsten steht. Man sieht den Beginn
der Gastrulation in Fig. 250 (entsprechend der Fig. 237 auf p. 259). Die
Schraffirrung ist nur dazu bestimmt, daß man die entsprechenden Teile
in den verschiedenen Figuren wiedererkennt; sie betrifft diejenigen Teile,
welche im 8-zelligen Stadium den beiden auf der Gastrulationsseite ge-
legenen unteren Blastomeren entsprechen (vergl. Fig. 249 und 251)
Fig. 250.
. Fig. 249—253. Darstellung der Drehung des Froscheies während der Gastru-
lation. (Nach KopscH 1900.) ie Pfeile geben die verticale Richtung an.
|
|
VE
Amphibien. 271
Während des Fortgangs der Gastrulation schiebt sich die dorsale Blasto-
poruslippe abwärts vor, und wird die Masse der vegetativen Zellen in
des Innere der Gastrula eingestülpt (Fig. 240 und 241). Durch diese
Verschiebung der relativ schweren dotterhaltigen Zellen ändert sich die
Lage des Schwerpunktes der Gastrula; es findet folglich eine Drehung
des ganzen Embryo statt, wobei die dorsale Blastoporuslippe nach auf-
wärts rückt und der Rücken des Embryo nach oben zu liegen kommt
(Fig. 252). Der Blastoporus, welcher früher unten lag, liegt nun an der
Hinterseite des Embryo (Fig. 253).
Es geht aus dem Gesagten hervor, daß zwischen der Eiachse der
Furchung und der Achse des entstehenden Embryo keine ganz einfache
Beziehung besteht; der animale Pol des Eies bezeichnet weder das
Vorderende des Embryo noch die Rückenmitte desselben. Somit dürfte
auch die Streitfrage wegfallen, ob die vegetative Hälfte des Eies der
Dorsalseite oder der Ventralseite des Embryo entspreche.
Zur experimentellen Bestimmung der relativen Verschie-
bungen der Schichten während der Gastrulation kann man sich folgender
Methode bedienen. Man bringt an der Oberfläche der Blastula kleine
Verletzungen an und verfolgt die Lageverschiebungen, welche die ver-
letzten Stellen während der Gastrulation erfahren. In dieser Weise
experimentirten Roux, OÖ. SCHULTZE, EycLEsuYMErR, H. V. Wırsox u. A.
Die Deutungen, welche die Autoren ihren Beobachtungen gegeben haben,
stimmen unter einander wenig überein, doch scheint mir Folgendes mit
Sicherheit aus den Versuchen hervorzugehen.
Bringt man eine Strecke über der dorsalen Blastoporuslippe durch
Verletzung eine Marke an, so bleibt während der Gastrulation ihre Ent-
fernung von der dorsalen Blastoporuslippe unverändert (O. SCHULTZE
1889), oder wenn die Marke nahe an der dorsalen Blastoporuslippe war,
verschiebt sie sich nach dem Rande derselben (EycLesuyMmEr 1898);
letzteres ist offenbar die Folge der Einstülpung, welche an dem dorsalen
Blastoporusrande stattfindet !).
Bringt man durch Verletzung eine Marke unter dem dorsalen Blasto-
porusrande an, etwa an dem vegetativen Pole der Blastula, so verschiebt
sich dieselbe während der Gastrulation in der Richtung gegen die
dorsale Blastoporuslippe. Diese Thatsache ist als die Folge der Ver-
schiebung der Dotterzellen aufzufassen, deren ganze Masse unter dem
dorsalen Blastoporusrande einwärts gedreht wird (Fig. 240).
Manche Forscher (Roux, O0. Hrrrwie, T. H. Mora u. A.) sind
der Ansicht, daß die Bildung des Embryo bei den Amphibien durch
Concrescenz erfolge?); nach dieser Auffassung findet während der
Gastrulation eine mediane Verschmelzung der Blastoporusränder statt;
in diesem Sinne schreibt O. Herrwıc (1892): „In der Rückenrinne des
Embryo erblicke ich die Nahtlinie, in welcher bald nach dem Beginne
der Gastrulation die Urmundränder sich in einer von vorn nach hinten
1) Die kleine Verletzung, welche als Marke dient, kann in verschiedener Weise
angebracht werden; entweder durch Anstechen mit einer Nadel (Roux), oder durch
Ritzen mit einer Nadel, oder durch Aetzung mittelst eines mit einer Säure gefüllten
Capillarröhrchens (OÖ. SCHULTZE).
2) Von der Concrescenztheorie in ihrer Anwendung auf Selachier und Teleosteer
ist schon früher die Rede gewesen (p. 130 u. 1S4).
272 8. Capitel.
langsam fortschreitenden Richtung in der Medianebene zusammengelegt
haben und verschmolzen sind.“
Die Conerescenzlehre wird bei den Amphibien auf die Beobachtung
von Mißbildungen gestützt, insbesondere auf die Embryonen mit ge-
spaltenem Hinterende oder gespaltenem Rücken, welche Roux, O. Herr-
wıG u. A. experimentell erzeugt haben, eine Anormalität, welche man
gewöhnlieh als Spina bifida oder nach Rovx als Asyntaxia oder
Diastasis medullaris bezeichnet. Man kann solche Embryonen
dadurch erhalten, daß man die Eier in Salzlösungen sich entwickeln läßt,
wie schon früher angegeben (p. 255), oder daß man mit überreifen Eiern
(einige Wochen nach der Fortpflanzungszeit) die Befruchtung vornimmt).
Es wird dann die Masse der Dotterzellen nicht umwachsen, und die
Ruscoxi’sche Rinne umgreift das Ei nicht so nahe am vegetativen Pol,
sondern nahe an dem Aequator. Medullaranlage und Chorda bilden
sich dann hälftig geteilt längs der Ruscont’schen Rinne aus, so daß
die Masse der Dotterzellen in der Mitte der Medullaranlage liegt und
dieselbe in die zwei Hälften trennt.
Aus solchen Mißbildungen wird der Schluß gezogen, daß auch bei
normaler Entwickelung das Material für das Medullarrohr längs der
Ruscontschen Rinne gelagert sei und daß der Embryo durch Concre-
scenz entstehe.
Ich kann hier auf eine genauere Beschreibung der experimentell
erzeugten Mißbildungen nicht eingehen. Aber ich darf vielleicht doch
meine persönliche Ansicht aussprechen, nach welcher diese Mißbildungen
kein bindender Beweis für das Bestehen eines Concrescenzvorganges
sind. Da man bei der normalen Entwickelung des Frosches keine Spur
eines Concrescenzvorganges beobachtet, auch die einheitliche Anlage der
Chorda direct dagegen spricht, daß der Embryo durch Verwachsung
zweier Hälften sich bilde, so haben mich die erwähnten Mißbildungen
von dem Bestehen einer Concerescenz in der normalen Entwickelung nicht
überzeugen können. Es scheint mir möglich, diese Mißbildungen in
anderer Weise zu erklären.
Schon Gurwıtsc# (1896) hat eine andere Deutung versucht: „Fassen
wir die Zweiteilung der Axialorgane als auf einem secundären Berstungs-
vorgang beruhend und nicht als eine Hemmungsbildung auf, so fällt
auch damit die Annahme, daß die Dorsalplatte mit den Axialorganen
normaler Weise aus zwei bilateralsymmetrischen Hälften zusammen-
gelötet ist.“
Ich halte die Spina bifida für eine monströse Bildung, aus welcher
man das normale Geschehen nicht erkennen kann. Der Dotterpfropf
ist übermäßig groß, der mediane Zusammenschluß der Mesodermstreifen
erfolgt an der ventralen Blastoporuslippe, also hinter dem Dotterpfropf,
und dort wird auch die Schwanzanlage gebildet?). Der große Dotter-
pfropf sitzt also gewissermaßen an der Stelle des Canalis neurentericus
und sprengt von da die Medullarplatte und die Chorda auseinander.
1) ©. HERTWIG verwandte außerdem folgendes Verfahren. Er nahm den mit
Eiern gefüllten Uterus eines reifen Weibchens aus dem Körper des getöteten Weib-
chens heraus, bewahrte ihn auf 2—4 Tage in einer feuchten Kammer auf und nahm
dann erst die Befruchtung vor. Ein Teil der entstehenden Embryonen zeigt dann
die Spina bifida. — Auch bei erhöhter Temperatur hat O. HEerTwıG Embryonen
mit Spina bifida erhalten (vergl. p. 256).
2) Ich schließe dies aus den Abbildungen und aus den Beschreibungen der
Autoren. So schreibt O. Heerwıs (1892): „Die beiden Enden des Keimrings
bilden sich an der Afterrinne zu den Schwanzknospen aus, die über die Afterrinne
hinauswachsen.“
Amphibien. 275
Nach dieser Auffassung beruht die Spina bifida nicht auf einem
Getrenntbleiben seitlicher Hälften, sondern auf einer Spaltung der
medianen Teile.
Wenn man bei der normalen Gastrula eines Frosches oder eines
Molches einen Querschnitt macht, so zeigt weder die Medullarplatte
noch die Chorda irgend ein Anzeichen medianer Verwachsung. Ich bin
daher der Ansicht, daß in der normalen Entwickelung keine Concrescenz
längs des Rückens stattfindet, und daß nur zur Zeit des Blastoporus-
schlusses, wie früher erwähnt, eine mediane Vereinigung der beiden seit-
lichen Blastoporuslippen erfolgt (p. 264), Nur in Bezug auf diese relativ
kurze Strecke kann also von einer Nahtbildung gesprochen werden.
Mesoderm, Chorda und Enteroderm.
A. Anuren.
Die Bildung des Mesoderms und der Chorda verläuft beim Frosch
in etwas anderer Weise als bei den Molchen. Ich werde zuerst die
Vorgänge beim Frosch (Rana temporaria) besprechen, nachher die-
jenigen bei den Molchen (Triton).
Schon in dem Abschnitt über die Gastrula des Frosches wurde
gezeigt, wie durch Einstülpung die untere Schichte entsteht, welche
die Decke der Gastralhöhle bildet. In der unteren Schichte sind
dreierlei Anlagen enthalten, welche schon während der Gastrulation
sich zu trennen beginnen, nämlich 1) das Mesoderm, 2) die Chorda
und 3) das dorsale Epithel des Darmes, welches ich (wie bei anderen
Wirbeltieren) als Enteroderm bezeichnen will. Das letztere ist ein
einschichtiges Epithel, welches allmählich von den darüberliegenden
Teilen der unteren Schichte sich abgrenzt. Diese darüberliegenden
Teile bilden median die Anlage der Chorda, seitlich die Mesoderm-
streifen; jedoch gehen die Mesodermstreifen nur zum Teil aus der
unteren Schichte hervor, der ventrale Teil der Mesodermstreifen wird
erst später von der Masse der Dotterzellen abgespalten. — Es müssen
nun alle diese Vorgänge in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge genauer
betrachtet werden.
Zuerst grenzt sich das Enteroderm an den seitlichen Teilen der
dorsalen Wand des Urdarms von dem darüberliegenden Mesoderm ab,
wie Fig. 254 zeigt. Es ist zu beachten, daß median im Bereich der
Chordaanlage und neben derselben das Enteroderm noch nicht abge-
trennt ist?).
1) Im Bereich der Chordaanlage sind die untersten Zellen der unteren Schichte
durch starken Pigmentgehalt ausgezeichnet; demzufolge sind später die untersten
Zellen der Chorda und die unter der Chorda gelegenen Zellen des entodermalen
Epithels sehr stark pigmentiri. — Bei dieser Gelegenheit möchte ich über das
Pigment des Embryo Fol endes bemerken. Das in den Zellen des Embryo vorhan-
dene Pigment kann zweierlei Ursprung haben; schon beim Beginn der Furchung
war an der Oberfläche des animalen Teiles der Eizelle eine dünne Pigmentschicht
vorhanden, und dieses Pigment kam natürlich bei der Furchung in die Zellen des
animalen Teiles, also in das Ektoderm und die durch Bar Btulpung entstandene
untere Schicht zu liegen. Man könnte demnach glauben, daß an dem Pigment-
ehalt stets diejenigen der Zellen zu erkennen wären, welche von der anımalen
Schichte stammen. ‚Jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass bei den Amphibienembryonen
während der Keimblattbildung Pigment neu entstehen kann (vergl. die Anm. p. 278),
und daß es in solchen Zellen gebildet wird, welche einen intensiven Lebensproceß
(energische Atmung, Stoffwechsel, Teilung etc.) haben. Es würde demnach das
Vorhandensein des Pigmentes bei den Amphibienembryonen auf dieselben physio-
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 18
274 8. Capitel.
Dann folgt die Scheidung zwischen der Chorda und dem seitlich
an dasselbe anstoßenden Mesoderm, wie Fig. 255 zeigt.
Die Trennung
des Enteroderms
von der Chorda und
dem Mesoderm voll-
zieht sich beim
Frosch in dem vor-
deren Teile des
Körpers in ein-
facherer Weise als
weiter hinten, wo-
bei zu beachten ist,
daß diese Sonde-
rungsprocesse in
der Richtung von
vorn nach hinten
fortschreiten. Im
vorderen Teile des
Körpers trennt sich
das _Darmepithel
von der Unterfläche
der Chorda wie von
(der Unterfläche .der
Mesodermstreifen
m durch einfache Ab-
Fig. 254. Querschnitt durch eine Gastrula von Rana spaltung
fusca, zur Zeit, wenn der Blastoporus noch ein weiter (SCHWINK); aber
Kreis ist (vergl. Fig. 241). Die Trennung zwischen dm im hinteren Teile
Mesoderm und dem Enteroderm wird erkennbar. (Nach eg’ Körpers findet
SCHWINK.) ch Chordaanlage, ec Ektoderm, en Enteroderm, E i
m Mesoderm, g Gastralhöhle. ein etwas compli-
cirterer Vorgang
statt, welcher aus
Fig. 255 zu ersehen ist. Man bemerkt in der Mitte die Chorda, welche noch
nicht von dem Enteroderm getrennt ist, und findet neben der Chorda
eine Rinne, an welcher das Enteroderm mit dem Mesoderm zusammen-
hängt. Wie bei den Selachiern, bei welchen an entsprechender Stelle
eine ähnliche Rinne beschrieben wurde (p. 117), bezeichne ich diese
Rinne als Mesodermbildungsrinne. Nach der Lage und dem
Aussehen der an die Rinne anstoßenden Zellen kann man schließen,
daß der Mesodermstreifen von dieser Stelle aus Zuwachs erhält !).
ch ec
logischen Verhältnisse der Zellen hindeuten, welche man bei Amphioxus aus dem
Verschwinden der Dotterplättchen zu erkennen pflegt. Eine Neubildung von Pig-
ment während der Keimblattentwickelung wird von SCHWINK bej Rana und Triton,
von HoussAYy bei Siredon angenommen.
1) SCHWINK schreibt: „Seitlich von der Chorda findet sich eine bemerkens-
werte und charakteristische Stelle, welche einen Defeet im Entoblast aufweist, in
welchen Zellen des Mesoblast sich einschieben, so daß hier eine innige Verbindung
zwischen den beiden Keimblättern existirt; hier sind die Zellen schräg zu einander
gestellt, gegenüber den umgebenden Zellen auffallend stark pigmentirt, und viele
Peg Teilungserscheinungen; diese Bilder lassen sich befriedigend nur dahin deuten,
daß Zellen aus dem geschlossenen Verband des Entoblast heraustreten, um zur
weiteren Bildung des Mesoblast beizutragen. Die Stelle ist durch eine Grube oder,
auf die räumliche Ausdehnung bezogen, durch eine Rinne markirt, welche an allen
Präparaten deutlich vorhanden ist, wogegen ein Spalt, der etwa von der Grube aus
in den Mesoblast sich verfolgen ließe, also ein Cölomspalt, nirgends mit Sicherheit
zu constatiren war.“
ur
“*
N BEUTE WEN ER
Amphibien. 275
Bei successive älteren Stadien verschwindet die Mesodermbildungs-
rinne von vorn her in dem Maße, als das Mesoderm sich von dem
Enteroderm abtrennt. Darauf sondert sich das Enteroderm auch
median an der Unterfläche der Chordaanlage von der Chorda ab. Zur
Zeit, wenn der Dotterpfropf klein geworden ist, besteht die Mesoderm-
mr nam ec
m
ch mb en
Fig. 255. Querschnitt durch einen Embryo von Rana fusca zur Zeit, wenn
die Medullarwülste sich erheben. Der Schnitt liegt in der hinteren Hälfte des
Embryo. (Nach SCHWINKk.) ch Chordaanlage, ec Ektoderm, en Enteroderm (Darm-
epithel), m Mesoderm, mb Mesodermbildungsrinne, mr Medullarrinne, m Medullar-
wülste, » untere Zellenlage des Ektoderms. Vergr. SOmal.
bildungsrinne nur noch in nächster Nähe des Blastoporus und setzt
sich nach hinten in die Seitenränder des Blastoporus fort. Am Um-
kreis des Blastoporus gehen alle Keimblätter in einander über, da der
ganze Blastoporusrand den Charakter eines Umschlagsrandes hat.
Aus der bisherigen Darstellung ist ersichtlich, wie das Mesoderm
an der Dorsalseite der Gastralhöhle von der Chorda und von dem
Darmepithel sich sondert; es bleibt noch zu beachten, wie die Bildung
der Mesodermstreifen dadurch sich vollendet, daß das Mesoderm von
der Masse der Dotterzellen sich ablöst. — Der Spalt, welcher die
Mesodermstreifen von dem entodermalen Epithel schied (Fig. 254),
setzt sich immer weiter ventralwärts fort; dies erfolgt von vorn nach
hinten, so daß das Mesoderm zuerst im Kopfteil und dann im Rumpfe
von der Masse der Dotterzellen abgetrennt wird. Im Kopfe und
vorderen Rumpfteil geschieht dies in der Weise, daß die Mesoderm-
streifen nach vorn hin und ventralwärts mit freiem Rande enden; sie
reichen ventral bis in die Nähe der Medianebene. Von den freien
Rändern der Mesodermstreifen lösen sich einzelne Zellen los, und ein
aus solchen locker liegenden Zellen bestehendes Mesenchym füllt
allmählich die am Kopfe zwischen der Wand des Urdarmes, dem
Medullarrohr und dem Ektoderm bestehenden Lückenräume aus. Im
Rumpfteil grenzt sich das Mesoderm in solcher Weise von der Masse
der Dotterzellen ab, daß die beiden Mesodermstreifen ventral ver-
bunden sind (Fig. 269) '). Am After aber sind die Mesodermstreifen
1) Es beruht auf cenogenetischer Abänderung, daß bei den anuren Amphibien
die Mesodermstreifen anfangs an dem lateralen Rande nicht frei endigen, sondern
in die Masse der Dotterzellen übergehen (Fig. 254); damit hängt weiterhin eine
Abkürzung des Entwickelungsmodus in der Weise zusammen, dal die Mesoderm-
18*
276 8. Capitel.
median unterbrochen, um die Verbindung zwischen Ektoderm und
Entoderm zu gestatten (Fig. 263).
Die Entstehung der Chorda und des Mesoderms bei den anuren
Amphibien hat zu vielen Discussionen Veranlassung gegeben. Die oben
gegebene Darstellung der Vorgänge ist vorzugsweise auf die Arbeit von
Schwisk (1889) gegründet. Von den früheren Autoren sind die Unter-
suchungen von GoETTE und von O. HerrwıG hervorzuheben.
GoETTE beschreibt in seiner Entwickelungsgeschichte der Unke (1875)
und in späteren Schriften die Differenzirung der unteren Schichte in
folgender Weise. Zuerst grenzt sich das einschichtige dorsale Darm-
epithel gegen die darüberliegende mehrschichtige Zellenlage ab. GoETTE
bezeichnet die letztere als mittleres Keimblatt oder Mesoderm. In diesem
sondert sich ein medianer Teil (der Achsenstrang) als Anlage der Chorda
von den anstoßenden seitlichen Teilen, den Segmentplatten des Mesoderms
ab; Segmentplatten werden diejenigen Teile des Mesoderms genannt,
welche späterhin in Ursegmente zerlegt werden; die lateralwärts folgenden
Teile des Mesoderms sind die Seitenplatten. Zur Zeit, wenn der Dotter-
pfropf verschwindet, sind diese Sonderungen im Rumpfe vollzogen, aber
hinten in der Nähe der Ruscoxt'schen Oeffnung sind sie noch nicht er-
folgt, und im vordersten Kopfteil fließen die Segmentplatten und die
Chorda noch zu einer einfachen Zellenlage zusammen, welche am Rande
des Kopfteiles gleich den übrigen Segmentplatten in die Seitenplatten
übergeht.
O0. Herrwıc (1883) suchte nachzuweisen, daß die Entwickelung der
Keimblätter beim Frosch ganz ähnlich erfolge, wie er sie bei Triton
gefunden hatte (vergl. p. 278); das Mesoderm entstehe während der
Gastrulation durch einen Faltungsproceß des Entoderms nach dem
Schema, welches der Vorgang bei Amphioxus zeigt. Es giebt daher
nach HerrwıG niemals eine undifferenzirte untere Schichte; Chorda und
Mesoderm entstehen gleichzeitig mit der Gastrulation, und was GoETTE
die untere Schichte nannte, das kann man nach HrrrwıG von Anfang an
in folgende Teile zerlegen: 1) einen median-dorsal den Urdarm be-
grenzenden, aus 3—4 Lagen pigmentirter Zellen bestehenden Streifen,
den Chordaentoblast; 2) die seitlich von dem Chordaentoblast den Ur-
darm dorsalwärts begrenzende, aus relativ großen Zellen bestehende ein-
schiehtige Epithelschicht, welche ventralwärts in die Masse der Dotter-
zellen sich fortsetzt und mit dieser zusammengenommen den Darm-
entoblast darstellt; 3) die 3—4 Lagen pigmentirter Zellen, welche sich
in unmittelbarem Anschluß an den Chordaentoblast seitlich von ihm
ausbreiten und sich zwischen Entoblast und Darmentoblast trennend
einschieben, den Mesoblast; dabei ist zu bemerken, daß der Mesoblast
sich über den Bereich des Urdarmes hinaus beiderseits eine Strecke
ventralwärts ausdehnt und zwischen den Ektoblast und die Masse der
Dotterzellen dazwischenschiebt, von der letzteren allmählich undeut-
licher sich absetzend. In der Umgebung des Blastoporus besteht ein
Zusammenhang aller Keimblätter. Die Entstehung des Mesoderms wird
in der Weise aufgefaßt, daß das Entoderm während der Gastrulation an
der Dorsalseite der Gastrula jederseits eine geschlossene Falte bildet,
streifen schon bei ihrer Ablösung von der Dotterzellenmasse an der Ventralseite in ein-
ander übergehen, während sie nach der primitiveren Entwickelungsweise mit ihrem
freien RE medianwärts vordringen und verschmelzen, nachdem sie zusammen-
getroffen sind.
Amphibien. 277
welche sich dann vom Darmepithel abschnürt. Die oben erwälnte
Mesodermbildungsrinne (Fig. 255) bezeichnet die Stelle der Einfaltung.
— „Wenn wir uns die aus der inneren Wand des Doppelbechers
(d. h. der Gastrula) als 2 Anhänge hervorwachsenden Mesoblastmassen
in 2 Blätter gespalten denken, wie dies ja auf späteren Entwickelungs-
stufen mit dem Sichtbarwerden der Leibeshöhle geschieht, dann finden
wir, daß die Einstülpung bei der Gastrulation eine complieirtere als bei
wirbellosen Tieren ist; denn es entsteht durch sie alsbald ein drei-
teiliger Raum: ein weiterer Mittelraum, der später zum Darm wird, und
zwei engere Nebenräume, die vom Mesoderm gebildeten Cölomsäcke; alle
drei Räume öffnen sich am Blastoporus nach außen.“
B. Urodelen.
Unter den Urodelen muß die Entwickelung der Chorda und des
Mesoderms bei den Molchen (Triton) besprochen werden, da hier die
Vorgänge nicht ganz in derselben Weise wie bei den Fröschen ver-
laufen. Die Gastrula der Molche wurde schon früher betrachtet
(p. 267), und es zeigte sich, daß die Keimblätter keine so große
Zellenzahl aufweisen wie beim Frosch. Insbesondere stellt das Chorda-
entoderm am Ende der Gastrulation ein einschichtiges Epithel dar
(Fig. 245), und infolge dessen wird der Chordastrang durch Faltung
gebildet, während er beim Frosch durch einfache Abspaltung vom
Enteroderm gesondert wird. Ferner besteht das Mesoderm zu dieser
Zeit größtenteils aus zwei einschichtigen Blättern, und können die
Mesodermstreifen als Divertikel der Leibeshöhle gedacht werden, eine
Auffassung, über deren theoretische Bedeutung schon früher gesprochen
wurde (p. 26 und 59). 0. HERTwIG, welcher (wie schon oben er-
wähnt, p. 276) diese Auffassung vertritt, gab über die Mesoderm- und
Chordabildung bei Triton einen eingehenden Bericht (1882): ich folge
hier seiner Darstellung und derjenigen von SCHWINK (1889).
Zu der Zeit, wenn nur noch ein kleiner Dotterpfropf sichtbar ist
(Fig. 245), stellt die über der Gastralhöhle befindliche eingestülpte
Schichte (untere Schichte) nicht mehr eine undifferenzirte mehrschichtige
Zellenlage dar, sondern die Zellen haben sich jetzt in folgender Weise
angeordnet (vergl. Fig. 257). Man unterscheidet einen medianen durch die
sanze Länge des Embryo ziehenden Streifen von hohem Cylinder-
epithel, die einschichtige und zu dieser Zeit noch nicht gefaltete Chorda-
anlage. Seitlich von der Chordaanlage findet man mehrere ein-
schichtige Zellenlagen. Die unterste ist als Darmepithel oder Entero-
derm zu bezeichnen; sie geht lateralwärts in die Dotterzellenmasse
über und ist dazu bestimmt, den dorsalen Teil des Epithels des Darm-
kanals zu bilden, während aus der Masse der Dotterzellen der ventrale
Teil des Darmepithels hervorgeht. Zwischen dem Enteroderm und dem
Ektoderm liegen zwei einschichtige Zellenlagen, die beiden Blätter
des Mesoderms; dieselben gehen an ihrem lateralen Rande in einander
über und laufen mit einem freien Rande aus, ohne mit der Masse der
Dotterzellen in Verbindung zu treten!). — Längs des Seitenrandes
1) Darin liegt ein wichtiger Unterschied der Entwickelung von Triton gegen
diejenige von Rana, denn bei Rana geht das Mesoderm lateralwärts in die Dotter-
masse über und trennt sich dann allmählich erst von den Dotterzellen ab; daher
sind bei Rana die beiden Mesodermstreifen, wenn sie sich lateral und ventral von
der Dottermasse sondern, median unter der Masse der Dotterzellen continuirlich zu-
sammenhängend, während sie bei Triton erst allmählich bis an die Ventralseite der
Masse der Dotterzellen vordringen und dann dort verschmelzen.
278 S. Capitel.
der Chordaanlage stehen die beiden Blätter des Mesoderms mit dem
Chordaentoderm und mit dem Darmepithel (Enteroderm) in Verbindung,
in der Weise, daß das erstere in das obere Blatt des Mesoderms, das
letztere in das untere Blatt desselben übergeht (vergl. Fig. 257).
Infolge dessen ist an
den Seiten der Chorda-
anlage auf dem Quer-
schnitt eine kleine Ein-
kerbung zu sehen (wie
in Fig. 257), und diese
entspricht einer im
Embryo längs des
Randes der Chorda-
anlage hinlaufenden
Rinne, der schon öfters
bildungsrinne.
Fig. 256 u. 257. Quer-
schnitte durch einen Em-
bryo des Weassermolches
(Triton taeniatus) zur Zeit
der Bildung der Medullar-
wülste, entsprechend Fig.
246. Fig. 256 geht durc
den vorderen Teil des
Rückens, Fig. 257 durch
den hinteren Teil. (Nach
OÖ. HERTWIG.) ec Ekto-
derm, ch Chordaanlage, en
Entoderm, np Medullar-
platte, mf Medullarwülste,
mk Mesoderm, Ih Leibes-
höhle.
In der Nähe der dorsalen Blastoporuslippe wird die Chordaanlage
mehrschichtig, und auch das Mesoderm besteht nicht mehr aus zwei
Epithellagen, sondern stellt eine compacte Zellenmasse dar, welche
mehrere Zellschichten in der Dicke enthält. Jedoch persistirt die
Mesodermbildungsrinne und setzt sich bis in die seitlichen Blasto-
poruslippen fort (Fig. 258). — Die Mesodermbildungsrinne kann so aus-
geprägt sein und so tief in den Mesoblast eindringen, daß der zwischen
den beiden Mesodermblättern befindliche Spaltraum in continuirlichem
Anschluß an die Rinne steht und folglich als eine Fortsetzung des
Darmlumens erscheint!). Dieser Befund dient zur Stütze der Theorie
1) Bei der großen Wichtigkeit, welche der Mesodermbildungsrinne zukommt,
will ich auch die bezügliche Beschreibung von SCHwINK (1889) anführen :
„Wie der Spaltraum im Mesoblast zu Anfang nicht sehr deutlich ist, so ist
auch ein vom Urdarm gegen den Mesoblast gerichteter Cölomspalt nicht immer
mit aller Sicherheit nachzuweisen, oft aber doch umzweifelhaft vorhanden und be-
sonders dann, wenn zwischen Chordaentoblast und Darmentoblast eine Art von
Defeet, eine Lücke sich findet, in die sich der Mesoblast einschiebt. In solchen
Fällen ist dann das Umbiegen des Darmentoblast in den visceralen Mesoblast und
der allmähliche Uebergang des Chordaentoblast in den parietalen Mesoblast ganz
besonders deutlich ausgesprochen “
„Die Mesoblastzellen, welche nächst der Ausgangsstelle des Mesoblast sich
befinden, sind meist durch eine Pigmentanhäufung ausgezeichnet, die sich besonders
auf das gegen den Cölomspalt gerichtete, resp. jenes Ende beschränkt, welches
der Defectstelle zwischen Chorda- und Darmentoblast zugekehrt ist; durch diese
erwähnten Mesoderm-
Amphibien. 279
von OÖ. HErTwiıG, nach welcher die Mesodermstreifen als Divertikel
des Urdarms aufzufassen sind.
Gleichzeitig mit den eben genannten Vorgängen bildet die Chorda-
anlage median eine aufsteigende Falte, deren Entstehung von vorn
nach hinten fortschreitet; sie ist der Chordafalte des Amphioxus sehr
ähnlich (vergl. p. 60). Die Chordafalte umschließt eine ventralwärts
geöffnete Rinne, die Chordarinne. Indem sich dann die beiden Blätter
der Chordafalte median zusammenlegen entsteht der Chordastrang.
Zur Zeit des Blastoporusschlusses ist im vorderen Teile des Embryo
schon der Chordastrang gebildet (Fig. 256), während man im hinteren
Teile noch die Chordafalte sieht (Fig. 257).
Während der Bildung des Chordastranges verschwindet die Meso-
dermbildungsrinne, und schiebt sich das Enteroderm von den Seiten
her medianwärts vor, um den Darm dorsal abzuschließen (Fig. 256).
Soweit dies geschehen ist, besteht keine Verbindung mehr zwischen
dem Mesoderm und dem Enteroderm.
Aber am Hinterende des Embryo erhält sich längere Zeit der-
selbe Zusammenhang der Keimblätter, welcher früher weiter vorn be-
stand; man bemerkt die Mesoderm-
bildungsrinne und die Verbindung bl
des Mesoderms mit dem Entero-
derm (Fig. 257). — Die Mesoderm-
bildungsrinne setzt sich auch in
den Bereich der zusammenstoßenden
seitlichen Blastoporusränder fort
und wird hier zu einer großen
[0777]
dp
um
ek
dz
Fig. 258. Querschnitt durch den spalt-
förmigen Blastoporus eines Embryo von
Triton im Stadium der Fig. 246. (Nach
OÖ. HERTWwIG.) dh Darmhöhle, dp Dotter-
er (welcher sich soeben zurückgezogen
at), dz große Dotterzellen, e* Ektoderm,
en Entoderm, om oberes Blatt des Meso-
derms, «m unteres Blatt des Mesoderms.
- en
Spalte (Eig. 258); im Bereich des Blastoporus ist das Mesoderm
mehrschichtig und -setzt sich über der Spalte in den Umschlagsrand
der Blastoporuslippe fort, während es unter der Spalte mit der Masse
der Dotterzellen zusammenhängt (Fig. 258).
In einem etwas späteren Stadium, wenn die Medullarwülste sich
stärker erhoben haben und die seitlichen Blastoporusränder ver-
schmelzen, verschwindet die Mesodermbildungsrinne auch im hinter-
Pigmentirung ist mitunter der Cölomspalt eine große Strecke weit markirt.“ „Es
erscheint wichtig, darauf hinzuweisen, daß das Pigment keineswegs ein ausschlag-
ebendes Characteristicum irgend welcher Zellen ist; man findet überall, wo ein leb-
aftes Zellenleben anzunehmen ist, auch eine bedeutende Ansammlung von Pigment
in den Zellen; meist ist da, wo ein Spaltraum auftritt, derselbe schon vor seinem
Erscheinen durch die Pigmentirung der betreffenden Zellen zu erkennen (dies zeigt
sich auch bei der Bildung des Gastrulaspaltes).“
„Es nimmt die stärkere Pigmentirung der Zellen an der oben erwähnten Stelle
(an der Mesodermbildungsrinne) mithin nicht wunder, denn eine lebhafte Zellen-
thätigkeit muß an der Bildungsstätte des Mesoblast vorhanden sein. Daß letzterer
von der besprochenen Stelle aus wirklich gebildet wird, bezeugen endlich die gerade
hier äußert häufig anzutreffenden Karyokinesen.“
280 8. Capitel.
sten Teile des Embryo und im Bereich der Blastoporuslippen. Mit
den verschmolzenen Blastoporuslippen bildet das anstoßende Mesoderm
eine einheitliche Zellmasse, in welcher die Mesodermstreifen enden,
und mit welcher auch das solide Ende der Medullaranlage zusammen-
fließt. Diese Zellmasse stellt den früher schon genannten Primitiv-
streifen dar, welcher zur Bildung der Schwanzanlage verwandt wird
(vergl. p. 269).
Schließlich will ich noch kurz meine eigene Auffassung der
Mesodermbildung bei den Amphibien aussprechen. — Es beruht auf
einer zeitlichen Verschiebung (Heterochronie), daß das Mesoderm
schon während der Gastrulation gebildet wird statt nach derselben ;
man kann dabei eine verfrühte Anlage des Mesoderms oder eine ver-
zögerte Durchführung der Gastrulation annehmen. Da ich als die
ursprüngliche Bildungsweise des Mesoderms der Wirbeltiere die
Herauswucherung am Blastoporusrande betrachte (p. 27), sehe ich
ferner eine örtliche Verschiebung (Heterotopie) darin, daß die Heraus-
wucherung längs der ganzen Gastralhöhle sich ausdehnte, so daß die
Mesodermstreifen nicht längs des Rückens vorwachsen, sondern
größtenteils längs des Rückens entstehen. Auch Abänderungen der
Bildungsweise sind eingetreten. Bei den Fröschen erhält sich die
Herauswucherung im hinteren Teile des Körpers, geht aber im übrigen
Teile des Körpers in eine Abspaltung über. Bei den Tritonen zeigt
sich die Herauswucherung in der ganzen Länge der Mesodermstreifen,
nimmt aber zum Teil den Charakter einer Ausstülpung an). Die
Mesodermbildungsrinne ist nach meiner Ansicht daraus zu erklären,
daß oft an dem Orte einer Herauswucherung eine Rinne auftritt. Ich
leite die Leibeshöhle der Wirbeltiere phylogenetisch nicht von der
Darmhöhle ab.
Medullarplatte und Medullarrohr
beiden anuren Amphibien.
Während der Gastrulation verdickt sich das Ektoderm an der
Dorsalseite des Embryo und bildet die Medullarplatte. Zu der
Zeit, wenn der Dotterpfropf klein wird, entsteht eine mediane Rinne
auf derselben, die Medullarrinne, deren Bildung an der dorsalen
Blastoporuslippe beginnt und nach vorn vorschreitet. Gleichzeitig
srenzt sich die Medullarplatte nach den Seiten und nach vorn hin
deutlicher gegen das anstoßende Ektoderm ab; der vordere Teil der
Fig. 259. Fig. 260. Fig. 261. Fig. 259—261. Embryonen des
Frosches (Rana fusca) von vorn gesehen.
! (Nach Modellen von FRIEDR. ZIEGLER.)
+ Fig. 259 zeigt die Erhebung der
Medullarwülste und das Einsinken der
Medullarrinne. Vergl. die hintere An-
sicht Fig. 242B.
Fig. 260 zeigt das Zusammenrücken
der Medullarwülste und die Vertiefung
der Medullarrinne. Vergl. die hintere Ansicht Fig. 242C. s
Bei Fig. 26] ist das Medullarrohr geschlossen. Man sieht unter dem Gehirn-
teil des Medullarrohrs die Mundbucht und die Sauggruben, wie sich beim Vergleich
mit Fig. 266 ergiebt.
1) Die genetische Beziehung zwischen Herauswucheruug (Proliferation), Ab-
spaltung und Ausstülpung ist schon früher besprochen worden (p. 32).
Amphibien. 281
Medullarplatte ist viel breiter als der übrige Teil und kann als Gehirn-
teil bezeichnet werden; an diesem vorderen Teile beginnt die Bildung
der Medullarwülste (Fig. 259) und schreitet nach hinten hin fort;
zur Zeit, wenn der Dotterpfropf verschwindet, ist die Erhebung der
Medullarwülste bis zum Hinterende der Medullarplatte vorgeschritten.
Auf Querschnitten sieht man, daß der Medullarwulst dadurch entsteht,
Fig. 262. Querschnitt durch den Rumpf eines Embryo der Unke (Bombinator
igneus) zur Zeit der Erhebung der Medullarwülste. (Nach GOETTE.) as äußerer,
is innerer Teil der Ursegmente, 5 Medullarplatte, e Enteroderm (Darmepithel), g
Chorda, ! Medullarwülste, % innere Zellschicht des Ektoderms, r Medullarrinne, s
Seitenplatten.
daß die dicke Medullarplatte sich an ihrem Rande auffaltet, und daß
der Rand mit dem anstoßenden Ektoderm sich mehr und mehr erhebt
(Fig. 262). Die Medullarwülste biegen sich medianwärts zusammen,
und indem sie sich median vereinigen, kommt das Medullarrohr zum
Verschluß; dies geschieht zuerst am Anfang des Rumpfteiles des
Embryo, und schreitet der Prozeß nach vorn und nach hinten fort).
Von besonderem Interesse sind die Vorgänge am Hinterende
des Embryo, welche die Bildung des Schwanzes herbeiführen. Man
erinnere sich, daß zu der Zeit, als der Dotterpfropf sich zurückzog,
durch mediane Vereinigung der seitlichen Ränder des Blastoporus
der Primitivstreifen entstand (p. 264). Die Oeffnung, welche als Rest
ch hh
Fig. 263. Medianschnitt
eines Froschembryo nach dem
Schluß des Blastoporus. (Nach cn AA
T. H. Mor6an.) a After- RERAHSSANITTUTTN
grube, ch Chorda, en Canalis
neurentericus, Ah Hinterhirn,
hy ektodermale Hypophysen-
anlage, mA Mittelhirn, ph Kie-
mendarm (Pharyngealhöhle),
»h Vorderhirn. Das Ektoderm
ist schwarz dargestellt.
1) Vergl. die Bilder von Triton, Fig. 247 und 248.
282 S. Capitel.
des Blastoporus am Vorderende des Primitivstreifens bestehen bleibt,
ist die erste Anlage des Canalis neurentericus (Fig. 242).
Auf dem Primitivstreifen befindet sich eine mediane Rinne, die
Primitivrinne, welche nach unten in die Aftergrube übergeht (Fig. 242 0).
Die Medullarwülste enden am Primitivstreifen; wenn die Erhebung
der Medullarwülste und der Schluß des Medullarrohres bis zum
Primitivstreifen vorgeschritten sind, setzt sich das Medullarrohr in
den Canalis neurentericus fort und steht durch dieses mit dem Darm-
rohr in Verbindung (Fig. 263). Zu dieser Zeit verschwindet die
Primitivrinne (Fig. 242E), und der Primitivstreifen kommt an die
Ventralseite der hervortretenden Schwanzspitze zu liegen (Fig. 263).
Das Hervortreten des Schwanzes beruht auf folgenden Vorgängen.
Schon zur Zeit der Erhebung der Medullarwülste ist das Hinterende
der Medullarplatte ventralwärts umgebogen (Fig. 244). Während des
Schlusses des Medullarrohres wird die Biegung noch deutlicher, und
die Umbiegungsstelle bezeichnet die hervor-
tretende Schwanzspitze. Bei der Bildung des
Schwanzes streckt sich das Hinterende der Chorda
Fig. 264. Embryo von Rana fusca nach dem Schluß
des Medullarrohres. Seitenansicht zu Fig. 265. Am Kopf
erscheinen die Kiemenspalten. Der Schwanz beginnt hervor-
zutreten.
gerade oder etwas aufwärts, während es bisher abwärts gerichtet war
(vergl. Fig. 265 u. Fig. 263). Der aufwärts gehende Teil des Canalis
neurentericus, welcher vom Darm zur Spitze der Chorda geht (Fig. 265),
stellt den Schwanzdarm oder postanalen Darm dar.
Während der Bildung des Schwanzes haben sich die Mesoderm-
streifen im Bereiche des Rumpfes in Ursegmente zerlegt; das Hinter-
ende der Mesodermstreifen aber ist unsegmentirt. In dem Primitiv-
streifen, welcher an der Ventralseite des Schwanzdarmes liegt (Fig. 265).
ch hh Fig. 265. Medianschnitt
eines Froschembryo im
Stadium der Fig. 264.
> (Nach A. M. men
TUT a After, ch Chorda, cn
NN. zu lm L Canalis "neurentericus, hh
ERLZETTERE ‘ Hinterhirn, hy ektodermale
Hypophysenanlage,
! Leberanlage, mh Mittel-
; hirn, pn Zirbel, ph Kıemen-
‘ darm (Pharyngealhöhle),
vh Vorderhirn. Das Ek-
toderm ist schwarz dar-
gestellt.
sind die Mesodermstreifen von beiden Seiten mit einander und mit dem
Entoderm des Schwanzdarmes verschmolzen. Sehr lange erhält sich
am Hinterende der Mesodermstreifen diese undifferenzirte Zellmasse;
sie ist der Sitz reger Zellvermehrung, und von ihr geht die Ver-
längerung der Mesodermstreifen aus, während der Schwanz an Länge
zunimmt und die Bildung der Ursegmente in den Mesodermstreifen
nach hinten fortschreitet.
Amphibien. 283
Indem die Schwanzanlage zu einem Ruderschwanz auswächst.
wird die am Hinterende der Mesodermstreifen gelegene Zellmasse ver-
braucht. Zu gleicher Zeit verschwindet der Canalis neurenterieus und
obliterirt der Schwanzdarm, indem er von der Schwanzwurzel nach
der Schwanzspitze hin sich verschließt. Der Schwanzdarm stellt dann
einen dünnen Zellstrang dar, welcher bald ganz verschwindet.
Es muß noch bemerkt werden, daß ein offener Canalis neur-
enterieus unter den Amphibien nur bei den Anuren vorkommt); bei
den Urodelen ist das Hinterende des Medullarrohres solid, und wird
also der Canalis neurentericus nicht ausgebildet (p. 269). — Die Bildungs-
weise des Canalis neurentericus ist von theoretischer Bedeutung, da
sie sowohl an die entsprechenden Vorgänge bei Amphioxus erinnert,
als auch mit den Verhältnissen bei Selachiern Aehnlichkeit hat. Ein
entsprechender offener Canalis neurentericus findet sich auch unter
den Ganoiden bei Acipenser. Der Canalis neurentericus der höheren
Wirbeltiere (Amnioten) ist zwar demjenigen des Frosches homolog, aber
entsteht meist in etwas abgeändeter Weise (s. das letzte Capitel dieses
Buches).
An die. Darstellung der Bildung des Medullarrohres kann man
die Entwickelungsgeschichte des ganzen Nervensystem sanschließen.
Wir wollen zuerst die Bildung des Gehirns betrachten, dann die
Spinalganglien und Spinalnerven, dann die Sinnesorgane.
Da die Medullarplatte von Anfang an im Kopfteil des Embryo
bedeutend breiter war als im Rumpfteil, ist das Medullarrohr in
seinem vorderen Teile besonders groß und besitzt hier eine weite
Höhlung. Dieser Gehirnteil des Medullarrohres gliedert sich in das
Vorderhirn, das Mittelhirn und das Hinterhirn (Fig. 263). — Das Gehirn
ist am vorderen Ende der Chorda nach abwärts umgebogen ; daher
ist das Vorderhirn abwärts gerichtet, das Mittelhirn liegt an der
Hirnbeuge, und das Hinterhirn liegt horizontal in der Richtung des
Rückens.
Aus dem Hinterhirn gehen das verlängerte Mark und das Klein-
hirn hervor. Die obere.Wand des Hinterhirns beginnt früh an Dicke
abzunehmen, und der breite Hohlraum des Hinterhirns stellt den
4. Ventrikel dar. Eine kleine Leiste, welche den 4. Ventrikel, nach
vorn begrenzt, bildet das Kleinhirn, welches beim Frosch keine
erhebliche Größe erreicht. Das Mittelhirn wird an seiner dorsalen
Wand median durch eine flache Furche in zwei Teile getrennt, aus
welchen die beiden großen, halbkugelig vorspringenden Mittelhirn-
hälften des erwachsenen Frosches entstehen. — Aus dem ursprüng-
lichen Vorderhirn gehen die beiden Hemisphären des Großhirns und das
Zwischenhirn hervor. Von der oberen Wand des Zwischenhirns wächst
die Zirbel (Glandula pinealis) hervor (Fig. 268). Der Boden des Zwischen-
hirns bildet unmittelbar vor dem Vorderende der Chorda eine trichter-
förmige Ausstülpung nach unten, das Infundibulum. Die Höhle des
1) Ich habe bei der Beschreibung des Canalis neurenterieus des Amphioxus
erwähnt, daß die Flimmerung im Medullarrohr von vorn nach hinten geht (p. 57).
Beim Frosch verhält sich die Flimmerung im Medullarrohr ebenso. T. Hr. MORGAN
berichtet darüber Folgendes: „Mr. WIGHTMAN has demonstrated to me in the neural
tube of adult frogs the ceiliated epithelium in the living condition, and further by
the addition of suspended carmine granules these cilia are seen to drive the particles
towards the tail.“
I84 „S. Capitel.
Zwischenhirns ist der 3. Ventrikel, die verdickte Seitenwand desselben
bildet jederseits den Sehhügel (Thalamus opticus).
Am unteren Ende des Infundibulums entsteht die Hypophyse.
Dieselbe nimmt aber ihren Ursprung nicht vom Gehirn, sondern von
einer besonderen Einstülpung des Ektoderms, welche über dem Munde
sich bildet und als ein solider Fortsatz des Ektoderms zwischen der
oberen Schlundwand und dem Gehirn vorwächst (Fig. 268). Das
vorderste Ende des einwuchernden Zapfens schwillt kolbenförmig an
und bildet ein Bläschen, während der Stiel, welcher dasselbe mit der
Haut verbindet, zu Grunde geht. Dieses Bläschen, welches am
vorderen Ende der Chorda unter dem Infundibulum liegt, stellt die
Hypophyse dar. Es zerfällt in einzelne Lappen, und die Hypophyse
besteht später aus einer Masse verschlungener Schläuche !).
Die Spinalganglien entstehen aus der Ganglienleiste, welche zur
Zeit der Erhebung der Medullarwülste am Rande der Medullarplatte
zur Sonderung gelangt. Wenn das Medullarrohr sich schließt, ver-
einigen sich die an den beiden zusammentreffenden Rändern der Me-
dullarplatte gelegenen Leisten median zu einem einzigen Streifen, aus
welchem dann nach beiden Seiten hin die Spinalganglien sich diffe-
renziren (Fig. 269), während die zwischenliegenden Teile schwinden. Die
dorsalen Wurzeln der Spinalnerven gehen nicht aus der ursprünglichen
Verbindung der Ganglien mit dem Gehirn hervor, sondern wachsen von
den Spinalganglien aus in das Rückenmark hinein. Die ventralen
Wurzeln der Spinalnerven wachsen aus dem Rückenmark hervor und
vereinigen sich mit den Nervensträngen der Spinalganglien.
Die Ganglien des Sympathieus entstehen von den Spinalganglien
aus und von einigen Ganglien des Kopfes; wie Fig. 270 zeigt, gehen
von den Spinalnerven medianwärts gerichtete Aeste ab, an deren Ende
die Spinalganglien sich entwickeln.
Was die Gehirnnerven betrifft, so nimmt ein Teil derselben von
der Ganglienleiste seinen Ursprung, welche sich am Gehirnteil des
Medullarrohres in derselben Weise anlegt wie am Rückenmarksteil.
Eine derartige Herkunft ist sicher bekannt von dem Trigeminus, dem
Facialis und Acusticus und den sensiblen Aesten des Glossopharyngeus
und Vagus (MARSHALL, CORNING). Die Ganglien dieser Nerven treten
in Verbindung mit einzelnen Stellen des Ektoderms, welche den
Plakoden der Cyelostomen entsprechen (vergl. p. 82); die Ganglien
legen sich an diese Plakoden an, verschmelzen mit Ganglienanlagen,
welche sich von den Plakoden abspalten und trennen sich dann wieder
von den Plakoden ab ?). Diese Verbindung mit ektodermalen Plakoden,
welche auf der Höhe der Seitenlinie liegen, ist deutlich zu erkennen
bei den Ganglien des Trigeminus, des Facialis, des Glossopharyngeus
und des Vagus°), während beim Acustieus das Ohrbläschen die Stelle
(der Plakode zu vertreten scheint. Von dem Ganglion des Vagus geht
1) Nach den Beobachtungen von VALENTI (1895) nimmt auch das entodermale
Epithel der Mundhöhle an der Bildung der Hypophyse Teil; nach der Darstellung
von CORNING (1899) ist das nicht der Fall.
2) Offenbar sind die Plakoden phylogenetisch aus Sinnesorganen (Sinnesfeldern
der Haut) abzuleiten.
3) Die Plakode des Glossopharyngeus liegt am oberen Rande der ersten Kiemen-
spalte; die Aeste dieses Nerven verlaufen am Rande der ersten Kiemenspalte. Die
lakode des Vagus folgt hinter derjenigen des Glossopharyngeus. Die Aeste des
Vagus gehen zu den folgenden Kiemenspalten, An zum Herzen und zum
Darmkanal, ferner zur Seitenlinie.
Amphibien. 285
der Nerv der Seitenlinie aus, welcher zu den in mehreren Reihen
gelegenen Sinnesorganen der Seitenlinie gehört.
Die Lage der Sinnesorgane der Seitenlinie und der übrigen Haut-
sinnesorgane der Larven ist in dem Abschnitt über die Larven und
die Verwandlung abgebildet (Fig. 280 auf p. 301).
Das Ohrbläschen entsteht durch eine Einstülpung des Ektoderms.
Dabei wird aber die Deckschicht des Ektoderms nicht einbezogen,
sondern geht über die Einstülpung hinweg!). Das Ohrbläschen trennt
sich vom Ektoderm völlig ab. Bei Larven von 11 mm Länge teilt es
sich in zwei Abteilungen, den Utrieulus und den Saceulus, zwischen
welchen nur eine enge Verbindung bleibt. Am Saceulus entstehen
die drei halbeirkelförmigen Kanäle, deren Abtrennung jeweils durch
zwei sich entgegenwachsende einspringende Falten bewirkt wird. Von
der Bildung der Paukenhöhle und der Tuba Eustachii wird später die
Rede sein (p. 286).
Die Nase wird jederseits durch ein einsinkendes Feld des Ekto-
derms gebildet; es entsteht also jederseits eine Nasengrube (Fig. 266).
Indem das Ektoderm am Rande derselben sich erhebt, geht aus jeder
Nasengrube ein Nasensack hervor. Von jedem Nasensack wächst im
Anfang der Larvenzeit ein Zellenstrang nach unten und hinten und
verbindet sich mit dem Epithel der Mundhöhle unmittelbar hinter der
Grenze der Ektodermeinstülpung. Diese Zellenstränge werden im
weiteren Verlauf der Larvenzeit zu hohlen Kanälen, deren innere
Oeffnungen die inneren Nasenlöcher sind.
Die entodermalen Organe
beim Frosch.
Die Entstehung der Darmhöhle wurde schon bei der Besprechung
der Gastrulation behandelt (p. 262). Während der Gastrulation be-
steht das Entoderm, welches die Gastralhöhle umschließt, an der
Dorsalseite aus der einige Zellen tiefen unteren Schicht (der ein-
gestülpten Schicht), an der Ventralseite aus der Masse der großen
Dotterzellen (Fig. 241). Von dem Entoderm der Dorsalseite trennen
sich dann die Chorda und die beiden Mesodermstreifen ab, wie schon
früher gezeigt wurde (p. 275). Die einschichtige Lamelle des Ento-
derms, welche unter der Chorda und dem Mesoderm als Begrenzung
der Gastalhöhle verbleibt, bildet in Verbindung mit der großen Dotter-
masse das Epithel des Darmkanals und ist demnach als Enteroderm
zu bezeichnen. Von der großen Masse der Dotterzellen trennt sich
an der Peripherie eine dünne Schicht ab, welche zur Verbreiterung der
Mesodermstreifen dient (Fig. 269), und außerdem entstehen Blut-
anlagen unter dieser Mesodermlamelle (vergl. p. 296). Der Rest
der Masse der Dotterzellen bildet den ventralen Teil des Epithels des
Darmkanals und ist also dem Enteroderm zuzurechnen.
Am Darmkanal des Frosches unterscheidet man erstens den Vorder-
darm, welcher den Kiemendarm (resp. Pharynx), den Oesophagus und
den Magen umfaßt, und zweitens den Mitteldarm, welcher vom Pylorus
bis zur Kloake geht. Beim Embryo entsteht der Vorderdarm aus
dem vorderen Teile der Gastralhöhle, der Mitteldarm aus dem folgenden
1) Auch die Sinnesorgane der Seitenlinie und ebenso die Linse entwickeln sich
nur aus der unteren Zellenschichte des Ektoderms.
>86 8. Capitel.
Teile derselben (Fig. 265 und 265). Die ventrale Wand des Mittel-
darms wird von den großen Dotterzellen gebildet. Die Mund-
bucht entsteht durch eine Einstülpung des Ektoderms, ebenso die
Kloake. — Wir wollen nun die Entwickelung der einzelnen Teile des
Darmkanals genauer ins Auge fassen.
Betrachtet man eine Froschlarve zur Zeit des Ausschlüpfens, so
bemerkt man an der Vorderseite des Kopfes die Mundbucht
(Fig. 266), welche zu dieser Zeit noch nicht in den Darmkanal ge-
öffnet ist. aber an welcher das Ektoderm mit dem Enteroderm in
direkter Berührung steht (Fig. 288). Unter der Mundbucht sieht man
die beiden Unterkieferwülste, welche in der Mitte durch eine schmale
Rinne getrennt sind und an welchen ventral die beiden Sauggruben
ansitzen (Fig. 266). Die beiden Sauggruben hängen zu dieser
Zeit mit einander zusammen und bilden die Figur eines Hufeisens,
dessen concaver Bogen nach vorn gerichtet ist.
In diesem Stadium umschließt der Vorderdarm eine weite Höhle,
und sind an dem Kiementeil desselben die Anlagen der Kiemen-
spalten zu erkennen (Fig. 266). Die Kiemenspalten sind noch nicht
Fig. 266A u. B. Larve von Rana fusca zur Zeit des Ausschlüpfens; A An-
sicht von vorn, B Seitenansicht. (Nach einem Modell von FRIEDRICH ZIEGLER.)
Zu diesem Stadium gehört der Frontalschnitt Fig. 267 und der Medianschnitt
Fig. 268.
are Kiemenspalte, m Mundgrube, rn Nasengrube, s Sauggrube, »n Vorniere.
geöffnet, sondern nur durch Falten des Enteroderms gebildet, welche
die Haut berühren (Fig. 267). Die Haut ist an den Stellen der Kiemen-
spalten etwas eingezogen und auf dem ersten und zweiten Kiemenbogen
deutlich vorgewölbt (Fig. 266 u. 267). Auf diesen zwei Kiemenbögen
(nachher auch auf dem dritten) entstehen kleine Knöpfchen, welche zu
den äußeren Kiemen auswachsen !).
Die erste Kiemenspalte, welche dem Spritzloch der Selachier ent-
spricht, öffnet sich nicht nach außen, sondern erfährt eigentümliche
Umbildungen. Die Falte des Entoderms, welche die Anlage dieser
Kiemenspalte bildet, erfährt in ihrem mittleren Teile eine Einbuchtung
und wird hier gänzlich verdrängt, da das Quadratum und das Hyoid
an dieser Stelle zur Verschmelzung kommen. Aber am oberen Teile
dieser Falte bildet sich eine knopfartige Hervorragung, welche all-
mählich zu einem langgestielten Bläschen auswächst. Aus diesem Bläs-
1) Bemerkenswert ist die Uebereinstimmung mit entsprechenden Embryonen
der Selachier (Fig. 221).
Amphibien. 287
chen geht die Paukenhöhle (das Cavum tympani) hervor, «der Stiel des
Bläschens, welcher zeitweilig sehr dünn wird, erweitert sich später
und bildet die Tuba Eustachii (SPEMANnN 1898),
Der auf die erste
Kiemenspalte (das
Spritzloch) folgende
Kiemenbogen ist der
Hyoidbogen, von
welchem später eine
Hautfalte vorwächst,
welche wieder Kiemen-
deckel der Fische die
Kiemen bedeckt.
Fig. 267. Frontalschnitt
durch eine Froschlarve zur
Zeit des Ausschlüpfens
(Stadium der Fig. 266)
auf der Höhe der Nasen-
gruben, der Kiemenspalten
und der Vorniere. Vergr.
40mal. (Nach A. M. MAr-
SHALL, 1893.) AF zufüh-
rendes Kiemengefäß des 1.
Kiemenbogens, BF Vorder-
hirn, BR.1 1. Kiemenbogen,
BR.22.Kiemenbogen, BR.3
3. Kiemenbogen, © Cölom
(Vornierenteil desselben),
EF abführendes Gefäß des
1. Kiemenbogens, HM An-
lage’ der 1. Kiemenspalte
(Spritzloch, #Y Hyoid-
bogen, IN Infundibulum,
KA Vornierengang (links
aufgeschnitten gezeichnet),
KS und AP Vormnieren-
trichter und Vornieren-
kanälchen, OF Nasengrube,
OS Stil der Augenblase,
TP Kiemendarm(Pharynx),
TI Darm, Y Dötterzellen
in der Wand des Mittel-
darmes.
SITZ.
Abgesehen von der ersten Kiemenspalte, welche dem Spritzloch
entspricht, werden noch vier Kiemenspalten angelegt. Infolgedessen
giebt es drei freie Kiemenbögen. Schon ehe die Kiemenspalten ge-
öffnet sind, entwickelt sich auf jedem der drei Kiemenbögen eine
verzweigte äußere Kieme (Fig. 277 auf p. 298).
Bei Larven von 9—10 mm Länge, bei welchen der Mund durch-
bricht, öffnen sich die Kiemenspalten und entstehen an den Kiemen-
bögen die inneren Kiemen; an jedem der drei freien Kiemen-
bögen sitzen am hinteren Rande zwei Reihen von kleinen Kiemen-
bäumehen; der vierte Kiemenbogen, welcher nur auf seiner Vorderseite
an eine Kiemenspalte anstößt, trägt nur eine Reihe von Kiemen-
bäumchen. Die Kiemenbögen entwickeln an ihrem vorderen Rand
große Platten (Filterplatten) mit einem complieirten System von
288 8. Capitel.
Fortsätzen, welche für das Atemwasser sozusagen einen Seiher
bilden !).
Bei älteren Larven schwinden die äußeren Kiemen, und wächst
die genannte Kiemendeckelfalte vom Hyoidbogen aus über die Kiemen
hinweg. Es entsteht also jederseits eine Kiemenhöhle, jedoch ver-
einigt sich die Kiemendeckelhaut von rechts und links, so daß die
beiden Kiemenhöhlen an der Ventralseite des Kopfes zusammenhängen.
Die rechtsseitige Kiemenöffnung kommt zum Verschluß, und es bleibt
nur links ein Atemloch (Spiraculum) bestehen ?).
Am Boden der Kiemenhöhle entsteht median eine kurze Furche,
welche sich an ihrem hinteren Ende vertieft; es entsteht hier eine
kleine compacte Zellmasse, welche sich von dem Epithel des Kiemen-
darmes ablöst und welche die Anlage der Schilddrüse (Glandula
thyreoidea) ist. Während der Larvenzeit teilt sich dieselbe in zwei
seitliche Teile, die beiden Glandulae thyreoideae, welche beim er-
wachsenen Frosch seitlich an der ventralen Fläche des hinteren
Zungenbeinhornes liegen und aus zahlreichen von einem einschichtigen
Epithel ausgekleideten, drüsenähnlichen Hohlräumen bestehen.
Die Thymus entsteht aus entodermalen Anlagen, welche sich
als kleine Knöpfehen vom oberen Teile der Kiemenspalten abtrennen
(hauptsächlich von der zweiten Kiemenspalte).
Die Zunge bildet sich erst spät. Gegen das Ende der Larven-
zeit, kurz vor der Metamorphose erhebt sich ein Wulst am Boden
der Rachenhöhle, welcher zur Zunge auswächst.
Auf den Kiemendarm, welcher der Rachenhöhle des erwachsenen
Frosches entspricht, folgt die Speiseröhre (Oesophagus). Merk-
würdigerweise giebt es in der Entwickelung der Larven eine Pe-
riode, in welcher der Oesophagus nicht hohl ist, sondern compact
mit Zellen erfüllt. Bei Larven von 8 mm Länge, kurz bevor der
Mund durchbricht, wird der Oesophagus in der bezeichneten Weise
verschlossen und öffnet sich erst bei Larven von 10!/, mm, bei welchen
der Mund durchgebrochen ist (MARSHALL).
Die Bildung der Lungen geht von dem Epithel des Oesophagus
aus. Die erste Anlage derselben sind zwei kleine, taschenartige Diver-
tikel an den Seiten des Öesophagus, welche kurz vor dem Aus-
schlüpfen der Larve entstehen. Diese beiden Divertikel verlängern
sich allmählich zu den schlauchartigen Lungensäcken; derjenige Teil
des Epithels des Oesophagus, welcher zwischen den beiden Mündungs-
stellen der Lungensäcke gelegen ist, senkt sich bei etwa 10 mm langen
Larven in die Tiefe und bildet die Höhle des Larynx °); die Eingangs-
öffnung dieser Ausstülpung verengt sich und bildet einen Längsspalt,
die Kehlkopfspalte (Aditus ad laryngem).
Am Anfang des Mitteldarmes entstehen die Leber und das
Pancreas. Schon bei ausschlüpfenden Larven bemerkt man am
Anfang des Mitteldarmes eine Bucht des Darmes, welche am Anfang
der Dotterzellenmasse in dieselbe sich einsenkt (Fig. 268). Aus der
vorderen Wand dieser Leberbucht entsteht das Lebergewebe, indem
1) In Bezug auf den Bau der inneren Kiemen, sowie in Bezug auf die Anatomie
und Histologie der Mund- und Kiemenhöhle verweise ich auf die eingehenden Unter-
suchungen von FR. E. SCHULZE (1888 und 1892).
2) Ueber die Lage des Atemloches bei den Larven der Batrachier vergl. p. 300.
3) Eine Trachea ist bei Fröschen nicht vorhanden. — Die obige Beschreibung
der Entstehung der Lungen ist dem Buche von A. M. MARSHALL (1893) ent-
nommen.
Pr 2
Amphibien. 289
sich zunächst zahlreiche Buchten bilden, welche sich dann vielfach
verzweigen. Der Anfangsteil der Leberbucht verengt sich und bildet
den Gallengang, an welchem als seitliches Divertikel die Gallenblase
entsteht. — Das Pancreas entwickelt sich aus einer dorsalen com-
pacten Anlage, welche gegenüber der Leberbucht an der Dorsalseite
des Mitteldarmes entsteht, und aus zwei ventralen Anlagen, welche
an dem Anfang des Leberganges ihren Ursprung nehmen (GOETTE,
(GÖPPERT, STÖHR). Die Vereinigung des linken und rechten ventralen
Pancreas geschieht am dorsalen (resp. vorderen) Umfange des Ductus
vg ch nh
Mm
#807,
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INN 1
O
IKT III
4s
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Fig. 268. Medianschnitt einer Froschlarve ungefähr im Stadium der Fig. 266.
(Nach A. M. MARSHALL.) a Anus, ch Chorda, ! Leberbucht, in Infundibulum, Ay
ektodermale Anlage der Hypophyse, »» Mundbucht, mh Mittelhirn, „h Nachhirn, v
Ventrikel des Herzens (das Endothel ist nicht dargestellt), »y Mündung des Vor-
nierengangs. Vergr. 22mal.
choledochus, während die Mündungen der Ausführungsgänge dieser
beiden Drüsen an dem ventralen (resp. hinteren) Umfange desselben
an einander rücken und zu einer Mündung verschmelzen. Hierdurch
entsteht ein pancreatischer Ring um den Duetus choledochus, nahe
seiner Mündung in den caudalen Abschnitt der Duodenalschlinge.
Die aus der dorsalen Anlage hervorgegangene Pancreasanlage ver-
schmilzt mit dem ventralen Pancreas, und der Ausführungsgang des
dorsalen Pancreas obliterirt (CHORONSHITZKY).
Der Mitteldarm hat zur Zeit des Ausschlüpfens der Larve
eine ziemlich enge Lichtung: er wird dorsal von einem einschichtigen
Epithel, ventral von der Masse der Dotterzellen begrenzt. Bald nach
dem Ausschlüpfen verlängert sich der Mitteldarm und bildet allmählich
ein langes Rohr, welches in der Bauchhöhle spiralig aufgerollt liegt und
_ ein einschichtiges Epithel besitzt. — Zur Zeit der Verwandlung der
Larve wird keine Nahrung in den Darm aufgenommen und findet eine
histologische Veränderung des Darmkanals statt, wobei der Mittel-
darm die spiralige Lage aufgiebt, sich etwas verkürzt und den be-
kannten Dünndarm-Knäuel des Frosches bildet. Gleichzeitig erweitert
sich der Endabschnitt des Mitteldarmes und bildet das Rectum.
Die Kloake geht aus einer kleinen Einbuchtung des Ektoderms
hervor. Es wurde schon bei der Gastrulation gesagt, daß aus dem
hintersten Teile der Blastoporusrinne der After entsteht. Jedoch
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 19
290 8. Capitel.
kommt die Oefinung vorübergehend zum Verschluß (Fig. 263) und
bildet sich dann an derselben Stelle von neuem (Fig. 265). — Es
ist beachtenswert, daß zur Zeit des Ausschlüpfens wohl der After
gebildet, aber der Mund noch nicht geöffnet ist. Es hängt dies damit
zusammen, daß an dem Endteil des Darmes die Vornierengänge ein-
münden (Fig. 267 u. 268), und daß die Vorniere bei jungen Larven
schon eine exceretorische Function ausführt.
Die Harnblase des Frosches bildet sich in der letzten
Periode des Larvenlebens als eine ventrale Ausstülpung von der
Kloake aus!).
Schließlich muß ich noch einige rudimentäre Anlagen besprechen,
welche zu dem Darmkanal gehören, nämlich den postanalen Darm und
den Hypochordalstrang.
Der postanale Darm geht aus dem unteren Teile des Canalis
neurentericus hervor; er verläuft von der Kloake zur Schwanzspitze.
Er stellt ursprünglich einen offenen Kanal dar (Fig. 265), wird aber
bald ein dünner solider Zellenstrang, welcher während der ersten Larven-
zeit verschwindet.
Der Hypochordalstrang ist ein entodermaler Strang, welcher
sich längs des Darmes median von dem Enteroderm ablöst, nachdem
die Bildung der Chorda vollzogen ist (Fig. 269). Wie SToEHR gezeigt
hat, erfolgt bei Amphibien die Ablösung des Subchordalstranges nicht
continuirlich, sondern in mehreren Abschnitten ?).
Die mesodermalen Organe
des Frosches.
Die Entstehung der Mesodermstreifen ist schon in einem früheren
Abschnitt beschrieben worden (p. 273). Wie bei anderen Wirbeltieren
gliedert sich der medial gelegene Teil der Mesodermstreifen in Ur-
segmente, während der laterale Teil die Seitenplatten darstelit. Die
Seitenplatten umgreifen die Masse der Dotterzellen, da sie größten-
teils durch Abspaltung von der Masse der Dotterzellen entstanden
sind (Fig. 269), wie schon oben gesagt wurde (p. 275).
In jedem Ursegment entsteht eine kleine Höhle (Myotomhöhle);
dieselbe ist in der Weise der Außenseite des Ursegmentes genähert,
daß die hauptsächliche Masse der Zellen des Ursegmentes an der
medialen Seite der Höhlung liegt, und nur ein einfaches Epithel die
laterale Wand bildet (Fig. 269). Zu dieser Zeit sind die Ursegmente
noch nicht von den Seitenplatten abgetrennt, so daß der Hohlraum
des Ursegmentes auf den mittleren Querschnitten desselben mit dem
1) Die Harnblase ist bei vielen Urodelen und bei den Gymnophionen ungeteilt
und sackförmig; bei Molchen, Salamandern, Fröschen und Kröten ist sie anfangs
ebenso gestaltet, wächst aber nachher in zwei Zipfel aus. Bei Alytes und Bombi-
nator‘ wird die Blase zweiteilig (H. H. FIELD).
2) Die Hypochorda von Rana temporaria entsteht als pigmentirte Leiste aus
der dorsalen Darmwand. Man unterscheidet eine Kopfhypochorda und eine Rumpf-
hypochorda. Erstere entsteht später als die Rumpfhypochorda und ist ein unschein-
barer, vor dem 1. Myomer gelegener länglich- ovaler Körper, der nicht mit der
Rumpfhypochorda zusammenhängt und bald wieder verschwindet. Die Rumpf-
hypochorda schnürt sich, vom Kopf zum Schwanz vorschreitend, von der Darm-
wand allmählich ab, jedoch so, daß anfangs noch eine Anzahl von Verbindungs-
brücken mit der Darmwand bestehen bleibt. Die anfänglich bestehende segmentale
Anordnung dieser Brücken wird späterhin undeutlicher (STOEHR). Die Hypochorda
wird später rückgebildet und nimmt am Aufbau anderer Organe nicht Teil (STOEHR
1595, BERGFELDT 1896).
EEE EN
u 2 re ee
lu a 0 a ie
Amphibien. 29]
Hohlraum der Seitenplatten (Splanchnocöl) in Zusammenhang steht
(Fig. 269 rechts), ganz ähnlich, wie es auch für die Selachier beschrieben
Fig. 269. Querschnitt durch die Mitte eines Froschembryo von 3,5 mm Länge
(Stadium der Fig. 242D). Vergr. 52mal. (Nach A. M. MARSHALL, 1893.) CH
Chorda, €J Subchordalstrang, € Myocöl (Höhle im Ursegment), CS Splanchnoeöl
(Höhle zwischen den Seitenplatten, Leibeshöhle), Z Ektoderm, XB Vornierengang,
M Mesoderm, MS Myotome (Ursegmente), ND Nervenleiste (Anlage der Spinalgang-
lien), NS Rückenmark (Medullarrohr), SO Somatopleura, SP Splanchnopleura, 7
Gastralhöhle (Darmhöhle), Y Dotterzellen.
wurde. — Etwas später werden die Ursegmente völlig von den Seiten-
platten abgetrennt. Aber noch ehe dies geschehen ist, beginnt schon
die Bildung der Sklerotome und die Anlage der Vorniere.
Die Sklerotome sind durch lockere Mesenchymzellen darge-
stellt, welche vom unteren Teile des Ursegmentes hervorwuchern.
Wie bei anderen Wirbeltieren fließt das Mesenchym der Sklerotome
zu einer einheitlichen Schichte zusammen, welche an den Seiten der
Chorda, unter der Chorda und an den Seiten des Medullarrohres sich
ausbreitet. So entsteht die skeletogene Schichte, in welcher später
die knorpeligen Anlagen der Wirbelsäule ihren Ursprung nehmen.
Die Vorniere wird schon vor dem Ausschlüpfen der Larve an-
elegt. Es entsteht eine Falte am äußeren Blatt der Seitenplatten
(Fig. 269KB); der vorderste Teil dieser Falte bildet die Vorniere, der
folgende Teil den Vornierengang. An der Vorniere bleibt die Ver-
bindung mit der Leibeshöhle erhalten, während der Vornierengang
sich gänzlich von den Seitenplatten abschnürt. Aus der ursprünglich
einheitlichen, sehlitzförmigen Oeffnung der Vorniere entstehen 3 Oefl-
nungen, Vornierentrichter !), von welchen 3 kleine Kanälchen ausgehen,
1) Nach den Beobachtungen von FIELD (1891) an Rana sylvatica werden
sowohl die Vorniere als auch der Vornierengang solid angelegt und erhalten erst
19*
292 8. Capitel.
die in den Vornierengang münden (Fig. 267). Die 3 Vornierentrichter !)
liegen unter dem 2., 3. und 4. Myotom. Der vorderste Teil des Vor-
nierenganges verlängert sich sehr und bildet viele Schlingen,' welche
einen (lateral von den 3 Vornierenkanälchen gelegenen) Knäuel dar-
stellen, der von den Cardinalvenen umspült wird (Fig. 270). — Der
w
VH LG VP
Fig. 270. Querschnitt durch eine Froschlarve von 12 mm Länge. Der Schnitt
geht durch die Vorniere. Vergr. 44mal. (Nach A. M. MARSHALL.) A Aortenwurzel,
AP Arteria pulmonalis, BH Medulla oblongata, CH Chorda, GI Kiemen, GM Glo-
merulus der Vorniere, KP Knäuel des Vornierengangs an der Vorniere, KS 2. Vor-
nierentrichter, 2A Anlage der vorderen Extremität, LG Anfangsteil der Lungen
(Laryngealhöhle), NY Ganglion des Sympathicus, OP Kiemenhöhle (Opercularhöhle),
TI Darm, TO Oesophagus, V* 4. Ventrikel des Gehirns, VC Cardinalvene, den Vor-
nierenknäuel umspülend, VY Vena cava, VP Vena pulmonalis, W Leber, X Spinal-
ganglion, X’ Dach des 4. Ventrikels.
Vornierengang verbindet sich an seinem Hinterende mit dem End-
abschnitt des Darmes und mündet in denselben. — In demjenigen
Abschnitt der Leibeshöhle, von welchem die Vornierenkanälchen aus-
gehen und welcher der Vornierenkammer der Teleosteer und Dipnoer
entspricht, bildet sich von der medialen Wand her ein Glomerulus, in
welchen die Aorta eine kleine Arterie entsendet (Fig. 270). Der Vor-
nierenteil der Leibeshöhle wird aber von der übrigen Leibeshöhle nicht
abgeschnürt.
nachträglich ein Lumen. Die 3 Vornierentrichter gehen daher nach FIELD nicht
aus einer ursprünglich einheitlichen Oeffnung hervor, sondern differenziren sich in
der gemeinsamen soliden Vornierenanlage.
1) Bei den Urodelen legen sich in der Regel 2, bei den Anuren 3 Vornieren-
kanälchen an.
u N, ° 1
Amphibien. 293
Bei Larven von 20 mm Länge beginnt die Rückbildung der Vor-
niere, und wird der Vornierengang hinter der Vorniere unterbrochen.
Zu dieser Zeit funetionirt schon die Urniere, deren Bildung bei
10—12 mm langen Larven beginnt. Die Urnierenkanälchen entstehen
aus Haufen von Mesodermzellen, welche anfangs segmental liegen,
aber später die segmentale Anordnung aufgeben. Das vorderste Ur-
nierenkanälchen liegt etwa 3 Segmente hinter der Vorniere, jedoch
verfallen die vordersten 3-—4 Urnierenkanälchen bald der fettigen
Degeneration. — Jedes Urnierenkanälchen entwickelt einen MALPIGHI-
schen Körper mit Glomerulus und verbindet sich mit dem Vornieren-
gang. Außerdem bildet jedes Vornierenkanälchen einen Verbindungs-
strang nach dem Peritonealepithel. Aus demselben geht ein Nieren-
trichter (Nephrostom) hervor; allein die Nierentrichter geben secundär
ihre Verbindung mit den Nierenkanälchen auf und bilden flimmernde
Kanäle, welche auffallenderweise in die Nierenvenen münden !).
Die Anlage der Gonaden wird bei Froschlarven von etwa 10 mm
Länge bemerkbar. ‚Jederseits findet man eine Genitalfalte des Peri-
toneums, welche als Längsfalte neben dem dorsalen Mesenterium sich
hinzieht, zwischen diesem und dem vorderen Teile der Niere liegend.
Der vorderste Teil dieser Genitalfalte giebt den bekannten gelappten
Fettkörpern des Frosches den Ursprung, während der folgende Teil
den Hoden oder den Eierstock bildet’).
Der Eileiter (MÜLLER'sche Gang) wird von manchen Autoren
durch Abspaltung von dem Urnierengang abgeleitet. Neuere Autoren
berichten, daß der Eileiter unabhängig vom Urnierengang entsteht
und aus einem Streifen des Epithels der Leibeshöhle seinen Ursprung
nimmt).
Wenn die Leibeshöhle zwischen den Seitenplatten erscheint, stellt
der vorderste Teil derselben die Periecardialhöhle dar. Zwischen
den beiden Pericardialhöhlen entsteht das Herz. Man sieht an den
schematischen Fig. 271 A und B die beiden Pericardialhöhlen, welche
median unter der Herzanlage zusammentreffen. Das innere Blatt der
Seitenplatten (die Splanchnopleura) bildet die Muskelwand des Herzens
(Fig. 271 C). Das Endothel des Herzens entsteht aus einer Anzahl ver-
einzelter Zellen, welche von der Masse der großen Dotterzellen oder
von dem sich anschließenden Entoderm des Vorderdarmes abstammen %).
Diese Zellen haben’ also einen ähnlichen Ursprung wie die ersten
Blutzellen, von welchen später die Rede sein wird (p. 295 u. 296).
1) Zur Erklärung dieser merkwürdigen Verhältnisse kann folgende Ueber-
legung beitragen. Die Leibeshöhle der Wirbeltiere hatte ursprünglich eine excretorische
Function; die Trichter der Vorniere und der Urniere führten die Flüssigkeit ab. Die
Bildung des Glomerulus der Vorniere erhöhte die excretorische Thätigkeit. Als aber
in der Urniere zahlreiche MALrıGHr’sche Körper entstanden, war die excretorische
Thätigkeit der Leibeshöhle nur noch von geringer Bedeutung. Indem die Vorniere
schwand und die Nephrostome ihre Verbindung mit den Nierenkanälchen aufgaben,
hörte diese Function der Leibeshöhle ganz auf.
2) Eine genauere Darstellung der Entstehung der Genitalorgane des Frosches
ist in dem Lehrbuche von A. M. MARSHALL (Vertebrate Embryology, London 1803)
zu finden, in welchem auch die Entwickelung der übrigen Organsysteme des Frosches
hauptsächlich auf Grund eigener Beobachtungen des Verfassers ziemlich ausführlich
beschrieben wird.
3) Letztere Ansicht wird hinsichtlich des Frosches vertreten von MAc BEIDE
(1892) und A. M. MARSHALL (1893), hinsichtlich des Axolotls von G. WıILsox (1894).
4) Ich verweise auf die Publicationen von GOETTE, RABL, ÜELLACHER, SCHWINK,
Hovssay, BRACHET, T. H. MorRGANn.
2094 8. Capitel.
Das hintere Ende des Herzens berührt die Leber (Fig. 268). Der
Herzschlauch erfährt wie bei anderen Wirbeltieren eine N-förmige
Krümmung und gliedert sich in den Sinus venosus, den Vorhof, die Herz-
kammer und den Truneus arteriosus (Fig. 272). Bei den Larven entsteht
(bald nach dem Durchbruch des Mundes) die Scheidewand des Vor-
hofes, welche als eine Falte von oben herabwächst. Gleichzeitig ent-
stehen die Längsfalten im Truncus arteriosus, durch welche beim
Fig. 271 A—C. Drei- Stadien der Entwickelung des Herzens des Frosches,
schematisch. (Nach T. H. MorGAN 1597.) E Endothel, PE Pericardialhöhle, PH
Kiemendarm (Pharyngealhöhle), W Wand des Herzens. Das Ektoderm ist schwarz
gezeichnet.
Frosch einigermaßen eine Trennung des arteriellen und des venösen
Blutes herbeigeführt wird ?).
Die Kiemenarterien, welche vom Truncus arteriosus aus in die
Kiemenbögen eintreten, geben Aeste in die Kiemenbäumehen der
äußeren und inneren Kiemen. Das Blut, welches aus diesen zurückkehrt,
wird von abführenden Kiemengefäßen (Kiemenvenen) gesammelt, welche
dann in die Aortenwurzeln übergehen (Fig. 272). Während der Larven-
zeit (bei Larven von etwa 12 mm Länge) treten die zuführenden Kiemen-
sefäße am unteren Teile der Kiemenbögen mit den abführenden in
directe Verbindung, so daß bei älteren Larven in jedem Kiemenbogen
ein Gefäßbogen (Arterienbogen, Aortenbogen, Schlundbogengefäß)
liegt. — Bei der Metamorphose der Larve wird der erste Gefäßbogen
zum Arcus carotieus?), und bildet der zweite Gefäßbogen den defini-
tiven Aortenbogen (Arcus aorticus); der dritte Gefäßbogen wird rück-
gebildet, und der vierte Gefäßbogen, welcher schon zur Larvenzeit
einen Ast zur Lunge entsendet, verliert die Verbindung mit der
1) Obgleich die Kammer keine Scheidewand besitzt, kann doch das Blut des
rechten und des linken Vorhofes auch in der Kammer einigermaßen getrennt bleiben,
da die Trabekel der Musculatur der Kammer nach Art von dorsoventral verlaufenden
Scheidewänden angeordnet sind.
2) Im Hyoidbogen werden schon vor dem Ausschlüpfen der Larve ähnliche
Gefäße angelegt wie in den folgenden Kiemenbögen; aber der Gefäßbogen des Hyoid-
bogens wird frühzeitig rückgebildet. Der erste Gefäßbogen der älteren Larve ist
also derjenige, welcher in dem ersten freien Kiemenbogen sich befindet; von diesem
Gefäßbogen gehen schon zur Larvenzeit die Carotiden ab, und nach der Metamor-
phose obliterirt gewöhnlich die Verbindung mit der Aortenwurzel, so daß alles Blut
dieses Bogens in die Carotiden gelangt (Fig. 273).
Amphibien. 295
Aortenwurzel und wird zum Arcus pulmo-eutaneus. welcher (infolge
der Längsfalte im Truncus arteriosus) hauptsächlich venöses Blut erhält
(Fig. 273).
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Fig. 272. Schema der Gefäße einer 12 mm langen Froschlarve zur Zeit des
Erscheinens der hinteren Gliedmaßen. Man sieht die zuführenden und abführenden
Gefäße der vier Kiemenbögen. (Nach A. M. MARSHALL etwas vereinfacht.) «ao
Aorta, au Gehörorgan, g Glomerulus der Vorniere, ! Unterlippe, !4y Lunge, Ib Leber,
m Mund, mes Arteria mesenterica, n Nase, oc Auge, p Arteria pulmonalis (darunter,
dunkel gezeichnet, die Vena pulmonalis), * Truncus arteriosus, » Ventrikel, vı Vena
hepatica, vc Vena cava (in Verbindung mit den hinteren Cardinalvenen).
Von den Venen will ich hier nur die wichtigsten erwähnen, zu-
nächst die beiden Ductus Cuvieri, welche die vorderen und hinteren Car-
dinalvenen aufnehmen und von den beiden Seiten her in den Sinus venosus
einmünden; sodann die Dottervenen (Venae vitellinae), welche an der
Masse der großen Dotterzellen sich entwickeln und an der Leber
vorbei nach vorn zum Sinus venosus gehen; ferner die Hohlvene
(Vena cava), welche allmählich während der Larvenzeit sich ausbildet
und das Blut aus dem hinteren Teile der hinteren Cardinalvenen auf-
nimmt und, auf der linken Seite der Leber verlaufend, in den Sinus
venosus eintritt (Fig. 272).
Die Dottervenen sind von besonderer Bedeutung deswegen, weil
sie die ersten Blutkörperchen in die Circulation einführen. Diese
Fig. 273. Schema der Arterien-
bögen eines erwachsenen Frosches.
(Nach einer Figur von A. M.
MARSHALL vereinfacht.) a rechter
Vorhof des Herzens, ao Aorten-
wurzel und Aorta descendens, c
Carotis, cu Arteria cutanea, /
Arteria lingualis, /g Lunge, p
Arteria pulmonalis (aus dem 4.
Arterienbogen entspringend), ?
Truncus arteriosus, 7 Arcus ca-
roticus, // Arcus aorticus. Die
punktirt gezeichnete Verbindung
zwischen diesen beiden Bögen
obliterirt.
C
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D)
U
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m m |... ....-.-
296 S. Capitel.
lösen sich an der Masse der großen Dotterzellen, also an der späteren
Darmwand ab. Gewöhnlich werden diese Zellen als Entodermzellen
aufgefaßt, man kann sie aber auch als verspätet abgelöste Mesoderm-
zellen ansehen, da die Seitenplatten sich rings um die Masse der
Dotterzellen herum von derselben abgetrennt haben (vergl. p. 275).
Die Milz entsteht als eine kugelige Zellmasse an der Arteria
mesenterica. Das Gewebe derselben wird vom Entoderm abgeleitet,
kann aber vielleicht auch auf mesodermalen Ursprung zurückgeführt
werden !).
Bei den Amphibien können die ersten Blutzellen als entodermal
aufgefaßt werden, da sie sich von der Masse der Dotterzellen ablösen ;’
Aehnliches gilt vom Endothel des Herzens (p. 293). Wenn man also
nur die Verhältnisse bei den Amphibien und die nahezu übereinstimmenden
Verhältnisse bei den Petromyzonten (vergl. p. 86) ins Auge faßt, läßt
sich die Theorie aufstellen, daß das Blut und die Gefäße entodermaler
Abkunft seien. Diese Ansicht ist besonders von GOoETTE vertreten
worden, dessen Studien sich hauptsächlich auf Amphibien und Petromy-
zonten beziehen.
Aber ich bin der Ansicht, daß die Blut- und Gefäßanlagen
bei den Wirbeltieren im Allgemeinen zum Mesoderm,
genauergesagt,zumMesenchym gehören, und daß die Befunde
bei den Amphibien auch in diesem Sinne aufgefaßt werden können ?),
Ich muß dafür die Gründe anführen.
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß schon Scauwisk (1891) die
Möglichkeit der mesodermalen Ableitung dargelegt hat. Scuwisk schreibt
in Bezug auf die Entstehung der Blutkörperchen Folgendes: „Bei den
Anuren entwickelt sich aus einem ursprünglich einheitlichen Teil, dem
primären Entoblast, durch Delamination nach außen der Mesoblast, und
wir bezeichnen den nach innen verbleibenden Rest als secundären Ento-
blast. Wenn es nun auch nach meinen Präparaten bestimmt feststeht,
daß die Blutkörperchen im ventralen Abschnitt des secundären Entoblast
(und zwar im Dotterentoblast) sich entwickeln, so muß ich doch auf die
Möglichkeit hinweisen, daß während der Delamination Teile, welche
eigentlich (d. h. nach palingenetischen Prineipien) zum Mesoblast in
näherer Beziehung gestanden haben können, durch cenogenetische Processe
beim secundären Entoblast verblieben sein konnten, und daß dadurch
der Anschein erweckt werden konnte, als ob die Blutkörperchen im
Entoblast entstünden.“
Hinsichtlich der Gefäßzellen spricht sich Scnwink in folgender Weise
aus: „Die Gefäßzellen entstehen nahe an der Uebergangsstelle des Darm-
entoblast in den Dotterentoblast aus dem letzteren; sie wandern von
1) Die entodermale Entstehung der Milz ist von MAURER beschrieben worden.
ÜHORONSHITZKY (1900) bestreitet zwar nicht, daß entodermale Zellen an der Bildung
der Milz teilnehmen, aber er faßt die Milz als ein mesenchymatisches Organ auf
und leitet sie der Hauptsache nach von den Seitenplatten ab. „Die Milz stellt
einen dem linken Visceralblatt des Mesoderms eng anliegenden verdichteten Mesenchym-
herd dar.“ „Das Aussehen des Mesothelüberzugs der Milzanlage muß so gedeutet _
werden, daß derselbe an der Entstehung der letzteren activ beteiligt sei.“ — Da die
Milz bei allen anderen Wirbeltieren aus dem Mesenchym entsteht, halte ich es für
wahrscheinlich, daß auch die Milz der Amphibien früher mesodermaler Herkunft war.
2) Ich habe diese Ansicht schon früher vertreten in dem Vortrag: Ueber die
embryonale Anlage des Blutes bei den Wirbeltieren. Verhandl. d. Deutsch. Zool.
Gesellschaft, 1892, p. 18—30.
!
Amphibien. 297
ihrem Entstehungsort aus nach vorn an jene Stelle, wo das Herz zur
Anlage kommt; hier bilden sie durch Aneinanderlegung den primitiven
Herzschlauch.“ „Es muß berücksichtigt werden, daß gerade an den
Stellen, wo hauptsächlich die Entwickelung der Gefäßzellen platzgreift,
der Mesoblast durch eine Art Delamination vom primären Entoblast sich
ableitet‘“ Es kann also in ähnlicher Weise wie oben bei den Blutzellen
eine ursprünglich mesodermale Entstehung angenommen werden.
In Anschluß an Scuwisk !) vertrete ich also die Ansicht, daß die
Blutzellen und Gefäßzellen der Amphibien ursprünglich vom Mesoderm
stammten, aber infolge cenogenetischer Abänderung dem Entoderm zu-
zugehören scheinen, weil sie zur Zeit der Abtrennung des Mesoderms
bei dem Entoderm verbleiben und sich erst später von demselben trennen.
Ich mache zu Gunsten dieser Auffassung geltend, daß bei allen
anderen Wirbeltieren, insbesondere bei den Selachiern, den Teleosteern
und den Amnioten der mesodermale Ursprung der ersten Blutanlagen
nicht zu bestreiten ist. Ferner ist anzuführen, daß diejenigen Organe,
welche bei Amphibien und bei anderen Wirbeltieren in postembryonaler
Zeit der Bildung von roten Blutzellen dienen — also das lymphoide
Gewebe der Urniere (bei Teleosteern), die Milz (bei Teleosteern, urodelen
Amphibien und jungen Säugetieren) und das Knochenmark (bei anuren
Amphibien und bei Amnioten) — sicherlich mesodermalen Ursprungs
sind; da nicht anzunehmen ist, daß die roten Blutzellen beim erwachsenen
Tier aus einem anderen Keimblatt stammen als beim Embryo, so ist
auch beim Embryo im Zweifelsfalle die mesodermale Ableitung der Blut-
anlagen für die wahrscheinlichere zu halten.
Schließlich verweise ich noch auf die Wirbellosen. Da bei allen
wirbellosen Tieren, bei welchen ein Blutgefäßsystem existirt, die Gefäße
zum Mesoderm zu rechnen sind und stets die etwa vorhandenen Blutzellen
ebenfalls von diesem Keimblatt stammen, so ist es wahrscheinlich, daß
auch bei den Wirbeltieren das Blut und die Gefäße ursprünglich dem
Mesoderm angehörten.
Die Larven und die Verwandlune.
Demonstrationsmittel: Wandtafel von LEUCKART und CHun, No. 69 und neue
Serie No. 9. — Wachsmodelle von FRIEDRICH ZIEGLER, Freiburg i. B., Serie 25.
Die Verwandlung (Metamorphose) der Amphibien ist von großem In-
teresse, da die Larven in mancher Hinsicht frühere Stufen der Stammes
entwickelung wiederholen. Die
Larven der lungenatmenden Am-
phibien leben im Wasser und
atmen durch Kiemen. In dieser
Hinsicht verhalten sie sich also wie
Fische, und das Visceralskelet,
F ig, 276. Modell des Visceralskelets
‚einer 29 mm langen Larve von Rana
fuscaa (Nach GAaurPp 159.) Man
sieht vorn den Hyoidbogen, dahinter
4 Kiemenbögen.
1) Die Beobachtungen von SCHWINK sind in einer polnisch geschriebenen Ab-
handlung von NUSBAUM im Wesentlichen bestätigt (Krakauer Akademie-Berichte, 1894,
deutsches Excerpt im Anzeiger der Akad. d. Wiss. Krakau, Juli 1894, auch in
Biolog. Centralbl., Bd. 13, 1893).
298 8. Capitel.
welches die Kiemenbögen stützt, ist demjenigen der Fische sehr
ähnlich (Fig. 276). Auch die Körperform erinnert an die Fische,
insbesondere ist der breite Ruderschwanz ein Fischschwanz ursprüng-
lichster Form, ein diphycerker Schwanz (bei welchem die Schwanz-
spitze gerade verläuft und die Flossensäume oben und unten gleich-
mäßig entwickelt sind). Da die Amphibien, wie schon früher ge-
sagt wurde (p. 153 und 234), von Fischen abstammen, welche den
Dipnoern und den Ganoiden nahestanden, so darf die Fischähnlichkeit
der Larven unbedenklich im palingenetischen Sinne aufgefaßt werden.
3ei den urodelen Amphibien giebt es einige Arten, welche
zeitlebens die Kiemenatmung beibehalten und teils äußere Kiemen
besitzen (Phanerobranchia, Perennibranchia, z. B. Proteus), teils nur
innere Kiemen haben (Cryptobranchia, Derotrema, z. B. Menopoma).
Die durch Lungen atmenden Urodelen haben Larven, welche
durch Kiemen atmen und den eben genannten phanerobranchen
Formen sehr ähnlich sind (Taf. I, Fig. 10); sie besitzen große äußere
Kiemen, und diese sind sogar bei denjenigen Arten vorhanden, bei
welchen ein Teil der Larvenzeit oder die ganze Larvenperiode in dem
mütterlichen Körper im Uterus zugebracht wird (z. B. Salamandra
maculosa, Salamandra atra, vergl. p. 239). — Da die Kiemenatmung
sicherlich phylogenetisch älter ist als die Lungenatmung, wird also von
den Larven der lungenatmenden Urodelen die phylogenetisch ältere
Stufe wiederholt (entsprechend dem biogenetischen Grundgesetz (p. 42).
Von den Anuren gilt dasselbe; betrachtet man die Larven des
Frosches im Sinne des biogenetischen Grundgesetzes, so läßt sich der
Gang der Stammentwickelung ebenfalls deutlich erkennen. Die
Froschlarven (Kaulquappen) gleichen kleinen Fischen und atmen
durch Kiemen. An den Kiemenbögen der Froschlarve wachsen große
äußere Kiemen hervor (Fig. 277); die Larve steht nun auf der Stufe der-
jenigen urodelen Amphibien, welche zeitlebens im Wasser leben und zeit-
lebens mittels äußerer Kiemen atmen (Phanerobranchia oder Perennibran-
chia, z. B. Proteus, Siren). Freilich sind zu dieser Zeit noch keine
Extremitäten vorhanden, aber diese werden nun als kleine Höcker
angelegt (s. p. 301). Bei älteren Larven
verschwinden die äußeren Kiemen, und
die Kiemenbögen werden bedeckt von
einer Haut, welche wie der Kiemen-
deckel der Fische von dem Hyoidbogen
ausgeht; nun befindet sich die Frosch-
larve auf der Stufe derjenigen Amphi-
bien, welche zeitlebens innere Kiemen
haben, und bei welchen jederseits ein
Kiemenloch zum Austritt des Atem-
wassers besteht (COryptobranchia oder
Derotrema, z. B. Menopoma).
Fig. 277. Kaulquappen von Rana tempo-
raria, von unten und von der Seite gesehen. m
Mund, 4 Öberkiefer, z Unterkiefer, s Saugnäpfe,
kb äußere Kiemen, ik Gegend der inneren Kiemen,
n Nasengrube, « Auge, o Ohrbläschen, 3 Herz-
gegend, d Kiemendeckell.e. (Aus R. HERTWIG,
Lehrb. d. Zool.)
Amphibien. 299
Wenn dann die Froschlarve der Verwandlung in den Frosch sich
nähert, beginnt die Aufnahme von Luft in die Lungen; es besteht
also zeitweilig eine Doppelatmung durch Kiemen und durch Lungen,
erinnernd an die Doppelatmung der Lurchfische (Dipnoer). Zu
dieser Zeit sind die Hinterbeine schon zu beträchtlicher Größe heran-
gewachsen, die vorderen sind noch klein, aber treten nun unter der
Kiemenhaut hervor. Schließlich schwinden die Kiemen und wird der
Uebergang vom Wasserleben zum Landleben vollzogen: so wird die
Stufe der lungenatmenden Amphibien erreicht, zunächst diejenige der
geschwänzten Amphibien (Urodela cadueibranchia), dann endlich mit
dem Verlust des Schwanzes diejenige der Froschlurche (Anura,
Ecaudata).
Wie schon oben erwähnt wurde (p. 234), haben auch die fossilen
Stegocephalen im Wasser lebende Larven gehabt; diese besaßen ein
Kiemenskelet mit 4 Kiemenbögen, welches demjenigen der
Salamanderlarven sehr ähnlich war).
Wir wollen nun die Larven des Frosches, die Kaulquappen
(Gyrini), etwas genauer betrachten. Die ausschlüpfenden Larven sind
schon oben beschrieben worden (p. 286). Sie besitzen einen dicken
Kopf, an welchem vorn die Mundbucht, unten die Sauggruben und
seitlich die Kiemenspalten zu sehen sind (Fig. 266 u. 268). Weder
der Mund noch die Kiemenspalten sind zu dieser Zeit schon geöftnet.
Auf den Kiemenbögen beginnen die äußeren Kiemen hervorzuwachsen.
Die Larve heftet sich mit den Sauggruben an der Außenseite des
Laichklumpens oder an einem anderen Gegenstande an. Der Rumpf
der Larve ist länglich, und man erkennt am vorderen Teile desselben
die Vorniere und darunter die Pericardialhöhle (Fig. 266); der ven-
trale Teil des Rumpfes erscheint aufgetrieben, da die ventrale Wand
des Mitteldarmes von der Masse der großen Dotterzellen gebildet ist.
Der Schwanz steht eine kurze Strecke weit hervor. Im Rumpf
und Schwanz sind zahlreiche Ursegmente vorhanden, an welchen
die Musculatur so weit entwickelt ist, daß der Körper schlagende Be-
wegungen nach den Seiten ausführen kann. — Die ausschlüpfende
Larve besitzt Flimmerzellen im Ektoderm, nicht allein auf den äußeren
Kiemen, sondern auch auf dem ganzen Körper; durch die Flimmerung
wird eine von vorn nach hinten gehende Strömung an der Oberfläche
des Körpers hervorgebracht, an der Ventralseite, an der Dorsalseite
und am stärksten an der Lateralseite auf der Höhe der äußeren
Kiemen ?).
1) „Besonders innig gestaltet sich der Anschluß der Stegocephalen an die
Amphibien durch die übereinstimmende Embryonalentwickelung, die namentlich
durch die schönen Beobachtungen von H. CREDNER bei Branchiosaurus amblysto-
mus (aus dem mittelpermischen Kalk von Niederhäßlich bei Dresden) bekannt
geworden ist. Von den kleinsten, 25-30 mm langen Larven bis zu den ausge-
wachsenen Individuen von 100—120 mm Länge sind alle Uebergänge verfolgt
worden; es hat sich gezeigt, daß die Larven durch Kiemen atmeten.“ „In ihrer
Lebensweise waren alle Stegocephalen in der Jugend ausschließlich Bewohner des
Wassers, und zwar des süßen Wassers; wir wissen, daß die Larven, z. B. der
Branchiosauren, zu Tausenden die Wassertümpel bewohnten. Die ausgewachsenen
Tiere werden dagegen in demselben Gestein nur selten gefunden; offenbar
belebten sie größtenteils das benachbarte Uferland und kamen nur zeitweilig in ihr
altes Element zurück.“ (M. NEUMAYR, Erdgeschichte, 2. Aufl., Bd. 2, 1895,
p. 134.)
2) Nicht alle Zellen des Ektoderms tragen Cilien, sondern nur ein Teil der-
300 S. Capitel.
Wenn die Larve 9—10 mm lang geworden ist, bricht der Mund
durch. Am Munde entwickelt sich eine vorstehende Oberlippe,
welche Reihen feiner Zähnchen trägt, und eine ebenfalls mit Zähnchen-
Fig. 278. Hornschnabel und Lippen der Larve der Erdkröte Bufo vulgaris
LAuUR. (Nach BOULENGER.) Auf den Lippen sieht man die Reihen der Zähnchen.
Fig. 279. Hornschnabel und Lippen der Larve des Wasserfrosches Rana es-
culenta L. (Nach BOULENGER.) Auf den Lippen sieht man die Reihen der Zähnchen,
am Rande der Unterlippe die Papillen.
reihen besetzte Unterlippe!). Der Mundrand wird von einem Horn-
schnabel gebildet, nämlich von verhorntem Epithel, welches die
Kiefer überkleidet und dessen scharfer Rand von einer Reihe von
Zähnchen gebildet wird (Fr. E. SCHULZE, 1888). — Bei der Ver-
wandlung in den Frosch verschwinden die Lippen, und wird der Horn-
schnabel bei einer Häutung abgestoßen.
Unter dem Mund sind die beiden Sauggruben zu sehen (Fig. 267);
bei ausschlüpfenden Larven sind die beiden Sauggruben zu einem
Hufeisen verbunden (p. 286), später getrennt?). Die Sauggruben sind
vom Ektoderm gebildet unter drüsiger Umwandlung der Zellen; die
Anheftung der Larven erfolgt durch Ankleben vermittels des von den
Drüsenzellen erzeugten Schleimes.
Die Kiemenhaut wächst über die Kiemenbögen hinüber, und die
äußeren Kiemen werden rückgebildet. Als äußere Oeffnung für beide
Kiemenhöhlen bleibt ein unpaares Atemloch (Spiraculum) bestehen.
Dieses liegt lateral (Fig. 280) oder median ventral (s. die Tabelle
p. 304).
selben. Ich verweise auf die Arbeiten von ASsHETON (1896) und SIGMUND MAYER
(1897).
1) Die Zähnchen sind nur Producte des Epithels; jedes Zähnchen wird von
einer Reihe über einander liegender Epithelzeilen gebildet, in welcher die obersten
Zellen verhornt sind. Die mit den Zähnchen besetzten Lippen können wie eine
Feile wirken und dienen zum Abkratzen von Algen etc. Die Zahl und der Verlauf
der Zähnchenreihen ist bei den Larven der Anuren verschieden und bildet ein
Merkmal für die Bestimmung der Art (Fig. 278 u. 279). Ich verweise auf die Publi-
cationen von FR. E. SCHULZE (1888), HERON-ROYER et VAN BAMBERKE (1881 und
1889), BOULENGER (1891).
2) Da die Sauggruben der Frösche hinter dem Mund liegen, können sie weder
dem Saugmund der Cyclostomen noch der Saugscheibe der Ganoidenlarven ent-
sprechen. Hinsichtlich der Form der Sauggruben bei verschiedenen Batrachiern
verweise ich auf die Arbeit von THIELE (1887).
Amphibien. 301
Nach Beendigung der Kiemenatmung wird das Kiemenskelet rück-
gebildet; aus dem Rest desselben geht das Zungenbein hervor).
j
’
’
N
Ih sp a
Fig. 250 A u. B. Larve von Pelodytes punctatus DAuD, einer in Frankreich vor-
kommenden Kröte. (Nach BOULENGER.) A Ansicht von oben, B Ansicht von der
linken Seite. Natürl. Größe etwa 6 cm. Ib Unterlippe, sp Spiraculum, a Anus.
Man sieht auch die Reihen der Hautsinnesorgane.
Die Lungen und der Larynx entwickeln sich allmählich während
des Larvenlebens (p. 288).
Der Darm schimmert bei den Larven durch die Haut des Bauches
hindurch. In den ersten Tagen des Larvenlebens wächst er beträcht-
lich und bildet einen langen Schlauch, welcher in einer Spirale auf-
gerollt ist. Zur Zeit der Verwandlung tritt eine Verkürzung des
Darmes ein, wie schon früher gesagt wurde (p. 289).
In der Haut der Larven liegen Hautsinnesorgane, welche mehrere
Längsreihen bilden (Fig. 280). Beim Uebergang vom Wasserleben zum
Landleben verschwinden die Hautsinnesorgane ?).
Der Schwanz der Larve ist ein langer, amphicerker Ruderschwanz
mit breiten, durchscheinenden Flossensäumen, in welchen Pigment-
zellen, Bindegewebszellen und kleine Gefäße zu erkennen sind. Die
Muskelsegmente des Schwanzes zeigen dieselbe Knickung wie die-
jenigen der Fische, indem jedes Segment einen Winkel bildet, dessen
Spitze nach vorn steht (Fig. 280). — Am Ende der Larvenperiode
wird der Schwanz rückgebildet. Die Muskeln zerfallen und werden
von dem Blutstrom aufgelöst. Die Leukocyten sind dabei nur wenig
beteiligt (Looss 1889). Der Zerfall der Muskeln beginnt an der Spitze,
so daß der Schwanz immer kürzer wird.
Die Entwickelung der Extremitäten fällt in die Larvenzeit. Die
Hinterbeine wachsen sichtbar hervor (Fig. 280), die Vorderbeine bleiben
bis gegen das Ende der Larvenzeit unter der Kiemendeckelhaut ver-
borgen.
Die Extremitäten bilden anfangs kleine hügelförmige oder knopf-
förmige Hervorragungen, auf welchen das Ektoderm ein etwas erhöhtes
1) Die Entstehung des Zungenbeins aus dem Kiemenskelet ist am genauesten
von GAUPpP (1893) beschrieben worden.
2) Auch die Larven der urodelen Amphibien besitzen mehrere Reihen von
Hautsinnesorganen. Ich verweise auf die Untersuchung von MALBRANC (1875).
302 S. Capitel.
Cylinderepithel darstellt, und welche von einer Mesenchymmasse erfüllt
sind, die von dem äußeren Blatt der Seitenplatten abstammt!).
Die vordere Extremität entsteht schon bei 7 mm langen Frosch-
larven in Form einer compacten, warzenartig prominirender Mesenchym-
anhäufung an der seitlichen Rumpfwand, und zwar fast ganz im Bereich
des Kopfes, ventral am Ganglion Nervi vagi, zwischen ihm und dem vor-
dersten Bezirk der Vorniere. Diese warzenartige Prominenz (Fig. 270)
liegt anfangs frei, wird aber bald von der Kiemenhaut derart überwachsen,
daß sie von nun an in den hintersten blindsackartigen Abschnitt des
Branchialraumes hereinragt (WIEDERSHEM). — Die vordere Extremität
wächst langsam und ist fast während der ganzen Larvenzeit bis kurz
vor der Metamorphose von der Kiemenhaut verdeckt.
Die Anlage der hinteren Extremität erscheint als eine knopfartige
Vorragung, welche von Mesenchymzellen erfüllt ist. Die Zellanhäufung
erstreckt sich wie bei Urodelen über zwei Spinalsegmente (es handelt
sich um das 10.—12. Spinalganglion) hinweg und schließt erst später
unterhalb des Cöloms von beiden Seiten gürtelartig zusammen. Sehr
frühe wuchert Muskelgewebe ein, welches sich von einem im dorsalen
Bereich der Schwanzwurzel liegenden Myotom abzweigt (WIEDERSHEIM).
— Die Hinterbeine wachsen in den letzten Wochen der Larvenzeit zu
beträchtlicher Größe heran (Fig. 280).
Was die Skelettanlagen betrifft, entsteht jede Hälfte des Schulter-
gürtels aus einer einheitlichen Knorpelspange; secundär erfolgt dann die
Differentiation der einzelnen Knochen des Schultergürtels und ihre
ventrale Verbindung. Ebenso verhält sich der Beckengürtel, welcher
auch aus zwei seitlichen Hälften zusammenwächst. Von den Knochen
der Extremitäten werden zuerst der Humerus und der Femur knorpelig
angelegt, dann erscheinen der Reihe nach die knorpeligen Anlagen der
distalwärts folgenden Extremitätenknochen.
Die Beine der Froschlarven besitzen eine bemerkenswerte Regene-
rationsfähigkeit; wenn sie während ihrer Entwickelung abgeschnitten
werden, wachsen sie von Neuem aus?).
Die Larven der außereuropäischen Anuren sind nur bei
wenigen Arten bekannt. Ich beschränke mich auf die Beschreibung
der Larven von drei Arten, nämlich von Pipa dorsigera, von Xenopus
boiei (= Dactylethra eapensis) und von Pseudis paradoxa.
Die Larve der Pipa (Pipa dorsigera SCHNEID. —= P. americana
LAur.) kann als Repräsentant derjenigen Arten gelten, bei welchen
die Larven durch besondere Einrichtungen der Brutpflege geschützt
sind und nicht frei im Wasser leben (vergl. p. 235 u. f.); gewöhnlich sind
1) Beiläufig können die Beobachtungen von H. H. FıELp (1894) erwähnt
werden, welche sich auf die vordere Extremität von Amblystoma punctatum be-
ziehen. Die erste Anlage der Extremität ist ein aus der Somatopleura entstehender
Zellenwulst. Mit diesem fließen die ventralen Fortsätze von einigen (etwa 3) Ur-
segmenten zusammen. — Dagegen berichtet BYRxes (1898) nach Beobachtungen an
Urodelen und Anuren, daß die Anlagen der Extremitäten lediglich von der Somato-
en abstammen, und daß keine Pockeätze der Ursegmente (Muskelknospen) dabei
eteiligt sind.
2) Bei den urodelen Amphibien ist die Regenerationsfähigkeit größer. Ich
kann hier auf die Experimente über Regeneration nicht genauer eingehen. Nach
dem Thema dieses Buches ist es auch nicht notwendig, daß ich über die Experimente
berichte, welche die Verwachsung zweier Larven, das Anwachsenlassen der Teile
anderer Larven u.s. w. betreffen. Ich verweise nur auf die im Litteraturverzeichnis
erwähnten Schriften von BARFURTH, BORN, FRAISSE, GOETTE und T. H. MORGAN.
ae u.n7
Amphibien. 303
in solchem Falle die Eier von besonderer Größe, und ist daher zur
Zeit, wenn die Larve sich entwickelt, noch ein großer Dottersack vor-
handen !). Die Larven sind daher denjenigen
der Ganoiden und Teleosteer ähnlich, welche
zur Zeit des Ausschlüpfens noch einen großen
Dottersack besitzen ?).
Die Larve der Pipa entwickelt sich, wie
schon früher gesagt wurde (p. 235), in einer
Bruttasche auf dem Rücken des Weibchens. Zur
Zeit, wenn schon alle 4 Beine entwickelt sind,
Fig. 281. Larve von Pipa dorsigera SCHNEID. (Nach
W. K. PARKER, 1876.) Vergr. 5mal.
ruht die Larve noch auf einem großen Dottersack (Fig. 281). Der
lange Schwanz der Larve ist um die Dotterkugel herumgeschlagen.
Sehr merkwürdige Larven besitzt der Spornfrosch (Xenopus
boiei WaGL. — Dactylethra capensis Cuv.). Ich hebe aus der Be-
schreibung von W. K. PARKER (1576) folgende Eigentümlichkeiten
dieser Larven hervor’). Der Mund liegt nicht auf der Unterseite des
Fig. 282. Larve von Dactylethra capensis Cuv. (Nach W. K. PARKER.)
Kopfes, sondern vorn; er ist breit wie bei Siluroiden oder Lophius;
er besitzt eine herabhängende Unterlippe und an jeder Seite der
ÖOberlippe einen auffallend langen Tentakel oder Bartfaden. Ein
Hornschnabel ist nicht vorhanden. Saugnäpfe unter dem Mund fehlen.
Es findet sich nicht nur links, sondern auch rechts eine Kiemenöffnung.
Der Schwanz ist lang und im Vergleich zu den Kaulquappen unserer
Frösche dünn und schmal; er endet mit einem langen Faden. Die
Vorderbeine sind nicht unter der Kiemendeckelhaut verborgen,
sondern wachsen frei hervor; sie sind stets bedeutend kleiner als die
Hinterbeine.
1) Unter den einheimischen Anuren trifft dies bei der Geburtshelferkröte
(Alytes obstetricans) zu, welche, wie früher gesagt (p. 237), eine eigentümliche Brut-
pllege ausübt und bei welcher eine große Dottermenge vorhanden ist, so daß der
mbryo in ähnlicher Weise wie bei Pipa (Fig. 281) oben auf dem Dottersack ent-
steht (VoGT 1842).
2) Wie unter den Anuren findet man auch unter den Urodelen bei denjenigen
Arten, welche Brutpflege besitzen, besonders große Eier. So z. B. bei Salamandra
maculosa (vergl. p. 239 u. 248). Daher zeigen die jungen Larven, welche im Uterus
des Weibchens gefunden werden, einen großen Dottersack, welcher sich allmählich
verkleinert (Taf. I, Fig. 9 u. 10).
3) Ich verweise auf Fig. 282 und außerdem auf die Abbildung in BREHM’S
Tierleben, 3. Aufl., Bd. 7, p. 735. Vergl. auch die Schrift von BEDDARD 1894.
304 8. Capitel.
Schließlich erwähne ich noch die Larve des in Surinam vor-
kommenden Trugfrosches, Pseudis paradoxa WAGL. Sie ist die größte
unter allen Anuren-Larven, indem sie eine Länge von über 18 cm
erreicht, wovon 10 em auf den Schwanz kommen. Die Larve ist in
der Körperform einer Pelobates-Larve ähnlich. Die hinteren Ex-
tremitäten wachsen fast zu der vollen Größe heran, während die
vorderen Extremitäten noch unter der Kiemenhaut verborgen sind.
Bestimmungstabelle.
Die in Deutschland vorkommenden Batrachierlarven können nach
folgender Tabelle bestimmt werden, welche ein Auszug der von BOULENGER
(1891) für die europäischen Batrachierlarven aufgestellten Tabelle ist:
I. Spiraculum auf der Bauchseite, median. Anus median. Schwanz ab-
gerundet oder stumpf endigend.
1)Spiraculum näher am hinteren als am vorderen Ende des Leibes,
Schwanz höchstens 11/, mal so lang als der Leib. Netzwerk feiner
schwarzer Linien in den Säumen der Schwanzflosse.
Bombinator, Unke (2 Arten).
2) Spiraculum näher dem vorderen als dem hinteren Ende des Leibes.
Schwanz mindestens 11/, mal so lang als der Leib.
Alytes obstetricans, Geburtshelferkröte.
Il. Spiraculum auf der linken Seite des Körpers
1) Anus median.
a) Spiraculum direct nach hinten gerichtet, Ende der Schwanz-
flosse abgerundet, Ober- und Unterlippe mit gezähntern Rande
(Fig. 278).
Bufo, Kröte (3 Arten).
b) Spiraculum aufwärts und rückwärts gerichtet, Rand der Unter-
lippe mit Papillen besetzt, Schwanz zugespitzt. Hornschnabel
schwarz.
Pelobates fuscus, Knoblauchkröte.
2) Anus nach rechts gewendet. Spiraculum nach rückwärs und auf-
wärts gerichtet. Rand der Unterlippe mit Papillen (Fig. 279).
a) After ganz nahe am unteren Rande des Schwanzes. Dorsaler
Flossensaum nicht weiter nach vorn gehend als bis zu der
Querebene des Spiraculums. Augen auf der Oberseite des
Körpers.
Rana, Frosch (4 Arten).
b) After über dem unteren Rande des Schwanzes gelegen.
Dorsaler Flossensaum auf dem Rücken sich weit nach vorn
erstreckend, meist bis zwischen die Augen. Augen seitlich
am Kopfe.
Hyla arborea, Laubfrosch.
Auch die Größe giebt einen Anhalt zur Bestimmung; als größte
Länge erreichen die Larven von:
Pelobates fuscus 175 mm, Rana agilis 59 mm,
Pelobates cultripes 120 mm, Bombinator igneus 50 mm,
Rana esculenta 111 mm, Hyla arborea 49 mm,
Alytes obstetricans 90 mm, Rana temporaria 46 mm.
Die Larven der übrigen einheimischen Arten bleiben unter dieser
Größe. .
zu ee .
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IX. CAPITEL.
Gymnophionen.
Peromelen (Haeckel), Schlangenlurche, Blindwühlen.
Wie die Gymnophionen in ihrer Organisation in verschiedener
Hinsicht den Uebergang von den Amphibien zu den Reptilien ver-
mitteln, so ist auch ihre Entwickelung in mancher Beziehung der
Reptilienentwickelung sehr ähnlich. Daher habe ich hier die Gymno-
phionen zwischen die Amphibien und die Amnioten gestellt.
Wahrscheinlich stammen die Gymnophionen von alten beschuppten
Amphibien ab, welche auch den Ausgangspunkt für die Reptilien gebildet
haben (p. 234). Die Fußlosigkeit und die unterirdische Lebensweise der
Gymnophionen sind secundär erworbene Eigenschaften }).
Ueber die Entwickelung der Gymnophionen liegt das schöne Werk
von PAUL SARASIN und FRITZ SARASIN vor, welches die ceylone-
sische Blindwühle, Ichthyophis glutinosus FITZINGER (= Epierium
glutinosum WAGLER = Coecilia glutinosa L.) betrifft; die Forscher
sammelten die Eier auf Ceylon auf der Hochebene von Candy, wo
Ichthyophis in dem stets feuchten Boden der Flußufer und in der
Nähe von Bächen und Tümpeln häufig zu finden ist. Ferner
erschienen in neuerer Zeit mehrere wichtige Publicationen von
BRAUER, in welchen die Entwickelung der auf den Seychellen vor-
kommenden Arten Hypogeophis rostratus Cuv. (= Coecilia rostrata)
und Hypogeophis alternans ST. ausführlich beschrieben wird.
Die Fortpflanzung und Brutpflege findet bei der ceylonesischen
Blindwühle in folgender Weise statt. Bei der Begattung (welche nicht
beobachtet ist) gelangt das Sperma in die Kloake des Weibchens und
l) WIEDERSHEIM sieht in den Gymnophionen „die letzten spärlichen Ueber-
bleibsel einer zur Zeit der Kohlenperiode reich entwickelten Amphibienwelt, deren
Vertreter namentlich durch Dawson, CoPE uud HuxrEy unter dem Namen der
Microsaurier bekannt geworden sind“. HAECKEL faßt die jetzt lebenden Gymno-
phionen und die fossilen Aistopoden (Dolichosoma, Ophiderpeton) als zwei nächst-
verwandte Zweige eines fußlosen Astes der Amphibienklasse auf, der schon früh-
zeitig während der Steinkohlenperiode durch Rückbildung der Füße aus älteren
vierfüßigen Stegocephalen hervorging; unter den letzteren giebt es sogar einzelne
Gattungen (Discosaurus), welche in der eigentümlichen Bildung der kreisrunden
Schuppen völlig mit einigen lebenden Cäcilien (Epierium) übereinstimmen (HAECKEL,
Systematische Phylogenie, Bd. 3, 1895, p. 278). PETERS ist der Ansicht, daß die
Gymnophionen unabhängig von den Aistopoden sich entwickelt und später als diese
die Füße verloren haben, da bei den Embryonen von Ichthyophis noch Spuren
der hinteren Extremitäten vorhanden sind.
Gymnophionen. 315
steigt von da in die Oviducte auf. In den Oviducten werden die Eier
befruchtet und machen da auch die Furchung durch. Dann setzt das
Weibchen die Eier in feuchter Erde ab in einer von ihm selbst gegra-
benen kleinen Höhle. Bei der Eiablage tritt aus jedem Oviduct eine
Eierschnur aus, da die Eier durch ihre Eiweißhüllen verbunden sind. Die
beiden Eierschnüre verwickeln sich zu einem Knäuel, und die Verbindungs-
stränge der Eier, sowie auch die äußersten Eiweißhüllen derselben
erhärten. Der so entstehende Klumpen wird von dem Weibchen um-
schlungen, und das Weibchen bleibt bei den Eiern bis zum Ausschlüpfen
der Jungen !). Innerhalb der Eihülle entwickeln sich die Larven, welche
durch 3 Paar große äußere Kiemen ausgezeichnet sind. Die Eier
erfahren während der Entwickelung durch Aufnahme von Wasser eine
bedeutende Vergrößerung?). Nachdem die Larven schon ungefähr eine
Länge von 7 cm erreicht haben, schlüpfen sie aus und begeben sich in
Flüsse und Bäche, wo sie bis zum Eintritt der Metamorphose bleiben.
Bei den von Bravsr beobachteten beiden Arten ist die Fort-
pflanzungsweise und die Brutpflege dieselbe wie bei der ceylonesischen
Blindwühle, jedoch bleiben die Larven so lange in den Eihüllen, daß die
Larven keinen Aufenthalt im Wasser mehr nehmen.
Beiläufig mag bemerkt werden, daß Grerrr bei einer Blindwühle
Westafrikas, bei Dermophis thomensis BarBoza pu BocaGz, welche er
auf der Insel Rolas (bei der Insel S. Thom&) beobachtete, Embryonen
im Oviducte gefunden hat. Greerr hat nur ein einziges trächtiges
Weibchen gesehen, und dieses enthielt in dem einen Oviduct einen, in
dem anderen 2 Embryonen von 4 cm Länge. Bei dieser von GREEFF
beobachteten Art läuft also der größte Teil der Entwickelung im Oviduet
ab. Dasselbe gilt wahrscheinlich auch noch von einigen anderen Gymno-
phionen. So fand W. Prrers bei der amerikanischen Blindwühle
Typhlonectes compressicauda in den Uteri eines Weibchens 6 auf-
fallend große Embryonen (einer war 157 mm lang), welche im Nacken
große blattförmige Kiemen besaßen (vergl. Sarasın, 1. c.).
Das Ei der Gymnophionen, wie es von P. u. F. Sarasın bei
Ichthyophis glutinosa beobachtet wurde, besitzt eine auffallende Aehn-
lichkeit mit einem Sauropsidenei, speciell mit einem Vogelei. — Die
Eizelle hat im Ovarium eine längliche Gestalt, nach der Eiablage aber
eine kugelige Form. Der Dotter ist von strohgelber Farbe und ent-
hält grobe, meist ovale Dotterkörner. Auf dem Dotter liegt eine
weißliche Keimscheibe, welche nur feine Dotterkörnchen enthält: von
der Mitte der Keimscheibe geht ein Strang feinkörnigen Dotters gegen
die Mitte des Eies, um dort zu einer kugelförmigen Masse anzu-
schwellen (Fig. 283); dieser Befund erinnert an die Verhältnisse im
Vogelei, bei welchem ein feinkörniger Strang, der Dotterstiel, von der
Keimscheibe nach dem Innern des Eies geht und in der Mitte des
Eies eine runde Masse, die Latebra, bildet. Während die Eizellen
1) Unter den anderen Amphibien kommt eine ähnliche Brutpflege Amphiuma
zu. Nach den Beobachtungen von OÖ. P. Hay sind die Eier durch ihre Eiweiß-
schnüre zu einem Knäuel verschlungen, und das Weibchen liegt dabei um die-
selben geringelt (Hay, Observations on Amphiuma and its young, Amer.
Naturalist 1888).
2) PAUL SarRAsın und FRITZ SARASIN vermuten, daß das Weibchen durch
das Secret seiner Hautdrüsen zur Ernährung der Brut beiträgt. BRAUER teilt diese
Ansicht nicht. ©. Hay hat für Amphiuma die Meinung ausgesprochen, daß das
Weibchen durch das Secret seiner Hautdrüsen die Eier feucht erhalte.
>16 9. Capitel.
durch die Oviduete hindurcehgehen, werden sie von einer Eiweiß-
schicht umhüllt, und alle Eier eines Oviductes werden von einem
gemeinsamen Eiweißschlauch umschlossen, so daß von jedem Oviduet
Fig. 283. Schema der Eihüllen eines
abgelegten Eies von Ichthyophis glutino-
sus. (Nach P. u. F. Sırasın.) Es ist
ein Ovarialei eingezeichnet. ch Chalazen,
e Eiweißschlauch, d Dotter der Eizelle, %
Keimbläschen am animalen Pol, ! Latebra.
eine perlschnurähnliche Eierschnur gebildet wird. Die der Eizelle
zunächst auflagernde Eiweißschichte bildet eine zähe Membran, welche
sich von einem Ei zum anderen fortsetzt und eine deutliche spiralige
Drehung besitzt, also den Chalazen (Hagelschnüren) des Vogeleies
sehr ähnlich ist (Fig. 283).
Die Eier der Gymnophionen sind im Vergleich zu den Eiern
unserer einheimischen Amphibien von auffallender Größe. Das Ei
von Hypogeophis rostratus ist 7—8 mm groß, dasjenige von Hypo-
geophis alternans 4-5 mm. Das Ei von Ichthyophis mißt nach
der Eiablage etwa S mm im Durchmesser, wovon etwa 7 mm
auf die Eizelle selbst kommen. Bei dieser Größe des Eies ist es
begreiflich, daß die Zellteilungen nicht durch die ganze Eizelle hin-
durchzuschneiden vermögen und folglich die Furchung meroblastisch
ablaufen muß.
Die Furehung und die Gastrulation.
Bei der Darstellung der Furchung, der Gastrulation, der Keim-
blätterentwickelung und der Anlage des Embryo werde ich haupt-
sächlich der eingehenden Beschreibung folgen, welche BRAUER von
Hypogeophis rostratus und H. alternans gegeben hat.
Die Furehung verläuft partiell). Die ersten Furchungsbilder
sind nicht beobachtet. Nur einige späte Furchungsstadien sind be-
kannt geworden. Dieselben wurden im Eileiter gefunden. Diese
ung
(1
Fig. 284. Furchungsstadium von Ichthyophis glutinosus zur Zeit des Er-
scheinens der Furchungshöhle. (Nach P. und F. Sarasın.) bl Blastoderm, % Kerne
im Dotter.
1) Erst während der Gastrulation und während der folgenden Zeit wird die
Dotterkugel allmählich in große Zellen zerlegt.
Gymnophionen. 317
Stadien zeigen ein Blastoderm, welches als eine runde, flache Scheibe
dem Ei aufliegt, und dessen Durchmesser ungefähr den fünften oder
sechsten Teil des Eiumfangs beträgt. Das Blastoderm ist an seiner
Peripherie nicht scharf begrenzt, denn die Furchung schreitet am
Rande weiter. Während die Zellen des Blastoderms meist nur kleine
Dotterkörnchen enthalten, findet man am Rande des Blastoderms
größere Zellen mit groben Dotterkörnern, und noch etwas peripher-
wärts liegen freie Kerne; ebensolche freie Kerne befinden sich auch
unter dem Blastoderm, d. h. unter der Scheibe der Furchungszellen }).
Die Furchungshöhle zeigt sich in der Weise, daß Lücken unter
den untersten Blastodermzellen auftreten (Fig. 254). Von den freien
Kernen aus schreitet die Furchung im Dotter weiter, so daß am
Rande des Blastoderms neue Zellen sich anschließen und unter der
Furchungshöhle Zellen entstehen. Durch diesen Vorgang der Zell-
bildung (Nachfurchung) wird allmählich ein immer größerer Teil des
Dotters in Zellen zerlegt.
Die obersten Zellen des Blastoderms fügen sich zu einem ein-
schichtigen Epithel zusammen, und es scheint, daß auch ein Teil der
darunter gelegenen Zellen des Blastoderms in den Verband des
Epithels hineintritt. Die Epithelscheibe besteht größtenteils aus
eubischen Zellen und geht an ihrer Peripherie ohne scharfe Grenze
in die nicht epithelial geordneten ‘größeren Zellen des Randes des
2)
Fig. 285. Medianer Längsschnitt durch eine Keimscheibe von Hypogeophis
alternans zur Zeit des Beginns der Gastrulation.e (Nach BRAUER.) e epitheliale
Schichte, « Umschlagsrand, » vegetative Zellschichte. Vergr. 50mal.
Blastoderms über. Aber an einer Seite der Epithelplatte wird das
Epithel ein hohes Cylinderepithel, und auf dieser Seite entsteht am
Rande der Epithelplatte eine Rinne, indem das epitheliale Blatt sich
hier nach innen einfaltet. Diese Einfaltung ist der Anfang der
1) Nach Sarasın findet man bei Ichthyophis „freie Kerne überall zerstreut, am
Boden der Keimhöhle sowohl als in der Umgebung der Keimränder in großer Zahl“.
Aber BRAUER berichtet, daß freie Kerne auch noch weithin durch den Dotter zerstreut
sind. Es scheint also im Dotter erst reichliche Kernteilung ohne Zellteilung statt-
zufinden und dann erst, vom Blastoderm her fortschreitend, die Zellteilung einzutreten.
Es ist vom Standpunkt der Zellenlehre nicht unbegreiflich, daß anfangs die Kerne
sich teilen, ohne daß sie die Zerklüftung des großen Dotters herbeizuführen ver-
mögen. Allein in der Nähe der Keimscheibe, wo die Kerne zahlreicher liegen,
fallen den einzelnen Kernen kleinere Territorien zu, und kann also bei der Teilung
der Kerne die Zellabgrenzung stattfinden. Die allmähliche Verbreitung der freien
Kerne im Dotter kann vielleicht daraus erklärt werden, daß bei jeder Mitose die
Pole der Spindel aus einander rücken, wobei immer einige Kerne in neues Dotter-
gebiet vorgeschoben werden.
318 9. Capitel.
Gastrulation. Sobald die Rinne erkennbar ist, läßt sich die
Örientirung des Blastoderms bestimmen, da die Gastrulation an dem
hinteren Rande des Blastoderms beginnt. Infolge der Bildung der
Rinne erscheint der hintere Rand des Blastoderms scharf abgesetzt
(Fig. 285). Die Rinne kann als Blastoporusrinne bezeichnet werden;
sie entspricht der Rusconxt'schen Rinne der anderen Amphibien (s. d.
Gastrulation der Amphibien p. 260).
jei der Gastrulation bildet sich ein Umschlag der epithelialen
Schichte, wie schon gesagt wurde; es entsteht also eine epitheliale
untere Schichte, welche von der Blastoporusrinne her nach vorn vor-
dringt: unter ihr befindet sich ein flacher Hohlraum, die Gastralhöhle
(Fig. 286). BRAUER bezeichnet als animale Schichte die äußere
epitheliale Schichte und den eingestülpten Teil der epithelialen Schichte,
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Fig. 286. Medianer Längsschnitt durch eine Keimscheibe von Hypogeophis
alternans zur Zeit der Gastrulation. (Nach BRAUER.) Vergr. 50mal. Bezeichnungen
wie bei Fig. 285.
während er der vegetativen Schichte alle übrigen Zellen zurechnet,
also alle Zellen der Dotterkugel und diejenigen Zellen, welche sich
im Gebiet der Furchungshöhle unter dem Epithel befinden. Die
animale Schichte entspricht dem animalen Teile der Blastula der
Amphibien, also z. B. dem pigmentirten Teile der Blastula des Frosches.
Nach vorn von der Gastralhöhle liegt die Furchungshöhle, welche
durch unregelmäßige spaltartige Hohlräume dargestellt ist, die sich über
und zwischen den vegetativen Zellen befinden. In der Nachbarschaft
der Gastralhöhle schließen sich die vegetativen Zellen zu einer
epithelialen Decke zusammen, und unter derselben entsteht durch Zu-
sammenfließen kleiner Lücken eine ausgebreitete flache Höhle. BRAUER
sieht diese Höhle als einen Teil der Furchungshöhle an, ich möchte
sie aber lieber als vegetative Höhle bezeichnen, da sie durch eine
epitheliale Decke vegetativer Zellen begrenzt ist. Die Scheidewand
von vegetativen Zellen, welche die durch Einstülpung entstandene
Gastralhöhle von der vegetativen Höhle trennt, wird dann durch-
brochen, und die beiden Höhlen fließen zusammen, so daß die vege-
tative Höhle die Verlängerung der Gastralhöhle bildet !).
Hinsichtlich der theoretischen Auffassung dieser Thatsache sind
1) BRAUER schreibt (l. ec. p. 411): Diese Verschmelzung der Räume wird
weniger durch eine Auflösung oder durch einen scharfen Bruch erfolgen, sondern
durch Auseinanderweichen der vegetativen Zellen, durch Bildung von Spalten ; sicher
erfolgt die Vereinigung zuerst in der Mitte, dort, wo der Grund des Blindsackes an
die neue Höhle grenzte.
Gymnophionen. 319
zwei Ansichten möglich. Entweder faßt man, wie dies BRAUER thut,
die vegetative Höhle als einen Teil der Furchungshöhle auf, dann liegt
also eine Verschmelzung der Gastralhöhle mit der Furchungshöhle
vor!). Oder aber man sieht die vegetative Höhle als einen Spalt-
raum zwischen den Dotter- 2
zellen an: es kommt also zu
dem durch Einstülpung ent-
standenen Teile der Gastral-
höhle eine als Spaltraum
zwischen entodermalen Zellen
entstehende Fortsetzung hinzu.
Ich halte die letztere Auf-
fassung für die einfachere und
verständlichere.
Fig. 287. Grundriß der Gastral-
höhle und der mit ihr zusammen-
fließenden vegetativen Höhle bei
einem Embryo von Hypogeophis alter-
nans etwa im Stadium der Fig. 288.
(Nach BRAUER.) bl Blastoporus, «az
animale Zellen (Gebiet der ursprüng-
lichen Gastralhöhle), »z vegetative
Zellen (Gebiet der vegetativen Höhle).
Zur Zeit des Durchbruchs ist der vordere Teil der vegetativen
Höhle durch unregelmäßige Züge von vegetativen Zellen in ein compli-
eirtes System von Hohlräumen geteilt; die vordere Begrenzung des
neu erworbenen Teiles der Gastralhöhle ist also noch nicht genau zu
bestimmen; aber allmählich ordnen sich die Zellen auch in diesem
vorderen Teile zu einer regelmäßigen Decke. Die ganze Ausdehnung
des neu erworbenen Teiles der Gastralhöhle ist aus dem Grundriß
Fig. 287 ersichtlich. Ferner stellt Fig. 292 den Medianschnitt bei
einem etwas älteren Stadium dar, und man erkennt den ursprüng-
lichen Teil der Gastralhöhle und die Grenze des neu erworbenen Teiles.
Während der Gastrulation biegt sich die Blastoporusrinne halb-
mondförmig ein und. schließt sich dann zu einem Ring (Fig. 288— 290) ;
Fig. 289. Fig. 290.
Pr
Fig. 288.
Fig. 285-290. Embryonalanlage von Emecopl rostratus in drei Stadien.
(Nach BRAUER.) Vergr. 4,5. Der dunkle Hof zeigt die Ausdehnung der Gastral-
höhle an.
1) Die Verschmelzung der Gastralhöhle mit der Furchungshöhle steht unter
den niederen Wirbeltieren nicht vereinzelt da; GRÖNROOS beschreibt einen solchen
Vorgang bei Salamandra maculosa (Anat. Anzeiger, Bd. 14, 1898). Es scheint diese
cenogenetische Abänderung der Bildungsweise der Gastralhöhle nur bei sehr dotter-
reichen Eiern vorzukommen, bei welchen der durch Einstülpung entstehende Teil
der Gastralhöhle nicht tief genug vordringt.
320 9. Capitel.
wie bei den anderen Amphibien wird also auch hier der Blastoporus
annähernd kreisförmig und umschließt einen rundlichen Dotterpfropf.
Zur Zeit der Gastrulation breitet sich die epitheliale Schichte
weiter auf dem Ei aus, bis sie schließlich das ganze Ei bedeckt').
Chorda. Mesoderm und Enteroderm.
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Derjenige Teil der Decke der Gastralhöhle, welcher durch Ein-
stülpung entstanden ist, wird zur Bildung der Chorda und des Meso-
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Fig. 291 A—D. 4 Querschnitte durch einen Embryo von Hypogeophis alternans
im Stadium der Figur 290. (Nach BrAUER.) Vergr. 48mal. en Enteroderm, mp
Mittelplatte (Anlage der Chorda), sp Mesoderm, ud Gastralhöhle.
1) In Bezug auf die theoretische Auffassung dieses Vorgangs verweise ich auf
die Erörterungen bei der Gastrulation der Amnioten (10. Capitel).
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Me ee GG EE
Gymnophionen. 321
=
derms verwendet. Der mittlere Abschnitt der eingestülpten Schichte
bleibt einschichtig und stellt die Anlage der Chorda dar, die beiden
seitlichen Abschnitte werden durch starke Zellvermehrung mehrschichtig
und bilden die beiden Mesodermstreifen. Das Enteroderm wird durch
die vegetativen Zellen gebildet, welche sich seitlich und vorn an die
eingestülpte Schichte anschließen, und welche von den Seiten her
unter die Mesodermstreifen sich vorschieben ').
Zur Erläuterung dieser Verhältnisse dient die (@uerschnittserie
Fig. 291. Man sieht an Fig. 291 A median das hohe Cylinderepithel der
Chordaanlage, seitlich die Mesodermstreifen. Unter denselben bemerkt
man jederseits eine Schichte vegetativer Zellen, welche an der Decke
der Gastralhöhle sich medianwärts vorschiebt und nahezu bis an das
Chordaepithel heranreicht. Fig. 291 B stellt einen etwas weiter hinten
gelegenen Schnitt dar, und Fig. 291 C einen Schnitt durch die Blasto-
poruslippe, also durch den Umschlagsrand, in welchem das Ektoderm
mit der eingestülpten Schichte verschmolzen ist. Fig. 291 D geht
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Fig. 292. Medianschnitt durch einen Embryo von Hypogeophis alternans zur
Zeit der Entstehung der ventralen Blastoporuslippe im Stadium der Fig. 290. (Nach
BRAUER.) dp Dotterpfropf, en Enteroderm, ms Chordaanlage, Al hintere (ventrale)
ee vl! vordere (dorsale) Blastoporuslippe, «4 Urdarmhöhle, x Grenze
der ursprünglichen Gastralhöhle und des neuen Theiles der Gastralhöhle.
durch den Blastoporus und zeigt in der Mitte den Dotterpfropf,
seitlich den Umschlagsrand und die Mesodermbildung an der seit-
lichen Blastoporuslippe.e Wenn die Ruscoxtsche Rinne sich zum
Kreise schließt (p. 319), schreitet die Mesodermbildung längs der-
selben nach der Ventralseite hin fort, so daß im ganzen Umkreis des
Dotterpfropfes Mesoderm gebildet wird (peripheres, peristomales Meso-
derm), ebenso wie bei den anderen Amphibien.
1) BRAUER betont besonders, daß das Epithel, welches die Chorda bildet, im
Zusammenhang mit den Mesodermstreifen aus der eingestülpten epithelialen Schichte
entsteht, also mit den vegetativen Zellen, welche als Enteroderm die Wand des
Darmes bilden, keine genetische Beziehung hat; deshalb rechnet er die Anlage der
Chorda dem Mesoderm zu. Was die Mesodermstreifen betrifft, so erklärt er aus-
drücklich, daß dieselben lediglich von der eingestülpten Schichte stammen, also
nicht im Sinne der Hrrrwıs’schen Cölomtheorie von dem vegetativen Entoderm-
epithel hergeleitet werden können. Das letztere ist unbeteiligt an der Bildung des
Mesoderms und der Chorda und führt nur die Unterwachsung aus. Daher ist auch
von einer Mesodermbildungsrinne nicht die Rede; jedoch dürfte, wie mir scheint,
der Rand des vegetativen Epithels im Stadium der Fig. 291 der Mesodermbildungs-
rinne anderer Wirbeltiere der Lage nach entsprechen.
Ziegler Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere. 21
322 9. Capitel.
Fig. 292 stellt einen Medianschnitt durch ein gleiches Stadium
dar. Man sieht den Dotterpfropf, an der dorsalen Blastoporuslippe
den Umschlag und die eingestülpte Schichte, an der ventralen Blasto-
poruslippe das Mesoderm des Blastoporusrandes. Die eingestülpte
Schichte stellt auf diesem Schnitt ein einfaches Cylinderepithel dar,
da das median gelegene Chordaepithel getroffen ist. Vorn schließt
sich die Schichte der vegetativen Zellen an, welche die Decke des
neuerworbenen Teiles der Gastralhöhle bildet (p. 318).
Die Bildung der Chorda vollzieht sich in ähnlicher Weise wie
bei anderen Wirbeltieren durch eine aufwärts gehende Faltenbildung.
Zunächst trennt sich die Chordaanlage von dem anstoßenden Mesoderm
ab; auf Fig. 293 sieht man die Chordaanlage zwischen die heran-
tretenden Teile des Enteroderms eingefügt!),. Dann krümmt sich
Fig. 293. Querschnitt
durch einen Embryo mit
offener Medullarfurche von
er
DL
ag Hypogeophis alternans.
RE (Nach BRAUER.) ch Chorda,
u e Enteroderm, m Meso-
derm, md Medullarplatte.
©
I)
®
das Chorda-Epithel und bildet eine ventralwärts geöffnete Chordarinne.
Die Rinne verschließt sich, und es entsteht ein stabförmiger Chorda-
strang (Fig. 294). Wie bei den anderen Wirbeltieren erfolgt die
Bildung der Chorda zuerst im mittleren Teile des Embryo und
schreitet allmählich nach vorn und nach hinten weiter.
Während der Bildung des Chordastranges wächst das Enteroderm
von beiden Seiten weiter medianwärts vor (vergl. Fig. 295 und 294),
und nach der Bildung der Chorda schließt sich dasselbe unter der
Chorda zusammen. Dieser Vorgang schreitet allmählich durch die
ganze Länge des Embryo fort; nur am hinteren Ende des Embryo,
Fig. 294. Querschnitt durch einen Embryo von Hypogeophis alternans nach
dem Schluß des Medullarrohres. (Nach BRAUER.) Vergr. 104mal. ch Chordastrang,
en Enteroderm, ms Mesodermstreifen.
_ D Der ursprüngliche Zusammenhang der Chorda mit dem Mesoderm sowie
die Ablösung der Chorda von demselben erinnern an die Verhältnisse bei Ceratodus.
Man vergl. Fig. 291A mit Fig. 207 und Fig. 293 mit Fig. 208 (auf p. 223).
ZA
Gymnophionen. 393
an der Stelle des entstehenden Canalis neurentericus bleibt das Chorda-
epithel lange Zeit von der entodermalen Unterwachsung frei.
Die einschichtige Lage des Enteroderms, von welcher bisher die
Rede war, bildet also die obere Wand der Darmhöhle, aber die untere
Wand der Höhle wird durch die Dotterkugel dargestellt. Ueber das
weitere Schicksal der Dotterkugel haben P. und F. Sarasın bei Ich-
thyophis glutinosus Folgendes beobachtet.
Wie schon früher gesagt wurde, ist im Blastulastadium der größte
Teil des Dotters noch nicht in Zellen zer legt. Aber allmählich geht
die Furchung im Dotter weiter, und derselbe wird ganz in große
Dotterzellen zerteilt. Zwischen dem Stadium der Fig. 304 und dem-
jenigen der Fig. S auf Taf. I tritt eine große Höhle im Inneren der
Dotterkugel auf, wobei wahrscheinlich Zellen in der Mitte der Kugel
aufgelöst werden. Man kann dieselbe die Dotterhöhle nennen. Sie
ist wohl zu unterscheiden von der Gastralhöhle, welche sich an der
Oberfläche des Dotters befindet und welche relativ niedrig und
schmal ist. Die Dotterhöhle tritt durch feine Spalten zwischen den
Dotterzellen mit der Gastralhöhle in Verbindung.
In dem Stadium der Fig. 8 der Tafel haben sich auf der Dotter-
kugel zahlreiche Gefäße ausgebildet, welche vermutlich sowohl der
Respiration dienen, als auch der osmotischen Aufnahme von Nahrungs-
stoffen aus dem Dotter. Die Gefäße liegen wie bei anderen Wirbel-
tieren zwischen dem splanchnischen Blatt der Seitenplatten und den
großen Dotterzellen. Die Seitenplatten haben in diesem Stadium die
ganze Dotterkugel umwachsen.
Von diesem Stadium an sieht man allmählich an der Oberfläche
der Dotterkugel Einschnürungen und rinnenförmige Falten erscheinen,
und gleichzeitig wird die Dottermasse mehr in die Länge gezogen,
so daß sie dann leichter in das Innere des Embryo aufgenommen
werden kann. Wenn die längliche Dottermasse von der Bauchwand
umschlossen wird, hat sie durch die zahlreichen Falten ungefähr die
Gestalt eines geschlängelten Schlauches erhalten. Die Dotterhöhle,
welche sich, wie oben erwähnt, in der kugeligen Dottermasse gebildet
hatte, ist nun auch langgezogen, und ihre Gestalt entspricht der ge-
schlängelten Form des Dotterschlauches. Die Dotterhöhle ist nun mit
der Gastralhöhle zusammengeflossen. Das Darmlumen ist also oben
von dem niedrigen einschichtigen Epithel (dem Enteroderm) bedeckt,
während seine ventrale Wand von den Dotterzellen gebildet wird,
welche nun zu einem einschichtigen Epithel angeordnet sind; dieses
besitzt infolge der Größe der Dotterzellen eine beträchtliche Dicke
und zeigt (wie bereits erwähnt) mannigfache Windungen und Buchten,
bietet somit einen drüsenähnlichen Anblick („Dotterdrüse‘ SARASIN).
Der Streifen niedrigen Epithels, welcher über der Darmhöhle liegt,
ist aber (nach der Ansicht von P. und F. Sarasın) allein zur Bildung
(des definitiven Darmepithels bestimmt, da die Dotterzellen allmählich
resorbirt werden, wobei der Darm zu einem einfachen geraden Rohre
wird.
Es geht aus dem Gesagten hervor, daß die Gymnophionen hin-
sichtlich der Bildungsweise des Darmes eine Zwischenstufe einnehmen
zwischen den Amphibien einerseits und den meroblastischen Wirbel-
tieren (Selachiern, Teleosteern, Amnioten) andererseits. Den ersteren
gleichen sie in Bezug auf die Zerklüftung der Dottermasse, den
letzteren in Hinsicht darauf, daß das einschichtige Enteroderm, welches
21*
394 9. Capitel.
ursprünglich nur die dorsale Darmwand darstellt, schließlich allein den
Darmkanal bildet.
Das Medullarrohr und der Schluß des Blastoporus.
Bald nach dem Erscheinen der Blastoporusrinne bemerkt man
vor derselben die schildförmige Anlage des Embryo; auf dieser sieht
man eine seichte Längsfurche, die Medullarrinne, welche anfangs
hinten noch nicht in die Blastoporusrinne mündet (Fig. 288). Auf
älteren Stadien setzt sie sich aber nach hinten über die Lippe des
Blastoporus fort (Fig. 289). Seitlich von der Rückenrinne sieht man
2 flache Verdiekungen, die Rückenwülste;
dieselben bezeichnen das Gebiet der Medullar-
Pi DT platte !). Später erscheinen am äußeren Rande
BA n der Medullarplatte die Medullarwülste (Fig.
\ 5 Be ” 9295). Indem die Ränder der Medullar-
, Fig. 295. Ei von Ichthyophis glutinosa mit der
d Anlage des Embryo zur Zeit der Bildung des Me-
dullarrohrs. (Nach P. u. F. Sarasın.) g Bereich
der Gastralhöhle. Der innere Hof bezeichnet die
Ausdehnung des Mesoderms. In der Mitte sieht
man die Medullarplatte mit der Medullarrinne.
platte sich erheben und die Medullarplatte sich einsenkt, wird die
Medullarplatte zum Medullarrohr eingefaltet (Fig. 293 u. 294). Der
Schluß des Medullarrohres erfolgt zuerst in der Nackengegend an der
Grenze zwischen dem Kopfteil und dem Rumpfteil der Medullarplatte
(Fig. 297 u. 298).
Nach dem Schluß des Medullarrohres gliedert sich der Gehirnteil
desselben in 3 primäre Blasen, Vorderhirn, Mittelhirn und Hinterhirn.
Der Kopf des Embryo wächst frei über die Fläche des Blastoderms
hervor; er hat zu dieser Zeit eine auffallende Aehnlichkeit mit dem
Kopfe eines Selachier- oder eines Reptilienembryo, besonders deshalb,
weil die Nackenbeuge und die Scheitelbeuge sehr stark ausgebildet
sind (Fig. 304). Das Mittelhirn liegt an der Spitze des Embryo auf
Fig. 296 und 297.
Embryonen von Hy-
pogeophis rostratus
zur Zeit der Er-
hebung der Me-
dullarwülste. (Nach
} } ' _ BRAUER.) Vergr.
r 45. Fig. 296 mit
i \ kleinemBlastoporus,
! Fig. 297 späteres
N Stadium mit spalt-
e förmigem DBlasto-
oTus.
Fig. 298. Embryo von Hypogeophis alternans zur Zeit des Schlusses des Me-
dullarrohrs.. (Nach BRAUER.) Viren. 4,5.
Fig. 296. Fig. 297. Fig. 298.
1) Die Bildung dieser Erhebungen, welche BRAUER Rückenwülste nennt, beruht
nicht allein darauf, daß die epitheliale Schichte (das Ektoderm) sich im Gebiet der
Medullarplatte ein wenig verdickt, sondern ist größenteils dadurch veranlaßt, daß
die darunter gelegenen Mesodermstreifen sich verdickt haben.
Gymnophionen. 397
Ice
dem Krümmungspunkt, während das Zwischenhirn und das Vorder-
hirn von da abwärts gebogen sind.
Es sind nun noch einige Worte über den
Schluß des Blastoporus zu sagen. Es wurde
schon früher dargelegt, daß die Ruscoxt'sche
Rinne zu einem Ringe sich schließt, aus welchem /
der Dotterpfropf hervorragt (Fig. 2859 u. 290). |
Ferner wurde gezeigt, daß am ganzen Umfang
des Blastoporus Mesoderm gebildet wird (p. 321).
Indem der Dotterpfropf zurückgezogen wird,
verkleinert sich der Blastoporus und stellt nach
dem Verschwinden des Dotterpfropfes einen
kleinen Spalt dar, welcher in der Längsrichtung
Fig. 299. Embryo von Hypogeophis rostratus nach
dem Schluß des Medullarrohrs. (Nach BRAUER.) Länge
des Embryo 6,9 mm. Man sieht das Medullarrohr, das
Gehirn mit den Augenblasen, die ersten Kiemenspalten,
die Ursegmente und am Hinterende den Anus.
des Embryo liegt (s. das Oberflächenbild Fig. 297 und das Schema
Fig. 300 B).
Dabei wird das Mesoderm des Blastoporusrandes zusammen-
gedrängt und bildet 2 kurze Wülste oder Polster, welche zu beiden
Seiten des eben genannten Spaltes gelegen sind (Fig. 297). Diese
beiden Polster kommen median miteinander zur Verschmelzung, indem
Fig. 300 A—C. Schemata des Blastoporusschlusses bei Hypogeophis alternans
in drei Stadien. (Nach BRAUER.) Vergr. 24mal. «a Anus, bl Blastoporus, ch Chorda,
en Canalis neurentericus, en Enteroderm (Bereich der Gastralhöhle), ms Mesoderm.
326 9. Capitel.
sie von vorn nach hinten sich vereinigen; sie bilden eine Zellmasse,
welche zwischen dem Canalis neurentericus und dem Anus gelegen
ist und in welcher die beiden Mesodermstreifen zusammenfließen ; diese
Zellmasse, welche dem Primitivstreifen des Frosches entspricht (p. 264),
wird als Schwanzwulst bezeichnet. — Der vorderste Teil des Blasto-
porus bildet den Canalis neurentericus; die obere Oeffnung desselben
wird durch den Schluß des Medullarrohres bald verdeckt. aber die
untere ÖOeffnung erhält sich längere Zeit. Der hinterste Teil des
Blastoporus bleibt offen und geht in den After über (s. das Ober-
flächenbild Fig. 299 und das Schema Fig. 300C). Die Vorgänge ver-
laufen also in ähnlicher Weise wie beim Frosch.
Der aus der Vereinigung der beiden seitlichen Polster hervor-
gegangene Schwanzwulst tritt allmählich deutlicher über die Oberfläche
hervor. Er schwillt bald knopfförmig an und wächst nach hinten
über den After vor (Fig. 304). Bei dem Herauswachsen des Schwanzes
bildet er die Spitze des Schwanzes, und sein Material dient zur Ver-
längerung der Mesodermstreifen. Der Schwanzwulst der Gymnophionen
entspricht nach seiner Entstehung wie nach seinem weiteren Schick-
sal dem Schwanzknopf des Selachier, Teleosteer und Amphibien.
Ursegmente, Vorniere und Urniere, &onaden.
Die Mesodermstreifen zerfallen wie bei anderen Wirbeltieren in die
Ursegmente und die Seitenplatten. Bei dem Stadium Fig. 297 sind im
Anfangsteil des Rumpfabschnittes bei der Betrachtung des Embryo von
unten schon 4 Ursegmente zu erkennen. Dabei ist als Besonderheit zu
bemerken, daß das vierte Segment das größte ist!). Bei dem Embryo
Fig. 298 sind etwa 8, bei demjenigen Fig. 299 schon zahlreiche
Ursegmente gebildet. — Jedes Ursegment enthält eine schmale Ur-
segmenthöhle, welche mit der Leibeshöhle zusammenhängt. Man kann
an jedem Ursegment drei Teile unterscheiden: 1) das Myotom, 2) das
Sklerotom und 3) das Nephrotom?),
Das Myotom, welches hauptsächlich für die Bildung der segmentalen
Musculatur bestimmt ist, wird von dem obersten Teile des Ursegments
dargestellt (Fig. 301). Das Sklerotom wächst an der medialen Seite
direet unter dem Myotom hervor (anfangs unter Bildung einer kleinen
Ausstülpung) und stellt dann eine. Mesenchymmasse dar (Fig. 302),
aus welcher wie bei den anderen Wirbeltieren das Bindegewebe und
das Skelet in der Umgebung der Chorda und des Medullarrohres her-
vorgehen. In dem Myotom schwindet die Ursegmenthöhle, und das
Myotom trennt sich mitsamt dem Sklerotom von dem Nephrotom ab °).
Das Nephrotom wird durch den unteren Teil des Ursegmentes
gebildet.
1) „Für die Segmentirung von Hypogeophis ergiebt sich das Resultat, daß nicht
das 1. Segment das älteste ist, sondern daß das 4. zuerst sich anlegt, dann von
hinten nach vorn das 3., 2. und 1. folgen, und jetzt erst das 5., 6. u. s. w. gebildet
werden‘ (BRAUER).
2) Man vergleiche die entsprechenden Verhältnisse bei den Selachiern p. 133.
3) Wie bei anderen Wirbeltieren geht aus den Myotomen die segmentale Mus-
eulatur hervor. — Beiläufig will ich bemerken, daß nach den Beobachtungen von
3RAUER die Ringel des Körpers der Gymnophionen ursprünglich den Muskelseg-
menten entsprechen ; es kommen aber dann bei einigen Arten secundäre Ringel hinzu,
so daß bei diesen Arten am ausgebildeten Tier die segmentale Anlage der Ringel
nicht mehr deutlich zu erkennen ist.
A 42242
B
Gymnophionen. 397
Die Nephrotome müssen eingehender betrachtet werden, da nach
BRAUER von ihnen sowohl die Bildung der Vorniere als auch die
Anlage der Urniere ausgeht!. Die Vorniere beginnt am vierten
Segment und erstreckt sich über 5 - 12 Segmente. Die Nephrotome
der Vorniere erweitern sich, und jedes derselben bildet an seiner
lateralen Wand ein kleines Divertikel (Fig. 501), welches zu einem
Kanälchen sich verlängert. Die ersten drei dieser Kanälchen bilden
durch Verschmelzung ihrer lateralen Enden den Vornierengang ?); der-
selbe wächst dann selbständig (ohne Beteiligung ‘des Ektoderms und
en
Fig. 301. Querschnitt durch das 9. Ursegment eines Embryo von Hypogeophis
rostratus im Stadium von 29 Ursegmenten. (Nach BRAUER.) Vergr. 1)2mal. ao
Aorta, ch Chorda, ec Ektodern, en Enteroderm, m Myotom, mr Medullarrohr, n Ne-
phrotom 6 der Vorniere, s Somatopleura, sc Subchordalstrang, »n Vornierenkanälchen,
vg Vornierengang.
Mesoderms) nach hinten, bis er die Kloake erreicht und in dieselbe
mündet. Das vierte und die folgenden Vornierenkanälchen entstehen
in derselben Weise wie die ersten; sie treten mit dem Vornierengang
in Verbindung und öffnen sich in denselben. Die sämtlichen Nephro-
tome der Vorniere erweitern sich und werden als Vornieren-
kammern bezeichnet. An der medialen Wand jeder Vornierenkammer
bildet sich ein Glomerulus, in welchen ein zuführendes Gefäß von der
Aorta her eintritt und von welchem ein abführendes Gefäß austritt, um in
die Verzweigungen der Cardinalvene zu münden. Die erste Vornieren-
kammer behält ihre ursprüngliche Verbindung mit der Leibeshöhle
bei und erweitert dieselbe zu einer weiten Oeffnung; bei den übrigen
Vornierenkammern bildet sich aus der ursprünglichen Verbindung
mit der Leibeshöhle (meist nach vorübergehendem Verschluß) ein
flimmernder Kanal, der Peritonealkanal. Es besteht also die Vorniere
jederseits aus 8—12 Vornierenkammern, welche jeweils einen Glome-
rulus enthalten, jeweils durch einen kurzen flimmernden Kanal mit
der Leibeshöhle in Verbindung stehen und durch einen langen, am
Anfangsteil ebenfalls flimmernden Kanal in den Vornierengang münden.
1) Betreffs des Baues der Vorniere und der Urniere der Gymnophionen ver-
weise ich auf die Schriften von SPENGEL (1876) und SEMOoN (18%, 1891).
2) Vergl. die Entstehung des Vornierenganges bei den anderen Amphibien
(p. 291) und bei den Petromyzonten (p. 85).
328 9. Capitel.
Semon faßte die Vornierenkammern der Gymnophionen als ab-
geschnürte Teile der Leibeshöhle auf. Diese Ansicht ist von derjenigen
BrAavers nicht weit verschieden. Denn man kann die Nephrotome ent-
weder als Teile der Ursegmente oder ebensogut als Teile der Leibeshöhle
ansehen, auf welche die Segmentirung sich fortgesetzt hat. — SEMON
faßt die Marrısnr'schen Körper der Urniere in gleicher Weise als ab-
geschnürte Teile der Leibeshöhle auf!). Er hat daher hinsichtlich der
Exceretionsorgane der Wirbeltiere folgende einleuchtende Theorie aus-
gesprochen. Ursprünglich gelangte das überschüssige Wasser des Körpers
aus dem Blut in die Leibeshöhle und wurde durch die daselbst münden-
den Harnkanälchen (Vornierenkanälchen oder Urnierenkanälchen) nach
außen befördert. Allmählich fiel die Function der Wasserausscheidung
mehr und mehr besonderen Abschnitten der Leibeshöhle zu, in welchen
Glomeruli sich entwickelten und aus welchen die Vornierenkammern und
die MarrısHischen Körper der Urniere hervorgingen. Doch war die
übrige Leibeshöhle zunächst von der Teilnahme an der excretorischen
Function noch nicht völlig ausgeschlossen, wie die offenen Peritonealtrichter
der Selachier- und Amphibienniere beweisen. Bei den höheren Wirbel-
tieren wurde die Zahl der Marrıscnrschen Körper sehr vermehrt, sie
allein übernahmen die Ausscheidung des Wassers, und die Peritoneal-
trichter verschwanden. Vergl. p. 293 Anm. 1.
Die Urniere entsteht nach BRAUER ebenfalls aus den Nephro-
tomen. Die Urniere erstreckt sich anfangs vom 24. Segment bis zum
100.; die 6 vordersten Urnierenanlagen werden aber zurückgebildet.
Die Nephrotome der Urniere verhalten sich ganz ähnlich wie diejenigen
der Vorniere. Von jedem derselben bildet sich lateralwärts ein
kleines Kanälchen, welches in den Vornierengang einmündet. Das
Nephrotom giebt gewöhnlich seine Verbindung mit der Leibeshöhle
auf (wie in Fig. 502). Die Nephrotome der Urniere erweitern sich
nicht in dem Maße wie diejenigen der Vorniere. ‚Jedes Nephrotom
erhält einen Glomerulus und bildet so einen MALPIGHI’schen Körper
der Urniere. Das Nephrotom tritt durch einen kurzen flimmernden
Kanal mit der Leibeshöhle in Verbindung, und dieser Peritonealkanal
liegt an der Stelle der ursprünglichen Verbindung des Nephrotoms
mit der Leibeshöhle. Das Urnierenkanälchen, welches in den Vor-
nierengang mündet, verlängert sich durch Wachstum und knäuelt sich
auf (Fig. 305), auch vereinigt sich der am Anfang desselben gelegene
tlimmernde Trichter gewöhnlich mit dem Peritonealkanal, so daß der
Strom von der Leibeshöhle direct in das Urnierenkanälchen geleitet
wird. — Der anfangs streng segmentale Bau der Urniere wird durch
Ausbildung von secundären, tertiären und späteren Abschnitten ver-
wischt:; diese entstehen durch Knospungsvorgänge, die secundären aus
den Nephrotomen der primären, die tertiären ans den secundären u. Ss. w.
Braver wird durch diese Beobachtungen zu dem Schlusse geführt,
daß die ursprünglich segmentalen Teile der Vorniere und der Urniere
als serial homologe oder homodyname Abschnitte eines und desselben
Systems zu betrachten sind. „Man wird darin bestärkt, wenn man er-
kennt, daß die Segmente, welche zwischen der Vorniere und Urniere
1) SEMON hält aber die MALrı6Hr’schen Körper der Urniere nicht für serial
homolog den Vornierenkammern, sondern betrachtet sie als eine zweite, dorso-lateral
sich entwickelnde Serie von Kammern. In dieser Hinsicht ist also seine Auffassung
von der nachher zu erwähnenden Ansicht von BRAUER wesentlich verschieden.
Gymnophionen. 329
vorhanden sind, dieselben mit einander verbinden, eine Discontinuität
also nicht vorhanden ist.
In ununterbrochener Folge von vorn nach
hinten allmählich in der Region der Urniere fortschreitend, spielen sich
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Fig. 302.
BRAUER.) Vergr. 240mal.
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Querschnitt durch ein Ursegment von Hypogeophis rostratus. (Nach
ao Aorta, cb Cutisblatt des Myotoms, ec Ektoderm, en
Enteroderm, mb Muskelblatt des Myotoms, rn Nephrotom, sc! Sklerotom, sm äusseres
Blatt der Seitenplatten, sp inneres Blatt derselben, »g Vornierengang.
in der Zwischenzone ganz dieselben Processe ab, welche in den vorher-
gehenden und folgenden Segmenten zur Anlage von Nierenabschnitten
führen.
daß dieselben sich nach kurzer Zeit
wieder zurückbilden, daß die vordere
und hintere Grenze dieser Zone
sich um einige Segmente verschieben
kann, und dann in diesen, in welchen
sich Vornieren- bezw. Urnierenab-
Fig. 303. Reconstruction eines Ur-
nierenkanälchens aus Querschnitten. (Nach
BRAUER.) Vergr. 240mal. mk MALPIGHI-
scher Körper (hervorgegangen aus dem
Nephrotom), die halbkugelige Einbuchtung
bedeutet den Glomerulus, ptr Peritoneal-
trichter (in die Leibeshöhle durchbrechend),
urn Urpierenkanälchen, »y Vornierengang.
Es bilden sich auch hier Nephrotome aus.
Die Thatsachen,
mk
urn —-
schnitte ausbilden können, die gleichen Verhältnisse auftreten wie in
den mittlern Segmenten, daß weiter die Aorta, wenigstens in den vorderen
Segmenten, Sprossen, Anlagen von Glomeruli, und die Venen Quergefäße
in allen Segmenten bilden, diese Thatsachen lassen schließen, daß auch
die Nephrotome der Zwischenzone einst zu Nierenabschnitten sich um-
330 9. Capitel.
gebildet haben, daß sie also die Rudimente derselben darstellen. Eine
volle Bestätigung dieses Schlusses giebt Ichthyophis, dessen Entwickelung
weniger abgekürzt ist als diejenige von Hypogeophis, indem hier diese
Nephrotome sicher Anlagen von Urnierenkanälchen bilden, die vielleicht
auch noch, wenigstens in der Mehrzahl, eine volle Ausbildung erfahren.“
— „Wir werden weiter dann auch die Nephrotome, welche sich in den
ersten 4 Segmenten vor dem Ende des Vornierengangs abschnüren und
wieder zurückbilden, in gleicher Weise beurteilen dürfen, und so ergiebt
sich, daß die Gymnophionen ein Excretionssystem gehabt haben, welches
sich durch fast den ganzen Rumpf, nämlich über 100 Segmente, er-
streckte, welches einen streng segmentalen Bau besaß, in allen Ab-
schnitten gleich entwickelt war und in Bezug auf die wesentlichen
Punkte auch denselben Bau besaß. Dieses ursprüngliche Ex-
cretionssystem fasse ich als ein einheitliches, als einen
„Holonephros“ (Price) auf, von welchem sich erst später
der vordere Teil zum Pronephros, der hintere Teil zum
Mesonephros differenzirt hat“
Die Entstehung der Gonaden ist von SEMON bei Ichthyophis
beobachtet worden. Das Keimepithel bildet einen Streifen in dem
parietalen Peritoneum, welcher medianwärts von der Urniere neben
derselben entlang zieht. In diesem Streifen verdickt sich das Peri-
tonealepithel, und man bemerkt in demselben die Genitalzellen. Das
Keimepithel kommt dann auf eine entstehende Falte zu liegen, die
Keimfalte, welche neben der Wurzel des dorsalen Mesenteriums sich
erhebt: das Keimepithel befindet sich an der lateralen Seite der Falte.
Bindegefäße und Gefäße wachsen reichlich in die Falte hinein, und der
äußere Rand wird in Fettkörper verwandelt, während sich die Gonade
an der lateralen Wand der Falte entwickelt.
Der MüLLer’sche Gang (Eileiter) entsteht nach den Be-
obachtungen von SEMON unabhängig von der Vorniere und dem Vor-
nierengang. Er wird durch eine wulstförmig vorspringende Peritoneal-
wucherung gebildet, welche lateral von der Vorniere und Urniere
gelegen ist. Das Ostium abdominale entsteht auf dieser Wucherung
durch eine rinnenförmige, flimmernde Einsenkung des Peritoneal-
epithels, während der folgende Teil des Kanales im Innern des Wulstes
sich bildet.
Die Kiemen und die Larvenperiode.
Bei Fig. 304 bemerkt man an dem Kopfe des Embryo die
Kiemenspalten. Von den Bögen des Visceralapparates erscheinen
zuerst der Mandibularbogen und der Hyoidbogen. Dann werden
dahinter nach einander die 4 Kiemenbögen sichtbar. Es brechen also
4 Kiemenspalten durch, und außerdem wurde durch BRAUER auch
die Existenz eines Spritzlochs nachgewiesen !). — Von dem Mandibular-
bogen wachsen die Oberkieferfortsätze vor, um die vordere Umrandung
des Mundes zu bilden.
Auf dem 1. 2. und 3. Kiemenbogen entsteht jeweils in der Mitte
des Bogens ein kleines Knöpfchen, welches zu einer großen Kieme
1) Das Auftreten eines vorübergehend vorhandenen Spritzloches ist in phylo-
genetischer Hinsicht von großem Interesse, da die Amphibien von Fischen abstammen
(p- 234) und das Spritzloch nicht nur bei Selachiern, sondern auch bei Störlarven
vorkommt (p. 157).
u u
Gymnophionen. 331
auswächst; dies sind die 3 gefiederten, äußeren Kiemen, welche
von FRITZ SARASIN und PAUL SARASIn zuerst beobachtet wurden.
Bemerkenswert ist, daß BRAUER auch am Mandibularbogen und am
Hyoidbogen (Fig. 304) jeweils auf der Mitte des Bogens ein kleines
Knöpfehen fand, welches die Anlage einer rudimentären Kieme zu
sein scheint (vergl. das Bild des Selachierembryo Fig. 121 auf p. 144).
— Man sieht die 3 Paare langer äußerer Kiemen auf Fig. 5 der
Tafel bei einem Embryo von Ichthyophis glutinosus in natürlicher
(Grröße.
Diejenigen Kiemenbögen, welche die großen Kiemen tragen, ver-
wachsen äußerlich mit einander, aber unmittelbar hinter denselben
bildet sich ein großes Kiemenloch aus,
durch welches die Kiemenhöhle nach
außen mündet !). Später verschwinden die
äußeren Kiemen, und findet die Atmung
durch die inneren Kiemen statt. Der
Embryo steht also dann auf der Stufe
der Cryptobranchiata (Derotremen, vergl.
p- 234), bei welchen jederseits ein Kie-
menloch vorhanden ist. — Bei Hypo-
geophis schließt sich das Kiemenloch bald
nach der Rückbildung der Kiemen; der
Embryo schlüpft um diese Zeit aus der
Eihülle aus und führt fortan die gleiche
Lebensweise wie die erwachsenen Tiere. >
5 Bei Ichthyophis leben die Larven in Bier Eier
Flüssen und Bächen; sie schlüpfen aus s„eophis rostratus zur Zeit des
der Eihülle aus, nachdem die äußeren Hervorwachsens des Schwanzes
Kiemen geschwunden sind und nur das und der Ausbildung der Kiemen-
Kiemenloch sichtbar ist; sie haben zu Spalten. (Nach BRAUER.) Am
\ 3 a E £ = Kopfe sieht man die Nasengrube
dieser Zeit ungefähr eine Länge von ?cm. dunkel), das Auge (hell), den
Die Larven sind aalähnlich und besitzen Mandibularbogen und den Hyoid-
in Anpassung an das beginnende Wasser- bogen (beide ziemlich breit), so-
leben am Schwanzende einen Flossen- wie zwei folgende Kiemenbögen.
saum ?). Es läßt sich erkennen, daß die
Larven Wasser durch den Mund einnehmen und durch das Kiemen-
loch austreten lassen. Außerdem ist aber in der Larvenperiode auch
die Lungenatmung schon im Gang, denn die Tiere kommen von Zeit
zu Zeit an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen °).
Während des Larvenlebens wachsen die Tiere beträchtlich heran
(bis zu einer Länge von 17 cm oder mehr), dann geht das Tier aus
dem Wasser und nimmt die Lebensweise der erwachsenen Tiere an.
Damit hängen einige Veränderungen der Organisation zusammen;
das Kiemenloch schließt sich, der Flossensaum schwindet, die Tentakel
erscheinen, die Sinnesorgane der Seitenlinie und die übrigen Haut-
sinnesorgane*) gehen zu Grunde, während die Haut eine beträchtliche
Veränderung ihrer Structur erfährt.
EaE >
1) Diese Vorgänge sind noch nicht ganz aufgeklärt.
2) Siehe Fig. 305. Der Flossenraum fehlt bei Hypogeophis, da die Larven
in der Eihaut bleiben und das Wasserleben ausfällt.
3) In dieser Hinsicht erinnern also die Larven an die Dipnoer und an manche
Ganoiden (Amia und Lepidosteus, p. 162 u. 166).
4) Die Hautsinnesorgane der Larve sind von FRITZ SARASIN und PAUL
SARASIN genau beschrieben (l. c.).
332 9. Capitel.
Schließlich mag hier noch anhangsweise die in phylogenetischer
Hinsicht bedeutungsvolle Thatsache erwähnt werden, daß bei den Em-
bryonen der Gymnophionen rudimentäre Anlagen von Extremitäten
beobachtet wurden. P. und F. Sarasın fanden bei Embryonen von
Ichthyophis einige Zeit vor dem Ausschlüpfen jederseits vor der
Kloakenöffnung einen kleinen Höcker, welcher offen-
bar die Anlage der hinteren Extremität ist (Fig. 305);
derselbe verschwindet bald. BRAUER fand bei Em-
bryonen von Hypogeophis rostratus an entsprechen-
der Stelle einen allerdings nicht so deutlich ausge-
prägten, flachen Höcker; er entdeckte ferner ganz
nahe an den äußeren Kiemen hinter denselben ein
Fig. 305. Hinterende des auf Fig. 8 der Tafel dar-
estellten Embryo von Ichthyophis glutinosus. (Nach P. u.
F. Sarasın.) Man sieht den Flossensaum, die Stelle des
Afters (a) und die rudimentäre hintere Extremität (e).
kleines vorspringendes Knöpfchen, welches höchst wahrscheinlich die
rudimentäre Anlage der vorderen Extremität darstellt.
Litteratur über die Entwickelung der Gymnophionen.
Brauer, August, Beiträge zur Kenntnis der Entwickelungsgeschichte und der Anatomie
der Gymnophionen. I, II u. III. Zool. Jahrb., Anat. Abt., Bd. 10, 1897, Bd. 12,
1899 und Bd. 16, 1902.
— Zur Kenntnis der Entwickelung der Exeretionsorgane der G@ymmophionen. Zool. Anz.,
Bd. 23, 1900, p. 853—858.
Burckhardt, R., Untersuchungen am Hirn u. Geruchsorgan von Triton u. Ichthyophis.
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 52, 1891.
Field, H. H., Zur Entwickelung der Harnblase bei den Cäcilien. Anat. Anz., Bd. 9,
1894, p- 764-766.
Fürbringer, M., Zur vergl. Anatomie und Entwickehungsgesch. der Exeretionsorgame
der Vertebraten. Morphol. Jahrb., Bd. 4, 1878.
Göldi, E. A., Ueber die Entwickelung von Siphonops annulatus. Zool. Jahrb., Syst.
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Greejff, R., Ueber Siphonops Thomensis. Beitrag zur Kenntnis der Cücilien. Sitzungsber.
d. Ges. zur Beförderung d. ges. Naturwiss. zu Marburg, Jan. 1883.
Peter, Karl, Die Wirbelsäule der Gymnophionen. Med. Diss., Freiburg i. B. 1893.
— Die Entwickelung des Schädels von Ichthyophis. Morphol. Jahrb., Bd. 25, 1898.
Peters, Eine junge Caecilia glutinosa. Monatsber. d. Berl. Akad., 186}.
— Deber die Entwickelung der Cäcilien. Ebenda, 1874 u. 1875.
Sarasin, Paul und Sarasin, Fritz, Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen auf
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Semon, R., Studien über den Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbeltiere. Ent-
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Spengel, J. W., Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arb. a. d. z00l.-z0ot. Institut
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Wiedersheim, R., Die Anatomie der Gymnophionen, Jena 1879.
X. CAPITEL.
Amnioten.
Obgleich die höheren Wirbeltiere (Amniota) nicht zu dem Thema
dieses Buches gehören, möchte ich doch noch die Verbindung mit
denselben herstellen, und die wichtigsten Entwickelungsvorgänge der
Amnioten aus den entsprechenden Vorgängen der niederen Wirbel-
tiere ableiten.
Zu den höheren Wirbeltieren gehören die Klassen der
Reptilia, Kriechtiere,
Aves, Vögel,
Mammalia, Säugetiere.
Die Vögel und die Säugetiere stammen von Reptilien ab, aller-
dings aus verschiedenen Zweigen des paläontologisch sehr mannig-
faltig entwickelten Reptilienstammes. Dementsprechend stimmt die
Entwickelung der Vögel und der Säugetiere in den wesentlichsten
Zügen mit derjenigen der Reptilien überein. Die Entwickelungs-
geschichte der Reptilien (welche bei den einzelnen Ordnungen der-
selben einige Verschiedenheit zeigt) ist für das Verständnis der Ent-
wickelung der übrigen Amnioten von grundlegender Bedeutung.
Andererseits sind die Reptilien auf das engste mit den Amphibien
verwandt. Bei den fossilen Formen ist die Grenze zwischen diesen
beiden Klassen oft nicht zu bestimmen. Da die Amphibien von be-
schuppten Urformen abstammen (p. 234) und in der Ordnung der
Gymnophionen die Beschuppung noch beibehalten haben, kann die
Beschuppung der Reptilien in phylogenetischer Hinsicht keine tief-
gehende Scheidung begründen. Der wichtigste Unterschied zwischen
den Amphibien und den Reptilien liegt eben auf dem Gebiet der
Entwickelungsgeschichte. Die Reptilien besitzen ein eigentümlich ge-
bautes Ei, wie es in ähnlicher Art nur den Vögeln und den niedersten
Säugetieren zukommt. Die ganze Entwickelung der Reptilien läuft
innerhalb der Eischale ab. Mit dieser Thatsache stehen die übrigen
Eigentümlichkeiten der Reptilienentwickelung in ursächlichem Zu-
sammenhang: der große Dottergehalt der Eizelle, die Entstehung von
Amnion und Allantois und das Fehlen der äußeren Kiemen.
Wollen wir die Entwickelungsgeschiehte der höheren Wirbeltiere
aus derjenigen der niederen erklären, so kommt es also vor allem
334 10. Capitel.
darauf an, die Entwickelungsweise der Reptilien aus derjenigen der
Amphibien abzuleiten.
Das Ei der Reptilien und Vögel.
Die meisten Reptilien legen ihre mit einer pergamentartigen oder
harten Kalkschale bekleideten Eier in vorgefundene oder selbst gegrabene
Löcher unter die Erde oder zwischen Moos oder Laub ab, ohne sich
weiter um dieselben zu kümmern. Bei einigen Reptilien wird die Ei-
schale sofort nach dem Ablegen des Eies gesprengt, und schlüpft das
Junge aus; bei wenigen Arten findet dies schon im Mutterleibe statt, so
daß die Tiere lebendig gebärend sind. Bei manchen Riesenschlangen
bleibt das Weibchen über den abgelegten Eiern wochenlang aufgeringelt
liegen, ein Verhalten, welches zum Schutz der Eier dient und einerseits
mit der Brutpflege mancher Amphibien (insbesondere der Gymnophionen,
p. 315) Aehnlichkeit hat, andererseits an das Brüten der Vögel erinnert.
Auch bei den Crocodilen findet eine Art von Brutpflege statt, indem
die Eier in selbstgescharrten Gruben abgelegt, meist auch mit Erde oder
Pflanzenteilen bedeckt werden, und bei manchen Arten das Weibchen des
Nachts auf dem Neste schläft, außerdem auch die Eier herausscharrt,
wenn die Jungen ausschlüpfen; die Jungen folgen dann der Mutter, um
an das Wasser zu gelangen).
Die Eier der Reptilien und Vögel zeigen im Bau eine weitgehende
Uebereinstimmung. Wir wollen als Beispiel dieser Eier das Hühnerei
etwas genauer betrachten. Die äußere Schutzhülle ist die bekannte
harte kalkige Schale?), welche von einem unteren Abschnitte des Ei-
leiters, dem sogenannten Uterus, ausgeschieden wurde; die Schale ist
porös, so daß ein Luftwechsel durch dieselbe stattfinden kann, und
die Atmung des sich entwickelnden Hühnchens ermöglicht ist. Unter
der Schale folgt die Schichte des zähflüssigen Eiweißes, welche in
dem oberen Teile des Eileiters gebildet wurde); sie hat eine große
Bedeutung für die Ernährung des Embryo. Die Eiweißschichte ist
nach außen durch eine Eiweißhaut, die sogenannte Schalenhaut,
begrenzt: diese Haut besteht aus zwei Lamellen, von welchen die
innere an dem Pole des Eies der Kalkschale nicht anliegt und so die
Luftkammer‘) frei läßt. Eine innere Schichte des Eiweißes ist
etwas verdichtet und geht in die. sogenannten Hagelschnüre
1) BREHM’s Tierleben, 3. Aufl., 7. Bd., bearbeitet von BoETTGER und PECHUEL-
LoESCHE, p. 489 und 514. — A. VOELTZKOW, Ueber Eiablage und Embryonal-
entwickelung der Crocodile Sitzungber. d. Berliner Akademie, 1891, VII, und
1893, XXIII
2) Die Kalkschale des Vogeleies besteht aus 2 Proc. organischer Substanz und
38 Proc. kohlensaurem Calcium. Die weichere pergamentartige Schale des Reptilien-
eies enthält mehr organische Substanz und weniger Kalk.
3) An dem Eileiter des Huhnes können vier Abschnitte unterschieden werden:
l) ein oberster, mit Flimmerepithel bekleideter Abschnitt, welcher durch das Ostium
tubae die Eizelle aufnimmt und in welchem die Befruchtung erfolgt; 2) ein langer
drüsiger Abschnitt, welcher das Eiweiß secernirt; 3) ein etwas ausgeweiteter, mit
kleinen Zotten bedeckter Teil, welcher die Eischale bildet (Uterus); 4) ein kurzer,
verengter Endteil, welcher den Eileiter gegen die Kloake abschließt und durch
welchen das Ei bei der Ablage iodincheeni:
4) Die Luftkammer tritt in dem Ei bald nach seiner Ablage auf, offenbar weil
sich das Volumen des Eiweißes infolge der Verdunstung etwas vermindert; die Luft-
kammer vergrößert sich während der Bebrütung und ist für die Atmung des sich
entwickelnden Hühnchens von Bedeutung.
Amniota. 335
(Chalazen) über, welche in der Richtung der Längsachse des Eies
verlaufen und die Eimembran mit der Eizelle in dem Eiweiß sus-
pendirt halten.
Die Hagelschnüre gestatten der Eizelle eine drehende Bewegung
um die Längsachse des Eies: daher stellt sich die Dotterkugel immer
Fig. 306. Schematischer
Längsschnitt durch ein
frisch gelegtes Hühnerei.
(Nach ALLEN THOMSON
aus BALFOUR.) a.ch Luft-
kammer, bl Blastoderm,
ch.!l Hagelschnüre (Cha-
lazen), i.s.m inneres Grenz-
häutchen der Eiweiß-
schichte, s.m äußeres Ei-
weißhäutchen, s Schale,
».t Eimembran (Dotter-
haut), » Eiweiß, w.y weißer
Dotter ; derselbe bildet eine
Lage unter dem Blasto-
derm, außerdem eine
flaschenförmige Masse in
der Mittedes Eies (Latebra),
ferner dünne konzentrische
Schichten im gelben Doiter,
y.y gelber Dotter, x dünn-
flüssige Eiweißschichte un-
mittelbar über der Ei-
membran.
so ein, daß die leichtere Hälfte nach oben steht und daß folglich der
sich entwickelnde Embryo immer oben liegt.
Von den Eiweißschichten umschlossen liegt in der Mitte des Eies
die Eizelle. Sie hat infolge der eingelagerten Dotterkügelchen eine
gelbe Farbe (Eigelb). Die Eizelle ist umschlossen von einem Häut-
chen, welches der Eimembran der niederen Wirbeltiere entspricht.
Dasselbe wird als Dotterhaut bezeichnet. Am oberen Pol der Eizelle
ist eine Keimscheibe vorhanden, welche als ein kleiner weißlicher
Fleck auf dem Dotter zu sehen ist (Discus proligerus, auch Hahnen-
tritt oder Narbe, Cicatrieula genannt). Die Furchung verläuft discoidal
und ist also auf die Keimscheibe beschränkt. Bei frisch gelegten be-
fruchteten Hühnereiern ist die Furchung schon beendet; es ist schon
eine Masse von Furchungszellen, ein Blastoderm, vorhanden.
Die Dottermasse der Eizelle ist nicht gleichmäßig in der Eizelle
verteilt, sondern zeigt folgende Anordnung. Man kann zwei Arten des
Dotters unterscheiden, den weißen Dotter und den gelben
Dotter, deren Farbunterschied auf geringen Verschiedenheiten der
kleinen Dotterkügelchen beruht. Der weiße Dotter breitet sich unter
der Keimscheibe aus und bildet sozusagen das Lager derselben. Er
erstreckt sich außerdem nach der Mitte der Eizelle in die Tiefe und
bildet eine flaschenförmige Masse, deren kolbenartige Anschwellung
(Latebra) in der Mitte der Eizelle liegt (Fig. 306).
Die Säugetiere haben wahrscheinlich in früherer Zeit ebensolche
Eier gehabt wie die Reptilien und Vögel. Dies wird bewiesen durch
die Eier der Monotremen (Echidna, Ameisenigel und Ornithorhynchus,
336 10. Capitel.
Schnabeltier), welche eine Schale und eine Eiweißschichte besitzen). Bei
den anderen Säugetieren haben die Eischale und die Eiweißschichte ihre
Bedeutung verloren, da die Entwickelung größtenteils oder ganz in dem
Uterus abläuft; daher ist die Eischale verkümmert.
Bei den Monotremen ist die Eizelle reichlich mit Dotter beladen
und furcht sich nach dem discoidalen Typus wie bei den Reptilien und
Vögeln. Aber bei den übrigen Säugetieren ist die Menge des Dotters
relativ gering, und folglich ist an die Stelle der partiellen Furchung
wieder eine totale Furchung getreten (vergl. p. 21). Die Bildung des
Primitivstreifens sowie die Entstehung von Amnion und Allantois weisen
jedoch deutlich darauf hin, daß alle Eier der Säugetiere sich früher nach
Art der Reptilien- und Vogeleier entwickelten.
Das Ei der Amnioten ist von dem Ei der Amphibien abzuleiten.
Die Eiweißschichte ist aus der Gallertschichte hervorgegangen, welche
das Ei der Amphibien umgiebt; sie wird wie diese durch Absonderung
des Eileiters gebildet. Während die Gallerte bei den Amphibien nur
zum Schutze dient, ist die entsprechende Schichte des Amnioteneies
zu einer Nährschichte geworden.
Unter den Amphibien hat das Ei der Gymnophionen die größte
Aehnlichkeit mit dem Ei der Amnioten. Wie beim Vogelei (Fig. 306)
oben unter der Keimscheibe eine Schichte weißen Dotters lagert und
von derselben eine Fortsetzung in das Innere des Eies geht, um in
der Mitte des Eies zu einer kugelförmigen Masse von weißem Dotter
anzuschwellen (Latebra), so zeigt das Ei der Gymnophionen den fein-
körnigen Dotter in ähnlicher Anordnung, wie schon früher dargelegt
wurde (p. 315).
Sodann besitzt das Ei mancher Amnioten (z. B. Vögel) die so-
genannten Chalazen (Hagelschnüre), gedrehte Stränge aus Eiweiß,
welche die Eizelle in dem Eiweiß festhalten, aber doch die Drehung
um die Längsachse des Eies zulassen. Solche gedrehte Stränge fanden
P. und F. Sarasın auch bei dem Ei der Gymnophionen, wo sie die
einzelnen Eier der Eierschnur verbinden (vergl. p. 316).
Man kann sich also die phylogenetische Entstehung des
Amnioteneies in folgender Weise vorstellen. Ursprünglich wurde
in jedem Eileiter eine Eierschnur gebildet, ähnlich wie bei den Kröten.
Dann wurden die Eier in der Eierschnur durch Chalazen verbunden
wie bei den Gymnophionen. Gleichzeitig wurden die Eier größer und
nahm die Eierschnur ein perlschnurförmiges Aussehen an. Sodann
wurde auf der Gallerte zum Schutz gegen das Eintrocknen eine feste
Schichte gebildet, in welche Kalk eingelagert war. Diese kalkige Ei-
schale wurde allmählich dicker und widerstandsfähiger ausgebildet, und
1) SEMON hat über das Ei von Echidna Folgendes berichtet: Der Durchmesser
des Eies beträgt zur Zeit der ersten Entwickelungsvorgänge 4,5—5 mm, der Durch-
messer der darin befindlichen Eizelle 35—4 mm. Die Eiweißschichte ist also sehr
dünn. Der Durchmesser des Eies wächst während der weiteren Entwickelung, so
daß der Durchmesser des abgelegten Eies etwa 15 mm beträgt. Die Eischale besteht
aus Keratin und ist nicht verkalkt. Die Eizelle besitzt einen ähnlichen Bau wie
das Vogelei. Insbesondere zeigt der weiße Dotter dieselbe Anordnung wie beim
Vogelei, indem er ein Lager unter der Keimscheibe bildet und sich in das Innere
des Eies hinein erstreckt und im Centrum desselben eine Latebra bildet. (SEMON,
Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel, 2. Bd.,
Monotremen und Marsupialier, Jena 1894-1897.)
B 22
Amniota. 337
gleichzeitig wurden die einzelnen Eier der perlschnurartigen Eierschnur
von einander getrennt!).
Der Erwerb der festen und doch porösen Kalkschale ist als eine
Anpassung an das Leben auf dem Lande anzusehen. Die Kalkschale
gewährt dem Ei Schutz gegen mechanische Beschädigung, sie ver-
hindert bei einigermaßen feuchter Luft das Austrocknen und gestattet
dennoch die Atmung des Embryo.
Als die ursprünglichen Amnioten die feste Eischale erworben
hatten, war es für das Bestehen der Art vorteilhaft, daß die Ent-
wickelung innerhalb der Eischale möglichst weit vor sich ging. Infolge
dessen wurden diejenigen Stadien, welche die meisten Amphibien als
freilebende Larven durchlaufen,
auch in das Ei verlegt?), Die e: 8 a ce d
lange Entwickelung innerhalb | a
der Eischale machte aber eine
große Dottermasse notwendig.
Außerdem wurde dann zur
weiteren Ernährung die reichliche
Eiweißschichte beigegeben.
Die Bildung des Amnions
und der Allantois hängt ebenfalls
mit des Beschaffenheit des Eies
ursächlich zusammen. Die Ent-
stehung des Amnions kann in
phylogenetischer Hinsicht als eine
Folge des großen Dottersackes
betrachtet werden. Denn das Fig. 307. Schema der Entstehung des
Amnion entsteht ursprünglich Amnions. «a Amnionblatt, ce extraembryo-
ledielich dadurch. daß der Em- "ale Leibeshöhle (Cölom), d Dotterkugel,
N de 5] 1 de - allmähliel e Eiweißschichte, s seröses Blatt der Am-
»ryo wahrend der allmahlıchen nionfalte. Der Dottersack und der Darm-
Resorption des Dotters in die kanal sind durch dunklen Ton bezeichnet.
Dottermasse einsinkt®). Da das
Ektoderm und die derselben anliegende Somatopleura an dem Ein-
sinkungsvorgang nicht in gleichem Maße teilnimmt, entsteht eine Falte
1) Wäre die Trennung der Eier nicht erfolgt, so wäre die Eierschnur ın dem
Maße, wie die Kalkschale dicker wurde, unbiegsam und starr geworden. — Es kommt
bei Schlangen ausnahmsweise (als Abnormität) noch vor, daß die abgelegten Eier
zusammenhängen, also eine perlschnurartige Kette bilden. Auch bei den Hühner-
eiern findet man in einzelnen seltenen Fällen 2 Eier durch einen Strang hantelartig
verbunden. — Gleichzeitig mit der Vergrößerung der einzelnen Eier trat eine Ver-
minderung der Zahl der Eier ein. Bei den Vögeln wurde außerdem die periodische
Ablage zahlreicher Eier durch die successive Ablage einzelner Eier ersetzt, wodurch
die größte Ausbildung des einzelnen Eies ermöglicht ist.
2) Daraus ergehen sich zwei große Vorteile. Erstens werden die Gefahren ver-
mieden, welchen freilebende Larven ausgesetzt sind, und zweitens kann die Species
in jeder Gegend leben, auch da, wo kein stehendes oder fließendes Wasser vor-
handen ist.
3) Ich teile diese schon von vielen älteren Autoren ausgesprochene Ansicht.
SEMON hat gegen dieselbe den Einwand erhoben, daß der Embryo ein geringeres
specifisches Gewicht hat als die Dottermasse. Jedoch kommt, wie ich glaube, der
Unterschied des specifischen Gewichtes nicht in Betracht; denn der Embryo sinkt
nicht infolge seines Gewichtes ein, sondern infolge der unter ihm stattfindenden
Resorption des Dotters, ebenso wie die Gefäße auf dem Dottersack der Teleosteer
(an der Unterseite wie an der Oberseite desselben) in den Dotter sich eingraben.
Ferner mag bei dem Einsinken auch die Krümmung des Embryo ursächlich in
Betracht kommen, wie dies SELENKA hervorgehoben hat; insbesondere der Kopf
Ziegler, Entwickelungsg. d. niederen Wirbeltiere, 22
”
338 10, Capitel.
rings um den Embryo '); diese schließt sich über dem Embryo zu-
sammen und erlangt dadurch auch eine Nützlichkeit als Schutzhülle.
Daher kann die weitere Ausbildung des Amnions unter dem Einfluß
der natürlichen Zuchtwahl vor sich gegangen sein.
Das äußere Blatt der Amnionfalte wird seröse Hülle (Serosa) ge-
nannt, das innere bildet das Amnion. Zwischen dem äußeren Blatt
und dem inneren Blatt entsteht ein großer Hohlraum, welcher als
außerembryonaler Teil der Leibeshöhle aufzufassen ist (Fig. 307).
Dieser Hohlraum mag auch für die Ernährung des Embryo von Nutzen
sein, wenn lösliche Substanzen aus der Eiweißschichte durch die
Serosa in die Leibeshöhle diffundiren.
Die Entstehung der Allantois steht ebenfalls mit dem Bau des
Eies in Beziehung. Da der Embryo innerhalb der Eischale eine be-
trächtliche Größe erreicht, und die Atmung durch die poröse Ei-
schale hindurch nicht ganz leicht ist, so muß ein reichliches Gefäßnetz
unter der Eischale sich ausbreiten. Die Serosa (welche der Schale
am nächsten ist) kann dieses Gefäßnetz nicht liefern, da das äußere
Blatt der Amnionfalte vom Mesoderm nur die Somatopleura enthält,
und bei allen niederen Wirbeltieren nicht die Somatopleura, sondern die
Splanchnopleura der Träger der Gefäße ist?), wie in den früheren Capiteln
oft gezeigt wurde (vergl. die Selachier, Teleosteer und Amphibien).
Es muß also das unerläßliche Gefäßnetz an anderen Organen zur Ent-
wickelung kommen.
Zunächst entwickelt sich also das Gefäßnetz auf dem Dottersack,
welches ja schon bei den niederen Wirbeltieren eine große Rolle.
spielt. Die Gefäße auf dem Dottersack sind bei den Reptilien, den
Vögeln und auch bei den niederen Säugetieren für die Respiration
des Embryo in den frühen Entwickelungsstadien) von der größten
Wichtigkeit. Aber da der Dottersack während der Entwickelung immer
kleiner wird, nimmt die Bedeutung des Gefäßsystems des Dottersackes
allmählich ab, während das Sauerstoffbedürfnis des wachsenden Embryo
immer zunimmt. Daher wird ein anderes Organ zum Träger des
außerembryonalen Gefäßsystems entwickelt, nämlich die Allantois.
Der phylogenetische Ursprung der Allantois ist nicht ganz auf-
gehellt, da ein entsprechendes Organ bei den Embryonen der niederen
Wirbeltiere nicht auftritt. Ob die Allantois der Amnioten der Harn-
blase der Amphibien homolog ist, scheint mir unentschieden.
Die Allantois entsteht als eine Ausstülpung vom Enddarme aus
(Fig. 327). Da später aus dem proximalen Teile des Allantoisganges
die Harnblase entsteht, so kann man die Allantois als eine enorm
des Embryo drückt sich infolge der Kopf- und Nackenbeuge tief in den Dotter
ein, und kann man die Bildung der vorderen Amnionfalte mit dieser Thatsache in
Verbindung bringen. — Wenn bei einem Amniotenei die Eiweißschichte dünn ist
und die Schale fest, so muß sich der entstehende Embryo unbedingt in die Dotter-
masse einsenken, da er keinen Raum hat, sich über die Dotterkugel zu erheben.
1) Anfangs entsteht eine vordere und eine hintere Amnionfalte; diese beiden
Falten fließen dann zu einer Ringfalte zusammen.
2) Theoretisch besteht wohl die Möglichkeit, daß in der Somatopleura reich-
liche Gefäße sich entwickeln, aber die phylogenetische Entwickelung berücksichtigt
nicht alle theoretischen Möglichkeiten, sondern baut auf der Grundlage der gegebenen
Verhältnisse weiter.
3) Ich verweise hinsichtlich der niederen Säugetiere auf die Beobachtungen
von SEMON bei Echidna und diejenigen von SELENKA an Beuteltieren. SEMON hat
einen Embryo von Echidna abgebildet, bei welchem die Allantois nahezu dieselbe
Größe hat wie der Dottersack, wobei der Dottersack an der linken, die Allantois
an der rechten Seite des Embryo liegt und beide annähernd in gleicher Weise mit
Blutgefäßen bedeckt sind.
7 u
Amoiola. 339
vergrößerte Harnblase auffassen, welche (in Anbetracht der besonderen
Bedeutung während der Entwickelung) sehr früh angelegt wird. In
der phylogenetischen Entwickelung der Allautois hat wahrscheinlich
ein Funetionswechsel stattgefunden. Zuerst war sie vermutlich nur
dazu bestimmt, die in der
Urniere ausgeschiedene
Flüssigkeit aufzunehmen: j am al o
dabei dehnte sie sich stark \ ij
aus und trat weit in den EEE:
extraembryonalen Teil der
Leibeshöhle vor. Dadurch
erlangten die an ihr be-
findlichen Gefäße auch eine
respiratorische Bedeutung.
Es fand nun eine Weiter-
entwickelung der neuen
Function statt, welche sehr
wohl unter der Wirkung
der natürlichen Zuchtwahl
geschehen sein kann: die .
Allantois breitete sich unter re u EN
der Eischale u (Fig. 308), brütung aitfesschwitzen: (Nach A. M. ne
erhielt zahlreiche Gefäße 1893.) “a2 Allantois, am Amnion. d Dottersack,
und wurde so zu dem haupt- . Eiweiß, ! Luftkammer, o Ohröffnung.
sächlichen Atmungsorgan
des Embryo.
Bei den placentalen Säugetieren erhielt die Allantois nochmals
eine neue Function. Da bei den placentalen Säugetieren keine Ei-
schale vorhanden ist, legt sich die Allantois mit der darüberliegenden
Serosa der Wand des Uterus an und erzeugt die Placenta. So
vermittelt sie nicht allein die Sauerstoffzufuhr, sondern auch die Er-
nährung des Embryo.
Bekanntlich treten bei den Embryonen der Amnioten wohl Kiemen-
spalten auf (Fig. 309 u. 310), aber an den Kiemenbögen erscheinen keine
Kiemen. Dieses Fehlen der Kiemen bedarf einer besonderen
Erklärung, besonders deshalb, weil bei den Amphibien große äußere
Kiemen auch dann vorkommen, wenn die ganze Entwickelung inner-
halb der Eischale oder im Uterus abläuft. Es läßt sich die Ansicht
begründen, daß das Fehlen der Kiemen mit der Bildung des Amnions
in ursächlicher Beziehung steht. Denn zu der Zeit, wenn der Embryo
so weit entwickelt ist, daß sich Kiemen bilden könnten, ist derselbe
schon von dem Amnion umschlossen, da die Amnionfalten sehr früh
auftreten (Fig. 307). Die Kiemen würden also nicht unter der Ei-
schale sich ausbreiten können, sondern sie wären in der Amnionhöhle
eingeschlossen, wo eine respiratorische Function derselben nahezu
unmöglich ist. Als ganz nutzlose Organe konnten sie rudimentär
werden, und es trat embryologisch eine cenogenetische Verkürzung
der Entwickelung in der Weise ein, daß an den Kiemenbögen gar
keine Kiemen mehr angelegt wurden.
Es geht aus dem Gesagten hervor, daß die wichtigsten Eigen-
tümlichkeiten der Amnioten, nämlich die Beschaffenheit des Eies, das
Auftreten des Amnions und der Allantois sowie das Fehlen der Kiemen
D>E:
340 10. Capitel.
zusammen eine ursächlich verknüpfte Gruppe von Merkmalen bilden.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Amnioten monophyletisch ent-
standen sind und daß schon bei den gemeinsamen Stammformen diese
Gruppe von Merkmalen sich ausbildete.
Fig. 309.
Fig. 309. Embryo eines Reptils. Hatteria punctata. Nach einem Präparat von
SCHAUINSLAND, gezeichnet von KEIBEL. (Aus OÖ. Herrwıe’s Handbuch.) Vergr. 10.
Man sieht die Kiemenbögen und Kiemenspalten.
Fig. 310. Embryo des Menschen, etwa 23 Tage alt. (Nach Hıs.) Vergr. 10.
Man sieht die Kiemenbögen und die Kiemenspalten. @.V Ganglion des Vagus,
6.G1 Ganglion des Glossopharyngeus, O Ohrbläschen, G.ae Ganglion des Acusticus,
6.6 Ganglion Gasseri, Vi Vorhof des Herzens, V.L Gegend der Leber. T.E wulst-
förmige Änlage der unterer Extremität, Ch Querschnitt des Nabelstranges.
Die Gastrulation bei den Reptilien.
Die Furchung der Reptilien und Vögel verläuft discoidal und ist
derjenigen mancher niederen Wirbeltiere so ähnlich, daß ich sie hier
übergehen kann. Es bleibt also nur die Gastrulation und die Keim-
blätterbildung zu besprechen.
Die ersten Furchungsbilder der Reptilien und Vögel gleichen an-
nähernd denjenigen der Selachier (p. 110) und Teleosteer !,. Die Furchung
der Gymnophionen besitzt, soweit sie. bekannt ist, mit derjenigen der
Reptilien und Vögel die größte Aehnlichkeit.
Am Ende der Furchung ist bei den Reptilien, den Vögeln und
den monotremen Säugetieren Folgendes zu beobachten. Die Keim-
scheibe ist in eine Menge von Furchungszellen zerlegt. Die obersten
Furchungszellen schließen sich zu einem Epithel zusammen, darunter
liegen größere und stärker dotterhaltige Furchungszellen, und unter
diesen findet man noch Kerne im weißen Dotter zerstreut (man ver-
gleiche die Bilder der Gymnophionen Fig. 234 und 285). Diese Kerne,
1) Auch die Befruchtung verläuft bei den Reptilien ganz ähnlich wie bei den
Selachiern. Wie OPPEL (1891) gezeigt hat, findet bei vielen Reptilien (vielleicht bei
allen) Polyspermie statt; von den zahlreichen Spermakernen kommt aber nur einer
mit dem weiblichen Vorkern zur Verschmelzung. Die überzähligen en
(Nebenspermakerne) zeigen einige Teilungen, aber haben am Aufbau des Embryo
keinen Anteil. Man vergleiche die entsprechenden Befunde bei den Selachiern
(p. 105—114).
Amniota. 341
welche von Furchungskernen abstammen, sind noch einige Zeit der
mitotischen Teilung fähig und können die Bildung neuer Blastomeren
herbeiführen, ein Vorgang, welcher als Nachfurchung bezeichnet
wird.
Ich will nun die weiteren Vorgänge zunächst bei den Reptilien
besprechen, speciell bei der Eidechse (Lacerta) und beim Gecko
(Platydactylus), wobei ich den Darstellungen von WENCKEBACH und
von Wırn folge.
Betrachtet man das Blastoderm eines Gecko nach beendeter
Furchung auf einem Längsschnitt (Fig. 311), so findet man oben eine
epitheliale Schichte, welche scheibenförmig auf dem Dotter ausgebreitet
ist; dieselbe besteht an ihren peripheren Teilen aus flachen Epithel-
zellen, wie man sie auf der Abbildung rechts sieht. Aber im centralen
Fig. 311. Embryonalanlage beim Gecko (Platydactylus facetanus SCHREIB.)
zur Zeit des Beginnes. der Gastrulation. (Nach Wiırr.) Man sieht die epitheliale
Schichte, darunter die vegetativen Zellen und den Anfang des weißen Dotters.
e Epithel vor der Stelle des Primitivstreifs, p Stelle des Primitivstreifs, Epithel
hinter dem Primitivstreifen. Der Pfeil bedeutet die Richtung des entstehenden Embryo.
Teile, im Bereich der Keimscheibe, ist das Epithel ein Cylinderepithel.
Das Gebiet des Cylinderepithels bildet den Embryonalschild.
Unter dem Embryonalschild liegen Furchungszellen, und unter diesen
findet man den weißen Dotter, in welchem einzelne Dotterkerne zu
sehen sind. Zwischen den erwähnten Furchungszellen und dem weißen
Dotter bemerkt man kleine Spalträume, welche der Furchungshöhle
entsprechen. Am hinteren Ende des Em-
bryonalschildes trifft man eine Stelle, an
welcher das Epithel nicht deutlich aus-
gebildet ist und noch mit den darunter
gelegenen Furchungszellen zusammenhängt
(Fig. 311 bei p). An dieser Stelle beginnt
nachher die Bildung einer Einstülpung, wie
Fig. 313 A zeigt.
Betrachten wir nun das Oberflächen-
bild Fig. 312; man erkennt den ovalen Em-
bryonalschild, dessen längerer Durchmesser
Fig. 312. Embryo von Lacerta Lilfordi. (Nach
Wirr.) » Embryonalschild, > Blastoporus. Die Länge
des Embryonalschildes beträgt 1,1 mm.
der Richtung des entstehenden Embryo entspricht. Am Hinterende des
Embryonalschildes befindet sich eine Einstülpung; dieselbe hat bei
Embryonen dieses Stadiums die Form eines Halbmondes oder Huf-
eisens, dessen Concavität nach hinten gerichtet ist, und welche daher
342 10. Capitel.
sofort an die hufeisenförmige Anlage der Ruscoxt'schen Rinne der
Amphibien erinnert, auch, wie gezeigt werden wird, derselben homolog
ist. Ich bezeichne daher den Rand der Einstülpung als Blasto-
porusrand. Die Höhle, welche durch die Einstülpung gebildet wird,
ist demnach die Gastralhöhle. Wie die Fig. 318 A und B zeigen,
Fig. 313A—D. Vier Stadien der Bildung der Gastralhöhle bei der Eidechse,
Lacerta agilis. (Nach WENCKEBACH, 1891).
dringt dieselbe immer tiefer ein; ihre Decke wird von einer epitheli-
alen Schichte gebildet, welche als eine Umstülpung der oberen
epithelialen Schichte erscheint, und welche ich daher als eingestülpte
Schichte oder wie bei den Amphibien als untere Schichte be-
zeichne.
Die seitlichen Teile des Blastoporusrandes biegen sich nach hinten,
wie Fig. 314 zeigt; zwar schließt sich der Blastoporusrand nicht
völlig zu einem Kreise, aber das Bild erinnert doch sehr auffallend
an die Verhältnisse bei den Amphibien, zur Zeit, wenn die RusconI-
sche Rinne sich zum Kreise geschlossen hat und der Blastoporus
kleiner wird. Der kleine Hügel, welcher an Fig. 314 zwischen den
Blastoporusrändern zu sehen ist, entspricht dem Dotterpfropf der
Amphibien, wenngleich er nicht wie jener aus großen Dotterzellen,
sondern aus kleineren Zellen besteht (Fig. 313C u. 316 D).
Die seitlichen Blastoporusränder zeigen auf dem Schnitt ähnliche
Verhältnisse, wie sie bei den Amphibien an entsprechender Stelle be-
Amniota. 343
stehen. Das Ektoderm schlägt sich nach unten um und geht in das
Mesoderm des Blastoporusrandes über. In den Fig. 316 A—E sind
Querschnitte eines Schildkrötenembryo abgebildet, welcher sich in dem-
selben Stadium befindet, wie der erwähnte Eidechsenembryo; man
Fig. 314. Fig. 315.
a)
Fig. 314. Embryo von Lacerta muralis mit länglichem Blastoporus und sich
erhebenden Medullarwülsten. (Nach Wırr.) 5 Blastoporus, a vordere Amnionfalte,
ı Medullarwülste.
Fig. 315. Aelterer Embryo von Lacerta muralis. (Nach Wırr.) Länge des
Embryo 1,9 mm. a vordere Amnionfalte (welche den Kopfteil des Embryo schon
überwachsen hat), cn Canalis neurentericus, p Primitivrinne. Das Medullarrohr ist
größtenteils schon geschlossen.
sieht an Fig. 316D und E den Dotterpfropf und neben demselben
die seitlichen Blastoporusränder, an welchen das Ektoderm in das
Mesoderm übergeht. An Fig. 316C bemerkt man die obere Oeffnung
des Einganges der Gastralhöhle, an Fig. 316B die untere Oeffnung
desselben.
Wie bei den Amphibien rücken die seitlichen Blastoporusränder
gegen einander, während der Dotterpfropf in die Tiefe sinkt. Die
seitlichen Blastoporusränder verschmelzen, und durch ihre Vereinigung
entsteht eine Zellmasse, welche als Primitivstreifen zu bezeichnen
ist.» An der Oberfläche desselben sieht man einige Zeit median eine
flache Rinne, die Primitivrinne (Fig. 315). Der vorderste Teil des
Blastoporus bleibt offen und stellt den Canalis neurentericus dar
(Fig. 315 en). Vergl. beim Frosch die Stadien der Fig. 242C u. D,
sowie Fig. 244.
Während der Verkleinerung des Blastoporus hat sich aus dem
Cylinderepithel des Embryonalschildes die Medullarplatte gebildet,
median ist die Medullarrinne entstanden (Fig. 314), und seitlich haben
sich die Medullarwülste erhoben. Der Schluß des Medullarrohres be-
sinnt in der Nackengegend und schreitet nach vorn und nach hinten
hin fort (315). Da die Medullarwülste bis in das Gebiet des Primitiv-
streifens reichen, schreitet der Schluß des Medullarrohrs bis zu dem
Primitivstreifen fort, und folglich wird bei dem völligen Schluß des
Medullarrohrs die obere Oefinung des Canalis neurenterieus verdeckt.
Die untere Oeffnung desselben aber bleibt in der Ansicht von unten
sichtbar, da der Kanal sich längere Zeit erhält.
344 10. Capitel.
Es sind nun dieselben Verhältnisse erreicht, wie sie bei vielen niederen
Wirbeltieren vorkommen, bei welchen ein offener Canalis neurentericus |
besteht, z. B. beim Stör (p. 157, Fig. 133) und auch beim Frosch {
Bes
Mir HuzT IBFL
N I ATTEN ah
...
r
Fig. 316 A—E. Querschnitte durch einen Embryo einer Schildkröte (Chelonia
caouana), welcher ungefähr auf der Stufe des Eidechsenembryo Fig. 314 stand.
(Nach MITSUKURI, 1896.)
ee Ektoderm, en entodermales Epithel (Enteroderm), c} Chorda, cn Canalis
neurentericus, dp Dotterpfropf, m Mesoderm. Man vergleiche das Bild bei den
Gymnophionen Fig. 291.
(p. 281, Fig. 263). In dem Primitivstreifen fließen die Hinterenden
der Mesodermstreifen zusammen, und die Masse des Primitivstreifens
dient zur Verlängerung der Mesodermstreifen. Das Verhalten des
Amniota. 345
Primitivstreifens ist dasselbe wie bei den anderen Wirbeltieren:
wenn der Schwanz hervortritt, liegt die Zellmasse des Primitivstreifens
an der Spitze des Schwanzes unter und hinter dem Canalis neurenterieus
(vergl. Fig. 327).
Darmhöhle, Chorda und Mesoderm
bei den Reptilien.
An der Oberfläche der Dotterkugel, soweit dieselbe vom Blasto-
derm bedeckt ist, entsteht ein einschichtiges Epithel, das Dotter-
epithel (Dotterblatt, secundäres Entoderm, Paraderm, Leecithoderm).
Die Zellen, welche dasselbe bilden, stammen teils von denjenigen
Zellen ab, welche bei der Bildung der epithelialen Schichte unter der-
selben verblieben, teils sind sie durch Nachfurchung entstanden. Das
Epithel hat die größte Aehnlichkeit mit dem Dotterepithel der Sela-
chier, welches an dem ganzen Boden der Furchungshöhle sich aus-
bildet (vergl. die Fig. 85, 87, 90 und 91).
An der Gastrulationseinstülpung hängt das Dotterepithel mit der
eingestülpten Schichte zusammen. Diese Verbindung besteht von
Anfang an; -schon bei dem Stadium der Fig. 5311 wurde gesagt, daß
die epitheliale Schichte an dem Gebiet, wo die Einstülpung sich
bildet, mit den tieferen Zellen zusammenhängt. Wenn die Einstülpung
entstanden ist, bildet das Dotterepithel die continuirliche Fortsetzung der
eingestülpten Schichte nach vorn und nach den Seiten hin (Fig.313 A u. B).
Unter demjenigen Teil des Dotterepithels, welcher an die ein-
gestülpte Gastralhöhle anstößt, entsteht eine flache Höhle; dieselbe
breitet sich unter dem Dotterepithel aus. Diese Höhle wird die
subgerminale Höhle genannt. Ich bezeichne sie lieber als vege-
tative Höhle, weil ich diesen Namen schon bei den Gymnophionen
für eine ähnlich gelegene Höhle eingeführt habe (p. 318). — In dem
Boden der durch Einstülpung entstandenen Gastralhöhle entstehen
Lücken, und es findet allmählich eine völlige Verschmelzung der
vegetativen Höhle mit der Gastralhöhle statt).
Man sieht die Verschmelzung der beiden Höhlen an dem Schema
Fig. 326. Ferner vergleiche man die Längsschnitte Fig. 313 B—D.
An Fig. 313B ist die durch Einstülpung entstandene Höhle unten
noch geschlossen, an Fig. 3130 ist sie unten geöffnet, indem der Durch-
bruch in die’ vegetative (subgerminale) Höhle erfolgt ist. Auf den
Schnitten Fig. 313C und D läßt sich an dem Unterschied des Epithels
noch die Grenze der beiden Höhlen erkennen.
Man kann die durch Einstülpung gebildete Höhle primäre
Gastralhöhle nennen und die durch Verschmelzung derselben mit der
vegetativen (subgerminalen) Höhle entstandene Höhle als secundäre
Gastralhöhle bezeichnen. Aus der letzteren entsteht der Darmkanal.
1) Was die Art der Verschmelzung betrifft, so haben manche Autoren be-
obachtet, daß zuerst nur eine einzige kleine Durchbrechung stattfindet also eine
Lücke entsteht, welche allmählich sich erweitert; so sind die Befunde von STRAHL,
WELDoN und Wırr bei Eidechsen, von MITSUKURI und ISHIKAWA bei Trionyx
japonica, von MITSUKURI bei Chelonia, von MEHNERT bei Emys lutaria taurica.
Andere Forscher sahen, daß gleichzeitig mehrere Durchbrechungen entstehen, welche
sich erweitern und zusammentließen; dies beobachteten Has VIRCHOW und
WENCKEBACH bei Eidechsen, WırrL beim Gecko und bei der menorquinischen
Sumpfschildkröte.
>46 10. Capitel.
Der Vorgang der Verschmelzung der primären Gastralhöhle (Ein-
stülpungshöhle) mit der vegetativen (subgerminalen) Höhle kann in ver-
schiedener Weise aufgefaßt werden. Manche Autoren betrachten die neu
entstandene Höhle als Furchungshöhle oder als einen Teil derselben }).
Nach einer anderen Ansicht, wie sie von WENCKEBACH (1891) vertreten
wird, ist die neu entstandene Höhle als eine Höhle im Dotter aufzufassen,
etwa entsprechend einer Höhle, welche bei einer Gastrula der Amphibien
zwischen den Dotterzellen sich bilden könnte. Demnach würde keine
Verschmelzung der Gastralhöhle mit der Furchungshöhle vorliegen, sondern
eine secundäre und cenogenetische Fortsetzung der Gastralhöhle zwischen
dem Dotterepithel und dem ungefurchten Dotter. Wie gezeigt wurde,
ist diese Auffassung auch bei der vegetativen Höhle der Gymnophionen
zulässig (vergl. p. 319); ferner entsteht die Dotterhöhle der Gym-
nophionen in ähnlicher Weise als ein Hohlraum zwischen entodermalen
Zellen (p. 323). Man kann also die Verschmelzung der Höhlen bei den
Reptilien in dem Sinne deuten, daß die durch Einstülpung entstandene
Gastralhöhle durch eine im Entoderm als Spaltraum entstehende Höhle
verlängert wird.
Wenn man im Bereich der Embryonalanlage vor dem Gebiet des
Blastoporus die Decke der neuen Höhle betrachtet, welche durch die
Verschmelzung der eingestülpten Gastralhöhle und der vegetativen
Höhle entstanden ist, so kann man an dem Epithel dieser Decke den
durch Einstülpung entstandenen Teil und den von den vegetativen
Zellen gebildeten Teil noch einige Zeit leicht unterscheiden, da die
Zellen des letzteren Teiles viele Dotterelemente enthalten; der erstere
Teil bildet die Mitte der Decke, der letztere Teil nimmt die beiden
Seiten ein. Da bei Eidechsen die eingestülpte Schichte ursprünglich
nur an dem hinteren Teil (dem durch Einstülpung entstandenen Teil)
der secundären Gastralhöhle die Decke bildet, so wächst sie, wie WILL
gezeigt hat, in der Mitte so weit vor, daß sie längs der ganzen
seeundären Gastralhöhle sich erstreckt. |
Von dem mittleren Teil der Decke der secundären Gastralhöhle
wird ein medianer, relativ schmaler Streifen zur Bildung der Chorda
verwandt; die Chordaanlage besteht
aus einem hohen Cylinderepithel
(Fig. 318), welches ganz ähnlich wie
bei den niederen Wirbeltieren eine
Chordafalte bildet, aus welcher dann
der Chordastrang hervorgeht.
Was die Entstehung des Meso-
derms betrifft, so kann man die
ud
Fig. 317. Grundriß eines Embryo des
Gecko (Platydactylus facetanus SCHREIBE.)
ungefähr im Stadium der Fig. 312. (Nach
Wirt, 1892.) Reconstruction aus einer
Schnittserie; die rechts angeschriebenen
Zahlen bedeuten die Ordnungszahlen der
Schnitte. «sp hufeisenförmiger Blastoporus,
4 mgr Mesodermstreifen,, mi Insertionslinie
“wıp derselben am Urdarm, «d vordere Grenze
des Urdarms.
1) So sieht auch KEIBEL die subgerminale Höhle als einen Teil der Furchungs-
höhle an (F. KEIBEL, Die Gastrulation und die Keimblattbildung der Wirbeltiere.
Ergebnisse der Anat. und Entwickelungsgesch., 10. Bd., Wiesbaden 1901, p. 1115).
a 1 Yu dd Zn Zn ZZ u 2 Lu LU UUoE 2a
Amniota. 347
axiale und die peristomale Mesodermbildung unterscheiden. Man findet
nämlich, daß das Mesoderm sowohl vom Blastoporusrand ausgeht
(peristomales Mesoderm), als auch jederseits als Mesodermstreifen
längs der Gastralhöhle nach vorn sich erstreckt (axiales, gastrales
Mesoderm).
Am Blastoporusrand wächst das Mesoderm aus dem Umschlags-
rande hervor, steht also mit dem Ektoderm in continuirlichem Zu-
sammenhang (Fig. 316). Das Mesoderm dringt vom Blastoporusrande
aus seitlich weiter und schiebt sich zwischen das Ektoderm und das
Dotterepithel hinein. Nach vorn setzt sich das peristomale Mesoderm
ohne jede Abgrenzung in die Mesodermstreifen fort (Fig. 317). Die
Mesodermstreifen schließen sich an das Epithel der Decke der Gastral-
höhle an. Nach Wırr verlaufen die Mesodermstreifen längs der
beiden seitlichen Linien, an welchen die aus vegetativen Zellen ge-
bildeten Teile der Gastralhöhle beginnen. Da der zwischen diesen
beiden Linien gelegene Teil der Decke der Gastralhöhle aus dem
durch Einstülpung entstandenen Entoderm hervorgegangen ist, so
kann man auch die Mesodermstreifen als Producte jener Einstülpung
ansehen, so daß man zu demselben Resultat kommt, welches bei den
Gymnophionen sich ergeben hat (vergl. p. 321 Anm.).
Das gastrale Mesoderm wird also in seiner ersten Anlage von
den soliden Seitenflügeln der Urdarmeinstülpung gebildet (die jedoch
e zum ea) mgr
En E DER === _——— =
u es >5059,%e 90°, 2 0992 Sohaz 5 gl 99 59 © 5 er
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Fig. 318A u.B. Querschnitte durch den hinteren Teil der Decke der secun-
dären Gastralhöhle bei Gecko-Embryonen auf zwei Entwickelungsstadien. A jüngeres,
B älteres Stadium. (Nach WırL.) ec Ektoderm (Medullarplatte), e“ secundäres Ento-
derm (Dotterblatt des Entoderms), e(zp) primäres Entoderm in der dorsalen Wand
der Gastralhöhle, mp Chordaanlage, myr Mesodermstreifen, co Cölomspalt, so Somato-
pleura, s» Splanchnopleura.
vorn als secundäre Wucherungen erscheinen). Nach dem Urdarm-
durchbruch tritt zu dieser ersten Anlage ein Zuwachs, der dadurch
gebildet wird, daß sich an den Seitenrändern des ehemaligen Urdarm-
lumens (der primären Gastralhöhle) eine gegen die Chorda vor-
wachsende Falte bildet (Fig. 318 B), durch welche die gesamte obere Ur-
darmwand beiderseits bis zu der Chorda unterwachsen wird (Wırr 1592
u.1895). Die unterwachsene obere Urdarmwand wird dabei zum soma-
tischen Blatt, das obere Blatt der vorwachsenden Falte zum splanch-
nischen Blatt des Mesoderms. Die am Rande der vorwachsenden
Falte bestehende Rinne entspricht der Mesodermbildungsrinne der
348 10. Capitel.
niederen Wirbeltiere; sie dringt in Form einer flachen Spalte zwischen
die beiden Mesodermblätter ein, welche als Cölomspalte gedeutet
werden kann. Die Leibeshöhle entsteht meist nicht direet durch Er-
weiterung der Cölomspalte, sondern wird nach dem Verschwinden
derselben als ein neuer Hohlraum in den Mesodermstreifen gebildet.
„Mit Ausschluß vielleicht der Region vor den Mesodermplatten
wird kein Teil des primären (durch Einstülpung entstandenen) Ento-
derms zum definitiven Darmepithel, sondern letzteres geht aus dem
seeundären Entoderm hervor“ (WırrL). Dieses Verhalten erinnert
ebenfalls an die Gymnophionen, bei welchen der aus vegetativen
Zellen bestehende seitliche Teil der Urdarmwand sich von beiden
Seiten medianwärts vorschiebt, um die Decke des Darmes zu bilden
(p. 321).
Die phylogenetische Entstehung des Primitivstreifens
der Vögel und Säugetiere.
Bei den Vögeln und Säugetieren erscheint der Primitivstreifen
als die erste Anlage des entstehenden Embryo. Der Primitivstreifen
tritt nicht am Rande des Blastoderms auf, sondern in der Mitte des-
selben oder zwischen der Mitte und dem Rande. Der Primitivstreifen
der Vögel und Säugetiere ist nicht knopfförmig wie bei den Reptilien,
sondern stellt einen langen Streifen dar. Vom
vorderen Ende des Primitivstreifens nach vorn
gehend findet man die Medullarplatte; die Medullar-
wülste treten also vor dem Primitivstreifen auf
(Fig. 319); ihre Entwickelung schreitet so weit
nach hinten fort, daß sie auch noch einen Teil
des Primitivstreifens umfassen (Fig. 319). Am
vorderen Ende des Primitivstreifens entsteht bei
MW—
Fig. 319. Embryonalanlage des Hühnchens in der
2S. Stunde der Bebrütung. (Nach KEIBEL und ABRAHAM,
aus OÖ. HErTwıG, Handbuch.) mw Medullarwülste, p Pri-
mitivstreifen.
vielen Vögeln und Säugetieren ein Canalis neurentericus (Fig. 320 u. 322),
welcher durch eine ganz ähnliche Einstülpung gebildet wird, wie sie
bei der Eidechse beschrieben wurde.
Ein Querschnitt durch den Primitivstreifen der Vögel und Säuge-
tiere zeigt dieselben Verhältnisse, wie sie bei dem Primitivstreifen
der Reptilien nach dem Schluß des Blastoporus bestehen (im Stadium
der Fig. 315). Der Primitivstreifen entspricht den verschmolzenen
seitlichen Blastoporusrändern; es besteht daher ein Zusammenhang
des Ektoderms mit dem Mesoderm, und der ganze Primitivstreifen
stellt ein Wucherungsgebiet dar, von welchem aus das Mesoderm
seitlich sich vorschiebt.
Bei manchen Vögeln und Säugetieren wächst die Embryonalanlage
auf Kosten des Primitivstreifens, in der Weise, daß der letztere sich
successive verkürzt und die Embryonalanlage (Medullarplatte, Chorda
und Mesodermstreifen) entsprechend nach hinten verlängert wird!). Ich
1) Es ist dieser Vorgang von vielen Autoren beschrieben worden. KoPSCH
|
Amnipota. 349
glaube, daß die langgestreckte Form des Primitivstreifens und der damit
zusammenhängende Vorgang der Verkürzung desselben keine palin-
genetische Bedeutung haben, sondern daß der kurze Primitiv-
streifen, wie wir ihn bei Reptilien sehen, den ursprüng-
lichen Zustand darstellt. Da ich also die langgestreckte Form
Fig. 320. Embryo eines
Vogels (Albatroß,Diomedea
immutabilis RoTScH) mit
Medullarwülsten, Canalis
neurentericus und Primitiv-
streifen, bei auffallendem
Lichte gezeichnet. (Nach
SCHAUINSLAND aus ©.
HeERrTWwIG, Handbuch.)
Cn Canalis neurenteri-
cus, de Dotterepithel außer-
halb der subgerminalen
Höhle, arp subgerminale
Höhle (Area pellucida), q
Gefäßbezirk (Area vascu-
losa), mk vorderes Gebiet
des Mesoderms, mkh vor-
dere Grenze des Meso-
derms, mkf mesodermfreies
Gebiet, pr Primitivstreifen.
Der Embryo besitzt 6—7
Ursegmente.
des Primitivstreifens für cenogenetisch halte, so muß ich auch alle theo-
retischen Schlüsse ablehnen, welche man auf diesen Befund gegründet
hat. Insbesondere kann ich nicht zustimmen, wenn man in der Ver-
längerung des Embryo auf Kosten des Primitivstreifens einen Beweis
für die Concerescenztheorie sieht. Denn wenn die Üoncrescenz-
theorie der Ausdruck eines Grundprineips der Wirbeltierentwickelung
wäre, so müßte sie auch bei den Reptilien und bei den niederen Wirbel-
tieren zutreffen, was, wie gezeigt wurde, gar nicht oder nur in sehr
' beschränktem Maße der Fall ist (vergl. die Bemerkungen bei Amphioxus
p- 53, bei den Selachiern p. 130--132, den Teleosteern p. 184 und den
Amphibien p. 272). Bei den Gymnophionen und den Reptilien kann die
Conerescenztheorie auch schwerlich Anwendung finden, da das Gebiet
der Medullarplatte von Anfang an relativ groß und das Gebiet des
Blastoporus und des Primitivstreifens stets relativ kurz ist.
Was die phylogenetische Entstehung des Primitivstreifens betrifft,
so ist zunächst die Theorie von BALFOUR zu erwähnen, welche durch
seine Schemata Fig. 321 A—C erläutert wird. BALFOUR geht von
den Selachiern aus, bei welchen am Hinterende des Embryo die Zu-
hat denselben beim Hühnchen ern geprüft, indem er neben dem Primitiv-
streifen eine kleine Verletzung anbrachte (Fr. Korsch, 1898 u. 1901). Vergl. auch
die entsprechenden Resultate von AssHETON (18096) und JABLONOWSKI (1896).
350 10. Capitel.
sammenlegung der Schwanzlappen stattfindet und der übrige Blasto-
dermrand über die Dotterkugel herabwächst (vergl. p. 127—132).
BALFOUR brinet dies in dem Schema Fig. 5321 B zum Ausdruck; man
sieht hinter dem Canalis neurentericus (er) eine kurze Nahtlinie (bl),
welche die Verschmelzung der beiden Schwanzlappen andeutet. Da
bei den Selachiern hinter der Vereinigung der Schwanzlappen die
Verlötung der Blastodermränder weiterschreitet, so entfernt sich das
(ebiet der Schwanzlappen von dem Umwachsungsrande und sieht man
Fig. 321A—C. Schemata von BALFOUR, um die Homologie zwischen dem
Blastoporus und dem Primitivstreifen zu erläutern.
A Typus des Frosches, B Typus des Selachiers, C Typus eines Amnioten.
; Medullarplatte mit Medullarrinne, ne Canalis neurentericus, bLin B naht-
föürmige Vereinigung eines Teiles des Blastoporusrandes hinter dem Canalis neuren-
tericus, bl in © Primitivstreifen mit Primitivrinne, y* Dotterpfropf oder noch nicht
‚edeckter Teil der Dottermasse.
hinter dem Embryo eine Verwachsungsnaht (vergl. Fig. 120 und
121 »f). BALFOUR homologisirt daher den Primitivstreifen der Am-
nioten mit dem Gebiet der Schwanzlappen der Selachier (Fig. 321 Bbl
und Cb/). Die Bildung des Primitivstreifens kann demnach als ein
abzekürzter Entwiekelungsvorgang aufgefaßt werden: anstatt daß die
beiden Schwanzlappen durch ihre Zusammenlegung die Zellmasse des
Primitivstreifens bilden. entsteht diese Zellmasse von Anfang an ein-
heitlich als ein länglicher Streifen: anstatt daß sich die Blastoderm-
ränder hinter dem Primitivstreifen nahtartig vereinigen, ist der letztere
von Anfang an im Innern des Blastoderms gelegen.
Bei vielen Vözeln und Säugetieren bildet sich ein Canalis neur-
nterieus, welcher nach dem Auftreten des Primitivstreifens am
vorderen Ende desselben durch eine Einstülpung und einen Durch-
bruch entsteht. Nach der Theorie von BALFOUR muß diese Bildungs-
u 4
Amniota. 351
weise des Kanals als ein cenogenetischer Vorgang angesehen werden.
Denn bei den Selachiern wie bei den Amphibien entsteht dieser Kanal
aus dem vordersten Teile des Blastoporus, während bei den Vögeln
und Säugetieren zur
Zeit der Bildung des- Kai I
selben im Bereich des
Primitivstreifens keine
Blastoporusöffnung vor-
Dottersack----— / BESTE
ei
handen ist. Aber daraus Aan
dürfte sich kaum ein
schwerer Einwand N.f
gegen die BALFOUR- yedullarrinne -—
sche Theorie ableiten
lassen, besonders wenn
man eine phylogene-
tische Zwischenstufe an-
nimmt, auf welcher das r
Hinterende des Me- Can. neurent. ® e.
dullarrohres solid war E
wie bei den Petro- HR SAGEN \
myzonten, Teleosteern Zrimitivrinne ———R
und urodelen Amphi-
bien. Bei Petromyzon-
ten und Teleosteern
besteht kein offener
Canalis neurentericus,
und es bildet sich da-
her am Hinterende des Fig. 322. Embryo des Menschen mit Medullar-
.. - latte und Medullarrinne, Canalis neurentericus und
Heubry & En = Fans imitivstreifen. Vergr. 30mal. (Nach Graf SPEE,
eigentümliche Zell- aus KOLLMANN’s Lehrbuch.) Man vergleiche Fig. 320.
masse, der Randknopf,
welcher mit dem Primitivstreifen große Aehnlichkeit hat und zum
Teil auch demselben entspricht (p. 198). Bei einem Teleosteer, Batrachus
tau, bleibt dieser Randknopf nicht mehr am Rande des Blastoderms,
sondern rückt eine Strecke weit in dasselbe hinein und gleicht dann
der Lage nach dem Primitivstreifen der Vögel und Säugetiere!). Es
ist also denkbar, daß die einheitliche und frühe Anlage des Primitiv-
streifens auf einer phylogenetischen Stufe entstand, als das Hinterende
des Medullarrohrs und der Canalis neurentericus kein Lumen hatten,
und daß demnach der Canalis neurentericus, soweit er jetzt bei Vögeln
und Säugetieren auftritt, nur die erneute Oeffnung des Kanals be-
deutet. Es ließe sich also die BaLFour’sche Theorie noch eingehender
stützen, als es zu BaLrour’s Zeit (1882) möglich war.
Jedoch glaube ich, daß die BaLrour’sche Theorie in Bezug auf
die phylogenetische Ableitung des Primitivstreifens nicht die richtige
Vorstellung giebt, und daß durch die neueren Entdeckungen bei den
Gymnophionen und Reptilien eine andere Auffassung notwendig ge-
worden ist. Der Primitivstreifen der Vögel und Säugetiere muß
aus demjenigen der Reptilien erklärt werden, und der Blastoporus der
letzteren gleicht demjenigen der Gymnophionen, wie schon oben an-
nn N
Bauchstiel
1) CORNELIA CLAPP, Some points in the development of the Toad-Fish,
Batrachus Tau, Journal of Morphology, Vol. 5, )891. — Louise B. WALLACE, The
Germ-Ring in the egg of the Toad-Fish (Batrachus Tau). Ebenda, Vol. 15, 1599,
p- 9—16.
352 10. Capitel.
zedeutet wurde. Der Blastoporus der Gymnophionen entspricht aber
offenbar nicht einem Teil des Blastoporus des Frosches, sondern dem
ganzen Blastoporus desselben. Dadurch wird die BALFOURr'sche Theorie
unhaltbar, indem sich ergiebt, daß auch der Blastoporus der Reptilien
und der Primitivstreifen der Vögel und Säugetiere dem ganzen Blasto-
porus entsprechen’). Diese Auffassung ist schon oft ausgesprochen
worden: ich verweise auf die Theorien von RABL, VAN BENEDEN,
KEIBEL, WILL, WENCKEBACH, MITSUKURI u. A.
Im Anschluß an die Ansichten der genannten Autoren (über
welche ich hier nieht eingehend berichten kann) habe ich mir folgende
Vorstellung von der phylogenetischen Entstehung des Primitivstreifens
gebildet.
Bei der Entwickelung von Ceratodus wurde erwähnt, daß die
ersten Furchen das Ei nicht völlig durchteilen, obgleich sie an der
Oberfläche über das ganze Ei gehen; es hängen also im Stadium von
Ss Zellen und manchmai noch in einem späteren Stadium die Blasto-
Fig. 323. Fig. 324.
e fh
Bern nunun
Ss ’
f Fig. 323. Schema der Gastrula eines Amphibiums oder eines Dipnoers im
Stadium des kreisförmigen Blastoporus.
d Dotterpfropf, e Ektoderm, fh Furchungshöhle, 4 Gastralhöhle, m Medullar-
platte, v ventrale Blastoporuslippe.
Fig. 324. Schema der Gastrula einer hypothetischen Zwischenform zwischen
Amphibien und Amnioten, im Anschluß an die Entwickelung der Gymnophionen.
Bezeichnungen wie bei Fig. 323; o äußere Oeffnung der Gastralhöhle.
meren der vegetativen Eihälfte mit einander zusammen (p. 221).
Denken wir nun, daß die Dottermasse noch etwas größer wäre, So
würden die ersten Blastomeren noch in größerer Ausdehnung zu-
sammenhängen, und es würde auch im Blastula- und Gastrulastadium
1) In dem Barrour’schen Schema ist also der Primitivstreifen (bl inFig. 321C)
dem ganzen Blastoporus (y: in Fig. 321 A) homolog zu achten.
a
Amniota. 353
in der Mitte der großen Dotterzellen noch eine ungeteilte Dottermasse
vorhanden sein, wie dies in dem Schema Fig. 323 gezeichnet ist.
Wenn nun die Menge des inactiven Dotters (Deutoplasma) noch-
mals zunimmt, so wird eine noch größere Masse ungeteilt bleiben,
und dadurch kann ein Bild entstehen, wie es in Fig. 324 dargestellt
ist. Man könnte erwarten, daß die Dottermasse aus dem Blastoporus
hervortrete, aber thatsächlich findet man die Dottermasse nicht an
dieser Stelle, sondern an der dem Blastoporus entgegengesetzten Seite
(Fig. 324). Darin liegt offenbar eine wichtige Abänderung cenogene-
tischer Art. Um die Möglichkeit dieser Abänderung zn verstehen,
darf man nicht direct vom Frosch ausgehen, sondern man muß eine
Zwischenstufe annehmen, auf welcher die Furchungshöhle nur kurz
ist und das Ektoderm vor der ventralen Blastoporuslippe durch Ab-
spaltung entsteht, wie dies in dem Schema Fig. 323 gezeichnet ist ?).
Ich erinnere daran, daß SEmon bei Ceratodus in der That beobachtet
hat, daß statt der Ueberwachsung der vegetativen Zellen durch die
animalen Zellen eine Delamination an der Oberfläche der Masse der
vegetativen Zellen stattfindet (vergl. p. 221).
Geht man von diesen Verhältnissen aus, so kann bei der Zu-
nahme des Dotters die ungefurchte Dottermasse an derjenigen Seite
Fig. 325. Fig. 326.
Al
FASERN
Hr
TER
, 3
TH lr)a
B ee
— bei Gymnophionen 327
Teleosteer 169— 218 u 5 j
— Technik 2 Ww
/ telolecithale Eier 13 _s Wirbelsaite 29
Temperatureinfluß bei Froscheiern 255 Wirbelsäule der Selachier 136
Testis 10
| Thyreoidea 35, 145, 288 Z
1 „— bei Petromyzon 84 Zähne bei Petromyzon 88
Torpedo 107, 114
zans De
Transversalebene 4 bei Ceratodus 227
Zähnchenreihen bei Amphibienlarven 300
= Zeichnen 6
: 3 Zitterrochen 107
Urkeimzellen s. Genitalzellen Zona radiata 14
Urmund 23 Zwillinge bei Teleosteern 184
Urniere 38 le Zwitter 10
— bei Myxinoiden 99 Zwischenblatt 29
— bei Petromyzon 88
DE Sun 0 5 L- u Le Zu Du DU u LUD Zu SE A A u de
“
Erklärung der Tafel.
Fig. 1—5. Eier eines Myxinoiden, Bdellostoma stouti, in verschiedenen
Entwickelungsstadien. Vergrößerung 2'/,., Nach DEAN, 1899.
bl das Blastoderm, welches den Dotter umwächst, e Anlage des Embryo auf
" dem Blastoderm, do Dotterloch oder noch nicht vom Blastoderm bedeckter Teil
des Dotters, a Gefäß, r Rand des Deckels der Eischale, s Schwanzende des Embryo.
Fig. 1. Das Blastoderm hat den vierten Teil des Dotters umwachsen. —
Fig. 2. Das Blastoderm hat mehr als die Hälfte des Dotters umwachsen. Auf
dem Blastoderm befindet sich die langgestreckte Anlage des Embryo, welche schon
zahlreiche Ursegmente enthält. — Fig. 3. Das Blastoderm hat den Dotter nahezu
sanz umwachsen, und es ist nur noch ein kleines Dotterloch vorhanden (do);
zwischen dem Hinterende des Embryo und dem Rande des Dotterloches befindet
sich eine Nahtlinie („Primitivstreif“). Der Embryo dieses Stadiums besitzt 11 Kiemen-
spalten jederseits. — Fig. 4. Der Embryo hat sich so sehr verlängert, daß Schwanz-
ende und Koptende auf die andere Seite des Eies hinüberreichen (welche in der
Figur dem Beschauer zugewendet ist). Das Schwanzende beginnt frei hervor-
zuwachsen. — Fig. 5. Aelterer Embryo, bei welchem das freie Schwanzende sich
verlängert hat und über den Kopf hinüber zuwächst.
Fig. 6. Junge Larve des Bachneunauges, Petromyzon Planeri (Ammocoetes
branchialis), 11 Tage nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. Vergrößerung 30. Nach
MAX SCHULTZE, 1856.
a Auge, ao Aorta, at Atrium des Herzens, an After, ar Kiemenarterie, ch
Chorda, d Darm, g Gehörorgan, gv Gehirnvene, m Mund, n Nase, h Leber, sd Sub-
intestinalvene, ih Thyreoidea, ve Vena cardinalis (Stammvene), vca Vena cardinalis
anterior, » Ventrikel des Herzens, ve! Velum, »n Vorniere (Pronephros).
Fig. 7. Junge Forelle (Trutta fario L.), 6 Tage nach dem Ausschlüpfen aus
dem Ei. Vergößerung 8. Original.
a Aorta, af Afterflosse, an After, bf Bauchflosse, brf Brustflosse, ch Chorda,
de Ductus Cuvieri der rechten Seite, do Dottersack, g Gehörorgan, f Fettflosse,
kd Kiemendeckel, k der erste der 4 echten Kiemenbögen, }b Harnblase, o/ Oel-
tropfen im Dotter, sf Schwanzflosse, vc Vena cardinalis (Stammvene).
Fig. 8. Embryo einer Blindwühle, Ichthyophis glutinosus L. in natür-
licher Größe. Nach P. und F. Sarasın, 1889. Man sieht den Dottersack und die
3 Paar großer äußerer Kiemen (vergl. p. 331).
Fig. 9 und 10. Embryonen von Salamandra maculosa, aus dem Uterus
herausgeschnitten (nach Ruscox1, 1854).
Fig. 9. Embryo mit noch weit vorstehendem Dottersack; man sieht die
äußeren Kiemen und dahinter die zapfenartig vorstehende Anlage der vorderen
Extremität; an der Unterseite des Dottersacks bemerkt man kleine Gefäße, welche
in die median gelegene primitive Dottervene einmünden.
Fig. 10. Aelterer Embryo mit verkleinertem Dottersack, mit wohl ausgebildeten
äußeren Kiemen und vollständigen Extremitäten. Der Embryo hat nahezu das
Entwickelungsstadien erreicht, in welchem die Embryonen geboren werden. a Arterie
der Körperwand, ein Ast der Arteria axillaris.
Fig. 11 und 12. Blastula und Gastrula eines Frosches, schematisch.
Fh Furchungshöhle, 4 Gastralhöhle. Der Uebergang von den kleinen zu den
rroßen Zellen ist an der Ventralseite durch ein *, an der Dorsalseite durch zwei **
ezeichnet. Die Kerne der großen Zellen sind durch rote Punkte bezeichnet.
Fig. 13 und 14. Blastula und Gastrula eines Teleosteers, schematisch.
Fh Furchungshöhle, pl: Periblastkerne (rot). Bei * der vordere Rand des
Blastoderms, bei ** der eingestülpte Rand desselben (vergl. Fig. 11 und 12).
Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 2240
Ziegler, Entwickelungsgeschichte.
Fig.3. Br en Fig.S.
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vn vca Fig.6.
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QL Ziegler, Heinrich Ernest
959 Lehrbuch der vergleichenden
254 entwickelungsgeschichte der
niederen wirbeltiere
Biological
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