1 Si' f kÜWi^t' --Ji% ^M^ m 3«« &*•' vj«?jiri' f„*X- °5^' *! r;.<-.f: ^ i^\ &.I- V^M^Sf^^^^^'u^äi^S^^^^I^^M^S^^^^^^ C. CLAUS LEHRBUCH HEß ZOOLOGIE. LEHRBUCH ZOOLOGIE D^ C. CLAUS, O. Ö. PROFESSOR DER ZOOLOGIE UND VEEGL. ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT WIEN, DIEECTOR DER ZOOLOGISCHEN STATION IN TKIEST. FÜNFTE UMGEAEBEITETE UND VERMEHRTE AUFLAGE. MIT 869 HOLZSCHNITTEN. MAEBÜßG. N. G. ELWERTSCHE VEELAGSBUCHHANDLUNG. 189L Alle Rechte vorbehalten. Die Verlagsbiichliandluiiif. VORWORT ZUR FÜNFTEN AUFLAGE. Mit der vorliegenden Bearbeitung hat das Lelirbucli, welches in den ersten vier Auflagen den Titel „Grundzüge der Zoologie" führte, von da au aber in abgekürzter Form als „Lehrbuch der Zoologie" ausgegeben wurde, seine neunte Auflage erfahren und ist in das letzte Jahr seines fünfundzwanzig- jährigen Bestehens eingetreten. Obwohl ich bemüht war, eine Vergrösserimg des Textes möglichst zu vermeiden, so konnten doch bei dem Bestreben nach wissenschaftlicher Vertiefung an zahlreichen Stellen Zusätze und Aenderungen nicht umgangen werden, welche im Vereine mit der zweckmässig erscheinenden Einschaltung neuer Holzschnitte eine nicht unbedeutende Vermehrung der Seitenzahl mit sich brachten. Ich hege jedoch die Hoffnung, dass sich das Buch auch in dieser wiederum verstärkten Form die wohlwollende und günstige Aufnahme, deren sich dasselbe bislang zu erfreuen hatte, erhalten und insbesondere in den Kreisen der Studirenden, welche es mit der Ein- führung in unsere Wissenschaft Ernst nehmen, die seitherige Verbreitung be- wahren wird. Wenn es auch nur ein kleiner Theil des Inhaltes ist, dessen Kennt- niss für viele Studirende, insbesondere für die der Medicin, zur Ablegung der Prüfung ausreicht, so wird derselbe doch erst im ganzen Zusammenhange der Darstellung zum vollen Verständniss gelangen. Die speciellen Abschnitte mögen vielen nur als Erläuterung und zu Belegen für den allgemeinen Theil dienen, welcher in die Wissenschaften der Morphologie und Physiologie der Thiere eine Einleitung auf breiterer vergleichender Grundlage bietet. Daher schien mir denn auch eine näher eingehende, gründlichere Darstellung mehr wflnschens- werth, als eine kürzere, oberflächlichere Behandlung, welche, wie mehrere nach dem Muster meines seit Jahrzehnten eingebürgerten Buches unter starken Ab- kürzungen ausgeführte freie Uebersetzungen, oder auch in deutscher Sprache veröffentlichte, beziehungsweise unter Abänderungen wieder in's Deutsche zurückübersetzte, den Studirenden als Leitfäden angepriesene Nachahmungen VI Vorwort. zeigen, um* auf Kosten einer gleichmässigen und wissenscliaftliclien Durch- führung zu erreichen ist und den Anforderungen eines wissenschaftlichen Lehrbuches nicht mehr entspricht. Es gereicht mir denn auch zur besonderen Befriedigung, dass die von mir eingeschlagene Behandlungsweise auch ausserhalb Oesterreichs und des deutschen Reiches Billigung und Anerkennung gefunden hat, wofür die zahl- reichen Uebersetzungen in das Französische (mit drei Auflagen), Englische und Russische (mit je zwei Auflagen), sowie die in diesem Jahre begonnenen italienischen und spanischen Uebersetzungen (Montaner und Simon, Barce- lona) erfreuliche Belege sind. Die Drucklegung begann bereits Anfang 1889, hat also fast l^'^ .Jahre in Anspruch genommen, ein Umstand, welcher die Nichtberücksichtigung ein- zelner Arbeiten der jüngsten Zeit erklärt und in einzelnen Capiteln der niederen Thiere Berichtigungen nothwendig macht. (Vergl. pag. 959.) Zu besonderem Danke fühle ich mich wiederum Herrn Professor Dr. C. Grobben verpflichtet, welcher mit der ihm eigenen Umsicht und Sorg- falt die Correctur überwachte. Wien, im October 1890. Der Verfasser. INHALTSVEßZEICHNISS. Allgemeiner Theil. Seite Organische und anorganische Naturkörper 1 Thier und Pflanze 6 Die Organisation und Entwicklung des Thieres im Allgemeinen 14 Individuum. Organ. Stock 15 Zelle und Zellengewebe . 20 Zellen und Zellenaggregate 24 Die Gewebe der Bindesubstanz 30 Muskelgewebe 38 Nervengewebe 40 Griissenzunahme und fortschreitende Organisirung, Arbeitstheilung und Vervoll- kommnung 42 Correlation und Verbindung der Orgaue 45 Die zusammengesetzten Organe nach Bau und Verrichtung 47 Organe der Nahrungsaufnahme und Verdauung 48 Organe des Kreislaufes 54 Athmungsorgane. Kiemen 04 Lungen. Tracheen. Tracheenkiemen 65 Athembewegungen 67 Wärmeproduction 68 Harnorgane 69 Animale Organe 73 Skeletbildungen 74 Nervensystem — Sinnesorgane 78 Tastsinn Gehör 79 Sehen 81 Geruch 87 Geschmack _ Elektrische Organe 88 Psychisches Leben und Listinct 91 Fortpflanzung und Geschlechtsorgane 93 Urzeuo-unof . . . . — VIII liilialtsverzeii; Monogene Fortpflanzung 93 Digene oder geschlechtliche Fortpflanzung 94 Hermaphroditismus 96 Getrenntes Geschlecht 98 Parthenogenese 101 Entwicklung 103 Befruchtungsvorgang 104 Furchung 105 Keimblätterlehre . . . < .111 Gastraealehre ; 113 Coelomtheorie 114 Directe Entwicklung der Metamorphose 115 Generationswechsel. Polymorphismus, Heterogonie und Dissogonie 119 Paedogenese 125 Geschichtlicher Ueherblick 127 Aristoteles 128 Linne 129 Cuvier 132 Eintheilung des Thierreiches 134 Bedeutung des Systems 135 Definition der Art 136 Varietät der Easse 137 Lamarck's Descendenzlehre 140 Die Selectionslehre Darwin's, gestützt auf das Princip der natürlichen Auswahl (Darwinismus) für die Descendenz- oder Transmutatiouslehre 143 Wahrscheinlichkeitsheweis aus der gesammten Morphologie 149 Dimor])hisnius und Polymorphismus 150 Mimicry 153 Rudimentäre Organe — Beweisgründe aus der Entwicklungsgeschichte (Ontogenie) 154 Wahrscheinlichkeitsheweis aus den Ergebnissen der Palaeontologie 157 UnVollständigkeit der palaeontologischen Urkunde : 161 Uebergangsformen 163 Verhältniss fossiler Formen zu lebenden Arten 165 Archaeopteryx lithographica 169 Odontornithen 170 Nachweis progressiver Vervollkommnung 171 Wahrscheinlichkeitsbeweis, gestützt auf die Thatsachen der geographisclien Ver- breitung 173 Die grossen Verbreitungsgebiete der Thiere 176 Tiefseefauna 179 üebereinstimnmng der Thiere des hohen Nordens mit denen der Alpen 182 Vergleich der Fauna von Nordamerika und Centraleuropa 183 Vorkommen gleicher oder nahe verwandter Arten in entsprechenden Gegenden ent- gegengesetzter Hemisphären 184 Verbreitung der Süsswasserbewohner 186 Verwandtschaft der Inselbevölkerung mit der nächstliegender Continente 188 Vergleich der Bewohner benachbarter Inseln 189 Gegensatz der Fauna der asiatischen Inselgebiete 191 Bevölkerung von Madagascar und Neuseeland 192 Werthschätzung des Princips der natürlichen Züchtung 193 Inlialtsverzeichuiss. •^-*- Seite 197 Mis'ratioiihtheorio Einwurf von Nägeli "-^^ Unzulänglichkeit der natürlichen Züchtung als ausschliessliches Erklärungsprincip ..202 Nägeli's mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre 203 Welsmann's Lehre von der Continuität des Keimplasmas 205 Specieller Theil. Seite I Protozoa, Urthiere 215 Ehizopoda 216 Amoebina 219 Foraminifera 320 Heliozoa 222 Kadiolaria 223 Infusoria -"^^ Flagellata 227 Ciliata .......232 Holotricha 240 Heterotricha Hypotricha 241 Peritricha Suctoria Schizomyceten — Gregarinen 242 (oclentcrata 244 Spongiaria == Poriferi 248 Calcispongiae Fibrospongiae Myxospongia Ceraospongia Halichondriae Lithospongiae ■ • Hyalospongiae Cnidaria A u t h 0 z 0 a ,255 .256 257 ,261 .268 Eugosa = Tetracorallia . . Alcyonaria = Octactinia — Hexactinia = Zoantharia 269 Polypomedusae 270 Scyphomedusae = Acalephae ... — Tetrameralia 279 Calycozoa — Marsupialida " 281 Octomeralia 282 Discophora — Catammnata 284 Acatammnia — Seite .285 .289 .290 ,291 .295 Hydronicdusae Archhydra e Hydrocoralliae Hydroidae • . Tubulariae Campauulariae Trachymedusae Siphonophorae Calycophovidae Physophoridae — Physalidae 296 Discoideae 297 Ctenophora 298 Echiiiodermata, Stachelhäuter. . . 303 C r i n 0 i d e a 321 Tesselata 323 Articulata — Cystidea 324 Blastoidea — Asteroidea 325 Stelleridea 327 Ophiuridea — Echinoidea 329 Cidaridea 330 Clypeastridea — Spatangidea 331 Holothurioidea — Pedata 333 Apoda — Enteropneusta (Balanoglossus) — Vermes, Würmer 336 Platyhelminthes 341 Turbellaria 342 Ehabdocoela 346 Dendrocoela 347 Trematodes 349 Distomeae 356 Polystomeae 357 Dicyemiden 359 b Iiilialtsverzeichniss. Cestodes 361 Nemertini (Khynchocoela) 374 Palaeonemertini 377 Schizonemertini — Hoplonemertini 378 N e m a t li e 1 m i n t h e s — Xematodes 379 Chaetognatha (Sagitta) 393 Acanf hocephali 394 Annelides 397 Chaetopoda 401 Polyehaetae 408 Errantia 411 Sedentaria 413 Oligochaetae 415 Terricolae 418 Limicolae — Gephyrei 419 Chaetifera 422 Achaeta 424 Hirudinei 427 Eotatoria 432 Echinoderidae .436 Gastrotricha — Arthropoda, Gliederfü.ssler 437 C r u s t a c e a 443 Entomostraca 450 Phvllopoda — Branchiopoda 452 Cladocera 453 Ostracoda 456 Copepoda 461 Gnathostomata 467 Parasita — Branchiura 468 CiiTipedia 470 Pedunculata 475 Operculata 476 Abdominalia — Apoda — Rhizocephala — Malacostraca 478 Leptostraca 479 Archaeostraca 481 Arthrostraca — Amphipoda 483 Laemodipoda 486 Crevettina — Hyperina 487 Isopoda 488 Aisopoda 491 Seite Anisopoda .' 492 Thoracostraca — Cumacea 500 Stomatopoda 503 Schizopoda 505 Decapoda 507 Makrura 509 Anomura 510 Brachyura 511 Mero.stomata ... 513 Xiphosui'a . . 514 A r a c h n 0 i d e a 517 Scorpionidea 520 Pseudoscorpionidea. 523 .Solifugae — Pedipalpi 524 Araneida 525 Phalangiida 532 Acarina 534 Pycnogoniden 539 Tardigrada 540 Lingnatulida 541 0 n y c h 0 p h 0 r a 543 M y r i 0 p 0 d a 545 Chilopoda 550 Chilognatha 551 Hexapoda 553 Apterogenea 585 Orthoptera 587 Pseudoneuroptera 591 Neiu-optera 595 Tridioptera 597 Pihynchota . — Aptera 599 Phytophthires — Homoptera-Cicadaria 602 Hemiptera 603 Diptera — Brachycera 606 Nemocera 608 Siphonaptera 609 Lepidoptera 610 Coleoptera 616 Strepsiptera 621 Hymenoptera 622 Terebrantia 625 Aculeata 627 Mollusca, Weichthiere 631 Solcnogastres 637 L a m e 1 1 i b r a n c h i a t a 639 Palaeoconchae 649 Inlialtsverzeichuiss. XI .652 .654 Desmodontos 6-49 Taxodontes 650 Heterodonte.'< — Anisomyaria 651 Scaphopoda • Solenoconchae Gastropoda — Placophora 665 Prosoliranclna 666 Cyclobraiicliia 667 Zeugobranchia — Ctenobranchia 668 Heteropoda ■ • • • 670 Pulmonata 672 Opisthobranchia 673 Tectibranchia 674 Nudibranchia — Saceoglossa — Pteropoda 675 Thecosomata 677 Gymnosomata — Cephalopoda — j Tetrabranchiata 687 Dibranchiata 688 Decapodida 689 Octopodida — Molluscoidca, M o 11 u s c o i d e e n .... 690 B r y 0 z 0 a — Endoprocta 695 Ectoprocta 696 Lophopoda — Stelraatopoda 697 Brachiopoda 698 | Ecardines 701 Testicardines 702 | Tunicata, M a n t e 1 1 h i e r e — j Tbethyodea 706 i Copelatae 714 Ascidiae simplices — Ascidiae compositae 715 Ascidiae salpaeformes — Thaliacea 717 Desmomyaria 721 Cyclomyaria 722 Vertebrata, Wirb elthiere — Pisces 740 Leptocardii • . . 758 Cyclostomi 761 Elasraobrauchii 764 Holocephali 768 Plagiostomi 769 Seite Ganoidei 770 Teleostei 772 Lophobranchii 773 Plectognathi — Pbysostomi 774 Anacanthini 776 Acantbopteri — Dipnoi 778 Monopneumona 780 Dipneumona 781 Amphibia — Apoda 791 - Caudata 793 Ichthyoidea 794 Salamandrina 795 Batrachia 796 Reptilia 799 Plagiotremata 811 Kionocrania 813 Crassilinguia — Brevilinguia 814 Pissilinguia 815 Rbynehocephala 816 Saudi — Vermilinguia 817 Annulata 818 Ophidia — Opoterodonta 821 Colubriformia 822 Proteroglypha — Solenoglypha 823 Hydrosauria — Enaliosauria 825 Crocodilia — Procoelia 827 Chelonia — Aves 831 Carinatae 858 Natatores — Grallatores 860 Gallinacei 862 Columbinae 863 Scansores 865 Passeres 866 Eaptatores 870 Eatitae 871 Struthiomorphi — Apterygia ; 872 M a m m a 1 i a 874 Monotremata 899 Marsupialia 901 XII Seite Pedimana 904 Rapacia — Carpophaga 905 Poephaga — Rhizophaga 906 Placentalia — Cetacea 910 Edentata 913 Condylarthra 915 Perissodactyla 917 Artiodactyla 923 Bunodonta 924 Selenodonta 926 Sirenia 931 Seite Proboscidea 932 Lamnungia 933 Rodentia 934 Carnivora 937 Pinnipedia 941 Insectivora 943 Chiropterae 945 Prosimiae 948 Primates 950 Arctopitheci 952 Platvrrliini 953 Catarrhini — Der Mensch 954 Berichtigungen 959 Allgemeiner Theil. Organische und anorganisclie laturkörper. In der Welt, welche sich unseren Sinnen offenbart, unterscheidet man lebende, organische, und leblose, anorganische Körper. Die ersteren, die Thiere und Pflanzen, erscheinen in Zuständen der Bewegung und erhalten sich unter mannigfachen Veränderungen, sowohl ihrer gesammten Form als ihrer Theile, unter stetem Wechsel der sie zusammensetzenden Stoffe. Die anorganischen Körper dagegen befinden sich in einem Zustande beharrlicher Ruhe, zwar nicht nothweudig starr und unveränderlich, aber ohne jene Selbstständigkeit der Be- tcegimg^ loelche sich im Sfofficechsel ausspricht. Dort erkennen wir eine Organi- sation, eine Zusammensetzung aus ungleichartigen Theilen (Organen), in denen die Stoffe chemische Veränderungen erfahren, hier beobachten wir eine mehr gleichartige, wenn auch nach Lage und Verbindungsweise der Moleküle nicht immer homogene Masse, deren Theile so lange in ruhendem Gleichgewichte ihrer Kräfte beharren, als die Einheit des Ganzen ungestört bleibt. Im anorganischen Körper, im Krystalle, befindet sich die Materie im stabilen Gleichgewicht, während sich durch das organische Wesen ein Strom von Materie ergiesst. Zwar sind auch die Eigenschaften und Veränderungen der lebenden Körper den chemisch-physikalischen Gesetzen streng unterworfen, und man weist diese Abhängigkeit mit dem Fortschritte der Wissenschaft immer schärfer nach, allein es müssen doch eigenthümliche, ihrer Natur nach unbekannte materielle Anordnungen und insbesondere in ihrem Wesen unerklärte Bedingungen für den Organismus zugestanden werden. Diese Bedingungen, welche man als vitale bezeichnen kann, ohne deshalb ihre Abhängigkeit von materiellen Vorgängen in Frage zu stellen, unterscheiden eben den Organismus von jedem anorganischen Körper und beziehen sich 1. auf die Art der Entstehung, 2. auf die Art der Erhaltung, 3. auf die Form und Structur des Organismus. Die Entstehung lebender Körper kann nicht durch physikalisch-chemische Agentien aus einer bestimmten chemischen Mischung unter bestimmten Bedingungen der Wärme, des Druckes, der Elektricität etc. veranlasst werden, sie setzt vielmehr erfahrungsmässig die Existenz gleichartiger oder mindestens sehr ähnlicher Wesen voraus, aus denen sie auf dem Wege der elterlichen Zeugung erfolgt. Eine selbstständige elternlose Zeugung (gencratio aequivoca^ Urzeugung) scheint bei dem Stande unserer Erfahrungen selbst für die einfachsten C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 1 2 Ortjaiiisclic und anorgauisclio Xatiirkiirpcr. Kohlenstoff. Lebciisstoff. Lebenskraft. und niedersten Lebensformen als gegenwärtig wirksam nicht nachweisbar (Pasteur), wenngleich noch in neuerer Zeit einzelne Forscher (Pouchet) durch Resultate bemerkenswerther, aber zweideutiger Versuche zu der ent- gegengesetzten Ansicht geführt worden sind. Die Existenz der generatio aeqni- voca würde unserem Streben der physikalisch-chemischen Erklärung einen sehr wichtigen Dienst leisten, sie erscheint sogar als notJiicemh'ges Postulat, um das erste Auftreten der Organismen zu erklären. Das zweite und wichtigste Merkmal des Organismus, an welches sich die Erhaltung des Lebens knüpft, ist der beständige Verbrauch und Ersatz der den Lei!) zusammensetzenden Materie, der Stoffwechsel. Jede Wachsthumserschei- nuug setzt Aufnahme und Veränderung materieller Bestandtheile voraus ; jede Bewegung, Absonderung undLebensäusserung beruht auf Umsatz von Stoffen. auf Zerstörung und Neubildung chemischer Verbindungen. An die wechselnde Zerstörung und Erneuerung der Stoftverbindungen knüpfen sich Nahrungsauf- nahme und Ausscheidung als nothwendige Eigenschaften des Lebendigen. Vornehmlich sind es die (wegen ihres Vorkommens im Organismus so genannten) organischen Substanzen, die ternären und quaternären zusammen- gesetzten Kohlenstoff-\ evh'mäimgen (jene aus Sauerstoft'. "Wasserstoff und Kohlen- stoff, diese ausser den drei Stoffen noch aus Stickstoff' gebildet), und unter den letzteren wiederum die Eiweisskörper, welche im Stoffwechsel einen Umsatz erleiden und entweder (Thier) unter dem Einflüsse der Oxydation in Substanzen einfacherer Zusammensetzung gespalten oder (Pflanze ) erst durch Substitution aus einfacheren und in letzter Listanz anorganischen Substanzen aufgebaut werden. Wie aber die allgemeinen Grundeigenschafteu (Elasticität, Schwere, Porosität) des Organismus mit denen der anorganischen Körper so durchaus übereinstimmen, dass es möglich wurde, eine allgemeine Theorie von der Con- stitution der Materie auszubilden, so finden sich auch sämmtliche der Qualität nach unterschiedenen, chemisch nicht weiter zerlegbaren Grundstoffe oder Elemente der organischen Materie in der anorganischen Natur wieder. Ein dem Organismus eigenthümliches Element, ein Lehensstof, existirt ebensowenig, als eine ausserhalb der natürlichen und materiellen Vorgänge wirksame Lehenskraft. Lange Zeit hatte man mit Rücksicht auf die Art der Atomgruppirung organische und anorganische Stcffe in scharfem Gegensatz aufgefasst und die zusammengesetzten Kohlenstoffverbindungen lediglich als Producte des Orga- nismus betrachtet. Lidessen hat es sich gezeigt, dass beide nicht nur auf die- selben Gesetze der Atomlagerung und Constitution zurückzuführen sind, son- dern dass auch die ersteren in nicht geringer Zahl (Harnstoff", Weingeist, Essig. Zucker, Stärke aus Kohlensäure und Wasser) künstlich aus ihren Elementen durch Synthese hergestellt werden können. Diese Thatsachen weisen auf die Wahrscheinlichkeit der synthetischen Gewinnung vieler organischen Verbin- dungen und unter diesen der Eiweisskörper hin und gestatten den Schluss, dass bei der Entstehung organischer Wesen dieselben Kräfte wirksam Avaren, welche für die Bildung der anorganischen Körper massgebend sind. Wenn aber auch Aufliebung (U-s StofFwofhsel.s. Organisation. 3 später Eiweisskörper künstlich durch Synthese hergestellt werden sollten, so wäre damit noch nicht die Substanz des Protoplasmas mit seiner Molekular- Structur als lebende Zelle erzeugt. Man wird demgemäss die dem Organismus eigenthümlichen Functionen: Stoffwechsel, Bewegung und Wachsthum, auf Eigenschaften der Stoffverbiu düngen und insbesondere auf die complicirte molekulare Anordnung der lebendigen Materie zurückzuführen haben. Freilich kann diese wichtige Eigenschaft des Lebendigen, der Sfoff- tci'chse/, unter gewissen Bedingungen zeitweilig unterdrückt und aufgehoben werden, ohne dass der Organismus die Fähigkeit des Lebens einbüsst. Durch Entziehung von Wasser oder auch von Wärme wird es für eine Keihe niederer Organismen und deren Keime möglich, den Lebensprocess Monate und Jahre lang zu unterbrechen, das heisst, latent zu erhalten und dann durch Zufuhr von Wasser, beziehungsweise Wärme die scheinbar leblosen, jedoch lebensfähig gebliebenen Körper wieder in's Leben zurückzurufen ( Anguillula tritici, Rotiferen, Eier von Äpus, Branchipus, Ostracodeu — Frösche, Wasserinsecten, Pflanzen- samen). Eine dritte Eigenthümlichkeit des lebenden Körpers liegt in seiner gesammteu Form und in der Zusammenfügung seiner Theile {Organisation). Die Gestalt des anorganischen Individuums, des Krystalles, ist von geraden, unter bestimmten Winkeln zusammentretenden Linien (Kanten, Ecken) und ebenen, selten sphärischen, mathematisch bestimmbaren Flächen umgrenzt und in dieser Form unveränderlich, die des Organismus M dagegen in Folge des festweichen Aggregatzustandes minder scharf bestimmbar und innerhalb ge- wisser Grenzen veränderlich. Das Leben äussert sich eben als eine zusammen- hängende Keihe wandelbarer Zustände auch in der gesammten Erscheinung; den Bewegungen des Stoffes geht Wachsthum und Formveränderung parallel. Der Organismus beginnt als einfache Zelle und entwickelt sich von dieser Anlage im Eie oder Keime unter allmälig fortschreitenden Differenzirungen und Umgestaltungen seiner Theile bis zu einem bestimmten Höhepunkt mit der Fähigkeit der Fortpflanzung, um zuletzt mit dem Untergange als lebendiger Körper in seine Bestandtheile zu zerfallen. Daher besitzt auch das Substrat des organischen Leibes eine mehr o.der minder festweiche, quellungsfähige Beschaffen- heit, Welche sowohl für die chemischen Umsetzungen der Stoffverbindungen [Corpora non arjunf nisi sohifa), als für Umgestaltungen der gesammten Form nothw^endig erscheint; dasselbe ist nicht homogen und gleichartig, sondern aus festen, festweichen und flüssigen Theilen gebildet, w'elche sich als Zusammen- fügungen eigenthümlich gestalteter Elemente darstellen. Der Krystall zeigt zwar bei einer Zusammensetzung seiner Moleküle aus gleichartigen Atomgruppen eine nach den Richtungen des Raumes ungleiche Lagerung derselben (Blätter- 'j Die Tliiit.saclie, dass es eine Menge von festen Absonderungsproducten im Organis- mus gibt (Schalen, Gehäuse), deren Form sich mathematisch bestimmen lässt, hebt natürlich diesen Unterschied nicht auf. 1* 4 Begriff dt-r Zelle. durchgänge) und demgemäss eine ungleicbmässige Structur, besitzt aber keine verschiedenartigen, einander untergeordneten Einheiten, welche wie die Organa des lebendigen Körpers aJs Werkzeuge zu verschiedenen Leistungen dienen. Die Organe erweisen sich wiederum ihrem feineren Baue nach aus verschiedenen Fig. 1. Theilen, Geweben (oder Organen nie- Q, derer Ordnung) gebildet, welchen als (!>••;• '^:., ^^^^ /Ql letzte Einheit die Zelle zu Grunde liegt, die ihrer Herkunft nach auf die Keim- zelle (^Eizelle, Spermatohhist) zurück- %■' O^ a Junge Eizellen einer Meduse, ft Samenmutterzellt„ (Spermatoblasten)eines Vertebraten, dieeineinamoe- ZUführeU ist. (Fig. 1.) DiCSC aber Steht beider Bewegung. j|jj.pj^ Eigenschaften nach in directem Gegensatz zum Krystall und vereinigt in sich bereits die Eigenschaften des lebendigen Organismus. Dieselbe ist nicht etwa als membranös begrenztes Bläschen mit flüssigem Inhalt und Kern zu definiren (S chwan n), sondern als KUimpchen. einer iceichfiässigen eiweisshaltigen Substanz (Protoplasma), in pjo. 2 •^^'-'" Rßg^l mit eingeschlossener homogener oder bläschenförmi- ger Differenzirung, dem Kern, häufig mit einer peripheri- ■( sehen structurlosen Membran. • % Ist die letztere noch nicht aus- I I . geschieden, so äussert sich das "^ '\ 'i i y*^ Leben in einer mehr oder miu- '' * '!^ r'- ' der ausgesprochenen amoe- - .__ boiden Bewegung. Das zäh- . ^„ flüssige Protoplasma vermag ■■" ^,. '"-""' Ausläufer und Fortsätze von .'■•"" ^,. |, ,_ ' beständig wechselnder Form I i \ \ zu entsenden und dieselben ..-'' / / 1 \ wieder einzuziehen. (Fig. 2.) / I ■ In dieser organischen Grundform, aus welcher sich alle Gewebe und Organe des Thieres und der Pflanze auf- , , bauen, liegen bereits alle Amocha (Protogeiiet) poriccia. (Xacb Max Schnitze) Charaktere des Organismus ausgesprochen. Die Zelle ist daher die erste Form des Organismus und selbst der einfachste Organismus. Während ihr Ursprung bereits auf vorhandene Zellen ähnlicher Art hinweist, wird ihre Erhaltung durch den Stoffwechsel ermög- licht. Die Zelle hat ihre Ernährung und Ausscheidung, ihr Wachsthum, ihre Bewegung, Formveränderuug, ihre molekulare Organisation und Fortpflanzung. Unter Betheiligung des Zellkernes erzeugt sie durch Theilung oder endogene Bildung von Tochterzellen neue Einheiten ihrer Art und liefert das Material Zi'lle als Kriterium der Orjrauisation. Ö zum Aiifhaii der Gewebe, zur Bildung, Vergrösserung und Veränderung des Leibes. Mit Recht erkennt man daher in der Zelle die besondere Form den Lehens und da.<< Lehen in der ThätigJceit der Zelle (V i r c h 0 w). Man wird diese Auffassung von der Bedeutung der Zelle als Kriterium der Organisation und als einfachste Grundform des Lebens nicht durch die Thatsache widerlegen können, dass es noch einfachere Lebensformen als_^ die Zellen (im Sinne der herkömmlichen Zelldefinition) gibt, denen der Kern 'fehlt (Pilzzellen, Schizomi/ceten, Amoehen) (Fig. 2), und dass es homogene, unter den stärksten Yergrösserungen structurlos erscheinende Körper gibt, welche ihren Lebensäusserungen nach unzweifelhaft Organismen sind, obwohl sich nichts von Organisation nachweisen lässt. also scheinbar Organismen ohne Organisation sind; allein auch diese haben eine Organisation, welche in der Molekular-Structur zu suchen ist. Manche Schizomyceten sind so klein (i¥/4-?"ococ- cHs), dass es schwer hält, dieselben in ein- zelnen Fällen von molekularen Niederschlägen zu unterscheiden, zumal sie nur Molekular- bewegung zeigen. (Fig. 3.) Daher ist das lebendige Protoplasma mit seiner nicht näher bekannten molekularen Anordnung das aus- schliesslich bestimmende Kriterium der Zelle und des einfachsten Organismus überhaupt. Liegt nun auch in den erörterten Eigen- schaften ein wesentlicher Gegensatz des Le- bendigen zu der anorganischen Körperwelt ausgesprochen, so wird man doch bei Beur- theilung des Yerhältnisses zwischen Organis- men und Anorganen die Thatsache zu berück- schizouiycttennachF. cohn. aj/itrococoMs. Sichtigen haben, dass es bei den kleinsten ^^.^. ,^.^,^„,,.,^,,. „„, ;„ zoogiooafonB. Organismen, welche sich durch Fortpflanzung und StoflVerbrauch als solche erweisen, mittelst der stärksten Vergrösserung unmöglich ist, eine Organisation zu entdecken, und dass bei zahlreichen niederen Lebewesen durch Entziehung von Wärme und Wasser Stoffwechsel und Lebens- thätigkeit unbeschadet der Lebensfähigkeit völlig unterdrückt werden können. Da zudem die jenen Formen zu Grunde liegende organische Materie aus Ver- bindungen besteht, die möglicherweise durch Sjaithese auch ausserhalb der Organisation herzustellen sind, so wird man der Hypothese eine gewisse Be- rechtigung zugestehen, dass sich die einfachsten Lebewesen aus Anorganen, in welchen dieselben chemischen Elemente wie in den Organismen vorkommen, unter unbekannten, unserer Erkenntniss entrückten Bedingungen entwickelt haben. Man würde dann, da eine fundamentale Verschiedenheit des Stoffes und der Kräfte im Krystall und im organischen Wesen nicht nachgewiesen wurde, im ersten Auftreten lebender Wesen (mit du Bois -Reymond) im Grunde 6 ThiiM- und Pflanze. Gegensatz in Gestalt und Organisation zwisiheii Tliier und l'flau/.e. nur die Lösung eines schwierigen meclianischen Problems erkennen können. Indessen maclit sich eine neue Schwierigkeit geltend, das Auftreten der ersten Kegung von Empfindung und Bewusstsein zu erklären, von seelischen Vor- gängen, die wir uns als ausschliessliches Kesultat von Bewegungserscheinungen der Materie nichtvorzustellen vermögen, deren Keim aber schon den einfaclisten und primitivsten Organismen zugehörig gedacht werden müsste. TMer und Pflanze. Die Unterscheidung der lebendigen Körper in Thiere und Pflanzen beruht auf einer Keihe den ersten und ältesten Erfahrungen entsprungener, unserem Geiste frühzeitig eingeprägter Vorstellungen. Bei dem Thiere beobachten Avir freie Bewegungen und selbstständige, aus inneren Zuständen des Organismus abzuleitende Lebensäusserungen, welche Bewusstsein und Empfindung wabr- scheinlich machen; bei der meist im Erdboden befestigten Pflanze vermissen wir die Locomotion und selbstständige, auf Empfindung hinweisende Thätig- keiten. Daher schreiben wir dem Thiere willkürliche Bewegung und Empfindung zu und betrachten dieselben als beseelte Organismen. Indessen sind diese Begrifife nur einem verhältnissmässig engen Kreise von Organismen, den höchsten Thieren und Pflanzen unserer Umgebung, ent- lehnt. Mit dem Fortschritte der Erfahrungen drängt sich uns die Ueberzeugung auf, dass der herkömmliche Begriff von Thier und Pflanze in der Wissenschaft einer Aenderung bedarf. Denn wenn wir auch nicht im Zweifel sind, ein Wirbel- thier von einer phanerogamen Pflanze zu unterscheiden, so reichen wir doch mit jenen Begriffen auf dem Gebiete des einfacheren und niederen Lebens nicht aus. Es gibt zahlreiche niedere Thiere ohne freie Ortsveränderung und ohne deutliche Zeichen von Empfindung und Bewusstsein, dagegen Pflanzen und pflanzliche Zustände mit freier Bewegung und Irritabilität. Man wird daher die Eigenschaften von Thieren und Pflanzen näher zu vergleichen und hiebei die Frage zu erörtern haben, ob überhaupt ein durchgreifendes Unterscheidungs- merkmal beider Organisationsformen besteht, ob eine scharfe Grenze beider Naturreiche festzustellen ist oder nicht. 1. In der gcsammten Gestalt und Organisation scheint für Thiere und Pflanzen ein wesentlicher Gegensatz zu bestehen. Das Thier besitzt bei einer gedrungenen äusseren Form eine Menge innerer Organe von compendiösem Baue, während die Pflanze ihre ernährenden und ausscheidenden Organe als äussere Anhänge von bedeutendem Flächenumfange ausbreitet. Dort herrscht eine innere, hier eine äussere Entfaltung der endosmotisch wirksamen Flächen vor. Das Thier hat eine Mundöffnung zur Einfuhr fester und flüssiger Nahrangs- stoffe, welche im Innei-en eines mit mannigfachen Drüsen (Speicheldrüsen, Leber. Pankreas etc.) in Verbindung stehenden Darmes verarbeitet, verdaut und resorbirt Gegensatz in Gestalt und Organisation zwischen Tliier und Pflanze. 7 werden. Die unbiauclibaren festen Ueberreste der Nahrung werden als Koth- ballen entleert, Avälirend die stickstoffhaltigen Endproducte des Stoffwechsels durch besondere Harnorgane (Nieren) meist in flüssiger Form ausgeschieden werden. Zur Bewegung und Circulation der resorbirten Ernährungsflüssigkeit (Blut) ist ein pulsirendes Pumpwerk (Herz) und ein System von Blutgefässen vorhanden, während die Respiration bei den luftlebenden Thieren durch Lungen, bei~(leu Wasserbewohnern meist durch Kiemen vermittelt wird. Das Thier hat endlich innere Fortpflanzungsorgane, sowie als Werkzeuge der Empfindung ein Nervensystem und Sinnesorgane, zur Ausführung der Bewegungen eine Muscu- latur. Bei der Pflanze hingegen zeigt der vegetative Apparat eine weit einfachere Gestaltung. Feste Nahruiigsstoffe werden nicht aufgenommen. Es fehlen Mund und After. Die Wurzeln saugen flüssige Nahrungsstoffe auf, während die Blätter als respiratorische und assimilirende Organe Gase aufnehmen und austreten lassen. Die complicirten Organsysteme des Thieres fallen aus, und ein mehr gleichartiges Parenchym von Zellen und Röhren, in denen sich die Säfte bewegen, setzt den Körper der Pflanze zusammen. Auch liegen die Fortpflanzungsorgane in äusseren Anhängen, und es fehlen Nerven und Sinnesorgane. Indessen sind diehervorgehobeuen Unterschiede keineswegs durchgreifend, vielmehr nur für die höheren Thiere und höheren Pflanzen giltig, da sie mit der Vereinfachung der Organisation allmälig verschwinden. Schon unter den Wirbelthieren, mehr noch bei den Weichthieren und Gliederthieren reducirt sich das System der Respirationsorgane und Blutgefässe. Lungen oder Kiemen können als gesonderte Organe fehlen und durch die gesammte äussere Körper- fläche ersetzt sein. Die Blutgefässe vereinfachen sich sehr oft und fallen sammt dem Herzen vollständig aus, das Blut bewegt sich dann in mehr unregelmässigen Strömungen in den Räumen der Leibeshöhle und in den Lücken zwischen den Organen. Ebenso vereinfachen sich die Organe der Verdauung. Speicheldrüsen und Leber verschwinden als drüsige Anhänge des Darmes, dieser wird ein blind geschlossener, verästelter oder einfacher Schlauch (Trematoden), dessen Wandung mit der Leibeswand fest vereinigt sein kann und dann zur Gastral- höhleim Lmeren des Leibes wird (Coelenteraten). Auch kann Mund nebst Darm fehlen (Cestoden) und die Aufnahme flüssiger Nahrungsstoffe ähnlich wie bei den Pflanzen endosmotisch durch die äussere Körperfläche erfolgen, beziehungs- weise durch wurzelartige Fortsätze, welche im Leibe anderer Thiere haften (Rhizocephalen). vermittelt werden. Endlich werden Nerven und Sinnesorgane bei Organismen, welche man, wie die Poriferen und Protozoen, als Thiere be- trachtet, vermisst. Bei jenen sind die Muskeln durch contractile Zellen vertreten, bei diesen durch Diff'erenzirungen im Protoplasma (Myophane). Solchen Re- ductionen des inneren Baues gegenüber erscheint es begreiflich, dass sich auch in der äusseren Erscheinung und in der Art des Wachsthums einfacher gebaute niedere Thiere, wie beispielsweise die Poriferen, Polypen und Siphonophoren, oft in hohem Grade den Pflanzen annähern, mit denen sie in früherer Zeit namentlich dann verwechselt wurden, w'enn sie zugleich der freien Ortsver- 8 Uiiterscliieil tliieri.sclier ,,fl.M änderuiig entbehren iPflanzenthiere). (Fig. 4 und 5.) In diesen Fällen bietet aber auch im Thierreich die Feststellung des Begriifes „Individuum" ähnliche Schwierigkeiten wie im Pflanzenreich. 2. Zwischen thierischen und pflanzlichen Geweben besteht ebenfalls ein wichtiger Gegensatz. Während die Zellen in den pflanzlichen Geweben ihre Fi- 4. Fig. 5. P Polyp. ursprüngliche Form und Selbstständig- keit bewahren, erleiden dieselben in den thierischen auf Kosten ihrer Selbstständigkeit die mannigfachsten Veränderungen. Daher erscheinen die pflanzlichen Gewebe als gleichartige, wenn auch überaus verschieden ge- staltete Zellencomplexe mit wohl er- haltenen, scharf umschriebenen Zellen, die thierischen als höchst verschieden- artige Bildungen von sehr veränderter Structur, in denen die Zellen als solche nicht immer nachweisbar bleiben und nur Zellenterritorien unterschieden werden. Der Grund für dieses ungleiche Verhalten der Gewebe scheint in dem verschiedenen Baue der Zelle selbst gesucht werden zu müssen, indem die Pflanzenzelle im Umkreise ihres Primor- dialschlauches (der verdichteten Grenzschicht des Protoplasmas) von einer dicken stickstofl'losen Haut, der Cellulosekapsel, umgeben wird, während die thierische Zelle eine sehr zarte stickstoffhaltige Membran oder statt derselben nur eine zähere Grenzschicht ihres zähflüssigen Inhaltes besitzt. Indessen gibt es auch Pflanzenzellen mit einfachem nackten Primordialschlauch (Primordial- l'hysophc glockeu, hyih-oslatica. Pn Pneumatoplior, .S .Sch^Yilllm- zweizeiliger Auordiiuug an der Schwimm- säule, TTentakel, i'Polypit oder Magensclilauch nebst Senkfaden Sf, Xlc Nes.selknöpfe an demselben, O Genital- träubclien. Chomisclu' Hestaiultheile und die Vurgäiigo dfs Stoffwechsels. 9 Zellen) und andererseits thierische Gewebe, welche durch Umkapseluug der selbstständig gebliebeneu Zellen den pflanzlichen ähnlich sind ( Chorda dorsalis, Knorpel, Stützzellen in den Tentakeln von Hydroiden). (Fig. 6.) Man wird auch nicht, wie dies von mehreren Forschern geschehen ist, die Vielzelligkeit als noth- wendiges Merkmal des thierischeu Lebens betrachten können. Vielmehr gibt es nicht nur zahlreiche einzellige Algen und Pilze, sondern auch thierische Orga- nismen, welche auf einfache oder complicirt differenzirte Zellen zurückzuführen sind (Protozoen). 3. Am wenigsten kann in der Fortpflanzung ein Kriterium gefunden werden. Bei den Pflanzen ist zwar die ungeschlechtliche Vermehrung durch Sporen und Wachsthumsproducte vorherrschend, allein auch im Kreise der niederen und einfach gebauten Thiere erscheint dieselbe Art der Vermehrung weit verbreitet. Die ge- schlechtliche Fortpflanzung aber beruht bei Thiereu und Pflanzen im Wesentlichen auf den gleichen Vor- f 't ~} M. %. gangen, auf der Verschmelzung männlicher (Samen- körper) und weiblicher Zeugungsstofte (Eizellen), deren Form in beiden Reichen eine grosse Uebereinstimmung zeigt, jedenfalls überall auf die Zelle zurückzuführen ist. ^ ^ Jf Der Bau und die Lage der Geschlechtsorgane im Inneren \_^' des Körpers oder als äussere Anhänge bietet um so f % '^' ''1^ weniger Anhaltspunkte zur Unterscheidung von Thier und Pflanze, als in dieser Hinsicht in beiden Eeichen die grössten Verschiedenheiten möglich sind. "~— ^i^^ii^ 4. Die chemischen Bestandtheile und die Vorgänge ^ dt's Stoffwechsels sind bei Thiereu und Pflanzen sehr ver- ^^=— ==— schieden. Früher legte man grossen Werth auf den " '^ Umstand, dass die Pflanze vorzugsweise aus ternären Ver- ^ paTi^i^eT'parenchym, bindungen, das Thier dagegen aus quaternären stick- nach s a c u s, & Achsonzeiien Stoffhaitigen Verbindungen besteht, und man schrieb für ""^^^^^ ^^oTlZZn!a<^Z. jene dem Kohlenstoff, für dieses dem Stickstoff eine vor- wiegende Bedeutung zu. Indessen sind auch im thierischeu Körper ternäre Verbindungen wie die Fette und Kohlenhydrate sehr verbreitet, während andererseits die quaternären Proteine in den thätigen, in Neubildung begriffenen Theilen der Pflanze eine grosse Rolle spielen. Das Protoplasma, der Inhalt der lebenden Pflanzenzelle, ist stickstoffreich und eiweisshaltig. den mikro- chemischen Reactionen nach mit der Sarcode, der contractilen Substanz niederer Thiere, übereinstimmend. Zudem werden die als Fibrin, Albumin und Casem unterschiedenen Modificationen der Eiweisskörper auch in Pflanzentheilen wiedergefunden. Unter den im Pflanzenkörper auftretenden, von der Pflanze erzeugten Stoffen kommt demChloro2)hgll und der Celluhse eine hervorragende Bedeutung zu. Die im Holzkörper angehäufte Cellulose, ein Bestaudtheil der Zellen- 2^0 (iegeiisatz in Stoffwechsel und Assimilation. meiiibrau und durch die charakteristisch blaue Färbung auf Zusatz von Schwefel- säure und Jod erkennbar, wurde aber auch im Mantel der Tunkaien aufgefunden und somit auch als Erzeugniss von Thieren nachgewiesen. Das ChJorophyJJ dagegen, welches die grüne Färbung der Blätter bedingt, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit als ausschliessliches Product des Piianzenleibes betrachtet werden und besitzt daher zum Nachweis der pflanzlichen Natur einen hohen Werth, zumal an sein Vorhandensein der als Assimilation bekannte vege- tabilische Stoffwechsel geknüpft ist. Zwar hat man auch in zahlreichen, besonders niederen Thieren, wie Infusori>en (ßtentor, Paramaechim), Polypen [Hydra) und Würmern {BoneUia), Chlorophyllkörper gefunden, dieselben jedoch nicht als von diesen Thieren erzeugt nachzuweisen vermocht. Vielmehr haben neuere Untersuchungen ') gezeigt, dass in allen diesen Fällen einzellige, in den Thier- körper eingedrungene Algen {Zoochlor eilen) die Träger des Chlorophylls sind. Das Vorkommen von Chlorophyll im Thierreich erklärt sich in diesen Fällen aus einem eigenthümlicheu, zwischen Thieren und einzelligen Algen bestehenden Associationsverhältniss (Symbiose), in welchem den Algenzellen Schutz und Wohnstätte zur Vegetation gesichert wird, dem Thierkörper aber der durch das Chlorophyll der Algenzellen vermittelte Stoffwechsel der Pflanze Vortheile gewährt, Avelche in der Zufuhr von Sauerstoff und organischem Nähr- material bestehen. Ob freilich diese Erklärung für alle Fälle, in denen Chlorophyll in Thieren beobachtet wird, giltig ist, muss vorläufig noch unentschieden bleiben. Andererseits entbehren zahlreiche Pflanzen des Chlorophylls (Pilze und Schmarotzerpflanzen), so dass der Mangel des Chlorophylls für die Natur eines Oriranismus als Thier keine Entscheidung gibt. Im innigen Zusammenhange mit dem für den Organismus der Pflanze so bedeutungsvollen Chlorophyll gestaltet sich auch der Stoffwechsel derselben in eigenthümlicher, vom Stoffwechsel des Thieres verschiedener, geradezu ent- gegengesetzter Eichtung. Die Pflanze nimmt neben bestimmten Salzen (phosphorsaure und schwefel- saure Alkalien und Erden) besonders Wasser, Kohlensäure und Salpetersäure Salze o&eYÄmmoniakverbmdu)igensiuf\md baut aus diesen binären anorganischen Substanzen die organischen Verbindungen höherer Stufe auf. Das Thier bedarf ausser der Aufnahme von AVasser und Salzen einer organischen Nahrung, vor Allem der Kohlenstoffverbindungen (Fette) und der stickstoffhaltigen Eiweiss- körper, welche im Kreislauf des Stoffwechsels wieder zu Wasser, Kohlensäure und zu stickstoffhaltigen Spaltungsproducteu (Amiden und Säuren). Kreatin. Tyrosin, Leucin, Harnstoff, Harnsäure, Hippursäure etc. zerfallen. Die Pflanze scheidet, indem sie mittelst des Chlorophylls unter Einwirkung des Lichtes zunächst aus Kohlensäure und Wasser ( Stärke ), dann bei Aufnahme stickstoff- ') GezaEntz, Ueber die Natur der Clüorophyllkörperchen niederer Thiere (Ueber- setzung einer ungarischen Publication vom Jahre 1876), Biol. Centralblatt 1882. K. Brau dt, Ueber die morphol. und physiol. Bedeutung des Chlorophylls. Archiv f. Anat. u. Phys. 1882, sowie in den Mittheilungen der zool. Station in Neapel, T. IV, 1883. Saiierstoffveilirauch uml Kolilensüureausschoiduin; der Pflanze. 11 haltiger Verbindungen EiAveisskörper, wahrscheinlich in den Chlorophyllkörnern bildet {AKsimi/af/'(»i ), Sauerstott' aus, den wiederum das Thier zur Unterhaltung des Stoffwechsels durch seine Respirationsorgane aufnimmt. Die Richtung des Stoffwechsels und der Respiration ist daher in beiden Reichen eine sich gegen- seitig bedingende, aber eine genau entgegengesetzte. Das Thierleben beruht auf Analyse zusammengesetzter Verbindungen und ist im Grossen und Ganzen ein Gxydationsprocess, durcli welchen Spannkräfte in lebendige ver- wandelt werden (Bewegung, Erzeugung von Wärme, Licht). Die Lebensthätigkeit der Pflanze dagegen basirt, soweit sie sich auf Assimilation bezieht, auf Synthese und ist im Grossen und Ganzen ein Reductionsprocess, unter dessen Einfluss Wärme und Licht gebunden und lebendige Kräfte in Spann- kräfte übergeführt werden. Indessen zeigt sich auch dieser Unterschied nicht für alle Fälle als Kriterium verwendbar. Viele Schmarotzerpflanzen und fast sämmtliche Pilze haben im Zusammenhang mit dem Mangel des Chlorophylls überhaupt nicht das Vermögen der Assimilation, sondern saugen organische Säfte auf; auch zeigen dieselben eine dem Thiere ent- sprechende Respiration, indem sie Sauerstott' aufnehmen und Kohlensäure aus- scheiden. Aber auch chlorophyllhaltige Phanerogamen können fertige organische Stoffe zur Nahrung aufnehmen. In neuerer Zeit ist die Aufmerksamkeit der Naturforscher, insbesondere durch H 0 0 k e r und D a r w i u ' ) auf die merk- würdigen, übrigens schon im vorigen Jahrhundert (Ellis) beobachteten Er- nährungs- und Verdauuugsvorgänge bei einer Reihe von Pflanzen gelenkt worden, welche nach Art der Thiere kleine Organismen, besonders Insecten fangen, das organische Material der- selben nach einem der thierischen Ver- dauung ähnlichen chemischen Pro- cesse durch die drüsenreiche (Dberfläche aufsaugen [Blätter des Sonnenthaues, Drosera rotundifolia (Fig. 7), und der Fliegenfalle, DionaeamuscipuJa (Fig. 8), ferner die kannenförmigeu Blätter von Nepenthes]. Dazu kommt, dass, wie bereits vor langer Zeit durch S a u s s u r e's Untei'- suehungen festgestellt worden ist. die Aufnahme von Sauerstoff in bestimmten Blattspreite von Drosera rotundifolia mit tlieilvveise angedrückten Ten- takeln. (Nach Darwin.) von Dionaea mtiscipu/a Im ausgebr Zustande. (Nach Darwin.) ') Vergl. besonders Ch. Darwin, Insectivorous plants. London, 1875. 12 Hewcgung uud Eiiiptiiiduiiir als Kriterium des Tliieres. 9. Intervallen für alle Pflanzen nothwendig ist, flass an den nicht grünen, des Chlorophylls entbehrenden Pflanzentheilen und bei mangelndem Sonnenlicht, also zur Nachtzeit, auch an den grünen Theilen ein dem Thiere analoger Ver- brauch von Sauerstoff und eine Ausathmung von Kohlensäure stattfindet. Im Pflanzenkörper besteht daher neben dem sehr ausgedehnten Desoxydations- process ganz regelmässig eine dem thierischen Stoffwechsel analoge Oxydation, durch welche ein Theil der assimilirten Substanzen wieder zerstört wird. Das Wachsthum der Pflanze ist ohne Sauerstoffverbrauch und Kohlensäure- Erzeugung unmöglich. Je energischer dasselbe vorschreitet, um so mehrSauer- stoft' wird aufgenommen, wie in der That die keimenden Samen, die sich rasch entfaltenden Blatt- und Blüthenknospen in kurzer Zeit viel Sauerstoff' ver- brauchen und Kohlensäure ausscheiden, Hiemit im Zusammenhange sind die Bewegungen des Protoplasmas an die Einathmung von Sauerstoff geknüpft. Auch die Erzeugung von Wärme (bei der Keimung j und von Lichterscheinungen {Agaricus olearius) tritt bei lebhaftem SauerstoftVerbrauch ein. Endlit-h gibt es Organismen (Hefezellen — Schizo- myceten),. welche zwar Stickstoffver- bindungen und Eiweiss erzeugen, aber nicht Kohlenstoff assimilireu, diesen viel- mehr fertigen Kohlenhydraten entziehen (P a s t e u r, C o h n ). Dieselben verhalten sich daher bezüglich der ternären Ver- bindungen wie Thiere, während sie Pro- teine zu bilden vermögen. 5. Die tcülkürliche Beicegung und Empfindung gilt dem Begriffe nach als der Hauptcharakter des thierischen Lebens, lu früherer Zeit hielt man das Vermögen der freien Ortsveränderung für eine nothwendige Eigenschaft des Thieres und betrachtete deshalb die festsitzenden Polypenstöcke als Pflanzen, bis der von Peyssonnell geführte Nachweis von der thierischen Natur der Polypen durch den Einfluss bedeutender Naturforscher im vorigen Jahr- hundert allgemeine Anerkennung erlangte, Dass es auch Pflanzen und pflanz- liche Entwicklungszustände mit freier Ortsveränderung gibt, wurde erst weit später mit der Entdeckung beweglicher Algensporen bekannt (Fig, 9), so dass man nun auf Merkmale, aus welchen die Willkür der Bewegung gefolgert werden konnte, zur Unterscheidung der thierischen und pflanzlichen Beweglichkeit sein Augenmerk richten musste. Als solches galt längere Zeit gegenüber den gleichförmigen, mit starrem Körper ausgeführten Bewegungen der Pflanze die Contractilität. Anstatt der Muskeln, welche bei niederen Thieren als besondere Grgwebe hinwegfallen, bildet hier eine ungeformte eiweisshaltige Substanz, Sarcode, die contractile Grimdsubstanz des Leibes, Allein der als Protoplasma bekannte zähflüssige Inhalt der Pflanzenzelle besitzt ebenfalls die Fähigkeit der Contractilität und ist in den wesentlichsten Eigenschaften mit der Sarcode Schwärmsporen a von Physarmu, h c von Vluthrix, d von Bedogonium, (Nach Keinke.) von Vaiicheria. In-itabilitJlt. Siunpflanz 13 Fi Mund, R Radiär gefäss. Oh Gehörbläscheu, TTen- Zwei.strahlige Rippenqualle, vom Sclioitelpol gesehen. .S Sagittalebene, 7' Transversalebene, Ä Rippen, G;"Ge- fässsy Stern. Segmentirung. 19 barer Specialfall. Audi koniieu Strahlthiere eine bilaterale Gestaltung gewinnen (Stamm und Scbwimmgloeken der Sipbonoplioren, irreguläre Ecbinodermen). FiK. IG. /■iih\'S\^ l •obila von Chrijsaora. viel engerem Ver- Es können sich aber auch, und dieser Fall kommt besonders häufig bei Bilateralthieren, seltener bei Kadiaten (Strobäa, Fig. 16) vor, in der Längs- richtung die gleichen Organgruppen, beziehungsweise gleichartige Theile derselben Organe wiederholen. ''■>. Der Körper gewinnt dann eine Gliederung und zerfällt in einzelne hinter einander gelegene Abschnitte, 'Seg- mente oder Metameren, in denen sich die Organisation mehr oder minder gleichartig wiederholt (Anneliden). (Fig. 17.) Die hinter einander folgenden Theilstücke können nach Bau und Leistung vollkommen gleich- werthig erscheinen und repräsantiren wie die Auti- meren der Radiateu Individuen niederer Ordnung, welche durch Trennung von dem Verbände zur Selbst- ständigkeit gelangen und längere oder kürzere Zeit lebendig bleiben (Proglottkien der Cestoden). Bei str höherer Organisirung freilich erscheinen die Segmente in bände und in gegenseitiger Abhängigkeit, büssen dafür aber auch die volle Gleichartigkeit oder Homonomität ein. In demselben Masse, wie die Metameren eine ungleiche Gestaltung gewinnen und mit dieser eine verschiedenartige Bedeutung für das Leben des gegliederten Organismus verbinden, ver- lieren sie ihre individuelle Selbstständigkeit und sinken zum Werthe von Organcomplexen, beziehungsweise Organen zurück. Ganz analog der Segmentirung des In- dividuums kann die Metamereubildung auch Rn polymorphen Thierstöcken, die an sich den Eindruck des Individuums wiederholen, auf- treten. Hier folgen am Stamme hintereinander gleichartige Gruppen verschiedener Indivi- duen, Gruppen, welche einzeln für sich die Bedingungen der Existenz erfüllen und somit von dem gesammten Thierstocke getrennt als lhät).^'^pr'piiaryns, Thierstöckchen niederer Ordnung zu leben vermögen (Diphges, Eudoxia). (Fig. 18.) Die vorausgeschickten Betrachtungen ergeben, dass wenn wir auch verschiedene Individualitätsstufen als Individuen höherer und niederer Ordnung zu unterscheiden haben, wir dieselben doch nicht schablonenmässig in Kangclassen bestimmter Zahl ordnen können. Mögen wir Chat). I) Dai-meanal, C Ci reu, F Fühler. Stück eines DiphVi- denstammes nach R. Leuckart. X> Deck- stück, GS Genital- schwimmglocke, P Polypit mit Faug- fadtn. Die Indivi- duengruppe trennt sieh als Eudoxia. 20 Zelle und Zellengewebe. auch der Zelle die niederste und dem Organ die zweite Rangstufe zuweisen, so würde es doch verfehlt sein, mit E. Haeckel ein Individuum dritter Ordnung als Person und ein solches vierter Ordnung als Cormus oder Thierstock zu uormiren. Nicht nur dass die Bezeichnung „Person" für ungleichwerthige niedere und höhere Stufen verwendet werden musste (Organcomplex einfacher oder zusammengesetzter Form, in einfacher Zahl oder in mehrfacher AViederholung bei Metameren- oder Antimerenbildung ), und Gleiches wiirde auch vom „Cormus" oder Thierstock gelten, die Unmöglichkeit zwischen Thierstock und Individuum als Organcomplex, sowie zwischen diesem und Organ eine scharfe Grenzlinie zu ziehen, macht es unabweislich, diese Begriffe nicht im Sinne morphologisch festgestellter Gegensätze, sondern im Sinne je nach dem Yergleichsobjecte wechselnder Verhältnissbegriffe aufzufassen und anzuwenden. Für die Organe gilt die Unterscheidung in solche höherer und niederer Ordnung. Es gibt Organe, w^elche sich auf die Zelle, beziehungsweise auf einen Complex gleichartiger Zellen (einfache Organe) zurückführen lassen, und solche, an deren Bildung verschiedenartige Zellencomplexe und Zellengewebe betheiligt sind (zusammengesetzte Organe), welche sich häufig zugleich in verschiedene, nach Bau und Leistung ungleichwerthige Abschnitte gliedern. Für die zusammen- gesetzten Organe höherer Ordnung fungiren die einzelnen Abschnitte und für diese wiederum die Zellenaggregate und die Complexe von Zellenderivaten als untergeordnete Organe, für welche schliesslich die Zelle oder das derselben entsprechende Territorium von Protoplasma als das letzte einfachste Organ dasteht. Zusammengesetzte Organe verschiedener Ordnung bezeichnet man auch wohl als Organsysteme ( Gefässsystem, Nervensystem) und Organapparate (Verdauungsapparat). Zelle und Zellengewebe. Unter Geweben versteht mau die Organtheile, insofern sie eine bestimmte, mit Hilfe des Mikroskopes erkennbare, auf die Zelle und deren Derivate zurück- führbare Structur besitzen. Dieselben haben physiologisch eine der besonderen Structur entsprechende Function, welche die Gesammtfunction des Organs bestimmt, und können daher auch als Organe niederster Ordnung betrachtet werden. Die letzte Einheit, das Organ niederster Ordnung oder Elementar- organ M, aus welchem sich die Gewebe aufbauen, ist die Zelle, für die wir bereits hervorgehoben haben, dass die Membran den Werth eines entscheidenden und den Begriff bestimmenden Merkmales nicht besitzt. Die der ursprünglichen Definition entsprechende Bezeichnung Zelle steht daher mit dem Begriffe, wie er sich gegenwärtig entwickelt hat, im Widerspruch, so dass man versucht ist, dieselbe mit Haeckel in Plastid umzuändern. Das Wesentlichste der Zelle ') Th. SL-lnvaiiii.Mikroskoititfclie Untersuchunircii über die Uebereinsthniuuiio- in der Structur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin. 1839. Fr. L ey dig. Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M., 1857. Kigonschnften der Z.U.'. 21 liegt auch iiiclit im Besitze eines Kernes, obwohl derselbe den Zellen höherer Organismen nie fehlt, vielmehr in dem Protoplasma mit seiner besonderen molekularen Anordnung und den Functionen der selbstständigen Bewegung, des Stoffwechsels (Ernähriin(/, Astiimilation , Athmung)^ der Fortpflanzung. (Fig. 19.) So bestimmt man im Zelleninhalt eine die Lebenserscheinungeu be- dingende molekulare Structur anzunehmen hat, so kann diese niemals mit Hilfe der stärksten') Vergrösserungen erkannt werden. Von derselben ganz ver- schieden ist die in den letzten Jahren mit den verbesserten Hilfsmitteln der Mikroskopie erkannte feine Structur des Protoplasmas, Während noch Max Schnitze das Protoplasma als homogene zähflüssige Grundsubstanz be- trachtete, in welche zahlreiche Körnchen eingebettet seien, gelang es in neuerer Zeit *) zu zeigen, dass diese meist nur scheinbar homogen ist, vielmehr eine feinfaserige netzförmige Structur mit mehr flüssiger Zwischensubstanz (Para- plasma) besitzt. Dieses Netz- oder ^^.([Qxm^rkiFlIarsuhsfanz) wird von Manchen als das ausschliesslich Lebendige, die Bewegungen pj»-. 19. Bedingende und Unterhaltende angesehen. Das, was man Kern oder Nucleus der Zelle nennt, ist entweder eine feste solide Einlagerung des Protoplasmas oder ein mehr flüssiges, von fester Hülle (Kerumembran) begrenztes Gebilde, welches wiederum meist ein Netzwerk von dichteren t ■'^^^r c Strängen [Kerngerüst) nebst ein oder mehrere KemformennaciiR.Hertwig. azeii- ,. T T^" 1 , -v-r 7 7 \ IT X o kern aus den Malpighi'schen Fäden solide Korperchen [^lldeolus) umschliesst. So ^.,^^,,. ^^^^^,^ , Heiiozoenkem mit vers(?hieden auch die Formen sind, unter welchen lunaenschicht und Nucieoius im zeu- der Kern auftreten kann, stets enthält derselbe 'f '' '^^'" ''"' rT''''','r"l'»f "J«! ' olus in i'in protoplasmatiselies, vom eine flüssige Substanz, den Kernsaft, und den für Kernsaft umgebenes Fadennetz oin- die Function des Kernes vornehmlich bedeutuugs- """ '"'" ' vollen dichteren Ä'er^isto^' ( Kerngerüst und Nucleolen). (Fig. 19.) Was sich vom Kernstoft' bei Anwendung von Tiuctionsmitteln lebhaft färbt, wird als ,^Chro- matin" bezeichnet und von der sich nicht färbenden achromatischen Substanz unterschieden. Eine wichtige und sehr allgemeine Eigenschaft des Protoplasmas ist die Contractilität. Die lebendige Masse zeigt im Zusammenhang mit dem Stoff- wechsel Bewegungserscheinungen, welche sich nicht nur in Verschiebungen und Wanderungen fester Partikelcheu und Körnen ihres zähflüssigen Inhaltes, ') Das kleinste mit Hilfe der stiirksteii Vergrusserung'en noch unterscheidbare Theilchen ist hinsichtlich seiner molekularen Structur ein sehr zusammengesetzter Körper, in welchem Millionen von Molekülen in bestimmter Anordnung gedacht werden müssen. 2) Yergl. C. Frommann, Zur Lehre von der Structur der Zellen. Jenaer naturw. Zeitschrift. Tom. IX, 1875; Strasburg er, Studien über Protoplasma. Ebendaselbst, Tom. X, 1876; ferner G. Retzius. Studien über Zelltheilung. Biologische Unter- suchungen. Stockholm, 1881 ; W. F 1 e m m i n g, Zellsubstanz, Kern, Zelltheilung. Leipzig, 1882 ; C. Rabl, Ueber Zelltheilung. Morph( dogisches Jahrbuch, Tom. X, 1885. 22 Ursprung der Z.'lle. sondern auch in Formverändenmgen der gesamniteu Zelle äussern. Ist freilich durch Verdichtung der peripherischen Grenzschicht des Protoplasmas, bezie- hungsweise einer hellen ausgeschiedenen Zone desselben eine Zdhnemhran ent- standen, mit anderen Worten, hat die Zelle Bläschenform gewonnen, so werden die Veränderungen der Formumrisse beschränkter sein müssen, im anderen Falle aber geben sich die Verschiebungen der Theile in einem langsamen oder rascheren Formeuwechsel der äusseren Gestalt kund. Die Zelle zeigt dann sogenannte amoehokU Bewegungen, sie sendet Fortsätze aus, zieht dieselben wieder ein und vermag mittelst solcher Verschiebungen der Protoplasmatheile sogar ihre Lage zu ändern. Es sind vornehmlich jugendliche, noch indifferente Zellen, welche in dieser membranlosen Form mit der Fähigkeit der Gestalt- veränderung auftreten; im weiteren Verlaufe ihrer Entwicklung bilden sie häufig eine Zellmembran, die somit nicht, wie man früher glaubte, ein noth- wendiger Bestandtheil der Zelle an sich, sondern nur ein Merkmal der fort- geschritteneren Ausbildung einer weiter differenzirten Zelle ist. Ursprung der Zelle. ZeUentheünng. Die Zelle leitet ihren Ursprung, so- weit unsere Erfahrungen reichen, von anderen Zellen ab ; eine freie Zellbildung im Sinne Schwann's und Schleiden's, bezeichnet durch vorausgegangene Entstehung von Kernen (Cjtoblasten) in einer bildungsfähigen organischen Materie, ist nicht nachgewiesen. Nur insofern die letztere durch das Plasma der Zelle selbst oder das verschmolzene Plasma zahlreicher Zellen (Plasmodien) repräsentirt wird, könnte man von einer freien Zellbildung (z. B. Sporenbildung der Myxomyceten), sprechen, welche freilich von der Neubildung innerhalb der Mutterzelle nicht abzugrenzen und als eine Modification der sogenannten endogenen Zellenerzeugung zu betrachten ist. Diese aber gestattet eine Zurückführung auf die so sehr verbreitete Vermehrung der Zellen durch Theiluvf/. Nachdem die Zelle in Folge der Aufnahme und Verarbeitung von Nährstoffen bis zu einer gewissen Grösse herangewachsen ist, sondert sich das Protoplasma — meist nach voraus eingetretener Kerntheilung — in zwei nahezu gleiche Portionen, von denen jede einen Kern aufnimmt. Die Kerntheilung ist entweder eine directe oder vollzieht sich, wie man für zahlreiche Fälle nachweisen konnte, unter eigenthümlichen Dift'erenzirungen und Veränderungen {Karyokimse, Mitose). Man glaubte früher, dass der Mutterkern der Zelle zu Grunde gehe und zwei neue Kerne gebildet würden. Es hat sich aber herausgestellt, dass der Kern im Zusammenhange mit Ver- änderungen, die er erfährt, nur undeutlich und schwer sichtbar wird. Der- selbe gestaltet sich nämlich zu einer hellen Kernspindel mit feiner Läugs- streifung und einer äquatorialen Anhäufung der Kernsubstanz, welche man (Bütschli) zuerst Kernplatte nannte. Um die Pole der Spindel ordnen sich zu- gleich die Körnchen des Protoplasmas im Umkreis einer hellen Flüssigkeit als strahlenartige Streifen (Strahlenfigur), welche auf lebhafte Bewegungsvorgänge in der Substanz des Plasmas hinweisen. Eingehende neuere Untersuchungen haben dann ergeben, dass das, was man in der sogenannten Kernplatte für Vorgänge 23 kövnicse Granulationen hielt, in Wahrheit aus einem eigenthüinlicheu Faden- knäueleiner bei Anwendung von Tinctionsniitteln sich intensiv färbenden Kern- substanz (Chromafiii) besteht, und dass die Veränderungen dieses Fadenknäuels bei der Bewegung seiner beiden Segmente nach den Polen der Kernspindel hin auf complicirtereu Vorgängen beruhen (Fig. 20); es stammen diese Faden- schlingen aus den chromatinhaltigen Theilen sowohl der Nucleolen als des Kerngerüstes, welches sich während der Kernspindelbildung in diese Faden- knäuel und Faserzüge umgestaltet. Diese Kernfigur setzt sich bei der karyo- kinetischen Zelltheilung aus einem achromatischen Theile, der Kernspindel, und aus der chromatischen Figur zusammen. Die letztere entspricht den Faden- schlingen, welche während desTheilungsvorganges eine regelmässige Keihe von Fig. 20. Epidenniszelleii der Salamanderlarvu im Zustande der karyokiiietiselieii Theilung nach C. Rabl. ah Stadien des Mutterstcnis, r Stadium der Umorduung, d erstes Stadium der Tochtersterne, c zweites Stadium derselben, /Tochterknäuel nach vollzogener Theilung des Zellleibes. Veränderungen durchläuft. Zuerst bilden die Fadenschlingen einen den Kern durchziehenden Knäuel (Knäuelform des Mutterkerus, Spirem), der sich dann in zahlreiche Stücke theilt, welche wiederum der Länge nach in zwei Hälften gespalten sind. Später gewinnen diese Fadensegmente eine regelmässige An- ordnung und stellen sich quer zur Längsachse der inzwischen auftretenden Kernspindel, um, gegen den Aequator derselben zusammengezogen, die Form von Schleifen anzunehmen, deren Winkel nach dem Centrum gewendet sind, während die Schenkel nach Aussen gewendet sind. Die Kernfigur ist in das Stadium der Sternform (F 1 e m m i n g) oder des Muttersterns (Fig. 20 a, h) ein- getreten (Strasburg er's Kernplattenbildung). Nun folgt eine Umordnung der Elemente, indem die durch Längsspaltung entstandenenHälften j eder Schleife 24 Eniiogeue Zcllverraehruug. Kintheiluug der Gewebe. auseinanderweichen und sich entgegengesetzten Pcden zuwenden. (Stadium der Umordnungsphase oder Metakinese, Fig. 20 c.) Indem nun die Sebleifenhälften gegen die Pole vorrücken und wiederum die Sternform annehmen, tritt die Kernfigur in das Stadium der Sternform der Tochterkerne {Tochtersterne \ (Fig. 20 d, e), dan-n verbinden sich die Schleifen jedes Sternes zur Herstellung eines Faden knäuels (Knäuelform der Tochterkerne) (Fig. 20/), der sich schliess- lich in das Kerngerüst des Tochterkerues auflöst. Sind die Producte der Zelltheilung ungleich, so dass man die kleine Por- tion als ein abgelöstes Wachsthumsproduct der grösseren betrachten kann, so nennt man die Fortpflanzungsform Sprossung. Bei der endogenen Zellver- mehrung handelt es sich um Neubildung von Tochterzelleu innerhalb der Mutterzelle. Das Protoplasma theilt sich nicht auf dem Wege fortschreitender Einschnürung und Abtrennung in zwei oder mehrere Portionen, sondern diflfe- renzirt sich im Umkreis von neugebildeten Kernen, neben denen der ursprüng- liche Zellkern fortbestehen kann, in Protoplasmaballen. Die Fiizelle, welche wir als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Organismus zu betrachten haben, erzeugt auf verschiedenem Wege der Zellen- vermehrung das Material von Zellen, welches zur Bildung der Gewebe Ver- wendung findet. Gruppen von ursprünglich indifferenten und gleichgestalteten Zellen sondern sich und nehmen eine veränderte Gestaltung an; die zuge- hörigen Elemente erleiden eine untereinander ungleichartige Differenzirung und erzeugen aus sich und ihren Derivaten eine bestimmte Form von Zellengewebe, welches eine der Besonderheit seiner Structur entsprechende Function gewinnt. Die Sonderung von Gruppen differenter, zur Anlage verschiedener Gewebe führender Zellen bereitet zugleich die Arbeitstheihing der aus jenen zusammen- gesetzten Organe vor, mit denen sie in übereinstimmender Weise nach der allgemeinsten Unterscheidung der Functionen des thierischen Organismus in vegetative und animale eiugetheilt werden. Die ersteren beziehen sich auf die Ernährung und Erhaltung des Körpers, die animaleu dagegen dienen zu den dem Thiere ausschliesslich (im Gegensatz zur Pflanze) eigenthümlichenFunctionen, zur Bewegung und Empfindung. Die vegetativen Gew^ebe würd mau zweckmässig in zwei Gruppen, in Zellen und ZellenaggTegate(Epithelien)uudin Gewebe der Binde- substanz eintheilenuud die animalen in Muskel- und Nervengewebe unterscheiden. Freilich handelt es sich lediglich um eine die Uebersicht der Gewebsformen erleichternde, sowie zur Beurtheilung der Verwandtschaft brauchbare Eintheilung, die nicht auf scharfe Abgrenzung ihrer Gruppen Anspruch macheu kann. 1. Zellenaggregate und freie Zellen. Die Zellen sind als solche erhalten und treten entweder als nebeneinander gelagerte, flächenhaft ausgebreitete Aggregate oder in flüssigen Medien frei und isolirt auf. Diese letztere Form des Vorkommens ist der ersteren gegen- über als secundäre zu betrachten, indem Zellen aus gemeinsamen Aggregaten frei wurden und in ein verschieden erzeugtes flüssiges Medium gelangten. Epitlielial!,'e«'el)e. 25 Das Epithel {^Ejnfhelia/f/eivelMi). Fläclieiibaft angeordnete Zellaggregate bilden die Ejntheh'en, Avelehe -in einfacher oder mehrfacher Schichtung ihrer Fi«-. 21. 5^.fe Verschiedene Epithelzellen. a Pflusterzelleu, h Plattenzellen mit Geis.selhaaren (von einer Meduse), c Cylinderzcllen, d AVimperzelle, e Geisselzelle mit Kragensaum (Spongic), / Cylinderzellen mit porösem Saum (Dünndarmepitlicl). Zellenlagen die äussere sowohl als die innere Fläche des Körpers, sowie die Binnenräume des letzteren (Endothel) überkleiden. Schon in der Grundform der Metazoen. der einschichtigen Blastida, finden wir T'mx. 22. die epitheliale Anordnung der Zellen als einfache :^ an der Oberfläche ausgebreitete Lage \Blastoderm). Demnach ist das Epithel die ursprüngliche und älteste Form der Gewebe. Nach der verschiedenen Form der Zellen unterscheidet man Cylinder-, Flimmer- und Pflasterepithelien. (^Fig. 21.) Im ersteren Falle sind die Zellen durch Vergrösserung der Längs- achsen cylindrisch, im zweiten Falle tragen sie auf der freien Fläche schwingende Wimpern oder Flimmerhaare, deren Substanz mit dem lebenden Protoplasma der Zelle in Coutinuität steht. Ist es nur ein einziges starkes Wimperhaar, welches an der (zuweilen auch flachen) Zelle hervorragt, so nennt man diese Geisselzelle (Kragenzellen von Spongien). Verschmelzen benachbarte Wimper- haare reihenweise, so entstehen schwingende dermis eines hölieren Wirbelthieres. -m Li. -VA^- ^ LL ^ n± 7 \ xj • Scheniatisch. .Sc Stratum corneum. Sm Platten (^\ imperplatten der Cteiwphoren). Bei ,^^^^^^„, ,„,ipiguian„m, cp oefässpa- den Pflaster- oder Plattenepithelien handelt es pine der cutis. sich um flache abgeplattete Zellen, die, w^enn sie in mehreren Schichten auf- treten, in den tieferen mehr und mehr der rundlichen Zellenform weichen.(Fig. 22.) Während die unteren lange ihren weichflüssigen Charakter bewahren und in lebhafter Zelltheilung und Wucherung begriff'en sind, zeigen die oberen eine ^'/f (f m Geseliiehtetes Epithel von der Epi- 26 Geschichtetes Epithel. festere Bescliaffenlieit, verhornen allmälig und stosseu sich als Schüppchen oder zusammenhängende Plättchen ab (Epidermis ), um durch die Neubildungen der unteren Lagen ersetzt zu werden. Mächtige geschichtete Lagen von verhornten und fest miteinander ver- einigten Plattenzellen führen zu der Entstehung von schwieligen oder hornigen Hartgebilden (Xägel, Krallen, Hufe), welche ebenso wie die epidermoidale aus Haaren, Federn, Schuppen bestehende Bekleidung als äusseres Schutzskelet fungiren können. Während man lange Zeit die Zellen derEpithelien alsisolirte Elemente betrachtete, welche nur durch eine Kittsubstanz zu fest zusammen- hängenden Lagen vereinigt seien, hat man in neuerer Zeit erkannt, dass die Zellen in jüngerem und minder differenzirtem Zustande an ihren angrenzenden Fi- 23. Fig. •2i. ■'i?Üg©j@i9' Cuticula und Hypodenni.s. a der Corc/ftra-Larve, h einer Gastropacha-Jia.upe mit zwei Giftdril.sen unterlialb zweier Haarborsten. C'u Cuticula mit Borstea im Zu.s der Häutung. Cu' ueugebildete Cuti- cula (Branchipun) . Flächen durch Protoplasmafädchen miteinander verbunden sind und erst bei höherer Differenzirung zugleich mit der Membranbildung diesen Zusammen- hang verlieren. An derfreien Oberfläche erscheint die Entstehungeiner membrauösenGrenz- schicht durch Umwandlung des äusseren Protoplasmas besonders begünstigt; daher trifft man an diesem Theile der Zelle häufig einen verdickten und er- härteten Saum an. Die veränderte Protoplasmaschicht erscheint an der freien Fläche zu einem dicken Saume verstärkt, der bei ungleichmässiger Verdiclitung eine senkrechte Streifung als Ausdruck von Stäbchen und zwischen denselben befindlichen Poren gewinnen kann (Dünndarmepithel, Epidermiszellen von Petromyzon) und durch diese Porencanälchen die Aufnalime und Abgabe von Stoffen vermittelt. 27 Ci(tica/arht/di(,igrii. Fliesseii die verdickten und erhärteten Säume einer Zellenlage zu einer continuirlicheu membranösen Schicht zusammen, welche eine gewisse Selbstständigkeit gewinntund sich abhebt, so erhalten wir Cuticularmem- hranen, welche homogen oder geschichtet (Fig. 23 rt,i und 24 ) sind und mancherlei Sculpturverhältnisse zeigen können. In der Kegel entstellen dieselben an der äusseren freien Fläche, können aber auch an der Basis gebildet werden ( Basalmem- bran). Die zur Cuticularmembran zugehörige Zellenschicht wird im ersten Falle als Matrix derselben oder als Hypodermis bezeichnet. Häufig bleiben an der Cuti- cularmembran die' den einzelnen Zellen entsprechenden Bezirke als polygonale Fig. 25. 7 3 Felder umschrieben, und neben den sehr feinen Poren- canälchen treten grössere, durch eingeschobene Fort- sätze der Zellen erzeugte Porengänge auf. Diese führen wiederum zu dem Auftreten mannigfacher (Juticular- anhänge, die sich als Haare, Borsten, Schuppen etc. auf Porengängen erheben und als Matrix ihre beson- deren Zellen oder deren Ausläufer umschliessen. Cuticularmembranen können eine sehr bedeutende Dicke und durch Aufnahme von Kalksalzen einen hohen Grad von Festigkeit erlangen (Chitinpanzer der Krebse), so dass .sie als Skeletgewebe Ver- werthung finden, wie sie überhaupt eine scharfe Abgrenzung von gewissen Formen der Binde- substanz nicht gestatten. Die cuticularen Häute bleiben den unterliegenden Zellen ihrer Matrix ent- weder dicht angelagert oder heben sich z. B. als schützende Röhren ab (Hydroidpolypen). Aber auch im ersteren Falle werden sie oft zu bestimmten Zeiten abgestossen und erneuert {Häutung der Würmer und Arthropoden). Indessen nicht nur an der oberen oder basalen Fläche, auch im Innern der Zelle gibt es Abscheidungen erhärtender Substanzen, die zu Skeletbildungen verwendet werden können ( Kalknad ein. Kieselkörner ) oder cuticulare Köhrchen darstellen (einzellige Drüsen der Insecten). Drüsen. Im Gegensatze zu den Cuticularbildungen, welche als erhärtete Absonderungsproducte von Zellen entstehen und als stützende und form- bestimmende Gewebstheile im Verbände mit dem Organismus bleiben, gibt es flüssige Absonderungen, welche sich auf den Werth von formlosen, aber in chemischer Beziehung oft bedeutungsvollen Sexreten (beziehungsweise Excreten, wenn ^dieselben als AuswurfsstoflFe entfernt werden) beschränken. Mit der Erzeugung solcher Absonderungen wird das Epithelium zum Drüseu- gewebe. Im einfachsten Falle ist die Drüse aus einer einzigen Zelle gebildet, Avelche durch die freie Oberfläche ihrer Membran oder durch eine Oeffnung EiiiZüUigc DriUeu. a Becherzelleu aus dem Dümidarmepithel eines Vertebraten, ft einzellige Hautdi-üseu voa Argulus mit langem Aus- filbrungsröhrchen, c einzellige Haut- drüsen von Insecten mit euticularem Ausführungsröhrchen. 28 Drilscn. Zelleiiagfirt'erate und frpie Zellen. derselben Stoffe austreten lässt. (Fig. 25. ) Xicht selten werden zwei Zellen, die eine als Drüse, die andere als Ausführungsgang verwendet (iira»r/*/);»H.s). Gehen zahlreiche Zellen in die Bildung der Drüse ein, so gruppiren sich dieselben im einfachsten Falle um einen centralen, das Secret aufnehmenden Raum; die Drüse erscheint dann in Form eines Sackes oder Blindschlauches, der, als Einsenkung des Epithels in die tieferen Gewebe entstanden, sowohl an der äusseren Körper- flache als an der Darmfläche auftritt. Aus dieser Grundform sind die grösseren und complicirteren Drüsen auf dem Wege fortgesetzter, gleichmässiger oder ungleichmässiger Ausstülpung abzuleiten. Während die Form derselben überaus wechselt {tubulöse — acinöse Drüsen), kommt ihnen wohl allgemein durch Umgestaltung des' gemeinsamen Endabschnittes ein Ausführungsgang zu. eine Arbeitstheilung, welche auch schon an einfachen Drüsenschläuchen, ja sogar an der einzelligen Drüse auftreten kann. ( Fig. 26. ) Ausser dem das Drüsen- lumen auskleidenden Epithel betheiligen sich an der Herstellung der Drüse sehr allgemein noch Gewebe der Bindesub- Fu'". tib. stanz, welche zunächst das die Epithelzellen ff ' tragende Gerüst (Tunica propria) liefern, überall da aber noch im reicheren Masse Verwendung finden, wo Blutgefässe und Nerven in die Drüsen eintreten und die se- cretorischeThätigkeit derselben beeinflussen. Diese wird im Wesentlichen bestimmt durch die besondere Beschaffenheit des Drüsen- epithels und beruht auf einer Abscheidimg fe*^ von Substanzen aus dem Protoplasma, #^^|^^^^ f'-jy %' V. welche sich im Lumen der Drüsen sammel Labdriisen a in der Kntstehuut? als Ein- uud durch dio Oeffuung dessclbeu austreteu. stülimngen di's Epithels, h fertige Labdrüse, t i -n.-ii • i t- ^^ ^ In anderen Fallen ist die Absonderung an den Zerfall und Untergang von Drüsenzelleu geknüpft, deren Substanz gewisser- massen in der Secretbildung aufgeht. Dann ist das Epithel meist mehrschichtig und eine Regeneration aus den tieferen Zellenschichteu nachweisbar. SinneszeUen. Endlich können Epithelien, im Anschluss an das Auftreten von Sinnesorganen in besonderer Weise umgestaltet, als percipirende End- apparate der Nerven Verwendung finden und werden alsdann zu Sinne^epi- thelien, deren Zellen meist einen langgestreckten verschmälerten Zellenleib mit erweitertem kernhaltigen Abschnitt und am freien Ende cuticulare Differen- zirungen in Härchen- oder Stäbchenform besitzen. An der Basis stehen diese Sinneszellen, welche entweder mehr vereinzelt und von indifferenten Zellen (Stützzellen) umlagert oder in grösserer Zahl gehäuft unter Ausschluss jener die Epithellage bilden, mit den Endfibrillen sensibler Nerven in directem Zu- sammenhang. Freie Zellen. Zu den isolirt auftretenden Zellen gehören die Zellen des Blutes, des Chylus und der Lymphe. Sowohl das in der Regel farblose Blut der Wirbel- Blulkiirpori F.izclU'ii. Zoospermi(Mi. 29 %$ d' losen, als das mit seltenen Aiisnalnnen rothe Blut der AVirbelthiere bestellt aus einem flüssigen ei\veissreichen(rierinnung,Faserstolf, Serum) Plasma und zahl- reichen in demselben suspendirten Blutkörperchen. Diese fehlen ausser bei den einzelligen Protozoenauch bei niederenMetazoen, in deren Körper man noch nicht ein discretes Blut zu unterscheiden vermag, dasselbe vielmehr durch einen die Gewebe durchtränkenden Saft ersetzt findet (Coelenterateu, parenchymatöse Würmer). Sie treten bei den übrigeuWirbellosen als unregelraässige, oftspindel- förmige Zellen mit der Fähigkeit amoeboider Bewegungen auf. Bei den Wirbel- thiereu finden wir im Plasma rothe Blutkörperchen (entdeckt von S wamm er d am beim Frosch) in so grosser Zahl und dichter Häufung, dass das Blut für das unbewaffnete Auge das Aussehen einer homogenen rothen Flüssigkeit gewinnt. Es sind dünne Scheibchen von ovalem, nahezu elliptischem oder kreisförmigem (Säugethiere) ') Umrisse, im orsteren Falle kernhaltig, im letzteren kernlos (die Entwicklungszu- stände ausgenommen). (Fig. 27.) Dieselben enthalten den Blutfarb- stoff, das Haemoghhin, welches beim Aus- tausch der Athemgase eine grosse Rolle spielt ( indem dasselbe Sauer- stoff im Respirations- organ aufnimmt und in den Capillaren der Or- gane abgibt ), und gehen wahrscheinlich aus den farblosen Blutkörperchen hervor, die im normalen Blute stets iu sehr geringer Menge enthalten sind. Die farblosen Blutkörperchen sind echte Zellen von über- aus veränderlicher Form mit amoeboiden Bewegungen [Phagocyten, Aus- wanderung in die Gewebe, Neubildungen etc.) und stammen aus den Lymph- drüsen, in denen sie als Lymph-C)hyluskörperchen ihre Entstehung nehmen, um mit dem Lymphstrom in das Blut zu gelangen. Bei den Wirbellosen sind aus- schliesslich amoeboide farblose Blutzellen vorhanden, welche den Lymphkör- perchen der Wirbelthiere an die Seite gestellt werden können, doch ist nicht selten das Plasma gefärbt und in manchen Fällen sogar haemoglobin haltig und röthlich tingirt. Zu den freien Zellen gehören ferner die Eizellen und Spermatoblasten. welche sich aus dem epithelialen Lager von der Wandung des Ovariums und Hodens gesondert haben, sowie die aus dem Inhalt der Spermatoblasten er- Blutzellen nach Ecker. utzelle aus dem Hürzen der Teicli- musehel (Anodonta), h der Raupe von Sphinx, c rothes Blutkörperchen von Proteus, d der glatten Nattes, d' Lymphkörperchen derselben, e rothe.s Blutkörperchen des Frosches,/ der Taube, /' Lymphkörperchen derselben, g rothe Blutkörperchen des Menschen. ') Elliptisch unter den Säugern beim Kanieel und Lan risehen hei Petromyzon. kreistorn unti 30 Gewebe der Bindesubstaiiz. zeugten, häufig frei beweglichen Zoospermien, deren Form und Grösse überaus Avechselt. Wohl immer repräsentiren dieselben eine modificirte Zelle, häufig eine sehr kleine Geisseizelle mit Kopf (Kern und Plasmarest). In manchen Fällen erscheint der Kopf fadenförmig verlängert oder schraubenförmig gewunden (Vöo-el, Selacliier». Auch kann derselbe ganz zurücktreten und das Zoosperm haarförmig werden (Insecten). Sodann gibt es hutförmige Samenkörper (Nema- toden) und solche, welche als Strahlenzellen in zahlreiche Fortsätze auslaufen (Decapoden). (Fig. 28.) f 2. Die Gewebe der Bindesubstauz. Man begreift unter diesen eine grosse Zahl verschiedenartiger Gewebe, die morphologisch in dem Vorhandensein einer mehr oder minder mächtigen. Ficj 28. zwischen den Zellen (Biudege- webskörperchen) abgelagerten Gruudsubstanz, Intercelhdarsnb- s/«/?2.übereinstimmen und grossen- theils zur Verbindung und Um- hüllung anderer Gewebstheile.zur Stütze und Skeletbildung ver- wendet werden. Dieselben ent- wickeln sich in der Eegel aus Zellenmassen des Mesoderms. Die Intercellularsubstauz, welche für die Function des Gewebes in den Vordergrund tritt, nimmt ihre Ent- stehung durch Abscheidung von Zellen, beziehungsweise Umfor- mung peripherischer Theile des Protoplasmas, ist also genetisch von der Zellmembran und deren Differenzirungen, wie wir sie in den Verdickungsschichten und Cuti- cularbildungen antreffen, nicht scharf abzugrenzen. Auch können die von dem Protoplasma bereits erzeugten Zellwandungeu durch Zusammen- fliessen oder Einschmelzung in die Grundsubstauz zur Vermehrung derselben beitragen. In der Regel gelangt die letztere in der ganzen Peripherie der Zelle zur Absonderung, indessen kommt dieselbe in manchen Geweben nur einseitig zur Abscheidung (Zahnbein, Dentin), oder es wird oberflächlich eine flüssige Schicht abgeschieden, welche erst durch secuudäre Einwanderung von Zellen den Cha- rakter der Grundsubstanz gewinnt (ßecreigeicebe, Acalephen, Eippenquallen. Echinoderuienlarven — Mantel der Tunicaten). Andererseits können solche Zoospermien o von Medusen, h des Spulwurms, e von einer Krabbe, d vom Zitterrochen, e vom Salamander (mit un- dulirender Membran), / vom Frosch, g eines Affen (Cerco- pitlierus). Zpllisjos Biiido^'owebp. Si-liloim- oder (lallcrtgevvebe. 31 Zellen (Mesenchymzellen) sich "wieder epithelavtig- (Endothel) anordnen, so dass auch nach dieser Richtung der scharfe, etwa genetisch zu begründende Gegensatz zwischen Epitliel und Gewebe der Bindesubstanz verwischt wird. Zelliges Bindegewebe. Solche Bindegewebsforraeu zeigen in einzelnen Modificationen mannig- fache Beziehungen zu dem Epithel mit seinem einseitigen als Cuticularsubstaiiz bekannten Ausscheidungsproduct und können oft nicht streng von jenen ge- schieden werden. Bleibt die intercellulare Grundsubstanz auf ein Minimum beschränkt, so erhalten wir das zclh'ge oder grosshlasige Bindegewebe, welches namentlich bei Medusen, Mollusken, Crustaceen und Würmern, minder verbreitet bei Wirbelthieren auftritt. Oft wird das Protoplasma Fig- 29. dieser Zellen durch Ansammlung von Flüssigkeit mehr oder minder ^' verdrängt, so namentlich in dem (^ O /— ^ vacuolirten Gewebe der Chorda dor- {f^ ^ (Z) r^ salis, deren Zellen sich wie grosse \ r^ Oo aneinander gedrängte Blasen mit ^VÖ^~ ' meist wandständigeu Kernen aus- nehmen. (Fig. 29 a.) In anderen Fällen kommen die Flüssigkeitsan- sammlungen in ein Maschennetz zarter Stränge zu liegen, wiihreud die Grenzen der Zellen undeutlich werden (zelliges Parenchym der Platoden). Auch können Fettkugeln im Innern des Protoplasmas abgelagert werden [Nehalia) und diesesbisauf eine wandständige Lage verdrängen. (Fig. 29 6.) Offenbar steht dasselbe der embryonalen Form des Bindegewebes, welche aus dicht gedrängten, noch indifferenten Embryonal- zellen besteht, nahe. Chordazellen einer Larve h Grosszelliges Bludejiuwebe von Salamandra. mit Fettkugeln von iWia/ict. Schleim- und Gallertgeweb e. Als solches bezeichnet man Formen von Bindesubstanz, welche sich bei grossem Wassergehalte durch die hyaline, gallertige Grundsubstanz charak- terisiren. Die Zellen verhalten sich im Besonderen überaus verschieden, zeichnen sich aber im Allgemeinen durch eine grosse Beweglichkeit aus, die ein Wandern in der Zwischengallerte unter amoeboiden Erscheinungen der Formveränderung und Aufnahme fester Partikelchen möglich machen. Häufig entsenden dieselben zarte Fortsätze, selbst verzweigte Ausläufer, die mit einander anastomosiren und Netze bilden. Daneben aber können sich auch Theile der Zwischensubstanz in Bündel von Fasern differenziren ( Wharton'sche Sülze des Nabelstranges). 32 Fibrillän's Bindegewebe. Solche Gewebsformen treffen wir bei wirbellosen Thieren. z. B. bei den Hetero- poden und Medusen (Fig. 30) an, deren Gallertscheibe freilich bei Reduction oder völligem Ausfall der Zellen ( Hydroidquallen, sowie Schwimniglockeu von Siphonophoren) in eine ho- mogene weiche oder erhär- tete Gewebslage (Stütz- membran der Polypome- dusen) überführt, welche ihrer Entstehung nach als einseitige Zellausscheidung von flüssig oder gallertig gebliebenen Cuticularbil- dungen nicht zu trennen ist. Aehnlich verhält es sich mit dem sogenannten Secretge- webe der jugendlichen Rip- Z' dieselben in der Theilung aus einer anderen Partie des Objectes. penquallen.iu WelchCSSltäter erst Zellen einwandern. Das Gleiche gilt von der Gallertsubstanz der Schirm- quallen, sowie vom Gallertkern der Echinodermenlarven. Liiertgewebe F i )) r i 1 1 ä r e s Bindegewebe. Eine bei Wirbelthieren sehr verbreitete Form der Bindesubstanz ist das sogenannte fihrüläre Bindegewebe (Fig. 31) mit vorwiegend spindelförmigen oder auch verästelten Zellen und einer festeren, ganz oder theilweise in Faser- züge zerfallenden Zwischensubstanz, welche die Eigenschaft besitzt auf Zusatz von Säuren oder Alkalien aufzu- quellen und beim Kochen Leim zu geben. Zwischen den Faserbündeln treten an vielen Stellen Lücken und Spalten auf, in denen sich eine mit der Lymphe identische Flüssigkeit sammelt. Diese Spalträume des Bin- degewebes stellen die Anfänge des Lymphgefässsystems dar, dessen ge- formte Elemente oder Lymphkör- perchen (mit den farblosen Blutzellen Fiiiriuiires Bindegewebe, ideutlsch) vou dou Bindegewebszellcn abzuleiten sein dürften. Wird das Protoplasma der Zellen grossentheils oder vollständig zur Faserbildung verbraucht, so entstehen Fasergewebe mit ein- gelagerten Kernen an Stelle der ursprünglichen Zellen. Sehr häufig zeigen die Fasern eine wellig gebogene Formund sind in nahezu gleicher Richtung parallel geordnet (Bänder, Sehnen). In anderen Fällen freilich kreuzen sie sich winkelig Elastische Fasern. Fettgewebe. 33 Fig. 32. in verschiedenen Riclitungen des Raumes (Lederhaut), oder sie zeigen eine netzförmige Anordnung (Mesenterium). Je nach der verschieden dichten Grup- pirung der Fasern hat man lockere und straffe Formen von Bindegewebe zu unterscheiden, von denen die ersteren, überall in den Organen verbreitet, die Elemente derselben verpacken und die Blutbahnen begleiten, während das straffe Bindegewebe mit einem viel festeren Gefüge seiner Theile vornehmlicli in den die Muskeln mit den Knochen verbindenden Sehnen und Bändern, sowie den Fascien und Aponeurosen Verwendung findet. Neben den gewöhnlichen Fibrillen und Bündeln von Fibrillen, welche bei Behandlung von Säuren und Alkalien aufquellen, erscheint eine zweite Form von Fasern jenen ßeagentien gegenüber resistent. Es sind dies die elastischen Fasern, wie sie wegen der Be- schaffenheit der vornehmlich aus ihnen gebildeten elastischen Gewebe genannt werden. Dieselben zeigen eine Neigung zur Verästelung und zur Bildung von Fasernetzen und erlangen oft eine bedeutende Stärke (Nackenband, %amf»fa//rfva, Arterienwand). Auch können dieselben verbreitert und zu durchlöcherten Häuten und Platten (gefensterten Membranen) ver- bunden sein. (Fig. 32.) Elastische Fasern, h Netze. Fig. 34. Fig. 33. PigmentzeUen aus der Haut Cobilis harhatula. Fettgewebe, nach Ranvier. F Fettzellen, B BinJegewebsfibiillen. Die Zellen des Gewebes erfahren nicht selten Veränderungen, indem sich in ihrem Protoplasma Pigmente und Fettkügelchen ablagern. Im ersteren Falle können bei dichterer Häufung der meist bräunlichen Pigmentkörnchen im Inhalte der ramificirten Zellen bräunlich bis schwarz gefärbte Häute entstehen (Fig. 33), im zweiten Falle wird das Bindegewebe zum Fettgewebe, welches in innigem Zusammenhange mit einer reichlichen Ernährung besonders in der Umgebung der Gefässe zur Entwicklung gelangt. (Fig. 34.) C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. ^ 34 Reticuläres oder adenoides Gewebe. Knorpel. Eeticiiläres oder adenoides Gewebe. Als solches unterscheidet man eine Bindegewebsform mit einem Netz- werk feiner Fasern an Stelle derFibrilleiibündel und mit Kernen, welche, meist ^^S- 35. von nur spärlichen Protoplasmaresten umgeben, in den Knotenpunkten des Netzes liegen. (Fig. 35.) Eine grosse Kolle spielen dieLücken und Spalträume, welche indifferente, hie und da in Theilung begriffene Zellen enthalten und von Lymphe durchströmt werden. Es , steht diese Bindegewebsform als ade- ^I noides oder cytogenes Gewebe in nächster Beziehung zum Lymphgefässsysteme und insbesondere zu den als Lymph- drüsen bezeichneten Theilen desselben, in deren Räumen die Lymphzellen als Abkömmlinge freigewordener Bindege- webszellen (Wanderzellen) ihren Ur- sprung nehmen. 7> ^^^f^"^' Adenoides Gewebe, nach Gegenbau i K 11 0 r p e 1. Eine andere Gewebsform der Bindesubstanz ist der Knorpel, charakteri- sirt durch die meist rundliche Form der Zellen und die feste chovdrmhalU'ge *) Zwischensubstanz, welche die Eigidität des Gewebes bestimmt. Peripherisch wird derselbe von einer bindegewebigen gefässreichen Haut, dem Perichondrium, überkleidet, Ist die Zwischensubstanz nur sehr spärlich vorhanden, so ergeben sichUebergängezu dem zelligen Bindegewebe. Nach ihrerbesonderenBeschaffen- heit unterscheidet man Hyalinknorpel, Faserknorpel, Netzknorpel, letzteren mit elastischen Fasernetzen. Auch gibt es zum fibrillären Bindegewebe hin- führende Zwischenformen, indem Knorpelzellen von Bündeln bindegewebiger Fibrillen umlagert sein können (bindegewebiger Knorpelj. Die Zellen lagern in meist rundlichen Höhlen der Intercellularsubstanz, von welcher sich verschieden starke, die ersteren umlagernde Partien kapsel- artig sondern. Diese sogenannten Knorpelkapseln betrachtete man früher als der Cellulosekapsel der Pflanzenzelle ähnliche Membranen, eine Auffassung, die im Hinblick auf die Entstehung der Kapseln als Sonderungen aus dem Protoplaslna ihre volle Berechtigung hat. Zudem stehen die Kapseln in naher Beziehung zu der schon vorher auf demselben Wege erzeugten Intercellular- *) Die durch Kochen von Knorpel entstehende gelatinirende Substanz, welche als Chondrin bezeichnet wird, ist wahrscheinlich ein aus Leim und Mucin eehildetes Gemenge. Knorpol. Knorpelkn neben. 35 Substanz, welche sie durch Einschmelzuug der Kapseln verstärken. Im jungen Knorpel erscheint die Intercellularsubstanz auf die aus den vereinigten Kapsel- wandungen erzeugton Scheidewände der Zellen beschränkt, später wird sie eine reichlichere, indem sich aus dem Zellenprotoplasma neue Schichten absondern, die mit der vorhandenen Zwischensubstanz verschmelzen. Indem nun auch die Theilungsproducte der Zellen von Neuem Kapseln ausscheiden, entstehen Systeme ineinander geschachtelter Knorpel- ^io-, 36. kapseln, welche sich zeitweilig abgegrenzt erhalten, allmälig aber auch in die gemein- ' ^ same Grundmasse einschmelzen. Das Wachs- '■ thum des Knorpels ist somit ein vorwiegend ^. j interstitielles. (Fig. 36 und 37.) Uebrigens gibt y ^ '' es auch Knorpel mit spindelförmigen, zuweilen 0' / , .> in zahlreiche Fortsätze ausstrahlenden Zellen. ;- ' Solche im Knorpel niederer Thiere häufig auf- VvQ 1 tretende Formen scheinen überhaupt nicht isolirt zu stehen, indem neuere Untersuchungen Hyaiu.knorp. 1. gezeigt haben, dass die Intercellularsubstanz selbst des hyalinen Knorpels nur scheinbar homogen ist, vielmehr von sehr feinen Ausläufern der Knorpelzellen durchzogen wird, so dass ein continuirlicher Zusammenhang der Zellen auch in den Knorpelgeweben besteht. Eine härtere und festere Beschaffenheit erhält das Grundgewebe, wenn in demselben feinere und gröbere Kalkkrümel in spärlicher oder dichter Häufung abgelagert werden und miteinander zur Bildung eines Gitterwerkes zusammenfliessen; es entsteht auf diese Weise der soge- nannte inkrustirte Knorpel oder Knorpelknochen, welcher bei den Haien eine Fig. 38. Faserknorpel. Knorpelknochen oder inkrustlrter Knorpel. persistente Form des Skeletgewebes darstellt, bei den höheren Vertebraten nur vorübergehend, insbesondere vor der Ossification auftritt. (Fig. 38 «, b.) Bei der Rigidität des Knorpels erscheint es begreiflich, dass wir denselben als Stütz- gewebe zur Skeletbildung verwendet sehen, minder häufig bei Wirbellosen (Cephalopoden, Eöhrenwürmer wie Sahella), sehr allgemein bei Vertebraten, deren Skelet stets Knorpeltheile enthält, bei Fischen sogar ausschliesslich von denselben gebildet sein kann (Knorpelfische). ^C \lä 36 K n 0 c li e 11. Einen noch höheren Grad von Rigidität zeigt das Knochengewebe, dessen Intercellularsiibstanz durch Aufnahme kohlensaurer und phosphorsaurer Kalk- salze zu einer harten Masse erstarrt ist, während die Zellen (sogenannte Knochen- körperchen) mit ihren zahlreichen feinen Ausläufern untereinander anastomo- siren. (Fig. 39, 40, 41.) Die Zellen füllen natürlich entsprechende Höhlungen Fig. 39. Fi.er. 40. Längsseliliff durch einen Röhrenknochen, nach Kölliker. G Gefässcanälcheu. Querschnitt durch einen Röhrenknochen, nach Kölliker. .ST Knochenkörperchen, G Gefäss- canälcheu, L Lamellensysteme. der festen Grundsubstanz aus, welche noch von zahlreichen kleineren und grösseren Canälen durchsetzt wird. Diese führen die ernährenden Blutgefässe, deren Verlauf und Verzweigungen sie genau wiederholen, und stehen in Be- ziehung zu einer regelmässig concentrischen Schichtung und Lamellenbildung der Gruudsubstanz, die nur scheinbar homogen ist. in Wahrheit aber eine fein fibrilläre Structur besitzt. Die Canälchen beginnen an der Oberfläche des Knochens, welche von dem gefäss- und nervenreichen Periost überkleidet wird, und münden in grössere Räume (Markräume) aus, welche bei den Röhren- knochen die Achse einnehmen, bei den spongiösen Knochen aber in unregelmässiger Vertheilung auf- treten. In einer zweiten Form des Knochengewebes Averden zahlreiche sehr lange und parallel gerichtete verzweigte Fasern in die harte Zwischensubstanz eingeschlossen, die somit von einer grossen Zahl feiner, durch seitliche Ausläufer verbundener Röhrchen der Knochenzellen treten Fasern auf, welche enorm verlängerten Ausläufern der Bildungszellen (Odontoblasten), beziehungsweise den Resten dieser letzteren entsprechen. Dieses von feinen parallelen Röhrchen durchsetzte harte Gewebe findet sich in den Knochen der Teleostier und ganz allgemein als „Dentin'-^ oder „Zahnhein'-^ als Grundmasse der Zähne ver- wendet. (Fig. 42.) Die als Schmelz unterschiedene Bekleidung der Zahnkrone Hc K Höhlungei perchen mit welche in d (Havei's'schei münden. (Xach Kö durchsetzt ist. An Stell der Knochenkör- hren Ausläufern, Gefässcanälcheu C'ana!) Hc ein- iker.) 37 besteht aus senkrecht dem Dentin aufgehigerten „Schmelzprisnien" und ist als Product des „Schmelzorgaus" aus den verkalkten Cylinderzellen desselben her- vorgegangen. Das die Wurzel umwuchernde Cement, welches an den schmelz- faltigen Zähnen in die Buchten der Zahnkrone einwuchert und häufig zahlreiche Zahnkeime zur Bildung eines zusammengesetzten Zahnes verkittet, ist ossifi- cirtes Bindegewebe des Alveolenperiostes. Fig. 43. I&. V Schliff durch eiu Stück Z.ahnwurzel, nach K ö 1 1 i k e !•. C Cemeut, ./ Inter- globiilarräume, D Dentin mit den Zahnröhrcheu. Ein Schnitt aus ossificirendem Knorpel, nach Frey. a kleinere im Knorpelgevvebe gelegene Markräume, h solche mit Zellen des Knorpelmarks, c- Reste des verkalkten Knorpels, d grössere Markräume, e Osteo- blasten. Kücksichtlich seiner Genese wird der Knochen durch weiches Bindege- webe oder durch Knorpel vorbereitet. Im ersteren Falle entwickelt er sich durch Umbildung der Bindegewebszellen und durch Erstarrung der Zwischen- substanz. Häufiger ist die Präformirung durch Knorpel, die für einen grossen Theil des Skeletes der Vertebraten Geltung hat. Früher legte man auf diesen Gegensatz der Entstehung grossen Werth und unterschied dieselbe als secundäre und primäre Knochenbildung, während in Wahrheit eine grosse üebereinstim- mung besteht. Denn auch im letzteren Falle tritt im Zusammenhange mit einer vorausgegangenen Kalkinkrustirung und partiellen Zerstörung oder Ein- schmelzung des Knorpels vom Mark aus eine weiche bindegewebige Neubildung (osteogene Substanz) auf, deren Zellen (Osteoblasten) sich in Knochenkör- perchen umgestalten, während die Zwischensubstanz zur Grundsubstanz wird. ^Fig. 43.) Dazu kommt, dass auch die knorpelig präformirten Knochen ein Dickeuwachsthum vom Perioste aus besitzen, bei welchem also Bindegewebe direct in Knochensubstanz übergeführt wird. Uebrigens kann auch der Knorpel 38 Muskelgewebe. Muskelepithel. Fig. 44 a. 6' il^:^ ^ ■"n ^.,— Myoblasten einer Meduse (.4; nraia). Fig. 44 J. /-. S) . ^ C .'-®': ^^^. f - n. direct ossificiren, indem sich seine Zellen zn Knocbenkörperchen umwandeln lind die Grundsubstanz verknöchert (Geweihe). 3. Muskelgewebe. An dem Protoplasma der thätigen Zelle beobachten wir die Eigenschaft der Contractilität nach allen Eichtungen des Kaumes. Schon im Innern der protoplasmatischen Leibessubstanz von Protozoen macht sich aber eine streifen- artige Anordnung von Theilchen geltend, durch welche ein höherer Grad des Con- tractionsvermögens, auf die Kichtung der Streifen beschränkt, vermittelt wird (Mus- kelstreifen der Infusorien). Mittelst ähn- licher Differenzirungen im Protoplasma bilden bei denMetazoen gewisse Zellen und Zellencomplexe das Vermögen der Zusam- menziehung nach einer Kichtung voll- kommener aus und erzeugen die ausschliess- lich zur Bewegung dienenden Muskelge- webe. Dieselben ziehen sich nach dieser bestimmten, ihi-er Längs dimension und der Längsstreifung ihres Inhaltes entsprechen- den Richtung im Momente ihrer Activität zusammen und ändern das im Ruhezustand gegebene Verhältniss der Längs- und Quer- dimension derart, dass sie die erstere ver- kürzen, während sie gleichzeitig breiter werden. In den ersten Anfängen ist es nur ein kleiner Theil des Zellenleibes, welcher zur contractilen Faser sich gestaltet. Bei den Hydroidpoh/pen und Medusen sind es die in der Tiefe gelegenen Piasmatheile der muskelbildenden Zellen (Myoblasten) *), welche sich zu zarten Muskelfasern oder Fasernetzen ausbilden, während die aufliegenden Zelleukörper, die Erzeuger jener, noch andere Functionen vermitteln und in der Regel noch Wimperhaare tragen. Mit Rücksicht auf die epithelartige Anordnung der Myoblasten nennt man die Gesammtheit derselben auch Muskelepithel. (Fig. 44 a, h.) In der weiteren Ent- wicklung erscheint der grösste Theil des Zellplasmas als contractile Muskel- substanz verwendet, beziehungsweise die ganze Zelle faserartig verlängert. Es rücken dann die Muskeln von der Oberfläche in die Tiefe und bilden hier von Bindegewebstheilen gestützte selbstständige Schichten, sie können aber auch aus ') Wurden fälschlich als „Neuromuskelzellen" gedeutet, obwohl eine Beziehung derselben zur Entstehung von Ganglienzellen nicht enveisbar ist. Hieniit soll natürlich nicht gesagt sein, dass das Myoblast keine Eeizbarkeit besitzt. Muskelepittiel einer Meduse {Auvelia). Glatte Musk.^lii. yiiorgi-streifto Muskeln. 39 mesodermaleu Zellen, sowie aus sogenannten Mesenchymzellon iliven Ursprung nehmen. Man unterscheidet zwei morphologisch und physiologisch differente Formen von Muskeln : die g/attm Maxkeln oder contractilen Faserzellen und die quergestreifte Muskdsa/jiitanz. Glatte Muskeln. In diesem Falle sind es spindelförmige, platte oder bandförmig gestreckte Zellen und Lagen solcher Zellen, welche auf den in der Regel vom Nerven veran- lassten Reiz langsam reagiren, allmälig in den Zustand der Contraction eintreten und in diesem länger ))eharren. Die contractile Substanz erscheint meist homogen, indessen nicht selten auch längsstreifig. Die glatten Muskeln haben die grösste Verbreitung anf dem Gebiete der wirbellosen Thiere, werden aber auch bei den Vertebraten zur Bildung der Wandungen zahlreicher Organe (Ge- fässe, Ausführungsgänge der Drüsen, Darm- wand) verwendet. (Fig. 45.) Quergestreifte Muskeln. Der quergestreifte Muskel besteht aus Zellen, häufiger aus vielkernigen soge- nannten Primitivbündeln (Muskelfasern) und charakterisirt sich durch die Um- wandlung des Protoplasmas oder eines Theiles desselben in eine quergestreifte Substanz mit eigenthümlichen, das Licht doppelt brechenden Elementen (Sarcous Clements) und mit einer zweiten jene ver- bindenden, einfach brechenden Zwischen- substanz. (Fig. 46 a, b.) Physiologisch charakterisirt sich derselbe durch eine im Momente der Reizung eintretende sehr energische und bedeutende Zusammenzie- hung, welche dieses Muskelgewebe vornehm- lich zur Ausführung kräftiger Bewegungs- leistungen (Muskulatur des Vertebraten- skelets) tauglich erscheinen lässt. Im einfachsten Falle sind auch die quergestreiften Fibrillen in der Tiefe von Myoblasten erzeugt, die ein zusammenhängendes flächeuhaftes Epithel (Muskel- epithel) über der zarten Faserschicht bilden (Medusen und Siphonophoren), a Glatte Muskelfasern isolirt, 6 Stück einer Arterle, nach Frey. / Aeussere bindegewebige Seilicht, 2 die aus glatten Muskelfasern gebildete mittlere Schicht, 3 kernlose Innenschicht. Fig. 46. ^~ t- a Primitivfibrille, 6 querj,'c.sti-Lil'lc .Muskelfaser (Muskelpriinitivbündel) von Lactrta mit Nerven- endigungen, PNervenendplatte. (Nach Kühne.) 40 veugewebe. 7 W Bei den höliereii Thiereii entstehen sie als Umbildung einer reicheren Menge von Protoplasma und betreffen fast den ganzen Inhalt der Zelle. Seltener bleiben dann aber die Zellen einkernig, so dass der ganze Muskel aus einer einzigen Zelle besteht (Augenmuskeln der Daphnien). Meist bilden sich die Zellen unter Vermehrung ihrer Kerne zu langgestreckten Muskelfasern, Pri- müivbündeln, um, an deren Peripherie eineMembran alsSarcolemma zur Diflferen- zirung kommt (Fig. 47), oder es entstehen die Primitivbündel durch Ver- Fi«,^ 48. Schmelzung zahlreicher in Keihen , gestellter Zellen. Meist lagern I die Kerne dem Sarcolemma an, häufig in einer peripherischen feinkörnigen Protoplasmaschicht, seltener sind dieselben reihen- weise in der Achse des Schlauches zwischen feinkörnigen, indiff'erent gebliebenen Protoplasmath eilen angeordnet. Durch Zusammen- lagerung zahlreicher Primitiv- bündel und Verpackung derselben mittelst Bindesubstanz entstehen die feineren und gröberen Muskel- bündel, deren Faserung dem Ver- laufe der Primitivbündel entspricht (Muskeln der Verte- a Muskelfaser des Frosches brateu). Auch kommt CS vor, dass sowohl die einfachen in der Entwicklung, 6 Mus- ^^-^^ ^j^ ^.^ ^^^ ^^^^^^^ entstandenen mehrkernigen kelfaser, streckenweise mit ' o Muskeln Verästelungen bilden (Fig. 48) (Herz derVerte- braten, Darmmuskeln der Arthropoden etc.). Netzförmige Muskelfasern des Herzens. (Nach Frey.) leerem Sarcolemma S,XKeTn (Xaeh Frey.) 4. Nervengewebe. Zugleich mit der Muskulatur tritt das Nervengewebe auf, welches jener die Keizimpulse ertheilt, aber in erster Linie als Sitz der Empfindung und des Willens erscheint. Mit Rücksicht auf diese Hauptfunction ist es sehr wahr- scheinlich, dass in der phylogenetischen Entwicklung der Gewebe die nervösen Elemente nicht im Zusammenhange mit den Muskeln, sondern mit den im Ectoderm sich difterenzirenden Sinneszellen der Haut entstanden sind, dann, mit Fortsätzen jener verbunden, tiefer herabrückteu, während sie mit den Muskeln, welche ihre selbstständige Reizbarkeit besasseu, erst secundär in Verbindung traten. Das Nervengewebe enthält zweierlei verschiedene Formelemente, Nerven- zellen oder Ganglienzellen und Nervenfasern, die beide auch eine bestimmte feinere Structur und molekulare Anordnung, sowie chemische Beschaffenheit besitzen. Bündel von nebeneinanderlaufenden, durch Bindegewebe verpackten Nervenfasern nennt man Nerven, solche von Ganglienzellen Ganglien. Gangl 41 Ganglienzellen. Dieselben gelten als die Herde der Nervenerregung und linden sich vor- nehmlich in den Centralorganen, welche als Gehirn, Rückenmark oder schlechthin als Ganglien bezeichnet werden. Sie besitzen meist eine feinkörnige granu- läre, beziehungsweise fibrilläre Structur des Zellenleibes, einen grossen Kern mit Kernkörperchen und laufen in einen oder mehrere Fortsätze (unipolare, bipolare, multipolare Ganglienzellen) aus, von denen einer (Achsencylinder) zur Wurzel einer Nervenfaser wird. (Fig. 49 a, h.) Häufig liegen die Ganglienzellen, besonders die der peripherischen Ganglien, in bindege- webigen Scheiden eingebettet, welche sich überihreFortsätze und somit auchüberdie Nervenfasern ausdehnen (Schwann'sche Scheide oder Neurilemm)^ sehr allgemein aber werden Complexe derselben in binde- gewebige Hüllen eingeschlossen. N e r V e n. a Bipolare Ganglienzelle, & multipolare Nerve Zelle aus dem menschlichen Rückenmark (Vordc lioru), nach tTcrlach. i' Pigmentklümpchen Fio-. 50. Die Nervenfasern leiten entweder den von der Zelle aus erzeugten Reiz in centrifugaler Richtung fort, d, h. sie über- tragen denselben von den Centralorganen auf die peripherischen Organe (motorische und Drüsennerven) oder leiten umgekehrt centripetal von der Peripherie des Körpers nach dem Centrum (sensible Fasern). Die- selben beginnen als Ausläufer der Gan- glienzellen und sind wie diese häufig von einer kernhaltigen Hülle umschlossen. In grosser Zahl nebeneinander gelagert, setzen sie die kleineren und grösseren Nerven zusammen. Nach dem feineren Verhalten der Nervensubstanz haben wir zwei Formen von Nervenfasern zu unter- scheiden: die sogenannten markhaltigen oder doppelt contourirten und die mark- losen oder nackten Achsencylinder. (Fig. 50 a, b, c) Die ersteren zeichnen sich dadurchaus,dass beim Absterben der Nerven in Folge eines Gerinnungsprocesses Nervenfaser, zum Theil nach M. Schnitze. a Marklose 8ympathicusfasern, b markhaltige Fasern, die eine mit beginnender Gerinnung des Nervenmarks, c markhaltige Faser mit der Schwann'sehen Scheide. 42 Organisiruiig, Aibeitstheilmig und Vervollkommnung. Fig. 51. eine stark lichtbrechende fettreiche Substanz als peripherische Schicht zur Sonderung gelangt und scheidenähnlich als ^.Markscheide'-'' die centrale Faser, den sogenannten Ächsency linder, umgibt. Jene verliert sich in der Nähe der Ganglienzelle, in deren Protoplasma ausschliesslich die Substanz des Achsen- cylinders eintritt. In der zweiten Form, in der marklosen Nervenfaser, fehlt die Markscheide, wir haben es nur mit einem nackten oder von einer binde- gewebigen Hülleumlagerten Achsencylinder zu thun, der den gleichen Zusammenhang mit der Gangiienzelle zeigt (Sympathicus, Nerven der Cyclostomen, Wirbelloser). Nicht selten finden Avir aber, namentlich an den Sinnesnerven, die Achsencylin- der, die sich ebenso wie die markhaltigen Nerven in ihrem Verlaufe theilen und in immer feinere Aestchen verzweigen können, in sehr feine Nervenfibrillen aufgelöst und gewissermassen in ihre Elemente zerlegt. Endlich treten sehr häufig die Nerven wirbelloser Thiereals feinstreifige Fibrillen- complexe auf. an denen wir bei dem Mangel von Nervenscheiden nicht im Stande sind, die Grenzen der einzelnen Achsencylinder oder Nervenfasern zu erkennen. Die peri- pherischen, am Ende der Sinnesnerven auf- tretenden Diiferenzirungen ergeben sich aus Umgestaltungen von Nervenzellen in Verbindung mit Epithelzellen (Sinneszellen) und cuticularen Abscheidungen derselben. In solcher Weise erscheinen die Endapparate sehr allgemein aus modificirten Ephithelzellen (Sinnesepithelien) hergestellt, unterhalb deren noch Ganglien- zellen in den Verlauf der Nerven eingeschoben sind. (Fig. 51 a, 6, c^ Stäbchenförmige Sinneszellen aus der Regio olfactoria, nach M. Schnitze, a Vom Frosch, Hz Stützzelle zwischen zwei cilientragenden Stäb- chenzellen, & vom Menschen, c vom Hecht. Wahr- scheinlicher Zusammenhang der Nervenfibrillen mit den Sinneszellen. Grössenzunahme und fortschreitende Organisirun^, Aibeitstheilun;^ und Vervollkommnung. Die Gewebe sind Zellencomplexe, welche sich aus Abkömmlingen der Eizelle entwickelt haben. Ursprünglich gleichartig, werden sie später erst different und übernehmen demgemäss eine besondere Arbeitsleistung, welche die Function des Organes bestimmt. Organisation beruht demnach auf fort- schreitender Divergenz in der Gestaltung und in der dieser entsprechenden Arbeitsleistung der auseinander h^Torgegangenen Zellengenerationen, welcher Wachsthum und Grössenzunahme des Körpers parallel geht. Man wird nun fragen, weshalb sich dieselbe aus den einfachsten Organismen bei fortschrei- tendem Wachsthum des Körpers entwickeln musste. Anordnung der Zellen als Mantel einer Hohlkugel. Blastula. 43 Bei den niedersten Organismen finden sich weder Zellengewebe, noeli aus diesen zusammengesetzte Organe. Der gesammte Organismus entspricht dem Inhalt einer einzigen Zelle, sein Leibessubstrat ist Protoplasma, seine Haut die Zellmembran, häufig sogar noch ohne Oeffnung zur Einfuhr fester Körper, ledig- lich zur endosmotischen Ernährung befähigt. In solchen Fällen, wie z. B. bei den Gregarmen und parasitischen Opalmen, genügt die äussere Leibeswand ähnlich wie die Membran der Zelle zur Aufnahme der Nahrungsstoffe und zur Entfernung der Ausscheidungsproducte, somit zur Vermittlung der vegetativen Verrichtungen. Als Leibesparenchym fungirt das Protoplasma (Sarcode ) ; in demselben vollziehen sich die vegetativen wie animalen Lebensthätigkeiten. Dabei ergibt sich eine bestimmte Beziehung zwischen den Functionen der Oberfläche und der von dieser umschlossenen Masse, an deren Theilen sich die Processe des vegetativen und animalen Lebens vollziehen. Diese Beziehung setzt ein bestimmtes Orössenverhältniss der Oberfläche zur Masse voraus, welches sich mit dem fortschreitenden Wachsthum ändert. Da nämlich die Zunahme der Masse im Cubus, ^^' ^^' die der Oberfläche nur im Quadrat steigt, so wird beim Wachsthum das Verhältniss zum Nachtheil V der letzteren ein anderes, oder, was dasselbe ^ sagt, mit zunehmender Grösse wird die Ober- J i fläche eine relativ kleinere w^erden. Schliesslich 5 c wird dieselbe nicht mehr ausreichen, um die vege- %t -^ tativen Processe zu vermitteln, und, falls das 'V^-^ ^dv^ Leben fortbestehen soll, bei einer bestimmten '"' Energie des Lebens vergrössert werden müssen, z.ihncoion.e e.nesjugendhchen voivo. ° '^ Ololator. (\ach Stein.) Dies gilt nicht nur für die einfachen Zellen gleich- werthigen Organismen, welche sich wie die Zelle ernähren, sondern für die Zelle selbst, die eine innerhalb gewisser Grenzen fixirte Grösse einhält. Daher wird der Organismus entweder absterben oder das gestörte Verhältniss auf anderem Wege wieder herstellen müssen. Und dieser kann nur in derTheilung gegeben sein. Die Tochterzellen, die das Leben der Mutterzelle weiterführen, können nun auch im Verband bleiben, sich in einfachen oder verästelten Reihen, oder in der Fläche (Gonium), oder an der Oberfläche einer Kugel ( Volvox) aneinanderlegen und Substanzen ausscheiden, die ihre Verbindung unterhalten. Sie ergänzen sich zu einem grösseren, nun durch die sich summirende Arbeit der Einheiten lebens- kräftiger gewordenen Zellenstaate (Colonien der Protisten), in welchem alle Elemente im Wesentlichen die gleiche Arbeit verrichten. Einer einheitlichen Gestaltung besonders günstig erscheint offenbar die Anordnung der Theil- producte an der Oberfläche einer Kugel, durch welche auch die gleichmässige Fortbewegung am besten aufrecht erhalten bleibt. (Fig. 52.) Die Elemente behalten ihre Cilien. die alle an der Aussenseite hervortreten und den Gesammt- körper rotirend fortbewegen {Volvox, Monaden-Colomhi, Magosphaera). So 44 Gastrula. Fortschreitende Entfaltung der Organisation. entsteht die Keimblase oder Blastnla als A^tsgaiu/sform des Mefazoenle/bes. (Fig. 53.) Indessen sind auch dieser Gestaltung bestimmte Grenzen der Grösse gesetzt; die äussere Fläche, welche die Ernährung vermittelt, reicht nicht mehr aus, eine Vergrösserung derselben ist nur unter Vermittlung fortgesetzter Zellenvermehrung, durch Bildung von Auswüchsen, beziehungsweise Herstellung einer inneren Fläche zu erreichen. Hiemit ist nicht nur die Nothwendigkeit der mit fortschreitender Grössen- zunahme auftretenden Organisation bewiesen, sondern auch zugleich das Wesen Fis?. 53. Blastulastadium einer Acalephenlarve, schematisch. Fio-. 54. der thierischen Organisation charakterisirt. Die zahlreichen Zellen, welclie aus dem Inhalt des ursprünglich einfachen Organismus hervorgegan- gen und anfangs untereinander gleichartig eine peripherische Lage einzunehmen bestrebt waren ( Colonien von Protozoen — Volvor — Keimblase "^^S^ ^^ji^^.^ oder Blastnla) müssen sich im Zusammenhang mit dem Bedürfnisse des wachsenden Organismus zur Begrenzung beider Flächen in eine äussere und innere Lage sondern, die an der Stelle des Körpers, au welcher sich die innere Cavität nach aussen öffnet, an der „Mundöffnung" zusammen- hängen. Mit dem Auftreten einer inneren Lage von Zellen ergibt sich zugleich eine Arbeits- theiluug der Functionen. Die äussere Zellenlage wird vornehmlich die animaleu Leistungen, Bewe- gung und Empfindung, vermitteln, die innere der Verdauung dienen. Aeussere und innere Zellen- lage werden aber, im Zusammenhange mit diesen verschiedenen Functionen eine verschiedene Gestaltung der Zellen ausbilden. Die Zellen der äusseren Lage erscheinen mehr cylindrisch gestreckt, von blassem eiweissreichem Inhalt und tragen Wimpern, die der inneren verdauenden Cavität haben eine mehr rundliche Gestalt und duiikelkörnige Beschaffenheit, können aber auch Wimperhaare zur Fortbewegung des Inhaltes gewinnen. In der That findet man die aus physiologischen Gesichtspunkten als nothwendig abgeleitete einfachste Form eines zellig differcnzirten Organismus in der zwei- schichtigen j^Gastrula^^ wieder, welche in allen Kreisen des Thierreiches als junge frei lebende Larve auftreten kann und im Coelenteratenkreise dem aus- gebildeten fortpflanzungsfähigen Formzustand nahesteht. (Fig. 54.) Die mit der weiteren Grössenzunahme fortschreitende Complication der Organisirung ergibt sich theils aus einer weiteren durch secundäre Erhebungen, Faltungen und Einstülpungen erzeugten Flächeuvergrösserung, theils aus dem Auftreten neuer zwischen beiden Zellenschichten gelagerter, intermediärer Ge- -:::3 P ^ r — m 1? Gastrulastadium dei i-.selbeu. Ec Ecto- derni; , En Entod ern: 1, 0 Gasi trul; iimund (Ba .<oc?e», Sarcodefortsätze (Pseudopodien ) fremde Körper um- fliessen. (Fig. 55.) ^•' ''^' Bei den von einer festen Haut be- i f kleideten, mittelst \ \ ,' Cilien sich bewe- genden Infusorien ist eine centrale weichflüssige Sar- codemasse ( Endo- plasma ) vorhan- den, welche, von der zäheren peri- pherischen Sar- codeschicht (Ecto- plasma ),wenn auch ohne scharfe Ab- grenzung, umla- gert, durch die Mundöffnung ein- getretene Nah- rungsstoffe auf- nimmt und ver- daut. Als Organe der Nahrungszu- fuhr kommen Rei- hen stärkerer Ci- lien hinzu (adorale Wimperzone der Ciliaten).(Fig.56.) Unter (^Q\iMetazoen fungirt bei den Coelenteraten die innere Leibescavität, welche nicht der Leibeshöhle, sondern zunächst der Darmhöhle der übrigen Thiere entspricht, als verdauende Cavität. Die von derselben ausstrahlenden peripherischen Nebenräume betrachtete man früher als Gefässe, welche die durch Verdauung gewonnenen Nahrungssäfte im Körper umherführten, dem- m Rolalia veneta, nach M. Seh iltze, mit eiuer im Pseudopoiiieunetz aufgenom- meneu Diatomacee. Gastrovascularapparat. 4i^ Fig. 56. \ Arnim-. u nach gewisserraassen das blutführende Gefässsystem repräsentirten (daher die Bezeichnung Gastrovasciüarapparat). In Wahrheit aber ist die in demselben enthaltene und durch die Wimperhaare derEntodermbekleidung umherbewegte Flüssigkeit kein Nahrungssaft, sondern mit flottirenden Nalirungskörperchen erfülltes Seewasser. Jene sind mikroskopisch kleine Organismen, sowie Theile zerfallener grösserer Körper. Die Verdauung erfolgt nicht nur in der centralen Cavität und hier keineswegs unter dem Einflüsse ausgeschiedener enzymatischer Secrete, sondern über- all an der Berührungs- fläche der Nahrungs- körper mit dem Ento- derm, wenn freilich auch an einzelnen Theilen, wie an den Gastralfilamenten, in verstärktem Masse. Auch vermögen die Entodermzellen der Gastralcavität fremde Körper mittel st amoe- boider Fortsätze auf- zunehmen, und es be- steht somit eine intra- cdlulare Verdauung. Bei den grösseren Polypen {Änthozoen) hängt von der Mund- öffnung noch ein Rohr in den Centraltheil der Verdauungscavi- tät hinein, welches man als Magenrohr bezeichnet hat, ob- wohl es lediglich zur Zuleitung der Nahrungsstoffe, also mehr als Mund- oder Oesophagealrohr dient. (Fig. 57.) Schon bei dieser einfachen Form der verdauenden Cavität treten Organe der Nahrungszufuhr auf; es sind vor dem Munde gelegene, radiär oder bilateral angeordnete Anhänge oder Fortsätze des Leibes, welche kleine Nahrungstheile herbeistrudeln oder als Arme fremde Körper ergreifen und in den Mund führen {Polypen, Quallen). (Fig. 58.) Auch können solche zum Fangen der Beute dienende Anhänge von dem Munde weiter entfernt liegen (Fangfäden der Me- dusen, Siphonoplioren, Ctenophoren). C. Claus: Lrrhrbuoh (It-r Zoologie 5. Aufl. 4 \\\ä\^ Siiiloni/chia mytiJuf:, naeh Stein, von der Bauchfläohe gesehen. Wz AdoraleWimperzone, Ccon- tractile Vaeuole, N Nucleus, -V Nucleolus, A After. Längsschnitt durch den Körper eines Antho- zoenpolypen (Octactinie). Jl/Magenrohr mit der Mundöffnung zwischen den gefiederten Fangarmen, JW/Mesenterialfilamente, (? Ge- nitalorgane. 60 Gliedernng des Darmes. Die Ohi-eiiqualle, Aiirelia mirita, \on der MunA&ä.ehe dargestellt. -^Ll die vier Mundarme mit der Mundöfifnung im Centrum. Gk Genitalkrausen, 07/ Oeffnung der Genitalhöhle, i?fc Randkörper, HG Radiärgefä Scheibenrand. T Tentakeln am ^'S- 58. Erhält die ver- dauende Cavität ihre selbstständige, von der Körperwandung abgesetzte und meist (die parenchymatösen ^/^^^^s^v^ ^A^ f^^^^J^^^^^^^^ Würmer ausgenom- ^^^-Ov;;^ A iVS''^'^^^^ fe men) durch einen Lei- ' ^ — ~ ^ " ^ besraum getrennte Wandung. so er- scheint dieselbe im einfachsten Falle als ein blind geschlos- sener, einfacher, ga- belig getheilter oder verästelter Schlauch mit scharf abgegrenz- tem Schlundtheile ( Trematoden , Turhel- larien) oder als ein mittelst Afterölfnung (After) ausmündendes Darmrohr. (Fig. 59 und 60.) Im letzteren Falle tritt eine Gliederung ein. welche zur Unterscheidung von drei Abschnitten führt, des Munddarmes (Oesophagus) zur Einleitung der Nahrung, des Mitteldarmes zur Verdauung und des Enddarmes zur Ausführung der Speise- reste. Indessen kann der Darm rück- gebildet sein und dementsprechend auch ein Mund und After fehlen. Solche Fälle sind nicht nur bei para- sitischen Würmern (Cestoden, Acan- thocephalen, einzelnen A^em af öden), son- dern auch bei schmarotzenden Crusta- ceen (Rhizocephalen) nnd Geschlechts- thieren von Rinden- und Wurzelläusen (Chermes, Phylloxera) bekannt ge- worden. Bei höheren Thieren wird in der Regel die Zahl der Abschnitte eine grössere, ihi'e Form und Gliederung eine mannigfaltigere. Auch gestalten sich die Organe des Nahrungserwerbes, zu Darmcanal vou Disto- inum hepaticum, nach R. Leuokart. D Darmschenkel, 0 Mundöffuung. Darmcanal eines jungen Ne- matoden. OMund, Oe Mund- darm (Oesophagus) mit Pha- ryngeal-Anschwellung Ph, D Mitteldarm, A After. Vorderdivrm. Magcu. 51 welclieni oft dem Mund benachbarte Nebenanliäiige, wie die Extremüäten, ver- wendet werden, complicirter. Im einfachsten Falle wird am Munddarme der Eingangsabschnitt sehr erweitert und zu einem Pharyngealsack vergrössert, in welchen, wie bei den Tunkaien, kleine Nahrungskörper mit dem Wasser durch Wimperapparate eingestrudelt und in den nachfolgenden verengten üarmabschnitt, den trichter- förmigen Oesophagus, übergeleitet werden. Bei höherer Entwicklung führt die Fii^. 62. Darmcanal nebst xViihangsdrüsen einer Raupe. OMund, Oc Oesophagus, Sp D Speicheldrüsen, Se Spiundrüsen (Se- ricterieu), J/D Mitteldarm, ^O After- darm. Mg Malpighi'sche Gefässe. Mundöffuung zunächst in eine Mundhöhle, vor oder innerhalb welcher feste Bil- dungen als Kiefer und Zähne das Erfassen und Zerklei- nern ( Vertebraten, Gastero- poden) der Nahrungsstoife besorgen, aber auch durch den Zufluss von Secreten besonderer Drüsen (Fig. 61 und 62) eine chemische Ein- wirkung auf die Speisetheile ausgeübt werden kann. In der Regel liegt der Kau- apparat ausserhalb des Kör- pers vor dem Munde, durch kieferartige Extremitäten- paare gebildet (Arthropoden) oder auch zum Stechen und Saugen umgestaltet (Schmarotzer), oder derselbe rückt in einen Theil des Schlundes (Rotiferen, Kiefer- tcürmer), ja selbst in einen erweiterten muskulösen Abschnitt am Ende des Schlundes hinab. Au dieser Stelle bildet sich häufig ein erweiterter Abschnitt als Magen aus, welcher unter nochmaliger mechanischer Bearbeitung (Kaumagen der Krebse), oder auch durch Absonderung von Secreten (Pepsin) die Verdauung einleitet, beziehungsweise beiderlei Functionen vereinigt (Vögel) und dann den Speisebrei in den Mitteldarm überführt. Durch Erweite- rungen und Ausstülpungen entstehen an der Mundhöhle Kehlsäcke, Backen- taschen, am Oesophagus Kropfbildungen und im Magen Blindsäcke, sämmtlich als Nahrungsreservoirs zur vorübergehenden Aufbewahrung der aufgenommenen Nahrung. Bei den Wirbelthieren kann durch solche Nebenbehälter der Magen eine complicirte Gestalt gewinnen. Bei den Fischen ist derselbe von der Speiseröhre noch nicht scharf abgesetzt und nur durch die Beschaffenheit der Schleimhaut, so- wie durch einen nach hinten gerichteten Blindsack ausgezeichnet, während die 4* Darmcanal eines Schmetter- lings. R Rüssel (Maxille), Sp Speicheldrüsen, Oe Oeso- phagus, S Saugmagen , Mg Malpighi'sche Gefässe, Ad Afterclarm. 52 Magen. Abgrenzung vom Mitteldarm meist eine verengte Stelle ist. Auch bei manchen Perennibrancbiaten wie Proteus erscheint der Magen nicht einmal als erweiterter Abschnitt, wohl aber bei den ürodeleji und Anuren, im letzteren Falle zuweilen bereits quergestellt, ebenso bei den Schildkröten und Krokodilen, an deren Magen sicli durch Annäherung des Pylorus an die Cardia eine grosse und kleine Curvatur bemerklich macht. Bei den Vögeln sind deutlich zwei Abschnitte als Fig. 63. Oe ; Fig. 61. Dm. H Darmcanal eines Vogels. Ov Speiseröhre, A'Kropf, Dm Drüscnmagen, Km Muskelmagen, /' Mittel- darm, PPankreas, in der Duodenalschlinge gelegen, H Leber, Cdie beiden Blinddärme, Ad Afterdarm^ U Ureteren, A7 Kloake, (Jr Ovidnct. Darmcanal des Menseben. Of Oesophagus, JiJIagen, L Milz, H Leber, 66 Gallenblase, P Pancreas, Du Duodenum mit einmündendem Gallengang und pancreatischem Gang, Je Jejunum, Jl Ileum, Co Colon, CoeBlinddarmoder Coecum mitdera Proces- sus vermiformis Pi\ 7? Rectum. Drüsenmageu und Muskelmagen mit Reibplatte (Fig. 63, Dm, Km) zu unter- scheiden. Unter den Säugethiereu bewahrt der Magen seine primäre Längs- stelluug bei den Phokeu, zeigt sich aber stets scharf abgesetzt und retortenförmig erweitert. Häufig buchtet sich der Cardialtheil blindsackartig aus, besonders bei Omnivoren und Pflanzenfressern (Fig. 64), und ist mit einer derben und minder drüsenreichen Schleimhaut bekleidet. So bereitet sich die Trennung zweier Abschnitte vor, welche bei vielen Nagethiereu durch eine quere Ein- schnürung schärfer abgegrenzt werden. Der cardiale Abschnitt mit seinem Aiihang.sdi-üsen des Darmes. 53 Blindsack entspricht mehr einem Xahrungsbehälter, während der Pylorusab- schnitt die Labdrüsen enthält und die Verdauung einleitet. Indem sieh wiederum jeder der beiden Hauptabschnitte in zwei Räume absetzt, hat die morphologische und physiologische ( iliederung des Magens in den vier als Pansen, Netzmagen, Psalterium und Labmagen unterschiedenen Mägen der Wiederkäuer ihr Extrem erreicht. Dermittlere Abschnitt des Verdauungscanais, Mifteldarm, den man meist als Mageudarm oder CA^/^fscZarm bezeichnet, bringt die bereits durch den Zufluss von Säften der Mundhöhle (Speichel) und des Magens (Labdriisen des Verte- bratenmagens, Pepsin, Verdauung der Eiweisskörper bei saurer Reaction) ein- geleitete Verdauung zum Abschluss ; aus dem zur Resorption noch unfertigen Nahrungsbrei [Chymus] werden durch weitere chemische Einwirkung zu- fliessender Secrete einer oder mehrerer Mitteldarmdrüsen (des Hepatopankreas, Pankreas, der Darmdrüsen), welche, wie das Secret der Labdrüsen (jedoch in alkalisch .reagirender Lösung, Trypsin), die Eiweissstoflfe in lösliche Modifi- cationen überführen, die zur Resorption geeigneten Nahrungssäfte in Lösung gewonnen und als Chylus von der Darmwandung aufgesaugt. Nicht selten gliedert sich der Mitteldarm, dessen Flächenvergrösserung minder häufig durch Ausstülpung, meist durch Falten- und Zöttchenbildung, sowie durch Läugen- zunahme herbeigeführt wird, wieder in untergeordnete Abschnitte verschiedener Beschaffenheit, wie mau beispielsweise am Säugethierdarm ein Duodenum, Jejunum und Ileum unterscheidet. (Fig. 64.) Bei Wirbellosen bezeichnet man oft den vorderen, besonders erweiterten und mit Anhangsdrüsen (sogenannte Leber) verbundenen Theil als Magen, den nachfolgenden engeren und längeren Abschnitt als Dünndarm. Der vom Mitteldarm nicht immer scharf abgesetzte Afterdarm hat eine besondere Beziehung zur Ansammlung und Ausstossung der Kothreste, vermag jedoch in seinem proximalen Abschnitt, beziehungsweise Blinddarmanhange, eine Art Nachverdauung auszuführen. Bei niederen Thieren nur von geringer Ausdehnung, erlangt derselbe bei höheren Thieren eine bedeutendere Länge, beginnt mit einem ( Säugethiere) oder zwei Blinddärmen (Vögel) und kann sich wieder in mehrere Abschnitte, wie Dickdarm und Mastdarm gliedern und an seinem Ende mit Drüsen mancherlei Art (Analdrüsen), sowie als Kloaken- darm mit den Ausführungsgängen der Harn- und Geschlechtsorgane in Ver- bindung treten. Auch kann derselbe zu Nebenfunctionen dienen, wie z. B. zum Athmen (Libelleularven ) oder zur Absonderung des Secretes einer Art Spinn- drüse (Larve des Ameisenlöwen). Auf Ausstülpungen, welche sich durch weitere Differenziruug zu Anhangs- drüsen entwickelt haben, sind die Sioeicheldrüseii, die Leher und das Pankreas zurückzuführen. Die Speicheldrüsen ergiessen ihr Secret in die Mundhöhle und dienen zur Verflüssigung der Nahrungstheile und zum Schlüpfrigmachen des Bissens, aber auch bereits zur chemischen Veränderung der aufgenommenen Nahrung, ins- 54 Leber. Pankreas. Hepatopankrcas. Chylus. besondere zur Umwandlung von Amylum in Zucker. Dieselben fehlen zahl- reichen Wasserthieren und sind besonders mächtig bei den Pflanzenfressern ausgebildet. Die auf einer höheren Entwicklungsstufe durch ihren sehr bedeutenden Umfang ausgezeichnete Leber findet sich als Anhaugsdrüseam Anfang des ver- dauenden Mitteldarmes (Duodenum). In ihrer ersten Anlage durch einen charakte- ristisch gefärbten Theil der Zellbekleidung der Gastralcavität (Coelenieraten), oder durch gelbliche oder bräunliche Zellen der Darmwand selbst vertreten ( Würmer), erhebt sie sich zuerst in Form kleiner blindsackähnlicher Schläuche (Phyllopoden) und erlangt durch weitere Verzweigung derselben eine complicirte Ausbildung von Gängen und Follikeln, welche in sehr verschiedener Weise selbst zu einem scheinbar compacten Organe zusammengedrängt sein können. Man hat indessen mit dem Namen „Le&er" in den verschiedenen Thier- kreisen sehr verschiedene morphologisch und physiologisch nicht aufeinander reducirbare Drüsen bezeichnet. Während bei den Wirbelthieren die Leber als gallenbereitendes Organ keine nachweisbare Beziehung zur Verdauung besitzt, vermögen die Secrete mancher Anhangsdrüsen, die bei Wirbellosen als Leber benannt werden, besser aber als Hepatopankreas zu bezeichnen sind, auf Stärke und Eiweissstoffe eine verdauende Wirkung auszuüben, wenn sie auch ähnliche Nebenproducte und Farbstoffe wie die Galle der Vertebraten enthalten {Deka- poden, Cep>kalopoden, Helictden). Das Pankreas ist eine ausschliesslich den Vertebraten eigenthümliche Drüse des Mitteldarmes. Unter den Fischen tritt die Bauchspeicheldrüse nur in vereinzelten Fällen (Belone, Rhombus, Mugil) auf, dagegen kann eine Pylorialdrüse (Störe) oder häufiger {Scorpaena, Salmo- niden, Thunfische) eine Gruppe von Anhangsschläuchen am Pylorus, Äppendtces pyloricae, vorhanden sein, deren Secret Eiweiss verdaut. Auffallenderweise ver- tritt, wie bereits E.H. Weber nachwies, bei Karpfen und Barschen die Leber das fehlende Pankreas. Organe des KreisLiufes. Der durch die Verdauung gewonnene ernährende Saft oder CJiylus ver- breitet sich in einem System von Bäumen nach allen Th eilen des Körpers. Sehen wir von den Protozoen ab, deren aus Sarcode gebildeter Leib sich rück- sichtlich der Vertheilung des Nahrungsstoffes ähnlich wie die Gewebseinheit, die Zelle, verhält, so wird unter den Thieren mit zellig gesonderten Geweben im einfachsten Falle das ganze Parenchym von dem ernährenden Safte durch- tränkt (Coelenteraten, Platyhelminihen). Mit der Ausbildung eines gesonderten Darmcanales und einer diesen umgebenden Höhlung zwischen Körperwand und Darm dringt die Chylus- flüssigkeit durch die Wandungen desselben in diese ein und erfüllt als Blut, in welchem (von seltenen Ausnahmen abgesehen) allgemein Körperchen als' im Organismus erzeugte Zellen auftreten, die Leibeshöhle. In dieser, bezie- hungsweise in deren durch bindegewebige Septen begrenzten Lacuneusystem Bewegung des Blut^iaftes. Herz der Arthropoden. 55 bewegt sich das Blut anfangs iiocli unregelmässig mit den Bewegungen des gesammten Körpers, z. B. bei manchen Würmern, hauptsächlich unter dem Einflüsse der Contractionen des Hautmuskelschlauches (J..sca?-2s), oder es dienen Schwingungen und Bewegungen anderer Organe, z. B. des Darracanales, zu- gleich zur Circulation des Blutstromes {Cyclops). Auf einer weiteren Stufe treten die ersten Anfänge von blutbewegenden Centren auf, indem Abschnitte Fig. 66. Dajiluiia mit einfachem Herzen O. Man sieht die Spa Öffnung der einen Seite. Z) Darmcanal, iLeberhörncheu, A After, O Gehirn, O Auge, Sd Sehalendrüse, Br Brut- raum unter der Schalenduplicatur des Rückens, Männchen von Branchipus stagnalis mit viel- kammerigem Herzen oder Rückengefässe Rg, dessen Spaltöffnungen sich in jedem Segmente wiederholen. 7) Darm, jl/Mandibel, .S^^Schalen- driise, Bt- Kiemenanhang der Beine, ^Horten. der Blutbahn von einer besonderen Muskelwandung umkleidet werden und als pulsirende Herzen, Saug- und Druckpumpen vergleichbar, eine continuirliche, bestimmt gerichtete Strömung des Blutes unterhalten. In solcher Weise erscheint das Herz der Arthropoden entstanden, welches als langgestreckte Röhre an der Dorsalseite des Darmes verläuft und durch seitliche, den Körperseg- menten entsprechende Ostienpaare das Blut aufnimmt, um dasselbe durch eine 56 Gefässsystem der Arthropoiien, Mollusken. vordere Spaltöffnung, beziehungsweise kurze und enge, nicht contractile Ver- längerung (Aorta) nach dem Gehirne und in die Blutbahnen der Leibeshöhle zu treiben. Das wegen dieser Lage und Gestalt als „RücJcengefäss^ bezeichnete Herz ist somit in metamerisch aufeinander folgende Abschnitte, Kammern getheilt, von denen jede durch eine rechte und linke Querspalte das zum Herzen strö- mende Blut aufnimmt. Jedes dieser venösen Ostien ist längs seiner beiden Fig. 67. Spaltränder von einer lippenartig ein- springenden Lamelle, Lippenklappe, umsäumt, welche während der Zu- sammenziehung der Kammer (Systole) durch Anlegen an die benachbarte Klappe den Verschluss des Ostiums herstellt und während der Erweiterung der Kam- merwand (Diastote) durch den Blut- strom geöffnet wird. Ursprünglich er- sti'eckte sich wohl dieses gekammerte Rückengefäss durch den ganzen Körper {Branchipns), erfuhr dann aber mannig- fache Reductionen ( Arthrostraken, In- secten, Arachnoideen) bis zum schliess- lichen Verbleib einer einzigen, von einem venösen Spaltenpaare durchsetztenKam- mer (Cladoceren, Calaniden, Mühen). Vom Herzen als dem Central- orgaue des Blutkreislaufes entwickeln sich bestimmt umgrenzte Cauäle zu Blutgefässen, welche bei den Wirbellosen in das Lacuuensystem der Leibes- höhle führen. Im einfachsten Falle sind lediglich die Gefässbahnen des aus dem Herzen strömenden Blutes mit selbst- ständiger Wand versehen und als Ge- fässe entwickelt (Calaniden, Calanella, Fig. 67, Gamasus, Fig. 68). Auf einer höheren Stufe erscheinen nicht nur diese abführenden Blutgefässe complicirter gestaltet, sondern es erhalten auch im Verlaufe des Lacunensystems gewisse Blutbahnen ihre membranöse Begrenzung, besonders in der Nähe des Herzens, und werden zu venösen Gefässen, die das Blut in einen umfangreichen, das Herz umgebenden Blutraum der Leibeshöhle, den Pericardialsinus. zurückleiten, aus welchem dasselbe durch die venösen Ostien in das Herz gelangt. (Decapoden, Scorpioniden, Fig. 69.) In anderen Fällen (Mollusken) strömt das Blut von dem zurückführenden Gefäss aus direct in das Herz ein, mit dessen Wandung die Gefässwand in Herz eines Copepoilen (Ca- lanella) mit einer aufsteigen- den Arterie A. Os Ostien, V Klappen am arteriellen Ostium, M Muskel. Herz von Gamasus nach Wiukler. Ao Aorta. Gefässsystem dor Mollusken. 57 unmittelbarer Verbindung steht; dann unterscheidet man ausser der Herz- kammer (Ventrikel) einen Vorhof (Atrium ) als den die Aufnahme des Blutes Herz und Blutgefässe nebst Kiemen des Flusskrebses. C Herz mit drei Ostienpaaren, in einem beutel- artigen Blutsinus Ps gelegen, Ac Aorta cephalica. A.ah Aorta abdominalis, As Arteria sternalis. (Die Leberarterie ist nicht dargestellt.) vermittelnden Abschnitt des Herzens. (Fig. 70.) Die von der Herzkammer aus- gehenden, das Blut vom Herzen wegführenden Gefässe nennt man Arterien, die zurückführenden, bei den ^. „ Fitf. 70. höheren Thieren durch schlaffere Wand charakte- risirten Gefässe Venen. Zwischen die Enden der Arterien und Anfänge der Venen erscheint entweder die Leibeshöhle als ein Blutsinus, beziehungs- weise als ein System von Blutlacuneu eingeschoben, oder Arterien und Venen sind durch ein Netz zarter Canälchen , der Haarge- fässe oder Capillaren, ver- bunden Ist die letztere ^erv-ensystemundKreis1auforganevonPatedi(iaüiyi>a,i-a,nachLeydig. /^Fühler, Oe Oesophagus, Cj Cerebralganglion mit dem Auge, P^Pedal- \ erbmdung an allen Ab- gangUon mit anliegender Gehorblase, rjr ViseeralgangUon, p/13 Pharyn- SChnitten des GefäSSSV- S^^'lS'i^g'''^"» ^Atrium des Herzens, Fe Ventrikel, ^a Aorta abdomi- nalis, ^0 Aorta cephalica, T Venen, l'c Kiemenvent-, Br Kieme. stems durchgeführt und somit, wie bei den Vertebraten, die Leibeshöhle als Blutsinus ausgeschlossen, so bezeichnet man das Gefässsystem als vollkommen geschlossen, wenngleich dieser Begriff' durch die Verbindung mit dem Lymphgefässsysteme und die Anfänge der 58 Getasssystem Tracheen.'-ystem einer Fliegenmade. (Te Längs- stamm der rechten Sei- te mit den Tracheen- ■heln der Segmente, (Fig. 79, 80j oder aus lancetförmigen, dicht nebeneinander gedrängten, eine grosse Oberfläche bildenden Blättchen be- stehen, die Kiemen. (Fig. 81.) Die Organe der Luftathmung dagegen entwickeln sieb als Einstülpungen im Innern des Körpers und bieten ebenfalls ^'' ""^ s^" vorderes die Bedingungen einer bedeutenden Flächenwirkung zum ""'^/J'Murdlake!!"''' endosmotischen Austausch zwischen Luft und den Blutgaseu. Dieselben sind entweder Lungen oder luftführende Röhren. Im ersteren Falle sind sie (Wirbelthiere) geräumige Säcke mit alveolärer oder schwammiger, von zahlreichen Septen und Balken durchsetzter Wandung, welche ein äusserst reiches Netzwerk von Capillaren trägt. Die Luftröhren oder Tracheen (Fig. 82) bilden ein im ganzen Körper verästeltes System von Canälen, welche die Luft nach allen Organen hinführen. C. Claus: Lr-hrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 5 m Lungen, TrachPe Fäeliertracheen. Stigmen. Bei den Lungen ist die Kespiration localisirt, hier dagegen auf alle GeAvebe und Orgaue des Körpers ausgedehnt. Die äussere Athmung, das heisst Auf- nahme von Sauerstoff in das Blut, fällt mit der inneren, der Athmung in den Geweben, zusammen, welche von feinen Tracheennetzen umsponnen werden. Indessen können die Luftröhren in der als Fäeliertracheen bekannten Modi- ficatiou (Spinnen) zu den Lungen hinführen, indem die Röhrenstämme, .ohne Fii;-. 85. Trachi'pn.^ystem einer Agrion -Ij&Tye, nach L. Dufour. Tst Tra- cheenstämme zur Seite Larve einer Eintagsfliege mit sieben Paar Tracheenkiemen Kt, unter des Daimcanals , Kt liupenvergrösserung. 7Tt*Eine Traeheenkieme isolirt, stark vergrössert Kiementracheen, AVi die (ohne NebeublättcUen). drei Punktaugen. weitere Aeste zu bilden, sich zu flachen Hohlblättern entwickeln. In die Organe der Luftathmung führen naturgemäss Oeffnungen der Körperwand, entweder wie bei den Tracheen in grösserer Zahl und paarig symmetrisch an den Seiten des Leibes sich wiederholend (Stigmen der Insecten, Spinneu, Fig. 83 und 84), oder wie bei den Lungen der Vertebraten der Zahl nach beschränkt und mittelst complicirter, zu manchen Nebenleistungen verwendeter (Nasenhöhlen) Vor- räume beginnend. Lidessen können bei wasserlebenden Insecten die Tracheen der Einmündungsöffnungen entbehren und an bestimmten Stellen des Körpers Trai'Iieenkiemen. Respirationsbewoguugen. Q( ihren Sauerstoff durch kiemenähnliche, mit dichtem Tracheennetz erfüllte Anhänge aus dem Wasser aufnehmen. Man nennt solche Anhänge, wie sie am Körper der Phryganea-, Ephemera- und Libellenlarven (Agrion ) auftreten, Trachcenktemcn. (Fig. 85 a, h.) In seltenen Fällen können dieselben an der Wand des Mastdarmes zur Entwicklung kommen und somit in einem geschützten Räume ihre Lage finden (Mastdarmathmung von Äeschna^ Lihellula). Uebrigens ist der Athmungsvorgang an Kiemen- wie Lungenoberfläche im Grunde derselbe. Wenn man bei Lungenschnecken (Limnaeus) wahrnimmt, dass die Respirationsfläche nach Füllung der Mantelhöhle mit Wasser (sowohl im jugendlichen Zustande, als unter besonderen Lebensbedingungen, wie Auf- enthalt in der Tiefe des Wassers, auch dauernd) ähnlich wie die Fläche einer Kieme athmet, so wird man es nicht auffallend finden, dass in gleicher Weise Kiemen und verästelte Hautwucherungen, welche unter normalen Verhältnissen zur Athmung im Wasser dienen, falls sie in feuchtem Luftraum durch ununter- brochene Befeuchtung wie durch interne Blutfüllung vor Einschrumpfen und Trockniss geschützt bleiben, wie die Lungenoberfläche sich verhalten (Krabben, Birgns latro, Labyrinthfische) und ihren Trägern Aufenthalt und Athmung in der Luft ermöglichen. Für den Austausch der Gase ist der rasche Wechsel des den Sauerstoft" tragenden Mediums, welches die respiratorischen Flächen umgibt, von der grössten Bedeutung. Wir treffen daher sehr häufig besondere Einrichtungen an, durch welche sowohl die Entfernung der bereits verwendeten, des Sauerstoffes beraubten und mit Kohlensäure gesättigten Theile bewirkt, als derZufluss neuer sauerstoö'haltigen und von Kohlensäure freien Mengen des respiratorischen Mediums herbeigeführt wird. Im einfachsten Falle kann diese Erneuerung, wenn auch minder vollständig, durch die Bewegung des Körpers oder durch continuirliche Schwingungen der Kiemenauhänge herbeigeführt werden, durch Bewegungen, welche zugleich, falls die respiratorischen Flächen in der Umge- bung des Mundes angebracht sind, als Organe der Nahrungszufuhr in Verwen- dung kommen. In dieser Weise dienen die Tentakeln verschiedener festsitzen- den Thiere zur Athmung (Bryozoen,Brachiopoden, Tubicolen etc.). Sehr häufig erscheinen die Kiemen als Anhänge der Locomotionsorgane, z. B. der Schwimm- oder Gehfüsse (Krebse, Anneliden), deren Bewegungen den Wechsel des respira- torischen Mediums an der Kiemenoberfläche unterhalten. Complicirter gestalten sich die Bewegungen, wenn die Kiemen in besonderen Räumen eingeschlossen liegen (Fische, Decapoden), oder wenn die Athmungsorgane selbst, wie dies für die Tracheen und Lungen gilt, im Innern des Leibes liegen, die in mehr oder minder regelmässigem Wechsel ausgepumpt und mit frischer Luft erfüllt werden müssen. Hier wie dort sind es Bewegungen benachbarter Körpertheile oder rhythmische Verengerungen und Erweiterungen der Lufträume, sogenannte Athemhewegungen, welche die Erneuerung des respiratorischen Mediums regu- liren. Von diesen, zunächst vornehmlich bei den luftathmenden Thieren in die Augen fallenden Bewegungen ist die Bezeichnung Aihmimg oder Respiration 5* (58 AViirmeirzeugung. auf den erst secundär von der Lufteinfuhr und -Ausfuhr abhängigen end,os- motischen Process der Sauerstoffaufnahme und des Sauerstoffverbrauches über- tragen worden und in diesem Sinne streng genommen um so weniger zutreffend, als es sich bei den Respirationsbewegungen der mit Kiemeuräumen versehenen Thiere um Ein- und Ausströmung von Wasser handelt. Bei den höhereu Thieren mit rothem Blute ist der Unterschied der Blut- beschaffenheit vor und nach dem Durchtritt des Blutes durch die Athiuungs- organe ein so auffallender, dass man schon an der Färbung das kohlensäure- reiche Blut von dem sauerstoffreichen sofort zu erkennen vermag. Das erstere ist dunkelroth und wird schlechthin als venöses bezeichnet, das aus den Kiemen oder Lungen ausströmende Blut hingegen hat eine intensiv hellrothe Färbung und führt den Namen arterielles Blut. Während man die Bezeichnung venös und arteriell im anatomischen Sinne gebraucht, um die Natur der Blutgefässe zu bezeichnen, je nachdem sie das Blut zum Herzen hinführen oder dasselbe vom Herzen wegführen, wendet man auch die gleiche Bezeichnung in physio- logischem Sinne an, als Ausdruck für die beiderlei Blutsorten vor und nach dem Durchtritt durch das Eespirationsorgan. Da dieses letztere aber entweder in die Bahnen der venösen oder arteriellen Gefässe eingeschoben ist, so muss es im ersteren Falle venöse (Mollusken und Vertebraten) Gefässe geben, welche arterielles Blut, im letzteren Falle (Vertebraten) arterielle Gefässe, welche venöses Blut führen. Die Intensität der Athmung steht in geradem Verhältnisse zur Energie des Stoffwechsels. Thiere mit Kiemenathmung und spärlicher Sauerstoffauf- nahme sind nicht im Staude, grosse Mengen von organischen Bestandtheilen zu verbrennen, und können nur ein geringes Quantum von Spannkräften in lebendige Kraft umsetzen. Dieselben erzeugen daher nicht nur verhältniss- mässig wenig Muskel- und Nervenarbeit, sondern produciren auch in nur geringem Masse die eigenthümlichen, als Wärme bekannten Molekularbewe- guugen. Thiere mit spärlicher Wärmebildung, deren Quelle nicht etwa, wie man früher irrthümlich glaubte, in den Eespirations Organen, sondern in den thätigen Geweben zu suchen ist, vermögen nicht ihre selbsterzeugte Wärme den Temperatureinflüssen des umgebenden Mediums gegenüber selbstständig zu bewahren. Dasselbe gilt auch für luftathmende Thiere mit intensivem Stoff- wechsel und reichlicher Wärmebildung, wenn sie in Folge ihrer sehr geringen Körpergrösse eine bedeutende wärmeausstrahleude Oberfläche darbieten (In- secten). Bei dem beständigen Wärmeaustausch zwischen thierischem Körper und umgebendem Medium muss bei solchen Thieren die Temperatur des äusseren Mediums massgebend sein für die Temperatur c]jßs thierischen Körpers und diese mit jener bald steigen, bald sinken. Daher erscheinen die meisten sogenannten niederen Thiere als Wechselte arme *) oder, wie man sie minder *j Vergl. Bergmann, Ueber die Verhältnisse der Wärmeökonomie der Thiere zu ihrer Grösse. Göttinger Studien, 1847; ferner Bergmann und Leuckart, Anatomisch- physiologische Uebersicht des Thierreiches. Stuttgart, 1852. ■\Varmesehtitz. Harnorj^aiie. ßQ treffend bezeichnet liat, als Kaltblute): Die höheren Thiere dao^egen, welclie bei hochentwickelten liiftführenden Respirationsorganen und energischem Stoff- Avechsel eine bedeutende Menge von Wärme erzeugen und durch Körpergrösse wie durch Behaarung oder Befiederung der Haut vor rascher Ausstrahlung geschützt sind, vermögen sich einen Theil der erzeugton Wärme unabhängig vom Sinken und Steigen der Temperatur des umgebenden Mediums als con- stante Eigemoänne zu erhalten. Man bezeichnet daher diese Thiere als Homöo- therme oder Wannhlüter. Da für dieselben eine hohe, nur innerhalb geringer Grenzen variirende Eigenwärme zugleich nothweudige Bedingung des nor- malen Verlaufes der Lebensvorgänge, beziehungsweise der Erhaltung des Lebens erscheint, so muss der Organismus in sich selbst eine Reihe von Regu- latoren besitzen, um bei höherer Temperatur des umgebenden Mediums die Production von Eigenwärme zu vermindern (Herabsetzung des Stoffwechsels), beziehungsweise durch vermehrte Wärmeausstrahlung (Verdunsten der Secrete von Schweissdrüsen. Abkühlung im Wasserj den Wärmezustand herabzusetzen, und umgekehrt bei verminderter Temperatur die Wärmeproduction zu erhöhen (Steigerung des StoftVechsels durch reichere Nahrungsaufnahme, raschere Bewegung ), eventuell zugleich durch Ausbildung eines besseren Wärmeschutzes den Wärmeverlust zu mindern. Wo die Bedingungen zur Wirksamkeit dieser Regulatoren genommen sind (Mangel an Nahrung, geringe Körpergrösse ohne Wärmeschutz), finden wir ein Correctiv zur Erhaltung des Lebens in der Er- scheinung des Winterschlafes (Sommerschlafes), und da, wo der Organismus keine zeitweilige Herabsetzung des Stoffwechsels verträgt, in den merkwürdigen Erscheinungen der Wanderung und des Zuges (Zugvögel, Strichvögel). Die Athmungsorgane stehen in gewisser Beziehung vermittelnd zwischen den Organen der Ernährung und Ausscheidung, indem sie Sauerstoff aufnehmen und Kohlensäure abgeben. Ausser diesem Gas werden aber eine Menge von Auswurfsstoffen des Organismus, welche aus der Körpersubstanz in das Blut eintreten, meist in flüssiger Form aus demselben ausgeschieden. Diese Function besorgen die Excretionsorgane, Drüsen von einfachem oder complicirtem Baue, welche als Einstülpungen der äusseren Haut und der inneren Darmwand, oder als mesodermale Bildungen sich auf einfache oder verästelte Röhren zurück- führen lassen. Hm-norgane. Unter den mannigfachen Stoffen, w^elche mit Hilfe der Epithelialauskleidung der Drüsenwandungen aus dem Blute entfernt, zuweilen auch noch zu verschiedenen Nebenleistungen verwendet werden, erscheinen die stickstoffhaltigen Zersetzungsproducte des Körpers besonders wichtig. Die Organe, welche diese Endproducte des Stoffwechsels ausscheiden, sind die Harn- organe oder Nieren. Bei den Protozoen durch die pulsirende Vacuole vor- bereitet, erscheinen dieselben bei den Coelenteraten durch Gruppen von Ento- dermzellen vertreten, in welchen sich Concremente ablagern und später frei werden. Diese Zellengruppen können in papillenförmigen, durch einen Porus geöffneten Erhebungen gehäuft liegen ( Ringgefäss von Aequorea). Bei den Echino- 70 W-issergefässsystem. Segnientalorgane. Fig. 86. dermeii werden Aiiliiiiige am Afterdarm ( Interradialschläuche der Asteroideen) als Harnorgane gedeutet. Mit grösserem Rechte betrachtet man aber als solche die Tiiidemani)' scheu BYnsenanhäuge am Wassergefässring der Seesterne, bei den Würmern die sogenannten Was- sergefässe. Die letzteren bilden ein System verzweigter Canäle, welche mit zarten, innen bewimperten Trichtern in dem parenchymatösen Gewebe oder in der Leibeshöhle ihren Anfang nehmen. Im letzteren Falle beginnen die „Wimper- trichter" in der Regel mit weiter Oeffniing. Indessen können die Trichter auch geschlossen sein und sogenannte Wimperläppchen den Anfang der Wassercanälchen be- zeichnen. Bei den Plattwürmern stellen zwei seitliche Haupt- stämme, die sich häufig mit ge- meinsamem, blasenförmig erwei- tertem Endstück (contractile Blase) am hinteren Körperpole öffnen, den ausführenden Apparat dar. (Fig. 86.) Bei den Gliederwürmern wiederholen sich die paarigen Nieren in den Segmenten und werden hier als schleifenförmige Canäle oder als Segmenialorgane bezeichnet. (Fig. 87 und 88. ) Diese können bei den Chaetopoden auch die Ausführung der Geschlechtsproducte aus dem Leibesraum übernehmen. Im Kreise der Arthropoden erhalten sich die Segmental- organe am vollständigsten bei den Onychophoren (PerqKitm), wo sie sich in allen beintragenden Segmeuten wiederholen, jedoch mit geschlossenem Ende anstatt mit offenem Trichter beginnen. In gleicher Weise sind vom Segmentalorgan die^4/^ tennendrüse und Schalendrüse der Crustaceen abzuleiten, welche ebenfalls mit geschlossenen Endsäckchen im Leibesraum be-' ginnen und einen langen gewundenen, mittelst Perus aus- mündenden Caual bilden. Auch die Harnorgane der Mollusken sind auf Segmentalorgane zurückzuführen, sowohl die paarigen Bojanus'schen Organe der Muschelthiere und Harnsäcke der Cephalopoden als die unpaaren Nierensäcke der Schnecken, welche mittelst innerer Oeffnung mit dem pericardialen Theil der Leibeshöhle communiciren. Bei den luftathmenden Arthropoden sind die Harnorgane Anhangscanäle des Enddarmes, welche als Jugendliches Distomiim, nach L a Valette. Ex Stämme des Wasser- gefässsystems, Ep Excretlonsporus, 0 Mundöffnung mit Saugnapf, .S' Saugnapf in der Mitte der Bauch- fläche. /'Pharynx. D Darmsehenkel. Längsschnitt durch den Blutegel, nach Rud. Leuckart. D Darnieanal, ff Ge- hirn, Gk Ganglien- kette, ßrExcretions- canälc (Segniental- organe). Nieren der Vertebraleu. 71 MaJpighi'pichc Gefässc bekaunt, meist in mehr- facher Zahl auftreten, (Fig. 90.) Im Kreise der Vertebraten gelangen die Hariiorgane zu grösserer Selbstständigkeit und münden in besonderen Oetfnungeu, in der Kegel mit dem Geschlechtsapparat vereinigt, nach aussen. Doch auch hier werden diese Organe durch schleifen- förmig gewundene, mit trichterförmigen Oeft- nungen im Leibesraum beginnende Cauäle vor- bereitet (Haiembryonen ). (Fig. 89. ) Diese Urnierenanlagen (Vornieren) der Vertebratenniere münden jedoch nicht wie die Segmentalorgane der Anneliden jede für sich in einem seitlichen Porus aus, sondern treten in jeder Körperhälfte in einen gemeinsamen, zum Enddarm führenden Canal, den ürnieren- gang, ein und zeigen ferner die wichtige, für die Wirbelthiere charakteristische Besonderheit, dass sie in ihrem Verlaufe „Malpighi'sche Kör- perchen'' bilden, das heisst zu einer kapsel- ähnlicheu Erweiterung anschwellen, in deren Lumen sich ein arterielles Gefässknäuel (Glo- merulus) einsenkt. (Fig. 9L) Die Nieren der Vertebraten, welche ebenso wie die Geschlechtsorgane aus dem Mesoderm an der dorsalen Leibeswand entstehen, durchlaufen mehr- fache bei Fischen, Amphibien und Amnioten ab- weichende Entwicklungsphasen bis zum Auftreten der bleibenden Nieren, deren Ausführungsgang oder Ureter mit den Leitungswegen der Geschlechtsdrüsen in Verbindung tritt. Für die Secretionsthätigkeit der Drüse ist die Thatsache von hoher Bedeutung, dass während in den Malpighi'schen Körperchen mittelst des arteriellen Gefässknäuels Wasser mit leicht lös- lichen Salzen filtrirt wird , die gewundenen Tubuli der Harnkanälchen Harnstoff und Harnsalze ausscheiden. Diesem Gegensatze geht ein bemerkenswerthes Ver- halten beider Nierentheile zu zwei Farbstoffen, dem carminsauren Ammon und dem indigschwefelsauren Natron (Indigocarmin ) parallel, indem jenes von den Malpighi'schen Körperchen, dieses von den Harn- canälchen ausgeschieden wird. Auch in den als Nieren betrachteten Excretionsorganen der Wirbellosen zeigen Sehematische Darstellung der Segmen- talorgane eines Gliedervvurmes, nach C. S e m p e r. Ds Dissepimente der Seg- mente, Wtr Wimpertriehter, der in den knäuelförmig gewundenen Oanal führt. Sehematische Darstellung der Segmentalorganc eines Haifisch- embryos, nach C. Sem per. Wtr Wimpertrichter, Ug Urnierengang. 72 Hautdrüsen. beide Substanzen analoge Beziehungen. Das Endsäckchen der Antennen- und Schalendrüsen der Crustaceen verhält sich durch Ausscheidung von Carmin wie die Malpighi'schen Körperchen, der Schleifencanal durch Absonderung von Indigo- carmiu wie die Tubuli contorti. Bei den Insecten scheiden die Zellen der Mal- pighi'schen Gefässe Indigocarmin aus, während Carmin in pericardialen Zellen- gruppen aus dem Blute extrahirt wird. Bei den Mollusken scheiden die Harnsäcke der Cephalopoden in den Zellen der Yenenanhänge, ebenso die Muschelthiere in denen der Bojanus'schen Organe und die Gastropoden in denen der Nieren- schläuche zugleich mit Harnconcrementen Indigocarmin ab. Die Anhänge an den Herzvorhöfen, die Peri- cardialdrüsen sind es hier, welche das carmin- saure Ammonium aus demBlute aufnehmen ' ). Besondere Aus- scheidungen, die häufig noch wichtige Leistun- gen für den Haushalt des Thieres besorgen und vornehmlich als Waffen zum Schutze so- wie zur Yertheidigung dienen,werden sehrhäu- fig durch die äussere Körperfläche vermittelt. Aehnliche Nebenfunctionen kommen auch Excretionen zu, welche von Anhangsdrüsen am Anfangs- oder Endtheil des Darmes abgesondert werden (Speicheldrüsen, Giftdrüsen, Sericterien, Anal- drüsen). (Fig. 90.) In die Kategorie der Hautdrüsen gehören in erster Linie die SchAveiss- oder Talgdrüsen derSäugethiere, von denen jeuein Folge der leichteren Verdunstung des flüs- sigen Secretes auch für die Abkühlung des Körpers von Bedeutung sind, diese das Integument und seine besondere Bekleidung weich und geschmeidig erhalten und zu grösseren Complexen gehäuft, selbstständige, mit Nebenfunctionen betraute Drüsen werden (Moschusdrüse, Bibergeildrüse). Auf eine dichte Anhäufung der Talgdrüsen kann man auch die Bürzeldrüsen der Wasservögel zurückführen, deren Secret das Gefieder einzuölen und beim Schwimmen des Thieres vor Durch- tränkung mit Wasser zu schützen hat. Als aus acinösen Hautdrüsen hervorge- gangen sind ferner die umfangreichen, vielfach verzweigten Milchdrüsen der Wirapertrichter mit Harncanälchen und Malpiglii' schein Körperchen aus dem oberen Xiereuabsehnilt von Proteus, nach Spengel. jVc Harncanälchen, JV Trichter- öffnung, Mk Malpighi'sches Kiirperchen. Darmcanal nebst Anhangs- drüsen eines Rauhkäfers (Cara- husj, nach Leon Dufour. Oe Oesophagus, Jn Kropf, Po Vor- magen, Chd Chylnsdarm, Mg Malpighi'sche Organe, R Rec- tum, Ad Analdrüsen mit Blase. ') Vergl. ausser den Arbeiten von Heidenhain. Wittich, Solf,'er u. A. ins- besondere A. Kowalewsky, Ein Beitrag zur Kenntni.s.s der Excretionsorgane. Bio- logisches Centralblatt. Tom. IX, Nr. 2, 3. 1889. Animale Organe. Muskulatur. 73 Säiigethiere zu betracliteu. Die einzelligen und gehäuften Hautdrüsen, welche sich in so grosser Verbreitung bei Insecteu finden, gehören grossentheils in die Kategorie der Oel- und Fettdrüsen. Kalk und Pigment absondernde Zellenanliäufungen finden sich vornehmlich in dem Körperintegumente der Weichthiere verbreitet und dienen zum Aufbau der so schön gefärbten und mannigfach geformten Schalen und Gehäuse. Auch zum Nahrungserwerbe können Drüsen und Drüsencomplexe der Haut Beziehung gewinnen (Spinndrüseu der Araneen). Sehr verbreitet sind endlich Schleim-absoudernde Hautdrüsen bei Thieren, welche au feuchten Oertlichkeiten (Amphibien, Schnecken) und im Wasser leben (Fische, Anneliden, Medusen ). Animale Orgtine. Unter den am'malen Verrichtungen des Thieres tritt am meisten die Loco- motion hervor. Die Thiere führen, zum Zwecke des Nahrungserwerbes und um Angriffen zu entgehen, Bewegungen ihres Körpers aus. Die zur Locomotion verwendete Muskulatur erscheint in der Regel und namentlich bei den ein- facheren Formen der Bewegung mit der äusseren Haut innig verwebt und bildet einen Hautmuskelschlauch (Würmer), dessenabwechselndeVerkürzungund Ver- längerung den Körper fortbewegt. Auch kann die Muskulatur auf einen Theil der Haut besonders concentrirt sein, wäe z. B. an der Subumbrella der Me- dusen unterhalb des stützenden Gallertschirmes, oder an der Bauchfläche des Körpers einem fussähnlichen Bewegungsorgane seine Entstehung geben (Mol- lusken), oder in verschiedene sich hintereinander wiederholende Muskelgruppen zerfallen (Anneliden, Arthropoden, Vertebraten). Der letztere Fall bereitet schon eine rasche und vollkommenere Bewegungsart vor, indem sich feste, in der Längsachse aufeinander folgende Abschnitte der Haut oder auch eines inneren erhärteten Gew^ebsstranges als Segmente oder Ringe sondern, w^elche durch die Muskelgruppen verschoben werden, denen sie feste Stützpunkte zu einer kräftigen Muskelwärkung darbieten. Hiemit ist die Entwicklung von harten Theilen nothwendig geworden, welche als Körpergerüst oder Skelet die Weichtheile stützen, aber auch schützen. Dieselben sind entweder äussere Schalen, Röhren oder sich wiederholende Ringe und meist durch Erhärtung der Körperhaut [Chifin) entstanden, oder im Innern des Körpers [Knorpel, Knochen) als Wirbel zur Entwicklung gelangt. (Fig. 92. 93.) In beiden Fällen kommt es zu einer Gliederung in der Längsachse des Rumpfes, welche anfangs in einfacheren Fällen der Fortbewegung eine gleichartige homo- nome ist (Anneliden, Scolopender, Schlangen). Mit fortschreitender Entwicklung überträgt sich allmälig die zur Locomotion erforderliche Muskulatur von der Hauptachse des Leibes auf Nebenachsen desselben und gewinnt auf diesem Wege die Bedingungen zur Ausführung der schwierigeren und vollkommeneren Formen der Fortbewegung. Die festen Theile der Längsachse des Rumpfes verlieren dann ihre ursprüngliche gleichartige Gliederung, verschmelzen theil- 74 Skelet. Nervensystem. weise miteinandenind bilden mehrere aufeinander folgendeRegiouen von grösserer oder geringerer Beweglichkeit ihrer Theile ( Kopf, Hals, Brust, Lendengegend etc. ). Im Allgemeinen wird dann das Skelet der Hauptachse in seineu Theilen minder verschiebbar, während ausgreifende Verschiebungen paariger Extremitäten oder Gliedmassen die Fortbewegung in vollendeterem Grade besorgen. Natürlich besitzen auch die Gliedmassen ihre festen Stützen für die Muskelwirkung als äussere und innere, mit dem Ächsenskelet mehr oder minder fest verbundene, meist säulenartig verlängerte Hebel. Y[„ 92 Fi.o-. 93. ^^® Empfindung, die wesentlichste Eigenschaft des Thieres, knüpft sich ebenso wie die Bewegung au bestimmte Gewebe und Organe, an das Nervensystem. Da, wo sich ein solches noch nicht aus der gemein- samen contractilen Grundmasse (Sarcode) oder aus dem gleichförmig gebliebeneu Zellenpareuchym des Leibes gesondert hat. werden wir die ersten Anfänge einer dem Organismus zur Wahrnehmung kommenden Reizbarkeit voraussetzen dürfen, die wir kaum als Empfindung bezeichnen können, denn die Empfindung setzt das Bewusst- sein von der Einheit des Körpers voraus, welches wir den einfachsten Thieren ohne Nervensystem kaum zuschreiben werden. Mit dem Auftreten von Muskeln kommen auch die Gewebe des Nervensystems und zwar in Verbindung mit Sinnesepithelien an der Oberfläch^ (Polypen, Medusen, Echi- noderraen ) zur Sonderung. Li solchen Fällen bewahren Nerven- fasern und Ganglienzellen, welche miteinander vermengt liegen, ihre ectodermale Lage und stehen mit SinneszeUen im Zusammen- hang. Die Auffassung, nach welcher die erste Differenzirung von Muskel- und Nervengewehe in den sogenannten Neuromnskehellen der Süsswasserpolypen und Medusen gegeben sei, hat sich als völlig unhaltbar erwiesen, vielmehr sind beide, Muskeln und Nerven, von verschiedenen Epithel- zellen aus gesondert entstanden. Die Anordnung des Nervensystems lässt sich, wenn wir von der diffusen Vertheilung der Nerven und Ganglienzellen bei den Hydroidpolypen und Actinien absehen, auf drei Grundformen zurückführen: 1. die radiäre der Strahlthiere ; 2. die bilaterale der Gliederthiere und Mollusken ; 3. die bilaterale der Wirbelthiere. Im ersteren Falle bilden die Nervengewebe entweder einen exumbralen und subumbralen Ring (mit eingestreuten Ganglienzellen) am Schirmrande, von denen der erstere vornehmlich die Sinnesorgane, der andere die Muskeln der Umbrella durch abgehende Nerven versorgt { Hgdroidmedusen)^ oder in den Radien der Sinnesorgane gelegene Zellenanhäufungen, Ganglien, von denen Fischwirbel. K Körper, Oh obere Bögen (Neurapophy- sen) , Üb Untere Bögen (Haemapophysen), D obe- rer, D'unterer Dornfortsatz, n Rippe. Schema derWirbel .Säule eines Teleo- Stiers mit iuterver- tebralem Wachs- thum der Chorda C7i Chorda, n'fcknö eherner Wirbelkör per, ,/ häutiger in tervertebraler Ab schnitt. Nerveusystem. 75 Nerven zu den Sinnesorganen ausgehen, sowie mit Ganglienzellen verbundene Nervenplexus an der Muskulatur der Subumbrella (Acalcphm). Oder aber wir beobachten wie bei den Echinodermen, dass sich die Centralorgane in- den Radien als sogenannte Ambulacralgehirne wiederholen, welche durcli eine um den Schlund verlaufende, auch Ganglienzellen enthaltende Commissur ver- bunden sind (Fig. 94) und Nerven an die umgebenden Theile abgeben. Das bilateral angeordnete Nervensystem be- steht im einfachsten Falle aus einer unpaaren oder paarigen Ganglienmasse, welche dem vorderen Körperpole genähert über dem Schlünde liegt und schlechthin als oberes Schlundganglion oder Gehirn bezeichnet wird. Von diesem Centrum strahlen (Platoden) Nerven in seitlich synmietrischer Ver- theilung, unter ihnen zwei stärkere bauchständige Seitennerven, aus. (Fig. 95.) Auf einer höheren Stufe tritt ein Nervenring um den Schlund hinzu, die seitlichen Nervenstämme gewinnen an Stärke und nehmen an einzelnen Stellen Gruppen von scucma des Nervensystems eines see- Sternes, iVXervenring.weleherdiefiinf Ganglienzellen auf (Nemertinen ). Bei den Articu- ambuiaeraien Nervenstämme ver- laten mit metamerisch gegliedertem Körper ver- bindet. mehrt sich die Zahl der Ganglien, und es kommt zum Gehirn ein Bauchnark entweder als Bauchstrang ( Gephyreen ) oder als homonoiiie (Anneliden), bezie- hungsweise heteronome (Arthropoden) Ganglienkette hinzu. (Fig. 96 und 97.) Auch hier kann wieder eine grössere Concentration der Nervencentra durch Verschmelzung des Gehirnes und Bauchmarkes herbeigeführt werden (zahlreiche Arthropoden), so dass in manchen Fällen nur ein unterer Schlund- knoten vorhanden ist. Bei den" der Metamerenbildung entbehrenden Mollusken tritt die untere Schlundganglienmasse als Pedalganglion auf, zu welchem noch ein drittes paariges Centrum als Eingeweideganglion hinzukommt. (Fig. 70.) Bei den Vertebraten ordnen sich die Nervencentra an der Rückenseite der Skeletachse zu dem als Rückenmark bekannten Strange an, dessen Gliederung in der gleichmässigen Wiederholung der austretenden Nervenpaare (Spinal- nerven) ihren Ausdruck erhält. Der vorderste Theil des von einem Centralcanale durchsetzten Stranges erweitert und differenzirt sich mit Ausnahme von Am- phf'oxus zu den complicirten Gangliencentren des Gehirnes. (Fig. 98.) Als ein verhältnissmässig selbstständiger Theil des Nervensystems sondert sich bei den höheren Thiereu ( Vertebraten, Arthropoden, Hirudineen etc. ) das sogenannte sympathische oder Eingeiceidenervensijstem {Sympathicus). Das- selbe bildet Ganglien und Geflechte von Nerven, welche zwar im Zusammen- hange mit den Centraltheilen des Nervensystems stehen, aber, vom Willen des Thieres unabhängig, die Organe der Verdauung, Circulation und Respiration, sowie die Geschlechtsorgane innerviren und bei Störung der Empfindungs- und Bewegungscentren ihre Function noch längere oder kürzere Zeit auszuüben 76 Eingeweidenervensystem. vermögeu. Bei den Vertebraten (Fig. 99) besteht das System der Eingeweide- nerven aus einer Reihe von Ganglien, welche, zu beiden Seiten der Wirbelsäule gelegen, mit den Spinaluerven und spinalnervenartigen Hirnnerven durch Rami comnmmcantes verbunden sind, dann aber auch untereinander durch Nerven- zweige zusammenhängen. Die letzteren bilden den sogenannten Grenzstrang des Sympathicus. Die Ganglien selbst, deren Zahl mit jener der aus dem Rücken- Fis. 95. Fi,,-..., t, ■ ' o .Sehematischer Durchschnitt der Retina, Lichtes am stärksten. Eingefalzt in der ver- nach m. schuitze, mit Moditicationen dickten und muskulösen Vorderwand der Cho- "-^»«i^--'^-^^- ^i-itans interna iv:; Nervenfasern, Gz Ganglienzellen, J.re in- rioidea (Corpus ciliare mit den Processus nereretlculäre Schicht, ./.Trinnere Körner- ciliaris), wird sie in der Peripherie ihrer Vor- derfläche noch von einer Fortsetzung der Cho- schicht, Ae.re äussere reticuläre Schicht, -^cüTäussere Körnerschicht, i.eLimitans externa, S.Z Stäbchen-Zapfen-.Schicht, Lp Lamina pigmenti. rioidea, der Regenbogenhaut oder Iris über- deckt, welche als ringförmiger contractiler Saum eine Art Diaphragma (für das einfallende Licht) mit verengerungsfähiger Oeflfnung (Sehloch oder Pupille) bildet. (Fig. 109.) Die becherförmig im Augengrunde ausgebreitete Retina zeigt eine höchst coraplicirte Structur und überaus regelmässige Schichtung, die bei allen Vertebraten im Wesentlichen dieselbe bleibt. (Fig. 110.) Die innere, au den Glaskörper und deren Membran (Limitans interna) angrenzende Schicht besteht aus den Nervenfasern, in welche der Opticus ausstrahlt, dann folgt die Ganglienzellenschicht, die innere reticuläre, die innere Körnerschicht, die äussere 86 BeweguDgsapparat in- anderfolgender Kästchen einer Säule,sch-\väeher vergrössert, nach F r i t s c h. hebungeu dar. Die Substanz der Platte selbst enthält in den Papillen sternförmige, amoe- benähnliche Zellen und wird (Zitteraal) durch eine intermediäre Grenzzone (Pacim'sche Linie) (Fig. 115 PL) in eine vordere und eine hintere, in die hinteren Papillen übergehende „ Nerve nschicht^^ getrennt, an welcher die von der Scheidewand Psychisches Leben. Instinct. 91 übertreteiKieu Nerven mittelst hügelförmiger Ausbreitung in ganz ähnlicher Weise wie die motorischen Endplatteu an dem quergestreiften Muskel enden. (Fig. 115 a.) In der elektrischen Platte entwickelt sich in Folge der Erregung vom Nerven aus unter dem Einflüsse des Willens! Elektricität in der Weise, dass stets die Seite der Platte, an welcher die Endaiisbreitung des Nerven statt- findet, elektro-negativ, die entgegengesetzte freie elektro-positiv wird. Da die Platten in sämmtlichen Kästchen gleichgerichtet sind, summirt sich der Effect an den Polen der Säulen zu einer beträchtlichen Elektricitätsentwicklung, die im Momente der Berührung beider Pole zur Ausgleichung kommt. Psychisches ' ) Leben und Instinct. Die höheren Thiere werden sich nicht nur der Einheit ihres Organismus in dem Gefühle von Behagen und Unbehagen, Lust und Schmerz bewusst, sondern besitzen auch die Fähigkeit, von den durch die Sinne vermittelten Eindrücken der Aussenwelt Residuen zu bewahren und mit gleichzeitig empfundenen Zu- ständen ihres körperlichen Befindens zu verknüpfen. Auf welche Art die Irrita- bilität niederer einzelliger Organismen durch allmälige Uebergänge und Zwischenstufen zu der ersten Eegung von Empfindung und Bewusstsein führt, liegt uns ebenso vollständig wie Natur und Wesen dieser von materiellen Be- wegungen des Stoffes abhängigen, aber nicht aus denselben erklärbaren psychischen Vorgänge verschlossen. Wohl aber dürfen wir mit einiger Berechti- gung annehmen, dass für deuEintritt innerer Zustände, welche mit dem an unserem eigenen Organismus erfahrenen, als Bewusstsein bezeichneten Zustande einen Vergleich gestatten, das Vorhandensein eines Nervensystems unumgänglich erforderlich ist. Mit den Sinnesorganen und dem Vermögen derselben, Eindrücke bestimmter Qualität von äusseren, als Reiz wirkenden Ursachen aufzunehmen, mit der Fähigkeit, Residuen des Wahrgenommenen im Gedächtnisse zu be- wahren und als Vorstellungen mit gleichzeitig empfundenen und ebenfalls in der Erinnerung reproducirten körperlichen Gefühlszuständen zu ürtheilen und Schlüssen zu verbinden, besitzen die Thiere .im Wesentlichen alle Grund- bedingungen zu den Operationen der Intelligenz, wie sie andererseits auch fast alle Formen von Gemüthszuständen der menschlichen Seele zur Erschei- nung bringen. Neben bewussten, aus Erfahrung und intellectueller Thätigkeit entsprun- genen Willensäusserungen werden aber die Handlungen der Thiere in um- fassendem Masse durch innere Triebe bestimmt, welche unabhängig vom Be- wusstsein wirken und zu zahlreichen, oft höchst complicirten, dem Organismus nützlichen Handlungen Anlass geben. Man nennt solche, die Erhaltung des In- dividuums und der Art fördernde Triebe /rasfmcfe^) und stellt dieselben gewöhnlich *) W. Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele. 2 Bde. Leipzig. 1863. Derselbe, Grundzüge der ph^^siologischen Psychologie. Leipzig, 1887. 2) Versjl. H. S. Eeimarus, Allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere. Hamburg, 1773. P. Flourens, De Tinstinct et de Tintelligence des animaux. Paris, 1851. 92 Instinct. als dem Thiere eigenthümlicli der bewussten Vernunft des Menschen gegenüber. Wie diese aber nur als höhere Potenz vom Verstand und Intellect, nicht aber als etwas von letzterem qualitativ Verschiedenes betrachtet werden kann, so zeigt die nähere Betrachtung, dass auch Instinct und bewusster Verstand nicht in absolutem Gegensätze, vielmehr in vielseitiger Beziehung stehen und nicht scharf von einander abzugrenzen sind. Denn wenn man auch dem Begrift'e nach das Wesen des Instinctes in dem Unheicussten und in ^^m. Angchorensc in Qxk^iwii. so ergibt sich doch, dass erfahrungsgemäss mittelst bewusster Intelligenz er- worbene Fertigkeiten zu instinctiven, unbewusst sich vollziehenden Vorgängen werden, und dass im Anschluss an die durch den ganzen Zusammenhang der Naturerscheinungen überaus wahrscheinlich gemachte Descendenzlehre sich die Instincte aus kleinen Anfängen entwickelt haben und nur unter Mitwirkung einer, wenn auch beschränkten intellectuellen Thätigkeit zu so hohen und com- plicirten Formen entwickeln konnten, welche wir an vielen höher organisirten Thieren {Hymenopteren) bewundern. Man kann demgemäss zwar mit vollem Kechte den Instinct als einen mit der Organisation ererbten, unbewusst wirken- den Mechanismus definiren, welcher als Reaction auf einen äusseren oder inneren Reiz sich in bestimmter Form gewissermassen abspielt und eine schein- bar zielbewusste, zweckmässige Verrichtung des Organismus zur Folge hat, wird aber nicht vergessen dürfen, dass auch die intellectuellen Thätigkeiten auf mechanischen Vorgängen beruhen und andererseits geradezu Bedingung sind, um aus einfachen höhere und verwickeitere Instincte entstehen zu lassen. Die einfachste Instinctform aber möchte identisch sein mit der bestimmten, auf einen Reiz folgenden Gegenwirkung der lebendigen Materie, oder was dasselbe besagt, mit der besonderen Form der durch eine äussere Einwirkung veranlassten Be- wegungen der Moleküle. Als Ergebniss theils instinctiver, theils intellectueller Vorgänge erklärt sich die bei höheren • ) Thieren so häufig vorkommende Erscheinung des Zu- sammenlebens in Gesellschaften, die Association zahlreicher Individuen zu ein- fachen oder durch Arbeitstheilung reich gegliederten Vereinen, sogenannten Thierstaaten (Ameisen, Wespen, Bienen, Termiten). Wie bei den durch Con- tinuität des Leibes verbundenen Lebensformen der sogenannten Thierstöcke erscheint auch hier das Zusammenwirken ein sich gegenseitig forderndes, be- ziehungsweise bedingendes. Der Vortheil, welcher durch die wechselseitige Dienstleistung gewonnen wird, bezieht sich nicht nur auf eine leichtere Ernährung und Vertheidiguug, somit auf die Erhaltung des Individuums, sondern in erster Linie auf die Erhaltung der Nachkommenschaft, also auf den Schutz der Art. Daher sind auch die einfachsten und häufigsten Associationen, aus denen die ') Ganz verschieden und ledii,'lioh durch Wachsthunisvoro-änge bedinget ist tUe Ent- stehung der sogenannten Thierstöcke hei niederen Thieren mit unvollkommener oder beschränkter Individualität, wenngleich der durch die Vereinigung erreichte Vortheil für die Erhaltung der Art ein ähnlicher ist. Yergl. die Thierstöcke der Vorticelliden. Polypen und Siphonophoren, der Brjozoen und Tunicaten. Fortiiflanzunp und Geschlechtsorgane. 93 complicirten, durch Arbeitstheilung gegliederten Gesellsclinften abzuleiten sind, Vereine beiderlei Geschleclitstliiere derselben Art. Fortpfljiuzuuü^ und Geschlechtsorg.ane. Urzeugung. Bei der zeitlichen Schranke, welche dem Leben eines jeden Organismus gezogen ist, erscheint die Entstehung neuen Lebens für die Er- haltung der Thier- und Pflanzenwelt unabweisbar nothwendig. Die Neubildung von Organismen könnte zunächst eine spontane sein, eine Urzeugung {Gemvatio aequivoca), welche denn auch in früheren Zeiten nicht nur für die einfachen und niederen, sondern selbst für complicirtere und höhere Organismen angenommen wurde. Aristoteles Hess Frösche und Aale spontan aus dem Schlamme ent- stehen, und allgemein wurde bis auf R e d i das Auftreten der Maden an faulen- dem Fleische als Urzeugung erklärt. Mit dem Fortschritt der Wissenschaft zogen sich jedoch die Grenzen für die Annahme derselben immer enger, so dass sie bald nur noch die Entozoen und Infusionsthierchen umfassten. Doch auch diese Organismen wurden durch die Forschung der letzten Decennien dem Gebiete der Generatio aequivoca fast gänzlich entzogen, so dass gegenwärtig ausschliesslich die niedersten Organismen faulender Infusionen in Betracht kommen, wenn es sich um die Frage der spontanen Entstehung handelt. Während der grössere Theil der Forscher * ), gestützt auf die Resultate zahlreicher Experi- mente, auch für die letzteren die Urzeugung verwirft, findet dieselbe vornehmlich in Pouchet*) einen hervorragenden und eifrigen Vertheidiger. Der Urzeugung steht die elterliche Zeugung oder Fortpflanzung gegeimher, welche wir als die allgemein verbreitete und normale Form der Zeugung zu betrachten haben. Dieselbe ist im Grunde nichts Anderes als ein Wachsthum des Organismus über die Sphäre seiner Individualität hinaus und lässt sich auch überall auf Absonderung eines körperlichen Theiles, welcher sich zu einem dem elterlichen Körper ähnlichen Individuum umgestaltet, zurückführen. Indessen ist die Art und Weise dieser Neubildung ausserordentlich verschieden und lässt verschiedene Formen der Fortpflanzung, als Theilung, Sprossung {Sporenhildung) und als digene o^qy geschlechtliche Fortpflanzung unterscheiden ^). Die TJieilung, welche zugleich mit der Sprossung und Sporenbildung als monogene (ungeschlechtliche) Fortpflanzung bezeichnet wird, findet sich bei den niedersten Thieren verbreitet, sowohl bei den Protozoen als auch bei den tiefer stehenden Metazoen mit noch weniger differenzirten Geweben, wie sie denn ^) Vergl. insbesondere Pasteur, Memoire sur les corpuscules organises qui existent dans Tatniosphere. Ann. des sc. nat.. 1861, femer Experiences relatives aux generations dites spontanees. Compt. rend. de l'Acad. des sciences, tome 50. ^j Pouch et, Nouvelles experiences sur la generation spontanee et la resistance vitale. Paris. 1864. ^) Vergl. Pt. Leuckart's Artikel: „Zeugung-' in R. Wagners Handwörterbuch der Physiologie. 94 Knospuug. Digpiie Fortpflanzung. auch die Fortpflanzungsform der Zelle ist. Bei derselben entstehen aus einem ursprünglich einheitlichen Organismus durch eine immer tiefer greifende und zur Trennung führende Einschnürung des Gesammtleibes zwei in der Eegel gleichwerthige Individuen, in deren Leben sich das des Mutterthieres fortsetzt. Bleibt die Theilung unvollständig, ohne dass die Theilstücke zur völligen Son- derung gelangen, so sind die Bedingungen zur Entstehung eines Thierstockes gegeben, der bei fortgesetzter unvollständiger Theilung der neugebildeten In- dividuen an Umfang und Individuenzahl oft dichotomisch fortschreitend zunimmt ( VortkeUinen, Polypemtöcke). Die Theilung kann in verschiedenen Richtungen longitudinal, transversal oder diagonal erfolgen. Die Sjjrossung oder Knospang unterscheidet sich von der Theilung durch ein vorausgegangenes ungleichmässiges und einseitiges Wachsthum des Körpers, durch die Entstehung eines Abschnittes, welcher sich zu einem neuen Indivi- duum ausbildet und durch Abschnürung und Theilung als Tochterthier zur Selbstständigkeit gelangt. Unterbleibt die Sonderung der gebildeten Knospe, so ist in gleicher Weise die Bedingung zur Entstehung eines Thierstockes gegeben [Polypemföcke). Bald erfolgt die Knospung an verschiedenen Stellen der äusseren Körperfläche unregelmässig oder nach bestimmten Gesetzen (Ascid-ien,Polgpenstöcke), bald auf einen bestimmten, als Keimstock gesonderten Körpertheil localisirt (Stolo proUfer der Salpen). Die Anlage des knospenden Keimes wiederholt die verschiedenen als Keimblätter unterschiedenen Zellen- lagen, aus denen sich später die Organe differenzireu. Die Bildung von Sporen oder Keimzellen charakterisirt sich als eine Absonderung von Zellen im Innern des Organismus, welche sich vor oder nach Austritt aus demselben zu neuen Individuen entwickeln. Indessen nur bei den einzelligen Protozoen {Gregarinen) dürfte dieser dem Pflanzenreich entlehnte Begriff von Spore aufrecht zu erhalten sein. Die Fälle von sogenannter Sporen- erzeugung im Bereiche der Metazoen (Keimschläuche der Trematoden) fallen wahrscheinlich mit der Eibildung zusammen und dürften auf frühzeitige Reife und spontane Entwicklung von Eizellen zurückzuführen ( Parthenogenese, Paedo- genese) sein. Die digene oder geschlechtliche Fortpflanzung beruht auf der Erzeugung von zweierlei verschiedenen Keimzellen, deren Vereinigung zur Entwicklung eines neuen Organismus nothwendig ist. Die eine Form von Keimzellen stellt sich als Zelle dar, welche das Material zur Erzeugung des neuen Individuums enthält, und heisst Eizelle (meist schlechthin Ei). Die zweite Form, die Samen- zelle) ist das befruchtende Element, welches mit dem Inhalt der Eizelle ver- schmilzt und durch eine unbekannte Einwirkung den Anstoss zur Entwicklung des Eies gibt. Die Zellenlager, aus denen Eier und Sperma ihre Entstehung nehmen, werden entsprechend den als Sexualzellen bezeichneten beiden Formen von Keimzellen Geschlechtsorgane genannt, und zwar die Eier erzeugenden iveihh'che (^Ovarien) und die Samen erzeugenden männliche Geschlechtsorgane (Hoden). Das Ei ist das xceibliche, das Sperma das männliche Product. Geschlechtsorganf. 95 Der Ursprung der digenen Fortpflanzung, welche für sämmtliclie Metazoen Geltung liat. ist ohne Zweifel auf die Zellcolonien der Protozoen und Proto- phyten zurückzuverfolgen, von denen die Metazoen ableitbar erscheinen. Wahr- scheinlich ist der Coujugationsvorgang zweier scheinbar gleicher Zellen, wie er schon bei den Conjugateu unter den Algen vorkommt, die Ausgangsform der digeueii Fortpflanzung, der auch zu der üeberzeugung hinleitet, dass Ei- zelle und Sperraazelle ungleich gewordenen Formen von Keimzellen gleich zu setzen sind. Dieselbe Bedeutung kommt auch der Conjungation zweier Infu- sorien zu, welche sich freilich nach vorausgegangener Fusion in der l^egel wiederum von einander trennen. Eine Oonjugation diff'erenter Keimzellen ist aber schon bei niederen Pflanzen sehr verbreitet und insbesondere auch bei den Flagellatencolonien der Volvocmen verfolgt worden. Hier entwickeln sich z. B. bei Voivux einzelne der Zellindividuen zu Fortpflanzungszellen, welche, aus dem Verbände der übrigen gelöst, in den Innenraum der Kugel gelangen und zu Eizellen, beziehungsweise bei fortgesetzter Theilung zu Ballen von Samen- zellen oder Spermatozoen werden. Dem entsprechend dürfte bei den Metazoen die Absonderung der Ge- schlechtszellen sehr frühzeitig bei noch gleichartiger Gestaltung aller übrigen Zellen erfolgt sein und der ersten Arbeitstheilung des Zellenmateriales ent- sprochen haben, welches sich später, nachdem phylogenetisch die digene Zeugung bereits zur Erscheiriung getreten war, in Zellenschichten sonderte. Der Bau der Geschlechtsorgane zeigt ausserordentlich verschiedene Ver- hältnisse und zahlreiche Stufen fortschreitender Complication. Im einfachsten Falle reduciren sich dieselben auf Anhäufungen von Sexualzellen, welche in der zelligen Leibeswand auftreten und schon in dieser 'primitiven Form als Hoden und Ovarien bezeichnet werden. Die zellige Leibeswand erscheint an bestimmten Stellen als Keimstätte für Samen- und Eizellen (Coelenteraten), und zwar ist es bald das Ektoderm (Hydroidquallen), bald das Entoderm ( J.ca- lephen, Anthozoen), aus welchem dieselben hervorgehen. Aehnliches gilt auch für die marinen Polychaeten oder Borstenwürmer, deren Leibeshöhlenepithel die Samen- und Eizellen erzeugt, welche nach Erlangung derEeife in die Leibes- höhle fallen. Meist gewinnen jedoch Ovarien und Hoden, dem Bedürfnisse einer grösseren Flächenentwicklung gemäss, den Bau von Drüsen mit Ausführungs- gängen, ohne dass noch weitere sexuelle Leistungen zu der Absonderung der beiderlei Zeugungsstoffe hinzukommen (Echinodermen). Auf einer höhereu Stufe aber gesellen sich zu den Eier- und Samen-bereitenden Drüsen complicirtere Leitungsapparate, welche bestimmte Arbeiten für' das weitere Schicksal der abgesonderten Sexualproducte und für die Begegnung beider Zeugungsstofte übernehmen, sowie in der Wand derselben, oder als besondere Anhänge ent- wickelte Drüsen hinzu. (Fig. 116.) Zu den Ovarien kommen Eileiter, Oviducte, entweder als mit jenen in directem Zusammenhange stehende Ausführungs- gänge oder aus fremden, ursprünglich ganz anderen Functionen dienenden Canälen (Segmentalorgane) hervorgegangen. In den Verlauf derselben sind 96 Geschlechtsorfjane. Fiff. 116. :^ Geschlechtsorgane eines Heteropoden {Pterotrachia) nach R. Leuckart. a des Männchens. T Hoden Vd Samenleiter. — h des Weibchens. Ov Ovarium Ed Eiweissdrüse, Rs Receptaculum seminis, Va Vagina häufig Drüsen mancherlei Art. welche als Dotterstöcke der Eizelle Dotter- material zuführen oder dieselbe in Eiweiss einhüllen oder den Stoff zur Bil- dung einer derben Eischale (Chorion) liefern, eingeschoben. Freilich können diese Functionen auch der Ovarialwand übertragen sein ( Insecteu i. so dass das in den Eileiter eintretende Ei bereits seinen accessorischen Dotter aufge- nommen und eine feste Eischale er- halten hat. Immerhin besorgen die Leitungswege auch dann noch ver- schiedene Arbeiten und gliedern sich dem entsprechend in mehrfache Ab- schnitte; oft erweitern sich dieselben während ihres Verlaufes zu einem Ke- ^rvoir zur Aufbewahrung der Eier (Ei'erhehälter) oder der sich entwickeln- den Embryonen (Fnichthi'hälter, Ute- rus], während ihr Endabschuitt zur Befruchtung bezugnehmende Differen- zirungen bietet {Receptaculum seminis^ Scheide, Begattungstasche, äussere Ge- schlecht stheile). Die Ausführungsgänge der Hoden, Samenleiter (Vasa deferentia) a Fig. 117. bilden gleichfalls häu- fig Reservoirs (Samen- hlasen) und nehmen Drüsen (Prostata) auf, deren Secret sich dem Sperma beimischt oder Samenballen mit feste- ren Hüllen [Spermato- yj/u)/rn) bildet. Der End- abschnitt des Samen- leiters gestaltet sich durch die kräftige Mus- kulatur zu einem Ductus ejaculato rius, w elch em sich in der Regel äussere Copulationsorgane zur geeigneten Uebertra- gung der Samenflüssigkeit in die weiblichen Geschlechtsorgane hinzugeselleu. (Fig. 117.) Hermaphroditismus. Die einfachste und ursprünglichste Form des Auf- tretens von Geschlechtsorganen ist die hermaphroditische. Eier und Samen werden in dem Körper ein und desselben Individuums (Hermaphrodit, Zwitter) a Die weiblichen Geschlechtssorgane von Pulex, nach Stein. OrEiröhren Rs Receptaculum seminis, V Vagina, Gl Anhangsdrüse. — h Die mann liehen Geschlechtsorgane einer Wasserwauze (Nepa), nach Stein. T Hoden Vd Vasa deferentia, Gl Anhangsdrüsen, D Ductus ejaculatorius. Verbreitung des Hermaiibroditismus. Zwilterürüsen und dercMi AusfUhrungsapparat. 97 (Pteropode), ach Gegenbaur. a Zd Zwitterdrüse mit ge- meinsamem Ausführungsgang, Äs Samenbehälter, f Eierbehälter. — /i Ein Acinus der Zwitterdrüse derselben. O Eier, S Samenfäden Fig. 119. erzeugt, welches in sieb alle Bedinguugen « Fig. 118. zur Arterbaltung vereinigt und für sich allein die Art repräsentirt. Wir finden den Hermaphroditismus in allen Thier- kreisen, besonders aber in den niederen, und zwar erscheinen vorzugsweise lang- sam bewegliche ( Land-, sowie kriechende Wasserschnecken, Opisthobranchien,Tur- bellarien, Hirudineen, Oligochaeten) oder vereinzelt auftretende Parasiten (Cesto- den, Trematoden) oder festgeheftete, der freien Ortsveräuderuug entbehrende Thiere (Austern, Cirripedien, Bryozoen, Tunicaten) hermaphroditisch. Das gegen- Geschlechtsorgane von CymbuUa seifige Verhältniss der männlichen und weiblichen, in demselben Individuum vereinigten Geschlechtsorgane zeigt mehrfache Verschiedenheiten, die ge- wissermassen stufenweise der Trennung der Geschlechter allmälig näher führen. Im einfachsten Falle liegen die Keim- stätten der beiderlei Geschlechtsproducte räumlich nahe bei einander, so dass sich Samen und Eier im Leibe des hermaphro- ditischeu Mutterthieres direct begegnen (Ctenophoren, Chrysaora). Beiderlei Zeu- gungsstoffe entstehen in begrenzten Zel- lenlagern unterhalb der Entodermbeklei- dung des Gastro vascularraumes und lassen sich auf Wucherungen des Entoderms oder Ectoderms zurückführen. Auf einer höhe- ren Stufe sind Ovarien und Hoden noch als ZioiUerdrilse vereinigt (Synapta. Pte- ropoden, Opisthobranchien, Pulmonaten); anfangs ist noch ein gemeinsamer Aus- fÜhrUngSO-ano- vorhanden ( theCOSOme Pte- Geschlechtsorgane der Weinbergsehnecke (Helix ^ ° ^ ^ pomatia). Zd Zwitterdrüse, Zg der Ausführungs- rOpoden) (Fig. 118), aus dem sich aber gang derselben, Ed Elweissdrüse, Od Eiergaug schon bei vielen Opisthobranchiern und «^id Samenrinne, FcZ Samemelter, P vorstülpbarer Penis, Fl Flagellum, Rs Receptaeulum seminis, den Pulmonaten {Helix) Samenleiter und l Llebespfeil im Liebespfellsack, D fingerförmige Öviduct in verschiedener Weise sondern, ^""^^^ ^" '^'^"^ letzteren, gö gemeinsame Genital- öfFnuug. jedochnoch mitgemeinsamer Geschlechts- kloake ausmünden (Fig. 119). In anderen Fällen trennen sich Hoden und Ovarien auch als gesonderte Drüsen und erhalten vollständig getrennte Ausführungs- C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 7 98 Ti-onnung des Geschlechtes. gänge. Auch dann kann die Geschlechtsöffnimg noch eine gemeinsame Kloake sein (Cestoden, Trematoden, Rhabdocoelen, monogonopore Dendrocoelen) (Fig. 120), oder es liegen beide Oeffnungen von einander getrennt (digonopore Dendro- coelen, Hirudineen, Oligochaeten) (Fig. 121 ). Bei allen diesen Modificationen erscheint die Kreuzung zweier hermaphroditischer Individuen, welche sich zu- weilen gleichzeitig befruchten und befruchten lassen (Wechselkreuzung), als Regel, während allerdings ganz vereinzelt Beispiele vorkommen mögen, in denen Zwitter zur Erzeugung von Nachkommen sich selbst genügen. Jedenfalls erscheint dieser Fall bei den Hermaphroditen als Ausnahme, und selbst bei unvollkommener Sonderung von Hoden und Ovarien macht die zeitliche Trennung der männlichen und iceihlichenReife eine Kreuzung zweier Individuen nothwendig (Gastropoden, Salpen). Physiologisch führt ein solches Verhältniss des Hermaphroditismus be- reits zur Trennung der Geschlechter und geht morphologisch bei einseitiger Ausbildung der einen Art von Ge- schlechtsorganen unter gleichzeitiger Verkümmerung der anderen in dieselbe über [Distomum fiUcolle und haemato- hiumj, in welchem Falle nicht selten Spuren einer hermaphroditischeu An- Geschiechtsapparat läge zurückblcibeu , wie solche auch des Blutegels. THo- an deu Ausführungsgäugen der Ge- schlechtsorgane bei den Vertebraten nachweisbar sind. Bei den Amphibien und höheren Vertebraten finden sich männliche und weibliche Leitungswege, welche sich secundär aus dem ürnieren- gange entwickeln, in jedem Individuum angelegt. Der Oviduct (Müller'sche Gang) bildet sich beim Männchen bis auf schwache Reste zurück, während umgekehrt der Samenleiter (Wolff'scher Gang) im weiblichen Geschlecht verkümmert oder wie bei den Amphibien als Leitungsgang zur Ausführung des Harnsecretes Verwendung findet. (Fig. 122 a, h.) Trennung der Geschlechter. Mit der Trennung der männlichen und weib- lichen Geschlechtstheile auf verschiedene Individuen ist die vollkommenste Form der geschlechtlichen Fortpflanzung auf dem Wege der Arbeitstheilung erreicht, aber gleichzeitig auch ein fortschreitender Dimorphismus der männ- lichen und weiblichen Individuen vorbereitet, da die Organisation der Ge- schlechtsthiere von den abweichenden Geschlechtsfunctionen mehr und mehr beeinflusst und mit der höheren Ausbildung des Geschlechtslebens zur Aus- Geschlechtsapparat von Vortex den, Vd Vas defe- viriiiis , nach M. Schnitze, rens Nh Neben- T Hoden, Vd Vas deferens, hoden, Pr Prostata, F» Samenblase, P vorstülpbarer C Cirrus, Oy Ova- Penis, Ov Ovarium, Va Vagina, rien nebst Scheide ;7Uterüs,£)Dotterstöcke,.7?sRe ceptaculutn seminis. und weiblicher Ge- nitalöffnuDg. 99 fülining besonderer, an Ei- oder Samenerzeiigung gebuudener Nebenleistungen umgestaltet wird. In erster Linie ist die com- « Fig. 122. plicirtere Gliederung beiderlei Leitungswege, sowie die der- selben entsprechende Arbeits- theilung der Functionen für die Ausbildung accessorischer Ge- schlechtscbaraktere und des Se- xualdimorphismus bestimmend. Auch in anderen Organen als dem Geschlechtsapparat weichen männliche und weibliche Thiere nach verschiedenen Richtungen, welche durch eine Reihe von be- sonderen Functionen des Ge- schlechtslebens bezeichnet wer- den, auseinander. Das bei der Begattung den Samen aufneh- mende Weibchen verhält sich in der Regel mehr passiv, als der leidende Theil, der auch das Bildungsmaterial der Nachkom- menschaft in sich birgt und dem- gemäss Sorge trägt, für die Ent- wicklung der befruchteten Eier und für das weitere Schicksal der in"s Leben getretenen Brut. Da- her der durchschnittlich schwer- fälligere Körper des Weibchens, sowie die verschiedenen Ein- richtungen in demselben zum Schutze und zur Ernährung der Brut, welche sich aus den abge- setzten, häufig am mütterlichen Körper mit umhergetragenen Eiern entwickelt oder im Innern des Mutterleibes zur Entwick- lung gelangt und lebendig ge- boren wird. Die eigenthümlichen Verrichtungen des Männchens beziehen sich zunächst auf die Aufsuchung, Anregung und Bewältigung des Weibchens zur Begattung, daher im Durchschnitt die grössere Kraft und Beweglichkeit des Körpers, die höhere Entwicklung der Sinne, der Besitz von mancherlei Reiz- 7* Linksseitiger Haru- und Ge- sehleclitsapparat eines weib- lichen Salamanders ohne den Kloakentheil. Ov Ovarium, N Niere, Hl der dem W^olfif'schen Gang entsprechende Harnlei- ter, Mg der als Oviduct aus- gebildete Müller'sche Gang. Linksseitiger Harn- und Ge- schlechtsapparat eines männ- lichen Salamanders, mehr schematisch. THoden, T'cVasa eiferentia, i\' Niere mit den austretenden Sammelröhr- chen. Mg Müller'scher Gang, Wg Wolff'scher Gang oder Samenleiter, Kl Kloake mit den Nebendrüsen Dr der linken Seite. 100 Männliche und ■weibliche Sexualcharaktere. mittelu, als lebhaftere Färbung, lautere und reichere Stimme, endlieh von Haft- und Klammerwerkzeugen, sowie von äusseren Copulationsorganen. (Fig. 123 f(,h.) Die sexuellen Gegensätze sind bei den höheren Thieren so bedeutend, dass man die Ansicht begründen zu können glaubte, das Geschlecht wirke durch das ganze Wesen des Individuums und habe seinen Sitz in jedem Theile desselben, der entweder männlich oder weiblich sei (Steenstrup). Die weitere Consequenz einer solchen Anschauung führte dazu, das Vorkommen des Hermaphroditismus überhaupt zu läugnen, denselben für unmöglich zu halten. Wenn auch diese extreme Ansicht allgemein verlassen worden ist, so gibt es doch noch Forscher, welche, au gewisse Voraussetzungen derselben anknüpfend, die Trennung der Geschlechter als die ursprüngliche Form der geschlechtlichen Fortpflanzung betrachten und den Hermaphroditismus auf secundär entwickelte Ausnahmen zurückzuführen suchen (Fr. Müller). Die Unrichtigkeit auch dieser Auf- fassung *) ergibt sich nicht nur aus dem ganzen Zusammenhange der Er- scheinungen, sondern auch aus der Thatsache. dass die Kichtungen, nach welchen beide Geschlechter divergiren, sehr verschieden sein können und in Fiff. 123. Männchen von Aphis platanoides. Oc Ocel- len, //rHonigröhrchen, PBegattungsorgan. Flügelloses ovi- pai-es Weibchen desselben. Vivipares Weibchen (sogenannte Amme) von Aphis platanriides. Oc Ocellen. einzelnen Fällen für beide Geschlechter die volle ümkehrung in den Neben- functionen des Sexuallebens zur Erscheinung kommt. In Ausnahmsfällen können auch vom Männchen Functionen übernommen werden, welche sich auf Brutpflege und Erhaltung der Nachkommenschaft be- ziehen, wie z. B. bei der Geburtshelferkröte (Alytes) und den Lophobranchiern. Auch betheiligen sich die Männchen der Vögel oft neben dem Weibchen am Nestbau, an dem Auffüttern und Beschützen der Jungen. Dass Bruträume oder Nester lediglich vom männlichen Thiere hergestellt und, wie bei Cottus und dem Stichling (Gasterosteiis), der Schutz und die Vertheidigung der Brut aus- schliesslich dem Männchen zufällt, ist wiederum eine seltene Ausnahme, die aber um so nachdrücklicher dafür Zeugniss ablegt, dass die sexuellen Abweichungen sowohl in der Formgestaltung, wie in den besonderen Leistungen nicht auf einem ursprünglich gegebenen Gegensatze der beiden Geschlechter beruhen, *) Hiermit soll natürlich nicht ausgesprochen sein, dass es nicht auch secundäre, erst wieder von getrennt geschlechtlichen Thieren aus entstandene Formen von Herniaphroditismus gibt, wie solche in der That für die Eankenfüssler (Cirripedien) wahrscheinlich gemacht wurden. Parthenogeuesc 101 '/::C^'M -T sondern erst in Folge theils sexueller Züchtung, theils von Anpassung durch Zuchtwahl überhaupt cncorhen sind. Im Extrem kann der Geschlechtsdimorphismus zu einer derartigen Diver- genz der beiderlei Geschlechtsthiere führen, dassman dieselben bei Uukenntniss ihrer Entwicklung und sexuellen Beziehungen in verschiedene Gattungen und Familien stellen würde. Solche Extreme treten bei Rotiferen und bei parasi- tischen Copepoden i^Chondracanthus, Lernaeopoda) auf (Fig. 124 a, Z», c) und sind als Züchtungsresultat der parasitischen Lebensweise zu erklären. Die Verschiedenheit der beiden die Art repräsentirenden und erhaltenden Iiidividuengruppen, deren Begattung und gegenseitige Einwirkung man lange Zeit kannte, bevor man sich über das Wesen ^ig- l^^. der Fortpflanzung Re- chenschaft zu geben im Stande war, hat zur Be- zeichnung ,,Geschh'ch- fi')-' geführt, denen wie- derum die Bezeichnung geschJechtlich für die Or- gane und die Art der Fortpflanzung entlehnt wurde. In Wahrheit ist auch die geschlecht- liche Fortpflanzung nichts Anderes als eine besondet-e Form des Wachsthums. Die als Eier und Spermatozoen freiwerdenden Zellen repräsentiren die bei- den Formen von Keim- zellen, welche nach gegenseitiger Einwirkung durch den Befruchtuugsvorgang die Entwicklung eines neuen Organismus vorbereiten. Indessen ist auch das Ei unter gewissen Verhältnissen wie die einfache Keimzelle spontan entwicklungs- fähig, wofür die zahlreichen, besonders bei Insecten und Crustaceen (Ajnis, Artemia, Sommereier der Cladoceren und Rotiferen) bekannt gewordenen Fälle von Parthenogenese Beispiele geben. Für den Begriif der Eizelle fällt demnach die Nothwendigkeit der Befruchtung hinweg, und es bleibt zur Unterscheidung derselben von der Keimzelle auch phjsiologisch kein durchgreifendes Kriterium übrig. Man pflegt freilich auf den Ort der Entstehung im ^Geschlechtsorgan'-'- und im weiblichen Körper (Hvmenopteren, Psychiden, Schildläuse, Rindeuläuse) den entscheidenden Werth zu legen, ohne jedoch auch mit diesem morpho- Die beiden Geschlechtsthiere von Chondracanthus gihhosus. das Weibchen etwa sechsfach vergrössert. a Weibchen in seitlicher Lage: 6 dasselbe von der Bauchseite mit anhaftendem Männchen; c Männchen, isollrt, unter starker Vergrösserung. An' vordere Antennen, An" Klammeran- tennen, F', F" die beiden Fusspaare, ^ Auge, Oi' Eierschläuche, JiMund- theile, Oe Oesophagus, D Darm, T Hoden, T'7 Samenleiter, .Sp Sperma- tophore im Spermatophoreusaek. 102 Agame Weibchen von Aphidon. Vivipare Ceciilomvienlarveii. nach Analogie Fi>^- Eutwickluuf,' eiues .Seesttu'ueies. Aätti-acauthiun btrylinus, nach AI. Agassi z. 1 Beginnende Furchung des an beiden Seiten abgeflachten Dotters, an einem Pole das Richtnngsbläschen. 2 Zvveitheilung. 3 Vier- theilung, 4 Achttheilung, 5 Stadium mit 32 Kugeln, G späteres (Stadium, KOU oder Furchungskem ? Blastosphaera mit beginnender Einstülpung, S, 9 die Einstülpung i.it iveltei- vorgeschritten, die Oeffnung des gastralen Schlauches wird zum After. bezeichnet wird und sich alsbald in die beidenKerne der ersten Furchungskugeln theilt. Auch die Theilung des conjugirteu Eikernes vollzieht sich unter den für die Kerutheilung der Zelle so charakteristischen Erscheinungen des Auftretens der Keruspiudel und der Strahleutigureu oder Sonnen an beiden Polen derselben. Da wo die Befruchtung unbeschadet der Entwicklungsfähigkeit des Eies unterbleibt, dieses also spontan in denFurchungs- process eintritt (Parthenogenese), scheint der „Eikern" für sich bereits die Eigenschaft des etsten Furchungskernes zu besitzen. Der als Furchungsprocess bekannte Vorgang betrifft entweder den ge- sammten Dotter, fötale Furchung, oder gestaltet nur einen Theil des Dotters in Furchungskugeln und Embryoualzelleu \\m,partieUe Furchung. Die totale Dotter- 106 Aequale und inaequale Furcliung. furcliung vollzieht sich entweder gleichmÄssigi MedHsen.Echinodennen, Spongim) und wird dann als ' gleichmässig totale oder aequale Fiirchung bezeichnet (Fig. 129 ), oder wird früher oder später iingleichmässig, indem sich zwei Gruppen von Furchungskugeln, kleinere mit vorwiegend protoplasmatischem und grössere mit mehr fettreichem Inhalt sondern. In diesem ungleich häufigeren Falle nennt man die Furchung eine inaequale. An den kleineren Kugeln schreitet der Process der Theilung viel rascher, an den grösseren und fettreicheren viel langsamer vor oder wird eventuell ganz unterbrochen. Als Beispiel der inaequalen Furchung, welche wiederum zahlreiche Abstufungen bieten kann, verdient die Entwick- lung des Froscheies hervorgehoben zu werden, an welchem eine dunkel pig- meutirte, an Protoplasma reichere von einer helleren, grössere Dotterkügelchen enthaltenden Hälfte unterschieden wird. (Fig. 130.) Jene ist im Wasser nach oben gewendet und kann deshalb als die obere bezeichnet werden. Der Pol derselben würde mit dem der unteren helleren Dotterhälfte durch die Haupt- Inaeiiua'ic Furchiing des Eies vom Frosch, 7?a»a tempi Stadie-n nach Kcker, in 10 aufeinanderffilgendoi achse verbunden sein. Die beiden ersten Furchen des Eidotters fallen in Ebenen der Hauptachse und liegen in der Richtung zweier senkrecht sich kreuzenden Meridiane, erst die dritte (vierte) Furche ist eine aequatoriale, liegt aber dem oberen Pole näher und trennt eine kleinere obere von einer grösseren unteren Hälfte, an welcher die Furchung viel langsamer als an jener vorschreitet. Bei der^arf/ßZ/e??. Furchung haben wir immer einen scharf ausgesprochenen Gegensatz von sich furchendem Bildungsdotter und von Nahrungsdotter, welcher letztere von der Furchung nicht betroffen wird. Man hat die partielle Fiirchung deshalb auch meroblastische, die totale holoblastische genannt. Indessen können auch bei totaler, insbesondere inaequaler Dotterklüftung Furchungs- kugeln zur Ernährung der Embryonalanlage dienen. Es besteht ja der Dotter 'jedes Eies aus einem zähen, eiweissreichen Protoplasma und einem fett- und körnchenreichen Deutoplasma. Das erstere ist seinem Ursprünge nach aus dem Protoplasma der primären Eizelle abzuleiten, während die fettreichen Dotter- elemente erst secundär mit dem fortschreitenden Wachsthum des ersteren gebildet werden, zuweilen als Secretionsproducte besonderer Drüsen (Dotter- stöcke, Trematoden) zur Vergrösserung des Dotters sogar in Form von Zellen Discoidale, snperticiale Furchung. 107 hinzutreten. Bei den Rippenquallen und anderen Coelenteraten sehen wir bereits in der ersten Furcliungskugel die Bildungs- und Xahrungselemente des Dotters als centrale Endoplasma- und peripherische Exoplasmalage geschieden. Bei den partiell sich fur- chenden Eiern liegt der Bildungs- dotter gewöhnlich an einer Seite dem mächtigen, von der Furchung ausgeschlossenen Nahrungsdotter auf. Die Furchungszellen dieser telolecitha/eiiYAeY ordnen sich dem entsprechend in flacher Scheiben- form (Keimscheibe) au, weshalb man diese Furchung auch dis- coidcde genannt hat. (Ei der Vö- gel, Reptilien, Fische. ) (Fig. 131.) In anderen Fällen hat jedoch der Nahrungsdotter eine centrale Lage. An solchen centrohciihfden Eiern vollzieht sich die Furchung als superficiale in der Peripherie, bald mehr aequal (z. B. Palaemon). ^er Furohu,.,.,r,„.,.s- .,., >;n.iu„g.,,ot,..,- ,i.. mu.n.n.ies m ^ ^ Flachenausicht, nach Coste. A Keitnseheibe mit der bald inaequal ( zahlreiche Ringel- ersten verticalen Furche, B dieselbe mit zwei sich kreuzen- krebse). Auch kann die anfangs ^en Vertlealfurchen. C und O .-eiter vorgeschrittene Stadiea von der Furchung freigebliebene centrale Dottermasse später eine Art Nachfurchung erfahren. (Fig. 132.) In wieder anderen Fällen hat der Nahrungsdotter bei Beginn der Furchung eine peripherische Lage, so dass der Theilungsvorgang im Innern des Eies beginnt. Fk^ 132. mit kU'ineu centralen Fiirchungssegmenten. B ^^^^^^ Inaequale Fure.hnug des centrolecithalen Eies vom (ramniani« ?o<;!/.s?(i, zum Theil nach Ed. van B ene den. mit der centralen Dottermasse, die in dem späteren Stadium (D) eine Nachfurchung erfährt. Indessen gelangen auch hier früher oder später, nachdem der Nahrungsdotter allmälig in den centralen Raum des Eies gerückt, die protoplasmatischen, kern- haltigen Furchungszellen an die Oberfläche. So besonders bei den Eiern der Spinnen (Fig. 133) und Insecten, wo sie, eine superficiale Furchung vor- täuschend, eine peripherische Lage von Zellen darstellen. Die ersten Vorgänge 108 Blastula (Blastosphaera). der Furchiing entziehen sich bei diesen edoJecithahn Eiern, weil sie, von dem Nahrungsdotter verdeckt, im Innern des Eies zum Ahlauf kommen, sehr häufig der Beobachtung, bis die Kerne mit dem sie umgebenden Protoplasma in die Peripherie rücken, während nunmehr der fettreiche, oft trübkörnige Xahrungs- dotter die centrale Masse des Eies bildet (Insecten). Ebenso mannigfaltig wie die Formen der Dotterklüftung erscheint die Lagerung der Furchungszellen. Häufig ordnen sich dieselben bei der aequalen und centralen Furchung in Form einer einschichtigen Keimblase [Blastula, Blastosphaera) an, welche als Hohlkugel nicht selten verflüssigte Elemente des Fior. 133. Furehungsstadien eines Spinneneies {Phüodromus Uinhatus), nach Hub. Ludwig. 4 Ei mit zwei deutoplas- matisehen Theilrosetten (Furchungskugeln), B die Theilrosetten mit ihren kernhaltigen Protoplasmacentren stärker vergrössert, C Ei mit einer grossen Zalil von Theilrosetten, D die Theilrosetten werden durch polyedrlsche Deutoplasmaportionen repräseutirt, von denen je eine einer über ihr gelegenen Blastoderm- zelle entspricht. E Stadium mit vollendeter Blastodermbildung, F optischer Querschnitt durch dasselbe. Die Deutoplasmaportionen innerhalb der Keimblase bilden einen geschlossenen Kugelmantel um den hellen Centralraum. Nahrungsdotters umschliesst. Die Anordnung, welche die Zellen der Keimblase bieten, wiederholt die der Zellindividuen von Protozoencolonien (z. B. Volvox), mit welchen auch aus diesem Grunde die Blastula als einfachste Metazoenform phylogenetisch in Verbindung gebracht werden dürfte. In anderen Fällen son- dern sich die Dotterzellen sogleich als zwei Schichten um einen flüssige Theile enthaltenden Centralraum, oder es liegen die Zellen als solide, keine Central- höhle umschliessende Masse zusammengedrängt. In zahlreichen Fällen, vor- nehmlich wenn bei relativ reichlich vorhandenem Dotter (inaequale und discoi- dale Furchung) oder bei beständiger Nahrungszufuhr die Embryonalentwick- lung einen auf längere Zeit ausgedehnten complicirten Verlauf nimmt, erscheint 109 die Alllage des Keimes als eine dem Dotter aufliegende Zellenscheibe, welche den Primitivtheil darstellt und sich frühzeitig in zwei Schichten oder Blätter sondert, den Dotter aber erst nachher umwächst. Aus der Keimblase entwickelt sich die zweischichtige Gasfrulaform sehr oft durch luvagination (embolische Gastruld), indem sich die eine (zuweilen schon durch grössere und köruchenreichere Zellen ausgezeichnete) Hälfte gegen die andere einstülpt und unter Verengerung der Einstülpungsöflfnung [Dlasioporus, Gastrulamund) zu der die Centralhöhle bekleidenden Eutoderm- Fi>senilen 32 Furehung'izellen hebt sich em .lusseies feinkornifres Ektoplasma und ein inneres helles Endoplasma ab, B späteres Stadium, C Embryo nach der Delamination mit abgehobenem Ektoderm und grosszelligem, die Furchungshöhle unischliessendem Entoderm. der Invagination eine polare Einwucherung von Zellen, welche die Keimblasen- höhle völlig füllen und sich, als Hypoblast anordnend, eine nach aussen durch- brechende Gastralhöhle gewinnen (Äequorea). Seltener und bislang nur bei ein- zelnen Hvdroidquallen {Geryonia) nachgewiesen, erscheint die Entstehung der Gastrula durch Delamination oder concentrische Spaltung der Blastosphaera- zellen in eine äussere und innere Lage. Der centrale Hohlraum geht dann aus der ursprünglichen Furchungshöhle hervor, während der Gastrulamund erst secundär zum Durchbruch gelangt. (Fig. 135.) Bei ausgeprägt inaequaler 110 Primitivstreifeu. Dottersack. Furchimg kommt eudlich die Gastrulabildung dadurch zu Stande, dass die früh- zeitig gebildeten kleineren Epiblastzellen allmälig die viel umfangreicheren H3'poblastzellen überwachsen und .sich als dünne Zellenschicht über dieselbe ausbreiten. (Fig. 126.) Man hat diesen Vorgang als Epibolie bezeichnet. Bei dieser Form der Gastrulabildung entsteht die Ga.stralhöhle ebenfalls in der Eegel secundär, im Centrum der dichten Anhäufung von Hypoblastzellen. Zum Blastoporus aber wird die Stelle, an welcher die Umwachsung des Hypoblasts ihren Abschluss findet. Nicht selten schreitet ein Theil der Embryonal anläge meist unter Be- theiligung mesodermaler Zellen rascher vor und erscheint als streifenförmige Verdickung, welche bilateral symmetrisch die Bauch- oder Kückenseite des Leibes bezeichnet. Häufig kommt es jedoch nicht zur Bildung eines solchen Keini' oder Frimitivstreifens, indem sich die Anlage des Embr3'os gleichmässig fortentwickelt. Früher Fig. 136. - , . ,. ., legte man aut diesen Ge- ^ ^ ^ ^ gensatz grossen Werth „^^T^fS;;?^. ,^® ' © und unterschied nach 6 demselhen eine Evolutw ''® ex una parte und eine ; Evohitio ex omnibuspar- s» '' f?V^*'.s. Indessen sind beide Formen der Entwicklung "^ s : weder scharf abzugren- zen, noch haben sie die A Ein .Stadium de. iuaequal sich furchendeu Eies vou iWeWa. ü epibo- -i frfihpr al« GpaPtl- lis-he Gastrula derselben, nach Spengel. lUUeil 11 UUei dlb Uregeil satz zugeschriebene Be- deutung, da sie von der Menge des Dottermaterials abhängen und sich in dieser Hinsicht selbst nahe Verwandte verschieden verhalten können. Eine allseitige und mehr gleichmässige Entwicklung des Embryoualleibes, der im Falle einer fehlenden Dottermembran überhaupt nicht von einer Hülle umschlossen zu sein braucht, finden wir bei den Coelentc raten und Echmodermen, sodann bei nie- deren Würmern und Mollusken^ aber auch bei manchen GUedeHhieren {^Anne- liden und Arthropoden) und Vertcbraten (AmpMoxus). Bei den letzteren wird jedoch die Bildung des Keimstreifens, welche mit der Anlage des Nerven- systems in innigem Zusammenhange steht, später nachgeholt und vollzieht sich im Verlaufe der postembryonalen Eiitwicklung am Körper der frei schwim- menden, selbstständig sich ernährenden Jugendform. Ganz ähnlich verhalten sich viele Polychaeten und Arthropoden (Branclnpus), w^elche den Keimstreifen während des fortschreitenden Wachsthums erst als Larven ausbilden. Da, wo ein Keimstreifen gebildet wird, erhält der Embryo erst durch die Umwachsung des Dotters allmälig seine volle Begrenzung unter Vorgängen, mit welchen die vollständige Aufnahme des Dotters in den Leibesraum {^Frosch, Insect) oder auch die Entstehung eines Dottersackes verbunden ist [Cephalo- Anlage der Organe. Bedeutung des Gastruhistadiuiiis. 111 podcn. Hdk', Vögel, Säirgethkrc), der die Dotterreste nach und nach iu den Körper des Eml)ryo überführt. Die allmälit>- fortschreitende Orgauisirung des letzteren l)is zu seinem Austritte aus den Eihüllen nimmt jedoch in den ein- zelnen Thiergruppen einen ausserordentlich mannigfachen Verlauf, für den sich kaum allgemeine Gesichtspunkte als überall massgebend ableiten lassen. Man wird hier als iu erster Linie bedeutungsvoll hervorheben, dass in der Anlage des Keimes zwei Zellenlagen zur Sonderung kommen: ein das äussere Integument bildendes Ektoderm (Epiblast) oder Hautblatt und ein Entoderm (Hypoblasti oder Darmdrüseublatt, welches die Auskleidung der verdauenden Cavität, beziehungsweise des Mitteldarmes imd seiner Anhaugsdrüsen liefert. Schon Carl Ernst v. Baer erkannte die Bedeutung dieser Zellenlagen für den Aufbau des Yertebratenleibes und bezeichnete beide Keimblätter als die „Pri- mitiv o r g an e". Zwischen der äusseren und inneren Zellenlage bilden sich bei den Bilateralthieren intermediäre Zellenschichten, die alsMesoderm oder mittleres Keimblatt bezeichnet werden, wenn sie sich ihrer Anlage nach auf vom ürdarme abgelöste, selbstständig gewordene Faltungen zurückführen lassen, während man isolirte, aus beiden Blättern herausgetretene Zellen und Zellengruppen als „Mesenchymbildungen" unterscheidet. Aus den mesodermalenZellenstraten entstehen das Muskelsystem und das bindegewebige Skelet, ferner die körper- lichen Elemente der Lymphe und des Blutes, sowie die Wandungen des Ge- fässsystems, während die Leibeshöhle entweder einem zwischen Ektoderm und Entoderm zurückgebliebenen Räume (primäre Leibeshöhle) entspricht oder secundär (secuudäre Leibeshöhle), sei es durch Spaltung der Zellenlagen des Mesoderms (Coelom), sei es durch Divertikel, von der Darmanlage aus (entero- coele Leibeshöhle) entstanden ist. Das Nervensystem und die Sinnesorgane nehmen wahrscheinlich allgemein ihren Ursprung aus dem oberen Blatt, sehr häufig vorbereitet durch eine grubenförmige oder rinnenartige Einsenkung mit nachfolgender Abhebung; dahingegen bilden sich die Harn- und Geschlechts- drüsen bei den Coelenteraten sowohl aus dem äusseren als inneren, bei den Bilateralthieren aus dem mesodermalen Blatte. Demgemäss entstehen im All- gemeinen zuerst die Haut- und Darmaulagen, auf welche sogar viele Embry- onen beschränkt sind, wenn sie, als sogenannte Planida- oder Gastrulaformen mit einer zweischichtigen Zellwandung und einem inneren Gastralraum ver- sehen, die Eihüllen verlassen. Dann folgt die Sonderung des Nervensystems und der Muskulatur — zuweilen zugleich mit oder auch nach der Skeletan- lage — vornehmlich da, wo es zuvor zur Bildung eines Primitivstreifens kam. Erst später differenziren sich die Harnorgane und verschiedenen Drüsen, sowie die Blutgefässe und Athmungsorgane. Indessen werden die ersten Jugend- zustände, sowohl hinsichtlich der Körperform und Grösse, als der gesammten Organisation in sehr ungleichen Verhältnissen der Ausbildung im Vergleich zu den ausgewachsenen fortpflanzungsfähigen Lebensformen geboren. Höchst bemerkenswerth erscheint die Thatsache, dass in verschiedenen Thierkreisen der auf die beiden Zellenlagen beschränkte, mit centraler Höhlung 112 Homolog^ie der Keimblätter. versehene Embryo als frei bewegliche, zu selbstständigem Leben befähigte Jugend- form hervortritt. Es lag daher nahe, zumal schon vor langer Zeit Th. Huxley ') die beiden Grundmembranen des Medusenleibes (von Allman später als Eldo- denn und Enioderm bezeichnet) mit dem äusseren (Hautsinnesblatt) und in- neren ( Darmdrüsenblatt 1 Blatte des Vertebratenkeimes verglichen hatte, von dem ähnlichen, durch den Furchungsprocess des Dotters eingeleiteten Bildungs- vorgange übereinstimmender Larven von entfernt stehenden Thiertypen auf den gleichen phylogenetischen Ursprung zurückzuschliessen und functionell übereinstimmende Organe verschiedener Typen ihrer Entstehung nach auf eine übereinstimmende üranlage zurückzuführen. Zuerst war es A. Kowalevsky '). welcher dieser Auffassung durch die Ergebnisse seiner zahlreichen Unter- suchungen über Entwicklungsgeschichte niederer Thiere Grund und Boden gab. indem er nicht nur das Vorkommen zweischichtiger Larven für Coelen- teraten, Echinodermen, Würmer, Ascidien und unter den Vertebraten für Am- pMoxus nachwies, sondern auch auf Grund der grossen Ueberein Stimmung in den weiteren Entwicklungsvorgängen der Ascidien- und AmphioxusJarve. sowie in der Entstehungsweise gleichwerthiger Organe am Embryo von Würmern, In- secten und Vertebraten gegen die bis dahin herrschende, an Cuvier's Typus- begriff anschliessende Meinung auftrat, dass die Organe verschiedener Typen nicht einander homolog sein könnten. Indem Kowalewsky') aus den Ergeb- nissen seiner entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten den Schluss zog, dass das Sinnesblatt und die Embryonalhäute bei Insecten und Vertebraten homolog sind, dass die Keimblätter von Amphioxus und der Vertebraten denen der Mollusken ( Tunicaten ). beziehungsweise Würmer entsprechen, gab er in Ueber- einstimmung mit der längst anerkannten Thatsache, dass auch anatomische Zwischenformen und Verbindungsglieder verschiedener Thierkreise oder Typen bestehen, und dass diese letzteren nicht etwa in sich abgeschlossene Pläne der Organisation, sondern nur die höchsten Abtheilungen im Systeme repräsentiren. im Grunde nur den Anforderungen der Descendenzlehre einen entwickluugs- geschichtlichen Ausdruck. In der That war es ein vollkommen richtiger Schluss, dass Kowalevsky die Homologie der Keimblätter in verschiedenen Typen als wissenschaftliche Basis der vergleichenden Anatomie und Embryologie be- trachtete und als Ausgangspunkt für das Verständniss der Verwandtschaft der Typen erkannte, für die wir bei den Wirbelthieren auf jedem Schritte Beweise finden. Wenn aber für Kowalevsky die eigenen umfassenden embryologischen Erfahrungen Anlass zu vorsichtigem Kückhalt gaben, traten andere zu kühner *) Th. Huxley, On the anatomv and affinities of the family of Medusae. Philosophical Transactions. London, 1849. 2) Vergl. A. Ko-waleT.?ky"s verschiedene Aufsätze in den Memoires de TAcad. de St.-Petersbourg über JRipjyenquallen, Phnronis, Hohthurien, Ascidien und Amphioxus, 1866 und 1867. ') A. Kowalevsky, Embrj'ologische Studien an Würmern und Arthropoden. St.-Petersbourg, 1871, pag. 58—60. Homologie ili-r KeiiiibUitter. 113 Generalisiruug angeleckte Forscher sogleich mit fertigen Theorien hervor, in denen sie die Resultate embryologischer Forschungen im Anschluss an die Descendeuzlehre verwertheten. Unter diesen ist E. Haeckel's Gastraeatheorie hervorzuheben, welche keinen geringeren Anspruch erhebt, „als an Stelle der bisherigen Classification auf der Basis der Phylogenie ein neues System zu setzen, dessen oberstes Classificationsprincip die Homologie der Keimblätter und des ürdarms und demnächst die Diflferenzirung der Kreuzachse (bila- terale und radiäre Bauart) und des Coeloms ist". E. Haeckel bezeichnete die zum Ausgang benutzte Larvenform als Gadrula und glaubte in derselben das in der individuellen Entwicklung erhaltene Abbild einer gemeinsamen Urform zu erkennen, avf welches sämmtUche Meiazonn ihrer Abstammung nach ZK rückzuführen seien. Für die hypothetische Stammform, die schon in früherer Primordialzeit während der laurentischen Periode gelebt haben soll, führte er den Namen Gastraea ein, während er die urweltliche Gruppe der in vielen Gattungen und Arten während jenes Zeitraumes verbreiteten Gastraeaformen Gastraeaden nannte '). Aus dieser Supposition wurde dann für sämmtliche Metazoen die Homologie des äusseren und inneren Keimblattes gefolgert, jenes auf das Ektoderm, dieses'auf das Entoderm der hypothetischen Gastraea zurück- geführt, dagegen für das mittlere Keimblatt, welches sich erst secundär zwischen den \iQ\AQ\\ primären Blättern und aus einem derselben oder aus beiden ent- wickelt haben sollte, eine nur incomplete Homologie beansprucht. Die neue Lehre, welche im Grossen und Ganzen eine Generalisiruug der Baer-Remak'schen Keimblätterlehre (übertragen von den Vertebraten auf das gesammte Gebiet der Metazoen) ist, konnte jedoch nicht zu einem tiefer begründeten Verständ- niss der Unterschiede in der Organisation der Thierkreise führen, und es war ein misslungener Versuch, die divergente Entwicklung derselben von dem ge- meinsamen Ausgangspunkt der hypothetischen Gastraeaden aus dem Gegen- satze bilateraler und radiärer Bauart (Protascus — Proihehvis) oder des Vor- handenseins, beziehungsweise Mangels einer Leibeshöhle {Coelomaten — Acoe- lomier) erklären zu wollen. Diese zur Begründung der Gastraeatheorie versuchte Ableitung ist denn auch seither als ein unhaltbarer Versuch von keiner Seite mehr aufrecht erhalten worden, und es ist das, was man jetzt unter Gastraea- lehre versteht, von der ursprünglichen Theorie durchaus verschieden, indem man dieselbe jetzt auf die Homologie der beiden Keimblätter beschränkt. Die Lehre vermochte daher die seitherige Classification nicht wesentlich zu ver- ändern, geschweige denn durch eine andere, neue zu ersetzen. Mit grösserem Rechte wird für die Ableitung der Metazoen von den Protozoen die Blastula ^) ( Blastosphaera) herangezogen, die geradezu als noth- wendiges Bindeglied zwischen Protozoen und Metazoen erscheint, während von ') E. Haeckel, Gastraeatheorie. Jeu. nat. Zeitschrift, 1874. *) Vers;!. C. Claus, Cuvier's Typenlehre imd Haeckers sogenannte Gastraeatheorie. Wien, 1874. C. CUus: Lchrbui-h tler Zoologii^ 5. Aufl. 8 114 Homologie «ler Keimblätter. Coelomtheorie. dieser aus die zweischichtige Form auf sehr verscbiedenem Wege ursprünglich entstanden sein kann. Erkannten wir die erste Arbeitstheilung, welche das Zellen- material eines vielzelligen Organismus erfährt, in der Sonderung von Fort- pflanzungszellen (Geschlechtszellen und Körperzellen), so erscheint es durchaus nicht selbstverständlich und noch weniger durch die bisher bekannt gewor- denen ontogenetischen Erfahrungen bewiesen, dass sich auf höheren Entwick- lungsstufen sogleich eine zusammenhängende Zellenlage auf dem Wege der Invagination hervor))ildet und eine ausschliessliche Beziehung zur Ernährung und Verdauung gewinnt, dass sich somit zuerst eine Invaginationsgastrula entwickeln musste, welche freilich den Bedingungen der für den freibeweg- lichen Organismus bei verstärkter (Irössenzunahme nothwendig werdenden Plächenvermehrung am einfachsten und besten entspricht. Es konnten ebenso gut vereinzelte Zellen ^) in den Hohlkörper eintreten und mit oberflächlichen Zellen verbunden oder auch für sich mittelst amoeboiden Fressens die Ernäh- rung besorgen und die Arbeitstheilung zwischen inneren Nährzellen und ober- flächlichen Bewegungszellen begründen. In der That verhalten sich in dieser Weise die jüngsten, dem Gastrulastadium vorausgehenden Larvenformen vieler Spongien (HaU'sarca, Äscetta) und Hydroidmedusen. Erst später bildet sich eine zusammenhängende entodermale Zellenlage nebst Blastoporus oder Gastrula- mund, während die isolirt eingewanderten Zellen theilweise oder sämmtlich zu neuen besonderen Functionen Verwendung finden. Hiermit würde auch die durch andere ontogenetische Befunde erwiesene Thatsache Verständniss gewinnen, dass Entoderm und Mesoderm ( Mesoblast ) genetisch in unmittelbarer Beziehung stehen, da das Mesoderm gerade bei niederen Thieren so häufig als Theil des Entoderms zur Sonderung gelangt oder doch aus demselben seinen Ursprung nimmt. Auch andere Verhältnisse, wie z.B. die ungleiche Bedeutung des Blasto- porus, welcher in vielen Fällen zur Afteröftnung. in anderen zur Pharyngeal- öffnung wird, stehen der Deutung der Gastrula als eines phyletisch überall gleichwerthigen Formzustandes entgegen. Besonders aber sind es die grossen Verschiedenheiten in der Bildung des Mesoderms, durch welche eine einheitliche Auffassung der Entwicklungs- vorgänge aller Metazoentypen zur Zeit niclit durchführbar erscheint. Auch nach dieser Seite hin wurden in neuerer Zeit von Forschern, welche die Frage des zweiblätterigen Keimzustandes für erledigt halten konnten, der Versuch gemacht, die Verschiedenheit der complicirten, von der Gastraea aus sich entwickelnden Organisation zu erklären (Coc/omfhcor/e) '). Dieselben wollen den Ursprung des mesodermalen Zellenmaterials auf zwei ganz verschiedene Bildungen zurück- führen und hiernach die Metazoentypen unter Ausschluss der zweiblätterigen ') E. Metschnikoff, Vergleiehend-embryologische Studien. lieber die Gastrulu einiger Metazoen. Zeitschr. für wiss. Zoologie, Tom. XXXVII. 1880.. ") 0. Hertwig und R. Hertwig. Die Coelomtheorie, Versuch einer Erklärung des mittleren Keimblattes. .Tena. 1881. Coelomtboorio. Mesenchyiu. Directe Kutwicklmig und Metamorphose. 115 Coelenterateii in zwei Keilieu gruppiren. Nur in der einen Keihe (der Entero- coelier) handle es sich um ein wahres mittleres Keimblatt, welches als Mesob/asi zwischen den beiden primären epithelialen Blättern, dem EldoUast und Enio- hJnsf, durch Faltung des letzteren als Epithellamelle seinen Ursprung nehme. In der anderen Keihe (der Psevdocoelier) lassen sie das mesodermale Zellen- nuiterial nicht als Keimblatt gelten, sondern unterscheiden dasselbe als Mescn- chym, welches auf isolirt eingewanderte Zellen zurückzuführen sei und in Yer- oindung mit dem Ergüsse eines gallertig flüssigen Secretes die Füllung zwischen beiden Keimblättern darstelle. Unstreitig ist es nun sehr verdienstlich, diesen Unterschied betont und für die zweite Form der Mesodermbildung die zweck- mässige Bezeichnung Mesenchym eingeführt zu haben ; zu einem Fortschritt aber in dem Verständniss der genetischen Beziehungen der Metazoentypen hat die Lehre nicht geführt. Denn weder ist ein fundamentaler Unterschied zwischen den Zellen,welche untereinander verbunden in epithelartiger Anordnungzwischen die Keimblätter gelangen, und solchen, welche für sich vereinzelt aus dem Ver- bände austreten und in die primäre Leibeshöhle einwandern, constatirbar, noch ist der Ursprung des Mesenchyms, welches zu der verschiedensten Zeit noch vor der Entoblastbildung, dann später aus Ektoblast und Entoblast und sogar aus dem Mesoblast (Vertebraten) sich entwickeln kann^ ein einheitlicher. In ersterer Hinsicht können nahe Verwandte sich verschieden verhalten, indem z. B. die Ctenophoren ein mesodermales Blatt besitzen, die Acalephen und Po- lypen Mesenchymbildungen entwickeln. Andererseits umfasst das Mesenchym die verschiedenartigsten, untereinander ungleichwerthigen Bildungen. Ferner ist es eine reine Voraussetzung, die Entstehung des Mesoblasts aus Falten des Entoblasts als die primäre zu betrachten, zumal gerade bei den niedersten Typen Mesenchymkeime noch vor der Difterenzirung eines Entoblasts im Blastula- stadium einwandern und sich ein Entoblast aus Mesenchymkeimen bilden kann. Auch sind die Mollusken, welche neben den Bryozoen, Rotiferen und Platy- helminthen als Pseudocoelier betrachtet werden, in Wahrheit mit dem gleichen Rechte wie die Chaetopoden Enterocoelier; im Grunde bleiben nur die paren- chymatösen Platyhelminthen, welche schon E. Ha ecke 1 als Äcoelomi'er allen übrigen Typen entgegenstellte, als Pseudocoelier übrig. Das Verständniss der Verwandtschaft zwischen den Metazoentypen erscheint daher durch die soge- nannte Coelomtheone nicht erheblich ofefördert. Directe Entwickluna: und Metamorphose. Die embryonale Entwicklung wird im Allgemeinen eine um so grössere Complication bieten und um so grössere Zeit für sich in Anspruch nehmen, je mannigfaltiger und höher die Organisation ist, welche der Embryo zu erreichen hat. Demgemäss werden die höheren Thierformen eine viel complicirtere Em- bryonalentwicklung von weit längerer Zeitdauer als die niederen zu durch- laufen haben, besonders dann, wenn das aus dem Ei ausschlüpfende Junge im 8* 116 Directe Kiitwicklimg und Mctamoriihose. Larvenorfrane. Frosi-hlarv« Fig. 137. b N m Wesentlichen schon die Organisationsstufe der Geschlechtsform erreicht hat und, von der geringeren Körpergrösse abgesehen, mit jenem, übereinstimmend gestaltet ist. In diesem Falle beschränkt sich die postcmh-yonah Entwick- lung im freien Leben auf ein einfaches Fortwachsen und auf die Ausbildung der anfangs noch unreifen Geschlechtsorgane. Nimmt dagegen das Embrjonal- leben im Verhältniss zur Höhe der Organisation einen relativ raschen und ein- fachen Verlauf, wird mit anderen Worten der Embryo frühzeitig und auf einer niederen Organisations.stufe geboren, so wird sich wiederum die freie Entwick- lung viel complicirter gestalten und neben der Grössenzunahme mannigfache Vorgänge von Umbildung und Formveränderung darbieten. Das neugeborne Junge erscheint dann dem ausgewachsenen Thiere gegenüber als Larve und wächst allmälig und keineswegs di- rect und gleichmässig, sondern im Anschluss an die Bedürfnisse einer selbstständigen Ernährung und Ver- theidigung, eventuell unter anderen Lebensbedingungen an einem ganz verschiedenen Aufenthaltsort und daher unter „provisorischen" Ein- richtungen zu der Form des Ge- schlechtsthieres aus. Man nennt diese Form postembryonaler Ent- wicklung Metamorphose. Bekannte Beispiele von Meta- morphose liefert die Entwicklungs- geschichte der Amphibien und In- secten. Aus den Eiern der Frösche und Kröten (Fig. 137) schlüpfen geschwänzte, extremitätenlose Lar- ven, die sogenannten Kaulquappen aus. Dieselben erinnern durch ihren comprimirten Kuderschwanz und die Kiemenathmung an die Fische und besitzen in zwei kleinen kehlständigen Sauggruben Haftorgane, um sich an Pflanzentheilen vor Anker zu legen. Die Mundöffnung besitzt als Bekleidung eine Hornscheide, der spiralig aufgerollte Darmcanal ist auffallend lang, das Herz einfach, und die Gefässbogen verhalten sich denen der Fische ähnlich. Nachdem mit fortschreitendem Wachsthum die äusseren Kiemenbäumchen rückgebildet und durch neue, von einer Haut- duplicatur überwachsene Kiemenblättchen ersetzt worden sind, auch der Haut- saum des Schwanzes eine bedeutendere Höhe erlangt hat, wachsen zunächst die hinteren Gliedmasseu hervor, während die vorderen, wenngleich keineswegs später angelegt, noch längere Zeit unter der Körperhaut versteckt bleiben und erst später nach aussen durchbrechen. Inzwischen haben sich auch die Lungen Larvenzu-stände des Frosches, nach Ecker. «Embryo eini(;e Zeit vor dem Ausschlüpfen mit warzenförmigen Kieraenvorspriingen auf den Visceralbögeu, h I>arve einige Zeit nach dem Ausschlüpfen, mit Kiemenbäumchen, c ältere Larve mit Hornschnabel und kleiner Kiemenspalte unter dem häutigen Kiemendeckel, mit inneren Kiemen. JV Nasengrube, .S Sauggrube, A' Kiemen, -4 Auge, ffi: Horn- zähne. ezielumg der Metamorphose zur Fruchtbarkeit. 117 als Anhänge des Vorderdarmes entwickelt und als Athmungsorgane die Kiemen verdrängt, die Duplicität des Herzens und Kreislaufs ist zur Ausbildung gelangt und der Hornscbuabel abgeworfen. Schliesslich bleibt noch diedurchSchrumpfung vorbereitete Rückbildung des Schwanzanhanges übrig, um aus der wasser- lebenden Kaulquappe die zum Landleben befähigte Frosch- oder Krötenform hervorgehen zu lassen. (Fig. 138.) Für die allerdings durch Uebergänge verbundenen, bei schärferer Aus- prägung aber bestimmt gegenüberstehenden Entwicklungsformen der Meta- morphose und der dü-eden EnhvickUmg erscheint in erster Linie die Quantität des dem Embryo zu Gebote stehenden Bildungs- und Nahrungsmateriales im Fio^. 138. Spätere Eutwicklungsstadieu de.s KriJtenfrosches {Pdohates fuscus). a Larve noch ohne Extremitäten mit hohem Flossenkamm, h ältere Larve mit hinteren Gliedmassen, c geschwänzte Larve mit beiden Glied- massenpaaren, d junger Krötenfrosch mit Schwanzstummel, e derselbe nach Verlust des Stummels. Verhältniss zur Grösse des ausgewachsenen Thierleibes von Bedeutung (R. Leuckart). Die Thiere mit dired er Entwicklung bedürfen — und zwar im Allgemeinen proportional der Höhe ihrer Organisationsstufe und Körpergrösse — einer reicheren Ausstattung des Eies mit Nahrungsdotter oder besonderer accessorischer Ernährungsquellen für den sich entwickelnden Embryo, sie ent- stehen daher entweder aus relativ sehr grossen Eiern ( Vögel) oder bilden sich in inniger Verbindung mit dem mütterlichen Körper unter fortwährender Zu- fuhr von Nahrungsstoffen aus (ßähgethiere). Die Thiere dagegen, welche sich mittelst Metamorphose entwickeln, entstehen durchwegs in relativ kleinen Eiern und erwerben nach der Geburt selbstständig durch eigene Thätigkeit das ihnen im Eileben gewissermassen vorenthaltene, für ihre weitere Entwicklung 118 l>ie Entwieklungsgcschichte des Individuums als Kecapitulation der Stammesgeschichte. nothwendige Material. Die Mutterthiere jener bringen unter sonst gleichen Verhältnissen, unter Voraussetzung einer gleichen Productivität, das heisst Erübrigung einer im Verhältnisse zum Körpergewicht bestimmten Menge von Bilduugsmaterial, eine nur geringe, die Mutterthiere dieser aus der gleichen zur Fortpflanzung verwendbaren Menge von Zeugungsmaterial eine grosse Zahl von Nachkommen hervor; die Metamorphose erscheint daher als eine Ent- wicklungsform, welche die Grösse der Fruchtbarkeit, das heisst die Zahl der aus einer gegebenen Bildungsmasse erzeugten Nachkommen, beträchtlich erhöht, und hat demgemäss auch im Haushalt unter den mannigfachen Wechsel- beziehungen des Naturlebens eine grosse physiologische Bedeutung. Man hat in früherer Zeit die indirecte, unter Vorgängen mannigfacher Reductionen und Neubildungen sich vollziehende Entwicklung oder „Metamor- phose", indem man als Zweck derselben die Erhöhung der Fruchtbarkeit be- trachtete, aus dem Bedürfniss von Schutz- und Ernährungseinrichtungen der frühzeitig in's freie Leben getretenen, einfach und unvollständig organisirten Jugendform mehr teleologisch zu erklären versucht (R. Leuckart). Mit dem Nachweise solcher Wechselbeziehungen wie zwischen den besonderen Larven- organen und der eigenthümlichen Ernährungsweise und Schutzmittel ist nun zwar ein Avichtiger Factor zum Verständniss der besonderen Einrichtungen, aber ebenso zweifellos noch keine Erklärung derselben gegeben. Einer Erklärung treten wir erst mit Hilfe der Principien des Darwinismus und der Descendenz- lehre näher, nach welcher Form und Bau der Larven mit der Stammesentwick- lung (Phylogmie) in Beziehung zu setzen und in der Weise aus Formzuständen jener abzuleiten sind, dass die jüngeren Larvenzustände primitiven, die vor- geschritteneren dagegen später aufgetretenen und höher organisirten Thier- formen entsprechen würden. Li diesem Sinne erscheinen die Entwicklungsvor- gänge des Individuums als eine mehr oder minder vollständige Kecapitulation der Entwicklungsgeschichte der Art, freilich mit mannigfachen, im Kampfe um's Dasein durch Anpassung entstandenen Veränderungen und erst secundär erworbenen Eigenthümlichkeiten (Fritz Mülle r's'\ übrigens schon von älteren Anatomen, wie Fr. Meckel, behaupteter Fundaraentalsatz, von E. Haeckel als hiogenetisches Grundgesetz bezeichnet). Die Urgeschichte der Art wird dem- gemäss in der Entwicklungsgeschichte des Individuums um so vollständiger erhalten sein, je länger die Reihe der Jugendzustände ist, welche sie gleich- massigen Schrittes durchläuft; sie wird um so treuer erhalten sein, je weniger die Eigenthümlichkeiten der Jugendzustände als selbstständig erworben, be- ziehungsweise als aus späteren in frühere Lebensabschnitte zurückverlegt sich herausstellen. Indessen gibt es zahlreiche Larvenformen, die selbst erst secundär durch Anpassung zu erklären sind (fast alle Insectenlarven), und auch unter den Larven der Crustaceen, die oft eine grosse Reihe von Verwandlungen erfahren, sind nur wenige, wie das Mysisstadium der Makruren, von unmittelbar ') Fritz Müller, Für Darwin. Leipzig, 1863, pag. 75—81. Geiioratioiiswcchscl. 119 phyletischem Werthe. Die jüngeren dieser Larven, wie die Zoea der Decapoden und der für Entomostraken und Malakostraken gleich bedeutungsvolle NaupUas weisen keineswegs, wie man früher glaubte, auf uralte Staiiimgruppen der Zoeopoden und Naupliaden hin, sondern tragen unverkennbare Spuren secun- därer, durch Anpassung erworbener und in die Jugendform zurückverlegter Merkmale. Dagegen scheint die bei den Anneliden und Mollusken verbreitete Loven'sche Larve ( Trochophora oder Trochosphaei-a) einen hohen phyletischen Werthzu besitzen und auf gemeinsame Stammformen dieserKreise hinzuweisen. Die Metamorphose ist daher eine mit der phyletischen Entwicklung innig verknüpfte Erscheinung und offenbar die primäre Form der Entwicklung. Die in der Entwicklungsgeschichte erhaltene geschichtliche Urkunde wird nun aber durch Vereinfachung und Abkürzung der freien Entwicklung allmälig verwischt, indem die aufeinanderfolgenden Phasen der Umgestaltung allmälig mehr und mehr in das Leben des Embryos zurückgedrängt werden und unter dem Sehutze der Eihüllen auf Kosten eines reichlicher abgeschiedenen Nährmaterials ( secundärer Dotter, Eiweiss, Ernährung mittelst Placenta ) rascher und in abgekürzter Form zum Ablauf kommen (Gameehn, F/ii,sskrebs, 8äuge- fhiere). Bei den Thieren mit directer Entwicklung ist demnach die complicirte Entwicklung innerhalb der Eihüllen eine zusammengezogene und vereinfachte Metamorphose und also die sogenannte directe Entwicklung der Metamorphose gegenüber eine secnndäre Entwicklungsform. Generationswechsel, Polymorphismus, Heterogouie und Disi^ogouie. Sowohl bei der directen als indirecten Entwicklung mittelst Metamor- phose kommen die aufeinanderfolgenden Formzustände in der Lebensgeschichte desselben Individuums zum Ablauf. Es gibt aber auch Formen der freien Ent- wicklung, bei welcher das Individuum nur einen Theil der Umgestaltungen durchläuft, während die von ihm erzeugten Nachkommen den andern Theil derselben zur Erscheinung bringen. Dann wird der Lebenscyclus der Art durch zwei oder mehrere Generationen repräsentirt, welche bei verschiedener Ge- staltung und Organisation unter abweichenden Lebensbedingungen sich er- nähren und in verschiedener Weise fortpflanzen. Eine solche Entwicklungsform ist der Generationswechsel [Metagenese), der gesetzmässige Wechsel einer geschlechtlich ausgebildeten Generation mit einer oder mehreren ungeschlechtlich sich fortpflanzenden Generationen. Vom Dichter Chamisso') an den Salpeu entdeckt, jedoch länger als zwei Decennien unbeachtet geblieben, wurde der Generationswechsel von J. Steenstrup ^) *) A d a 1 b e r t d e C h a m i s s o, De animalibus quibusdain o classe veniiium Linnaeana in circumnavigatione terrae auspicante comite N. Rouianzoff duce Ottone de Kotzebue aiiiiis 1815, 1816. 1817, 1818 peracta. Fase. I. De salpa. Beroliiii, 1819. *) Job. Jap. Sm. Steenstrup, Ueber den Generationswech.sel etc., übersetzt von C. H. L Grenzen. Kopenhagen, 1842. 120 Ammen. Entwicklung der Scheibenquaüen. wieder entdeckt und an der Fortpflanzung einer Reibe von Thieren (Medusen, Trematoden) als ein Entwicklungsgesetz erörtert. Das Wesen derselben berubt darauf, dass die Geschlecbtstbiere Nacbkoramen erzeugen, welcbe von ibren Eltern zeitlebens verschieden bleiben, jedoch fortpflanzungsfäbig sind, und zwar auf ungescblecbtlicbem Wege als ^.Ammen'^ eine Brut hervorbringen, die ent- weder zur Organisation und Lebensweise der Geschlecbtstbiere zurückkehrt, oder sich abermals ungeschlechtlich vermehrt und erst in ihren Nachkommen zu den Geschlechtsthieren zurückführt. Im letzteren Falle nennt man die erste Generation der Ammen die ,^Grossammen^^ und die von ihnen erzeugte zweite Ammengeneration ^Ammen'-'; das Leben der Art wird dann durch die Ent- wicklung von drei verschiedenen, aus einander hervorgehenden Generationen Fi?. 139. %^4 b \W ^ '' ~^f M- Entwicklung de:* Plauula von Chrysaora bis zur achtarmigen Scyphistomaform. a Zweischichtige Planula mit der engen Gastralspalto. — b Dieselbe nach ihrer Festheftung mit ueugebildeter Mundöflfnung (o) im Stadium der Teutakelbilduug. — c Vierarmiger Scyphistomapolyp. r«fc Ausgeschiedenes Cuticularskelet — d Achtarmiger Scyphistomapolyp mit weit geöffnetem Munde. M Längsmuskeln der Gastralwülste. (Geschlechtsthier, Grossamme und Amme ) zusammengesetzt. Die Entwicklung der zwei, drei oder zahlreichen Generationen kann eine directe sein oder auf einer mehr oder minder complicirten Metamorphose beruhen, und ebenso kann das Verhältniss von Ammen zur Geschlechtsgeneration bald mehr dem von ähnlich sich ernährenden und eine ähnliche Organisationsstufe vertretenden Thierformen (z. B. Salpen), bald dem von Larve und Geschlechtsthier (z. B. Medusen) entsprechen. Demgemäss haben wir verschiedene Formen von Ge- nerationswechsel zu unterscheiden, die auch genetisch eine verschiedene Ab- leitung und Erklärung finden. Das letztere, der Metamorphose ähnliche Verhältniss der Metagenese haben wir uns in den meisten Fällen in der Weise entstanden zu erklären, dass die Ammenform, einem niederen Zustande der Stammesentwicklung ent- sprechend, von diesem die Fähigkeit ungeschlechtlicher Fortpflanzung ererbte, während die geschlechtliche Fortpflanzung lediglich dem pb^^letisch höchsten Scyphistoma. 121 Gliede zukam. Beispielsweise die Metagenese der Schirmquallen. Die aus dem Ei ausgeschlüpfte, bewimperte Planula (Gastrula mit geschlossenem ürmund) setzt sich nach längerem ümherschwärmen an dem bei der Bewegung nach vorne gerichteten Pole fest und gewinnt an dem freien Pole eine neue Mund- öffnung, in deren Umgebung mit dem fortschreitenden Wachsthum 1, 2, 4, 8, schliesslich 16 lange Fangarme hervorwachsen, während sich das breite Mundfeld als contractiler Mundkegel erhebt (Fig. 139). In das Innere der e Fio-. 139. e Sechzehnarmige Scyphistoma (schwächer vergrösäert). Gir Gastralwülste. — ./' Begiuneude Strobila- bildung von Chrysaora, der Tentakelkranz bis auf die basalen \VüI>;te noeh unverändert. Gastralhöhle springen vom Fusspunkt bis zur Basis des Mundkegels vier von Längsmuskelzügen begleitete Gastralwülste vor. Nachdem der nunmehr zur Scyphistoma (Scyphostoma) gewordene Polyp unter günstigen Ernährungs- bedingungen eine gewisse Grösse (von etwa 2 bis 4 Mm.) erreicht hat, bilden sich am vordem Körpertheil ringförmige Einschnürungen aus, durch welche eine Eeihe von segmentähnlichen Abschnitten entsteht. Zunächst schnürt sich der vorderste, den Tentakelkranz umfassende Körpertheil ab. und ihm folgt, indem sich neue Segmentringe continuirlich in der Kichtung von vorne nach hinten abschnüren, eine grössere oder geringere Zahl von Abschnitten, hinter 122 Strobila. Ephyra. Metagenese der Salpcii. Hydroidcn. denen das kolbig angeschwollene Endstück des Polypenleibes ungetbeilt bleibt. Die Scyphistoma ist zur Strohüa geworden, welche selbst verschiedene Ent- wicklungssphasen durchläuft. Während sich nämlich die Fangarme zurückbilden, gestalten sich die aufeinanderfolgenden, durch Einschnürungen abgesetzten Segmente unter Bildung von Lappenfortsätzen und Kandkörpern (rückgebil- deten Tentakeln ) zu kleinen, flachen Scheiben um. welche sich loslösen und als Ephyren die Larven der Schirmquallen darstellen (Fig. 139 g, h). Im anderen Falle, wo Amme und Ge- schlechtsthier, wie bei den Salpen. morpho- logisch einander gleichstehen, dürfte sich die Metagenese (ähnlich wie Trennung des Geschlechtes aus dem Hermaphroditismns ) auf dem Wege der Arbeitstheilung aus ur- sprünglich gleichgestalteteu Geschlechts- thieren, welche zugleich Knospen produ- cirten, entwickelt haben. Es war für die Entwicklung der regelmässigen Knospen- kette ( am Stolo prolifer ) von Yortheil. dass an den dieselbe producirenden Individuen die geschlechtliche Zeugung unterdrückt und die Fortpflanzungsorgane bis zum schliesslichen Schwunde der Anlagen rück- gebildet wurden, während die zu Ketten vereinigten Individuen ihre Geschlechts- organe frühzeitig zur weiteren Ausbildung brachten, dagegen die Anlagen zum Stolo prolifer völlig rückbildeten. Wie aber überhaupt bei der unge- schlechtlichen Fortpflanzung durch Knos- pung im Falle unterbliebener Abtrennung Colonien und Stöcke von Einzelthieren ihren Ursprung nehmen, so ergeben sich auch bestimmte Formen des Gene- rationswechsels durch den dauernd aufrecht erhaltenen Verband von Amme und Geschlechtsthier (Hydroiden). Gestalten sich die am Thierstock sprossen- den Individuen nicht alle in gleicher Weise zu ernährenden und aufammenden imd zu Geschlechtsindividuen, sondern differiren dieselben nach Bau und Gestaltung so. dass sie entsprechend verschiedene Leistungen und Arbeiten für die Erhaltung des Stockes besorgen, so ergibt sich die als Polymorphismus^) bekannte Form des Generationswechsels, welche an den poh'morphen Thier- stöcken der Siphonophoren zu hoher Ausbildung gelangt. Diese Form des Gene- rationswechsels lässt sich oft von der Metamorphose schwer oder überhaupt nicht ') ß. Leuckart, Ueber den Polymorphismus der Individuen oder die Erscheinung der Arbeitstheilung in der Natur. Giessen, 1851. \ g Ausgebildete Strobila mit sich loslösenden Ephyren. — h Die t'reigewordene Ephyra (von circa lö bis 2 Mm. Durcbm."). Heterogonie. Uhaliflouema iiigrovi'iiosum. 123 abgrenzen, weil es sich um Erzeugung von Individualitätszustäudeu liandelt, welche in einem Falle Organcomplexe bleiben, im anderen zur Selbstständigkeit gelangen (Bandwürmer, Tnenia, Bothrwcepha/us^ Lüjula. (JaryopJiyUaeus). Eine der Metagenese ähnliche, aber genetisch in anderer Weise zu erklärende Form der Fortpflanzung ist die erst in neuerer Zeit bekannt ge- wordene Heterogonie. Dieselbe charakterisirt sich durch die Aufeinanderfolge verschieden gestalteter, unter abweichenden Ernährungsverhältnissen lebender Geschlechtsgenerationen, von denen sich eine oder mehrere auch agam durch Fig. 140. a Rhahdoiiema nigrot-eiiosum von circa So Mm. Länge im Stadium der männlichen Reife. Spicula. spontane Eientwicklung bei Ausfall der Männchen fortpflanzen können. Die zuerst für kleine Nematoden (Rhahdonema nigrovenosumi und Leptodera appen- dicidata) nachgewiesene Heterogonie ist wohl kaum anders als durch An- passung an veränderte Lebensbedingungen entstanden zu denken. Je nachdem der kleine Kundwurm als Parasit unter günstigen Ernährungsbedingungen sich entwickelt oder im Freien auf die spärlichen Nährstoffe in feuchter Erde oder schlammigem Wasser angewiesen ist, gestaltet sich der Körper des Ge- schlechtsthieres auch in seiner Organisation in dem Masse verschieden, dass wir beiderlei Formen nach den Difi'erenzen ihres Baues zu verschiedenen Gattungen stellen würden. Bei Rhahdonema nigrovenomm aus der Lunge der Batrachier und der zu ihr gehörigen, frei lebenden „RhabdäiV^ — und dasselbe gilt für einige andere, erst in jüngster Zeit bekannt gewordene Fälle von Heterogonie kleiner Nematoden {Rhahdonema intestinalis aus dem Darme des Menschen und Rhah- 124 ditis stercoralts, Ällantonema mirahile mit seiner freien Khabditisgeneration) — folgen beide Generationen in streng alternirendem Wechsel (Fig. 140 a und h). Nicht so bei Leptodera appendicnlata aus der Wegschnecke, indem hier die alternirende Fortpflanzung nicht nothwendige Bedingung ist, vielmehr das Ein- treten in die eine oder andere Form facultativ nach den besonderen Verhält- nissen wechselt. Bei den Insecten trifft man Formen von Heterogonie, für welche zugleich der Wechsel parthenogenetischer Eientwicklung mit der befruchteter Eier charakteristisch ist und ein oft sehr ausgeprägter Polymorphismus der zu einer Art gehörigen Individuen zur Erscheinung kommt. Soz.B. bei den Kindenläusen (Chermes) und Wurzelläusen {Phylloxerct), bei denen sich eine oder mehrere (geflügelte und ungeflügelte) weibliche Generationen parthenogenetisch fort- pflanzen und lediglich aus eierlegenden Weibchen bestehen, während die be- fruchtete Eier ablegende Generation von Weibchen zugleich im Vereine mit Männchen — durch die ^^" ' Eeduction der Mund- theile und des Darm- apparates, sowie die geringe Körpergrösse ausgezeichnet — nur zu einer bestimmten Jahreszeit zur Erschei- nung kommt. Als eine Vorstufe von Hetero- gonie kann man den bei manchen Schmetterlingen, wie bei Vanessa (prorsa) levana höchst ausgesprochenen Saisondimorphismus betrachten, für welchen charakteristisch ist, dass zu verschiedenen Jahreszeiten Generationen mit ver- schieden gefärbter Flügelzeichnung auftreten (Fig. 141). Aehnliche Formen von Heterogonie haben mit dem Generationswechsel vornehmlich dann grosse Aehnlichkeit, wenn die parthenogenetischen Gene- rationen dem Ausfall der Begattung und Befruchtung weiterhin angepasst sind und als agame begattungsunfähige Weibchen in ihrem Generationsapparat wesentliche Abweichungen dem sich begattenden Weibchen gegenüber gewonnen haben. Dieser Fall trifft für dieBlattläuse und Gallenläuse zu, deren Fortpflanzung man nach dem Vorgange von Steenstrup und v. Siebold lange Zeit als Gene- rationswechsel beurtheilte, bis die auf die Fortpflauzungsvorgänge der ver- wandten Kindeuläuse gestützte Auffassung als Heterogonie (Claus) zur Geltung gelangte. Nach dieser sind die vivipareu sogenannten Blattlausamwen eine Form von abweichend gestalteten, der parthenogenetischen Fortpflanzung angepassten Weibchen, und der Keimstock derselben ist nichts Anderes als das modificirte Ovarium. Es gibt aber auch Fälle, bei welchen die parthenogenetische Entwicklung des Eies schon frühzeitig in dem eben angelegten Ovarium der Jugendform -AVeibchen. a, Winterform, h Somim Weis m a ii n . j Pafdogouese. Miastor. 25 beginnt, die Fortpflanzung also in das Larvenleben zurück verlegt wird, und sich demnach die Larve physiologisch einer larvenähnlichen Amme gleich verhält. Dann erhalten wir, wie durch Nie. Wagner für die Larven einer Gall- mücke, 'CecuUnnijia (Miastor), und durch 0. Grimm für die Puppen einer CÄ«-o»om»s-Art bekannt wurde, eine dem Generationswechsel ähnliche Form von Heterogonie, welche im Zusammenhange mit frühzeitig eingetretener parthenogenetischer Eientwicklung zu erklären ist. Schon die morphologisch unentwickelte Jugendform oder Larve hat die Fähigkeit gewonnen, mittelst ihrer Keimanlage sich fortzupflanzen, eine Erscheinung, welche man nach dem Vorschlage von C. E. v. Baer als Paedogemse bezeichnet hat. Wenn man Pig 140 die Keimanlage als a c de Keimstock und die in derselben enthal- tenen Zellen als Keimzellen oder Sporen deuten will, so würde die Fort- pflanzung der Ceei- domyien in die Ka- tegorie des Gene- rationswechsels fal- len, eine Deutung, welche jedoch um so weniger haltbar ist, als der dem Pflan- zenreich entlehnte Begriif von „Spore" bei den Metazoen überhaupt durch keine Thatsache be- gründet werden kann und demnach unhaltbar wird. Die als Sporen oder Keimzellen betrachteten Fortpflanzungs- zellen der Metazoen dürften wohl in allen Fällen dem Zellencomplexe ent- stammen, welcher die Anlage des Ovariums repräsentirt und meist schon in frühen Stadien der Embryonalentwicklung nachweisbar ist. Dem entsprechend ist es kaum zweifelhaft, dass auch die Entwicklung der Distomeen, die man bislang auf Generationswechsel zurückführte, einer mit Paedogenese verbundenen Form der Heterogonie entspricht (C. Grobben). Nach Ablauf der Furchung und Embryoualentwicklung verlassen die bewimperten Embryonen (Fig. 142 a, h) meist im Wasser die EihüUen und gelangen auf dem Wege solbstständiger Wanderung au den Körper einer Schnecke, in deren Entwicklungsgeschichte von Distommn, zum Theil nach R. Leuckart. a Frei- schwimmender bewimperter Embryo des Leberegels. — 6 Derselbe contrahirt, mit Darmanlage D und Zellenhaufen Ov (Anlage der Genitaldrüse), Ex Wim- perapparat der Wassei-gefässanlage. — c Die aus einem Distomum-Embryo hervorgegangene Sporocyste, mit Cercarienhrut (C) gefüllt, B Bobrstachel einer Cercarie. — d Redie mit Mund (0), Pharynx (P)iJ und Darm (D), Ex. Ex- cretionsorgan, C Cercarienbrut im Innern derselben. — c Freigewordene Cercarie. .S' Saugnapf. T> Darm. 126 Entwicklung der Distoraeen. Leibesraum sie eindringen, um zu einer sclilauchförmigeu oder verästelten Sporocysie (Fig. 142 c), beziehungsweise zu einer mit Mund und Darmanlage versehenen Redte (Fig. 142 d) zu werden. Diese morphologisch tiefstehenden Entwicklungsstadien erzeugen durch sogenannte Keimkörner oder Sporen eine Generation von Nachkommen, welche als ,,Cercarien-^ (Fig. 142 e) frei werden, dann sich im Körper eines Zwischenträgers nach Verlust von Mundstachel und Schwanzanhang encystiren (Fig. 143 d) und, von hier in den Organismus des definitiven AYohnthieres übertragen, zum Geschlechtsthier heranwachsen. Es ist jedoch auch hier in hohem Grade wahrscheinlich, dass das Keimorgan, aus deren Zellen die Cercarien stammen, den Zellencomplex der Ovarialanlage repräsentirt, deren Elemente sich ohne Zuthun von Zoospermien, also partheno- genetisch, entwickeln. Es würden alsdann die soge- nannten Keimschläuche (Sporocysten oder Redien) fortpflanzungsfähige Larven sein. Die Cercarien aber repräsentiren eine zweite, weiter vorgeschrittene Larvenphase. Mit beweglichem Schwanzanhang, häufig auch mit Augen und Mundstachel versehen, zeigen sie in ihrer Organisation bis auf den Mangel entwickelterer Generationsorgaue bereits grosse Aehnlichkeit mit den Geschlechtsthieren, zu denen sie sich erst im Leibe eines andern, meist höher or- ganisirten Wohnthieres nach Verlust ihrer Larven- organe ausbilden. Wer den Begriff der Spore als ungeschlecht- liches Fortpflanzungsproduct aufrecht erhält, wird in der Praxis unmöglich eine scharfe Grenze zwi- schen Generationswechsel und Heterogonie durch- zuführen im Stande sein, da es für Spore und par- thenogenetisch sich entwickelnde Eizelle kein abso- lutes Criterium gibt. Im anderen Falle aber, bei der wie es scheint, zutreffenden Deutung der soge- nannten Sporen als spontan entwicklungsfähige Zellen der Ovarialanlage, sind Gener ationsicechsel und Heterogonie scharf von einander abzugrenzen, indem sich die Ammenzustände lediglich durch Sprossung und Theilung vermehren, während die Fortpflanzung durch sogenannte Keim- zellen als spontan entwicklungsfähige Eizellen der Heterogonie zufällt. Ein wesentlicher Charakter sowohl der Heterogonie als des Generatiom- ivechsels beruht auf der verschiedenen Gestaltung der im Leben der Art auf- tretenden Generationen, welche meist in regelmässig alternirendem Wechsel folgen. Es gibt aber auch Formen der Fortpflanzung, bei denen in der Lebens- geschichte des Individuums zwei in verschiedener Weise sich fortpflanzende Zustände folgen. Diese sind für die Erklärung der Entstehungsweise des Gene- rationswechsels und der Heterogonie von grossem Interesse, indem sie gewisser- Jugendliches Distomum, nach La Valette. Ex Stämme des W'asser- gefässsystems, Ep Excretionsporus. O MundöfFnuug mit Saugnapf, .'■ Saugnapf in der Mitte der Bauch- fläche, r Pharynx, D hufeisenför- miger Darm. Gescliii-htlicher üeberblick. Aristoteles, X27 raassen als Vorstufen der alternirenden Folge zweier oder mehrerer Generationen von Individuen erscheinen. Hieher gehört der sogenannte Generationswechsel bei Steinkorallen (Blastotrochus ), welche sich als Jugendformen durch Knospung fortpflanzen, ohne damit die Fähigkeit zu verlieren, später in das Stadium der Geschlechtsreife einzutreten. In die Kategorie der unvollkommenen Heterogome würden die Fortpflan- zungsvorgänge der Phyllopoden und Rotatorien zu stellen sein, deren Weibchen Sommereier (mit parthenogenetischer Entwicklung) und später befruchtungs- bedürftige Wintereier erzeugen (Daphm'dev). Erst da, wo die Existenz be- sonderer, in dem angeführten Falle parthenogenesirender Generationen, welche sich nur ohne Männchen fortpflanzen, neben besonderen Geschlechtsgenerationen nachweisbar ist und für jene Besonderheiten bestehen, mit welchen der Ausfall der Befruchtung im Zusammenhang steht, werden wir eine wahre Heterogonie zu constatiren haben. Eine an die Heterogonie erinnernde, aber von derselben verschiedene Form der Fortpflanzung wurde als Dissogom'e bezeichnet. Dieselbe ist unter den gelappten Rippenquallen verbreitet und beruht auf der in zweifachen Formzuständen des Individuums, der Larve und der morphologisch entwickelten Form, eintretenden geschlechtlichen Fortpflanzung. Wie Chun nachgewiesen hat, gelangen wahrscheinlich unter dem Einfluss erhöhter Temperatur die cydippenförmigen Larven von Eucharis und Bolina alsbald nach dem Verlassen der Eihülle zur Geschlechtsreife, bilden aber nach Ablage befruchteter Eier die sexuellen Keimlager wieder zurück, um sich allmälig zu den gelappten Rippen- quallen weiter zu entwickeln. Als solche erlangen sie viele Monaxe später zum zweiten Male die Geschlechtsreife, so dass die geschlechtliche Thätigkeit der- selben durch die Metamorphose unterbrochen wird. In ähnlicher Weise dissogon (man könnte sagen polygen) verhalten sich auch zahlreiche Hydroidmedusen {Eucope variahüis) und Siphonophoren {Forshalia, Hah'stemma), indem sie in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung vor Eintritt in das morphologisch aus- gestaltete Endstadium Geschlechtsproducte erzeugen. G-escMclitliclier TJeberblick'). Die Anfänge der Zoologie reichen weit in das Alterthum zurück, doch kann erst Aristoteles (im 4. Jahrh. v. Chr.), welcher die Erfahrungen seiner Vorgänger mit eigenen ausgedehnten Beobachtungen in philosophischem Geiste wissenschaftlich verarbeitete, als der Begründer dieser Wissenschaft gelten. Die wichtigsten seiner zoologischen Schriften ^j handeln von der ,,Zeu(iHng'der *) Victor Carus, Geschichte der Zoologie. München, 1872, ^j Vergl. besonders Jürgen Bona Meyers Aristoteles' Thierkunde. Berlin, 1855. A. V. Prantzius, Aristoteles' Theile der Thiere. Leipzig, 1853. Aubert und Wimmer. Aristoteles' fünf Bücher von der Zeugung und Entwicklung der Thiere, übersetzt und erläutert. Leipzig, 1860. Aubert und W immer, Aristoteles' Thierkunde, Band I und II. Leipzig. 1868. J28 Aristoteles. Plinius. Gessner. Thiere^, von den „Theüen der Thiere'' und von der ,^Ge^chichte der Thiere''. Leider ist das letzte wichtige Werk nur unvollständig erhalten. Man darf in Aristoteles nicht etwa einen descriptiven Zoologen und in seinen Werken ein bis in's Kleinste ausgeführtes Thiersystem suchen wollen ; dem grossen Denker musste eine einseitige Behandlung der Wissenschaft fern liegen. Ari- stoteles betrachtete das Thier als lebendigen Organismus in allen seinen Beziehungen zur Aussenwelt, nach Entwicklung, Bau und Lebenserscheinungen, und schuf eine vergleichende Zoologie, die in mehrfacher Hinsicht als erste Grundlage unserer AVissenschaft dasteht. Die Unterscheidung in Bluithiere (svociaa) und Blutlose (söv/w.y.), welche er jedoch nicht als streng systematische Begriffe gebrauchte, beruht freilich der Bezeichnung nach auf einem Irrthum. da der Besitz einer Blutflüssigkeit allen Thieren zukommt und die rothe Farbe keineswegs, wie Aristoteles glaubte, als Criterium des Blutes gelten kann; allein dem Lihalte nach stellte sie die zwei grossen Abtheiluugen der Wirhel- thiere und Wirbellosen gegenüber, wie auch bereits der Besitz einer knöchernen oder grätigen Wirbelsäule als Charakter der Blutthiere hervorgehoben wurde. Die acht Thiergruppen des Aristoteles sind folgende: Blutthiere (svaw.a.) = Wirbelthiere. 1) Lebendig gebärende Thiere (Vierfüsser, 'CoiOTO/.oOvTy. sv scOTotc), neben welche als besonderes vsvoc die Wale gestellt werden, 2 ) Vögel (opviOs;), 3) eierlegende Vierfüsser (TSToäTToSy. ri xr.ofiy. c-jOToy.oijvTy.), 4) Fische (i/^O'jsc). Blutlose (y.vy.vj.y.) ^= Wirbellose, 5) Weichthiere (aa};a/.ta, Cephalopoden), 6) Weichschalthiere (ax'Xy.x.o'jTcy.xy.), 7) Kerfthiere (svToaa), 8) SchaJthiere ( öcrTpy.x.oSipao.Tx, Echinen, Schnecken und Muschelthiere). Nach Aristoteles hat das Alterthum nur einen namhaften zoologischen Schriftsteller in Plinius dem Aeltern aufzuweisen, welcher im ersten Jahr- hundert n. Chr. lebte und bekanntlich bei dem grossen Ausbruch des Vesuv (79) als Flottencapitän seinen Tod fand. Die Naturgeschichte von Plinius behandelt die gesammte Natur von den Gestirnen an bis zu den Thieren, Pflanzen und Mine- ralien, ist aber kein selbstständiges Werk von wissenschaftlichem Werth, sondern nur eine aus vorhandenen Quellen zusammengetragene und keineswegs durch- aus zuverlässige Compilation. Plinius schöpfte aus Aristoteles in reichem Masse, verstand ihn aber oft falsch und nahm auch hier und da alte, von Aristoteles zurückgewiesene Fabeln als Thatsachen wieder auf. Ohne ein eigenes System aufzustellen, unterschied er die Thiere nach dem Aufenthalte in Landthiere (Terrestria), Wasserthiere (Aquatilia) und Flugthien^e (Volatilia), eine Eintheilung, die bis auf Gessner die herrschende blieb. Mit dem Verfalle der Wissenschaft gerieth auch die Naturgeschichte in Vergessenheit. Der unter dem Bann des Autoritätsglaubens gefesselte mensch- Albertus Magnus, Aldrovaudus, AVotton, M. A. Severino, Kedi, Reaumur, Linn«. 129 liehe Geist fand im Mittelalter kein Bedürfniss nach selbstständiger Natur- betrachtung. Aber in den Mauern christlicher Klöster fanden die Schriften des Aristoteles und P 1 i n i u s ein Asyl, welches die im Heidenthum begrün- deten Keime der Wissenschaft vor dem Untergange schützte. Während im Laufe des Mittelalters zuerst der spanische Bischof Isidor von Sevilla (im 7. Jahrh.) und später Albertus Magnus (im 13, Jahrh.) Bearbeitungen der Tliiergeschichte (ersterer noch nach dem Vorbilde von Plinius) lieferten, traten im 16. Jahrhundert mit dem Wiederaufblühen der Wissenschaft die Werke des Aristoteles wieder in den Vordergrund, aber es regte sich auch bereits das Strebeu nach selbstständiger Beobachtung und Forschung. Werke wie die von C. Ges.sner, Aldrovandus, Wotton zeugten von dem neu erwachenden Leben unserer Wissenschaft, deren Inhalt mit der Entdeckung neuer Welttheile immer mehr bereichert wurde. Dann im nach- folgenden Jahrhundert, in welchem H a r v e y den Kreislauf des Blutes, K e p p 1 e r den Umlauf der Planeten entdeckte und Newton's Gravitationsgesetz die Physik in eine neue Bahn brachte, trat auch die Zoologie in eine fruchtbare Epoche ein. M. Aurelio Severino schrieb seine Zootomia democritaea (1645) und gab in derselben von verschiedenen Thieren anatomische Darstellungen, mehr zum Nutzen und zur Förderung der menschlichen Anatomie und der Physio- logie. Swammerdam in Leyden zergliederte den Leib der Insecten und Weichthiere und beschrieb die Metamorphose der Frösche. Malpighi in Bo- logna und Leeuwenhoek in Delft benutzten die Erfindung des Mikroskops zur Untersuchung der Gewebe und der kleinsten Organismen (Infusionsthier- chen"). Letzterer entdeckte *die Blutkörperchen und sah zuerst die Querstreifen der Muskulatur. Auch wurden von einem Studenten Hamm die Samenkörperchen entdeckt und wegen ihrer Bewegung als „Samenthierchen" bezeichnet. Der Italiener E e d i bekämpfte die elternlose Entstehung von Thieren aus faulenden Stoffen, wies die Entstehung von Maden aus Fliegeneiern nach und schloss sich dem berühmten Ausspruch Harvey's: „Omne vivum ex ovo" an. Im 18. Jahrhundert gewann vornehmlich die Kenntniss von der Lebensgeschichte der Thiere eine ausserordentliche Bereicherung. Forscher wie Reaumur, Rösel von Rosenhof, de Geer, Bonnet, J. Chr. Schaeff er, Ledermüller etc. lehrten die Verwandlungen und die Lebensgeschichte der Insecten und ein- heimischen Wasserthiere kennen, während zu derselben Zeit durch Expeditionen in fremde Länder aussereuropäische Thierformen in reicher Fülle bekannt wurden. In Folge dieser ausgedehnten Beobachtungen und eines immer mehr wachsenden Eifers, das Merkwürdige aus fremden Welttheilen zu sammeln, war das zoologische Material in so bedeutendem Masse angewachsen, dass bei dem Maugel einer präcisen Unterscheidung, Benennung und Anordnung die Gefahr der Verwirrung nahe lag und der Ueberblick fast unmöglich wurde. Unter solchen Verhältnissen musste das Auftreten eines Systematikers wie Carl Linne (1707 — 1778) für die fernere Entwicklung der Zoologie von grosser Bedeutung werden. Zwar hatten schon vorher die systematischen Be- C. Claus: Lehrbu'-h der Zoologie. 5. Aufl. 0 J30 Kay. Systema naturae. strebungen in Ray, der mit Recht als Vorgänger Linne's an erster Stelle ge- nannt wird, eine gewisse Grundlage, indessen keine durchgreifende methodische Gestaltung gewonnen. John Ray führte zuerst den Artbegriif * ) ein und be- rücksichtigte anatomische Charaktere als Grundlage der Classification. In seiner 1693 erschienenen Schrift: „Synopsis der Säugethiere und Reptilien" schliesst er sich an Aristoteles' Eintheilung in Blutführende und Blutlose an. Be- züglich der ersten legte er den Grund zu den Definitionen der vier ersten Linn ersehen Classen, die Blutlosen sonderte er in grössere (Cephalopoden, Crustaceen und Testaceen) und in kleinere ( Insecten). Ohne sich weitreichender Forschungen und hervorragender Entdeckungen rühmen zu können, wurde L i n n e durch die scharfe Sichtung und strenge Glie- derung des Vorhandenen, durch die Einführung einer neuen Methode sicherer Unterscheidung, Benennung und Anordnung für die Entwicklung der Wissen- schaft von grosser Bedeutung. Indem er für die Gruppen verschiedenen Umfanges in den Begriffen der Art, Gattung, Ordnung, Classe eine Reihe von Kategorien aufstellte, gewann er die Mittel, um ein System von scharfer, präciser Gliederung zu schaffen. Andererseits führte er mit dem Principe der binären Nomenclatur eine feste und sichere Bezeichnung ein. Jedes Thier erhielt zwei aus der lateinischen Sprache entlehnte Namen, den voranzustellenden Gattungsnamen und den Speciesnamen, welche die Zugehörigkeit der fraglichen Form zu der bestimmten Gattung und Art bezeichnen. In dieser Weise ordnete Linue nicht nur das Bekannte, sondern schuf zur übersichtlichen Orientirung ein systematisches Fachwerk, in welchem sich spätere Entdeckungen leicht an sicherem Orte ein- tragen Hessen. Das Hauptwerk L i n n e's : „Systema naturae'-^ welches in dreizehn Auf- lagen mannigfache Veränderungen erfuhr, umfasst das Mineral-, Pflanzen- und Thierreich und ist seiner Behandlung nach am besten einem ausführlichen Kataloge zu vergleichen, in welchem der Inhalt der Xatur wie der einer Bi- bliothek, unter Angabe der bemerkenswerthesten Kennzeichen, in bestimmter Ordnung einregistrirt wurde. Jede Thier- und Pflanzenart erhielt nach ihren Eigenschaften einen bestimmten Platz und wurde in dem Fache der Gattung mit dem Speciesnamen eingetragen. Auf den Namen folgte die in kurzer latei- nischer Diagnose ausgedrückte Legitimation, dieser schlössen sich die Syno- nyma der Autoren und Angaben über Lebensweise, Aufenthaltsort, Vaterland und besondere Kennzeichen an. Wie L i n n e auf dem Gebiete der Botanik das künstliche, auf die Merk- male der Blüthen begründete Pflanzensystem schuf, so war auch seine Classi- fication der Thiere eine künstliche, weil sie nicht auf der Unterscheidung natürlicher Gruppen beruhte, sondern vereinzelte Merkmale des inneren und ') „Welche Formen nämlich der Species nach verschieden sind, behalten diese ihre specifische Natur beständig, und es entsteht die eine nicht aus dem Samen einer anderen oder umsrekehrt." Systema naturae. Lamaick. X31 äusseren Baues als Charaktere verwerthete. L i u n e brachte die bereits von Ray begründeten Verbesserungen der Aristotelischen Eintheilung zur Durch- führung, indem er nach der Bildung des Herzens, der Beschajßfenheit des Blutes, nach der Art der Fortpflanzung und Respiration folgende sechs Thierclassen " aufstellte : 1) Säugctlnere, MammoJia. Mit rothem warmen Blute, mit einem aus zwei Vorkammern und zwei Herzkammern zusammengesetzten Herzen, lebendig gebärend. Als Ordnungen wurden unterschieden : Primates (^mit den vier Gattungen Homo, Simia, Lemur, Vespertih'o), Bnifa, Ferae, Glires, Pecora^ Belluae, Cete. 2) Vögel, Äves. Mit rothem warmen Blute, mit einem aus zwei Vorkam- mern und zwei Herzkammern zusammengesetzten Herzen, eierlegend. Äcctpttres, Pt'cae, Änseres, Grallae, Gallinae, Passeres. 3) Amphibien, Amphihia. Mit rothem kalten Blute, mit einem aus ein- facher Vor- und Herzkammer gebildeten Herzen, durch Lungen athmend, Reptilia (Testudo, Draco. Lacerta, Rana\ Serpentes. 4) Fische, Pisces. Mit rothem kalten Blute, mit einem aus einfacher Vor- uud Herzkammer gebildeten Herzen, durch Kiemen athmend. Apodes, Jugidares, Thoracici, Abdominales, Branchiostegi, Chondropterygii. 5) Insecten, Insecta. Mit weissem Blute und einfachem Herzen, mit ge- gliederten Fühlern. Coleoptera, Hemiptera, Lepidopjtera, Neuroptera, Hymenoptera, Diptera, Aptera. 6) Würmer, Vermes. Mit weissem Blute und einfachem Herzen, mit un- gegliederten Fühlfäden. Mollusca, Iniestina, Testacea, Zoophyta, In- fusovia. Während die Nachfolger L i n n e's die trockene und einseitig zoographi- sche Behandlung weiter ausbildeten und das gegliederte Fachwerk des Systems irrthümlich als das „Naturgebäude" ansahen, erkannten einzelne hervorragende Forscher die Mängel des Linne'schen Systems und suchten dasselbe zu ver- bessern und umzugestalten. Buffon, ein Feind der Classificationen, glaubte in dem Systeme überhaupt einen dem Geiste auferlegten Zwang zu erkennen und deutete bereits auf einen einheitlichen, stufenweise abändernden Plan im Thierreich hin mit den Worten: „Es gibt eine ursprüngliche und allgemeine Vorzeichnung, die man weit verfolgen kann."" Von grosser Bedeutung waren aber in erster Linie die vonLamarck vorgeschlagenen, der ,,natürlichen Stufen- ordnung" entsprechenden Aenderuugen des Systems, indem dieselben die Linne'sche Classe der Würmer in eine Reihe von Classen auflösten und diese nebst der Classe der Insecten als Wirbellose den vier ersten Classen oder Wirbel- thieren gegenüberstellten. Schon iiu Jahre 1794 unterschied L am arck neben den Wirb elthierclassen die fünf Ciassender M)ZZitsÄ;ew, Insecten, Würmer, Echi- nodermen und Polypen, die er jedoch später vermehrte, bis er schliesslich dem Inhalt der Wirbellosen, vom Verwickelten zum Einfachen absteigend, in den zehn Classen der Mollusken, Cirripedien, Anneliden, Crustaceen, Arachnideu, Insecten, ]32 Georg Ciivier. Würmer, Radiaten (an Stelle der Echinodermen mit Einschluss der Weich- strahlthiere oder Acalephen ), Polypen und Infusorien seine Anordnung gab. Somit Avar in bedeutungsvoller Weise dem Systeme vorgearbeitet, mit welchem Cuv ier hervortrat, welches durch Verschmelzung der zoologischen und ana- tomischen Charaktere den Anforderungen eines natürlichen Systems näherkam. Georg Cuvier, geboren zuMömpelgard 1769 und erzogen auf der Karls- akademie zu Stuttgart, später Professor der vergleichenden Anatomie am Pflan- zengarten zu Paris, veröffentlichte seine umfassenden Forschungen in zahl- reichen Werken, insbesondere in den „Legons d'anatomie comparee^^ (1805). Erst 1812 stellte er in seiner berühmt gewordenen Abhandlung*) über die Eintheilung der Thiere nach ihrer Organisation eine neue, wesentlich ver- änderte Classification auf, welche den Anstoss zu dem sogenannten natürlichen System gab. Cuvier betrachtete nicht, wie dies bisher von den meisten Zoo- tomen geschehen war, die anatomischen Funde und Thatsachen an sich als Endzweck der Untersuchungen, sondern stellte vergleichende Betrachtungen an, die ihn zur Aufstellung allgemeiner Sätze führten. Indem er die Eigenthüm- lichkeiten in den Einrichtungen der Organe auf das Leben und die Einheit des Organismus bezog, erkannte er die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Organe und ihrer Besonderheiten und entwickelte in richtiger Würdigung der schon von Aristoteles erörterten „Correlation" der Theile sein Princip der nothwendigen Existenzbedingungen, ohne welche das Thier nicht leben kann {j)rincij)e de conditions d'existence oh causes finales). „Der Organismus bildet ein einiges und geschlossenes Ganze, in welchem einzelne Theile nicht abändern können, ohne au allen übrigen Theilen Aenderungen erscheinen zu lassen." Indem er aber die Organisation der zahlreichen verschiedenen Thiere verglich, fand er, dass die bedeutungsvollen Organe die constanteren sind, die weniger wichtigen in ihrer Form und Ausbildung am meisten abändern, auch nicht überall auftreten. So wurde er zu dem für die Systematik verwertheten Satz von der Unterordnung der Merkmale {pi-incipe de la Subordination des c.aractfres) geleitet. Ohne von der vorgefassten Idee der Einheit aller thieri- schen Organisation beherrscht zu sein, gelangte er vornehmlich unter Berück- sichtigung der Verschiedenheiten des Nervensystems und der nicht überall übereinstimmenden gegenseitigen Lagerung der wichtigeren Organsysteme zu der üeberzeugung, dass es im Thierreich vier Hauptzweige (Embranchements) gebe, gewissermassen „allgemeine Baupläne, nach denen die zugehörigen Thiere modellirt zu sein scheinen und deren einzelne Unterabtheilungen, wie sie auch bezeichnet werden mögen, nur leichte, auf die Entwicklung oder das Hinzu- treten einiger Theile gegründete Modificatiouen sind, in denen aber an der Wesenheit des Planes nichts geändert ist." Indessen schon Lamarck hatte erkannt und ausgesprochen, dass seine zehn Classeu der Wirbellosen nach Charakteren der Organisation und Lagen- *) Sur Uli nouveau rapprochement ä etablir emtre les classes qui composeiit le regne auimal. Ann. du Musee d'hist. nat., Tom. XIX, 1812. Die vier Tyix 38 bezieliung der Organe in mehrere den Vertebraten gleichwertliige Reihen zu ordnen seien, so dass es im Grunde nur einer entsprechenden Gruppiruug, Nameuveränderung und Umordnung jener Chissen bedurfte, um diese allge- meineren Abtheilungen zu finden und Cuvier's vier Kreise ( Emhranchements C u V i e r, Typr» B 1 a i u v i 1 1 e ) der Vertehmta oder Wirbelthiere, Molhiaca oder Weichthiere, Articulata oder Gliederthiere und Radiata oder Strahlthiere zu erhalten. Man ersieht diese Beziehung aus nachfolgender Zusammenstellung: /. Vertehi-ati'u. Säugethiere, Vögel, Reptilien, Fische. //. Ärt/rufate». 5. Insecten, 6. Arachnoideen, 7. Crustaceen, 8. Anneliden. III. Molhisken. 9 10. Cirripeden, die Mollusken- Ordnungen Lamarck's als Classen. 12 /r. Radtaten. iAcalephen, Ecliino- dermen, Vermes (inte- stinales), Polypen, Infusorien. Den Anschauungen Cuvier's, der wie keiner seiner Zeitgenossen ins- besondere das anatomische Detail beherrschte, standen jedoch die Lehren be- deutender Männer (der sogenannten naturphilosophischen Schule) gegenüber. In Frankreich vor Allem vertrat Etienne Geoffro}^ St. Hilaire ') die bereits von Buffon ausgesprochene Idee vom ürplane des thierischen Baues, nach welcher eine ununterbrochene, durch continuirliche Uebergänge vermittelte Stufenfolge der Thiere existiren sollte, üeberzeugt, dass die Natur stets mit denselben Materialien arbeite, stellte er die Theorie der Analogieeu (theon'e des anaJogues) auf, nach welcher sich dieselben Theile, wenn auch nach Form und nach dem Grade ihrer Ausbildung verschieden, bei allen Thieren finden sollten, und glaubte weiter in seiner Theorie der Verbindungen (principe des con- nexions) ausführen zu können, dass die gleichen Theile auch überall in gleicher gegenseitiger Lage auftreten. Als dritten Hauptsatz verwerthete er das Princip vom Gleichgewichte der Organe {principe du halancement des orgaues), indem jede Vergrösserung des einen Organs mit einer Verminderung eines andern verbunden sein sollte. Dieser Grundsatz führte in der That zu einer frucht- baren Betrachtungsweise und zur wissenschaftlichen Begründung der Terato- logie. Die Verallgemeinerungen waren jedoch übereilt, indem sie über die Wirbelthiere hinaus nicht mit den Thatsachen stimmten und beispielsweise zu der Ansicht, die Insecten seien auf den Rücken gekehrte Wirbelthiere, und zu anderen gewagten Auffassungen führen mussten. In Deutschland sprachen sich Goethe und die Naturphilosophen Oken und Schelling für die Einheit der thierischen Organisation aus, ohne freilich den thatsächlicheu Verhältnissen in umfassender Weise Rechnung zu tragen. Schliesslich ging aus diesem Kampfe, der in Frankreich mit Heftigkeit geführt worden war, die Auffassung Cuvier's siegreich hervor, und die Prin- ') Etienne Geoffroy St. Hilaire, Öurle principe de composition organique, 1828. 234 C. E. V. Baer. Veränderungen des Cuvier'schen Systems. cipien seines Systems fanden um so iingetheilteren Beifall, als es den Anschein gewann, dass dieselben durch die Resultate der entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten C. E. v. Baer's bestätigt wurden. Freilich wurden durch die späteren Forschungen mancherlei Mängel und Irrthümer in Cuvier's Eintheilung auf- gedeckt und im Einzelnen Vieles verändert, allein die Aufstellung von Thier- kredsen als höchster Gruppen des Systems erhielt sich und wurde durch die Kesultate der sich ausbildenden, Wissenschaft von der Entwicklungsgeschichte der Thiere unterstützt. Die wesentlichsten der nothwendig gewordenen Modificationen des Cuvier'schen Systems beziehen sich zunächst auf die Vermehrung der Typen- zahl. Während man schon seit längerer Zeit die Infusorien von den Radiaten trennte und als Protozoen den übrigen vier Bauplänen zur Seite stellte, hat man neuerdings durch Trennung der Radiaten in Coelenteraten und Echinodermen, sowie der Ärticulaten in Arthropoden und Vermes die Zahl der Thierkreise erhöht, von denen jedoch der Kreis der Mollusken wieder in drei Kreise auf- gelöst werden muss, indem von demselben die Molluscoideen und Tunicaten zu trennen sind. Die Cuvier'sche Auffassung hat jedoch insofern eine wesentliche Modi- fication erfahren, als die Vorstellung von der absoluten Selbstständigkeit, dem ohne Uebergänge begrenzten Abschlüsse eines jeden Kreises, aufgegeben werden musste. Es haben sich durch Verbindungsglieder Verknüpfungen verschiedener Typen nach mehrfachen Richtungen hin nachweisen lassen, welche den scharfen Gegensatz derselben besonders für die ersten Anfänge und tieferen Stufen ihrer Gestaltung aufgehoben haben. Aber ebensowenig wie die Uebergangsformen zwischen Thier und Pflanze die Unterscheidung der beiden allgemeinsten Be- griffe im Reiche des Organischen aufzuheben im Stande sind, wird durch solche Verbindungsglieder der Begriff von Thierkreisen oder Typen als der höchsten Abtheilungen des Thiersystems widerlegt, sondern nur ein ähnlicher oder ein gemeinsamer Ausgangspunkt für die Ausbildung verschiedener Formreihen wahrscheinlich gemacht. Und dem entspricht die mit dem Fortschritte der Entwicklungsgeschichte bekannt gewordene Thatsache, dass in verschiedenen Typen nahe überein- stimmende Larvenzustände und ähnliche Gewebsschichten (Keimblätter) der Embryonalanlage auftreten, die auf einen genetischen Zusammenhang hin- weisen. Ebenso ist durch die Ergebnisse anatomischer und embryologischer Ver- gleichung mit hohem Grade von Wahrscheinlichkeit festgestellt worden, dass die Typen keineswegs vollkommen coordinirt nebeneinanderstehen, sondern in näherer oder entfernterer Beziehung einander subordinirt sind, dass insbeson- dere die höheren Thierkreise genetisch von den Würmern abzuleiten sind. Wir halten es unter solchen Verhältnissen dem augenblicklichen Stande der Wissenschaft für angemessen, neun Typen als höchste Abtheilungen zu unterscheiden und in folgender Weise zu charakterisiren : Die nouii Thierkreise. Bedeutung des Systems. 135 1. P?-ofo20rt." Einzellige Organismen von geringer Grösse, mit Differen- zirungeu innerhalb der Sarcode, mit vorwiegend ungeschlechtlicher Fort- pflanzung. 2. Codenterata. Eadiärthiere, von zwei-, vier- oder sechsstrahligem Baue mit bindegewebigem, oft gallertigem oder auch festem verkalkten Mesoderm und centraler, für Verdauung und Circulation gemeinsamer Leibescavität ( Gastrovascularraum ). 3. Echinodermata. Eadiärthiere von vorherrschend fünfstrahligem Baue mit verkalktem, oft stacheltrageudem Hautskelet, mit gesondertem Darm und Gefässsystem, mit Nervensystem und Ambulacralsystem. 4. Vermes. Bilateralthiere mit ungegliedertem oder gleichartig (homo- nom) segmentirtem Körper, ohne gegliederte Segmentanhänge (Gliedmassen), mit paarigen, als Wassergefässsystem benannten Excretionscanälen. 5. Ärthropoda. Bilateralthiere mit heteronom segmentirtem Körper und gegliederten Segmentanhängen (Gliedmassen), mit Gehirn und Bauchgan- glienkette. 6. Molluscoidea. Bilateralthiere ohne Gliederung, mit bewimpertem Ten- takelapparat in der Umgebung des Mundes oder mit spiralig aufgerollten so- genannten Mundarmen, entweder polypenähnlich und mit fester Schalenkapsel oder muschelähnlich mit vorderer und hinterer Schalenklappe, mit einem oder mit mehreren, durch einen Schlundring verbundenen Ganglien. 7. Mollusca. Bilateralthiere mit weichem ungegliedertem Körper, ohne locomotives Skelet, meist von einer einfachen oder zweiklappigen Kalkschale, dem Absonderungsproduct einer Hautduplicatur (Mantel), bedeckt, mit Gehirn, Fussganglion und Mantelganglion. 8. Tunicata. Bilateralthiere ohne Gliederung, von sackförmiger oder tonnenförmiger Leibesgestalt, mit dickem Integument (Mantel), einfachem Ganglion, mit Herz und mit weitem, zugleich zur Respiration dienendem Pharyngealsack (Kiemensack). 9. Vertehrata. Bilateralthiere mit innerem knorpeligen oder knöchernem gegliederten Skelet (Wirbelsäule), welches durch dorsale Ausläufer (obere Wirbelbogen) eine Höhle zur Aufnahme des Rückenmarks und Gehirns, durch ventrale (Rippen) eine Höhle zur Aufnahme vegetativer Organe umschliesst, mit höchstens zwei Extremitätenpaaren. Bedeutung des Systems. Ueber den Werth des Systems ist man nicht überall und zu allen Zeiten gleicher Ansicht gewesen. Während im vorigen Jahrhundert der französische Zoolog Buffon das System für eine reine Erfindung des menschlichen Geistes ausgab, glaubte in neuerer Zeit L. Agassiz allen Abtheilungen des Systems eine reale Bedeutung beilegen zu können. Er erklärte das natürliche, auf die 136 Bedeutung des ^Systems. Artbegiiflf Verwandtschaft der Organisation begründete System für eine üebersetzung der Gedanken des Schöpfers in die menschliche Sprache, dm'ch dessen Erforschung wir unbewusst Ausleger seiner Ideen würden. Offenbar aber können wir nicht diejenige Anordnung eine menschliche Erfindung nennen, welche aus den in der Natur begründeten Beziehungen der Organisation abgeleitet ist. Und ebenso verkehrt ist es, den subjectiven Antheil unserer Geistesthätigkeit hinwegzuläugnen, da sich in jedem System ein Ver- hältniss von Thatsachen des Naturlebens zu unserer Auffassung und zum Stande der wissenschaftlichen Erkenntniss ausspricht. In diesem Sinne nennt Goethe treffend natürliches System einen sich tcidersprechenden Ausdruck. Das Reale, welches bei Aufstellung von Systemen in Betracht kommt, sind die Einzelformen als Objecte der Beobachtung. Alle systematischen Be- griffe von der Art au bis zum Thierkreis beruhen auf Zusammenfassung von übereinstimmenden und ähnlichen Eigenschaften und sind Abstractionen des menschlichen Geistes. Arthegriff'. Die grosse Mehrzahl der Forscher stimmte bis in die neueste Zeit darin überein, die Art oder Species als seibstständig in's Leben getretene Einheit mit gleichen, in der Fortpflanzung sich erhaltenden Eigenschaften an- zusehen. Man war bis in die neueste Zeit von dem Grundgedanken der Linn er- sehen Speciesdefinition : „Tot numeramus species quot ab initio creavit infinitum ens" im Wesentlichen befriedigt. Auch stand diese Anschauung mit einem auf dem Gebiete der Geologie herrschenden Dogma im Einklang, nach welchem die aufeinanderfolgenden Perioden der Erdbildung durchaus abgeschlossene Faunen und Floren bergen und durch gewaltige, die gesammte organische Schöpfung vernichtende Katastrophen begrenzt sein sollten. Insbesondere war es Cuvier, welcher diese Lehre vertrat und im Anschlüsse an dieselbe die fossilen Thiere und Pflanzen nicht als Vorfahren der jetzt lebenden betrachtete. Auf Grundlage seiner umfassenden Untersuchungen über die Knochenreste aus den tertiären Grobkalk- und Gypslagern der Pariser Umgebung glaubte C u vier aus dem Man- gel jeglicher Zwischenformen der fossilen und recenten Arten die Selbstständig- keit der letzteren folgern zu können. Zwar gestand er zu, dass sich aus den grossen Umwälzungen undKatastrophen einzelne wenige Lebensformen gerettet und in die neue Periode lebend erhalten hatten, vermochte sich jedoch über die Herkunft der zahllosen neuen Lebensformen keine Rechenschaft zu geben. Ohne an eine übernatürliche Schöpfung zu glauben, hielt er die mangelnden Zwischenformen für eine Thatsache von hohem Werth, in deren Folge das Problem des Ursprungs der neuen Arten im Dunklen blieb. Cuvier behauptete keineswegs, dass es zur Hervorbringung derselben einer neuen Schöpfung be- dürfe, sondern nur, dass jene anderswoher als aus den Lebewesen des unter- gegangenen Zeitalters entsprungen sein mussten. Thatsächlich unterscheiden sich die von einander abstammenden Thiere und Pflanzen der Jetztzeit durch zahlreichere grössere und kleinere Abweichun- gen, so dass der Artbegrift' neben der Zugehörigkeit in den gleichen Gene- Abarten. 137 ratiouskreis nicht durch die absohite Identität, sondern nur durch die Ueber- einstimmuug in den wesentlichsten Eigenschaften delinirt werden kann. Die Art oder Species würde demnach im engen Anschluss au die C u v i e r'sche Definition der Inbegriff aller Lebensformen sein, welche die u-esentlichste.n Eigen- schaften gemeinsam haben, von einander abstammen und fruchtbare Nachkommen erzeugen. Indessen lassen sich dieser Begriffsbestimmung, welcher die Voraus- setzung zu Grunde liegt, dass sich das Wesentliche der Eigenschaften durch alle Zeiten in der Fortpflanzung unveränderlich erhalten müsse, keineswegs alle Thatsachen des Naturlebens befriedigend unterordnen, und es weisen schon die grossen Schwierigkeiten, welche der Artbestimmung in der Praxis ent- gegentreten und. zwischen Art und Varietät keine scharfe Grenze zu ziehen gestatten, auf das Unzureichende des Begriffes hin. Die zu ein und derselben Art gehörigen Individuen sind untereinander nicht in allen Eigenschaften gleich, sondern zeigen allgemein Abweichungen, die bei genauer Betrachtung zur Unterscheidung der Einzelformen hinreichen. Es treten auch im Kreise derselben Art Combiuationen veränderter Merkmale auf und veranlassen bedeutende Abänderungen ( Varietäten), welche sich auf die Nachkommen vererben können. Man nennt die grösseren, mit der Fort- pflanzung sich erhaltenden Variationen constante Varietäten oder Abarten, Rassen, mid unterscheidet natürliche Rassen und Cidturrassen. Die ersteren finden sich im freien Naturleben, meist auf bestimmte Localitäten beschränkt, sie sind, wie man annimmt, in Folge klimatischer Bedingungen unter dem Ein- flüsse abweichender Lebensweise und Ernährung im Laufe der Zeit entstanden. Die Culturrassen verdanken dagegen ihren Ursprung der Zucht und Cultur des Menschen und betreffen ausschliesslich dieHausthiere, deren Ursprung grössteu- theils noch in tiefes Dunkel gehüllt ist. Nun können aber Varietäten, Avelche von einer Art abstammen, unter- einander sehr auffallend verschieden sein und in wichtigeren Merkmalen ab- weichen als verschiedene Arten im freien Naturleben. Beispielsweise erscheinen die Culturrassen der Taube, deren gemeinsame Abstammung von der Fels- taube iColwmha livia) von Darwin sehr wahrscheinlich gemacht wurde, einer so bedeutenden Abänderung fähig, dass ihre als Purzeltauben, Pfauentauben, Kröpfer, Eulentauben etc. bekannten Varietäten von dem Ornithologen ohne Kenntniss ihres Ursprungs für echte Arten gehalten und sogar unter ver- schiedene Gattungen vertheilt werden mttssten. Auch im freien Naturlebeu sind sehr häufig Varietäten der Qualität ihrer Merkmale nach von Arten nicht zu unterscheiden. Das Wesentliche der Charaktere pflegt man in der Coustanj ihres Vorkommens zu finden und die Varietät daran zu erkennen, dass die sie auszeichnenden Merkmale variabler sind als bei der Species. Gelingt es, weit auseinanderstehende Formen durch eine Reihe coutinuirlich sich abstufender Zwischenformen zu verbinden, so hält man sie für extreme Varietäten derselben Art, während dieselben bei man- 138 Bastarde. gelndeu Zwischengliedern, auch wenn die sie trennenden Unterschiede geringer, nur gehörig constant sind, als Arten gelten. Mau begreift unter solchen Um- ständen, wie anstatt eines objectiven Criteriums der augenblickliche Stand der Erfahrung, das subjective Ermessen und der natürliche Takt der Beobachter über Art *j und Varietät entscheiden, und dass die Meinungen der verschiedenen Forscher in der Praxis Aveit auseinandergehen. Dieses Verhältniss haben Darwin und H o o k e r in eingehender Weise vortrefflich erörtert. Als Beispiel ist von Nägeli-) angeführt worden, dass von den in Deutschland wachsenden Äzerac/en über 300 Arten zu unterscheiden sind, Fries führt sie als 106, Koch als 52 Arten auf, während Andere kaum mehr als 20 an- erkennen. Nägeli behauptet sogar: „Es gibt kein Genus von mehr als 4 Spe- cies, über dessen Arten alle Botaniker einig wären, und es Hessen sich viele Beispiele aufführen, dass seit L i n n e die nämlichen Arten wiederholt getrennt und zusammengezogen wurden." Wir werden daher zur Bestimmung des Wesentlichen an den Eigen- schaften, wenn es gilt, Arten von Varietäten zu sondern, auf den wichtigsten Charakter des Artbegriffes zurückgewiesen, der freilich in der Praxis fast nie- mals berücksichtigt wird : auf die gemeinsame Abstammung und die Fähigkeit der fruchtbaren Kreuzung. Doch stellen sich auch von dieser Seite der Be- grenzung des Artbegriffes unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Bastarde. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dass auch Thier- formen, welche zu verschiedenen Arten gehören, sich mit einander paaren und Nachkommen, Bastarde, erzeugen, z.B. Pferd und Esel, Wolf und Hund, Fuchs und Hund. Selbst entfernter stehende Arten, welche mau zu verschiedenen Gattungen stellt, vermischen sich gelegentlich zur Erzeugung einer Nach- kommenschaft, wie solche Fälle von Ziegenbock und Schaf, Ziege und Stein- bock zur Beobachtung gekommen sind. Allein die Bastarde erweisen sich in der Kegel unfruchtbar, sie bilden Zwischenstufen mit gestörtem Generations- system ohne Aussicht auf Fortbestand, und auch im Falle der Zeugungsfähig- keit, die man häufiger an weiblichen Bastarden beobachtet hat, schlagen sie in die väterliche oder mütterliche Art zurück. Indessen gibt es für die Sterilität der Bastarde Ausnahmsfälle, welche als wichtige Beweise gegen die Abgeschlossenheit der Art zu sprechen scheinen. Nach den in Frankreich in grossem Massstabe angestellten Züchtungsver- suchen zwischen Hasen und Kaninchen scheint es, als wenn die zuerst von R 0 u X in Angouleme für den Handel gezüchteten Hasenkaninchen ( Lievres- lapins) vollständig fruchtbar wären. Auch sind Halbblut-Bastarde von Ka- ninchen und Hasen gezüchtet worden und haben sich durch viele Generationen" ') Die Aufstellung des BegriÖes der Subspecies oder Unterart, zu welchem die S^'stematik gedrängt worden ist, steht in vollständigem Widerspruch zu dem J.r^BegTiff der Schule und ist das sprechendste Zeugniss, dass die Systematiker selbst das Eelative in der Unterscheidung von Art und Varietät anerkennen. 2j C. Nägeli, Entstehung und Begriff der naturhiitorischen Art. München, 1865- Fruchtbarkeit vou Bastarden. BlemUiuge. 139 auf dem A¥ege reiner Inzucht fruchtbar fortgepflanzt. Ebenso haben sorgfältige Versuche über Bastardirung vou Pflanzen, insbesondere die Beobachtungen von W. Herbert zu dem Ergebniss geführt, dass manche Bastarde unter sich so vollkommen fruchtbar wie die reinen Stanimarten sind. Auch im freien Naturleben beobachtet man Mischformen verschiedener Arten, die nicht selten für selbstständige Arten gehalten und als solche beschrie- ben wurden {Tetrao mediiis, Bastard vom Auerhahn und Birkhuhn, Ahrami- dopsis Leuckarti, Bliccopsis ahramorutilus u. A. sind nach v. Sie hold Bastarde). Daher vermag die Sterilität der Bastarde nicht als Gesetz zu gelten, zumal auch zahlreiche Arten wild lebender Pflanzen als Bastardarten erkannt worden sind (K ö 1 r e u t e r, Gärtner, N ä g e I i -- Cirsium, Cytisus, Rubiis). ümso- weniger erscheint es für die der menschlichen Cultur unterworfeneu Thiere zweifelhaft, dass nach allmäliger Gewöhnung und Umänderung aus ursprüng- lich verschiedenen Arten persistente Zwischenformen durch Kreuzung ei-zielt werden können. Schon Pallas sprach in diesem Sinne die Ansicht aus, dass nahe ver- wandte Arten, welche sich anfangs nicht miteinander paaren oder nur unfrucht- bare Bastarde liefern, nach lange fortgesetzter Domesticirung fruchtbare Nach- kommen zeugen. Und in der That ist es bereits für einige unserer Hausthiere wahrscheinlich gemacht, dass sie in vorhistorischer Zeit auf dem Wege unbe- wusster Züchtung als die Abkömmlinge verschiedener Arten ihren Ursprung genommen haben. Insbesondere versuchte Rütimeyer diesen Weg der Ent- stehung für das Hausrind {Bos taurus) nachzuweisen, welches er als neuen Stamm aus der Kreuzung von mindestens zwei Stammformen (Bos priviigenius, brachyceros) herleitet. Auch für das Hausschwein, die Hauskatze, die zahl- reichen Hunderassen kann die Abstammung von mehreren wild lebenden Stammarten als gesichert gelten. Blendlinge. Indessen wird mau den erörterten Ausnahmsfällen gegenüber auf die stets vollkommene Fruchtbarkeit der durch Kreuzung verschiedener Eassen gleicher Art erzeugten Nachkommen, der Blendlinge, ein grosses Ge- wicht legen ; doch gibt es auch hiervon einige Ausnahmen. Abgesehen von den Fällen, in welchen die Begattung verschiedener Rassen schon aus mechanischen Gründen unmöglich ist, scheinen sich nach den Beobachtungen zuverlässiger Thierzüchter gewisse Rassen nur schwierig zu kreuzen, ja sogar einzelne durch Zuchtwahl von gemeinsamem Stamme hervorgegangene Formen überhaupt nicht mehr fruchtbar zu begatten. Die von Europa aus in Paraguay eingeführte Hauskatze hat sich dort nach Rengger im Laufe der Zeit wesentlich ver- ändert und eine entschiedene Abneigung gegen die europäische Stammform gewonnen. Das europäische Meerschwein paart sich nicht mehr mit der bra- silianischen Form, von der es wahrscheinlich abstammt. Das Porto-Santo- Kanincheu, welches im 15. Jahrhundert von Europa aus auf Porto-Santo bei J/rtf?e«Va übertragen wurde, hat sieh in dem Grade verändert, dass seine Kreu- zung mit den europäischen Kaniuchenrassen nicht mehr gelingt. \^Q Lamarck als Vorläufer Dar\vin'3. Lamarck's Desceudenzlelire, basirt auf die Theorie der directeu oder fimctiouellen Aiipassuug. Bei der Unmöglichkeit, den Artbegriff scharf zu detiniren, waren schon am Anfange dieses Jahrhunderts angesehene und ausgezeichnete Naturforscher, einerseits durch die ununterbrochene Stufenreihe der Formen, andererseits durch die Resultate der sogenannten künstlichen Züchtung, zur Bekämpfung der herrschenden Ansicht von der Unabänderlichkeit der Arten veranlasst. Lamarck stellte bereits im Jahre 1802 *) und ausführlicher 1809 in seiner ,. Philosophie zoologique^^ die Lehre von der Abstammung der Arten von ein- ander auf, indem er die allmäligen Yeränderungeu theils von den wechselnden Lebensbedingungen, vornehmlich aber vom Gebrauche und Nichtgebrauche der Organe ableitete. Schon Lamarck war zur Ueberzeugung gelangt, dass die Art von der Abart nicht wesentlich verschieden sei und lediglich eine beschränkte, be- stimmten Lebensbedingungen entsprechende Dauer besitze, dass ferner die Gesammtheit der lebendigen und unfergegangeuen Organismen eine grosse, genetisch zusammenhängende Entwicklungsreihe repräsentire. Er beurtheilte den Artbegriff in demselben Sinne wie die übergeordneten Kategorien des Sy- stems von der Gattung an bis zur Classe als dem Bedürfnisse des Vergleiches entsprungene Hilfsmittel des menschlichen Verstandes, der sich derselben be- dient, um zu einer geordneten Uebersicht der Organismen zu gelangen. Diese aber betrachtete er im strengen Sinne als Naturerzeugnisse, die einfachsten durch Urzeugung entstanden, die übrigen im Laufe bedeutender Zeitperioden durch allmälig fortschreitende Differenzirung aus jenen hervorgegangen und stufenweise zu immer höherer Entwicklung bis zu den Säugethieren und an deren Spitze bis zum Menschen vorgeschritten. Als Triebkraft und Hebel der allmälig sich verändernden und zu immer grösserer Complication erhebenden Organisation wurden in erster Linie die Bedürfnisse der Organismen und deren Bestreben verwerthet, die vorhandenen Organe den veränderten Verhältnissen entsprechend zu gebrauchen. Die grossen Umgestaltungen, welche alle Theile der Erdoberfläche im Laufe der Zeit erlitten haben, mussten bei den Thieren Modificationen in den Bedürfnissen hervor- rufen, welche ihrerseits wieder auf die Thätigkeiten zurückwirkten, bei längerer Andauer neue Gewohnheiten veranlassten und den Gebrauch einzelner Organe begünstigten, anderer verhinderten. So entstanden Veränderungen in der Ge- staltung der Organismen, welche auf die Nachkommen vererbt, in diesen er- halten und durch die gleiche, von Neuem wirkende Ursache in der Generatious- folse o-esteisfert wurden. Indem die Natur die stufenweise zur Entwicklung 'j Lamarck, Eecherclies sur l'orgaDisatioii des corps vivants et particulieremeiit sur soll origiiie, sur lescauses et ses developpemeiits et des progres de sa composition etc. Paris, 1802. Die Lehre Lamarck's. 141 gebrachten Formen in eine grosse Mannigfaltigkeit von Lebensverhältnissen auf allen bewohnbaren Theilen der Erdoberfläche versetzte, .welche während kürzerer oder längerer Zeitperioden Umgestaltungen erfuhren, schuf sie durch Anpassung die Unzahl der Abänderungen. So erklärte er die Schwimmhäute zwischen den Zehen aus dem Gebrauche der Extremitäten zur Bewegung im Wasser, in welches dieThiere durch das Nahrungsbedürfniss getrieben wurden, entstanden und versuchte die allmälige Entwicklung des Elugvermögeus durch die in Hautausbreitungen verschiedener Säugethiere (Petaurus, Pteromys, Galeopithecus) gegebenen Anfangsstufen, welche zunächst die Bewegung in weiten Sprüngen unterstützten, dann bei andauerndem Gebrauche und stärkerer Entwicklung zum Flattern und Fliegen der Fledermaus führten, verständlich zu machen. Die verlängerten Zungen von Vögeln und Säugethieren, welche ihre Nahrung aus tiefen Spalten oder Blüthenkelchen, beziehungsweise aus Erd- haufen hervorzuholen gezwungen seien, wurden auf den verstärkten Gebrauch zurückgeführt, die Verkümmerung des Auges beim Maulwurf und höhlen- bewohnenden Thieren, der Verlust der Extremitäten bei Schlangen und Kriech- thieren, der Zähne in den Kiefern der Walfische und vieler Edentaten als Folge des Nichtgebrauches abgeleitet. Indessen Avar Lamarck weit entfernt, sein Princip der activen An- passung, nach welchem die von Aussen einwirkenden Umstände und die durch dieselben veranlassten Thätigkeiten und Gewohnheiten die Form des Körpers und Beschaffenheit der Organisation im Laufe der Zeit veränderten, für aus- reichend zu halten, um mittelst desselben den gesammteu Entwicklungsprocess und die natürliche Ordnung in der Stufenreihe der Organismen zu erklären. Dieselbe stellte er vielmehr auf Kechnung einer ersten unerforschlichen Ur- sache, bedingt durch den Willen des erhabenen Urhebers aller Dinge. Lamarck, den man in tendenziöser Entstellung des Sachverhaltes als strengen Monisten zu preisen beliebt, nahm keinen Anstand, die Grenzen des menschlichen Ver- mögens in Betreff der mechanischen Erklärung des Welträthsels anzuerkennen und die Grösse der Macht zu bewundern, welche der Natur die Fähigkeit gab, die allmälige Stufenordnung in der Entwicklung auf dem Wege strenger Naturgesetze durchzuführen. Lamarck unterschied sehr wohl zwischen jener Ursache, welche in dem natürlichen Entwicklungsprocess unaufhörlich auf die Oomplication der Organisation hinstrebt und für Thiere und Pflanzen die vom ,,erhabenenUrheber'' aller Dinge eingesetzte Stufenordnuug begründete, und den für uns erkennbaren, von der Natur in Anwendung gebrachten Mitteln, durch Anpassung die unzähligen Abänderungen der Arten herzustellen. Die erstere Ursache fällt für Lamarck zusammen mit dem grossen Naturgesetz, welches, wie nach einem von der Natur befolgten Plane für sich allein gleich- massig wirksam, eine einfache ununterbrochene und regelmässige Folgereihe von Lebensformen hergestellt haben würde. Neben derselben aber ist es der für uns erkennbare Einfluss der äusseren Verhältnisse, des Wohnortes, der an- genommenen Gewohnheiten, welcher die Stufenfolge zu einer unregelmässigen 142 Goethe. Lyell gestaltet und die zahlreichen, oft l)izan-en Abweichungen veranlasst. Freilich ist es im Einzelnen oft schwer, das der Abstufung Angehörige von dem, was sich als Ergebniss der Lebensweise und Anpassung entwickelt hat, scharf abzugrenzen. Ziemlich gleichzeitig mit Lamarck sprach Geoffro y St. Hilair e als Verfechter der Idee von der einheitlichen Organisation aller Thiere vor seinem Gegner C u v i e r die üeberzeugung aus, dass die Arten nicht vom Anfang an in unveränderter Weise existirt hätten. Obwohl im Wesentlichen mit der Lehre Lamarck's inUebereinstimmung, schrieb er der eigenen Thätigkeit des Organismus für die Umbildung einen geringeren Einfluss zu und glaubte die Umgestaltungen durch die directe Wirkung der Veränderungen der Aussenwelt (monde amhiant) erklären zu können. So stellte er sich beispielsweise vor, dass in Folge des vermehrten Sauerstoffgehaltes der Atmosphäre das Blut der höheren Vertebraten eine gesteigerte Temperatur gewonnen habe, und die Schuppen von Eeptilien zu Federn geworden seien. Auch Goethe ist, wenn nicht als Mitbegründer der Descendenzlehre — da ihm die Vorstellung von der factischen UmAvandluug der Arten fehlte — so doch als Anhänger und Vertheidiger des natürlichen Entwicklungsprincips zu nennen. Durch die Art seiner Naturbetrachtung war derselbe zu einer geist- vollen Vergleichung des nebeneinander bestehenden Mannigfaltigen geführt, welches sich seinem geistigen Auge nicht nur in harmonischer Wechselbeziehung, sondern in „unaufhaltsam fortschreitender Umbildung" darstellte. Von dem Gedanken erfüllt, in der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen die Einheit der Grundlage nachzuweisen, wurde er der Entdecker des Zwischenkiefers beim Menschen und der Metamorphose der Pflanzen (auch Begründer der freilich in neuerer Zeit als unhaltbar erkannten Wirbeltheorie des Schädels ). Auf die Ansichten von Lamarck und Geoffroy musste dann später die Umgestaltung der geologischen Grundanschauungen zurückführen. Anstatt durch die Cuvier'sche Lehre von grossen Erdrevolutioueu und aussergewöhu- lichen, alles Leben vernichtenden Katastrophen, suchte Lyell (Prmciphs of Geology) die geologischen Veränderungen aus den noch heute ununterbrochen und allmälig wirkenden Kräften mit Benützung sehr bedeutender Zeiträume zu erklären. Indem die Geologen mit Lyell die Hypothese von zeitweise erfolgten Störungen des gesetzmässigeu Naturverlaufes aufgaben, mussten sie auch die Continuität des Lebendigen für die aufeinanderfolgenden Perioden der Erdbildung annehmen und die grossen Veränderungen der organischen Welt auf kleine und langsam, aber während grosser Zeiträume ununterbrochen wir- kende Einflüsse zurückzuführen suchen. Die Veränderlichkeit der Art, die Ent- stehung neuer Arten aus älteren Stammformen im Laufe unendlicher Zeiträume wird demnach seit Lyell als nothwendiges Postulat von der Geologie in An- spruch genommen, um auf natürlichem Wege ohne die Voraussetzung wieder- holter Schöpfungsacte die Verschiedenheiten der Thiere und Pflanzen für die aufeinanderfolgenden Perioden zu erklären. Darwin's Theorie. Natürliche Zilchtung. 143 Darwiii's Theorie der iijitürlicUen Auswahl, Selectionstheorie. Indessen bedurfte es einer besser begründeten und durch ein festeres Fundament gestützten Theorie, um der unl)eachtet gebliebenen Transmutations- hypothese grösseren Nachdruck zu verleihen, und es ist das Verdienst des eng- lischen Naturforschers Charles Darwin, mit Benützung eines umfassenden wissenschaftlichen Materials für die Entstehung und Umwandlung der Arten eine Lehre begründet zu haben, welche in engem Anschlüsse an die Ansichten Lamarck's und Geoffroy's und im Einklänge mit den von Lyell aufgestellten Sätzen sowohl durch die Einfachheit des Princips, als durch die objective und überzeugende Durchführung schon jetzt, wenn auch in modificirter Form, zu fast allgemeiner Anerkennung gelangt ist. Darwin') geht von den Erscheinungen der Vererbung aus, nach welchen sich die Charaktere der Eltern auf die Nachkommen übertragen. Daneben be- steht jedoch eine durch die besonderen Ernährungsverhältnisse bedingte An- passung, eine beschränkte Variahilität der Formgestaltung, ohne welche die Individuen gleicher Abstammung identisch sein müssten. Mit der Vererbung des Gleichartigen verknüpft sich die individuelle Variation in den Eigenschaften der Nachkommen, und es entstehen Abänderungen, auf welche von Neuem das Gesetz der Vererbung Anwendung findet. Vornehmlich sind die Culturpflauzen und Hausthiere, deren Einzelwesen weit mehr variiren als die im freien Natur- zustande lebenden Geschöpfe, zu Abänderungen geneigt, und Cidhirfähigkeit ist im Grunde nichts Anderes als die Fähigkeit, veränderten Bedingungen der Ernährung und Lebensweise den Organismus unterzuordnen und anzupassen. Es beruht die (sogenannte künstliche) Züchtung, durch welche es dem Menschen gelingt, mittelst zweckmässiger Auswahl bestimmte, seinen Bedürfnissen ent- sprechende Eigenschaften der Thiere und Pflanzen zu erzielen, auf der Wechsel- wirkung von Vererbung und individueller Variation, und es ist sehr wahr- scheinlich, dass auf diesem Wege die zahlreichen Hausthierrassen in früheren Zeiten unheicusst vom Menschen gezüchtet worden sind, wie heutzutage mit Absicht durch zweckmässige Auswahl männlicher und weiblicher Zuchtthiere neue Varietäten in immer grösserer Zahl gezüchtet werden. Aber auch im Natur- leben wirken ähnliche Vorgänge, um Abänderungen und Varietäten in's Leben . zu rufen. Es gibt auch im Naturleben eine (sogenannte natürliche) Züchtung, welche, durch den Kampf der Organismen um die Existenz in's Leben gerufen, bei der Kreuzung eine natUrliche A»sifa/i^ veranlasst. Alle Thiere und Pflanzen stehen, wie vor Decennien Decandolle und Lyell erörtert hatten, in gegen- seitiger Mitbewerbung und ringen untereinander und mit den äusseren Lebens- bedingungen um ihre Erhaltung. Die Pflanze kämpft gegen die Verhältnisse ') Ch. Darwin, Oii the origin of species by means of natural selection. London. 1859. Ferner Ch. Darwin, Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, übersetzt von V. Carus. Band I und II, 2. Auflage. Stuttgart, 1873. J 44 Zweckmässigkeit als Xothwendigkeit. des Klimas, der Jahreszeit und des Bodens, sie steht aber auch mit anderen Pflanzen in Mitbewerbung um die Erhaltung, indem sie diesen durch über- reiches Wachsthum die Möglichkeit des Fortbestehens entzieht. Die Thiere stellen den Pflanzen nach und zerstören dieselben beständig in grosser Menge, sie leben aber auch untereinander in gegenseitigem Vernichtungskriege, und zwar ernähren sich die Fleischfresser grossentheils von Pflanzenfressern. Dabei sind Alle bestrebt, sich in starkem Verhältnisse zu vermehren. Jeder Orga- nismus erzeugt weit mehr Abkömmlinge, als überhaupt bestehen können. Einer bestimmten Grösse der Fruchtbarkeit entspricht bei jeder Art ein gewisses Mass der Zerstörung, denn fiele die letztere aus, so würde sich die Zahl ihrer Individuen in geometrischer Progression so ausserordentlich vermehren, dass keine Gegend das Erzeugniss ernähren könnte. Fiele umgekehrt der durch die Fruchtbarkeit, Grösse, besondere Organisation. Färbung etc. gegebene Schutz hinweg, so müsste die betreifende Art bald von der Erde verschwinden. Unter den verwickelten Lebensbedingungen und gegenseitigen Beziehungen ringen selbst die entferntesten Glieder (wie der Klee und die Mäusej um's Dasein, aber der heftigste Kampf betrifft die Einzelwesen derselben Art, welche die gleiche Nahrung suchen und gleichen Gefahren ausgesetzt sind. In diesem Kampfe werden nothwendig diejenigen Individuen, welche durch ihre besonderen Eigenschaften am günstigsten gestellt sind, am meisten Aussicht haben, zu überdauern und ihresgleichen zu erzeugen, also auch die der Art nützlichen Abänderungen fortzupflanzen und in den Nachkommen zu erhalten, beziehungs- weise zu vergrössern. Wie die sogenannte künstliche Züchtung eine durch die Vortheile des Menschen bestimmte absichtliche Auswahl trifft, um allmälig merkliche Abänderungen zu schaffen, so besteht auch im Naturleben in Folge des Kampfes um die Existenz eine Züchtung, und diese führt zu einer natür- lichen Auswahl, welche die einer Art vortheilhaften Abänderungen in's Lel)en ruft. Da aber der Kampf um's Dasein zwischen den nächststehenden Lebens- formen um so heftiger sein muss, je mehr sie sich gleichen, so werden die am meisten divergirenden die grösste Aussicht haben, fortzubestehen und Nach- kommen zu erzeugen ; daher ist die Divergenz des Charakters und das Er- löschen der Mittelformen nothwendige Folge. Allmälig werden durch Com- binirung nützlicher Eigenschaften und durch Häufung ursprünglich sehr kleiner vererbter Eigenthümlichkeiten immer weiter auseinanderweichende Varietäten entstehen, was Darwin an freilich erdachten Beispielen nachzuweisen suchte. Es erklärt sich auch, weshalb Alles an den Organismen zweckmässig einge- richtet ist, um scheinbar die Existenz auf die beste Weise sicherzustellen. Die grosse Reihe von Erscheinungen, ioelche man bisher nur teleologisch umschreihen konnte, wird somit auf Causalvcrhältnisse, auf nothwendig icirliende Ursachen zurückgeführt und in ihrem natürlichen Zusammenhange verständlich gemacht. Diese Lehre von der natürlichen Züchtung (^Selectionstheorie) stützt sich einerseits auf die Wechselwirkung von Vererbung und Anpassung, andererseits auf den überall in der Natur nachweisbaren Kampf um's Dasein und erscheint Beurthi'ilung der SelecUonslehro. 145 als- das Fundament der Darwin'schen Theorie. In ihrem Grundgedanken eine Anwendung der Populationslehre von Malthus auf das Thier- und Pflanzen- reich, wurde sie gleichzeitig mit Darwin auch von Wallace ') entwickelt, von D ar w i n aber in der umfassendsten wissenschaftlichen Begründung durch- geführt. Freilich müssen wir eingestehen, dass die Züchtungslehre Darwin's, obwohl auf biologische Vorgänge und offenbar wirksame Gesetze des Natur- lebens gestützt, doch weit davon entfernt ist, die letzten Ursachen und den physikalischen Zusammenhang für die Erscheinungen der Anpassung und Ver- erbung aufzudecken, da sie nicht die Gründe nachzuweisen vermag, weshalb diese oder jene Variation als nothwendig bestimmte Folge veränderter Lebens- und Ernährungsbedingungen auftreten muss, und wie sich die mannigfachen und wunderbaren Erscheinungen der Vererbung als Functionen der organischen Materie ergeben. Offenbar ist es eine starke Uebertretbung, wenn begeisterte Anhänger ^) die Theorie D a r w i n's N e w t o n's Gravitationstheorie als eben- bürtig an die Seite setzen, „weil dieselbe auf ein einziges Grundgesetz, eine einzig wirkende Ursache, nämlich auf die Wechselwirkung der Anpassung und Vererbung", gestützt sei. Sie übersehen, dass es sich hier nur um den Nach- weis eines mechanisch causalen Zusammenhanges zwischen biologischen Er- scheinungsreihen, nicht im Entferntesten aber um eine physikalische Erklärung handelt. Wenn wir auch berechtigt sind, die Erscheinungen der Anpassung auf Vorgänge derErnährung zu beziehen und die Erblichkeit als eine „physiologische Function" des Organismus aufzufassen, so stehen wir doch zur Zeit diesen Erscheinungen gegenüber wie „der Wilde dem Linienschiffe". Während die verwickelten Erscheinungen der Vererbung '') vielfach räthselhaft bleiben, sind wir nur für gewisse Veränderungen der Orgaue im Stande, uns in allgemeiner Umschreibung physikalische Gründe aus den veränderten Bedingungen des Stoffwechsels zurecht zu legen ; nur selten vermögen wir — wie im Falle der Wirkung des Gebrauches und Nichtgebrauches — in mehr directer Weise die vermehrte oder verminderte Ernährung, also eine chemisch-physikalische Ursache, für die Vergrösserung oder Verkümmerung der Organe einzusehen. Man hat Darwin häufig vorgeworfen, dass er in seinem Erklärungs- versuche für das Auftreten von Varietäten dem Zufall eine bedeutende Rolle einräume, das ganze Gewicht auf die Wechselverkettungen der Organismen im Kampfe um's Dasein lege, dagegen den directen Einfluss physikalischer Wir- kung auf Formabweichungen unterschätze. Dieser Vorwurf scheint jedoch aus einem Missverständniss zu entspringen. Darwin sagt selbst, dass der öfter von ihm gebrauchte Ausdruck „Zufall" — für das Auftreten irgendweich' kleiner ') Vergl. A. E. Wallace, Beiträge zur Theorie der natürlichen Zuchtwahl. Autori- sirte deutsche Ausgabe von A. B. Meyer. Erlangen, 1870. ^) Vergl. E. Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 4. Auflage. Berlin, 1873. 3) Offenbar ist es ein Missbrauch mit dem Begriff des Wortes „Gesetz", wenn man die zahlreichen, theilweise sich widersprechenden und beschränkenden Erscheinungen der Vererbung als eben so viele Vererbungs-„Gesetze" darstellt, wie solches E. Haeckel thut. C. C1.1US: Lehrbuch der Zoologie, ö. Aufl. 10 \^Q Varietät ist beginuunde Art. Abänderung — eine ganz incorrecte Ausdriicksweise sei, nur geeignet, unsere gänzliche Unwissenheit über die physikalische Ursache jeder besonderen Ab- weichung zu bekunden. Wenn Darwin allerdings durch eine Reihe von Be- trachtungen zu dem Schlüsse kommt, den Lebensbedingungen, wie Klima, Nahrung etc., für sich allein einen nur geringen directen Einfluss auf Ver- änderlichkeit zuzuschreiben, da z. B. dieselben Varietäten unter den verschieden- sten Lebensbedingungen entstanden seien und verschiedene Varietäten unter gleichen Bedingungen auftreten, auch die zusammengesetzte Anpassung von Organismus an Organismus unmöglich durch solche Einflüsse hervorgebracht sein können, so erkennt er doch den primären Anlass zu geringen Abweichungen der Structur in der veränderten Beschatfenheit der Nahrungs- und Lebens- bedingungen ; erst die natürliche Zuchtwahl häuft und verstärkt jene Äb- weiclmngen in dem Masse, dass sie für uns wahrnehmbar werden und eine in die Augen fallende Variation bewirken. Gerade auf der innigen Verknüpfung directer physikalischer Einwirkung mit dem Erfolge der natürlichen Zuchtwahl beruht die Stärke der D a r w i n'schen Lehre. Die Entstehung von Varietäten und Rassen würde aber nur der erste Schritt in den Vorgängen der stetigen Umbildung der Organismen sein. Wie langsam auch der Process der Zuchtwahl wirken mag, so bleibt doch keine Grenze für den Umfang und die Grösse der Veränderungen, für die endlose Verknüpfung der gegenseitigen Anpassungen der Lebewesen, wenn man für die Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl sehr lange Zeiträume in Anschlag bringt. Mit Hilfe dieses neuen Factors der bedeutenden Zeitdauer, welche nach den Thatsachen der Geologie nicht von der Hand gewiesen werden kann und in unbegrenztem Masse zur Verfügung steht, wird der Uebergang von Varie- täten zu Arten verständlich. Indem die ersteren im Laufe der Zeit immer mehr auseinanderweichen, — und je mehr sie das thun und in ihrer Organisation different werden, um so besser werden sie geeignet sein, verschiedene Stellen im Haushalte der Natur auszufüllen, um so mehr an Zahl zunehmen — ge- winnen sie schliesslich die Bedeutung von Arten, welche sich im freien Natur- leben nicht mehr kreuzen oder wenigstens nur ausnahmsweise noch Nach- kommen erzeugen. Nach Darwin ist daher die Varietät die beginnende Art. Varietät und Ai-t sind durch continuirliche Abstufungen verbunden und nicht absolut von einander getrennt, sondern nur relativ durch die Grösse der Unter- schiede in den morphologischen (Formcharakteren) und physiologischen (Kreu- zungsfähigkeit) Eigenschaften verschieden. Dieser Schluss Darwin's, welcher die Resultate der natürlichen Züchtung von der Varietät auf die Art ausdehnt, findet besonders von Seite solcher Gegner, welche dem herkömmlichen Begriff die Erscheinungen des Naturlebens unterordnen, eine hartnäckige und oft erbitterte Bekämpfung. Wenn dieselben auch die Thatsachen der Variabilität nicht läugnen und selbst den Einfluss der natürlichen Zuchtwahl auf Bildung von natürlichen Rassen zugestehen, so bleiben sie doch dem Glauben an eine absolute Scheidewand zwischen Art und Fortschreitende Divergenz der Cliaraktere. Umbildung der Arten. 147 Abart treu. In der That sind wir aber nicht im Staude, eine solche Grenzlinie zu ziehen. Weder die Qualität der unterscheidenden Merkmale, noch die Ke- sultate der Kreuzung liefern uns entscheidende Kriterien für Art und Abart. Die Thatsache aber, dass icir keim befriedigende Definition für den Arthegrijf gehen können, eben loeil toir Art und Varietät nicht ficharf von einander ab- zugrenzen vermögen, fällt für die Zulässigkeit der Darwin'schen Schluss- folgerung um so schwerer in die Wagschale, als weder die Variabilität der Organismen und der Kampf um's Dasein, noch die sehr lange Zeitdauer für die Existenz des Lebendigen bestritten werden können. Die Variabilität der Formen ist ein feststehendes Factum, ebenso der Kampf um's Dasein. Gibt man aber bei diesen beiden Factoren die Wirksamkeit der natürlichen Züchtung zu, so wird man zunächst die Varietäten- und Rasseubildung zu verstehen vermögen. Denkt man sich denselben Process, welcher zur Entstehung von Varietäten führt, in einer immer grösseren Zahl von Generationen fortgesetzt und während viel ausgedehnterer Zeiträume wirksam — in deren Verwendung man um so weniger beschränkt sein kann, als mit Hilfe derselben Astronomie und Geologie zahlreiche Erscheinungen zu erklären vermögen — so werden sich die Ab- weichungen immer höher und zu dem Werthe von Artverschiedenheiten steigern. In noch grösseren unbegrenzbaren Zeiträumen werden sich die Arten bei gleichzeitigem Erlöschen der Zwischenglieder soweit von einander entfernen, dass sie verschiedene Gattungen repräsentiren. Demnach werden die tiefer greifenden Gegensätze der Organisation, wie sie in den stufenweise höheren Kategorien des Systems zum Ausdruck kommen, ihrem Ursprung nach in entsprechend ältere Zeiten zurückreichen. Schliesslich dürften auch die ver- schiedenen Stammformen der Classen eines Kreises auf denselben Ausgangs- punkt zurückzuführen sein, und da die verschiedenen Thierkreise durch mannig- faltige Zwischenglieder verknüpft sind, so wird sich die Zahl der Stammformen ausserordentlich reduciren. Wahrscheinlich ist die ungeformte contractile Sub- stanz, Sarcode oder Protoplasma, der Ausgangspunkt alles organischen Lebens gewesen. Sind diese Annahmen richtig, so hat die Art die Bedeutung einer selbst- ständigen unveränderlichen Einheit verloren und erscheint in der grossen Ent- wicklungsreihe nur als vorübergehender, auf kürzere oder längere Zeitperioden beschränkter und veränderlicher Formenkreis, als Inhegrijf der Zeugungskreise, welche bestimmten Lebensbedingungen entsprechen und unter diesen ihre wesent- lichen Merkmale unverändert erhalten. Die verschiedenen Kategorien des Systems bezeichnen den näheren oder entfernteren Grad der Verwandtschaft, und das System ist der Ausdruck der genealogischen, auf Abstammung ge- gründeten Blutsverwandtschaft. Dasselbe muss aber als eine lückenhafte und unvollständige Stammtafel erscheinen, da die ausgestorbenen Urahnen der jetzt lebenden Organismen aus der geologischen Urkunde nur sehr unvollkommen zu erschliessen sind, unzählige Zwischenglieder fehlen und vollends aus den 10* 148 Beweisgründe für die Transmutationsichre. ältesten Zeiten keine Spuren organischer Ueberreste erhalten sind. Nur die letzten Glieder des unendlich umfassenden und verästelten Stammbaumes stehen uns in ausreichender Zahl zur Verfügung, nur die äussersten Spitzen der Zweige sind vollständig erhalten, während von den zahllosen, auf das Mannig- faltigste ramificirten Aestchen lediglich hie und da ein Knotenpunkt nachge- wiesen wird. Daher erscheint es bei dem gegenwärtigen Stande unserer Er- fahrungen ganz unmöglich, eine hinreichend sichere Vorstellung von diesem natürlichen Stammbaum der Organismen zu gewinnen, und wenn man auch in E. Haeckel's genealogischen Versuchen die Kühnheit der Speculation be- wundert, so wird man doch zugestehen, dass zur Zeit im Einzelnen einer Unzahl von Möglichkeiten freier Spielraum bleibt und das subjective Ermessen anstatt des objectiven Thatbestandes in den Vordergrund tritt. Man wird sich daher vorläufig mit einer unvollständig erkannten, mehr oder minder künstlichen Anordnung begnügen, obwohl der Begriff des natürUchen Systems theoretisch festgestellt ist. Beweisgründe für die Transmutationslelire. Wenn man die Transmutationslehre und die zur Begründung derselben aufgestellten Theorien von Lamarck und Darwin einer Kritik unterzieht, so ergibt sich sehr bald, dass eine directe Beweisführung zur Zeit und wohl überhaupt für die Forschung unmöglich ist, da sich die Lehre auf Voraus- setzungen stützt, welche sich der Controle directer Beobachtung entziehen. Während nämlich für die Umwandlungen der Formen unter natiirlichen Lebens- bedingungen Zeiträume gefordert werden, die auch nicht annähernd mensch- licher Beobachtung zur Verfügung stehen, sind anderseits die bestimmten und sehr complicirten Wechselwirkungen, welche im Naturleben Thiere und Pflanzen im Sinne der natürlichen Züchtung zu verändern bestreben, nur im Allgemeinen abzuleiten, im Einzelnen aber so gut als unbekannt. Auch entziehen sich die unter dem Einflüsse der natürlichen Züchtung stehenden Thiere und Pflanzen dem Experimente des Menschen vollständig, und die verhältnissmässig wenigen Formen, welche der Mensch früher oder später in seine volle Gewalt gebracht hat, sind durch die sogenannte JdinstUche Zuchtwahl verändert und umgestaltet. Die Wirkung der natürlichen Züchtung im Sinne Darwin's ist daher selbst für die Entstehung von Varietäten nur an erdachten Beispielen zu beleuchten und wahrscheinlich zu machen. Dahingegen lässt sich für die Kichtigkeit der Descendenz- und Trans- mutationslehre, die bisher durch keine Lehre besser gestützt wurde als durch die Selectionslehre Darwin's, ein so vollständiger Wahrscheinlichkeitsbeweis nicht nur durch die gesammte Morphologie, sondern auch mit Hilfe der Ergeb- nisse der Paläontologie und der geographischen Verbreitung führen, dass die Richtigkeit derselben nicht zweifelhaft erscheinen kann und zur Zeit auch von allen hervorragenden Biologen als sicher begründet anerkannt wird. Updeutmi^' der Morphologie. 149 Betrachtet man die Transmutation der Art, welche nicht durch unmittel- bare Beobachtungen zu beweisen ist, als eine Hypothese, so wird der Werth derselben nach den Thatsacheu und Erscheinungen des Naturlebens zu benr- theilen sein. 1. Die Bedeutung der Morphologie. In diesem Sinne erscheint die gesammteMorphologieals eingehender indi- recter Beweis. Die auf üebereinstimmung in wichtigen oder geringfügigen Merk- malen gegründeten Aehnlichkeitsabstufungen der Arten, welche man schon längst metaphorisch mit dem Ausdruck „ Verwandtschaft'^ bezeichnete, führten zur Aufstellung der systematischen Kategorien, von denen die höchste, Kreis oder Typus, die üebereinstimmung in den allgemeinsten, auf Organisation und Ent- wicklung bezüglichen Eigenschaften erfordert. Die üebereinstimmung zahl- reicher Thiere in dem allgemeinen Plane der Organisation, wie z. B. der Fische, Keptilien, Vögel und Säugethiere in dem Besitze einer festen, die Axe des Körpers durchsetzenden Säule, zu welcher die Centraltheile des Nervensystems rückenständig, die Organe der Ernährung und Fortpflanzung bauchständig liegen, erklärt sich sehr gut nach der Selections- und Descendenztheorie aus der Abstammung aller Wirbelthiere von einer gemeinsamen, die Charaktere des Typus besitzenden Stammform, während die Vorstellung von einem Schöpfungsplane auf eine Erklärung überhaupt Verzicht leistet. In gleicher Weise erklärt sich die Gemeinsamkeit der Charaktere, durch welche die übrigen Gruppen und Untergruppen von der Classe an bis zur Gattung ausgezeichnet sind, sowie die Möglichkeit, eine Subordination aller organischen Wesen in Abtheilungen unter allgemeinen Abtheilungen auszuführen. Auch die Unmög- lichkeit einer scharf gegliederten Classificirung wird nach derDescendenzlehre durchaus verständlich. Die Theorie fordert eben die Existenz von üebergangs- formen zwischen den Gruppen näherer und entfernterer Verwandtschaft und erklärt aus dem Erlöschen zahlreicher nicht genügend ausgerüsteter Typen im Laufe der Zeit, dass gleichwerthige Gruppen einen so sehr verschiedenen umfang haben und oft nur durch ganz vereinzelte Formen repräsentirt sein können. Wie mit den allgemeinen zur Systematik verwertheten Charakteren, welche auf nähere oder entferntere Verwandtschaft hinweisen, verhält es sich nun überhaupt mit all' den unzähligen Thatsachen, welche die vergleichende Anatomie zu Tage gefördert hat. Betrachtet man beispielsweise die Bildung der Extremitäten oder den Bau des Gehirnes bei den Wirbelthieren, so ergibt sich trotz der grossen, zuweilen reihenweise sich abstufenden Verschiedenheiten eine gemeinsame Grundform, die aber in den Besonderheiten ihrer Theile, ent- sprechend den jedesmaligen Leistungen und Anforderungen der Lebensweise, in den einzelnen Abtheilungen auf das Mannigfaltigste modificirt und in gerin- gerem oder höherem Masse diflferenzirt erscheint. Der Flosse der Wale, dem Flügel des Vogels, dem Vorderbeine des Vierfüsslers und dem Arme des Men- 160 Dimorphismus und Polymorphismus. Zwergmännchen. sehen liegen nachweisbar dieselben Knochenstücke zu Grunde, dort verkürzt und verbreitert in unbeweglichem Zusammenhange, hier verlängert und nach Massgabe der Verwendung in verschiedener Art gegliedert, bald in vollkom- mener Ausbildung aller Theile, bald in dieser oder jener Weise vereinfacht und theilweise oder völlig verkümmert. Dimorphismus und Polymorphismus. Als^ wichtiges Zeugniss für die um- fassende Wirksamkeit der Anpassung sind die Erscheinungen des Dimorphismus und Polymorphismus im Formenkreise derselben Species hervorzuheben, und unter diesen die Gegensätze der männlichen und weiblichen Geschlechtsthiere. welche sich aus ursprünglich gleichgestalteten Hermaphroditen entwickelt haben. Männchen und Weibchen weichen nicht nur darin ab, dass diese Eier, jene Samen erzeugen, sondern zeigen im Zusammenhange mit den verschiedenen Leistungen, welche an Eier- und Samenproduction anknüpfen, mannigfache secundäre Geschlechtscharaktere, deren Existenz mit Hilfe der natürlichen Zuchtwahl eine überaus zutreffende Erklärung findet. Wir können daher im gewissen Sinne von einer geschlechtlichen ') Zuchtwahl reden, durch welche zum Vortheil der Arterhaltung die beiden Geschlechtsformen im Laufe der Zeit allmälig, sowohl in Besonderheiten der Organisation und Gestalt, als in den Lebensgewohnheiten von einander entfernt wurden. Da das männliche Ge- schlecht ziemlich allgemein behufs der Begattung und Befruchtung mehr active Leistungen zu besorgen hat, finden wir begreiflich, dass die Männchen den Jugendformen gegenüber bedeutender umgestaltet sind als die Weibchen, welche das Material zur Bildung und Ernährung der Jungen erzeugen und die Brutpflege übernehmen. Sehr häufig fällt im männlichen Geschlechte die leichtere und raschere Beweglichkeit auf; ])ei zahlreichen Insecten sind nur die Männchen geflügelt, während die Weibchen wie die Larvenformen flügellos bleiben. Li dem Kampfe, welchen die gleichartigen Männchen um den Besitz des Weibchens zu bestehen haben, werden die am meisten durch Kraft, Beweg- lichkeit, Organe zum Festhalten, Stimmproduction, Schönheit bevorzugten In- dividuen siegreich sein, während von den Weibchen im Allgemeinen diejenigen ihre Aufgabe am besten erfüllen, welche die für das Gedeihen der Nachkommen- schaft besonders günstigen Eigenschaften besitzen. Indessen können auch auf mehr passivem Wege Verschiedenheiten zwischen beiden Geschlechtsformen in der Dauer der Entwicklung, in der Art des Wachsthums und der Formgestal- tung etc. unter den besonderen Lebensverhältnissen der Art Nutzen bringen. Die secundären -Sexualcharaktere können sich zuweilen in dem Masse steigern, dass sie zu wesentlichen und tiefgreifenden Modificationen des Organismus, zu einem wahren Dimorphismus des Geschlechtes führen (darmlose Männchen der Eoti- feren, Zwergmännchen von Bonellia, Trichosomum crassicauda). Bedeutungsvoll ist die Thatsache, dass gerade bei Parasiten der Dimor- phismus des Geschlechtes das höchste Extrem erreicht. Bei vielen parasitischen *) Ch. Diirwin, The desceut of man and selection in relation to sex. Vol. I und II. London, 1871. Geschlechtsdimorphismus boi Parasiten. 151 Krebsen (Si'pho)wstomen) werden solche Extreme von unförmig grossen, der Sinnes-, und Bewegungsorgane, ja der Gliederung des Leibes verlustig gegan- genen Weibeben mit winzig kleinen Zwergmännchen fast continuirlich durch zahlreiche Zwischenstufen vermittelt, und es liegen die Beziehungen geradezu auf der Hand, Avelche als Ursache des Sexualdimorphismus gewirkt haben. Der Eiufluss günstiger Ernährungsbedingungen, wie sie durch den Parasitismus herbeigeführt werden, setzt die Nothweudigkeit der raschen und häufigen Orts- veränderung herab, erhöht im weiblichen Geschlechte die Productivität an Zeugungsmaterial und gestaltet die Körperform selbst in der Weise um, dass die Fähigkeit der Locomotion in verschiedenen Stufen herabsinkt und die Or- gane der Bewegung bis zum völligen Sehwunde verkümmern. Der gesammte Körper gewinnt durch die enorm vergrösserten. mit Eiern erfüllten Ovarien eine plumpe, unförmige Gestalt, bildet Auswüchse und Fortsätze, in welche die Ovarien einwuchern, oder wird unsymmetrisch sackförmig aufgetrieben, verliert die Gliedermig und hiermit die Verschiebbarkeit der Segmente und erfährt eine Kückbildung der Gliedmassen ; der schlanke, biegsame Hinterleib, welcher beim freien Umherschwimmen die Ortsbewegung wesentlich unterstützt, redu- cirt sich mehr und mehr zu einem kurzen, ungegliederten Stummel: das Aus- sehen solcher Parasiten ist ein so fremdartiges, dass es begreiflich wird, wie mau früher eine dieser abnormen Formengruppe, die Lernaeen, zu den Ein- geweidewürmern, beziehungsweise zu den Mollusken, stellen konnte. In die Gestaltung des männlichen Thieres greift der Parasitismus nach einer anderen Richtung ' ) ein. Da das weibliche Geschlechtsthier hinter dem Typus seiner wohlgebauten freilebenden Verwandten zurückbleibt, entfernen sich beide Ge- schlechter morphologisch von einander um so weiter, als auch beim Männchen der Einfluss veränderter Lebensbedingungen auf die Form und Organisation umgestaltend einwirkt. Im männlichen Geschlecht vermag die günstigere und reichere Ernährung keineswegs so unmittelbar das Bedürfniss der Ortsbewegung imd die Ausbildung der Bewegungsorgane herabzusetzen, denn dem Männchen bleibt nach wie vor die Aufgabe activer Geschlechtsthätigkeit und vor Allem die Aufsuchung des Weibchens zur Begattung. Selbst bei einer reducirten und schwerfälligen Locomotion führt hier der Parasitismus weder zum völligen Verlust der Gliederung, noch zu jenem unsymmetrischen Wachsthum, wie wir ein solches bei zahlreichen weiblichen Schmarotzerkrebsen beobachten. Die Quantität der zu producirenden Zeugungsstoffe, welche im Geschlechtsleben des Weibchens der Arterhaltung grossen Vortheil bringt und deshalb die Entste- hung des unförmigen, grossen und plumpen Leibes begünstigen musste, tritt für die Sexualthätigkeit des Männchens in den Hintergrund, da eine minimale Menge von Sperma zur Befruchtung bedeutender Quantitäten von Eimaterial ausreicht. In diesem Zusammenhange wird die extreme Stufe des Parasitismus im männlichen Geschlecht auch bei beschränkter, mehr kriechender Locomotion ') Vergl. C. Claus, die freilebenden Oopepoden. Leipzig, 1863. 152 Dimorphf Männchen oder Weibchen lierselbeu Art. nicht zu einer ungegliederten bizarren Form des mächtig vergrösserten Leibes führen, sondern erzeugt umgekehrt die symmetrisch gebaute Zwergges-talt des Pygraäenmännchens. Diese aber wird selbst durch zahlreiche Zwischenstufen vermittelt. So finden wir unter den Lemaeopoden die Männchen von Achfheres der Grösse nach relativ wenig reducirt, während die echten Zwergmännchen von Lernaejjpoda, auch der ChondracantJu'den, winzigen Parasiten gleich, an dem Hinterleibsende des im Verhältniss riesengrossen Weibchens anhaften (Fig. 114). Die Bereitung einer beträchtlichen Menge von Sperma, die eine bedeutende Körpergrösse voraussetzt, würde hier als eine nutzlose Verschwendung von Material und Zeit im Leben der Art erscheinen und müsste schon durch den Regulator der natürlichen Züchtung beseitigt werden. Indessen gibt es auch zahlreiche Beispiele von Dimorphismus und Poly- morphismus innerhalb desselben Geschlechtes, aus welchen der umgestal- tende Einfluss der Anpassung innerhalb des dem männlichen oder weiblichen Geschlechte zugehörigen Formenkreises erwiesen wird. Dimorphe Weibchen wurden beispielsweise bei Insecten beobachtet, z. B. bei malayischen Papi- lioniden (P. Memnon, Pamnon, Ormemis), bei einigen Hydroporns- und DytücAis-kriQw, sowie bei der Neuropterengattung Neurotevu's. In der Eegel bietet hier die eine weibliche Form eine nähere Beziehung in Gestalt und Farbe zu dem männlichen Thiere, dessen Eigenthümlichkeit sie angenommen hat. In anderen Fällen freilich haben die Verschiedenheiten mehr Beziehung zu Klima und Jahreszeit ( Saisoudimorphismus der Schmetterlinge) und betreffen auch die männlichen Thiere, oder sie stehen im Zusammenhang mit der ver- schiedenen Form der Fortpflanzung (Parthenogenese) und führen zu den Er- scheinungen der Heterogonie (Chermes, Phylloxera, Aphis). Viel seltener treten zwei verschiedene Formen von Männchen mit ungleicher Gestaltung der zur Begattung bezüglichen secundären Sexualcharaktere auf, wie die durch Fritz Müller bekannt gewordenen ,.Riecher'' und „Packer" einer Scheeren- assel (Tanats duhius). Neben den dimorphen Geschlechtsthieren können aber innerhalb der- selben Art noch weitere zu bestimmten Leistungen befähigte Formengruppen auftreten, so dass sich ein wahrer Polymorphismus der zu gleicher Art gehö- rigen Individuen ergibt. Am bekanntesten sind derartige Fälle bei Insecten, welche in grossen Gesellschaften, sogenannten Thierstaaten, zusammenleben, wo eine dritte, zuweilen selbst wieder in mehrere differente Formenreihen ge- sonderte Individuengruppe gefunden wird, welche sich bei verkümmerten Ge- schlechtsorgauen nicht fortzupflanzen vermag, dagegen in dem gemeinsamen Stocke die Arbeiten der Nahrungsbeschaffung, Vertheidigung und Brutpflege übernimmt und diesen Thätigkeiten angepasste Besonderheiten in Körperbau und Organisation zur Erscheinung bringt. Diese „sterilen Individuen*' sind in den Hymenopterenstöcken verkümmerte Weibchen, die sich wiederum bei den x^meisen in Arbeiter und Soldaten gliedern, in den Stöcken der Termiten da- gegen sind dieselben unter Verkümmerung der Geschlechtsorgane aus Weibchen Jlimicry. RuiUraentäre Organe. 153 imd Mäniicheu lievvorgegangeii. Uebrigeiis kommeu stehle Individuen auch bei Thierarten (Fischen) vor, welche nicht in sogenannten Thierstaaten zu- sammenleben, und sind in früherer Zeit auch für besondere Arten gehalten und als solche beschrieben worden. Am mannigfaltigsten aber erscheint der Polymorplmmus an den zu Thierstöcken vereinigten Hydroiden, den Siphono- phoren, ausgebildet. Mimivry. Eine andere Reihe von Erscheinungen, welche in gleicherweise für nützliche Abänderung durch Anpassung spricht, betrifft die sogenannte Nach- äffung oder Mimicry. Dieselbe beruht darauf, dass gewisse Thierformen anderen sehr verbreiteten und durch irgendwelche Eigenthümlichkeiten vortheilhaft geschützten Arten in Form und Färbung zum Verwechseln ähnlieh sehen, als wenn sie dieselben copirt hätten. Die Fälle von Mimicry, die vornehmlich durch Bat es und Wal lace bekannt ge- worden sind, schliessen sich an die so ver- breitete schützende Aehnlichkeit, das heisst Uebereinstimmung vieler Thiere in Färbung und Körperform mit Gegenständen der äusse- ren Umgebung, unmittelbar an. So z. B. wie- derholen unter den Schmetterlingen gewisse LeptalicUn bestimmte Arten der Gattung Helicom'us, welche durch einen gelben, un- angenehm riechenden Saft vor der Nach- stellung von Vögeln und Eidechsen geschützt zu sein scheinen, in der äusseren Erscheinung und in der Art des Fluges und theilen mit den nachgeahmten Avten Aufenthalt und Standort (Fig. 144). Die vollständige Pa- rallele finden wir in den Tropen der alten. Welt, wo die Danaiden und Acraeiden von Papilioniden copirt werden {Danais niavius^ Pajyilio hippocoon — Danais echerta, Papilio cenea — Acraea gea, Panopaea hirce). Häufig sind Fälle von Mimicry zwischen Insecten verschiedener Ord- nungen ; Schmetterlinge wiederholen die Form von Hymenopteren, welche durch den Besitz des Stachels geschützt sind (ßesia crabromformis — Vesjya crahro etc.) (Fig. 145), ebenso gleichen gewisse Bockkäfer Bienen und Wespen- arten (Charts meUpona, Odoniocera odyneroides), die Orthopterengattung Condylodera tri'condyloides von den Philippinen einer Cicindelengattung (Tricondyla). Zahlreiche Dipteren zeigen Form und Färbung von stechenden Sphegiden und Wespen. Auch bei Wirbelthieren (Schlangen und Vögeln) sind einzelne Beispiele von Mimicry bekannt geworden. Rudimeniäre Organe. Auch das so verbreitete Vorkommen rudimentärer Organe erklärt sich nach der Selectionstheorie in befriedigender Weise aus dem Nichtgebrauch. Durch Anpassung an besondere Lebensbedingungen sind a Leptali h Iihomia Theono'i var. LeuconoV (Pleri^e). — Jlerdina (die nachgeahmte Helico- nide). Nach Bates. 154 Entwicklungsgeschichte als Beweismittel der Descendenzlehre. Fig. 14Ö. die früher arbeitenden Organe ganz allmälig oder auch wohl plötzlich ausser Function gesetzt und in Folge der mangelnden Uebung im Laufe der Genera- tionen immer schwächer geworden bis zur totalen Verkümmerung und Rück- bildung (Parasiten). Dass die rudimentären Organe überhaupt nutzlos wären, lässt sich durchaus nicht für alle Fälle behaupten, im Gegentheile haben die- selben oft eine, wenn auch schwierig nachweisbare Nebenfunction (der pri- mären Function gegenüber) für den Organismus gewonnen. So treifen wir z. B. bei einigen Schlangen (Riesenschlangen) zu den Seiten des Afters kleine, mit je einer Klaue versehene Hervorragungen. After- klanen, an. Dieselben entsprechen abortiv gewordenen Extremitätenstummeln und dienen nicht etwa wie die Hinterbeine zur Unterstützung der Locomotion. son- dern sind wenigstens im männlichen Ge- schlechte Hilfswerkzeuge der Begattung. Die Blindschleichen besitzen trotz des Mangels von Vorderbeinen ein rudimen- täres Schultergerüst und Brustbein, viel- leicht im Zusammenhange mit dem Schutz- bedürfnisse des Herzens oder mit einem Nutzen bei der Respiration. Wenn wir sehen, dass sich im Fötus vieler Wieder- käuer obere Schneidezähne entwickeln, die jedoch niemals zum Durchbruch ge- langen, dass die Embryonen der Barten- wale in ihrem Kiefer Zahnrudimente be- sitzen, die sie bald verlieren und niemals zum Zerkleinern der Nahrung gebrauchen. so liegt es weit näher, diesen Gebilden eine Bedeutung für das Wachsthum der Kiefer zuzuschreiben, als sie für durchaus nutzlos zu halten. Die Flügelrudimente des Pinguins werden als Ruder verwendet, die der Strausse zur Unterstützung des Laufes und wohl als Waffen zur Ver- theidigung, die Flügelstummel des Kiwis dagegen scheinen bedeutungslos. In vielen Fällen sind Avir nicht im Stande, irgendwelche Function und Bedeutung im rudimentären Organe nachzuweisen, und es kann sogar den Anschein haben, als ob solche Ueberreste dem Organismus eher nachtheilig als nützlich wären. Ontogenie. Auch die Resultate der Enticicklungsgeschichte, das heisst der individuellen Entwicklung vom Ei bis zur ausgebildeten Form (Ontogenie) beweisen die Wahrheit der Voraussetzungen der Descendenzlehre. Schon die Thatsache, dass die zu einem Typus gehörigen Thiere in der Regel sehr ähnliche, mit gleichen Organanlagen ausgestattete Embryonen haben, und dass der Verlauf der Entwicklungsvorgänge überhaupt — von einigen apijurme (Sf.su h Vespa crahi Die Tliatsachen der Ontogonie. 155 bemerkenswerthen Ausnahmen abgesehen — eine um so grössere Ueberein- stimmiing zeigt, je näher die systematische Verwandtschaft der ausgebildeten Formen ist^ unterstützt die Annahme gemeinsamer Abstammung und die Vor- aussetzung verschiedener Abstufungen der Blutsverwandtschaft in hohem Grade. Sind in derThat die engen und weiteren Kreise, welche systematischen Gruppen entsprechen, genetisch auf näher oder entfernter verwandte Grundformen zu beziehen, so wird auch die Geschichte der individuellen Entwicklung um so mehr gemeinsame Züge enthalten, je näher sich die Formen der Abstammung nach stehen. Gegen diese allgemein giltige Erscheinung kann nicht etwa die That- sache verwerthet werden, dass in verschiedenen Thiergruppen die nächsten Verwandten ontogenetisch einen differenten Entwicklungsgang in der Richtung einschlagen, dass sich die einen mittelst Metamorphose oder Generationswechsel, die anderen direct ohne Larvenstadien entwickeln (Medusen — Distomeen,Poly- stomeen — Süsswasserkrebse, marine Decapoden etc.). Die Erklärung solcher Abweichungen wurde schon früher durch den Versuch gegeben, die directe Ent- wicklung als secundäre Form aus der Metamorphose, beziehungsweise dem Generationswechsel abzuleiten. Dagegen finden wir in der Regel, dass bedeutender abweichende und unter sehr verschiedenen Existenzbedingungen stehende Thiere in ihrer postembryo- nalen Entwicklung bis zu einer früheren oder späteren Zeit ausserordentlich übereinstimmen. Dieselben können aber wiederum in der embryonalen Ent- wicklung differiren. Aber auch solche Fälle erklären sich aus den im Einzelnen abzuleitenden Erscheinungen der Anpassung, die nicht nur in dem Stadium der geschlechtlichen Form, sondern in jeder Entwicklungsperiode des Lebens ihren Einfluss ausübt und Veränderungen bewirkt, die sich in correspondirenden Altersstufen vererben, beziehungsweise in frühere Stadien zurückverlegt werden. Demgemäss haben nicht alle Larvenformen einen unmittelbar phyletischen Werth, sondern repräsentiren durch Anpassung wesentlich veränderte Zu- stände. Die Erscheinungen der Metamorphose liefern zahlreiche Belege für die Thatsache, dass die Anpassungen der Jugendformen an ihre Lebensbedingungen ebenso vollkommen wie die des reifen Thieres sind ; so wird es verständlich, weshalb zuweilen Larven mancher zu verschiedenen Ordnungen gehörigen In- secten untereinander eine grosse Aehnlichkeit haben und Larven von Insecten derselben Ordnung einander unähnlich sein können. Wenn sich im Allgemeinen in der Entwicklung des Lidividuums ein Fortschritt von einfacherer und niederer zu complicirter, durch fortgesetzte Arbeitstheilung vollkommener gewordener Organisation ausspricht — und wir werden zu diesem Vervollkommnungsgesetz der individuellen Entwicklung in dem grossen Gesetz fortschreitender Vervoll- kommnung für die Entwicklung der Gruppen eine Parallele kennen lernen — so kann doch in besonderen Fällen der Entwicklungsgang zu mannigfachen Rückschritten führen, so dass wir das reife Thier für tiefer stehend und niederer organisirt erklären als die Larve. Auch diese als ..regressive Metamorphose/^ ] 56 Biogenetisches Grundgesetz. bekannte Erscheinung [Cirripedien und parasitische Crustaceen) stimmt zu den Anforderungen der Züehtungslehre. da auch die Rückbildung und selbst der Verlust von Theilen unter vereinfachten Lebensl)ediugung€n bei er- leichtertem Nahrungserwerb (Parasitismus) für den Organismus von Vortheil sein kann. Das Grleiche gilt für die Beziehungen zwischen der ontogenetischen Ent- wicklung zu den im System ausgesprochenen Abstufungen. Aus zahlreichen Beispielen ergibt sich, dass in den aufeinanderfolgenden Entwicklungsphasen des Fötallebens Züge sowohl der einfachem und tieferstehenden als der voll- kommener organisirten Gruppen desselben Typus wiederkehren. Im Falle einer complicirten freien Entwicklung mittelst Metamorphose, deren Auftreten mit einer Vereinfachung der fötalen Entwicklung innerhalb der EihüUeu verknüpft ist, wird die Beziehung aufeinanderfolgender Larvenstadien zu den verwandten engeren Formkreisen des Systems, zu den verschiedenen Gattungen. Familien und Ordnungen oft unmittelbar ersichtlich. Beispielsweise wiederholen gewisse frühe Embryonalstadien der Säugethiere Bildungen, die zeitlebens bei niederen Fischen fortdauern. Spätere Zustände zeigen Eigenthümlichkeiten, welche per- sistenten Charakteren der Amphibien entsprechen. Die Metamorphose des Frosches beginnt mit einem Stadium, welches in Form, Organisation und Be- wegungsweiso an den Fischtypus anschliesst, und führt durch zahlreiche Larven- phasen hindurch, in welchen sich die Charaktere der anderen Amphibienord- nungen (Perennibranchiaten. Salamandrinen) und einzelner Familien und Gattungen derselben wiederholen. Biogenetisches Grundgesetz Die unbestreitbare Aehnlichkeit zwischen aufeinanderfolgenden Stadien in der Entwicklungsgeschichte des Individuums und zwischen den verwandten Gruppen des Systems berechtigt uns, eine Pa- rallele zu constatiren zwischen jener und der Entwicklung der Arten, welche freilich in den Beziehungen der systematischen Gruppen einen höchst unvoll- kommenen Ausdruck findet und erst aus der Urgeschichte, für die uns die Paläontologie nur dürftiges Materiale liefert, erschlossen werden kann. Diese Parallele, die natürlich im Einzelnen gar mancherlei grössere und geringere Abweichungen zeigt, erklärt sich aus der Descendenzlehre, nach welcher, wie sich Fr. Müller ') ausdrückt, die EntwicMungsgeschichte des Individuums als einekurze und vereinfachte Wiederholung^ gewissermassen als eine Recapitulation des Ent- xcicklungsganges der Art erscheint, üebrigens war dieselbe bereits von zahlreichen älteren Forschern erkannt und wurde insbesondere von J. F.Meckel-) für alle wesentliche Organsysteme nachgewiesen. Schon Meckel begründete den Satz, dass eine der Entwicklung in der Thierreihe parallel laufende Entwicklung der einzelnen Organismen besteht, und bezeichnete denselben treffend als ..Gleichunof zwischen der Entwicklung des Embrvo und der Thierreihe". ') Fr. Müller, Für Darwin. Leipzig, 1864. *) System der vergleichenden Anatomie, 1. Theil. Halle. 1821. Bedeutung der Geologie und Paläontologie. 157 E. Haeokel hat dieses Verliältniss das hiogemtische Grundgesetz genannt. Die in der Entwiekiungsgescliiehte des Individuums erhaltene geschichtliche Ur- kunde miiss oft wegen der mannigfachen Anpassungen auch im Jugendzustand, beziehungsweise während des Larvenlebens, mehr oder minder verwischt und undeutlich werden, üeberall da, wo die besonderen Bedingungen im Kampfe um die Existenz eine Vereinfachung als nützlich erfordern, wird die Entwick- lung einen immer geraderen Weg vom Ei zum fertigen Thiere einschlagen und die Metamorphose abgekürzt in das Eileben zurückgedrängt werden, bis durch den gänzlichen Ausfall derselben die geschichtliche Urkunde völlig unter- drückt ist. Dagegen wird sich in den Fällen mit allmälig vorschreitender Ver- wandlung, mit stufenweise sich verändernden und unter ähnlichen oder gleichen Existenzbedingungen lebenden Jugendzustäuden die Urgeschichte der Art minder unvollständig in der des Individuums wiederspiegeln. 2. Die Bedeutung der Geologie und Paläontologie. Den Thatsachen der Morphologie parallel liefern die Ergebnisse der geo- logischen und paläontologischen Forschung wichtige Zeugnisse für die Eichtig- keit der Lehre von der langsamen Umgestaltung der Arten und der allmäligen Entwicklung der Gattungen, Familien. Ordnungen etc. mittelst Abänderung der Arten. Zahlreiche und mächtige Gesteinschichten, welche im Laufe der Zeit in bestimmter Reihenfolge nacheinander aus dem Wasser abgelagert wurden (plutonische Gesteine), bilden im Verein mit gewaltigen, aus dem feuer- flüssigen Erdinnern hervorgedrungenen Eruptivmassen, den vulkanischen Gesteinen, die feste Rinde unserer 'Erde. Die ersteren oder die sedimentären Ablagerungen, sowohl in ihrer ursprünglich meist horizontalen Schichtung, als in dem petrographischen Zustande ihrer Gesteine mannigfach verändert, ent- halten eine Menge von zu Stein gewordenen Ueberresten einer vormals leben- den Thier- und Pflanzenbevölkerung begraben, die geschichtlichen Documente eines reichen Lebens während der früheren Perioden der Erdentwicklung. Obwohl uns diese sogenannten Petrefacten mit einer sehr bedeutenden Zahl und grossen Formenmannigfaltigkeit vorweltlicher Organismen bekannt ge- macht haben, so bilden sie doch nur einen sehr kleinen Bruchtheil der unge- heuren Menge von Lebewesen, welche zu allen Zeiten die Erde bevölkert haben. Immerhin reichen dieselben zur Erkenntniss aus, dass zu den Zeiten, in welchen die einzelnen Ablagerungen entstanden sind, eine verschiedene Thier- und Pflanzenwelt existirte, die sich von der gegenwärtigen Fauna und Flora um so mehr entfernt, je tiefer die betreä'enden Gesteine in der Schichtenfolge liegen, je weiter wir mit anderen Worten in der Geschichte der Erde zurück- gehen. Untereinander zeigen die Versteinerungen verschiedener Ablagerungen eine um so grössere Verwandtschaft, je näher dieselben in der Aufeinander- folge der Schichten aneinander grenzen. Jede sedimentäre Bildung eines be- stimmten Alters hat im Allgemeinen ihre besonderen, am häufigsten auf- tretenden Charakterversteinerungen (sogenannte Leitfossile), aus denen man 1 58 I>ie geologischen Formationen. unter Berücksiclitigung der Sebichtenfolge und des petrographischen Charakters der Gesteine mit einer gewissen Sicherheit auf die Stelle zurückschliessen kann, welche die zugehörige Schicht in dem geologischen Systeme einnimmt. Zweifelsohne sind diePetrefacten neben der Aufeinanderfolge der Schichten das wichtigste Hilfsmittel zur Bestimmung des relativen geologischen Alters der Ablagerungen, jedenfalls weit wichtiger als die Beschaffenheit der Gesteine an und für sich. Wenn allerdings auch in früherer Zeit die Ansicht massgebend war, dass die Gesteine derselben Zeitperiode stets die gleiche, die zu verschie- denen Zeiten abgesetzten dagegen eine verschiedene Beschaffenheit darbieten müssten, so hat man doch diese Vorstellung als eine irrige aufgegeben. Die geschichteten oder sedimentären Ablagerungen entstanden zu jeder Zeit unter ähnlichen Bedingungen wie gegenwärtig durch Absatz von thonigem Schlamm, von fein zerriebenem oder gröberem Sand, von kleineren oder grösseren Ge- schieben und Gerollen, durch chemische Niederschläge von kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk und Talk, von Kieselhydrat und Eisenoxydhydrat, durch Anhäufung fester Thierreste imd Pflanzentheile. Zu festen Gesteinen, wie Thon- und Kalkschiefer, Kalkstein, Sandstein, Dolomit und Conglomeraten mancher- lei Art wurden sie erst im Laufe der Zeit durch Wirkung verschiedener Ursachen, durch den gewaltigen mechanischen Druck aufliegender Massen und durch innere chemische Vorgänge u. s. w. umgestaltet. Wenn auch in vielen Fällen der besondere Zustand der Gesteine An- haltspunkte zur Orientirung über das relative Alter bieten mag, so steht es doch fest, dass gleichzeitige Sedimente einen ganz abweichenden petrographi- schen Charakter zeigen können, während andererseits Ablagerungen aus sehr verschiedenen Perioden gleiche oder kaum zu unterscheidende Felsarten gebildet haben. Die alte Vorstellung, dass gleichzeitige Ablagerungen überall die gleichen Versteinerungen enthalten müssten, konnte sich daher nur so lange aufrecht erhalten, als die geologischen Untersuchungen auf kleine Länderdistricte be- schränkt blieben. Ebensowenig vermochte die au jene Vorstellung sich eng anschliessende Anschauung Geltung zu bewahren, dass die einzelnen, durch bestimmte Schichtenfolgen charakterisirten geologischen Abschnitte scharf und ohne üebergänge abzugrenzen seien. Weder petrographisch noch paläonto- logisch sind die einzelnen Formationen *), wie man die Schichtencomplexe ') Zur üebersicht der geologischen Perioden und ihrer wichtigsten Formationen mag die beifolgende Tabelle dienen. Quartärzeit [ /Diluvial- und AUu- ■! ■^^*^^'*'^ Periode (Alluvium, marine und Süsswasserbildungen). ■ Ifo mifonen) I ^°^^P^^°'^°^'>^^ «der Diluvialperiode (erratische Blöcke, Eiszeit. Löss). iPliocünperiode (Subappeninenformation, Knochensand von E])pels- heim etc.). ^^l4.iulu^ulö^.llc; r uiuia- v Miocänpeviode (Molasse, Tegel, Leithakalk bei Wien, Braunkohlen tionen). in Norddeutschlaud). l Eocänperiode (Flysch z. T., Nummulitenformation, Pariser Becken). Die geologischen Formationen. 159 eines bestimmten Verbreitmigsgebietes aus einer bestimmten Zeitperiode be- nennt, in der Weise geschieden, dass die Hypothese plötzlich erfolgter gewalt- samer Umwälzungen, allgemeiner, die gesammte Lebewelt vernichtender Kata- strophen heutzutage noch Bedeutung haben könnte. Man wird vielmehr mit Sicherheit behaupten dürfen, dass sowohl das Aussterben alter als das Auf- treten neuer Arten keineswegs mit einem Male und gleichzeitig an allen Enden der Erdoberfläclie erfolgte, da gar manche Arten aus einer in die andere Forma- tion hineinreichen und eine Menge Organismen aus der Tertiärzeit gegenwärtig nur wenig verändert oder gar in identischen Arten fortleben. AVie aber die Zeit, welche man die recente nennt, in ihren Anfängen schwer zu bestimmen und weder nach dem Charakter der Ablagerungen, noch nach dem Inhalt der Be- völkerung scharf von der diluvialen, der sogenannten Vorwelt zu überweisenden Zeit abzugrenzen ist, so verhält es sich auch mit den engeren und weiteren Zeitperioden vorweltlicher Entwicklung, welche ähnlich den Abschnitten menschlicher (jeschichte zwar auf grosse und bedeutende Ereignisse gegründet sind, aber doch in unmittelbarer Continuität stehen. Dass dieselben aber nicht plötzliche, über die ganze Erdoberfläche ausgedehnte Umwälzungen waren, sondern in localer Beschränkung einen langsamen und allmäligen Verlauf nahmen, dass die vergangene Erdgeschichte auf einem steten Entwicklungs- process beruhe, in welchem sich die zahlreichen in der Gegenwart zu beob- achtenden Vorgänge durch ihre auf lange Zeiträume ausgedehnte Wirksamkeit zu einem gewaltigen Gesammteffect für die Umgestaltung der Erdoberfläche snmmirten, hat Lyell durch geologische Gründe in überzeugender Weise dar- ffethan. Secundärzeit äsozoisclie luationenj. Paläozoische Zeit (paläozoische For mationen). Kreideperiode (Mastrichter Schichten, weisse Kreide, oberer Grün- sand, Gault, unterer Grünsand, Wealden). Juraperiode (Purbeck-Schichten, Portland-Stein, Kimmeridge-Thon. (mesozoische For- -j Koral-Eag, Oxford -Thon, Great - Oolits. Unter -Oolith, Lias. weisser, brauner, schwarzer Jura). Triasperiode (Keuper, Muschelkalk). ■" Dyasperiode (Zechstein, Rothliegendes. — Unterer New-red-Sand- stone, Permformation). Steinlcohlenperiode (Steinkohlenformation Englands, Deutschlands und Nordamerika"s, Kulmformation, Kohlenkalkstein). Devonische Periode (Spiriferenschiefer, Cypridinenschiefer. Stringo- cephalenkalk etc. — Old-red-Sandstone). Silurische Periode (Ludlow-Wenlock-Caradocschichten etc.). Camhrische Periode (azoische Schiefer etc.). iThonschiefer \ ,,,. ■,. r, ) KiT.stallinische Schiefer. Glimmerschieier J Aelterer Gneiss (Laurentinische Form). Nach Professor Pi, a m s a y fassen die Formatiousgruppen in England eine Mächtigkeit von 72.584 Fuss, also beinahe 13% englische Meilen, und zwar die Formationen der Paläozoischen Zeit 57.154' 1 Secundärzeit 13.192' .'■ 72.584'. Tertiärzeit 2.240' \Q() Looale Beschränkung der Ablagerungen. Die Ursache für die ungleichmässige Entwicklung der Schichten und für die Begrenzung der Formationen hat man vornehmlich in Unterbrechungen der Ablagerungen zu suchen, die wenn räumlich auch noch so ausgedehnt, doch nur eine locale Bedeutung hatten. Wäre es möglich gewesen, dass irgend ein Meeresbeckeu während des gesammten Zeitraumes der Sedimentärbildungen gleichmässig fortbestanden und nach Massgabe besonders günstiger Verhält- nisse in steter Continuität neue Ablagerungen gebildet hätte, so würden wir in demselben eine fortschreitende und durch keine Lücke unterbrochene Reihe von Schichten finden müssen, die wir nach Formationen abzugrenzen nicht im Stande sein würden. Das ideale Becken würde nur eine einzige Schichtenreihe einschliessen, in welcher wir zu allen anderen Formationen der Erdoberfläche Parallelbildungen fänden. In Wirklichkeit aber erscheint überall diese ideal gedachte zusammenhängende Schichtenfolge durch zahlreiche, oft grosse Lücken unterbrochen, welche den oft so bedeutenden petrographischen und paläonto- logischen Unterschied angrenzender Ablagerungen bedingen und Zeiträumen der Ruhe, respective der wieder zerstörten Sedimentärthätigkeiten entsprechen. Diese Unterbrechungen der localen Ablagerungen aber erklären, sich aus den stetigen Niveauveränderungen, welche die Erdoberfläche in Folge der gebirgs- bildenden Thätigkeit durch plutonische und vulkanische Thätigkeit zu jeder Zeit erfahren hat. Wie wir in der Gegenwart beobachten, dass weite Länder- strecken scheinbar in allmälig fortschreitender Senkung (Westküste Grön- lands, Koralleninseln), andere in langsamer säculärer Hebung (Westküste Südamerika's, Schweden) begriffen sind, dass durch unterirdische Thätigkeit Küstengebiete plötzlich vom Meere verschlungen werden und durch plötzliche Hebung Inseln aus dem Meere emportauchen, so waren auch in den früheren Perioden die Bedingungen vielleicht in ungleich höherem Grade thätig, um einen allmäligen, seltener (und dann mehr local beschränkten) plötzlichen Wechsel von Land und Meer zu bewirken. Meeresbecken wurden in Folge langsamen Abfliessens der Wassermassen trocken gelegt und stiegen zuerst als Inselgebiete, später als zusammenhängendes Festland empor, dessen ver- schiedene Ablagerungen mit ihren Einschlüssen von Seebewohnern auf die einstige Meeresbedeckung zurückwiesen. Umgekehrt traten grosse Gebiete vom Festland unter das Meer zurück, ihre höchsten Gebirgsspitzen als Inseln zurücklassend, und wurden zur Stätte neuer Schichtenbildung. Für die ersteren Ländergebiete traten Unterbrechungen der Ablagerungen ein, für die letzteren war nach längerer oder kürzerer Ruhezeit der Anfang zur Entstehung einer neuen Formation bezeichnet. Da aber diese Bewegungen, wenn sie auch Gebiete von grosser Ausdehnung betrafen, doch immer eine locale Beschränkung be- sitzen mussten, so traten Anfänge und Unterbrechungen der Formationen gleichen Alters nicht überall gleichzeitig ein; auf dem einen Gebiete dauerten die Ablagerungen noch geraume Zeit fort, während sie auf dem andern schon längst aufgehört hatten; daher müssen denn auch die oberen und unteren Grenzen gleichwerthiger Formationen nach den verschiedeneu Localitäten eine Unterbrechung der Ablagerungen. 161 grosse üngleichförmigkeit darbieten. So erklärt es sich auch, dass die über- einanderliegenden Formationen durch ungleich mächtige Schichtenreihen ver- treten sind, die übrigens selten vollständig durch Ablagerungen aus anderen Gegenden zu ergänzen sind. Die gesammte Folge der bis jetzt bekannten For- mationen reicht indessen nicht zur Herstellung einer vollständigen und un- unterbrochenen Scala der Sedimentärbildungen aus. Es bleiben noch immer mehrfache und grosse Lücken, deren Ergänzung in späterer Zeit von dem Fort- schritt der Wissenschaft vielleicht erst nach Bekanntwerden von Formationen, die gegenwärtig von dem Meere bedeckt sind, zu erwarten ist. Nach den bisherigen Erörterungen kann sowohl die Continuität des Leben- digen, als die nahe Verwandtschaft der Organismen in den aufeinanderfolgenden Zeiträumen der Entwicklung theils aus geologischen, theils aus paläontolo- gischen Gründen als erwiesen gelten. Indessen verlangt die Descendenzlehre, nach welcher das natürliche System als genealogische Stammtafel erscheint, mehr als diesen Nachweis. Dieselbe fordert auch das Vorhandensein un- zähliger Uebergangsformen, sowohl zwischen den Arten der gegenwärtigen Lebewelt und denen der jüngeren Ablagerungen, als zwischen den Arten der ein- zelnen Formationen in der Keihenfolge ihres Alters, sodann den Nachweis von Verbindungsgliedern zwischen den verschiedenen systematischen Gruppen der heutigen Thier- und Pflanzenwelt, deren Aufstellung und Begrenzung nach Darwin ja nur durch das Erlöschen umfassender Artcomplexe im Laufe der Erdgeschichte zu erklären ist. Diesen Anforderungen vermag freilich die Pa- läontologie nur in unvollkommener Weise zu entsprechen, da die zahlreichen und fein abgestuften Varietätenreihen, welche nach der Selectionstheorie existirt haben müssen, für die bei Weitem grössere Zahl vonFormenin der geologischen Urkunde fehlen. Dieser Mangel, den Darwin selbst als Einwurf gegen seine Theorie anerkennt, verliert indessen seine Bedeutung, wenn wir die Bedingungen näher erwägen, unter denen überhaupt organische Ueberreste im Schlamme abgesetzt und als Versteinerungen der Nachwelt erhalten wurden, und wenn wir die Gründe kennen lernen, welche die ausserordentliche Unvollständigkeit der geologischen Berichte beweisen und uns ausserdem klar machen, dass solche Uebergänge zum Theil als Arten beschrieben sein müssen. Zunächst werden wir nur von denjenigen Organismen Ueberreste in den Ablagerungen zu erwarten haben, welche ein festes Skelet, harte Stützen und Träger von Weichtheilen besassen, da ausschliesslich die Hartgebilde des Körpers, wie Knochen und Zähne der Vertebraten, Kalk- und Kieselgehäuse von Mollusken und Khizopoden, Schalen und Stacheln der Echinodermen, Chitin- gebilde der Athropoden etc., der raschen Verwesung Widerstand leisten und zu allmäliger Petrification gelangen. Von zahllosen und besonders niederen Orga- nismen, welche fester Skelettheile entbehren, wird demnach in dem geologi- schen Berichte eine nähere Kunde fehlen. Aber auch unter den versteinerungs- fähigen Organismen gibt es grosse Classen, welche nur ausnahmsweise Spuren ihrer Existenz hinterlassen haben, und das sind gerade die Bewohner des Fest- C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. :,. Aufl. 11 \ij2i i:nvollständigkeit der geologischen Urkunde. landes. Nur dann konnten von Landbewohnern versteinerte Ueberreste zurück- bleiben, wenn ihre Leichen bei grossen Fluthen oder Ueberschwemmungen oder zufällig durch diese oder jene Veranlassung vom "Wasser ergriffen und hier oder dort angeschwemmt, von erhärtenden Schlammtheilen umgeben wurden. Daher erklärt sich nicht nur die relative Armuth an fossilen Säugethieren, sondern auch die Thatsache, dass gerade von den ältesten (Beutler in dem Stonesfielder Schiefer etc.) fast nichts als der Unterkiefer erhalten ist, welcher während der Fäulniss des Leichnams leicht gelöst, durch seine Schwere dem Antriebe des Wassers am meisten Widerstand leistete und zuerst zu Boden sank. Obwohl es aus solchen Besten erwiesen ist, dass die Säugethiere schon zur Jurazeit existirten, so sind es doch erst die eocänen Formen, welche einen tieferen Einblick in ihre nähere Gestaltung gestatten. Günstiger musste sich die Erhaltung für die Süsswasserbewohner, am günstigsten für die Seebevölkerung gestalten, da die marinen Ablagerungen den local beschränkten Süsswasserbildungen gegenüber eine ungleich bedeutendere Ausdehnung haben. Die Bildung mächtiger Formationen scheint jedoch über- haupt nur unter zwei Bedingungen stattgefunden zu haben : entweder in einer sehr grossen Tiefe des Meeres, zumal unterstützt durch die Wirkung des Windes und der Wellen, gleichviel ob der Boden in langsamer Hebung oder Senkung begriffen war — dann aber werden die Schichten meist verhältnissmässig arm an Versteinerungen geblieben sein, weil bei der relativen Armuth des Thier- und Pflanzenlebens in bedeutenden Tiefen nur Bewohner der Tiefsee zur Ver- fügung standen — oder nuf seichtem, der Entwicklung eines reichen und mannig- faltigen Lehens günstigem Meereshoden, welcher lange Zeiträume hindurch in cdlmäliger Senkung hegriffen lüar. In diesem Falle behielt das Meer ununter- brochen eine reiche Bevölkerung, so lange die fortschreitende Senkung durch die beständig zugeführten Sedimente ausgeglichen wurde. Die Formationen, welche bei einer grossen Mächtigkeit in allen oder in den meisten ihrer Schichten reiehan Fossilien sind, mögen sich auf sehr ausgedehntem und seichtem Meeres- grunde während langer Zeiträume allmäliger Senkung abgesetzt haben. Somit ergibt sich schon aus der Entstehungsweise der Ablagerungen die grosse Lückenhaftigkeit der paläoutologischen Ueberreste, die zudem auf die relativ jüngeren Ablagerungen beschränkt sein mussten. Die ältesten und untersten sehr mächtigen Schichtencomplexe, in welchen Reste der ältesten Thier- und Pflanzenwelt begraben sind, erscheinen nämlich so völlig verändert, dass ihre eingeschlossenen organischen Residuen unkenntlich gemacht und zerstört wurden. Jedenfalls wird so viel mit aller Sicherheit feststehen, dass sich nur ein sehr kleiner Bruchtheil der untergegangenen Thier- und Pflanzenwelt im fos- silen Zustande erhalten konnte, und dass von diesem wiederum nur ein kleiner Theil unserer Kenntniss erschlossen ist. Deshalb dürfen wir nicht etwa aus dem Mangel fossiler Reste auf die Nichtexistenz von Zwischengliedern schliessen. Wenn dieselben in dem Verlaufe der Formation fehlen, oder wenn eine Art zum Bediuguiigcn zur Erhaltung von Tliiurresteu. 163 ersten Male in der Mitte der Schichtenfolge auftritt und alsbald verschwindet,' oder wenn plötzlich ganze Gruppen von Arten erscheinen und ebenso plötzlich aufhören, so können diese Thatsachen um so weniger gegen die Selections- theorie herangezogen werden, als für einzelne Fälle Reihen von üebergangs- formen zwischen mehr oder minder entfernten Organismen bekannt geworden sind und sich zahlreiche Arten als Zwischenglieder anderer Arten und Gattungen in der Zeitfolge entwickelt haben, als ferner nicht selten Arten und Arten- gruppen ganz allmälig beginnen, zu einer ausserordentlichen Verbreitung ge- langen, wohl auch in spätere Formationen hinübergreifen und ganz allmälig wieder verschwinden. Diese positiven Thatsachen aber haben bei der ünvoll- ständigkeit der versteinerten Ueberreste einen ungleich höheren Werth. Von den Beispielen allmäliger, reihenweise zu ordnender Uebergänge, welche uns die Paläontologie liefert, möge es genügen, auf Ämmomen und einige Gastropoden hinzuweisen. Schon vor dem Erscheinen von Darwiu's Entstehung der Arten war von Quenstedt der directe genetische Zusammenhang für verschiedene Ammoneen aus aufeinanderfolgenden Schichten behauptet worden. Seitdem ist diese Darlegung von mehreren Forschern bestätigt und ergänzt worden. Unter Anderen hat L. W ü r t e m b e r g e r für die als Plamdaten und Armaten unterschiedenen Gruppen eine Eeihe von Verbindungsgliedern nachgewiesen und im Einzelnen gezeigt, dass die Rippen der ersteren ganz allmälig in die Stacheln der letzteren übergehen. Besonders bedeutungsvoll erscheint aber die Art und Weise, wie sich die Uebergänge vollziehen, indem die Veränderung zuerst an der letzten Windung, und zwar nur an einem Theil derselben ange- deutet auftritt, dann nach den jüngeren Ablagerungen hin sich schärfer aus- prägt und der Spirale entsprechend immer weiter nach dem Centrum vor- schreitet, so dass wir an den inneren Windungen den Typus der älteren Formen am längsten erhalten sehen. Und unabhängig von Würtemb erger spricht sich M. Neumayr in gleicher Weise über die grosse Bedeutung der inneren Windungen zur Beurtheilung der Beziehungen nahe verwandter Formen aus, da sich dieselben in zahlreichen Fällen der „nahe verwandten geologisch älteren Form nähern, welche als der Vorfahre jener betrachtet werden muss". Aber auch die als Gattungen, beziehungsweise als Familien zu trennenden Ammoneengruppen lassen sich aus einander ableiten und in diesem Zusammen- hange durch die Stufenreihe der Formationen verfolgen. Die GoniaHten mit ungezackten winkeligen Loben, aber meist noch mit nach unten gekehrter Siphonaldute, ähneln noch sehr den Nautiliden, aus denen sie entsprungen sein mögen, und treten zuerst im Devon auf. Aus denselben entwickeln sich die vor- nehmlich für den Muschelkalk charakteristischen Ceratiten mit einfach ge- zackten Loben und glatten Sätteln, aber bereits nach oben gekehrter Siphonal- dute. Diesen folgen die Ammonüen mit rings gezackten und schief geschlitzten Loben. Die" letzteren gewinnen eine ausserordentliche Verbreitung in der Jura- formation und reichen bis zur Kreide hinauf, in der sie in eine grosse Anzahl von 11* 2(j^ Keihen fossiler Formen. Typen ohne regelmässige Spirale (Scaphites, Hamites, Turriläeü) und mit freier Entwicklung der Sclialenwindung auslaufen. Unter den Gastropodm verdienen in erster Linie die in dem Steinlieimer Süsswasserkalk angehäuften Gehäuse der Valvaia midiiformis hervorgehoben zu' werden, welche mit ganz flachen Planorbis-ähnlichen Formen beginnen und in der Schichtenfolge nach aufwärts zu immer höheren, schliesslich kreisei- förmig ausgezogenen Abänderungen führen, welche ohne die grosse Keihe con- tiuuirlicher Zwischenglieder nicht nur specifisch, sondern auch generisch zu trennen sein würden. Während Quenstedt zuerst drei Hauptvarietäten als planiformis, mtermedia, irochiformis unterschied, hat H i 1 g e n d o r f * ) nicht Aveniger als 19 Abänderungen constatiren können. Nun wurde allerdings von Sandberger der Einwand erhoben, dass die Varietäten nicht genau den ver- schiedenen Zonen angehören, vielmehr theilweise nebeneinander in derselben Schicht auftreten, und hieraus gefolgert, dass dieselben gleichzeitig neben einander bestanden hätten und mit verschiedenen Arten vermengt worden seien. Indessen wurde dieser Einwand von Hilgendorf zurückgewiesen, indem das gemeinsame Vorkommen in losem Sande als secundäres zu betrachten sei: auch Quenstedt schliesst sich dieser Auffassung an und hält die Continuität derUebergänge aufrecht, welche sich allmälig aus der ältesten flachen Scheiben- form entwickelten. Ein nicht minder zutreffendes Beispiel für den allmäligen ümbildungs- vorgang, welchen eine Thierart durch zahllose unmerklich kleine Abänderungen hindurch im Laufe der Zeit erfahren kann, liefern die Paludinen aus den ter- tiären Ablagerungen Slavoniens, von denen Neumayr^) gezeigt hat, dass dieselben auf der Oberfläche starke Kanten und Kiele gewinnen und in con- tinuirlichen Uebergängen allmälig die Charaktere ausbilden, welche man früher zur Aufstellung der Gattung Tulotoma verwerthete. Von Vipipara Neumayri bis zur Tulotoma Hörnest konnte in den als Suessi, pannomca, hifarcinata, stricturata, notha, ornata unterschiedenen Formen eine ununter- brochene Zwischenreihe constatirt werden. In den unteren Paludinenschichten tritt eine vollständig glatte Form mit gerundeten Umgängen V. Neumayri auf ; allmälig flachen sich die Windungen ab und das Gehäuse nimmt eine kegel- förmige Gestalt an (V. /Suessi), die Umgänge werden treppenförmig abgesetzt (V. pannonica), auf ihrer Mitte erscheint eine Einsenkung (F. hifarcinata), diese Einsenkung wird tiefer, der obere Theil der Umgänge zeigt einen schmalen, wulstigen Kiel, der untere eine breite Auf bauchung (V. stridurata), die untere Auf bauchung erhält ebenfalls einen stumpfen Kiel ( V. notha) ; nun werden beide Kiele scharf und rücken bis auf die ersten Umgänge hinauf (F. omafa), und endlich treten auf dem unteren Kiele zackige Knoten auf (V. HörneM). ') Hilgendorf, Ueber Pkmorbis muUiformis im Steinlieimer Süsswasserkalk. Monatsberichte der Berliner Akademie, 1866. -) M. Neumayr und C. M. Paul, Die Congerien- und Paludinenschichten Slavoniens und deren Faunen. Ein Beitrag zur Descendenz-Theorie. Wien. 1875. Verwandtsehaftsbezielnuii,'L'n fossiltr und receuter rormen. 165 Am wichtigsten aber dürfteu die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen von Thieren und Pflanzen der Gegemvart zu fossilen Ueberresten der jüngsten und jüngeren Ablagerungen sein. Insbesondere finden wir im Diluvium und in den verschiedenen Formationen der Tertiärzeit für zahlreiche jetzt lebende Arten die unmittelbar vorausgehenden Stammformen, und zwar werden die faunistischen Charakterzüge, die wir gegenwärtig für die lebende Thierwelt der verschiedeneu Continente und geographischen Provinzen beobachten, durch die in den jüngsten Schichten begrabenen Ueberreste ihrer Stammeltern vor- bereitet. Zahlreiche fossile Säugethiere aus dem Diluvium und den jüngsten (plio- cänen) Tertiärformationen Süd-Amerika's gehören den noch jetzt in diesem Welt- theil verbreiteten Tj-pen aus der Ordnung der Edentaten an. Faulthiere und Armadille von Riesengrösse {Megaflieriam, Megahnyx, Glyptodon etc.) be- wohnten ehemals denselben Oontinent, dessen lebende Säugethierwelt durch die Faulthiere, Gürtelthiere und Ameisenfresser ihren so specifischen Charakter erhält. Neben jenen Eiesenformen sind aber in den Knochenhöhlen Brasiliens auch kleine, ebenfalls ausgestorbene Arten bekannt geworden, die den jetzt lebenden theilweise so nahe stehen, dass sie als deren Stammformen gelten könnten. Dieses Gesetz der ,,Succession gleicher Tgpen^' an denselben Oertlich- keiten findet auch auf die Säugethiere Neuhollands Anwendung, deren Knochen- höhlen zahlreiche, mit den jetzt lebenden Beutlern dieses Continents nahe verwandte Arten enthalten. Dasselbe gilt ferner für die Riesenvögel Neuseelands und, wie Owen und Andere zeigten, auch für die Säugethiere der alten Welt, die freilich durch die circumpolare Brücke mit der nord-amerikanischen in Continuität standen, und von der auf diesem Wege zur Tertiärzeit altweltliche Typen nach Nord-Amerika gelangen konnten und umgekehrt. In ähnlicher Weise haben wir das Vorkommen central-amerikanischer Typen (Dklelphys) in den älteren und mittleren Tertiärformationen Europa's zu erklären. Für die Thierwelt dieses Alters war freilich noch viel weniger als für die der späteren Tertiärzeit die Unterscheidung von Thierprovinzen durchführbar. Die Annäherung vorweltlicher Formen an die der Jetztwelt tritt bei den niederen einfacheren Thieren in weit früherer Zeit auf, als bei denen höherer Organisation. Schon zur Kreidezeit lebten Rhizopoden, welche von lebenden Arten ( Globigerinenschlamm) nicht abzugrenzen sind. Dem entsprechend haben die Tiefseeforschungen *) das interessante Resultat ergeben, dass gewisse Spon- gien, Korallen, Echinodermen und Mollusken, welche lebend die Tiefe der See bewohnen, bereits zur Kreidezeit existirt haben. Von Weichthieren tritt eine grössere Zahl recenter Arten in der Tertiärzeit auf, deren Säucrethierfauna *) In der Tiefe des Oceans, in 'vi'eleher trotz des grossen Druckes, des beschränkten Lichtes und Gasgehaltes des Wassers die Bedingungen für die Entwicklung des Thierlebens ungleich günstiger sind, als man früher glaubte, finden wir Typen früherer Formationen erhalten {Bhizoerinus Lofotensis — Apiocriniten ; Pleurotomaria, Siphonia, Micraster, Pomo- caris etc.). 166 fossiler Formen zu lebenden Arten. Fi?. 145. einen von der gegenwärtigen noch ganz verschiedenen Charakter trägt. Die Mollusken der jüngeren Tertiärzeit stimmen schon in der Mehrzahl ihrer Arten mit den jetzt lebenden überein, wähi-end die Insecten jeuer Formationen noch bedeutend abweichen. Dagegen sind die Säugethiere selbst in den postpliocänen (diluvialen) Ablagerungen zum Theil nach Art und Gattung verschieden, obwohl sich eine Keihe von Formen über die Eiszeit hinaus in die gegenwärtige Epoche erhalten hat. Aus diesem Grunde und wegen der relativen Vollständigkeit der tertiären Ueberreste erscheint es von besonderem Interesse, die receute Säugethierfauna durch die pleistocänen Formen bis in die älteste Tertiärzeit zurück zu verfolgen. Für die Säugethiere dürfte es zuerst gelingen, die Stammes- entwicklung einer Reihe von Arten nachzuweisen. liüti- m e y e r unternahm es zuerst, die Grundlinien zu einer palä- ontologischen Entwicklungs- geschichte für die Hufthiere und vornehmlich die Wieder- käuer zu entwerfen, und ge- langte auf Grund detaillirter geologischer und anatomi- scher (Milchgebiss) Verglei- chungen zu Resultaten, w^elche es nicht bezweifeln lassen, dass ganze Reihen heutiger Säugethierspecies unter sich und mit fossilen in coUateraler oder directer Blutsverwandtschaft stehen. Und Rütimeyer's Versuch wurde durch die jüngsten umfassenden Arbeiten W. Kowalevsky's im Princip bestätigt und durch Aufstellung einer natür- lichen, genetisch begründeten Classification der Hufthiere erweitert. Dazu kommen die jüngsten Forschungen von Marsh, welche auf Grund zahlreicher Funde in Amerika (Wyoming, Green-River, White-River) die Ge- nealogie der Gattung Equuii ausserordentlich vervollständigten. (Fig. 145.^ Auf das alteocäne Eohipjms, welches an den Vorderfüssen noch ein Rudiment der Innenzehe besass, folgte das eocäne Orohippus, bei welchem an den Vorder- gliedmassen auch noch die kleine Zehe neben den drei den Boden berührenden Hauptzehen als Afterzehe vorhanden war, dann das dreihufige Mioh/ppns aus dem unteren Miocän und auf dieses das unterpliocäne Protoh/ppns, endlich das oberpliocäne Plioluppus, welche die Stammform der diluvialen und recenten Gattung Equus ist. Für die meisten Säugethierordnungen, wie für die Fledermäuse, Pro- boscideen, Walthiere etc. lassen sich freilich zur Zeit die Wurzeln ihres Vorder- (Vj und Hinterfuss (H) hippus (Bipparion), d iliohippus (Anclutlmium hippus. (Nach Marsh.) on n Eqims, b PliolUppus, c Proio- e Musoliippus.f Oro- Ausgestor1)enc Tliiergrupiu'ii dir Vorzeit. 167 Ursprunges nicht näher zurückverfolgen, während für einzehie Ordnungen, wie Halbaffen, Carnivoren, Hufthiere und Nager, in Resten ausgestorbener Typen merkwürdige Zwischenglieder entdeckt worden sind. Für diese erscheinen wiederum die Tertiärreste Nord-x\merika's von hervorragender Bedeutung. Hier lebten im Eocän (Wyoming) die TiModonte.n ') mit der Gattung T'dlo- therium, welche einen breiten Bärenschädel, zwei breite Schneidezähne wie ein Nager und Backenzähne nach Art der Paläotherien besass, während die fünf- zehigen Füsse mit starken Klauen bewaffnet waren. Ebenso vereinigten sich im Skeletbau Eigenthümlichkeiten von Carnivoren und Hufthieren. Die Dino- ceraten (Dinoceras luticeps^mivahlUi) waren gewaltige Hufthiere mit fünfzehigen Füssen und sechs Hörnern auf dem Kopfe, ohne Schneidezähne im Zwischen- kiefer, mit gewaltigen hauerartigen Eckzähnen im Oberkiefer und sechs Backen- zähnen. Ein dritter Typus der BrontotherideM trug quergestellte Hörner vor den Augen und erreichte Elephantengrösse. Ausser den genannten sind aber noch eine Reihe anderer Säugethiergruppen, deren Ueberreste in weit jüngere Schichten reichen, aus der Lebewelt völlig geschwunden, unter ihnen die süd- amerikanischen Megatheriden [Mylodon, Merjatlm-km) aus der Ordnung der Edentaten, sowie die Toxodonten, deren Schädel und Gebiss mit Hufthieren, Nagern und Edentateu Beziehungen bietet. Indessen sind auch viele andere Typen, insbesondere von Hufthieren, welche zur Tertiärzeit in beiden Erd- hemisphären lebten, in Amerika ausgestorben, während sie sich im Osten bis zur Gegenwart erhalten haben. Elephanten und Mastodonten, Rhinoceriden und Equiden reichen dort zwar in die Diluvialzeit, aber nicht in die recente Periode hinein. Von Perissodactylen blieb in Amerika ausschliesslich die Gruppe der Tapire erhalten, die auch in der östlichen Erdhälfte in ostindischen Arten fortlebt. Auch das paläarktische Gebiet hat ausgestorbene Zwischengruppen von Säugethieren aufzuweisen, von denen uns tertiäre Reste überkommen sind. lu den Phosphoriten von Quercy '') in Süd-Frankreich finden sich Schädelreste von Halbaffen (Ädapis), deren Bezahnung das Gebiss von alten Hufthieren und Lemuren verbindet {Pachyhmnren), so dass die Frage aufgeworfen werden konnte, ob nicht die Halbaffen mit mehreren eocänen Hufthieren (Dickhäutern) einen gemeinsamen Ursprung gehabt haben. An den gleichen 0 ertlichkeiten aber treten auch merkwürdige, sehr wohl erhaltene Knochenreste eigenthüm- licher Carnivoren, der Hijaenodonten, auf, über deren Natur als Beutel- thiere man längere Zeit im Zweifel war, bisFilhol aus den Ersatzzähneu des bleibenden Gebisses die Natur als placentale Carnivoren wahrscheinlich machte. Die grosse Uebereinstimmung der Backenzähne dieser Hyaenodonten ') Vergl. 0. C. Marsh, Principal Characters of the Tillodoiitia. Amer. Journal of Sciences and Arts, Vol. XI, 1876. Derselbe, Principal Characters of the Dinocerata. Eben- daselbst, 1876. Derselbe, Principal Characters of the Brontotheridae. Ebendaselbst, 1876. 2) Vergl. H. Filhol, Eecherches sur les Phosphorites du Quercy, Etüde des fossiles qu'on y rencontre et specialeraent des Mammiferes. Ann. sciences geologiques, Vol. VII, 1876. 168 Fossile Säugcthierc. Labyrinthodonten. Theriodontea. mit denen fleischfressender Marsupialieu, sowie die geringe Grösse der Scliädel- höhle und somit die relativ geringe Ausbildung des Gehirns dürfen die aus zahlreichen anderen Gründen wahrscheinlich gemachte Ansicht unterstützen, dass sich die placentalen Säugethiere aus Beutelthiereu während der meso- zoischen Zeit entwickelt haben. In den ältesten Schichten des Eocän erscheinen freilich in beiden Erd- hälften die höheren placentalen Säugethiere schon in reicher Gestaltung und in ausgeprägten Gegensätzen (Ärtiodacti/len, Perissodactylen), indessen ist kein Grund vorhanden, die unermessliche Periode bis herab zu dem Keuper, in welchem als die ältesten Säugethierreste Zähne und Knochen von insecten- fressenden Beutelthiereu gefunden wurden, als die Zeit zu betrachten, in welcher sich diese höhere Ent- ^^"' ■^**^- Wicklung des Säuge- thierorganismus voll- zogen hat, da uns aus derselben bislang nur höchst spärliche Reste (Jura, England) von Beutlern bekannt wurden. Noch auf ande- ren Gebieten hat die Paläontologie Verbin- dungsglieder v on Thier- gruppen , selbst von Ordnungen und Classen kennen gelernt. Die Lahijrinthodonten ^ die ältesten, schon in der Steinkohlenformation auftretenden Lurche, zeigen mehrfache Charaktere der Fische (Knochenschilder der Brust etc.) mit Reptilienmerkmalen verbunden und besassen ein knorpeliges Skelet. Zahlreiche fossile Sauriergruppen gehören zu Ordnungen und Unterordnungen (Halo- saurier, Dinosaurier, Pterodactylier [Fig. 146], T/iecodonten), aus denen sich kein einziger Repräsentant bis in die Gegenwart erhalten hat, andere wiederum liefern Verbindungsglieder zu recenten Ordnungen, wie neuerdings eine solche Beziehung der „pythonomorphen" (der Gattung Mosasaunis verwandten) Echsen aus der Kreide Amerika's im Schädel- und Kieferbau zu den Schlangen nachgewiesen wurde. Nach 0 w en's Untersuchungen über die fossilen Reptilien des Caplandes lebten dort einst Reptilien (Theriodonten), welche in Gebiss- und Fussgestaltung sich auffallend fleischfressenden Säugethieren näherten. Die Zähne derselben, wenn auch einwurzelig, sind als Schneide-, Eck- und Backen- Arcliaeopteryx lithographioa. 169 Zähne zu untersclieiden und gel>eii zu Betrachtungen Anlass, nach denen mög- licherweise das Gebiss der ältesten bislaug bekannten Beutelthiere (^Keuper) aus einem Theriodonten-ähnlichen Eeptiliengebiss abzuleiten ist. Ficj. 147. Archaeoplcrijx Utlioijraphica. lExempIar dos Britischen Museums.) Selbst für die streng abgeschlossene, im Körperbau so einförmig gestaltete Classe der Vögel wurde zuerst in einem unvollständigen Abdrucke des Sohlen- hofner Schiefers eine Uebergangsform zu den Eeptilien in Ardiaeopteryx Utho(jvapluca (Fig. 147j entdeckt, welche statt des kurzen Vogelschwanzes 1 70 Saururae. einen langen, aus zalilveiclien (20) Wirbeln zusammengesetzten Reptilschwanz mit zweizeilig geordneten Steuerfedern trug (Saururae^ und sich sowohl in der Gliederung der Wirbelsäule, als in dem Bau des Beckens den langschwänzigen Flugeidechsen annäherte. Der Fund eines zweiten vollständigeren p]xemplars von Archneoptenjx (Fig. 148) hat das Gebiss dieser Thiere, welche spitze, in den Kiefern eingekeilte Zähne trugen, nachweisen lassen. Ausserdem wurden amerikanische Vogeltypen aus der Kreide bekannt, welche untereinander und Ficc. 148. chafoptcryx Uthographt (ExeiiipUir di-s mineralogisclion Museums in Berlin.) von den Saururen viel weiter als jetzt lebende Vögel irgend welcher Ordnung divergireu. Dieselben, von Marsh*) als Odontomithes bezeichnet und als Subclasse unterschieden, besassen Zähne in den schnabelartig verlängerten Kiefern. Die einen (Ordnung Ichtht/omähes) hatten biconcave Wirbel, eine Cn'sta sternl und wohlentwickelte Schwingen (Ichihyorins) (Fig. 149\ die ') 0. C. Marsh. Odontomithes. A Monograph of the extinct toothed birds of North- America. New-Haven, 1880. Nachweis progrossiver Vorvollkommnung. 171 anderen (Odontolcac), mit Zähnen in Gruben und normalen Wirbeln, olme Brustbeinkiel und mit rudimentären Schwingen, waren flugunfällig (Hesperor- lu's, Lesform's). (Fig. 150.) Möglicherweise wird es später noch gelingen, durch Entdeckung neuer Typen die Verbindung mit den Dinosauriern (Compsognathns) herzustellen, deren Becken- und Fussbildung nähere Beziehungen zu den gleichen Körper- theilen der Vögel bieten. Vergleichen wir, von den ältesten der erhaltenen Formationen an, die Thier- und Pflanzenbevölkerung der aufeinanderfolgenden Perioden der Erd- bildung, so wird mit der all- mäligen Annäherung an die Fauna und Flora der Jetztzeit im Ganzen und Grossen ein stetiger Fortschritt vom Nie- deren zum Höheren offenbar. Die ältesten Formationen der sogenannten archäischen Zeit, deren Gesteine sich freilich grossentheils in metamor- phischem Zustande befinden, ihrer ungeheuren Mächtigkeit nach aber unermessliche Zeit- räume zu ihrer Entstehung nothwendig gehabt haben, führen keine mit Sicherheit als solche erkennbare fossile Reste, wenngleich das Vor- kommen bituminöser Gneise in den alten Formationen auf die damalige Existenz orga- nischer Körper hinweist. Die gesammte und gewiss reich- halfige Organismenwelt der ältesten Perioden ging unter, ohne deutlichere Spuren, als die Graphitlager der h-ystallinischen Schiefer zuriickzukissen. In den ältesten und sehr umfangreichen Schichtengruppen der paläozoischen Zeit finden sich aus der Pflanzenwelt aus- schliesslich Cryptogamen, besonders Tange, die unter dem Meere mächtige und formenreiche Waldungen bildeten. Zahlreiche Seethiere aus sehr verschiedenen Gruppen, Zoophyten, Weichthiere,Z?rrtc/iw/)0(^e?i, Krebse (Leptostraken- ähnliche Hgmenocaris, Trilohiten) und Fische, letztere mit höchst eigenthümlichen, einer tiefen Orgauisationsstufe entsprechenden gepanzerten Formen {Cephalnspiden), belebten die warmen Meere der Primärzeit. Von Landbewohnern finden wir Insecten und Scorpioniden schon im Silur; zahlreicher werden die Reste der- Ii-htlnjor dixjHir, nn sh. (Restaurirt.) 172 Nachweis progressiver Vervollkominnuno selben in der Steinkolile, wo wir auch Amphibien (Apatheon, Archegosaurus) mit Chorda und Knorpelskelet finden ; in den Formationen des Djas -erscheinen dann Fiir. 150. Ihsperornis nach Marsh. Keptilien in grossen eidechsenartigen Formen (Proterosmims), während noch immer die Fische, aber ausschliesslich Knorpelfische und Ganoiden mit Chorda Geographische Verbreitung. 173 dorsalis und unter den Pflanzen die Gefässcryptogamen (Baumfarren, Lepido- dendren, Calamiteu, Sigillarien, Stigmarien) dominiren. In der Secundärzeit erlangen von Wirbelthieren die Eidechsen und in der Pflanzenwelt die bereits schon zur Steinkohlenzeit vereinzelt auftretenden Nadelhölzer und Oycadeen eine solche vorwiegende Bedeutung, dass man nach ihnen wohl die ganze Periode das Zeitalter der Saurier und Gymno- spermen genannt hat. Unter den ersteren sind die colossalen, auf das Land an- gewiesenen Dinosaurier, die Flugeidechsen oder Pterodactylier und die See- drachen oder Halosaurier mit den bekanntesten Gattungen IchUiyoscmrus und Plesiosaurus der Secundärzeit ganz eigenthümlich. Auch Säugethiere finden sich schon, freilich mehr vereinzelt, sowohl in den obersten Schichten der Trias, als im Jura, und zwar ausschliesslich der niedersten Organisationsstufe der Beutler angehörig. Blüthenpflanzen erscheinen zuerst in der Kreide, die auch die ältesten Koste entschiedener Knochenfische einschliesst. Erst in der Tertiärzeit erlangen die Blüthenpflanzen und die Säugethiere, unter denen auch die höchste Ordnung der Affen ihre Kepräsentanten findet, eine so vorwiegende Entfaltung, dass man diesen Zeitraum als den der Laubwälder und Säugethiere bezeichnen kann. In den oberen Tertiärablageruugen steigert sich dann die Annäherung an die Gegenwart für Thiere und Pflanzen stufen- weise. Während zahlreiche niedere Thiere und Pflanzen nicht nur der Gattung, sondern auch der Art nach mit lebenden identisch sind, gewinnen auch die Arten und Gattungen der höheren Thiere eine grössere Aehnlichkeit mit denen der Gegenwart. Mit dem Uebergang in die diluviale und recente Zeit nehmen unter den Blüthenpflanzen die höheren Typen an Zahl und Verbreitung zu, und wir werden in allen Ordnungen der Säugethiere mit Formen bekannt, welche in ihrem Bau nach bestimmten Richtungen immer eingehender specialisirt und deshalb vollkommener erscheinen. Im Diluvium finden wir erst unzweifelhafte Spuren für das Dasein des Menschen, dessen Geschichte und Culturentwicklung nur den letzten Abschnitt des relativ so kleinen recenten Zeitraumes ausfüllt. Trotz der grossen Unvollständigkeit der geologischen Urkunde genügt das von ihr gebotene Material zum Nachweise einer fortschreitenden Entwicklung von einfachen und niederen zu höheren Organisationsstufen, zur Bestätigung des Gesetzes fortschreitender Vervollkommnung in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Gruppen. Freilich vermögen wir im Verlaufe des Fortschrittes nur einen sehr kleinen Zeitraum zu verwerthen, da die Organismenwelt der ältesten und umfassendsten Zeitperioden vollständig aus der Urkunde verschwunden ist. Die Bedeutung der geoi;rapliiscUeu Verbreitung. Die geographische Verbreitung der Thiere und Pflanzen bietet sehr ver- Avickelte und oft schwer verständliche Verhältnisse. Auch sind unsere Er- fahrungen auf diesem Gebiete noch viel zu beschränkt, um die Aufstellung durchgreifender allgemeiner Gesetze möglich zu machen. Wir sind noch weit 2 Y^ Geograplii-sclie Verljrfituug. von der kaum lösbaren Aufgabe entfernt, uns ein vollständiges Bild von der Yertheilung der Thiere über die Erdoberfläche zu entwerfen, und müssen vor Allem unsere Unwissenheit über alle Folgen der klimatischen und Niveau- verändeningeu, welche die verschiedenen Ländergebiete in der jüngsten Zeit erfahren haben, ebenso unsere Unkenntniss der zahlreichen und ausgedehnten, durch die mannigfachsten Trausportmittel unterstützten ^\^anderungen von Thieren und Pflanzen eingestehen. Ohne Zweifel ist die gegenwärtige Verth eilung von Thieren und Pflanzen über die Erdoberfläche das combinirte Kesultat von der einstmaligen Ver- breitung ihrer Vorfahren und der seitdem eingetretenen geologischen Um- gestaltungen der Erdoberfläche, der mannigfachen Verschiebungen von Wasser und Land, welche auf die Fauna und Flora nicht ohne Einwirkung bleiben konnten. Demnach erscheint die Thier- und Pflanzengeographie *) zunächst mit demjenigen Theile der Geologie, welcher die jüngsten Vorgänge der Gestaltung der Erdrinde und ihre Einschlüsse zum Gegenstande hat, innig verkettet; sie kann sich daher nicht darauf beschränken, die Verbreitungsbezirke der jetzt lebenden Thier- und Pflanzenformen festzustellen, sondern muss auf die Aus- breitung der in den jüngsten Formationen eingeschlossenen Ueberreste, der nächsten Verwandten und Vorfahren der gegenwärtigen Lebewelt Rücksicht nehmen. Wenn wir zwischen dem Norden Amerika's und dem palaearktischen Continent, andererseits zwischen Süd- Amerika, Afrika und Australien ähnliche (sogenannte vicarirende oder Eepräsentativformen, Buffon) oder gemeinsame Typen finden, so weisen diese auf eine frühere circumpolare Brücke des Nordens, sowie nach Rütimeyer andererseits auf die ehemalige, wenn auch weit zurückliegende Existenz eines grossen südlichen Coutinents, mit Australien als Ueberrest, hin, welcher das Ausgangscentrum der flugunfähigen Struthioniden, der ausgestorbenen Riesenvögel (von Madagascar und Neuseeland) und der Edentaten (Manis, Süd-Asien, Orycteropus, Afrika) gewesen sein dürfte. (Bezie- hungen der Flora von Australien, Capland, Feuerland.) Als gemeinsame Be- wohner des Nordens beider Coutinente sind Eisfuchs, Vielfrass und Bär, Wolf und Luchs, Murmelthier und Alpenhase, Renthier und Hirsch, Bison, und für ältere Perioden Pferd, Mammuth und Moschusochse hervorzuheben. Obwohl in diesem Sinne die Wissenschaft der Thiergeographie noch am Anfange steht, sind doch zahlreiche und wichtige Thatsachen der geographischen Verbreitung mit der Transmutationstheorie in Einklang zu bringen. Dieselbe hat die hori- zontale Verbreitung der Organismen mit der verticalen oder geologischen Folge derselben in Einklang zu bringen und die territorialen Veränderungen zur Er- klärung heranzuziehen. ') P. L. Sflater, Ueber den gegenwärtigen Stand unserer Kenntniss der geo- graphischen Zoologie. Erlangen, 1876. A. E. Wallace, Die geographische Verbreitung der Thiere, übersetzt von A. B. Meyer. Tom. I und II. 1876. Derselbe, Island life or the phenomena and causes of Insular Faunas and Floras. including a revisiou and attempted Solution of the problem of Geological Climates. London, 1880. Geographisclie Verbreitung. 175 Zunächst erscheint von grosser Bedeutung, dass weder Aehnlichkeit noch Unähnlichkeit der Bewohner verschiedener Gegenden ausschliesslich aus klima- tischen und physikalischen Verhältnissen zu erklären sind. Sehr nahe stehende Thier- und Pflanzenarten treten oft unter höchst verschiedenen Naturbedin- gungen auf, während unter gleichen oder sehr ähnlichen Verhältnissen des Klimans und der Bodenbeschaffenheit eine ganz heterogene Bevölkerung leben kann. Dahingegen steht die Grösse der Verschiedenheit mit dem Grade der räumlichen Abgrenzung, mit den Schranken und Hindernissen, welche freier Wanderung entgegentreten, in engem Zusammenhange. Die alte und neue Welt, mit Ausschluss des nördlichsten polaren Gebietes vollkommen getrennt, haben eine zum Theil sehr verschiedene Fauna und Flora, obwohl in beiden rück- sichtlich der klimatischen und physikalischen Lebensbedingungen unzählige Parallelen bestehen, welche das Gedeihen der nämlichen Art in gleicherweise fördern würden. Vergleichen wir insbesondere die Länderstrecken von Süd- Amerika mit entsprechend gelegenen Gegenden gleichen Klimans von Süd- Afrika und Australien, so treffen wir drei bedeutend abweichende Faunen und Floren, während die Thiere in Süd-Amerika unter verschiedenen Breiten und ganz abweichenden klimatischen Bedingungen nahe verwandt erscheinen. Hier wechseln im Süden und Norden Organismengruppeu, die zwar der Art nach verschieden, aber doch den gleichen oder nahe verwandten Gattungen und bereits im Diluvium, sowie zur jüngeren Tertiärzeit in Süd-Amerika verbreiteten Thiergruppen angehören. Die Ebenen der Magellanstrasse, sagt Darwin, sind von einem Nandu [Rhea Americana) bewohnt, und im Norden der Laplata- Ebene wohnt eine andere Art derselben Gattung, doch kein echter Strauss {Struthlo) oder Emu (Dromaeus), welche in Afrika und beziehungsweise in Neuholland unter gleichen Breiten vorkommen. In denselben Laplata-Ebenen finden sich das Aguti (Dasyprocta) und die Viscache (Lagostomus), zwei Nage- thiere von der Lebensweise unserer Hasen und Kaninchen und mit ihnen in die gleiche Ordnung gehörig, aber einen rein amerikanischen Organisations- typus bildend. Steigen wir zu dem Hochgebirge derCordiileren heran, so treffen Avir die Bergviscache (Lagidinm) ; und sehen wir uns am Wasser um, so finden wir zwei andere süd-amerikanische Typen, den Coj^pu [Myopotamus) und Capy- bara (Hydrochoerus) statt des Bibers und der Bisamratte. Nach dem allgemeinen Gepräge ihrer Land- und Süsswasserbewohner kann man die Erdoberfläche in sechs bis acht Kegionen eintheilen, die freilich des- halb nur einen relativen Ausdruck für natürliche grosse Verbreitungsbezirke zu geben im Stande sind, weil sie sich nicht auf alle Thiergruppen in gleicher Weise anwenden lassen und dann unmöglich in gleichem Grade und nach denselben Richtungen differiren. Auch muss es intermediäre Gebiete geben, welche Eigen- schaften der benachbarten Eegionen mit einzelnen Besonderheiten combiniren und eventuell als selbstständige Regionen in Frage kommen. Das Verdienst, eine natürliche Aufstellung der grossen Verbreitungs- gebiete mit engern Abtheilungen begründet zuhaben, gebührt Sclat er, welcher, 176 D'C grossen Verbreitungsgebiete der Thiere. auf die Verbreitung der Vögel gestützt, sechs Regionen unterschied, Regionen, durch deren Barrieren so ziemlich auch die Verbreitung der Säugethier- und Reptilienfauna begrenzt wird. 1. Die pnlaearktischc Region: Europa, das gemässigte Asien und Nord- Afrika l)is zum Atlas. 2. Die nearktische Region : Grönland und Nord- Amerika bis Nord-Mexico. 3. Die äthiopische Region : Afrika südlich vom Atlas, Madagascar und die Mascarenen. 4. Die indische Region: Indien südlich vom Himalaja bis Süd-China, Borneo und Java. 5. Die australische Region: Australien und die Südsee -Inseln, sowie die Mollukken westlich bis inclusive Lombok. 6. Die neotropische Region: Süd-Amerika, die Antillen und Süd-Mexico. Andere Forscher (Huxley) haben später darauf hingewiesen, dass die vier ersten Regionen miteinander eine weit grössere Aehnlichkeit haben, als irgend eine derselben mit der von Australien oder Süd-Amerika, dass ferner Neuseeland durch die Eigenthümlichkeiten seiner Fauna berechtigt sei, als selbstständige Region neben den beiden letzteren unterschieden zu werden, und dass endlich eine Circumpolarprovinz ') von gleichem Rang wie die palaeark- tische und nearktische anerkannt zu werden verdiene. Wallace spricht sich gegen die Aufstellung sowohl einer neuseeländi- schen als einer circiimpolarenüegion aus und adoptirt aus praktischen Gründen die sechs Sclater'schen Regionen, mit dem Zugeständniss, dass dieselben nicht von gleichem Range sind, indem die süd-amerikanische und australische viel isolirter stehen. Die Schranken der unterschiedenen Regionen stellen sich als ausgedehnte Meere, hohe Gebirgsketten oder Sandwüsten von grosser Ausdehnung dar und sind selbstverständlich keineswegs für alle organischen Erzeugnisse Barrieren vom Werthe absoluter Grenzen, sondern gestatten für diese oder jene Gruppen üebergänge aus dem einen Gebiete in das andere. Die Hindernisse der Aus- und Einwanderung erscheinen zwar hier und da für die Jetztzeit unübersteiglich, waren aber gewiss in der Vorzeit unter anderen Verhältnissen der Vertheilung von Wasser und Land von der Gegenwart verschieden und für manche Lebens- *) Dagegen unterscheidet Andrew Murray in seinem Werke über die geogra- phische Verbreitung der Säugethiere, 1866, . nur vier Eegionen, die palaearktische, die indo-afrikanische, die australische und die amerikanische Region, während Rüt im ey er neben den sechs Sclater'schen Provinzen die circumxjolare anerkennt und eine mediterrane oder Mittelmeerprovinz hinzufügt. Endlich hat J. A. Allen (Bulletin of the Museum of comparative Zoologie. Cambridge, Vol. 2) im Zusammenhang mit dem „Gesetz der circum- polaren Vertheilung des Lebens in Zonen" die Unterscheidung von acht Gebieten vor- geschlagen : 1. Arktisches Reich. 2. Nördlich gemässigtes Reich. 3. Amerikanisch tropisches Reich. 4. Indo- afrikanisch tropisches Reich. 5. Süd -amerikanisch tropisches Reich. 6. Afrikanisch gemässigtes Reich. 7. Antarktisches Reich. 8. Australisches Reich. Die Schranken (U-r Verbreitungsgebiete. 177 formen leichter zu überschreiten. Ja man kann für viele der Scliranken mit Sicherheit beliaiipten, dass dieselben in früheren Zeitperioden nicht existirten, dass Continente, die jetzt durch Meere getrennt sind, in unmittelbarem Zu- sammenhange standen (Nord-Afrika und Süd-Europa), dass Inseln in früherer Zeit Theile des benachbarten Continentes waren (England, Faröer, Island, Grönland), und Läudergebiete, welche jetzt zu demselben Continente gehören, durch ein ausgedehntes Meer getrennt waren (Nord-Afrika, tropisches Afrika). Doch ist nach Wall ace die Ansicht, dass Continente in früherer Zeit ver- sunken und an Stelle des Meeres Continente vorhanden waren, zurückzuweisen, vielmehr haben die Meere im Laufe der Zeit mehr oder minder bedeutende Niveauveränderungen erfahren, in deren Folge Continente sich zeitweilig zu Archipelen gestalteten, und die Ausdehnung der die Continente trennenden Meere von wechselndem Umfange war. Für die Ausbreitung der landbewohnenden Säugethiere wird man im Allgemeinen bestätigt finden, dass die für bestimmte Territorien charakte- ristischen Artengruppen den Abstufnngen der örtlichen Trennung propor- tional verschieden sind. Sehr bekannt ist der Gegensatz zwischen den Affen der alten und neuen Welt, welcher den systematischen, als Unterordnungen bewertheten Gruppen der Schmalnasen (Catarrhinen) und plattnasigen Affen (Platyrrhinen) parallel geht. Unter den ersteren stehen sich wiederum die afrikanischen Stummelafleu (Colohus) und die süd-asiatischen Schlankaffen {jSemnoinihecus) sehr nahe, und sind die einen gewissermassen Repräsentativ- formen der anderen. Aber auch die einzelnen jSenmopähecus - Arten sind über local getrennte Wohnplätze verbreitet, welche einander viel näher liegen und durch geringere Schranken getrennt sind, indem z. B. die eine Art (Budeng) auf Java, die andere, S. nasicus, Nasenaffe, auf Borneo lebt, eine dritte, >S'. entellm, auf dem ostindischen Festland, Ä uamaeus, Kleideraffe, in Cochinchiua ver- breitet ist. Von den Anthropomorphen gehören die dolichocephalen Formen mit 13 ßippenpaaren, der Gorilla und Chimpanse, Afrika an, während die brachycephalen, durch den Besitz von nur 12 oder 11 Eippenpaaren ausge- zeichneten Orangs Asiaten sind und wiederum nach ihrem Aufenthalt auf Sumatra und Borneo in Varietäten oder Arten unterschieden werden. Die Ord- nung der Strausse ist in bedeutend differenten Typen über drei Welttheile ausgebreitet. Die neuholländischen Casuare und Emus stehen einander viel näher als dem zweizehigen afrikanischen Strauss und den süd-amerikanischen Nandus. Von den Emus bewohnt Dromaeus Novae Hollandiae den Osten, D. irroratus den Westen Australiens, und ebenso hat jede der bekannten Casuar- arten ihren besonderen Wohnbezirk, C. amtralis an der Nordküste, C. Benetti in Neu-Britannien, C. Kaupü in Neuguinea, C. galeatus auf Ceram (Molukken). Allerdings gibt es auch wieder eine Eeihe von Ausnahmsfällen, indem weit entfernt liegende Länder, wie z. B. Japan und Gross-Britannien, geringere Unterschiede ihrer Organismenwelt zeigen, während relativ nahe liegende, wie Afrika und Madagascar, Australien und Neuseeland, sowie die Inseln Lombok C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 1*^ X78 Verbreitung der Meeresbewohner. und Bali eine höchst abweichende Fauna und Flora besitzen. Eine Erldärung dieser auffallenden Thatsachen gewinnen wir erst mit Hilfe der territorialen Veränderungen, welche mehr oder minder weit in frühere Perioden der Erd- gestaltung zurückreichen. Auch für die Verbreitung der Meeresbewohner wiederholen sich die näm- lichen Gesetze. Ein Theil der Barrieren für Landthiere, wie die grosse insel- reiche See, kann hier eine Ausbreitung unterstützen, während umgekehrt aus- gedehnte Gebiete von Festland, welche die Ausbreitung der Landthiere be- günstigen, unübersteigliche Schranken herstellen. Indessen besuchen eine grosse Zahl von Seethieren nur flaches Wasser an den Küsten und werden daher oft mit den Landthieren ihrer Verbreitung nach zusammenfallen, hingegen an ent- gegengesetzten Küsten ausgedehnter Continente sehr verschieden sich ver- halten. Beispielsweise differiren die Meeresthiere der Ost- und Westküste von Süd- und Central-Amerika so bedeutend, dass, von einer Eeihe von Fischen abgesehen, welche nach Günther an den entgegengesetzten Seiten des Isthmus von Panama vorkommen, nur wenige Thierformen gemeinsam sind. Ebenso treffen wir in dem östlichen Inselgebiete des stillen Meeres eine von der Westküste Süd-Amerika's ganz abweichende marine Thierwelt. Schreiten wir aber von den östlichen Inseln des stillen Meeres weiter westlich, bis wir nach Umwanderung einer Halbkugel zu den Küsten Afrika's gelangen, so stehen sich in diesem umfangreichen Gebiete die Faunen nicht mehr scharf gesondert gegenüber. Viele Fischarten reichen vom stillen bis zum indischen Meere, zahl- reiche Weichthiere der Südseeinseln gehören auch der Ostküste Afrika's unter fast genau entgegengesetzten Meridianen an. Hier sind aber auch die Schranken der Verbreitung nicht unübersteiglich, indem zahlreiche Inseln und Küsten den wandernden Meeresbewohnern Ruheplätze bieten. Rücksichtlich des besondern Aufenthaltes der Seebewohner unterscheidet man LtttoraltJnere *), welche an den Küsten, wenn auch unter ungleichen Ver- hältnissen, in verschiedener bathymetrischer Ausbreitung am Boden leben, von pelogischen, an der Oberfläche schwimmenden Seethieren. Aber auch in be- deutenden Tiefen und am Meeresgrunde existirt ein reiches und mannigfaltiges Thierleben, von dem man erst in neuester Zeit, vorzüglich durch die von Scandi- navien, Nord-Amerika und England ausgegangenen Expeditionen zur Tiefsee- forschung nähere Kenntniss gewonnen hat. Die durch diese Forschungen gewon- nenen Erfahrungen lassen es naturgemäss erscheinen, folgende Zonen zu unter- scheiden: 1. Eine oberflächliche, pelagische Zone, welcher in der Nähe der ') Edw. Forbes unterschied für den Aufenthalt der Meerthiere vier von oben nach unten folgende Schichten oder Zonen : 1. Die Uttorale Zone zwischen den Grenzen hr)chster Flut und tiefster Ebbe, reich an Algen. 2. Die Laminarienzone vom tiefsten Stand der Ebbe bis etwa 15 Faden Tiefe, in welcher braune Fucaceen und verschieden gefärbte Florideen verbreitet sind. 3. Die Kor alUneen- Zone bis zu circa 50 Faden Tiefe, durch das Vorkommen von Kalkalgen und Nulliporen charakterisirt. 4. Die tiefe Zone von 50 Faden abwärts bis zu den abyssischen Gründen, wo nach Forbes' irrthümlicher Ansicht das Leben völlig oder doch nahezu erloschen sein sollte. Tiefsoe-Faiina. 179 Küsten aiicli Forbes' Littoral- und Laminarienfauna zu subsummiren ist. 2. Eine tiefere, subpelagische, nocli vom Licht beeinflusste, belichtete Zone (etwa bis 150, beziehungsweise 200 Faden Tiefe). 3. Eine umnachtete Zone, welche im Zusammenhang mit dem Licht- und Pflanzenmangel arm an Sauer- stoff, dagegen reicher an Kohlensäure ist, mit relativer Stagnation des verti- caleu Verkehrs. 4. Eine abyssische Zone von verschiedener Tiefe mit den Tief- seebewohuern des Meeresgrundes. Anstatt des a priori vermutheten Mangels jeglichen Thierlebons finden selbst in den bedeutendsten Tiefen zahlreiche niedere Thiere der verschiedensten Gruppen die Bedingungen ihrer Existenz. Es sind ausser den Sarcodethieren der vorwiegend am Meeresgrunde lebenden Foraminiferen (Globigerinenschlamm) und Radiolarien (Radiolarienschlick in den centralen Theileu des stillen Oceaus von circa 3000 Faden Tiefe) vor- nehmlich Kieselschwämme (Hexactiuelliden), Actinien und Korallenpolypen, auch einzelne Schirmquallen und Siphonophoren, sodann Echinodermen {Elpi- dta, ÄstJjenosoma, Pourtcdesia, Brisinga, Ärchaster, Pentacrinus etc.) und Crustaceen ^) gefunden worden, letztere zum Theil aus niederen Typen, aber in gigantischen und häufig blinden Repräsentanten. Lamellibranchiaten und Gastropoden haben sich wohl im Zusammenhang mit der Kalkarmuth der sehr bedeutenden Tiefen nur in vereinzelten Formen gefunden. Das gleiche gilt von den Cephalopoden, von welchen nur wenige Arten (Chiroteuthis lacertosa) in Tiefen von 1000 bis 3000 Faden vorzukommen scheinen, ohne dass auf dieselben die Bedingungen des Tiefseelebens einen wesentlich umgestaltenden Einfluss ausgeübt hätten. Dagegen stellen die Fische nicht nur ein sehr reiches Contingent unter den Tiefseebewohnern, sondern zeigen auch sehr interessante und oft in höchst wunderlicher Gestaltung hervortretende Anpas- sungen an die Bedingungen dieses Aufenthaltes [ßtemoptyx, Stomias, Halo- saurus, Ästronesthes, Jgnops, Melanocetiis, Saccopharynx). Wie bei den Crusta- ceen sind auch bei den Fischen der Tiefsee die Augen oft abnorm vergrössert oder bedeutend reducirt, und es gibt einige vollkommen blinde Formen (Ignops Murrayi). Bei den sehenden Tiefseefischen finden sich häufig Leucht- organe, die, in der Nähe der Augen oder an den Seitenlinien angeordnet, die Umgebung beleuchten und hiedurch den Gebrauch des Auges ermöglichen. Auch andere Sinne, wie insbesondere der durch lange Fäden gestärkte Tastsinn erscheinen oft besonders ausgebildet. Mit den gieichmässigen, überall in der Tiefe der Meere herrschenden Lebensbedingungen, wie der niedrigen Temperatur, der geringen Bewegung *) Vergl. besonders ■\VyYille Thomson, The depths of the sea. An account of the general results of the dredgings cruises of the Procupine and Lightning during the .Summers 1868, 1869 and 1870. London, 1873; ferner The voyage of the Challenger. London, 1877; sowie A. Agassiz, Three cruises of the U. S. coast and geodetik survey tSteamer Blake. London, 1888; E. Perrier, Les explorations sousmarius. Paris 1886; C. Chuu, Die pelagische Thierwelt in grossen Meerestiefen. Biblioth. zool., Heft I, Cassel, 1888; W. Marshall, Die Tiefsee und ihr Leben. Leipzig. 1888. ] 80 Tiefsee-Fauna. des Wassers und dem Mangel des Lichtes steht die grosse Uebereinstimmung in der Tiefsee-Faiina der arktischen Meere, des atlantischen und grossen Oceans im Zusammenhang. Da sich im absoluten Dunkel kein Chlorophyll entwickeln kann, und daher das Pflanzenleben, welches die zur Erhaltung des thierischen Stoff- wechsels nothw^endige organische Substanz erzeugt, schon in relativ geringen Tiefen erlischt, so muss zwischen den Thieren der Oberfläche und den Be- wohnern des Meeresgrundes durch die verschiedenen Tiefenzonen hindurch ein lebhafter Verkehr bestehen und das zur Ernährung und Erhaltung der Tiefsee- Fauna erforderliche organische Material in letzter Instanz von den noch unter dem Einfluss des Lichtes lebenden Organismen geliefert werden. Schon aus diesem Grunde dürfte jene Ansicht wenig Wahrscheinlichkeit für sich haben, nach w^elcher im offenen Meere unterhalb einer Tiefe von 150 bis 200 Faden keine schwimmenden Seethiere mehr zu finden und die am Meeresgrunde lebenden Tiefseebewohner durch azoische Wasserschichten von sehr bedeutender Mäch- tigkeit von den pelagischen Seethioren getrennt seien. Allerdings siijken ab- gestorbene Meerespflanzen, wie Algen, Tange etc., in grossen Massen (Sargasso- meer) allmälig in die Tiefe nieder und werden, auch wie die im Auftrieb ent- haltenen Protophyten (Plankton), von den Strömungen getrieben, schliesslich wenigstens zum Theil dem Bodenschlamme als Nahrung anderer Organismen zugeführt; aber die so in die Tiefe gelangten abgestorbenen vegetabilischen und thierischen Reste werden gewiss nicht als einziges Nahrungsmaterial in Be- tracht kommen können, um die Entwicklung und Erhaltung der erstaunlich reichen Tiefsee-Fauna erklären zu können. In der That ist denn auch durch neuere Beobachtungen (C. Chuu) gezeigt worden, dass wenigstens im Mittel- meere bis zu einer Tiefe von circa 800 Faden eine reiche und mannigfaltige pelagische Tiefsee-Fauna besteht und wahrscheinlich gemacht worden, dass nicht nur von den seichteren Küsten her, sondern auch in weiterer Entfernung von denselben in verticaler Richtung eine Einwanderung pelagischer Thiere nach dem Meeresgrunde hin besteht. Ferner ist für zahlreiche pelagische Thierformen ein periodisches Auf- und Absteigen nachgewiesen worden, indem viele an der Oberfläche lebende Thiere mit Beginn des Sommers in die Tiefe versinken, um mit dem Beginn der kalten Jahreszeit wieder an die Oberfläche emporzusteigen, dass endlich eine Reihe von der Oberfläche an bis zu bedeutenden Tiefen herab verbreitet sind. Die Vorstellung, nach welcher die Bewohner der Tiefsee selbstständig am Meeresgrunde entstanden sein könnten, ist aus einer Reihe von Gründen leicht als eine irrige zu widerlegen. Schon das Vorhandensein von Augen, wenn auch oft in verschiedenem Grade der Rückbildung bis zum völligen Schwunde (analog den Bewohnern unterirdischer Grotten) beweist, dass die oberflächlichen, den Lichtstrahlen zugäugigeu Meereszonen als Mutterboden für die Entstehung und Entwicklung des Thierlebens zu betrachten sind, und dass von ihnen aus erst secundär die Tiefen des Meeres theils von den Küsten aus, theils auch auf offener See bevölkert wurden. Auch stimmt hierzu die Kosmoiiolitismus v. Thieren u. Pflauzen. Folgen d. Kiszeit f. d. Ausbreitung gleichor Thiorarteu. 181 Nothwendigkeit des nur unter dem Eiufluss des Lichtes gedeihenden Pflanzen- lehens für die Entwicklung und Erhaltung der Thierwelt als Argument von entscheidender Bedeutung. Immerhin mag bei dem überraschenden lieichthum, den das thierische Leben der Tiefe bietet, auch wiederum zeitweilig von der Tiefe aus die Bevölkerung der Oberfläche vermehrt und bereichert werden. Unter den schwieriger zu erklärenden Thatsachen der geographischen Verbreitung nehmen dieFällexon Kosmopoh'ttsmus eine hervorragende Stellung ein. Eine Reihe von Thieren und Pflanzen sind auf allen Welttheilen verbreitet, andere gehören verschiedenen, durch scheinbar unübersteigliche Schranken getrennten Provinzen an und werden an den entferntesten Punkten angetroffen. Eine Erklärung erscheint möglich mit Hilfe der ausserordentlich mannigfaltigen, die Verbreitung leicht beweglicher Formen überaus begünstigenden Transport- mittel, sowie aus den geographischen und klimatischen Veränderungen, aus den Verschiebungen von Wasser und Land, welche sich nachweisbar in den jüngsten geologischen und auch in den diesen vorausgehenden Perioden ereignet haben. Das Vorkommen gleicher Thier- und Pflanzenarten auf hohen Bergen, Avelche durch weite Tiefländer gesondert sind, die Uebereinstimmung der Be- wohner des hohen Nordens mit denen der Schneeregionen der Alpen und Pyrenäen, die Aehnlichkeit, beziehungsweise Gleichheit von Pflanzenarten in Labrador und auf den weissen Bergen in den Vereinigten Staaten einer- seits und den höchsten Bergen Europa's andererseits scheint auf den ersten Blick die alte Anschauung zu unterstützen, dass die nämlichen Arten un- abhängig von einander an mehreren Orten (Schöpfungscentra) geschaffen worden seien, während die Selections- und Transmutationslehre die Vor- stellung in sich einschliesst, dass jede Art nur au einer einzigen ') Stätte entstanden sein kann, und dass die Individuen derselben, auch wenn sie noch so weit getrennt leben, von der ursprünglichen Oertlichkeit (Verbreitungs- centrum) ^) durch Wanderung sich zerstreut haben müssen. Indessen findet jene Thatsache eine ausreichende Erklärung aus den klimatischen Zuständen einer sehr neuen geologischen Periode, in welcher über Nord-Amerika und Central-Europa ein arktisches Klima herrschte (Eiszeit) und Gletscher von gewaltiger Ausdehnung die Thäler der Hochgebirge erfüllten. In dieser Periode wird eine einförmige arktische Flora und Fauna Mittel-Europa bis in den Süden der Alpen und Pyrenäen bedeckt haben, die, weil von der gleichen Polar- bevölkeruug aus eingewandert, in Nord-Amerika im Wesentlichen dieselbe ge- wesen sein musste (Renthier, Eisfuchs, Vielfrass, Alpenhase etc.). Nachdem die Eiszeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, zogen sich mit Zunahme der mittleren Temperatur die arktischen Bewohner auf die Gebirge und allmälig immer höher bis auf die höchsten Spitzen derselben zurück, während in die tiefer liegenden *) Mit dieser nicht selten missverstandenen Consequenz steht durchaus nicht im Widerspruch, dass die Organe gleicher Leistung (Tracheen, Augen) mehrfachen Ursprungs sein können (convergente Entwicklung). ''^) Vergl. Rütimeyer, Ueher die Herkunft unserer Thierwelt. Basel und Genf, 1867. 282 ]5cvölkerung Amerika's. Regionen eine ans dem Süden kommende Bevölkernng uacln-iickte. Anf diese Weise erklären sich aber anch in Folge der Isolation die Abänderungen, welche die alpinen Bewohner der einzelnen getrennten Gebirgsketten untereinander und von den arktischen Formen auszeichnen, zumal da die besonderen Be- ziehungen der alten Alpenarten, welche schon vor der Eiszeit die Gebirge be- wohnten und dann in die Ebene herabrückten, einen Einfluss ausüben mussten. Daher treffen loir neben vielen identischen Arten mancherlei Varietäten, ziceifel- hafte und stellvertretende Arten an. Nun aber bezieht sich die Uebereinstimmung auch auf viele subarktische und einige Formen der nördlich-gemässigten Zone (an den niederen Bergabhängen und in den Ebenen Nord-Amerika'sundEuropa's), die sich nur unter der Voraussetzung erklärt, dass vor Anfang der Eiszeit auch die Lebewelt der subarktischen und nördlich gemässigten Zone ruud um den Pol herum die gleiche war. Da aber gewichtige Gründe mit Bestimmtheit darauf hinweisen, dass vor der Eiszeit während der jüngeren Pliocänperiode, deren Bewohner der Art nach theilweise mit denen der Jetztzeit überein- stimmten, das Klima weit wärmer als gegenwärtig war, so erscheint es in der That nicht unmöglich, dass zu dieser Periode subarktische und nördlich ge- mässigte Formen viel höher nach Norden reichten und in dem zusammenhän- genden Lande unter dem Polarkreise, welches sich von West-Europa an bis Ost- Amerika ausdehnte, zusammentrafen. Wahrscheinlich aber haben in der noch wärmeren älteren Pliocänzeit *) eine grosse Zahl derselben Thier- und Pflanzen- arten die zusammenhängenden Länder des hohen Nordens bewohnt und sind dann mit dem Sinken der Wärme allmälig in der alten und neuen Welt süd- wärts gewandert. Anf diese Weise erklärt sich die Verwandtschaft zwischen der jetzigen Thier- und Pflanzenbevölkerung Enropa's und Nord-Amerika's, welche so bedeutend ist, dass wir in jeder grossen Classe Formen antreffen, über deren Natur als geographische Rassen oder Arten gestritten Avird; ebenso erklärt sich die noch nähere und engere Verwandtschaft der Organismen, welche in der jüngeren Tertiärzeit beide Welttheile bevölkerten. Hinsichtlich der- selben bemerkt Rütimeyer über die pliocäne Thierwelt von Niobrara, dass die in den Sandsteinschichten begrabenen Ueberreste von Elephanten, Tapiren und Pferdearten kaum von den altweltlichen verschieden, und dass die Schweine, nach ihrem Gebiss zu urtheilen, Abkömmlinge miocäner Palaeochoeriden sind. Auch die Wiederkäuer, wie Hirsche, Schafe, Auerochsen, finden sich in gleichen Gattungen und theilweise in denselben Arten wie in den gleichwerthigen Schichten Europa's. Nun aber sind manche Genera von exquisit altweltlichem Gepräge über den Isthmus von Panama, selbst weit herab nach Süd- Amerika vorgedrungen und daselbst erst kurz vor dem Auftreten des Menschen erloschen, wie die zwei Mastodon- Arten der Cordilleren und die süd - amerikanischen Pferde. Sogar eine Aatilopenart und zwei horntragende Wiederkäuer (Lepto- ') In der noch älteren Miocänzeü herrschte auf Gröuhxnd und Spitzbergen, die damals noch zusammenhingen, ein Klima wie etwa zur Zeit in Nord-Italien, was aus den interessanten palaeontologischen Funden der Nordpol-Expeditionen hervorgeht. Charakter der Tliierwelt Ainerika's. 183 iherium) fanden ihren Weg bis Brasilien. Heutzutage leben dort noch zwei Tapir- arten, im G-ebiss selbst für Cu vi er's Auge kaum von den indischen unterscheidbar. zwei Arten von Schweinen, welche den Charakter ihrer Stammform im Milch- gebiss noch erkennbar an sich tragen, und eine Anzahl von Hirschen nebst den Lamas, eiuem erst in Amerika geborenen und späteren SprOssling der eocäneu Stammformen. ,^lehende Ueberreste dieser alten und auf so langem Wege nicht ohne reichliche Verluste an ihren dermaligen Wohnort gelangten Colonie des Ostens'-''. Auch dürfte man kaum bezweifeln, dass ein guter Theil der Kaubthiere, welche im Diluvium von Süd-Amerika altweltliche Stammverwandtschaft be- wahren, auf demselben Wege dahin gelangten. Die Beutelratten liegen bereits in den eocänen Schichten Europa's begraben, und der eocäne Caenojyithecus von Egerkingen weist auf die heutigen amerikanischen Affen hin. Ebenso zeigen die älteren (miocänen) Reste von Nebrasca eine grosse Uebereinstimmung mit tertiären Säugethieren Europa's. Dort lebten die Palaeotherien fort, die in Europa nicht über die eocäne Zeit hinausreichten, ferner die dreihufigen Pferde (Anchitherium) , von denen die späteren einhufigen Pferde mit Afterzehen (Hipparion) und die jetztlebenden Einhufer ohne Afterzehe abzuleiten sind. Bis in die ältere Tertiärzeit lässt sich der geschichtliche Zusammenhang der die alte Welt und einen grossen Theil Amerika's l)evölkernden Säugethiere zurückverfolgen, so dass Rütimeyer die älteste tertiäre Fauna Europa's als die Mutterlauge einer heutzutage auf den Tropengürtel beider Welten, allein am entschiedensten in dem massiven Afrika vertretenen echt continentalen Thiergesellschaft betrachtet. Dagegen hat nun freilich neuerdings Marsh •) das umgekehrte Verhältniss wahrscheinlich zu macheu versucht, dass Amerika für die Säugethierfauua gewissermassen der ältere Welttheil ist. Nicht nur, dass hier die paläozoischen Formationen, die wir in Europa von nur geringer Ausdehnung kennen, fast durchaus den Boden zwischen dem Alleghanygebirge und dem Mississippi bilden, Amerika war auch längst ein weit ausgedehnter Continent, als Europa sich noch in Form einer vielgetheilten Inselgruppe dar- stellte und auch Afrika und Asien vielfach zertheilt waren. Speciell für die Formationen der Tertiärzeit, deren Abgrenzung von der Kreide in Amerika kaum durchführbar ist, neigt sich Marsh der Ansicht zu, dass die Thierwelt der als Eocän, Miocän und Pliocän unterschiedenen Schichtengruppen etwas älter sei als die entsprechende der östlichen Contineute. Süd-Amerika besitzt aber neben eigenthümlichen Typen von Nagern, zu denen sich die meisten Edentaten gesellen, auch Gattungen von Säugethieren und Vögeln, welche wie die oben genannten Struthioniden und wie die wenigen auch in Süd- Afrika und Süd-Asien auftretenden Edentatengattungen (Orycte- ropus, Manis) auf eine einstmalige gemeinsame Colonisirung zugleich von einem südlichen Ausgangscentrum, auf einen verschwundenen südlichen Con- tinent hinweisen, von welchem das australische Festland ein Ueberrest zu sein *) 0. C. Marsh, Introductiou and Succession of Vertebrate life in America. An Address. 1877. 184 Wechsel der Eiszeit in beiden Halbkugelu. scheint. Von diesem würden möglicherweise die Beutelthiere Australiens und des südwestlichen malayischen Inselgebietes, die Ameisenfresser und Schuppen- thiere, die Faulthiere und Gürtelthiere, die ausgestorbenen Kiesenvögel von 3ar und Neuseeland und die Struthioniden, auch die Makis von Mada- abzuleiten sein. Auch liegt die Annahme nahe, dass die von dem Aus- gangscentrum der nördlichen Halbkugel stammenden Einwanderer, als sie den Boden Süd-Amerika's betraten, diesen schon mit den Vertretern einer südwest- lichen Thierwelt reichlich besetzt fanden. Wie sich aus den diluvialen Thierresten ergibt, welche in den Knochenhöhlen Brasiliens und dem Alluvium der Pampas gesammelt worden sind, machen die Edentatenarten fast die Hälfte der grossen Diluvialthiere Süd-Amerika's aus und mochten somit im Stande gewesen sein, den später von Norden her eingewanderten Säugethieren so ziemlich das Gleich- gewicht zu halten. Begreiflicherweise rückten auch Glieder der antarktischen Fauna nach Norden empor, und „wie wir noch heute die fremdartige Form des Faulthiers, des Gürtelthiers und des Ameisenfressers in Guatemala und Mexico mitten in einer Thiergesellschaft antreffen, die guten Theils aus noch jetzt in Europa vertretenen Geschlechtern besteht, so finden Avir auch schon in der Dilu- vialzeit riesige Faulthiere und Gürtelthiere bis weit hinauf nach Norden ver- breitet. Megalonyx Jefersouiimd Mylodon Harlani, bis nach Kentuck}' und Mis- souri vorgeschobene Posten süd-amerikanischen Ursprungs, sind in dem Lande derBisonten und Hirsche eine gleich fremdartige Erscheinung, wie die Masto- donten in den Anden von Neugranada und Bolivia. Mischung und DurcMringung zioeier vollkommen stammverschiedener Säugethiergruppen fast auf der ganzen ungeheuren Erstreckung heMer Hälften des neuen Continents bifdet überhaupt den hervorstechendsten Charakter?:ug seiner Thiericelt, und es ist bezeichnend, dass jede Gruppe an Keichthum der Vertretung und an Originalität ihrer Erscheinung in gleichem Masse zunimmt, als wir uns ihrem Ausgangspunkte nähern". Erwägt man, dass die südliche Wanderung in den vorgeschichtlichen Zeitperioden auch für die Meeresbewohner Geltung gehabt hat, so wird das Vorkommen verwandter Arten an der Ost- und Westküste des gemässigteren Theiles von Nord-Amerika, in dem mittelländisclien und japanesischen Meere (vornehmlich Crustaceen und Fische) verständlich, für das die alte Schöpfungs- lehre keine Erklärung zu geben vermag. Das Auftreten gleicher oder sehr nahe stehender Arten in gemässigten Tiefländern und entsprechenden Gebirgshöhen entgegengesetzter Hemisphären erklärt sich aus der durch eine Menge geologischer Thatsachen gestützten An- nahme, dass zur Eiszeit, für deren lange Dauer sichere Beweise vorliegen, die Gletscher eine ungeheuere Ausdehnung ') über die verschiedensten Theile der ') Groll hat zu zeigen versiu-lit, dass das eisige Klima vornehmlich eine Folge der zunehmenden Excentricität der Erdbahn und der durch dieselbe influirteu oceanischen Strömungen sei, dass aber, sobald die nördliche Hemisphäre in eine Kälteperiode ein- getreten, die Temperatur der südlichen erhöht worden sei und umgekehrt ; er glaubt, dass die letzte grosse Eiszeit ungefähr vor 240.000 Jahren eintrat und etwa 160.000 Jahre währte. Folgen der wcclisclurlon Eiszeiten. 185 Erde auf beiden Halbkiigeln gewonnen hatten und die Temperatur über die ganze Oberfläche wenigstens der nördlichen oder südlichen Halbkugel bedeutend gesunken war. Im Anfange dieser langen Zeitperiode, als die Kälte langsam zunahm, werden sich die tropischen Thiere und Pflanzen nach dem Aequator zurückgezogen, ihnen die subtropischen und die der gemässigten Gegenden, diesen endlich die arktischen gefolgt sein. Wenn wir Cr oll's Schluss, dass zur Zeit der Kältezunahme der nördlichen Halbkugel die südliche Hemisphäre wärmer wurde und umgekehrt, als richtig betrachten, so werden während des langsamen Herabwanderns vieler Thiere und Pflanzen der nördliclien Halbkugel die Bewohner der heissen Tiefländer sich nach den tropischen und halbtropischen Gegenden der wärmeren südlichen Hemisphäre zurückgezogen haben. Da be- kanntlich manche tropische Bewohner einen merklichen Grad von Kälte aus- halten können, mochten manche Thiere und Pflanzen, in die geschütztesten Thäler zurückgezogen, auch so der Zerstörung entgangen und in späteren Generationen mehr und mehr den besonderen Temperaturbedingungen an- gepasst worden sein. Auch die Bewohner der gemässigten Kegiouen traten, dem Aequator nahe gerückt, in neue Verhältnisse der Existenzbedingungen ein und überschritten zur Zeit der grössten Wärmeabnahme in ihren kräftigsten und herrschendsten Formen auf Hochländern (Cordilleren und Gebirgsketten im Nordwesten des Himalajas), theilweise vielleicht auch in Tiefländern (wie in Indien), den Aequator. Als nun mit Ausgang der Eiszeit die Temperatur all- mälig wieder zunahm, stiegen die gemässigten Formen aus den tiefer gelegenen Gegenden theils vertical auf Gebirgshöhen empor, theils wanderten sie nord- wärts mehr und mehr in ilire frühere Heimat zurück. Ebenso kehrten die Formen, welche den Aequator überschritten hatten, mit einzelnen Ausnahmen wiederum zurück, erlitten aber theilweise wie jene unter den veränderten Con- currenzbedingungen geringe oder tiefgreifendere Modificationen. Nach Darwin wird nun ,,im regelmässigen Verlaufe der Ereignisse die südliche Hemisphäre einer intensiven Glacialzeit unterworfen worden sein, während die nördliche Hemisphäre wärmer wurde ; dann müssten umgekehrt die südlichen tempe- rirten Formen in die äquatorialen Tiefländer eingewandert sein. Die nordischen Formen, welche vorher auf den Gebirgen zurückgelassen worden waren, werden nun herabgestiegen sein und sich mit den südlichen Formen vermischt haben. Diese letzteren konnten, als die Wärme zurückkehrte, nach ihrer früheren Heimat zurückgekehrt sein, dabei jedoch einige wenige Formen auf den Bergen zurückgelassen und einige der nordischen temperirten Formen, welche von ihren Bergen herabgestiegen waren, mit sich nach Süden geführt haben. Wir müssen daher einige Species in den nördlichen und südlichen temperirten Zonen und auf den Bergen der dazwischen liegenden tropischen Gegenden identisch finden. Die eine lange Zeit hindurch auf diesen Bergen oder in entgegen- gesetzten Hemisphären zurückgelassenen Arten werden aber mit vielen neuen Formen zu concurriren gehabt haben und etwas verschiedenen physikalischen Bedingungen ausgesetzt gewesen sein; sie werden daher der Modification in 186 Verbreitung der SUsswasserbewohner. hohem Grade zugänglich gewesen sein und demnach jetzt im Allgemeinen als Varietäten oder als stellvertretende Arten erscheinen. Auc-h hahen wir uns daran zu erinnern, dass in beiden Hemisphären schon früher Glacialperioden eingetreten waren; denn diese werden in Uebereinstimmung mit denselben hier erörterten Grundsätzen erklären, woher es kommt, dass so viele völlig distincte Arten dieselben weit von einander getrennten. Gebiete bewohnen und zu Gattungen gehören, welche jetzt nicht mehr in den dazwischen liegenden tropischen Gegenden gefunden werden. So vermag man aus den erörterten Folgen der grossen klimatischen Veränderungen, welche sich in ganz allmäligem Verlaufe während der sogenannten Eiszeit zugetragen haben, einigermassen zu erklären, dass auf hohen Gebirgen des tropischen Amerika's eine Eeihe von Pflauzenarten aus europäischen Gattungen vorkommen, dass nach Hooker das Feuerland circa 40 — 50 Blüthenpflanzen mit Ländertheilen auf der entgegen- gesetzten Hemisphäre von Nord-Amerika und Europa gemeinsam hat, dass viele Pflanzen des Himalaja und der vereinzelten Bergketten der indischen Halbinsel auf den Höhen Ceylons und den vulkanischen Kegeln Java's sich wechselseitig vertreten und europäische Formen wiederholen, dass in Neu- holland eine Anzahl europäischer Pflanzengattungen, sogar in einzelnen iden- tischen Arten, auftreten und süd-australische Formen auf Berghöhen von Borneo wachsen und über Maiacca, Indien bis nach Japan reichen, dass auf den abyssi- nischen Gebirgen europäische Pflanzenformen und einige stellvertretende Pflanzenarten vom Cap der guten Hoffnung gefunden werden, dass nach H o o k e r mehrere auf den Cameroon-Bergen am Golfe von Guinea wachsende Pflanzen denen der abyssinischen Gebirge und mit solchen des gemässigten Europa's nahe verwandt sind. Aber schon vor der Eiszeit müssen sich viele Thier- und Pflanzenformen über sehr entfernte Punkte der südlichen Halbkugel verbreitet haben, unterstützt theils durch gelegentliche Transportmittel, theils durch die besonderen, von den jetzigen abweichenden Verhältnisse der Vertheilung von Wasser und Land, theils durch frühere Glacialperioden ; nur so wird man das Vorkommen ganz verschiedener*) Arten südlicher Gattungen an entlegenen Punkten, die ähnliche Gestaltung des Pflanzenlebens an den Südküsteu von Amerika, Neuholland und Neuseeland zu begründen vermögen. Gegen die Theorie gemeinsamer Abstammung mit nachfolgender Ab- änderung durch natürliche Zuchtwahl scheint auf den ersten Blick die Ver- breäungsweise der S ilsswasserbewohner zu sprechen. Während wir nämlich mit Rücksicht auf die Schranken des trockenen Landes erwarten sollten, dass die einzelnen Landseen und Stromgebiete eine besondere und eigenthümliche Bevölkerung besässen, finden wir im Gegentheil eine ausserordentliche Ver- breitung zahlreicher Süsswasserarten und beobachten, dass verwandte Formen in den Gewässern der gesammten Oberfläche vorherrschen. Sogar dieselben Arten können auf weit von einander entfernten Continenten vorkommen, wie *) In dem Grade abweichend, dass die Zeit von Beginn der Eiszeit zur Stiirk( der Abänderung nicht wohl ausgereicht haben kann. Verbreitung der Siissvvasserbewohuer. 187 nach Günther der Süsswasserfisch GaJaxias «^/e^»««/?« Tasmanien, Neusee- land, denFalklandsinseln und Süd-Amerika angehört. DiePhyllopodengattungen Estheria, Lmnadia, Äpus und Branclupus finden sich in allen Welttheilen vertreten und Gleiches gilt von zahlreichen Süsswassermollusken. In erster Linie dürfte das Verhältniss zwischen Meeresthieren und verwandten Süss- wasserbewohnern, welche nach der allgemein angenommenen und gut beo-rün- deten Ansicht ihrem Ursprünge nach auf jene zurückzuführen sind, zur Er- klärung der grossen Verbreitung vieler Süsswasserformen, welche von dem Meere aus in die Flüsse und von da in Landseen eingewandert sind, von Be- deutung sein. Sodann wird für dieselbe der Einfluss von Niveauveränderungen und Höheuwechsel während der gegenwärtigen Periode, sowie die Wirkung ausserordentlicher Transportmittel in Betracht kommen. Zu den letzteren gehören weite Ueberschwemmungen und Flutheu, Wirbelwinde, welche Fische und Pflanzen und deren Keime von einem Flussgebiete in das andere über- tragen. Dazu kommt für Eier, welche, wie die zahlreichen Entomostraken, in eingetrocknetem Schlamme überdauern, der Transport an den Extremitäten und am Gefieder insbesondere von Wasservögelu. Hiemit steht die Thatsache im Einklang, dass auf entgegengesetzten Seiten von Gebirgsketten, welche schon seit früher Zeit die Wasserscheide gebildet haben, verschiedene Fische angetroffen werden. Auch die passive Ueberführung von Süsswasserschnecken, Eiern, Pflanzensamen durch flugfähige Wasserkäfer und wandernde Sumpf- vögel scheint für die Verbreitung der Süsswasserbevölkeruug von Einfluss ge- wesen zu sein. Auch sind vom Meere aus Seethiere in verschiedene Flussgebiete eingetreten und haben sich allmälig dem Leben im süssen Wasser angepasst. In der That sind wir im Stande, zahlreiche Süsswasserbewohner von Seethieren abzuleiten, welche langsam und allmälig an das Leben zuerst im Brackwasser und dann im süssen Wasser gewöhnt und später theilweise oder vollständig vom Meere separirt wurden. Nach Valenciennes gibt es kaum eine Fischgruppe, welche vollkommen auf das Leben in Flüssen und Landseen beschränkt wäre, in vielen Fällen treten sogar die nächsten Verwandten — und Gleiches beobachten wir bei zehnfüssigen Krebsen ^ — im Meere und im süssen Wasser auf, in anderen Fällen leben die- selben Fische im Meere und in Flüssen {MugiloicUen, Fleuronectzden, Salmo- niden etc.). Von besonderem Interesse sind eine Keihe ausgezeichneter Beispiele, welche das Schicksal und die Veränderungen von Fischen und Krebsen in all- mälig oder plötzlich vom Meere abgesperrten und zu Binnenseen umgestalteten Gewässern beleuchten. Von Loven wurden diese für die Thiere des Wenern- und Wetternsee's, welche mit denen des Eismeeres eine grosse Ueberein- stimmung zeigen, vonMalmgreen für die des Ladogasee's erörtert. Nach letzterem Forscher ist der Alpensaibliug {Salmo salvelinus) dem Polarmeere entsprungen nind hat seinen nächsten Verwandten in dem Sahno cdpinus Skandinaviens. Die italienischen Landseen enthalten eine Anzahl von Fisch- und Crustaceenarten, welche den Charakter von Seethieren des Mittelmeeres, Igg Die Eigeuthüralichkeiten der Inselbevölkeiung. 1)ezieliiingsweise der Nordsee an sich tragen (Blennins vulgaris, Äfhen'na lacu- stris, Teljyhiisa ßuvintilis, Palaemon lacustris = vari'aus, Sphaeromn fossarum der Pontinischeu Sümpfe), so dass der Schluss einer vormaligen Verbindung mit dem Meere und einer späteren durch Hebung bewirkten Absperrung überaus nahe liegt, kwoh. in Griechenland, auf der Insel Cypern, in Syrien und E^ypten leben in süssen Wassern vereinzelte Crustaceentypen des Meeres (Telpliusa ßuviatilis, Orchestia cav/mwm, Gammarus mavinus var. Veneris), und in Brasilien finden wir eine noch grössere Zahl von marinen Crustaceen- gattungen als Süsswasserbewohner *) wieder. Eine walire Meeresfauna besitzt endlich das Kaspische Meer, welchem zahlreiche marine Weichthiere, Krebse und Würmer angehören. Eine andere Keihe von Thatsacheu, welche der Theorie gemeinsamer Ab- stammung mancherlei Schwierigkeiten bieten, jedoch unter einigen Voraus- setzungen grossentheils ebenfalls mit derselben im besten Einklang stehen, l)etrifft die EigenihümUchhelten der Inselievölkerung und ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung der nächstliegenden Festländer. Ihrer Entstehung nach haben wir die Inseln entweder als die höchstgelegenen, aus dem Meere allmälig oder plötzlich emporgetretenen Gipfel unterseeischer Ländergebiete aufzufassen, an deren Entstehung vulcanische Vorgänge oder die Thätigkeit der Korallen- polypen wesentlich betheiligt waren, oder sie sind als Bruchstücke von Con- tinenten zu betrachten, die erst in Eolge säculärer Senkung durch das über- fluthende Meer getrennt wurden. Für die ersteren, welche gewöhnlich in Gruppen zusammengedrängt, von Continenten weit entfernt und durch ein tiefes Meer von denselben getrennt liegen, ist der Mangel der Laudsäugethiere und Am- phibien ein durchgreifender und bedeutungsvoller Charakter, während Vögel, einzelne Keptilien, Insecten und Mollusken zu den nächstgelegenen Continenten eine nachweisbare Beziehung bieten. Man wird daher schliessen können, dass solche Inseln von jenen aus auf dem Wege der normalen oder auch ausser- gewöhnlichen Transportmittel bevölkert wurden, und dass die neuen Colonisten im Laufe der Zeit abänderten und zu Varietäten oder Arten Avurden. Die Bevölkerung der continentalen Inseln erklärt sich dagegen aus ihrer früheren Verbindung mit dem Festland, dessen Fauna und Flora sich bruch- stückweise erhalten, aber auch je nach dem Alter der Trennung mehr oder minder tiefgreifende Abänderungen erfahren hat. Solche Inseln besitzen in der Segel im Gegensatze zu den ersteren eine grössere oder geringere An- zahl continentaler Säugethiere, während sie mit den durch Hebung entstan- denen Inseln die verhältnissmässig nur geringe Artenzahl der BeAvohner ge- meinsam haben, unter denen sich stets einzelne, zuweilen zahlreiche endemische *j Kach Martens finden sich dort die Süsswasserkrabben (gewissermassen die altweltlichen Telphusen wiederholend) : Tricliodactylus qnadraUis, Sylriocarcinns panoplus, Dilocarcinus onultidenlatus ; die Süsswasseranomure Aeglea laevis. Als Makruren werden — abgesehen von den mit dem Hummer so nahe verwandten Astacideu — angeführt: Palaemon Jamaicensis, spinimanus, forceps, sodann von Asseln Ci/viofhoe Henseli. Oceanischc Inseln, contineutale Insi'In. 189 Formen finden. Diese Thatsache erklärt sich ungezwungen, insofern Arten, welche in ein neues mehr oder minder isolirtes Gebiet eintreten oder auf einen bestimmten Bezirk abgeschlossen werden, unter den veränderten Be- dingungen der Concurrenz und sodann aus dem Grunde Modificationen erfahren müssen, weil sie nicht durch fortwährendes Nachrücken unveränderter Ein- wanderer mit dem Mutterlande in Continuität erhalten werden. Unter den oceanischen Inseln zeigen beispielsweise die Azoren, welche circa 900 englische Meilen von Portugal entfernt liegen und vulcanischen Ur- sprunges sind, in ihrer Vogel-, Insecten- und Landschneckenfauna einen durchaus europäischen Charakter. Mit Ausnahme der Landschneckeu und Käfer besitzen sie nur ganz vereinzelte endemische Arten, obwohl Klima und Lebensverhältnisse von den continentalen bedeutend differiren. VonSäugethieren finden sich nur eine europäische Fledermaus, das Kaninchen, Wiesel, Eatten und Mäuse, sämmtlich importirte Arten. Nur eine einzige Vogelart, die der Pyrrhula mhiciUa nahe stehende P. mnrina, ist den Azoren eigonthümlich, wohl zum Beweise, dass die Vogelfauna der Azoren eine neue ist und durch beständigen neuen Zuzug an der Abänderung verhindert wurde. Aehnlich ver- halten sich die Canarischen und Capverdischen Inseln, sowie die von Korallen aufgebauten, östlich von Nord-Carolina gelegenen Bermuda-Inseln hinsichtlich der Verwandtschaft ihrer Bewohner mit den benachbarten Continenten. Die Vogelfauna der letzteren ist wesentlich eine nord-amerikanische und hat nicht eine einzige eigenthümliche Art aufzuweisen. Ebenso entsprechen die Vögel von Madeira theils europäischen, theils afrikanischen Arten, während wiederum die Landschnecken und Käfer — weil mehr abgeschlossen und vor bestän- digem neuen Zuzug geschützt — einen ganz specifischen Charakter tragen. Da- gegen sind die westlich von Süd-Amerika gelegenen Galapagosinseln, welche wie die Azoren vulcanischen Ursprungs, aber viel älter sind und ein weit grösseres Areal besitzen, durch eine sehr eigenthümliche Fauna nicht nur der Landschnecken und Insecten, sondern auch der Vögel ausgezeichnet. Von 57 Vögeln mit tropisch amerikanischem Charakter sind 38 eigenthümliche Arten und 31 derselben echte Landvögel; dagegen gehören von den Seevögeln, welche leicht hieher gelangen, nur wenige dieser Inselgruppe als eigenthümlich an. Die 35 Käfer und 20 Landschnecken repräsentiren fast ausschliesslich spe- cifische Arten und Gattungen. Eine noch grössere Specification ihrer Bewohner zeigen die im Centrum des nördlichen Pacifics völlig isolirt gelegeneu Sand- wichinseln zum Beweise des bedeutenden Alters dieser Inselgruppe, bezie- hungsweise der einstmaligen Nachbarschaft eines jetzt versunkenen Continentes. Von Landvögeln sind sämmtliche Passeres durch specifische Arten vertreten, ebenso die Drepanidae, welche eine von diesen Inseln eigenthümliche Familie bilden. Die 300 bis 400 Landschuecken sind lediglich in eigenthümlicher Art vertreten; 14 Gattungen derselben gehören der auf die Sandwichinseln be- schränkten Familie der AchatmeUiden an. Der Charakter der Fauna — und Gleiches gilt für die ebenso eigenthümliche Flora — weist im Wesentlichen 190 Uer malayiscLe Arcliii>el. auf australische imd polyiiesisclie Typen, iDclessen auch auf amerikanische Verwandtschaft hin. Unter den coutinentaleu Insehi bietet Grossbritanuien ein charakteristi- sches Beispiel einer neuen, von dem Festland erst in jüngster Zeit getrennten grossen Coutiuentalinsel. Wahrscheinlich hat noch nach Ablauf der jüngsten Eiszeit die letzte Verbindung des Inselgebietes mit dem Continente, wenn auch nur von kurzer Dauer bestanden. Mittelst derselben erklärt sich in Folge directen Ueberwanderns die grosse Uebereinstimmung seiner Bewohner mit denen des Continents, aber auch die Armuth an Arten, welche für Gross- britannieu und Irland charakteristisch ist. Indessen besteht keine vollkommene Gleichheit, da von Land- und Süsswasserschnecken zwei, von Insecten eine grössere Zahl eigenthümlicher Arten und Varietäten beschrieben worden sind. Am bedeutendsten sind die Abänderungen der Salmoniden, wohl deshalb, weil die Ueberführung von See zu See schwierig ist und eine relativ vollkommene Isolirung besteht, welche die Varietäten- und Artbildung begünstigt. Viel bedeutender differiren die süd-asiatischen Inseln Borneo, Java, Su- matra und der Philippinen, dann Japan und Formosa in ihrer Fauna und Flora untereinander und von dem benachbarten Festland, mit dem sie früher wahr- scheinlich zur Miocänzeit im Zusammenhange standen. Später wurden zuerst die Philippinen, dann Java und zuletzt Sumatra und Borneo getrennt. Auch Japan und Formosa besitzen viele eigenthümliche Säugethier- und Vögelarten, aber ebenfalls durchweg von asiatischem Typus und dürften wohl in der ersten Hälfte der Pliocänzeit (Wallace) selbstständig geworden sein. Dagegen ist die Bevölkerung der benachbarten, östlich von Borneo ge- legenen, nur durch ein schmales, aber sehr tiefes Meer getrennten Inselgebiete ihrem Ursprung nach auf Australien zurückzuführen. Von dem asiatischen Continent sind Sumatra, Borneo, Java nebst Bali östlich von Java, ähnlich wie Neuguinea nebst den' benachbarten Inseln von Australien, nur durch ein seichtes Meer geschieden. Dagegen trennt eine weit tiefere Einsenkung des Meeresbodens die beiderseitigen Inselgebiete, und zwar in der Weise, dass Celebes und Lombok der südlichen Gruppe zugehören, während noch die Philippinen auf den asiatischen Continent zu beziehen' sind. Als losgelöste, vielfach zerrissene Endtheile zweier einander genäherter Con- tinente bergen sie völlig verschiedene Faunen, deren Abgrenzung mit der Trennung der beiden ehemaligen Festländer zusammenfallen muss. In der That trifft nun dieses in überraschender Weise zu. „Wenn wir," äussert sich Wallace, „die Fauna der nördlichen Inselgruppen betrachten, so finden wir einen überzeugenden Beweis, dass diese grossen Inseln einst dem grossen Continent angehört haben müssen und erst in einer sehr jungen geologischen Epoche von ihm getrennt sein können. Der Elephant und Tapir von Sumatra und Borneo, das Nashorn von Sumatra und die ähnliche javanische Art, das wilde Bind von Borneo und die javanische Form, die man so lange für eigen- thümlich hielt, von allen weiss man jetzt, dass sie da oder dort auf dem Fest- Fauna des malayiäcbeii Archipels. 191 land von Süd-Asien vorkommen. Es ist unmöglich, dass einst diese grossen Thiere die Meerengen überschritten, welche jetzt diese Länder trennen, nnd ihre Anwesenheit beweist klar, dass, als die Arten entstanden, eine Landver- bindung existirt haben muss. Eine beträchtliclie Anzahl der kleinen Sänger sind allen Inseln und dem Festlande gemeinsam ; aber die grossen physikalischen Veränderungen, die vor sich gegangen sein müssen seit der Ablösung und vor dem Untersinken so grosser Strecken, haben den Untergang einiger auf ver- schiedenen Inseln herbeigeführt, und in einigen Fällen scheint Zeit genug zu Artumwaudlungen gewesen zu sein. Vögel und Lisecten bestätigen diese An- sicht; denn jede Familie und fast jede Gattung dieser Gruppen, welche man auf einigen Inseln findet, gehören auch dem asiatischen Festlande an, und in einer grösseren Anzahl von Fällen sind die Arten völlig gleich". „Wenden wir uns nun zu dem übrigen Theil des Archipels, so finden wir, dass alle Inseln östlich von Celebes und Lombok zumeist eine ebenso auf- fallende Aehnlichkeit mit Australien und Neuguinea zeigen als die westlichen zu Asien. Es ist bekannt, dass die Naturerzeugnisse Australiens *) von denen Asiens mehr abweichen als die der vier älteren Erdtheile von einander. Wirklich steht Australien für sich. Es hat keine Aifen, Katzen, Wölfe, Bären oder Hyänen; keine Hirsche oder Antilopen, Schaf oder Kind; weder Elephant noch Pferd, Eichhörnchen oder Kaninchen: kurz nichts von jenen Familientypen der Vierfüsser, die man in jedem anderen Theile der Erde findet. Statt dieser besitzt es nur Beutler, Kängurus und Opossums und das Schnabelthier. Auch seine Vogelwelt ist fast ganz eigenthümlich. Es besitzt weder Spechte noch Fasanen, Familien, die überall sonst vorkommen. Statt derselben hat es die erdhügelbauenden Fusshühner, die Honigsauger, Kakadus und pinselzungigen Loris, die sonst nirgends leben. Alle diese auffallenden Eigenthümlichkeiten finden sich auch auf den Inseln, welche die südmalayische Abtheilung des Archipels bilden." ,,Der grosse Gegensatz zwischen den beiden Abtheilungen des Archipels tritt nirgends so plötzlich in die Augen, als wenn man von der Insel Bali nach Lombok übersetzt, wo die beiden Regionen sich am engsten berühren. In Bali haben wir Bartvögel, Fruchtdrosseln und Spechte; in Lombok sieht man diese nicht mehr, aber eine Menge von Kakadus, Honigsaugern und Fusshühnern, die ihrerseits wieder in Bali und allen westlicheren Inseln unbekannt." „Eeisen *) Für die Pflanzen und Sclimetterlinge trifft die Abgrenzung weniger zu, da die Flora von Neuseeland mit der von Süd- Amerika eine grosse Verwandtschaft zeigt und die Schmetterlinge von Australien und Polynesien so sehr den Charakter der indischen Falter tragen, dass sie zu der continental-asiatischen Falterfauna bezogen Averden müssen. Auch manche Vögel und Fledermäuse sind mit denen Ostindiens verwandt. Man erkennt hier deutlich den Einfluss des Flugvermögens als Transportmittel zur Ueberwindung der durch Meei'engen gesetzten Schranken. Dagegen sind die eigentlichen Landthiere und schwer- fälligen Echsen, sowie die Schlangen und Schnecken grossentheils eigenthümliche Formen des Landes, wenn auch mehr oder minder auf die Nachbarschaft ausgebreitet. Die 3Iono- tremen gehören ausschliesslich Tasmanien und der gegenüberliegenden Festlandsküste an. J92 D'ö Fauna Madagascars. wir von Java oder Borneo nach Celebes ') oder den Molukken, so ist der unter- schied noch auffallender. Dort sind die Waldungen reich an Affen, Katzen. Hirschen. Zibethkatzen und Ottern, und man begegnet zahlreichen Formen von Eichhörnchen. Hier — keines dieser Thiere, aber der Kuskus mit dem Greifschwanz ist fast das einzige Landsäugethier, ausgenommen die wilden Schweine, die auf allen diesen Inseln vorkommen und — wahrscheinlich in neuerer Zeit eingeführte — Hirsche auf Celebes und den Molukken." „Unzwei- felhaft müssen wir aus diesen Thatsachen den Schluss ziehen, dass die östlich von Java und Borneo gelegenen Inseln im Wesentlichen einen Theil eines früheren australischen oder pacifischen Continents bildeten, obschon einige von ihnen vielleicht nie mit ihm im wirklichen Zusammenhange gestanden. Dieser Continent muss schon zertrümmert worden sein, nicht nur ehe die westlichen Inseln sich von Asien trennten, sondern Avahrscheinlich schon bevor die Süd- ostspitze von Asien aus dem Ocean aufgetaucht war. Denn man weiss, dass ein grosser Theil von Borneo und Java einer ganz jungen geologischen For- mation angehört, während die grosse Verschiedenheit der Arten, in vielen Fällen auch der Gattungen, von den Erzeugnissen der östlichen malayischen Inseln und Australiens, sowie die grosse Tiefe der See, welche sie jetzt trennt, auf eine verhältnissmässig lange Periode der Isolirung schliessen lässt." (Vergl. Wallacel. c.) Unter den alten continentalen Inseln hat Madagascar eine von dem benachbarten Festlande höchst abweichende, sehr eigenthümliche Bevölkerung aufzuweisen. Von 66 Säugethieren sind 33 Lemuren, während die grossen Säugethierarten Afrika's, wie anthropomorphe Affen, Paviane, Löwen, Hyänen, Zebras, Elephanten, Khinoceriden, Büffel, Antilopen etc., ebenso wie die Tiger, Tapire, Bären, Hirsche und Eichhörnchen Asiens fehlen. Dagegen finden sich fünf Gattungen von Centefiden, einer Familie, die nur noch auf den Antillen (Cuba und Haiti) vorkommt. Die Carnivoren sind durch die specifische Gattung Cryptoproda und durch acht Zibethkatzen, darunter vier eigenthümliche Gattungen, vertreten. Die circa 100 Landvögel Madagascars sind sämmtlich — bis auf vier oder fünf — eigenthümliche Arten, viele haben afrikanische, einige indische und malayische Verwandtschaft. Wahrscheinlich war Madagascar zur Eocänzeit mit dem tropischen Afrika, welches durch ein Meer von Nord-Afrika geschieden war, verbunden, in der Pliocänzeit aber, nach Hebung der Sahara *) Die Insel Celebes jedoch nimmt mit Rüoksicht auf ihre Fauna eine Zwischen- stellung ein, indem von sechzehn Landsäugethieren vier zur australischen Fauna gehören. die anderen theils asiatische Typen, theils eigenthümliche, ihrem Ursprung nach auf Afrika hinweisende Typen sind {Cynojnthecus nigrescens, Anoa depressicornis, Bahirussa alfurus). Aehnlich verhält es sich mit der viel reicheren Ornis, welche 9-4 eigenthümliche Arten aufweist und im Uebrigen vornehmlich asiatische, aber auch australische und afrikanische Formen enthält. Die bis zm- Miocänzeit zurückreichende Isolation der von tiefem Meere umgebenen Insel scheint diese Besonderheiten zu erklären. Vorher aber stand dieselbe im Zusammenhange mit dem asiatischen Continent, von dem sie weit früher als Borneo, Sumatra und Java zur Trennung gelangte. Die Fauna Neuseelands. Der Werth des SelcptionspiMncipes. 193 und als die vom iiördlicheu Coiitiiiente stammenden Colonisten in das tropische Afrika einAvanderten, getrennt, so dass sich nur Formen einer alten und weit verbreiteten Fauna erhalten konnten. Noch eigenthümlicher verhält sich die Fauna Nemeelands, welche wegen des Mangels der Säugethiere — bis auf zwei Fledermäuse — zu den oceanischen Inseln gestellt werden niüsste, dagegen geographisch und geologisch durchaus einem continentalen luselgebiet entspricht. Von Vögeln sind in erster Linie eine grosse Zahl fluguufähiger Formen, unter denselben vier Apteryxarten, und eilf wahrscheinlicli erst in der jüngsten historischen Zeit ausgestorbene sogenannte Kiesenvögel charakteristisch; dazu kommt eine Keihe von Vogelgattungen, welche auch auf Neu-Guinea und den Südseeinseln vorhanden sind. Von Eidechsen finden sich ausser drei weit verbreiteten Gattungen die Neuseeland eigenthümliche, zwischen Krokodilen und Eidechsen stehende, Hatteria. Ebenso wenig wie die Süsswasserfische, welche mit gemässigt asiatischen und süd- amerikanischen Formen verwandt sind, zeigt der einzige Batrachier Neusee- lands lyLiopdma Hochstdieri) eine Verwandtschaft mit australischen Fröschen, Derselbe gehört zu der auf Europa und Süd-Amerika beschränkten Familie der Bombinatoren. Zur Erklärung der merkwürdigen Verhältnisse schliesst Wal- lace auf bedeutende geographische Veränderungen zurück, welche Neuseeland in der Vorzeit erfahren hat, und hält die Annahme für begründet, dass dasselbe in sehr früher Zeit mit Nord-Australien und Neu-Guinea verbunden war, und dass dieses Ländergebiet, von welchem das übrige Australien getrennt war, damals noch keine Säugethiere besass. Andererseits erscheint in etwas späterer Zeit eine südliche Ausdehnung gegen den antarktischen Coutiuent hin wahr- scheinlich, um das Vorhandensein zahlreicher Arten süd-amerikanischer Süss- wasserfische und Pflanzen zu erklären, wie überhaupt die Annahme einer einst- maligen directen Landverbindung Neuseelands und Australiens mit Süd- Amerika und Süd-Afrika über einen antarktischen Continent als aus einer Keihe von Gründen erforderlich erscheint. Der Werth des Selectionsprincipes zur Erklärimg der Transmutatlous- vorg.änge. Wenn wir die Lehre von der Entstehung der Arten auf dem Wege der Descendenz oder natürlichen Abstammung von anderen Arten als den wissen- schaftlichen Voraussetzungen entsprechend und durch die Thatsachen der Morphologie, Paläontologie und geographischen Verbreitung der Organismen hinreichend gesichert betrachten können, so werden noch die Mittel und Wege, welche man zur Erklärung der Transmutations vorgänge gefunden zu haben glaubt, ihrer Bedeutung nach zu würdigen sein. Insbesondere bleibt die Wahrheit und Giltigkeit der natürlichen Auswahl und der auf dieselbe gegründeten Selections- theorie zu untersuchen, welche neben der L am arck'schen Lehre von der directen, durch das Bedürfniss der Anpassung, den Gebrauch und Nichtgebrauch be- dingten Umgestaltung, der activen Anpassung der Organisation an die Lebens- C. Claus: Lehrbuch der Zoolo-ie. 5. Aufl. 13 ]^94 JJiö Bedeutung der Selectioustheorie. bedinguiigeu und der unmittelbaren mechanischen Einwirkung der physischen Bedingungen auf die Veränderung der Organe eine so grosse Rolle spielt. Man hat gegen die Anwendbarkeit des Principes der natürlichen Zucht- wahl, auf dem die von Darwin gegebene Begründung der Transmutations- lehre beruht, eine ganze Zahl von Einwürfen erhoben und zunächst gefragt, weshalb die unzähligen Uebergänge, welche nach der Selectionstheorie zwischen Varietäten und Arten existirt haben, in der Natur nicht zu finden sind, weshalb nicht, Avie man erwarten sollte, anstatt der mehr oder minder wohl begrenzten Arten ein buntes Chaos von Formen besteht. Dieser Einwurf würde jedoch bei jedem Versuche, die Transmutation der Arten durch allmälige, nicht plötzlich sprungweise erfolgte Abänderung zu erklären, erhoben werden können und hat thatsächlich, wie leicht erweisbar, keine weitere Bedeutung. Da nämlich die natürliche Zuchtwahl langsam und nur dann ivirkt, icenn voHheilhafte Ah- ämlerungeii auftreten, von den Abänderungen aber stets die divergentesten Glieder für den Kampf um's Dasein den grössten Vortheil haben, so werden die zahlreichen kleineu Zwischenstufen längst verschwunden sein müssen, wenn im Laufe der Zeit eine als solche erkennbare Varietät zur Entwicklung gelangt ist. Natürliche Zuchtwahl geht stets mit Vernichtung der Zioischenformen Hand in Hand und bringt durch den Vervollkommnungsprocess nicht nur gewöhnlich die Stammform, sondern sicher in allen Fällen die allmäligen Uebergänge der Reihe nach zum Erlöschen. Nun findet man aber Reste von näheren oder entfernteren Mittelgliedern zwischen Arten und Abarten in den Ablagerungen der Erdrinde eingebettet, wie bereits für eine Reihe von Formen dargelegt worden ist. Dass wir nur selten grössere und zusammenhängende Reihen continuirlich aufeinander- folgender Abänderungen in umfassenderem Massstabe nachzuweisen im Stande sind, erklärt sich aus der grossen ün Vollständigkeit der geologischen Urkunde. Bezüglich der allgemeinen Voraussetzungen der Darwin'schen Selectionslehre wird man aber zugestehen müssen, dass dieselben thatsächlich existiren. Für den Kampf um's Dasein in dem weitgefassten Sinne liefert uns jeder Blick in das Naturleben mannigfache und ausgiebige Belege. Führt derselbe aber auch in Wahrheit zu dem gefolgerten Ergebniss, zu einer Steigerung der zweck- mässigen und dem Organismus nützlichen Abänderungen auf dem Wege der natürlichen Auslese ? Existirt mit anderen Worten eine Naturzlichtung, durch welche die indifferenten Variationen zum Ausfall gebracht, die nützlichen erhalten und im Laufe der Generationen verstärkt und zu Varietäten gesteigert werden ? I. Der erste bemerkenswerthe Einwand bestreitet überhaupt jeden Erfolg der natürlichen Auswahl, insofern im freien Naturlebeu der die Isolirung der Paare bedingende Factor hinwegfalle. Nur bei der Auswanderung eines oder mehrerer Paare in fremde, durch schwer zu übersteigende Schranken getrennte Wohngebiete könne von einer Isolirung dieRede sein. Dieser Gesichtspunkt wurde von M 0 r i z Wa g n e r *) zur Begründung seiner sogenannten Migrationstheorie *) Moriz Wagner, Die Darwinsche Theorie und das Migrationsgesetz der Orga- nismen. Leipzig, 1868. Bedeutung lU-r Isolation. 195 verwerthet, nach welcher die Migration nothwendige Bedingung für den Erfolg der natürlichen Zuchtwahl sei, und letztere ausschliesslich für ausgewanderte und durch geographische Schranken von der Staminart getrennte Individuen Geltung habe. Da sich die ersten unmerklich kleinen Abänderungen, welche den Anfang zur Entstehung einer Varietät bilden, im Kampfe mit einer UeherzcM von unveränderten Individuen befänden, mit denen sie zusammenleben und in unbeschränkter Kreuzung verkehren, so würden schon sehr früh die besonderen Eigenschaften wieder verschwinden müssen, bevor sie sich zur Ausbildung einer bestimmt ausgeprägten Varietät hätten häufen und steigern können. Nur die Migration mit nachfolgender Colonisirung, die Auswanderung von Thieren und Pflanzen in räumlich getrennte, durch schwierig zu übersteigende Schranken gesonderte Gegenden und Ländergebiete schaffe die zur Varietätenbildung nothwendige Isolation und wirke um so sicherer, als in den neuen Bezirken die Nahrungs- und Concurrenzbedingungen die individuellen Abänderungen be- günstigen. Die ersten veränderten Abkömmlinge solcher eingewanderter Colo- nisten bildeten dann das Stammpaar einer neuen Species, und ihre Heimat würde zum- Mittelpunkte des Verbreitungsbezirkes der neuen Art. Diesem Einwurf und der auf denselben gegründeten einseitigen Lehre ist zu entgegnen, dass auch durch die V^anderung eines einzigen Paares über schwer zu passirende Schranken eine absolute Ausschliessung gegen die Stamm- art keineswegs zu Stande kommt, da unter den Nachkommen dieses Paares nur wenige die Anfänge zu neuen nützlichen Eigenschaften besitzen, die meisten aber mit der Stammform noch völlig übereinstimmen werden. Bei den aus- gewanderten Colonisten tritt der die Variation begünstigende Einfluss ver- änderter Lebensbedingungen erst in den Tochter- und Enkelgenerationen zur Geltung, auch hier würden anfangs eine Ueberzahl von nicht abgeänderten, mit der Stammart genau übereinstimmenden Individuen dieselbe vermeintliche Schwierigkeit bieten. Für den Erfolg der künstlichen Züchtung erscheint allerdings die Son- derung der Individuen unumgängliche Bedingung, indessen ist der einfache Schluss von der künstlichen auf die natürliche Zuchtwahl um so weniger zu- treffend, als dort die für die Auswahl massgebenden Eigenschaften von der Neigung und dem Nutzen des Menschen bestimmt werden und keineswegs dem Thiere selbst Vortheil bringen. Wenn aber vortheilhafte Eigenschaften auch in noch so geringem Grade zur Erscheinung treten, so bieten sie wahrscheinlich schon durch den Nutzen, den sie der Erhaltung der Lebensform gewähren, einen gewissen Ersatz für die bei der unbeschränkten Kreuzung fehlende Iso- lation. Durch die Nützlichkeit der vorhandenen Eigenschaft wird die Kreuzung mit den Individuen der Ueberzahl, wenn auch nicht gleich beseitigt, so doch beschränkt und die Eigenschaft über eine immer grössere Zahl von Formen ausgebreitet und verstärkt. Indem die abgeänderten Individuen in steter Zu- nahme begriffen sind, erfahren die unveränderten und minder vortheilhaft aus- gerüsteten Formen eine fortschreitende Verminderung, bis sie schliesslich voU- 13* 196 Einwurf durch die sogenannte Migrationslehre. ständig verschwinden. Immerhin werden wir zugestehen müssen, dass eine nur an einem oder wenigen Individuen plötzlich auftretende, wenn auch be- deutende Abänderung — etwa dem Falle des Niata-Rindes und Ancona-Schafes analog — im Naturleben wohl niemals eine Varietät zu erzeugen im Stande sein wird, und dass die nützliche Variation von vorneherein eine grössere Zahl von Individuen betreffen muss, wenn sie Aussicht auf Erhaltung und Steigerung durch Zuchtwahl haben soll. Die gleiche Bewandtniss hat es auch mit dem Einwurf bezüglich der Ent- stehung der bereits oben hervorgehobenen Fälle von Mischung, deren wenig auffällige Anfangsstufen den schutzbedttrftigen Thierformen nur geringen, immerhin aber schon in die Wagschale fallenden Nutzen gewährt haben können, der sich erst allmälig auf dem Wege der natürlichen Zuchtwahl im Laufe der Generationen zu der bemerkenswerthen Abänderung steigerte. Noch eine andere Betrachtung erweist die Unzulänglichkeit der W a g- ner'schen Migrationslehre. Da diese nur dem Baume nach getrennte Varietäten und Arten in's Auge fasst, würde sie nicht erklären können, wie neue Varietäten und Arten in zeitlicher Auf einanderfolge auf demselben Raumgebiete während all- mäliger geographischer und klimatischer Veränderungen aus alten Arten her- vorgehen konnten. Gerade ausgedehnte und zusammenhängende Gebiete sind aber für die Erzeugung von Abänderungen und für die Entstehung verbreiteter und zu langer Dauer befähigten Arten wegen der Mannigfaltigkeit der Lebensbedingungen besonders günstig, wie Darwin erörtert hat. Auch treffen wir recht oft in den verschiedenen Schichten einer und derselben Ablagerung an der gleichen Oertlichkeit zusammengehörige Varietäten, ja selbst Reihen von Abänderungen an. Wenn wir uns auch über die besonderen Vorgänge, welche im einzelnen Falle die auftretende kleine Variation irgend eines Organes ver- anlasst haben, in voller ünkenntniss befinden und deshalb dem Worte „Zufall-' einen häufigen Gebrauch einräumen, so werden wir doch als Ursache der noch so kleinen Variation die Wirkung bestimmter, wenn auch nicht bekannter phj'sikalischer Bedingungen der Ernährung im weitesten Sinne des Wortes an- zuerkennen haben. Für die letzteren aber sind von grosser Bedeutung die be- sonderen tellurischen und klimatischen Verhältnisse, welche im Laufe grosser Zeiträume nachweisbar einen langsamen aber mannigfachen Wechsel erfahren und mit demselben insbesondere die Goncurrenzbedingungen der Organismen im Kampfe um's Dasein wesentlich verändert haben. Während der Perioden eines langsamen, aber von bedeutenden Resultaten begleiteten Wechsels der Temperatur, der Bodengestaltung und des Klimas werden die nämlichen Ur- sachen gleichzeitig und mit ähnlicher Intensität auf zahlreiche Individuen gleicher Art eingewirkt und hiedurch den primären Anstoss zu kleinen Varia- tionen gegeben haben, durch welche zahlreiche Individuen in gleicher Richtung, Avenn auch anfangs in sehr geringem Grade abgeändert wurden. Erst nachdem durch den primären Anlass physikalischer Ursachen zahlreiche Lebensformen von der gleichen Variationstendenz ergriffen waren, wirkte die natürliche Züchtung AbändcTungon auf deiusLlbeii Raumgebieto. 197 filv die ErhaltiDig iiud Steigerung hestänmter und niifzlichcr Modißc cd tonen er- folgreich ein. Auch in der veränderten Fassung, durch welche M. Wagner ') seine durch W e i s m a n n arg bedrängte Lehre retten zu können glaubte, erscheint dieselbe ganz unhaltbar, zumal sie zur Negation der natürlichen Auslese führt und mit sich selbst in Widerspruch geräth. Zunächst ist es eine durchaus willkürliche Annahme, den individuellen Eigenthümlichkeiten des Colonistenpaares und ihrer unmittelbaren Ahnen den primären und massgebenden Einfluss für die Gestaltung der neuen Easse, Abart oder Art zuzuschreiben, dagegen den beson- deren physischen und localen Bedingungen des neuen Wohnortes einen nur secundären, die Richtung der Abänderung bestimmenden Werth einzuräumen. Es ist eine lediglich in der Vorstellung vorhandene Zurechtlegung, in dem per- sönlichen Charakter des Individuums bereits die Bedingung der beginnenden Varietät, beziehungsweise neuen Art, finden und für die noch folgenden Ge- nerationen die Steigerung der Merkmale des Stammpaares durch den Einfluss nächstverwandtschaftlicher Paarung und strenger Inzucht, die ja so häufig gerade der Lebensform zum grössten Nachtheil gereicht, erklären zu w^ollen. Neben einer solchen durchaus unbegründeten Annahme bleibt natürlich für die Wirkung der natürlichen Auslese kein Raum. Dabei erfährt die räumliche Isolirung selbst eine bedenkliche Abschwächung, indem die für die Separation massgebenden Schranken zu so minimalen herabgedrückt werden, dass sie als Hemmniss der Ausbreitung nur noch in der Idee Bedeutung behalten. Die Wanderung über eine bestehende natürliche Schranke gilt nicht mehr als noth- wendige Bedingung zur Entstehung einer neuen Art. „Jede örtliche Separation, jede locale Isolirung, wie z. B. die Verbreitung in den verschiedenen Buchten und Tiefen eines und desselben Süsswassersee's, überhaupt jede topographische Ursache, welche die periodische Bildung einer getrennten Colonie begünstigt, kann nicht nur, sondern muss eine gewisse morphologische Veränderung der Stammform, also in der Regel die Bildung einer neuen Abart zur Folge haben, auch ohne Wanderung über die trennenden Schranken eines Hochgebirges, Meeres oder einer Wüste." Die Separationslehre in der neuen Fassung hebt sich hiemit selbst im früheren Sinne auf und enthält eine vollständige Los- sagung vom Darwinismus, ohne an Stelle der natürlichen Zuchtwahl ein besseres, die Transmutation erklärendes Princip zu setzen. 2. Ein anderer von mehreren Seiten erhobener, vornehmlich von Mivart^) erörterter Einw^and betrifft die Unzulänglichkeit der natürlichen Zuchtwahl zur Erklärung der ersten minimalen Anfangsstufen der Abänderungen, da diese dem Organismus unmöglich schon Nutzen gebracht haben, welcher erst bei der im Laufe der Generationen erzielten Steigerung der Modification hervorgetreten ^) M. Wagner. Uebev den Einfluss der geographischen Isolirung und Colonien- bihlung auf die morphologischen Veränderungen der Organismen. Sitzungsberichte der k. Akademie zu München, 1870. ^) Mivart, On the genesis of species. London, 1871. J98 Zurückweisung des Einwurfes Mivart's. sein konnte. Die Uebereinstinimung, welche zahlreiche Thiere in ihrer Färbung mit der Farbe des Aufenthaltsortes zeigen, die Aehnlichkeit vieler Insecten mit Gegenständen der Umgebung, wie z. B. mit Blättern, dürren Zweigen, Blüthen. Vogelexcrementen etc., wird mittelst der Selectionstheorie in der Tbat nur unter der Voraussetzung erklärt werden, dass die in Frage stehende Eigen- schaft bereits von vorneherein bei ihrem ersten Auftreten einen ziemlich hohen Grad der Uebereinstimmung, eine gewisse rohe Aehnlichkeit mit äusseren Naturobjecten dargeboten hat. Wenn wir bei Culturrassen, deren wildlebende Stammform, wie z. B. das Kaninchen, durch eine bestimmte, offenbar nützliche Färbung sich auszeichnet, eine ganz ausserordentliche Variabilität der Farben des Pelzes beobachten, so werden wir wohl zu dem Schlüsse berechtigt sein, dass die Färbung des Pelzes auch bei dem wilden Kaninchen oder einer früheren Stammform desselben ursprünglich mehrfach variirte, und dass sich dann aber graue Farbentöne, weil sie als Schutzmittel den grössten Vortheil brachten, vorzugsweise erhielten und, im Laufe der Generationen fixirt, zu der Constanten Färbung führten. Indessen werden in gar vielen Fällen schon geringere Abänderungen Schutz und Nutzen gewähren. Gewiss hebt Darwin mit vollem Eecht hervor, dass bei Insecten, welche von Vögeln und anderen Feinden mit scharf ausgebildetem Sehvermögen verfolgt werden, jede Ab- stufung der Aehnlichkeit, welche die Gefahr der leichteren Entdeckung ver- ringert, die Erhaltung und Fortpflanzung begünstigt, und bemerkt z. B. rück- sichtlich der merkwürdigen Ceroxylus hiceratus, welches nach Wallace einem mit kriechendem Moos oder Jungermannien überwachsenen Stabe gleicht, dass dieses Insect wahrscheinlich in den Unregelmässigkeiten seiner Ober- fläche und in der Färbung derselben mehrfach abgeändert habe, bis diese letztere mehr oder weniger grün geworden sei. In ähnlicher Weise sucht Darwin *) eine Keihe anderer Beispiele, welche vonMivart als Belege an- geführt waren, dass die natürliche Züchtung die Anfänge der abgeänderten Charaktere nicht zu erklären vermöge (die Barten der Wale, die unsym- metrische Gestalt der Pleuronectiden, die Lage beider Augen auf gleicher Seite, der Greifschwanz bei Affen, die Pedicellarien der Echinodermen, die Avicularien der Bryozoen u. m. a.), zu entkräften. 3. Ein dritter Einwurf, welchen zuerst Bronn, Broca, sodann Nägeli*) undA. Braun ^) gegen das Nützlichkeitsprincip der natural selection vor- gebracht haben, geht von der Thatsache aus, dass viele Charaktere für ihre Besitzer überhaupt keinen Nutzen gewähren und deshalb nicht von der Zucht- wahl erzeugt oder überhaupt nur beeinflusst sein können. Dagegen ist zunächst mit Darwin hervorzuheben, dass wir über die Bedeutung und den Nutzen vieler Eigenschaften nur unzureichend oder gar nicht unterrichtet sind, dass das, was in der That jetzt keinen Vortheil gewährt, doch in früherer Zeit und ') Ch. Darwiu 1. c. ö. Auflage, pag. 248—269. ') C. Nägeli, Entstehung und Begriff der natm-historischen Art. München, 186.5. ») A. Braun, S. 102. Einwürfe Nägeli's. 199 unter anderen Verhältnissen nützlich gewesen sein kann. Immerhin muss jedoch zugestanden werden, dass sowohl unbedeutende individuelle als tiefer greifende und bedeutende Variationen ohne Beziehung auf irgend welchen Nutzen, durch besondere pliysikalische Ursachen bewirkt worden sind und gleichzeitig an zahlreichen Individuen auftraten. Von Darwin selbst vernehmen wir diese wichtige Concession in den "Worten : „früher unterschätzte ich die Hniifigl^eit und Bedeutung der als Folgen spontaner Variahilität auftretenden Modificationen'-'' . Selbstverständlich wird damit die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl nicht widerlegt, sondern nur walirscheinlich gemacht, dass auch ohne Zuhilfe- nahme derselben manche der Natureiurichtungen, welche nicht auf zweck- mässiger Anpassung beruhen, auf anderem Wege entstanden sein müssen. Auch war Darwin selbst nicht der Meinung, dass die natürliche Zuchtwahl für sich allein die Entwicklung und Gestaltung der Organisation zu erklären im Stande sei, und wies auf die Correlation des Wachsthums und der Abänderungen ver- schiedener Organe, somit auf immanente Bildungsgesetze hin. 4. Mit diesem Einwurf steht eine andere weit weniger zutreffende Be- trachtung Nägeli's im Zusammenhang. Wenn derselbe bemerkt, dass die beiden Momente, in denen sich die hohe Organisation kund thut, die mannig- faltigste morphologische Gliederung und die am weitesten durchgeführte Theilung der Arbeit in der Pflanze von einander unabhängig seien, während sie im Thierreiche in der Kegel zusammenfielen, so möchte dieser scheinbare Gegensatz in unserer zur Zeit noch unzureichenden Kenntniss von den Functio- nen zahlreicher morphologischer Besonderheiten der Pflanze seine Erklärung finden. Auch bei Thieren kann eine und dieselbe Function von morphologisch verschiedenen Organen besorgt werden, und dasselbe Organ kann phj^siologisch mehrere Verrichtungen vollziehen. Deshalb wird man aber doch nur in Aus- nahmsfällen und vornehmlich bei Organen, welche in Folge des Nichtgebrauches eine Eeduction erfahren haben, von Organen ausschliesslich morphologischen Werthes reden können und den Grund für die Existenz derselben in dem Ver- erbungsgesetze zu suchen haben. Schon mit Bezug auf die vermeintliche Nutz- losigkeit verschiedener Körpertheile hat Darwin treffend hervorgehoben, dass selbst bei den höheren und am besten bekannten Thieren viele Gebilde existiren, welche so hoch entwickelt sind, dass Niemand an ihrer Bedeutung zweifelt, obwohl dieselbe überhaupt noch gar nicht oder erst ganz neuerdings ermittelt wurde. Bezüglich der Pflanzen verweist er auf die merkwürdigen Structureigenthümlichkeiten der Orchideen-Blüthen, deren Verschiedenheiten nur noch vor wenig Jahren für rein morphologische Merkmale gehalten wurden. Durch die Untersuchungen Darwin's *), Herm. Müller's, Kerners u. A. ist dann aber der Nachweis geführt worden, dass jene Besonderheiten für die Be- fruchtung durch Insectenhilfe von der grössten Bedeutung und wahrscheinlich ') Ch. Darwin, Ueber die Einrichtungen zur Befruchtung britischer und aus- ländischer Orchideen durch Insecten etc., übersetzt von Bronn. Stuttgart, 1862. 200 Constante und variable Mi-rkniale. Dysteleologie. durch natürliclie Zuclitwalil erlangt worden sind. Ebenso weiss man jetzt, dass die verschiedene Länge der Staubfäden und Pistille, sowie deren Anordnung bei dimorphen und trimorphen Pflanzen von wesentlichem Nutzen sind. Dass im Allgemeinen Gestalt und Farbe der Blumen nicht ausschliesslich morpho- logische Bedeutung besitzen, sondern wesentlich durch Anpassung bedingt, die mannigfaltigsten Beziehungen zum Insectenleben haben, wurde im An- schluss an C. Sprengel eingehend von Herm. Müller') erörtert, während Jul. Sachs -) für den seither als rein morphologisch beurtheilten Aderverlauf der Blätter die Bedeutung für die Zu- und Abfuhr der Nährstoffe, die Aus- spannung der assimilirenden Chlorophyllschiclit nachwies. 5. Auch ist es verfehlt, wenn Nägeli als Consequenz der Darwin'schen Lehre die Annahme ableitet, dass indiiferente Merkmale variabel, die nütz- lichen dagegen constant sein müssten. Gerade die iudiiferenten Charaktere müssen, weil durch die Vererbung im Laufe zahlloser Generationen befestigt, nahezu oder absolut constant sein, wie dies gerade für diejenigen Merkmale zutriift, welche die sj'Stematischen Kategorien bestimmen. Andererseits In-auchen nützliche Eigenschaften durchaus nicht bereits die äusserste Grenze des Nutzens, den sie dem Organismus gewähren, erreicht zu haben, dürften vielmehr, zumal unter veränderten Lebensbedingungen, noch nützlicher werden können. Wenn daher Nägeli auf die Stellungsverhältnisse und die Zusammenordnung der Zellen und Organe hinweist, die als rein morphologische Eigenthümlichkeiten am leichtesten abändern müssten, in der That aber sowohl in der Natur als in der Cultur die constantesten und zähesten Merkmale sind, so behauptet er gerade das Umgekehrte von dem, was aus dem Darwin'schen Principe folgt. Wenn er ferner hervorhebt, dass bei einer Pflanze, w^elche gegenüberstehende Blätter und vierzählige Blüthenkreise hat, es eher gelingen würde, alle mög- lichen die Function betreö'enden Abänderungen an den Blättern, als eine spiralige Anordnung derselben hervorzubringen, so werden wir diese Thatsachen aus den beiden oben bemerkten Gründen von Nägeli verständlich finden. Einerseits wäre es voreilig, für diese sogenannten ,.morphologischen Charaktere", welche uns jetzt nutzlos und daher im Kampfe um*s Dasein gleichgiltig zu sein scheinen, eine absolute Werthlosigkeit auch für die Zeiten ihres Auftretens zu behaupten, andererseits w^ürden wir im Allgemeinen zu bedeutende An- forderungen an die Grösse und Gewalt der Varialiilität stellen, wenn wir von derselben Abänderungen tief befestigter und durch Vererbung zahlloser Genera- tionen constant gewordener Merkmale, welche die Ordnung, Classe oder gar den Typus bestimmen, anders als ausnahmweise und in ganz abnormen Fällen erwarten w^ollten. 6. Mit grösserem Recht als solche Organe von indifferentem Werthe, deren Nutzen für die Existenz der Arten man zum Mindesten nicht einzusehen ') H. Müller. Die Bffruchtung der BluuiL-n durch Iiisectcii und die geg-onseitigen Anpassungen beider. Leipzig, 187B. ^) J. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenpbysiologie. Leipzig, 1882. riizulängliehkeit der nntur;il .selci'tion als ausschliessliclu's Erklärungsprincip. 201 vermag, würden solche Einiichtungen als dem Priucip der Selection wider- sprecliend herangezogen werden können, welche in grösserem oder geringerem Grade nachtheilig sind. E. Haeckel hat diesen Gesichtspunkt freilich gerade umgekehrt für die Eichtigkeit der Descendenzlehre, deren einziges und wahres Begründungsprincip für ihn das der Selection ist, in's Feld geführt, und mit Hilfe desselben in Verbindung mit den Thatsachen der rudimentären Organe eine besondere Lehre als .,D ysteleologie" begründen zu können geglaubt, zunächst um die Annahme einer nachZwecken wirkenden Bildungskraft, und einer teleologischen Endursache zu widerlegen. Allerdings ist die Lehre von den rudimentären Organen ganz vorzüglich geeignet, für die Eichtigkeit der Des- cendenz ein schwerwiegendes Zeuguiss abzulegen. Aber ebensowenig wie die mit ihr verknüpfte Dysteleologie eine Zweckursache als ersten Grund der •Weltexistenz widerlegt, kann sie im Sinne HaeckeTs für die mit so grossem Eifer auf die Selection gestützte Descendenzlehre verwerthet werden. Im Gegen- theil würde dieselbe einen wichtigen Einwand gegen die Wirksamkeit der Selection begründen, da diese doch nur vortheilhafte, für die Art zweck- mässige Eigenschaften züchten kann, und jedenfalls beweisen, dass neben diesem Princip noch andere in den Bilduugsgesetzen begründete Ursachen in Frage kommen. Indessen kann nur eine oberflächliche Naturbetrachtung zu dem Glauben an eine Dysteleologie, die in Wahrheit auf einem Missverständniss beruht, ver- leiten. Wenn uns auch auf den ersten Blick Organrudimente bedeutungslos oder gar uaehtb eilig erscheinen, so vermögen wir doch bei näherem Eingehen sehr oft ihre Bedeutung zu erkennen, so beispielsweise bei den Afterklauen der Eiesenschlangen, dem rudimentären Brustbein der Blindschleiche und selbst den Zahnrudimenten im Embryonalleben der Wale. Aber auch da, wo wir den Nutzen nicht einzusehen vermögen, wie z. B. bei den unter der Haut ver- steckten Augen-Eudimenten von Höhlenbewohnern dürfen wir — abgesehen von der Unvollkommenheit unserer Einsicht in die verwickelten Verhältnisse der Organ-Correlation — nicht ausser Acht lassen, da.ss schon die Eückbildung an sich ein im Haushalt des Organismus für die Ausbildung anderer functionell hervortretenden Organe höchst zweckmässiger Vorgang ist, und dass, falls die- selbe nicht zum völligen Schwunde führte, auch in der Erhaltung eines mini- malen Bestes insofern ein Nutzen liegt, als dieser unter veränderten Verbält- nissen zum Ausgangspunkt zweckmässig modificirter Neugestaltung Averden kann. Hat man doch, und gewiss mit vollem Eechte, den Eückschritt über- flüssig gewordener Organe als Bedingung des Fortschritts bezeichnet. 7. Von Nägeli ist ein bemerkenswerther Einwurf gemacht worden, welcher die Unzulänglichkeit der natural selection als ausschlüssliches Er- klärungsprincip darzuthun geeignet erscheint. Im Anfange konnte es nur wenige Arten einfacher, aus Protoplasma und Sarcode bestehender Organismen von einzelligen Protophyten und Protozoen geben. Bei der Beschränktheit der Con- currenz, bei der Gleichmässigkeit der äusseren Bedingungen auf der ganzen 202 N:igeli"s Vervollkommiiuiigstheorie der Athmuiigslehre. Erdoberfläche fehlte es an Hebelu, welche die Entstehung nützlicher Ab- änderungen veranlassen mussten. Jedenfalls Avird hiemit eine sehr dunkle und schwierige Frage der ganzen Descendenzlehre berührt, auf welche eine nur sehr unvollständige Antwort gegeben werden kann. Wenn wir auch keineswegs N ä g e 1 i darin beistimmen können, dass die Nützlichkeitslehre überhaupt nicht zu erklären vermöge, warum zusammengesetztere und höher organisirte Wesen sich entwickeln, so müssen wir, die relative Einförmigkeit der ursprünglichen einfachen Lebewesen zugestanden, immerhin den Mangel ausreichender und geeigneter Hebel zugestelien, um die Möglichkeit für die Entwicklung der grossen Mannigfaltigkeit höher organisirter Wesen einzusehen. Mit Kücksicht auf den ersten Punkt bemerkt D arwin, dass schon die beständige Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl die Neigung zur progressiven Entwicklung bei organischen Wesen zu erklären vermöge, denn die beste Definition, welche jemals von einem hohen Massstabe der Organisation gegeben wurde, ist die. dass dies der Grad sei, his zu welchem Theile specialisirt oder verschieden- artig geworden sind. Und die natürliche Zuchtwahl strebt diesem Ziele zu, in- sofern hiedurch die Theile in den Stand gesetzt werden, ihre Function wirk- samer zu verrichten. Dagegen setzt die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl, als deren Folge eine mit Arbeitstheilung verbundene Specialisirung der Organi- sation als für die Erhaltung vortheilhaft keineswegs ausgeschlossen ist, eine bereits vorhandene Mannigfaltigkeit im Bau und in der Lebensweise der Organismen voraus, wie sie die ausschliessliche Existenz von wenigen und sehr einfach gestalteten Arten, wenn auch unendlich zahlreicher Lebewesen unter gleichförmigen äusseren Naturbedingungen nicht zu bieten vermag. Aus diesen Gründen möchten wir die Unzulänglichkeit der natürlichen Zuchtwahl und der auf dieselbe gegründeten Nützlichkeitstheorie als aus- schliessliches Erklärung sprincip um so weniger bestreiten, als es nicht denk- bar ist, dass die ganze complicirte Organisation der höchsten Pflanze und des höchsten Thieres blos durch nützliche Anpassung sich nach und nach aus dem Unvollkommenen herausgebildet habe, dass das mikroskopische einzellige Pflänzchen blos durch den Kampf um's Dasein nach unzähligen Generationen zu einer Phanerogamenpflanze, oder um von Thieren zu reden, dass die Amöbe zu einem Polypen, die Planula zu einem Wirbelthiere geworden sei. Es er- scheint ganz unmöglich, ausschliesslich mit Hilfe der Selection die Nothivench'g- keit der bestimmten, in den zahllosen mannigfaltigen Abstufungen der Organi- sation und Besonderheiten des Systems ausgesprochenen Richtung des grossen Entwicklungsgesetzes zu verstehen. Daher erscheinen die verschiedenen Ver- suche begreiflich, durch ein anderes Erklärungsprincip die offenbar vorhandene grosse Lücke auszufüllen, nur wird es leider bei näherer Betrachtung sogleich ersichtlich, dass alle diese Versuche einer wahren und positiven Grundlage ermangeln und, anstatt eine Erklärung zu geben, Umschreibungen unerklärter Verhältnisse enthalten. Zurückweisung derselben. 203 Nägeli's mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre. Obenan steht die von Nägeli aufgestellte Vervollkommnungstheorie, welche die Annahme fordert, dass die individuellen Veränderungen nicht un- bestimmt, nicht nach allen Seiten gleichmässig, sondern vorzugsweise und „mit bestimmter Orientirung" nach einer zusammengesetzteren vollkommeneren Organisation zielen, dass der Abiinderungsprocess wie nach einem bestimmten Entwicklungsplane, wenn auch ohne übernatürliche Einwirkung, so doch durch eine dem Organismus immanente Tendenz der Vervollkommnung geleitet werde. Neben der natürlichen Züchtung, welche nur als Correctiv thätig sei und die Ausbildung der physiologischen Eigeuthttmlichkeiten erkläre, müsse ein Vervollkommnungsprincip vorausgesetzt werden, welches die Gestaltung der morphologischen Charaktere beeinflusse. Man sieht jedoch alsbald ein, dass Nägeli bei richtiger Erkenntniss der vorhandenen Lücke, derselben Lücke, welcher sich schon Lamarck in seiner Anpassungstheorie bewusst geworden war, anstatt einer jene beseitigenden Erklärung nichts als eine Phrase einführt, deren Aufnahme mit der Vorstellung verknüpft ist, als sei mit derselben eine Erklärung gewonnen. In der That aber ist der Ausdruck Vervollkommnungstendenz und Vervollkommnungs- theorie nichts Anderes als die Uebertragung der in früherer Zeit so üblichen und missbrauchten Phrase des Bildungstriebes oder nisus formativus von der individuellen Entwicklungsgeschichte auf die Phylogenie. Gleiches gilt von dem Principe der „bestimmt gerichteten Variation" oder der Entwicklung aus „inneren Ursachen", wie wir sie in den Schriften von Askenasy') und A. Braun ^) ausgesprochen finden, vonForschern, welche über die Berechtigung der Descendenzlehre ebenso übereinstimmen, als sie mit Darwin die Form- verwandtschaft der Arten auf gemeinsame Abstammung zurückführen. Auch in seinem jüngst erschienenen Werke ^) ist Nägeli, trotz eines grossen Aufwandes molecularer Constructionen, zu keiner besseren Erklärung gelangt. Wenn wir auch die in dem materiellen Substrate des Organismus, in der organisirten Materie gelegenen Bedingungen der fortschreitenden Ent- wicklung (Vervollkommnungsprincip) als innere Ursachen den äusseren, durch die Lebensbedingungen gegebenen Factoren mit Eecht gegenüberstellen, wie es bereits Lamarck that, wenn derselbe die Stufenfolge der Organismen auf Kosten der ersteren stellte, den mannigfachen durch die letzteren bedingten Anpassungen gegenüber, welche auf die Wirkung des Gebrauches und Nicht- gebrauches zurückgeführt werden, so müssen wir uns doch bewusst sein, dass *) Askenasy, Beiträge zur Kritik der DarwiiVscheii Lehre. Leipzig. 1872. ^) A. Braun, lieber die Bedeutung der Entwicklung in der Naturgeschiclite. Berlin, 1872. ^) C. Xägeli, Mechanisch-pliy.siologi.sche Theorie der Abstammungslehre. München und Leipzig, 1884. 204 Zurück Weisung derselben. die inneren Gründe iiuserer Einsicht vorläufig völlig unziigängig bleiben. N ägeli aber befindet sich in einer argen Selbsttäuschung, wenn er glaubt, mit seiner neuen Theorie eine mechanisch-physiologische Erklärung gegeben zu haben, in einer Täuschung, welche um so stärker betont zu werden verdient, als der- selbe der seitherigen und künftigen Arbeit der Morphologen — dem hier Plan und Bauführung zu besorgenden Physiologen gegenüber — lediglich den Werth von Handlangerdiensten einräumt. Oder erreichen wir etwa eine Einsicht in das Wesen der mit der Entwicklung der Organisation fortschreitenden Vervoll- kommnung, indem wir dem einfachsten Protoplasmaklümpchen die Tendenz zuschreiben, Protoplasmakörper von etwas zusammengesetzterem und daher vollkommenerem Bau zu erzeugen, und hiemit eine in aufsteigender Reihe fortschreitende Bewegung begonnen denken, dann die Beharrung in der Ver- vollkommnung vom Einfacheren zum Zusammengesetzteren als mechanische Ursache für die Entwicklung der organischen Reiche bezeichnen ? Zwar erscheint es durchaus berechtigt, das Keimprotoplasma, wie es auch andere Forscher thaten, als Träger der erblichen Aulagen zu betrachten und sich in dem „Idio- plasma" alle Eigenschaften des ausgebildeten Organismus als potentiell ent- halten zu denken, aber gewinnen wir damit eine Erklärung, dass wir uns dessen moleculare Zusammensetzung nach Analogie des entwickelten Organismus dem Bedürfniss entsprechend kunstvoll coustruiren, uns die Zusammenordnuug der kleinsten Theilchen (Micellen) unendlich mannigfaltig vorstellen und dem- gemäss ,. zahllose Combinationen wirksamer Kräfte'', „zahllose Verschieden- heiten in den durch diese bedingten chemischen und plastischen Vorgängen der lebenden Substanz" annehmen, welche ebenso viele Verschiedenheiten im Wachsthum, in der inneren Organisation, in der äusseren Gestaltung und den Verrichtungen verursachen ? Wird ferner etwa dadurch der Bildungstrieb seines räthselhaften Wesens entkleidet, dass wir an Stelle desselben die aufeinander- folgenden Modificationen im Idioplasma und die wechselnden Einflüsse setzen, unter denen das Idioplasma seine Anlagen zur Entfaltung bringt? Die natur- gemäss folgenden Fragen, auf welchen Vorgängen diese Modificationen beruhen und wie wir uns die Einwirkungen der umgebenden Umstände zu denken haben, hat zwar N ägeli aufgeworfen, jedoch keineswegs zu beantworten vermocht, zumal er nicht einmal für die Structur des idioplastischen (in Form netzförmig anastomosirender Stränge gedachten) Systems eine befriedigende Vorstellung abzuleiten vermag, vielmehr „den Charakter der noch verborgenen (nicht geo- metrischen, sondern ph3'logenetischen) Configuration" zugibt, mit deren Er- forschung die Lösung „des grössten Räthsels der Abstammungslehre" gewonnen sei! Oder sollte es den Anforderungen einer physiologischen Erklärung ent- sprechen, „die Merkmale, Organe, Einrichtungen und Functionen des Organis- mus im Idioplasma in ihre wirklichen Elemente zerlegt" zu denken und sich vorzustellen, „dass dasselbe die Anlagen für verschiedene Organe in ähnlicher Weise zur Entfaltung bringe, wie der Ciavierspieler auf seinem Instrumente die aufeinanderfolgenden Harmonien und Disharmonien eines Musikstückes Lehre von der Ciitinnitiit des Keimplasraas. 205 zum Ausdruck bringt", uud einem so phautasievollen Bilde alsbald das Zu- geständniss folgen zu lassen, dass die Art uud Weise, in welcher die Mit- theilung der Bewegungen unter den in dynamischer Verbindung stehenden Micellenreihen erfolge, für die Molecularphysiologie ein Geheimniss sei? Ist es möglich, im Ernste zu glauben, mittelst solcher zwar mechanisch gedachter, aber im gleichen Masse künstlich als willkürlich aufgebauter Constructionen eine Theorie zur Lösung des grossen Problemes der Bildungsgesetze und der durch dieselben bedingten Stammesentwicklung begründet zu haben V Die in das Wesen der Organisation hineingelegte Vervollkommnungstendenz bleibt vielmehr ebenso dunkel als die von Lamarck für unerklärbar gehaltene Ur- sache für die Stufenfolge der Organismen und fällt im Wesentlichen mit dieser zusammen, während neben der Lamarck'schen Anpassung durch die Wirkung äusserer Einflüsse dem Darwin'schen Selectionsprincip lediglich ein beschränkter Einfluss auf schärfere Abgrenzung der Sippen durch Verdrängung der Zwischen- formen in beiden Keichen eingeräumt wird. Nach Nägeli liegen in der Ver- vollkommnung (Progression) und Anpassung die mechanischen Momente für die Bildung des Formenreichthums, in der Concurrenz mit Verdrängung oder in dem eigentlichen Darwinismus nur das mechanische Moment für die Bildung der Lücken in den beiden organischen Keichen". Damit aber wurde nicht nur der Selectiou die Bedeutung für die Entstehung neuer Arten und Sippen aus älteren bereits vorhandenen Arten abgesprochen, sondern auch auf die Erklärung der organischen Zweckmässigkeit und der unzähligen zweckmässigen Wechsel- beziehungen der Organismen Verzicht geleistet. Weisniauii's ') Lehre von der Coutiimität des KeimpLismas und deu Variationen des Keiniplasmas als die Ursache der Variabilität. Die Ueberzeugung, dass die Grundbedingungen der Transmutation im Innern des Organismus und in der Molecularstructur des Plasmas zu suchen sind, hat noch zur Aufstellung einer andern bemerkenswerthen Lehre Anlass gegeben, welche zwar zu Nägeli's Theorie mehrfache Berührungspunkte bietet, indessen in sehr wesentlichen Momenten und namentlich darin von derselben ab- weicht, dass sie die umfassende Wirkung der Zuchtwahl und somit die Erklärung der Zweckmässigkeit im Sinne Darwin's ungeschmälert aufrecht erhält. Da- gegen läugnet A. Weismann, und hierin weicht er wesentlich von Darwin ab, die Vererbung der envorhenen Eigenschaften. Mit dieser Negation aber trat die Forderung heran, die Variabilität in anderer Weise zu begründen, und zwar lediglich aus inneren Ursachen abzuleiten, wenn anders die Zuchtwahl über- haupt aufrecht erhalten werden sollte. Von diesem Ausgangspunkt wurde W e i s m a n n zu den beiden Hypothesen über die Continuität des Keimplasmas und über die Bedeutung der geschlechtlichen Fortpflanzung geführt. ') A. Weismann, üeter die Vererbung. Jena, 1883. Derselbe, lieber die Con- tinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena, 1885. Der- selbe, Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Selectionstheorie. Jena, 1886. 206 Continuitüt des Keimi)la.ranismus. 213 dieser Zeit nuisste also die gleichzeitige Ausbildung von tausend zweckmässigen Einzelheiten stattfinden, was die Auslese, die nur wenige Eigenschaften auf einmal züchten kann, unmöglich hätte leisten können. AVorin aber und wie weit konnte seither die Ursache für dieses Princip der zweckmässigen Selbstgestaltung erkannt und bestimmt werden ? Nicht in der molecularen Structur und dem molecularen Geschehen, wie es sich nach chemisch-physikalischen Gesetzen unter den in jener gegebenen Bedingungen in bestimmter Weise nothwendig vollzieht, sondern in dem Wirken der »Selection innerhalb des Organismus selbst, welche im Kampfe derTheile diese nützlichen Qualitäten züchtet. Bekanntlich besteht jeder Organismus aus einer Vielheit von Theilen, ans einer Genossenschaft von Elementen, die Metazoen undMetaphyten aus Zellen nnd Zellengruppen, welche während der Lebensvorgänge insofern einem Wechsel unterworfen sind, als Elemente beständig austreten nnd durch andere ueugebildete ersetzt werden. Während des Aufbaues in der embryonalenEntwick- lung, welche blos im Grossen und Ganzen durch die Vererbung normirt ist, im Ein- zelnen aber erst durch die Verhältnisse bestimmt wird, gehen die Elemente selbst erst aus einander hervor, die einen Zellen entstehen aus den anderen, neue aus bereits vorhandenen. Es besteht auch keine absolute Gleichheit unter den zu- sammenwirkenden Theilen jeder Gruppe, sondern es wiederholt sich auch hier die Erscheinung der Variabilität, aus welcher beim Wachsthum im Zusammen- hange mit dem Stoffwechsel ein heftiger Kampf der Theile entspringen muss. Es werden solche Theile, welche in diesem Kampfe in Bezug auf Ernährung und Productivitätim Nachtheil sind, früher zu Grunde gehen als andere, welche als die functionell am meisten in Anspruch genommenen und daher am meisten begünstigten jene überdauern. So besteht zunächst ein Kampf zwischen den Molecülen und ein solcher zwischen den Zellen, durch welchen Qualitäten gezüchtet werden, welche die Erscheinungen der functionellen Anpassung hervorzubringen vermögen und dem Organismus im Kampfe um's Dasein nützlich sind. Es besteht aber auch ein Kampf zwischen den Geweben und ein solcher zwischen den Organen unter- einander, „welcher sowohl zur möglichsten Ausnützung des Kaumes als zur Ausbildung eines der physiologischen Bedeutung der Theile für das Ganze entsprechenden morphologischen Gleichgewichtes führen musste". Während somit der Kampf der Theile die innere Zweckmässigkeit der Organismen und die grösste Leistungsfähigkeit seiner functionell angepassten Organe bedingt, regulirt der Kampf der Organismen um's Dasein die Zweckmässigkeit in den Beziehungen derselben zu einander und zur Aussenwelt. Hiemit erscheint die Wirkung der Selection auch für die aus directer Anpassung entspringende Zweckmässigkeit dargethan und zur Erklärung der Bildungsgesetze verwerthet. So wesentlich aber auch das Princip durch diesen Nachweis an Bedeutung gewonnen hat, so bleibt dasselbe doch trotzdem auf das eines Regidaiors beschränkt, durch welchen alles Nachtheilige elimiuirt, das Nützliche erhalten und gesteigert wird. 214 Ziiriii'kwoisunpr einer sprungweise fortschreitenden Entwicklung. Selbst die Frage, ob min für jede Form der Zweckmässigkeit die Mög- lichkeit der Zurückfübrung auf rein mechanisches Geschehen erwiesen sei, ist zur Zeit noch keineswegs beantwortet. Wenn auch sämmtliche Correlationen, welche zwischen verschiedenen Organen bestehen, durch die Wirkung des Kampfes der Gewebe und Organe als Folgen nothwendiger mechanischer Vor- gänge zurückgeführt worden wären, so blieben noch immer eine grosse Reihe merkwürdiger Erscheinungen, vor Allem die der Neubildung undlieproduction von Organen bei niederen Tbieren zu erklären. Wollten wir dieselben auch im Sinne mechanisch nothwendigen Geschehens als erklärt voraussetzen, so würde doch das grössere Problem ilher die innere Ursache der organischen Bildung und Entioicklung nach ivie vor ungelöst erscheinen. Einige Forscher haben die Entstehung neuer, höher differenzirter Formen aus bereits vorhandenen tiefer stehenden Arten durch die Annahme einer sprungweise fortschreitenden Entwicklung erklären zu können geglaubt und diese Lehre an Stelle des von ihnen zurückgewiesenen Selectionsprincipes ge- stellt. Zur Begründung derselben sollten die erst in neuerer Zeit näher bekannt gewordenen Erscheinungendes Generationswechselsund derHeterogouio dienen. So wenig in Abrede gestellt werden kann, dass für einzelne Fälle der Hetero- gonie in der That die Auflösung innerhalb des mehrere Generationen umfas- senden Formencomplexes zu selbstständig neben einander bestehenden Arten geführt haben kann, so würde hiemit doch nicht im Entferntesten ein Ersatz für das, was Anpassung und Selection zur Erklärung der zweckmässigen Um- gestaltungen zu leisten vermögen, gewonnen sein, um so weniger, als die Erscheinungen des Generationswechsels und der Heterogonie selbst einer Erklärung bedürfen, zu welcher wir erst mit Hilfe des Principes der Summirung verschwindend kleiner Abänderungen im Laufe der Generationen in den Lehren von der Anpassuug(Lamarck)uud natürlichen Zuchtwahl (Darwin) gelangen. Die von A. Kölliker nach Analogie der beiden Fortplianzungsformen an- genommene Entwicklung mittelst heterogener Zeugung, welche schon vor Kenntniss des Generationswechsels von einzelnen Naturforschern und Philo- sophen (Schopenhauer, Zeugung ex utero heterogeneo) gelehrt wurde, schliesst vielmehr als eine „im Plane der Entwicklung" gelegene Fortbildung, die Verzichtleistung auf Erklärung in sich ein. Treu dem Grundsatze „Natui-a non facit saltum" vermögen wir den Lehren von der heterogenen Entwicklung oder plötzlichen Umprägung (Heer) gegenüber ausschliesslich im langsamen und allmäligen Umbildungsprocess eine Erklärung des Artenwechsels zu linden und als Stützen derselben das Selectionsprincip im Vereine mit dem der functionellen Anpassung zu verwertheu; wenn dasselbe auch mit Rücksicht auf das grosse Räthsel der Entwicklung, das zu lösen verbleibt, nur einer „Planke-' verglichen werden kann, „welche den sonst rettungslos Versinkenden über Wasser trägt'. Specieller Theil. I. Tliierkreis. Protozoa, Urthiere. Einzellige Organismen von geringer Grösse, 7nit mehr oder minder com- plicirten Differenzirtvngen innerhalb des Protoplasmaleibes ^ und vorioiegend ungeschlechtlicher Fortpflanzung. Morpliologiscli stehen die Protozoen auf der Stufe der Zelle, deren Protoplasmaleib ein oder in Folge von Theilnngen des ursprünglich einfachen Kernes mehrere Kerne enthält. Sie durchlaufen daher weder eine Eifurchung, noch eine durch die Anlage von Keimblättern bezeichnete Embryonalentwickluug. Als Leibessubstrat treffen wir überall die contractile, körnchenreiche, mit Vacuolen erfüllte Sarcode an, deren Differenzirung aber eine ausserordentlich reiche werden und complicirte, höchst verschiedenen Functionen entsprechende Structuren zur Erscheinung bringen kann. Sehr oft finden sich im Protoplasma eine pulsirende Vacuole, das heisst ein mit heller Flüssigkeit erfüllter Raum, der sich durch Contraction des umgebenden Plasmas scheinbar zusammen- zieht und verschwindet und später an derselben Stelle wieder erscheint. Durch abweichende Differeuziruugeu im Innern des Sarcodeleibes, sowie durch Unterschiede in der äusseren Begrenzung und Ernährungsart ergeben sich eine Reihe von Modificationen, welche Anhaltspunkte zur Begründung der Gruppen geben. Im einfachsten Falle ist der gesammte Körper ein Sarcode- klümpchen, dessen Coutractilität durch keine äussere feste Membran gebunden ist, welches bald in leichtem Flusse Fortsätze ausschickt und bereits gebildete wieder einzieht, bald hei zäherer Cousistenz der Theile eine Anzahl haarförmiger Strahlen und Fäden aussendet {Rhizopoden). Die Ernährung erfolgt durch Umfliessen fremder Körper, welche an jeder beliebigen Stelle der Körper- peripherie von der protoplasmatischen Substanz aufgenommen werden können. In zahlreichen Fällen scheidet die in zarte Scheinfüsschen (^Pseudopodien) aus- strahlende Leibesmasse kieselige und kalkige Nadeln, Gittergehäuse oder durch- löcherte Schalen aus, welche den Leib schützen und stützen {Foraminiferen, Radiolarien). Bei den Infusorien dagegen wird der Sarcodeleib von einer äusseren Membran umgrenzt, welche durch den Besitz von schwingenden Wim- pern, Haaren, Borsten etc. zu einer rascheren und mannigfaltigeren Locomotion befähigt. Die festen Nahrungskörper werden durch eine besondere Mundöffnung aufgenommen, während ilire Ueberreste nach der Verdauung durch eine A.fter- öffnung austreten. 216 I. Clas.se. Rhizopoda, Rhizopoden, Pseudopodi I. Classe. Rhizopoda^, Mizopoden. Protozoen olwe äussere Umhüllung shaut, deren ^Sarcodele'ib Fortsätze aus- streckt und einzieht ^in der Regel mit ausgeschiedenem Kalkgehäuse oder Kieselgerüst. DieLeibessubstanz dieser Tliiere, deren Gehäuse schon seit langer Zeit vor Kenntniss des lebenden Inhalts als i^om- miniferen oder Polythalamien beschrieben, waren, ist die 6'arcode in freier, durch keine Umgrenzungshaut gebunde- ner Form. Dieselbe ist körn- chenreich, enthält Pigmente und sendetfeine fadenförmige Strahlen meist zähflüssiger Natur, Pseudopodien, aus, welche sowohl zur Fortbewe- gung, als auch zur Nahrungs- aufnahme dienen. Indessen können es auch breite, ge- lappte oder fingerförmige Fortsätze sein, durch welche sich die Leibesmasse in rasch fliessender Strö- mung fortbewegt. Dann unterscheidet mau einen zäheren und hellen, homogenen Saum als peri- pherische Grenzlage (Ectoplasma) und eine mit Körnchen durchsetzte flüssigere lunenmasse (Endoplasma). Die erstere erhebt sich bei der Bewegung zuerst in Fortsätze, in welche die Körnchen der letzteren mehr oder minder rasch einströmen. An den zäheren Pseudopodien werden hingegen langsame, aber regelmässige Körnchenströmungen als Wanderungen von der Basis nach der Spitze und umgekehrt beob- achtet, Bewegungen, deren Ursache in der Con- tractilität der umgebenden Sarcodetheilchen zu suchen ist. (Fig. 151.) Die Pseudopodien zeigen *) D u j a r d i u, Obscrvations sur les Rhizopode.s. Coinptes rendus, 1835. E h r e n b e r g, Uebor noch jetzt zahlreich lebende Thierarten der Kreidebildung und den Organismus der Polythalamien. Abhandl. der Akad. zu Berlin 1839. Max Sigm. Schnitze, Ueber den Or- ganismus der Polythalamien. Leipzig, 18.t4. Joh. Müller, Ueber die Thalassicollen, Poly- cystinen und Acanthometren, 18r)8. E. Haeckel, Die Radiolarien. Eine Monographie. Berlin, 1862. 0. B ü t s c h 1 i. Protozoen, neu bearbeitet in Bronn's Clas.^cn iiiid Ord- nungen 1880—1889. Optischer Durchschnitt durcli ein Stück Sarcodeleib von ÄHino- sphaerium Eichhoritli, nach Ilcrtwig und L e s s e r. iV Nuclei in der Marksubstanz, von dur sieh die grossblasige Kindenschicht abhebt. Im Centrum der l'seudopodicn sieht man den Achsenfaden. Ficf. 1.52. /■ / Amoeha (Dactylosphaera) pohjpodia, nach fr. E. Schulze. N Nucleus, Po pul- sircnde Vacuole. Kiilk- unrl Ki 217 153. -3 i.W '» 11/^/ entweder eine Noigiiiig zur Aiiastoiuosenbikluiig (Myxopodieii) oder bleiben verliältnissraässig starr, tiiessen nicht zu Netzen zusammen und werden dann oft von einem festern Axenfaden gestützt, der sich in das Innere des Sarcodeleibes fortsetzt (Axopodien). Bei den marinen Rhizopoden mit Myxopodien bleil)t die Plasmamasse des Weichkörpers gleichmässig, und es besteht keine scharfe Grenze zwischen einem hyalinen Ectoplasma und körnigen Endoplasma. Nicht selten findet sich in der Sarcode ein pulsirendor Raum, contradile Vacuok, z. B. Amoela (Fig. 152), Difflugia, Adinophvys, Arcella. Auch treten in der Sarcode ein oder mehrere Kerne auf, durch welche der morphologische Werth des Rhizo- podenleibes als Zelle oder alsZell- complex über al- lem Zweifel steht. Allerdings gibt es auch Formen, in deren Protoplasma es nicht gelang, Spuren eines Zell- kernes aufzufinden. In denselben hat sich entweder das Kernplasma noch nicht als einheit- liches Gebilde ge- sondert (E. Hae- ckel'sMonerenwie Frotamoeba , My- xodyctwn), oder es handelt sich nur um vorübergehende kernlose Entwick- „ , ,. I7olaha renrtv lungszustände. Meistens scheidet die Substanz Skelete ab, entweder Kieselgebilde als feine Nadeln und hohle Stacheln, welche vom Centrum aus in gesetzmässiger Zahl und Anordnung nach der Peripherie gerichtet sind, oder gegitterte, oft Spitzen und Stacheln tragende Behälter (Rach'olarüv), oder Kalkskelete in Form einfacher und gekammerter Schalen mit fein durchlöcherter Wandung {Forammifcren) und einer grösseren Oeffnung. Durch diese, sowie durch die zahlreichen Poren der kleinen Gehäuse treten die zarten Fäden der Sarcode rscudopodieniietz aufge- nommenen Diatomacee. 218 Rhizopodeii. als Pseudopodien nach aussen hervor; in Form, Grösse und Zahl ununter- brochen wechselnd, fliesseu sie oft zu zarten Netzen zusammen. ( Fig. 153 und 1 54.) Durch langsam kriechende Bewegungen auffesteu Gegenständen vermitteln die Pseudopodien die Locomotion, während sie andererseits dadurch, dass sie kleine pflanzliche Organismen, wie Bacillarien, umfliessen und in sich einschliessen, zur Nahrungsaufnahme dienen. Bei. den Gehäuse tragenden Formen geschielit die Aufnahme und Verdauung der Nahrungsstoife ausserhalb der Schale in den peripherischen Fäden und Sarcodenetzen, indem jede Stelle der Oberfläche vorübergehend als Mund und ebenso wiederum durch den Austritt der ver- dauten üeberreste als After fungiren kann. Fig. 154. * Millnla Iciirm mit T iiocli.'uiietzcii, naoh M. Schi Die Rhizopoden leben grösstentlieils im Meere und tragen durch die An- liäufiing ilirer Gehäuse zur Bildung des Meeressandes und zur Ablagerung selbst mächtiger Schichten bei, Avie auch eine Unzahl fossiler Formen aus verschie- denen Formationen bekannt sind. Die in den sehr alten Gesteinen der laureii- tischen Formation Canada's entdeckten und als Eozoon canadense beschrie- benen Gebilde, welche von mehreren Forschern für fossile Foraminiferen gehalten worden sind, dürften jedoch mit Organismen nichts zu thun haben, lind auf anorganische Differenziruno-eu zurückzuführen sein. Hing. Amoubina (Lobosa). 219 1. Orduung ^). Amoebiua (Lobosa). Ainoebenartige Rhäopoden des »ilssen Wassers^ meist mit pidsirender Vacnole, bald nackt, bald mit einfache)' Schale. • Der Sarcodeleib zeigt meist einen zäheren lioniogeueu Grenzsaura, der seiiarf von dem flüssigeren, körncbenreichen Plasma abhebt, in welchem der Kern liegt. Die Pseudopodien sind vorwiegend gelappte oder fingerförmige Fort- sätze (Fig. 15(5), seltener zähere feinere Ausstrahlungen (Fig. 155). Häufig ist eine chitinöse oder kieselige, fein sculpturirte Schale vorhanden. Sowohl Theilungs- als Verschmelzungs- und Conjugationsvorgänge sind au nackten und Gehäuse tragenden Formen beobachtet worden. Der Theilung, welche hei Amoeha poly- podia durch alle Phasen verfolgt werden konnte, geht die Einschnü- rung des Kernes voraus. Dersell)e wird hanteiförmig und schnürt sich in zwei Kerne ab, dann folgt die Theilung des Plasmaleibes in zwei je einen Kern einschliessendeTheil- stücke. Bei Gehäuse tragenden For- men tritt, nach vorausgegangener Neubildung von kleinen urgiasför- migen Schalenplättchen im Innern des Thieres, das Plasma in Form einer von jenen bedeckten Knospe aus der Mündung hervor {Ei«jlypha)., l^is die ausserhalb derselben befindliche Plasma- masse von einer Schale umgeben, Volum und Gestalt des Mutterthieres erlangt hat. Inzwischen ist auch die Kerntheiluug erfolgt und ein Tochterkern in das neugebildete Thier eingetreten, welches sich schliesslich vom Mutterthiere trennt. Auch Verschmelzungs- und Conjugationsvorgänge, welche auf eine Art geschlechtlicher Fortpflanzung hinweisen, sind bei Eughjpha und Arcella beob- achtet worden. Amoeha princeps Elirbg. A. poliipodia M. Seil. A. terricola Greeif. Petalopus difflvfjiens Clap. Lachm. Hier -würde sich auch der vielbesprochene Bathtßhis Huxl. aus dem Tiefsee- schlanime des atlantischen Oceans amchliessen, wenn derselbe wirklich ein lebender Organismus (und nicht Gypsnicderschlag) wäre. Aredia vulgaris Ehrbg. mit hexagonal sculi»turirter napfförmiger Schale. EiKilypha alveolata Duj. E. ghhosa Cart. mit zähen, spitzen, dichotomiscli verästelten Pseudo- podien. (Fig. 155.) DiffliKjia prottiformis Ehrbg. mit flaschenförmiger, aus Sandpartikelchen gebildeter Schale. (Fig. 156.) Euijliiphü DiJtlHgia <)hlonief und radiär am. Kieselskelef, ohne pulsirende Vacnole. Die Sarcodemasse (Mntterhoden) enthält eine häutige, von Poren durch- setzte Kapsel (Cenfralkapsel)^ in welcher ein zähes Protoplasma mit Bläschen und Körnchen (intracapsuläre /Sarcode), ferner Fetttropfon und Oelkugeln, Eiweisskörper, seltener Krystalle und Coucretionen, zuweilen auch noch eine zweite innerste, dünnwandige Blase {Binnenhiase) eingebettet liegen. Diese repräsentirt den Kern, welcher jedoch auch durch zahlreiche kleine homo- Pi"-. 160. "' \\\\\\\\\^- ^#ijf|iÄ:': ~ Thülas.sicoUa jjelarjica mit Ceiitralka])sel uud Binnenblase, sowie mit zahlreichen Alveolen im Slutterboden des Protoplasmaleibes, nach E. H.aeckel. gene Kerne vertreten sein kann. In der die Kapsel umgehenden Sarcode, welche nach allen Seiten in einfache oder verzweigte und anastomosirende Pseudo- podien mit Körnchenbewegung ausstrahlt, finden sich gewöhnlich zahlreiche gelbe Zellen (symbiotisch lebende Zooxauthellen), zuweilen auch Pigment- haufen und in einzelnen Fällen wasserhelle dünne Blasen, Alveolen, letztere meist als peripherische Zone zwischen den ausstrahlenden Pseudopodien ein- gelagert {Thalassicolla pelagica). (Fig. 160.) ') Joh. Müller, Ueber die Thalassicollen, Polycystinen uud Acantliometren. Abliandl. der Berl. Akad. 1858. E. Haeckel, Die E,adiolarion. Eine Monographie. Berlin, 1862. 0. Bütschli, Beitrag zur Kenntniss der Radiolarienskelete, insbesondere der Cyrtida. Zoitschr. für wiss. Zool, Tom. XXXVJ, 1881. E. Haeckel, Report on tlie Radiolaria collected by H. M. .S. Challenger. London, 1887. R. Ilertwig, Per Organismus der Radiolarien. Jena. 1879. K. Brandt, Die Kolonie bildenden Radiolarien des Golfes von Neapel. Berlin, 1885. 224 Sarcodi'leil) derselben. Inti-acapsuläre und extracapsuläre Sarcode, welche letztere blos eiiieu Theil der intracapsuläreu Sarcode vorstellt, stehen durcli Oeffnungen der Cen- tralkapselwaud mit einander in Verbindung. Die Centralkapsel ist entweder von sehr zahlreichen und feinen Poren im ganzen Umkreis durchsetzt {Pcri- pylarid\ oder es sind die Poren auf ein begrenztes Feld beschränkt [Mono- pylaria), oder endlich es bestehen nur wenige (meist drei) grössere Oeffnungen in der Centralkapselwand {Tripylaria). Pulsirende Vacuolen fehlen. Viele Kadiolarien sind colonienbildend und aus zahlreichen Einzelkörpern zusammengesetzt. Bei diesen herrschen die Alveolen in dem gemeinsamen Mutterboden vor, welcher nicht wie bei den monozoischen Kadiolarien eine einfache Centralkapsel, sondern zahlreiche Kapseln (Nester) in sich birgt. Nur wenige Arten bleiben nackt und ohne feste Einlagerungen, in der Kegel steht Vi7iaero cc?/inoJ(7e.5, nach E.Hae ekel. der Weichkörper mit einem ans soliden oder hohlen Kieselnadeln oder einem aus einer organischen Substanz, dem Acanthin {AcantJwmefridae), aufgebauten Skelet in Verbindung, welches entweder ganz ausserhalb der Centralkapsel liegt (EctoWnd), oder Avie bei den aus Acanthin bestehenden Stäben in das Innere der- selben hineinragt (J^nfo/zY/wa). (Fig. 161.) Im einfachsten Falle besteht das Skelet aus kleineu vereinzelten, einfachen oder gezackten Kieselnadeln {spicula), die zu- weilen um die Peripherie desMutterbodeus ein feines Schwammwerk zusammen- setzen, z. B. Physematium; auf einer höheren Stufe treten stärkere hohle Kieselstacheln auf, welche, radiär gestellt, in gesetzmässiger Zahl und An- ordnung nach der Peripherie ausstrahlen ; zu diesen kann sich ein feines peri- pherisches Nadelgerüst hinzugesellen ; in anderen Fällen finden sich einfache oder zusammengesetzte Gitternetze und durchbrochene Gehäuse von äusserst mannigfacher Gestalt (von Helmen, Vogelbauern, Schalen etc.), auf deren Peri- pherie sich Spitzen und Nadeln, oft wieder durch concentrische Schalen ähn- licher Form verbunden, erheben können, z. B. Polycystinm. (Fig. 162 und 163.) iflanziinf^. 225 Fig. 163. Ueber die FortpHanzmig ist bislang nur Weniges bekannt. Ausser der Theilung iPohjcyifarien) wurde die Bildung von Keimen beobachtet, welche aus dem Inhalt derCentralkapsel hervorgehen und nach Platzen derselben als Schwärmer frei werden. Diese mit Geissein ausgestatteten Schwärmzollen (Schwärmsporen) bilden sich unter Betheiligung von Theilproducten des Kernes, und entwickeln sich im Freien zu einem Radiolar. Bei den Pohjcyttarien sind auch noch Mikro- sporeii und Makrosporen nachgewiesen worden, welche wahrscheinlich eine Art Conjugation eingehen. Durch fortgesetzte unvoll- kommene Theilung des jungen Radiolars entsteht dann die Colonie. Die Radiolarien sind Meeresbewohner und flot- tiren au der Oberfläche, ver- mögen aber auch in tiefere Schichten zu sinken. Auch fossile Radiola- rienreste sind durch Ehren- berg in grosser Zahl be- kannt geworden, z. B. aus dem Kreidemergel und Po- lirschiefer von einzelnen Küstenpunkten des Mittel- meeres (Caltanisetta, in Si- cilien, Zante und Aegina in Griechenland) , besonders aus Gesteinen von Barbados und den Nikobaren, wo die Radiolarien weit ausge- dehnte Felsbildungen ver- anlassthaben. Ebenso haben sich Proben von Meeressand aus sehr bedeutenden Tiefen reich an Radiolaricu- gehäusen erwiesen. Die folgende systematische Eintheilung kann nur als eine provisorische betrachtet werden. I. Badiolaria monozoa. Eadiolarien, welche Einzeltliiere bleiben: 1. Farn. ThalassicoUae. Das Skelet fehlt oder besteht aus einzelnen zusammenhangs- losen Spicula. Thalassicolla (ohne Skelet) nudeata Huxl., Th. pelajica E. Haeck. (Fig. 160). Phiisematiun Mülleri Sehn., Aulacantha scolymantlia E. Haeck. 2. Farn. Pohjcystinae. Das Skelet besteht aus einer einfachen oder abgetheilten Gitterschale mit verschiedenartig gestalteten Polen der Längsachse. Heliospliaera. Eucyr- tidium galea E. Haeck., E. cranoides E. Haeck. (Fig. 163.) C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 15 ■joides, nach E. Haeckel 226 II- Classc. Infiisoria 3. Fiiin. Acanthovietrae. Das Skolct besteht aus radialen, gesetzmässig angeordneten Acantliinstaclieln, welche die Centralkapsel durchbohren und in deren Centrum sich ver- einigen. Acanlhometra pdhicida Job. Müll., A. Millleri E. Haeck. (Fig. IGl.) II. Pohjcytlaria. Zusammengesetzte Radiolarien mit mehreren Centralkapseln (Nestern). Bei den Sphaerozoen fehlt das Skelet oder besteht aus einzelnen zusammenhangslosen Stücken. Collozoum inervie E. Haeck., Sphaerozouvi punclatum Job. Müll. Bei den CoUo- sphären besteht das Skelet aus einfachen Gitterkugeln, von denen jede eine Central- kapsel umschliesst. Collosphaera Hiixleyi Job. Müll. IL Classe. Musoria'), Infusorien. Protozoen von hestimmter Form, mit Geissein hesetzt oder von Cilien he- kleidef, mit Mund'jffmuig, pulsirender Vacuole und einem oder mehreren Kernen. Die Infusorien wurden gegen Ende des 17. Jahrhunderts von A. von Leeiiwenhoek, welcher sich zur Untersuchung kleiner Organismen des Ver- grösserungsglases bediente, in einem Gefässe mit stehendem Wasser entdeckt. Der Name Infusionsthierchen kam jedoch erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts durch Ledermüller und Wrisberg in Gebrauch, ursprünglich zur Bezeich- nung aller kleinen, nur mit Hilfe des Mikroskops erkennbaren Thierchen,Av eiche in xVufgüssen (Lifusionen) auftreten. Später machte sich um die Kenntniss der Lifusorien der dänische Naturforscher 0. Fr. Müller verdient, welcher sowohl die Conjugation derselben, als ihre Fortpflanzung durch Theilung und Sprossung beobachtete und die erste systematische Bearbeitung gab. Freilich fasste auch 0. Fr. Müller ein viel grösseres Gebiet von Formen zusammen als wir heut- zutage, indem er alle rückenmarklosen, der gegliederten Bewegungsorgane ent- behrenden Wasserthierchen von mikroskopischer Grösse zu den Infusorien stellte. Mit Ehrenberg's umfassenden Untersuchungen beginnt für die Kennt- niss der Infusorien ein neuer Abschnitt. Das Hauptwerk dieses Forschers : „ö/c Infusionstlnerchen als vollkommene Organismen^'' deckte einen kaum geahnten Eeichthum von Organismen auf, welche unter sehr starker Ver- grösserung beobachtet und abgebildet waren. Noch jetzt ist eine nicht geringe Zahl der Ehrenberg'scheu Abbildungen mustergiltig und kaum von anderen späteren Darstellungen übertreffen, allein die Deutung der beobachteten Ver- hältnisse hat durch die neueren Untersuchungen wesentliche Berichtigungen erfahren. Auch Ehrenberg fasste das Gebiet in zu grosser Ausdehnung, indem er nicht nur die niedersten Pflanzen, me Diatomaceen, Desmidiaceen als Polyfjastrica anentera heranzog, sondern auch die viel complicirter organisirten ') Ehrenberg, Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen, 1838. Bal- biani, Etudes sur la reproduction des Protozoaires. Journ. de la Pliys., Tom. III. Der- selbe, llecherches sur les phenomönes sexuels des Infusoires. Ebendaselbst, Tom. IV. Claparöde und Lachmann, Etudes sur les Infusoires et les Ehizopodes. 2 vol. Genöve, 1858—1861. E. Haeckel, Zur Morphologie der Infusorien. Jen. Zeitschr., Tom. VII, 1873. 0! Bütschli, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Frankfurt, 1876. Fr. Stein, Der Organis- mus der Infusionsthiere. 3 Theile. Leipzig,^ 1859—1883. W. Schewiakoff, Beiträge zur Kenntniss der holotrichen Ciliaten. Bibliotheca zoologica. Heft 5, 1889. I. ITiiterd.asae. Flagellat.i. 227 Eotiferen aiifiialim. Indem er die Organisation dieser letzteren zur Basis seiner Deutungen wählte, wurde er bei dem Principe, überall eine gleich vollendete Organisation nachzuweisen, durch unglückliche Analogien zu zahlreichen Irr- thümern verleitet. Ehrenberg schrieb den Infusorien Mund und After, Magen und Darm, Hoden und Ovarien, Nieren, Sinnesorgane und ein Gefässsystem zu, ohne für die Natur dieser Organe zuverlässige Beweise geben zu können. Gar bald machte sich denn aucli ein Rückschlag in der Auffassung des Infusorien- baues geltend, indem sowohl der Entdecker des Bhizopodenleibes, Dujardin, als v. Siebold und Kölliker, letztere mit Rücksicht auf den sogenannten Nudeus und Nitdeolus, den Körper der Infusorien auf die einfache Zelle zurück- führten. Durch die nun folgenden Arbeiten von Stein, Claparede, Lach- mann und Balbiani sind allerdings zahlreiche Diflferenzirungen nachgewiesen worden, welche sich jedoch sämmtlich auf Sonderungen innerhalb des Zelleu- leibes zurückführen lassen. Dazu kommt die durch 0. Bütschli erwiesene Uebereinstimmung in den Theilungsvorgängen mit jenen der Zelle. Die äussere Körperumgrenzung stellt meist eine glashelle zarte Membran dar, deren Oberfläche mit schwingenden und beweglichen Anhängen mancherlei Art in regelmässiger Anordnung bekleidet wird. Bei den einfacheren Infusorien, den F/agellaten, finden sich nur eine oder zwei schwingende Geissein vor, bei den höher diflferenzirten Ctliaten meist ein reicher Cilienbesatz. Je nach der verschiedenen Stärke der äusseren Hülle, die übrigens zuweilen überhaupt nicht als gesonderte Membran nachweisbar ist, sowie nach dem verschiedenen Ver- halten des peripherischen Parenchyms erhalten wir metahoUsdie^formheständige und gepanzerte Formen. Seltener scheidet die äussere Körperoberfläche eine zarte, als Gehäuse abgehobene Cuticularbildung aus. Wenn man die einfacher organisirten, Geissein tragenden Flagellaten, welche zahlreiche Beziehungen und Uebergangsformen zu Algen und Pilzen bieten, nicht aus dem Bereiche der Infusorien entfernen will, so wird mau die letzteren in die beiden Hauptgruppen der CiUaten und Flagellaten eintheilen können. I. ünterclasse. Flagellata'), Geisseiträger. Infusorien von geringer Grösse mit einer oder mehreren meist mnndstän- digen Geissein, mit oinfadiem Nudeus. Die Flagellaten sind Infusorien, deren Bewegungsorgane von einer oder mehreren peitschenförmigen Wimpern gebildet werden. Dieselben haben grossentheils einen Ruhezustand und schliessen sich sowohl ihrer Entwicklung nach, als in ihrer Ernährungsweise gewissen Pilzen und Algen an. Was Anlass gibt, die Flagellaten für Protozoen zu erklären, ist die voll- kommene Contractilität des Körpers, in der sie freilich die Schwärmzustände *) Ausser Ehreuberg, Chi pure de und Lacliiuaiiu, 1. c, vergl. Stein, Or- ganismus der Infusionsthiere, Tom. III, 1878—1883. 0. Bütschli, 1. c, ferner Beiträge zur Kenntniss der Flagellaten. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXX. D allin g er and Drysdale, Kesearches on the life history of tlie Monads. Monthly microsc. Journ., Tom. X— XIII. S. Kent, A. Manual of Infusoria. London, 1880—1882. 15* 228 Euflagcllata. Monaden. Monadinen. der M3^xorayceten nicht übertreffen, sodann die Contractilität der Geissein, die scheinbar zweckmässige und willkürliche Bewegung, das Vorkommen coniracüler Vacuolen und, wie für zahlreiche Fälle constatirt ist, die Aufnahme körper- licher Elemente durch eine am Grunde der Geissei gelegene Oeffnung in das Innere des Körpers. Indessen dürfte auch diese Erscheinung keineswegs ein Kriterium thierischer Natur sein. Alan kann die Flagellaten in Enflagellaten, Choanoflagellaten, Dinoflagel- laten und Cystoßagellaten eintheilen. I. Ordnung, Enßagellata. Unter denselben unterscheidet man : 1. Die Monadinen, vorwiegend mehr oder minder amoeboide Fäulniss- iufiisorien, welche von den häufig als Pilze betrachteten Monaden schwer ab- zugrenzen sind. Sie pflanzen sich durch Fig. 164. Fig. 165. ^ ,i -i .7 . i -, i t- • Quertheilung fort, sodann durch Kemi- bilduug im Zustand der Encystirung, welcher bei manchen Formen eine Con- jugation vorauszugehen scheint. Viele haben einen pseudopodienbildenden Zustand (Ciliophrys infusionum Cnk., Masfigamoeha aspera Seh.). Die be- kanntesten Gattungen sind Cerco- a Cercomonas intestiualU, 6 Tri- frachorum, uach mOUCtS Duj. Und TrichomOnaS DonUC, chomonas vaginaus , nach R. s t e in. c7« imdu- you deueu die crstcrc durch den Besltz Leuckart. lirender Saum. emes Schwanzfadens charakterisirt wird, während Trichomonas neben der oft zweifachen Geissei einen undu- lirenden Flimmersaum trägt. (Fig. 164 und 165.) Sie leben vorwiegend im Darm von Wirbelthieren, aber auch von Wirbellosen. Im Menschen sind gefunden: Cercomonas intestinalis Lambl und Trichomonas vagincdis Donne. Die von den Äfonadinen nicht scharf zu scheidenden il/o??afZe?i ') sens. str. sind einfache chlorophyllfreie Zellen, deren Schwärmsporen meistens in Amoebenzustand übergehen und dann, nach aufgenommener Nahrung, in einen durch den Besitz einer derben Zellmembran charakterisirten Ruhezustand ein- treten. Eine Anzahl derselben (Monas, Pseudospora, Colpodella), die sogenannten Zoosporeen, sind bewimperte Schwärmer ganz vom Aussehen der Myxomyceten- schwärmer, welche mit Ausnahme von Colpodella zu kriechenden, spitze Pseudo- podien treibenden Amoeben auswachsen. Man könnte dieselben auch schlechthin als kleine Plasmodien betrachten, zumal da hei Ilonas amyli mehrere Schwärmer zur Bildung der Amoeben zusammenfliessen. Dann nehmen sie — bei Colpodella ohne zuvor in Amoebenzustand einzutreten — Kugelform an, während ihre Oberfläche eine Membran bildet, und zerfallen innerhalb der Cyste durch Theilung des Protoplasmas in eine Anzahl von Segmenten, welche ausschlüpfen und als ') L. Cienkowski, Beiträge zur Kenntniss der Moimden. Archiv für mikrosk. Anatomie, Tom. I, 1865. Derselbe, Ueber Palmellaceen uml einige Flagellaten. Eben- daselbst, Tom. VI, 1870. TetraplastiMi. Volvoc 229 IGÜ. Fig. 167«. OiJ:omonas Tcrmo, nach Biitschli. 11 Nuelfiis, Co eontractile Vacuole, Nv Nahrung aufneh- mc'ude Vacuole (Mund- pacuole). Goninm pectnrale, nach .Stein, a Co- lonio von oben, h von der Seite gesehen. Schwärmer den Entwicklungsgang wiederliolen. Colixulclhi pugnax auf Chlamy- domonas, Pseudoxpora vo/voris. Andere Monaden, die -sogenannten TctraphisfeM iVampyrplla, Nndean'a), entbehren des Schwärmzustandes, dagegen erzeugt da,s Protoplasma des encystirten Ruhestadiunis durch p,,^ Zwei- oder Viertheilung eben- soviel actinophrysartige Amoe- ben, welche theils wie Colpodella aus Algenzellen (Spirogyreu, Oedogonien, Diatomaceen etc.) ilire Nahrung aussaugen, theils fremde Körper umtiiessen. In Nahrungsweise und Bewegimgs- art schliessen sich die Monaden den Rhizopoden, aber auch nie- deren Pilzformen wie Chytridium an, in dem gesammten Entwicklungscyklus stim- men sie am meisten mit einzelligen Algen und Pilzen überein, obwohl die Analogie zum Ent- wicklungsvorgange mancher Infusorien, Ämphi- lepfus, nicht von der Hand zu weisen ist. Eine etwas abweichende Entwicklung und Cystenbildung zeigt die Cienkowski'sche SpumeJla vulgaris^ welche feste Nahrung auf- „. ^^^ ^ ^ Flg. 168. nimmt (mit Hilfe der Nahrungsva- cuole) und an einem Faden fest- sitzt, ebenso die Chromuh'na nebu- \ losa Cnkwsk. und ^ ochracea Ehrbg. Oihomonas Termo ^'«s'«' Ehrbg. (Fig. 166.) 2. Eine den Algen (Protococcaceen) nahe verwandte Gruppe ist die der Volvocinen. Dieselben repräsentiren Colonien durch geraeinsame Gallerte ver- einigter Zellen, deren Cellulosekapsel im Ruhezustand, Ausscheidung von Sauerstoff, Reichthum an Chlorophyll, sowie an pflanzlichen roth oder braun gefärbten Oelen sie den Algen nahe verwandt erscheinen lässt. Während des freien Umherschwärmens besitzen sie die Fähigkeit der Fortpflanzung, indem einzelne Zellen Tochtercolonieu innerhalb der Muttercolonie werden. Auch eine geschlechtliche Fortpflanzung (Conjugation) wurde nachgewiesen; einige der Zellen vergrössern sich und zerfallen in zahlreiche, den Samenkörpern entsprechende Mikrogonidien, andere wachsen zu grossen Eizellen aus, welche h frei schwärmend i: eucystirt und in Thei ver.'ichiede ng begriffe um Contractioi: , nach S t ein. 230 Choauoflagellata. von den ersteren befruchtet Averdeu, sich dann mit einer Kapsel umgeben und als grosse sternförmige Zellen zu Boden sinken. Bei Volvox erscheinen nur bestimmte Zellen zur Fortpflanzung tauglich, und es ist bereits der Gegensatz von somatischen und Fortpflanzuugszellen ausgesprochen. Von den bekanntesten Volvocinen sind hervor- zuheben: Volvox gloha- i^S^<'^ /or (Kugelcolonien sehr -^.^^A zahlreicher Individuen, die durch feine Plasma- fäden verbunden sind), Gonium pedorale (tafel- förmige Colonien aus 6 Individuen gebildet) (Fig. 167), Stephanos- phaera plumalis. 3. Die Asfasiaeen ') sind contractile einzel- lige Flagellaten, welche sich in ihren Lebens- erscheinungen den Vol- vocinen anschliessen, je- doch feste Nahrungs- körper aufnehmen. Auch ihrend des Ruhezu- standes pflanzen sie sich durch Theilung innerhalb der Cellulosekapsel fort, während zugleich ein Farben Wechsel eintritt. Die bekannteste Gattung ist Euglena, nach Stein mit Mundöfi'nung und Schlundröhre. Sie scheiden im Kuhezustand eine Kapsel aus und zerfallen in Theilstücke, die aus- schwärmen. (Fig. 168.) Euglena viridi^^ E. sanguinoUnta. Eine andere Gattung, ebenfalls mit einer Mundöffnung, ist Aslasia Ehrbg. A. irkliophora Ehrbg. mit abgerundetem Hinterende und sehr langer Geissei am scliief abgestutzten Vorderende. IL Ordnung. Choanoßagellata {Cylicomaüiges)^ Kelchgeissler. Mitproto- plasmatischem, contractionsfähigem, die Basis der Geissei umgebendem Kragen, welcher dem Kragen an den Entodermzellen der Spongien entspricht (daher Clark die Spongien als nächste Verwandte der Flagellaten betrachtete"). Codosiga CutlosUja Botrytis, nacli li iit- schli. a Colonie. l tin Indivi- duum, K Kragen, n Nuclcus, Co coutraetile Vacuolen, iV^ü Naiirung Scliale von Ceratiiim Trij aufnehmende Vacuole. Stein. Z/Lilngsfurche, '//Q' ') G. Klcbs,. Ueber die Or Aspuiuca poinstyia in Theiiung, nigfach. Stets ist derselbe viel kleiner als der Nucleus und stark lichtbrechend, in der Regel dem Nucleus dicht angelagert oder gar in eine Cavität desselben eingesenkt. Kern und Ersatzkern spielen bei der Fortpflanzung der Infusorien, insbesondere der Con- ^ig. 179. jugaiion eine wichtige Rolle. Die Fortpflanzung der Infusorien erfolgt vor- wiegend durch Theilung ; bleiben die neu erzeugten Formen untereinander und mit dem Mutterthiere in Verbindung, so entstehen Colonien von Infusorien, z. B. die Stöckchen von Episiylis und Carchesium: Am häufigsten ist die Theilung eine Quertheilung (rechtwinkelig zur Längenachse), wie bei den Oxy- trichmen, Stentoren etc., und vollzieht sich unter ganz bestimmten Veränderungen und Neubildungen nach vorausgegangener Verschmelzung und Theilung der Nuclei einerseits und der Nucleoli anderseits. (Fig. 178.) Bei fSf/// Onychia werden beispielsweise in der hinteren Hälfte des Körpers die Wimperzone neugebildet, und Stirn- und Aftergriftel, Haken und Borsten ergänzt, bevor die Theilung eintritt. (Fig. 179.) Minder häufig (VorticeUinen) geschieht die Theilung in der Länge (Fig. 180 n, Z»), weit seltener in diagonaler Richtung. Oft geht der un- geschlechtlichen Fortpflanzung eine Einkapselung styionycua mytuus, in Theiiung he- ° X o i. o griffen, von Stein. C contractile voraus, welche für die Erhaltung der Infusorien bei vacuoicn, n Nucieus, « Ei-s.atz- Verdunstung des umgebenden Wassers, beziehungs- ''""° (Nudeoii), weise bei Nahrungsmangel von grosser Bedeutung erscheint. Das Thier zieht die Cilien ein, contrahirt seinen Körper zu einer kugeligen Masse und scheidet eine helle erhärtende Cyste aus, in welcher dasselbe geschützt in feuchter Luft überdauert. Im Wasser zerfällt dann der Inhalt in eine Anzalil von Theilstiicken, II- 236 Ciliata. Kiiospung. Copulation. Coiijiigatioii. welche beim Platzen der Cyste iu's Freie gelangen und zu ebensoviel Spröss- lingen werden. Auch durch künstliche Theilung gelingt es, ein Thier in zwei oder mehrere, sich bald zu normalen Infusorien regenerirende Individuen zu zerlegen {Oxytri'cha, Stentor), doch ist für die vollkommene Regeneration das Vorhandensein eines Kernes oder Kernstückes nothwendig. Die Knospung ist ein besonders an festsitzenden Infusorien zu be- obachtender Vorgang der Fortpflanzung. Es erhebt sich dann die Knospe als Höcker, in welchen Theilstücke des Grosskernes und Ersatzkernes eintreten. Bei Podophrya werden gleichzeitig zahlreiche solcher Knospen gebildet, welche sich Fi"-. 180. \Wi als Schwärmsprösslinge von der Wan- dung des Mutterkörpers ablösen. (Fig. 181.) Die Schwärmer der Sfhaerophryen dringen in das Innere anderer Infusorien, wie Paramaecien undStylonychienetc, ein, nähren sich auf Kosten des vergrösserten Nucleus und bilden durch Theilung Spröss- linge, welche ausschwärmen und län- gere Zeit von Stein für schwär- mende Embryonen der Stylonychien gehalten wurden. (Fig. 182 i und c.) Sehr verbreitet sind die schon von Leeuwe nhoek und 0. Fr. Müller beobachteten Conjugations- vorgänge, mit welchen Veränderun- gen des Nucleus und Nucleolus ver- dreh Neubildung. — 5 Die Theilung ist vollendet; der bundcu slud, dlc ZU der irrthümlicheu neue Sprössling lö.st sich ab, nachdem er einen liinteren Wimperkrauz gebildet hat, w Strudelorgan. — c Die Vorticella im Zustande knospenformiger Conjugation. K Die augehefteten knospcnähnliehen Individuen. ToiticMa mierostoma, nach Stein, a in Theilung. A^ Nu cleus. Der Mundapparat entsteht in jedem Theilstück Deutung beider Gebilde als Ovarium und Hoden Veranlassung gaben. In Wahrheit handelt es sich jedoch um einen der geschlechtlichen Fortpflanzung (Befruchtung des Eies) entsprechen- den Vorgang, bei welchem der Austausch von Kernsubstanz und die Regene- ration des Nucleus durch Theile des als Ersatzkern fungirenden Nebenkernes resultirt. Es sind jedoch zwei Formen von Vereinigung zu sondern, von denen man die eine, welche auf vollständiger Fusion zweier Individuen und dauernder Verschmelzung der Kerne derselben beruht, als Copulation^ die zweite, bei welcher sich die Individuen meist nur vorübergehend vereinigen und stets eine Regeneration ihrer Kerne erfahren, als Conjngaiion. bezeichnen kann. Die erstere wurde vornehmlich bei Vorticellinen, jedoch auch bei Hypotrichen (Stylo- nychia) neben der Conjugation beobachtet, und dürfte von ähnlichen bei niederen Pflanzen verbreiteten Vorgängen nicht verschieden sein. Die Conjugation zweier Infusorien erfolgt in überaus verschiedener Weise und führt zu einer mehr oder minder vollständigen Verschmelzung, auf welche später nach der Laterale und tprniiiinlo ('(injngation. 237 Kegenenitioii der Kerne ein meist wiederholter Tlieilungsact folgt. Die Para- mnecien, ^Stenforoi, Spiroxfomeen legen bei der Conjugation ihre liaiichflächen , Fior. 181. 'M-M '■jfc Poflophnia rjemmipara, nach R. Hertwlg. a Mit ausgestreckten Raugröhrchen und Fangfäden, mit zwei contractilen Vacuolen. — h Dieselbe mit reifen Knospen, in vvelclie Fortsätze des verästelten Kernes A^ eintreten. — c Abgelöster Scliwärraer. aneinander, andere Infusorien mit flachem Körper, wie die Oxytrichmen, Chüo- ilonten, gehen eine laterale Conjugation ein (Fig. 182 a), während Enchelys, Fig. 182. '>^.V((H a Stylonyehia mylilus im Zustande der Conjugation. Der Nucleus (N) in Theilung begriffen (Ralbiani's ver- meintliche Eier) ; die Nucleoli in vier Kugeln zerfallen (vermeintliche Samenkapseln). — 7< Eine von para- sitischen Sphaerophryen erfüllte Sti/lotvichia, nach Balbiani. — c StylonijcMa mytilus mit ausschwär- menden Sphaerophryen (S). 5" Unentwickelte Keime der letzteren, N 'Sacleiis von Stylonychirt, ö sogenannte Geburtsöffnuug. Halteria, Coleps an ihrem vorderen Körperende, also terminal, unter dem An- schein einer Quertheilung zAisammentreten. Auch bei den Vorticellmen, Triclio- dinen etc. findet eine laterale Conjugation nicht selten zwischen ungleich grossen Individuen statt, die den Schein einer Knospenbildung bieten kann (knospen- förmige Conjugation) (Fig. 180 c). J38 Ciliata. Coiijugatin Die Veränderungeu, welche der Nndeiis uud Nndeolus währeud und in Folge der Conjiigation erfahren, sind besonders eingehend bei Styloiiycliia und Paramaecmm verfolgt worden. (Fig. 182 a und 183.) Da, wo mehrere Nuclei vorhanden sind, verschmelzen dieselben zu einem einzigen rundlich-ovalen Körper (Balbiani), dessen Substanz vor seiner weiteren Theilung eine fein- faserige Structur annimmt (B üt s chl i), ähnlich wie die Substanz echter Zell- kerne bei der Theilung eine streifig faserige Beschaffenheit gewinnt. Auch der Ersatzkern vergrössert sich unter Ausbildung einer zarten Streifung, wird zu einer Kernspindel und zerfällt durch einmalige, beziehungsweise wiederholte Theilung in eine Anzahl Kernspindeln, von denen einige, sowie die Theilstücke des Nucleus zu Grunde gehen, beziehungsweise ausgestossen werden, andere zur Bildung des neuen Kernes verwendet werden. Bei Paramaecmm Atirelia legen sich nach den Beobachtungen Grub er's ') zwei spindelförmige Theil- stücke der Nucleoli an der Berührungsstelle der con- jugirten Individuen wohl zum Austausch der Kern- substanz aneinander (Fig. 184.4), während nach der Meinung früherer Beob- achter Auswanderung und Vertauschung der Neben- kerne erfolgen sollte. Spä- ter trennen sich die bei- den Nebenkerne wieder und erscheinen wie ge- schrumpft, ohne Streifung als kleine homogene Körper, werden aber später wieder zu Kernspindeln, die sich theilen. (Fig. 184. 6, 7.) Die Regenerations- vorgänge des Nucleus vollziehen sich grossentheils erst nach Aufhebung der Con- jugation. Bei Paramaecmm Ajireliala esitzen die nach Aufhebung der Conjugation getrennten Individuen ausser dem früheren Kerne (Grosskern) vier Nebenkerne, die nochmals eine Theilung erfahren. Der alte Grosskern wächst dann zu einem verschlungenen Band aus, das in Stücke zerfällt, während vier der helleren, aus dem Ersatzkerne hervorgegangenen Kernkugeln zum späteren Ersatzkerne (Fig. 184. 8.) verschmelzen (nachBütschli sollte nur eine derselben als Neben- kern übrig bleiben), uud die vier anderen grösser werden und zum neuen Gross- kern sich vereinigen. (Fig. 184. 9.) Conjugationszustände von Stylonyehia mytUiis, schwächer vergrössert (Essigsäurehehandluug), nach Bütschli. a Conjugatiouszustand mit je zwei Nucleoluskapseln. Nl> Vier Nucleusbruchstücke in jedem In- dividuum — h Conjugationszustand mit je vier Nucleoluskapseln, von denen N' der spätere Nucleus, n' die beiden Nucleoli werden. Nb die vier Bruchstücke des alten Nucleus. — c Stijloni/cliia am sechsten Tage nach aufgehobener Conjugation mit Nucleus und zwei Nucleoli. ') A. Grub er, Der Conjugationsprocess bei Paramaccium. Berichte der iiaturf. Gesellschaft in Freiburg, Tom. II, 1886. L. H. Plate, lieber einige an den Kiemen- blättern von Gammarus pulex lebende Ectoparasiten. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. 43. Derselbe, Protozoenstudien, Habilitationsschrift. Jena, 1888. AVeohsil von Coiijngnlion und 'r!ioi1unf;i 239 Auf die Conju<4'atioii und deren Aufhebung folgt eine Periode fortgesetzter Theilungen,und es besteht, wie die sorgfältigen und umfassenden Untersucliungeu von Manpas gezeigt haben, eine Gesetzmässigkeit in dem Wechsel von Conju- gation und Theilungen, die sich nicht beliebige Zeit hindurch fortsetzen, sondern ohne dazwischen eintretende Conjugation zur Degeneration des Organismus führen. Die Infusorien werden nach einer gewissen Zahl von Theilungen immer kleiner, verändern Körper und Kernform, verlieren einen Theil der Bewim- Fig. 181. 5 6 7 8 9 Con.jugationsprocess -von Paramaeciuvi Aurdia, nach A. Grub er. 1 Erstes Stadium desselben. 2 Späterer Zustand. Die Ersatzkerne ge.stalten sich zu Kernspiudeln. 3 Die Spindeln haben sich in je zwei Kerne getheilt 4 Zwei derselben treten in Berührung und Austausch der Kernsubstanz. 5 Stadium nach auf- gehobener Conjugation mit vier Kornku^eln des Ersatzkernes. G Dieselben zu Spindeln gestaltet. 7 Mit aelit durfh Theilung derselben entstandenen Kernkugehi. Der alte Nucleus ist im Zerfall begritfen. 8 Vier der Kugeln sind zur Bildung des neuen Ersatzkernes zusammengetreten. .9 Die vier anderen Kugeln vergrössert, den neuen Nucleus bildend. N Kern und dessen Zerfallproducte, n Ersatzkern und deffseu Thellungsstiicke, n (<■) Ersatzkerne in Conjugation, N' n' der neugebildetc Kern und Ersatzkern. perung und die Fähigkeit der Nahrungsaufnahme. Schliesslich tritt, wenn nicht noch zur rechten Zeit Conjugation Kettung bringt, der natürliche Tod in Folge seniler Degeneration ein. Somit besteht auch bei den Einzelligen ein ähnliches Verhältniss wie bei denMetazoen zwischen sich conjugirenden Zellen (geschlecht- liche Fortpflanzung) und den Zellgeuerationen, welche sich durch fortgesetzte Theilung vermehren, und der Unterschied ist lediglich der, dass im ersteren Fall jede Zelle den Leib und Zelle und die Keimzelle zugleich repräsentirt, während bei den Metazoen Körperzellen und Keimzellen getrennt sind, und jene in der gesammten Generationsfolge zu einem einheitlichen, die Keimzellen ein- schliessenden Organismus verbunden sind. Lediglich dieser Gegensatz hat zu dem ergötzlichen Spiele mit der „Unsterblichkeit der Einzelligen" Anlass gegeben. 240 1. Orrliiiing. Holotricha. 2. Oi-rtining. Heterotrioha. Die Lebensweise der Infusorien, welche vornehmlich das süsse "Wasser bevölkern, ist überaus mannigfaltig. Die meisten ernähren sich selbstständig, Fig. 185. Fl I ^ -T tö ?//// indem sie kleinere und grössere Nahruugskörper, selbst Rotiferen, aufnehmen. Einige, wie Amphüeptus, wählen sich festsitzende Infusorien, wie Epistt/h'suuä Carchesmm, zur Beute und würgen dieselben bis zur Ursprungsstelle des Stiels in's Innere ein. Dann scheiden sie, wie an dem Stiel aufgestülpt, eine Kapsel aus und zerfallen unter Theilung des Inhalts in zwei oder mehrere ausschwärmende Individuen. Einige, wie die mundlosen Opalinen und viele Bur- sariden, schmarotzen im Darm und in der Harnblase von Vertebraten. Zu diesen gehört auch das Balan- tidium coli aus dem Dickdarm des Menschen. (Fig. 186.) 1. Ordnung: Holotricha. Körper gleichmässig mit Wimpern bekleidet, welche in Längsreihen an- geordnet und kürzer als der Körper sind. Zuweilen paramaecium Bursaria, eine Ht^nAe finden slch in der Umgcbung dcs Mundcs längere uach aufgehobener Conjugation, i i i i • i i -ixT- nach Büts c h li. JYNucIeus, n Nu- Wimpern, welche aber kerne adorale Wimperzone cleolus, . PV pulsirende Vaeuole. j^üden Zwei der Nucleoluskapseln sind zu i i p, t -j- t r\ lichten Kugeln geworden. TTricho- A^«^'^.'" ^^"^ "^^"d- Und afterlosen parasitischen Opa- linen {Opalina ranarum aus dem Mastdarm von Bana temjyoraria) (Fig. 164) gehören hieher: Farn. Tracheliidae. Körper metabolisch, in einen vorderen halsartigen Fortsatz verhängert. Mund bauchständig, ohne längere Wimpern. Trachelius Ovum Ehrbg., ÄmpJiileptus fascicola Ehrbg. Fam. Colpodidae. Körper formbeständig, Mund bauchständig in einer Vertiefung, stets mit längeren Wimpern oder undulirenden Klappen ausgestattet. Faramaecium Aurelia Fr. Müll. (Fig. 187), P. Bursaria Focke, Coljioda cucullus Ehrbg Nassula elcgans S!hrbg., Glaucoma ."!«n<«7Za?is Ehrbg. Verwandt ist Coleps Ehrbg. 2. Ordnung: Heterofricha. Körper gleich- mässig mit feinen Wimpern bekleidet, die in Längsreihen geordnet sind, mit deutlicher adoraler Wimperzone. Farn. Biirsariidae. Die adoralo Wimperzone am Kande meist der linken Körperhälfte. Bursaria truncatella 0. Fr. Müll., Balanliditivi coli Malrast., tiie Vacuoien mit ge- p^rasit im Colou des Menschen (Fig. 173). Spiro- fä.'j.^artigen Lacunen. stovium ambiguum Ehrbg. Fam. Sienioridae. Am vorderen Ende des metabolischen Körpers ein Peristomfeld mit trichterförmiger Vertiefung, ohne eigentlichen Schlund. (Fig. 163.) Stentor pohj- morpJius 0. F. Müll., St. coeruleus Ehrbg. St. Boeselii Ehrbg. cj'sten. Fig. 186. Fig. 187. % Balanlidium coli mit zwei pulsirenden Va- cuolen, nach Stein. Unterhalb des Nu- cleus liegt ein ge- frcssenesStärkekorn. Kin Kolliballen tritt M Mund, Cv contrac am Hinterendc aus dem After aus. Paramaccium Anrelit nach Ehrenberg 3. Onliiuns. llypoüiclui. -1. Onhiuiig. r.ritncliM. 5. Onlmiiig. Siictoria. 241 :>. Ordiiuiii;-. lli/potiic/in. Körper mit verschieden gestalteter Kiickeii- uiid Baiichtläche. Die convexe Kücken fläche meist nackt, die Bauchfläche be- wimpert, mit Griffeln und Stielen besetzt. Mund auf der Bauchseite. Fiini. Oxijirkkidae. Körper oval gestreckt. An der linken Bauclihälfte ein IVtLsIoiii- ausschnitt mit adoraler Winiperzone. Bauchfläche jcderseits mit Kandwim]»erreihe, ausser- dem mit griifeliormigen Borsten und Haken. Stylonijchia piistulata Ehrbg. mit 8 Stini- griffeln, 5 Baueh- und 5 Afterwimpern, ^t. vi ijHlus (¥[<<;. 173), Oxytricha gifjba 0. Vi: MüW. Fam. Aspidiscidac. Körper gepanzert, schildförmig. Mit weit nach hinten rei<-hendem adoralen Wimperbogen, 7 griffeiförmigen Bauchwimpern und .5 oder 10-12 griff'elförmigen Afterwimpern. (Fig. 178.) Aspidisca lyncens Ehrbg. A. lyncaster St. Fam. Chilondontidae. Körper meist gepanzert, mit flschreusenförmigem Schlund. CJii/ndon ciicul/us Ehrbg. (Fig. 177.) 4. Ordnung: Feräricha. Mit drehruudem oder glockenförmigem, partiell bewimpertem Leibe. Die Wimpern bekleiden eine adorale Wimperscheibe und häufig einen ringförmigen Gürtel. Fam. Vorticellidac. Mit adoraler Wimperspiralc, ohne Gehäuse, mittelst Stieles fest- sitzend, meist coloniebildend. Vorticella microstoma Ehrbg. (Fig. 1 80), Epistylis pUcatilis Ehrbg., Zoothamnium arhnscula Ehrbg., Carchesmm polypinum Ehrbg. Fam. Trkhodinidae. Mit adoraler Wimperspirale und Wimi)erkranz nebst Haft- apparat am hinteren Körperende. Trichodina pediculus Ehrbg. Fam. TIaIfcriidae. Neben der adoralen Wimperspirale ist eine ä(iuatoriale Zone längerer Wimpern vorhanden. HaUeria volvox Clap. Lachm. 5. Ordnung: Suctoria. Körper meist ohne Wimpern, mit geknöpften tentakelartigen Fortsätzen, welche als Saugröhren wirken, zuweilen noch mit Greiffäden. Fam. Acinetiiia. Mit Acincia mystadna Elirb., Fodojjhrya cydopum Cla]!. Lachm., Podophrya gemmipara R. Hertw. (Fig. 181.), Sphaeroi^hrya Clap. Lachm. (Fig. 182.) Als Anhang der Protozoen betrachten wir noch die den Pilzen näher stehenden Schizomyceten und Sporozoen (Gregarinen). 1. Die /ScÄizom^/ce^en*) (Bakterien) sind kleine kugelige oder stäbchenförmige Körper, welche sich in verwesenden Substanzen, insbesondere häufig an der Oberfläche faulender Flüssigkeiten finden und hier die Entstehung schleimiger Häute veranlassen. (Fig. 188.) Dieselben stehen den Hefepilzen am nächsten, mit denen sie auch in den Bedingungen ihres Ernährungsprocesses — Ammoniak und kohlenstoffhaltige organische Verbindungen zu verbrauchen — übereinstimmen. Aehnlich wie diese erregen und unterhalten sie durch Entziehung von Sauerstoff oder Anziehung desselben aus der Luft (Reductions- oder Oxy- dationsfermente) den Gährungs-, beziehungsweise Verwesungsprocess organischer Sub- stanzen, unterscheiden sich jedoch von denselben durch die Entwicklung, indem sie sich durch Theilung in zwei Hälften vermehren, während die Hefepilze (Saccharomyces, Hor- miscium) Ausstülpungen bilden und als Sporen zur Abschnürung bringen. Die Quertheilung erfolgt, nachdem sich die Zellen in die Länge gestreckt, durch Einschnürung des Proto- plasma und durch Ausscheidung einer queren Scheidewand. Bald trennen sich die Tochter- zellen sofort, bald bleiben sie vereinigt und erzeugen durch neue Theilung Fäden (Faden- bakterien). Bald werden die Zellengenerationen durch eine gallertige Zwischensubstanz ') F. C 0 h n, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, Tom. I, Heft 2 und 3, 1872 und 1875 ; Tom. n, 1876. Untersuchungen über Bakterien, 1, 2 und 3 (Eidam, Bacterhim termo). Nage 11, Die niederen Pilze. München, 1877. Koch, Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878. W. Zopf, Die Spaltpilze. Breslau, 1883. C. Claus: Lehrbuch der Zoologie 5. Aufl. IG 242 Kugel-, Stäbchen- uiirl l'adeiibaktcrieu. Orcgarineii. Fis. 188. "tt 6? _'.° •''•!*="'_'.■■•.".■•.''• '»s*! verbundou und bilden so unregelmässig geformte GaUertmassen {Zooyloea), bald bleiben sie frei in Schwärmen zerstreut. Auch in Form eines pulverigen Niederschlages können sie sich am Boden absetzen, sobald die Nährstoffe in der Flüssigkeit erschöpft sind. Die meisten besitzen einen beweglichen und einen unbeweglichen Zustand; im ersteren rotiren sie um die Längsachse, können sich aber auch beugen und strecken, niemals aber schlängeln. Die Beweglichkeit scheint an die Gegenwart von Sauerstoff gebunden zu sein. Die Abgrenzung der Bakterien in Gattungen und Arten ist um so weniger durch- führbar, als eine geschlechtliche Fortpflanzung vermisst wird; man wird sich begnügen müssen, in mehr künstlicher Weise Formspecies und physiologische Arten und Abarten aufzustellen, ohne ihre Selbstständigkeit stets beweisen zu können. F. Cohn unterscheidet vier Gruppen als Kugelbakterien mit Micrococcus {Monas, Mycoderma), Stäbchenbakterien mit Bactcrium, Fadenbakterien mit Badllus und Vibrio, Schraubenbakterien mit Spirilhim und S])irochacte. Die Kugelbakterien sind die kleinsten Formen und zeigen nur Molckularbewegung; sie erregen verschiedene Zersetzungen, aber nicht Fäul- niss. Man kann sie nach der verschiedenen Forment- wicklung in chromogene (der Pigmente), zymogenc (der Fermente) und pathogene Arten (der Contagien) sondern. Die ersteren treten in gefärbten Gallert- massen auf und vegetiren in Zoogloeaform, z. B. M. pro- digiosus Ehrbg. auf Kartoffeln etc. (Aberglaube vom blutenden Brod). Zu den zymogenen gehört M. ureae, Harnferment, zu den pathogenen M. vaccinae, Pocken- bakterie,. iJ/. septicus der Pyämie, M. diphlheriticus der Diphtheritis. Die Stäbchenbakterien bilden kleine Ketten oder Fäden und zeigen namentlich bei hinreichender Nahrung und Anwesenheit von Sauerstoff spontane Bewegungen. Hieher gehört das in allen thierischen und pflanz- lichen Aufgüssen verbreitete Bacterimn termo Ehrbg., welches in ähnlicher Weise das nothwendige Ferment der Fäulniss ist wie Hefe das der Alkoholgährung; ferner R. Lineola Ehrbg. von bedeutender Grösse in Brunnenwasser und stehendem Wasser auch ohne Fäul- nissproducte, ebenso wie jenes mit Zoogloeagallert. Als Ferment der Milchsäure gilt nach Hoff mann eine andere Bakterienform. Von den Fadenbakterien veranlasst der bewegliche Bacillus {Vibrio) stthtilis 'Ehrh^. die Buttersäuregährung, findet sich aber auch in Infusionen zugleich mit B. termo. Sehr nahe verwandt und kaum unterscheidbar, aber unbeweglich ist die Milzbrandbakteridie, Bacillus Aiithracis. B. Malariae nach Klebs Ursache der Malaria, B. Ktcliii Tuberkel- bakterie. Auch der Abdominaltyphus wird auf einen Bacillus zurückgeführt. Durch form- beständige Wellenbiegungen des Fadens charakterisiren sich Vibrio regula und serpens; diese führen endlich zu den Schraubenformen, von denen S2>iroc7iaete eine flexile und lange, aber enggewundene, Spirillum eine starke, kurze und weitläufige Schraube darstellt. Die Sporozoen, Gregarinen {Gregarinae) •) (Fig. 189) sind einzellige Organismen,, welche im Darm und in inneren Organen niederer Thiere parasitisch leben. Der Leib ist häufig wurmförmig gestreckt und besteht aus einer körnigen, zähflüssigen, von zarter Hüll- haut bekleideten (zuAveilen mit subcuticularer Schicht von Muskelstreifen) Grundmasse, in /ff ^'i''"^:'^^^ ^':^:r% ^itjp Schizomyeeli-n, nach F. Coli u. a Micrococ- cus, 1 Bacterium termo, FäulDissbakterie, beide iu frei beweglicher unil in Zoogloea- form. *) N. Lieb erkühn, Evolution des Gregarines. Mem. cour. del'Acad. de Belg., 1855. Derselbe, Beitrag zur Kenntniss der Gregarinen. Arch. für Anat. und Physiologie, 1865. 243 welcher ein rundlicher oder ovaler lu-ller Küriirr, der Kern, eingebettet liegt. Cumplicationcn des Baues ergeben sicli durch d;is Auftreten (dner Scheidewand, welche das Vorderende von der Hauptmasse des Leibes absetzt. Der vurderc Kürportheil gewinnt auf diese Art Fig. 189. h Fig. 190 / Rainey'schc .Schläuche aus dem Fleisch des .Schweiues. a Kin Schlauch im Innern einer Muskelfaser. — h Das Hinterende desselben, stark vergrössert. O Cuticulare Schicht, B Sporeiiballeu. und da in Form von Haken und Gregarineii, nach Stein und KöUiker. a tittilorhyn, chus oligacanthus aus dem Darm von Calopteryx. — h Gregarina {Clepsiilriiia) polijmorßha aus dem Darir des Mehlkäfers, in (Jonjiigatiou. — • c Dieselben aul dem Wege der Encystirung. — d Gregarineu in Kn cystiiung. — e Im Zustande der Pseudonavicellen bilduug. — /Pseudonavicelleucyste mit fertigen Pseu donavicellen. das Aussehen eines Kopfes, zumal sich an ihm hier Fortsätzen Einrichtungen zum Anheften ausbilden {Stijlorhynchus). Die ErnähruDg geschieht endosmotisch durch die äussere Wandung, während die Bewegung auf ein langsames Fortgleiten des sich schwach contrahirenden Körpers beschränkt ist. Im ausgewachsenen Zustande erschei- nen die Gregarinen häufig in zweifacher oder mehrfacher Zahl aneinandergeheftet. Dit'si Zustände der Verbindung gehen der Foit- pflanzung voraus. (Fig. 189.) Die beiden mit \ •..'•: § der Längsachse hintereinander liegenden In- \C^ dividuen contrahiren sich, umgeben sich mit Coccidium einer gemeinsamen Cyste und zerfallen nach r.50fach vergrössert, nach R. Leuck einem dem Furchungsprocesse ähnlichen Vor- stunde der Sporenbildung, gange in einen Haufen kleiner sporenähnlicher Ballen, welche zu spindelförmigen Körperchen {Fseudonav kellen) Averden. Die in der Umgebung der copulirten Individuen, häufig auch im Umkreise eines einfachen Individuums ausgeschiedene Cyste wird zur Psmdonavkcllencysle, Aime Schneider, Contributions ä Thistoire des Gregariaes des invertebres de Paris et de RoscofF. Archives de Zool. exp^rim., Tom. IV, 1875. G. Balbiani, Le9ons sur les sporozoaires. Paris, 1884. Bütschli, Kleine Beiträge zur Kenntniss der Gregarinen. Zeitschr. für wissensch. Zoologie, Tom. XXXV, 1881. 16* üfo aus der Leber des Kaninchens, ,/ Zu- 244 "■ 'l"l''<"'"kreis. Coeleoterata. durch deren Platzen die spindelfönuigen Körper nach aussen gelangen. Jede Psoudonavi- celle erzeugt aus ihrem Inhalte ein amoehenartig hewcgliches Körperchen, wie man schon aus Lieherkühn's Beobachtungen an rsorospennien des Hechtes für einzelne Formen schliessen kann. In anderen Fällen [Monocystis, Gonospora etc.) entstehen in den Sporen sichelförmige Stäbchen, die bei Ausfall amoeboider Zustände zu Keimen werden. Mono- cystis agilis aus dem Hoden des Eegenwurmes. Gvegarina L. Duf. {Clepsidrina Hammersch.) Körper mit flacher Scheidewand und warzenförmig vorspringendem Kopf am Vorderende. Im Jugendzustande fixirt. Gr. hlaUarum v. Sieb. Gr. pohivwrpha Hammersch., im Mehl- wtirm. Stylorhynchus Stein. (Fig. 189.) Eine grosse Aehnlichkeit mit den Pseudonavicellen Cysten haben die gchon längst als Psorosperviien bekannten Gebilde aus der Leber der Kaninchen, aus dem Darmschleim, aus den Kiemen der Fische und aus den Muskeln mancher Säugethiere etc., ohue dass man über deren Natur vollständig ins Klare gekommen wäre. Ebenso verhält es sich mit den Mischer'schen oder Rainey'schen Schläuchen (Fig. 190) aus den Muskeln z. B. des Schweines, nicht minder erinnern die parasitischen Schläuche von verschiedenen Asseln mid Krebsen, welche von Cienkowski als AmoeUdivfii parasilicum zu den Pilzen gerechnet werden, durch ihre Fortpflanzungsart an die Gregarineu und deren Cysten, Als Gregarinen dürften auch die in Zellen des Darmepithels, sowie der Gallen- gänge von Säugethieren auftretenden Coccidien zu betrachten sein. (Fig. 191.) Dieselben verwandeln sich in eiförmige Z^plrmien, indem sie eine Kapsel bilden und aus ihrem körnigen Inhalt mehrere Sporen erzeugen. Bei Coccidium oviforme aus der Leber des Kaninchens und des Menschen werden imDier nur vier Sporen gebildet, die zu sichel- förmigen Stäbchen werden. IL Tliierkreis. Coelenterata, Coelenteraten'). (^Zoophyta, Pflanzenthiere.) Radiärthi'ere von vorhersehend zwei-, vier- oder sechssirahligem Baue ^ mit hindegeicebigem-, oft gallertigem Mesodevm. und centraler Verdauimgscavität (Gastralraum). Differente, aus Zellen zusammengesetzte Gewebe und Organe treten zu- erst bei den Coelenteraten auf. Neben äusseren und inneren Epithelien finden sich bereits Cuticularbildungen, hornige, kalkige und kieselhaltige Hartgebilde, Muskeln, Nerven und Sinnesorgane. Die vegetativen Verrichtungen knüpfen sich an die gemeinsame innere Fläche der Gastralhöhle, welche sowohl in ihren • centralen als in ihren peripherischen Partien als Magen und Darm (nicht aber als Blutgefäss- system) fungirt. R. Leuckart erkannte zuerst die hohe Bedeutung der gastralen, von ihm als Gastrovascularraum aufgefassten Cavität und benutzte dieselbe zur Trennung der Polypen und Quallen von den Echinodermen, zur ') R. Leuckart, Ueber die Morphologie und Verwandtschaftsverhältnisse niederer Thiere. Braunschweig, 1848. Allgemeiner 15.au. Spongie. Polyp 245 Auflösung des Cuvier'schen Typus der Radmten in die Typen der Coelen- teraten und Echinodermen. Erst in neuester Zeit überzeugte man sich von der nahen Verwandtschaft der lange Zeit für Pflanzen, dann für Protozoenstöcke gehaltenen Poriferen mit den Polypen und Quallen und nalmi dieselben auch in Wälirond indessen jene als Cnidaria durch durcli hölior ditferenzirte Gewebe ausge- 192. Fig. ^ den Kreis der Coelenteraten auf. den Besitz von Nosselorganen un( zeichnet sind, zeigen die Pori- feren oder Spongiaria einfachere Gewebsformen bei spongi(3ser Be- schaffenheit ihrer Leibesmasse und entbehren der Nesselkapseln. Der gesammte Körperbau wird im Allgemeinen mit Recht ein radiärer genannt, wenngleich bei den meisten Spongiarien die strahlige Anordnung nicht hervor- tritt und auch unter den Cmdarien Uebergänge zur bilateralen Sym- metrie vorkommen. Meist liegt der Numerus 4 oder 6 für die Wiederholung der gleichartigen Organe im Umkreise der Körper- achse zu Grunde. Die Coelenteraten lassen sich auf die Grundformen 1. der Spongie, 2. des Polypen und der Schci.hen- qualU oder Meduse^ 3. der Rippenqualle zurückführen. Die Spongie repräsentirt in ihrer einfachsten Form einen cylindrischen festsitzenden Schlauch mit Ausströmungsölfnung (Osculum) am freien Ende. (JPig. 192.) Die contractile, von Skeletuadeln ge- stützte Wand wird von zahlreichen kleinen Ein- ströraungsporen durchbrochen, durch welche Wasser und kleine Nahrungskörper in den bewimperten Innenraum hineingelangen. Sowohl durch Verschmel- zung ursprünglich gesonderter Individuen, als vor- nehmlich durch Neubildung mittelst Knospung und Sprossung entstehen sehr verschieden gestaltete, mit complicirtem Canalsystem versehene Spongien- stöcke, deren polyzoische Natur an dem Vorhandensein mehrerer Oscula er- kannt wird. Der Polyp (Fig. 193) stellt einen cylindrischen oder keulenförmigen Schlauch dar, welcher an dem hinteren Ende angeheftet ist und an dem ent- gegengesetzten freien Pole auf einer flachen oder konischen Erhebung, dem Mundkegel, von der jMundöff'nung durchbrochen wird. Diese ist von einem oder Sacon, naeli Fr. E. striimungsöffnniig y S c Im 1 /, e. 0 O.sonltim oder Aus F l'oreu der Wand. Siujartia 246 Coelenterata. Meduse. Rippenqualle. Xcsselorgane. mehreren Kreisen von Faugarmen umstellt und führt entweder in einen ein- fachen cylindrischen Leibesraum (Hydropol3'p) oder mittelst eines Mund- rohres in einen complicirten Gastrovascularraum( Korallenpolyp). Durch Ausfall der Fangarme entsteht die sogenannte po^ypoide Form, welche sich auf einen einfachen, mit Mund verseheneu Hohlschlauch reducirt. Die frei schwimmende, aus dem Polypen abzuleitende Meduse ist eine abgeflachte Scheibe oder gewölbte Glocke von gallertiger bis knorpeliger Con- sistenz, an deren unterer Fläche (Subumbrella) ein centraler Stiel mit end- ständiger Mundöflfnung herabhängt. Häufig setzt sich dieser Mundstiel in der Umgebung des Mundes in mehrere umfangreiche Lappen und Fangarme fort, während vom Scheibenrande eine grössere oder geringere Anzahl faden- förmiger Tentakeln oder Fangfäden entspringen. Der Centralraum des Leibes, in welchen der hohle Mundstiel einführt, ist die Magenhöhle, von welcher peripherische Taschen, beziehungsweise Radialcanäle, sogenannte Gefässe, nach dem Scheibenrand verlaufen und hier in der Regel durch ein Ringgefäss ver- bunden sind. Die muskulöse Subumbrolla besorgt durch abwechselnde Verengerung und Erweiterung ihres concaveu Raumes dieLocomotion der Qualle,, indem der Rück- stoss des Wassers in entgegengesetzter Richtung forttreibend wirkt. (Fig. 194.) Auch die Scheibenqualle reducirt sich oft zu einer vereinfachten Form, der Medusoide, welche der Randtentakeln und des Magen- Medase der Podocoryne carnea mit vier Rand- StielOS Cntbchrt, aUCh als Anhang am KörpOr tentakeln und Ovarien am Magenstiel, unmittel- gj^gg PoWpeU Ohue ludividuelle Selbst- bar nacli der Losirennung vom Stückchen. ständigkeit auftritt. Trotz der bedeutenden Abweichungen sind Meduse und Polyp Modifi- cationen ein und derselben Grundform, indem die Meduse auf einen abgeflachten, vom Fixationspunkt losgelösten Polypen mit erweitertem Gastralraum und muskulöser Bekleidung der verbreiterten Mundscheibe zurückzuführen ist. Für die Rippenqualle gilt als Grundform das mit acht Meridianen von Platten (Rippen) besetzte Sphaeroid, welches durch die Schwingungen seiner als kleine Ruder wirkenden Platten im Wasser bewegt wird. (Fig. 195.) Das Körperparenchym besteht bei den Spongiarien vorwiegend aus araoebenartigen Zellen, die häufig Geissein tragen, niemals aber Nesselkapseln erzeugen. Bei den Cmdarien (Polypen und Quallen) entstehen in gewissen Zellen eigenthümliche, als Nessel- oder Angelorgane bekannte Gebilde. ( Fig. 195.) Es sind kleine in Zellen, Cnidoblasten, erzeugte Kapseln mit einer Flüssigkeit und einem langen, spiralig aufgerollten Faden, welcher unter gewissen mecha- nischen Bedingungen, z. B. unter dem Einflüsse des Druckes bei der Berührung, plötzlich, nach Sprengung der Kapsel, hervorschnellt, an dem Gegenstand der Berührung haftet oder mit einem Theile des flüssigen Kapselinhaltes eindringt. Gewnbliclirr Bau. Fi 247 An mancheu Körpertheilen, ganz besonders an den zum Fange der Beute die- nenden Tentakeln und Fangfäden, häufen sich diese kleinen mikroskopischen Waffen in reichem Maasse an, oft in eigenthümlicher Anordnung zu Batterien von Nesselorganen (Nes^elknöpfe) vereinigt. Bei den Kippenquallen oder Cte.no2)horen, welche als ^*^^'- ^"'■'^' ^^' ^^^' dritter Unterkreis zu sondern sind, scheinen die fehlenden Nesselzellen durch soge- nannte Klebzellen vertreten. Sehr allgemein grup- piren sich die Zellengewehe bereits in zwei oder drei Schichten , von denen die äussere als Edoderm die Oberhaut bildet, die innere als Enfoderm den Gastral- raum auskleidet. Zwischen beiden entwickelt sich als Mesoderm eine zarte homo- gene Stützmembran oder stärkere, bindegewebige Zwi- schenschicht. Diese hringt die Elemente des Skelets in sich hervor, welches eine sehr verschiedene Beschaffenheit zeigen kann. Muskeln werden zu- nächst in der Tiefe des Ecto- derms als Ausläufer von Zel- len (sogenannte Neuromus- kelzellen) gebildet, rücken nicht selten aber als selbst- ständige Zellgebilde in das Mesoderm hinein. Auch Sin- nesepithelien, Nervenfibrillen und Ganglienzellen treten als Differenzirungen im EctodeVm auf. Die Wimpern tragenden Entodermzellen haben vorwiegend eine Beziehung zur Verdauung und Ausscheidung. Bei der im Ganzen gleichartigen Beschaffenheit der Gewebe erscheint die nnffeschlechfUche Fortpflanzung durch Kuospung und Theilung sehr ver- breitet. Bleiben die so erzeugten Einzelformen vereinigt, so entstehen die bei Spongien und Polypen so verbreiteten Tluerstöcke, welche hei fortgesetzter Vermehrung ihrer Individuen im Laufe der Zeit einen sehr bedeutenden Umfang Cydijrpe. (Hormiithora) pl iiai'li diu 11. O Mund Nesselkap.seln und Cnidoblasten von Siphonojthoren. a und h mit dem Cnidocil der Zelle, c bis e nach Sprengung der Kapsel mit dem ausgetretenen Faden. 248 ^ ITnloikrcis. Spongiaria. erreichen können, üeberall aber tritt auch die geschlecliUiche FortpHanziing hinzu, indem in den Geweben des Leibes, meist in der Umgebung des Gastrovascular- raumes, an ganz bestimmten Stellen des Leibes Eier oder Samenfäden erzeugt werden. In der Regel treffen die Eier erst ausserhalb ihres Eiitstehungsortes mit den Samenfäden zusammen, sei es schon in dem Leibesraum, sei es ausser- halb des mütterlichen Körpers in dem Seewasser. Selten nehmen die beiderlei Zeugungsstoffe in dem Körper desselben Individuums ihre Entstehung, wie z. B. bei vielen Spongien^ einigen Änthozoen und den hermaphroditischen Rippenquallen. Für die stockbildenden Cnidarien gilt im Allgemeinen die monöcische Vertheilung der Geschlechter als Regel, indem die Individuen des gleichen Stockes theils männlich, theils weiblich sind. Diöcisch sind z.B. Vere- ti'llum, Dtphyes, Apolemia. Die Entwicklung der Coelenteraten beruht in der Regel auf einer Meta- morphose. Die aus dem Ei schlüpfenden Jungen weichen von dem Geschlechts- thiere in Form und Bau des Leibes ab und durchlaufen Larvenzustände. Die meisten verlassen das Ei in Gestalt einer flimmernden Larve von fast infusorien- artigem Aussehen, erhalten später Mund und Gastralraum, sowie Organe zum Nahrungserwerb, sei es unter den Bedingungen einer freien Locomotion, sei es nach ihrer Anheftung an festen Gegenständen im Meere. Gewinnen die von dem Geschlechtsthiere verschiedenen Jugendzustände zugleich die Fähigkeit der Sprossung und Knospung, so führt die Entwicklung zu verschiedenen Formen des Generationswechsels. Bei dem gegenwärtigen Stande des Wissens erscheint es am richtigsten, die Coelenteraten in die drei ünterkreise der Spongiaria, Cmdaria und Cteno- pliora einzutheileu. I. Unterkreis. Spongiaria^) = Poriferi. Von schwammiger Consistenz des Körpers, mit amoehoid beweglichen, von einem festen Kiesel-, Kalk- oder' Hornskelet gestützten Zellcomplexen, mit äusseren Hautporen, einem inneren Canalsystem und einer oder zahlreichen Auswnrfs- ') Literatur: G. P. Nardo, System der Schwämme. Isis, 1833 und 1834. Grant, Observations and Experiments on tlie struct. and funct. of Sponges. Edinb phil. Journal, 1825—1827. Bowerbank, Ou the Anatomy and Physiology of the Spongiadae. Philos. Transact., 1858 und 1862. Lieberkuhn, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Spon- gillen. Müller's Archiv, 1856; ferner zur Anatomie der Spongien, ebendaselbst 1857, 1859, 1863, 1865, 1867. 0. Schmidt, Die Spongien des adriatischen Meeres. Leipzig, 1862; nebst Supplementen. Leipzig, 1864, 1866, 1868. Derselbe, Die Spougienfauna des mexikanischen Meerbusens und des caraibischen Meeres. Jena, 1880. E. Haockel, Die Kalkschwämme. 3 Bde. Berlin, 1872. Fr. E. Schulze, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Zeitschr. für wiss. Zool., 1876—1881. Derselbe, Report on the Hexactinellidae. Challenger Exp. Eep., Vol. XXI, 1887. Polejaeff, Report on the Calcarea. Challenger Exp. Rep., Vol. VIII, 1883. C. Heider, Zur Metamorphose der Oscarella lobularis. 0. Schm. Arbeiten aus dem zool. Institut, Toin. VI. Wien, 1885. Vergl. ferner die Arbeiten von Zittel, Barrois, Marshall, Lendenfeld u. A. SkcUlbilduiigon. 249 Fis. 198. Öffnungen {Oscida). Das primäre Osculum entspricht dein ahorahn Pole der Larve, trelehe sich am Pole des ob/iterirten Urmundes festsetzt. Die Spon^-it'ii werden gegenwärtig fast allgemein als Coelenteraten be- trachtet. Dieselben besteben aus einem sehr beweglichen Gewebe, welches meist durch ein festes, aus Fäden und Nadeln zusammen- gefügtes Gerüst gestützt ist. An der äusseren Peripherie sind grössere und kleinere Oeffnungen, im Innern der Masse ein System von Canälen und Räumen vorhanden, in welchen durch die Schwingungen von Cilien eine con- tinuirliche Strömung des Wassers unterhalten wird. Amoebenartige Zellen, netzförmige Sarcodehäute, Geissei- zellen, Spindelzellen, Eier und Samenfäden, sowie ge- formte Zellausscheidungen treten als die histolo- gischen Elemente des Spongieukörpers auf. Die ersteren bilden die Hauptmasse des contractilen Parenchyms und sind körnchenreiche bewegliche Zel- len, welche nach der Art der Amoeben, ohne eine feste äussere Membran zu besitzen, Fortsätze aus- strecken und wieder einziehen, auch fremde Gegen- stände iu sich aufnehmen können. (Fig. 197.) Ein Nervensystem ist noch nicht mit Sicherheit nachge- wiesen worden, ebensowenig Sinnesorgane irgend welcher Art. Das feste Gerüst oder Skelet, welches wir nur bei weichen Gallertschwämmen oder Myxospongien vermissen, setzt sich entweder aus Hornfasern oder Kiesel- und Kalknadeln zusammen. Die Hornfasern bilden ohne Ausnahme Netze und Ge- pj^ ^^g flechte von sehr verschiedener Dicke und zeigen meist eine blätterige, auf Schichtung hinweisende Structur. (Fig. 198.) Sie entstehen durch Ausschei- dungen als erhärtende Sarcodetheile. Die Kalknadeln (Fig. 199) sind ein- fache oder drei- und vierstrahlige Spicula und nehmen wie die Kiesel- gebilde im Innern von Zellen- ihren Ursprung. Diese aber bieten eine ausserordentliche Mannigfaltigkeit von Formen und sind theils zusammenhängende Gerüste von Kieselfasern, theils freie Kieselkörper, mit einfachem oder verästelten! Centralcanale. (Fig. 201.) Als solche treten sie in der Form von Nadeln, Spindeln, AValzen, Haken, Ankern, Kadern und Kreuzen auf und entstehen in Zellen vielleicht durch ümlagerung einer organischen Erhärtung (Centralfaden). Stück de.s Hornfaseinet7.es von Euspongia (Ilipposponyia) equina. Kalkuadeln 250 .Spongiiiria. Morphologische Gestaltung. Poren. Zum Verständniss der morphologischen Gestaltung hat man von dem aus der festgesetzten Larve hervorgegangenen jungen Spongienkörper auszugehen, welcher nach Bildung eines bewimper- ten Gastralraumes nebst Auswnrfsöff-. niing oder Osculum einen einfachen Hohlschlauch repräsentirt, dessen Wand zur Einfuhr kleiner, im Wasser suspendirter Nahrungskörper von Poren durchbrochen ist. (Fig. 192.) An demselben unterscheidet man ein aus hohen Geisseizellen gebildetes Ento- derm und eine Zellenschicht, welche durch die Einlagerung von Spindel- zellen an Bindegewebe erinnert und äusserlich noch von einem Platten- epithel bekleidet wird. Die Cylinder- zellcn des Entoderms besitzen am freien Schnitt durch einen Kalkschwamm {S,,c.on raphanns), EudC Im Umkrelse dcr GeiSSOl Clne nach F. E. Schulze. Ect Ectoderm, En Entod.rm ^artc hyaline Raudmembrau, welche, einer (ieisselkammcr, Mis- Mesoderm, .V Kalkiiadcl in demselben, Kl: Ki/eHr. ^Is Fortsetzung des hyalinen Plasmas Fii(. 201. Kieselkörper ver.schledener Kieselspongien. a Kieselnadel von .S/wn(/«7?a innerhalb der Zelle, b Amphidiscus einer Gemmula von SpongiUa, c Anker von Ancorina, ä Kieselhaken einer Euperia, e, Stern von Clionth-illa, f Ankerkuopf von EiipUe.tella anperglUum, g, h Strahlcnnadeln derselben, i sechsarmige Nadel derselben mit Ccntralcanal. entstanden, wie ein Hohlcylinder vorsteht und den protoplasmatischen Kragen ') gewisser Flagellatcn (Cylicomastiges) wiederholt. Die mächtige Schiclit, in ') Der Grund, weshalb Clark die Spongien als nilchste Verwandte der Fla^ellaten (Choaiioflagellaten) deutete und für grosse FlagellateiieoloTiien erklärte. Geisselkammern. Zusanunciigpsot/.tc Spoiifiien. 251 welcher die Skeletiiadeln erzeugt werden, besteht aus einer hyalinen Grund- substauz mit eingebetteten, unregelmässig verästelten, beziehungsweise spindel- förmigen amoeboiden Zellen und kann wie die Gallertsubstanz der Acale]>hen als Mesoderm betrachtet werden, während das äussere leicht nachweisbare Plattenepithel als Ectoderm aufzufassen ist. (Fig. 200.) Fis?. 202. 203. J.0 m^T^^&^fqi-^ nautschicht von Spongüla mit den Poren (P), nat-h Lieberkühn. Schnittdurch einen Asconidenstoek, scheniati.sdi nach E. Ilae ck el. Fig. 204. Die für den Spongienkörper so charakteristischen Poren oder Einströmungsöffnuugen sind im Grunde niclits als intercelluläre Lücken, können sich schliessen, ver- schwinden und durch neu sich bildende Poren ersetzt werden. (Fig. 202.) Unter den Kalkschwämmen wird die einfache, mit Hautporen versehene Spongie mit endständigem Osculum (Olynthus-'F orm) durch die stockbildende, aus zahlreichen Hohlcylinderu zusammengesetzte Leucosolenia (Granfia) repräsentirt, deren Bau bereits von Li eberkühn dar- gestellt wurde. (Fig. 203.) Complicirter gestaltet sich der Leibesraura bei den Syconiden, deren Centralhöhle peii- pherische, von Geisselzellen ausgekleidete Nebenräume oder Kadialtuben ausbildet, in welche die Einströmungsöffnungen einmünden. (Fig. 204.) Bei anderen Kalkspongien (Leuco- niden) gestalten.sich die radialen Canäle zu unregelraässigen, nach der Peripherie verästelten Parrietalcanälen mit er- weiterten Geisseikammern (Fig. 205.) Dieser Bau des inneren Canalsystems wiederholt sich bei den übrigen Kieselschwämmen. Complicirter werden die Spongienformen durch Stock- bildung, indem die ursprünglich einfache, aus einer einzigen Wimperlarve hervorgegangene Spongie auf dem Wege der Knospung, Sprossung und unvollständigen Theilung einen polyzoischen Schwammkörper erzeugt, oder indem mehrere ursprünglich gesonderte, aus je einer Larve entstandene Formen durch Verschmelzung zu einem zusammenhängenden Schwammcomplexe ver- Langsduii lischnitt eine.s Sycoii raphanus, schwach vergrössert. O 0.sculum mit Nadelkrageu, Kl die Radialtuben, welche sich in die Centralhöhle öffnen. 252 .Spongiaria. Fortiiflaiizuiipr. wachsen. (Fig. 2üü.) Beiderlei Wacbsthumsvorgänge wiederholen sich in ganz ähnlicher Weise und in denselben Modificationen bei den Polypenstöcken. Wie die fächerförmigen Netze der sogenannten Fächerkoralle ililnpidogorgia ßahßUum) durch vielfache Verwachsung von Aesten unter Anastoraosirung ihrer Gastrovasciilarräume entstehen, so bilden sich auch hier aus verästelten SpoDgien (Fig. 207) netzförmige und selbst knäuelförmig verschmolzene, aber auch massige Stöcke. (Fig. 208.) Hier gewinnt das Canalsystem, an welchem sich die für die Einzelschwärame hervorgehobenen Abweichungen wiederholen, Fior. 205. c ^- 1? Fig. 206. Gk Ä m Sclinitt aus Corlicium candtlahrum, nach Fr. E. S<'liulzc. starke Vergrü.s.seruiig. Gk Geissclkammern. Fig. 207. Axinella pohjpoides, iiaeh O. Schmiat. Kill verästolter A.scoiiidenstoek nach E. Haeckol. eine grössere Complication, theils durch Anastomosenbildung, theils dadurch, dass unregelmässige Lücken und verschlungene Gänge als Interparietalcanäle zwischen den verwachsenen StockästiMi hinzutreten und Räume bilden, welclie in die wimpernden Canäle einführen. Die Fortpflanzung erfolgt vornehnilicli auf ungeschlechtlichem Wege durch Theilung und Knospung, sowie durch Erzeugung von Keimkörpern, 253 Gemmulae^ aber auch durch Bildung von Eiern und Samenkapsidn. Die Gera- mulae oder Keimchen sind bei den Süsswasserspongillen Haufen von Schwamm- züllen, welche sich mit einer festen, aus Kieselgebilden {Amphidisken) zu- sammengesetzten Schale umgeben und, encystirten Protozoen vergleichbar, in einem längeren Zustande der Kühe und Unthiltigkeit verharren. Nach Ablauf der kalten sterilen Jahreszeit kriecht der Inhalt aus der Oetfiiung der Kapsel hervor, iimfliesst gewöhnlich die letztere und differenzirt sich mit fortschreitendem Wachs- thum in alle wesentlichen Theile eines neuen kleinen Schwammkörpers. Auch bei Meeresschwämmen ist die Ver- mehrung durch Gemmulae ver- breitet. Dieselben entstehen unter gewissen Bedingungen als kleine, von einer Haut um- schlossene Kügelchen, deren Inhalt im Wesentlichen aus Schwammzellen und Nadeln gebildet ist und nach längerer oder kürzerer Zeit der Ruhe nach Zerreissen der Haut austritt. Fig. 209. EuKjKiiiijia oj'fir adrintica piit einer Anzahl Oscula {0), nach Fr. E. Schulze. •!• '<4":^- Q es^i ,^^^^^m^^:7^^f^FF:E Eiitwiukluni,' des Sycon rnpjiauiis, nach Kr. E. .Schulze, a Reifes Ei. 6 Stadium mit vier Furchungszellen, c scchzehnzelliges Furchungsstadliim, d Blastospliaera, e freischwimmende Larve, die eine (entodermale) Körperhälfie aus hohen Gei.ssel/.ellen, die andere (ectodermale) aus grossen kürnehenreielien Zellen gebildet. Die geschlechtliche Fortpflanzung wurde von Lieb erkühn zuerst bei Spongilla mit Sicherheit festgestellt, neuerdings aber fast in sämmtlichen Spongiengruppen nachgewiesen. Meist entstehen Samen und Eier in demselben Schwamm, gelangen aber zu verschiedenen Zeiten zur Eeife. Die Samenfäden sind stecknadelförmig und liegen in kleinen, von Zellen ausgekleideten Räumen. Eier sowohl als Samenfäden entstehen im Mesoderm, 254 Spongiaria Einbryoiialentwicklung. erstere, indem sich einzelne Zellen desselben vergrössern und abrunden. Die Eier sind nackte, amoebenartig bewegliche Zellen und gelangen in das Canal- system, während sie bei den lebendig gebärenden Syconen im Mesoderm ver- weilen und hier ihre Entwicklung durchlaufen. Erst später fallen dann die bewimperten Embryonen oder Larven in das Canalsystem, schwärmen aus und setzen sich fest, um sich in einen jungen Spongienkörper umzubilden. Die Embryonaleutwicklung ist am genauesten für die Syconen unter den Kalkschwänimen durch Fr. E. Schulze und Barr ois, sodann für Hallsarca {Oscarella) lohularis durch C. Heider bekannt geworden. Nach Vollendung der ziemlich äqualen Furchung (Fig. 209, a—c) tritt bei Sycon (Sycandra) raphanus eine Blastula auf, deren grössere Hälfte aus hellen Cylinderzellen gebildet wird, während der kleinere Abschnitt aus grossen, dunkelkörnigen Zellen besteht. (Fig. 209 d.) Indem die ersteren Geisseihaare gewinnen, wird der aus dem Leibesraume der Spongie austretende Embryo zu einer frei schwärmenden Larve, welche sich in der Weise umgestaltet, dass die dunklen Zellen den sich ein- stülpenden Kugelabschnitt mit den ^ Geisselzellen überwachsen. Jene Z' X liefern das Ectoderm und Meso- ^ derm, diese werden zum Ento- -c--^^ _ derm der Gastralhöhle. Die Fest- ~ ''^'?'^^/ß~^ ' heftung erfolgt an der Eiustül- ^^ ^^^^<^ pungsöifnung ( Gastrulamundj. y^ Später wird der Schwammkörper Junger Sycon, nach Fr. E. Schulze O üsciilum oder Aus- CylludriSCh, daS OsCUluiH kOUimt strün.ungsöffn„ng, P Toren -ler Wan„. ,^^ aboralcnPoleZUmDurchbrUCh, und Kalknadeln treten in der von Poren durchbrochenen Wand auf. (Fig. 210.) In anderen Fällen wie bei Halisarca lohularis wird die frei schwimmende Blastula durch Einstülpung zu einer Gastrula, die sich an den Bändern des weiten Blastoporus festheftet. (Fig. 211 a.) Während dieser sich verengt, um sich später ganz zu schliessen, wird zwischen Ectoderm und Entoderm eine flüssige Gallerte ausgeschieden, in w^elche (wohl vom Entoderm) Zellen ein- wandern und mit jener das Mesoderm darstellen. Durch radiäre Ausstülpungen des Gastralraumes entstehen die Geisseikammern und an deren Oberfläche Durchbrechungen, die Poren (Fig. 211 b). Schliesslich bricht am aboralen Pole auf einem röhrenförmigen Fortsatz das Osculum durch (Fig. 211 c), und der junge Sycon ist gebildet. Uebrigens bestehen in der Entwicklungsweise der Spongien grosse Ver- schiedenheiten, die noch keineswegs genügend verstanden sind. Nicht selten I. Olasse. Spoiigia. 1 Ordnung. Calcispoiifii 255 ist die Larve unterhalb des mit Geissein bekleideten Epithels dicht mit Zellen- material erfüllt. Mit Ausnahme von Spongilla gehören die Spongien dem Meere an, wo dieselben in weiter Verbreitung angetroffen werden. In geringen Tiefen leben die Hornschwämme, sowie die Myxospongien undKieselhornschwämme, in sehr bedeutenden Tiefen die Hexactinelliden. Auch finden sich in älteren Formationen, namentlich in der Kreide, petreficirte Ueberreste von Spongien erhalten, die von den meisten gegenwärtig lebenden sehr verschieden sind. Dagegen stimmen die Glasschwämme der Tiefsee so sehr mit Formen der Vorwelt überein, dass sie als unmittelbare Fortsetz.ung der letzteren erscheinen. Uebrigens reichen viele der Hauptgruppen bis in das paläolithische Zeitalter zurück, in welchem vornehmlich Lithistiden und Hexactinelliden schon in den ältesten silurischen Fior. 311. Scbuitte durch drei EutwickhingsslailiiMi von Halisarca (Oscaiella) h.hnliu-is, nacb C. Heider. a Gastrula nach deren Festsctzeu, h Kildung des Mcsdderms, c Bildung des Osi'ulums {Da) und der Geisseikammern, E l'nrus einer solchen. Schichten angetroffen werden. Daher liefert die Paläontologie für die ße- urtheilung der phylogenetischen Entwicklung der Spongien keinerlei Anhalts- punkte. 1. Chisse. Spongia, Spongien. Mit den (.'harnktereii der Spoiigiarieii. 1. Ordnung: Calcispungiae, Kalkschwämme. Meist farblose, selten rotli- gefärbte Spongien und Spongienstöcke, deren Skelet aus Kalknadeln besteht. Entweder sind dieselben einfache Nadeln oder dreiarmige oder vierarmige Kreuznadeln. Sehr häufig aber treten zwei oder alle drei Nadelformen in der- selben Spongie auf. Fam. Äsconidae {Leucosolenidae, Asconen), Kalkschwüuirae mit einfachen Poren- gängen der Wandung. Grantia Lk. {Leucosolenia Bbk.) Wird nach der Gestaltung der Kalknadeln oder Spicula von E. Haeckel in die sieben Schemen Ascyssa, Ascetta, Ascilla, 256 2. Ordmiiig. Fibrospongiae. Ascoriis, Ascidmin, Ascallis, Asaindra uilif^etlicilt. Gr. botrijoidcs Lk. iAsanidra comjilkata E. Haeck.), Helij^nlaml, mit Gr. Lichtrkiihnü 0. S. aus dein Mittelmcor und (k-r Adriii nahe verwandt. Farn. Lcuconidae (Leuconen), Kalkschwaninie mit dicker Wandung, welche von ver- ästelten Canälen durchsetzt wird. Lenconia Grt. Wird von E. Haeckel nach der Gestaltung der Kalknadeln in die sieheu Sdieinen Leuci/ssa, Leucilfa, Leucilla, Lencortis, Lcuiulmis, LeucaUis, Lencandra eingetheilt. L. {Leucella) primigenia E. Haeck. Farn. Syconidae (Syconen). Meist solitäre Kalkschwämme mit dicker Wandung, welche von geraden Kadialtuben durchsetzt wird. Die letzteren springen an der Ober- fläche als kegelförmige Erhebungen der Wandung vor. f^i/con Risso. Wird von E. Haeckel in die sieben Schemen Sijcyssa, Sycelta, Sycilla, Sycortis, Syculmit, SycaUis, Sycaiulra ein- getheilt. ^S'. {Sycandro) rajyhanus 0. S., Adria. (Fig. 204) 2. Ordnung: Fibrospongiae,, Faserscliwämme. Ohne Slu-let oder mit hornigen oder kieseligen Skelettheilen. 1. Unterordnung: Myxospongia, Gallertschwämme. Weiche fleischige Schwämme ohne jegliches Skelet, mit hyalinem gallertigen und oft von Faser- strängen durchsetzten Mesoderm. Die ziemlich hohen Ectodermelemeute sind Geisselzellen. Fam. Halisarcidac. Halisarca Duj. //. lohnlaris (). S., von dunkelvioletter Farbe, Steine krustenartig überziehend, Sebenico. //. Dujardinü Juhnst. bildet weisse Ueber- züge auf Laminarien der Nordsee. 2. Unterordnung: Ceraospoiigia, Hornschwämuie. Meist verästelte oder massige, zuweilen rindeuähnliche Spougienstöcke mit einem Hornfasergerüst, in welchem auch Kiesel- und Sandkörper als fremde Einschlüsse auftreten. Farn. SjJongiadae. Euspongia 0. S. Mit sehr elastischem, gleichmässig starkem Fasergerüst, meist als Wasch- und Badeschwämme verwendbar. E.adriatica 0. S. (Fig. 208), (Hipjjnsjjongia) equina 0. S., Pferdeschwamm von Leibform, zimocca 0. S., im griechischen Archipel, moUssima 0. S., Levantinerschwamm von Becherforra. Spongelia elegans Nardo. Aplysina aerophoha Nardo. 3. Unterordnung : Halicliondriae^ Kieselhornschwämme. Sehr verschieden gestaltete Spongien mit vorwiegend einachsigen Kieselnadeln, einfachen Kiesel- spicula, welche durch zarte oder festere Plasmaumlagerungen verbunden, beziehungsweise netzförmig angeordnet oder in Spongienfasern eingeschlossen liegen. Fam. Chrondrosidae {Guinmineae), Lederschwämme. Chrondrosla reniforviis Nardo. Ohne Kieselkörper, mit Fasern in dem Mesoderaigewebe. Fam. Renieridae, Spongien von geringer Consistenz mit kurzen Nadeln. Reniera porosa 0. S. Fam. SpongiUidae. Massig oder verästelt, mit einfachen, durch Sarcodeumlagerung verbundeneu Nadeln. Spong'dla fluviatilis Lk., Sp. lacustris Lk. Süsswasserspongien. Fam. Suberitidae. Schwämme von massiger Form mit geknöpften Kieselnadeln, die in der Kegel in netzartigen Zügen angeordnet sind. Suherites Nardo. S. domuncula Nardo, Adria, Mittelmeer. Vioa typka Nardo, der Bohrschwamm, an Austerschalen. Fam. Chalinopsidae. Derbere strauchförmige Schwämme mit Kieselskelet und mit oder ohne Fasergewebe. Äxinella polypoidcs 0. S., Adria (Fig. 206), Qathria coralloklcs 0. S., Adria. Verwandt sind Esperia Nardo und Myxilla 0. S. 4. Unterordnung: Lithosjwvgiae, Steinschwämme, Kieselschwämme von derber Consistenz, mii vierstrahligen Kieselgebilden (TetracfineUid(ie). II. Unterkrei.s. Ciiidaria. 257 Fani. Geodüdae. Kindenschwämiiic mit Ankeniiidolii und mit Kieselgebildcu in der Rinde. Geodia gigas 0. S., Quarnero. 5. Unterordnung: Hyalospongiae, Glasschwämrae. Spongien mit einem festen, oft hyalinen Oitterwerk von Kieselnadeln, die den sechsstraliligen T3'pns zur vollen Ausprägung bringen {IlexaciimiUidoii) und durcli geschichtete Kiesel- substanz verkittet sein können. Fani. Ilexactindlidne, Glasscliwäinme. Mit ziisammenliängcnden Kieselgerüsten und geschichteten, sechsstrahlige Kieselkörper verkittenden Fasernetzen von Kieselsubstanz, häufig mit isolirten Nadeln und Büscheln von Kieselhaaren zur Befestigung. Leben grossentheils in bedeutenden Tiefen und sind den fossilen VentriculUiden verwandt. Dactylocalyx Bbk. Euphctdla Owen. E. aspergllhim Ow., PhilipjiineTi. Im Leibesraume des Glasschwammes leben Aega spongiphila und ein kleiner Palaemon. Ilyahiiema Sieboldii Gray, Japan. H. Loreale Loven, Nordmeer. IL Unterkreis. Cnidaria=--Coeleiiterata s. str. '), Nesselthiere. Mit endständigem, am Oralpole der Larve entstandenem Mund und Nessel- kapseln in den Epitlielialgeioehen von Polypen- oder Medusenform. Die Cnidarien repräsentiren die Coelenteraten im engeren Sinne, in deren Bau die radiäre Gliederung strenger durchgeführt erscheint. Die amoeboide Zelle tritt als selbstständige, für die Bewegung und Ernährung bedeutungsvolle Gewebseinheit mehr zurück, wenngleich die Entodermzelle nocli nach Art der Amoebe feste Körper aufzu- nehmenvermag. Porensystemeder Haut zur Ein- führung von Nahrungskörpern fehlen, während eine der Lage nach dem Blastoporiis ent- sprechende Mundöffnung die Nahrungsaufnahme besorgt. Sehr allgemein treten als Erzeugnisse von Epithelzellen vornehmlich im Ectoderm, jedoch auch im Entoderm Nesselkapseln auf. N.sseUMüst am Tenukeien.ie .mer Sctipliostoma. Jede Nesselzelle (CmcZoJ^as«), welche aus ihrem Lihalt eine Nesselkapsel zur Reife gebracht, besitzt einen feinen oberflächlichen Plasmafortsatz {Cnidodl), der wahrscheinlich für den Reiz mechanischer Be- rührung sehr empfindlich ist und zur Sprengung der Kapsel Anlass gibt. Nicht selten finden sich die Cnidoblasten an gewissen Stellen dicht gehäuft *) M. Edwards et J. Haime, Histoire naturelle des Corailliaires, 3 Tom. Paris, 1857— 18(50. L. Agassiz, Contributions of the Naturel History of the United States of America, Vol. III— IV, 1860-1862. G. J. All man, A Monograph of the gymno- blastic or Tubularian Hydroids, 2 vol. London, 1871—72. R. Leuckart, Zoologische Untersuchungen I, Giessen, 1853; ferner: Zur näheren Kenntniss der Siphonophoren von Nizza. Archiv für Naturgesch., 1854. C. Claus, Ueber Haiistemma tergestinum, Arbeiten aus dem zool.' Institut der Universität Wien, E. Ha e ekel, System der Medusen. Jena, 1880 und 1881. C. Clau.'i: Lf'lirbuoh der Zoolo^ji«-. 5. AuH. 17 258 Cnidaria. Polyp. und bilden wuLstfüniiige Anscliwellungen, Nesselwülste oder NesselknOpfe. (Fig. 212.) Auch die Differenzirung der Gewebe und Organe zeigt sich den Spon- giarien gegenüber, in deren Geweben Cnidoblasten nicht gefunden werden, bei den Cnidarien höher vorgeschritten. Insbesondere treten im Ectoderm Sinneszellen, nicht selten als specifische Sinnesorgane gruppirt, sodann Nervenzellen und Nervenfasern auf. Die letzteren bilden dann oft eine tiefere Fitr. 218. Schicht von Faserzügen unter- illiniMilii , halb der oberflächlichen Ecto- 11 lillll In II . ;. h dermlage, von der sie als Aus- läufer von Sinneszellen ihren Ursprung nehmen. (Fig. 213.) Bei vielen Medusen, den Cras- pedoten und CharT/bdeen, ^ndet sich ein doppelter oder ein- facher Nervenring in der Nähe (Acfinien) die Nervenfasern in Läupsschnltt durch den Riugnerven von Charyhdea. Sz Sinues- zelleu des Ectoderms, Oz Ganf^lienzellen, Ay Nervenfasern, Sa Stützlamelle, E Entodennzelleii. des Scheibenrandes, während bei den Polypen mehr unregelmässiger Vertheilung auftreten. Fig. 214. m Die für die Cnidarien charak- teristischen For- men sind der Po- hjp und die Schei- hmqualle, welche beide wiederum in zwei verscliiede- nen, einander cor- respondirenden Modificationen auftreten. Die ein- fachere Polypen- form ist die des Hydropolypen^ wie sie in dem Süsswasserpoly- peii {Hydra) zur Erscheinung kommt, ein am aboralen Pole festgehefteter Schlauch mit Fangarmen im Umkreis des Mundes, mit cylindrischer, in die Faugarme sich fortsetzender, vom Entoderm bekleideter Gastralhöhle und structurloser, zwischen Ectoderm und Entoderm ausgeschiedener Stützlamelle. (Fig. 214 «.) Einen complicirterenBau besitzt der KomUeMpolyp durch das Vorhanden- sein eines Schlundrohres und 4,6,8 um dasselbe gebildete taschenförmigo Aus- Sehemati.sclie Längsschnitte des Hydropolypen und der aus demselben ab- zuleitenden Hydromednse. a Hydropolyp, 0 Mund, T Tent.akel, ./»/^ Magen ra um, Ek Kktodenn, En Kutoderm; l Hydroraeduse im Durchschnitt zweier Radiär- canäle /?--«<;, ßc Ringcaual, O Mund, Fe« Velnm ; c Durchschnitt durch zwei inter- mediäre Radien, Gp Gefässplatte, S Subumbrella, U Urabrella. 259 stülpungen der Gastralhöhle. Diese werden durch mesodermale Fortsätze der Leibeswand getrennt, welche sich als in die Gastralhöhle hineinragende, mit Mesenterialfilanionten besetzte Scheidewände bis zum aboralen Pole fort- setzen. (Fig. 215.) Die Scheibenqualle tritt entweder als Hydromeduse {cvaspedote M('xlm. Ordnung. Hexactinia = Zoantliaria. Polypen und Polypenstöcke mit 6, 12 und in fofiscJireitimdcy Ordnung vermeJirten Fangarmen, die meid in mehreren Kreisen alterniren. Leib seltener ganz weich oder lederartig, in der Regel mit kalkigem, stein- hartem Polypar von stralilig-faserigem, krystallinischem Gefüge. Auch hier gilt die Trennung des Geschlechtes als Eegel, indessen werden auch herma- phroditische Polypen [Ceriantlms) angetroffen. Die Polypen tragen sehr all- gemein ihre Embryonen längere Zeit mit sich herum, so dass dieselben acht- oder zwölfstrahlig mit den Anlagen der Faugarme geboren werden. Viele erzeugen Korallenriffe und Inseln. 1. Änthipatharia. Meist mit nur sechs Fangarmen und horniger Skeletachse. Farn. Antipathidae. Polypenstöcke mit weichem, nicht verkalktem Körper, aber mit einfachem oder verästeltem Hornskelet. Nur sechs Fangarme umstellen die Mund- öifnung. Antipathes Pall., schwarze Koralle, Mittelmeer. 2. Adiniaria. Ohne Hartgebilde. Fam. Actinidae. Mit weichem Körper, bald Einzelthiere mit mebrfaclien alter- nirenden Tentakelkränzen, Actinia L., bald durch Stolonen verbunden und zu Stöcken aggregirt, Zoanthus Cuv. Die ersteren können zum Theil ihre Befestigung mittelst der contractilen Fusssohle aufgeben und sich frei bewegen. Viele erreichen eine verhältniss- mässig bedeutende Grösse, besitzen prachtvolle Farben. Zuweilen scheidet die Haut eine mit zahlreichen Nesselkapseln erfüllte klebrige Masse oder gar eine Art Hülle ah. Sie sind als Seeanemonen die Zierden der Seewasseraquarien. Actinia mesembryanlhemum L. Sagartia Gosse. (Fig. 193.) Anthea Johnst. Ceriantlms Delle Ch. Mit Hauthülse und hinterem Porus. Hermaphroditisch. C. membranaceus H. 3. Madreporaria. Mit zusammenhängendem harten Kalkskelet. a) Aporosa. Fam. Turbinolidae, Mützenkorallen. Meist Einzelpolypen mit festem Kalkgerüste, undurchbohrtem Mauerblatt und wohlentwickelteni Fussblatt und Septen, deren Zwischenräume bis zum Grunde offen bleiben. Turbinolia Lam., Flalellum Less., Caryopltyllia Lam., C. [Cyalhina) cyatlms Lam. (Fig. 226), Blastotrochus Ed. H. (Fig. 222.) Fam. Oculinidae. Augenkorallen. (Fig. 228.) Polypenstöcke mit steinhartem, meist ästigem Polypar, mit zu compacter Masse verkalktem Coenenchym und wenig zahl- reichen Septen in den Kelchen der Einzelthiere. Oculina virginea Less., Ind. Ocean. AmphihcUa oculata L., weisse Koralle, Mittelmeer. Fam. Astraeidae, Sternkorallen. Meist massige Polypenstöcke mit verwachsenen Mauerblättern der Einzelkelche, ohne Coenenchym, bald mit schneidendem, bald mit eingeschnittenem gezähnten Rande der Septa, die Interseptalräume werden von hori- zontalen Scheidewänden erfüllt. Euswilia Edw. Die durch Theilung erzeugten Einzel- thiere bleiben nur an der Basis verbunden und erzeugen ein raseuartiges Polypar mit schneidenden Septalrändern der Kelche. Galaxea Oken. Die Einzelkelche, durch Knospen entstanden, am oberen Piande frei, ebenfalls mit schneidenden Rändern der Septa. C/adocora. Die Knospen lateral, die Stöcke daher rasig oder verästelt, t?. cespitosa L., 270 ^^- Classe. Polypomedusao. Mittelmeer. Äslraea Luiii., Einzelkelclie durch die ganze Mauer verschmolzen mit gezackten Septalräudern der Kelche. Ä. radians Pall. Goniasiraea pectinata Ehrbg. (Fig. 229.) Maeandrina Lam., Einzelkelche zu langen Thälern vereinigt. M. crassa Edw. H. Coeloria arabica Klz. (Fig. 230.) Fam. Fungidae, Pilzkorallen. Meist grosse und flache Einzelkelche; zuweilen Polypenstöcke, ohne Mauerblatt, mit sehr zahlreichen, stark entwickelten, durch Synap- ticulae verbundenen und gezähnten 8epten. Fimgia discu/t Dana, Halnmüra Dana., Lophoseris Edw. H. b) Perforata. Fnm. Madrejyoridae, Madreporen. (Fig. 227.) Polypen und Polypen- stöcke mit porösem Coenenchym und durchbohrtem Mauerblatt. Gastralhöhle im Grunde offen und mit dem Centralcanal in der Achse des ästigen Polypars communicirend. Septa wenig entwickelt. Madrrjmra cervicornis Lam., Dendrophyllia ramea Edw., Mittel- meer, Astroides calycularis Pall. IL Classe. Polypomediisae') = Polypomedusen. Polypen ohne Magenroh)', mit ewfachem Gastrovaseularraum und medu- • Geschlechtsgeneration, oder mäfreischivimmenden Medusen als Geschlechts- thteren. Diese Classe umfasst die Hjdro-Polypeu inid -Polypeustöclve nebst den von diesen, sowie von den Scyphopolypen erzeugten Medusen als den zugehörigen Geschlechtsthieren. Durchgängig besitzen jene einen einfacheren Bau als die Anthozoen, hinter denen sie auch der Grösse nach meist bedeutend zurückbleiben ; sie entbehren des Schlund- oder Magenrohres, der Scheidewände, Falten und Taschen des Gastrovascularraumes. Nur die Scyphopolypen (Scyphistomen\ welchedieJugendformeuderScyphomedusenrepräsentiren, haben in vier Gastral- wülsten einen Ueberrest von Gastralfalten erhalten, aus denen sich Gastral- filamente entwickeln, und sollen nach G ötte auch noch vier primäre Magen- taschen im Umkreis eines ectodermalen Schlundrohres besitzen. (Fig. 216.) Die Polypenstöckchen bringen nur selten (Milleporiden), iedoch im Gegen- satze zu den Anthozoen, durch Verkalkung der Cuticula, ein festeres, dem Polypar vergleichbares Kalkgerüst zur Entwicklung. Treten Skeletbildungen auf, so sind es in der Regel mehr oder minder verhornte Ausscheidungen der Oberhaut, welche als zarte Röhren den Stamm und dessen Ramificationen überziehen und zuweilen in der Umgebung der Polypen kleine becherartige Gehäuse bilden (Fig. 231a); indessen ist auch im Inneren des Körpers unter dem Ectoderm zur Stütze der Weichtheile eine mehr oder minder derbe Mesodermlamelle entwickelt, welche bei der Meduse durch die meist dicke zuweilen bindegewebige Gallertscheibe vertreten ist. Ohne Zweifel vertritt die Scheibenqualle (Fig. 231 h) morphologisch den höheren Typus, zumal da sie als das zur Vollendung gereifte Geschlechts- ') Eschscholtz, System der Acalephen. Berlin, 1829. Th. Huxley, Memoir on the anatomy and affinities of the Medusae. Phil. Transact. London, 1849. L. Agassiz, Contributions of the Natural History of the United States, Acalephae, Vol. III, 1860; Vol. IV, 18G2. E. Ha e ekel, System der Medusen. Tom. I und Tl. Jena, 1880 irnd 1881. Oi'ganisation. l'olypoidc, modusoidc Fori 271 r* indiviclimra erscheint, während den Fig- 23La. Polypen die Aufgabe der Ernährung und Knospung zufällt. Im Zusamirien- hange mit der freieren Bewegung und höheren Lebeusstufo der Scheiben- qualle oder Meduse finden wir an der- selben ein mehr entwickeltes Nerven- system und Sinnesorgane. Das erstere hat seine Lage am Scheibenrand und besteht aus Nervenfibrillen, welche, mit Ganglienzellen untermisclit, in Form eines doppelten Faserstranges das Kinggefäss begleiten. Die Sinnes- organe sind die sogenannten Rand- körper. Die Geschlechtsstoffe der Meduse nehmen entweder aus dem Ectoderm ihren Ursprung, und zwar im Verlaufe der Radiärgefässe (Eucopi- den), beziehungsweise in der Wand des Mundstiels (Oceamden), oder entstehen aus dem Entoderm an der Unterseite (Subumbrella) des Schirmes (ScMrm- quallen). Häufig bleiben Polyp und Meduse auf einer tieferen Stufe der morpho- logischen Differenzirung zurück, und werden jene zu polypoiden Anhängen, diese zu medusoiden, die Geschlechts- stoffe einschliessenden(Temmen, welche an dem Stamme oder an Polypen auf- sitzen. In solchen Fällen erscheint die Individualität dieser Anhänge be- schränkt; medusoide und polypoide Thiere sinken physiologisch zu der Bedeutung von Körpertheilen oder Or- ganen herab, während der gesammte Stock einem einheitlichen Organismus näher kommt. Je vollendeter sich Ar- beitstheilung und Polymorphismus an den polypoiden und medusoiden An- hängen des Thierstockes ausprägen, um so höher wird die Einheit der morpho- logisch als Thierstock zu bezeichnenden Gesammtheit. Sprossung und einfaclies Waclisthura fallen hier oft oline Grenze zusammen. Zweigeines O/jt^jastilckchens {0. gelaUnosa). 0 Muud- öffuung eines Nährpolypen mit vorgestreckten Fang- armen, M Medusengemmen am Leib eines proliferiren- deu Polypen, Th glockenförmiges Geliänse (Theca) eines Nälirpolypen. b Freigcwordeno Meduse von Obelia gdatinosa, noch ohne Geschlechtsorgane, g Gehörbläschen. 272 l'olypoinedusae. V'crliälliiiss von Polyp uurt Modusc. Lange Zeit galt es als merkwürdiges, einer Erklärung iiaum zugängliches Verhältniss. dass so ditferente Organismen, wie Polyp und Meduse, welche man systematisch als verschiedene Classen getrennt hatte, lediglich verschiedene Zustände in der Lebensgeschichte einer einheitlichen Entwicklungsreihe be- zeichnen und deshalb im engsten genetischen Verband sogar der Art nach zusammenfalten. Die Theorie vom „Generationswechsel" brachte nur eine Umschreibung des Sachverhaltes, aber keine Erklärung. Erst die Entstehungs- weise des Medusenleibes am PolypenkOrper gab Aufschluss über die unmittel- bare Beziehung beider Formen, indem durch dieselbe bewiesen wurde, dass die Meduse ein abgeflachter scIieihenfUrmigcv Polyp ist, dessen flacher^ aber weiter Gastralraum vi Folge von vier, sechs oder mehr septaUn Verwachsungs fehlem auf peripherische Gefässtaschen (^Mag entaschen) oder Radiärcanäle heschränkt icurde, welche den Interseptalräumen oder GastrovascuJartaschen der Antho- zoen analog sind. (Fig. 214 &, c) Die Verschiedenheit beruht im Zusammen- hang mit der Scheibenform vornehmlich auf der Höhenreduction der in radialer liichtung ausgedehnten Septalfelder, welche, durch die Verwachsung des oralen und aboralen Entoderniblattes entstanden, die sogenannte GefässlamcUe re- präsentiren. Zugleich erscheint die verbreiterte Mundscheibe zur Begrenzung der Schirm- oder Glockenhöhle concav eingezogen und die Ectodermbekleidung derselben zur Muskulatur der unteren Schirmwand oder Subumbrella um- gestaltet. Die Stützsubstanz der gewölbten (vom Polypenstock losgelösten) Aboralfläche der Scheibe wird zu einer mächtigen, nicht selten mit Zellen erfüllten Mesodermlage, welche die Schirmgallerte oder die Gallerte der Um- brella darstellt, während die der oralen Wand den Charakter einer dünnen, aber festen Lamelle bewahrt und als Stützplatte der subumbrellaren Muskulatur (Schwimmsack der Glocke) dient. Die Tentakeln entspringen der gegebenen Ableitung gemäss nahe am Scheibenrande und sind zu den Randfäden oder Eandtentakeln der Meduse geworden, zu denen noch vier einfache oder ver- ästelte Mundarme als Wucherungen des Mundstieles hinzukommen. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung hat auch die ungeschlechtliche Vermehrung eine weite Verbreitung, insbesondere im Kreise der polypoiden Form zustände, in welchem sie zur Entstehung polymorpher Thierstöcke führt. Meist alterniren beide Formen der Fortpflanzung in gesetzmässigem Wechsel zur Erzeugung verschiedener Generationen. Indessen gibt es auch Medusen (Aeginopsis^Pelagia.)^ welche ohne Generationswechsel direct aus Eiern auf dem Wege der continuirlichen Entwicklung mit Metamorphose hervorgehen. Am häufigsten aber erzeugt die Meduse oder die medusoide Geschlechtsgerame aus ihrem Ei einen Polypen, und dieser entweder alsbald durch Quertheilung oder nach der Production eines sessilen oder freischwimmenden Polypenstockes die Generation der Medusen, beziehungsweise medusoiden Geschlechtsgemmen. Die Polypomedusen ernäliren sich w^ohl durcbgängig von thierisclien Sub- stanzen und bewohnen vorzugsweise die w^ärmeren Meere. Die freibowoglichen Quallen und Siphonophoren leuchten zur Nachtzeit. I. Unterchvssf. Sc-yiiUoraeilusac = Acalephae. 273 Die Cnidarien sind wahrscheiDÜch auf eine hydraähnliche Grundform zurückzuführen (Archlnjdra, E.Haeckel), deren Wand aus einem ectodermalen und entodermalen Epitelund einer ausgeschiedenen zellenlosen Zwischenschicht bestand. Die Archhvdra führte durch fortschreitende Grössenzunahme und Complication des inneren Baues, durch Bildung eines ectodermalen Schlund- rohres und zunächst vier, dann mehr Magentaschen und Septen zur Ent- stehung der palaeozoischen Korallenpolypeu (Tetracorallia), von denen aus die Octactinien und Polyactinien ihren Ursprung nahmen. Aus reducirten vierstrahligen Korallenpolypen mit vereinfachtem Gastro- canalsystom dürften dann die Scyplwpolypen entsprungen sein, welche sich zu den Scyphomedi(sen umgestalteten. Die Hydromeduscn haben sich entweder direct von den Archhydren durch die Zwischenglieder der Hydroiden entwickelt, und dann würde ein diphyletischer Ursprung der Scheibenqualleu bestehen, oder, was aus verschiedenen Gründen grössere Wahrscheinlichkeit hat, aus Stöckchen von Scyphopolypen mit weiter vereinfachtem Gastralsystem, welche die Hydroiden entstehen Hessen. Nur in einzelnen Fällen blieben die vier Gastralwülste als Reste der Septen zurück {Tiibvhividen), ohne dass Gastralfilamente undSeptaltrichter, welche den Hydromedusen durchweg fehlen, zur Entwicklung gelangten. Falls die unabhängige Entstehung der craspedoten Medusen und Aca- lephen, jene von den Archhydren und den von diesen abzuleitenden Hydroiden, diese von den Scyphopolypen, als vereinfachten vierstrahligen Anthozoen, der Wahrheit entsprechen sollte, würden die Cnidarien in Scyphozoen mit den Anthozoen und Scyphomedusen und in Hydrozoen mit den Hydromedusen und SiphonopJioren einzutheilen sein. I. ünterclasse. Scyphomedusae = Acalephae '), Acalephen. Quallen von bedeutender Grösse mit G astral filamenten, meist mit Rand- lappen des Schirmes und bedeckten Randkörpern. Die Jugendzustände sind nicht Hydroidstöckchen, sondern Scyphistoma- und Str ob ilaformen. Die Medusen dieser Ordnung unterscheiden sich von denen der Hydroid- gruppe durch ihre bedeutendere Grösse und durch die ansehnlichere Dicke der meist schirmförmigen Umbrelia, deren reichlich entwickelte, fast stets von Zellen durchsetzte Gallerte eine Fülle fester Fibrillen, sowie elastische Faser- netze enthält und hiedurch eine grössere Rigidität und Festigkeit gewinnt. ^) Ausser den Werken von Brandt, L. Agassi z, Hux'ley, Eysenhardt, vergl. V. Siebold, Beiträge zur Naturgeschichte der -wirbellosen Thiere, 1839. M. Sars, Ueber die Entwicklung der Medusa aurita und Cyanea capillata. Archiv für Natur- gesch., 1841. H. J. Clark, Prodromus of the history etc. of the order Lucernariae. Journ. of Bost. Soc. of Nat. bist., 1863. C. Claus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften der k. Akad. der Wissensch. Wien, 1877. Derselbe, Unter- suchungen über die Organisation und Entwicklung der Acalephen, Prag, 1883. Ferner E. Haeckel. 1. c. C. Clau.s: I.chrbucli der Zoologie, ö. Aufl. 18 274 Scyiihomedusae. Raudlapin \Ä.Mi4§f Ein wichtiger Charakter derselben beruht auf dem Verhalten des Schirm- randes, welcher bei den viergliederigen Formen meist ungetheilt ist, bei den höheren achtgliederigen Schirmquallen durch eine regelmässige Zahl von Ein- schnitten in acht Gruppen von Lappen zerfällt, zwischen denen die Kandkörper in nischenförmigen Einbuchtungen ihre Lage haben (Fig. 232). Aehnlich dem Yelum der Hydroidmedusen erscheinen die Eandlappen der Acalephen als secundäre Bildungen des Scheibenrandes, welche an den Scheibensegmenteu der Strobila als marginale Zapfen hervorwachsen und in dem wenigstens allen p.^ 232 Schirmquallen (Düco- phoren) gemeinsamen Jugendstadium der Epliyra als acht Paare relativ langgestreckter, zungenförmiger Lap- penfortsätze gebildet sind. Eine ungetheilte, von dem Velum der Craspedoten verschie- dene Kandmembran ( Velarüim) tritt bei den Charybdeiden auf. Im Gegensatz zu den Hydroidmedusen besitzen die Acalephen in der Eegel mächtige Mundarme am freien Ende des weiten Mund- stieles. Dieselben sind auf ungleichmässige Wucherungen des Mundrandes zurttckzuftthren, welche in den vier (mit den Radien der Genital- organe und Gastralfilamente alternirenden) Radien des Mundkreuzes als ebenso- viel armförmige Fortsätze amMundstiele hervorwachsen. Im Falle einer frühzeitig beginnenden gabeligen Spaltung der Arme bilden sich vier Armpaare aus, deren krauscuförmig gefaltete Eudlappen sich wiederum spalten und vielfach ver- zweigen {Rhizostomeen). Dann kommt es jedoch schon im Jugendleben zur Ver- wachsung des Mundrandes sowie der angrenzenden Armränder, so dass an Stelle des obliterirten centralen Mundes die peripherischen Theile der Arme mit krausenförmig gefalteten Trichterspalten die Nahrung aufnehmen. (Fig. 233.) Die Gestaltung des Gastrovascularapparates zeigt bedeutende Ver- schiedenheiten, die sich bei den Schirmqualleu als Modificationen aus dem ursprünglich überall gleichen Bau der Ephyra ableiten lassen. Die flache, in acht Raudlappenpaare gespaltene Ephyrascheibe (Fig. 235') enthält eine centrale Die Ohreiifiualle (Aiirelia aurila), von der Muudfläche dargestellt. MA die vier Mund arme mit der Mundöffuung im Ceutrum, Gfc Geuitalkrauseu, (JHOefrnuug der Genitalliöhle, 7f7.- Randkörper, Äff Radiärgefässe, T Ten- takeln am Scheibeuraude. Gestaltung des Gastrovaseiilar rates. Gastrallilauicnte. 275 Fi^ Magenhöhle, in welche der weite und kurze vierkantige Mundstiel einführt, und acht peripherische canalartige Ausläufer (Kadialtaschen), zwischen denen ebensoviel kurze intermediäre Canäle (Intermediärtaschen) innerhalb der Ge- fässlamelle zur Ausbildung gelangen. Bald weiten sich, wie bei Pelagla und Chrysaova^ die radialen und intermediären Gefässcanäle zu ausserordentlich breiten, nur durch schmale Verwachsungsstreifen getrennten „Magentaschen" aus, welche am Kande ohne Communication bleiben, bald werden dieselben zu sehr engen Gefässen, zwischen denen während des fortschreitenden Wachs- thums in den breiten Verwachsungsfeldern durch Auseinanderweichen der beiden Lamellen der Gefässplatte ein rei- ches Netzwerk ana- stomosirender Ge- fässe, sowie in der Nähe des Schirmran- des ein Ringgefäss secundär zur Ausbil- dung gelangt {Au- reh'a. Ehizosioma). Einen ganz ande- ren, noch auf frühere Stadien {Scyplwsto- ma) gemeinsamer Entwicklung zurück- führbaren Typus zeigt derGastrOVaS- sc^je^atiscber Längsschnitt durch eine Wurzelqualle {Rhho.t..,nn\ L^Gallert- CUlarapparat der schirm oder Umbrella, iVMageuraura, .S'Subumbrella, G Geiiitalhan 1. Si, Sehirm- 1 1 _ 1 _ 1 1 höhle, FFilameute, S-Usubumbrellare Muskulatur, ß. lobata Cls., Adria. Aurclia Per. Les. Mit fransenähulichem Tentakelbesatz am Scheibenrande. A. aurüa L. {Medusa aurita L.), Ohrenqualle, Ostsee, Nordsee und Adria. (Fig. 239.) A. flavidula Ag., Küste von Nord-Amerika. b) Rhizostomeae, Wurzelqiiallen. Ohne centrale ]Mnndöflrnung, mit trichter- förmigen Spalten an den acht Mundarmen und acht, seltener zwölf Randkörpern an dem gelappten Schirmrand. Zwischen je zwei Randkörperläppchen finden sich meist acht intermediäre Läppchen. Randfäden fehlen. An den aus Ephyreu sich entwickelnden Jugend formen bleibt die centrale Muudöffnung noch lange Zeit erhalten, erst später wird dieselbe durch Verwachsung der Lippenränder II. Unterelasse. Ilydromedusae, Polypen. 285 geschlossen. Auch sind anfangs nur vier Arme vorhanden (Fig. 241), au deren Rand frühzeitig kleine Tentakelchen sprossen. Später schlagen sich die Arm- spreiten und ebenso das Terminalstück ventralwärts um, und es wachsen die beiden Ecken jedes Armes zu secundären Armen aus, so dass man vier Arm- paare unterscheidet. Schliesslich bilden die gefalteten Säume der vier Arm- paare trichterförmige Spalten, die vermeintlichen Saugmündchen, durch welche mikroskopisch kleine Körper in das Rinnen- und Canalsystem der Mundarme geleitet werden. (Fig. 233.) Fani. Rhizostomidae. Rhizostoma Cuv. Die Arme euden mit einfachen röhrenförmigen Ausläufern und tragen an der Basis Nebenkrausen. Rh. Cuvieri Per. Les. Fam. Cassiopeidae. Die vielfach verästelten Mundarme mit Nesselkolben und langen Fäden zwischen den terminalen Krausen. Coli/Iorhizo Ag. C. tiihercii/ata Esch. (Cnssiopea horbonica Delle Gh.), Mittelmeer und Adria. IL Unterelasse. Hydromedusae '), Hydromedusen. . Stöckchen von Polypen ohne Magenrohr und Mesenterialf alten, mit medu- soiden Geschlechtsgemmen oder mit kleinen Randsaummedusen (Craspedoten) ah Geschlechtsthieren. Die Polypen und polypoiden Formen sind die aufammenden Generationen und bilden kleine moosartige oder dendritische Stöckchen, die häufig von chiti- nigen oder hornigen Röhren (Cuticularskelet) umhüllt sind, Avelche sich zu becherförmigen Gehäusen im Umkreise der Einzelpolypen erweitern können. Stamm und ramificirte Zweige enthalten einen Centralcanal, welcher mit dem Gastralraum aller einzelnen Polypen und polypoiden Anhänge communicirt und den gemeinsamen Nahrungssaft führt. Dem Polypen fehlen Magenrohr und Scheidewände der bewimperten Gastralhöhle. In der Regel bleiben Ectoderm und Entoderm einfach und nur durch eine dünne zwischenliegende Stützlamelle gesondert, die keinerlei zellige Elemente aufnimmt. Sehr verbreitet scheint das Vorkommen von Längsmuskel- fasern entweder als unmittelbaren Ausläufern der ectodermalen Epithelzellen ( Hydra, Podocoryne), öderes können diese Muskeln als selbstständige Lage kern- haltiger Faserzellen in der Tiefe des Epitels zur Sonderung gelangen {Hydrac- tinia, Tuhidaria). Nicht immer sind alle Polypen gleich, zunächst finden sich neben dem Ernährungspolypen proliferirende Polypen, welche die Geschlechts- gemmen an ihrer Wandung erzeugen. Die sterilen Polypen können aber selbst wieder untereinander verschieden sein, und sind hier die mund- und tentakellosen Spiralzooids und Tentakularzooids, sowie die durch die mächtige Entwicklung *) L. Agassiz, Contributions to the Natural Histor\^ of the United States of America. Vol. III— IV, 1860—1862. G. J. Allman, A monograph of the gymnoblastic er Tubularian Hydroids, Vol. I und IL London, 1871 und 1872. N. Kleinenberg, Hydra. Leipzig, 1872. 0. und R. Hertwig, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. Leipzig, 1878. A. Weismann, Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydromedusen. Jena, 1883. Ferner E. Hae ekel, 1. c. 286 Hvflromedusae. Jleduson und meilu-:(iide Gemmen. des Cuticularskelets ausgezeichneten Skeletpolypen liervorzulieben. Wir finden daher schon bei den Hydroiden den Polymorphismus der Siphonophoren vor- bereitet { Podocoryne, Plumulan'a). (Tig. 242..) Geschlechtsproducte werden nur ausnahmsweise im Polypenkörper selbst, und zwar im Ectoderm desselben erzeugt (Hydra). Hier fehlen medusoide Ge- schlechtsthiere, sei es nun in Folge von vollständiger Rückbildung der Anlagen derselben, sei es dass es gar nicht zur Bildung solcher gekommen ist und die ursprünglichen Zustände der einfachsten Cnidarien [Arclihydrae) sich erhalten haben. Im Gegensatz hierzu sind meist kleine sich lösende Scheibenquallen ( Campamdaria cjelatinosa van Ben., Sarsia hihulosa), welche früher oder später, oft erst nach längerem freien Leben und nach bedeutender, mit Meta- morphose verbundener Grössenzu- nahme geschlechtsreif werden, die Fig. 242. Träger der Geschlechtsstoffe, oder aber aus der Rückbildung solcher abzuleitende medusoide Gemmen, welche in verschiedenem Grade den Bali der Meduse ausgeprägt zeigen. Im letzteren Falle findet sich auf einer höheren Ausbildungsstufe in der Peripherie der Knospe eine mantelartige Umhüllung mit con- tinuirlicher Gefässlamelle oder mit mehr oder minder entwickelten Ra- diärgefässen ( Tubidaria coronata, Eudendrmm ramosum van Ben.); im einfachsten Falle nehmen die knos- penförmigen Individuen der Ge- schlechtsgeneration einen Fortsatz der Gastralhöble des polypenför- migen Trägers oder des Achsencanales vom Hydroidstöckchen auf, in dessen Umgebung sich dann die Geschlechtsstoffe anhäufen (Hydractmia echinafa, Clava squamafa). Die als Hydroidmeduseu zu bezeichnenden Scheibenquallen unterscheiden sich von den Äcalephen durch ihre geringere Grösse — einzelne Formen, wie z.B. Aequorea, können freilich mehr als einen Fuss im Durchmesser erreichen — und durch die einfachere Organisation; sie besitzen eine geringere Zahl (4, 6 oder 8) Radiärgefässe, nackte, nicht von Hautlappen bedeckte Randkörper (daher Gymnophthalmata, Forbes) und einen muskulösen Randsaum, Velum (daher Craspedota, Gegenbaur). (Fig. 243). Die Geschlechtsproducte bilden sich an der Wandung der Radiärcanäle oder des Magenstieles stets aus dem Ectoderm und nicht wie bei den Scyphomedusen an der Gastralseite sub- umbrellarer Höhlungen. Podocoryne earnea, nach <'. G rob b e n. PPolypeu, M Jle- dusengemmen an proliferirenden Polypen, S Spiralzooid, St Skoletpolyp. (Vergl. die losgelöste Meduse, Fig. 194.) Nervenriu?. Kamikörpor. S]i lg an Medusen. Fiff. 243. B/) Rw Die hyaline Gallertsubstanz der Scheibenqualle bleibt in der Kegel struc- turlos und entbehrt zelliger Einlagerungen, kann aber von senkrechten Fasern durchsetzt sein, deren Bildung als Zellausläufer wohl im Zusammenhang mit der Genese des Gallertschirmes als Ausscheidungsproduot des anlagernden Ectoderm- und Entodermepithels zu erklären ist. Der Nervenriug am Scheibenraude wird von einem kleinzelligen. Fliramer- haare tragenden Sinnesepithel bedeckt und erscheint als doppelter, von Ganglien- zellen durchsetzter Faserstrang. Der umfangreichere obere Eingnerv verläuft oberhalb des Velums, der schwächere untere Ringnerv hat dagegen seine Lage auf der unteren Seite desselben. Dieser enthält stärkere Fasern, sowie grössere Ganglienzellen und versorgt durch austretende Fibrillenzüge, w^elche wiederum zu Ganglienzellen anschwellen und einen subepithelialen Plexus zwischen Muskelepithel und Faserschicht bilden, die Muskulatur von Velum und Subum- brella. Vom oberen Nervenring, in welchem kleinere Ganglienzellen vorwiegen, treten die Fibrillenzüge zu den Tentakeln, während die Fibrillen der Sinnesnerven von beiden Kingnerven ausgehen können. Die schon seit langer Zeit als Sinnes- organe in Anspruch genommenen Rand- köi'per sind entweder Augenflecke (Ocel- len) oder Gehörbläschen. Demgemäss sind die Hydroidmedusen entweder Ocel- laten oder Vesiculaten. Bei den letzteren gehören die Ge- hörbläschen am Scheibenrande der Sub- umbrellarseite an und enthalten eine oder mehrere in Zellen entstandene Concremente. Jeder concrementhaltigen Zelle liegen eigenthümliche Sinneszelleu an, deren bügeiförmig gebogene Hörhaare die Concrementzellen berühren. In die Basis jeder Hörzelle tritt eine Nerveu- fibrille über. (Fig. 244.) Die Gehörorgane der Trachymedusen dagegen ent- stehen oberhalb des Velums am oberen Nervenring und sind entweder frei vorstehende Kölbchen mit in Entodermzellen entstandenen Otolithen und mit ectodermalen Hörzellen (Trachynema), oder wie bei Geryonia in die Gallerte hineingerückte und somit blasenförmig umschlossene Bildungen mit den gleichen Zellengruppen. (Fig. 245.) Fast allgemein herrscht getrenntes Geschlecht, selten findet sich (Tubu- laria) Dioecie. Zuweilen beobachten wir auch an Medusen Knospenbildung (Sarsi'a prolifera) oder Theilung { Stomobrachium mirabile). Auch können parasitische Jugendformen von Cuninen durch Sprossung Anlass zur Entstehung von Knospenähren an Geryoniden geben. PhialicUum variaUU, von der Subumbrellarseite aus dargestellt. F Velum, 0 Jluiid, Ov Ovarien, 0& Gehörbläschcn, /?/Ranafädeu, /i'/rRaiuhvülste. 288 Hvdromedusae. Er P.auflbläsclieii mit Ncrvcniing uml Riuggefäss von Octorchin, naehO. und B. Hertwig. Rh Randbläschen, O, 0' zwei Oto- lithen, Hz Hörzellen, Hh Hör- liaare, iVy oberer Nervenring, i?(/Ringgefäss. (Typus derGe- liörorgane der Vvsictdati'n.) Die Keimzellen scheinen überall aus demEctoderm zu entspringen, wenn- gleich sie nicht selten von der primären Keimstätte aus durch amoeboide Be- wegung in das Entoderm übergeführt werden. Ursprünglich mochten dieselben am Mundstiel ihre Lage haben, avo das Keimepithel auch jetzt noch in vielen Fällen im Ectoderm zur Eeife gelangt. Von hier aus erfuhren sie schon Avährend der phylogenetischen Entwicklung eine Verschiebung nach der Peripherie in die Radiärcanäle und bei Rückbildung der Meduse zu einer medusoiden Gemme in das Parenchym des Stockes. Auf diese Weise scheint nach Weisman die Erklärung der Thatsache gegeben, dass in der onto- genetischen Entwicklung mancher Hydroiden dasKeim- epithel am Stocke entsteht und erst später in die Me- dusengemmen überwandert und hier zur Reife gelaugt. Die Entwicklung des in der Regel einer Dotter- haut entbehrenden Eies ist in neuerer Zeit besonders durch E. M e t s c h n i k 0 f f * ) eingehender verfolgt. Ueberall scheint eine totale Furchung stattzufinden, Avelche im Umkreis einer geräumigen Furchungshöhle zur Bildung eines einschichtigen Blastoderms führt. Dieses erzeugt eine zweite, entodermale Zellenlage als innere Bekleidung der Gastralhöhle meist mittelst polarer Einwucherung (Äequorea). Die kugelige oder ovale Larve setzt sich nun entweder fest, um durch Sprossung zu einem kleinen Hydroidstöckchen zu Averden, oder bildet sich frei schwimmend direct zur Meduse aus ( Trachy- medusen ). Die frei geAvordenen Medusen erfahren nach ihrer Lösung meist eine weitere Umgestaltung, die nicht nur auf einer Formveränderung des sich ver- grössernden Schirmes und Mundstieles, sondern auch auf einer Vermehrung der Randfäden, Randkörper (Tima) und selbst Radiärcanäle (Äequorea) beruht. Indessen kommt es auch A^or, dass die geschlechts- reife Scheibenqualle nach Körpergrösse, Zahl der Randkörper und Tentakeln ganz bedeutende Varia- tionen zeigt [Phialidiinn varinhüe, Clytia voluhi/is). Die SchAvierigkeit der Systematik AA^ird durch den Umstand erhöht, dass die nächst verAvandten Polypenstöckchen verschiedene Geschlechtsformen er- zeugen können, Avie z. B. Monocaulus sessile Geschlechtsgeramen, Corymorpha sich loslösende Medusen (Sieenstrupia) hervorbringen. Auch können überein- stimmend gebaute Medusen, die man zu derselben Gattung stellen würde, von Hörbläsehen von Gerijonia{Oarma- rina), nach O. und R. Hertwig. N und N' die zutretenden Nerven, Ot Otolith, m HörzeUen, Hh Hijr- haare. (Typus der Gehörorgane der Trachijmeduseii.) *j E. Metscliuikof f, Embryologische Studien an Medusen. Wien, 1886. Arcliliydrae. Hydroenralliae. Hyrlroidae. 289 Hydroidstöckchen verschiedener Familien aufgeanimt werden (hogonisvius). Daher erscheint es ebensowenig zuhissig, der Eintheihing ausschliesslich die Geschlechtsgeneration zu Grunde zu legen, als die Aramengeneration ohne die erstere zu berücksichtigen. 1. Ordnung. Archhydrae. Einzelthiere oder Stöckchen, die selbst ein ver- kalktes Cuticularskelet erzeugen können, mit Eiern und Zoospermien im Körper des Polypen ohne medusoide Geschlechtsgeneration. 1. Unterordnung. Ilydridae. Solitäre kleine Polypen ohne cuti- culare Röhrchen mit hohlen Tentakeln und beiderlei Geschlechtsstoffen im Ectoderm desselben Polypenleibes. Faiii. Hydridae. Hydra L., Süsswasserpolyp. H. viridis L., H. fusca L., bekannt tlurcli die ausserordentliche Eeproductionskraft. Im Sommer pflanzt sich derselbe durch Knospen, im Herbst geschlechtlich fort. 2. Unterordnung. HydrocoralUae. Korallenähnliche Hydroidstöcke mit verkalktem Cuticularskelet. Das aus einem röhrigen Netzwerk gebildete Coenenchym mit in oberflächlichen Poren geöffneten Zellen theils für grössere Nährpolypen, theils für mundlose, mit Tentakeln besetzte Individuen, welche in grösserer Zahl meist kreisförmig um je ein Nährthier angeordnet sind. Fam. Milleporidae. Millepora L. M. alcicornis L. Fam. Sfylasteridae. Stylaster sanguineus M. Edw. H., Alhiiora octilina Ehrbg. 2. Ordnung. Hydroidae. Hydroidstöckchen mit medusoider Geschlechts- generation, welche entweder sessil bleibt oder craspedote Medusen repräsentirt. Die Stöckchen sind daher wenigstens dimorph, können aber auch polymorph werden. Auch können sie ganz hinweg fallen und die Medusen sich direct ent- wickeln. 1. Unterordnung. r«Z>?tZrtr/ör,e( Oce//a. Aufl. 1'' 290 Campauulariae. Traehymetiusae. Fam. Tuhularidae. Polypenstöckchen von chitinigem Periderm überzögen; die Polypen tragen innerhalb des äusseren Tentakelkranzes einen inneren, der Proboscis aufsitzenden Kreis fadenförmiger Tentakeln. Die Geschlechtsgemmen entspringen zwischen beiden Kreisen von Fangarmen. Tiihularla L. Die Hydroidstöckchen bilden kriechende Wurzel- verzweigungen, auf denen sich einfache oder verzweigte Aestehen mit den endständigen Polypenköpfchen erheben. Die Geschlechtsgemmen sessil. T. (Thamnocnidia Ag.) coro- nata Abiig., dioecisch. Corynior^iha Sars. Der von gallertigem Peridenn umhüllte Stiel des solitären Polypen befestigt sich mit wurzeiförmigen Fortsätzen und enthält Eadiär- canäle, welche in die weite Magenhöhle des Polypenköpfchens führen. Die freiwerdende Meduse (Steenstrupia) glockenförmig, mit einem Piandfaden, aber bulbösen Anschwel- lungen am Ende der unteren Kadiärcanäle. C. nntans Sars., 0. nana Alder. 2. Unterordnung. Campanulariae (Vesiculatae , Randbläschen- medusen). Die chitinigen Skeletröhren erweitern sich in der Umgebung der Polypenköpfchen zu becherförmigen Zellen (Hydrotheken). In diese kann das Polypeuköpfehen Mundkegel (Prohoscis) und Tentakeln meist vollständig zu- rückziehen. Die Geschlechtsgemmen entstehen fast regelmässig an der Wandung proliferirender Individuen, welche der Mundöffnung und der Tentakeln ent- behren, und sind bald sessil, bald trennen sie sich als kleine Randbläschen- medusen mit Geschlechtsorganen an den Radiärcanälen (Eucoptden, Geryonop- siden, Aequortden). Fam. Fhnmdaridue. Die Zellen der verzweigten Hydroidstöckchen einreihig, die Zellen der Nährpolypen mit kleinen, von Nesselkapseln erfüllten Nebenkelchen (Nemato- calyx). Plumularia cristata Lam., Antennularia antennina Lam. Fam. Sertularidae. Verzweigte Hydroidstöckchen, deren Polypen in flaschenförmigen Zellen an entgegengesetzten Seiten der Aeste sich erheben. Bynamena pumilalj., Serfu- laria abiefina, cupressina L. Fam. Campamdaridae = Eucopidae. Die becherförmigen Zellen sitzen vermittelst ge- ringelter Stiele auf, die Polypen besitzen unterhalb ihrer konisch vortretenden Proboscis einen Kreis von Fangarmen. Campamdaria Lam. Die proliferirenden Individuen sitzen den Verzweigungen auf und erzeugen freie Medusen von glockenförmiger Gestalt mit kurzem vierlippigen Mundstiel, vier Eadiärcanälen, ebensoviel Eandfäden und acht inter- radialen Eandbläschen. Nach der Trennung bilden sich die Interradialtentakeln aus. C. {Clytia) Johnstoni = volubilis Johnst., wahrscheinlich mit Eucope variabilis Cls. Obelia Per. Les. Unterscheidet sich von Campanularia durch die Medusen. Dieselben sind flach, scheibenförmig und besitzen zahlreiche Eandtentakeln, aber ebenfalls acht interradiale Bläschen. O. dichotoma L. =: [Campanularia gelatinosa van Ben., Fig. 207 a, b), C. geni- culata L., Laomedea Lamx. Die Geschlechtsgemmen bleiben sessil in der Zelle des pro- liferirenden Trägers. L. caliculata Hincks. Fam. Aequoriden. Medusen mit zahlreichen Eadiärgefässen und Eandtentakeln. Aeqvorea Forsk. Ae. Forsl-alina Ag. Hier schliessen sich die Geryonopsiden an. Octorchis E. Haeck. Tima. 3. Unterordnung. Trachymedusae. Medusen mit festem, oft durch Knorpelspangen gestütztem Gallertschirm, mit starren, von solidem Zellen- strang erfüllten Tentakeln, welche auf den Jugendzustand beschränkt sein können (Larven der Geryoniden). Entwicklung ohne Hydroidammen durch Metamorphose. Fam. Trachynemidae. Mit starren, kaum beweglichen Eandfäden. Die Genitalorgane entwickeln sich an bläschenförmigen Ausstülpungen der acht Eadiärcanäle. Aglaiira hemi- stoma (Trachynema ciliahim Ggbr.), Rhopalonema relatum Ggbr., Messina. III. I'utei'elasse. Siphonopliorae. .Stamm. Luftkammer. 291 Fam. Aeginidae. Von flacher, scheibonfürraiger Gestalt der knorpeiharten Uinbrella, mit taschenförmigen Aussackungen des weiten dehnbaren Magenraumes an Stelle der Kadiärgefässe. Einggefäss meist obliterirt und auf einen Zellstrang reducirt. Cunina alhescena Ggbr., Neapel. Aegineta flavescens Ggbr. Aeginopsis mediterranea Joh. Müll. Fam. Geryonidae. Schirm mit knorpeligen Mantelspangen und vier oder sechs hohlen, schlauchförmigen Kandtentakeln. Magenstiel lang, cylindrisch oder konisch, mit rüsselförmigem Mundstück und vier oder sechs Canälen, die in die Ifadiärcanäle über- gehen. Die Geschlechtsorgane liegen an den Eadiärcanälen; acht oder zwölf Randbläschen. Liriope Less. Mit vier Eadialcanälen, vier oder acht Tentakeln und acht Randbläschen. L. telraphylla Cham. Indischer Ocean. Geryonia Per. Les. Mit sechs Radiärcanälen, ohne Zungenkegel. G. umhcHa E. Haeck. Carmarina E. Haeck. Mit sechs Radiärcanälen und Zungenkegel. 0. haslata E. Haeck., Nizza. III. Unterclasse. Siphonophorae M, Schwimmpolypen, Röhrenquallen. Freischwimmende, polijmorplie Hydroidstöcke mit contractilem /Stamme, mit polypoiden Ernährung sthieren und medusoiden Geschlechtsgemmen, meist auch mit Schwimmglocken, Deckstücken und Tastern. In morphologischer Beziehung schliessen sich die Siphonophoren un- mittelbar an die Hydroidstöcke an, erscheinen indessen weit mehr als diese Individuen ähnlich, und zwar in Folge des hoch entwickelten Polymorphismus ihrer polypoiden und medusoiden Anhänge, Die Leistungen der letzteren greifen so innig in einander und sind so wesentlich für die Erhaltung des Ganzen noth- wendig, dass wir physiologisch die Siphonophore als Organismus und ihre Anhänge als Organe betrachten können. Dazu kommt die geringe Selbst- ständigkeit der medusoiden Geschlechtsgeneration, die nur ausnahmsw^eise (Velelliden) die morphologische Stufe der freischwimmenden Meduse erlangt. Anstatt des befestigten ramificirten Hydroidstockes tritt ein freischwim- mender, unverästelter, selten mit einfachen Seitenzweigen versehener contrac- tiler Stamm (Hydrosom ) auf, der häufig in seinem oberen, flaschenförmig auf- getriebenen Ende, Liiftkammei' oder Pneumatophor, oft unterhalb eines apicalen lebhaft gefärbten Pigmentflecks einen Luftsack einschliesst. (Fig. 246.) Ueberall findet sich in der Achse des Stammes ein Centralcanal, in welchem die Ernähruugsflüssigkeit durch die Coutractilität der Wandung und durch Wimperbewegungen in Strömung erhalten wird. Der mit Luft gefüllte Sack, welcher in der Spitze des Stammes von radialen Scheidewänden wie *) Ausser K ö 1 11 k e r, C. V o g t, H u x 1 e yu. A. vergl. :C. Gegenbau r, Beobachtungen über Siphonophoren. Zeitschr. für wiss. Zool., 1853, ferner: Neue Beiträge zur Kenntniss der Siphonophoi'en. Nova acta. Tom. XXVII, 1859. R. Leuckart, Zoologische Unter- suchungen. I. Giessen, 1853, ferner: Zur näheren Kenntniss der Siphonophoren von Nizza. Archiv für Naturgesch. 1854. E. Metschnikoff, Studien über die Entwicklung der Medusen und Siphonophoren. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXIV, 1874. C. Claus, Ueber Haiistemma tergestinum n. s., nebst Bemerkungen über den feineren Bau der Physophoriden. Arbeiten aus dem zool. Institut der Univ. Wien ^tc, Tom. I, 1878. E. Haeck el, Report on the Siphonophorae collected by H. M. Challenger. 1889. C. Chun. Die Siphonophoren der Canarischen Inseln. Sitzungsber. k. Akad. d. Wiss. Berlin, 1889. 19* !92 iphonopl Kälirpiilypen. Xe.sselkuöpfe. eine Blase getragen wird und sich in manchen Fällen zu einem umfangreichen Behälter ausdehnen kann [Physalia), hat die Bedeutung eines hydrostatischen Apparates. Derselbe dient bei den Formen mit sehr langem spiraligen Stamme vornehmlich zur Erhaltung der aufrechten Lage des Siphonophorenleibes und kann in einzelnen Fällen seinem gasförmigen Inhalt freien Austritt durch eine Fig. 246. oder mehrere Oeffnungen ge- .statten. Bei einzelnen Tiefsee- bewohnern (Rhodaliden) soll derselbe durch einen beson- deren glockenförmigen, Gas se- cernirenden Anhang, Aurophor, nach aussen (Fig. 255) aus- münden. Die an dem spiralig ge- drehten, seltener verkürzten und blasig aufgetriebenen Stammehervorgesprossten An- hänge, deren Gastralraum mit dem Centralcanal commuuicirt. erscheinen überall mindestens in doppelter Form: 1. alspoly- poides Ernährungsthier mit Fangfaden und 2.alsmedusoide Geschlechtsgemme. Die Nähr- polypen (Hydranthen ), Saug- röhren oder Mafjenschläuche genannt, sind einfache, mit einer Mundöffnung versehene Schläuche, die niemals einen Tentakelkranz besitzen, da- gegen an ihrer Basis stets einen langen Fangfaden tragen. Die- ser kann sich zu bedeutender Länge entfalten und wiederum in Spiraltouren zurückziehen ; seltener stellt derselbe einen einfachen Faden dar, in der Regel trägt er zahlreiche un- verästelte Seitenzweige, die selbst wieder in nicht minder hohem Grade con- tractu erscheinen. Stets sind die Fangfäden mit einer grossen Zahl von Nessel- kapseln besetzt, welche an manchen Stellen eine sehr dichte und gesetzmässige Anordnung erhalten und namentlich an den Seitenzweigen durch eine besonders dichte Anhäufung grosse, lebhaft gefärbte Anschwellungen, NesseJknöpfe, ent- Sclieina einer Siphonopliore. St Stainin, Ek Ektotiei-m, Eti Kiito- (lerm, Pn Pneumatophor, Sk iScliwiiumglockpiiknospe, S Stlnvimm- glocke, Z) Deokstück, ö Genitalgemine, r Taster, .«'/Senk faden P Polyp, 0 Mundüffiiuiifj; dcssolbon, Nk Ncsselknopf. Geschlcelitsgemnicn, Taster. Deckscliuiipfn. Sc iglockeu. 293 FiiT 247 stehenlassen, an denen sieh ganze Batterien verschiedener Sorten dieser mikro- skopischen Waffen anliäufen. In ilirer besonderen Gestaltung zeigen die Nessel- knöpfe in den einzelnen Familien, Gattungen und Arten charakteristische Abweichungen, welche werthvolle systematische Anhaltspunkte liefern. Die zweite Form von Anhängen, die Geschlechts- (jemmen, bringen meist einen glockenartigen Mantel mit Einggefäss und Eadiärgefässen in der Umgebung des mit Eiern oder Samenfäden gefüllten centralen Stieles oder Klopf eis zur Entwicklung. Gewöhnlich entspringen sie traubenförmig gruppirt an der Basis von Tastern, seltener von Ernährungspolypen, z. B. Velella. Männliche und weibliche Zeugungsstoflfe ent- stehen durchgängig gesondert in verschieden gestalteten Knospen, tiuden sich aber meist in unmittelbarer Nähe monoecisch an demselben Stocke vereinigt (Fig. 247); indessen gibt es auch dioecische oder, wenn man die Gemmen als Geschlechtsorgane betrachtet, getrennt geschlechtliche Siphonophoren, z. B. Apohmia uvaria und Diphi/i's acuminata. Häufig trennen sich die reifen Geschlechtsmedusoiden von dem Stocke, nur selten werden sie als kleine Medusen frei [Chrysomüra der Velelliden), um erst während des freien Lebens die Ge- schlechtsstoffe zu erzeugen. Ausser den constanten Nährpolypen und medu- soideu Geschlechtsgemmen gibt es aber noch incon- stante Anhänge, ebenfalls modificirte Polypoide oder Medusoide. Es sind dies die mundloseyi wurmförmigen Taster^ welche wie die Polypen einen freilich ein- facheren und kürzeren Fangfaden ohne Seitenzweige und Nesselknöpfe tragen, ferner die blattförmigen, knorpelig harten Deckschuppen, die als Schutzorgane der Polypen, Taster und Geschlechtsknospeu dienen, und endlich die als ScJmimmglocken bekannten An- hänge unterhalb des Pneumatophors. Die letzteren wiederholen, wenngleich in bilateral symmetrischer Gestaltung, den Bau der Meduse, entbehren aber des MundstitTs und der Mundöffnung, sowie der Tentakeln und Kandkörper. Dafür aber erlangt im Zusammenhange mit der ausschliesslich locomotiven Leistung die tief glockenförmig ausgehöhlte Subumbrella, der Schwimmsack, eine um so bedeutendere Ausdehnung und kräftigere Muskelbekleidung. Alle Anhänge entwickeln sich ausKuospen mitEctoderm, Entoderm undCentralraum, Ein stück Stamm mit Anhängen von HaJistemma tergeatinum. St Stamm. D Deekstück, T Tastei-, iS/Senk faden desselben, Wg weibliche, ilg männliche Geschlechtsgemmen. Fiff. 248. SU Knospengruppe einer Pliysophorirle an der Ba.sis der Luftkammer. C Centralhöhle, Sk Schwimmglocken- knospe mit dem sich aushöhlenden Knospenkerne. 294 Siplioiiopliorae. Entwicklung. welcher mit der Centralhöhle des Stammes communicirt. Bei den Sclnvimm- glocken und Genitalgemmen liefert eine ectodermale Einwucherimg (Knospen- Fig. 249. '■^^ T^in-^ Entwicklung von Agatmopsls Sarsii, nach Me tselin ikof f. a Bewimperte Larve, h Stadium mit Anlage fies Deckstückes (O), «Stadium mit kappenförmigem Deckstück (D) und Luftkammeranlage (Lf), fZ Stadium mit drei Deckblättern (D, D' D"), Polypen (P) und Senkfaden. k Fig- 250. kern)dieBekleidungderSubumbrellabezie- hungsweise die Greschlechtsstoffe.(rig.248.) Die grossen Eier, welche häufig nur in einfacher Zahl den Knospenkern der weiblichen Geschlechtsgemme füllen, ent- behren der Dottermembran und erfahren nach der Befruchtung eine regelmässig totale Dotterklüftung. An dem freischwim- menden Larvenkörper bildet sich zuerst eine Schwimmglocke (Diphyes) aus, oder der obere Theil der Larve wird zu einem > kappenförmigen Deckstück nebst Luftsack, ' der untere zu dem primären Nährpolypen ( Agalmojjsis). Indem neueKnospen zu blatt- förmigen Deckstückchen werden, kommt es zur Ausbildung eines kleinen Stockes mit provisorischen Anhängen, welche die Sipho- uophorenentwicklung als eine Metamor- phose aufzufassen gestatten. (Fig. 249 und 250.) Der nach Auftreten eines Fangfadens mit provisorischen Nesselknöpfen durch neue Deckstücke vervollständigte Kranz ich dem von Dcckschuppcu persistirt nur bei Ätho- ryhi'a, bei der es überhaupt nie zur Bildung einer Schwimmsäule mit Schwimmglocken kommt. Bei Agalmopsis und Physophora fallen die primären Deckstücke der Larve mit der Streckung des Stammes ab und werden dann durch Schwimm- (% W -^^i^ Kleiner Larvenstock von Arjahnop Typus der Athoryhia. Lf Luftkammer, Z) Deck stück, iVfc Nesselknopf, P Polyp. Calycoplioridae. Piicuniatoi 295 Fiff. 252. Fio-. 251. crlocken ersetzt. Phylooenetiscli wird man die Siphonophoren vou eiuein der Hy- dractinia älinliclien Hydroidstöckclien ') abzuleiten haben, welches, ohne einen Befestigungspuukt zu gewinnen, flottirend sich weiter ausgebildet hat. Andere Forscher glauben eine proliferireude Hydromeduse zum Ausgang nehmen und die Siphonophore auf einen polymorphen Medusenstock mit dislocirten Organen, Magenschläuchen, Senkfäden etc. zurück- führen zu können. 1. Unterordnung. Cahjcophoridae. Mit langem, des Luftsackes entbehrendem Stamme und zweizeiliger [Hippopodidae) Schwimmsäule oder mitzvveigrossen gegen- überstehenden Schwimmglocken, selten mit nur einer Schwimmglocke. Taster fehlen. Die Anhänge entspringen gruppenweise in gleichmässigen Abständen und können in einen Raum der Schwimmglockeu zurück- gezogen werden. Jede Individuengruppe besteht aus einem kleinen Nährpolypen nebstFangfaden mitnackten nierenförmigen Nesselknöpfen und Geschlechtsgemmen, zu denen in der Regel noch ein schirm- oder trichterförmiges Deckstück hinzukommt. (Fig. 251.) Dieselben lösen sich bei einigen Diphyiden als Eudoxien vom Stammesende zu selbstständiger Existenz ab. (Fig. 252.) Die Geschlechtsmedusoiden enthalten zahlreiche Eier in dem oft zapfeuförmig aus der Mantelöffuung vorstehenden Manubrium. 1. Farn. Monophyidae. Mit einer einzigen grossen Schwimm- glocke am oberen Stammende. Monophyes Cls. M. irregularis Cls. M. ißphaeronectes) graciUs Cls . mit Diplophysa inermis Gg\)r.,M.ittel- meer. 2. Fam. Biphyidae. Mit zwei sehr grossen, einander gegen- überstehenden Schwimmglocken am oberen Ende des Stammes. Dijihyes aciiminata Lkt. (Fig.251). dioecisch mit Eudoxia campanidata. Ähijla pentagona Esch. vait Eudoxia ciiboides, Mittelmeer. ZVa?/« 7?iaxima Ggbr., Mittelmeer. 3. Fam. Polyphyidae. Mit zweizeiliger Schwimmsäule an einer oberen seitlichen Abzweigung des Stammes (Nebenachse) ohne Deckstücke. Die Geschlechtsgemmen in Form von Träubchen an der Basis der Nährpolypen. Hippopodius foiew.s'Forsk., Mittelraeer. 2. Unterordnung. Pneumatopjhoridae, Blasenträger. Mit kurzem, sack- förmig erweitertem (Fig. 253) oder langgestrecktem spiraligen (Fig. 254) Stamme mit flaschenförmigem Luftsack, in der Regel mit Schwimmglocken, stück e\ner Dlphijide. nach K. Leuckart. 1) Deckstück, GSGe- nitalscbwimmglocke , P Polyp mit Faug- fadeu. Die Iiidivi - dueugruppe trennt sich als Kudoxin. Diphyes acuminata, etwa achtfacli vergrössert. Sh Saftbeluilter in der obe- ren Schwimmglocke. ') Vergl. 0. Claus, Ueber das Verhältniss von Monophyes zu den Diphyiden. Arbeiten aus dem zool. Institute der Univ. Wien etc. Tom. V, 1884. 296 Agaliiiidae. Fig. 253. Ficr. -204. Phijsophora htjdrostatica. PnPncumatophor, SScliwimm- glockeu, zweireihig an der ScLwimmsäule angeordm-t, T Tentakel, P Polyp oder Mageuschlauch nebst Seuk- fadcn (üf), Nl: Nesselknöpfe an demselben, G Genital- traubeheu. welche unterhalb der Luftkammer eine zwei- oder mehrzellige Schwimmsäiile zusammensetzen. Deckstücke und Taster sind meist vorhanden und wechseln mit den Polypen und Geschlechtsgemmeu in gesetzmässiger Anordnung. Die weib- lichen Gemmen mit je einem Ei. 1. Fam. Agalmidae. Stamm aussei'- ordentlich langgestreckt und spiralig gewun- den, mit zwei- oder mehrzeiliger Schwimmsäule. Deckstücke und Tentakeln vorhanden Forslcalia conlorta M. Edw., Nährpolypen an stielförmigen Seitenanhängeu des Stammes, IIalisteiHmatfrriestinum.Pn'P\\e\\ma,loY\\OT,üac\\wimm- glocken, P Nährpolyp, T Tasterpolyp, iJDeckstiick, Nk Nesselknöpfe am Senkfaden. Pliysoplioridae. Athorybiailae. UliodaliiJae. Physalidae. Discoideae. 297 welche zahlreiche Deckschuppeu tragen. Halistemma Huxl., Taster und Deckschuppen unmittelbar am Stamme. //. rubrum Vogt, Mittelmeer. H. tcrgestinum Cls. (Fig. 254.) Agalmopsis Sarsii KölL, A2)olemia uvaria Less., Mittelmeer. Dioecisch. 2. Fam. Physoijhoridae. Stamm A-erkürzt und unterhalb der zweizeiligen Schwimm- säule zu einem spiraligen Sack erweitert: Deckstücke fehlen. Statt derselben zwei äussere Tasterkränze mit darunter liegenden Geschlechtsträubchen und Nährpolypen nebst Fang- faden. Physophnra Forsk., Ph. hydrostatica Forsk., Mittelmeer. (Fig. 253.) 3. Fam. AthoryUadae. Mit einem Kranze wirbeiförmig gestellter Deckstücke an der Stelle der Schwimmsäule. Atkoryhia rosacea Esch., Mittelmeer. 4. Fam. Rhodalidae. Mit grossem Pueumatophor, unterhalb desselben ein Kranz von Schwimmglocken, zwischen diesen in der Mittellinie ein Sack mit nach aussen geötfnetem Luftgang (Aurophor). Stamm eiförmig mit knorpelhartem, von einem Canalnetz durch- Fig. 255. Stephalia Corona uacb E. Haeckel. a Seitenansicht. -4i>ft Aurophor oder ausführender Abschnitt des Pueu- matophors. Unterhalb des letzteren ein Kranz von Schwimmglocken (Sg), dann die Polypen oder Mageu- schläuche (P) mit ihren Senkfäden und der Centralpolyp h Sagittalschnitt. Der Magenraum des Central- polypen i CP) führt in die Ceutralhöhle des Stammes. setzten Stützgewebe. Am Stamme Polypen mit Senkfäden und traubenförmigen Geschlechts- gemmen. Tiefseebewohner. Stephalia corona E. H. (Fig. 255.).4n^eZops£sFewk. (Auralia E. H.) Rhodalia E. H. 5. Fam. Physalldae. Stamm zu einer mächtigen Blase erweitert, fast horizontal liegend, mit sehr umfangreichem, apical geöffnetem Luftsack. Schwimmglocken und Deck- stücke fehlen. An der Ventrallinie des Sackes sitzen grosse und kleine Kährpoh-pen mit sehr kräftigen und langen Fangfäden, sowie die an tasterartigen Polypoiden befestigten Geschlechtsträubchen. Die weiblichen Gemmen scheinen freischwimmende Medusen zu werden. Physalia Lam., P. Caravella Esch. (Arethusa Til.), ^>e/rt^«ca, utriculus Esch., Atlant. Oeean. 3. Unterordnung. Discoideae. Stamm zu einer flachen Scheibe zusammen- gedrückt, mit einem Systeme caualartiger Räume (Ceutralhöhle). Oberhalb 298 III- Unterkreis. Ctenophorae. desselben lieg-t der Liiftsack in Gestalt eines scheibenförmigen, aus coneeu- trischen (nach aussen geöffnetem Kammern zusammengesetzten, von Chitin ausgekleideten Behälters. Auf der unteren Fläche der Scheibe sitzen die poly- poiden und medusoiden Anhänge, im Centrum ein grosser Nährpolyp und iu dessen Umgebung zahlreiche kleinere Polypen, welche an der Basis die Ge- schlechtsgemmen tragen, endlich folgen nicht weit vom Scheibenrande die Tentakeln. Die Geschlechtsgemmen werden als kleine Medusen ( Chrysomitra) frei und erzeugen erst lange nach der Trennung die Geschlechtsstoffe. Farn. VeleUidae. VeleUa S2iirans Esch., 3Iittelnieer. Porpita mediterranea Esch. III. Unterkreis. Ctenophorae^), Rippenquallen. Zweistrahlige Coelenteraten von kugelig walzenförmiger, selten band- förmig gestreckter Gestalt, mit acht mertdionalen Reihen von grossen Flimmer- platten (Rippen), mit Magenrohr und gastralen Gefässcanälen, in der Regel mit zwei in Taschen zurückziehbaren Senkfäden. Yig, 256. ^^^ Rippenquallen, deren Körperform sich auf die Kugel zurückführen lässt, sind freischwim- mende Coelenteraten von gallertiger Consistenz und zweistrahlig symmetrischem Bau. Schon äusser- lich erscheint der Leib oft von zwei Seiten com- primirt, so dass man zwei durch die Längsachse zu einander senkrecht gelegte Ebenen als Sagittal- ebene und Transversalehene (der Median- und Lateralebene der seitlich symmetrischen Thiere analog) unterscheiden kann. (Fig. 256.) Der Lage Rippcnqualle (Cydippe), vomSchei- i . , , t . ,-. • teipoie gesehen, s Sagittaiebene, dicscr Hanptebenen cutspricht die mnere (Jrgani- T Transversalebene, R Rippen, Gf gatlou, indem iu die Transversalebcue fast alle nur Gefässsystera. . .„ , , m zweifacher Zahl auftretenden Körpertheile, wie die beiden Senkfäden und Magengefässe, die Leberstreifen des Magens, die Stammgefässe der acht Kippencanäle hineinfallen, während in die Sagittai- ebene der längere Durchmesser des Magenrohres (daher auch 3Iagenebene\ die beiden sogenannten Polfelder und die Endgefässe des Trichters (Excretions- röhren) fallen. In die Transversalebene fällt die Compression des Trichters oder die längere Seite des Trichters, weshalb diese Ebene auch als Trichterebene *) C. Gegenbaur, Studien über Organisation und Systematik der Ctenoplioren. Archiv für Naturgesch., 1856. L. Agassiz, Contributions to the Nat. History of tbe United States of America. Vol. III. Boston, 1860. A. Kowalevski, Entwicklungs- geschichte der Rippenquallen. Petersburg, 1866, sowie die russische Abhandlung, 1873. H. Fol, Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte einiger Eippenquallen. Inauguraldissertation. Jena, 1869. A. Agassiz, Embryology of the Ctenophorae. Cam- bridge, 1874. C. Chun, Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. Leipzig, 1880. R.Hert- wig, lieber den Bau der Ctenophoren. Jen. Zeitschr. für Naturw. 1880. E. Metschni- koff, Ueber die Gastrulation und Mesodermbildung der Ctenophoren. Zeitschr. für wiss. Zoologie, Tom. XLII, 1885. Rippen. Gastrovascularapparat. Nervensystem. 299 bezeichnet wird. Da beide Ebenen den Körper in congniente Hälften zerlegen und eine differente Bauch- und Rückenfläche fehlt, so bleibt die Anordnung eine zweistrahlige und ist keine bilateral-symmetrische. Wohl aber ist jede Hälfte für sich als Antimer bilateral-symmetrisch. Durch die sich kreuzenden Schnittflächen beider Ebenen zerfällt der Körper in vier paarweise (nach der Diagonale) untereinander congruente Quadranten. Die Bewegung des Körpers wird vornehmlich durch die regelmässigen Fig. 257. Schwingungen von hyalinen Cilienplatten bewirkt, welche in acht meridionalen Reihen über die Ober- fläche des Körpers in der Weise vertheilt sind, dass jedeni Quadranten ein Paar von Plättchenreihen, so- genannten Rippen (eine subsagittale und eine subtrans- versale Reihe) zugehört. (Fig. 257.) Daneben kommt für die Bewegung des Körpers die durch Muskelfasern des Gallertgewebes bewirkte Contractilität in Betracht, welche bei den bandförmigen Cestiden sogar zu leb- haften Schlängelungen des gesammteu Körpers führt. Die Mundöff'nung, zuweilen von schirmförmigen Lappenfortsätzen des Gallertgewebes umgeben, führt in ein weites (Beroe) oder in ein enges und dann plattes und breites, mit zwei Leberstreifen bekleidetes Magen- rohr, dessen hintere durch Muskeln verschliessbare Oeftnung mit der als Trichter bekannten Gastralcavität communicirt. Das lange Magenrohr ragt mit freier Mün- dung in den Trichter hinein und ist bis auf die Begren- zung durch die zwei Längsgefässe, welche in der Trans- versalebene seine beiden Seitenflächen begleiten, ganz vom Gallertkörper aufgenommen. Der überall recht- winkeligzum Magenrohr comprimirte Trichter entsendet acht Rippengefässe in zweistrahlig symmetrischer Ver- theilung (zwei radiale Hauptstämme, vier intermediäre, acht pararadiale Aeste, welche letztere zu den Meridial- gefässen unterhalb der Rippen führen), sodann zwei ( meist aus einem unpaarenTrichtergefäss entspringen de ) Trichtergefässe, welche ampullenförmig in je zwei Endsäckchen aufgetrieben, das als Otolitheublase bekannte Sinnesorgan des aboralen Poles umgreifend, durch je eine verschliessbare Oeffnung in einer Diagonnlebene ausmünden. Auch können aus dem Trichtergrunde zwei Tentakelgefässe entspringen. Die Innenfläche sowohl des Magens als des Trichters und seiner Gefässe erscheint vollständig bewimpert. Das Nervensystem der Rippenquallen ist bislang nicht ausreichend be- kannt. (Fig. 258.) Wenn die Deutung der grossen, mit vibrirenden Otolithen und heller Flüssio-keit gefüllten Blase am aboralen Pole als Sinnesorgan nicht iphora) plnniosa, un. 0 Muud. 300 Ctenophorae. Geschleclitsorgane. Eiitwickhiiig. Fi^. 258. bestritten werden kann, so wird im Hinl.liek auf den Organismus der Acalephen sehr w^ahrscheinlich, dass das Nervencentriim in dem verdickten Boden 'der- selben, der OtolttJmiplatte, enthalten ist zumal diese noch mit einem zweiten Sinnesorgan, den sagittalen, bereits von Fol als ,^Geruchsplatte^^ gedeuteten Polfeldern in unmittelbarer Verbindung steht und auch mit den als Locomotionsorgane fungirendeuRuderplättchen der Rippen durch acht Flimmerstreifen, den „Flimmerrinnen", continuir- lich zusammenhängt. Selten finden sich im Ectoderm der Cteno- phoren wahre Nesselkapseln, dagegen werden die- selben häufig durch eigenthümliche Kleb- oder Greifzellen vertreten, deren Basis in einen con- tractilen Spiralfaden ausläuft, während das freie, convex vorspringende Ende durch seine klebrige Beschaffenheit an Gegenständen der Berührung haftet. (Fig. 259.) Die Ctenophoren sind Zwitter. Beiderlei Geschlechtsproducte liegen an der Wand der Eippengefässe, beziehungsweise blindsackförmiger Ausstülpungen derselben, bald mehr in localer Beschränkung (Ceshmi), bald in der ganzen Länge des Rippencanals, dessen eine Seite mit Eifollikeln, die andere mit Samen - schlauchen besetzt ist (ßeroe). (Fig. 260.) ' Die ectodermal ent- standenen. vomEnto- dermepithel überklei- deten Keimlager sind von einander durch eine vorspringende Falte geschieden. Eier und Sperma gelangen in denGastrovascular- raum und werden von hier durch die Oeff- nungen desselben aus- gew^orfen. Der Dotter des befruchteten Eies, von besteht wie bei vielen Medusen fein granulirteu Aussenschicht von protoplasmatischem Aborales Ende vou Callianira hialata, na,-h R. Hertwig. x dorniata. Bivium. Trivium. dem Mundpole zugehörige Zone mit Rücksicht auf die Lage bei der Bewegung zur Bauchtläche, indem sie sich abflacht und vorzugsweise oder ausschliesslich Locomotionsorgane besitzt {amhulacrale Zone). Durchwegs hat dieses Yer- hältniss für die irregulären Seeigel Geltung, die sich nun auch nicht mehr nach allen fünf Strahlen gleichmässig, sondern vorherrschend in der Kichtung des unpaaren Eadius fortbewegen. Indem hier der Mund bei gleichzeitiger Verschiebung des Muudpolesnach demVorderrande rückt, scheinen vorzugsweise die beiden hinteren Radien {Bivium) zur Bildung der Bauchfläche verwendet (Spatangiden, Fig. 266 b). Anders dagegen bei den walzenförmigen Holoiliurien. Hier behalten Mund und After ihre normale Lage an den Polen der verlängerten Achse und der Körper flacht sich nicht selten in der Art ab, dass drei Radien (Trivium) mit ihren entsprechenden Beweguugsorganen auf die söhlige Bauch- Fig. 266. 4f Schale einfis irregulären .Seeigels der Spatringiden-CTrui)pe, Brlssopsi.t Tyrijira. a Von der Aboralseite mit zwei Paaren von Geuitalporen und der Madreporenplatte am Ende des hinteren luterradius, in welcliem aueli der After [Af) liegt. '- Von der Oralseite mit dem kiefeflosen nach vorn gerückten Munde und der Poren für die Füsschen. fläche zu liegen kommen. Auch am Körper dieser Holofhurien unterscheidet man einen unpaaren und zwei paarige Radien, allein der unpaare Radius und dessen Interradius bezeichnen nicht die Richtung von Vorne und Hinten, sondern die Mediane der Bauch- und Rückenfläche. Bei manchen Echinodermen (Echinoideen) herrscht die abgeflachte sphae- roidische Grundform vor. Hier erscheint die Hauptachse verkürzt, der apicale Pol etwas zugespitzt oder auch abgeflacht und die ventrale Hälfte zu einer mehr oder minder ausgedehnten Fläche abgeplattet. (Fig. 12a.) Durch Ver- längerung der Achse ergibt sich die cylindrische Walzenform (Holothurtoidea) (Fig. 267), durch Verkürzung die runde oder bei gleichzeitiger Verlängerung der Radien die pentagonale Scheibe. Verlängern sich die Radien um das Doppelte oder Mehrfache der Interradien, so ergibt sich die Form des bald flachen, bald gewölbten Sternes (Asteroidea) (Fig. 13), dessen Arme entweder 307 einfache Fortsetzungen der Scheibe bilden undTheile des Darmes umschliessen {Stelleridea, Seesterne), oder, ohne Darmanhänge aufzunehmen, als selbst- ständigere und beweglichere Organe von der Scheibe schärfer geschieden, in der Regel einfach {Ophiuridea, Schlruigensfenu'). selten verzweigt { Euryalidae) sind, auch einfache gegliederte Seitenfäden, Pinnulae ( Crinoidea), tragen können. Als wichtiger Charakter derEchinodermen gilt die Verkalkung der binde- gewebigen Unterhaut zu einem meist festen, mehr oder minder beweglichen, selbst starreu Panzer, Nur bei den Holotburien mit lederartiger Haut bleiben Fiff. 2GS. Fig. 2G7. C^^ 4, Kalkkörper aus der Haut von Holothurien. o Kalkrädchen von Chirodota, h Auker mit Stützplatte von Synapta, cStilhlchen, f? Platten von Holofhuria impatiens, e Haken von Chirodota. Fis:. 269. Cucumaria mit ausgestreckten, dendritisch verästelten Tentakeln (T). J/Ambulacral- füsschen. Ädp Skeletplatten von Aitrope.cten Hemprichü, nach J. Müller. DE dorsale Randplatten. T'/? ventrale Randplatteu, Ap Am- bulacralplatten, ./p intermediäre Interambulaaralplattcn, Adp vorderste Adambulacralplatten , eine Muudecke bildend. diese Skeletbildungen (Fig. 268) auf isolirte, bestimmt gestaltete Kalkkörper beschränkt, welche in Form von vergitterten Täfelchen, Eädern oder. Ankern in dem Integumeut eingelagert sind; in diesem Falle ist der Hauptmuskel- schlauch kräftig entwickelt und bildet fünf Paare von starken Längsmuskel- bündeln, zwischen welchen eine continuirliche Lage von Kreisfasern die innere Oberfläche der Haut auskleidet. Bei den Seesternen und Schlangensternen bildet sich an den Armen ventralwärts ein bewegliches Hautskelet mit inneren, wirbelartig verbundenen Kalkstückeu aus, während die Riickenfläche von einer in Höcker und Stacheln auslaufenden, oft mit Kalktafeln erfüllten Haut bedeckt ist. (Fig. 269.) Unbeweglich wird das Hautskelet bei den Seeigeln, indem 20* 308 Jta. Pedicellarien. zwanzig Reihen von festen Kalkplatten, in Meridiane geordnet und durch Xähte verbunden, eine dicke unbewegliche Kapsel zusammensetzen, welche nur im Umkreis der Pole durch häutige Theile unterbrochen ist. Diese Plattenreihen ordnen sich in zwei Gruppen von je fünf Paaren, von denen die einen in die Radien hineinfallen und von Oeffnungen zum Durchtritt der Ambulacralfüss- chen durchbrochen sind [Amhulacralplaiten, Fig. 270 Pl, die anderen, ebenfalls paarweise nebeneinander laufenden Reihen den Interradien zugehören und jener Poren entbehren (Interambulacr-alplatten, Fig. 264). Am Apicalpole, welcher bei Crinoideen und jugendlichen Echinoideen von einer Platte (Central- platte) eingenommen wird, findet sich bei den erwachsenen Seeigeln ein von kleinen Kalktäfelchen erfülltes Feld (Periproct) mit der Afterötfnuug. in dessen Fig. 270. Fig. 271. M A ürittes AmbulaL'i'um eines juugen Toxopneugfes droe- bachensis von 3 Mm., nach Loven. Rp Radialplatte, P Primärplatten und Ten- takelporen, diese in noch fast unverändertem primor- dialen Bogen. An den Plat- ten sind die Nähte der Pri- märplatten sichtbar. Sw Sta- chflwarzen. Am Fe' L Z Diagramm zur Daistellung der verschiedenen Organsysteme eines Seeigels, nach Huxley. 0 Mund, Z Zähne, L Lipiien, a^o- Auriculae der Sc-hale, re Re- tractoren, yr Protactoren des Zahngestells oder der Laterne, Po Poll'sche Blasen, R(j Ringgefiiss des Ambulacralgefässsystems, R Radialgefäss des- selben mit denSeitenzvveigen zu den Ambulacralfüsschen(.4TO), Sc Steincanal, J/ Madreporeuplatte, St Stachel, Pe Pedicellarie, A After, iV Nervensystem. Umgebung die fünf ambucralen wie interambucralen Plattenreihen je mit einer fünfseitigen Platte abschliessen, die ersteren mit den radialen sogenannten OcellarplatUn{Y\g.2l() Rp)^ die letzteren mit den mi^xYdi^idlQYiGemtalplatten. (Fig. 264.) Die Crinoideen besitzen ausser dem Hauptskelet der Scheibe noch einen aus fünfeckigen Kalkstücken gebildeten Stiel, welcher an der Rücken- scheibe des Körpers entspringt und sich au feste Gegenstände anheftet. Als Anhänge des Hautpauzers sind die mannigfach gestalteten Stacheln, sowie die Pedicellarien zu erwähnen. Die ersteren sind bei den Seeigeln auf knopfförmigen Tuberkeln beweglich eingelenkt und werden durch besondere Muskeln einer weichen oberflächlichen Hautschicht erhoben und zur Seite gebeugt (Fig. 271 ^S"?); die Pedicellarien (Fig. 272) sind gestielte, beständig klappende, zwei- oder drei-, selten vierschenkelige Greifzangen, welche beson- Ambulacralgefässsystein. 309 273. icellarie einer Leiociflariü , nach P er r i e r. ders deu Mund der Seeigel umstellen und auch auf der Kückenflüche der See- sterne sich finden. Sehr verbreitet kommen bei den jetzt lebenden Seeigeln glashelle Körperchen, Sphaerklien, vor, welche wahrscheinlich die Bedeutung von Sinnesorganen haben. Bei deu Spatangiden treten auf den sogenannten Fasciolen noch knopfförmige bewimperte Borsten, Clavulae, auf. Ein Hauptcharakter der Echinodermen liegt in dem eigenthümlicheii System von Wasser- oder Ämbulacralgefässen und den mit denselben verl)uu- denen schwellbaren Ämhulacralfüsschen. (Fig. 271 und 273. ) Dieses ÄvibukicraJ- gefässsi/stein besteht aus einem den Schlund umfassenden Kingcanal und fünf in den Strahlen liegenden radi- ären Stämmen, welche an der Innenfläche ihrer Wandung be- wimpert und mit einer wässeri- genFlüssigkeitgefüUt sind. Meist verbinden sich mit dem King- gefässe blasige Schläuche, die Poli'schen Blasen und traubige Anhänge, deren Bedeutung nicht näher bekannt ist. Sodann ver- bindet sich mit demselben ein Steincanal (selten in mehrfacher Zahl vorhanden), welcher die Communication des flüssigen Inhalts mit dem Seewasser vermittelt. Dieser von den Kalkab- lagerungen seiner Wandung so genannt, hängt entweder in die Leibeshöhle hinein und nimmt von da aus durch die Poren der Wandung Flüs- sigkeit auf (Holothunen)^ oder endet an der äusserenKörperbedeckungmittelsteinerporösen Kalkplatte, Madrejporenplaite, durch welche das Seewasser in das Lumen des Canalsystems hin- eingelaugt. Die Madreporenplatte wechselt in ihrer Lage mannigfach, indem sie bei den Clypcastriden in den Scheitelpol fällt (Fig. 265 ), bei den CidaricUn in der Nähe des Scheitels in dem rechten vor- deren Interradius (Fig. 264), bei den Ästenden ebenfalls interradial auf der Eückenfläche, bei EuryaU und den Ophmriden auf einem der fünf Mund- schilder liegt. Mehrere Steincanäle und Madreporenplatten besitzen z. B. .Op/»- dmsfernYten und Echinasier ecJu'm'tes. Die Madreporenplatte fehlt ausser den Holoihurioideen auch den Crinoideen. doch sollen Poren der Haut das Wasser in oberflächliche Räume der Leibeshöhle führen, von wo dasselbe in den Stein- canal gelangt. An den seitlichen Aesten der fünf oder mehrfachen Eadialstämme ent- springen die als Ämhulacralfüsschen bekannten Anhänge. Dieselben treten Schematische Darstellung des Ainbula- cralgefässsyatems eines Seestemes. Rc Ringcanal,.4j* Poli'sche Blasen, S/cStein- canal, .1/ Madreporenplatte, P Füsschen an den Seitenzweigen der Radialcaniile, A/j' Ampullen derselben. 310 Eehinodermata. Ambulacralfüsschen. Ambulacralkiemen. Fior. 274. durch Oettnungeu und Poren des Hautskelets hiudiircli und ragen als scliAvell- bare, meist mit einer Saugscheibe versehene Schläuche an der Oberfläche des Echinodermenkörpers hervor. (Fig. 274.) Au der Eintrittstelle der Gefässästchen finden sich contractile Ampullen, welche den flüssigen Inhalt in die Saug- fttsschen eintreiben und dieselben schwellen machen. Dazu kommen semi- lunare Klappen, welche am Eingang in die Füsschencanäle die Schwellung unterhalten. Indem sich zahlreiche Füsschen strecken und mittelst der Saug- scheibe anheften, andere sich zusammenziehen und ihren Fixationspunkt auf- geben, bewegt sich der Echinodermenleib langsam in der Richtung der Radien. Die Anordnung und Vertheilung dieser Anhänge erleidet mannigfache Modi- ficationen. Bald sind dieselben reihenweise in der ganzen Länge des Meridians vom Mimdfelde bis zum Periproct entwickelt, Cidariden und Ciicumaria, bald uuregelmässig über die ganze Körperfläche oder nur über die söhlige Bauch- fläche ausgebreitet, Holotlmrien, bald er- scheinen sie auf die Oralfläcfie beschränkt, Avie bei allen Asteroideen. Im letzteren Falle unterscheiden wir eine ambulncrale von einer antiamhdacrcden Zone, von denen die erstere mit der Bauchfläche, die letztere mit der Rückenfläche zusammenfällt. Indessen zeigen auch die ambulacralen Anhänge einen ver- schiedenartigen Bau und dienen keineswegs immer zur Locomotion. Ausser den Loco- motionsfüsschen können als Anhänge des Wassergefässsystems grosse tentakelartige Schläuche auftreten, welche den Tentakelkranz um den Mund der Holothurien zusammensetzen. (Fig. 267.) Andere Anhänge sind blattförmig gefiedert und bilden die auf der vier- oder fünfblätterigeu Porenrosette (Fig. 265, 266) sich erhebenden Amlndacralkiemen der Clypeastriden und Spaiangiden. Daneben aber besitzen die irregulären Seeigel ganz allgemein auf der Bauchfläche Saug- füsschen, welche bei den Clypeastriden fast mikroskopisch klein werden und in sehr bedeutender Zahl in verästelten Reihen oder in unregelmässiger Ver- theilung über die ganze Oberfläche verbreitet sind. Die Echinodermen besitzen einen ansehnlich entwickelten Darmcanal, welcher in drei Abschnitte, Speiseröhre, Magendarm und Enddarm, zerfällt und sich meist im Centrum des Scheitels, selten in einem Interradius an der Bauch- fläcbe nach aussen öffnet. (Fig. 275.) Es kann indessen auch der Darm blind geschlossen sein, wie z. B. bei allen Ophiuriden und Earycde, ferner bei den Gattungen Asiropecten, Ctenodiscus und Luidia, welche der Afteröffnung ent- behren. Nicht selten finden sich in der Umgebung des Mundes hervorragende, mit Spitzen besetzte Platten des Skeletes, oder es bilden selbst, wie bei den Cidariden und Clypeasiriden, spitze, mit Schmelzsubstanz überzogene Zähne einen kräftigen, beweglichen Kauapparat, welcher in der Umgebung des Schema vom Querschnitt eines Armes von Asteracanthion, nach W. Lange. N Nerven- system, P Ambulacralfüsschen, A verkalkte Stücke desinteguments, THauttentakel (Haut- kieme). Hlutgefasssystein. 311 Schlundes durch ein System von Platten und Stäben (Laterne des Aristoteles) gestützt wird. (Fig. 271.) Eine andere Bedeutung hat bei den Hohihnrlen der in der Umgebung des Schlundes liegende, aus zehn Platten gebildete Kalkring, welcher 7ur Befestigung der Läugsbündel des Hantniuskelschlauches dient. Bei den Seesternen ist der Darmcanal durchwegs kurz, sackförmig und mit blindgeschlossenen, verzweigten Anhängen besetzt, von denen die des After- darmes in deninterradien jpj„. 275. der Scheibe liegen, die j des Magendarmes weit in die Arme hineinreichen. Am umfangreichsten er- scheinen die letzteren als fünf Paare vielfach gelappter Schläuche. (Fig. 276.) Kürzer sind die fünf in die Zwischen- strahleu fallenden Blind- säckchen des kurzenEec- tums, welche vielleicht als Harnorgane fungiren, während die ersteren die verdauende Fläche vergrössern. Bei den übrigen Ecliinodermen streckt sich der enge Darm zu bedeutender Länge und verläuft entweder, wie bei den Crinoideen (Comatula), um eine Spindel in der Achse der Scheibe gewunden, oder, wie bei den Seeigeln, in mehrfachem Bogen, an der inneren Seeigel, mittelst Aequatorialselinittes geöffnet, nach Tiedeman DDarmcanal, mittelst Suspensorien ander Schale befestigt, O Geschlecht Organe, J Interradialplatten. Fig. 276. Durchschnitt durch Arm und Scheibe von Solaster endeca, nach G. O. Sars, etwas verändert. O Mund, der in den weiten Magen führt, A After, L radialer Blinddarm oder Leberschlauch, Js interradialer Sehlauch am Enddarm, Af Ambulacralfüsschen, G Genitalorgan, J/rf Madreporenplatte. Fläche der Schale durch Fäden und Membranen befestigt. (Fig. 275.^ Auch bei den Holotkurien ist der Darmcanal in der Regel weit länger als der Körper, meist dreifach zusammengelegt und durch eine Art Mesenterium suspendirt. (Fig. 277.) Das sehr schwierig zu verfolgende Blufgefässsystem besteht bei den meisten Echinodermen aus einem ringförmigen Gefässgeflecht im Umkreise des Schlundes. Vom Gefässriug strahlen in die Radien ebensoviele sich weiter verzweigende Gefässstämme aus. Dazu kommt ein zweiter Gefässring unter 312 Echinoflermata. Respirationsorgane. Ficr. 27 dem Scheitelpole, welcher Gefässe zu dem Magendarm, sowie zu den Geschlechts- organen entsendet, bei den Asterien und Seeigeln mit dem oralen Ringgefäss durch ein vermeintliches Herz, nach Ludwig ein dichtes Geflecht contractiler Gefüsse, verbunden ist. Hamann bestreitet jedoch das Vorhandensein von Muskelfasern in der Wandung und schreibt dem Organe einen drüsigen Bau zu. Von den Holothnrien kennt man ausser dem Gefässringe um den Oesophagus nur zwei Gefässstämme mitihrenVerzweigungen am Darme. Das Blut ist eine klare, etwas ge- färbte Flüssigkeit, in welcher zahl- reiche farblose Blutzellen suspen- dirt sind. Besondere Bespirationsor- f/ane finden sich keineswegs überall. Die gesammte Fläche der äusseren Anhänge, sowie die Oberfläche der im Leibesraume suspendirten Or- gane und besonders des Darmes scheinen bei dem Austausch der Gase des Blutes in Betracht zu kommen. Das Seewasser tritt, viel- leicht durch einzelne Oeffnungen der Madreporenplatte, in den Leibes- raum ein und wird durch die Wim- perbekleidung desselben und dessen peripherischer Nebenräurae (Peri- hämalcanäle, Schizocoelräume) in lebhafter Bewegung erhalten; auf diesem Wege wird die Oberfläche der inneren Organe stets von Was- ser umspült. Als besondere Respira- tionsorgane betrachtet man die blattförmigen und gefiederten Am- bulacralanhänge der irregulären Seeigel [Amhdacralkiemen), ferner die blinddarmförmigen, mit der Leibeshöhle communicirenden Schläuche einiger regulären Seeigel und der Asteriden (Haut- kiemen), welche bei diesen als einfache Röhrchen über die ganze Rückenfläche (Fig. 274) zerstreut sind, bei jenen als fünf Paare verästelter Schläuche in den Ausschnitten der Schale die Mundöffnung umgeben, endlich die sogenannten Wasserlunyen der Holothurien. Die letzteren sind zwei sehr umfangreiche, baumähnlich verästelte Schläuche, w^elche mit gemeinsamem Stamme in den Ilohithurin. lnhnIosa, der Länge naoh aufgeschnitten, nach M. Edwards. 0 Mund im Centrura der Tentakeln (T), X) Darmcanal, .Sc Steineanal, PPoli'.sche Blase, /?(/ Ring- gefäss des Ambulaeralgefässsysteras, .43 Ambulapralgefäss, M Längsmuskeln, O/ Blutgefäss des Darmes, Ov Ovarium, Cl Cloake, Wl Wasserlunge. Nervensystem Sinnesorgane. 313 Fi^. 278. Enddarm einmünden. [Fig. 277.) Das hier vom After aus aufgenommene Wasser kann wiederum mit grosser Gewalt ausgespritzt werden. Das Nerveimjstem (Fig. 278) besteht aus fünf (oder mehr je nach der Zahl der Strahlen ) in den Strahlen verlaufenden, aus Nervenfasern und Ganglien- zellen zusammengesetzten Hauptstämmen, welche bei den Aster iden in der häutigen Auskleidung der Ambulacralrinne, nach aussen von den Wassergefäss- stämmen, an den Blutgefässen liegen (Fig. 274) und zahlreiche Fäden nach den Füsschen, Muskeln der Stacheln und Pedicellarien etc. austreten lassen (Fig. 278.) Dieselben theilen sich um den Mund in gleiche Hälften, welche sich zur Bil- dung eines ebenfalls Ganglienzellen enthaltenden Nervenringes vereinigen. Bei den Seeigeln (Fig.27l ), Holothurien und Ophiuriden hat das Nervensystem seine ectodermale Lage aufgegeben und ist in die Cutis, eventuell unter das Hautskelet gerückt. Bei den Crinoideen liegt nur ein kleiner Theil des Nervensystems ectodermal in den Ambulacral- furchen des Kelches und der Arme, der grössere Theil der Nerven ist in das Mesoderm der oralen Körperwand gerückt und besteht aus einem pen- tagonalen Schlundring und von diesem austreten- den Nervenästen. Dazu kommt noch ein drittes System von Nerven im Mesoderm der aboralen Körperwand, in welcher auch bei den Asterideu Nervenzüge im Epithel verlaufen. Siuneszellen sind in dem verdickten Ecto- dermbelag, unter welchem die Nervenstämme der Ästeriden verlaufen, in reicher Menge enthalten, ebenso bei den übrigen Echinodermen an vielen Körperstellen ; auch am Ende der Füsschen wurden Sinnesepithelien nachgewiesen. Als Tastorgane betrachtetman die Fühler, welche bei den Ästeriden und Ophiuriden an der Spitze der Arme in ein- facher Zahl auftreten, ebenso die Tentakeln der Holothurien und die pinselförmigen Tastfüsschen der Spatangiden. Aehnliche Sinnesorgane liegen bei den regulären Seeigeln am Scheitel auf den fünf Kadial- platten, durch deren Poren sie hindurchtreten. Dieselben wurden früher irrtliüm- lich für Augenflecken gehalten, daher die Platten als Ocellarplatten bezeichnet. Augen kommen bei den Ästeriden vor. Nach E h r e n b e r g's Entdeckung liegen dieselben als rothe Pigmentflecken auf der Unterseite der Strahlen im Endtheil der Ambulacralrinne und sind gestielte kugelige Erhebungen, welche unter ihrer convexen, von einer einfachen Hornhaut überzogenen Oberfläche eine grosse Zahl kugelförmiger Einzelaugen bergen. (Fig. 279.) Diese letzteren erscheinen mit ihren Achsen gegen einen gemeinschaftlichen Si-hema des Nervensystems eiues See- sternes. A' Nervenring, welcher die fünf ambulacriilen Centren verbindet. Fic-, 279 Arraende mit dem von Stacheln um- stellten Auge (Ol") von A.itropecten an,- rcuitiarua, nach K. Haeckel. 314 Echinodermata. Fortpflanzung. Mittelpunkt gerichtet und bestehen aus rothen, einen lichtbrecheuden Körper umfassenden Pigmentanhäufiingen nebst Xervenapparat. Bei Synapta wurden von Baur Gehörbläschen gefunden und später von Semon bestätigt. Die Fortpflanzung ist vorwiegend eine geschlechtliche, und zwar gilt die Fig. 280. 'ÄV^ Geschlechtsorgane eines £< G Geschlechtsdrüsen US. Ad Afterdi Ampullen. Trennung des Geschlechtes als Kegel. Nur Synapta und Amphiura sind herraa- phroditisch. Die Fortpflanzungsorgane sind in beiden Geschlechtern äusserst gleichartig gebaut, so dass, wofern nicht der Farbenunterschied der meist milch- weissen Samenflüssigkeit und der röth- lichen oder gelblichbraunen Eier zur Er- kennung des Geschlechtes ausreicht, erst die mikroskopische Prüfung der Con- tenta die Entscheidung geben kann, Ge- schlechtsunterschiede der äusserenForm oder bestimmter Körpertheile sind nur in äusserst beschränkter Weise vorhan- den, da sich bei dem Ausfall der Begat- tung die geschlechtlichen Leistungen in der Kegel auf die Bereitung und Ausscheidung der Zeugungsstoff"e reduciren, Eier und Samenfäden begegnen sich daher, von einigen Ausnahmen abgesehen, erst im Seewasser ausserhalb des mütterlichen Körpers, und nur selten kommt Fig. 281. ^^^ Befruchtung im Leibe der Mutter zu Stande, wie z, B. bei viviparen Arten von Amphiura und Phyllo- pfhorus. Die Zahl und Lage der Geschlechtsorgane ent- spricht meist streng der radiären Bauart, doch treten in dieser Hinsicht mancherlei Abweichungen auf. Bei den regulären Seeigeln liegen in den Zwischenstrahlen an der inneren Schalenfläche des Rückens fünf gelappte, aus verästelten Blindschläuchen zusammengesetzte Ovarien oder Hoden, deren Ausführungsgänge durch fünf Oeffnungen der Skeletplatten (Genitalplatten) im Umkreise des Scheitelpoles nach aussen münden. (Fig. 264 und 280. ) Die irregulären Spatangiden ver- lieren zunächst das hintere Genitalorgan und haben stets eine geringe Zahl (4, 3, 2 ) von Geschlechtsorganen. (Fig. 266.) Bei den Aster ideen\\QgQ\[ die fünf Paare von Genitalschläuchen in ähnlicher Anordnung zwischen den Strahlen, zuweilen aber erstrecken sie sich in die Arme hinein ; die Oeffnungen für den Durchtritt der Zeugungsstoffe liegen auf der Eücken- fläche, in jedem Interradius, an zwei Stellen, welche siebartig durchbrochen sind, (Fig, 281,) Bei den Opjhiurideen entwickeln sich, ebenfalls in der Umgebung Stück vom Interradiu.s eines Seesternes (Solasier) mit den Ge- schlechtsdrüsen(0)und den Poren- gruppen (Siebplatten) der Rück en - haut, nach J. Müller und Troschel. Entwicklang, lülaterale Larve. 315 des Mageus, zehn gelappte, aus Blindscliläuchen zusammengesetzte Zeugungs- driisen, deren Producte durch Ausfüliriingsgänge zunächst in Taschen gelangen, welche sich durch Spalten an der Bauchseite zwischen den Armen nach aussen öifnen. Die Crinoideen bergen ihre Geschlechtsdrüsen in den Armen und deren Pinnulae. Bei den Holothnrien reduciren sich die Geschlechtsorgane auf eine verzweigte Drüse, deren Ausführungsgang nicht weit vom vorderen Körper- pole an der Rückenseite ausmündet. (Fig. 277.) Trotz der grossen Verschiedenheiten, welche für die Lage der ausgebildeten Geschlechtsorgane in den einzelneu Echinodermenclassen bestehen, ist doch für alle eine gemeinsame Anlage in dem Vorhandensein von mit amöboiden Keim- zellen erfüllten Genitalröhren nachgewiesen (Hamann) '). Dieselben liegen in einem bindegewebigen von Blutlakunen erfüllten Septum des Schizocöls und bilden Ausstülpungen, welche zu den Genitaldrüsen werden. Bei den Crinoideen gelangen diese in die Pinnulae, bei den Ophiuriden in die Wandungen der als Einstülpungen der ventralen Körperwand entstandenen Bursae, und lassen ihre Keimzellen zu Eiern und Zoospermen reifen. Bei den Echiniden und Aster iden bilden die Ausstülpungen der mit Keimzellen erfüllten Röhren die traubigen Genitaldrüsen, während die Röhren bei den Echiniden später völlig verschwinden. Ein ähnliches Verhältniss scheint auch bei den Holothurioideen zu bestehen. Die EntwicMunfi der Echinodermen beruht in der Regel auf einer com- plicirten Metamorphose, welche sich durch bilaterale Larven charakterisirt. Ohne diese Larvenstadien entwickeln sich viele Holothnrien, einzelne Seeigel, wie Anochanus, Hemiaster, und einige Asieroideen, welche entweder lebendige Junge gebären (Amphiura squamata)^ oder nur wenige grosse Eier ablegen und diese während ihrer Entwicklung in einem Brutraume beschützen. Auch hier aber ist das erste Jugendstadium ein bewimperter Embryo, der sich ent- weder direct in den Echinodermenleib umgestaltet oder unter Vorgängen einer stark vereinfachten Metamorphose zu diesem entwickelt. In den Fällen einer complicirten Metamorphose verwandelt sich der Dotter nach Ablauf der nahezu aequaleu Furchung in einen kugeligen Embryo, dessen Zellwandung Wimpern trägt und einen Gallertkern umschliesst.(Fig.l 29.) Eine grubenförmige Vertiefung der Keimblase wird zur Anlage des Darmes, die Oeffnung, der Gastrulamund, zum After. Der bewimperte Embryo streckt sich und wird zu einer länglich-ovalen, mehr oder minder birnförmigen Larve, an der man einen wenig gewölbten Rücken, zwei symmetrische Seitentheile und eine sattelförmig eingedrückte Bauchfläche unterscheidet. (Fig. 282.) Indem sich die Wimpern auf den wulstig erhobenen Rand der ventralen Impression concentrireu, entsteht hier eine rücklaufende Wimperschnur als Locomotions- apparat. Der Darm ist schon vorher in einer vorderen ventralen Oeffnung, dem Mund, nach aussen durchgebrochen und besteht aus drei Abschnitten, dem Schlünde, Magen und Darm. Der weite, in den Schlund einführende Mund *) 0. Haiiiaiin, Die wiuiderndeu Urkeimzellen und ihre Reifung.sstätteu bei den Echinodermen. Zeitschr. für wiss. Zoologie. Tom. 46, 1887. 316 Echinorlermata. Entwicklung. Auricularia. findet sich innerhalb der Wimperschniir auf der Ventralseite, der After ausser- halb der ersteren ebenfalls noch ventral, in der Nähe des hinteren Poles. Bereits vor Durchbruch des Mundes hat sich vom Darm ein anderes Organ gesondert, ein sackförmiger, innen bewimperter Schlauch, welcher in einem Porus der Rückenfläche nach aussen durchbricht und die erste Anlage des Ambulacralgefässsystems darstellt. Eine zweite, ebenfalls aus der Darmanlage hervorgegangene Bildung sind die scheibenförmigen Lateralsäckchen (Fig. 282 ), deren Wand die peritoneale Auskleidung der Leibeshöhle erzeugt. Mit dem fortschreitenden Wachsthum weichen die Larven der Seeigel, Seesterne und Holothurien mehr und mehr von einander ab. Der wulstige Rand mit der rücklaufenden Wimperschnur erhält Einbiegungen und Fortsätze verschiedener Form in durchaus bilateral-symmetrischer Vertheilung, deren Zahl, Lage und Grösse die besondere Gestaltung des Leibes wesentlich bestimmt. Fig. 282. Larvenentwiclxlung von Asteracaiithioji heryJinus, n.ich Agassiz (im Anschluss .an Fig. 129). ./ Stadium mit eben zum Durchlirueh gelangtem Mund (0), im Profil dargestellt. A Gastrulamund (.\fter), DDarm, T^ Vaso- peritonealsäckcben. 2 Etwas älteres Stadium in Fläciienansicht mit zwei getrennten Vasoperitonealsäckchen. S Aelteres Stadium, von der BauchfläcUe dargestellt, mit zwei queren Wimperwülsten (W), das linksseitige Vasoperitoneal.~äckchen mit Excretionsporus. 4 Junge Bipinnaria mit doppelter Wimperscbnur (IV). Man unterscheidet einen vorderen und einen hinteren ventralen Abschnitt der Wimperschnur von den seitlichen, den Rückenrand bildenden Theilen derselben, welche vorne und hinten durch dorsoventrale Umbieguugen in die ersteren übergehen. Indessen können auch die dorsalen Ränder, anstatt eine vordere dorsoventrale Umbiegung zu bilden, unmittelbar in einander übergehen; dann erhält der vordere ventrale Abschnitt oberhalb des Mundes (Mundschild) seine selbstständige rücklaufende Wimperschnur, ein Verhältniss, welches für die Larven der Asterien (Bipinnarien, Brachiolarien) charakteristisch ist. In allen anderen Fällen ist nur eine einzige rücklaufende Wimperschnur vorhanden. Bei den Larven der Holothurien, den Auricularien (Fig. 283), erheben sich au der Wimperschnur kurze Fortsätze an den dorsalen Seitenrändern und als Auricularfortsätze an der hinteren dorsoventralen Umbiegung der Wimper- schnur, ebenso an der hinteren ventralen (Schirm ) und dem vorderen ventralen Abschnitt (Mundschild i. Aehnlich verhalten sich die Fortsätze bei den Bipin- narien, wenngleich dieselben oft weit länger werden. Die Brachiolarien unter- Plutous. Met; 5rphn 317 scheiden sich von jenen durch drei vordere Arme, welche zwischen den End- bogen der oralen und dorsalen Wimperschnur stehen und als Haftapparate dienen. Die Larven der Ophiuriden und Seeigel, die sogenannten Pluteusfon-nen zeichnen sich durch ihre Pi„ ^ss umfangreichen stabförmigen ^ ^ Fortsätze aus, welche stets durch ein System von Kalk- stäben gestützt werden. Die Pluteuslarven der Ophiuriden besitzen sehr lange Auricular- fortsätze, an der vorderen dor- soventralen Umbiegung des Randes, am dorsalen Seiten- rand und am Rande der hin- teren ventralen Decke. Die Pluteuslarven der Seeigel da- gegen entbehren der Auricu- larfortsätze ganz, entwickeln aber Fortsätze am Rande der vorderen ventralen Decke. Für die Larven der Spatangiden erscheint ein un- paarer Scheitelstab (Fig. 284 ), für die von Echinus und Echinocidaris das Vor- Auricularialarve, nach J. Müller, a vom Rücken, h vom Bauche aus gesehen. 0 Mund unter dem Mundschild, Oe Oesophagus, M Ma- gen, D Darm mit After [A), P Peritonealsäckchen, 1' Ambulacral- gefässrosette mit Porus, R Kalkrädchen. Y\^. 284. kommen von Wimperepauletten (Fig. 285) charakteristisch. Die Verwandlung der seitlich symmetrischen Larven mit bila- teralen Fortsätzen und complicirter Organisation in den Leib des spä- teren Echinoderms erfolgt nicht überall in derselben Weise, indem dieselbe bei den Seeigeln und See- sternen unter mannigfachen von der Haut des Larvenkörpers aus er- folgenden Neubildungen zu Stande kommt, und von allen Theilen des letzteren nur der Magen, Darm und Rücken schlauch aufgenommen wer- den, während der üebergang der Anricidavia in die Synapta ohne Verlust so zahlreicher Körpertheile der Larve durch Vermittlung eines puppenartigen Zwischenstadiums erfolgt. Im ersteren Falle häuft sich ausser- halb der Lateralscheiben, unter Betheiligung der sich verdickenden Haut, ein mit rundlichen Zellen erfülltes Zwischengewebe an, welches durch Aufnahme Spatangiden mit sogenanntem Scheitels {St), nach J. Müller. 318 Echinodermata. Metamorphose. von Kalkablagerungeu zum Hautskelet des späteren Echinoderms wird. (Fig. 286 er.") Der Canal des Eückenporiis hat inzwischen seine einfache Form Fig. 285. aufgegeben und sich in das Einggefäss mit Fortsätzen, den Anlagen der Ambu- y\ \ « / I yo. lacralstämme, umgestaltet. Mit dem fort- il\ 11 / I /// schreitenden AVachsthum tritt der defini- tive Echinodermenleib als ein mehr oder minderkugelig-pentagonaler Körper oder kurzarmiger Stern hervor, an Masse die der Larve allmälig mehr und mehr über- wiegend. (Fig. 286 i. ) Endlich nach dem Hervorwachseu von Ambulacralfiisschen kommt es zur Trennung des Echinoder- menleibes von den Besten des Larven- körpers, welche nicht selten wie üeber- reste eines zerfallenen Gerüstes an dem ersteren haften. Der in das Innere des Echinoderms aufgenommene Magen reisst vom Schlünde der Larve [Bipinnaria) ab, um einen neuen Schlund mit Mundöffnung zu erhalten ; der Kückenporus wird zum Porus der Madreporenplatte. Die Synaptiden dagegen bilden sich durch Umwandlung des gesammteu Pluteuslarve von Echiiius Ui-üliix mit vier Wimper epauletten (TTc), naehE. Me t seh n ikof f, von de Bauchseite gesehen. 0 Mund, A After. Fig. 280. a Bipinnaria von Triest, in der Entwicklung des Seesternes (St), nach J. Müll er. 3/ Magen, ^ After, FAm- bulacralgefässrosette mit anhängendem, im Kückenporus geöffneten Wimperschlauch (5), — h Bipinnaria asfe- rigera mit entwickeltem Sterne, nach J. Müller. 0 Mund, A After, S der Seestern. Auricularienleibes heran. Am vorderen Körpertheile vor dem aus dem Eückeu- schlauche hervorgegangenen Einggefässe entstehen fünf Tentakeln in einem Directe EiitwifklmiK. 319 es verlängert sich der Fig. 287. n später nach aussen durchl)rechenden Eaume. Die Larve zieht ihre Seitenlappen ein und verwandelt sich in einen tonnenförmigen Körper mit fünf transversalen Wimperreihen und verliert Mundöffnung und Kückenporus. (Fig. 287.) AU- mälig bildet sich das Ambulacralsystem weiter aus Darm, die ersten fünf Tentakeln kommen zum Durchbruch, und es entsteht die Mundöifnung am vorderen Pole. (Fig. 288.) Das Thier verliert all- u mälig die Wimperreifen und bewegt sich als junge S3^naptide mittelst der Tentakeln. Bei den pedaten Holothurien tritt auch noch das erste ventrale Füsschen hinzu. f" Bei der mehr directen Entwicklung erscheint die bilaterale Larvenform mehr oder minder voll- ständig unterdrückt und die Zeit des ümher- schwärmens abgekürzt oder ganz beseitigt. Stets sind dann Schutzeinrichtungen als Bruträume am Mutterthier vorhanden, und es besteht ein gewisser X==^-^ Dimorphismus beider Geschlechter, insofern sich Auricuiariapuppe von synap?« im pro- , . •, T 1 mi • 1 n ■>■ -^ , fil, uachE. Metschnikoff. DieEin- beim weiblichen Thiere secundare, auf die Brut- gangsöffnung bereits gross, so dass die pflege bezügliche Charaktere entwickelt haben Tentakeln (t) vorgestreckt werden " . . können. n> Wimperring, Pe, P; ilusse- ( starker gewölbte Schale,weitereGenitaluflfuungen). res und inneres BhutderPentoneai- Am meisten geschützt ist die Bruth(3hle bei Pie- säckchen, oh Gehörbiasen, Po Porns ., , ... ,. , ,. des Ambulacralgefässsvstems. PKalk- vaster miiäaris; hier liegt dieselbe oberhalb des rädcheu.' Afters und der Geschlechtsmündungeu und ward von einer mit Kalkkörperchen erfüllten Haut gebildet, welche sich über die Stacheln des Eückens empor- gehoben hat. Etwa 8 — 20 (1 Mm. grosse) Eier gelangen in das Innere der Brut- höhleund werden dort zu ovalen Embryonen, welche einige Saugfüsschen erhalten und in fünfeckige Sterne übergehen. In anderen Fällen bildet sich ein Brutraum auf der Bauchfläche des Seesterues aus, z. B. Echi- naster /Sarsii, und das vollständig bewim- perte Junge gewinnt am vorderen Ende einen kolbigen Fortsatz, welcher sich in mehrere Haftzäpfchen theilt und als Haft- organ den Körper an der Wand des Briit- raumes befestigt. Nun bilden sich in jedem Strahl Saugfüsschen aus, zwei paarige und ein unpaares, von denen das letztere der Ecke am nächsten liegt ; die fünf Ecken treten stärker hervor, erhalten Augenpunkte und Tentakelfurchen, Stacheln kommen zum Vorschein und die Mundöifnung zum Durchbruch, das Haftorgan wird rückgebildet und die Jungen entschlüpfen dem Brutraume des Mutter- thieres, um allmälig unter kriechender Bewegung und selbstständiger Ernährung .Tunge Holothurie mit vorgestreckten Ten- takeln (T), schwimmend und kriechend, nach J. Müller. 320 Echinodermata. Directe Enlwickluiig. ZU einem kleiuen Seesterne auszuwachsen. Aehnlich verhält sich die Entwicklung bei Asieracanthion Müller i xmdi einigen Ophiuriden, wie Amphiura sqnamnta. Auch für Holothurien (H. trevmla] wurde eine einfache, mehr directe Entwicklung zuerst von Danielssen und Koren, später von Kowalevski im Phyllophorus nrna und vonSelenka für Cucumaria doHohim beobachtet. Im ersteren Falle verlässt der Embryo das Ei in Form einer bewimperten Larve, welche sehr bald eine birnförmige Gestalt annimmt, den Wasser- gefässring und im Umkreise der Mundöffnung fünf Tentakeln erhält. Noch bevor die letzteren anstatt der geschwundenen Wimpern als Bewegungsorgane dienen, hat sich der Darmcaual und das Hautskelet gebildet. Später verästeln sich mit dem fortschreitenden Wachsthum die Tentakeln, und es kommen zwei Ventralfüsscheu hervor, welche die seitliche Symmetrie der Jugendform un- zweifelhaft machen. Endlich ist auch für einige Seeigel {Anochanus sinensis, Gom'ocidaris- Arten, Hennaster cavernosus) Brutpflege und dieser entsprechend vereinfachte Metamorphose nachgewiesen worden. Die Echinodermen sind Meeresbewohner und ernähren sich bei einer langsam kriechenden Locomotion von Seethieren, besonders Mollusken, aber auch von Fucoideen und Tangen. Einige werden in der Nähe der Küsten auf dem Boden des Meeres gefunden, andere und zwar höchst merkwürdige Typen hohen Alters kommen in bedeutenden Tiefen vor. Viele besitzen eine grosse Keproductionskraft und sind im Stande, verloren gegangene Theile, wie z. B. Arme, mit allen ihren Einrichtungen, mit Nerven und Sinnesorganen durch neue zu ersetzen. Obwohl die Echinodermen zu den Coelenteraten in keiner engern Ver- wandtschaftsbeziehung stehen, vielmehr wahrscheinlich von enterocoelen Würmern abzuleiten sind, empfiehlt es sich vorläufig, so lange nicht sichere An- haltspunkte über ihre Abstammung vorliegen, den herkömmlichen Anschluss derselben an die Coelenteraten aufrecht zu erhalten. Die nach dem Schema Gastraea und Gastrula ausgedachte Hypothese einer Pentactaea als Stammform, die von allen Echinodermen in der Pen- tactula als Larvenform recapitulirt sein soll (ßemon), ist nicht weiter discutir- bar. Ueber das relative Alter und die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Classen ist man keineswegs im Klaren. Am meisten Wahrscheinlich- keit hat die Annahme für sich, dass diepalaeozoischenQ/s/«V?eeu') dem Stamm- typus am nächsten stehen und dass von ihnen die Grundformen der übrigen Classen abzuleiten sind. An die regelmässigen, aus grossen Platten zusammen- gesetzten Formen schliessen sich die Crinoideen (und Blastoideen) durch üeber- gänge an, während mit den unregelmässigen, aus vielen Tafeln zusammen- ') Zittel, Handljuch der Palaeontologie Tom. I. 1876—1880. M. Neumayr, Morphologische Studien über fossile Echinodermen. Sitzungsb. der k. Akad. der Wiss. Wien, 1881. I. Classc. Criuoidea. o21 gesützten Formcngi-uppen die SecstBnic und Seeigel iu Verbindung gebniclit werden können. Als gesicliert kann die Verwandtschaft der Asteridon und Echiuiden gelten, von denen die letzteren in der schon von Job. Müller dargelegten Weise auf jene zurückgeführt werden können. Die Holotburioideen dürften von den Ecbino- ideeu aus abzuleiten sein und die jüngsten Glieder der Echinodermen reprä- sentiren. Von den Ästenden führen die mit denselben durch paläozoische Zwischen formen verbundenen Ophiuriden zu den Crinoideen hin, welche trotz der grossen Analogie in Zahl, Lage und Gestaltung der Kelcbtafeln mit den Scheitelplatteu mancher Ecliinoideen [Salenid) mit diesen nicht näher ver- wandt sind, sondern verhältnissmässig abseits stehen. Die vornehmlich von P. H. Carpenter verfolgten Gestaltungsverhältnisse der Kalkplatten am Kelche der Crinoideen und Apex der Echinoideen können zur Zeit nicht als Houiologieen, wohl aber als Convergenzbildungen beurtheilt werden. I. Classe. Crinoidea'), Haarsterne. K'iigdi(/e oder becherförmige Echinodermen mit gegliederten, Pinmdae tragenden Armen, in der Regel mittelst eines gegliederten Kalkstieles befestigt. Die Haut auf der Aboralseite getäfelt, die Ambidacr alanhänge sind Tentakeln in den Kelchfurchen und auf den gegliederten Armen. Für die meisten Crinoideen ist das Vorhandensein eines gegliederten, Cirren tragenden Stieles charakteristisch, welcher am Scheitelpole entspringt und sich mit seinem unteren Ende an festen Gegenständen anheftet (Fig. 289); nur bei wenigen lebenden Gattungen, wie Comatula (Fig. 290) und Actino- metra, ist derselbe auf -die Jugendform beschränkt. Der die Eingeweide ent- haltende Leib erscheint als Kelch am oberen Ende des Stieles und sitzt nur ausnahmsweise unmittelbar am dorsalen Scheitel fest. Die meist pentagonalen Stielglieder sind durch Bandmasse verbunden und von einem die Ernährung vermittelnden, ein centrales und fünf peripherische Blutgefässe bergenden Cen- tralcanal durchsetzt ; in gewissen Abständen tragen sie wirteiförmig gestellte, ebenfalls durchbohrte und gegliederte Ranken. Aeusserlich wird der becherförmige Leib auf der Kückenseite von regel- mässig gruppirten Kalktafeln bedeckt, während die obere Fläche, an welcher *) J. S. Miller, A natural Listory of the Criuoidea or lily-sliaped animals. Bristol, 1821. J. V. Thompson, Sur le Pentacrinus europaeus, l'ötat de jeunesse du genre Comatula. L'institut, 1835. J.Müller, Ueber den Bau von Pentacrinus Caput Medusae. Abliandl. der Berl. Akad., 1841. Derselbe, Ueber die Gattung Comatula und ihre Arten. Ebendaselbst, 1847. Leop. vonBuch, Ueber Cystideen. Abhandl. der Berl. Akad., 1844. Ferd. Römer, Monographie der fossilen Crinoideenfamilie der Blastoideen. Archiv für Naturgesch., 1851. W. Thomson. On tlie Embryology of tlie Antedon rosaceus. Phil. Transactions Roy. Soc, Tom. 155, 1865. W.B. Carpenter, Researches on the Structure, Physiology and Develop- ment of Antedon rosaceus. Ibid., Tom. 156. A. Götte, Vergl. Entwicklungsgeschichte der Comatula mediterranea. Archiv für mikrosk. Anatomie, Tom. XII. H. Ludwig, Morphologische Studien an Echinodermen. Leipzig, 1877. C. Claus: Lehrbuch clor Zoologie. 5. Aufl. 21 322 Criiioidea. Körperbau. die Miindöffiiung und der After liegeu, von eiuer lederartigen Haut bekleidet ist. Am Rande des Bechers entspringen bewegliche, einfache oder gabelig ge- theilte, oft mehrfach verästelte Arme, deren festes Gerüste aus dorsalen, durch Muskeln beweglichen Kalkstücken besteht. Fast überall tragen die Arme an ihren Hauptstämmen oder deren Zweigen Seitenanhänge, Plnnulae, welche alternirend den einzelneu ebenfalls alternirenden Armgliedern zugehören und im Grunde nur die äussersten Armzweige repräsentireu. Der Mund liegt in der Regel im Centrum des Bechers; von hier aus erstrecken sich über die Fig. 289. Scheibe nach den Ar- men, deren Verzwei- gungen und Pinnu- lae rinnenartigeFur- chen, die sogenann- ten Amhulacralfur- chen, welche von einer weichen Haut überzogen sind und die tentakelartigen Ambulacralanhänge tragen. Die Afteröff- nung liegt excen- trisch auf der ambu- lacralen Fläche. Die Geschlechtsorgane liegen im Perihae- malraume der Arme als röhrenförmige Keimlager, von de- nen durch seitliche Ausstülpungen die Genitalzellen in die Pinnulae eintreten und hier zur Reife ge- nach Thomson. laUgCU. Von besonderer Bedeutung ist namentlich in Bezug auf die zahlreichen fossilen Crinoideen die Anordnung der Kelchtafeln. Um für dieselbe eine ein- heitliche Basis zu gewinnen, ist es nöthig, auf die Skeletgebilde einer Jugend- form zurückzugreifen, wie sie uns in der Pentacrinoidlarve der Comatula vor- liegt. (Fig. 289 h.) Die Kalkstücke des Kelches werden als fünf Oralia und ebensoviel Basalia unterschieden. Erstere bilden das orale, letztere das apicale System von Kalkplatten, zu dem jedoch noch eine sogenannte Cenfrodorsal- platte^ und dorsalwärts von der Anlage der Tentakelgruppeu ^\\\\i Eadialla in Zwischenräumen angrenzender Paare von Oralia und Basalia hinzukommen. Entwieklungs.stadien von Comatuta (Aiitcdon), stark vergrössert. a Freischwim- mende Larve mit Wimperschopf und Wimperringen (IT;), sowie mit den Au- lagen der Kalkplalten. — h Festsitzendes Peutacriuusstadium derselben. O Oralia, /J Radial ia, iJHasalia, CWCentrodorsal-Platte. — c Aelteres, alsPenta- crinus europmus beschriebeucs Stadium derselben mit Armen und (Jirren, Tcssollata. Articulat; 323 Die Entwicklung- der lel)en(len Gattung Comatnla, welclie mit einer tonneii- förniigen, von vier Wimperreifen bekleideten Larve beginnt und zu dem fest- sitzenden Stadium der Pentacrinusform (P. europaens) fülirt, beruht auf einer complicirten Metamorpliose. (Fig. 289.) Die meisten Crinoideen gehören den ältesten Perioden der Erdbildung, domUebergangsgebirge und der Steinkohlenformation an. Die lebenden Formen finden sich meist in be- Fig. 290. deutender Tiefe. 1 . Tessellata, Tafel- lilien {Palaeocrinoideen). Mit vollständiger Täfelung des Kelches , an welchem meist Paraba- salstücke, oft auch In- terradialia und Intersti- chalia nachweisbar sind. Kelchambulacren und entsprechende Furchen scheinen gefehlt zu ha- ben. Beginnen im unteren Silur. Faiu. Ciqjressocrinidae. Mit fünf Basalieii, Arme ein- fiicb, unverästelt. Die Verbin- dung derselben mit dcraKelcli wird durch leistenförmige Articularia vermittelt. Cti- liressocriims crassus Goldf. Farn. Cyatliocriniilae. Mit fünf Basalien. Kelch mit Parabasalia. Arme verzweigt. Cyathocrinus Mill. Fam. Plattjcrinidae. Mit drei Basalien. Mars^iinocrimisVhW. Der paläozoischen Gattung Platycrinus ist der von Wyville Thomson beschriebene lebende Tiefseecrinoid II>jo- crinus hethelianus verwandt. Fam. Eucrinidae. Eiicvinus Ang. 2. Articulata, Gliederlilien (NeocrinokUen). Täfelung des Kelches minder vollständig. Parabasalia fehlen meist. Ven- trale Kelchdecke häutig oder schwach getäfelt, mit Ambulacren und Ambula- cralfurchen. Fam. Pentacrinidae. Crinoideen mit zehn mehrfach gabelig getheilten Armen und iunfseitigem Stiel mit Cirrenwirteln. Pentacrinus caput Mcdusae Lam. von den Antillen. (Fig. 291.) P. Mülleri Oerst., Westind. Meere. Zu einer nahestehenden Familie gebort A2nocrinus, dem sich der lebende Rhizocrintts lofotensis M. Sars. ferner Bathycrimis gracilis und aldrichianus W. Th. aus bedeutenden Meerestiefen anschliessen. In die Nähe dieser Gruppe gehört auch die lebende Gattung Holoims aus Westindien mit angewachsenem Kelche. E. Rangii d'Orb. 21* Comatula mcdifcrraiiea, von der Bauchseite dargestellt. 0 Mund, A After. Die Pinnulae mit Gesclilecbtsdrüsen gefüllt. 324 Cvstidea. Tilastoidea. Faiü. Comalulidae, Haarsterne. Nur in der Jugend gestielt, im erwachsenen Zu- stande frei, meist mit zehn Annen am Eande des abgeplatteten Körpers, mit Mund und After. Die Haarsterne können die Arme gegen die Bauchfläche schlagen und sich zwischen Meerespflanzen bewegen. Die ausschlüpfende Larve ist wurmförmig und mit vier Wimper- gürteln versehen. Dieselbe besitzt Mund und After, sowie einen Flimmerschopf am hinteren Kürperende und schwimmt frei umher. Später gehen die Larven durch Bildung von Kalkringen und Tafclreihen in das Stadium des gestielten Fentacrinus über, welcher nach Trennung des Kelches vom Stiele zur Comatula wird. Comatula mediterranea Lam. = Äntedon rosaceus Linck (Fig. 290), Fig. 291. mit Fentacrinus eiiropaeus (Fig. Fig. 292. .C'TT^ 289 c) als Jugend- form. Adinome/ra J. Müll. Fam. Enorini- dae. Kelch mit Pa- rabasalien. Sind die ältesten Gliederli- lien aus der Trias E. liliiformis Schi. (Fig. 292.) Den Crinoideen schlicssen sich die fossilen Qjstideen und Blastoideen an, die wohl als beson- dere Classen zu be- trachten sind. Die CysHdeen (Beutelstrahler) sind kurz gestielt, mit mehr oder min- derkugelförmigem, polygonal getäfel- tem Kelch und schwach entwickel- ten Armen , die gegliederte Pinnu- lae tragen. Hire Geschlecht.sorgane wahrscheinlich im Kelche eingeschlos- sen, eine durch bewegliche Klappen verschliessbare Oeff'nung wird als GeschlechtsüflF- nung gedeutet. Fossil im Uebergangsgebirge und Kohlenkalk. Hieher die Gattungen Sphaeronitcs, Caryocvinus, Echinosphaerites . Die Blastoideen (Knospenstrahler) entbehren der Arme und besitzen nur Ambu- lacralfelder am Kelche, welcher mittelst einer kurzen gegliederten Säule festsitzt. Das Kelchgerüst besteht aus drei Basalstücken, fünf radialen „Gabelstücken" und fünf inter- radialen „Deltoidstücken". Dazu kommen noch die Skeletplatten der fünf radialen so- genannten Ambulacralfelder, welche sich zwischen den Gabelstücken ausbreiten. Die Blastoideen beginnen im oberen Silur mit der Gattung Pentatmnatitcs und erreichen ihre grösste Ausbreitung im Devon und in der Steinkohloiiformatiou. A Pentacrinus caput Medusaa, nach J. Müller. 0 Muud, A After der von der Oralfläche dargestellten Scheibe. Encrimis liliiformis aus dem Muschel- kalk. II. C'lasso. Astoroidt 325 2!)3. II. Classe. Asteroidea 'j, Seesterne. Echinodermen von flacher, pentngonahr oder sierv förmiger Körpergestalt, mit ausgedehnter RUckenhaut, auf die Bauchfläche heschränkten Füsschenreihen und inneren wirhelartig verbundenen Skeletsiücken der Ambidacren. •Die Seesteriie cliaralcterisireu sich zunäclist durch die vorherrschend pen- tagouale oder sternähuliche Scheibenform des Körpers, auf dessen Bauchfläche die Ambuhicralfüsschen beschränkt sind. (Fig. 293.) Die Kadien strecken sich gegenübe)' den durch Auseiuanderwoichen der interambulacralen Plattenreihen verkürzten Interradieu zu einer meist ansehn- lichen Länge und bilden mehr oder minder weit hervorstehende beweg- liche Arme mit ver- schiebbaren Skelet- stücken. Diese beste- ^"^^g^'^^", l^' hen aus quergelagerten Paaren von Kalkplatten ( Ambulacralplatten), welche sich vom Munde an bis gegen die Spitze der Arme erstrecken und durch Gelenke wir- b el artig verbun d en sin d. Von der kugeligen oder flachen Schale der Echi- noideen unterscheidet sich das Skelet diQYAste- roideen «dadurch, dass sich die Ambulacral- und luterambulacral- platten auf die Bauch- fläche beschränken, und auf der Aussenseite der ersteren eine tiefe Ämhulacral- furche entsteht, in welcher ausserhalb der Skeletstücke in der weichen Haut die Nervenstämme, darunter die Perihaemalcanäle mit den Blutgefässen und die Ambulacralgefässstämme verlaufen. (Fig. 274.) Bei den Ophiurideen wird die Ambulacralrinne von Kalkplatten überdeckt, so dass die Füsschen an den Seiten der Arme hervortreten. Auf der Kückenfläche erscheint das Hautskelet lederartig, indess in der Regel mit kleinen Kalktafeln erfüllt, welche sich in Stacheln, Höcker, Papillen fortsetzen und eine sehr verschiedenartige Bedeckung m von fler O Slund, Oralfliiche dargestellt , Af Ambulacralfüsscheu. nach A. Agassi *) J. Müller und Troschel, System der Astenden. Braunscliweig, 1841. Vergl. ausserdem die zahlreichen Aufsätze von Krohn, Sars, Lütken, A^-assiz u. A. 326 Asteroiflea. Skelet. bilden. Am Eaude liegen in der Kückenhaut meist grössere Kalkplatten, ohere, Bandplatten^ in einer randständigen Keihe. (Fig. 294.) Auf der ventralen Fläche unterscheidet man ausser den in das Innere des Körpers hineinfallenden Ambulacralplatten untere Randp/atfen, ferner die Adambulacralplaiten und intermediären Interambulacralplaiten. Die beiden letzten Kategorien von Tafeln entsprechen den Interambulacralplatten der Echinoideen; während dieselben aber im letzteren Falle zwei in der ganzen Länge des luterradius vereinigte Keihen darstellen, weichen sie bei den Asteroideen von den Mund- ecken aus winkelig auseinander und gehören den einander zugewendeten Seiten benachbarter Arme an. Die Ambulacralplatten sind wirbelartig verbundene bewegliche Kalkstücke und lassen zwischen ihren Seitenfortsätzen Oeffnungen zum Durchtritt der Ampullen der Saugfüsse frei. Die rechten und linken Stücke einer jeden Doppelreihe sind entweder durch eine Naht unbeweglich vereinigt (Ophiurtdeen) oder in der Mitte der Armfurche durch ineinandergreifende Fig. 294. Adp Skeletplatten von Astropecfen Ifem^nichii, von J. Müller. DR dorsale Randplatten, 7ß ventrale Randplatten, u4p Ambulaoralplatten, ./;) inter- mediäre Inter.imbulacralplatten, Adp vorderste AdambulacralpLitten, eine Mundeeke bildend. Zähne beweglich verbun- den (Stellerideen). Die letzteren besitzen ven- traleQuermuskeln an den Ambulacralwirbeln und krümmen ihre Arme nach der Ventralfläche zusam- men; die Schlangen- sterne dagegen biegen mittelstihrer ausschliess- licli lateralen Längsmus- keln die Arme ganz be- sonders in derHorizontal- ebene nach rechts und links schlängelnd. Die Mundöffnung liegt stets im Centrum der Bauchfläche in einem pentagonalen oder sternförmigen Ausschnitt, dessen Ränder meist mit harten Papillen besetzt sind. Die interradialen Ecken werden durch je zwei zusammentretende Adambulacralplatten gebildet und wirken häufig als Orgaue der Zerkleinerung. Die Aftoröffnuug kann fehlen, im andern Falle liegt dieselbe stets am Scheitelpole. Die Madreporenplatte findet sich in einfacher, auch wohl mehrfacher Zahl interradial auf dem Rücken '^Stellerideen) oder an der inneren Fläche eines der Mundschilder {Opliiurideen). Die Entwicklung erfolgt in ein- zelnen Fällen direct ohne bilaterale Larven ; da, wo die letzteren als Entwick- lungsstadien auftreten, sind es Formen des Phiteus (Ophiurideen), oder Bipin- narien und Brachial ar/en (Stellerideen"). Die grosse Regenerationskraft der Seesterne beschränkt sich nicht nur auf den Ersatz zerstörter Arme, sondern führt auch zur Neubildung von Scheiben- stücken oder gar der gesammten Scheibe von einem losgetrennten Arme aus; somit kommt es zu einer ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Theilung, die I. TTnterelasso. SMlcridca. 327 besonders an Formen mit sechs Armen {Ophiactis) oder mit einer grösseren ArmzaW (Lmckia) beobachtet wird. Fossile Seesterne finden sich bereits im unteren Silur (Palaeasfer), wo auch Zwischenformen von Stellerideen und Ojthiurideen auftreten (Protaster). I. Unterclasse. Stelleridea, Asterideen, Seesterne. Seesfemc, deren Annhöhlen als Foftsetzuiifjen des Scheihenvaumes die Leheranhänge des Darmes, auch loohl die Geschlechtsorgane in sich aufnehmen und auf ihrer Bauchfläche eine tiefe unhedechte Amhulacral furche besitzen, in loelcher die Füsschenreihen stehen. Die meist breitarmigen Stellerideen zeichnen sich durch die Beweglichkeit der Wirbelhälfteu (Ambulacralplatten) des Armskelets aus und besitzen zwischen denselben Muskeln. Die Afteröffnung liegt am aboralen Pole, doch kann die- selbe auch einzelnen Gattungen {Astropecten) fehlen. Die Madreporenplatte liegt interradiär auf der Kückenfläche, ebenso die Grenitalporen, Die gelappten verästelten Anhänge des Magens erstrecken sich in den Hohlraum der Arme hinein (Fig. 276), auf deren ventralen Fläche zwei oder vier Keihenvon Füsschen in einer tiefen, am Rande von Papillen besetzten Ambulacralrinne verlaufen, (Fig, 293.) Pedicellarien kommen den Asterien zu, ebenso Hautkiemen auf den Tentakelporen der Rückenfläche. Die Seesterne ernähren sich grossentheils von Weichthieren und kriechen mit Hilfe ihrer Füsschen langsam am Boden des Meeres umher. Einige wenige entwickeln sich mittelst abgekürzter Metamor- phose imBrutraumedesMutterthieres, die meisten durchlaufen die freien Larven- stadien der Bipinnarm und Brachiolaria. (Fig. 282 und 286.) Farn. Asieridae. Die walzenförmigen Anibulacralfüsschen enden mit breiten Sang- scheiben und stehen meist vierreihig in jeder Ambulacralfurche. Ästerias L. {Asteracan- thion). A. glacialis 0. F. Müll., A. tenuisphiiis Lani., Mittelmeer. ITeUaster helianthus Gray Mit 29—40 Armen, Chili. Fam. Solasteridae. Die -walzenförmigen Anibulacralfüsschen stehen in zwei Eeihen. Arme lang, oft in mehr als fünffacher Zahl. Solaster papposus Eetz., Ecldnaster sepositus Eetz., Ophidiaster Ag., Linckia Nardo. Fam. Astermidae. Körper pentagonal oder mit kurzen. Armen, meist mit dachziegel- artiger Täfelung, ohne ausgebildete Eandplattcn. Asterina Nardo = Asteriscns Müll. Tr. A. gibbosa Forb. {Asteriscus verruculatus Müll. Tr.) (Fig. 295), Palmipes memlranaceus Linck, Mittelmeer, Adria. Fam. Cnicitidae. Scheibe pentagonal, mit gekörnter oder schwach getäfelter Haut, ohne Eandplatten, Ambulacralfurchen auf die Eückenseite übergreifend. Cidcita coriacea Müll. Tr., Eothes Meer. Fam. Astropectinidae. Füsschen konisch ohne Saugscheiben, in zwei Eeihen. After fehlt. Astropecten aurantiacus Phil. A. pentacanthus Dell. Gh., Mittelmeer. A. platya- canthus, Adria. Luidia Forb. Ctenodiscns Müll. Tr. Fam. Brisingidae. Körpergestalt den Ophiuriden ähnlich. Arme von der Scheibe ab- gesetzt, nur . mit engem Innenraum. Brisinga coronata Sars. Mit 9 — 12 langen Armen, in einer Tiefe von 200 — 300 Faden lebend, Lofoten, Atl. Ocean. Br. cndccacnemos Asbj. Norwejjen. 328 II. TTnterclas.se. Opliiuridea IL Unterclasse. Ophiuridea ' ), Schlangensterne. Afterlose Seesterne mit langen cylindrischen Armen, welche scharf von der Scheibe abgesetzt sind und keine Anhänge des Darmes aufnehmen. Die Ambulacralfurche wird von Schildern der Haut bedeckt, so dass die Amhula- cralfüsschen an den Seiten der Arme hervorstehen. Die Ophiurideen imterscheiden sich sofort durch die cylindrischen, schlangenartig biegsamen Arme, weiche von der flachen Scheibe scharf ab- gegrenzt sind und keine Fortsätze des Darmes einschliessen. Die grosse Beweg- lichkeit der Arme fällt vorzüglich in die Horizontalebene und vermittelt nicht selten eine kriechende Locomotion zwischen Seepflanzen, Die Ambulacralfurche wird stets durch besondere Hantplatten bedeckt, und die Füsschen treten seit- lich zwischen den Stacheln und Plättchen an der Oberfläche hervor. (Fig. 296.) Selten sind die Arme verästelt und können auch mundwärts eingerollt werden ; Fig. 295. Fig. 296. r ^. ^N 'ff Asttriscus vcrruculatus nach Entfernung der Rilcken- haut. Ld Radiale Anhänge oder Leberschläuche des Magens, O Geschlechtsdrüsen. Scheibe mit den Anfängen der Arme von OjMothrix fragilis. G-S Spalten der Genitaltaschen, K Kau- platten. in diesem Falle (Asirophyton) wird die Bauchfurche durch eine weiche Haut geschlossen. Die Afteröffnung fehlt stets, ebenso die Pedicellarien. Die Ge- schlechtsproducte gelangen in Genitaltascheu (Bursae) und aus diesen durch interradiale Spaltenpaare nach aussen. Die Madreporenplatte liegt auf der Bauchfläche an einem Mundschilde. Wenige gebären lebendige Junge, z. B. Amphiura squamata, bei diesen fällt die Metamorphose aus ; die meisten durch- laufen die bilateralen Larvenstadien des Pluteus, z. B. Ophioglypha lacertosa Linck {Ophiolepis ciliata M. Tr.) mit Pluteus paradoxus. Farn. Ophiiiridae. Mit einfachen unverzweigten Annen und mit Bauclisehildern der Ambulacralfurche. Zerfallen nach der besonderen Gestaltung der Kürperbedeckung und der Bewaffnung der Mundspalten in zahlreiche Gattungen. Ophpothrix Müll. Tr. Der 'j Frey er, Ueber die Bewegungen der Seesterne, eine vergleichend physio- logische Untersuchung. Mittheilungen der zool. Station Neapel, .1887. 0. Hamann I.e. Heft IV, Anatomie und Histologie der Ophiurideen und Crinoideen. Jena, 1889. III. Classe. Echinoi.lea. 329 Rücken mit Körnchen, Härchen oder Stacheln verSehen. Scitenschilder der Arme Stachehi tragend. Oph. fragilis 0. Fr. Müll. OpMura Lam. (Ophioderma) . In jedem Interbrachial- raum zwei Paare von Genitalspalton. 0. longkauda Linck, Opldncjlypha Lym., OpJiiolejri.i Lütk., Amphmra Forb., A. squamata Dell. Ch. Farn. Envyalidac. Meist mit verzweigten Armen, welche mundwärts eingebogen werden und der Schilder entbehren, mit weichhäutig geschlossener Bauchfläche. Astrophy- ton verrncosvin Lam., Indischer Ocean. Ä. arhorescens Roud., Mittclmeer. Asleronyx Lo- veni Müll. Tr., Norwegen. III. Classc. EcMnoidea'), Seeigel. Kugelige^ herzförmige oder scheihevfi'trmige Echinodennen mit unheweg- h'chem, aus Kalktafeln zusammengesetztem Skelet^ tvelches als /Schale den Körper umschliesst und hewegliche Stachehi trägt, stets mit Mund- und Äfter- öffnung, mit locomotiven und oft auch respiratorischen Amhulacralanhängen. Die SkeletplattenderHaut verbinden sich ^ig. 297. zur Herstelhinoj einer festen, iinbewediclien o ^^ mehr oder minder sphaeroidischen Schale, welche bald regulär radial, bald irregulär oder symmetrisch gestaltet ist. Mit seltenen Aus- nahmen fossiler Perischoechiniden wie Lepido- ' ' . ': centrus und der jetzt lebenden Ästhenosomen schliessen die Kalkplatten mittelst Suturen fest aneinander und bilden zwanzig meridionale Reihen, von denen je zwei benachbarte alter- '-^ r' nirend in die Strahlen und Zwischenstrahlen fallen, (rig.264.) Die ersteren fünf Paare werden als Ämbuldcralplatten von feinen Porenreihen J - T\ 1 i. 'ij. j 1 d' P" i- J 1 Schisaster (Spatangide) von der Oralseite. zumDurchtritt der langen Saugfusschen durch- ^ ^^^^^^ ^ ^,,^,^ p p„,^„ ,^^ ^^,„^^. brochen und tragen ebenso wie die breiten/?iter- craimsschen. amhulacralplatten kugelige Höcker und Tuberkeln, aufweichen die beweglichen äusserst verschieden gestalteten Stacheln eingelenkt sind. Auf der meridionalen Anordnung der Plattenreihen bei gleichzeitiger Continuität der Interambulacral- reihen beruht die Körperform des Seeigels im Gegensatze zu der des Soesternes. Für die innere Organisation ist die Lage der Nerven und Ambulacral- gefässstämme unterhalb des Skelets von Bedeutung. (Pig. 271.) Zwischen den Stacheln, besonders zahlreich in der Umgebung des Mundes, finden sich Pedi- cellarien, bei einigen Cidariden auch verästelte Kiemen schlauche. Die Genital- poren liegen in der Umgebung des Scheitelpoles interradial auf den Genital- platten, von denen in der Regel eine zugleich Madreporenplatte ist; die in die Radien fallenden Ocellarplatten sind ebenfalls durchbohrt. Auch die regu- lären Seeigel werden oft symmetrisch. Indem ein Radius kürzer oder länger 1° ') Vergl. ausser J. Th. Klein: E. Desor, Synopsis des J]chinides fossiles, 1854 bis 1858. S. Loven, Etudes sur les Echinoidees. Stockholm, 1874. AI. Agassiz, Revi- sion of the Echini. Cambridge, 1872—1874. 330 1- Onlnunpr. Cidarldea. 2. Ordminjr. Clypoastridea. wird als die anderen untereinander gleichen Strahlen, entstehen länglich-ovale, seitlich symmetrische Formen mit centralem Mund und After, aber bereits impaarem vorderen 'RaAms (AcrocJadia— EcJnnometra). Bei irregulären See- igeln rückt die Afteröfifnung aus dem Scheitelpol in den unpaaren Interradins {Chjpcasfriden) (Fig. 265), oft erhält auch die Mundöflfmiiig eine vordere ex- centrische Lage [Spcäangidcn) (Fig. 266) und entbehrt in diesem Falle stets des Kauapparates. Bei vielen regulären Formen sind alle Ambulacralanhänge (Füsschen) von gleicher Form und mit einer durch Kalkstückchen gestützten Saugscheibe versehen; bei anderen entbehren die dorsalen Füsschen der Saug- scheibe und sind zugespitzt, oft auch am Bande eingeschnitten. Die irregulären Seeigel besitzen neben den Füsschen fast durchwegs Ambulacralkiemen auf einer von grösseren Poren gebildeten Eosette der Rückenfläche, Die loco- motiveu Füsschen werden bei den Clypeastriden sehr klein und breiten sich entweder über die ganze Fläche der Arabulacren aus, oder beschränken sich auf verzweigte Strassen an der Bauchfläche. Bei den Spatangiden finden sich an der Oberfläche eigenthümliche Streifen, Fascioleu oder Semttae (Fig. 266 a und 297), auf denen anstatt der Stacheln geknöpfte Borsten mit lebhafter Wim- perung, Clavulae, verbreitet sind. Die Entwicklung erfolgt durch die Larven der Pluteus-form mit Wimperepauletten oder Scheitelstäben (^Spatangidm). Die Seeigel leben vorzugsweise in der Nähe der Küste und ernähren sich von Mollusken, kleinen Seethieren und Fucoideen. Einige Echiuusarten besitzen das Vermögen, sich Höhlen in Felsen zum Aufenthalt zu bohren. Man findet viele fossile, mit Kieselerde gefüllte Schalen besonders in der Kreideformation. 1. Ordnung. Cidaridea, reguläre SeeigeL See/'f/el mit centrahvi Miivd und gkichartigen BandamhuJ.acrcn , mit Zähnen und Kangerüst, soivie mit subcentralem After im Scheitelfelde. Fam. Cidaridae, Turbanigel. Mit sehr sehiiialon Ambulacralen und breiten Inter- ambulacralfeldern, grossen perforirten Stachelwarzen auf denselben und grossen keulen- förmigen Stacheln, ohne Mundkiemen. Cidaris metularia Lam., Phyllacanthus imperialis Lam., Ostindien. Fam. Echinidae, Seeigel. Die Poren sind in Qiierreihen gruppirt. Mit runder, meist dünner Schale, breiten Ambulacralfeldern, Tuberkeln auf denselben und meist kurzen pfriemenförniigen Stacheln, mit Mundkiemen. Arhacia aequituherculata Blaiuv., Mittelmeer und Adria. Diadema longispinus Phil., Sicilien. Echinus melo Lam., Toxopnenstes variegatus Lam., Stroiigyloeentrotus lividus Brit. = saxatilis Lin., Mittelmeer. Fam. EcJdnovieiridae, Querigel. Mit länglich-ovaler Schale, undurchbohrten Tuber- keln und Mundkiemen. Echinovietra obJonga Blainv., Podojihora atrata Brdt., Acrodadla trigonaria Ag. Südsee. 2. Ordnung. Clypeastridea, Schiltligel. L-reguläre Seeigel von schildförmigor Gestalt, mit centralem Mund und Kauapparat, excentrtschem After, sehr breiten Ambulacren, fünfblätteriger Ambulan-alrosette um den Scheitelpol und sehr Ideinen Saugfüsschen. Fünf Genitnlporen in der Umgebung der Madreporenplatte. 3. Ordnung. Spataiigi rale Symmetrie an Würmer und besitzen , , insbesondere mit manchen Gephyreen eine '^^ so auffallende äussere Aehnlichkeit, dass sie T- früher mit denselben in eine gemeinsame Gruppe zusammengestellt werden konnten. Die Körperbedeckung bildet niemals eine feste verkalkte Schale, sondern bleibt stets weich und lederartig, indem sich die Ver- ^/ kalkung auf die Ablagerung zerstreuter Kalkkörper von bestimmter Form be- schränkt. Selten (Cuvieria) treten Schup- pen in der Eückenhaut auf, welche sich dachziegelförmig decken und sogar in stachelartige Anhänge übergehen können ( Ech in 0 cucum is) . Die bilaterale Symmetrie bildet sich nicht nur in Folge einiger unpaarer Organe, sondernnamentlichdurchdenoftsehr scharf ästeiten Tentakeln (t). 4r Ambniacraifüsseiion. *j (j. J. Jaeger, De Holothurii.s. Dissert. iuaug. Turiei, 1833. .T. F. Brandt, Prodromus descriptionis aninialium ab H. Mertensio in orbis tcrraruni circumiiavigatione observatormn, Fase. I. Petropoli, 1835. J. Müller, Ueber Synapta digitnta und über die Erzeugung von Schnecken in Holothurien. Berlin, 1852. A. Baur, Beiträge zur ^fj" i:^ A '\ 1 7, 1 1 'i Cucumarla mit ausgestreckten, dendritisch ver- 332 Ilolotluirioidoa. Köi'porbau. 290. Z'"^^**^ ausgesprochenen Gegensatz von Bauch- und Rückenfläche aus. Bei Cucumaria stehen (Fig. 298) die Ambulacralfüsschen gleichmässig in den fiTnf meridionalen Keihen vom Mundpole bis zum Afterpole, in anderen Fällen sind dieselben vor- zugsweise oder ausschliesslich auf die drei Strahlen des sogenannten Tnvmms beschränkt. Dann bewegt sich die Holothurie auf einer mehr oder minder söhligen Bauchfläche. Auch können die Füsschen gleichmässig über die Ober- fläche der Haut besonders an der Bauchfläche ausgebreitet sein. Dieselben sind meist cylindrisch und enden mit einer Saugscheibe, in anderen Fällen sind sie konisch und entbehren der Saugscheibe. Die Tentakeln, welche ebenfalls mit dem Ambulacralgefässsystem in Verbindung stehen und eigenthümlich modificirte Ambulacralanhänge darstellen, sind fiederartig getheilt, selbst dendritisch verzweigt (Dendro- chzroten), oder schildförmig (Aspidocluroten), d, h. mit einer oft mehrfach getheilten Scheibe versehen. In einzelnenGattungen(>6^rja/)->el (l'ioboaci-,; Mm sk ht din zahlreichen Kiemenspalten Tliierform vou Kowiilevski, El. Metschnikoff uud AI. Agassiz auf ihre Organisation und Entwicklung erforscht. (Fig. 300.) Vor Allem ist es die Gestaltung der Larvenformeu, welche die verwandt- schaftliche Beziehung zu den Echinodermen wahrscheinlich macht. Die als Tor- ~' «ari'abeschriebeneBalanoglossus- larve war von J. Müller gerade- zu alsEchinodermenlarve betrach- tet. In der That besitzt dieselbe wie die Bipinnaria eine doppelte AVimperschmir, von denen die eine präoral den Mundschild einsäumt, die andere grössere, mehr lon- gitudinal verlaufende mit jener am Scheitel fast zusammentrifft. Dazu kommt noch ein prüana- 1er, quergestellter Wimperkranz. • (Fig. 301 a, b.) Im Innern bildet ■ sich ein Divertikel des Darmes zu einem selbststäudigen, das Wassergefässsystem bildenden Säckchen aus, während zwei Paar Divertikel die Peritonealanlage liefern. Auch ein pulsirendes Herz ist vorhanden und soll von einer Verdickung des Ectoderms aus entstan- den sein. Dasselbe senkt sich in eine Vertiefung der Wassergefässblase ein. Am Fig. 301. Scheitel hat sich eine Ectoderm- verdickung, ähnlich, der Scheitel- platte der Wurmlarven, gebildet und zwei Augenflecken erhalten. Die Verwandlung der Lar- ven zum Balanoglossus vollzieht sich unter Rückbildung der Wim- perschnur, der präorale Theil des Larvenkörpers wird zum Eüssel, der orale Abschnitt zum Segment des Halskragens und der nachfol- gende gestreckte Theil mit dem noch vorhandenen Wimperkranz zum Rumpf. Am vorderen Darraabschuitt kommen paarweise Kiemeuöfifnungen zum Durchbruch. (Fig. 302 und 303.) Der wurmförmige, auf seiner ganzen Oberfläche bewimperte Leib des erwachsenen Thieres zerfällt in eine Anzahl schon der äusseren Erscheinung nach differenter Abschnitte. Das vordere Körperende wird durch einen kopfähn- lich vorstehenden, scharf abgesetzten i?«sseZ bezeichnet, aufweichen ein musku- löser Kragen folgt. Hinter demselben beginnt ein langer Leibesabschnitt, die Kiemenregion, mit einer inneren, deutlich geringelten Partie (Kiemen) und zwei a /i . Tornarialoxve, naeh E. Mets h von der Fläche. OMund, A gefässaulage, C Herz, /', ;hnikoff. a Von der Seite, After, ,S' Scheitel, IFWasser- P' l'eritonealsäckchen. Halaiioglossus. Körperliau. 335 lappigen, gewöliuliclnnitgelbeuDrüscn erfüllten Seiten- Fig- 302. tlieileu. An der Grenze zwischen jener und den Seitcn- lappeu finden sich auf jeder Seite lieihen von Oeff- nungen zum Abflüsse des Wassers aus dem Kiemen- raume. Dann folgt ein dritter Leibesabschnitt, die ifa^eu- region, auf dessen oberer Seite vier Eeihen von gelben Drüsen (Geschlechtsdrüsen) liegen. Zwischen denselben erheben sich braungrüne Ausstülpungen (Leberanhänge des Darmes ), die nach hinten zu, wo die gelben Drüsen verschwinden, immer stärker und dichter gedrängt werden. Endlich folgt ein deutlich geringelter ÄÄtüanz- ahsckmtt mit der Afteröffnung am äussersten Ende. Der überaus contractile Rüssel dient zur Fort- bewegung des Leibes. Von dem im Schlamme einge- grabenen Thiere nach aussen her vorgestreckt, soll der- selbe durch eine endständige (neuerdings bestrittene) Oeffnung . Wasser einziehen. Die Mundöffnung liegt hinter dem Vorderrande des sogenannten Kragens und uebergangsformderroniarwin führt in eine Mundhöhle, deren Wandung eine grosse Menge einzelliger Schleimdrüsen enthält. Der nun fol- gende Anfaugstheil des Darmcanals ist Träger des Kie- menkorbes und erscheint durch zwei seitliche Längs- falten fast 8-förmig getheilt. Der Darm liegt nicht frei in der Leibeshöhle, sondern mit Ausnahme des Schwanz- theiles durch Bindegewebe an die Körperwand befestigt, überall aber an den beiden Medianlinien sehr innig an- geheftet. Unter diesen Linien, welche die beiden Haupt- gefässstämme nach aussen durchschimmern lassen, durchziehen den Darm in der ganzen Länge des Thieres zwei mit starken Cilien besetzte Flimmerfurchen. In einiger Entfernung hinter dem Kiementheil beginnen an der oberen Seite des Darmes eigenthümliche Zell- wucherungen aufzutreten, die sich allmälig zu sackför- migen, an der Innenwand flimmernden Ausstülpungen (Leberanhängen) gestalten. Der unmittelbar über dem Eingangsabschnitt in den Darm angebrachte Kiemenkorb springt am abge- platteten Vorderleib in Form eines quergeringelten Längswulstes vor und erhält als Gestell ein System von Chitinplatten, welche durch Querstäbe in eigenthüm- licher Weise verbunden sind. Das durch die Mundöffnung aufgenommene Wasser tritt durch besondere Oeffnuugen, durch welche der vordere Darmabschnitt mit den einzelnen Kiemenabtheilungen communicirt, in die flimmernden Kiemen- Balanoglossiis, in seitlicher Lage, mit einem Paare von Kiemen- spalten, nach E. Metschni- koff. Bo Aeussere Kiemenöff- uuug, PPeritouealsack.FcRiug- gefiiss. Fia ".03 IV^ cV Bo Uebergaugsform dei Toiu-iiia in Jjatanorjhi^tm, mit viei Paaren von Kiemenspalten, nach AI. Agassiz. 336 IV. Thierkreis. Vermes. räume, um durch die beiden Keihen der bereits erwähnten Seitenporen auf der Rückenfläche des Kiemenabschnittes wieder abzufliessen. Das Gefässsystem besteht aus zwei in den Medianlinien eingelagerten Läugsstämmen, welche zahlreiche Queräste an die Körper- und Darmwanduugen abgeben, und aus zwei sich zwischen jene einschaltenden Seitengefässen. Die Kiemen erhalten ihre reichen Gefässverzweigungen ausschliesslich aus dem unteren Stamme. Der obere Stamm, in welchem sich das Blut von hinten nach vorne bewegt, zerfällt am hinteren Ende der Kiemen in vier Aeste, von denen zwei seitliche zu den Seitentheilen des Vorderkörpers treten. Als Nervencentren wurden neuerdings Faserstränge gedeutet, welche in der dorsalen und ventralen Medianlinie des Rumpfes unmittelbar unter der Epidermis verlaufen und in ein Netz feiner Fäden ausstrahlen. Am hinteren Rande des Kragens sollen die Stränge ringförmig verbunden sein. Die Geschlechtsorgane erstrecken sich am Kiementheile nur in einfacher, dahinter aber in doppelter Reihe und erreichen zur Brunstzeit eine ausserordent- liche Entwicklung. Männchen und Weibchen sind zur Brunstzeit leicht an der verschiedenen Färbung der Geschlechtscontenta zu unterscheiden. Die Eier liegen einzeln in einer mit Kernen versehenen, sonst homogenen Kapsel und werden möglicherweise wie die der Nemertinen in Schnüren abgelegt. Die Thiere leben in feinem Sande, füllen ihren Darm mit Sand und bewegen sich, indem der Rüssel bei abwechselnder Verlängerung und Verkürzung den übrigen Körper nachschleppt. BaJcmoglossus clavigerus Delle Ch. und B. minutus Kow.) wurden im Golfe von Neapel gefunden. Eine dritte nordische Balauoglossus- art wurde von Willemoes -Suhm entdeckt und als B. -fiatj^/er^ beschrieben. IV. Thierkreis. Vermes, Würmer. Bilateralthiere mit ungegliedertem oder gleichartig (homonom) segmen- tirtcm Körper, ohne gegliederte Segmentanhänge {Gliedmassen^, mit Haut- 7nusJcelschlauch und j)aarigen Excretionscanälen ( Wassergefässsystem). Seit Cuvier beschränkt man den Kreis der Würmer, unter denen Linne auch die Mollusken, Stachelhäuter, Zoophyten und Infusorien vereinigte, auf diejenigen wirbellosen Bilateralthiere, welche in der gestreckten, seitlich sym- metrischen Körperform übereinstimmen und gegliederter Extremitäten ent- behren. Freilich bandelt es sich um so mannigfach orgauisirte, verschieden gestaltete Formen, dass man öfter vorgeschlagen hat, den Thierkreis in mehrere aufzulösen und wenigstens zwei Kreise als ungegliederte Würmer (/S'co^cce't/«?). und als Gliederwürmer {Anneliden) zu unterscheiden. Indessen würde hiemit wenig gewonnen sein. Die Form des weichen, auf den Aufenthalt in feuchten Medien ange- wiesenen Leibes ist meist gestreckt, platt oder cylindrisch, bald ohne jegliche Kopf. Haut. 337 Fi^. 304. Riiigeluiig, ]);ild geringelt, bald in Segmente {Meiameren) gegliedert. Ueberall ist eine Bauch- und Rückcnflächo zu unterscheiden. Auf der ersteren bewegt sich das Thier in der Regel oder heftet sich auch mittelst Saugscheiben der- selben an fremde Gegenstände an; hier findet sich auch gewöhnlich die Mund- ötfnung (meist an dem bei der Bewegung nach vorne gekehrten Ende), sowie die einfache oder mehrfache Geschlechtsöffnuug. Der Gegensatz des platten, mehr verkürzten und des cylindrischen, langgestreckten Leibes erscheint be- sonders für die nicht segmentirten Würmer i^Vermes s. str.) von Bedeutung, so dass man, auf denselben gestützt, die Classen derselben als Platyhelmmihes oder Plattwürmer und Nemathelmmthes oder Rundwürmer unterschieden hat. Andere haben die Plathoürmer als besonderen Thierkreis abgetrennt, oder sich für eine Auflösung in eine grössere Zahl von Kreisen ausgesprochen oder umgekehrt, die Anneliden mit den Arthropoden und Mollusken in einen Tliierkreis zusammengezogen. Indessen haben alle diese Versuche zu keiner besseren und natürlicheren Gruppenbildung geführt, so dass es zur Zeit vorzuziehen ist, die bisherige, wenn auch als unzureichend er- kannte Zusammenstellung als die relativ beste aufrecht zu erhalten. Die segmentirten Würmer oder Glieder- würmer [AnnelMes) besitzen ausser dem Gehirn eine Bauchganglienkette und eine der äusseren Gliederung mehr oder minder entsprechende Segmentirung der übrigen Organe. Die ursprüng- lich gleichartigenLeibesstücke, welche alsMeta- meren oder Segmente erscheinen, bleiben keines- wegs immer durchaus homonom ; bei den höchst entwickelten Gliederwürmern vereinigen sich die beiden vorderen Segmente zur Herstellung eines Körperabschnittes, welcher den Kopf der Arthropoden vorbereitet und wie dieser von der Mundöffnung durchbrochen ist, sowie das Gehirn umschliesstund die Sinnesorgane trägt (Fig.304); aber auchin der GestaltungdernachfolgendenMetamerenmachen sich häufig gar mancherlei Abweichungen von der Homonomität geltend. Die Haut der Würmer zeigt sehr verschiedene Stufen der Erhärtung und bedeckt einen mächtig entwickelten Muskelschlauch. An der Haut unterscheidet man eine als Matrix fuugirende Zellenlage (Hypodermis) oder wenigstens eine mit Kernen durchsetzte Protoplasmaschicht und eine oberflächliche homogene Cuticularschicht, welche als äussere, von jener ausgeschiedene Lage bei den niederen Würmern äusserst zart und dünn bleibt, bei dan Nemathelmmthen oft mehrfach geschichtet und selbst in mehreren Straten gesondert, bei manchen Anneliden (C7«ae/opocZew) von ansehnlicher Dicke ist und von Pörencanälen durch- setzt sein kann. Windperhaare sind vornehmlich in den Larvenzuständon von C. Claus: Lehrbuch liei- Zoologie. 5. Aufl. *-• Kopf und vordere Leibes.segmeiite einer Eunice., vom Rücken aus ge.sehen. TTeu- takeln oder Fühler des Stirnlappens, Ct Citri tentaculares, C Cirri an den Para- podien, Br Kiemenanhänge der Para- podien. 338 Vermes. Ilautmuskelscblauch. Plfifyhelminthen und Anneliden verbreitet. Da, wo die Bewimperiing fehlt, besteht die oberflächliche, zuweilen in Form von Höckern oder Stacheln erhobene Cuti- cularmembran aus einer dem Chitin der Arthropodenhaut verwandten Substanz und kann wie diese mancherlei Cuticulargebilde, wie Haare und Borsten, Haken und Klammerwaffen tragen. Bei zahlreichen A^ewa/Äß/wm/Äen, sowie gegliederten Würmern wird die derbe Cuticula zu einer Art von Hautskelet, welches den Contractionen des Hautmuskelschlauches entgegenwirkt. Bei den Chaetopoden unter den Anneliden, aber auch bei den innerer Metameren entbehrenden Roti- feren gliedert sich das derbe Integument in eine Anzahl hintereinander liegender Abschnitte, welche wie die Segmente des Arthropodenleibes durch zarte Haut- streifen verbunden sind und in diesen durch die in entsprechende Abschnitte gesonderte Hautmuskulatur bewegt und verschoben werden können. Doch sind diese Hautabschnitte bei den Kotiferen keine wahren Metameren, da eine Glie- derung der inneren Organe fehlt. In grosser Verbreitung kommen in der Haut Drüsen vor, welche als ein- zellige oder aus Zellencomplexen gebildete Schläuche bald unmittelbar unter der Epidermis liegen, bald in die tiefereu Körpergewebe hineinrücken. Das unter der Hypodermis gelagerte Gewebe, welches man auch als Unterhaut bezeichnen kann, wird überall durch Aufnahme von Längsmuskeln, be- ziehungsweise auch zugleich von Eingmuskeln zu einem Hautmmkelschlauch, dem wichtigsten Bewegungsorgan des Wurmleibes. Bei der Bedeutung, welche der Hautmuskelschlauch für die Fortbewegung des Wurmleibes besitzt, wird man den besonderen Gestaltungsformen desselben auch einen gewissen syste- matischen Werth einzuräumen haben, der freilich nicht in einseitiger Weise überschätzt werden darf. Am complicirtesten ist die Schichtung und der Ver- lauf der Hautmuskeln bei den Plattwürmern und unter den Anneliden bei den Hirudi'neen, indem hier die in eine bindegewebige Grundmasse eingelagerten Ring- und Längsmuskelschichten von dorsoveutral verlaufenden Muskelfasern (zuweilen auch noch von schräg gekreuzten) durchsetzt werden. Dazu können überall noch Gruppen von Muskelfasern hinzukommen, welche zur Befestigung von inneren Organen an dem Integumente dienen. Auf besondere Differen- zirungen des Hautmuskelschlauches sind die bei parasitischen Würmern so häufig vorkommenden Saugnäpfe, sowie die mit Borsten besetzten Gruben und Fusssturamel {Parapodien) der Chaetopoden zurückzuführen. Vornehmlieh entwickeln sich diese Hilfsorgane der Bewegung an der Bauchfläche, die Saug- näpfe mit ihren accessorischen Klammerwaffen in der Nähe der beiden Körper- enden oder auch wohl in der Mitte des Leibes, die Fussstummel aber in der ganzen Körperlänge paarig auf die einzelnen Leibesringe vertheilt, und zwar sowohl der Bauchseite als der Rückenseite angehörig, so dass jedes Segment ein bauchständiges und ein rückenständiges Paar von Fussstummeln trägt. Die innere Organisation der Würmer gestaltet sich ausserordentlich ver- schieden. Bei denjenigen Platt- und Rundwürmern, welche im Chymus oder in anderen Organsäften höherer Thiere leben, wie bei den Bandwürmern und Dann. Nervensystom. Siniicsorgane. 339 Äcanthocephalen, kann der gesammte Verdaiuingsapparat nebst Mund und After (in Folge von Rückbildung) fehlen und die Ernährung endosmotisch durch die Körperbedeckung erfolgen. Bei vorhandenem Darmcanal liegt die Mundöffnung meist banchständig am vorderen Körperende, während die Afteröffnung am hinteren Körperende oder rückenstäudig in der Nähe derselben zu suchen ist. Im Allgemeinen verhält sich der Darm einfach und ist nur ausnahmsweise in zahlreiche, den besonderen Functionen entsprechende Abschnitte gegliedert. Man unterscheidet meist einen muskulösen Schlund, einen mächtig ent- wickelten Magendarm und einen kurzen, im After ausmündenden Enddarm. Das NervensysUm. erscheint in einfachster Form als ein unpaares oder durch Auseinanderweichen seiner Seitenhälften paarig gewordenes Ganglion (Fig. 95) in der Nähe des vorderen Körperpoles über dem Schlünde und wird genetisch auf die Scheitelplatte derLoven'schen Chaetopodenlarve zu beziehen sein. Seltener tritt dasselbe als ein den Munddarm umgürtender, mit Gruppen von Ganglienzellen verbundener Nerveuriug {Nematodev) entgegen. Die von dem Ganglion austretenden Nerven vertheilen sich symmetrisch nach vorne und den Seiten, versorgen die Sinnesorgane und bilden zwei seitliche, nach hinten verlaufende stärkere Nervenstämme. Auf einer höheren Stufe treten zwei um- fangreichere Ganglien auf, welche durch eine untere und obere Qnerbrücke verbunden sind {Nemertinen). Bei den Anneliden mit rückgebildeten Metameren, den Gephyreen kommt zu dem oberen Schlundganglion, dem Gehirn, noch ein durch einen Schlundring mit jenem verbundener Bauchstrang hinzu, welcher bei den übrigen Anneliden in eine Reihe von Ganglienpaaren — im Allgemeinen der Segmentirung parallel — gegliedert ist. Indem die vom Gehirn ausgehenden Nervenstämme mit ihren durch Quercommissuren verbundenen Gangiienpaaren unterhalb des Darmes der Medianlinie genähert verlaufen, bilden sie eine mit dem Gehirne durch eine Schlundcommissur zusammenhängende Bauchganglien- kette, die sich bis an das Ende des Körpers fortsetzt und während ihres Verlaufes rechts und links Nervenpaare absendet. Von Sinnesorganen kennt man Augen, Gehövioerkzeuge und Tastorgane. Die letzteren knüpfen an Nervenausbreitungen und besondere Anhänge des Integuments an (Tastborsten) und finden sich schon bei Eingeweidewürmern als mit Nerven in Verbindung stehende Papillen der äusserenHaut. Bei den freilebenden Würmern sind dieselben häufig fadenförmige, fühlerartige Anhänge (Girren) am Kopf und an den Segmenten. Gehörorgane sind minder verbreitet und treten als GehörUäschen auf, entweder dem Gehirne anliegend ( einige Turlellarien und Nemertinen), oder in paariger Anordnimg dem Schlundringe angelagert (einige Kiemenwürmer unter den Anneliden). Die Seh- werkzeuge sind entweder einfache, mit Nerven zusammenhängende Pigment- flecken, Angenßecken., oder es kommen noch lichtbrechendo Körper hinzu, und das Auge wird zur Bildperception befähigt. Vermuthungsweise hat man die Wimpergruben der Nemer-t inen für Geruchsorgane ausgegeben ; auch die becher- förmigen Organe der Blutegel und Gephyreen sind Sinneswerkzeuge, in denen eigenthümlich modificirte Nervenenden (Kolbenzellen) nachgewiesen wurden. 340 Vermes. Blntgefässsysfcm. Atlimungsorgano. Wasscrgcfässsystcm. Fig. 305. Ein Blutgefässsystem. fehlt den Kemathelmtnthen , Roiiferen und Platy- helminthen, mit Ausnahme der Nemerf inen. In diesen Fällen tritt der Ernährungs- saft eudosmotisch in dasKörperparenchym, beziehungsweise in die Leibeshöhle und durchtränkt die Gewebe als heller, zuweilen selbst zellige Elemente ent- haltender Chylussaft. Bei den Nemertinen ist ein Gefässsystem vorhanden, ebenso bei den Gephyreen und Anneliden. Bei den letzteren erlangt dasselbe die höchste Ausbildung und kann sich zu einem vollständig geschlosseneu, mit pulsirenden Stämmen versehenen Systeme von Gefässen ausbilden. Fast über- all unterscheiden wir einen contractilen rückenständigen und einen bauch- ständigen Längsstamm, welche in den einzelnen Segmenten durch bogenförmige, zuweilen ebenfalls pulsirende Querschlingen verbunden sind. Da, wo ein Ge- fässsystem vorhanden ist, erscheint das Blut keineswegs immer, wie die Leibes- flüssigkeit, hell und farblos, sondern besitzt zuweilen eine gelbliche und grün- liche, häufiger eine röthliche Fär- bung, die sogar in einzelnen Fällen an die Blutzellen gebunden ist. Zur Respiration dient meist noch die gesammte äussere Körper- bedeckung; unter ^qji Anneliden aber finden sich bereits bei den grösseren marinen Borstenwürmern fadenför- mige oder büschelförmige oder ver- ästelte Kiemen, meist als Anhänge der ExtremitätenstummeL (Fig. 305.) Auch den Tentakeln der Gephyreen wird man eine respiratorische Be- deutung beilegen können. Als Ex cret ionsorg an fungirt das sogenannte Wassergefässsystem, ein System von symmetrisch verlaufenden feineren und gröberen Canälen, welche mit einer wässerigen Flüssigkeit gefüllt sind, auch Körnchen in derselben suspendirt enthalten und durch eine oder mehrere Oeffnungen nach aussen führen. Entweder beginnen die Canäle mit feinen Wimperkölbchen in den Ge- weben des Körpers oder trichterförmig mit freier Mündung in der Leibeshöhle. Im letzteren Falle vermögen sie auch andere Leistungen, wie die der Ausfuhr der Geschlechtsproducte aus der Leibeshöhle, mit zu übernehmen. Bei den seg- mentirten Würmern wiederholen sie sich als Schleifencanäle oder Segmental- organe paarig in den einzelnen Leibessegmenteu. Abweichend verhalten sich die beiden in den sogenannten Seitenfeldern eingebetteten Seitencanäle der Nematoden, welche mit einem gemeinsamen Porus excretorius in der Gegend des Pharynx ausmünden. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung findet sich die ungeschlecht- liche Vermehrung durch Knospung und Theilung besondt^rs bei den verein- fachten darmlosen Formen weit verbreitet, beschränkt sich hier aber häufig Durchschnitt durch ein Leibessegment von Eiuiice. Br Kie menanhängc, C Cirri, P Parapodien mit dem Borsten bünilel, D Darm, N Nervensystem. 1. Classe. rialyholminthes. 341 auf jugeudliclie, von don geschleclitsreifeii Thiereii durcli Form und Aufent- haltsort abweichende Entwicklungsphaseu, die als Ammen in der Troduction ihrer Wachsthumsproducte ihre Aufgabe erfüllen. Fast Hiimmilkhe Plattwürmc/r und zahlreiche Anneliden sind Hermaphroditen, die Nemathelmmthen.Gephyreim und Eotiferen, sowie von den Anneliden die Kiemenioürmer sind getrennten Geschlechts. Zahlreiche Würmer durchlaufen eine Metamorphose, deren Larven- zustände durch den Besitz eines präoralen Wimperkranzes (Loven'sche Larve) oder von mehreren Wimperreifen ausgezeichnet sind. Bei den Bandwürmern und Saugwürraern, die im Jugendzustande sehr häufig die Fähigkeit der un- geschlechtlichen Fortpflanzung gewinnen, wird die Metamorphose zu einem mehr oder minder complicirten Generationswechsel (Heterogonie), für welchen der verschiedene Wohnort der beiden aus einander hervorgehenden Ent- wicklungsstadien, sowie der Wechsel parasitischer und freibeweglicher, wan- dernder Zustände bezeichnend ist. Die Lebensstufe der Würmer ist im Anschluss an den Aufenthalt in feuchten Medien eine niedere zu nennen. Viele leben als Parasiten im Innern der Organe anderer Thiere {Entozoen)^ seltener an der äusseren Körperober- fläche und nähren sich von Säften ihrer Wirthe, andere leben frei in feuchter Erde, im Schlamm, noch, andere, und zwar die höchst organisirten Formen im süssen und salzigen Wasser. Kein Wurm aber erhebt sich als wahres Landthier zum Aufenthalt in der Luft. I. Classe. Platyhelminthes') -= Piatodes, Plattwürmer. Würmer von 'platter, mehr oder minder gestrechter Körperform^mit Gelurn- ganglion ^ oft mit Saugnäpfen und Haken beivaffnet, vorherrschend Zicitter. Die in dieser Classe zusammengefassten Formenreihen, deren Organisation unter den Würmern am tiefsten steht, sind grossentheils Entozoen oder leben im Schlamme und unter Steinen im Wasser. Ihr Körper ist mehr oder minder abgeplattet und unsegmentirt, kann jedoch durch quere Einschnürungen in eine Anzahl von aufeinander folgenden Abschnitten gegliedert sein, welche, als Theile eines einheitlichen Thieres, in hohem Grade zur Individualisirung hinneigen, häufig auch sogar zur Trennung und Selbstständigkeit gelangen. Diese Abschnitte stehen als Wachsthumsproducte in der Längsachse des Körpers vornehmlich in Beziehung zur Fortpflanzung und bedingen 'keineswegs, wie dies für die Segmentirung der Anneliden zutrifft, durch ihren einheitlichen Verband eine höhere Organisationsstufe. Mit Ausnahme der Nemertinen fehlt eine Leibeshöhle, sowie ein gesondertes Blutgefässsystem, und erinnert der Darm mit seinen Aussackungen und Anhängern in mehrfacher Hinsicht an den Gastro- vascularapparat derCoelenteraten. DerDarmcanal kann jedoch auch vollständig *) M. Schultze, Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien. Greifswald, 1851. L. Graff, Monographie der Turbellarien, I. Rhabdocoelidea. Leipzig, 1882. A. Lang, Die Polycladen (Seeplanarien) des Golfes von Neapel. Leipzig, 1884. R. Leuckart, Die Parasiten des Menschen. 2. Auflage. Leipzig, 1879—1886. 342 1. Ordnung. Turbellaria. fehlen (Cestoden), oder, wenn vorhanden, einer besonderen Afteröffnung ent- behren (Trematoden, Tarie^/amn). Das Nervensystem ist meist ein dem Schlünde aufliegendes Doppelganglion, von welchem, ausser kleineren Nervenzweigen nach vorne und nach den Seiten, zweihintereNervenstämme abgehen. Bei vielen konimen einfache Augenflecken mit oder ohne lichtbrechende Körper vor, sel- tener ein Gehörbläschen. Blutgefässe und Eespirationsorgane finden sich nur bei den Nemertinen. Ueberall ist das Wassergefässsystem entwickelt, dessen verzweigte Canälchen mit geschlossenen Wimperkölbchen (Nephridien) im Parenchyme verbreitet sind. Mit Ausnahme der Mlcrostomeen und Nemertinen herrscht Hermaphro- ditismus. Die weiblichen Geschlechtsdrüsen bestehen meist aus gesonderten Dotter und Keimstöcken. Sehr häufig ist die Entwicklung eine complicirte, mit Generationswechsel (Heterogonie) verbundene Metamorphose. Man hat für die Turbellarien und die von denselben abzuleitenden Trema- toden und Cestoden eine Verwandtschaft mit den Kippenquallen zu erkennen geglaubt und auf Grund zweier bislaug noch unzureichend erforschter Formen {Coeloplana und Ctenoplana) die Meinung ausgesprochen, dass die aborale Fläche des zweistrahligen Cteuophorenleibes dem Kücken und die orale der Bauchseite des bilateral gewordenen Platyhelmintheu, in deren Mitte ursprüng- lich der Mund gelegen sei, entspreche. Diese Zurückführung ist jedoch zur Zeit noch problematisch. 1. Ordnung. Turbellaria '), Strudelwürmer. Frelhhende Platticürmer von ovaler oder hlattförmiger Körpergestalt, mit weicher, von Wimperepithel heJdeideter Haut, mit Mund und afterlosem Darm, mit paarigem Gehirnganglion und seitlichen Nervenstämmen. Die Strudelwürmer besitzen meist eine ovale, plattgedrückte Körperform und erlangen eine nur geringe Grösse. Mit ihrem Aufenthalt im süssen oder salzigen Wasser, unter Steinen, im Schlamm und selbst in feuchter Erde steht die gleichmässige Bewimperung der Oberfläche im Zusammenhange. Nur aus- nahmsweise treten Haftorgane, kleine Haken und saugnapfähnliche Bildungen auf. Die Haut besteht aus einer einfachen hohen Zelleulage oder aus einer fein- ') Duges, Eecherches sur rorganisation et les moeurs des Planaires. Aun. des sc. nat., S6r. I, Tom. XV. A. S. Oerstedt, Entwurf einer systematisclien Eintheilung und speciellen Beschreibung der Plattwürmer. Kopenhagen, 1844. Do Quatrefages, Memoire sur quelques Planariees marines. Ann. des sc. nat., 1845. M. Schnitze, Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien. Greifswald, 1851. 0. S. Je nsen, Turbellaria ad litora Norvegiae occidentalia. Bergen, 1878. P. Hallez, Contributions a l'histoire naturelle des Turbellari^s. Lille, 1879. E. S elenka. Zur Entwicklungsgeschichte der Seeplanarien. Leipzig, 1881. L. Graff, Monographie der Turbellarien. Leipzig, 1882. A. Goette, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. Leipzig, 1882. A. Lang, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie des Nervensj^stems der Platjiielminthen. Mittheil, der zool. Station Neapel, Tom. I— Ilf, 1879—1882. Derselbe. Die Polycladen des Golfes von Neapel. Leipzig, 1884. Js. Ijima, Ueber Bau und Entwicklung der Süsswasserplanarien. Zeitschr. für wissensch. Zoologie, 1885. Haut. Nervensystem. 343 körnigen, von Kernen durclisetzten Schicht, welche eine geschichtete Basal- membran zur Unterlage hat und an der Oberfläche auf einer besonderen homo- genen, einer Cuticula vergleichbaren Grenzschichte Wimpern trägt. Verbreitet ist das Vorkommen einzelliger Hautdrüsen. Den Eaum zwischen Körperwand und Darm nimmt ein aus grosszelligem vacuolenreichem Bindegewebe gebildetes Parencliym ein. Als eigeuthümliche, von Drüseuzellen erzeugte Einlagerungen der Haut treten stab- und spindelförmige Körpercheu auf, welche, ebenso wie die Nesselkapseln der Coelenteraten wahrscheinlich zur Vertheidigung und zum Beuteerwerb dienen. Bei den meisten Digonoporen liegen diese Zellen iniEpithel selbst, bei'den übrigen Dendrocoeleu, sowie bei den Khabdo- coelen sind sie in die Tiefe gerückt, stehen aber mit den Epithelzellen noch mittelst dünner Fortsätze, durch Avelche die Stäbchen nach aussen treten, in Verbindung. In der Oberhaut finden sich oft verschiedene Pigmente, sowie birnförmige Schleimdrüsen eingelagert. Beson- ders bemerkenswerth ist das Vorkommen von Chloro- phyll enthaltenden Körpern, z. B. bei Vortex viridis (Symbiose). Unter der ansehnlichen, die Oberhaut stützenden Basalmembran breitet sich die Unterhaut aus, welche zwischen einer aus rundlichen Zellen gebil- deten Bindesubstauz den mächtig entwickelten Haut- muskelschlauch birgt. Eine Leibeshöhle zwischen Körperwand und Darmcanal ist meist nicht nachzuweisen, bei manchen Khabdocoelen jedoch in Form eines Lückensystems oder einer zusammenhängenden Höhle (Nemertinen) im Umkreise des Darmcanals erkannt worden. Das Nervensystem ist bereits vom Epithel ab- gerückt und besteht aus zwei durch eine Querbrttcke verbundenen Ganglien, welche nach vorne und hinten Nerven und unter diesen zwei stärkere, nach hinten verlaufende Seitenstämme, sowie zwei dorsale und venl-rale Nerven entsenden. (Fig. 306.) Zwischen denselben treten zarte Quer- anastomosen auf, so dass sich ein Netz von Nervenfasern in oder unter der Mus- kulatur ausbreitet. Bei einzelnen Planariengruppen wurde auch eine ringförmige Doppelcommissur am Gehirn nachgewiesen (Folycelis), bei anderen an den Seitenstämmen {Sphyrocephahis, Polycladus) ganglienähnliche Anschwellungen mit ausstrahlenden Nerven beobachtet. Bei den Khabdocoelen verhält sich das Nervensystem einfacher, indem meist nur zwei ventrale Längsnerven vom Ge- hirne ausgehen. Von Sinnesorganen sind bei den Strudelwürmern Aiigen ziemlich ver- breitet, welche in paariger Anordnung entweder den Gehirnganglien aufliegen Mesostomum Ehrcnbergii mit Darm iiud Nervensystem, nach Graf f. ff die beiden Gehirn- ganglien mit zwei Augenflecken, St die seitlichen Nervenstämme, D Darm mit Mund und Schlund. 344 urbellaria. Siuiicsorgane. Fortpflanzung. f'f, i^:ßm oder mit denselben durch kurze Nerven in Verbindung stehen. Häutiger finden sich ZAvei grössere Augen mit lichtbrechenden Einlagerungen. Otolit he nb lasen scheinen selten aufzutreten, z. B. unter den Rhabdocoelen bei Monocelis in ein- facher Zahl, ebenfalls dem Ganglion aufliegend. Sicherlich ist die Haut der Sitz eines sehr entwickelten Tastvermögens, und es mögen für diese Function auch die zwischen den Cilien hervorstehenden grösseren Haare und steifen Borsten in Betracht kommen. Auch sind die bei marinen Strudelwürmern am F' 307 Vorderkörper häufig vorhandenen Tentakeln als Tastorgane zu .p^ beurtheilen. Seltener (Microstomcen, Prorhynchus , Bipalmm) fß''3\ kommen zwei seitliche Wimpergruben am Vorderende vor, ^'o***,^ 0 -^velche wohl auch als specifische Spürorgane zu deuten sein j_ möchten. (Vergl. die Nemertinen.) MundöfFnung und Verdauungsapparat werden niemals vermisst; die erstere rückt häufig vom vorderen Körperende auf die Bauchfläche nach der Mitte zu, ja über diese hinaus in die hintere Korperpartie. Der Magendarm wird in manchen Fällen (Convoluta, ScMzoproro) durch ein aus einer cen- tralen Zellmasse gebildetes weiches Tnnenparenchvm vertreten {Acoela). Die Mundöffnung führt in einen muskulösen Pharynx, der meist nach Art eines Küsseis vorgestreckt werden kann. Der an seiner Innenwand häufig flimmernde Darmcanal ist entweder gabelig getheilt und dann einfach oder verästelt (Üendrocoelen), oder stab förmig (Rhabdocoelen). Eine After- öffnung fehlt stets. Selten kommt noch ein besonderer vor- stülpbarer Eüssel ohne Zusammenhang mit dem Schlünde hinzu (Prostomuin). Das Wassergefässsystem besteht aus zwei seitlichen hellen Stämmen und zahlreichen verästelten, capillarähnlichen Seiten- zweig^n, die mit geschlossenen Wimperkölbchen beginnen und hie und da frei in das Gefäss hineinragende, sich schlängelnde Wimpern tragen. Die capillardünnen Canälchen verlaufen vor- nehmlich im Parenchym, aber auch zwischen den Muskeln und sind auf lineare Reihen durchbohrter Zellen zurückzuführen. Amblind geschlossenen Ende jedes Wimperkölbchens findet sich eineExcretions- zelle, die den Verschluss bildet und schwingende, in das Lumen hineinragende Cilien trägt. Die Längsstämme münden entweder an der vorderen Leibeshälfte aus, oder es treten im Verlaufe derselben mehrere Oeffnungen auf (Dendro- coelen). Wie bei den Coelenteraten, so ist auch bei den Turbellarien das Kegene- rationsvermögen sehr ausgeprägt. Stücke des Leibes vermögen sich zu normalen Thieren zu ergänzen. Aus demselben ist vielleicht die ungeschlechtliche Fort- pflanzung abzuleiten, welche wir beispielsweise bei Derostomeen (Catemda) und Microstomeen in einer Quertheilung nach vorausgegangenem Längenwachsthum Microstomum line- are, nach Graff, Eine durch Thei- lung entstandene Kette. O, 0' Jluud- Öffnungen. Gcscblcclitsorgane. 345 und unter entsprechenden Neubildungen sich vollziehen sehen. Bei Micro- stomnm lineare bildet sich im hintern Körpertheile zunächst zwischen Haut und Darm ein queres Doppelseptum, liinter welchem Neubildungen als Gehirn nebst Schlundring und Pharynx auftreten. Später schnürt sich der Leib und Darm zwischen den auseinanderrückenden Septen ringförmig ein. Bevor jedoch die Trennung beider Stücke erfolgt, bildet sich im hintern Abschnitt eines jeden derselben wiederum der Kopf eines neuen Thieres, so dass eine Kette von vier Individuen vorhanden ist, die durch fortgesetzte Wiederholung der gleichen Vorgänge zu einem Wurmstöckchen von 8, ja 16 Individuen wird, bevor die Trennung der letzteren erfolgt. (Fig. 307.) Mit Ausnahme der Microstomeen sind die Turbellarien Zwitter; indessen erscheint auch bei den Strudelwürmern der Gegensatz von Hermaphroditismus und Trennung des Geschlechts keineswegs ohne Vermittlung,' da nach Mets chuik off bei Prostomum lineare bald die männlichen Geschlechtsorgane unter Verkümmerung der weiblichen, bald umgekehrt die weiblichen unter Verkümmerung der männ- lichen entwickelt sind. Auch bei Acmostomum dioicum sind die beiderlei Geschlechtsorgane auf verschiedene Individuen vertheilt. Bei den hermaphroditischen Formen bestehen die männlichen Geschlechtsorgane aus Hoden, welchemeistalspaarige Schläuche in den Seiten des Körpers liegen, oder auch in zahlreiche kugelige oder birnförmige Bläschen aufgelöst erscheinen, ferner aus Samenblase und einem Gesolilechtsappanat von Mesostomum Ehrcn- ausstülpbaren, mit Widerhaken besetzten Be- hergu, nach oraff und Schneider com- gattungsorgan, die weiblichen aus Ovarium, ^i"^-"'- ^'' »«^'""d, oo Goschiechtsöffnung, o o o 1 Ov Ovarium, Ut Uterus mit Wintereiern, Dotterstöcken, Samentasche (ßeceptaculum i?« Dotterstöcke, />o«(7a Metschn. Mit vier Gliedern. Fam. Microstomidae. Getrennt ge- schlechtliche Rhabdocoelen , deren kleiner, aber sehr dehnbarer Mund in der Nähe des vorderen Körperendes liegt. Seitliche Flimmer- gruben nahe am vorderen Körperende. Quer- theilung kommt liäufig vor. Microstovmm lineare Oerst. (Fig. 307.) 2. Unterordnung. Bendrocoela, dendrocoeh Strvdelwürmer. Von breiter, platter Körperform, oft mit gefalteten Seitenrändern und tentakelähnliclien Fortsätzen am Vorderen de, mit ver- zweigtem Darm. In ihrer äusseren Erscheinung nähern sich die grossentheils marinen, theilweise aber auch im süssen AVasser und auf dem Lande lebenden Dendro- coelen den Trematoden, mit deren grösseren Arten sie die Verzweigungen Geschiechtsöffuung, t vas dcferens, uaoe mänu- des geradegestreckten oder gabelig ge- '''''' Gcsehi-chtsöfmung. theilten, häufig dreischenkeligenDarmcanals gemeinsam haben. (Fig. 310.) Den Khabdocoelen gegenüber erlangen sie einen bedeutenderen Umfang des zwei- lappigen Gehirns, sowie der in verschiedener Zahl vorhandenen Augen. Pap- pillenreihen, beziehungsweise fühlerartige Fortsätze am vorderen Körpertheile dürften als Tastorgane fungiren. Der Mund liegt meist in der Mitte des Körpers und führt in einen weiten und vorstreckbaren Schlund. Die Haut enthält oft Drüsen, deren Secret bei gewissen Landplanarien (Bipcdium, Rhynchodesmus) bei Herablassen von Zweigen zu einem fadenförmigen Gespinnst erhärtet. Beiderlei Geschlechtsorgane sind fast allgemein in demselben Individuum vereint. Die Süsswasserformen besitzen eine gemeinsame Geschlechtsöffnung Anatomie von PohiccUs {Lcptoplana) palHda, nach Quatrefages. ö Gehirngauglion nebst davon aus- gehenden Nerven, O Mund, D Darmverästelungen, Ol) Eier, Od Oviduct, V Vagina, WGot weibliche o48 MoiKigoiiDpora. Digonopora. {Monogonopora), wälireud bei den Meeresbevvolineru die Geschlechtsöftnungen in der Kegel gesondert liegen [Digonopora). Hier fällt auch ein gesonderter Dotterstock hinweg. Die Entwicklung erfolgt bei einzelnen marinen Formen durch Metamorphose, bei den Süsswasserplanarien direct. 1. Monogonopora Stimps. {Tncladen). Langgestreckte Dendrocoelen mit zwei Ovarien und Dotterstöcken und zahlreichen Hoden, mit einfacher Ge- schlechtsöffnung. Der Darm bildet einen vorderen und zwei seitliche Schenkel. Hierher gehören vornehmlich die Land- und Süsswasserplanarien, aber auch marine Formen. Pam. Planariadae. Der langgestreckt-ovale und abgeflachte Körper oft mit lappen- förmigen Fortsätzen, selten mit Tentakeln und in der Eegel mit zwei Augen, in welchen Linsen eingelagert sind. Planaria 0. Fr. Müll, Tentakeln fehlen. Fl. torva M. Seh. (von 0. Schmidt in luguhris, xwlychroa und torva getrennt.) (Fig. 311.) PI. dioica Clap., getrennt geschlechtlich u. a. A. Dendrocoelum Oerst. Unterscheidet sich durch den Besitz von lappigen Fortsätzen des Kopftheiles, sowie durch die Bildung des in einer beson- ■p. Q..-. deren Scheide liegenden Begattungsorganes. D. lacteumOcist., Polycelis Hembr. Ehrbg. Mit zahlreichen randständigen Augen. P. nigra, brunnea 0. Fr. Müll. Ounda segmentata Lang, marin. Fam. Geoplanidae^). Landbewohnende Planarien mit langgestrecktem und abgeflachtem, durch den Besitz einer .söhligen Fussfläche ausgezeichnetem Leibe. Geojjlana lapi- (licola Stimps., Bhynchodesmus terreslris Gm. [Fasciola terre- stris 0. Fr. Müll.), Europa. Geodesmus hilineatus Metschn., mit Nesselfäden in der Haut, in Topferde. Polycladus Blanch. Augenlos. P. maculatus Darw. . 2. Digonopora (Polycladm). Grosse Dendro- coelen mit zahlreichen Geschlechtsdrüsen, ohne Planaria polychroa (a), luguhris (b), torva (c). Etwa um das Dreifache Dotterstöckc, mit doppelter Goschlechtsöffnung, fast vergrösiert. Nach o. Schmidt, ^urchwegs marin. Der Rüssel liegt oft vielfach ge- faltet in einer besonderen Tasche, wird vorgestülpt und breitet sich dann lappeuartig aus. (Fig. 310.) Fam. Siylochidae. Der platte Körper ziemlich dick, mit zwei kurzen Tentakeln am Kopftheil und meist mit zahlreichen Augen an den Tentakeln oder am Kopfe. Genital- öffnungen hinten. Stylochns maculatus Quatr. Fam. Leploplanidae. Der Körper flach und verbreitert, platt und meist sehr zart. Kopftheil nicht abgesetzt, ohne Tentakeln. Augen mehr oder minder zahlreich. Mund meist vor der Mitte gelegen, dahinter die Genitalöffnungeri. Leptoplana tremellaris 0. Fr. Müll., Mittelmeer. Fam. Evryleiitidae. Der glatte oder papillentragende Leib verbreitert. Am Vorder- raude des Kopfes zwei tentakulare Lappen. Mund vor der Mitte gelegen. Zahlreiche Augen finden sich in der Nähe des Vorderrandes. Thysanozoon Biesingii Gr., Mittelmeer. Ewylejda auriculafa 0. Fr. Müll., Nordsee. ') Ausser M. Schnitze, Stimpson, Metschnikoff, Grube u. A. vergl. H. N. Moseley, Notes on the Structure of Several Forms of Land Planarians etc. .Journal of microsc. Science, Vol. XVIL 2. OrclnuiiK. Trematodos. 34,9 2. Ordnung. Trematodes 0? Sjiiisjwürmer. Parasitische Plaüwürmer mit unijegUitdcrtem^ meist hlattfürmüiem^ selten cyUndrischem Körper, mit Mundöffnung und gabelig gespaltenem, afterlosem. Darm, oft mit hauchst an d ig eni Haftorgan. Die Saiigwürmer sind von den Turbellarien aus abzuleiten, mit denen sie in Form nnd Organisation eine nahe Verwandtscliaft zeigen. Im Zusammen- bange mit der parasitischen Le])ensweise haben sich Haftorgane in Form von Sauggruhen und Haken entwickelt, während die Wimperbekleidung nur im Larvenleben erhalten ist. Die Körperbekleidung ist eine Cuticula, unter welcher eine subcuticulare Zelleulage folgt. Sehr verbreitet sind Hautdrüsen, welche auch den Jugendformen (Cercarien) nicbt mangeln und hier oft zur Ansscheidung einer erhärtenden Cyste ver- wendet werden. Die Mundöffnung liegt stets am Vorderende, in der Kegel im G-riinde eines kleinen Saugnapfes. (Fig. 312.) Dieselbe führt in einen muskulösen Pha- rynx mit mehr oder minder verlängerter Speise- röhre, welche sich in den gabelig getheilten, blind geschlossenen Darmcanal fortsetzt. Der Excretions- apparat besteht aus einem" die Gew^ebe durchsetzen- den Netz feiner, mit Wimperläppchen beginnender Gefässe und aus zwei grösseren seitlichen Stämmen, welche mittelst einer gemeinsamen contractilen Blase am hinteren Körperende ausmünden. Der Inbalt desselben ist eine wässerige, von körnigen "^^v^ "^ d«"" ^^"'« ^^"^ BaueMäohe, . . P Pharynx, D Darmsclienkel. (Joncretiouen durchsetzte Flüssigkeit, ein wahr- scheinlich dem Harne höherer Thiere entsprechendes Excretionsproduct. Das Nervensystem (Fig. 313) -ist ein dem Schlünde aufliegendes Doppel- ganglion, von welchem ausser mehreren kleineren Nerven zwei nach hinten verlaufende grössere Stämme austreten. Diese gehören der Bauchseite an, und Jugundlicbes Distomum, nach L a V a- lette. Ex Stämme des "Wasser- gefässsystems, Ep Excretionsporus, OMundöffuungmitSaugnapf,iSSaug- ') A. V. Nordmann, Mikrographische Beiträge zur Kenntniss der wirbellosen Thiere. Berlin, 1832. C. G. Carus, Beobachtung über Leucochloridium paradoxum etc. Nov. Act., Vol. XVir. 1835. de Pilippi Memoire poui- servir ä rhistoire gen^tique des Tr(5matodes. 1, 2, 3. Turin, 1854—1857. J. J. Moulinie, De la reproduction chez les Trömatodes endo-parasites. Geneve, 1856. De la Valette St. George, Synibolae ad Trematodum evolutionis historiam. Berlin, 1855. A. Pagenstecher, Trematodenlarven und Treniatoden. Heidelberg, 18.57 G.Wagen er, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweidewürmer. Haarlem, 1857. Derselbe, lieber Gyrodactylus elegans. Müller's Archiv, 1860. Van Beneden, Memoire sur les vers intestinaux. Paris, 1861. Van Be- neden et Hesse, Eecherches sur les Bdelloides ou Hirudinees et les Trematodes marins. 1863. R. Leuckart, Die menschlichen Parasiten, I. Bd., 1863. E. Zeller, 350 Trematodes. Organisation. stehen durch quere Anastomosen mit zwei viel schwächeren dorsalen und ebenso vielen seitlichen Längsnerven in Verbindung. Augenßocken mit lichtbrechenden Körpern kommen zuweilen bei auf der Wanderung begriifenen Larven und bei Polystomeen vor. Zur Locomotion dienen neben dem Hautmuskelschlauche die als Saug- gruben und Khimmerhaken auftretenden Haft- organe, deren Zahl, Form und Anordnung sehr Fisr. 314. Fig. 313. T ^n~li Distomum Tiepaiicum vuiter starker liOupenvergrösserung, nach Som- mer. 0 Mundöffnung, D Darm- schenkel,!? Bauchsaugnapf, THoden, Do Dotterstöcke, 0« Oviduct, T)r Ovarium. zahlreiche Modificationen bie- tet. Im Allgemeinen richtet sich die Grösse und Ausbil- dung der Haftorgane nach der endoparasitischen oder ecto- parasitischen Lebens weise.Die Bewohner innerer Organe be- sitzen minder entwickelte Klammerorgane, gewöhnlich neben dem Mundsaugnapf einen zweiten grösseren Saug- napf auf der Bauchfläche, bald in der Nähe des Mundes, Di- sfo?n?tm,bald an dem entgegen- gesetzten Körperpole, Ampln- stonmm. Indessen kann dieser grössere Saugnapf auch fehlen, Monosfomum. Die ectoparasi- tischen Polystomeen zeichnen Nervensystem von ßw/omm« sich dagegen durch cinc Weit uostomum, nach E. Gaf- kräftigere Bewaffuung aus, iu- f r o n. Ms Mundsaugnapf, 7?« Bauchsaugnapf, Hn Seiten- nerv, Rn Rückennerv, Bn Bauclinerv. dem sie ausser zwei kleineren Saugnäpfen zu den Seiten des Mundes eine grosse Haft- scheibe oder auch zahlreiche Sauggrubeu am hinteren Körperende l)esitzen, die überdies noch durch Chitiustäbe Q-estützt sein können. Ferner kommen oft Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau von Polystoma integerrimum. Der- selbe, Untersuchungen über die Entwicklung von Diplozouni paradoxum. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXII, 1872. Derselbe, Ueber Leucocbloridium paradoxum und die weitere Entwicklung seiner Distoraumbrut. Ebendaselbst, Tom. XXIV. Derselbe, "Weiterer Beitrag zur Kenutniss der Polystomeen. Ebendaselbst, Tom. XXVII, 1876. G. Ercolani, Nuove recherche suUa storia genetica dei Trcmatodi, Acad. delle Scienze dell' Instituto dl Bologna, Mem. I, 1881; Mem. II, 1882. Hugo Schauinsland, Beitrag zuY Kennt- niss der embryonalen Entwicklung der Trematoden. Jen. naturw. Zeitschr., Tom. XVI, 1883. E. Gaffron, Zum Nervensystem der Trematoden. Zool. Beiträge von A. Schneider, Tom. I, 1884. A. Heckert, Untersuchungen über die Entwicklungs- und Lebensgeschichte des Distomum makrostomum. Bibliotheca zoologica Heft 4. Cassel, 1889. Entwicklung. 351 Chitiiihaken, besonders liimfig zwei grössere Haken zwischen den liinteren Saugnäpfen in der Mittellinie hinzu. (Fig. 322.) Die Treraatoden sind meist Zwitter. In der Hegel liegen männliche und weibliche Geschleclitsüftmingen nicht weit von der Mittellinie der Bauchfläche neben oder hinter einander, dem vorderen Körperende ziemlich genähert. Die männliche Geschlechtsöffnuug führt in einen das vorstülpbare Endstück (Cirrus) des Samenleiters umschliessenden Sack (Cirrusbeuter), dann folgt der doppelte Samenleiter und zwei grosse einfache oder mehrlappige, bei Distomum hepa- ticum vielfach verästelte Hoden. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem mehrfach geschlängelten Fruchtbehälter und aus den Eier be- Fig. 315. Entwicklung von Distomum macrostomum n^ch liticliert. a .Succinea .amphibia (F.erusteinschnecke) mit dem reifen SchLauche eines Leucochloridium im rechten Fühler, h LeiicoclilorUJ'mm, puradoxnm isolirt. c Eine zur Uebertragung reife Larve (schwanzlose Cerearia) mit doppelter Hülle, d Geschleohtsreifes Distomum. Die Dotterstöcke (D) liegen in den .Seitenfeldern zwischen Darm und Leibeswand, die Hoden (T) und das Ovarium (Qw), sowie die Ausmündnngen der Leitungswege im hinteren Körperende, Lk Laurer'.seher Canal. reitenden Drüsen, welche in ein Ovarium und zwei Dotterstöcke zerfallen. Dazu kommt noch eine besondere Schalendrüse. Das Ovarium (Keimstock) erzeugt die primären Eizellen und liegt als rundlicher Körper in der Eegel vor den Hoden, die Dotterstöcke erfüllen als vielfach verzweigte Schläuche,, die Seitentheile des Körpers und secerniren die Dotterballen. (Fig. 314 und -315.) Diese begegnen in dem als Ootyp bezeichneten erweiterten Anfangstheile des Fruchtbehälters, dessen Wandungen die Schalendrüse darstellen, den primären Eizellen und gruppiren sich in grösserer oder geringerer Zahl um die einzelnen Eikeime, um später von einer durch die Schalendrüse gebildeten starken Schale umschlossen zu werden. In das Ootyp führt ferner ein besonderer Begattungs- gang, welcher am Rücken nach aussen mündet (Laurer'scher Canal), und 352 Trematodes. Entwicklung. (lurcli Avelclieii das Sperma in das Ootyp gelangt, wo auch die Befruchtung des Eies stattfindet. In dem Verlaufe des Fruchtbehälters häufen sich die Eier oft in grosser Menge an und durchlaufen bereits die Stadien der Embryonal- bildung im mütterlichen Körper. In einzelneu Fällen beginnt jedoch die Furchung erst uach der Eiablage im Freien. Die meisten Trematoden legen Eier ab, nur wenige sind lebend gebärend. Die ausschlüpfenden Jungen besitzen entweder (die meisten Pulyslomecn) die Form und Organisation der Eltern oder durchlaufen einen complicirten, mit Metamorphose verbundenen Generationswechsel, beziehungsweise Hetero- gonie (Diatomeen). Im ersteren Falle werden die grossen Eier an dem Aufent- lialtsorte der Mutter befestigt, im letzteren gelangen die relativ kleinen Eier an feuchte Plätze, meist ins Wasser. Der Furchungsprocess (Fig. 316), in jüngster Zeit an verschiedenen Distomum-Eiern von Schauinsland näher verfolgt, betrifft lediglich die primäre Eizelle undisteinunregelmässig-totaler. Fig. 316. d e f Ec Embryonal-EntvvickhiDg des Disfomiim tcreficoUe nacli H. Sc haui nslau d. a Ei nach Erhärtung in Pikrin- schwcfelsüure, Ks Eisehaie, E Eizelle, D Dotterzillen. b Der Dotter grösstentbeils verbraucht zu Gunsten der Embryonalzellen, von denen sich am oberen Pole innerhalb des Deckels (S) zwei liüllzellen {H) ab- heben, c Späteres Stadium, die Hüllmembran (H) umschliesst einen Haufen von Embryonalzellen, der Dotter (D) fast gänzlich verbraucht, d Auftreten des Ectoblasts (Ec), dessen grosse Kerne sich von denen des Entoblasts (En) abheben, e das Ectohlast besteht nur aus acht Zellen, deren vorgewölbte Kerne her- vortreten. / ein reifer Embryo vor dem Aussehlüpfen, B J'>orsteni)latten mit ihren Kernen. Der Nahrungsdotter, welcher aus grossen runden Zellen des Dotterstockes besteht, bleibt unbetheiligt und wird während der Embryoualentwicklung aufgebraucht. Die sich furchende Eizelle liegt dem Pole der Schale zu- gekehrt, an welchem sich der Deckel abhebt, und ebenso später das Kopf- ende des Embryos entsteht. Von dem aus der Furchung hervorgegangenen soliden Zellenhaufen hebt sich am oberen Pole eine Zelle ab, dereu Theilungszellen den Embryo in Form einer membranösen, nach dem Aus- schlüpfen desselben in der Eischale zurückbleibenden Hülle umwachsen. Die peripherische, doch wohl nur einen Theil des Ectoblasts vertretenden Zellenlage erzeugt entweder eine Wimpern tragende Haut oder ein mit einer structurlosen Cuticula und Chitiuborsten besetztes Platteuepithel {B. terett- colle). Der umschlossene Zellenhaufen verändert sich der Art, dass die peri- Sporocystoii. Ifedien. CtTcaricn. 353 plicriscbeu Zellen sich abtiaclien und epitlielartig an die Innenseite des Ecto- blasts anlegen, andere am Kopfende zur Anlage des Darmes sich ordnen, und der grösste Theil unverändert die sogenannten Keimzellen (indifferent geblie- bene, Keimplasma haltige Furchungszellen) liefert. Auffallend erscheint der frühzeitig (oft schon vor dem Ausschlüpfen aus dem Eie oder nach der Ein- wanderung) eintretende Verlust des ectodermalen Platten-, beziehungsweise Wimperepithels, ähnlich wie auch bei bewimperten Bandwurmlarven (Bothrio- cephalus) das Wimperepithel nach der Einwanderung in den Zwischenträger abgeworfen wird. Nach Ablauf der Embryonalentwickluug schlüpfen die con- tractilen, meist bewimperten Embryonen (Fig. 317 und 319), welche bereits An- lagen des Wassergeßisssystems, seltener zugleich eine Sauggrube mit Mundöffnung und Darm- schlauch besitzen, aus dem Ei aus und suchen sich auf dem Wege selbstständiger Wanderung ein neues Wohnthier auf. Indessen gibt es auch Fälle passiver Ueberführung durchVermittlung der Nahrung, und diese scheinen überall da zu bestehen, wo an Stelle der Wimperhaare Chitin- gebilde an derHaut des Embryos vorhanden sind {Distomum tereti- coUe, Leuco chlor idmm). In der Eegel ist es eineWasserschnecke, in deren Inneres sie eindringen, um zu einfachen oder verästelten Keimschläuchen, zu Sporocysten (ohne Mund und Darm) oder Re- dien (mit Mund und Darm) aus- zuwachsen. Dieselben erzeugen durch sogenannte Keimkörner, welche jedoch wahrscheinlich den Eikeimen 'j der Ovarialanlage oder, was auf dasselbe hinauskommt, indifferenten Keim.- plasma haltigen Furchungszellen entsprechen, die Generation der geschwänzten Cercarien oder auch eine Tochterbrut von Keimschläuchen, welche letztere dann erst die Cercarien hervorbringen. Die Cercarien sind nichts Anderes als die Distomeenlarven, welche oft erst nach einer zweimaligen activen und passiven Wanderung an den Aufenthaltsort der Geschlechtsthiere gelangen. Mit äusserst beweglichem Schwanzanhang, häufig auch mit Mundstachel, sowie zuweilen mit Augen ausgestattet, zeigen sie in ihrer übrigen Organisation bis ') Dann hätten wir in der Distomum-Eiitwicklung keinen Generationswechsel, sondern eine mit Paedogenese verhundene Heterogonie (C. Grobben). C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. -^O Entwicklungszustände von Distomuia hepaticam. — a Frei- schwimmender bewimperter Embryo. — 6 Sporocyste mit Redien Ci?^, nach R. Leuckart. — c Redie desselben, nach Thomas. DDarm, OCercarien, 7J Redie, K" Keimkörpor. — d Cercarie nach Thomas. 354 Trrniatodes. Ccicarien. auf den Mangel der Geschlechtsorgane bereits eine grosse Uebereinstimmiing mit den ausgebildeten Distomeen. In dieser Form verlassen, dieselben selbst- ständig den Leib ihrer Amme und des Ammenträgers und bewegen sich theils kriechend, theils schwimmend im Wasser umher. Hier finden sie bald ein neues Wasserthier (Schnecke, Wurm, Insectenlarve, Krebs, Fisch, Batrachier), in w^elches sie, unterstützt durch die Bohrbewegungen des kräftig schwingenden Schwanzanhanges, eindringen, um nach Verlust des letzteren zu encystireu. Die Cercarienbrut aus dem Innern der Schnecke zerstreut sich so auf zahl- reiche Träger, und aus den geschwänzten Cercarien werden encystirte junge geschlechtslose Distomeen, die erst auf passivem Wege mit dem Fleische ihres Trägers in den Magen eines andern Thieres und von da, ihrer Cyste befreit, in das Or- gan (Darm, Harnblase etc.) gelangen, in welchem sie ge- schlechtsreif werden. Somit kommen in derEegel drei ver- schiedene Träger in Betracht, deren Organe die verschiede- nen Entwicklungsstadien der Distomeen (Keimschlauch, encystirte Form,Geschlechts- thier)beherbergen.Dieüeber- gänge von dem einen zum an- deren werden theils durch selbstständige Wanderungen (Embryonen, Cercarien), o Der aus einem £>t.«/o)rt«7)i-Einbryo hervorgegangene Keimschlauch tUdlS ÜUrCU paSSlVO UeOer- tragung (encystirte Jugend- form) vermittelt. Indessen können Abweichungen von dem allgemeinen Entwicklungsgang eintreten, sowohl Complicationen als Ver- einfachungen. Im letzteren Falle unterbleibt die Einwanderung in den zweiten Zwischenträger, und die ausschlüpfende Cercarie gelangt activ oder passiv an den Ort des Geschlechtsthieres, activ durch selbstständige Wanderung (Cer- caria macrocerca des Distomum cygnoides), oder passiv durch directe Aufnahme mittelst der Nahrung {Leucochloridmm der Bernsteinschnecke des Distomum holostomum = macrosfomum der Singvögel). Dann unterbleibt nicht nur die Encystirung, sondern es kann auch die Bildung des Cercarieuschwanzes völlig ausfallen (Brut des Leucochloridmm). Vergl. Fig. 316. Häufiger und in mannigfaltigen Modificationen treten Complicationen auf, zunächst dadurch, dass die Sporocysten Bedien und diese Cercarien erzeugen (Cercaria cystophoo-a a.us Planorbisonargmatus. G.W Sigener). Oder es gehen (Sporocyste) mit Cercarienbrut (C) gefüllt, B Bohrstachel einer Cercarie. — h Redie. OMuud, PA Pharynx, Z» Darm, £1- Excretions- organ, C Cercarienbrut. — c Freigewordene Cercarie. S Saugnapf, D Darm, Ex Excretionsorgane. Ml der F.ntwicklung. 355 auch aus den sogeiiaiuiten Keimkörneru der Kedien nicht Cercarien, sondern eventuell eine zweite Generation von Kedien hervor, welche erst die Cercarien hervorhringen. Dieser Entwicklungsmodus hat für D.hejjaticum Geltung, erfährt aber wiederum dadurch eine Vereinfachung, dass die auswandernden Cercarien keines neuen Zwischenträgers mehr bedürfen, sondern Fig. 310. sich an Pflanzen enc3^stiren und mit diesen zugleich von dem Träger der späteren Geschlechtsthiere auf- genommen werden. Auch kann der Embryo ohne zur Sporocyste zu werden, eine Kedie erzeugen und diese vor der Einwanderung in die Schnecke (Monostomum mutahüe und ßavtim) wie einen constanten Parasiten in sich bergen. (Fig. 319 i.) Ferner gibt es uneingekap- selte junge Distomeen, welche in ihrem Träger nie geschlechtsreif werden, wie in der Linse und dem Glas- körper des Vertebratenauges, sowie im Gallertgewebe der Coelenteraten. Umgekehrt hat man encystirte Formen (Gasterostomum gracilescens in Cysten des Schellfisches, Distomum agamos der Gammarinen) ge- «ystem. — b Emb schlechtsreif und im Zustande der Eierproduction gefunden. Nun können sich aber auch Sporocysteu (z. B. die Sporocysten der Cercaria minuta) und selbst Redien (z. B. der C. fulvopunctata) durch Theilung vermehren, und ebenso vermag sich der Cercarienschwanz zu einer a Embryo von Diplodiscus (Amplii- stomum) suhclavatus, nach G. Wa- gener. />Darm,E.cWassergefäss; vou Monosto- mum mutahUc, nach V. Siebold. P Augenfltcken, H die Redie im Innern. Fig. 320. Sporocyste zu gestalten und nach seiner Loslösung Brut zu erzeugen. Schon Pagenstecher machte dies Verhalten für C. lucephala {Bucephcdus polymov- phuH) und D. dupUcafum aus Anodouta wahrschein- lich. Ercolani hat dasselbe für C. cristata La Val. aus Limnaeus auricularis, macrocerca de Fil., cuai- merina E. und Bucephahis bestätigt. Es erscheint daher der Schwanzanhang der Cercarie seiner Be- deutung nach wie ein vereinfachtes brutproduciren- des Theilstück des Körpers und weist somit auf das bei den Cestoden normal gewordene Verhältniss der Proglottidenbildung hin, welche somit schon von den Trematoden vorbereitet wird. Auch scheint für manche Formen eine grosse Anpassungsfähigkeit an veränderte Lebensbedin- gungen zu bestehen, durch welche das Vorkommen jener im Organismus ver- schiedener Wohnthiere möglich wird. Die aus der Cercaria echinata der Palu- dina vivipara sich entwickelnde Geschlechtsform hat als D. echmatum ihren normalen Aufenthalt im Darm der Ente und Wasservögel, gelangt aber auch im Darm des Hundes, sowie der Mäuse und Eatten zur Reife. 23* Distomum Ratlioiiisi Poir. viel- leicht identisch mit crassum Bush. nach R. Leuckart. 356 Distomeao. 1. Unterordnung, Distomeae, Distomeen. Saugwürmer mit höchstens zwei Sauggruben, ohne Hakenbewaffnung, welche sicli mittelst Generationswechsels (Heterogonie) entwickeln. Die Ammen und Larven leben vorzugsweise in Mol- lusken, die ausgebildeten Geschlechtsthiere im Darmcanale der Vertebraten. Eine vollständig ausgebildete Trennung des Geschlechtes besteht bei der paar- weise vereinten Büharzia haematohia aus dem Venensystem des Menschen. (Fig. 321.) Anch einzelne Arten der Gattungen Monostomum und Distomum bilden im Zusammenhange mit der Arbeitstheilung des Geschlechtslebens dimorphe Formen aus, indem die einen Individuen lediglich den männlichen, die anderen ausschliesslich den weiblichen Geschlechtsapparat zur Entwick- lung bringen. Die Anlage des nicht fungirenden Geschlechtsorganes erfährt als- Pi„ n-31. <^^"ii ^i^e mehr oder minder tiefgreifende Rückbildung. Solche Distomeen sind zwar der morphologischen Anlage nach Zwitter, thatsächlich jedoch getrennten Geschlechtes. „ Leider ist die vollständige Biologie nnd Entwick- lungsgeschichte nur für wenige Arten, welche durch sämmt- liche Eutwicklungsstadien verfolgt werden konnten, unter anderen für D. hepaticum, ausreichend festgestellt. Fam. Monostoviidae. Von oval gestreckter, mehr oder minder rundlicher Form, mit nur einem Saugnapf an oder im Umkreise des Mundes. 3fonostomum Zeder. Saugnapf im Umkreise des Mundes, Pharynx kräftig. Geschlechtsöffnungen nur wenig vom Vorder- ende entfernt. M. mutabüe Zeder, in der Leibeshöhle, Augenhöhle und im Barme verschiedener Wasservögel, lebendig gebärend. M. flavum Mehlis, in der Speiseröhre und Brusthöhle von Wasser- vögeln, entwickelt sich aus Cercaria ephemera der Planorbis. 31. lentis v. Nordm., jugendliche, noch nicht geschlechtsreife Form in der Linse des Menschen. M. bipartitum "VVedl, paarweise in Gyuaecophorus haematoUus. Cysten, das eine Individuum vom lappigen Hinterleibe des andern Männchen und Weibchen, umwachsen, Kiemen des Thunfisches. Holostomum Nitsch., Ilemi- letzteres im Canalis gynae- ^^omwJTi Dies. cop orus c es ers ercn. , Fam. Distomidae. Körper lanzetförmig, häufig verbreitert, Bauchsaugnapf. ^ oi o > seltener langgezogen und rundlich, mit einem grossen Bauchsaug- napf. Die Geschlechtsöffnungen, dicht nebeneinander, liegen meist vor derselben. Distomum. Mittlere Sauggrube der vorderen genähert. D. Jiepaticum L., Leberegel. (Fig. 314.) Mit kegelförmigem Vorderende und zahlreichen stachelartigen Höckerchen an der Oberfläche des breiten blattförmigen Körpers, mit verästelten Darmschenkeln, c. 30 Mm. lang. Lebt in den Gallengängen des Schafes und anderer Hausthiere und erzeugt die sogenannte Leberfäule der Schafheerden. Auch im Menschen kommt der Wurm gelegentlich vor und dringt sogar in die Pfortader und in das Gebiet der Hohlvene ein. Der lang- gestreckte Embryo entwickelt sich erst nach längerem Aufenthalte des Eies im Wasser und hat einen continuirlichen Wimperüberzug, sowie einen x-förmigen Augenfleck. (Fig. 317.) In Betreff der Entwicklung haben R. Leuckart') und Thomas nachgewiesen, dass sie in Limnaeus minutus und pereger durchlaufen wird, dass die Embryonen zu Sporocysten ') R. L e u c k a r t, Zur Entwicklungsgeschichte des Leberegels. Archiv für Naturgesch., 188-2; Zool. Anzeiger, 1882. A. P. Thomas, The Life History of the Liver-Fluke. Quart erly Journal of microsc Science, 1883. Polystoiii(>ai>. 357 werden uikI dietie Redien erzengen. In den Redien entstehen entweder wieder Redien oder sogleich Cercarien, welche frei geworden, eine Cyste ausscheiden und das Verm(3gen liaben, an fremden Objecten sieh einzukapseln. Ob dieselben aber direct mit der Pflanzen- kost oder mittelst Zwischenträger in den Träger des Geschlechtsthieres gelangen, wurde bislaug nicht festgestellt. Wahrscheinlich trifft jedoch das erstere Verhältniss zu. B. crnssiim Busk, vielleicht identisch mit D. Rathouisi Poir. (Fig. 320), im Darm der Chinesen, von 1—2 Zoll Länge und V, Zoll Breite, ohne Stachelhöckerchen, mit einfachen schlauch- förmigen Darmschenkeln. D. lanceolatum Mehlis. Körper lanzettförmig langgestreckt, 8 — 9 Mm. lang, lebt mit IK hepaticum am gleichen Orte. Der Embryo entwickelt sich erst im Wasser, ist birnförmig und nur an der vorderen Hälfte bewimpert, trägt auf dem zapfenförmig vorspringenden Scheitel einen stiletförmigen Stachel. D. conjunctum Cobb. Lancettförmig, 12 Mm. lang, in der Leber des Hundes, selten des Menschen. Ostindien. V. spathuJaUivi 11. Lkt. = D. sinense Cobb., gestreckt, nach hinten verbreitert, 10 — 12 Mm. lang, massenhaft in der Leber de^ Menschen und der Katze in Japan und China. D. pulmonale Bolz, von plumper, dicker Körperform, 8—10 Mm. lang, 4— »j Mm. breit, bräunlicbrotb, lebt in den Lungen des Menschen in China und Japan. D. ophthalmoUum Dies. Eine als Art zweifelhafte Form, von der nur vier Exemplare in der Linsenkapsel eines neunmonatlichen Kindes beobachtet worden sind. T>. hetcrophyes Bilh. v. Sieb. 1 — 1'5 Mm. lang, im Darm des Menschen in Aegypten. D. goliath Van Ben., 80 Mm. lang, in Pterohalaena. Zahlreiche Arten, wie Distomum clavigerum Van Ben. (mit Cercaria ornata aus Planorbis), JD. retusum Rud. (mit Cercaria armata aus Sporocysten ' in Limnaeus und Planorbis), JD. cygnoides Zed., leben im Darme, Lunge und Harnblase der Frösche und Salamander. D. filicolle Rud. {D. OJceni Köll.), paarweise in Schleimhauteinsackungen der Kiemenhöhle von Brama Raji. Das eine Individuum ist drehrund, schmal und erzeugt Zoospermien, das andere ist in der mittleren und hinteren Leibesgegend sackförmig auf- getrieben und mit Eiern erfüllt. Wahrscheinlich rührt die ungleichmässige Ausbildung beider Individuen daher, dass die Begattung nur zur Befruchtung des einen Individuums führte, welches nun seine weiblichen Geschlechtsfunctionen entfalten konnte. Bilharzia ') haematobia Cobb. {Gynaecophorus Dies.) (Fig. 321.) Körper lang- gestreckt, Nematoden ähnlich. Getrennt geschlechtlich. Das Weibchen schmächtig, cylin- drisch. Das Männchen mit starken Saugnäpfen und rinnenförniig umgeschlagenen Seiten- rändern, welche einen Canalis gynaecophorus zur Aufnahme je eines Weibchens bilden. Darmcanal mit Schlund und zwei Darmschenkeln, welche sich hinter dem Ovarium, be- ziehungsweise den 5 bis 8 Hodenblasen zu einem unpaaren Schlauch wieder vereinigen. Leben paarweise vereint in der Pfortader, Darm- und Harnblasenvenen des Menschen in Abyssinien. Die Embryonen sind nach Cobbold bewimpert und besitzen ein ansehnlich entwickeltes Wassergefässsystem. Durch die in die Schleimhautgefässe der Harnleiter» Harnblase und des Dickdarmes abgesetzten Eiermassen werden Entzündungen erzeugt, die oft Haematurie zur Folge haben. Amphistomum Rud. Bauchsaugnapf am hinteren Körperende. A. suhclavalum Nitsch., im Dickdarm des Frosches. 2. Unterordnung Polystomeae, Polystomeen. Saiigwürmer mit zwei kleinen seitlichen Sanggruben am Vorderende und einem oder mehreren hinteren Saug- näpfen, zu denen häufig noch zwei grosse Chitinhaken hinzukommen. Aus- nahmsweise finden sich anch quere Borstenreihen vor {Trkfomum coccineum). ' Allgen sind häufig vorhanden, Sie leben meist als Ectoparasiten, theilweise wie die Hirudineen, und entwickeln sich direct ohne Generationswechsel aus Eiern, die meist schon an dem Aufenthaltsorte des Mutterthieres zum Ausschlüpfen *) Gustav Fritsch, Zur Anatomie der Bilharzia haematobia Cobb. Archiv füi mikrosk. Anatomie. Bd. 31, 1888. 358 Polystomeac. Kntwickliing. Tristomulac. I'olystomidae. kommen. Zuweilen ist die Entwicklung eine Metamorphose (^Pohjstomum) und die jungen Larven leben an einem anderen Orte. Am besten ist die Entwicklungsgescliichte von Poly- stomum integerrimum aus der Harnblase des Frosches durch E. Zell er bekannt geworden. (Fig. 322 und 323.) Die Eierproduction beginnt im Frühjahre, wenn der Frosch aus dem Winterschlafe erwacht, sich zur Paarung anschickt, und währt zwei bis drei Wochen. Man kann dann leicht auch die Poljstomeen in Wechselkreuzung beobachten. Beim Eierlegen drängt der Parasit seinen Vorderleib mit derGeschlechtsöffnung durch die Harnblaseumündung nahe bis zum After. Die Embrj'onalentwicklung erfolgt im Wasser und nimmt eine Reihe von Wochen in Anspruch, so dass die jungen Larven erst ausschlüpfen, wenn die Kaulquap- pen bereits innere Kiemen gewonnen haben. Die Larven sind Gyrodactylus ähnlich und besitzen vier Augen, einen Schlund nebst Darm, sowie eine von 16 Häkchen umstellte Haftscheibe. Auf ihrer Oberfläche sind sie mit fünf Quer- reihen von Wimpern, drei ventralen an der vorderen, zwei dorsalen an der hinteren Körperhälfte bekleidet. Auch der Spitze des Vorderendes gehört eine Wimperzelle an. Die Larven wandern nun in die Kiemenhöhle der Kaulquappen ein, verlieren hier die Wimperhaare und wachsen unter Bildung der beiden Mittelhaken, sowie der drei Paare von Sauggruben auf der hinteren Haftscheibe zum jungen Poly- stomum aus, welches etwa acht Wochen nach der Ein- wanderung in die Kiemenhöhle, zur Zeit, wenn diese zu veröden beginnt, durch Magen und Darm in die Harnblase übertritt und hier, freilich erst nach drei und mehr Jahren, völlig geschlechtsreif wird. Ausnahmsweise und immer dann, wenn die Larven in die Kiemen sehr junger Kaulquappen gelangen, werden sie schon in der Kiemenhöhle der letzteren geschlechtsreii Dann bleiben die Formen sehr klein, entbehren der Begattungs- canäle und Eibehälter und gehen nach Erzeu- gung eines einzigen Eies zu Grunde, ohne in die Harnblase gelangt zu sein. Farn. Tristomidae. Hinterende mit einem grossen Saugnapf und oline Chitinwaffen, Mundende mit zwei kleinen Saugnäpfen Trislomum jxipillosum Dies., an den Kiemen von Xiphias. Calicotyle Dies. Fam. Polystomidae. Mit mehreren hinteren Saugscheiben, die meist paarig iu zwei seitlichen Keihen angeordnet sind und durch Hakenhewaffnungen in ihrer Wirksamkeit ii Polystomum integerrimum, nach E. Zeller. 0 Mnud, Go Genitalöffuung, D Darm, W Begattiiugsöffnuiigou (Seitcnwülstu) , Dg Dottcr- gäugt', Ov Ovarium, ,S' Saug- napf, H Haken. ""^^^JSsg^^ Ei mit Embryo (a) und ausgcselilü Larve [h] von Polystomum integerrim nach E. Zeller. . (iyrodactylidai 359 unterstützt werden. GonitalöfTnuugon liäufig von Haken unigebon. roli/s/ominu Zed. Mit vier Augen, ohne seitliche Sauggruben am vorderen Ende, aber mit Mundnapf, mit sechs Saugnilpfen suwie zwei grossen medianen Haken und IG kleinen Häkclien am Hinterende. r. integerrimum Eud., in der Harnblase von Rana temporaria. (Fig. 322.) P. oceUatnm, Rachenhölile von Emys, verhält sich in der Bildung des Hodens und in dem Ausfall des Eierbehälters wie die gcschlechtsreife Form aus der Kiemenhöhle von P. inleyerrhnum. Octohothrinm lanceolatum Duj. Onchocotijle append'tculata Kuhn, an den Kiemen von Haien. Biplozoon Nordm., Doppelthier. Zwei Einzelthierc zu einem x-förmigen Doppelthiere verschmolzen, dessen Hinterenden mit zwei grossen, in vier Gruben getheilten Haftscheiben bewaffnet sind. Im Jugendzustande als Diporpa solitär lebend, besitzen sie einen Bauch- saugnapf, sowie einen Rückenzapfen. Auch bei dem Doppelthiere fällt die Eibildung vor- nehmlich in das Frühjahr. Die Eier werden nach Ausbildung ihres Haftfadens einzeln ausgestossen und lassen etwa zwei Wochen später einen Embryo ausschlüpfen, welcher sich von lJi2)orpa durch den Besitz zweier Augenflecke und eines an den Seitenrändern und an der Hinterleibsspitze befindlichen Wiraperapparates unterscheidet. (Fig. 293.) F'inden die Larven an den Kiemen von Süsswasserfischen Gelegenheit zur Ansiedelung, so Fig. 325. Junges Diplozoon, nach E. Zell er. a Zwei Diporpen im Beginn der Aneinanderlieftung, h nach gegeusoitiger An- heftiing. 0 Mund, B Haftapparat, Z Zapfen, G Grube. Ei (a) und Larve (6) von Diplo E. Zeller. werden sie alsbald durch den Verlust der Wimpern zur Blporpa, welche jetzt schon den charaktciistischen Haftapparat besitzt und Kiemenblut einsaugt. Die bald erfolgende Vereinigung zweier Diporpen geschieht nicht, wie man früher glaubte, einfach durch die Verwachsung beider Bauchsaugnäpfe, sondern in der Art, dass sich der Bauchsaugnapf jedes Thieres an den Rückenzapfen des anderen anheftet und mit diesem verwächst. (Fig. 324 und 325.) I). paradnxum v. Nordm. auf den Kiemen zahlreicher Süsswasserfische. Fam. Gyrodactylidae. Sehr kleine Saugwürmer mit grosser terminaler Schwanzscheibe und kräftigem Hakenapparat. Der Körper birgt eine Tochter- und in dieser eingeschachtelt eine Enkel- und Urenkelgeneration, v. Siebold glaubte beobachtet zuhaben, dass sich aus einer Keimzelle von Gyrodactylus ein junges Thier entwickelt, und dass dieses während seiner Entwicklung trächtig wird; da er samenbereitende Organe vermisste, betrachtete er den Gyrodactylus als Amme. G. Wagener wies aber nach, dass die Portpflanzung eine geschlechtliche ist, und gelangte zu der Auffassung, dass die Keime zu den eingeschachtelten Generationen aus Resten des befruchteten, das Tochterthier bildenden Eies hervorgehen. Auch Metschnikoff ist der Ansicht, dass die Bildung von Tochter- und Enkelindividuum gleichzeitig aus der gemeinschaftlichen Masse über- einstimmender Embryonalzellen erfolgt. Gyrodacf.ijlus v. Nordm., G. elegans von Nordm., an den Kiemen der Cyprinoiden und anderer Süsswasserfische. Im Anschluss an die Trematoclen mögen die an den Venenanhängen der Cephalopoden scliraarotzeuden Dici/emiden, sowie die erst später bekannt- 3()0 Difycm'ulen. Orthonectiden. gewordenen in Ecliiuoderraen und Turbellarien lebenden Orthonedide^i ') ihre Stellung finden. Der langgestreckte wurmförmige Leib dieser unzutreffend als Mesozoen bezeichneten Parasiten besteht nur aus zwei Zellenscliichten, einem aus verhältnlssmässig wenigen Zellen gebildeten bewimperten Ectoderm und einer Innern Zelleumasse, welche bei den Dicyemiden -) durch eine einzige, sehr langgestreckte, die Axe einnehmende Zelle vertreten ist. Diese Zusammen- setzung des Leibes aus zwei Zellenschichten hat denn auch zu der Auffassung Aulass gegeben, dass diese Thierformen als vereinfachte Coelenteraten oder Fig. 326. fe- a Jihopalnra Giaräii (Orthovcctide) Mäniiohen , 5 Weibc-hen, nach Julin. c Dicyeniopisis macrnecpJmlux, nach Kd. van BcMieden. gar als Gastraeaden zu betrachten seien, die durch den Parasitismus wie die Cestoden Mund- und Gastralhöhle eingebüsst hätten. Mit vielleicht besserem Kechte können dieselben als in der Entwicklung gehemmte, aber zur geschlecht- lichen Fortpflanzung gelangte Larven von Saugwürmern angesehen werden, deren ^) A. Giard, Les Orthonectides. Journal de rAiiatoraie et de la Physiologie, Tom. XV, 1879. E. Met.schnikoff, Untersuchungen über Orthonoctiden. Zeitschr. für wiss. Zoologie. Tom. 35, 1881. ') Ed. van Beneden, Recherches sur les Dicyemides. Bull. Acadeniie Belgique. Bruxelles,- 1876. C. 0. Whitnian, A Colitribution to the Enibryology, Life History and Clas.sification nf tho Dicyemids. Mittheilungen aus der znol. Station. Neapel, Tom. IV, 1882. 3. Ordnung. Ceslodes. 361 Jugendstadien eine ähnliche Anordnung der Zellen des Leibes zeigen. Wie dort springen am Kopfende der DinjemkUn zwei oder vier Zellen buckeiförmig vor. Die Fortpflanzungszellen liegen in der Achsenzelle und gestalten sich zu zweier- lei Bmbrj^onen, „wurmförmigen" und „infusorienförmigen", welche sich auf ver- schiedene Individuen (nematogene und rhombigene) vertheilen. Nach W h i t m a n sollen einzelne Individuen in der Jugend infusorienförniigo , später wurni- förmige Embryonen erzeugen. Bei den Orthon edülen ist der Leib äusserlich geringelt, und die innere Zellenmasse aus einem Haufen von Zellen gebildet, über welchen unterhalb des Ectoderms eine Lage von Muskelfasern verläuft. Es wurden männliche und weibliche Thiere, letztere wieder in zwei Formen unterschieden. Die cylin- drischen Weibchen lassen ihre Eier austreten, bei den. abgeplatteten gelangen die letzteren im Körper des Mutterthieres zur Entwicklung. 3. Ordnung. Cestodes *), Bandwürmer. Langgestreckte^ meist gegliederte Plattw ärmer ohne Mund tind üarm- apparat, mit TIaftorganen am Vorderende. Die an ihrem bandförmigen, in der Kegel gegliederten Leibe kenntlichen, im Darmcanal von Wirbelthieren schmarotzenden Bandwürmer wurden früher allgemein für Einzelthiere gehalten. Erst seit S t e e n- Fig. 327. strup brach sich eine abweichende Auffassung /G!m^\ Bahn, welche in dem Bandwurme eine Kette von Einzelthieren, einen Thierstock, dagegen in dem Bandwurmgliede,' der Proglottis, das Individuum & erkannte. Obgleich nun in der Mehrzahl der Fälle t I die Gliedstücke des Körpers als Proglottiden zur V Lostrennung kommen, ja sogar in vielen Fällen " ^ (Echineibothrmm) nach der Lösung vom Gesammt- ' körper des Bandwurmes bedeutend fortwachsen < .:,ii^ - und geraume Zeit selbstständig existiren, so gibt Kopf von Taeniasouum, von der schei- -, -, T n I -I f /~< 7 77 N TT telfläche gesehen, mit Rostellum und es doch auch Cest0den(Car?/Op%ZZaeWs), welche SO- doppeltem Hakenkranz, sowie mit vier wohl der äusseren Gliederung, als der Wiederholung sauggmben. des Geschlechtsapparates entbehren. Man wird daher die Individualität des gesammten Bandwurmes aufrecht erhalten müssen, zugleich aber innerhalb der- selben die morphologisch enger begrenzte, untergeordnete Individualitätsstufe ') Ausser den älteren Werken und Schriften von Pallas, Zeder, Bremser, Kudolphi, Diesing u. A. vergl. van Beneden, Les vers cestoides ou acotyles. Bruxelles, 1850. Küchenmeister, Ueber Cestoden im Allgemeinen und die des Menschen insbesondere. Dresden, 1853. v. Siebold, Ueber die Band- und Blasenwürmer. Leipzig, 1854. G. Wagener, Die Entwicklung der Cestoden. Nov. Act. Leop.-Car., Tom. XXIV., Suppl., 1854. Derselbe, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Eingeweidewürmer. Haarlem, 1857. E. Leuckart, Die Blasenbandwürmer und ihre Entwicklung. Giessen, 1856. Derselbe, Die menschlichen Parasiten. 2. Aufl. Tom. I. F. Sommer und L. Landois, Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus. Zeitschr. für 362 Cestodes. Kopfbewaffnuiig. der Proglottis aiierkeunen. Diese Auffassung ist die einzig zutreffende, zumal nur der Vergleich des gesammten Bandwurmes, nicht etwa der Progloftis mit den Trematoden statthaft ist, von denen die Cestoden durch Verein- Fig. 328. fachung der Organisation und Verlust des Darm- canals abzuleiten sind, wie sich auch in der Ent- wicklung beider homologe Stadien (Cercarm, Cy- sU'cercoid) wiederholen. Der vordere verschmälerte Körpertheil des Bandwurmes vermag sich mit seinem kopfaitig angeschwollenen Ende festzuheften. Dasselbe wird als Bandwurmkopf unteischieden, verdient jedoch nur mit Bezug auf die äussere Form diese Bezeich- nung. Sehr schwach und nur durch eine lappige, gefranste Ausbreitung gebildet ist die Kopfbewaff- nung bei CaryophyUaeus. Häufig endet die Kopf- spitze mit einem Stirnzapfen, Rostellum, dem ein doppelter Kreis von Haken angehört, während die Seitenflächen des Kopfes mit vier Sauggruben be- waffnet sind (Taenia). (Fig. 327.) In anderen Fällen sind nur zwei Sauggruben vorhanden {Bothrioce- phalus), oder es treten complicirter gebaute, mit Haken besetzte Sauggruben {Äcanthobothrmm) auf, oder vier hervorstülpbare, mit Widerhaken besetzte Rüssel (Tetrar clnjnclius) (Fig. 330a.) bilden die Be- waffnung, die in einer Reihe anderer Gattungen mannigfache besondere Formen bieten kann. Der auf den Kopf folgende, als Hals be- zeichnete Abschnitt zeigt in der Regel die ersten Spuren beginnender Gliederung ; die anfangs noch undeutlich abgesetzten Querringel werden im Ver- laufe des Bandwurmleibes zur kurzen schmalen, dann in continuirlicher Aufeinanderfolge zu län- geren und breiteren Gliedern, den Proglottiden, welche sich mit Zunahme ihrer Entfernung vom Kopfe schärfer und bestimmter abgrenzen. (Fig. 328.) Am wiss. Zool., 1872. Th. Pintner, Untersuchungen über den Bau des Bandwurmkörpers. Arbeiten aus dem zool. Institut etc. zu Wien, 1880. M Braun, Zur Entwicklungsgeschicbte des breiten Bandwurmes (Bothriocephalus latus). Würzburg, 1883. Hugo Scbauinsland, Die embryonale Entwicklung der Bothriocephalen. Jen. Zeitschr., Tom. XIX, 1885. L.N i e m i e c, Untersuchungen über das Nervensystem der Cestoden. Arbeiten des zoolog. Instituts. Wien, Tom. VII. Heft I. 1887. Fr. Zschokke, Eechercbes sur la structure anatomique ethistolo- gique des Cestoides. Geneve, 1888. B. Grass i undG.Rovelli, Embryologische Forschungen an Cestoden, Centralbl. für Bakteriologie. Tom. V, 1889. O.Hamann, In Gammarus pulex lebende Cysticercoiden mit Schwanzanhängen. Jen. naturw. Zeitschr., 1889. C.Claus, Zur morphologischen und phylogenetischen Beurtheilung des Bandwurmkörpers. Arbeiten aus dem zoolog. Institute der Universität. Wien. Tom. VII. Heft I. 1889. Taenia sagmafa {medi türlichei Grosse, nach R Leuftk' 363 Fiir. 3^9. Nerven und Kopfganglien mit Querbriicke und austretenden Nerven von Tae.nia mediocanel- lata, (schi'inatiseh) nach N i e m i e c. ;-. 330 ». t\ hinteren Abschnitt des Bandwurmes erlangen die Glieder den grössten Umfang und die Fähigkeit der Loslösung; sie trennen sicli vom Bandwurm ab und loben eine Zeit lang isolirt, zuweilen sogar an demselben Aufenthaltsorte fort. Dem einfachen äusseren Bau entspricht auch eine einfache innere Organisation. Unter der Cuticula-ähnlichen äusseren Membran breitet sich eine Lage kleiner, in Fasern aus- laufender Zellen aus, die man früher als Hypodermis betrachtete. Dieselbe entspricht jedoch wahrscheinlich einer Bindegewebs- schicht mit feingranulirter Intercellular- substanz, in welcher schlauchförmige oder bläschenartige Drüsenzellen eingestreut sind. Dann folgt das zellig-bindegewebige Paren- chym, in welchem mächtige Bündel von Längsmuskelfasern, so- wie eine innere Lage von Ringmuskeln eingebettet sind; beide werden vornehmlich an den Seiten des Leibes von dorsoven- tralen Fasergruppen durchsetzt. Die wechselnde Zusammen- ziehung aller dieser Muskeln bedingt den überaus grossen Formen- wechsel der Proglottiden, die sich unter Zunahme der Breite und Dicke bedeutend verkürzen und unter beträchtlicher Ver- schmälerung zu doppelter Länge ausdehnen können. Das binde- gewebige Leibesparenchym enthält nicht nur die Muskeln, son- dern alle übrigen Organe eingebettet. In seinen peripherischen Partien, vornehmlich in der Nähe des Kopfes, liegen in dem- selben kleine, dicht gehäufte Kalkconcremente, welche als ver- kalkte Bindegewebszellen betrachtet werden. Das Nervensystem wird von zwei seitlichen, an der äusse- ren Seite der Wassergefässstämme verlaufenden Strängen gebildet, deren etwas verdickte Enden im Kopfe durch eine Querbrücke verbunden sind, welche mit jenen die Kopfganglien repräsentirt. (Fig. 329.) Ausgesprochene Sinnesorgane fehlen, indessen wird man der Hautoberfläche, vornehmlich der des Kopfes und der Sauggruben, Tastvermögen zuschreiben können. Desgleichen fehlt ein Verdauungscanal. Die bereits zur Resorp- tion fähige Nahrungsflüssigkeit dringt endosmotisch durch die gesammte Körperwandung in das Leibesparenchym ein. Dagegen erreicht der Excretionsapparai als ein vielfach ramificirtes, die ganze Körperlänge durchziehendes Canalsystem einen bedeu- tenden Umfang. Es sind ursprünglich je zwei (ein dorsaler und ventraler) an den Seiten verlaufende Längscanäle vorhanden, welche im Kopfe durch Quer- schlingen in einander übergehen (Fig. 330) und bei denTaenienin den einzelnen Gliedern durchQueranastomosen in Verbindungstehen. DieseLängsstämme.dpren Junger Tetrarhyn- clms mit beginnen- der üliederung. Man sieht die vier Wassergefiissstäm - me mit derEudblase (B), sowie die Ver- bindungssclilinge im Kopfe. 364 Cestodcs. Excrntionssvstom. GesehlcchtsorKanR. Wand mit King- und Längsmuskelfasern bekleidet sein kann, sind jedoch nur die Ausführnngsgänge eines sehr feinen, in allen Parenchymtheilen verzweigten Gefässsystems, in welches zahlreiche lange Trichterröhrchen, mitgeschlossenemj Fig. 330 S. Fig. 330 c. Kopf eines Ttli abothi mm mit den vier Saugnäpfen und den Gefäss- schlingen. Wimperkölbchcn mit der Geissei von Pht/Ilohothriii vergrüssert. ickernden , stärker ein flackerndes Geissei- läppchen enthaltendem Trichter im Parenchym beginnend, einführen. (Fig. 330 c.) In vielen Fällen, wie bei Ligu- liden und Caryophyl- laeus, spalten sich diese Längsstämme wieder in zahlreiche Längsge- fässe, die durch Quer- anastomosen verbun- den sind. In den Pro- glottiden erweitern sich oft die beiden ventralen Stämme auf Kosten der beiden dorsalen Stämme, welche auch ganz atrophiren können. Die Aus- Fig. 330 Körperrand. Fig. 330 a, 6, c,d * . ,, t^ , ■,■ ■,., t ,• nach Th. iMntner. schlaugeltc Eudo dicses letzteren liegt m emem muskulösen Beutel (Ctmisbeutel) und kann aus demselben als sogenannter Ctrrus durch die Geschlechtsöffnung hervorge^tülpt w^erden. Derselbe erscheint häufig mit rückwärts gerichteten Spitzen besetzt und dient als Copulationsorgan. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus Ovarium, Dotterstock (Eiweiss- drüse), Schalendrüse, Fruchtbehälter und Vagina (Begattungscanal nebst Kecep- taculum), welche letztere in der Regel unterhalb der männlichen Geschlechts- Fortpflanziinp:. 3()5 Öffnung meist in einoni geuieinsameii umwallten Geschlechtsporus, entweder auf der Bauchfläclie des Gliedes (Bothriocejjhcäus), oder am Seitenrande (Taeula) und dann alternirond bald an der rechten, bald an der linken Seite nach aussen mündet. (Fig. 331.) Indessen kommt es auch vor, dass beide Geschlechtsöif- nungeu im weiten Abstand getrennt liegen, dass die männliche Oeffnung am Seitenrande, die weibliche auf der Fläche der Glieder ihre Lage hat. Auch kann der Geschlechtsapparat sich in den Seitenhälften der Proglottis paarig wiederholen, in welchem Falle rechts und links Oeffnungen liegen {Bipij- lidien). Mit der Grössenzunahme der Glieder und der Entfernung derselben vom Kopfe schreitet die geschlechtliche Ausbildung allmälig von vorn nach hinten vor, doch so, dass die Pig 331, mäunlicheGeschlechts- reife etwas früher als die weibliche eintritt, nachher die Begattung und mit ihr die Anfül- lung der Samenblase (Recepiaculum semmi's) Cb mit Samenfäden er- folgt, während erst spä- K ter die weiblichen Ge- y^ schlechtsorgane zur vollen Eeife gelangen. Im Laufe dieses Vor- ganges werden die Eier befruchtet und in den Uterus übergeführt Erst dann erhält der an- fangs einfache Frucht- behälter seine charak- teristische Form und Grösse, während die Hoden, sowie auch die Ovarien und Dotterstöcke mit der allmäligen Füllung des Uterus mehr oder weniger voll- ständig resorbirt werden. (Fig. 332.) Nur die hinteren, zur Trennung reifen Proglottiden haben die gesamrate geschlechtliche Entwicklung durchlaufen, und die Eier im Innern ihres Fruchtbehälters umschliessen häufig bereits voll- ständig ausgebildete Embryonen. In der continuirlichen Aufeinanderfolge der Glieder erkennt man demnach den Entwicklungsgang für die Entstehung und allmälige Keifung der Geschlechtsorgane und Geschlechtsproducte. Die Zahl der Bandwurmglieder von der Anlage der Geschlechtsorgane an bis zum Auf- treten der ersten Proglottiden mit entwickeltem Fruchtbehälter kann einen Aus- druck für die Anzahl der Stadien abgeben, welche jedes Glied durchlaufen muss. Die Bandwürmer sind ovipar, sei es nun, dass sich die Embryonen bereits Proglottis von TaeniamcdiocaneUaia im Stadium männlicher und weiblicher Reife, nach S o m m e r. Ou Ovarium, Ds Dotterstock (Eiweissdrilse), Sd Schalen- driise, f7MJterus, T Hodenbläschen, Vd Vas defereas, Cb Cirrusbeutel, R'Kloake, Fa Vagina (Begattungseanal), TFc Wassergefässcanal, JVNerven- strang. 30H Cestodes. Entwicklung. Ficr. 332. innerhalb des mütterliclien Körpers in den Eierschalen ausbilden {Cystotaenid), sei es, dass dieselben erst ausserhalb der Proglottis, z. B. im. Wasser zur Ent- wicklung gelangen (Botkrwcephalus). Die Eier der Cestoden (Fig. 333) sind von runder oder ovaler Form und von geringer Grösse. Ihre Hülle ist einfach, oder auch aus mehrfachen dünnen Häuten zusammengesetzt, oder aber dieselbe stellt sich als feste dicke Kapsel dar, welche bei den Cystotaenien aus dicht neben einander stehenden, durch eine Zwischensubstanz ver- kitteten Stäbchen gebildet wird und dem ent- sprechend ein granulöses Ansehen darbietet. In vielen Fällen fällt die Embryonalentwick- lung mit der Bildung der Eischale zusammen, imd das abzusetzende Ei enthält bereits einen fertigen sechs-, selten vierhakigen Embryo ; bei vielen BoihriocephaUden entwickelt sich derselbe erst Avährend des längeren Aufent- haltes des Eies im Wasser und verlässt mit Wimpern bekleidet die einfache Eihülle. Dies gilt für die dickschaligen Eier der Bothrioce- phalen, welche sich mittelst Deckels öffnen, nachdem sich der mit Wimpern bekleidete Em- bryo im Wasser entwickelt hat. Die aus dünn- schaligen Eiern entwickelten Embryonen sind mit einer chitinigen Haut bekleidet, und gelangen wie bei vielen Taenieu, bereits im Bandwurmkörper zur Entwicklung. Die Vor- gänge der Embryonalentwicklung *) verhalten sich bei Taenien und Bothriocephalen ähnlich. Nur die von Nahrungsdotter oft ganz umschlos- sene Eizelle betheiligt sich au der Furchung. Die Furchung ist im Ganzen eine regelmässige, und schon frühzeitig tritt eine dicht am Eipole gelegene Zelle durch ihre Grösse hervor. Die- selbe scheint sich zu theilen und umwächst zugleich mit der zweiten an den andern Pol gerückten Zelle die Embryonalzellen, um eine Hüllmembran zu bilden. Während der Nah- run. latus) Hautschicht wird, während das Ento- blast die sechs Embryonalhäkchen erzeugt und mit Kücksicht auf den späteren Ver- lust der Hülle undHantschicht den Embryo- und Larvenkörper allein zusammen- setzt. Da auch bei den Taenien ähnliche, später verloren gehende Embryonal- liüllen erzeugt werden, hat man den Cestoden ein Ectoderm abgesprochen. Die Entwicklung des Embryos, beziehungsweise der Larve zum Bandwurm erfolgt vielleicht in keinem Falle direct an demselben Aufenthaltsorte im Darmlumen des ursprünglichen Trägers. Als Regel kann eine complicirte, zu- weilen (Echtnococcus, Coenurus) mit Generationswechsel verbundene Meta- morphose gelten, deren aufeinanderfolgende Stadien an verschiedenen Wohn- plätzen leben, meist in verschiedenen Thierarten die Bedingungen ihrer Aus- Fig. 334. -^^TM" \ itwickluugszustände ^oii J( Ci/stk-crcus, zum Theil nach solium bis R. Leuckart. a Ei mit Embryo, h freigewordener Embryo, c Hohlzapfen au der Wand des Blasenwurmes (Anlage des Kopfes), d Finne mit ein- gestülptem Kopf, e dieselbe mit ausgestülptem Kopf, etwa viermal vergrössert bildung finden und theils durch passive, theils active Wande- rungen übertragen werden. Die Eier der Taenien verlassen ge- wöhnlich mit den Pro- glottiden den Darm des Bandwurm trägers und gelangen auf Dün- gerhaufen,au Pflanzen oder auch in das Was- ser und von hier aus mittelst der Nahrung in den Magen meist pflanzenfressender oder omnivorer Thie're. Nachdem in dem neuen Träger die Eihülleu unter der Einwirkung des Magensaftes verdaut oder gesprengt worden sind, bohren sich die freigewordenen Embryonen im Magen oder Darm des neuen Trägers mittelst ihrer sechs (selten vier) Häkchen, deren Spitzen über die Peripherie des kleinen kugeligen Embryonalkörpers einander genähert und wieder entfernt werden können, in die Magen- und Darmgefässe ein. (Fig. 334.) In dem Gefässsysteme angelangt, werden sie unzweifelhaft passiv durch die Blutwelle fortgetrieben und auf näheren oder entfernteren Bahnen in^ den Capillaren der verschiedensten Organe, als Leber, Lunge, Muskeln, Gehirn etc., abgesetzt. Nach dem Verluste ihrer Häkchen wachsen die Embryonen, in der Regel von einer bindegewebigen Cyste umkapselt, zu grösseren Bläschen mit wandständigem contractilen Parenchym und wässerigem Inhalt aus. Die Blase wird allmälig zur Finne oder zum Blasemourm, indem von ihrer Wandung aus in das Innere eine (Cysticercus) *) oder zahlreiche (Coenurus) Hohlknospen •) Ausnahmsweise kommen zwei oder mehrere Köpfe bei manchen Cysticercus- formen vor. 368 Ecbinococfus. Scolcx. ?l waclisen, welche im Grunde der Höhlung die Bewaffnung des Baiidwurmkopfes in Form von Saugnäpfchen und doppeltem Hakenkranz erhalten. Stülpen sich diese Holilknospen nach aussen um, so dass sie als äussere Anhänge der Blase erscheinen, so zeigen sie die Form und die Bewaffnung des Bandwurmkopfes nebst mehr oder minder entwickeltem Hals und selbst bereits sich gliederndem Bandwurmkörper. Es kann auch der Fall eintreten {Echinococcus), dass die un- regelmässig gestaltete Mutterblase von ihrer Wandung aus im Innern Tochter- ') und Enkelblasen erzeugt. Au diesen Blasen nehmen die Bandwurmköpfchen in besonderen kleinen Brutkapseln ihren Ursprung. (Fig. 335.) Dann ist natürlich p- 33J3 die Zahl der von einem Em- bryo entsprossenen Band- wurmköpfe eine enorme, und die Mutterblase kann einen sehr beträchtlichenUmfang, nicht selten die Grösse eines menschlichen Kopfes er- reichen, dabei in Folge aus- gedehnten Wachsthums häufig eine unregelmässige Form gewinnen. Dagegen bleibt der zugehörige Band- wurm sehr klein und trägt meist nur eine einzige reife Proglottis. (Fig. 336.) ImFinnenzustand und in dem Träger des letzteren scheint sich der Bandwurm- kopf niemals zu dem ge- schlechtsreifen Bandwurm auszubilden , wenngleich derselbe in manchen Fällen zu einer ansehnlichen Länge diWSiVf-ädh^i {Cysticercus fasciolaris der Hausmaus). Die Finne muss indenDarm- canal eines neuen Thieres eintreten, damit der Bandwurmkopf (/Sco^ex) nach seiner Trennung von der Wandung des Blasenkörpers in den Zustand des geschlechts- reifen Bandwurmes eintreten kann. Diese Uebertragung erfolgt mittelst der Er- nährung durch den Genuss des finnigen Fleisches und der mit Blasenwürmern in- ficirten Organe auf passivem Wege, bedingt durch die Wechselbeziehungen des Naturlebens. Es sind daher vorzugsweise Kaubthiere, Insectenfresser und Omni- voren, welche mit dem Leibe der zu ihrer Ernährung dienenden Thiere die Blasen- aT?rutkapscl von Echinococcus mit in der Bildung begriffenen Köpfchen, n.ach R. Ijcuckart. h Brutkapsel, nacli G. Wagen er, c Ecliino- coccus-Köptchen noch im Zusammenhange mit der Wand der Brut- kapsel, das eine ausgestülpt. Vc Excretionscanälc. *) Auch bei Cysticerken (C loiußcoUis, tenukollis) kommt die Absclinürung steriler Tochterblasen vor. Cysticcrcoid. 369 337 a. Cystieei'coid von Taenia GOmal ver- grössert. Nach 11. Leuckart. Würmer in sich aiifnehmeu und die aus demselben liervorgelienden Cestoden im Darme l)eherl)ergeji. Die Blase wird dann im Magen verdaut und der Bandwurm- kopf als Scolex frei; dieser, durch die Kalkconcremente vor zu intensiver Ein- wirkung des Magensaftes geschützt, tritt alsbald in den Dünndarm ein, heftet sich an der Darmwand fest und wächst unter allmäligor Gliederung in den Bandwurmleib aus. Aus dem Scolex geht die Kettenform, Strohila, durch ein mit Gliederung verbundenes Längenwachsthura hervor, welches auch als eine Form der ungeschlechtlichen Fortpflanzung (Sprossuug in der Längsachse) aufgefasst worden ist. Indem es aber der Leib des Scolex ist, welcher das Wachs- thum und die Segmentirung erfährt, er- scheint es am natürlichsten, von der Indivi- dualität der gesammten Kette auszugehen und dieser die Individualität der Proglot- tideu unterzuordnen. Dann ist die Bandwurm- entwicklung als eine durch die Individuali- sirung bestimmter Entwicklungszustände charakterisirte Metamorphose zu deuten. Nur für diejenigen Fälle, in welchen die Jugend- form zahlreiche Bandwurmköpfe erzeugt, trifft die Deutung als Generationswechsel zu. Uebrigens bietet die Entwicklung ver- schiedener Bandwürmer bedeutende Verein- fachungen. Häufig sinkt an dem encystirten Finnenstadium die Blase bis auf einen ver- schwindend kleineu Anhang, der Cysticercus wird zu einer cysticercozden Form, an welcher sich oft ein die Embryonalhäkchen tragender Anhang von einem grösseren Abschnitt mit dem eingestülpten Scolex abhebt. (Fig. 337 a und b und 338.) Cysticercoiden finden ^j vornehmlich in wirbellosen Thieren die Bedingungen zur 1/ Entwicklung und wurden bisher in Gammariden, Cyclops, Insecten (Mehlwurm, Silpha, Ohrwurm, Floh, Hundelaus), ^ju^ Nacktschnecken und Oligochaeteu (Regenwurm und Tubi- cysucercoid von Taenia. nnu- „ , „ , ^ ,, T-, n 1 .. TU 1 • osa aus Gammaius pulex fex) gefunden. In seltenen Fallen können dieselben auch im ^^^^ ^ Hamann. Körper des Bandwurmträgers vorkommen, so dass dann die Entwicklung ohne Zwischenwirth erfolgt, n^ich'Gr assi hei Taenia murina und deren Cysticercoid in den Darmzotten der Katte. Offenbar repräsentirt das Cysticercoid einen ursprünglichem Zustand, dessen Beziehung zu der Jugend- form der Distomeen noch an dem cercarienähnlichen Schwanzanhang unver- kennbar hervortritt. (Fig. 337 b.) Da wo derselbe dem Cysticercoid fehlt, dürfte er ausgefallen beziehungsweise, einer äusseren Hülle ähnlich, um den Körper des Cysticercoids herumgeschlagen sein. Fig. 337 ö. Taenia Echino- coccus, nach R. Leuckart. 12mal ver- grössert. C.Claus: Lehrbuch der Zoolo>; 24 370 Archigetes. ^ ^i7jtnococc2W-ähnliches Cysticercoifl aus der Leibeshöhle des Regenwurmes, nach E. Metschnikoff. a Brutkapsel mit drei Cystioercoiden, 6 Cystieercoid mit ausgestülptem Kopf. In anderen Fällen wird der Embryo unter Ausfall der Blasenbildung zum Scolex, so dass dieser letztere der spätere Forrazustand des Embryos selbst Fii''mfW Aelteres Pihrhiim mit Wimperschopf und angelegtem Wurmkörj)er, nach Bütschli. Oe Oesophcagius, D Darm, Am Amnionhülle, R Rüsselanlage der Ne- mertine, So Seiteuorgan. 378 Hoplonemcrtini. H. Classc Nematliclmiutlies. Nemeites Borlasii Cuv.), wird 15 Fuss und melir lang. Englische Küste. Cerehralnlns mar- (jinatus = Meckelia somatotomus F. S. Lkt., Adria und Mittelmeer.- Mkrura fasciolata Ehrbg., nordische Meere bis zur Adria. 3. Unterordnung. Hnplonemertini (Enopla). Rüssel mit Stileten bewaffnet. Die Kopf- spalten sind kurz und trichterförmig. Die Seitenorgane stehen durch einen längeren Nerven mit dem Gehirn in Verbindung. Die Muskulatur besteht blos aus einer Ringfaser- und inneren Längsfaserschichte. Die äussere Längsfaserlage fehlt. Die Nervenstämme verlaufen innen von der inneren Längsfaserschichte. Mund vor dem Gehirnganglion gelegen. Fam. Ampldporidae. Ganglien mehr gerundet. Körper kurz und breit. Amphiporus ladifloreus Johnst. Lebt unter Steinen, von den nordischen Meeren bis zum Mittelmeer verbreitet, 3 — 4 Zoll lang. Drepanopliorus spectahUis Quatr., Tetrastevima ohscurum M. Seh. Lebendig gebärend, Ostsee. (Fig. 344.) T. agricola Will. Suhm, Landbewohner. Prosoroch- nius Claparedü Kef. Ovovivipar. Xemcrtes gracüis Johnst. Verwandt ist die Familie der Cephalotrkliidae. Die Kopfspalten und Seitenorganc fehlen. Kopf nicht abgesetzt, sehr lang und zugespitzt. Ccphalothrix bioculata Oorst., Sund. II. Classe. Nemathelminthes, Eundwürmer. Würmer von drehrunder, schlauch- oder fadenförmiger KörpergestaU, mit Papillen oder mit Hakenbewaffnung am vorderen Pole, getrennten Geschlechtes. Der ungegliederte Leib ist drehriind, mehr oder minder langgestreckt, schlauchförmig bis fadenförmig und in der Regel an beiden Enden verjüngt. Stets fehlen Extreraitätenstummel und mit seltenen Ausnahmen bewegliche Borsten, dagegen kommen nicht selten besondere Waffen und Haftorgane als Zähne und Haken an dem vorderen Körperende vor, wie auch in einzelnen Fällen am Bauche kleine Sauggruben zur Befestigung bei der Begattung auf- treten können. In der Regel besitzt die Haut eine dicke Cuticula und einen vollkommen entwickelten Muskelschlauch, Avelcher nicht nur Biegungen und Krümmungen, sondern bei dünneren fadenförmigen Nematoden auch Schlänge- lungen des Leibes gestattet. Die vom Hautmuskelsclilauch umschlossene Leibes- höhle enthält die Blutflüssigkeit und schliesst die Verdauungs- und Geschlechts- organe ein. Blutgefässe und Respirationsorgane fehlen. Dagegen ist ein Nerven- system überall vorhanden. Von Sinnesorganen kommen bei freilebenden Formen nicht selten einfache Augen vor. Zum Tasten dient vielleicht überall vor- nehmlich das vordere Körperende, zumal wenn sich Papillen und lippenartige Erhebungen oder Borsten an demselben finden. Während bei den Acantho- cephalen Mund und Darm vollständig fehlen, besitzen die Nematoden einen Darmcanal, welcher meist in der Nähe des hinteren Körperendes auf der Bauch- seite ausmündet. Die Excretionsorgane treten in verschiedener Form auf, bei den Nematoden als paarige, durch gemeinsamen Porus ausmündende Canäle, welche in die sogenannten Seitenfelder oder Seitenlinien fallen, bei den Acan- thocephalen als sich verzweigende subcuticulare Canäle. Von seltenen Aus- nahmen abgesehen, sind die Nemathelmiuthen getrennten Geschlechts und ent- wickeln sich direct oder mittelst Metamorphose. Larven und Geschlechtsthiere sind nicht selten auf zwei verschiedene Träger vertheilt. 1. Ordnung. Nematofies. 379 Der grössten ]\Ielirziilil iiacli sind die Rundwürmer Parasiten, entweder zeitlebens oder iu verschiedenen Altersstadien, indessen kommen auch frei- lebende Formen vor, welche oft zu parasitischen Rundwürmern die nächste Verwandtschaft zeigen und phylogenetisch als die ursprünglicheren Typen zu betrachten sein dürften. 1. Ordnung. Nematodes '), Nematoden, Fadenwürmer. Rundwürmer mit Afund und Darmcanal, vorwiegend Parasiten im Leibe höherer Thiere. Die Nematoden besitzen einen sehr gestreckten fadenförmigen Leib, dessen Bewaffnung durch Pa- pillen am vorderen Körperpole in der Umgebung des Mundes und durch Spitzen und Haken innerhalb der Mundhöhle gebildet sein kann. Die Mundöffnung führt in eine enge Speiseröhre, welche in der Regel aus einer dreikantigen, von dicker Muskellage bekleideten Chitinröhre besteht und häufig zu einem muskulösen Bulbus (Pharynx) anschwillt. In einzelnen Gattungen i^Rhahditis, Oxyuris) bildet die Chitinröhre des Pha- rynx leistenartige Vorsprünge, sogenannte Zähne, nach denen hin die Radiärmuskeln in Form kegelförmiger Bündel convergiren. Seiner Function nach ist der Oesophagus im Wesentlichen ein Saugrohr, welches durch geringe, von vorn nach hinten fortschreitende Erweiterungen Flüssigkeiten einpumpt und in den Darm leitet. Es folgt dann ein mit zelligen Wandungen versehenes muskelloses Darmrohr mit der nicht weit vom hinteren Körperende an der Bauchfläche münden- den Afteröffnung. (Fig. 347.) Dagegen finden sich am *) Ausser den älteren Schriften von Eudolphi, Bremser, Cloquet, Du j ardin, vergl. D i e s i n g, Systema lielmiutlmm, 2 Bde. Wien, 1850/51. Derselbe, Eevision der Nematoden. Wiener Sitzungsberichte, 1860. Claparede, De la formation et de la fecondation des oeufs chez les vers Nematodes. G^neve, 1856. A. Schneider, Monographie der Nematoden. Berlin, 1866. E. Leuckart, Untersuchungen über Trichina spiralis. Leipzig und Heidelberg, 1866, 2. Auf- lage. Derselbe, Die menschlichen Parasiten etc., Tom. II. Leipzig und Heidelberg, 1876. C. Claus, Ueber Leptodera appendiculata. Marburg, 1868. 0. Bütschli, Untersuchungen über die beiden Nematoden derPeriplaneta orientalis. Zeitschr. für wiss. Zoologie, Tom. XXI, 187 L Derselbe, Beiträge zur Kenntniss des Nervensystems der Nematoden. Archiv für niikr. Anatomie, Tom. X. A. Goette, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. Leipzig, 1882. II. E. Leuckart, Neue Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Lebensgeschichte der Nematoden. Leipzig, 1887. Oxyuris v&rmicularis , nach R. Leuckart. o Weibchen. OMuud, A After, V Geuitalöffnung. — }> Männchen mit gekrümmtem Hiu- tereude. — c Letzteres vergrössert. Hp iSpicuhim. — d Ei mit einge- schlossenem Embryo. 380 Nematodes. ITnutmiiskelscliIaiich. Excietionsorg.iiie. hinteren Darmstück besondere Muskelfasern der äusseren Seite der Wandung an- gelagert, welche diesem Theil die Fähigkeit der Contractilität verleihen. Auch treten häufig noch Muskelfasern von der Haut an die Wandung des Enddarmes heran. Bei einigen Nematoden kann der After fehlen {Mermis), bei Gordius der Mund und vordere Theil des Darmes eine Kttckbildung erleiden. In anderen Fällen wird derselbe nachX)literation des Lumens zu einem soliden Zellenstrang {Mermis albicans, Attractonema), der nur noch als Nahrung (Reservestoffe) sam- melnder Apparat Bedeutung hat, oder während der ontogenetischen Entwicklung spurlos sammt Mund und After (Allantonema mirablle) schwindet. Die Nahrungs- aufnahme erfolgt dann durch die Oberfläche des Leibes. Der sogenannte Zellen- körper von Gordius ist wahrscheinlich auf Wucherungen peri- tonealer Zellen zurückzuführen (V e j d o v s ky) '). Die derbe, oft quergeringelte und aus mehrfachen Schichten 348. haltenden Subcuticularschicht {Hypodermis) auf, welche als die Matrix der ersteren anzusehen ist. Auf diese folgt nach innen der hochentwickelte Hautmuskelschlauch, welcher aus band- oder spindelförmigen Längsmuskeln besteht. Die Körperober- fläche kann zuweilen Sculpturen, z. B. polyedrische Felder und Längsrippen zeigen und Fortsätze in Gestalt von Höckerchen, Stacheln^) und Haaren besitzen. Häutungen, d. h. Abstreifungen der Cuticularschichten, scheinen ausschliesslich in der Jugend vorzukommen. Die auf je eine Zelle zurückführbaren Muskeln setzen sich häufig in blasige, oft mit Ausläufern versehene An- hänge fort, welche einen hellen, zuweilen körnig-faserigen Inhalt (Marksubstanz) besitzen und in die Leibeshöhle hineinragen. (Fig. 348.) Je nachdem die Zahl der nach bestimmten Gesetzen angeordneten Muskelzellen auf den Querschnitt eine nur geringe (8) oder eine beträchtliche ist, werden die Nematoden als Mero- myarier oder Polymyarier bezeichnet. Bei den letzteren stehen die Muskelzellen häufig durch quere Ausläufer der Marksubstanz, welche sich über den sogenannten Medianlinien zu je einem Läiigsstrange vereinigen, im Zusammenhang. Fast überall bleiben zwei seitliche Längsstreifen von Muskeln frei, die sogenannten Seifenlinien oder Seitenfelder, Avelche den anliegenden Muskel- feldern an Breite gleichkommen können. Dieselben werden von einer fein- körnigen, mit Kernen durchsetzten Substanz gebildet und umschliessen ein helles, Körnchen enthaltendes Gefäss, welches sich mit dem Gefässe der ent- gegengesetzten Seite in der vorderen Körperpartie verbindet und in einer ge- meinsamen Querspalte, dem Gefässporus, in der Medianlinie ventralwärts aus- Muskclücllo eines Ncmatorhn. •) Zur Morphologie der Gordiiden. Zeitschr. für wiss. Zool. XLIII, 188G. ^J Dieselbe kann auch Erhabenheiten mancherlei Art, ja in einzelnen Fällen ein voll- ständiges Stachelkleid tragen [Cheiracanthus Dies.= Gnathostoma Ow. , Ch. hispidum Fedtsch. ). Nervensystem. 8iniiesorgaiie. Geschleclitsorganc. 381 Fi-. 349. Rn inimdet. Diese Seiteuscliläuche gelten iiacli Lage und Bau als dem Wasser- gefässsysteme liomologe ExcretioDSorgane. Die Seitenlinien sind sammt den Seitenscliläucheu bei (jorc/ms und AUantonema gescliwiinden. Ausserdem unter- scheidet man noch Medianlinien (Rücken- und Bauchlinien), accessoiische Medianlinien {Submeclianlinien), letztere zwischen Hauptmedianlinie und Seiten- feld. Auch die Medianlinien sind bei den erwähnten Gattungen ausgefallen. Doch findet sich heiGordins ein mächtig entwickelter Bauch- strang, der der Lage nach der ventralen Medianlinie ent- spricht und die Bedeutung eines Nervenstranges haben soll. Hautdrüsen sind vornehmlich in der Nähe des Oeso- phagus und im Schwänze als einzellige Drüsenschläuche beobachtet. Das Nervensystem ist bei der Schwierigkeit der Untersuchung erst bei wenigen Formen ausreichend nachgewiesen. Dasselbe besteht aus einem Nervenring in der Umgebung des Oesophagus, welcher nach hinten zwei, nach vorne sechsNervenstämme entsendet (i4sca>'/s megalocephala). Jene verlaufen in der Eücken- und Bauchlinie (N.dorscdis^ventralis) bis zur Schwanzspitze, während von den sechs vorderen Nerven zwei in den Seitenlinien (N. laterales), vier in den Zwischenräumen zwischen Seiten- und Medianlinien (N. stdimediani) verlaufen und die Papillen im Umkreise des Mundes versorgen. Die Ganglienzellen liegen theils neben, vor und hinter dem Nervenringe, theils an den Faser- strängen selbst und sind zu Gruppen vereinigt, welche als ventrales und dorsales Ganglion und als Seiten- ganglien bezeichnet werden können. Dazu kommen noch Gruppen von Ganglienzellen sowohl in der Medianlinie, als in den Seitenlinien der Schwanzgegend. Diese im Vergleiche zu den Plattwürmern auffallend abweichende Gestaltung des Nervensystems lässt sich durch die mediane Vereinigung der beiden ventralen Seiten- stämme zur Herstellung des Bauchnerven und dje Verschmelzun Kückennerven zum dorsalen Mediannerven erklären, (Fig. 349.) Als Sinnesorgane sind die bei freilebenden Nematoden vorkommenden Augen, sowie die vornehmlich in der Nähe des Mundes auftretenden Tast- papillen und Tasthaare hervorzuheben. Die Papillen werden je von nur einer Nervenfaser versorgt, welche kolbig anschwillt und die von der Cuticula über- kleidete Axe der Papille bildet. Die Nematoden sind getrennten Geschlechts mit Ausnahme des herma- phroditischen Pelodytes und des zuerst Samenkörper, später Eier erzeugenden Rhabdonema nigrovenosnm, sowie des Rhahdonema stronggloides und AUantonema Nervensystein der Nematoden, scbematisch nach O. Bütsclili. C Seitenganglion am Nerveu- riug, S vordere Seitennerven, Sm Submediannerven, .S7 Sul)- lateralnerven, Bn Bauchnerv, Till Rückenuerv, Ag Aualgaug- lion, A After. der beiden 382 Nomatodos. Entwickluiipr. Mctamorpliose. mirahue, welches sich in Hylobius pini unter Verlust des Darmes zu einem nierenförmigen Körper rückbildet. Für die Männchen erscheint die geringer«^ Körpergrösse, sowie das meist gekrümmte hintere Körperende charakteristisch. Beiderlei Geschlechtsorgane werden durch einfache oder paarige, oft vielfach geschlängelte Köhren gebildet, Avelche in ihrem oberen Abschnitte die Sexual- stoffe erzeugen, in ihrem unteren Theile die Leitungswege und Behälter der Zeugungsstoffe darstellen. Die meist paarigen Ovarialröhren. in deren äusserstem Ende die Eikeime entstehen, um weiter abwärts in der Peripherie eines cen- tralen Dotterstranges (Rhacht's) gelagert, sich zu vergrössern, sitzen einer kurzen Vagina auf, welche ventral in der Körpermitte, selten dem hinteren Körperende genähert ausmündet. Der männliche Geschlechtsapparat mit seinen hutförmigen Samenkörpern stellt sich fast allgemein als ein unpaarer Schlauch dar und mündet auf der Bauchseite nahe dem hinteren Körperende mit dem Darm gemeinsam aus. Häufig enthält der gemeinsame Kloakenabschnitt in einer taschenförmigen Ausbuchtung zwei spitze Chitinstäbe, sogenannte Sptcula, welche durch einen besonderen Muskelapparat vorgestülpt und wieder zurück- gezogen werden und zur Befestigung des Männchens am weiblichen Körper während der Begattung dienen. Oft {Strongyliden) kommt noch eine schirm- förmige Bursa hinzu, oder es ist der Endtheil der Kloake in Form eines Be- gattungsgliedes vorstülpbar (Tricluna). Dann liegt die Kloakenöffnung beinahe am äussersteu Ende (Acrophallt), aber doch noch ventral. Fast überall sind in der Nähe des hinteren Köperendes beim Männchen Papillen vorhanden, deren Zahl und Anordnung wichtige Artcharaktere liefert. Die Nematoden legen grossentheils Eier ab, nur in seltenen Fällen gebären sie lebendige Junge, Die Eier besitzen meist eine harte Schale und können in verschiedenen Stadien der Embryonalbildung oder vor Beginn derselben vom Mutterthiere abgesetzt werden. Bei lebendig gebärenden Nematoden verlieren die Eier ihre in diesem Falle zarte Hülle schon im Fruchtbehälter des mütter- lichen Körpers {TricJwia, Füaria). Die Befruchtung erfolgt durch den Eintritt eines Samenkörpers in den noch hüllenlosen Eidotter. Die Furchung ist eine aequale und führt zur Entstehung einer Art Invaginationsgastrula. Aus den beiden Zellschichten gehen Körperwand und Darmcanal hervor. Das mittlere Keimblatt wird durch zwei sj'^mmetrisch am hinteren Mundrande gelagerte Zellen angelegt, welche zwei Mesodermstreifen liefern, in denen je eine durch ihre Grösse hervorragende Zelle die Genitalanlage bildet. Anstatt der ursprüng- lich plumpen Form gewinnt der Embryo allmälig eine langgestreckt-cylindrische Gestalt und liegt nun in mehreren Windungen in der Eischale eingerollt. Auch der Gefässporus nebst Seitenorganen, sowie der Nervenring sind an dem mit Mund und After versehenen Embryo vorhanden. Die freie Entwicklung ist eine Metamorphose, die meist dadurch complicirt wird, dass sie nicht an dem Wohnorte des Mutterthieres zum Ablauf kommt. Die Jugendzustände der meisten Nematoden haben einen andern Aufenthaltsort als die Geschlechts- thiere, indem verschiedene Organe desselben Thieres (Muskeln, Darm, Tnchma) Uebertragiiiig der Larven. 383 oder auch verschiedener Tliiere die jugendlichen und die geschlechtsreifen Nematoden enthalten. Erstere leben meist in parenchymatösen Organen frei oder in einer Bindegewebskapsel encystirt, letztere dagegen vornehmlich im Darmcanal. Indessen können die ersteren auch frei im schlammigen Wasser oder in der Erde ihren Aufenthaltsort haben. Fast durchwegs besitzen die Embryonen eine durch die besondere Form des Mund- und Schwanzendes bezeichnete Gestalt, zuweilen aber auch einen Bohrzahn oder einen Kranz von Stacheln (Gordius). Früher oder später streifen sie ihre Haut ab und treten dann in ein zweites Stadium ein, das ebenfalls oft noch als eine Larvenform aufgefasst werden kann, zumal noch eine mehrmalige Häutung dem Eintritt der Geschlechtsreife vorausgeht. Die postembryonale Entwicklung der Nematoden bietet zahlreiche Modi- ficationen. Im einfachsten Falle geschieht die üebertragung der noch von den Eihüllen umschlossenen Embryonen passiv durch die Nahrung (Oxyuris vermi- cularis und Trichocephalus). Bei manchen Ascariden gelangen — nach dem Katzenspul- °" wurme zu schliesseu — die mit einem Bohr- zahn versehenen Embryonen zuvor in einen Zwischenträger (R. Leuckart) und werden ,y/ durch diesen mit dem Trinkwasser und der || Nahrung in den Darm importirt; nach Grassi '| •n, soll jedoch der menschliche Spulwurm ohne ' Zwischenträger einwandern. 10^ In anderenFällenencystiren die Jugend- : formen in dem Zwischenträger und werden, scurostomum tetracanthum, eingekapselt, ^ nach R. Leuckart. von der Cyste umschlossen, in den Magen und Darm des definitiven Trägers übergeführt. (Fig. 350.) Beispielsweise encystiren die mit der Nahrung noch innerhalb der Eihüllen von den Mehlwürmern auf- genommenen Embryonen von Spiroptera ohtusa der Hausmaus im Leibesraum der Zwischenträger. Bei der viviparen Trichina spiralis liegt insofern eine Modification dieses Entwicklungsmodus vor, als die Wanderung der Embryonen und die Ausbildung derselben zu den encystirten Muskeltrichinen in demselben Thiere erfolgt, welches die geschlechtsreifen Darmtrichinen enthält. Nicht selten schreitet die Entwicklung der eingewanderten Nematoden- larven im Zwischenträger bedeutend vor; so z.B. beim Kappenwurm, Citm/Za- nus elegans, dessen Embryonen in Cyclopiden einwandern, dann in der Leibes- höhle dieser kleinen Krebse eine zweimalige Häutung unter wesentlicher Form- veränderung erfahren und schon die charakteristische Mundkapsel des ge- schlechtsreifen Zustandes gewinnen, zu welchem sie sich erst im Darm des Barsches ausbilden. Eine ähnliche Entwicklungsweise kommt nach Fedt- schenko ') hei Filana medinensis vor. Die in Pfützen gelangten Embryonen *) Vergl. Fedtschenko, Ueber den Bau und Entwicklung der Filaria medinen.sis, in den Berichten der Freunde der Naturwissenschaften in Moskau, Tom. VIII und X. 384 Nematodes. Heterogonie. Rhabdoncma nigrovenosuni. Leptodera. wandern in die Leibeshölile der Cyclopiden und nehmen nach Abstreifiing ihrer Haut eine Form an, die bis auf den Mangel des Mundnapfes den Cucullanns- larven gleicht. Nach Verlauf von zwei Wochen tritt eine Häutung ein, mit welcher der Verlust des langen Schwanzes verbunden ist. Ob die Einwanderung der Filarienlarve mit dem Leibe der Cyclopiden oder selbstständig erfolgt, nachdem die Begattung im Freien stattgefunden, ist bislang nicht festgestellt; wahrscheinlich trifft das letztere zu, indem sie mit dem Trinkwasser auf- genommen werden. Die Embryonen einiger Nematoden entwickeln sich in feuchter sclilam- miger Erde nach Abstreifung der Haut zu kleinen sogenannten Rhahditiden mit doppelter Anschwellung des Oesophagus und mit dreizähuiger Pharyngeal- bewaffnung, ernähren sich an diesem Aufenthaltsorte selbstständig, wachsen und erhalten nach Abstreifung der Haut eine andere Gestaltung. Schliesslich wandern dieselben zu parasitischem Leben in den bleibenden Wohnort ein, wo sie noch mehrere Häutungen und Formveränderungen bis zur Geschlechts- reife erfahren. Diese Entwicklungsweise gilt z. B. für den im Darme des Hundes vorkommenden Dochmius trt'gonocephalus, sowie für den nahe ver- wandten D. (Äncylostomum) duodenah's des Menschen und für die Sderosiomen der Hausthiere. Es können jedoch auch die Nachkommen parasitischer Nematoden als freie Ehabditiden in feuchter Erde geschlechtsreif werden und eine besondere Generation von Formen darstellen, deren Nachkommen wieder einwandern und zu Parasiten werden. Dann wird die Fortpflanzung eine Heterogonie wie bei Rhabdonema m'grovenosum. Diese etwa % bis % Zoll langen Lungenparasiten der Batrachier sind sämmtlich weiblichen Baues, enthalten aber Samenkörper, die in ihren eigenen Genitalröhren früher als die Eier (ähnlich wie bei vivi- paren Pelodytes) erzeugt werden, und sind lebendig gebärend. Die Brut durch- setzt den Darm der Träger und häuft sich in deren Mastdarm an, gelangt aber schliesslich mit dem Kothe in feuchte Erde oder in schlammiges Wasser und bildet sich in kurzer Zeit zu der kaum 1 Mm. langen, getrennt geschlechtlichen Rhabditis-Generation aus. (Fig. 351 a und h.) In den befruchteten Weibchen dieser letzteren entwickeln sich nur zwei bis vier Embryonen, die im Innern des mütterlichen Körpers frei werden, in die Leibeshöhle desselben eindringen und von den zu einem körnigen Detritus zerfallenden Körpertheilen der Mutter sich ernähren. Schliesslich wandern dieselben als schlanke, schon ziemlich grosse Rundwürmchen durch die Mundhöhle und Stimmritze in die Lunge der Batrachier ein. Ein ähnlicher Wechsel mit freilebenden Rhabditis-Generationeu ist für das im Darm des Menschen lebende Rhabdonema strongyloides (^Angtdllula stercoralts), sowie den hermaphroditischen Parasiten des Fichtenkäfers {Allan- tonema mirabile) nachgewiesen worden. Auch die in der rothen Nacktschnecke (^Arion empiricorum) lel)ende Leptodera appendiculata zeigt in ihrer Entwicklung einen ähnlichen Wechsel heteromorpher Generationen, der freilich insofern nicht streng alternirend ist, als zahlreiche Rhabditiden-Generationen auf ein- Lebensweise. 385 ander folgen köimen. Auch darin vorhält sich Leptodera eigenthüralich, dass diö parasitische Form in der Schnecke mnndlos bleibt und sich als eine durch den Besitz von zwei langen bandförmigen Schwanzanhängen charakterisirto Larve darstellt, welche erst nach der Auswanderung in feuchte Erde, nach Abstreifung der Haut und Verlust der Schwanzbänder rasch zur Geschlechtsreife gelangt. Die Nematoden ernähren sich von organischen Säften, einige auch von Blut und vermögen dann mit ihrer Mundbewaffnung Wunden zu schlagen und Gewebe zu zernagen. Sie bewegen sich unter lebhaft schlängelnden Krümmungen nach der Bauch- und Rückenfläche, die somit als die Seitenflächen des sich be- wegenden Körpers erscheinen. Ihrer Mehrzahl nach sind die Nematoden Para- a EhahrJonema nigroi'enostim von circa 3 5 Mm. Länge im Stadium der männlieheu Reife. Gf Geuitaldiüsen, O Mund, D Darm, A After, 2V Norvenring, Drz Drüsenzellen, Z isolirte Zoospermien. — 6 Mänulicbe und weibliche Rhahditis-YoTmen derselben von circa IS bis 2 Mm. Länge. Oo Ovarium, T weibliehe Geuital- üffnuug, T Hoden, Sp Spicula. siten, die freilich auch in jugendlichen Stadien {Sirongyloideen) oder in be- stimmten Generationen (Rhabditis-Geueration der Rhahdonema-Arien) frei leben. Zahlreiche kleine Nematoden treten jedoch überhaupt nicht als Parasiten auf, sondern bevölkern als freilebende Bewohner das süsse und salzige Wasser und den Erdboden. Andere, diesen verwandte Nematoden schmarotzen in Pflanzen, z. B, Anguühda iritici, dipsaci ii. a. und vermögen auch gallenähnliche Deformitäten zu erzeugen (!Z^^e?jc/iits), andere leben in faulenden vegetabilischen Substanzen, z. B. das Essigälchen in gährendem Essig und Kleister. Auch kann die Auswanderung des Parasiten nothwendige Bedingung zum Eintritt der Geschlechtsreife sein, die erst bei freiem Aufenthalt in feuchter Erde {Mermis) oder im Wasser {Gordius) erfolgt und zur Begattung beider Geschlechter führt. C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 25 386 Attractouoma. Spliaerularia Wiederum a])weicliend sind die erst in jüngster Zeit bekannt gewordenen Fälle kleiner Nematoden , deren Weibchen es ausschliesslich sind, welche nach der Begattung in Insecten einwandern und durch die günstigen Ernähruugs- bedingungen als Parasiten nicht nur eine unsehnliche Grössenzunahme, sondern eigenthümliche, für die Brutproduction günstige Umgestaltungen der Organi- sation und Körperform erfahren. Bei Attractonema r/Mosum und dem merk- Fig. 352. t «^-•^^^icMÄS a Mänuliche Sphacrvlaria in der Larvcnhaut (ic). 6 Weibchen mit halbausgcstillptcr Scheide (.9). c Das- selbe mit schlaiicbförmig ausgewachsener Scheide. fZ Ausgebildeter Schlauch der Scheide mit aufgenommenem Ovarium, Oviduct, Uterus und anhängendem Wurmkörper {W), nach R. Leuckart. würdigen Schmarotzer der Hummel Sphaerularia 5om&i wandern die Weibchen, nach der im Freien erfolgten Begattung, jene in die Larven der Cecidomyia pini, diese in die überwinternden Humtoelweibchen ein, bilden den Darm zu einem Zellenstrang, respective Fettkörper zurück und bringen die Vagina zur Vorstülpung, welche den Uterus nebst Eiern, Ovarium und Darm in sich auf- nimmt, während der Leib des Thieres als kleiner Anhang zusammenschrumpft. (Fig. 352.) Die Eier bringen schon im Körper des Trägers die Embryonen Asi-ariilac. Strougylidan 387 zur Entwicklung, welclic yicli alsLarvou weiter ontwickeln, schliesslich ins Freie gelangen und hier entweder nach wenigen Tagen (Äffradonema) oder erst nach Monaten zu Geschlochtsthieren werden. Merkwürdig ist die Fähigkeit kleiner Nematoden, der Austrocknung lange zu widerstehen und nach der Befeuchtung wieder aufzuleben. Fam. Ascaridae. Körper ziemlich gedrungen, mit drei papillentragenden Mundlippen, von denen die eine der Rttckenfläclie zugekehrt ist, während die beiden anderen in der Ventrallinie zusammenstossen. Hinterleibsende des Männchens ventral gekrümmt, meist mit zwei hornigen Spicula. Ascaris L. Polymyarier mit drei starken Mundlippen, deren Eand bei den grösseren Arten gczähnelt ist. PliarjTix nicht als Bulbus abgesetzt. Schwanzende meist kurz und kegelförmig, im männlichen Geschlecht stets mit zwei Spicula. (Fig. 353.) A. lum- hricoides Cloquet, der mensch- Pio-, 353. liclie Spulwurm, Ibis l'/gPuss /r b ^ so- lang, in einer kleineren Varia- ,,j^,__ j^^^^^ ^- — ' ,^7^=-. r/.o. _ 3^ tat {A. suilla Duj.) im Schwein. Sp Die Eier gelangen in das Was- ser oder in feuchte Erde und verweilen hier eine Eeihe von _ Monaten bis zum Ablauf der 1 ^^GXP^' Embryonalentwicklung, wer- den aber vielleicht erst mit- telst Zwischenträgers, nach F A.^carifi lumhricoide.i, nach K. L eiickart. a Iliiiterende oinos M;innclions ■ • T -, ™it f^eii beiden Spicula {Sjy). h Vordorendo von der Rückenseite mit Versuchen von Cr r a S S 1 jedoch ^^^ dorsalen, zwei Papillen tragenden Mundlippe, c Dasselbe von der direct in den Darm des Spä- Bauchseite mit den beiden seitlichen ventralen Mundlippen und dem teren Wirthes übero"eführt. .4. Excretionsporus (P). d Ei mit der äusseren, aus hellen Kiigolchen megalocephalaCloqntt, im Pferd gebildeten Hülle, und Rind; A. mystax Zed., in Katze und Hund, gelegentlich Parasit des Menschen. Oxyuris Rud. Meromyarier mit meist drei Mundlippen, welche kleine Papillen tragen. Das hintere Ende der Speiseröhre zu einem kugeligen Bulbus mit Zahnapparat (?rwcitert. Hinterleibsende des Weibchens pfriemenförmig verlängert, des Männchens mit nur zwei praeanalen und wenigen postanalen Papillen und mit einfachem Spiculum. (Fig. 347.) O. vermicularis L., der Pfriemenschwanz oder Madenwurai, im Dickdarm des Menschen, über alle Länder verbreitet. Weibchen circa 10 Mm. lang. O. curvula Rud., im Blinddarm des Pferdes. Fam. Strongylidae. Die männliche Geschlechtsöffnung liegt am Hinteiieibsende im Grunde einer schirm- oder glockenförmigen Bursa, deren Eand eine wechselnde Zahl von Papillen am Ende rippenartig ausgespannter Muskelfäden trägt. Eiistrongylus Dies. Mit sechs vorspringenden Mundpapillen, sowie mit einer Papillen- reihe an jeder Seitenlinie. Bursa glockenförmig, ungerippt und vollständig geschlossen, mit gleichmässiger Muskelwandung und zahlreichen Eandpapillen. Nur ein Spiculum vor- handen. Weibliche Geschlechtsöffnung weit vorne. Die Larven leben eingekapselt in Fischen {Filaria cystica aus Symbranchus). E. gigas Rud., Palissadenwurm. Körper des Weibchens 3 Fuss lang und nur 12 Mm. dick. Lebt vereinzelt im Nierenbecken von Robben und Fischottern, sehr selten im Menschen. Strongylus. Rud. Mit sechs Mundpapillen und kleinem Mund. Zwei konische Hals- papillen auf den Seitenlinien. Das hintere Körperende des Männchens mit schirmförmiger, unvollständig geschlossener Bursa. Zwei gleiche Spicula meist noch mit unpaarem Stütz- organ. Die weibliche Geschlechtsöffnung zuweilen dem hinteren Leibesende genähert. Leben grossentheils in der Lunge und den Bronchien. St. longevaginatus Dies Körper 25* 388 Triehotracbelidae. Fiff. 354. 26 Miu. laug, Lui 5—7 3Iiii. Dicke. Die weibliche Geschleclitsöffnung liegt uiunittelbar vor dem After und fuhrt in eine einfache Eiröhre. Nur ein einziges. Mal in der Lunge eines sechsjährigen Knaben in Klausenburg gefunden. St. paradoxvs Mehlis, in den Bronchien des Schweines. St. filaria Kud., in den ßrunchien des Schafes. St. comniutatus Dies.- in Trachea und Bronchien des Hasen und Kaninchens. St. auricularis Eud., im Dünndarm der Batrachier. Dochmius Duj. Mit weitem Munde und horniger, am Rande kräftig bezahnter Mundkapsel. Im Grunde der Mundkapsel erheben sich zwei bauchständige Zähne, während an der Rückenwand eine kegelförmige Spitze schief nach vorne emporragt. D. duodenalis Dub. {Äncylodoimim duodenale Dub.), lü— 18 Mm. lang, im Dünndarm des Menschen, in Italien ent- deckt, in den Nilländern (B i 1 h a r z und Griesinger) massen- haft verbreitet. (Fig. 354.) Beisst mit Hilfe der starken Mund- bewaifnung Wunden in die Darmhaut und saugt Blut aus den Darmgefässen. Die häufigen, von diesen Dochmien erzeugten Blutungen sind die Ursache der unter dem Namen der ägyp- tischen Chlorose bekannten Krankheit. Neuerdings ist das Vor- kommen dieses Wurmes in Brasilien, sowie die mit D. tvigono- cephalus analoge Entwicklungsweise in Pfützen (Wucherer) festgestellt. D. trigonocephalus Rud., Hund. Sderostomum Rud. Mit den Charakteren von Dochmius, aber mit abweichender Mundkapsel, in welche zwei lange Drüsenschläuche einmünden. Sc. equinum Duj. = armatum Dies. Im Darm und in den Ge- ki-üsarterien des Pferdes. Wie Bollinger') nachgewiesen hat, leiten sich die Erscheinungen der Kolik bei Pferden von em- bolischeu Vorgängen ab, die von Thromben der Darmarterien- Aneurysmen^ ausgehen. Jedes Aneurysma enthält etwa neun Würmer. Sc. tetracanthum Mehlis, ebenfalls im Darme des Pferdes. Die Jugendformen kapseln sich nach der Einwanderung in den Darm in der Wandung des Dickdarmes und Coecums ein (Fig. 350), verwandeln sich in der Cyste in die definitive Form und durchbrechen dieselbe wieder, um in den Darm zurück zu gelangen. Cucuüanus elegans Zed., Kappenwurm im Barsch. Farn. Trichotrachelidae. Mit halsartig dünnem und langem Vorderkörper. Mundöfl^nung klein, papillenlos. Speiseröhre sehr lang, in einem eigenthümlichen Zellstrang verlaufend. TricJiocephalus Goeze. Mit peitschenförmig verlängertem Vorderleib und walzenföimig aufgetriebenem, scharf abgesetztem Hinterleib, welcher die Geschlechtsorgane einschliesst und beim Männchen eingerollt ist. Seitenfelder fehlen. Hauptmedianlinien vorhanden. Der schlanke Penis mit einer beim Hervortreten sich umstülpenden Scheide. Die hartschaligen, citronenförmigen Eier entwickeln sich erst im Wasser. Tr. dispar Rud., Peitschenwurm, im Colon des Menschen. Die Würmer leben nicht frei im Darme, sondern mit dem faden- förmigen Vorderleib in die Schleimhaut eingegraben. (Fig. 355.) Die Eier treten mit dem Kothe aus dem Körper des Wirthes noch ohne Zeichen beginnender Embryonalentwicklung, die erst nach längerem Aufenthalt im Wasser oder an feuchten Orten durchlaufen wird. Nach Fütterungsversuchen, die R. Leuckart mit Tr. affinis des Schafes und Tr. crenatus des Schweines anstellte, entwickeln sich die mit den Eihüllen in den Darm übertragenen Dochmius duodenalis, nach R. Leuckart. a Männchen. 0 Mund, B Bur.sa. — b Weibchen. 0 Mund, A After, V Vulva. ') B ollin ger, Die Kolik des arterien. München, 1870. Pferdes und das Wurmaneurysnia der Eingeweide- 389 Fis^. 355. Embryonen zu Trichocephalen, und darf hiemach auch für den menschlichen Peitschenwurm geschlossen werden, dass die Uebertragung direct ohne Zwischenträger mittelst des Wassers oder verunreinigter Speisen erfolgt. In der ersten Zeit haarförmig und trichinen- ähnlich, gewinnen die jungen Peitschenwürmer erst nach und nach die beträchtliche Dicke des Hinterleibes. Trichosomum. Körper haarförmig dünn, doch ist der Hinterleib des Weibchens auf- getrieben. Seitenfelder vorhanden, ebenso die Hauptmedianliuien. Schwanzende des Männ- chens mit Hautsaum und einfachem Penis (Spiculum) mit Scheide. Tr. muris Creplin., im Dickdarm der Hausmaus. Tr. crassicauda BcUingh., in der Harnblase der Eatte. Nach R. Leuckart lebt das Zwergmännchen im Uterus des Weibchens. Gewöhnlich finden sich 2 bis 3, seltener 4 oder 5 Männchen in einem Weibchen. Auch lebt noch eine zweite Trichosomum- Art in der Harnblase der Eatte. Tr. Schmidtii v. Linst., dessen grösseres Männchen früher für das von Tr. crassicauda gehalten worden war. Trichina Owen'). Körper haardünn. Hauptmedianlinien und Seitenfelder vorhanden. Weibliche GeschlechtsöfFnung weit nach vorne gerückt. Hinterleibsende des Männchens mit zwei konischen terminalen Zapfen, zwischen denen die Kloake vorgestülpt wird. Tr. spira- lis Owen, im Darme des Menschen und zahl- reicher, vornehmlich fleischfressender Säuge- thiere, kaum 2 Linien lang. (Fig. 356.) Die viviparen Weibchen beginnen etwa acht Tage nach ihrer Einwanderung in den Darmcanal Junge abzusetzen, welche die Darmwandung und Leibeshöhle des Trägers durchsetzen und theils durch selbstständige Wanderung in den Bindegewebszügen, theils wohl auch mit Hilfo der Blutwelle in die quergestreiften Muskeln des Körpers einwandern. Die Larven durch- bohren das Sarcolemma, dringen in die Pri- mitivbündel ein, deren Substanz unter leb- hafter Wucherung der Muskelkerne degenerirt, und wachsen in einer schlauchförmigen Auf- treibung der Muskelfaser während eines Zeit- raumes von vierzehn Tagen zu spiralig zu- sammengerollten AVürmchen aus, um welche sich innerhalb des Sarcolemmas und dessen Bindegewebsumhüllung aus der degenerirten Muskelsubstanz glashelle citronenförmige Kapseln ausscheiden. In dieser anfangs sehr zarten, bald aber durch Schichtung verdickten und fest gewordenen, mit der Zeit all- mälig verkalkenden Cyste kann die jugendliche Muskeltrichine Jahre lang lebendig bleiben. Wird dieselbe mit dem Fleische des Trägers in den Darm eines Warmblüters übergeführt, so wird sie aus ihrer Cyste durch die Wirkung des Magensaftes befi-eit und bringt die bereits ziemlich weit entwickelten Geschlechtsanlagen rasch zur Eeife. Schon drei bis vier Tage nach der Einfuhr sind die Muskcltrichinen zu Geschlechtstrichinen geworden, welche sich begatten und die in dem Träger wandernde Brut (ein Weibchen wohl bis 1000 Embryonen) erzeugen. Als der natürliche Träger der Trichinen ist vor Allem die Hausratte zu nennen, welche die Cadaver des eigenen Geschlechtes nicht ver- schont und so die Trichineninfection von Generation zu Generation erhält. Geleo'entlich \J Trii'lwcephaJui di^}"^'', aach R. Leuckart. a Ei. l Weibchen, c Milnnclien, mit dem Vorderleib iu die Darmsehleimliaut eingegraben. Hp Spiculum. ') Vergl. die Schriften von E. Leuckart, Zenker, E. Virchow, Pagen- stecher etc. 390 Filariidae. werden aber trichinenhaltige Cadaver von dem Omnivoren Schwein gefressen, mit dessen Fleisch die Trichinenbrut in den Darm des Menschen gelangt und zur Ursaclie der so Fig. 356. ! d Tricliina .ipiralis. a Reife weibliche Darmtnc-hhie. OrOvarium, GGenitalöffuuug, ^Embryonen. — & Männehen. T Ilorleu. — c Larve (sogenannter Kmbryo). — d Derselbe in eine Muskelfaser eingewandert, bereits be- deutend vergrössert. — e Derselbe zur eingerollten Muskeltriohine ausgebildet und encystirt. berüchtigten Trichinenkrankheit wird, welche, wenn die Einwanderung massenhaft erfolgt, einen tödtlichen Ausgang nimmt. Fam. Filariidae. Körper fadenförmig verlängert, oft mit sechs Mundpapillen, zu- weilen mit einer hornigen Mundkapsel. Hinterende des Männchens spiralig eingerollt mit 391 Fig. 357. vier praeanalen Papilleupaareu, zu denen jedoch noch eine uiipaaro Papille hiuziikomnieu kann, mit zwei ungleichen Spicula oder mit einfachem Spiculum. Filaria 0. Fr. Müll. Mit kleiner Mundöffnung und engem Ocsophagealrohr. Die zuweilen der Papillen entbehrenden Arten leben ausserhalb der Eingeweide meist im Bindegewebe, häufig unter der Haut. (Von Diesing in zahlreiche Gattungen getheilt.) F. [Bracunculus) medinensis*) Gmel., der Guineawurm, im Unterhautzellgewebe des Menschen in den Tropengegenden der alten Welt, wird zwei und mehrere Fuss lang. Der Kopf mit zwei medianen Lippen und drei Paaren seitlicher Papillen. Weibchen vivi- par ohne Geschlechtsöffnung, Männchen nicht bekannt. Der eingewanderte Wurm lebt im Bindegewebe zwischen den Muskeln und unter der Haut und erzeugt nach erlangter Geschlechts- reife ein Geschwür, mit dessen Inhalt die Brut entleert wird. (Fig. 357.) Neuerdings ist nach- gewiesen worden, dass die Filarienembryonen in Cyclopiden (Fedtschenko) einwandern und hier eine Häutung bestehen. Ob sie dann mitsammt dem Cyclopidenkörper durch den Genuss des Trinkwassers übertragen werden oder erst ins Freie gelangen und sich hier be- gatten, ist nicht erwiesen. F. immitis Leidy, lebt im rechten Ventrikel des Hundes, ausser- ordentlich häufig im östlichen Asien, lebendig gebährend. Die Embryonen treten direct in das Blut über, ohne hier jedoch ihre weitere Entwicklung zu durchlaufen. Aehnliche jugend- liche Haematozoen finden sich auch im Blute des Menschen in den Tropen der alten und neuen Welt und sind als F. sanguinis hominis Lew. beschrieben, als deren zugehörige Geschlechts- form F. BancrofU Cobb. in lymphatischen Ge- schwülsten erkannt wurde. Da dieselben auch im Harne vorkommen, scheint ihr Auftreten mit der Haematurie in eineiti aetiologischen Zusammenhange. Li Ostindien leben auch im Blute des Strassenhundes jugendliche Filarien, welche auf die Brut von Filaria sanguinolenta Filariamedincnsis, ns.ch'^a.stia.nw.'RXi&uc^s.a.vt. Eud. zu beziehen sein dürften, da sich nach aVorderende von^er Mundflache gesehen. O Mund, Lewis regelmässig an der Aorta und am Oesophagus knotige Anschwellungen mit dieser Filarie finden. F. papulosa Piud., im Peritoneum des Pferdes. F. loa Guyot., in der Conjunctiva der Neger am Congo. F. labialis Pane. Nur einmal in Neapel beobachtet. Eine unreife, als Filaria lentis {oculi humani) beschrie- bene Filaride ist in der Linsenkapsel des Menschen gefunden worden. F. attenuata. In der Krähe. Fam. Mermitidae. Afterlose Nematoden mit langem fadenförmigen Leib und sechs Mundpapillen. Das männliche Schwanzende ist verbreitert und mit zwei Spicula und drei Reihen zahlreicher Papillen versehen. Leben in der Leibeshöhle von Insecten und P Papillen. — h Trächtiges Weibchen (der Grösse nach um mehr als die Hälfte reducirt). — c Em- bryonen, sehr stark vergrössert. *) Vergl. H. C. Bastian, On the structure and nature of the Dracunculus. Transact. Linn. Society, VoL XXIV, 1863. Fedtschenko 1. c. 392 Gordiidae. Anguillulidae. wandern in feuchte Erde aus, wo sie geschlechtsreif werden und sich hegatten. Mermia nigrescens Duj. gab die Veranlassung zu der Fabel vom Wurniregen. M. albicans v. Sieb. V. Siebold constatirte experimentell die Einwanderung der Embryonen in die Eäupr-hen der Spindelbaummotte {Tinea evonymella). Fam. Gordiidae. Von langgestreckter, fadenförmiger Gestalt, ohne Muiidpai)illen und Seitenfelder, mit Bauchstrang. Mund und vorderer Darmabschnitt obliteriren im ausgebildeten Zustande innerhalb des pcrienterischcn Zellkörpers. Ovarien und Hoden paarig, zugleich mit dem After nahe am hinteren Körperende ausmündend. Uterus un- paar, mit Eeceptaculum seminis. Männliches Schwanzende zweigabelig ohne Spicula. Leben im Jugendzustande mit Mund versehen in der Leibeshöhle von Raubinsecten, wandern aber zur Begattungszeit in das Wasser aus, wo sie vollkommen geschlechtsreif werden. Die mit einem Stachelkranz versehenen Embr^'onen (Fig. 358) durchbohren die Ei- hüllen und wandern in Insectenlarven (Chironomuslarven, Ephemeriden) ein, um sich alsbald zu encystiren. Wasserkäfer und andere Eaubinsecten des Wassers nehmen mit dem Fleische der Ephemeridcnlarve die encystirten Jugendformen auf, die sich nun in der Leibeshöhle der neuen grösseren Träger zu jungen Gordiiden entwickeln. Gordius aqua- ticus Duj. Fam. Anrjuillulidae^). Freilebende Nematoden von geringer Körpergrösse, zuweilen mit Schwanzdrüsen. Seitencanäle oft durch sogenannte Bauchdrüsen ersetzt. Einige Arten leben an oder in Pflanzen parasitisch, andere in gährenden oder faulenden Stoffen (auch Pilzen), die meisten frei in der Erde oder im Wasser. Tylenclms Bast. Mit kleiner Mundhöhle, in welcher ein kleiner Stachel liegt. Weibliche Geschlechtsöffnung weit hinten. T. scandens Seh. = tritici "Needham, Weizenälchen, in gichtkranken Weizenkörnern. ^T^ J\f Mit der Aussaat dieser Körner erwachen in der feuchten Larven von Gorrfüw«;«Wn77«-c«.9, nach ^rdc die eingetrockneten Jugendformen, durchbohren die Meis.suer. « lu der EihüUe mit aufgeweichte Hülle und dringen in die aufkeimenden Wcizcn- vorgeschobenem Rüssel, h ausser- pflänzchen ein. Hier Verweilen sie eine Zeit lang, vielleicht haibderEii,miec mit eingestülptem -^^^^ ^^ y^r^^^^^ ohne Veränderung, bis sich in der Vorderende. ^ Achse des Triebes die Aehre anlegt. Li diese dringen sie ein, wachsen aus und werden geschlechtsreif, während die Aehre blüht und reift. Sie begatten sich, legen die Eier ab, aus denen die Embryonen auskriechen, um zuletzt den ausschliesslichen Inhalt der Weizenkörner zu bilden. T. dijfsaci Kühn, in den Blüthenköpfen der Weberkarde. T. Davainü Bast. An Wurzeln von Moos und Gras. Eeterodera Schaclitii Schmidt. An den Wurzeln der Runkelrübe, auch an denen des Kohls, des Weizens, der Gerste etc. Rhahditis Duj., von Schneider in Leptodera Duj. und Pelodera Sehn, geschieden. Eh. flexilis Duj., Kopf sehr spitz, mit zweilii)pigem Mund. In den Speicheldrüsen von Limax cinereus. Eh. angiostoma Duj. Ehahdonema. R. Lkt., Filarien-ähnlich, mit schwacli ausgebuchtetera, fast cyliu- drischem Schlund und heterogener Entwicklung mit freilebender Generation männ- licher und weiblicher Ehahditis-Y oxm. Eh. nigrovenosum. (Fig. 351.) In der Lunge der *) Davaine, Recherches sur rAnguillulo du bl(5 nielle. Paris, 1857. Kühn, Ueber das Vorkommen von Anguillulen in erkrankten Blüthenköpfen von Dipsacus fullonum. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. IX, 1859. Bastian, Monograph of the Anguillulidae or free Nematoids, marine, land and freshwater. London, 1864. 0. Bütschli, Beiträge zur Kenntniss der freilebenden Nematoden. Nov. Acta, Tom. XXXVI, 1878. J. G. De Man, Die frei in der reinen Erde und im süssen Wasser lebenden Nematoden der niederl. Fauna. Leiden, 1884. Chaetognathen. 393 Kröten und des Grasfrosches. Die Khabditisgeneration winzig klein. Eh. slroitgtjloidcs E. Lkt. [Anguillula intesUnaUs), im Darm des Menschen in der Lombardei und in Chochin- china beobachtet, heftige Diarrhöen A'eranhissend. Die als AngidUula stercoralis beschriebene Ehabditisbrut gehört in den Entwicklungskreis von Rh. strongtjloidcs und entwickelt sich im Freien zu einer geschlechtsreifen Khabditisgeneration^). Eh. [Leptodera) oppendkulata Hchn., in feuchter Erde, 3 Mm. lang. Die mundlose, mit zwei Schwanzbändern versehene Larve in Arion empiricorum. AUantoncmu »drahile R. Lkt. im Fichtenrüsselkilfer (Hylobius ])ini), 3 Mm. lang, wurstförmig, von einer Hülle umgeben, die durch Tracheenäste in der Leibeshöhle befestigt ist, ohne Mund, Darm und After, mit peritonealem Zellenkörper protandrischer Herina- lihrtidit mit einer im Freien lebenden männlichen und weiblichen Rhabditi.sgeneration. Altractonema gihhosum R. Lkt. in der Leibeshöhle von Cecidomyia pini, ohne ]\Iund und After, mit Zellenstrang statt des Darmes und grossem buckelartigen Anhange, der umgestülpten, mit Brut gefüllten Vagina (wie der Sphaerulariaschlauch). Begattung beiderlei Geschlechtsthiere im Freien. Die Einwanderung in den Träger beschränkt sich auf das weibliche Thier, welches die eigenthümliche Umformung erfährt. Sphaeruluria bomU Leon. Duf. ^j. In der Leibeshöhle überwinterter Hummelweibchen. Das /S^>/merM/a?7a-Weibchen trägt oft am einen Körperende einen kleinen Nematoden-ähn- lichen Faden, welcher früher für das Männchen gehalten wurde. Schneider 2) zeigte zuerst, dass der anhängende Körper organisch mit der Sphuerularia verwachsen sei und führte denselben auf den Wurmkörper zurück, von welchem die vermeintliche Sphaeru- luria lediglich den ausgestülpten Uterus mit übergetretenem Ovarium und Darmdivertikel darstellt. Diese Zurückführung ist von R. Leuckart*) dahin ergänzt worden, dass die Sphaerulai-ia von 15 Mm. Länge die ausgestülpte Vagina mit dem weiblichen Ge- schlechtsapparat repräsentii-t, an dem der winzig kleine Wurmkörper (Fig. 3.52 d, W) anhängt. Die in demselben enthaltenen Jungen werden schon in der Hummel frei, aber erst im Freien bei einer Länge von circa 1 Mm. geschlechtsreif. Nach der Be- gattung wandern dann die befruchteten Weibchen in den Körper überwinternder Hummelweibchen ein. Anguillula aceti = ghUinis 0. Fr. Müll. Bekannt als Essigälchen und Kleister- älchen von 1 — 2 Mm. Länge. Unter den zahlreichen Anguilluliden ohne Pharyngealanschwellung [Enoplidae) sind ferner hervorzuheben : Dorylaimus maximus Bütschli, in der Erde, 1). stagnalis Duj., im Schlamme, überall in Europa. Enchelidium marinum Ehrbg., Enoplus tridentatus Duj., beide marin. Hier schliessen sich die Familien der Desmoscoleciden und Chaetosomaliden an. Den Nematoden schliessen sich an die Chaetognathen ^) mit der Gattung Sagitta. (Fig. 359.) Dieselben sind langgestreckte Rundwürmer, mit eigeu- *) R. Leuckart, Ueber die Lebensgeschichte der sogenannten Anguillula ster- coralis und deren Beziehungen zu der sogenannten Anguillula intestinalis. Berichte der k. Sachs. Gesellschaft der Wissensch., 1882. 2) A. Schneider, Ueber die Entwicklung der Sphaerularia bombi. Zoolog. Beiträge, Breslau, Tom. I. R. Leuckart, Ueber die Entwicklung der Sphaerularia bombi. Zool. Anzeiger 1885. Derselbe, Neue Beiträge zur Kenntniss etc. der Nematoden. Leipzig, 1887. ^) Vergl. A. Krohn, Anatomisch-physiologische Beobachtungen über die Sagitta bipunctata. Hamburg, 1844. R. Wilms, De Sagitta mare germanicum circa insulam Helgnland incolente. Berolini, 1846. Kowalevski, Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. Mem. de TAcad. St.-Pötersbourg, Tom. XVI. 0. Hertwig, Die Chae- tognathen, eine Monographie. Jena, 1880. B. Grassi, I Chetognati. Leipzig, 1883. 394 2. Ordnung. Acanthopcpliali. Fic?. 359. ry: fiagitta {Spadclla) ceplMlopttra, 30njal vergrössert, von der Rückenseite aus gesehen, nach O. ncrtwig. i^ Hintere Flosse, G Ganglion, Te Tentakeln, R Riechorgan, Ov Ovarium , Od Oviduct, T Hoden, Yd Vas dc- ferens, Sh Samenblase. thümlicher Mundbewaffnung und seitlichen, horizontal gestellten Flossen, deren membranartiger Saum durch Strahlen gestützt wird. Der Vorderabschnitt des Lei- bes setzt sich scharf als Kopf ab und trägt in der Umgebung des Mundes zwei seitliche, mehr ventrale Hakengruppen, welche als Kiefer fungiren. Das Nerven- system besteht aus einem die Augen tragenden Gehirn- ganglion und einem etwa in der Mitte der Körper- länge gelegenen Bauchganglion. Dazu kommen noch zwei neben dem Munde gelegene Ganglien, welche als untere Schlundganglien aufzufassen sein dürften und durch eine Schlundcommissur untereinander und mit dem Kopfganglion verbunden sind. Das geradgestreckte Darmrohr, vom Oesophagus an abwärts durch ein Me- senterium an der Leibeswaud befestigt, mündet an der Basis des langen, mit einer horizontalen Flosse enden- den Schwanzes in der Afteröffnung nach aussen. Die Sagitten sind hermaphroditisch und besitzen paarige, mit Samentaschen verbundene Ovarien, die durch zwei Oeffnungen an der Basis des Schwanzes ausmünden, und ebensoviel dahinter gelegene Hoden, deren Samen- producte durch Oeffnungen an den Seiten des Schwanzes nach aussen gelangen. Die Furchung des Eies ist eine totale und führt zur Bildung einer Keimblase. Diese stülpt sich von einer Stelle aus bis zum Verschwinden der Furchuugshöhle ein, so dass eine Gastrula entsteht, in deren Entoderm zwei Zellen bereits alsürgeschlechts- zellen erkannt werden. Wenn diese aus dem Entoderm austreten, bildet dasselbe an dem aboralen Pole zwei Falten, durch welche die Gastralhöhle in einen mitt- leren und zwei seitliche Räume zerfällt. Während die Zellbekleidung der letzteren zumMesoderm wird, liefert die des mittleren Kaunies die Darmwand, an welcher, dem sich schliessenden ürmund gegenüber, der blei- bende Mund zum Durchbruch kommt. Sagitta Slab. S. lipunctata Krohn, S. germanica Lkt. Pag., S. (SpadellaJ cephaloptera Busch. Europäische Meere. 2. Ordnung. Acautliocephali ' ), Kratzer, Acautlioceplialen. Langgestreckte schlauchförmige Rundwürmer mit vorstülpharem, Haken tragendem Rüssel, ohne Mund und Darm. *) Ausser D u j a r d i n, D i e s i n g 1. c. vergl. : R. L e u c k a r t,. Parasiten des Menschen, Tom. II, 1876. G r e e f f, Untersuchungen über Echinorh}aichus miliaris. Arch. für Naturgesch., 1864. A. Schneider, Ueber den Bau der Acanthocephalen, Müller's Archiv, 1868. sowie 395 Fiff. 360. Fig. 361. a ii Vordertlieü oims EcJii- norhynchus. R Rüssel, Rs Küsselsclieide, G Gang- lion, Le Lemnlsci, ÄRo- tinacula. »,* Der schlauchförmige, oft qnergerunzelte Körper beginnt miteinem Wider- liaken tragenden Rüssel, welcher in einen in die Leibeshöhle hineinragenden Schlauch (Rüsselscheide) zurückgestülpt werden kann. Das hintere Ende dieser Rüsselscheide wird durch ein Band und durch Retractoren (Retinacula) an der Leibeswand befestigt. Im Grunde derselben liegt das Nervensystem als einfaches, aus gros- sen Zellen gebildetes Ganglion,welches Ner- ven nach vorne in den Rüssel und durch die seitlichen Retractoren nach den Wandungen des Körpers entsendet. (Fig. 360.) Die sich von hier aus vertheilenden, lateral verlaufenden Nervenfasern versor- gen theils die Musku- latur des Körpers, theils den Geschlechts- apparat, für welchen sie vornehmlich beim männlichen Thiere in Anschwellungen be- sondere Centra erhalten. Sinnesorgane feh- len durchwegs. Ebenso Mund, Darm und After. Die ernährenden Säfte werden durch die gesammte äussere Haut aufgenommen, welche in ihrer weichen körnerreichen Sub- cuticularschicht ein complicirtes System von Körnchen führenden Canälen ein- schliesst. Auf die untere, oft sehr umfang- reiche und gelb gefärbte Hautschicht folgt der kräftige, aus äusseren Querfasern und inneren Längsfasern zusammenge- setzte Muskelschlauch, welcher die Leibes- höhle begrenzt. Wahrscheinlich fungirt das vielfach ramificirte System von Hautcanälen, an dem sich zwei longitudinale Hauptstämme erkennen lassen, als ein mit Säften gefüllter Ernährungsapparat, und derTheil desselben, welcher sich auf zwei hinter dem Rüssel durch den Muskelschlauch in die Leibeshöhle Vd Pr Milnnclien von Ecliino- rhynclius angustafus nach R.Leuckart. EEüssel, Rs Riisselscheide, Li Li- gament, O Ganglion, ie Lemnisci, T Hoden, Vd Vas deferens, Pr Pro- statascliUluclie, De Duc- tus ejaculatorius, P Penis, B eingestüli)te Bursa Leituugsweg eines weib- lichen Echiiwrhijnchus fji- gas, nach A. Andres. Xj Ligament,!^ scheiben- förmige Flocken, JE", F" Anhänge derselben, U Uterus, V Scheide, B Lateraltaschen der Glocke, Crä dorsale Zel- len am Glockengrunde, Gl seitliche Zellen am Glockcnhalse. Sitzungsber.d.OberhessischenGesellscliaft für Natur- und Heilkunde, 1871. A. S a e f f ti g e n, Zur Organisation der Echinorhynchen. Morphol. Jahrbücher, Tom. X, 1884. B.Grassiund S.Ca- landruccio, Ueber einen Echinorhynchus, weicherauch im Menschen parasitirt und dessen Zwischenwirth einBlapsist. Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde. IIl. Bd. 1888. 396 Aoantboceiibiili. Entwicklung. hineinragende Körper, Lemmsct, erstreckt, wohl als Excretwnsoygan, da der Inhalt der vielfach anastomosirenden Canäle dieser Lemnisci in der Eegel bräunlich gefärbt ist und aus einer an Körnchen reichen zelligen Masse besteht. Nach Schneider sollen die Gefässe der Lemnisci in einen Kiugcanal der Haut Fig. 363. münden, aber nur mit den vorausgelegenen, netzförmig verbun- denen Canälen des Kopftheils commimiciren, während der von dem Inhalt der Lemnisci verschiedene Inhalt der eigentlichen Haut- gefässe (Ernährungsapparat) des Körpers, von jenen vöUig abge- schlossen, in besonderen Strömungen sich bewegt. Die saftführende Leibeshöhle umschliesst die mächtig ent- wickelten Geschlechtsorgane, welche durch ein Ligament am Ende der Eüsselscheibe befestigt sind. Die Geschlechter sind Ein von den Ei- ,-r^.-i,r i i-i .-ttt i -li hüllen umschios- getrennt. Die Männchen besitzen zwei Hoden, ebensoviel Aus- seuer Embryo führungsgäuge, elu gemcinsames, oft mit sechs oder achtDrüseu- von Echinorhyn- ii, i tttp t ^ t p • chus gigas, nach scMäucheu verseheues Vas deferens und einen kegeliörmigen R. Leuckart. p^nis im Grundc einer glockenförmigen, am hinteren Leibespole hervorstülpbarenBursa.(rig.361.) Die Geschlechtsorgane der grösserenWeibchen bestehen aus dem im Ligamente entstandenen Ovarium, einer mit freier Mündung Pi„ 364 inderLeibeshöhlebeginneu- den,complicirt gebautenUte- rusglocke, dem Eileiter und der kurzen Scheide,welche,in mehrere Abschnitte geglie- dert, am hinterenKörperende ausmündet. (Fig. 362.) Nur in der Jugend bleibt das Ova- rium ein einfacher Körper und von der Hautdes erwähn- ten Ligamentes umschlos- sen. Mit der fortschreitenden Grössenzunahme theilt sich dasselbe unter fortgesetzter Wucherung in zahlreiche Eierballen,unter dereuDruck die Haut des Ligamentes ein- Le Lemnisci. relsst ; dlc Eierballen, sowie die reifen, aus ihnen sich lösenden länglichen Eier fallen in die Leibeshöhle. DieEihüllen entstehen erst nach der Dotterfurchung und sind demnach wohl als Embryonalhüllen zu deuten. Aus der Leibeshöhle gelangen die bereits mit Em- bryonen versehenen Eier in die sich beständig erweiternde und verengernde Uterus- glocke, von da in den Eileiter und durch die Geschlechtsöffnung nach aussen. Die nach Ablauf einer unregelmässig totalen Dotterklüftung entstan- denen und von drei Eihäuten umschlossenen Embryonen sind kleine, am Larven von Echinorhynclmsprotenfi aus Gammarus, nach R. Leuckart. a Freigewordeuer Embryo. Ek Erabryonalkeru. — 1) Aeltercs Stadium mit weiter differenzirtem Embryoualkern. — c Ein junger weiblicher Wurm, (h- Ovarium. — d Ein junger männlicher Wurm. 7' Hoden, in. Classc Aimolifles. 397 vorderen Polo mit Staclielclien bewaiFnoto, längliche Körper, welche einen centralen Körnerhaufou (Embryoualkern) enthalten. (Fig. 363.) Dieselben gelangen in den Darm von Amphipoden i^E.proteus, pohjmorphus), Wasser- asseln (Ech. angustatus) oder Insecten {Ech. glgas in den Engerling, Eck. mono- Ufcrus in Blaps), werden hier frei, durchbohren die Darmwandung und bilden sich nach Verlust der Embryonalstacheln zu kleinen, länglich gestreckten Echinorhyuchen aus, welche, Puppen vergleichbar, mit eingezogenem Küssel, von ihrer äusseren festen Haut wie von einer Cyste umschlossen, in dem Leibes- raume der kleinen Kruster liegen. (Fig. 364.) Nur die Haut, Gefässe und Lem- uisceu gehen aus dem äusseren Erabryonalleib hervor, während sich alle übrigen vom Hautmuskelschlauche eingeschlossenen Organe, Nervensystem, Rüsselscheide, Geschlechtsorgane, aus dem sogenannten Embryonalkern ent- wickeln. Erst nach ihrer Einführung in den Darm von Fischen {Ech. pvoteus), Wasservögeln {Ech. polymorphes) oder Säugethieren (Ech. gigas, monoUferus) erlangen sie Geschlechtsreife, begatten sich und wachsen zur vollen Grösse aus. Die zahlreichen Arten der Gattung EchinorhyncJms 0. F. Müll, leben vorzugsweise im Darme von Fischen und Wasservügeln, deren Darmwandung mit Echinorhyuchen wie besäet sein kann. Seltener ist ihr Vorkommen in Säugethieren. Ech. iwlymoj-phus Brems., im Darm der Ente und anderer Vögel, auch im Flusskrebs. Ech. proteus Westrumb., Ech. angustatus Eud., in Süsswasserfischen. Ech. gigas Goeze, von der Grösse eines Spul- wurmes, im Dünndarm des Schweines. Der Embryo gelangt nach A. Schneider in Engerlingen zur Ausbildung. Auch im Dünndarm eines an Leukaemie verstorbenen Kindes wurde von Lambl ein kleiner, noch nicht ge^d^AeohUxQiier Echinorhynchus auf- gefunden. In jüngster Zeit wurde von Calandruccio experimentell nachgewiesen, dass der im Darme des Siebenschläfers {Myoxus quercinus), sowie der Feldmaus und des Hamsters lebende E. monoUferus Bremser, dessen Jugendzustand in Blaps mucronata Latr. gefunden wird, auch im Darme des Menschen zur Entwicklung gelangt. Calandruccio inficirte sich selbst mit den Jugendformen aus Blaps und trieb sich acht Wochen später 33 Echinorhyuchen ab. IIL Classe. Annelides, Grliederwürmer. Segmenttrte Würmer mit Gehirn, Schlundring und Bauchstrang (Gan- glienkette) mit Segmentalorganen und Blutgefässen. Das Verständniss vom Organismus der Gliederwürmer, sowie der Bezie- hungen derselben zu den niederen Würmern und zu den Rotiferen erscheint mit Hilfe der Loven'schen Larve und ihrer Entwicklung gegeben. Durch die- selbe wird auch die Zusammengehörigkeit der Anneliden mit den Gephyreen ersichtlich, deren langgestreckter Leib zwar der inneren und äusseren Seg- mentirung entbehrt, dagegen in dem bauchständigen, meist noch von einem gleichmässigen Ganglienbelage überkleideten Nervenstrange das Aequivalent der Gauglienkette besitzt. Der Körper der Loven'schen Larve, von der man zur Ableitung des Anne- lidenleibes auszugehen hat, entbehrt der Gliederung und repräsentirt vornehm- lich den Annelidenkopf, welcher sich in einen indifferenten, dem ganzen Rumpfe gleichwerthigen Endabschnitt fortsetzt. 398 Anuclidcs. Lovcn'sche Larve. Am Vorderende der Larve (Fig. 365) findet sich eine als Seheitelplatte bezeichnete Ectodermverdickung, welche die Anlage des Gehirnganglions re- präsentirt nnd zahlreiche Nerven entsendet. Die weite Mundöffnung liegt bauch- ständig und führt in einen am Hinterende ausmündenden Darm. Vor dem Munde verläuft ein mächtiger praeoraler Wimperkranz, dem hinter dem Munde ein schwächerer postoraler Wimperkranz folgt. Rechts und links findet sich Fig. 365. b Entwicklung von Polygordius, nach B. Hatschek. a Larve. S/> Scheitelplatte mit Pigmentfleck, Pj-w prae- oraler Wimperkranz, 0 Mund, Poiv po.storaler Wimperkranz, Ä After, M.i Mesoderm, KN Kopfuiei-e. — 6 Aeltere Larve mit beginnender Gliederung des Rumpfes. An der Kopfuiere hat sich noch ein zweiter Schenkel entwickelt. — c Aelteres Stadium. Der Rumpf erscheint wurmförmig gestreckt und in zahlreiche Äletameren gegliedert. HWk Hinterer Wimperkranz, Af Augenfleck, F Fühler. ein Excretionscanal (Kopfniere, Protonephridium). Indem die Kopfregion der Larve sich in Stirnlappen und Mundsegment umgestaltet, der hintere Körper- abschnitt aber mehr und mehr in die Länge wächst und sich in eine Reihe hintereinander liegender Metameren gliedert, wird der ursprünglich unge- gliederte Larvenleib zum Anneliden. Der bald abgeflachte, bald drehrunde cylindrische Leib des Glieder- wurmes zeigt meist eine homonome Segmentirung, indem die auf den Kopf folgenden Abschnitte nicht nur äusserlich gleiche, zumeist durch Einschnürungen Howegiiugsorgaiio. Nervensystem. 399 begrenzte Stücke vorstellen, sondern auch gleichartige Abschnitte der inneren Organisation wiederholen. Der Endabschnitt mit dem After kann jedoch inso- fern eine besondere Stellung beanspruchen, als seine Organisation den pri- mären, mehr indifferenten Charakter des hinteren Larvenleibes bewahrt und während der Entwicklung des Wurmes neue Segmente nach vorne zur Sonderung bringt. Indessen ist auch für die vorausgehenden Kumpfsegmente -pig. 365 d. in Wahrheit dieHomonomie niemals vollständig, indem gewisse Organe auf bestimmte Segmente beschränkt bleiben. Die äusse- ren Ringel des Integuments fallen entweder mit den inneren, durch Scheidewände {Dissepimente) getrennten Segmenten zu- sammen (Chaetojjodd), oder es kommen auf ein inneres Segment eine grössere bestimmte Anzahl (3, 4, 5 etc.) durch Furchen geschiedener äusserer Ringel (Hh-udmei). Besondere Bewegungsorgane treten entweder als borsten- tragende Extremitätenstummel {Chaetojjoden) an den einzelneu Leibesringen auf, oder fehlen und werden durch endständige Haftscheiben ersetzt (Hkudineen). Im ersteren Falle kann jedes Segment ein rückenständiges und ein bauchständiges Paar von Fussstummeln besitzen, die auch durch einfache, in Hautgruben steckende Borsten vertreten sein können. Die am Vorderende ventralwärts gelegene Mundöffmmg führt in einen muskulösen Schlund, der oft eine kräftige Bewaffnung trägt und als Rüssel hervorgestülpt wird. Dann folgt, den grössten Theil der Körper- länge durchsetzend, der Magendarm, welcher den Segmenten entsprechend regelmässige Einschnürungen erfährt oder seit- liche Blindschläuche besitzt und nur ausnahmsweise gewunden erscheint. Die Afteröffnung liegt am hinteren Körperende. Das Nervensystem besteht aus dem Gehirn- oder oberen Schlundganglion, welches in der Scheitelplatte der Larve seine Anlage hat, aus einem Schlundring und einem Bauchstrang, beziehungsweise einer Bauchganglienkette, deren Hälften der Mittellinie in verschiedenem Maasse genähert liegen. Der Bauch- strang entsteht aus zwei seitlichen Nervensträngen, welche Ä wahrscheinlich den Seitennerven der Nemertinen entsprechen. ^*''" ■'^^'»^'^ vf^^rm, Dieselben setzen sich in die Schlundcommissur fort und sind pergmbe,' c Darm, wie diese gleichmässig von Ganglienzellen bekleidet. Diese Gestaltung des Nervensystems kann ebenso wie die ectodermale Lage des- selben persistiren (ArcManneliden, Protodrilus). (Fig. 366.) Bei den übrigen Anneliden tritt dieser Zustand nur vorübergehend auf, indem die Seitenstränge in einem vorgeschrittenen Stadium sich vom Ectoderm sondern, medianwärts zusammentreten und sich den Metameren des Rumpfes entsprechend gliedern. Vom Gehirn entspringen die Nerven der Sinnesorgane ; die übrigen Nerven treten vom Bauchstrange, beziehungsweise von den Ganglien der Bauchkette 4ü0 Annelides. Blutgefässe. Excrctionsorganc. und von derou Längscommissuren ans. Fast überall findet sich ein besonderes Bingeweidenervensystem (Sympaihkus). Von Sinnesorganen'kQmii man paarige Aufjenjlecken mit liclitbrechenden Einlagerungen oder grössere, complicirter gebaute Augen, ferner Gehörbläschen am Scblundringe (Kiemenwürmer) und TaMfäden, letztere bei den Chaetopoden als Fühler und Fühlercirren am Kopf und als Girren an den Extremitätenstummeln der Segmente. Auch da, wo Fühler und Girren fehlen, ist der Tastsinn au verschiedenen Stellen der Haut und besonders am Vorderende des Körpers in der Umgebung des Mundes aus- gebildet durch Zellen, welchen am freien Ende Haare und Borsten fehlen. Sehr allgemein ist ein Blidgefässsystem vorhanden, doch scheint dasselbe nicht überall vollständig geschlossen, sondern mit den Lacunen der Leibeshöhle in offener Communication. Dies ist bei ([enHinidmeen der Fall, im Gegensatze zu den Chaetopoden, deren Blutgefässe von der Leibeshöhle abgeschlossen sind. Selten fehlen dieselben vollständig. Im einfachsten Falle finden wir zwei Hauptgeßiss- pj„ 3,^,(3 stamme, ein Rücken- und Bauchgefäss, beide durch zahlreiche Queranastomosen mit einander verbun- den. Indem bald das Rückeugefäss, bald die Ver- bindungsgefässe, bald der Bauch stamm contractu sind, wird die meist gefärbte, grüne oder rothe Blutflüssigkeit in den Gefässen und deren peri- pherischen Verzweigungen umherbewegt. Oft (Hi- rudmeen) treten noch Seitengefässe hinzu, welche S S (l ebenso wie ein mittlerer contractiler Blutsinus auf Querselmitt durch den Leib von P,-oJo- gglbstständig gCWOrdCUe Thcilc dcr Leibeshöhlc drilus, nach B. Hatschek. ,S'.5 die ö o beiden .Seitcnsträugc des Nerven- zurückzuführcn siud. Respirationsorgane kommen r::::.™re!r;MS.'.,ro.t:: ™ter de- chaetopoden hei den Pol^chacfen als Anhänge der Parapodien (Rückenkiemen), bezie- hungsweise als umgestaltete Fühlercirren (Kopfkiemen) vor. Das dem Wassergefässsystem der Plathelminthen entsprechende Excre- Honsorgan tritt in Form gewundener Canäle auf, welche sich paarweise in den Segmenten wiederholen (daher Segmentalorgane genannt), meist mit flimmern- der Trichteröffnung frei in der Leibeshöhle beginnen und in seitlichen Poren ausmünden. Dieselben können in einzelnen Segmenten die Function als Lei- tungswege der Geschlechtsproducte, welche sich bei den Polgchaeten und Gephg- reen aus dem Epithel der Leibeshöhle entwickeln, übernelimen, wie sie auch mit Concretionen erfüllte Zellen aus der Leibeshöhle entfernen. Ursprünglich dürften diese, in neuerer Zeit auch als Nephridien bezeichneten Excretions- canäle in allen Rumpfsegmenten sowie im Kopfabschnitt (Mundsegment) sich entwickelt haben, in welchem letztere sich im Körper des Embryos oder der Larve ein als „ Kojyfm'ere^^ unterschiedenes Röhrchenpaar anlegt. Dasselbe ist aber stets nach der (hier primären) Leibeshöhle hin blind geschlossen und wird wie zahlreiche andere embryonale Nephridienpaare später rückgebildet, so dass im ausgebildeten Thiere die Zahl der bleibenden Nephridien eine beschränktere 1. Unterklasse. Chaetopoda. 401 ist. Man hat die ersteren auch Protonephridien genannt und die Kopfniere gewiss mit Recht den Excretionscanälen der Platyhelminthen homolog betrachtet, liin- gegen die bleibenden Segmentalorgane oder Schleifencanäle als „Metanephri- dien" für von jenen verschiedene Bildungen angesehen. Zahlreiche Anneliden (Oligochaeten,Hirudmßen) sind Zwitter, die marinen Cliaetopoden dagegen vorwiegend getrennten Geschlechtes. Bei der Selbst- ständigkeit des Segmentes, dem wir die Bedeutung einer untergeordneten (morphologischen) Individualität zuschreiben, wird das Vorkommen der unge- schlechtlichen Fortpflanzung durch Theilung und Sprossung in der Längsachse (Chaetopoden) nicht überraschen. Viele Anneliden setzen die Eier in besonderen Säckchen und Cocons ab, die Entwicklung erfolgt dann direct ohne Metamorphose. Die Meereswürmer dagegen durchlaufen eine mehr oder minder complicirte Metam'orphose. Die Anneliden leben theils in der Erde, theils im Wasser und nähren sich meist von animaler Kost; viele (Hirudmeen) sind gelegentliche Parasiten. Im Kreise der Anneliden unterscheidet man als Hauptabtheilungen die Chaetopoden^ die einer Gliederung entbehrenden Gephyreen und die an para- sitische Lebensweise angepassten Hirudmeen. Letztere sind nicht etwa als Gliederwürmer einer niederen Organisationsstufe zu betrachten, vertreten viel- mehr wenigstens in einigen Organsystemen, wie Darm, Circulationsapparat und Geschlechtsorganen, complicirtere Gestaltungsverhältnisse, welche am nächsten mit den OUgochaeten, von denen aus die Hirudineen abzuleiten sein dürften, übereinstimmen. 1. Unterclasse. Chaetopoda*), Borstenwürmer. Freilebende GUederwilrmer mit paarigen Borsteneinlagerungen in den Segmenten^ häufig mit ausgeprägtem Kopf^ sowie mit Fühlfäden, Cirren und Kiemen. Die Borstenwürmer sind äusserlich in Segmente gegliedert, welche den Metameren der inneren Organe entsprechen und sich, mit Ausnahme des vor- deren, als Kopf unterschiedenen Abschnittes meist ziemlich gleichartig verhalten. (Fig. 367.) Sehr häufig treten an den Segmenten Extremitätenstummel {Para- podien) mit eingelagerten Borsten auf, welche zunächst die Locomotiou unter- •) Ausser den älteren Werken von Savigny, Audouin et Mi Ine Edwards, Quatrefages vergl.: E. Grube, Die Familien der Anneliden. Archiv für Naturgesch., 1850 und 1851. E. Gl aparede, Eecherclies anatomiques sur lesAnn^lides etc. Göneve, 1861. Derselbe, Les Annelides chdtopodes du golfe de Naples. Göneve et Bäle, 1868, nebst Supplement 1870, und Eecherches sur la structure des Annelides södentaires. Gentjve, 1873. Fr. Leydig, Tafeln zur vergl. Anatomie, 1864. B. Hatscbek, Studien über Entwicklungs- geschichte der Anneliden. Arbeiten des zool. Institutes zu Wien, Tom. I, 1878. H. Eisig, Die Capitelliden des Golfes von Neapel. Fauna imd Flora des Golfes von Neapel, Tom. XVI. Berlin, 1887. E. Meyer, Studien über den Körperbau der Anneliden. Mitth. a. d. zool. Station zu Neapel, Tom. VIT, 1887. Fr. Vcjdovsky, System und Morphologie der Oli- gochaeten. Prag, 1884. C. Claus: Lehrbuch diu- Zoologie. ;"). Auf! 26 402 Cliaetopoda. Parapodie Fig. 367. Dorsales {DP) und ventrales (VP) Parapodium mit den Borstonbündeln von Nereis nach Qua- trefages. Ae Stützborsten (Aciculae) , 7?c Rückeneirrus, Bc Bauclicirrus. Gruhea fusifcra, nach Quatrefages. PU Pharynx, DDarmeanal, C Cirren, F Fühler. stützen und in verschiedenartigen Anhängen, Kiemen und Cirren, auch die Functionen der Kespiration und des Tastens übernehmen. (Fig. 368.) Die Form der bewegbaren Borsten variirt ausserordentlich und bietet gute Anhalts- punkte zur Charakteri- sirung der Familien und Gattungen. Man unter- scheidet Haarborsteu, Hakenborsten, Plattbor- sten (Paleen), Spiess- borsten, Sichelborsten, Pfeilborsten , Nadeln , Stacheln , je nach der Stärke, Gestalt und Art der Endigung. (Fig. 369.) Bei vollständigem Mangel von Fussstummeln und deren An- hängen liegen die Borsten in Gruben der Haut einzeilig oder zweizeilig, d. h. in seitlichen Bauchreihen oder in Bauch- reihen und Kückenreihen eingelagert. Dann ist die Zahl der Borsten durchweg eine beschränkte {Oligochaeten). Andererseits kann dieselbe auch in grossem Maasse überhand nehmen, so dass die Haut an den Seiten mit langen Haaren und Borsten besetzt erscheint und sich über die ganze ßückenfläche ein dichter, metallisch glän- zender Haarfilz ausbreitet (Aphrodite). Die Anhänge der Fussstummel bieten einen nicht minder grossen Eeichthum verschiedener Formen und variiren auch nicht selten an den ver- schiedenen Leibesabschnit- ten; dieselben sind zunächst einfache oder geringelte fühlerartige Fäden, Cirri, welche in Kücken- und Baucheirren unterschieden werden. (Fig. 368.) Die Cirren sind meist fadenförmig und zuweilen gegliedert, oder konisch und dann oft mit einem besonderen Wurzelglied versehen. In einigen Fällen erlangen die Kückencirren eine flächenhafte Verbreiterung und bilden sich zu breiten Schuppen, Elytren, um, welche ein scliützendes Dach Fiff. 369. f,\ K Borsten verschiedener Polychaeten, nach Malmgren und Clapa- ride. a Ilakenborste von Sah ella crassicornis, b dieselbe von Tere- hella Dainüsseni, c Borste mit Spiralleiste von Sthcnelais, d Lanzen- borste von Phyllochaetopterus, e dieselbe von Sabella crassicornis, f dieselbe von Sahella pavonis, g zusammengesetzte Sichelborste von Ncrcis ciiltri/era. Kopf. Darme Gcfässsvstem. 403 Fio-. 370. ! l\ \ \ yy y zusammensetzen (Äpkroditeen). (Fig. 370.) Neben den Girren finden sich häufig fadenförmige oder geweiliartig verästelte, büschel- oder kammförmige Kiemen (Fig. 305), bald auf die mittleren Leibesabsclinitte beschränkt oder fast über die ganze Eüekenfläche ausgedehnt, bald nur am Kopfe, beziehungsweise zugleich au den vorderen, auf das Mundsegment folgenden Segmenten (Kopfkiemer). Als Kopf (Fig. 304) fasst man die zwei vorderen Segmente zusammen, welche zu einem Abschnitt verschmolzen sind und sich rücksichtlich ihrer An- hänge von den nachfolgenden Segmenten abweichend verhalten. Das vordere Segment überragt als Stirnlappen die MundOffnung und trägt äioFüh- Ur und Palpen, sowie die Augen, der hintere Kopfabschnitt, das Mundsegment, die FnMercirren (Cirritentaculares). Als Aftercirren werden die des letzten Segmentes bezeichnet. (Fig. 367.) Der Verdamm gscanal ver- läuft meist in gerader Kichtung vom Munde nach dem am hinteren Körperende gelegenen After und gliedert sich in Schlund, Magen- darm und Enddarm. (Fig. 371.) Oft kommt es zur Ausbildung eines erweiterten muskulösen Schlund- kopfes, der mit Papillen oder beweglichen Kieferzähnen bewaffnet, als Rüssel hervorgestreckt werden kann. Der Magendarm bleibt meist in seiner ganzen Länge von gleicher Beschaffenheit und zerfällt durch regelmässige Ein- schnürungen in eine Anzahl von Abschnitten oder Kammern, welche den Seg- menten entsprechen und selbst wieder in seitliche Ausstülpungen und Bliud- schläuche sich erweitern. Die Einschnürungen sind bedingt durch die mem- branösen Septen (Dissepimente) , welche die Leibeshöhle in hintereinander liegende Kammern scheiden. Das Gefässsystem dürfte überall geschlossen sein, so dass die in der secundären Leibeshöhle befindliche helle Ernährungsflüssigkeit, welche wie das Blut amoeboide Körperchen enthält, mit dem meist gefärbten Blutinhalt der Gefässe nicht communicirt. Das oberhalb des Darmes gelegene Rückeugefäss ist meist contractu. In demselben strömt das Blut von hinten nach vorn, im Bauchgefäss in umgekehrter Richtung. Es kommt aber sehr allgemein noch ein zweites ventrales Längsgefäss (Subneuralgefäss), welches an der Ganglien- kette verläuft, hinzu. Rücken- und Bauchgefässe sind nicht nur an ihren Enden, sondern auch in den einzelnen Segmenten durch Seitenschlingen verbunden, von denen aus sich peripherische Gefässnetze in die Haut und Darmwand, sowie in die Kiemen erstrecken. 26* Vorderende von Polyno'i exte n tif 1 1 ii . iiai h l'.utfernung der ersten linken Elytre, nach Claparede. Man sieht die zwei Borsten des Mundsegments blossgelegt. El Elytre. 404 Chaetopoda. Leibesliühle. Respirationsorgane. Fig. 371. Zwischen Körperwand und Darm findet sicli eine secimdäre, vom Blut- gefässsystem gesonderte, von Peritoneal-Epithel ausgekleidete Leibeshöhle (Coelom), die durch ein dorsales und ventrales, den Darm suspendirendes Mesenterium in zwei Seitenräume getheilt ist. Diese zerfallen wiederum durch quere, den Grenzen der Segmente entsprechende Dissepimente in zahlreiche Kammern, welche von einer häufig lymphoide Zellen haltigen Coelom-Flüssig- keit (Haemolymphe) erfüllt, unter einander durch Oeffnungen communiciren. Unter Rückbildungen der Dissepimente in bestimm- ten Regionen können grössere zusammenhängende Räume derLeibeshöhle entstehen. Nicht selten werden Zellengruppen des Peritoneums Träger von Excre- tionsstoÖen *), Avie die drüsigen mit Chloragogen- zellen erfüllten Wucherungen am Rückengefässe der Lumhriculiden (vergl. die Pericardialdrüse der Mol- lusken) und ähnliche Gebilde bei TerebeUa, Ärenkola, Mastohranchus etc. Die dunkelkörnige Concremente enthaltenden Zellen dieser Anhänge lösen sich ab und werden durch die Nephridien nach aussen geführt. Die Leibesflüssigkeit mit ihren lymphoiden Zellen besitzt auch eine nutritive Bedeutung und kann bei Ausfall des Blutgefässsystems das Blut vertreten. In diesem Falle sind die Zellen derselben roth gefärbt und haemoglobinhaltig (Gli/cera, Capitella, Pohj- ci'rrus). Besondere Respirationsorgane fehlen sämrat- lichen Oligochaeten. Bei den Meereswürmern treten dagegen ziemlich allgemein Kiemen meist als An- hangsgebilde der Fussstummel auf. Dieselben sind entweder einfache Girren, welche Flimmerhaare auf der Oberfläche ihrer zarten Wandung tragen und Blut- gefässschlingen aufgenommen haben, oder verästelte (^mpÄmome), beziehungsweise kammförmige (Eunke) Schläuche, neben denen noch besondere Girren sich erheben. (Fig. 304.) Bald sind die Kiemen auf die mittleren Segmente beschränkt (Arenkola) (Fig. 380), bald an fast allen Segmenten, nach dem hinteren Körperende sich vereinfachend, au der Rückenfläche entwickelt (Bor- sihranchiata). Bei den Röhrenbewohnern beschränken sich die Kiemen auf die zwei {Pectinaria^ Sahellides) oder drei {TerebeUa) vordersten Segmente. (Fig.376.) Es fungiren aber zugleich zahlreiche büschelförmig gehäufte und verlängerte Fühler des Kopf ab Schnittes, welche bei den Sabelliden sogar durch ein beson- Verdauungscanal von Aphrodite acnltaia, nach M. Edwards, l'h Pharynx, T) Darm,L Leberanlülnge desselben. ') Vergl. ausser Vcjdovsky, Eisig, E. Meyer 1. c., C. G robben, Die Peri- cardialdrüse der chaetopoden Anueliden nebst Bemerkungen über die perienteriscbe Flüssigkeit derselben. Sitzungsbericbte der k. Akad. der Wiss. Wien, 1888. Nervtiiisystem. 405 (leres Kiiorpelskelet gestützt und mit seciiiidären Zweigen federbuschartig besetzt sein können, als Kiemen ((Japiilhvanchiata). Entweder stehen diese Fäden einfach im Kreise um die Mundöffnung herum oder in zwei Seitengruppen geordnet (Scrpuh'den), deren Basis sich nicht selten in eine Spiralplatte aus- zieht. Solche Kiemonbildungen dienen aber zugleich zum Tasten, zur Herbei- schaffung der Nahrung und zum Aufbau der Röhren und Gehäuse. Als Excretiomorgane finden sich oft in allen Metameren paarige Nephridieu, /S'e^j'wewfa/or^/rMic.Dieselben beginnen mittelst eines Wimpertrichters in der Leibes- höhle (Coelom), besitzen eine drüsige Wandung, nehmen einen mehrfach gewun- denen Verlauf und münden rechts und links je in einem seitlichen Porus des Segmentes aus. Wie die Drüsengänge überhaupt auch zur Ausführung von Fig. 372. a l Geliiru und vorderer Abschnitt der Ganglienkette a von SerjuiJfi, 6 von N'erds, nach Quatrefages. 0 Augen, G Gehirnganglion, c Schlundcommissur, l^g unteres Schlundganglion, c e' Nerven für die Cirri tentaculares, beziehungsweise des Mundsegments. Excretionsstoffen der Leibeshöhle (Chloragogenzellen) dienen, so werden die- selben bei den marinen Borstenwürmern zur Brunstzeit in den Genitalsegmenten als Eileiter oder Samenleiter verwendet, um die in der Leibeshöhle freigewor- denen Geschlechtsproducte nach aussen zu schaffen. Von besonderen Drüsen im Körper der Chaetopoden verdienen vor Allem diejenigen Hautdrüsen der Oligochaeten erwähnt zu werden, welchen die als Gürtel bekannte Auftreibung mehrerer Segmente ihren Ursprung verdankt. Das Secret dieser Drüsen mag die innige Verbindung der sich begattenden Würmer unterstützen. Ferner kommen bei den Serpuliden zwei grosse, auf der Rücken- fläche des Vorderkörpers mündende Drüsen vor, deren Secret zur Bildung der Röhren, in welchen die Thiere leben, verwendet wird. (Fig. 379 Dr.) Was das Nervensystem anbelangt, so lagern oft die Längsstränge des Bauchmarkes so dicht aneinander, dass sie einen einzigen Strang zu bilden 406 Chaetopoda. Sinnesorgane. Fort|illan/,unf?. scheinen (Oligochaeteu), weichen dagegen bei den Kührenwüvmerii merklieli, am meisten im vorderen Abschnitte der Ganglienkette auseinander (JSerpnld). (Fig. 372 a.) Das System von Eingeweidenerven besteht aus paarigen und un- paarigen Ganglien, Avelche die Mundregion und vornehmlich den vorstülpbaren Küssel versorgen. Von Sinnesorganen sind ein oder zwei Augenpaare auf der Oberfläche des Stirnlappens sehr verbreitet. Augenflecken können freilich auch am hinteren Körperende liegen {Fabrida), oder an den Seiten aller Segmente sich regel- mässig wiederholen (Polgophthalmus). Selbst auf den Kiemenfäden finden sich bei /Sahella-krten Pigmentflecken mit lichtbrechenden Körpern angebracht. Am höchsten entwickelt, mit einer grossen Linse und einer complicirten Ketina versehen, sind die grossen Kopfaugen der Gattung Alciope ^). Beschränkter erscheint das Vorkommen von Gehörorganen, welche als paarige Otolithenblaseu am Schlundringe von Aremcola, Fahrtcia, einigen >iSa- hellülen und jungen Terehellen vorkommen. Seitliche Wimpergruben, welche den durch Längsspalten ausmündenden Kopfgruben der Nemertineu entsprechen dürften, sind bei zahlreichen Polychaeten nachzuweisen und als Geruchsorgane gedeutet worden. Verschieden sind von diesen die becherförmigen, in Gruben der Haut, am Mundrande, auch in der Mundhöhle eingelagerten, ferner die als Seitenorgane an den Segmenten sich wiederholenden Haufen von Sinneszellen, welche man theilweise wenigstens als Geschmacksorgane deutet {Capitellen, Lumhriciden, Chaetogastriden etc.). Ausser den Fühlern, Girren und Elytren kann auch die Hautoberfläche an anderen Körperstellen zum Sitze einer Tast- empfindung werden. An solchen Stellen sind entweder starre Härchen und Borsten als Fortsätze von Sinneszellen, Tastzellen verbreitet, oder es finden sich wie bei Sphaerodorum besondere Tastwärzchen mit Nervenenden. Bei kleineren Chaetopoden kommt zuweilen eine ungeschlechtliche Fort- pflanzung durch Sprossung und Theilung vor. Entweder (fissipare Fortpflanzung) geht eine grössere Segmentreihe aus dem ursprünglichen Körper eines Wurmes in den Leib eines Sprösslings über, z. B. hei Syllis proUfera, wo sich durch eine einfache Quertheilung eine Reihe der hinteren, mit Eiern gefüllten Segmente ablöst, nachdem vor denselben ein neuer Kopf gebildet wurde, oder (gemmipare Fortpflanzung) es ist nur ein einziges und gewöhnlich das letzte Segment, welches zum Ausgangspunkt der Neubildung eines zweiten Individuums wird. In dieser Weise verhält sich die als Autolytus prolifer bekannte Syllidee, welche zugleich ein Beispiel von Generationswechsel bietet und ausschliesslich als Amme durch Knospung in der Längsachse die als Sacconereis heJgolandlca (Weibchen) und als Polyhostriclms MüllerP) (Männchen) bekannten Geschlechts- ') E, Gr eeffjUeber das Auge der Alciopiden etc. Marburg, l876,so\vie Untersuchungen über die Alciopiden. Nov. Act. der K. Leop. Gar. Akad. etc., Tom. XXXIX, Nr. 2. 2) Vergl. ausser den Untersucliungen 0. Fr. Müllers, Quatr ef ages', Leuckart's, Krobn's besonders A. Agassi z, On alternate generatiun uf Annelids and the embryology of Autolytus cornutus. Boston. Journ. Nat. Hist., Vol. III, 1863. Geschlechtsorgane. 407 thiere erzeugt. (Fig. 373.) Hier bildet sich vor dem Scliwanzeude der Amme eine ganze Reihe von Segmenten, welche nach Bildung eines Kopfabschnittes ein neues Individuum zusammensetzen. Indem sich dieser Vorgang wiederholt, entsteht eine zusammenhängende Kette von Individuen, welche nach ihrer Trennung die Geschlechtsthiere vorstellen. Auch bei Süsswasser bewohnenden Nakleen, bei Chnefogasfei\ kommt es durch eine gesetzmässige Sprossung in der Längsachse zur Bildung von Ketten, die nicht weniger als 12 — 16, freilich nur viergliedrige Individuen enthalten, während die letztern zur Zeit der Ge- schlecMsreife aus einer grösseren Zahl von Segmenten be- stehen. Aehnlich verhält sich auch die schon von 0. Fr. M ü 1 1 e r beobachtete Vermehrungsart von Nai's probosci'dea, aus deren letztem Segment der Leib des neu zu bildenden Sprösslings erzeugt wird. Indessen werden Mutter- und Tochterindividuen von Nais in gleicher Weise geschlechtsreif. Die Chaetopoden sind mit Ausnahme der hermapM'O- ditischen OUgochaeten und einzelner Serpuliden (z, B. Spirorhis spiriUum^ Protula Dysteri) getrennten Geschlechtes. Männ- liche und weibliche Individuen erscheinen zuweilen im Bau der Sinnes- und Bewegungsorgane so auffallend verschieden, dass man sie für Arteu sogar verschiedener Gattungen gehalten hat. Ausser der bereits erwähnten Sacconereis und Polyhostri- chus, zu denen noch Auiolytus als Ammenform gehört, ward ein ähnlicher Dimorphismus des Geschlechtes vonMalmgren für die Z?/co?7(ie?igattung Heteronereis nachgewiesen, deren Männchen und Weibchen eine verschiedene Körpergestalt und Segmentzahl besitzen. Ueberdies gehört Heteronereis in den Entwicklungskreis von Nereis, für welche Gattung eine merk- würdige Heterogonie besteht, indem eine kleinere, an der Oberfläche schwimmende Generation mit einer grösseren schwerfälligen, auf dem Boden in der Tiefe lebenden wechselt. Bei den OUgochaeten findet sich im Körper ein zum Theil tacuiares des Männ- Autolijlus eornutus mit dem mäiiDlichen Thiere [Poltßostri- clius), nach A. Ag a s- siz. F Fühler, CT Cirri tentaculares, / Fühler, et Cirri teu- chens hochentwickelter Geschlechtsapparat. Die Ovarien und Hoden liegen hier in ganz bestimmten Segmeuten und entleeren ihre Producte durch Dehiscenz der Wandung in die Leibeshöhle. Oft sind neben den Segmental- organen Ausführungsgänge vorhanden, welche die Geschlechtsproducte nach aussen leiten (0. terrkolae), in anderen Fällen fehlen die Segmentalorgane in diesen Segmenten (0. Umicolae). Bei den marinen Borstenwürmern entstehen die Eier oder Samenfäden an der Leibeswandung (Fig. 374) aus Zellen der peritonealen Membran, entweder nur in den vorderen Segmenten, oder in der gesammten Länge des Körpers. Die Geschlechtsstoffe werden dann in der Leibeshöhle frei, erlangen hier ihre volle Reife und treten durch die Segmental- organe nach aussen. Nur wenige Borstenwürmer, wie z. B. Eunice und SylUs vivipara, gebären lebendige Junge, alle übrigen sind Eier legend; viele legen 408 1- Ordnung. Polychaetae. die Eier in zusammeuliäugenden Gruppen ab und tragen sie mit sich herum, während dieselben von den OUgochaoAen in Cocons abgesetzt werden. Die Ent- wickhing dos Embryos erfolgt nach vorausgegangener inaequaler Dotterklüftung. Wohl allgemein differenzirt sich, wenn auch zuweilen erst während des freien Lebens, ein Primitivstreifen an der Bauchseite in Folge der Entwicklung eines mittleren Keimblattes und von Neuralplatten des Ectoderms. Mit Ausnahme der Oligochaeten durchlaufen die Jugendformen eine Metamorphose und erweisen sich nach dem Ausschlüpfen als bewimperte, mit Mund und Darm versehene Larven, deren ^^ö- 374. Grundform, die L o v e n'sche Larve, in zahl- reichen Modificationen auftritt. Die Fähigkeit, verloren gegangene Theile, insbesondere das hintere Körper- ende und verschiedene Körperanhänge wieder zu erzeugen, scheint allgemein verbreitet. Selbst den Kopf und die vorderen Segmente mit Gehirn, Schlundring und Sinnesappa- Ein Parapodium von Tomopteris mit Eizellen- ratOU Siud SOWOhl dlo LumbriCmen, als eiU- lager und einem freien Ei, nach U. Goi?ou- i t\t •• / t-> • . r . \ ^^^jj. zelno Meereswurmer [Dwpatra, Lycaretus) wieder zu ersetzen im Stande. Fossile Eeste von Borstenwürmern finden sich vom Silur an in den ver- schiedensten Formationen. 1. Ordnung. Polychaetae '), Polychaeteii. Marine Chaefopoden mit zahlreichen in Fnssstitmmeln eingelagerten Borsten, meist mit ivohl gesondertem Kopf, mit Fühlern, Cirren und Kiemen. Sind vorwiegend getrennt geschlechtlich und entwickeln sich mittelst Meta- morphose. Die schärfere Sonderung des aus Stirnlappen und Mundsegment zusam- mengesetzten Kopfes, das Auftreten von Fühlern, Fühlercirren und Kiemen, sowie die Einlagerung von Borsten in ansehnliche, als Ruder fungirende Fuss- höcker weisen auf die höhere Lebensstufe der marinen Borstenwürmer hin, wenn sich auch die innere Organisation keineswegs complicirter als die der Oligochaeten gestaltet. Indessen können alle jene Merkmale mehr und mehr zurücktreten oder vollständig verschwinden, so dass es schwer wird, eine scharfe Grenze zwischen Oligochaeten und Polychaeten festzustellen. Sowohl ') Audouin et Milne Edwards, Classification des Annelides et description des Celles qui habitent les cOtes de la France. Annales des sc, nat., Tom. XXVII — XXX, 1832— 1833. Delle Chiaje, Descrizioni e notomia degli animali senza vertebre della Sicilia citeriore. Napoli, 18-41. Quatref ages, Histoire naturelle des Anu(^les. Tom. I und II, 1865; sowie die zahlreichen Schriften von E. Grube und E. Cl aparede, H. Eisig, E. Meyer u. A. Ivürperbau. 409 die Fussstuiumel {Capifelh'den), als auch die Borsten köimeii wegfallen [Tomo- pterideii). In ffeltenen Fällen sind Borstenbündel in allen auf den Kopf folgenden Segmenten vorhanden, jedoch einzeilig geordnet und an jedem Segmente einem einzigen ventralen, retractilen Parapodienpaar eingelagert. Wahrscheinlich repräsentirt dieses für Saccodrrus und Verwandte nachgewiesene Verhalten den primitiven Zustand, zumal hier gleichzeitig in der Gestaltung des ausser- halb des Hautmuskelschlauches dem Ectoderm anliegenden Nervensystems und der auf zwei einfache Tentakeln des Kopflappens und auf Flimmergruben reducirten Sinnesorgane niedere und ursprünglichere Verhältnisse vorliegen. Bei zwei anderen sehr merkwürdigen Wurmformen, bei Polygordius (Fig. 3G5 d) und Proio- drilus, fehlen nicht nur Fussstummel und Bor- sten, sondern auch die äussere Leibesgliede- rung. Die Segmenti- rung des äusserlich ein- fachen ungegliederten und borstenlosen Wur- mes ist durchaus auf die innere Organisation beschränkt und inso- fern allen anderen An- neliden gegenüber eine vollkommen homonome, als sich der Oesophagus auf den Kopfabschnitt beschränkt und noch nicht in die vorderen Kumpfsegmente hineingerückt erscheint. Da ferner auch das Nervencentrum in seiner ganzen Ausdehnung dem Ectoderm angehört, das Gehirn seine ur- sprüngliche, der Scheitelplatte entsprechende Lage am Vorderende bewahrt, und der Bauchstrang noch keine Gangiienkette darstellt, erscheint in diesen Formen die ursprüngliche Gestaltung der Anneliden bleibend erhalten. B. Hat- schek hat daher für dieselben eine besondere Classe der Archianneliden auf- gestellt. Complicirt gestaltet sich das Gefässsystem bei den Polychaeten durch das Auftreten von Kiemen, welche mit Gefässzweigen versorgt werden. Bei den Polychaeten mit Rückenkiemen ziehen vom dorsalen GefässstammGefässzweige zu den Kiemen, aus denen das Blut durch besondere Aeste zum Bauchgefäss geleitet wird. Wo sich hingegen, wie bei den Röhren bewohnenden Kopfkiemern, der Athmungsapparat auf wenige Segmente concentrirt, erfährt der betreffende Kopf und voidero Rumpfsrgmeute \on Ne)cis Dumerilü, nach E. Clapa- rcde. ü Augeu, P Palpen, C< Cirri tentaculares, Ä" Schlundkiefer, Dr An- hangsdrüse des Darmes. 410 Polychaetae. Entwicklung. Fig. 376. Gefässabschnitt bedeiiteudere Modificationen. Bei den TareheUen (Fig. 376) erweitert sich der Dorsalstamm oberhalb des Munddarmes zu einem schlauch- förmigen Kiemenherzen, welches Seitengefässe in die Kiemen entsendet. Auch können an solchen Stelleu Querschlingeu zwischen Kücken und Bauchgefäss als herzartige Abschnitte fungiren, wie solches auch bei den Oligochaeten häufig nachweisbar ist. Uebrigens erfährt das Gefässsystem in manchen Fällen be- deutende Keductionen und fehlt bei Glycera, Capitella und Polycirrus, wo das Blut durch die periviscerale Flüssigkeit ersetzt wird. Die bleibenden Nephridien sind in manchen Familien auf gewisse Regionen oder einzelne Segmente beschränkt, so z. B.bei den Terebelh'den auf die soge- nannte Thoracalregion, welche durch ein Dissepiment in eine vordere imd hintere getrennt wird. In jener sind die Nephri- dien Segmentalorgane, in dieser dienen sie zur Abführung der Geschlechtsstoffe. Die Geschlechfsorgane sind im Gegensatz zu den hermaphro- ditischen Oligochaeten meist auf verschiedene, zuweilen ab- weichend gestaltete Individuen vertheilt. Indessen sind auch eine Anzahl hermaphroditischer Polychaeten , vornehmlich aus den Serpulidengattungen, z. B. Spirorbis, Protula^ bekannt ge- worden. Die Entwicklung ') ist im Gegensatze zu den Oligochaeten stets mit einer Metamorphose verbunden. Die Dotterklüftung ist ähnlich wie bei den Hirudimen in der Regel eine ungleichmässige, und schon die beiden ersten Klüftungskugeln zeigen eine ungleiche Grösse. Die kleinere, rascher sich klüftende (animale) Hälfte liefert die kleineren Furchungskugeln, welche die grösseren, aus der Klüftung der grösseren Hälfte hervorgegangenen ento- dermalen Kugeln umwachsen nnd einschliessen. Das mittlere Keimblatt wird durch zwei Zellen angelegt, welche zwei sich später in Metameren gliedernde, *) A. Goette, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. Leipzig, 1882, III. W. Salensky. Etudes sur le döveloppement des Annölides. Arch. de Biol., Tom. III-IV, 1882—1883. Terehdla nchnlosa, von der Kückenseite geöffnet, nacli M. Ed ward.s. T Tentakeln, A' Kiemen, Dg vorderer Abschnitt ile: Dorsalgefä.s.ses (Herz). Larvenformen. KrraiUia. 411 ventrale Streifen erzeugen. Unterhalb dieser entsteht aus einer Verdickung des äusseren Blattes die Anlage des Nervensystems. Die Entwicklung dieser streifen- förmigen Anlage (Primitivstreifen) fällt bei den Polycliaetenembryonen oft erst in eine Zeit, wenn der Embryo als Larve ein freies Leben zu führen begonnen hat. An den frei umherschwärmenden Larven sind die Wimperhaare selten über den ganzen Körper zerstreut (Atrocha)^). Meist erscheinen dieselben auf Wimper- reifen beschränkt und entweder wie bei der L o v e n'schen Larve in einiger Ent- fernung vom vorderen Körperende als Segelwulst oberhalb des Mundes (Cepha- lotrocha, Polynoclarve) oder als doppelte Wimperreifen an den entgegenge- setzten Körperenden entwickelt (TeZotroc/ia, /Speb- und Nephthyslü,YVG). Zu beiden Wimperreifen können aber noch Wimperbogen am Bauche (Gastrotrocha) oder zugleich auch am Kücken {Ampldtrocha) hinzukommen. In anderen Fällen um- gürten ein oder mehrere Wim- perreifen die Mitte des Leibes l^Mesotrocha), während die end- ständigen Reifen fehlen ( Telepsa- vus-Chaetopterus\Mve.{Fig.377.) Dazu gesellen sich bei vielen Larven noch lange provisorische Borsten, die später durch die bleibenden verdrängt werden [Metachaeten). Trotz der grossen Verschiedenheit der Körperge- staltung lassen sich die Chaeto- podenlarven auch ihrer weiteren Entwicklung nach auf die L o- ven'sche Larve zurückführen. Relativ wenige Formen, wie z. B. die durchsichtigen Al- ciopiden, halten sich an der Ober- fläche des Meeres auf, die meisten bewohnen die Region der Küsten. Zahlreiche Formen gehen in die Tiefe hinab. Manche haben die Fähigkeit, ein intensives Licht auszustrahlen, so besonders Arten der Gattung Chaetopterus, deren An- tennen und Körperanhänge leuchten. Ebenso leuchten die Elytren von Polr/noc, die Tentakeln von Polycirrus und die Haut einiger Syllideen. Panceri^) hat den Sitz der Lichtproduction in einzelligen Hautdrüsen nachgewiesen, deren Zusammenhang mit Nerven bei Polynoe erkannt wurde. 1. Unterordnung. Errantia. Freischioimmende Rauhpolychaeten. Der Kopflappen bleibt stets selbstständig und bildet sich zugleich mit dem Mund- Polychaetenlarven, nach Busch, a .JTereiä-Larve. -F' Fühler, Oc Augen, Pc TFpraeoraler Wimperkranz, 0 Mund, A After. — h Mesotroche Chaetopterus-'Lia.xve, Wi^ Wimperkranz. *) Vergl. E. Cl aparede und E. Mets chnikoff, Beiträge zur Eutwicklungs gcschichte der Chaetopoden. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XIX, 1869. ^) Panceri, La luce e gli organi luminose di alcuni aimelidi. Atti dclla R. Acad. scienz. fis. e mat. di Napoli, 1875. 412 Apliroditiilac. Eunicidae. Ni-reiilae. Glyceridae. segmeiit zu einem vvolilgesonderten Kopfabschnitt aus, welcher Augen, Fühler, und meist auch Fühlercirren trägt. Die Extremitätenstummel sind umfangreich und dienen luit ihren sehr mannigfach gestalteten Borstenbündeln als Ruder. Der vordere Theil des Schlundes ist als Rüssel vorstülpbar und zerfällt in mehrere Abschnitte; entweder ist derselbe nur mit Papillen und Höckern besetzt, oder er birgt auch einen kräftigen, beim Vorstülpen an die Spitze tretenden Kiefer- apparat. (Fig. 378.) Kiemen können fehlen, in der Regel jedoch treten dieselben als kammförmigo oder dendritische Schläuche an den Parapodien auf (Dorsi- hrauclndta). DieErranticn ernähren sich \o\\\^'a\\\)Q {Rapacia) und schwimmen frei im Meere, bewohnen aber auch zeitweilig dünnhäutige Röhren. Farn. Aphroditidae. An den Fussstummeln des Rückens breite Schuppen (Elylren) (Fig. 370), welche meist alternirend, oft nur am Vorderkörper, den Segmenten aufsitzen. Kopf läppen mit Augen, mit einem unpaaren imd meist mit zwei seitliclien Stirnfühlern, zu denen noch zwei stärkere seitliche untere Fühler (Palpen Kinb.) hinzukommen. Eüssel cylindrisch, vorstüli^bar, mit zwei oberen und zwei unteren Fig. 378. Kiefern. Aphrodite acuhata Lin. Rücken mit Haarfilz. Augen sitzend. Borsten der Bauchstummeln zahlreich. Atlantischer Ocean und Mittelmeer. Hermione hyslrix Quatr. Augen gestielt. Nordsee und Mittelmeer. Fohjnoe scolopendrina Sav., Ocean und Mittelmeer. P. (Acholoe) aslericola Delle Ch., lebt in den Ambulacralrinnen von Astropecten. Fam. Eunicidae. Leib sehr lang, aus zahlreichen Seg- menten zusammengesetzt. Kopflappen mit mehreren Fühlern. (Fig. 304.) Fussstummel meist einästig, selten zweiästig, ge- wöhnlich mit Bauch- und Rückencirren nebst Kiemen. Ein Na-eis margaritacea. Kopf mit '^^^ mehreren Stücken zusammengesetzter Oberkiefer und ein vorgestülptem Kieferapparat des aus zwei Platten bestehender Unterkiefer liegen in einem Sciiiundes von der Rückenseite, Sacke, Kiefersack, auf dessen Rückenfläche das Schlundrohr < war s. le er, ygj.jjjyfj; Statirocephalus vittatus Gr., Halla (Lysidice) partheno- P Fühler, P Palpen, Fe Fühler- , ^, ^/ ' x^ n /^, ^t gi^^g^ peia Delle Ch., Neapel. IHopalra neopolüana Delle Gh., Neapel. Eunice Harassii Aud. Edw. Fam. Nereidae = Lycoridae. •) Der gestreckte Körper aus zahlreichen Segmenten zusammengesetzt. Kopflappen mit zwei Fühlern, zwei Palpen und vier Augen. (Fig. 378.) Erstes Segment ruderlos, mit zwei Paar Fühlercirren jederseits. Ruder ein- oder zwei- ästig, mit Rücken und Haucheirren, mit zusammengesetzten Borsten. Rüssel meist mit Kieferspitzen besetzt, stets mit zwei Kiefern. Nereis Dumerilü Aud. Edw. (Fig. 375), franz. -engl. Küste, mit der dazugehörigen Hetevonereis fudcola Oerst., N. cuürifera Gr., Mittelmeer. N. ßicata Sav., Nordsee. Die früher als Heteronereis Oerst. unterschiedene Foi-m weicht von Nereis durch die bedeutende Grösse des Kopflappens und der Augen, sowie durch die ausserordentliche Entwicklung der Ruder und die abnorme Bildung der hinteren Körperregion ab, gehört indess mit Nereis und Nereilepas in den gleichen Gene- rationskreis. Fam. Olyceridae. Körper schlank, aus zahlreichen geringelten Segmenten zusammen- gesetzt. Kopflappcn kegelförmig, geringelt, mit vier kleinen Füblern an der Spitze und zwei Palpen an der Basis. Rüssel weit vorstülpbar, mit vier starken Kieferzähnen. Die Zellen der Leibeshöhlenflüssigkeit (Coelomflüssigkeit) stellen rothe Blutkörpen-hen dar; ein besonderes Gefässsystem fehlt. Olycera capitata Oerst., Nordsee. ') Vergl. E. Grube, Die Familie der Lycorideen. Jahresber. der Sclilesischen Gesellschaft, 1873. Scdentai-ia. 413 Fam. Syllidae. Köriier gestreckt und abgeplattet. Kopf meist mit drei Fühlern und zwei bis vier Fühlercirren. (Fig. 373.) Der vorstülpbare Rüssel besteht aus einer kurzen Eüsselröhre, einer durch Cuticularbildung starren Schlundröhre und einem darauf fol- genden, mit ringförmigen Punktreihen gezeichneten Abschnitt. Im Kreise derselben Art treten zuweilen verschiedene Formen als Geschlechtsthiere und als Ammen auf. Viele tragen die Eier bis zum Ausschlüpfen der Jungen mit sich umher, l^yllis vittata Gr., im Mittelmeer. Odontosyllis gihba Clap., Normandie. Antolytus prolifer 0. Fr. Müll., Ammen- form. (Fig. 373.) Das Männchen als PoJyhostriclnis Miilleri Kef., das Weibchen als Sac- conereis helgolandica Müll, beschrieben. Sphaerodorum peripatus Gr., Mittelraeer. Fam. rhyllododdae. Körper mit zahlreichen Segmenten. Kopf läppen nur mit Fühlern und Augen. Ruder unbedeutend, mit blattförmigem Rücken- und Bauchcirrus. Rüssel aus einer langen, meist papillentragenden Rüsselröhre und einem gestreckten, dickwandigen Endabschnitt gebildet. Phyllodoce lamelligera Johnst., Quarnero. Eulalia Sav. Fam. Alciopidae {Aldoxiea). Körper glashell, Kopf mit zwei grossen, halbkugelig vorspringenden Augen. Bauch- und Rückencirren blattartig. Rüssel vorstülpbar mit dünn- häutiger Rüsselröhre und dickwandigem Endabschnitt, an dessen Eingang zwei haken- förmige Papillen stehen. Die Larven leben zum Theil parasitisch in Cydippiden. Alciopa Oantvainii Delle Gh., Neapel. Fam. Tomopteridae [Gymnocopa). Kopf wohlgesondert, mit zwei Augen, zwei Kopf lappen und vier Fühlern, von denen zwei bei vielen Arten nur im Jugendzustande vorhanden sind. Mundsegment mit zwei langen Fühlercirren, die durch eine kräftige innere Borste gestützt werden. Mund ohne Rüssel und Kieferbewaffuung. Die Segmente tragen mächtige, aber borstenlose, zweilappige Fusshöcker. Tomopteris scolopendra Kef., Mittelmeer. T. onisciformis Esch., nördliche Meere, Helgoland. Eine durch Parasitismus veränderte kleine Polychaetengruppe wird durch die Gattung Myzostoma F. S. Lkt.*) repräsentirt, über deren Stellung bisher sehr verschiedene Ansichten ausgesprochen worden sind. Es sind kleine scheibenförmige Schmarotzer der Comatulidcn mit weicher, überall flimmernder Körperbedeckung, mit vier Paaren seitlich gestellter Saugnäpfo an der Bauchfläche, mit einem vorstreckbaren papillentragenden Rüssel am Vorderende und einem verästelten Darmcanal, welcher am hinteren Körperende ausmündet. An den Seiten des Körpers erheben sich fünf Paare kurzer, je einen Haken (mit ein bis drei Ersatzhaken) nebst Stützborste einschliessender Fusshöcker. In der Regel finden sich am Körperrande doppelt so viel Girren oder kurze walzenförmige Vor- sprünge. Blutgefässe, sowie Nephridien werden vollständig vermisst. Die Thiere sind Zwitter. M. glahrum, cirriferuni F. S. Lkt. 2. Unterordnung. Sedentaria^) = Tubkolae, Röhrenhewolmer. Mit un- deutlich gesondertem Kopf und kurzem, meist nicht vorstülpbarera Küssel, ohne Kieferbewafl'nung. Die Kiemen können vollständig fehlen, in vielen Fällen sind dieselben auf die zwei oder drei auf den Kopf folgenden vordersten Seg- mente beschränkt, stehen ausnahmsweise auch am Kücken der mittleren Leibes- ringe [Aremcolidae), werden in der Eegel aber zugleich durch zahlreiche fadenförmige Fühler und Fühlercirren des Kopfes (Capitihrcmchiata) vertreten, von denen einer oder mehrere an der Spitze einen Deckel zum Verschluss der Eöhre bilden können. (Fig. 379.) Die kurzen Fussstummel sind niemals wahre Ruder, die oberen tragen meist Haarborsten, die unteren sind Querwülste mit Hakenborsten oder Hakenplatten. Augen fehlen sehr häufig, in anderen Fällen ') L. V. Graff, Das Genus Myzostoma. Leipzig, 1877. 2j F. C 1 a p a r 0 d e, Recherches sur la structure de Annölides st^dentaires. Göneve, 1873. 414 Sao.cod'rridae. Arenicolidao sind sie in doppelter Zahl am Kopf oder am Endsegment, zuweilen selbst an den Tentakelkiemen imd dann stets in grosser Zahl vorhanden. Oft zerfällt der Kumpf in zwei (Thorax und Abdomen) oder auch in drei Kegionen, deren Seg- mente sich durch verschiedenen Umfang auszeichnen. Die Sedentaria leben in mehr oder minder festen, eigens gebauten Eöhren und ernähren sich von vege- tabilischen Stoffen, die sie mittelst des Tentakelapparates herbeischaffen. Bei der Eöhrenbildung sind den Thieren die langen Fühler oder Kiemenfädeu des Kopfes in verschiedener Weise behilflich, wie z. B. die Sahelliden den fein ver- theilten Schlamm durch die Cilien der Fäden im trichterförmigen Grunde des Kiemenapparates anhäufen, mit einem aus grossen Drüsen ausgeschiedenen Kittstoff vermischen und dann auf den Kand der Röhre übertragen sollen, während die Terebelliden mit ihren lan- gen, äusserst dehnbaren Fühlerfäden Sandkörnchen zum Baue der Röhre her- beiziehen. Auch gibt es Bohranneliden, welche Kalksteine und Muschelschalen nach Art der lithophagen Weichthiere durchsetzen, z. B. Sahella saxicola etc. Die Entwicklung verhält sich am einfachsten da, wo das Mutterthier zum Schutze der Jungen eine Art Brutpflege ausübt, z. .B. Spirorbis spirillum Pag., deren Eier und Larven in einer sack- artigen Erweiterung des Deckelstiels so lauge verweilen, bis die jungen Thiere zum Baue einer Röhre befähigt sind. Die schwärmenden Larven der meisten Tubicolen gestalten sich unter Rück- bildung der Flimmerapparate, während die Tentakeln sprossen und Borsten- höcker sich anlegen, zu kleinen Würmern, welche noch längere Zeit, zuweilen in zarten Hülsen, umherschwimmen und allmälig unter Verlust der Augen und Gehörblasen Bau und Lebensweise der Geschlechtsthiere annehmen {Terehella). Fam. Saccocirridae. Mit zwei Fühlern am Kopf läppen, zwei Augen und ebensoviel Flimmergruben. Nur eine Keihe von retractilen, einfache Borsten umschliessenden Para- podien rechts und links an den Eurapfsegmenten. Saccocirrus papillocercus Bobr., Schwarzes Meer und Mittelmeer (Marseille). Fam. Ärenicolidae. Kopflappen klein, ohne Fühler. Küssel mit Papillen besetzt Verästelte Kiemen an den mittleren und hinteren Segmenten Ärenicola marma JAn.' {A. j^iscaforiim La,m.), Fischerwurm, (Fig 380.) SpirorJiis Imvis, nach E. Claparfede. a Das aus der Röhre genommene Thier, stark vergrössert. — h Röhre T Tentakeln, Ba Brutsaok am Deckel, Dr Drüse zum Baue der Röhre, Ov Eier, Oe Oeso- phagus, M Magen, D Darm. Bohren im Sande. Nordsee und Mittclmecr. 2. Ordnung. Oligochaotae. 415 Fi<'. 380. Farn. CirraluUdae. Körper rund. Kopf lang, kegelförmig, ohne oder mit zwei Ten- takeln. Fussstummel niedrig. Kiemenfäden und Eückenfilamente an einzelnen oder zahl- reichen Segmenten. Cirvatulus [Audouinia) LamarcUi Aud. Edw.. europäische Küsten. Farn. Spionidae. Der kleine Kopflappen zuweilen mit fühlorartigen Vorsprüngen, meist mit kleinen Augen. Muiul- segment mit zwei langen, meist mit einer Kinne versehenen Fühlercirren (Fangfühlern). Cirrenförmige Kiemen vorhanden. Polydora antennata Clap., Neapel. *Sipfose!' BD m iten Sipunculus nudtis seitlich geöffnet, nach W. Kefe • Te Tentakeln, G Gehirn, VG ventraler Ganglieustrang (Bauch Strang), D Darm, A After, /JOBauchdrüsen (Niere). noch ein oder zwei Borstenkränzc am hinteren Körperende (Echi- unis) hinzukommen können. (Fig. 383.) Bei den Chaetiferen (Fig. 383 und 386 aj verlängert sich der Vorderleib in einen rüssel- artigen Abschnitt, welcher un- beweglich vorsteht und dem Kopflappen der Anneliden ent- spricht. Ventral an der Basis des Rüssels liegt die Mundöff- nung. Bei den Achaeten {Sipun- culideen) fehlt dieser Küssel und die Mundöffnung liegt an der Spitze des Vorderleibes, welcher, von bewimperten Tentakeln um- stellt, mittelst Ketractoren ein- gezogen werden kann. Der Mund führt durch den zuweilen mit Zähnen bewaffneten Schlund in ^einen innen bewimperten Darm- canal, welcher, meist länger als der Körper, in mehrfachen Win- dungen die Leibeshöhle durch- setzt und mit seinem musku- lösen Endabschnitte durch den nach aussen mündet. (Fig. 384 rückenständigen oder endstäudigen After und 386 c.) Das Gefässsystem besteht aus einem Kückengefässe, welches wie bei den Anneliden den Darm begleitet, und aus einem längs der Leibeswandung ver- laufenden Bauchgefässe. Dazu kommen noch Gefässzweige am Darm und in den Tentakeln. Das Blut ist entweder farblos oderröthlich gefärbt und bewegt sich in derselben Richtung wie bei den Anneliden, sowohl durcli die Contraction ein- zelner Gefässabschnitto, als durch die Flimmerbekleidung der Gefässwand ge- trieben. Verschieden von diesem G efässblute i st die zoll enhaltige Leibesflüssigkeit. Sognipntalrirffauo. Fortp 421 Fig. 385. B Als Noiihiidicii oder Segmentalorgaue deutet man zweierlei Scliläiiclie, von deueu die eiiu'ii mit dem Eiiddavm gemeinsam, die anderen selbstständig an der Bauchlläche ausmünden. Die ersteren oder Analscliläuche treten bei den Chaetifereu auf, wo sie büschelförmig verzweigte Schläuche darstellen, welche mit zahlreichen Wimpertrichtern frei in der Leibeshöhle beginnen. (Fig. 386 5.) Die vorderen Segmentalorgaue (Bauchdrüsen) beginnen ebenfalls mit freiem Wimpertrichter und übernehmen wie die Segmentalorgane vieler Polychaeten die Function als Samentaschen und Eileiter. (Fig. 384.) Die Gephyreen sind getrennten Geschlechtes. Sowohl für die keimbereitendeu Organe, als für die Ausführungswege liestehen bemerkenswerthe Verschiedenheiten. Unter den Ächaeten liegen hei Phascohsoma (nach The el) die Keim- drüsen an der Wurzel der ventralen Rüsselretractoren und bilden eine Krause, von der sicli die Producte loslösen. Da- gegen finden sich bei den Sipunculiden in der Leibeshöhle Zoospermien oder Eier in verschiedenen Zuständen der Eeife, welche durch die beiden an der Bauchseite ausmün- denden ])raunen Schläuche (Segmentalorgane) ausgeführt werden. Unter den Chaetiferen findet sich bei Bonellia ein dünnes strangförmiges Ovarium (Peritonealfalte) in der hinteren Körperhälfte, durch ein kurzes Mesenterium neben dem Nervenstrange befestigt. Die Eier fallen aus demselben in die Leibeshöhle und gelangen von hier aus in den benach- barten einfachen, an der Basis mit trompetenförmiger Oeffnung versehenen Eierbehälter, welcher unterhalb der Mundöffnung veutralwärts nach aussen führt. (Fig. 386 c.) Wahrscheinlich dürfte dieser Eierbehälter morphologisch als einseitig zur Ausbildung gelangtes Segmentalorgan aufzufassen sein. Aehnlich verhalten sich die Geschlechtsorgane der kleinen, Turbellarien-ähnlichen Männchen, welche sich im Eileiter der J5one//2a-Weibchen aufhalten. (Fig. 385.) Dieselben be- sitzen (bei manchen Arten) zwei Bauchhaken, vor welchen am Vorderende die Mündung des mit freiem Trichter beginnenden Sameubehälters liegt. Bei Eclnurus sind es zwei ventrale Schlauchpaare, welche die Ge- schlechtsstoffe ausführen; für Thalassema gibt Kowalevski drei Paare solcher Schläuche an. Die Entwicklung des Eies bietet mancherlei Anschlüsse an die der Anne- liden, zeigt jedoch bei den Ächaeten und Chaetiferen bedeutende Differenzen. In beiden Fällen folgt auf die Embrjoualentwicklung eine Metamorphose. Die Larven der Chaetiferen sind auf die Loven'sche Wurmlarve zurückführbar, bei den Ächaeten aber durch eine bedeutende Rückbildung des Scheitelab- schnittes und durch den Mangel eines praeoralen Wimperkranzes ausgezeichnet. //T rianarien-älinliches Manuellen von Bonellia, nach Spengel. D Darm, WT Wimper- trichter des mit Sperma gefüllten Vas dcferens (Vd). Onlmiiijj:. CUaelifcr: Die Gepliyreen sind durchaus Meeresbewoliner, leben zum Theil in be- deutender Tiefe im Sand und Schlamm, in Felslöchern und in Gängen zwischen Steinen und Korallen, auch wohl in Schneckenschalen und nähren sich ähnlich wie die Holothurien und manche Tubicolen. 1. Ordnung. Chaetifera -= Ecliiuroidea. Gepliyreen mit zicei starken Hakenhorsten an der Bauchseite und endständi- gem After. Der Mund liegt an der Basis des als Rüssel ausgebildeten Kopf lappens. Die EcJiiuroideen oder chaetiferen Gephyreen zeigen zwar keine äussere Segmentirung ihres gestreckten, überaus contractilen Leibes, wohl aber im Jugendzustand Anlagen von 15 Metameren des Eumpfes, die, in gleicher Weise a Fig. 386. a Wcibi-hen von BonclHa viridis, nach L acaze - D u tli i e rs. — 6 Anatomie von Boiicl/ia virirli':, nach Ijacazü-Duthiers. P Darmapparat, JI/ Mesenterium, JZ Uterus, 7? Rüssel, Ali Analblasen. — <• Haut und Gesclilechtsorgauc nach Eutfinnung des Darmes. Hd Hautdrüsen, Ad Afterdarm, Ov Ovariuni, Tr 'Wiinpir- triehter des Uterus (U). wie die Bildung des Kopflappens und die Entwicklung bauchständiger Haken- borsten, auf die nahe Verwandtschaft mit den Chaetopoden hinweisen. Indessen ist beim ausgebildeten Thiere die innere Gliederung rückgebildet, die Disse- pimente sind bis auf die erste, den Kopf vom Rumpfe trennende Scheidewand verloren gegangen und die Gliederung des Bauchstranges nur noch durch die Vertheilung der Nerven angedeutet. Der stark entwickelte Kopflappen bildet einen rüsselförmigen Anhang, der sich zu bedeutender Länge entwickeln und gabelig spalten kann (Bonellia). (Fig. 386 «.) Ueberall findet sich ein Paar von Hakenborsten (mit Ersatzborsten in jeder Borstenscheide) am ersten Rumpfsegmente. Bei Echiurus kommen noch ein oder zwei Borstenkränze am Hinterende hinzu. Ausser den an der Bauchseite ausmündenden Nephridien, von denen sich zwei bis drei Paare finden und welche zur Ausfülirung der Geschlechtsproducte verwendet werden, treten auch noch 423 als Nephridien gedeutete Analschläiiche im Endsegmcnt auf, welche zaiilreiche Wimpcrtrichter aufnehmen und mit dem Euddarm gemeinsam ausmünden. (Fig. 386 J.) Bei BonelUa ist das als Uterus fungirende Segmentalorgan ebenso wie das Ovarinm in einfacher Zahl vorhanden, (Fig. 38(5 c) Die Entwicklung des Eies beginnt mit einer inaequalen Furchung. 15ei BonelUa umwachsen die animalen Dotterzellen die vier grossen das Entoderm erzeugenden Dotterkugeln bis auf eine kleine Oeftnung, den Blastoporus. (Fig. 136.) Am genauesten sind die £'c7imre;ilarven bekannt, welche den Typus der Loven'schen Larve wiederholen und einen mächtigen praeoralen Wimper- kranz besitzen, zu dem sich uoch ein zarter postoraler Wimperkranz hinzugesellt. Frühzeitig entwickelt sich im Larvenleib die Kopfniere; hinter derselben liegt Fiff. 387. h AS a Larve von Ecliiwus von der Baucliseite, Dach Hat seil ek. SP Sebeitelplatte, Prw praeoraler Wimpor- kranz, Pow postoraler Wimperkranz, AW Kopfniere, T'(r ventraler Ganglienstrang, durch die lange »Schlunfl- commissur mit der Sebeitelplatte verbunden, AS Aualschläuche. — h Bauchregion der Eclnurus-Ija,rve mit segmentirtem Mesodermstrcifen. SC Scblundcoramissur, Dsp Dissepimente der vorderen Rumpfsegmente, MS Mesodermstreifen, A After. ein Mesodermstreifen, welcher mit dem weiteren Wachsthume der Larve die Anlage von 15 Segmenten erzeugt. (Fig. 387.) Im Endsegmente, welches gleich- falls von einem Wimperkranze umsäumt wird, treten die auf Nephridien zurück- zuführenden Analschläuche auf. Sowohl die Anlage des Gehirns als die des Bauchstranges erfolgt durch Wucherung desEctoderms, erstere von der Scheitel- platte aus, letztere als paarige Verdickung der Haut an der Bauchseite. Beide werden durch den ebenfalls mit Ganglienzellen belegten Schlundriug verbunden. In späteren Stadien beginnt nach Kttckbildung der Segmentanlagen der Wimperapparat zu schwinden, nachdem nicht weit vom Munde zu den Seiten des Nervenstranges zwei starke Hakenborsten und am Hinterende zwei Kreise von kürzeren Borsten gebildet sind. (Fig. 387.) Der praeorale Larventheil streckt sich und wird zum Eüssel des jungen Echiurus. (Fig. 383.) 424 Ordnung. Aohapla. Fain. Eclüuridae. Das Vorderende des Leibes über den Mund hinaus in einen an der Unterfläche gefurchten Rüssel verlängert, in welchem der weite Schlundring ohne Gehirnanschwellung liegt. Vorne an der Bauchfläche zwei Hakenborsten, am Hinterende 7Aiwcilen Borstenkränze. (Fig. 383.) Echiurus FaUasil Guerin. {Guertnevi Quatref., St. Vaast), Küste von Beigion und England. Thalassc.ma yi(jas M. Müll., Küste von Italien. Bonellia viriäus Rolando, Mittelmeer. (Fig. 385 und 386.) Die Planarien-ähnlichen Männchen halten sich in den Leitungswegen des weiblichen Geschlechtsapparates auf. 2. Ordnung. Acliaeta = Sipunculoidea. Fig. 389. Gephyreen mit endständiger Mimdöffnimg und retracHle.m Vorderleih^ mit i'ückenständu/em After, ohne Borsten. Von den cliaetiferen Gephy- reen Aveiclien die Sipuncidoideen durch den gänzlichen Mangel der Metamerenanlagen, durch die Rück- bildung des Kopflappens, sowie durch die Lage von Mund und After ab. Der langgestreckte Leib ent- behrt eines vortretenden Kopf- lappens , so dass die häufig von Tentakeln umstellte Mundöffnung an das Vorderende zu liegen kommt. (Fig. 384.) Andererseits ist der After an der Eückenseite weit nach vorne gerückt. (Fig. 389.) Gehirn, Schlundring und Bauchstrang ver- laufen innerhalb des Hautmuskel- schlauches. Nur ein einziges Paar von Nephridien, als Bauchdrüsen beschrieben, ist vorhanden. Die- selben sind ansehnliche Schläuche und münden seitlich in der Nähe des Afters nach aussen. Dazu kommen noch zwei in den End- darm mündende Schläuche, auf welche sich bei den Priapidlden die Excretionsorgane beschränken. Blutgefässsystem w^ohl ausgebildet. Die Eientwicklung beginnt mit einer totalen Furchung und führt zur Entstehung einer Invaginationsgastrula. Der Gastrulamund bezeichnet die Bauchseite. Die zwei hinteren ßandzellen des Entoderms rücken als Urmeso- dermzellen nach innen und erzeugen dieMesodermstreifen, welche keine weitere Gliederung erfahren. Die Ectodermzellen des animalen Poles als „Kopfplatte" Aeltere £'c/)t«?v(.s-Larve, von der Seite gesehen, nach Rat- sche k. Kopfniere rückgebildet. 0 Mund, M Magen, A After, Afi Analblase, (? Gehirn aus der Scheitelplatte hervorgegangen, SC Schlundcommi.ssur, VG ven- traler Ganglioustrang, //Bauch- haken, BK Borstcnkränze. Junger Hipuiu-ulns, uo(-h ohne Tentakeln, nacli Hat.schek. 0 Mund, A After, G Gehirn, P,.^ Baufhstrang, N Niere, B(! lüutgofäss. 42f Fig. 3J)0. 0 l\ \ Sh d(ry^>^^ MC und die der veiitraleu Seite als „Rumpfplatte" bilden eine Art Embryoual- streifen, und die übrigen Ectodermzellen eine Embr\^onalhülle (Serosa) (Fig. 391.) Diese sendet durch die Poren der Eihaut Flimmerhaare, mittelst welcher der Embryo umherschwimmt, dessen ursprünglich getrennte Kopf- und Rumpfplatte bald zu- sammenwachsen. Die Mesodermstreifen spal- ten sich durch Bildung der Leibeshöhle in Hautmuskelplatte und Darmfaserplatte ; die erstere liefert die beiden Segmentalorgane. Vom Ectoderm aus entsteht durch Einstül- pung des Oesophagus, hinter welchem sich ein (postoraler) AVimperkranz bildet. (Fig. 390.) Die Serosa wird zugleich mit der Eimembran von der ausschlüpfenden Larve abgeworfen, welche nunmehr schon die wesentlichen Or- gane des ausgewachsenen Thieres, mit Aus- nahme von Bauchstrang, Blutgefässen und Genitalorganen besitzt. Erst während des Larvenlebens entwickelt sich der Bauchstrang vom Ectoderm aus; dann wird der Wimper- kranz rückgebildet, am Mundrande wachsen die ersten Tentakeln hervor, wodurch die Um- wandlung der schwimmenden Larve in den kriechenden Sipunculus erfolgt ist. Farn. Sipunculidae. Körper pjo- 39^^ langgestreckt, C3'lindrisch, mit re- tractilem Vorderleib, mit Ten- l[|[5fl ^ takeln in der Umgebung des Mun- des und rückenständigem After. Darm spiral gewunden. Sipunculus nudus L., Mittelmeer. (Fig. 384.) Fhascolosoma laeve Kef., Mittel- meer. Ph. elongatum Kef., St.Vaast. Fam. Priapulidae. Vorder- leib ohne Tentakelkranz. Schlund mit Papillen und Zahnreihen be- waffnet. After am Hinterende, etwas dorsal, meist von einem Schwanzanhange überragt, wel- cher papillenförmige Schläuche (Kiemen) trägt. Darm geradge- streckt ohne Windungen. Pria- pubis caudatiis 0. Fr. Müll. Halicryptus spinidosus v. Sieb., Ostsee, Spitzbergen. Für die borstenlose, bisher meist den Anneliden zugerechnete Gattung PJioronis wird man wohl eine besondere Ordnung, vielleicht als Gephyrci inhi- Lai've von Slpuncuhiif, nach Hatschek. 0 Mund, A After, Hp SclieitelpUitte, PoW postoraler Wimperkranz, N Niere. Oe \\ s 4" iV; (l Stadium des ,s7^^!t)K'((?«.s-Einbryo.s kelcbem die Rumpfplatte mit der Kopfplatte vorn mit einander zu verwachsen beginnen, uacli Hatschek. (Die Eihaut und die dieselbe durchsetzenden Wimpern der Serosa sind weggelassen.) a im Querschnitt. ÜQj Kopfplatte, lip Rumpfplatte, £ Entoderm (Mitteldarm), JfeMesoderm, iS Serosa. — 6 Im medianen Längsschuitt. Oe Oesophagus, Mz Polzelle des Jlesoderms. 426 is. Bau. Kiitwickluiij.'. coli gründen müsseu. Nach den Uiitersuchungeii Ko vvale vski's ') besitzt Phoroms hipi^ocrepia einen aus zahlreichen Kiemenfäden gebildeten Tentakel- kranz, welcher an der Rückenseite nach innen schlingenförmig umbiegt. ( Fig. 392.) Der Mund liegt in der Mitte des Tentakelkranzes und führt durch den Oeso- phagus in den Darm, welcher mittelst eines Mesenteriums befestigt ist und vorne an der Rückenseite vor der Tentakelschlinge im After ausmündet. Neben dem letzteren finden sich die Oeffnungeu des einzigen Nephridienpaares, durch welche die befruchteten Eier nach aussen gelangen, um an den Tentakelfäden bis zum Ausschlüpfen der Jungen anzukleben. Von dem bislang unvollständig erforschten Nervensystem wurde ein Gauglienknoten zwischen Mund und After ,,. „^^ beobachtet. Die Haut sondert Flg. 393. eine Chitinröhre ab, in welcher X der Wurm nach Art der Röhren- würmer lebt. Unterhalb der Haut liegt der aus Ringfasern und einer inneren Längsfaserschicht gebildete Hautmuskelschlauch. Rücken und Bauchgefäss sind mit zahlreichen zottenförmigen Anhängen besetzt, welche sich lebhaft contrahiren und vor- nehmlich die Blutbewegung un- terhalten. Aus der vorderen Ge- fässschlinge entspringen die Blutgefässe der Teutakelfäden. Das Blut enthält grosse rothe Blutkörperchen. Beiderlei Ge- schlechtsproducte nehmen ihre Entstehung in einem fettreichen Bindegewebe (Fettkörper) zwi- schen den Gefässzotten und fallen in die Leibeshöhle, in welcher die Befruchtung erfolgt. Die aus den Genitalporen ausgetretenen, an den Kiemenfäden fixirten Eier durchlaufen eine totale Klüftung. Die Furchungs- kugeln bilden eine Blastosphaera, deren Wand sich an einer Stelle zur Bildung der Darmanlage einstülpt (Gastrula). Zwischen beiden Zellenanlagen treten Mesodermzellen auf, welche im weiteren Verlaufe der Entwicklung die Muskel- schicht der Haut, sowie des Darmes liefern. Die Bildung von Mund, After und Tentakeln führt zur Gestaltung der als Äctinotrocha bezeichneten Larve, in welcher Form der Embryo ausschlüpft. a Adinotvocha mit sich umstülpeudem gewundenen Schlauch (.S'), nach Schneider. D Darm, Lt Larvententakel. — 6 Junge l'horonis, nach Me tschnikoff. .1 After, T definitive Tentakel, Vc l'iuggefäss, 17 Längsgcfässe. *) A. Kowalovski, Anatomie und Entwicklungsgescliiclite von Plioronis, 1861 E. Metschnikoff, Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXI, 1871. W. Cadwcll, Not(> o tho structure, dovelopment and affinities of Phoronis. Proceed. Roy. Soc. 1882. 3 ITntcrclas.so. IlinidiiiPi. 427 Diese Larvenform (Fig. 392 a) zeiclniet sich durch den Besitz eines Kopf- schirmes, sowie eines Kranzes bewimperter Tentakel hinter der Mundöft'nung aus. Während des Wachsthums der Larve entsteht an der Bauchseite ein lang- gewundener Schlauch, der sich endlich umstülpt und den grossen hinteren Körperabschnitt des erwachsenen Thieres liefert, in welchen der Darm hinein- rückt. Ko]>fschirm und Toiitakolkranz. an deren Basis sich die definitiven Ten- takel bilden, werden abgeworfen. 3. Unterclasse. Hirudinei 'j = Discophori, Blutegel. Änneh'den mit kiirz geringeltem oder ungeringelicin Körper^ oluie Fuss- siiimviel, mit endständiger ventraler Haftscheibe, hermaphroditisch. Der Leib der Hirudineen erinnert an die Trematoden, mit denen diese Würmer früher mit Unrecht zusammengestellt wurden. In der äusseren Erscheinung des Leibes fällt die kurze Kingelung auf, welche übrigens auch in verschiedenem Grade undeutlich werden und ganz hinwegfallen kann. Die kurzen Ringel entsprechen keineswegs den inneren, durch Querscheidewände oder Dissepimente getrennten Segmenten, sondern sind viel kürzere Leibesabschnitte, gewissermassen secundäre Theilstücke, von denen in der Regel drei, vier oder fünf auf ein inneres Segment kommen. Als Hauptbefestigungsorgan fungirt eine grosse Haftscheibe am hinteren Leibes- eude, zu welcher meist noch eine zweite kleinere Sauggrube in der Umgebung des Mundes hinzukommt. Fussstummel fehlen, Borsten mit seltenen Ausnahmen; auch kommt es niemals zur Bildung eines scharf gesonderten Kopfes, indem sich die vorderen Ringel von den nachfolgenden nicht wesentlich verschieden zeigen und niemals Fühler und Girren tragen. Die Mundöifnung liegt in der Nähe des vorderen Körperendes, bald in der Tiefe eines vorderen kleinen Saugnapfes {RhynchohdelUden), bald von einem vorspringenden, löff eiförmigen, saugnapfähnlichen Kopfschirm überragt (Gnatho- Z'r?e//wZew).(Fig.393.) Dieselbe führt in einen muskulösen, mit Drüsenschläuchen versehenen Pharynx, der entweder in seiner vorderen, als Mundhöhle zu be- zeichnenden Partie mit drei gezähnelten Längsleisten, sogenannten Kiefer- platten (Gnathobdelliden) (Fig. 394), seltener mit einer dorsalen und ventralen KiefeY])latte {Branchiobdella) bewaffnet ist, oder einen vorstülpbaren, in seinem vorderen Abschnitte freiliegenden Rüssel enthält (Rhi/nchobdelliden). Der auf den Schlund folgende Mageudarm liegt als geradgestrecktes Rohr in der Achse ') Brandt und Katzeburg, Medicin. Zoologie, 1829—1833. Mo quin-Tandon, Monographie de la famille des Hirudinees. 2^ edit. Paris, 1846. Fr. Leydig, Zur Ana- tomie von Piscicola georaetrica. Zeitsclir. für wiss. Zool., Tom. T, 1849. H. Eathke, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen, herausgegeben von E. Leuckart. Leipzig, 1862. K. Leuckart, Parasiten des Menschen, Bd. I. Leipzig, 1863. Van Be- neden et Hesse, Eecherches sur les Bdelloides ou Hirudinees et les Trematodes niarins, 1863. Kobin, Memoire sur le developpement embryogenique des Hirudinees. Paris, 1875. A. Gibbs-Bourne, Contributioiis to tlie Anatomy of tlif Hirudinei. Quart. Journ. Microsc. Scienc, Tome 24, 1884. 428 TTiiiK' r.lut!:of:lsssvstpm. N( des Leibes und zeigt sich bald nach den einzelnen Segmenten eingeschnürt, bald in eine grössere oder geringere Zahl paariger Blindsäckchen erweitert Fi<^ ;J93. 394. a 1j a Kopfende des Blutegels mit aufgc- sehuittener Mundhöhle. Man sieht die und führt in einen zuweilen eben- falls noch mit Aussackungen ver- sehenen Enddarm, welcher am hinteren Pole oberhalb der Saug- grube in der Afteröflfnung nach aussen mündet. Ueberall finden war ein Blutgefässsystem, aber in ver- schiedenen Stufen der Entwick- lung. Indem Abschnitte der Lei- beshöhle in gefässartige Stämme drei Kieferplatten. ?' Eine Kieferplatte Umgebildet sind, erschcineu Or- isolirt, mit den feinen Zähnen am freien i -u • ^ t -i, i -i,! jj^jj^^^ gdiWQ^ welche m der Leibeshohle liegen, in Bluträumen einge- schlossen. In diesem Sinne dürften die zwei Seitengefässe und der mittlere Blutsinus, welcher stets die Bauchganglien- kette, zuweilen aber auch den Darmcanal (C/epsme, Piscicola) in sich einschliesst, zu deuten sein. Bei den meisten Kiefer- egeln besitzt das Blut eine rothe Färbung, die übrigens nicht den Blutkörperchen, sondern der Flüssigkeit angehört. Be- sondere Respirationsorgane fehlen mit Ausnahme von Brau- chellion und einigen verwandten Fischegeln, welche blatt- förmige Kiemenanhänge tragen. Die Leibeshöhle der Hirudineen bietet eigeuthümliche und keineswegs genügend aufgeklärte Beziehungen zumBlut- gefässsystem. Der Kaum zwischen Körperwand und Darm (primäre Leibeshöhle) wird zum Theil von bindegewebigem Parenchym erfüllt, in dem ein complicirtes System von ge- räumigen, zum Theile muskulös begrenzten Lacunen auftritt. Dagegen scheint die secundäre von Peritonealepithel ausge- kleidete Leibeshöhle bis auf geringe Eeste geschwunden. Die Nephridien sind die sogenannten schleif enförmigen Canäle, von denen die Segmente der mittleren Körperregion (in den vordersten und hintersten Segmenten fehlen sie) je ein Paar in sich einschliessen. Indessen wechselt die Zahl derselben innerhalb sehr ■^eiter Grenzen, indem z. B. die an den Kiemen des Flusskrebses parasitische BranchiohdeÜa astaci nur 2 Paare, die Kieferegel meist 17 Paare besitzen. (Fig. .393.) Hier beginnen die Canäle im seitlichen Blutsinus, bei Clepsine im ventralen Blutsinus. Der gewun- dene Canal nimmt aber noch feinere verästelte Canälchen auf und hat, wie auch bei den Oligochaeten , ein intraeelluläres Lumen (durchbohrte Zellen). Längsschnitt durch den T'.lutegel, nach E u d. Leuckart. X> Darm- canal, G Gehirn, Gk Ganglienkette, Ex Ex- cretionscanäle (Wasser- gefässsysteni). 429 In besonders reichem Maasse kommen den Hirudineen einzellige Drüsen in der Haut und in denhindegewebigen tieferen Leibesscbichten zu. Die orsteren enthalten eine feinkörnige, die Haut überziehende sclileimige Flüssigkeit, während die tieferen, unter dem Hautmuskelschlauche gelegenen Drüsonschläuche ein zälios, helles Secret bereiten, welches ausserhalb des Körpers rasch erstarrt und bei der Eierablage zur Bildung des Cocons verwendet wird. Namentlich häufen sich diese Drüsenschläuche in der Nähe der Geschlechtsöffnungen au. Das Nervensystem *) erlangt durchwegs eine hohe Ausbildung. Für das Gehirn und die Ganglien des Bauchmarkes ist eine eigenthümliche (von Leydig als folliculäre bezeichnete) Anordnung der Nervenzellen charakteristisch, indem die gau- gliösen Anschwellungen oberflächlich anhängende, Follikel-ähnliche Paquets bilden. (Fig. 395.) Die beiden Längsstämme der Bauchgaugiienkette sind stets in der Medianlinie dicht aneinander gerückt. Von jedem Ganglienpaare treten rechts und links bei den Kieferegeln zwei Nervenstämme ab, während aus dem Gehirn und dem letzten als Schwanzgan- gliou zu bezeichnenden Knoten, welcher mehrere Ganglien in sich vereinigt, eine Aveit grössere Zahl von Nerven hervorgeht. Die vom Gehirn aus- tretenden Nerven versorgen die Sinnesorgane, ferner die Muskeln und Haut der Kopfscheibe; die Nerven der Bauchkette vertheilen sich auf die zugehörigen Segmente, die des Endganglions an der ventralen Saugscheibe. Ein unpaarer mittlerer Längsstrang (Faivre, Leydig), welcher zwischen den beiden Hälften des Bauchstranges von Ganglion zu Ganglion zieht, entspricht höchst wahrscheinlich dem unpaaren, zwischen zwei Ganglien verlaufen- den Nerveustamme, welchen Newport bei den Insecten entdeckte. Daneben kennt man ein von Brandt entdecktes Eingeioeidenervensystem, welches aus einem über und neben der Ganglienkette verlaufenden Magendarmnerven besteht, der vom Gehirn entspringt und mit seinen Aesteu die Bliudsäcke des Magendarmes versorgt. Drei Ganglienknötcheu, welche bei dem gemeinen Blutegel vor dem Gehirn liegen und ihre Nervenplexus an Kiefermuskeln und Schlund senden, werden von Leydig als Anschwellungen von Hirnnerven aufgefasst und stehen vielleicht der Schluckbewegung vor. Die Blutegel besitzen auf der llückeufläche der vorderen liingel Augen- ähnliche Organe, die man l)islang für einfache Augen hielt. (Fig. 395.) Die- M Hevraaiin, Das Centralnervensystem von Hirudo medicinalis. München, 1875. orilerende vou Hirudo, nach Ley- ig. G Gehirn mit der suboesoplia- ;>aleu Ganglienmasse, Sp Sympathi- cus, A Augen, Sb Sinnesbecher. 480 Tliniiliuoi. Sinnesorgane. Gfschlfditsorga Oeschlechtsapparat des Blutegels. T Ho- den, Frf Vasdeferens, Sh Nebenhoden, l'i Pro.stata, C Cirrus selben gehören aber in die Kategurie der segmeiital aiigeordiieteu Siiiiiesbefber, welche auf dem ersten Ringel eines jeden Segmentes ventralwärts in 6facher, dorsalwärts in 6 bis Sfacher Zahl sich wiederlioleu nnd somit in ebensoviel Längsreihen über den Körper hinziehen. Diese Sinnesorgane bestehen aus einem in die Achse eintretenden Nerven, welchen einige grosse helle, pigmentlose Zellen um- lagern, sowie aus langgestreckten, aus Hypodermzellen hervor- gegangenen Sinneszellen. Die sogenannten Augen, beim medi- cinischen Blutegel in lOfacher Zahl vorhanden, liegen in der vorderen Verlängerung von zwei Längsreihen dieser Sinnes- organe (stets an den Sinnesringelu). Sie erweisen sich als viel längere cylindrische Becher, in deren Grund ein starker Nerv eintritt und seine Fasern an lange achsenständige Sinneszellen abgibt, während im Umkreis der Achse grosse helle, mit licht- brechender Substanz erfüllte Zellen viagern. Die peripherische Scheide wird von einem stark pigmentirten Bindegewebe ge- bildet. Die Hirudineen sind Zwitter. Männliche und weibliche Geschlechtswerkzeuge münden in der Medianlinie des Vorder- leibes hintereinander, und zwar liegt die männliche Geschlechts- ov Ovarien nebst öflfnung Diit uieist hervorrageudcm Cirrus vor der weiblichen. Hrh'eSeuuaiöffrimg "^^^ Hodcu liogeu paarwelso in mehreren aufeinanderfolgenden Segmenten und wiederholen sich meist in grösserer Zahl. (Fig. 396.) Bei -ffw'itf^o sind neun bis zehn Paare von Hodenbläschen jederseits mittelst eines geschlängelten Samenleiters verbunden. Jeder Samenleiter bildet einen knäuelförmigen Nebenhoden und setzt sich an seinem Vorderende in einen muskulösen Abschnitt (Ductus ejaculatorius) fort, welcher sich mit dem der anderen Seite zur Bildung eines unpaaren Be- gattungsapparates vereinigt. Dieser steht mit einer mächtigen Prostatadrüse in Verbindung und kann entweder als zweihörniger Sack {Rhynchohdelliden) oder als langer Faden (GnathohdeUiden) vorgestülpt werden. Der weibliche Geschlechtsapparat besteht entweder aus zwei langen schlauchförmigen Ovarien mit gemeinsamer Ausführuugsöffiiung (RhyncJw- hdelliden), oder d,i\s zwei kurzen sackförmigen Ovarien, ZAvei Oviducten, einem gemeinsamen, von einer Ei- weissdrüse umgebenen Eiergang und einer sack- förmig erweiterten Scheide mit der Genitalöffnung (GnafJiohdeUiden). (Fig. 397.) Bei der Begattung tritt aus den männlichen Ge- schlechtsorganen eine 8permatophore aus, welche entweder in die Scheide des andern Thieres aufgenommen oder wenigstens in derGeschlechtsött'nungfestge- Fiff. 397. X Cocon, h weiblicher Gcschlechts- ippai-at von llirudo nedlcinalis, nach 11. L e u c k a r t. Kiitwi.-kluntc. XmIii-uu;;- 431 klebt wird. Jedenfalls findet die Befruchtung der Eier im Innern des miitterlicben Körpers statt. Bald nachher kommt es zur Eiablage. Dann sucheu die Thiere geeignete Stellen an Steinen und Pflanzen auf oder verlassen das Wasser und wühlen sich wie der medicinische Blutegel in feuchter Erde ein. DieGenitalringe erscheinen zu dieser Zeit sattelförmig aufgetrieben, theils in Folge der Tur- gescenz der Geschlechtsorgane, theils in Folge der reichen Entwicklung der Haut- drüsen, deren Secret für das Schicksal der abzulegenden Eier von besonderer Bedeutung ist. Während der Eiablage heftet sich der Blutegel mittelst seiner Bauchscheibe fest und umhüllt seinen Vorderleib unter den mannigfaltigsten Drehungen mit einer schleimigen Masse, welche besonders die Genitalringe gürtelförmig überdeckt und allmälig zu einer festeren Hülle erstarrt. Schliesslich tritt eine Anzahl kleiner Eier nebst einer ansehnlichen Menge von Eiweis aus, und der Wurm zieht sein Kopfende aus der nun gefüllten tonnenförmigen Schleim- hülseheraus, welche sich nach ihrer Abstreifung durch Verengerung der endstän- digen Oeffnungen zu einem ziemlich vollständig geschlossenen Cocon zusammen- zieht. So klein auch die Eier sind, die in sehr verschiedener, niemals bedeu- tender Zahl in den Cocons abgesetzt werden, so besitzen doch die jungen Blutegel beim Ausschlüpfen eine ansehnliche Grösse, die Jungen des medici- nischen Blutegels z. B. eine Länge von circa 17 Mm. und haben bereits im Wesentlichen bis auf die mangelnde Geschlechtsreife die Organisation der ausgewachsenen Thiere, Nur die Clepsinen werden sehr frühzeitig geboren und differiren von den Geschlechtsthieren sowohl hinsichtlich der Körperform als ihrer inneren Organisation wesentlich. Mit einfachem Darme und ohne hintere Saugscheibe leben sie längere Zeit an der Bauchfläche des Mutterthieres an- geheftet und erreichen erst unter fortwährender Aufnahme neu abgeschiedener Eiweissmasse ihre volle, zum freien Leben taugliche Organisation. Die Embryonalentwicklung, unter den Khynchobdelliden für Clej^sme, unter den Gnathobdelliden besonders für Nephelis und Hirudo näher bekannt, beginnt stets mit einer inaequalen Furchung. Am Embryo kommt frühzeitig die Mundöffnung zum Durchbruch, durch w^elche nach Bildung von Pharynx und Magendarm unter Schluckbewegungen des ersteren das im Cocon ent- lialtene Eiweiss in den Darm des wachsenden Embryos aufgenommen wird. Die Blutegel leben grossentheils im Wasser oder, wenn auch nur zeit- Aveise, in feuchter Erde. Sie bewegen sich theils spannerartig kriechend mit Hilfe der Haftscheiben, theils schwimmend unter lebhaften Schlängelungen des meist abgeflachten Körpers. Viele nähren sich parasitisch an der Haut oder an den Kiemen von Wasserbewohnern, z. B. an Fischen und am Fluss- krebs; die meisten aber sind nur gelegentliche Schmarotzer an der äusseren Haut von Warmblütern. Einzelne Formen sind Kaubthiere, welche, wie z. B. Aulastomum yu/o, Schnecken und Regenwürmer verzehren, oder wie die Clep- sinen Schnecken aussaugen. Auch scheint die Nahrung keineswegs überall auf eine bestimmte Thiergattung beschränkt, auch nicht in jedem Lebensalter dieselbe. Der medicinische Blutegel nährt sich z. B. in der Jugendzeit von 432 Rliyiu-liobflcllidac. Gnathc.l.rl.llirtar. r.ianchiobdelli.lae. IV. Clasge. Rutatoria. lusectenblut, dann vom Blut der Frösche, und erst später wird ihm zur vollen Geschlechtsreife der Genuss eines warmen Blutes iiothwendig. Fain. Rhynchohdellidae, Eüsselegel. Körper langgestreckt, cylindrisch oder breit und flach, mit einer vorderen und hinteren Haftscheibe und kräftigem vorstreckbaren Itüssel in der Mundhöiile, mit paarigen Augen auf der vorderen Haftscheibe. Im con- tractilen Eückengefässe liegen als sogenannte Klappen Blutkörperchen bildende Organe. Piscicola Blainv. {IcWiyoldella). P. geometra L., auf Süsswasserfischen. P. respirans Tr., mit seitlichen Bläschen, die sich beim Eintritte des Blutes erweitern. PontoMella muri- cala L., auf Rochen. Branchellion torpedinis Sav., Clepsine Sav. [Clepsinidae) Cl. lioculala Sav., Cl. complanata Sav., Cl. marginafa 0. Fr. Müll. Haementaria mexicana de Pil., H. officinalis de Fil., beide in den Lagunen von Mexico, die letztere nach Art des Blut- egels benutzt, H. OJdJanii de Fil., im Amazonenstrom. Fam. GnathohdelUdae, Kieferegel. Schlund mit drei gezähnten Kieferplatten be- waffnet, längsgefaltet. Vor der Mundöffnung ein geringelter, löffeiförmig vorspringender Kopfschirm, welcher eine Art Mundsaugnapf bildet. (Fig. 394.) Die Cocons mit spongiöser Scliale. Hirudo L. Meist 95 deutliche Ringel, von denen vier auf die löffeiförmige Ober- lippe kommen. Die drei vorderen Ringel, sowie das fünfte und achte tragen die fünf Augenpaare. Die männliche Geschlechtsöffnung liegt zwischen dem 24. und 25., die weib- liche zwischen dem 29. und 30. Ringel. Die drei Kieferplatten fein gezähnt, nach Art einer Kreissäge beweglich, sehr geeignet, eine leicht vernarbende Wunde in die äussere Haut des Menschen zu schlagen. Magen mit 11 Paaren von Seitentaschen, von denen die des letzten Paares sehr lang sind. Die Cocons werden in feuchter Erde abgesetzt. H. medicinalis L., mit der als officinalis unterschiedenen Varietät, besitzt 80 — 90 feine Zähne am freien Kieferrande und erreicht die Länge einer Spanne. Früher in Deutsch- land verbreitet, jetzt noch häufig in Ungarn und in Frankreich, wird in Blutegelteichen gezüchtet und braucht drei Jahre bis zum Eintritt der Geschlechtsreife. Haemopis vorax Moq. Tand., Pferdeegel, mit nur 30 gröberen Zähnen am Kieferrand, welche ihn zum Verwunden weicher Schleimhäute befähigen. Der Pferdeegel, in Europa und vornehmlich in Nordafrika einheimisch, beisst sich im Schlünde von Pferden, Rindern, auch des Menschen fest. Aulastomum gulo Moq. Tand. Bei uns auch als Pferdeegel bekannt, von Weichthieren lebend. Nephelis Sav. Anstatt der drei Kiefer einfache Längsfalten im Schlünde. N. vulgaris Moq. Tand. Fam. BranchiohdeUidae. Der im ausgestreckten Zustande beinahe cylindrische Körper, aus wenigen ungleich geringelten Segmenten zusammengesetzt, mit zweilappigem Kopf läppen ohne Augen, mit einem Sauguapf am Hinterende. Schlund ohne Rüssel, mit zwei flachen, übereinanderliegenden Kiefern. BrancliiohdeUa parasita Henle, B. astaci Odier, an den Kiemen und der unteren Schwanzfläche des Flus.skrebses. IV. Classe. Eotatoria') --= Eotiferi, Eäderthiere. Mit etnstülpbarem Wimperapparate am Vorderende des Leibes.^ mit einfachem Gehirnganglion und Wassergefässcanälen, ohne Herz wid Gefms- si/stem, getrennten Geschlechtes. Die Eäderthiere sind Würmer, welche von der L o v e n'schen Larve, mit der die von S e m p e r entdeckte, als Trochosphaera aequatorialis bezeichnete ') Ehrenberg, Die Infusionsthierchen als vollkommene Organismen. Leipzig, 1838. Duj ardin, Histoire naturelle des Infusoires. Paris, 1841. Dalrymple, Phil, Transact. Roy. Soc, 1844. Fr, Leydig, Ueber den Bau und die systematische Stellung der Räder- thiere. Zeitschr. für wiss. Zool., Bd. VI, 1854. F. Cohn, Ueber Räderthiere. Ebendaselbst Gostalt. RädiToi-Ran. Daniicuial. 433 Kugelrotatorie in der Gestaltung des Körpers nahezu übereinstimmt, abgeleitet werden können, und haben mit den Arthropoden nichts zu thun, da sie nicht nur der Metamereubildung, sondern auch der Extremitäten entbehren. Aller- dings ist der Körper der liäderthiere äusserlich gegliedert und zerfällt in mehr oder minder deutlicli abgegrenzte, höchst ungleichartige Abschnitte, ohne aber diesen entsprechende Segmente der inneren Organe zu besitzen. Meist unter- scheidet man einen Vorderleib, welcher die gesammten Eingeweide in sich einschliesst, und einen beweglich abgesetzten fiissartigen Hinterleib, der mit zwei zangenartig gegenüberstehenden Griffeln endet und sowohl zur Befestigung wie zur Bewegung dient. Nicht minder häufig sind sowohl der breitere Vorder- leib als der verschmälerte Hinterkörper in mehrere Ringe gegliedert, die sich fernrohrartig in einander einziehen und mehr oder minder frei unter Biegungen verschieben können. Ein wichtiger Charakter der Rotiferen liegt in dem am Vorderende sich erhebenden, meist einziehbaren Wimperapparat, welcher wegen seiner Aehnlichkeit mit einem rotirenden Rade als „Käderorgan'-^ bezeichnet wird. Häufig ist derselbe, besonders bei parasitischen Formen, bedeutend reducirt, in einzelnen Fällen vollkommen rückgebildet (Äpsüus). Bei Noiommata tardi- f/rada reducirt sich das Räderorgan auf die bewimperte Mundspalte, bei Hydatina auf den in seiner ganzen Circumferenz mit Cilien bekleideten Kopf- rand. (Fig. 398.) In anderen Fällen erhebt sich der bewimperte Saum über den Kopf hinaus bis zur Bildung sogenannter Doppelräder, z. B. Phüodina, Brachionus, oder wird zu einem bewimperten Kopfschirm, z. B. Megalotrocha, Tuhicolaria. Endlich erscheint derselbe in knopfartige (Floscidaria) oder gar armförmige Fortsätze {Stephanoceros) verlängert. In der Regel bilden die Wimpern einen continuirlichen Saum, welcher von der Mundöffnung ausgeht und wiederum zu derselben zurückführt. Derselbe hat neben der Hauptfunction als Locomotionsorgan die Aufgabe, kleine zur Nahrung dienende Körper her- beizustrudelu. Ausserdem findet sich noch eine zweite Reihe von zarten Flimmer- cilien, welche vom Rücken aus an beiden Seiten zu der an der Bauchfläche des Räderorgans gelegenen Mundöffnung herabführen und die kleinen, vom Strudel des Räderorgans erfassteu Nahrungskörper in dieselbe einleiten. Die Mundöffnung führt in einen erweiterten, mit beständig klappendem Kieferapparat bewaffneten Schlundkopf. (Fig. 398.) Aus diesen entspringt eine kurzo Schlundröhre, welche in den weiten, mit grossen Zellen bekleideten und bewimperten Magendarm führt. Am Eingange desselben münden zwei an- B(l. VII, 1856, Bd. IX, 1858, Bd. XII, 1862. Gosse, On the structure, functions and liomologies of the mauducatory organs of the class Eotifera. Phil. Tran.sact., 1856. W. Salon sky, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Brachionus urceolaris. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXII, 1872. Karl Eckstein, Die R,otatorien der Umgegend von Glossen. Zeitschr. für wiss. Zool, Tom. XXXIX, 1883. C. Zelinka, Studien über liota- toricn. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XLIV, 1886 und Tom. XLVII, 1888. L. Plate, Beiträge zur Naturgeschichte der Eotatorien. Jen. Zeitschr. 1885. C. T. Hud.son. The Eotifera or Wheel Animalcules. Part. I— IV. London, 1886, ('. Claus: Lfl.rlmch d(;r Zoul,,.'!.'. .'S Aufl. 28 4:u isorjrano. Gcscliloclil>;oi-(;:i Ror sehnliche, zuweilen in einzellige Drüsen aufgelöste Drüsenschläuche, die ihrer Function nach wohl als Speichel- oder pankreatische Drüsen zu deuten sein möchten. Auf den Chylusdavm folgt der ebenfalls bewimperte Enddarm, welcher am Vorderleib, da, wo sich der fussartige Hinterleib inserirt, wohl überall dorsalwärts ausmündet. Bei einigen Kotiferen, z. B. Äscomorpha, Asplanchna, endet der Chylusdarm blindgcschlossen. Ein Blufgefässsysfem fehlt überall, und die helle Blutflüssigkeit erfüllt die Leibeshöhle. Was E h r e n b e r g als Gefässe beschrieben hat, sind die quergestreiften Muskeln und Muskelnetze unter der äusseren Körperbedeckung. Ebensowenig finden sich gesonderte Respiraiiom- organe; die gesammte äussere Bedeckung vermittelt die Athmung. Die soge- nannten Respiratiouscanäle sind °" ^' ^' Excretionscanäle. Es sind zwei ge- schlängelte Längscanäle mit zelli- ger Wandung, welche mittelst kur- zer und bewimperter Seitenzweige (Zitterorgane), geschlossener Wim- perkölbchen, beginnen und ent- weder direct oder vermittelst einer contractilen Blase (Respirations- blase) mit dem Enddarm ausmün- den. Das Nervensystem schliesst sich dem der Platyhelminthen an. Die Centraltheile desselben bildet ein einfaches oder zweilappiges, über dem Schlünde gelegenes Ge- hirnganglion, von welchem Nerven zu eigenthümlichen Sinnesorganen der Haut und zu den Muskeln ab- gehen. Augen liegen nicht selten entweder als x-förmiger unpaarer Pigmentkörper oder als paarige, mit lichtbrechenden Kugeln ver- bundene Pigmentflecken dem Gehirn auf. Die erwähnten Sinnesorgane der Haut, wahrscheinlich Tast-, beziehungsweise Spürorgane, sind mit Borsten und Haaren besetzte Erhebungen, selbst röhrenartig verlängerte Fortsätze (Respi- ratiousröhren des Nackens) der Haut, unter denen die Sinnesnerven mit gangiien- artigen Anschwellungen enden. Die Geschlechter sind getrennt und durch einen ausgeprägten Dimor- phismus bezeichnet. Die sehr kleinen Männchen (Fig. 398 ö) entbehren des Schlundes und Darmcanals, dessen Anlage auf ein strangförmiges Rudiment reducirt bleibt. Ihre Geschlechtsorgane reduciren sich auf einen mit Samen- fäden gefüllten Hodenschlauch, dessen muskulöser Ausführungsgang zuweilen auf einem papillenartigen Höcker am hinteren Ende des Vorderleibes mündet. 7/ u^ T ITydatina senta, nach F. Cohn. a Weibchen, 6 Männeben. Ror Räderorgan, K Kiefer, Dr Speicheldrüsen, Md Magen- darm, Ov Ovarium, Wtr Wimpertrichtcr des Excretions- apparates {Ex), CBl contractile Blase, T Hoden, P Penis Kiilui.kluii;,' Leli.usweisr Flosciiliiriilac. J'hilmlinidac. 435 Die Geschlechtsorgane der weit grösseren Weibclicn 1)estehen aus einem rund- lichen, mit Eikeimen gefüllten Ovarium und einem kurzen Eileiter, welcher ein einziges oder nur wenige reife Eier enthält und meist mit dem Darm zu- gleich ausmündet. Fast sämmtliche Eäderthiere legen Eier ab, und zwar dünn- schalige /Sommereier und dickschalige W'intereier. Beide tragen sie an ihrem Körper herum, während allerdings die Somm^-eier auch im Eileiter die Em- bryonalbilduug durchlaufen können. Wahrscheinlich entwickeln sich die ersteren ohne Befruchtung parthenogenetisch (Cohn), da dielMännchen zu der Jahreszeit, in w^elcher jene auftreten, fehlen. Die dickschaligen, oft dunkler gefärbten Wintereier werden im Herbst erzeugt und befruchtet. Bei der Entwicklung des Embryos erleiden die Eier eine unregelmässige Dotterklüftung. Die aus der kleineren Furchungskugel hervorgegangenen Zellen häufen sich an einem Pole an und umlagern schliesslich die dunkleren Dotter- zellen vollkommen, so dass ein zweiblättriger Keim gebildet wird. Die Zellen der äusseren Schicht, viel ärmer an Körnchen als die der centralen Entoderm- anlage, bilden das obere Keimblatt, w^elches an der (späteren) Bauchseite eine Einbuchtung erfährt, aus deren Seitenwänden die beiden Lappen des Käder- organs hervorgehen (ähnlich den Mundlappen von Schneckeuembryonen). Der liintere Theil der Einbuchtung wird zum Hinterleib, an dessen Basis eine Ver- tiefung die Anlage des Hinterdarmes bildet, während vorne im Grunde der Einbuchtung Mund und Vorderdarm gebildet werden. Das Ganglion entsteht aus dem oberen Blatt im Kopftheil. Ueber die Bildung des Mittelblattes liegen keine sicheren Beobachtungen vor. Am männlichen Embryo verläuft die Ent- wicklung insofern abweichend, als der Darnicanal gar nicht zur Ausbildung kommt. Die freie Entwicklung verläuft ohne oder mit unbedeutender, zuweilen rückschreitender Metamorphose; am auffallendsten erscheint die Metamor- phose bei den im ausgebildeten Zustande festsitzenden Floscularklen. Die Eäderthiere bewohnen vornehmlich das süsse Wasser, in welchem sie sich theils schwimmend mit Hilfe des Räderorgaus fortbewegen, theils mittelst des zweizangigen drüsigen Fussendes an festen Gegenständen vor Anker legen. Auf diese Art befestigt, strecken sie ihren Kopftheil vor und beginnen das Spiel ihrer Wimpern behufs Herbeistrudelung von Nahrungs- stoffen, als kleinen Infusorien, Algen, Diatomaceen. Einige Arten leben in Gallerthülsen und zarten Röhren, andere (ConocJnlus) stecken mit ihrem Ents- ende in einer gemeinsamen Gallertkugel und sind zu einer schwimmenden Colonie vereinigt ; verhältnissmässig Avenige leben als Parasiten. Es scheint, als wenn viele Arten einer nicht zu anhaltenden Austrocknuug Widerstand zu leisten vermöchten. Farn. Floscularidae. Festsitzende Kiidcrthiere mit langem, quergeringelten Fu.ss. meist von Gallerthülsen und Köhren umgeben. Der Kopfrand mit gelapptem oder tief gespaltenem Räderorgan. Floscularia prohoscklea Ehrbg., Stejihanoceros EklihornU Ehrbg., Tnhicolaria najas Ehrbg., Melicerta ringens L., Conochilus volvox Ehrbg. Fam. Philodhiidae. Freibewegliche, oft spannerartig kriechende Eäderthierchen mit fernrohrartig einziehbarem Fuss ohne Hülse 28* 436 Uracliionidao. Hvilatiniflac. .\s]iIam=linitlao. Eiliinodoridae. (lastrntriclia. Fig. 399. CaUidina elegans Ehrhg., Rotifer vulgaris Okeii (7?. redivivus Cuv.), Philodina erytroph- thalma Ehrbg. Fam. Brachionidae. Räderthiere mit zwei- oder mehrfacli getheiltem Räderorgan, mit breitem, schildförmigem, gepanzertem Körper und geringeltem oder kurz gegliedertem Fuss. Brachionus Bakeri 0. Fr. ]\Iüll., B. milUaris Ehrbg.. Eucldanis triquelra Ehrbg. Fam. Hydatinidae. Mit mehrfach getheiltem (fdernur eingebuchtetem Räderorgau und zarter, häufig gegliederter Haut. Der kurze Fuss endet meist zwei- theilig mit zwei Borsten oder zangenförmig. Hydatina Ehrbg., H. senta 0. Fr. Müll, mit Enieroplea hydatinae Ehrbg. als Männchen. (Fig. 398.) Notovimata tardi- grada Ldg., N. Brachionus Ehrbg., N. parasita Ehrbg., Apsilus Metschn. Körper linsenförmig, ohne Wimper- apparat, A. hntiformis Metschn. Fam. Asplanchnidae. Der sackförmige, panzer- lose Leib entbehrt des Enddarmes und des Afters. Asplanchna Sieholdii Ldg., A. myrmeleo Ehrbg., Asco- morpha germanica Ldg. Hier schliesst sich die in vieler Hinsicht ab- weichende Gattung Seison Gr. an. Seison Grübet Cls.*) lebt an Nobalia. Den Rotiferen schliessen sich zwei Gruppen kleiner Thier formen an: 1. iie Echinoderidae {Ec?nno- deres Bujardinii Clap., E. setigera Greeff) und 2. die Gastrotricha oder Ichthydinen. Die Gastrotrichen^) (Fig. 399) besitzen einen flaschenförmigen oder wunii- förraigon Leib, welcher an seiner Bauchfiäche mit zwei Cilienbändern besetzt ist und am hinteren Ende in zwei Furcalfortsätze ausläuft. Zwischen diesen mündet ventralwärts das Darmrohr aus, dessen muskulöser Oeso- phagus ebenso wie die Gestalt des Darmes an die Nematoden erinnert. Am vorderen Pole liegt die rund- liche Mundöffnung, nach welcher die ventralen Wimper- ränder die Nahrungsstoffe hinzuleiten scheinen. Borsten finden sich sehr häufig in dichter Stellung vornehm- lich am Rücken {Chaetonotus). Das Nervensystem be- steht aus einem einfachen dem Schlünde aufliegenden Gehirnganglion. Augenflecken sind zuweilen vorhanden. Die Leibesmuskulatur beschräilH sich auf wenige contractile Zellen. Die Muskeln sind paarige Längsbänder (6 Paare) und lassen sich wie die der Rotiferen als Haut- und Leibeshöhlenmuskeln unterscheiden. Ringmuskeln fehlen. Als Excretionsorsfane fungiren CbaetonofiiD maxinms, naeli Bütschli, Von der Bauchseite gesehen. 06 Wimper- band, Oe Oesophagus. *) Vergl. C. Claus, Ueber die Organisation und die systematische Stellung der Gattung Seison Gr. Festschrift zur Feier des 25jälirigen Bestehens der k. k. zool.-bot. Gesell- schaft. Wien, 1876. L. Plate, Ueber einige ectoparasitische Rotatorien des Golfes von Neapel. Mitth. der zool. Station Neapel, Tom. VII. ^) E. Metschnikof f, Ueber einige wenigbekannte niedere Thierforr.7en. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XV, 1865. H. Ludwig, Die Ordnung Gastrotricha. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXVI, 1875. 0. Bütschli, Untersuchungen über freilebende Nema- toden und die Gattung Cliaetonotus. Ebendaselbst. W. Reinhard, Kinorhynclia (Echino- deres), ihr anatomischer Bau und ihre Stellung im System. Zeitschr. für wiss. Zofd.. Tom. XLV, 1887. C. Zelinka, Die Ga.strotrichen. Ebend. Tom. XLTX. 1889. V. Tln.M-kr.-is. Ai-nn-(,iu„t.t. 437 zwei vielfach versclilunfj:cne Canillclieii, welclie je einen stabformigen Wimperlappen tragen und in der Mitte der Bauchüäche ausmünden. Die weibliche Gesclileclitsüffnung liegt auf der Rückenfläche dicht vor der Gabelung des Hinterendes. Von Interesse ist die bei Chaeionolus entdeckte Anwesenheit von zweierlei Eiern, kleineren Sommereiern, die sich im Mutterleibe entwickeln, und grösseren hartschaligen Wintereiern, aus welchen die Embryonen in vorgeschrittener Form ausschlüpfen. Metschnikoff und Bütschli lassen die 7c/(/!A?/cZme7i getrennten Geschlechtes sehi, während M. Schnitze für Cliaeto- notus Samenfäden und Eier im Körper desselben Thieres beschrieb. Neuerdings hat Ludwig bei Ichthydium den muthmasslichen Hoden an noch jungen Thieren nach- gewiesen und gezeigt, dass die Ovarien später reifen, die Gastrotrichen somit Zwitter sind. Die vornehmlichen Gattungen sind: Chaetonotus Ehrbg. mit Stacheln besetzt, Ch. larus 0. Fr. Müll., maximiis M. Seh. (Fig. 364.), Ch. Tiystrix Metschn., Ichthydium Elirbg. ohne Stacheln, I. ocellatum Metschn., 7. Podnru 0. Fr. Müll., Dasydytes Gosse, Ohne Gabelschwanz aber mit Eückenstacheln, I>. longisetosmu Metschn. V. Thierkreis. Arthropoda, Gliederfüssler. Büateralthüre mit chitmifjem Ilcmtskelet, heteronom segmentirtem Körper und gegliederten Segmentanhängen (Gliedmassen), mit Gehirn, Schhmdring und Bauchganglienkette. Die Arthropoden stellen der Gliederung und Organisation ihres Leibes nach in so naher Verwandtschaft zu den Gliederwürmern, dass man ihre Vereinigung im Sinne Cuvier's ols ÄHiculaten wieder befürworten könnte. Indessen würde dann nicht nur die Trennung der Anneliden von den ungegliederten Würmern (Scoleciden) erforderlich und damit ein engerer verwandtschaftlicher Verband zerrissen werden, wie er zwischen Anneliden und Nemertinen, sowie zwischen diesen und den Planarien besteht, sondern auch die Mollusken undMolluskoiden müssteu bei den Beziehungen ihrer Larven zu denen der Anneliden eine ver- änderte Stellung erhalten und könnten als von diesen getrennte Kreise nicht aufrecht erhalten werden. Der lüichtigste Charakter, welcher die Arthropoden von den so nahe ver- wandten Gliederwürmern unterscheidet und als Grundbedingung für eine höhere Organisation und Lebensstufe gelten kann, beruht auf dem Besitz von geglie- derten, aus paarigen Segmentanhängen hervorgegangenen Bewegungsorganen. Anstatt der ungegliederten Parapodien der Chaetopoden treten gegliederte, zu einer vollkommeneren Leistung befähigte Extremitätenpaare, und zwar aus- schliesslich an der Bauchfiäche auf. Jedes Segment vermag ein bauchständiges Gliedmassenpaar hervorzubringen, welches im einfachsten Falle kurz bleibt und nur aus wenigen Gliedern besteht {Onychophoren). (Fig. 400.) Während bei den Anneliden die Locomotion durch Verschiebung der Segmente und Schlängelungen des gesammten Leibes zu Stande kommt, erscheint bei den Arthropoden die Function der Ortsbewegung von der Hauptachse des Leibes 438 Segment irii Hg. fllioilm.issen. auf die Nebenachscn, auf die Gliedmassen, übevtragen, hiemit al)ev auoli eine weit vollkommenere Leistung erreichbar. Die Extremitäten gestutten den Arthro- poden nicht nur ein leichteres und rascheres Schwimmen und Kriechen, sondern führen auch zu mannigfaltigeren Formen einer schwierigen Bewegung, zum Laufen und Klettern, Springen und Fliegen. Die Arthropoden werden daher zu wahren Land- und Luftthieren. Die hohe Entwicklung der Gliedmassenpaare als Bewegungsorgane führt nothwendig zu einer zweiten ivesentlichen Eigenschaft, zu der Heteronomie der tSe//- Fi?. 400 ^"t^ Periimtu-t capen.iU, iiaeU Mosoley. mmtirimri und der mit dieser verbundenen Erstarrung, der äusseren Haut zu einem festen Chitinskelet. Soll die Leistung der Extremitäten eine vollkommene sein, so bedarf dieselbe eines beträchtlichen Aufwandes von Muskelmasse, deren Stützpunkte nur am Integumente des Kumpfes gegeben sein können. Die Inser- tionen der Gliedmassen und ihrer Muskeln lassen daher starre Flächen am Leibe nothwendig erscheinen, welche theils durch innere chitinisirte Sehnen und Platten, theils durch die Erstar- rung der Haut und Verschmelzung der Segmente zu grösseren bepanzerten Abschnitten gewonnen werden. Nur bei einfacheren Bewegungsformen, welche sich denen der Anneliden noch unmittelbar anschliessen, bleiben alle Segmente des Rumpfes selbstständig und tragen gleichmässigGliedmassen- paare in der ganzen Länge des Leibes (Larven, Myriopoda). Ln Allgemeinen unterscheidet man drei Leibesregionen, als Kopf, Brust oder Miftelleih (Thorax) und Hinterleih (Abdomen), deren Gliedmassen einen verschiedenen Bau und dem entsprechende Function besitzen. (Fig. 40L) Der Kopf, im Vergleich zu dem aus Stirnlappen und Mundabschnitt zu- sammengesetzten Kopf der Anneliden eine secundäre, zugleich aus Rumpf- segmenten und deren Gliedmassen gebildete Region, repräseutirt den kurzen gedrungenen Vorderabschnitt mit festem Integument, schliesst das Gehirn ein und trägt die Sinnesorgane und Mundtheile. Die Gliedmasseupaare dieses Ab- schnittes sind zu Antennen und Mimdtoerkzeiir/en umgestaltet. Ln Vergleich mit dem Annelidenkopf gehen ausser dem Kopf- oder Antennenabschnitt und dem Mundsegment wenigstens ein Kiefersegraent, dessen Gliedmassenpaar noch im Larvenleben (NcmpUus) als Beinpaar fungiren kann, in die Bildung des Kopfes Kopf, Brust und Abdomen eines AcrMinm in seitliche Ansicht. St Stigmen, T tyrapauales Organ. Thorax. Abfloii) 439 ein. Indessen werden in der Regel noch mehrere nachfolgende Segmeute, deren lUiedmassen als Kiefer fiingiren, in den Kopf einbezogen. Der Mittelleib oder Thorax zeichnet sich ebenfalls durch eine verhält- nissmilssig innige Verschmelzung einiger oder aller seiner Segmente, sowie durch die Festigkeit seiner Haut aus. Meist ist derselbe scharf vom Kopfe abgesetzt, häufig dagegen mit dem Kopfe zu einer gemeinsamen Leibesregiou (Cephalothorax) verschmolzen. (Fig. 402.) Der Thorax trägt die wichtigsten Gliedmassen der Bewegung und repräsentirt das Centrum der zu bewegenden Masse. Der Hinterleib, oder auch Leib schlechthin genannt, zeigt die Zusammen- setzung aus deutlich gesonderten Leibesringen und entbehrt in der Eegel der Extremitäten. Sind dieselben aber vorhanden (Abdominalfüsse), so dienen sie theils als Hilfsorgane der Bewegung, theils zur Respiration oder zum Tragen der Eiersäckcheu und zur Copulation. Seltener, wie z. B. bei den Scorpionon, sondert sich das Abdomen in einen breiteren Vorderabschnitt, PraeaLdomen, und in einen engeren beweglichen Hinterabschnitt, Postabdomen. Fio-. 402. S'juilCa viantis. A', A" Antennen, Kf, Kf' die vorderen Kieferfusspaare am Cephalothorax, /.", U" , IS" drei Spaltbeiupaare der Brust. Die Haut besteht wie bei den Anneliden aus zwei verschiedenen Schichten, einer äusseren festen, meist homogenen Chitinhaut und einer weichen, aus poly- gonalen Zellen zusammengesetzten unteren Lage (Matrix, Hi/podermis), welche die anfangs weiche Chitinhaut schichtenweise absondert. (Fig. 23.) Diese erstarrt meist auch durch Aufnahme von Kalksalzen in der chitinhaltigen Grundsubstanz zu dem festen, das Skelet bildenden Hautpanzer, der aber zwischen den einzelnen Segmenten durch dünne Verbindungshäute unterbrochen ist. Die mannigfachen Cuticularanhänge der Haut, welche als einfache oder gefiederte Haare, Fäden und Borsten, Dornen und Haken auftreten können, verdanken ihre Entstehung ähnlich gestalteten Fortsätzen und Auswüchsen der zelligen Unterlage. (Fig. 24.) Die Chitiuhaut erfährt mit sammt ihren Anhängen zeitweise, vornehmlich wäh- rend des Wachsthums im Jugendzustande, Erneuerungen und wird dann als zusammenhängende Haut abgeworfen (Häutungsprocess).Die Muskulatur bildet niemals mehr einen continuirlichen Hautmuskelschlauch, sondern zeigt sich meist der Segmentirung entsprechend gegliedert. Die Rumpfmuskeln sind in den einzelnen Segmenten in longitudinalen und transversalen Zügen angeordnet, bieten übrigens mancherlei Unterbrechungen. Dazu kommen umfangreiche 440 .\rlliroi)Oiia. Xervensystoiii. Siiiiicsorga Muskelgruppeii, welche die Extremitäten l)ewe<;en. Durchgängig sind die Mus- kelfasern quergestreift. Die innere Organisation schliesst an die Gliederwürmer an, ohne jedoch eine durchgreifende innere Segmentirung erhalten zu haben. Das Nervensystem besteht aus Gehirn, Schlundcom- Fig. 403. missur und Bauchmark, welches letztere meist in Form \<*M einer Ganglienkette (Fig. 403) unter dem Darme verläuft, /JQXv zuweilen aber auch eine grosse Concentrirung zeigt und selbst zu einer ungegliederten Ganglienmasse unter dem Schlünde zusammengezogen sein kann. Die Gliederung der Bauchganglienkette bietet im Speciellen die grössten Verschiedenheiten, im Allgemeinen aber entspricht sie |ler heteronomen Segmentirung des Körpers, indem in den grösseren, durch Verschmelzung von Segmenten entstan- deneu Abschnitten auch eine Annäherung oder Ver- schmelzung der entsprechenden Ganglien erfolgt. Nur in einem Falle, bei den Pentastomulen, die zur Form und Lebensstufe der Eingeweidewürmer zurücksinken, ist die obere Brücke der Schlundcommissur nicht als Gehiru- ganglion angeschwollen, und es erscheinen die Central- // ///^\\ theile des Nervensystems als gemeinsame Ganglienmasse unterhalb des Schlundes zusammengedrängt. In allen anderen Fällen ist das Gehirn eine grössere, dem Oeso- phagus aufliegende Ganglienmasse, welche sich durch den Schlundring mit dem vordersten, meist im Kopfe gelegenen Ganglion der Bauchkette, dem unteren Schhmdganglion, verbindet. Aus dem Gehirn entspringen die Sinnesnerveu, während die Ganglien der Bauchkette Nervenstämme an die Muskeln, sowie an dieKörperbedeckung entsenden. Nervensystem" der Larve ^ebeu diosem, dem ccrebrosplnalen Nervensysteme der von coccineiia, nach Ed. Wirbelthlcre Vergleichbaren Systeme des Gehirnes und fro^uie* G Gewrn TgViib- ^^^' BauchgangHenkctte unterscheidet man bei den grösse- oesophageaigaiigiion, G' — reu uud höhcr orgauisirtcn Arthropoden ein Eingeweide- G" die Ganglien der Bauch- , /^ ,t.\ iii i 'j- kette in Brust und Abdomen, nervensystcm {bympaihicus), welches besondere mit jenem verbundene Ganglien und Nervengeflechte bildet, deren Verbreitungsbezirk besonders der Darmcanal ist. Bei den höheren Arthropoden unterscheidet man sehr allgemein paarige und unpaare Eingeweideuerven, die beide im Gehirn ihren Ursprung nehmen. Von Sinnesorganen sind vorzugSAveise Augen verbreitet und werden bei nur wenigen parasitischen Formen vermisst. In der einfiichsten Form sind es paarige oder unpaare, dem Gehirn aufliegende Augen mit lichtbrechenden Körpern ohne oder mit gemeinsamer Linse {^temmata oder Punktaugen). Com- plicirter sind die stets in doppelter Zahl auftretenden zusammengesetzten \\ Daniicaiial. Kxci-cliini.si.i-tfaii,'. Kroi.slanf.soifjano. 441 Allgeil, welche sich durch das Vorhaiideiisein von Nervoiistäbeii, sowie Krystall- kegelii auszeichnen. Dieselben sind entweder Augen mit glatter Hornhaut {Cln- (loceren) oder besitzen als Facetten angen zahlreiche kleine Oornealinsen, unter welchen die Krystallkegel und Nervenstäbe liegen. (Fig. 106 und 107.) Bei den Decapoden und anderen Crustaceeu sitzen dieselben auf Stielen, den langaus- gezogenen, beweglich abgesetzten Seitentheilen des Kopfes. Augen-ähnliche Organe, die sich aber in neuerer Zeit als Leuchtorgane herausgestellt haben, hat man an den Kiefern und zwischen den Beinpaaren des Hinterleibes bei Eaphausi'a beobachtet. Auch Gekörorgane kommen vor, am häufigsten bei den Krebsen als Gehörblasen mit Otolithen in der Basis der vorderen Antennen, selten in dem als Fächer bekannten Anhange des Hinterleibes. Ferner sind bei den Insecten Gehörorgane, freilich von abweichendem Bau, entdeckt worden. Ebenfalls verbreitet sind Gerucksorgane, welche ihren Sitz an der Oberfläche der Antennen haben und aus zarten Röhrcheu oder eigenthümlichen Zapfen bestehen, unter denen die Sinnesuerven mit Anschwellungen enden. Als Tast- organe hat man die Antennen und Taster der Mundwerkzeuge, sowie wohl auch die Extremitätenspitzen, und an diesen eigenthümliche Kolben, Borsten und Haare der Haut mit Nervenendigungen anzusehen. Ein selbstständiger Verdauungsapparat ist überall deutlich gesondert, tritt aber in sehr verschiedener Gestalt und Höhe der Ausbildung auf. Nur ausnahmsweise kann der Darm rückgebildet und geschwunden sein (Rhizo- cephalen). Der Mund liegt an der unteren Kopffläche, von einer Oberlippe überragt und meist rechts und links von Mundwerkzeugen umstellt, welche entweder zum Kauen oder Stechen und Saugen dienen. Eine engere oder weitere Speiseröhre führt in den Magendarm, welcher entweder einfach die Leibes- achse durchsetzt oder sich in mehrfachen Windungen zusammenlegt. Speise- röhre und Mitteldarm (Chylusmagen) können selbst wieder in mehrfache Ab- schnitte zerfallen und sowohl Speicheldrüsen als Leberauhänge verschiedenen Umfang besitzen. Auf den Mitteldarm folgt der Enddarm mit der am hinteren Leibesende ausmündenden Afteröffnung. Harnabsondernde Excretionsorgane kommen in weiter Verbreitung vor, in ihrer einfachsten Form als Zellen der Darmfläche (G«pepoden), auf einer höheren Stufe als schlauchförmige, fadenähnliche Ausstülpungen des Enddarms (Malpighi'scheGefässe). (Fig. 404.) Wichtig ist, dass sich in mehreren Arthro- podenclassen die segmentalen Nephridien selten in grösserer, oft dagegen in re- ducirter Zahl erhalten haben. Dieselben beginnen meist nicht mehr mit freiem Trichter, sondern mit geschlossener Endblase und sind die bei den Crustaceen verbreiteten Antennen- und Schalendrüsen. Bei den Arachnoideen treten sie in Form der sogenannten Coxaldrüse auf, während sie bei den Peripatiden in fast sämmtlichen Segmenten als schleifenförmig gewundene Canäle wiederkehren, und mit geschlossener Endblase beginnen {Sedgidck). Auch die Circulations- oder Respirationsorgane zeigen bei den sehr ab- weichenden Stufen der Organisation die grössten Verschiedenheiten. Tn dem 442 Artbropoda. Athmuiig Fort|ifl,inzung Flg. 404. einfachsten Falle erfüllt die helle, seltener gefärbte, mit Blutkörperchen ver- sehene Blutflüssigkeit die Leibeshöhle und die Zwischenräume aller Organe und circulirt in mehr unregelmässiger Weise zugleich mit der Bewegung ver- schiedener Körpertheile. Nicht selten sind es bestimmte Organe (Darm, schwin- gende Platten etc.), welche durch regelmässig wiederkehrende Bewegungen auf die Circulation des Blutes wirken (Achtheres, Cyclops). In anderen Fällen tritt auf der Rückenfläche oberhalb des Darmes ein kurzes sackförmiges Herz oder ein längerer, in Kammern abgetheilter, gefässartiger Schlauch, ein Rückengefäss, als blutbewegendes Organ auf. Von diesem können auch Gefässe, Arterien, entspringen, welche die Blutflüssigkeit in bestimmten Richtungen fort- führen und mit freien Oeffnungen im Leibesraume enden. Auch rttckführende venöse Bahnen treten auf, welche im Leibesraume beginnen. Vollständig geschlossen scheint das Gefässsystem niemals, da sich stets lacunäre Räuine der Leibeshöhle in den Verlauf der Arterien und der rück- führenden, oft gefässartig begrenzten Bahnen eingeschoben finden. Die Athmung wird sehr häufig, besonders bei klei- neren und zarten Arthropoden, durch die gesammte Ober- fläche des Körpers vermittelt. Bei grösseren Wasserbe- wohnern übernehmen besondere schlauchförmige, meist verästelte Anhänge der Extremitäten als Kiemen diese Function, während bei den luftlebenden Insecten, Myria- poden, Scorpionen und Spinnen innere, mit Luft gefüllte verästelte Röhren (Tracheen) oder Hohlblätter (Fächer- tracheen, Lungen) zur Respiration dienen. Nach dem Gegensatze der Athmungsorgane hat man wohl auch die Arthropoden in Branchiata und Tracheata eingetheilt. Die Fortpflanzung der Arthropoden ist eine ge- schlechtliche, erfolgt aber zuweilen durch Entwicklung unbefruchteter Eier (Parthenogenese). Ovarien und Hoden sind ihrer Anlage nach ursprünglich paarig vorhanden, ebenso die Leitungswege, die freilich oft zu gemeinsamen Endstücken zusammentreten und mit medianer Ge- schlechtsöflfnung ausmünden (Insecten, Arachnoideen). Mit seltenen Ausnahmen (Cirripedien, Cymothoideen) sind die Geschlechter getrennt. Männchen und Weibchen erscheinen in ihrer gesammten Gestalt und Organisation häufig wesentlich verschieden. Selten kommt es wie bei den Schmarotzerkrebsen zu einem so ausgeprägten Dimorphismus des Geschlechtes, indem die Männchen zwergartig klein bleiben und Parasiten-ähnlich am Körper des Weibchens festsitzen. Während des Begattungsactes, der oftmals eine äussere Vereiniguug beider Geschlechter bleibt, werden häufig Spermatophoren am .Äd Dai-mcanal von Pontia hrat- xicae, nach N e w p o r t. . li Rüssel (Maxille), SpSpei- cUoIdrüsen, Oe Oesophagus, S Saugmagen, Atg Malpi- ghi'sche Gefä.sse, Ad Aftir- darm. I. Cliissc. Criiata, J.") besteht. In vielen, besonders den höheren Formengruppen, verliert die Antenne den Nebenast oder bildet denselben zu einer Schuppe, um wie überhaupt die Gestaltung dieser Gliedmassen grosse Verschiedenheiten bietet. Jlandibeln « von Calanus, 6 von Conclioecia, c von Nehalia, d von Astaciis L Kaulade, En Eudopodit, Ex Exopodit. Bei Conclwecia findet sieli auch am ersten Gllede des Endopoditen (Taster) eine Kaulade (L") 44(5 igiialli. .Maiidibol. Maxillfii. Es folgen dann die zu Muiidwerkzeugen umgestalteten Gliedmassen, die Mandiheln und zwei Paare von Maxilhn. Die ersteren gruppiren sich zu den Seiten einer meist helmfOrmig die Mundöffnung überragenden Oberlippe, unter welcher liäufig eine kleine als Unterlippe unterschiedene, zwei tasterähnliehe Lappen (Para«/«rt//ieu) tragende Platte liegt und mit der ersteren eine die Kau- fortsätze der Mandibeln aufnehmende Atrialhöhle umgrenzt. Die Mandibcln Fig. 407. 6 c d ^Maxilleii dos ersten P; Cdlanus, ä von Gainviarus, c von Euplu d von A^tacus. L I/ailou, En Endopodit, Ex Exopodit, Ep Epipodialplattc. bilden meist einfache aber feste und harte, bezahnte Kauplatten (Fig. 406), welche morphologisch dem Cosalgliede der Gliedmasse entsprechen, deren nach- folgende Glieder einen tasterartigen Anhang (^Mandibulartaster) darstellen. Viel schwächer, aber mit mehreren Laden versehen, erweisen sich die zwei Paare Unter- Fig. 408. En Ataxillen des zweiten Paares, a von Gammarun, h von EuphausUi , c von Miisia A.slacus. L Laden, En Endopodit, Ex Exopodit. kiefer, Maxillae. Dieselben charakterisiren sich durch das Auftreten von Kaufort- sätzen (Laden) des Stammes, an welchem der Eudopodit und Exopodit meist als beinförmige Tasteranhänge oder fächerartige Platten erhalten sind. (Fig. 407.) Ausnahmsweise (Calaniden) kann auch ein Epipodialanhang, der bei den höhereu Krebsen erst an den Thoracalfüssen auftritt und zu der Entwicklung von Kiemen in Beziehung steht, vorhanden sein. (Fig. 407 a) Die Maxillen 447 des zweiten Paares ei'weiseii sich meist als vereinfaclite Wiederholungen der ersteren, köunenjedochaiicli bedeutender abweichen. Bei denCopepodeninseriren sich nach Rückbildung des Stammes die beiden Aeste von einander getrennt und werden hier als Kieferfiisse bezeichnet (^Fig.422, Kf\ Kf"). Bei vielen para- sitischen Copepoden sind dieselben zu Greiforganen umgestaltet. Die Thoracalbeine gestatten die gleiche Zurückführung auf einen zwei- gliedrigen Schaft mit Endopoditen und Exopoditen, doch kommt am Basalglied des Schaftes noch ein Epipodialanhang, Epipodit, sowie ein oder mehrere als Kiemen fungirende Anhänge hinzu. (Fig. 409.) Die vorderen Paare dieser Gliedmassen bilden Ober- und Unterlippe nicht selten zu einem Saugschuabel um, in welchem die stiletförmigen Maudibeln als Stechwaffen liegen. Thoracalbeine treten oft in ihren vorderen Paaren in Beziehung zur Nahrungsaufnahme und sind dann dem Munde genäherte, nach vorne gerückte sogenannte Kieferfüsse {Pedes maxillares). Sie Fig. 409. können aber auch unter einander im Wesent- lichen gleichgestaltet bleiben und dienen dann sämmtlich vornehmlich zur Herbeistrudelung der Nahrung und zur Locomotion (Nehalia). In- dessen bieten sie nach der besonderen Lebens- weise und Bewegungsart eine äusserst mannig- faltige Gestaltung; dieselben sind breite, blatt- förmige Schvfimmfüsse(Phi/llopoden) oder zwei- ästige Ruderfüsse (Copepoden), sie können als Raukenfüsse (Cirripedien) zum Strudeln dienen, oder zum Kriechen, Gehen und Laufen [Isopoden, Decapoden) eingerichtet sein. Im letzteren Falle enden einige von ihnen mit Haken oder Scheeren. Die Gliedmassen des Hinterleibes endlich, welcher häufig in toto bewegt wird und zur Unterstützung der Locomotion dient, sind von jenen des Mittelleibes verschieden und entweder ausschliesslich Locomotionsorgane, Spring- und Schwimmfüsse (Amphipoden), oder sie dienen mit ihren Anhängen zur Respiration, auch wohl zum Tragen der Eier und zur Begattung (Decapoden). Nicht minder verschieden als die äussere Form und der Körperbau ver- hält sich die innere Organisation. Das Nervensystem besteht bei den niederen Formen oft aus einer nicht weiter gegliederten Ganglieumasse in der Um- gebung des Schlundes, welclie sowohl dem Gehirn als dem Bauchmark ent- spricht und alle Nerven entsendet. Bei den höheren Krebsen ist ein gesondertes Gehirn und eine meist gestreckte, sehr verschieden gestaltete Bauchganglien- kette, sowie stets ein reiches Geflecht von Eingeweidenerven und Ganglien des Sympathicus vorhanden. Von Sinnesorganen sind Augen am meisten ver- breitet, entweder als einfache Punktaugen (unpaare oder paarige), oder als Brustfuss von Nehalia. 1, 2 die Glieder des Schaftes (Protopodit), iu ihrer Ver- längerung der Eudopodit, Ex Exopodit, Ep Epipodit. 448 C'rustacea. Innere f)rf?;inisatioii. KntwicUImifr zusammengesetzte Augen mit glatter oder facettirter Hornliaut. im letzteren Falle oft in die beweglich abgesetzten Seitentbeile des Kopfes (^Stielaugen) hineingerückt. Aucb Gehörorgane kommen vor, meist im Basalgliede der ersten Antennen, selten in den Schwanzplatteu am hinteren Leibesende (Mysis). Zur Vermittlung wahrscheinlich der Gevuchsempfindnng dienen zarte Haare und Fäden der vorderen Antennen. Der Verdauungscanal erstreckt sich in der Regel in gerader Richtung vom Mund zu dem am hinteren Leibesende gelegenen After. Bei den höheren Formen erweitert sich die Speiseröhre vor dem Mitteldarme in einen mit Chitinplatten bewaffneten Vormagen. Am langen Mitteldarme sitzen einfache oder ramificirte Leberschläuche auf. Als harnahsondernde Orgaue betrachtet man die an der Basis der hinteren Antennen ausmündende Drüse (Antennendrüse) der Malacostraken, welche unter den Entomostraken nur im Larvenleben auftritt und später rückgebildet wird. Dieselbe Bedeutung hat ein zw^eites Paar gewundener Drüsenschläuche, welches man gleich dem ersteren auf ein segmentales Nephridienpaar der An- neliden zurückführt. Dieses hat seinen Namen Schahndrüse -wegen der Aus- breitung im Schalenraum und kommt in besonderer Ausbildung bei den Ento- mostraken vor, fehlt jedoch auch bei den Malacostraken keineswegs überall. Es können aber auch am Darmcanal kurze, den Malpighi'scheu Gefässen analoge haruabsondernde Schläuche vorkommen {Brackyuren, Amphipoden). Die Kreislaufsorgane treten in sehr verschiedenen Formen auf, von der grössten Vereinfachung bis zur höchsten Complication eines fast geschlossenen Systems arterieller GefässeundvenöserBlutbahnen. DasBlutistmeistfarblos, zu- weilen grün, selbst roth gefärbt und enthält in der Regel zellige Blutkörperchen. Athnmngsorgane fehlen entweder völlig oder sind Kiemenschläuche am Ba- salgliede der Brustfüsse oder an den Füssen des Abdomens; im ersteren Falle können dieselben in einem besonderen, durch eine Integumentduplicatur (Schale) gebildeten Kiemenraume an den Seiten des Cephalothorax eingeschlossen liegen. Mit Ausnahme der hermaphroditischen Cirripedien und Fischasseln sind alle Krebse getrennten Geschlechts. Männliche und weibliche Geschlechts- organe münden meist an der Grenze von Brust und Abdomen, entweder am letzten, beziehungsweise am drittletzten Brustringe, oder am ersten Abdominal- segmente. Beide Geschlechter unterscheiden sich auch in der Regel durch eine Reihe von äusseren Merkmalen. Die Männchen sind kleiner, zuweilen sogar zwergartig und dann, Parasiten vergleichbar, an dem Weibchen befestigt; die- selben besitzen fast durchwegs Einrichtungen zum Festhalten des Weibchens und zum Ankleben der Samenschläuche während der Begattung. Die grösseren Weibchen dagegen tragen häufig die Eier in Säckchen mit sich herum, deren Hüllen sie mittelst des Secretes von Kittdrüsen bereiten. Die EnticicJdung erfolgt entweder durch Metamorphose, welche zuweilen eine rückschreitende ist, oder auf directem Wege, indem die Jungen bereits in der Körperform der Eltern das Ei verlassen. Als Ausgangspunkt ist die als Crustacea. System. 449 NaupUus bekannte Larve von grosser, jedoch nicht phyletischer Bedeutung. (Fig. 410.) Diese Larve besitzt einen ovalen Leib mit dreitheiligem Medianauge und drei Gliedmassenpaaren für Tastempfindung, Nahrungsaufnahme undLoco- motion. Diese Gliedmassen entsprechen den späteren Antennen und Mandibeln; die vorderen, welche zu den Sinnesanteunen werden, sind einästig, die beiden anderen tragen auf einem breiteren Schafte zwei Aeste, ein Eudopodit und Exopodit. In einzelnen Gruppen {Phyllopoden und Ostracoden) ist das Vorkommen von Parthenogenese constatirt. Fast alle Crustaceen nähren sich von tliierischen Stoßen, viele saugend von Säften lebender Tliiere, an denen sie schmarotzen. Zur systematischen üebersicht des überaus vielgestaltigen Formengebietes erscheint es naturgemäss, die zahlreichen Ordnungen,welche von einer gemeinsamen Stammgruppe der hypothetischen Proto- straken abgeleitet werden können, in zwei als Unterclassen zu trennenden Keihen zu ordnen. In die erstere derselben werden als Entomostraca (0. Fr, Müller) die kleinen einfacher organisirten Crustaceen von überaus variirender Zahl und Gestaltung der Gliedmassen zusammengefasst, die Ordnungen der Phyllopoden^ Ostracoden^ Copepoden, Cirripedien und Ehizoce/phalen,, wenn man die letztere als Ordnung be- trachten will. Die Entomostraken besitzen meist eine Schalenduplicatur und Schalen- drüse und beginnen in ihrer Entwicklung mit der Naupltus\a,YYe. Denselben stehen als Malacostraca CAristoteles) die durch eine bestimmte Zahl von Leibessegmenten und Gliedmassen charakterisirten höheren Crustaceen gegenüber, die Ordnungen der Arthrosiraca (AmpJnpoden imd Isopoden) und Thoracostraca (Cumaceen, Stoma- topoden, Schizopoden und Decapoden). Auch hier ist oft eine Schalenduplicatur entwickelt, und auch die Schalendrüse kann erhalten sein, wenngleich die Antennendrüse eine verhältnissmässig grössere Verbreitung und Ausbildung gewinnt. Meist beginnt die freie Entwicklung mit einem höheren Larvenstadium als dem der Naupliusform, doch kann auch diese als jüngste Larve auftreten. Dazu kommt die seither mit Unrecht unter die Phyllopoden aufgenommene Gattung Nehalia, welche man als Repräsentant einer alten, die Phyllopoden und Malacostraken verbindenden Gruppe betrachten und als Leptostraca unter- C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. AuH. 29 Nauplius von Cycliq)x. ^ Z>r Schleifencauäle der An- tennendrüse, A', A", Md die drei den Antennen und der Mandibel entsprechenden Gliedmassen- paare, DS Darmsaussackuugen mit Haruzellen. 450 I- UnterRlasse. F.ntoniostraca. 1. Ordnung. Phylloprxla. scheiden kann. Mit derselben dürften die palaeozoisclieu Gattungen />m^e/^ mit gezähnten ^^ — .-^^^'r^^rSv, Seitenleisten bewaffnete Mund führt durch eine enge Speiseröhre in einen kolbig erweiterten, als Vormagen bezeichnetenDarmabschnitt, auf weichen ein weiter und langer Magendarm mit ^\^ "" "''^^ I !({ zwei langen seitlichen, in die Schalenlamellen ' hineinragenden Leberschläuchen folgt. In den Darm und Geschlechtsorgane einer weib- .. 1 • -n •!• 1 "ij. • 1 j T\ • Ik^hen C'/»ris, nach W. Z enk er. Oe Speise- übrigen Famihen verhalt sich der Darm ein- ^,,^.^_ p^ Vormagen, f Magen, d Darm, facher und wenn zwei Leberschläuche vor- l Leber, ov ovarium, sm schaieumuskei, 1 1 • 1 ' TT 1 • 7 \ 1 1 -v. j- n A'ReceptacuIumseminis, >'?( Vulva, FijFurca. banden sind {Halocypriden)^ bleiben dieselben kurze Säcke, welche nicht in die Schalen duplicatur eintreten. Der After mündet an der Basis des Hinterleibes. (Fig. 418.) Von besonderen Drüsen ist bei Cythere das Vorhandensein eines kolbig erweiterten Drüsenschlauches zu erwähnen, dessen Ausführungsgang in einen stachelähnlichen Anhang der hinteren An- tennen mündet. Ein sackförmiges, von zwei seitlichen Ostien durchbrochenes Herz findet sich bei Cypridma und Halocypris am Kücken, da, wo die Schale mit dem Thiere zusammenhängt. Zur Respiration dient vornehmlich die Ober- fläche der zarten inneren Schaleulamelle, an welcher durch die Schwingungen der fächerförmigen Athemplatten eine ununterbrochene Wasserströmung unter- halten wird, Kiemen fehlen au den Gliedmassen, dagegen findet sich bei Cypridi- niden (Ästerope) in der Nähe des Putzfusses am Kücken eine Doppelreihe von Kiemenschläiichen. Die Geschlechter sind durchweg getrennt und durch nicht unmerkliche Differenzen des gesammten Baues unterschieden. Die Männchen besitzen, von der stärkeren Entwicklung der Sinnesorgane abgesehen, an verschiedenen 4(50 Ostracoila. Entwickhing Gliedmassen, an der zweiten Antenne [Cypridina) oder am Kieferfusse ( Ci/pris), zum Festhalten des Weibchens dienende Einrichtungen, oder auch zugleich ein völlig umgestaltetes Beinpaar. Dazu kommt überall ein umfangreiches, oft sehr complicirt gebautes Copulai ionsorg an, das auf ein umgestaltetes Glied- massenpaar zurückzuführen sein dürfte. Für den männlichen Geschlechts- apparat, welcher jederseits aus einem kugeligen oder mehreren langgestreckten Hodenschläuchen, einem Samenleiter und dem Begattungsgliede besteht, er- scheint bei Cypris das Vorhandensein eines sehr eigenthümlichen Ejaculations- apparates (sog. Schleimdrüse), sowie die Grösse und Form der Samenfäden bemerkenswerth (Z e n k e r). Die Weibchen von Cypris besitzen zwei in die Schalenduplicatur hineinragende Ovarialschläuche, zwei Keceptacula seminis und ebensoviel Geschlechtsöffnuugen an der Basis des Hinterleibes. Die meisten Ostracoden legen Eier, die sie entweder an Wasserpflanzen ankleben (Cypris), oder, wie Cypridina, zwischen den Schalen bis zum Aus- schlüpfen der Jungen herumtragen. Das Vorkommen parthenogenetischer Ent- wicklung ist in neuerer Zeit für Cypris nachgewiesen worden. Die freie Entwicklung beruht bei Cypris auf einer complicirten Metamorphose. Die aus dem Ei aus- schlüpfenden Cypris\2iY\m besitzen wie die NaupUus- formen nur drei Gliedmassenpaare, sind aber seitlich stark comprimirt und bereits von einer dünnen zwei- klappigen Schale umschlossen. (Fig. 419.) Bei den ma- rinen Ostracoden vereinfacht sich die Entwicklung bis S::;^;;:™,^":;:;; ^«^ ™lligen AusfaU de,- Metamorphose. SM Schalenmuskel, Mdf Mau- Die Ostracodcu emährcn sich durch^veg von dibuiarfuss, A', A" Antennen, ^hierischen Stoffcu, wie CS schclut, besonders von den Cadavern verschiedener Wasserthiere. Zahlreiche fossile Formen sind fast aus allen Formationen, jedoch leider nur in ihren Schalenresten bekannt geworden. Farn. C;iitridmidae. Mit Herz und grossem beweglichen Augenpaar. Schalenrand zum Austritt der Antennen mit tiefem Ausschnitt. Die vorderen Antennen knieförmig gebogen, mit starken Borsten und mit Kiechfäden am Ende. Die hinteren Antennen sind zwei- iistige Schwiramfüsse. Cypridina M. Edw. Kautheil der Mandibel schwach oder ganz ver- kümmert, Taster fünfgliedrig, beinförmig. von bedeutender Länge. Das siebente Gliedmassen- paar durch einen cylindrischen geringelten Anhang (Putzfuss) vertreten. Cypridina medi- terranen Costa. (Fig. 377.) Asttrope ohlonga Gr., Triest. Hinter den Putzfüssen jederseits eine Reihe von Kiemenblättern. Farn. Jlalocypridae. Mit Herz und zweiiistigen liinteron Antonn(3n, augenlos. Schalen dünn, drüsenreich. Das siebente Gliedmassenpaar stabförmig, mit langer Endborste. Halocypris Dana. H. concha Cls. , Atl. Ocean. ConcJioecia Dana. C. s2Jinirostris Cls., Mittelmeer, auch Adria. Farn. Cytheridae. Ohne Herz. Vordere Antennen an der Basis knieförmig umgebogen, mit kurzen Borsten besetzt. Hintere Antennen kräftig, mit Haken am Endgliede. Drei Bein- paare, von denen das hintere am mächtigsten entwickelt ist. Hinterleib nur mit zwei kleinen lappenförmigen Furcalgliedern. Die Hoden und Ovarien treten nicht zwischen die Schiilenblätter. Männlicher Geschlechtsapparat sog. ohne Schleimdrüse. Sind durchweg Meeresbewoliner. Die Weibchen tragen oft die Eier und Embryonen zwischen den Schalen. 3. Ordnung. Copepoda. 461 fythere 0. Fr. Müll. Cythere lutea 0. Fr. Müll.. Nordmeere und Mittolmeer. C. viridis 0. Fr. Müll., Nordmeero. Paradoxostoma Fisch. Mit kurzem Saugrüssel. Mandibeln stiletförmig. Farn. Cypridae. Mit Medianauge, ohne Herz. Schalen leicht, aberstark. Die vorderen An- tennen meist siebengliedrig und mit langen Borsten besetzt, die des zweiten Paares einfach beinfürmig, meist sechsgliedrig. Zwei Beinpaarc, von denen das hintere schwächere Paar aufwärts nach dem Bücken umgebogen ist. Furcalglieder sehr schmal und langgestreckt, an der Spitze mit Hakenborsten. (Fig. 416.) Die Hoden und Ovarien treten zwischen die Schalenblätter. Männlicher Geschlcchtsapparat mit eigenthümlichem, früher als Schleimdrüse beschriebenem Propulsionsapparat. Grossentheils Süsswasserbewohner. Cypris 0. Fr. Müll., Cyprisfusca Str., C.pubera 0. Fr. Müll., C.fuscata Jm\ u. a. A. Notodromus monacJms 0. Fr. Müll. 3. Oidaung. Copepoda*), Copepoden. Enfomostraken von gestreckter^ meist wollig egliederter Körperform, ohne sch(den.fo)'mige Hautduplicatur, mit 4 oder 5 Paaren zweiästiger Rtiderheine am Thorax und gliedmassevlosem Abdomen. Eine vielgestaltige Formengruppe, deren freilebende Glieder sieb durcb eine constante Zabl von Segmenten und Gliedmassenpaaren auszeichnen . Die zablreicben parasitischen Formen hingegen entfernen sich von der Körpergestalt der freischwimmenden in einer Reihe von Abstufungen und erhalten schliess- licb eine so veränderte Gestalt, dass sie ohne Kenntniss der Entwicklung und der Eigeuthümlichkeiten ihres Baues eher für Schmarotzerwürmer als für Ar- thropoden gehalten werden könnten. .Indessen erhalten sich meist auch hier die charakteristischen Euderbeine, wenn freilich oft in geringer Zahl, als rudimen- täre oder umgestaltete Anhänge. Beim Mangel der letzteren aber gibt die Ent- wicklungsgeschichte sicheren Aufschluss über die Copepodennatur. Der Kopf erscheint in derRegel mit dem erstenBrustsegment verschmolzen und trägt dann als Cephalothorax zwei Paare von Antennen, zwei Mandibeln, ebensoviel Maxillen, vier sogenannte Maxillarfüsse, welche übrigens nur äussere und innere Aeste eines zweiten Maxillenpaares sind, ferner das erste nicht selten abweichend gestaltete Paar von Ruderfüssen. Es folgen dann vier freie Thoracalsegmente mit ebensoviel Ruderfusspaaren, von denen das letzte häufig verkümmert, im männlichen Geschlechte auch oft als Hilfsorgan der Begattung umgestaltet sein kann. Uebrigens kann sowohl das fünfte Fusspaar, als das ent- sprechende Thoracalsegment ganz hinwegfallen. Das Abdomen besteht ebenso wie die Brust aus fünf Segmenten, entbehrt aber aller Gliedmassen und endet mit zwei gabelig auseinanderstehenden Gliedern [Furca), an deren Spitze mehrere lange Schwanzborsten aufsitzen. (Fig. 420.) Am weiblichen Körper vereinigen sich meist die beiden ersten Abdominalsegmente zur Herstellung eines Genital- doppelsegmentes mit den Geschlechtsöffnuugen. Sehr häufig erfährt auch das Ab- domen, vornehmlich bei den parasitischen Formen, eine bedeutende Reduction. ') 0. Fr. Müller. Entomostraca seu Insecta testacea, quae in aquis Daniae et Norvegiae reperit, descripsit. Lipsiae, 1785. Jurine, Histoire des Monocles. Geneve, 1820. W. Lilljeborg, De cru.staceis ex ordinibus tribus: Cladocera, Ostracoda et Copepoda, in Scania oceurrentibus. Lund., 1853. C. Claus, Die freilebenden Copepoden. Leipzig, 1863. C. G robben. Die Entwicklungsgeschichte von Cetochilus septentrionalis. Arb. des zool. Instituts etc. der Univ. Wien, Tom. IIT. 1881. 46! Copepoda. Gliedmassen. Die vordereu, meist vielgliedrigen Antennen sind auch hier Träger voi¥ Spürborsten, dienen aber bei den frei umherschwimmeuden Formen zur Loco- motion und im männlichen Geschlechte als Greifarme zum Fangen und Fest- halten des Weibchens während der Begattung. (Fig. 421.) Die hinteren Antennen bleiben durchweg kürzer, tragen nicht selten doppelte Aeste und sind zum Anlegen oder Anklammern an festen Gegenständen befähigt. Von Mundwerk- zeugen liegen unterhalb der Oberlippe zwei bezähnte, meist tastertragende Mandibeln, welche bei den freilebenden Copepoden als Kauorgane fungiren, Fisr. 420. Fitr. 421. Weibchen von Cyelops coronatus, vom Kücken aus Eine nüinnliebe Anten gesehen. A', A" die erste und zweite Antenne, DDann, Sf Spürf:lil Or.S Eiersäckehen. von Cilf/nps serruJalns. M Muskel. bei den parasitischen aber, in der Kegel zu spitzen stiletförmigen Stäben um- gebildet, zum Stechen benutzt werden. In diesem Falle rücken dieselben meist in eine durch Vereinigung der Oberlippe und Unterlippe gebildete Saugröhre. Das auf die Mandibeln folgende vordere Maxillenpaar besitzt in der Kegel mehrere Laden und einen Taster, oft auch einen Fächer (Epipodialanhang), verkümmert aber bei den Schmarotzerkrebsen zu kleinen tasterartigen Höckern, welche ausserhalb der Saugröhre liegen. Die Maxillen des zweiten Paares sind in ihre beiden Aeste aufgelöst, welche als innerer und äusserer Maxillarfuss be- zeichnet werden und sowohl zum Ergreifen der Nahrung (Fig. 422), als vor- nehmlich bei den Schmarotzerkrebseu zum Anklammern dienen. (Fig. 426.) Innere Organisation. 463 Die Ruderbeine der Brust bestehen aus einem zweigliedrigen Basalabsclinitt und aus zwei dreigliedrigen, mit Borsten besetzten Ruderästen, welche, breiten Ruderplatten vergleichbar, dassprungweiseFortschnellen im Wasser bewirken. (Fig. 423.) Bei den Argididen ge- winnen die Aeste eine bedeutende Streckung und nähern sich durch ihre reichere Gliederung den Cirripedienbeinen. Ueberall findet sich ein Gehirn mit austretenden Sinnesnerven neben einem Bauchstrang, der entweder in seinem Verlaufe einige Ganglien bildet oder sich zu einer gemeinsamen unteren Schlundganglienmasse con- centrirt. Von Sinnesorganen ist das mediane dreüheih'ge Stirnauge (Cgclopsauge) ziemlich allgemein verbreitet. Ausser den Tastborsten^ deren Sitz vornehmlich an den vorderen Antennen, aber auch aii manchen anderen Stellen der Haut zu suchen ist, kommen Spürfäden als zarte Anhänge der vorderen Antennen vornehmlich im männlichen Geschlechte vor. (Fig. 421.) Der Darmcanal zerfällt in eine kurze enge Speise- röhre, einen weiten, oft mit zwei Blindschläuchen be- ginnenden Magendarm und einen engen Enddarm, welcher auf der Rückenfläche des letzten Abdominalsegments ausmündet. Häufig scheint die Darmfläche zugleich die Function von Harnorganen zu übernehmen, indessen findet sich gleichzeitig eine Schalendrüse imKopfbruststück zu den Seiten der Kieferfüsse. Ueberall vermittelt die ge- sammte Hautoberfläche die Respiration. Kreislaufsorgane werden entweder durch regelmässige Schwingungen des Darmcanals {Cyclops, Ächtheres) ersetzt, oder es tritt im Vordertheil der Brust oberhalb des Darmes ein kurzes sackförmiges Herz auf (Calaniden)^ welches sich sogar in eine Kopfarterie fortsetzen kann {Calaneüa). (Fig. 59.) Die Copepoden sind getrennten Geschlechtes. Bei- derlei Geschlechtsorgane liegen im Cephalothorax und in den Brustsegmenten und bestehen aus einer unpaaren Geschlechtsdrüse, deren paariger oder unpaarer Aus- führungsgang am Basalsegmente des Hinterleibes mündet. Fast regelmässig machen sich in Form und Bildung ver- schiedener Körpertheile Geschlechtsunterschiede geltend, welche bei einigen Schmarotzerkrebsen (Chondracan- thiden, Lernaeopodiden) zu einem höchst auffallenden Dimorphismus führen. Die Männchen sind kleiner und leichter beweglich, die vorderen Antennen und die Füsse des letzten Paares werden zu accessorischen Copulationsorganen, indem sich jene zum Festhalten Cijclops. M Maudibel, Mx Maxille, Kf innerer, Kf" äusserer Kiefer- fuss (Aeste des zweiten Ma- xillenpaares). Ficr. 423. Ruderfuss eines Cyclops. En Innenast, Ex Aussenas 464 Copopoda. Eiitwii-klung. Nauplius-Larvc. des Weibchens, diese zum Ankleben der Spermatophoren umgestalten. Die letzteren bilden sich innerhalb der Samenleiter vermittelst eines schleimigen Secretes, welches in der Umgebung der Samenmasse zu einer festen Hülle erstarrt. Die grösseren Weibchen bewegen sieh oft schwerfällig und tragen die Eier in Säckchen rechts und links am Abdomen mit sich herum. Viele besitzen am Eudabschnitte des Oviducts Driisenzellen, deren Absonderungs- product zugleich mit den Eiern austritt und die erstarrende Hülle der Eier- säckchen liefert. AVährend der Begattung, die nur eine äussere Vereinigung beider Geschlechter bleibt, klebt das Männchen dem Weibchen eine oder mehrere Spermatophoren am Genitalsegment, und zwar an besonderen Oeffnungen an, durch welche die Samen- körper in das Eeceptaculum seminis übertreten und die Eier während ihres Austrittes in die sich bildenden Eier- säckchen befruchten. Die Entwicklung beruht auf einer complicirten und bei vielen Schmarotzerkrebsen rückschreitendeu Metamor- phose. Die Larven schlüpfen als Nauplmsformen mit un- paarem Stirnauge und drei Gliedmassenpaaren aus, von denen das mittlere und hintere Metamorpliose \on Cijclnps. — « Aeltere Naupliuslarvo von Cijcloj/s .ierrulaf.ua. h Jüngste Cynlopsform. A', A" die Antennen des ersten und zweiten Paares, AD Antennendrüse, Mf Mandibularfuss, Jüd Mandibel, Mx Maxille, Mxf Maxillarfuss, F", F" erster und zweiter Ruderfuss, He Haruconcremente in den Darmzellen, D Darm, AD Euddarm, A After, G Genitalanlage. zweiästig sind. (Fig. 410.) Zur Einfuhr der Nahrung in die Mundöffnung, welche von einer grossen Oberlippe kap- penartig überdeckt wird, dienen Hakenborsten am 2. und 3. Gliedmassenpaare. Als Harnorgan fungirt die Antennendrüse. Die hintere Leibespartie endet mit zwei Borsten zu den Seiten des Afters und entspricht dem noch nicht diflferenzirten Mittel- und Hinterleib. Die Veränderungen, welche die jungen Larven mit dem weitereu Wachs- thume erleiden, knüpfen an mehrfach aufeinanderfolgende Abstreifungen der Haut und beruhen im Wesentlichen auf einer Streckung des Leibes und auf dem Hervorsprossen neuer Gliedmassen. Schon das nachfolgende Larven- stadium (Fig. 424 a) weist hinter den drei ursprünglichen, zu den Antennen und Mandibeln werdenden Gliedmassenpaaren ein viertes Paar, die späteren Maxillen auf; in einem späteren Stadium sind drei neue Gliedmassenpaare gebildet, von denen die ersten den sogenannten Kieferfüssen entsprechen. 465 während die zwei letzten Paare die vorderen Kuderfüsse in ihrer ersten Anlage vorstellen. Auf diesem Stadium {Metanawplius) (Fig. 425) er- scheint die Larve noch immer TVaifp^ms-ähnlich und erst nach einer nochmaligen Häutung geht sie in die erste Cydops-uxixga Form über. Diesell)e gleicht bereits im Bau der Fühler und Mundtheile dem ausgewachsenen Thiere, wenngleich die Zahl der Gliedmassen und Leibesringe eine geringere ist. (Fig. 424 h.) Die beiden letzten Gliedmassenpaare stellen bereits kurze zweiästige Kuderfüsse vor, zu denen auch die Anlagen des dritten und vierten Kuderfusses in Form mit Borsten besetzter Wülst(i hinzugekommen sind. Der Leib besteht jetzt aus dem ovalen Kopfbruststück, dem zweiten bis vier- ten Thoracalsegment und einem langgestreckten Endgliede, welches das letzte Thoracalsegment und alle Segmente des Abdomens durch fort- schreitende Gliederung erzeugt und bereits mit der Schwanzgabel endet. Viele Formen der parasitischen Copepoden, z. B. Lernanthropus, Chondracanthus, gelangen über diese Stufe der Leibesgliederung nicht hinaus und erhalten weder die Schwimmfüsse des dritten und vierten Paares, noch ein Fig. 435 Mftaiiauplius von Cyclopsine. 0 Auge, a Genitalaulage, fiD Antenneudrüse, A', A" die beiden Antennen, Jfe Bla- xille, Mf Maxillarfuss. vom stummeiförmigen Abdomen gesondertes fünftes Brustsegment; andere Schmarotzer - krebse, wie z. B. Ach- theres, sinken durch den späteren Verlust der bei- den vorderen Schwimm- fusspaare auf eine noch tiefere Formstufe zu- rück. (Fig. 426.) Alle freilebenden und auch viele parasiti- schenCopepoden durch- laufen mit den noch folgenden Häutungen eine grössere oder ge- ringere Reihe von Ent- Fiff. 426. Achlh stadii Mrf, C. Claus: Lehrbuch der Zool ■i-e-i 2'crcariim. a Naupliubfonn. — h Die Larve im jüngsten Cyclops- im. — r Weibchen von der Hauchseite gesehen. D Dann, "/• Ovarium, J/x/" die beiden Maxillarfüsse, KD Kittdriison. — d Das kleinere Männchen in seitlicher Lage. ;. 5. Autl. 30 466 Copppoda. Scliinarot7.erlvrebse. Wicklungsstadien, au welchen in coutinuirlicher Aufeinanderfolge die noch fehlenden Segmente und Gliedmassen hervortreten und die bereits vorhandenen Extremitäten eine reichere Gliederung erfahren. Viele Schmarotzerkrebse über- springen indessen die Entwicklungsreihe der Naupliusformen. indem die Larve alsbald nach ihrem Ausschlüpfen die Haut abwirft und bereits in der jüngsten Fi.ic. 428. Die beiden Geschlechtsthiere von Chondracanthus ijilihosus, etwa sechsfach vergrössert. a Weibchen in seitlicher Lage, h Dasselbe von der Bauchfläehe mit anhaftendem Männchen, c Männt-hen, untoi- starker Vergrösserung. An' vordere Aifteuuen, An" Klammerantennen, F' , F" die beiden Fuss- paare, A Auge, M Mundtheile, Oe Oesophagus, 1) Darm, T Hoden, Vd Samenleiter, Sp Sperma- tophorensack, Ov Ejerschläuche. icrnoea hrancltialis . a Männchen (von circa 2 — 3 Mm Länge). Oc Auge, G Gehirn, M Magen, F^ bis F^^ die vier Schwimmfusspaare, T Hoden, Sp Sper matophorensack. — 6 Weibchen (im Begattungs Stadium, .5—6 Mm. lang). A', A" die beiden An teunenpaaro, /,' Rüssel, .Wj/ Maxillarfuss, i) Darm — c In der Metamorphose begriffenes Weibchen von Lernaea hraiu'hiafis nach der Begattung. — d Das selbe mit Eiersäckehen, in natürl. Grösse. Q/c/opsform mit Klammerantennen und stechenden Mundwerkzeugen erscheint. (Fig. 426.) Dieselben durchlaufen schon von diesem Stadium an eine regressive Metamorphose, indem sie sich als Parasiten an ein Wohnthier anheften, an ihrem unförmig auswachsenden Leibe die Gliederung mehr oder minder voll- ständig verlieren, auch die Kuderfüsse abwerfen und selbst das ursprünglich Pygin;leiimäiiuchen. EucopRimtin. Onatliostoinata. SiphoiiDstomata. 46< vorhandene Auge rückbilden (Lernaeopodeii). Die Männchen aber bleiben in solchen Fällen oft zwergartig klein und sitzen dann (häufig in mehrfacher Zalil)- in der Nähe der Geschlechtsoffnung am weiblichen Körper angeklammert fest. (Fig. 427.) Bei den Lernaeen suchte man solche Pygmäenmännchen an dem höchst absonderlich gestalteten Leibe der grossen, Eierschläuche tragenden Weibchen lange Zeit vergebens, bis es sich herausstellte, dass die sehr kleinen cyclops- förmigen Männchen mittelst vier Schwimmfusspaaren frei herumschwimmen, und dass die Weibchen im Begattnngsstadinm jenen ähnlich gestaltet sind und erst nach der Begattung als Parasiten die bedeutende Grösseuzunahme und Umgestaltung ihres Leibes erfahren. (Fig. 428.) 1. Unterordnung. Eucopepoda. Copepoden mit lluderfüssen, deren Aeste zwei- oder dreigliedrig sind, mit kauenden oder saugenden und stechenden Mundwerkzeugen. L Gnathostomata. Meist freilebend, mit kauenden Mundwerkzeugen und vollzähliger Leibesgliederung. Fam. Cydopidae. Meist Süsswasserbewohner, ohne Herz, mit einfachem Auge und viergliedrigen, niemals zweiästigen Antennen des zweiten Paares. Die Püsse des fünften Paares in heiden Geschlechtern rudimentär. Beim Männchen beide Antennen des ersten Paares zu Greifarmen umgebildet. Cydops coronatus Cls. (Fig. 420), C. serrulatus Fisch., Canthocaviptus minutus Cls., C. staphylinus Jur., Harpacticus chelifer 0. Fr. Müll. Nordsee. Fam. Calanidae. Die vorderen Antennen sehr lang, nur die der einen Seite zu Greifarmen umgebildet; hintere Antennen zweiästig. Herz stets vorhanden. Die Füsse des fünften Paares im männlichen Geschlechte zu Hilfsorganen der Begattung umge- staltet. CetocJiilus septentrionalis Goods., Diaptomus castor Jur., Süsswasserform. Ivenaeus Patersonü Tempi. Fam. Notodelphyidae. Körper wie bei den Cyclopiden gebaut, die hinteren Antennen Klammerantennen. Die beiden letzten Brustsegmente sind beim Weibchen verschmolzen und bilden einen dorsalen Brutbehälter zur Aufnahme der Eier. Leben in der Kiemen- höhle der Ascidien. Notodelphys agilia Thor. 2. Parastta *) (3ipho7iostomata), Schmarotzerhrehse. Mit stechenden und saugenden Mundwerkzeugen, meist mit unvollzähliger Leibesgiiederung und verkümmertem Abdomen. Die hinteren Antennen und Maxillarfüsse enden mit Klammerhaken. Ein- zelne Formen schwimmen noch frei umher, die meisten leben an den Kiemen, in der Kachenhöhle und an der äusseren Haut von Fischen, einige in den Ge- weben der Wohnthiere eingesenkt {Penella) und nähren sich von den Säften und vom Blute der letzteren. *j Vergl. A. v.-N 0 r d m a n n, Mikrographische Beiträge zur Naturgeschichte der wirbel- losen Thiere. Berlin, 1832. H. Burmeister, Beschreibung einiger neuen und wenig bekannten Schmarotzerkrebse. Nova acta Ac. Caes. Leop., Tom. XVII, 1835. Steenstrup und Lütken, Bidrag til kundskab om det aabne Havs Snyltekrebs og Lernaeer. Kjoben- havn, 1861. C. Claus, Ueber den Bau und die Entwicklung von Achtheres percarum. Zeitschr. für wiss. Zool., 1861. Derselbe, Beobachtungen über Lernaeocera etc. Mar- burg, 1868. 30* 468 Branchiiir.-i. Faiii. i'orycaeidac. Vordere Antennen knrz. weniggliedrig, in beiden Geschlechtern gleich, die hinteren ohne Nebenast, jnit Klanimerhaken, nach dem Geschlechte ver- schieden. Mundtheile zum Stechen eingerichtet. Medianauge und paarige Seitenaugeu oft vorhanden. Leben tlieilweise als temporäre Parasiten. Corycaeus elongatus Cls.. »S'ajj- phirina fulgens Thomps. Fam. Chondracanthidae. Körper gestreckt, oft ohne deutliche Gliederung und mit zipfelförmigen Auswüchsen. Hinterleib stummeiförmig. Die beiden vorderen Euderfuss- paare sind zweizipflige Lappen, die übrigen fehlen. Ohne Saugrüssel. Mandibeln sichel- förmig. Die bimförmigen Männchen zwergartig klein, oft zu zweien am weiblichen Körper befestigt. Clwndracanllms gihhosus Kr., auf Lophius (Fig. 427), Ch. cornutns 0. Fr. Müll., auf Schollen. Fam. Caligidae, Fischläuse. Körper flach, mit schildförmigem Cephalothorax und sehr umfangreichem, namentlich im weiblichen Geschlechte aufgetriebenem Genitalseg- ment, dagegen kleinem, mehr oder minder reducirtem Hinterleib. Mit Saugröhre und stiletförmigen Mandibeln. Vier zweiästige Euderfusspaare ermöglichen eine rasche Schwimmbewegung. Leben an den Kiemen und der Haut von Seefischen. Eierschläuche schnurformig. Caligics rapax Edw., Cecrops Latreillii Leach., auf Orthagoriscus. Fam. Lernaeidae. Körper des Weibchens stab- oder wurmförmig gestreckt, unge- gliedert, mit Fortsätzen und Auswüchsen am Kopfe. Mundtheile stechend mit Saugriihre. Vier Paare sehr kleiner Schwimmfüsse oder Keste derselben. Die Weibchen sitzen mit ihrem Vorderkörper eingebohrt an Fischen fest. Lernaeocera ci/prinacea L., Fenella sagitta L., Lernaea hranchialis L. (Fig. 428), an Gadusarten. Fam. Lernaeopodidae. Körper in Kopf und Thorax abgesetzt, mit ganz rudimen- tärem Hinterleib. Mundtheile stechend, mit Saugröhre. Die äusseren Maxillarfüsso er- langen eine bedeutende Grösse und vereinigen sich an ihrer Spitze beim Weibchen zur Herstellung eines gemeinsamen Haftapparates, welcher eine dauernde Fixirung herbei- führt. Schwimmfüsse fehlen vollständig. Die mehr oder minder zwergartigen Männchen mit grossen und freien Klammerfüssen, ebenfalls ohne Euderfüsse. Äcktheres percarum Nordm. (Fig. 426), Basanistcs huclionis Schrank, AncJiorella uncinata 0. Fr. Müll., auf Gadusarten. 2. Unterordnung. Branchmra *), Karpfenläuse. Mit grossen zusammen- gesetzten Angen und langem vorstreckbaren Stachel (Tastorgan) vor der Saug- röhre des Mundes, mit vier langgestreckten spaltästigen Schivimmfusspaaren imd breiter, zioeilappiger Schicanzßosse an Stelle des Abdomens. Die Karpfenläuse werden oft den Caligiden zur Seite gestellt, entfernen sich aber von den letzteren und den echten Copepoden in mehrfacher Hinsicht wesentlich. In der allgemeinen Körperform' gleichen sie allerdings bis auf den in zwei Platten gespaltenen Hinterleib (Schwanzflosse) den Caligiden, indessen ist der innere Bau und die Bildung der Gliedmassen von jenen Schmarotzer- krebsen verschieden. Ueber der Mundöffnung erhebt sich eine breite Saugröhre, in welcher fein gesägte Mandibeln und stiletförmige Maxillen verborgen liegen. Etwas oberhalb dieses Küsseis inserirt sich noch eine lange cylindrische, in ') Jurine, Memoire sur l'Argule foliacö. Annales du Museum d'hist. nat., Tom. VII, 1806. F. Leydig, Ueber Argulus foliaceus. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. IL, 1850. E. Cornalia, Sopra una nuova specie di crostacei sifonostomi. Milano, 1860. C. Claus, Ueber die Entwicklung, Organisation und systematische Stellung der Arguliden. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXV, 1875. F. Leydig, Ueber Argulus foliaceus. Archiv für mikrosk. Anatom., Tom. XXXIII, 1889. 469 einen einziehbaren stiletförmigen Stachel aushiufende Eöhre, welche einen am Gehirn paarig entspringenden Nerven enthält und als Tastorgau zu fungiren scheint. Zu den Seiten und unterhalb des Mundes sitzen kräftige Klammer- organe auf, und zwar ein oberes, den vorderen Kieferfüssen entsprechendes Paar, welches bei Argulus unter Verkümmerung des hakentragenden Endab- schnittes in eine grosse Haftscheibe umgebildet ist, und ein zweites, am breiten Basalabschnitte stark bedorntes Maxillarfusspaar, an dessen Spitze ein Tast- hücker und zwei gebogeneEndklauen sich erheben. Nun folgen die vier Schwimm- fusspaare der Brustregion, bis auf das letzte in der Hegel von den Seiten des Kopfbrustschildes bedeckt. Dieselben be- stehen je aus einem umfangreichen mehr- gliederigen Basalabschnitt und zwei viel schmäleren, mit langen Schwimmborsten besetzten Aesten, welche nach Form und Borstenbekleidung den Kankenfüssen der Cirripedien nicht unähnlich sehen und wie diese aus Copepoden-ähnlichen Füssen der Larven ihren Ursprung nehmen. (Fig. 429.) Die innere Organisation erinnert mehrfach an die Phyllopoden. Das Ner- vensystem zeichnet sich durch die Grösse des Gehirns und des aus sechs dicht- gedrängten Ganglienknoten zusammen- gesetzten Bauchmarkes aus. Ausser zwei grossen zusammengesetzten Seitenaugen ist ein unpaares dreilappiges Medianauge vorhanden. Am Darmcanal unterscheidet man einen kurzen, bogenförmig auf- steigenden Oesophagus, einen weiten, in zwei ramificirte Leberanhänge auslaufen- den Magendarm und einen Enddarm, der gerade nach hinten zieht und in der mittleren Ausbuchtung der Schwanzflosse, oberhalb zweier der Furca entsprechenden Plättchen nach aussen mündet. An dem Herzen finden sich zwei seitliche Spaltöffnungen und eine lange Aorta. Als Respirationsorgan fungirt die gesammte Oberfläche des Kopfbrustschildes, indessen scheint in der Schwanzflosse eine besonders lebhafte Blutströmung stattzufinden, so dass man diesen Körpertheil zugleich als eine Art Kieme betrachten kann. Die kleinen lebhafteren und rascher beweglichen Männchen besitzen an den hinteren Schwimmfusspaaren eigenthümliche Copulationsanhänge. Die Weibchen tragen ihre Brut nicht wie die echten Copepodenweibchen in Eier- säckchen umher, sondern kleben die austretenden Eier, deren vom Dotter Argulus foliaceus, junges Männchen. A' vordere Antenne, Sg Saugnapf am vorderen Kieferfuss, Kf" hinterer Kieferfuss, Sf Schwimmfüsse, i? Sehnabel, ,S7 Stachel, T) Darm, T Hoden. 470 4. Ordnung. Cirriiietlia. ausgeschiedene Hülle eine blasige Beschaffenheit gewinnt, als Laich an fremden Gegenständen an. Die ausschlüpfenden Jungen durchlaufen eine Metamorphose. Fam. Argulidae, Karpfenläuse. Argulus 0. Fr. Müll. Vorderes Kieferfusspaar in grosse Saugnäpfe umgestaltet. Stiletfönniger Stachelapparat vorhanden. A. foliaceus L. (Pou de poissons, Baldner), auf Karpfen und Stichling. A. coregoni Thor., A. giganteus Luc, Gyropeltis Hell. Das Kieferfusspaar endet mit einer Klaue. Stiletförmiger Stachel fehlt. G. KoJlari Hell., Kiemen von Hydroc^'on, Brasilien. G. Doradis Com. 4. Ordnung. Cirripedia *), Rankenftissler. Festsitzende, grösstentheils hermaphroditisclie Crustaceen^ 7nit undeutlich gegliedertem, von einer Hautduplicatur — mit verkalkten Schalenstücken — umschlossenen Körper, in der Regel mit sechs Paaren von Rankenfüssen. Fig. 430. Te a Lex)as, uacli Entfernung der rechten Schale. .4' Haftantenne am Ende des Stiels, C Carina, Te Tcrgum, Sc Scutum, K/c Mundkegel, i?'Furca, P Cirrus oder Penis, 3/ Muskel (Adductor). — 6 Baianus tintinnahulum., nach Ch. Darwin, nach Entfernung der einen Schalenhälfte. Tu Durchschnitt des äusseren Schalen- kranzes, Ol) Ovariuui, Od Oviduct, Oe Ausmündungsöifnung desselben, Ad Adductor. Die Cirripedien wurden wegen der Aehnlichkeit ihrer Schalen mit Muscheln für Mollusken gehalten, bis die Entdeckung der Larven durch Thompson und Burmeister ihre Zugehörigkeit zu den Eritomostraken unzweifelhaft machte. ') Vergl. S. V. Thompson, Zoological researches, Tom. I, 1829. H. Burnicistcr, Beiträge zur Naturgeschichte der Eankenfüssler, 1832. Ch. Darwin, A monograph of the Suh-Class Cirripedia. 2 Vol. London, 1851-1854. A. Krohn, Beobachtungen über die Entwicklung der Cirripedien. Archiv für Naturgesch., 1860. C. Claus, Die Cypris- ähnliche Larve der Cirripedien etc. Marburg, 1869. R. Kos s mann, Suctoria und Lepadidae. Würzburg, 1873. Yves Delage, Evolution de la Sacculine. Archives de Zoologie experi- mentale et generale, 2^ sör., Tom. II, 1884. SdiaU-. Kxtrciiiitäl 47 i 431. Dieselben sind von einer aus inelirereu (4, 5 und mehr) Stücken zusammen- gesetzten musclielförraigen Schale umschlossen, welche, durch Verkalkung der Chitinhaut einer mächtigen Hautduplicatur (Mantelj entstanden, als Scuta, Ten/a und Carina unterschieden werden. Das Thier ist stets an seinem vorderen Kopfende, welches bei den Lcpadiden in einen langen, frei aus der Schale her- vorstehenden Stiel ausgezogen ist, festgeheftet. Bei den Balam'den, welchen dieser Stiel fehlt, ist der Körper noch von einer äusseren, meist aus sechs Stücken gebildeten Kalkröhre umgeben, deren Oefifnung von den nach innen liegenden Schalenstücken deckelartig geschlossen erscheint. (Fig. 430 a und b.) In beiden Fällen wird die Befestigung des Thieres vornehmlich mittelst des erhärteten Secretes der sogenannten Cementdrüse bewirkt, welche an dem vorletzten saugnapfartig erweiterten Gliede der winzig kleinen vorderen Antennen ausmündet. Der vom Mantel und dessen Schalen stücken umhüllte Leib liegt mit seinem hinteren Theile in der Weise nach aufwärts ge- streckt, dass die zum Strudeln dienenden Extremi- tätenpaare aus der schlitzförmigen Spalte des Mantels au der Ventralseite zwischen den paarigen Scuta und Terga hervorgestreckt werden können. Man unterscheidet einen Kopf mit Antennen und Mundwerkzeugeu von dem die Eankenfüsse tragenden Leib (Thorax), ohne beide Abschnitte scharf abgegrenzt zu finden. Dem Thorax schliesst sich noch ein kleiner stumm eiförmiger, oft nur durch zwei Furcalglieder bezeichneter Hinterleib an, an welchem die Afteröffnung liegt. Hintere Antennen fehlen stets, während die des vorderen Paares auch im ausgebildeten Zustande als winzig kleine Haftorgane nachweisbar bleiben. Die Mundwerkzeuge sitzen einer ventralen Er- hebung des Kopfabschnittes auf und bestehen aus Oberlippe mit Lippentastern, zwei Mandibeln und vier Maxillen, von denen die zwei hinteren zu einer Art Unterlippe sich ver- einigen. Am Leibe erheben sich meist sechs Paare vielgiiedriger Kankenfüsse, deren cirrenartig verlängerte, reich mit Borsten und Haaren besetzte Aeste zum Herbeistrudeln der im Wasser suspendirten Nahrungsstoffe dienen. Der stummei- förmige Hinterleib trägt' einen langgestreckten, zwischen den Raukenfüssen nach der Bauchfläche umgeschlagenen Cirrus, das männliche Copulationsorgan. Uebrigens gibt es für die Gestaltung des gesammten Leibes zahlreiche und höchst sonderbare Abweichungen. Es können nicht nur die Verkalkungen des Mantels unterbleiben und die Eankenfüsse ihrer Zahl nach reducirt sein oder selbst ganz fehlen, sondern auch die Mundtheile und Gliedmassen verloren Die Organisation von Leims, nach Ent- fernung der Korperhaut. Cd Cement- drüse und Ausführungsgang, L Leber- anhänge am Darmcanal, T Hoden, Vd Vas deferens, Ov Ovarium, Od Oviduct, Cf Eankenfüsse. 472 Cirripedia. Nervensystom. Darmpanal. Geschlechtsorgane. Fig. 432. gehen {Peliogastrkhn) und der Körper zAirForm eines ungegliederten Sclilauclies, Sackes oder einer gelappten Scheibe herabsinken. Die Cirripedien besitzen ein paariges Gehirnganglion und eine meist aus fünf Ganglienpaaren gebildete, zuweilen aber auch zu einer gemeinsamen Ganglienmasse verschmolzene Bauchganglienkette. (^a?«mcZew). Von Sinnes- organen ist das Vorkommen eines wenn auch rudimentären, dem unpaaren Naupliusauge entsprechenden Doppelauges hervorzuheben. Ein Darmcanal fehlt nur den Wurzelkrel)sen. Bei den Lepadidmxm^ Baln- niden besteht der Verdauungscanal aus einer engen Speiseröhre, einem sack- förmig erweiterten Magen, welcher mehrere blinddarmförmige Anhangsdrüsen (Leber) trägt, und einem langgestreckten Chylusdarm, von welchem der kurze Enddarm nur zuweilen schärfer abgesetzt erscheint. (Fig. 431.) Die Rhizo- cephalen (Fig. 436 a), welche mittelst wurzelartiger Fäden die Eingeweide, insbesondere die Leber von Decapoden, um- stricken, entbehren des Darmes und nehmen durch die wurzel- artigen Ausläufer ihres Paren- chyms (wie bereits Anelasma unter den Lepadiden) die Nah- rungssäfte endosmotisch auf. Besondere den Cirripedien eigenthümliche Absonderungs- organe sind die an der Haft- scheibe der Antennen ausmün- denden sogenannten Cement- drüsen, durch deren Secret die Befestigung des Cirripedien- leibes bewirkt wird. Ein Herz und Gefässsystera scheint überall zu fehlen. Als Kiemen betrachtet man die Schläuche, welche an mehreren Kankenfüssen mancher Lepadiden auftreten, sowie zwei krausenartig gefaltete Lamellen an der Linenseite des Mantels der Balaniden. Die Cirripedien sind mit wenigen Ausnahmen Zwitter. Die Hoden liegen als vielfach verästelte Drüsenschläuche zu den Seiten des Darmes, ihre in Samenblasen erweiterten Samenleiter erstrecken sich nach der Basis des cirrusförmigen Penis, in welchem sie sich zu einem gemeinsamen, an der Spitze des Cirrus mündenden Ductus ejaculatorius vereinigen. (Fig. 431.) Die Ovarien liegen bei den Balaniden im basalen Theile der Leibeshöhle im Schalenkranze, bei den Lepadiden rücken sie in die als Stiel bekannte Verlängerung des Kopfes hinein, ihre Oviducte münden nach Krohn auf einem Vorsprunge am Basalgliede der vorderen Rankenfüsse aus. (Fig. 430/>.) Die austretenden Eier Alcippe lampaa, nach Ch. Darwin, n Männclien, sehr stark ver grössert. T Hoden, Vs Sanienblase, D Hautduplieatur, 0 Auge P Penis, A' Antennen. — h Weibchen im Längsschnitt, i^ Kiefer fuss, Cf die drei l'aarc von Rankenfüssen, Or Ovariuin. Ergä 473 sammeln sich zwischen Mantel und Leib in grossen plattge- drückten, zarthäutigen Schläu- chen, welche, bei den Lepadiilcn an einer Hautfalte des Mantels befestigt, auf der Rückenseite des Thieres aneinanderstossen. Trotz des Hermaphroditis- mus existiren nacli Darwin in einzelnen Gattungen {Ihia, Scal- pelhim) sehr einfach organisirte Zwergmännchen von eigenthüm- licher Form, sogenannte com- plemental males, welche Para- siten-ähnlich am Körper des Zwitters haften. Auch gibt es getrennt geschlechtliche Cirri- pedien mit ausgeprägtem Dimor- phismus beider Geschlechts- thiere. Dieser Fall trifft für Scal- inllum ornatum und Ibla Cu- ontngü, ferner für die merkwür- digen Gattungen Cryptophialus und Alcippe zu. (Fig. 432.) Die Männchen dieser Formen bleiben nicht nur zwergartig klein, son- dern entbehren auch nach Dar- win der Mundöffnung, des Ver- dauungscanals, sowie der Ran- kenfüsse. In der Regel sitzen zwei, zuweilen aber auch eine grössere Zahl von Männchen am weiblichen Körper. Die Eier durchlaufen be- reits in den Brutbehältern eine ungleichmässige Furchung. Die hellen Dotterzellen lagern sich um den Nahrungsdotter in Form einer Keimblase, deren Bauch- seite sicli bald (wohl durch Auf- treten der Mesodermanlage) ansehnlich verdickt. Die aus den Eihüllen aus- geschlüpften Larven sind NaiipUusU)YY[\Qn (Fig. 433 a, />), von ovaler oder birn- förmiger Gestalt, mit unpaarem Stirnauge, seitlichen Stirnhörnern und drei a Aeltere Cirripedienlarve. Ol Rüssel mit Mundöffimng. // Stirnhörner, D Darm, A After, A' , A" vordere und hintere Antenne, MiJf Mandibularfuss. — 6 Metanaupliuslarve von Baianus vor der Häutung. Unter der Haut sind die Anlagen der Seiteuaugen (0) und sämmtlicher Beinpaare (/<'' bis2>'^') der Puppe nachweisbar. Ff Frontalfäden, O' unpaares Auge, Dr Drüsenzellen der Stirnhörnpr, A' die ersten Antennen mit der Haftseheibe, Mx Maxillaranlage. Cinipedia. ruppeiiatadium. Mediauschnitt durch eine iei)0.?-Puppo. ^' Haftantenne, C Carina, reTergum, Sc Scutuni, G Gehirn, Og Ganglien- kette, Mk. Mundkegel, D Darm, Cd Cementdrüsengang, Ov Ovarium, Ah Abdomen, PPenisanlage, i/Adduotor. Fig. 435. Junge r^epaii nach Abstossung der bei- den hornigen Schalenklappeu und Streckung des in der Puppe einge- knickten Vorderkopfes (Stiel), 0 un- paares Auge. Nach längerem oder wenn unter ihrer Haut die Gliedmassenpaaren, von denen das vordere aus einem einzigen Ast besteht, die zwei nachfolgenden aber zwei Aeste mit dichtem Besatz von Schwimm- borsten tragen. Nach mehrmaliger Abstreifung der Haut tritt die zu beträchtlicher Grösse angewachsene Larve in e^ne neue Entwicklungsphase, in das so- genannte Cyprisstadium (Puppe) ein. (Fig. 434.) Die Integumentduplicatur repräsentirt nunmehr eine zweiklappige muschelähnliche Schale, au deren klaffendem Bauchrande die Extremitäten her- vortreten können. Während die Form der Schale an die Ostracoden erinnert, nähert sich der Körper- bau nach Gliederung und Extremitätenbildung den Copepoden. Aus den ersten Gliedmassen der Nau- pliuslarve ist eine viergliedrige Haftantenne her- vorgegangen, deren vorletztes Glied sich scheiben- förmig verbreitert hat und die Mündung der Cemenidrüse enthält, während das Endglied ausser Tastborsten eine oder zwei zarte lanzetförmige Kiechfäden trägt. Als Reste der Stirnhörner finden sich zwei kegelförmige Vorsprünge in der Nähe des Vorderrandes. Von den beiden zweiästigen Extremitätenpaaren ist das dem zweiten Antennen- paar entsprechende abgeworfen, das hintere da- gegen zur Anlage der Oberkieferplatten an dem noch geschlossenen Mundkegel verwendet, an welchem auch bereits die Anlagen von Unterkiefer und Unterlippe bemerkbar sind. Auf den Mund- kegel folgt der Brustabschnitt mit sechs zwei- ästigen, den Copepodenfüssen ähnlichen Ruderfuss- paarenundein kleines, dreigliedriges, mitFurcal- gliedern und Schwanzborsten endendes Abdomen. Die Puppe trägt zu den Seiten des unpaaren Augenfleckes ein Paar grosser zusammengesetzter Augen und schwimmt mittelst der Ruderfüsse um- her. Eine Nahrungsaufnahme scheint nicht statt- zufinden. Das zur weiteren Umgestaltung uoth- wendige Material ist in Gestalt eines mächtig entwickelten Fettkörpers vornehmlich im Kopf- theil und Rücken aufgespeichert, kürzerem Umherschwärmen heftet sich die Puppe, ■ Theile des Cirripedienleibes sichtbar werden, mit- reduiiculala. 47f telst der Haftsclieibe ihrer vorgestreckten, armförmig gebogenen Antennen an fremden Gegenständen an, und es beginnt aus der schlauchförmigen Cement- drüse die Abscheidung eines erstarrenden Kittes, welcher die nunmehr dauernde Fixation des jungen Kankenfüsslers verursacht. Bei den Lepadiden wächst der über und zwischen den Haftantennen befindliche Kopftlieil mächtig aus, so dass er aus der Schalenhaut, unter welcher die Kalkstücke der Cirripodienschale durchschimmern, hervortritt und nach Abstreifung der chitinigen Puppenhaut den fleischigen, dieBefestigung vermittelnden Stiel darstellt, in welchen auch die Ovarial- anlagen eintreten. (Fig. 435.) Die paarigen Augen der schwärmenden Puppe sind ab- geworfen,während der unpaare Pigmentfleck verbleibt. Die Mundwerkzeuge treten in vol- ler Difi'erenzirung ihrer Theile hervor, und aus den zweiästi- gen Euderfüssen sind kurze, aber bereits vielgliedrige Strudelfüsse geworden. DieCirripedien sind Be- wohner des Meeres und siedeln sich an verschiedenen Gegen- ständen, z. B. Holzpfählen, Felsen, sowie ferner an Mu- schelschalen, Krebsen, Haut ^ . ^^ .,..,, ^ ^ «• ^ ivr . i ' ' a Sacadina Purpuren, nach Fr. M n Her. Oe OeffnuDg des Mantel- VOn Walfischen etc. , meist sackes, W Wurzelausläufcr, K Krone derselben. — h Naupliu.s- colonieweisean.Einige,wieLz- ^,7'' t""- ■'^''^"f "• ^'' ^'' ^'^ ''f''' ^"'^7'="' ''''''':;• ö ' dibularfuss. — c Puppe von Lernaeochsms porcellanae, nach Fr. ihotrya, Alcvppe und die Cr?/2> Müller. F die sechs Beinpaare, Ah Abdomen, A' Haftantenue, topkialiden, vermögen sich in ^ ^^^^' Muschelschalen undKorallen einzubohren, während die RMzocephaUn sinKrehsew schmarotzen. Bei den letzteren wird der Leib sackförmig und verliert sämmt- liche Extremitäten, sowie den Darmcanal, während wurzeiförmige Ausläufer die Säfte des Wohnthieres (Decapoden) ausziehen. (Fig. 436.) l.Peduncvlata. Körpergestielt,mitsechs Kankenfusspaaren. Mantel meist mit Carina, Scuta und Terga. (Fig. 430 a.) Fiini. Lepadidae. Stiel deutlich abgesetzt, ohne Kalkplatten. Mantel häutig, in der Eegel mit den fünf Schalenstücken, von denen Scuta und Terga hintereinander liegen. Lepas L. {Ä7iatifa Brug.), L. fasdcularis Ellis (vitrea Lam.). Von den nordischen Meeren bis zur Südsee. L. anatifera L., überall verbreitet. C'onchoderma Olf. [Otion, (Jineras Leach.), C. virgata Spengl., häufig an Schiffen befestigt. C. auriia L. Anelasma Darw., Stiel mit -wurzelartigen Au.swüchsen, welche in die Haut von S(|ualiden eintreten. A. squalicola Loven. ^'JQ Opcrculata. Abdominalia. Aporla. Rliizoccpbala. Fam. PolUcipedidae. Stiel nicht scharf abgesetzt, beschuppt oder behaart. Schalen- stücke sehr stark, der Zahl nach vermehrt. Scutä und Terga liegen nebeneinander. Zu- weilen mit Ergiinzungsmännchen, PoUicipes cornucopia Leach., Ocean und ]\Iittehneer. Scalpelluvi vulgare Leach , Nordsee und Mittelmeer. Sc nrnalum Gray, Südafrika. Illa quadrivaMs Cuv., Südaustralien. 7. Cnviingii Darw., Philippinen. LUhntrya Snw. 2. Operculata. Körper ohne oder mit rudimentärem Stiel, von einem äusseren Scbalenkranz umgeben, au dessen Spitze die Scuta und Terga einen meist freibeweglichen Deckel mit musculi depressores bilden. (Fig. 430 &.) Fam. Balanidae. Scuta und Terga frei beweglich, untereinander articulirend. Die Kiemen je aus einer Falte gebildet. Baianns tintinnabtilum L. Sehr verbreitet und auch fossil bekannt. B. improvisus Darw., Brackwasserform. ChelonoUa testudinaria L., auf Seeschildkröten. Fam. Coronulidae. Scuta und Terga frei beweglich, aber nicht miteinander articu- lirend. Die beiden Kiemen je aus zwei Falten bestehend. TuUcinella trachealis Shaw., Südsee. Coronula lalaenaris L., südlicher Ocean. 0. diadema L., nördlicher Ocean. 3. Ahdoniinalia. Der ungleichmässig segmentirte Körper wird von einem flaschenförmigen Mantel umschlossen und trägt am Endabschnitte meist drei Paare von Kankenfüssen. Mundtheile und Darmcanal vollkommen ausgebildet. Sind getrennt geschlechtlich und leben als Parasiten in der Kalkschale von Cirripedien und Mollusken eingegraben. Fam. Alcippidae. Mit vier Paaren von Füssen, von denen das erste tasterförmig ist, die beiden letzten eiucästig, aus wenigen langgestreckten Gliedern zusammengesetzt sind. (Fig. 432.) Weibchen in Mnllu,skenschalen eingebohrt, mit Zwergmännchen ohne Mund, Magen und Eankenfüsse. Alcippe lampas Hanc, bohrt sich Höhlungen in die Columella von Fusus- und Buccinum-Schalen, Küste von England. Fam. Cryjitopldalidae. Mit drei Paaren von Kankenfüssen am Hinterende. Crypto- phialus Darw., Cr. viinntus Darw., in der Schale von Concholepas Peruviana, Westküste von Südamerika. Kochlorine hamata Noll, in Höhlungen der Schalen von Haliotis. 4. Äpoda. Der segmentirte, aus eilf Ringen gebildete Körper entbehrt besonderer Mantelduplicaturen und nähert sich der Form einer Made. Die Haftfühler bandförmig verlängert. Mund zum Saugen eingerichtet mit Man- dibeln und Maxillen. Rankenfüsse fehlen. Verdauungscanal rudimentär. Leben als Parasiten im Mantel anderer Cirripedien. Zwitter. Fam. Froteolepadidae mit der einzigen Gattung Proteolepas Darw., Fr. Uvinda Darw., Westindien. 5. Rhizocephala '), Wurzelkrehse. (Auch als Unterordnung zu trennen.) Der ausschliesslich dem Kopftheile der Cirripedien entsprechende Körper schlauch- oder sackförmig, ohne Segmeutirung und ohne Gliedmassen, mit engem kurzen Haftstiel, an welchem lange, wurzelartig verzweigte Fäden ent- ') W. Lilljeborg, Les genres Liriopc et Peltogaster. Nova acta reg. soc. scient. Upsal., Ser. 3, Vol. III, 1860. Fr. Müller, Die Rhizocephalen. Archiv für Naturgesch., 1862 und 1863. II. Kossmann, Beiträge zur Anatomie der schmarotzenden Eanken- füssler. Vcrhandl. der med.-phys. Gesellsch. Würzburg, Neue Folge, Tom. IV. Yves Delage, 1. c. Archiv, de Zoologie exper., 2 Ser., Tom. II, 1884. Die Bezeichnung lihizo- cephala durch den von Dolage vorgeschlagenen Namen „Kenlmgonides" zu ersetzen, ist um so weniger Grund vorhanden, als der zurückgebliebene Theil des Larvenleibes, welcher zum Parasiten wird, thatsächlich dem Vnrderkörper oder Kopf entspricht. V.AU. Kiilwi.-kliuijf. 477 springen. (Fig. 430.) Dieselben durchsetzen den Leib des Wohnthieres und führen dem Parasiten die Nahrung zu. Mantel sackförmig, ohne Kalkstücke, mit enger vorschliessbarer Oeffnung. Mund und Darmapparat fehlen. Die meist paarigen Hoden liegen zwischen den Ovarien und münden in die Bruthöhle aus. Leben als Parasiten vornehmlich am Abdomen von Decapoden, deren Eingeweide sie mit ihren wurzelartigeu Fäden umschlingen. Bau und Ent- wicklung wurden am genauesten von Delage an SaccuUna carcini studirt. Nach den eingehenden Beobachtungen dieses Autors setzt sich die Cypris-ähn- Larven von SaccuUna carcini nach Delage. a Cyprisstaiiium nach der Festheftuug mittelst der Haft- antennen (A') am Integument {Z) des Abdomens von Carcinus, unter der Haut ist die kentrogone Larve sichtbar. K kentrogoner Fortsatz, h Die kentrogone Larve nach Abwerfung der Schale des Cyprisstadiums. c Späteres Stadium, der Fortsatz {K) wächst iu das Innere des Trägers ein. d Längsschnitt durch eine SaccuUna. Oe Kloakeuoffnung, Sph. Sphincter der Kloake, G Ganglion, Bh Bruthöhle mit Eiern gefüllt, 7' Hoden, (ir Ovarien, H Ilöliluug des Stieles. liehe Larve am Hinterleibe einer jungen Krabbe mittelst der Haftanteunen fest und dringt, nach Kückbildung von Thorax und Abdomen sowie nach Abstreifung der Haut zu einem länglich sphärischen Körper reducirt, mittelst eines pfeil- förmigen Körperfortsatzes (kentrogones Stadium) in die Leibeshöhle des Wirthes ein. (Fig. 437 h.) Dieser Vorgang soll sich in der Weise vollziehen, dass der gesammte Inhalt des Schlauches in den Leib der jungen Krabbe überwaudert und von einer neuen Cuticula umgeben, zur internen dem Darme anliegenden Saccu- liua wird. Die Haut derselben tre-ibt alsdann zahlreiche wurzeiförmige Aus- läufer um dieEingeweide des Wirthes, und gestaltet sich, während sein mittlerer 478 "f- ITnferclasso. Malacostraca Theil mit der Ovarialaiilage als Anschwellung hervortritt und schliesslich durch die Cuticula des Wirthes nach aussen durchbricht, zum externen Parasiten- körper, mit welchem die im Innern des Wirthes zurückbleibenden Wurzel- fortsätze durch einen Stiel verbunden sind. Im Körper der jungen Sacculina haben sich inzwischen Ovarium und Hoden nebst Ganglion und mächtiger Muskulatur des Mantels differenzirt, auch ist die Mantelöifnung gebildet, in deren Umgebung mehrere Cyprisförmige Zwergmännchen [?] anhaften. Farn. Peltogastridae. Peltogaster paguri Eathke. Sacculina carcini Thomps., Ler- naeodiscus porcellanae Fr. Müll., Brasilien. IL Unterclasse. Malacostraca. Im Gegensatze zu den Entomostraken erscheint am Malacostrakenleib eine constante Zahl von Segmenten und Gliedmassenpaaren verw^ endet. Kopf und Thorax, bei der wechselnden Zahl der vorderen, zu Mundwerkzeugen um- gestalteten Beinpaare nicht absolut abgrenzbar, setzen sich aus 13 Segmenten zusammen und tragen die gleiche Zahl von Gliedmassenpaaren, während der überall wohl abgesetzte Hinterleib (Abdomen) sechs Segmente mit ebensoviel Beinpaaren in sich fasst und mit einer aus dem Terminalabschnitte des Leibes hervorgegangenen Platte (Telson) abschliesst. Unter den lebenden Crustaceen gibt es eine Gattung, Nebalia (Fig. 438 a, J), welche den Malacostraken der Organisation nach sehr nahe steht, jedoch durch eine grössere Zahl von Abdominalsegmenten abweicht, indem auf sechs glied- massentragende Abdominalsegmente noch zwei gliedmassenfreie Segmente und gestreckte Furcaläste folgen. Diese merkwürdige, lange Zeit hindurch als Phyl- lopod betraijhtete Form, welche in Wahrheit den Malacostraken viel näher steht, hat somit in der Gestaltung des terminalen Abschnittes des Abdomens noch nicht die besondere Form der Schwanzplatte, des Telsons, zur Erschei- nung gebracht. Wahrscheinlich handelt es sich in Nehah'a um ein in die Jetzt- welt hineinreichendes Glied einer sehr alten Crustaceengruppe, welche zu dem Malacostrakentypus hinführte. Der Kopf der Malacostraken fasst überall ausser dem Mandibelsegmente, an welchem zwei Paragnathen, wahrscheinlich vom ersten Maxillenpaare ab- gesonderte Laden, eine Art Unterlippe bilden, noch die Segmente von zwei Maxillenpaaren in sich, deren Gestalt den Charakter von Füssen bewahrt. Die nachfolgenden acht Gliedmassenpaare des Mittelleibes, welche bei Nebalia der Form und Gliederung nach Phyllopodenbeinen nahe stehen, können unter- einander noch nahezu gleich oder doch sehr ähnlich gestaltet sein und zwei mehrgliedrige Aeste besitzen, daher als sogenannte Spaltfüsse erscheinen {Schizopoden). Eine solche Gliedmasse ist als Grundform der Malacostraken- gliedmassen zu betrachten. Dieselbe besteht aus einem zweigliedrigen Stamme, einem fünfgliedrigen Innenast (Endopodit) und einem geisseiförmigen Aussen- ast (Exopodit). Dazu kommen am Basalgliede des Stammes Anhänge, die entweder beinartig verlängert, beziehungsweise lamellös verbreitert sind 1. Leplostr.aoa. 479 (Epipodit), oder zarthäiitige verscliieden gestaltete Kiemenschläuche darstellen, lu der Kegel aber tritt wenigstens der vorderste Brustfuss in den Dienst der Nabrungsbearbeitiuig und gewinnt als ,, Max Warf iiss'-'- eine vermittelnde Form zwischen Maxille und Thoracalbein. In diesem Falle erscheint gewöhnlich der gesammte Vorderkörper, das Segment des Maxillarfusspaares mit eingeschlossen, kopfartig abgesetzt, während sieben Brustsegmente mit ebensoviel Beinpaaren freie Ringe des Mittelleibes bleiben, welchen sich der sechsgliedrige Hinter- leib mit seinen Beinpaaren (Pleopoden) nebst Telson anschliesst (Ringelkrebse, Ärthrostraca). In anderen Malacostrakengruppen verhalten sich auch noch das nächste oder die beiden nächstfolgenden Paare von Brustbeinen als Kiefer- füsse, ohne dass es zu einer scharfen Absetzung von Kopf und Mittelleib kommt. Häufig wird der letztere wenigstens theilweise von einer schildförmigen Dupli- catur überdeckt (Thoracostraca), welche morphologisch der Phyllopodenschale entspricht und sich als mehr oder minder umfangreicher, mit dem Rücken des Thorax verwachsener Schaleupanzer ausbildet, unter welchem die hinteren, selten sämmtliche Brustsegmente als freie Ringe gesondert bleiben können. Die Beinpaare des Hinterleibes sind minder umfangreich und meist einfacher gegliedert. Sie dienen oft zum Strudeln oder Schwimmen, zuweilen aber zu Nebenleistungen, wie zum Tragen der Eier oder als Hilfsorgane der Begattung. 1. Leptostraca *). Malacostraken mit zweiklappiger, den Kopf und Miitelleib umlagernder Schalenduplicatur und beweglicher Eopfplatte an derselben, mit acht wohl- abgegrenzten Brustsegmenten und mit viel- (8) gliedrigem, -in einen Schioanz- stachel oder in zioei Furcaläste endigendetn Abdomen. An dem stark comprimirten, von den Schalenklappen bedeckten Leibe ent- springen unterhalb der Kopfplatte zwei bewegliche Stielaugen, weiter abwärts die beiden Antennenpaare, von denen das vordere auf viergliedrigem Schaft eine borstenrandige Schuppe und eine vielgiiedrige Geissei trägt. Auch der dreigliedrige Schaft der hinteren Antenne setzt sich in eine lange, beim Männ- chen ])is zum hinteren Körperende reichende Geissei fort. Mandibeln mit dreigliedrigem Taster. Vordere Maxilleu dreilappig, mit langem, beinartig ver- längertem, als Putzfuss dienendem Taster, die zweiten Maxillen nach Art eines Phyllopodenfusses gelappt. An den acht deutlich abgegliederten Brust- segmenten erheben sich ebeusovielelamellöse Beinpaare mitinnen-und Aussen- ast und zweizipfeligem Kiemenauhang. (Fig. 409 ^/>.) Die vier langgestreckten vorderen Segmeute des Abdomens tragen zweiästige Amphipodeu-ähnliche Schwimm- und Strudelfüsse. Der frei aus der Schale vorrasende hintere Ab- •) Ausser den citirten Werken von Leach, Latreille, M. Edwards vergl. C. Claus, Crustaceen System 1. c. Wien, 1876. Packard, The order Phyllocarida and its systematic position. A Monograph of the Phyllopod Crustacea etc. Boston, 1883. G. 0. Sars, Eeport on the Phyllocarida. Challenger Exp., Tom. XIX, 1887. C. Claus, lieber den Organismus der Nehaliden und die systematische Stellung der Leptostraken. Arbeiten des zool. Tust. Universität Wien, Tom. VIII, 1888. 480 I^eplostraiui. Ni^rvensystem. schnitt des noch au zwei Segmenten Fussstumrael tragenden Abdomens ver- jüngt sich nach dem Ende zu und erhält in zwei langen borstenrandigen Furcal- ästen seinen Abschluss. (Fig. 438.) Das Nervensystem besteht aus einem grossen zweilappigen Gehirn und einem langgestreckten Bauchstrang mit 17 Ganglienpaaren, von denen nur die Fitr. 438. Geoffroiii, stark vergrössert. hiirlen Antennen sechs letzten des Abdomens durch lange Commissuren von einander abstehen. Der Oesophagus geht in einen mittelst Muskeln am Integumente befestigten, mit Borstenleisten und Kieferplatten bewaffneten Vormagen über. Am Anfang des Darmrohres finden sich zwei kurze, nach vorn gerichtete und sechs lange, den ganzen Leib durchsetzende Leberschläuche. Der kurze, mittelst Dilatatoren befestigte Afterdarm beginnt mit einem dorsalen, nach vorn gerichteten Blind- 2. Arthrostraca. 4gJ schlauch und mündet, von zwei dreieckigen Chitinplatten l)edeckt, zwischen den Furcalilsten aus. Eine Autennendrüse ist vorhanden, ehenso eine rudimentäre Schalendrüse. Das langgestreckte Herz durchsetzt die 15rust und den vorderen Abschnitt des Abdomens und besitzt vier grosse und drei kleine venöse Ostien- paare. Das vordere und hintere Ende desselben setzt sich in Aorten fort. Die Blutbewegung erfolgt in regelmässigen Bahnen der Leibeshöhle und in engen gefässartigen Canälen der Schale. Von Bedeutung ist das Vorhandensein eines mächtigen, dem Schalenschliesser der Ostracoden entsprechenden Schliess- muskels beider Schalenklappen, Ovarien und Hoden erstrecken sich als lange Schläuche seitlich vom Darm durch Brust und Abdomen, die Ausführungsgäuge der Ovarien münden am drittletzten, die der Hoden am letzten Brustsegmente. Das Männchen ist leicht an den dichter gehäuften Spürhaaren der Vorderantennen, sowie an der bedeutenderen Länge der hinteren Antennen zu erkennen. Das Weibchen trägt die abgelegten Eier zwischen den Brustbeinen bis zum Ausschlüpfen der Jungen. Die Embryonalentwicklung wird durch eine partielle Dotterfurchung eingeleitet und bietet vielfache Aehnlichkeit mit jeuer der Mysideen. Die aus- schlüpfenden Jungen besitzen eine noch rudimentäre Schale und noch rudi- mentäres viertes Pleopodenpaar. Die Nebalien gehören durchaus dem Meere an, nähreu sich von thierischen Stoffen und besitzen eine ungewöhnliche Lebenszähigkeit. Fani. Nehalidae. Nehalia Leach. Nelalia Geoffroyi M. Edw., Adria und Mittelmcer. N.lipesYAhv., Grönland. Paranehalia Cls., P. longipesMV. Sulim. Nehaliopsis G. 0. Sars. iV. typeia. Mit den Leptostraken verwandt sind die palaeozoischen als Ärchaeostraken zu bezeichnenden Cerah'ocariden, welche bei viel bedeutenderer Körpergrösse mit stärkeren Schalenklappen, vielgliedrigem Hinterleib und drei oder mehr- stacheligem Schwanzende versehen sind. Leider lässt sich über die nähere Beschaffenheit der Gliedmassen und die innere Organisation dieser palaeozoischen, aus höchst unvollständig erhal- tenen Resten bekannt gewordenen Formen nichts Sicheres aussagen. Die Thiere lebten im Meere oder Brackwasser, Die beweglichen Seitenstacheln am Schwanz- stachel (Telson) scheinen Gliedmassen zu entsprechen. Farn. Ceratiocaridae. Ceradocaris M'Coy. C. papilio Salt., oberer Silur. Bidyocaris Salt., oberer Silur. Hymenocaris Salt., Cambrische Lingula-Schiefer. 2. Arthrostraca M, Ringelkrebse, Malacostraken mit sessilen /Seitencmgen, mit meist stehen^ seltener sechs oder weniger gesonderten Brustsegmenten und ebensoviel einästigen Beinpaaren, ohne Schalendujjlicatur. ') Ausser den Werken von L a t r e i 1 1 e, M. E d w a r d s, Dana u. A. vergl. S p e n c e Bäte und J. 0. West wo od, A History of tbe British sessile-eyed Crustacea, Tom. I und II. London, 1863 — 1868. G. 0. Sars, Histoire naturelle des Crustaces d'eau douce* de Norvege. Christiania. 1867. Y. Delage, Contributions ä l'etude de l'appareil circul. des Crustaces Edriophthalnies niarins. Arch. de zuol. expör. et gener.. Tum. IX, 1881 C. Claus: Lelnhuch der Zdoli.gie. 5. Aufl. 31 482 Artlirostraca. Organisation. Der kopfähulich abgesetzte Vordertheil des Cephalothorax, meist sclilecht- hin als Kopf bezeichnet, trägt vier Antennen und die beiden Mandil)eln. ferner vier Maxilien- und ein Maxillarfuss- oder Beikieferpaar, also im Ganzen sechs Gliedmassenpaare. Die kleine zweilappige Paragnatbenplatte hinter dem Man- dibelpaare würde die Abgrenzung des primären Kopftibschnittes bezeichnen, welcher lediglich die drei Gliedmassenpaare der Naupliusform umfasst. Auf den Kopf folgen in der Eegel sieben freie Brustringe mit ebensoviel zum Kriechen oder Schwimmen dienenden Beinpaaren. (Fig. 439 a.) Selten ist die Zahl der gesonderten Brustsegmente auf sechs (Tanais) oder fünf (yl??ce«s) beschränkt, indem das vordere, beziehungsweise auch zweite der Brustsfegmente mit dem Kopfe in nähere Verbindung getreten und zu einem grösseren Kopf- l)ruststück vereinigt ist. Auch kann in diesem Falle (Tanais) eine kleine Schalenduplicatur nebst Athemhöhle auftreten. Die den freien Brustsegmenten zugehörigen Beine entbehren des Exopoditen imd sind meist siebeugliedrige Greif- und Gehfüsse, Sehr häufig ist das Basalglied zum Seitenstück des Seg- mentes (Epimer) geworden, von dem es sich oft noch durch eine Furche ab- grenzt. In anderen Fällen ist dasselbe gar nicht mehr als Glied zu erkennen, und dann erscheint das Bein sechsgliedrig mit klaueuförmigem Endglied. Das auf die Brust folgende Abdomen umfasst in der Kegel sechs bein- tragende Segmeute und eine gliedmassenlose, das Endsegment repräseutirende einfache oder gespaltene Platte. Indessen kann sich die Zahl der Abdominal- segmente und Beinpaare reduciren {Isopoden), ja sogar das ganze Abdomen ein ungegliederter stummeiförmiger Anhang werden (Laemodipoden). (Fig. 441.) Das Nervensystem besteht aus dem Gehirn und einer aus zahlreichen Ganglienpaaren gebildeten Bauchkette mit deutlicher Duplicität der Stämme und ausgeprägter Souderung der Ganglien. Auch ist bei den Isopoden ein un- paarer Eingeweidenerv nachgewiesen worden. Die beiden Augen sind überall sessile zusammengesetzte Augen mit glatter oder facettirter Hornhaut, niemals Stielaugen. Sehr verbreitet treten an den vorderen Antennen zarte Spürfädeu auf, besonders zahlreich im männlichen Geschlecht. Am Verdauung scanal findet sich ein kurzer, nach aufwärts steigender Oesophagus und ein weiter, durch feste Hornleisten gestützter, sowie oft mit kräftigen Chitinplatten bewaffneter Vormagen, auf welchen ein längerer, mit zwei bis drei Paaren von Leberschläuchen versehener Magendarm folgt. Der Enddarm, vor welchem ein oder zwei, wahrscheinlich als Harnorgane fungirende Anhangsschläuche am Darm entspringen können, mündet am hinteren Körper- ende aus. Die Antennendrüse öffnet sich am Grundgliede der hinteren Antennen oft auf einem zapfenförmigen Vorsprung. Ueberall findet sich als Centralorgan des Kreislaufes ein Herz, welches, entweder röhrenartig verlängert, durch die Länge der Brust verläuft {Amphipoda) (Fig. 440), oder, nach dem Hinterleib gerückt, sackförmig verkürzt erscheint {Isopoda). Im ersteren Falle liegen die Kiemen als schlauchförmige Anhänge an den Brustfüssen, im letzteren sind sie dagegen die inneren Aeste der Pleopoden. Aus dem Herzen strömt das ]. Ordmiiig. Ainpliipoda. 483 Blut durch eine vordere und hintere Aorta, sowie meist auch durch seitliche Arterien aus. Die Gefässe führen das Blut in die Leibeshühle, von wo es in regelmässigen Strömungen nach den seitlichen Spaltenpaaren des Herzens zurückkehrt. Die Ringelkrobse sind getrennten Geschlechtes. Die Männchen unter- scheiden sich häufig von den Weibchen durch Umformung bestimmter Glied- massentheile zu Klammerorgauen, durch eine ansehnlichere Entwicklung der. Spürfäden an den vorderen Antennen, sowie durch die Lage der Geschlechts- öffnungen und die Begattungsorgane. Seltener kommt es zu einem ausgeprägten Dimorphismus (Bopyrus, Fvaniza). Die Geschlechtsorgane münden an der hinteren Partie der Brust oder an der Basis des Abdomens, und zwar die weib- lichen überall am drittletzten, die männlichen am letzten Beinpaare der Brust oder zwischen dem ersten des Hinterleibes {Isopoden). Die Ovarien bilden zwei einfache oder verästelte Schläuche mit ebensoviel Oviducten. Aehnlich erscheinen die Hoden aus einem (Ämphqwden) oder mehreren (3) Paaren von Schläuchen (Isopoden) zusammengesetzt, deren Samenleiter entweder getrennt bleiben oder sich zur Bildung eines Begattungsorganes vereinigen, zu welchem noch Anhänge von Gliedmassen als Hilfsorgane bei der Begattung hinzutreten können. Die reifen Eier werden von den Weibchen in der Kegel in Bruträumen umhergetragen, zu deren Bildung sich lamellöse Anhänge der Brustfüsse zusammenlegen. Die Entwicklung erfolgt in der Regel ohne Metamorphose, indessen sind nicht selten Körperform und Gliedmassen jugendlicher Thiere abweichend gestaltet (Phromma), es können sogar die Körpersegmente und Gliedmassen nach der Geburt noch unvollzählig sein {Isopoden). Fossile ßingel- krebse finden sich im Oolith {Archaeoniscus). Prosoponiscus ist permisch, AmpJiipeltis devonisch. 1. Ordnung. Ampliipoda '), Flohkrebse. RmgeJkrehse mit seitlich comprimirtem Leib, mit Kiemen an den Brtistßlssen und mit langgestrecktem Abdomen. Die drei vorderen Segmente desselben tragen Seine immfnsspaave, die drei hinteren nach hinten gerichtete Springfüsse. Die Amphipoden sind kleine, nur selten mehrere Zoll lange (Lysianassa magellanica) Ringelkrebse, welche sich im Wasser vorwiegend schwimmend imd springend fortbewegen. Der bald kleine (Crerettinen, Fig. 430 a), bald um- fangreiche und stark aufgetriebene (Hyperinen, Fig. 440) Kopf (Kopfbrust- ') C. Spence Bäte. Catalogue of the specimens of Ampliipodous Crustacea in the collection of the British Museum. London, 1862. E. van Beneden et Eni. Bessels, Memoire sur la formation du Blastoderme chez les Amphipodes etc. Bruxelles, 1868. C. Claus, Der Organismus der Phroniniiden. Arb. aus dem zool. In.stitute der Univ. Wien, Tom. II, 1879. 0. Nebeski, Beiträge zur Kenntniss der Amijhipoden der Adria. Arb. aus dem zool. Institute etc. Wien. Tom. III. 1881. Paul Mayer, Caprelliden. Leipzig. 1882. C. Claus, Die Platysceliden. Wien, 1887. Thomas E. Pt. St ob hing. Eeport of the Am- phipoda collccted by H. M. S. Challenger etc. 1888. 31* 484 Amphipoda. Muudvverkzeugc. Atlimuiigsorgane. fi Gammarus negJectus, nach G. O. Sars, mit Eiern zwischer den Urutblättern am Thorax. A', A" die beiden Antennen, Kf Kieferfuss, >■' bis ¥'• die sieben Beinpaare der Brust üf erster Schwimmfuss des Abdomens. Fiff. 439 J stück ist scharf abgesetzt und nur in der aberranten Gruppe der Laemodipoden mit dem ersten der sieben sonst freien Brustsegmente verschmolzen. (Fig. 441.) Beide Antennenpaare bestehen meist aus einem stämmigeren kürzeren Schaft und einer laugen vielgliedrigen Geissei, die aber mehr oder minder verkümmern kann. Die vorderen, beim Männchen wohl durchweg längereu Fühler tragen nicht selten eine kurze Nebengeissel und bieten in ihrer beson- deren Gestaltung zahlreiche Modi- Fig. 439 a. ... ry ■ ? TT ncatiouen. Bei den Hypennen sind ' "" sie im weiblichen Geschlechte sehr kurz, im männlichen dagegen von ansehnlicher Länge und dicht mit Spürhaaren besetzt. Die hinteren Antennen sind häufig länger als die vorderen, bei denmännlichen Ty- 2)htden zickzackförmig zusammen- gelegt und bei den Corophüden zu starken, beinähnlichen Extremitäten umgebildet. Dagegen können sie beim Weibchen bis auf das Grund- glied rückgebildet sein (Phronima). (Fig. 440 a.) Die Mandibeln sind kräftige Kauplatteu mit scharfem, gezahn- tem Kaurand und unterem Kau- fortsatz, meist mit dreigliedrigem, zuweilen jedoch verkümmertem Taster. Ebenso tragen die vorderen zweilappigen Maxillen in der Regel einen kurzen zweigliedrigen Taster, während sich die Maxillen des zweiten Paares auf zwei ansehnliche, einer gemeinschaftlichen Basis auf- sitzende Laden beschränken. Die Kieferfüsse verschmelzen zu einer Art Unterlippe, die entweder dreilappig ist (Hyperinen), oder auf gemeinsamem Basalabschnitt ein inneres und äusseres Ladenpaar trägt, von denen das letztere dem Grundgliede des ansehnlichen fünfgliedrigen, häufig beinförmigen Endopoditen zugehört {Crevettinen und Laeinodtpoderi). Als Kiemen fungiren zarthäutige Schläuche, welche, dem Coxalgliede der Brustbeine angeheftet, durch lebhafte Bewegungen der Schwimmfüsse des Ab- domens beständig neues Wasser zugeführt erhalten. Im weiblichen Geschlechte finden sich neben den Kiemen noch Epipodialanhänge als lamellöse Platten, welche sich unter der Brust zur Bildung der Bruttasche zusammenlegen. Mx' erste Maxille Mx" Mx" zweite Maxille, von Gammarus. 485 \ Die Männclfen unterscheiden sich von den Weibchen nicht nur durch den Mangel dieser Brutblätter, sondern meist durch stärkere Ausbildung der Greif- und Klanimerhaken an den vorderen Brustfüssen, sowie durch ab- weichende Antoniienbildung. (Fig. 440 Z>.) Die in die Bruttasche gelangten Eier entwickeln sich unter dem Schutze des mütterlichen Körpers. Bald erleidet der Dotter (6r. locusta und andere marine Arten) eine totale Furchung, bald (G. pulex) sondert sich nach vorausge- gangener superficialer Fur- chung eine peripherische Zellenlage, von welcher un- terhalb der Eihaut eine cu- ticulare Blastodermhaut ab- geschieden wird. Es bildet sich sodann ein bauchstän- diger Primitivstreifen und an der Kückenseite unter- halb einer irrthümlich als Mikropyle aufgefassten Dif- ferenzirung ein eigenthüm- liches kugelförmiges Or- gan, die Anlage der auf das Embryonalleben beschränk- ten Nackendrüse. Die Glied- massenpaare sprossen an dem nach der Bauchseite umgeschlagenen Embryo- nalleib in der Kichtung von vorne nach hinten hervor. Die aus den Eihüllen aus- schlüpfenden Jungen be- sitzen in der Regel bereits sämmtliche Gliedmassen- paare und im Wesentlichen die Gestaltung des ausge- bildeten Thieres, während die Gliederzahl der Antennen und die besondere Form der Beinpaare noch Abweichungen bietet. Nur bei den Hyperinen können die Abdorainalfüsse noch fehlen und die Abweichungen des jugendlichen Leibes so bedeutend sein, dass man denselben eine Metamorphose zuschreibt. Die Amphipoden leben grossentheils frei im süssen und salzigen Wasser (von Bedeutung ist das Vorkommen arktischer Arten in den Seen Schwedens und Norwegens), einige indessen sind Röhrenbewohner (Cerapus), andere halten sich in Gängen zernagten Holzes (Chelura) auf. Von besonderem Interesse ist die bedeutende Grösse der Tiefseebewohner, welche, wie ein der Gatinng Iphi- Phronima xecUntaria. a "Weibchen, b Mänuchen. O Augo, A', A" die beiden Antenneupaare, Kf Kiefer, T> Darm, 11 Herz mit Aorta, iv Kiemen, JV Nervensystem, i3r Drüsen in der Greifzange des fünften Beinpaaros, Ovi Ovarinm, Gr Gesclilechtsöffnung. 48(5 Laeinodipoda. Crevettiiia. media nahestehender Gammaride und Cysfosoma Neptuni (Hyperide), einige Zoll lang werden. Die Hyperinen halten sich vornehmlich au glashellen See- thieren, insbesondere Quallen auf und können, wie die weibliche Phronima sedeniaria, mit ihrer gesammten Brut in glashellen Tönnchen, ausgefressenen Pyrosomeu und Diphyiden, Wohnung nehmen. Die Cyamiden unter den Lae- modipoden sind Parasiten an der Haut von Walfischen. 1. Unterordnung. Laemodipoda, Kehlfüssler. Amphipoden, mit kehlstän- digem vorderen Beinpaar und stummeiförmigem Abdomen. Das erste der sieben Thoracalsegmente ist mit dem Kopfe mehr oder minder innig verschmolzen und das demselben zugehörige Beinpaar an die Kehle gerückt. (Fig. 441.) Die Kieferfüsse sind zu einer viertheiligen Unter- lippe mit langen Endopoditen umgebildet. Die Kiemenschläuche bleiben meist auf das dritte und vierte Brustsegment reducirt, dessen Beine oft verkümmern oder bis auf das stummeiförmige, nicht abgesetzte Basalglied ausfallen. Die Beine enden mit Klammerhaken. Beim Männchen ist die Greifhand am Bein- paare des ersten freien Brustsegmentes viel stärker als beim Weibchen. Das Abdomen ist klein, zu einem kurzen, gliedmassenlosen Höcker verkümmert. Fig. 441. Männchen von Caprella acqitilibra, nach P Caprella linearis L. Körper linear gestreckt. Leben au Hydroiden und Bryozoen- stöckchen, von denen sie sich ernähren. C. aequilibra Sp. B., Mittelnieer. (Fig. 441.) Cyamus ceti L. Körper breit und flach mit ganz rudimentärem Abdomen. Leben para- sitisch an der Haut der Cetaceen. 2. Unterordnung. Crevettma. Amphipoden mit kleinem Kopf, wenig um- fangreichen Augen und vielgliedrigen beinförmigen Kieferfttssen. Beide Antennenpaare sind lang und vielgliedrig, beim Männchen um- fangreicher als im weiblichen Geschlechte. Gewöhnlich sind wie bei Gammarus die oberen oder vorderen Antennen die längeren und tragen auf dem mehr- gliedrigen Schaft neben der Hauptgeissel eine kleine Nebengeissel. (Fig.439fl.)" Indessen kann auch der umgekehrte Fall eintreten, wie bei Corophium, deren hintere Antennen beinartig verlängert sind. Die Kieferfüsse sind überall an ihrer Basis verwachsen und bilden eine grosse Unterlippe meist mit vier Laden und zwei beinähnliche Endopoditen. Die Coxalglieder der Brustbeine gestalten sich zu breiten umfangreichen Epimeralplatten. Das Abdomen ist stets voll- zählig gegliedert. Die drei hinteren Fusspaare desselben (Uropoden) sind wohl entwickelt und oft griflfelförmig verlängert. Sind in erstaunlichem Formen- reichthum vornehmlich in den kälteren Meeren verbreitet. Hyperiua. 487 Farn. Coro2)hüdae. Körper seitlieh nicht compriiiiirt. Untere Antennen mehr oder minder beinförmig gestaltet. Coxalglieder der Beine häufig sehr klein. Bewegen sich mehr schreitend. Corophium longicorne Fabr., Küsten der Nordsee, gräbt sich Gänge im Schlamm. Cerapus tuhularis Say, lebt in Ef)hren. Podocerus variegatus Leach., Küste von England. Hier sehliesst sich Chelura terebrans Phil. an. Zernagt mit Limnnria Ugnoruvi Bretter und Pfalilwerk in der See. Nordsee und Mittelmeer. Fam. O'rchestiidae. Vordere Antennen meist kurz, stets ohne Nebenast. Hinteres Uropodenpaar einästig und kürzer als die vorausgehenden Paare. Leben am Strande, be- sonders am sandigen Meeresufer und bewegen sich springend. Talürus saltator Mont. = T. locusta Latr. Am sandigen Meeresufer Europas. Orchestia littorea Mont., Nordsee. Fam. Gammaridae. Vordere Antenne oft mit Nebenast, stets länger als der Schaft der hinteren. Die Coxalplatten der vier vorderen Beinpaare stark verbreitert. Bewegen sich mehr schwimmend als springend. Gammarus pulex L., G. fluviatiUs Küs., Süss- wasserformen. G. marinus Leach. Bei dem blinden Niphargtis Schiodte fehlen die Krystall- kegel und das Augenpignient. N. puteanus Koch., in tiefen Brunnen und Seen (Genfer See). Lysianassa Costae Edw., Mittelmeer. L. atlantica Edw., L. viagellanica Lillj. 3. Unterordnung. Hyperina. Amphipoden mit grossem, stark aufgetrie- benem Kopf, umfangreichen, meist in Scheitel- und Wangenange getheilten Augen, mit rudimentärem, als Unterlippe fungireudem Kieferfusspaar, Die Anteuueii sind bald kurz und stummeiförmig, bald von ansehnlicher Grösse und beim Männchen in eine vielgliedrige Geissei verlängert {Hype- riden). Die hinteren Antennen können im weiblichen Geschlechte bis auf das den Drüseuschlauch umschliessende Basalglied ganz wegfallen (Phronima) (Fig. 440), beim Männchen dagegen zickzackförmig nach Art eines Meterstabes zusammengelegt sein (Platyscelidae). Ein paariges Gehörbläschen kann ober- halb des Gehirnes auftreten (Oxycephalus). Die Kieferfüsse bilden unter ße- duction der Endopoditeu eine kleine zwei- oder dreilappige Unterlippe. Die Beinpaare enden theilweise mit kräftiger Greifhand oder Scheere. Caudal- griffel bald lamellös und flossenartig, bald stielförmig. Die Entwicklung erfolgt mittelst Metamorphose. Leben vornehmlich an Quallen und schwimmen sehr behend. Fam. Hyperidae. Kopf kugelig, fast ganz von den Augen erfüllt. Beide Antennen- paare freiliegend, mit melirgliedrigem Schaft, beim Männchen mit langer Geissei. Man- dibel mit dreigliedrigem Taster. Fünftes Fusspaar dem sechsten und siebenten meist gleichgebildet, mit klauenförmigem Endglied. Hyperia [Lestrigonus Edw.) medusarum 0. Fr. Müll. [H. galba Mont. = H. Latreilli Edw.), mit Lestrigonus exulans Kr. als Männchen, Nordmeere, Adria und Mittelmeer. Fam. Phronimidae. Kopf gross, mit prominirender Schnauze und grossem getheilten Auge. Vordere Antennen im weiblichen Geschlecht kurz, nur zwei oder dreigliedrig, beim Männehen mit langer vielgliedriger Geissei und dicht mit Eiechhaaren besetztem Schaft. Die Thoracalbeine theilweise mit kräftigen Greifwaffen. Phrosina nicaeensis Edw., Phro- nima sedentaria Forsk. Das Weibchen lebt mit seiner Brut in glashellen Tönucheu, aus- gefressenen Pjrosoraen und Diphyiden, Mittelmeer. (Fig. 440.) Fam. Platyscelidae. Beide Antennenpaare unter dem Kopfe verborgen, die vorderen klein, im männlichen Geschlechte mit stark aufgetriebenem buschigen Schaft und kurzer schmächtiger, weniggliedriger Geissei. Die hinteren Antennen beim Männchen sehr lang, zickzackförmig drei bis viermal zusammengelegt, beim Weibchen kurz und gerade gestreckt, zuweilen ganz reducirt. Basalglieder des fünften und sechsten Beinpaares meist zu grossen 488 ?. Ordnung. Isopoila. Deckplatten der Brust verbreitert. Siebentes Beinpaar meist rudimentär. Entyphis [Tyithis Risso) ovoides Risse (Platyscelus serratus Sp. Bäte), Mittelmeer. Oacycephalus ^nscator Edw., Indischer Ocean. Fig. 445 2. Orduiing. Isopoda '), Asseln. Ringelkrehse von vorherrschend breiter , bald abgeflachter^ hold mehr oder minder getvölbter Körperform, mit sieben freien Brnstringen und als Kiemen fnngirenden inneren Fussästen des kurzgeringelten, oft reducirten Abdomens. Der Bau des abgeflachten, von harter, in der Regel incrustirter Haut bedeckten Körpers zeigt eine grosse Uebereinstimmung mit dem der Amphipoden, welchen die in mehrfacher Hinsicht divergirenden Scheerenasseln am nächsten stellen. Indessen ist das Abdomen meist stark verkürzt und aus sechs kurzen, oft mit einander verschmolzenen Segmenten zu- sammengesetzt, welche mit einer umfangreichen schildförmigen Schwanzplatte abschliessen. Die Beine desselben sind nur ausnahmsweise Schwimmfüsse (Scheerenasseln), in der Regel zuKiemenlamelleu und Deckplatten dieser geworden. Das sechste Pleopo- denpaar kann flossenförmig oder griffelähnlich ge- staltet sein. Die vorderen Fühler bleiben, von wenigen Aus- nahmen abgesehen, kürzer als die hinteren und äusseren Antennen, seltener (Landasseln) verkümmern sie so sehr, dass sie unter dem Kopfschilde verborgen bleiben. Nur ausnahmsweise (Äpseudes) tragen sie zwei Geissein. .Wie bei den Amphipoden treten auch an den Fühlern der Asseln blasse Fiederborsten und Spürzapfeu auf. Auch können kleine Säckchen als Reste der Antennendrüse im Basalgliede vorhanden sein. Mächtiger ist die in der Maxillarregion ausge- breitete Schalendrüse entwickelt. Von den Mundwerkzeugen, die bei einigen para- sitischen Asseln zum Stechen und Saugen umge- A.feUus arjuaiicun nach G. O. Sar Weilichcn mit JJrutsack, von d liauchsoite. ') H. Rathke, Untersuchungen über die Bildung und Enwicklung der Wasscrassel. Leipzig, 1832. Lereboullet, Sur les crustacös de la famille des Cloportides etc. Mem. du Musee d'hist. nat. de Strasbourg, Tom. IV, 1850. Cornalia et Panceri, Osserva- zione zool. anat. sopra un nuovo genere de Crustacei Isopodi sedentarii. Torino, 1858. A. Dohrn, Die Embryonalentwicklung des Asellus aquaticus. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XVII, 1867. N. Bobretzky, Zur Embryologie des Oniscus murarius. Zeitschr. für wiss. Zool., Tum. XXIV, 1874. R. Walz, lieber die Familie der Bopyriden etc. Arb. aus dem zool. Institute etc. Wien, Tom. IV, 1882. A. Giard et J. Bonn i er, Con- tributions a l'ctude des Bopyricns. Trav. de l'Inst. zool. de Lille, Tom. V, 1887. 489 Fig. 443. staltet sind, tragen die Mandibelii, mit Ausnabiiie jener der Bopyriden und Landasseln, oft einen dreigliedrigen Taster. Dagegen entbehren die beiden meist zwei- oder dreilappigen Maxillenpaare, mit Ausnahme der Tanaiden, der Tasteranhänge. Ueberans verschieden verhalten sich die eine Art Unterlippe darstellenden Maxillarfüsse, da Ladentheile und Endopoditen in ihrem gegen- seitigen Verhältnisse mannigfache Formvariationen gestatten. In der Kegel sind die sieben Beinpaare der Brust Schreit- oderKlammer- fiisse und tragen theilweise beim AVeibchen zarthäutige Platten zur Bildung einer Bruttasche. (Fig. 442.) Das vordere derselben tritt mit seinem Segmente in einzelnen Fällen mit dem Kopfe in Verbindung, so dass ein kleiner Cephalo- thorax entsteht, der selbst von einer Haut- duplicatur überwölbt sein kann [Tanaiden). Die Anlage dieser Duplicatur ist auch an den Embryonen der Wasserasseln in Form gelappter Anhänge erhalten, wird aber hier rückgebildet, während sie bei den Scheeren- asseln die Entstehung eines Kopfbrust- schildes mit Athemhöhle und schwingen- dem Kiemenanhang veranlasst. Niemals finden sich an den Brust- füssen Kiemen, welche durch die zart- häutigen inneren Pleopodenäste hergestellt werden. Häufig ist das vordere Pleopoden- paar zu einem grossen, die folgenden Paare überlagernden Deckel umgestaltet. Bei ge- wissen Landasseln (Porcelh'o und Ärma- dillo) sind die Deckplatten der beiden vor- deren Paare von einem System luftführen- der Käume erfüllt, welche die Respiration zu unterstützen scheinen. Im Gegensatze zu den Amphipoden liegt das Herz, in den hinterenBrustsegmenten oder im Abdomen, nur ])ei den Scheerenasselu i^Tanaiden) liegt dasselbe in den Brustsegmenten. Die Geschlechtsorgane sind (mit Ausnahme der Cymothoidem) auf ver- schiedene Individuen vertheilt und entsprechen nach Lage und Gliederung ihrer Abschnitte im Allgemeinen denen der Amphipoden. Beiderlei Ge- schlechtsthiere unterscheiden sich auch durch äussere Sexualcharaktere, welche in einzelnen Fällen [Bopyriden) zu einem höchst ausgeprägten Dimorphismus führen. (Fig. 443 «, h.) Beim Männchen vereinigen sich jederseits drei Hoden- schläuche zu einem aufgetriebenen Samenbehälter, aus welchem die Samen- leiter hervorgehen. Dieselben verlaufen entweder in ihrer ganzen Länge ge- sondert und treten am Ende des letzten Thoracalsegmentes je in einen cylin- drisclien Anhang ein (Afie/Iiis), oder sie vereinigen sich in einer gemeinsamen Cijyc hranchialis, nach C o r u a 1 i a und P a n c e r i. a Weibchen von der Bauchseite. Brl Brut- lamellen, K Kiemen. — b Hinterleib desselben, stärker vergrössert, mit ansitzendem Männch<'n. 490 Isoporla. Entwicklung. Fig. 444. medianen Penisröliro, welche an der Basis des Abdomens liegt (Omsctden). Als accessorische Copulationsorgane hat man ein Paar stiletförmiger oder com- plicirter gestalteter, hakentragender Anhänge der vorderen Abdominalfüsse aufzufassen, zu welchen noch an der Innenseite des zweiten Fusspaares ein Paar nach Aussen gewendeter Chitinstäbe hinzutreten kann (Onisciden). Die Cijmothoideen sind Hermaphroditen ') (secundärer Hermaphroditismus), jedoch mit zeitlicher Trennung der männlichen und weiblichen Geschlechtsreife. Im jugendlichen Alter sind dieselben begattungsfähige Männchen mit drei Paaren von Hodenschläuchen, zwei Ovarialanlagen an der Innenseite derselben und einem paarigen Copulatiojisorgan, in welchem die beiden Samenleiter ausmün- den. (Fig. 444.) Nach einer späteren Häu- tung, nachdem sich allmälig die weib- lichen Drüsen auf Kosten der mehr und mehr zurückgedrängten männlichen ent- wickelt haben, werden die inzwischen ange- legten Brutlamelleu an den Brustbeinen frei und die Begattungsglieder, abgeworfen. Von nun au fungirt das Thier nur als Weibchen. Die Embryonalentwicklung beginnt nach dem Eintritt der Eier in den Brutraum und wird durch eine Dotterklüftung einge- leitet, von der die centrale Dottermasse (Nahrungsdotter) vorerst ausgeschlossen bleibt. Bald bildet dasBlastoderm eine peri- pherische Schichte von Zellen und erzeugt durch raschere Zellwucherung den bauch- ständigen 'Keimstreifen, an dessen Vorder- ende sich die Kopflappeu abgrenzen. Als höckerförmige Erhebungen entstehen bei Asellns zunächst zwei blattförmige drei- lappige Anhänge, welche als Kudimente einer Schalenduplicatur gedeutet worden sind. Von den Gliedmassen bilden sich zuerst die beiden Antennenpaare, nach deren Entstehung eine neue Cuti- cula, die dem Naupliusstadium entsprechende Larvenhaut, zur Sonderung kommt (wie auch bei Ligia nach Fr. Müller). Während sich nun die Eeihe der nachfolgenden Gliedraassen anlegt, zeigt sich der Schwanztheil des Embryo aufwärts nach den Rücken zu umgeschlagen. Von den Embryonalhüllen geht zuerst das Chorion, dann die Cuticula des Blastoderms zu Grunde und zuletzt, wenn der Embryo ausgebildet ist, die Naupliushaut. Brl a Weibcbun vou Cijmothoa Banlsi, nach M. Ed wards. Brl Brutlamellen. — 6 Geschlechts Organe einer 13 Mm. langen Cymothoaoestroides nach P. Mayer. 7' Die drei Hoden, Oc Ova rium, Od Oviduct, Vd Va.s deferens, P Penis, *) J. Bulhir, The generative organs of the Para-sitie Isei)oda. Juiirn. Aiiat. Phjsiul., 1876 P. Mayer, Ueljer den Hermaphroditisnius einiger I«opi)dcii. Mittlieil. aus der zool. Station Neapel, 1879. 491 Fig. 445. Die im IJnitniume freigewordeneii Jiingx'n (Fig. 445) entbehren noch des letzten Brustbeinpaares, bei den Sclieerenasseln auch der Fiisse des Abdomens und erfahren bis zum Eintritt der Geschlechtsreife auch in der Gestaltung der Gliedmassen nicht unerhebliche Veränderungen. Man kann daher den Asseln eine Metamorphose zuschreiben, die bei Tanais, Praniza (Anceus) und den Bopyriden am vollkommensten ist. Die Asseln leben theils im Meere, theils im süssen Wasser, theils auf dem Lande {Onisciden) und ernähren sich von thierischen Stoffen. Viele sind jedoch Schmarotzer (seltener vollständige Entoparasiten, Entoniscus), vor- nehmlich an der Haut, in der Mund- und Kiemenhöhle von Fischen [Cymo- thoideen) oder in dem Kiemenraum von Garneelen {Bopyriden). 1. Unterordnung. Em'sopoda. Körper mit sieben freien Brustsegmenten und ebensoviel Beinpaaren. Abdomen verhältuissmässig kurz und breit, mit zu Kiemenlamellen umgebildeten Abdominalfüssen. Faiii. Cymothoidae. Mit kauenden oder saugen- den Mundwerkzeugen, breitem, kurz gegliedertem Ab- domen und schildförmig entwickelter Schwanzplatte. Die letzten Kieferfüsse deckelfürmig. Leben theils parasitisch an Fischen, theils frei umherschweifend. (Fig. 444.) Cymothoa oestrum Leach., C. oestroides Eisso, Mittelmeer. Anilocra mediterranea Leach., Aega hicarinata Leach., Serolis paradoxa. Fabr. Fam. Sphaeromidae. Freilebende Asseln mit breitem Kopf und verkürztem, stark convexem Körper, der zuweilen nach der Bauchseite eingerollt werden kann. Sphaeroma fossarum Mont., in den Pontinischen Larve von jiop,/rus virbü, mit sechs Brust- Sümpfen, der S. granulatum des Mittelmeeres nahe ^«-1-^"-'- "'^•''^ i^- ^aiz. A', A" An- Ocean und Mittelmeer, tennen, Milh Mandibel, Ul Unterlippe, Ahs erstes Abdomiiialsegment. verwandt. S. serratum Fab auch Brackwasserform. Fam. Pranizidae, Anceidae *). Mit nur fünf freien Brustringen und ebensoviel Brust- beinen. Ausser den Kieferfüssen sind die vorderen zwei Paare von Brustgliedmassen mit dem Kopfbruststück vereint. Anceus maxillaris Mont. [Praniza coeruleata Desm.), Nord- und Westküste Europas. Fam. Idoteidae. Freilebende Asseln mit langgestrecktem Körper, kauenden Mund- werkzeugen und langem, aus mehreren Segmenten verschmolzenem Caudalschild. Das letzte Fusspaar des Hinterleibes in einen flügelfürmigen Deckel zum Schutze der voraus- gehenden Kiemenfüsse umgebildet. Idotea entomon L., Eismeer. Yüm.AsclUdae. Von ziemlich flacher Körperform. Letztes Pleopodenpaar nicht deckei- förmig, sondern griffeiförmig. Jaera albifrons Mont., britische Meere. Asellus aquaticus L., Süsswasserform. (Fig. 442.) A. cavatkus Schiödte, Grottenassel. Aus tiefen Brunnen. Limnoria terehrans Leach. [L. lignorum), zernagt Holz und Pfahlwcrk im Meere. *) Vergl. SpenceBate. OnPranizaand Anceus etc. Ann. ofnat., bist., Ser. 3, Vol. II, 1858. Hesse, Memoire sur les Pranizes et les Ancees. Ann. des scienc. nat., Ser. 4, Tom. IX, 1864. A. Dohrn. Entwicklung und Organisation von Praniza maxillaris. Zcitschr. für wiss, Zool., Tom. XX, 1870. 492 3- Thoracostraca. Farn. Box>yridae. Schmarotzer in der Kieinenhöhle von Ciarncelen. Körper* des Weibchens scheibenförmig, unsymmetrisch, ohne Augen. Männchen sehr klein, gestreckt, mit deutlich gesonderten Leibesringen und Augen. Bopyrus squillarum Latr., auf Palaemon squilla. Gygc Corn. Panc. auf Gebia, (Fig. 443.) Hier schliessen sich die Enloniscidae, Binnenasseln, an, welche im Leibesraume anderer Crustaceen (Cirripedicn, Paguriden, Krabben) schmarotzen. Cryptoniscus plana- rioides Fr. Müll., an Sacculina purpurea eines Pagurus, Brasilien. C. pygmaeus Rathke, auf Peltogaster. Entoniscus Porcellanae Fr. Müll., lebt zwischen Darm und Herz einer Porcellanaart Brasiliens. Fam. Oniscidae. Landasseln. Nur die Innenlaniellen der Afterfüsse zarthäutige Kiemen, die äusseren zu festen Deckplatten umgebildet, die beiden vorderen zuweilen mit Luft- räumen. Mandibeln tasterlos. Leben vornehmlich an feuchten Orten auf dem Lande. Ligia oceanica L. Auf Felsen und Steinen an der Meeresküste. Oniscux murarius Cuv., Mauer- assel. PorcelUo scaber Leach., Kellerassel. Armadillo vulgaris Latr., A. officinarum Brdt. 2. Unterordnung. Ämsopoda *). Körper mehr oder minder Amphipodeu- älinlicli mit sechs freien Brustsegmenten, indem ausser dem Segmente des Kieferfusses auch das nachfolgende freie Brustsegment mit seinem mächtigen Scheerenfuss in die Bildung des Cephalothorax eingegangen ist. Durch eine Tnte- gumentduplicatur des Kopfes, welche rechts und links das mit demselben ver- schmolzene Brustsegment überwachsen hat, ist ein kleiner Cephalothoracal- schild mit Athemhöhle gebildet, in welcher der Epipodialanhang des Kiefer- fusses als schwingende Kiemenplatte fungirt. Sowohl der Scheerenfuss als der nachfolgende Brustfuss tragen bei Apseudes einen kleinen Nebenast, einen geisselartig schwingenden Exopoditen. Das Herz erstreckt sich wie bei den Aihphipoden durch den Thorax. Abdomen mit zweiästigeu Schwimmfüssen. Fam. Tanaidae, Scheorenasseln. Tanain dubius Kr., Brasilien. Nach Fr. Müller mit zweierlei Männchen (Eiecher und Packer). T. gracilis Kr., Spitzbergen. Apsevdes Leach. Mit Rudimenten eines Exopoditen an den vorderen zwei Brustfüssen. A. Latreillii M. Edw. 3. Thoracostraca '^), Schalenkrebse. Malacostraken mit zusammengesetzten^ meist auf beweglichen Stielen sitzenden Augen, mit einem Rückenschild, welches alle oder luenigstens die vorderen Brustsegmente mit dem Kopfe verbindet. *) Fr. Müller, Ueber den Bau der Scheerenasseln. Archiv für Nuturgeschichte, Tom. XXX, 18G4. C. Claus, Ueber Apseudes Latreillii Edw. I. und IL Arbeiten des zool. Institutes Wien, Tom. V, 1884, Tom. VII, 1888. ^) Ausser den grösseren Werken von Herbst, M. Edwards, Dana und den Auf- sätzen von Duvernoy, Audouin und M. Edwards, J o 1 y, Couch u. A. vergl. Leach, Malacostraca podophthalma Britanniae. London, 1817—18^1. V. Thompson, On the metamorphosis of Decapodous Crustacea. Zool. Journ., Vol. II, 1831, sowie Isis 1834, 1836, 1838. H. Ptathke, Untersuchungen über die Bildung und Entwicklung des Flusskrebses. Leipzig, 1829. Th. Bell, A history of the British stalk eyed Crustacea. London, 1853. Lereboullet, Recherches d'embryologie comparee sur le developpement du Brechet, de la Perche et de l'Ecrevisse. Paris, 1862. V. Hensen, Studien über das Gehörorgan der Decapoden. Leipzig, 18G3. C. Claus, Crustaceensystem 1. c. 1876. Mundwerkzeuge. Bcinpaare. 493 Auch die Sclialenkrebse besitzen einen ans 13 Segmenten zusammen- gesetzten Vorderleib und ein Abdomen, an dessen Bildung sich sechs Segmente nebst der Schwanzplatte (Telson) betheiligen, indessen erscheint der Körperbau gedrungener, zu einer vollkommeneren Locomotion und höhereu Lebensstufc befähigt. Die mittlere Leibesgegend wird von einem Kückenschilde bedeckt, welches eine festere und innigere Verschmelzung von Kopf und Brust herstellt. Allerdings machen sich in der Ausbildung dieses Schildes, welches auch unter den Isopoden bei den Tanaiden nachweisbar ist, verschiedene Abstufungen geltend. Auf der höchsten Stufe bildet dasselbe unmittelbar das ßückeninte- gumeut der vorderen oder fast sämmtlicher Brustringe und erscheint nur in seinen seitlichen, nach der Bauchseite gebogenen Flügeln als freie Du- plicatur. Rücksichtlich der Gliedmassen, von denen 13 Paare dem Vorderleibe und 6 dem Hiuterleibe angehören, treffen wir eine von den Arthrostraken abwei- chende, aber selbst wieder in den einzelnen Gruppen wechselnde Verwendung. Auch werden die Pacettenaugen meist von zwei beweglich abgesetzten Stielen getragen, welche man lange Zeit als das vorderste Gliedmassenpaar zu deuten berechtigt zu sein glaubte, während sie in Wahrheit abgegliederten Seiten- stücken des Kopfes entsprechen. Die beiden Antennenpaare gehören dem Vorder- kopfe an ; das vordere Paar trägt auf einem gemeinsamen Schafte in der Regel zwei oder drei Geissein, wie man die secundären, als geringelte Fäden sich dar- stellenden Gliederreihen bezeichnet, und ist vorzugsweise Sinnesorgan. In seiner Basis liegen bei den Decapoden die Gehörhlasen^ an der inneren Geissei sind die zarten Haare angebracht, welche mit Nerven im Zusammenhange stehen und als Geruchsorgane gedeutet werden. Die zweiten Antennen heften sich ausserhalb und in der Regel etwas unter den vorderen an, tragen eine lange Geissei und bei den langschwänzigen Decapoden meist eine mehr oder minder umfangreiche Schuppe. Auf einem kurzen röhrenförmigen Portsatz ihres Basal- gliedes mündet die Antenuendrüse aus. (Fig. 446.) Als Mundwerkzeuge fungiren die nachfolgenden drei Gliedmassenpaare, zu den Seiten der Oberlippe die kräftigen, Taster tragenden Mandibeln und weiter abwärts die beiden mehrfach gelappten Maxillenpaare, vor denen unter- halb der Mundöffnung die kleine zweilappige Unterlippe (Paragnathen) liegt. Die nachfolgenden acht Gliedmassenpaare zeigen in 'den einzelnen Gruppen eine sehr verschiedene Form und Verwendung. In der Regel rücken die vor- deren Paare, zu Hilfsorganen der Nahrungsaufnahme umgebildet, als Beikiefer oder Kieferfüsse näher zur Mundöffnung hinauf und nehmen auch ihrem Baue nach eine vermittelnde Stellung zwischen Kiefern und Füssen ein. Bei den Decapoden (Fig. 446) sind drei Paare von Gliedmassen Beikiefer, so dass fünf Paare von Beinen am Vorderleibe übrig bleiben, bei den Stomatopoden werden sogar die ersten fünf Gliedmassenpaare als Greif- und Kieferfüsse verwendet, und nur drei Paare von zweiästigen Schwimmbeinen entspringen an den drei hinteren freien Segmenten der Brust. (Fig. 402.) Die Beine der Brust sind 494 Thoracostraca. Abdominalfiisse. entweder noch theilweise Spaltfüsse (mit Schwimrafussast) oder haben den Nebenast abgeworfen- und erscheinen dann als Gehfüsse (Dexapoden). Alsdann enden dieselben mit einfachen Klauen, die vorderen liäufig auch mit grossen Scheeren; indessen können ihre Endglieder auch breite Platten werden und die Gliedmassen zum Gebrauche als Schwimmfiisse befähigen. Von den sechs Fig. 446. Männchen und Weibchen von A-ttacus fljiviatili-i, von der Bauchseite dargesteUt. Beim Männchen sind Gehfüsse und Abdominalfüsse der linken Seite, beim Weibchen ausser den Gehfüssen dei- rechten Seite auch die Kieferfüsse beider Seiten entfernt. A' Innere Antenne, A" äus.sere Antenne, I'l Schuppe der- selben, Md Mandibel mit Taster, Mx' erste Maxille, Mx" zweite Maxille, Mx/^ bis Mxj^ die drei Kiefer- füsse, Gfoe Geschlechtsüffnung, Doc Oeffnung der grünen Drüse, F', F" erster und zweiter Abdominalfuss, Ol) Eier, A After. zweiästigen Beinpaaren des Hinterleibes verbreitert sich das letzte Paar in der Kegel fiossenartig und bildet mit dem Endstücke des Abdomens, welches zu einer ansehnlichen Platte (Telson) umgestaltet ist, die Schicanzßosse oder den Fächer. Dagegen sind die fünf vorausgehenden Fusspaare, welche als After- füsse den fünf vorderen Abdominalsegmenten angehören, theils Schwimmfüsse {Stomatopoden), theils dienen sie sämmtlich zum Tragen der Eiersäckchen, Gefilsssystem. 491 447. oder die vorderen als Hilfsorgaue der Begattung (Männchen), sie können aber auch mehr oder minder rudimentär werden und thoilweise hinwegfallen. ]\rit seltenen Ausnahmen {Mysideen) besitzen die Schalenkrebse büschel- förmige oder aus regelmässigen lanzettförmigen Fiederblättchen zusammen- gesetzte Kiemen, welche als Anhänge der Gliedmassen {Podohranchien) auf- treten, beziehungsweise an den Seiten des Leibes {PUurohranchien) aufsitzen. Die Stomatopoden tragen dieselben am Hinterleibe an den Afterfüssen, die Cumaceen entbehren derselben bis auf ein Kiemeupaar an dem ersten Maxillar- fusse ; bei den Schizopoden und Decapoden sitzen die Kiemen an den Kieferfüssen und Gehfüssen, sowie an der Seiten- wand der Brustsegmente (Pleuren), und zwar bei den Decapoden durch- weg in einem besonderen Kiemen- raum unter den seitlichen Ausbrei- tungen des Panzers. (Fig. 447.) Auch die Kreislaufsorgane erlangen eine hohe Entwicklung, die höchste unter den Krebsen. Ueberall haben wir ein Herz und Gefässe. Bei den Stomatopoden ist dasselbe sehr lang, erstreckt sich als Eückengefäss durch Brust und Hinterleib, besitzt zahlreiche Spaltenpaare und lässt ausser einer vorderen und hinteren Aorta zahlreiche sich verzweigende Arterienstämme rechts und links austreten. Cephalothorax von Astacus fluviatilis, nach Entfernung der Kiemeudecke, nach Haxley. K Kiemen, R Rostrum, 0 Stielauge, Mp schwingender Plattenanhang der zweiten Maxille, Miß" dritter Maxillarfuss. Fig. 448. Längsschnitt durch Asiaeus ßiivialilif, nach Iluxley. C Herz, Ac Aorta cephalica, Aa Aorta abdominalis, an ihrem Ursprang tritt die Sternalarterie {Sta) aus, Km Kaumagcn, D Darm, L Leber, T Hoden, r Zoea- stai'hel am Rücken, A' , A" die Antenuenpaare, Kf, Kj" die beiden Spaltfusspaare, welche dem ersten und zweiten Kieferfüsse entsprechen. Megalopa, 499 geschichte die Identität der Ausgaiigstbrni für Etitomostrakeii und Mala- costraken erwiesen, die sich auch in der Embryonalentwicklung wiederholt. Während des Wachsthums der Zoea, deren weitere Umwandlung eine ganz allmälige und ü])eraus verschiedene ist, sprossen unter dem Kopfbrust- schild die fehlenden fünf — ■ bei den Krabbenzoeen sechs — Beinpaare der Fig. 452. Jlüller. a Ncaupliixsform von der Rückenseite. A', A" die beiden Antennen- - 6 Metanaupliusstadium von der linken Seite dargestellt. Mx' vordere Jü" liintere Maxille, Gl .seclistes und siebentes Gliedmassenpaar oder erster und zweiter Maxillar- fuss. — c Das Zoeastadium. 0 Augen. Larven von Penaeus, nach Fr paare, Mdf Mandibularfuss. Maxille, Brust und am Abdomen die Afterfüsse hervor. Die Garneelzoeen treten schliess- lich in ein den Schizopoden ähnliches Stadium ein, aus dem die definitive Form hervorgeht. Aehnlich verhalten sich die Zoealarven der Anomuren. DieKrabben- zoea aber geht mit einer späteren Häutung in eine neue Larvenform, die Mega- lopa, über, welche bereits ein Brachyur ist, jedoch noch einen grossen, zwar nach der Bauchseite umgeschlagenen, aber mit der Schwanzflosse ausgestatteten Hinterleib besitzt. (Fig. 453.) 32* 500 Ordnung. Cuinacea. DieSchalenkrebso sind grösstentheils Meeresbewohner und ernähren sich von todteii thierischen Stoffen, sowie vom Eanbe lebender Beute. Die meisten schwimmen vortrefflich, andere, wie zahlreiche Krabben, bewegen sich gehend und laufend und vermögen oft mit grosser Behendigkeit rückwärts und nach den Seiten zu schreiten. In den Scheeren ihrer vorderen Beinpaare haben sie meist kräftige Vertheidigungswaffen. Abgesehen von den mehrmaligen Häutun- gen im Jugendzustande werfen auch die geschlechtsreifen Thiere einmal oder mehrmals im Jahre die Schalen ab (Decapoden) und leben dann einige Zeit mit der neuen, noch weichen Haut in geschützten Schlupfwinkeln verborgen. Einige Brachyuren vermögen längere Zeit vom Meere entfernt auf dem Lande Fig. 453. h a Zo'ea von Inodius in vorgeschrittenem Stadium mit den Anlagen des dritten Kieferfusses (!<('•') und der fünf Gebfusspaare (5 Bp), C Herz, L Leber. — h jl/ega?opa-Stadium von Forlunus. Ah Abdomen, F' bis F'^ erster bis fünfter Gchfusf. in Erdlöchern zu leben. Diese Laudkrabben unternehmen meist zur Zeit der l!]ierlage gemeinsame Wanderungen nach dem Meere und kehren später mit ihrer gross gewordenen Brut nach dem Lande zurück [Gecarcinus ruricola). Die ältesten bis jetzt bekannt gewordenen fossilen Podophthalmen sind lang- schwänzige Decapoden und Schizopoden aus der Steinkohlenformation {Palaeo- crangon^ Palaepcarahus, Pygocejphalus). 1. Ordnung. Cumacea '), Cumaceen. Mit kleinem Kopfbrustschild, (vier bis) fünf freien Brust Segmenten, mit zwei Kieferfusspanren und sechs Beinpaaren, von denen mindestens die zioei ») H. Kröjer, Fin; iiye Arter af shiegten Cuma. Naturh. Tidsskr., Tom. 111,1841. Derselbe, Om Cumareornes Familie. Ebendaselbst, N. R., Tom. III, 1846. A. Dohrn, Ucber den Bau und die Entwicklung der Cumaceen. Jen. naturw. Zeitschr.. Tom. V. 1870. G. 0. Sars, Beskrivelse af de paa Fregatten Josepliincs Exped. fimdne Cumaceer. Stock- holm, 1871. Kürpt-rl):.!!. 501 vorderen Paare Spalffüsse sind, mit langgestrecktem Abdomen, loelches beim Männchen ausser den Seine anzanhänxjen zwei, drei oder fünf Schwimmfuss- paare trägt. Die Cumaceen tragen in ihrer Erscheinung den Habitus von Decapoden- larven, an die sie auch in ihrer Organisation mohrfach erinnern, während sie in manchen Merkmalen, wie Bildung der Bruttasche und Embryonaleutwick- lung, den Arthrostraken, besonders den Anisopoden, nalie stehen, (Fig. 454.) Stets ist ein Kopfbrustschild vorlianden, welches ausser den Kopfsegmeuten Piß-. 454. DiasUjUs sculpta. a Männchen, h Weibchen. Nach G. O. Sars. zugleich die drei vorderen der (8) Brustringe und deren Gliedmassen umfasst. Somit bleiben die fünf hinteren Brustringe frei. Von den beiden Antennenpaaren sind die vorderen klein und bestehen aus einem dreigliedrigen Schaft, an dessen Ende sich vornehmlich beim Männ- chen Büschel von Eiechhaaren anheften, aus einer kurzen Geissei und Neben- geissel. Die unteren Antennen bleiben im weiblichen Geschlechte kurz und rndimentär, während sie beim ausgebildeten Männchen mit ihrer vielgliedrigeu Geissei (wie bei Nebalia) die Länge des Körpers erreichen können. Die Oberlippe bleibt meist klein, während die tief getheilte Unterlippe einen bedeutenderen Umfang zeigt. Die Mandibeln entbehren des Tasters und 502 Cumacea. Extremitäten. Darmcanal. Herz. entsenden unterhalb der stark bezahnten Spitze einen Borstenkamm und einen mächtigen Molarfortsatz. Von den beiden Maxillenpaaren bestehen die vor- deren ans zwei gezähnten Laden und einem cylindrischen, nach hinten gerich- teten Geisselanhang, die tasterlosen Kiefer des zweiten Paares aus mehreren über einander liegenden Kauplatten nebst borstenlosem Fächeranhang (Exo- podit). Die beiden nachfolgenden Extremitäteupaare (die beiden vorderen der 8 Brustfusspaare) dürften als Kieferfüsse zu bezeichnen sein. Die vorderen, welche der Unterlippe der Asseln und deren Tastern entsprechen, sind durch den Ladenfortsatz ihres Basalgliedes kenntlich und tragen einen fttnfgliedrigen Endopoditen. An der Aussenseite des zu einer Art Unterlippe verschmolzenen Stammes erhebt sich eine mächtige Epipodialplatte nebst grosser gefiederter Kieme. Die hinteren Kieferfüsse besitzen eine bedeutendere Länge und einen sehr gestreckten cylindrischen Stamm, dessen kurzes Basalglied eine rudi- mentäre Epipodialplatte tragen kann. Von den noch übrigen sechs Beinpaaren der Brust, von denen die vorderen dem dritten Kieferfusspaare der Decapoden entsprechen, sind die beiden vorderen Paare stets nach Art der Schizopoden- füsse gebildet und bestehen aus einem sechsgliedrigen Bein mit mächtig ent- wickeltem lamellösen Stamm — das Basalglied desselben bleibt sehr kurz und als abgesetztes Glied kaum nachweisbar — einem fttnfgliedrigen Endo- poditen und einem mit Schwimmborsten besetzten Nebenast (Exopodit). Die vier letzten, ebenfalls sechsgliedrigen Beinpaare sind kürzer und tragen im männlichen Geschlecht, aber stets mit Ausnahme des letzten Paares, einen kleineren oder grösseren Schwimmfussanhang als Nebenast. Das stark verengte und sehr langgestreckte Abdomen entbehrt im weib- lichen Geschlechte der Schwimmfüsse durchaus, trägt aber an dem grossen sechsten Segment zu den Seiten der Schwanzplatte langgestielte zweiästige Schwauzgriffel, während beim Männchen noch zwei, drei oder fünf Schwimm- fusspaare an den vorausgehenden Segmenten hinzukommen. Die beiden Augen sind, wenn überhaupt vorhanden, zu einem unpaaren Sehorgan zusammen- gedrängt oder liegen als kleine Erhebungen dicht nebeneinander {Bodotria Goods). Am Darmcanal unterscheidet mau die Speiseröhre, einen mit Leisten und Zähnen bewaffneten Kaumagen, hinter welchem dreiPaare langer Leberschläuclie einmünden, und einen langen engen Darm mit der unter der Schwanzplatte ausmündenden Afteröffnung. Eine mehrfach gewundene Schalendrüse im Seg- ment des zweiten Kieferpaares fungirt als Harnorgan. Das massig gestreckte Herz liegt in der vorderen Thoralregiou und ent- sendet ausser der vorderen und hinteren Aorta zwei seitliche Arterien. Als Kiemen fungirt ausser der inneren Schalenlamelle ein vielfach gespaltener Epipodialanhang des ersten Kieferfusses (wie bei den Tanaiden), dessen liestän- dige Vibration auch die Erneuerung des die Unterseite der Schale bespülenden Wassers bewirkt. 2. Onliiims. Stomatopoda. 503 Die beiden Geschlechter unterscheiden sich durch die Gestalt der hinteren Antennen, sowie des Abdomens und seiner Beinpaaro. Bei der Begattung hält sich das Männchen auf dem Eücken des Weibchens mit seinen grossen vorderen Beinpaaron fest und schlägt deren Klauen unter der Einbuchtung des Kopf- brustschildes ein. Die Eier gelangen in eine von als Brutplatten dienenden Beinanhängen des Weibchens gebildete Bruttasche und durchlaufen in der- selben die Embryonalentwicldung, die jener der Isopoden ähnlich ist. Wie hier liegt das Abdomen anfangs nach dem Rücken umgeschlagen, erfährt jedoch später eine Umbiegung nach der Bauchseite. Die ausschlüpfenden Jungen ent- behren noch des letzten Brustfussos und der Abdominalfüsse. Von der Lebensweise der Cumaceen ist bekannt, dass sich dieselben nahe am Strande auf sandigem und morastigem Grunde, theilweise auch in bedeutenden Tiefen aufhalten. Fam. DiastyKdae. Diastylis Rathkii Kr., Nordsee. B. Edioardsii Kr. B. sculpta G. 0. Sars. (Fig. 454.) Leucon nasicus Kr., Norwegen. Rodotria Goods u. a. G. 2. Ordnung. Stomatopoda '), Maulfüsser. Langgestreckte Schalenkrebse mit kurzem, die letzten drei Brustsegmente nicht überdeckendem Kopfbrustschild, mit fünf Paaren von Mundfüssen und drei spaltästigen Beinpaaren, mit Kiemenbüscheln an den Schwimmfüssen des mächtig entwickelten Hinterleih es. Die Stomatopoden, zu denen man früher auch die Schizopoden, ferner die Gattung Leiicifer und die nunmehr als Scyllarus- und PalinuruslMYQu er- wiesenen Phyllosomcn stellte, werden gegenwärtig auf die nur wenige Formen umfassenden, aber scharf und gut begrenzten Squilliden oder Heuschrecken- krebse beschränkt. Es sindSchalenkrebse vonansehnlicher Grösseundgestreckter Körperform, mit breitem, mächtig entwickeltem Abdomen, das an Umfang den Vorderleib bedeutend übertrifft und mit einer ausserordentlich grossen Schwimm- flosse endet. Das weichhäutige Kopfbrustschild bleibt kurz und lässt die drei grossen hinteren Thoracalsegmente, welchen die gespaltenen Euderfüsse an- gehören, völlig unbedeckt. Aber auch die kurzen Segmente der ßaubfüsse sind nicht mit dem Schilde verwachsen und liegen am Hinterrande des Schildes mehr oder minder frei. Der vordere Abschnitt des Kopfes mit den Augen und Antennen ist be- w-eglich abgesetzt, wie auch die nachfolgenden, vom Kopfbrustschilde bedeckten Segmente eine beschränkte Beweglichkeit bewahren. (Fig. 455.) Die vorderen inneren Antennen tragen auf einem langgestreckten dreigliedrigen Stiele drei ') Ausser D a n a, M. E d w a r d s u. A. \ crgl. : Fr. Mülle r, Bruchstück aus der Ent- wicklungsgeschichte der Maulfüsser. I. und II. Archiv für Naturgesch., Tora. XXVIII, 1862 und Tom. XXIX, 18G3. C. Clau.s, Die Metamorphose der Squilliden. Ahhandl. der Göttinger Societät, 1872. C. Grohben, Die Geschlechtsorgane von Squilla inantis. Sitzungsberichte der k. Akad. der Wissensch. Wien, 1876. W. K. Brooks. I\('])ort on the Stomatopoda collected by H. M. S. Challenger etc., 1886. 504 Stomatopoda. Körperbau. kurze vielgliedrige Geissein, während die Antennen des zweiten Paares an der äusseren Seite ihrer vielgliedrigen Geissei eine breite, umfangreiche Schuppe besitzen. Den weit abwärts gerückten Mandibeln gehört ein dünner dreigliedri- 455. I^quilla mnnti.i. A' Kf, Kf" die vorderen Kieferfusspaare die drei Spaltbeinpaare des Tliorax. Ceplialothorax, 7?', B" , 7?" ger Taster au. Die Maxillen sind verhältnissmässig klein und schwach, mit kaum nachweisbarem Tasterrest. Hinter den Kieferpaareu sind die fünf fol- Fig. 456. gendeu beinartig gestalteten Extremitäteupaare dicht um den Mund gedrängt und deshalb tref- fend als Mundfüsse bezeichnet worden. Sämmt- lich tragen sie an der Basis eine scheibenförmige Epipodialplatte, die an den beiden vorderen Paaren einen ansehnlichen Umfang erreicht und durch Schwingungen einen respiratorischen Wasser- strom unterhalten, eventuell zugleich zur Athmung dienen kann. Nur das vordere Paar (1. Kiefer- fuss) ist dünn und tasterförmig, endet jedoch mit einer kleinen Greifzange, die übrigen dienen zum Ergreifen und zum Kaube der Beute. Bei Weitem am umfangreichsten ist das zweite Paar (2.Kiefer- fuss), welches, mehr oder minder nach aussen ge- rückt, einen gewaltigen Raubfuss mit enorm ver- längerter Greifhand darstellt. Ein Geisselast kommt diesen Gliedmassen nur im frühen Larven- alter zu, (Fig. 45(1) Die drei folgenden Paare sind gleichgestaltet und enden mit schwächerer rund- licher Greif band. Somit bleiben zum Gebrauche derLocomotion nur die drei zweiästigen Beinpaare der letzten unbedeckten Brustsegmente übrig. Weit mächtiger aber sind die Schwimmfüsse des Abdomens entwickelt, deren äussere Lamellen die Kiemenbüschel tragen. Beide Geschlechter sind nur wenig verschieden. Indess ist das Männchen leicht an dem Besitze des Ruthenpaares an der Basis der letzten Ruderbeine, Eiichthoi(Una-üts.A\\\m. Kf" späteriT zweiter Kieferfuss, die drtd naohfol- gendeii Paare werden wieder abge- worfen, au ihrer Stelle entwickeln sich der 3. bis 5. Kieferfuss. 3. Ordinmg. Scliizopoda. 505 4')7. sowie an dem etwas umgestalteten ersten Pleopodenpaare mit Greitanhang kenntlicli. Die postembryonale Entwicklung be- ruht auf einer complicirten Metamorphose, die uns leider bislang nicht vollständig be- kannt geworden ist. Die jüngste der beob- achteten Larven, Erichthoidina^ von etwa 'rj I \ I / 2 Mm. Länge (Fig. 456), besitzt schon sämmt- "^^"'^ ^' ' ^^ liehe Segmente der Brust und deren Seg- menten fünf zweiästige Schwimmfusspaare, / ÜK^K entbehrt aber noch des Hinterleibes bis auf pro ^ die Schwanzplatte, ist also von der Zoea der '^^n Decapoden weit verschieden. Spätere Larven- pmm^ zustände sind als Alima und Erkhtlms be- K I schrieben. (Fig. 457.) ^"'~ ■' Die Stomatopoden gehören ausschliess- junge,4/ma-Larve, schwächer vergrössert. .4/ jj^j^ ^^^^ wärmercn Mcercu an, schwlmmeu Abdoniinalfüsse (Pleopodeu), Mxf erster Bla- xiihirfuss, Mxf der grosse Raubfuss (zweiter vortrofflich Und emähreu sich vom Eaube Maxiiiarfuss). anderer Seethiere. Farn. SquiUidae, Heuschreckenkrebse. Squilla mantis Koiid (Fig. 455), Sq. Desma- restil Eisso, Adria und Mittelmeer. Gonodactylus cJdragra Fabr. 3. Ordnung. .Schizopoda '), Spaltfiisser. Kleine Schalenhrebse mit grossem^ meist zarthäutiyem Kopfhrustschild und acht Paaren (jUichartiy gestaltet er Spaltfüsse, welche frei vorstehende Kiemen tragen, können. In ihrer äusseren Erscheinung tragen die Schizopoden bereits den Habitus der langschwänzigen Decapoden, da sie wie diese einen langgestreckten, meist ziemlich stark comprimirten Körper mit ansehnlichem, die Brustsegmente mehr oder minder vollkommen überdeckendem Kopfbrustschild und mächtig entwickeltem Abdomen besitzen. Indessen weicht der Bau der Kieferfüsse und der Beine des Thorax wesentlich ab und nähert sich wie auch die einfachere innere Organisation den vorgeschrittenem Garneellarven. Auch lässt das Brust- schild eine grössere Zahl von Thoracalsegmenten (Siriella), im früheren Larven- alter (Euphausia) sogar wie bei Nehalia sämmtliche Segmente des Mittelleibes frei, von denen später eine grössere oder geringere Zahl an der Rückenseite mit der Haut des Schildes verschmilzt {Euphausia). Die drei Kieferfusspaare bleiben noch im Dienste der Locomotion und sind den nachfolgenden Bein- paaren ähnlich gebaute Spaltfüsse, welche durch den Besitz eines vielgliedrigen ') ü. 0. Sars, Hist. nat. des Crustaces d'eau douce de Norvege. Christiauia, 1867. Derselbe, Carcinobigiske Bidrag til Norges Fauna. Mysider Christiania, 1870 und 1872. E. V. Willemoes-Subm, On some Atlant. Crustacea. Transact. Linn. Soc. 1875. Ct. 0. Sars, Eeport on the Schiztipoda colleeted by H. M. S. Challenger, 1885. 506 irta. Körperlciu. borsteiibesetzteu Nebeuastes zur Strudelung und Scliwimmbewegung geeignet erscheinen. (Fig. 458.) Jedoch stehen die beiden vorderen Paare durch kürzere und gedrungenere Form und das vordere Paar wohl auch durch Ladenfort- sätze des Stammes schon in näherer Beziehung zu den Mundwerkzeugen (Mijsis, Siridla). Der Hauptast des Beines ist immer vcrhältnissmässig dünn und schmächtig und endet mit einfacher schwacher Klaue. Zuweilen wird das vor- letzte Glied mehrgliedrig (Tarsalgeissel). Selten (Euphausia) bleiben die beiden letzten Beinpaare bis auf die mächtig entwickelten Kiemeuanhänge ganz rudimentär und ausser dem Basal- glied auf den stummeiförmigen Exopoditen beschränkt. Die Pleopoden sind im weib- lichen Geschlechte meist winzig klein, im männlichen Geschlechte aber mächtig ent- wickelt, theilweise von abnormer Form und Grösse (Hilfswerkzeuge der Begattung) und tragen ausnahmsweise (Siriella-MiuiTi- chen) auchKiemen. Das Fusspaar des sechs- ten, meist sehr gestreckten Segmentes ist zweiästig, lamellös, schliesst häufig in der inneren Lamelle eine Gehörblase ein und bildet mit dem Telson eine mächtige Schwimmflosse. (Fig. 458.) Die Männchen sind von den Weib- chen durchwegs auffallend verschieden, so dass sie früher zur Aufstellung besonderer Gattungen Veranlassung gaben. Erstere be- sitzen an den Vorderfühlern eine kamm- förmige Erhebung zum Tragen der grossen Zahl von Kiechhaaren und sind durch die ansehnlichere Grösse der Schwanzfüsse, von denen die vorderen überdies mit Copula- tionsanhäugen versehen sein können, zu einer rascheren und vollkommeneren Be- wegung befähigt, welcher wiederum das grössere Athmungsbedttrfniss und der Besitz von Kiemenanhängen bei Siriella entspricht. Die AVeibchen tragen zuweilen an den zwei oder drei hinteren Brustfüssen (viele Mysideen) oder auch zugleich an den mittleren und vorderen {Lophogasfer) Brutblätter zur Bildung eines Brutraumes, in welchem wie bei den Kingelkrebsen die grossen Eier ihre Entwicklung durchlaufen. Die Jungen verlassen den Brutraum meist schon im Besitze sämmtlicher Extremitäten. In anderen Fällen {Euphausia) jedoch verläuft die Entwicklung als Meta- morphose. Die junge Euphausia schlüpft als Naupliuslarve aus, an der auch alsbald die drei nachfolgenden Gliedmassenpaare in Form wulstförmiger Mijsis oculata. AVeibchen mit Brutblättern, nach G. O. Sars. Gb Gehörblase im Schwanzfächer. i. Ordnung. Dccapodu. 507 Erliebiingeu auftreten. Der ausehnlicli grossß Naiipliuspanzer, auch nach vorne lim die Basis der Antennen in Form eines gezackten Saumes lierurageschlagen, ist die Anlage des Kopfbrustschildes, unter dem auch schon zu den Seiten des unpaaren Auges die Anlage der Seitenaugen sichtbar wird. Nun folgt nach ab- gestreifter Haut das Profozoea- und hierauf das Zoeastadium (von Dana als Cali/pfopts beschrieben) mit freilich nur sechs Gliedmassenpaaron und langem, l)ereits vollzählig gegliedertem fusslosen Abdomen, In den zahlreichen nach- folgenden Larvenstadien (früher als FurciUa^ Cyrtopia beschrieben) bilden sich der lieihe nach die fehlenden Extremitäten aus. Fam. Mijsidae. Brustfüsse kieraenlos, das vordere Paar (Kieferfus.s) mit scliwiii- gender Epipodialplatte, die hinteren und eventuell mittleren Paare mit Brutblättern im weiblichen Geschlecht. Mit Otolithenblase in der Fächerplatte. (Fig. 458.) Mysis vulgaris Thomps., M. flexuo.sa 0. Fr. Müll., M. ocvlaia Fabr., M. inermis ßathke, nördliche Meere. Sir it IIa Edivardsü Cls. Farn. Euphausidae. Mit Kiemenbüscheln an den Brustfüssen. Meist mit Leucht- organen am Thorax und Abdomen. Weibchen ohne Brutblätter. Entwickeln sich mittelst Metamorphose. Eupliausia splendens Dana, Atlant. Ocean, Thysanopoda norvegica Sars. Farn. Lopliogastridae. Mit Kienien und Brutblättern an den Brustfüssen. Lopho- gasler typicus Sars, Norwegen. 4. Ordnung. Decapoda M, zehufüssige Krebse. Thoracosfraken mit grossem Rückenschüde, tvelches meist mit allen /Seg- menten des Kopfes und der Brust verwachsen ist^ mit drei Kieferfusspaaren und zehn theilweise mit Scheeren beicaffneten Gehfiissen. Kopf und Thorax sind vollständig von dem Kückenschild überdeckt, dessen Seitenflügel über den Basalgliedern der Kieferfüsse und Beine eine die Kiemen bergende Athemhöhle bilden, in v^^elcher die schwingende Athemplatte der zweiten Maxille die Wasserströmung unterhält. (Fig. 447.) Nur das letzte mehr oder minder beweglich bleibende Segment kann sich als freier Abschnitt ge- trennt erhalten. Das Stirnende des Kopfschildes läuft zwischen den Augen in einen Stachel (Kostrum) aus. Das feste kalkhaltige Integument des Kücken- schildes zeigt vornehmlich bei den grösseren Formen symmetrische, durch die Ausbreitung der unterliegenden inneren Organe bedingte Erhebungen, welche als bestimmte, nach jenen benannte Kegionen unterschieden werden. Eine sehr verschiedene Gestalt und Grösse zeigt das Abdomen, Bei den Makruren erreicht dasselbe einen bedeutenden Umfang und besitzt ausser den fünf Fusspaaren, von denen freilich oft das vordere im weiblichen Geschlechte /"c'r. wenn das klauenförmige Endglied gegen einen Fortsatz des vorausgehenden Gliedes bewegt wird (Scorpione, zahlreiche Milben), oder Klauenhiefer, wenn dasselbe einfach nach abwärts oder einwärts geschlagen wird (Spinnen). Es können aber auch die Kieferfühler Stilete bilden, die dann von den Laden der Unter- kiefer wie von zwei Halbrinnen röhrenartig umschlossen werden (Milben). Der Unterkiefer, das zweite Gliedmassenpaar des Kopfes, besteht aus einer Kieferlade als Grundglied und einem Kiefertasfer, welcher häufig die Form und Gliederung eines Beines erhält. Dieser endet entweder klauenlos. oder als KlcmentaHfer mit einer Klaue oder als Scheerentaster mit einer Scheere (Scor- pione), Bei den echten Spinnen schiebt sich zwischen die beiden Laden der Unterkiefer noch eine demselben Segmente angehörige unpaare Platte als Unterlippe ein. Die vier nachfolgenden Gliedmassenpaare der Brust sind die zur Ortsbewegung verwendeten Beine, von denen das erste zuweilen eine ab- weichende Form erhält, sich tasterartig verlängert (Pedipalpen) und mit seinem Basalglied sogar als Kiefer fungiren kann. Die Beine bestehen aus sieben oder auch sechs Gliedern, welche bei den höheren Formen analog den Abschnitten des Insectenbeines bezeichnet werden. Die innere Organisation der Arachnoideen zeigt kaum geringere Differenzen als die.derCrustaceen. Am iVi^rfc??s^.s^e???e sind Gehirn und Baucbmarknicht immer scharf getrennt und liegen bei stark verkürzten Commissuren nicht hinter, sondern über einander. Bei den Milben können beide so eng verbunden sein, dass sie eine gemeinschaftliche Ganglienmasse um den Schlund darstellen (Milben). Bei den Pentastomiden ist das Gehirn auf eine bandförmige Querbrücke über dem Schlünde reducirt, in den höheren Formengruppen aber von ansehnlichem Um- fang. Vom Gehirne entspringen die Augennerven, während die Nerven der Kiefer- fühlerin dem vorderen an dieCommissuremporgerücktenunterenSchlundganglion Inuere Organisation. 519 wurzeln. Eingeweidenerven sollen bei den Spinnen und Scorpionen vorhanden sein. Von Sinnesorganen treten Augen auf, welche niemals zusammengesetzte Augen mit facettirter Hornhaut darstellen, sondern als unbewegliche Punkt- augen, der Zahl nach zwischen 2 und 12 schwankend, in symmetrischer Weise auf der Scheitelfläche des Kopf brustschildes vertheiltsind. Grehörorgaue wurden bislang nicht nachgewiesen, wohl aber Tast- und Spürorgane. Der Verdauungs- canal erstreckt sich in«g-erader Richtung vom Mund zum hinteren Körpereude und zerfällt in einen engen Oesophagus und einen weitereu Magendarm, welcher in der Kegel seitliche Blindsäcke trägt. Der letztere gliedert sich wiederum bei Fig. 467. den Spinnen und Scorpionen in einen vorderen erweiterten Abschnitt, den sogenannten Magen, und in den Darm ab. Als Anhangsdrüsen des Darmes finden sich Speicheldrüsen, bei den Spinnen imd Scorpionen eine aus zahlreichen verästelten Canälen zu- sammengesetzte Leher und mit sel- tenen Ausnahmen (Phalangiiden) am Enddarm Mal pigJu sehe Gefässe als Harnorgane. Neben denselben kom- men aber noch als Nephridien zwei, den Segmentalorganen gleichwer- thigeDrüsen in Betracht,welche, unter der Bezeichnung Coxaklriisen be- schrieben, als lange in Windungen zu- sammengelegte Röhrchen sich durch die Seiten des Thorax erstrecken und zwischen dem dritten und vierten Bein paare ausmünden (Fig. 467), meist aber am ausgebildeten Thiere rückgebildet zu sein scheinen und nur noch als Rudimente ohne Ausmündung erhalten sind. Die Organe des Kreislaufes und der Respiration zeigen ebenfalls sehr verschiedene Grade der Ausbildung und fallen nur bei den niedersten Milben vollständig hinweg. Das Herz liegt im Abdomen als langgestrecktes, mehr- kammeriges Rückengefäss mit seitlichen Spaltöffnungen zum Eintritt des Blutes und häufig mit Aorten am vorderen und hinteren Ende, zu denen bei den Scor- pionen noch seitliche verzweigte Gefässstämme hinzukommen. Die Eespirations- organe sind innere Lufträume, welche entweder als Tracheen die Form vielfach verzweigter Röhren besitzen, 0(ier hohle Lamellen (Fächertracheen, sogenannte Lungen) darstellen, die in grosser Zahl wie die Blätter eines Buches nebenein- ander liegen und, miteinander durch Trabekeln verbunden, die Gestalt eines Sackes darbieten. Stets werden die Lufträume durch eine feste innere Chitin- ikreehter Querschnitt durch den Gephalothorax eines jungen Atijpus. CD Coxaldrüse, Ag Ausführungsgaug derselben mit der Spaltöffnung (Oe) hinter dem dritten Beinpaare (3ßp), S Suspensorium derselben, il/Muskeln, B(j Brustganglieumasse, Mg Saugmagen. 520 1- Ordnung. Scorpionidea. membran, die sich in den Tracheen zu einem spiraligen Faden verdickt, offen erhalten, so dass die Luft durch die paarigen Mündungen {Stigmata) der Tra- cheen oder Lungen am Anfange des Abdomens eintreten und sich bis in die feinsten Verzweigungen ausbreiten muss. Die Arachnoideen sind getrennten Geschlechtes. Die Männchen unter- scheiden sich häufig schon durch äussere Geschlechtsmerkmale, so durch ihre geringere Körpergrösse, durch den Besitz A^on HaftorgaMcn (Milben) oder durch Umgestaltung gewisser Gliedmassen. Ihre Geschlechtsorgaue bestehen aus einem paarigen oder unpaaren Hoden, dessen Samenleiter vor ihrer getrennten oder gemeinsamen Ausmündung an der Basis des Hinterleibes oft noch die Ausführungsgänge accessorischer Drüsen aufnehmen. Copulationsorgane am. Ende der Geschlechtsöffnungen fehlen in der Kegel, während entfernt liegende Extremitäten, wie die Kiefertaster der Spinnen, bei der Begattung zur Ueber- tragung des Spermas dienen. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind paarige oder unpaare Drüsen, meist von traubiger Form, mit paarigen Oviducten, welche vor ihrer getrennten oder gemeinsanaen Mündung am Anfange des Abdomens meist zu einem Samenbehälter anschwellen und ebenfalls mit accessorischen Drüsen in Verbindung treten. Selten {Phalanfjium) findet sich eine lange, vor- streckbare Legeröhre. Nur wenige Arachnoideen gebären lebende Junge (Scorpione und einige Milben), die meisten legen Eier ab, die sie zuweilen in Säcken bis zum Aus- schlüpfen der Jungen mit sich herumtragen. In der Regel haben die ausge- sehlüpften Jungen bereits die Körperform der ausgewachsenen Thiere, indess fehlen bei den meisten Milben noch ein, seltener zwei Beinpaare, die erst mit den nachfolgenden Häutungen auftreten; die Entwicklung der Pycnogoniden, Pentastomen und Hydrachneen (Wassermilben), welche letztere ein puppen- ähnliches, ruhendes Stadium durchlaufen, ist eine complicirte Metamorphose. Fast alle Arachnoideen nähren sich von thierischen, wenige von pflanz- lichen Säften, zu denen sie auf der niedersten Stufe als Parasiten Zugang finden. Die grösseren, höher organisirten Formen bemächtigen sich selbstständig als Raubthiere der lebenden, vorzugsweise aus Insecten und Spinnen bestehenden Beute und besitzen meist Giftwaffen zum Tödten derselben. Viele bauen sich mittelst Secretes von Spinndrttsen Gewebe und Netze, in denen sich die zur Nahrung dienenden Thiere verstricken. Die meisten halten sich den Tag über unter Steinen und in Verstecken auf und kommen erst am Abend und zur Nacht- zeit, aus den Schlupfwinkeln zum Nahrungserwerbe hervor. L Ordnung. Scorpionidea *), Scorpione. Mit Hcheeren förmigen Kieferfühlern und beinförmig verlängerten, scheeren- förmigen Kieferfastern, mit sieben gliedrigem P.raeabdomen und sechsgliedrigem ') P. Gervais, Remarques sur la faniille de scorjnons et description de plusieurs especes nouvelles etc. Arch. du musee d'hist. nat. IV. Newport, On the structure, relations and development of the nervous and circulatory Systems in Myriapoda and K(jriier))au. N'< 521 verengerten Posfabclomen^ mit Giftstachel am Schwänzende und mit vier Paaren von Fächertracheen oder Lungen. Die Scorpione haben durch ihre gewaltigen Scheerentaster und ihren festen Körperpanzer eine gewisse Aehnlichkeit mit den zehnfüssigen Schalenkrehseu. (Fig. 468.) Dem gedrungenen Kopf bniststüclv schliesst sich ein langgestrecktes Abdomen an, welches in ein walzenförmiges siebengliedriges Praeabdomen und ein sehr enges, nach oben emporgehobenes sechsgliedriges Postabdomen zer- fällt, an dessen Ende sich ein gekrümmter, mit zwei Giftdrüsen versehener Giftstachel erhebt. Die KieferfiThler sind dreigliedrige Scheerenfühler, die Kiefertaster enden mit aufgetriebenem Schee- reugliede, während das Basalglied mit breiter Mahltläche als Lade dient. Die vier Beinpaare sind kräftig entwickelt und enden mit Doppel- krallen. In der inneren Organisation erheben sich die Scorpione zur höchsten Stufe unter allen Arachnoideen. Das Nervensystem besteht aus einem zwei- lappigen Gehirn, einer grossen ovalen Brust- ganglieumasse und sieben bis acht kleineren Ganglienanschwellungen des Abdomens, von denen die vier letzten dem Postabdomen zuge- hören. (Fig. 469.) Als Eingeweidenervensystem betrachtet man ein kleines, am Anfange des Schlundes gelegenes Ganglion, welches durch Fäden mit demGehirn verbunden ist und Nerven zum Darmcanal entsendet. Als Sinnesorgane kommen hauptsächlich Augen in Betracht, welche als zweischichtige Punktaugen zu drei bis sechs Paaren in der Weise vertheilt sind, dass das bei Weitem grösste Paar auf der Mitte desCephalothorax, die übrigen rechts uudlinks an den Seiten des Stirnraudös liegen. Die beiden Mittelaugen besitzen aber insofern eine ab- weichende Structur, als unter ihrer Cornealinse die Retinazellen in gleichartigen den Retinulae der Facetteuaugen ähnlichen Gruppen nebeneinander stehen. Der Darmcanal bildet ein enges gerades Rohr, welches im Praeabdomen von der umfangreichen, vielfach gelappten Leber umgeben wird und am vor- letzten Hinterleibsringe ausmündet. Als Excretiousorgane fungiren zwei Mal- pighi'sche Gefässe. Dazu kommt ein Paar Coxaldrüsen, welche in der embryo- nalen Entwicklung sehr frühe auftreten und am dritten Beinpaare ausmünden, Cephalolhorax und Praeabdomen von Scorjn o africanu.H (regne animal). Kf Kieferfühler, A7 Kiefertaster, K kainmförraige Anhänge, St Stigmen, macrourous Arachnida. Philos. Transactions, 1843. L. Dufour, Histoire anatomique et physiologique de.s Scorpions. Mera. prös. ä l'acad. des sciences XIV, 1856. E. Metsclini- koff, Embryologie des Scorpions. Zeitschr. für wiss. Zool., 1870. 522 Scorpionidea. Kreislauf. Respiration. Der Kreislauf verhält sich am complicirtesten in der ganzen Classe, doch erscheinen auch hier wie bei denDecapoden besondere Blutsinus der Leibeshöhle in das Gefässsystem eingeschoben. Das gestreckte, in acht Kammern getheilte und durch Flügelmuskeln befestigte Rückengefäss wird von einem Pericardial- sinus umgeben und nimmt aus diesem das Blut durch acht Paare von Spalt- öffnungen auf, um dasselbe durch eine vordere und hintere, sowie durch seit- Fig. Fig. 470. Durchschuitt durch den Körper eines Scorpions nach Ne wport. C'Herz, ^4o Aorta. G Gehirn, 0 Mittelauge, 0' Stirnaugen der einen Seite, D Darmcanal mit den Lebersehläuchen, Sa Supraneuralarterien,^;/ Bauchganglien- kette, Kfn'Sery des Kiefertasters, A/aArterie desselben, S< Stigmen der Fächertracheen, .dAfter, GfRiiftdrüse. liehe Arterien nach den Organen hinzuleiten. Unter den der Kopfaorta ent- springenden Gefässen tritt eine supraneurale, längs des Bauchmarks verlaufende Arterie an Umfang hervor. (Fig. 469.) Die feineren Arterien- enden scheinen durch Capillaren in die Anfänge der venösen Bahnen zu führen, aus denen sich das Blut in einem der Bauch- wand dicht aufliegenden Behälter sammelt. Von diesen strömt das Blut nach den Athmungsorganen und durch venöse Bahnen in den Pericardialsinus nach dem Herzen zurück. Die Respiration erfolgt durch vier Paare von Fächer- tracheen, welche mit ebensoviel Stigmenpaareu an dem dritten bis sechsten Abdominalsegmeute sich öffnen und nur aus verhältnissmässig wenigen platten Röhren ge- bildet sind. Männliche und weibliche Geschlechtsorgane münden an der Basis des Abdomens unter zwei eigenthüm- lichen kammförmigen Anhängen, den Gliedmassenresteu am zweiten Abdominalsegment, welche als Tast- und Spür- organe dienen. Die Männchen zeichnen sich vor den Weibchen durch breitere Scheeren und ein längeres Postabdomen aus. Die Weibchen sind lebendig gebärend. Die Entwicklung des Eies erfolgt in den Ovarien, und besitzen die Embryonen auch am Praeabdomen Anlagen von Beinpaaren, (Fig. 470.) Die Scorpione leben in wärmeren Gegenden und kommen zur Dämmerungs- zeit aus ihren Verstecken hervor. Sie laufen mit über dem Rücken emporge- Embryo eines Scorpions, nach E.Metsfhuikoff. Kf Kieferfiihler, Kl Kie- fertaster, iJ' bis Z?'^' die vier Paar Brustbeine. Auch am Abdomen finden sich Beinstummel. 2. Ordnung. Pscudoseoriiioniflea. .1. Onlnung Solifuf;ae. 523 hobenem Postabdomeu, ergreifen die zur Nahrung dienenden Thiere, besonders Spinnen und grössere Insecten, mit den kräftigen Scheerentastern und tödten sie durch das mit dem Stiche in die Wunde einfliessende Gift der terminalen Giftdrüse. Einzelne Arten erlangen eine sehr bedeutende Grösse und können selbst den Menschen durch ihren Stich tödtlich verletzen. Farn. Scorpionidae. Scorpio europaeus Sehr. Mit nur sechs Augen und von geringerer Grösse. Italien über Tirol bis Krems. Androctonus occitanus Am., Buthus afer L. 2. Ordnung. Pseudoscorpioiiidea'), Afterscorpioue. Von (jerinyer Grösse, Scorpioniden-ähnlich, ohne Schioanzstachel und Giftdrüse, mit Spinndrüsen, durch Tracheen athmend. Nicht nur durch ihre viel geringere Grösse, sondern durch eine weit ein- fachere Organisation weichen die Afterscorpione von den Scorpionen ab und verhalten sich zu diesen gewissermassen wie die Milben zu den Spinnen. In ihrer Gestalt gleichen sie den Scor- ''■ pionen, mit denen sie auch die Bildung der Kieferfühler und der Scheerentaster gemeinsam haben. Dagegen verengert sich der gegliederte Hinterleib nicht zur Bildung eines verjüngten Postabdomens und entbehrt des Schwanzstachels nebst Giftdrüse. (Fig. 471.) Alle besitzen Spinndrüsen, deren Ausführungsgänge in der Nähe der Geschlechtsöffnungen am zweiten Hinterleibs- ringe liegen. Sie besitzen nur zwei oder vier Ocellen und athmen durch Tracheen, welche mit zwei Paaren ^''^''f'^- i^rmnhu rr^gne ani- . mal). Kt Kieferta.stPi-. von Stigmen an den beiden ersten Hinteiieibsringen beginnen. Die Afterscorpione halten sich unter Baumrinde, Moos, zwischen den Blättern alter Folianten etc. auf, laufen schnell seitlich und rückwärts und ernähren sich von Milben und kleinen Insecten. Fam. Chernetidae. Chelifer cancroides, L., Bücherscorpion, mit zwei Augen. Ohisium ischnosceles Herm., mit vier Augen. Chüionius trombidioides Latr.. Chernes Menge, augenlos. 3. Ordnung. Solifiigae ~), Walzenspinnen. Spinnenartige Thiere mit gesondertem Kopf und Thorax, mit lang- gestrecktem, gegliedertem Hinterleih, scheerenförmigen Kieferfühlern und. hein- artigen Kiefertastern, dtirch Tracheen athmend. *) W. E. Leach, On the characters of Scorpionidea, with description of the British species of Chelifer and Obisium. jZool. Miscell. III. A. Menge, üeber die Scheerenspinnen. Neueste Schriften der naturforsch. Gesellschaft zu Danzig, Tom. V, 1855. L. Koch, üebersichtliche Darstellung der europäischen Chernetiden. Nürnberg, 1873. ^) L. Dufour, Anatomie, physiologie et histoire naturelle des Galeodes. Comptes rendus de l'acad. des sciences XL VI, 1858. Th. Hutton, Observations on the habits of a lavge species of Galeodes. Ann. and Mag. of nat. bist. XII, 1843. 524 4. Orilüung. Pedipalpi. Die Walzeuspinnen nähern sich in der Gliederung ihres dichtbehaarten Leibes den Insecten, indem ihr Cephalothorax in zwei Abschnitte getrennt erscheint, von denen der vordere dem Kopfe, der hintere dreigliedrige dem Thorax der Insecten verglichen werden kann. Von demselben hebt sich der langgestreckte walzige Hinterleib, in dessen Bildung neun bis zehn Segmente eingehen, scharf ab. (Fig. 472.) Die Mundwerkzeuge sind mächtige Kieferfühler, welche mit einer grossen, vertical ge- Fio" 472 °' stellten Scheere enden, deren unterer Armin senkrechter Richtung gegen den oberen bewegbar ist. Die Kiefertaster dienen bei der Bewegung als Beine, ent- behren aber der Krallen, welche nur den drei hinteren, an ihrer Basis mit eigen- thümlichen Hautblättchen ])esetzteu Beinpaaren zukommen. Das vorderste, noch dem Kopfe zugehörige Beinpaar entbehrt der Krallen und kann deshalb, sowie wegen seines Ursprunges am Kopfe als ein zweites Paar von Kiefer- tastern gelten. Die Walzenspinnen be- sitzen zwei grosse vorstehende Punkt- augen uiid athmen durch Tracheen, deren vier Spaltöffnungen zwischen dem ersten und zweiten krallentragenden Beinpaare und an der Unterfläche des Hinterleibes münden. Coxaldrüsen sind vorhanden und scheinen zeitlebens functionsfähig zu bleiben. Die Walzenspinnen leben in sandigen warmen Gegenden besonders der alten Welt als nächtliche Thiere und sind ihres Bisses halber gefürchtet. Farn. Solpugidae. Snlpuga [Galeodes) araneoides Fall., in den Steppen der Wolga und in Südru.ssland. Andere grössere Arten kommen in Afrika vor, auch sind einige Formen aus Amerika bekannt. 4. Ordnung. Pedipalpi *), Scorpionspinnen. Von ansehnlicher Grösse, mit Klauenkiefern und g eisseif örmifj verlän- gertenVorderbeinen, mit scharf abgeschnürtem, elf- oder zioölfgliedrigem Hinterleib. Die Scorpionspinnen oder Geisselscorpione (Fig. 473) schliessen sich in ihrem Körperbaue theilweise den Spinnen, theilweise den Scorpionen an. Der stets durch eine Einschnürung vom Kopfbruststück abgesetzte Hinterleib zer- fällt in eine ziemlich beträchtliche Zahl von Segmenten, ohne ein breites Prae- abdomen von einem dünnen, stielförmigen Postabdomen unterscheiden zu lassen. Gctleoch'x aratieoifle.1 (rt'gne animal). 1) H. Lucas, Essai sur une monographie du genre Thelyphonus. Magas. de Zool., 1835. J. V. d. Hoeven, Bijdragen tot de kennis van liet geslacht Phrynus. Tijdschr. voor. nat. Geschied. IX, 1842. Ordnung, Anineid 525 Indessen erscheinen bei der den Scorpionen am nächsten stehenden Gattung Thelyphonus die drei letzten Segmente des Abdomens zu einer kurzen Röhre verengert, deren Ende sich in einen langen, gegliederten Fadenanhang fort- setzt. Die Kieferfühler sind stets Khiuenkiefer und bergen wahrscheinlich wie bei den Spinnen eine Giftdrüse, da der Biss dieser Thiere sehr gefürchtet ist. Die Kiefertaster dagegen sind bald Klauentaster von bedeutender Stärke und mit mehrfachen Stacheln bewaffnet (Phrynus), bald wie bei den Scorpionen Scheerentaster (Thelyphonus). Stets erscheint das vordere Beinpaar sehr dünn und lang und endet mit einem geisseiförmig geringelten Abschnitt. Die Geissel- scorpione besitzen acht Augen, von denen zwei grössere in der Mitte des Kopf- bruststückes sich er- -pig. 473. heben, während die drei kleineren Paare jederseits hinter dem Stirnrande ange- brachtsind. Sieath- men durch vier aus einer sehr grossen Zahl von lamellösen Röhren zusammen- gesetzte Lungen- säcke, deren Spalt- öffmmgen jederseits am Hinterrande des zweiten und dritten Abdominalsegments liegen. In der Bil- dung des Darmcanals stehen sie den Scorpionen, in der des Nervensystems den Spinnen am nächsten. Die Gattung Phrynus ist lebendig gebährend. Alle be- wohnen Tropeugegenden der alten imd neuen Welt. Fam. Fhrynidae mit den Charakteren der Ordnung PA?-?/nMs Oliv. Die grossen und breiten Kiefertaster sind mit mehrfachen Dornen bewaffnet und enden klauenförmig. Die Kauladen bleiben frei. Hinterleib flach, verhältnissmässig kurz, eilfringelig, ohne gegliederten After- faden. Jrh. reniformis Latr., in Brasilien. (Fig. -ATS.) Thelyphonus Latr. Die Kiefertaster sind kürzer und enden seheerenffirmig, ihre Kauladen in der Mittellinie verwachsen. Der lang- gestreckte zwölfringelige Hinterleib mit gegliedertem Afterfaden. T.caudatusYdthx., auf Java. 5. Ordnung. Araneida '), Spimien. Ärachnoideen mit Giftdrüsen in den Jdauenförmigen Kieferfühlern, mit heinförmiyen Kiefertastern und gestieltem, ungegliedertem Hinterleib, mit vier oder sechs Spinnwarzen und vier oder zwei Fächertracheen (sogenannten Lungen). Die Körperform der echten Spinnen erhält ihren eigenthümlichen Cha- rakter durcli den angeschwollenen, migegliederten Hinterleib, dessen Basis stiel- •) Ausser den Schriften von C. A. Walckenaer, Treviranus, C. J. Sundevall, Th. Thor eil, Menge, Ko ch, Duges, Lebert u. A. vergl. : E. Gl aparede, Eecherches PJirynus reniforiuis (r animal). Kt Kiefertaster, Oh geisselformiges Bi' des ersten Paares. >26 Araueida. Extremitäten. Athmungsorgaue. Fi?. 475. Giftdrüse nebst Kiefer- fühlerklaue vom Mijgale. (regne animal). K Klaue, Gd Giftdrüse, B Giftblase. förmig eingescliiiürt ist. (Fig. 474.) Die grossen Kieferfühler über dem Stirnrande bestellen aus einem kräftigen, an der Innenseite gefurchten Basalabschnitt und einem klauenförmigen einschlagbaren Endgliede, an dessen Spitze der Ausführungsgang einer Giftdrüse mündet. (Fig. 475.) Im Momente des Bisses fliesst das Secret dieser Drüse in die durch die Klaue geschlagene Wunde ein und bewirkt bei kleineren Thieren den fast augenblicklichen Tod. Hinter den- selben folgt die mit einer Speicheldrüse versehene Oberlippe, dann zu deren Seite die Unterkiefer, welche ebenfalls eine Drüse in sich bergen. Diese tragen einen mehr- gliedrigen Taster, dessen Endabschnitt beim Männchen eigenthümlich umgebildet ist (Fig. 487) und als Copulationsorgan fungirt. Nach unten wird die Mundöffnung von einer unpaaren Platte, einerUnterlippe, begrenzt. Die vier meist langen Beinpaart?, deren Form und Grösse übrigens nach der verschiedenen Lebensweise vielfach abändern, enden mit zwei kammartig gezähnten Krallen, zu denen oft noch eine kleine Vorkralle und mehrere sogenannte Afterkrallen, sowie ver- schieden gestaltete gezahnte Borsten, Spatelhaare etc. kommen. (Fig. 476. ) Der an seiner Basis stielförmig verengerte Hinterleib ist beim Weibchen stets grösser und aufgetriebener als beim Männchen; vorn an seiner Bauchfläche liegt die unpaare Geschlechtsöffnung, zu deren Seiten die beiden Spaltöffnungen der Fächertracheen. Oft findet sich hinter diesen Oeffnungen ein zweites Stigmenpaar, welches entweder ebenfalls in (hintere) Fächertracheen (Mygalidae) (Fig. 480), oder in ein System von Tracheen {Argyroneta^ Dysdcra) führt. (Fig. 474.) Der After liegt ventral am Ende des Abdomens, umgeben von vier bis sechs warzenförmigen Er- hebungen, den Spinmoarzm, an denen das Secret der Spinndrüseu ausge- schieden wird. Vor denselben liegt oft ein eigeuthümliches, als Cribrellum be- sur r^volution des Araignees. Genöve, 1862. Derselbe, Etudes sur la circulation du sang chez les Aranees du genre Lycose. Geneve, 1863. F. Plateau, Recherches sur la structure de l'appareil digestif et sur les phenomenes de la digestion chez les Aranees dipneumones. Bruxelles, 1877. F. M. Balfour, Notes on the Development of the Araneina. Journ. of Microsc. seience, Vol. XX. Ph. Bertkau, Ueber den Generationsapparat der Araneiden. Archiv für Naturg. Tom. XLI, 1875. Derselbe, Ueber das Cribrellum und Ca- laraistrum. Archiv für Naturgesch., 1882. Derselbe, Ueber den Bau und die Function der sogenannten Leber bei den Spinnen. Archiv für mikroskop. Anatomie, Tom. XXIII, 1884. Derselbe, Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. Archiv für mikr. Anatomie, Tom. XXIV, 1885. Derselbe, Beiträge zur Kenntniss der Sinnesorgane der Sinnnen. Archiv für mikr. Anatomie XXVII, Bd. 1886. Wlad. Schimkewitsch, Etüde sur l'anatomie de TEpeire. Ann. des scienc. nat. 6. Ser., Tom. XVII, 1884. Derselbe, Etüde sur le developpement des Araignees. Arch. de Biol. Tom. VI, 1887. Dtjsdira erytlirina von der Bauchseite (regne auimal). Kf Kieferfüh- ler, Kt Kiefertaster, K Kjeferlade, P Lungen oder Fächertracheen, St Stigmen derselben. St' hintere Stigmen, die in die Tracheen führen, Cr Genitalüffnung, Sji Spinnwarzen. Spiiiiiorg Nerveusystem. Daniuraual. 527 Spiimorgau von Amauruhius ftrox, nach O. Hermann. Cr Cribrellum, Syiv Spiun- warzen. Fi"-. 478. a Bein des vierten Paares von Amauroliusferox. Ca Calamistrum. — 6 Fassende von Philaeus chnjso2)s mit zwei Klauen und aus Spatelhaaren bestehendem Pinsel (S). — c Fussende von Epeira diadema. K Webeklaueu, Tk Trittklaue, Ob ge- zahnte Borsten. (Nach O. Hermann.) zeicbuetes Feld mit sehr feinem Härcheiibesatz und Drüsen. (Fig. 477.) Zu demselben steht das sogenannte Calamistrum der Beine in Beziehung. Die Spinndrüsen sind Fig. 47G Schläuche von ver- schiedener Form, wel- che durch feine Poren an der Oberfläche der Spinnwarzen münden und einen klebrigen Stoff secerniren,der an der Luft zu einem Fa- den erhärtetund unter Beihilfe der Fiisskral- len zu dem bekannten Gespinnste verwebt wird. (Fig. 478.) Au dem Ner- vensystem (Fig. 480) unterscheidet man ausser dem die Augen- nerven abgebenden Gehirne eine gemeinsame, gewöhnlich sternförmige Brust- ganglienmasse, welche Nerven zu den Kiefertastern und Beinen, sowie in das Abdomen entsendet. Auch die Nerven der Kieferfühler entspringen unterhalb des Gehirnes vorn an derBrustgaugiienmasse aus dem ersten Ganglion derselben, auf welches noch weitere fünf Ganglien für die Gliedmassen folgen. (Fig. 479.) Auch wurden Eingeweidenerven am Nahrungscanal nachgewiesen. In derßegel finden sich hinter dem Stirnrande acht, seltener sechs Punktaugen, die in zwei Bogenreihen odermehrim Quadratauf deroberenFläche des Kopfabschnittes in höchst gesetzmässiger und für die ein- zelnen Gattungen charakteristischer Weise vertheilt sind. (Fig. 481 und 482.) Der Verdauungscanal (Fig. 479 und 483) beginnt zwischen Unterlippe und Oberlippe mit einem langen aufsteigenden Vorraum oder Atrium. Auf diesen folgt der als Pharynx zu unterscheidende durch Dilatatoren erweiterungs- fähige Vorderabschnitt der Speiseröhre. Diese erweitert sich hinter dem Ge- hirne vor dem Uebergang in den Mitteldarm zu einem Saugmagen, an welchem sich dorsale, vom Rücken des Cephalothoras absteigende und ventrale, an das Endosternit tretende Muskeln anheften. Der Mitteldarm zerfällt in einen vorderen, im Kopfbruststück gelegenen Abschnitt mit einem vorderen und vier Paaren seitlichen Blindschläuchen und einen in engeren abdominalen Dünndarm, in welchen die Ausführungsgänge der verästelten Leberschläuche ihr Secret er- Lungen (P) , Spiundrüseu (Spd) und Geschlechtsor- gane (Vf?) eines männlichen Pholcus phalangista (regne animal). li Enddarm mit den einmündenden Mal- pighi'schen Gefässen. '528 Araneida. Gefässsvstem. Fio-. 479. Fig. 480. Fig. 481. oo O O °oo° O Durchscbuittsbild desCcpbalothorax einerjunfjen lejo- narla. O Augen, A/ Kieferfühler, .1 Höcker, obAutenuen- rudiment(V), O^Obei-lippe, Ci Unterlippe, Grf Giftdrüse, (? Gehirn mit dem durch Muskeln erweiteruugsfähigeu Pharynx, .S'm Saugmagen, DDarm, Ds Darmscbläuche, E Endoskelet mit den sechs Ganglien, von denen die vorderen die Chelicerennerveu (ßfX) abgeben. Fig. 482. Mygalc von der Bauchseite, ein Theil der Haut zur Seile gelegt (r^gne animal). fiT Kieferfühler, B)j Brustganglienmasse, P, I" Fii- chertracheeu. sogenannte Lungen, i^BlUttcheu derselben, Sf, St' Stig- men.Oc Ovariuni, Sw Spinnwarzen. O O OqqO d Augenstellung verschiedener Spinnen, nach Leb er t. a Epei- ra, b Tegenaria. c Dolomedes , d Saliicus. Vorderstück des Cephalotho- rax von ili/ijalc mit den Augen (O) aus regne animal. giessen. Der kurze Enddarm nimmt zwei verästelteHar>), S. formicarius Koch. Mi/rmecia Latr., in ßrasilieu, von Amei.senform. Farn. Citigradae = Lycosidae, Wolfspinnen. Mit länglich-ovalem, nach vorne ver- schmälertem, aber stark gewölbtem Kopfbruststück und acht, meist in drei Querreihen angeordneten Augen. (Fig. 481 c.) Sie laufen mit ihren langen, starken Beinen frei umher, erjagen ihre Beute und sind tagsüber meist unter Steinen in austapezirten Schlupfwinkeln verborgen. Die Weibchen sitzen häufig auf ihrem Eiersacke oder tragen denselben mit sich am Hinterleibe herum und beschützen meist die Jungen noch eine Zeit lang nach dem Ausschlüpfen. Bolomedes mirahilis Walck. (Fig. 490 o), Lycosa saccata L., Uferspinne. L. tarantula L., Tarantelspinne in Spanien und Italien, lebt in Höhlen unter der Erde und soll durch ihren Biss nach dem irrthümlichen Volksglauben die Tanzwuth erzeugen. Fani. Laterigradae = Thomisidae, Krabbenspinnen. Mit rundlichem Kopfbruststück und flachgedrücktem Hinterleib. Die beiden vorderen Beinpaare sind länger als die nach- folgenden. Spinnen nur vereinzelte Fäden und jagen unter Blättern nach Insecten, seitlich und rückwärts laufend. 3Iicrommata smaragdina Fabr., Thomisus citrevs GeofFr. (Fig. 490 17.) Farn. Tuhüelae. Röhreuspinnen. Mit sechs oder acht in zwei Querreihen meist bogen- förmig gestellten Augen. (Fig. 481 h.) Von den Beinen sind die beiden mittleren Paare die kürzesten, die hintersten oft die längsten. Bauen zum Fangen ihrer Beute horizontale Gewebe mit Röhren, in denen sie auf Beute lauern. Dysdera erythrina Walck., Segestria Latr., Tegenaria domestica L., die Winkelspinne. (Fig. 490 c) Andere, wie Agelena laly- rinthica L., bauen trichterförmige Gewebe oder, wie Clubiona holosericea L., sackartige Behälter. Argyroneta aquatica L., die Wasserspinne, mit längerem vorderen Beinpaar und silberglänzendem Leib, welchem beim Schwimmen im Wasser eine Menge von Luftbläsehen zwischen den Haaren anhängen, spinnt ein glockenförmiges wasserdichtes Gewebe, welches einer Taucherglocke vergleichbar mit Luft gefüllt ist und an Wasserpflanzen angeheftet wird. Amaiirobius C. K. Fam. Inaequitelae, Webspinnen. Mit acht ungleich grossen, ebenfalls in zwei Quer- reihen gestellten Augen und langen Vorderbeinen. Sie bauen unregelmässige Gewebe mit in allen Richtungen sich kreuzenden Fäden und halten sich auf dem Gewebe selbst auf. Theridium sisyphium Clerck., Pholcus xjJialangioides Walck., Linyphia Latr. Fam. Orhitelae, Radspinnen. Kopf und Brust durch eine Furche abgegrenzt, der Hinterleib kugelig aufgetrieben. Die acht Augen stehen in zwei Reihen ziemlich zerstreut. (Fig. 481 a.) Die vorderen Beine länger als die nachfolgenden, die des dritten Paares am kürzesten. Bauen senkrecht schwebende, radförmige Gewebe mit concentrischen und radiären Fäden und lauern im Mittelpunkte oder in einem entfernten umsponnenen Schlupfwinkel auf Beute. Epeira diadema L., Kreuzspinne. Bleta C. K. 6, Ordnung. Opilioiiea *), Afterspiimen. Mit vier langen dünnen Beinpaaren, scheerenförmigen Kieferfühlern und gegliedertem, in seiner ganzen Breite dem Kopf brüstst ück angefügtem Hinter- leihe, ohne Spinndrüsen, durch. Tracheen athmend. ') Meade, Monograph of the British species of Phalangiidae. Ann. of nat. bist., 2c Augen, K Beine. 'Ivplndae. 537 oder in der Haut von Wirbelthiercn und erzeugen die Krätze und Räude. Sarcoptes scahiei iUig-.. Krätzmilbe. Auf der Rückenfläche mit zahlreichen si)itzen Höckern, Dornen und Haaren. Beine fünfgliedrig, die beiden vorderen enden mit gestielter Haftscheibe, das letzte Beinpaar des Milnnchens läuft nicht wie das des Weibchens in eine Borste, sondern in eine gestielte Haftscheibe aus. (Fig. 499«.) Nur die Weibchen bohren in der Epidermis tiefe Gänge, an deren Ende sie sich aufhalten, und erzeugen durch ihre Stiche den unter dem Namen Krätze bekannten Hautausschlag. Die ausgeschlüpften Jungen besitzen nur Fig. 498 Demorhx folHctt- ?07vn/MiachMeg- nin. stark ver- grössert. Kt Kie- fertaster. /ru ^/| nv\ Sarcoptes scaliiei. nach Gudden. a Männchen von der Bauchseite, h Weibchen von der Bauchseite, c DasseUjc in der Kückenansicht, d Larve. ^ Kieferfühler, £'" drittes Beinpaar drei Beinpaare und haben mehrere Häutungen zu bestehen. Auf den Hausthieren leben verschiedene Arten von Krätzmilben, die auch auf den Menschen für kurze Zeit über- tragen werden können. Dermatodectes communis Fürst., Symhiotes equi Gerl. (Fig. 500.) Farn. TyroglypMdae^). Käsemilben. Von mehr gestreckter Form mit konischem Rüssel, scheerenförmigen Kieferfühlern und dreigliedrigen Tastern. Die ziemlich langen fünfgliedrigen Beine mit Haftlappen und Klaue. Häufig grosse Sauggruben seitlich vom After, besonders beim Männchen. Leben auf vegetabilischen und thierischen Stoffen. Tyroglyphus .siro Gerv., Rhizoglyphus Robini Clap., an Wurzeln. Glydphagus fecularum Quer., an Kartoffeln. Ilypopus Dug. enthält nach Megnin und Eobin Larvenformen, welche sich mittelst ihrer Saugnäpfe an Insecten befestigen. *) Nalepa, Die Anatomie der Tyroglyphiden. Sitzungsb. der Akad. der Wiss. Wien, 1885, 1886. 538 Phyioptidae. Ixodidae. Fiff. 500. Farn. Phytoptidae '). Gallmilben. Mit kurzem Cephalothorax, stiletformigen Kiefer- fühleru und langem, fein geringeltem Abdomen. Nur die beiden vorderen Beinpaare sind entwickelt, die beiden hinteren scheinen gar nicht zur Anlage zu kommen. Erzeugen gallenartige Deformitäten an den Blättern zahl- reicher Pflanzen. Phytoptus vitis. (Fig. 501.) Pk. pini Nal. Fam. Ixodidae, Zecken. Grössere, meist blutsaugende Milben mit festem Rückenschild und grossen vorstossbaren, gezähnten Kieftr- fühlern. Die Kiefertaster drei- bis viergliedrig, kolbig angeschwollen: ihre Laden zu einem Widerhaken tragenden Rüssel aneinander gelegt. fFig. 502.) Die schlanken Beine enden mit zwei Symhiotes egtU =z Chorioptes spathiferus, von der Bauchseite, nach Megnin. o Alännchen. HQ Haftgrube, — h Junges Weibchen im Begattungsstadium. — c Eierlegendes Weibchens. Klauen und Haftlappen. Zwei Punktaugen oft vorhanden. Athmen durch Tracheen. Die Zecken halten sich in Wäldern im Gebüsche auf, ihre Weibchen kriechen auf Säugethiere und den Menschen, saugen Blut und schwellen mächtig an. In den Tropen gibt es ') A. Nalepa, Die Anatomie der Phytopten. Sitzungsb. der Akad. der Wiss. Wien, 1887 und 1889. Pycnogonidae. 539 Zecken von bedeutender Grösse, die zu den lästigsten Parasiten gehören. Ixodes ricinus h., Holzbock. /. reduvius Deg., Argas reflexus Latr., auf Tauben, gelegentlich auf dem Menschen. A. persicus Fisch., des Stiches wegen berüchtigt. Farn. Gamasidae, Käferniilben. Kieferfühler scheerenförmig, Kiefertaster fünfgliedrig. Die Beine mit zwei Klauen und einem Haftlappen. Tracheen vorhanden. Leben theils frei vom Raube, theils als Schmarotzer an Käfern und auf der Haut von Vögeln und Säuge- tliieren, Gamasus coleojHratorum L., Dermanyssus avium Dug., Pteroptus v esper tilionis Herrn* Fam. HydracJmidae, Wassermilben. Körper kugelig, oft lebhaft gefärbt. Kiefer- luhler meist mit klauenfürmigem Endgliede: mit Schwimmbeinen, mit zwei oder vier Punktaugen. Tracheen vorbanden. ^. ^,^^ T.. " ,1.. e. T /T7- ^n-rx Flg. 501. Flg. 502. Die ausgeschlüpften Larven (Fig. 497) ° * befestigen sich mit ihrem grossen Saugkegel an Wasserinsecten, von deren Blute sie sich ernähren, und treten in ein Puppenstadium ein. IL/drachna cruenia 0. Fr. Müll., rothe Wassermilbe. Aiax Bonzi Clap., in der Mantelhöhle der Unionen. (Fig. 494.) Limnochares liolosericetis Latr. Fam. Trombidiidae, Laufmilben. Körper lebhaft gefärbt, behaart. Kie- ' forfühler meist klauenförmig ; Kiefer- taster mit einerKlaue neben einem lap- v>- \^^__^ penfürmigen Anhang. Augen vorhan- ^^^S^4 den.AthmendurcliTracheen.Die sechs- ^^ beinigen Jungen (als Leptus autumnalis WeibciienvonP%toi>- ■ tus vitis, vom Blatte bekannt), leben parasitisch auf In- ^j^^ weinstockes, secten und Arachniden, mitunter auch nach H. Landois. auf Säugethieren und dem Menschen, bei dem sie einen vorübergehenden Hautausschlag erzeugen. Trombiditan holosericeum L. (Fig. 503), Erythraeiis parietinus 'Q.eYva., Tetranychus telarius L., Spinnmilbe. Fam. Oribatidae, Landmilben. Kieferfühler ein- ziehbar, scheerenförmig. Kiefertaster fünfgliedrig. mit gezähnter Kaulade des Basalgliedes. Ocellen fehlen. Orihates alatus Herm., unter Moos. Fam. BdeUidae, Ptüsselmilben. Kopftheil rüsselförmig verlängert und abgeschnürt, mit scheerenförmigen Kieferfühlern. Kiefertaster lang und dünn. Kriechen auf feuchtem Boden. BdeUa lornjicornis L. Mundtheile von Ixodes, nach A. Pagen- stecher. R Rüssel, Kf Kieferfühler, Kt Kiefertaster, B' Grundglieder des ei'sten Beinpaares. Fig. 503. A After, Ov Ovarium, Go Geschleehtsöflf- TromhUUum holosi nach Megniu. An die Milben scliliesst sich die kleine Gruppe der Pymogomden \) an. Von Mi Ine Edwards und Kröyer zu den Crustaceen gestellt, wurden sie später fast allgemein zwischen Milben und Spinnen den Arachnoiden zugewiesen, obwohl sie im männlichen Geschlechte mit den Besitz eines accessorischen, die Eier tragenden Beinpaares eine höhere Gliedmassenzahl ausbilden. Viel- leicht entsprechen sie einer besonderen Arthropodenclasse. Es sind langsam bewegliche, zwischen Tangen und Seepflanzen kriechende Thiere von geringer ') A. Dohrn, Die Pantopoden des Golfes von Neapel und der angrenzenden Meeres- abschnitte. Eine Monographie. Leipzig. 1881. 540 Grösse, mit konischem Saugrüssel und stummeiförmigem Abdomen. Die sehr langen, vielgliedrigen Beine nehmen die schlauchförmigen Magenanhänge und die Sexualdrüsen auf. Tracheen fehlen. Dagegen findet sich ein wohl ent- wickeltes Herz mit Aorta und zwei seitlichen Ostienpaaren, sowie in der Regel auch mit hinterer unpaarer Spaltöffnung. Oberhalb des Ge- hirns, auf welches eine ansehnliche, aus mehreren Ganglien- anschwellungen gebildete Bauchkette folgt, liegen vier kleine Punktaugen. Die Eier werden an dem accessorischen Beinpaare an der Brust des Männchens bis zum Aus- schlüpfen der Larven getragen. (Fig. 504.) Pycnogonum. litforah 0. Fr. Müll., Nordsee. Plioxichilidium Edw., Am- mofhea Leack., A. pycnogonoides Quatr. (Fig. 505.) Eine zweite, oft als Ordnung gesonderte Gruppe kleiner milbenartiger Arachnoideen sind die Tardigraden *). Arachnoideen mit saugenden Mundfheilen und kurzen sfummelförmigen Beinen, ohne Herz und Respirafionsorgane. bis 1 Mm. langen), lanorsam kriechenden Pijcnor/oytiim Httoriih' (regne aiiimal). .4/)' E' tragendes Beiiipaiir Der Körper dieser kleinen (* Amiaolhfa pycnogo K (ri'-gne animal). Da Darmsohlilucht den Extremitäten. Thierchen ist wurmförmig ge- streckt, ohne äussere Segmen- tirung und am vorderen Ende in eine Saugröhre verlängert, aus welcher sich zwei stilet- förmige Schlundzähne hervor- schieben. (Fig. 505.) Die vier Beinpaare bleiben kurze, mit mehreren Krallen endigende Stummelfüsse, von denen die hinteren am äusserstenEnde des Körpers entspringen. Das Ner- vensystem besteht aus dem Ge- hirn, dem unteren Schlundgan- glion und vier durch langeCom- missuren verbundenen Gan- glienknoten der Bauchkette, Das Gehirn sendet Nerven zu zwei Punktaugen und zwei Sinnespapillen. Sowohl Eespi- ') Doyere, Memoire sur les Tardigrades. Ann. des sc. nat., Ile ser., Tom. XIV, XVII und XVIII. C. A. S. Schnitze, Macrobiotus Hufelandii etc. Berolini, 1834. D e r- selbe, Echiniscus Bellermanni, Berolini, 1840. Duj ardin, Sur les Tardigrades et sur une espece a longs pieds vivant dans l'eau de mer. Annales des sc. nat., Ille ser., Tom. XV. Ferner die Abhandlungen von Kaufmann, Greeff und Max S. Schul tze. L. H. Plate, Beitrag zur Naturgeschichte der Tardigraden. Zool. Jahrbuch. Tom. III, 1888. I.ingu 541 rations- als Kreislauforgane fehlen vollständig, amöboide Zellen. Der Verdauungscanal besteht Schlund aus einem Magendarm und End- darm, in welchen zweiMalpighische Gefässe einmünden. In den Saugrüssel führen die Aus- führungsgänge von zwei ansehnlichen Spei- cheldrüsen. Die Tardigraden sind nicht, wie man seither glaubte, Zwitter, sondern ge- trennten Geschlechtes. Männchen und Weib- chen sind einander sehr ähnlich, erstere je- doch viel seltener. Beiderlei Geschlechts- drüsen liegen als ein unpaarer Sack über dem Magendarm und münden in den Anfangstheil des Eectums, welches somit zur Kloake wird. Die Weibchen legen meistens während der Häutung grosse Eier ab, welche von der alten abgestreiften Haut bis zum Ausschlüpfen der Jungen umschlossen bleiben. Die Entwick- lung erfolgt ohne Metamorphose. Die Thiere leben zwischen Moos und Algen in Dach- rinnen, auch am Meeresufer und sind be- sonders dadurch bemerkenswerth geworden, dass sie wie die Kotiferen nach langem Ein- trocknen durch Befeuchtung wieder ins Le- ben zurückgerufen werden. Ihrem Baue nach stehen sie wohl auf der niedersten Stufe unter den luftathmenden Arthropoden. Macrohiotus Hufelandü S tardigradum Doy., Eclnniscus Bellermanni S. Seh. Das Blut enthält grosse nebst einem muskulösen Macrohiotus .Schultzei, nsLCh Greeff. O Mund, F»i Schlundkopf, J/dMageudarni, S/«? Speichel- drüsen, üv Ovarium, J/g Jlalpighische Gefässe, Vs sackförmige Driise. Sch., Mtlnesi'um 8. Ordnung. Linguatulida *), Zimgenwürmer, Pentastomiden. Parasitische Araclinoideen von lourmförmig gestrecktem, geringeltem Körper, mit zwei Paar Klammerhaken in der Umgebung der kieferlosen Mund- öffnung. Der wurmförmige, geringelte Leib dieser lange Zeit für Eingeweidewürmer gehaltenen Parasiten wird bei dem sehr reducirten Kopf bruststück vornehmlich auf die ausserordentliche Vergrösserung und Streckung des Hinterleibes zu- rückzuführen sein, wofür die Leibesform der Balgmilben unter den Acarinen Anhaltspunkte liefert. Mundwerkzeuge fehlen im ausgebildeten Zustande voll- ständig. Die vier aus Hauttaschen vorstülpbaren, auf besonderen Chitinstäben M Fl. Leuckart, Bau und Entwicklungsgescliichte der Pentastomen. Leipzig und Heidelbertr, 1860. 542 Linguatulida. Körperbau. Entwicklung. befestigten Klammerhaken (Fig. 507 ) dürften den Endklauen der zwei hinteren Beinpaare entsprechen, da die zwei Beinpaare der Larve (Fig. 509h}, die wir als die vorderen Beinpaare anzusehen haben, während der Entwicklung verloren gehen. Am Nervens3'stem ist das Gehirn eine bandförmige Querbrücke oberhall) des einfachen subösophagealen Nervenknotens, von welchem zahlreiche Nerven austreten. (Fig. 508.) Augen, Respirations- und Circulationsorgane fehlen. Der Darm ist ein gerade gestrecktes Rohr, welches am hinteren Ende in der After- öffnung ausmündet. Mächtig entwickelt und in gi-osser Zahl treten besondere Drüsen in der Haut auf- Fig. ,508. Männchen und Weibchen unterscheiden sich durch beträchtliche Grössendif- ferenzen und durch die ab- weichende Lage der Ge- schlechtsöffnungen. Wäh- rend die Geschlechtsöff- nung des auffallend klei- neren Männchens nicht weit hinter dem Munde liegt, findet sich die weib- liche Geschlechts Öffnung in der Nähe des Afters am hinteren Körperende. Die Zungen Würmer NerveBsystem von rcntastomum tacnioides. nach R. Leuckar t. Oe Oesophagus, G Ge- hirn, Ug Untere Schlundganglienmasse mit lebeU im gCSChlechtsreifeU den austretenden Nerven, D Anfang des Mitteldarmes. die vier Haken, J) Darm A After. Zustande in Lufträumen vonWarmblütern undRep- tilien. Durch R. Leuckart's Untersuchungen wurde die Entwicklungsgeschichte für Pe?ifasfomum^ae?«ib/cZe.sbekaunt, welches sich in den Nasenhöhlen und im Stirnsinus des :2J:rTZ:::'^ Hundes und Wolfes aufhält. Die Embryonen dieser Art gelangen in den Eihüllen mit dem Schleime nach aussen auf Pflanzen und von da in den Magen des Kaninchens und Hasen, seltener in den des Menschen. Dieselben durchsetzen dann, von den Ei- hüllen befreit, die Darmwandungen, kommen in die Leber und umgeben sich mit einer Kapsel, in welcher sie eine Reihe von Veränderungen durchlaufen und sich nach Art der Insectenlarven mehrmals häuten. (Fig. 509.) Erst nach Verlauf von sechs Monaten haben sie eine ansehnliche Grösse erlangt und die vier Klammerhaken, sowie zahlreiche feingezähnelte Ringel der Oberfläche erhalten; sie sind in das früher als P. denficulatum bezeichnete Stadium eingetreten, in welchem sie sich von Neuem auf die Wanderung begeben, die Kapseln durch- brechen, die Leber durchsetzen und, falls sie in grösserer Zahl vorhanden sind, den Tod des Wirthes veranlassen, im andern Falle dagegen bald von einer II. Classe. Onychophora. 543 neuen Cyste umschlossen werden. Gelangen sie zu dieser Zeit mit dem Fleische des Hasen oder Kaninchens in die Rachenhöhle des Hundes, so dringen sie von da in die benachbarten Lufträume und bilden sich in Zeit von zwei bis drei Monaten zu Geschlechtsthieren aus. Fiff. 509. Hd Entvvicklungsstadieu von Pentasfovium tannioiiJus, nach 11. Leuckart. a Ei mit Embryo. — /< Embryo mit den beiden Hakenfus.spaaren Hf und Hf". — c Larve aus der Leber des Kaninchens. (? Ganglion, D Darm, Ild Hautdrüsen. — d Aeltere Larve. 0 Mund, A After, Gd Geschlechtsdrüse. Pento stovium taenioides Eud.. 80 — 85 Mm., Männclien 18 — 20 Mm. lang. P. multi- cinctum Harl., in der Leber von Naja haje. P. constrictum v. Sieb. Eingekapselt in der Leber der Neger in Aegypten. III. Classe. Onychophora'), Onychophoren. Tracheafen mit gestrecktem loiirmförmigen Leih^ mit zwei Fühlern und kurzen^ iveniggliedrigen, mit Klauen bewaffneten Beinpaaren. Fig. 510. I\rij)at US capexsi«, nach Mo Die Onychophoren mit der einzigen Gattung Peripatus bilden eine inter- essante, die Anneliden und Tracheaten verbindende Uebergangsgruppe. Die- selben besitzen einen massig gestreckten Körper, welcher paarige, mit je zwei kleinen Krallen bewaffnete Fussstummel (siebzehn bis über dreissig Paare) trägt. (Fig. 510.) Der wohl gesonderte Kopf ist mit einem Autennenpaar und *)E. Grube, üeber den Bau des Peripatus Edwardsii. Müllers Archiv, 1853. Mose- ley, On the Structure and Development of Peripatus capensis. Philos. Transactions, 1875. F. M. Balf our, The Anatomy and Development of Peripatus capensis. Quart. Journ.Microsc. Scienc, Vol. XXIII, 1883. Ed. Gaffron, Beiträge zur Anatomie und Histologie des Peripatus. Zool. Beiträge, herausg. von Schneider. Bd. I, H. 1. Breslau, 1883, 1885. J. Kennel. Entwicklungsgeschichte von Peripatus Edwardsii Blanch. und Peripatus tor- quatus n. sp. I. und II. Theil. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg, Tom. VIL 1884; Tom. VIII, 1886. A. Sedgwick, A Monograph of the development of Peripatus capensis. Quart. Journ. of Microsc. Scienc, 1888. 544 Onychoiiliora. Kürpurbii Fig. 511 Kopf eines Pc"cj>«/u.s-Embryo.s, nach Mo- seley. All Antennen, K Kiefer, über denselben dio Ectodermwülste, welclie zum Gehirn werden. zwei einfachen Seiteuaugen versehen. An seiner Unterseite (Fig. 5 11) liegt unter einer grossen vorspringenden Sauglippe die Mundötfnung miteinem Chitinkrallen tragenden Kieferpaar und zwei kurzen, undeutlich gegliederten Mundpapillen. "Das Nervensystem zeichnet sich durch die auffallende Entfernung seiner beiden Hälften aus. Das paarige Gehirn- ganglion entsendet zwei mit Ganglienzellen be- legte Nervenstränge (nach Balfour mit An- schwellungen in jedem Segmente), welche sich dicht unterhalb des Schlundes zwar nähern, aber in ihrem weiteren Verlaufe bis zum Hinterleibs- ende getrennt bleiben. (Fig. 512.) In ihrer ganzen Länge durch feine Quercommissuren verbunden, vereinigen sie sich erst am Hinterleibsende. Der Darm beginnt mit muskulösem Schlünde und verläuft gerade gestreckt durch den Körper; der After liegt endständig. In den Mund öffnen sich durch einen gemeinsamen kurzen Gang zwei seitliche, in den Muskelschlaucli eingebettete Drüsenschläuche (Spei- cheldrüsen). Als Herz fungirt ein durch die ganze Länge des Körpers sich er- streckendes Rückengefäss mit paari- gen, segmental angeordneten Ostien. Nach Moseley's Entdeckung ist ein mächtig entwickeltes Tracheensystem vorhanden. Die Stigmen liegen über die ganze Oberfläche unregelmässig vertheilt und führen jedes in ein kurzes Rohr, von dem aus zarte, sehr lange Tracheen in einem dichten Büschel entspringen. Als Excretionsorgane fin- den sich in jedem Segmente (mit Aus- nahme der vordersten und des vor- letzten Segmentes) ein Paar von Seg- mentalorganen, welche mit geschlos- senem Endsäckchen beginnen und ventralwärts an der Basis der Füss- chen mittelst einer Blase nach aussen führen. Langgestreckte Schleimdrüsen münden an den Mundpapillen und erzeugen durch ihr Secret ein Ge- webe von zähen Fäden. Die Onychophoren sind getrennten Geschlechts. Die Ovarien führen in zwei mit Receptaculum seminis versehene, als Uterus Anatomie eines weiblichen J'cn'jMtn.i, nach Moseley. F Fühler, G Gehirn mit den ventralen Nervensträngen Fe), Ph Pharynx, D Darm, A After, Sil Schleim- drüsen, Tr Tracheenbüsehel, Oo Ovarien, Od Oviducte, U Uterus. IV. Classe. Mviianodr 545 Fig. 513. fungirende Eileiter, die am vorletzten Segmeute mit gemeinsamer Vagina ausmünden. Die Hoden gehen in lange gewundene Samenleiter über und münden an gleicher Stelle wie die Vagina mittelst unpaaren Ductus eja- culatorius. (Fig. 513.) Ausserdem besitzt das Männchen bei Peripatus capensis eine acces- sorische Drüse, welche am letzten Beinpaare ausmündet. Die Entwicklung erfolgt im Uterus, an dessen Wand sich das Ei festsetzt und die Embryonaleutwicklung durchläuft. An dem mittelst Placenta sich ernährenden Embryo bildet sich eine Hüllhaut als Amnion. Der an- fangs halbkugelige, später birnförmige und dann Hutpilz-fürmige Embryonalleib gewinnt Mund und After und beginnt, sich in der Rich- tung von vorne nach hinten zu segmentiren. Sodann wachsen die Extremitäten hervor, am Kopfabschnitt die Tentakeln, am ersten vom Mund durchbrochenen Rumpfsegmente die in die Mundhöhle rückenden Kiefer, am zweiten die ebenfalls in die Mundhöhle einwachsenden Papillen der Schleimdrüsen. Der mit der Pla- centa verbundene Nabelstrang bleibt noch eine Zeit lang am ersten Rumpfsegmente befestigt. Die Entwicklung ist demnach eine secundär zusammengezogene und stark abgekürzte. Wahrscheinlich ist die Onychophorengruppe direct von den Anneliden abzu- leiten. Die Thiere leben an feuchten Orten unter faulendem Holze. Farn. Peripatidae. Peripatus Edicardsii Blanch., Cayenue, mit dreissig Beinpaaren. P. caj)ensls Gr. (Fig. 510), mit siebzehn Beinpaaren. P. Blainvillei Blanch., Chile. P. Novae Zcalandlae Hutt. IV. Classe. Myriapoda '), Tausendfüsse. Tracheaten mit (jesondertem Kopf und zahlreichen, ziemlich ghich- gebildeteM Leihessegmenten ^ mit einem Fühlerpaare, mit zwei oder drei Paaren von Kiefern und zahlreichen Beinpaaren. Körperende eines männlichen Peripatus, nach Moseley. T Hoden, Vd Vasa defe- rentia, De Ductus ejaculatorius, D After- darm, Vc ventrale Ganglien.sträuge. ^) J. F. Brandt, Recueil des memoires relatifs ä l'ordre des Insectes Myria- poJes. St.-Petersbourg, 1841. G. Newport, On the organs of reproduction and the development of the Myriapoda. Philos. Transactions, 1841. Fr. Stein, lieber die Ge- schlechtsverhältnisse der Myriapoden etc. Müller's Archiv, 1842. Koch, System der Myriapoden. Eegensburg, 1847. M. Fahre, Eecherches sur l'anatomie des organes repro- ducteurs et sur le developpemeut des Myriapodes. Ann. des sc. nat., IV' ser., Tom. III. Fr. Me inert, Danmarks Chilognather. Naturh. Tidsskrift, 3 R., Tom. V. Derselbe, C. Claus: Lehrbuch der Zoologie, h. Aufl. 35 546 Myriaiioila. Gliedinasseu. Nervensystem. Unter allen Arthropoden scliliessen sich die Taiisendfüsse durch die gleich- massige Gliederung ihres langgestreckten, bald cylindrischeu, bald mehr flach- gedrückten Leibes und durch die Art ihrer Bewegung neben den Onychophoren am meisten den Anneliden an. Der Kopf der M3'riapodeu stimmt im Wesentlichen mit dem Kopfe der Tnsecteu überein und trägt wie dieser ein Antennenpaar, die Augen, die jedoch niemals wahre Facettenaugen sind, und drei (beziehungsweise zwei) Paare von Kiefern. Die Antennen sitzen der Stirn auf und sind meist schnür- oder borsten- förmig. Von den Kiefern gleichen die kräftig bezahnten Mandibeln denen der Insecten, mit welchen sie auch den Mangel eines Tasters gemeinsam haben. Die Maxillen bilden bei den Chilognathen eine complicirte, gelappte Mund- klappe (Gnafhochtlarmm), deren Theile man früher auf zwei miteinander ver- wachsene Maxillenpaare zurückführte. (Fig. 524 5.) Indessen ist es ontogenetisch erwiesen, dass diese Klappe von den Gliedmassen nur eines Segmentes gebildet wird. Bei den Chilopoden tritt an beiden Maxillen eine Lade, sowie ein kurzer Taster auf. In seltenen Fällen sind die Mundtheile zu einem Saugapparate umgebildet {Polyzoniwn). Der auf den Kopf folgende Leib setzt sich aus gleichartigen und deut- lich gesonderten Segmenten zusammen, welche in sehr verschiedener, für die einzelnen Arten meist jedoch constanter Zahl auftreten, oft in festere Rücken- und Bauchplatten zerfallen und Gliedmassenpaare tragen. Erscheint auch fast durchweg die Homonomität der Leibessegmentirung so vollständig, dass eine Abgrenzung von Brust und Abdomen unmöglich wird, so deuten doch Ver- hältnisse der inneren Organisation, insbesondere die Verschmelzung der drei ersten Ganglienpaare der Bauchkette darauf hin, dass wir die drei vorderen Leibesringe wenigstens der Chilognathen als Thorax zu betrachten haben. Bei diesen entspringen an den drei bis fünf vorderen Segmenten je nur ein Paar, an den nachfolgenden Leibesabschnitten dagegen fast durchweg zwei Paare von Beinen, so dass man diese Abschnitte als durch Verschmelzung von je zwei Segmenten entstandene Doppelringe aufzufassen hat. Die Beine heften sich bald mehr an den Seiten {Chilopoden), bald melir der Mittellinie genähert auf der Bauchfläche {Chilognathen) an und sind meist kurze sechs- bis sieben- gliedrige, mit Krallen endigende Extremitäten. (Fig. 514 und 515.) In dem Bau der inneren Organe zeigen die Myriapoden eine grosse Ueber- einstimmung mit den Insecten. Das Nervensystem zeichnet sich durch die be- deutende Streckung der Bauchganglienkette aus, welche die ganze Körperlänge durchsetzt und in jedem Segmente zu einem Ganglienknoten anschwillt. Dem unteren Schlundganglion geht eine gesonderte untere Quercommissur voraus, Scolopendrer og Lithobier. Ebendaselbst, Tom. V, 1868. Greiiacher, Ueber die Augen einiger Myriapoden. Archiv für mikrosk. Anatomie, Tom. XVIII, 1880. Latzel, Die Myriapoden der österreichisch-ungarischen Monarchie, I. und II. Wien, 1880, 1884. E. M e t s c hn i k 0 f f, Embryologisches über Geophilus. Zeitschr. für wiss. Zool. Tom. XXV, 1875. Verdauungsfaiial. Gefiisssystera. i47 Fiff. 514. wie sie auch bei Maclülis und verschiedenen Insecten nachgewiesen ist, und vielleicht auf den Schwund eines dem zweiten Antennenpaare der Crustaceeu entsprechenden Gliedmassenpaares hinweist. In diesem Falle würde dieMaudibel der Myriapoden und Insecten als zweites postorales Gliedmassenpaar der Mandibel der Crustaeeen homodyuam sein. Bei den gedrungenen Pcmro- poden und SymphyUn macht die Ganglienkette in Folge der undeutlichen Sonderung der Läugscommissureu den Eindruck eines in Ganglien ange- schwollenen Bauchstranges. In den zwei Beinpaare tragenden Segmenten der Chiloynafhen liegen je zwei Ganglien. Auch soll nach Newp ort ein System von paarigen und unpaaren Ein- geweidenerven, ähnlich dem der Insecten, vorhanden sein. Äugen fehlen nur in seltenen Fällen und treten in der Kegel als Ocellen oder durch enges Aneinanderrücken als gehäufte Punl-faugeii, selten (Scufigera) als zusammengesetzte Augen auf, deren Bau jedoch mit dem der Facettenaugen nicht völlig übereinstimmt. An den Antennen wurden Kiechzapfen mit Nerven und Ganglien, an der Unterlippe der Chilognathen ein ähnlich gestaltetes Sinnesorgan nachgewiesen. Der Verdauung scanal durchsetzt mit seltenen Aus- nahmen (Glomeris) ohne Schlängelungen in gerader Richtung die Länge des Leibes und mündet am letzten Hinterleibsringe durch den After aus. Man unterscheidet eine dünne Speise- röhre, welche mit der Mundöflfnung beginnt und wie bei den Insecten zwei bis sechs schlauchförmige Speicheldrüsen auf- nimmt, sodann einen weiten, sehr langen Mitteldarm, dessen Oberfläche mit kurzen, in die Leibeshöhle hineinragenden Leberschläuchen dicht besetzt ist, ferner einen Enddarm mit zwei oder vier am Darme sich hinschlängelnden Harncanälen und kurzem, erweitertem Mastdarm. Fig. 515. Smlop, Als Centralorgan der Blutbewegung erstreckt sich ein langes, pulsirendes Rückengefäss durch alle Körpersegmente. (Fig. 516.) Dasselbe gliedert sich der Segmentirung entsprechend in eine grosse Zahl von Kammern, welche bei Scolopendra durch flügeiförmige Muskeln rechts und links am Rücken befestigt Averden. Das Blut tritt aus der Leibeshöhle durch seitliche Spaltenpaare in die Herzkammern ein und strömt theils durch laterale Arterienpaare, theils durch eine vordere, in drei Aeste getheilte Kopfaorta in die Leibeshöhle. Alle Myriapoden athmen durch Tracheen, welche wie die der Insecten durch 35* ►48 Myriapoda. Athmuugsorgane. Geschlechtsorgane. Spalteupaare an fast allen Segmenten, bald unter den Basalgliedern der Beine, bald in den Yerbindnngshäuten zwischen Kücken- und Bauchplatten, von aussen die Luft aufnehmen und Büschel verästelter Zweige nach allen Organen ab- geben. An den Doppels"fegmenten der Cldlo- gnathen finden sich zwei Stigmenpaare und ebensoviele Büschel von Tracheen, welche un- verästelt bleiben und nicht, wie bei den Chllo- poden, durch Anastomosirung zur Bildung von Längsstämmen führen. Bei Scutlgera liegen die Stigmen in der Medianlinie am Kücken, und führen in Taschen, von denen eine grosse Zahl einfacher Tracheenröhren ausstrahlen. Bei den Si/m-phylen finden sich nur zwei Stigmen, und zwar unter den Fühlern am Kopfe, während die Pauropoden der Tracheen überhaupt entbehren. Besondere, den Coxaldrüsen von Peripatus verglichene Drüsen finden sich am Afterseg- mente und den vorausgehenden Segmenten der Chüopodeu, wo sie an den Hüftgliedern der vier bis fünf Beinpaare ausmünden. Bei den Chilo- gnathen {Lysiopetalum) wurden ausstülpbare Wärzchen am Hüftgliede einer grösseren Zahl von Beinpaaren, jedoch ohne ausreichenden Grund, als Aequivalente solcher Drüsen gedeutet. Hinsichtlich dieser Bildungen scheinen besonders die den Chilognathen sich anschliessenden Symphylen (Scolo- pendrella) bemerkenswerth, welche an den Co- xalgliedern zahlreicher Beinpaare an der Innen- seite eines griffeiförmigen Fortsatzes je ein vor- stülpbares Drüsenbläschen besitzen. (Fig. 517.) Am Ende des letzten Segmentes finden sich hier zwei, vielleicht Gliedmassen entsprechende Fort- sätze mit der Ausmündung einer Spinndrüse. Die Myriapoden sind getrennt geschlecht- lich. Ovarien und Hoden entwickeln sich meist als langgestreckte unpaare Schlauche, während die Ausführungsgänge oft paarig auftreten und überall mit accessorischenDrüsen,im weiblichen Geschlechte zuweilen mit doppeltem Kecepta- culum seminis in Verbindung stehen. (Fig. 518.) Die Geschlechtsöffnungen liegen jederseits am Hüftgliede des zweiten Beinpaares, beziehungsweise hinter diesem Gliedmassen- päare (Chilognathen)^ oder es ist eine unpaare Genitalöffnung am hinteren Körperende vorhanden {CMlopoden). (Fig. 519.) Im männlichen Geschlechte Kopf uud vordere Segmeute von Scolo- pendra, nach Xewport. G Gehiru, 0 Augen, J. Antennen, A/Kieferfuss, C'Herz, -1/ Flügelmuskelii desselben, Ar Arterien. Hinteres Körpereude einer jungen Scolo- pendrella uach L atz el. 11 .ByjeilftesBoiu- jiaar, VB Vorstülpbares Drüsenbläschen, p stiletförmi!j:es Termiualglied mit dem Spinuorgan. Foi-tpfl:\ 549 kommen im ersteren Falle häufig noch äussere, von den Geschlechtsöffnungen entfernte Copulationsorgane am siebenten Segmente hinzu, welche sich vor der Begattung mit Sperma füllen und dasselbe während des Coitus in die weib- liche Geschlechts Öffnung einführen. Fig )18. Geschlechtsorgane von Glomeris marginata, nach Fahre. T Hoden, Ov Ovarium, Oil Oviduct. Geschlechtsorgane von Scolopi-ndra complanata, nach Fahre. Ov Ovarium, T" Hoden, Vd Vas dcferens, Dr Drüsen, Sh Samenhlase. FlQ-. 520, Die meist grösseren Weibchen legen ihre Eier in die Erde. Die aus- schlüpfenden Jungen entwickeln sich oft mittelst Metamorphose, indem sie anfangs ausser den Fühlern nur drei oder sieben Paare von Beinen und einige wenige gliedmassenlose Seg- mente besitzen. (Fig. 520.) Unter zahlreichen Häu- tungen nimmt die Körpergrösse allmälig zu, die Extre- mitätenpaare sprossen an den bereits vorhandenen Leibesringen hervor, deren Zahl durch neue, von dem Endsegmente sich abschnürende Ringe vervollständigt wird, während sich zugleich die Zahl der Ocellen und Fühlerglieder vermehrt. In anderen Fällen {Scolopendriden, Geophih'den) besitzt der Embr3'o bereits sämmtliche Glied massenpaare. tili Embryo E. on Strongylosomn, nach Metsehuikoff. 550 1. Ordnung. Chilopoda. I.Ordnung. Chilopoda*), Chilopoden. Vo7i meist ßaclujedrückter Körperforvi, mit langen vielgliedrigen Fühlern und zum Raube eingerichteten Mundtheilen, mit nur einem Gliedmassenpaare an jedem Leihesringe. Der langgestreckte, meist flachgedrückte Leib erhärtet an der Rücken- uud Bauchfläche der Segmente zu festen Chitinplatten, welche durch weiche Zwischenhäute verbunden sind. Zuweilen entwickeln sich einige der Eücken- platten zu grösseren Schildern, welche die kleinen dazwischen gelegenen Seg- Fig. 521. Fig. 522. Lithohius forficatus, nach C. L. Koch. .B^;" Kiefer- Muudtheile von GeopMlus, nach Stein. A' Kiefer- paare, Mf Maxillarfas.s. Muudwerkzeugc von Scolopeyulra miilica. nach Stein. oh Oberlippe, 3Id Mandibel. Mx' erste, Mx" zweite Maxille, Ta Taster, ^ff Maxillarfuss. meute dachziegelförmig überdecken. (Fig. 521.) Niemals übersteigt die Zahl der Beiupaare die der gesonderten Segmente, da sich nur ein einziges Paar an jedem Einge entwickelt. Die Fühler sind lang und vielgliedrig, unter dem Stirnrande eingefügt. Die Augen sind mit Ausnahme der Gattung Scutigera, welche zusammengesetzte Augen besitzt,einfache oder gehäufte Punktaugen. Stets sind zwei gesonderte Maxillenpaare vorhanden; das vordere trägt einen kurzen Taster, das zweite bildet eine Art Unterlippe, oft mit ansehnlich verlängertem Taster. (Fig. 522, 523.) Ueberall rückt das vordere Beinpaar der Brust als 'j Newport, Monograph of the class Myriapoda, order Chilopoda. Linnaean Transactions XIX, 1845. Erich Haase, Schlesiens Chilopoden. I und II. Breslau, 1880 — 1881. Derselbe, Das Respirationss3^stem der Sjmphylen und Chilopoden. Zool. Beiträge, Breslau, I, 2. 2. Ordnung. Chilognatlia. 551 eine Art Kiefevfiiss an den Kopf heran und bildet dui-cli die Verwachsung seiner Hüfttheile eine mediane ansehnliche Platte, an der rechts und links die grossen viergliedrigen Kaubfüsse mit Endklaue und Giftdrüse hervorstehen. Die übrigen Beiupaare entspringen an den Seiten der Leibesringe, das letzte, häufig ver- längerte Paar streckt sich weit nach hinten über das Endsegment hinaus. Die Geschlechtsorgane münden in einfacher Oeffuung am vorletzten Segmente des Leibes. Die ausschlüpfenden Jungen besitzen bereits sieben {Lithobius, ScuH- !/era) oder sämmtliche Gliedmassenpaare {Scolopendra). Die Chilopoden nähren sich durchweg von Thieren, welche sie mit den Kieferfüssen beissen und durch das in die Wunde einfliessende Secret der Giftdrüse tödten. Einzelne tropische Arten können bei ihrer bedeutenden Körpergrösse selbst den Menschen gefähr- lich verletzen. Fam. Scoloinndridae. Fühler schnurförmig, mit verhältnissiuässig fixirter (meist 17) Gliederzahl, nur wenige (-4 jederseits) Ocellen, bald mit gleichartigen, bald mit ungleich- artigen Körpersegmenten. Scolopendra (mit neun Stigmenpaaren) gigantea L., aus Ost- indien. Sc. morsUans, aus dem südlichen Europa. (Fig. 514.) Cryptops Leach. (Scolo- ptendra), blind. Cr. hortensis Leach. {Sc. germanica Koch), GeojiJnlus [Geopldlidae) electri- cus L.. G. (Ilimantarinm) stihterraneus Leach. Fam. Lithohiidae. Mit 15 beintragenden Segmenten, langen vielgliedrigen Fühlern und zahlreichen Ocellen. Einzelne Kückenplatten entwickeln sich zu einer besonderen Grösse und überdecken zum Theil die zwischenliegenden Segmente. LUJiobius forficatn.^ L. (Fig. 5"21), Henicops Newp. Fam. Seidig er idae. Antennen mindestens von der Grösse des Leibes, Beine lang, die hinteren an Länge zunehmend. Facettenaugen anstatt der Ocellen. Mit 15 bein- tragenden Segmenten, aber einer geringeren Zahl (8) freier Eückenplatten. Scutigera cokojiirakt. L , Süddeutschland und Italien. 2. Ordnung. Chilognatha *) (Diplopod.i), Chilognatheu. Von drehrunder oder halbcylindriscliev Körperform, mit unterer Miind- Mappe und mit zwei Beinpaaren an jedem {die vorderen Leihessegmente aus- genommen) Segmente. Die Geschlechtsöffnungen liegen am Hüftgliede des zweiten Beinpaares. Der Leib hat in der Kegel eine cylindrische oder halbcylindrische Porm, indem die Segmente vollkommene Kinge darstellen oder auch mit besonderen Eückenplatten versehen sind. Li vielen Fällen (Juliden) ist der Leib sehr lang- gestreckt (Fig. 515), in anderen verkürzt, asselähnlich (Glomeris). (Fig. 524.) Die kurzen Fühler bestehen nur aus sieben Gliedern, von denen das letzte noch dazu verkümmern kann. Die Mandibeln haben breite Kanflächeu zum Zer- ') E. Voges, Beiträge zur Kenntniss der Juliden. Zeitschr. für wiss. Zoolog. Tom. XXXI. Vergl. E. Haase, Schlesiens Diplopoden. Zeitschr. für Entomologie, N. F., H. XI, 1886. E. Metschnikoff, Embryologie der doppelfüssigen Myriapoden (Chilo- gnatben). Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXIV, 1874. 0. v. Eath, Beiträge zur Kennt- niss der Chilognathen. Bonn, 1886. E. G. Heäthcote, The early developnient ofJulus terrestris. Quart. Journ. Microsc. Scienc. Vol. 25, 1883. Derselbe, The postembryon. development of Julus terrestris. Philos. Transact. Roy. Soc. London, 1888. 552 C'hiloguatha. Körperbau. Fi.of. 524. Ä.^.'^: \'^^ ^ rgiiinto. nach C. L. Koch, l Li klappe von Julus tcrrestris. kleinern A-on Pflanzentheilen und einen oberen, beweglich eingelenkten, spitzen Zahn. Die Maxillen vereinigen sich zur Herstellung einer unteren Mundklappe, deren Seitentheile zwei hakenförmige rudimentäre Laden tragen, während der mittlere Abschnitt eine Art Unterlippe darstellt. (Fig. 524 b.) Die Augen liegen in der Regel als gehäufte Punktaugen oberhalb und auswärts der Fühler. Meist sind die vorderen Brustbeine nach vorne den Mundwerkzeugen zugekehrt. Stets tragen die drei Brüstsegmente und wohl auch noch die zwei nächstfolgenden Segmente einfache, alle nachfolgenden (mit Ausnahme des siebenten im männ- lichenGeschlechte) doppelte Bein- paare. Stigmen finden sich an allen Segmenten, und zwar unter den Hüftgliedern der Beine mehr oder minder versteckt, an den Doppelsegmenten sind zwei Paare von Stigmen vorhanden. Die häufig als Stigmen angesehenen Porenreihen (foramma reptignaforia) zu beiden Seiten des Eückens sind die Oelfuungen von Hautdrüsen, welche zum Schutze des Thieres einen ätzenden Saft entleeren. Bei einer Polydes- mide (Fonfaria gracilis) enthält das Secret dieser Drüsen freie Blausäure. Die Geschlechtsorgane münden am Hüftgliede des zweiten Beiupaares (Fig. 525) ; im männlichen Geschlechte tritt in einiger Entfernung hinter den Geschlechtsöffnungen am siebenten Leibesringe ein paariges Copulatious- organ hinzu, welches indess bei Glo- meris durch zwei accessorische Extre- mitätenpaare am Aftersegmente ersetzt zu sein scheint. Bei den Symphylen liegt die unpaare Geschlechtsöffnung am vierten Segmente. Die Jungen besitzen anfangs nur drei Beinpaare (Fig. 520), und die Metamorphose erscheint dem- nach vollständiger als bei den Chilopoden. Die Chiloguathen leben an feuchten Orten unter Steinen am Erdboden, nähren sich von vegetabilischen und wohl auch von abgestorbenen thierischeu Stoffen. Viele kugeln sich nach Art der Kugelasseln zusammen oder rollen ihren Leib spiralig ein. Farn. Folyzoniklae. Mit kleinem Kopf, spiralig aufrollt) arem halbcylimlrisrhen Leib und saugenden Mundtheilen. Folyzonium germanicum Brdt. Farn. Julidae. Mit grossem freien Kopf, meist gehäuften Augen, spiralig aufroll- barem cylindrischen Körper, ohne verbreiterte Eückenplatten. Die Beine stossen in der Mittellinie zusammen. Julus sahidosus L., J. terrestris L. (Fig. 515.) Kopf uud vordere .Segmente natus, nach Latz el. (?oe di Öffnungen, D Dan on ]'',!>/ih' Sinus compla- i-eiblichen Geschlechts- V. Classe. Hexapo.la. 553 Fiuii. Poli/destnidae. Mit grossem freien Kopf und seitlich verbreiterten Rückeu- phitten, mit geringerer Zahl (19—20) von Leibesringen. Fohjdesmus comjilanahis Deg., Stvongylosoma Brdt., Foli/xenus lagurus L., mit zwölf Beinpaaren. Farn. Glomeridae. Körper verkürzt und breit, zum Zusammenkugeln befähigt, mit )iur zwölf bis dreizehn Segmenten, welche weit nach den Seiten herabreichende Dorsal- platten besitzen. Letzter Körperring schildförmig. Erinnern an die Gattung Armadillo unter den Isopoden. Glomeris marginata Leach., mit siebzehn Beinpaaren, beim Männchen kommen am hinteren Körperende zwei Paare von Genitalfüssen hinzu. (Fig. 524«.) Spliaerotherium elongahini Brdt. Als besondere Ordnungen würden die SymjyhyUn (Scolo- X^endrella Gerv.) und Faumpoden (Pauropus Lubb.), die in der Bildung der Mundtheile an die Diplopoden eng anschlicssen, hier folgen. V. Classe. Hexapoda'), Insecta, Insecten. Tracheafen mit zwei Fühlern am Kopf und mit drei Beinpaaren^ meist auch zwei Flügelpaaren an der dreigliedrigen Brust, mit neun oder zehn- gliedrigem Abdomen. Der Körper der Insecten bringt die drei als Kopf, Brust und Hinterleib unterschiedenen Leibesregionen am schärfsten unter allen Gliederthieren zur Ausprägung und Sonderung. Auch erscheint die Zahl der zur Bildung des Körpers verwendeten Segmente und Gliedmassen fixirt,indemderKopf mit seinen vier Gliedmassenpaaren aus vier, die Brust oder Thorax aus drei, das Abdomen gewöhnlich aus neun oder zehn (eilf) Segmenten (Ortho- I^opf, Brust und Alxlomeu eines Acn,/mm in seitlicher , -, 1 111 /TT r-^r* \ -NT- 1 i Ansieht. St Stigmen, T tvmpanales Organ. pteren) besteht. (Fig. 526.) Nicht selten betheiligt sich jedoch auch das vordere Abdominalsegment an der Bil- dung des Thorax. Der fast durchgängig vom Thorax scharf abgesetzte Kopf bildet eine ungegliederte Kapsel, an der man verschiedene Regionen nach Analogie des Wirbelthierkopfes als Gesicht, Stirn, Wange, Kehle, Scheitel, Hinterhaupt etc. unterscheidet. Die obere Seite des Kopfes wird seitlich von den Augen ein- genommen und trägt die Fühler, an der unteren inseriren sich in der Umgebung des Mundes die drei Paare von Mundgiiedmassen. Die vordersten Gliedmassen, die Fühler, bilden bei den Insecten eine einfache Gliederreihe, variireu aber in Form und Grösse sehr mannigfach. Dieselben entspringen gewöhnlich auf der ') Swammerdam, Historia Insectorum generalis. Utrecht, 1669. Derselbe, Bijbel der natuure, 1737 — 1738. Eeaumur, M^moires pour servir ä l'histoire des Li- sectes. 12 vols. Paris, 1734—1742. Ch. Bonnet, Traite dlnsectologie. 2 vols. Paris, 1740. A. Eösel von Eosenhof, Insectenbelustigungen. Nürnberg, 1746 — 1761. Ch. de Geer, Memoires pour servir ii l'histoire des Insectes. 8 vols. 1752—1776. H. Burmeister, Handbuch der Entomologie. Halle, 1832. J. Lubb eck, Origin of Insects, 1874. Fr. Brauer, Die unvermittelten Eeihen in der Classe der Insecten. Systematisch-zoologische Studien. Sitzungsberichte der kais, Akademie der Wissensch. Wien, 1885. 554 Ilexaiioda. Antennen. Jlundtheile. Fig. Ö2: Stirn und dienen nicht nur zum Tasten, sondern vornehmlich als Spür- oder Gerachsorgane. Man unterscheidet zunächst gleichmässige (mit gleichartig gestalteten Gliedern) und imgleichmässige Fühlhörner. (Fig. 527.) Erstere erscheinen borstenförmig, fadenförmig, schnurförmig, gesägt, gekämmt: die ungleichmässigen Fühlhörner, an welchen besonders das zweite Glied und die Endglieder eine veränderte Gestalt besitzen, sind am häufigsten keulenförmig, geknöpft, gelappt, gebrochen. Imletzteren Falle ist das erste oder zweite Glied als Schaff sehr verlängert und die Reihe der nachfolgenden kürzeren Glieder als Geissei winkelig abgesetzt ( Ains). Au der Bildung der Mundwerkzeuge nehmen Antheil: die Oberlippe {Jahrum), die Oberkiefer (mandibulae), die Unter- kiefer (maxillae), die Unterlippe (labnim). (Fig. 528.) Die Oberlippe ist eine am Kopfschilde meist beweglich eingelenkte Platte, welche die Mundöffnung von oben bedeckt. Unterhalb der Oberlippe ent- springen rechts und links die Mandibeln oder Oberkiefer, zwei stets fas^erZose Kau- platten, welche jeglicher Gliederung ent- behren, aber deshalb bei der Zerkleinerung der Nahrung um so kräftiger wirken. Complicirter sind die Unterkiefer oder Maxillen gebaut, welche bei ihrer Zu- sammensetzung aus zahlreichen Stücken eine zwar vielseitigere, aber schAvächere Leistung beim Kaugeschäft übernehmen. Man unterscheidet an der Maxille ein kurzes Basalglied {cardo) , einen Stiel oder Stamm [stipes) mit einem äusseren Schuppengliede {squama imlpigera), welchem ein mehrgliedriger Taster [palpus inaxillaris) aufsitzt, ferner am oberen Eande des Stammes zwei zum Kauen dienende Platten als äussere und innere Laden {lohus externus, internus). Die Unterlippe entspringt an der Kehle und ist als ein zweites Paar von Maxillen anzusehen, deren Tlieile in der Mittellinie an ihrem Innenrande verschmolzen sind. Selten bleiben alle Abschnitte des Unterkieferpaares an der Unterlippe nachweisbar, da mit der Verschmelzung in der Regel Verkümmerung und Ausfall gewisser Theile ver- bunden ist, indessen gibt es Fälle, welche diesen Nachweis vollständig gestatten {Ortliopteren). (Fig. 528.) Während die Unterlippe meist auf eine einfache Platte mit zwei seitlichen Lippentastern {palpi lcd>iales) reducirt ist, unter- VerschiodeneAntennenformen,nacb Burmeister. a Borstenförmige Antenne von Locnsta, h faden- förmige von Carahus, c schnurförmlge von Tcni:- hrio, d gesägte von Elafcr, e gekämmte von Ctetii- ccra, f gebrochene von Ax>is , g keulenförmige von Nilpha, h knopfförmige vonycerophoriis, i durch- blätterte von ihlolontha, 1; Fühler mit Bor.ste von ,s'a)-(/«.s-. Beiss Werkzeuge. 555 scheidet man an der Unterlippe der Orthopteren ein unteres, an der Kehle befestigtes Stück (suhmentum) von einem nachfolgenden, die beiden Taster tragenden Abschnitte, dem Kinn (menfum), auf dessen Spitze sich die Lippe oder Zunge (;/Iossa) zuweilen noch mit Nebenzungen ( paraglossae) erliebt. Das Unterkinu entspricht nachweisbar den verschmolzenen Angelgliedern, das Kinn den verschmolzenen Stielen, die einfache oder zweispaltige Zunge den inneren Laden, die Nebenzuugen den getrennt gebliebenen äusseren Laden, Mediane Hervorragungen an der inneren Fläche der Oberlippe und Unterlippe werden als Epipharynx und Hypopharynx unterschieden. Im Gegensatze zu den kauenden oder beissenden Mundtheileu treten überall da, wo eine flüssige Nahrung aufgenommen wird, so auffallende Um- Fi^. 528. Muudtheile einer Blatia, nach Savigny. a Kopf von vorue. Oc Ocellen, -l/rf Maxillartaster, Lt Lippentaster. — h Ober- lippe (Labrum Lr). — c Jlandibel (.!/pen, durchzogen werden. (Fig. 534.") Die Rippen nehmen einen bestimmten und LaufbeiE systematisch wichtigen Verlauf und sind Zwischenräume beider Flügelplatten mit stärker chi- tinisirter Umgebung, zur Aufnahme von Blutflüssigkeif, Nerven und besonders Tracheen, deren Ausbreitung dem Verlaufe der Flügeladern entspricht. Daher entspringen die letzteren durch- weg von der Wurzel des Flügels aus mit zwei oder drei Haupt- stämmen und geben besonders an der oberen Hälfte desselben ihre Aeste ab. Der erste Haupt- stamm, welcher unterhalb des oberen Flügelrandes verläuft, Beinforraen (regne animal). a Mantis mit Raubbein, eines Carahits, c Sprungbein von Acridium, d Grabbein von Oryllotalpa, e Schwimmbein eines T)iitiscus. Flügel von 777«(?a, nach Fr. B r au er. 7/ Subcosta, berste Langs- ader (Costa mediana),2 Radialader (Radius oderSector), 3 Cubi- talader, 4 Diseoidalader (oder Cubitus anticus), 5 Submediana Jjgjggl; Randrippe (Costa^ UUd (oder Cubitus posticus), ß Analader (oder Postcosta), 7 Axillar- ader, R Randzelle, U Unterrandzelle, D Discoidalzelle, I—V Hinterrandzellen, VB vordere Basalzelle, EB hintere Basal- zelle, AZ Analzelle. endet oft mit einer hornigen Er- weiterung, dem FUlgelpunkt. Un- terhalb derselben verläuft eine zweite Hauptader, Radius, und hinter derselben eine dritte, die Hinterrippe, Cubitus, welche selten einfach bleibt, sondern meist schon vor der Mitte gabel- förmig in Aeste zerfällt, die sich häufig von Neuem spalten, so dass auf der oberen Hälfte des Flügels ein mehr oder minder complicirtes Maschenwerk von Feldern entsteht. Diese letzteren unterscheidet man wieder in Rand- felder oder Radialzellen und in Unterrandfelder oder Cubitalzellen. Endlich Abdomen. 559 kommen nicht selten noch eine oder mehrere untere Adern {Änalader, Axillar- ndey) hinzu. Auch Form und Beschaffenheit der Flügel zeigen mannigfache Modificationen. Die Vorderflügel können durch stärkere Chitinisirung der Sub- stanz, wie z. B. bei den Orthopteren und Rhyncliofen pergamentartig werden, oder wie bei den CoUopteren eine feste , hornige Beschaffenheit erhalten und als Flügeldecken {Elytra) weniger zum Fluge als zum Schutze des weich- häutigen Kückens dienen. Grossentheils hornig, nur an der Spitze häutig, sind die Vorderflügel in der Rhynchotengvwg^Q der Hemipteren, während die Hinter- flügel auch hier häutig bleiben. Belialten beide Flügelpaare eine häutige Be- schaffenheit, so wird ihre Oberfläche entweder mit Schuppen dicht bedeckt {Lepidopferen und Phryf/aniden), oder sie bleibt nackt mit sehr deutlich hervor- tretender Felderung, welche sich nicht selten, wie bei den Netzflüglern (iVeuro- pferen) zu einem dichten, netzartigen Maschenwerke gestalten kann. In der Kegel ist die Grösse beider Flügelpaare verschieden, indem die Insecten mit pergamentartigen Vorderflügeln und mit halben oder ganzen Flügeldecken weit umfangreichere Hinterflügel besitzen, bei den Insecten mit häutigenFlügeln da- gegen die Vorderflügel an Grösse meist bedeutend überwiegen. Indessen besitzen viele Neitropteren ziemlich gleichgrosse Flügelpaare, während bei den Dipteren die Hinterflügel zu Schwingkölbchen oder Halferen verkümmern. Auch gibt es in allen Insectenordnungen Beispiele von rudimentären Flügeln oder von gänz- lichem Flügelmangel in beiden Geschlechtern oder nur in einem, meist im weib- lichen, ausnahmsweise im männlichen Geschlechte ; in allen diesen Fällen ist der Flügelmangel ein secundärer, wie überhaupt nur die Thysamiren als ursprüng- lich flügellose Formen zu betrachten sein dürften. Der dritte Leibesabschuitt, der den grössteu Theil der vegetativen Or- gane und die Organe der Fortpflanzung in sich einschliesst, ist der gestreckte und wohlsegmentirte Hinterleib, das Abdomen. Beim ausgebildeten Insect gliedmassenlos, trägt derselbe sehr häufig im Larvenleben, ausnahmsweise auch am Geschlechtsthiere (Japyx) kurze Extremitäten. Die abdominalen Leibesringe sind von einander durch weiche Verbindungshäute deutlich abgegrenzt und setzen sich aus einfachen Rücken- und Bauchschienen zusammen, welche seitlich ebenfalls durch weiche, eingefaltete Gelenkhäute in Verbindung stehen. Ein solcher Bau gestattet dem Hinterleibe, welcher die Kespirations- und Ge- schlechtsorgane in sich einschliesst, eine Erweiterung und Verengerung (bei der Kespirationsbewegung, Schwellung der Ovarien). Sehr oft gewinnen die hinteren Segmente durch verschiedene, auf die Begattung und Eiablage bezüg- liche Anhänge eine besondere Gestaltung. Am letzten Bauchringe liegt ge- wöhnlich der After, während die Geschlechtsöffnung, von demselben gesondert, an der Bauchseite des vorausgehenden Segmentes mündet. (Fig= 535.) Ter- minale Anhänge treten als gegliederte Fäden, Keife etc. am Aftersegmente auf. Dagegen entspringen die appendices genitales, welche die ,,armure genitale" bilden, an der Bauchseite in der Umgebung der Geschlechtsöffnung. Beim Männchen als Klappen, beim Weibchen in Form von Legebohrern und Lege- 560 Hexapoda. Magen. Darm. 535. uach Stein. 8, 9 Riickenschienen, 8', 0' Bauch- schienen, St Stigma, A After, G Genitalöffuung. Fig. 536. stacheln entwickelt, sind dieselben aus Imaginalscheiben (Wucherungen der Hypodermis) bei den Hymenopferen und Heuschrecken am achten (ein Paar) und neunten (zwei Paare) Abdominalsegmente hervorgegangen. (Fig. 536.) Die Legeröhreu der Dipteren sind dagegen auf die eingezogenen hinteren Segmeute zurückzuführen. Der von der Oberlippe überdeckte Mund führt meist in eine enge Speise- röhre, in deren vorderem, als Mundhöhle zu unterscheidendem Eingangsabschnitt ein oder mehrere Paare schlauchförmiger oder traubenförmiger Speicheldrüsen ein- münden. (Fig. 537«. ) Bei zahlreichen sau- genden Iiisecten erweitert sich das Ende der Speiseröhre in einen kurz gestiel- ten, dünnhäutigen Sack, den Smigmagen (Fig. 540), bei anderen in eine mehr gleich- massige, als Zj-o/?/ (Fig. 5376) bekannte Hinterleibsende eines Käfers {Pterciichu. S ), Auftreibung. Der auf dcu Ocsophagus fol- gende, bald gerade gestreckte, bald mehr- fach gewundene Darm verhält sich nach der Lebensweise ausserordentlich ver- schieden und zerfällt überall wenigstens in einen längeren, die Verdauung besor- genden Mitteldarm [Chylusmagen) und in einen die Kothballen absondernden Enddarm. Die Zahl der Abschnitte kann übrigens auch eine grössere werden. Bei Kaubinsecten, insbesondere aus den Ord- nungen der Coleopteren und Neuropteren, schiebt sich zwischen Kropf und Chylus- magen ein Vor- oder Kaumagen von ku- geliger Form und kräftiger, muskulöser Wandung ein, deren innere chitinige Cu- a Hinterleibsende einer weiblichen Larve von ..iiii-i • i j Ti-i •. A w T, ^ T ^, -A ^A ticularbekleidung eme besondere Dicke Locusta mit den Warzchen der Legescheide und '^*^"-' o den Analgriffeln. C" und C" innere und äussere gewiuut Und mitstärkcreuLeisten, ZähueU Wärzchen des vorletzten, C" Wärzchen des dritt- , -p, , , i j • j. /tti- -oi-r 7 \ a i letzten Segmentes. - 1. Etwas älteres Stadium. - ^^^^^ BorStOU bCSetzt ISt. (Flg. 037 b.) AuCh c Nymphe. Ä After mit den Analgriffeln. Nach der ChvluSmagen, aU deSSCU WaudUUg sich vorzugsweise die verdauende Drüsen - Schicht entwickelt, zerfällt zuweilen in mehrfache Abschnitte, wie z. B. bei den Kaubkäfern der vordere Theil des Chylusinagens durch zahlreiche her- vorragende Blindsäckchen ein zottiges Aussehen erhält und sich von der nach- folgenden einfachen, engeren Darmröhre scharf abgrenzt. Auch können am Anfatige des Chylusmagens grössere Blindschläuche nach Art von Leber- drüsen aufsitzen (Orthopteren). Der Afterdarm wird durch die Einmündung fadenförmiger Blindschläuche, der Malpiglii' sehen Gefässe, bezeichnet. Derselbe JI;\lpiglii"sche Gcfässc. Absoiiderungsorgaiie. 561 zerfällt meist in zwei, seltener drei Abschnitte, welche als Dünndarm, Dick- darm und Mastdarm unterschieden werden. Der letzte Abschnitt besitzt eine starke Muskellage und enthält in seiner Wandung vier, sechs oder zahlreichere Läugswülste, die sogenannten /?ec^a/rfr«se». Zuweilen münden noch unmittelbar vor der am hinteren Körperpole gelegeneu Afteröffuung zwei Drüsen, die so- genannten Analdrüsen, deren Secret durch seine ätzende und übelriechende Beschaffenheit als Vertheidigungsmittel zu dienen scheint, in den Mastdarm ein. (Fig. 537 h.) Ausnahmsweise nehmen In- secten ausschliesslich im Jugendzustande Nahrung auf und entbehren in der geflü- gelten geschlechtsreifen Form der Muud- öffnung (Ephemera); wenige besitzen im Larvenzustande einen blindgeschlossenen, mit dem Enddarme nicht communiciren- den Magen (^Hi/menopferenlMxen, Pupi- paren, Ameisenlöice). Die bereits geiiü.imienMalpighi\schen Gefässe, früher irrthümlich für Galle- bereitend gehalten, fungiren unzweifelhaft als Harn absondernde Organe. Auch schei- den dieselben gewisse in das Blut aufge- nommene Substanzen aus demselben wie- der aus und verhalten sich (indem sie indigschwefelsaures Natron ausscheiden) wie die Schleifencanälchender Antenuen- und Schalendrüse der Krebse. Der von den grosskernigen Zellen der Wandung secer- / J nirte Inhalt hat meist eine braungelbliche oder weissliche Färbung und erweist sich als eine Anhäufung kleiner Körnchen und Concremente, welche grossentheils aus Harnsäure bestehen, auch wurden Kry- stalle von oxalsaurem Kalk und Taurin nachgewiesen. Die Zahl und Gruppirung der meistens sehr langen am Chylus- darme in Windungen zusammengelegten Fäden wechselt übrigens mannigfach. Während in der Regel vier oder sechs, seltener acht vielfach geschlängelte Harn- röhren in den Darm einmünden, ist die Zahl derselben besonders bei den Hymeno- pferen und Orthopteren eine weit grössere; beiden letzteren kann selbst ein gemein- samer Ausführungsgang (GryUotalpa) die Fäden zu einem Büschel vereinigen. Als Absonderungsorgane der Insecten sind die sogenannten Glandulae odoriferae, die Wachsdrüsen, SpinndrUsen und Giftdrüsen zu erwähnen. Die Verdauungsapparat von Apis nulUfica, uach L ü o n Dufour. Sx> Speiclaeldrüsen. Oe Oesophagus mit kropfartiger Erweiterung, J/Chylusdarm. Re Mal- pighi'sche Gefässe, R Rectum mit den sogenannten Rectaldrüsen, O.Dr Giftdrüse. ;: Lehrbuch der Zoolo!,'ie. 5. Auö. 36 562 Hexapoda. Giftdrüsen Fig. 537 Ä. Chef ersteren, zu denen auch die bereits erwähnten Analdrüsen (Fig. 537 b) gehören, liegen unter der Körperbedeckung und sondern meist zwischen den Gelenks- verbindungen stark riechende Säfte ab. Bei den Wanzen ist es eine unpaare birnförmige Drüse im Metathorax, welche ihr Secret durch eine Oeffnung zwischen den Hinterbeinen austreten lässt und den berüchtigten Gestank "verbreitet. Einzellige Haut- drüsen sind an verschiedenen Theilen des Insecten- körpers nachgewiesen worden und scheinen, den Talg- drüsen der Wirbelthiere vergleichbar, eine ölige, die Gelenke geschmeidig erhaltende Flüssigkeit abzu- sondern. Aehnliche als Wachsdrüsen zu bezeichnende Drüsenschläuche der Haut secerniren weissliche Fäden und Flocken, welche den Leib wie mit einer Art Puder oder Wolle umgeben {Pflanzenläuse etc.). (Fig. 538.) /Spinndrüsen kommen ausschliesslich bei Insecten- larven vor und dienen zur Verfertigung von Geweben und Hüllen. Diese Drüsen (ßeriderien) sind als zwei mehr oder minder angeschwollene und langgestreckte Schläuche hinter dem Munde gelegen und einer be- sonderen Form von Speicheldrüsen gleichzustellen, denen sie auch in ihrer Structur nahe stehen. (Fig. 61.) Die Larve des Ameisenlöwen hat ihr Spinnorgan an dem entgegengesetzten Körperende, indem es hier die Wandung des vom Chylusdarm abgeschlossenen Mast- darmes ist, welche die Stelle Fig. 538. ^ a • / • ^ -^t -n- der Sericterien vertritt. Die bei Hymenopteren-Weibchen vorkommenden Giftdrüsen bilden zwei einfache oder ver- ästelte Schläuche, deren ge- meinsamer Ausführungsgang zu einem blasenartigen Ke- servoir für die seceruirte, aus Ameisensäure bestehende Flüssigkeit anschwillt. (Fig. 537 «.) Das Ende desselben steht mit dem Giftstachel im Zusammenhang. In die Kate- gorie der Secretionsorgane dürften auch die bei Thysanuren vorkommenden Coxalsäckchen gehören, welche vorgestülpt und wieder eingezogen werden können (Fig. 540) und an die Coxal- säckchen der Scolopendrellen erinnern. Auch sind Zellengruppen im Leibes- V Darmcanal nebst Anhangsdrüseu eines Raubkäfers {Caräbus), nach Leon Dufour. Oc Oesophagus, Jii Kropf, Pü Vormagen, Clid Chy- lusdarm, M(j Malpighi'sche Ge- fässe, R Rectum, Ad Aualdrüsen mit Blase. Die Wachshöcker nebst Wachsdrüsen einer Aphide (Schizoneura Lonicerae). a Nymphe , vom Rücken aus gesehen. Wh Wachs- höcker. — h Die einzelligen Wachsdrüsen {WD) unter den cuti- cularen Tacetten (C/) der Haut. 563 Fig. 539. räume (Pericardialzellen) beföliigt, gewisse Substanzen (Carmin) aus dem Blute auszuscheiden. Die meist farblose, häufig jedoch grünliche Blutflüssigkeit enthält constant amoeboide Blut- zellen und bewegt sich in bestimmten Bahnen der Leibeshöhle. Die Vereinfachung des auf eini?MCÄ;en- gefäss beschränkten Circulationsapparates steht mit der reichen Verästelung der liespirations- organe im Zusammenhange, welche als luftfüh- rende Tracheen nach allen Organen den Sauer- stoff dem Blute zuführen. Das als Rückengefäss (Fig. 539) auftretende Herz verläuft in der Me- dianlinie des Abdomens und wird in zahlreiche, selten mehr als acht, bei den Thysanuren neun, den Segmenten entsprechende Kammern abge- theilt,welche mittelst dreieckiger Muskelu,Flügel- muskeln, an das Hautskelet der Kückenfläche be- festigt sind. Durch ebensoviele Paare seitlicher Spaltöffnungen strömt das Blut während der Dia- stole der Kammern in dasEückengefässein,welches sich allmälig von hinten nach vorne zusammen- zieht und das aufgenommene Blut in gleicher Eichtungforttreibt.DievordersteKammer,welche ^^f^^^^^^^'^^^p^^^^^^;-*'^ " ' uacliNe\vport.J/a;Maxineii(RoUrussel), bei den Thysanuren im Thorax liegt (Fig. 541), * Lippentastor, At Antenne, gs Gehirn, geht in eine mediane, bis zum Kopfe verlängerte ^-»teres schiundganguon,^Gangiien => ' -t^ O der Brust und des Bauches, V Oesopha- Aorta über. Aus dieser ergiesst sich das Blut frei gus, F'saugmagen.ji-Muteidarm, r»« Mai- in den Leibesraum, um in vier Hauptströmen, pig^i'-»^« befasse, ^ Enddarn.^ After, ^ ' // Herz oder Ruekengefass, (? Hoden. zwei seitlichen, einem dorsalen unterhalb des Kückengefässes und einem ventralen oberhalb der Ganglienkette, unter Ab- gabe zahlreicher Nebenbahnen in die Extremitäten etc., nach dem Herzen , zurückzufliessen. Nur ausnahmsweise finden sich vom Herzen ausgehende arterienartige Eöhren zurFortleitung des Blutes, z. B. in den Schwanzfäden der Ephemer ah^YNen. Bei den Mallo- pliaqen, sowie bei vielen Larven Ein BauchschUd von J/ac;u7i.,mar»7ma nach Oudemans. •^ "^ Br Beinrudimeute, Bl vorstülpbare Bläschen, J/Retrac- (Chironomus, Ptychoptera) erscheint toren derselben. das Herz vereinfacht und abweichend gestaltet *). Fiff, 1) Vergl. Dareste, Archives de Zool. expör. Tom. II, 1873, ferner C. Grobben, Ueber etc. etc. Ptychoptera contaminata L. Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissensch. Wien, 1875. 36* 564 Hexapoda. Tracheen. Die Respiration erfolgt durch vielfach verzweigte Tracheen *), welche ihren Liiftl)edarf durch paarige, meist in den Gelenkshäute'n der Segmente gelegene Spaltöffnungen, Stigmen, unter deutlichen Athembewegungen des Hinterleibes aufnehmen. (Fig. 84.) Die Zahl der Stigmen variirt überaus, doch sind selten mehr als zehn und weniger als zwei Paare vorhanden. Am Kopfe, sowie am letzten Hinterleibsringe fehlen dieselben stets. Am geringsten ist ihre Zahl bei wasserbewohnenden Larven von Käfern und Dip- ^^' ' teren, welche nur zwei Stigmen, und zwar am Ende des Hinter- leibes auf einer einfachen oder auch gespaltenen Köhre besitzen. Häufig kommen indessen noch zwei Spaltöffnungen am Thorax hinzu. (Fig. 83.) Auch einige Wasserwanzen, z. B. Nepa, Ra- natra etc., tragen am Ende des Hinterleibes zwei lange, aus Halb- canälen gebildete Fäden, welche am Grunde zu zwei Luftlöchern führen. Solche Wasserwanzen können bei dieser Einrichtung ebenso wie Dipterenlarveu mit emporgestreckter Athemröhre an der Ober- fläche des Wassers Luft aufnehmen. Die Tracheen^ deren Lumen durch die feste, zu Spiral- ringen verdickte Chitinhaut der Wandung klaffend erhalten wird, sind stets mehr oder minder prall mit Luft gefüllt und daher von silberglänzendem Aussehen. Ihre innere Chitinhaut wird von einer äusseren Zellschichte erzeugt und bei den Häutungen wäh- rend des Larvenlebens zugleich mit der äusseren Körperhaut abgestreift und erneuert. (Fig. 542.) Die nicht selten im Verlaufe der Tracheen auftretenden Erweiterungen, welche sich bei guten Fliegern, z. B. Hymenopteren, Dipteren etc. zu Luftsäcken von bedeutendem Unfange vergrössern und den Luftsäcken der Vögel functionell zu vergleichen sind, besitzen eine zartere, des Spiral- Herz (c) und fadens entbehrende Chitinhaut, collabiren daher leicht und setzen '^nTch Gra?ir ^^ ^^^'^^' ^^i^^ung bosondore Respirationsbewegungen voraus, welche besonders bei den verhältnissmässig schwerfälligen Lamellicorniem vor dem Emporfliegen bemerkbar sind. Die Anordnung des Tracheensystems lässt sich in einfacher Weise aus dem Ursprung der Hauptstämme an den Stigmen ableiten. Jedes Stigma führt in einen Tracheenstamm, welcher zu den benachbarten Stämmen Querbrücken sendet und ein Büschel vielfach ver- zweigter Röhren an die Eingeweide ausstrahlen lässt. In der Regel entstehen auf diese Art zwei Seitenstämme, welche durch quere Verbindungsröhren com- municiren und zahlreiche Nebenstämme nach den Organen entsenden, (Fig. 543. ) Die feineren Verästelungen der Nebenstämme legen sich nicht nur äusserlich an die Eingeweide an, sondern durchsetzen dieselben theilweise und dienen zugleich zur Befestigung derselben. Als TracheenJdemen werden blattförmige oder faden- artige, mit Tracheen versehene Anhänge des Körpers bezeichnet. Solche finden ') J. A. Palmen, Zur Morpliulogie des Tracheensysteras, Helsingfors, 1877, Fettkörper. Ijeuclitorganc. 565 besteht aus fettartig glänzenden, meist Fi"-. 542. ^^S- 543. sichz. ß. bei Phrygamden und den ampMbiotisclien Pseudoneuropferen.(Fig. 544. ) Bei Äeschna- und LibelullalMven liegen dieselben im Mastdarm, dessen Wan- dung durch seine kräftige Muskulatur zu einem regelmässigen Aus- und Ein- pumpen von Wasser befähigt ist. Zu der Eespiration und auch zum Ernährungsprocess steht in der innigsten Beziehung der Fdtkörper. Derselbe gelblich gefärbten Lappen und Ballen, welche sowohl unter der Haut, als zwischen den Or- ganen, besonders reich während der Larvenperiode, im Leibe ausgebreitet sind. Die Haupt- bedeutung dieses Organs be- ruht auf seiner Verwendung beim Stoffwechsel Als eine An- sammlung überflüssigen Nah- rungsmateriales scheint der- selbe sowohl zur Ernährung und Erzeugung von Wärme, als besonders während der Aus- bildung des vollkommenen In- SecteS bei der Anlage neuer gungen,nacliLeydig. ^ZelUgeAussen- K,i ., T -ITT 1 wand, Hp cuticiüare Intima mit Spiral- orpertheile und zum Wachs- ^^^^^ thum der Geschlechtsorgane verbraucht zu werden. Die Menge von Tracheen an den Fett- zellen weist schon auf einen ausgedehnten Sauerstoffverbrauch und daher auf lebhaften Stoffumsatz hin, der vollends durch die häufige Ablagerung von stickstoffhaltigen Zersetzungs- producten, insbesondere von Harnsäure bewiesen wird. Eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Fettkörper zeigen die Leuchforgane der Lampyriden ') und verschiedener Ela- teriden. Dieselben sind zarte Platten, welche bei Lampyris an der Bauchfläche mehrerer Hinterleibssegmente liegen und theils aus blassen eiweissreichen, theils aus körnchenreichen, harnsäurehaltigen Zellen bestehen, zwischen denen sich Tracheen und Nerven in äusserst reicher Verzweigung ausbreiten. Die blassen Zellen setzen die untere ventrale Schichte der Platte zusammen, welche ausschliesslich leuchtet, und sind im Zusammen- hange mit den überaus zahlreichen Tracheen-Endzellen als die thätigen Ele- mente anzusehen, deren Stoflfumsatz unter dem Einflüsse des zugeführten Sauer- Tracheeuästchen mit feineren Verzwei- ] \ Tracheensystem von Japyx , nach G r a s s i . 7, II, III die Thora- calsegmente, 1,2 — W die Stigmen. V) Ausser den Arbeiten von K ö 1 1 i k e r, M. Schnitze und 0 w k j a n n i k o w vergl. H. Y. Wi elo wi e j sk i, Studien über die Lampyriden. Zeitschr. für wis.s. Zool. Tom. XXXVII. 1882. 566 Hexapoda. Nervensystem. Stoffes, in geAvisser Abhängigkeit vom Nervensystem, die bekannten Licht- erscheinungen hervorruft. Die obere, nicht leuchtende Schicht der Platten ent- hält in ihren Zellen eine dichte Häufung lichtbrechender Körnchen, welche nachKölliker aus harnsauren Verbindungen, den Endproducten des die Licht- erscheinungen bedingenden Stoffwechsels, bestehen. Das Nervensystem der Insecten zeigt eine ebenso hohe Entwicklung als Fig. 544. If ^'% o Larve einer Eintagsfliege mit sieben Doppelpaaren von Tracheenkiemen {Kt), unter Lupenvergrösserung. Nur ein Blättchen ist an jedem Paare dargestellt. Tk eine Tracheenkieme isolirt, stärker vergrössert. — 6 Traeheensystem einer Agrion-'La.rve, nach L. Dufour. Tsf Tracheenlängsstämme, Na Nebenaugen. mannigfaltige Gestaltung, und es finden sich alle Uebergänge von einer lang- gestreckten, etwa zwölf Ganglienpaare enthaltenden Bauchkette bis zu einem einheitlichen Brustknoten. (Fig. 96 und 97.) Das im Kopfe gelegene Gehirn (obere Schlundganglion) erlangt einen bedeutenden umfang und bildet mehrere Gruppen von Anschwellungen, die sich vornehmlich stark bei den psychisch am höchsten stehenden Hymenopteren ausprägen. Dasselbe entsendet die Sinnes- nerven, wie es auch als Sitz des Willens und der psychischen Thätigkeiten SchhiudiitTveu. Sympatliicns. 567 erscheint. Das untere Schlundganglion versorgt die Mundtheile mit Nerven und entspricht den verschmolzenen Ganglien der drei Kiefersegmente. Die Bauchkette, welche mit ihren Seitennerven dem Rückenmarke und dessen Spinal- nerven verglichen wird, bewahrt die ursprüngliche gleichmässige Gliederung bei den meisten Larven, und am wenigsten verändert bei den Insecten mit freiem Prothorax und langgestrecktem Hinterleibe. Hier bleiben nicht nur die drei grösseren Thoracalganglien, Avelche die Beine und Flügel mit Nerven ver- sehen und oft noch durch die vorderen Abdomiualganglien verstärkt werden, sondern auch eine grössere Zahl von Abdominalganglien gesondert. Von diesen letzteren zeichnet sich stets das letzte, welches aus der Verschmelzung mehrerer Ganglien entstanden ist und zahlreiche Nerven an den Ausführungsgang des Geschlechtsapparates und an den Mastdarm ent- sendet, durch eine bedeutende Grösse aus. Die allmälig fortschreitende, auch während der Ent- wicklung der Larve und Puppe zu verfolgende ') Concentrirung desBauchmarkes ergibtsichsowohl aus der Zusammenziehung der Abdominalgan- glien, als aus der Verschmelzung der Brustgan- glien, von denen zuerst die des Meso- und Meta- thorax zu einem hinteren grösseren Brustknoten und dann auch mit dem Ganglion des Prothorax zu einer gemeinsamen Brustganglienmasse zu- sammentreten. Vereinigt sich endlich mit dieser auch noch die verschmolzene Masse der Hinter- leibsganglien, so ist die höchste Stufe der Cou- centration, wie sie sich bei Dipteren und Humi- pfereji findet, erreicht. Das Ein geweidenerven System zerfällt in das System der Schlundnerven und in den eigent- lichen Si/mpathicus. An jenem unterscheidet man einen unpaaren und paarige Schlundnerven. Der erstere entspringt mit zwei Wurzeln an der Vorderfläche des Gehirns oder an der Schlundcommissur und bildet an der vorderen Ver- einigung jener dsisGanglion frontale^ von welchem Nerven nach der Oberlippe und dem Oesophagus gehen und ein stärkerer hinterer Nerv (N. recurrens) unter dem Gehirne hindurch an der dorsalen Wand der Speiseröhre zahlreiche feine Nerven- geflechte in der Muskelhaut desselben abgibt. (Fig. 545 a und h.) Die paarigen Schlundnerven entspringen jederseits an der hinteren Fläche des Gehirns und schwellen zur Seite des Schlundes in meist umfangreichere Ganglien an, welche ebenfalls die Schlundwandung mit Nerven versehen. Bei Blattet bildet der paarige Theil des Sympathicus zwei Ganglienpaare, welche untereinander und mitdemN.recurrens in Verbindungstehen und aucliZweige an die Speicheldrüsen *j Vergl. besonders die zahlreichen Abhandlungen von Ed. Brandt, Ueber die Metamorphose des Nervensystems der Insecten. Horae Soc. Entom. Boss. Gehirn und Schlundnervenganglion von Sphinx Ugicstri,na,ch'a( evr p o rt. Gan- glion frontale , g' die Ganglien der paarigen Schlundnerven. 568 llexapoda. Sinnesorgane. Sympatliicus von Blatta nach Hof er. Crfr Ganglion frontale, die Nerven- wurzeln desselben an der Commissur, Nr Nervus recurrens, g', g" die paari- gen Ganglien. Fii'. 546. 1:^' Der Kopf einer Drohne von der Stirnfläche gesehen, mit den Facettenaugen, den drei Ocellen und Antennen, nach Swammerdam. abgeben. (Fig. 545 b.) Als eigentlichen Sympatliicus betrachtet man ein System von- blassen Nerven, welche zuerst Newport als nervi respiratorn oder fransversi beschrieb. Dieselben zweigen sich in der Nähe eines Ganglions derBauchkettevoneinemrae- dianen, zwischen den Längscommissuren verlaufen- den Nerven ab, welcher in dem Ganglion wurzelt und zuweilen ein kleines sympathisches Ganglion bildet. Nach ihrer Trennung erzeugen sie aber- mals seitliche Ganglien, deren Nerven in die Seiten- nerven der Bauchkette eintreten, von diesen aber nachher sich wieder absondern und unter Bildung von Geflechten die Tracheenstämme und Muskeln der Stigmen versorgen. Von den Sinnesorganen *) nehmen die Augen die höchste Stellung ein. Die unicornealen Punkt- augen {OcelU) treten vorzugsweise im Larvenleben auf, finden sich indessen auch oft in zwei- oder dreifacher Zahl auf der Scheitelfläche des aus- gebildeten Insectes. (Fig. 123, 546.) Wahrschein- lich vermitteln dieselben überhaupt keine oder doch sehr undeutliche Bilder aus unmittelbarer Nähe und sind wenigstens zum Theil nur Kichtungsaugen für Lichtperception. Die Fa- cettenaugen gehören vornehmlich dem aus- gebildeten lusecte an. Dieselben nehmen die Seitenflächen des Kopfes ein und erlangen =^ oft im männlichen Geschlechte einen solchen Umfang, dass sie in der Mittellinie am Schei- T tel zusammenstossen. (Fig. 546.) Wenn die- selben auch nicht die Beweglichkeit besitzen, welche den facettirten Stilaugen der Deca- poden und Stomatopoden eine so rasche und ? ausgiebige Veränderung des Gesichtsfeldes gestattet, so dürften sie doch, was Helligkeit und Specification des Bildes anlangt, jenen nicht nachstehen. Abg^esehen von den Ver- 'jVergl. ausser V. Siebold insbesondereFr. Leydig, Zum feineren Bau der Arthro- poden, .sowie Geruchs- und Gehörorgan der Krebse und Insecten. MüUer's Archiv, 1855 und 1860. H. G r e n a c h e r, Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden. Göttingen, 1879. V. Grabe r, Die tympanalen Sinnesorgane der Orthopteren, Wien. 1875. Derselbe, Ueber neue otocystenartige Sinnesorgane der Insecten. Arch. für mikro.'^k. Anatomie. Tom. XVI. Ueber das unicorneale Tracheatenauge. Ebend. Tom. XVII. Augeu. Gehürorgaiie. >69 scliiedenheiteu, die in der Gestaltung der Corneafacetten auftreten, bietet vornehmlich das Verhalten der Krystallkegel mannigfache Abweichungen. Meist sind dieselben wohl ausgebildet {encom Augen) und dann nur selten mit den Facetten verwachsen {Lampyris). In anderen Fällen sind die Krystall- kegel durch ein flüssiges, lichtbrechendes Medium vertreten (pseudacone Augen), oder es sind nur die Krystallzellen vorhanden, ohne einen Kegel ausgeschieden zu haben {acone Augen). Ein besonderes Interesse nehmen die Pigmentzellen in Anspruch, welche die Krystallkegel oder deren Aequi- valente umlagern, und deren Pigment sich, wie es scheint, unter dem Einfluss intensiver Lichtwirkung nach hinten ausbreitet, im Dunkeln aber wieder nach vorne zurückzieht. Wenn nach Joh.Müller's Lehre vom musi- vischen Sehen des Facettenauges das Zustandekommen eines auf- rechten, wenn auch lichtschwa- chen Bildes im Innern des Auges noch häufig in Zweifel gestellt wurde, so ist dasselbe in jüng- ster Zeit durch directe Beobach- tung*) erwiesen worden.Indessen erfuhr die Lehre MüUer's in- sofern eine wesentliche Aen- derung, als bei der Perception eines jeden Lichtpunktes eine Anzahl von Krystallkegeln be- theiligt ist und in Folge der Lichtbrechung also ein dioptri- sches, aber aufrechtes Bild zu Stande kommt. Gehörblasen mit Otolithen sind für die Insecten nicht nachgewiesen. Da aber die Fähigkeit der Schall- empfindung für zahlreiche und insbesondere für diejenigen Insecten, welche Töne hervorbringen, kaum in Zweifel gezogen werden kann, wird man bei diesen auch das Vorhandensein von Organen für die Perception von Schallein- drücken voraussetzen müssen. In der That hat man bei den springenden Ortho- pteren (tympanale) Apparate^) nachweisen können, welche wahrscheinlich als akustische zur Empfindung der Schallwellen dienen. Bei den Acridiem liegen dieselben an den Seiten des ersten Abdominalsegments dicht hinter dem Meta- Schienenstilck Vorderbeines von LocHSta viridistima, nach V. Grab er. Ti/ Trommelfell nebst Decki'l. Ein Stück des Nerveuendapparates in der Vordersehiene vonLocusta virirJi.i.sima, nach V. Grab er. A' Xerv, Gz Ganglienzelle, St Stifte in den Endzellen. ') Vergl. aus.'^er Juh. Müller, Leydig, Grenacher 1. c. S. Exner, Das Netzhautbild des Insectenauges, sowie: Durch Licht bedingte Verschiebungen des Pig- mentes im Insectenauge etc. Sitzungsb. k. Akad. der Wiss. Wien, 1889. 2) Vergl. V. Grab er, Die chordotonalen Organe und das Gehör der Insecten. Archiv für mikrosk. Anat., Tom. XX und XXI, 1882. 570 Hexapoda. Chordotonalorgane. thorax (Fig. 84 T), bei den Gryllodeen und LocusHden in den Schienen der Vorderbeine dicht unter dem Gelenke des Oberschenkels. (Fig. 547.) Hier er- weitert sich ein Tracheenstamm zwischen zwei seitlichen Membranen zu einer Blase, an welcher die mit sogenannten Nervenstiften versehenen Endzeilen (Sinneszellen) eines aus dem ersten Brustganglion entspringenden Nerven aus- gebreitet liegen. Mit jeder wohl als Hypodermiszelle entstandenen Endzelle steht eine Ganglienzelle (Fig. 548 Gz) in Verbindung, und es ist wahr- scheinlich, dass der Nervenstift selbst, welcher in seiner Axe den nervösen Fig. 549. b a Körpersegment der Corcliemenden, HeLsinyforf^, I88i. Weibliche Goscliloclitsoi-gaue. 573 scMedener Ovarialformeii. Auch ist die Zahl derselben höchst verschieden, am o-eringsten bei einigen Rhi/nchoten und den Schmefferlmgen, welche letzteren jederseits nur vier, freilich sehr lauge Ei- Pig 553 röhren besitzen. Nach unten laufen jeder- seits die Eiröhren kelchartig (Eierkelch) in den erweiterten Anfangstheil des £'e7e2Yei's zusammen, welcher sich mit dem der ent- gegengesetzten Seite zur Bildung eines me- dianeu Eierganges vereinigt. Das untere Ende des letzteren repräsentirt die Scheide und nimmt in der Nähe der Geschlechts- öffüung häufig die Ausführungsgänge be- sonderer Kitt- und Schmierdrüsen [Glan- dulae sehaceae) auf, deren Secret zur Um- hüllung und Befestigung der abzusetzenden Eier dient. Ausser diesen Drüsen ist der unpaare Ausführungsgang des Geschlechts- apparates sehr allgemein mit einem in ein- facher oder auch in mehrfacher Zahl auf- tretenden, meist gestielten Receptaculum seminis ausgestattet, in welchem die wäh- rend der Begattung häufig in Form von Spermafophoren aufgenommene Samen- masse unter dem Einflüsse des Secretes einer Anhangs- drüse längere Zeit, zuweilen Jahre laug, befruchtungs- fähig bleibt. (Fig. 553 und 554.) Unterhalb des Samen- behälters sondert sich zuweilen von der Scheide eine grössere taschenartige Aussackung, die Begattungstasche [Bursa copulatrix), welche die Function der Scheide übernimmt. Bei den Schmetterlingen leitet ein beson- derer Gang das Sperma der hier getrennt ausmündenden Bursa zum Eeceptaculum. (Fig. 553.) Die Bildungsstätte der Eizellen ist das verjüngte, häufig in einen dünnen Faden verlängerte Endstück der Eiröhre, von welchem sowohl das Wachsthum der Ei- röhre, als die Differenzirung ihres Inhalts in Eizellen und Ovarialepithel ausgeht. Nach dem Eierkelch zu nimmt die Ovarialröhre continuirlich an Durchmesser zu, entsprechend der allmäligen Grössenzuuahme, welche die im Lumen der Köhre perlschnurartig aneinander gereihten Eier erfahren. Jedes Ei erfüllt eine Kammer und erhält hier eine hartschalige Eihaut (C^oWow), welche, als Cuticularbildung von dem die Kammer- wand auskleidenden Epithel ausgeschieden, in ihrer Sculptur die Besonder- Welbliche Geschlechtsorgane von Vanensa tir- ticae, nach Stein. Ov Die unteren Enden dei abgeschnittenen Ovarialröhren, fic Receptaculum seminis nebst Anhangsdrüse, Fa Vagina, TVc Bursa copulatrix mit Gang zum Oviduct, Dr Glandulae sebaceae, Dr' Drüsenanhänge, R Rectum. ^k^ 554. Ausführender Abschnitt der weiblichenGeschleehtsorgane von Mtisca domestica nach Stein. Od Oviduct, lie die drei Receptacula seminis, Dr Anhangsdrüse der Vagina, Bl bliudsackförmige Nebon- schläuche. 574 Hexapoda. Männliche Groschlechtsorgane. Nr. heiten des Epithels zum Abdruck bringt. Diesem z. B. bei Pidex und vielen Neuropferen und Orthopteren zu beobachtenden Typus gegenüber zeichnet sich ein zweiter Ovarialröhrentypus durch eine complicirtere Gestaltung der Ei- kammern aus, indem oberhalb des Eies eine einzige {Forficula) oder eine ganze Gruppe von Dotterbildungszellen (Nähr- zellen) liegen, welche auch eine besondere kammerartige Auf- treibung bilden können, so dass an der Eiröhre Dotterkammern und Eikammern regelmässig alterniren. (Fig. 555 «und 5.) In seltenen Fällen (Aphülen) ent- wickelt sich am Terminalstück der Eiröhre ein gemeinsames grösseres Fach von Nährzellen, welche gruppenweise durch „Dotter stränge" mit den ab- wärts folgenden Eikammern in Verbindung stehen. (Fig. 555c.) Die männlichen Ge- schlechtsorgane bestehen aus paarigen Hoden und deren Sa- menleitern, aus einem gemeinsamen Ductus ejaculatorius und dem äusseren Begattungsorgan. (Fig. 55ü und 1175.) Die Hoden bestehen aus Blindschläuchen, welche jederseits in einfacher oder vielfacher Zahl auftreten und, oft knäuelartig zusammen- gedrängt, einen scheinbar compacten, lebhaft gefärbten Körper darstellen. Auch können sich dieselben zu einem unpaaren Organe in der Medianlinie verbinden (Lepidoptera). (Fig. 539.) Die Hodenröhrchen setzen sich jederseits in einen meist geschlängelten Ausführungsgang (Vas deferens) fort, dessen unteres Ende be- trächtlich erweitert und selbst blasenförmig {Samenhlase) aufgetrieben sein kann. An der r Hoden, rd Vereinigungsstelle beider Samenleiter zu dem gemeinschaftlichen muskulösen Ductus ejacu- latorius ergiessen in den letzteren häufig ein oder mehrere Drüsenschläuche ihr Secret, welches die Samenballen mit einer Hülle umgibt. Die üeberführung der Spermatophoren in den weiblichen Körper wird durch eine hornige, das Ende des Ductus ejaculatorius umfassende Röhre UE a Eiröhre von Forficula. Nz Nährzelle, Ez Eizelle. 0£ Epithel der Eiröhrenwand. —6 Mittelstück von einer Eiröhre der Spindel- baummotte. ^zNährzelleu des Dotterfaches, iJz Eizelle im Keim- fache, ir bindegewebige Umhüllungshaut, sogenannte Serosa. — e Eiröhre von Aphis platanoides mit drei Eifächern (Ez — Ez") und dem terminalen Dotterfach. Nz Nährzellen desselben, ösDotter- sträuge. Männliche Geschlechtsorgane des M.a käfers, nach Gegenl erweiterter Abschnitt Dr gewundene Anhangsdrüsen. Parthenogenese. oder Kinne vermittelt. Diese liegt in der Rulie meist in den Hinterleib ein- gezogen und wird beim Hervorstülpen von äusseren Klappen oder Zangen Fig. 557. Fig. 558. / scheidenartig umfasst. Nur ausnahms- weise (Libellen) liegen die zur Ueber- tragung des Spermas dienenden Begat- tungswerkzeuge, ähnlich wie bei den männlichen Spinnen, von der Geschlechts- öffnung entfernt an der Bauchseite des zweiten, blasig aufgetriebenen Abdominal- segments. Die Insecten sind fast durchwegs ^veiblicUe Geschlechtsorgane des viviparen Melo- ovipar und nur wenige, wie die Tachinen, phagus ovimm (Pupipare) nach r. Leuckart. . . ^ , • 7 T T^ • j . 1 Oy Ei in der Ovarialröhre der einen Seite, üt emige Oestnden und Pupiparen etc., Smd uterus,^,- die in denselben einmündenden Drüsen, lebendig gebärend. In der Regel werden t^« vagina. die Eier vor Beginn der Embryonaleutwicklung kurz nach der Befruchtung, selten mit bereits fertigem Embryo abgelegt. Im letzteren Falle vollziehen sich die Vorgänge der Furchung und Embryonalbildung im Innern der Vagina. (Fig. 557.) Die Befruchtung des Eies erfolgt meist während seines Durchgleitens durch den Eiergang an der Mündungsstelle des Re- ceptaculum seminis. Da die Eier bereits in den Ei- röhren mit einem hartschaligen Chorion umgeben werden, müssen besondere Vorrichtungen bestehen, welche den Eintritt der Samenfäden und die Be- fruchtung möglich machen. Als solche finden sich eine oder z^\\\xQ\Q\QVoTQn{Mikropylen) *) am oberen, beim Durchgleiten des Eies nach dem blinden Ende der Eiröhren gerichteten Pole, welche in sehr charak- teristischer Formund Gruppirung das Chorion durch- setzen. (Fig. 558.) Bei verschiedenen Insecten wurde spontane Entwicklung unbefruchteter Eier, sogenannte Par- thenogenese, nachgewiesen, so bei den Psychiden (Psyche), Tineiden (Solenobia), Cocciden (Lecaniwn, Aspidiotus) und Chermes, ferner für zahlreiche Hy- menopteren, insbesondere für die Bienen, Wespen, Gallwespen, Blattwespen (Nematus). Bei den in so- ^ 1 1 1 TT- Mikropylen (i/t) von Insecteneieni, genannten Thierstaaten zusammenlebenden /f2/7ne»o- nach r. Leuckart.a oberes stück pteren entstehen aus den unbefruchteten Eiern aus- ^^'' Eischale von Aiithomyia. — z* ei ,,. ,., ... _, . 7.\-i-v. '^'^^ DrosophilacMaris. — c Gestiel- schliesslich männliche Formen (Arrenotokie). Die tes ei von Pani^cus ustaceus. ') Vergl. K. Leuckart, lieber die Mikropyle und den feineren Bau der Sehalen- haut bei den .Insecten. Müller's Archiv, 1855. 576 Hcxapoda. Heterogonie. Embryonalcntwicklung. Tannenläuse (Chermes) und Gallwespen {Cynips) bieten zugleich ein Beispiel für die Heterogonie, indem zwei verschiedenartige eierlegende Generationen aufeinander folgen, eine schlanke und geflügelte Sommergeneration und eine flügellose überwinternde Herbst- und Frühlingsgeneration. Aehnlich verhalten sich die nahe verAvandten Blattläuse (Äphidm), deren Entwicldungscyclus früher als Generationswechsel aufgefasst wurde. Hier folgt auf die zahlreichen parthe- nogeuetisch sich fortpflanzenden Sommergenerationen eine geschlechtlich aus- gebildete Herbstgeneration, welche ausser den oviparen, oft ungeflügelten Weibchen geflügelte Männchen enthält. (Fig. 123 a,h.) Aus den befruchteten Eiern entwickeln sich im Frühjahre wieder vivipare Blattläuse (Sommergenera- tion), welche meist geflügelt sind (Fig. 123 c) und rücksichtlich ihrer Organi- sation den wahren Weibchen sehr nahe stehen, indessen an ihren abweichend gebauten Fortpflanzungsorganen der Samentasche entbehren. Da sich dieselben niemals begatten, wurden sie häufig als mit Keimröhren ausgestattete Ammen betrachtet und ihre Vermehrung als ungeschlechtliche aufgefasst. Indessen besitzt nicht nur der Keimapparat dieser sogenannten Blattlausammen eine sehr grosse Aehnlichkeit mit dem weiblichen Geschlechtsapparat der Insecten. sondern es erscheint auch die Anlage und Entstehung des Keimes mit der des Eies so übereinstimmend, dass die viviparen Aphiden als eine besonders gestaltete Generation von Weibchen aufzufassen sind, deren Genitalapparat einige auf Parthenogenese bezügliche Vereinfachungen erfahren hat. Immerhin mag es passend sein, in diesem Falle das Ovarium Pseudovarium und die in demselben entstehenden hefruclüimgsxmfähtgen Eier, mit deren Wachsthum die Embryonalentwicklung zusammenfällt, Fseudova zu nennen. Unter dem- selben Gesichtspunkte dürfte die Fortpflanzungsweise einiger Dipteren zu erklären sein, welche bereits als Larven {Ceddoimjia, Miastor) (Fig. 125), in einem bekannten Falle {Chironomus) als Puppen zeugungsfähig sind {Paedogenese). Die Entwicklung *) des Embryos erfolgt in der Kegel ausserhalb des mütterlichen Körpers und nimmt je nach der Temperatur und Jahreszeit eine grössere oder geringere Zeitdauer in Anspruch. Eine endovitelline Furchung führt zur Anlage einer peripherischen Keimhaut, welche stets aus einer ein- fachen Lage von Zellen besteht, und im Dotter verbleibenden Zellen, welche später dieKesorption des Dotters bewirken. Aus der den Dotter umschliessenden Keimhaut geht durch Verdickung und schärfere Abgrenzung an der späteren Bauchseite dje als Keimstreifen bezeichnete Anlage des Kopfes und der ven- tralen Hälfte des Embryos hervor. Bei Hydroplnlus nimmt der anfangs nur durch höhere Zellen der Keimhaut veranlasste Keimstreifen zunächst einen nur 'j A. Weismanii, Die Entwicklung der Dipteren. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XIII und XIV. E. M e t s c hn i k 0 ff, Embryologische Studien an Insecten. Ebendaselbst, Tom. XVII. A K 0 w a 1 e V s k i, Embrj'ologische Studien an Würmern und Arthropoden. Petersburg, 1871. N. Bobretzky, Ueber die Bildung des Blastoderms und der Keimblätter bei den Insecten. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXXI, 1878. K. Heide r. Die Embryonalentwicklung von Hydrophilus piceus L. Erster Theil. Jena, 1889. Keimstreifeu. 577 kleinen Theil des Eies am Hinterende desselben ein. (Fig. 559 a.) Der mediane Tbeil dieser Keimanlage stülpt sich ein und wird zu einer Einne, dann nach Ver- wachsung der Seitenränder der Rinne zu einem Canal, dessen Hohlraum bald verschwindet. (Fig. 559 J, c.) Diese Einstülpung bildet die Anlage des unteren Ficr. 559. Entwicklung des Embryos von Hijdrophilus piceus, nach Kowalevski. a Schildförmige Embryonalanlage (Keimstreifen) mit erhobenen Seitenrändern (Gg). — h Diese Ränder wachsen in der Mitte bereits zu- sammen. — c Die Rinne hat sich fast überall geschlossen. — d Die Schwanzfalte der Embryonalhäute {Am) hat das Hinterende der geschlossenen Rinne überwuchert und rückt nach vorne weiter. — c Die Em bryoualhäute haben die Embryonalanlage fast vollständig überwachsen. — /Die Embryonalanlage (Keim streifen) unter den bereits vollständig geschlossenen Embryoualhäuten, mit 17 Ursegmeuteu. Kl Kopflappen -4 .Vntennen. — .7 Der Keimstreifen ist an beiden Enden bereits vollständig auf die Bauchseite gerückt Man sieht die zweilappige Oberlippe, die Fühler (A), Kiefer und Beinanlagen. Anch am siebenten .Segment findet sich ein Extremitätenhöoker. An den Abdominalsegraenten haben sich runde Einstülpungen (Tracheen anlagen) gebildet. Eine Längsrinne zieht vom Mund bis zum After. — // Der Keimstreifen bedeckt die ganze Bauchseite des Eies. Die Oeffnungen der Einstülpungen (Stigmen) sind klein geworden. Am ersten Bauch Segment sieht man noch den Extremitätenstummel. Die Ganglien der Bauchkette sind angelegt. Md Man dibel, Mx' erste Maxille, JIx" zweite MaxlUe, Af After. — i Die sogenannte Rückenplatte im Stadium des Schlusses zu einem Rohre. Or Oeffnung desselben. — /.■ Embryo von der Bauchseite vor dem .aus- schlüpfen. Blattes (Entoderm und Mesoderm, Kowalevski). Am Rande des sogenannten Keimstreifens (Bauchplatte) erheben sich alsbald neue Falten, welche zur Ent- stehung der für die Insectenentwickluug charakteristischen Embryonalhäute führen. Bei Hydrophilus wachsen die Falten von hinten nach vorne über dem C. Claus: Lehrbui-h dir Zoologi .37 578 Hexapoda. Segmentirung-. Keirastreifen zusammen, verschmelzen miteinander und liefern so eine äussere und innere Hülle, von denen die erstere als Serosa, die letztere als Amnion (Deck- blatt) bezeichnet wird. (Fig. 559 c^, e.) Noch vor der erwähnten Ueberwachsung zerfällt der Keimstreifen in zwei symmetrische Hälften, die Keimicülste, welche durch quere Einschnürung in Segmeute (bis auf 17) zerfallen und zunächst hinter den sogenannten Scheitelplatten des Vorderkopfes mit den Antennenanlagen drei Kopfsegmenfe (mit den später als Auswüchsen auftretenden Anlagen der :Mundgliedmassen) zur Sonderung bringen, hinter welchen sich die übrigen Segmente des Leibes der Reihe nach abgrenzen. Gleichzeitig zieht sich der an- fänglich auch auf die Dorsalseite des Eies sich erstreckende Keimstreifen in Fig. 560. Embryonale Entwicklung einer Libelle {Catopteryx virgo), nach AI. Brandt, a An dem anfangs einschich- tigen, an den Polen verdickten Blastoderm beginnt das Einwachsen des Keimstreifens, a Seitliche Grenze der Blastodermverdickung. — h Etwas älteres Stadium. — c Die Embryonalhüllen sind ausgebildet. L]> Parietales (Serosa), Lv viscerales (Amnion) Blatt derselben. — d Am Keimstreifen sind die Extremitäten vorge.sprosst. A Antenne, Md Mandibel, 2Ix' Maxille, ifx Unterlippe. Dann folgen die drei Beinpaare. — c Umdrehung des ans der Scheide des visceralen Blattes vorgestülpten Embryos. — / Die Umdrehung ist vollendet, das hintere Leibesende wird frei. Am Kücken der Dottersack. der Längslinie zusammen, breitet sich dagegen mehr und mehr mit seinen Seitentheilen auf den Rücken aus. (Fig. 559/, g, h.) Die Anlage des Mittel- darmes geht vom unteren, nachKowalevski durch Einstülpung hervorgegan- genen Blatte aus. Der Embryonalkörper gewinnt Mund und After, sowie gleich- falls durch Einstülpung von der Haut aus die Tracheen. Das Nervensystem entsteht vom äusseren Blatte aus. Es reissen nun die Embryonalhäute ein, und es bildet sich gleichzeitig die sogenannte Rückenplatte, welche zu einem sich zu einem Rohre verengenden Sacke wird, der am Vorderende durch eine kleine Oeffnung ausmündet. Dieses Rückenrohr wird später rückgebildet und fehlt der ausschlüpfenden Larve vollständig. aietamorpliose. 579 In manchen Fällen (Rhi/nchofen, Libellen) wächst der Keimstreifen in das Innere des Dotters hinein, wodurch ein sogenannter innerer Keimstreifen entsteht (Fig. 560), der später nach aussen zurückgestttlpt wird. Die freie Entwicklung erfolgt in der Kegel mittelst Metamorphose, indem die Form, Organisation und Lebensweise der aus dem Ei ausgeschlüpften Jungen vom geschlechtsreifen Thiere verschieden ist. Nur die am tiefsten stehenden, theilweise parasitischen und in beiden Geschlechtern flügellosen Apteren ver- lassen das Ei in der bereits fertigen Körperform (Insecta ametabola). Bei den einer Verwandlung unterworfenen Insecten ist übrigens die Art und der Grad der Metamorphose sehr verschieden, so dass die aus früherer Zeit überkommene Bezeichnung einer unvollkommenen und vollkommenen Metamorphose in ge- wissem Sinne berechtigt erscheint. Im ersteren Falle (Rhynchoten, Orthopteren) wird der Uebergang der ausschlüpfenden Larven in das ausgebildete geflügelte lusect durch eine Anzahl freibewegiicher und Nahrung aufnehmender Larven- stadien vermittelt, welche unter Abstreifungen der Haut aus einander hervor- gehen, mit zunehmender Grösse Flügelstummel erhalten, die Anlage der Ge- schlechtsorgane weiter ausbilden und den ge- flügelten Insecten immer ähnlicher werden. ^^»- ^^'^■ Im einfachsten Falle schliesst sich auch die Lebensweise und Organisation der jungen Larven bereits ganz an die des Geschlechts- thieres an, z. B. bei den Hemipteren und Heu- schrecken, in anderen Fällen weichen Larve , , , . ^,.. , Ai-.-icIina-Lt^Tve mit Flugelstummel und Maske. und Geschlechtsthier durch Lebensweise und Aufenthaltsort beträchtlich ab. So leben z. B. die Cicaden im Larvenalter unter der Erde und besitzen Grabfüsse, welche in dem ruhend gewordenen Uebergangs- stadium zu dem Zustand des auf Bäumen lebenden Imago eine Umgestaltung erfahren. Es ist hier schon eine Art ruhender Puppe vorhanden, so dass die Ver- wandlung an die Insecten mit vollkommener Metamorphose anschliesst. Die Larven der amphibiotischen Pseudoneuropteren, Ephemeren und Libellen, leben in einem anderen Medium unter abweichenden Ernährungs- bedingungen und bestehen eine grosse Zahl von Häutungen (CA/oeo??, nahezu 20). Die im Wasser lebenden Larven besitzen Kiementracheen und entbehren der Stigmen, welche erst beim Uebergang in das geflügelte Thier durchbrechen. Die letzten als Nymphen bekannten Larvenphasen besitzen in allen Flügel- stummel (Fig. 561) und nur da, wo bei Insecten mit unvollkommener Metamor- phose auch die Flügel des geschlechtsreifen Thieres (secundär durch Kückbildung) verloren gegangen sind (flügellose Orthopteren, Corrodenfia und Dermaptera), fehlen auch die Flügelstummel den letzten Larvenstadien. Solche Insecten sind wiederum in die sogenannte Ametobolie zurückgefallen. Vollkommen wird die Verwandlung durch das Auftreten eines meist ruhenden (nicht selten frei sich bewegenden), stets aber der Nahrungsaufnahme entbehrenden Pze/i/jojstadiums, mit welchem das Larveuleben abschliesst und 37* 580 Hexapoda. Hypermetamorpho h C a Larve der Hummel im Stadium der Verpuppung h Psendonymphe (Seuäpujm). r. Puppe. Nach Packard das Leben des geflügeltenInsectes(/ma^o) beginnt. Trotz der scheinbaren Discon- tinuität der Entwicklung, die bei dem Uebergaug der Larve in die Puppe und dieser in das Stadium des Imago besteht, schreitet die Umgestaltung auch hier ganz allmälig vor, indem sich in der Larve schon die Anlage der Flügel und Extremitäten vollzieht, welche erst mit der Abstreifung der Haut an der Puppe äusserlich hervortreten. Auch kann die Puppe selbst mehrere Form- ziistände zeigen, wie z. B. bei den Apiden, wo dieselbe zuerst als Halb- puppe (Subuymphe) einen nochÄ;ur.re)i Meso- und Metathorax mit kurzen Flü- gellappen und Gliedmassen besitzt, während in dem späteren Zustande der Puppe diese Körpertheile umfang- reicher entwickelt sind und dem geflügelten Insect viel näher stehen. (Fig. 562.) Den Puppenstadien der Lisecten mit vollkommener Metamorphose er- scheinen die Larven mit Flügelstummeln, welche bei den Insecten mit unvollkommener Verwandlung in mehrfacher Zahl aufeinander folgen, einiger- massen vergleichbar. Bei den Eintagsfliegen pflegt man das letzte derselben, welches unmittelbar vor Fig. 563. 1 TT 1 • ^ dem Uebergang m das ge- schlechtsreife geflügelte In- sect aus der Larve mit Flügelstummeln nach Ab- streifung der Haut hervor- geht, als Subimago zu be- zeichnen. Die Verwandlung erscheint somit im Gegen- satz zu der allmäligen con- tinuirlichen Umgestaltung der unvollkommenen Meta- morphose discontinuirlich, ein offenbar secundäresVer- Metamorphose von Silarls liumn-alU. nach Fahre, a Erste Larven- hältUlSS, WClCheS phylOtlSCU form, h zweite Larvenform, <^ Seheinpuppe, d dritte Larvenform, g^^^jg dcr COntinuirlichcn ab- "^^'*'' zuleiten ist. Auch erscheint alsdann die Zahl der Häutungen eine beschränktere, indem schon die vierte Häutung in das letzte Stadium des Imago überführt. Als Hypermetamorphose hat man nach dem Vorgange Fabre's eine Ent- wicklungsart unterschieden, welche durch das Auftreten mehrerer verschieden gestalteten und sich ernährenden Larvenformen und zwischen denselben ein- geschobener puppenartigen Euhestadien gewissermassen noch über die voll- kommene Verwandlung hinausgeht (Meloiden). (Fig. 563.) In diesen Fällen ist Larvenformen. 581 jedoch die Zahl der Häutungen keineswegs vermehrt, indem die intermediären Ruhestadien von der abgestreiften, aber zurückgebliebenen Larvenhaut um- schlossen sind. In ihrer Körperform erinnern die Larven durcli die homonome Segmen- tirung an die Anneliden. Indessen dürften verhältnissmässig nur wenige Larven- formen ihre ursprüngliche Gestaltung bewahrt haben und eine phyletische Bedeutung besitzen, wie insbesondere die Cam/?ocZea-ähnlichen Larven der Jfeloiden, ferner von Manfispa und manchen Käfern und GeradHüglern; in den meisten Fällen verdanken die Insectenlarven secundären Anpassungen ihre Eigenthümlichkeiten. Die am tiefsten stehenden, meist parasitischen Larven sind wurmförmig geworden und entbehren sowohl der Gliedmassen, als eines gesonderten Kopfabschnittes, dessen Stelle durch die vorderen Leibesringe vertreten wird [^]\'Iadm der Dipteren (Fig. 83) und zahlreicher Hymenopferen']. Li anderen Fällen ist zwar ein gesonderter Kopfabschnitt vorhanden, aber die nachfolgenden Brust- und Hinterleibssegmente sind vollständig gliedmassenlos. Die Larven der Netzflügler, zahlreicher Käfer, der Blattwespen und Schmetter- linge {Raupen) besitzen dagegen an ihren drei freien Brustsegmenteu geglie- derte Extremitäten, häufig aber auch an den Hinterleibssegmenten eine grössere oder geringere Zahl von Fussstummeln (Afterfüsse). Bei vielen Insecten sind die Anlagen von abdominalen Fusspaaren auf das Erabryonalleben *) beschränkt, und werden noch vor dem Ausschlüpfen der Larve wieder rückgebildet (Jfan^2*s, Hydrophilus, Blaffa, Mdolontha). Am Kopfe jener Larven finden sich zwei Antennensturamel und einfache Punktaugen in verschiedener Zahl. Die Mund- theile sind in der Eegel beissend, auch da, wo die ausgebildeten Lisecten Saug- röhren besitzen, bleiben aber freilich mit Ausnahme der Mandibelu gewöhnlich rudimentär (Fressspitzen), Ausnahmsweise kann die Metamorphose durch ganz absonderliche Larvenformen ausgezeichnet sein, wie z. B. bei den PferomaUmn {Platygaster, Teleas), deren Eier in andere Insectenlarven abgelegt werden. (Fig. 564.;) Die Ernährungsart der Larve wechselt mannigfach, indessen praevaliren vegetabilische Substanzen, welche im üeberflusse dem rasch wachsenden Körper zu Gebote stehen. Derselbe besteht meist in kurzer Zeit vier oder auch fünf, selten eine grössere Zahl Häutungen und legt im Laufe seines Wachsthums den Körper des geflügelten Insectes vollständig an, freilich nicht überall durch unmittelbare Umbildung bereits vorhandener Theile, sondern zuweilen unter wesentlichen Neubildungen. In dieser Hinsicht kommen bedeutende Ver- schiedenheiten vor, deren Extreme bei den Dipteren durch die Gattungen Corefhra und Musca repräsentirt werden. Im ersteren Falle verwandeln sich die Larvensegmente und die Gliedmassen des Kopfes direct in die entsprechenden *) Verifl. V. Grab er, Ueber die Poly^iodie der Insectenenibryonen. Morplnd, Jahrb. Tom. XIII. 1888. E. Haase, Die Abdominalanhäno-e der Insecten mit Berücksichtigung der :\Iyriopoden. Ebendas. Tom. XV, 1889. 582 Hexapoda. Imagiu.alscheibei Theile der Mücke, wälirend die Beine iiud Flügel uach der letzten Larven- häutuug als Anhänge der Hypodermis in der Umgebung eines Nerven, respec- tive einer Luftröhre als sogenannte Imaginalscheihm gebildet werden. Die Muskeln des Abdomens und die übrigen Organsysteme gehen unverändert oder mit geringen Umgestaltungen in die des geflügelten Thieres über, die Thorax- Fig. 564. Fig. 564/ d e Larvenformeu von drei Pkiti/aa^ti-r- Arten, n.icb Ganiu. a, h, c Cyclopsähnliche Larvenstadieu mit Kiefer- klauen, (l Zweites Larvenstadium, c Drittes Larvenstadium. muskeln dagegen entstehen als Neubildungen aus bereits im Ei angelegten Zellsträngen. Mit diesen geringen Veränderungen steht das active Leben der Puppe und die geringe Entwicklung des Fettkörpers in uothwendiger Correlation. Bei Musca dagegen, deren ruhende Puppen von einer festen tonnenförmigeu Haut eingeschlossen liegen und einen reichlichen Fettkörper enthalten, entsteht der Körper des ausgebildeten Thieres mit Ausnahme des Abdomens durch tiefgreifende Umbildungen der Larve. Kopf und Thorax gehen aus Imaginalscheiben hervor, die, bereits im Ei angelegt, im Larvenkörper in der Umgebung von Nerven oder Tracheen zur Entwicklung gelangen. Erst während des Puppenstadiums ver- wachsen diese Scheiben zur Bildung von Kopf imd Brust. Jedes Brustsegment wird aus zwei (einem dorsalen und ventralen) Scheibenpaaren zusammengesetzt, deren Anhänge die späteren Beine und Flügel darstellen. Auch die inneren Organe der Larve erfahren wesentliche Umgestal- tungen, zerfallen zum Theil, um durch Neubildungen ersetzt zu werden. Nach Weismaun's Darstellung wurde dieser Vorgang als ein Process der Histolyse aufgefasst, durch welchen aus den zerfallenen Geweben unter Vermittlung des Fettkörpers neue Zellen zur Bildung der Organe des Imago Iniago Vei-puppungr. Lebeuswcise. 583 entstehen sollten. Es hat jedoch Kowalevski') dargethan, dass die aus den zerfalleneu Geweben entstandenen Körnchenkugeln keine neugebildeten Zellen, sondern die Blutkörperchen sind, welche als Phagocyten (Metschnikoffj die in ihrer Function geschwächten Gewebe zum Zerfall bringen, in sich aufnehmen, verdauen und als Ernährungsmaterial dem Organismus zuführen. Hat die Larve eine bestimmte Grösse und Ausbildung erreicht, d. h. ist dieselbe ausgewachsen und mit dem für die weiteren Umwandlungen erforder- lichen Nahrungsmaterial in Gestalt des mächtig entwickelten Fettkörpers aus- gerüstet, so schickt sich dieselbe zur Verpuppung an. Die Larven zahlreicher Lisecten verfertigen sich mittelst ihrer Spinndrüsen über oder unter der Erde ein schützendes Gespinnst, in welchem sie nach Abstreifung der Haut in das Stadium der Puppe (Chrysalis) eintreten. Entweder liegen die äusseren Körper- theile des geflügelten Insectes der gemeinsamen hornigen Puppenhaut an, so dass sie als solche zu erkennen sind (Lepidopteren, Pupa obf^cfa), oder dieselben stehen bereits frei vom Rumpfe ab (Coleopteren, Pupa lihera). Indessen ist dieser Unterschied untergeordneter Art, indem auch bei den ersteren unmittelbar nach der Häutung die Gliedmassen frei liegen und erst nachher durch die erhärtende cuticulare Schicht verkittet werden. Bleibt die Puppe auch noch von der letzten Larvenhaut umschlossen (Museiden), so heisst dieselbe Pupa coarctafa. Ueberall liegt bereits' der Körper des geflügelten lusects mit seinen äusseren Theilen in der Puppe scharf umschrieben vor, und es ist die besondere Aufgabe des Puppenlebens, die Umgestaltung der inneren Organis'ation und Keife der Geschlechtsorgane zu vollenden. Ist diese Aufgabe erfüllt, so sprengt das allmälig consolidirte geflügelte Inseet die Piippenhaut, arbeitet sich mit Fühlern, Flügeln und Beinen hervor und breitet die zusammengefalteten Theile- unter dem Einflüsse lebhafter Inspiration und Luftanfüllung der Tracheen aus- einander. Die Chitinbekleidung erstarrt mehr und mehr, aus dem Enddarm tropft das während des Puppenschlafes entstandene und aufgespeicherte Harn- secret aus und das Inseet ist zu allen Geschäften des geschlechtsreifen Thieres tauglich. Die Lebensweise der Insecten ist so mannigfach, dass sich kaum eine allgemeine Darstellung geben lässt. Zur Nahrung dienen sowohl vegetabilische als animalische Substanzen, welche in der verschiedensten Form, sei es als feste Stoffe oder als Flüssigkeiten, sei es im frischen oder im faulenden Zustande, aufgenommen werden. Insbesondere werden die Pflanzen von den Angriffen der Insecten und deren Larven heimgesucht, und es existirt wohl keine Phanero- game, welche nicht ein oder mehrere Insectenarten ernährte. Indessen er- scheinen viele Insecten wiederum für das Gedeihen der Pflanzenwelt nützlich und nothwendig, indem sie, wie zahlreiche Fliegen, Bienen und Schmetterlinge V) A. Kowalev.ski, Beiträge zur Kenntniss der nachembryonaleii Entwicklung der jMuscid^en. Zeitschr. für wiss. Zool. Tom. 44, 1887. 584 Hexapoda. Kimsttriebe. durch Uebertragung des Pollens auf die Narbe der Blüthen die Befruchtung vermitteln. Den vollkommenen Leistungen der vegetativen Orgaue entsprechen die vielseitigen und oft wunderbaren, auf psychische Lebensäusseruugen hindeu- tenden Handlungen. Dieselben werden allerdings grossentheils instinctiv durch den Mechanismus der Organisation ausgeführt, beruhen zum Theil aber ent- schieden auf psychischen Vorgängen, indem sie im Zusammenhange mit dem hoch entwickelten Perceptiousvermögen der Sinnesorgane Gedächtniss und Ur- theil voraussetzen. Mit dem Instincte tritt das Insect in die Welt, zu den auf Gedächtniss und Urtheil beruhenden Handlungen hat sich dasselbe die psychi- schen Bedingungen erst auf dem Wege der Sinnesperception und Erfahrung zu erwerben (Biene). In der ererbten Organisation aber sind alle jene Fähig- keiten eingeschlossen, welche, im langsamen Processe phj^logenetischer Ge- staltung unter Aufwand von psychischen Kräften erworben, im häufigen, zuletzt automatischen Gebrauche rein mechanisches Eigenthum des Organis- mus wurden. Die instinctiven und psychischen Aeusserungen beziehen sich zunächst auf die Erhaltung des Individuums, indem sie Mittel und Wege zum Erwerbe der Nahrung und zur Yertheidigung schaffen, ganz besonders aber als soge- nannte Kunsüriehe durch die Sorge um die Brut auf die Erhaltung der Art. Am einfachsten offenbart sich die letztere in der zweckmässigen Ablage der Eier an geschützten Plätzen und an bestimmten, dem ausschlüpfenden Thiere zur Nahrung dienenden Futterpflanzen. Complicirter werden die Handlungen des Mutterinsectes überall da, wo sich die Larve in besonders gefertigten Bäumen entwickeln und nach ihrem Ausschlüpfen die erforderliche Menge geeigneter Nahrungsmittel vorfinden muss (S'phex sabulosa). Am wunderbarsten aber bilden sich die Kunsttriebe bei einigen psychisch am höchsten stehenden Pseudoneuropteren und HymPMopterm aus, welche sich weiter um das Schicksal der ausgeschlüpften Brut kümmern und die jungen Larven mit zugetragener Nahrung grossziehen. In solchen Fällen vereinigt sich eine grosse Zahl von Individuen zu gemeinsamem Wirken in sogenannten Tkürstaaten mit ausge- prägter Arbeitstheilung ihrer männlichen, weiblichen und geschlechtlich ver- kümmerten Generationen (Termiten, Ameisen, Wespen, Bienen). Einige Insecten erscheinen zu Tonproductionen ') befähigt, die wir zum Theil als Aeusserung einer inneren Stimmung aufzufassen haben. Man wird in dieser Hinsicht von den summenden Geräuschen der im Fluge befindlichen Hymenopteren und Dipteren (Vibriren der Flügel und blattförmiger Anhänge im Innern von Tracheen), ebenso wohl von den knarrenden Tönen zahlreicher Käfer, welche durch die Eeibung bestimmter Körpersegmente aneinander (Pro- notum und Mesonotum, Lamelh'corm'er) oder mit der Innenseite der Flügel- decken entstehen, abstrahiren können, obwohl es möglich bleibt, dass sie zur 'j H. Landois, Die Ton- und Stimmapparate der Insecten, Leipzig, 1867. 1. Ordnung. Apterogenea. 585 Abwehr feindlicher Augriffe eine Beziehung haben. Eigenthümliche Stimm- organe, welche Locktöne zur Anregung der Begattung erzeugen, finden sich bei deu männlichen Singzirpen {Cicada) am Hinterleibe und bei den männ- lichen GrijUodeen und Locusfiden an der Basis des Vorderflügels. Aehnliche, wenngleich schwächer zirpende Töne produciren indessen auch beide Ge- schlechter der Acrididen durch Reiben der Schenkel der Hinterbeine an einer Firste der Flügeldecke. Die Verbreitung der Insecten ist eine fast allgemeine, vom Aequator an bis zu den äussersten Grenzen der Vegetation, freilich unter beträchtlicher Ab- nahme der Artenzahl, der Grösse und Farbenpracht der Arten. Einige Formen sind wahre Kosmopoliten, z. B. der Distelfalter. Fossile Insecten finden sich schon im mittleren Silur (Blattide) '), dann im Devon {Lihellulidm und Neuropteren), sowie in der Steinkohlenformation, in späteren Formationen bis zum Tertiärgebirge an Artenzahl zunehmend. Schon die palaeozoischeu Formen zeigen hochentwickelte Typen, von denen einzelne {Eugereon) Charaktere von Hemipteren, Neuropteren und Orthopteren verbinden, andere entschiedene Neuropteren, Rhynchoten und Orthopteren sind. Am schönsten erhalten sind die Einschlüsse im Bernstein und die Ab- drücke des lithographischen Schiefers. Den ältesten ,und ursprünglichsten Insecten stehen ohne Zweifel die Campodeen- und Japyx2iYten am nächsten. Die Körperform und Organisation derselben zeigt zugleich die nächsten und so zahlreiche Beziehungen zu den Myriopoden, dass eine gemeinsame Abstammung beider Ordnungen sehr wahrscheinlich sein dürfte. In jüngster Zeit hat man insbesondere den aus- stülpbaren Bläschen, welche an den Segmenten der Thysanuren und Myriopoden vorkommen, sowie den am Abdomen der erstem vorhandenen, und im Em- bryonalleben auch der höhern geflügelten Insecten vorübergehend auftretenden Gliedmassen eine grosse Bedeutung für die genetische Zusammengehörigkeit beider eingeräumt und in den Symphylen (6'colopendreUa) die der gemeinsamen Stammform am nächsten verwandten Antennaten zu erkennen geglaubt. I.Ordnung. Apterogenea-). Flügellose Insecten mit behaarter {beschuppter) Körperhedeckung^ mit rudimentären j beissenden Mundtheilen und borstenförmigen Analfäden^ be- ziehungsweise Springapparat am Ende des zehngliedrignn Abdomens, ohne Metamorphose. ') Wood ward, Lithomantis. Quart. Journ. Geol. Soc. London, 1876. Hagen, Bulletin of the Museum of coinp. Zool. vol., VIII, 1881. '^) John L üb bock, Monograph of the Collembola and Thysanura. London, 1873. B. Grassi, I Progenitori dei Miriapodi e degli Insetti. II und III. Catania, 1886. J. T. Ou dem ans, Beiträge zur Kenntniss der Th3^sanura und Collembola. Amster- dam. 1887. B. Grassi, Anatomie comparee des Thysanoures et considerations generales .sur l'organisation des Insectes. Arch. Ital. de Biologie. Turin, 1889. 586 Apterogenea. Körperbau. Die Thysanuren scheinen den ursprünglichen Charakter der ältesten In- sectenformeu am meisten bewahrt zu haben imd erinnern ganz besonders in den lauggestreckten Campodideu an gewisse Myriopoden (Symphylen, ^'Scohpen- drella), zumal sie auch am Abdomen Fussstummel tragen können. (Fig. 565 a, h.) Man hat daher die Campodiden als den Stammformen der Insecten am nächsten stehend zu betrachten. Flügel fehlen und zwar ist der Mangel derselben im Gegensatze zu vielen flügellosen Insecten aus den anderen Ordnungen kein secundärer, sondern ursprünglicher. Am Vorderrande des Kopfes finden sich Fig. 565. 566. a Campofled staphylimis, nach J. Lubbock. h Vordere Körperhälfte von C./ra<;»7iÄ, nach Palmen. -4 Antenne, .S' Stigmen, P Tboraealfüsse, P' Fussstummel des Ab- domens. Podura villosa, h Lejii.imn Saccharin (regne animal). massig lange borstenförmige Fühler und meist gehäufte Ocellen anstatt der Facettenaugen, die nur bei Maclülis und Lephma auftreten. Die Mundwerk- zeuge bestehen aus Mandibeln und Maxillen, welche in eine Art Atrium zurück- gezogen werden können. Die Maxillartaster sind siebengliedrig, die Labialtaster dreigliedrig. Tracheen fehlen bei vielen Collembolen {Podura) vollständig, während sie bei Campodea sehr einfache Verhältnisse zeigen. Hier finden sich nur drei Stigmenpaare, und es fehlen die Anastomosen der aus denselben ent- springenden Tracheenstämme. Die drei Thoracalsegmente sind oft verschieden gross. Abdomen aus sechs bis zehn Segmenten gebildet. Aehnlich wie bei 2. Ordnung;. Ortliopl 587 Scolopendrella sind an den Abdomiualsegmenten von Campodea, Machllis xmiS. anderen Tbysanuren vorstülpbare Bläseben (Fig. 567), an deren Anssenseite ein griffeiförmiger Zapfen vorragt, und Fig. 507. am vorletzten Hinterleibssegmente erbeben sieb oft borstenförmige Fäden, die, bauchwärts eingescbla- gen, als Springapparat (Spring- gabel) zum Fortsebnellen dienen. (Fig. 56(i a.) In diesem Falle ist oft an der Baucbseite des ersten Ab- dominalsegmeuts ein Haftapparat mit Drüse vorbanden. Die Entwick- lung erfolgt obne Metamorpbose, aber unter zablreicben Häutungen. 1. Unterordnung. Thysanura. Körper langgestreckt mit zebngliedrigem Hinterleib, welcber Rudimente von Gliedmassen besitzen kann und mit zwei Äualanbängen endet. Zusammengesetzte Augen können vorbanden sein. Fani. Campodidae. Körper mit Rudimenten von Gliedmassen und zwei Analfäden. Japyx gigas Br., Cypern. J. solißigus Hai., Campodea staphylinus Westw. (Fig. 565.) Fam. Lepismidae, Borstenschwänze. Körper mit metallisch schimmernden Schuppen dicht bedeckt. Das Abdomen endet mit einer längeren Mittelborste und zwei schwächeren seitlichen Borsten, Lepisma saccharina L., Zuckergast, Silberfischchen. (Fig. 566 i.j Machüis polypoda L. M. maritima Latr., auf und unter Steinen an den Meeresküsten. 2. Unterordnung. CoUemhola. Körper mebr oder minder gedrungen mit secbs oder weniger Hinterleibssegmenten, fast stets mit baucbwärts umge- scblageuer Springgabel endend. Augen fehlen oder sind Punktaugen. Fam. Poduridae. Podura aquatica Deg. P. villosa Geofif. (Fig. 566 a). SmynlJiurus signatiis Latr. Ventralschild eines Abdominalsegmentes von Machills ■maritima, nach Ou dem ans. VB Vorstülpbare Bläseheu, M deren Jluskeln, Gr seitlicher Griffel (Beinrudiraent). 2. Ordnung. Ortlioptera ' ), Geradflügler. Insecfen mit beissenden Mundwerkzeugen,, viertheiliger Unterlijjj^e, mit zwei ungleichen Flilgelpaaren und unvollkommener Metamorphose. Der den Flügeln entlehnte Name der Ordnung passt keineswegs auf alle hierher gehörigen Formen, wie auch in der äusseren Erscheinung und inneren Organisation eine grosse Mannigfaltigkeit obwaltet. Meist trägt der grosse Kopf lauge vielgliedrige Fühlhörner, ansehnliche Facettenaugen und auch zwei oder drei Punktaugen. Die Mundwerkzeuge sind zum Kauen und Beissen ein- gerichtet. (Fig. 528.) Die Maxilleu sind mit horniger, an der Spitze gezahnter Inuenlade versehen, diese von der helmförmigen häutigen Aussenlade {Galea) überdeckt, mit fünfgliedrigem Taster. An der Unterlippe bleiben in der Regel die vier Laden, zuweilen selbst ihre Träger (stipifes) von einander getrennt. 'j A. Serville, Histoire naturelle des Insectes Orthopteres. Paris, 1839. T. de Charpentier, Orthoptera descripta et depicta. Leipzig, 1841. L. H. Fischer, Orthop- tera Europaea. Leipzig, 1853. 588 Ortlioptera. Körperbau. Die Labialtaster sind dreigliedrig. Der sehr verschieden grosse Prothorax zeigt sich durchweg frei beweglich und gelenkig auch vom Mesothorax abgesetzt. Die Form und Bildung der Flügel schwankt ausserordentlich. Meist sind die schmalen Vorderflügel pergamentartige Flügeldecken oder wenigstens stärker und dickhäutiger als die grösseren und der Länge nach zusammenlegbaren HinterflügeL Verschieden verhalten sich auch die Beine, deren Tarsen selten nur aus zwei, meist aus drei, vier oder fünf Gliedern bestehen. Der Hinterleib bewahrt die vollzählige Segmentirung und endet mit Zangen-, griff el-, faden- oder borstenförmigen Caudalanhängen; meist gehen zehn Segmente in seine Bildung ein, von denen das neunte die Geschlechts- öfifnung, das zehnte den After umschliesst. Am weiblichen Abdomen findet sich zuweilen (Heuschrecken) eine Legescheide ; dieselbe entspringt am vorletzten und drittletzten Segment und besteht jederseits aus einer oberen und unteren Scheidenklappe und einem inneren, der oberen Scheidenklappe anliegenden, auf einer Rinne am oberen Rande der unteren Scheidenklappe laufenden Stachelstab. (Fig. 536.) Die untere Scheidenklappe entsteht durch das Zapfen- paar des drittletzten Segmentes, die obere dagegen durch das äussere, der an- liegende Stachelstab durch das innere Zapfenpaar des vorletzten Segmentes. Viele Orthopteren besitzen eine als Kropf zu bezeichnende Erweiterung der Speiseröhre und einen Kaumagen, aufweichen der häufig mit einigen Blind- därmchen beginnende Ch3'-lusraagen folgt. Die Speicheldrüsen sind oft ausser- ordentlich umfangreich und mit einem blasenförmigen Reservoir versehen. Die Zahl der Malpighi'schen Gefässe ist mit einzelnen Ausnahmen eine sehr be- trächtliche. Das Bauchmark zeigt drei grössere Brustganglien und fünf, sechs oder mehr kleinere Knoten im Abdomen. Einige Orthopteren besitzen tym- panale Gehörorgane. Für die Geschlechtsorgane gilt im Allgemeinen das Vor- handensein zahlreicher Eiröhren und Hodenschläuche, in deren Leitungscanäle mächtige Drüsen einmünden. Eine Bursa copulatrix fehlt. Alle durchlaufen eine unvollkommene Metamorphose, Beide Geschlechter unterscheiden sich — von der Verschiedenheit der äusseren Copulationsorgane und des Hinterleibsumfanges abgesehen — zuweilen durch die Grösse der Flügel (Penplaneta) oder den Mangel der Flügel im weiblichen Geschlechte {Heterogamia, Pneumora), sowie bei den springenden Orthopteren durch die Ausbildung eines Stimmorgans am Körper des Männchens. Wahrscheinlich dienen die schrillenden Geräusche des letzteren dazu, die Weibchen herbeizu- locken und zur Begattung anzuregen. Selten besitzt jedoch auch das Weibchen den Stimmapparat in vollkommener Ausbildung (EpJu'pjpigera unter den Locii- stüien). Die Eier werden unter sehr verschiedenen Verhältnissen in der Erde oder an äussere Gegenstände abgesetzt. Die Larven der geflügelten Formen verlassen das Ei ohne Flügelstummel und stimmen bis auf die Zahl der Fühler- glieder und Hornhautfacetten in Körperform und Lebensweise mit den Ge- schlechtsthieren überein. Die meisten ernähren sich im ausgebildeten Zustande von Früchten und Blättern, wenige von thierischen Substanzen. Ortlioptcra. 589 Fig. 568. Forficula auricularia, h Blatta (regne auimal). s 1 . Unterordnung. Dermaptera. Mit hornigen, kurzen Vorderflügeln, grossen der Länge und Quere nach faltbaren Hinterflügeln, mit zwei ungegliederten, eine Zange bildenden Anhängen am Endsegment des Abdomens. Geschlechtsöif- nungen jederseits oder einseitig rudimentär. Fam. Forficulidae, Ohrwürmer. Von langgestreckter Körperform, mit vier un- gleichen Flügeln, von denen die vorderen kurze hornige Flügeldecken sind, welche dem Körper horizontal aufliegen und die fächerförmigen, durch Gelenke doppelt eingeschlagenen Hinterflügel bedecken. (Fig. 568 a.) Die schnurförmigen Fühler seitlich von den Augen. Unterlippe mit gespaltenen Stipites und dreigliedrigem Taster. Der neunglie- drige Hinterleib endet mit einer Zange, deren Arme beim Männchen stark ausgebogen sind. Sie ernähren sich von PflanzenstofFen, besonders Früchten, und verkriechen sich am Tage in Schlujtfwinkeln, aus denen sie in der Dämmerung hervorkommen. For- ,ficula auricularia L. (Fig. 568«), Lahidura gigan- tea Fabr. 2. Unterordnung. Ovthoptera s. str. I. Cursoria. Mit Laufbeinen. Fam. Blattidae. Von flacher, länglich-ovaler Körperform, mit breitem, schildförmigem Prothorax, langen vielgliedrigen Fühlern und starken Gang- beinen mit bestachelten Schienen und fünfgliedrigen Tarsen. Der Kopf wird von dem grossen Vorderbrustschilde überdeckt und entbehrt in der Kegel der Ocellen. Die Vorderflügel sind grosse, übereinander greifende Flügeldecken, können aber sammt den Hinterflügeln beim Weibchen [Heterogamia] oder auch in beiden Geschlechtern vollkommen fehlen. Waren schon im Silur vertreten. Das älteste bislang gefundene Insect aus dem mittleren Silur war eine Schabe {Palaeohlattina Douvillei, Brongn.). Die Schaben leben von harten thierischen Stoff'en und halten sich lichtscheu am Tage in dunklen Verstecken auf. Viele Arten sind über alle Welttheile verschleppt und richten bei massenhaftem Auftreten in Bäckereien und Magazinen grossen Schaden an. Besonders gross sind die tropischen .Formen. Die Weibchen legen ihre Eier kurz vor dem Ausschlüpfen der Jungen in Kapseln ab, welche bei Periplaneta orientalis circa vierzig Eier, in einer Doppelreihe gelagert, umschliessen. Die Metamorphose soll hier vier Jahre dauern. Periplaneta orientalis L., gemeine Schabe, soll aus dem Orient in Europa eingewandert sein. (Fig. 568 S.) P. americana Fabr., Blatta lapponica L., B. germanica Fabr., Heterogamia Burm. IL Gresson'a. Mit Schreitbeinen. Fam. Mantidae, Fangheuschrecken. Mit vorderen Raubbeinen, deren gesägte Schienen gegen den gezähnten Schenkel eingeschlagen werden. Leben vom Raube anderer Insecten und sind Bewohner der wärmeren und heissen Klimate, nur kleinere Arten erstrecken sich bis in das südliche Europa. Die Weibchen legen ihre Eier klumpenweise an Pflanzen ab und umhüllen dieselben mittelst eines zähen, zu einer Kapsel erhärtenden Secretes, welches von fadenförmigen Anhangsschläuchen des Oviducts abgeschieden wird. Mantis religiosa L., Gottesanbeterin, im südlichen Europa. (Fig. 533a.) Fam. Phasmidae, Gespenstheuschrecken. Körper gestreckt, in der Regel linear, mit langen Schreitbeinen, deren fünfgliedrige Tarsen zwischen ihren Endklauen einen grossen Haftlappen tragen. Flügeldecken und Flügel häufig abortiv oder fehlend. Anal- fäden nicht gegliedert. Leben in den Tropengegenden und ernähren sich von Blättern. 590 Die flügellosen Formen gleichen verdorrten Zweigen, die geflügelten trockenen Blättern. Bacteria calamus Fabr.. Surinam. Phasma fasciatum Gray, Brasilien. Phyllium siccifolium L., Ostindien. III. Saltatoria. Mit Springbeinen. Fam. Äcridiidae, Feldheuschrecken. Körper seitlich com])rimirt mit senkrecht ge- stelltem Kopf und kurzen, schnür- oder fadenförmigen Fühlern. Pronotum schildförmig, das Mesonotum überragend. Die derben Vorderflügel sind nur wenig breiter als das Vorder- feld der hinteren, welche, fächerförmig eingeschlagen, in der Ruhelage von jenen voll- kommen bedeckt werden. Die Fig. 569. Gehörorganeliegenjederseits am Metathorax. (Fig. 526.) Den Weibchen fehlt eine vor- stehende Legescheide, sie be- sitzen aber eine obere und untere, je aus zwei hornigen Griffeln zusammengesetzte Genitalklappe. Die Männchen produciren ein schrillendes Geräusch, indem sie den gezähnten Innenrand der Hinter- schenkel an vorspringenden Adern der Flügeldecken anstreichen. Aber auch bei den Weibchen ist dieser Stridulationsapparat, wenngleich rudimentär und nicht stärker ausgebildet als bei den männlichen Larven, vorhanden, und es vermögen somit •i/Uota/pii ruhjaris (rcgue auimal). Fig. 570. die Weibchen mancher Arten schwache zirpende Töne hervorzubringen. Sie halten sich vorzugsweise auf Feldern, Wiesen und Bergen auf, im Frühjahr und Sommer als Larven, im Spätsommer und Herbst als Ge- schlechtsthiere, fliegen mit schnarrendem Geräusch in der Regel nur auf kurze Strecken und ernähren sich von Pflanzentheilen. Tettix svhulata L., T. bipunclata Charp., Pneiimora Thnbg., Oedipoda migratoria L., Wander- heuschrecke im südlichen und östlichen Europa. Ungeheure Schwärme unternehmen gemeinsame Züge und verbreiten sich ver- heerend und zerstörend über Getreidefelder. Oe. [Pachytylus) stridula L. Acridium tata- ricumL., Südeuropa. TruxaKs nasida Fabr., Südeuropa. Fam. Locusiidae, Laubheuschrecken. Körper langgestreckt, meist grasgrün oder braun gefärbt, mit sehr dünnen Fühlern und meist vertical dem Körper anliegenden Flügeldecken. Gehörorgan in den Schienen der Vorderbeine. (Fig. 547.) Die Weibchen besitzen eine säbelförmige weit vorragende Legescheide, welche aus einer rechten und linken Doppelklappe des achten und neunten Segments besteht, zwischen sich aber noch einen Stachelstab jederseits einschliesst, welcher am neunten Segmente entspringt. Die im Spätsommer oder im Herbste in der Erde abgesetzten Eier überwintern. Die Larven schlüpfen im Frühjahre aus und werden nach mehrfachen Häutungen erst im Spätsommer zu geflügelten Geschlechtsthieren. Die Laubheuschrecken leben im Wald und Gebüsch, auch wohl auf dem Felde und sitzen hoch auf dem Gipfel der Halme oder Sträucher. Decticus verrucivorus L., Deutschland. Locusta viridissima L., Heupferd. L. cantans Charp., Schweiz. EpUppigera perforata Ross., Italien und Süddeutschland. Gnjlliis campestris /-7 (rogne animal). 3. Ordnung. Pseudoncuroptora. 591 Fam. Gryllidae, Grabheuschrecken. Von dicker walziger Ivüri)erform, mit freiem und dickem Kopf, meist langen, borstenförmigen Fühlern imd kurzen, horizontal auf- liegenden Flügeldecken, welche von den eingerollten Hinterflttgeln weit überragt werden. Die Vorderbeine sind zuweilen Grabfüsse. Das Männchen bringt durch Aneinanderreihen beider Flügeldecken, die übrigens die gleiche Bildung (Zähne einer Flügelader der Unterseite und vorsi)ringende glatte Ader der Oberseite) haben, schrillende Töne hervor, wahrscheinlich zum Heranlocken des Weibchens, und heftet während der Begattung an die weibliche Geschlechtsöffnung eine kolbige Spermatophore, welche ähnlich wie bei den Crustaceen bis zur Entleerung umhergetragen wird. Weibchen mit gerader, dreh- runder und am Ende spindelförmiger Legescheide, seltener ohne Legescheide. Sie leben meist unterirdisch in Gängen und Höhlungen und ernähren sich sowohl von Wurzeln, als von animalischen Stoffen. Die Larven schlüpfen im Sommer aus und überwintern in der Erde. Grylhtalpa vulgaris Latr., Werre, Maulwurfsgrille. (Fig. 569.) Auf Feldern und in Gärten verbreitet uud sehr schädlich, legt etwa 200 bis 300 Eier, in einer ver- klebten Erdhülle eingeschlossen, am Ende der unterirdischen Gänge ab. MyrmecopMla acervoruin Panz. Lebt in Ameisenh.aufen unter Steinen. Gryllus campestris L., Feldgrille. (Fig. 570) G. doviesticus L , Hausheimchen. G. sylvestris Fabr. 3. Ordiuing. Pseudoueuroptera '). Mit bei'ssenden Mundwerkzeugen, dünnhäutigen, oft netzartig geäderten Flügeln und %invollhommener Metamorphose. Die Pseudoneuropteren schliessen sich nach Körperbau und Flügelforni den Neuropteren an, mit denen sie oft vereinigt werden. Was beide unter- scheidet, ist vornehmlich die Art der Verwandlung, die bei den Pseudoneuro- pteren eine unvollkommene ist uud des ruhenden Puppenstadiums entbehrt. Sie besitzen einen lauggestreckten Körper mit vollzählig segmentirtem Ab- domen, welches meist mit griffel- und fadenförmigen Caudalauhängen endet. Die Flügel sind zarthäutig, fein geädert, die hinteren zuweilen beträchtlich kleiner. 1. Unterordnung. Phgsopoda. Körper von geringer Grösse, schmal und flach, mit ziemlich gleichen, schmalen, behaarten, oft rudimentären Flügeln, mit borstenförmigen Mandibeln und saugenden Mundtheilen. Larven den aus- gebildeten Thieren sehr ähnlich. Oft auch als eigene Ordnung (Thgsanopfera) gesondert. Fam. Thripsidae. Blasenfüsse. Die zweigliedrigen Tarsen enden mit einem saug- iiapfähnlichen Haftlappen. Thrips physapus L., in den Blüthen der Cichoreen. Th. cere- alium Hai. (Fig. 571), Getreideblasenfuss, in Aehren von Weizen und Gerste. 2. Unterordnung. Corrodentia. Flügel wenig geädert, zuweilen ganz ohne Qiierader. Kopf mit starken, am Innenrande gezähnelten Mandibeln. Unterkiefer mit hakigem Kaustück, dessen Spitze mit zwei Zähnen besetzt ist, und mit ') Ausser Charpentier, Fischer vergl. Pictet, Histoire naturelle des In- sectes Neuropteres. Monographie. Geneve, 1841, 1845. De Selys-Longchamps et Hagen, Eevue des Odonates ouLibellules d'Europe. Bruxelles, 1850. Dieselben, Mono- graphie des Calopterj'gines et Gomphines. Bruxelles. 1854 und 1857. H. Hagen, Mono- graphie der Termiten. Lin. Entomol., Tom. X und XIV. Ch. Lespes, Eecherches sur Torganisation et les moeurs du Termite lucifuge. Ann. des sc. nat., IVe sär., Tom. V, 1856. Fr. Müller, Beiträge zur Kenntniss der Termiten. Jen. nat. Zeitschr., Tom. VII, 1873. 592 Corrodentia. häiitigein Aussenlobus. Ernähren sich von trockenen vegetabilischen und thie- rischen Substanzen. Farn. Psocidae., Bücherläuse. Troctes pulsaiorlus L., Bücherlaus, flügellos, in In- sectensammlungen und zwischen Papieren. Psocus domesticus Burm., Fs. strigosvs Curt. Farn. AfaZZopÄrt^a'), Pelzfresser. In ihrer Körperfonn A.qx\ PedicuUden sehr ähnlich, jedoch durch den Besitz beissender Mundtheile unterschieden. Antennen drei- bis fünf- gliedrig. Beine mit Klanimerfüsseu. Leben auf der Haut von Säugethieren und Vögeln und nähren sich von Haar- und Federkeimen, sowie von Blut. Trichodectes canis Deg., Hundelaus. Philopterus versicohr Burm., Liotheum anseris Sulz. Menopon palliduvi Nitsch, auf Hühnern. Farn. Termitidae, weisse Ameisen. Mit achtzehn- bis zwanziggliedrigen Fühlern, mit zwei Ocellen vor den Augen und starken Mandibeln. Die gleich grossen zarten Flügel liegen in der Euhe parallel dem Leibe auf. Die Termiten leben gesellig in Vereinen verschieden gestalteter Individuen, von denen die geflügelten die Geschlechtsthiere sind (Fig. 572), die ungeflügelten theils den Larven und Nymphen der ersteren entsprechen, theils eine ausgebildete, jedoch (bei Calotei-mes-Arten und Termes lucifugus) geschlecht- lich verkümmerte männliche und weibliche Formengruppe repräsentiren. Diese gliedert sich wieder in Soldaten mit grossem viereckigen Kopfe und sehr starken Mandibeln. welche die Vertheidigung besorgen, und in Arbeiter mit kleinerem rundlichen Kopf und weniger vortretenden Mandibeln, denen die übrigen Arbeiten im Stocke obliegen. (Fig. 573.) Fig. 571. Fig. 572. Thrills cerealiniii. aus Nörd- 1 i u g e r. Männchen von TiTmex lucifuciu-i (ri'give animal Möglicherweise fehlen diesen bei den ^wi;er??ies-Arten jegliche Spuren von Geschlechtsorganen. Einzelne Arten leben schon in Südeuropa, die meisten aber gehören den heissen Gegenden Afrikas und Amerikas an, wo sie durch ihre Zerstörungen, sowie durch ihre Bauten be- rüchtigt sind. Die letzteren legen sie entweder in Baumstämmen, oft nur unter der Binde, oder auf der Erde in Form von Hügeln an, die sie ganz und gar von Gängen und Höhlungen durchsetzen. Am unvollkommensten sind die Nester der CaZo^ermes-Arten, welche nur enge Gänge im Holze nagen, die meist der Axe des Baumes gleichlaufen. Ein besonderer Raum für die Königin ist nicht vorhanden. Die Wand der Gänge ist meist mit einer dünnen Kothschicht bekleidet. Bei Eutermes-krUiXi mit spitzköpfigen Soldaten werden die Gänge so dicht, dass an Stelle des Holzes die Kothwände aus- schliesslich zurückbleiben. Treten dieselben aus dem Baume hervor, so entstehen die sogenannten kugeligen Baumnester. Indessen gibt es auch den Bäumen von aussen an- geklebte, aus Erde oder Lehm gefertigte Nester. Andere Euterines-Arten legen die Nester in Erdhöhlungen unter Wurzeln von Palmen an. Hügelbauten endlich führt z. B. Ano- plotermes pacificus aus. Hier fehlt der Soldatenstand. Männchen und Weibchen verlassen kurze Zeit, nachdem sie die Nymphenhaut abgestreift haben, den Terniitenstock, be- gatten sich wahrscheinlich nach der Rückkehr vom Ausfluge im Nest und verlieren dann ihre Flügel bis auf die Basalstummel. Die Männchen bleiben im Stocke zurück, wie *) C. L. Nitzsch, Insecta epizoa. Herausgegeben von Giebel. Leipzig, 1874. Ami'liibiotica. 593 überhaupt nach ilen Angaben von Smeathman, Lespös, Bates etc. stets ein König in der Gesellschaft der Königin leben soll. Nach der Begattung schwillt die Königin, im Stocke zurückgehalten, in Folge der Vergrösserung des Ovariums zu colossalen Dimensionen an und beginnt häufig in besonderen Räumen des Stockes die Eier abzu- setzen, die alsbald von den Arbeitern fortgeschafft werden. Termes (ucifugus Eoss., Süd- europa. (Fig. 572 und 573.) T.fatalis L., im tropischen Afrika, baut Erdhügel von 10—12 Fuss Fig. 573. a Trächtiges Weibchen (Königin) von Termes lucifiigus, h Nymphe, c Nymphe der zweiten Form, d Soldat, e Arbeiter, / Larve. Sämmtlich nach Ch. Lospes. Höhe. Eutermes inquilinus Fr. Müll., Calotermes flavicollis Fabr., Südeuropa. Äno2Jlolermes pacißcus Fr. Müll. 3. Unterordnung. Amphihiotica. Die Larven leben im Wasser und besitzen Tracbeenkiemen. Farn. Perlidae, Afterfrühlingsfliegen. In neuerer Zeit als Ordnung (Plecoptera) ge- sondert. Körper langgestreckt und flach, mit seitlich stehenden Augen, drei Ocellen und borstenförmigen Fühlern. Die Flügel sind ungleich, die verbreiterten Hinterflügel mit nach unten einschlagbarem Hinterfeld. Abdomen zehngliedrig, mit zwei langen geglie- derten Reifen. (Fig. 574.) Männchen oft mit verkümmerten Flügeln. Die Weibchen C. Claus: Lehrbuch der Zoologie, b. Aufl.- 38 594 Ephemoridae. Libelhilidae. Fig. 574. Perla ahdominali tragen die Eier eine Zeit lang in einer Vertiefung des neunten Abdominalsegmonts mit sich und legen sie dann im Wasser ab. Die Thjsanuren-ähnlichen Larven leben unter Steinen, haben meist am Thorax und Abdomen Tracheenkiemen und ernähren sich vor- nehmlich von Ephemeriden-Larven. Nemura nebulosa L., Perla hicaudata L., P. (Pteronarct/s) reticulata Burm., mit büschelförmigen Tracheunkiemen, Sibirien. Fam. Ephemeridae, Eintagsfliegen, Hafte. (Auch oft als besondere Ordnung betrachtet.) Mit schlankem weichhäutigen Körper, halbkugeligen Augen, drei Ocellen und kurzen borstenförmigen Fühlern. Die Vorderfiügel gross, die hinteren klein, gerundet, zuweilen mit den vorderen verwachsen oder ganz fehlend. Mund- theile rudimentär. Die Leitungswege der Geschlechts- organe bleiben bis zum Ende paarig und münden sym- metrisch in zwei Geschlechtsöffnungen. Die Männchen mit sehr langen Vorderbeinen. Hinterleib zehngliedrig, mit drei langen Afterfäden, von denen der mittlere hin- wegfallen kann. Das vorletzte Abdominalsegment des Männchens mit zwei gegliederten Copulationszangen. Die Eintagsfliegen leben im geflügelten Zustande nur kurze Zeit, ohne Nahrung aufzunehmen, ausschliesslich dem Fortpflanzungsgeschäfte hingegeben. Man findet sie oft an warmen Sommerabenden in grosser Menge die Luft erfüllend und trifft am andern Morgen ihre Leichen am Ufer angehäuft. Die Larven leben auf dem Grunde klarer Gewässer vom Raube anderer Lisecten, besitzen einen grossen Kopf mit starken Mandibeln und gezähnten Ma- xillen, am Abdomen tragen sie sechs bis sieben Paare schwingender Platten, die als Tracheenkiemen fungiren, und am Hinterende drei lange gefiederte Schwanzborsten. (Fig. 544a.) Die Larven häuten sich oftmals (bei Chloeon mehr als zwanzigmal) und sollen nach Swammerdam drei Jahre brauchen bis zum Uebergange in das geflügelte Insect. Nach dem Abstreifen der mit Flügelstummeln versehenen Nymphenhaut erfährt das geflügelte Insect als Subimago eine nochmalige Häutung und wird erst mit dieser zum Imago. F/phemera vulgata L. (Fig. 575.) Palingenia longicauda Oliv., Chloe diptera L. Mit nur zwei Flügeln. Fani. Libellulidae, "Wasserjungfern. (Meist als Ord- nung Odonata gesondert.) Grosse, schlank gebaute In- secten mit querwalzigem, frei beweglichem Kopf, kurzen pfriemenförmigen, sechs- bis siebengliedrigen Fühlern und vier grossen, netzförmig gegitterten Flügeln. Mund- theile sehr kräftig entwickelt und von der grossen Ober- lippe bedeckt. Die Unterkiefer mit verwachsener hornigen Lade und eingliedrigem sichelförmigen Taster. Die Unter- lippe mit einfacher oder getheilter Innenlade und getrennten, mit dem zweigliedrigen Taster verwachsenen Aussenladen. Der zehngliedrige Hinterleib mit zwei ungegliederten, zangenartig gegenüberstehenden Analgriffeln am letzten Segmente. Sie leben in der Nähe des Wassers vom Raube anderer Insecten, sind meist in beiden Geschlechtern verschieden gefärbt und haben einen ausdauernden raschen Flug. Bei der Begattung umfasst das Männchen mit der Zange seines Abdomens den Nacken des Weibchens, welches seinen Hinterleib nach der Basis des männlichen Abdomens umbiegt. An dieser Ephmiera vulgata (regne animal). Af Analfäden. 4. Ordnung. Neuroptera. 595 liesft von der GeschlechtsCiffnuHg entfernt das bereits vorher mit Sperma gefüllte Copu- lationsorgan. Die Larven leben im Wasser und ernähren sich ebenfalls vom Raube, zu dem sie besonders durch den Besitz eines eigenthümlichen, durch die Unterlippe gebil- deten Faugapparates (Maske) befähigt werden. (Fig. 561.) Viele athmen durch Kiemen- tracheen, welche am Ende des Hinterleibes oder im Mastdarme liegen (Fig. 544 i.) Calopteryx virgo L., Agrion puella L., Aeschna grandis L., Libellula vulgata L., L. flaveola L. 4. Oidnung. Neuroptera ^ ), Netzflügler. Insecten mit beissenden Hlundiverkzeugen, mit freiem Profhorax, häu- tigen, netzförmig geäderten Flügeln und vollhommener Verivandlnng. Die Neuropteren scMiesseii sich ihrem Aussehen nach am nächsten den Libellen und Eintagsfliegen an. Beide Flügelpaare sind von gleicher häutiger Beschaffenheit, sowie von ziemlich übereinstimmender Grösse und werden von dichter, netzartiger Aderung durchzogen, die indess von der Aderung der Pseudo- neuropteren verschieden ist. Die Vorderflügel sind niemals mehr Flügeldecken, die hinteren werden nicht in Falten zusammengelegt. Die Mundwerkzeuge zeigen eine grössere Annäherung zu den Käfern, indem die Unterlippe nur selten noch eine mediane Spaltung erkennen lässt, vielmehr beide Ladenpaare zu einer unpaaren Platte verwachsen sind. In der Regel sind die Fühler viel- gliedrig, schnür- und borstenförmig , die Augen von mittlerer Grösse, die Tarsen fünfgliedrig. Der Prothorax ist stets frei beweglich, das Abdomen aus acht oder neun Segmenten zusammengesetzt. Das Nervensystem schliesst sich dem der Orthopteren an und besteht auch hier aus deutlich getrennten Brust- und Bauchganglien. Am Darmcanal findet sich stets ein muskulöser Vormagen Myrmeleontiden, Panorpiden), während ein Saugmagen nur den Hemerohiiden zukommt. Sechs bis acht lange Malpighi'sche Gefässe entspringen am End- darm. Die Metamorphose ist stets eine vollkommene. Die vom Raube anderer Thiere lebenden, mit Beiss- oder Saugzangen (von Mandibeln und Maxillen gemeinsam gebildet) versehenen Larven verwandeln sich in eine ruhende Puppe, welche bereits die Theile des geflügelten Insectes erkennen lässt und häufig von einem Cocou umschlossen wird, aber die Fähigkeit der Ortsveränderung insofern besitzt, als sie vor dem Ausschlüpfen die Ruhestätte verlässt und einen für die weitere Entwicklung geeigneten Ort aufsucht. Fossile Reste treten in der Tertiärformation, zahlreicher im Bernstein auf Fam. Sialidae. Mit grossem, oft schief nach vorne geneigtem Kopf und halbkugelig vortretenden Facettenaugen. Die Flügel liegen in der Ruhe dachförmig auf. Die Larven besitzen beissende Mundtheile mit viergliedrigen Kiefertastern und dreigliedrigen Labial- tastern. Sialis lutaria L. Die Larve lebt im Wasser und besitzt am Hinterleib Tracheen- kiemen. Cortjdalis cornuta L., Raphidia ojjliiopsis Schum., Kameelhalsfliege. Fam. Panorpidae, Schnabelfliegen. Mit kleinem, senkrecht gestelltem Kopf. Die vielgliedrigen Fühler stellen unter den Ocellen auf der Stirn. Mundgegend schnabel- ') E. Pictet. Histoire naturelle des Neuropteres. Genf, 1834. Fr. Brauer und Fr. Low, Neuroptera Austriaca. Wien, 1857. Fr. Brauer, Beiträge zur Kenntniss der Verwandlung der Neuropteren. Verhandl. der zool.-bot. Gesellsch. zu Wien, Tom. IV und V. 596 Neuroptera. fünuig verlängert. Flügel lang und schmal, einander gleieh. Die Larven sind Kaupen- ähnlich, dreizohngliedrig, mit herzförmigem Kopf und beissenden Mundwerkzeugen, und leben in feuchter Erde, wo sie sich hufeisen- förmige Gänge graben und in ovalen Höhlungen verpuppen. Panorpa communis L. (Fig. 577), Bittaciis tipularius Fabr. Fam. Hemer obiidae, Florfliegen. Mit senk- recht gestelltem Kopf und fadenförmigen oder schnurförmigen Fühlern. Beide Flügelpaare glas- artig durchsichtig, von ziemlich gleicher Grösse. Die Larven saugen Insecten und Spinnen aus. Mantispa pagana Fabr. Vorderbeine Eaubfüsse. Prothorax stark verlängert. (Fig. 576 o,5,c). Die ausschlüpfenden Larven bohren sich mit ihren Saugzangen nach acht Monate langer Fasten- zeit in die Eiersäckchen der Spinnen und saugen Eier und Junge aus. Nach der ersten Häutung reduciren sich die Beine zu kurzen Stummeln, und der Körper wird einer Hymenopterenmade ähnlich. Zur Verpuppung spinnen sie sich im Eiersack ein Cocon und streifen Mitte Juni die Larvenhaut ab. Die Nymphe durchbricht das Gespinnst und läuft eine Zeit lang umher, bis sie nach Abstreifung der Haut in das ge- flügelte Insect übergeht. Chrysopa perla L., Florfliege. Eier lang gestielt. Die Larve mit sichelförmig gebogenen Saugzangen lebt von Blattläusen und verfertigt sich ein kugeliges Cocon. Eemerolius lutescens Fabr., Blattlauslöwe. Die Larven leben von a Larve von Maiül.ipa sti/riaca nach rlem Aus- schlüpfen, h Dieselbe vor der Verpuppuug. Naeh e MaiitUxja j/agana (regne aiiiraal). F. Bi Fig. 577. Fiff. 578. Panorpa communis (regne anima a Mijnndeon forniicarius (regne animal), h Larve desselben. Blattläusen. Osmylus viaculatus Fabr., Nemoptera [Nematoptera Burm.) coa L,, Kleinasien und Türkei. Fam. Myrmeleontidae, Ameisenlöwen. Mit senkrecht gestelltem grossen Kopf und an der Spitze kolbig verdickten Fühlern. Prothorax kurz, halsförmig. Mesothorax auf- fallend gross. Flügel gleich gross. Die Larven mit gezähnten, aus Mandibeln und Ma- xillen zusammengesetzten Saugzangen und kurzem breiten Abdomen leben auf leichtem Sandboden, in dem sie Trichter aushöhlen. Zur Verpuppung spinnen sie eine kugelige Hülse. Myrmeleon formicarius L. (Fig. 578.). M. formkalynx Fab., Palpares HbelluloidesL., Sttdeurojja. Ascalaphus üalicus Fabr. 5. Ordnung. Trichoptcra. iS. Ordnunj^. Khynchota. 597 Fig. 579. a l'Iiriigaiica .itriafa. h Die aus dem Gehäus animal). 5. Ordnung. Trichoptera * ). Insecfen mit rudimentären Mandibeln und einem durch Unterkiefer und Unterlippe gebildeten Saugrüssel, mit behaarten oder beschuppten Vorderflügeln und fächerförmig faltbaren Hinterflügeln, mit kleinem ringförmigen Prothorax lind vollkommener Verioandlung. Von den Neuropteren, mit denen sie meist vereinigt werden, unterscheiden sich die Trichopteren durch die Beschuppung der Flügel und durch die Mund- werkzeuge, die zum Saugen dienen und zu denen der Lepidopteren hinführen. Auch sind die Mandibeln \ wie dort verkümmert. Wäh- rend desPuppenzustandes werden die Mandibeln, in manchen Fällen (Oestro- psiden Brauer) aber auch Kiefertaster und Unter- lippe rückgebildet. DieLar- efreite Larve (r.:.gue vcu lebcn im Wasscr, uud zwarinröhrenförmigen,bei Hgdropsyche und Wiijacophila an Steinen befestigten Gehäusen, in deren Wandung sie Sandkörnchen, Pflanzentheile und leere Schneckengehäuse auf- nehmen, haben beissende Mundwerkzeuge und fadenförmige Kiementracheen an den Leibessegmenten. Aus diesen Röhren strecken sie den hornigen Kopf und die drei mit Beinpaaren versehenen Brustsegmente hervor und kriechen umher. Die Nymphe verlässt das Gehäuse, welches ihr auch als Puppenhülle dient, um sich ausserhalb des Wassers zum geflügelten Insecte zu entwickeln. Dieses gleicht in mehrfacher Hinsicht den Lepidopteren und hält sich in der Xähe des Wassers an Blättern und Baumstämmen auf. Farn. Pliryganidae, Frühliiigsfliegen. Der kleine, senkrecht gestellte Kopf mit langen borsteuförmigen Fühlern und halbkugelig vortretenden Augen. Die beschuppten Flügel mit nur wenigen Queradern, dachförmig dem Kücken aufliegend. Die Weibchen legen die Eier klumpenweise, in einer Gallerthülle eingeschlossen, an Blättern und Steinen in der Nähe des Wassers ab. Phryganea striata L. (Fig. 579), Mystacides quadrifasciatus Fabr., Hydropsyche variabilis Pict., Rhyacophila vulgaris Pict. 6. Ordnung. Rhynchota ^) (= Hemiptera), Schnabelkerfe. Insecten mit gegliedertem Schnabel {Rostrum), stechenden Mundwerkzeugen, mit meist freiem Prothorax, ohne oder m,it continuirlicher Metamorphose. ') J. Pict et, Recherches pour servir ii Thistoire et l'anatomie des Phryganides. G^neve, 1834. H. Hagen, Synopsis of the British Phryganidae. Entomol. Annual. for 1859, 1860 und 1861. ■■') Burmeister, Handbuch der Entomologie, II. Bd. Berlin, 1835. J. Hahn, Die wanzenartigen Insecten. Nürnberg,1831— 1849. Fortgesetzt von H. S c h ä f f e r. F. X. F i e b e r, 598 Rhynchota. Bau. Die Mundwerkzeuge, durchweg zur Aufnahme einer flüssigen Xahrung eingerichtet, stellen gewöhnlich einen Schnabel dar, in welchem die Mandibeln und Maxillen als vier grätenartige Stechborsten vor- und zurückgeschoben werden. (Fig. 531.) Der Schnabel {Rostrum), aus der Unterlippe hervorgegangen, ist eine drei- bis viergliedrige, nach der Spitze verschmälerte, ziemlich ge- schlossene Röhre und wird an der breiteren klaifendeu Basis von der ver- längerten dreieckigen Oberlippe bedeckt. Die Fühler sind entweder kurz, drei- gliedrig mit borstenförmigem Endgliede oder mehrgliedrig und oft lang- gestreckt. Die Augen bleiben klein und sind facettirt; häufig finden sich zwei Ocellen zwischen den Facettenaugen. Der Prothorax ist meist gross und frei beweglich, es können aber auch alle Thoracalsegmeute verschmolzen sein. Flügel fehlen zuweilen ganz, selten sind zwei, in der Regel vier Flügel vor- handen, dann sind entweder die vorderen halbhornig und an der Spitze häutig {Hemiptera\ oder vordere und hintere sind gleichgebildet und häutig (Homo- ptera), die vorderen freilich oft derber und pergamentartig. Die Beine sind in der Regel Gangbeine, dienen zuweilen aber auch zum Schwimmen, in an- deren Fällen die hinteren zum Springen oder die vorderen zum Raube. Der Darmcanal zeichnet sich durch die umfangreichen Speicheldrüsen und durch den complicirten, oft in drei Abschnitte getheilten Chylusmagen aus, hinter welchem meist vier Malpighi'sche Gefässe in den Enddarm münden. Das Bauch- mark concentrirt sich oft auf drei, meist sogar auf zwei Thoracalganglien. Mit Ausnahme der Cicaden besitzen die weiblichen Geschlechtsorgane nur vier bis acht Eiröhren, ein einfaches Receptaculum seminis und keine Begattungs- tasche. Die Hoden sind zwei oder mehrere Schläuche, deren Samenleiter gewöhn- lich am unteren Ende blasenförmig anschwellen. Viele (Wanzen) verbreiten einen widerlichen Geruch, welcher von dem Secrete einer im Mesothorax oder im Metathorax gelegenen, im letzteren Falle zwischen den Hinterbeinen aus- mündenden Drüse herrührt. Andere (Homopteren) sondern durch zahlreiche Hautdrüsen einen weissen Wachsflaum auf der Oberfläche ihres Körpers ab. Alle nähren sich von vegetabilischen oder thierischen Säften, zu denen sie sich vermittelst der stechenden Gräten ihres Schnabels Zugang verschaffen, viele werden durch massenhaftes Auftreten jungen Pflanzen verderblich und erzeugen zum Theile gallenartige Auswüchse, andere sind Parasiten an Thieren. Die ausgeschlüpften Jungen besitzen bereits die Körperform und Lebensweise der geschlechtsreifen Thiere, entbehren aber der Flügel, die allerdings schon nach einer der ersten Häutungen als kleine Stummel auftreten. Die echten Cicaden bedürfen eines Zeitraumes von mehreren Jahren zur Metamorphose. Die männ- lichen Schildläuse verwandeln sich innerhalb eines Cocons in eine ruhende Puppe und durchlaufen somit eine vollkommene Metamorphose. Die europäischen Hemiptereii nach der analytischen Methode. Wien, 1860. P. Mayer, Zur Anatomie von Pyrrhocoris aptera. Archiv für Anatomie und Physiologie, 1874. 0. Geise, Die Mundtheile der Rhynchoten. Archiv für Naturgesch., Tom. XLIX. Pliytophthires. 599 (^ 1. UnterordDung. Aptera. Flügellose Insecten, mit kurzem, fleischigem Schnabel und breiten schneidenden Stechborsten, mit undeutlich gegliedertem Thorax und meist ueungliedrigem Hinterleib. Die Mundwerkzeuge der Pedindidm *) sind saugend und stechend und bestehen aus einem vorstülpbareu, von zwei Chitinstäben gestützten, Wider- häkchen tragenden Rüssel (Unterlippe nebst Oberlippe) und einem aus diesem vorstreckbaren Hohlstachel, der möglicherweise auf die verwachsenen Man- dibeln undMaxillen zurückzuführen ist. Flügel fehlen. Anstatt der Fa- *"' cettenaugen sind einfache Punkt- augen vorhanden. Die Entwicklung erfolgt ohne Metamorphose. Sie le- ben parasitisch und ernähren sich von Blut. Fam. Pediculidae, Läuse. Mit ste- chenden und saugenden Mundtheilen. Fühler fünfgliedrig. Die Klammerfüsse mit hakenförmigem Endgliede. Leben auf der Haut von dem Blute der Säuge- thiere und legen ihre birnförraigen Eier (Nisse) an der Wurzel der Haare ab. p],^ll^.^ Die ausschlüpfenden Jungen der Kopf- laus des Menschen sind schon in achtzehn Tagen ausgewachsen und fortpflanzungsfähig. Pediculus capitis Deg., Kopflaus des Menschen. P. vestimenti Burm., Kleiderlaus (grösser und von blasser Färbung). Phthirius pubis L., Schamlaus. (Fig. 580.) 2. Unterordnung. Pliytophthires *), Pflanzenläuse. Rhynchoten mit zwei häu- tigen Flügelpaaren, im weiblichen Geschlecht jedoch meist flügellos. Sehr häufig wird die Oberfläche der Haut von einem dichten Wachsflaum überdeckt, dem Absonderungsproduct von Hautdrüsen, welche gruppenweise unter warzigen Erhebungen der Segmente zusammengedrängt liegen. (Fig. 638.) Fam. Coccidae, Schildläuse. Die grösseren Weibchen haben einen schildförmigen Leib und sind flügellos, die viel kleineren Männchen besitzen dagegen grosse Vorder- flügel, zu denen noch verkümmerte Hinterflügel hinzukommen können. Die letzteren ent- behren im ausgebildeten Zustande des Eüssels und der Stechwaflfen und nehmen keine Nahrung mehr auf, während die plumpen, oft unsymmetrischen und sogar die Gliederung einbüssenden Weibchen mit ihrem langen Schnabel bewegungslos in dem Ptianzen- parenchym eingesenkt sind. Die Eier werden unter dem schildförmigen Leibe abgesetzt und entwickeln sich, von dem eintrocknenden Körper der Mutter geschützt, nach voraus- gegangener Befruchtung (Coccus) zuweilen parthenogenetisch (Lecanium, Aspidiotns). Im Gegensatze zu den Weibchen erleiden die Männchen eine vollkommene Metamorphose, indem sich die flügellosen Larven mit einem Gespinnste umgeben und in eine ruhende nach Landois. .S7 Stigmen, T";- Tracheen . ^) li. Landois, Untersuchungen über die auf dem Menschen schmarotzenden Pediculinen. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XIV, 1864, Tom. XV, 1865. 2j C. Bonnet, Traite d'Insectologie, Tom. I. Paris, 1745. J. F. Kyber, Er- fahrungen und Bemerkungen über die Blattläuse. Germar's Magaz. der Entomol., Tom. I, 1815. J. H. Kaltenbach, Monographie der Familie der Pflanzenläuse. Aachen, 1843. R. Leuckart, Die Fortpflanzung der Piindenläuse. Archiv für Naturgesch., 1859. 600 Aphidae. Puppe umwandeln. Viele sind in Treibhäusern sehr schädlich, andere worden für die Industrie theils durch den Farbstoff, den sie in ihrem Leibe erzeugen {Cochenille), theils dadurch nützlich, dass sie durch ihren Stich den Ausfluss von pflanzlichen Säften ver- anlassen, welche getrocknet im Haushalt des Menschen Verwendung finden {Manna, Lack). Aspidiotus nerii Bouche, auf Oleander. Lecanium hesperiduvi L., L. persicae Bouche. Kermes ilicis L., auf Quercus coccifera, sodann K. ? {Coccus) lacca Kerr., auf Ficus religiosa, in Ostindien. Coccus cacti L. (Fig. 581), lebt auf Opuntia coccinellifera (Mexico), liefert die Cochenille. C. adonidum L., C. (?) mannlparns Ehrbg., auf Tamarix (Manna). Yam. Aphidae^), Blattläuse. In der Eegel finden sich vier durchsichtige, wenig geäderte Flügel, die jedoch dem Weibchen, selten auch dem Männchen fehlen können. Die Blattläuse leben von Pflanzensäften an Wurzeln, Blättern und Knospen ganz bestimmter Pflanzen, häufig in den Eäumen gallenartiger Anschwellungen oder Blattdeformitäten, die durch den Stich dieser Thiere erzeugt werden. Viele besitzen auf der Rückenfläche des dritt- letzten Abdominalsegmentes zwei „Honigrohren", aus denen eine süsse, von Ameisen eifrig aufgesuchte Flüssigkeit, der Honigthau, secernirt wird. Ausser den in der PiCgel flügellosen Weibchen, welche meist erst im Herbste zu- gleich mit geflügelten Männchen auftreten und nach der Begattung befruchtete Eier ablegen, gibt es vivipare, meist geflügelte Generationen (sog. Ammen), die vorzugs- weise im Frühjahr und Sommer verbreitet sind und ohne Zuthun von Männchen ihre lebendige Brut erzeugen. (Fig. 123.) Bonnet sah bereits neun Generationen vivi- parer Aphiden aufeinander folgen. Sie unterscheiden sich von den echten oviparen Weibchen nicht nur in Form und Färbung, sowie häufig durch den Besitz von Flügeln, son- dern durch wesentliche Eigenthümlichkeiten desGeschlechts- apparates und der Eier {Psezidova, Keime), indem ein Receptaculum seminis fehlt und die Eier bereits in den sehr langen Eiröhren (Keimröhren) unter fortschrei- tendem Wachsthum die Embryonalentwicklung durchlaufen. Vivipare und ovipare Aphiden folgen meist in gesetzmässigem Wechsel, indem aus den befruchteten überwinterten Eiern der Weibchen im Frühjahre vivipare Weibchen hervorgehen, deren Nachkommen- schaft ebenfalls vivipar ist und durch zahlreiche Generationen hindurch lebendig gebärende Formen erzeugt. Im Herbste erst werden Männchen und ovipare Weibchen geboren, die sich mit einander begatten. Die Pemphiginen {Scldzoneiira, Pemphigus) weichen insofern ab, als die sehr kleinen und ungeflugelten Männchen und Weibchen des Rüssels und Darmcanals entbehren und somit einen Grad der Rückbildung zeigen, wie er auch für die Geschlechtsthiere der Rindeuläuse zutrifft. Von manchen Formen scheinen vivipare Individuen in Ameisenhaufen zu über- wintern. Wahrscheinlich als Nachkommen überwinterter Ammen können auch im Früh- jahre die beiderlei Geschlechtsthiere (zur Zeit der Geburt bereits vollkommen reif, flügellos und ohne Rüssel) auftreten, wie solches durch Derbes iüx Pemphigus tereUnthi nachgewiesen wurde. Hier folgt alsdann die Generation der ungeflügelten Ammen, welche die Gallen erzeugen, und als Nachkommen derselben die geflügelten, sich überall ver- breitenden (und überwinternden) Formen. Die Fortpflanzung der Rindenllinse weicht insofern ab, als wir hier anstatt der viviparen Generationen eine besondere ovipare Geschlechtsform, verbunden mit der Fähigkeit parthenogenetischer Fortpflanzung, beobachten. Die weibliche flügellose sog. Coccus cacti. a Weibchen eben. Nach Biirmpi ') Derbes, Notes sur les aphides du pistachier tcrebinthe. Ann. des sc. nat. 1872. ()01 Tannenlaus (I) (Ohermes abietis L.) überwintert an der Basis der beschuppten jungen Fichtenknospe, wächst im Frühjahre an derselben Stelle beträchtlich, häutet sich mehrmals und legt zahlreiche Eier ab , welche sich parthenogenetisch entwickeln. Die ausgeschlüpften Jungen stechen die geschwollenen Nadeln des Triebes an und er- zeugen die Ananas-ähnliche Galle. Später entwickeln sie sich zu geflügelten Weibchen (II), welche wieder parthenogenetisch sich entwickelnde Eier ablegen. Die aus diesen her- vorgehenden gelblich gefärbten Formen, von denen man seither annahm, dass sie zu der am Grunde der Knospen überwinternden Generation von Weibchen würden, sind die Geschlechtsthiere, und zwar die Formen mit bräunlichem Hinterleibe die bis vor kurzer Zeit unbekannt gebliebenen Männchen. Es hat sich jedoch weiter herausgestellt, dass die Zahl der Generationen eine grössere und ihr Verhältniss zu einander ein sehr verwickeltes, in allen Einzelheiten noch nicht völlig aufgeklärtes ist. Ein Theil der geflügelten Generation (II) wandert nämlich von der Fichte auf die Lärche und erzeugt parthenogenetisch eine ungeflügelte Generation (III), welche auf der Lärche überwintert. Aus dieser geht dann eine ge- flügelte Generation (IV) hervor, Fig- 582. welche auf die Fichte zurückfliegt und aus ihren Eiern die ungeflü- geltenMännchen undWeibchen (V) hervorgehen lässt, deren Nach- kommen zu der ersten Genera- tion (I) zurückführen. Die auf der Fi chte zurückgebliebenen Formen erzeugen eine ungeflügelte Gene- ration von Weibchen (III'), aus deren Eiern sich wieder eine ge- flügelte Sommergeneration (IV) entwickelt. Bei Phylloxera quercus treff"en wir ausser beiden Ge- nerationen eine im Herbste auf- tretende Generation sehr kleiner beweglicher Mann eben undWeib- chen (ohne Saugrüssel und Darm), die aus zweierlei, an den Wurzeln abgelegten Eiern entstanden sind. Das Weibchen legt nach der Begattung nur ein Ei ab. Aehnlich verhält sich die berüchtigte Eeblaus, Phylloxera vastatrix^). Aus den unter der Rinde des Eebstockes abgelegten Wintereiern schlüpfen im Frühjahre Formen, welche flügellos bleiben und wohl in der Eegel zunächst am Stamme aufwärts wandernd zu den Gallenläusen der Blätter werden. Diese pflanzen sich durch mehrere Generationen parthenogenetisch fort, von denen die abwärts wandernden Individuen an die Wurzeln gelangen und als Wurzelläuse die Nodositäten an den Wurzeln der Eebe erzeugen. Auch diese können sich viele Generationen hindurch parthenogenetisch fortpflanzen. Erst im Spätsommer entwickeln sich die geflügelten Formen, welche ebenfalls als agame Weib- chen parthenogenetisch sich fortpflanzen, die Ausbreitung der Art ermöglichen und dimorphe Eier legen. Aus den grossen entstehen die darmlosen Weibchen, aus den a Gallcnbewoli G I. a, b, c nach Taschenberg, iJ, e nach Fatic de Form, h ungeflügelte Wurzellaus, <■ geflügelt neratlon, d Mäunchen, i' echtes Weibchen. ') Ausser Balbiani vergl. besonders Signoret, Phylloxera de la vigne. Ann. de la soc. ent. de France, Tom. IX, 1869, Tom. X, 1870. J. Lichtenstein, Beiträge zur Biologie der Gattung Phylloxera. Stett. Ent. Zeitung, 1875, 1876. F. Blochmann, Ueber die Geschlechtsgeneration von Chermes ahietis L. Biol. Centralblatt, 1887. L. D r e y f u s, Ueber Phylloxerinen. Wiesbaden, 1889. 602 Homoptera. - \ ^> f kleinen die ebenfalls darmlosen Männchen. (Fig. 582.) Die Hauptfeinde der Blattläuse sind die Larven von Ichneitmoniden (Äphidius), Syrphklen, CoccineUen. und Hemerobidcn. a) Blattläuse s. st. Lachnus pini L., L. juglandis L., L. fagi L., ÄpJiis brassicae L., A. rosae L. — ScJdzoneura lanigera Hartg., Apfelbaum. Pemphigus bursarius L. b) Rindenläuse. Chermes piceae L., erzeugt die Ananas-ähnlichen Gallen der Fichte. Ch. laricis Hartg., Phylloxera (juercus von Hej'd., an Eichblättern. Ph. vastatrix, Reblaus. (Fig. 582.) Farn. Psyllidae (Psyllodes), Blattflühe. Im ausgebildeten Zustande stets geflügelt. Fühler lang, zehngliedrig. Die hinteren Beine dienen zum Sprunge. Geben durch ihren Stich häufig Veranlassung zu Deformitäten von Blüthen und Blättern. Psijlla alni L., Livia juncorum Latr. 3. Unterordnung. Homoptera (Cicadaria), Cicaden, Zirpen. Beide Flügel- paare sind in der Regel von häutiger Beschaffenheit, zuweilen wenigstens im vorderen Paare undurchsichtig lederartig und gefärbt, und liegen in der Ruhe dem Körper schräg auf. Der Kopf ist verhältnissmässig gross und oft in Fort- sätze verlängert. Der Schnabel entspringt stets weit nach unten, scheinbar zwischen den Vorderfüssen und besteht aus drei Gliedern. (Fig. 583.) Bei vielen sind die Hinterbeine Sprungbeine, mit denen sich die Thiere vor dem Fluge fortschnellen. Die Weib- chen besitzen einen Legesta- chel und bringen die Eier oft unter die Rinde und in Zweigen der Pflanzen. Die Larven grös- serer Arten brauchen mehrere Jahre zu ihrer Entwicklung. ^am. Cicadellidae, Keinzü'pen. Jassus higuttatus Yühx^Ledra aurita Lr;Tettigonia vittata L^Apki-opJiora. Prothorax trapezoidal (siebeneckig). Flügeldecken lederartig. Hinterschienen mit drei starken Dornen. Die Larven lassen aus dem After einen blasigen Schaum (Kukukspeichel) vortreten, in den sie sich einhüllen.Qä. spumaria L., Schaumcicade. ^ Fam. Membracidae, Buckelzirpen. ,Kopf von dem grossen, mit buckelfürmigen Fortsätzen versehenen Prothorax überragt. Centrotus cormäus li^ Membracis lateralis Fabr. Fam. Fulgoridae, Leuchtzirpen. Bei 'vielen bedeckt sich der Hinterleib dicht mit langen "Wachssträngen und Wachsflaum , welcher bei einer Art (Flata limbata) in so reicher Menge secernirt wird, dass derselbe gewonnen wird und als „chinesisches "Wachs" in den Handel kommt. Fulgora laternaria L. Der Laternenträger aus Surinam, sollte nach den irrthiimlichen Angaben Merlans aus dem laternenförmigen Stirnfortsatze Licht ausstrahlen. F. candelaria L., chinesischer Laternenträger. Lystra lanata L. und andere amerikanische Arten. ^i^to« limbata Fabr., China. FsimrCicadidae = Stridulantia, Singcicaden. Der dicke Hinterleib beim Männchen mit Stimmorgan, welches einen lautschrillenden Ton hervorbringt. (Fig. 583.) Als scheue Thiere halten sie sich am Tage zwischen Blättern versteckt. Sie leben von den Säften junger Triebe und können durch ihren Stich das Ausfliessen süsser Pflanzensäfte ver- anlassen, die zu dem Manna erhärten ^JcacZa omi L., Sicilien). Die Weibchen haben ^ ^ Cica.da SLjittiidrrim, nach Packard. o Larve eben. Tij Singapparat. Puppe, f M;i 7. Ordnuug. Diptera. 603 einen sägefönnigen Legebohrer zwischen zwei gegliederten Klappen. Die ausschlüpfenden Larven kriechen in die Erde, in der sie sich mit ihren schaufeiförmigen Vorderheinen eingraben^ und saugen Wurzeln an. 'X'icada orni L., Südeuropa. C. seiitendecim Fabr. Brasilien. C. haemaiodes L., Süddeutschland. 4. Unterordnung. Hemiptera, Wanzen. Die vorderen Flügelpaare sind halbhornig, halbhäutig [Hemielytra) und liegen dem Körper horizontal auf. Manche Arten entbehren der Flügel, ebenso die Weibchen einiger im männ- lichen Geschlechte geflügelten Arten. Der erste ßrustring ist gross und frei beweglich. Der Küssel entspringt frontal und liegt in der Ruhe meist unter der Brust eingeschlagen. Einige Arten der Reduviuen erzeugen ein schrillendes Geräusch, so Pirafes sfridulus durch die Bewegung des Halses am Pro- thorax. 1. Tribus. Hydrocores = Hi/droconsae, Wasser- wanzen. Fühler kürzer als der Kopf, drei- oder viergliedrig, mehr oder minder versteckt. Schnabel kurz. Nähren sich von thierischen Säften. Farn. Xotonectidae, Eüekenschwimraer. Corixa striata L., Notonecta glauca L., Wasserwanze. Farn. Nepidae, Wasserscorpione. (Fig. 584.) Naucoris cimi- coides L., Ne2:>a cinerea L., Wasserscorpion. Ranatra linearis L. 2. Tribus. (reocores, Landwanzen. Fühler vorgestreckt, mittellang und vier- oder fünfgliedrig. Schnabel meist lang. Farn. Hydrometridae (Ploteres), Wasserläufer. Hydrometra, lacustris L.. Limnohates stagnorum L., Velia rivulorum Latr., Halohates sericeus Esch., Stiller Ocean. Farn. Beduviidae {Reduviini), Schreitwanzen. Reduvius personahis L., Pirat es stri- didus Fabr., Südeuropa. Farn. Äcanthiadae [Meinbranacei), Hautwanzen. Acanthia lectularia L., Bettwanze. Äradus depressus Fabr. {corticalis L.). Farn. Capsidae, Blindwanzen. Capsus trifasciatus L., Miris erraticzis L. Fam. Lygaeidae {Lygaeodes), Langwanzen. Lygaeus equesiris L., Pyrrhocoris apte- rus L., Feuerwanze. Fam. Coreidae (Coreodes)^ Eandwanzeu. Coreua marginaius L., Alydus calcaratus L. Fam. Pentaiomidae, Schildwanzen. Pentatoma junipera L., P. rvfipes L., P. ole- racea L. Nepa cinerea (regne animal) 7. Ordnung. Dipter.i M (Antliata), Zweiflügler. Insecfen mit saugenden und stechenden Miuidtheäen, mit hantigen Vor- derflügeln, zu SchioingTcolhen verkümmerten Hinterflügeln, mit vollkommener Metamorphose. ') J. W. M eigen, Systematische Beschreibung der bekannten europäischen zwei- flügeligen Insecten. 7 Theile. Aachen, 1818—1838. Wiedemann, Aussereuropäische zweiflügelige Insecten. 2 Theile. Hamm. 1828 — 1830. R. Schiner, Fauna austriaca (Fliegen). Wien, 1860. N. Wagner, Ueber die viviparen Gallmückenlarven. Zeitschr. für wiss. Zool., Tora. XV, 1865. A. Weismann, Die Entwicklung der Dipteren. Leip- zig, 1864. Derselbe, Die Metamorphose der Corethra plumicornis, 1866. E. Becher, Zur Kenntniss der Mundtheile der Dipteren. Wien, 1882. 504 Diptera. Körperbau. Die Bezeichnung dieser Ordnung ist der am meisten in die Augen fallen- Ien Flügelbildung entlehnt, ohne freilich dem Sachverhältniss genau zu ent- prechen. Allerdings sind die Yorderflügel ausschliesslich zu grossen, glasartig urchsichtigen Schwingen entwickelt, allein auch die Hiuterflügel bleiben in udimentärer Gestalt als gestielte Knöpfchen, Schwingkolben (Halteres), er- lalten. Am Innenrande der Vorderflügel markiren sich durch Einschnitte zwei Lappen, ein äusserer (Ahda) und ein innerer (Sqiiama), der die Hiuterflügel überdecken kann. Die letzteren bestehen aus einem dünnen Stiel und einem kugeligen Kopf. Leydig beschrieb in der Basis der Halteren ein Ganglion mit Nervenstiften und deutete dasselbe als Gehörapparat. Selten fehlen die Flügel ganz [Cliionea). Der frei bewegliche Kopf hat meist eine kugelige Form, ist mittelst eines engen und kurzen Halsstieles eingelenkt und zeichnet sich durch die grossen Facettenaugen aus, welche im männlichen Geschlechte auf der Mittellinie des Gesichtes und Scheitels zusammenstossen können. In der Regel sind drei Ocellen vorhanden. Die Fühler weichen nach zwei verschiedenen Richtungen auseinander, indem sie entweder klein bleiben, aus drei Gliedern bestehen und häufig an der Spitze eine Fühlerborste (Arista) tragen, oder schnurförmig, von bedeutender Länge und aus einer grossen Gliederzahl zu- sammengesetzt sind. Da jedoch im ersten Falle das Endglied wieder in kleine Glieder getheilt erscheint, so ist eine scharfe Abgrenzung beider Fühlerformen um so weniger möglich, als auch die Fühlerborste gegliedert sein kann. Die Muudwerkzeuge bilden die als Schöpfrüssel (Proboscis, HausteUum) bekannte Form von Saugröhren, in denen die Kiefer und eine unpaare, an der unteren Pharynxwand entspringende Borste, der Hyi:>opharynx. als Stechorgane auf- treten können. (Fig. 532.) In den letzteren mündet der gemeinsame Aus- führungsgang der beiden Speicheldrüsen. Die Mandibeln fehlen im männlichen Geschlechte, sowie bei sämmtlichen Muscaria und Pupipara auch beim Weib- chen. Die Saugröhre, vornehmlich aus der Unterlippe gebildet, endet häufig mit schwammig aufgetriebenen Endlippen, den Labellen (die umgeformten Lippentaster), während die Unterkiefer Taster tragen, welche bei Verschmelzung der Kieferreste mit der Unterlippe dem Schöpfrüssel aufsitzen. (Fig. 585.) Pro- thorax kurz und ringförmig, ebenso der Methathorax. Mesothorax am stärksten entwickelt. Das Abdomen ist häufig gestielt und besteht aus fünf bis neun Rin- gen. Bauchplatte des ersten Abdominalsegments gesondert. Die Beine besitzen fünfgliedrige Tarsen, welche mit Klauen und meist mit sohlenartigen Haft- lappen (Pelotten) enden. Das Nervensystem erscheint je nach der Streckung des Leibes in sehr verschiedenen Formen der Concentrirung. Während bei Fliegen mit sehr ge- drungenem Körperbau die Ganglien des Abdomens und der Brust zu einem gemeinsamen Brustknoten verschmelzen, erhalten sich bei den langgestreckteren Nemoceren nicht nur die drei Brustganglien, sondern auch mehrere, selbst fünf und sechs Abdominalganglien Avohlgesondert. Für den Darmcanal dürfte das Auftreten eines gestielten Saugmageus als Anhang des Oesophagus, sowie die Geschleclitsorsano. Metamorphose. 605 Fi^. 585 a. Vierzahl der Malpigiii'schen Gefässe hervorzuheben sein. Die beiden Tracheeu- stiimme erweitern sich im Zusammenhange mit dem gewandten Flugvermögen zu zwei grossen blasigen Säcken an der Basis des Hinterleibes. Die männ- lichen Geschlechtsorgane bestehen aus zwei ovalen Hoden mit kurzen Ausfüh- rungsgängen, denen sich feste Begattungstheile nebst Copulationszangen an- schliessen; die Ovarien entbehren einer besonderen Begattungstasche, tragen drei Samenbehälter an (krScheide(Pig.554) und enden oft mit einer einziehbaren Legeröhre. Die beiden Ge- schlechtersind selten auffallend verschie- den. Die Männchen besitzen in der Regel grössere Augen, die zuweilen median zu- sammenstossen,häu- fig ein abweichend ge- staltetes Abdomen, ausnahmsweise {Bi- bio) auch eine ver- schiedene Färbung. Auch die Mundtheile können Abweichungen bieten, wie z. B. die Männchen stets der messerförmigen Man- dibeln entbehren, welche im weiblichen Geschlechte bei den Tanystomata und Ne- mocera die Hauptwaflfe bilden. Die Männ- chen der Culiciden besitzen behaarte viel- gliedrige Fühler, während die Fühler der Weibchen fadenförmig sind und aus einer geringeren Gliederzahl bestehen. Die Verwandlung ist eine vollkom- mene ; die meist fusslosen Larven besitzen entweder einen deutlich gesonderten, mit Fühlern und Ocellen versehenen Kopf (die meisten Nemoceren), oder der Kopf ist ein kurzer, meist eingezogener Ab- schnitt ohne Fühler und Augen (höchstens mit einem x-förmigen Pigmentfleck), mit ganz rudimentären Mundwerkzeugeu, zuweilen mit zwei zur Befestigung dienenden Mundhaken. (Fig. 83.) Im ersteren Falle haben die Larven kauende Mundtheile und nähren sich vom Raube anderer Thiere, im letzteren saugen der Oberlippe (Reste <^r Riissel einer Fliege. Ch St Chitiustäbe zur Stütze Maxilleu), 0 Oberlippe, Oe Oesophagus, L Unterlippe (Labellen), Mf. Maxillj taster, C7t, C/(' Chitinstützen der Labellen, J/Mentum, H Hypop\ia.ryux, DiG gemeinsamer Ausführungsgang der Speicheldrüsen, welcher in die Rinne des Hypopbarynx führt, Tr Tracheen. Die Labellen von gesehen . (jO() Brachyccra. Muscaria. sie als ,,Madeii" Flüssigkeiten oder breiige Substanzen ein. Letztere werden mit Brauer als Cyclorapha bezeichnet, da die Haut bei der Abstreifung in bogenförmiger Naht gesprengt wird [Muscaria, Pupzpara), jene Larven da- gegen mit Kieferkapsel und vollständigem oder unvollständigem Kopf als Orthorapha, weil die Haut in geradliniger Naht einreisst (Tanysfomata, Nemo- cera). Nach mehrfachen Häutungen verwandeln sich die Larven entweder in der erhärtenden Larvenhaut zur Puppe (P. coarctata), oder bilden sich unter Abstreifung der ersteren in bewegliche, oft frei im Wasser schwimmende Puppen (P. ohteda) um, welche Tracheenkiemen besitzen können. Auf die Verschiedenheiten, welche die Entwicklung des geflügelten Insectes aus der Larve in beiden Gruppen darbietet, ist schon bei einer früheren Gelegenheit hingewiesen. Viele Dipteren produciren beim Fliegen summende Töne, und zwar durch Vibrationen verschiedener Körpertheile, theils der Flügel, theils der Segmente des Abdomens unter Betheiligung der -^^»- ^^^- Stimmapparate an den vier Stigmen der Brust. Hier bildet unterhalb des Stigmen- randes der Tracheenstamm eine Blase mit zwei zierlich gefalteten Blättchen, welche unterhalb zweier äusserenKlappen(Brumm- klappen) durch die Luftexspiration in Schwingungen versetzt werden. 1 .Unterordnung. Brachycera, Fliegen. Körper sehr verschieden gestaltet, häufig dick und gedrungen, mit fünf- bis acht- gliedrigem Hinterleib. Fühler kurz, meist dreigliedrig, mit grossem, meist secundär geringeltem Endgliede, an welches sich eine einfache oder geringelte Borste anschliesst. Flügel fast stets vorhanden. Die Larven leben in faulenden Stoffen der Erde imd im Wasser, theilweise auch als Parasiten, sind grossentheils Maden mit Kieferhaken und verpuppen sich meist in der abgestreiften tonnenförmigen Larvenhaut. (Fig. 586.) Viele bilden jedoch anch eine Pupa obtecta. \. Tribus. Muscaria. Mit Stirnblase. Küssel meist mit fleischigem End- lappen, Maxillen in der Regel verkümmert. Larven cycloraph, ohne Kiefer- kapsel, meist mit zwei bis vier Mundhaken. Stets Tönnchenpuppen. Pam. Phoridae. Phora incvassata Meig,, als Larve im Bienenstocke lebend. Farn. Acalyptera. Trypeta Cardzii L., Tr. signata Meig., in Kirschen. Chlorops li- neata Fabr., Weizenfliege. Larve in den Halmen der Gräser. ScatnpJiaga slercoraria L., Dungfliege, auf Düngerhaufen. Piophüa casei L., Käsefliege. Anthomyia rußceps Meig. Forstschädlich durch Zerstören der Wurzeln von Weiden- und Pappelkeimlingen. Pam. Muscidae. Musca domestica L., Stubenfliege. M. Caesar L., Goldfliege. M. vo- mitoria L., Brechfliege, mit glänzend blauem Hinterleib. M. cadaverina L., Aasfliege. Sarco- phaga carnaria L., Fleischfliege, vivipar. Tachina Meig. Die Larven schmarotzen vor- Pupipura. 607 Fig. 587. nehmlich in üaupen. T. inqHiritm Fabr., T. [Chrysosoma) viridis Fall., T. grossa L., T. larvarum L. Fam. Conojjidae. Conops flavijyes L., Larven im Abdomen von Hymenopteren. C. rit- fipes Fabr.. Larven in Oedipoda. Fam. Stomoxyidae. Stomoxys calcitrans L., Stechfliege, der Stubenfliege ähnlich. Fam. Oeslridae. Biesfliegen '). Rüssel verkümmert. Die Weibchen haben eine Lege- rühre und bringen ihre Eier oder (und in diesem Falle fehlt die Legerühre) die lebendig geborenen Larven an bestimmte Stellen von Säugethieren, z. B. in die Nüstern der Hirsche, an die Brust der Pferde. Die Larven mit gezähnelten Körperringen und hilufig mit Mund- liaken leben in der Stirnhöhle, unter der Haut, selbst im Magen bestimmter Silugethiere parasitisch. Unter der Haut erzeugen sie die sogenannten Dasselbeulen. Hypoderma bovis L., H. Actaeon Br., am Edelhirsch. H. tarandi L., Dermatohia hominis Goudot, auf "Wiederkäuern, Katzen (Jaguar) und auf dem Menschen in Südamerika. Oestrus auriharhis Wied. Die Larve wird von der Fliege in die Nasenhöhle des Edelhirsches gebracht. Gastrus {Gastrophilus) equi Fabr. (Fig. 586.) Das Ei wird an die Brust des Pferdes abgesetzt und von diesem abgeleckt, die aus- schlüpfende Larve hängt sich an der Magenwandung mittelst ihrer Mundhaken auf, besteht mehrfache Häutungen und wird vor der Yerpuppung mit den Excrementen entleert. Fam, Syrphidae, Schwebfliegen, Syvphus _2>(ras/!?-i L., Schwebfliege. Eristalis tenax L. (Fig. 587). E. aeneus Fabr., Larven mit Athemröhre, in Kloaken und stehendem Wasser. Fam. Platyj)ezidae, Pilzfliegen. Die Larven leben in Schwämmen. Platypeza holetina Fall. 2.Tribus. Pupipara^), Lausßiegen. (Fig. 588.) Körper gedrungen, die drei Thoracalsegmente ver- schmolzen, das Abdomen breit und oft abgeflacht. Fühler kurz, häufig nur zweigliedrig. Die Beine mit gezähnten Klammerkrallen. Die Flügel können rudimentär sein oder fehlen. Die Entwicklung des Embryos und der Larve geschieht in der Uterus- ähnlichen Scheide. Die aus dem Ei hervorgegangene Made (ohne Schlundgerttst und Mundhaken) schluckt das Secret ansehnlicher Drüsenanhänge des Uterus (Fig. 557), besteht mehrfache Häutungen und wird vollständig ausgebildet unmittelbar vor der Verpuppung geboren. Schmarotzen wie die Läuse an der Haut von Warmblütern, selten von Insecten. Braula coeca Nitzsch., Bienenlaus. Nycteribia Latreillei Gurt. Augenlos, auf Ves- pertilioarten. Melophagus ovinus L., Schafzecke (Fig. 588 a), Änapera pallida Meig., auf Schwalben. Hippohosca equina L.. Pferdelaus. (Fig. .588 b.) Erisfalis tenax. a Fliege, h Larve. Fig. 588. Melophagus ovinus, h Hippohosca equina, nach Packard. ^) F. Brauer, Monographie der Oestriden. Wien, 1863. ^j L. Dufour, Etudes anatomiques et physiologiques sur les Insectes Diptöres de la famille des Pupipares. Ann. des sc. nat., Ile ser., Tom. III, 1843. E. Leuckart, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen. Abh. der naturf. Gesellschaft zu Halle, Tom. IV. 608 Tanystomata. N(^moc<'ra. 3. Tribus. Tanystomata. Küssel meist lang mit stiletförmigen Kiefern zum Raube. Lavve orthoraph, mit Kieferkapsel und hakigen Kiefern. F'am, Dolichopodidae. DoUchopus pemuUus Meig., D. nohilitatus L. Fam. Empidae, Tanzfliegen. Die Larven leben in der Erde. Empis tesselata Fabr. Fam. Asilidae, Raubfliegen. Die Larven leben in Wurzeln und Holz. Asilus germani- cus L., Ä. crahroniformis L., Laphria gihhosa Fabr., L. flava Fabr. Fam. Bombyliidae, Hummelfliegen. Anthrax morio Fabr. {sinuatus Fall.). Die Larve lebt in den Nestern von Megachile muraria und Osmia tricoruis. Boinlylius major L.. B. medius L. Fam. Henopidae. Henops gihbosus L., Mundhornfliege. Lasia flavUarsis Wied. Fam. Therevidae (Xylotomae), Stiletfliegen. Thereva annulata Fabr., Th. plebeja L.. Scenopinus fenestralis L. Fam. Tabanidae, Bremsen. Rüssel kurz wagrecht vorstehend mit sechs, beziehung.s- weise vier (Männchen) Stileten und zweigliedrigem Taster. Stechen empfindlich und saugen Blut. Chrysops coecutiens L.. Tabanus bovinus L., liinäerhvemiie. Haemalopota 2}fuvicdis L., Regenbremse. Fam. Leptidae, Schnepfenfliegen. Leptis scolopacta L.. Schnepfenfliege. L. vermileo L., Südeuropa. Die Larve gräbt im Sande Trichter und fängt in denselben wie der Ameisen- löwe Insecten. Fam. Xylophagidae, Holzfliegen. Xylophagus maculalus Fabr., Larve im Buchenholz. Berts clavipes L. Fam. Stratiomyidae, Waffenfliegen. Stratiomys chamaeleon L.. St. (Odontomyia) hydroleon L., Sargus cuprarius L. 2. Unterordnung. Nemocera (Tipulariae), Langhörner. (Fig. 589.) Lang- gestreckte Dipteren mit vielgliedrigen, meist schnurförmigen, im männlichen Geschlechte zuweilen buschigen Fühlern, langen dünnen Beinen und grossen, theils nackten, theils be- haarten Flügeln. Taster meist von beträchtlicher Länge, vier- bis fünf- gliedrig, Rüssel kurz und fleischig, oft mit Stechborsten bewaffnet. Hal- teren frei. Die Larven meist mit vollkommen differenzirtem Kopfe (Eucephala), seltener mit einzieh- barer Kieferkapsel [Tipulklen, Ce- cidomyien), leben im Wasser, in der Erde und auch in vegetabilischen Stoffen(Gallen,Pilzen) und besitzen theilweise eine Athemröhre. Nach Abstreifung der Larvenhaut bilden sich die eucephalen Larven in eine ruhende oder auch frei bewegliche Puppe um, letztere dann mit Kiementracheen im Nacken und am Schwänze. Das ausgeschlüpfte Insect schwimmt bis zur Erhärtung der Flügel auf der ge- borstenen Puppenhülle wie auf einem Kahne herum. Die Weibchen mancher Cccidomyia tritici, nach Wagner, a Weibchen gestreckter Legeröhre, h Larve, c Puppe ir. Siplionaptcr 009 Arten ( Steclimüeken) saugen Blut und werden, wo sie in grossen Schaaren vor- kommen, zu einer wahren Plage. Fani. Bihionidae {Miisciformes). Küriier fliegeiiälinlich. Füliler set^hs- Lis L■ilfglie(lri,i,^ Hinterleib siebengliedrig. Bibio marci L.. B. hortulanus L. Männchen schwarz, Weibchen ziegelroth mit schwarzem Kopf. Chioneu ovaneoicies L., ohne Vonlerflügel; läuft im Winter auf dem' Schnee umher. Simulia reptans L.. S. columbacschensis Fabr., Kolumbaczer Mücke, blutsuugend. überfällt in Ungarn schaarenweise die Viehheerden. Farn. Fungicolae. Pilzmücken. Die Larven, ohne Fussstummel am zweiten Ring, leben in Pilzen. Sciara Thomae L. Die Larven unternehmen vor der Verpuppung in unge- heuerer Zahl, zu einem schlangenförmig sich fortwälzenden, als „Heerivurm'^ bekannten Bande zusammengedrängt, Wanderungen am Erdboden. Mycetophila fusca Meig., Pilz- mücke. Scioplnla maculata Fabr., Schattenmücke. Fam. Noctuiformes. eulenartige Mücken. Psychoda phalaenoides L., Pt.ychoptera con- taminata L.. Faltenmüeke. Fam. Cidiciformes . Die Larven leben im Wasser, im morschen Holz oder in der Erde. Chironomus plumosus L., Corethra plumicornis Fabr. Larve mit vier Tracheenblasen und einem Borstenkranz am Afterseginent. im Wasser. Fam. Culicidae, Stechmücken. Larven im Wasser, mit Athemrühre und Anhängen am Hinterleibsende. Culex pipiens L., Singmücke. Taster des Männchens buschig und länger als der Piüssel. Nur die Weibchen stechen. Fam. GaUicolae. Gallmücken. Larven in Gallen. Ceddomyia destrudor Say, Hessen- fliege. Seit 1778 in den Vereinigten Staaten als Weizenverwüster berüchtigt (einge- schleppt [?] im Stroh von den hessischen Soldaten). C. titrici Kirb., im Weizen. (Fig. 589.) C. secalina Loew, C Salicis Schrk. u. z. A. Die viviparen Larven (Fig. 125) gehören der Gattung Miastor an. Fam. Limnobiidae, Schnaken. Larven in der Erde oder in faulem Holz. Tipula ole- racea L., Kohlschnake. Clenop>hora atrata L,. Kammmücke. Limnobia Meio". 8. Ordnung. Siphonaptera '), (Aphaniptera) Flöhe. Flügellose Insecten mit seitlich comprimirtem Körper und deutlich ge- trennten Thoracalringen, mit scmgenden und stechenden Mundioerkzeugen und vollkommener Metamorphose. A m Fig' 590. Mb A Antenuen, Mt Jlaxillart.a.ster. — 7/ Larve vou ridr.f imttuhs. ») L. Landois, Anatomie des Hundeflohes. Dresden, 1867. 0. Taschenberg, Die Flöhe. Die Arten der Insectenordnung Suctoria nach ihrem Chitinskelet monographisch dargestellt. Halle. 1880. K. Kraepelin, Ueber die .sy.stematische Stellung der Puliciden. Hamburg, 1884. , 39 c. ci Lehrbuch fli:r Zoologie. 610 Ordnunff. Leiii(loi>tc 591. Trächtig ou h'li>picho2)iion 2^cnefr Feldmaus mit eingenistetem Rliynchoprion, nach H. Karsten. Kopf mit breiter Fläche dem Thorax verbunden, ohne Facettenangeu. Fühler sehr km'z, in einer Grube hinter den einfachen Puuktaugen entspringend. Mundwerkzeuge zu einem Saugrohr umgeformt, welches aus einer obern stechen- den Kinue, dem unpaareu Stechorgan (Oberlippe), und zwei seitlichen Rinnen, den paarigen Stielen (Oberkiefer), soAvie terminal von den mehrgliedrigen La- bialtastern gebildet wird. Die Speicheldrüsen münden in den Oberkieferrinnen aus. Die Maxillen sind breite schützende Platten zur Seite der Rüsselbasis mit viergliedrigem Taster. Flügel oder deren Rudimente fehlen, dagegen finden sich zwei seitliche plattenförmige Fortsätze an den Pleuren von Meso- und Metathorax. Die beinlosen Larven madenför- mig, aber Nymphe freigiiedrig wie die der Käfer, mit geson- dertem Kopf und beissenden Kiefern. (Fig. 590. ) Fam. Pulicidae. Pulew irri- c oceiien, a Antenne, oi oi.eriippc, .w jun- stellung mehrfacher Gruppen mit zahl- '"*"''' ^^ ^"''"i'^' ^^ Unterlippe mit zunge und " ^ ^ Tastern. reichen Familien vorzuziehen. 1. Unterordnung. M/'croUpidoptera, Kleinschmetterlinge. Sehr kleine, zart gebaute Schmetterlinge mit meist langen, borsteuförmigen Fühlern und wohl entwickeltem, oft vier oder fünfgiiedrigem Maxillartaster {Micropteryx mit sechsgliedrigem Taster). Die Raupen besitzen meist 16 Beine, von denen die Abdomiualfüsse rings um die Sohle einen Kranz von Häkchen tragen. Viele, bohren Gänge im Parenchym der Blätter, andere leben in zusammengewickelten Blättern, wieder andere in Knospen, wenige im Wasser, wie Nymphnla und andere Pyraliden. Die meisten halten sich am Tage verborgen. Fam. Fterophoridae, Federgeistchen. Flügel federartig, in fein gefiederte Lappen gespalten. PteropJiorus pentaductylus L., Ft. pterodadylus L., Alucita hexadactyla L. Fam. Tineidae. Eüsseltaster gross, meist fünfgliedrig. Yponomeuta evonymeüa L., Spindelbaummotte. Die Raupen leben gesellig in Gespinnsten, mehrere Arten auf Obst- bäumen. SolenoUa pineti = lichenella L., S. triquetrella Fisch. E., Weibchen flügellos. (Fig. 594.) Die Raupen leben als „Sackträger" in kurzen Säcken. Pflanzen sich theilweise parthenogenetisch fort. Tinea granella L., Kornmotte, legt die Eier an Getreide. Die aus- schlüpfenden Raupen, unter dem Namen „weisser Kornwurm" bekannt, fressen die Körner aus. T. pellionella L., Pelzmotte. T. tapezella L., Tapetenmotte. Fam. Tortricidae, Wickler. Tortrix viridana L., Eichenwickler. Grapho/Uha frme- hrana Tr., in Pflaumen. Gr. (Carpocapsa) pomonella L., Apfelwickler, in Aepfeln. Fam. Pyralidae, Zünsler. Cramhus pascuellus L., Botys icrticalisL., Galleria mellioneUa L., in Bienenstöcken. Pyralis vinguinalis L., Fettschabe. Scopula frumentalis L., Saatmotte. 2. Unterordnung. Geometrina, Spanner. Meist von schlankem Körperbau, mit grossen, in der Ruhe dachförmig ausgebreiteten Flügeln. Fühler borsten- förmig mit verdicktem Wurzelgliede. Rüsseltaster ein- oder zweigliedrig. Die Raupen mit 10 bis 12 Füssen bewegen sich spannerartig, während sie in der Ruhe mit den Afterfüssen festsitzen. Viele sind den Obstbäumen schädlich, Fam. Phytometridae. Larentia popidata L., Cheimatolia hrumata L., Frostschmet- terling. Das Weibchen mit verkümmerten Flügeln, legt im Spätherbst die Eier an den Stamm der Obstbäume. Hihernia defoliaria L., grosser Frostspanner. Q\^ Noctuina. Bombycina. Fani. Dendrometridae. Acidalia ochreata Scop., Geometra papilionariu L., Abraxas (Zerene) grossulariata L., Harlekin. 3. UnterordnuDg. Noctuina, Eulen. Xachtsclimetterlinge mit breitem, nach hinten verschmälertem Leib und düster gefärbten Flügeln. Fühler lang, borstenförmig, beim Männchen zuweilen gekämmt. Eüsseltaster zwei-, seltener dreigliedrig. Flügel in der Ruhe dachförmig. Beine lang mit stark gespornten Schienen. Die bald nackten, bald behaarten Raupen besitzen meist 16, seltener durch Verkümmerung oder Ausfall der vorderen Bauchfüsse 14 oder 12 Beine und verpuppen sich grosseutheils in der Erde. Farn. Ophiusidae, Ordensbänder. Catocala paranympTia L., gelbes Ordensband. C. fraxini L., blaues Ordensband. C. nupta L.. C. sponsa L., C. promissa Esp., rothe Ordens- bänder. Farn. Flusidae, Goldeulen. Plusia gamma L.. PI. chrysitis L. Fam. Agrotidae. Agrotis segetum Tr., Saateule. A. tritici L., Triphaena promtha L. Farn. Orthosiadae. OrÜiosia jota L. Fam. Cuculliadae. CucuUia verbasci L., C. absynthii L. Fam. Acronyctidae. Acronyda psi L., A. rumicis L., Diloha coerideocephaJa L. Die Raupe ist den Obstbäumen schädlich. 4. Unterordnung. Bomhycina, Spinner. Xachtschmetterling von plumpem Körperbau, mit dicht und oft wollig behaarter Oberfläche, mit borstenförmigen, beim Männchen gekämmten Fühlern. Die Flügel ziemlich breit, in der Ruhe dachförmig. Bei vielen wird der Rüssel rudimentär oder fällt ganz hinweg. Rtisseltaster meist zwei- oder eingliedrig. Die schwerfälligeren grösseren Weib- chen fliegen wenig, um so beweglicher aber sind die oft lebhafter gefärbten Männchen. In einigen Fällen verkümmern {Orgyia) die Flügel im weiblichen Geschlecht, oder {Psyche) das Weibchen bleibt larvenförmig. Aus den Eiern, die häufig in Klumpen abgesetzt werden und mit einer wolligen Masse über- kleidet sind, schlüpfen meist dicht behaarte sechzehnbeinige Raupen aus, welche sich später in vollständigen Gespinnsten über der Erde verpuppen. Die Raupen einiger Arten leben gesellschaftlich in gemeinsamen beutelartigen Gespinnsten. einige wenige (JPsychkhv) verfertigen einen Sack, in ^^=- ^^'^^ welchem sie ihren Körper verbergen. Bei diesen kommt Parthenogenese vor, Fam. E-uprepiadae , Bärenspinner. Raupen sehr lang- haarig, als Bärenraupen bekannt. Enprepia caja 1,.. E. planta- ginis u. z. a. A. Fam. Liparidae. Liparis ononacha L., Raupe auf Laub- und Nadelholz sehr schädlich. L. dispav L., Orgyia antiqua L., Weibchen flügellos. (Fig. 596.) 0. [Basychira] pudibunda L. Fam. Notodontidae. Notodo7ita zicsaclL., N'. diomedarius L., CnetJwcam2)a processioneaL.. Processionsraupe auf Eichen. Har- p)yia vinula L., Gabelschwanz. Raupen mit Kehldrüsen und zwei vorstreckbareu Afterfäden. Orgyia antiqua (regne animal). p,^j^ Bombycidae. Gastropaclia quercifolia L., Kupfer- a Männchen, 6 Weibchen. ^^^^^^ ^ potatoria L., G. ruhi L., G. pini L., CUsiocampa neustria L., Ringelspinner. Bombyx mori L., Seidenspinner, ursprünglich in Südasien heimisch, wird jetzt auch im südlichen Europa und China zur Gewinnung der Seide ge- ihingina. Rlioiiaioeera, 615 züchtet. Die Raupe, Seidenwurm, lebt von den Blättern des Maulbeerbaumes. (Krank- heit der Seidenraupe, Muscardine, Bntrijtis Bassiema.) Farn. Saturnidae. Satiirnia pyri Borkh.. grosses Nachtpfauenauge. S. carpini, spini Borkh., mittleres' und kleines Nachtpfauenauge. Attacns cynthla, Yamamai, cecropia werden zur Gewinnung von Seide gezüchtet. Aglia tau L. Farn. PsycJridae. Die llaupen tragen Säckchen mit .sich herum und verpuppen sich in denselben. Psyche atra L., Ps. helix L., Säcke spiralig gewunden, mit einer zweiten seitlichen Oeffnung, in beiden Geschlechtern verschieden. (Fig. 593.) Fumea niüdella Hb. Farn. Zygaenidae. Zygaena ßlipendulae L., Z. lonicerae Esp. Farn. Cossidae. Die Eaupen lebeii meist im Marke von Pflanzen. Cos.ms Ugniperda Fabr., Zeuzera aescidi L., HejJialus humuU L., Raupe in Hopfenwurzeln. 5. Unterordnung. Sphingina, Schwärmer. Mit langgestrecktem, am Ende zugespitztem Leib, mit meist sehr langem Rollrüssel und rudimentärem ein- gliedrigen Taster. Vorderflügel schmal und lang. Hinterflügel kurz. Die kurzen Fühler sind in der Eegel an der Spitze verdünnt. Die Flügel liegen in der Ruhe dem Körper horizontal auf und besitzen stets ein Retinaculum. Die platten, mit einem Afterhorn versehenen Raupen haben 16 Beine und verpuppen sich in der Erde. Die Schwärmer fliegen in der Dämmerung, einige auch am Tage (^Macrocjlossa). Fam. Sesiadae. Hymenopteren-ähnlich mit gla.shellen Flügeln. Sesia (Trochilium) apiformis L. (Fig. 145 a), S. bembeciformis Hb. Fam. Sphingidae. Macroglossa stellataruni L., Taubenschwanz. Sphinx elpenor L., S. porcellus L., Weinschwärmer. S. Nerii, Oleanderschwärmer. S. convolvuli L., Windig. Acherontia atropos L. Todtenkopf. Eaupe auf Kartoifeln. Smerinthus populi L., Pappel- schwämier. S. t'diae L, Lindenschwärmer. S. ocellatus L., Abendpfauenauge. 6. Unterordnung. Rhopalocera, Tagfalter. Schmetterlinge von schlanker Körperform mit meist lebhaft gefärbten Flügeln. Fühler keulenförmig oder am Ende geknöpft. Rüsseltaster ganz verkümmert, eingliedrig. Beine dünn. Schienen der Vorderbeine verkürzt, zuweilen verkümmert. Die Falter fliegen am Tage und tragen in der Ruhe die Flügel aufrecht, oft zusammengeschlagen. Die sechzehnfüssigen Raupen sind nackt oder mit Dornen und Haaren besetzt und bilden sich meist frei ohne Cocon und mit Fäden an fremden Gegenständen befestigt in die oft metallisch glänzende bucklige Puppe um. Fam. Hesperidae. Hesperia comma L., H. sylvanus Sehn. Fam. Lycaenidae [Polyommatidae] , Bläu- « ^iff- 597. b linge. Polyommatus A^-ion L., P. Dämon Fabr., P. vivgaureae L. , TJiecla nibi L . . T. quevcvs L., T.bettdae L. Fam. Satyridae. Sa- tyrns Briseis L., *S'. Hermi- one L., Erebia (Hipparchia Fabr.). Janira L. u. a. A. Fam. Nymphalidae. Kaupen mit dornigen Aus- wüchsen, selten feinhaarig, die Puppe hängt am After befestigt. Apatvra iris L., Schiller- falter. Limenitis populi L., Eisvogel. Vanessa prorsa L. (F. levana ist die Frühlings- generation). (Fig. 597.) V. cardui L., Distelfalter. V. atalanta L., Admiral. V. antinpa L., Vane.isa Urana. Weibchen, a Winterform, '< Somi! Nach Weismann. :'rforni {prorxa). 616 10. Ordnung. Coleoptera. Trauermantel. T'. io L.. Tagpfauenauge. V. urticae L.. kleiner Fuchs. Aryynnis papIda'L., A. aglaia L., Perlmutterfalter. Melitaea cinxia L. Fam. Fierklae, Weisslinge. Pieris crataegi L., der Heckenweissling. P. brassicae L., Kohlweissling. P. napi L., P. rapae L.. P. cardamines L., Aurorafalter. Colias liyale L., C. [Gonopteryx Leach.) rhamni L., Citronenvogel. Hier schliesst sich die Familie der Heliconiidae an. (Fig. 144 S.) Fam. Equitidae. Papilio Podalirius L., Segelspitze. P. Machaon L., Sch'w^alben- schwanz. Boritis Apollo L. Die Weibchen tragen am Hinterende einen tasohenförmigen Anhang (Begattungszeichen v. Siebold). Thois Polyxena Ochsh. 10. Ordnung. Coleoptera'), Käfer. Insecten mit kauenden Mundioerkzeugen und hornigen VorderflUgeln (Flügeldecken), mit frei heweglichem Proiliorax und vollkommener Meia- morpJiose. Die Haiiptcharaktere dieser iimfangreiclien, aber ziemlich scharf um- grenzten Insecteugruppe beruhen auf der Bildung der Flügel, von denen die vorderen als Flügeldecken [Elyfra] in ^^' ' der Ruhe die häutigen der Quere und Länge nach zusammengelegten Hinter- flügel bedecken und dem Hinterleibe horizontal aufliegen. (Fig. 598.) Letztere dienen ausschliesslich zum. Fluge, wäh- rend die Vorderflügel, zu Schutzwerk- zeugen umgebildet, in Form und Grösse gewöhnlich dem weichhäutigeu Rücken des Hinterleibes angepasst sind, von dem zuweilen das letzte Segment bei abgestutzten, oder auch mehrere Seg- meute {Staphylinen) bei abgekürzten Flügeln unbedeckt bleiben. Li der Regel schliessen in der Ruhe die geradlinigen Lmenränder beider Flügeldecken unter- halb des Schildchens dicht aneinander, während sich die Aussenränder um die Seiten des Hinterleibes »umschlagen. Zuweilen verwachsen die inneren Flügelränder untereinander, so dass das Flug- vermögen aufgehoben wird. Selten fehlen die Flügel vollständig. Der zuweilen freie, in der Regel aber in den frei beweglichen Prothorax eingesenkte Kopf trägt sehr mannigfach gestaltete, meist eilfgiiedrige Fühler, welche im männ- lichen Geschlechte eine ansehnliche Grösse und bedeutende Oberfläche besitzen. 1) W. E. Erich son, Zur systematischen Kenntuiss der Insectenlarven. Archiv für Naturgesch., Tom. VII, VIII und XIII. Th. Lacordaire, Genera des Coleopteres. Paris, 1854—1866. L. Redtenbacher, Fauna Austriaca, die Käfer. 3. Aufl. Wien. 1873. Gem- minger und Harold. Catalogus Coleopterorum etc. München. 1868. Kowalevski, 1. c. Entwicklungfsgeschichte des Hyd.rophilus etc. H'idrijpliilus pic (regne animal). c Puppe. Käfer, 7< Larve, Kiirpcrhau. Nervensystem. Geschleehtsorijaiie. Larven. (J17 Nebenaugen fehlen mit seltenen Ausnahmen. Die Facettenaiigen werden da- gegen nur bei einigen blinden Höhlenbewohnern vermisst. Die Mundtlieile sind beissend und kauend. Die Kiefertaster sind gewöhnlich viergliedrig, dieLippeu- taster dreigliedrig, bei den Raubkäfern erhalten jedoch auch die äusseren Kieferladen eine tasterartige Form und Gliederung. Die durch Reduction ihrer Theile vereinfachte Unterlippe verlängert sich selten zu einer getheilten Zunge. Der umfangreiche Prothorax [Halssc/uld) lenkt sich dem meist schwachen Mesothorax freibewegiich ein; an ihm sowohl wie an den übrigen Brustringen rücken die Pleurae auf die Sternalflächo. Die höchst verschieden gestalteten Beine enden am häufigsten mit füufgliedrigen, selten viergliedrigen Tarsen. Selten ist der Fuss aus einer geringeren Gliederzahl zusammengesetzt und ein- bis dreigliedrig. Der Hinterleib schliesst sich mit breiter Basis dem Metathorax an und besitzt stets eine grössere Zahl von Rückenschienen als Bauch- schienen, von denen einzelne mit einander verschmel- zen können. Die kleineren Endsegmente liegen meist eingezogen in den vorhergehenden verborgen. Das Nervensystem der Käfer weicht durch die grössere oder geringere Concentration des Bauch- markes nach mehreren Richtungen auseinander. Auf das untere Schlundgangliou folgen zwei oder drei Thoracalgangiien, in deren hinteren Abschnitt auch ein oder zwei abdominale Ganglien eingeschmolzen sind. Im Abdomen erhält sich meist eine Reihe von Ganglien (2 bis 7) gesondert (Fig. 96) ; doch können auch alle zu einer länglichen Masse verschmolzen oder in die Brustganglien eingezogen sein. Der lange gewundene Darmcanal erweitert sich bei den fleisch- fressenden Käfern zu einem Kaumagen, welchem der zottige Chylusdarm folgt. (Fig. 537.) Die Zahl der Malpighi'schen Gefässe beschränkt sich wie bei den Schmetterlingen auf vier oder sechs. Beim Weibchen vereinigen sich zahl- reiche Eiröhreu unter sehr verschiedener Anordnung, und am Ausführungs- apparat tritt oft eine Begattungstasche auf. Die Männchen besitzen einen um- fangreichen hornigen Penis, welcher während der Ruhe in den Hinterleib ein- gezogen ist und mittelst eines kräftigen Muskelapparates vorgestülpt wird. Männchen und Weibchen sind leicht durch die Form und Grösse der Fühler, sowie durch die Bildung der Tarsalglieder und durch besondere Verhältnisse der Grösse, Körperform und Färbung zu unterscheiden. Die Larven besitzen fast durchweg beissende Mundwerkzeuge, selten Saugzangen und ernähren sich, in der Regel verborgen und dem Lichte ent- zogen, unter den verschiedensten Bedingungen, meist in ähnlicher Weise wie die ausoebildeten Insecten. Dieselben sind entweder madeuförmig ohne Füsse, Larven mit den beiden Rilcken- i am fünften Abdoraiiialseg- mente (regne animal). 618 Oryptotctramera. Cryptopentanieia. Fig. 600. Fig. 601. aber mit deutlicli ausgebildetem Kopf (Curculiomden), oder besitzen ausser den drei Beinpaaren der Brust auch noch Stummel an den letzten Hinterleibs- ringen. Manche Larven, wie die der Cicindelen, haben einen eigenthümlichen Greifapparat zum Erfassen der Beute. (Fig. 599.) Anstatt der noch fehlenden Facetteuaugen treten Ocellen in verschiedener Zahl und Lage auf. Einige Käfer- larven leben wie die Larven von Dipteren und Hymenopteren parasitisch und nähren sich im Innern der Bienenwohnungen von Eiern und Honig {Mehe, Sifaris). (Fig. 603.) Die Puppen der Käfer, welche entweder aufgehängt und befestigt sind oder auf der Erde oder in Höhlungen liegen, lassen die Glied- massen frei hervorstehen. Fossile Coleopteren linden sich schon im Steinkohlengebirge, besonders zahlreich aber im Bernstein. 1. Tribus. Cryptoietramera = Pseudotrimera, Die Tarsen setzen sich aus vier Gliedern zusammen, von denen ein Glied rudimentär bleibt: sie wurden von Latreille für dreigliedrig gehalten. Farn. CoccinelUdae, Marienwünnchen. Coccinella septempnnctata L. Die Larven leben von Aphiden. Chilocorus bipustulahis L. Fam. Endomychidae, Pilzkäfer, Endomychus coccineus L., Lycoptrdina succiucta L. 2. Tribus. Cryptopeniamera = Pseudofetramera. An den fünfgliedrigen Tarsen ist ein Glied verkümmert und versteckt. Fam. Chrysomelidae, Blattkäfer. L>ie meist lebhaft gefärbten Käfer leben von Blättern. Ihre Larven sind von walziger, ge- drungener Körperform, sehr allgemein mit Warzen und dornigen Erhebungen besetzt und ///'UV inv< '-cv-v«* --==? -si* b'^sitzen stets wohlentwickelte Beine. Sie er- -i il l!/ DP-^ 'T^^* ^Ti^^ nähren .sich ebenfalls von Blättern, in deren ^ lU l ilriy// "N fl'lilft'IH ,r— ,?^ Parenchym einige (-ffis^^a) miniren. und haben zum Theil die Eigenthümlichkeit, ihre Exere- inente zur Verfertigung von Hüllen und Ge- häusen zu benützen, die sie mit sich umher- tragen {Clythra, Cryx>tocephahis) . Vor der Ver- puppung befestigen sie sich meist mit ihrem Hinterende an Blättern. CassidaeqtiestrisFsibr., Hispa atra L., Haltica ohracea Fabr., schäd- Larvevourc/(n-/- ^^*^^'' ^^^ Kohlblättern. Agelastica alni L.. Lina hyx hciox, nach popuU L., Chvysomela varians Fabr., Dory- Ratzeburg. phora decemlineata Laq., Coloradokäfer, au Kartoffeln. (Fig. 600.) Fam. Ceramlycidae, Bockkäfer (Longicornia). Einige [Lamia) erzeugen durch Eeiben des Kopfes am Prothorax ein eigenthümliches Geräusch. Die langgestreckten maden- förmigen Larven besitzen einen hornigen Kopf mit kräftigen Mandibeln, aber kleinen Fühlern und entbehren meist der Ocellen und Beine. (Fig. 601.) Sie leben im Holz, bohren Gänge in demselben und richten zuweilen starken Schaden an. Saperda carcharias L.. Lamia textor L., Äromia moschata L.. Moschusbock. Rosah'a alpina L., Ceramhyx htros Scop., C. cerdo Fabr., Frionus coriarius Fabr. Fam. Bostrychidae, Borkenkäfer. Von geringer Grösse und walziger Körperform. Die Larven sind gedrungen walzig, ohne Beine, mit stellvertretenden behaarten Wülsten, Donjphora decemlineata nach Ger staecker. a Käfer, h Puppe c Larve. Heteromera. 2.. P. iviEVv-'^ Lr 619 Fio-. 602. a Bostrijchus tij2>'J'J''"I'^""''i '^ Stammab- schuitt einer Fichte mit Bohrgängen von Bostrijchus typogmphus, nach Altum. denen der Curculioniden ähnlich. Küfer und Larven bohren Gänge im Holz, von dem sie sich ernähren. Sie leben stets gesellig und gehören zu den gefürehtetsten Verwüstern der Nadelholzwaldungeu. Sehr eigenthümlich ist der für die einzelnen Arten charakte- ristische und die Lebensweise bezeichnende Frass in der Fände. Beide Geschlechter be- gegnen sich in den oberflächlichen Gängen, welche das Weibchen nach der Begattung fortführt und verlängert, um in denselben die Eier in besonderen ausgenagten Grübchen abzulegen. Die aus- schlüpfenden Larven fressen sich dann seitliche Gänge aus. die mit der wachsenden Grösse der Larve und der weiteren Entfernung vom Hauptgang breiter werden und der Lmenseite der Rinde die charakteristische Sculptur verleihen. Bostrijchus chalcographns L., B. tyioo- graphus L., unter der Kinde von Fichten. (Fig. G02.) B. slenographus Duft. Fam. Curculionidae , Rüsselkäfer. Vorderkopf rüsselförmig verlängert. Die Larven sind walzenförmig, ohne oder mit sehr rudimentären Beinen und Ocellen und nähren sich fast ausnahmslos phytophag, und zwar unter den verschiedensten Verhältnissen, die einen im Innern von Knospen und Früchten, die anderen unter der Rinde oder auf Blättern oder im Holze. Calandra granaria L., in Getreide, als schwarzer Kornwurm be- kannt. Balaninus nucum L. , Hijlobms alietis Fabr., Apionfrumentarium'L. Hier schliesst sich an: Bruchus jjisi K. * 3. Tribus. Heteromera. Die Fasse der beiden vorderen Beinpaare sind aus fünf, des hinteren aus vier Tarsalgliedern gebildet. Fam. Oedemeridae. Oedemera virescens L. Fam. Meloidae [Cantharidae). Werden wegen der blasen- ziehenden Eigenschaft ihrer Säfte zur Bereitung von Vesicantien benutzt. Die Larven leben theils parasitisch an Insecten, theils frei unter Baumrinde und durchlaufen theilweise eine complicirte, von Fahre als Hypermetamorphose bezeichnete Verwandlung, indem sie zuerst drei Beinpaare besitzen, dieselben dann in späteren Stadien verlieren und eine walzige Körperform erhalten. (Fig. 562.) Meloe L. Die Käfer leben im Grase und lassen bei der Berührung eine scharfe Flüssigkeit zwischen den Gelenken der Beine austreten. Die ausgeschlüpften Larven kriechen an Pflanzenstengeln empor, dringen in die Blüthen von Asclepiadeen. Primulaceen etc. ein und klammern sich an den Leib von Bienen fest {Pediculus melittae Kirby), um auf diesem in das Bienennest getragen zu werden, in welchein sie sich vorwiegend von Honig ernähren. M. 2i'>'oscarabaeus L., M. violaceus Marsh. (Fig. 603 «), L}ji(a (Cantharis Geofifr.) vesicatovia L., spanische Fliege. Sitaris humeraUs Fabr., Südeuropa. (Fig. 603 i.) Fam. Rhipiphoridae. Die Larven leben in Wespennestern (Metoecus) oder im Hiuter- leibe von Schaben {Rhipidius). Rhipnphorus bimaculatus Fabr., Metoecus Gerst., Rhipidiiis hlattartim Sundv. Fam. Cistelidae. Cistela fulvipes Fabr., C. miirina L. Fam. Tentfjrionidae. Tenehvio molitor L., Larve als Mehlwurm bekannt. BJaj)s mor- tisaga L. a Mcloe violaceus, h Sitaris humeraUs (rfegne animal). 620 4. Tribus. Fmtamera. Mit vorherrschend fünfgliedrigen Tarsen . Fam. Xylophaga. Füsse zuweilen nocli viergliodrig. Die Larven ernähren sich theils von todten thierischen Stoffen, theils bohren sie im Holze cylindrische horizontale Gänge und sind sowohl hölzernen Geräthschaften und Baumaterial, als lebenden Gehölzen ver- derblich. Lymexylon navale L., auf Schilfswerften im Eichenholz Anohiuvi pertinax L.. Todtenuhr, erzeugt im Holz ein tickendes Geräusch. Ptinus für L., Pl. rtifipes Fabr. Fam. Cleridae. Die bunt gefärbten Larven leben unter der Rinde grösstentheils von anderen Insecten. Citrus formicarius L.. Trichocles apiarius L. Die Larve schmarotzt in Bienenstöcken. Fam. Malacodermata. Käfer mit weicher, lederartiger Haut. Malachius aeneus Fabr., Cantharis [Telephorus) violacea Paj'k., C.fuscaL., Lampyris Geoffr.. Johanniswurm. Weib- chen ungeflügelt oder nur mit zwei kleinen Schup^jen. Im Hinterleibe finden sich Leucht- organe. L. Noctiliica L. (Fig. 604), L. splendidula L. Weibchen mit zwei kleinen Schuppen anstatt der Flügeldecken. Fam. Elaferidae, Schnell- oder Springkäfer. Der langgestreckte Leib zeichnet sich durch die sehr freie Gelenkverbindung zwischen Pro- und Mesothorax. sowie durch den Besitz eines Stachels am Prothorax aus. welcher in eine Grube der Mittelbrust passt. Beide Einrichtungen befähigen den auf dem Piücken liegenden Käfer zum Eraporsrhnellen. Die Larven leben unter Baum- 605. /, Fig. 604. Fig. Lampyns noctUnca (regne auima eben. 6 Weibclien. L.irve rulfjaris lach Ra t Ze- bu rg. rinde vom Holze, theilweise aber auch in den Wurzeln des Ge- treides und derPbüben und können sehr schädlich werden. AgHotes Uneatus L., Lacon murinus L., Elater sanguineus L., Pyrophortis noctilucns L., auf Cuba, mit blasig aufgetriebener leuchtender Vor- derbrust. Fam. Buprestidae, Pracht- käfer. Körper langgestreckt, nach hinten zugespitzt, oft lebhaft ge- färbt und metallisch glänzend. Die langgestreckten wurmförmigen Larven entbehren der Ocellen und in der Eegel auch der Beine und besitzen eine sehr verbreiterte Vorderbrust. Sie leben ähnlich wie die Cerambycidenlarven, denen sie überhaupt gleichen, im Holze und bohren flache ellipsoidische Gänge. Trachys viinufa L., Agrilus hignttatus Fabr.. Bnprestis ritstica Fabr., B. flavomaculata Fabr. Fam. LameUicornia, Blatthornkäfer. Die Fühlerhürner sind sieben- bis eilfgliedrig, mit grossem Basalgliede und fächerförmig verbreiterten (drei bis sieben) Endgliedern. (Fig. 527 i.) Bei vielen sind die Vorderbeine zum Graben eingerichtet. Die weichhäutigen Larven mit hornigem Kopfe und gekrümmtem Bauche, mit mittellangeu Beinen und sack- förmig erweitertem Hinterleibsende, nähren sich theils von Blättern und Wurzeln, theils von putrescirenden pflanzlichen und animalen Substanzen und verpuppen sich nach zwei- bis dreijähriger Lebensdauer in einem Cocon unter der Erde. Lucanus cervus L., Hirsch- käfer, Schröter. Larve im Mulm alter Eichen. Der Käfer nährt sich von dem ausfliessenden Saft der Eiche. Dorcus paralhlipijiedus L., Copris lunaris L., Äteuckus sacer L., Pillen- dreher. Äphodius sublerraneus Fabr., Geotrtipes vernalis L., Cr. stercorarius L. Lethrus cephalotes Fabr., den jungen Trieben des Weinstockes schädlich. Bldzotrogus solstüiaUs L.. Polyphylla ftdlo L., Melolontha vulgaris Fabr., Maikäfer. Die Larve, als Engerling bekannt (Fig. 605), nährt sich in der ersten Jugend gesellig lebend von modernden Pflanzenstoflfen. später (im zweiten und dritten Jahre) von Wurzeln, durch deren Zerstörung sie grossen Schaden anrichtet. Gegen Ende des vierten Sommers entwickelt sich meist der Käfer 11. Onliuuig. Strcpsiptera. 621 aus der in einer glatten runden Höhle liegenden Puppe, verharrt aber bis zum nächsten Frühjahre in der Erde. M. hippocastani Fabr., Cttonia aurata L. Orijdes nasicornis L., Nashornküfer. Dynastes Hercules L. Farn. JDermestidae, Speckkäfer. Die Larven mit langer Haarbekleidung. Attagenus pellio L., Pelzkäfer. Dermestes lardavius L., Speckkäfer. Anthvenus museorum L. Farn. Histeridae, Stutzkäfer. Hister maculatus L., Ontophibcs striatus Fabr. Fain. SilpMdae, Aaskäfer. Käfer und Larven leben von faulenden thierischen und wohl auch vegetabilischen Stoffen und legen an denselben ihre Eier ab, einige fallen selbst lebende Lisecten und Larven an. Angegriffen, vertheidigen sich viele durch den Auswurf eines stinkenden Analsecretes. Silpka thoracica Fabr., S. obscura Fabr., *S'. atrata Fabr., Necrophorus vespillö Fabr., N. germanicus Fabr., Todtengräber. Fam. Fselaplddae. Leben im Dunkeln unter Steinen und in Ameisencolonien. Psela- pliKs Heisei Herbst. Claviger testaceiis Pr. •Fam. Staphylinidae, Kurzdecküügler. Mit sehr kurzen Flügeldecken. Myrmednnia canalicu/ata Fabr. Leben unter Ameisen. Staphylijius maxillosus L., Omalium rivulare Payk. Fam. Hydropliilidae {Palpicornia). Schwimmkäfer mit kurzen keulenförmigen Fühlern und laugen Maxillartaster», welche oft die Fühler überragen. Nähren sich von Pflanzen. Bydrophilus piceus L. (Fig. 598), Hydrous caraboides L., Hydrobius fuscipes L. Fam. Dytiscidae, Schwimmkäfer. Mit fadenförmigen zehn- oder eilfgliedrigen Fühlern und breiten, mit Borsten besetzten Schwimmbeinen, von denen besonders die weit zurück- stehenden Hinterbeine durch den dichten Besitz von Schwiramhaaren zum Eudern tauglich werden. Nähren sich vom Eaube. Colymbeies fuscus L., Dytiscus marginalis Sturm. Acilius sulcatus L. Fam. Caralidae, Laufkäfer. Mit eilfgliedrigen fadenförmigen Fühlern, kräftigen, zangenfürmigen Mandibeln und Laufbeinen. Die langgestreckten Larven besitzen vier- gliedrige Fühler, vier bis fünf Ocellen jederseits, sichelförmig vorstehende Fresszangen und ziemlich lange füufgliedrige Beine. Harpalus aeneiis Fabr., Brachinus crepitans K., Bombardirkäfer. Zabrus gibbus Fahr. Carabus auratus L., Prccrustes coriaceus L., Calosoma sycophanta L.. Puppenräuber. Fam. Cicindelidae. Mandibeln mit drei Zähnen. Die Larven graben Gänge unter der Erde, besitzen einen breiten Kopf, sehr grosse, sichelförmig gekrümmte Kiefer und tragen am Eücken des achten Leibessegmentes zwei Hornhaken zum Festhalten in dem Gange, an dessen Müudung sie auf Beute lauern. Cicindela campestris L. (Fig. 599.) 11. Ordnung. Strepsiptera *), Fächerflttgler. Insecten mit stummel förmigen, an der Spitze aufgerollten Vorderflügeln, grossen, der Länge nach faltbaren Hinterflügeln, rudimentären Mundioerk- zeugen, im loeihlichen Geschlecht ohne Flügel und Beine, als Larven im Leihe von Hymenopteren schmarotzend. Die Miindtheile sind im geschlechtsreifen Alter verkümmert und bestehen aus zwei spitzen, übereinander greifenden Mandibeln und kleinen, mit der Unterlippe verschmolzenen Maxillen nebst zweigliedrigen Tastern. Vorderbrust und Mittelbrust bleiben sehr kurze Ringe, dagegen verlängert sich der Meta- thorax zu einer ungewöhnlichen Ausdehnung und überdeckt die Basis des neun- *) W. Kirby, Strepsiptera, a new order of Insects. Transact. Linn. Soc, Tom. X. v. Siebold, Ueber Xenos sphecidarum und dessen Schmarotzer. Beiträge zur Naturge- schichte der wirbellosen Thiere, 1839. Derselbe, Ueber Strepsiptera. Archiv für Naturgcsch., Tom. IX, 1843. Curtis, British Entomology. London, 1849. 622 12. Ordnung. Hymenoiitera. Fig. 606. gliedrigeu Hinterleibes. Die Männchen besitzen kleine aufgerollte Flügeldecken und sehr grosse, der Länge nach fächerartig faltbare Hinterflügel. (Fig. 606.) Die augeulosen Weibchen dagegen bleiben zeitlebens ohne Flügel und Beine, einer Made ähnlich, und verlassen weder ihre Puppenhülle, noch ihren para- sitischen Aufenthaltsort im Hinterleibe von Wespen und Hummeln, aus dem sie nur ihren Yorderkörper hervorstrecken. Die Männchen sollen mittelst ihres Copulationsorgans die anfangs geschlossene Eückenröhre des Weibchens bei der Begattung öffnen. Die Eierstöcke entbehren des Eileiters und verharren, wie es scheint, auf einem früheren Entwicklungsstadium, indem sie wahrschein- lich ähnlich wie die der viviparen Ceci- domyialarven die Eier erzeugen. Diese fallen frei in die Leibeshöhle, werden be- fruchtet und entwickeln sich (möglicher- weise aber auch zum Theil parthenogene- tisch) zu Larven, welche durch den er- Avähnten Kückeucanal ihren Weg nach aussen nehmen und auf Bienen- und Wes- penlarven gelangen. (Fig. 606«.) In diesem Zustande sind sie sehr beweglich und be- sitzen wie die jungen Cantharidenlarven drei wohl entwickelte Beinpaare, sowie zwei Schwanzborsten am Hinterleibe und bohren sich in den Leib der neuen Träger ein. Etwa acht Tage später verwandeln sie sich dann unter Abstreifung der Haut in eine fusslose Made von walziger Form, welche erst in der Hymenopterenpuppe zur Puppe wird und sich als solche aus dem Hinterleibe jener mit dem Kopfe hervorbohrt. Die Männchen verlassen die Puppenhülle, suchen die Weibchen auf und scheinen nur eine kurze Lebensdauer zu haben. Farn. Stylopidae. Xenos Eossii Kirb. (X. vesparum Ross.) schmarotzt in Polistes gallica. Stylops melittae Kirb. Sti/lops ChiliU-enl, nach Kirb y. a Larve, h AVeib clieu, c Männchen. 12. Ordnung. Hymeuoptera ')? Hautflügler. Insecten mit beissenden und leckenden 3Iimdwerkzeugen, mit verwach- senem Prothor ax^ mit vier häutigen, nur xcenig geäderten Flügeln und voll- kommener Metamorphose. Larven onadenförmig. ') L. Jurine, Nouvelle methode de classer les Hymenopteres et les Dipteres. Tom. I, Hymenopteres. Geneve, 1807. C. Gravenhorst, Ichneumologia Europaea. Vratislaviae, 1829. J. Th. C. Ratzeburg, Die lehneumonen der Forstiusecten. 3 Bde. Berlin, 1844 — 1852. G. D a h 1 b o li m, Hymenoptera Europaea, praecipue borealia. Lund, 1845. V. Siebold, Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden. Leipzig, 1871. P. Breit- haupt.Ueber die Anatomie und die Functionen der Bienenzunge. Archiv für Naturgesch., 52. Jahrg. 1886. Ki'iiperbau. Legestacliel. (üftstacliel. (J23 Der Körper bat in der Regel eine langgestreckte Form und besitzt einen frei bewegiicben Kopf mit grossen, im männlicben (jescblecbte fast zusammeu- stosseudeu Netzaugeu und drei Ocellen. (Fig. GOT.) Die Fübler lassen gewöbu- licb ein grosses Basalglied (Scbaft) und eilf bis zwölf kürzere Glieder (Geisse!) unterscheiden, oder sind ungebrochen und bestehen dann aus einer grösseren Gliederzahl. Die Mundwerkzeuge sind beissend und leckend, Oberlippe und Mandibeln wie bei Käfern und Orthopteren gebildet, die Maxillen und Unter- lippe dagegen verlängert, zum Lecken eingerichtet, in der Ruhe häufig knie- förmig umgelegt. (Fig. 529.) Beiden Bienen kann die Zunge durch bedeutende Streckung die Form eines Rüssels annehmen ; in diesen Fällen verlängern sich auch die Kieferladen in ähnlicher Ausdehnung und bilden eine Art Scheide in der Umgebung der Zunge. Die Kiefertaster sind meist sechsgliedrig, die Labial- taster dagegen nur viergliedrig, können sich aber auch auf eine geringere Gliederzahl reducireu. Der Prothorax tritt in eine feste Verbindung mit den nachfolgenden Brustringeu, indem wenigstens das Pronotum mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen mit dem Mesouotum verschmilzt, während das rudimentäre Prosternum frei beweglich bleibt. Am Mesothorax finden sich über der Basis der Vorderflügel zwei kleine bewegliche Deckschuppen (Tegulae), Fig. 607. C Apis mtlUüca. a Königin, 1> Arbeiterin, c Drohne. und hinter dem Scutellum bildet sich der vordere Theil des Metanotum zu dem Hinterschildchen (Postscutellum) aus. Auch das erste Abdominalsegment wird in die Bildung des Thorax mit eingezogen, so dass die erste Bauchschiene fehlt. Beide Flügelpaare sind häutig, durchsichtig und von wenigen Adern durchsetzt, die vorderen beträchtlich grösser als die hinteren, von deren Aussen- rand kleine übergreifende Häkchen entspringen, welche sich an dem unteren Rande der Vorderflügel befestigen und die Verbindung beider Flügelpaare herstellen. Zuweilen fehlen dieselben einem der beiden Geschlechter oder bei manchen gesellig lebenden Hymenopteren den Arbeitern. Die Beine besitzen fünfgliedrige, meist verbreiterte Tarsen mit langem ersten Tarsalgiiede. Selten schliesst sich der Hinterleib nahezu in seiner ganzen Breite dem Thorax an (sitzend), in der Regel verengert sich das erste oder die beiden ersten Seg- mente des Abdomens zu einem dünnen, die Befestigung mit dem Thorax ver- mittelnden Stiele (gestielt). Im weiblichen Geschlechte endet der Hinterleib mit einem in der Regel eingezogenen Legestachel (Terehra) oder Giftstachel {Aculeus). Dieser entwickelt sich aus sechs Wärzchen, von denen vier der Bauchseite des vorletzten, zwei der des drittletzten Segmentes angehören. Der 624 Hymenoptora. Nervensystem. Geschlechtsorgane. Larven. Stachel (Fig. 608) besteht aus der Stachelrinne, zwei Stechborsten und zwei Stachelscheiden (nebst oblongen Platten) und liegt im Ruhezustand eingezogen, Erstere, mit ihrer Rinne nach unten gewendet, entsteht aus dem inneren AVarzen- paar des vorletzten Segmentes, während die Stechborsten, welche an den Rändern der Stachelrinne laufen, dem Zapfenpaare des drittletzten Segmentes entsprechen, üebrigens nehmen auch die Segmente selbst insofern an der Stachelbildung Autheil, als sie kräf- "■ ■ tige Stützplatten des Stachels (die quadratische Platte und Winkel) liefern. Das Nervens3'stem besteht aus einem umfangreichen, complicirt gebauten Gehirn, dem unteren Schlundganglion, zwei Brustknoten (da die Ganglien- des Meso- und Metathoraxmit den vorderen Bauch- ganglien verschmolzen sind) und fünf bis sechs Ganglien des Hinter- leibes, Der Darm erreicht häufig eine bedeutende Länge, namentlich bei denjenigen Hautflüglern, welche sich bei einer längereu Lebens^ dauer um die Pflege und Ernäh- rung der Brut kümmern. Umfang- reiche Speicheldrüsen sind vorhan- Stachelapparat der Honigbiene vcu der Rückenseite, nach Kraepelin. GD Giftdrüse, ai, Giftblase, J9 Schienen- deU. (Fig. 536.) Mclst eiWeitort slch drüse, Str Schienenrinne mit den Stechborsteu, Ba bulböse der CngeOeSOphagUS ZU eluemSaUg- Basis der ersteren, B Bogen derselben, TT' Winkel, .S7j o jt o o Stachelscheide, o oblonge Platte, , h c n Larve der Hummel im Stadium der Verpuppung, h PaeuAoniimplie (Sc inipi(.pa) , c Puppe. N.icli P a c k a r d . a Tenthredo (AthnHo) .ijnyHiyKm (aus Xörd- linger), Imago, h Larye von AthaHa. ihre Eier in dasselbe. Die ausschlüpfenden Larven bohren sich im Holze weiter und haben eine beträchtliche Lebensdauer. Sirex gigas L., Riesenholzwespe. 2. Tribus. GaUicola. Hinterleib gestielt. Larven fusslos und afterlos, meist in Pflanzenzellen lebend. Fam. Cynipidae, Gallwespen. Thorax buckeiförmig erhoben. Hinterleib meist kurz, seitlich comprimirt. Der an der Bauchseite desselben entspringende Legebohrer ist in der Regel eingezogen. Die Weibchen bohren Pflanzentheile an und veranlassen durch den Reiz einer ausfliessenden scharfen Flüssigkeit unter abnormem Zufluss von Pflanzensäften die Entstehung der als Gallen bekannten Auswüchse, in denen entweder eine oder zahlreiche fusslose Larven ihre Nahrung finden. Wegen des Gehaltes an Gerbsäure finden gewisse Gallen eine officinelleVerwendung, namentlich die kleinasiatischen (Aleppo) Eichengallen. Von manchen Arten sind bis jetzt nur Weibchen bekannt, deren Eier sich parthenogenetisch entwickeln. Manche Larven leben indessen auch in Dip- teren und Blattläusen parasitisch. Cynips quercus folii L. Bhodite.i ronae L. , erzeugt den Bedeguar der Rosen. (Fig. 613.) Figites scutdlaris Latr.. Parasit der Sarco- phagamade. ''*'""^'""^ 3. Tribus. Entomophaga. Hinterleib gestielt. Weibchen mit frei vorstehendem Legestachel. Larven fusslos nnd ohne After, meist in Larven anderer Insecten schmarotzend. Fam. Pterovialidae. Die Larven schmarotzen in allen möglichen Insectenlarven, häufig auch in Parasiten, und durchlaufen eine complicirte, durch die Aufeinanderfolge sehr verschiedener Stadien höchst merkwürdige Metamorphose. (Fig. 564.) Pteromahis piqmrum L., Teleas clavicornis Latr., Platygaster Latr. (Fig. 564a—/.) Fam. Braconidae. Verfolgen vornehmlich Raupen, sowie die im absterbenden Holze lebenden Käferlarven. Mkrogaster ginmmeratns L. , in Raupen. Bracon im2yostor Scop., Br. palpthrator Ratzbg. Fam. Jchneumonidae. Ichneumon incuhüor L., I. {Tragus) lutorius Ratzbg.. Pimplu (EphialtesJ manifestator L. (Fig. 614), OpJdon luteus L. Fam. Evaniadae. Evania oppendigaater L., Foenns jacidator L. 62^ Fi>r. 614, 2. Unterorduiing. Aculeata. Mit zurückzielibarem durchbohrten Gift- stachel und mit Giftdrüse im weiblichen Geschlechte. Der Hinterleib stets gestielt, die Fühler der Männchen meist dreizehngliedrig, der Weibchen zwölf- gliedrig. Die Larven fusslos und ohne Afteröffnung. Farn. Fornticidac*). Ameisen. (Fig. G15.) Loben gemeinsam in Gesellschaften, welche n^ben den geflügelten Männchen und Weibchen kleine ungeflügelte Arbeiter mit stärkerem Prothorax in Ueberzahl enthalten. Nach der Grösse des Kopfes und der Kiefer zerfallen die letzteren zuweilen wieder in zwei Formenreihen, in Soldaten und eigentliche Arbeiter. Wie die Weibchen sind auch die Arbeiter als verkümmerte Weibchen mit einer Giftdrüse versehen, deren saures Secret (Ameisensäure) sie entweder mit Hilfe des Giftstachels ent- leeren oder beim Mangel des letzteren in die von den Mandibeln gemachte Wunde einspritzen. Die Bauten der Ameisen bestehen aus Gängen und Höhlungen, welche in morschen Bäumen, in der Erde oder in hügelartig aufgetragenen Haufen angelegt sind. Wintervorräthe werden in diese Bäume nicht eingetragen, da die Arbeiterameisen, die mit den Königinnen allein in der Tiefe ihrer Wohnungen überwintem, in eine Art Winterschlaf verfallen. Im Frühjahre finden sich neben den Arbeitern Königinnen, aus deren Eiern Larven her- vorgehen, welche von den Arbeitern sorgfältig gepflegt, ge- füttert und vertheidigt werden. Dieselben verwandeln sich in eiförmigen Cocons zu Puppen (Ameiseneiern) und entwickeln sich theils zu Arbeitern, theils zu den geflügelten Geschlechts- thieren, die bei uns früher oder später im Laufe des Sommers erscheinen und sich im Fluge begatten. Nach der Begattung gehen die Männchen zu Grunde, die Weibchen aber verlieren die Flügel und werden von den Arbeitern in die Bauten zur Eierablage zurückgetragen oder gründen auch mit einem Theile der Arbeiter neue Gesellschaften. In den Tropengegenden unter- nehmen die Ameisen in ungeheuren Schaaren gemeinsame Wanderungen und können zu einer wahren Plage werden, wenn sie, in die Häuser eindringend, alles Essbare zerstören. Beson- ders schädlich sind manche Formen {Oecodoma- Arten) dadurch, dass sie junge Bäume und Pflanzen entlauben. Nützlich aber erweisen sich einige Formen sowohl durch die Kämpfe mit den Termiten, als durch Zerstörung anderer schädlicher Insecten, wie Blattiden, selbst in den Wohnungen des Menschen. Viele Arten, insbesondere der Gattung Eciton, sind Eaubameisen und überfallen andere Ameisencolonien. Gewisse Arten sollen sieh in Kämpfe mit fremden Ameisenstaaten einlassen, deren Brut rauben und zur Dienstleistung in ihren eigenen Bauten erziehen (Amazonenstaaten, F. rufa, rvfescens). Unbestreitbar ist die relativ hohe Lebeusstufe, über welche die eingehenden Beobachtungen P. Huber's manchen Auf- schluss gegeben haben. Die Ameisen halten sich Blattläuse gewissermassen als zu melkende Kühe, tragen Vorräthe in ihre Wohnungen, ziehen in geordneten Colonnen in den Kampf aus und opfern ihr Leben todesmuthig für die Gesammtheit. Im Contraste zu den Raub- zügen der Sclavenstaaten stehen die freundschaftlichen Beziehungen der Ameisen zu anderen Insecten, welche als Myrmecophilen in den Ameisenbauten sich aufhalten (Larven Pimpla manifestator (rigne animal). *) P. Hub er, Piechcrchcs sur les moeurs de Fourmis indigenes. Geneve, 1810. Latreille, Histoire naturelle des Fourmis. Paris, 1802. A. Forel, Les Fourmis de la Suisse. Zürich, 1874. 40* 628 Fig. 615. von Cetonia, Myrmecophila etc.). Formica herculanea L. (Fig. 615), F. rvfa L.. Myrmica rubra L. Mit Giftstachel. Eciton Latr. Fam. Chrysididae, Goldwespen. Die Weibchen legen ihre Eier in die Nester anderer Hymenopteren, namentlich von Grabwespen, mit denen sie bei dieser Gelegenheit Kämpfe zu bestehen haben. Chrysis ignita L. Fam. Heterogyna {Mutillidae, Scoliadae). Männchen und Weibchen in Form. Grus.se und Fühlerbau sehr verschieden. Die Weibchen, mit verkürzten Flügeln oder flügellos, leben solitär und legen ihre Eier an anderen Insecten oder in Bienennestern ab, ohne sich um die Ernährung und Pflege der Brut zu kümmern. Mutilla europaea L. Scolia hortovum Fabr. Die Larve lebt an der des Nashornkäfers parasitisch. Fam. Fossoria^), Grabwespen. Solitär lebende Hymenopteren mit un- gebrochenen Fühlern und verlängerten Beinen, deren Schienen mit langen Dornen und Stacheln bewaffnet sind. Die W^eibchen. von Honig und Pollen lebend, graben Gänge und Bohren meist im Sande und in der Erde, je- doch auch in trockenem Holze, und legen am Ende derselben ihre Brut- zellen an, welche je mit einem Ei und thierischem Nahrungsmaterial für die ausschlüpfende Larve besetzt werden. Einige (Bemlex) tragen den in offenen Zellen heranwachsenden Larven täglich frisches Futter zu, andere haben in der geschlossenen Zelle so viele Insecten angehäuft, als die Larve zur Entwicklung braucht. Im letzteren Falle sind die herbeigetragenen Insecten nicht vollends getödtet, sondern blos durch einen Stich in das Bauchmark gelähmt. Meist erbeuten die einzelnen Arten ganz bestimmte In- secten (Ptaupen, Curculioniden, Buprestiden, Acridier etc.), die sie in höchst überraschender Weise bewältigen und lähmen. Cerceris hupresticida geht z. B. auf Raub von Bupreslis aus, während C. Dufourü den Cleonus ophtlial- micus wählt. Die Grabwespe ergreift den Kopf des Käfers mit den Mandibeln und senkt den Giftstachel zwischen die Einlenkungsstelle des Prothorax in die Ganglien der Brust ein. Sphex fiavipennis, welche dreizellige Räume am Ende eines 2 — 3 Zoll langen horizontalen Ganges anlegt, geht auf Raub von Grjilen, Sphex albisecta, auf Erbeutung von Oedipoda-XxiQii aus. Avi- mophila holosericea versorgt jede ihrer Brutzelleu mit vier bis fünf Raupen, Ä. sahulosa und argentata nur mit einer sehr grossen Raupe, welche durch einen Stich in ein mittleres fussloses Körpersegment gelähmt worden ist. Pompilus viaticus L., Cerceris arenaria L. (Fig. 616.) Ammopldla sahulosa L., Crabro cribrarius L. >S2>Äex Fabr. Formica (Campoii ot its) herciilanea. a Weibchen, ?< Miinnchen, r Arbeiterin, r? Larve von Formica rufa, c Puppe mit Gehäuse, sogenanntes Ameisenei, /, r/ Puppe aus dem Gehäuse befreit. Fig. 61G. Cerceris arenaria (regne animal). *) Fahre, Observation sur les moeurs des Cerceris, sowie Etudes sur Tinstinct et les mötamorphoses des Sphegiens. Ann. des sc. nat., IVe ser., Tom. IV und VI. Vosi)idae. Apidae. 629 Fair). Vcs2ndjoesophag<'aIen Ganglien fjruppen. *) G. Cuvier, Memoires pour servir ä l'histoire et ä l'anatomie des Mollusi|ues. Paris, 1817. R. Leuckart, Ueber die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen Thiere. Braunschweig, 1848. T. H. Huxley, On the Morphology of the cephalous Mollusca as illustrated by the Anatomy of certain Heterupoda and Pteropoda etc. Philos. Transactions, 1853. Ö32 -Mollusca. Fuss. Seit Lamarck und Ciivier begreift man unter Mollusken eine Eeihe verschiedener Thiergruppen, welche von Linne zu den Würmern gestellt waren. Seitdem in neuerer Zeit die Organisation und Entwicklung näher erforscht worden ist, hat sich für dieselben auch in der That eine Beziehung zu den Würmern erwiesen. Trotzdem ist der Kreis der Mollusken enger zu fassen, als dies nach dem Vorgang jener Forscher lange Zeit geschah. Die zweischaligen Brachiopoden, welche nach Bau und Entwicklung in engerer Verwandtschaft zu den Bryozoen stehen, dürften mit diesen als MoUuscoideen aus dem Gebiete der Weichthiere auszuscheiden sein, während die sogenannten Mantelthiere oder Tum'caten als selbstständiger Kreis den Vertebraten nahe- zustellen, beziehungsweise in engerem Verbände ( Chordoma) anzuschliessen sind. Der Körper der Mollusken ist ungegliedert, ohne Metamereubildung und ohne gegliederte Extremitäten. Von einer weichen, schleimigen Haut bedeckt, entbehrt derselbe sowohl eines inneren als äusseren Bewegungsskelets und Aeltere Larve eines Gastropoden, uacli Gegeubaur. .S' Schale, P Fuss, Vel Velum, TTentakeln, Op Deckel zum Larve vou Verimtun, nach Lacaz e - D u thi er s. Verschluss der Schalenöffuung. S Segel, Br Kieme, F Fühler, Oc AugL^u, PFiiss. erscheint daher besonders für den Aufenthalt im Wasser geeignet. Nur zum kleineren Theile sind die Weichthiere Landbewohner und in diesem Falle stets von beschränkter langsamer Locomotion, während die im Wasser lebenden Formen unter den weit günstigeren Bewegungsbedingungen dieses Mediums sogar zu einer raschen Schwimmbewegung befähigt sein können. Eine grosse Bedeutung für die freie Bewegung besitzt der Hautmuskel- schlauch vornehmlich an seiner unteren, der Bauchfläche entsprechenden Seite, an welcher sich derselbe zu einem mehr oder minder vortretenden, überaus ver- schieden geformten Bewegungsorgaue, dem Fu.ss, ausbildet. (Fig. 619 und 620.) An demselben ist stets ein unpaarer, häufig selbst wieder in mehrere Theile gespaltener Abschnitt (Protopodinm) zu unterscheiden, an welchem sich noch paarige Theile (Epipodium) ausbilden können. Oberhalb des Fiisses erhebt sich am Eumpfe sehr allgemein eine schildförmige A^erdickung der Haut, der sogenannte Mantel, dessen Ränder bei vorgeschrittener Ausbildung als Dupli- caturen der Haut den Körper überwachsen und theilweise bedecken. Die Ober- fläche dieser Hautduplicatur erzeugt durch Absonderung von kalkhaltigen und Kopf. Kuiniif. 633 ItigraeDtreicheii.Secreten die mannigfach geformten und gefärbten Schalen, welche als schützende Gehäuse den weichen Körper in sich aufnehmen. Bei den höheren, kopftragenden Weichthieren {Ccphalophoren) setzt sich der vordere Theil des Körpers mit dem häufig von sogenannten Mundsegeln umgebenen Eingänge in den Verdauuugstract, den Centraltheilen des Nerven- systems und den Sinnesorganen mehr oder minder scharf als Kopf ab. Der nachfolgende, die Hauptmasse des Leibes bildende Rumpf erleidet in seinem die Eingeweide umschliessenden dorsalen Abschnitt sehr häufig ( Gasfropoden) eine spiralige Drehung, durch welche die seitliche Symmetrie schon äusserlich eiuQ merkliche Störung erfährt, kann aber auch eine abgeflachte oder cylin- drische Form mit äusserer Symmetrie besitzen. In der Classe der Gastropoden Fi- 621. Männchen von Carinaria mcditen-ain-a, nach Gegenbaur. /' Fuas, .S' Saugnapf, O Mund, /J»!. Biiccalmasse, M Magen, Sp Speicheldrüsen, L Leber, A After, CG Cerebralganglion, Te Tentakeln, Oc Augen, Ot Gehör- blasen, BG Buccalganglion, Pg Pedalganglion, Mg Mantelgauglion, N Niere, Br Kiemen, At Atrium, Ve Ven- trikel, Ar Körperarterie, Z hinterer Ast derselben, T Hoden, Yd deferens, Wp Wimperrinne, Fe Penis F Flagellum mit Drüse. entspringen am Kopfe Fühler und Mundlappen, der bauchständige Fuss ent- wickelt sich in der Regel zu einer umfangreichen Sohle, seltener zu einem sagittal gestellten Segel (Heteropoden). (Fig. 621.) Das den Rumpf umschlies- sende Gehäuse erscheint in dieser Hauptgruppe einfach tellerförmig oder spiralig gewunden oder bleibt als ein mehr flaches Schalenrudiment unter der Rückenhaut verborgen. In einer Classe der kopftragenden Mollusken, bei den Cephalopoden, heftet sich am Kopfe in der Umgebung der Mundöff'nung ein Kreis von Armen an, welche sowohl zur Schwimm- und Kriechbewegung, als zum Ergreifen der Nahrung verwendet werden. Dieselben werden am besten mit R. Leuckart als besondere Anhänge des Kopfes zu betrachten sein. Ein trichterförmig durchbrochener Zapfen, welcher die Auswurfsstoflfe und das Athemwasser aus der geräumigen Mantelhöhle ausspritzt und dabei zugleich zum Schwimmen dient, entspricht wahrscheinlich den verwachsenen Falten 634 Mollusca. Xervensvstem. des Epipodiums. In einer anderen Classe tritt der Kopf nicht als selbst- ständiger Abschnitt hervor (Äcephalen, Lamdlihrnnchiaten) ; der seitlich com- primirte Leib trägt zwei grosse seitliche Mantellappen, welche eben so viele, auf der Eückenfläche mittelst eines Schlossbandes vereinigte Schalenklappen absondern. Eben so mannigfach wie die äussere Gestalt und der Körperbau wechselt die innere Organisation der Mollusken. Wie die äussere Eorm, so erleidet auch Fig. 622. Fig. 623. Nervensystem von Chiton, nach B. Haller. .S Seblundriug, Sg Subllngualfranglion, Fe fit Pedal Strang, Po ,Sf Pallialstrang, Bi- Kiemen. ^^A \ Nervensystem der Teichmuschel {Anodonta), nach Keber. O Mund, ^ After, K" Kiemen, P Fuss, Se Mundlappen (Segel), Gg Gehirnganglion, Fg Pedalganglion, Vg Eingeweidegangliou, Q Geni- taldrüse, Oe' Mündung der Genitaldrüse, Oc'' Oeffnung der Niere. der innere Bau häufig auffallende Störungen der bilateral symmetrischen An- ordnung. Am Nervensystem *) (Fig. 622, 623 und 624 ) unterscheidet man allgemein ein oberes, auf dem Schlünde liegendes (nur ausnahmsweise in einen Ganglien- belag der Commissur aufgelöstes) Doppelganglion als Gehirn oder Cerehral- ganglion mit den Sinnesnerveu und einem aus mehrfachen Fasersträngen ge- bildeten Schlundring, von welchem ursprünglich zwei Paare von Nerven- strängen ausgehen. Das obere seitliche Paar sind die Pallialstränge, deren Zweig die Seitentheile des Leibes und den Mantel versorgen, das untere mehr '} H. V. Ihering, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phj'logenie der Mollusken. Leipzig, 1877. Tastorganc. 635 und den Solenogastres (^Neomenia) Fig. 624. medial gelegene Paar die Pedalstränge, welche, durch Quercommissuren unter- einander verbunden, die Muskeln des Fusses innerviren. Dieses einfache Ver- halten des Nervensystems ist bei Chiton nachgewiesen. Auf einer vorgeschrittenen Stufe finden sich besondere PecZa/^/a/j^^een, welche mit dem Gehirn durch Commis- suren in Verbindung stehen. Dazu kommt als eine dritte Gangliengruppe die der Visceralganglien, deren Verhalten sich von der Verschmelzung mit dem Gehirn und den Pedalganglien bis zur Auflösung in mehrere Gangliengruppen überaus man- nigfach gestaltet. Dieselben sind gleich- falls mit dem Gehirn durch eine längere oder kürzere Commissur. und zwar zu- meist mittelst besonderer Ganglien ( Phu- ralgangJien) verbunden und entsenden Xervengeflechte an Herz, Kiemen und Geschlechtsorgane. Manbetrachtete daher dies dritte Ganglienpaar als Aequivalent des Sgmpathicus, jedoch wohl mit Un- recht, da von demselben auch Nerven zur Haut und Muskulatur entsendet wer- den. Kleine über und unter der Mund- masse gelagerte Ganglien (Buccalgan- gli'en), welche Nerven zum Schlünde und Darm entsenden, dürften mit grösserem Rechte als Sympathicus zu betrachten sein. Als Tasto7'gane treten bei den höher entwickelten Mollusken in der Umgebung des Mundes zwei oder vier Lappen, die bereits genannten Segel oder Mundlappen auf, wozu bei den Acephalen nicht selten Tentakeln am Mantelrande, bei den Ce- jjha/ophoren oft zwei oder vier einziehbare Fühlhörner am Kopfe hinzukommen. Augen sind sehr verbreitet und liegen in der Eegel paarig am Kopfe, selten wie bei einigen Lamellihranchiaten in grosser Zahl am Mantelrande. Nur selten sind es wie heiPaiella einfache, der Linse ent- behrende Napfaugen. (Fig. 625 a.) Li der Regel ist eine Linse oberhalb der Retina vorhanden. (Fig. 625 h.) Bei den Heteropoden und Cephalopoden ist der Bau des Auges complicirter und nähert sich dem des Vertebratenauges. Auch Gehörorgane sind weit verbreitet, und zwar als geschlossene Gehörblasen mit Nervensystem von Casxiilaria, nach B. Hai 1er. C(] Cerebralganglion, Pg Pedalganglion, Ph/ Pleural- ganglion, i?3 Buccalganglion, G.«/) Suprainte.stinal- ganglion, Gsh Subintestinalganglion, Vg Viseeral- ganglion, Ot Otolithenblase. 636 Mollusca. Athmmigsorgano. Flimmerzelleu au der Innenwand, meist in doppelter Zahl dem Fussganglion oder dem Grehirne angelagert, vom letzteren aus jedoch stets innervirt. Am Darme treten mindestens die drei als Oesophagus, Magendarm und Euddarm unterschiedenen Abtheilungen als deutlich begrenzte Abschnitte auf, von denen sich der verdauende Magendarm meist durch den Besitz einer sehr umfangreichen Leher auszeichnet. In der Mundhöhle findet sich eine Reib- platte, Radula (^Odontophoren), welche nur den Lamellibranchi'aten fehlt. Der After liegt sehr häufig aus der Mittellinie herausgerückt an einer Körperseite. Nieren sind stets vorhanden und häufig paarig symmetrisch in beiden Körper- hälften, oft aber auch — bei asymmetrisch gestaltetem Körperbau — an einer Seite verkümmert (Patella, Haliotis), beziehungsweise ganz hinweggefallen {Gastropoden). Es sind in der Regel Säcke, deren Lumen durch eine bewim- perte, trichterförmige Oeffnung mit der Leibeshöhle (Pericardialraum) com- Fii?. 625. h h%^^^.<^ ■ .Schnitt durch da.s Im nach Cai iliivc Xapfauge von l'atdln ere. 7? Retina. Schnitt durch das Auge von FissnrtUa graeca, nach Fraisse. A> Epidermis, /. Linse, 7? Retina, A'Xerv. muuicirt und in einer seitlichen Oeffnung nach aussen mündet, woraus die Homologie der Molluskenniere mit einem Segmentalorgaue der Anneliden wahrscheinlich wird. Ueberall findet sich ventralwärts vom Darm ein gedrungenes Herz, von dem aus das Blut in Gefässen nach den Organen hinströmt. Vollkommen ge- schlossen möchte das Gefässsystem in keinem Falle sein, indem sich auch da, wo Arterien und Venen durch Capillaren verbunden sind, Blutsinus der Leibes- höhle in den Oefässverlauf einschieben. Das Herz ist stets ein arterielles und nimmt das aus den Athmungsorganen austretende, arteriell gewordene Blut auf. Ueberall dient die gesammte äussere Fläche zur Respiration, daneben aber sind besondere Athimingsorgane als Kiemen, seltener als Ltmgen vor- handen. Die Kiemen treten als bewimperte Ausstülpungen der Körperfläche, in der Regel zwischen Mantel und Fuss in der Mantelhöhle (die so zur Kiemenhöhle wird), auf, bald in Form verästelter und verzweigter Anhänge, bald als breite Lamellen {LameUibrajichiaten). Als Lunge dagegen erscheint der mit Luft gefüllte Mantelraum selbst, dessen Innenfläche durch complicirte I. Classe. Solenogastres. 637 Faltenbilduiigeu eine grosse Oberfläche für die respirirenden Blutgefässe dar- bietet. Somit sind Lungen- und Kiemenhöhle morphologisch dasselbe. Die Fortpßanzniuj erfolgt durchweg auf geschlechtlichem Wege. Die Mollusken sind entweder hermaphroditisch oder, wie zahlreiche marine Gastro- poden., die meisten Lamdlibninchiaten und alle Ceplialopoden.^ getrennten Ge- schlechtes. Die Entwicklung des Embryos erfolgt meist nach totaler Dotterfurchung durch eine die hintere Partie des Dotters oder den gesamraten Dotter um- fassende Keimanlage. Die neugeborenen Jungen durchlaufen oft eine Metamor- phose und besitzen eine vordere, von Wimpern umsäumte Hautausbreitung ( Vdum), welche als Bewegungsorgan fungirt. Nach Form, Wimperbekleidung und Organisation zeigen die Molluskenlarven mit der Loven'schen Wurmlarve grosse Uebereinstimmuug. Bei Weitem der grösste Theil der Mollusken ist auf das Leben im Wasser, besonders im Meere angoAviesen, nur wenige leben auf dem Laude, suchen dann aber stets feuchte Aufenthaltsorte auf. Bei der ungemeinen Verbreitung der Mollusken in der Vorzeit ist die hohe Bedeutung ihrer petrificirten Beste für die Bestimmung des Alters der sedimentären Gebirgsformationen begreif- lich (Leitmuscheln). I. Classe. Solenogastres^). Seitlicli-symmetrisclie Mollusken von ivurniförmiger Gestalt.^ mit wim- ])ernder Bauchfurche, ohne Mantel und Schale, mit von KalkspicuUs besetzter Haut, mit Radula, meist hermaphroditisch. Diese durch nur wenige Gattungen repräsentirte, von Ihering mit den Chitonen als Amphineuren zusammengefasste und den Würmern eingeordnete, von Gegenbaur als Solenogastres gleichfalls letzterem Thierkreis beigezählte Thiergruppe wird am besten den Mollusken eingereiht werden, da ihre nahen Beziehungen zu den Chitonen kaum bezweifelt werden können. Allerdings erscheinen die Charaktere des Molluskeutypus mit nur wenigen Ausnahmen (wie Radula) zumeist nicht ausgeprägt, indem sowohl ein deutlicher Fuss und Mantel als eine Schale fehlen, Eigenthümlichkeiten, welche neben anderen die Stellung der Solenogastres als phylogenetisch sehr ursprünglicher Formen begründen. Der Körper der Solenogastres ist seitlich symmetrisch, von cylindrischer Form und an der Bauchseite mit einer wimpernden. reich mit Drüsen aus- ') Vergl. ausser Koren und Danielsse ii, Kowalevsky besonders T. Tull- berg. Xeomenia a new genus of invertebrate animals. Svenska vet. Äkad. Handl., Bd. 3, 1875. L. Graff, Anatomie des Chaetoderma nitidulum. Zeitschr. für wiss. Zool.. Tom. XXVI. 1876. Derselbe, Neomenia und Chaetoderma. Ebendaselbst. Bd. XXVIII, 1877. G. A. Hansen, Anatom. Beskrivelse af Chaetoderma nitidulum. N^yt. magaz. for naturvidenskab., Bd. XXII, 1877. A.A.W. Hub recht, Proueomenia Sluiteri. Niederl. Archiv für Zool., Supplemeutband I, 1881. 638 Solenogastres. VFe gestatteten Furche versehen, welche eine gleichfalls bewimperte Falte ein- schliesst, die als Fuss gedeutet wird. (Fig. 626.) Mit Ausnahme dieser Furche ist die Körperoberfläche von Kalkstacheln bekleidet, welche in eine cuticulare Ausscheidung aufgenommen erscheinen. Die Muskulatur besteht hauptsächlich aus einer äusseren King- und inneren Längsmuskelschicht ; letztere zeigt an der Bauchseite zu Seiten der Wimper- furche eine geringe Verdickung, die als rudimentäre Fussbildung betrachtet wer- den könnte. Das Nervensystem gleicht dem der Chitonen. Bei Proneomenia (Fig. 627 ) be- steht dasselbe aus demCerebralganglion, von dem eine Sublingualcommissur mit zwei Sublingualganglien, eine Pedal- und eine Pallialcommissur ausgehen. Von bei- den letztgenannten führt die erste zu zwei im ganzen Verlaufe mit Ganglien belegten Nervensträngen, mit vorderer und hinterer Ganglienanschwellung, die letztere zu gleichfalls mit coutinuirlichem Ganglienbelag versehenen Pallialsträn- gen, welche hinten zu Ganglien an- schwellen und durch eine Commissur über dem Enddarm in Verbindung stehen. Die Pedalstränge sind sowohl untereinander als mit den Pallialsträngen durch Commissuren verbunden. Bei Neomenia fehlen die Pallio-Pedalcommissuren, bei Chaetoderma sollen sämmtliche Quercommissuren der Pedal- und Pallialstränge mangeln. Als Sinnesorgan wird vonHubrechteinemitNervenreich ausgestattete, kleine, dorsal gelegene Grube am hinteren Körperende aufgefasst. Die am vorderen Körperende gelegene Mundöffnung führt in einen geradgestreckten Darm, welcher in einen Pharynx, Mitteldarm und Enddarm zerfällt. In den Pharynx münden ein Eadulasack mit kleiner Radula, sowie ein Paar Speicheldrüsen ein. Bei Neomenia fehlen letztere sowohl als die Kadula. Am Darm von Chaetoderma findet sich ein weiter, als Leber betrachteter Blindsack. Von besonderen Drüsen sind zwei in die Analhöhle mündende Blindschläuche zu betrachten, deren Fadensecret ihre Deutung als Byssusdrüse veranlasste (Hub recht.) Die Kreislaufsorgane bestehen aus dem sackförmigen, über dem End- darme in einem Herzbeutel eingeschlossenen Herzen, wahrscheinlich mit zwei Prontomtiuia Sluäeri, nach Hubrecht. 0 Muud, F Bauch- furche. Schematische Darstellung des Nervensystems von Pro- neomeniaSluitcrij-anchllnh- recht. Cg Cerebralgan- glion, B(j Sublingualgan- gllon, Pe Pedalstrang, VPe vordere, JIPc hintere Gan- glienschwellung desselben (Pedalganglion),Pa Pallial- strang, Pag hintere Gan- glienanschvvellung dessel- ben (Visceralganglion). II. Classc. LaracUilirancliiiita. 639 Vorhöfeu, sowie einem dorsalen Blutgefäss und einem ventralen, dorsalwürts durch ein Querseptum begrenzten Blutsinus. Im Uebrigen circulirt das Blut in den Lücken zwischen den Organen. Besondere Kespirationsorgane fehlen (Proneomenia) oder sind in Form einer büschelförmigen {Neomenia) oder paariger retractiler Kiemen {Chaetoderma), welche in der Kloake (reducirter Mantel- höhle) liegen, vorhanden. Die Solenogastres sind meist hermaphroditisch; nur bei Chaetoderma herrscht getrenntes Geschlecht. Der Urogenitalapparat besteht aus der dorsal vom Darmcaual gelagerten Geuitaldrüse, deren Producte durch zwei Gänge zunächst in den Pericardialraum (reducirte secundäre Leibeshöhle) gelangen und von hier durch paarige, complicirt verlaufende Canäle nach aussen beför- dert werden, welche in der Kegel mittelst eines gemeinschaftlichen Endstückes mit dem Darm in die Kloake münden. Bei Neomem'a soll das Sperma durch besondere, mit Penis versehene Vasa deferentia ausgeführt werden. Der letzte Abschnitt der Ausführungscanäle dürfte mit Eecht als Niere aufzufassen sein. Somit weist der Urogenitalapparat in der directen Communication der Genital- drüse mit der Leibeshöhle (Pericardialraum) und in der Ausfuhr der Genital- producte durch die Niere ursprüngliche Verhältnisse auf. Ueber die Entwicklung ist bis jetzt nichts bekannt geworden. Die Solenogastres sind meist kleinere Thiere und leben durchweg im Meere. Farn. Neomeniidae. Mit den Charakteren der Classe. Proneomenia Shdteri Huljr., von bis gegen 15 Centimeter Länge. Haut mit mehrfachen Lagen von Spiculis. Ohne Kiemen. Neomenia carinata Tullbg., Schweden. Kadula fehlt. Chaetoderma nitiduhim Loven, Schweden. II. CLasse. LamellibrancMata^), MuscheltMere. Seitlich-symmetrische, lateral comprimirte Weichthiere ohne gesonderten Kopf, mit zweilappigem Mantel und ^-echter und linker, durch ein rücken- ständiges Ligament verbundener Schalenklappe, mit ximfangreichen Kiemen- hläitern, meist getrennten Geschlechtes. Die Lamellibranchiaten wurden früher mit den Brachiopoden alsMuschel- thiere oder Conchiferen zusammengestellt. Wie diese entbehren sie eines ab- gesetzten Kopfabschnittes und besitzen einen umfangreichen, meist in zwei Lappen getheilten Mantel, sowie eine zweiklappige Schale. Indessen sind die 'j Poli, Testacea utriusque Siciliae, 1791—1795. Boj anus, Ueber die Athem- und Kreislaufswerkzeuge der zweischaligen Muscheln. Isis, 1817, 1820, 1827. S. Loven, Archiv für Naturgesch., 1849. L. Eeeve, Conchologia iconica. London, 1846 — 1858. Lacaze- Dutliiers, Ann. des sc. nat., 1854—1861. H. und A. Adams, The genera of the recent Mollusca. London, 1853 — 1858. C. Langer, Das Gefässsystem der Teichmuschel. Denkschr. der Akad. Wien, 1855— 1856. C. Grobben, Die Pericardialdrüse der Lamelli- branchiaten. Arbeit, d. zoolog. Inst, zu Wien. Bd. VII. 1888. Ueberdies vergl. die Arbeiten von Garn er. Keber. 640 ibrancliiata. Körperbau. Abweichimgen beider Thiergruppen sowohl in der morphologischen Gestaltung als in der inneren Organisation so wesentlich, dass ein näherer Verband der- selben unmöglich aufrecht erhalten werden kann. Der meist strengsvmmetrische Körper erscheint beibedeutender Streckung seitlich comprimirt imd von zwei seitlichen Mantellappen umlagert, welche eine rechte und linke Schaleuklappe absondern. Zu den Seiten der Mundöffnung finden sich zwei Paare blatt- oder tentakelförmiger Mundsegel. An der Bauch- fläche erhebt sich ein umfangreicher, meist beilförmiger Fuss, und überall treten in der Mantelfurche zwischen Mantel und Fuss zwei Paare (selten ein Paar) grosser Kiemenblätter auf, welche jederseits einer Kieme angehören. (Fig. 628.) Die beiden Mantellappen zeigen fast überall an ihrem hinteren Ende zwei aufeinanderfolgende Ausschnitte, welche, von zahlreichen Papillen oderFädchen ^ir F Anatomie der 'SVA\ci-musc'he\ Xl^nio pictornm) , nach C. Grobben. T'S' Vorderer Schalenschliesser, HS hinterer Schalenschliesser, MS Mundsegel, f Fuss, Mt Mantel, iT Kiemen, O7 Cerebralganglion, P^r Pedalganglion, Mg Mantelganglion, 0 Mund, J/ Magen, L Leber, .^rSKrystallstiel, D Darm, -4/ After, G Geschlechtsorgane, A Ausschnitt des Mantellappens zum Auswurf, E zur Einfuhr, X Niere, 17* Vorhof, Hk Herzkammer, T'.4 vordere Aorta, HA hintere Aorta, P Pericardialdrüse (schematiselH. umsäumt, beim Zusammenlegen der Eänder beider Mantelhälften zwei hinter einander folgende spaltförmige Oeffnungen bilden. Die obere oder dorsale fungirt als Kloakenöffnung, die untere als Einfuhrsöffuung, durch welche das Wasser unter dem Einflüsse eigenthümlicher Wimpereinrichtungen der inneren Mantelfläche und der Kiemen bei etwas klaffender Schale in den Mantel- und Athemraum gelangt. Mit dem Wasser werden auch die Nahrungsstoffe nach den Mundsegeln zur Mundöffnung geleitet. Nicht überall aber bleiben die Randsäume beider Mantellappen in ihrer ganzen Länge frei, häufig beginnt vom hinteren Ende aus eine Verwachsung, welche allmälig in immer grösserer Ausdehnung nach vorne vorschreitet. Durch diese Verwachsung sondert sich zunächst eine den Kloaken- und Athemschlitz in sich fassende hintere Oeff- nung von dem nach vorne geöffneten Mantelschlitz, und kommen überdies Siphouen. Schale. 641 ¥i<^. 629. KIS Kloaken- und Athemüffnung durch eine Qiierbrücke zur Sonderung. Oft ver- kürzt sich auch der lange vordere Mantelschlitz, Fussschlifz, in Folge fort- schreitender Verwachsung der Mantelränder allmälig so sehr, dass der in diesem Falle auch verkümmerte Fuss kaum mehr vortreten kann. Dann nähert sich die Mautelbildung einer sackartigen Umhüllung mit zwei frei gebliebenen Oeffnungen. Je weiter sich nun der Mantel nach vorne zu schliesst, umsomehr schreitet eine eigenthümliche Verlängerung der hinteren Mantelgegend um Kloaken- und Athemüffnung vor, so dass zwei contractile Röhren, Srphoiien, gebildet werden. (Fig. 629 a.) Diese können einen solchen Umfang erreichen, dass sie überhaupt nicht mehr zwischen die am Hinterrande klaffenden Schalen zurückgezogen werden. Oft verwachsen auch beide Siphonen mit einander, wobei jedoch die beiden Canäle mit ihren von Tentakeln umstellten Oeffnungen von einander getrennt bleiben. Im äussersten Extrem gleichen die enorm ver- grösserten Siphonen mit dem eigenthümlich gestreckten, in Folge Verkümmerung der Schale unbedeckten Hinterleibe einem wurm- förmigen Körper, an welchem der das Schalen- rudiment tragende Vorderleib kopfähnlich aufsitzt. (Teredo, Schiffsbohrwurm, Fig. 636 h.) Mantel und Haut bestehen aus einem von Muskelfasern reich durchsetzten Binde- gewebe, welchem eine zellige schleimige Ober- haut aufliegt. Dieselbe wird auf der äusseren Fläche aus Cylinderzellen, auf der Innenfläche des Mantels dagegen aus einem Flimmer- epithelium gebildet. (Fig.63 1 .) Pigmente treten vornehmlich an dem häufig gefalteten oder auch Papillen undTentakeln tragenden Mantel- saum auf. An seiner Oberfläche sondert der Mantel eine feste Kalkschale ab, welche den beiden Mantellappen entsprechend in zwei seitliche, am Rücken verbundene Klappen zerfällt. Nur selten sind die- selben vollkommen gleich, indessen nennt man nur diejenigen Schalen ungleich- klappig, welche sich auffallend asymmetrisch und ihrer Lage nach als obere und untere erweisen. Die untere, häufig aufgewachsene Schale ist die grössere und tiefer gewölbte, die obere erscheint kleiner, flacher und liegt deckelartig auf. Meist schliessen die Schalenränder fest aneinander, doch können sie auch an verschiedenen Stellen zum Durchtritt des Fusses, des Byssus, der Siphonen mehr oder minder weit klaffen. Das letztere gilt insbesondere für diejenigen Muschelthiere, welche sich in Sand, in Holz oder in festes Gestein einbohren. Im Extrem kann sich die Schale durch eine weite vordere Ausrandung und ausgedehnte Abstutzung ihrer hinteren Partie bis auf ein reifförmiges Rudi- ment reduciren (Teredo), während sich an ihr Hinterende eine für die Schale a Mactra elliptica, Thier mit Schale. KlS Kloakensipho, KS Kiemensipho, PFuss. — h Linke Schalenklappe von J/. solida. VM vorderer Schliessmuskeleindruck, H^S hin- terer Schliessmuskeleindruck, ill Mautel- linie, JJfb Mautelbucht. C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 41 642 Laraellibranchiata. Schalen structur. eintretende Kalkröhre anschliesst, welche auch mit dem Schalenrudimente innig verwachsen und dasselbe ganz in sich aufnehmen kann. (AspergiUnm, Fig. 637.) Die Verbindung beider Schalen erfolgt an der Kückenfläche durch ein äusseres oder (verdecktes) inneres Ligament, welches die Klappen zu öffnen bestrebt ist. Daneben betheiligt sich auch der obere Rand durch ineinander- greifende Zähne beider Schalenhälften an der festen Verbindung der letzteren und bildet das sogenannte Schloss {cardo) *). Man unterscheidet demnach den Schlossrand mit dem Ligamente von dem freien Rande der Schale, welcher in einen vorderen, unteren und hinteren oder Siphonalrand zerfällt. Vorderrand und Hinterrand bestimmen sich im Allgemeinen leicht nach der Lage des Schlossbandes zu den zwei Wirbeln oder Buckeln (tivihones. natcs), welche als zwei hervorragende Höcker über dem Rückenrande den Ausgangspunkt für das Wachsthum der beiden Schalenklappen bezeichnen und den Scheitel (ajjex) derselben bilden. Der meist oblonge Umkreis des Ligamentes, das Höfchen (area), findet sich hinter dem Scheitel und nimmt die obere hintere Seite der Schale ein. Andererseits liegt an der meist kürzereu Vorderseite wenig- stens bei den Gleichklappigen ein vertiefter Ausschnitt, das Mondchen {hinula), an dessen Lage man als- bald den Vorderrand erkennt. Während die äussereOberfläche der Schale mannigfache Sculpturver- hältnisse zeigt, ist die Innenfläche glatt und perlmuttergiänzend. Bei näherer Betrachtung finden sich aber auch an der Innenfläche Eindrücke und Vertiefungen. Dem ünterrande ziemlich parallel verläuft ein schmaler Streifen, die sogenannte ManteUinie, welche entsprechend der Athemröhre eine vorwärts einspringende Bucht, die Manie/bucht, erzeugt. (Fig. (529h.) Sodann finden sich meist die Eindrücke eines vorderen und hinteren Schliessmuskels, welche den Leib des Thieres quer von der einen zur anderen Seite durchsetzen und sich an der Innenfläche der Schale befestigen. Während bei den gleichklappigen Muscheln {Orthoconchen) beide Eindrücke meist an Grösse gleichkommen, ver- kümmert der vordere Schalenschliesser bei den ungleichklappigen(P/e?" in- neres Epithel des Mantels. (j44 Lamellibranehiata. Nervensystem. Sinnesorgane. Verdanungsorgane. rand unter Drehbewegungen als Reibe (Pholas, Teredo). Nach Hancock frei- lich soll der Fuss und Mautelrand an der vorderen Oeffnung der klaffenden Schale mit feinen Kieselkrystallen besetzt sein und nach Art einer Feile das Ausbohren des Gesteins bewirken. Am Nervensystem unterscheidet man ausser den Gehirn- und Pedal- ganglien auch Visceralganglien, die mit den ersteren jederseits durch eine längere oder kürzere Commissur verbunden sind. (Fig. 623 und 628.) Da weder ein Kopfabschnitt zur Sonderung gelangt ist, noch Sinnesorgane am vorderen Körpertheile auftreten, erscheint das Gehirn verhältnissmässig wenig ent- wickelt. Seine Nerven versorgen vorzugsweise die Umgebung des Mundes, aber auch den Mantel, in welchen zwei starke Nervenstämme eintreten. Nicht selten (Unfo) weichen die beiden Hälften desselben seitlich auseinander und nähern sich dem weit nach vorne gerückten Fussganglion {Pecten)^ dessen Nerven sich an der Bauchseite des Körpers im Fusse ausbreiten. Das grosse Ein- (jewtideganglion liegt dem hinteren Schliessmuskel an und entsendet Nerven theils zu den Kiemen, theils zu den Eingeweiden und zum Mantel, au dessen Rande diese als zwei starke Nerven mit dem vom Gehirn kommenden Nerven oft unter Bildung von Geflechten verschmelzen. Auch gehen ansehnliche Nerven zu den Siphonen ab, au deren Basis sie ein accessorisches Ganglienpaar bilden. Von Sinnesorganen treffen wir Gehörorgane, Augen und Tastorgane an. Die ersteren liegen als paarige Gehörblasen unterhalb des Schlundes dem Fuss- ganglion an (während ihr Nerv im Gehirn seinen Ursprung nimmt) und zeichnen sich durch die mächtigen Wimperzellen aus, welche die Wandung der Blase auskleiden. Augen finden sich theils als Pigmeutflecken am Ende der Athem- röhre (Solen, Venus), theils auf einer weit höheren Stufe der Ausbildung am Mantelrande von Area, Pectuncidus, Tellina und insbesondere von Pecten, Spondylus. Bei den letzteren Gattungen sitzen dieselben als gestielte Knöpfchen von smaragdgrünem oder braunrothem Farbengianze zwischen den Randten- takeln vertbeilt und sind inverse Blasenaugen, welche aus einem Augenbulbus mit Cornealinse, Chorioidea, Iris und einer sehr reich entwickelten Retina be- stehen. In diese tritt der Nerv von der dem Linsenkörper zugewendeten Seite ein, so dass das Ende der Stäbchenzelle dem Pigmente anliegt. Zur Tastempfin- dung dienen die Mundsegel, sowie die Ränder der Athemöffuungen mit ihren Papillen und Girren, dann auch zahlreichen Tentakeln am Mantelsaume {Lima, Pecten). Wahrscheinlich sind die im Mantel verbreiteten haartragenden Zellen (Pinselzellen) Sitz eines besonderen Spürsinnes. Die Yerdauungsorgane beginnen mit der zwischen den Mimdsegeln ge- legenen Mundöffnung. (Fig. 628.) Dieselbe führt in eine kurze Speiseröhre, in welche durch den Wimperbesatz der Mundsegel kleine, mit dem Wasser in die Mantelhöhle aufgenommene Nahrungskörper eingeleitet werden. Kiefer und Zunge fehlen stets. Die Speiseröhre erweitert sich in einen kugeligen Magen, an dessen Pylorustheil meist ein verschliessbarer Blindsack anhängt. Oft findet man noch entweder in der eben erwähnten blindsackartigen Ausstülpung des Herz. Kiemen. 645 Fig. 032. HS- Magens oder im Darmcanale ein stabförmiges durchsichtiges Gebilde {Kry- stallstiel), welches als ein periodisch sich erneuerndes Ausscheidungsproduct des Darmepithels erscheint. Der Darm erreicht tiberall eine ansehnliche Länge und erstreckt sich unter mehrfachen Windungen, von Leber und Geschlechts- drüsen umlagert, in den Fuss hinein, steigt dann hinter dem Magen bis zum Rücken empor und mündet nach Durchsetzung des Herzens, über dem hinteren Schalenschliesser verlaufend, auf einer frei in den Mantelraum hineinragenden Papille am hinteren Leibesende aus. (Fig. 633.) Der Kreislauf wird durch ein arterielles Herz unterhalten, welches, von einem Pericardium um- schlossen, in der Mittellinie des Rückens etwas vor dem hinteren Schliessmuskel liegt und von dem Darmcanal durchbohrt wird. Das Blut tritt durch zwei seitliche Vorhöfe in das Herz ein. Bemerkens- werth ist die Duplicität des Herzens bei Area, deren paarige Aorten aber zu einem unpaaren Gefässe zusammentreten. (Fig. 632.) Die Verästelungen der vorderen und hinteren Aorta führen das Blut in ein complicirtes System von Lacunen im Mantel und in den Zwischenräumen der Eingeweide. Dieses mit der Leibeshöhle zusammenfallende System von Bluträumeu vertritt sowohl die Capillargefässe als die feineren Venennetze. Von venösen Bluträumen siud ein mittlerer unpaarer Sinus, in welchen das Lacunensystem des Fusses einführt, und zwei seit- liche Sinus an der Basis der Kiemen hervorzu- heben. Von jenen strömt das Blut theilweise direct, der Hauptmasse nach jedoch durch ein Netz von Canälen in der Wandung der Nieren oder B o- janus'schen Organe, wie durch eine Art Pfort- aderkreislauf in die Kiemen ein, um von da als arterielles Blut in die Vorhöfe des Herzens zurück- zukehren. Ein Zutritt von Wasser zum Blute durch besondere Oeffnungen am Fusse findet nicht statt; die Schwellnetze des Fusses sind Blutlacunen. Einer grossen Zahl von Lamellibranchiaten kommt eine aus dem Peri- cardialepithel hervorgegangene sogenannte Pericardialdrüse zu; dieselbe tritt entweder in Form drüsiger Anhänge am Vorhofe auf (z. B. Mytilus, Pecten), oder stellt eine im Mantel gelegene, aus zahlreichen Blindsäcken zusammen- gesetzte Drüse vor, welche vorne in den Pericardialraum einmündet (Um'o, Venus etc.). In der Regel finden sich zwei Paare von Kiemenblättern, welche hinter den Mundlappen entspringen und längs der Seiten des Rumpfes nach hinten verlaufen. Auf ihrer Oberfläche tragen die Kiemenblätter ebenso wie ihre inter- Thier von Area Noae, Dorsalansicht, nach C. Grobben. Die hier doppel- ten Pericardialräume (P) sind eröffnet, der Enddarm bis auf das Anfangsstück (/)) abpräpaiirt. VS vorderer Schalen- schliesser, HS hinterer Schalen- schliesser, VR vorderer Retractor des Fusses HR hinterer Retractor, FHerz- kammer, A Vorhof, Ao vordere, Ao' hintere Aorta, X Xiere. 646 Lamellibranchia ExcretioDsorgano. Geschlechtsorgane. lamellärenWasserräume zum Unterhalten einer CO utinuirlichenWasserströraung Wimperhaare. Gewöhnlich ist die äussere, dem Mantel anliegende Kieme be- trächtlich kleiner. Nicht selten fällt dieselbe vollkommen hinweg, so dass sich die Zahl der Kiemen auf ein einziges Paar reducirt. Zuweilen verwachsen auch die beiderseitigen Kiemen von hinten her längs der Medianlinie mit einander. Von ExcreAionsorganen ist zunächst das nach seinem Entdecker benannte Bojanus'sche Organ hervorzuheben, ein paariger, länglich-ovaler, gefalteter Drüsenschlauch, dessen Höhlung mit dem Herzbeutel communicirt. (Fig. 628.) Die Substanz dieser als Xiere fungirenden Drüse ist ein gelblich oder bräunlich _ gefärbtes schwammiges Gewebe, welches mit einem wimpernden Zel- lenbelagüberkleidetist,auswelchem kalk- und harnsäurehaltige Concre- mente (sowie Guanin) abgeschieden werden. Der einfacher gestaltete Endabschnitt ( Vorhöhle ) nimmt häufig die Leitungswege des Ge- schlechtsapparatesauf, oder es mün- den beiderlei Organe jederseits auf gemeinsamer Papille. Bei den mit Mantelbucht versehenenÄp/iori/atoi dagegen sind fast ausnahmslos Nie- reu- und Geschlechtsöffnungen ge- trennt. Die Lamellibranchiaten sind mit Ausnahme weniger Gattungen {Cyclas, Peden, Osfrea. Clavagella, Pandord) getrennten Geschlechtes. Beiderlei Geschlechtsdrüsen liegen zwischen den Eingeweiden und sind vielfach gelappte oder traubige Schläuche, welche neben der Leber aufsteigen und, die Windungen des Darmes umlagernd in die Basis des Fusses eintreten. Hoden und Ovarium sind gewöhnlich schon dem unbewaffneten Auge an ihrer Färbung kenntlich, indem dieses in Folge der Dotterfärbung roth, das Sperma dagegen milchweiss bis gelblich erscheint. Die Ausführungsöffnungen liegen rechts und links nahe der Basis des Fusses. Aehnlich verhalten sich in Form, Lage und Ausmündung die Zwitterdrüsen, deren samen- und eierbereitende Follikel entweder räumlich gesondert sind und dann bald in getrennten Mündungen (Pandora), bald in einer gemeinsamen Genitalöffnung {Pecten, Clavagella, Cyclas) nach aussen führen, oder dieselben Follikel fungiren abwechselnd bald als Hoden, bald als Ovarien {Ostrea, Cardiuvi norvegicum). üebrigeus kommen auch unter den Anatomie von Canlinm tuhercitlatiim, nach C. Grob be it. S rechte Schalenklappe, 3/ rechter Mantellappen, E Ein- strömungssipho, --1 Ausströmungssipho, F der Springfuss, T''.S' vorderer, HS hinterer Schalenschliesser, 0 Mund, Mg Magen, D Darm, L Leber, Af After, V Herzkammer, -l Vorhof des Herzens, jV Niere (Boj anus'sches Organ), A' Kieme der rechten Seite, G Genitalorgan, »Goe Ge- schlecht soff nun g. Fortpflanzung. G47 Flussmuscheln hermaphroditische Individuen sowohl bei Unio als bei Anodonta vor. Bei den getrennt geschlechtlichen Formen können männliche und weib- liche Thiere, wie dies für die süsswasserbewohnenden Unioniden gilt, eine ver- schieden geformte Schale besitzen, indem sich die Weibchen, deren äussere Kiemenfächer zur Aufnahme der Eier verwendet werden, durch gewölbtere Fig. 634. ^ S'lrj '^^^ß' Ms Entwicklungsstadien der Tei-crfo-Larve, nach B. Hatschek. a Optischer Mediansehnitt eines Embryos mit zwei Mesodermzellen {Ms) und zwei Entodermzellen {En). Ec Ectodermzellen. — h Bewimperter Embryo mit Mund (O), Magen, Darm und Schalendriise (Srfr), .5 Schale. — c Späteres Stadium. ,Sp Scheitel- platte, A Analeinstülpung. ^i ,/.; Prm f Schalen auszeichnen. Die Befruch- tung kommt wahrscheinlich in der Kegel im Mantel- oder Kiemen- raum des mütterlichen Körpers zu Stande. Nur wenige Lamellibranchi- aten sind lebendig gebärend. In- dessen bleiben fast allgemein die befruchteten Eier eine Zeit lang zwischen den Schalen oder gelangen in die Kiemenblätter, wo sie unter dem Schutze des Mutterleibes die Embryonalentwicklung durchlau- fen. Besonders tritt die Brutpflege bei den Süsswasserbewohnern her- vor: bei den Unioniden gelangen -' ^'^'-^^'''^-r-i'-vo. OMund.-4Aftor,/>ncpraüralerWimper- kränz, Pow postoraler Wimperkranz, iVKopfniere, o/Oto- die Eier in den grossen LängSCanal Uthenblase, P., Pedalgangllon, Mz Me«odermzellcn. der äusseren Kiemeublätter und vertheilen sich von da in die Fächer derselben, welche mächtig erweitert werden. Die Eier mit den Embryonen werden dann als schollenförmige Massen oder gar als zusammenhängende Schnur durch den grossen Längs- canal entleert. •x^-. M'/. 048 Lamellibranphiata. Entwickln Die Bildung M des Embryos wird durch eine inaequale Dotterfurcliuug eingeleitet. Die Furchungszelleu ordnen sich zu einer Keimblase, an welcher durch Einstülpung (Umo) oder durch ümwachsung {Teredo) der ürdarm an- gelegt Avird, während von zwei frühzeitig gesonderten, symmetrisch gelagerten Zellen die Entstehung des Mesoderms ausgeht. (Fig. 634.) Am Embryonal- körper, welcher theilweise mit Wimperhaaren bekleidet ist, bildet sich durch Einstülpung von Ectoderm bauchwärts der Oesophagus, sowie auf der Eücken- seite die Schalenanlage (Schalendrüse). Bald tritt der frühzeitig angelegte präorale Wimperkranz als Wimpersegel hervor, zu welchem hinter dem Munde ein postoraler hinzukommt. Am vorderen Körperpole bildet sich die Scheitel- platte (Anlage des oberen Schlundganglions), am Hinterende des Körpers der Enddarm aus, welcher mit dem unterdessen entwickelten Mitteldarm in Ver- bindung tritt. Später entsteht die Larvenniere, das untere Schlundganglion mit dem Gehörorgan, sowie Mantel, Fuss und Kiemen. Im Allgemeinen kann man die Embryonal- entwicklung der Flussmuscheln (Cydas, Unio, Änodonta), bei welchen die Eier und Embryonen in sehr geschützten Bruträumen aufgenommen werden, eine directere nennen. Die ?7»/o-Larve ist mit provisorischem Byssus und Schalenhaken ausgestattet und durchläuft ihre weitere Entwick- lung parasitisch an der Haut von Süsswasserfischen. Dagegen werden die marinen Lamellibranchiaten frühzeitig geboren und schwärmen als Larven mit ihrem schirmartig verbreiterten Wimpersegel, aus welchem durch Rückbildung die Mundlappen oder Lippentaster hervorgehen, längere Zeit umher. (Fig. 635.) Die meisten Muschelthiere sind Meeres- bewohner und leben in verschiedenen Tiefen, theils kriechend, theils schwim- mend und springend. Viele entbehren der Ortsbewegung, indem sie sich früh- zeitig mittelst des Byssusgespinnstes festsetzen, oder mit einer Schalenklappe auf Felsen und Gesteinen festwachsen (Austern). Andere, wie die Bohrmuscheln, bohren Gänge in Schiffholz, Pfahlwerk und in Felsen. Mit Rücksicht auf die Verbreitung der Lamellibranchiaten in früheren Erdperioden und die vortreff- liche Erhaltung ihrer petrificirten Schalen sind zahlreiche Gattungen zur Be- stimmung der Formationen als Leitmuscheln von der grössteu Bedeutung. Man hat die Lamellibranchiaten nach dem Vorhandensein oder Mangel von Siphonen in Siphoniaten und Äsiphonier eingetheilt, indessen ist diese Larve von ilontaciita hidevfata, nach Loven. S Segel, Sp Scheitelplatte mit Griffel, D Darm, L Leber, SJ/ vor- derer Sehalenrauskel, Fe Fuss. *) Vergl. besonders Loven, Bidrag tili Kanne dornen om Utvecklingen af Mollusca Acephala Laraellibranchiata. Stoctholm, 1848. Carl Eabl, lieber die Entwicklungs- geschichte der Malermuschel. Jena, 1876. B. Hatschek, Ueber die Entwicklungs- geschichte von Teredo. Arb. aus dem zool. Institute etc., Tom. III. Wien, 1881. Palaeocoucliae. Desmodontc 649 Fi^. 637 Fig. 636. Classification inaiigelliaft iiud zudem für die fossilen Keste nicht verwerthbar. Naturgemässer erscheint die Verwerthung der ]\Iiiskiilatiir in Verbindung mit der des Schlosses (Neumayr) zur Classification, wenn auch die Durchführung zur Zeit manche Schwierigkeiten bietet. 1. Palaeoconchae. Dünnschalig, ohne Schlossziihne oder nur mit schwachen Andeutungen solcher. Meist mit zwei gleichen Muskeleindrücken und ganz- randiger Mantellinie. Nur wenige Formen aus dem Silur sind bekannt geworden, bei welchen ausser den beiden Haupteindrücken noch eine Reihe accessorischer Muskelandeutungen in der Nähe der Wirbel und nach dem Hinterrande zu vorhanden ist. Möglicherweise waren ursprünglich die Muskeln in einer con- centrischen Reihe um den Wirbel gelegen, aus der sich erst die zwei Adductoren hervorbildeten (Neumayr). IL Desmodontes. Schloss- zähne fehlen oder entwickeln sich im Zusammenhange mit den Li- gamentträgern unregelmässig. Fam. Myidae, KlaflFmuscheln. Mantel fast ganz geschlossen, mit Schlitz zum Durchtritt des kurzen oder walzenförmig gestreckten Fusses, mit sehr langer fleischiger Athem- röhre, die Schalen klaffen an beiden Enden. Graben sich tief im Schlamme und Sande ein. Mya trimcataL., Klaff- muschel. Hier schliessen sich an die Soleniclen imt Solen vagina L., Messer- Schale von Aspergii- scheide. ferner die PAoZa(Zom?/icZae und '"™ Javanum, CorhiiUdae. ^^^'^'■ Fam. Mactridae. Schalen trigonal, gleichklappig, geschlossen oder leicht klaffend, mit dicker Epidermis. Zwei divergirende Schlosszähne, sowie vorne und hinten Lateralzähne. Muskelbucht kurz gerundet. Siphonal- ..1 • j. -i. j? i. r\ £c Tir 1 t 1 a Schale von Pholas daciulus. U Um- rühren vereint, mit gefransten Oeffnungen. Mactra stul- ■' ^ ,^ , ° ° bonalplatten, ö Dorsalplatte. —6 Tererfo torum L., Mittelmeer. (Fig. 629.) navalis, aus der Kalkröhre entnommen, Fam. Fholadidae, Bohrmuscheln. Die beiderseits mit ausgestreckten Siphonen, nach Q u a- klaffenden Schalen ohne Schlosszähne und Ligament. trefages. aber mit accessorischen Kalkstücken, welche entweder an dem Schlosse (Pholas) oder an der Athemrohre (Teredo) anliegen. (Fig. 636.) Mantel mit nur kleiner Oeffnung für den Durchtritt des dicken stempelartigen Fusses. in eine lange Eöhre auslaufend. Graben sich im Schlamme und Sande ein oder bohren in Holz und selbst in festem Gestein, in Kalkfelsen und Korallen Gänge, aus denen sie ihre verschmolzene Athemrohre hervorstrecken. Pholas dactylusL. (Fig. 636 a), Ph. crassata L., Teredo navalis L,, Schiffsbohrwurm (Collectivbezeichnung). (Fig. 636 i.) War die Veranlassung zu dem be- kannten Dammbruche in Holland am Anfange des vorigen Jahrhunderts. Fam. Gastrochaenidae [TvUcolidae) . Schalen dünn, gleichklappig, zahnlos, zuweilen in eine Kalkröhre eingefügt, welche durch Ausscheidung Mantels entstanden ist. (550 Taxodontes. Heterodontes. Nur ein kleiner vorderer Schlitz bleibt am Mantel frei, der sich nach hinten in zwei verschmolzene Röhren mit endständigen Oeflfnungen verlängert. Gastrochaena clava L., Clavagella bacillaris Desh. AspergiUum javanum Lam., Giesskannenmuschel , Indischer Ocean. (Fig. 637.) Hier schliesst sich an: Saxicava Bell. III. Taxodontes. Sclilosszähne zahlreich, UDdifferenzirt, zu einer geraden, gebogenen oder gebrochenen Eeihe angeordnet. Fam. Arcidae, Archemuscheln. Schalen dick, gleichklappig, mit sehr entwickeltem Schloss, von haariger Epidermis bekleidet. Die beiden Schalenschliesser bilden zwei gleich grosse vordere und hintere Muskeleindrücke. Area Xoae L., Mittelmeer. Pechm- culus pilosus L., Mittelmeer. Hier schliessen sich die Nuculidae an, deren Schlossbau nahe Beziehungen zu den Flussmuscheln bietet, so dass man diese ihrer Abstammung nach auf Trigonia zurück- geführt hat. Mit den Taxodonten nahe verwandt sind die Trigonidae. IV. Heterodontes. Schlosszähne in gerader Zahl deutlich in cardinale und laterale geschieden, wechselständig, die Zahngruben der gegenüberliegenden Klappe ausfüllend. Zwei gleiche Muskeleindrücke. Fam. Unionidae {Najades), Flussmuscheln. Mit länglichen, gleichklappigen, aber ungleichseitigen Schalen, welche äusserlich von einer starken glatten, meist braunen Oberhaut und innen mit einer Perlmutterlage überzogen sind. Der eine Muskeleindruck ist getheilt. Fuss mit schneidender Längskante, Kiemen hinter dem Fuss verwachsen. Die äusseren Kiemenblätter sind zugleich Bruträume für die sich entwickelnden Eier. In stehendem oder fliessendem Wasser. Anodonta cygnea Lam., Teichmuschel, in Teichen. A. anatina L , Entenmuschel, mehr in Flüssen und Bächen. Unio pictorum L., Maler- muschel. U. tumidus Retz., U. hatavus Lam. Margarüana margaritifera Eetz., Flussperl- muschel, in Gebirgsbächen Süddeutschlands, besonders in Bayern, Sachsen, Böhmen. Liefert die Flussperlen. Fam. Chamidae. Gienmuscheln. Schalen ungleichklappig, mit stark entwickelten Schlosszähnen und einfacher Mantellinie. Der Mantelrand bis auf drei Oeffnungen. den Fussschlitz, Kloaken- und Athemschlitz, verwachsen. Chama Lazarus Lam. Nahe verwandt sind die Triddcniden und Tridacna gigas L..' Eiesenmuschel, und Bippopus maculatus Lam.. Indischer Ocean. Fam. Cardiidue, Herzmuscheln. Die gleichklappigen, ziemlich dicken Schalen sind herzförmig und gewölbt, mit grossen eingekrümmten Wirbeln, äusserem Ligamente und starkem, aus mehrfachen Zähnen gebildetem Schlosse. Die verwachsenen Mantel- ränder lassen ausser den kurzen Siphonen einen Schlitz frei zum Durchtritt des kräftigen und knieförniig gekrümmten, zur Schwimmbewegung dienenden Fusses. Cardium eduleL., Nordsee und Mittelmeer. C. tuber culatum'L., Mittelmeer. Hemicardium cardissa L., Ostindien. Fam. Lucinidae. Schale kreisförmig, frei, geschlossen, mit einem oder zwei Schloss- zähnen und einem zweiten ganz verkümmerten Seitenzahn. Mantellinie einfach. Mantel vorne ofFen, hinten mit ein oder zwei Siphonairöhren. Lucina lactea Lam., Mittelmeer. Fam. Cydadidae^). Schale gleichklappig, frei, bauchig aufgetrieben, mit äusserem Ligament und dicker, horniger Epidermis. Mantel mit zwei (selten einer) mehr oder minder vereinigten Siphonairöhren. Süsswasserbewohner. Vyclas cornea L.. Fisidiurii Pf., Cor/jicula Mühlf. Fam. Ci/prinidae. Schalen regelmässig, gleichklappig, oval gestreckt, geschlossen, mit dicker und starker Epidermis. Hauptschlosszähne ein bis drei und gewöhnlich ein hinterer Seitenzahn. Mantellinie einfach. Mantelränder zur Bildung zweier Siphonnlöff- nungen verwachsen. Cyprina islandica Lam., Isocardia cor L., Mittelmeer. *) Fr. Leydig, Anatomie und Entwicklung von Cyclas. Müllers Archiv, 1855. Anisomvaria. (J51 Farn. Veneridae. Schale regulär rundlich, oblong, mit drei divergirenden Schloss- zähnen in jeder Klappe. Mantellinie ausgebuchtet. Die Athemrühren von ungleicher Griisse, an der Basis vereint. Yemis verrucosa L., Mittelmeer. F. (Tapes) decuasata L., Cytherea Chione L., essbar, Mittelraeer. C. Dione L., Atlantischer Ocean. Fam. Tellinidae. Mit zwei langen, vollständig getrennten Athemrühren, tentakel- tragendem, weitgeschlitztem Mantelrande und triangulärem Fusse. Tdlina haltica Gm., T. radiata L., Donax trunculus L. V. Anisomyaria [Dysodontes). Schlosszähne fehlen oder sind imregel- mässig. Die beiden Schliessmuskeln sehr ungleich [Heteroinyartae) oder auf einen einzigen reducirt {Monotnyarm). Eine Mantelbucht fehlt. a) Heteromyaria. Vorderer Schliessmuskel klein. Fam. Aviculidae, Perlmuttermuscheln. Mit schiefen, ungleichklappigen Schalen von blättriger Textur und dicker innerer Perlmutterlage. (Fig. 630.) Mantel völlig ge- Fig. 638. Mylüus eduUs, nach Abhebung der linken Schalenklappe und Entfernung des linken Mantellappeus. .Vt Mantel, E Einfuhisöffnung, A Auswurf.-iöfifnunfr, TS' vorderer, HS hinterer Schalenschliesser, VR vor- derer, HR hinterer Retractor, L Ligament, MS Jlundsegel. F Fuss, B Byssus. A' Kieme schlitzt, Fuss klein, Bj'ssus absondernd. Avicnla Mrundo L., Golf von Tarent. Mele- agrina margeritifera L., Perlmuschel, bewohnt besonders das indische und persische Meer, aber auch den mexikanischen Meerbusen. Sondert die Perlen ') ab. Die innere Schalen- schicht kommt als Perlmutter in den Handel. Malleus vulgaris Lam., Indischer Ocean. Fam. Mytilidae, Miesmuscheln. (Fig. 638.) Schalen gleichklappig, von starker Ober- haut überzogen. Der zungenförmige Fuss befestigt sich durch Byssusfäden. Mantel mehr oder minder frei bis auf eine kurze, am Eande gefranste Siphonalüffnung. Pinna squamosa Gm., Steckmuschel, Mittelmeer. Mytilus edulis L., essbare Miesmuschel der Nord- und Ostsee. Lithodomus dactylus Sow., im Mittelmeere (Serapistempel von Pozsuoli). Breyssena pohj- morpha Pall., hat sich über viele Flussgebiete in Deutschland allmälig verbreitet. ') Vergl. C. Moebius, Die echten Perlen etc. Hamburg, 18.57. 652 III. Clasae. Seaphopoda. h) Monomyaria. Mit einfachem Schliessmiiskel. Fam. Pectinidae, Kammmuscheln. Schalen gleichklappig oder ungleichklappig, dann aber ziemlich gleichseitig, mit geradem Schlossrand, häufig mit fächerförmigen Kippen und Leisten. Die freien und völlig gespaltenen Mantelränder tragen zahlreiche Tentakeln und oft smaragdgrüne Augen in grosser Zahl. Der kleine Fuss sondert oft Byssusfäden zur Befestigung ab. Einige sitzen auch mittelst ihrer gewölbten Schalenklappe fest {Spondylus). andere, wie die sogenannten Pilgermuscheln, bewegen sich schwimmend durch rasches Oeflnen und Schliessen der Schalen (Pecten). Viele sind essbar und werden wegen des feinen Geschmackes ihres Fleisches höher noch als die Austern geschätzt. Pecten Jacobaeus L., P. ma.vimus L., P. varius L., Mittelmeer. Spondylus gaederopus L., Lima squamosa Lam. Fam. Osireidae, Austern. Schalen ungleich, blättrig, mit schwachem, meist zahn- losem Schlosse. Bei den echten Austern sitzt die gewölbtere linke Klappe fest, während die obere rechte Schale, durch ein inneres Ligament befestigt, wie ein Deckel der unteren Schale aufliegt. Mantel vollständig gespalten und am Eande gefranst, dagegen verwachsen die Kiemenlamellen theilweise an ihrem äusseren Eande. Fuss fehlt oder ist rudimentär. Siedeln sich meist colonienweise in den wärmeren Meeren an, wo sie Bänke von bedeutender Ausdehnung bilden können (Äusfernbänke). Auch waren sie bereits in früheren Erdperioden, besonders auch im Jura und in der Kreide vertreten. Ostrea edulis L., Auster, an den europäischen Küsten auf felsigem Meeresgrunde, umfasst wahr- scheinlich eine Keihe nach dem Fundorte verschiedener Arten. Nach Davaine soll die Auster gegen Ende des ersten Jahres nur männliche Geschlechtsstoffe produciren und erst später vom dritten Jahre an weiblich werden und Brut erzeugen. Dagegen behauptet Moebius, dass sich das Sperma später ausbilde, nachdem die trächtigen Thiere ihre Eier entleert haben. Die Fortpflanzung fällt besonders in die Monate Juni und Juli, in welcher Zeit die Austern trotz ihrer ausserordentlichen Fruchtbarkeit einer Schonung bedürfen. 0. crista galli Chem., im Indischen Ocean. Anoviia ephippium L., Placuna placenta L. III. Classe. Scaphopoda^), Scaphopoden. Bilateral- symmetrische Mollusken, ohne Kopf, Äugen und Herz, mit drei- lappigem Fasse, mit röhrenförm,igem, an beiden Polen geöffnetem Mantel und Kalkschale, mit Qirrhen zu den Seiten des Mundes, mit Radula, getrennten Geschlechtes. Erst durcli die trefflichen Untersuchungen von Lacaze-Duthiers ist diese Gruppe von Mollusken, welche man lange Zeit als Cirrohranchiaten den Gastropoden unterordnete, aufgeklärt worden und wird ihrer zahlreichen Be- sonderheiten wegen am besten als besondere Classe in das System eingereiht werden. Der langgestreckte, etwas gekrümmte und nach oben zugespitzte Thierleib trägt einen sackförmigen Mantel und sondert eine gleichgestaltete Schale ab, in welcher er durch einen Muskel nahe dem schmalen Schalenrande angeheftet liegt. (Fig. 639.) Derselbe besitzt einen dreilappigen Fuss, welcher aus der grösseren unteren Schalenöffnung hervortritt. Ein gesonderter Kopf- abschnitt fehlt, dagegen findet sich oberhalb des Fusses ein eiförmiger Aufsatz, ') Lacaze-Duthiers, Histoire de l'organisation et du developpement du Dentale Ann. des sc. nat., 1856 — 1858. A. Kowalevsky, Etüde sur l'Embryogenie du Dentale. Ann. du Musöe d'hist. nat. Marseille, Tom. I, 1883. Organisation. 653 an dessen Spitze die von acht blattälinlichen Lippenanhängen umstellte Miind- öffnung liegt. Zu den Seiten des Mundkegels entspringen auf zwei Wülsten zahlreiche fadenförmige, bewimperte Tentakel, welche zur unteren Mantelöffnung hervorgestreckt werden und vornehmlich der Nahrungsaufnahme dienen. Als Mundbewaffnung ist sowohl ein Kieferrudiment, als eine mit fünf Plattenreihen besetzte Zunge vorhanden. Der Nahrungscanal zerfällt in Schlund, Speiseröhre, Magen mit umfangreicher Leber und in einen Darm, welcher nach mehrfachen, knäuelartig zusammengedrängten Windungen hinter dem Fusse median in den Fi£r. 639. Fig. 640. Dentalium, mit Ausnahme des Fusses im Längsschnitte dargestellt, nach Grobben. S Schale, Mt Mantel, Sm Schalenmuskel, Mh Mautelhöhle, F Fuss, Ifk Mundkegel, T Cirrhen, R Radula, D Darm, L Leber, Af After, G Ge- hirnganglion, N Niere, Ge Geschlechtsdrüse. Larve von Dentalium, nach Laeaze- Duthiers. a Junge Larve mit Schalen- anlage (S). h Aeltere Larve vom Rücken gesehen. P Fuss, BM Buccalmasse, Oes Oesophagus. Mantelraum ausmündet. Zwei Mantelgefässe, complicirte Lacunen der Leibes- höhle, führen das Blut. Die Athmung geschieht durch die Mantelfläche und wohl auch durch die fadenförmigen Tentakel. Die Niere ist paarig in der Umgebung des Mastdarmes gelegen und mündet durch zwei Oeffuungen rechts und links vom After aus. Das Nervensystem besteht aus den drei Gangliengruppen, von denen das Fussganglion zwei Gehörblasen trägt. Augen fehlen. Als Tastorgane sieht man die zahlreichen bewimperten Tentakelfäden an. Die Röhrenschnecken sind getrennten Geschlechts. Ovarien und Hoden liegen als unpaare, fingerförmig gelappte Drüsen hinter Leber und Darm und münden mit der rechten Niere 654 IV. Classe. Gastropoda. aus. Die Thiere leben versenkt im Schlamme und kriechen mit schräg er- hobener Schale mittelst des Fusses langsam umher. Die Entwickhing der Eier zum Embryo wird durch eine inaequale Furchuug eingeleitet. Die Bildung der Gastrula erfolgt durch Einstülpung. Das Mesoderm scheint durch zwei Zellen angelegt zu werden. Die Jungen schwärmen eine Zeit lang als Larven mit Wimperbüschel und Wimperkrageu umher, erhalten dann den Mantel, eine fast zweiklappige Schale und den Fuss ; erst später gestaltet sich der Mantel, sowie die Schale röhrenförmig. (Fig. 640.) 1. Ordnung. Solenocouchae, Röhreuschnecken. Fam. Dentalidae. Dentalium entalis L.. T>. elephantinum L., Mittelmeer und In- discher Oeean. IV. Classe. Grastropoda^), Bauchfüsser. Weichthiere mit gesondertem, oft tentakeltragendem Kopfe, hauchstän- digem, off söhligem Fusse und ungetheiltem Mantel, welcher sich nach Art einer Kaputze am Rücken erhebt und häufig ein einfach tellerförmiges oder spiralig gewundenes Gehäuse absondert. Der vordere, als Kopf bezeichnete Abschnitt trägt gewöhnlich zwei oder vier Fühler und zwei Augen, welche der Spitze, in der Eegel der Basis eines Fühlerpaares aufsitzen. (Fig. 641.) Am Rumpfe erhebt sich der bauchständige muskulöse Fuss, dessen Form und Grösse mehrfache Mo difica- tionen aufweist. In der Eegel stellt derselbe eine breite und >0 lange Sohle dar, dagegen ist der- selbe bei den Heteropoden eine senkrecht erhobene Flosse, bei den Pteropoden durch Entwick- lung paariger Theile (Epipo- dien) flügeiförmig gestaltet. Für die Gestaltung des Rumpfes er- scheint die Lage und Form des Mantels wichtig. Dieser erhebt sich nach Art einer Mütze oder Kaputze auf dem Rücken und bildet eine mehr oder minder umfangreiche Duplicatur, deren Rand meist verdickt, zuweilen auch in Lappen verlängert oder in Fortsätze ausgezogen ist. Die untere Mantelfläche begrenzt in der Regel als Decke eine auf die Rückenfläche und auch auf die Seiten des Rumpfes ausgedehnte Höhlung, welche das Respirationsorgan in sich aufnimmt. ') Ausser Cu Vieri, c. vergl.M artini und Chemnitz, Conchylien-Cabinet. 12 Bde. Herausgegeben von Küster. Nürnberg. 1837—1865. So warb y, Thesaurus conchyliorum or figures and descriptions of shells. London. 1832—1862. Reeve, Conchologia ieonica etc. London, 1842—1862. H. und A. Adams, The Genera of the recent Mollusca. 3 Vols. London, 1858. H. Troschel, Das Gebiss der Schnecken. Berlin, 1856—1878. Wood- ■ward. Manual of the Mollusca. 2'^ Ed. London, 1868. J. W. Span gel, Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mollusken, Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXXV, 1881. Helix pomat Augen an der Spitze paares, Pc Fuss. langen Fülilei Körperbau. Scliale. 655 Yis;. G42«. Durchschnitt durch das Gehäuse von Hilix pomatia. Fi?. 642 5. Der Eingeweiclesack entwickelt sich, vom Mantel umrahmt, au der dor- salen Seite meist bruchsackartig hervortretend. Die ursprüngliche symmetrische Ausbildung desselben findet sich nur bei den Placophoren {Chiton) bewahrt, ist jedoch bei allen übrigen Gastropoden gestört, indem der Eingeweidesack nach vorne gedreht, meist zugleich spiralig aufgerollt und nach dem oberen Ende allmälig verjüngt erscheint. Mantel und Einge- weidesack werden von dem Gehäuse bedeckt, welches die Form der Windungen der letzteren wiederholt und meistens auch Kopf und Fuss beim Zurückziehen des Thieres vollkommen in sich aufnehmen kann. Das Gehäuse stellt sich in der Eegel als feste Kalkschale dar, deren Structur eine ähnliche Beschaf- fenheit wie die Perlmutterschicht der Muschelschale besitzt. Zuweilen bleibt die Schale zart, hornig und biegsam, oder es tritt eine gallertige {Tiedemavnia) bis knorpelige (Cymhulia) innere Schale auf. Seltener erscheint die Schale so klein, dass sie nur die Mantel- hölile mit dem Kespirationsorgane bedeckt oder ganz in der Mantelhaut ver borgen liegt {Li'max, Pleurobranchmten). In anderen Fällen wird sie frühzeiti; abgeworfen, so dass den Thieren im reiferen Alter ein Gehäuse völlig abgeht (viele marine Nacktschnecken). Im Gegensatze zu den Lamellibranchiaten bleibt die Schale einfach, und zwar erscheint sie entweder flach und napfförmig (Pafe//a) ohne Gewinde, oder in sehr verschiedener Weise spiral gewunden von einer flachen scheibenförmigen bis zu der lang ausgezogenen, thurm- förmig verlängerten Spirale. (Fig.642«.) Mit dem Wachs- thum des Thieres wächst die Schale an ihrem dem Mantelrande aufliegenden Saume weiter (Anwachs- streifen) und erhält bei ungieichmässigem Wachsthum Spiralwindungen, deren Durchmesser allmälig und con- tinuirlich sich vergrössert. In seltenen Ausnahmen wächst die Schale später unregelmässig, und bildet anstatt der Spiralwiudungen eine lange gebogene Köhre wie z. B. bei Magilus (Fig. 6 A2 i.)Da dasunsymmetrische Wachs- thum der Schale in dem uugleichmässigen Wachsthum des Körpers seinen Grund hat, so begreift es sich, dass zur Seite der grösseren Aussenlippe der Schale die unpaaren Organe (After, Geschlechtsöflfnung) mün- den. Man unterscheidet den Scheitel oder die Spitze (Apex) als den Theil des Gehäuses, an welchem die Bildung desselben begann und die Spiralwindungen ihren Anfang nahmen, ferner die Mündung {Apertur a), welche in die letzte und meist grösste Windung einführt und mit ihren beim ausgewachsenen Thiere auf- gewulstetenL2)9/»e?i(Pe?7sfo»ia) dem Mantelrande aufliegt. Die Windungen drehen f VlÜl^i' Schale von (re, Mayilus anliqnns. e auimal). 656 Gastroporia. Korperhaut. Xervensystem. sich rechts — und dann wird das Gehäuse mit dem Apex nach rechts gewendet am Eücken getragen und After wieGeschlechtsöffnungen münden rechtsseitig — selten links um eine von der Spitze nach der Mündung gerichtete Achse, welche ent- weder durch eine solide Spindel (ColumeUa) oder einen hohlen Canal derselben bezeichnet wird, dessen Mündung mau als Xabel [Umho) benennt. Dieser kann, falls die Windungen von der Achse entfernt bleiben, zu einem hohlen, fast kegelförmigen Raum mit weitem Nabel werden {Solarium). In der Regel legen sich die Windungen unmittelbar au einander an; seltener bleiben die Windungen getrennt {Scalaria pretiosa). Nach der Lage der Spindel unterscheidet man einen Spindelrand oder innere Lippe und einen Aussenrand oder äussere Lippe der Apertur. Diese letztere erweist sich entweder ganzrandig {liolontom) oder durch eine Ausbuchtung unterbrochen, welche sich oft in einem canalartig ausgehöhlten Fortsatz verlängert {siphonostom). Bei vielen Schnecken kommt zum Gehäuse ein Deckel (Operculum) hinzu, der meist am hinteren Ende des Fusses aufsitzt und beim Zurückziehen des Thieres die Schalenöffnung ver- schliesst. Viele Landschnecken sondern vor Eintritt des Winterschlafes einen Kalkdeckel ab, welcher im kommenden Frühling wieder abgestossen wird. Die äussere schleimige Körperhaut besteht aus einem oberflächlichen, häufig Wimperhaare tragenden Cylinderepithel und einer bindegewebsreichen Unterhaut, von welcher die Hautmuskulatur nicht zu trennen ist. Der Haut sind Kalk- und Pigmentdrüsen eingelagert, besonders dicht gehäuft am Mantel- rande, wo dieselben das Wachsthum, sowie die eigenthümliche Färbung der Schale bedingen. Diese wird ganz nach Art von Cuticularbildungen durch das Epithel abgesondert und erstarrt, indem die der organischen Grundlage bei- gemengten Kalksalze eine feste und krvstallinische Beschaffenheit annehmen. Die oberste Schicht der Schale bleibt oft als zarte, dünnhäutige Epidermis un- verkalkt, während ihre innere Fläche sich durch Perlmutterschichten verdickt. Die Verbindung des Thieres mit der Schale wird durch einen Muskel bedingt, welcher wegen seiner Lage an der Spindel (Columella) Spindelmuskel heisst. Derselbe entspringt am Rücken des Fusses und setzt sich am Anfang der letzten Windung au der Spindel fest. Das Nervensystem zeigt grosse üebereinstimmung mit dem der Lamelli- branchiaten, bietet aber im Einzelnen manche Verschiedenheiten. Bei den Placopthoren, deren Nervensystem mit dem von Neomenia und Chaetoderma nahe Beziehungen bietet, sind die Ganglienknoten noch nicht gesondert. (Fig. 627.) In allen anderen Fällen treten die drei typischen Gangliengruppen auf. Die durch eine obere Querbrücke verbundenen Cerebralganglien entsenden eine Commissur zu den Pedalganglien, sowie eine zweite zu den Visceralgan- glien, die jedoch auch direct den Cerebralganglien anliegen können. In der Regel sind noch zwei seitliche Ganglien vorhanden, die sogenannten Co)i}- missural- oder Pleuralganglien, welche mit dem Cerebral- und Pedalganglion durch Commissuren in Verbindung stehen und von denen die Visceralcommissur ausgeht. Die Eingeweideganglien sind meist in mehrfacher Zahl vorhanden Sinnesorgane. 657 und liefern die Nerven zu den Geschlechtsorganen, Nieren und Herz, Kiemen und Mantel. Bei den Prosobranchien macht sich in der Lage der Visceral- commissur mit ihren Ganglien und austretenden Nerven ein eigenthümliches Verhältniss geltend, indem (Chiasfoneuren) als Folge der nach rechts erfolgten Drehung des Eingeweidesackes die Commissur vom rechten Pleuralgangliou über den Darm nach links verläuft und hier ein sogenanntes „Sapramtestinal- ijanijlion'-'- bildet, welches die linke Seite versorgt, während die vom linken Pleuralganglion abgehende Commissur unter dem Darm nach rechts läuft und aus einem kleinen ^^Suhmtestiyialganglion'-'' den die rechte Seite versorgenden Fk'. 643. a Nervensystem von HaUoUs. C3 Cerebralganglion, P*; Pleuropedalganglion, .4(7 Abdominalganglion, 0 und 0' Geruehsorgane, Fe. Pedalstränge, S und S' Seitennerven, Br Kiemen. — h Nervensystem von Limnam.". P Pedalgauglion, Flg Pleuralganglion (Commissuralganglion). Nacli Lacaze-Duthiers (schematisch, nach Spengel). Nerven austreten lässt. (Fig. 643.) Ueberall bildet ein vom Gehirn verlaufender Nerv meist an jeder Seite der Speiseröhre ein Buccalganglion, dessen Nerven zur Schlundwand und zum Darm treten. Von Sinnesorganen *) treten Augen, Gehörblasen, Tast- und Geruchsorgane auf. Die von einer Linse erfüllten und hinter derselben eine becherförmige Retina besitzenden Äugen (Fig. 644) sind in doppelter Zähl vorhanden und liegen meist an der Spitze von Stielen, welche aber in der ßegel mit den *) V. Hensen, Ueber das Auge einiger Cephalophoren. Zeitsclir. für wiss. Zool., Tom. XV, 1865. W. Flemming, Untersuchungen über Sinnesepithelien der Mollusken. Archiv für mikrosk. Anat., Tom. VI, 1870. C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 5. Aufl. 4J (}58 Gastropoda. Verdaiiuni;.sorganc. Fühlern verschmelzen. Die bedeutendste Grösse und höchste Ausbildung er- langen die Augen der Heteropoden, bei welchen sie, in besonderen glashellen Kapseln befestigt, eine Bewegung des Bulbus gestatten. Die beiden im Innern bewimperten Gehörblasen sind mit Ausnahme der Heteropoden und einiger Proso- hranchien mit dem Fussganglion verbunden, doch entspringt der zugehörige Nerv stets im Gehirn. Als Tastorgane hat man vor Allem die Fühler anzusehen, ferner die oft wulstigen Lippenränder, aber auch lappenartige Verlängerungen, welche sich hin und wieder am Kopfe, Mantel und Fusse finden. Die Fühler kommen meist in doppelter Zahl vor und fehlen nur ausnahmsweise vollständig. Dieselben sind einfache contractile Fortsetzungen der Körperwand, welche zuweilen {Pnlvionaten) eingestülpt werden können, üeberall wohl sind eigen- thümliche Haarzellen, deren Haarbüschel bei den Wasser- mollusken pinselförmig hervorragen, als Sitz einer beson- deren Empfindung anzusehen. Dieselben sind über die ganze Oberfläche des Körpers verbreitet und an den zur Tastempfindung dienenden Körpertheilen besonders ge- häuft. Die Fühler der Landschnecken besitzen an ihrer Endplatte zwischen besonders geformten Epithelzellen eine sehr reiche Ausbreitung feiner Sinneszellen (Kölbchen mit Stiften, Flemraing) imd fungiren wahrscheinlich als Spürorgane. Neuerdings wurde ein Organ, welches von dem Supraintestinalganglion aus innervirt wird, die Nebenkieme der Autoren als Sinnesorgan erkannt und Auge von He?i^ nach Ca r- ^|g Gcruchsorgan gedcutet. Bei den Zeugobranchien ri er e.iy)Epidei'mis,iLiii- t xr 7 • \ • t t r\ se, xv Nerv, dessen Fasern (Fissureua, Haliofis) smd diesB Organe paarig vorhanden. in die Stäbolienzellen der /"pjo- f)43 ffl ^ Retina übergehen. ' "'' ta- t- 7 1 i» IJ- • ;i Die \ erdauungsorgane xQU-diXiiQ^ seltener m gerader Eichtung, gewöhnlich unter mannigfachen Windungen, zuweilen knäuelartig zusammengedrängt im Leibesraum, biegen in der Kegel nach vorne um und münden meist rechtsseitig vorne in dem Mantelraume; zuweilen aber mündet der After auch auf der Rückenfläche weit nach hinten gerückt. Viele, und zwar die höher stehenden Gastropoden, besitzen einen von der Basis aus ein- stülpbaren Rüssel, andere eine von der Spitze aus einziehbare Schnauze. Die von Lippeuräudern umgrenzte Mundöffnung führt in eine mit festen Kautheilen bewaffnete Mundhöhle, in welche zwei Speicheldrüsen einmünden. Aus der- selben entspringt die Speiseröhre, dann folgt ein erweiterter, meist blindsack- förmiger Magendarm und auf diesen der meist lange, mehrfach gewundene Dünndarm, von einer sehr umfangreichen, vielfach gelappten Lebermasse um- hüllt, welche vornehmlich den oberen Theil des Eingeweidesackes ausfüllt und ihr Secret in den Darm, aber auch in den sogenannten Magen ergiesst. (Fig. 645.) Die Gestaltung des Verdauungscanais und der Leber bietet im Einzelnen zahl- reiche und wesentliche Modificationen, unter denen der mit Leberblindsäcken versehene Darm der Phlehenteraten die bemerkenswertheste ist. (Fig. 646.) Der 659 Enddarm zeichnet sich durch seine Weite aus und kann als Mastdarm (Kectum) unterschieden Averden. Die Bewaffnung der Mundhöhle wird theils durch Kiefer an der oberen Schlund wand, theils durch die sogenannte lieibmembran {Radida) eines zun- genartigen Wulstes im Boden der Mundhöhle gebildet. Der Kiefer liegt als bogenförmige Hornplatte dicht hinter dem Lippenrand oder zerfällt in zwei seitliche, sehr verschieden geformte Stücke, zwischen denen bei einigen Pul- monaten ein unpaares Kieferstück bestehen bleibt. Unterkiefer fehlen, dagegen liegt im Boden der Mundhöhle ein theils muskulöser, theils knorpeliger Wulst, welcher wegen der Aehnlichkeit mit der Zunge der Wirbel- thiere die gleiche Be- zeichnung erhalten hat. (Fig. 647.) Die Oberfläche desselben ist mit einer derben Membran, der Keib- platte oder Radida, bekleidet, auf welcher sich charakteristisch gestaltete, in Quer- reihen angeordnete Plättchen, Zähne und Haken erheben. Nach hinten setzt sich die -Anatomie der Weinbergschnecke (i/e?ix pown^/a), nach Cii vier. Die Mantel- . . höhle linksseitig gespalten und der Mantel nach rechts umgesehlagen. XiadUla in eme Cylin- Sodann sind nach Eröffnung der Körperhöhle die Eingeweide auseiuander- driSChe Tasche die stiegt. Cg Cerebralgangllon, S^j Speicheldrüse, J/ Magen, r> Darm, i Leber, A After, X Niere, At Atrium, C Ventrikel, PI Lunge, Zd Zwitterdrüse, von sogenannte Zungen- Leberlappen umhüllt, Ed Eiweissdriise, Pr Prostata, Ut Uterus, Rs Recep- Scheide. fort welche t-"*"^"^"™ seminls, Dr fingerförmige Drüsen, Ps Pfeilsack, P Penis, Fl Fla- gellum, Mr lletraetor, .S7: Spindelmuskpl. aus dem unteren Ende der Mundmasse schlauchartig hervorragt und als Bildungsstätte der Kadula fungirt. Grösse, Zahl und Form der Platten oder Zähne auf der Oberfläche der Kudula variiren überaus und liefern für die Gattungen und Familien systematisch wichtige Charaktere. An den Querreiheu der Platten, den sogenannten Gliedern der Reibmembran, unterscheidet man Mittelplatten, Zioischenplatten und Seiten- platten. (Fig. 648 «, i.) Nach der besonderen Gestaltungsweise der Radulabewaff- nung glaubte Troschel natürliche Abtheilungen bilden zu können. Indessen bedarf diese einseitige systematische Anschauung mancherlei Correcturen, wie vornehmlich für die Taeniogiossen und Rhipidoglossen nachgewiesen wurde. 42* 660 Gastropoda. Gefässsystem. Längsschnitt durch die Mundmasse von Ihlix. nach W. Kefer stein. 0 Mund, 3//( Mund- höhle, .!/■ Muskeln, 7?(Z Radula, AT» Zuugen- knorpel, Z Zungenscheide, Kf Kiefer, Oe Oesophagus. Das Gefässsystem zeigt mehrfache und wesentliche Abweichungen. Das Herz liegt, von einem besonderen Pericardium umschlossen, meist zur Seite gedrängt in der Nähe der Athmungsorgane. (Fig. 649.) In der Regel besteht dasselbe aus einer kegelförmigen Kammer mit austretender Aorta und einem den Athmunersor- Fi^-646- Fig. 647. ^^ ganen zugekehrten Vorhof, in welchen das Blut durch Venen einströmt. Der letztere er- scheint bei einigen Gastropoden (Ha- ltotts , FissureUa ) paarig (doppelte Kiemen), und dann ist die Ueberein- stimmung mit den LamelUhranchtaten um so grösser, als in diesen Fällen auch der Mastdarm die Herz- kammer durchbohrt. Die Aorta spaltet sich gewöhn- lich in zwei Arterienstämme, von denen sich der eine nach vorne fortsetzt und mehrfache Verzwei- gungen in den Kopf und Fuss schickt, der andere rückwärts nach den Eingeweiden verläuft. Die Enden der Arterien öffnen sich in wandungslose Bluträume der Leibeshöhle, aus denen das Blut entweder ohne Dazwischentreten von Gefässen {Heteropoden und viele Nudihranchien) oder durch sogenannte Kie- men- (Lungen-) Arte- rien nach den Respira- tionsorganen und von da durch Kiemen- (Lun- gen-) Venen nach dem Herzen zurückgeführt wird. Die Einrichtun- gen, welche Wasser in dieBluträume eintreten lassen sollten, haben sich als nicht diesem Zwecke dienlich erwiesen. Nur bei Natica wurde in neuester Zeit das Vorhandensein besonderer Wasserporen und Wasserräume wahrscheinlich gemacht. Nur wenige Gastropoden respiriren ausschliesslich durch ihre Körper- haut; bei Weitem die meisten athmen durch Kiemen, viele durch Lungen, wenige durch Lungen und Kiemen zugleich. Die Kiemen sind meist blatt- Darm von Aeolis' papulosa, nach Hancock. Bm Buccalmasae, Oe Oesophagus, M Magendarm, L Le- berschliluche, welche in die Anhänge des Rückens eintreten, -4 After. Ein Glied der Radula von Pterotrachea Lcsueurii, nach Macdc h Ein Glied der Radula von NcrUina fluviatilis, nach S. Lov Athmungsorgaiie. 661 FiV. 649. förmige oder gefiederte Haiitanhänge, welche in der Regel zwischen Mantel und Fuss von der Mautelduplicatur umschlossen liegen, selten frei der Kückenfläche aufsitzen. Der Mantelraum ist daher zugleich die Athem- höhle. Die Duplicität der Kiemen (Placophoren, Zeugohr anchien) erscheint als ursprünglicher Zustand, macht meist aber einer asymmetrischen Ausbil- dung Platz, indem blos eine Kieme erhalten bleibt. (Fig. 650.) Die Luftath- mung beschränkt sich auf einige Prosohranchien und auf die Puhwnaten. Auch hier dient der Mantelraum als Athemhöhle und unter- scheidet sich dadurch von der Kiemenhöhle, dass die Decke der mit Luft er- füllten Cavität der Kieme entbehrt und dafür an ihrer inneren Fläche ein reiches Netzwerk von Bluträumen und Gefässen entwickelt. Die Kiemen-, respec- tiveLungenhöhle com- municirt durch eine längere Spalte des Mantelrandes oder durch eine runde, ver- schliessbare Oeffnung mit dem äusseren Me- dium; häufig setztsicb d er Mantelrand um die Athemöfl:nung, analog dem Sipho der La- mellibranchiaten, in eine verschieden lange Athemröhrei Fig.650 ) fort, welcher in der Kegel ein Ausschnitt oder canalartiger Fortsatz des Gehäuses entspricht. Für die Classification der grösseren Gruppen ist die Bildung der Athmungswerkzeuge von Bedeutung geworden. Im Allgemeinen kann man mit Nervensystem und Kreislaufsorgane \on Paludina viripiira, nach Ley- dig. -F Fühler, Oe Oesophagus, Cg Cerebralganglion mit dem Augp, Pg Pedalganglion mit anliegender Gehörblase, Vg Visceralganglion, P?ig Pharyngealgauglion, A Atrium des Herzens, Ve Ventrikel, Aa Aorta abdominalis. Ac Aorta cephaliea, r zuführende Kiemenvene, Vc zurück- führende Vene, Br Kieme. Anatomie von Cas.tis cornnta, nach Quoy. li organ (sogenannte Nebenkieme), Br Kieme, i-entriculus, D Afterdarm, Rüssel, Si Sipho, KU Geruchs- Hpd Speicheldrüsen, PV Pro- fi Niere, P Penis. 662 Gastropofla. Niere. Schleimdrüsen. M i 1 n e Edwards nach der Lage der Respirationsorgaue zu dem Herzen und dessen Vorhof zwei grosse Abtheilungen gegenüberstellen : Opisthohranchien, deren Vorhof und Kieme hinter der Herzkammer liegt, und Prosobranchien, deren Vorhof und Kieme vor der Herzkammer seine Lage nimmt. Den letzteren schliessen sich in diesem Charakter die Heteropoden und die meisten Liingen- schmcken (Pidmonaten) an, welche freilich in manchen Verhältnissen ihrer Organisation und auch als Hermaphroditen den Opisthohranchien näher stehen. - Das wichtigste Absonderungsorgan der Cephalophoren, die Niere, ent- spricht nach Lage und Bau dem B oj anus'schen Organe der Lamellibran- chiaten. (Fig. 650.) Indessen ist dieselbe meist unpaar und liegt in der Nähe des Herzens als ein länglich dreieckiger Sack mit spongiöser (seltener mit glatter) Wandung von gelblichbrauner Färbung, welcher durch einen Wimper- trichter mit dem Pericardialraum in Verbindung steht. Das Secret der Drüse besteht grossentheils aus festen Concreraenten, welche in den Zellen der Wan- dung ihren Ursprung nehmen und aus Harnsäure, Kalk und Ammoniak be- stehen. Entweder öffnet sich der Drüsensack der Niere unmittelbar durch eine verschliessbare Spalte, oder vermittelst eines besonderen, neben dem Mastdarm verlaufenden Ausftthrungsganges , überall in der Nähe des Afters in die Mantelhöhle. Die Gastropoden besitzen ziemlich allgemein in der Decke der Athem- höhle eine Schleiiadrüse, welche oft eine erstaunliche Menge ihres Secretes aus dem Athemloche zu ergiessen vermag. Bei den Purpurschnecken (Purpura, Murex) liegt in der Decke der Athemhöhle neben dem Mastdarme die soge- nannte Purpurdrüse, eine längliche, weisslichgelbe Drüsenmasse, deren farb- loses Secret nach den Untersuchungen von Lacaze-Duthiers unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes rasch eine rothe oder violette Farbe gewinnt, welche als echter Purpur wegen ihrer Beständigkeit und Dauer schon im Alterthum geschätzt war. Nicht zu verwechseln mit dem echten Purpur ist der gefärbte Saft, welchen manche Opisthohranchien, z. B. die Aphjsien, aus Poren ihrer Haut entleeren. Eine weitere Drüse ist die Fussdrüse von Limax und Arion. Dieselbe erstreckt sich durch die Länge des Fusses und besteht aus einzelligen Drüsen- schläuchen, deren Ausführungsgänge in den bandförmigen Haupteingang ein- treten, welcher sich zwischen Fuss und Kopf nach aussen öffnet. Dazu kommt bei mehreren nackten Pulmonaten {Arion) eine Drüse auf der Spitze des Schwanzes, welche sehr rasch bedeutende Mengen von Schleim abzusondern vermag. Die Gastropoden sind theils Zwitter, theils getrennten Geschlechtes. Zu den ersteren gehören die Pulmonafen, Opisthohranchien und Pteropoden; ge- trennten Geschlechtes sind die Prosohr anchien und Heteropoden. Fast alle Gastropoden legen Eier, die meisten als Laich in Schnüren ab. Nur wenige gebären lebendige Junge, die sich aus den befruchteten Eiern im Uterus ent- wickelt haben. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem Ovarium, Fortpflanzuiigsorganc. 663 Fig. 651. Eileiter und Eiweissdrüse, Uterus (erweiterter und drüsiger Theil des Eileiters, Scheide und Samentasche; die männlichen aus einem Hoden, einem Samenleiter nebst Samenblase, Ductus ejaculatorius und äusserem Begattungsorgane. Die hermaphroditischen Formen zeichnen sich durch die enge Verbindung der beiderlei Zeugungsdrüseu und ihrer Leitungsapparate aus, indem nicht nur die letzteren in directer Communication stehen, sondern auch Ov^ieu und Hoden mit wenigen Ausnahmen (Actaeon, Janus) als Zwitterdrüse, meist zwischen den Leberlappen versteckt, räumlich vereinigt sind. (Fig. 645.) Dann entstehen entweder Eier und Samenfäden an verschiedenen Follikeln der gelappten oder auch verästelten Drüse (Nudibranchien)^ freilich immer in unmittelbarer Nähe, indem die Eifollikel als Ausstülpungen peripherisch den Hodenbläschen aufsitzen (Äeolis), oder das Epithel desselben Fol- likels erzeugt hier Samenfäden, dort Eier, wenn auch in der Regel nicht gleichzeitig, indem die männliche Reife des Thieres der weiblichen vorausgeht (Landschnecken). Bei den Helkiden (Fig. 651) trägt die Scheide zwei Büschel .von fingerförmigen Drüsenschläuchen, sowie einen eigen- thümlichen Sack, den „/ye^7sacÄ;", welcher ein pfeilförmiges kalkiges Stäbchen in seinem Innern erzeugt. Das letztere, der sogenannte Liehespfeil, sitzt im Grunde der Tasche auf einer Papille fest, tritt aber bei der Begattung hervor und scheint die Bedeutung eines ReizOrganeS zuhaben. Geschlechtsorgane der Weinbergschnecke {UHU In der Regel bricht derselbe während i^o'«««««), nach Paasch, .^dzwuterdruse, .?g der .-,.,, 11 Ausführungsgaug derselben, £'d Eiweissdrüse, Od semer Thätigkeit ab, um später durch Eiergang und samenrinne, r<£ Samenleiter, p vor- einen neuen ersetzt zu werden. Die mann- stülpbarer Penis. FI Flagellum, Rs Reeeptaculum -., ^ ,, t , .. Pf 111.1 11 -j seminis. I> fingerförmige Drüse, L Pfeilsack mit liehe GeSchlechtSOffnUng steht überall mit ^en, Llebespfell, Gö gemeinsame Genitalöffnung. einem vorstülpbaren Penis im Zusammen- hange und mündet meist mit der weiblichen in einer gemeinsamen seitlichen Oeffnung. Bau und Lagerung der Geschlechtsorgane bei den getrennt geschlecht- lichen Gastropoden ist ähnlich wie bei den Zwitterschnecken. Auch hier finden sich Samentaschen und Eiweissdrüse {Paludina). Die Männchen besitzen fast überall einen freiliegenden Penis (Fig. 650), welcher entweder von dem Ende des Vas deferens durchbohrt (Buccimm) oder von einer Halbrinne durchzogen wird, an deren Basis die Geschlechtsöffnung liegt. Ist der Penis von der Geschlechts- öffnung entfernt, so ist es eine Wimperrinne, welche von jener die Samenfäden nach dem Begattungsorgane leitet (Murex, Dolium^ Stromhus). 664 Gastropoda. Entwicklung. Die Embryonalbildung ') erfolgt nach inaequaler Dotterklüftung mittelst Anlage einer Blastula und Gastrula. Der Gastrularaund geht in den definitiven Mund über. Das Mesoderm wird durch zwei symmetrisch gelagerte Zellen au- gelegt. Der Embryo erhält alsbald ein bewimpertes Velum, mittelst dessen er in dem flüssigen Eiweiss des Eies rotirt. Vor dem Velum entsteht die Scheitel- platte (Anlage des oberen Schlundganglions) als Verdickung des Ectoderms. An der der Mundöffnung entgegengesetzten Körperseite bildet sich die Schalen- anlage (Schalendrüse), und bald darauf tritt die vom Mesoderm gebildete Ur- niere in Function; gleichzeitig erfolgt die Anlage des Fusses, während erst später mit der Ausbildung der Asymmetrie die definitive Niere, das Herz, sowie die Mantelhöhle sich anlegen. (Fig. 652.) Die freie Entwicklung ist entweder eine directe, indem das ausgeschlüpfte Junge (bis auf ßudimente von Larvenorganen) bereits die Form und Organi- '^> II iii Einige Stadien der Embryonalentwicklung von Flanorhix, nach C. Rabl. a Optischer Schnitt durch ein Furcbungsstadium (24-Theilung). Rk Richtungskörperchen, Fh I'urchungshöhle. — '' Stadium mit vier Mesodermzelleu, vom vegetativen Pol gesehen. Ms Mesodermzellen, En Entoderm, AV Ectoderm. — c Schiefer optischer Längsschnitt durch das Stadium mit vier Mesodermzellen. — d Aelterer Embryo, an welchem sich die Schalendriiae nach rechts verschiebt. Sär Schalendrüse, S Schale, 0 Mund, D Darm, 7? Kadula- anlage, Sp Scheitelplatte, Oc Augen, Ot Gehörbläschen, N Urniere, Fe Velum. sation des Geschlechtsthieres besitzt {Pulmonaten)^ oder beruht auf einer Meta- morphose. In diesem letzteren, für fast alle marinen Gastropoden giltigen Falle besitzen die schwärmenden Larven zwei grosse Wimpersegel, welche an Stelle des noch rudimentären Fusses als Bewegungsorgan dienen. Die Schale liegt bereits der Rückenfläche auf, ist aber noch klein, kaum mit beginnender Win- dung und kann meist durch einem dem Fusse angehefteten Decke] verschlossen werden. (Fig. 619 und 620.) Sehr häufig findet ein Schalenwechsel statt, indem die embryonale Schale abgeworfen und durch eine neue, definitive ersetzt wird. •) Vergl. insbesondere N. Bobretzky, Studien über die embryonale Entwicklung der Gastropoden. Archiv für mikrosk. Anatomie, Tom. XIII, 1876. C. Eabl, Ueber die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphol. Jahrb., Tom. V, 1879. H. Fol, Sur le developpe- ment des Gasteropodes pulmones. Arch. Zool. Expör., Tom. VIII, 1879—1880. F. Bloch- m a n n, Ueber die Entwicklung der Neritina fluviatilis. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXXVI. 1883. Ferner Bütschli, E. Lankester etc. 1. Ordnunsc. I'UicoplioiM. 665 Bei Weitem die meisten Gastropodeu sind Meeresbewohner; im süssen Wasser leben die Basommatophoren und einige Prosohranchien (Paludina, Valvata, Melania, Keritina etc.). Im Brackwasser kommen viele Littorinen, Cerähien, Melanien etc. vor. Landbewohner sind die Cydo.stovuden und Sfj/l- ommatophoren unter den Pulmonaten. Uebrigens sind auch viele Kiemen- schnecken im Stande, eine Zeit lang im Trockenen auszudauern, indem sie sich in ihre Schale zurückziehen und dieselbe durch den Deckel verschliessen. Fast alle bewegen sich kriechend mittelst der Fussfläche, einige aber, wie Strombus, springen, andere, wie Oliva und Anclllaria, die Pteropoden und Heteropoden schwimmen mit Hilfe ihres Fusses. Emige Meeresbewohner, wie Magilus, Ver- metus etc., sind mit ihren Schalen festgewachsen, nur wenige leben parasitisch, wie Siylifer auf Seeigeln und Seesteruen, Entoconcha mirabüü in Synapta. Ebenso verschieden wie die besondere Art des Aufenthalts und Vorkom- mens ist die Art der Ernährung. Viele, insbesondere die Siphonostomen^ sind gefrässige Raubthiere und machen Jagd auf lebende Thiere ; einige Kiemen- schnecken, wie Murex und Natka, bohren zu diesem Zwecke die Schalen von Mollusken an, mehrere (Stwmhus, Buccinum) suchen vorzugsweise todte Thiere auf. Eine nicht minder grosse Zahl, fast alle Pidmonaten und holostome Kiemen- schnecken, sind Pflanzenfresser. 1. Ordnung. Placopliora '), Placoplioreu. Körper mirmförmig^ symmetrisch^ ohne ahgesetzten Kopf ah schnitt^ mit söhligem Fusse, dorsal von metamerenähnlich hintereinander gelagerten Kalk- platten bedeckt, mit paarigen Nieren und zahlreichen paarigen Kiemen. Unter allen Weichthieren schliessen sich die Placophoren nach Bau und Organisation am meisten den Gattungen Neomem'a und Chaetoderma an und repräsentiren uns die phylogenetisch ältesten Gastropoden. Der im Gegensatze zu allen übrigen Gastropoden vollkommen symmetrische Leib besitzt keinen deutlich abgesetzten Kopf und entbehrt der Augen und Tentakeln. Der Fuss ist söhlig entwickelt. Das Integument entwickelt meist zahlreiche, zerstreut stehende Borsten, welche bald chitinig erhärtet, bald verkalkt sind. Zu diesen Integumentalbildungen kommt noch eine Dorsalreihe breiter, schienenähnlich verbundener Platten, welche ausnahmsweise {Cryptochiton) vom Mantel um- schlossen bleiben und ihrer Entstehung nach eine gewissermassen vieltheilige Molluskenschale repräsentiren. (Fig. 653.) Die freien Mantelränder beschränken sich auf mässigeVerdickungen, unter denen jederseits die auf eineßinne reducirte 'j A. Th. Middendorf, Beiträge zu einer Malacozoologia russica. I.Beschreibung und Anatomie neuer oder für Eussland neuer Chitonen. Mem. acad. imp. St.-Petersbourg, 1848. S. L 0 V e n, Ueber die Entwiclilung der Gattung Chiton. Archiv für Naturgesch., 18r)6. B. Ha 11 er, Die Organisation der Chitonen der Adria. Arb. aus dem zool. Institute in Wien, Tom. IV, 1882; Tom. V, 1883. A. Kowalevsky, Embryogenie du Chiton Polii. Ann. du Musee d'hist. nat. Marseille, Tom. I, 1883. ()i}Q 2. Ordniiug. Prosobranchia. Mantelhölile mit einer Reihe zweiliedriger Kiemen verläuft, von denen jede einer Prosobranchierkieme entspricht (daher Polyhranchiata). (Fig. 622. ) Von besonderem Interesse ist das einfache, mit dem der Solenogastres nahe übereinstimmende Verhalten des Nervensystems. (Fig. 622.) Gehirnan- schwellungen fallen im Zusammenhange mit dem Mangel der Augen und Ten- takeln am doppelten Schlundring hinweg. Von demselben treten vier Nerven- stämme aus, die oberen seitlichen Pallialstränge und die ventralen, durch Quercommissuren verbundenen Pedalstränge, an denen Pedal- und Visceral- ganglien als Ganglienknoten nicht gesondert sind. Die beiden Pallialstränge bilden eine dorsal vom Darm bogenförmig geschlossene symmetrische Schlinge. Buccalganglien sind vorhanden, ferner Sublingual- (Subradular-) Ganglien, welche zu einem Sinnesorgane am Boden der Mundhöhle (Subradularorgan) gehören. Der Darniicanal beginnt mit der von einem rundlichen Lappen über- ragten Mundöffnung und erstreckt sich unter mehrfachen Flg. 653. Windungen durch die ganze Länge des Leibes, um am hin- teren Ende in der Afteröffnuug auszumünden. Als Anhangs- drüsen sind zwei in den Oesophagus einmündende Drüsen, (Speicheldrüsen V) sowie die in den Magen mündende paarige umfangreiche Leber zu erwähnen. Am Boden der Mundhöhle findet sich eine mächtige, von harten Chitinplatten (Radula) bekleidete Muskelmasse, die Zunge. Das Herz besteht aus einer medianeu Kammer, welche über dem Enddarm liegt, und zwei seitlichen Vorhöfeu. Die Nieren sind paarig und münden rechts und links in die Mantelrinne aus. Die Placophoren sind getrennten Geschlechts. Hoden und Ovarien bilden eine einfache Drüse, welche dicht über Leber und Darmcanal liegt und jederseits einen in die Mantelrinne mündenden Ausführungsgang entsendet. Die Entwicklung des Eies beginnt mit einer totalen Furchung, welche anfangs aequal, dann irregulär verläuft, und führt zu einer Blastula und Livaginationsgastrula. Die aus den Ei- hüllen ausschlüpfende Larve besitzt ausser dem Velum einen vorderen Wimper- schopf und zwei Augenflecken, sowie bereits die Anlage des Fusses und der Schale. Farn. Chitonidae, Käferschnecken. An Stelle der Schale finden sich acht Kalkstüoke vor, welche, schienenartig gelagert, in der Art über einander greifen, dass der Hinterrand eines Schalenstückes den Vorderrand des nachfolgenden überdeckt. Chiton sqiiainosus L., Mittelmeer. (Fig. 653.) Cryptochiton Stelleri Midd., Kamtschatka. 2. Ordnung. Prosobranchia ' ), Prosobrauchieu. Beschalte Kiemenschnecken, deren Kiemen vor dem Herzen. liegen^ ge- trennten Geschlechts. ') Fr. Leydig, Ueber Paludina vivipara. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. II, 1850. E. Claparede, Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Neritina fluviatilis. Müller's Archiv, 1857. H. Lacaze-Duthiers, Memoire sur le Systeme nerv, de THaliotide. Cyclobraiu-hia. Zeugobraiicbia. t)67 Der Kopf ist meist deutlich gesondert, die vorne und links gelegene Athemliöhle. in welche Afterdarm, Niere und Eileiter münden, birgt zuweilen zwei Kiemen, in der Regel bleibt in Folge der Drehung und Asymmetrie des Eingeweidesackes nur eine (rechte) Kieme an der linken Seite zurück. Die Kiemeuvenen treten vorne ins Herz ein. Die Visceralcommissur bildet meist eine lange, gekreuzte Schlinge. Die Männchen sind in der Regel schlanker und werden leicht an dem grossen, an der rechten Seite des Vorderkörpers gelegenen Penis erkannt. An den Geschlechtsorganen fehlen meist die Anhangsdrüsen. Die Eier werden von Eiweissmasse umlagert, in flaschenförmigen Kapseln ab- gelagert und letztere häufig fremden Gegenständen angeklebt, seltener auch am Fuss mit umhergetragen (Janthma). 1. Unterordnung. CycJohranchia. Prosobranchien mit flacher, tellerför- miger Schale und blattförmigen Kiemen, welche in geschlossenem Kreise unter dem Mantelrande um die breite Fusswurzel sich erheben. Der Fuss ist breit und flach. Die Zungenbewafl'nuug wird ähnlich wie bei den Placophoren durch balkenartige bezahnte Hornplatten gebildet, daher Docoglossa Troschel. Zu- weilen tritt auch eine Kieme (Cervicalkieme) rechts am Nacken auf (Lottia). Nieren paarig. Aeussere Begattungswerkzeüge fehlen. Pflanzenfresser. Farn. Patellidae. Der schüsselförmigen Schale adhärirt das Thier mittelst eines hufeisen- förmigen Muskels. Kopf mit zwei Tentakeln, an deren angeschwollener Basis die Augen liegen. Zunge ausserordentlich lang und spiralig aufgerollt. Darmmüudung rechts unter dem Kopfe. An der Kadula fehlen die Mittelplatten, während die Zwischen- und Eand- platten zu Haken erhoben sind und kleinere Seitenplatten auftreten. Patella L. Die Spitze der Schale liegt wenig excentrisch und ist kaum nach vorne geneigt. P. coerulea L., P. tarentina Lam., P. scutellaris Lam., Adria und Mittelmeer. Nacella Schum, Kiemenkranz an dem Kopfe unterbrochen, die Spitze der pelluciden, innen perlmutterartig glänzenden Schale nach vorne umgebogen. N. pellucida L. 2. Unterordnung. Zeugobranchia. Kiemen zweifiedrig, paarig symmetrisch. Die der linken Seite ist die herübergerückte rechte und die rechte die herüber- gewanderte linke. (Fig. 654.) Mantelrand vorne gespalten, daher die Schale durchlöchert oder an der Aussenlippe mit einem Schlitze versehen. Niere paarig, links rudimentär. Mit doppeltem Vorhof des Herzens, dessen Kammer von dem Mastdarm durchbohrt wird. Gebiss rhipzdogloss, indem die complicirt gebaute Radula in jeder Querreihe ausser den Mittel- und Zwischenplatten eine grosse Zahl von fächerartig geordneten Seitenplatten trägt, deren oberer Rand umgebogene Haken bildet. (Fig. 648 Z;.) Alle sind Pflanzenfresser mit nicht retractiler Schnauze, ohne Siphonairöhre der Schalenmündung, und be- sitzen oft fadenförmige Anhänge am Fusse. (Fig. 655.) Ein Penis fehlt. Memoire sur la Poupre, Memoire sur l'Anat. et TEmbryog. des Vermets. Ann. des sc. nat., IVe ser., Tom. XII und XIII. B. Ha 11 er, Untersuchungen über marine Khipido- glossen. Morph. Jahrb., Bd. IX, 1884. W. Patten, The Embryology of Patella. Arb. aus dem zool. Institute in Wien, Tom. VI, 1886. L. B out an, Ptecherches sur l'anat. et le developpement de la Fissurelle. Arch. Zool. exper. 2. serie. t. III, Suppl. 1885. 668 Ctenobranchia. Farn. Fissurellidae, Spaltnapfschnecken. Schale napf- und mützenförmig, an der Spitze geöffnet oder mit einem vorderen Ausschnitt zur Einführung in die mit zwei symmetrischen Kiemen versehene Athemhöhle. Mantelrand gefranst. Die Thiere sind denen der Patelliden ähnlich, mit Fühlern und umfangreichem Fusse. Fig. 654. Fig. 655. FisstifuUa maxhiut iau-> Bronn' Fissurella Brug. Schale mit länglichem Loche in der vor der Mitte liegenden Spitze. F. graeca L., Adria und Mittelmeer. Emarginula Lam. Am Vorderrande der tief napfförmigen Schale ein Ausschnitt. E. elongata Costa, Adria und Mittelmeer. Farn. Haliotidae, Seeohren. Schale flach, ohrförmig, innen perlmutterglänzend, mit einer Eeihe von Löchern an der linken Seite. In der linksseitigen Athemhöhle liegen zwei Kiemen, von denen die rechte (herübergewanderte der linken Seite) kleiner ist. Fuss gefranst mit breiter Sohle, Kopf mit zwei langen Fühlern und kurz gestielten Augen. (Fig. 654.) Haliotisli. Spira der Schale klein und flach. H. tuberculata L., Adria und Mittelmeer. 3. Unterorduling. Ctenohranchm. ( Anisobrancliia e. p.) Mit mächtiger, links gelegener, herübergewanderter rechter Nackenkieme von kammförmiger Thier von Haliotis tuherculata. J/ Die zurück- geschlagejien Mantellappen. In der Kiemen- höhle die beiden Kiemen (ff), der Enddarm {D), sowie die Schleimdrüse (Dr), ,? Spindelmuskel, F Fuss, T Fühler, O Auge. In dem geöffneten Pericardialraum der den Darm umgebende Ventrikel des Herzens (T'), sowie die beiden gefransten Atrien {A) Fig. 656. Fi?. 65^ Conus texiilis (regne animal). li Uüssel, Si Sipho, F Fühler, 0 Auge, P Fuss. arifiis (regne auinial). Gestalt ; die kleine sogenannte Nebenkieme ist Sinnesorgan. (Fig. 650.) Sehr allgemein ist eine Spiralschale vorhanden. (Fig. 656.) Die Männchen besitzen einen rechtsseitigen Penis. Die meisten sind Fleischfresser und im Besitze eines vorstiüpbaren Rüssels. Khipidoglossa. Ptenof?Iossa. Uliachiglossa. Toxoglossa. Taenioglossa. (jßQ 1. Rhlpidoglossa. Jede Querreihe der Radula mit zahlreichen, filcherförniig geord- neten Seitenplatten. (Fig. 648 i.) Herz vom Mastdarm durchbohrt. Fam. Trochidae, Kreiselschnecken. Mit kreiseiförmiger Schale und Spiraldeckel. Fuss in Fäden und Lappen auslaufend. Augen auf kleinen Stielen. Tur/jo L. Mit rund- lichen Windungen, runder Mündung und etwas abgesetztem Mundrand. T. rugosus Lam. Trcchus L. Mit eckigen Windungen, oben getrenntem Mundrand und dünner Aussenlippe. Tr. varius L., Adria und Mittelmeer. Tr. zizyiihinus L., Mittelmeer. Fam. Nerüidae {Neritacea). Mit dicker, halbkugeliger, UDgenabelter Schale und Deckel. Augen gestielt, hinter den zwei langen Fühlern. Schnauze kurz, oft zweilappig. Fuss gross, dreieckig. Nerita L. Schale dick, halbkugelig. Spira seitlich. Mündung halb- rund. N. rugata Eecl. N. {Nerüina) flnviatilis L., Süsswasserform. NavicellaLam. JV. ellip- tica Lam. 2. Ptenoglossa. Ohne Athemsipho, Schale mit ganzrandiger Mündung, ohne Aus- schnitt oder Canal. Die Zunge ist mit Reihen zahlreicher kleiner Haken bewaffnet und entbehrt der Mittelplatten. Fam. Janthinidae . Janthina hicolor Menke, Mittelmeer. Fam. Solariidae, Perspectivschnecken. Scalaria communis Lam. Sc. xiretiosa Lam., echte Wendeltreppe, Ostindien. Solarium perspectivum Phil., Mittelmeer. 3. Rhachiglossa. Mit langem, von der Basis aus umstülpbarem Rüssel. Die Zunge lang und schmal, mit höchstens drei Platten in jeder Querreihe, einer bezahnten Mittel- platte und einer Zwischenplatte jederseits, die sich oft auf blosse Haken reduciren, aber auch fehlen können. Alle besitzen einen Sipho und sind Raubschnecken. Fam. Yohitidae, Faltenschnecken. Valuta undulata Lam., Neuseeland. F. vespertilio L., Ostindien. Cymlnum aethiopicum L. Fam. OUvidae. Oliva utricidus Lam., Indischer Ocean. Ancillaria Lam. Harpa ven- iricosa Lam., Neuguinea. Fam. Muricidae (Canaliferae). Murex hrandaris L., M. trunculus L., Mittelmeer. Fusus austraUs Quoy Gaim. Columbella mercatoria L., Atlantischer Ocean. Fam. Buccinidae. Biiccinum undatum, L. Nassa reticidata L., Mittelmeer. Purjmra lapillus L., Nordsee. Magilus antiquus Montf., Rothes Meer. (Fig. 642 i.) 4. Toxoglossa. Zunge mit zwei Reihen langer hohler Haken, welche aus dem Munde pfeilartig vorgestreckt werden können. Alle besitzen einen Sipho, die meisten ernähren sich räuberisch von Seethieren. Fam. Conidae. Kegelschnecken. (Fig. 656.) Conus mediterraneus Brug., Adria und Mittelmeer. C. litteratus L., Ostindien. Fam. Terehridae. Schraubenschnecken. Terebra dimidiata Lam. Fam. Pleurotomidae. Pleuroloma nodifera Lam., Cancellaria Lam. C. cancellata Lam. 5. Taenioglossa. Radula in jeder Querreihe meist mit sieben Platten, sehr lang- gestreckt. Am Eingange des Mundes finden sich meist zwei kleine Kiefer. Holostom sind: Fam. Littorinidae, Strandschnecken. Littorina littorea L., europ. Meere. Rissoa¥re\ü. Farn. Cijclostomidae. Athmen Luft wie die Lungenschnecken durch Gefässe der Athemhöhle. Leben auf dem Lande. Cyclostoma elegans Drap. Fam. Paludinidae, Flusskiemenschnecken. Paludina vivipara L., P. impura Lam., Fam. Melaniidae, Süsswasserbewohner. Melania variaUlis Bens., Ganges. Fam. T?/rn^3 pehcani Pol.. Adria. Fam. Naticidae. Natica ampullarix Lain. N. millepunctata Lam., Mittelmeer. Siga- retus haliotoideus L., Atlantischer Ocean. Hier schliesst sich die in Synapta digitata parasitisch lebende Entoconcha mirabilis Joh. Müll. an. Fam. Capulidae, Mützenschnecken. Cajndtis hungaricus Lt., Calyptraea rugosa 'Dqs\\. Fam. Ainpullariadae, Doppelathmer. Thier mit Kiemen- und Lungenhöhle. Leben in Flüssen. Avipullaria celehensis Quoy,. A. polita Desh., A. cornu arietis Sow. (Fig. G57.) 3. Ordnung. Heteropoda '), Kielfüsser. Pelagi'sche Gastropoden mit ßossenähnh'chem Fuss, grossem, schnauzen- förmig vortretendem Kopf und hoch entwickelten heiceglichen Augen, getrennten Geschlechtes. Der Körper der Heteropoden ist meist gestreckt cylindrisch und verlängert sich in einen rüsselfOrniig vorragenden Kopf, welcher grosse hoch entwickelte Augen und Fühler trägt und eine kräftig bewaffnete, vorstülpbare Zunge in sich einschliesst. (Fig. 648 a.) DieHaupteigenthümlichkeit des Leibes beruht auf der Bildung des Fusses welcher ein flossenförmiger Schwimmlappen (i^e7^^^0290(Zä«>i) ist, an dem sich die Kriechsohle des Gasteropodenfusses als Sauguapf erhalten findet, während der hintere Abschnitt desselben sich bedeutend streckt und weit nach hinten gerückt die schwanzartige Fortsetzung des Rumpfes bildet. (Fig. 658.) Der Rumpf stellt entweder in seiner Hauptmasse einen spiraligen, von Mantel und spiraliger Schale umschlossenen Eingeweidesack dar (Atlanta), oder bildet nur ein sackartig vortretendes Eingeweideknäuel an der Grenze des hinteren Fussabschuittes, welches vom Mantel und von einer hutförmigen Schale bedeckt mi'd( Carinaria), oder endlich das Eingeweideknäuel verkümmert zu einem sehr kleineu, kaum vorspringenden Nucleus, welcher, nach vorne von einer metallglänzenden Haut überzogen, der Schale vollkommen entbehrt ( Pterotrachea). Das Nervensystem erlangt die höchste Entwicklung unter den Gastro- poden überhaupt. Die zwei grossen Augen liegen neben den Fühlern in be- sonderen Kapseln, in denen sie durch mehrere Muskeln bewegt werden. Die grosse Gehörhlase empfängt vom Gehirn einen langen Hörnerven und ist nicht *) Souleyet, Höteropodes. Voyage autour du monde execute pendant les annees 1836 et 1837 sur la corvette la Bonite etc., Tom. II. Paris, 1852. R. Leuckart, Zoologische Untersuchungen. Heft III. Giessen, 1854. C. Gegenbaur, Unters achungen über Ptero- poden und Heteropoden. Leipzig, 1854. H. Fol, Sui- le di^veloppement des Heteropodes. Arch. de Zool. experim., Tom. V, 1876. C. Grobben, Zur Morphologie der Heteropoden. Arb. a. d. zool. Inst. Wien, 1888. Organisation 67: miv durcli die merkwürdigen Scliwiuguiigen der langen Wimper])üscliel ihres Epithels, sondern durch das Verhalten der Nervenzellen (Haarzellenkreise der Macula acustica im Umkreis einer grossen Centralzelle) ausgezeichnet. (Fig. 103.) Dazu kommen noch als weitere Sinnesorgane zahlreiche eigenthümliche Nerven- endigungen der Haut zur Tastern jifitKlnng und das sogenannte Wimperorgan an der Vorderseite des Eingeweidesackes. Dasselbe bildet eine bewimperte Grube, unter w^elche die Ganglienanschwellung eines vom Visceralganglion entspringenden Nerven tritt, imd gilt als Geruchsorgan. Die Männchen unter- scheiden sich durch den Besitz eines grossen, an der rechten Körperseite frei hervorragenden Begattiingsorganes, wozu noch bei Pterotrachea der Saugnapf Fiff. 658. Männchen von Carinaria metliterranea, nach Souleyet, G-egenbaur und Keferstein. P Fuss, S Saug- napf, 0 Mund, B7n Buccalmasse, Jf Magen, Sjj Speicheldrüsen, L Leber, A After, CG Cerebralganglion, Te Tentakeln, Oc Augen, Ot Gehörblasen, BG Buccalganglion, Pg Pedalganglion, Mg Mantelganglion, N Niere, Br Kieme, At Atrium, Te Ventrikel, Ar Körperarterie, X hinterer Ast derselben, CT Hoden, Va Vas deferens, TI> Wimperrinne, Pf Penis, F Flagellum mit Drüse. des Fusses hinzukommt, welcher aus der muskulösen Sohle des Fusses hervor- gegangen (Souleyet), bei Atlanta und Carinaria noch in beiden Geschlechtern auftritt. Hoden und Ovarien erfüllen den hinteren Theil des Eingeweide- sackes und' liegen mit ihren Follikeln theilweise in der Leber eingebettet. (Fig. 116.) Samenleiter sowohl als Eileiter münden an der rechten Körperseite, der erstere in weiter Entfernung vom Begattungsorgan, zu welchem das Sperma von der Geschlechtsöffnung aus durch eine Wimperrinne hingeleitet wird. Das Begattungsorgan besteht aus zwei nebeneinander liegenden Theileu, dem Penis mit der Fortsetzung der Wimperrinne und der Drüsenruthe, deren Ende eine längliche Drüse einschliesst. Der Eileiter erhält dadurch eine complicirtere Gestaltung, dass er eine grosse Eiweissdrüse und eine Samentasche aufnimmt, während sein erweitertes Ende als Scheide fungirt. Die Heteropoden sind durchwegs pelagische Thiere, die oft schaaren- weise in den wärmeren Meeren auftreten. Sie bewegen sich ziemlich schwer- 672 ■!• Ordnung, l'ulmonata. fällig mit nach oben gekehrter Bauchfläche durch Hin- imd Herschlagen des gesammten Körpers und der Flosse. Alle ernähren sich vom Eaube. Beim Her- vorstrecken der eingerollten Zunge klappen sich die Seitenzähne zaugenähnlich auseinander und werden bei dem Einziehen der Zunge wieder zusammen- geschlagen. Mittelst dieser Greifbewegungen werden kleine Seethiere erfasst und in den Bachen hineingezogen, Fam. Pterotracheidae. Carinaria mediterranea Laia. (Fig. 658), Pterotrachea coronaia Forsk., Mittelmeer. Fam. Aüantidae. Atlanta Feronii Less., Mittelmeer. 4. Ordnung. Pulmouata '), Lungenschnecken. Land- und Süssiv asser Schnecken mit Lun(je, icelche vor dem Herzen liegt, Hermaphroditen. Die Manteldecke ist wie bei den Cyclostomiden mit einem Luft respi- rirenden Netzwerk von Gefässen ausgestattet und mündet durch ein Athem- loch rechtsseitig nach aussen. (Fig. 659.) Die Süsswasserpulmonaten füllen im Jugendzustande ihre Athemhöhle mit Wasser, später erst mit Luft. Einige Fij?. 650. AHo7i empiricorum (regne animal). AI Atheinlocli. Planorhis- und Limnaeus-kxiQn bewahren sich das Anpassungsvermögen an Luft- und Wasserathmung zeitlebens (Limnaeen, deren Lungen mit Wasser gefüllt, wurden aus sehr bedeutender Tiefe des Bodensees heraufgezogen). Neben dem Athemloch, eventuell noch in der Athemhöhle liegen After- und Nierenöffnung. Weit vor demselben, aber an gleicher Seite münden die Ge- schlechtsorgane. Bei den linksgewundeuen Formen liegen Athemloch, After und Geschlechtsöffuung, linksseitig. Einige Pulmonaten sind nackt oder be- sitzen Eudimente von Schalen in der Kückenhaut, andere tragen ein verhält- nissmässig dünnes, meist rechtsgewuudenes Gehäuse. Nur Physa, Planorhis und Clausilia sind linksgewimden. Ein wahrer Deckel fehlt, dagegen wird von manchen zeitweilig ein Winterdeckel ausgeschieden. Während die Pulmonaten mit den Prosobranchien (von wenigen Aus- nahmen abgesehen) die Lage des Herzens hinter den Respirationsorganen gemeinsam haben, schliesseu sie sich in anderen Organen, wie im Nerven- *) L. Pfeiffer, Monographia Heliceorum viventium. Leipzig, 1848—1869. Der- selbe, Monographia Auriculaceorum viventium. Cassel, 1856. A. Eossmässler, Icono- graphie der Land- und Süsswassermollusken Europas. Leipzig, 1835 — 1859. F^russac et Deshayes, Histoire naturelle generale et particuliere des Mollusques terrestres et fluviatilis. Paris, 1829—1851. 5. Orduuiig. Opistbobranehia. 673 System, den Opistliobranchieu, bei welchen die Ganglien dicht gedrängt liegen (Fig. 643 6). an. DasGebiss besteht aus einem unpaaren hornigen, meist längs- gerippten Überkiefer (der aber auch fehlen kann) und aus einer Radula, welche mit einer grossen Zahl von Zahnplättchen in Längs- und Querreihen bedeckt ist. Alle sind Zwitter. Wenige, wie CUmsiUa- und P«pa-Arten, gebären leben- dige Junge. Die übrigen Lungenschnecken dagegen legen Eier ab, und zwar entweder wie dieSüsswasserschnecken in schlauchförmigen oder flachen Laich- massen an Wasserpflanzen, oder wie die Landschnecken, einzeln von einer schützenden Kalkschale umgeben, an feuchten Oertlichkeiten. Stets liegt der Eidotter in einer mächtigen Eiweissmasse, die dem sich entwickelnden Embryo zur Ernährung dient. L Basommatophora. Die Augen liegen am Grunde zweier Fühler. Zeigen vielfache Uebereinstimmung mit den Tectibranchien. Pam. Limnaeidae. Limnaeus auricularis Drap., L. stagnalis 0. Fr. 3Iüll., Teich- hornschnecke. Physa fontinalis L., Planorbis corneus L,, Ancylus fluviatilia Blaiiiv. Farn. Auriculidae. Auricula Judae Laui., Ä. Midae Lam., Carychium minimum 0. Fr. Müll. IL StyJommaiophora. Die Augen liegen au der Spitze zweier meist retrac- tiler Fühler. Farn. Peroniadae {Ämphiiyneusta). Sind opisthobranch. Peronia verruculata Cuv., Veronicella Blainv. Farn. Limacidae, Nacktschnecken. Ärion Fer. Geschlechtsöffnung unter dem Atliem- loch vor der Mitte des Brustschildes. Eücken nicht gekielt, mit Schwanzdrüse und Schleimloch am Körperende. A. eminricorum Fer. (Fig. 659.) Limax L., Athemloch hinter der Mitte des rechten Mantelrandes. Geschlechtsöffnung weit davon entfernt hinter den rechten Fühlern. Eücken gekielt, ohne Schwanzdrüse und Schleimloch. L. agresiis L., L. cinereus 0. Fr. Müll. Farn. Helicidae. Succinea a7n'phibia Drap., Bernsteinschnecke. Pupa inuscorum L., Clausilia bidens Drap., BuUmus montanus Drap., Helix pomatia L., grosse Weinberg- schnecke. (Fig. 641.) H. nemoralis L. 5. Ordnung. Opisthobranchia *), Opisthobranchien. Hennaphroditische Schnecken mit söMigem Fuss, deren Kiemenvenen hinter der Herzkammer in den Vorhof einmünden. Umfasst vorwiegend Nacktschnecken. Die Kiemenhöhle ist rechts ge- legen und enthält eine meist freiliegende Kieme. (Fig. 660.) Dieselbe kann jedoch fehlen. Zuweilen erheben sich kiemenartige Fortsätze am Rücken, in welche auch Darmanhänge eintreten können. (Fig. 561.) Am Nervensysteme liegen Cerebral-, Pedal- und Visceralganglien dicht gedrängt. Die Visceral- commissur ist ungedreht und ventral vom Darm gelegen. Die Kiemenvenen münden, von wenigen Ausnahmen (Grr.s/ropfe/'on) abgesehen, von hinten in das Herz ein. ') J. AI der und A. Hancock, A Monograph of the British Nudibranchiate Mollusca. London, 1850—1851. H. Müller und C. Gegenbaur, lieber Phyllirhoe bucephalum. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. IV, 1854. C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. .5. Aufl. 43 674 Tectibranchia. NudibrancUia. Saccoglo 1. Unterordnung. TecHhranchia. Mit einer fast ausnahmlos rechts ge- legenen Kieme, die vom Mantelrande überragt wird oder in einer dorsalen Kiemenhöble liegt. Schale meist vorhanden. (Fig. 660.) Fam. Fleurobranchidae. Mit grosser rechtsseitiger Kieme und meist innerer, rudi- mentärer Schale. Fleurobranchaea Meckelü Cuv. (Fig. 660.) Pleurohranchus aurantiacus Cuv., Umhrella medilerranea Lam., Mittelmeer. Fam. A2)hjsiadae, Seehasen. Schalen von zwei Lappen des Fusses überschlagen. Aplysia depilans L., Mittelmeer. Fam. Bullidae. Mit äusserer oder innerer Schale, Fuss mit Seitenlappen. Bulla ampulla L., Philine aperta L., Gastrojyteron Meckelü Kosse, Mittelmeer. Acera lullata 0. Fr. Müll. 2. Unterordnung. Nudibranclua. Marine Nacktschnecken, deren Kiemen frei an der Rückenfläche stehen und Darmfortsätze aufnehmen können. Fig. 660. Fig. 661. Fig. 662. T Plcurohranchaea Mi-cl:dü (regne animal). Br Kieme, P Penis, F Fühler, R Rüssel. ff AeoJis papulosa (au.s Bronn) . lip Kückenpapillen. Doris (Acanlhodorisi) pilosa (Broun). Br Kiemen, A After, F Fühler. Fam. Trüoniadae. Kiemenanhänge in zwei Läng.srcihen am Rücken. Tritonia Hnm- hergii Cuv., Scyllaea pelagica L. Hier schliesst sich auch Tethys fimhriata L. an. mit concentrirter Ganglienmasse, ohne Eadula und Mundmasse. Fam. Dorididae. Kiemen im Umkreis des Afters. (Fig. 662.) Boris coccinea Forb. D. tiiLercnlata Cuv., Adria und Mittelnieer. Pohjceva quadrilineata 0. Fr. Müll. Fam. Aeolididae. Am Eücken mit zahlreichen Fortsätzen, in welche Ausläufer des Dai-mes (Fig. 646) eintreten (Phlelenterota). Aeolis 2^apillosa L. (Fig. 661.), Tt^rgipes Edwardsi Nordm. Dato coronata Gm. Hier schliessen sich PhyllirJioe lucephahim Per. (ohne Fuss) und die Phyllidiiden an. 3. Unterordnung. Saccoglossa. Ohne Schale. Kiemen fehlen oder sind einfache Anhänge der Rückenhaut. Die Radula mit einer einzigen Reihe Zahn- platten, von denen die vorderen nach ihrer Abnützung in eine am Boden der Mundhöhle entwickelte Tasche fallen. Fam. Limapontiadae. Liviapontia {Pontolimax Crpl.) atra Johnst. Fam. Elysiadae. Elysia viridis Montg., Mittelmeer. 6. Orduung. Pteropoila. 675 6. Ordnung. Pteropoda '), Flossenfiisser. Herrn aphroditische Gastropoden ohne scharf gesonderten Kopf , mit zu zxcei grossen flügeiförmigen Flossen umgebildetem Fuss, häufig mit Kopf kegeln. Der Körper ist bald länglich gestreckt, bald mit seinem hinteren Theile spiralig eingerollt. Am vorderen Abschnitt, welcher Mund und Fühler trägt, aber kaum scharf als Kopf abgesetzt erscheint, treten unterhalb des Mundes zwei grosse seitliche Flossen, wie solche auch bei Gastropteron unter den Opistho- Fig. 663. a Pneumodermon violaceum von der Bauchseite (ans Bronn), b CHone australis von der Seite (regne animal). Fl Flossen, Te Tentakeln. branchien vorkommen, hervor, welche morphologisch den paarigen Fussab- schnitten entsprechen {Epipodien) und durch flügelartige Schwingungen die Bewegung des Thieres bewerkstelligen, während der unpaare Theil des Fusses mehr oder minder verkümmert ist und bei den Limaciniden noch einen Deckel trägt. Der Körper bleibt entweder nackt (Fig. 663) und ohne Mantel, oder sondert ein sehr verschieden gestaltetes, hor- niges oder kalkiges, fast immer symmetrisches Gehäuse ab, in welches er sich mit den Flossen meist vollständig zurückziehen kann. Im letzteren Falle ist der Mantel wohl entwickelt und umschliesst den grössteu Theil des Körpers bis in die Gegend der Flossen, hinter denen der spaltförmige Eingang in die ventrale Mantelhöhle liegt. In einigen Fällen {Cymhuliidae) ist die Schale eine innere •) Rang et Souleyet, Histoire naturelle des Mollusques Pteropodes. Paris, 1852. C. Gegenbaur, Untersuchungen über die Pteropoden und Heteropoden. Leipzig. 1855. A. Krohn, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Pteropoden und Heteropoden. Leipzig, 1860. H. Fol, Sur le developpement des Pteropodes. Arch. de Zool. exper., Tom. IV, 1875. 43* Creseis acicula von der Rückenseite, nach fr e g e n baur. Der hintere Theil weggelassen. Fl Flossen P Mittellappen des Fusses, F Fühler, Gg Gehirn ganglion, Mn Mantelnerv, TT'v Wimperschild 0 Mund, Oe.5 Oesoph.igus, M M.agen, Bl Blind sack des Magens, A After, N Niere, Oe Mündung derselben in der Mantelhöhle, At Atrium, Ve Ven- trikel, G Geschlechtsdrüse, 7? Retractor. ü76 Pteropoda. Organisation. $(■ lind v.on gallertig knorpeliger Bescliaffenbeit. Die Haut enthält in der Kegel Kalkconcretionen, Hautdrüsen und Pigmentzellen, welche d6m Körper eine dunkelbraune, zuweilen bräunliche oder rötbliche Färbung verleihen können. Die Mundöffnung wird zuweilen von mehreren armförmigen {Clio) oder mit Saugnäpfeu besetzten (Pncvmodermon) Fortsätzen, den Kopfkegeln, um- stellt. (Fig. 663.) Dieselbe führt in eine mit Kiefern und bezahnter Keibplatte bewaffnete Mundhöhle, in deren Grund die lange Speiseröhre beginnt. (Fig. 664.) Dann folgt ein erweiterter Magen und ein langer, mehrfach gewundener Darm, welcher, von den Leberdrüsen umlagert, seitwärts nach vorne umbiegt. Die Afteröffnung findet sich in der Kegel an der rechten Seite innerhalb der Mantel- höhle, nahe an deren vorderem Rande. Die Kreislaufsorgaue reduciren sich auf arterielle Gefässe, deren Hanptstamm aus der kugeligen Herzkammer ent- springt. Die venösen Gefässe werden durch ein waudungsloses Lacunens3^stem der Leibeshöhle ersetzt, in ^i?- 665. Fig- <^6':!- welches die offenen Enden ^. der Arterien einmünden. Aus dem Lacunen System kehrt das Blut durch die Respira- tionsorgaue nach der Vor- kammer des Herzens zurück. Die Respirationsorgane, so- fern dieselben nicht durch die gesammte Haut vertre- ten werden [Clio), sind ent- weder äussere blattartige Kiemenanhänge {Pneumo- (Zermon)amhinterenKörper- ende oder, bei den Gehäuse tragenden Formen, innere Kiemen der Mautelhöhle, deren Eingang mit eigenthümlichen Flimmerleisteu ausgekleidet ist. Immerhin bleiben die Kiemen wenig entwickelt und entweder auf faltenartige Erhebungen der bewimperten Mantel wandung oder auf diese selbst reducirt. Die Niere ist ein länglich gestreckter, contractiler Sack, welcher mit dena Pericardialraum durch einen Wimpertrichter communicirt und durch eine verschliessbare Oeffnung in die Mautelhöhle oder direct nach aussen führt. Das Nervensystem schliesst sich dem der höher stehenden Opisthobranchien au. Das Cerebralgangiion in- nervirt auch die Kopfkegel. Von Sinnesorganen treten überall zwei GehörUcmm auf; Augm fehlen oder bleiben ganz rudimentär. Als solche werden die rothen Pigmentflecken {Hyalea) am Eiugeweidesack nahe dem Schlundriug und an den Nackenfühlern (Clio) gedeutet. Als Tastorgane sind zwei kleine Fühler {Hyalea, Cymhulia), sowie die grösseren, zuweilen mit Saugnäpfen besetzten Kopfkegel {Clio, Fneumodermon) aufzufassen. Die Pteropodeu sind Zwitter. Die Xcl / Larve von Cavuliiiia {Hyalea) tri- dtntata, nach Fol. Ms Mund- segel, PFuss, P' die beiden Segel- lappon des Fusse.s, M Retractor, Md Magendarm, A After. -Larve, nach G e- abaur. V. Classe. Ceplialopoda. 677 Ovarien und Hoden vereinigende Zwitterdrüsei Fig. 118) liegt neben dem Herzen hinter dem Magen im Eingeweidesack und besitzt gewöhnlich einen gemeinsamen Ausfiihrungsgang, welcher in seinem Verlaufe nicht nur eine Samenblase bildet, sondern auch eine Art Eiweissdrüse nebst Eeceptaculum seminis aufnimmt und meist rechtsseitig vor dem After nach aussen mündet. Der Penis liegt zuweilen in dem Endtheile des Ausfiihrungsganges, bei den Hyaledden und Cymbulüden erhebt sich derselbe als faltig eingerollter, vorstülpbarer Schlauch vor der Geschlechtsütfnung. Die Eier werden mit Eiweissumhttllungen in langen, runden Schnüren abgelegt, welche frei im Meere umhertreiben. Die Embryonen erhalten Segellappen und Schale und werden als schwärmende Larven frei. (Fig. 665.) Während der Rückbildung des Segels treten allmälig die beiden Flossen an dem zuerst gebildeten unpaaren Theile des Fusses hervor, während die Schale (mit Deckel) meist abgeworfen wird. Die HyaUiden scheinen die embryonale Schale weiter zu bilden, die Cyvibuhiden dagegen durch eine neue Körperschale zu ersetzen. Die gehäuselosen Pneumodermon/den und Clionidcn wachsen nach Verlust der Segel und Schale nicht direct in das Geschlechtsthier aus, sondern erhalten zuvor drei Wimpergürtel und gehen so in ein neues Larvenstadium über. (Fig. 666.) Die Pteropoden leben durchweg auf hoher See, vermögen aber durch Zurückziehen der Segel in die Tiefe zu sinken. 1. Unterordnung. Thecosomata. Beschalte Pteropoden mit wenig ausge- bildetem, oft nicht distinctem Kopf und rudimentären Tentakeln. Der rudi- mentäre unpaare Fussabschnitt bleibt mit den Flossen im Zusammenhang. Farn. Limacinidae. Gehäuse spiralig, mit Deckel. Mantelhöhle dorsal. Limacina urctica Fabr. Farn. Hycdeidae. Sehale kalkig oder hornig, bauchig aufgetrieben oder pyramidal, symmetrisch, mit spitzen Fortsätzen. Hyalea tridentata Lam., Cleodora Per. Les. Creseis Rang., Cr. acicula Rang., Mittelmeer. (Fig. 664.) Farn. Cymbuliidae. Mit innerer, knorpelig gallertiger Schale von Nachen- oder Pan- toftelform. Cymbulia Peronii Gut., Tiedemannia neapolitana Van. Ben., Mittelmeer. 2. Unterordnung. Gymnosomafa. Nackte Pteropoden mit tentakeltragen- dem Kopf, oft mit äusseren Kiemen. Flossenlappen vom unpaaren Fussabschnitte getrennt. Larven mit Wimperreifen. Farn. Clionidae. Körper spindelförmig, ohne Kiemen. Clio horealis Fall. Liefert mit Limacina arctica die Hauptnahrung der Walfische. Fam. Pneumoder monidae. Körper spindelförmig, mit äusseren Kiemen und zwei aus- stülpbaren, mit Saugnäpfen besetzten Armen vor den Flossen. Pneumodermon violaceum d'Orb. (Fig. 663«.) V. Classe. Cephalopoda^), Kopffüsser. Mit scharf gesondertem Kopf, kreisförmig gestellten, Saugnäpfe tragen- den Armen in der Umgehung des Mundes und trichterförmig durchbohrtem Fusse, getrennten Geschlechts. *) Ferussac et d'Orbigny, Histoire naturelle generale et particuliere des Gepha- lopodes acetabuliferes vivants et fossiles. Paris, 1835—1845. J. B. Verany, Mollusque.s mediterranes observes, decrits, figures et chromolithographies d'apres le vivant. I^ Partie. 678 Cephalopoda. Körperbau. Fiff. 667 Die Ceplialopoclen scliliessen sich in ihrer Körpergestalt am nächsten an die Pteropoden an, deren morphologische Beziehungen zuerst R. Leuckart eingehend erörterte. Derselbe zeigte, dass die Kopfkegel von Clio den Kopf- armen der Cephalopoden entsprechen, während der als Halskragen sich dar- stellende mittlere Lappen desFusses das Aequivalent des Trichters sei. Huxley ist dieser Auffassung entgegengetreten, indem er die Arme auf Theile des unpaaren Fussabschnittes zurückführte, den Trichter aber, der sich durch Ver- wachsung paariger Falten bildet, den paarigen Elementen des Epipodiums, welche bei den Pteropoden die Segellappen bilden, gleichstellte. Die letztere Parallele ist gewiss richtig, dagegen er- scheint aber die Zurückführung der Arme auf den unpaaren Fussabschnitt nicht zu- treffend. R. Leuckart hat zuerst gezeigt, dass die Länge des Rumpfes als die Höhe desselben, somit sein äusserstes Ende als die Spitze des Rückens zu deuten ist, in- dem der anfangs flache, schildförmige Mantel thurmförmig in die Höhe wächst. Die sogenannte Rückenfläche des Rumpfes würde demnach als die vordere aufstei- gende Fläche des Rückens, die sogenannte Bauchfläche als die hintere absteigende Fläche desselben anzusehen sein, die Lage des Afters das hintere Körperende be- zeichnen. Auf der hinteren, in natürlicher Lage unteren Seite des Leibes liegt die Mantel- höhle, welche jederseits eine oder zwei Kiemen einschliesstund ausserdem After die paarigen Nierenöffnungen und die bald einfache, bald paarige Geschlechtsöffnung aufnimmt. An den Seiten trägt der Kopf die Augen und die Geruchsorgane ; vorne in der Umgebung des Mundes erheben sich vier Paare im Kreise gestellter fleischiger Kopfarme, welche sowohl zum Kriechen und Schwimmen, als zum Ergreifen und Fangen der Beute dienen und an ihrer dem Munde zugewandten Loligo vulgaii.i, nach Verai Ceplialopodes de la Mediterranee. Genes, 1847—1851. H. Müller, Ueber das Männchen von Argonauta argo und die Hectocotj-len. Zeitsehr. für wiss. Zool., 185.^. Jap. Steen- strup, Hectocotylus danneisen hos Octopodsl. etc. K. Danks. Vidensk. SeLskahs Skrifter, 1856. Uebers. im Archiv für Naturgesch., 1856. Alb. Köllik er, Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich, 1844. J. Brock, Versuch einer Phylogenie der dibranchiaten Cephaloijoden. Morph. Jahrb., Bd. VI, 1880. C. G robben. Morphologische Studien über den Harn- und Geschlechtsapparat etc. der Cephalopoden. Arb. des zool. Institutes Wien, Tom. V, 1884. Trichter. Schalt (J79 Fläclie meist eine oder zwei Keihen von Saugnäpfen tragen. Dazu tritt bei den Decapodiden ein Paar sehr langer Tentakeln oder Fangarme hinzu. (Fig. 667.) Bei manchen Formen (Ocfopodiden) findet sich zwischen der Basis der Arme eine Haut ausgespannt, durch welche vor der Mundött'nung ein Trichter ent- steht, dessen Kaum bei der Bewegung verengt und erweitert wird. (Fig. 668.) Andere (Decapodidae) bedienen sich zum Schwimmen zweier flossenförmiger Hautanhänge des Kumpfes. Bei Nautilus, dem einzigen lebenden Repräsentanten der Vierkiemer, findet sich statt der acht Arme ein Kranz zahlreicher Tentakeln. Dieselben wurdenvon Valenciennes morphologisch als Saug- näpfe gedeutet, wohingegen die Arme faltenartige Lap- pen am Grunde der Ten- takeln bilden sollen. Andere betrachten jeden Tentakel als besonderen Kopfarm. Der Trichter erhebt sich an der Bauchseite aus der breiten, seitlich durch Saugnäpfe verschliessbaren Mantelspalte und erscheint als eine cylindrische, nach vorne verengte, bei Nautilus an der unteren Seite gespal- tene Röhre, welche mit ihrer breiten Basis in der Mau- telhöhle beginnt und von hier sowohl das durch die Mantelspalte eingedrungene Athemw^asser, als mit die- sem die Excremente und Ge- schlechtsstoffe nach aussen entfernt. Zugleich dient derselbe im Verein mit der kräftigen Mantelmus- kulatur als Locomotionsorgan. Indem das Athemwasser durch die Contrac- tion des Mantels — bei festem, zuweilen durch Knorpelleisten unterstütztem Anschluss des Mantelrandes an die Basis des Trichters — durch den Trichter stossweise entleert wird, schiesst das Thier in Folge desRückstosses nach rück- wärts im Wasser fort. Im Innern des Trichters findet sich bei Nautilus und den meisten Decapodiden eine Klappe. Viele Cephalopoden (Octopodiden) bleiben nackt, andere {Decapodiden) bergen ein inneres Schalenrudiment, verhältnissmässig wenige {Ärgonauta, Nautilus) besitzen eine äussere spiralgewundene Schale. Jenes liegt in einer Octopus kriechend, nach Verany. T Trichter. ()80 Ceplialopoda. Chromatoplioren. Darmcaiial. Rückentasche des Mantels und ist meist eine flache, lanzettförmige spongiose Kalkschulpe (Os sepiae). Die äussere Schale bleibt nur ausnahmsweise dünn und einfach {Ärgonmitd), in der Regel erscheint sie spiral gewunden und durch Querscheidewände in eine Anzahl hintereinander liegender Kammern getheilt, von denen nur die vorderste grösste dem Thiere zur Wohnung dient. Die übrigen, continuirlich sich verjüngenden Kammern sind mit Luft erfüllt, bleiben aber durch eine die Scheidewände durchsetzende centrale Röhre (ÄpÄo), welche ein Fortsatz des Thierkörpers durchzieht, mit diesem in Verbindung. Die Unterhaut der Cephalopoden ist Sitz der merkwürdigen, das be- kannte Farbenspiel veranlassenden Chromatophoren. Diese sind mit Pigment gefüllte Säcke, an deren Hülle sich zahlreiche Muskelfasern strahlenförmig befestigen. Contrahiren sich die letzteren, so bildet die Zelle sternförmige Aus- läufer, in die sich der Farbstoff nach zahlreichen Richtungen peripherisch ver- theilt. Bei der Expansion der Muskeln zieht sich die Zelle wieder zu ihrer kugeligen Form zusammen, und der Farbstoff concentrirt sich auf einen geringen Raum. In der Regel liegen zweierlei gefärbte Chromatophoren über und neben einander. Zu diesen, von einem besonderen lunervationscentrum am Stiel des Ganglion opticum abhängigen Gebilden, welche einen raschen Wechsel von blauen, rothen, gelben und dunkeln Farben veranlassen, kommt eine tiefer liegende Schicht kleiner glänzender Flitterchen, deren Interferenzfarben die Haut ihren eigenthümlichen Schiller und Silberglanz verdankt. Die Cephalopoden besitzen auch ein inneres Knorpelskehf, welches zur Stütze der Muskulatur und zum Schutze des Nervencentrums und der Sinnes- organe dient. Dasselbe bildet bei den Dibranchiaten eine Knorpelkapsel, welche die Gehirnganglien nebst Schlundring, sowie das Gehörorgan umschliesst, während ihre Seitentheile den flachgewölbten Boden zur Augenhöhle darstellen. Dazu kommen noch (Decapodiden) Augenknorpel, ein sogenannter Armknorpel und Rückenknorpel, verschiedene Schliessknorpel zum Verschlusse des Mantels und Flossenknorpel als Stütze der Flossen. Im Centrum der Arme liegt die Mundöffuung (Fig. 669), von einer ring- förmigen Hautfalte, einer Art Lippe, umgeben und mit kräftigen Kiefern be- waffnet, welche als hornige Ober- und Unterkiefer in Gestalt eines umgekehrten Papageienschnabels hervorragen. Die an die Heteropoden erinnernde Radula trägt in jedem Gliede eine zahnartige Mittelplatte und jederseits drei lange, zum Einziehen der Nahrung geschickte Haken, zu denen auch noch flache zahnlose Platten hinzutreten können. Der Oesophagus nimmt meist zwei Paare von Speicheldrüsen auf und bleibt entweder eine einfache dünne Röhre, oder bildet (Ocfopodi'den) vor dem Uebergange in den Magen eine kropfartige Er- weiterung. (Fig. 672.) Der Magen hat eine meist kugelige Form, muskulöse Wandungen und eine innere, in Längsfalten oder Zotten erhobene Auskleidung. Neben der Uebergangsstelle in den Darm, selten in einiger Entfernung vom Magen, entspringt ein umfangreicher, zuweilen spiral gewundener Blindsack, w^elcher die Ausführungsgänge der mächtigen Leber aufnimmt. Einen Haufen Nervensystem. 681 gelblicher Drüsenlüppclieü, welche am oberen Theile der Gallengiinge auf- sitzen, deutet man als Bauchspeicheldrüse {Pankreas). Dieselben ragen bei den Decapodülen, überzogen vom Nierenepithel, in den vorderen Sack der Niere. In seinem weiteren Verlaufe zeigt der Darm meist nur geringe Biegungen und mündet stets in der Mittellinie der Mantelhöhle durch den After aus. Das Nervensystem (Fig. 670) zeichnet sich durch die grosse Concentration und mächtige Entwicklung aus. Bei den Dibranchiaten bilden die Centren eine Fig. 670. Verdamingsaiiparat yon Sepia, nach W. Keferstein, combinirt. L Lippe, 3f.ri, M.rs unterer und oberer Kiefer, Ra Ra- dula , Brj Buccalganglion , Sjxl Speichel- drüse, Oc Oesophagus, i Leber, frf/GaHen- giinge, Gnp Ganglion splanchnicum, J/Ma- gen, Jf Magenblindsack, Ä After, Th Tintenbeutel. Nervensystem von Sepia officinalia , nach Ihering. Cg Ce- rebralganglion, V(j Visceralganglion, Bg Buccalganglion, Spg Suprapharyngealganglion, Tg Teutakelganglieu, Gs Ganglion stellatum, Ot Gehörblasen. umfangreiche, in der Knorpelkapsel des Kopfes eingelagerte Gauglienmasse, durch welche die Speiseröhre hin durchtritt. Man unterscheidet eine obere und untere, durch zwei Commissuren verbundene Schlundportion. Die erstere ent- spricht dem Gehirn und entsendet die Sinnesnerven, sowie die Nerven der Buccalganglien. Die untere Portion enthält vornehmlich die Pedal- und Yisceral- ganglien. Die letzteren geben eine grosse Zahl von Nerven zu dem Mantel, den Eingeweiden und den Kiemen ab. In den Verlauf dieser Nerven schieben sich 682 Cephalopoda. Sinuesorgane. Kiemen. noch das grosse Ganglion stellatiim jederseits im Mantel, ferner ein Ganglion der Hohlvene, zwei Kiemenganglien und das Ganglion splanchnicum ein. Unter den Sinnesorganen treten die grossen Augen zur Seite des Kopfes hervor. Jeder Augenbulbus liegt in einer besonderen, theilweise von den Höhlungen des Kopfknorpels gebildeten Orbita und wird .von einer festen Kapsel umschlossen, welche sich vorne in einen dünnen und durchscheinenden, als Cornea bezeichneten Ueberzug fortsetzt. Dieser kann jedoch ganz fehlen (Nautilus) oder in anderen Fällen unter einer augenlidartigen Hautfalte ein kleines Loch (Oigopsiden) frei lassen, durch welches das Wasser in die vordere Augenkammer eintritt und in einen um ^ie vordere Fläche des Bulbus in ver- schiedenem Umfange aus- gedehnten Kaum gelangt. (Fig. 67 1 .) In seinem inneren Baue besitzt das Cephab- podenauge fast ganz diesel- ben Theile wie das Wirbel- thierauge. Als wesentliche Abweichung von dem Auge der Wirbelthiere ist beson- ders die innere Lage der Stäbchenschicht hervorzu- heben. Das Auge von Nau- tilus entbehrt der Linse. Die beiden Gehörsäck- chen liegen imKopfkuorpel, und zwar bei den Dibran- chiaten in besonderen Höh- lungen desselben, dem so- genannten knorpeligen La- byrinthe, und erhalten von den Fussganglien aus ihre kurzen, im Gehirne wurzelnden Gehörnerven. Das Geruchsorgan liegt hinter dem Auge in Form einer mit Flimmerhaaren beklei- deten Grube. Als Respirationsorgane finden sich an den Seiten des Eingeweidesackes in der Mantelhöhle entweder zwei (Dibranchiaten) oder vier ( Tetrahranckiaien) gefiederte Kiemen, deren Oberfläche von einem beständig erneuerten AVasser- strome umspült wird. Das Herz liegt im hinteren Theile des Eingeweidesackes, der Spitze des Körpers mehr oder minder genähert, und nimmt seitlich ebenso viele Kiemenvenen (Vorhöfe) auf, als Kiemen vorhanden sind. (Fig. 672 und 673.) Nach vorne entsendet dasselbe eine grosse Aorta {Aorta cephalica), welche in ihrem Verlaufe starke Aeste an den Mantel, Darmcanal und Trichter Horizontalschnitt durch das Auge vonSr^;«'«, schematischnaehHens en A'Ä" Kopfknorpel, O Cornea, £ Linse, Ci Ciliarkörper, t/fc Irisknorpel Ä" Augapfelknorpel, .4rArgentea externa, ll'weisser Körper, OptOpü cus, Go Ganglion opticum, Re äussere Schichte, JRi Innere Stäbchen schichte der Retina, P Pigmentschichte derselben. Kreislaufforgane. Nioic. Tiiitenbeutel. 683 j^^OO. abgibt und sich im Kopfe in Gefässstämme für Augen, Lippen und Arme auflöst. Ausserdem tritt aus dem Herzen eine hintere Eingeweidearterie aus. Die in allen Organen reich entwickelten Capillarnetze gehen theils in Blutsinus, theils in Venen über, welche sich in einer grossen vorderen und einer hinteren Hohlvene, sowie in seitlichen Venen sammeln. Jene spaltet sich gabelförmig in zwei oder vier das Blut zu den Kiemen führende Stämme, die sogenannten Kiemenarterien, deren Wandung vor ihrem Eintritt in die Kie- ^' men einen kräftigen contractilen Muskelbelag erhält und {Xaufi- Ins ausgenommen) regelmässig pulsirende Kiemenherzen bildet. Ueberall finden sich in den Seiten des Abdomens paarige Nieren- säcke mit je einer Ausmündung auf einer Papille des Mantel- raumes. (Fig. 674.) Die vordere Wand der Säcke ist oberhalb der Venen vielfach in Form trau- biger Läppchen eingestülpt (soge- nannte Venenanhänge). (Fig. 673.) Häufig (Decapodidae) verschmel- zen die beiden Nierensäcke mit einander und stülpen sich über- dies zu einem grossen unpaaren Nierensacke aus. Wie bei den übrigen Mollusken communiciren die Nieren mit der Leibeshühle, welche bei den Sepien mächtig entwickelt, Herz, Greschlechts- drüsen etc. aufnimmt, bei den Octopodiden dagegen auf enge caualartige Räume („Wasserge- fässsystem" Krohn) reducirt ist und nur die Geschlechtsdrüse enthält. Ein sehr verbreitetes Excretionsorgan ist der sogenannte Tintenbeutel, ein birnförmiger Sack, dessen stielförmiger Ausführungsgang neben dem After nach aussen mündet und eine intensive schwarze Flüssigkeit entleert, welche den Leib desThieres wie in eine schwarze Wolke einhüllt und so vor Nachstellungen grösserer Seethiere schützt. Weiters findet sich ein drüsiger Anhang am Kiemen- herzen, der sog. Kiemenherzanhang (Pericardialdrüse), welcher vom Perito- nealepithel aus entstanden ist und wahrscheinlich excretorische Bedeutung hat. Eingeweide von Oetopus vulrjaris, nach Entfernung der unteren Bauchliölilenwand und Leber, nach M. Edwards. Bm Buccalmasse, Sä' oberes Speieheldrüsenpaar, Oe Oeso- phagus, Sd" unteres Speicheldriisenpaar,. 7)1 Kropf, J/Magen, A Ende des zurückgeschlageneu Afterdarmes, Oc Auge, Tc Trichter, .ßr Kiemen, Ov Ovariuin, Od Oviducte, iVNieren, Ko abführende Kiemenvene, V Vene, C Herz, Ao Aorta. 684 Cepbalopoda. Geschlechtsorgane. Die Cephalopoden sind getrennten Geschlechts. Männchen und Weibchen zeigen schon äusserlich vornehmlich an einem bestimmten Arme Geschlechts- differenzen. Nach der Entdeckung Steenstrup's erscheint beim Männchen stets ein bestimmter Arm als Hilfsorgan der Begattung umgestaltet, herfo- cotylisivt. Bei den Octopodiden ist fast überall der dritte Arm der rechten Seite hectocotylisirt. Sepia und Loligo zeigen den vierten linken Arm verändert und die rudimentären Saugnäpfe durch quergestellte Papillen verbunden. Sehr be- deutend differiren beide Geschlechter von Ärgonauta, indem das winzig kleine Männchen der Schale entbehrt. Pig. 673 KieisIaufa-undExcretiousorgane von Seinaofßcinalis, von der Dorsalseite dargestellt, nach H u n t e r. Bi- Kie- men, ''' Ventrikel, Ao' und Ao" die vordere und hin- tere (Aortai Körperarterie, Tseitliche Venen, Fe' vor- dere Hohlveue, T'c" hintere Hohlvene, iV Xierenan- hänge über den Venen. TJc zuführende Kieraenvenen, Kfi Kiomenherz, Ap Anhang desselben (Pericardial- drüse), At, At' abführende Kiemenvenen (Vorhöfe). Anatomie des Rumpfes von Sipia, nach C. G robben. Ov der Eierstock in der geöffneten OvarialhöhIe(Lei- beshühle), 0i Entoderm, Fh Furchungshöhle. — h Späteres Stadium im optischen Medianschnitt. Die erste Mesodernizelle (.!/«), die rechts und links zur Medianlinie liegt, ist eingezeichnet. — <: Späteres Stadium im optischen Medianschnitt. Dr Kittdrüse, Oc Oesophagus, Af Anlage des Afterdarms. — d Junge Larve im optischen Medianschnitt. A Atrium, Hd Hinterdarm, Kn Knospe. — c Freischwärmende Larve im ausgestreckten Zustande. N Nierencanal, L Leberzellen, Jfe Mesodermzellen. Die Entwicklung ist überall eine Metamorphose. Die Knospung beginnt bereits am Embryo. So entsteht bei den Süsswasserbryozoen, nachdem der Darmtractus und Tentakelapparat angelegt ist, noch ein zweiter Darm und Tentakelapparat, so dass der noch von der Eihülle umschlossene bewimperte Embryo schon ein kleines Thierstöckchen von zwei Individuen repräsentirt. Oriliuui),'. Kudoprocta 695 Bei den marinen cMlostomen Bryozoen gelangen die befruchteten Eier in Ovizellen, welche aus einer helmförmigen Kapsel und einem blasenähnlichen Deckel bestehen. Hier durchläuft das Ei die Furchung und entwickelt sich zu einem Embryo, welcher als bewimperte Larve ausschwärmt und frei im Meere umherschwimmt. Die unregolmässig kugelige Larve besitzt einen kreisförmigen, cilienbesetzten Ring, die Cilienkrone. (Fig. 687 a, Z>, c.) Nach einiger Zeit setzt sich die Larve fest und erzeugt die Tentakelkrone. Das primäre Zooecium treibt alsbald durch Sprossung neueZooecien, es bilden sich Avicularien und schliess- lich, aber freilich erst nach dem Untergang der älteren Zooecien, auch Wurzel- Fig. 689. glieder. Bei den Endo'procten entwickelt sich das Ei in einem an der oralen Seite gelegenen Brutraum. Nach der totalen Furchung (Fig. 688 a — e) sondert sich an der Keim- blase durch Einstülpung das Entoderm, aus welchem der Mitteldarm hervorgeht, während Oesophagus und Bnddarm vom Ectoderm aus entstehen. Die xlnlage des Mesoderms erfolgt durch zwei Zellen. Die Larven der Endoprocten be- sitzen einen hufeisenförmig gekrümmten Darm und einen Flimmerkragen, der am Vorderende hervorgestülpt wird, sowie eine Kittdrüse am Hinterende. Sie bergen ferner be- reits eine Knospe als Anlage eines zweiten Individuums, welche sich frühzeitig im Embryo aus den Keimblättern an- gelegt hat. Auf denselben Larventypus sind auch andere, scheinbar sehr bedeutend abweichend gestaltete Larven- formen, wie der in allen Meeren verbreitete CypJionautes (Fig. 687c) zurückzuführen, welcher nach. A. Schneider die Larve von Membranipora pilosa ist. Die Statohlasten entwickeln aus ihrem Inhalte, nach- dem sie den Winter überdauert, einfache unbewimperte Thierchen, welche bei ihrem Ausschlüpfen bereits alleTheile des Mutterthieres besitzen, sich sogleich bleibend befestigen und durch Knospung zu neuen Colonien auswachsen. Die Bryozoen leben grösstentheils im siedeln sich auf Steinen, Muschelschalen, Corallen und Pflanzen an. Nur einige Süsswasserformen der Gattung Cristatella besitzen eine freie Ortsveränderung. Auch in der Vorwelt waren die Bryozoen überaus verbreitet, wie die zahlreichen von der jurassischen Formation an zunehmen- den Ueberreste beweisen. PedieeUinaechinata. TTen- takelkrone, 0 Mund, MD Meere und Magendarm, A After, (? Ganglion, 0» Ovarlum. 1. Ordnung. Eiidoprocta. Bryozoen mit primärer Leibeshöhle, mit innerhalb des Tentakelkranzes mündender Afteröffnung. Die Endoprocten repräsentiren einfachere, primitivere Verhältnisse, da sie in ihrer Organisation der Bryozoenlarve nahestehen. (Fig. 689.) Bei denselben 696 2. Ordnung. Ectoprocta. Lopbopoda. kommt es nicht zur Bildung einer Darmfaserplatte und persistirt die primäre Leibeshöhle. Mund und After münden innerhalb des Tentakelkranzes in eine Art Atrium, das eine die Embryonen aufnehmende Bruttasche bildet. In diese gelangen auch die Geschlechtsproducte aus den kleinen geschlossenen Ge- schlechtsdrüsen. Auch ist ein paariger wimpernder Nierencanal vorhanden. Farn. Pedicellinidae. Stöckchen mit Stolonen, auf denen sich die laiiggestielten Individuen erheben. PedkelUna echinata Sars., Adria und Mittelmeer. Fam. Loxosomidae. Langgestielte Einzelthiere. Loxosovia singidare Kef., L. ncapo- Utanuni Kow., Mittelmeer. 2. Ordnung. Ectoprocta. Bri/ozoen mit Darmfaser Schicht und ausserhalb des Tentakelkranzes mündender Afteröffnung. Umfasst die bei Weitem grösste Zahl der Bryozoen, auf deren Bau in der vorausgegangenen Darstellung besonders Bezug genommen wurde. Stets mündet der After ausserhalb des Kranzes der Tentakel, welche entweder im geschlossenen Kreise oder auf einem zweiarmigen hufeisenförmigen Träger (Lophophor) angeordnet sind. 1. Unterordnung. Lophopoda ^),Ärmicirhler, PhylactolaematakWm. Sttss- wasserbryozoen mit hufeisenförmigem Tentakelträger und Epistom. DieLopho- poden charakterisiren sich vornehmlich durch die zweiseitige Anordnung der zahl- reichen Tentakelfäden auf dem zweiarmi- gen Lophophor. (Fig.690.) Ueberallfindet sich über dem Munde ein beweglicher zungenförmiger Deckel (Epistom) (daher Phylactolaemata). Die Thiere sind meist von ansehnlicher Grösse und im Gegen- satze zu den poljmorphen Seebryozoen gleichartig; ihre Zellen communiciren häufig untereinander und bilden ramifi- Plwnatella repens, sehwach vergrössert, nach All- cirte, bald mehr SpOUgiöSe maSSigC StÖCk- anan. Lp Lophophor, i. Darm. ^^^^^ ^^^^ ..^^^.^^^g durchsichtigCr, bald horniger, bald mehr weichhäutig lederartiger bis gallertiger Beschaffenheit. Statoblasten sind sehr verbreitet. Fam. Cristatellidae. Freibewegliche Stöckchen, auf deren oberer Fläche sich die Einzelthiere in concentrischen Kreisen erheben. Cristatella mucedo Cuv. Fam. PlumateUidae. Festsitzende, massige oder verästelte Stöckchen von fleischiger oder pergamentartiger Consistenz. Lophopus crystalUmis Fall., AlcyoneUa fungosa Fall., Plumatella rejiens L. (Fig. 690.) Eine besondere Unterordnung wird die Gattung Rhabdopleura ^) Allm. beanspruchen. Dieselbe ist charakterisirt durch den Mangel einer Tentakel- ') G. J. AI Im an, Monograph of fresh water Pol3'zoa. Eay Soc. 1856. ^j All man, On Ehabdopleura etc. Quart. Journ. ofraikr. Science, 1869. G. 0. Sars, On some remarkable forms of animal life etc. Christiania, 1872. Stelraatopoda. 697 scheide, sowie das Fehlen einer geräumigen Leibeshöhle, indem die Endocyste dem Darm fest anliegt; in Folge dessen vermag sich das Thier tief in die Zellen zurückzuziehen. Indessen lassen der Besitz eines zweiästigen, mit zahl- reichen Tentakeln besetzten Lophophors, sowie der einer schildförmigen, dem Epistom der Phylactolaemen entsprechenden Platte dieselbe als der letzt- genannten Gruppe nahestehend erscheinen. Rh. mirahilis M. Sars, nordische Meere. 2. Unterordnung. Sfelmafopoda, Kreisivirhler, Gymnolaemafa. Bryozoen mit scheibenförmigem Tentakelträger, in geschlossenem Kreise angeordneten Tentakeln und unbedecktem Mund. Mit Ausnahme der Paludicdliden sind die Stelmatopoden marine Bryozoen. Dieselben entbehren durchweg desEpiglottis- ähnlichen Epistoms und besitzen einen geschlossenen Kreis von minder zahl- reichen Tentakeln, welche einer runden Mundscheibe entspringen. (Fig. 684.) Bei manchen Formen, wie hei Alcyomdnmi gelatinosum^ Membrampora pihsa^ wurde ein flaschenförraiger flimmernder Canal in der Leibeshöhle beobachtet, der neben den Tentakeln ausmündet. Statoblasten kommen nur selten vor. Die Stöckchen sind meist polymorph, oft aus Wurzel- und Stammzellen mit Vibracula und Avicularien zusammengesetzt. Die Ectocysten sind bald hornig fest, bald kalkig incrustirt und überaus verschieden gestaltet. 1. Tribus. Cydostomata. Die weiten und endständigen Zellmündungen entbehren der beweglichen Anhänge. Die meisten Arten sind fossil, manche leben noch in den hochnordischen Meeren. Fam. Crisiadae. Stöckchen aufrecht und gegliedert. Crisia cornuta Lam. C. ehurnea L., Mittelmeer und Nordsee. Fam. Tubuliporidae. Die Zooecien stehen in zusammenhängenden Eeihen. Llmonea utlantica Forb., Phalangella palmata Wood., arktisches Meer. Tuhuli'pora lobulata Hass.. Hornera Lanix. Nordische Meere. 2. Tribus. Cfenostomata. Die endständigen Zellmündungen werden beim Einstülpen der Tentakelscheiden von einem Borstenkreis derselben deckelartig geschlossen. Stammzellen und Wurzelfasern kommen häufig vor. Fam. Alcyonididae. Zooecien unter sich zu gelatinösen Stöckchen von unregel- mässiger Form vereint. Alcyonidium gelatinosum L., nordische Meere. Fam. Vesicularidae. Die Zooecien erheben sich als freie Schläuche auf dem ver- zweigten, kriechenden oder aufgerichteten Stöckchen. Vesicidaria uvaL., Farella pedicel- lata Aid., Norwegen. Serialaria Couiinhii Fr. Müll. Fam. Paludicellidae. Süsswasserformen. FaludiceUa Ekrenbergii Van Ben. 3. Tribus. Chäosfomafa. Die Mündungen der hornigen oder kalkigen Zellen sind durch einen beweglichen Deckel, beziehungsweise Kingmuskel des Lippenrandes verschliessbar. Avicularien, Vibracula und Ovicellen werden oft angetroffen. Fam. Celhdarüdae. Dichotomisch verzweigte Stöckchen, deren Zooecien in zwei oder mehreren Eeihen stehen. Celhdaria Pallas., C. Feachii Busk. Scrupocellaria Van Ben. (Fig. 685.), S. scruposa L. S. {Canda) reptans Lin., Nordsee, Mittelmeer. Fam. Bicellariidae. Die Zooecien konisch oder vierseitig, gebogen, ihre seitliche Mündungsfläche elliptisch und schräg zur Medianebene der Achse gestellt. Bugtda (Aca- marchis) Oken, B. avicularia L., europäische Meere. (Fig. 684.) 698 II. Classe. Brachiopoda. Fam. Memhraniporidae. Zooecien mehr verkalkt, zu einer incrustirenden Colonie vereinigt. Memhranipora Blainv., M. pilosa L., Adria. Lepralia pertusa Esp., Adria. Flustra membranacea L. Atlantischer Ocean. Fam. Reieporklae. Die oval-cylindrischen Zooecien zu einem reticulirten Stock ver- einigt. Eeiepora Lam., B. cellulosa L., Mittelmeer bis arktisches Meer. IL Classe. BracMopoda'), Armfüsser. Festsitzende MoUuscoideen mit vorderer (dorsaler) und hinterer (ven- traler) Schalenklappe, mit zwei spiralig aufgerollten Mundarmen. Die Brachiopoden besitzen einen breiten, von einer vorderen (Rücken- schale) und hinteren (Baiichschale) Schale bedeckten Körper. (Fig. 691.) Beide liegen entsprechenden Haiitduplicaturen (Mantellappen) anf und sind am Rücken oft durch eine ^'S' 691. ^^.^ Schloss verbun- den, über welches die meist tiefer gewölbte hintere Schale schna- belartig vorspringen kann. Diese Bauch- klappe sitzt entweder unmittelbar auf fester Unterlage verwach- sen auf, oder die Be- festigung wird durch einen aus der Schna- belöffnung derselben hervortretenden Stiel vermittelt. Indessen kann der Stiel auch zwischen beiden, dann nahezu gleichgestalteten Schalenklappen hiudurchtreten (Lingida). Die Schalen sind von der Haut ausgeschiedene, mit Kalksalzen imprägnirte Cuticular- Mcl /<• Oc Anatomie von Waldheiinia auntralis, In Seitenansicht Dorsaüappen, Vc Ventrallappeu des Mantels, St Stiel nacli Hancock. Dt Ma Adductor, ild Di varicator, Ar Arme, Vw vordere Leibeswand, Oc Oesophagus, D Darm blind endend, O Einmflndungsstelle der Leber (X), Tc Trichter des Eileiters ') E.Owen, On the an atomy ofthe Brachiopoda. Trausact. Zool. Soc. London, 1835. T. H. Huxley. Contributions to the anatomy ofthe Brachiopoda. Ann. Mag. of nat. hist., 1854. A. Hancock, On the Organisation of the Brachiopoda. Philos. Transact., 1858. Davidson, Monography of the British foss. Brachiopoda, 1858. Lacaze-Duthiers, Histoire naturelle des hrachiopodes vivants de la Mediterranee. Ann. des sc. nat. 1871, Tom. XV. E. S. Morse, On the System, position of the Brachiopoda. Proceed. Boston Soc. of nat. hist., Tom. XV, 1873. Derselbe, On the oviducts and embryology of Tere- bratulina. Amer. Journ. of Science and Arts, 1873. A. Kowalevski, Russische Abhand- lung über Brachiopoden-Entwicklung. Moskau, 1874. W. K. Brooks, The development of Lingula and the Systeraatic Position of the Brachiopoda. Chesapeake zool. Labor. Scient. Res., 1878. J. F. van Bemmelen, Untersuchungen über den etc. Bau der Brachiopoda Testicardines. Jen. Zeitschr., XVI. Bd., 1882. Kürperbau. Danneaual. Herz. Nieren (Mopliridieii). 699 Fi^. 692. gebilde und werden nicht durch ein Ligament, sondern durch besondere Muskel- gruppen geöffnet und ebenso durch Muskeln, welche in der Nähe des Schlosses quer von oben nach unten den Leibesraum durchsetzen, geschlossen. Der zwischen den Schalen eingeschlossene bilaterale Leib besitzt zwei umfang- reiche Hautduplicaturen, die beiden Mautellappen, welche der inneren Schalen- fläche anliegen und am verdickten Kande sehr regelmässig Borsten tragen. Auch kann der Mantel Kalknadeln oder ein zusammenhängendes Kalknetz in sich erzeugen. Die Mundöft'nung liegt zwischen der Basis zweier spiraligen, durch ein Armgerüst der Dorsalschale (Fig. 692) gestützten Arme und führt in die Speiseröhre, welche sich in den durch Bänder befestigten und von mächtigen Leberlappen umlagerten Magendarm fortsetzt. Dieser beschreibt entweder eine einzige Umbiegung nach der Eückenfläche aufsteigend, oder bildet bei bedeutender Länge mehrfache Windungen [Discina, Liiujiüa). Im letzteren Falle mündet er an der Seite in die Mantelhöhle aus, während bei den mit einem Schaleuschlosse versehenen Brachiopo den (TereZ^raht^a, Waldheimia) ein After fehlt. Hier endet der Darmcaual inner- halb der Eingeweidehöhle zwiebeiförmig auf- getrieben. (Fig. 691.) Zuweilen setzt sich das Ende noch in ein strangartiges Organ fort {Thecidium). Die beiden von einem festen Gerüste ge- tragenen Mundarme sind lange, in kegelför- miger Spirale nach vorne aufgerollte Anhänge, welche wie dieMundsegel derLamellibrauchiateu von einer Rinne durchzogen werden. Die Um- gebung der Rinne bilden dichte und lange, aus steifen aber beweglichen Fäden zusammenge- setzte Fransen, deren Wimperbekleidung eine mächtige Strudelung erregt und kleine Nah- rungskörper nach der Mundöffnung führt. Auf der Rückenfläche des Magens liegt ein rundlicher, als Herz gedeuteter Sack. Derselbe nimmt das Blut durch einen gemeinsamen, über der Speiseröhre verlaufenden Venenstamm auf und gibt mehrere seitliche Arterienstämme ab. Indessen ist das Gefässsystem keineswegs geschlossen, sondern steht mit einem Blutsinus in der Umgebung des Darmes, den Eingeweidelacunen und einem sehr entwickelten Lacunensystem des Mantels und der Arme in Verbindung. Die letz- teren bringen das Blut über eine bedeutendeFläche hin mit dem Wasser in endos- motischen Austausch, man betrachtet daher mit Recht sowohl die innere Mantel- fläche, als die Spiralarme des Mundes als Äthmungsorgane. Als Nieren (den Segmentalorganen der Anneliden entsprechend) sind zwei, seltener vier Canäle mit drüsigen Wandungen anzusehen, welche zu beiden Seiten des Darmes mit freier Oeffnung trichterförmig in der Leibes- höhle beginnen und seitlich vom Munde ausführen. Dieselben fungiren zu- Rückenscliale von WahViriiaia australis mit dem Armgerüst, nach Hancock. 700 Brachiopoda. Nervensystem Fortpflanzung gleich als Ausführungsgänge der Geschlechtsproducte und werden A'on Hancock als Oviducfe bezeichnet. Das Xervensystera besteht aus einem Schlundringe mit einer Ganglien- anschwelluug über dem Schlünde, von der aus starke Nerven an die Arme ab- gehen. Viel mächtiger ist die suboesophageale Ganglienanschwellung des Schluudringes, von welcher Nerven zu dem dorsalen Mantellappen ebenfalls zu den Armen und Schliessmuskeln entspringen, sowie zwei kleine Ganglien Fig. 693. D FMU\ick\viug \on Aif/tope, nach Ko w al e v sk i. a Larve, deren Gastralhöble die Divertikel der Leibesliöhle (Lh) gebildet hat. /' Darm. — h Larve mit drei Absahnitten. — c Larve mit vier Borstenbündeln in den Mantellappen des Mittelabsphnlttes. M Mantel. — cl Späteres Stadium. — e Festsitzende Larve mit nach vorne umgeschlagenen Mantellappen. — /Die kreisförmig gestellten Tentakeln (T) sind gebildet. .S/ Stiel. ausgehen, welche den ventralen Mantellappen und den Stielmuskel mit Nerven versorgen. Sinnesorgane sind nicht mit Sicherheit bekannt. Wahrscheinlich sind die meisten Brachiopoden, wie Discina, Thecidhim und TerehratuUna getrennt geschlechtlich. Die Geschlechtsdrüsen bestehen aus dicken gelben Bändern und Wülsten, welche in paariger Anordnung von der Leibeshöhle aus in die Lacunen des Mantels hineindringen und sich hier unter mehrfachen Verästelungen ausbreiten. Dieselben sind Abschnitte der peritonealen Auskleidung und lassen die Producte in die Leibeshöhle gelangen, 1. Orfimmg. Ecardines. 701 aus welcher jene durch die bereits erwähnten, trichterförmig beginnenden Canäle nach aussen geführt werden. Bezüglich der Entwicklung entsteht nach Ablauf der totalen Furchung meist durch Einstülpung des Blastoderms eine Gastrula. Die gastrale Cavität (Argiope) zerfällt wie bei Sagitta in einen mittleren Raum und in zwei seit- liche Divertikel, welche sich abschnüren und die Leibeshöhle bilden. (Fig. 693. ) Dann verlängert sich die ovale Larve und gliedert sich durch Einschnürungen in drei Abschnitte, von denen sich das vordere schirmförmig verbreitert, Wimpercilien und Augenflecken gewinnt, später aber zur Oberlippe verkümmert. An dem mittleren Abschnitte erhebt sich alsdann eine Falte zur Bildung der beiden Mantellappeu, welche bald den Mittelleib nebst einem Theil des Endabschnittes bedecken. Au dem unteren Mantellappen der ent- wickelten Larve treten vier Bün- del langer Borsten hervor, welche wie bei den Würmern eingezogen und ausgespreizt werden (c, d). Nachher setzt sich die Larve fest und beginnt ihre Umgestaltung. Der festsitzende hintere Abschnitt wird zum Stiel, die Mantellappen schlagen sich nach vorne um und erzeugen die Schalenklappeu. Die Borstenbündel werden abgewor- fen, während in der Schale die Ab- lagerung von Kalk beginnt und die zuerst kreisförmig gestellten Tentakelfäden der späteren Arme auftreten. Die spätere Metamorphose der mit Tentakeln versehenen Larven ist am ge- nauesten von Brooks für Z,2n^M/a untersucht worden, deren Larven im Zustande der Tentakeleutwicklung noch frei umherschwärmen. (Fig. 694 a, b.) Gegenwärtig leben nur wenige Brachiopoden in verschiedenen Meeren, um so grösser war dagegen die Verbreitung in früheren Formationen, in denen bestimmte Arten die Bedeutung von Leitmuscheln haben. Auch gehören zu den Brachiopoden die ältesten Versteinerungen ; einzelne der schon im Silur auftretenden Gattungen haben sich bis zur Gegenwart erhalten (Lmgula). 1. Ordnung. Ecardines. Angellose Brachiopoden. Schale ohne Schloss und ohne Armgerüst. Darm mit seitlichem After. Ränder der Mantellappen vollständig getrennt. a L,!ir\0 \on Lingula, nach Brooks. TTentakeln, 0 Mund, D Darm, Af After, L Leber, St Stielanlage. — 6 Längs- durchschnitt einer älteren Larve, nach Brooks. Do Dor- sale, Ve Ventrale Schalenklappe, 3Ir verdickter Mantelrand, T Tentakeln, 0 Mund, Md Magendarm, Ad Afterdarm, M hintere Muskel, G Ganglion. 702 VIII. Thierkreis. Tunicata. Körperbau. Fam. Lingulidae. Die dünnen hornigen Schalen nahezu gleichklappig. Stiel lang und fleischig. Lingula anatina Lam., Indischer Ocean. Fam. Discinidae. Discina lamellosa Brod., Südamerika. Fam. Craniadae. Crania animala Müll., Nordsee. Cr. rostrata Hoev., Mittelmeer. Cr. antiqua Defr., fossil aus der Kreide. 2. Ordnimg. Testicardines. Angelschalige Brachiopoden. Schale 'kalkig mit Schloss und Ärmgerüst. Uarm blind geschlossen. Den Uebergang bilden die Familien der ausschliesslich fossilen Orthiden und Pro- ductiden {Productns Sav.). deren Schalenrand noch der Angelgelenke entbehrt. Fam. Rhynchonellidae . Ehynchonella jy^^^tacea Lam., nördl. Norwegen. Rh. sicula Seg., Mittelmeer. Fossile Arten im Silur. Pentamerus Sow. Enthält nur fossile Arten des Silur und Devon. Hier schliessen sich die fossilen Spiriferiden an {Spirifer Sow.). Fam. Terebratulidae. Thecidium Tnediterraneum Riss., Waldheimia King., Tere- hratula vitrea Lam., Mittelmeer. Terebratulina caput serpens L., Nordsee. Argiope Dp., Mittelmeer. VIII. Thierkreis. Tunicata'), Manteltliiere. Bilaferalthiere von sackförmige!' oder tonnenförmiger Korpergestnlt, mit dickem Integument (^Mantel) und einfachem Nervenknoten, mit weitem.^ zugleich zur Respiration dienendem Pharyngealsack und mit Herz. Die Tunicateu verdanken ihren Namen dem Vorhandensein einer galler- tigen bis cartilaginösen Hülle, welche (als Tunica externa oder Testa) den Leib vollständig umlagert. Die Körpergestalt ist sackförmig {Ascidien) oder tonuen- förmig (Salpen). Ueberall findet sich am vorderen Ende eine weite, sowohl durch Muskeln, als häufig noch mittelst Klappen verschliessbare Oeffnung zur Einfuhr des Wassers und der Nahrungsstoffe in die zugleich als Athmungs- organ fungirende Phar^mgealhöhle und daneben in einiger Entfernung {Asci- dien) oder am entgegengesetzten Körperende {Salpen) eine zweite, ebenfalls verschliessbare Oeffnung als Auswurfsöffnung des mit der Pharyngealhöhle durch die Kiemeuspalten communicirenden Kloakenraumes. (Fig. 695 und 696.) Das Integument ist bald gallertig, bald von lederartiger bis knorpeliger Consistenz und erscheint oft krystallhell oder durchscheinend, zuweilen aber auch trübe und undurchsichtig und in verschiedener Weise gefärbt. Seine äussere Oberfläche ist glatt oder warzig, zuweilen stachelig oder filzig. Man nennt dieses äussere Integument, welches den Körper vollständig überzieht, den äusseren Mantel {Tunica) und hat dasselbe früher als eine Art Gehäuse V) J. C. Savigny, Memoires sur les animaux sans vertebres. II. Paris, 1815. A. Chamisso.De animalibus quibusdam e classe Vermium . Berlin, 1819. MilneEdwards, Observatious sur les Ascidies composees des cotes de la Manche. M^m. Acad. sc. Paris 1839. A. Kowalevski, Weitere Studien über die Entwicklung der einfachen Ascidien. Archiv für mikrosk. Anat., Bd. VII, 1871. Ed. v. Beneden et Julin, Eecherches sur la Morphologie des Tuniciers. Archiv de Biologie. 1886. Norveusvstein. Muskulatur. 703 betrachtet und mit der zweiklappigeii Schale der Lamellibrancliiaten verglichen. Diese Zurückführung schien um so mehr berechtigt, als es nach der Entdeckung von Lacaze-Duthiers ') Ascidieu gibt, deren knorpelig hartes Gehäuse sich in zwei durch besondere Muskeln verschliessbare Klappen spaltet {Chevreidius)- Thatsächlich ist diese Aehnlichkeit indessen nur eine äussere und beruht ledig- lich auf Analogie. Die Substanz des Mantels ist eine cel- //(/osehaltige Grundmasse miteingeschlossenen Zellen, und erscheint, obwohl als cuticulare Ausscheidung entstanden, dem Baue nach als eine Form des Bindegewebes. Bei den colonie- l>ildenden Tnnicaten kann der äussere Mantel der Einzelthiere zu einer gemeinsamen Masse zusammenfliessen. Auf den sackförmigen Mantel folgt die Leibeswandung des Thieres, deren äussere, an den Mantel anschliessende Zellenschicht das ectodermale Epithel vorstellt, welches den Mantel,aber auch dieunterliegende sogenannte innere Mantelschicht erzeugt hat. Von dieser umgeben lagern sämmtliche Organe des Kör- pers, die Muskulatur, dasNervensystem,Darm- apparat, Geschlechts- und Kreislaufsorgane in der engen Leibeshöhle. Das Nervensystem beschränkt sich auf ein einfaches Ganglion, durch dessen Lage in der Nähe der Eingangsöffnung die Eückenseite be- zeichnet wird. Die vom Ganglion ausstrah- lenden Nerven treten theils zu den Muskeln und Eingeweiden, theils zu den namentlich bei freischwimmenden Tunicaten vorkommen- den Sinnesorganen, welche sich als Augen, Gehör- und Tastorgane nachweisen lassen. Die Muskulatur entwickelt sich vor- nehmlich in der Umgebung der Athemhöhle und wird sowohl zur Erweiterung und Ver- engerung dieses Raumes, als zum Verschlusse der Einfuhrs- und Auswurfsöff- nung verwendet. Bei den Ascich'en können drei Muskelschichten, eine äussere und innere Längsmuskellage und eine innere Ringmuskelschicht, zur Ausbildung kommen, während bei den Salpen bandartige, in die Substanz der Körperwan- dung eingelagerte Muskelreifen auftreten, welche neben der Erneuerung des 'j Lacaze-Dutliiers , Sui- un nouveau d'Ascidien. Ann. des sc. nat., V. ser. Tom. IV, 1865. Clauellina lepadiformis (regne animal). 0 Mund, Bi- Kieme, End Endostyl, Oc Oeso- phagu.s, MD Magendarm, Kl Kloakonraum, A Attsvvurfsöffuung, Af After, G Nerven- centrum, OD Genitaldrüse, Cfg Ausfiihruugs- gang derselben, St Stoloneu. 704 Tunicata. Darmcanal. Atliemwassers die Schwimmbewegnng des tonnenförmigen Leibes besorgen. Als besonderes Locomotionsorgan tritt bei den kleinen Äppendi'cularien und den freischwimmenden Äscidien-LsirYen an der Bauchseite ein peitschenförmig schwingender, durch einen Chordastrang (Urochord) gestützter Schwanz- anhang auf. Der Darmcanal beginnt überall mit weiter, als Respirationsorgan fun- girender Pharyngealhöhle , in welche die vordere, als Mund zu deutende Mantelöffnung führt. Die Oesophagealöffnung liegt weit von der Eiugangs- öffnung entfernt im Innern dieser Athemhöhle. Zwischen Mund und Oesopha- gealöffnung verläuft in der Pharyngealhöhle, mitten an der Bauchseite, eine flimmernde, von zwei Falten begrenzte Kinne, deren drüsige Seitenwände als Endosfijl bezeichnet werden. (Fig. 695 und 696. ) Dieselbe beginnt mit zwei seitlichen Flimmerbogen, die sich zu einem geschlossenen Ring in der Nähe der Eingangsöffnung ver- einigen und etwas vor dem Ganglion auf einen kleinen, in die Athem- höhle vorragendenZapfen übertreten. Der auf die Pharyn- gealhöhle folgende Nah- rungscanal besteht aus einem meist trichterför- migverengerten, bewim- perten Oesophagus,einem blindsackartig vorsprin- genden, meist mit einer Leber versehenen Magendarm und einem Dünndarm, welcher unter Bildung einer Schlinge umbiegt und in den Kloakenraum ausmündet. üeberall findet sich ein Herz, welches, an der Yentralseite des Darmes gelegeu,und von einem zarten Pericardium umgeben, lebhafte, von dem einen nach dem andern Ende hin fortschreitende Contractionen ausführt. Bemerkenswerth ist der plötzliche (von van Hass elt bei Salpen entdeckte) Wechsel in der Richtung der Contractionen, durch welche nach momentanem Stillstand des Herzens die Richtung der Blutströmung eine umgekehrte wird. Die vom Herzen ausgehenden Blutgefässlacunen führen in Lückensysteme der Leibeswandung zur Portleitung des Blutes. Bei den Ascidien treten auch in den Mantel Ge- fässlacunen ein, indem sich von der Epidermis bekleidete Ausstülpungen der Leibeswand mit Bluträumen in den Mantel erheben. Hauptblutbahnen liegen in der Mittellinie sowohl des Rückens als des Bauches unterhalb der Bauch- rinne und communiciren durch Nebenbahnen, welche sich im Umkreis der Athemhöhle als Quercanäle entwickeln. Diese communiciren mit den Blut- räumen der verschieden gestalteten, aus der Pharyngealwand hervorgegangenen Salpa mncronata in seitlicher Ansicht. 0 Mund, Ph Pharyngealraum, Kl Kloakenraum, ,1 Auswurfsöffnuug, jB;- Kieme, JVNervencentrum, Ma ilantel, M Muskelreifen, Z Züngelchen, Wh Wimperbogen, End Endo- styl, Wr Wimperrinne, JV« Nucleus, C Herz Fortpflauzung. 705 Kieme, an deren Oberfläche das Wasser durch Wimpern in beständiger Strömung erhalten wird. Bei den Ascidien ist fast die gesammte Pharyngealwand in die Kiemenbildung eingegangen und zu einem netzartig von Spaltreihen durch- brochenen, gegitterten Kiemensack umgestaltet, um dessen Wandung sich ein Nebenraum der Kloakenhöhle als „Peribranchialhöhle'-^ entwickelt hat. In dem- selben erscheint der Kiemensack nur längs des Endostyls, sowie durch zahl- reiche kurze Trabekeln, welche die Gitterbalken mit der gegenüberliegenden Leibeswand verbinden, befestigt. In anderen Fällen reducirt sich die Kieme unter bedeutender Verringerung der Spaltenzahl auf den Dorsaltheil der Pharyngealwand {Doh'olum, Salpd). Die Tunicaten sind Zwitter, oft jedoch mit verschiedenzeitiger Eeife der männlichen und weiblichen Geschlechtsstoffe, Im Besonderen erweisen sich die Salpen zur Zeit ihrer Geburt als Weibchen und bringen erst später als trächtige Thiere die männlichen Geschlechtsorgane zur Reife. Bei Perophora reifen zuerst die Hoden, bei den BotryUiden umgekehrt die Eier. Hoden und Ovarien liegen meist neben den Eingeweiden im hinteren Körpertheile, und zwar jene als büschelförmig vereinigte Blindschläuche, diese als traubenförmige Drüsen, deren Ausführungsgang in den Kloakenraum ausmündet. Hier erfolgt auch in der Eegel (selten au der ursprünglichen Keirastätte) die Befruchtung des Eies und die Entwicklung des Embryos, welcher entweder noch von den Eihüllen umgeben die Auswurfsöffnung verlässt, oder mittelst einer Art Pla- centa ernährt und auf einer weit vorgeschrittenen Stufe lebendig geboren wird i^Salpen\ Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung besteht fast allgemein die un- geschlechtliche Vermehrung durch Sprossung, welche häufig zur Entstehung von Colonien mit überaus charakteristisch gruppirten Individuen führt. Die Sprossung findet bald an verschiedenen Theilen des Körpers statt, bald ist sie auf bestimmte Stellen oder auf einen Keimstock {Stolo proUfer) beschränkt. Die auf diesem Wege erzeugten Colonien bleiben keineswegs immer sessil, sondern besitzen zuweilen, wie die Pyrosomen, oder wie die in Ketten nur äusserlich verbundenen Salpen, eine freie Ortsveränderuug. Die embryonale Entwicklung zeigt bei den Ascidien eine grosse üeber- einstimmung mit der niederer Vertebraten und insbesondere von Amphioxus. Nach Ablauf der totalen Furchung entsteht eine aus zwei Zelleuschichten ge- bildete Gastrula, von deren Ectoderm sich das Nervensystem als Rohr anlegt. Gleichzeitig bildet sich in dem schwanzförmig verlängerten Körper aus einer Doppelreihe entodermaler Zellen ein der Chorda dorsalis homologes Achsen- skelet. Darm, Nervensystem und Chorda zeigen ein dem Wirbelthierbau ana- loges Lagenverhältniss zu einander. Die postembryonale Entwicklung ist bei den Ascidien eine Metamor- phose, indem die Embryonen als bewegliche, mit Ruderschwanz und Augenfleck versehene Larven die Eihüllen verlassen und einige Zeit lang umherschwärmen, bei den stockbildenden Formen häufig noch vor ihrer Ansiedelung durch e. Claus: Lehrbuch der Zoologie. :,. Aufl. 45 706 I- Classe. Tetliyo Darm. bohren. Letztere führen zur Entstehung der ersten Kiemenspalten, zu welchen eine weitere grubenförmige Vertiefung der Haut, die Anlage der Kloake hin- zutritt. Nun durchbricht der Embryo, auf dessen Haut die abgeschiedene Gallert- masse nebst den eingewachsenen, amöbenartig beweglichen Tunicazellen den Mantel bildet, die zottige Eihaut und tritt in das Stadium der frei umher- Fortpflanzung durch Kuospeubildung. 713 schwärmenden Larve ein, welche rechtsseitig vom Endostyl die Anlage des Herzens zeigt imd alle Organe des späteren Ascidienleibes mit Ausnahme der Geschlechtsdrüsen besitzt, dann aber während der weitereu Entwicklung eine regressive Metamorphose zu bestehen hat. Nachdem sich die Larve mittelst der Haftpapillen festgesetzt hat, verkümmert der Schwanz. Das Nervensystem mit den anhängenden Pigmentorganen bildet sich zurück und büsst zunächst die Höhle ein ; dagegen wächst der Kiemensack zu grösserem Umfange heran, und am Verdauungscanal sondern sich Oesophagus, Magen und Darm schärfer. Alsdann wächst der Mantel fest, die Mundöffuung wird zur Einwurfsöffnung des Kiemensackes, und hinter ihr entsteht der Flimmerbogen am Vorderende der schon früher gebildeten Bauchfurche, an welcher sich der sogenannte Endostyl bildet. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung spielt die Vermehrung durch Knospung bei den stockbildenden Ascidien eine grosse Bolle. Nach Krohn, Metschnikoff und Kowalevski betheiligen sich an der Knospenbildung ausser dem Ectoderm eine entodermale (bei ßotri/IJns von der Atrialbekleiduug stammende) Schicht, aber auch mesodermale Zellen. Manche Ascidien, wie Parophora und ClaveUina, erzeugen durch Knospung Stolonen, von denen aus sich neue Individuen erheben, ohne jedoch ein einheitlich verbundenes System von Individuen herzustellen. Solche Knospencomplexe entwickeln sich da- gegen bei den Sijnascidien, deren Individuen in einen gemeinsamen Mantel eingebettet sind. Zuweilen können die Larven bereits im geschwänzten Stadium Knospen bilden {Didemnum). Bei der durch die sternförmige Gruppirung der Individuen um gemeinsame Kloaken ausgezeichneten Gattung Botryllus er- zeugt die junge Form nur eine Knospe und geht noch vor der völligen Keife des Tochterindividuums geschlechtslos zu Grunde. Auch dieses weicht bald zweien durch Knospung erzeugten Individuen zweiter Generation, deren vier Sprösslinge sich kreisförmig gruppiren und nach dem Untergang der Erzeuger das erste „System" mit gemeinsamer Kloake bilden. In analoger Weise ent- stehen nun Sprösslinge, welche die ältere Generation zum Absterben bringen: die neu entstandenen Systeme sind aber ebenso vergänglich und machen wieder neuen Platz, so dass mit dem Wachsthum des Stockes ein fortwährender Er- satz der älteren Generationen durch jüngere stattfindet. Bei diesem ununter- brochen fortschreitenden Verjüngungsprocess haben die zuerst gebildeten Generationen nur die provisorische Bedeutung der Begründung des Stockes, die späteren Generationen werden geschlechtsreif, und zwar geht die weib- liche Keife der männlichen voraus. Die Eier der noch jungen hermaphroditischen Generationen werden von dem Sperma der älteren befruchtet; erst nach dem Absterben dieser letzteren haben sich die Hoden jener bis zur vollen Reife des Samens ausgebildet und übernehmen nun jene Generationen die doppelte Auf- gabe : die Brutpflege ihrer eigenen bereits befruchteten Eier und die Befruch- tung der nachrückenden Generationen. 714 1- Ordnung. Copelatae. 2. Ordnung. Ascidiac siraplioes. 1. Oidmmg. Copelatae '), Ascidien mit Laryeiischwanz. Freischwimmende kleine Ascidien von länglich-ovaler Körperform, mit Ruderschwanz und larvenähnlichem Habitus der Gesammtorganisation. (Fig. 699.) Ein Kloakenraum fehlt. Der After mündet an der Bauchseite direct nach aussen. Der Pharyngealsack ist nur von zwei Kiemenspalten durch- brochen. Herz quergestellt. Ovarien und Hoden liegen im hinteren Körpertheil neben einander und entbehren der Ausführungsgänge. Das langgestreckte, in drei Partien eingeschnürte Gehirnganglion steht mit einer Wimpergrube und Otolithenblase in Verbindung und verlängert sich in einen ansehnlichenNerven- strang, welcher in den Schwanz eintritt, an der Basis desselben in ein Ganglion anschwillt und im weiteren Verlaufe unter Abgabe von Seitennerven mehrere kleinere Ganglien bildet. Durch Achsendrehung des Schwanzes erhält der ur- sprünglich dorsalgelegene Schwanznerv eine seitliche Lage. Den Metaraeren- bildungen am Nervencentrum des Schwanzes entsprechen segmeutähnliche Abtheilungen der Muskulatur, welche an die Myocommata von Amphioxus erinnern. Zu dieser üebereinstimmung kommt die ansehnliche Chorda (Uro- chord), welche die ganze Länge des Schwanzes durchsetzt. Einzelne Arten tragen eine pellucide Gallerthülle, einem Gehäuse ver- gleichbar, mit sich herum. Ueber die Entwicklung dieser früher mit Unrecht für Larven gehaltenen Thierchen liegen nur unzureichende Angaben vor. Farn. Appendicularidae . Oikopleura Hertens [Appendicularia Cham.). Oi. cophocerca Gegbr. Früillaria Fol. Das Integument bildet vorne eine kapuzenähnliche Duplicatur. Schwanz iVainal so lang als der langgestreckte Leib. Endostyl gdkxvimmt. Fr. für caia C. Vogt, Fr. formica Fol, Koicalevskia Fol. Ohne Herz und Endostyl. Enddarm fehlt. K. lenuis Fol, Messina. 2. Ordnung. Ascidiae siiiiplices '), einfache und aggregirte Ascidien. Enthält sowohl solitär bleibende Formen, als verzweigte Stöckchen. Die letzteren oder geselligen Ascidien erheben sich auf verzweigten Wurzelaus- läufern und besitzen zeitweise oder dauernd einen gemeinsamen Kreislauf. Das Mantelparenchym zeigt meist eine hyaline durchsichtige Beschaffenheit. Da- gegen ist der weit grössere Körper der solitär bleibenden Formen von einem knorpelig harten, sehr dicken und meist vollkommen undurchsichtigen Mantel umgeben, dessen Oberfläche oft warzige Erhebungen und mannigfache Ein- lagerungen besitzt. (Fig. 697.) ') Vergl. C. Gegenbau r, Bemerkungen über die Organisation der Appendicu- larien. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. VI, 1855. H. Fol, Etudes sur les Appendiculaires du detroit de Messine. Mem. Soc. de phys. et d'hist. nat. de Gäneve, Tom. XXI, 1872. *) Vergl. ausser Lacaze-Duthiers 1. c. Heller, Untersuchungen über die Tunicaten des Adriatischen Meeres. I, II, III. Denkschrift der k. Akad. der Wissensch. Wien. 1874 bis 1877. 0. Seeliger, Zur Entwicklungsgeschichte der Ascidien. Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. Wien, 1882. ;i. Oi-diuiHg. Syuasciiliae. t. Onlnuiig. Ascidiae salpaeformes. 715 Farn. ClavelUnidae. Sociale Ascidien, deren gestielte Einzelthiere auf gemeiiisainen verzweigten Stolunen oder an einem gemeinsamen Stamme entspringen. Der Leib zeigt zuweilen ((Vaue/^ma) die drei Regionen iihnlicli den Polj'rliniden. ClavellinaSaY., Cl. lepadi- formis Sav., Nordsee, Mittelmeer. (Fig. 697.) Perophora Listeri Wiegm., Nordsee. Fam. Ascidiadae. Solitäre Ascidien meist von bedeutender Grösse. Die Einzel- thiere pflanzen sich, wie es scheint, nur ausnahmsweise durch Sprossuug fort und stehen, wenn sie gesellig neben einander sitzen, nie durch eine gemeinsame Mantelhülle oder Blutgefässe im Zusammenhang. Ascidia L. {Phallusia Sav.), A. mammillata Cuv., Mittel- meer. A. [Ciona) intestinalis L. u. a. A. Cynthia Sav,, C pajnl/osa Sav., C microcosmus Cuv. Chevreulitis Lac. Duth., Mittelmeer. Sehr merkwürdige aberrante Formen sind die Tiefsee-Ascidien : TIypoh)jt.hi%is cahj- codes Mos. und Octacnemus hytldus Mos. 3. Ordnung. Syuascidiae (Ascidue compositae '), zusammengesetzte Ascidien. Zahlreiche Einzelthiere liegen in einer gemeinsamen Mantelschicht und bilden massige halbweiche, lebhaft gefärbte Stöckchen, welche von schwammiger oder gelappter Form, nicht selten rindenartig fremde Gegenstände überziehen. Fast stets gruppiren sich die Einzelthiere in bestimmter Zahl um gemeinsame Kloaken, so dass am Stocke runde oder sternförmige Systeme mit Central- öffnungen entstehen. (Fig. 698.) Der Leib bleibt bald einfach und kurz, bald zerfällt er bei einer grösseren Streckung in zwei oder drei Abtheilungen und entsendet blutführende Ausläufer und verästelte Fortsätze in die gemeinsame Mantelmasse. Fam. Botryllidae. Die Eingeweide des einfachen, nicht in Rumpf und Abdomen gegliederten Leibes liegen neben der Athemhöhle. Keine Läppchen an der Einfuhrs- öifnung. Botryllus stellatus Fall., B. violaceus Edw. Fam. Didemnidae. Die Eingeweide rücken grosseutheils hinter die Athemhöhle, und es scheidet sich der Körper in zwei Abtheilungen, in Thorax und Abdomen. Di- devinum Sav., D. styliferum Kow., Leptodinum ccindidum Sav. Fam. Polyclinidae. Der sehr langgestreckte Körper der Einzelthiere theilt sich in Thorax, Abdomen und Postabdomen ab. Das Herz liegt am hinteren Körperende. Amaroe- cium Edw., A. prolife.rum Edw., PolycUnwni Sav. 4. Ordnung. Ascidiae salpaeformes ^), salpenälmliche Ascidien. Freischwimmende, an der Meeresoberfläche flottirende Colonien, von der Form eines fingerhutähnlich ausgehöhlten Tannenzapfens, mit zahlreichen senk- recht zur Längsachse gerichteten Einzelthieren in dem gemeinsamen gallertig- knorpeligen Mantelgewebe. Die Einfuhrsöifnungen liegen in unregelmässigen ') Ausser S a v i g n y vergl. M. Edwards, Observations sur les Aseidies composees des cötes de la Manche. Mem. Acad. sc, Tom. XVIIL Paris, 1842. A. Giard, Recherches sur les Synascidies. Arch. de Zool. experira., Tom. I. Paris, 1872. A. Kowalevski, Ueber die Knospung der Ascidien. Archiv für mikrosk. Anatomie, Taf. X. 1874. R. v. Dräsche, Die Synascidien der Bucht von Rovigno. Wien, 1883. ^) Th. Huxley, Anatomy and development of Pyrosoraa. Transact. Lin. Soc, 1860. W. K e f e r s t e i n und Ehlers, Zoologische Beiträge. Leipzig, 1861. A. K o w a 1 e v s k i. Ueber die Entwicklungsgeschichte der Pyrosomen. Archiv für mikrosk. Anat., Tom. XI, 1875. 716 Ascidiae salpaeformes. Kreisen an der äusseren Oberfläche, die Aiiswiirfsöffnungen münden ihnen gegenüber in den als gemeinsame Kloake dienenden Hohlraum. Der Kiemen- sack ist weit und gegittert, wie bei den Ascidien. Darm und Ovarium liegen nucleusartig zusammengedrängt in einem rundlichen Höcker, daneben das Herz. Das Ovarium bringt nur ein Ei zur Reife, welches von einem langgestielten sackförmigen Follikel umgeben ist. Der Stiel bildet den Oviduct und öffnet sich in den Kloakenraum. Das Ganglion mit aufliegendem Auge. Durch dieses letztere, sowie durch die Lage der beiden Athemöflfnungen und der Eingeweide, durch die Art der Fortpflanzung und die freie Locomotion nähern sich unsere Thiere den Salpen. (Fig. 702 a, 5.) Die Knospung erfolgt mittelst eines am hinteren Ende des Endostyls gelegenen Stolo, welcher Anlagen sämmtlicher wichtigen Organe enthält. Fig. 702. h End a Kiu Individuum von Pi/rosoma, nach Keferstein. 0 Muud, ^ Auswurfsüffnung, 2' Hoden, N Ganglion, Br Kiemensack, End Endostyl, Wb Wimperbogen, C Hers b Cyathozooid von Pyrosoma, nach Kowalevski. H Herz, Kl Kloake, D Dotter, Ascidiozooids. .4/" After. Ou Ovarium, , St Stolo prolifiT. — im Umkreis die vier Neben der Knospung findet an demselben Individuum geschlechtliche Fort- pflanzung statt. Das Ei entwickelt sich innerhalb eines Ovarialsackes zu einem Embryo, welcher als verkümmertes ascidienähnliches Individuum [Cyathozooid) durch Sprossuug mittelst Stolo eine Gruppe von vier Individuen { Ascüliozooidien) erzeugt, selbst aber zu Grunde geht. Die vier Ascidiozooidien bilden die erste Anlage der Colonie und pflanzen sich sowohl durch Knospung als geschlecht- lich fort. Die Pyrosomen führen ihren Namen von dem prachtvollen Licht, welches ihr Leib ausstrahlt. Nach Panceri sind es paarige, in der Nähe des Mundes gelegene Zellengruppeu, von denen die Lichterscheinung ausgeht. Farn. Pyrosomidae, Feuerwalzen. Die von Pöron im Atlantischen Ocean ent- deckten Thiere Avurden anfänglich für solitär gehalten. Pyrosoma P^r., P. atlanticum Per., P. eleijans und giyanteum Les. au.s dem Mittelmeer. II. Classe. Thaliacea. Körperbau. 717 Ena IL Classe. Thaliacea'), Salpen. Freischvnmmende, glashelle Tumcaten von walzen- oder tonnenförmzger Körpergestalt, mit endständigen, einander gegenüberliegenden Mantelöffnungen und bandförmiger oder lamellöser, auf den Dorsaltheil des Pharyngealsackes beschränkter Kieme, mit knäuelartig zusammengedrängten Eingetveiden. Die salpenähnlichen Tunicaten (Fig. 703«, J) sind glaslielle Walzen und Tönnchen von gallertig-knorpeliger Consistenz, die, entweder als solitäre Thiere oder zu Ketten (meist in Doppelreihen) vereinigt, unter rhythmisch wechselnder Verengerung und Er- ., -1 . ,1 Fig. 703. h Weiterung ihrerAthem- " höhle an der Oberfläche des Meeres schwim- mend dahintreiben. Die beiden Oeffnungen lie- gen einander gegen- über, der Mund (Ein- fuhrsöffnung) am vor- dem, die Auswurfsöff- nung am hintern Kör- perende, der Kücken- fläche genähert. Die er- stere erweist sich in der Kegel als eine breite, von beweglichen Lip- pen begrenzte Quer- spalte und führt in den weiten, aus Pharyngeal- raum und Kloake be- stehenden Athemraum, in welchem sich schräg von der Kückenfläche nach unten und hinten die bandförmige oder lamellöse Kieme ausspannt. Bei Doliohmi erscheint die Kieme als schräge Scheidewand, die von zwei seitlichen Keihen grosser Querschlitze durchbrochen *) Vergl. Th. Huxley, Observations upon the anatoiiiy and physiology of Salpa and Pyrosoma, together with remarks upon Doliolum and Appendicularia. Phil. Transact. London, 1851. E. Leuckart, Zoologische Untersuchungen, Heft II. Giessen, 1854. C. Gegenbaur, Ueber den Entwicklungscyklus von Doliolum nebst Bemerkungen über die Larven dieser Thiere. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. VII. C. Grobben, Doliolum und sein Generationswechsel etc. Arb. aus dem zool. Institute in Wien, Tom. IV, 1882. B. Uli an in, Die Arten der Gattung Doliolum etc. Leipzig, 1884. a Salpa raucronaia, b S. democratiea. OMund, ,4 Auswurf.söffnung, JV Gan- glion, Br Kieme, End Endostyl, TFjr Wimpergrube, jl/a Mantel, A^« Einge- weidenucleus, C Herz, Emh Embryo, Stp Slolo prolifer. / 18 Thaliacea. Nerveusystem. Siunesorgane. wird, durch welche das Wasser aus dem Pharyugealraum in den Kloakenraum abfliesst. Bei Salpa sind die Querschlitze jederseits durch eine sehr grosse Kiemenspalte vertreten, so dass die Kiemenwand auf eine mediane bandförmige Leiste (dem Mitteltheile der Doliolumkieme entsprechend) reducirt ist. Im Pharyugealraum verlaufen die beiden Flimmerbögen, welche den Eingang der Athemhöhle umgrenzen, sowie au der Ventralseite der Endostyl, von welchem eine Flimmerrinne zum Oesophagus führt. Der Nahrungscanal liegt, zu einem lebhaft gefärbten Knäuel (Nucleus) verpackt, an der untern und hintern Seite des Körpers, mit den übrigen Ein- geweiden, dem Herzen und den Geschlechtsorganen zusammengedrängt, um welche sich der Mantel nicht selten zu einer kugeligen Auftreibung verdickt. Nervensystem, Sinnes- und Bewegungsorgane zeigen im Zusammenhange mit der freien Locomotion einen höheren Grad der Ausbildung als bei den Ascidien. Der Ganglieuknoten mit seineu zahlreichen Nerven liegt oberhalb der An- heftungsstelle des Kiemenbandes und erreicht eine ansehnliche Grösse. Ge- wöhnlich (Salpa) erhebt sich auf dem Ganglion ein birnförmiger oder kugeliger Fortsatz mit hufeisenförmigem braunrothen Pigmentfleck und zahlreichen stäbchenförmigen Einlagerungen, welche die Auffassung dieses Gebildes als Auge wohl über allen Zweifel erheben. In anderen Fällen (Doh'ohtm) liegt au der linken Körperseite eine durch einen langen Nerven mit dem Gehirn ver- bundene Gehörblase. Auch die mediane Flimmergrube findet sich in der Athem- höhle vor dem Gehirne. Eigenthümliche, wahrscheinlich zum Tasten dienende Sinnesorgane werden bei Doliolum in den Läppchen der beiden Mantelöffnungen, aber auch an anderen Stellen der äusseren Haut beobachtet, und zwar als Gruppen rundlicher Zellen, an welche Nerven herantreten. Die Locomotion wird durch breite, den Athemraum reifartig umspannende Muskelbänder bewirkt,welche diesen bei ihrer Zusammenziehung verengen. Indem hierbei einTheil des Wassers aus der Auswurfsöffnung ausgestossen wird, schiesst der Körper in Folge des ßückstosses in entgegengesetzter Richtung fort. Die Fortpflanzung der Salpen ist alternirend eine geschlechtliche und ungeschlechtliche; auf dem erstem Wege entstehen die solitären Salpen, auf dem letztern die Salpenketten. Die Individuen der Salpenkette sind die Ge- schlechtsthiere, welche keinen Stolo bilden ; die solitären Salpen pflanzen sich nur ungeschlechtlich durch Knospung mittelst eines ventral gelegenen Stolo fort. Da beide Salpenformen, welche sowohl durch Grösse und Körpergestalt, als durch den Verlauf der Muskelbäuder und anderweitige Differenzen der Kiemen und Eingeweide abweichen, in dem Lebenscyklus der Art gesetzmässig alter- nireu, so stellt sich die Entwicklung als ein Generationswechsel dar, der eine noch grössere Complication erlangen kann (Doliolum). Schon lange vor Steen- strup wurde dieser Wechsel von solitären Salpen und Kettengenerationen von dem Dichter Chamisso entdeckt. Die Salpen der Kettenform sind Zwitter, deren beiderlei Geschlechts- organe nicht gleichzeitig zur Anlage und Thätigkeit kommen. Schon früh- Reife der GesehlechtssloGfe. Fortpflanzung. 719 zeitig, alsbald nach der Geburt, tritt die weibliche Geschlechtsreife ein, wäh- rend sich die Hoden-Blindschläuche erst später ausbilden und noch später Samen erzeugen. Fast stets reduciren sich bei Salpa die weiblichen Theile auf eine vom Blut umspülte, ein einziges Ei einschliessende Kapsel, welche in einiger Entfernung vou* Nucleus durch einen engen, stielförmigen Gang an der rechten Seite in den Athemraum ausmündet. (Fig. 704 h.) Nach der Befruch- a Hiuterende von Salpa democratica, von der Bauchseite gesehen. Stp Stolo prolifer, Nu Nucleus. — h End- stück des Stolo = junge Kette, stärker vergrössert. 0 Mund, A Auswurfsiiffnung, N Nervencentrum (Gan- glion), Wg Wimpergrube, Wh Wimperbogen, End Endostyl, Af After, Br Kieme, Nu Nucleus (Darm), Ol' Ovarium, C Herz. — c Embryo von Salpa democratica, letzterer nach C. Grobben. El Elaeoblast, PI Placenta, Ph Pharyngealhöhle, Kl Kloakenhöhle. tung verkürzt sich der Stiel, das sich vergrössernde Ei nähert sich mehr und mehr der inneren Auskleidung der Athemhöhle und bildet mit seiner Umhüllung einen vorspringenden Zapfen, in welchem dasselbe, wie in einem Brutraum, die Embryonalentwicklung durchläuft*). *) Ausser K. Leuckart 1. c. vergl. Kowalevski, Beitrag zur Entwicklungs- gescliichte der Tunicaten. Entwicklungsgeschichte der Salpen. Nachr. von der k. Ges. der Wissensch., Göttingen, Nr. 19. 1868. W. Salensk}% lieber die embrj'onale Ent- wicklungsgeschichte der Salpen. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XXVII, 1876. Derselbe, 720 Thaliacea. Entwirklung. Im Verlaufe der Entwicklung bildet sich zwischen Embryo und Mutter eine Placenta. Avelche für die Ernährung und das Wachsthum des Embryos von grosser Bedeutung ist. Mit der weiteren Ausbildung der Organanlagen, welche im Allgemeinen mit jener der Ascidien übereinstimmt, setzt sich die Placenta Fi?. 705 Die Formen von Dolioliim dettticulatiim. a. l. rf, c nach C. Grobben, c nach Gegen baur. a Geschlechts- thier. 0 Mund, ^ Auswurfsöffnung, iT? Kloakenraum, A^'Nervencentrum, H.s Hautsinnesorgan, TU» Wimper- bogen, Wg Wimpergrube, End Endostyl, Br Kieme, C Herz, D Darm, T Hoden, Ov Ovarium, M Muskel- reifen. — h Erste Ammengeneration. Stv Ventraler Stolo, Std dorsaler Stolo, 0< Gehörorgan. — c Dieselbe in einem älteren Stadium, mit ausgebildetem dorsalen Stolo und rückgebildeten Darm und Kieme (schwächer vergrössert). .1/« Mediansprossen, Ls Lateralsprossen. — d Das aus der Lateralsprosse erzeugte Nährthier mit grossem Mund und ohne Kloake. Oc Oesophagus. — e Doliolumlarve mit Larvenschwanz. Oh Chorda (Urochord) derselben. von dem Embryonalleib schärfer ab, an dessen Hintereude eine als Elaeoblast bekannte Bildung — das Aequivalent der Chorda — auftritt. (Fig. 704 c. ) Erst Ueber die Knospung der Salpen. Morph. Jahrb., Tom. III, 1877. Derselbe, Neue Unter- suchungen über die embryonale Entwicklung der Salpen. Mittheil, der zool. Station in Neapel, Tom. IV, 1883. 0. Seeliger, Die Knospung der Salpen. Jen. Zeitschr., Bd. XIX. 1885. 1. Ordmni^'. Dosmomyaria. 721 nach relativ langer Zeit werden die Embryonen als kleine, völlig entwickelte Salpen noch mit dem üeberrest der Placenta und des Elaeoblastes geboren. Die solitäre, geschlechtlich erzeugte Salpe wächst während des freien Lebens bedeutend weiter, bleibt aber stets geschlechtslos, wogegen sie durch Knospung an einem Stolo zahlreiche zu Ketten vereinigte Individuen hervor- bringt. Dieser Stolo oder Keimstock ist ein die wichtigsten Organanlagen ent- haltender Fortsatz, dessen 'Innenraum vom Blutstrom durchsetzt wird und an dessen Wandung die Knospen hervorwachsen. Bei Salpa liegt der Keimstock wie jener der Ascidien an der Bauchseite und tritt später in eine besondere äusser- lich geöffnete Aushöhlung der Körperbedeckung ein. (Fig. 704 a.) Bei der ausserordentlichen Productivität des Keimstockes trifft man stets mehrere Knospensätze verschiedenen Alters hintereinander an, welche sich successive als selbstständige Ketten lösen. Weit complicirter gestaltet sich die Entwicklung bei Doliolum, nicht nur durch die Metamorphose, welche die aus den abgesetzten Eiern hervor- gegangenen Jungen als geschwänzte, ascidienähnliche Larven durchlaufen, sondern durch das Auftreten einer zweiten Aramengeneration. (Fig. 705.) Es entstehen bei der aus dem Ei hervorgegangenen, vom Geschlechtsthiere diffe- renten Ammengeneration an einem dorsalen Stolo Mediansprossen \md Lateral- sprossen {Gegenha.u.r), während der ventrale Salpenstolo (rosettenförmiges Organ) rudimentär wird. Nach ülianin soll jedoch der letztere die Urknospen liefern, welche auf den nach ihm nur als Träger der Knospen aufzufassenden sogenannten dorsalen Stolo hinaufgelangen. Die Lateralsprossen sind pantoffel- förmig gestaltet und entbehren des Kloakenraumes ; sie pflanzen sich nicht fort, sondern besorgen die Ernährung der Amme, welche mit ihrem weiteren ansehnlichen Wachsthume Kieme und Darm verliert, dagegen die Muskulatur zu mächtiger Entwicklung bringt. Die Mediansprossen entwickeln sich zu In- dividuen, welche bis auf den Mangel der Geschlechtsorgane den Geschlechts- thieren gleichen, indess eine zweite Ammengeneration repräsentiren, welche sich ablöst und an einem bauchständigen Keimstock erst wiederum die Ge- schlechtsthiere erzeugt. 1. Ordnung. Besmomyaria, Salpen. Walzenförmige, meist dorso-ventral abgeflachte Formen mitbandförmigen Muskelreifen und dickem Mantel. (Fig. 703.) Die vordere Oeffnung mit ver- schliessbarer, klappeuartiger Lippe. Die Kieme erstreckt sich vom Ganglion bis zum Oesophaguseingang und ist in Folge der Entwicklung zweier grosser seitlicher Kiemenspalten auf ein medianes Band reducirt. Die Eingeweide sind am Ende der Bauchseite zu dem sogenannten Nucleus zusammengedrängt. Solitäre, mittelst Stolo sich fortpflanzende Generationen alterniren in regel- mässigem Wechsel mitGeschlechtsthieren, den Individuen der aus den Knospen des Keimstockes hervorgegangenen Kettenform, Die weibliche Geschlechtsreife geht der männlichen Geschlechtsreife voraus. Das einzige Ei entwickelt sich C. Claus: Lehrbuch dir Zoologie. 5. Aufl. 46 i22 i^- Tliierkreis. Vertebrata. ZU einem Embryo, welcher im Brutsack des Mutterthieres vermittelst eines Placentaorganes ernährt und als solitäre Salpe (Aramenform) lebendig geboren wird. (Fig. 704 r.) Fain. Salpidae. Saljya Forsk., S. jnnnata Forsk., S. democratica Forsk., S. mucro- nata For.'^k. (Kettenfonii), Adria und Mittelmeer. S. africana Forsk., S. maxima Forsk. (Kcttenfonn) , Mittelineer und Adria. S. cordiformis Quoy. Gaiiu., S. zonaria Fall. (Kettenfonn). 2. Ordnung. Cyclomyaria. Von tonnenförmiger Körpergestalt, mit zartem Mantel. Mund -und Kloaken- öö'nung, von Läppchen umstellt. Muskeln ringförmig geschlossen. (Fig. 705.) Die Kückwand der Pharyngealhöhle ist eine von zahlreichen Spalten durch- setzte, schräg gestellte oder knieförmig gebogene und weit nach vorne ausge- dehnte Kiemenlamelle. Der Darmcaual nicht nucleusartig zusammengedrängt. Das Ovarium enthält mehrere Eier. Der Hoden reift zu gleicher Zeit mit dem Ovarium. Die aus den Eiern ausschlüpfenden Jugendformen sind Larven mit Schwanz. Bei der ersten Amme liegt eine grosse Gehörblase an der linken Seite. Die Entwicklung erfolgt mittelst complicirten Generationswechsels. Farn. Doliodidae. D. denticulatum Quoy., Gaini. Kieme knieförmig- gebogen, mit circa 45 Spalten jederseits. (Fig. 705.) D. Miükri Krohn. Kieme aufrecht, jederseits 10 bis 12 Spalten. Mittelmeer. I>. Ehrenbergii Krolin. Hier reiht sich die bisher nur in Stolonenbruchstücken bekanntgewordene Änchinia (Doliopsis) rubra *) C. Vogt an. deren Zooide rücksichtlich ihrer Anordnung lebhaft an die Medianknospen des dorsalen Stolo von Doliolum er- innern, jedoch im Gegensatze zu letzteren Geschlechtsorgane besitzen und der geringen Entwicklung ihrer Muskulatur wegen kaum zum freien Leben be- fähigt sind. Bislang nur in Villafrauca bei Nizza gefunden. IX. Tliierkreis. Vertebrata, Wirbel th lere '). Büateralthiere mit innerein Skelet (Wirbelsäule), welches durch dorsale Ausläufer (obere Wirbelbogen) das Nervencenfrum (Rückenmark und Ge- hirn), durch ventrale Ausläufer (Rippen) eine Höhle (Visceralhöhle) zur Aif- *) C. Vogt, Eecherches sur les animaux inferieurs de la Mediterranee. II. M^m. A. Kowalevski et J. Barroi s, Materiaux pour ser\ir ä Thistoire de l'Anchinie. Joum. de TAnat. et Phys., 1883. ^) Ausser den "Werken von Cuvier. F. Meokel und J. Müller vergl. K. Owen, On the Anatomy of Vertebrates, Vol. I. II. III. London, 18(56—1868. C. Gegenbaur, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. Leipzig, 1878. Th. H. Huxley. A Manual of the Anatomy of vertebrated animals. London, 1871. A. Kölliker, Ent- wicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1879. Laffonvevbältniss der Orga 723 706. nähme der vegefaficen Organe iimschh'esst, mit 'höch'^tens zwei Exiremitäten- paaren. Schon Aristoteles fasste die Wirbelthiere als hlutführende Tht'ere zu- sammen und hob den Besitz einer knorpeligen oder knöchernen Skeletsäiile als gemeinsames Merkmal derselben hervor. Erst Lamarck erkannte in dem Vorhandensein der Wirbelsäule den wichtigsten Charakter und führte noch vor Cuvier den Namen der Wirbelthiere in die Wissenschaft ein. Indessen erscheint diese Bezeichnung streng genommen nur als Ausdruck für eine bestimmte Entwicklungsstufe des Skletes, welches in seiner ersten ungeglie- derten Anlage als Chorda persistiren kann [AonpJu'oxus, Mgxine). Die wichtigsten Eigenthümlichkeiten beruhen daher nicht auf dem Vorhandensein von inneren Wirbeln und der AVirbelsäule, sondern auf einer Comhination von Merkmalen, welche die allgemeinen Lagenverhältnisse, die gegenseitige Anordnung der Organe und die Art der Embryonalentioicklung betreffen. Dem entsprechend würden wir unter Wirbelthieren seitlich symmetrische Organismen verstehen mit achsenstäudiger Skelet- anlage.' an deren Kückenseite das Nervencentrum gelagert ist, während ventralwärts der Darmcanal nebst Eingangs- und Ausfuhrsöflfnung und die übrigen vegetativen Eingeweide, sowie an der Bauchseite des Darmrohres das Herz gelagert sind. Das Vorhandensein eines inneren Skeletes ist als Charakter dieses Thierkreises von grosser Bedeutung. Während die stützenden Hartgebilde der Wirbellosen fast ausschliesslich durch die Erstarrung und Gliede- rung der äusseren Haut erzeugt werden, treffen wir hier das entgegengesetzte Verhältniss in der Lage der festen Theile zu den Weichtheilen an, indem die ersteren in der Achse des Leibes ihren Ursprung nehmen und Fortsätze nach der Kücken- und Bauch- seite entsenden. Bei den einfachsten und niedersten Wirbelthieren bleibt das Achsenskelet ein elastischer Strang {Chorda dorsalis), welcher — dem Chordastrang der Tunicaten homolog (Chordonier) — bei allen höhereu Formen im Embryonalleben wiederkehrt und die primitive Anlage der Wirbelsäule bildet. (Fig. 706.) Dieser Achsenstrang wird von einer structur- losen Scheide (cuticulare Chordascheide) und von dem skeletbildenden Ge- Avebe umhüllt, dessen dorsale Ausläufer das als Medullarrohr angelegte Nerveu- centrum (Kückenmark und Gehirn) umwachsen, während die ventralen ein Gewölbe über den Blutgefässstämraen und Eingeweiden bilden. Von diesem skeletogenen, aus der Skierotomwucherung der ürwirbel entstandenen Gewebe sondert sich vornehmlich bei den Vertebraten mit persistirender Chorda (Cyclo- stomen, Knorpelganoiden, Dipnoer) eine innere fibröse Schicht, welche dann die äussere oder bindegewebige Chordascheide darstellt und sich von dem 46* Querschnitt diii-ch die Chorcia dorsalis {Ch) der Unkenlarve, nach Goette. ChS Chorda- seheide, .S7,- skeletogene Schicht, X Rückenmark. 724 Vertebrata. Wirbelsäule. Kopfskelet. aufgelagerten skeletogenen Gewebe durch eine Elastica externa abgrenzt. Da wo das innere Skelet eine festere Beschaffenheit gewinnt, tritt an demselben eben- so wie -an dem Hautpanzer der Gliederthiere eine Segmentirung ein. Diese Umgestaltung wird durch Veränderungen an dem skeletogenen Gewebe ein- geleitet, indem die letztere knorpelige oder knöcherne Ringe erzeugt, welche die Anlagen der Wirbelkörper darstellen. Dieselben verdrängen die Chorda, und zwar um so voll- ständiger, je mehr sie sich zu der Gestalt bicoucaver Knorpel- oder Knochenscheiben entwickeln, und treten mit schon früher gebildeten knorpeligen oder knöchernen Bogen- stücken in der Umgebung der Rückenmarks- und Einge- weidehöhle zur Bildung eines Wirbels in Verbindung. (Fig. 707 a, h.) Derselbe besteht sonach aus einem mitt- leren Hauptstück, dem Wirhdkörper, häufig mit Resten der Chorda in seiner Achse, zwei oberen Bogeustücken (Neurapophysen) und zwei unteren Bogenstücken i^Hae- mapophysen). Obere wie untere Bogenstücke werden durch unpaare Elemente, Dornfortsätze, geschlossen. Die Seiten- fortsätze (Pleurapophysen), welche an verschiedeneu Stellen, sowohl an den oberen Bögen, als an den Wirbelkörpern, auftreten, sind Ausläufer und Fortsätze, keineswegs aber selbstständige Gebilde. Dagegen treten als solche knor- pelige oder knöcherne Seitenstäbe, die Rippen, hinzu, welche, entweder an die Haemapophyseu (Fische) oder an die Pleurapophysen angeheftet, den die Eingeweide ein- schliessendenTheil der Leibeshöhle bogenförmig umgürten. Auf einer höheren Entwicklungsstufe weicht die ur- sprüngliche homonome Gliederung des Skeletes einer heteronomen Gliederung, welche zur Entstehung einer An- zahl von Regionen führt. Auch in dieser Hinsicht besteht eine Parallele zwischen Gliederthieren und Vertebraten. Zunächst sondert sich überall ein vorderer Abschnitt knöehernerWirbelkörpfr, ^y ^ -, ^ p -i i i • ^ • ^• ^ l j häutiger intervertebra- als Kopf vou dem uachfolgendon gleichmässig gegliederten ler Abschnitt. - i Fisch- Eumpf (Y'iQ,. 708), uud zwar im innigen Zusammenhange Wirbel. K Körper, Oh ^"^ ^ ^ '' ° ^ a Schema der Wirbelsäule einesTeleostiersmit inter- vertebralem Wachsthum der Chorda. CAChorda. Wk obere Bögen (Neurapo- mit der Ausbildung der vorderen Partie des Nervencentrums physen), Üb untere Bögen gum Gchim uud mit dcm hier gelegenen Eingangsabschnitte (Haeraapophysen), D obe- , ._ i -rx j i t. j. l •• • rerDornfortsatz,D'unterer dcs Darmcauals. Dcr dem obercn Bogeusj^stem zugehörige Dornfortsatz, E Rippe. Caual erweitert sich hier zur Schädelkapsel, an deren Ventralseite sich Knorpelbögen — Visceralapparat — anlegen, von denen die vorderen als Kiefer mit Zähnen bewaffnet sind und den Eingang in die Eruäh- rungsorgane umschliessen. (Fig. 708.) Auf die Kieferbögen folgt noch eine Anzahl von Bögen, welche als Zungenbein- und Kiemenbögen den Schlund um- lagern. Indem der hintere Abschnitt des Rumpfes nicht zur Begrenzung der Extremitäten. 725 Leibeshöhle beiträgt, zerfällt der Kumpf zunächst in zwei Regionen, in den Rumpf im engereu Sinne mit rippentragenden Wirbeln zur Umgürtung der von dem Bauchfell (Peritoneum) ausgekleideten Leibeshöhle, und in den Schioanz mit canalartig geschlossenen Haemapophysen. Diese einfachste Gliederung des Rumpfes tritt bei den niederen Wirbelthieren auf, welche durch Biegungen und Schlängelungen vornehmlich der hinteren Region derWirbelsäule die Propulsivkraft zur Fortbewegung ihres Leibes erzeugen und als Fische im Wasser leben. Bei den in der Erde oder auf dem Erdboden heimischen Land- ihieren ist auch die verlängerte Wirbelsäule in ihren Elementen überaus ver- schiebbar; doch ist dieses Verhalten auf eine secundäre, mit der Rückbildung beziehungsweise dem Ausfall der Gliedmassen verbundene Gestaltung zurück- zuführen. Bei den höheren Wirbelthieren jedoch, bei welchen wie bei den Arthropoden die zur Locomotion des Körpers dienenden Leistungen auf Glied- Fi"-. 708. Kopf uud vorderer Abschnitt der Wirbelsäule von Acanthias, nach R. Owen. K Wirbelkörper, 0 oberer Bogen, S Schaltstück (Intel calare), Pq Palatoquadratum, Lk Lippenknorpel, R Hyomandibulare, Zh Zungen- beinbogen, Kh Kiemenbogeu, Sg Schiiltergürtel. massen übertragen werden, erscheint mit deren Ausbildung die Bewegung der Hauptachse reducirt und an manchen Abschnitten sogar aufgehoben. Die Extremitäten sind auf ein vorderes und hinteres Paar beschränkt. Bei den niederen Formen fungiren sie blos als Flossen oder als Nachschieber und üben neben der Wirbelsäule nur einen untergeordneten Einfluss auf die Locomotion aus. In solchen Fällen bleibt die Gliederung des Rumpfes noch überaus gleichartig. Erst da, wo die Art der Locomotion einen grösseren Kraft- aufwand, sowie eine mächtigere Entfaltung der Extremitäten und eine festere Verbindung derselben mit dem Achsenskelet erfordert, gewinnen am Rumpfe verschiedene aufeinander folgende Wirbelcomplexe eine verschiedene Gestaltung und heben sich als besondere Regionen ab. Da die hintere Extremität die Haupt- stütze des Leibes ist und vornehmlich die Propulsivkraft erzeugt, erscheint zunächst ihr Gürtel meist unbeweglich mit einem Abschnitte der Wirbelsäule verschmolzen, welcher sich durch die feste Verbindung seiner Wirbel aus- zeichnet. (Fig. 709.) Diese zwischen Rumpf und Schwanz gelegene Grenz- region, die Sacralregion, ist anfangs nur durch einen einzigen (Amphibien), 72(5 Vertebrata. Regionenbildung am Rumpfe. Fig. 709. dann durch zwei (Reptilien) (Fig. 710) und bei den höheren Vertebraten durch eine grössere Zahl von Wirbeln gebildet, deren Querfortsätze besonders mächtig werden und sich mittelst der zugehörigen Eippenanlagen mit dem Hüftbein des Extremitätengürtels fest verbinden. Mit der Entwicklung der vorderen Extremität und dem Bedürfniss einer Verbindung derselben mit dem Rumpf tritt auch am vorderen Abschnitte eine festere Region auf, deren Rippen nicht nur durch besondere Länge, sondern durch den medianen Auschluss an ein in der Medianlinie der Ventral- seite auftretendes System von Knorpel- oder Knochenstücken (Brustbein, Sfenuim) ausge- zeichnet sind (Brustkorb, Thorax). So bleibt zwischen Thorax und Kopf einerseits und Thorax und Sacrum andererseits eine beweglichere Re- gion eingeschoben. Der die Brust mit dem Kopfe verbindende Abschnitt, der Hak, besitzt meist eine grosse Verschiebbarkeit seiner Wirbel, an denen noch Rippenreste erhalten bleiben, während die hinter der Brust folgende Lendenre^ion, durch die Grösse ihrer Querfortsätze, zugleich aber auch durch eine grössere Beweglichkeit ihrer Wirbel ausgezeichnet, der Rippen gewöhnlich entbehrt. Demnach gliedert sich der Rumpf der höheren Wirbelthiere in Hals-, Brust- (Rücken-), Lemlen- und Sacralregion, auf welche der Sclncanz- abschnitt folgt. (Fig. 710.) Die Extremitäten zeigen zwar nach Gestalt und Leistung äusserst wechselnde Verhältnisse, indem sie als Beine den Leib der Landtliiere tragen oder als Flügel den Luftthieren zum Fluge, als Flossen den Wasserthieren zum Schwimmen dienen; gleichwohl sind überall dieselben Haupt- theile nachweisbar, deren Abänderung, Verküm- merung oder Ausfall die Unterschiede bedingt. Ebenso aber wie Bein, Flügel und Flosse homo- loge Organe sind, erscheinen vordere und hintere Gliedmassenpaare als Wiederholungen derselben Einrichtungen. An beiden unterscheidet man den Gürtel zur Verbindung mit der Wirbelsäule, die aus langen Röhrenknochen zusammengesetzte Extremitätensäule und den terminalen Abschnitt, die aSkelet von Jlciiojjnma alleqlwnUiisc. Od Ocfiyitale laterale, i'Parietale, FFrou- tak-, Ttj Tympanicum, l'e Petrosum, Mx Maxillare, «/»ix-Intermaxillare, .VNasale, Vo Vom er, Et Os en ceinture, Pt Ptery- goideum, Sc Schultergürtel, Jl Becken- gürtel, .S' Saeralwirbel, li Rippeu. — b Zungenbeinbogen [ZV) und Kiemen- bogen {Kli) desselben. Extremltilten. llrspriiuK derselben. 727 Extremitätenspitze. Der Gürtel des vorderen Glied- raassenpaares, der Schultergürtel, "besteht aus drei !?tücken, dem dorsalen Schulterblatt {8capula) und zwei ventralen hintereinander gelegeuenBogenstücken, dem Procoracoid (mit der Clavicula) und dem Cora- coid. Dem Schultergürtel entspricht der Beckengürtel des hinteren Gliedmassenpaares, ebenfalls mit drei Elementen, dem Darmbein (Os ihum), welches die Verbindung mit deniKreuzbein herstellt, dem Scham- bein (Os puhis) und dem Sitzbein {Os ischii), welche beide den ventralen Schluss vermitteln. Die Extre- mitätensäule wird in der Regel durch lange Röhren- knochen gebildet und setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen, aus dem Oberarm (Humerus), dem Ober- schenkel {Femiir) und dem Unterarm und Unter- schenkel, welche aus zwei nebeneinander liegenden Röhrenknochen bestehen (Radius und Ulna, Tihia und Fibula). Der terminale Abschnitt der Extremität, welcher sich durch eine grössere Zahl von meist fünf der Länge nach nebeneinander liegenden Elementen auszeichnet, die Hand, beziehungsweise Fuss, besteht aus zwei Reihen von Wurzelknochen, Handwurzel (Carpus), Fusswurzel ( Tarsus), sodann aus der Mittel- hand (Mefacarpus), beziehungsweise Mittelfuss (Mefa- tarsus), und endlich aus den in Phalangen gegliederten Fingern und Zehen. Rücksichtlich ihres Ursprunges sind die Extre- mitäten nach Thacher, Mivart und Balfour auf Ueberreste ursprünglich continuirlicher Seitenflossen zurückzuführen, nach Gegenbaur hingegen mit den Visceralbögen in Beziehung zu bringen und als aus dem Verbände der vorausgehenden hervorgetreteneKiemen- bögen zu betrachten. Für die Zurückführung des Extre- mitätenskeletes selbst verwendete e g e n b a u r als Aus- gangspunkt das Flossenskelet von Ceratodus und der Crossopterygier, welches aus einem gegliederten Stam- me besteht, der mit zwei Reihen von gegliederten Radien besetzt ist {Arcliipteryyium). Von diesem aus ist durch Modification das Flossenskelet der Selacbier abzu- leiten. Indem sich hier die laterale Radienreihe beson- ders mächtig entfaltet und einige stärker entwickelte Radien an den Stamm anschliessend sich direct dem Schultergürtel anfügen, zerfällt das Flossenskelet in Fig. 710, Crocodilskelet. D Dorsalregiou, L Lumbairegion, S Sacralregion, 7?iRippen, SfSeapixla, /^/^Humerus, n Radius, U Ulna, Sta Sternum abdominale Fe, Femur, T Tibia, F Fibula, J Os ischii, C Caudal- wirbel. 728 Vertebrata. Schädel. drei Abschnitte: Pro-, Meso- und Metapterygium. Das Extremitätenskelet der höheren Wirbelthiere ist hingegen bei Wegfall des Pro- und Mesopterygiums durch Rückbildung bestimmter Abschnitte des Metapterygiums bei trans- versaler Umgliederung der sich einseitig am Stamme erhaltenden Radieuglieder abzuleiten, aus welcher eine neue Anordnung der Gliedstücke zu quer ver- laufenden Abschnitten hervorgeht. Der Schädel zeigt im Anschlüsse an das besondere Verhalten der Wirbel- säule zahlreiche in allmäliger Entwicklung sich erhebende Gestaltungsformen. Im Allgemeinen tritt da, wo die Wirbelsäule eine häutig-knorpelige Beschaffen- heit besitzt, ebenfalls eine continuirliche häutig-knorpelige Schädelkapsel auf, mit welcher im Wesentlichen die embryonale Schädelanlage (Primordial- cranium) der höheren Wirbelthiere übereinstimmt. (Fig. 708.) Aus derselben entwickelt sich ') der knöcherne Schädel theils durch Ossificationeu in der Knorpelkapsel, beziehungsweise durch eine vom Perichondrium ausgehende Ver- knöcheruug, theils durch Auflagerung von Hautknochen, welche die knorpeligen Theile mehr und mehr verdrängen. Erst in der knöchernen Schädelkapsel prägt sich eine den Wirbelstücken analoge Anordnung der festen Theile aus, aus welcher die Zusammensetzung des Schädels aus drei oder vier Wirbeln abge- leitet wurde. Jedes der Segmente sollte, den Wirbeltheorien von (P. Frank) Goethe und Oken gemäss, aus einem dem Wirbelkörper entsprechenden Basalglied, zwei oberen Bogenstücken und einem Schlussstück (Dornfortsatz) bestehen. (Fig. 711.) In der hinteren Schädelregion würden dieser Lehre nach das Hinterhauptbein {Occipitale basale) dem Wirbelkörper, die beiden seit- lichen Hinterhauptsknochen (O. lateralia) dem obern Wirbelbogen und die Hinterhauptsschuppe (0. superms) dem oberen Schlussstück entsprechen. Die Knochen der mittleren oder parietalen Schädelgegend sind von dem hinteren Keilbeinkörper (Basisphenoüleum) und den hinteren Flügeln (A/isphenoideum) gebildet, zu denen die Scheitelbeine (Parietalia) als Auflagerungsknochen das Schlussstück bilden. Die der vorderen oder Orbitalregion würden von dem vorderen Keilbeinkörper (Praesphenoideum), den vorderen Flügeln {Orhifo- sphenoideum) und den Stirnbeinen (Frontalta) als aufgelagerten Schlussstücken gebildet. Als Basalstück eines vierten oder vordersten Schädelwirbels be- trachtete man das Siebbein (Ethmoideum), zu welchem die Nasenbeine (Nasalia) als obere, der Vomer als unterer Deckknochen hinzukommen. Ausserdem schieben sich noch verschiedene knöcherne Schaltstücke^ das zwischen Hinter- haupt und Keilbein gelegene Zitzeubein (Mastoideum) und Felsenbein {Petro- sum) ein, zu denen als Hautknochen noch das Tijmpanicum, Sqnamosum und Lacrymale hinzukommen. In neuerer Zeit wurden jedoch zuerst von Huxley und Gegenbaur gegen diese Wirbeltheorie wesentliche Einwürfe erhoben, welche das Funda- ment derselben erschüttert haben. Nach Gegenbaur würde eine viel grössere *) Yerg'l. besonders Eeichert und Külliker, Huxley. Parke; lg diT WirbcUlieorie. Kieforgaumenapparat. 729 (mindestens neun), den primären Visceralbögen entsprechende Zahl von Wirbel- segmenten in die Bildung des Schädels mit eingegangen sein (vertebraler Theil des Schädels), während die vordere Schädelregion eine Beziehungzu Wirbeln nicht aufweist (vertebraler Theil). Nacli den in jüngster Zeit gewonnenen Erfahrungen kann jedoch als zweifellos gelten, dass an der Bildung des Schädels überhaupt keine Wirbel betheiligt waren, da die au der Kopfbildung betheiligten ürwirbel- anlagon den Wirbeln vorausgehende Metameren des Mesoderms darstellen. Die übrigen festen Elemente, welche sich dem Schädel mehr oder minder innig anfügen, umschliessen als eine Anzahl hintereinander liegender, zu- sammengesetzter Bögen den Eingang in die Visceralhöhle. Von diesen werden die vorderen als Kiefer-Gaumenapparat zur Herstellung des Gesichtes ver- wendet. Der Kiefer-Gaumenapparat besteht in seiner einfachsten Form aus zwei beweglichen Bogenstücken (Palato-quadratum und Unterkiefer)^ welche Fig-. 711 Schädel einer Ziege in seitlicher Ansicht. Ol Occipitale latei-ale, C Condylus, Pm Processus paramastoideus, Os Occipitale superius, Sq Squamosum, jTij Tympanicum, Pe Petrosum, Pa Parietale, Fr Frontale, La La- crymale, Ka Nasale, Fo Foramen opticum, Mx Maxillare, Jmx Interraaxillare, Ju Jugale, Pal Palatiuum Pf Pterygoideum. durch einen Kieferstiel (Hyomandihulare), dem oberen Abschnitt des zweiten Bogens, an der Schläfeugegend befestigt sind. (Fig. 708.) Das Palato-quadra- tum tritt mit dem Schädel in eine innigere Verbindung, legt sich in seiner ganzen Ausdehnung dem Schädel mehr oder minder fest an und gliedert sich im Falle der Ossificirung jederseits in eine äussere und innere Keihe von Stücken, die erstere im Jochbein {Jugale)^ Oberkiefer {Maxillare) und Zwischen- kiefer (Intermaxillare), die letztere im Quadratum zur Einlenkung des Unter- kiefers, Flügelbeine {Pterygoidea) und Gaumenbein (Palatinum). (Fig. 712.) Diese Knoclienreihen stellen den Oherkiefer-Gaumenapparat her und bilden die obere Decke der Mundhöhle. Auch der untere ursprüngliche einfache Knorpelbogen, der Unterkiefer (Mandibula), wird jederseits durch eine Anzahl Knochen verdrängt (Ärticnlare, Ängulare und Dentale etc.), von denen das meist zahntragende Dentale den grössten Umfang gewinnt. '30 Vertebrata. Haut. Die hinter dem Kieferbogen folgenden, ebenfalls am Schädel befestigten Visceralbögen entwickeln sich in der Wandung des Schlundes und verhalten sich zu der Rachenhöhle ähnlich wie die Rippen zu der Thoracalhöhle. (Fig. 710.) Der vorderste Bogen, dessen oberes Stück bei niederen Wirbel- thieren als Kiefersuspensorium {Hi/omnudibulare) Verwendung findet, bildet ein Suspensorium für die Zunge (Zuugenbeinbogen) und schliesst sich durch ein unteres medianes Knochenstück {Os linguale). Auf dieses folgen noch eine Reihe von unpaaren Knochen als mediane Verbindungsstücke (copulae) der nachfolgenden Bögen (Kiemenbögen), welche bei den im Wasser lebenden Wirbelthieren am meisten entwickelt auftreten und, durch Spalten des Schlun- des gesondert, als Träger der Kiemen dienen, bei den luftathmenden Verte- braten aber mehr und mehr verkümmern und zuletzt nur noch als embryonale Fig. 712. Schüpsenschädel, median durchsägt, von innen gesehen. Oh Occipitale basale, Ol O. laterale, 0.«0. superius, Pc Petrosum, Sph Sphenoidale basale, P.« Praesphenoideum, Als Alisplienoideura, Ors Orbitosphenoideum, Pa Parietale, i-V Frontale, sy Sinus frontalis, ß/( Ethmoideum, -Y« Xasale, C Conchae, Ci Coucba inferior (Os turbinatum), Pf Pterygoideum, Pal Palatinuni, Vo Vomer, M.i- Maxillare, Jm.v Intermaxillare, Pm Pro- cessus pararaastoideus. Anlagen in unvollständiger Zahl nachweisbar bleiben. DenUeberrest des ganzen Apparates bildet das Zungenbein mit seinen beiden Hörnern. Die äussere Haut der Wirbelthiere sondert sich in zwei scharf geschiedene Schichten, in die Oberhaut oder Epidermis und in die Unterbaut oder Cxtis. Die letztere hat zur Grundlage fibrilläres Bindegewebe, mit welchem Muskel- elemente in Verbindung treten, ohne dass jedoch diese wie bei den Glieder- thieren einen vollkommenen Hautmuskelschlauch bilden. Wo sich Hautmuskeln in bedeutender Ausdehnung entwickeln, dienen dieselben ausschliesslich zur Bewegung der Haut und ihrer mannigfachen Anhänge, aber nicht zur Be- wegung des Rumpfes, welche durch ein hoch entwickeltes Muskelsystem in der Umgebung des Skeletes bewirkt wird. Die Cutis setzt sich in eine tiefere, mehr oder minder lockere Schicht, das Unterhautbindegewebe, fort und ist nicht nur Träger von mannigfachen Pigmenten, sondern auch von Nerven und Blut- gefässen. Au ihrer oberen Fläche bildet die Cutis kleine konische Erhebungen Nervensystem. 731 Fig. 713. oder Papillen, welche, von der Epidermis überkleidet, nicht nur für besondere Sitinesempfindungen [Tastonjane), sondern aucli zur Erzeugung verschiedener Hartgebilde (Schuppen, Zähne) von Bedeutung erscheinen. Die Epidermis ist eine melirfach gescliichtete Zellenlage, deren obere ältere Schichten abgestossen werden, während die unteren Schichten {Stratum Malpfghu) als Matrix zum Ersatz der oberen in lebhafter Wucherung begriffen und zuweilen Träger der Hauptpigmente sind. Die mannigfachen Anhänge der Haut verdanken ihren Ursprung theils als Epidermoidalgebilde besonderen Wachsthumsvorgäugen der Oberhaut (Haare und Federn), theils führen sie auf Ossificationen der Unter- hautpapillen zurück, welche zuweilen sogar einen festen Hautpanzer entstehen lassen (Schuppen der Fische, Reptilien; Haut- panzer der Gürtelthiere, Schildkröten). Das Nerveucentrum hat seine Lage in der von den oberen Wirbelbogen gebil- deten Rückenhöhle und lässt sich auf einen ^ixdiXigi Rückenmark) zurückführen, dessen vorderer vergrösserter und weiter differen- zirter Abschnitt als Gehirn unterschieden wird. Das Innere dieses Stranges wird von einem engen Centralcanal durchsetzt, welcher sich in Hohlräume des Gehirns, HirnhöhUn^ fortsetzt. Hirn und Rücken- mark sind also Abschnitte desselben Or- ganes. Das Gehirn erscheint als Träger der geistigen Fähigkeiten und als Centralorgan der Sinneswerkzeuge, während das Kücken- mark die vom Gehirn übertragenen Reize fortleitet und insbesondere die Reflexbe- wegungen vermittelt, indessen auch Cen- tralheerde gewisser Erregungen enthält.Die Masse des Gehirns und des Rückenmarks nimmt mit der höheren Lebensstufe fort- schreitend zu, doch in ungleichem Verhältnisse, indem das Gehirn sehr bald das Rtickenmark überwiegt. Die niederen Wirbelthiere besitzen ein relativ kleines Gehirn, dessen Masse von der des Rückenmarks bedeutend übertroffen wird, die Warmblüter dagegen zeigen das umgekehrte Verhältniss um so ent- schiedener ausgeprägt, je höher sich ihre Organisations- und Lebensstufe erhebt. Aus dem Rückenmarke entspringen paarige Nerven in der Weise, dass zwischen je zwei Wirbeln ein Nervenpaar {Spinalnerven), mit einer oberen sensibeln und unteren motorischen Wurzel, hervortritt, so dass sich im All- gemeinen eine der Wirbelsäule entsprechende Gliederung hier wiederholt. Embryo des Huh nach KöUik er vom Eude des zweiten Tages, 'h Vorderhirn, Mh Mittelhirn, ///( Hinterbirn, ÄJ, Augenblasen, MR Medullar- rohr, UW Urwirbel, StZ Urwirbelplatten des Jlesoderms (Stammzone), F>p Seitenplatten des Mesoderms (Parietalzoue;, // Herz. 732 Vertebrata. Gehirn. Am Gehirne erleidet die Anordnung der Spinalnerven mehrfache Com- plicationen, welche noch durch den Ursprung von zwei Sinnesnerven, des Olfac- torius und Opticus, gesteigert werden. So verschieden sich Form und Bildung des Gehirns darstellt, so lassen sich doch genetisch überall drei Blasen (Fig. 713 ) als Hauptabschnitte unterscheiden. Die vordere Blase entspricht dem grossen Gehirn (Hemisphären und Sehhügel), die mittlere (Mittelhirn) der Vierhügel- masse {Corpora quadrtgemina), die hintere (Hinterhirn) dem kleinen Gehirn mit dem verlängerten Marke. Die vordere Blase zerfällt aber wieder in zwei Abtheilungen, in eine obere, median gespaltene Ausstülpung, welche die Hemi- Sphären mit den Seitenventrikeln bildet, und eine hintere unpaare Region, das sogenannte Zwischenhirn mit den SQ\i\mgQ\u {Thalami opHci) und der Tm- gebung des dritten Ventrikels. (Fig. 714.) Ebenso sondert sich die dritte Hirnblase in zwei Theile, eine vordere kürzere, das kleine Gehirn {Cerebellum), und eine hintere längere, das Nachhirn oder das verlängerte Mark {Mednlla b Fi^. 714. a a Gehirn und oberer Th.eil des Rückenmarkes eines menschlichen Embryo von der Seite gesehen, nach K ölllker. Vh Vorderhirn, Zh Zwischenhirn, Mh Mlttelhiru, Hh Hinterhirn, H^h Nachhirn, T vorderes unteres Ende des Zwischenhirns, NO Sehnerv. — h Schematiseher Läng.sschnitt durch ein Vertebratenhirn, nach Huxley. H« Hemisphären, XO Kiechlappen (Lohns olfactorius), O?/ Riechnerv (Olfactorius), T/iO Thala- mus opticus, Vt dritter Ventrikel, No Sehnerv, 7f Hirnanhang (Hypophysis), Gp Zirbeldrüse (Glandula pinealis), CQ Corpora quadrigemina, Ch Cerebellnm, MO Medulla oblongata, PV Pons Varolii. oUongata). Im Stadium höchster Dififerenzirung unterscheidet man zwölf Hiru- nerven, ausser dem Olfactorius und Opticus: den Ocidomotorius, Trochlearis, Trigeminus, Äbducens, Facialis, Acusticus, Glossopharyngeus, Vagus^ Äccessorius Willisii und Hypoglossus. Die Sinnesorgane schliessen sich nach ihrer Lage in folgender Reihen- folge au. Zuerst das Geruchsorgan als eine meist paarige, ausnahmsweise {Cydostomen) unpaare Grube, deren Nerv dem Vorderhirn entspringt und an seinem Ursprünge oft in Form besonderer Lappen {Lohi olfactorii) anschwillt. Bei den durch Kiemen athmenden Wasserbewohnern ist die Nasenhöhle mit seltenen Ausnahmen (Mgxine) ein geschlossener Sack, bei allen durch Lungen respirirenden Wirbelthieren dagegen öffnet sich dieselbe durch die Nasengänge in die Mundhöhle und dient zugleich zur Ein- und Ausleitung des Luftstromes in die Lungen. Es folgen sodann als zweites Hauptsinnesorgan die Augen, welche ihre Nerven vom Zwischenhirn und Mittelhirn erhalten. Ueberall treten dieselben paarig auf (vergl. über den Bau des Auges, pag. 85), nur bei Amj^hioxus werden sie durch einen unpaaren, dem vorderen Ende des Nervencentrums >iiinesorgane. 733 Fiff. 715. fT^ aufsitzenden Pigmentfleck vertreten. Das Gehörorgan M, welches durch den Ursprung seines (auf die sensible Wurzel eines spinalartigen Hirnnerven zu- rückführbaren) Nerven dem Nachhirne angehört, v^^ird bei Amphioxus ganz vermisst. Dasselbe erscheint in seiner einfachsten Form als ein häutiges, mit Flüssigkeit und Otolithen gefülltes Säckchen (/ifm%e.s/,aJ^j7Hi/i), dessen hinteres Segment gewöhnlich in drei halbkreisförmige Canäle ausläuft, während der vor- dere, als *Saccu/tts zur Sonderung gelangte Theil durch Ausstülpung die Schnecke erzeugt. (Fig. 715.) Das Gehörorgan entsteht während des Embryonallebens als grubenförmige Einsenkung, welche in die Tiefe rückt und sich als Blase von der Haut ablöst. Die ursprüngliche, sich lang ausziehende Verbindung mit der Haut bleibt nur bei Selachiern nach aussen offen, ist dagegen bei den übrigen Verte- braten geschlossen und stellt den Recessus lahyrintht (Aquaeductus vesiibidi der Säuger) dar. Zu diesem Sinnesapparate des Gehörorgans treten noch weitere Ein- richtungen als Hilfsorgane (Paukenhöhle mit Gehörknöchelchen). Der Geschmack, dessen Sitz am Gaumen und an der //-^r \j Zungenwurzel zu suchen ist, wird durch . ^r~y^ij^_^JI die Ausbreitung eines spinalartigen Ge- hirnuerven {Glossopharyngeus) au eigen- thümlichmodificirten Gruppen von Epi- thelzellen (Geschmacksknospen) ver- mittelt, wie sich auch das über die Kör- peroberfläche ausgebreitete Gefühl und die Tastempfindung an die Endigung sen- sibler Fasern von Spinalnerven knüpft. Ausser dem cerebrospinalen Nerven- SVStem unterscheidet man (mit Aus- «^^-atlscheDar.tellu.gdesGehörlabyriuthe^^^^^ ^ Waldeyer. /des Fisches, //des Vogels, /// des nähme von Amphioxus und der Cyclo- SaugetMeres. t/Utrlculus mit den drei Bogengängen, , \ • 1, j T7I- -j '■'' Sacculus, US Alveus communis (Utriculus und stoiiien) ein besonderes Emgeweide- ^ ,, ^-^ ,,/«>, i ^ r t n n ' ö Sacculus), C Coclilea (Schnecke), / Lagena, C;- Ca- nervensystem (SympathicUS). Dasselbe nalis reunlens, ß Recessus Labyrlnthi (Aquaeductus wird von besonderen Zweigen der Spinal- vesubuu). nerven und Spinalnerven-artigen Hirnnerven gebildet, welche besondere Gan- glien durchsetzen und Nervengeflechte für die Eingeweide abgeben. (Fig. 99.) In der geräumigen, unterhalb der Skeletachse sich ausbreitenden Leibes- höhle liegen die Organe der Ernährung, Circulation und Fortpflanzung. Der Verclauungscanal stellt sich als ein mehr oder minder langgestrecktes Kohr dar, welches, unterhalb des Schädels, von Visceralbögen umgürtet, mit der Mundöffnung beginnt und in verschiedener Entfernung vom hinteren Körper- pole (je nach der Länge des Schwanztheiles der Wirbelsäule) ebenfalls bauch- ständig durch den After nach aussen mündet. Der Darm wird ioi grössten Theile seines Verlaufes von einer Duplicatur des die Leibeshöhle auskleidenden ') G. Retzius, Das Gehörorgan der Wirbeltliiere. 2 Theile. Stockholm, 1881—1884. "^34 Vertebrata. Mundhöhle. Zähne. Verdauungscanal. Peritoneums überzogen und mittelst der eng aneinander liegenden Lamellen desselben, des Mesenteriums, an die untere Fläche des Kückgrates befestigt. In der Regel übertrifft der Darmcanal die Länge vom Mund zum After sehr bedeutend und bildet daher im Leibesraume mehr oder minder zahlreiche Windungen. Fast überall gliedert sich der Verdauungscanal in die drei Ab- schnitte : Speiseröhre nebst Magen, Dünndarm mit der Leber und dem Pankreas, und Afterdarm. Die Speiseröhre beginnt durchweg mit einer Mundhöble, an deren Boden sich meist ein muskulöser Wulst, die Zunge, erhebt. Sieht man dieses uervenreiche Organ auch im Allgemeinen mit Recht als Geschmacks- organ au, so dient dasselbe doch noch zu besonderen Leistungen bei der Nahrungsaufnahme und kann zuweilen sogar die erstere Bedeutung vollkommen verlieren. Die Mundhöhle wird, YOuAmphioxus und den Cydostomen abgesehen, von dem als Oberkiefer-Gaumenapparat und Unterkiefer bekannten Skelet- bogen umschlossen, von denen der Unterkiefer stets kräftige Bewegungen ge- stattet, während die Theile des Oberkiefer-Gaumenapparates entweder mehr oder minder fest untereinander und mit den Schädelknochen verbunden sind, oder auch an diesen verschoben werden können. Beide Kiefer wirken im Gegen- satze zu den Kiefern der Arthropoden von oben nach unten gegen einander. Gewöhnlich sind dieselben mit Zähnen bewaffnet, welche als von Epidermoidal- gebilden (Schmelz) überkleidete, verknöcherte Papillen (Dentin) der Mund- schleimhaut (Fig. 716) entweder mit den Kieferknochen direct verwachsen oder in besonderen Alveolen der Kiefer wurzeln. Während dieselben bei den höheren Wirbelthieren auf Ober- und Unterkiefer beschränkt sind, können sie bei den niederen Wirbelthieren an allen die Mundhöhle begrenzenden Knochen auftreten. Nicht selten aber fallen die Zähne vollkommen hinweg. Bei den Vögeln und Schildkröten werden sie durch eine hornige Umkleidung der scharfen Kieferränder (Schnabel) ersetzt, und die Bartenwale tragen am Gaumen hornige Blätter, die sogenannten Barten. Fast überall nimmt der Darmcanal in seinen verschiedenen Abschnitten selbstständige Drüsen auf, deren Secrete sich dem Darminbalte beimischen. Schon in der Mundhöhle gesellt sich zu den eben aufgenommenen Speisen der Speichel, die Absonderungsflüssigkeit einer grösseren oder geringeren Zahl von Speicheldrüsen, welche jedoch bei vielen Wasserthieren verkümmern, beziehungs- weise hinwegfallen. In den Anfangstheil des Dünndarmes ergiesst sich die Galle und der für die Verdauung wichtige Saft der Bauchspeicheldrüse {Pan- creas). Die erstere ist das Secret der Leber, einer umfangreichen Drüse, durch welche das Venenblut der Eingeweide bei der Rückkehr zum Herzen hindurch- strörat (Pfortader-Kreislauf). Bei Ämphioxus stellt sich die Leber als ein- facher Blindsack des Darmes dar. Das Pancreas fehlt hier und bei einigen anderen Fischen vollständig. Der die Resorption der Säfte besorgende Dünn- darm zeichnet sich nicht nur durch seine bedeutende Länge aus, indem gerade dieser Abschnitt in Windungen zusammengelegt ist, sondern auch durch das Auftreten von inneren Falten und Zöttchen, welche die resorbirende Oberfläche Kespirationsorgai 735 Fig. 716. bedeutend vergrössern. Der Endabschnitt hebt sich meist durch seine Weite und kräftige Muskulatur als Enddarm (Dickdarm, Mastdarm) ab. Ueberall finden sich besondere Respirationsorgane^ Kiemen oder Lungen. Die ersteren liegen meist als Doppelreihen lanzettförmiger Blüttchen an den Seiten des Schlundes hinter dem Kieferbogen und werden mit Ausnahme der Ci/closfomen von Visceralbögeu getragen. Zwischen diesen Bögen finden sich stets engere oder weitere Spaltöffnungen, welche unmittelbar in den Schlund führen und von hier das zur Respiration dienende, die Kiemen umspülende Wasser in die Kiemenhöhle eintreten lassen. Von der äusseren Seite werden die Kiemen oft von einer Hautduplicatur oder von einem Kiemendeckel über- lagert, an dessen unterem oder hinterem Eande ein langer Spalt zum Aus- fliessen des Wassers aus dem Kiemenraume frei bleibt. Indessen können die Kiemen auch als äussere Anhänge unbedeckt hervor- ragen (Amphibien und Em- bryonen der Selachier). Lun- gen finden sich zwar schon bei niederen Wirbelthieren im Vereine mit Kiemen vor und werden auch bei den Fischen durch ein morpho- logisch gleichwerthiges Or- gan, die Schwimmblase, ver- treten, gehören aber in voll- kommenerer Ausbildung erst den höheren, grossen- theils warmblütigen Wir- belthieren an. Dieselben stellen in ihrer einfachsten Form zwei mit Luft gefüllte Säcke vor, welche sich mittelst eines gemeinsamen klaffenden Luftganges (Luftröhre) in der Tiefe der Eachenhöhle in den Schlund öffnen. Die Wandung der Lungensäcke trägt die respiratorischen Capillargefässe und erscheint meist, in Folge auftretender Falten und secundärer Erhebungen zur Herstellung einer grossen Oberfläche, als ein schwammiges, von Röhren durchsetztes Organ. Beide Lungen erstrecken sich oft tief in die Leibeshöhle hinein, bleiben aber bei den höheren Vertebraten auf den vorderen Abschnitt derselben beschränkt, welche als Brusthöhle durch eine Querscheidewand (Zwerchfell) von dem hin- teren Abschnitte (Bauchhöhle) mehr oder minder vollständig abgegrenzt sein kann. Auch die Luftathmung setzt einen beständigen Wechsel des zur Respiration dienenden Mediums voraus, den Austausch der verbrauchten, mit Kohlensäure geschwängerten Luft mit der sauerstoffreichen Luft der Atmosphäre. Dieser Austausch wird in verschiedener Weise durch mechanische Einrichtungen Die Entwicklung des Zahnes von Triton, nach O. Hertwig. a Die ersten Stadien der Zahnentwiclclung, rechts die erste Anlage, // späteres Entwieklungsstadiuin. DK Dentinkeim (Cutispapille), MS Schmelzmembran (Epitheleinwucheruug), D Dentin, .S' Schmelz, Ej] Mundhöhlenepithel. 73(l Vertebrata. Gefässsysteni. bewerkstelligt, von welchen die sogenannten Kespirationsbewegiingen abhängig sind. Diese treten bei allen durch Lungen athmenden Wirbelthieren, am voll- kommensten aber bei den Säugethieren als abwechselnde rhythmische Ver- engerungen und Erweiterungen der Brust (Thorax) auf. Am Eingange der in die Lungen führenden Luftwege verbindet sich mit dem Kespirationsorgaue das Stimmorgan, zu dessen Bildung meist der obere Abschnitt der Luftröhre als Kehlkopf umgestaltet ist, Stimmbänder erhält und mittelst einer engen, oft durch einen Kehldeckel verschliessbaren Spalte in den Schlund sich öffnet. Im engen Anschlüsse an die Respirationsorgane erscheint die Gestaltung der Kreislaufsorgane, üeberall bilden dieselben ein geschlossenes Gefässsysteni und führen rothes (nur bei Amphioxus und den Leptocephaliden weisses) Blut. Die rothe Farbe des Blutes, in welcher man früher den wesentlichen Charakter des Blutes zu erkennen glaubte (Blutthiere des Aristoteles), ist an das Vorhandensein der dicht gehäuften Blutkörperchen geknüpft, welche als flache scheibenartige Körperchen den Farbstoff {Haemoglohin) tragen und die üebertragung des Sauerstoffes in die Gewebe vermitteln. Neben denselben kommen im Blute kleine blasse Zellen, die farblosen amoeboideu Blutkörper- chen, vor. (Fig. 27.) Mit Ausnahme von Amphioxus, dessen grössere Gefässstämme pulsiren, entwickelt sich bei allen übrigen Wirbelthieren ein distincter Abschnitt des Gefässsystems als Herz. Dasselbe liegt im Vordertheile der Leibeshöhle, seiner Anlage nach ursprünglich genau in der Medianlinie, hat eine konische Gestalt und wird von einem Herzbeutel umschlossen. Die Lage der Hanptgefäss- stämme und ihre Verbindung mit dem Herzen stellt sich in der einfachsten Form in folgender Weise dar. Eine mächtige Vertehralarterie verläuft der Wirbelsäule entlang und lässt zahlreiche Seitenzweige, der Gliederung der Wirbelsäule entsprechend, rechts und links austreten. Unterhalb derselben erstreckt sich eine am Schwanztheile des Rumpfes unpaare ( V. caudalis), in dem Leibesraum dagegen paarige Verfehralvene {untere Cardinalvenen), zu deren Bildung seitliche Venenzweige zusammentreten, welche direct aus den Capillarnetzen der Arterienzweige hervorgehen. Weitere Hauptvenen sind die Lebervenen aufnehmende, von den Vertebralvenen getrennte untere Hohlvene {V. Cava inferior), sowie eine oder zwei obere Hohlvenen (ohere Cardinalvcnen). Das aus dem Körper in den als Vorhof (Atrium) bezeichneten Abschnitt des Herzens gelangte venöse Blut strömt in die muskulöse Herzkammer (Ventrikel) und wird von hier wieder indirect in die Vertehralarterie eingetrieben. Es entspringt nämlich aus der Herzkammer eine aufsteigende Arterie {Aorta ascendens) und spaltet sich in seitliche, quer nach der Rückenseite zu ver- laufende Aortenbögen, welche sich unterhalb der Wirbelsäule zum vorderen Abschnitt der absteigenden Arterie (Aorta descendens) vereinigen. (Fig. 72.) Durch die Einschiebung der Respirationsorgane wird jedoch die Com- plication dieses Systems der Aortenbögen unter verschiedenen Modificationen vergrössert. (Vergl. pag. 59.) Lympli-Cliyhiegefässe. Nieren. Foi-tiifl:inzung. 737 Als adnexer Abschnitt des Gefässsystems verbreitet sich im Körper aller Wirbelthiere das System der Lymphgefässe, welches einen hellen, mit farblosen Körperchen (Lymphkörperchen) erfüllten Ernährnngssaft {Citylns nnd Lymphe) entlullt und denselben als plastisches Material zur Ergänzung der beim Stoffwechsel verbrauchten Bluttheile dem Blute zuführt. Der Haupt- stamm der Lymphgefässe {Ductus thoracicus), in deren Verlauf besondere Drüsen-ähnliche Gebilde (die sogenannten Gefässdrüsen, Lymphdrüsen, Mih) ein- geschoben sind, verläuft ebenfalls der Wirbelsäule entlang und mündet bei den höheren Wirbelthieren in den oberen Abschnitt der Hohlvene (K cava superior) ein. Bei den niederen Vertebraten finden sich mehrfache Communicationen. Harnabsondernde Organe, Nieren, sind allgemein vorhanden und liegen als paarige Drüsen unter der Wirbelsäule. Die ersten Anlagen derselben er- scheinen in ähnlicher Form wie die Segmentalorgane der Anneliden, indem sich mit dem zuerst auftretenden Uruierengang peritoneale Einstülpungen (Harncanälchen) verbinden, welche durch trichterförmige Oeffnungen mit der Leibeshöhle comrauniciren. (Vergl. pag. 72, Fig. 9L) Die Ausführungsgänge der Nieren, die Ureferen, vereinigen sich meist zu einem unpaaren Endab- schnitte, welcher nur bei den Knochenfischen hinter dem After mündet, sonst meist in den Kloakentheil des Afterdarmes sich öffnet, bei den Säugethieren aber, die Monotremen ausgenommen, mit dem Endabschnitte der Geschlechts- wege vereinigt (Urethra) vor dem After ausmündet. In den Verlauf des aus- führenden Apparates schiebt sich nicht selten ein blasenartiges Eeservoir, die Harnblase, ein, welche nur bei den Fischen hinter dem Darme liegt. Die Fortpflanzung ist stets eine geschlechtliche, und zwar gilt die Tren- nung der Geschlechter als Kegel. Nur einige wenige Fische (z. B. Serranus) sind Hermaphroditen. Indessen werden auch bei männlichen Amphibien Reste von Ovarien gefunden. Beiderlei Geschlechtsdrüsen liegen als paarige Organe im Leibesraum und entsenden paarige Ausführungsgänge, welche bei niederen Wirbelthieren in den Enddarm (Kloake) münden und häufig zu einem unpaaren Canal zusammentreten. Zuweilen fehlen die Ausführungsgäuge; in diesem Falle gelangen die Geschlechtsproducte in die Leibeshöhle und von da durch einen Genitalporus nach aussen. Die Gliederuug der Ausführungsgänge in verschiedene Abschnitte, ihre Verbindung mit accessorischen Drüsen und äusseren Copula- tionsapparaten bedingt den sehr mannigfachen, bei den Säugethieren am com- plicirtesten gestalteten Bau der Geschlechtsorgaue. Bei vielen Fischen und Amphibien bleibt die Begattung eine äussere Vereinigung, und die Eier werden im Wasser befruchtet. Die meisten Fische, viele Amphibien und Reptilien, sowie alle Vögel legen Eier ab. Lebendig gebärend sind die Säugethiere, deren kleine Eier im Innern der weiblichen Leitungswege die Embryonalentwicklung durchlaufen. Die Entwicklung des Embryos (Fig. 717) wird eingeleitet durch eine totale oder partielle (discoidale) Furchung. Die erste Anlage des Keimes ist meist eine dem Dotter aufliegende Scheibe (Keimscheibe), von deren hinterem C. Claus: Lehrbuch der Zo»Io''ie. 5. Aurt. 47 738 Vertebrata. Entwicklung. Ende aus sich die Darmliöhle entwickelt. In der Mitte der Keimscheibe ent- steht der sogenannte Primitivstreifen. Dieser bezeichnet die Längsachse des Embryos. Das äussere Blatt erzeugt durch zwei seitliche Aufwnlstungeu (Me- dullarwülste) eine ectodermale Rinne (Anlage desiservencentrumsl, welche sich durch Zusammenwachsen ihrer Ränder der Länge nach schliesst. (Fig. 718.) Das so abgeschnürte Rohr ist die Anlage von Rückenmark und Gehirn, deren Höhlung eine Zeit lang mit der Darmhöhle communicirt (Neurenterischer Fiff. 717. Scheraatiscbe Längsschnitte durch einen idealen Wiibeltbierembryo, nach Balfour. a (Stadium nach beendeter Furehung. h Späteres Stadium, bei dem die Bildung der Darmböble vom hinteren Ende des Embryo, aus erfolgt (Gastrula). c Stadium, in welchem das Nervenrohr geschlossen ist und mit dem Darm- rohr zusammenhängt, üc Ectoderm, Ent Entoderui, Ms Mesoderm, Fh Furchungshöhle, D)i Darmhöhle, Nr Nervenrohr, CIt Chorda. Canal). Unterhalb des Nervencentrums legt sich vom Entoderm aus die Chorda dorsalis an, und zu den Seiten dieser letzteren, primär durch einen Faltungs- process, gleichfalls vom Entoderm aus, das Mesoderm. Dasselbe bildet zwei Streifen zu den Seiten des Darmes und trennt sich in ein parietales und vis- cerales Blatt. Die zwischen beiden Blättern gelegene Höhle ist die secundäre Leibeshöhle (Pleuroperitonealhöhle). Der dorsale Abschnitt der Mesoderm- streifen trennt sich alsbald und gliedert sich segmental zur Anlage derürwirbel. •39 (Fig. 713 und 719.) An der Grenze der Urwirbel gegen die ungegliederten late- ralen Abschnitte, Seitenplatten, sondert sich der Urnierengang, und medial- wärts zu demselben entsteht die Geschlechtsdrüse aus der Peri- tonealschicht der Seitenplatten. Während dieser auf dem Eücken- theil des Embryos ablaufenden Vorgänge bildet sich an der Ven- tralseite der Darm weiter aus und nimmt den Dotter allmälig und oft mit Zurücklassung eines Dot- tersackes in sich auf. Die neugeborenen Jungen erleiden nur bei den nackten Am- phibien und bei mehreren Fischen eine Metamorphose. Die Eintheiluug der Wir- belthiere in die vier Classen der Fische, Amphibien, Vögel und Säugethiere, welche Linne zuerst aufstellte, findet sich schon in dem System von Aristoteles begrün- det. Die Fische und Amphibien sind Kaltblüter oder besser wech- selwarme Thiere, die Vögel und Säugethiere Warmblüter oder ho- möotherme Thiere und erheben sich zu einer weit höheren Lebensstufe, werden deshalb auch wohl als höhere Wirbelthiere bezeichnet. In neuerer Zeit hat man mitEecht die nackten Amphibien von den be- ■^'" ^^^" schuppten oder Kep- — - '^'^ "**^ tilien getrenntund mit den Fischen als nie- dere den Reptilien, Vögeln und Säugern als höheren Wirbel- thieren gegenüberge- stellt. In der That haben die Fische und Amphibien viele gemeinsame Züge, erscheinen auch systematisch minder scharf abgegrenzt" als die Amphibien und Reptilien. Gemeinsam ist beiden nicht nur die Kiemen athmung und häufige Persistenz der Chorda, sondern der einfachere Verlauf der Embryonalentwicklung und' der Mangel der für die höheren Wirbel- 47* Querschnitte durcli die Embryonalanlage von Triton facniatus, nach O. Hertwig. o Erstes Auftreten der Medullarwülste und Bildung der Chorda, h Die Medullarfurche dem Ver- schlusse nahe. Die Chorda hat sich vom Entoderm voll- kommen abgeschnürt. In dem Mesodermstreifeu beginnt die Absehnürung des Urwirbels (in der Figur linkerseits). Ec Ectoderm, N Nervensystem, R Kückeurinne, MW Me- dullarwülste, Mj) parietales Blatt des Mesoderms, ilv vis- cerales Blatt desselben, Ch Chorda, End Darmentoderm, Dh Darmhöhle, Lh Leibes- (Pleuroperitoneal-) Höhle, UW Urwirbel, D Dotter. Mv Querschnitt durch einen Hühnerembryo vom zvpeiten Tage, nach Kolliker. £■(• Ectoderm (Hornblatt), i\r Rückenmark, End Entoderm (Darmdrüsenblatt), Cl( Chorda, UW Urwirbel, UNg Urnierengang, Mp Hautplatte der Seiten- pl.itte, Mv Darmfaserplatte derselben, Lh Leibes- (Pleuroperitoneal-) Höhle, Ao primitive Aorta. 740 I. Classe. Pisces. Körperbau. thiere charakteristischen Embryonalorgane , des Amnion und der Allantois. Demgemäss und mit Rücksicht auf die vielfachen Beziehungen zwischen Repti- lien und Vögeln unterscheidet Huxley drei Hauptabtheilungen, tih : Ichthjop- siden, Sauropsiden und Mammalia. Freilich ergeben sich unter den Fischen wiederum so bedeutende Unterschiede in der Difierenzirung der Organe, dass man dieselben in mehrere Classen aufzulösen berechtigt ist. Man würde die Leptocardier nicht nur allen Fischen, sondern den übrigen Wirbelclassen als Acrania gegenüberstellen, ferner die Cyclostomen, die Selachiei' und Dipnoer als Classen sondern können, wenn es nicht zweckmässiger erschiene, die alte Einheit der Fischclasse aufrecht zu erhalten. I. Classe. Pisces^), Eisclie. Im Wasser lebende, beschuppte Kaltblüter^ mit unpaaren Flossenkämmen und paarigen Brust- und Batichßossen, meist mit ausschliesslicher Kiemenathniung und einfachem, aus Vorhof und Kammer bestehendem Herzen, ohne vordere Harnblase. Die Eigenthümlichkeiten des Baues und der inneren Organisation er- geben sich im Allgemeinen aus den Bedürfnissen des Wasserlebens. Obwohl wir freilich selbst im Kreise der Wirbelthiere aus allen Classen Gruppen von For- men kennen, die sich Fig. 720. . ,xr .., " im Wasser ernähren und bewegen, so ist doch nirgends die Or- ganisation so be- stimmt und vollkom- men dem Wasser- leben angepasst wie bei den Fischen. Die Körperge- stalt ist im Allge- meinen spindelför- mig, mehr oder minder comprimirt, im Einzelnen zahlreichen Moditicationen unterworfen. Es gibt ebensowohl cylindrische, Schlangen-ähnliche Fische (Neun- augen), wie kugelige, ballonartig aufgetriebene Gestalten (Gymnodonten). Andere Formen sind bandartig verlängert (Bandfsche), wieder andere sehr stark comprimirt, kurz, hoch und unsymmetrisch (Pleuronectiden). Endlich kann Pvrca fluviatilis (regne animal). *) Cuvier et Valeuciennes, Histoire naturelle des poissons. 22. Vols. Paris, 1828-1849. Joh. Müller, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Berlin, 1835— 1845. L. Agassiz, Recherches sur les poissons fossiles. Neufchätel, 1833—1844. Günther, Catalogue of the fishes in British Museum. London, 1859 — 1870. C. E. v. Baer, Ent- wicklungsgeschichte der Fische. Leipzig, 1835. Köriierform. Flossen. 741 auch eine dorsoveutrale Abflachiing zu platten, scheibenförmigen Fischgestalten füliren (^Rochen). Für die Locoraotion des Fisches kommen vornehmlich die seitlichen, durch mächtige Rumpfmuskelu bewirkten Biegungen der Wirbelsäule in Be- tracht, deren Wirkung noch durch unpaare, einer Erhebung und Senkung fähige Flossenkämme des Kückens und Bauches verstärkt werden kann. Dagegen er- scheinen die beiden Extremitätenpaare, die Brust- und Bauchflossen, mehr als Steuer für die Kichtung der Bewegung. Diesem Modus der Bewegung ent- spricht der Bau der Wirbelsäule. Der Kopf sitzt unmittelbar und meist in fester Verbindung dem Rumpfe auf. Eine bewegliche Halsregion, welche dem Schwimmen nur hinderlich sein müsste, fällt vollständig aus. Gerade in seiner vorderen Partie zeigt sich der Eumpf starr, nach hinten zu wird er beweglicher und geht allmälig in den Schwanz über, welcher die vollkommenste Verschiebung seiner Wirbel gestattet und hierdurch als Hauptbewegungsorgan tauglich wird. Das System der unpaaren Flossen ist der embryonalen Anlage nach auf einen medianeu, über den Rücken und Schwanz bis zum After reichenden Haut- saum zurückzuführen, welcher später durch Einschnitte unterbrochen wird, so dass sich dann in der Regel drei Partieen als Rückenflosse (Pinna dorsalis), Schwanzflosse (Pinna caudalis) und Afterflosse (Pinna analis) sondern. (Fig. 720.) Zur Stütze des Hautsaumes sind meist feste Strahlen vorhanden (Flossen- strahlen), bei den Knochenfischen entweder harte spitze Knochenstacheln, sogenannte Stachelstrahlen (Äcanthopferi), oder weiche gegliederte Strahlen (Malacopteri). Die Schicanzflos^e setzt sich in der Regel aus einer Abtheilung des dorsalen und ventralen Flossensaumes zusammen, variirt aber in ihrer Form mannigfach. Sind dorsale und ventrale Lappen symmetrisch, so wird die Schwanzflosse als Äomoce^-A-. bei bedeutenderer Entfaltung des ventralen Lappens als heterocerk bezeichnet, in welchem Falle der Schwanztheil der Wirbelsäule meist aufwärts gekrümmt erscheint. (Fig. 721 a.) Aber auch im Falle einer äusseren Homocercie steigt das Achsenskelet im Schwänze dorsalwärts empor, so dass dabei eine innere Heterocercie besteht. (Fig. 721 h, c, d) Die paarigen Brust- und Bnnchßossen entsprechen den vorderen und hinteren Gliedmassen der übrigen Wirbelthiere. Die erstere heftet sich un- mittelbar hinter den Kiemen mittelst eines bogenförmigen Schultergürtels dem Kopfe an, während die beiden in der Mittellinie genäherten Bauchflossen weiter nach hinten meist am Bauche, zuweilen freilich zwischen die ersteren gerückt, seltener an der Kehle liegen (Bauch-, Brust- und Kehlflosser). Die Körperbedeckuug der Fische bleibt nur selten vollkommen nackt (Rundmäuler). In der Regel finden sich Schuppen eingelagert, Verknöcherungen der Cutispapillen, welche von der Epidermis vollständig überzogen sind. Oft bleiben die Schuppen so klein, dass sie, unter der Haut verborgen, ganz zu fehlen scheinen (Aal), meist aber treten sie als feste, mehr- oder minder bieg- same Platten hervor, welche eine grosse Zahl concentrischer Linien und radiärer Streifen zeigen und dachziegelförmig übereinander liegen. Je nach der 742 Pisces. Schuppen. Seitenliul Beschaffenheit des freien Schiippenrandes unterscheidet man Cycloidschumyen mit glattem und Cf enoidsGhii\M^en mit gezähueltem Rande. Als (?a??o«cZschiippen bezeichnet man wenig übereinandergreifende, meist rhombische, seltener cycloid gestaltete Schuppen mit äusserer Schmelzlage, als PZaco^VZschuppen kleinere, verschieden gestaltete Knochenkörner (Ausgangsform der Zähne), welche der Hautoberfläche eine chagrinartige Beschaffenheit verleihen. (Hierauf beruhte Agassiz' Eintheilung der Fische in Cydoiden, Ctenoiden, Ganoiden und Placoiden.) Fig. 721. •hwanzflosse von Acipcnscr sfiirio. Ch Chordastrang. 6 Von Amia. e Von Salmo. i Erster, \- zweiter Flossenstrahlträger am Chordaende in der Flosse, d Ende der Wirbelsäule desselben. 1 letzter, 2 zweit- letzter Wirbelkörper, ch Chordastab mit Koorpelplatten. Fig. h, c, d nach Kölliker. In der Haut treten eigenthümliche, durch seitliche Porenreihen nach aussen mündende Canäle, die Seitenlinien, auf, welche früher für schleimab- sondernde Drüsen gehalten wurden, bis Leydig*) dieselben als Träger eines Sinnesorganes erkannte. Diese Organe sind bei den Myxinoiden und Stören kurze Säcke, bei den Rochen, Haien und Chimaeren einfache, ampullenförmig beginnende Röhren, die sich auch über den Kopf in mehreren Reihen hin- ziehen. Bei den Teleostiern sind es verzweigte Röhren, welche die Schuppen 1) Vergl. Leydig, Ueber das Organ eines sechsten Sinnes. Dresden, 1868. Fr. E. Schulze, Ueber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien. Arch. für mikrosk. Anatomie, Tom. VI, 1870. 743 Fig. 722. der Seitenliuien in Poren durchbrechen und auch am Kopfe in mehreren Keihen auftreten. (Fig. 720.) In der Wandung dieser Gänge verlaufen Nerven, welche in kuopfförmigen Anschwellungen enden. Die epitheliale Bekleidung der letzteren enthält im Centrum kurze birnförmige Zellen, welche nach oben in ein feines starres Haar auslaufen, während sie an der Basis in den Axen- cy linder einer Nervenfaser übergehen. (Fig. 722.) Das Skdet bleibt im einfachsten Falle {Amphioxus) auf die Chorda dor- sah's beschränkt. Dieselbe persistirt auch bei den Myxinoiden, welche bereits eine knorpelhäutige Schädelkapsel besitzen. Bei den Petvomyzonten ') treten zuerst oberhalb der Chorda knorpelige Bogenstücke und unterhalb derselben in der Schwanzgegend paarige Kuorpelleisten auf, die Anlagen von oberen und unteren Wirbelbögen. Vollständiger sind diese Wirbelbögen bei den Stören {Acipenser) und Seekatzen {Chimaera), deren Chorda, mit sehr derber binde- gewebiger Scheide, der Chordazone des skeletogeneu Gewebes, sich in vollem Umfange erhält. Eine Differenzirung des Achsenskeletes in discrete Wirbel tritt erst bei den Haien und Rochen auf, in- dem sich obere und untere Bogenstücke mit ringförmigen Stücken des skeleto- geneu Gewebes (mit Bogenzone und Chordazone, beide durch die Elastica ex- terna abgegrenzt) , den knorpeligen Wirbelkörperu, vereinigen. Die Chorda wird durch das Wachsthum dieser letzteren vertebral verdrängt, so dass biconcave (amphicoele) Wirbelkörper entstehen, deren konische Vertiefungen einen Abschnitt der Chorda, welcher mit dem benachbarten in der Eegel noch im Centrum des Wirbelkörpers ver- bunden ist, enthalten. Bei den Knochenganoiden und Teleostiern ossificiren 'die biconcaven ') Wirbelkörper vollständig und verschmelzen mit den ent- sprechenden oberen und unteren knöchernen Bogenstücken zur Bildung eines vollständigen Wirbels. Im Verlaufe des Kumpfes legen sich an die hier aus- einanderweichenden unteren Bogenstücke (Haemapophysen) Kippen an, zu denen oft als Ossificationen der intermuskulären Ligamente die y-förmigen Fleischgräten hinzutreten. a Seitenorgau am Schwänze des Plötz. N Nerv. — 6 Seitenorgan am Kopfe, wahrscheinlich eines jungen Brachsen, nach Fr. E. Schulze. *) Vergl. Job. Müller I.e. Reichert, Ueber die Vlsceralbögen im Allgemeinen etc. Müller's Archiv, 1837. A. Kölliker, Ueber die Beziehungen der Chorda dorsalis zur Bildung der Wirbel der Selachier und einiger anderen Fische. Würzburg, 1866. C. Gegenbaur, Ueber die Entwicklung der Wirbelsäule des Lepidosteus mit ver- gleichend-anatomischen Bemerkungen. Jen. naturwissensch. Zeitschr., Tom. III. ^) Nur die Gattung Lepidosteus besitzt einen vorderen Gelenkkopf am Wirbelkörper. 744 rdiaUchädel. Scliädel der Knochenfische. Auch die Gestaltung des Schädels zeigt eine Keihe fortschreitender Ent- wicklungsstufen bis zu dem complicirten Schädel der Teleostier. Am ein- fachsten verhält sich der Primordialschädel bei den Cydostomen, bei denen eine knorpelig-merabranöse Schädelkapsel auftritt, in deren knochenhartem Basilartheil die Chorda endet. Zwei Knochenblasen umschliessen als seitliche Anhänge des knöchernen Basilartheiles das Gehörorgan, während sich zwei vordere Schenkel mit dem complicirten Apparate der Gesichts- und Kiefer- gaumenknorpel verbinden. Einen weiteren Fortschritt zeigt der Primordial- schädel der Seladüer (Fig. 708), indem derselbe eine einfache, nicht weiter in discrete Stücke zerfallende Knorpelkapsel bildet, in deren Basis die Chorda endet. Bei den Stören (Fig. 723) kommen zu der knorpeligen Schädelkapsel Knochenstücke hinzu, und zwar ein platter Basilarknochen, Parasphenoideum, sowie ein System von Deckknochen der Haut. Eine wahre knöcherne Schädel- decke entwickelt sich erst um den Primordialschädel der Dipnoer. Auch an dem knöchernen Fig. 723. Schädel der Ga- noiden und Te- leostier bleiben noch zusammen- hängende Ab- schnitte des knor- peligen Primor- dialcraniums zu- rück (Hecht und Lachs). Am läng- sten erhalten sich die Knorpelreste in der Ethmoidalregion {Silurus, Cyprinus), während sie am Dache und an der Schädelbasis theils durch Auflagerungsknochen, theils durch primäre Ossifi- cationen(Occipitale basale und O.lateralia, Felsenbeine, sowie die Alisphenoids) verdrängt werden. Die Verbindung des hinteren Schädelabschnittes mit der Wirbelsäule ent- behrt (mit Ausnahme der Chimaeren und Kochen) einer Articulation, das Os hasünre besitzt die konische Vertiefung und Gestalt des Wirbelkörpers. Da- gegen drängt sich jederseits zwischen die OccipitaUa lateralia (welche die Oeffnungen zum Durchtritt des Vagus und Glossopharyngeus enthalten) und das durch eine starke Crista ausgezeichnete Occipitcde superms ein OccipitaU externum (Epioticum) ein. An dieses schliessen sich das hintere Felsenbein, Opisthoticum (Huxley), von sehr verschiedener Grösse und Form (sehr gross bei Gadtis, klein bei Esox) und das Prooticum, welches den vorderen halbzirkel- förmigen Canal umfasst und von Oeffnungen zum Durchtritt des Trigeminus durchbrochen wird. Dazu kommt als äusseres Belegstück des Squamosuvi, das zur Verbindung mit dem Hyomandilulare verwendet wird. Die Unterfläche der Kopfskelet des Störs, nach Wiedersheim. Eo Rostrum, Cn Cavum nasale, 0 Orbita, Hm Hyomandibulare, S Symplecticum, Pq Palatoquadratum, MrJ Unter- kiefer, //;/ Zungenbein, V Vagusloch, R Rippen. Kiefer. 745 Schädelkapsel Avird von dem langen Parasphenoidcum bedeckt. Die Seiteu- wände des Schädels werden durch zwei Paare von Flügelknochen {Orhi'tosphe- noidenm, Älisphenoidenm) gebildet. (Fig. 651.) Von diesen legt sich das hintere Paar an die Schenkel des Paraspheuoids an und ist mit seinen Oeffnungen für die Augeunerven und den Orbitalast des Trigeminus fast immer nachweisbar. Die Stücke des vorderen Paares {Orbitosphenoids) vereinigen sich oft am Boden des Schädels zur Herstellung eines medianen Knochens, der bei Keduction der Schädelhöhle durch ein knorpeliges oder häutiges Septum vertreten ist. Das Schädeldach wird von knöchernen Platten gebildet, unter denen sich nur selten nochKeste des Primordialcraniums erhalten. An das Occipäah snperms schliessen vorne zwei Parietalia, an diese das grosse Frontale principale Cuv. an, zu dessen Seiten ein zum Squamosum reichendes und an der Gelenkverbindung mit dem Kieferstiel betheiligtes Postfrontale zur Entwicklung kommt. In der Ethmoidalregion finden wir in der Verlängerung der Schädelbasis einen unpaaren Knorpel oder Knochen, Ethmoidale medkim (tmpar)^ von der grossen, an das Parasj^henoid anschliessenden Fo?»erplatte ventralwärts über- deckt, und zwei seitliche paarige Knochenstücke, Ethmoidalia lateraJia (Prae- frontalid), welche von den Geruchsnerven durchbohrt werden und die Stütze der Nasengruben bilden. Endlich treten, zum Schutze derKopfcanäle, als acces- sorische Hautknochen die Ossa ivfraorhitalia und supratemporalia auf. Ein wahres Kiefergerüst kommt erst bei den Selaclnem und Stören zur Ausbildung, wo ein am Schlüfentheil befestigter Kieferstiel {Hyomandihidare) dem Kieferbogen und Zungenbein zur Befestigung dient. (Fig. 708 und 723.) Der obere Abschnitt des ersteren (Palatoquadratum) ist meist am Schädel durch Bänder beweglich befestigt. Bei den Knochenfischen erscheint der Kieferstiel in mehrere Stücke zerfallen und zugleich als Träger des Kiemen- deckels. Ein mit dem Schädel articulirendes Hyomandihtdare nebst den von Cuvier als Os sympledicum und tympanicum {Metapterygoideum) bezeich- neten Knochenstücken bilden den oberen Abschnitt, das Praeopercnlum den mittleren und endlich das Quadratum oder Quadratojuyale den unteren, das Ünterkiefergelenk tragenden Abschnitt des Kiefersuspensoriums. Die dem hinteren Kande des Praeoperculum sich anlegenden flachen Knochenstücke bilden den Kiemendeckel und werden als Opercidum^ Suhopercidum und h\ter- opercidum unterschieden. Ein vom Metapterygoideum und Quadratum nach dem Oberkiefer sich erstreckender Knochen entspricht dem Flügelbein und wird in der ßegel aus einem äusseren {Edopterygoidemn) und inneren Stück {Ento- pterygoideiim) zusammengesetzt. Dann folgt das Gaumenbein (Palatiuum) und der Oberkieferapparat, mit dem an der Schnauzenspitze meist beweglich verschiebbaren Zwischenkiefer {Intermaxillare) und dem sehr variabeln, meist zahnlosen Oberkiefer [Maxülare). Die beiden Aeste des Unterkiefers sind in der Mittellinie nur selten verwachsen und zerfallen mindestens in ein hinteres Os articidare und ein vorderes Os dentale, zu dem meist noch ein Angulare und Operculare hinzukommen. (Fig. 724.) 746 Kiemenbögen. Hinter dem Kieferbogen folgt noch ein System von gleichwerthigen, die Rachenhöhle umgürtenden Bögen, von denen der vordere als Zungenbeiubogen am äusseren Rande eine Anzahl von Stäben iRadii hranchiostagi) zur Stütze der Kiemenhaut trägt, die übrigen als Kiemenbögen zum Tragen der Kiemen- blättchen dienen. (Fig. 725.) Bei den Teleostiern entwickeln sich vier (selten drei) Bögen zu Kiementrägern, während der hintere, auf den ventralen Ab- schnitt reducirt, die sogenannten unteren Schlundkuochen {Pharyngealia in- Fig. 7-24. Brs^ Kopfskelet von Perca fluriatilis (rfegne animal). Os Occipitale superius, 0^x O. extenium (Epioticuin), Par Parietale, S>/ Squamosum, Fr Fontale, Frp Postfrontale, PrO Prootlcum, Als Alisphenoideum, Ps Para- sphenoideum, Ethi Ethmoideum Impar, Ethl E. laterale (Praefrontale), ITm Hyomaudibulare, S Symplecticum, Q Quadratnm, Mtp Metapterygoideum, Enp Entopterygoideum, Ekp Ectopterygoldeum, Pal Palatinum, Vo Vomer, Jm Intermaxillare, Äfx Maxillare, D Dentale, Ar Articulare, An Angulare, Op Operculum, POp Praeoperculum, SOp Suboperculum, JOp Interoperculum, Hy Hyoidbogen, Brs Radü branchiostegi, Cl Claviculare, Sc Scapulare, Cor Coracoideum, Ssc Supraclavicularia, Ac accessorisehe Stücke. feriora) bildet. Die oberen, an die Schädelbasis sich anlegenden Knochenstücke der Kiemenbögen werden als obere Schlundknochen [Pharyvgealia superiova) bezeichnet. Von den beiden Extremitätenpaaren ^) befestigt sich die Brustflosse mittelst des Schultergürtels bei den Teleostiern am Schädel. Bei den Knorpel- fischen tritt der Schultergürtel als einfaches knorpeliges Bogenstück auf, welches mit dem der anderen Seite in der Mittellinie ventralwärts verbunden ') Vergl. C. Gegeiibaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, 2. Heft. Leipzig, 1865. Derselbe, Ueber das Skelet der Gliedniassen. Jen. naturwissensch. Zeitsch., Tom. V. Paarige Flosseu. NcrvLMisystem. bleibt. Schon unter den Knorpelganoiden wird diese primäre Form des Schiilter- gürtels durch aufgelagerte Hautknocheu {Claviculare) in die secundäre über- geführt, wie sie die Teleosfier charakterisirt. (Fig. 724.) Dazu kommen Ossi- ticationen, welche im Knorpel selbst entstehen und die als S'capulare und Cora- coideum, beziehungsweise Procoracoi'denm bezeichneten Stücke liefern. Das dem Schultergürtel eingefügte Flossenskelet erscheint von der als ,,Archipterygmm^^ benannten Flossenform ableitbar, welche noch bei Cerafo- diis als eine beiderseits mit gegliederten Seitenstrahlen [Radien) besetzte Achsenreihe von Knorpelstücken persistirt. Während bei den Selachiern das Flossenskelet durch die mächtig entfaltete laterale Kadienreihe hergestellt wird, erscheint bei den Ga- noiden und Teleo- stiern dieses primäre Skelet zu nur weni- genStückenreducirt und durch von Haut- ossiticationen aus entstandene Flos- senstrahlen ersetzt. Das Nervensy- stem (Fig. 726) zeigt die niedersten und ein fachsten Y erhält- nisse in der ganzen Classe. Im Allge- meinen bleibt das Gehirn klein und bil- det menrere ninter- Zungenbein und ICiemenbogen von Perca flw-ialiUs (r6gne animal). / {Zhg) einander liegende Zungeubeinbogen, //— yKiemeubogen. a, h, c, d Glieder derselben, die obersten '^ Stücke sind die Ossa pharyngealia superiora {Ops), VI {Opi) die unteren Anschwellungen, von Schlundknochen (O. pharyngealia iuferiora). Cop Copulae, Rh Radü branchiosteg. denen die kleinen vorderen als lohi olfactorii in den Geruchsnerveu übergehen. Die grösseren Yorderlappen entsprechen den Hemisphären^ die mittleren kugeligen An- schwellungen dem Lobus des dritten Ventrikels im Vereine mit den Corpora quadrigemina. Nach vorne entsendet dieser Gehirntheil die Sehnerven, während an seiner unteren Fläche vom Boden des dritten Ventrikels der Hirnanhang [Hypophysis) mit dem Infundihulum entspringt. Der hintere Abschnitt ent- spricht dem kleinen Gehirn, welches als eine sehr verschieden entwickelte Querbrücke den vorderen Theil des vierten Ventrikels bedeckt, und der Medidla oblongata. Oft entwickeln sich an diesem Theile seitliche Anschwellungen, so- genannte lohi posteriores, bei den Stören und Haien am Ursprung des Trigeminus als lohi nervi trigemini, bei Torpedo als grosse, die vierte Hirnhöhle über- ragende lohi electrict. Ein gesondertes Eingeweidenervensystem fehlt nur bei 748 Pisces. Sinnesorgane. den Cydostomen, wo dasselbe durch den Vagus, sowie durch Fasern der Spinal- nerven vertreten wird. Das Eückenmark, welches an Masse das Geliirn be- deutend überwiegt, erstreckt sich ziemlich gleichmässig, meist ohne Bildung einer sogenannten CattcZa equina, durch den ganzen Rückengratscanal und bildet in einigen Fällen ^'S-"^^^- {Trigla, Orthagoris- cus) an seinem vor- deren Abschnitte dem Ursprünge der Spinalnerven ent- sprechende paarige oder impaare An- schwellungen. Die Augen, sel- ten unter der Haut und den Muskeln verborgen {Myxim und PefromyzonlM- ven, sowiQ Ämblgop- si's), bei AmpMoxns durch einen dem Nervencentrum an- liegenden Pigment- flecken vertreten, charakterisiren sich durch eine überaus flache Cornea und eine grosse, fast ku- gelrunde Kry stall- linse, die mit ihrer vorderen Fläche aus der Pupille weit her- vorragt. (Fig. 727.) Als eigenthüm- liche Bildungen des Fischauges sind fer- ner die sogenannte Chor ioidealdr Ilse , ein meist an der Eintrittstelle des Sehnerven sich erhebender gefässreicher Körper (Wunder- netz), sowie die als Processus faldformis die Retina durchsetzende Cho- rioidealfalte mit der an der Linse befestigten Campamda Halleri hervor- zuheben. Gehirn und vorderer Theil des Rückenmarkes mit den austretenden Nerven von Hfxanchns grtseus, nach Gegenbanr. Rechterseits sind die Nerven frei präparirt; das rechte Auge ist entfernt. A Vordere Scbädeliücke, iV Nasen- kapsel, Vh Vorderhirn, Uh Mittelhirn, Ce Cerebellum, Mo Medulla oblongata, Bo Bulbus olfactorlus, tr Trochlearis, Tr' erster Ast des Trlgeminus, a End- zweig desselben auf der Ethmoidalregion, Tr" zweiter Ast, 'Tr'" dritter Ast, Fa Fascialls, Gj) Glossopharyngeus, Vg Vagus, L Ramu.-; lateralis, .7 Ramus intestinalis, Os Musculus obliiiuus oc. smp., 7?i M. rectus internus, He M. rectus exteruus, Rs M. rectus superior, S Spritzloch, Pg Palatoquadratum, Hm Hyo- mandibulare, Ä Kiemenhautstrahlen, 7— F/ Kiementaschen, i— 6" Kiemenbogen, Br Kiemen, P Spinalnerven. Elektrische; Organe. Vcnlauuiigsorgano, 749 Das Gehöror(/ati^) (niirbei>4Hi/?A2ba3Ms vei"raisst)reducirt sich auf das Lab}'- rinth (Fig. 7 1 5, /) und liegt bei Knochenfischen^ Ganoiden und Chimaeren zumTheil frei in der ScMdelhöMe, vom Fettgewebe umgeben. Bemerkenswerth ist die Ver- bindung, welche bei den Cyprinoiden^ Characmen, Süuroiden u. a. zwischen Laby- rinth und Schwimmblase durch eine Reihe von Knöchelchen hergestellt wird. Das Genichsorgan erscheint bei den Gjclostomen als einfacher Schlauch mit unpaarer medianer Oeffnung, der bei den Myxinotden auch den Gaumen durchbohrt. Alle übrigen Fische besitzen doppelte, und zwar mit Ausnahme der Dipnoer blindgeschlossene Nasenhöhlungen, deren innere Oberfläche durch Faltenbildungen der Schleimhaut beträchtlich vergrössert wird. . Weniger scheint der Geschmackssinn entwickelt zu sein, als dessen Sitz der nervenreiche Theil des weichen Gaumens und überhaupt der Mundhöhle (Geschmacksbecher) anzusehen ist. Zum Tasten mögen die Lippen und deren Anhänge, die häufig auftretenden ,^Ba)-febv^ dienen. Auch können abgelöste Strahlen der Brustflossen mit Rücksicht Fig- 727. auf ihren Nervenreichthum als Tastorgane betrachtet werden {Trigla). Einen eigenthümlichen Sinn vermitteln die bereits besprochenen nervösen Einrichtungen der so- genannten Schleimcanäle. Als peripherische Adnexe des Nervensystems sind die elektrischen Organe (Zitterrochen, Zitteraal, Zitterwels, Nilhecht) sowie die Leuchtorgane zahlreicher Tiefseefische hervorzuheben. Auge von Esox lucius, horl- DT7 7 . . .. 1 zontaler Durchschnitt. Co le Verdauungsorgane zeigen eine überaus ver- ^^^^^^^ ^ ^.^^^^ ^^. ^^^ schiedene Gestaltung. Der am Vordereude des Kopfes ce.ssus faiciformis, cfl-cam- gelegene Mund stellt sich meist als Querspalte dar und ll°^Z!'TZZllZ7n. kann zuweilen mittelst verschiebbarer Stielknochen des gen der scierotica. Zwischen- und Oberkiefers vorgestreckt werden {Labro- iden). Die Rachenhöhle zeichnet sich durch ihre Weite und den Reichthum an Zähnen aus, die sich von den Papillen der Schleimhaut aus durch dentinoide Ossification entwickeln. Oft finden sich im' Oberkieferapparate zwei parallele Bogenreihen von Zähnen, eine äussere im Zwischenkiefer und eine innere an den Gaumenbeinen, wozu noch eine mittlere unpaare Zahnreihe des Vomers hinzukommt. Dem Unterkiefer gehört nur eine Bogenreihe von Zähnen an. Auch am Zungenbein, am Oberkiefer und Parasphenoideum, sowie in der Regel auch an den Kiemenbögen und besonders an den oberen und unteren Schlund- kuochen können Zähne auftreten. Nach der Form unterscheidet man spitze kegelförmige Fangzähne (Kamm-, Bürsten-, Sammtzähne) und breite Mahlzähne. Am Boden der Rachenhöhle kommt eine nur kleine, kaum bewegliche Zunge zur Entwicklung, während die Seitenwände von den Kiemenspalten ') Vergl. E. H. Weber, De aure et auditu hominis et animalium. P. I. : De auie animalium aquatilium. Lipsiae, 1820. C. Hasse, Anatomische Studien. Heft 3 : Das Gehör- organ der Fische. Leipzig, 1872. Vergl. ferner Eetzius 1. c. 750 Pisces. Darm. durchbrochen werden. Es folgt dann eine meist kurze trichterförmige Speise- röhre und ein weiter Magen abschnitt, der sich häufig in einen ansehnlichen Blindsack auszieht. (Fig. 728.) Am Anfange des längeren, durch eine Klappe abgesetzten Mitteldarmes erheben sich nicht selten blinddarmförmige Anhänge (Appendices pyloricae), deren Bedeutung auf eine Vergrösserung der secer- nirenden Darmoberfläche zurückzuführen sein dürfte. Die Innenfläche des meist in mehrfachen Schlingen gewundenen Darmes zeichnet sich durch die Längsfalten der Schleimhaut aus, nur selten kommen wie bei den höheren Wirbelthieren Darmzotten vor: hingegen besitzt der hintere Darmabschnitt der Selachier, Gaaioiden und Dipnoer eine eigenthümliche, schraubenförmig ge- wundene Längsfalte, die sogenannte Spiralklappe, welche zur Vergrösserung der resorbirenden Oberfläche wesentlich beiträgt. EinKectum ist keinesw^egs überall scharf gesondert und dann nur überaus kurz, bei den Selachiern mit einem blind- sackartigen Anhang versehen. (Fig. 729 Dv.^ Der After liegt in der Regel weit nach hinten und stets bauchständig vor der Mündung der Harn- und Ge- riet. 728. Darmcanal und Geschlechtsorgane von Clupea Harengus, nach Brandt. Br Kiemen, Oe Oesophagus, V Magen, Ap Appendices pyloricae, D Darm, A Afteröffnung, Tn Schwimmblase, Dp Luftgang, S Milz, T Hoden, Vd Ausführuugsgang desselben, Gp Geuitalporus. schlechtsorgane, bei den Kehlflossern und einzelnen Knochenfischen ohne Bauch- flossen rückt er jedoch auffallend weit nach vorne bis an die Kehle. Speichel- drüsen fehlen den Fischen, dagegen findet sich stets eine grosse, fettreiche, meist mit einer Gallenblase versehene Leber, sowie in der Regel auch eine Bauchspeicheldrüse, die aber keineswegs wie man früher glaubte, durch die drüsigen Pylorusanhänge ersetzt wird. Als Ausstülpung des Darmes entwickelt sich bei zahlreichen Fischen die Schwimmblase, ein Organ, welches morphologisch den Lungen entspricht. Die- selbe ist fast stets als ein unpaarer, selten {Polypterus) paariger, mit Luft ge- füllter Sack, welcher an der Wirbelsäule über dem Darm liegt und ebenso häufig geschlossen, als durch einen Luftgang mit dem Lumen des Vorder- darmes in Communication steht {Physostomi). (Fig. 728.) Zuweilen erscheint die Schwimmblase durch eine quere Einschnürung in einen vorderen und hin- teren Sack abgeschnürt (Karpfen) oder ist mit" Ausstülpungen und Anhängen Scluviminblase. 751 versehen. Die Wandung derselben wird aus einer äusseren elastischen, zuweilen mit Muskeln belegten Haut und einer inneren Schleimhaut gebildet. Auch treten an der letzteren zuweilen drüsenartige Gebilde auf, welche auf die ein- geschlossene Luftmenge einwirken mögen. Die Innenfläche ist meist glatt, in maschigen Vorsprüngen erhoben, Avelche zur Entstehung zelliger Hohlräume führen (Ganoiden). Im letzteren Falle kann sie zu einer wahren Lunge werden und als liespirationsorgau fungiren [Lepidosfeus^ Dipnoi). Von diesen Fällen abgesehen, erweist sich die Schwimmblase physiologisch als Ju/dwstafischer Apparat, welcher im Wesent- lichen die Aufgabe zu haben scheint, das specifische Ge- wicht des Fisches variabel zu macheu und die rasche Ver- schiebung des Schwerpunktes zu erleichtern. Da, wo die Schwimmblase auftritt, muss der Fisch die Fähigkeit be- sitzen, theils durch die Mus- keln ihrer Wand, theils mit- telst der Kumpfmuskulatur die Blase zu comprimiren und den specifisch schwer gewor- denen Körper zum Sinken zu bringen. Beim Nachlassen des Muskeldruckes wird sich die comprimirte Luft wieder aus- dehnen und das specifische Gewicht herabsetzen; das Steigen des Fisches wird die Folge sein. Wirkt der Druck ungleichmässig auf die vor- dere und hintere Partie, so wird die specifisch schwerer gewordene Hälfte voransin- ken. Indessen scheint ein noch complicirteres, durch Bergmann*) näher be- leuchtetes Verhältniss zu bestehen. Da nämlich das specifische Gewicht des Fisches mit dem des Wassers ziemlich übereinstimmt, bedarf es nur eines geringen Muskeldruckes, um den Fisch zum Sinken zu bringen. Da sich ferner das Wasser durch Druck nur wenig verdichtet, also in tieferen Schichten nahezu dasselbe specifische Gewicht behält wie an der Oberfläche, so ist die Grenze Darmapparat von Torpedo. K Kiemenlöcher, 31 Magen, X Leber, Gh Gallenblase, G Gallengang, ./Darm mit Spiralklappe, £ End- darm, Dr drüsiges Divertikel, 0 Einmündung der Ovidiacte *) Vergl. Bergmann und Leuckart. Anatom. -physiolog. Uebersicht des Thier- reichs. Stuttgart, 1852. 752 risces. Respirationsorgane. der Tiefe Dicht abzusehen, iu welche der Fisch mit Hilfe einer geringen Com- pression der Luftblase gelangen müsste, zumal auch der Körper des Fisches dichter und specifisch schwerer wird. Das specifische Gewicht des Fisches muss sogar ungleich mehr zunehmen als die Dichtigkeit des Wassers, denn der Inhalt der Schwimmblase stellt ein Gasgemenge dar, welches in geradem Verhältnisse mit dem zunehmenden Drucke comprimirt wird. Demnach wird der Fisch beim Sinken in einen um so grösseren Kampf mit dem zunehmenden specifischen Gewicht seines Körpers gerathen, je grösser seine Schwimmblase im Verhält- nisse zum Körper ist, imd niemals so tief gehen dürfen, dass ihm der Einfluss seines eigenen Körpers auf die Compression der Luft, also die Fähigkeit der Abspannung verloren geht. Ebenso darf umgekehrt der aufsteigende Fisch nicht so hoch steigen, dass er bei der mechanisch erfolgenden Ausdehnung der Schwimmblase die Muskelwirkung aus seiner Gewalt verliert. Der Besitz der Schwimmblase bindet demnach den Fisch an gewisse Tiefen, innerhalb welcher ihm dieselbe beim Aufsteigen und Sinken vortreffliche Dienste leistet. Fische, die in sehr bedeutender Tiefe leben (Kilch im Bodensee), kommen todt mit dickem Bauche und her- vorgetriebenem Schlünde an die Oberfläche. Die Respiration wird überall l^fc: ^^^ '^^li durch Kiemen vermittelt. Bei den c^ j^s H 'e ^ Cydostomen (Fig. 730), denen als Sclieinatischer Längsschnitt durch den Kopf einer Pdromyzon- KlemeUStÜtzeU funglreude Vis- larve, nachBalfour. A^ Nervensvstem, CTi Chorda dorsalis, /. i i . j Ot Gehörblase (als sichtbar dargestellt), 0 Mund, Te Velum, CeralbÖgeU fchleU , SlUd 6 Oder TI Schilddrüseneinstülpung, Ks Kiementaschen, G Herz, -46 ^ PaarC VOU Kiemeubeuteln VOr- Augenblase, 0? Riechgrube. , ., , , , . ^^. ,,..,, banden, welche die Kiemenblatt- chen tragen und entweder durch gesonderte innere Kiemengänge [Myxine) oder durch einen gemeinsamen, sämmtliche Kiemengänge aufnehmenden Canal (Petromyzon) in den Oesophagus münden. Zur Ableitung des Wassers dienen äussere Kiemengänge, welche entweder gesondert {Petromyzon) oder aber in einer gemeinsamen Oeffnung (Myxine) an den Seiten des Körpers ausmünden. In der Umgebung der äusseren Kiemengänge kommt ein Netzwerk von Knorpel- stäben zur Entwicklung, welche sich zu einem förmlichen Korb im Umkreis des Kiemenbeutels vereinigen. Bei den Plagiostomen (Fig. 73 1 d) finden sich sackförmige, durch seit- liche Oeffnungen nach aussen führende Taschen oder Säcke, mit deren vor- deren und hinteren, durch Knorpelstäbchen gestützten Wänden die Kiemen- blättchen verwachsen sind. Die Wandungen dieser Kiemensäcke sind durch Scheidewände, welche sich zwischen den beiden Blättchenreihen eines jeden Bogens erheben, von einander abgegrenzt und auch noch durch ein äusseres Gerüst von Knorpelstäben gestützt. Bei den Selachiern sind es in der Regel 5 Paar Kiemensäcke, von denen der letzte nur an seiner Vorderwand eine Blättchen- Pscudobranchicn des Kiemcndeckels und des Spritzloches. 753 Fiff. 731. reihe (die hintere des vierten eigentlichen Branchialbogens) entwickelt, während der erste Sack ausser der vorderen Blättchenreihe des ersten Branchialbogensnoch am Zimgenbeinbogen eine der Nebenkieme der Chimaeren und Ganoiden entspre- chendeKiemeublätt- chenreihe trägt. In- dessen kommt zu- weilen auch noch am Kieferbogen als Kie- menrest die Pseudo- hranchie des Spritz- loches vor, derenGe- fässe dem arteriel- len Kreislaufe ange- hören und ein Wun- deruetz erzeugen. Bei den Teleostiem (Fig. 731 h) und Ga- noiden sitzen die lan- zettförmigen Blätt- chen in Doppelrei- hen den vier als Kiemenbögen fungirenden Visceralbögen auf und bilden jederseits vier kamm- förmige Kiemen, welche in einer geräumigen, von Kiemendeckel und Kiemen- haut überlagerten Kiemenhöhle liegen. Indessen finden sich auch an der Innen- seite des Kiemendeckels Kiemenblättchen als Nebenkiemen, welche bei vielen Ganoiden und Chimaera auch als Kiemen fungiren, bei den Teleostiem aber die respiratorische Bedeutung verloren haben und als Pseudohranclnen des Kiemendeckels unterschieden werden. Zwischen Kiemensäcken und kammförmigen, in einer Kiemenhöhle gelegenen Kiemen steht die Kiemenbildung der Chimaeren, bei denen die Scheidewand zwischen je zwei zu einer Kieme gehörigen Blättchenreihen nur bis zum dista- len Ende dieser letzteren reicht, ohne mit dem Integument in Verbindung getreten zu sein, und eine die Kiemen überdeckende Hautfalte dibulare entspringt. , Aeussere, aus den Spalten der Kiemensäcke hervorragende Kiemen finden sich bei den Embryonen der Plagiostomen, ferner kommen 3 Paar rudimentärer äusserer Kiemen, ausser den hier vorhandenen inneren Kiemen bei Protopterus annectens vor. Horizontalschnitt durch die Kiemenhöhle mit Ansicht des Daches derselben, a eines Haies, h eines Telostiers, nach Gegenb aur, verändert. Nal Nasenloch, Md Mandibel, Zhg Zungenbeiubogen, Kb Kiemenbögen, 0& Oesophagus, Spl Sprilzloch, Br Kiemen, S}) Kiemenspalten, Se Septa der Kiementaschen, Psh Pseudobranchie des Kiemendeckels (Kiemeudeckelkieme), Oj) Kiemendeckel. Fisr. 732. Kopf von Aiiahas si-aiulfii.t (regue animal) nach Abhebung des Kiemendeckels, um die geräumigen oberen Schlundknochen zu zeigen. am Hinterrande des Hyoman- C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. 48 754 Pisces. Accessorische Athniungsorgane. Kreislauf des Blutes. Fi^. 733. Als accessorisclieAthmuugsorgane sindNebenräiime der Kiemenhöhle zu betrachten, welche die rcspirirende Oberfläche durch Entwicklung eines Capillar- uetzes vergrössern. Dieselben stellen entweder labyrinthförmige Höhlungen in den oberen Schlundknochen {Lahyrinthfische) (Fig. 732) dar, oder sack- förmige Ausstülpungen der Kiemenhühlenschleim- haut (Saccohranchus, Amphipnous). Wahre, aus der Schwimmblase entstandene Lungen mit inneren zelligen Bäumen, kurzer Luftröhre und Glottis- artiger Einmündung in den Schlund kommen bei Lepidosteus und den Dipnoern vor (doch ist nach Hyrtl auch die Schwimmblase von Gymnarclms Lunge). Der Kreislauf des rothen (bei Amphioxus und den Leptocephah'den weissen) Blutes geschieht innerhalb eines geschlossenen Gefässsystems, an welchem mit Ausnahme von Amphioxus ein mus- kulöser pulsirender Abschnitt als Herz auftritt. Dasselbe (Fig. 733) liegt weit vorne an der Kehle unter dem Kiemengerüst, von einem Herzbeutel umschlossen, dessen Innenraum bei den Plagio- stomen, Chimaeren, Stören etc. mit der Leibes- höhle communicirt. Das Herz erscheint als ein- faches venöses Kiemenherz, aus einem dünnwan- digen weiten Vorhof und einer sehr kräftigen muskulösen Kammer zusammengesetzt, welche von jenem durch zwei Taschenklappen getrennt ist. Der Vorhof nimmt das aus dem Körper zurück- kehrende venöse Blut auf, die Kammer führt das- selbe durch eine aufsteigende Aorta nach den Re- spirationsorganen. Die Aorta beginnt mit einer zwiebelartigen Anschwellung {Bulbus arterwsiis), an deren Stelle bei den Ganoiden, Plagiostomm, Dipnoern eine selbständig pulsirende Herzab- theilung mit Reihen halbmondförmiger Klappen (Conus arteriosus) auftritt. Während die Fische mit einfachem, nicht muskulösem Aortenbulbus nur zwei Taschenklappen an dessen Ursprung auf- zuweisen haben, besitzen die genannten Ord- nungen meist 2 bis 4, selten 5 Reihen von je 3, 4 und zahlreichen Taschen- klappen in dem Conus arteriosus. Die Aorta theilt sich in eine Anzahl paarigar, den embryonalen Aortenbögen entsprechender Gefässbögen, welche als Kiemen- arterien in die Kiemenbögen eintreten und Zweige zur Bildung der respira- torischen Capillarnetze an die Blättchen abgeben. (Fig. 81.) Aus den Capillar- KreislaufsorgaueeiiiesKuochenfisches, schematisch. T Ventrikel, i5a Bulbus arteriosus mit den Arterienbögen, welche das venöse Blut in die Kiemen führen. Ah Arterienbögen, Äo Aorta descendens, zu welcher die aus den Kiemen austretenden P.pibranchial- arterien zusammentreten, N Niere, D Darm, Lk Leberpfortaderkreislauf, De Ductus Cuvieri. Cardlualvenen. Pfortaderkreislauf (U'r Leber und Niere. Ilarnorgane. 755 netzen gehen Gefässe hervor, welche an jedem Kiemenbogen zu einer grösseren Kiemenvene (Epibranchialarterie) zusammenfliessen. Letztere vereinigen sich, der Yertheilung der Kiemenarterien entsprechend, zur Bildung der grossen Körperarterie, Aoria descendens, lassen aber schon vorher, und zwar aus den Epibranchialarterien des oberen Bogens, die Gefiisse des Kopfes hervorgehen. Die Anordnung der Hauptvenenstämme schliesst sich bei den Fischen am nächsten den embryonalen Verhältnissen an. Entsprechend den vier Cardinal- venen des Embryos führen zwei vordere (Jugularvenen) und zwei hintere Cardinalvenen das venöse Blut zurück, indem sich dieselben jederseits zu einem Quercanal (Ductus Cuvieri) vereinigen ; letztere münden in einen hinter dem Atrium gelegenen Sinus venosus ein. Durch Einschiebung eines doppelten Pfortadersystems gestaltet sich jedoch der Lauf des zurückkehrenden venösen Blutes complicirter. Aus den Aesten der Caudalvene, die bei den Cyclostomen und Selachiern in beide Cardinalvenen, bei vielen Teleostiern nur in die rechte Cardinalvene übergeht, entwickelt sich der Pfortaderkreislauf für die Niere, aus welcher das Blut dann ebenfalls in die Cardinalvenen gelangt. Zum Pfort- aderkreislauf der Leber dagegen wird das Venenblut des Darmes verwendet und durch eine einfache oder mehrfache Vene zwischen den beiden Ductus Cuvieri in den Sraus venosus geführt Derartige Capillarsysteme müssen die Fortbewegung des Blutes bedeutend hindern, und so erklärt sich das Auf- treten von sogenannten Nebenherzen an der Caudalvene des Aales und an der Pfortader von Myxine. Der subintestale Venenstamm von Amphioxus kehrt auch am Embryo der Fische wieder, doch kommen alsbald noch die paarigen, zur Seite der Aorta gelegenen Längsvenenstämme des Eumpfes, die Cardinalvenen, hinzu. Am primitivsten ist das Verhältniss bei den Cyclostomen, wo bei Petromyzon die Subintestinalvene neben den Cardinalvenen erhalten bleibt. Bei den übrigen schwindet jene Vene, während sich aus der Vena caudalis.als vena advehens ein Nierenpfortadersystem entwickelt, und die Cardinalvenen unsymmetrisch sich gestalten. Zudem kommt es bei den Selachiern zu einer durch die Einmündung derGenitalvenen am Vordereude der Nieren hergestellten Vereinigung der beiden hinteren Cardinalvenen, wie auch die paarigen an der Einmündung in den Sinus venosus sinuös angeschwollenen Lebervenen eine Verbindung mit den Cardinal- venen eingehen können. Dazu tritt die frühzeitige Complication durch den Dotterkreislauf, indem sich die Subintestinalvene auf dem Dottersacke fortsetzt und entweder als zuführendes Gefäss fungirt( Knochenfische), oder wie bei den ' Selachiern ein Ast der Aorta das zuführende Gefäss ist, und die abführende Dotter- vene hinter der Leber in die Subintestinalvene mündet. Die Harnorgane der Fische (Fig. 734) sind paarige Nieren, welche sich längs des Piückgrates vom Kopfe bis zum Ende der Leibeshöhle erstrecken und zwei zu einem gemeinsamen Gang (meist unter Bildung einer Harnblase) sich vereinigende Harnleiter entsenden. Stets liegen Harnblase und Aus- führungsgang derselben hinter dem DarmcanaL Jener mündet bei den meisten 48* 756 Pisces. Geschlechtsorgane. 734. Kuochenfischeu mit der Geschlechtsöffnuiig geraeinsam oder auf einer beson- deren Papille hinter der Geschlechtsötfnung. Bei den Plagiosiomen und Dip- noern dagegen kommt es zur Bildung einer Kloake, indem bei den ersteren Harnweg nebst Gescbleclits-Ausführungsgängen in den erweiterten Endabscbnitt des Darmrobres hinter dem Eectum einmünden, während bei den Dipnoem die getrennten Harnleiter seitlich in diesen Abschnitt eintreten. Mit Ausnahme hermaphroditischer Formen y^'iQ Serranus und Chrysophrys (sowie Karpfenzwitter) sind die Tische getrennten Geschlechtes, nicht selten mit geringeren (Tinea, Cohitis) oder bedeutenderen (Macropodus) äusseren Geschlechtsunterschieden. Männliche und weibliche Zeugungsorgane verhalten sich jedoch nach Lage und Gestalt oft so übereinstimmend, dass die Unter- suchung ihres Inhaltes zur Bestimmung des Geschlechtes erforderlich ist, zumal da meist auch äussere Geschlechts- unterschiede hinwegfallen. Die Ovarien erweisen sich als paarige (bei den Myxinoiden, sowie bei den Haien und verschiedenen Knochenfischen, wie Perca, Blennius, Cohitis unpaare) bandartige Säcke, welche unterhalb der Nieren zu den Seiten des Darmes gelegen sind. Die Eier entstehen an der inneren quergefalteten Ovarialwandung in geschlossenen Follikeln, in denen sie eine dicke Eikapsel (mit Poren und Mikropyle) erhalten, und gelangen in den inneren Hohlraum der zur Fortpflanzungszeit mächtig anschwellenden Säcke. Dagegen besitzen die mit Aus- nahme der Cyclostomen überall paarigen Hoden eine aus Quercanälchen oder blasigen Räumen zusammengesetzte Structur. Im einfachsten Falle entbehren Hoden und Ovarien besonderer Ausführungsgänge; es gelangen dann die Geschlechtsstoffe nach Dehiscenz der Drüsenwand in den Leibesraum und von hier durch einen hinter dem After befindlichen Genitalporus nach aussen (bei den Rundmäulern, weiblichen Aalen und weiblichen Lachsen). Weit häufiger treten indessen Ausführungsgänge hinzu, sei es wie bei Knochen- fischen als unmittelbare Fortsetzungen der Geschlechtsdrüsen, sei es wie bei den Ganoiden, weiblichen Plagiostomen und Dipnoern als selbständige, mit trichterförmiger Oeffnung frei beginnende Canäle (Müller'sche Gänge). Bei den Knochenfischen vereinigen sich sowohl die beiden Eileiter als Samenleiter zu einem unpaaren Gange, der sich zwischen After und Mündung des Harnweges auf der ürogenitalpapille nach aussen öffnet; bei den Ganoiden dagegen, sowie bei den Plagiostomen und Dipnosrn kommt es zur Bildung einer gemeinsamen Kloake. Aeussere accessorische Begattungsorgane finden sich nur bei den männlichen Selachiern als lange durchfurchte Knorpelanhänge der Bauch- flossen. Nieren von Salmo fario, nach Hyrtl. Ä Nieren, {/ Ureter, Fe Harnblasen-artige Erweite- rung, Ur Ausführungsgang derselben, D Ductus Cuvieri. Foitpflauzuiig. Kntwicklung, 757 Die meisten Fisclie sind Eier legend, nur wenige Teleostier, wie z. B. Änahlcps, Zoarces, die Cyprüuxlonfen u. a., sowie ein grosser Theil der Haie gebären lebendige Junge, welche meist in einem erweiterten, als Uterus fun- girenden Abschnitte der Eileiter die embryonale Entwicklung durchlaufen. Meist tritt die FortpHauzung nur einmal im Jahre, am häufigsten im Frühjahr ein, seltener im Sommer, ausnahmsweise wie bei vielen Salmoniden, im Winter. Nicht selten treten zur Laichzeit Farbenveränderungen und Hautwucherungen, besonders beim männlichen Thiere auf (Hochzeitskleid ). Beide Geschlechter sammeln sich dann oft in grösseren Schaaren, suchen seichte Brutplätze in der Nähe der Flussufer oder am Meeresstrande auf (Häringe ) ; einige unternehmen ausgedehntere Wanderungen, durchstreifen in grossen Zügen weite Strecken an den Küsten des Meeres [Thunfische) oder steigen aus dem Meere in die Flussmündungen auf und ziehen mit Ueberwindung grosser Hindernisse (Salm- sprünge) stromaufwärts bis in die kleineren Nebenflüsse {Lachse, Maifische, Störe etc.), wo sie an geschützten und nahrungsreichen Orten ihre Eier ab- legen. Umgekehrt wandern die Aale zur Fortpflanzungszeit aus den Flüssen in das Meer, aus welchem im nächsten Frühjahre die Aalbrut zu Milliarden in die Mündungen der süssen Gewässer eintritt und stromaufwärts zieht. Die Be- fruchtung des abgesetzten Laiches im Wasser kann als Kegel gelten (daher die Möglichkeit künstlicher Befruchtung und Piscicultur). Indessen findet bei den lebendig gebärenden Fischen, sowie bei den Rochen, Chimaeren und Hunds- haien, welche sehr grosse, von einer hornigen Schale umschlossene Eier legen, eine wahre Begattung und innere Befruchtung des Eies statt. In wenigen Aus- nahmsfällen zeigen merkwürdigerweise die Männchen eine Brutpflege (Hippo- campus, Cottus, Gasterosteus). Die Emhryonalenticicklung der Fische unterscheidet sich von der Ent- wicklung der höheren Wirbelthiere hauptsächlich dadurch, dass die Bildung von Amnion und AUantois unterbleibt. Sowohl die kleineren, mit Mikropyle versehenen Eier der Knochenfische, als die grossen, von einer harten Horn- schale umhüllten Eier der Plagiostomen enthalten eine reiche Menge Nahrungs- dotter und erfahren eine partielle Furchung, erstere mit aequaler, letztere mit inaequaler Furchung. Abweichend verhalten sich die Eier des Amphioxus und der Cyclostomen. Im Allgemeinen verlassen die jungen Fische ziemlich früh- zeitig die Eihüllen, mit mehr oder minder deutlichen Resten des bereits voll- ständig in die Leibeswandung aufgenommenen, aber bruchsackartig vortretenden Dottersackes. Obwohl die Körperform der ausgeschlüpften Jungen von der des ausgebildeten Thieres wesentlich abweicht, fällt doch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine wahre Metamorphose hinweg. Der grösste Theil der Fische lebt in der See, und zwar nimmt die Zahl der Gattungen und Arten mit der Annäherung an den Aequator zu. Uebrigens erscheint der Aufenthalt im süssen oder salzigen Wasser keineswegs für alle Fälle ein exclusiver. Viele, wie die Plagiostomen. sind allerdings fast durch- wegs auf das Meer, andere, wie die Cypriuoiden und Esoeiden, auf die süssen / 58 1- Ordnung. Leptocardii. Gewässer beschränkt, indessen gibt es auch Fische, welche periodisch, nament- lich zur Laichzeit, in ihrem Aufenthalte wechseln. Einige Fischeleben in unter- irdischen Gewässern und sind wie die Höhlenbewohner blind (AmUijopsis spelaeus). Ausserhalb des Wassers sind nur wenige Fische längere Zeit im Stande zu leben, im Allgemeinen sterben die Fische im Trockenen um so rascher ab, je weiter ihre Kiemenspalte ist. Fische mit enger Kiemenspalte (Aale) be- sitzen ausserhalb des Wassers eine ungewöhnliche Lebenszähigkeit. Nach Hancock soll eine Doras-kvi in grossen Schaaren über den Erdboden hin aus einem Gewässer in das andere wandern. Am längsten vermögen, von den Dip- noern abgesehen, einige ostindische Süsswasserfische, deren labyrinthförmig ausgehölte obere Schlundknochen ein vielzelliges Wasserreservoir darstellen im Trockenen zu leben {Anabas scandens). Selbst fliegende Fische fehlen nicht {Exocoetus, Dadylopterus). Auch gibt es zahlreiche Tiefseebewohner, Durch das ausgedehnte Vorkommen fossiler Fischreste in allen geologischen Perioden erhalten die Fische für die Keuntniss der Entwicklungsgeschichte des Thierlebens auf der Erde eine hohe Bedeutung. In palaeozoischen Forma- tionen bilden höchst absonderliche Fischgestalten, wie die der Cephalaspiden (Cephalaspis, Coccosfeus, Pter/chthys), die ältesten Repräsentanten der Wirbel- thiere. Von hier an finden sich bis zur Kreide fast ausschliesslich Knorpel- fische und Ganoiden, unter denen die Formen mit persistenter Chorda und knorpeligem Schädel vorwiegen. Erst im Jura treten Ganoiden mit ausgebil- deterem knöchernen Skelet, runden Schuppen und äusserlich homocerker Schwanzflosse, ebenso auch die ersten Knochenfische auf. Von der Kreide an nehmen die Knochenfische in den jüngeren Formationen an Reichthum und Mannigfaltigkeit der Formen um so mehr zu, je mehr man sich der jetzigen Fauna nähert. L Ordnung. Leptocardii *) (Acrania), Röhrenherzeii. Lanzettförmig, ohne Brust- und Bauchßossen, mit persistire,nder Chorda, ohne Schädelkapsel, mit pidsirenden Gefässstämmen und farblosem Blute. Der lanzettförmige Leib des (von Pallas für eine Nacktschnecke gehal- teneu) Amphioxus (Fig. 735) wird ungefähr 2 Zoll lang und ist mit einem dorsalen und analen, aber strahlenloseu Flossensaum besetzt, welcher sich continuirlich in die lanzettförmige Schwanzflosse fortsetzt. An Stelle der ') Joh. Müller, Ueber den Bau und die Lebenserscheinungen des Branchio- stonia lubricum (Amphioxus lanceolatus). Abbandl. der Berliner Akad., 1842. Kowalevski, Entwicklungsgeschichte von Amphioxus lanceolatus. St. Petersburg, 1867. Derselbe, Weitere Studien etc. Arch. für mikrosk. Anatomie, Tom. XIII. W. Rolph, Untersuchungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. Morph. Jahrb., Tom. II, 1876. P. Langerhans, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. Archiv für mikrosk. Anatomie, Tom. XII. B. Hatschek, Studien über die Entwicklung des Amphioxus. Arbeiten aus dem zool. Institute in Wien, Tom. IV, ISrSl. Derselbe, Mittheilungen über Amphioxus. Zool. Anz., VII. Jahrg., 1884. Körperbau Gefasssystein. 759 Wirbelsäule persistirt die mächtige Chorda, an deren Dorsal- seite das Rückenmark verläuft, dessen vorderer wenig an- geschwollener Abschnitt die Anlage des Gehirns bezeichnet. Auch fehlt eine dem Schädel entsprechende Kapsel. Von Sinnesorganen findet sich ein rudimentäres Auge als unpaarer, am Vorderende des Nervenceutrums in die Nerveumasse ein- gelagerter Pigmentkörper. Ein als Geruchs- und Geschmacks- organ gedeutetes Sinnesorgan besteht aus einer von Sinnes- zellen gebildeten Grube, welche durch ein trichterförmiges Wimperorgan dorsal in die Mundhöhle einmündet. Gehör- organe fehlen. Die links gelegene kleine, als Riechgrube be- zeichnete Vertiefung ist eine Epitheleinsenkung im Umkreise der persistirenden vorderen Oeffnung des Medullarrohres. Die kieferlose Mundöflfnung ist eine längliche, von einem hufeisenförmigen und gegliederten, wimpernde Girren tra- genden Knorpel gestützte Spalte und führt in einen langen geräumigen Sack, welcher, von zahlreichen seitlichen Spalten durchbrochen, die Respiration besorgt. Am Eingange des- selben liegen zwei Schlundsegel und jederseits drei finger- förmige vorspringende Wimperwülste. Die seitlich durch schräg verlaufende Stäbchen gestützte Wandung bildet über den Stäbchen nach innen vorspringende blattförmige Kiemen- falten, zwischen welchen Spaltöffnungen zum Abfliesseu des Wassers in einen oberflächlichen (erst secundär durch das Ueberwachsen einer Hautduplicatur erzeugten ), mittelstPorus an der Bauchseite ausmündenden Raum frei bleiben. Am hin- teren Ende dieses Schlund- und Kiemensackes beginnt das Darmrohr, welches sich in gerader Richtung bis zum Schwänze fortsetzt und durch einen etwas seitlich gelegenen After aus- mündet. Dasselbe sondert sich in zwei Abschnitte, von denen der vordere rechtsseitig einen Leberblindsack bildet. Das Gefässsystem entbehrt eines selbständigen Herzens, an dessen Stelle die grösseren Blutgefässstämme pulsiren. Die Anordnung der Gefässe gestattet einen Vergleich mit dem Gefässapparate von Wirbellosen (Gliederwürmern) und entspricht zugleich in einfachster Form dem Typus der Verte- braten. Ein unterhalb des Athemsackes verlaufender Längs- stamm entsendet zahlreiche an ihrem Ursprünge contractile Gefässe zu den Kiemen. Die vorderste dieser Arterien ist bloss rechterseits vorhanden und setzt sich unterhalb der Chorda zum Anfange der auch die nachfolgenden Kiemen- arterieu aufnehmenden Aorta fort. Das venöse, aus. den Or- ganen zurücktiiessende Blut tritt in ein oberhalb des Leber- 735. ir Aiuphioxus lanceolatus. C Muudcirren, KS Kie- men, L Leber, ^ After- öffnung.A^ die als Nieren gedcuteton Längswül- ste,PPorhs des Kiemen- sackes, Ov Ovarien, Ch Chorda, RM Rücken- mark. 760 T.eptocardii. Fortpflanzung. blindsackes gelegenes Gefäss ein, welches zu dem subbranchialen Längsstamm wird. Das aus dem Darmcanal strömende Blut sammelt sich in einem Gefäss (Lebervene), welches sich jedoch an dem Leberblindsack in feine Verzweigungen auflöst. Erst ein zweites coutractiles Blutgefäss (Hohlvene) nimmt das Blut aus jenen Verzweigungen wieder auf und führt es in den subbranchialen Längs- stamm zurück. Die Blut- körperchen sind farblos. Die Geschlechtsorgane reduciren sich in beiden Ge- schlechtern auf ähnlich ge- staltete, in regelmässigen segmentaleu Anschwellun- gen aufgetriebene Hoden und Ovarien, welche rechts und links in ganzer Länge des Kiemensackes (in Fort- sätzen der Leibeshöhle) sich erstrecken. DieGeschlechts- producte gelangen von hier aus in die Kiemenhöhle und durch den Mund nach aussen. Als Nieren deutet man eigenthümliche Einfaltun- gen, welche das in Längs- wülsten vorspringende Kie- menhöhlenepithel eine kurze Strecke vor dem Porus bil- det. Ein der Niere der übri- gen Vertebraten homologes Organ findet sich linkerseits ventral von der Chorda.Das- selbe besteht aus einem Trichter mit Canal, der sich im ersten Metamer anlegt und in den Kiemendarm zu münden scheint. Die Eier durchlaufen eine totale Eurchung. Die Furchungszellen bilden eine Keimblase, welche sich durch Einstülpung zu einer mit Wimpern beklei- deten Gastrulalarve umgestaltet. Durch seitliche Falten desEntoderms entsteht das Mesoderm, an dem alsbald die Gliederung in Urwirbel auftritt, während sich gleichzeitig aus dem Ectoderm das hinten mit dem Darmrohre communi- cirende vorne frei sich öffnende Nervenrohr entwickelt. Später erfolgt die Eiit\vicklungsgescbjchtevonj4»i;>7/joOT.Tv,oii nungzwischenden Augen. Bei den Mvxmoiden meute von Wirbeloogen, i* knorpeliger Ineil o s •! des Schädelgewölbes, i>' häutiger Theil des besitzt dlc Nascnkapscl auch eine hintere Oeff- Schädelgewölbes, i" Schädelbasis, F Gehör- ^ i t n 1 iiij. ij ^ kapsei, G Nasenkapsel. 6' Nasengaumen- HUng, WClchC denGaUmeU durchbohrtund durch gang, Gr blindes Ende desselben, //Fortsatz eluC KlappCUVOrrichtung gCSChlOSSeU WerdcU des knöchernen Gaumens, ./hintere Deck- ■, t\- r^ • f z sj i platte des Mundes, ^vordere Deckplatte, ^aUU. DieSB ComUlUmCatlOn der NaSGU- UUd L Lippenring, M stieiförmiger Anhang KachenhöMe dlcut zur Einführuug des Wassei's '^''''''""'"' in die Kiemensäcke, da die Mundöifnung beim Festsaugen für den Durchgang des Wassers verschlossen bleibt. Das Gehör- organ reducirt sich auf ein einfaches häutiges Labyrinth, welches das Vesti- p.^ ^.^^ bulum und ein oder zwei Bogengänge enthält. Die von fleischigen Lippen und oft von Bartfäden umgebene Mundöffnimg ist kreisförmig, wenngleich sich die Lip- pen zu einer medianen Längsspalte zusammenlegen können. Dieselbe führt in eine trichterförmige kiefer- lose Mundhöhle, die an dem weichen Gaumen, sowie am Boden mit Hornzähnen bewaffnet ist. (Fig. 739.) Im Grunde des Trichters liegt die Zunge, welche durch stempelartige Bewegungen zum Festsaugen dient. Der aus der Mundhöhle hervorgehende Schlund communi- cirt entweder direct oder durch einen besonderen Gang mit den Kiemenräumen {Petromijzon). Der Darmcanal verläuft in gerader Kichtung zum After und grenzt sich durch eine engere, klappenartig vorspringende Stelle in Magen und Darm ab. Die Leber ist überall wohl entwickelt. Eine Schwimmblase fehlt. Die Kiemen (Fig. 730) liegen zu den Seiten des Oesophagus in 6 oder 7 Paaren von Kiemenbeuteln festgewachseu. Diese öffnen sich einerseits durch äussere Kiemengänge in ebensoviel getrennten Athem- Kopf von Petromijzon riidtinus, von unten gesehen , um die Hörn- Zähne der Mundhöhle zu zeigen, nach Heckel und K u e r. Gesclilechtsorga •"oi'tpHair/.uns;. 763 löchern nach aussen. Bei Myxine hingegen ist jederseits nahe am Bauche nur eine Oeffnung vorhanden, zu welcher sich die äusseren Kiemengänge vereinigen. Andererseits communiciren die Säcke mit dem Oesophagus, aber, von Ämmo- coetes abgesehen, niemals direct durch einfache Oeffnungen, sondern durch innere Kiemengänge oder — wie bei Petromyzon — durch einen gemeinsamen, unter der Speiseröhre liegenden Gang. Das Wasser strömt von aussen durch die äusseren Kiemenöflfnungen oder bei Myxine durch den Nasengang ein und fliesst, wenn die Constrictoren der Kiemensäcke wirken, entweder auf jenem ersteren Wege wieder ab (Petromyzon) oder durch einen besonderen unpaaren Canal der linken Seite nach aussen. Das Herz liegt unter und hinter dem Kiemenkorb, nach der Körperseite hin von einer Verlängerung desselben umlagert. Auch einzelne Gefässstämme können pulsiren, so wenigstens bei Myxine die Pfortader. Der Aortenbulbus entbehrt des Muskelbelages und enthält wie bei den Knochenfischen nur zwei Klappen. Fi.£r. 740. b c d a Petromyzon fluviatUix, nach He ekel und Kner. V, c, d Zur Verwandlung des Ammocoetes branchialis in Petromyzon Planeri, nach v. Siebold, h Kopfende einer augenlosen Larve, von der Seite gesehen, c das- selbe von unten gesehen, d späteres Stadium mit kleinen Augen, in der Seitenansicht. Die Harn- und Geschlechtsorgane besitzen einen einfachen Bau. Die Nieren zeigen bei Myxine ein ursprüngliches Verhalten in ihrem segmentaleu Bau, indem in einem Körpersegmente je ein Harncanälchen nebst Malpighi- schem Körperchen vorkommt. Die Harnleiter münden bei Myxine mit dem Perus genitalis, bei Petromyzon in den Darm. Vor den Nieren findet sich in der Herzgegend noch ein Nierenabschnitt, der bei erwachsenen Thieren nicht mehr fungirt, die Vorniere (Nebenniere Joh. Müller'sj. Dieselbe besteht aus zahlreichen Drüsengängen, welche mit trichterförmiger Oeflfnung in der Leibes- höhle (Pericardialraum) beginnen und in der Jugend in den Urnierengang münden. Die Geschlechtsdrüsen sind in beiden Geschlechtern unpaar, liegen bei Myxine rechtsseitig, bei Petromyzon in der Mittellinie und entbehren stets der Ausführungsgänge. Eier und Samenfäden gelangen zur Brunstzeit durch Dehiscenz der Drüsenwand in den Leibesraum und von da durch einen hinter dem After befindlichen Porus genitalis in das Wasser. Die Petromyzonten durchlaufen eine Art Metamorphose, die schon vor zwei Jahrhunderten dem Strassburger Fischer Baldner bekannt war, aber erst neuerdings von Aug. Müller wieder entdeckt wurde. Die jungen Larven 764 3. Ordnung. Elasmobranchii. (Fig. 740 h. c. d) sind blind und zahnlos, besitzen einen kleinen, von einer huf- eisenförmigen Oberlippe umsäumten Mund und wurden lange Zeit einer be- sonderen Gattung Ammocoetes zugerechnet. Die Cyclostomen leben zum Theil im Meere und steigen zur Laichzeit, zuweilen vom Lachs oder vom Maifisch getragen, in die Flüsse, auf deren Boden sie in Gruben ihre Eier absetzen. Andere sind Flussfische. Sie hängen sich an Steine, todte und lebende Fische fest, welche letztere sie auf diesem Wege zu tödten vermögen, nähren sich aber auch von Würmern und kleinen Wasser- thieren. Die Gattung Myxine schmarotzt ausschliesslich an anderen Fischen, gelangt selbst in deren Leibeshöhle und liefert ein Beispiel eines entopara- sitischen Wirbelthieres. Farn. Mijxinoidae, Inger. Mit schräg abgestutztem Kopfende, lippenlosein, von Barteln umgebenen Saugmund und rudimentären, unter der Haut verborgenen Augen. Das Nasenrohr durchbricht mit hinterer Oeffnung das GaumengewOlbe. Die Kiemensäcke münden äusserlich bald in einer gemeinsamen Oeffnung jederseits am Bauche (Myxine), bald mit 7 Löchern oder asymmetrisch mit 6 Kiemenlüchern an der einen und 7 an der andern Seite [Bdello Stoma). Marin. Myxine [Gastrohranclms Blainv.) glutinosa L. (Fig. 737), Bdel- lostoma heptntrema Job. Müll., vom Cap. Fam. Fetromyzontidae, Neunaugen. Mit 7 äusseren Kiemenspalten an jeder Seite des Halses und einem gemeinsamen inneren Kiemengang, welcher vorne in den Schlund mündet. Die Nasenhöhle endet blind geschlossen. Die runde Mundöffnung ohne Barteln mit fleischigen Lippen, die sich zu einer Längsspalte zusammenlegen können. Petromyzon marinus L., Lamprete von 2 Fuss Länge, steigt mit den Maittschen zur Laichzeit im Früh- jahr in die Flüsse. P. ßuviaiilis L.. Flussneunauge (Fig. 740a). P. Planeri Bloch., kleines Flussneunauge mit Ämmocoetes hranddalis als Larve, wird .5 — 6 Zoll lang. 3. Ordnung. Elasmobranchii*) (Chondropterygii), Selachier. Knorpelfische mit Knochenkörnern in der Haut., mit f/rossen Brud- und Bauchflossen, meist mit ö (selten 6 oder 7) Paaren von Kiemensäcken und Kiemenspalten, mit muskulösem., mehrere Klappenreihen bergendem Comis arteriosus, Spiralklappe des Darmes und als Kloake fungirendem Afterdarm. In ihrer äusseren Erscheinung sind die Selachier (Fig. 741) von allen übrigen Fischen auffallend verschieden, zeigen aber auch unter einander grosse Abweichungen. Ein wichtiges Kennzeichen ist die Form und Lage des Mundes, welcher als breiter Querschlitz auf die untere Fläche der Schnauze rückt. Die Haut schliesst meist zahlreiche Knochenkörner (ossificirte Cutispapillen. P/r^cö/cZschuppen) in sich ein und erhält durch dieselben eine rauhe, chagrin- artige Oberfläche. Zuweilen finden sich auch grössere Knochenschilder reihen- weise aufgelagert, welche durch spitze dornartige Fortsätze, namentlich am ') Vergl. Job. Müller und J. Henle, Systematische Beschreibung der Plagiostomen. mit 60 Steindrucktafeln. Berlin, 1841. Fr. Leydig, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Eochen und Haie. Leipzig, 1852. C. Gegenbau r, Unter- suchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Leipzig, 1872. F. M. Balfour, A monograph on the development of Elasmobranch Fishes. London, 1878. C. Hasse, Das natürliche System der Elasmobranchier. Jena, 1879. Körperbau. Kiemen. 761 Schwänze (Rochen), zum Schutze dienen (Ichthyodorulithen). Alle Selachier besitzen grosse Brust- und Bauchflossen. Die ersteren sind durch ein knorpeliges Schultergerüst an dem Hinterhauptstheil des Schädels oder an der vorderen Partie der Wirbelsäule befestigt und halten entweder als scharf abgegrenzte Euderflossen eine mehr senkrechte Lage am vorderen Abschnitt des spindel- förmigen Leibes (Chimaereu und Haie) ein oder erscheinen mächtig vergrössert in horizontaler Lage zu den Seiten des Körpers ausgebreitet (Rochen). Im letzteren Falle reichen sie vermittelst der sogenannten Schädelflossenknorpel bis an das vordere Ende d-er Schnauze und lehnen sich durch hintere Suspen- sorien an das Beckengerüst der Bauchflosseu an. Diese liegen stets in der Nähe des Afters und tragen im männlichen Geschlechte als Hilfsorgane der Begat- tung eigenthümliche, rinnenförmig ausgehöhlte Knorpelanhänge. Auch die unpaaren Flossen können wohl entwickelt und mit Rücksicht auf die wechselnde Zahl und Lage von systematischer Bedeutung sein. Zuweilen erhält sich vor den Rückenflossen ein spitzer Knochenstachel, der ebenso wie die haken- und dornförmigen Fortsätze an den Knochenstücken der Haut als Waffe dient. Auch Fig. 741. Acarithiati rulijaris. Sjil Spritzloch, Ks Kiemenspalten können isolirte Stacheln auf der Rückenfläche des Schwanzes {Trygon) vor- kommen. Die Schwanzflosse zeigt stets eine ausgeprägte äussere Heterocercie. Der Schädel bleibt eine ungetheilte Knorpelkapsel, deren Basis bald (Chimaeren und Rochen) auf der Wirbelsäule' des Rumpfes articulirt, bald wirbelähnlich ausgehöhlt ist. Der knorpelige Kieferbogen wird in der Schläfen- gegend mittelst des Kieferstiels (HyomamUhulare) am Schädel suspendirt. Der Oberkiefer-Gaumentheil {Pcdciioquadratum) ist mit der Schädelkapsel idie Chimaeren ausgenommen) beweglich verbunden; vor dessen Vorder- rande findet sich eine Anzahl paariger Knorpelstäbe, die Labialknorpel. Palato- quadratum und Unterkiefer tragen in der Regel eine reiche Bezahnung. Auch die Wirbelsäule mit ihren Chordaresten zeigt eine vorherrschend knorpelige Beschaff'enheit, doch kommt es bereits zur Bildung discreter biconcaver Wirbel, deren Gestaltung zahlreiche Verschiedenheiten bietet. Ueberall finden sich auch obere und untere Bogenschenkel, die bald gesondert bleiben, bald mit den Wirbelkörpern verwachsen. Rippen treten nur als knorpelige Rudimente auf. Li der Kiemenbildung (Fig. 731) weichen die Selachier insofern von den Knochenfischen wesentlich ab, als sie jederseits fünf Kiemensäcke besitzen, an deren durch die knorpeligen Seitenstrahlen der Kiemeubögen gestützten 766 Elasmobrancbii. Bczahnung. Gebirn. Sinnesorgane. Zwischenwänden die Kiemenblättclien in ihrer ganzen Länge festgewachsen sind. Diese Kiemensäcke sind verhältnissmässig weit nach hinten gerückt und münden durch ebenso viele Spaltöffnimgen nach aussen, welche bei den Haien an den Seiten, bei den Rochen an der ventralen Fläche des Leibes liegen. Bei den Chimaeren münden dieselben jederseits in eine gemeinsame Kiemenspalte, über welche sich eine Hautfalte vom Kiefersuspensoriura aus an Stelle des Kiemendeckels ausbreitet. Häufig finden sich an der oberen Kopffläche hinter den Augen (dem Gehörgang entsprechende) Spritzlöcher, welche zum Aus- spritzen des Wassers aus der Rachenhöhle verwendet werden. Die Bezahnung wechselt mannigfach. Bald {HexancJms, Acanthias) ist die ganze Mundhöhle bis zum Anfang des Oesophagus mit kleinen Zähnen der Schleimhaut bedeckt (Placoidschuppen ' ), bald treten grössere Zähne auf, welche auch überall der Schleimhaut angehören und reihenweise den walzenförmigen Rand der Kiefer überziehen, so dass die jüngeren hinteren Zahureihen ihre Spitzen nach innen, die älteren mehr oder minder abgenutzten vorderen Reihen die Spitzen nach oben und aussen kehren. Bei den Haien wiegen dolchförmige oder sägeförmiggezähnelte Zähne vor, während für die meisten Rochen konische oder pflasterförmige Mahlzähne charakteristisch sind. Der Nahrungscanal er- weitert sich zu einem geräumigen Magen, bleibt aber verhältnissmässig kurz und enthält im Dünndarm eine schraubenförmig gewundene Schleimhautfalte, die sogenannte Spiralklappe, Avelche die resorbirende Oberfläche wesentlich vergrössert. (Fig. 729.) Eine Schwimmblase fehlt stets, wenngleich die Anlage derselben oft nachweisbar ist. Das Herz ^) besitzt einen muskulösen Conus arteriosus, welcher ein selbständig gewordener Theil der Kammer ist und zwei bis fünf Klappenreihen enthält. Auch durch die Bildung des Gehirnes und der Sinnesorgane stehen die Selachier als die höchsten Fische da. (Fig. 726.) Die Hemisphären zeigen bereits Längs- und Quereindrücke, sowie Spuren von Windungen auf ihrer Oberfläche und sind von verhältnissmässig bedeutender Grösse ; auch kann sich das kleine Gehirn so sehr entwickeln, dass von ihm der vierte Ventrikel ziemlich bedeckt wird. Die beiden Sehnerven bilden überall ein Chiasma und erleiden eine partielle'Kreuzung ihrer Fasern. Die Augen. werden bei den Haien nicht allein durch freie Augenlider, sondern oft auch durch eine bewegliche Nickhaut geschützt. Die Harnorgane der Plagiostomen sind paarige Nieren, an welchen sich zuweilen die Wimpertrichter (Nephrostomen) erhalten. Dieselben münden in die Kloake. Die Geschlechter sind an der Form der Bauchflossen leicht unterscheidbar. Stets findet eine wahre Begattung statt. Die weiblichen Geschlechtsorgane bestehen aus einem grossen einfachen oder doppelten Ovarium und paarigen 1) 0. Hertwig, Jen. naturw. Zeitsehr., Tom. VIII, 1874. ^) C. G egenbaur, Zur vergleichenden Anatomie des Herzens. Jen. naturw. Zeitschr., Tom. II. 18G6. CJesehlechtsorgaue. Fortpflau: 767 Fio^. 742. drüseureichen Oviducten, welche von jenem gesondert mit einem gemeinsamen tricliterförmigeu Ostiiim beginnen und in ihrem weiteren Verlaufe je eine Uterus-ähnliche Erweiterung bilden. Beide Eileiter münden vereinigt (nur bei den Chimaeren getrennt) hinter den Harnleitern in die Kloake ein, (Fig. 729.) Die Eier bestehen aus einem grossen Dotter und sind von einer Eiweissmasse und bald von einem dünnhäutigen, in Falten gelegten Chorion, bald von einer derben, perga- meutartigen flachen Schale umschlossen, welche sich in vier hornartige Auswüchse oder in gedrehte Schnüre zur Befestigung an Seepflanzen verlängert. Im letzteren Falle werden die Eier abgelegt (die meisten Rochen und Hunds- haie), im ersteren dagegen (Zitterrochen und lebendig gebärende Haie) gelangen sie im Uterus zur Entwicklung. Dann liegen die Eier während der Entwicklung des Keimes den Wandungen des Fruchtbehälters dicht an, indem sie mit den Falten ihrer Eihaut zwischen die Runzeln der Uteruswandung eingreifen. Auf diese Weise wird die Zufuhr von Nahrungsmaterial ermöglicht. Selten wird die Verbin- dung von Mutter und ^^' Frucht eine viel engere ■ und durch eine wahre, fin- den glatten Hai schon von Aristoteles gekannte Dottersackplacenta ver- 3riisfi-lux J,u,,. ,,.iu. 1 II w .i. - Wi- plaeenta {Dp) in Verbiuduiig mit de i. lus,, durcli diu Dotter^iack- Utoni-^, nach J o li M ü 1 1 p r. mit äusseren Kieme Nh Dottergang. Sp Spritzloch, M Mund, mittelt. (Fig. 742.) Wie ^"''■^'° ^"^ ^'"""" Joh. Müller') nachge- wiesen hat, bildet der langgestielte Dottersack bei deuEmbryonen von Mustelus laevis und Cm-cÄar/asarten eine grosse Menge von Zöttchen, welche, von der zarten Eihaut überzogen, nach Art der Cotyledonen bei Wiederkäuern in ent- sprechende Vertiefungen der Uteriuschleimhaut eingreifen. Auch in anderer Hinsicht zeigen die Embryonen der Plagiostomen bemerkenswerthe Eigeu- thümlichkeiten, wie insbesondere in dem Besitze von embryonalen äusseren Kiemenfäden (Fig. 743), welche lange vor der Geburt verloren gehen. ') Vergl. Job. Müller, Ueber den glatten Hai des Aristoteles. Abhandl. der Berliner Akad., 1840. Holoceiihali. l'lagiostomi. Die Plagiostomen sind fast durchweg Meeresbewohner, nur wenige finden sich in den grösseren Flüssen Amerikas und Indiens. Alle nähren sich als Fleischfresser von grösseren Fischen oder Krebsen und Muschelthieren. Einige wenige (Zitterrochen) besitzen ein elektrisches Organ. In den palaeozoischen Formationen sind mit Ausnahme von Pleuracanthus nur Stachel- und Zahn- reste erhalten. Von der Secundärzeit an aber wird die Vertretung eine voll- ständigere und reiche. 1. Unterordnung. Holocephali, Chimaeren. Selachier mit fest am Schädel verwachsenem Oberkiefer-Gaumenapparat, einfacher äusserer Kiemenspalte und kleiner Kiemendeckelmembran. Der dicke, bizarr gestaltete Kopf besitzt grosse, der Lider entbehrende Augen. An der unteren Fläche der Schnauze liegt die kleine Mundöffnung. Der Oberkiefer-Gaumenbogen ist mit dem Schädel fest verwachsen, während der Unterkiefer au einem stielförmigen Fortsatz des Schädels (Hyomandibulare) arti- culirt. Die Kiefer tragen nur wenige (oben 4, unten 2) Zahnplatten. Die nackte Haut ist von mächtigen Gängen des Seitenorgans durchsetzt. Spritzlöcher fehlen. Anstatt der Wirbelkörper finden sich dünne ringförmige Knochenkrusten in der Chordascheide. ^^"- ^^^- Sie legen Eier mit horniger Schale ab. Fam. Chimae- iiilae, Seekatzen. OJnniaera monstro- ^a L (Fig. 744), 11(11 (hsche Meere, Mittelmeer. Cal- Im Injnchus antarc- (rigue aniraal). ticus LaC, Cap, Südsee. 2. Unterordnung. Plagi'ostomi [Selachü], Quermäuler. Selachier mit weit nach hinten gerückter querer Mundöffnung, gesonderten Wirbelkörpern und mehr oder minder reducirter Chorda, mit 5 (ausnahmsweise 6 oder 7) äusseren Kiemenspalten an jeder Seite. Die Nasenöffnungen liegen an der unteren Fläche der Schnauze etwas vor der quergebogenen Kachenspalte. Die Haut ist selten nackt, meist durch eingelagerte Knochenkörner chagrinartig, oder auch mit Kuocheuplatten und Schildern bedeckt. Der Oberkiefer- Gaumenapparat ist von der knorpeligen Schädelkapsel beweglich gesondert. l.Trihus. Squalides, Haifische. Plagiostomen von spindelförmiger Gestalt, mit seitlichen Kiemenspalten, freien Augenlidrändern, unvollständigem Schulter- gürtel, ohne Schädelflossenknorpel. Der Körper zeigt eine spindelförmige Gestalt, trägt die Brustflossen mehr oder minder senkrecht und endet mit einem kräftigen, an der Spitze nach auf- Rajides. 769 wärts gebogenen Schwanz. Indessen gibt es aucli Formen, die sich rücksicht- lich der Köi-pergestalt an die Kochen anschliessen und den Uebergang zu diesen letzteren bilden (ßquatina). Die Bezalinung wird meistens durch zahl- reiche Keihen spitzer, dolchförmiger Zähne gebildet. Die Familien werden hauptsächlich nach Zahl und Lage der Flossen, nach dem Vorhandensein oder Mangel von Spritzlöchern und einer Nickhaut, sowie nach Form und Bildung der Zähne unterschieden. Farn. ScyUndae, Hundshaie. Scyllium canicula L., europäische Küste. Farn. CestracionUdae. Cestracion Philippü Blainv. , ostindischer Archipel. Zähne breit, pflasterförmig. Farn. Lamnidae, Kiesenhaie. Lamna glauca Müll. Henle. Selache macima Guuu., bis 32 Fuss laug. Farn. Carchariidae, Menschenhaie. Carcharias glaucus Eond., mit Dottersackplacenta. C. lamia Kisso, beide im Mittelmeer und Ocean. Zygaena malleus Risse, Hammertisch. Fam. Galeidae. Glatthaie. Galeus canis Eond., europäische Meere. Mustelus vul- garis Müll. Henle und laevis Eond.; letzterer ist der glatte Hai des Aristoteles, mit Dottersackplacenta; beide im Mittelmeer. Fam. Notidanidae, Grauhaie. Notidanus (HexancJms) griseus Gm. Mit 6 Paaren von Kiemensäcken. (Fig. 726.) ^V. [HeptancJms) cinereus Gm. Mit 7 Paaren von Kiemen- säcken, im Mittelmeer und Ocean. Fam. Spinacidae, Dornhaie. Acanthias v/dgaris Eisso (Fig. 741), von den nörd- lichen Meeren bis zur Südsee. Fam. Squatinidae, Meerengel. Squatina vulgaris Eisso (Squaliis sqiuUina L.), euro- päische Meere. 2. Tribus. Rajides, Rochen. Plagiostomen von platter Körperform, mit fünf Kiemenspalten an der Bauchfläche einwärts von den Brustflossen, mit vollständigem Schultergürtel und Schädelflossenknorpeln, ohne Analflosse. Durch die Grösse und horizontale Ausbreitung der Brustflossen erhält der platte Körper die Form einer breiten Scheibe, welche sich in den dünnen und langen, häufig mit Dornen, selten mit einem oder zwei gezähnelten Sta'cheln bewaffneten Schwanz fortsetzt. Die kurzen dicken Kiefer tragen entweder kleine pflasterförmige, neben einander in Keihen geordnete Kegelzähne oder breite tafelförmige Zahnplatten. Die Rochen halten sich mehr in der Tiefe des Meeres auf und ernähren sich besonders von Krebsen und Mollusken. Die Zitter- rochen besitzen zwischen den Flossenknorpeln und den Kiemensäcken einen elektrischen Apparat, mit welchem sie selbst grössere Fische zu betäuben im Stande sind. (Fig. 144.) Viele erreichen die immerhin bedeutende Grösse bis iO, ja 12 Fuss. Fam. Squatinorajidae, Hairochen. Pristis antiquorum Lath., Sägefisch, Ocean und Mittelmeer. Rhinohatiis granulatus Cuv., Ostindien. Fam. Torpedidae, Zitterrochen. Torpedo marmorata Eisso, Mittelmeer und Ocean. Nareine brasiliensis v. Ott. Fam. JRajidae, Rochen. Eaja clavata L., R. miraleti'is L., europäische Küste. Fam. Trygonidae. Stechrochen. Trygon paatinaca L. [Pastinaca marina Beil.), Atlantischer Ocean. Fam. Myliobatidae , Adlerrochen. Myliohalis aquila L., Mittelmeer. U. Cluu.-i: Lehrbuch der Zoologie. ;>. Aufl. 49 770 ■*• Orduung. Ganoidci. 4. Ordnung. Ganoidei '), Schmelzschupper. Knorpel- und Knochenfische mit Schmelzschuppen oder Knochenschildern der Haut, mit Flossenschindeln (Ftdcra), mit muskulösem Conus arteriosus und Klappenreihen in demselben, mit kammförmigen, von einem knöchernen Deckel überlagerten Kiemen und mit Spiralklappe des Darmes. Vornehmlich in den älteren Formationen {Sauroiden, Lepidoiden, Pyc- nodunten) war die Ordnung reich und mannigfach vertreten, während sie gegenwärtig nur wenig lebende Repräsentanten (Lepidosteus, Polypterus, Cala- moirhthgs, Ämia, Äcipenser, Scaphirhynchus, Spatidaria) besitzt. Die Grenze nach den Teleostiern hin ist kaum festzustellen, da wir keinen einzigen abso- luten Dift'erenzialcharakter allen Ganoiden gemeinsam finden (selbst die Spiral- klappe des Darmes ist bei Amia und Lepidosteus rudimentär). Der für die Bezeichnung massgebende Charakter liegt in dem Besitze von Schmelzschuppen, die meist rhombisch geformt und stets mit einer glatten Fig. 745. Schmelzlage überzogen sind und, durch gelenkige Fortsätze verbunden, in schiefen Binden den Körper umgürten. (Fig. 745.) Nach der Beschaffenheit des Skeletes erweisen sich die Ganoiden theils als Knorpelfische, theils als Knochenfische. Es beginnt das Skelet sowohl bei fossilen, als unter den jetzt lebenden Fischen (Stör) mit Formen, welche durch die Persistenz der Chorda und die Bildung knöcherner Bogenstttcke den An- schluss an die Chimaeren vermitteln. Stets findet sich über der knorpeligen Schädelkapsel eine äussere knöcherne Schädeldecke, sowie auch das Kiefer- suspensorium, die Kiefer, Kiemenbögeu und Kiemendeckel eine knöcherne Beschaffenheit besitzen. Bei den sogenannten Knochenganoiden wird der Pri- mordialschädel durch einen knöchernen Schädel mehr oder minder vollständig verdrängt und die Wirbelsäule in allmäliger Ausbildung zu einer knöchernen umgestaltet, indem die Wirbel durch verschiedene Zwischenstufen (Halbwirbel fossiler Ganoiden) die biconcave Wirbelform der Teleostier erhalten und bei Lepidosteus eine Entwicklungsphase erreichen, welche durch vordere Gelenk- köpfe an die opisthocoelen Wirbel der Amphibien anschliesst. Auch treten ziemlich allgemein knöcherne Rippen auf. ') Job. Müll er, lieber den Bau und die Grenzen der Giinoiden. Abliandl. der Berliner Akad., 1846. J. Hyrtl, Ueber den Zusammenhang der Geschlechts- und Harnwerkzeuge bei den Ganoiden. Denkschr. der k. Akad. der Wissensch., Tom. VIII, Wien 1854. Chr. Lütkeu, Ueber die Begrenzung und Eintheilung der Ganoiden. üebersetzt von Willenioes-Suhm. Palaeontograpbica, 1872. ChondrostcM. (Jro.ssopterygii. 771 Die Schwanzflosse ist gewOliiilieli lieteroeerk und iiinimt zuweilen in ilirem oberen Lappen das Ende der AVirbelsäule auf, docli gibt es allmälige Ucber- gänge bis zur {dtphycerken) Homocercie. Eigenthünilicb sind den meisten Ganoiden stachelartige Schindeln, Frdcra, welche den oberen Rand und ersten Strahl der Flossen, namentlich der Schwanzflosse, in einfacher oder doppelter Reihe bekleiden. („Jeder Fisch mit Fulcra am vorderen Rande einer oder mehrerer Flossen ist ein Gauoid". Joh. Müller.) Anatomisch schliesseu sich die Ganoiden in vielen Charakteren den Se- lachiern au. Der obere Theil der Herzkammer bewahrt als Conus arteriosus die Bedeutung eines rhythmisch pulsireudeu Herzabschnittes. Auch finden sich im Innern des letzteren mehrere Längsreihen von Klappen, welche bis an den oberen Rand des muskulösen Conus reichen und während der Pause des Herz- schlages den Rücktritt des Blutes aus der Arterie in den Conus verhindern. Dagegen liegen die kammförmigen Kiemen wie bei den Teleostiern frei in einer Kiemenhöhle unter einem Kiemendeckel, welchem oft noch eine grosse, venöses Blut empfangende Kieme augehört. Diese respiratorische Nebenkieme (Kiemendeckelkieme) fehlt bei Amia^ Spatularia^ und ist von der Pseudo- branchie des Spritzloches wohl zu unterscheiden, mit der sie zugleich vorhanden sein kann. Alle besitzen eine Schwimmblase mit Luftgang, sowie zwei Oeff- nungen von Peritonealcanälen zu den Seiten des Afters (wie die Chimaeren und Plagiostomen ). Die Sehnerven laufen nicht kreuzweise übereinander, sondern bilden ein Chiasma mit partiellem Austausch der Fasern. Die Geschlechts- organe zeigen mehrfache bemerkeuswerthe Eigenthümlichkeiten. Die beiden Eierstöcke lassen die reifen Eier in die Bauchhöhle gelangen. Aus dieser treten letztere in einen trichterförmig beginnenden Eileiter, welcher in den Harn- leiter oder in das entsprechende Hörn der Harnblase (Spatularia, Lepülosteus) einmündet, oder auch, mit dem Oviduct der anderen Seite vereinigt, hinter dem After durch einen einfachen Genitalporus, welcher die Urethra aufnimmt, ausführt (Hyrtl). In jenen Fällen führt von der Blase ein Canalis urogenitalis nach dem hinter dem After gelegeneu Urogenitalporus. Auch im männlichen Geschlechte fungiren auffallenderweise die nämlichen Abdominaltrichter als Samenleiter. 1. Unterordnung. Chondrostc/. Knorpelganoideu mit persistireuder Chorda und nur spärlichen Kiemenhautstrahlen oder ohne dieselben. Schwanzflosse heterocerk, mit Fulcra. Schädelkapsel knorpelig, von Hautknochen überdeckt. Die Zähne sind sehr klein oder fehlen ganz. Haut nackt oder mit Knoehen- l)latten anstatt der Schuppen. Fiiin. Acipenaeridae, Störe. Acipenser sturio L., Stör. A. ruihenns L., Sterlet (Fig. 74(i,) .1. huso L., Hausen. Scaphirhynchus eataphvactus Gray, Mississijjpi. Faiii. Spatularidae, Löffel.stüre. Spatidaria folium Lac. , Mississippi. Sp. gladius Marteiis, Yantsckiang. 2. Unterordnung. Crossoptanjgii^ quastenflossige Ganoiden. Mit zwei breiten Kehlplatten anstatt der Kiemenhautstrahlen und meist zugespitzter 49* Ordnung. Teleostei. (diphycerker) Schwanzflosse. Die Bnisttlossen sowohl wie die weit nachhiuten gerückten Bauchflossen werden von einem beschuppten Schafte getragen, welchen die Strahlen umkleiden. Schuppen bald dünn und cycloid (bei fossilen Formen), bald stark und rhombisch. Führen zu den Dipnoern und Amphibien hin. Fig. 746. , — ^^f^^i- At-ip^um-r ruthenut, nach Heckel und K n e r. Farn. Pohjpteridae, Flösselheclite. Mit rhombischen Schuppen und vieltheiliger, in Flösschen zerfallener Eückenflosse. Afrika. Polypterus bicJiir Geoffr. Mit 8—16 Flösschen. P. senegaius Cuv. (Fig. 745.) Calamoichthys calaharicus Smith. 3. Unterordnung. Euganoüles, Knochenganoiden. Mit rhombischen Schuppen, meist mit Fulcralbesatz am vorderen Rande der Flossen. Zahlreiche Kiemenhautstrahlen. Bauchflossen zwischen Brust- und Afterflosse. Fam. Lepidosttklae. Von langgestreckter hechtähnlicher Kürperform, mit weit nach hinten gerückter Rückenflosse und scharf abgeschnittener heterocerker Schwanzflosse. Lepidosttus platy storaus "Rai. (Fig. 747.), L. osseusL.. L. spatula Lac. Ströme Nordamerikas. Fig. 747. Lepiilosieux i>lut>i-Homua (rogne animal). 4. Unterordnung. Amiades. Knochenganoiden mit grossen runden Schmelz- schuppen, knöchernen Kiemenhautstrahlen und heterocerkem Schwanz, ohne Fulcra. Fani. Amiadae, Kahlhechte. Amia calva Bonap., Flussfische Carolinas. Nähei-n sich am meisten den Knochenfischen (Clupeoideen und Salmoniden). 5. Ordnung. Teleostei, Kuochenfische. Meid heschuppte Fische mit knöchernem Skelet, mit freien (Jederseits meist 4) Kiemen und äusserem Kiemendeckelapparcif, mit Aortenhulhus und zwei Klappen im Grunde desselben, ohne Chiasma der Sehnerven. Die Knochenfische umfassen die bei Weitem grösste Zahl aller Fische und werden durch eine Eeihe anatomischer Merkmale von den Knorpelfischen und Ganoiden abgegrenzt. Sie besitzen einen einfachen Aorteubulbus mit nur Lopliobranchii. Plectoguatlii. 773 zwei Klappen, welche am Ursprünge des Bulbus einander gegenüberliegen; der Bulbus am Arterienstiel der Knoclienfisclie ist keine Herzabtheilung mit selbständiger Pulsatiou, sondern der verdickte Anfang der Arterie. Spritz- löcher und eine Spiralklappe des Darmes kommen niemals vor. Die Sehnerven laufen stets in einfacher Kreuzung (oder Durchbohrung) ohne Chiasma über- einander. Die meist kammförmigen Kiemen liegen wie bei den Ganoiden frei in einer Kiemenhöhle, unter einem Kiemendeckel, welchem sich eine durch Radii branchi'ostegi gestützte Kiemendeckelhaut an- pj,, ^^^ schliesst. Das Skelet charakterisirt sich durch die wohl- gesonderten, meist knöchernen Wirbel und durch den knöchernen Schädel, unter welchem freilich oft noch Reste des ursprünglichen knorpeligen Primordial- craniums zurückbleiben. Nur selten erscheint die Haut nackt oder scheinbar schuppenlos, indem ihre sehr kleinen Schuppen nicht über die Oberfläche hervor- ragen, häufiger treten in ihr knöcherne Schilder und Tafeln, namentlich hinter dem Kopfe auf; in der Regel wird dieselbe von cycloidenoder cteuoiden, dachziegel- förmig gelagerten Schuppen bedeckt. Harn und Geschlechtsorgane münden hinter dem After, entweder gesondert oder vereint auf einer Uro- genitalpapille. Nur wenige Knochenfische gebären lebendige Junge, fast alle legen kleine Eier in sehr bedeutender Menge an geschützten Brutplätzen ab. 1. Unterordnung. Lophohranckü] Büschelkiemer. mppocampus. Männchen mit aev Knochenfische mit gepanzerter Haut, röhrenförmig ver- Bruttasehe (bh,. längerter zahnloser Schnauze, mit büschelförmigen Kiemen und sehr enger Kiemenspalte. Fam. Pegasidae. Körper Fig. 749. abgeflacht, mit grossen flügei- förmig ausgebreiteten Brust- flossen und kleinen Bauchflossen. Pegasus volans L., Ostindien. Fam. Syngnathidae . Von cylindrischer oder seitlich com- primirter Körperform, mit en- ger Kiemenöff"nung und kleinen Brustflossen. Männchen mit Brut- tasche (Fig. 748.) Syngnathus acus L., Eipjtocampiis antüjKorum Leach., Mittelmeer. H. longirostris Cuv., Japan. 2. Unterordnung. PUctognathi, HaftJdefer. Kugelige oder seitlich stark comprimirte Knochenfische mit unbeweglich verwachsenem Oberkiefer und Zwischenkiefer, enger Mundspalte und starkem, oft bestacheltem Hautpauzer, meist ohne Bauchflosseu, mit kammförmigen Kiemen. 1. Tribus. ScUrodermi. Kiefer mit gesonderten Zähnen. Ostracion triquettr (rfegne aui Gymnodontes. Physostomi. :^. Farn. Ostracionidae. KofFerfisclie. Kürperform kolferartig, dreikantig oder vierkantig, oft in hornartige Fortsätze auslaufend, mit festem, aus polyedrischen Knochentafehi gebildetem Hautpanzer, an welchem nur die Flossen und der Schwanz beweglieh sind. Ostracion triqueter L. (Fig. 749), Westindien. 0. quadricornis L., Westafrika. Fam. Balisiidae, Hornfische. Der seitlich comprimirte Körper mit rauhki'rniger oder von harten rhombischen Schuppen bedeckter Haut, oft prachtvoll gefärbt. Balistcs maculatus L., Atlantischer und Indischer Ocean. 2. Tribus. Gymnodontes. Kiefer in einen Schnabel umgestaltet, mit schneidender ungetheilter oder doppelter Zahnplatte. Rückenstachelu fehlen. Fam. Molidae. Orthagoriscus mola BL, Mondfisch. Wärmere Meere. Fam. Tetrodontidae. Diodon hystrix L., Atlantischer und Indischer Ocean. Tetro- don cntanevs Gthr., St. Helena. 3. Unterordnung. Physostomi, Physostomen. Weichflosser mit kammför- migen Kiemen und getrennten Kieferknochen, mit bauchständigen oder ohne Bauchflossen, stets mit Luftgang der Schwimmblase. Fam. Muraenidae, Aale. Mtiraena helena L., Anguilla anguilla L. {vulgaris) Europa. Wandert zur Fortpflanzungszeit im Herbst aus den Flüssen in das Meer und erlangt erst hier die Geschlechtsreife. DieFort- Fig. 7o0. Pflanzungsverhältnisse sind ' —17' -- keineswegs vollkommen auf- geklärt, obwohl Männchen und Weibchen von einander unter- schieden und die beiderlei Sexualorgane nachgewiesen wm'den. Im Frübjahi-e wan- dert die Aalbrut aus dem Meere in die Flüsse zurück. Congtr vulgaris Cuv., euro- päische Küste. AmiMpnous Joh. Müll. Fam. Gymnotidae. Gym- notus electricus L., Zitteraal. (Fig. 750.) Lebt in Flüssen und Sümpfen Südamerikas, wird bis 6 Fuss lang und vermag durch seine elektrischen Schläge selbst grössere Thiere, wie Pferde, niederzustrecken. Berühmt durch die Versuche A. v. Humboldfs. Fam. Clupeidae, Häringe. Mit ziemlich comprimirtem Körper, welcher mit Aus- nahme des Kopfes von grossen dünnen, leicht abfallenden Schuppen bedeckt ist. Clupea harengus L., Häring, in den nordischen Meeren, erscheint besonders an den schottischen und norwegisclien Küsten alljährig zu bestimmten Jahreszeiten in ungeheuren Schaaren. Der Hauptfang geschieht im September und October. C. {Rarengula) sprattus L., Sprott, in der Nord- und Ostsee. Engranlis encrasicholus Rond., Anjovis. Ocean und Mittelmeer. Alausa vulgaris Cuv. Val., Maifisch. Wandert im Mai zur Laichzeit aus dem Meere in die Ströme, z. B. im Rhein bis Basel, im Main bis Würzburg. Wird bis 3 Fuss lang. A. pilchardus Bloch., Sardine, Mittelmeer. Fam. Mormyridae. Kopf, Kiemendeckel und Kiemenstrahlen mit nackter Haut. Haben jederseits am Schwanz ein sogeivanntes pseudoelektrisches Organ. Mornvjrus casdnve Hass.. M. cyprinoides L., Nil. Hier schliesst sich Gyvmarchus Cuv. an. Fam. Esocidac, Hechte. Mit breitem, niedergedrücktem Kopfe, weit nach hinten gerückter Rückenflosse und verdeckten drüsigen Pseudobranchien. Gefrässige Raubfische Gymnoiiis electricus, nach Sai>hs. 775 mit weitgespaltenera Eachen und kräftiger Zahnbewaftuung. Eso.v lucius L., Hecht. Umlra Krameri J. Müll., Hundsfisch. Fam. Salmonidae. Lachse. Mit Fettflosse, einfacher SchAvimmblase und zahlreichen Pförtneranhängen. Die Ovarien sind Säcke, aus denen die Eier in die Bauchliöhle fallen. Zur Laichzeit, die meist in die Wintermonate fällt, zeigen beide Geschlechter oft auf- fallende Unterschiede. Sind grosse Raubfische und gehören vorzugsweise den Flüssen, Gebirgsbächen nnd Seen der nördlichen Gegenden an, lieben klares kaltes Wasser mit steinigem Grunde, haben aber auch im Meere Vertreter, welche zur Laichzeit in die Ströme und deren Nebenflüsse steigen. Coregonus TFar^mamu' Bloch., Ranke, Blaufelchen, in den Alpenseen. ThymaUus vulgaris Nilss. (vexü/ifer), Aesche, Osmerus ex>erlanus L., Stint, Nord- und Ostsee. Salmo salvelinus L., Saibling. S. hucho L., Huchen im Donaugebiet, Fi^. 751. Fig. 752. Untere Schluudkiinehen mit den Zähnen eines Karpfens, nach H e c k e 1 und K n e r. Hhorh'us amants, Weibchen, nach v. Siebold. ein grosser Raubfisch. S. salar L., Lachs. Ä lacustris L., Seeforelle (Schwebforelle), in den Binnenseen der mitteleuroiüischen Alpenländer. S.trutta L., Lachsforelle. S.farioL., Forelle. Fam. Cyprinidae, Karpfen. Süsswasserfische mit enger, oft Barteln tragender Mund- spalte, schwachen zahnlosen Kiefern, aber stark bezahnten unteren Schlundknochen. (Fig. 751.) Cyprinus carpio L., Karpfen. Carassius vulgaris Nilss., Karausche. Tinea vulgaris Cuv., Schleie. Barbus fluviatilis Ag., Barbe. Gohio fluviatilis Flem., Gründling. Bhodeus amarus Bloch., Bitterling. Weibchen mit Legeröhre, bringt die Eier in die Kiemen der Fluss- Fig. 753. Malapterurus eUctricus, nach Cuv i er und Va le n c i en n es. muscheln. (Fig. 752.) Albumus lucidus Heck. Kner, Laube. Leuciscus rutilus L., Roth- auge, Plötze. L. cephalus L., Dickkopf, Schuppfisch. Chondrostoma nasus L., Näsling. Ähraniis hrama Flem., Brachsen. Phoxinus laevis L. Ag., Pfrille. Fam. Acanthopisidae , Schmerlen. Schwimmblase in einer knöchernen Kapsel. Cohitis fossilis L., Schlammpitzger. C. barbatula L., Schmerle. C. taenia L., Steinpitzger. Fam. Cyprinodonlidae, Zahnkarpfen. Süsswasserfische, lebendig gebärend. Cypri- nodon (Lebias Cuv.) calaritanus Cuv., Südeuro'pa. Anableps tetrophthalmus Bl., Guiana. Fam. Siluridae, Welse. Süsswasserfische meist mit breitem niedergedrückten Kopf, starker Zahnbewafl'nung und nackter oder mit Knochenschildern gepanzerter Haut. Silurns glanis L., Wels, Waller. Der grösste Flussfisch Europas. Saccobranclms Cuv. Val. Boras Lac. Hypostomus Lac, Panzerwels. Malapterurus eleclricus L., Zitterwels, Nil. (Fig. 753.) 776 Acauthopteri. 4. Unterordnung. Änacanthim, Anacanihinen. Weichflossenstrahler, welche sich rücksichtlich des inneren Baues durch den Mangel eines Luftgauges der Schwimmblase den Acanthopteri anschliessen, meist mit kehlständigen Bauch- flossen. Fam. Ophidiidne. Oplddium barhatum L., Mittelmeer. Ammodytes tolianus L., Sandaal, Nordsee. Fierasfer actis Brunn. Lebt parasitisch in Holothurien. Mittelmeer. Fam. Gadidae, Schellfische. Gadus morrliua L., Kabeljau, getrocknet kommt er als Stockfisch, gesalzen als Laberdan in den Handel, aus der Leber wird der Leberthran bereitet. Der lange Zeit für eine besondere Art (G. callarias) gehaltene Dorsch ist die Jugendform vom Kabeljau. G. aeghfinus L., Schellfisch, mit schwarzem Fleck hinter der Brustflosse. G. merlangns L., nordeuropäische Küste. Merluccius vidgaris Flem., Mittel- meor. Lata vulgaris Cuv., Quappe, Raubfisch des süssen Wa.ssers (Aalruttenöl). Fam. Pleuronectidae, Seitenschwimmer. Leib comprimirt, scheibenförmig und auf- fallend asymmetrisch. Die nach oben dem Lichte zugekehrte Seite ist pigmentirt (mit Farbenwechsel), die andere pigmentlos. Beide Augen liegen auf der pigmentirten Seite, nach welcher der Kopf gedreht und die Gruppirung seiner Knochen verschoben scheint, nijipo- glossus vulgaris Flem., Fig. 754. Heiligenbutt, nordeuro- päische Kästen. Rhomhus maximus L., Steinbutt. Eh. laeiis Rond., Glatt- butt, europäische Küsten. Fleuronecies phäessa L., Scholle, Goldbutt. PL li- manda L.. Kliesche. PI. flesus L., Flunder (steigt in die Flüsse). Nordeuro- päische Küsten. Solea vul- garis Quens.,Zunge.Nord- see und Adria. Fam. Scomberesoci- dae. Marine Weichflosser mit cycloider Beschup- pung. Untere Schlundknochen verwachsen {Pharyngognatlii). JBelone acus Rond., Hornhecht. Scomheresox saurus Walb.. Exocoetus evolans L., Flughecht. Brustflossen zu Flugorganen ver- grössert. K exiliens L., europäische Meere. E. RondeUtii Cuv. Val., Mittelmeer. (Fig. 754.) 5. Unterordnung. Acanthopteri. Hartflossenstrahler mit kammförmigen Kiemen, meist mit getrennten unteren Scbhmdknochen und brustständigen, selten kehl- oder bauchständigen Bauchflossen, ohne Luftgang an der geschlos- senen Schwimmblase. 1. Tribus. Phoryngognathi. Mit verwachsenen unteren Schluudknochen. Fam. Poniacentridae. Amplii2n-ion hifasdatus Bl., Neu-Guinea. Pomacentrus fasciatiis Bloch., Ostindien. Fam. Labridae, Lippfische. Lebhaft gefärbte Fische mit fleischigen vorstreck- baren Lippen. Lahrus maculatus Bl., europäische Küste. Crenilolrus pavo Brunn. Julis pat-o Hassq., Mittelmeer. Scarus creiensis Aldr., Papageifisch, Mittelmeer. 2. Tribus. Acanthojyteri s. str. Untere Schlundknochen nicht verwachsen. Fam. Percidae, Barsche. Brustflosser mit Ctenoidschuppen, gezähneltem oder be- dorntem Rand des Kiemendeckels oder Vordeckels, mit Hechel- oder Borstenzähnen am Exocoetus Roti^ Kiemenspalte ausgebil- ^^^^ ^" dethat(pag.ll6,Fig.l37; Fig.771).Endlichgehtdie Kiemenathmung durch Rückbildung der Kiemen und deren Gefässe voll- Larve von Ddcti/lcthrd., nach I'arker. x-t i j-r> standig verloren, der Eu- derschwanz verkürzt sich mehr und mehr und wird zuletzt, wenigstens bei den Batrachiern, vollständig rückgebildet (pag. 117, Fig. 138). Bei HyJodex martini- censis fällt die Metamorphose weg und entwickelt sich der Embryo kiemenlos. In den übrigen Gruppen erhalten sich die späteren oder auch früheren Phasen der Entwicklungsreihe durch das ganze Leben, indem bei den Salamandrinen der Ruderschwanz, bei den PereMmbranchiaten zugleich die Kiemen oder wenigstens die äusseren Kiemenspalten {Derotremen) persistiren, und die Ex- tremitäten stummeiförmig bleiben oder selbst nur im vorderen Paare zur Aus- bildung kommen. Das System bildet demnach zur Entwicklungsgeschichte der Einzelformen eine annähernd zutreffende Parallele. Häufig sind die Amphibien nur während der Larvenperiode an das Wasser gebunden, als Laudthiere wählen sie dann im ausgebildeten Zustande feuchte schattige Plätze in der Nähe des Wassers, da eine feuchte Atmosphäre bei der über die Entwicklungsgeschichte der Geburt^;helferkröte. Soluthurn, 184"3. Eusconi, Histoire naturelle, developpement et metamorphose de la Salamandre terrestre. Pavie, 1854. A. Götte, Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig, 1874. O.Hertwig, Die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Jen. naturwiss. Zeitschr., Tom. XV und XVI, 1881—1882. Ordnung. Apoda 791 ausgeprägten Hautrespiration allen Bedürfniss erscheint. Die Nahrung besteht fast durchwegs aus Insecten und Würmern, im Larvenleben jedoch vorwiegend aus pflanzlichen Stoffen. Indessen ist das Nahrungs- bedürfniss bei der geringen Energie der Lebens- vorgänge, bei der Trägheit in den Bewegungen und psychischen Leistungen ein verhältnissmässig ge- ringes. Viele können Monate lang ohne Nahrung ausdaueru und so auch, wie z. B. die Batrachier, .im Schlamme vergraben überwintern. Ueberhaupt zeichnen sich alle Amphibien durch grosse Lebens- zähigkeit, sowie bedeutendes Reproductionsver- mögen aus. Schon zur palaeozoischen Zeit gab es den Schwanzlurchen ähnliche Amphibien, die Stego- cephalen und Ganocephalen. Dieselben erreichten theilweise eine sehr bedeutende Grösse und be- sassen ähnlich den Knochenganoideu eine sehr voll- ständige, von zahlreichen Hautknochen gebildete Bepanzerung der Schädeldecke (darunter ein dop- peltes Occipitale superius) und ein Foramen parie- tale. Die Wirbel waren amphicoel und trugen lange Rippen; die Chorda war in ansehnlicher Stärke erhalten. Für BrancMoscuirna ^) wurden auch ver- schieden grosse Larven bekannt und der Nachweis geführt, dass in Folge fortschreitender Beckenverschiebung in distaler Richtung die Zahl der Praesacralwirbel während der Metamorphose eine grössere wird. Auch die zur Zeit der Trias lebenden Labyrinthodonten {Mastodonsaurus) waren Amphibien. Den jetzt lebenden Schwanzlurchen und Batrachiern zugehörige Formen traten erst zur Tertiärzeit auf. Larve von Ptlohates fuscus, von der Bauchseite dargestellt mit geöffneter Kiemeuhöhle. K innere Kiemen, AI linksseitige Oeffnung der Kiemen- hölile, HS Hornschnabel, Vc vordere Extremität, Hi- Hintere Extremität. 1. Ordnung. Apoda') (Gj mnophiona), Blindwühler. Kleinheschuppte Lurche von lourmförmiger Gestalt, ohne Gliedmassen, mit hiconcaven Wirhein und kurzem Schwanz. Die äussere Haut der lange zu den Schlangen gestellten Blindwühler enthält kleine Schüppchen, welche in quere Ringel bildenden Hautfalten ge- lagert sind. (Fig. 772.) Die innere Organisation, sowie die vorübergehende Kiemenathmung verweist die Blindwühler zu den Amphibien, unter denen sie ') Vergl. H. Credner, Die Stegocephaleii aus dem Rothliegenden des Plauen'schen Grundes bei Dresden. VI. Zeitschr. der deutsch, geolog. Gesellschaft. 1886. ^) Joh. Müller, Beiträge zur Anatomie und Naturgeschichte der Amphibien. Tre- viranus' Zeitschr. für Phys., Tom. IV, 1832. R. Wiedersheim, Die Anatomie der Gyinno- phionen. Jena, 1879. /92 Apoda. Coeciliidae. in mehrfacher Hinsicht am tiefsten stehen. So insbesondere rücksichtlich des Skeletes, welches durch die biconcave Form der Wirbelkörpe.r und die wohl- erhaltene Chorda ausgezeiclÄiet ist. Der knöcherne Schädel mit seinem doppelten Gelenkhöcker zeigt eine feste Verbindung mit den Gesichtsknochen, von denen Kiefer und Gaumenbein kleine nach hinten gekrümmte Zähne tragen. Schulter und Beckengerüst nebst Extremitäten fehlen vollständig. An der unteren Seite des kegelförmigen Kopfes liegt die kleine Mundspalte, vorne an der Schnauze die beiden Nasenlöcher, in deren Nähe sich bei mehreren Gattungen jeder- seits eine blinde Grube bemerkbar macht. Diese sogenannten falschen Nasen-, löcher führen in Canäle (ähnlich den Kopfgruben der Schlangen), welche von Leydig*) als Sinnesorgane betrachtet werden. Die Augen bleiben bei der unter- irdischen Lebensweise der Blindwürmer stets klein und schimmern nur als kleine Fleckchen durch die Haut hindurch. Trommelfell und Paukenhöhle fehlen. Die Blindwühler leben in Südamerika und Ostindien und ernähren sich besonders von Würmern und Insectenlarven. J oh. Müller hat zuerst gezeigt, dass Ichthyophis glutinosusm der Jugend jederseits eine Kiemenspalte besitzt, welche zu inneren Kiemen führt. Da- Fi?. 772. Sijiliiiiiops mexicaiia (ri'gue animal). gegen trägt der Embryo drei Paare von Kiemeubäumchen, welche bald nach dem Ausschlüpfen obliteriren. Nach Gervais soll übrigens Coecilia compressicauda Junge ohne Spur von Kiemenlöchern gebären, was Peters bestätigt. Doch wurden von Letzterem am Nacken der neugeborenen im Wasser abgesetzten Jungen umfangreiche Blasen beobachtet und als Kiemen in Anspruch genommen. Farn. Coeciliidae. Coecilia lumbricoidea Daud., Südamerika. Siphonops mexicana Dum. Bibr. (Fig. 772.) S. annulata Wagl., Brasilien. Ejyicrium Wagl. E. glutinosum = Ichfhi/o- phis gliitinosus Fitz., Ceylon. Als besondere Ordnung der Amphibien hat man die ausgestorbenen, der Trias-, permischen und Steinkohlenformation angehörigen Wickelzähner oder Labyrinthodonten zu betrachten, welche in merkwürdiger Weise Merkmale der Ganoiden mit solchen der Schwanzlurche vereinigen. Sie besassen ein äusseres, von drei breiten knöchernen Brustplatten und kleinen Schildern des Bauches gebildetes Hautskelet, amphicoele Wirbel und in den Crocodil-ähnlichen Kiefern eigenthümlich gefaltete Zähne, denen sie den Namen Wickelzähner verdanken. Auch sind für den Jugendzustand (Archegosaurus) Kiemenbögen nachgewiesen worden. Wahrscheinlich sind die im bunten Sandstein in England und Deutsch- land (Hildburghausen) entdeckten Fussspurcn riesiger Thiere {Chirotherium), ') Fr. Leydig, Ueber die Scbleichenlurcbe (Coeciliae). Ein Beitrag zur anatomi- scben Kenntnis« der Amphibien. Zeitschr. für wiss. Zool., Tom. XVIII, 1868. 2. Ordmins-. Caudata. '93 die von eiuigeu auf Scliildkröteii, von anderen auf Beutelthiere bezogen wurden, auf Labyrintliodonten zurückzuführen. Owen hat wiederum die ältesten Formen mit gepanzertem Schädel als Oanocephala gesondert. Archegosaurus Dcchenü Gold f., Lahiirintliodon RUtmeyeri Wied. 2. Ordnung. C'audat.i = Urodela '), Scliwanzlurche. KachthüuHge langgestreckte Lurche, meist mit vier kurzen Extremitäten und persistirendem Schioanze, mit oder ohne äussere Kiemen. Der nackthäutige Leib endet mit einem langen, meist seitlich eompressen Kuderschwanz und besitzt in der Kegel zwei Paare kurzer, weit auseinander gerückter Extremitäten, welche bei der verhältnissmässig schwerfälligen Fort- l)ew^egung auf dem Lande als Nachschieber wirken, dagegen oft beim Schwimmen als Kuder um so bessere Dienste leisten. Nur ausnahmsw^eise {^Siren) fehlen die Hinterbeine vollkommen, w^ährend die vorderen Extremitäten kurze Stummel bleiben. Einige [Perennibranchiatcn) besitzen zeitlebens neben den Lungen drei Paare von äusseren verzweigten Kiemen. Andere (Derotremen) werfen zwar im Laufe ihrer Entwicklung die Kiemen ab, behalten aber zeitlebens eine äussere Kiemeuspalte an jeder Seite des Halses; viele aber (Salamandrinen) verlieren auch diese letztere vollständig und zeigen sich überhaupt hinsichtlich der gesammten. Organisation als die höchsten Glieder der Ordnung. Bei den ersteren sind die Wirbelkörper noch nach Art der Fischwirbel biconcav und umschliessen wohlerhaltene Öhordareste, dagegen besitzen die ausgebildeten Salamandrinen Wirbel mit vorderem Geleukkopfe und hinterer Gelenkpfanne. Die kleinen, zuweilen rudimentären Augen liegen unter der durchsichtigen Haut und entbehren mit Ausnahme der Salamandrinen gesonderter Lider. Ueberall fehlen am Gehörorgan Trommelfell und Paukenhöhle. Die Nasen- öffnungen liegen an der Spitze der vorspringenden Schnauze und führen in wenig entwickelte Nasenhöhlen, welche das Gaumengewölbe weit vorne, meist unmittelbar hinter den Kiefern durchbrechen. Die Bew^affnung der Kacheu- höhle wird von kleinen spitzen Hakeuzähuen gebildet, welche sich im Unter- kiefer in einfacher, im Oberkiefer und oft auch an dem Gaumenbeine in doppelten Bogenreihen erheben. Die Zunge sitzt fast mit ihrer ganzen unteren Fläche am Boden der Mundhöhle fest. Merkwürdig erscheint das Verhalten des Axolotls, welcher schon von Cuvier, Baird u. A. für die Larve eines Salamandrinen erklärt wurde. Nach den zuerst im Pariser Pflauzengarten von Dumer-il angestellten Beobachtungen verlieren die aus den Eiern des ') Daudin, Histoire naturelle gen. et partic. des Eeptiles. Paris, 1802— 180-i. Aug. Dumeril, Observations sur la reproduction dans la menagerie des Eeptiles du Musee d'hist. nat. des Axolotls etc., sur leur developpement et sur leurs nietamorphoses. Nouv. Arch. du Musee d'hist. nat. de Paris, II, 1860. Alex. Strauch. Revision der Salamandridengattungen. Petersburg. 1870. 794 , Iclithyoidea. Axolotls gezogenen Exemplare unter geeigneten Verhältnissen die Kiemen- büschel und bilden sich zu einer mit der Salamandrinen-Gattuug Ämblysfoma übereinstimmenden Form aus, während die ursprünglich aus Mexico einge- führten Exemplare als Geschlechtsthiere die Pereunibranchiatenform bewahren. Uebrigeus sind auch gelegentlich Tritonarten mit vollkommen entwickelten Kiemenbttscheln geschlechtsreif befunden worden. 1. Unterordnung. Iclithyoidea * ), Kiemenlurche. Mit drei Paaren ^'on äusseren Kiemen oder ohne dieselben, jedoch mit persistirendem Kiemenloche, mit biconcaven Fischwirbeln und wohl erhaltener Chorda, ohne Augenlider. Die Kiemenlurche vertreten unter den Schwanzlurchen sowohl hinsicht- lich der Respiration als der Skeletbildung und gesamraten Organisation die tiefste Stufe und erweisen sich gewissermassen als persistente Entwickluugs- zustände der Salamandrinen. Die Augen sind klein und von der durchsichtigen Körperhaut überzogen. Die Gaumenzähne stehen den Bürstenzähneu der Fische ähnlich in Reihen angeordnet (Siren) oder bilden am Vorderrande der Gaumen- beine einen gekrümmten Bogen. Auch die Extremitäten bleiben schwach und verkümmert, die vorderen enden mit drei oder vier, die hinteren mit zwei bis fünf gegliederten Zehen ; indessen können die Zehen stummeiförmig bleiben und einer deutlichen Gliederung entbehren. Unter den tertiären Resten dieser Gruppe ist besonders der riesige, als Homo diluvii testis berühmt gewordene Andn'as Schenchzeri bemerkenswerth. 1. Tribus. Perenmbranchiata. Mit persistirenden Kiemen, meist ohne Oberkieferknochen. Vomer und Gaumenbein mit Reihen von Zähnen. Fig. 773. JJeuohriDichim lateralis (regne animal). Fam. Sirenidae, Armmolche. Mit aalartig gestrecktem Körper und stummelförmigen Vi irderb einen, ohne Hintergliedmassen. Siren lacertina L., Armmolch, Südcarolina. Fam. Proteidae, Olme. Von langgestreckter cylindrischer Körperform, mit kurzen drcizehigen- Vorderbeinen und weit nach hinten gerückten zweizehigen Hinterbeinen. Nur zwei Kiemenspalten jederseits. Proteus amjuineus Laur., Olra, fleischfarbig, in unter- irdischen Gewässern Krains und Dalmatiens. Fam. Menohranchidae . Körper langgestreckt, mit ziemlich breitem Kopf und vier- zehigen E.\tremitilten. Es erhalten sich jederseits vier Kiemenspalten. Menobranchus la- teralis Say, Mississippi. (Fig. 773.) Soll zu der Gattung Batrachoseps Bonap. in dem- selben Verhältnisse stehen wie Siredon zn Ambli/stoma {Co 'pe). Siredon pisciformis ShA'w . und maculatus Baii-d., Axolotl. Aus den einzeln oder haufenweise im Wasser abgesetzten ') R u s c 0 n i - C 0 nf i g 1 i a c h i, Del Proteo anguino di Laurenti iiionogralia. Pavia, 1818. Hyrtl, Cryptobranchus japonicus. Wien, 1865. SalainaiKirina. 795 Eiovn schlüpfen Larven von 14 bis 1(5 Mm. Länge. ikh'Ii cihne Extremitäten, mit drei Paar Kiemen. Diese verlieren unter geeigneten Bedingungen während der weiteren Entwicklung nach den neuerdings mehrfach bestätigten Beobachtungen Dumeril's Kiemenbüschel, Rücken- und Schwanzkamm und gehen in die Ahlystomaiorm. (zweite Geschlechtsform) über. 2. Tribus. Derotrcma. Ohne Kiemenbüschel, meist mit einem Kiemen- loche an jeder Seite des Halses, mit Oberldeferknochen und meist einreihig gestellten Gaumenzähnen. Fam. AmpJiiumidue, Aalmoh-he. Von aalförmig gestreckter Gestalt, mit kurzen, weit auseinander gerückten Extremitäten. Amplnuma L., A. tridactylum Cuv. (A. means L., mit nur zwei Zehen), Florida. Fam. Meno2)omidae. Von molchförmigem Habitus, mit vier Vorderzehen und fünf Hinterzehen. Menopoma allegkaniense Harl., Pennsylvanien und Virginien. Cryptohranchus japoniciis v. d. Hoev., ohne Kieraenloch, mehr als 3 Fuss lang, Japan. 2. Unterordnung. Salamandrina^), Molche. Ohne Kiemen und Kiemen- loch, mit klappenförmigen Augenlidern und opisthocoelen Wirbeln, Der mehr oder minder eidechsenartig geformte Körper entbehrt im aus- gebildeten Zustande äusserer Kiemen oder Kiemenspalten und besitzt stets vordere und hintere Extremitäten, von denen die ersteren meist mit vier, die hinteren meist mit fünf Zehen enden, üeberall finden sich wohlentwickelte Augenlider. Die Gaumenzähne bilden zwei mitunter in der Mittellinie am Hinterrande der Ossa palatina vereinigte Streifen. Die feuchte, schlüpfrige Haut erhält durch den Reichthum an Drüsen, welche einen scharfen und ätzen- den milchweissen Saft secerniren, eine mehr oder minder unebene warzige Beschaffenheit. Zuweilen häufen sich diese Drüsen besonders in der Ohr- gegend an. Die Wassersalamander legen befruchtete Eier an Pflanzen, die Erd- salamander dagegen setzen ins Wasser lebendige Junge ab, welche ihre Meta- morphose im Uterus des weiblichen Körpers mehr oder minder vollständig durchlaufen haben. Während der gefleckte Erdsalamander 30 — 40 vierbeinige Larven von 12 — 15 Mm. Länge mit äusseren Kiemenbüscheln zur Welt bringt, setzt der schwarze Erdsalamander der höheren Alpenregion nur ein vollkommen ausgebildetes Junges ab; im letzteren Falle gelangt von den zahlreichen Eiern, welche in die beiden Fruchtbehälter eintreten, jederseits nur das unterste zur Entwicklung des Embryos, der sich dann von dem Material der übrigen, zu einer gemeinschaftlichen Masse zusammenfliessenden Eier ernährt und im Uterus sämmtliche Entwicklungsstadien zu durchlaufen im Stande ist, Fam. Tritonidae,, Wassersalamander. Von schlanker Ivörperform, mit seitlich com- primirtem Ruderschwanz. Triton crislatus Laur., grosser Wassermolch. Tr. alpestris Laur., (ifjneus Bechst.j, Bergsalaraander. Tr. taeniaius Sehn., kleiner Wassersalamander.* ') R u s c 0 n i, Amours des Salaraandres aquatiques, Milane, 1821 . D e r .s e 1 b e. Histoire naturelle, developpement et metamorphose de la Salamandre terrestre. Pavie, 1854. v. Sie- bold, Ueber das Receptaculum seminis der weiblichen Urodelen. Zeitschr. für wiss. Zool., 18.')8. Fr. Leydig, Ueber die Molche der würtembergischen Fauna. Archiv für Naturgesch., 1S67. R. Wiedersheim, Salamandrina perspicillata und Geotriton fuscus etc. Genua, 1875. 79Ü 3. Ordiiunf;. Batracliia. Körperbau. Farn. Salavianclridae, Landsalaiiiander. Kürperform plump, mit drehrundera Schwanz. Salamandra maculosa Läur., der gefleckte Erdsalamander, fast über ganz Europa bis Nordafrika verbreitet. S. atra Laur., der schwarze Erdsalamander, im Hochgebirge Süd- deutschlands, Frankreichs und der Schweiz. Sulumandrina perspicillata Say,, Italien und Dalmatien. Pleurodeles Mich. Die Längsreihen der Gaumenzähne in gerader Linie, nicht nach hinten divergirend. PI. Waltlii Mich., Spanien. Spelerpes fuscus Bonap., Italien. 3. Orduung. Batracliia '), Frösche, schwanzlose Lurche. Nackthäutige Lurche von gedrungener Körperforvi, ohne Schioanz^ mit procoelen Wirbeln, verlängerten, oft zum /Springen tauglichen Hinterbeinen und meist mit Paukenhöhle und Trommelfell. Der Körper erscheint kurz und gedrungen und entbehrt des Schwanzes, Am Kopfe fallen die weite Kachenspalte, sowie die grossen Augen rüit meist goldglänzender Iris und wohlentwickelten Lidern auf, von denen das untere durchsichtige als Nickhaut vollständig über den Bulbus emporgezogen werden kann. Die Nasenlöcher liegen weit vorne an der Schnauzeuspitze und sind durch häutige Klappen verschliessbar. Am Gehörorgan kommt meist eine Pauken- höhle zur Ausbildung, welche mittelst einer kurzen weiten Eustachischen Tube mit der Rachenhöhle communicirt und an der äusseren Fläche von einem um- fangreichen, bald freiliegenden, bald unter der Haut verborgenen Trommelfell bedeckt wird. Nur wenige Batrachier sind zahnlos {Pipa, Bufo), in der Regel finden sich kleine Hakenzähne in einfacher Reihe wenigstens am Vomer, bei den Fröschen und Pelobatiden auch am Oberkiefer und Zwischenkiefer. Die Zunge wird nur in einer kleinen Gruppe exotischer Formen vermisst, gewöhn- lich ist dieselbe zwischen den Aesten des Unterkiefers in der Art befestigt, dass ihr hinterer Abschnitt vollkommen frei bleibt und als Fangapparat aus dem weiten Rachen hervorgeklappt werden kann. (Fig. 765.) Am Skelet fehlen in der Regel Rippen, dagegen erlangen die Querfort- sätze der Rumpfwirbel eine bedeutende Länge. Schultergerüst und Becken- gürtel sind überall vorhanden, ersteres durch die feste Verbindung mit dem Brustbein, letzteres durch die stielförmige Verlängerung der Hüftbeine aus- gezeichnet. Das Zungenbein erfährt in seiner definitiven Form bereits eine wesentliche Vereinfachung seiner Theile, indem sich die Kiemenbögen jeder- seits auf ein einziges hinteres Horu des von grossen Vorderhörnern getragenen Zungenbeinkörpers reduciren. In der meist nackten Haut häufen sich an manchen Stellen, besonders in der Ohrgegend, Drüsen mit milchigem scharfen Secrete an und bilden ') Eö sei von Rosenhof, Historia naturalis ranarum nostratium. Nürnberg, 1758. Daudin, Histoire naturelle des Eainettes, des Grenouilles et des Crapauds. Paris, 1802. Rusconi, Developpement de la grenouille commune. Milano, 1826. C. Bruch, Beiträge zur Naturgeschichte und Classification der nackten Amphibien. Würzb. naturw. Zeitschr.. 1862. Derselbe, Neue Beobachtungen zur Naturgeschichte der einheimischen Batrachier, Ebendas., 1863. A. Ecker, Die Anatomie des Frosches. Braunsehweig, 1861—1882. Fr. Leydig, Die anuren Batrachier der deutschen Fauna. Bonn. 1873. Fortpflanzung. 797 dort mächtig vortretende Drüsenvvülste (Parotiden). Auch kommen Drüseu- anhüufungen an den Unterschenkeln {Bufo calamüa) und an den Seiten des Leibes vor. Die Fortpflanzung fällt in die Zeit des Frühjahres. Die Begattung bleibt eine äussere Vereinigung beider Geschlechter und geschieht fast durchgehends im Wasser. Das Männchen, zuweilen durch eine Daumenwarze (Rana) oder Drüse am Oberarm (Felohates) ausgezeichnet, umfasst das Weibchen vom Rücken aus, meist hinter den Vorderbeinen, und ergiesst die Samenflüssigkeit über den in Schnüren oder klumpenweise austretenden Laich. Die einzelnen Eidotter sind von einer zähen, im Wasser aufquellenden G allertschicht umgeben. Der Dotter zeigt an seiner nach oben gewendeten Hälfte eine dunklere Färbung. An diesem Abschnitte beginnt der Ivlttftungsprocess und die zur Bildung der Furchungskugeln führenden Einschnürungen schreiten hier rascher als am hellen Pole vor (pag. 106, Fig. 130). Mit dem Ablauf der Furchung entwickelt sich innerhalb der gebildeten Zellenmasse eine Höhle, welche der oberen Hälfte näher liegt als der specifisch schwereren unteren. An der ersteren entsteht der Keim mitEückenrinne und Rückenwülsten, der rasch und noch vor Schluss der Rückenwülste zum Medullarrohr den Dotter umwächst. Nach Entwicklung der Kiemenbögeu, noch bevor die Mundöffnung zum Durchbruch gelangt ist. ver- lassen die kurzgeschwänzten Embryonen als Kaulquappen, je nach den ein- zelnen Arten verschieden ausgebildet, ihre Eihüllen und legen sich mittelst einer hufeisenförmigen, später in zwei rundliche Sauggruben sich umgestaltenden Haftscheibe, die ähnlich auch an der Kehle der Tritonenlarven — hier freilich als gestielte Haftorgane — auftritt, an die gallertigen Reste des Laiches fest. Die Larven der meisten Arten verlassen die Eihüllen mit mehr oder minder entwickelten Anlagen von drei äusseren, geweihartig sich verästelnden Kiemen- paaren (pag. 116, Fig. 137). Allmälig streckt sich der Leib und bildet den flossenartigen Schwanz aus. Später beginnt die selbständige Nahrungsauf- nahme. Bald nachher verschwinden die äusseren Kiemenanhänge, während eine beiden Seiten gemeinsame Hautfalte nach Art eines Kiemendeckels die Kiemenspalten tiberwächst und sich bis auf eine linksseitige Oeffnung schliesst, durch welche das Wassei' aus den Kiemenräumen abfliesst. (Fig. 771.) Während dieser Vorgänge haben sich neueKiemenblättchen in doppelten Reihen an jedem Kiemenbogen entwickelt. DieMuudöffnung ist von einem Hornschnabelbekleidet, welcher zum Benagen von Pflanzenstoffen, aber auch animalischen Substanzen benutzt wird. Der Darmcanal hat unter vielfachen Windungen eine bedeutende Länge gewonnen, und Lungen sind in Form von länglichen Säckchen aus dem Schlünde hervorgewachsen. Mit fortschreitender Entwicklung brechen an dem Leibe der Kaulquappe dicht an der Grenze des stark entwickelten Ruder- schwanzes zuerst die hinteren Extremitäten hervor, der Kiemenapparat tritt mit dem Fortschritte der Lungenathmung mehr und mehr zurtick, und es folgt eine Häutung, mit der nicht nur der Verlust der inneren Kiemen- blättchen, sondern auch das Hervorbrechen der bereits läns:st in die Kiemen- 798 AglOssa. Oxvdactylia. Fi"-. 774. höhle vorgewachseneu (Fig. 771), unter der Haut verborgenen Yorderglied- massen verbunden ist. Nun fällt auch der Hornschuabel ab, die bisher unter der Haut verborgenen Augen treten frei und in ansehnlicher Grösse hervor, das ausschliesslich Luft athmende Thier ist zu einem vierbeinigen Frosch geworden, der nur noch den Ftuderschwanz zurückzubilden hat, um seine defij nitive Gestalt zu erhalten und als Landthier tauglich zu sein (pag. 117, Fig. 138). Die Batrachier sind zum Theil (Kröten und Laubfrösche) echte Land- thiere, die besonders dunkle und feuchte Schlupfwinkel lieben, zum Theil in gleichem Masse auf Wasser und Land augewiesen. Im ersteren Falle sind die fünf Zehen derHinterfüsse ohne oder nur mit unvollständiger Bindehaut, jeden- falls nur ausnahmsweise (PeJohate.s) mit einer ganzen Schwimmhaut versehen, im letzteren dagegen zeigen die Hinterfüsse in der Kegel ganze Schwimmhäute. Erstere suchen das Wasser meist nur zur Laichzeit auf, kriechen, laufen und hüpfen auf dem Lande oder graben sich Gänge und Höhlungen in der Erde (Pelobates, A/ytes), oder sind durch Haftscheiben an den Spitzen der Zehen befähigt, auf Gesträuche und Bäume zu klettern {Dendrohates, Hyla). 1. Tribus. ^^'/ossa. zungenlose Batrachier. Trommelfell nicht freiliegend. Die Augen nach vorne in die Nähe des Mundwinkels gerückt. Hinterfüsse mit ganzen Schwimmhäuten. Leben in heissen Gegenden besonders der neuen Welt. Farn. Pipiilae. Körper Kröteu-ühnlich. flach, mit zahnlosen Kiefern und Gaumen. Fipa dorsigera Sehn., Wabenkröte, Surinam. Fam. Dactyletlividae. Körper von mehr Frosch- ähnlichem Habitus, mit Zähnen am Oberkiefer und Zwischenkiefer. Xeno^ms [Dactyltthra) cupensis Cuv., Krallenfrosch, Cap. (Fig. 774.) 2. Tribus. OxydactyUa. Batrachier mit frei beweglicher Zunge und spitzen Fingern und Zehen. Fam. Ranidae, Wasserfrösche. Mit langen, zum Sprunge befähigten Hinterbeinen, deren Zehen meist durch ganze Schwimmhäute verbunden sind. Im Oberkiefer, Zwischen- kiefer und meist auch am Yomer finden sich kleine Hakenzähne. Rana esculenta L. = viridis Eösel, der grüne Wasserfrosch, grün mit dunklen Flecken und gelben Längsbinden dos Rückens. Die Schwimmhaut des Hinterfusses bis zur Spitze der Endphalanx. Das Männchen mit zwei Schallblasen. Kommt Ende April aus seinen Verstecken und laicht erst Ende Mai oder Anfangs Juni. Am Ufer stehender Gewässer. R.fusca Eösel — i?. tempo- r(iriaL.= R. platyrlnna Sundev., der braune Grasfrosch, ohne äussere Schallblasen, mit dunklen Flecken in der Schläfengegend und minder umfangreicher Schwimmhaut, erscheint sehr früh und begattet sich schon im März, bleibt aber nur zur Laichzeit im Wasser und sucht später Wiesen und Felder auf. R. oxyrhina Steenstr. = R. arvalis Nils., Feldfrosch, klein, ohne Schallblasen, mit bläulichem Hochzeitskleid im männlichen Geschlecht, im Norden Europas. R. cigilisThom., im südliehen Europa. R mugiensDaud., Ochsenfrosch, Nordamerika. Dactii/cthra capfnsls. III. Classe. Reptilia. 799 Faiii. Felohalidae, Erdfrusclie, Krötenfrösclu-. ]\Iit luelir oder minder warzigx-r, rauher und drüsenreicher Kurperbedeckung und plumper, krüteiiartiger Form, aber mit bezahnten Oberkiefern, Alytes olstetricans Laur., Fesselfrosch, Geburtshelferkröte. (Fig. 769.) Pelo- fiütes fnscus L&wr., Krütenfrosch. Bombina/ or ig^ietts B.ös., Unke, Feuerkröte. Fseudis i>ara- do.va L., Südamerika, ausgezeichnet durch die Grösse der Larven. Fam. Bvfonidoe. Kröten. Von plumpem Körperbau, mit warziger, drüsenreicher Haut (Ohrdrüsen) und zahnlosen Kiefern. Die fünfzehigen Hinterfüsse sind nur wenig länger als die vorderen, daher entbehren die Thiere der leichten Sprungbewegung der Frösche, laufen aber oft recht hurtig. Bufo vidgaris Laur., die gemeine Kröte. B. viridis Laur. {variabilis), die grüne Kröte. B. calamiia Laur., Kreuzkröte. 3. Tribus. Discodactylia. Batrachier mit Zunge und mit breiten Zehen, deren Spitzen in Haftscheiben auslaufen. Fam. Uylidae, Laubfrösche. Mit Maxillarzähnen und ohne Parotiden. Hyla arhorea L., Laubfrosch, Kosmopolit. Nntodelphys ovifera Weinl., Mexico. Weibchen mit Brut- tasche am hinteren Theil des Eückens. Larven mit glockenförmigen äusseren Kiemen- Idasen. BhyUomedusa hicolor Bodd., Südamerika. Dendrohcdes tindorius Sehn., C'avenne. IIL Classe. Eeptilia\), Eeptilien. Beschuppte oder bepanzerte Kaltblüter mit aiisschh'essh'cher Lungen- aihmung iind doppelten, aber unvollkommen gesonderten Herzkammern^ mit Amnion und \Allantois der Embryonen. Die Körperform wechselt weit mannigfaltiger als die der Amphibien, wiederholt jedoch im Allgemeinen die für diese beschriebenen Typen. Auch bei den Eeptilien hat der Rumpf noch vorwiegende Bedeutung für die Loco- raotion und zeigt demgemäss die Wirbelsäule eine mehr gieichmässige, zu Schlängelungen befähigende Gliederung. Der Leib erscheint mit Ausnahme der Schildkröten lauggestreckt und mehr oder weniger cylindrisch, ist entweder ganz fusslos wie bei den Schlangen, oder mit zwei oder vier Extremitäten ver- sehen, welche in der Regel nur als Stützen und Nachschieber des mit der Bauchfläche auf dem Boden dahingleitenden Körpers wirken. Bei einer solchen Art der Fortbewegung erscheint ein Halsabschnitt kaum ausgeprägt, und wenn in grösserer Ausdehnung entwickelt, doch stets verhältnissmässig starr, da- gegen der Schwanz um so umfangreicher und beweglicher. Die Körperhaut besitzt im Gegensätze zu der vorherrschend nackten und weichen Haut der Amphibien eine derbe, feste Beschaffenheit, sowohl in Folge von Ossificationen der Cutis, als einer Yerhornung der Epidermis. Jene können dachziegelförmig übereiuandergreifende Knochenschilder bilden (Scincoideen), oder zu grösseren Knocheutafeln werden, welche zur Entstehung eines harten, mehr oder minder zusammenhängenden Hautpanzers Veranlassung geben (Cro- codile, Schildkröten). Allgemein treten in der Lederhaut, sowie in den tiefen Schichten der Epidermis Pigmente auf, welche die mannigfaltige Färbung der 1) Ausser Dumeril et Bibron 1. c. insbesondere J. G. Schneider, Historia Amphibiorum naturalis et litteraria. 1799— 1801.' A. Günther, The Reptiles of British India. London, 1864. E. Schreiber, Herpetölogia europaea. Braunschweig, 1875. 800 Kpptilia. Haut. Ruropfskelet. Fi^c. 775. Haut bedingen, seltener einen wahren Farben Wechsel (grüne Baumschlangen, Chamaeleon) veranlassen. Auch sind Hautdrüsen bei Keptilien verbreitet. Ins- besondere besitzen zahlreiche Eidechsen Drüseureihen an der Innenseite des Oberschenkels und in der Xähe des Afters, welche sich mit grossen Poren zu- weilen auf warzigen Erhebungen öffnen (Schenkelporen. Analporen). Auch bei den Crocodilen liegen grössere Drüsengruppen unter dem Hautpanzer, sowohl zu den Seiten des Afters, als an den Seiten der Unterkieferäste. Das Skelet zeigt nur ausnahmsweise noch die embr3'0nale Form einer knor- peligen Schädelbasis und persistirenden Chorda. An der Wirbelsäule treten die Regionen bestimmter als bei den Amphi- bien hervor, wenn auch Brust und Lenden- gegend noch keine scharfe Abgrenzung gestatten. Am Halse wird der erste Wirbel zum Beuger, der zweite zum Dreher des Kopfes. Währendfossile Hydrosaurier und die AscaZaJofeubiconcave Wirbel besitzen, ^^Vv '■ ^ /|||\ -"«/ "^'' ^^^*-^ ^^^ ^^^^^ knöchernen Wirbelkörper der übrigen Reptilien in der Regel pro- coel. Eippenbildungen sind allgemein und oft über die ganze Länge des Rumpfes verbreitet. Bei den Schlangen und Schlan- gen-ähnlichen Echsen, welchen ein Brust- bein fehlt, sind Rippen an allen Wirbeln des Rumpfes mit Ausnahme des ersten Halswirbels (Atlas) vorhanden und zum Ersätze der fehlenden Extremitäten zu überaus freien Bewegungenbefähigt. Auch beidenEidechsenundCrocodilen(Fig.710) kommen kurze Halsrippen vor. Die Rippen der Brust legen sich mittelst besonderer Sternocostalstücke au ein Sfemum an, auf welches bei den Crocodilen und Hatteria ein Sternum abdominale folgt, das über den Bauch bis in die Becken- gegend sich erstreckt und aus einer Anzahl von Bauchrippeu (ohne Dorsal- theil, zusammengesetzt ist. Die in der Regel in zweifacher Zahl vorhandenen Kreuzbeinwirbel besitzen sehr umfangreiche Querfortsätze und Rippenstücke. Der Schädel (Fig. 775) articulirt mittelst eines unpaaren, oft dreitheiligen Condylus des Hinterhauptbeines auf dem Atlas und zeigt eine vollständige Verknöcherung fast aller seiner Theile, wobei das Primordialcranium bei- nahe vollständig verdrängt wird. Am Hinterhaupte treten sämmtliche vier Elemente als Knochen auf; doch kann sowohl das Occipitale basale (Schild- Schädel von Monitor, nach Gegenbau r. a Von oben, h von unten gesehen. CCondylus occipitalis, (h-s Occipitale superius, Od O. laterale, Oci» O. basale, PParietale mit dem Parietal-Loch, Fr Frontale, Pf Postfrontale, Prf Praefroutale, L Lacrymale, S Su- praorbitale (Supraciliare Cu vier), JV Nasale, .S' Cerebellum, JfoMedulla oblongata, JOlfactorius, y/Opticus, IV Trochlearis, V Trigeminus, VIJI Acustieus, JX Glossopharyngeus, X Vag^us, XI Accessorius "Willisii, Ic erster Halsnerv, 2 c zweiter Hals- .Siunesorgai 803 Äccessorüis Willisii mit Ausnahme der Schlangen selbständig. Endlich tritt der Hypoglossus in die Reihe der Hirnnerven. Die Augen entbehren bei den Schlangen, Geckonen und Amphisbaenen gesonderter Lider, werden hier aber von einer durchsichtigen, uhrglasartigen Kapsel geschützt, welche von der Cornea durch einen mit Thränen- flüssigkeit gefüllten Kaum getrennt ist. Sonst findet sich ein oberes und unteres Augenlid. Eine selbständige Nickhaut am inneren Augenwinkel ist stets von dem Auftreten einer be- sonderen Drüse (Härder' sehe Drüse) begleitet. Eigenthümliche Falten der Chorioidea, welche dem Sichelfort- satze des Fischauges und im Vogel- auge dem sogenannten Kamm entsprechen, finden sich im Auge der Eidechsen. Man hat in neuerer Zeit auch noch ein medianes, als Auge *) gedeutetes Organ entdeckt, welches in Gehirn und Parietalauge nebst Epiphyse von Hafteria nacli Spencer. Oi Olfactorius, /»/ Infimdibuhim, £ Epiphy.se mit dem PariotalauRe in der Schadeldecke, Ch Cere- bellnm, ilW Medulla ohlongata. der Scheitelgegend am Ende der Zirbel (Epiphyse) seine Lage hat und als Parie- talauge bezeichnet wird. ( Fig.777.) Die kleine Grube, beziehungsweise Oeffnung der Schädeldecke, in wel- cher dasselbe hineingerückt erscheint, kennt man schon lange als foramen parietale des Scheitelbeins. Bei den meisten Sauriern ist das Scheitelauge rudimentär , wie auch in anderen Fällen am distalen Ende der Zirbel homologe Diflferenzirungen inResten nachgewiesen sind;- da wo dasselbe noch wohl ausgebildet ist (Hatteria, Lacerta, Varanus), stellt es eine Augenblase dar, deren y orderwand linsenartig ver- Fig. 778. Parietalauge von Hatteria nach Spencer. N Nerv (von Leydig als bindegewebiger Strang gedeutet), R Retina, L Linse, Ar Arterie mit ihren Verzweigungen. *) Spencer, On the Presence and Structure of the Pineal Eye in Lacertilia. Quarterl. Journ. of Micr. Sc. 1886. Fr. Leydig, Das Parietalauge. Biulogisches Ceutral- Ijlatt. Februar 1889, Juni 1890. 51* 804 Kpptilia. Verdauuiigsorgane. dickt ist, während die becherförmige Seiten- und Hinterwaud der Blase sich wie eine dicht pigmentirte, geschichtete Retina ausnimmt, an deren hinterem Ende der Nerv, nach Leydig ein bindegewebiger Strang, eintritt. (Fig. 778.) Wahr- scheinlich war dieses Parietalorgan, wie wir es vorläufig am besten bezeichnen, bei alten fossilen Sauriern und ausgestorbenen Amphibien -Gattungen, deren Schädeldecke ein ansehnliches Parietalloch aufweist, mächtig entwickelt. Möglicherweise ist auch das unpaare Auge der Tunicaten (Ascidienlarveu und Pyrosomen) das homologe Organ. Jedenfalls handelt es sich um eine ph3^1o- genetisch sehr alte Bildung, welche vielleicht (wie das Medianmige der Crusta- ceen) mit der fortschreitenden höheren Entwicklung des viel höher diflferenzirten paarigen Auges ihre ursprüngliche Bedeutung verlor und sich nur noch hier und da in Augen-ähnlichen Resten erhalten hat. Das Gehörorgan besitzt eine einfach schlauchförmige Schnecke und ein entsprechendes Fenster (Fenestra rotunda). Eine Paukenhöhle mit Eustachischer Tube und Trommelfell fehlt nur den Schlangen, Hatteria, sowie den fusslosen Echsen ; hier liegt das Operculum^ welches das ovale Fenster bedeckt, und die sich anschliessende Columdla wie bei den Urodelen und Gymnophionen zwischen den Muskeln versteckt. Da, wo eine Paukenhöhle auftritt, legt sich die Colu- mella mit ihrem knorpeligen Ende an das bei vielen Eidechsen noch unter der Haut verborgene Trommelfell an. Als erste Anlage eines äusseren Ohres kann man eine Hautklappe über dem Trommelfell der Crocodile betrachten. Das Geruchsorgan der Reptilien zeigt vorzugsweise bei den Schildkröten und Crocodilen eine beträchtliche Vergrösserung der Schleimhautfläche, deren Falten durch knorpelige Muscheln gestützt werden. Die äusseren Nasenötf- uungeu sind bei den Wasserschlangen und Crocodilen durch Klappenvorrich- tungeu verschliessbar. Die Choauen münden bei den Crocodilen und Schild- kröten weit hinten am Gaumentheil des Rachens. Bei den Schlangen und Sauriern kommt noch ein (Nasendrüse, Rathke) zwischen Conchen und Vomer eingebettetes Geruchsorgan vor (Jaco5so?i'sches Organ, Leydig), dessen Nerv am Ende des Lobus olfactorius entspringt und sich becherförmig um eine Knorpelpapille ausbreitet. Der Geschmackssinn scheint keineswegs stets an die Zunge geknüpft, da diese bei den Schlangen und zahlreichen Eidechsen zum Tasten dient und in anderen Fällen, z. B. beim Chamaeleon, als Fangorgan verwendet wird. Neuer- dings wurden von Leydig *) bei Schlangen und Sauriern Sinnesbecher in der Mundhöhle entdeckt, bei den ersteren an papillenförmigeu Hervorragungen, bei den letzteren in Grübchen gelegen. Mit Ausnahme der Schildkröten, deren Kieferräuder durch den Besitz einer schneidenden Hornbekleidung eine Art Schnabel bilden, finden sich in den Kiefern konische oder hakenförmige Fangzähue, welche die Beute festhalten, aber nicht zerkleinern können. In der Regel beschränken sich dieselben auf die *) Fr. Leydig, Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Arch. für mikrosk Anatomie. B(.nn, 1872. AUimung-sorgane. 805 Fii?. 779. L Kiefer und erheben sieb stets in einfacber Reibe, bald au dem oberen Eaude {Acrodonfm), bald au einer äusseren, stark vortretenden Leiste der flachen Zabnrinne angewachsen (Pleurodonten), selten, wie bei deu Crocodilen, in be- sonderen Alveolen eingekeilt. Auch am Gaumen- und Flügelbein können Haken- zähne auftreten, welche dann häufig, wie z. B. bei den giftlosen Schlangen, eine innere Bogenreihe am Gaumengewölbe bilden. Bei den giftigen Schlangen treten bestimmte, von einer Furche oder einem Canale durchsetzte Zähne des 0])erkiefers in nähere Beziehung zu den Ausführungsgängeu von Giftdrüsen, deren Secret durch die Rinne des Fnrchen- zahnes oder in deu Canal des durclibohrten Giftzahnes beim Biss in die Wunde einfliesst. Speicheldrüsen finden sich bei deu Schlangen und Eidechsen sowohl in den Lippen, als am Unterkiefer, auch kann eine Subungualis auf- treten, deren Besitz für die Schildkröten gilt. Die Speiseröhre erscheint bei bedeuten- der Länge in ausserordentlichem Grade er- weiterungsfähig, ihre Wandung legt sich meist in Längsfalten zusammen und ist bei den See- schildkröten mit grossen Zotten besetzt. Der Magen hält mit Ausnahme der Schildkröten, die ebenso wie die Frösche einen quergestellten Magen besitzen, meist noch die Längsrichtung des Körpers ein. Der Magen der Crocodile gleicht sowohl durch die rundliche Form, als durch die Stärke der Muskelwandung dem Vogelmagen. Der Dünndarm bildet nur wenig Windungen und bleibt verhältnissmässigkurz, nur bei den von Pflanzenstoffen lebenden Land- schildkröten übertrifft der Darm die Körper- länge um das Sechs- bis Achtfache. Der breite Enddarm beginnt in der Regel mit einer ring- Die Lungen von ciimnaehoa/, förmigen Klappe, zuweilen auch mit einem Blinddarm und führt in die Kloake, welche mit runder OeflFuung oder wie bei den Schlangen und Eidechsen als Querspalte {daher Plagiotremen) unter der Schwanzwurzel mündet. Leber und Bauch- speicheldrüse werden niemals vermisst. Die Reptilien athmen ausschliesslich durch Lungen, welche als geräumige Säcke mit maschigen Vorsprüngen der Wandung oder (Schildkröten und Croco- dile) mit weiten schwammigen Hohlräumen erscheinen. Bei den Schlangen und schlangeuartigen Eidechsen verkümmert die Lunge der linken Seite mehr oder minder, während die zweite, rechte, eine um so bedeutendere Grösse erlangt. Auch verliert das hintere Ende derselben sowohl die zelligeu Maschenräume IIS. KKeli köpf, Jl Kehlsack, Tr Luftröhre, L Lunge, FAie maschenlosen Aussackungen derselben. 806 Reptilia. Kreislaufsorgaue. Fiff. 780. als die respiratorischen Gefässe und stellt sich als ein Liiftreservoir dar, welches während des langsamen Schlingactes die Athmung möglich macht. Bei den Chamadeonen (Fig. 779) ist gleichfalls nur der vordere Theil der Lunge mit einem Maschennetz versehen, der hintere bildet zahlreihe Aussackungen, welche eines Maschennetzes entbehren. In diesen Aussackungen finden wir Einrich- tungen, welche bei den Vögeln in besonders mächtiger Entfaltung auftreten. Die zuführenden Luftwege sondern sich stets in einen mit spaltförmiger Stimm- ritze beginnenden Kehlkopf und in eine lange, von knorpeligen oder knöchernen Ringen gestützte Luftröhre mit den Bronchien. Eine häutige oder knorpelige Epiglottis findet sich bei zahlreichen Schildkröten, Schlangen und Eidechsen vor. Stimmeinrichtungen besitzen nur die Geckonen und Chamaeleoniden. Die für die Respiration erforderliche Lufterneuerung wird — die Schildkröten ausgenommen — wohl überall auch mit Hilfe der Rippen bewerkstelligt. Kieraenathmung findet sich, von den Amphi- bien aufwärts, bei den Reptilien, Vögeln und Säuge- thieren nicht mehr. Indessen treten im Embryonal- leben noch Kiemen- oder Visceralspalten auf (Fig. 780), welche später bis auf die erste, zwischen Mandibular- und Zungenbeinbogen gelegene, ver- loren gehen. Die erste, dem Spritzloch der Haie ho- mologe Spalte tritt zum Gehörorgan in Beziehung und wird zur Eustachischen Röhre und Paukenhöhle, eine Fortsetzung des die erste Spalte begrenzenden Wulstes zum äusseren Gebörgang. Die Kreislaufsorgane (pag. 61, Fig. 75) führen in verschiedenen Abstufungen bis zur vollkommenen Duplicität des Herzens und zur Scheidung des arte- riellen und venösen Blutes. Zunächst wird die Thei- liing des Herzens dadurch vollständiger, dass sich neben den beiden auch äusserlich abgesetzten Vor- höfen die Kammer in eine rechte und linke Abtheilung sondert. Die Scheide- wand der Kammer bleibt bei den Schlangen, Eidechsen und Schildkröten durchbrochen, ist dagegen bei den Crocodilen vollständig und bewirkt die Scheidung in eine rechte und linke Kammer. Bei den Eidechsen und Schild- kröten scheint der gemeinsame Arterienstamm äusserlich aus der rechten Kammerabtheilung zu entspringen, die Gefässcanäle, in welche er getheilt ist, stehen jedoch mit den beiden Kammern in Commuuication, indem die Lungen- arterie und der linke Aortenbogen das Blut aus der rechten Kammerabtheilung, der rechte Aortenbogen aus der linken Kammerabtheilung empfängt. Bei den Crocodilen dagegen erhalten Lungenarterien und Aortenstämme einen geson- derten Ursprung. (Fig. 781.) Die vom Herzen entspringenden Gefässe bilden nur während des Fötallebens die vollständige Zahl von Aortenbögen. Während ursprünglich, wie auch bei Vögeln und Säugethieren, fünf Paare von Gefäss- Kopf und Vorderkörper eines Em- bryo von Emys curopaea , nach Rathke. A Auge, Q Gehörbläs- chen, Ms Mund, von Unter- und Oberkiefer begrenzt, Zh Zungen- beinbogen, K die erste zwischen letzterem und dem Unterkiefer- bogen gelegene, zum Gehörgang werdende Kiemen«palte ; auf die- selbe folgen drei weitere Spalten, H Herz. Lympligefjisse. 807 bögeu vorhanden sind, welche, den Schlund umfassend, zur Bildung der beiden Aorteuwurzeln zusammentreten, erleiden die meisten derselben unter Verlust ihrer Verbindungswege eine Kückbildung, so dass schliesslich jede Aorten- wurzel aus zwei Gefässbögen (Saurier) entspringt, in der Regel jedoch als die Fortsetzung eines einzigen Aortenbogens erscheint. Bei den Schlangen und Eidechsen setzt sich der linke Arterienstamm ohne Abgabe von Gefässen in die linke Aortenwurzel fort, während der rechte grössere vor seiner Fortsetzung in die rechte Aortenwurzel einen gemeinsamen Stamm für die beiden Carotiden abgibt, an welchen (zahlreiche Eidechsen) sich ein Verbindungsgang mit der entspre- chenden Aortenwurzel als zweiter peren- nirender Aortenbogen erhalten kann. Bei den Schildkröten ist es ebenfalls der rechte Ar- terienstamm, welcher die Carotiden und Sub- claviae entsendet, während der linke die Eingeweidearterien abgibt. Da die Aorten- wurzel des letzteren sehr eng ist, erscheint die Aorta vorzugsweise als Fortsetzung des rechten Aortenbogens. Aehnlich verhalten sich die Crocodile, bei denen der rechte Ar- terienstamm aus der linken hier vollkommen gesonderten Kammer entspringt und von dieser arterielles Blut erhält. Aber auch hier wird trotz der vollständigen Trennung des Herzens die Mischung des venösen und ar- teriellen Blutes nicht ganz vermieden, da eine Communication (Foramen Panizzae) zwi- schen linkem und rechtem Aortenbogen be- steht. Im Falle einer unvollständigen Tren- nung beider Kammern scheint die Ver- jj^--''' Herz mit den grossen Gefässstämmen von Alli- gator liicius, von vorne gesehen, zum Theil er- öffnet, nach G e g e n b a u r. D Rechter Vorhof, S linker Vorhof, OOstium venosum des rechten Vorhofes, Oi' O. atrioventrieulare, Ba Bulbixs arteriosus, C Carotis primaria, ' Sf?, Ss Snb- miSChung beider Blutsorten theilweise schon claviae, Ad rechter Aortenbogen, As liuker TT j. J.J. ii j i, 1.1 1 1. i, Aortenbogen, P Arteria pulmonalis, V Ver- im Herzen stattzufinden, obwohl durch be- ^. _, „ ",' ,:„,,„„ *„-.„„>, bindung des linken Aortenbogens mit dem rechten, M Arteria mesenterica, Pc Verbin- dung des Herzens mit dem Pericard, i^P Stelle des Foramen Panizzae. sondere Klappeneinrichtungen der Eingang in die Lungengefässe von den Ostien der Arterienstämme derart abgesperrt werden kann, dass das arterielle Blut vornehmlich in diese letzteren, das venöse in jene einströmt (Brücke). In den' venösen Kreislauf schiebt sich wie bei den Am- phibien neben dem Pfortadersystem der Leber ein zweites für die Niere ein. Indessen tritt das letztere bei den Schildkröten und Crocodilen mehr und mehr zurück. Das System der Lymphgefässe zeigtausserordentlich zahlreiche und weite Lymphräume und verhält sich ähnlich wie bei den Amphibien. Contractile Lymph- herzen wurden nur in der hinteren Körpergegend an der Grenze von Rumpfund Schwanz auf Querfortsätzen oder Rippen in paariger Anordnung nachgewiesen. 808 Reptilia. Nieren. Geschlechtsorgane. Die Nieren (Fig. 782) der Reptilien gehören wie die derYögel und Säuge- thiere dem hinteren Rumpfabschnitt an und entsprechen somit nur dem hinteren breiten Theil der Amphibienniere. Au der Yorderwand der Kloake erhebt sich bei Eidechsen und Schildkröten eine Harnblase. Der Harn erseheint keines- wegs überall in flüssiger Form, sondern oft als eine weissliche Harnsäure-haltige Masse von fester Consistenz. Fiif. 782. Urogeuitalapparat von Lao-rta arjitis, nach C. Heider. a Des Männchfn.s. A' Niere, //Hoden, A7i Neben- hoden (Epididymis), IV? Samenleiter (Vas deferens), Pein Rest der Urniere, T der Jlüller' sehe Gang (rudi- mentär), I'e. Penis, SP Schenkelporen, SD Schenkeldrüsen, t Des Weibchens. 7Py Harnblase, ü/rf Mastdarm (aufgeschnitten), Cl Kloake, Oi- Ovarium, 7' der zum Eileiter entwickelte Müller'sche Gang. Die Geschlechtsorgane (Fig. 782) verhalten sich ähnlich wie die der Vögel. Indem sich der bei den Amphibien noch als Harnorgan fungirende vordere Abschnitt der Niere (Primordialniere nebst dem Wolff'schen Gang) zum Aus- führuugsapparat des Hodens (Nebenhoden und Samenleiter) umgestaltet und im Aveiblichen Geschlechte verschwindet oder selten als Rudiment {Roseu- müUer' sches Organ, Gärtner' scher Canal) persistirt, hier dagegen der il/»//er'sche Gang zum Eileiter wird, sind die morphologischen Gestaltungsverhältnisse für die Geschlechtsorgane der höheren Wirbelthiere erreicht. Eileiter sowohl Fortpflanzung. 809 als Samenleiter münden gesondert in die Kloake ein. Erstere beginnen mit weitem Ostium, verlaufen vielfach geschlängelt und jjesorgen überall die Ab- scheidung von kalkhaltigen, meist weichhäutig bleibenden Eischalen. Nicht selten verweilen die Eier in dem als Fruchtbehälter zu bezeichnenden End- abschuitt der Oviducte längere Zeit, zuweilen bis zum vollständigen Ablauf der Embryonaleutwicklung. Im männlichen Geschlechte treffen wir überall äussere Begattungsorgane an, denen im weiblichen Geschlechte ganz ähnlich angelegte Rudimente (Cfiforis) entsprechen. Bei den Schlangen und Eidechsen (Plagiotremen) sind es zwei glatte oder bestachelte Hohlschläuche, welche in einem taschenartigen Hohlraum hinter der Kloake eingezogen liegen und her- vorgestülpt werden können. Im Zustande der Vorstülpung erscheint ihre Oberfläche von einer Rinne durchsetzt, welche das Sperma von den Geuital- öffnuugeu aus der Kloake fortleitet. Bei den Schildkröten und Crocodilen da- gegen erhebt sich eine von fibrösen Körpern gestützte schwellbare Ruthe an der Vorderwand der Kloake. Auch diese Ruthe besitzt eine Rinne zur Auf- nahme und Fortführung des Samens, kann aber nicht wie die beiden Ruthen der Schlangen und Eidechsen eingestülpt Averden. Die Begattung führt stets zur Befruchtung der Eier im Innern des mütterlichen Körpers. Nur wenige Reptilien, wie z. B. unter den Schlangen die Kreuzotter und unter den Eidechsen die Blindschleiche, gebären lebendige Junge Die meisten Formen legen Eier ab und graben dieselben in feuchter Erde an gesicherten warmen Plätzen ein, ohne sich weiter um das Schicksal derselben zu kümmern. Mau hat jedoch eine Art Brutpflege bei den Riesenschlangen beobachtet, welche ihren Leib über deu abgesetzten Eiern zusammenrollen und der sich entwickelnden Brut Wärme und Schutz gewähren. Die Entwicklungsgeschichte^) der Reptilien schliesst sich eng an die der Vögel an. Der verhältnissmässig grosse Dotter, innerhalb der Schale noch von einer Eiweissschicht umgeben, erleidet nach der Befruchtung eine partielle Furchung, welche zur Anlage eines scheibenförmigen Keimes mit den Rücken- wttlsten und der Rückenrinne führt. Bevor noch die Rückenwülste geschlossen sind, macht sich an dem erweiterten, die Kopfanlage bezeichnenden Abschnitt der Rückenfurche eine Knickung bemerkbar, welche die Entstehung der Kopf- beuge, einer ausschliesslich den höheren Wirbelthieren zukommenden Bildung, veranlasst. Der anfangs dem Dotter flach aufliegende Embryo setzt sich all- mälig schärfer von dem Dotter ab, indem die Bauchwandungen des kahnför- migen Leibes bis auf eine Oeffnung (Nabel) zusammenwachsen und so der centrale, als flache Rinne angelegte Darm zu einem Rohre wird, dessen Zu- sammenhang mit dem abgeschnürten Dotter an Stelle jener Oeffnung durch *) C. E. V. Baer, Ueber Entwicklungsgeschiclite der Thiere. IL Königsberg, 1837. H. Eathke, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg, 1839. Derselbe, Ueber die Entwicklung der Schildkröten. Braunscliweig, 1848. Derselbe, Untersuchungen über die Entwicklung und den Kürperbau der Crocodile. Braunschweig. 1866. L. Agassiz, Embryology of the Turtle. Contributions to the nat. bist, etc., II. Boston, 1857. 810 Kepti Entwicklung. Vorkommen. einen engen Gang erhalten bleibt. Charakteristiscli ist das Auftreten einer den Embryo iimschliessenden Haut, der Schafliaut oder des Amnion. (Fig. 783.) Es erliebt sich nämlich die äussere Zellschicht des Keimes am vorderen und hinteren Ende des Embryos und bildet zwei das Kopf- und Schwanzende über- deckende Falten. Dieselben verwachsen über dem Körper des Embryos, und das innere Blatt dieser Falte liefert einen geschlossenen, mit Flüssigkeit er- füllten Sack, das Amnion; die äussere den Embryo einschliessende Zellschichte wird als seröse Hülle {Serosa) bezeichnet. Ein anderes, ebenfalls für die höheren Wirbelthiere charakteristisches Organ ist die ÄUantois, welche am hinteren Körperende als bläschenförmige Ausstülpung der vorderen Darmwand entsteht und zu einem ansehn- lichen Sacke auswächstDie Wan- dungen dieses mit einer Flüssig- keit gefüllten Sackes sind im Gegensatze zu der vollkommen gefässlosen Schafhaut ausser- ordentlich reich an Gefässen und repräsentiren ein embryonales Athmungsorgan, welches bei der langen Dauer und den compli- cirten Entwicklungsvorgängen des Embryonallebens von hoher Bedeutungist. Mit dem Auftreten der Allantois steht nicht nur der Ausfall der Kiemenathmung, sondern die vollkommenere Or- ganisation des ausschlüpfenden Jungen, der Ausfall einer Meta- morphose im Zusammenhang. Einige Schlangen und Ei- dechsen reichen weit bis in den Norden hinauf, während die Crocodile auf die heisse Zone beschränkt sind und Schildkröten nur in vereinzelten Beispielen der gemässigten Zone angehören. Die Reptilien der kalten und gemässigten Gegenden verfallen in eine Art Winterschlaf, wie andererseits auch in den heissen Klimaten ein Sommerschlaf vorkommt, der mit dem Eintritt der Regenzeit sein Ende erreicht. Die meisten haben ein überaus zähes Leben, können geraume Zeit ohne Nahrung bei beschränkter Respiration existiren und sind, obgleich in gerin- gerem Grade als die Amphibien, zur Reproduction verstümmelter oder verloren gegangener Körpertheile befähigt. Die ältesten fossilen Reste von Reptilien gehören der Primärzeit an, doch erscheinen dieselben in diesem Zeitalter nur äusserst spärlich und auf die Kupferschieferformation {Proterosaurus Speneri) beschränkt. Eine weit Zwei Eutwicklungsstadien des Hühnchens, nach die Entwicklung von Amnion und Allantois zu zeigen, a Die beiden Kalten zur Bildung des Amnions sind noch weit von einander entfernt, die Allantois in der ersten Anlage; ?/ spä- teres Stadium mit bereits geschlossenem Amnion. E Embryo, D Dottorhaut, Am Amnion, ,S7( seröse Hülle, Dli Darmhöhle, T)(j Dottergang, V Dotter, C Herz, AI Allantois. I. Unterclasse. l'lafjiotreniata. 1. Orduuug. Suiirii. 811 grössevö Mannigfaltigkeit von Formen hat die Secimdärzeit (namentlich das Zeitalter der Trias und des Jura) aufzuweisen, Avelche vorherrschend von Sauriern und meist Hydrosauriern belebt war. Die Schuppenechsen treten erst in den obersten Schichten des Jura auf und finden sich am zahlreichsten in der Tertiärzeit, welche auch spärliche Ueberreste von Schlangen aufzu- weisen hat. Schildkröten kommen zuerst — von den zweifelhaften Fuss- spuren des Trias abgesehen — im Jura vor, Landschildkröten erst in der Tertiärformation. 1. Unterclasse. Plagiotremata (Lepidosauria), Schuppensaurier. Reptilien mit Schuppen und Schildern der Haut, fusslos oder mit Extremitäten versehen^ mit querer Afterspalte und doppeltem Penis. 1. Ordnung, Saiirii '), Eidechsen. Plagiotremen mit Schultergürtel und mit Brusthein, meist mit Pauken- höhle und beweglichen Augenlidern, ohne Erweiterungsfähigkeit des Rachens, mit Harnhlase. Die Eidechsen besitzen durchweg eine langgestreckte, zuweilen schlan- genartige Gestalt. In der Kegel finden sich vier Extremitäten, die indessen den Kumpf kaum emporgehoben tragen und bei der Bewegung meist als Nach- schieber wirken, übrigens auch zum Anklammern (Chamaeleon) , Klettern (Gcckonen) und Graben benutzt werden können und gewöhnlich mit fünf be- krallten Zehen enden. Zuweilen bleiben dieselben so kurz, dass sie dem schlaugen- ähnlichen Körper als Stummel anliegen, an denen die Zehen gar nicht zur Sonderung gelangen [Chamaesaura). In anderen Fällen sind nur kleine hintere Fussstummel(PseMfZopi(s) (Fig. 784) oder ausschliesslichVordergliedmassen {Chi- rofes) vorhanden, oder es fehlen überhaupt äusserliche Gliedmassen vollständig {Anguis, Acontias, Ophisaurus). Schultergürtel und Becken sind jedoch vor- handen, auch findet sich bei allen Echsen, mit Ausnahme der Amphisbaenen, wenigstens ein Rudiment des Brustbeins, welches mit der Ausbildung der Vordergliedmassen an Umfang zunimmt und dann einer entsprechend grösseren Zahl von Rippen zum Ansätze dient. Letztere fehlen nur den vordersten Hals- wirbeln, zuweilen auch einigen Lendenwirbeln, sowie den Schwanzwirbeln. Eine eigenthümliche Modification zeigen bei Draco die vorderen Rippenpaare, welche sich ausserordentlich verlängern und seitlichen, als Flughaut verwend- baren Hautduplicaturen zur Stütze dienen. Die Schädelkapsel (Fig. 775) reicht meist nicht in die Orbitalgegend, wo sie unvollständig durch häutige Theile geschlossen ist, denen sich oft ein häu- 1) Tiedemanii, Anatomie und Naturgeschichte der Drachen. Nürnberg, 1811. J. E. Gray, Catalogue of the specimens of Lizard,s in the Collection of the British Museum. Londun, 1845. Fr. Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen, 1872. 812 Saui-ii. Körperbau. tiges Interorbitalseptum anschliesst. Einem stark vorspringenden Fortsatz der hinteren Schläfengegend liegt das Schuppenbein {Sqnamonnm) fest au. Das hintere Ende des Oberkiefers ist häufig durch eine die Orbita umschliessende Knochenbrücke (Jugale) mit dem hinteren Stirnbein verbunden, während von diesem ein Knochenstab, die Schläfengegend überbrückend {Quadratojugak), zu dem oberen Ende des Quadratbeines verläuft. Ein wichtiger Charakter der Eidechsen im Gegensatze zu den Schlangen beruht auf dem Maugel der Verschiebbarkeit der Kieferknochen. Zwar sind Theile des Oberkiefer- Gaumenapparates mit dem Schädel beweglich {Hafferia aus- genommen) verbunden, insbesondere die Flügelbeine, die sich den Gelenkfortsätzen des hinteren Keilbeines anlegen und meist an dem Quadratbein articuliren, indessen zeigen die einzelnen Knochen des Kiefer- Gaumenapparates untereinander und mit der vorderen Partie des Schädels einen festen Zusammenhang. Die Flügelbeine sind mit dem Oberkiefer durch ein Of< traus- versum fest verbunden und dienen dem Scheitelbeine durch eine stabförmige Colu- iiiella zur Stütze {Kionocrania). An der Schädeldecke bleibt die Verbindung zwi- schen Scheitelbein und Hinterhaupt durch Bandmasse Aveich und verschiebbar. Am Schläfenbogen lenkt sich das Quadratbein beweglich ein und trägt den Unterkiefer, dessen Schenkel am Kinnwinkel in fester Verbindung stehen. ' Die Bezahnung der Eidechsen bietet nach Form, Bau und Befestigung der Zähne eine Aveit grössere Mannigfaltigkeit als bei den Schlangen, stellt sich indessen nicht so vollständig dar, indem der Gaumen niemals eine bogenförmig geschlossene innere Zahnreilie, sondern nur kleine seitliche Gruppen von Zähnen am Flügel- beine zur Entwicklung bringt. Fast immer sitzen dieselben den Knochen un- mittelbar auf, entweder am Kieferrand {Acrodonfen)^ oder an der inneren Seite des Kiefers (Pkurodovtev). Dieser Unterschied entspricht bei den Ler/iianen der geographischen Verbreitung, indem die der östlichen Halbkugel Acrodonten, die der westlichen Halbkugel Pleurodonten sind. Wichtig erscheint die Gestalt der Zunge, durch welche sich Hauptgruppen unterscheiden lassen. Die meisten Eidechsen besitzen Augenlider, ein freiliegendes Trommel- fell und eine Paukenhöhl-e. Am Auge entbehren wohl nur die Amplüshaemn ) Jcjiiilopns (regue aiiimal). Kiouocraiiia. 813 und Gcckonen der Lidbildungen und verhalten sich rücksichtlich der Augen- bedeckung wie die Schlangen. Bei den Scincoiden kann das untere Augenlid wie ein transparenter Vorhang emporgezogen werden, ohne das Sehen zu ver- hindern. Bei den Chamaeleom'den ist das einfache Augenlid ein muskulöser Hautring mit kreisförmiger Oefl'nuug. Die Eidechsen besitzen ausserdem ein rudimentäres unpaares, dem Baue nach wahrscheinlich als Auge zu deutendes Sinnesorgan, welches sich aus dem distalen Theile der Zirbeldrüse (Epiphysis) hervorgebildet hat. Dasselbe nimmt das Parietalloch des Schädeldaches ein, dessen Vorkommeumit der Entwicklung jenes Organes zusammenhängt. (Leydig, de Graaf, Spencer.) Die äussere Körperbedeckung der Eidechsen zeigt ähnliche Verhältnisse wie die der Schlangen, jedoch in weit grösserer Mannigfaltigkeit. Bald finden sich platte oder gekielte Schuppen, die nach ihrer Form und gegenseitigen Lage als Tafelschuppen, Schindelschuppen, Wirtelschuppen unterschieden werden, bald Schilder und grössere Tafeln, für deren Vertheilung am Kopf sich die bereits für die Schlangen hervorgehobenen Verhältnisse wiederholen. Doch kommen auch mehr unregelmässige Erhärtungen warziger Höcker vor, die der Haut ein an die Kröten erinnerndes Aussehen verleihen (Geckomn). Anderereits finden sich oft grössere Hautlappen an der Kehle, Kämme am Bücken und am Scheitel, ferner Faltungen der Haut an den Seiten des Kumpfes, am Halse etc. Obwohl im Allgemeinen die Haut der Eidechsen arm an Drüsen ist, so finden sich doch constaut bei zahlreichen Eidechsen Hautdrüsen und entsprechende Porenreihen längs der Innenseite der Oberschenkel (Fig. 782) und vor dem After. In der Regel legen die Weibchen nach vorausgegangener Begattung — in den gemässigten Gegenden im Sommer — wenige ELer; einige Gattungen (Ängiiis, Seps) sind lebendig gebärend. Die meisten sind harmlose und durch Vertilgen von Insecten und Würmern nützliche Thiere, grössere Arten, wie die Leguane, werden des Fleisches halber gejagt. Bei Weitem die Mehrzahl, und zwar sämmtliche grösseren und prachtvoll gefärbten Arten, bewohnen die wärmeren und heissen Klimaten. Fossile Ueberreste von Eidechsen haben sich sehr zahlreich gefunden, die ältesten aus den obersten Schichten des Jura. Eine riesige Grösse besasseu die den Monitoren am nächsten verwandten Echsen der Kreide [Mosasaurus etc.) L Unterordnung. Kionocrania. Eidechsen mit procoelen, selten amphi- coelen Wirbeln und stabförmigen Säulen des Scheitelbeins (Columellae), welche auf den Flügelbeinen ruhen. Der vordere Theil des Schädels am Hinterhaupt verschiebbar. Nach dem Bau der Zange kann man die zahlreichen Familien gruppiren. 1. Cyassüinguia, Dickzüngler. Mit dicker und kurzer fleischiger Zunge, welche an der Spitze kaum ausgebuchtet, vielmehr in der Regel zugerundet ist und nicht vorgestreckt werden kann. Augenlider sind meist vorhanden. Das Paukenfell liegt meist frei. Ueberall finden sich vier Gliedmassen mit nach vorne gerichteten Zehen. Leben ausschliesslich in wärmeren Gegenden der alten und 814 Hrcvilingui; 785. neuen Welt; die östliche und westliche Hemisphäre bergen überraschend ähn- liche Typen, die aber (mit Ausnahme der Geckonen) nach dem Zahnbau eine scharfe Scheidung gestatten ; alle Bewohner Amerikas sind Pleurodonteu, die der alten Welt Acrodonten. Fam. Äscalabotae, Geckonen. Eidechsen von molchähnlicher plumper Form und geringer KOrpergrüsse, mit Haftlappen an den Zehen und mit biconcaven Wirbeln. Alle sind Pleurodonten ohne Gaumenzähne und nächtliche scheue Thiere mit grossen, der Lider entbehrenden Augen. Sie klettern und laufen mittelst ihrer meist zurückziehbaren Krallen und Haftlappen sehr geschickt an glatten und steilen Wänden und leben meist in den heissen Ländern, nur wenige im Süden Europas. Ob-nohl harmlose Thiere, gelten sie doch fälschlich für giftig; sie lassen zur Nachtzeit eine laute, wie Gecko klingende Stimme hören. Plalydactylus mauritanicus L. (Fig. 785), PI. muralis Dum. Bibr., Küsten des Mittelmeeres. . Hemidactylns verruculatus Cuv., Küsten des Mittelmeeres. Pfychozoon liomalocepTialum Kühl., Java. Fam. Iguanidae, Baumagamen, Leguane. Der seitlich etwas comprimirte Leib wird von langen, schlanken Beinen getragen, die vorzüglich zum Klettern geschickt sind. Kopf pj'ramidal, oft helmartig erhoben und durch den Besitz eines häutigen Kehlsackes sehr absonderlich gestaltet, meist mit freiliegendem Paukenfell. Viele besitzen einen stache- ligen Rückenkamm und ändern in ähnlicher Art ihre Färbung wie die Chamaeleons. Zu den Baumagamen der westlichen Hemisi)häre, welche Pleurodonten sind, gehören : Polychrus marvioratus Cuv., Färberechse, Brasilien. Iguana tuberculata Laur. = sapidissima Merr., Westindien. /. delicatissima Lur., tro- pisches Amerika. Cyclura carinafa Gray, Cuba. Basiliscus mitratvs Daud., Südamerika. Zu den Baumagamen der östlichen Hemisphäre, welche Acrodonten sind, gehören : Calotes ojihiomachvs Merr., Ostindien. (Fig. 786.) Draco volans L., Java. Lopldura avi- boinensis Schloss. Grammatophora cristata Gray, Australien. Fam. Humivagae, Erdagaraen. Echsen mit breitem und flachem, von kürzeren Beinen getragenem Leib, von fast krötenartigem Aussehen, die Körperhaut nicht selten mit Stachelschuppen bedeckt. Leben auf der Erde in steinigen und sandigen Gegenden, wo sie sich in Gruben und Löchern verbergen. Zu den Erdagamen Amerikas, welche sämmtlich Pleurodonten sind, gehören: Phrynosoma orJfc?erodapedon Huxley aus der Trias. Pig. 788. Fossile Saurier- Ordnungen sind die Pro- terosaiu-ier und Theco- dontia. Die ersteren re- präsentiren die ältesten Eidechsen, ausgezeichnet durch den Besitz bicon- caver Wirbelkörper und gabelig gespaltenerDoru- fortsätze,aus demKupfer- schiefer; die Thecodontia ebenfalls mit biconcaven Wirbelkörpern besassen comprimirte, in Alveo- len eingekeilte Zähne mit fein gezähnelter Strei- fung ihrer Kronen und gehören der Triaszeit an. Ebenfalls nur fossil er- haltene Formen enthält die Ordnung der Pytlionomorpha Cope mit schmalem Sternum, kurzen Extremitäten, Schlangen- ähnlich gestreckt. CUdastes Cope, Kreide, Nordamerika. Als besondere Unterclasse sind die mesozoischen Dinoscwria zu betrach- ten, zum Theil colossale Landbewohner des. Jura, Wealden und der unteren Kreide, welche ihrem Baue nach mehrfach an Säugethiere, insbesondere an Pachydermen erinnern, in ihren herbivoreu Gliedern (Ornithojyoden) jedoch genetische Beziehungen zu den Ratiten zu bieten scheinen. , Marsh unterscheidet als Ordnungen 1. Sauropoda, welche in nächster Verwandtschaft zu den Crocodiliern stehen (Ätlantosaarus, Diplocodus etc.), ') A. Günther, Contribution to the Anatomy of Hatteria (Ehynchocephalus). Philos. Transact. Roy. See. London, Vol. 157, II, 1867. lactijlus clegans, nach Zittel. Vermilinguia ;i7 789. 2. Stegosaiin'a, 3. Ormihopoda {Iguanodon), in denen G. Baiir die Ahnen der Riititen nachzuweisen sucht, 4. Theropoda, welche Fleischfresser waren und in die Familien der Megalosauriden, Cerafosauriden, Labrosaianden, Zanclo- dontiden (Zandodon), Ämphisauriden getheilt werden. Die Ordnung der Ornithopoden, mit welcher die Ovnitho^celiden Huxley's theilweise zusammenfallen, zeigte im Körperbau, insbesondere in der Ge- staltung des Beckens Eigenthümlichkeiten, welche auf die Organisation der Vögel hinweisen. Durch die praeacetabulare Ausdehnung des O.s ilium und durch die abwärts gerichteten langgestreckten Sitz- undScham- beinknochen ausgezeichnet, besasseu diese Saurier wenigstens in der die jurassische Gattung ComjysognatJms fassenden Ab- theilung sehr lange Cervicalwirbelkörper, einen fast vogel- ähnlichen Kopf, einen sehr langen Hals und kurze vordere, dagegen sehr lange hintere Rippen. Auch scheint das Sprung- bein wie bei den Vögeln mit der langen Tibia verschmolzen. Die Pterosaurier oAev Pterodadgh'er, ebenfalls vornehm- lich aus der jurassischen Zeit, waren fliegende Saurier. Von den Fingern der Hand war der äussere säbelförmig ver- längert imd von bedeutender Stärke; wahrscheinlich war von demselben die Flughaut getragen, welche zum Flattern oder gar zum Fluge beföhigte (Fig. 788). Rhamphorhynchus Gem- minguE. v. M., lithographischer Schiefer. Pterodactylus lon- girostris Cuv., Jura. 3. Unterordnung. Vernnlinguia, Wurmzünghr. Eidech- sen der alten Welt mit wurmförmiger, weit vorschnellbarer Zunge, kreisrundem Augenlide nnd hohem, seitlich compri- mirtem Körper, welcher von einer chagrinartigen Haut be- deckt ist. Der Schädelbau weicht von dem der übrigen Ei- dechsen bedeutend ab, indem die Scheitelbeine unbeweglich mit dem Occipitale und dem über die Scheitelbeine sich fort- setzenden Occipitalkamme verbunden sind. Farn. Chamaeleonidae, Chamaeleons. Die Püsse sind Greiffüsse uiid enden mit fünf Zehen, von denen je zwei und drei Zeilen, bis auf die Krallen mit einander verbunden, wie die Arme einer Zange wirken. Der lange dünne Schwanz dient als Wickelschwanz zum Festhalten des Körpers an Zweigen. Alle sind Acrodonten. Das Paukenfell ist von der Körperhaut überzogen. Merkwürdig und sowohl von dem Licht- reize der Umgebung abhängig, als der Willkür des Thieres unterworfen, ist der Farben- wechsel der Haut, zu dessen Erklärung besonders die Untersuchungen Brücke's*) bei- getragen haben. Es sind nämlich zwei verschiedene Pigmentschichten unter der dünnen Oberhaut angehäuft, eine oberflächliche hellgelbliche und eine tiefere dunkelbraune bis schwarze, deren gegenseitige Ausbreitung und Lagerung sich verändert. Chamaeleon vul- garis Cnv., südliches Spanien und Afrika. ') E. Brücke, Untersuchungen über den Farbenwechsel des afrikanischen Cha- maeleons. Denkschr. der k. Akad. der Wissensch. Wien, 1852. Ampldahaena fidUjinosa (regne animal). C. Claus: Lehrbuch der Zoologie. S\S 2. Ordnung. Ophidia. 4. Unterordnung. Annnlata, Ringelechsen. Körper Schlangen-ähnlich mit derber schuppenloser Haut, welche durch Querfurchen in Ringe abgetheilt ist. (Fig. 789.) Diese werden wieder von Längsfurchen in der Art gekreuzt, dass die Oberfläche ein zierlich getäfeltes, mosaikartiges Aussehen erhält. Nur am Kopfe und an der Kehle finden sich grössere Schilder. Ein Brustbein fehlt, Avährend der Schultergürtel, mit Ausnahme von CJu'rofes, rudimentär bleibt. Beckenrudimente treten überall auf. Gewöhnlich fehlen die Extremitäten, in- dessen können kleine Vorderfüsse (Chirotes) vorhanden sein. Augenlider und Paukenfell fehlen, die kleinen Augen werden von der Haut überzogen. Die Zunge ist dick und kurz, ohne Scheide, und auch die Bezahnung wie bei den Schuppen- echsen entweder nach Art der Acrodonten oder der Pleurodonten. Es sind harmlose Thiere, die grossentheils in Amerika, ähnlich wie die Blindwühler, unterirdisch, meist in Ameisenhaufen, leben und sich vonlnsecten und Würmern nähren. Fum. Amphishaenidae, Doppelschleichen. Amphishaena alba L., Brasilien. A. fuli- ginosa L., Südamerika. (Fig. 789.) Chirotes lumhricoides Flem., Mexico. 2. Ordnung. Ophidia ') (Serpentes), Sclilangeii. Fasslose Plagiotremen, ohne Schulterg ärtel, mit zio eispalt ig er vorsfreck- harer Zunge, meist mit freibeweglichen, überaus verschiebbaren Kiefer- und Gaumenknochen, ohne Paukenhöhle und Harnblase. Die Charaktere der Schlangen beruhen auf dem Mangel von Extremi- täten, sowie auf der oft erstaunlichen Erweiterungsfähigkeit des Rachens. In- dessen ist eine scharfe Abgrenzung von den Eidechsen nicht möglich. Früher nahm man bei Begrenzung dieser Ordnung ausschliesslich auf den Mangel der Extremitäten Rücksicht und rechnete daher nicht nur von den Amphibien die Blindwühler, sondern auch die Blindschleichen und andere extremitätenlose Eidechsengattungen, die Amphisbaenen, zu den Schlaugen. Uebrigens besitzen auch zahlreiche Schlangen Rudimente von hinteren Extremitäten, die an der Schwanzwurzel liegen und eine kegelförmige, zur Seite des Afters hervor- stehende Kralle tragen. Schultergürtel und Theile eines vorderen Extremitäten- paares jedoch kommen bei keiner Schlange vor. Am Schädel der Schlangen (Fig. 790) fehlt eine üeberbrückung der Schläfengegend. Die Schädelhöhle ist sehr langgestreckt, die vorderen und mitt- leren Theile ihrer Seitenwand werden durch absteigende Flügelfortsätze der Scheitelbeine und Stirnbeine gebildet. Kiefer und Gaumenknochen, durch ') Gray, Catalogue of Eeptiles in the CoUection of the British Museum. Part. III. Snakes. London, 1849. Günther. Catalogue of Colubrine Snakes in the CoUection of the British Museum. London, 1858. Jan, Iconographie generale des Ophidiens. Livr. I — XXA^II. Paris, 1860—1868. Lenz, Schlangenkunde, 2. Auflage. Gotha, 1870. Bezahuung. 819 ein Os tramversum verbunden, zeigen eine so vollkommene Verschiebbarkeit, dass der Rachen die Fähigkeit einer beträchtlichen Erweiterung und seitlichen Ausdehnung erhält. Das Quadratbeiu lenkt sich äusserst beweglich am Os squamosus ein, Avelches ebenfalls meist beweglich am Hinterhaupte angeheftet ist. Ebenso beweglich wie die Theile des Oberkiefer-Gaumeuapparates erweisen sich die beiden Aeste des Unterkiefers, welche, am Kinnwinkel durch ein Band verbunden, eine sehr bedeutende seitliche Verschiebung zulassen. Die Kieferbewaifnung wird von zahlreichen, nach hinten gekrümmten Fangzähuen gebildet, welche den Unterkiefer in einfacher, den Oberkiefer- Gauraeuapparat meist in doppelter, mehr oder minder vollständig besetzter Bogenreihe bewaffnen und vornehmlich beim Verschlingen der Beute als Widerhaken wirken. Auch dem Zwischenkiefer können Hakenzähue zugehöreu (Python). Nur bei den Engmäulern beschränken sich die Zähne auf Oberkiefer oder Unter- kiefer {Opoterodonten). Ausser die- sen soliden Hakenzähnen kommen im Oberkiefer zahlreicher Schlan- gen Furchenzähne oder hohle, von einem Canale durchbohrte Gift- zähne vor, deren Basis mit dem Ausführungsgange einer Giftdrüse in Verbindung steht und das aus- fliessende Secret derselben fort- leitet. Häufig enthält der sehr ver- kümmerte Oberkiefer jederseits nur einen einzigen grossen durchbohrten Kopfskelet von Crotalua horridus. Och Occipitale basale, Od O. laterale, Oes O. superlus, Pr Prooticum, Bs Basi- sphenoideum, Sq Squamosum, P Parietale, F Frontale, Pf Postfrontale, Prf Praefrontale, Et Ethmoldeum impar, Giftzahu, dem aber stets noch iV Nasale, O?« Quadratum, P< Pterygoldeum, P? Palatimim, Mx Maxillare, Jmx Intermaxillare, Tr Transversum, D Den- tale, Art Articulare des Unterkiefers. grössere und kleinere Ersatzzähne anliegen (Solenoglyphen). Selten treten die Furchenzähne in grösserer Zahl auf und sitzen entweder ganz vorne {Proteroglyphen) oder hinter einer Reihe von Hakenzähnen im Oberkiefer {Opisthoglyphen). In beiden Fällen ist der Oberkiefer grösser als bei den Soleno- glyphen, dagegen erlangt derselbe bei den Schlangen, welche auch der Furchen- zähne entbehren (Aglyphodonfen) , den grössten Umfang und die reichste Bezahuuug. Während die Furchenzähne unbeweglich befestigt sind, richten sich die durchbohrten Giftzähne mitsammt dem Kiefer, dem sie aufsitzen, beim Oeffnen des Rachens auf und werden im Momente des Bisses in das Fleisch der Beute eingeschlagen. Gleichzeitig fliesst das Secret der Giftdrüse, durch den Druck der Schläfenmuskeln ausgepresst, in die Wunde ein und veranlasst, mit dem Blute in Berührung gebracht, den raschen Eintritt des Todes. 52* 820 Ophidia. Innere Organisation. Die als Schuppen, Schilder und Schienen auftretenden Hartgebilde der Haut wechseln nach Form, Zahl und Anordnung mannigfach. Während die Eückenfläche des Rumpfes durchweg mit glatten oder gekielten Schuppen be- kleidet ist, kann der Kopf sowohl von Schuppen, als von Schildern und Tafeln bedeckt sein, welche ähnlich wie bei den Eidechsen nach der besonderen Lage als Stirn-, Scheitel-, Hinterhauptschilder, ferner als Schnauzen-, Nasen- Augen-, Zügel-, Schläfen- und Lippenschilder unterschieden werden. (Fig. 791.) Als den meisten Schlangen eigenthümlich mögen die Schilder der Kinnfurche, die Rinnenschilder, hervorgehoben werden, vor denen noch zweiaccessorischeLippeu- schilder jederseits neben dem mittleren Lippenschilde des Unterkiefers die vor- dere Begrenzung der Kinnfurche bilden. Am Bauche finden sich meist breite Schilder, die wie Querschienen den Rumpf bekleiden, doch können auch hier Schup- pen und kleine mediane Schilder vorkom- men; die Unterseite des Schwanzes wird dagegen in der Regel von einer paarigen, selten von einer einfachen Reihe von Schildern bedeckt. Die Schlangen häuten sich mehrmals im Jahre, indem sie ihre Oberhaut, an welcher sich die Sculptur der Cutis wiederholt, in toto abstreifen. Die innere Organisation entspricht den Anforderungen des langgestreckten Baues, sowie der Bewegungs- und Er- nährungsweise. Ein langer und dehnbarer dünnhäutiger Schlund führt in den sack- förmig erweiterten Magen, auf welchen ein verhältnissmässig kurzer Dünndarm folgt. Der Kehlkopf erscheint ausseror- dentlich weit nach vorne gerückt und kann während des langsamen, schwierigen Schlingactes bis in den Rachen vortreten. Die ausserordentlich lange Trachea enthält oft schon in ihrem Verlaufe respiratorische Luftzellen. Die linke Lunge ist meist ganz rudimentär, während die um so mächtiger entwickelte rechte Lunge an ihrem Ende ein schlauchförmiges Luftreservoir bildet. Dem Gehör- organe fehlen schallleitende Apparate (sowohl Trommelfell als Paukenhöhle), dem Auge bewegliche Lider. Der Augapfel mit seiner meist senkrechten Pu- pille Avird an Stelle der Lider von der durchsichtigen, uhrgiasförmigen Haut bedeckt und hinter dieser von der Thränenflüssigkeit reichlich bespült. Die Nasenöffnungen liegen meist ganz an der Spitze oder am Seitenrande der a Dorsale Ansicht, h ventrale Ansicht des Kopfes von Calopeltis Aesculajni, c Seitenansicht des Kopfes von Tropidonotus viperinus, nach E. Schreiber. a Stirnsehild, ?> Brauenschilder, c hintere Schnau- zenschilder, d vordere Schnauzenschilder, c Schei- telschilder, / Rüsselschild, g Oberlippenschilder, h Xasenschild, i vordere Avigenschilder, /.• Zügel- schild, l hintere Augenschilder, m Schläfonschild, o Kinnschild, p Tlnterlippeiischildor, q Rinnen- scbilder, c Kehlschild, « Keblschuppen, f Baucb- schilder. Opotorodonta. 821 Schnauze. Die gabelig gespaltene hornige Zunge dient nicht als Geschmacks-, sondern als Tastorgan und ist von einer Scheide umschlossen, aus der sie selbst bei geschlossenem Rachen durch einen Einschnitt der Schnauzenspitze weit vorgestreckt werden kann. Die Sclilangen bewegen sich vornehmlich durch seitliche Krümmungen der Wirbelsäule, deren zahlreiche Wirbel am Kumpfe fast durchweg Rippen tragen und durch freie Kugelgelenke ihrer concav-convexen Körper, sowie durch horizontale Gelenkflächen der Querfortsätze in der Art verbunden werden, dass dorso- centrale Bewegungen ausgeschlossen sind. Auch stehen die Rippen in freier Gelenkverbindung mit den Wirbelkörpern und können in der Längs- richtung vor- und zurückgezogen werden, Bewegungen, welche die Locomo- tion wesentlich unterstützen. Durch abwechselndes Vorschieben der Rippen und Nachziehen der durch Muskeln sowohl miteinander, als mit den Rippen befestigten Bauchschilder laufen die Schlangen in gewissem Sinne auf den äussersten Spitzen ihrer an Hautschilderu befestigten Rippen. Die Schlangen ernähren sich ausschliesslich von lebenden Thieren, sowohl Kaltblütern, als Warmblütern, die sie im Schusse überfallen, tödten und ohne Zerstückelung in toto verschlingen. Während die Speicheldrüsen ihr reichliches Secret ergiessen, welches die Oberfläche der zu überwältigenden Beute schlüpfrig macht, und der Kehlkopf zwischen den Kieferästen zur Unterhaltung der Ath- mung hervortritt, haken sich die Kieferzähne abwechselnd fortschreitend immer weiter ein, und es zieht sich gewissermassen Rachen und Schlund allmäligüber die Beute hin. Nach Vollendung des anstrengenden Schlinggeschäftes tritt eine Abspannung aller Kräfte ein, es folgt eine Zeit träger Ruhe, während welcher die sehr langsame, aber vollständige Verdauung von Statten geht. Die Fortpflanzung geschieht nach vorausgegangener Begattung in der Regel durch Ablage wenig zahlreicher grosser Eier, in denen die Embryonal- entwicklung schon weit vorgeschritten sein kann. Indessen gibt es auch lebendig gebärende Schlangen, z. B. die Seeschlangen und die Kreuzotter. Die meisten durch Grösse und Schönheit der Farben ausgezeichneten Arten gehören den wärmeren Zonen an, nur kleine Formen reichen bis in die nördlichen gemässigten Klimate. Viele Schlangen besuchen gern das Wasser und sind wahrhaft amphibiotisch. Andere bewegen sich grossentheils auf Bäumen und Gesträuchen oder auf sandigem Erdboden, andere ausschliesslich im Meere. In den gemässigten Ländern verfallen sie in eine Art Winterschlaf, in den heisseu halten sie zur Zeit der Trockniss einen Sommerschlaf. 1. Unterordnung. Ojyoterodonta, Wurmschlaiigen. Mit enger, nicht er- weiterungsfähiger Mundspalte und unbeweglich verbundenen Gesichtsknochen, ohne oder mit nur sehr kurzem Schwanz. Besitzen nur im Oberkiefer oder im Unterkiefer solide Hakenzähne. Hinterextremitäten als Rudimente vorhanden. Leben unter Steinen oder in Erdgängen und nähren sich von Insecten. Fam. Tjiiyhlopidae. TißMopa luvibricalis Merr. (Fig. 792), Antillen. T. vevmkula- ris L., Griechenland. Stenostoma nigricans Dum. Bibr., Südafrika. 822 Colnbrifortnia. Proteroglypha. Fi?. 792. 2. Unterordnung. Coluhriformia. Beide Kiefer mit soliden Hakenzälinen bewaffnet, im Oberkiefer kann der letzte Zahn ein Furchenzabn sein imd dann entweder ohne Giftdrüse bleiben oder mit dem Ausführungsgang einer kleinen Giftdrüse in Verbindung stehen. Umfasst ^iq Aglyphodontenxmdi Opisthofjhjplien. Farn. Uropdtidae. Schiklschwänze. Mit kurzem und spitzem Kopf, dessen Rachen nicht erweiterungsfähig ist, aber in beiden Kiefern Zähne trägt. Uropeltis phUUpinus Cuv. Fam. Toriricidae, Wickelschlangen. Mit kleinem, kaum abgesetzten Kopf und kurzem konischen Schwanz. Zähne klein, auch an den Gaumenbeinen. Besitzen ein Beckenrudiment nebst kleinen Afterklauen. Tortrix scytah Hmpr., Südamerika. Cylindraphis rufa Gray, Java. Fam. Pythonidae, Riesenschlangen {Peropodes). Mit läng- lich-ovalem, beschildertem oder beschupptem Kopf und Rudimenten von hinteren Extremitäten, welche mit einer Afterklaue zu den Seiten der Kloake enden. Eryx jaculus Wagl., Südeuropa. Boa constrictor L., Brasilien. Python reticidahis Seh.. Sumatra. Fam. Colubridae. Nattern. Der nicht sehr breite abgesetzte Kopf ist beschildert. Die Bezahnung vollständig. Der Schwanz mit doppelten Schilderreihen an der Unterseite. Coronella austriaca Laur. = C laevis Lac, glatte Natter, in Europa sehr verbreitet. Liophis cohella L., Brasilien. Tropidonotus natrix Gesn., Ringel- natter. Mit schief gekielten Schuppen, weit über Em-opa ver- breitet. Tr. tesselalus Meyr., Würfelnatter. Coluber (Calopeliis) Aescnlapii Gesn. = C. flavescens Gm., die Schlange des Aesculap, Südeuropa, Oesterreich, Schlangenbad. Zamenis atrorirens Shaw., Südeuropa, Herpetodryas carinatus L., Brasilien. Fam. Dendrophidae, Baumnattern. Körper dünn und schlank, mit meist langem flachen, vom Nacken abgesetzten Kopf. Bauch- schilder meist mit zwei Kielen. Untere Schwanzschilder in zwei Reihen. DendropMs picta Gm., Ostindien. Ahaetulla smanKjdina Boie, Westafrika. Fam. Bryophidae. Körper sehr lang und schlank, ebenso der Kopf, mit dünner, zuweilen in einen biegsamen Anhang aus- laufender Schnauze. DryopJds argentea Daud.. Cayenne. Fam. Psammophidae, Sandnattern. Der hintere Oberkiefer- zahn gefurcht. Psammophis lineatus Dum. Bibr., Mexico. Coelo- peltis lacertina Wagl., Egypten. Ya,m. Dypsadidae. Körper ziemlich schlank, stark comprimirt, mit kurzem, hinten verbreitertem, stark abgesetztem Schwanz. Meist hintere Furchenzähne vorhanden. Dipsas dendrophila Reinw., Ostindien. J>. fasdata Fisch., Westafrika. Fam. Scytalidae. Hinterer Oberkieferzahn am längsten und gefurcht. Scytale coro- natum Dum. Bibr., Brasilien. Oxyrhopus plumbeus Wied., Südamerika. 3. Unterordnung. Proteroglypha. Giftschlangen mit grossen Furchen- zähnen, welche vorne im Oberkiefer stehen, hinter denen meist noch solide Hakenzähne folgen. Gaumen und Flügelbeine sind ebenso wie der Unterkiefer mit Hakenzähnen bewaffnet. Fam. Elapidae, Prunknattern. Von Natter-ähnlichem Habitus, mit beschildertem Kopf, meist mit zwei Reihen von Subcaudalschildern. Naja trijjudians Merr., Brillen- schlange, Bengalen. N. haje L., Schlange der Cleopatra, Egypten. Elaps coraJlinus L., Südamerika. (Fig. 793.) II. ITiitorelasse. Hydrosauria. 823 Farn. Hi/drojihiilne. Wassersohlangen. Mit kaum abgesetztem beschilderten Kopf und comprimirtem liumpf, welcher in einen stark compressen Ruderschwanz ausläuft. Lebendig gebärend. Platurus fasciatus Daud., Indisches Meer. Ihidropliis (Pelamia) hicnhr Daud. (Fig. 794). Indisches Meer. 4. Unterordnung. Solenoglypha. Schlangen mit triangulärem Kopf und verbältnissmüssig kurzem Schwanz. Der kleine Oberkiefer trägt jederseits einen hohlen Giftzahn, sowie einen oder mehrere Ersatzzähne. Ausserdem aber finden sich solide kleine Hakenzähne sowohl am Gaumen, als im Unterkiefer. Fig. 794. Elaps corallinus (regne animal). Hijdrophis hieolor (regne animal). Fam. Viperidae, Ottern. Mit stark abgesetztem, breitem Kopf, ohne Gruben zwischen Xasen und Augen. Meist finden sieh zwei Schilderreihen an der Unterseite des kurzen Schwanzes. Vijyera aspis Merr., in bewaldeten Gebirgsgegenden Südeuropas. V. ammo- drjtes Dum. Bibr., Sandviper, mit einer weichen hornartigen Erhebung an der Schuauzen- sjiitze, Italien und Dalmatien. Pelias heriis, Merr. Kreuzotter, Kupfernatter, ausgezeichnet durch die schwarzbraune Zickzackbinde des Rückens, in Gebirgswaldungen Europas. Fam. Crotalidae, Grubenottern. Mit einer Grube zwischen Auge und Nase. Crota- lus durissns L.. Klapperschlange, südöstliches Nordamerika. C. horridus L., Südamerika. Bothrops atrox L.. Brasilien. 2. Unterclasse. Hydrosauria ' ), Wasserechsen. Wasserheicohnende Reptilien von bedeutender Grösse , mit eingekeilten Zähnen und lederartiger oder bepanzerter Haut, mit Ruderflossen oder kräftigen Füssen, deren Zehen durch tSchwimmhäute verbunden sind. ') R. Owen, Palaeontology. London, 1860. H u x 1 e y, On the dermal armour if Jacare and Caiman etc. Journ. Proceed. Linn. Soc, Vol. IV, 1860. R a t h k e, Hydrosauria. Organisation. y/s Fi.i,' 795. Die Hydrosaiirier, in der Jetztwelt durch die Crocodile vertreten, zeichnen sich bei einer meist rie- sigen Grösse durch den Aufenthalt im Wasser und eine demselben entsprechende, und zwar hohe Organisa- tion aus. Zahlreiche vorweltliche Formen, von deren innerem Bau freilich wenig Sicheres zu erschliessen ist, waren ausschliesslich Bewohner des Meeres und be- sassen Kuderflossen, ähnlich den Flossen der Wale, mit kurzen Armknochen und zahlreichen Knochen der Handwurzel und der verbundenen Zehen. Ihre Wir- belsäule, in ihren einzelnen Abschnitten überaus be- weglich und noch aus breiten biconcaven Wirbeln zusammengesetzt, lief in einen ansehnlichen Schwanz aus, der wahrscheinlich von einer häutigen Flosse um- säumt war. Auf einer höheren Entwicklungsstufe ent- hält die Wirbelsäule opistocoele oder procoele Kep- tilienwirbel und endet mit einem kammförmig um- säumten Kuderschwanz, die Extremitäten bilden sich mehr und mehr als Füsse aus, deren deutlich geson- derte Zehen meist noch eine Schwimmhaut zwischen sich einschliessen. Solche Formen halten sich nicht mehr auf hoher See, sondern an der Küste, in La- gunen und in der Nähe von Flussmündungen auf, sie besteigen das Land und bewegen sich hier in raschem Lauf, jedoch ohne die Fähigkeit leichter und geschickter Wendungen. Die Hydrosaurier erscheinen der Bildung ihres Gebisses nach als gewaltige Raubthiere. Der platte, schnabelartig verlängerte Kopf trägt in seinen lang ausgezogenen Kiefern eine Bewaifnung von spitzen,-, kegelförmigen Fangzähnen, die, in tiefen Alveolen ein- gekeilt, bald glatte, bald gestreifte oder oberflächlich gefaltete Kronen zeigen und allmälig von nachfolgen- den Ersatzzähnen verdrängt werden. Rippen finden sich in grosser Zahl nicht nur an dem sehr lang- gestreckten Brusttheil, sondern auch am Hals und in der Bauchgegend, über welcher sich bei den Cro- codilen ein schmales ^Utrnmn ahdomwah bis zum Beckengürtel fortsetztund seitlich eine Anzahl Bauch- rippeu trägt, deren obere Enden die Wirbelsäule nicht erreichen (Fig. 795.) Die innere Organisation mag in die Entwicklung und den Küriierbau der Crocodile. Braun- Crocoriil.skelet. 1) Dorsalregioii, L Lumbalregion, S S.acralregion, Ei Rippen, Se Scapula, 7/Humerus, R Radius, U Ulna, Sta Sternum abdominale, Fe Femur, T Tibia, F Fibula, J Os iseliii, C Caudal- wirbel. Untersuchungen über schweig, 18G6. I. Ordnung. Enalidsauria. 2. Ordnung. Crocodilia. 825 den einzelnen Gruppen verschiedene Stufen der Vervollkommnung durchlaufen haben, von denen ausschliesslich die Organisation der lebenden Crocodile bekannt werden konnte. 1. Ordnung. Enaliosauria. Ilijdrosmirier mit nackter, lederartiger Hanf, hkoncai-en Wirhein und Ruderßossen (ausschliesslich der Secundärzeit angehörig). Die Ueberreste dieser colossalen Meeresbewohner, welche die Secundär- zeit von Anfang bis zu Ende durchlebten, lassen diese Thiere als die gewaltigsten Beherrscher der Meere jener Zeiten erscheinen. Bei einer sehr bedeutenden Körperlänge besassen dieselben eine meist langgestreckte platte Schnauze mit zahlreichen kegelförmigen Fangzähnen, einen sehr langen beweglichen Rumpf und wie die Walthiere flossenförmige Extremitäten. Farn. Nothosaurü {SaurojUeri/gii Owen). Mit langgestreckten Oberkieferknochen, die ])is zur Spitze des sehr langen Schnabels reichen, ohne obere Schläfenbogen, mit ein- fachen kegelförmigen Zähnen. Gehören der Trias an. NoiJiosavrns mirahUis Münst., Simo- saurus H. v. M. u. a. Fam. Flesiosaiirii [Scmropterygii Owen), Schlangendraclien. Mit langem, schlangen- artigem Hals, kurzem Kopf und Schwanz, und langgestreckten Ruderflossen. Lebten im Jura und in der Kreide. Plesiosauriis Conyb., Pliosaurus Owen. Fam. Ichthynsaurii {Ichlhyopterygii Owen), Fischdrachen. Mit sehr kurzem Hals, dickem, langgestrecktem Rumpf, kurzen Ruderflossen und langem, wahrscheinlich von einer Flosse umsäumtem Schwänze. Die schnabelartig verlängerte zugespitzte Schnauze Avird vorzugsweise von den Knochen des Zwischenkiefers gebildet. Die Zähne zeigen eine gestreifte und gefaltete Oberfläche und stehen dichtgedrängt nebeneinander. Gehören vorzugsweise dem Jura, in seltenen Resten noch der Kreide an. Ichthyosaurus König., I. communis Beche, Sauranodon Marsh. 2. Ordnung. Crocodilia (Loricata), Crocodile. Hydrosanrier mit knöchernen Hautschildern und eingekeilten, auf die Kieferknochen beschränkten Zähnen, mit vier theilweise bekrcdlten Füssen %md langem gekielten Ruder schv:anze. Die Extremitäten sind nicht mehr Euderflossen, sondern frei gegliederte Beine und Füsse mit gesonderten Zehen. Die Körperbedeckung ist eine körnige Lederhaut, in welcher sich besonders auf der Rückenfläche grosse und zum Theil gekielte Knochentafeln einlagern. Dieselbenbilden auf dem Schwänze einen anfangs paarigen, in seinem hinteren Theile einfachen gezackten Kamm. Der breite flache Schädel (Fig. 796) ist clurch die corrodirte Beschaffen- heit der Knochenoberfläche ausgezeichnet und besitzt gesonderte Alisphenoids, sowie oberhalb des Oberkieferjochbogens eine obere Schläfengrube, die durch eine Knochenbrücke (Fortsatz des Postfrontale und Jugale) von der Orbita getrennt ist. Die Bedachung des Schädels geschieht durch ein unpaares Scheitel- bein und Stirnbein, dem sich paarige Nasalia anschliessen. Die mit dem Schädel fest verwachsenen Kiefer verlängern sich zur Bildung einer gestreckten Schnauze, an deren Spitze sich die paarigen Zwischenkieferknocheu einkeilen, 826 Crocodilia. Organisation. während die Oberkiefer von bedeutender Ausdehnung die Seiten der Schnauze bilden. Das Lacrymale ist von grosser Ausdehnung. Oberkiefer und Zwischen- kiefer, welche die Nasenöffnungen begrenzen, entwickeln horizontale, in der Medianlinie vereinigte Gaumenfovt.sätze, welche zur Bildung der vorderen Partie des harten Gaumengewölbes zusammentreten. Hinter demselben stellen Gaumen- und Flügelbeine, in medianer Nahtverbindung anliegend, ein vollkommen ge- schlossenes Dach der Mundhöhle her, an dessen Hinterrande die unteren, vom paarigen Vomer umschlossenen Nasengänge münden. Die ausschliesslich auf die Kieferknochen beschränkten kegel- förmigen Zähne sitzen tief in Alveolen eingekeilt und zeigen wenig compri- mirte streifige Kronen. Meist tritt der vierte Zahn des Unterkiefers durch seine Grösse als Fangzahn hervor und greift beim Schliesseu des Rachens in eineLücke oder in einen Ausschnitt des Oberkiefers ein. Die Wirbelkörper sind bei den Teleosaurieru amphicoel. bei den ebenfalls vorweltlichenSteneo- sauriern opisthocoel, bei den Croco- dilen der Gegenwart procoel. Die innere Organisation erhebt sich bei den lebenden Crocodilen am höchsten imter allen Reptilien. Die Augen besitzen senkrechte Pupillen und zwei Lider nebst Nickhaut. Die Nasenöffnungen liegen vorne an der Schnauzenspitze und können ebenso wie die weit nach hinten gerückten Ohren durch Hautklappen verschlos- sen werden. Die Rachenhöhle, an deren Boden eine platte, nicht vor- streckbare Zunge angewachsen ist, entbehrt der Speicheldrüsen und führt durch eine weite Speiseröhre in den rundlichen muskulösen Magen, welcher durch Form und Bildung, insbesondere durch aponeurotische Scheiben seiner muskulösen Wandung, an den Vogel-, magen erinnert. Auf den Magen folgt ein dünnwandiges, mit Zotten besetztes Duodenum, welches in den zickzackförmig gefalteten Dünndarm übergebt. Ein Bliudsack als Anhang des kurzen und weiten Dickdarms fehlt. Letzterer mündet fast trichterförmig verengt in die Kloake, an deren Vorderwand das schwellbare Paarungsorgan seinen Ursprung nimmt. Der Bau des Herzens (Fig. 781) ist unter allen Reptilien am vollkommensten und führt durch die strenge Sonderung einer rechten venösen und linken arteriellen Abtheilung unmittelbar zu der Herz- Schädel vom Crocodil, nach Gegen bau r. a Ventral- ansicht, & Dorsalansieht. 06 Occipitale basale, C'Condyhis occipitalis, P Parietale, Fr Frontale, Pf Postfrontale, Pr/Praefrontale, A^Nasale, L Lacrymale, S^^4>^ lg des- cheu- Das Gefieder und die Regioneubezeicbu selben von Bomhycilla garrula, nacbR( bach, etwas modifieirt. S Stirn, Sc Scbeitel, ffÄ Hinterhaupt, Z Zügel, TF Wange, JV Nacken, n Rücken, K Kehle, Br Brust, Ba Bauch, St Steiss, B Schwanzdecke (Bürzel), M Schwanz mit den steuerfederu (Rectrices), Hs Schwingen Vermögen hiuweg, SO gibt auch der Schwauz erster Ordnung (Handschwingen) ^^ ««l-i'^en • 3^^^^,!.,^, . ^Ig StCUer auf, die SteUCr- zweiter Ordnimg (Armscbwingen), TDeekfedern o ' . (Tectrices), p Schuiterfittig (Parapterum), AI fedem verküuimem odcr fallcu vollständig Eck- Oder Afterflügel (Alma). ^^^^^ Immerhin aber können in solchen Fällen einzelne Deckfedern als Zier- und Schmuckfedern eine ansehnliche Grösse erlangen. Die Hintergliedmassen, welche vornehmlich die Bewegung des Vogels auf festem Boden vermitteln, zeigen nach der besonderen Bewegungsart des Vogels zahlreiche Verschiedenheiten. Zunächst unterscheidet man Ganghi'ine {P.gra- darii) und Wadheine {P. vadantes). (Fig. 805.) Die ersteren sind weit voll- ständiger befiedert und wenigstens bis zum Fersengelenk mit Federn bedeckt, variiren aber mannigfach. An denselben unterscheidet man Klammerfilsse [P. adhamantes) mit vier nach vorne gerichteten Zehen, Cypselus-^ Kleiter- füsse(P. scansorn), zwei Zehen sind nach vorne und zwei nach hinten gerichtet, Pi'cus-^ Spalffüsse {P. ßssi), drei Zehen nach vorne, eine nach hinten gerichtet, die Vorderzehen bis zum Grunde frei, Turdus; Wande/füsse {^P. amhulatorii). Fussformen. 843 drei Zeilen nach vorne, die Inuenzelie nach liinten gerichtet, Mittel- und Aussen- zehe am Grunde verwachsen, Phasianus: /Schreiffmse (F. gressorü), die l-nne-a- zehe steht nach hinten, von den drei nach vorne gerichteten Zehen sind Mittel- und Aussenzehe bis über die Mitte verwachsen, Äkedo ; Säzfüsse (P. msidentes), die Inuenzehe steht nach hinten, die drei nach vorne gerichteten Zehen sind Fig. 805. Die wichtigsten Fussformen der Vögel, h, c, d, f, n aus regne animal. a Pes adhamans von Cijpsclus apiin, h V. scansorius von Picus capenuls, c P. ambulatorius von Plia-iianus colcliicus, d P. fissus von Turdus lorquatus, e P. gressorius von Alcedo isjnda, f P isidens von Falco hiarniicus, g P. colligatus von Mycte.ria senegaltnsis, h P. cursorius von Strutliio camclus, i P. palmatus von Mergus merganser, k P. semipalmatus von liecurvii-osfra avocetfa, l P. fissipalmatus von Podiccps crüfatus, m P. lobatus von FuKca atra, n P. ste- ganus von Pliai'ton aftJiereun. durch eine kurze Bindehaut verbunden, Falco. Zuweilen kann die äussere oder innere Zehe nach vorne und hinten gewendet werden; im ersteren Falle sind es Kletterfüsse mit äusserer (Cuculus), im letzteren (Colins) Klammerfüsse mit innerer Wendezehe. Gegenüber den Gangbeinen charakterisiren sich die Wad- beine durch die theilweise oder völlig nackten, uubefiederten Schienbeine; sie finden sich vornehmlich bei den Wasservögeln, unter denen die Stelzvögel 844 Aves. Gehirn. Augen. Wadbeine mit sehr verlängertem Lauf, sogenannte Stehfüsse {P. f/rallarn), besitzen. An diesen letzteren imterscheidet man geheftete Fasse (P, colligciti\ wenn die Vorderzehen an ihrer Wurzel durch eine kurze Haut verbunden sind, Ciconia; halbgeheßete Fasse (P. semicolligati), wenn sich diese Hautverbindung auf Mittel- und Ausseuzehe beschränkt, Limosa. Als Lauf leine {P.cursorii) bezeichnet man kräftige Stelzbeine ohne Hinterzehe mit drei (Rhea) oder zwei {Stvuthio) starken Vorderzehen. Die kurzen Wadbeine der Schwimmvögel, aber auch die längeren Beine der Stelzvögel stellen sich mit Rücksicht auf die Fussbildung dar als : SclmimmfUsse (P. palmati), wenn die drei nach vorne gerichteten Zehen bis an die Spitze durch eine ungetheilte Schwimmhaut ver- bunden sind, Anas; halbe SchicimmfUsse (P. semipahnati), wenn die Schwimm- haut nur bis zur Mitte der Zehen reicht, Rearrvirostra; gespaltene Schtcimm- fiisse (P. ßssipahnati), wenn ein ganzrandiger Hautsaum an den Zehen hin- läuft, Podiceps; Lappenfiisse (P. lohati), wenn dieser die Gestalt breiter, an den einzelnen Zehengliedern eingekerbter Lappen erhält, Fulka. Wird die Hinter- zehe mit in die Schwimmhaut aufgenommen, so bezeichnet man die Füsse als Ruderfüsse(P.stegam'), Haliaeus. Uebrigens kann die Hinterzehe bei den Schwimm- und Stelzvögeln verkümmern oder voll- ständig ausfallen. . Das Gehirn der Vögel (pag. 77, Fig. 98) steht seiner Ausbildung nach weit über dem Reptilien- gehirn und füllt bereits die geräumige Schädelhöhle vollständig aus. Die Hemisphären entbehren zwar noch oberflächlicher Windungen, besitzen aber be- reits einen rudimentären Balken (Meckel). Sie bedecken nicht nur das Zwischeuhirn, sondern auch die beiden grossen, zur Seite gedrängten Corpora higemina. Noch weiter schreitet die Differenzirung des kleinen Gehirnes vor, welches aus einem grossen, dem sogenannten Wurme der Säugethiere ent- sprechenden Mittelstücke und kleinen seitlichen Anhängen besteht. In Folge der Nackenbeuge des Embryo setzt sich das verlängerte Mark winkelig vom Kückenmarke ab, dessen Stränge an der hinteren Anschwellung in der Lendeu- gegend zur Bildung eines zweiten Sinus rhomboidaiis auseinauderweichen. Die Hirnnerven sind sämmtlich gesondert und verbreiten sich im Wesentlichen wie bei den Säugethieren. Das Rückenmark reicht fast bis an das Ende des Rückgratcanals. Unter den Sinnesorganen erreichen die Augen stets eine bedeutende Grösse und hohe Ausbildung. Ueberaus beweglich sind die Augenlider, nament- lich das untere Lid und die durchsichtige Nickhaut, welche vermittelst eines eigenthümlichen Muskelapparates vor das Auge vorgezogen wird. Der Augen- bulbus(Fig. 806) der Vögel enthält dadurch eine ungewöhnliche Form, dass der Auge eiues Nachtraubvogels, nach W i e d e r s h e i m. Co Cornea, i Lin- se, Rt Retina, P Pecten, No Nervus opticus, .Sc Verknöeherungen der Scierotica, C.U Ciliarmuskel. Gehörorgan. Geruchsorgan. 845 hintere Abschnitt mit der Ausbreitimg der Netzhaut dem Segmente einer weit grösseren Kugel entspricht als der kleine vordere. Beide sind durch ein Mittelstück, welches die Gestalt eines kurzen und abgestumpften, nach vorne verschmälerten Kegels besitzt, mit einander verbunden. Am bestimmtesten prägt sich diese Gestalt des Bulbus bei den Nachtraubvögeln, am wenigsten bei den Wasservögeln mit verkürzter Augenachse aus. Ueberall findet sich liinter dem Rande der Hornhaut ein knöcherner Scleroticalring. Die Hornhaut ist mit Ausnahme der Schwimmvögel stark gewölbt, während die vordere Fläche der Linse nur bei den nächtlichen Vögeln eine bedeutende Con- vexität besitzt. Eine eigenthümliche (nur bei Apteryx fehlende) Bildung des Vogelauges ist der sogenannte Fächer oder Kamm, ein die Netzhaut durch- setzender, schräg durch den Glaskörper zur Linse verlaufender Fortsatz der Chorioidea, welcher dem sichelförmigen Fortsatze des Fisch- und Reptilien- auges entspricht. Neben der Schärfe des Sehvermögens, welcher die bedeutende Grösse und complicirte Structur der Netzhaut parallel geht, zeichnet sich das Vogelauge durch den hohen Grad der Accommodationsfähigkeit aus, die vor- nehmlich auf die Muskeln des sogenannten Ligamentum ciliare (Krampton- scher Muskel\ aber auch auf die grosse Beweglichkeit der muskulösen Iris (Erweiterung und Verengerung der Pupille) zurückzuführen ist. Das Gehörorgan (Fig. 104, II), von spongiöser Knochenmasse um- schlossen, besitzt drei grosse halbzirkelförmige Canäle und einen ampullen- förmig erweiterten Schneckenschlauch (Lagena). Der Vorhof, den man wegen seiner geringen Grösse auch als den unteren erweiterten Theil der Schnecke ansehen kann, zeigt doppelte Oeffuuugen, das von dem Endstück {Operculum) der Columella verschlossene und nach der Paukenhöhle gerichtete Foramen ovale und eine zweite, mehr rundliche Oeffnung, das Foramen rohmchim, mit häutigem Verschluss. Zu dem Labyrinth kommt stets noch eine Paukenhöhle hinzu, welche mit den lufthaltigen Räumen der benachbarten Schädelknochen communicirt und durch die Eustachische Röhre dicht hinter den Choanen in den Rachen mündet. Nach aussen wird die Paukenhöhle durch ein Trommel- fell abgeschlossen, in welchem sich das lange stabförmige Gehörknöchelchen, die dem Steigbügel der Säugethiere entsprechende Columella anheftet. Auf der äusseren Seite des Trommelfelles folgt dann ein kurzer äusserer Gehörgang, dessen Oeffnung häufig von einem Kranze grösserer Federn umstellt ist und bei den Eulen sogar von einer häutigen, ebenfalls mit Federn besetzten Klappe, einer rudimentären äusseren Ohrmuschel, überragt wird. Das Geruchsorgan besitzt in den geräumigen, häufig durch eine unvoll- kommene Scheidewand (Nares perviae) getrennten Nasenhöhlen drei Paare von Muscheln, von denen jedoch die unteren und oberen den Vögeln eigen- thümliche Bildungen vorstellen und blos die mittleren den Muscheln der übrigen Vertebraten homologe Gebilde sind. Die beiden Nasenöffuungen liegen mit Ausnahme des Kiwis der Wurzel des Oberschnabels mehr oder minder genähert, zuweilen (Krähen) von steifen Haaren verdeckt und geschützt, bei 846 Aves. Geschmaeksoi-gau. Verdauungsorgaue. den Sturmvögeln röhrig verlängert und zusammenfliessend. Eine sogenannte Naseudrüse liegt meist auf dem Stirnbeine, seltener unter dem Nasenbeine oder am inneren Augenwinkel und öifuet sich mittelst eines einfachen Aus- führnngsganges in die Nasenhöhle. Der Geschmack knüpft an. die weiche papillenreiche Basis der Zunge, die nur bei den Papageien im ganzen Umfange weich bleibt, sonst überall Fig. 807. iSclmabelform. a, h, c, d, k nach Naumann; g, i, m, o aus regne aniiual ; l aus Brehm. a PhoeiiicojJterus antiquorum, h PlaUdea letccorodia, c Eiriberiza citrindla, d Turdus cyanus, e Falco candicans, f Mergus mer- ganser, g Pelecanus jjerspicillatiis, h Reeurvirostra avocetta, i Rhynchops nigra, fc Columha livia, l Balaeniceps re.i-, m Aitastomus coromamUlianus, n Ptcrogloasus discolor, o Mijcteria senegalensis, p Falcinellus igneus, 1 Cypselus apus. eine festere Bekleidung besitzt und häufig auch zur Nahrungszerkleinerung wesentliche Dienste leistet. Allgemein dürfte die Zunge neben dem Schnabel als Tastorgan in Betracht kommen. Selten (Schnepfen, Enten) wird der Schnabel durch die Bekleidung mit einer Aveichen, an Nerven und Vaterschen End- körperchen reichen Haut zum Sitz einer feineren Tastempfindung. Die Verdauungsorgane des Vogels zeigen trotz der mannigfach wech- selnden Ernährungsart einen ziemlich übereinstimmenden Bau, dessen Eigen- Zunge. Kropf. M;igeii. 847 808. thümlichkeiteu zu dem Flugvermügen Beziehung haben. Die Kiefer sind von einer harten Hornscheide überdeckt und zum Schnabel umgestaltet. Wahre Zähne fehlen wenigstens den jetzt lebenden Vögeln im Gegensatze zu den fossilen Odontomithen (Ichthyornis [Fig. 150], Hesperomis) durchaus, doch sindZahnpapillen in den Kiefern von Papagei-Embryonen schon durch Etieune Geoffroy St. Hilaire bekannt geworden. Während der Oberschnabel aus der Verwachsung von Z^vischeukiefer, Oberkiefer und Nasenbeinen gebildet ist, entspricht der Unterschuabel den beiden Unterkieferästen, deren verschmolzener Spitzentheil als Dille ( myxa) bezeichnet wird. Die untere, vom Kinu- Avinkel bis zur Spitze reichende Kante heisst Dillenkante {gonys), die Kante des Oberschna- bels Firste (cidmen), die Gegend zwischen Auge und der von der Wachshaut (ceroma) bekleideten Schnabelbasis der Zügel. Form und Ausbildung des Schnabels variiren nach der besonderen Er- nährungsweise mannigfach. (Fig. 807.) Am Boden der Mundhöhle liegt die über- aus bewegliche Zunge, die hornige und fleischige Bekleidung zweier am vorderen Ende des Zun- genbeins befestigter Knorpel, welche zum Xie- derschlucken, häufig auch zum Ergreifen der Nahrung dient. Die Mundhöhle, bei den Peli- kanen in einen umfangreichen, von den Kiefer- ästen getragenen Kehlsack erweitert, nimmt das Secret zahlreicher Speicheldrüsen auf. Ein Gaumensegel fehlt. Die muskulöse längsge- faltete Speiseröhre, deren Länge sich im All- gemeinen nach der Länge des Halses richtet, aber auch bei den grösseren körnerfressenden Vögeln (Tauben, Hühnern, Papageien) eine Daimcanil eincb ^ogrls. Oe Speiseröhre, Ä'Kropt, Dm Drusenmagen, Km Kaumageu, Z> Mitteldarm, PPankreas (in der Duodenal- schlinge gelegen), H Leber, C die beiden kropfartige Erweiterung, in welcher die Speisen Blinddärme. Ad Afterdarm, u uretereu, erweicht werden. (Fig. 808.) Bei den Tauben "'' ''"''"^■'- '" ''"'■''^'• trägt der Kropf zwei kleine rundliche Nebensäcke, deren Wandung zur Brutzeit einen käsigen, zum Aetzeu der Jungen in Verwendung kommenden Stoff absondert. Das untere Ende der Speiseröhre erweitert sich in einen drüsenreichen Vormagen, den Drüsenmagen, welcher in der Eegel eine ovale Form besitzt und an Umfang von dem darauffolgenden Muskelmageu übertroffen wird. Dieser erscheint je nach der Beschaffenheit der Nahrung mit schwächeren (Raubvögel) oder mit kräftigeren (Körnerfresser) Muskelwan- dungen versehen. Im letzteren Falle wird derselbe durch den Besitz von zAvei 848 Aves. Herz. Athmuugsorgaiie. festen gegeneinander wirkenden Keibplatten, welche die hornige Innenwand bilden, zur mechanischen Bearbeitung der erweichten Nahningsstoffe vorzüg- lich befähigt. Der Dünndarm umfasst mit seiner vorderen, dem Duodenum ent- sprechenden Schlinge die langgestreckte Bauchspeicheldrüse, deren in zwei- facher Zahl vorhandene Ausführungsgänge nebst den meist doppelten Gallen- gängeu in diesen Abschnitt einmünden. Der kurze Dickdarm erscheint durch eine Kingklappe und durch den Ursprung von zwei Blinddärmen abgegrenzt und geht, ohne in ein Colon und Kectum zu zerfallen, unter Bildung einer sphineterartigen Ringfalte in die auch den Urogenitalapparat aufnehmende Kloake über, an deren hinterer Wand ein eigenthümlicher Drüsensack, die Bursa Fahricü, einmündet. Die grossen langgestreckten Xieren liegen in den Vertiefungen des Kreuzbeines eingesenkt und zerfallen durch Einschnitte in eine Anzahl von Läppchen. Die Harnleiter verlaufen hinter dem Rectum und münden ein- wärts von den Genitalöifnungen in die Kloake ein. Eine Harnblase fehlt. Das Harnsecret stellt sich nicht wie bei den Säugethieren als Flüssigkeit, sondern als eine weisse, breiartige, rasch erhärtende Masse dar. Die Vögel besitzen ein vollständig gesondertes rechtes und linkes Herz, welches, vom Herzbeutel umschlossen, in der Medianlinie liegt. Als eiueEigen- thümlichkeit desselben ist die besondere Ausbildung der rechten Atrioventricular- klappe hervorzuheben, welche im Gegensatze zu den Atrioventricularklappen des Säugethierherzens eine einfache, stark muskulöse Platte ist. Der Herzschlag wiederholt sich bei der lebhaften Athmung rascher als bei den Säugethieren. Die Aorta bildet einen rechten Aortenbogen. Die Venen münden mittelst zweier oberer und einer unteren Hohlvene in die rechte Vorkammer. Da das Zwerchfell rudimentär bleibt, geht die Brusthöhle direct in die Bauchhöhle über. Das Merenpfortadersystem ist bei den Vögeln, wenn auch in geringem Umfange, noch erhalten. Das Lymphgefässsystem mündet durch zwei Ductus thoracici in die oberen Hohlvenen ein, communicirt aber sehr allgemein noch in der Becken- gegend mit den Venen. Lymphherzen sind nur an den Seiten des Steissbeines beim Strausse und Casuar, sowie bei einigen Sumpf- und Schwimmvögeln an- getroffen, werden aber häufig durch blasige, nicht contractile Erweiterungen vertreten. Die Aihmungsorgane beginnen hinter der Zungenwurzel mit der Kehl- ritze, welche durch einen wenig ausgebildeten oberen Kehlkopf (Larynx) in eine lange, von knöchernen Ringen gestützte Luftröhre führt. Die Luftröhre übertrifft nicht selten die Länge des Halses und verläuft dann, vornehmlich im männlichen Geschlechte, unter Biegungen, die entweder unter der Haut liegen (Auerhahn) oder selbst in den hohlen Brustbeinkamm eindringen (Sing- schwan). Mit Ausnahme der Strausse, Störche und einiger Geier entwickelt sich das Stimmorgan an der Theilungsstelle der Luftröhre in die Bronchien. Beide Abschnitte betheiligen sich an der Bildung desselben und lassen den unteren Kehlkopf (%r2Via3) hervorgehen. (Fig. 809.) Indem die letzten Tracheal- Kelilkopf. Luugcii. 849 ringe und vorderen Bronchialringe eine veränderte Form erhalteiuind oft in nähere Verbindung treten, erscheinen das Ende der Trachea und die Anfänge der Bronchien comprimirt oder bhisig aufgetrieben und zu der sogenannten Trom- mel umgeformt, welche sich bei den Männchen vieler Enten und Taucher zu unsymmetrischen, als Resonanzapparate wirkenden Nebenhöhlen (sog. Pauken- höhle und Labyrinth) erweitert. Das untere Ende der Trachea wird gewöhnlich von einer vorspringenden Knocheuleiste, dem Steg, durchsetzt, welcher sich an der Theilungsstelle der Bronchien erhebt. Zwischen diesen und den Bronchial- ringen spannt sich wie in einem Rahmen die innere Paukenhaut (M. iympam- formis interna) aus. Bei den Singvögeln kommt als Fortsetzung der letzteren am Steg noch eine halbmondförmige Falte (Membrana semilunaris) hinzu. In Fiff. 809. Unterer Kehlkopf des Rabeu, aus Owen, a Seiteuansicht des geötfueteu Kehlkopfes, 6 der Kehlkopf nach Entfernung der Muskulatur, c derselbe mit den Singmuskeln von vorne, d von der Seite gesehen. St Steg (Pessulus), Mtii Jlembrana tympaniformis interna, Ms Membrana semilunaris, Rt umgeformter letzter Traehealring, Rh die umgeformten drei ersten Bronchialringe, M Singmuskeln. zahlreichen Fällen tritt auch gegenüberliegend zwischen zwei Bronchialringen eine äussere Paukenhaut {M. tympaniformis externa) hinzu, welche gleichfalls ein Stimmband bildet und mit dem freien Rande der inneren Paukeuhaut jeder- seits eine Stimmritze erzeugt. Zur Anspannung dieser als Stimmbänder fun- girenden Falten dient ein Muskelapparat, welcher die Trachea mit den Seiten- theilen der Trommel oder auch mit den vorderen Bronchialringen verbindet und am complicirtesten bei den Singvögeln entwickelt ist, deren unterer Kehlkopf 5 oder 6 Paare solcher Muskeln besitzen kann. Die verhältnissmässig kurzen Bronchien führen beim Eintritt in die Lungen in eine Anzahl weiter häutiger Bronchialröhren, welche das Lungengewebe durchsetzen. Die Lungen hängen nicht wie bei den Säugethieren, von einem Pleurasack überzogen, frei in einer geschlossenen Brusthöhle, sondern sind durch Zellgewebe an die Rückenwand der Rumpfhöhle angeheftet und an den Seiten der Wirbelsäule in die Zwischen- räume der Rippen eingesenkt. Auch zeigt das Verhalten der Bronchialröhren und die Structur der feineren respiratorischen Lufträume von den Lungen der C. Claus: Lelirl.uch der Zoologie. 5. Aufl. 54 850 Aves. (lesclileclitsorgar Fiff. 8J0. Säiigetliiere wesentliclie Abweichungen, indem die von den Infundibulis um- gebenen Brouchialäste wie Orgelpfeifen nebeneinander stehen (Lungenpfeifen). Als Ausstülpungen der Lunge erstrecken sich grosse Luftsäcke (Fig. 810) in ziemlich constanter Anordnung vorne in den Zwischenraum der Furcula (peri- trachealer Luftsack), sodann als Brustsäcke in die vorderen und seitlichen Partien der Brust, und als Bauchsäcke nach hinten zwischen die Eingeweide bis in die Beckengegend der Bauchhöhle. Die letzteren führen in die Höhlungen der Schenkel- und Beckenknochen, die klei- neren vorderen Säcke setzen sich in die Luftzellen der Armknochen und der Haut fort, welche letztere bei grossen, vortreff- lich fliegenden Schwimmvögeln (ßvla, Pehcanus) eine solche Ausbreitung er- langen, dass die Körperhaut bei der Berührung ein knisterndes Geräusch vernehmen lässt (Wärmeschutz, Herab- setzung des specifischen Gewichtes, Luft- reservoirs bei der Respiration). Bei sol- chen Einrichtungen muss im Zusammen- hange mit der schon hervorgehobeneu rudimentären Form des Zwerchfelles und der eigenthümlichen Gestaltung des Tho- rax der Mechanismus der Athmung ein ganz anderer sein als bei den Säuge- thiereu. Die Erweiterung des auch die Bauchhöhle umfassenden Brustkorbes tritt als Folge einer Streckung der Sterno- costalknocheu und der Entfernung des Brustbeines vom Rumpfe ein. Die Respi- rationsbewegungen werden daher vor- nehmlich durch die als Inspirationsmus- keln fungirendenSteruocostalmuskeln und Rippenheber veranlasst. Die Geschlechtsorgane schli essen sich eng an die der Reptilien an. Beim Männchen, welches sich nicht nur durch bedeutende Grösse und Körperkraft, sondern durch lebhaftere Färbung des Geüeders, sowie durch reichere Mannig- faltigkeit der Stimme auszeichnet, liegen an der vorderen Seite der Xieren zwei ovale, zur Fortpflanzungszeit mächtig anschwellende Hoden, von denen der linke meist der grössere ist. Die wenig entwickelten Nebenhoden führen in zwei an der Aussenseite der Harnleiter herabsteigende Samenleiter, deren Enden häufiof zu Samenblasen anschwellen und an der Hinterwand der Kloake LuugiMi luiil Luftsäfke der Taube (sclicma tisch), nach C. Heider. Tr Trachea, J" Lunge, Lp \niri- trachealer Luftsack mit seinen Ausstülpungen (Lh und Lm) in den Hunieius (H) und zwischen die Brustmuskulatur, C die Verbindung desselben mit den sternalen Lufträumen, Lih thoracale Luftsäckc, La abdoiiiiiKilc Liiftsäeke. Hogattuiigsorgan. Ei. 851 auf zwei kegelförmigen Papillen ausmünden. Ein Begattungsorgan fehlt in der Regel; bei einigen grösseren Wasservögeln {Herodü, Cironia, PlataUa etc.) erhebt sich jedoch au der Vorderwand der Kloake ein warzenförmiger Yor- sprung als Anlage eines Penis. Umfangreicher erscheint derselbe bei den meisten Struthionen, den Enten, Gänsen, Schwänen und den Baumhühnern (Penelope, Urax, Crax). Hier entspringt an der Vorderwand der Kloake ein gekrümmter, von zwei fibrösen Körpern gestützter Schlauch, dessen Ende mittelst eines elastischen Bandes eingezogen wird. Eine oberflächliche Rinne dient zur Fortleitung des Spermas während der Begattung. Beim zweizehi^^n Strausse erlangt der Penis eine noch höhere, den männlichen Begattungstheilen der Schildkröten und Crocodile analoge Bildung. Unter den beiden fibrösen Körpern, die mit breiter Basis an der Vorderwand der Kloake entspringen, verläuft ein dritter cavernöser Körper, welcher an der vorderen nicht einstülp- baren Spitze in einen schwellbaren Wulst, die Anlage einer Glans peiiis, übergeht. An den weiblichen Ge- schlechtsorganen verkümmert das rechtsseitige Ovarium nebst dem Leitungsapparat oder schwindet vollständig. Um so umfangreicher werden zur Fortpflanzuugszeit die Geschlechtsorgane der linken Seite, sowohl das traubige Ova- rium, als der vielgewundene Ei- leiter, dessen oberer, mit weitem Ostium beginnender Abschnitt aus den Drüsen seiner läugsgefalteten Schleimhaut das geschichtete, an den Enden zu den Hagelschnüren (Chalazae) zusammengedrehte Eiweiss und im hinteren Theile die faserige Schalenhaut abscheidet. Der nachfolgende kurze und weite Abschnitt des Eileiters, der sogenannte Uterus, dient zur Erzeugung der mannigfach gefärbten porösen Kalkschale ; der kurze und enge Endabschnitt mündet an der äusseren Seite des entsprechenden Harnleiters in die Kloake ein. Da, wo sich im männlichen Geschlechte Begattungstheile finden, treten auch im weiblichen Geschlechte Clitorisbildungen an derselben Stelle auf. Die Vögel legen ohne Ausnahme Eier ab. Das ausschliessliche Auftreten der Oviparen Fortpflanzungsform steht zweifelsohne mit der Bewegungsart des Vogels im innigen Zusammenhange. Der umfangreiche Eidotter (Fig. 811), welcher im Eiweiss suspendirt ist, wird von einer Dotterhaut umhüllt und ist zum grossen Theile Nahrungsdotter. Nur ein kleiner oberflächlicher Theil, in welchem das Keimbläschen liegt, entspricht dem Bildungsdotter und wird als Narbe {Ckatrkula) unterschieden. Von dieser erstreckt sich in das Innere des 54* Schciiiatifcclu'i' LUug'iSuliiiitt durc ii:u-li Allen Thom son-Half our. gelber Dotter, WD weisser Dotter, iil)t;l(rütutes Ilühuerei, Bl Keimsclu'ibe, GD DM Dottermembrau, E\V Eiweiss, Ch Chalazen, .S' Sohaleuhaut, KS Kalkschale, LR Luftkammer. 352 Aves. Entwiekhuig. l'syehiselies Leben. gelben Dotters eine flüssigere Dotterscbichte, der weisse Dotter, welcher eine Höhle im Centrum des gelben Dotters erfüllt, sowie in concentrischen Schichten den gelben Dotter durchsetzt und in einer dünnen Schichte überzieht. Die Entwicklung erfordert einen hohen, mindestens der Temperatur des Blutes gleichkommenden Wärmegrad, welcher dem Ei in der Regel durch die Körper- wärme des brütenden Vogels mitgetheilt wird. Die Befruchtung erfolgt bereits im obersten Abschnitte des Eileiters vor der Abscheidung des Eiweisses und der Schalenhaut und hat den alsbaldigen Eintritt der partiellen (discoidalen) Furchung zur Folge, welche nur den hellen Theil des Dotters in der Umgebung des Keimbläschens, den sogenannten Hahnentritt (Cicatricula), den Bildungs- dotter, betrifft. Derselbe hat an dem gelegten Ei bereits die Furchung durch- laufen und sich zur sogenannten Keimseheihe entwickelt. Der später kahn- förmig vom Dotter sich abhebende Embryo erhält wie bei den Reptilien die charakteristischen Fötalhüllen, Amnion und Allantois. Die Dauer der Em- bryonalentwicklung wechselt sowohl nach der Grösse des Eies, als nach der relativen Ausbildung der ausschlüpfenden Jungen. Der zum Auskriechen reife Vogel sprengt die Schale, und zwar am stumpfen Pole mittelst eines scharfen, an der Spitze des Oberschuabels gelegeneu Zahnes. Die ausgeschlüpften Jungen besitzen im AVesentlichen die Organisation des elterlichen Thieres, wenngleich sie in dem Grade ihrer körperlichen Aus- bildung noch weit zurückstehen können. Während die Hühner- und Laufvögel, ferner die meisten Wad- und Schwimmvögel bereits bei ihrem Ausschlüpfen ein vollständiges Flaum- und Dunenkleid tragen und in der körperlichen Aus- bildung so weit vorgeschritten sind, dass sie als Nestflüchter alsbald der Mutter auf das Land oder in das Wasser folgen und hier selbstständig Nahrung aufnehmen, verlassen andere, wie die Gang- und Klettervögel, Tauben und Raubvögel, sehr frühzeitig ihre Eihüllen, nackt oder nur stellenweise mit Flaum bedeckt : unfähig, sich frei zu bewegen und zu ernähren, bleiben sie als Nest- hocker, gefüttert und gepflegt von den elterlichen Thieren, noch geraume Zeit im Nest. Das psychische Leben der Vögel steht ungleich höher als das der Repti- lien. Die hohe Ausbildung der Sinne (Augen) befähigt den Vogel zu einem scharfen ünterscheidungsvermögen, mit dem sich ein gutes Gedächtniss ver- bindet. Der Vogel lernt allmälig unter Anleitung der Eltern Flug und Gesang, er sammelt Erfahrungen, die er zu ürtheilen und Schlüssen verbindet, er er- kennt die Umgebung seines Wohnplatzes, unterscheidet Freunde und Feinde und wählt die richtigen Mittel sowohl zur Erhaltung seiner Existenz, als zur Pflege der Brut. Bei einzelnen Vögeln erlangt die Gelehrigkeit und die Fähig- keit der Nachahmung eine ausserordentliche Höhe (Staar, Papageij. Nicht minder entwickelt erscheint die Gemüthsseite des Vogels, wie sich nicht nur aus dem allgemeinen Betragen und dem mannigfachen Ausdruck des Gesanges, sondern vornehmlich aus dem Verhalten der beiden Geschlechter zur Zeit der Fortpflanzung ergibt. Die instinctiven Handlungen beziehen sich auf die Er- Nestljau. Urutpfl.^ge. 853 haltuiig des Individuums, iu ungleich höherem Masse aber auf die Pflege der Nachkommenschaft. Ueberhaupt erreichen die Aeusserungen sowohl des intellectuellen, als des instinctiven Lebens ihren Höhepunkt zur Zeit der Fortpßanzung, welche in den gemässigten und kälteren Klimaten meist in den Frühling (beim Kreuz- schnabel ausnahmsweise mitten in den Winter) fällt. Zu dieser Zeit erscheint der Vogel in jeder Hinsicht verschönert und vervollkommnet. Die Befiederung zeigt einen intensiveren Glanz und reicheren Farbenschmuck. Das mehr ein- farbige Winterkleid, welches die Herbstmauserung gebracht hat, ist mit einem lebhafter gefärbten Hochzeitskleid vertauscht. Die Stimme *) des Vogels tönt zur Fortpflanzungszeit reiner und klangvoller; das Männchen lässt seinen Gesang erschallen, der ebenso wie die Schönheit des männlichen Gefieders als Reizmittel auf das Weibchen wirken mag. Von Befiederung und Stimme ab- gesehen, erscheint das ganze Betragen des Vogels unter dem Einflüsse der geschlechtlichen Erregung verändert (Liebestänze, „^afee", als Vorspiel der Begattung ). Mit Ausnahme der Hühner, Fasane u. a. leben die Vögel in Mono- gamie, oft nur zur Fortpflanzuugszeit paarweise vereinigt, indem sie sich später zusammenschaaren und in grösseren Gesellschaften Züge und Wanderungen unternehmen. Indessen gibt es auch für das Zusammenwandern vereinzelter Pärchen einige Beispiele. Die meisten Vögel bauen ein Nest und suchen für dasselbe einen ge- eigneten Platz meist in der Mitte ihres Wohnbezirkes. Nur wenige (Stein- käuze, Ziegenmelker etc.) begnügen sich damit, ihre Eier einfach auf dem Erdboden abzulegen, andere (Raubmöven, Seeschwalben, Strausse) scharren wenigstens eine Grube aus oder (Waldhühner) treten eine Vertiefung in Moos und Gras ein. Am kunstvollsten sind die Nester von Vögeln, welche fremde Stoffe mit ihrem klebrigen Speichel zusammenleimen (Kleiber) oder feine Geflechte aus Moos, Wolle und Halmen verweben (Weber). In der Regel baut das Weibchen ausschliesslich das Nest, und die Hilfe des Männchens beschränkt sich auf das Herbeitragen der Materialien, doch gibt es auch Beispiele für die Betheiligung des Männchens an der Ausführung des Kunstbaues (Schwalbe, Wel)ervögel) ; in anderen Fällen (Hühnervögel, Edelfink) nimmt das Männchen am Nestbau überhaupt gar keinen Antheil. Viele Seevögel, wie die Alken und Pinguine, legen nur ein Ei, die grossen Raubvögel, Tauben, Segler und Ko- lil)ris zwei Eier. Ungleich höher steigt die Zahl derselben bei den Singvögeln, noch mehr bei den Schwimmvögeln der Teiche und Flüsse, bei den Hühnern und Straussen. Ebenso verschieden ist die Dauer der Brutzeit, welche sich nach der Grösse des Eies und dem Grade der Ausbildung des ausschlüpfenden Jungen richtet. Während die Kolibris und Goldhähnchen 11 bis 12, die Sing- vögeln lö bis 18 Tage brüten, brauchen die Hühner 3 Wochen, die Schwäne die doppelte Zeit und die Strausse 7 bis 8 Wochen zum Brutgeschäft, welches «) Vergl. A. E. Brehm's „Tllustrirtes Thierleben", Tom. IV, Y und VI, Aves. Wandertrieb, im Wesentlichen auf einer gleiclimässigen, oft tlurch nackte Stellen (Brut- Hecken) begünstigten Erwärmung der Eier durch den Körper des brütenden Vogels beruht. In der Kegel liegt das Brutgeschäft ausschliesslich der Mutter ob, die während dieser Zeit vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Nicht selten aber, wie bei Tauben, Kibitzen und zahlreichen Schwimmvögeln, lösen sich beide Gatten regelmässig ab ; das Männchen sitzt dann freilich nur kürzere Zeit am Tage, das Weibchen die ganze Nacht hindurch auf dem Neste. Beim Strauss brütet das Weibchen nur die erste Zeit, später werden die Kollen ge- wechselt, und das Männchen übernimmt das Brutgeschäft vornehmlich zur Nachtzeit fast ausschliesslich. Auffallend ist das Verhalten zahlreicher Kukuke, insbesondere unseres einheimischen Kukuks (auch des Trupials), welcher Nest- bau und Brutpflege anderen Vögeln überlässt und seine kleinen Eier einzeln in Intervallen von etwa 8 zu 8 Tagen dem Eiergelege verschiedener Singvögel unterschiebt. Die Pflege und Auffütterung der Jungen fällt meist ausschliess- lich oder doch vorwiegend dem weiblichen Vogel zu, dagegen nehmen in der Regel beide Eltern gleichen Antheil an dem Schutze und an der Vertheidigung der Brut. Von den Thätigkeiten abgesehen, welche auf die Fortpflanzung Bezug haben, äussert sich der Instinct der Vögel vornehmlich im Spätsommer und Herbst als Trieb zur Wanderung und noch räthselhafter als zuverlässiger Ftihrer auf der Wanderschaft. Wenige Vögel der kälteren und gemässigten Klimate halten im Winter an ihrem Brutorte aus {Standvögel^ Steinadler, Eulen, Raben, Elstern, Spechte, Zaunkönige, Meisen, Waldhühner etc.). Viele streichen ihrer Nahrung halber in grösseren und kleineren Kreisen umher {Strichvögel, Dros- seln, Berg- und Edelfinken, Speclite, Goldammer, Finken, Haubenlerche). Andere unternehmen vor Eintritt der kalten und nahrungsarmen Jahreszeit Wanderungen und ziehen in grossen Gesellschaften vereinigt aus nördlichen Klimaten in gemässigte, aus diesen in südliche Gegenden {Zvgvögel, Schwalben und Störche, Dohlen, Krähen und Staare, Wildgänse, Kraniche etc.), um in denselben zu überwintern und mit beginnendem Frühjahr wieder in die Heimat, das heisst die Gegend des Brutortes, zurückzukehren. Eine Erklärung des über- aus merkwürdigen instinctiven Wandertriebes und der an diesen anknüpfenden regelmässigen, über grosse Ländergebiete sich bewegenden Züge scheint mit Hilfe des Selectionsprincipes unter Verwerthung der klimatischen und geo- graphischen Veränderungen, welche die Erdoberfläche während der jüngeren Tertiärzeit und der auf diese folgenden Diluvialzeit erfahren hat, möglich zu sein. Man hat sich in erster Linie zu vergegenwärtigen, dass die Arten der Vögel im Kampfe um die Existenzbedingungen sich möglichst auszubreiten bestrebt sein werden, und dass bei eintretendem Nahrungsmangel eine durch das Flugvermögen unterstützte Migration in benachbarte, oft auch weiter ent- fernte Gegenden erfolgen wird. Zahlreiche Arten unternehmen während der kalten, nahrungsarmen Jahreszeit regelmässig ausgedehnte Streifzüge (Strich- vögel), in welchen die ersten Anfänge des „Wanderns'' oder „Ziehens" zu er- Staminesgeschiclite. 855 kennen sind. AVährend und in Folge des allmäligen Klimawechsels mnssten sicli aber die Verbreitungsbezirke der Vögel allmillig ändern, mit dem Eintritt der Eiszeit von Norden nach Süden und später nach derselben umgekehrt von Süden nach Norden bedeutend verschieben und das Ziehen nach diesen Kichtungen bei dem Wechsel der Jahreszeiten in den einander folgenden Generationen als regelmässige Wanderung erhalten bleiben. Das Ziehen ist somit eine durch die p]rnährungs- und Lebensverhältnisse für die Artexistenz nothwendig gewor- dene, durch unzählige Generationen vererbte Gewohnheit, aus welcher sich der zur bestimmten Jahreszeit auftretende Trieb zum Fortziehen erklärt. Die viel- fachen Wege aber, auf denen die Zugvögel wandern, werden nicht einfach durch die gerade Eichtung von Süd und Nord bezeichnet, sondern sind höchst ver- schlungene „ Zvgstrassen'^ *), welche den uralten Wegen entsprechen, auf denen die Ausbreitung der Vogelart in früher Zeit erfolgte. Natürlich sind die Zug- strassen der Landvögel ganz verschieden von denen der Sumpfvögel und Küsten- vögel, welch' letztere (z.B. Möven, Schwäne, Eiderente, Beruickelgans), durch die Nahrung an die Meeresküste gefesselt, längs dieser über grosse Länder- strecken dahinziehen, aber auch ausgedehnte Meeresstrecken überschreiten, welche in der Vorzeit durch Küstenland oder Liselgruppen vertreten Avaren. (Grönland, Island, Faröer, England.) Ebenso weisen die Strassen, auf denen die Zugvögel über das Mittelmeer nach Afrika gelangen, auf zusammenhängendes Land oder Inselgruppen der vordiluvialen Zeit hin. (Strasse von Gibraltar — Corsika, Sardinien, Tunis— Italien, Sicilien, Malta, Tripolis— Kleinasien, Cypern, Aegypten.) Für die geologische Geschichte dieser Classe liegt nur ein sehr spär- liches Material vor. Von dem fiederschwänzigen Archaeopteryx lithograpMca (Fig. 799) des Jura (Saururae) abgesehen, gehören die ältesten Keste von Schwimm^ und Sumpfvögeln der Kreide an. Diese zeichneten sich durch den Besitz von Zähnen aus { Odontormthen), welche im Oberkiefer und Unterkiefer in Kinnen {Odontolcae, Hesjyerornis) oder in Gruben {Odontotormae, Icliihy- ornis) Sassen, während den zahnlosen Zwischenkiefer schnabelartig eine Horn- scheide bekleidete. Ueber die Stammesgeschichte derVögel wurden sehr verschiedene Ansichten ausgesprochen. Huxley und Gegenbaur glaubten aus der ähnlichen Ge- staltung der hinteren Extremität, ersterer vornehmlich des Beckens, letzterer aus dem Verhalten der Wurzelknochen und des Tarsus nebst Zehen, gewisse Dinosaurier { Ornithopoden, Comsognathus) als Stammformen betrachten zu können, aus denen sich zuerst die flugunfähigen Katiten, später aus diesen die Carinaten entwickelt hätten. Dagegen betrachtete E. Owen die langschwänzigen Pterosaurier {Ehamphorynchiis) als Ausgangsgruppe, um von derselben durch die Archaeopterygier als Zwischengruppe die Carinaten abzuleiten, wogegen er, und gewiss mit vollem Kechte, die Katiten auf secundär veränderte Formen 'j Vergl. J. A. PalmeH, Ueber die Zugstrassen der Vögel. Leipzig, 1876. 856 Aves. zurückführte, welche die Flugfähigkeit verloren haben. Sicher ist aber der Ausgang von den Pterosauriem ein durchaus verfehlter, nicht nur wegen der ganz abweichenden Gestaltung des Beckens und der hinteren Extremität, son- dern auch mit Eücksicht auf die ganz abweichende Bildung des Flugapparates, welcher bereits eine hoch entwickelte Specialis irung in ganz anderer Richtung (fünfter Finger zur Stütze eines mächtigen Patagiums) besass, aus welcher sich unmöglich der Flügel von Archaeopteryx oder der jetzt lebenden Yögel hätte entwickeln können. Noch unglücklicher ist freilich die von einigen Autoren verfochtene An- sicht von einem diphyletischen Ursprünge derVögel, nach welcher die Dinosaurier mit ihren reducirten Vorderextremitäten zu den Odontokae (Hesjyeronu's) und von diesen zu den flugunfähigen Ratiten, die Pterosaurier, beziehungsweise eine andere nicht näher zu bestimmende Lacertiliergruppe der mesozoischen Periode zu den Carinaten geführt habe. Die Uebereinstimmung der Katiten und Carinaten in der Gestaltung des Skelets und der inneren Organe ist eine so grosse und in allen wesentlichen Zügen so vollständige, dass die Entstehung dieses einheitlichen Typus von zwei verschiedenen Stammgruppen wenn nicht als undenkbar, so doch als höchst unwahrscheinlich bezeichnet werden muss, zumal die unterscheidenden Charaktere im Zusammenhang mit dem Verluste des Flugvermögens verständlich werden, dieser aber für eine Reihe von Ratiten als erst im Laufe der Zeit secundär eingetreten mit Sicherheit geschlossen werden kann. Während die Strauss-artigen Vögel und Dinomithen schon aus Gründen der bedeutenden Grösseuentwicklung die Flugbefähiguug einbüssen mussten, lässt sich für andere Formen wie die Apterygier die besondere Lebens- weise sowie der lange Zeitperioden hindurch sistirte Gebrauch als begründendes Moment verwerthen. Einzelne flugunfähige Formen ohne Brustbeinkiel und ohne Schwungfedern haben offenbar erst in jüngeren Perioden ähnliche Rück- bildungen erfahren und repräsentiren Glieder von Carinatenfamilien, wie die neuseeländischen Gattungen Notomis (Rallide), Gastomis, Cnemiomis^ ferner die erst jüngst ausgestorbenen Älca impennis und Didus ineptus, sowie die noch lebenden Strigops und Aptenodytiden. Wenn auch die Ratiten in vieler Hin- sicht primitivere, auf eine niederere Entwicklung hinweisende Eigenschaften zeigen, so sind diese zum Theil als secundäre im Anschluss an den früher oder später erfolgten Verlust des Flugvermögens eingetretenen Rückbildungen verständlich. Offenbar gingen dem Carinatenstamme abweichend gestaltete Typen mit geringerem Fhigvermögen und primitivem Verhalten der Flügel und Befiederung voraus, aber diese deckten sich gewiss nicht mit den die Ratiten auszeichnenden Merkmalen. Vielmehr werden wir uns die Stammeltern der Enornithen als Sauropsiden von geringer oder mittlerer Grösse vorzustellen haben, welche sich beim Gang ausschliesslich auf die Hinterextremitäten stützten und diese zum Klettern und zum Sprunge benützten, während, bei ziemlich gleichmässiger Bekleidung des Körpers mit kleinen Federschuppen die Vorder- gliedmassen bereits mit oberer (zwischen Oberarm und Unterarm) und unterer Classific-iUion. 857 Hautduplicatiir und von relativ bedeutender Entwicklung (zwischen Körper- seite, Ellenbogen und Hand) beim Sprunge nach Art eines Fallschirmes, bezie- hungsweise unter flatternder Bewegung in Function traten. Es waren vielleicht Sauropsiden aus der Trias, welche als derzeit noch unbekannt gebliebene Typen der so überaus divergenten Dinosaurier mit der Gestaltung des Beckens und der Hintergliedmassen von Ornithopoden und Compsognathen die jenen Voraussetzungen entsprechende Grösse und Bildung der Vordergliedmassen, wenn auch noch mit grosser Zahl bekrallter Finger, verbanden und erst all- mälig in der mesozoischen Zeitsich einer vollkommeneren Flugbewegung durch Entwicklung des Brustbeinkammes sowie einer diesem entsprechenden kräftigen ^Muskulatur, von Schwungfedern und Steuerfedern anpassten, somit die Cha- raktere derCarinaten gewannen. Möglicherweise vollzog sich dieser Gestaltungs- process unter mehrfachen Modificationen, von denen eine zur Entstehung der Saururae führte, welche ebenso wie andere gewissermassen inadaptive Seiten- zweige sich nicht auf die Dauer erhalten konnten und deshalb früher oder später wieder vom Schauplatz verschwinden mussten. Wenn nach dem Skelet und Flügelbau von Archaeopteryx mit ^Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass die Saururen keine Stammesentwicklung des Euorniihen%inm.mQ^ repräsentiren, so wird für die bezahnten Vögel der Kreide (Odontotormae) kaum ein Zweifel bestehen, dass dieselben als Etappen in der Stammesentwick- lung der Carinaten durchlaufen wurden, und dass schon unter jenen Ratiten- ähnliche Formen, wie die Odoniolcae {Hesperornis, Wasserstrauss) hervortraten, deren Besonderheiten auf secundären Verlust des Flugvermögens unter ent- sprechenden Anpassungen an das Wasserlcben zurückzuführen sind. In der Tertiärzeit werden die Ueberreste häufiger, sind indessen für eine nähere Bestimmung unzureichend; dagegen treten im Diluvium zahlreiche Typen jetzt lebender Nesthocker, sowie merkwürdige Riesenformeu auf. von denen einzelne nachweisbar in historischer Zeit ausgestorben sind (Äepyomis, Dinorm's, Palapteryx, Didus). Die Classification der Vögel bietet mit Eücksicht auf die relative Ein- förmigkeit der Gestaltung und Organisation im Vergleiche zu anderen Thier- classen grosse Schwierigkeiten. Wollte man die Saururae als Subclasse der Ormthurae oder echten Vögeln gegenüberstellen, so müsste man die Charakte- risirung der Classe bedeutend verändern und wesentlich verallgemeinern. Auch das Verhältniss der Odontormthen zu den Edeniornithen lässt sich vorläufig nicht systematisch verwerthen. Die Ornithuren werden gewöhnlich nach Huxley's Vorgang m Carinatae m\([ Ratitae eingetheilt, welche letztere in ihren Besonderheiten durch Kückbildung des Flugvermögens kaum als eine scharf zu trennende systematische Einheit gelten können, zumal verschiedene Typen aus mehreren Carinatenfamilien im Beginne dieser durch Flugunfähigkeit bedingten Veränderungen stehen. Für den gesammten reichen Inhalt der leben- den Vogel weit aber erscheint die Abgrenzung des Ordnungs- und Familien- besrilfes kaum möoiich, und erklären sich aus diesem Verhältniss die nach 858 I- Cariuatae. 1. Onlnung. X;it:\toivs. Zahl dieser Kategorien so ausserordentlich divergirenden S3^steme der ver- schiedenen Autoren, I. Carinatae. Das Brustbein ist mit einem Kiel zur Insertion des mächtig entwickelten Fluo-muskels versehen. Die Schwungfedern des Flügels und die Steuerfedern des Schwanzes sind meist wohl entwickelt. Fast sämmtlich zum Fluge befähigt. 1. Ordnung. Natatores, Schwiiumvögel. Wassevvögel mit kurzen, oft iceit nach hinten gerückten Beinen, mit Schwimm- oder Riiderfmsen. Die Körperform der SchAvimmvögel variirt ausserordentlich, je nach der besonderen Anpassung an den Wasseraufenthalt. Alle besitzen ein dichtes, fest anliegendes Gefieder, eine sehr reiche Duuenbekleidung und eine grosse Bürzeldrüse. Die Beine sind kurz, weit nach hinten gerückt und meist bis zur Fussbeuge befiedert, sie enden entweder mit ganzen oder gespaltenen Schwimm- oder Ruderfüssen. Alle schwimmen vortrefflich ; viele besitzen auch ein aus- gezeichnetes Flugvermögen, während andere flugunfähig, fast ausschliesslich au das Wasser gebannt sind. Auch tauchen die meisten mit grossem Geschick, indem sie aus der Luft im Stosse herabschiessen (Stosstaucher) oder beim Schwimmen plötzlich in die Tiefe des Wassers rudern (Schwimmtaucher). Ebenso verschieden als die Bildung der Flügel ist die Gestalt des Schnabels, der bald hoch gewölbt imd mit schneidenden Rändern bewaffnet ist, bald flach und breit, bald verlängert und zugespitzt erscheint. Hiernach wechselt auch die Art der Ernährung; im ersteren Falle haben wir es mit Raubvögeln zu thun, die besonders Fische erbeuten, im letzteren mit Vögeln, welche von Würmern und kleineren Wasserthieren, aber auch von Fischen leben; die Schwimmvögel mit breitem weichhäutigen Schnabel gründein im Schlamme und nähren sich ausser von Würmern und kleineren Wasserthieren auch von Sämereien und Pflanzenstoffen. Die Schwimmvögel leben gesellig und halten sich in grossen Schaaren an den Meeresküsten oder auf Binnengewässern, zum Theil aber auch auf der hohen See in weiter Entfernung von den Küsten auf. Sie sind grossentheils Strich- und Zugvögel, nisten in der Nähe des Wassers oft auf gemeinschaftlichen Brutplätzen und legen wenige Eier entweder un- mittelbar auf dem Boden, oder in Löchern, oder in einfachen kunstlosen Nestern ab. Viele sind für den Haushalt des Menschen theils wegen des Fleisches und der Eier, theils wegen der Dunen und des Pelzes, theils endlich wegen der als Dünger benutzten Excremente (Guano) ausserordentlich wichtig. 1. Gruppe. Lumellirostrcs. Faiii. Anseres. Mit breitem, am Grunde liohem Schnabel, welcher, von einer weichen nervenreicheu Haut bekleidet, an den Rändern durch Quer- blättchen wie gezähnelt erscheint und mit einer nagelartigen Kuppe endet. Die Füsse sind Schwimmfüsse mit rudimentärer, bald nackter, bald häutig umsäumter Hinterzehe. Phoenicopterus antiquorum L., Flamingo, Nordafrikä. Cygnus olor L., Höckerschwan. C. musicus Bechst., Singschwan. Änser cinereus Meyer, Graugans. ' A. hi/perboreus L., .Schwimmvögel. 859 Polargans. -4. segetum L., Saatgans. Ana>i boschas L., Stockente, Stannnart der mehrfach abändernden Hausente. A. (Tadorna) iaclorna L., Brandente. ^1. mollinsima L., Eiderente. Mergun mergatmer L., Säger. M. serrator L., M. alhellus \,. 2. Gruppe. Lonijipennes, Farn. Laridue, Möven. Leichtgcbiiute Sehwalben- oder Tauben-ähnliche Schwimmvögel mit langen, spitzen Flügeln und oft gabeligem Schwanz, verhältnissmässig hohen dreizehigen Schwimmfüssen und freier Hinterzehe. Stosstaucher. Sterna hirundo L., Seeschwalbe. Larus minutuft Pall., Zwergmöve. L. ridihundus L., Lach- möve. L. canus L., Sturmmöve. Lestris paranüica L., Kaubmüve, norddeutsche Küsten. Rhjjnchoi^s nigra L., Scheerenschnabel (Fig. 807 t). 3. Gruppe. T^inares. Fam. Procellaridae, Sturmvögel. Miiven-älmliche Vögel mit Pkostrum compositum. Die Nasenöffnungen röhrig verlängert. An den Schwiinuifüssen fohlt die Hinterzehe ganz oder ist auf einen Stummel reducirt. Zu gemeinsamen Brutplätzen wählen sie klip])ige und felsige Küsten, auf denen das Weibchen ein Ei ablegt und mit dem Männchen abwechselnd bebrütet. Die Jungen worden noch eine Zeit lang gefüttert, Dlomedea exulana L,, Albatros, südliche Meere. Fmcellaria glacialis L.. Eis- stiu-mvogel, vom arktischen Meere bis zu den norddeutschen Fig. 812. Fi-. 813. 812). glaciatii, nach Nauinann. Thalassidroma pelagica L Apttnodijtrs patar/oiiica, aus B r e h m. Petersvogel . Sturmvogel , Atlan- Küsten (Fig. tischer Ocean. 4. Gruppe. Steganopodes. Fam. Steganopodes. Euderfüsser. Grosse Schwimmvögel mit kleinem Kopf, wohl entwickelten, oft langen und spitzen Flügeln, mit Euderfüssen (Fig. 805 n). Pdecanus onocrotalus L., Pelikan. Haliaeus carba Dumt., Cormoran. Taclvjpetes aquila L., Fregattvogel. Sula bassana L., Tölpel, Nordeuropa. Phaeton aetJiereus L., Tropikvogel. b. Grupjie. Pi/gopodes, Steissfüsser. Fam. Colymbidae, Taucher. Kopf mit spitzem, geradem Schnabel. Der frei vorstehende Lauf ist seitlich stark comprimirt. Die Füsse sind Schwimmfüsse oder gespaltene Schwimmfüsse (Fig. 805/). Podicejjs crlstatus L., grosser Haubentaucher. P. minor Gm., Cobjmbus glacialis L., Eistaucher. Fam. Älcidae, Alken. Flügel kurz, zum Fluge wenig tauglich, aber bereits mit kleinen Schwungfedern. Die Schwimmfüsse mit rudimentärer oder ohne Hinterzehe. Haben ihre gemeinsamen Brutplätze an den Küsten (Vogelberge), wo sie ihre Eier einzeln in Erdlöchern oder Nestern ablegen und die ausschlüpfenden Jungen auffüttern. Alca im- pennis L., Eiesenalk. Gegenwärtig ausgerottet. A. tarda L., Tordalk. Mormon arcticus 111. 8(j0 2. Orduung. Grallatores. {fratercula Temm.), Larventaucher. Uria troile Latli.. ilumnie Lumme. U. grylle Cuv., Grylllumme. 6. Gruppe, Impennes. Farn. Impennes, Pinguine. Flügel ohne Schwungfedern, flossen- ähnlieh, mit kleinen, schuppenartigen Federn bedeckt. Der Schwanz kurz mit steifen FedeiTi. Die kurzen Schwimmfüsse besitzen eine verkümmerte, nach vorne gerichtete Hinterzehe und sind so weit nach hinten gerückt, dass der Körper auf dem Lande fast senkrecht getragen wird. Sind vorzügliche Schwimmtaucher. Stehen zur Brutzeit in auf- rechter Haltung und in langen Reihen — sogenannten Schulen — geordnet. Sie legen in eine Erdvertiefung nur ein Ei ab, welches sie in aufrechter Stellung bebrüten, aber auch zwischen den Beinen im Federpelze mit sich forttragen können. Beide Geschlechter betheiligen sich am Brutgeschäfte. Aptenorlytes patagonica Forst., Kunigstaucher. (Fig. 813.) Sjjheniscus demersus L., Brillentaucher, Südafrika und Amerika. Eudyptes chri/socoma L., Südsee, Patagonien. 2. Ordnung. Grallatores, Sumpfvögel, StelzTÖgel. Vögel mit langem dünnen Halse und langem Schnabel, mit verlängerten Wadheinen. Die Stelzvögel besitzen, von einigen Ausnahmen abgesehen, hohe Stelz- füsse mit grossentheils nackter, frei aus dem Rumpfe vorstehender Schiene und sehr langem, oft getäfeltem oder geschientem Lauf. Nur wenige haben Laufbeine und sind Landvögel (Trappe"), einzelne (Wasserhühner) schliessen sich in ihrer Lebensweise und durch die Kürze der Beine und Bildung der Zehen den Schwimmvögeln an, schwimmen und tauchen gut, fliegen aber schlecht. Der bedeutenden Höhe der Beine entspricht ein lauger Hals und meist auch ein langer Schnabel. Uebrigens variirt die Grösse und Form des letzteren sehr mannigfach; da, wo besonders kleinere Würmer, Insecten- larven und Weichthiere aus dem Schlamme und loser Erde aufgesucht werden, ist der Schnabel lang, aber verhältnissmässig schwach und weich und endet mit einer nervenreichen empfindlichen Spitze; in anderen Fällen erscheint derselbe sehr stark, kantig, hart und zum Raube von Fischen und Fröschen, selbst auch kleinen Sängern geeignet, endlich in den bereits erwähnten üeber- gangsgruppen nach Art des Hühnerschnabels kurz und stark, mit etwas ge- wölbter Kuppe, zu einer Omnivoren Nahrungsweise eingerichtet. Auch die Füsse zeigen sich nach der Grösse und Verbindung der Zehen sehr verschieden. Die Flügel erlangen meist eine mittlere Grösse, der Schwanz dagegen bleibt kurz, das Gefieder erscheint mehr gleichförmig und einfach, nur selten mit pracht- vollem und glänzendem Farbenschmuck. Die Stelzvögel sind bezüglich ihrer Nahrung auf das Wasser angewiesen, diesem jedoch in anderer Weise ange- passt als die Schwimmvögel. Sie leben mehr in sumpfigen Districten, am Ufer der Flüsse und Seen und durchschreiten seichte Stellen, um Schnecken und Gewürm, oder Frösche und Fische aufzusuchen. Sie sind Zug- oder Strichvögel der gemässigten Gegenden, leben paarweise in Monogamie und bauen kunst- lose Nester auf der Erde, am Ufer oder auf Bäumen und Häusern, seltener auf dem Wasser und sind theils Nesthocker, theils Nestflüchter. Smiipfvögol, Stclzvögcl 861 1. Gruppe. Brevlroslres. Fam. Charadriidae, Läufer. Mit ziemlich dickem Kopfe, kurzem Halse und mittellangem hartrandigen Schnabel. CursoHus europaeus = C. isa- heUinus 31., Nordafrika und Südeuropa. Oedicnemus crepitans Temm., Steppen im Süden Europas, Afrikas und Westasiens, auch auf grossen Brachfeldern Deutschlands. Oharadrius auratus Suck,, Goldregenpfeifer. Bewohner der Tundra. Vanellus cristatus M., Kibitz, Deutschland und Holland. Haematopus ostralegus L., Austernfischer. Fam. RalUdae, Wasserhühner. Führen theils zu den Schwimmvögeln, theils zu den Hühnervögeln hin. Rallus aqiiaticus L., Wasserralle, Nord- und Mitteleuropa bis Mittelasien. Crex pratensis L., Wiesenschnarre oder Wachtelkönig. Cr. porzana L., Eohr- huhn. Europa. Parra jacana L., Amerika. Gallinula chhropus Lath., Teichhuhn. Fulica atra 'L., Blesshuhn. Auf schilfbewachsenen Seen und Teichen Europas. Fam. Alectoridae, Hühnerstelzen. Vermitteln den Uebergang der Sumpfvögel zu den Hühnervögeln, indem sie mit den ersteren die langen Beine, mit den letzteren die Schnabelform und Lebens- weise gemeinsam haben. Otis tarda L., Trappe, lebt als Strichvogel in den Feldern des südöstlichen Europas mit ein oder zwei Weibchen zusammen. 0. tetrax L., mehr im Süden. Dicholophus cri- status 111., Cariama, in Bra- silien, lebt von Eidechsen und Schlangen wie der Stelz- geier in Südafrika. Psophia oj-ejJiionsL., Trompetenvogel, Südamerika. Palamedea cor- mita L.. Wehrvogel. Flügel mit Sporen bewehrt. Chauna chavaria 111. , Hirtenvogel. (Fig. 814.) Mit Sporen an den Flügeln. Wird gezähmt. Trägt seinen Namen von seiner Verwendung als Hüter und Beschützer der Hühner- und Gänseheerden. Süd- amerikft. 2. Gruppe. Longi- mstres. Fam. Scolopacidae, Schnepfenvögel. Kopf mittelgross, stark gewölbt, mit langem dünnen und meist weichem, von nervenreicher Haut überkleidetem Schnabel. Totanus hypoleucus Temm., Sandpfeifer. Recurvirostra avoceita L., Säbelschnabler (Fig. 807 h). Tringa cinerea Gm. Machetes pugnax ('uv., Kampfhahn. Scolopax rusticola L., Waldschnepfe. Qallinago media Gray, Sumpf- schnepfe, Becassine. O. gallinula 'L.,'MooxsG\yne^ie, von Lerchengrösse. Numenius arquatusL., grosser Brachvogel. Hierher gehören auch die Wassertreter [Phalaropus), deren Männchen die Eier ausbrüten. .3. Gruppe. Herodii. Fam. Ärdeidae, Eeihervögel. Grosse Stelzvögel mit kräftigem gestreckten Leib, langem Hals und kleinem, theilweise nacktem Kopf. Schnabel kräftig, ohne Wachshaut, mit scharfen, harten Eändern, an der Spitze zuweilen gebogen, selten löffelfürraig verbreitert. (Fig. 807 i.) Die hohen, weit über die Ferse hinaus nackten Beine meist mit ganz gehefteten Füssen, deren Hinterzehe den Boden berührt. Ihis ruhra aiia (W'gne auimal). g(32 3. Ordnung. Gallinaeei. Yieill., Scharlachibis. Mittelamerika. 7. religinsa Cuv.. der heilige Ibis. Falcinellus iynms Gray, Sichelreiher. Platalea leucorodia L., Löffelreiher. Balaeiiice2}8 , rex GonlA., Schuli- .schnabel (Fig. 807 Z), Ardea cinerea L. Ä. pnrpurea L., Südeuropa. Ilerodias cdha L.. Silberreiher. Farn. Pelargi, Störche. Mit kleiner kurzer, bekrallter und höher eingelenkter Hinterzehe. Ciconia alba L., Storch. Mycteria senegnlensis, Sattelstorch. Leptoptilus argala Temra.. Marabu. Änantomits lamelligerus Temni., Klatfsclinabel, Ostindien. (Fig. 807 m.) Grua cinerea Bechst., gemeiner Kranich. 3. Ordnung. Gfillinacei = Rasores, HühneiTÖgel. Land- und Erdvögel von mittlerer, zum Theil bedeutender Körpergrösse, von gedrungenem Baue, mit kurzen abgerundeten Flügeln, starkem, meist ge- icölbtem und an der Spitze herabgebogenem Schnabel und kräßigen Sitzfüssen, meist Nestflüchter. Die Hühner-artigen Vögel besitzen im Allgemeinen einen gedrungenen, reich befiederten Körper mit kleinem Kopf und kräftigem Schnabel, kurzem oder mittellangem Hals, meist kurzen abgerundeten Flügeln, mittelhohen Beinen und wohlentwickeltem, aus zahlreichen Steuerfedern zusammengesetztem Schwanz. Oft finden sich am Kopfe nackte Stellen, sowie schwellbare Kämme und Hautlappen, letztere vornehmlich als Auszeichnungen des männlichen Ge- schlechtes. Der Schnabel bleibt an seiner Basis weichhäutig und mit Federn bekleidet, zwischen denen eine häutige oder knorpelige Schuppe als Bedeckung der Nasenlöcher hervortritt. Das Gefieder der Hühnervögel ist derb und straif, oft schön gezeichnet und mit reichen, metallisch glänzenden Farben geziert (Männchen). Die Zahl der Steuerfedern erhebt sich meist über 12 und steigt bis 18 und 20. Die Flügel sind in der Regel kurz und abgerundet. Daher erscheint der Flug schwerfällig; nur die Steppeuhühner fliegen rasch und mit geschickten Wendungen. Die kräftigen, niedrigen oder raittelhohen Beine sind meist bis zur Fussbeuge, selten bis zu den Zehen befiedert. Oberhalb der hoch- eingelenkten Hinterzehe findet sich oft am Lauf des Männchens ein spitzer Sporn, welcher dem Thiere als Waffe dient. Die Hühner halten sich vornehm- lich auf dem Boden auf, theils in Wäldern, theils auf Feldern, auf grasreichen Ebenen, vom hohen Gebirge an bis zur Meeresküste herab. Zum andauernden Laufen vorzüglich tauglich, suchen sie ihren Lebensunterhalt auf dem Boden, ernähren sich besonders von Beeren, Knospen und Körnern, indessen auch von Insecten und Gewürm; sie bauen auch ihr kunstloses Nest meist auf der flachen Erde oder in niedrigem Gestrüpp, seltener auf hohen Bäumen und legen in dasselbe eine grosse Zahl von Eiern ab. In der Regel lebt der Hahn mit zahl- reichen Hennen vereint und kümmert sich weder um Nestbau, noch um Brut- pflege. Sind meist Nestflüchter. Die Hühner erweisen sich als leicht zähmbar und wurden daher sowohl des wohlschmeckenden Fleisches, als der Eier halber schon seit den ältesten Zeiten als Hausthiere nutzbar gemacht. 1. Gruppe. Fam. Peneloxiidae, Baumhühner. Gros,se, hochbeinige Baumvögel mit ■wohlgebildeten Schwingen und langem, abgerundetem Schwanz, durch die Bildung 4. Ordnuns. Columbiuao. 863 des ausstülpbaren Penis an die dreizehigen Strausse sieh anschliessend. Crax alector L., Hokko, Südamerika. Urax x>a.uxi'L., U. galeato C\i\., Mexico, l'enelope cristatn Gm.. Jakw. Brasilien. Mekagris mexicana Gould., Stammform des M. gallopavo, Truthalins, 2. Gruppe. Crypturi, Steisshühner. Fam. Cryp/nridae, Tenamus. Kurzschwäiizigc oder der Steuerfedern ganz entbehrende Hühnervogel mit kleiner Hinterzehe. Sind wie die Strausse Scldzognathen, indem die (jaumenbeine vom Vomer und der Mittellinie ent- fernt bleiben. 3. Gruppe. MegajmdUdae, Grossfus.shühiicr. Farn. Megapodiidae. Hochbeinige Hühner von mittlerer Grösse, mit kurzem, breitem Schwanz und grossen, stark bekrallten Wandel- füssen, deren lange Hinterzehe in gleicher Höhe mit den Vorderzehen eingelenkt ist. Legen ihre grossen Eier in einen Haufen zusammengetragener Pflanzentheile. die in Fäulniss gerathen, oder in Vertiefungen des Sandes. Die .Jungen schlüpfen bereits mit dem Federkleide aus dem Ei. Megacejihalon maleo Temm., Maleo, auf Celebes. Mego- podius tumulus, Fusshuhn, im nordöstüchen Ncuholland. 4. Gruppe, rhasianomorphae. Fam. Phasianidae, echte Hühner. Der theilweise, besonders in der Wangengegend, unbefiederte Kopf ist häufig mit gefärbten Kämmen. Hautlappen oder Federbüschen geziert und besitzt einen mittellangen, stark gewölbten Sclinabel mit kuppig herabgebogener Spitze. Beide Geschlechter sind auffallend ver- schieden, das männliche grösser und reicher geschmückt. Bewohner der alten Welt. Oallus hankiva Temm., Bankivahahn, Sunda-Inseln. Lophophorus refulgens Teram., Glanz- fiisan, Himalaya. rhasianns cohhicus L.. gemeiner Fasan. Ph. pictiis L., Goldfasan. Ph. {Gallophasis) nycthemerus L., Silberfasan, China. Pavo cristaius L., Pfau. Argus gigantens Temm., Argusfasan, Malacca. Borneo. Nuviida meleagris L., Perlhuhn, Nordafrika. 5. Gruppe. Tetraonomorplme. Fam. Tetrannidae, Feldhühner. Der Körper ist gedrungen, der Hals kurz, der Kopf klein und befiedert, höchstens mit einem nackten Streifen über dem Auge. Beine niedrig, meist bis auf die Zehen herab befiedert. Tetrao urogalhis L., Auerhahn. T. teirix L., Birkhuhn. Bastarde zwischen beiden Arten als T. medius Meyer bekannt. T. honasia L., Haselhuhn. Lagopus (dhns VieilL, Moosschnee- hulm, Scandinavien. L. alpinus Nilss., Alpenschneehuhn. Perdix cinerea Briss., Rebhuhn. 7*. saxatUis M. W., Steinhulm. P. ruhra Temm., Piothhuhn. Cohirnix dactylisonans Meyer, Wachtel. Fam. Pferoclidae, Flughühner. Kleine Hühner mit kleinem Kopf, kurzem Schnabel, niedrigen, schwachen Beinen, langen spitzen Flügeln und keilförmigem Schwanz. Die kurzzehigen Füsse mit hochsitzender, stummelförmiger Hinterzehe oder ohne die letztere. Pterocles alchata Gray, in Kleinasien und Afrika. Syrrliap)tes ptaradoxus Pall., Fausthuhn, in den Steppen der Tartarei, seit einigen Jahren im nördlichen Deutschland. 4. Ordnung. Columbiuae, Tauben. Nesthocker tmt sclixcachem^ iveichhäutu/emj in der Umgehxmg der Nasen- öffnungen blasig aufgetriebenem Schnabel, mit mittellangen zugespitzten Flügeln und niedrige)! Spaltfüssen. Die Tauben schliessen sich am nächsten den Wüstenhühnern an und sind Vögel von mittlerer Grösse mit kleinem Kopf, kurzem Hals und niedrigen Beineu. Der Schnabel ist länger als bei den Hühnern, aber schwächer und an der hornigen, etwas aufgeworfeneu Spitze sanft gebogen. (Fig. 807 A;.) An der Basis des Schnabels erscheint die schuppige Decke der Nasenöffnungen bauchig aufgetrieben, nackt und weichhäutig. Die massig langen, zugespitzten Flügel befähigen zu einem raschen und gewandten Fluge. Der schwach gerundete 864 Cohiiiibinae. Columha Ikia, nach Naumann. Schwanz enthält meist 12, selten 14 oder 16 Steuerfedero. Das straffe, schön gefärbte Gefieder liegt dem Körper glatt an imd zeigt sich nach dem Ge- schlechte kaum verschieden. Die niedrigen Beine sind nicht zum schnellen und anhaltenden Laufe tauglich und enden mit Spaltfüssen oder Wandelfüssen, deren wohl entwickelte Hiuterzehe dem Boden aufliegt. Die Tauben be- sitzen einen paarigen Kropf, der zur Brutzeit bei beiden Geschlechtern ein rahmartiges Secret zur Aetzung der Jungen absondert. Ueber alle Erdtheile verbreitet, halten sie sich paarweise oder zu Gesellschaften vereint mehr in Waldungen auf und nähren sich fast ausschliesslich von Körnern und Sämereien. Die im Nor- den lebenden Arten sindZugvögel, die anderen Strich- und Standvögel. Sie leben in Monogamie und legen zwei, selten drei Eier in ein kunstlos ge- bautes Nest. Am Brutgeschäft betheiligen sich beide Geschlechter. Die Jungen verlassen das Ei fast ganz nackt, mit geschlossenen Augenlidern und bedürfen als Nesthocker ge- raume Zeit hindurch der mütterlichen Pflege. Fam. Columbidae. Schna- bel stets ungezähnt mit glatten ßändern. Columba livia L. (Fig. 815) , Felstaube, schieferblau, mit weissen Deckfedern der Schwanzwurzel, zwei schwarzen Flügelbinden und schwarzer Schwanzbinde. Stammform der zahlreichen Racen der Haus- taube. Nistet auf Felsen und Ruinen und ist von den Küsten des Mittelmeeres an weit über Europa und Asien verbreitet. C. (Palumbnenas) oenas L., Holz- taube.PaZtimZ/MSioi-^wa^JisLeach., Ringeltaube. Ectoxnstes migra-- I., Turteltaube. T. visorius Sws. Didnncnlits strigirostr torius L., Wandertaube,' Nordamerika. Turtur auritus B\ Goura coronata Flem., Krontaube, Neuguinea. Fam. Didunculidae. Der comprimirte Schnabel am Unterkiefer gezähnt, mit hakig übergreifender Spitze. Diduncuius strigirostris Gould., Zahntaube, Samoa- mfll Schiffer- Inseln. (Fig. 816.) '- .' • '- An diese Familie anschliessend, hat man die ausgestorbenen Dronten, Impiae, zu den taubenartigen Vögeln gestellt. Dieselben waren zur Zeit Vasco 5. Ordnung. Scansores. 865 de Gama's auf einer kleinen Insel an der Ostküste Afrikas und auf den Mas- carenen noch häufig, sind aber seit zwei Jahrhunderten aus der Keihe der lebenden Vögel versehwunden. Soweit wir die Erscheinung des Vogels aus den in Oxford und Kopenhagen aufl)ewahrteu Besten von Schädel, Schnabel und Beineu und aus älteren Beschreibungen, insbesondere nach einem im Britischen Museum aufbewahrten Oelgemälde beurtheilen können, war der Doch ') (Didus ineptus L.) ein unbeholfener Vogel, grösser als der Schwan, mit zerschlissenem Gefieder, kräftigen vierzehigen Scharrfüssen und starkem tiefgespaltenen Schnabel. 5. Ordnung. Scansores, Klettervögel. Nesthocker mit kräftigem Schnahel, straffem dunenarmen Gefieder und Kletterfüssen. Man vereint in dieser künstlich begrenzten Ordnung eine Anzahl ver- schiedenartiger Vogelgruppen, welche wesentlich nur im Bau der Füsse über- einstimmen und dementsprechend vornehmlich nur zum Klettern befähigt erscheinen, indess auch pj,, ^-^-^ in der Art dieser Bewe- gungmehrfachauseinan- der weichen und in meh- reren Familien derGang- vögel ihre nächsten Ver- wandten haben. Der Schnabel ist überaus kräftig, bald lang, gerad- gestreckt undkantig,zum Hämmern und Meissein an Bäumen geeignet ( Spechte), bald kurz und rtcroolossu. Azam,- (W-gne .animal). hakig gekrümmt (Papageien), oder von colossaler Grösse und mit gezähnten Kanten (Tukan). Die Beine enden mit langzehigen Kletterfüssen (Fig. 80ö V), deren Aussenzehe in einigen Fällen als Wendezehe nach vorne gedreht werden kann, und sind am Laufe selten befiedert, häufiger vorne mit Halbgürteln und Schienen, hinten mit Täfelchen besetzt. Die Flügel bleiben verhältnissmässig kurz ; der Schwanz kommt zuweilen als Stemmschwanz beim Klettern in Ver- wendung. Die meisten bewohnen Waldungen, nisten in hohlen Bäumen und nähren sich von lusecten, einzelne aber auch von kleinen Vögeln, andere von Früchten und Pflanzenstoffen. 1. Gruppe. Grandirostres, Tukane. Fava. Bhampltastidae, Pfefferfresser. Eabeu- ähuliche Vögel mit colossalem, zalinrandigem Schnabel und ttederspaltiger Hornzunge. (Fig. 817.) Rhamphastun toco L., Pleroglossus Aracavi 111., Bra.silien. *) Vergl. E. Owen, Mein, on the Dodo. London, 1866. Derselbe, On the Osteology of the Dodo, 2 parts. London, 1867-71. C. Claus: Lehrbuch tre8. 867 schreiteüd auf dem Erdboden und halten sich vorzugsweise auf Bäumen und im Gesträuch auf. Gewöhnlich werden sie nach dem Besitze eines Singmuskel- apparates in zwei Ordnungen gesondert: als Oscines oder Singvögel und Cla- viatores oder Schreivögel, eine Trennung, die umso künstlicher erscheint, als sich in beiden Gruppen die nämlichen Typen der Schnabelform und gesammten Körpergestaltung wiederholen. Zu minder künstlichen Gruppen dürfte die Ver- werthung der Schnabelform führen. Die bei Weitem meisten Gangvögel leben in Monogamie, oft in SchAvärmen und Gesellschaften vereinigt, viele bauen überaus kunstreiche Nester und sind Zugvögel. 1. Gruppe. Levirostves, Leicht schnähler. Schreivögel mit grossem, aber leichtem Schnabel, kurzen schwachen Beinen und Schreit- oder Spaltfüsseu, die zum Umklammern von Zweigen geeignet sind. Farn. Buceridae, Nashornvögel. Raben-ähnliche Vögel von bedeutender Grösse, mit colossalem, überaus leichtem, gezähneltera und abwärts gekrümmtem Schnabel und horn- artigem Aufsatz am Grunde des Oberschnabels. Bncorvus ahjssinicus Gm., Buceros rhi- noceros L., Sumatra. Fam. Halcyonidae, Eisvögel. Mit grossem Kopf und langem, gekieltem, kantigem Schnabel, verhältnissmässig kurzen Flügeln und kurzem Schwanz. Läufe niedrig, mit Schreitfüssen. Alcedo isx>ida L., Europa. Cerijle rudis L., Graufiseher, Afrika. Dacelo gigas Glog., Australien. Fam. Meropidae, Bienenfresser. Mit langem, sanft abwärts gebogenem und com- primirtem Schnabel, buntem Gefieder und schwachen Beinen. Flügel zugespitzt, mit langen Deckfedern. Merops apiaster L., südliches Europa. Fam. Coracidae, Racken. Grosse, schön gefärbte Vögel, mit scharfrandigem, tief gespaltenem und an der Spitze übergebogenem Schnabel, langen Flügeln und Spaltfüssen. Coracias garrula L., Blauracke, Mandelkrähe. 2. Gruppe. Tenuirostres, Dünnschnähler. Schreivögel und Singvögel mit dünnem, langem Schnabel und Wandel- oder Spaltfüssen mit langer Hinterzehe. Fam. Upupklae, Wiedehopfe. Schön gefärbte Schreivögel mit langem, seitlich com- primirtem Schnabel, kurzer, dreieckiger Zunge und langen, stark gerundeten Flügeln. Upupa epops L., Wiedehopf. Fam. Trochilidae, Kolibris. Die kleinsten aller Vögel, mit buntem, metallglänzendeni, oft schillerndem Gefieder und zierlichen Wandel- oder Spaltfüsseu. Der lange pfriemen- fürmige Schnabel stellt durch die überragenden Ränder des Oberschnabels eine Röhre dar, aus welcher die bis zur Wurzel gespaltene lange Zunge vorgeschnellt werden kann. Rhamphodon naevius Less., Brasilien. Phaethornis superciliosus Sws., Brasilien. Trochilus colubris L., Lophornis magnifica Pp., Brasilien. Fam. fMelipJiagidae, Honigsauger. Kleine prachtvoll gefärbte Vögel von gedrungenem Körperbau, mit Singmuskelapparat, mit gestrecktem, sanft gebogenem Schnabel, hoch- läufigen Beinen, mittellangen Flügeln und langem Schwanz. Meliphaga auricornls Sws., Australien. Nectarinia famosa 111., N. (Cinnyris) splendida Cuv., Südafrika. Fam. Certhiadae, Baumläufer. Singvögel mit langem, wenig gebogenem Schnabel, spitzer Hornzunge, getäfeltem Lauf und langer, scharf bekrallter Hinterzehe. Certhia faviiliaris L., Baumläufer. Tichodroma muraria 111., Mauerläufer. 3. Gruppe. Fissirostres, Spaltschnähler. Mit kurzem Hals, abgeflachtem Kopf und tief gespaltenem Schnabel (Fig. 807 (f), mit langen, spitzen Flügeln und schwachen Wandel- oder Klammerfüssen (Fig. 805 a). Sie fliegen überaus •s» 55* 868 Dcntirostrcs. sclinell und gewandt und fangen ihre Nahrung, insbesondere Fliegen, Netzflügler und Schmetterlinge, im Fluge mit geöffnetem Schnabel. Leben vornehmlich in wärmeren Kliraaten. Fain. Hirundinidae. Schwalben. Kleine, zierlich gestaltete Singvögel mit breitem, dreieckigem, an der Spitze zusammengedrücktem Schnabel, neun Handschwingen und langem Gabelschwanz. Sind über alle Erdtheile verbreitet und fertigen als „Kleiber" ein kunstvolles Nest. Die europäischen überwintern in Mittelafrika. Hirundo L., Schnabel kurz, dreiseitig. Lauf nackt. Erste und zweite Schwinge gleich lang. H. rzistica L., Rauch- schwalbe. H. {Ghelidon Boie. Lauf befiedert) urLica L., Hausschwalbe. H. [Cotyh Boie. Nasenlöcher frei, Schwanz wenig ausgeschnitten, massig lang) riparia L., Uferschwalbe, nistet in selbstgegrabenen Erdlöchern am Ufer. H. rupestrh Scop., Felsenschwalbe, süd- liches Frankreich. Fam. Cypselidae, Segler. Schwalben-ähiiliche Schreivögel mit schmalen, säbelförmig gebogenen Flügeln, kurzen befiederten Läufen und stark bekrallten Klamraerfüssen, zu- weilen mit nach innen gerichteter Hinterzehe. Collocalia esculenta L., Salangane in Ost- indien. Cypselus apus L., Thurmschwalbe. C. melha L. {alinmis), Alpenschwalbe. Fam. Caprimulgidae, Nachtschwalben, Ziegenmelker. Schreivögel mit kurzem, un- gemein flachem, dreieckigem Schnabel, von Lerchen- bis Eabengrösse, mit weichem, eulen- artigem, nach Art der Baumrinde gefärbtem Gefieder. Die Beine sind sehr schwach und kurz, am Fusse richtet sich die Hinterzehe halb nach innen, kann aber auch nach vorne gewendet werden. Die Mittelzehe ist lang und trägt zuweilen eine kammfürmig gezähnelte Kralle. Leben vorzugsweise im "Walde und nähren sich insbesondere von Xachtschmetter- lingen, die sie während des raschen, leisen Fluges mit offenem Rachen erbeuten. Sie legen in der Regel zwei Eier auf dem flachen Erdboden. Caprhnvlgus L. Mundspalte bis dicht unter die Augen reichend. Rand des ungezähnten Schnabels von steifen Borsten eingefas,st. C. europaeus L., Ziegenmelker. C. ruficollis Temm., in Spanien. 4. Gruppe. Denttrostres, Zahnschnähhr. Vorwiegend Singvögel mit ver- schieden gestaltetem, oft pfriemenförmigem, zuweilen schwach gebogenem Schnabel, dessen Oberschnabel an der Spitze mehr oder minder ausgeschnitten ist. Au den mittellangen Flügeln verkümmert die erste der zehn Haudschwiugen, kann auch wohl ganz fehlen. Fam. Corvidae, Raben, Schnabel stark und dick, vorne etwas gekrümmt imd leicht ausgebuchtet. Corvus corax L., Kolkrabe. C. cornix L., Nebelkrähe. C. corone L., Raben- krähe. C. fruijilegus L., Saatkrähe. C. monedula L., Dohle. Pica caudata Ray, Elster. Garrulus glandarius L., Eichelheher. Oriolus galLnla L., Pirol. Fam. Faradiseidae, Paradiesvögel. Mit sanft gebogenem, comprimirtem Schnabel. Füsse sehr stark und grosszehig. Die beiden mittleren Steuerfedern oft fadenförmig ver- längert und nur an der Spitze mit kleiner Fahne. Männchen mit Büscheln zerschlissener Federn an den Seiten des Körpers und auch an Hals und Brust. Paradisea apoda L., Cincinnurus regius L., Neuguinea. (Fig. 818.) Fam. Slurnidae, Staare. Singvögel mit geradem oder wenig gebogenem, starkem Schnabel, dessen Spitze selten auch nur schwach eingekerbt ist, ohne Bartborsten. Sticr- nus vulgaris L., der gemeine Staar. Pastor roseus Temm., Staaramsel. Buphaga afri- cana L., Madenhacker. Hier schliessen sich der Trupial (Icterus jamacai Daud.), Brasilien, ferner die Cotingiden, Schmuckvögel, an: Pi2)ra aureola L., Cayenne, Patpkola crocea Bp., Süd- amerika, und Cotinga cayana Geoffi"., Cayenne. Fam, Laniadae, Würger. Grosse kräftige Singvögel mit hakig gebogenem, stark gezähntem Schnabel, starken Bartborsten und massig hohen, schaff bekrallten Füssen. Couirostr 869 Laniua excubitor L., grosser Würger. L. minor L., schwarzstirniger Würger. L. rufus Briss.. rothköpfiger Neuntödter. L. collurh L., Neuntödter. Farn. Muscicapidae, Fliegenfänger. Schnabel kurz, an der Basis breit und nieder- gedrückt, vorne etwa.s eouipriniirt, mit hakiger eingekerbter Spitze. Muscicapa ijrisola L., M. atricapilla L., M. collaris Bechst. {alhicolUx). Bomhyvilla garrnia L,. Seidenschwanz. Fam. Paridae, Meisen. Kleine, schöngefärbte und überaus bewegliche Sänger von gedrungenem Körperbau, mit spitzem, kurzem, fast kegelförniigem Schnabel. Parun ma- jor L., Kohlmeise. P. ater L.. Tannenmeise. P. coeruleus L., Blaumeise. P. cristatns L.. Haubenmeise. P. ^>rt/?/steiiiJ- Diuonüduc. 873 als dritte Art (A. maxima Yerr.) unterschieden hat. Der Körper dieser Vögel {Äpteri/gidae), etwa von der Grösse eines starken Huhnes, ist ganz und gar mit langen, locker herabhängenden, haarartigen Federn bedeckt, welche die Flttgel- stummel vollständig verdecken. Die kräftigen, niedrigen Beine sind mit Schil- dern bekleidet, die drei nach vorne gerichteten Zehen mit Scharrkrallen be- waffnet, die hintere Zehe kurz und vom Boden erhoben. Der von einem kurzen Halse getragene Kopf läuft in einen überaus langen und rundlichen Schnepfen- schuabel aus, an dessen äusserster Spitze die Nasenöffnungeu münden. Die Kiwis sind Nachtvögel, die sich den Tag über in Erdlöchern versteckt halten und zur Nachtzeit auf Nahrung ausgehen. Sie ernähren sich von Insectenlarven und Würmern, leben paarweise und legen zur Fortpflanzungszeit, wie es scheint, zweimal im Jahre, ein auffallend grosses Ei, welches in einer ausgegral}enen Erdhöhle vom Weibchen, nach Anderen vom Männchen und Weibchen ab- wechselnd bebrütet werden soll. Ein zweite, als besondere Ordnung zu trennende Gruppe von flugun- fähigen Landvögeln Neuseelands umfasst grosseutheils ausgestorbene Formen, die eine riesige Körpergrösse (bis 10 Fuss hoch) erreichten, die Kiesenvögel {Dinornklae). Von plumpem, unbeholfenem Baue und unfähig, sich vom Boden zu erheben, waren sie nicht im Stande, den Nachstellungen der Neuseeländer Widerstand zu leisten. Von einigen sind Beste aus dem Schwemmland bekannt geworden, von anderen aber noch recente Knochen aufgefunden, so dass die Coexistenz dieser Thiere mit dem Menschen nicht bezweifelt werden kann. Auch weisen die Sagen der Eingeborenen von dem Kiesen Moa und mehrfache Funde von Eierfragmenten in Gräbern darauf hin, dass die Kiesenvögel noch in historischen Zeiten gelebt haben, wie andererseits Entdeckungen der jüngsten Vergangenheit sogar die gegenwärtige Existenz kleinerer Arten wahrscheinlich gemacht haben. Insbesondere wurden neuerdings beim Durchforschen der Berg- ketten zwischen dem Kewaki- und Tabakaflusse Fussspuren eines ungeheuren Vogels entdeckt, dessen Knochen aus dem vulkanischen Sande der Nordinsel bereits bekannt waren. Von den riesengrossen Arten {Palapteryx ingens — Dinornis giganieus, elephantopus etc.) ist es theilweise gelungen, aus den ge- sammelten Knochen die Skelete vollständig zusammenzusetzen. Stets fehlen jedoch an denselben die Flügelknochen, die trotz der zahlreichen seither gemachten Funde bislang nicht bekannt geworden und in keiner der Abhand- lungen Owen's beschrieben sind. Auch auf Madagascar hat man im Alluvium Stücke vonTarsalknochen eines Kiesenvögels {Aepyomis maximus, Vogel Kuc, Marco Polcf) und im Schlamme wohlerhaltene colossale Eier entdeckt, deren Inhalt ungefähr 150 Hühnereier umfasst haben mag. V. Classe. Maminalia. V. Classe. Mammalia'), Säugethiere. Behaarte, meist vierheinige Warmblüter^ tcelche Uhendige Jurirje gehären und diese mittelst des Secretes von Milchdrüsen aufsäugen. Den Vögeln gegenüber sind die Säugethiere durch die gleichmässige GestaltungbeiderExtremitätenpaare vornehmlich zum Landaufenthalte befähigt. Indessen treffen wir auch hier Formen an, welche in verschiedenem Grade dem Wasserleben angepasst sind, ja sogar ausschliesslich das Wasser bewohnen, oder als Flatterthiere in der Luft sich bewegen und hier ihre Nahrung finden. Die Oberfläche der Haut er- scheint selten wie bei den Cetaceen ganz glatt, sondern von mannigfachen bogenförmigen und spiraligen, theil- weise sichkreuzenden Furchen durch- zogen und an manchen Stellen (Soh- lenballen, Gefässschwielen) schwielig bis zur Entwicklung fester Horn- platten verdickt. Dasselbe, was die Befiederung für die Vögel, ist das Haarkleid für die Säugethiere (von Oken ,^Haar- thiere,'^ genannt). Obwohl die colos- salen Wasserbewohner und die gröss- ten Landthiere der Tropen nackt zu sein scheinen, so fehlen doch auch hier die Haare nicht an allen Stellen, indem z. B. die Cetaceen wenigstens an den Lippen kurze Borsten tragen. Auch das Haar (Fig. 821) ist eine Epidermoidalbildung und erhebt sich mit zwiebelartig verdickter Wur- zel (Haarzwiebel) auf einer gefässreichen Papille (Pulpa) im Grunde einer von der Oberhaut bekleideten Einstülpung der Cutis (Haarbalg), während sein oberer Theil, der Schaft, frei aus der Oberfläche der Haut hervorragt. Nach *) Job. Ch. D. V. Schreber, die Säugethiere in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen, fortgesetzt von Job. Andr. Wagner. Bd. I — VII und Suppl. I— V. Erlangen und Leipzig, 177.0—1855. E. G. St. Hilaire et Fred. Cuvier, Histoire naturelle des Mammiferes. Paris, 1819—1835. C. J. Temmink, Monographie da mani- malogie. Leiden, 1825—1841. E. Owen, Odontography. 2 Vol. London, 1840-1845. Blasius, Die Säugethiere Deutschlands, 1875. G. Giebel, Die Säugethiere in zoologisch- anatomischer und paläontologischer Hinsicht. Leipzig, 18.50. A. E. Brehm, Illustrirtes Thierleben. I, II uud IIJ. And. Murray, The geographical distribution of manimalia. London, 1866. Vergl. ferner die zahlreichen Arbeiten über fossile Säugethiere von Owen, Gaudry, Cope, Marsh, W. Kowalevsky, Rutimeyer, Schlosser etc. ^ U2 ^j, Schnitt durch die Kopfhaut des Menschen, Ep Epidermis, Vi] Qnerzüge des Cutisbindegewebes, Ul Längszüge des- selben, // Haar, //;; Haarzwiebel, P Papille des Haares, Ilh Haarbalg, itfa Musculus arrector pUi, T Talgdrüsen, SD Schweissdriisen, F Fettkörper. Kürperbau. Haan". Talgilrüsou. .Scliwoissilrilson. Hautdrilucii. 875 der Stärke und Festigkeit des Haarschaftes unterscheidet man Licht- oder Stichelhaare und Wollhaare. Die letzteren sind zart, gekräuselt und umstellen in grösserer oder geringerer Zahl je ein Stichelhaar. Je feiner und wärme- schützender der Pelz, umso bedeutender wiegen die Wollhaare vor (Winter- pelz). Die Stichelhaare werden durch bedeutendere Stärke zu Borsten, welche wiederum durch fortgesetzte Dickenzunahme in Stacheln übergehen (Igel, Stachelschwein). An den stärkeren Haaren heften sich glatte Muskeln der Unterhaut an, durch welche jene einzeln bewegt Averden, während die quer- gestreifte Hautmuskulatur ein Sträuben des Haarkleides und Emporrichten der Stacheln über grössere Hautflächen veranlasst. Auch kann die Epidermis sowohl kleinere Hornschuppen, als grosse, dachziegelartig übereinandergreifende Schuppen bilden, erstere am Schwänze von Nagethieren und Beutlern, letztere auf der gesammten Rücken- und Seitenfläche der Schuppenthiere, welche durch diese Art der Epidermoidalbekleidung einen hornigen Hautpanzer erhalten. Eine andere Form des Jlautpanzers entsteht durch Ossification der Cutis bei den Gürtelthieren, deren Hautknochen aneiuandergrenzende Platten, sowie in der Mitte des Leibes breite, verschiebbare Knochengttrtel darstellen. Zu den Hautverknöcherungen gehören ferner die periodisch sich erneuernden Geweihe der Hirsche, zu den Epidermoidalbildungen die Hornscheiden der Cavicornier, die Hörner der Rhinoceren, sowie die mannigfachen Hornbekleidungen der Zehenspitzen, welche als Plattnägel ( Unguis lamnaris), Kuppnägel ( U. tegidaris), Krallen (FuIcHla) und Hufe (Ungula) unterschieden werden. Als Hautdrüsen haben die Talgdrüsen und Schweissdrüsen eine grosse Verbreitung. (Fig. 821.) Jene sind ständige Begleiter der Haarbälge, finden sich aber auch an nackten Hautstellen und sondern eine fettige Schmiere ab, welche die Hautoberfläche weich erhält. Die Schweissdrüsen zeigen die Form eines knäuelartig verschlungenen Drüsencanals mit spiralgewundenem Aus- führungsgaug und werden nur selten vermisst (Cetaceen, Mus, Talpa). Bei zahlreichen Säugethieren kommen noch an verschiedenen Hantstellen grössere Drüsen mit stark riechenden Secreten vor, welche meist auf modificirte Talg- drüsen, seltener auf Schweissdrüsen zurückzuführen sind. Dazu gehören z. B. die Occipitaldrüsen der Kameele, die in Vertiefungen der Thränenbeine liegen- den Schmierdrüsen von Cervus, Antilope, Ovis, die Schläfendrüse der Elephan- ten, die Gesichtsdrüsen der Fledermäuse, die Klauendrüsen der Wiederkäuer, die Seitendrüsen der Spitzmäuse, die Sacraldrüse von Dicotyles, die Drüsen am Schwänze des Desman, die Cruraldrüsen der männlichen Monotremen etc. Am häufigsten finden sich dergleichen Absonderungsorgane in der Nähe des Afters oder in der Inguinalgegend und liegen dann oft in besonderen Hautaus- sackungen, wie z. B. die Analdrüsen zahlreicher Raubthiere, Nager und Eden- taten, die Zibethdrüsen der Viverren, der Moschusbeutel von Moschus moschi- ferus, die Bibergeilsäcke an der Vorhaut des männlichen Bibers. Das Skelet wird durcl#schwere, markhaltige Knochen gebildet, und nur im Schädel und Gesicht kommen pneumatische Räume vor. Der Schädel (Fig.822) 876 üia. Skelet. .Schädel. erscheint als geräumige Kapsel, deren Knochenstücke nur ausnahmsweise früh- zeitig (Schnabelthier) verschmelzen, in der Regel aber zeitlebens grösstentheils durch Nähte gesondert bleiben. Freilich gibt es Fälle genug, in denen am ausgewachsenen Thiere die Nähte theilweise oder sämmtlich verschwunden sind (Affen, Wiesel). Die umfangreiche Ausdehnung der Schädelkapsel wird nicht nur durch bedeutende Grösse des Schädeldaches, sondern auch dadurch erreicht, dass die seitlichen Schädelknochen an Stelle des Interorbitalseptums sich bis in die Ethmoidalgegend nach vorne hin erstrecken. So kommt es, dass das Ethmoideum (Lamina cribrosa) zur Begrenzung der vorderen und unteren Partie des Schädels verwendet wird. (Fig. 823.) Auch die Temporal- knochen nehmen wesentlichen Antheil an der Schädelbegrenzung, indem nicht nur das Petrosnm und ein Theil des MastoüUum, sondern auch das grosse Fisr. 822. Scluldel einer Ziege iu seitlitlier Ausluht. Ol Occipitale laterale, C Condylus, Pm Processus parainastoideus, Os Occipitale supeiius, Sq Stiuamosum, Tij Tyrapauicum, Pe PetroBum, Pa Parietale, Fr Frontale, La La- crymale, Na Nasale, Fo Foramen opticum, Mx Maxillare, Jmx Interraaxillare, Ju Jugale, Pal Palatinum, Pf Pterygoideum. Squainosimi die zwischen AUsphenoid und den Seitentheilen des Hinterhauptes bleibende Lücke ausfüllen., üeberall articulirt das Hinterhauptsbein mit dem ersten Halswirbel durch zwei Gelenkhücker und zeigt häufig an den Seiten- theilen {Occipitalia lateralia) jederseits einen pyramidalen Fortsatz {Pr.jugu- laris oder paramastoideus). Häufig erhalten sich vorderer und hinterer Keil- beiukörper (Praesphenoidea, Basis phenoidea) (Fig. 823) lange Zeit gesondert: an den letzteren schliessen sich die hinteren Keilbeinflügel (Alisphenoülea) mit den zugehörigen Deckstücken, den Scheitelbeinen (Parietalia) an, hinter welchen zuweilen ein accessorisches Scheitelbein {Os mterparzetale) zur Entwicklung kommt; dieses verschmilzt jedoch in der Regel mit dem Occipitale srtjyerius, seltener mit den Scheitelbeinen. Minder häufig als die beiden Scheitelbeine verwachsen die Stirnbeine, durch welche die vorderen Keilbeinflügel (Orhito- sphenoidea) an der Schädeldecke geschlossen werden. Am Schläfenbein kommen Seliiidel. Oc'siclitskiinclicn. 87^ zu dem Felsenbeiu (die drei Stücke der Gehörkapsel Pro-^ Opisfho-, Epiotkum) und dem Zitzenbein (Theil desEpioticum) dasASy^iawos?/«! als grössere Knochen- sehuppe und von aussen das Paukenbein (O.s fi/mpammm) hinzu, welches den äusseren Gehörgang umschliesst und sich häufig zu einer hervorragenden Kapsel erweitert. Postfrontalia fehlen. Zum vorderen Verschluss der Schädel- höhle wird die durchlöcherte Platte (Lamina cribrosa) des Siebbeiues {Ethmoi- deum) verwendet, welches nur bei den Affen und beim Menschen mit einem (dann als Lamina papi/racea bezeichneten) Theil zur Bildung der inneren Augenhöhlenwand beiträgt. In allen anderen Fällen liegt das Siebbeiu vor den Augenhöhlen und wird seitlich von den Maxillarknochen umlagert, erlangt dann aber auch eine bedeutende Längenausdehuung. Während die Lamina peipemliadaris des Siebbeines, an welche sich vorne die knorpelige Nasen- Fi^. .S23. Pn, Pr Schüpsenschädel, median durchsägt, von innen gesehen. Oh Oecipitale basale, Ol O. laterale, OsO. siiperius, Fe Petrosum, Sjjh Sphenoidale basale, Ps Praespheaoideum, Al. Trapezium, £ Trapezoides, FCapitatuni, (? Hamatum, P Pisiforme, Cc Centrale carpi, M Metaoarpus. Fersenbein (Cakaneus), bedeutend hervortreten. Die Zehen des Vorderfusses kann man nach Analogie des menschlichen Körpers Finger nennen, zur Hand wird der Vorderfuss durch die Oppouirbarkeitdes inneren Fingers oder Daumens. Auch am Fusse der hinteren Extremität ist zuweilen die grosse Zehe opponir- bar, hiemit ist aber der Fuss noch nicht zur Hand, sondern nur zum Greiffuss (Affen) geworden, da zum Begriffe der Hand auch die besondere Anordnung der Knochen des Carpus und der Muskulatur wesentlich erscheinen. Nach der Art und Weise, wie die Extremität beim Laufen den Boden berührt, unter- scheidet man Sohlengänger (Plantigraden), Zehengänger (Digitigraden) und Spitzengänger (Unguligraden). Bei den letzteren ist die Zahl der Zehen und Mittelfussknochen bedeutend reducirt. die Extremität durch Umbildung des Mittelfusses zu einem langen Röhrenknochen bedeutend verlängert. Das Nervensystem (Fig. 826) zeichnet sich durch Grösse und hohe Ent- wicklung des Gehirns aus, dessen Hemisphären einen so bedeutenden Umfang C. Claus: LehrbnoU der Zoologie. .".. Aufl. 56 •nsv.stein. (! Hiickcmn.irk. M/l 1 gewinnen, dass sie nicht blos den vorderen Kaum des Schädels erfüllen, son- dern selbst das kleine Gehirn theilweise bedecken. Bei den Beutlern und Mono- tremen bleibt die Oberfläche der Grosshiruhemisphären noch glatt, bei den Edentaten, Nagern und Insectivoren treten an derselben Eindrücke auf, welche sich mehr und mehr zu re- ''°' " ■ gelmässigen Furchen zur " l Begrenzung vonWindungen (Gyri) anordnen. Eine die S eitenhälften d er Gro sshirn- hemisphären verbindende Coramissur (der Balken, Corpus callosum) ist wohl- entwickelt und nur bei den Aplacentalien rudimentär. Dagegen treten die als Vier- hügel sich darstellenden Corpora higemina an Um- fang zurück und werden grossentheils oder vollstän- dig von den hinteren Lap- pen der Grosshirnhemi- sphären überdeckt. Hirnan- hang illypo'phy^is) und sog. Zirbel (Epiphysis) werden in keinem Falle vermisst. Das kleine Gehirn (Cere- hellum) verhält sich noch bei den x\placentalieu durch die vorwiegende Ausbildung des Mittelstückes ähnlich wie bei den Vögeln, erhebt sich aber durch zahlreiche Uebergangsformen zu einer grösseren Ausbildung der Seitenlappen. Auch die Va- rolsbrücke {Pons Varoli) ist anfangs noch wenig ent- wickelt, vergrössert sich aber bei den höheren Typen der Säugethiere zu einer mächtigen Anschwellung an der Uebergangsstelle des Gehirnstammes in die Rückenmarksstränge. Die 12 Hirnnerven sind vollständig gesondert. Das Rückenmark erfüllt den Wirbel- canal gewöhnlich nur bis zur Kreuzbeingegend, in welcher es mit einer so- genannten Cauda equina. endet, und entbehrt der hinteren Rautengrube. S lUftotliiorhinie a I echten Ilemisph.lri sieht ; h dasselbe v Kcitlichc uiid hinte (lohiin di't. Kaninchons, von oben, da-> Dach diT :■ abgetragen, so dass man in den Seitenventnkel on unten; <• Gehirn der Katze, reehteräeits ist der re Al)scbnitt des Vorderliirus abgetragen, fast in gleicher Ausdehnung auch linkerseits; ebenso sind die Kleinhirn- hemisphären zum grossen Tbeilo entfernt; d Gehirn vom Orang. a,h,c nach Gegenbaur, d aus regne animal. Vh Grossliirnliemi- sphäreu,- Mh Corpus quadrigeminum, Ch Cerebellum, Mo Medulla oblongata, £0 Lobus olfactorius, //Nervus opticus, KN. trigeminus, VII VIII N. facialis und N. acusticus, IT Hypophysis eerebri, Th Thalamus opticus (Sehliügel), ,S'r Siniis rhomboidalis (Rautengrubc). Rini.rsorR.inp Gortidi Au^'.-ii C.cbör. 883 üuter den Siimesorganen zeigt das Geruchsorgan durch die Oomplication des Siebbeinlabyriuthes eine grössere Entfaltung der riechenden Schleimhaut- fläche als in irgend einer anderen Classe. Die beiden Nasenhöhlen, durch eine mediane Scheidewand gesondert, communiciren oft mit Nebenräumen benach- barter Schädel- und Gesichtsknochen (/Sinns frontales, sphenoidales, maxil- lares) und münden mittelst paariger Oeffnungen, welche jedoch bei den des Geruchsvermögens entbehrenden Cetaceen zu einer medianen Oeffnung ver- schmelzen können {Delphine). In diesem Falle dienen die Nasengänge lediglich als Luftwege. Die NasenöflFnungen werden in der Regel durch bewegliche Knorpelstückchen gestützt, deren Vermehrung das Auftreten eines Rüssels bedingt, welcher zum Wühlen und Tasten, bei beträchtlicher Ausbildung (Ele- phant) als Greiforgan benutzt wird. Bei tauchenden Säugethieren können die Nasenöffnuugen durch Muskeln (Seehunde) oder durch Klappenvorrichtungen geschlossen werden. Häufig findet sich an der äusseren Nasenwand oder in der Höhle des Oberkiefers eine Nasendrüse. Der Geruchsnerv breitet sich an den oberen Muscheln und an den oberen Partien der Naseuscheidewapd aus. Die untere Muschel ist zuweilen (Phoca) coraplicirt gefaltet. Die Choanen münden stets paarig und weit nach hinten am Ende des weichen Gaumens in den Schlund ein. Den Säugethieren kommt auch das Jacobson'sche Organ zu. Dasselbe besteht aus zwei unterhalb der Nasenhöhle gelegenen Canälen, welche mit der Mundhöhle am Gaumen durch die Stenson'schen Gänge in Verbindung stehen und Endigungen von Olfactoriusfasern tragen. Die Augen (^vergl. pag. 85, Fig. 109) verhalten sich in dem Grade ihrer Ausbildung verschieden und sind bei den in der Erde lebenden Säugethieren überaus klein, in einigen Fällen (Spalax, Chrysocliloris) ganz unter der Haut verborgen, unfähig. Lichteindrücke aufzunehmen. Sie liegen meist an den Seiten des Kopfes in einer unvollständig geschlossenen, mit der Schläfengegend ver- bundenen Orbita und sehen einzeln ohne gemeinsame Sehachse, die nur bei der Stirnlage des Auges (Primaten) möglich erscheint. Ausser dem oberen und unteren Augenlide findet sich eine innere Nickhaut (mit der Harder'schen Drüse), wenngleich nicht in der vollkommenen Ausbildung und ohne den Muskelapparat der Nickhaut der Vögel, zuweilen auf ein kleines Rudiment (Plica semilunaris) am- inneren Augenwinkel reducirt. Der Augapfel besitzt eine mehr oder minder sphärische Gestalt (bei den Cetaceen u. A. mit ver- kürzter Achse) und kann häufig durch einen Retractor bulbi in die Orbita zurückgezogen werden. Die Thränendrüse mit ihrem in die Nasenhöhle mün- denden Ausführungsgang liegt an der oberen äusseren Seite der Orbita. Ein Tapetum der Chorioidea trifft man bei den Carnivoren und Pinnipedien, Del- phinen, Hufthieren und einigen Beutlern an. Das Gehörorgan (Fig. 827, sowie Fig. 104 ///) unterscheidet sich von dem der Vögel vornehmlich durch die complicirtere Ausbildung des äusseren Ohres, die grössere Zahl der Schall-leitenden Knöchelchen fder Steigbügel, welcher die Fenestra ovalis verschliesst, der sich an das Trommelfell anschliessende 884 >[animali,i. CJehörorfran. Hammer und der Araboss) und durch die meist in zwei bis drei Spiralgängen gewundene Schnecke, welche mit dem Saccuhis des Vorhofes durch einen engen Canal [Canalis reumens) in Verbindung steht, während von dem Utricnlus die drei halbkreisförmigen Canäle ausgehen. Der mit dem Vorhof (Vestibuluvi) in Verbindung stehende Schneckengang, welcher das sogenannte Corti'sche Organ, den Endapparat des Nervus cochlearis enthält, wird in seinem Verlaufe von mit Lymphe (Perilymphe) erfüllten Räumen begleitet, von denen der eine (Scala vestibuU) mit dem den Vorhof umgebenden Lymphraum in Communi- cation steht, der andere (Scala tympani) mit dem ersteren an der Kuppel der Schnecke zusammenhängt und gegen die Paukenhöhle hin durch die membranös Fig. 827. Gehörorgan des Menschen, schematisch, nach Czerniak (etwas verändert). 0 Ohrmuschel, Ag äusserer OehörKang, Tr Trommelfell (Membrana tympani), H Hammer, A Amboss, St Steigbügel, P Paukenhöhle (Cavum tympani), E Tuba Eustachi!, Fo Fenestra ovalis, Fr Fenestra rotunda, U Utriculus, IIc halbkreis- förmiger Canal, S Saeculus, Cr Canalis reuniens, C Sehnecke (Cochlea), MR Membrana Reissneri, Ls Lamiua spiralis, Sm Scala media, Sv Scala vestibuli, St Seala tympani, N Nervus, aensticus, Nc Nervus cochlearis. verschlossene Fenestra rotunda angrenzt. Die beiden Lymphräume werden durch die Lamina spiralis von einander geschieden; der das Corti'sche Organ enthal- tende Schneckengang (Scala media) liegt gegen die Aussenseite der Schnecke gedrängt und wird von der Scala vestibuli durch eine schräg ausgespannte Membran, die Membrana Reissneri^ geschieden. Das häutige Labyrinth ist mit Flüssigkeit (Endolymphe) gefüllt und enthält in dem Vorhofstheil die Otolithen. Die Paukenhöhle ist ungleich geräumiger und keineswegs immer auf den Kaum des oft blasig vorspringenden Paukenbeins beschränkt, sondern mit Höhlungen benachbarter Schädelknochen in Communication gesetzt. Am umfangreichsten ist die Paukenhöhle der Cetaceen. bei denen sich der Schall nicht wie bei den 881 Luftbewohnern diircli Trommelfell und Gehörknöchelchen dem ovalen Fenster des Vorhofes mittheilt, sondern sich vornehmlich von den Kopfknochen aus durch die Luft der Paukenhöhle auf das Fenster der ungewöhnlich vergrösserten Schnecke fortpflanzt und von da auf das Labyrinthwasser der Scala tynipaui überträgt. Die drei halbzirkelförmigen Oanäle liegen mit Vorhof und Schnecke sehr fest in dem Felsenbein eingebettet, welches bei den Cetaceen nur durch Bandmasse mit den beuachbarten Knochen zusammenhängt. Die Eustachische Tube mündet nur bei den Cetaceen in den Nasengang, in allen anderen Fällen in die Kachenhöhle. Ein äusseres Ohr fehlt denMonotremen, vielen Pinnipedien und den Cetaceen, bei denen auch der äussere Gehörgang oberhalb des sack- förmig vorgestülpten Trommelfelles durch einen soliden Strang vertreten ist ; rudimentär bleibt dasselbe bei den Wasserbewohnerii, die ihre äussere Ohr- öffnung durch eine klappenartige Vorrichtung verschliessen können, und bei den in der Erde wühlenden Säugethieren. In allen anderen Fällen wird das- selbe durch einen über- aus verschieden ge- ^'^S ^2^- formten, durch Knor- pelstücke gestützten äusseren Aufsatz gebil- det, der meist durch besondere Muskeln be- wegt werden kann. Der Tastsinn knüpft sich vorzugs- weise an Nervenaus- breitungen m der Haut Vhadcl \on £(?ae « (/s/j tu mit kii 1 aiteii u t,nu auiinal) der Extremitätenspitze (Tastkörperchen an den Fingerspitzen und der Handfläche des Menschen und der Äffen), aber auch an die Zunge, den Küssel und die Lippen, in welchen sehr allgemein lange borstenartige Tasthaare (Vibrissae) mit eigenthümlichen Nervenverzweigungen des Balges eingepflanzt liegen. Der Geschmack hat seinen Sitz vornehmlich an der Zungenwurzel (Papulae circumvallatae^ Geschmacks- becher, vergl. Fig. 111 auf pag. 87 j, aber auch am weichen Gaumen und scheint eine weit höhere Ausbildung als in irgend einer anderen Thierclasse zu erreichen. Am Eingang in die Verdauungsorgane findet sich fast allgemein eine Zahnbewaifnung der Kiefer. Nur einzelne Gattungen, wie Eclüdna, Manis und Myrmecophaga, entbehren der Zähne durchaus, während die Bartenwale, welche an der Innenfläche des Gaumens senkrechte, in Querreihen gestellte Horn- platten (Barten) tragen (Fig. 828), wenigstens im Fötus noch Zahnkeime ent- wickeln. Durch Erhärtung von Papillen der Mundschleimhaut entstandene Hornzähne finden sich bei Omühorhynchus und Rhyfina. Niemals zeigt das Gebiss der Säugethiere eine so reiche Bezahnung, wie wir sie bei den Fischen, Amphibien und Reptilien antreffen, indem sich die 886 .Maminalia. (iebiss. Zähne auf Oberkiefer, Zwischenkiefer und Unterkiefer beschränken. Hiermit steht im Zusammenhange, dass die Entstehung der Zahnanlagen im Wesent- lichen bereits mit dem Embryonallebeu abschliesst. Auch werden diese im Gegensatze zu den angewachsenen Zähnen der Reptilien frühzeitig von der Kieferanlage aufgenommen und brechen später aus derselben hervor. Die Zähne sind daher nie durch Stützknochen am Kiefer befestigt, sondern stets in Alveolen eingekeilt. Entweder erfahren dieselben eine fortgesetzte Neubildung am unteren Ende der Zahnanlage und wachsen beständig fort (Hauer des Elephanten, Nagezähne der Nager etc.), oder sie haben ein abgeschlossenes Wachsthum und sind sogenannte Wurzelzähne geworden. Die erstere Form der Zahngestaltung erscheint als die primäre, so dass die Wurzelzähne aus wurzellosen hervorgegangen sind. Indessen gibt es Fälle, welche beweisen, dass Wurzelzähne secundär durch verlängertes Wachsthum der Krone und Reduction der spät abschliessenden und überaus kurz bleibenden Wurzel wiederum zu wurzellosen Zähnen zurückführen können. (Backenzähne vom Elephant, Pferd, Phacochoevus.) Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass die ältesten Säugethiere Wurzelzähne besassen und die Primärform der wurzellosen Zähne in der Stammgruppe der Reptilien gesucht werden muss. Die äussere aus dem Zahnfleisch vorstehende Partie des Zahnes, die Krone (im Gegensatze zu der eingekeilten Wurzel), wird von dem härteren Schmelz, welcher aus senkrechten, zur Oberfläche des Zahnes gestellten Prismen besteht, kappenartig überzogen. Je nachdem die Schmelzlage einen einfachen Ueberzug bildet oder faltenartig in die Zahnsubstanz eindringt, unterscheidet man einfache (D. swiph'ces) und schmelzfaltige (D. compUcati) Zähne. Werden einfache oder schmelzfaltige Zähne durch Knochengewebe {Cement) verbunden, so nennt man dieselben zusammengesetzte Zähne (Z>. compostti, Hase, Ele- phant). Selten und nur da, wo das Gebiss wie bei den Crocodilen als Greif- und Schneideapparat verwendet wird, verhalten sich die Zähne nach Form und Leistung in allen Theilen der Kieferknochen gleichartig als kegelförmige Fang- zähne (Delphin); dann ist die Zahl derselben eine verhältnissmässig bedeutende. Dieses aus zahlreichen gleichartigen Kegelzähnen bestehende Gebiss, in welchem die oberen Zähne zwischen die unteren eingriffen, dürfte dem primitiven Säuge- thiergebiss am nächsten stehen. Der Reduction derselben ging eine Specialisirung der Form und des Gebrauches parallel, insofern nur ein Theil der Zähne zum Ergreifen, ein anderer zur Zerkleinerung der Nahrung Verwendung fand und demgemäss entsprechend umgestaltet wurde. Mit der Reduction der Zahnzahl und zweckmässigen Differenzirung der Zähne trat gleichzeitig eine Verkürzung der Kiefer ein. Man unterscheidet nach ihrer Lage in den vorderen, seitlichen und hinteren Theilen der Kiefer Schneidezähne (D. thcisivi), Eckzähne (D. canini) und Backenzähne {D. molares). Die ersteren haben ^ne meisselförmige Gestalt und dienen zum Abschneiden und Ergreifen der Nahrung, oben gehören sie ausschliesslich dem Zwischenkiefer an. Die Eckzähne, welche sich zu den Seiten der Schneidezähne, je einer in jeder Kieferhälfte, erheben, sind kegelförmig Zilhno. 887 oder auch luikenförinig und scheinen vornehmlich als Waffen zum Angriff und zur Vertheidigung geeignet. Nicht selten aber (Nagethiere, Wiederkäuer) fehlen dieselben ganz und das Gebiss zeigt eine weite Zahnlücke zwischen Schneide- zähnen und Backenzähnen. Die letzteren endlich dienen besonders zur feineren Zerstückelung der aufgenommenen Nahrung und haben meist höckerige oder mit Mahlflächen versehene Kronen. Die ursprüngliche Form des Säugethier- Backzahues war durch eine höckerige Krone bezeichnet. In neuerer Zeit ist der Versuch gemacht worden, die in der Stammes- entwicklung allmälig erfolgte Umgestaltung des ursprünglichen homodonten Gebisses in die complicirten, nach verschiedenen Kichtungen divergirenden höheren Gebissformen an den Zahnformen alter mesozoischer und tertiärer Säugethiere zu verfolgen. An den einfachen Kegelzahn entwickelte sich am Vorder- und Hinterrande je ein Nebenzacken, welche entweder {Triconodontm- T3^pus) in einer Linie standen, oder eine schräge Stellung zu dem mittleren Hauptconus, und zwar im Oberkiefer auf der Aussenseite, im Unterkiefer auf der Innenseite erhielten. So entstand der rrifwiercw/aj'-Typus'), welcher die Grundform für die Backenzähne der meisten Säugethiere abgab. Nur bei den Mono- tremen entwickelte sich eine abweichende Ge- staltung durch eine grössere Zahl von Höckern (^MultituherciiJav-T^'^w.^). Frühzeitig aber gesellte sich zu jenen drei Elementen des Unterkiefer- backzahnes noch ein weiterer Bestandtheil, der „Talon". Gleichzeitig mit der Complication der oebi^s im Wechsel von cei«*, nach Backzähne vollzog sich die Difterenzirung der «"■'^"- ' ««^'"«dezähne, c Eckzähne, ° ^ PiPiP, Praemolaren des Milchgebisses ; Zähne im vorderen Kieferabschnitt, indem sich j^,^, Schneidezähne, c Eckzahn, p.p.p, der an den Zwischenkiefer angrenzende Zahn ^^-^^^^^ouven des bleibenden Gebisses, ^ M,M,M^ Molaren. des Oberkiefers und sein entsprechender Gegen- zahn im Unterkiefer sehr kräftig gestalteten und zu Eckzähnen wurden, die übrigen als Schneidezähne eine mehr meisselförmige Gestalt gewannen. Entweder — wie bei den Cetaceen und Edentaten — persistiren die Zähne zeitlebens, und das Gebiss erfährt keine Erneuerung (Monophyodonten), oder es findet ein einmaliger Zahnwechsel statt (Diphyodonfen). (Fig. 829.) Nicht nur die Schneide- und Eckzähne des Milchgebisses werden durch neue ersetzt, auch an die Stelle der (vorderen) Backenzähne des Milchgebisses treten neue, die bleibenden Praemolaren^ und das Müchgehiss wird in das bleibende des ausgebildeten Thieres übergeführt. Im Gegensatze zu den vorderen Backen- zähnen brechen die hinteren Backenzähne (Dentes molares) später, zuweilen erst nach mehr oder minder vollständiger Beseitigung des Milchgebisses hervor ') H. P. Osborn, Evolution of Maimnalian Molars to and from the tritubercular type. The Amerioiin Naturalist, 1888. Derselbe, Structure and Classification of the mesozoic Manimalia. Journal of the Anad. of Nat. srience. Philadelphia, 1888. 888 Mainnialia ZHl,iie,i.lvvickh,i,-. und zeichuen sich jenea gegenüber meist — in manchen Fällen triff't das um- gekehrte Verhältniss zu — sowohl durch die Grösse und Zahl der Wurzeln, als den Umfang der Krone aus. Die vorderen Backzähne sind in der Regel auch kleiner und mit mehr scharfspitziger als höckeriger Krone versehen, sie fallen leichter aus und heissen deshalb auch Lückenzähne, Man bedient sich zur einfachen Darstellung des Gebisses bestimmter Formeln, in denen die Zahl der Vorder- und Eckzähne. Praemolaren und Molaren in Ober- und Unterkinnlade an- 2 12 3 gegeben ist (z. B. für das Gebiss des Menschen der Formel -j- sr »'^ noch nicht durch Ausfall hinterer Backzähne oder seitlicher Schneidezähne reducirte Normalzahl des diphyodonten Gebisses führt zur Normalform 3 1 413 , , .„.^^31 4|4\ . . . , . , ^ , — - — - (oder vielleicht -r — —\—], wie wir sie bei den Creodonten und den 314|3^ 114|4,/ ältesten üngulaten finden. Von der Entwicklung des Säugethierzahnes ist hervorzuheben, dass die Schmelzanlage des Zahnes dem Epithel der „Primitivfalte" oder „Zahnl'eiste" entstammt, welches in früher Fötalzeit längs der Kieferanlage in die Tiefe wuchert. Die unter der Primitivfalte entstehenden zapfenförmigen Dentinkeime der Cutis wachsen jener entgegen, welche über jedem derselben eine kolbige Anschwellung bildet, die zu einem kappenartigen Aufsatze des Dentinkeimes, dem Schmelzkeim, wuchert, während sich das umgebende Bindegewebe als „Zahnsäckchen" verdichtet. Jener gestaltet sich unter allmäliger Abschnürung von der Primitivfalte zu dem Schmelzsäckchen um, indem sich die inneren, sternförmig werdenden Zellen zu einer schleimigen Schmelzpulpa verflüssigen. Dagegen gewinnt das dem Deutinkeim auflagernde Zellenstratum eine hohe cylindrische Form und erzeugt die Schmelzsubstanz. Nicht sämmtliche Zahn- anlagen stehen auf der gleichen Entwicklungsstufe, vielmehr sind einzelne vor den anderen vorausgeschritteu und kommen demgemäss auch früher zum Durch- bruch. Die bleibenden Zähne, welche vielleicht scheinbar als besondere Serie (zweite Dentition) unter Verdrängung der früher hervorgebrochenen und als Milchzähne fungirenden Zähne zum Durchbruch gelangen, bilden sich im Zu- sammenhang mit dem Schmelzkeim der Milchzähne aus Schmelzkeimen des Primitivfaltenrestes. Nach Baume') sollen die Keime der Ersatzzähne von der Epithelleiste direct und ohne Zusammenhang mit den Schmelzkeimen der betreffenden Milchzähne entstehen. Ihrer Anlage nach sind sie somit schon sehr frühe vorhanden, und dementsprechend sieht man in dem Milchgebiss die Summe aller Zähne, welche im ursprünglichen Gebisse persistirten, im secun- dären diphyodonten Gebisse dagegen gleichzeitig ihren Platz nicht behaupten konnten. Wenn diese Vorstellung richtig ist, müssten die Stammformen der Säuge- thiere mindestens 76 Zähne, nämlich die Summe des alten definitiven Gebisses 3 14 3 3 14 J- C -- Pr - M— und des zugehörigen Milchgebisses J — C — D — besessen 314. 3 »o ö 314 *l Vorgl. II. Hau ine. O.loiitulonische Fdrsclinii^'on. I. Leipzig, 1882. 889 haben. In der That zeichnen sich die ältesten bis jetzt bekannt gewordenen Gebisse der jurassischen Säugethiere {Peraspalax, Stylodon und Pera/estes) durch eine hohe Zahnzahl aus, die beinahe jene Summe erreicht. Zudem zeigten sie im Baue ihrer Backenzähne Beziehungen zu dem sectorial-tubercularen und tritubercularen Typus, nach Cope ^'^'- ^^^• der Grundform des Fletschfresser- und UngtilateiiZBhnes. Neben den Hartgebilden im Eingange der Ver- dauungshöhle sind für die Einführung und Bearbeitung der Speise weiche, be- wegliche Lippen an den Rändern der Mundspalte und eine fleischige, sehr ver- schieden geformte Zunge am Boden der Mundhöhle von we- sentlicher Bedeu- tung. (Fig. 830.) Erstere werden bei den Kloakenthieren durch Schnabelrän- der ersetzt, die Zunge fehlt jedoch in keinem Falle, kann aber wie bei den Walen voll- ständig angewach- sen sein und der Be- weglichkeit entbeh- ren. Gewöhnlichragt die Zunge mit freier Spitze am Boden der Mundhöhle hervor und erscheint an ihrem vorderen Theile vornehmlich zum Tasten und Fühlen, in einzelnen FäUen aber auch zum Ergreifen (Giraffe) und Erbeuten (Ameisenfresser) der Nahrung befähigt. Auf ihrer oberen Fläche erheben sich mannigfach gestaltete, oft verhornte und Widerhäkchen tragende Papillen, unter denen nur die w^eichen PapiUae circnm- Eiugang des VerilauungKapparates, sowie die ReBpirationsorgaue des Kätzcliens nach C. Heider. a Kopf mit den freigelegten Speicheldrüsen. P Parotis M Subinaxillaris, Sil Sublingualis. 6 Längsschnitt durch Kopf und Brust die Respirationsorgane in der Seitenansicht. .S^ Nasenijffnung, Nin Naseuniuschelu M Mnndöffnung, Z Zunge, Pa Gaumensegel, Oe Oesophagus, L Kehlkopf, E Kehldeckel (Epiglottis), Zh Zungenbein, Tr Trachea, P Lunge, D Zwerch feil, T Thyreoidea, B Thymus, Tu Oeflfnung der Tuba Eustachii iu dei Rachen, H Grosshirnhemisphäre, C Corpus callosum, Cq C quadrigeminum Cb Cerebellum, R Rückenmark, Hy Hirnanhang (Hypophysis), W Wirbel säule, St Sternum. c Längsschnitt durch den Kehlkopf {L) und deu Anfangs theil der Trachea [Tr). S Stimmband, E Kehldeckel. 890 M;uiim;ili;i. Darmcanal. Herz. vallatae am Zimgengrunde eine Beziehung zur Geschmacksempfindimg haben. Als Stütze der Zunge dient das Zungenbein, dessen vordere Hörner sich an den Griffelfortsatz des Schläfenbeines anheften, während die hinteren den Kehl- kopf tragen, sodann ein das Os entoglossum vertretender Knorpelstab {Lytta). Unterhalb der Zunge tritt zuweilen (Chiropteren, Prosimiae) eine einfache oder doppelte Hervorragung auf, welche als Unterzunge bezeichnet wird. Auch seitlich wird die Mundhöhle von einer muskulösen Haut begrenzt, welche sich nicht selten bei Nagern, Affen etc. in weite Aussackungen, sogenannte Backen- taschen, erweitert. Als den Säugethieren eigenthümliches Gebilde ist das Gaumensegel {Palatum moUe) zu erwähnen, welches die Grenze zwischen Mund- höhle und Rachen (Pharynx) bildet. Mit Ausnahme der Fleisch-fressenden Cetaceen besitzen alle Säugethiere Speicheldrüsen, eine Ohrspeicheldrüse [Parotis), eine Suhmaxillaris und Sublingualis^ deren flüssiges Secret vor- nehmlich bei den Pflanzenfressern in reicher Menge ergossen wird. Die auf den weiten Schlund folgende Speiseröhre bildet nur ausnahmsweise kropfartige Erweiterungen und besitzt meist eine ansehnliche Länge, indem sie erst unter- jialb des Zwerchfelles in den Magen einführt (pag. 64, Fig. 52). Dieser stellt in der Regel einen einfachen, quergestellten Sack dar, zerfällt aber häufig in eine Anzahl von Abschnitten, die, am vollkommensten bei den Wiederkäuern ausgeprägt, als verschiedene Mägen unterschieden werden. Der Pylorusabschnitt zeichnet sich vornehmlich durch den Besitz von Labdrüsen aus und schliesst sich vom Anfang des Dünndarms durch einen Ringmuskel nebst nach innen vorspringender Palte mehr oder minder scharf ab. Der Darmcanal zerfällt in Dünndarm und Dickdarm, deren Grenze durch das Vorhandensein sowohl einer Klappe, als eines namentlich bei Pflanzenfressern mächtig entwickelten Blind- darms bezeichnet wird. Die vordere Partie des Dünndarms, das Duodenum, enthält in seiner Schleimhaut die sogenannten Brunner'schen Drüsen und nimmt das Secret der ansehnlichen Leber und Bauchspeicheldrüse auf. Zu- weilen entbehrt die mehrfach gelappte Leber einer Gallenblase; ist diese aber vorhanden, so vereinigen sichGallenblasengang(jD.c^sfacMs) und Lebergallengang {D. hepatkus) zu einem gemeinsamen Ausführungsgange [D. choledocJms). Der Dünndarm zeigt die beträchtlichste Länge bei den Gras- und Blätterfressern und ist so^yohl durch die zahlreichen Falten und Zöttchen seiner Schleimhaut, als durch den Besitz einer grossen Menge von Drüsengruppen (Lieber- kühn'sche, Peyer'sche Drüsen) ausgezeichnet. Der Endabschnitt des Dick- darms, der Mastdarm, mündet mit Ausnahme der durch den Besitz einer Kloake an die Verhältnisse bei niederen Vertebraten anschliessenden Mono- tremen hinter der Urogenitalöffnung, wenn auch zuweilen mit dieser noch {Marsupialia) von einem gemeinsamen Walle umgrenzt. Das Herz (Fig. 831) der Säugethiere ist ebenso wie das der Vögel in eine rechte venöse und linke arterielle Abtheilung mit Vorhof und Kammer (zuweilen wie bei Halicore auch äusserlich) gesondert. Von einem Pericardium umschlossen, entsendet dasselbe einen Aortenstamm, welcher einen linken 891 Aortenbogen [Arcus Aortae) bildet, aus welchem häufig zwei Gefässstiunme, eine rechte Anonyma mit den beiden Carotiden und der rechten Subclavia, und eine linke Subclavia, oder wie bei dem Menschen drei Gefässstämme, eine rechte Anonyma mit rechter Carotis und rechter Subclavia, eine linke Carotis und linke Subclavia nebeneinander entspringen. In den rechten Vorhof münden in der Regel eine untere und eine obere Hohlvene, seltener wie bei den Nagern, Monotremen und dem Elephanten ausser der unteren zwei obere Hohlvenen ein. Wundernetze sind namentlich für arte- rielle Gefässe bekannt geworden und fin- den sich an den Extremitäten grabender und kletternder Thiere (Stenops, Myrme- cophaga, Bradypus etc.), an der Carotis rings um die Hypophysis bei Wieder- käuern, bei den letzteren auch an der Ophthalmica in der Tiefe der Augenhöhle, endlich an den Intercostalarterien und den Venae iliacae der Delphine. Ein Nieren- Pfortadersystem fehlt stets. Das mit zahl- reichen Lymphdrüsen versehene System der Lympfgefässe mündet durch einen links verlaufenden Hauptstamm (Ductus tlioracicus) in die obere Hohlvene ein. Von den sogenannten Blutgefässdrüsen haben die Milz, sowie die vornehmlich in früher Jugendzeit entwickelte Thymus unddieSchilddrüse(T%reo2V?ca)(Fig.830) eine allgemeine Verbreitung. Die paarigen Lungen (Fig.830) sind frei in der Brusthöhle suspendirt und zeichnen sich durch den Eeichthum der Bronchialverästelungen aus, deren feinste Ausläufer mit konischen, trichterförmi- gen, an den Seitenflächen mit Ausbuchtun- gen versehenen Erweiterungen (Infimdi- hula) enden. Die Athmung geschieht vornehmlich durch Bewegungen des Zwerchfelles (Diaphragma)^ welches eine vollkommene, meist quergestellte Scheidewand zwischen Brust und Bauchhöhle bildet und bei der Contraction seiner muskulösen Theile als Inspirationsmuskel wirkt, d. h. die Brusthöhle erweitert. Daneben kommen allerdings auch Hebungen und Abductionen der Rippen bei der Erweiterung des Thorax in Betracht. Die Luftröhre verläuft in der Regel gerade, ohne Windungen und theilt sich an ihrem unteren Ende in Kreislaufsapparat des Menschen, aus Owen (nach AllenThomson). Fd Rechter Ventrikel. T« linker Ventrikel, Ad rechtes Atrium, As linkes Atrium, j4o Arcus aortae, ^ocZ Aorta descendens, Cd Carotis dextra, Cs C. sinistra, Sd Arteria subclavia dextra, Ss A. subclavia sinistra, 3/A. mesenterlca superior, Jl\. iliacacomnmnis, Fa Vena cavaasoendcns, T'V. cava descendens, Jl' V. iliaca communis, Vp V. por- tae, Jd Jugularis dexti-a, Js J.- sinistra, Svd Vena subclavia dextra,. 511.« V. subclavia sinistra,.4p Arteria pulmonalis, Fjd?« Vena pulmoualis, JVTrachea, />)• Uronchien, P Lunjie, /. I.cbor, .V \iere, 1) I>arni. 892 zwei zu den Lungen führenden Bronchien, zu denen jedoch noch ein kleiner Nebenbronchus der rechten Seite hinzukommen kann. Dieselbe wird durch knorpelige, hinten offene Halbringe, nur ausnahmsweise durch vollständige Knorpelringe gestützt und beginnt in der Tiefe des Schlundes hinter der Zungenwurzel mit dem Kehlkopf {Larynx), welcher, von den hinteren Hörnern des Zungenbeins getragen, durch den Besitz von unteren Stimmbändern, com- plicirten Knorpelstücken (Ringkuorpel, Schildknorpel, Giesskannenknorpel) und Muskeln zugleich als Stimmorgan ein- gerichtet ist. Nur die Cetaceen ge- brauchen ihren Kehlkopf, welcher im Grunde des Pharj'nx pyramidal bis zu den Choanen hervorsteht, ausschliesslich als Luftweg. Die spaltförmige Stimm- ritze wird von einer beweglichen (bei den Cetaceen fast röhrenförmigen) Epi- glottis überragt, welche am oberen Rande des Schildknorpels festsitzt, beim Her- abgleiten der Speise sich senkt und die Stimmritze schliesst. Zuweilen finden sich am Kehlkopf häutige oder knor- pelige Nebenräume, welche theils wie die Luftsäcke von Balaena die Bedeu- tung von Luftbehältern haben, theils wie bei manchen Affen als Resonanzappa- rate zur Verstärkung der Stimme dienen und bei Myceies zum Theil in den ge- höhlten Zungenbeinkörper eintreten. Die Nieren (Fig. 832) bestehen zuweilen noch (Seehunde, Delphine) aus Harn- und Geschlechtsorgane von Cricetus vulijaris, -it- i i ■ • nach Gegenbaur. ÄNiere, J/Ureter, HHarnblase, abgeSOtzteU, am NiereubeckeU VerCmig- r Hoden, i^Funicuius spermatieus (Samenstraug), -^en Läppcheu, orscheiuen jedoch iu der Regel als compacte Drüsen vonbohnen- N Nebenhoden, Vd Vas deferens, Vs Samenbläsche: (Vesicula seminalis), Pr Prostata, Sg Sinus urogeni talis (Urethra), Ge Cowper'sche Drüsen, Gl Tyson' sehe Drüsen, Cp Corpora cavernosa penis. Cu C. ca- vernosum uretlirae, E Glans ponis (Eichel), Pp Prae^ piitiu,,,. förmiger Gestalt und liegen in der Len- dengegend ausserhalb des Bauchfelles. Die aus dem sogenannten Nierenbecken entspringenden Harnleiter münden stets in eine vor dem Darm gelegene Harn- blase ein, deren Ausführuugsgang, Urethra, in mehr oder minder nahe Bezieliung zu dem Leitungsapparate der Genitalorgane tritt und zu einem vor dem After aus- mündenden jSimis oder Canalis urogenitalls wird. Oberhalb der Niere findet sich ein als Nebenniere bezeichnetes Organ (Glandula suprarenalis). Für die männlichen Geschlechtsorgane (Fig. 832) der meisten Säug«?- thiere ist zunächst die Lagenveränderung der oval-rundlichen Hoden charak- fieRchlpc-litsoi-pano. 893 teristiscli. Nur bei den Monotremeii und Cetaceen l)leiben die Hoden in ihrer ursprünglichen Lage in der Nähe der Nieren, in allen anderen Fällen senken sie sich bis vor das Becken herab, und treten unter Vorstülpung des Bauch- felles in den Leistencanal (viele Nager), häufiger noch aus diesem hervor in eine doppelte, zum Hodensack umgestaltete Hautfalte ein. Niclit selten (Nager, Flatterthiere, Insectenfresser) steigen sie jedoch nach der Brunstzeit mit Hilfe der als Cremaster vom schiefen Bauchmuskel gesonderten Muskelsclileife durch den offenen Leistencanal wieder in die Bauchhöhle zurück. Während der Hoden- sack {8crotum) in der Kegel hinter dem Penis liegt, entsteht derselbe bei den Beutelthieren durch eine Ausstülpung des Integuments unmittelbar am Eingang des Leistencanals vor dem männlichen Begattungsglied. Die aus der Urniere (Wolff'scher Körper) hervorgegangenen, knäuelförmig gewundenen Ausführungsgänge der Hoden gestalten sich zum Nebenhoden und führen in die beiden Vasa deferentia, welche unter Bildung drüsenartiger Erweiterungen (Samenbläschen) dicht nebeneinander in die Urethra einmünden. An dieser Stelle münden die Ausführungsgänge der sehr verschieden gestalteten, oft in mehrfache Drüsengruppen zerfallenen Prostata^ weiter unten ein zweites Drüsen- paar, die Coioper'schen Drüsen, in dieLTrethra ein. Häufig erhalten sich zwischen den Mündungen der Samenleiter Keste der im weiblichen Geschlechte zum Leitungsapparate verwendeten Müller'schen Gänge (das sogen annte Webe r'sche Organ [Uterus masculmusj), deren Theile sich in den Fällen sogenannter Zwitterbildung bedeutend vergrössern und in der dem weiblichen Geschlechte eigenthümlichen Weise differenziren können, üeberall schliessen sich dem Ende der als ürogenitalcanal fungirenden Urethra äussere Begattungstheile an, welche stets einen schwellbaren, bei den Monotremen in einer Tasche der Kloake verborgenen Penis (Ruthe) bilden. Derselbe wird durch cavernöse Schwellkörper gestützt, die sich bei den Kloakenthieren noch auf paarige Corpora cavernosa wrefArae beschränken; bei den übrigen Säugethieren treten zu dem unpaar gewordenen, die Urethra umgebenden cavernösen Körper der Urethra zwei obere Corpora cavernosa penis hinzu, welche von den Sitzbeinen entspringen und nur selten untereinander verschmelzen. Auch können sich knorpelige oder knöcherne Stützen, sogenannte Penisknochen (Eaubthiere, Nager) entwickeln, besonders häufig im Innern der von dem Schw^ellkörper der Urethra gebildeten Eichel (Glans), welche nur ausnahmsweise (Mono- tremen, Beutler) gespalten ist, in ihrer Form aber mannigfach wechselt und in einer an Drüsen (Gl. Thysonianae) reichen Hautduplicatur (Vorhaut, Prae- piitium) zurückgezogen liegt. Die Ovarien (Fig. 833) verhalten sich nur bei den Monotremen in Folge rechtsseitiger Verkümmerung unsymmetrisch. In allen anderen Fällen sind dieselben beiderseits gleichmässig entwickelt und finden sich, in Falten des Peritoneums eingelagert, in unmittelbarer Nähe der trichterförmig erweiterten Ostien des Leitungsweges, zuweilen von denselben sogar vollständig um- schlossen. Dieser gliedert sich in die mit freiem Ostium beginnende Tube, 894 fJenitalorgaiie. welche in allen Fällen paarig bleibt, in den erweiterten, zuweilen paarigen, häufiger unpaaren Mittelabschnitt, den Utevtis, und den mit Ausnahme der Beutler unpaaren Endabschnitt, die Vagina oder Scheide, welche hinter der Oeffuung der Urethra in den kurzen Urogeuitalsinus oder Vorhof mündet. Bei den Monotremen münden die beiden schlauchförmigen Fruchtbehälter, ohne eine Vagina zu bilden, auf papillenartigen Erhebungen in den noch mit dem Darm in eine Kloake zusammeumündenden Urogenitalsiuus ein. (Fig. 833 a.) Nach den verschiedenen Stufen der Duplicität des Fruchtbehälters (bei vor- handener Vagina) unterscheidet man den Uterus duplex, mit äusserlich mehr oder minder durchgeführter Trennung und doppeltem Muttermund (Nage- Fig. 833. AVeiblicbe Geschleehtaorgaue. a Von Orniihorhynchus nach Owen, b von Viverrn ijenttta, c von Cercn2)ithecuii nemestrinus. Ov Ovariiim, T Oviduct (Tube), U Uterus, V Vagina, U Harnblase, Ur Ureter, M Mündung fies Uterus, F Eiuinüuduug des Ureter, S Sinus urogenitalis. Kl Kloake, D Darm, dessen Einmündung in die Kloake durch eine eingeführte Sonde bezeichnet ist. thiere. Beutler), den Uterus hipartitus, mit einfachem Muttermund, aber fast vollkommener innerer Scheidewand (Nagethiere), den Uterus bicorms (Fig. 833/>') mit gesonderten oberen Hälften der beiden Fruchtbehälter (Hufthiere, Carni- voreu, Cetaceen, Insectivoren), und endlich den Uterus simplex (Fig. 833 c), mit durchaus einfacher Höhle, aber um so kräftigeren Muskeln der Wandung (Primaton). Das Vestibulum mit seinen der Cowper'schen Drüsen entsprechen- den Duverney''tiQ\i.Q\\ {Bartholm sahen) Drüsen grenzt sich von der Scheide durch eine Einschnürung, zuweilen auch durch eine innere Schleimhautfalte {Hymen} ab. Die äusseren Geschlechtstheile werden durch zwei äussere Haut- wülste, die den Scrotalhälften entsprechenden grossen Schamlippen, durch kleinere (übrigens nicht immer vorhandene) innere Schamlippen zu den Seiten der Geschlechtsöffnung und durch die der Ruthe gleichwerthige, mit Schwell- Di.nor-p] 895 834. geweben und Eichel versehene ClUoris gebildet. Diese kanu zuweilen (bei deu Klammeraffen) eine ansehuliclie Grösse erreichen und von der Urethra durchbohrt sein (Na- gethiere, Maulwurf, ^, . Halbaffen). In solchen Fällen einer Clitoris perforata kommt es natürlich nicht zur Entstehung eines ge- meinsamen ürogeui- talsinus. Morpholo- gisch repräsentiren die weiblichen Geni- talien eine frühere Entwicklungsstufe der männlichen, wel- che in den Fällen so- genannter Zwitterbil- dung durch Bildungs- hemmung eine mehr oder minder weibliche Gestaltung erhalten können. In der Kegel werden beide Ge- schlechter an der ver- schiedenen Form der äusseren Genitalien leicht unterschieden. Häufig prägt sich in def gesammten Er- scheinung ein Dimor- phismus aus, inilem das grössere Männ- chen eine abweichende Haarbekleidung trägt, zu einerlauteren Stim- me befähigt ist und Si-hematiKche Figuren zur Darstellung der Entwicklunsi der fötalen Eihüllen fines Säugothicres, nach KöUiker. n Ei mit erster Embrynnalanlage ; 6 Ki mit in Bildung begriffenem Dottersacke und Amnion; c Ei mit sich schlicssen- flem Amnion und hervorsprossender AUantois ; d Ei mit zottentragender seröser Hülle, Embryo mit Mund- und Afteroflfnung; e Ei, bei dem die Gefässsi^hiclit liir AUantois sich rings an die seröse Hülle angelegt hat und in die Zotten derselben hineingewachsen ist, Dottersack verkümmert, Amuionhöhle im Zunehmen begritfen. D Dotterhaut, D' Zöttchen der Dotterhaut, Sli serBse Hülle, ,S'= Zotten der serösen Hülle, Ch Chorion (ftefässschicht der AUantois), u J 1^ -4 J- C7c Chorionzotten (aus Chorion und Serosa bestehend), ilm Amnion, i47«Amniou- dUrCh denlieSltZ Star- hohle, E Embryonalanlage (Embryo), ^dieser angehörende Verdickung des äusseren Blattes, M des mittleren Blattes, J inneres Blatt, Ds Höhle der Keimblase, später Höhle des Dottersackes (Nabelblase), DU Darmhöhle, Dg Dottergaug, AI AUantois. ker Zähne oder beson- derer Waffen (Ge- weihe) ausgezeichnet erscheint. Dagegen bleiben die Milchdrüsen, welche in der Inguinalgegeud, am Bauche und an der Brust liegen können und fast ausnahms- los in Zitzen oder Saugwarzen auslaufen, im männlichen Geschlechte rudimentär. 89f5 jrarnmalia. Fortpflanz Die Zeit der Fortpflanzung (Brunst) fällt meist iu das Frühjahr, selten gegen Ende des Sommers (Wiederkäuer) oder selbst in den Winter (Wild- schwein, Kaubthiere). Eine unabhängig von der Begattung eintretende Er- scheinung, von welcher die Brunst im weiblichen Geschlechte begleitet wird, ist der Austritt eines oder mehrerer Eier aus den Follikeln des Ovariums (Graaf- schen Follikeln), in denen sie sich entwickeln, in die Tuben. Die Eier der Säugethiere, erst durch C. E. v. Baer entdeckt, sind ausserordentlich klein (von y,o bis V,o Linie im Durchmesser) und von einer stark lichtbrechenden Schicht (Zona pelluckld) um- Fig. 835. geben, um die sich nicht selten in den Eileitern eiueEiweisshülle ablagert. Die Befruchtung des Eies scheint überall im Eileiter zu erfolgen, in welchem dasselbe die totale Dotterfurchung durch- läuft. Amnion und AUantots sind auch den Säugern zukommende Bildungen. Im Uterus erhält das Ei eine zottige, durch Auswüchse der nach Schluss des Amnions den Dotter aussen bedeckenden serösen Haut {Serosa) gebildete ümhüllungshaut (Chorion), wel- che die Befestigung des Eies an der Uterinwand vermittelt. (Fig. 834.) Später legt sich auch der peripherische Theil der Al- lantois an das Chorion an und SehpmatiRche, Darstellung der Anordnung der Hauptgefässe in einem menschlichen Fötus, nach Huxley. 7/ Herzkammer, V Vorhof, Ao Aortonstamm, Cc Carotis communis, Ce C. externa, Ci C. interna, S Arteria subclavia, i, 2, 3, 4, 5 die Aorten- bögen, von denen der bleibende linke nicht sichtbar, ylod Aorta wächst in der Regel mit seinen Gefässen in die Zöttchen ein (se- cundäres C'Jiorton), so dass sich eine verhältnissmässig grosse descendeng, 0 Arteria omphalomeseraica, 0' Vena omphalo- meseraica, ü Arteriae umbilicales mit den placentaren Ver zweigungen {U"), V Vena umbilicalis, Vp Pfortader (Vens portae) , Vc Vena cava inferior, C vordere Cardinalvene D Ductus venosus Arantii, DC Ductus Cuvieri, Az Vena azygos P Lunge, L Leber, N Nabelblase, Dv Dottergang (Ductus FlächcfÖtaler GefäSSVCrZWeigUn- omphalomeseraicus), A,n Amnion. ^ ^^^ entwickelt, derCU Blut mit dem Blute der Uterinwand in einen engen endosmotischen Verkehr tritt. Durch diese Verbindung von Allantois und Chorion des Fötus mit der Uterinwanduug entsteht der sogenannte Mutterkuchen (P^acejifa), durch welchen die Ernährung und Eespiration des Fötus von dem Körper des Mutterthieres aus vermittelt wird. Die Placenta fehlt nur bei den Monotremen und Beutlern, welche deshalb als Aplacentalia den übrigen Säugern, Placentah'a, gegenübergestellt werden. In ihrer besonderen Ausbildung und in der Art ihrer Verbindung mit der Uterin- wand zeigt die Placenta in den einzelnen Ordnungen bedeutende Verschieden- heiten. Entweder bleiben die Zotten der Placenta mit der Uterinwand in loser r,-ng....it. 897 Verbindimg und lösen sicli bei der Geburt aus derselben heraus (Adeciduata), oder sie verwachsen so innig mit den Drüsen der Uterinschleimhaut, dass diese bei der Geburt als Decklua mit abgelöst und zugleich mit dem fötalen Theil der Placenta als Nachgeburt ausgestossen wird (Deciduata). Im orsteren Falle kann sich bei vollständiger Umwachsung der Allantois die Placenta in zahl- reichen zerstreuten Zotten über das ganze Chorion gleichmässig ausbreiten {PL dijfiisa, Hufthiere, Cetaceen) oder an verschiedenen Stellen kleine Wülste von Zotten, sogenannte Cotyhdonen (Wiederkäuer) bilden. Im anderen Falle stellt sie entweder eine ringförmige Zone an der Eihaut dar {PL annularis, Raubthiere, Robben), oder führt, wenn sich die Verbindung der Allantois mit dem Chorion (wie bei den Menschen, Affen, Nagern, Insectenfressern, Fledermäusen) auf eine vereinzelte Stelle des Eies beschränkt, zur Bildung des scheibenförmigen Mutterkuchens {PL discoidea). Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Placenta als Respirationsorgan und der Functionslosigkeit der Lungen gestaltet sich auch der fötale Kreislauf anders als nach der Geburt. (Fig. 835.) Vom Herzen wird das Blut in die Aorta descendens getrieben, welche unten zwei grosse Gefässe für die Placenta {Avten'ae umhiUcales) abgibt. Das aus der Placenta durch eine Vene (T^. um- hilicalis) zurückkehrende Blut geht der Hauptmasse nach durch einen die Leber durchsetzenden Verbindungsgang {Ductus venosus Arantn) in die untere Hohl- vene und aus dieser zum Theil in den rechten, zum grössten Theil jedoch in Folge einer besonderen Klappeneinrichtung sogleich in den linken Vorhof durch eine Oeflfnung {Foramen ovale)^ welche in der Vorhofscheidewand zu dieser Zeit besteht. Das Blut, welches in die rechte Kammer gelangt, kehrt mit Ausnahme eines kleinen Theiles für die Lungen durch einen Verbindungs- gang {Ductus arten'osus Botalli) der Arteria pulmonalis mit der Aorta direct in den Körperkreislauf zurück. Aus diesem Kreisverhältnisse geht hervor, dass mit Ausnahme der Vena umbilicalis alle arteriellen Gefässe gemischtes Blut führen. Als Reste aus der ersten, vor Entstehung der Placenta fallenden Kreis- laufsperiode finden sich noch die Vasa omphalomeserdica^ eine Arterie und eine Vene, welche der Nabelblase {Vesicida umbilicalis) angehören. Die Nabel- blase ist der Dottersack, und wird dieser letztere beim Nichtvorhandensein von Nahrungsdotter so bezeichnet. Die Dauer der Trächtigkeit richtet sich nach der Körpergrösse und Eüt- wicklungsstufe, in welcher die Jungen zur Welt kommen. Am längsten währt dieselbe bei den grossen Land- und colossalen Wasserbewohnern (Hufthiere, Cetaceen), welche unter günstigen Verhältnissen des Nahrungserwerbes und geringen Bewegungsausgaben leben. Die Jungen dieser Thiere erscheinen bei der Geburt m ihrer körperlichen Ausbildung so weit vorgeschritten, dass sie gewissermassen als Nestflüchter der Mutter zu folgen im Stande sind. Relativ geringer ist die Tragzeit bei den Carnivoren, deren Junge nackt und mit ge- schlossenen Augen geboren werden und, den Nesthockern vergleichbar, längere Zeit noch völlig hilflos der mütterlichen Pflege und Sorgfalt bedürfen. Am 898 M;i,ninalia L..h.-iiMveiso. (icisfiKe Käliigkriti-n. kürzesten aber währt dieselbe bei den Aplacentalien, den Monotremen und Beutlern. Bei diesen Thieren gelangen die frühzeitig geborenen Jungen (beim Känguru von Nussgrösse) in eine von Hautfalten gebildete Tasche der In- guinalgegend, hängen sich hier an die Zitzen der Milchdrüsen fest und werden gewissermasseu in einem zweiten äusseren Fruchtbehälter ausgetragen, in welchem das Secret der Milchdrüsen stellvertretend für die noch nicht ent- wickelte Placenta die Ernährung sehr frühzeitig übernimmt. Die Zahl der geborenen Jungen wechselt ebenfalls überaus mannigfach in den verschiedenen Gattungen. Die grossen Säugethiere, welche länger als 6 Monate tragen, ge- bären in der Kegel nur 1, seltener 2 Junge, bei den kleineren aber und einigen Hausthieren (Schwein) steigert sich dieselbe beträchtlich, so dass 12 bis 16, ja selbst 20 Junge mit einem Wurfe zur Welt kommen können. Meist deutet die Zitzenzahl des Mutterthieres auf die grössere oder geringere Zahl der Nachkommenschaft hin, welche nach der Geburt längere oder kürzere Zeit hindurch an den Zitzen der Milchdrüsen aufgesäugt (bei den Monotremen durch das Secret der Mammardrüsen ernährt) wird. Manche Säugethiere leben einsiedlerisch und nur zur Zeit der Brunst, paarweise vereinigt; es sind das vornehmlich solclie Kaubthiere, welche auf einem bestimmten Jagdreviere, wie der Maulwurf in eigenen unterirdischen Gängen, ihren Lebensunterhalt erjagen. Andere leben in Gesellschaften ver- eint, in welchen häufig die ältesten und stärksten Männchen die Sorge des Schutzes und der Führung übernehmen. Die meisten gehen am Tage auf Nahrungserwerb aus. Einige, wie die Fledermäuse, kommen in der Dämme- rung und Nacht aus ihren Schlupfwinkeln zum Vorschein, auch die meisten Raubthiere und zahlreiche Hufthiere schlafen am Tage. Einige Nager, In- sectenfresser und Kaubthiere verfallen während der kalten, nahrungsarmen Jahreszeit in ihren oft sorgfältig geschützten Schlupfwinkeln und ausge- polsterten Erdbauten in einen unterbrochenen (Bär, Dachs, Fledermäuse) oder andauernden (Siebenschläfer, Haselmaus, Igel, Murmelthier) Winterschlaf und zehren während dieser Zeit, ohne Nahrung aufzunehmen, bei gesunkener Körper- wärme, schwacher Kespiratiou und verlangsamtem Kreislauf von den während der Herbstzeit aufgespeicherten Fettmassen. Wanderungen sind bekannt von den Kenthieren, südamerikanischen Antilopen und dem nordamerikanischen Büffel, von Seehunden, Walen und Fledermäusen, insbesondere aber von dem Lemming, der in ungeheuren Schaaren von den nordischen Gebirgen aus nach Süden in die Ebenen wandert und sich in der Kichtung seiner Keise durch keinerlei Hindernisse zurückhalten lässt, selbst Flüsse und Meeresarme durchsetzt. Die geistigen Fähigkeiten erheben sich zu einer höheren Entwicklung als in irgend einer anderen Thierclasse. Das Säugethier besitzt Uuterscheidungs- vermogen und Gedächtniss, bildet sich Vorstellungen, urtheilt und schliesst, zeigt Neigung und Liebe zu seinem Wohlthäter, Abneigung, Hass und Zorn gegen seinen Feind; in seinem Wesen prägt sich ein bestimmter Charakter aus. Auch sind die Geisteskräfte des Säugethieres einer Steigerung und Ver- T. l'iit.TclMsKo. Monoti-ciiijitH. 899 voUkommnung fällig, die freilich schon wegen des Maugels einer articulirten Sprache in verhältnissmässig enge Schranken gebannt bleibt. Die Fähigkeit zur Erziehung und Abrichtung, welche einzelne Säugethiere vor anderen in hohem Grade kundgeben, haben diese zu bevorzugten Hausthieren, zu unent- behrlichen, für die Culturentwicklung des Menschen höchst bedeutungsvollen Arbeitern und Genossen des Menschen gemacht (Pferd, Hund). Immerhin aber bleibt dem Instinct im Leben des Säugethieres ein weites Terrain. Zahlreiche Säugethiere zeigen Kunsttriebe, die sie zur Anlage von ge- räumigen Gängen und kunstvollen Bauten über und in der Erde befähigen, von Wohnungen, die nicht nur als Schlupfwinkel zum Aufenthalte während der Ruhe, sondern auch als Bruträume dienen. Fast sämmtliche Säugethiere bauen für ihre Brut besondere, oft mit weichen Stoffen überkleidete Lager, einige sogar wahre Nester, ähnlich denen der Vögel, aus Gras und Halmen über der Erde. Zahlreiche Bewohner von Gängen und Höhlungen der Erde tragen Wintervorräthe ein, von denen sie während der sterilen Jahreszeit, zuweilen nur im Herbste und Frühjahr (Winterschläfer) zehren. Was die geographische Verbreitung der Säugethiere anbetrifft, so finden sich einzelne Ordnungen, wie die Flatterthiere und Nager, in allen Welttheilen vertreten. Von den Cetaceen und Pinnipedien gehören die meisten Arten den Polargegenden an. Ausschliesslich aus Beutelthieren — von einigen Nagern und Fledermäusen abgesehen — besteht die Fauna Neuhollands. Die ältesten fossilen Reste von Säugethieren finden sich im Trias (Keupersandstein) und Jura (Stonesfielder Schiefer, Unterkiefer) und weisen auf insectivore Beutel- thiere hin. Erst in der Tertiärzeit tritt die Säugethierfauna in reicher Aus- breitung auf. L Unterelasse. Monotremata *), Kloakenthiere. Äplacentale Säugethiere, mit reptilienähnlicher Gestaltung des Schulter- gürteis (Os coracoideurn), zahnlosem schnabelförmigen Kiefdr, mit persisti- r ender Kloake. Der wichtigste Charakter beruht auf dem Vorhandensein einer Kloake, indem wie bei den Reptilien das erweiterte Ende des Mastdarms die Mündungen der Geschlechts- und Harnwege aufnimmt. (Fig. 8'S'A a.) Dieses Verhältniss, welches bei den übrigen Säugethieren einem vorübergehenden Znstande im Embryo entspricht, beweist die tiefe und ursprüngliche Stellung dieser Gruppe. Zu gleichem Schlüsse berechtigt das Vorhandensein eines au das Brustbein angefügten Os coracoideum, welches bei allen übrigen Säugern auf einen Fort- satz am Schulterbein reducirt ist. Auch kann in diesem Sinne das Vorhanden- sein von zwei dem Schambeine angefügten Knochen verwerthet werden, welche als Beutelknochen bei den Marsupialien wiederkehren. ') R. 0 w en, Article „Monotremata" in Todd's Cyclopaedia of Anatomy, Vol. III, 1843. K 1 a a t s c h, Zur Morphologie der Säugetliierzitzen. Morph. Jahrbucli, Tom. IX, 1883. Cl e g o n- liaur, Zur Ki'niitnii^s der Mainiiiarorifaiii' der MonotrenuMi. Lftinziof, 1886. 900 Mie Säugethiere ; fortgesetzt von Gold luss und A. Wagner, 7 Bde. und 5 Supplementbde. Leipzig, 1775-1855. E. Geoffroy St. HilaireetFr. Cu vi er, Histoire naturelle des Mammiföres. 3 Vols. Paris, 1819—1835. X. G. Giebel, Die Säugethiere etc. Leipzig, 1859. Max Schlosser, Die Affen, Lemuren, Chiropteren, Insectivoren, Marsupialien, Creodonten und Carnivoren des europäischen Tertiärs und deren Beziehungen zu ihren lebenden und fossilen aussereuropäischen Ver- wandten. L, IL, IIL Wien, 1887, 1888, 1890. AbKlamniiiiiK. 007 siipium sainmt seinen beiden Stützknochen am Becken hinweg. Man kann es als nahezu gewiss betrachten, dass sich die placentalen Säuger von den Mar- supialien aus entwickelt haben. Die Abzweigung von diesen muss . aber wohl in die Secundärzeit zurückreichen, da die ältesten bis jetzt bekannt gewordenen Reste entschiedener Placentalien, welche dem Eocän angehören, schon ver- hältnissmässig hoch differenzirte Gebisse besassen. Die Abzweigung ist viel- leicht bereits zu einer Zeit erfolgt, als das Gebiss der aplacentalen Vorfahren noch ein sehr reichbezahntes war. bevor die mannigfache Specialisirung des ]\Iarsupialiden-Gebisses stattgefunden hatte, mit welcher sich dann die be- sondere Gestaltung der placentalen Gebissforraen, entsprechend den ähn- lichen Ernährungsverhältnissen, bis zu einem gewissen Grade convergent ent- wickelte. Nach den neueren Forschungen erscheint es möglich, dass den Ausgangs- punkt für die Entwicklung der placentalen Säugethiergruppen fleischfressende Beutler bildeten, deren hohe Zahnzahl bei mangelndem oder beginnendem Zahn- wechsel das Milchgebiss zugleich in sich einschloss. Aus diesen noch mitKlauen und Krallen bewaffneten Stammformen entsprangen nicht nur die Vorfahren der Hufthiere {Protungulaten), welche durch die alteocänen Condylarthra zu den Perüsodactyla und Artiodadyla hinführten, sondern auch die UngiucuJaten und unter diesen zunächst die mit den Imextivoren verwandten tertiären Creodonfa, auf welche auch die Carnivoren zurückzuführen sind. Aus den Creodonten dürften in gleicher Weise die Chiropteren, Lemn- riden und Quadrumanm abzuleiten sein, während über den Ursprung der Nager, Edentaten und Cetaceen noch keine bemerkenswerthe Hypothese auf- gestellt wurde. Wahrscheinlich dürften sich die Zahnwale aus gleichmässig bezahnten Säugern der Secundärzeit entwickelt, später die Sirenen von den Huftliieren und die Pinnipedien von den Carnivoren abgezweigt und dem AVasserlebeu in verschiedenem Masse angepasst haben. Bemerkenswerth ist das häufige Vorkommen wurzelloser Zähne, die sich vielleicht schon von der aplacentalen Stammgruppe aus in die placentale lleihe fortsetzen, in welcher das Gebiss der Edentaten und einzelner Nagethiere der Wurzelzähne überhaupt entbehrt. In vielen Fällen treten jedoch wurzellose Zähne nur vereinzelt auf, wie z. 1^. bei Flippopotamus und den Nagern, bei Hyrax, Chiromys, Elephas etc. Morphologisch ist offenbar der Wurzelzahu die vorgeschrittenere und des- halb wohl auch spätere Gestaltungsform, die unter Ersparung von Schmelz und Dentinproduction aus dem wurzellosen, durch unbeschränktes Wachsthum be- zeichneten Zahn hervorgegangen ist. Für dieses Verhältniss spricht auch das Vorhandensein von Zwischenformen mit länger währendem Wachsthum und erst spät sich schliessender Pulpa (hohe Krone, kurze Wurzel, z. B. an den Backen- zähnen des Pferdes, dem zweiten und dritten Molar von Phacochoerus), sowie die Stellvertretung von wurzellosen und Wurzelzähnen bei nahe Verwandten (Monodon, Moschus, Suiden). Der Nachtheil des Wurzelzahnes liegt wohl in der 908 Placcutalia. (iebisK relativen Bescliräukung seiner Functionsdauer, durch welche das Bedürfniss eines Ersatzzahnes veranlasst wird ; der Vortheil in der verminderten Pro- duction von Zahnsubstanz und in der Möglichkeit einer grösseren Complication und Specialisirung. Immerhin hat der Wurzelzahn ein sehr bedeutendes Alter und findet sich schon in der aplacentalen Stainmgruppe, so dass auch wiederum die Wahrscheinlichkeit der Rückbildung und Umwandlung von Wurzelzähnen in wurzellose in vielen Fällen anerkannt werden muss. Die einfachste Zahnform, wie sie im homodonten Gebisse vorliegt, ist die des Kegels, aus welcher sich dann der vergrösserte Zahn mit comprimirter Schneide und mit mehrfachen Tuberkeln nebst messerförmiger Firste entwickelte. Von grosser Bedeutung erscheint der dreihöckerige oder trituberculare Backenzahn, den bereits Cope als den primitiven Typus für die oberen Backen- zähne in Anspruch nahm. An demselben bildete sich schon in der mesozoischen Zeit der Gegensatz in .sec/orm/e und 6tmoc?oufe Zahnform aus. Indessen erscheinen die mesozoischen Bunodouten für die Stammesgeschichte der tertiären und recenten Bunodonten (Omnivoren und Herbivoren) bedeutungslos, welche wahrscheinlich während der Kreidezeit von Formen mit sectorialem Typus ihren Ursprung nahmen. Schon in der Tertiärzeit erscheint der Tritubercular- Typus durch Complicationen verändert, indem an den Oberkiefermolaren Zwischenhöcker auftreten, an den Unterkiefermolaren ein zwei-, beziehungsweise dreihöckriger Talon sich geltend macht. Dieser Tubercularsectorial-Typus (Cope), der sich noch bei Didelphys und manchen Insectivoren (Cladobates, Talpa) und Chiropteren erhalten hat, erfuhr verschiedene divergirende Modi- ficationen je nach der Ernährung von Fleisch oder Insecten oder von Pflanzen. Bei den ersteren entstand der Reisszahu durch Verstärkung des vorderen Ab- schnitts. Bei den Formen mit omnivorer Nahrung wurden die Höcker der oberen Molaren abgestumpft, die Zacken der untern Molaren niedriger, während der Talon an Umfang zunahm. Cope leitet aus demselben aber auch die Molaren der ältesten Ungulaten und Condylarthra (Phenacodus, Haploconus) ab. Durch Verstärkung und Erhöhung der hinteren Zahnhälfte, die der vorderen gleich wurde und je zwei Tuberkel erhielt, entwickelte sich der spätere Zahn der Paar- oder Unpaarzeher. Zweifelsohne war das Gebiss der ältesten placentalen Säuger ein reich bezahntes, was aus der grossen Zahnzahl nicht nur der gleichmässig bezahnten Cetaceen (Delphine) und Gürtelthiere, sondern auch aus dem differenzirten Gebiss der ältesten fossilen Diphyodonten erhellt. Bei diesen einen Zahn- wechsel erfahrenden Placentalien hatte sich bereits für die Ausbildung der zahlreichen, in einer Reihe angelegten Zahnkeime die Veränderung vollzogen, Avelche zur Aufstellung scharf geschiedener Dentitionen und Unterscheidung der zuerst entwickelten, den Bedürfnissen des jugendlichen Alters angepassten hinfälligen Milchzähne und der später hervorwachsendeu, stärkeren und höher entwickelten Zähne des bleibenden Gebisses Anlass gab. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch bei den Dentitionen nur um ein verändertes Arrangement im Extremität. Classffiiiition. ()()() Wachsthura, um die Vertbeiluiig der vorhandenen Zahnaulagen auf zwei Zeit- perioden der Ausbildung zu Gunsten der Leistungsfähigkeit und der Speciali- sirung der Arbeit. Da es sehr viele alte Säugethiere mit der Zahnformel * — 3 14 — (also mit o 44 Zähnen des bleibenden Gebisses) gibt, so müssen unter der Voraussetzung, dass ausser den liicisivi und Cauini sämmtliche Praemolareii gcAvechselt wurden, die ältesten diphyodonten Placentalieu mindestens 70 Zahnkeime in den Kiefern besessen haben. Der Zahnwechsel ist in zahlreichen Fällen ein beschränkterer, und das Milchgebiss erfährt wiederum in verschiedenem Masse (Talpa, Sori- acZen) Reductionen bis zur völligen Unterdrückung (Ratte etc.). Bei den Robben tritt der Zahnwechsel schon vor der Geburt ein. Durchgängig ist das Milch- gebiss schwächer und einfacher gestaltet, die allgemeinere Form bewahrend, das bleibende höher entwickelt und mehr specialisirt. Jenes enthält den con- servativeren Theil der Bezahnung, zeigt bei den nahe stehenden Gattungen (Homo, anthropoide Affen) und Familien (Carnivoren) nur geringe Differenzen und bleibt auf einer niedrigeren Stufe zurück, dem Gebisse der Vorfahren ähnlicher, ein Verhältniss, welches zuerst Rütimeyer durch den Nachweis begründete, dass im Milchgebiss der Ungulaten Eigenthümlichkeiten des Ge- bisses der geologischen Vorgänger erhalten sind, und dass es diesem ähnlicher ist als dem ihm folgenden bleibenden Gebisse, welches in bestimmter Richtung progressiv specialisirt erscheint. Der besonderen Gestaltung des Gebisses und hiermit im Zusammenhange der Ernährungs- und Lebensweise entspricht die Differenzirung des Terminal- stückes der Extremitäten nebst seiner Hornbekleidung. Wenn auch in der Regel die Fünfzahl der Zehen erhalten oder höchstens die Innenzehe hinweg- gefallen ist und die Krallenform des Nagels praevalirt, so gibt es doch zahl- reiche Fälle von Reductionen in der Zehenzahl, für welche bei den placentalen Säugethieren ein anderes Gesetz massgebend ist als bei den aplacentaleu, in- dem zuerst die innere (erste), dann die äussere (fünfte), hierauf die zweitinnere (zweite) und zuletzt die zweitäussere (vierte) Zehe verkümmert, beziehungs- weise völlig wegfällt. Die zurückbleibenden Zehen erfahren gleichzeitig mit ihrer Hornbekleidung eine mehr oder minder bedeutende Verstärkung. Die Nägel werden zu gewaltigen Sichelkrallen (Faulthiere) oder zu verbreiterten Hufen (Ungulaten). Auch kann bei höheren Typen die Innenzehe der hinteren und vorderen Extremität als Daumen opponirbar werden. Im Vergleich zu den Beutelthieren ist die Specialisirung der Formen eine ungleich reichere und mannigfaltigere. Zu den landlebenden, in überaus ver- schiedener Weise sich ernährenden und bewegenden Typen mit Omnivoren-, Carnivoren-, Insectivoren-, Frugivoren-, Herbivoren- und Nagethier-Gebiss kommen ausschliesslich zum Wasserleben angepassteRaubthiere und Pflanzen- fresser (Cetaceeu, Sirenia), sowie insectivore und frugivore Flatterthiere (Fleder- mäuse), endlich völlig zahnlose Erdbewohner hinzu (Ameisenfresser). 910 1. Onliiuiig. Ci'tacoa. 1. Ordnung. Cetacea'), Walfische. Wasser bewohnende Säugethiere mit spindelförmigem imhehaarten Leib, flossenähnlichen Vorderfüssen und horizontaler Schwanzflosse, ohne hintere Extremitäten. Die Wale, nach ihrer gesammteu Organisation echte Säugethiere mit warmem Blut und Luugenathmung, erscheinen so vollständig an das Wasser- leben angepasst, dass sie in ihrer Körpergestalt und Skeletgliederung sich der Fischform nähern. (Fig. 841.) Einzelne Arten erlangen eine colossale Körper- grösse, wie sie nur das Wasser zu tragen und die See zu ernähren im Stande ist. Ohne äusserlich sichtbaren Halstheil gelit der Kopf in den walzigen Rumpf über, während das Schwänzende eine horizontale Flosse bildet, zu der auf der Rückenfläche häufig noch eine Fettflosse hinzukommt. Die Behaarung fehlt bei den grösseren Formen so gut wie vollständig, indem sich hier nur an der Oberlippe zeitlebens oder während der Fötalzeit Borstenhaare finden. Dagegen entwickelt sich in der dicken mit grossen Papillen versehenen Lederhaut, ge- wissermassen als Ersatz des mangelnden Pelzes, eine mächtige Fettmasse, die sowohl als Wärmeschutz, wie zur Erleichterung des specifischen Gewichtes dient und nur in der an den Papillarkörper grenzenden Schicht fehlt. An dem oft schnauzenförmig verlängerten Kopfe fehlen stets äussere Ohrmuscheln, die Augen sind auffallend klein und oft in die Nähe des Mundwinkels, die Nasen- löcher auf die Stirn gerückt. Die vorderen Extremitäten stellen kurze, äusser- lich ungegliederte Ruderflossen dar, welche nur als Ganzes bewegt werden, die hinteren fehlen als äussere Anhänge gänzlich. Der Schädel besitzt dem grossen, oft schnabelförmig verlängerten Ge- sichtstheil gegenüber einen nur geringen Umfang und zeigt sich häufig asym- metrisch, vorherrschend rechtsseitig entwickelt; seine Knochen liegen, durch freie Schuppennähte gesondert, lose aneinander, die Parietalia verschmelzen früh mit dem Interparietale zu einem Knochen, das harte Felsenbein bleibt von den übrigen Theilen des Schläfenbeines isolirt. Die Nasenhöhle ist im Zu- sammenhang mit der mächtigen Entwicklung der Intermaxillaria ganz auf die Dorsalseite des Schädels gedrängt, und erscheinen die Nasenbeine rudimentär. Die Kiefer tragen entweder sehr zahlreiche konische Wurzelzähne oder die Bezahnung erscheint in verschiedenem Masse bis zum völligen Schwunde reducirt. Im letzteren Falle (Bartenwale) kommen die Zahnkeime noch im fötalen Leben zur Entwicklung, die aus ihnen entstandenen Zahnrudimente durchbrechen jedoch nie das Zahnfleisch und werden vor der Geburt resorbirt *) D. F. E seh rieht, Zoologisch-aiiatomisch-physiologische Untersucliungen über die nordischen Walthiere. Leipzig, 1849. D. F. Es ehr i cht og J. Reinhardt, Oni Nordhvalen. Kjühenhavn, 18G1. Van Beneden und Gervais, Osteographie des Cetaees. Paris, 1868—1880. Max Weber, Studien über Säugethiere. Jena, 1886. W. Kükenthal, Vergleichend-anatdiiiischc und cntwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Walthieren. .iciKi, 1S89. 911 841. (Bartenwale). Von der hinteren Extremität finden sich nur zuweilen kleine Knochen- rudimente vor, die man als Beckenknochen deutet, wozu hei Bnlaena mi/i^ticefiis noch ein Femur- und Tibiarudiment hinzutritt. Die einfache oder doppelte Nasenöffnung ist mehr oder minder hoch hinauf auf den Scheitel ge- rückt und führt senkrecht absteigend in die Nasenhöhle, welche als paariger, hinten ein- facher Nasencanal absteigt und am Gaumen- segel vom Sclilunde durch einen Schliess- muskel abgeschlossen werden kann. Die An- sicht, dass die Walfische durch die Nasen- öffnungen Wasser ausspritzen, hat sich als irrthümlich herausgestellt; es ist der aus- geathmete, in Form einer Rauchsäule sich verdichtende Wasserdarapf, der zu der Täu- schung eines ausgespritzten Wasserstrahles Veranlassung gab. Die sehr geräumigen Lun- gen erstrecken sich ähnlich wie die Schwimm- blase der Fische weit nach hinten und bedin- gen wesentlich mit die horizontale Lage des Rumpfes im Wasser; auch das Zwerchfell nimmt eine entsprechend horizontale Lage ein. Sackartige Erweiterungen an der Aorta und Pulmonalarterie, sowie die sogenannten Schlagadernetze mögen dazu dienen, beim Tauchen der Athemnoth einige Zeit lang vor- zubeugen. Die Weibchen gebären ein einziges (die der kleineren Arten selten zwei), verhältniss- mässig weit vorgeschrittenes Junges, welches noch längere Zeit der mütterlichen Pflege be- darf. Die beiden Saugwarzen der Milclidrüsen liegen in der Inguiualgegend. Die Wale leben meist gesellig, zuweilen in Heerdeu vereinigt; die kleineren suchen gern die Küsten auf und gehen auf ihren Wanderungen selbst in die Flussmündungen, die grösseren lieben mehr das offene Meer und die kalten Gegenden. Beim Schwimmen, dassiemitgrosserMeisterschaftundSclmellig- uo^^^tt"' L\T^'' ''""''"'"'"' '''''^'' keit ausführen, halten sie sich in der Regel "'*™' Skelet von linloena myslicetim, uai^li K sch- riebt und Reinhardt. Oc* Occipitale, Co Condylus oc(.-ipitali.s, Sq Siiuamosum, Pa Pa- rietale, Fr Frontale, Jmx Intennaxillare. Sc Scapula, F Femur-, tippe verbundene Ster // numerus, B Hecken- T Tibiarudiment. 912 Dciiticüto. nahe an der Obertiäche. Die riesigen ßartemoale, welche der Zähne vollkommen entbehren, dagegen am Gaumen den aus senkrechten, transversal gestellten Hornplatten, den Barten, gebildeten Seiheapparat tragen, ernähren sich von kleinen Seethieren, Nacktschnecken, Quallen, die Delphine mit ihrem gleich- förmigen Raubgebiss von grösseren Fischen. Fossile Reste finden sich schon in der älteren Tertiärzeit, am reichsten aber im Miocän, wo, ausser den gegen- wärtig ausgestorbenen Zeuglodonten, Delpliine und auch Bartenwale von ver- schiedener Grösse lebten. Mit Rücksicht auf das nahezu homodonte Gebiss sind die Walthiere von einer weit in die Secundärzeit zurückreichenden placentalen Stammgruppe mit homodonter Bezahuung und vier Extremitäten abzuleiten. Hiermit steht die Thatsache nicht im Widerspruch, dass das Gebiss der tertiären, vornehmlich in Nordamerika gefundenen Zeuglodonteu schon mehr specialisirt war, indem der Oberkiefer bereits zweiwurzelige Backenzähne mit mehrzackiger Krone enthielt. Indessen bleibt es unwiderlegt, ob nicht der Mangel des Zahn- wechsels durch secundäre Reduction zu erklären ist. 1. Unterordnung. Denticete, Zahnwale. Fleischfressende, vornehmlich von Fischen sich ernährende Wale mit kegelförmigen Fangzähnen in beiden oder nur in einem Kiefer (homodontes Gebiss). Kopf von proportionirter Grösse. Nasenlöcher oft zu einer halbmondförmigen Oeffuung verschmolzen. Hier würden die tertiären Zeuglodonteu anzuschliessen sein {Zeuglodon, jSqualodon), für die man jedoch eine besondere Unterordnung aufszutellen hat. Farn. DelpJnnidae. Beide Kiefer mit gleicligestalteten Kegelzähnen, jedoch nicht immer in ganzer Länge bewaffnet. Nasenlöcher zu einem halbmondförmigen Spritzloch Fig. 842. Delpldnus ddplds (rt'gue aiiiinal). vereint. Phocaena comvitniis Less., Braunfisch, 4—5 Fuss lang, steigt in die Flussmün- dungen und lebt von Fischen. Europäische Meere. Delphinus delphis L., gemeiner Delphin. (Fig. 842.) Mittelmeer und atlantischer Ocean. D. iursio Fabr., Tümmler, Nordatlantischer Ocean. Beluga {Delphinaplerus) hucas Gray, Weissfisch. Orca gladiator Gray, Schwertfisch, Nördliche Meere. Qlohiocei)halus glnbk-eps Cuv., Grind, Nordatlantischer Ocean. Fam. Monodontidae. Im Oberkiefer nur zwei nach vorne gerichtete Zähne, die im weiblichen Geschlechte klein bleiben, von denen aber der eine (meist linksseitig) im männlichen Geschlecht zu einem colossalen, schraubenförmig gefurchten Stosszahn wird. Die übrigen kleinen Zähne beider Kiefer fallen früh aus. Monodon monnveros L., Narwal. Nördliches Polarmeer. Von 20 Fuss Länge. Fam. Hyperoodoiitidae. Schnauze schnabelförmig verlängert, im Unterkiefer jeder- scits nur ein oder zwei ausgebildete Zähne. Gesichtsknochen, namentlich Zwischcnkiefer, 2. uMnuiip, Ed.'iilala. 913 oft unsymmetrisch. Ein halbmondfünniges iSpritzlocli. J/;/pcrood(m hidens Flom., Diiglinj,'. Ueber 20 Fuss Länge. Nordatlantischer Ocean. Farn. Catodontidae = Physeleridae, Pottfische. Kopf von enormer Grösse, von '/j der Ivörperlänge. bis zur Spitze aufgetrieben durcli Ansammlung von flüssigem Fett (Walrat). Oberkiefer zahnlos. Aeste der Unterkiefer aneinander gelegt, mit einer Reihe konischer Zähne besetzt. Spritzlücher getrennt. Leben von Tintenfisclien. Catodnn viacrocepliahs Lac, Cachelot, Pottiisch, 40 GO Fuss lang. Nordmeer. Physeter tursin (Jray. Nordatlan- tischer Oceaii. 2. Unterordnung. Mysticete, Bartemcak. Mit sehr grossem Kopf und zahnlosen Kiefern, mit Barten. (Fig. 841.) Schlund eng. Spritzlöcher getrennt. Ernähren sich von sehr kleinen Meeresthieren {Cefochilus, Clio borealts), die in ungeheurer Menge im Seiheapparate der Barten gefangen werden. Fam. Balaenidae, Bartenwalc. Cetaoeen von bedeutender Grösse, mit ungelieurem Kopf, weit gespaltenem, aber zahnlosem Kachen und doppelten Nasenöffnungen, mit sehr kleinen Augen in der Nähe der Mundwinkel. Am Gaumengewölbe und Oberkiefer ent- springen zwei Reihen von hornigen, an ihrem unteren Rande ausgefaserten Querplatten, sogenannten Barten, welche senkrecht dicht hintereinander gedrängt in die Rachenhühle vorstehen und nach vorne und hinten zu an Grösse abnehmen. Diese Barten bilden eine Art Sieb, welches beim Schliessen des colossalen Rachens die kleinen, mit dem See- wasser aufgenommenen Nachtschnecken etc. zurückhält, während das Wasser abfliesst. BaIaenoj)tera rostrata Fabr., Finufisch, Nordmeer. Megaptera boops Müll., wird 100 Fuss lang. Balaena mysticetus, grönländischer Walfisch, bis 60 Fuss lang. Vornehmlich Gegen- stand des Walfischfanges. 2. Ordnung. Edentata *), (Bruta), zahiiarme Thiere. Säugethiere mit unvollständig hezahntem Gehiss, meist mit zahlreichen wurzellosen Bacl-enzäJmen, mit Scharr- oder Sichelkrallen an den Extremitäten. Die als Edentata (Bruta) unterschiedene Abtheilung placentaler Säuge- thiere umfasst überaus verschiedene, nach Lebensweise und Körpergestalt weit divergirende Formengruppen, welche zu einander in einem anderen Ver- hältnisse als die Gruppen, beziehungsweise Familien der nachfolgenden Ord- nungen stehen und selbst als Ordnungen gegenübergestellt werden könnten. Dieselbe steht daher ihrem Werthe nach über der Ordnungskategorie, ohne gerade zur Unterclasse erhoben werden zu können. Gemeinsam ist allen Eden- taten ausser der adecidualen Beschaffenheit des Mutterkuchens die niedrige Organisations- und Lebensstufe und die geringere Specialisirung des Gebisses, dessen Zähne, wenn sie nicht ähnlich wie bei Echidna überhaupt vollständig fehlen (Vermilinguia), ausschliesslich wurzellos sind und der Schmelzbekleidung entbehren. Das Arrangement der zwei Dentitionen fällt daher hinweg, wenn auch einzelne Zähne und vornehmlich die vorderen frühzeitig verloren gehen {Dasypus). Die Form der übrigens in einzelnen Fällen sehr zahlreichen Zähne (circa 100 bei Dasypus gigas) ist eine ziemlich einfache und gleichartige. <) Th. Bell, Article „Edentata" in Todd's Cyclopaedia of Anatomy, Vol. IL 1H36. W. V. Rapp, Anatomische Untersuchungen über die Edentaten. Tübingen, 1852. H. Bur- meister, Annales del museo publice. Buenos-Ayres, 1864. C.Claus: Lphrhuoh der Zoolotcif. 5. Aufl. 58 914 Vrrmilinguia. Ciiigulata. Mit Ausnahme eines Gürtelthieres fehlen überall die Vorderzähne. (Fig. 843.) Sind Eckzähne vorhanden, so bleiben dieselben kleine und stumpfe Kegel. Auch die Backenzähne sind schwach und einfach geformt, zuweilen schwach gefurcht. Viele {Wurmzüngler und Gärtelthiere) sind Insectenfresser und graben mit ihren mächtigen Scharrkrallen Erdhöhlen, andere {Faulthiere) nähren sich von Blättern und klettern vortrefflich. Alle sind träge, stumpf- sinnige Thiere mit kleinem, der Windungen entbehrendem Gehirn und bewohnen gegenwärtig ausschliesslich die südlichen Zonen, und zwar vornehmlich der neuen, in einzelnen Kepräsentanten aber auch der alten Welt; mit Ausnahme des afrikanischen Orycterojms und der in Afrika und Asien lebenden Gattung Mam's sind alle Bewohner Südamerikas. Es weist dieses Verhältniss auf die allmälige Ausbreitung von einem gemeinsamen Centrum in einer weit zurück- reichenden Periode der Vorzeit hin und unterstützt die Annahme eines vor- maligen grossen Südcontinentes. Die ältesten fossilen Reste finden sich im oberen Eocän (Quercy), dann im Miocän Europas (Pikermi und Sansan, Macro- therium) und Nordamerikas (Moropus). Die -^'ö- 843. interessantesten und reichsten Ueberreste ge- hören den Diluvialablagerungen vornehmlich Südamerikas an. 1. Unterordnung. VermiUnguia^ kmQ\%Q\[- fresser. Mit sehr verlängerter zugespitzter Schnauze, aus deren enger Mundöffnung die dünne wurmförmige Zunge weithervorgestreckt werden kann. Kiefer schwach. Zähne fehlen mit ^,.,,, „ , , , Ausnahme von Orycteromts vollständig. Hier ScliäcU'l von niadvimt toriiiiatH<: J I O finden sich zahlreiche Mahlzähne, die kaum knochenharte Consistenz erlangen. Die Thiere besitzen kurze kräftige Grab- füsse, die. sie zum Aufscharren von Ameisen- und Termitenbauten benutzen. In diese aufgewühlten Haufen strecken sie ihre lange klebrige Zunge hinein, an der sich die Insecten festbeisseu und beim raschen Einziehen der Zunge zur Beute werden. Fossil ist Glossotherion. Fam. Myrmecophagidae, Ameisenbären. Zahnlos, mit Haarbekleidung. Myrmeco- plutija jubata. L., M. tetradactyla L. [tamandua Desm.), M. didactyla L., Südamerika. Fam. Manidae, Schuppenthiere. Zahnlos, von Hornschuppen bekleidet. Manis macrtira Erxl., Schuppenthier, Westküste Afrikas. M. hrachyura Erxl., und javanica Desm., beide in Ostindien. Fam. OrycterojiodidM, Erdferkel. Mit spärlicher Haarbokleidun«- und zahlreichen Mahlzälinen. Oryderopus caiiensis Geoft'r., Cap'sches Erdschwein, 2. Unterordnung. Cmgtdata, Gürtelthiere. Die Körperbedeckung besteht aus knöchernen Tafeln, welche sich auf dem Rücken und am Schwänze zur Herstellung eines beweglichen Hautpanzers in Querreihen ordnen. (Fig. 844.) Die Extremitäten bleiben kurz und sind mit ihren kräftigen Scharrkrallen zum Graben vorzüglich geeignet. Vorderzähne fehlen mit Ausnahme von Dasypus sexa'nctus und des fossilen Chlamydothermm. Beide Kiefer tragen kleine cylin- 3. Ordnung. Condylartlir.i. 915 drischt' BackeuziiLiiü, dereu Zahl nach deu einzelnen Formen wechselt. Bewohner Südamerikas. Fossile Gürtelthiere wie Ghjptodon Ow., Chlami/dofherium Lund finden sich in den Knochenhöhlen Südamerikas. Fani. Dasyjiodidae, Armadille. Dasypns novemdnctns L., der langlothertden). Seinen Höhepunkt erreicht derselbe in den Schweinen und Wiederkäuern der Gegenwart. Von den nach Ausfall der Innenzehe zurückbleibenden vier Zehen besassen schon bei den ältesten Paarzehern die beiden mittleren eine grössere Stärke, in anderen Formen waren bereits die beiden nach aussen stehenden Zehen völlig geschwunden, aber noch die Mittelhand- und Mittelfussknochen getrennt (Anoplothermm, Xiphodon). Hier zeigten aber die Wurzelknochen beider Ex- tremitäten das sogenannte inadaptive Verhältniss (Kowalevski), indem die zu den reducirten Zehen gehörigen Wurzelknochen nicht in den Dienst der zurückbleibenden Zehen traten, sondern functionslos wurden und verküm- merten. Die recenten Formen sind theils plumpe, schwer gebaute, theils schlanke, gracile Formen ; die ersteren mit niedrigen Beinen, dicker, nackter Haut und straffem Borstenkleid, die letzteren meist hochbeinig, mit dichtem, eng an- liegendem Haarpelz. Die beiden Mittelzehen mit ihrer starken Hnfbekleidung tragen hauptsächlich die Körperlast, indessen können auch noch die zweite und fünfte Zehe beim Auftreten an der Unterstützung des Körpers theilnehmen, rücken aber meist als rudimentäre Zehen nach hinten und berühren als After- zehen den Boden nicht mehr. I.Unterordnung. Bimodonta. Vorwiegend mit Höckern der Backenzähne und vollständiger Bezahnung, stets mit Eckzähnen und mit einfacher Magen- form. Die Metatarsalknochen der Mittelzehen' sind niemals zu einem einzigen Röhrenknochen verschmolzen. Die Höckerzähne sind bei den alten fossilen Formen durch den Besitz von fünf Höckern ausgezeichnet und werden erst später vierhöckerig, dann aber durch eine grössere Zahl sich entwickelnder Nebenhöcker vielhöckerig {Sus). Die jetzt lebenden Typen beschränken sich auf die Familien der Hippopotamiden und Suiden, welch' letztere sich durch fossile Formen bis auf eocäne Gattungen zurückführen lassen. Jene bewahrten 925 FJL^ 852. die alte Zeheugestaltiiüg, wie sie der eocäne Hyopotamua besass. An ihrem Gebisse sind Eckzähne und Schneidezähne, von denen die äusseren hinweg- gefallen sind, wurzellos und von enormer Stärke. Die Suiden mit reducirten Aussenzehen und Omnivorengebiss gehören sowohl der alten wie neuen W-elt an und werden dort durch miocäne Gattungen, Palaeochoerus und Chocrotherium (letztere mit vier Zehen noch in fiist gleicher Ausbildung), zu eocänen Formen mit fünfhöckerigen Molaren, wie Choeropotamus, hier von Dicoiyles zu dem miocänen Tinohyus bis zu dem eocänen Eohyvs zurückverfolgt. Im Gebiss der Suiden ist meist nur der Eckzahn wurzellos, bei Phacochoervs jedoch auch der letzte Molar, welcher sich in seinem Bau wie auch der vorletzte Molar einem Faltenzahne nähert. In den Schneidezähnen, die im Alter ausfallen, tritt in verschiedenen Gattungen eine lieduction von -*- zu — (iWcH.sjbiszu— (Pha- O O ö cochoei'us) ein. 1. Farn. Anthracotheriidae. Mit vierzehigeii Füssen, primitiver Aiiordiiuii^ der Car- palien und Tarsalieu. Im Gebisse praevalirte die Fünfzahl der molaren Höcker und der einfache Bau der Praeraolaren, welche an die der Fleischfresser anschliessen. Vorwiegend eocän. Choeropotamus Cuv., Bagatherium Pict., Anthracotheritim Cuv. 2. Fam. Ohesa. Vierzehig, von plumper Gestalt, mit unförmig grossem Kopf nnd hreiter, stumpfer, angeschwol- 2 14 13 lener bchuauze. Gebiss: ~t~^ ".> i":r. z 1 ii\ 6 Hippopotamus amphibius L. , Nilpferd. H. major Cuv., Diluvium des mittleren und südlichen Europa. 3. Fam. Suulae*) {Setigera). Mit dichtem Borstenkleid und kurzrüsseliger Schnauze. Das Gebiss (Fig. 852) besitzt alle Zahuarten, doch ist die Zahnreihe nicht vollkommen geschlossen. Die Schneidezähne stehen schräg horizontal und erfahren in einzelnen Gattungen eine Reduction bis zu -rr. Die wurzellosen Eckzähne stark verlängert, dreiseitig, im männ- lichen Geschlecht als „Hauer" gewaltige Waffen. 6 — 7 schmelzfaltige Backenzähne, dar- unter drei Molaren, in jedem Kiefer. Die ältesten Formen besassen noch Caninen und Molaren nach Art der Fleischfresser. Die Molaren zeigten fünf, später vier Tuberkel, die Monden ähnlich sind. Nur die beiden Mittelzehen berühren den Boden, während die kleineren Aussenzehen als Afterzehen nach hinten liegen. (Fig. 825 c.) Phacochoerus aethiopicus Cuv., Südafrika. Fh. Aeliann.s Rüpp. {Sus africanus L.), Abyssinien bis Guinea. Porcus babyrussa L , Hirscheber, Molukken. Potamochoerus africanus Schreb. {larvatus Fr. Cuv.), Warzenschwein, Südwestafrika. Sus enropaeus Fall. [S. scrofa L.), Wildschwein. 3 14 13 Scluldcl vou Sics scrofd, fern Gebiss: "T'TXrs"' ^^ weiter Verbreitung von Indien bis zum Westen Europas und Nord- afrika. Stammform einer grossen Zahl von Racen unseres Hausschweines, wogegen man 1) Hcrm. V. Nathusius, Vor.studien für Geschichte und Zucht der Hau.sthiere, zunächst am Schweineschädcl. Berlin, 1864. Derselbe, Die Racen des Schweines. Berlin, 1860. 926 .Sc'leuodonta. die Schweine aus China, Chuchincbina, Siara, das neapolitanische, ungarische, anda- lusische Schwein, das kleine Bündtnerschwein und das Torfschwein aus der jüngeren Steinzeit der Schweizer Pfahlbauten auf eine besondere Stammart [S. indicus) zurück- zuführen hat (N a t h u s i u s), die wild nicht mit Sicherheit bekannt ist, aber dem >9. «ö- tatus M«ll. Schi, von Java und Sumatra nahesteht. Dicotyks torqualus Cuv., D. lahialua Cuv., Bisamschwein, Pecari, Amerika. Die zahlreichen fossilen Formen vertheilen sich auf verschiedene schon im Eocän bekannte Gattungen: Lepfochoerus Leidy, Cebochoerus P. Gerv., Hemichoerus Filh, mit fünf tuberkuläreu oberen Backenzähnen. Palaeochoerus Pom., Myocän. Hyotherium Mever. Die Gattung Sus beginnt schon im obern Miocän. S. antiquus Kaup. 2. Unterordnung. xSeZenocZo??^« *), Wiederkäuer. MitE^]hmondeü derBacken- zähne an Stelle der Tuberkel. Die jetzt lebenden Typen mit unvollständigem Gebiss (Fig. 853), an welchem meist die oberen Schneidezäline binweggefallen sind und dann auch Eckzähne nicht mehr zur Ausbildungkommen. Dagegen stehen im Unterkiefer acht (mit den adaptirten unteren Eckzähnen), selten nur sechs schaufeiförmige Schneidezähne. Die allgemeine Gestalt der Backenzähne bietet ziemlich feste Merkmale und zeigt einen ausgeprägt seleno- donten Charakter. Die Praemo- laren sind klein, meist nur ein- Schädel von Cervu.s canadtnsis. oder zweilobig. Die Metacarpal- und Metatarsalknochen sind bei den jetzt lebenden Formen, mit Ausnahme der TraguUden, zu einem gemeinsamen Röhrenknochen (Canon) verschmolzen. (Fig. 825 d) Die selenodonten Paarzeher beginnen bereits im Eocän mit den vier- zehigeu Hyopotamiden, beziehungsweise dreizehigen {Anoplotheriden) Formen, von denen sich die ersteren von den Änthracotherülen nicht streng, und ledig- lich durch den ausgeprägteren selenodonten Charakter der Backenzähne ab- grenzen lassen. Auch hier bilden fünflobige Molaren eines noch ziemlich in- differenten Palaeotherien-ähnlichen Gebisses den Ausgangspunkt. Ausser den — Schneidezähnen und massig vortretenden Eckzähnen waren — — Backenzähne •^ 4| 3 vorhanden. Praemolaren einfach, noch wenig entwickelt (Dichobune, Caeno- therium, Xiphodon). Die Divergenz in Geweihträger und Hohlhörner erfolgte erst weit später, nachdem die Molaren vieriobig geworden und die Speciali- sirung des Gebisses unter Reduction der oberen Schneidezähne und Compli- cation der Praemolaren wesentlich vorgeschritten war. Mit dem Schwunde der Eckzähne stand das Auftreten der Stirnwafifen in Causalnexus. ') Vergl. besonders G. J. Sundevall, Methodische Uebersicht über die wieder- kauenden Thiere. 2 Theile. 1847. Rütimeyer, Beiträge zu einer natürlichen Geschichte der Hirsche, 1880—1884. WiederkäuermaKen . 927 Physiologisch und anatomisch charakterisiren sicli die jetzt-lebendeu selenodonten Paarzeher durch das Wiederkauen und die hierauf bezügliche Bildung des Magens. Die Nahrung besteht überall vorzugsweise aus vegeta- bilischen Substanzen, welche nur geringe Mengen von Eiweissstoffen enthalten und daher in grossen Quantitäten aufgenommen werden müssen. In dieser Beziehung erscheint die Arbeitstheilung zwischen Erwerb und Aufnahme der Nahrung einerseits und Mastification andererseits als eine vortheilhafte, durch Magenbildungen anderer Säugethiere vorbereitete Einrichtung. Das Abrupfen und Eintragen der Nahrung fällt der Zeit nach mit der freien Bewegung, das Kauen und Zerkleinern mit dem Ausruhen zusammen. Die Fähigkeit des Wiederkauens beruht auf dem complicirten Bau des Magens, welcher aus vier, seltener drei eigenthümlich verbundenen Abtheilungen besteht. (Fig. 854.) Die nur oberflächlich gekaute, grobe Speise gelangt durch die seitliche Oeffnung der Oesophagealrinne, deren wulstige Lippen auseinandertreten, in die erste und grösste sackförmige Magenabtheilung,den Pansen (Runien). Von hier tritt dieselbe in den kleinen Netzmagen {Reticulum) über, welcher als ein kleiner rundlicher Anhang des Pansen erscheint und nach den netz- artigen Falten seiner Innenfläche benannt wird. Nachdem die Speise hier durch zu- fliessende Secrete erweicht ist, steigt sie mittelst eines dem Erbrechen ähnlichen Vorganges durch die Speiseröhre in die Mundhöhle zurück, wird einer zweiten gründlichen Mastification unterworfen und gleitet nun in breiiger Form durch die geschlossene Oesophagealrinne, deren wulstförmige Bänder aneinander gelegt bleiben, in die dritte Mageuabtheilung, deuBlättermageu oder Psalter (Omasits). Aus diesem kleinen, nach den zahlreichen blattartigen Falten seiner inneren Oberfläche benannten Abschnitt gelangt die Speise in den vierten Magen, den längsgefalteten Labmagen (Äbomasus), in welchem die Verdauung unter Zu- fluss des Secretes der zahlreichen Labdrüsen ihren weiteren Fortgang. nimmt. In nur wenigen Fällen, bei dem javanischen Moschussthiere und den Tylo- poden (Kameel und Lama), fällt der Blättermagen als gesonderter Abschnitt hinweg. Der Uterus ist zweihörnig, die Zitzen liegen in zwei- oder vierfacher Zahl in der Inguinalgegend. Das Junge wird in seiner körperlichen Ausbildung weit vorgeschritten geboren. Mit Ausnahme Neuhollands, wo die Wiederkäuer erst als Zuchtthiere eingeführt wurden, finden sich dieselben über die ganze Erde Der Magen des Kalbes. Ä« Pausen (Ruinen), JBNetz- magen (Reticulum), 0 Blättermagen (Omasus),4 Lab- magen (Abomasus), Oe Oesophagusende, OR Oeso- phagealrinne, D Anfang des Darmes. 928 Auoplotlieriidaf. Tylopoda. Traguliflae Orvidae. verbreitet. Sie sind friedliebend und halten heerdenweise zusammen. Leben meist polygamisch. 1. Faui. Änoplof.Jierüdae*). Dreizehig (ursprünglich vierzehig). . Mittelfussknochen getrennt, Wurzelknochen inadaptiv reducirt. Zähne in geschlossener Reihe, die Molaren selenobunodont mit fünf Tuberkeln. Die Aussentuberkel zu Halbmonden gestaltet. Die Praemolaren werden nach vorne successive kleiner. Eocän. Anoplotherium comviune Cuv. Bei den nordamerikanischen Oreodontülen (Mittel-Miocän) besitzen die oberen Backenzähne bereits vier echte Monde, und .sind auch die Praemolaren bedeutend vervollkommnet. 2. Pam. Tylopoda {Camelidae), Schwielenfüsser, wohl von den Oreodonliden abge- zweigt. Hornlose Wiederkäuer ohne Afterzehen, mit schwieliger, alle drei Phalangen decken- der Sohle hinter den kleinen Hufen. Auch die Zwischenkiefer tragen die beiden seitlichen, in der Jugend sogar alle Schneidezähue, während die Zahl der unteren Schneidezähne um zwei verringert ist. Dazu kommen starke Eckzähne in jedem Kiefer. Gebiss noch ziemlich 2 I ,'5 vollständig. Backenzähne: "rhr- Magnum und Trapezoideum, ebenso Naviculare und Cuboideum noch getrennt. Blättermagen nicht gcsimdert. In Amerika durch die Lamas, in der alten Welt durch die Kameele vertreten. In neuerer Zeit sind zahlreiche fossile Formen in Amerika gefunden worden. Die untermiocäne Gattung Puel/rotherium Leidy besass noch sämmtliche Incisivi und getrennte Mittelfussknochen. Die Praemolaren hatten einfache Schneiden. Erst bei Procamelus ist die Zahl der Schneidezähne auf -q- reducirt, 4 I 3 die der Backenzähne aber noch . , .^ . Die Gattung Auchcnia lebte bereits zur Diluvial- zeit auch in Nordafrika. Cam.elu.1 L. ausschliesslich der alten Welt angehörig und schon fossil in den Sivalik- 3 I 3 bügeln. C. dromedariusL., Dromedar oder eiiihöckerigesKameel, Afrika. Backenzähne: „ i ■ . ■ C. hactrianus L., zweihöckeriges Kameel. Centralasien, Tartarei, Mongolei, Auclienia 111. 0 1 213 -^-r--j--ö", durch Leptaucitenia Leidy und Pliauchenia Cope aus dem Miocän Amerikas vorbereitet. A. glavia L., Lama. A. huanaco H. Sm. A. Alpiaco Gm. A. vicugna Gm. Alle an der Westküste Südamerikas. Farn. Tragididae, Zwergmoschusthiere. Kleine schlanke Wiederkäuer ohne Geweihe, mit stark entwickelten oberen Eckzähnen beim Männchen, mit einfach gebauten Praemo- laren und vollständigen Seitenzehen. Der untere Eckzahn gestaltet sich nach Art eines Schneidezahnes. Obere Schneidezähne fehlen. Für die vordere Hälfte der unteren Molaren ist das Vorhandensein kammföi'miger Leisten charakteristisch. Schliessen sich im Gebiss und besonders durch die Grösse der Seitenzehen, sowie Trennung der beiden mittleren Metatarsalknochen (Hyaemoschus Gray) an miocäne Paarhufer {LopJdomeryx) an. Fossile Formen sind Hyaemoschun crassu», Miocän. Traguhis javanicus Pall.. Sundainseln. Hyae- moschus aquaticus Olgb., Westküste Afrikas. Fam. Cervidae, Hirsche. Von schlankem Bau, meist mit Geweihen im männlichen Geschlecht und zwei Afterklauen. Häufig finden sich beim Männchen obere Eckzähne, die bei dem echten Moschusthier wurzellos sind und eine bedeutende Grösse erreichen. Backen- 3|3 Zähne meist : .^ , „ mit geringer Höhe der Zahnkronen. Lassen sich auf die oligocäne Gattung Gelocus zurückführen, deren Bezahnung bereits Hirsch-ähnlich war. An den oberen Molaren war bereits der fünfte Tuberkel geschwunden und die vier gebliebenen zu plumpen Monden gestaltet. Der obere vierte Praemolar fehlte, der untere ist ein em- *) Durch fossile Reste der Tertiärzeit sind ferner die Familien der Dichobuniden, Caenotheriiden und Xiphodoniiden vertreten. 929 facher Stift geworden, ebenso ist der untere Eckzahn von der Gestalt eines Schneide- zahnes, der obere fast säbelförmig. Dann folgen die miocänen Gattungen Prodremothermm Füll, und Palaeomeryx H. v. M., welche letztere sich in einer Reihe grösserer und kleinerer Arten, die der spätem Zeit mit einfachem Geweih, ins Obermiocän fortsetzen. Daneben treten schon im Mittelraiocän echte Hirsche der Gattung Cervun auf. Von systematischer Bedeutung erscheint das Geweih, welches mit Ausnahme des Renthiers auf das männliche Geschlecht beschränkt ist; dasselbe ist ein solider Hautknochen, welcher auf einem Knochenzapfen der Stirn {Rosenstock) aufsitzt und sich von der kranzförmig verdickten Basis desselben {Rose) in regelmässig periodischem Wechsel ablöst, um abgeworfen und erneuert zu werden. Uebrigens dürfte dem Geweihe nicht der Werth als vornehmliches Kennzeichen zur Unterscheidung beizulegen sein, vielmehr ist es den Antilopen und Rindern gegenüber vornehmlich die langgestreckte, mehr cylindrische Schädelform, die Ausdehnung der Nasencavität bei geringer Höhe des Oberkiefers, welche die Cerviden cliarakterisirt. Hie iilteren Fig. 8r)r Cerviden waren überhaupt geweihlos, ähnlich wie unter den jetzt lebenden Formen die den Cerviden sehr nahe- stehende Gattung Moschus. Erst im mittleren Miocän Europas undAmerikas treten Hirsche mit einfach ge- gabeltem Geweih auf, wel- chem noch die Rose fehlt {Palaeomeryx Meyer, Procer- vulus Gaudry). Am nächsten steht denselben die schon im Diluvium vertretene Gat- tung Cervulus. Die Cerviden ernähren sich von Laub, Knospen und Trieben. Die Weibchen besitzen vier Zitzen, bringen indess meist nur ein Junges zur Welt. Nur Australien und Süd- afrika entbehren derselben. Moschus L. {Moschina), Moschusthier. Ohne Geweih, mit hauerartig entwickelten Eckzähnen im männlichen Geschlecht und Moschusbeutel zwischen Nabel und Ruthe. M. moschiferus L. (Fig. 855.) Im Hochgebirge Mittelasiens von Tibet bis Sibirien verbreitet. Cervulus Blainv. {Cervulina). Mit einfach gabiigem Geweih und starken vorragen- den Eckzähnen. C. Muntjac Temm., Java. Nahe stehen die amerikanischen Spiesshirsche (Coassus). Cervus L. {Cervina). Mit verschieden gestaltetem Geweih, oft ohne Eckzähne. Mit Rücksicht auf die geographische Verbreitung erscheint die Thatsache von Interesse, dass bei den amerikanischen Hirschen und dem Rehe {Capreolus) die Mittelfussknochen der Afterzehen bei langgestreckter Form die Verbindung mit den oberen Phalangen bewahren, bei den altweltlichen Hirschen, sowie bei dem nordamerikanischen Wapiti dagegen unter bedeutender Reduction dieses nur im oberen Endstück sich erhaltenden Knochens die Ver- bindung mit den Phalangen verloren geht. Eine Mittelstellung nehmen die circumpolaren Typen des Elchs und Renthieres ein*). C. {Capreolus) Capreolus L., Reh. C. {Cervus) 1878. ilusehus liwschif ndt uud Ratze b iii ') Brooke, On the Classification of tlie Cervidae. Proc. Zool. C. Claus: Lehrbuch der Zoologi Soc, 59 930 ' Cameloparilalidae. Cavicornia. elaphus L., Edelhirsch. C. Canadensis Briss., Wapiti. C. virginianus Gm., Nordauierika. C. axi» Erxl., Ostindien. C. campestris Cuv., Pampashirsch. C. (Dama) vulgaris Brookes. Damhirsch. Megaceros hibernicus 0. [euryceros), diluvialer Riesenhir-sch. C. [Alces) pal- matus Klein. = C. alces L., Elch. Im nördlichen Europa, Russland, Nordamerika. C {Ran- gifer) tarandus H. Sm., Renthier. In beiden Geschlechtern mit Geweihen, welche zahl- reiche breit auslaufende Zacken tragen. Zur Diluvialzeit weit über Europa verbreitet, gegenwärtig nur nordisch. Zug-, Last- und Reitthier der Lappländer. Farn. Camelopardalidae, Giraffen. Mit sehr langem Hals, langen Vorderbeinen, weit kürzeren Hinterextremitäten und deshalb nach hinten abschüssigem Rücken. Zwei geweih- artige Erhebungen der Stirn, vom Fell bekleidet, entsprechen Hautverknöcherungen, werden jedoch nicht gewechselt und verwachsen nie mit dem Stirnbeine. Fossile Formen sind in Asien und Europa gefunden, von wo aus die Ueberwanderung nach Afrika erfolgt sein dürfte. Helladothevium Gaudry, im Pliocän. Sivatherium Falc. und Cautl. , Sivalik- schichten Indiens, mit zwei Stirnzapfen, auf die Antilopen hinweisend. Camelopardalis giraffa Gm. In bewaldeten Ebenen des inneren Afrika. C. attica Gaudry, im obern Miocän von Pikermi. Fam. Cavicornia, Hornthiere. Theils schlanke, theils plump gebaute Wiederkäuer 313 ohne Eckzähne, mit -^rFT Backzähnen und Hohlhörnern in beiden Geschlechtern. Die ältesten Wiederkäuer mit Hohlhörnern finden sich im Obermiocän {Antilope Cordieri). Den Hirschen gegenüber zeigen sie sowohl im Gebisse als im Extremitätenbau weitergreifende Specialisirungen. Die Caniuen und der vierte Praemolar fallen hinweg und die Krone der Molaren ist verhältnissmässig höher. Der Hornbildung liegen bleibende, von geräumigen Höhlungen durchsetzte Knochenfortsätze der Stirnbeine zu Grunde, welche von einem überaus verschieden gestalteten Hohlhorne, dem aus Hornschichten zusammengesetzten Producte der Epidermis, eingescheidet sind. Die Hohlhörner werden sich mit den Cerviden auf gemeinsame tertiäre Stammformen zurückführen lassen. Schon im Miocän finden sich Antilopen, welche schwer von den Cerviden abzugrenzen sind. Nach Cope sind Dicroceros (Palaeomeryx) und Antilocapra durch die gegabelten Hörner und die haarige Hautbedeckung der unreifen Hornsclieide verwandt. Au den Backenzähnen sind die Zahn- kronen im Vergleiche zu den Cerviden hoch und stark. Alle leben gesellig und meist in Polygamie. Subfam. Antilojyinae. Mit langgestrecktem, horizontal gelagertem Scheitelbein. An- tilocapra americana Ow., Gabelgemse. Antilope dorcas Licht., Gazelle, Afrika. A. eupliore Forsk., Springbock, südliches Afrika. Saiga saiga Wagn., Steppen Asiens. Hippotragus equinus Geoffr., Blaubock, Südafrika. H. oryx Blainv. //. addax Wagn., Afrika. Strepsiceros Kndu Gray, Afrika. Buhalis pygarga Sundv., Buntbock, Südafrika. Catohlepas gnu, Gnu, südafrikanische Ebenen. Rupicapra rupicapra Pall., Gemse, Pyrenäen und Alpen. Subfam. Ovinae. Ovis aries L., das zahme Schaf, in zahlreichen Racen (deutsches Schaf, Haideschnucke, Merino, Zackelschaf, Fettschwanz) über die ganze Erde verbreitet (eine Race schon zur Steinzeit gezähmt). Mehrfach hat man den Mouflon, 0. musimon Schreb., und den im nördlichen und mittleren Asien lebenden Argali, 0. argali Pall., als die wilden Stammarten angesehen. OviLos moschatus Blainv., Moschusochs aus Nordamerika, während der Eiszeit bis Frankreich verbreitet. Capra ibex L., Steinbock der Alpen. C. aegagrus L., Bezoarziege, Kaukasus. C. hir- rus L., Hausziege, in zahlreichen Arten überall verbreitet. Subfam. Bovinae. Die Hornzapfen erheben sich am äussersten Theil des hinteren Stirnbeinrandes, von welchem aus das Scheitelbein nach hinten steil abfällt. In fossilen Resten vom Diluvium bis zum Pliocän gefunden. Buhahis [Bulalina) A. Wagn., Büffel. Stirn kurz gewölbt, Hörner an der Basis comprimirt. B. caffer L. B. hvffelus L., Indien. Pleistocän sind: B. antujuus Gerv. und C. Onlnuiic:. Siroiiia. 93 [ sivalemis IJütiin. Probnhalus Kütim. [llemifjos Falc.) celebensis, Anoa, Fossil: Fr. tvi- queiricornis Falc. Bibos {Bibovina). Stirn kurz mit hoch entspringenden Hörneiii. B. grunniena L., Yak. Tibet, Mongolei. B. gaurus Evans, Gauer, Ostindien. B. indicus L., Zebu. B. snn- daicus Müll. Schi., Banting. B. gravaeus Evans, Gayal, Bengalen. B. etruscus Falc, Pliocän. Bison Sundev. [Bisontia). Die gewölbte Stirn breiter als lang, Höruer vor der Stirnseheitelbeinleiste entspringend. B. europaeus Ow., Wisent, mit Unrecht Auerochs genannt. Früher im mittleren Europa weit verbreitet, gegenwärtig auf einen Fichtenwald beim Flecken Atzikhov im Bezirk Zelentscheik im Kaukasus und auf den Wald von Bialo- wicza beschränkt, hier von der russischen Regierung als Wild gehegt. Fossile Arten sind: B. prisctis Boj., im Diluvium Europas, und B. sivalensis Falc, Pliocän. In Amerika lebt B. americanus Gm. Bos L. {Taurina}. Stirn flach und lang. Die an der Basis nur wenig verdickten Hörner entspringen seitlich an der Stirnseheitelbeinleiste. Scheitelbein steil nach hinten abfallend. B. planifrons Lyd., B. nomadicus Falc, Pliocän. B. primigenins Boj., Urochs, diluvial, lebte noch zu Cäsars Zeiten in Deutscliland (im Nibelungcn-Liede als „Ur" bezeichnet), im Chilligham-Park halbwild noch erhalten. Cuvier betrachtete denselben als Stammform des Hausrindes, B. tanriis L., und in der That kann kein Zweifel sein, dass das Holsteiner oder Friesländer Rind auf B. primigenius zu beziehen ist. Nun hat aber Rütiraeyer nachgewiesen, dass noch eine zweite, schon im Diluvium existirendc Art B. brachycerus Ow. als Stammart des domesticirten Rindes (Torfkuh) anzusehen ist: Brachycephale Racen, wie sie in dem Duxer und Zillerthaler Rind auftreten, sind nicht etwa vom Wisent abzuleiten, sondern auf Mopsbildungen zurückzuführen. 6. Ordnung. Sireiiia, Seekühe. Wasserlebende 8äugethiere 'mit ßossenförmi'gen, im Ellbofj engelenk be- weglichen Vordergliedmassen^ herbivorem Gebiss, ohne hintere Extremitäten. Die Sirenen gleichen in ihrer Erscheinung den Walen, weichen von den- selben jedoch in so zahlreichen wesentlichen Charakteren ab, dass die Ueber- einstimmung in der dem Wasseraufenthalt angepassten Körperform auf con- vergente Entwicklung zurückgeführt werden muss. Der spindelförmige Leib mit seiner dicken, spärlich beborsteten Haut, den aufgewulsteten Lippen und dem gesonderten Hals endet mit massig breiter, horizontaler Flossenverbreite- rung. -Die grossen Brustflossen sind im Ellbogengelenk beweglich, ihre fünf- fingerige Hand zeigt Spuren von Nägeln. Die Gestaltung der Kopfknochen ist eine andere als bei den Walen und mehr an die der Hufthiere anschliessend, in gleicher Weise das Gebiss und die innere Organisation. Auch besteht für die Schneidezähne ein Zahnwechsel. Die Backenzähne haben eine flache Krone und sind stets in beiden Kiefern wohl entwickelt. Eckzähne fehlen. Dagegen finden sich zuweilen im Oberkiefer hauerartige Yorderzähne (Dugong), während die unteren Vorderzähne frühzeitig ausfallen. Die Nasenöffnungen bewahren die normale Lage vorne über der aufgewulsteten Schnauze. Die Milchdrüsen sind brustständig. Fossile Sirenen finden sich schon im Eocän (Prorastomus, Halithcrium Kaup.), mit ähnlichem herbivoren Gebiss, aber mit minder reducirtem Becken, in dessen Gelenkpfanne noch ein Rest des Femur haftete. Die Abzweigung von 932 ProboKcnioa. den ÜDgiilaten dürfte auch weit in die Vortertiärzeit zurückreichen, zu welcher Zeit die Extremitäten noch mit fünf freien Zehen endeten und die Specialisiruug des Gebisses noch nicht begonnen hatte. Die gegenwärtig lebenden Sirenen nähren sich an der Meeresküste von Pflanzen und Seegras, steigen auch weit in die Flussmündungen. Fam Sirenia, Sirenen. Manatus australis Tils., amerikanischer Manati, Mündungen des Oriiiocü und Araazonenstromes. M. aenegalensis Desm., afrikanischer Manati, an den Küsten Westafrikas. Halicore indica Desm., Dugong, Indischer Ocean und rothes Meer. Ehytina Stelleri Cuv., Borkenthier. Gegenwärtig ausgestorben, noch im vorigen Jalir- hundert Bewohner der Behringstrasse. 7. Ordnung. Proboscidea, Rüsseltliiere. Vielhuf er mit langem, als Greiforyanfuiigirendem Rüssel, ohne Eckzähne, mit zusamitiengesetzten Bacl-enzälmen und Stosszähnen i'ia Zivischenkiefer. Die dicke Haut erscheint durch Falten gefeldert und nur spärlich mit Haaren besetzt, die sich an dem Schwänze zu einem Haarbüschel häufen. Der Kopf ist kurz und hoch, durch Höhlen in den Stirn- und Parietalknochen auf- getrieben, mit überaus verkürzten und hohen Kiefern und mit langem beweg- lichen Küssel. Das Hinterhaupt fällt steil, fast senkrecht ab. Besonders mächtig sind die senkrecht gestellten Zwischenkiefer mit ihren grossen wurzellosen Stosszähnen. Bei den Mastodonten waren auch im Unterkiefer zwei Schneide- zähne entwickelt, welche im weiblichen Geschlechte früh ausfielen, beim Männchen sich dagegen als Stosszähne erhielten. Eckzähne fehlen. Backen- zähne finden sich je nach dem Alter, meist nur einer oder zwei in jedem Kiefer und sind aus zahlreichen parallel hintereinander gestellten Zahuplatten zu- sammengesetzt. Bei der Gattung Elephas sind diese Platten durch Cement verbunden und zeigen auf der Kaufläche quere rhombische, von Schmelzsub- stanz umfasste Felder. Bei den Mastodonten fehlt das Cement, und erheben sich auf der Kaufläche zitzenförmige Höcker, welche paarig auf Querjochen stehen. Die Krone ist relativ sehr hoch und wächst sehr lang, die Wurzel ist kurz. Nach Owen gelangen im Ganzen drei Praemolaren und ebensoviele Mo- laren zur Entwicklung, doch sind niemals mehr als drei, gewöhnlich nur zwei Backenzähne gleichzeitig vorhanden, indem die hinteren, an Grösse und Zahl der Lamellen zunehmenden Zähne erst hervortreten, nachdem die vorderen ausgefallen sind. Anfangs hat jede Kieferhälfte einen Backenzahn, hinter dem sich bald ein zweiter entwickelt, später fällt der vordere abgenutzte aus, nach- dem ein neuer Zahn hinter dem zweiten entstanden ist. Die nicht sehr hohen walzenförmigen Extremitäten enden mit fünf bis auf die kleinen Hufe verbundenen Zehen. Die Weibchen haben einen zwei- hörnigen Uterus und zwei brustständige Zitzen, die Placenta ist gürtelförmig. Die Thiere leben in Heerden zusammen und bewohnen feuchte, schattige Ge- genden im heissen Afrika und Indien. Die hohen geistigen Fähigkeiten machen den Elephanten zu einem zähmbaren, äusserst nützlichen Thiere, das schon im Alterthume zum Lasttras^en, auf der Ja^d und im Kriege verwendet wurde. Die ältesten Probiseidon sind (neben den Dinotlierien) die im Miocän auftretenden Mastodonten, welche sich in der neuen Welt länger und (Ohio- thier, M. giganteum) bis zur Diluvialzeit erhielten. Im Bereiche der alten Welt bereiteten die Mastodonten des späteren Miociin durch Cementbildung in den Vertiefungen zwischen den dachförmigen Erhebungen der Molaren-Querjoche die Zähne von FJephas vor. Von dieser Gattung sind die ältesten Formen im oberen Miocän (Sivalikhügel) gefunden worden, denen sich pliocäne (Arnothal) und diluviale Arten anschliessen. E. men'dionalis, E. prisctis, Goldf E. anti- quiis Falc. (England). Der diluviale Elephant, welcher sich am längsten erhielt und von dem Cadaver mit Haut und Haaren im Eise Sibiriens gefunden wurden, ist das Mammuth, welches bis in das mittlere Europa weit verbreitet war. Zu den Proboscideen ist auch die miocäne Gattung Dinotherinm ') Kp. zu stellen. Am Gebiss felilen Schneidezähne im Zwischenkiefer, während zwei grosse, nach unten gekrümmte Stosszähne im Unterkiefer sitzen. Backenzähne: 2l 3 — r— mit drei oder zwei Querjochen. Milchgebiss mit je drei Praemolaren. Z o D. gigantenm Kp. Tertiär bis zum Obermiocän. Fam. Elephantidae. Elephas indicus Cav. Querfelder der Backenzähne sclinial baud- fürnüg, mit fast parallelen, fein gefalteten Käudern. Kopf sehr hoch, mit concaver Stirn und relativ kleineu Ohren. Erreicht eine Höhe von 10 bis 12 Fuss. Indien und Ceylon. Der Elephant von Sumatra soll nach T e m m i n k einer besonderen Art angehören {E. sumatra- nus). E. primigenius Blunib., Mammutli. Diluvial. E. (Loxodon) africanns Blumb. Quer- felder der Backzähne rautenförmig, minder zahlreich. Schädel minder hoch. Ohren sehr gross. Mittel- und Südafrika. Mastodon giganteum Cuv., Ohiothier. Diluvial in Nord- amerika. 8. Ordnung. Lammmgia'), Klippschliefer. Kleine Vielhufer mit Nagethier-ähnlichem Gehiss, vierzehigen Vorder- und dreizehigen Hinterfüssen. Kleine, dem Bobak ähnliche Thiere, welche in ihrem Zahnbau an die Nager erinnern und in der Bildung der Füsse mit den Tapiren Aehnlichkeit haben, jedoch im Carpus noch ein Centrale besitzen und in der Articulation des Astragalus und Calcaneus die Gestaltung der Condylarthra erhalten haben. Auch die Articulation des Astragalus mit der Fibula weist auf ein sehr altes Verhalten hin. Im Gebisse fehlen die Eckzähne ; von den Schneide- zähnen sind nur zwei im Zwischenkiefer übrig geblieben, von welchen der eine früh verloren geht, der andere, wie der gegenüberstehende des Unter- kiefers, wurzellos bleibt und eine bedeutende Grösse erlangt. Vorder- und Hinterfläche dieses Zahnes haben Schmelzbekleidung. Die sieben Backenzähne sindverhältnissmässig wenig specialisirt und schliessen sich am nächsten denen der Khinoceriden an. Der vierte Praeraolar fehlt jedoch schon bei den meisten ') Weinsheim er, Ueber Dinotherium giganteum Kaup. Berlin, 1883. *) Vergl. E. Owen, On the Anatomj' of Hyrax capensis. London, 183v\ J'erner; E. Home, Cope etc. 934 Ordnung. Rodentia. Arten {H. arboreus ausgenommen), und der erste hat die Gestaltung der Mo- laren angenommen. Der Körper ist dicht behaart, gestreckt, mit sehr zahl- reichen (20 -{- 8) Dorsolumbalwirbeln, die Vorderfüsse vierzehig, die hinteren dreizehig, mit ebensoviel kleinen Hufen versehen. Nur die innere Zehe des hinteren Fusses trägt eine Kralle ; die Placenta ist gürtelförmig. Sie sind von den alten den Condylarthra vorausgehenden Protungulata abzu- leiten. H. capensis Schreb. , Daman. //. syriacus SchreL. des alten Testaments, bewohnt steinip^e Wüsten in Ihjrax -lynacus (regne animal). 1 Hyrax. Gebiss: 2 0 4 3- (Fig. 856), vielleicht der Saphan grösseren Gesellschaften. 9. Ordnung. Rodentia *) = Glires, Nagethiere. Fig. 857. Kleine Säugetkiere mit Nagethiergehiss {mit — meisselförmigen Schneide- zähnen^ ohne Eckzähne, mit 3 bis 6 schmelzfaltigen Backenzähnen^ und freien, meist bekrallten Zehen. Die Nager bilden eine sehr Arten-reiche Gruppe kleiner, meist rasch be- weglicher Säugethiere, welche au der Bildung des Gebisses leicht erkannt werden, obwohl sie in der Körperform oft an Insectenfresser erinnern. Sie sind vor- wiegend Sohlenläufer mit frei beweglichen Zehen, die meisten mit Krallen, nur wenige mit Kuppnägeln oder gar huf- ähnlichen Nägeln bewaffnet. Alle nähren sich von vegetabilischen, meist harten Stoffen, ins- besondere Stengeln, Wurzeln, Körnern und Früchten, und nur wenige leben omnivor. Dieser Ernährungsart ist die Gestaltung des Gebisses angepasst, welches einen der Art- erhaltung besonders günstigen Typus zu re- präsentiren scheint, der in ganz ähnlicher Form von Säugethieren verschiedener Gruppen (Phascolomys, Chiromys, Hyrax, Toxodon, Tillodontia) in convergenter Entwicklung erworben wurde. Das- selbe (Fig. 857) besitzt zwei grosse meisselförmige, etwas gekrümmte Schneidezähne, die nur an ihrer Vorderfläche mit Schmelz überzogen sind. Die hintere Fläche derselben nutzt sich daher durch den Gebrauch rasch ab, umsomehr, als die Einrichtung des schmalen, seitlich comprimirten Kiefer- ') Ausser Pallas, Brandt, Peters etc. vergl. G. R. Waterhouse, A natural history of the Mammalia. Vol. IL Rodentia. London, 1838. T. Ryme s Jones Rodentia. Todd's Oyclopaedia of Anat. etc., 1852. Schädel von Cricetus vulfiaris, nach G i e liel (Kronn's Classen viud Ordnungen) Leporidao. SiibuiiKulata. Hystricidae. 935 gelenkes während des Kaugeschäftes die Verschiebung des Unterkiefers von hinten nach vorne nothweudig macht. In dem Maasse der Abnutzung schiebt sich der v^^urzellose, beständig wachsende Zahn vor. Die von den Schneide- zähnen durch eine weite Lücke getrennten Backenzähne besitzen meist quer- gerichtete Schmelzfalten und nur im Falle omnivorer Lebensweise eine höckerige Oberfläche. Treten sie in Wirksamkeit, so zieht das Thier den Unterkiefer so weit zurück, dass die Keibung der Schneidezähne vermieden wird, schiebt aber beim Kauen, der Lage der Querleisten entsprechend, den Unterkiefer in der Longitudinalrichtung vor. Die Zahl der Praemolaren ist verschieden, manchen fehlen sie ganz und damit fällt zugleich der Zalm Wechsel liinweg (Mus, Ilydro- mt/s). Molaren sind meist — vorhanden, am grössten bei Lepus — , bei Sciurus 2 1 — , bei Castor — . Wahrscheinlich sind dieselben im Oberkiefer aus trituber- culären,im Unterkiefer aus tubercularsectorialen Zähnen abzuleiten, wie ja auch die den Nagethieren nahestehenden fossilen Tülodontcn diesen Zahntypus zeigen. Die Nagethiere bilden eine ausserordentlich vielgestaltige, nach Aufent- halt und Bewegungsart überaus divergirende Gruppe, von welcher manche Typen über die ganze Erde verbreitet sind. Viele Nager äussern Kunsttriebe, indem sie Nester bauen, complicirte Höhlungen und Wohnungen graben und Wintervorräthe anhäufen. Letztere besitzen meist Backentaschen. Einige verfallen zur kalten Jahreszeit in einen tiefen Winterschlaf, andere stellen in grossen Schaaren Wanderungen an. Sie gebären zahlreiche Junge, einige in vier bis sechs Würfen des Jahres, und besitzen demgemäss eine grosse Zahl von Bauch- und Brustzitzen. Uterus meist vollständig getheilt, Fruchtkuchen scheibenförmig. Fossile Beste finden sich bereits im Eocän, reicher werden dieselben im Pliocän und ganz besonders im Diluvium, welches eine grosse Zahl jetzt lebender Arten enthält. Fam. Leporidae, Hasen. Mit lang'en Ohren, kräftigen Hintergliedmassen und kurzem •2 0 5 (6) Schwanz. Gebiss : -T"7r ,- /,.\ ■ Im Zwischenkiefer stehen zwei hintere accessurische 1 () o (b) Schneidezähne (DupKcidentata). Leptis timidus L., Hase. L. vaviahilis Fall., Alpenhavse. L. cunicnlus K., Kaninchen. Lagoimjs alpinus F. Cuv., Alpenpfeifhase von kaum Fusslänge, in Sibii'ien. L. ininceps Richards., Felseugebirge. Fossile Reste treten im Diluvium auf, der älteste gehfh't dem Ober-Miocän an {Titanomys). 4 Fam. Suhunjidala, Halbhufer. Backenzähne: -r. Die Füsso besitzen nackte Sohlen und i'nden vorne mit vier, hinten meist mit drei Zehen, welche hufähnliche Nägel tragen. Gegenwärtig auf Südamerika beschränkt. Cavia ajyerea L., Aperea, in Brasilien und Para- guay. C. cohaya Schreb., das zahme Meerschweinchen. In der wilden Stammform unbekannt. Coelogtnys Paca L., Brasilien. (Fig. 858.) Dasyprocta aguti L., Goldhase. Hydrochoerus capybara Erxl., das Wasserschwein, von vier Fuss Länge, das grösste aller lebenden Nagethiere. Fam. Hystricidae, Stachelschweine. Mit kurzer, stumj)fcr Schnauze und Stacheln 4 auf der Rückenseite des Körpers. Backenzähne: -r. Cercoüdjes prehmsdis L., kla^Kn^nAw, 936 Octodontidao. Muridae. Castoridae. Brasilien. Ertthizon dorsatus L., Nordamerika. Hystrix cristata L., Stachelso1nveii),_ Italien und Spanien. Auch im Diluvium. H. primigenia Gaudrj'. Ober-Miocän. Farn. Octodontidae, Trugratten oder Schrotmäuse. Octadon Oumingii Benn., Strauch- ratte, Chili. Myopotamus coypus Geoflfr., Coypu oder Schweifbiber. Von Brasilien bis Patagonien verbreitet. Farn. Lagostomidae, Hasenniäuse ^ Chinchillen. Haben wie die Hasen kräftig ver- längerte Hinterfüsse. Gehören Südamerika an. Ei-iomys lanigera Benn., Chinchilla, in Chili. Lagidinm Cuvieri Wagn., Hasenmaus, Cliili. Lagostomus trichodactylus Brookes, Viskatscha oder Pampashase. Fam. Dipodidae, Springmäuse. Mit sehr langen, zum Sprunge dienenden Hinter- beinen, an denen die Mittelfussknoehen zu einem Laufe verschmolzen sind, und mächtigem, meist betiuastetem Springschwanz. Steppenbewohner. Jaculus lahradorius Wagn., Hü])f- maus. Dipus aegyptius Hempr. Ehrnb., Wüstenspringmaus, Arabien. 1). sagitta Schreb., Aralsee. Pedetes caffer 111., Springhase, Südafrika. Fam. Muridae, Mäuse. Backenzähne: -ö. Langgestreckte schlanke Nager mit spitzer Schnauze, mit grossen Augen und Ohren, und langem, bald behaartem, bald schuppig geringeltem Schwänze. Bieten in der Körpergestalt zahlreiche Modificationen. Cricetns fru- mentarins Pall., Hamster. Mit inneren Fig. 858. Backentaschen. Baut unterirdische Gänge und Kammern, in denen er Wintervor- räthe anhäuft, und hält einen kurzen Winterschlaf Wird Getreidefeldern sehr schädlich. Criceiodon Lart. , Mittel- Miocän. Mus rattus L., Hausratte, erst im Mittelalter bei uns eingewandert, gegenwärtig von der Wanderratte ver- drängt, aber in Amerika eingebürgert. M. decumanus'Pa.W., Wanderratte, Schiffs- Coclogcnus Paca (regne aulmal). ^attc. M. munculus L., HaUSmaUS. M. syl- vaticus L., Waldmaus. M. vünutus Pall. (jyendulirms), Zwergmaus. Hydromys chrysogasler Geoffr., Biberratte Neuhollands. Fam. Arvicolidae, Wühlmäuse. Von plumper Gestalt, mit dickem, breitem Kopf, wurzellosen Backenzähnen, kurzen behaarten Ohren und Schwanz. Ärvicola amphibius L., Wasserratte. A. arvalis Pall., Feldmaus. A. agrestis L., Erdmaus. Ilypudaeus glareolus Sehr., Waldwühlmaus. Myodes lemmus L., Lemming, auf hohen Gebirgen Norwegens und Schwedens, bekannt durch die Wanderungen, welche diese Thiere in ungeheuren Schaaren vor dem Au.sbruch der Kälte unternehmen. Auch im Diluvium verbreitet. M. torqvutus Ks. Bis., Sibirien. Fiber zibetlvcus L., Zibethmaus, Ondatra, Nordamerika. Fam. Georhychidae, Wurfmäuse, mit kurzen fünfzehigen Grabfüssen. S2Jalax typhlus Pall., Blindmaus, im südöstlichen Europa. Georhychus capensis Pall., Erdgräber. 4 Fam. Castoridae, Biber. Backenzähne: -j. Grosse plumpe Nager mit plattem, be- schupptem Kuderschwanz. Hinterfüsse mit Schwimmhaut. Zwei das Bibergeil (Cas 1 3 ■ Mystanna 1 1 2 I 3 tuherculata Gray, Neuseeland. Gebiss : y y I 1 s ' anschliessend Molossvs Geoffr. 2. Tribus. Phyllorhina, Blattnasen. Auf und über der Nase breiten sich häutige Ansätze aus, welche aus einem hufeisenförmigen Vorderblatt, einem mittleren Sattel und einem hintern, meist senkrechten Pier y63 Querblatt, Lanzette, bestehen. (Fig. 863.) Der Zwischen- kiefer ist nicht mit dem Oberkiefer verwachsen. Ohren getrennt. Ernähren sich theilweise vom Blute warm- blütiger Wirbelthiere, die sie während des Schlafes überfallen. Fam. Rinolophidae. Ohren getrennt ohne Tragus. Gebiss: -^ -j- Q I q ■ Rhinolophus hipposideros Bechst., kleine Hufeisen- nase. Rh. ferrum equinum Schreb., grosse Hufeisennase. Europa nördlich von den Alpen. Phyllorhina gigas Wagn., Guinea. Fam. Megadermidae, Zieruasen. Die grossen Ohren ge- Kopf von Ph>iUo!■ Hapalemvr gj-iseus Geoffr., MicroceJnis Geoffr., ii 1 o \ o Chirogalens Geoffr. Otolicnus senegaknsis Geoffr., der gemeine Galago (Fig. 865j, Afrika. Galago crassicaudatus Geoffr. Farn. Galeopithecidae [Bermoj^tera), Pelzflatterer. Mit dichtbehaarter Flughaut, 1 1 3|3 ■welche als Fallschirm beim Sprunge dient. Gebiss 2 1 3|3 •. Untere Schneidezähne karamartig eingeschnitten und nach vorne geneigt. Unterer Eckzahn ähnlich umgestaltet. Stehen wohl den Makis am nächsten und leben als Nachtthiere theils von Früchten, theils von Insecten. Am Tage schlafen sie in ihren Verstecken ähnlich wie die Fleder- mäuse aufgehängt. Gahopithecus volans L., fliegender Maki, Sundainseln. Farn. Chiromyidae. Fingerthiere. Mit Nagethier-ähnlichem Gebiss und mit Krall- nägeln an den verlängerten dünnen Fingern und Zehen. Nur die opponirbare grosse Zehe 3 des Hinterfusses endet mit einem Plattnagel. Von Schneidezähnen treten im Ganzen -^ auf, von denen der eine (mediale) schon nach der Geburt, der zweite kleine sehr bald 950 15. Ordnung. Primates. ausfüllt, SO dass nur ein wurzelloser Schneidezahn wie bei den Xagethieren zurückbleibt, der jedoch allseitig von Schmelz überdeckt ist. Chiromys madagascariensis Desm., Aye- Aye. (Fig. 864.) Bleibendes Gebiss: Y ^ ^"Ö" T') "ÖtI- Das Milchgebiss : -|- y I" weist darauf hin, dass einst auch Eckzähne und mehr Praemolaren vorhanden waren. 15. Ordnung. Primates L., Pitheci*), Affen. 2 Mit vollständigem Gehiss und — meisselförmigen, in geschlossener Reihe stehenden Vorderzähnen Jederseits, meist mit Greiffüssen an den Hinterglied- massen, in der Regel auch mit Händen der Vorderextremitäten, mit geschlos- senen Augenhöhlen und zwei brustständigen Zitzen. Der Kürperbau der Affen erscheint in der Regel schlank und gracil, wie ihn die schnellen und leichten Bewegungen von Baumthieren voraussetzen, in- dessen kommen auch plumpe schwerfällige Gestalten vor, die wie die Paviane Waldungen meiden und felsige Gebirgsgegenden zu ihrem Aufenthalte wählen. Mit Ausnahme des stellenweise kahlen menschenähnlichen Gesichtes und schwieliger Theile des Gesässes (Gesässschwielen) trägt der Körper ein mehr oder minder dichtes Haarkleid, welches sich nicht selten an Kopf und Rumpf in Form von Quasten und Mähnen verlängert. Die Menschenähnlichkeit des Gesichtes beruht hauptsächlich auf der verhältnissmässig geringen Prominenz der Kiefer und ist im jugendlichen Alter am grüssten; immerhin steigt der Gesichtswinkel der ausgebildeten Thiere nur ausnahmsweise über 30 Grad, er- reicht aber in einem Falle, bei Chrysothrix sciurea, beinahe die doppelte Grösse. Im Zusammenhange mit der Grössenzunahme des Gehirnes wird die Schädel- kapsel runder und das Foramen magnum rückt allmälig mehr und mehr von der hinteren Fläche nach unten herab. Auch die Ohrmuschel hat etwas Menschen- ähnliches, ebenso die Stellung der nach vorne gerichteten Augen, deren Höhlen gegen die Schläfengruben vollkommen geschlossen sind, ferner die Zahl und Lage der Zitzen an der Brust. In gleicher Weise nähern sich Gebiss und Extre- mitäten in dem Grade dem menschlichen Bau (Fig. 866), dass man auch dem Menschen in dieser Ordnung seine Stellung anzuweisen hat. Das Gebiss enthält in jedem Kiefer vier meisselförmige Schneidezähne, Av eiche wie beim Menschen in geschlossener Reihe stehen, stark vortretende konische Eckzähne und bei den Affen der alten Welt fünf, bei denen der neuen Welt sechs stumpfhöckerige Backenzähne, deren Form auf die vorherrschende Ernährung von Pflanzenkost hinweist. Man hat nachgewiesen, dass die oberen Molaren aus tritubercularen, die unteren aus tubercularsectorialen Zähnen hervorgegangen sind. Die Grösse der fast Raubthier-ähulich vorstehenden Eck- ^) Vrolik, Pk,echerches d'anatomie comp, sur le Chimpanze. Amsterdam, 1841. G. L. Duverno)', Des caracteres anatomiques des grands Singes pseudo-anthropo- morphes. Arch. du Museum, Tom. VIII, 1855. R. Owen, Osteologie der Anthropomorphen. Transact. zool. Soc, Vol. I, 1835; Vol. II, 1841; Vol. III, 1849; Vol. IV, 185.3. 951 Zähne bedingt das Vorhandensein einer t'ig- 8ü6. ansehnlichen Zahnlücke zwischen dem Eckzahne und ersten Backenzahne des Unterkiefers. Von den Extremitäten sind die vorderen meist länger als die hinteren. Ein Schlüsselbein ist stets vorhanden. Der Unterarm gestattet eine Drehung des Kadius um die Ulna und demnach eine Pronatio und Supi- natioder Hand, deren Finger, die Krall- affen ausgenommen, Kupp- oder Platt- nägel tragen. In Bau und Leistung bleibt übrigens die Hand bedeutend hinter der des Menschen zurück. Be- züglich der hinteren Extremität ist das Becken lang und gestreckt, wird aber bei den Anthropomorphen niedriger, mehr und mehr dem menschlichen ähnlich, wenngleich es immer flacher bleibt. Tibia und Fibula bleiben stets beweglich gesondert. Die Extremität endet in allen Fällen mit einem kräftig entwickelten Greiffuss, den man nach Knochenbau und Anordnung der Mus- kulatur in keiner Weise berechtigt ist, als Hand zu bezeichnen. Ueberall trägt die opponirbare grosse Zehe einen Kuppnagel, während die übrigen Zehen mit Krallen bewaffnet sein können (Krallaffen). Durch die Einrichtung ihrer Hintergliedmassen sind die Affen vorzüglich zum Klettern und zum Sprunge befähigt, weniger dagegen zum Gehen und Laufen auf den vier Extremitäten, da die schräg nach innen gerichtete Stellung derFüsse bewirkt, dass nur die äusseren Kanten der- selben den Boden berühren. Daher ist der Gang mit Ausnahme der Krall- affen ein überaus schwerfälliger. Bei ihren leichten und sicheren Bewegungen auf Zweigen und Aesten benutzen sie häufig den langen Schwanz als Steuer.oder selbst als accessorisches Greiforgan (Greifschwanz, Wickelschwanz). Skelet von Gur'dla e.ngena. St Sternum, Sc Scapula, Ac Acromion. Pc Processus coracoideiis, Cl Clavicula, H Humerus, R Radius, U Ulua, Os Os sacrum, Jl Ileum, Js Os isehii, P Os pubis, Fe Femur, Pa Patella, T Tibia,. Fi Fibula, C Calcaneus, A Astragalus. 952 Arctopitboci. Die meisten Affen leben gesellig in Waldungen der heissen Klimate. In Europa sind die Felsenwände Gibraltars der einzige Heimatsort eines wahr- scheinlicli von Afrika stammenden Affen, des Magot (Lnms ecaudahis), der demnächst vollständig aus Europa verschwinden wird. Kur wenige Affen leben einsiedlerisch, die meisten halten sich in grösseren Gesellschaften zusammen, deren Führung das grösste und stärkste Männchen übernimmt. Sie nähren sich vornehmlich von Früchten und Sämereien, jedoch auch von Insecten, Eiern und Vögeln. Das Weibchen bringt nur ein Junges (seltener zwei) zur Welt, welches mit grosser Liebe geschützt und gepflegt wird. In psychischer Hinsicht stehen diese Thiere neben dem Hund, Elephant u. a. an der Spitze der Säugethiere. Fossile Reste treten schon im Eocän auf, doch gehören diese Formen einer Fio:. 867. Fig 868. Schädel vou Pitln Schädel von Satijrus orang. besonderen ausgestorbenen Unterordnung an, die man wegen ihrer Beziehung Pseudolemurinae genannt hat. Das Gebiss besass meist eine grössere Zahl von Praemolaren : (Microchoerns erinaceus Lyd., Ädapis magmis 2 1 4 \3/l 3' Filh., Caenopithecus lemuroides Rut.) Die im Miocän Europas gefundenen Quadrumanen erweisen sich dem Gebisse nach als CatarrMnen, wie Oreopithecus Gerv., PUopithecus Lath., Dryo- pithecus Lart. imd Mesopzthecus AVag. Auch jetztlebende Gattungen sind schon im Pliocän, auch im Diluvium gefunden, so z. B. Macacus plioceniis Ow. Von Platyrrhinen sind fossile Reste aus den brasilianischen Knochenhöhlen be- kannt geworden (Protopithecus Lund). 1. Unterordnung. Ardopitheci, Krallaffen. Südamerikanische Affen vou geringer Körpergrösse, mit langem behaartem Schwanz und Krallnägeln. Nur die opponirbare grosse Zehe trägt einen Plattn^gel. Der Daumen ist nicht opponirbar. Hinsichtlich des Gebisses schliessen sie sich den Affen der alten AVeit in der Zahl (32) der Zähne an, jedoch weichen die spitzhöckerigen Backen- zähne insofern ab, als die Zahl der Praemolaren (3^ die der Molaren [2) über- Platyrrhiiii. Catarrliini. 953 trifft. Sie werfen zwei, selbst drei Junge und nälireu sich von Eiern, Insecten und Früchten. ■i 1 3 I 2 Fam. HapaliJae, Seidenaffen. Gebiss : -~ -r- ., , .^ '. Ohne Greifschwanz. Hajmle Jac- chus Geoff., Sahui oder Ouistiti. Midas liosalia L., Lüwenäffchen. 2. Unterordnung. Plafyrrhini, Plattnasen. Affen der neuen Welt mit / 2 1 3 1 3 \ breiter Nasenscheidewaud und 36 Zähnen (y y ^o" )• (^ig- ^^T.) Der lange Schwanz wird zuAveilen als Wickelschwauz oder Greifschwanz benützt. Finger und Zehen tragen Kuppnägel oder Plattnägel. Der Daumen der Vorderhand bleibt zuweilen verküm- , . , . , . Fig. 869. mert und ist niemals in dem Grade opponirbar wie die grosse Zehe des Greiffusses. Backenta- schen und Gesässschwie- len fehlen überall. Y&iw. Pithecidae, Schweif- und Springalten, mit überall behaartem Schwanz , der nicht zum Ergreifen benutzt ■werden kann. Pithecia Sata- nus Hott'nis., in Brasilien. Nyotipithecus trivirgatus v. Humb., in Neu -Granada. Chvysothrix sciurea L., Sai- miri, Eichhorn äffe, Guiana. CaUithrix personata Geoffr.. Springaffe , Ostküste Bra- siliens. Fam. Cebidae, lloM- und Greifschwanzaffen, mit rings behaartem oder am Ende nacktem Greifschwanz. Ce- bus capucinus L., Sai, Ka- puzineraffe. Atelea paniscus L. , Koaita, in Brasilien. Ä. Behebuth Geoffr., in Gui- nea. Lagothrix Humboldtii Geoffr., Wollaffe, Peru. Mycetes niger Geoffr., Brüllaffe, in Brasilien. Mit trommeiförmig aufgeblasenem Zungenbeinkörper. M. seniculus L. 3. Unterordnung. Catarrhini^ Schmalnasen. Affen der alten Welt mit schmaler Nasenscheidewand und genäherten, nach unten gerichteten Nasen- / 2 1 2 I 3 \ löchern, mit 32 Zähnen l^TTk" • (Fig. 868.) Der Schwanz ist niemals Greif- oder Wickelschwanz, in einigen Fällen stummeiförmig, oder fällt wie bei den Anthropomorphen als äusserer Anhang weg. GollUci enriena, lus A ogt und Specht 954 Der Mensch. Farn. Cynocejihalida.e, Paviane. Von gedrungener plumper Körperform mit Hunde- ähnlich vorragender Schnauze. Die Eckzähne gross nach Art jener der Eaubthiere. Backen- taschen und grosse Gesässschwielen vorhanden. CynocepJialus hamadnjas L., der grosse Pavian. C. Babuin Desm., Mantelpavian, Abyssinien. C. Gelada Eüpp., Gelada. Papio mormon L., Mandrill. Afrika. Farn. Cercopühecidae, Meerkatzen. Von schlankem, leichtem Körperbau, mit Backen- taschen, Gesässschwielen und verschieden langem Schwanz ohne Endquaste. Macacus siniciis L. und M. silenus L., in Vorderindien. M. sivalensis Lyd. fossil, M. cynomolgus L., der javanische Affe. Rhesus nemestrimis Geoffr., SchAveinsaffe, auf Borneo und Sumatra. Imms sylvanus L., /. ecaudatus Geoffr., Hundsaffe, Magot, in Nordafrika und auf Gi- braltar. Cercopithecus sahaeus F. Cuv., die grüne Meerkatze, Westafrika. Fam. Semnopühecidae, Schlankaffen. Mit kleinen Gesässschwielen, ohne wahre Backentaschen. Der Daumen der Vorderhände erscheint verkürzt. Semnopithecus entellus L., bei den Indiern als heiliger Affe der Hindus verehrt. S. nasicus Cuv., Borneo. Nahe steht der fossile Mesopithecus Fentelici A. Wagn. An die Schlankaffen schliessen sich die afrikanischen Stummelaffen an, die sich von jenen hauptsächlich durch den fehlenden oder stummeiförmigen Daumen unterscheiden. Colohus Guereza Wagn., mit weit herabhängender weisser Mähne und Schwanzquaste, in Abyssinien. Fam. Anthropomorphae. Schwanzlos, mit nacktem Menschen-ähnlichem Gesicht, langen Vordergliedmassen, ohne Gesässschwielen und Backentaschen. Körper auf der Unterseite des Eumpfes und der Glieder dicht behaart. Hylohates Lar lli. H. syndadylus Cuv., Siamang, Gibbon. Zahnkronen sehr niedrig, lang. Mit sehr langen, bis zur Erde reichenden Vordergliedmassen. Im Obermiocän findet sich bereits eine fossile Art. Gorilla engena = ginaj. Geoffr,, Gorilla (Fig. 869). Mit 13 Eippenpaaren, sehr breiter Nase und starken Augenbrauen, lebt gesellig in Wäldern an der Westküste von Afrika (am Gaboon- flusse), wird ö'/a tis 6 Fuss hoch. Satyrus orang L., Orang-Utang, Pongo, mit 12 Eippen- paaren und stark verlängerten Armen, lebt auf Borneo in sumpfigen Waldungen. Troglodytes niger L., Schimpanze. Mit 13 Eippenpaaren, stark abstehenden Ohren und grosser Unter- lippe, schmaler Hand und Fuss. Lebt in grösseren Gesellschaften in den Wäldern Guineas und soll sich auf Bäumen ein künstliches Nest mit Schutzdach bauen. Auch findet sich bereits im Pliocrän eine Troglodytes-Art, ebenso die ausgestorbene Gattung Dryopithecvs [Dr. sivalensis Lyd.). Der Mensch'). Mit Vernunft und articulirter Sprache^ mit aufrechtem Gang, mit Händen und hreitsohligen^ kurzzehigen Füssen. ') J. F. Blum enb ach, De generis humani varietate nativa. Gottingae, 1795. Derselbe, Decas Collectionis suae craniorum diversarum gentium illustrata. Gottingae, 1790—1820. J. C. Prichard, Naturgeschichte des Menschengeschlechts, übersetzt von E. Wagner. 4 Bde. Leipzig, 1840 — 1842. A. Eetzius, Anthropologische Aufsätze, über- setzt in Müller's Archiv. Huxley, On the zoological relations of Man with the lower Animals. Nat. bist. Eev., 1861. Derselbe, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur, übersetzt von V. Carus, Leipzig, 1863. C. Vogt, Vorlesungen über den Menschen etc. Giessen, 1863. Th. L. Bisch off, Ueber die Verschiedenheit in der Schädelbildung des Gorilla, Chimpanse und Orang-Utang etc. München, 1867. Quetelet, Anthropometrie, 1879. Friedrich Müller, Allgemeine Ethnographie. Wien, 1879. Untorschieile zwischen Menschen uml Affen. 955 Wenn auch die früher so verbreitete Ansicht, dass der Mensch über und ausserhalb des Thierreiches stehe, weil unvereinbar mit dem Geiste und der Methode der Naturforschung, als gänzlich beseitigt angesehen werden kann, so ist man doch über die Stellung des Menschen in der Classe der Säugethiere verschiedener Meinung, je nach dem Werthe, welchen man den Eigenthümlich- keiten seines körperlichen Baues beilegt. Während Cuvier, neuerdings auch Owen und Andere, für den Menschen einö besondere Ordnung {Bimand) auf- stellen, schätzen Forscher, wie Huxley und seine Anhänger, die Merkmale, welche den Menschen von den anthropoiden Affen unterscheiden, weit geringer und schlagen dieselben im Anschluss an die Auffassung Linne's, welcher den Menschen mit den Affen in seiner Ordnung der Primates vereinigte, nicht höher als Familiencharaktere an. Die wichtigsten anatomischen Unterschiede zwischen dem Menschen und den anthropoiden Affen beruhen auf der Configuration des Schädels und Ge- sichtes, auf dem Bau des Gehirns, der Bildung des Gebisses und der Extremi- täten, deren Einrichtung im Zusammenhange mit einigen Eigenthümlichkeiten der Wirbelsäule den aufrechten Gang des Körpers ermöglichen. Die rundlich gewölbte Form der geräumigen Schädelkapsel, das bedeutende üebergewicht des Schädels über das Gesicht, welches nicht wie bei den Thieren und auch den Menschen-ähnlichen Affen vor dem Schädel, sondern beinahe rechtwinkelig unterhalb desselben seine Lage findet, sind ebenso wesentliche Merkmale für den Menschen, wie die relativ bedeutende Masse des Gehirns, der mächtige Umfang der Vorderlappen und die Grösse der Hinterlappen, ferner die reiche Ausbildung der Hirnwindungen, deren Verlauf freilich auch bei den Affen dem nämlichen Typus folgt. Allen diesen für die psychische Entwicklung in erster Linie bedeutungsvollen Eigenthümlichkeiten des Menschen kann jedoch keines- wegs der Werth fundamentaler Unterschiede, sondern nur gradueller Ab- weichungen zugeschrieben werden, wie sie grösser noch zwischen den höchsten und den niedrigsten Affen, beziehungsweise Halbaffen bestehen. Man hat sich ferner vergebens bemüht, den Mangel gewisser bei den Affen und sämmtlichen Säugethieren stets vorhandener Theile (Zwischenkiefer, Blumen b ach — Goethe) für den Menschen als charakteristisch nachzuweisen, wie auch die Versuche als völlig gescheitert anzusehen sind, in dem menschlichen Organis- mus Theile zu finden (Hinterhorn,Pes/u);/;oc(7mp«m2no7-, Owen — Huxley), die ihm ausschliesslich in der Säugethierreihe und als etwas Neues von funda- mentalem Werthe angehören sollten. Auch die vollständig geschlossene, nicht durch Lücken für die gegen- überstehenden Eckzähne unterbrochene Zahnreihe, durch welche sich das Ge- biss des Menschen von dem der Catarrhineu unterscheidet, ist kein ausschliess- lich menschlicher Charakter, sondern in ähnlicher Art von einem fossilen Huf- thiere (Änoplotherimn) bekannt, wie andererseits freilich nur in Ausnahmsfällen entsprechendeZahnlückenammenschlichen Gebisse (KaffernschädelderErlanger Sammlung) beobachtet worden sind. In der Zahl und Gestalt der Zähne stimmt 956 Geistige Entwicklung. das Gebiss des Menschen mit dem der CataiThinen übereiu, wenn auch die ge- ringe Grösse des letzten Molaren (sogenannten Weisheitszahnes) bei den höheren Kassen die Tendenz zur Reduction andeutet. Für den Unterkiefer des Menschen kann zwar die als Kinn hervortretende Protuberanz als charakteristisch gelten. obwohl sich dieselbe bei den Negern mehr und mehr abschleift, ein tiefer greifender Werth kann dieser Bildung indessen selbstverständlich nicht bei- gelegt werden. l\''ichtiger sind jedoch die Verschiedenheiten, welche zwischen den Glied- massen des Menschen und denen der anthropoiden Affen bestehen. Schon die Proportionen der einzelnen Abschnitte sind wesentlich abweichend, wenn frei- lich auch für die anthropomorphen Affen untereinander nicht minder verschieden. Während beim Menschen das Bein als die ausschliessliche Stütze des Körpers die Vordergliedmassen an Länge und Gewicht bedeutend übertrifft, ist bei den Affen der Arm in verschiedenem Grade länger als das Bein, und zwar erscheint der Oberarm bei den Affen verhältnissmässig kürzer, Vorderarm und Hand da- gegen weit länger als beim Menschen. Die Hand erreicht bei keinem der drei anthropoiden Affen die Vollkommenheit der menschlichen Hand; die des Gorilla steht der menschlichen am nächsten, ist jedoch plumper, schwerer und mit einem kürzeren Daumen versehen. Auch an den Hintergliedmassen gestaltet sich bei den Affen der Fuss verhältnissmässig sehr lang und erscheint als Greif- fuss, dessen Sohle mehr oder minder nach innen gewendet ist. Mit Bezug auf die Anordnung der Knochen und Muskeln unterscheidet sich der menschliche Fuss sehr wesentlich von einer wahren Hand, keineswegs aber von dem Greif- fusse der Affen. Immerhin liegt in dem Fusse mit seiner starken und langen, aber nicht opponirbaren Innenzehe, der Gewölb-artigen Zusammenfügung der Wurzel- undMittelfussknochen, der horizontal dem Boden zugewendeten Sohle ein wichtiger Charakter des menschlichen Baues, indem die Gestaltung des- selben die wesentlichste Bedingung zu der aufrechten Haltung des Kumpfes ist, mit welcher die mächtige Entwicklung des Wadenmuskels, die Configuration des breiten schaufelförmigeu Beckens, die Form des Brustkorbes und die dop- pelte Krümmung der Wirbelsäule in enger Wechselbeziehung steht. Wie hoch . man jedoch auch neben der Configuration des Kopfes und der Ausbildung des Gehirns die aufrechte Stellung des Rumpfes, den aufrechten Gang schätzen mag, unleugbar lässt sich für den Körperbau des Menschen und der Affen ein gemeinsamer Typus nachweisen. Was frühere Naturforscher veranlasst hat, dem Menschen eine ganz besondere Stellung ausserhalb des Thierreiches anzuweisen, das ist die hohe geistige Entwicklung des Menschen, welche, auf den Besitz einer articulirten Sprache gegründet, den Menschen zu einem vernünftigen, einer fast unbegrenz- ten Vervollkommnung fähigen Wesen erhebt. In der That wäre es thöricht, die grosse Kluft zu leugnen, welche in der Ausbildung von Geist und Gemüth den Menschen von dem höchsten Thiere scheidet; geht man indessen vorurtheils- frei auf die Entwicklung des geistigen Lebens ein, welches das Individuum Alter des MciiKclieiigeschlofliteK. RiiKsen. 957 während der ersten Zeit seiner Jugend durchläuft und die civilisirte Mensch- heit von der frühestefi Zeit beginnender Cultur an durchlaufen hat, und unter- wirft man die psychischen Eigenschaften der höheren Thiere einer vergleichen- den Betrachtung, so wird man mit Wundt zu dem llesultate kommen, dass die Erkenntniss der Thiere von der des Menschen nur durch die Stufe der er- reichten Ausbildung verschieden ist. üeber den Ursprung des Menschen und die ältesten Zeiten seiner Existenz herrscht völliges Dunkel, indess ist die Annahme, nach welcher der Mensch nur wenige Jahrtausende auf der Erde sei, durch antiquarische und geologische Untersuchungen völlig widerlegt. Aus dem gleichzeitigen Vorkommen mensch- licher Knochenreste (Schädel von Engis und aus dem Neanderthal) und aus Stein gefertigter Geräthschaften mit Knochenresten ausgestorbener Thiere (Mammuth, Rhinoceros ttchorhmus) der Diluvialzeit ist das hohe Alter des Menschengeschlechtes bewiesen. Sicher existirte der Mensch in der pleisto- cänen Periode \), möglicherweise aber schon in der jüngsten Tertiärzeit. Ueber die Herkunft desselben liegen zur Zeit keine bestimmten Thatsachen vor; nur deductiv^) lässt sich im Anschluss an die Darwin'sche Naturauffassung die Wahrscheinlichkeit darthun, dass auch das höchste Lebewesen auf dem Wege natürlicher Züchtung aus einem niederen Formenkreise der Primaten seinen Ursprung genommen hat. Die Präge nach der Arteinheit ^) des Menschen, welche je nach der Auf- fassung des Artbegriffes verschieden beantwortet werden kann, mag hier uuer- örtert bleiben, zumal da bei der Unmöglichkeit, zwischen Art und Rasse eine scharfe Grenzlinie zu ziehen, eine bestimmte Entscheidung nicht getroffen werden kann. Blumenbach unterschied gegen Ende des vorigen Jahrhunderts fünf Menschenrassen und charakterisirte dieselben nach Kopf und Schädel- form, nach der Färbung der Haut und der Beschaffenheit der Haare. 1. Die kmikasi'sche Rasse, von weisser Hautfarbe mit blonden oder dunklen Haaren, kugelig gewölbtem Schädel, hoher Stirn, senkrecht aufein- anderstehenden Zähnen und schmaler Nase des länglich- ovalen Gesichtes. Bewohner Europas, Westasiens und Nordafrikas. Hierher gehören die Volks- stämme der Indogermanen (Germanen, Gelten, Hindus etc.), die Semiten (Juden, Araber, Berber etc.) und Slaven. 2. Die mongolische Rasse, von weizengelber Hautfarbe, mit fast vier- eckigem kurzen Kopf, schmaler flacher Stirn, stumpfer Nase und vorstehenden Backenknochen des breiten Gesichtes, schief von oben und aussen nach unten *j Vergl. R a u b e r, Urgeschichte des Menschen. Leipzig, 1884. Schlösser und S e 1 e r, Die ersten Menschen uad die prähistorischen Zeiten. Stuttgart, 188-1. 2) J. Broca, L'ordre des primates. Parallele anatomique de l'homme et des singes, 1870. Ch. Darwin, The descent of man and selection in relation to sex. Vol. 1 und 2, London, 1871. *) Vergl. Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, fortgesetzt vonGerlaud. Leipzig, 1859—187-2. 958 Dolicboc-ephali. Braihyt-ephali. und innen geschlitzten Augen und straffem schwarzen Haar. Bewohner Asiens, Lapplands und des nördlichen Amerikas (Eskimos). Die äthiopische Kasse, von schwarzer Hautfarbe und dichtem krausen Haar, mit schmalem, langgestrecktem Schädel und stark prominirenden, schräg aufeinander stossendeu Kinnladen. Die Lippen sind dick und wulstig. Die Nase ist kurz und stumpf, Stirn und Kinn treten zurück, der Gesichtswinkel beträgt nur ca. 75". Bewohner Mittel- und Südafrikas (Neger, Kaffern etc.). 4. Die amerikanische Rasse, von gelbbrauner oder kupferrother Haut- farbe, mit straffem schwarzen Haar, tiefliegenden Augen und vorstehenden Backenknochen des breiten Gesichtes. Die Stirn ist schmal, die Nase stumpf, aber vorstehend. Bewohner Amerikas. 5. Die malayische Rasse, von hellbrauner bis schwärzlicher Hautfarbe, mit dichten schwarzen, lockigen Haaren, breiter dicker Nase, aufgeworfenen Lippen und vorstehenden Kiefern. Bewohner Australiens und des ostindischen Inselgebietes. Cuvier erkannte nur die weisse oder kaukasische, die gelbe oder mongo- lische und die schwarze oder aethiopische Rasse als solche an und legte bei deren Unterscheidung zugleich Gewicht auf die Sprachunterschiede und Cultur- fähigkeit. Die Versuche der späteren Anthropologen, eine bessere und natür- lichere Eintheilung der Rassen und Stämme zu begründen, beruhen nach dem Vorgange von A. Retzius vornehmlich auf Verwerthung der Schädeldimen- sionen, zu deren Messung man eine Reihe von Methoden ausgedacht hat. Nach der verschiedenen Schädel- und Gesichtsform unterscheidet A. Retzius Laug- köpfe (Doh'chocejyhali 9 :7) und Kurzköpfe iBrachycephali 8:7), sodann nach der Stellung des Gebisses und der Zähne OrtJwgnathen und Prognathen. Die Völker Europas sind Orthoguathen und grossentheils, die Gelten und Germanen ausgenommen, Brachycephalen. Bericlitigimgen und Ergänzungen. Pag. 5, Zeile 7 statt Kern „fehlt" zu setzen : „zu fehlen scheint", da in jüngster Zeit für viele bislang als kernlos betrachtete Zellen (Bacterieu*) das Vorhandensein eines als Kern zu deutenden Centralkürpers nachgewiesen wurde. Demgemäss erscheint die von E. Haeckel als Moneren bezeichnete Gruppe kernloser einzelliger Organismen beträchtlich eingeschränkt, so dass, wie ich bereits vor Jahren aussprach, mehr und mehr fraglich wird, ob eine solche überhaupt existirt. Pag. G, zu „Thier und Ffla7ize^ ist als Literatur hinzuzufügen: v. Siebold, Dissertatio de finibus inter regnum aniuiale et vegetabile constituendis. Erlangae, 184-4. C. 6e gen- bau r, De anunalium plantarumque regni terminis et differentiis. Lepsiae, 1860. C. Claus, lieber die Grenze des thierischen und pflanzlichen Lebens. Leipzig, ISGS. Pag. 31, Fig. 29. Die Buchstaben a und b sind zu vertauschen. Pag. 63, Zeile 8 statt (Fig. 78 i) : (Fig. 78 b, c). Pag. 63, Zeile 11 (Fig. 78 c) hat zu entfallen. Pag. 238. Durch die inzwischen publicirten Arbeiten von Maupas^) und R. Hert- wig') ist unsere Kenntniss über die den Cmijugationsprocess der Infusorien begleitenden Vorgänge der Befruchtung wesentlich gefördert worden, so dass die herangezogenen Beobachtungen Grub er s einer Berichtigung bedürfen. Die T-heilstücke des Nucleolus oder besser Mikronudeus verhalten sich demgemäss keineswegs sämmtlich gleichwerthig, vielmehr ist nach wiederholt eingetretener Theilung des Mikronudeus einer der vier (beziehungsweise acht) Kerne der Sexualkern. Derselbe theilt sich in zwei Kerne, von denen der eine den Eikern. repräsentirt, der andere als Spermakern in das Lidividuum überwandert und sich mit dessen Eikern durch Zusammeulageruug der chromatischen Substanz conjugirt, während der erstere mit dem überwandernden Spermakern des zweiten Individuums den Conjugationsvorgang eingeht. Nun trennen sich die beiden Individuen, der Grosskern oder Makronudeus zerfällt in Bruchstücke, die aus dem Mikro- nudeus hervorgegangenen Nebenkerne gehen zu Grunde, und der conjugirte Sexualkern erfährt eine wiederholte Theilung, durch welche die neuen Makronuclei und Mikronuclei gebildet werden. Somit besteht eine vollkommene Parallele zu dem Befruclitungsvorgang der Vielzelligen, indem der conjugirte Sexualkern dem Furchungskerne entspricht, der Eikern den weiblichen Pronucleus, der Spermakern den männlichen Pronudeus reprä- sentirt, die übrigen zerfallenden Elemente den Eichtungskörpern verglichen werden können. Pag. 244, Absatz 8, Zeile 3 statt „Zoospermien" zu setzen: „Psorosperniien". Pag. 3^. Erklärung der Fig. 330 5, statt Tetrabothrmm : Taenia. ') O. Bütsclili, l'ebei- deu Bau der Bacterien und verwandter Orgauismen. Leipzig, 18P0. ^) E. Maupas, Le rajeunissement karyogamique chez les Cilies. Areh. Zool. expür. et gener. 2 Ser., Tom. VII, 1889. ') R. llertwig, lieber die Coiijugation der Infusorien. Abh. d. kön. bay. Akad. der Wiss. Bd. XVII, 1889. REGISTER. Aal 774. Aalmolclie 795. Aalmutter 778. Aaskäfer 621. Abdominalia 476. Abendpfauenauge 615. Abramis 775. Abraxas 614. Abyla 295. Acalepliae 273. Acalyptera 606. Acamarchis 697. Acanthia 603. Acanthias 769. Acanthocephali 394. Acanthocystis 222. Acanthometra 226. Acanthopsidae 775. Acanthopteri 776. Acarina 534. Acatammnia 284. Accentor 869. Accipitridae 871. Acepbalen 634. Acephalocysten 374. Acera 674. Acerina 777, Acerotherium 922. Acervulina 221. Achaeta 424. Aclierontia 615. Aclioloe 412. Achtheres 468. Acidalia 614. Acilius 621. Acineta 241. Acipenser 771. Acontias 815, Acrania 758. Acraspcda 282. Acridium 590. Acrocladia 330. Acrodonta 812. Acron3'cta 614. Actinia 269. Actlniaria 269. Actinometra 324. Actinophrys 222. Actino.spbaerium 222. Actinotrocha 426. Actinozoa 261. Aculeata 627. Adapis 948. Adeciduata 897. Adler 871. Adlerrochen 769. Aega 491. Aegineta 291. Aeginopsis 291. Aegithalus 869. Aeneasratte 904. Aeolis 674. Aepyornis 857. Aequprea 290, Aesche 775. Aescbna .595. Aethalium 13. Affen 950. Afterfrüblingsfliegen .593. Afterscorpioue 523. Afterspinnen 532. Agalmidae 296. Agalmopsis 297. Agama 814. Agaricus 12. Agelastica 618. Agelena 532. Aglaura 290. Aglia 615. Aglossa 798. Aglyphodonten 822. Agrilus 620. Agrion 595. Agriotes 620. Agrotis 614. Ahaetulla 822. Alata 670. Alauda 870. Alaurina 347. Alausa 774. Albatros 859. Albunea 510. Alburnus 775. Alca 859. Alcedo 867. Alces 930. Alcinoe 303. Alciopa 413. Alcippe 476. Alcyonaria 268. Alcyonella 696. Alcyonidium 697. Alcyonium 268. Alectoridae 861. Alima 505. Alken 859. Allantonema 393. Alligator 827. Alpenflüevogel 869. Alpheus 510. 0. Clans: Lehrbuch der Zoologi Alucita 613. Alydus 603. Alytes 799. Amaroccium 715. Amaurobius 532. Amblyopsis 758. Amblypoden 917. Amblystoma 794. Ameisen 627. Ameisenbär 914. Ameisenbeutler 904. Ameisenfresser 914. Ameisenigel 901. Ameisenlöwe 596. Ameiva 816. Amia 772. Ammocoetes 764- Ammodytes 776. ' Ammonites 688. Ammophila 628. Ammothea 540. Amoeba 219. Amoebina 219. Amoebidium 244. Ampharete 415. Amphibia 781. Amphibiotica 593. Amphicoelia 827. Amphicyon 939. Amphihclia 269. Amphileptus 240. Amphiliiia 370. Amphioxus 761. Amphipeltis 483. Amphipneusta 673. Amphipnous 774. Amphipoda 483. 61 II Register. Amphiporus 378. Amphiprion 766. Amphiptyches 370. Amphisauriden 817. Amphisbaena 818. Amphistomura 357. Amphitherium 904. Amphitrocha 411. Amphiuma 795. Amphiura 329. Aiupullaria 670. Aiiabas 778. Anableps 775. Anacanthini 776. Änacodon 917. Anapera 607. Anaptomorphus 948. Anas 859. Anastomus 862. Anatifa 475. Anceus 491. Anchinia 722. Ancliitherium 923. Anchorella 468. Ancillaria 669. Ancjlostomum 388. Ancylus 673. Andi-ena 630. Andrias 794. Androctoiius 523. Anelasma 475. Angelopsis 297. Anguilla 774. Aiiguillula 393. Auguis 815. Anilocra 491. Anisobranchii 668. Anisomj'aria 651. Auisopoda 492. Anjovis 774. Annarhichas 778. Aiinelides 397. Aimulata 818. Anobium 620. Anodonta 650. Anoinia 652. Anomura 510. Anopla 377. Anoplotermes 593. Anoplotherium 928. Anser 8.58. Antecbinus 904. Antedon 324. Antennularia 290. Anthea 269. Anthomvia 606. Antophora 630. Anthozoa 261. Anthracotherium 925. Anthrax 608. Anthrenus 621. Anthropomorphae 954. Anthus 869. Antilocapra 930. Antilope 930. Antipathes 269. Antliata 603. Apatura 615. Aperea 935. Apbaniptera 609. Aphis 602. Aphodius 620. Aphrodite 412 Aphrophora 602. Apiocrinus 303. Apion 619. Apis 630. Aplacentalia 897. Aplysia 674. Aplysina 256. Apoda (Amphibien) 791. Apoda (Cirripedien) 476. Apoda (Holotliurie) 333. Apolemia 297. Aporosa 269. Aporrhais 670. Ai)pendicularia 714. Apseudes 492. Apsilus 436. Aptenodytes 856. Aptera 599. Apterogenea 585. Apterygii 872. Apteryx 872. Apus 453. Aquila 871. Arachnoidea 517. Aradus 603. Araneida 525. Arbacia 330. Area 650. Arcella 219. Arcliaeoniscus 483. Arcliaeopteryx 169. Archegosaurus 792. Archemuscheln 650. Archhydrae 289. Archiannelides 409. Arehigetes 371. Archipterj-gium 747, Arctoc3'on 941. Arctomys 936. Arctopitheci 952. Ardea 862. Arenicola 414. Arethusa 297. Argas 539. Argiope 702. Argonauta 689. Argulus 470. Argus 863. Argusfasan 863. Argynnis 616. Argyroneta 532. Arion 673. Armadill 915. Armadillo 492. Armflosser 778. Anufüsser 698. Armmolche 794. Armwirbier 696. Aromia 618. Artemia 453. , Arthropoda 437. Arthrostraca 481- Articulata 323. Artiodactyla 923. Arvicola 936. Asaphus 517. Ascalabotes 814. Ascalaphus 596. Ascaltis 256. Ascandra 256. Ascaris 387. Ascetta 255. Aseidia 715. Ascilla 255. Ascomorpha 436. Asconen 255. Ascortis 256. Asculmis 256. Ascyssa 255. Asellus 491. Asilus 608. Asinus 923. Asiphonia 648. Aspergillum 650. Aspidiotus 600. Aspidisca 241. Aspidochirota 333. Asplanchna 436. Aspro 777. Asseln 488. Astacus 510. Astasiaea 230. Asteracanthion 327. Asterias 327. Asteridal 327. Asterina 327. Asteriscus 327. Asteroidea 325. Asteronyx 329. Asterope 460. Astraea 270. Astroides 270. Astropecten 327. Astrophyton 329. Astur 871. Atax 539. Ateles 953. Ateuchus 620. Athalia 626. Atherina 778. Athorybia 297. Atlanta 672. Atlantosaurus 816. Atrocha 411. Attacus 615. Attagenus 621. Attractonema 393. Atypus 531. Auchenia 928. Audoninia 415. Augenfleckmedusen 289. Augenkorallen 269. Aulacantha 225. Aulastomum 432. Auralia 297. Aulostoma 778. Aurelia 284. Auricula 673. Auster 651. Austernfischer 861. Register. III Antolytus 413. Aves 831. Avicula G50. Axinella 256. Axolotl 749. Bachstelzen 869. Bacillus 242. Bacteria 590. Bacterien 241. Bacterium 5, 242. Badeschwamm 256. Bärenkrebs 510. Bärenspinner 614. Balaena 913. Balaeniceps 862. Balaenoptera 913. Balanius 619. Balanoglossus 333. Balantidium 240. Baianus 476. Balistes 774. Bandfisch 778. Bandwürmer 361. Barbe 775. Barbus 775. Barsche 776. Bartenwale 913. Bartvögel 866. Basanistes 468. Basiliscus 814. Basommatophora 673. Bathybius 219. Bathycrinus 323. Batrachia 796. Batrachoseps 794. Bauchfüsser 654. Baumagamen 814. Baumhühner 862. Baumläufer 867. Baumnattern 822. Bdella 539. Bdellostoma 764. Becassine 861. Becherquallen 279. Belemnites 689. Belone 776. Beluga 912. Bembex 628. Beris 608. Bernhardkrebs 511. Beroe 303. Bettwanze 603. Beutelbilcli 904. Beuteldachs 905. Beutclmarder 904. Beutelquallen 281. Beutelratten 904. Boutelstrahler 324. Beutelthiere 901. Biber 936. Bibio 609. Bibos 931. Bicellaridae 697. Bienen 630. Bienenfresser 867. Bienenlaus 607. Biesfliegen 607. Bilharzia 357. Binnenasseln 492. Bipes 815. Bipinnaria 318. Birgus 511. Bisamschwein 926. Bison 931. Bittacus 596. Bitterling 775. Bläulinge 615. Blaps 619. Blasenfüsse 591. Blasenwurm 373. Blastoideen 324. Blastotrochus 269. Blatta 589. Blattflöhe 602. Blatthornkäfer 620. Blattkäfer 618. Blattläuse 600, 602. Blattlauslöwe 596. Blattnasen 947. Blattwespen 625. Blennius 778. Blesshuhn 861. Blindschleiche 815. Blindwanzen 603. Blindwühler 719. Blutegel 427, 432. Boa 822. Bockkäfer 618. Bodotria 503. Bogenkrabben 511. Bohrmuscheln 649. Bohrschwamm 256. Bombardierkäfer 621. Bombinator 799. Bombus 630. Bombycilla 869. Bombvlius 608. Bombyx 614. Bonellia 424. Bopyrus 492. Borkenkäfer 618. Borkenthier 932. Borlasia 377. Borstenschwänze 587. Borstenwürmer 401. Bos 931. Bostrychus 619. Bothriocephalus 371. Bothrops 823. Botryllus 715. Botrytis 615. Botys 613. Brachinus 621. Brachiolaria 316. Brachionus 436. Brachiopoda 698. Brachsen 775. Brachvogel 861. Brachycera 606. Brachyura 511, Bracon 626. Bradypus 915. Branchellion 432. Brauchiobdella 432. Branchiopoda 452. Branchiosaurus 791. Branchiostoma 761. Branchipus 453. Branchiura 468. Brandente 859. Braula 607. Braunfisch 812. Bremsen 608. Brevilinguia 814. Brillentaucher 860. Brisinga 327.. Brissopsis 331. Brissus 331. Brontotheriden 920. Bruchus 619. Brüllaffe 953. Bruta 913. Bryozoa 690. Bubalis 930. Bubalus 930. Bubo 870. Buccinum 669. Bucco 866. Buceros 867. Buckelzirpen 602. Bucorvus 867. Bücherläuse 592. Bücherscorpion 523. Büffel 930. Büschelkiemer 773. Buffo 799. Bugula 697. Bulimus 673. Bulla 674. Bunodonten 924. Buphaga 868. Buprestis 620. Bursaria 240. Bussard 871. Buteo 871. Buthus 523. €acadu 866. Cachelot 913. Caenopithecus 952. Caenotherium 926. Caiman 827. Calaraoherpe 869. Calamoichtys 772. Calandra 619. Calanidae 467. Calappa 511. Calcispongiae 255. Caligus 468. Callianassa 510. Callianira 303. Callidina 436. Callionymus 777. Callithrix 953. Callorhinus 943. Callorhynchus 768. Calopeltis 822. Calopteryx 595. Calosoma 621. Calotermes 593. Calotes 814. Calurus 866. Calycophory 295. Calycotyle 358. Calycozoa 279. Calymene 517. Calytopis 507. 61* IV Register. Calyptorhynchus 866. Calyptraea 670. Camelopardalis 930. Camelus 928. Campanularia 290. Campodea 587. Canaliferae 669. Canarienvogel 870. Cancellaria 669. Cancer 511. Canda 697. Canis 939. Cantharis 619. Cantharus 777. Canthocaniptus 467. Capitella 410. Capitibranchiata413. Capra 930. Caprella 486. Capreolus 929. Caprimulgus 868. Capsus 603. Capulus 670. Carabus 621. Caranx 777. Carassius 775. Caravella 297. Carcharias 769. Carchesium 241. Carcinus 511. Cardinalis S70. Cardium 650. Caretta 830. Cariama 861. Carididae 510. Carinaria 672. Carinatae 858. Carinella 377. Carmarina 291. Carnivora 937. Carpocapsa 613. Carpophaga 905. Carychium 673. Caryocrinus 324. Caryophyllaeus 371. Caryophyllia 269. Cassida 618. Cassiopea 285. Cassis 670. Castor 936. Casuarius 872. Catanimnata 284. Catarrhini 953. Catenula 347. Cathartes 871. Catoblepas 930. Catocola 614. Catodon 913. Catometopa 512. Caudata 793. Cavia 935. Cavicornia 930. Cebochoeru.s 926. Cebus 953. Cecidomyia 609. Cecrops 468. Cellularia 697. Centetes 944. Centriscus 778. Centrotus 602. Cephalaspis 759. Cephalophoren 633. Cephalopoda 677. Cephalothrix 378. Ceplialotrocha 411. Cepola 778. Cerambyx 618. Ceraospongia 256. Cerapus 487. Ceratiocaris 481. Ceratites 688. Ceratium 231. Ceratodus 781. Ceratosauriden 817. Cercaria 353. Cerceris 628. Cercolabes 935. Cercoleptes 939. Cercomonas 228. Cercopithecus 954. Cerebratulus 378. Cerianthus 269. Cerithium 669. Certhia 867. Cervulus 929. Cervus 929. Ceryle 867. Cestodes 361. Cestracion 769. Cestum 303. Cetacea 910. Cetiosaurus 827. Cetochilus 467. Cetonia 621. Chaetifera 422. Chaetoderma 639. Chaetodon 777. Chaetogaster 419. Chaetognathen 393. Chaetonotus 437. Cbaetopoden 401. Chaetopterus 415. Chaetosoma 393. Chalicodoma 6.30. Cbalinopsidae 256. Chama 650. Chamaeleon 817. Cbamaesaura 815. Charadrius 861. Charax 777. Charybdaea 282. Chauna 861. Cheimatobia 613. Chelidon 869. Chelifer 523. Chelonia 827, 830. Cbelenobia 476. Chelura 487. Obelydra 831. Chelys 831. Chermes 602. ehernes 523. Chernetidae 523. Cbersites 831. Chevreulius 715. Chiaja 303. Chilocorus 618. Chilodon 241. Chilognatha 551. Chilopoda 550. Chilostomata 697. Chimaera 768. Chinchilla 936. Chionea 609. Chirodota 333. Chirogaleus 949. Chiromys 950. Chironectes 778, 904. Chirononius 609. Chiroptera 945. Chirotes 818. Chirotheriura 792. Chiton .666. Chlamydophorus 915- Chlamydotherium 9l4. Chloe 594. Chlorops 606. Choeropotamus 925. Choeropus 905. Choerotherium 925. Choanoflagellata 230. Choloepus 915. Chondracanthus 468. Chondropterygii 764. Chondrosia 256. Chondrostei 771. Chondro«toma 775. Chorioptes 536. Chromulina 229. Chrysaora 284. Chrysis 628. Chrysoclilorys 944. Chry.soniela 618. Chrysomitra 298. Chrysopa 596. Chrysophrys 777. Chry,sops 608. Chryso.soma 607. Chrysothrix 953. Chthonius 523. Cicada 603. Cicadaria 602. Cicindela 621. Ciconia 862. Cidaris 330. Ciliata 232. Cilioflagellata 231. Ciliophrys 228. Cimbex 626. Cincinnurus 868. Cinclus 869. Cineras 475. Cingulata 914. Cinnyris 867. Ciona 715. Cionocrania 813. Circu.s 871. Cirratalus 415. Cirripedia 470. Cistela 619. Cistudo 831. Citigradae 532. Citronenvogel 616. Cladobates 944. Cladocera 453. Cladocora 269. Cladonema 289. Clathria 256. Clathrulina 222. Clausilia 673. Clava 289. Clavagella 650. Clavellina 715. Claviger 621. Clemmys 831. Cleodora 677. Clepsidrina 244. Clepsine 432. Clerus 620. Clidastes 816. Clio 677. Clisiocampa 614. Clitellum 416. Clubiona 532. Clupea 774. Clypeaster 331. Clypeastridea 330. Clythia 290. Clythra 618. Cnemiornis 856. Cnethocampa 614. Cnidaria 257. Coassus 929. Cobitis 775. Coccidae 599. Coccidium 244. Coccinella 618. Coccosteus 758. Coccothraustes 870. Coccus 600. Coccystes 866. Cochenille 600. Codosiga 230. Coecilia 792. Coelenterata 244. Coelogenys 935. Coelopeltis 822. Codoria 270. Coenobita 510. Coenurus 373. Coleoptera 616. Coleps 240. Colias 616. Colius 866. Collembola 587. Collocalia 868. Collosphaera 226. Collozomu 226. Colobus 954. Coloradokäfer 618. Colpoda 240. Colpodella 228. Coluber 822. Culubriformia 822. Columba 864. Cohmibella 669. Colunibinae 863. Colyrabetes 621. Colynibus 859. Comatula 324. Compsognathus 817. Conchoderma 475. Conchoccia 460. Concbolepas 476. Condor 871. Condyarthra 915. Condylura 944. Conger 774. Conirostres 869. Conochilus 435. Conops 607. Conus 669. Convoluta 347. Copelatae 714. Copepoda 461. Copris 620. Coracias 867. Corallium 269. Corbicula 650. Cordylophora 289. Corbulidae 649. Coregonus 775. Corethra 609. Corcus 603. Corixa 603. Cormoran 859. Cornularia 268. Cornuspira 221. Coronella 822. Coronula 476. Corophium 487. Corrodentia 591. Corvina 777. Corvus 868. Corycaeus 468. Corydalis 595. Corymorpha 290. Coryniden 289. Coryphodon 917. Corythaix 866. Cossus 615. Cotingiden 868. Cottus 777. Coturnix 863. Cotyle 868. Cotylorhiza 285. Crabro 628. Cranibus 613. Crangon 510. Crania 702. Crassilinguia 813. Craterolophu.s 281. Crax 863. Crenilabrus 776. Creodonten 941. Creseis 677. Crevettina 486. Crex 861. Cricetus 936. Crinoidea 321. Criodilus 418. Crisia 697. .Cristatella 696. Crocodilia 825. Crocodilus 827. Crossopterygii 771. Crotalus 823. Crustacea 443. Cryptobranchus 795. Cryptocephalus 618. Cryptocliiton 666. Cryptoniscus 492. Cryptopentamera 618. Cryptophialus 476. Cryptops 551. Cryptotentramera 618. Crjpturidae 863. Cteniza 531. Ctenobranchien 668. Ctenodiscus 327. Ctenophora 609. Ctenophorae 298. Ctenostomata 697. Cucullanus 388. Cucullia 614. Cuculus 866. Cucumaria 333. Culcita 327. Culex 609. Culiciformes 609. Cumacea 500. Cunina 291. Cupressocrinus 323. Curculio 619. Cursoria 589. Cursorius 861. Cuscus 905. Cyamus 486. Cyanea 284. Cyathina 269. Cyathocrinu,s 323. Cyathoi)hyllidae 268. Cyclas 650. Cyclobranchia 667. Cycloiden 742. Cyclometopa 511. Cyclomyaria 722. Cyclops 467. Cyclopterus 777. Cyclorapha 606. Cyclostonia 669. Cyclostomata 697. Cyclostonii 761. Cyclura 814. Cydippe 303. Cygnus 858. Cylicomastiges 230. Cylicozoa 279. Cymbium 669. Cylindropliis 822. Cymbulia 677. Cymothoa 491. Cynailurus 9i0. Cynips 626. Cynocephalus 954. Cynomys 937. Cynthia 715. Cyphonautes 695. Cjqihophthalraus 534. Cypraea 650. Cypridina 460. Cyprina 650. Cyprinodon 775. Cyprinus 775. Cypris 461. Cypselus 868. Cyrtopia 507. Cysticercoiden 374. Cysticercu.s 373. Cystidecm 324. Cystoflagellaten 231. Cystophora 942. Cytitosoma 486. Cystotaenia 373. VI Kegister. Cythere 461. Cytherea 651. Dacelo 867. Dactylethra 798. Dactylocalyx 257. Dactylopterus 777. Dama 930. Daphnia 456. Dasychira 614. Dasychone 415. Dasydytes 437. Dasypoda 630. Dasyprocta 935. Dasypus 915. Da.syurus 904. Decapoda 507. Decapodida 689. Deciduata 897. Decticus 590. Delphinapterus 912. Delphine 912. Delphinus 912. Demodex 536. Dendrobatcs 799. Dentrochirotae 333. Dendrocoela 347. Dendrocoelum 348. Deiidrolagus 906. Dendrometridae 614. Dendrophis 822. Dendropliyllia 270. Dentalium 654. Dentex 777. Denticete 912. Dentirostres 868. Depastrum 281. Dermanj'ssus 539. Dermaptera 589. Dermatobia 607. Dermatodectes 537. Dermatophili 536. Dermestes 621. Dermoptera 949. Dero.stomuni 347. Derotrenia 795. Desinoniyaria 721. Demodontes 649. Desmoscolex 393. Diadema 330. Diaptomus 467. Diastylis 503. Dibranchiata 688. Dicholopus 861. Dickzüngler 813. Dicotyles 925. Dicroceros 930. Dictyocaris 481- Dicyemiden 359. Dicyemopsis 359. Didelphys 904. Didemnum 715. Didunculus 864. Didus 857. Difflugia 219. Digonopora 348. Biloba 614. Dimyarier 642. Dinoceras 917. Dinoflagellata 231. Dinormis 857. Diiiosauria 816. Dinotherium 933. Diodon 775. Diomedea 859. Dionaea 11. Diopatra 412. Dipbyes 295. Diplocodus 816. Diplophysa 295. Diplozoon 359. Dipneumona 781. Dipneumones 531. Dipnoi 778. Diporpa 359. Diprotodon 904. Dipsas 822. Diptera 603. Dipus 936. Discina 702. Discodactylia 799. Discoidea 297. Discomedusa 284. Discopbora 282. Discophori 427. Distomeae 356. Distomum 356. Dochmius 388. Dodo 865. Dögling 913. Dolicbopus 608. Doliolum 722. Doliopsis 722. Dolium 669.' Dolomedes 532. Dompfaft' 870. Donax 651. Doppelschleicheu 818. Doppelthier 359. Doras 775. Dorcus 620. Dorippe 511 Doris 674. Doritis 616. Dornhai 769. Dorsibrauchiata 412. Dorylaimus 393. Doryphora 618. Doto 674. Draco 814. Dracunculus 391. Drehwurm 373. Dreieckskrabben 511. Drepanophorus 378. Dreyssena 651. Dromaeus 872. Dromia 511. Dronte 865. Drosera 11. Drosseln 869. Dryophis 822. Dryopithecus 952. Dünuschnäbler 867. Dugong 932. Dungfliege 606. Dynameua 299. Dj-nastes 621. Dysdera 532. Dysodontes 651. Dytiscus 621. Ecardines 701. Echeneis 777. Echidna 901. Echinaster 327. Echineibothrium 373. Echiniscus 541. Echinocardium 331. Echinococcifer 373. Echinococeu.s 374. Echinocueumis 331. Echinocyamus 331. Eehinoderes 436. Echinodermata 303. Echinoidea 329. Echinometra 330. Echinosphaerites 324. Echinorhynchus 397. Echinus 330. Echiuroideae 422. Echiurus 424. Eciton 628. Ectopistes 864. Ectopracta 696. Edelhirsch 930. Edelkoralle 269. Edendata 913. Eichelheher 868. Eichenwickler 613. Eichhörnchen 937. Eidechsen 811. Eiderente 859. Einsiedlerkrebse 511. Eintagsfliegen 594. Eissturmvogel 859. Eistaucher 859. Eisvogel 867. Eisvogel (Schmetter- ling) 615. Elaps 822. Elasraobranchii 764. Elater 620. Eledone 689. Elephas 933. Eliomys 936. Ellipsocephalus 517. Elster 868. Elysia 674. Emarginula 668. Emberiza 870. Empis 608. Emys 831. Enaliosauria 825. Enchelidium 393. Enchytraeus 419. Encrinus 324. Endomychus 618. Endoprocta 695. Engerling 620. Engraulis 774. Enhydris 940. Enopla 378. Enoplus 393. Enteroplea 436. Enteropneusta 333. Entoconcha 670. Regii VII Entomophaga 62G. Entomostraca 450. Entoniscus 492. Eohippus 921. Eohyus 925. Epeira 532. Ephemera 594. Ephialtes (Hyineno- pteres) 62G. Ephialtes (Vogel) 870. Ephippigera 590. Ephyra 274. Ephryropsis 284. Epicrium 792. Epistylis 241. Equitidae 616. Equus 923. Erdagomeu 814. Erdfrösche 799. Erdpapagei 866. Erdschwein 914. Erebia 615. Erethizon 936. Erichthus 505. Erinaceus 944. Eriomys 936. Eriphia 511. Eristalis 607. Errantia 411. Erythraeus 539. Eryx 822. Eschholtzia 303. Esel 923. Esox 775. Esperia 256. Estheria 453. Eucephala 608. Eucharis 303. Euchlanis 436. Eiicope 290. Eueopepoda 467. Eucrinus 323. Eucyrtidium 225. Eudendi-iuni 289. Eudoxia 295. Eudyptes 860. Euflagellata 228. Euganoides 772. Euglena 230. Euglypha 219. Euisopoda 491. Eulalia 413. Eulen 870. Eulen (Schmetter- ling) 614. Eunice 412. Euphausia .""jO?. Euplectella 257. Euprepia 614. Eurhaniphaea 303. Euryalidae 329. Eurycercus 456. Eurylepta 348. Eurypterus 513. Eusmilia 269. Euspongia 256. Eustrongylus 387. Eutermes 593. Eutyphis 488. Evadne 456. Evania 626. Exocoetus 776. Fadenbacterien 242. Fadenwürmer 379. Fächerflügler 621. Falcinellus 862. Falco 871. Faltennlücke 609. Faltenschnecken 669. Faltenwespen 629. Fangheuschrecken 589 Farella 697. Fasciola 348. Faserschwilmme 256. Faulthiere 915. Fausthuhn 863. Federgeistchen 613. Feldfrosch 798. Feldgrille 591. Feldhühner 863. Feldmaus 936. Felis 940. Felstaube 864. Ferae 937. Fesselfrosch 799. Feftschabe 613. Feuerwanze 603. Fiber 936. Fibrospougiae 256. Fierasfer 776. Figites 626. Filaria 387, 391. Filigrana 415. Fingerthiere 949. Finken 870. Finne 373. Finnfisch 913. Fischdrachen 825. Fische 740. Fischerwurm 414. Fischläuse 468. Fissilinguia 815. Fissirostres 867. Fissurella 668. Fistularia 778. Flabellura 269. Flagellaten 227. Flamingo 858. Flata 602. Fledermäuse 945. Fledermausfisch 778. Fleischfliege 606. Fliegen 606. Fliegenfänger 869. Flöhe 609. Flösselhechte 772. Flohkrebse 483. Florfliegen 596. Flosculäria 435. Flossenfüsser 675. Flossenfüssler 941. Flughecht 776. Flughühner 863. Flunder 776. Flusskiemenschnecken 669. Flusskrebs 510. Flussmuscheln 650. Flussneunauge 764. Flustra 698. Foenus 626. Fontaria 552. Foraminifera 220. Forelle 775. Forficula 589. Formica 628. Forskalia 296. Forskalina 290. Fossoria 628. Fregattvogel 859. Fringilla 870. Fritillaria 714. Frösche 796. Frostschmetterling 613. Früchte beutler 905. Frühlingsfliegen 597. Frugivora 946. Fulgora 602. Fulica 861. Fumea 615. Fungia 270. Fungicolae 609. Furcilia 507. Fus.shühner 863. Fusus 669. Gabelschwanz 614. Gadus 776. Galago 949. Galathea 511. Galaxea 269. Galbula 866. Galeodes 524. Galeopithecus 949. Galeus 769. Galleria 613. Gallertschwämme 256. Gallicola 626. Gallicolae 609. Gallinacei 862. Gallinago 861. Gallinula 861. Gallmilben 538. Gallmücken 609. Gallophasis 863. Gallus 863. Gallwespen 626. Gamasus 539. Gammarus 487. Gangvögel 866. Ganocephala 793. Ganoidei 770. Garneelasseln 492. Garneelen 510. Garrulus 868. Gasterosteus 777. Gastornis 856. Gastrobranchus 764. Gastrochaeua 650. Gastropacha 614. Gastrophilus 607. Gastropoda 654. Gastropteron 674. Gastrotricha 436. Gastrotrocha 411. VIII Register. Gastrus 607. Gavialidae 827. Gazelle 930. Gebia 510. Geearcinus 512. Geckonen 814. Geier 871. Geisseiträger 227. Geisselgarneelen 510. Gelada 954. Gela.sinus 512. Gelocus 928. Gemse 930. Geocentropliora 346. Geocores 603. Geodesmus 348. Geodia 257. Geometra 614. Geometrina 613. Geophilus 551. Geoplana 348. Georhychus 936. Geotrupes 620. Gephyrei 419. Geradflügler 587. Geryonia 291. Geryonopsidae 290. Gespenstheuschrecken 589. Gespenstmaki 949. Getreideblasenfuss 591. Gibocellum 534. Gienmuscheln 650. Giftschlangen 822. Gigantostraca 512. Giraffe 930. Glanzvögel 866. Glasschwämme 257. Glatthai 769. Glattnasen 947. Glaucoma 240. Glenodinium 231. Gliederfüssler 437. Gliederwürmer 397. Glires 934. Globigerina 221. Globiocepbalus 912. Glockenthierchen 233. Glomeris 553. Glossotherion 914. Glycera 412. Glyptodon 915. Glyziphagus 537. Gnathobdellidae 432. Gnathostomata 467. Gnu 930. Gobio 775. Gobius 777. Goldammer 870. Goldeulen 614. Goldfliege 606. Goldhähnchen 869. Goldwespen 628. Goniastraea 270. Goniatites 688. Gonium 230. Gonodactylus 505. Gonopteryx 616. Gonospora 244. Gonyleptus 534. Gordius 392. Gorgonia 268. Gorilla 954. Gottesanbeterin 589. Goura 864. Grabheuschrecken .591. Grabwespen 628. Grallatores 860. Grammatophora 814. Grantia 255. Grapholitha 613. Grapsus 512. Graugans 858. Grauhai 769. Gregarina 244. Gressoria 589. Grind 912. Gromia 221. Grubenottern 823. Gründling 775. Grus 862. Grylllurae 860. Gryllotalpa 591. Gryllus 591. Gürtelthiere 914. Guineawurm 391. Gulo 940. Gummin eae 256. Gunda 348. Gyge 492. Gymnarchus 774. Gymnocopa 413. Gymnodontes 774. Gymnolaemata 697. Gymnophiona 791. Gymnorhina 947. Gymnosomata 677. Gymnotus 774. Gynaecophorus 357. Gypai'tus 871. Gypogeranus 871. Gyps 871. Gyrator 347. Gyrodactylus 359. Gyropeltis 470. Haarbalgmilben 536. Haarsterne 321. Haematopota 608. Haematopus 861. Haementaria 432. Haemopis 432. Häring 774, Häringe 774. Hafte 594. Haftkiemer 773. Haftwalzen 333. Haifische 768. Hairochen 769. Halbaffen 948. Halbhuf er 935. Halcyonidae 867. Haliaetos 871. Haliaeus 859. Halichoerus 842. Halichondria 256. Halicore 932. Halicryptus 425. Haliotis 668. Halisarca 256. Haiistemma 297. Halitherium 931. Halla 412. Halmaturus 906. Halobates 603. Halocypris 460. Halomitra 270. Halteria 241. Haltica 618. Hammerfisch 769. Hamster 936. Handbeutler 904. Handflügler 945. Hapale 953. Hapalemur 949. Hardun 814. Harengula 774. Harlekin 614. Harpa 669. Harpacticus 467. Harpalus 621. Harpyia (Fledermaus) 947. Harpyia (Schmetter- ling) 614. Hartflossenstrahler 776. Haselmaus 936. Hasen 935. Hasenmäuse 936. Hatteria 816. Haubentaucher 859. Hausen 771. Hausheimchen 591. Hausratte 936. Hausziege 930. Hautflügler 622. Hautwanzen 603. Hechte 774. Heerwurm 609. Helaletes 922. Heliaster 327. Heliconiidae 616. Heliosphaera 225. Heliozoa 222. Helix 673. Helladotherium 930. Heloderma 815. Hemerobius 596. Hemiaspis 513. Hemibos 931. Hemicardium Q50. Hemichoerus 926. Hemidactylus 814. Hemielytra 603. Hemiptera 597, 603. Hemistomum 356. Henicops 551. Henops 608. Hepialus 615. Heptanchus 769. Hermella 415. Hei-mione 412. Herodii 861. Herpestes 940. Herpetodryas 822. Register. IX Herzigel 3:}1. Herzniuscheln 650. Hesperia 615. Hesperornis 171. Hossenfliege 609. Heterodera 39::^. Heterodontes 650. Heterogamia 589. Heterogyua 6ii8. Heteromeia 619. Heteromyaria 650. Heteronereis 412. Heteropoda 670. Heterotricha 240. Heupferd 590. Heuschreckenkrebse 505. Hexactinelliden 257. Hexactinia 269. Hexanchus 769. Hexapoda 553. Hexodon 917. Hibernia 613. Hiniantarium 551. Hippa 510. Hipparchia 615. Hipparion 923. Hippidae 510. Hippobosca 607. Hippocampus 773. Hippoglossus 776. Hippopodidae 295. Hippopodius 295. Hippopotamus 924. Hippotigris 923. Hippopus 6.50. Hippotragus 930. Hirsche 928. Hirscheber 925. Hirchkäfer 620. Hirtenvogel 861. Hiradinei 427. Hirudo 432. Hirundo 868. Hispa 618. Hister 621. Höi'kerschwan 858. Hokkd 863. Holocephali 768. Holopus 323. Holostomum 356. Holothuria 333. Holothuroidea 331. Holotriclia 240. Holzbiene 630. H.dzbock 539. Hclzfliegen 608. Holztaube 864. Holzwespen 626. Homarus 511. Homoptera (J02. Honigbiene 630. Honigsauger 867. Hoploneniertiui 37. Tetrao 863. Tetraphyllidae 373. Tetraplasten 229. Tetrapneumones 581. Tetrarhynchus 373. Tetrastemma 378. Tetrodon 774. Tettigonia 602. Tettix 590. Textularia 221. Thais 616. Thalasscma 424. Thalassicolla 225. Thalassidroma 859. Thalassina 511. Talassochelys 830. Thaliacea 717. Thamnocnidia 290. Thecidium 702; Thecla 615. Thecodontia 816. Thecosomata 677. Thelyphonus 525. Thereva 608. Theridium 532. Theriodonten 168. Theropoda 817. Thomisus 532. Thoracostraca 492. Thrips 591. Thunfisch 777. Thylacinus 905. Thylacoleo 904. Thymallus 775. Thynnus 777. Thyone 333. Thysanopoda 507. Thysanozoon 348. Thysanura 587. Tichodroma 867. Tiedemamia 677. Tillodonton 167. Tillothcrium 167. Tima 290. Tinea 775. Tinea 613. Tinohyus 925. Tipula 609. Uogistt XIX Tipulariae (JOH. Titanothcriuiii 920. Todtengräbor Q21. Todtenkopf 615. Tcdtenuhr 620. Tölpel S.59. Toraopteris 41 o. Tordalk 859. Tornaria 334. Torpedo 7G9. Tortrix (Schlange) 822. Tortrix (Schiuetter- ling) 613. Totaims 861. Toxodon 917. Toxoglossa 669. Toxopneustes 330. Toxotes 777. Trachelius 240. . Trachinus 777. Tracliyinedusae 290. Trachynenia 290. Trachypterus 778. ' Trachys 620. Tragulus 928. Trappe 861. Trematodes 349. Tremoctopus 689. Triaenophorus 372. Trichechus 948. Trichina 389. Trichocephalus 388. Trichodectes 592. Trichoiles 620. Trichodina 241. Trichoglossus 866. Trichomonas 228. Trichoptera 597. Trichosomum 889. Trichosurus 905. Trichotrachelidac 388. Tricladen 348. Tridacna 650. Trigla 777. Trigona 631. Trigonia 650. Trilobiten 516. Tringa 861. Trionyx 831. Triphaena 614. Tristomum 358. Tritylodon 900. Triton 795. Tritimia ()74. Tritonium 670. Tritoiishörner 670. 'J'rochilium 615. Troehilus 867. Trochus 669. Troctes 592. Troglodytes (Att'e) 954. Troglodytes (Vogel) 869. Trogen 866. Trogus 626. Trombidium 539. Trompetenfisch 778. Trompetenvogel 861. Tropidonotus 822. Tropidurus 814. Tropikvogel 859. Trupial 868. Truxalis 590. Trygon 769. Trypeta 606. Tubicinella 476. Tubicolae 413. Tubicolaria 435. Tubicolidae 649. Tubifex 41§. Tubipora 269. Tubitelae 532. Tubularia 290. Tubulipora 697. Tubuliporidae 697. Tukane 865. Tümmler 912. Tunicata 702. Turbanigel 330. Turbellaria 342. Turbinolia 269. Turbo 669. Turdus 869. Turritella 669. Turtur 864. Tylenchus 392. Tylopoda 928. Typhis 488. Tyi)hlops 821. Typhlosolis 416. Tyroglyphus 537. Uft'rsi)innc 532. riothrix 12. Umbelhila 268. Umbcrfische 777. Umbra 775. Umbrclla (;74. Umbrina..777. Unau 915. Ungulaten 915: Unio 650. Unpaarzcher 917.' Upupa 867. Uranoscupus 777. Urax 863. Uria 860. Uroceridae 626. Urodela 793. Uromastix 814. Uropeltis 822. Ursus 939. Urthiere 215. Utsel 942. Valvata 669. Vampyrella 229. Vampyrus 947. Vanellus 861. Vanessa 615. Varanus 816. Vaucheria 12. Velella 298. Velia 603. Ventriculitiden 257. Venus 651. Veretillum 268. Vermes 336. Vermetus 669. Vermilinguia817,914. Veronicella 673. Vertebrata 722. Vesicularia 697. Vesiculatae 290. Vespa 629. Vespertilio 947. Vesperugo 947. Vexillum 303. Vibrio 242. Viereckskrabben 512. Vioa 256. Vipera 823. Viverra 939. Vögel 831. Vogelspinnen 531. Voluta 669. Volvox 230. Vortex 347. Vorticdla 241. Vultur 871. Wabenkröte 798. Wachtel 863. Wachtelkönig 861. Wal^enfliegen 608. Waldheiniia 702. A\'alfische 910. Waller 775. Walross 943. Walzenspinnen 523. Wanderheuschrecke 590. Wanderratte 936. Wandertaube 864. Wanzen 603. Warneidechsen 816. Warzenschwein 925. Wasserassel 491. Wasserechsen 823. Wasserflöhe 453. Wasserfrösche 798. Wasserhühner 861. Wasserjungfern 594. Wasserläufer 603. Wassermilben .539. Wasserralle 861. Wasserratte 936. "Wassersalamander 795. "Wasserschlangen 823. Wasserscorpione 603. Wasserspinne 532. Wasserwanzen 603. Weber 870. Weberknecht 534. Webspinnen 532. \\'ehrvogel 861. Weichthiere 631. Weinschwärmer 615. Weisslinge 616. Weizenälchen 392. Vv'eizenfliege 606. Wellenpapagei 866. "Welse 775; ^Vendehals 866. 62* XX AYerre 591. Wespe 629. Wickelsohlaugai 822. Wickler 613. Wiedehopf 867. Wiederkäuer 926. Wimperinfusorien 232. Windig 615. Wiukelspinne 532. Wirbelthiere 722. Wirtelschleichen 815. Wisent 931. Wolfspinnen 532. Wombat 906. Wühlmäuse 936. Würfelnatter 822. Würger 868. Würmer 336. Wurfmäuse 936. Wurmschlangen 821. Wunnzüngler 817. Wurzelkrebse 476. Xantho 511. Xenopus 798. Xenos 622. Xiphias 777. Xiphodon 926. Xiphosura 514. Xylocopa 630. Xjlophaga 620. Xylophagus 608. Xylotomae 608. Yak 931. Yponomeuta 613. Zabrus 621. Zahnarme 913. Zahnkarpfen 775. Zahnschnäbler 868. Zahntaube 864. Zahnwale 912. Zamenis 822. Zanclodon 817. Zaunkönig 869. Zebu 931.- Zecken 538. Zerene 614. Zetodon 917. Zeuglodon 912. Zeugobranchia 667. Zeus 777. Zeuzera 615. Ziegenmelker 868. Ziernasen 947. Ziesel 937. Zirpen 602. Zitteraal 774. Zitterrochen 769. Zitterwels 775. Zoantharia 269. Zoanthus 269. Zoarees 778. Zoea 498. Zonurus 815. Zoogloea 242. Zoophyta 244. Zoosporeen 228. Zoothamnium 241. Zuckergast 587. Zünsler 613. Zunge 776. Zungenwürmer 541. Zweiflügler 603. Zwergmaus 936. Zwergmöve 859. Zygaena (Fisch) 769. Zygaena (Schmetter- .ling) 615. Dreck von It. ^MiS^TT^ß^ '^m^mM BäM? r. ämmf '§mwmm i i %f«b ^§Jr2 ^f ^i^ Mif^^^'f^ ■'A: 1 ^'l^. ^m ^:i^ \.i ikM .^'**»4 ^^ > ^•■^■•■^ ?%>.