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Ludwig van Beethoven

VON

Theodor von Frimmel

BERLIN 1901

„HARMONIE« VERLAGSGESELLSCHAFT FÜR LITERATUR UND KUNST

Alle Rechte,

besonders das der Uebersetzung

vorbehalten.

Hl

VORWORT.

Wird die Zahl der Beethovenbiographien durch den vorliegenden Band vermehrt, so bedarf das einer Erklärung; diese soll in wenige Worte zusammen- gefasst werden: es giebt viele grosse und kleine, alte und neue Lebensgeschichten Beethovens, aber keine, die in neuerer Zeit in knapper Zusammenfassung auf Grundlage kritisch gesichteten Materials eine übersichtliche Darstellung geboten hätte. Eine solche Uebersicht soll in dem neuen Buche versucht werden. Ich habe mich bemüht, aus der LJeberfülle des Stoffes das Charakteristische heraus- zufinden, das Wesentliche zusammenzustellen und das Ganze der Form anzu- passen, die durch die bisher veröffentlichte Reihe der „Berühmten Musiker" gegeben war. Wohl darf ich darauf rechnen, dass mir Kenner der Sache zugestehen werden, es sei nach Möglichkeit Neues mitgetheilt und von dem zwar schon Bekannten doch vieles Versteckte ans Licht gezogen worden. Manche Mittheilung wurde mir noch aus dem Munde von Solchen, die Beethoven in ihrer Jugend gekannt haben. Es war noch in den 70er Jahren, als ich mir von Dr. Gerhard v. Breuning, von Aug. Artaria, von C. F. Hirsch die Erzählung ihrer persönlichen Erinnerungen an Beethoven erbat. Später erfuhr ich noch vom greisen Klavierstimmer Weiss in Wien (der als junger Mann in der Streicherschen Klavierfabrik bedienstet war) und von Anderen kleine Züge aus Beethovens Leben, wie mir denn auch mancherlei Ueberlieferungen aus Familien zugänglich waren, in denen Beethoven wohl bekannt war. Einzelnes davon wurde für die Arbeit benutzt. Von dem breiten Wiedererzählen allbekannter alter Geschichten habe ich abgesehen. Die beliebten Histörchen sind meist nur angedeutet. Was leicht zu finden, auch was leicht zu errathen ist, steht einige Male zwischen den Zeilen. Man muss nicht Alles sagen, zumal in einem Buche, das für einen weiten Kreis bestimmt ist.

Gerne wird die Pflicht erfüllt, einigen Persönlichkeiten für freundliche Bei- hülfe wärmstens zu danken. In erster Linie glaube ich Herrn Oberbibliothekar Dr. Alb. Kopf er mann in Berlin verbunden zu sein für die Bereitwilligkeit, womit er die Auswahl der Stellen überwachte, die aus den Beethovenhand-

Schriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin in Facsimile wiedergegeben wurden. Herrn Hofsekretär beim gemeinsamen obersten Rechnungshof Victor Edlen von Marquet in Wien schulde ich vielen Dank für die Benutzung des interessanten Stammbuchblattes von 1822. Herr Baudirektor Julius von Herz in Wien gestattete in zuvorkommender Weise die Faksimilirung seines werth- vollen Beethovenbriefes. Herr Archivar der Wiener Gesellschaft der Musik- freunde, Dr. Eus. Mandyczewski hat die Herstellung des Buches freundlichst gefördert durch die Erlaubniss, einige Bildnisse aus den Sammlungen der Gesell- schaft nachzubilden. Frau Josefine von Breuning, die Witwe Gerhards von Breuning, war so liebenswürdig, mir eine neuerliche Durchsicht ihrer Beethovenschätze und die Nachbildung einiger Stücke daraus zu gestatten. Sehr förderlich war der Arbeit auch das freundliche Entgegenkommen des Herrn Dr. C. V. Schweitzer in Wien-Gneixendorf und des_, Herrn Fr. Nie. Mans- kopf in Frankfurt a. M., aus deren Besitz mehrere Vorlagen für die Illustrationen herstammen. Gar manche kleine Förderungen von anderen Seiten finden im Buche selbst dankende Erwähnung.

Möge meine Hoffnung nicht getäuscht werden, dass die Freunde Beethovens und seiner Muse in dem neuen Buche den eigenartigen Menschen und genialen Künstler mit breiten Zügen gezeichnet und getroffen finden mögen und dass ihnen die neuerliche Vermehrung der Beethoven-Literatur willkommen sei.

Wien, im Oktober 1900.

Der Verfasser.

ine unverwüstliche Poesie spricht aus den grossen Strömen zu uns. Sagenreich ist die Donau, die Elbe, sagenreicher der Rhein. Das Hinabgleiten der Wasser- mengen und wie sich's mischt und staut und wieder hinschiesst, das regt unsere Einbildungskraft an. Wir schwimmen im Geiste von Ort zu Ort an manchem Dörfchen, an mancher Stadt vorüber. Da grüssen Reben- gelände, dort nette Giebel, dort ragen hohe Thürme. Glückliche und Leute, die das Schicksal zertreten hat, wandeln an den Ufern. Dem Kunstbegabten wird das Alles zur Dichtung, zum Vers, zur Melodie, dem Nüchternen drängen sich andere Gedanken auf; Anregung aber wird Jedem aus dem Rauschen der Fluthen.— So rauscht leise flüsternd der Rhein an Bonn vorüber, der Stadt, in der Beethoven das Licht der Welt erblickt hat. Ahnen lässt sich's, wenngleich nicht nachweisen, dass der Rhein ein Faktor ist in der Entwicklung Beethovenschen Geistes. „Beethovens liebten den Rhein", heisst es in einer alten Ueberlieferung. Hervorstechende Züge hatte Beethoven, wie alle Menschen, ererbt. Anderes zog er von den Vorgängern und Zeitgenossen. In manchen Fällen ist der Zu- sammenhang ziemlich leicht zu erweisen, in anderen stehen wir vor unverständ- lichen, losen Thatsachen, an denen vielleicht erst ferne Zukunft innere Ver- bindung erkennen wird. Auch diese losen Daten haben wir heute zu beachten als Bausteine künftigen Verständnisses. Wir haben sie zu sichten, aufzubewahren, selbst w'enn uns die „Causalität" dabei nicht klar ist.

Ludwig van Beethoven ist zu Bonn im Jahre 1770 am 17. Dezember ge- tauft worden. Geboren wurde er vermuthlich einen Tag \'orher. Das Datum der Geburt ist, wie bei vielen anderen Künstlern der Vergangenheit, nicht genau bekannt, wogegen man das Datum der Taufe urkundlich sicher gestellt hat. Jahr und Tag der Geburt Beethovens sind oft unrichtig angegeben worden; war doch der Meister selbst der Meinung, er sei 1772 zur Welt gekommen. Auch das Haus, dem die ersten Blicke des kleinen Ludwig galten, ist unrichtig

angegeben worden. Irrthümer und Fehler reichen bis in die jüngste Literatur herein. Indess obwaltet für den Aufmerksamen auch in Bezug auf das richtige Geburtshaus keinerlei Zweifel. Es ist jenes unscheinbare Gebäude in der Bonn- gasse, in welchem jezt der Verein „Beethovenhaus" seinen Sitz hat. Ein zweites Beethovenhaus wird uns dadurch ehrwürdig, dass die Familie dort lange gewohnt hat. Es ist das Fischersche Haus in der Rheingasse, in welchem der kleine Musikus von Vielen gesehen und beobachtet worden ist. Diesem Hause gebührt die Ehre, der Schauplatz der wichtigsten Jugendentwicklung Beethovens gewesen zu sein, und das auch dann, wenn die Meinung unrichtig ist, dass der Knabe dort geboren wurde. Noch andere Beethovenhäuser in Bonn haben für uns weniger Bedeutung. Es sind jedesmal recht enge Verhältnisse, in die wir blicken. Im Geburtshause bewohnten Beethovens drei niedrige Stuben im ersten Stockwerke des Hinterhauses und dazu noch eine Dachkammer. (Ab- bildung des Hinterhauses nebenstehend.) Keinerlei äusserlicher Glanz umgab die Eltern des Meisters, obwohl man am Nothwendigsten gewöhnlich nicht gerade Mangel litt. So war es freilich nicht von jeher bei Beethovens gewesen. Der Gross vater des Komponisten, Ludwig hiess er, hatte es sogar zu einer gewissen, wenn auch vorübergehenden Wohlhabenheit gebracht. Aus Antwerpen gebürtig, eine Zeit lang als Sänger in Löwen thätig, war er 1731 oder 1732 nach Bonn eingewandert. Nach einer alten Ueberlieferung wäre er nach Bonn berufen worden. Schon 1733 wurde er Hofmusikus beim Kurfürsten Clemens August. Der kräftige Mann „mit äusserst lebhaften Augen und als Künstler vorzüglich geachtet" (so berichtet Wegeier) wusste sein Amt gar wohl auszufüllen und machte seinen Weg, der ihn bis zur ansehnlichen Würde des Hofkapellmeisters leitete. Als solcher starb er etwas mehr als 60 Jahre alt im Jahte 1773. An Herrn Oberbuchhalter der Unionbank Paul Weidinger in Wien ist aus der Familie Beethoven ein lebensgrosses Bildniss des Grossvaters vererbt worden. Es zeigt den behäbigen, wohlgenährten Hofkapellmeister mit einem Notenhefte vor sich. Des Kapellmeisters Sohn Johann, der Vater unseres Beethoven, wusste keine sichere Lebensführung zu finden und verthat mehr, als ihm seine Stellung ein- trug. Zudem war er gleich seiner Mutter, die in ein Kloster gesteckt werden musste, dem Trünke ergeben, von geringer Bildung und einer recht fahrigen Auffassung seiner Pflichten. 1756 war er Tenorist am kurfürstlichen Hofe geworden mit bescheidenem Gehalte. Musikunterricht hat daneben noch kleine Einnahmen zu Stande gebracht. Die Verehelichung im Jahre 1767 mit einer jungen Wittwe Magdalena Keverich, vermählten Laym, war keineswegs dazu angethan, geordnete Vermögensverhältnisse herbeizuführen. Bald stellte sich Kindersegen ein. Das erste vSöhnchen Ludwig Maria kam 1769 angerückt, freilich nur, um nach wenigen Tagen der schnöden Welt wieder Lebewohl zu sagen. Auf diesen Ludwig I. folgte im Dezember 1770, wir wissen es schon, Ludwig IL, der Grosse. 1774 und 1776 kamen noch Caspar (Anton Carl) und (Nicolaus) Johann, die beide das Mannesalter erreichten. In jugendlichem Alter verstarben ein T()chterchen Anna Maria Francisca, die 1779 zur Welt gekommen war, ein Söhnchen August F'ranciscus Georgius, geboren 1781, und wieder ein Töchterchen Maria Margaretha Josepha, geboren 1786. Mit der Anzahl der Köpfe wuchsen die Ausgaben, keineswegs aber die Einnahmen. Man weiss, dass in jener Periode reichlichen Kindersegens ererbtes Gut verpfändet und verkauft wurde. Trotzdem wussten Beethovens jahrelang ihr ererbtes Ansehen nach Thunlichkeit aufrecht zu erhalten. .Sicher hängt es mit den beschränkten Mitteln der Eltern, dem

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unstäten Charakter und der niedrigen Bildungsstufe des \'aters zusammen, dass der kleine Ludwig einen zwar äusserlich strengen, aber nicht eigentlich zweck- mässigen oder planvoll regelmässigen Ihiterricht erhielt. Auch das, was den jungen Leuten aus gebildeten reichen Familien von Hause aus als Schliff' ins Leben mitgegeben wird, blieb dem Heranwachsenden so gut wie fremd und das so sehr, dass er den ALangel an feiner Sitte auch im Mannesalter nicht mehr auszugleichen vermochte. Der Unterricht fürs praktische Leben beschränkte sich aufs Xothwendigste. Dass der Schulunterricht von geringem Erfolg begleitet war, ist mehr- fach bezeugt. Beethoven ist denn auch gelegentlich in reifem Alter mit den Ge- heimnissen des Multiplicirens ins Gedränge gekommen. Im Schreiben behielt er bis in seine späte Zeit Fehler bei, die für seine Briefe geradezu bezeichnend sind. So wurde z. B. die Trennung der Sätze zumeist durch grosse Beistriche besorgt. Die Z schrieb er meist übergross, auch inmitten der Wörter. Dass man Anreden in Briefen mit grossen Anfangsbuchstaben zu versehen pflegte, kümmerte ihn wenig. Vielleicht wars Eigen- sinn, der ihn die Vorschriften des Lehrers in den Wind schlagen Hess. Für uns aber bedeutet all' das eine höchst ausgeprägte Abkehr von allem Aeusserlichen. Wie es scheint, ging schon der Knabe Beethoven vielmehr auf einen bestimmten inneren Gehalt los, als auf glatte Züge. Süsses Phrasengeklingel in geziert sauberer Handschrift dürfte wohl auch der jugendliche Beethoven nicht aus der Hand gegeben haben: der reife Beethoven that es gewiss nie. Was er schrieb, richtete sich stets sofort nach dem Gedanken, der ihm die Feder in die Hand zwang. Er schrieb feste Züge mit höchst eigenartigen Einzelheiten, unter denen die wunderlichen Formen des r, v undw besonders hervorgehoben seien. Ueber den elementaren Unterricht hinaus erlernte der werdende Jüngling noch etw^as Latein und Französisch. Wenn es beglaubigt ist, der Knabe sei hin und wieder so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass er Fragen nicht be- antwortete, so haben wir darin einen neuerlichen Beweis, wie hochgradig und wie früh bei Beethoven das innere Leben, die innere Sammlung entwickelt war. An epileptoide Anfälle ist wohl nicht zu denken, und sollten es solche gewesen sein, so wären sie der künstlerischen Entwicklung sehr wohl be- kommen.

Auch in der Kleidung hielt der Knabe wenig auf Sauberkeit. Die Haus- herrntochter Cäcilia Fischer sagte ihm gelegentlich, wenn er unsauber und gleichgiltig aussah: „wie siehst du wieder so schmutzig aus. Du solltest dich etwas propper halten." Dann sagte er: „Was liegt daran, wenn ich einmal Herr werde, dann wird mir das Keiner mehr ansehen." In der Uniform der kurfürstlichen Musiker hat er gewiss nett genug ausgesehen. Auch war er sicher nicht immer träumerisch oder gar melancholisch. Denn allerlei lustige Jugendstreiche sind von ihm überliefert.

Beettioven's Geburtshaus. Hinterhaus vom Hofe her gesehen.

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Der Unterricht in der Kunst, die ihn gross machen sollte, wurde vom Vater begonnen und nicht ohne Härte fortgeführt, schon zu einer Zeit, als der Kleine noch auf einem Schemel stehen musste, um die Klaviatur zur Hand zu haben. Nach allem, was man von der Sache weiss, scheint es, dass im fünften oder sechsten Lebensjahre mit dem Unterricht begonnen wurde. Zunächst galt er dem Klavier; später wurden auch Geige und Bratsche mit einbezogen. Von Gesangs- unterricht ist nirgends die mindeste Erwähnung zu entdecken, obwohl es gerade in der Sängerfamilie erwartet werden könnte, dass man wieder einen Sänger hätte heranbilden wollen. Es mag sein, dass eine der Kinderkrankheiten, die dem Kehlkopf so verderblich werden können, einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Der väterliche Unterricht dauerte nicht allzulange, was man wohl als Glück für Beethoven's Entwicklung ansehen muss. Denn von pädagogischem Wert konnte er bei der Art des Vaters nicht sein. Dieser hatte, wie Andere, zvv^ar das Talent des Kindes rechtzeitig erkannt, doch war er bestrebt, dasselbe nur ja recht frühe für den Erwerb der Familie auszunützen, demnach so rasch als möglich einen äusserlichen Erfolg zu erzielen. Daher das Bestreben, den kleinen Ludwig als Wunderkind erscheinen und öffentlich auftreten zu lassen. Vater Beethoven gab deshalb sogar das Alter des Knaben unrichtig an. So Hess er im März 1778 den mehr als Siebenjährigen als sein „Söhnchen von sechs Jahren" in einer musikalischen Akademie auftreten, und einige Jahre später wurde wieder ein lügenhaft angegebenes Alter auf eine Widmung gedruckt. Ueber das Ergebnis der erwähnten Akademie, in welcher der Junge „ver- schiedene Klavierkonzerte und Trios" spielen sollte, ist man nicht unterrichtet. Bald danach erhielt er aber einen Musiklehrer in der Person des Tenoristen Tobias Friedrich Pfeiffer, der 1779 nach Bonn gekommen war. Der Unter- richt bei diesem kann nur von episodischer Bedeutung gewesen sein, da Pfeiffer nur ein Jahr in Bonn verweilte. Immerhin scheint Pfeiffer des Knaben Talent zum Improvisiren mächtig angeregt zu haben. Offenbar hat er dem Kleinen auch das Verständniss für die Flöte, das Lieblingsinstrument des 18. Jahr- hunderts, erschlossen. In den Fischerschen Nachrichten aus der Bonner Zeit heisst es: „Pfeiffer blies selten die Flaut . . . Wenn er aber blies und Ludwig variirte dagegen auf dem Klavier, dann hörten auf der Strasse die Leute auf- merksam zu und lobten die schöne Musik." Mit Pfeiffers Flöte wird dann auch Beethovens Jugendwerk, Sonate für Klavier und Flöte, zusammenhängen. Die Flöte ist auch bedacht in einem Trio aus der Bonner Zeit, von dem wir noch hören sollen. Der nahezu zehnjährige Knabe kam, wie es scheint, nachher in die Hände des alten Hoforganisten Van den Eden, der ihm die Behandlung der Orgel und ein gebundenes Spiel mit ruhiger Handhaltung beigebracht haben dürfte, wenn nicht etwa in dieser Beziehung der Franziskanerbruder Willibald (Koch) schon früher den Knaben beeinflusst haben sollte. Als der Junge schon weiter vorgeschritten war, soll er auch durch den Minoriten-Pater Hanzmann im Orgelspiel gefördert worden sein. Von eigentlichem Unterricht war wohl hier nicht die Rede. Bei dem jungen Hofmusikus Franz Rovantini, der mit Beethoven innig befreundet war und gleichfalls im Fischerschen Hause wohnte, dürfte der junge Ludwig aber eine wirkliche Anleitung zum Spiel auf der Geige und Bratsche gefunden haben. Wie lange dieser Unterricht gewährt hat, ist keineswegs genau anzugeben, doch kann man aus dem Lebensgange Rovantinis und Beethovens schliessen, dass es nicht vor 1776 und nicht nach 1781 ge- wesen. Rovantini starb am 9. September 1781. 1757 war er geboren, und

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was der Anhaltspunkte mehr wären. Bald nach seinem Tode unternahm die Mutter Beethoven mit dem kleinen Ludwig eine Art Konzertreise nach Holland, von der musikoeschichtliche Einzelheiten nicht bekannt sind. \'erwandte Rovantinis gaben Anlass zu dieser Reise, die man in den Spätherbst 1781 ver- setzen muss. Was man vor der Sache weiss, lässt immerhin den Schluss zu, dass der angehende Musikus schon damals Leistungen aufzuweisen hatte, die über die Familie hinaus Interesse erwecken konnten. Während der ersten Jahre des musikalischen L^nterrichts hat Beethoven eine tüchtige Fertigkeit auf dem Klavier, einige Uebung auf der Violine und auf der Orgel, damit auch im Lesen bezifferten Basses erworben. Damals zählte der Junge noch nicht elf Jahre, und wenn man ihn nicht gerade mit Wunderkindern, wie etwa Mozart, vergleicht, kann man immerhin von einer frühen Entwicklung sprechen. Hatten doch auch die Centren im Gehirn, die dem musikalischen Hören vorstehen, schon Anregung erhalten, als der Kleine noch in der Wiege lag. Denn, dass bei Beethovens viel musiziert wurde, ist über jeden Zweifel erhaben. Früh regte sich auch das selbständige Schaffen in dem Knaben, z. B. wenn er frei auf der Violine phantasierte. Es mag zur Zeit des Unterrichtes bei Rovantini gewesen sein, als Ludwig vom Vater wiederholt ermahnt wurde, doch lieber nach Noten zu üben, als regellos zu kratzen. Wenn der Knabe aber darauf hinwies, wie schön die Weisen seien, Hess der Vater ihn gewähren, wie das die Fischerschen Ueberlieferungen erzählen. Mit den warmen Pulsen musika- lischen Schaffens und mit den ersten Freuden und Leiden des Autors wurde Beethoven aber erst durch Christian Gottlob Neefe bekannt. Der Unterricht

bei diesem talentvollen, feinfühligen und humanistisch gebildeten Manne, einem Schüler Adam Hillers, dürfte spätestensim Winter 1782/83 begonnen haben, kaum vor dem Tode Van den Edens. Der alte Hoforganist starb im Juni 1782. Neefe, dem ein gewisser Ruf vor- ausging, war im Oktober 1779 als Musik- direktor der Grossman-Helmuthschen Theater- gesellschaft nach Bonn gekommen, doch hat er sicher den Unterricht Beethovens nicht schon damals übernommen, da er doch durch allerlei Reisen (nach Pyrmont, Cassel, später nach Münster undFrankfurta.M.) jedesmal wochenlang von Bonn ferngehalten wurde. Am 15. Februar 1781 hatte er das „Dekret zur Anwartschaft auf die Hoforganistenstelle" erhalten. Nach dem Tode Van den Edens erhielt er die Stelle selbst, obwohl er Protestant war. Auch erhielt er die Erlaubniss, um reisen zu können, seine Stelle durch einen Vikar verwalten zu lassen, und dieser Vikar an der Orgel war schon im Sommer 1782 der junge Ludwig van Beethoven. Ende Juni jenes Jahres hatte Neefe Bonn ver- lassen, im „Herbst" (wie es scheint im Oktober) kehrte er dahin zurück; so erzählt er das in seiner Selbstbiographie. Spätestens damals, als Neefe wieder in Bonn sich einlebte, hat der regelmässige Unterricht Beethovens begonnen. Diese Zeit hatte für die Entwicklung des jungen Künstlers hohe Bedeutung. Der verwachsene, hypochondrische, geistig jedoch höchst bewegliche Neefe, der Jura studiert hatte

Christian Gottlob Neefe.

Vorlage im Besitz der Oeselhchaft der Mustk-

freunde in Viten.

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und ebenso als Komponist, wie als Schriftsteller thätig war, führte den zwölfjährigen Knaben zuerst in die Schatzkammer des „wohltemperirten Klaviers" von Joh. Seb. Bach ein und gab ihm trotz vieler Geschäfte „Anleitung im Generalbass" und in der „Komposition". Am 2. März 1783 schrieb er selbst über seine Schüler für Cramers Magazin der Musik (I 394). Er nennt ihn ein junges Genie und meint: „er würde gewiss ein zweiter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschreite, wie er angefangen." Bald wusste der hoffnungs- volle Junge mit seltener Gewandtheit und Kühnheit zu moduliren, wie aus der bekannten Erzählung hervorgeht, die Wegeier mitgetheilt und Thayer dem Jahre 1785 zugewiesen hat. Beethoven vermochte es damals, den sattelfesten Sänger Heller während der Lamentationen in der Charwoche durch überraschende, un- gewohnte Harmonisirung irre zu machen. Unter Neefes Anleitung komponirte Beethoven Variationen über einen Marsch von Ernst Christoph Dressler, die in Mannheim gestochen wurden, und drei Klaviersonaten, die dem Kurfürsten gewidmet wurden, begleitet von einer langen schwulstigen Vorrede, in der, wie oben angedeutet, das Alter des Knaben um zwei Jahre zu gering angegeben wurde. Diese frühen Werke zeigen den jungen Tonsetzer noch stark im Banne Philipp Emanuel Bachs, mit dessen Werken ihn Neefe bekannt gemacht, ferner unter dem Einflüsse Mozarts und selbst Neefes. Die genannten Meister neben Johann Sebastian Bach, Händel, Clementi und vielleicht auch Jos. Haydn klingen auch später in Beethovens Musik gelegentlich ein wenig an, namentlich in den Werken, die bis gegen 1810 entstanden sind. Ich habe vor Jahren ver- sucht, einige Fäden aufzuzeigen, die von den Vorgängern zu Beethoven herauf- geleiten. Mancher Zusammenhang wird sich wohl auch noch ergeben, wenn man der Reihe nach durchprüft, was Beethoven im kurfürstlichen Orchester zu h(")ren bekommen hat. Da gab es zahlreiche Gretrysche Kompositionen („l'amant jaloux", „i'ami de la maison" und viele andere), Salieris „Lügnerin aus Liebe" u. a. auch Mozarts „Entführung aus dem Serail", „Don Giovanni" und „die Hochzeit des Figaro". Nicht zu übersehen wären Paisiellos „la finta giardiniera" und Dittersdorfs „Doktor und Apotheker". Beethoven hat von den damaligen Neuigkeiten der Bonner Bühne gewiss schon als Knabe Kenntnis erhalten, ja späterhin musste er sogar die unmittelbare Bekanntschaft der auf- geführten Opern und Singspiele machen, da er als Bratschist im Orchester seit 178g thätig war. Auch Neefesche Kompositionen waren zur Aufführung ge- kommen, und zwar in der Saison 1781 auf 82 „Heinrich und Lyda" und „Sophonisbe". Der Anfang der Ouvertüre zu Heinrich und Lyda ist (im Klavier- auszug) folgender:

Es wäre geradewegs sonderbar, wenn Beethoven dieses Werk nicht ge- kannt haben sollte, das doch für Bonn gewiss eine sensationelle Neuigkeit war. Man wird im Gegentheil annehmen dürfen, dass Beethoven, sei es im Theater, sei es ausserhalb desselben, Neefes Heinrich und Lyda, sowie dessen Sophonisbe genau kennen gelernt hat. Und nun erinnere man sich des Anfangs, den Beethoven für das Allegro im Klaviertrio aus Op. 1 in Es-dur gewählt hat, auch an den Anfang der F-moll-Klaviersonate aus Op. 2. Sind derlei Anfänge

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LYDA (bei Betrachtung der Rose) „Mit stinen Händen pflegt er dich" Larshgtto. _ /

auch damals nicht beispielslos gewesen, so liegt es doch gar nahe, einen inneren Zusammenhang gerade mit Neefe anzunehmen. Auch die einseitig chromatische Gegenhewegung, wie sie Beethoven nicht selten, z. B. in der Romanze für Violine und Orchester aus G-dur angewendet hat, dürfte ihm gerade durch Neefe vermittelt worden sein, obwohl sie u. A. auch bei J. Haydn und Mozart vorkommt. In Xeefes Heinrich und Lyda heisst es:

Die entsprechenden Stellen aus der Beethovenschen Romanze sind wohl allen Musikfreunden ge- läufig, die mir auch zu- geben werden, dass sich eine Weiterbildung des Gedankens bei Brahms beobachten

lässt, der im Adagio des Violinkonzertes (Op. 77) wieder auf die einseitig chromatische Gegenbewegung zu sprechen kommt. Täuscht mich mein Ge- dächtniss nicht, so hat auch Chopin die Beethovensche Stelle einmal anklingen lassen, und bei Mendelssohn ist dies der Fall in der Ouvertüre zum Sommer- nachtstraum. Will man das C-dur-Rondo aus der „Blumenlese für Klavierliebhaber" von 1783 als Werk Beethovens gelten lassen, und dem steht nichts im Wege, so hat man dort Andeutungen der einseitig chromatischen Gegenbewegung aus Beethovens Frühzeit zu verzeichnen. Auch sei angedeutet, dass derlei Stimmen- führungen auch im Es-dur-Concert ohne Opuszahl, um 1790 entstanden, und in den beiden ersten grossen Klavierkonzerten an verschiedenen wenn auch nicht an so auffallenden Stellen vorkommen, wie in der erwähnten Romanze. Leicht zu finden ist die einseitig chromatische Gegenbewegung im Rondo der Klavier- sonate Op. 31 No. 1. Sie kommt auch im Ritornell (spanisch No. 14) und in der „Kreutzer-Sonate" vor.

Aus Neefes Sophonisba scheint Beethoven eine gewisse Anregung zu dem Triolenmotiv im Duett des Rocco und der Leonore empfangen zu haben (II. Akt des „Fidelio") wenn anders nicht Joh. Seb. Bach dazu Gevatter gestanden hat (mit einer der Inventionen, die dem jüngeren Künstler sicher be- kannt waren.)

Das Einwirken der Haydn sehen Muse auf Beethoven ist unverkennbar. Vielleicht lässt sich im Allgemeinen sagen, dass die reichgestaltete thematische Arbeit und der Zug zur Einheitlichkeit bei Beethoven hauptsächlich dem \'or- gänger Jos. Haydn zu verdanken sind. Manches Einzelne bleibt noch nach- zuweisen. Diese Angelegenheit ist berührt im III. Bande der „Berühmten Musiker". („Jos. Haydn" von Leopold Schmidt). Wasilewski hat einige Hin- weise gegeben. Haydns Oxford-Symphonie ist ohne Zweifel von Beethoven tief aufgenommen worden. Haydns Adagio der Klaviersonate No. 14 (Ausgabe Lebert) ist für die Beurtheilung von Beethovens Opus 2 No. l von Belang. Auch No. 17. I. .Satz sei des Besonderen genannt, sowie Haydns Streichquartett Op. 77 No. 1.

Mozartspuren sind schon seit lange bei Beethoven nachgewiesen worden. Um bei der Jugendzeit zu bleiben, sei erwähnt, dass der Satz eines in seinen übrigen Teilen unbekannt gebliebenen Klavierkonzertes von Beethoven, der vor etwa 1 2

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Jahren zum Vorschein kam und der um 1790 entstanden sein dürfte, gänzlich unter Mozarts Einfluss steht. Die Spuren des grossen Salzburgers reichen bis in den mittleren Stil des Bonner Meisters. Wie Mozarts Kammermusik, seine Bühnen- kompositionen, Symphonien, Lieder, Sonaten, einschliesslich der Violinsonaten für Beethovens künstlerische Entwicklung bedeutungsvoll waren, ist von zahl- reichen vSchriftstellern mehr oder weniger ausführlich, aber nirgends auch nur annähernd vollständig behandelt worden. Mozarts „Veilchen" klingt nach in Beethovens As-dur Sonate Op. 26, die auch gar deutlich auf Mozarts Andante aus dem Es-dur Klavierkonzert hinweist. Die sogenannte Champagnersonate für Violine Op. 30 No. 3 enthält einen deutlichen Anklang an eine Mozartsche Violinsonate, und so könnte man lange fortfahren. Um 1786 schuf der junge Künstler jenes Trio für Klavier, Flöte und Fagott, auf das oben aus Anlass der Pfeifferschen Flöte angespielt wurde. Die erste Seite dieses frühen Werkes wird umstehend im Faksimile nachgebildet. Die ganze Komposition ist im Er- gänzungsbande der Leipziger Gesammtausgabe als No. 294 abgedruckt. Die Handschrift wurde (nach Thayer) aus Beethovens Nachlass um 20 Kreuzer (!) verkauft. Das interessante Werk klingt noch stark an Mozart an.

Mit Mozart kam der Jüngling Beethoven in persönliche Berührung. Be- greiflicher Weise hatte sich in dem rasch aufstrebenden jungen Klavierspieler der Wunsch geregt, den Gn'issten zu sehen und zu hören, der damals die Tasten beherrschte, das war Mozart in Wien. Dahin reiste Beethoven im Frühling 1787. Dass er einigen Unterricht bei Aiozart genossen hat, steht ausser Zweifel. Auch weiss man, dass Mozart über die Leistungen des jungen Bonners geradezu überrascht war und ihn prophetisch der Aufmerksamkeit seiner Freunde empfahl. Nicht allzu klar ist die Frage, ob er Mozarts Klavierspiel selbst gehört hat. Er klagte, dass ihm der ältere Meister beim Unterricht nicht vorgespielt habe. Doch scheint es immerhin, dass er anderwärts ihn spielen gehört hat. Auch lässt sich annehmen, dass er mit Kozeluch und dessen Schule, ver- muthlich auch mit der blinden Therese Paradis bekannt geworden. Wohl hat er auch das Wunderkind Hummel gesehen, wohl auch den kleinen Scheikel und Andere. Man weiss wenig Sicheres über diesen Aufenthalt Beethovens in Wien. Vielleicht hat der junge Virtuos einmal vor dem Kaiser (Joseph II.) ge- spielt. Aus einer späteren Aeusserung des Künstlers wollte man darauf schliessen. Beethoven hatte mit der erwähnten Reise nach Wien wenig Glück. Er erhielt Nachricht von der schweren Erkrankung der Mutter, brach seine Studien in Wien ab und eilte über Augsburg nach Hause zurück. Zwar traf er seine Mutter noch lebend an, aber „in den elendesten Gesundheitszuständen", wie er selbst damals einem Bekannten (Schaden) nach Augsburg schrieb. Die guie abgehärmte Frau starb am 17. Juli 1787. Ihr Ableben versetzte den Sohn in einen Zustand tiefer Trauer und Melancholie. Kein Wunder! Die Mutter war ihm eine liebe Freundin gewesen, und er vertraute ihr. Dann hatten sich die materiellen Verhältnisse der Familie während der wochenlangen Krankheit der Hausmutter wesentlich verschlimmert und Vater Beethoven hatte um Vorschuss bei Hofe bitten müssen. Ludwig war auf der Rückreise von Wien in Geld- verlegenheit gerathen. Zu Hause die zwei halbwüchsigen Knaben Caspar Carl und Johann sowie die kleine Maria, die damals noch in der Wiege lag, alle, wie man annehmen darf, stark vernachlässigt. Fehlte doch die mütterliche Fürsorge. Das war also ein bitteres Zusammentreffen von Umständen, recht wohl ge- eignet, den gefühh'ollen jungen Mann zu verstimmen.

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Einer alten Ueberlieferung zufolge wurde in der Zeit nach dem Ableben der Mutter Beethoven eine Haushälterin aufgenommen. Caspar Carl sollte Musiker werden. Bruder Johann kam als Lehrling in die Bonner Hofapotheke. Ferdinand Ries, der Freund des Hauses, hat in jener schweren Zeit mit Rath und That ausgeholfen.

W. A. Mozart nach Tischbein.

Aus Max Kulbecli's ^Opern-Abende", Studien zur Geschichte und Kritik der Oper. 2 illustr. Bände.

(Verlag der Harmonie.)

Für Ludwig ergab sich bald die Möglichkeit, sich wieder aufzurichten; er hatte Halt an seiner Kunst, seinem Beruf und, wie man weiss, auch an etlichen Freunden und Bekannten. Ungefähr 1785/86 war er ins Haus der Witwe von Breuning gekommen, wo er der Tochter Eleonore und dem jüngsten Sohne Lenz Musikunterricht zu ertheilen hatte. Stephan von Breuning, der zweit- jüngste der Söhne, war Beethovens besonderer Freund. Steffen, so wurde er in der Familie genannt, war im August 1774 geboren. F. G. Wegeier, der den

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brachte Nacht". Hessen, man

Schattenriss des jungen Beethoven.

(Nach der Lithof/raplue in den

Biographischen Notizen von Wegeier

und Ries.)

jungen Beethoven seit 1782 kannte, verkehrte ebenfalls in jener Familie, die sich nun wohl alle Mühe gab, den betrübten Musikus aus seiner Trauer zu reissen. Denn Beethoven war dort wie das Kind im Hause gehalten und er ver- dort „nicht nur den grössten Theil des Tages, sondern selbst manche Als ungefähr 1786 die Mitglieder der Familie ihre Schattenrisse schneiden wurde auch Beethoven herangezogen, und diesem Umstände verdankt das nebenstehend abgebildete Profil, eines der wichtigsten Bildnisse des Künstlers. Unsere Einbildungskraft färbt es und belebt es als das rothbraune blutreiche von dunkelstem Haar umrahmte Gesicht eines „störrischen, unfreundlichen" Jungen von kaum 16 Jahren.

Um jene Zeit ist Beethoven auch mit dem Grafen Ferdinand E. G. Waldstein bekannt geworden. Nach Thayers Ermittelungen dürfte es 1787 gewesen sein, ver- muthlich bald nach der Rückkehr des jungen Virtuosen aus Wien. VValdstein war eine Art Ideal von Kunstfreund. Er erkannte das ungewöhnliche Talent Beethovens und förderte es ohne aufdringlich zu sein. Zunächst scheint Beethoven durch ihn einen guten Flügel zum Geschenk erhalten zu haben. Als Vater Johann van Beethoven seine Stimme verloren hatte und seinen Dienst verlassen musste, ja sogar mit der „Verbannung auf ein kurkölnisches Landstädtchen" bedroht wurde, dürfte Waldheims Einfluss den Sohn Ludwig gehalten und ihm zu einer bedeutenden Gehaltsaufbesserung verholfen haben, beziehungs- weise dazu, dass ihm der halbe Gehalt des nahezu unzurechnungsfähigen Vaters eingehändigt wurde. Ludwig hatte ja schon damals für seine Geschwister zu sorgen. Wegeier spricht vom Einfluss des Grafen beim Kurfürsten Maximilian Franz. Die wichtigste Förderung, die Beethoven durch Waldstein erfahren hat, ist aber die, dass der junge Komponist neuerlich nach Wien geschickt wurde, um bei Jos. Haydn eine gründliche Ausbildung zu erhalten.

Bis zu jener neuerlichen Reise nach Wien haben wir uns den Heranwachsenden als pflichteifrigen Organisten und Violin- spieler vorzustellen, der aber jede Gelegenheit benutzte, ausser Dienst seinen musikalischen Gedanken nachzuhängen und sie zu Papier zu bringen, wenn auch nicht sie alle auszuarbeiten. Zum musikalischen Schaffen mag es oft genug ungestörte Gelegenheit gegeben haben, da der Kurfürst nicht selten verreist war. Musik- unterricht wurde ertheilt, wenn auch ungern, z. B. beim Grafen Westphal, wo vielleicht ein etwas steifer Ton herrschte, dem der junge Tonkünstler gesellschaftlich nicht gewachsen war. Im Uebrigen dürfte Alles, was gesellschaftliche Verpflichtung heisst, leicht zu erfüllen gewesen sein. Denn mit dem Grafen Waldstein, der Beethoven selbst besuchte, mit Breunings, mit der I-'amilie Romberg, mit Ries, Reicha, Wegeier, bei Koch und Anderen war der Verkehr ganz ungezwungen, wohl auch bei Neefe. Wegeier, der Arzt wurde, ist später durch Herausgabe wichtiger Nachrichten über Beethoven weithin bekannt geworden. Die Vettern Romberg, Andreas und Bernhard, errangen sich durch ihre künstlerischen Leistungen einen bedeutenden Ruf, der noch heute unvergessen ist. Rombergs haben in den neunziger Jahren, als

Bildnis des kleinen Stephan vonBreuning. (Nach einer Miniatur G. t. Küyelgen's aus dem Jahr» J788. Original bei Frau Josephine von Breuning in Wieti.

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Beethoven längst aus Bonn fortgezogen war, ihn in Wien besucht, wo der X'erkehr der alten Bekannten erneuert wurde. Andreas Romberg starb vor Beethoven, schon i8lm, Bernhard überlebte ihn. Er starb 1841. (Ihre Bildnisse werden anbei gegeben.) Von Ries, der gleich Wegeier bedeutsame Mittheilungen über Beethoven veröffentlicht hat, hören wir noch. Dass jung Beethoven einige Male recht tüchtig verliebt war, (Jeanette d'Honrat wird als eine der Angebeteten genannt) mag hier Erwähnung tinden. Neefe hat dem Jüngling ohne Zweifel Manches von der neuen Literatur zugeschoben. Die Namen Goethe und Schiller waren dem jungen Manne schon damals bekannt ge- worden. \'on den grossen Ereignissen in Frankreich musste er allerw'ärts erfahren. Die revolutionären Ideen, die seit 1789 herüber- kamen, die Nachricht von der Erstürmung der Bastille, von der Flucht des Königs und von all den weltbewegenden Ereignissen, die sich damals nur so drängten und nicht allzu fern vom Niederrhein abspielten, mögen Beethoven lebhaft ergriffen und zum Nachdenken über Menschenrechte und Gewaltherrschaften an- geregt haben. Ueberhaupt waren es die Jahre um 1800, die Beethoven im Kampf ums Dasein aufs Eigene gestellt und geistig ausgereift haben, wie er denn damals auch sein körper- liches Wachsthum im Wesentlichen abge- schlossen hat; es scheint nach glücklicher Ueberstehung der gewöhnlichen Kinder- krankheiten, aber nach minder glattem Verlauf einer Erkrankung an den Pocken, die in seinem Antlitz bleibende Spuren zurückgelassen haben. Die auffallende Ungleichheit der beiden Kinnhälften ist offenbar durch eine tiefgreifende Pockennarbe bedingt.

Nur in künstlerischer Beziehung war noch Alles im Gähren und Werden. Was in Bonn fertig geworden neben und nach den Kompositionen, die schon oben Erwähnung gefunden haben, hätte ja gewiss genügt, um. dem Schöpfer ein Plätzchen im Parnass zu erobern ; da aber noch so viel Besseres, Eigen- artigeres, Grandioseres nachgekommen ist, ver- schwinden die Bonner Werke fast neben den späteren musikalischen Thaten, obwohl der Werke aus der Bonner Zeit, wie man heute sieht, ziemlich viele sind: Quartette, Trios, Lieder, Präludien, eine Fuge, zwei Kantaten auf den Tod Josephs II. und auf Leopold IL, endlich ein Ritterballet. Diese Kompositionen, alle von kunstgeschichtlichem Interesse, sind zumeist im Ergänzungsbande zur Leipziger Gesammtausgabe

Andreas Romberg.

Vorlage aus Nerrn Fr. Xic. Manskopf's musik- historischem Museum in Frankfurt a, M.

Bernhard Romberg

Vorlage aus Herrn Fr. Ntc. Manskopf's musik- historischem Museum in Frankfurt a. M.

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gedruckt. Beethoven hat in Bonn überdies Manches skizzirt, das erst nach Jahren wieder hervorgeholt und dann fertiggestellt wurde.

Ein musikalisches Ereigniss jener Zeit waren zwei Besuche Jos. Haydns in Bonn gegen Ende 1791 und im Juli 1792, das ist also vor und nach dem ersten Aufenthalte Haydns in England. Joh. Peter Salomon, ein Bonner Kind (aus der Bonngasse, wie Beethoven) hatte in England sein Glück gemacht. Wie man weiss, war er es, der Haydn bewogen hat, nach England zu reisen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Salomon auch mit im Spiele war, als Beethoven 1792 dem berühmten Altmeister vorgestellt wurde und ihm eine seiner Arbeiten zeigen durfte. Bei Haydns erstem Besuche in Bonn scheint übrigens Beethoven nicht unter den Auserwählten gewesen zu sein, die zu einer improvisirten Festtafel zu Ehren Haydns herangezogen wurden. Haydn anerkannte das ungewöhnliche Talent des jungen Beethoven. Damals mögen die ersten Gedanken Beethovens an eine eigene Reise nach England sich gebildet haben. Späterhin treten derlei Pläne von Zeit zu Zeit immer wieder hervor, ohne aber jemals zur That werden zu können.

Auf Beethovens künstlerisches Bewusstsein hatte ohne Zweifel schon vor Ha\'dns Besuch sehr hebend eine heitere Fahrt eingewirkt, die er mit dem vor* züglichsten Theile des kurfürstlichen Orchesters im vSommer 1791 zu Schiff den Rhein und Main aufwärts mitgemacht hat. Der Kurfürst Max Franz, der als Sohn Maria Theresiens und Bruder Josephs IL vom Wiener Hofe nicht nur Heiterkeit und Aufklärung sondern auch leidenschaftliche Musikliebe nach Bonn mitgebracht hatte, wollte während seines Aufenthaltes in Mergentheim die ge- wohnte musikalische Anregung nicht missen. Daher die Reise der Orchester- mitglieder im Gefolge des Fürsten. Auf dem Schiffe der Musiker war für Fr()hlichkeit gesorgt. Denn der Komiker und Sänger Lux hatte dort die Königs- würde inne. Beethoven war Anfangs Küchenjunge, später der Träger einer scherzhaft diplomirten höheren Würde. In Aschaffenburg wurde er bei dem berühmten Klavierspieler Sterkel eingeführt, dessen feinere Behandlung des Instrumentes er sofort nachzuahmen wusste und den er durch seine freie Phantasie höchlich in Erstaunen setzte. Liebevolle Bewunderung wurde ihm durch den Kaplan Junker in Mergentheim zu Theil, vor dem er auf dem Flügel phantasirte. Beethovens Bescheidenheit bei all diesen Erfolgen ist bemerkens- werth. Auch sei erwähnt, dass die mehr als zwanzig Musiker in friedlicher Eintracht beisammen waren. Man denke! So war es wohl auch noch auf der Heimreise stromabwärts. Die Stimmung mag die zuversichtlichste gewesen sein, denn der Kurfürst hatte dem Orchester die namhafte Belohnung von lOOO Thalern reichen lassen. Beethoven ahnte damals nicht, dass er vom Vater Rhein und seinen Liedern und von vielen der fröhlichen Reisegenossen bald für immer Abschied nehmen würde. Ein Jahr später stand er schon vor der Ab- reise nach Wien. Oft hat er in reifem Alter der frohen Jugendtage am Rhein gedacht, so, als er am Septett gegen 1800 komponirte und das Thema wählte:

das einem rheinischen Volks- liede „ach Schiffer, lieber Schiffer" ^ entspricht; so gedachte er der Heimath, als er 1801 an Freund Wegeier schrieb: „Mein Vaterland ist mir noch immer so schön und deutlich vor Augen, als da ich Euch verliess", sicher schweiften seine Gedanken nach den Bonner Jahren zurück, als er für den Grafen Waldstein seine C-dur-Sonate komponirte; später freute er sich

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„bönnische" Laute zu vernehmen, als Besuch aus der Vaterstadt bei ihm war, und noch 1825 lässt er sich dem jüngeren Ries gegenüber vernehmen: „Leben Sie wohl in den mir ewig lieben Rheingegenden."

Beethoven zog in die Ferne. Der Rhein aber rauscht weiter. Er ist, wenn mans nicht allzu genau nimmt, der Alte geblieben. Denen, die zu lauschen verstehen, erzählt er noch heute von seinem grossen Kinde Beethoven.

Die ersten Jahre in Wien.

^i^^^^»M^^i' nfangs November 1792 fuhr Beethoven wohl in einem altväterlichen Postwagen durch eines der Wiener .Stadtthore ein, die schmalen dunklen Strassen entlang, vermuthlich zunächst zur Hauptpost, um sich von dort in eines der „Einkehrwirthshäuser" zu begeben, deren Wien schon damals ziemlich viele, wenngleich keine vorzüglichen besass. Beethoven wird sich sobald als möglich umgesehen haben, ob seit 1787 noch Alles auf dem rechten Flecke stehe, und wie er seine Bekannten vom ersten Aufenthalt in Wien wiederfinden könne. Die Läden der Kunsthändler mit den Musikalien, die dort ge- wöhnlich feilgeboten wurden, haben ihn gewiss lebhaft gefesselt. Vielleicht war er bei Artaria schon heimisch von seinen ersten Wiener Tagen her. Jos. Eder, sowie Hofmeister & Cie. mussten ihm auffallen. Sich nach dem Stephansplatz begebend, konnte er bemerken, dass dort gegen den „Stock-im-Eisen" und vor dem „Riesen- thor" der Stephanskirche in jüngster Zeit freier Platz geschaffen worden war. In der Herrengasse war eben der langgestreckte neue Liechtensteinsche Palast fertig geworden, auffallend durch reichen Schmuck der Fa9ade. Das sonstige Stadt- bild mit seinen alten Kirchen, mit den alten Palästen z. B. der Kinsky, Lobkowitz und mit dem neuen Palais des Grafen Fries (von 1783), mit den Basteien, Stadtgräben und Brücken und dem weitläufigen „Glacis" war noch ziemlich ebenso geartet, wie es 1787 gewesen, und was der Beobachtungen, die Beethoven zu machen hatte, mehr wären. Wenn er in der Hauptstrasse der Vorstadt „Landstrasse" an dem Hause vorübergekommen sein sollte, wo er 1787 bei Mozart Unterricht erhalten hatte, so wird er des Meisters nicht ohne Wehmuth gedacht haben. Denn Mozart war nicht mehr. Noch kein volles Jahr war verstrichen, seitdem der Musikgewaltige noch als junger Mann dahin- gegangen. (Das war seit dem 5. Dezember 1791). Freudig und erwartungsvoll aber mochte dem kraftstrotzenden, feurigen jungen Beethoven das Herz geklopft iiaben, als er an Ha^^dns Thür pochte im Hause No. 992 auf der „Wasserkunst-

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bastei". Der erste Gang zu Haydn musste doch dem jungen Musiker von besonderer Wichtigkeit sein. Das hängt nun so zusammen.

Der frühere Aufenthalt Beethovens in Wien, wir haben davon gehcnt, hatte ein vorschnelles Ende genommen. Die höhere Ausbildung, die Beethoven anstrebte, war in Bonn nicht zu erreichen. Jedenfalls drängte deshalb Graf Waldstein, dass der Wissensdurstige nochmals zu Mozart nach Wien reise. Da starb dieser unerwartet. Bald darauf kam Haydn auf der Durchreise zweimal

Jos. Haydn (1794) nach dem Gemälde von G. Dance. Aus der int Verluije der ^Harmonie- erschienenen Saydn- Biographic von Leopold Schmid'.

durch Bonn. Bei seinem zweiten Aufenthalt dort ist es ohne Zweifel unter den Mächtigen abgemacht worden, dass Beethoven die Vollendung des Unterrichtes durch Haydn empfangen müsse. Graf Waldstein dürfte der Anreger gewesen sein; der Kurfürst und Haydn scheinen freundlich zugestimmt zu haben, und Beethoven konnte mit der Abmachung zufrieden sein, auch in äusserlicher Be- ziehung. Denn er blieb trotz seiner Abwesenheit von Bonn kurfürstlicher be- soldeter Hoforganist und hatte überdies Aussicht auf eine beträchtliche Zulage. So musste denn Anfangs die Zukunft dem jungen Künstler überaus günstig erscheinen. \'on Frankreich her näherte sich aber Unheil; kriegerische Unruhe

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kam immer dichter an den Rhein heran und bedrohte die Existenz des Kur- fürstenthums immer ernster. Man kennt die grossen Ereignisse seit dem Herbst 1792 und namentlich die Feldzüge am Rhein und Main. Beethovens Reise von Bonn nach Wien ist nicht ganz unberührt davon geblieben, da sie durch die beun- ruhigten Gegenden führte. Man liest in einem Notizbuch Beethovens von jener Reise: „einen kleinen thaler" „Trinkgeld, weil der Kerl uns mit Gefahr Prügel zu be- kommen mitten durch die hessische Armee führte und wie ein Teufel fuhr". Viel bedeutsamer aber waren die Kriegsereignisse für den Kurfürsten, der wiederholt aus Bonn flüchten musste, schliesslich ganz um seine Würde kam und 1800 nach Wien zurückkehrte. (Er starb 1801 in Hetzendorf bei Wien; am 27. Juli 1756 war er geboren). Die immer drohender werdenden Wirren Hessen schon gegen Ende von 1792 den Kurfürsten an bedeutende Ein- schränkungen in seinem Hofstaat denken. Daher erhielt Beethoven statt zuge- sagter 100 Dukaten höchstens 25, eine Summe, die im Herbst 1792 in seinem Tagebuche als Einnahme verzeichnet steht. Aus demselben Tagebuche ent- nimmt man, dass es unmittelbar nach der Ankunft in Wien vielerlei Ausgaben zu bestreiten gab. Ein Klavier musste doch rasch gemiethet werden. Die Kleidung erforderte wesentliche Erneuerung, bedingt durch die Grossstadt und durch den nahenden Winter. Auch fühlte Beethoven wohl ein wenig den Mangel an Schliff, und desshalb wird Verbindung mit einem Tanzmeister an- gestrebt, dessen Adresse im Tagebuch notirt erscheint. Darin liest man auch folgende Zeilen, die gegen Ende 1792 niedergeschrieben sein mögen: „Alle Nothwendigkeiten, z. B. Kleidung, Leinwand, alles ist auf. In Bonn verliess ich mich darauf, ich würde hier 100 Dukaten empfangen, aber umsonst. Ich muss mich völlig neu equipiren." Johann van Beethoven war am 18. Dezember 1792 verstorben, ein Ereigniss, an das sich wohl neue Auslagen geknüpft haben. So mag es denn ym Neujahr 1793 etwas schmal zugegangen sein. Erst im Februar 1793 erhielt Beethoven sein Vierteljahresgehalt. Darauf richtet er ein devotes Schreiben an den Kurfürsten in Geldangelegenheiten. Thayer und Deiters haben die Finanzen des jungen Beethoven genau überprüft und theilen mit, dass Beethovens Gehalt zwar bis zum März 1794 fortlief, dass aber späterhin keinerlei Unterstützung oder Bezahlung von Seiten des Kurfürsten nachweisbar ist. Bis dahin aber hatte Beethoven in Wien schon einigermassen Fuss gefasst, obwohl man ihm auch von mancher Seite merklich entgegen- arbeitete, und so gings denn wieder weiter.

Der Unterricht bei Haydn begann vermuthlich schon 1792 und scheint Anfangs für Lehrer und Schüler von Interesse gewesen zu sein. Hatte doch Haydn von dem neuen Kunstjünger einen sehr günstigen Eindruck empfangen. Der LInterricht geschah hauptsächlich nach einem Auszug aus dem Joh. Jos. Fuxschen „gradus ad Parnassum". Beethoven bezahlte den Lehrer, wie es scheint, mit 8 Groschen für die Lektion; auch scheint er ihm Kaffee oder Chokolade vorgesetzt zu haben. Doch bei alledem waren die Lorbeeren, die der 60jährige auf seiner Londoner Reise kurz vorher eingeheimst, wohl ehei geeignet, den Eifer im Lehren erschlaffen zu lassen, als ihn sonderlich zu steigern. Seine Aufmerksamkeit war ja zudem durch die beabsichtigte zweite Reise nach London in Anspruch genommen. So Hess denn der grosse Lehr- meister manche offene Quint, offene Oktave, manchen Ouerstand in Beethovens Aufgaben unverbessert, obwohl er an anderen Stellen auf Reinheit des Satzes drang. Die Lässigkeit, mit der Haydn bei der Sache war, konnte nicht lange

verborgen bleiben. Der Komponist Job. Schenck machte Beethoven auf die unverbesserten Fehler aufmerksam und übernahm unentgeltlich und insgeheim den Unterricht, bis Haydn im Januar 1794 abreiste. (Nach Otto Jahns, Se}^- frieds und Schindlers Angaben, die auf Schencks Mittheilungen zurückgehen.) Zu einem offenen Bruch mit Haydn ist es nicht gekommen, doch sank der Alte eine Zeit lang in der Werthschätzung des Jungen. Beethoven Hess sichs nicht merken und besuchte den einflussreichen Haydn nach wie vor, der ihn im Sommer nach Eisenstadt zu Esterhazy brachte (Thayer I, 262 und II, 410 ff). Des früheren Lehrers Neefe hat Beethoven zu jener Zeit dankbar gedacht. Er scheint ihm von gemachten Fortschritten geschrieben zu haben, denn Neefe be- richtete davon in Spaziers Berliner Alusikzeitung vom Oktober 1793, ^^o auch eine Stelle aus Beethovens Schreiben an Neefe mitgetheilt wird: „Ich danke Ihnen für Ihren Rath, den Sie mir sehr oft bei dem Weiterkommen in meiner göttlichen Kunst ertheilten. Werde ich einst ein grosser Mann, so haben auch Sie Theil daran . . ." Obwohl dem jungen Künstler damals schon eine Ahnung von grosser Zukunft aufdämmerte, und obwohl er gelegentlich nicht ohne .Selbstbewusstsein auftrat, befleissigte er sich zunächst dennoch, einstweilen recht bescheiden den Schüler zu spielen. Vielleicht durch Haydn empfohlen, wandte sich der Lernbegierige nach der Abreise des berühmten Altmeisters an Albrechtsberger, um theoretische Studien fortzusetzen. (Anbei Albrechtsberger's Bildnis.) Daneben scheint er auch seine allgemeine Bildung etwas erweitert zu haben durch Unterricht bei .Schuppanzigh dem Vater, der Professor an einer Mittelschule war. Oder war Beethoven selbst Lehrer des jungen Schuppanzigh (geboren 1776) in irgend einem musikalischen Fache.^ Beachtenswerth ist für alle Fälle die Tagebuchnotiz aus jener Zeit: „Schuppanzigh dreimal die W(oche)" in unmittel- barer Nachbarschaft der Aufschreibung: „Albrechts- berger dreimal die W(oche)". Der gewissenhafte Lehrer und Theoretiker Albrechtsberger nahm mit dem gelegentlich eigensinnigen Beethoven die Lehre vom einfachen und doppelten Kontrapunkt durch. Die Formen des Kanon und der Fuge wurden eingeübt und zwar in mannigfacher Weise und viel gründlicher, als etwa früher in Bonn bei Neefe. Doch lässt sich wohl erkennen, dass der Unterricht nicht bis zu einer sicheren Be- herrschung der Fugenform geführt hat, wie sie von den grossen Alten, wie Bach und Händel ausgebildet worden war. Beethoven spürte, dass

die Zeit eine andere geworden und dass mit dem Breittreten dessen, was Andere schon längst viel besser geleistet haben, für die Kunst nichts gewonnen wird. Der Unterricht bei Albrechtsberger dauerte nach Nottebohms Ermittlung etwa bis Mai 1795. Beethoven war unter jenen Schülern, an denen Albrechtsberger „wahre Freude erlebte", wie der Lehrer später selbst niedergeschrieben hat.

Wenngleich nicht in regelmässigen Stunden, so doch mit zeitweiliger Aufmerksamkeit hat Beethoven auch zwischen 1793 und 1802 die werthvollen Unterweisungen Antonio .Salieris genossen, wodurch er in die italienische Ge-

G. .albrechtsberger.

Vorlage aus Herrn Fr. Xic. Manskopf's .Vusik- liistorisdiini Museuin in Frankfurt a. M.

Sangskomposition eingeführt wurde, besser deklamiren lernte und genöthigt war, sich ins Italienische ein wenig einzuarbeiten. Salieris Rath ist wohl auch späterhin noch eingeholt worden, etwa bis 1809. (Nebenstehend Salieris Bildnis.) Beethoven war in Wien sehr lebhaft bemüht, gesangsmässig schreiben zu lernen. Ich kenne ein Autograph Beethovens, aus welchem hervorgeht, dass sich der Komponist nicht nur über den Umfang der einzelnen Stimmgattungen (das ge- hört ja zu den gewöhnlichsten Kenntnissen des Musikers) sondern auch über die einzelnen Register unterrichtete. Salieri dürfte ihn auf derlei Dinge auf- merksam gemacht haben.

In jene Periode besonderer Schätzung gesanglicher Kunst fällt wohl auch Beethovens Versuch, „wöchentlich eine kleine Singmusik" bei sich einzubürgern. Viel später, 1 809, deutet er in einem Briefe diesen \'ersuch als längst vergangen und aufgegeben an.

So sehen wir den werdenden Meister eifrig.st bemüht, sein Können mehr und mehr zu steigern, zu verfeinern. In Bonn hatte es noch an sauberer

Durchbildung gefehlt. Die Kompositionen der Frühzeit haben noch wenig Reiz in der Stimm- führung, sie sind schwach in der Polyphonie. X'ieles ist hölzern, altvaterisch, angelernt. Das Eigene, Neue, künstlerisch Freie kam erst zum\'or- schein, nachdem Beethoven bei tüchtigen Lehrern die Ausdrucksmittel angelegentlich studiert hatte. Dann war's aber auch ein Erfolg. Das Klavier- konzert von 1795 (als Op. 15 erst 1801 ver- r)ffentlicht), die Klaviersonaten von 1796 (Op. 2), die Adelaide, die Cellosonaten (Op.5), dieKeglevich- Sonate (Op. 7;, die drei Brovvn-Sonaten (Op. 10), die Salierisonaten für Klavier und Violine (Op. 12) und was man sonst an bedeutenden Werken jener Jahre nennen mag, sind formvollendete Kunstwerke, die sich den Bonner Arbeiten gegenüber als eine weit h()here Stufe der Entwickelung herausstellen, auch wenn einige vielleicht schon in Bonn ent-

Antonio Salieri.

Vorlage aus Herrn Fr. Xic. Manskopfs Mnsikkislorischem Gedanken daZU Museum in Frankfurt a. M.

standen sein sollten. Beethoven hat in Wien (1795) insofern mit seiner musikalischen \'ergangenheit gebrochen, als er dort mit Op. l zu veröffentlichen anfing, und die früher gedruckten Arbeiten unterdrückte. Fürst Karl Lichnowsky Stack hinter der Publikation dieses denkwürdigen Opus 1. Seiner Freigebigkeit, nicht dem Vertrauen der X'erleger (Artaria & Cie.) auf Beethovens Zukunft verdankt man es, dass die drei Trios für Klavier, Violine und Violoncell gestochen worden sind. Sie sind diesem Fürsten gewidmet, der ohne Beethovens Vorwissen das Honorar durch die Verleger an den Komponisten gelangen Hess (Nohl II, 59). Die Veröffentlichung geschah auf Subskription. Aus der Liste der Unterzeichner lernt man die Namen der vielen hochgestellten Persönlichkeiten kennen, die um jene Zeit an Beethoven Antheil nahmen. Mehrere verpflichteten sich zum Ankauf vieler Exemplare. Karl Lichnowsky nahm 20, seine Gemahlin, eine geborene Komtesse Thun, 3, Graf Moritz Lichnowsky 2, Graf Apponyi bezog 6 Exemplare, Fürst Nikolaus Esterhazy 3, Graf ( 'zei'nin, Komtesse Fries und \iele Andere je 2. (Thayer II, 4i4ff.).

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Sangskomposition eingeführt wurde, besser deklamiren lernte und genöthigt war, sich ins Italienische ein wenig einzuarbeiten. Salieris Rath ist wohl auch späterhin noch eingeholt worden, etwa bis 1809. (Nebenstehend Salieris Bildnis.) Beethoven war in Wien sehr lebhaft bemüht, gesangsmässig schreiben zu lernen. Ich kenne ein Autograph Beethovens, aus welchem her\-orgeht, dass sich der Komponist nicht nur über den Umfang der einzelnen Stimmgattungen (das ge- hört ja zu den gewöhnlichsten Kenntnissen des Musikers) sondern auch über die einzelnen Register unterrichtete. Salieri dürfte ihn auf derlei Dinge auf- merksam gemacht haben.

In jene Periode besonderer Schätzung gesanglicher Kunst fällt wohl auch Beethovens Versuch, „wöchentlich eine kleine Singmusik" bei sich einzubürgern. Viel später, 1 809, deutet er in einem Briefe diesen Versuch als längst vergangen und aufgegeben an.

So sehen wir den werdenden Meister eifrigst bemüht, sein Können mehr und mehr zu steigern, zu verfeinern. In Bonn hatte es noch an sauberer

Durchbildung gefehlt. Die Kompositionen der Frühzeit haben noch wenig Reiz in der Stimm- führung, sie sind schwach in der Polyphonie. Vieles ist hölzern, altvaterisch, angelernt. Das Eigene, Neue, künstlerisch Freie kam erst zum Vor- schein, nachdem Beethoven bei tüchtigen Lehrern die Ausdrucksmittel angelegentlich studiert hatte. Dann war's aber auch ein Erfolg. Das Klavier- konzert von 1795 (als Op. 15 erst 1801 ver- öffentlicht), die Klaviersonaten von 1796 (Op. 2), die Adelaide, die Cellosonaten (Op.5), die Keglevich- Sonate (Op. 7), die drei Brovvn-Sonaten (Op. 10), die Salierisonaten für Klavier und Violine (Op. 12) und was man sonst an bedeutenden Werken jener Jahre nennen mag, sind formvollendete Kunstwerke, die sich den Bonner Arbeiten gegenüber als eine weit h(")here Stufe der Entwickelung herausstellen, auch wenn einige dazu vielleicht schon in Bonn ent-

Antonio Salieri.

Vorlage aus Herrn Fr. Xic. Mariskopf's Musiklasiorischeiii Gedanken MuseuiH in Frankfurt a. M.

Standen sein sollten. Beethoven hat in Wien (1795) insofern mit seiner musikalischen Vergangenheit gebrochen, als er dort mit Op. 1 zu veröffentlichen anfing, und die früher gedruckten Arbeiten unterdrückte. Fürst Karl Lichnowsky Stack hinter der Publikation dieses denkwürdigen Opus 1. Seiner Freigebigkeit, nicht dem Vertrauen der Verleger (Artaria & Cie.) auf Beethovens Zukunft verdankt man es, dass die drei Trios für Klavier, Violine und Violoncell gestochen worden sind. Sie sind diesem Fürsten gewidmet, der ohne Beethovens Vorwissen das Honorar durch die Verleger an den Komponisten gelangen Hess (Nohl II, 59). Die Veröffentlichung geschah auf Subskription. Aus der Liste der Unterzeichner lernt man die Namen der vielen hochgestellten Persönlichkeiten kennen, die um jene Zeit an Beethoven Antheil nahmen. Mehrere verpflichteten sich zum Ankauf vieler Exemplare. Karl Lichnowsky nahm 20, seine Gemahlin, eine geborene Komtesse Thun, 3, Graf Moritz Lichnowsky 2, Graf Apponyi bezog 6 l'Lxemplare, Fürst Nikolaus Esterhazy 3, Graf Czernin, Komtesse Fries und \'iele Andere je 2. (Thayer II, 4i4ff.).

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Bei den Klaviersonaten, die als Op. J im Jahre 1796 erschienen sind, scheint die \'erlagshandlung schon mit grcisserer Zux'ersicht ins Treffen gezogen zu sein. Es ist nichts davon bekannt, dass diesmal irgendwelche Gönner mitgeholfen hätten. Man rechnete wohl schon mit dem stets wachsenden Namen des Autors und mit der Widmung an Jos. Haydn. Beethoven dürfte ein sauberes Exemplar mit einigen freundlichen und dankbaren Worten persönlich nach Gumpendorf hinausgetragen haben, wo Haydn sich 1793 ein kleines Haus gekauft hatte, dem er während seiner zweiten Reise nach London ein Stockwerk hatte auf- setzen lassen. Diese Oertlichkeit, abgebildet in Leopold Schmidt's Haydn- Biographie gewinnt also auch für Beethoven's Leben einiges Interesse.

Mit den ersten Wiener Veröffentlichungen sehen wir den schaffenden Ton- künstler in stetigem Aufsteigen begriffen. Die belangreichen Erfolge der ersten Wiener Zeit hatten sich aber nicht so sehr an die Kompositionen Beethovens, als vielmehr an sein eigenartig kühnes Klavier spiel ge- knüpft, durch das er zuerst in zahlreichen einflussreichen Privatkreisen, dann wiederholt in (öffentlichen Konzerten Staunen und Bewunderung hervorrief. Vor der grossen Wiener Oeffentlichkeit spielte Beethoven zuerst 1795. Die Ankündigung des Konzertes war Folgende: „Sonntags den 29. und Montags den 30. März 1795 wird die hiesige Tonkünstlergesellschaft im k. k. National -Hof- Theater zum V^ortheil ihrer Wittwen und Waisen eine grosse musikalische Akademie in zwe^^ Abtheilungen zu gebendie Ehre haben." Die 2. Nummer der l. Abtheilung war „ein neues Konzert auf dem Piano-Forte, gespielt von dem Meister Herrn Ludwig von Beethoven und von seiner Erfindung". Die übrigen Nummern stammten von Cartellieri, der bei aller Tüchtigkeit meines Wissens kein ungestümer Neuerer war. Um so mehr musste Beethovens Leistung hervorstechen. Wie rasch hatte man ihn zum „Meister" gemacht. ImWiener Künstler- lexikon von 1793 kommt sein Name noch gar nicht vor, und nun 1795 spielt er schon in grossen Akademien. Denn auch in der von Haydn gegebenen grossen Akademie im Dezember jenes Jahres spielte er ein Konzert eigener Komposition, das ja sicher dasselbe war, wie das in derNovember-Akademie, nämlich das grosse C-dur-Konzert, das später als Op. 15 veröffentlicht wurde. Bald daraufging Beethoven auf Konzert- reisen, vermuthlich aber erst, nachdem er im Konzert der Signora Maria Bolla am 8. Januar 1796 in Wien wieder öffentlich gespielt hatte. Ich möchte die zwei Reisen, von denen Thaj'er spricht, nämlich eine angebliche 1795 vor dem Konzert der Bolla und eine nachweisbare nach demselben, in eine einzige zusammenziehen und annehmen, dass Beethoven erst 1796 von Wien abreiste, um in Prag, Nürnberg (kaum auch in Dresden und Leipzig) und in Berlin zu konzertiren. In Prag verweilte er einige Zeit, sicher nicht ohne sein Klavier- spiel glänzen zu lassen. In Berlin wurde er mit Fasch, Zelter, Himmel, Duport und vielen Anderen bekannt, unter denen König Friedrich Wilhelm II. und Prinz Louis Ferdinand wohl die wichtigsten Persönlichkeiten waren. Beethoven spielte mehrmals bei Hof, wo er auch frei phantasirte. In der Singakademie hatte er gleichfalls Gelegenheit, sein Stegreifspiel zu entfalten und die Zuhörer damit zu rühren. Im Zusammenhang mit dieser Konzertreise steht es, wenn Beethoven später beim Prinzen Louis Ferdinand, als dieser in Wien war, zur Tafel g. laden wurde, und dass Beethoven dem Könige (von dem er eine goldene Dose erhalten hatte) die zwei Cellosonaten Op. 5 widmete, die er in Berlin komponirt und bei Hofe mit Duport vor dem Könige gespielt hatte. Eine klei:.e Szene mit Himmel, die sich nach Kalischers \'ermuthung im alten

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Jagorschen Lokal Unter den Linden zugetragen haben dürfte, ist oft nacherzählt worden. Als Himmel frei phantasirte und schon was Rechtes geleistet zu haben wähnte, sagte Beethoven: „Nun, wann fangen Sie denn einmal ordentlich an?" (Wem kommen dabei nicht ähnliche ironische Bemerkungen des Meisters Brahms in den Sinn!).

Wir sind indes in der Zeit vorausgeeilt, ohne uns um den Wiener Bekanntenkreis Beethovens viel bekümmert zu haben. Und da giebt es viel nachzuholen. Welche Bekanntschaften Beethoven noch von 1787 fortzusetzen hatte, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. 1792 dürfte er vom Grafen Wald- stein Empfehlungsbriefe für einige einflussreiche Persönlichkeiten mitbekommen haben. Die Fischhoffsche Handschrift bezeichnet den Baron Van Swieten als den ersten Gönner, den Beethoven in Wien gefunden. Es war der vielseitige Kunstfreund Gerhard Van Swieten, der Sohn des berühmten Leibarztes der Kaiserin Maria Theresia, bei dem Beethoven nicht selten bis spät in die Nacht vorspielte, mit Vorliebe Joh. Seb. Bachsche Präludien und Fugen. Ob Van Swieten ein freigebiger Mäcen, oder ob Beethoven der Gebende war, ist unklar. Vielleicht hat sich der Baron in der Geldverlegenheit von 1792 freundlich erwiesen. Bald jedoch fandBeethoven Unterstützung und künstlerische Förderung durch den Fürsten Karl Lichnowski und besonders durch dessen Gattin Christiane, eine geborene Grätin Thun. Auch Graf Moritze Lichnowski wurde Beethovens Freund. Eine Zeitlang wohnte Beethoven, wie zu beachten ist, als Gast im Lichnowskischen Hause (Wegeier und Ries S. 28). Jeden Freitag hatte er dort Gelegenheit, das treffliche Streich- quartett: Schuppanzigh, Sina, Weiss und Kraft zu hören. Auch im Kreise der russischen Botschaft verkehrte Beethoven, vermuthlich schon damals beim Gesandten selbst, dem Fürsten Andreas Kyrillowics Razumowski, gewiss aber sehr früh beim Botschaftssekretär

von Klüpfell, wo er auch mit dem Hofbeamten Nicolaus Zmeskall von Domanowetz zusammentraf, der ihm ein ergebener treuer P>eund fürs ganze Leben werden sollte. Vom Oktober 1794 bis Mitte 1796 war Freund Wegeier in Wien. In den Kreis des hohen Adels eingeführt, musste Beethoven natürlich der Reihe nach alle adeligen Musikfreunde kennen lernen. Die Widmungen der Werke, die Beethoven in jenem ersten Wiener Jahrzehnt veröffentlichte, geben dafür bestimmte Fingerzeige. Die Szene und Arie „Ah! perfido" (1796 komponirt) ist der Gräfin Clary gewidmet. Eine Dedikation an die Gräfin Browne, geborene von Vietinghoff, wurde schon oben angedeutet, desgleichen eine an die Komtesse Babette Keglevich. Eine Widmung an den Fürsten Schwarzenberg, eine an die Gräfin Thun sind noch hervorzuheben.

Obwohl man weiss, wie manche Wiener Klavierspieler dem einge- wanderten Rheinländer, der in jeder Beziehung eine ihnen fremde Sprache redete, sich aber trotzdem rasch des Bodens bemächtigte, ganz und gar nicht hold waren.

Bildniss Zelter's aus der im \'erlage der „Harmonie" erschieneneit

Weber-ßiographie von Gehrmann.

Vorlüge aus Herrn Fr. Xic. Mtinskopfs Mtistkhiüorischem

Museum Frankfurt a. M.

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Erste Seite aus Beethovens Handschrift des Trios für Klavier, Flöte und Fagott.

(Vorlage im Besitz der Königl. Bibliothek zu Berlin.)

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lässt sich begreifen, dass sich der damals noch meistens gesundheitstrotzende an Gedanken überreiche, von den eintlussreichsten Musikern und Musikfreunden hoch- geschätzte junge Mann in jener Periode seines Lebens recht wohl fühlte. Seine Briefe legen davon nicht selten Zeugniss ab. Besonders die erfolgreiche Konzertreise des Jahres I7g(-) scheint Beethovens Stimmung mächtig gehoben zu haben. Aus Prag schrieb er am 19. Februar 1796 an seinen Bruder Johann (der kurz vorher aus Bonn nach Wien gezogen war und in der Apotheke nahe beim Kärntner Thor Beschäftigung gefunden hatte): . . Fürs Erste gehts mir gut, recht gut. Meine Kunst erwirbt mir Freunde und Achtung. Was will ich mehr. Auch Geld werde ich diesmal ziemlich bekommen . ." Und im Mai

1797 heisst es wieder in einem Briefchen an Wegeier: „Mir geht's gut und ich kann sagen immer besser". Frische Heiterkeit beherrschte damals den Meister. Will man damit nichts Anderes geben, als eine ganz allgemeine Charakteristik der Stimmung, so darf man wohl sagen, dass diese Frische und Heiterkeit auch aus Beethovens Kompositionen um 1797 herausklingt, z. B. aus dem Quintett Op. 16, dessen Klavierpart vom Meister selbst Anfangs April 1798 öffentlich gespielt wurde, ferner aus den Klaviersonaten Op. 10, aus den Variationen Op. 66 und nicht zuletzt aus dem Klavierkonzert in B (Op. 19), das Beethoven

1798 in Prag \'ortrug. Dies Alles, um nur Andeutungen zu machen. Damals bildete sich Beethoven eine Art Stil, den man seinen mittleren nennen könnte, oder besser noch den zweiten Jugendstil. Denn noch 1799, also noch in Beetho\'ens mittlerer Lebensperiode, tritt mit der Sonate pathetique eine neue tiefere Auffassung hervor, die freilich nicht sofort beibehalten wird, die aber deutlich genug einen Fortschritt ausspricht und eine Stimmungsänderung. Melancholische Themen unterbrechen seitdem die fröhliche Laune der Kompo- sitionen nicht selten. Der Trauermarsch aus der As-dur-Sonate Op. 26 (der allerdings auch eine bestimmte äusserliche Veranlassung hatte) der erste und letzte Satz der Cis-moll-Sonate (Op. 27, No. 1) gehören hierher. Zufall ist es ja nicht, dass sich die alten Minores unvermerkt in Trauermärsche v^erwandeln in den Prometheusvariationen Op. 35, in den Variationen Op. 34, in der Eroica. Schatten ziehen über Beethovens F'ühlen hinweg, erst durchsichtig, unbestimmt, dann dichter, aufdringlicher. Gespensterartig schleicht sich die Sorge um den Fortbestand guten Gehörs heran; sie macht immer länger währende Be- suche; sie setzt sich endlich fest, so fest, dass an ein Entrinnen nicht mehr zu denken ist. Was immer auszuführen ist, muss nun in Gesellschaft von Leiden und Ungemach geschehen. Wir erfahren noch von diesen Sorgen. Vorher sei aber ein Blick geworfen auf andere Schatten, die vorübergehend über Beethovens Sein hinwegzogen. Es waren die Schatten, die von der Liebe unzertrennlich sind, wenigstens bei leidenschaftlichen Naturen, wie Beethoven eine war. Nach dem übereinstimmenden Zeugniss vierer Jugendfreunde war Beethoven verliebter Natur. Bei Wegelerr heist es: Beethoven war „nie ohne eine Liebe und meistens von ihr in hohem Grade ergriffen". Ein Ueberblick über das Leben des Künstlers lehrt daneben, dass die Leidenschaft stets rasch wieder ver- raucht war und dass sie den Eifer des Schaffens kaum jemals ernstlich unter- brechen konnte. Man hat Beethovens Liebesangelegenheiten zu sehr nach dem Paradigma Goethe abgehandelt, das hier übel angewendet ist. Zur Zeit Beethovens war das Wertherthum so ziemlich in ganz Europa überwunden. Goethe, obwohl den Tonmeister überlebend, gehört doch einer früheren Generation an. Auch die ganze Abstammung, Jugend, Umgebung und Er-

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Ziehung war bei Beiden eine grundverschiedene. Daher haben sie sich auch streng genommen nie verstanden, wie sich das später zeigen sollte, als sie in den böhmischen Bädern persönlich zusammentrafen. Beethovens vielleicht etwas plumpe aber warme echte Begeisterung wurde von Goethe kühl und welt- männisch abgelehnt, und Beethovens Musik war für Goethe unnahbar. Ueber das Niveau Zelter oder Reichardt ist der Dichter mit seinem musikalischen Ver- ständniss niemals hinaufgekommen. Beethoven dagegen hat in seinem Leben und Lieben nie auch nur annähernd jene Poesie erreicht, die dem grossen Goethe bis in sein hohes Alter treu blieb. Darf man den unvergleichlichen Dichter einen Lebenskünstler nennen, so war Beethoven daneben ein Pfuscher. Beethoven also, wie Thayer vor vielen Jahren in Wien noch von Zeitgenossen des Komponisten erfahren, wie er es in seinem Beethovenbuche angedeutet und mir brieflich sehr deutlich mitgetheilt hat, war in Liebesangelegenheit durch- schnittlich gar nicht poetisch oder sentimental. ;f,^ Als Kind des Josephinischen Zeitalters näherte

er sich auch in der Auffassung der Liebe einer gewissen Aeusserlichkeit; jedoch nicht immer. Ungefähr in der Zeit, bei welcher wir nun an- gelangt sind, schrieb Beethoven an eine nicht genannte Dame einen leidenschaftlichen Brief, der darauf schliessen lässt, dass der Künstler damals tiefer als sonst ergriffen war. Das dreitheilige Schreiben ist bekannt unter dem Namen des Briefes „An die unsterbliche Geliebte" und hat zu weitläufigen Streitigkeiten Anlass gegeben. Das berühmte Schriftstück, über das im Anhange Näheres zu finden ist, ist mit Bleistift auf ge- schöpftes Papier geschrieben, wie es um 1800 (mit weiten Grenzen) in Wien oft benutzt worden ist. Der Bogen ist zweimal gefaltet, so dass Octavseiten gebildet werden. Auf den ersten Seiten Vorlage misHt^rn Fr. Nie. iiaHskopfsMmimstorischem [gt die Schrift vcrhältnissmässig Sorgfältig. Denn

Museum in Frankfurt a. M. a> o o

Beethoven war der Meinung, dass er bis zum nächsten Posttage noch reichlich Müsse habe. Die letzten zwei Seiten sind flüchtig geschrieben, da Beethoven inzwischen erfahren hatte, „dass die Post alle Tage abgeht". Das nebenstehende Facsimile bildet den Schluss des Briefes nach. Der Schluss lautet folgendermassen: „leben mein Alles leb wohl o liebe mich fort verken(ne) nie das treuste Herz deines Geliebten 1 ewig dein ewig Mein ewig unss". Schindler nennt irrthümlicher Weise aber mit Bestimmtheit die Komtesse Giulietta Guicciardi als die Adressatin; Thayer gab sich alle Mühe, die Komtesse Therese Brunsvik als die Persön- lichkeit hinzustellen, der die Leidenschaft galt. Die nebenstehende Abbildung giebt die Züge der jungen Dame wieder, die ja ohne Zweifel von Beethoven geliebt war und ihm einige Zuneigung schenkte, die aber durchaus nicht die „unsterbliche Geliebte" zu sein brauchte. Nimmt man es genau, so stellt es sich als ebenso möglich heraus, dass der Brief an eine dritte Dame gerichtet war, deren Name sich eben nicht feststellen lässt. Nach der Schrift zu urtheilen, fällt der Brief an die unsterbliche Geliebte sehr frühe, vermuthlich früher, als die Be- ziehungen zur Guicciardi und Brunsvik nachzuweisen sind. Erwägungen, die

Beethoven, »ach der Zeichnunsr von G. Stainhausei".

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Facsimüe: Aus dem Briefe an die „unsterbliche Geliebte".

(Original im Besitz der Königl. Bibliothek zu Berlin).

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aus der unxoUständigen Datirung des Schriftstückes sich ergeben, weisen auf das Jahr 1795. Man könnte Magdalena Willmann, die Scängerin, die ganz jung aus Bonn nach Wien gekommen war, für die „unsterbliche Geliebte" nehmen. Denn man weiss (durch Thayer), dass Beethovens Neigung zu diesem reizenden Mcädchen ungewöhnlich tief gegangen war und dass ihr der Komponist einen Heirathsantrag gemacht hat. Indess will ich die strittige Frage damit nicht als beantwortet hinstellen.

Die seelischen Schmerzen, die dem jungen Meister durch die Liebe wurden, milderten sich mit den Jahren, dagegen steigerte sich die bange Ahnung von künftiger Taubheit nach und nach bis zur vollen Gewissheit, dass gerade jener Sinn, der hauptsächlich dem Leben und Schaffen Beethovens Ziel und Richtung gab,

unheilbar krank war. Anfangs, zwischen ungefähr 1796 und 1802 war es nur ein „Sausen und Brausen", das Beethoven im Ohr zu vernehmen glaubte. Starke Schalleindrücke, wie überlautes Sprechen, berührten ihn unange- nehm. Im Juni 1801 klagt er über diese Hyperästhesie und über andere Leiden brieflich seinem F'reunde Wegeier, der nun wieder nach Bonn zurückgekehrt war: „Mein Gehör ist seit drei Jahren immer schwächer geworden." „Meine Ohren, die sausen und brausen Tag und Nacht fort; ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu, seit zwei Jahren fast meide ich alle Gesellschaften, weil's mir nicht möglich ist, den Leuten zu sagen: ich bin taub; hätte ich irgend ein anderes Fach, so ging's noch eher, aber in meinem Fach ist das ein schreck- licher Zustand; dabei meine Feinde, deren Zahl nicht geringe ist." Im Theater musste sich der Bemitleidenswerthe „ganz dicht" an's Orchester anlehnen, um die Schauspieler zu verstehen. „Die hohen Töne von Instrumenten, Sing- stimmen, wenn ich etwas weit weg bin, höre ich nicht." Die Krankheit sass irgendwo im inneren Ohre oder in den Leitungen zum Gehirn, nicht aber im Klangfeld des Gehirns selbst. Dieser innerste Sitz alles Hörens, der das Klang- bewusstsein vermittelt, sowie die motorischen Bahnen, die von dort nach Aussen führen, blieben gesund. Das lässt sich mit Bestimmtheit annehmen, weil Beethoven in seinem künstlerischen Schaffen schon seit 1796 zurückgehen und dasselbe späterhin bei Eintritt der vollen Taubheit ganz hätte aufgeben müssen, wenn die Krankheit in der Gehirnrinde ihren Sitz gehabt hätte. Im November 1801 schreibt er dem Freunde, dass zwar das Sausen und Brausen etwas nachgelassen hätte, aber bezüglich der Hörschärfe meint er, es sei noch schlechter geworden. Und es ging auch späterhin immer schlechter und schlechter, bis etwa nach

Komtesse Thcrcsc Brunsvik.

(.Yacli dem GeiiiäUle von Lanipi im Beeilt dts Vereins ^Detthovenhuiif in Bonn )

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zwanzig Jahren völlige Taubheit eintrat und weder Hörrohre, noch Schall- trichter, noch irgendwelche Medikamente Linderung schaffen konnten. Anbei finden sich die Vorrichtungen abgebildet, die Beethoven benutzt hat, um die mangelnde Hörschärfe zu ersetzen. Auch sei eines grossen Schalldeckels gedacht, den er sich in späteren Jahren an einem seiner Claviere hatte anbringen lassen. Neben dem Gehörleiden zeigten sich schon um 1794, als Wegeier eine Zeit lang in Wien studirte, quälende Zustände im Bereich der Verdauung, die sich allerdings anfangs und Jahre lang durch Bäder und Arzneien niederhalten Hessen, die aber nach und nach jenen Zustand herbeiführten, dem Beethovens Körper schliesslich erlegen ist. Eine Andeutung dieser Dinge lässt sich nicht umgehen, sonst bleibt es uns unverständlich, woher schon im Jahre 1802 ein so unzweideutiger Ausdruck bittersten Schmerzes hätte kommen können, wie er in dem allbekannten „Heiligenstädter Testament" vorliegt. Den Sommer jenes Jahres hatte Beethoven auf dem Lande zugebracht, um sein Gehör zu stärken. Eine Badeanstalt zu Heiligenstadt bei Wien war gewählt worden. Als es Herbst wurde und die welken Blätter fielen, sah der Kranke, dass

wieder Alles vergebens war. Da sank ihm der Muth. Im Oktober übermannte ihn mehr- mals Traurigkeit, und er griff zur Feder und schrieb: „Für meine Brüder Carl und . . . nach meinem Tode zu lesen und zu vollziehen " ... So nehme ich denn Abschied von dir . . . geliebte Hoffnung . . . O Vorsehung lass einmal einen reinen Tag der Freude mir erscheinen so lange schon ist der wahren Freude inniger Widerhall mir fremd o wann o wann o Gottheit kann ich im Tempel der Natur und der Menschen ihn wieder fühlen Nie? nein o es wäre zu hart." Dies war der Schluss des ziemlich langen ^ät ^SF^^^Bfe,"" Schriftstückes, das in ungewöhnlich gemüth-

^^^^^^ vollen und leidenschaftlichen Ausdrücken von

dem „heillosen Zustand" schlechten Gehörs spricht, der seit 6 Jahren sich stets verschlimmert hat. Er ruft die Menschen an, sie mögen ihm nicht Unrecht thun und ihn nicht für feind- selig, störrisch oder misanthropisch halten, wenn er sich absonderte und einsam blieb. Nur sein schwaches Gehör sei daran Schuld; er höre nicht, wie Andere, wenn aus der Ferne ^eine Flöte oder der Gesang eines Hirten herüberklang: „solche Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, es fehlte wenig, und ich endigte selbst mein Leben nur sie, die Kunst, sie hielt mich zurück. Ach es dünkte mir unm(>glich, die Welt eher zu verlassen, bis ich das Alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte, und so fristete ich dieses elende Leben ..." Dann bittet er, dass Professor Schmidt (es ist der musikliebende Arzt Dr. J. A. Schmidt in Wien) seine Krankengeschichte schreibe. Zu Erben setzte er seine Brüder ein, wobei übrigens der Name Johanns ausgelassen erscheint; nur Carl ist genannt, dem er insbesondere für seine Anhänglichkeit dankt. Er ermahnt die Brüder zur Tugend. Die „Instrumente von Fürst Lichnowski" mögen, so ordnete

Beethoven's Hörapparate.

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er an, bei einem der Brüder verwahrt, im Falle der Uneinigkeit aber verkauft werden. (^Beethoven's spätere Testamente werden in einem Anhange mit- getheilt. Unsere Abbildung zeigt die Züge Beethovens ungefähr in jener Zeit, als das Heiligenstädter Testament entstanden ist.)

Die ..Instrumente" beziehungsweise das Streichquartett, das Beethoven vom Fürsten Karl Lichnowsky zum Geschenk bekommen hatte, führen uns wieder aus der Welt des Schmerzes zurück in eine Welt künstlerischer Freude, grossartigen Schaffens, sie führen uns auch in der Zeit um einige Jahre zurück, als Missmut

noch nicht die Oberhand gewonnen hatte. Und zwar knüpfen wir an jene brieflichen Aeusserungen im Jahre 1796 an, die ein durchschnittliches Wohl- befinden Beethovens deutlich aussprechen. Da- mals wurde er im Musiziren noch nicht empfindlich durch seine Gehörschwäche gestört. Noch spielte er wiederholt öffentlich: 1796 in einer Romberg- schen Akademie, dann bei verschiedenen Ge- legenheiten 1797. Noch führte er 1798 frische Wettkämpfe mit dem fingergewaltigen Wölffl auf. 1798 spielte er auch in Prag und Wien be- wunderungswürdig vor dem Publikum. 1800 gab er eine eigene Akademie. Beim Grafen Fries wurde der schwindelhafte Klaviervirtuos Steibelt niedergespielt. In Bezug auf schöpferische Kraft gehören ferner die Jahre um l8oo zu den er- giebigsten im Leben des Künstlers. Sonaten verschiedener Art, Variationswerke, Quartette, das Quintett Op. 16, das Septett Op. 20, die charakteristische Musik zu Prometheus, dem Viganoschen Ballet, das Oratorium „Christus am Oelberge", die ersten zwei S^-mphonien, zahlreiche Tänze und kleine Gelegenheitskompositionen sind damals entstanden. Keine kleine Reihe! Das Larghetto der zweiten Symphonie allein (diese wurde im Sommer 1802 vollendet)

Larghetto

Bildniss Beethovens aus dem Jahre 1802.

(Xach Hornemann's Miniatur im Uesite der Frau von Breuning in 'Wien)

würde uns diese Schaffensperiode ergiebig erscheinen lassen.

Was die äusserlichen Umstände betrifft, hatte Beethoven in jenen Jahren sicher nicht zu klagen. Er war „en vogue" und verdiente viel, vermuthlich auch durch Klavierunterricht und sicher durch seine Tonwerke. Eine Zeit- lang scheint Graf Browne sein Gönner gewesen zu sein, der ihm auch ein Reitpferd schenkte. Dann tritt wieder Fürst Lichnowsky als freigebiger Mäcen in den Vordergrund, indem er dem Meister ein Jahresgehalt von 600 fl. aussetzte. Viele Freunde schätzten ihn. Sogar Tomaschek in Prag, der gegen Beethovens Musik wiederholt geeifert und später einmal die Meinung geäussert hat, wenn Beethoven bei ihm gelernt hätte, wäre etwas Anderes aus ihm geworden, selbst Tomaschek lässt ihn als ersten Klavierspieler der Zeit gelten. Ein Kreis von

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Musikern bildet sich um das stürmische Genie. Das Schuppanzighsche Quartett gehörte dazu. Der Violinspieler Amen da, auf kurze Zeit 1798 und 1799 in Wien, wurde Beethovens bester Freund, dem er sein Liebesleid klagte, dem er später 1801 sein beginnendes Gehörleiden brieflich mitgetheilt hat, dem das Quartett No. 1 aus Op. 18 in reinlicher Abschrift und mit herzlicher eigenhändiger Widmung auf die Reise mitgegeben wurde. Zmeskall bewährte sich als an- hänglich und aufopfernd. Der Genosse jugendlichen Frohmuths Steffen von Breuning war nunmehr in Wien. J. N. Hummel trat dem Meister damals näher. Der junge Ferdinand Ries, der Sohn P'ranzens, welcher der Bonner Musikergruppe angehört hatte, wird seit dem Herbst der Schützling und .Schüler Beethovens, der viel bei ihm verkehrte. (Die Bilder Hummels und Ferdinand Ries' finden sich nebenstehend. Freilich sind sie erst später entstanden, als gegen Ende des Jahrhunderts, das uns eben beschäftigt.) Der Violinspieler Wenzel Krumpholz war ihm lieb geworden und förderte seine Fertigkeit auf der Geige. Der Verkehr mit Brunsvicks, dem Grafen Franz Brunsvick und dessen Schwester Comtesse Therese hatte schon früher begonnen. Auch die Comtesse Giulietta Guicciardi

(von ihr war oben die Rede, da sie als Beethovens „unsterbliche Geliebte" gegolten hat) tritt um jene Zeit auf die Bildfläche. So war denn reichlich dafür gesorgt, dass dem hie und da leidenden und medicinirenden Meister keine Müsse übrig blieb, über seine körperlichen Leiden zu grübeln. Erst der schwindende ruhig und in Zurückgezogenheit verbrachte Sommer in Heiligenstadt führte zu einer Krisis des Seelenlebens, von der wir schon gehört haben. Heute weiss jeder Beethoven-Freund um den Ausbruch der Verzweiflung, den der Meister im Oktober niederschrieb. Vor Beethovens Zeitgenossen blieb die Angelegenheit verborgen und sogar Ries, der so oft beim Meister in Heiligenstadt aus- und eingegangen war, hatte keine Ahnung von dem Inhalt des Testaments, das Beethoven bei sich ver- siegelt aufbewahrte. Und doch bedeutet es einen Vi^endepunkt im inneren Menschen. Seine Heiterkeit, die späterhin oft genug noch zum Ausbruch kam, hat fortan den Charakter des Galgenhumors. Beethoven ist nun- mehr darauf gefasst, nie mehr in seinem Leben voll und ganz zu hören. Nicht Musik,, nicht liebevolle Stimmen wird er mehr ohne Dämpfung vernehmen. Kein zärtliches- Flüstern mehr, kein zartes Piano. Zeitweise, wie 1802 in Heiligenstadt, Hess er die Hoffnung gänzlich sinken; dann veranlasste ihn wieder die Zähigkeit seiner Natur und das Zusprechen der Freunde, die ja doch bald einer nach dem anderen die zunehmende Schwerh<")rigkeit bemerken mussten, gelegentlich bei Aerzten Hilfe zu suchen. Die ungeheure Kraft, die in dem Manne steckte, überwand die gedrückte Stimmung bald, und schon aus dem Herbst 1802 sind allerlei Anzeichen zeitweiliger guter Laune erhalten, z. B. in den Zuschriften an Freund Zmeskall, den „Musikgrafen", den „Baron Dreckfahrer" oder wie immer

J. N. Hummel.

Vorluge aus Herrn Fr. Nie. Mannkopf's Musikhisiorisclurn Museum in Frankfurt u. M.

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Beethinen den Guten nannte, der die Bedeutung der Beethovenschen Muse schon früh erkannt hatte (Thayer II, 197 f.").

Gewissermassen ein Ausdruck des heldenhaften Kampfes gegen Ungemach und Krankheit ist die Sinfonia eroica, die bald nach dem Maximum der Depression zu einem Maximum gesunder Spannung emporführte. Diese Sym- phonie hängt äusserlich (wie die inneren Fäden verlaufen, wissen wir ja nicht) mit den Zeitereignissen zusammen. Ohne jeden Zweifel hat Beethoven lebhaften Antheil genommen an dem kühnen Vordringen des jungen Bonaparte. 1796, als sich an vielen Orten angesichts des siegreichen Vordringens Napoleons Freiwilligenkorps bildeten, dichtete Friedlberg einen „Abschiedsgesang", den Beethoven komponirte. Bald darauf 1797 setzte er auch Friedlbergs Gedicht „Ein grosses deutsches Volk sind wir" in Musik. Ob er wohl mit ganzem Herzen bei diesen antinapoleonischen Kundgebungen war? Er mag ge- schwankt haben. Eine Zeit lang hielt er Napoleon gewiss für einen gross- artigen Verfechter der Menschenrechte, für einen idealen Republikaner. So lange schwärmte er auch für ihn. Als aber Bonaparte am 18. Mai 1804 sich zum Kaiser erklärt hatte, wandte sich Beethovens Neigung plötzlich und ent- schieden von ihm ab. Die Eroica, vielleicht l802 angefangen, 1803 aus- gearbeitet, war damals schon fertig. Denn Ries erzählt, sie habe ursprüng- lich den Titel Bonaparte geführt, und Beethoven habe das Titelblatt durch- rissen, als er von der Usurpation des Thrones durch Bonaparte erfuhr. Das muss noch im Mai 1804 gewesen sein. Ob die Anregung, eine Symphonie auf Bonaparte zu schreiben, von Bernadotte 1798 ausgegangen, wie es heisst, oder nicht, gilt uns gleich. Wir haben nur festzustellen, dass sie über- haupt mit Beethovens Vorstellungen

von der Grösse Napoleons zusammenhängt und dass sie wohl deshalb weit über den Rahmen der früheren zwei Symphonien künstlerisch und in der Ausdehnung hinaus- gewachsen ist. Es scheint dabei etwas von der antikisirenden Auffassung jener Zeiten mitzuspielen, die sich ja auch in Beethovens Leben vielfach spiegelt. Der „Consul" Bonaparte mag damals ein besonders reizvoller Klang gewesen sein. Auch in Wien verbreiteten sich damals klassicistische Formeln in der Sprache und in den bildenden Künsten. Beethoven schreibt in seinem Heiligen- städter Testament von den unerbittlichen Parzen. In seiner Wohnung hatte er einen Stich nach dem Klassicisten Füger hängen. Damals las er gelegentlich in einer Uebersetzung des Plutarch. Was man damals in Wien baute, modellirte, malte, wies Alles aufs klassische Alterthum, mit dem man den Begrift des Grossen, Erhabenen, Heldenhaften verband. Ebenso wie im Aeusseren (Beet-

Ferdinand Ries.

Vorlar/c aus Herrn Fr. Ate. Manskopf's Jlrtsikhistorischetn Museum in Frankfurt a. M.

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hoven lies sich das Haar damals ä la Titus schneiden) musste Beethoven auch in seinem inneren Wesen von der allgemeinen Bewegung erfasst werden. Bald danach zeigt sich der erste Hauch der Romantik. Ritterwesen, alte Burgen, Mittelalter begannen die Helden des Alterthums abzulösen.

Bei aller Gesangsmusik versteht sich der Ein- fluss der Romantik von selbst. In der reinen In- strumentalmusik ist die Romantik eine Abkehr vom hergebrachten Formelwesen, die gerade zu jener Zeit besonders auffallend wird, als in Dichtung und bildender Kunst die Romantik in Blüthe schoss. Man legte, ob theoretisch gerechtfertigt oder nicht, dem Tonwerk bestimmte Gedanken unter, die eben meist aus dem romantischen Bereich genommen waren. Indes soll der Klassiker Beethoven nicht zum Romantiker umgemünzt werden, obwohl es unverkennbar ist, dass er die grosse Bewegung vorbereitet hat. Das echt romantische Hineinge- heimnissen in die Musik, in jeden Takt, in jedes Motiv, lag ihm ziemlich fern. Sogar seine zwei ., Romanzen" für Violine und Orchester sind wohl- geformte Tonstücke. Er wollte nur immer bessere und bessere Musik schaffen. Auch hielt er noch

bis zum Lebensende in gewissem Sinne an den alten Formen fest auch wenn er sie wesentlich erweitert hat.

Allegro molto. pizz

Beethoven um das Jahr 1805.

Nach dem Bildnis von Mäh 1er.

[Die Vorlage ist eine Copie nach dem Original

im Besitze des Herrn Hauptcassierer der

oesterr. ung. Bank Roh. Heimler in Wien.)

Thema aus dem Finale der Eroica, herübergenommen aus der Prometheusmusik und aus den Variationen Op. 35.

Josephs-Monument und Redoutengebäude.

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Fidelio Mittlere Lebenszeit.

M^4^ ^" ?■? M^^ eethoven und Abt Vogler komponiren jeder eine Oper für

das Theater an der Wien". Diese Nachricht verbreitete sich Ende Februar 1803 und etwas später in der Musikvvelt. Von Beethoven heisst es dann weiter, dass er unter günstigen Bedingungen engagirt sei, darunter freie Wohnung im Theatergebäude genannt wird. Zunächst handelte es sich um eine Oper mit Schikanederschem Text, für die aber nur einzelne Gedanken skizzirt wurden. Bald darauf, etwa zwischen Mai und Oktober 1803, begann Beethoven die „Leonore". So wollte man anfangs die Oper benennen, deren Text nach einem französischen Vorbilde mit Musik von Gaveaux „l'amour conjugal" zugerichtet wurde. Uns ist sie heute geläufig unter dem Namen: Fidelio. Frühe Notirungen dazu sind in einem Skizzenbuch aus dem Jahre 1803 erhalten, das L. Nohl zuerst besprochen und Nottebohm veröffentlicht hat. Das interessante Notenheft bietet überdies Skizzen zur dritten Symphonie, auch solche zur Waldsteinsonate Op. 53, zum herrlichen Klavierkonzert in G-dur, zur C-moU Symphonie, zum Tripel- konzert Op. 56, zu einigen Liedern und noch Anderem. Was die Leonore be- trifft, so scheint es, dass mit der Arie Marcellinens „0 war ich schon mit Dir vereint" begonnen wurde, für die Beethoven erst allerlei Melodien notirte, die er später verwarf. Ungefähr dasselbe gilt von anderen Ansätzen, die oft keinerlei Aehnlichkeit mit den endgiltigen Formen aufweisen und nur durch den bei- geschriebenen Text ihre Zuständigkeit zur Leonore verrathen, z. B. die Skizzen zu: „Mir ist so wunderbar". Die weitere Ausarbeitung der Oper erfolgte in den zwei nächsten Jahren, die dem Meister viel Unruhe brachten, mehrmaligen

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Wohnungswechsel, eine böse Erkrankung, wie es scheint an Wechselfieber, ein Zerwürfniss mit Steffen v. Breuning, das freilich bald ausgeglichen wurde durch einen sehr versöhnlich gestimmten Brief Beethovens, dem ein Miniaturbildchen beigefügt wurde. Dieses ist uns erhalten und wurde schon im II. Kapitel ab- gebildet. (Siehe S. 31.)

1804 im Juli dirigirte Beethoven in einem der Konzerte, die um jene Zeit regelmässig im Augartensaale abgehalten wurden. Ries spielte das C-moll Konzert Beethovens mit Bravour und erntete grossen Beifall auch vom Meister selbst. Begonnen wurde das Konzert mit Beethovens D-dur-Symphonie. Im Dezember desselben Jahres phantasirte Beethoven zum Entzücken der ganzen Gesellschaft in einem Privatkonzert bei Lobkowitz, wo auch die Eroica aufgeführt wurde. In der Oeffentlichkeit wurde sie zuerst gehört in der Clementschen Akademie, am 7. April 1805 im Theater an der Wien. Sie gefiel im Allgemeinen nicht, und die Kritik ertheilte dem Komponisten allerlei Rathschläge, die uns heute äppisch erscheinen. Der kleine Kreis der Verständigen trat unbedingt für die Symphonie ein. Als unangenehme Nadelstiche wird Beethovens Gemüth übrigens die abfälligen Kritiken dennoch verspürt haben. Dazu kamen Streitigkeiten mit

den Verlegern Arta- ria&Cie. Aus einem Skizzenbuche Beet- hovens (dem soge- nannten Paul-Men- delssohnschen) ent- nimmt man, dass mittendurch an der L e o n o r e gearbeitet wurde. Die Fertig- stellung wird man in den Spätsommer 1805 zu versetzen haben. Denn am 2ü. November 1805 war die ersteAuffüh- ^. ^ . ,,.,, , rung. Sie wurde fol-

Die Sängerin Milder-Hauptmann. ^

(Vorlage im liesitz der Gesdlschuft der Musik- gendemiaSSCn an-

freunde in Wien.) gekündigt: „Neue

Oper. Heute Mittwoch den 20. November 1805 wird in dem K. auch K. K. priv. Schauspielhaus an der Wien gegeben zum ersten Mal Fidelio oder die eheliche Liebe, eine Oper in 3 Akten. Frey nach dem Französischen bearbeite|t] von Joseph Sonnleithner. Die Musik ist von Ludwig \-an Beet- hoven". Die Titelrolle war in den Händen der Milder. (Ihr Bildniss neben- stehend.) Der Zeitpunkt für diese Premiere war der denkbar ungünstigste. Kurz vorher waren die Franzosen in Wien eingerükt und die allgemeine Aufmerksamkeit war von den politischen Ereignissen in Anspruch ge- nommen. Auch war seit der Aufführung der Eroica das allgemeine Urtheil eher gegen als für Beethoven gestimmt. Und was nicht gering anzuschlagen ist, der Fidelio war in der ersten Form, die man damals zu hören bekam, doch nicht recht ausgereift. Die Proben waren mühselig und ärgerlich, so für den Autor, wie für die Ausführenden. Man war damals noch durchaus

Die Sängerin Milder-Hauptmann. Zeichnung von E. Fr. Leybold.

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gewohnt, dass ein Komponist den Singstimmen recht sehr entgegenkam. Beet- hoven aber behandelte sie nicht selten, wie Orchesterinstrumente. Dann wurde von dem Areopag, vor dem die Proben stattfanden, die Ouvertüre abgelehnt, die Beethoven der „Leonore" gegeben hatte. \'ermuthlich ist diese erste Leonorenouverture dieselbe, die im Aianuskript lange bei Steiner & Cie gelegen hat und die erst nach Beethovens Tod als Op. 138 erschienen ist. Die zeitliche Reihenfolge der vier Ouvertüren, die mit Beethovens Oper zusammenhängen, ist noch heute strittig, obwohl eine ganze Reihe namhafter Gelehrter die Angelegen- heit beachtet hat. Eines ist sicher, dass bei den ersten Aufführungen am 20., 21. und 22. November schon die zweite Leonorenouverture gespielt wurde. Die Oper wurde damals kühl aufgenommen und konnte sich nicht im Spielplan festsetzen. \^on der Kritik wurde sie fast ablehnend beurtheilt. „Auch die Auf- führung war nicht x'orzüglich" wird berichtet. Das Alles veranlasste nun im Freundeskreise des Meisters lange, oft erregte Erörterungen, bis sich der Künstler überreden Viess, wenigstens versuchsweise Aenderungen und besonders Kürzungen vorzunehmen, um das Werk 1806 noch einmal auf die Bühne zu bringen. Der Gang der Handlung sollte rascher werden, und Breuning arbeitete das Textbuch um. Die beiden ersten Acte werden in einen zusammengezogen, Terzett No. 3 und Duett No. 10 der ersten Fassung fielen dem streichenden Stift zum Opfer. Die Ouvertüre erfuhr eine neuerliche Um- arbeitung, so dass wir nun schon bei einer dritten Leonorenouverture angelangt sind. Diese wurde bei der Aufführung am 29. März 1806 gespielt. Nun gefiel das Werk schon ein wenig besser, aber noch lange nicht gut genug, um sich halten zu können. Erst weit spätere Auf- führungen, so die mit einer 4. Ouvertüre (in E) in der Textbearbeitung von Treitschke 1814 und noch mehr die

Wiederaufführungen im Jahre 1822 fanden das Wiener Publikum genügend ver- ständnissvoll, um dem grossartigen Werke zu Erfolg zu verhelfen. Die Titelrolle war an die Schröder-Devrient übergegangen. Die Romantik hatte einstweilen Boden gefas.st. Der Dichter Bauernfeld schrieb am 11. November 1822 in sein Tagebuch „Mit Moriz Schwind im Fidelio. Wir weinten vor Entzücken". Ja, romantisch angehauchter Seelen bedurfte es, dieses Werk zu würdigen, wenigstens in jenen Theilen, die einer neuen Auffassung Ausdruck verliehen.

Die Handlung ist folgende: In einer spanischen Festung wird ein gewisser Florestan unschuldig festgehalten, da er sich den Hass des mächtigen Don Pizarro, Gouverneurs jener Festung, zugezogen hat. Florestan soll dem Hungertode preisgegeben werden und schmachtet im tiefsten Kerkergewölbe der Festung. Leonore, Florestans Gattin, weiss es zu ermitteln, wohin man ihren Gemahl geschleppt hat. Sie verdingt sich, verkleidet als Diener, beim Kerker- meister Rocco unter dem Namen „Fidelio". Florestan, der unter den Entbehrungen und seeUschen Leiden im dunklen Gefängniss schon schwer gelitten hat, ist dem Tode nahe. Da

Die Sängerin Schröder-Devrient,

zweite Darstellerin des „Fidelio".

(Zeichnttni/ von Cramolini.)

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erhält Pizarro geheime Nachricht, dass der Minister Don Fernando davon Kenntniss erhalten habe, wie durch Pizarro Unschuldige in Haft gehalten werden. Fernando wolle sich selbst überzeugen, was in Pizarros Festung vorgehe. Nun fasst Pizarro rasch den Entschluss, seinen verhassten Gegner Florestan bei Seite zu schaffen, noch bevor Don Fernando die Festung in- spizirt hätte. Rocco soll den Florestan ermorden, weigert sich jedoch entschieden. Pizarro will nun den Gefangenen selbst erdolchen. Rocco möge die Cisterne öffnen, damit der Ge- mordete dort verborgen werden könne. Fidelio (Leonore) hat sich die Gunst Roccos und Marzeliinens, der Tochter, erworben und weiss den alten Kerkermeister zu bereden, dass er sie in das unterste Gefängniss mitnehme, wohin er sonst Niemanden einführen durfte. Marzelline, von Liebe zu Fidelio ergriffen, unterstützt die Bitten desselben. Unter dem Vorwande, dass sich der Alte schonen müsse, wird Leonoren (Fidelio) gestattet, ihm in das tiefste Gewölbe zu folgen und dort bei der schweren Arbeit des Blosslegens der Cisterne zu helfen. Dort erkennt sie trotz der Dunkelheit in dem Gefangenen ihren Florestan. Als bald darauf Pizarro erscheint, um seinen Feind zu morden, schützt Fidelio ihren Gatten, und nun hört man auch schon das Trompetenzeichen, das die Ankunft des Ministers verkündet. Pizarro wird verhaftet und der Unschuldige der Freiheit wiedergegeben. Der Stoff war so, wie er dem Komponisten bei seiner edlen Lebensauffassung gefallen konnte, wie er ihn in einzelnen Momenten begeistern musste, ja, wie er auch im modernen Sinne noch sehr bühnenfähig genannt zu werden verdient. Nur die Be- handlungsweise mit den altvaterischen Textwiederholungen und der formell musikalischen Be- handlung lässt den Fidelio neben dem mehr realistischen dramatischen Gefüge neuerer Bühnen- musiken veraltet erscheinen. Aber, im ersten Viertel des Jahrhunderts war eben die Zeit noch nicht gekommen, das Musikdrama mehr realistisch zu gestalten, beziehungsweise die Formen der Arie, der Chöre mit Wiederholungen, der Cadenzen und andere hergebrachte Gebräuche ganz aufzugeben zu Gunsten eines rezitirenden, der Rede mehr und mehr genäherten Gesanges. Und, sind wir aufrichtig, so dürfte man gerade bei der Bühnenmusik den angedeuteten Realis- mus nicht zu weit treiben. Sonst müsste endlich jeder Gesang wegbleiben, und man käme zum Melodram oder zum reinen Drama mit eingestreuten Musikstücken. Wir messen indes auch den Fidelio nicht an dem, was seither auf der Bühne geleistet worden, sondern urtheilen nach dem, was es vorher gegeben hat. Und da können wir uns denn an dem höchst werth- vollen musikalischen Gehalt und an der dramatischen Kraft, wenigstens des II. Aktes herzlich erfreuen.

Der II. Akt mit seinen ungewöhnlichen Klangfarben, seiner üppigen Ton- fülle, seinem schaurigen, dann jubelnden Charakter ist hauptsächlich hier ge- meint. Im ersten Akt klebt Beethoven noch vielfach am Hergebrachten. Aber doch enthält er auch Juwelen wie den höchst vollendeten Canon „Mir ist so wunderbar". Dieser war wieder ein Weiser in die Zukunft, der deutlich genug aussprach, wie man ältere Formen einer neueren Richtung anpassen kcinne, und wohin neue Wege führen. Fidelio leitet durch seinen Text, durch den kühn vordringenden Charakter einiger Hauptnummern die romantische Oper ein. C. M. V. Weber schwärmte für Beethovens Oper. Er war der Jüngere und schuf erst späterhin den Freischütz, die Euryanthe, den Oberon. Und mit dieser Richtung verglichen, bleibt uns Beethoven zwar der Anreger aber immerhin noch der Klassiker.

Aehnlich so steht es mit der IV. Symphonie in B-dur (Oppersdorf ge- widmet) und noch mehr mit der V. in C-moll. Ohne sie kein Mendelssohn, kein Schumann, um gar nicht weiter gegen die neueste Zeit heranzukommen. Und doch die Formvollendung der alten Schule! Die B-dur-Symphonie wie aus einem Guss, mit seltenem Schwung entworfen und in freudigem Schaffen zu einem Gebilde von seltener Rundung aber trotzdem gewaltiger Kraft des Klanges gestaltet, die C-moll-Symphonie mehr grüblerisch, herrisch, langsam ausgefeilt; beide ungeheuer hoch über Allem, was damals geschaffen wurde. Haydn stand schon mit einem Fusse im Grab, und sonst war's eine Wüstenei

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der Mittelmässigkeit, ein veraltetes Einerlei, soweit das Ohr auch lauschen mochte. Die Jungen, wie Weber, waren noch nicht recht an der Oberfläche, und Franz Schubert Zcählte kaum zehn Jahre. Der erste Satz der C-molJ- Symphonie bedeutet geradezu einen Triumph thematischer Arbeit, und wir können es uns nicht versagen, das Hauptthema herzusetzen:

Beethoven schuf in jenen fruchtbaren Jahren neben den grossen Werken, die heute Jedermann nennt und kennt, auch noch viele kleinere, die in der allgemeinen Schätzung etwas zurückstehen, da sie oft mehr auf glänzende Wirkung ausgehen, als auf besondere Tiefe der Erfindung, wie einige Variationswerke, wie das Tripelkonzert (Op. 56), das Sextett (Op. 71). Zwischen 1801 und dem September 1805 ist das Lied „An die Hoffnung" zu Tiedges Text entstanden.

Die IV. Symphonie wurde 1806 vollendet und erfuhr im Jahre 1807 ihre erste und eine zweite Aufführung. Die Kritik verhielt sich zum Theil wieder ablehnend. Die W Symphonie, obw^ohl früher als die IV. begonnen, dürfte erst im Laufe von 1808 fertig geworden sein, wenig früher als die VL, die Pastoralsymphonie. Die \'. und VL Symphonie wurden zum ersten Mal in einer grossen Akademie gespielt, die ausschliesslich Beethovensche Werke zu Gehör brachte, darunter auch die Chorphantasie. Es war am 22. Dezember 1808. In der Pastoral- symphonie \\'echselt der Komponist einen Händedruck mit der Programmmusik, doch hält er sich innerhalb der Grenzen, die ihm sein natürlicher Verstand für die Ausdrucksfähigkeit der Musik erkennen Hess. Die stilisirte Tonmalerei mit dem Kuckucksruf, dem Wachtelschlag und Nachtigallentriller pflegt uns heute etwas kindisch anzumuthen. Indes stört dieses kleine Zugeständniss an die Zeit die grossartige Entfaltung rein musikalischer Formen nur wenig. Beethoven liess sich (man weiss es durch Neate) gerne durch Bilder der Aussenwelt, Ein- drücke aus der freien Natur zum Schaffen anregen ; er meinte aber sicher nicht, dass die Hörer diese Bilder ohne Weiteres aus der Komposition herauslesen müssten.

Den einzelnen Sätzen der Pastoralsymphonie sind bekanntlich durch Beethoven selbst Ueberschriften beigegeben, welche allgemeine Stimmungen andeuten. Zum „Allegro ma non troppo" des ersten Satzes heisst es : „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande". Das „.A.ndante molto moto" will als „Szene am Bach" aufgefasst sein. Dem „Allegro" in ^l^ Takt, einen Menuett vertretend, ist der Titel gegeben „Lustiges Zusammensein der Landleute". Daran reiht sich „Gewitter. Sturm" (Allegro), worauf in wiegendem AUegretto mit einleitendem Dudelsackbass der „Hirtengesang" folgt, welcher „frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm" zum Ausdruck bringt. Kurz vor dem Schluss dieses letzten Satzes khngt der jüngere Tondichter pietätvoll an Meister Mozart an (besonders im 24. bis 17. Takt vor dem Ende). Die letzte Nummer des 1. Aufzuges der Mozartschen Zauberflöte dürfte für diese Stelle als unbeabsichtigte Grundlage gedient haben.

Von besonderen Erlebnissen jener Jahre gesteigerter Schaffenskraft und deshalb auch gehobenen Selbstbewusstseins ist Einiges anzudeuten. Beethoven verbrachte einen Theil des Sommers 1806 beim Freunde (dem Grafen) Bruns- vik in Ungarn zu Marton-Vazar. Dann im Oktober ging er zum Fürsten Lichnowsky nach Graz bei Troppau. Die Reise nach Ungarn ist mit dem Brief an die „unsterbliche Geliebte" in Verbindung gebracht worden. \'on der Reise nach Schlesien ist mancherlei bekannt geworden, das für Beethovens Wesen charak- teristisch ist. Eine Episode sei hier erzählt, da sie ebenso den berechtigten Künstlerstolz, wie die ungewöhnliche Heftigkeit und Ungezogenheit des Meisters

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bezeichnet. Die eine Erzählung muss uns als Typus für ähnliche andere dienen. Ich benütze dafür die Erinnerungen des fürstlich Lichnowskyschen Hausarztes Dr. Anton Weiser (geb. 1777, gest. 1826), die in dessen Familie getreu bewahrt, vom Sohne zu Papier gebracht und vom Enkel mir gütigst mitgetheilt worden sind. Fürst Lichnowsk}^ hatte klugheitshalber französische Offiziere zu sich geladen. Um sie bei Laune zu erhalten, war ihnen der Genuss versprochen worden, dass sie nach dem Diner den berühmten Beethoven würden spielen hören, der damals zu Gast im Schlosse weilte. „Man setzte sich zu Tische; da fragt unglücklicher Weise einer der iranzösischen Stabsoffiziere Beethoven, ob er auch Violon verstehe". Weiser, welcher der Tafel anwohnte, „sah augen- blicklich, welch' schweres Gewitter im Gemüthe des Künstlers . . heraufziehe. Beethoven würdigte den Frager keiner Antwort". Weiser konnte das Ende des Diners nicht abwarten, da er als Direktor des Krankenhauses zu Troppau ebendort seine Berufspflichten zu erfüllen hatte. Was weiter geschah, erfuhr er aber aus Beethovens eigenem Munde. Als Beethovens Klavierspiel beginnen sollte, war der Künstler nirgends zu finden. Man suchte ihn. Der Fürst will ihn zum Spielen überreden, zwingen. Umsonst. Eine widerliche, geradewegs gemeine Szene entspinnt sich. Beethoven liess unverzüglich packen und eilte trotz schändlichen Regenwetters zu Fuss nach Troppau, um dort bei Weiser nächtlicher Weile Unterkunft zu suchen. Mit dem Regen hängt es zusammen, dass die Handschrift der „Appassionata", der Sonate in F-moll Op. 57, die Beet- hoven damals mit sich führte, durch .Wasser gelitten hat. Dies erfährt man aus einer anderen Ueberlieferung. Weiser berichtet weiter, dass es nächsten Tages schwierig war, ohne des Fürsten Vermittlung einen Pass für die Reise nach Wien zu erhalten. Endlich gelang es doch. Vor der Abreise aber schrieb Beethoven noch einen sehr selbstbewusst gehaltenen Brief an Lichnowsky, der so gelautet haben soll: „Fürst! Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt, was ich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es und wird es noch Tausende geben, Beethoven giebfs nur einen ..." Für den Wortlaut stehe ich gewiss nicht ein. Die Tonart ist aber vollkommen so, wie man sie bei Beethoven erwarten müsste.

Dass die Sonata appassionata fertig von Graz nach Wien mitgenommen \vurde, haben wir gehört. Bald danach dürften auch die, anfangs recht übel aufgenommenen, seither so berühmt gewordenen Streichquartette Op. 59 vollendet worden sein, die dem Fürsten Razumowsky gewidmet wurden. Längstens am 23. Dezember 1806 war das unvergleichliche Violinkonzert Op. 61 fertig. Clement spielte es an jenem Tage öffentlich. Um den Anfang 1807 war das Klavier- konzert in G-dur druckfertig. Und so reihte sich denn Perle an Perle. Es waren wichtige Jahre für die Musikgeschichte, eine Zeit kräftiger Fortbildung. Die Coriolanouverture Op. 62 bedeutet aber ein äusserliches Zurückgreifen auf den Klassicismus. Die Messe Op. 86, dem P'ürsten Nicolaus Esterhazy ge- widmet, ist ein für Beethoven etwas schwaches Werk.

Bald nach der Rückkehr aus Graz scheint Beethoven an einem sogenannten Fingerwurm (Panaritjum) erkrankt zu sein. Eine alte Nachricht spricht davon. Zudem schreibt er um den Anfang von 1807 an den Grafen Oppersdorf (zunächst um das Honorar für die IV. Symphonie einzutreiben, dann) von seinem „armen unver- schuldeten Finger", an dem er noch kurire und der ihn 14 Tage lang am Ausgehen gehindert hatte. Die Angelegenheit ist deshalb erwähnenswerth, weil eine Er- krankung an der Hand für jeden Klavierspieler Bedeutung hat und weil sie wohl mit

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Frimrael, Bei

herzog, 700 von Lobkovvitz, löoo von Kinsky). irgend vveicner iiiei oaer eine Auszeichnung wurde dabei dem Meister nicht .verliehen. Auf der Urkunde vermerkte Beethoven „Empfangen am 26. Februar 1809 aus den Händen des Erzherzogs Rudolph K. H." Obwohl man manche Einzelheiten der

Frimioel, Beethoven

Anfang des Terzetts „Euch werde Lohn in bessern Welten" aus der ersten Bearbeitung des Fidelio.

(Facsimile nach Beethovens Originalpartitur im Besitz der Königl. Bibliothek zu Berlin.)

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dazu beigeti-agen haben mochte, dass Beethoven anfing, sich mehr und mehr vom Klavierspiel zurückzuziehen, hides hört man noch aus dem Jahre 1808 allerlei Stimmen der Bewunderung für sein Spiel, wie dieStimmeReichardts, der den Meister im Benefiz - Konzert von 1808 gehört hatte, wie J. F. Nisles und des Barons Tremont. Nur steigerte er die Kraft seines Spiels zum Ungewöhnlichen, gewiss hauptsächlich der Schwerhörigkeit wegen.

Kleine Erzählungen, die sich wohl auf die Periode beziehen, welche uns eben beschäftigt, wurden mir vor Jahren von einem Nachkommen des Kom- ponisten Antonio Cartellieri mitgetheilt. Herr Notar Friedrich Cartellieri (mütter- licherseits auch aus der Musikerfamilie Kraft abstammend) schreibt, „dass Beet- hoven öfters bei Kälte ohne Handschuhe zu Krafts kam und erstarrte Hände hatte, dass ihm dann Frau Katharina Kraft heimlich ein Paar neue Handschuhe in den bei Seite gestellten Hut legte, welche Beethoven beim Fortgehen behaglich über die Hände streifte, ohne in seiner Zerstreutheit sich des Geschenkes be- wusst zu werden". Als bestimmte Familienüberlieferung bezeichnete Herr Dr. F. Cartellieri auch die gelegentlich nacherzählte Angabe, wie Beethoven sich bei Krafts über die Spielbarkeit von Violoncellpartien erkundigt hat. Einmal aber war Beethoven etwas verdriesslich, und als es hiess, die Stelle liege nicht „in der Hand", erwiderte er: „Muss liegen!"

Der erwähnte Brief an den Grafen Oppersdorf führt uns zu einer wenig erfreu- lichen Angelegenheit. Beethoven erhielt sein Honorar und bestätigte am 3. Februar 1807 den Empfang. Nach mehreren Anzeichen lässt sich schliessen, dass unser Meister trotzdem bald wieder in Geldverlegenheiten gerieth. Im November 1808 entschuldigte er sich bei Oppersdorf, dass er die IV. dem Grafen gewidmete und von diesem bezahlte Symphonie jemandem Anderen veräussert habe und zwar aus Noth. Zahlungsstockungen gehören von nun an bis zum Ab- leben des Künstlers nicht zu den Seltenheiten. Nach der Szene in Graz mussten doch die Auszahlungen durch Lichnowsky aufhören. Ein Versuch, eine feste Stellung als Operndirigent oder Komponist in Wien zu erlangen, scheiterte, vielleicht an dem Entgegenwirken des Grafen Palff}', der sich allerdings zu Zeiten nicht gerade freundlich den Absichten des Meisters gegenübergestellt hat. Wir erfahren davon aus den Ereignissen des Jahres 1814. Auch die freigebige Art, mit der drei hohe Musikfreunde 1808 dem Meister ein Jahresgehalt \'on 4000 fl. zusicherten, konnte nicht dauernd über die Verlegenheiten hinweghelfen.

Zu dem erwähnten Jahresgehalt kam Beethoven folgendermassen : im Herbst 1808 erging an den Meister der Ruf, als erster Kapellmeister des Königs Jeröme Bonaparte nach Kassel zu kommen. Beethoven war anfänglich auf den Ruf eingegangen. Da man von Seiten des Hofes, besonders des musikbegabten jungen Erzherzogs Rudolf, Beethoven in Wien nicht missen wollte, da aber der Künstler seines Gehörleidens wegen nicht zum Dirigenten taugte, wurden Unterhandlungen eingeleitet, die Ende Februar 1809 damit abschlössen, dass Beethoven in Wien oder wenigstens in einer österreichischen Stadt zu verbleiben habe, Reisen ins Ausland abgerechnet, dass er dafür jährlich die Summe \'on 4000 fl. erhalten solle, die zu verschiedenen Antheilen vom Erzherzog Rudolph und den Fürsten Lobkowitz und Kinsky aufzubringen wäre (1500 fl. vom Erz- herzog, 700 von Lobkowitz, 1800 von Kinsky). Irgend welcher Titel oder eine Auszeichnung wurde dabei dem Meister nicht verliehen. Auf der Urkunde vermerkte Beethoven „Empfangen am 26. Februar 1809 aus den Händen des Erzherzogs Rudolph K. H." Obwohl man manche Einzelheiten der

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Angelegenheit kennt, z. B. durch Mittheilungen Beethovens an Baron Gleichen- stein, sind doch die ganzen Triebfedern, die den erwähnten V^ertrag anregten, nicht im Einzelnen aufgedeckt. Es mag sein, dass Erzherzog Rudolph dabei die Hauptrolle spielte, da er doch einige Jahre lang Beethovens Schüler war. Schon 1804 scheint Beethoven beim Erzherzog eingeführt worden zu sein, für welchen das Tripelkonzert (Op. 56) 1804 oder 1805 geschrieben worden sein soll. Gewidmet ist es ihm allerdings nicht. 1807 war der Unterricht schon in bestem Gange, und 1809, jedenfalls als künstlerische Antwort auf den Vertrag, dedizirte Beethoven dem Erzherzog das grosse Klavierkonzert aus Es-dur (Op. 73) und die Sonate Op. 81 a. Die Widmung des Streichquartetts Op. 74 des sog. „Harfenquartetts" an Lobkowitz wird gleichfalls mit jenem Vertrage zusammen- hängen, den ja auch Lobkowitz unterfertigt hatte, und die Anregung zur Wid- mung der Goetheschen Gesänge Op. 75 und 83 geht sicher auch auf den Ver- trag von 1809 zurück. Die letztgenannten Werke sind der Fürstin Kinsky dedizirt.

Dass die ungewöhnlich bewegten Zeiten das reichliche Einkommen Beet- hovens bald in Frage stellten und bedeutend schmälerten, sei einstweilen nur angedeutet. Zunächst blicken v\ir auf Beethovens Leben in jenen Jahren. Er- freuliche Stunden wurden ihm durch den Umgang mit den trefflichen Klavier- spielerinnen Bigot, Dorothea Erdtmann (Graumann) und mit der Gräfin Erdödy, bei der er eine Zeit lang in dem Hause über dem alten Schottenthor wohnte. Baronin Erdtmann, an die Beethoven einmal als seine „liebe werthe Dorothea- Cäcilia" schrieb, spielte Beethovens Klavierkompositionen mit seltenem Ver- ständniss. Davon weiss man durch Reichardt und Andere. Felix iVIendelssohn hat sie noch 1831 in Mailand Vieles von Beethoven vortragen gehört und schrieb über ihr ausdrucksvolles Spiel. (Wir geben anbei ein Bildniss der „Dorothea- Cäcilia".)

Was bisher nicht beachtet wurde, ist die beabsichtigte Wiederaufnahme des Fidelio im Mai 1809. Am 10. oder 11. Mai war eine Vorstellung dieser Oper angekündigt, die also wohl auch einstudirt worden war. Wie Geusau berichtet, wurden aber die Anschlagzettel im Laufe des Tages wieder entfernt. Man begreift das, wenn man sich erinnert, dass Napoleon in Eilmärschen gegen Wien herangezogen und am 10. Mai in Schönbrunn eingeritten war, dass endlich im Laufe des 11. Mai Vorbereitungen zur Beschiessung der Stadt ge- troffen wurden. In der folgenden Nacht wurde die Stadt bombardirt. Der Hof, Erzherzog Rudolph mit eingeschlossen, und l'zahlreiche Bekannte Beethovens hatten Wien verlassen. Beethoven machte die aufregenden Stunden in Wien mit, wie Ries erzählt, bei seinem Bruder Carl in der Rauhensteingasse und zwar im Keller, „wo er noch den Kopf mit Kissen bedeckte, um ja nicht die Kanonen zu hören". Wien kapitulirte am frühen Nachmittag des 12. Mai. Wieder brachten die Franzosen Unruhe, Theuerung, wie schon 1805, in die Stadt Dass Beethoven in seinem Schaffen durch die unabweislichen Thatsachen ge- stört wurde, kann nicht bezweifelt werden, und von einer besonders reichlichen Produktion im Sommer 1809 ist nichts bekannt. An der Sonate Op. 81 a für den Erzherzog Rudolph und an zwei Märschen für Militärmusik wurde wohl gearbeitet, das Konzert in Es vermuthlich damals vollendet und sicher die „Gleichensteinsonate" für Violoncell und das „Lobkowitzquartett" fertig gestellt. Im Uebrigen verging die Arbeitszeit mit dem Zusammentragen theoretischer Studien, die später als Leitfaden für den Unterricht des Erzherzogs dienen sollten. Es waren Auszüge aus Ph. Em. Bachs „Versuch über die wahre Art das Klavier

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zu spielen", aus D. G. Türcks „Kurze Anweisung zum Generalbassspielen", aus Albrechtsbergers „Gründliche Anweisung zur Komposition" und aus Kirnbergers ..Kunst des reinen Satzes".

Beethox'en entbehrte in jenem Sommer die gewohnte Erfrischung durch einen Aufenthalt auf dem Lande, die sonst bei ihm gewöhnlich grosse Werke gezeitigt hatte. Gegen Ende Juli war er noch immer in der schwülen Luft der Hauptstadt. „Noch kann ich des Genusses des mir so unentbehrlichen Land- lebens nicht theilhaftig werden" klagt er damals in einem Briefe. Sogar in der ersten Hälfte August war er noch in Wien, wohin er sich „eine Aus- gabe von Goethes und Schillers vollständigen Werken" kommen lassen will. Indes hatte er Hoffnung „den Rest des Sommers in irgend einem glücklichen

Landwinkel zubringen zu können". Da die Widmungen der Pianoforte-Phantasie Op. 77 an den Grafen Franz Brunsvik und der Fis-dur-.Sonate Op. 78 an die Komtesse Therese Brunsvik mit einiger Sicher- heit in den Herbst oder Spät- sommer 1809 versetzt werden können, x^ermuthet Thayer, dass Beethoven endlich doch von Wien abgekommen und zu Brunsviks nach Ungarn ge- gangen sei. Die theihveise Sprengung der Basteien in der zweiten Hälfte des Oktober und in der ersten des November 1809 scheint er schon wieder in Wien mit erlebt zu haben. Wie er selbst schreibt, war er um jene Zeit emsig an der Arbeit. Sie galt vermuthlich den 43 wallisischen und irischen Melodien, die ihm George Thomson aus Edinburgh zur Komposition gesendet hatte. An allerlei Plänen fehlte es nicht, und ein lebhafter Briefwechsel mit den Verlegern ist nach- zuweisen. Vermuthlich noch im Sommer war Manches skizzirt worden, darunter Gedanken für die VII. und VIII. Symphonie und für eine „Ouvertüre" zu dem Text „Freude schöner Götterfunken . ." Hier liegt also eine Wurzel bloss zur IX. S3^mphonie. 1809 wurde auch die Musik zu Goethes Egmont in Angriff genommen, auf welche bald noch andere Kompositionen zu Goetheschen Dichtungen folgten, wie denn überhaupt Beethovens Aufmerksamkeit in jener Zeit oft durch den Dichter gefesselt wurde.

Das Jahr 1810 war weniger ergiebig, als die vorhergehenden. Vollendet wurde die Musik zu Egmont, und das Zmeskallquartett Op. 95 scheint im Oktober so ziemlich in einem Zuge geschrieben worden zu sein. Sonst sind es nur verhältnissmässig kleine Arbeiten, die in jenem Jahre geschaffen wurden (Thayer III, 160 f.). Man geräth auf den Gedanken, dass Beethovens \'ersuche.

Dorothea Erdtmann, geb. Graumann. Torlage aus Fr. Xic, Manskopf's JUuiikhisiorischeni Museum in Frankfurt a. M.

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sich einen behaglichen Haushalt zu gründen, viel Zeit und gute Stimmung auf- gesaugt haben. Auch weiss man, dass sich Beethoven 1810 mit Heirathsgedanken trug, denn er verschrieb sich aus Bonn seinen Taufschein und bald darauf hiess es, die Partie habe sich wieder zerschlagen. Dass die Auserwählte, wie Thayer wollte, die Komtesse Therese Brunsvik gewesen sein soll, ist gar nicht aus- gemacht, im Gegentheil sehr unwahrscheinlich, auch wenn man nicht sagen kann, wer es sonst gewesen sein mag. Gerade im Jahre 1810 ist Beethovens Lebensgeschichte keineswegs so klar, dass man mit bestimmten Beweisen an- rücken könnte. Bezüglich des Unterrichtes beim Erzherzog Rudolph lässt sich wohl annehmen, dass Beethoven mit Eifer bei der Sache war. War doch im vorhergehenden Jahre eine theoretische Grundlage vorbereitet worden.

Die Versuche aber, einen geregelten Hausstand zu gründen, misslangen gänzlich. Von nun an könnte man in Beethovens Leben eine Rubrik eröffnen lür Zwistigkeiten mit Dienern, Köchinnen, Haushälterinnen, und jedes Jahr fast wären aufregende Szenen einzutiagen. Zmeskall musste ungezählte Male rathen und helfen, bis Frau Nanette Streicher (die Gemahlin des Klavierfabrikanten Andreas vStreicher, eine geborene Stein) eine Zeit lang die L^eberprüfung des Hausregiments übernahm.

In eine idealere Sphäre führte ihn 1810 und im folgenden Jahre der \'erkehr mit Bettina Brentano, die er im Hause des gelehrten und kunst- liebenden Hofraths von Birckenstock kennen lernte. Im September 1810 war der Meister in Baden, ob auf Tage oder Wochen ist unsicher.

1811 kann in Beethovens Leben ebensowenig als guter Jahrgang gelten, als 1810. Wäre nicht das schwungvolle grosse B-dur-Trio entstanden und hätte Beethoven nicht die Musik zu den „Ruinen von Athen" und zu „König Stephan" (für das neue Theater in Pest) geschrieben, so müsste man dieses Jahr für eines der unfruchtbarsten erklären. Vom musikalischen Schaffen abgesehen, bot es aber manche beachtenswerthe Erlebnisse. Durch Bettina wurde Goethe auf den Komponisten aufmerksam gemacht. In ihrer überschwänglichen Weise brachte sie dem Dichter einen ganz falschen Begriff von dem rauhen Ton- künstler bei. Goethe antwortete freundlich. Dann am 12. April 1811 schrieb der Komponist an den Olympier nach Weimar einen Brief mit höchst ver- worrenem Anfang und in sonderbarer Rechtschreibung. Goethe muss durch diese Zuschrift, (die ihm die Uebersendung der Egmont-Musik ankündigte) sonderbar berührt worden sein. Zudem ist es so gut wie sicher, dass er Beet- hovens Brief erst im Januar 1812 durch Breitkopf & Haertel erhalten hat. Diese Angelegenheit also verzog sich bis auf Weiteres. Es hiess zuwarten. Etwas dringender und aufregender waren die Unterhandlungen in Betreff der Musik fürs neue Theater in Pest. Die Eröffnung sollte am FYanzenstage, also am 4. Oktober sein, um damit eine Huldigung für Kaiser Franz zum Ausdruck zu bringen. Aber auch hier gab es Hindernisse und die erste Aufführung der .,Ruinen von Athen" und des „König Stephan" erfolgte erst 1812 am 9. Februar. Ebenso der Dichter (Kotzebue), wie der Komponist ernteten reichlichen Beifall.

Im Sommer 1811 war Beethoven mit seinem Freunde Oliva, der ihm damals besonders nahe stand und manche geschäftliche Last abnahm, in Teplitz. Varnhagen von Ense, von dem Beethoven gerne einen Operntext erhalten hätte, Tiedge, Elise von der Recke, Fürst Kinsky waren gleichfalls dort und Beethoven, wiewohl etwas menschenscheu, verkehrte mit ihnen, sowie mit Fräulein Amalie .Sebald, die ihn, wie es scheint, ziemlich nachhaltig fesselte. Freundlicher Um-

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gang ward auch mit dem Gubernialrath von Varena aus Graz und dem Schau- spieler Ludwig Löwe gepflogen; für Letzteren spielte Beethoven einige Male den Liebesboten. iSii besuchte den Meister der junge Schny der v. Wartensee, der von seinem Verkehr mit Beethox'en allerlei erzählt hat. Schnjaier wollte l'nterricht in der Komposition. Doch lehnte Beethoven sehr entschieden ab. Nur die fertigen Arbeiten Schny ders wollte er durchsehen; auch weigerte sich Beethoven, dem jungen Manne vorzuspielen.

Ein garstiger Misston ging übrigens 1811 durch ganz Oesteneich in Folge des Finanzpatents vom 20. P^ebruar, das als Zwangsanleihe alle Geldangelegen- heiten hemmend beeinflusste. Beethoven wurde dadurch empfindlich geschädigt, und sah sich, kaum aus den Schulden gerissen, wieder vor die Nöthigung gestellt, durch seine Werke den Lebensunterhalt zu verdienen. Mit Mühe rettete er einen kleinen Theil des vertragsmässig zugesicherten Gehaltes, dessen Flüssig- machung besonders schwierig wurde, nachdem die Reichthümer des Fürsten Lobkowitz zer- fallen waren (nach 181 1) und Kinsky (im November 1812) gestorben war. So gab es denn für die nächsten Jahre wieder äusseren Anlass zu erhöhter Thätigkeit. Bald nach der Eröffnung des neuen Theaters in Pest mit König Stephan und den Ruinen von Athen, taucht die neue Symphonie, die VII. in A- dur auf, die in raschen, grossartigen Zügen vollendet wurde, ein Denkmal seltener Kraft der Erfindung und reifsten Könnens. Voll- endet wurde sie schon gegen Mitte Mai 1812, aufgeführt erst imDezeniber 1813. Für Thom- son wurden irische und schottische Gesänge bearbeitet. Um sogleich die Schöpfungen des ganzen Jahres zusammenzustellen, seien auch die VIIL Symphonie, ein wunderbarer Bau, und die prickelnde \^iolinsonate Op. 96 (mit einigen Anklängen an das Tripelkonzert) ge- nannt, an die sich nur noch einige Gelegenheits- werke anschliessen.

Bemerkens werth ist der Sommer 1812, den Beethoven in den böhmischen Bädern verbrachte. In Teplitz traf er zwischen der Mitte des Juli und dem 5. oder 6. August wiederholt mit Goethe zusammen, vor dem er auch phantasirte. Die Beziehungen der beiden berühmten Männer zu einander sind eingehend studirt worden. Dabei wurde es ziemlich klar, dass Beethoven sich in jenem Teplitzer Sommer denn doch etwas ungezogen und aufdringlich demokratisch gegen den österreichischen Hof benommen hat. Goethe, der vom künstlerischen Werth des Komponisten keine klare Vorstellung hatte, fühlte sich durch dessen Ungeschliffenheit abgestossen. Für Beethovens Beurtheilung war Goethe dagegen zu sehr Hofmann. Erneuert wurde der Verkehr mit Amalie Sebald und mit Bettina. Die Rückreise geschah über Linz a. d. Donau, wo Johann v. Beethoven eine Apotheke erworben hatte. Der Komponist vollendete dort die VIIL Sym- phonie, wie aus seiner eigenhändigen Bemerkung herv^orgeht: „Sinfonia lintz im Monath Oktober 1812". So steht es auf der Handschrift im Besitz der Könie-

Beethovens Gesichtsmaske von 1812. (Xach dem Qypsabguss im Besitze des Verfassers.)

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liehen Bibliothek zu Berlin. Vielleicht war die Vollendung des grossen Werkes in ruhiger Umgebung der Hauptgrund, warum Beethoven von den böhmischen Bädern nicht unmittelbar nach Wien zurückreiste. Thayer nimmt an, Beethoven sei nach Linz mit der Absicht gekommen, sich in die Heirathspläne seines Bruders zu mischen. Das nicht gewünschte Ergebniss zudringlicher Einmengung war die Vermählung des Bruders mit seiner Wirthschafterin. Als Künstler hatte Beethoven in Linz bedeutende Erfolge.

Uebersehen wir nicht, dass Beethoven 1812 in uneigennütziger Weise die Aufführung zahlreicher Kompositionen bei einer Wohlthätigkeitsakademie in der steiermärkischen Hauptstadt erlaubte, es war im April, und dass er zu

Gunsten der Stadt Baden bei Wien in Karlsbad konzertirte. Am 26, Juli war Baden von einem grossen Brandunglücke getroffen worden. Beethoven und der Violinspieler Polledro nahmen sich sofort der Sache an. Der Erfolg blieb nicht aus, doch schrieb Beethoven, stets zu W^ortspielen geneigt, darüber als von einem „armen Konzert für die Armen".

Wie Beethoven in jenem Jahre ausgesehen hat, erfahren wir durch die Maske und durch die Büste von Franz Klein, die nebenstehend ab gebildet werden. Unbedingt sind die Klem'schen Beethovenbildnisse die wichtigsten, die wir haben. Sie werden denn auch von jenen modernen Künstlern sehr geschätzt, die einen Beethoven zeichnen oder modelliren. Unser Titelbild von Dake legt davon Zeugniss ab, auch Stuck, Klinger u. A. haben die Be- deutung der Klein'schen Maske er- kannt.

Im Jahre 1813 raubten die Ver- driesslichkeiten, die sich an die „Verfechtung" der Rechte auf das Jahresgehalt knüpften, dem Künstler viele Zeit. An die verwittwete Fürstin Kinsky musste wiederholt geschrieben werden. Gänge und Schreibereien, veranlasst durch den finanziellen Untergang des Fürsten Lobkowitz, waren nicht zu vermeiden. Im Juli schrieb der Geplagte an den Erz- herzog in diesem Zusammenhange: „statt über eine Anzahl Takte nachzudenken, muss ich nur immer eine Anzahl Gänge, die ich zu machen habe, vormerken." Die Korrespondenzen mit den Verlegern nahmen ihren Gang, und der Unterricht beim Erzherzog dürfte viele Zeit in Anspruch genommen haben; wenigstens war es in jener Periode, dass dem Meister diese Obliegenheit lästig wurde und ihn vermuthlich am freizügigen Schaffen hinderte. Drückend war auch die

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Franz Stuck: Beethoven.

Xach dem grösseren Kunstblatte mit Genehmigung des Eigenthümers und Verlegers Franz Banfstaengl, München.

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Sorge um den kränklichen Bruder Carl, der durch die staatliche Finanzkrisis von 1811 hart betroffen war. und den jier Komponist nach wie vor unterstützte. Als Phthisiker hatte Carl unter dem ]^Iärzstaub (Wien ist seit Jahrhunderten wegen Wind und Staub berüchtigt) böse zu leiden gehabt. Im Laufe des April war sein Zustand so bedenklich geworden, dass der Kranke sich entschloss, seinen letzten Willen zu Papier zu bringen. Der Komponist sollte nach Carls Ableben \'ormund des Kleinen werden. Das Testament wurde von Carl und Ludwig van Beethoven unterzeichnet, sowie von den Zeugen Oliva, Pasqualati und Leber. Bruder Carl erholte sich wieder zu einem Scheinleben, das noch über zwei Jahre währen sollte. Den Namen Pasqualati wollen wir nicht übergeben. Der Träger desselben, Johann Freiherr \on Pasqualati, war Gross- händler, der damals sein Komptoir am Kohlmarkt hatte und vermuthlich noch in seinem Familien-Hause auf der Mölkerbastei wohnte, das übrigens damals schon an Herrn Leber verkauft war. Beethoven hat in jenem Hause, das noch heute erhalten ist und dessen Abbildung gegeben wird, seit 1804 wieder- holt gewohnt und verkehrte (kleine Zer- ^ würfnisse abgerechnet) viel mit Baron Pasqualati. Dieser, selbst Musiker und Klavierspieler, war ein warmer Verehrer Beethovens, dem er gerade in der Periode trauriger Familienangelegenheiten, bei der wir halten, berathend zur Seite stand und der sich auch weiterhin als aufopfernder Freund erwies. Beethoven hat ihm einige kleine Kompositionen gesendet. Erheiterung mitten in allem Ungemach wurde dem Meister durch Freund Zmeskall. Die zahl- reichen Briefchen, die ihm in jener Zeit von Beethoven zugingen, sind in einem fast leichtfertigen, witzelnden Tone verfasst.

In den ersten Wochen von 1813 hatte Beethoven einen Marsch zu Christoph Kuffners Trauerspiel „Tarpeja" gearbeitet,

der am 26. März zum ersten Mal gespielt worden sein dürfte und später im ersten Augartenkonzert die .Schlussnummer bildete. Ausser diesem Werke sind 1813 noch einige Kleinigkeiten entstanden, wie der Canon: „Kurz ist der Schmerz" endlich die sogenannte Schlachtsymphonie Op. 91. Beethoven schrieb auf eine Abschrift den Titel: „Auf Wellingtons .Sieg bei Vittoria, 1813, geschrieben für Herrn Mälzl . ." Leonhard Mälzl, heute allbekannt als Erfinder des brauchbarsten Metro- noms, war der Anreger zu dieser Komposition, ja er gab den ganzen Plan dazu an, da sie ursprünglich für ein grosses Panharmonicon bestimmt war, das Mälzl erfunden hatte und mit welchem der Erfinder und Beethoven nach England reisen wollten. Dieser Reise setzten sich grosse Schwierigkeiten entgegen, so dass Beethoven sich die Partitur zurückerbat und sie im Einverständniss mit Mälzl für Orchesteraufführung umarbeitete. In demselben Konzert vom 8. Dezem- ber 1813, in welchem die feine VII. Symphonie zum ersten Male gespielt wurde, erklangen auch die brutalen Klänge der „Schlacht bei Vittoria". Ein glänzender Erfolg krönte das Zugeständniss an den Geschmack der Majorität. Schon am 12. musste das Konzert wiederholt werden und zwar ist es bemerkenswerth, dass

Das Pasqualati'sche Haus in Wien.

^V((e/( tiiier Vorlnge im Dtfitze des Autors.

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gerade die Schlachtsymphonie einen Sturm von Beifall entfesselte. Man wollte das Werk noch einmal hören und Beethoven veranstaltete am 2. Januar 1814 eine Akademie zu seinen Gunsten, um dem Wunsche des Publikums entgegen zu kommen und die günstige Lage auszunützen. Merkwürdiger Weise war Mälzl, dem zumeist der Erfolg zu danken war, von dieser Wiederholung aus- geschlossen. In der Folge, als Mälzl seinerseits die Komposition für sein Panharmonicon ausnützte, kam es zu Streitigkeiten, die erst nach jahrelangem Kampfe beigelegt wurden. Die Aufführung am 2. Januar 1814 wurde von Beethoven selbst dirigirt, dessen Harthörigkeit aber jede sichere Leitung unmög- lich machte. Das geschulte Orchester, durch Beethovens Missverständnisse zwar gestört, aber nicht irre gemacht, bemerkte bald, dass Kapellmeister Umlauf mit seinen Zeichen dem Gange der Musik genauer entsprach. Es folgte nun diesem Anführer, und die Akademie gelang bestens. Der Erinnerungen an den Beethoven jener Jahre sind genug festgehalten (vor noch etwa zwanzig Jahren hörte man da und dort einschlägige Ueberlieferungen erzählen), um klar zu machen, dass die lebhaften Geberden des Künstlers beim Dirigiren damals im Jahre 1814 und früher nahezu komisch waren: übertriebenes Zusammen- sinken beim Piano und Auffahren beim Forte, „als wären mit dem Anheben der Musik in jedes Glied tausend Leben gefahren", wie sich der Sänger Wild, ein Augenzeuge, ausdrückte.

Mit diesen Aufführungen, die in lärmender Weise auf die Zeitereignisse Bezug nahmen, war Beethovens Anerkennung in Wien besiegelt. Bald reihten sich neue Erfolge an, die dem Komponisten rasch zum Weltruhm verhalfen. Die Thaten des grossen Freiheitskrieges boten vielen Anlass zu künstlerischer Verherrlichung. Die Franzosenhasser jubelten, als Napoleons Glücksstern erblich, und Beethoven, von dem Taumel ergriffen, betheiligte sich mit mehreren Kom- positionen an dem Jubel über die Siege der Verbündeten. Nachdem er in einer grossen Akademie am 27. Februar 1814 nochmals die A-dur- Symphonie, dann ihre Nachfolgerin in F-dur, ein italienisches Terzett („Tremate Empii tremate") und wieder die Schlacht bei Vittoria zur Aufführung gebracht hatte, schrieb er die Musik zu Treitschkes Singspiel „Gute Nachricht", beziehungsweise zum Schlussgesang „Germanias Wiedergeburt". Die Zeitung „Der Wanderer" vom 16. April 1814 druckte das Gedicht ab und fügte die Bemerkung bei: „Der Wanderer glaubt sein Wanderbüchlein zu ehren, indem er es darein aufnimmt; möchte es ihm doch auch möglich seyn, die herrliche, einfache erhabene Melodie unseres Beethoven beyzusetzen". Im Laufe des April und Mai fanden zum mindesten sechs Aufführungen dieses Singspieles statt, zu welchem neben Beethovens Schlusschor auch Musik von Hummel, Mozart, Gyrowetz, Jos. Weigl und Kanne herangezogen worden v/ar.

Mittlerweile war eine Wiederaufführung des Fidelio vorbereitet worden, der nochmals umgearbeitet wurde. Treitschke feilte am Text, Beethoven an der Musik. Auch sollte eine neue Ouvertüre geschrieben werden, die aber nicht rechtzeitig fertig wurde. Bei der ersten Aufführung der Oper in der neuesten Gestalt musste eine andere Einleitungsmusik gewählt werden. Treitschke, mit dem Beethoven in lebhaftem Verkehr gestanden, erzählt, dass die Oper diesmal trefflich einstudirt war und stürmischen Beifall fand. Sie wurde mehrmals wiederholt und zwar am 18. Juli zum „Benefice" Beethovens. Also Anerkennung und Erfolge die Fülle, die nun für die Missernten der vorhergegangenen Jahre entschädigen mussten. Beethovens Ruhm kam auch äusserlich zum Ausdruck,

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indem neuerlich ein Bilciniss des Meisters begehrt wurde. Letronne zeichnete es und Blasius Höfel brachte es aufs Kupfer. Andere Bildnisse reihten sich nunmehr in ziemlich rascher Folge an. Sie sind von sehr ungleichem künst- lerischen Werthe und haben auch nicht alle Porträtähnlichkeit. Das Höfeische Blatt wurde von urtheilsfähigen Zeitgenossen sehr gelobt, weshalb es neben- stehend nachgebildet wird.

Wohl unmittelbar nach den Arbeiten für Fidelio nahm Beethoven ein Gedicht \-or, das ihm Dr. Weissenbach aus Salzburg gebracht hatte. „Der glor- reiche Augenblick" hiess es, wobei der Dichter die Einigung der Grossmächte zur Abwehr der Franzosen vor Augen hatte. Im Herbst komponirte Beethoven emsig an dieser grossen patriotischen Kantate, die er in einer Akademie zur Aufführung bringen wollte.

Am 1. November war der Kongress in Wien zusammengetreten, welcher der Welt aus den unerträglich gewordenen politischen Wirren heraushelfen sollte. Ungezählte hohe Gäste strömten von allen Richtungen herbei und verliehen durch Reichthum und Aufwand dem damaligen Wien einen unerhörten Glanz. Die Häupter der Grossmächte und vieler kleiner Staaten waren da. Allerwärts verkehrten hohe Offiziere, Gesandte, Minister, die alle wieder ihre Gefolgschaft hatten. Vor diesem aus- erlesenen Publikum sollte nun Beethoven seine Akademie abhalten. Graf Palffy, damals Hoftheaterdirektor, hatte dem Komponisten für diesen Zweck allerdings den grossen Redoutensaal eingeräumt, jedoch dafür eine bedeutende Abgabe (die Hälfte der Einnahme betragend) diktirt. Am 27. November sollte die Akademie abgehalten werden, doch wurde sie verschoben, wie es in den Akten heisst „auf Wunsch Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Grossfürstin von Russland, Erbprinzessin zu .Sachsen-Weimar, höchstweiche verhindert gewesen wären", das Konzert zu besuchen. Erst am 29. No- vember (1814) fand die Aufführung statt, gebliebene Quelle reden lasse, die zuerst spricht und dann fortfährt: „Am 29. November ergötzte in diesen der Freude geweihten Hallen ein Hochgenuss anderer Art sämmtliche Herrschaften und eine grosse Anzahl anderer Anwesenden; es war dies die kunstvolle musikalische Darstellung von Wellingtons Schlacht bei Vittoria, komponirt und bei der Auf- führung dirigirt von dem weltberühmten Ludwig van Beethoven, welcher eine von demselben unsterblichen Meister der Töne komponirte Symphonie als Indroduktion vorausging, zwischen welchen ebenfalls eine von demselben ge- schriebene, auf die Gegenwart der Monarchen und Fürstin Bezug habende Kantate: „Der glorreiche Augenblick" eingelegt war. Doch, wer vermag den rauschenden Beifall und die zu allgemeinem Entzücken gesteigerten Empfin- dungen zu beschreiben, welche sich über alle Anwesenden ergoss, als . . . die

über von

Beethoven im Jahre 1814 (nach dem Stiche von Blasius Höfel).

(VorInge im Besitze des Verfuiisers.)

die ich eine bisher unbeachtet einem Balle im Redoutensaale

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Worte ertönten „Was nur die Erde hoch und Hehres hat, in meinen (Viennas) Mauern hat es sich versammelt ..." Jawohl ein hoher, herrlicher, überaus seltener Augenblick!" So schrieb Fr. X. Ritter von Sickingen für seine „Dar- stellung der K. K. Haupt- und Residenzstadt Wien", für ein Buch, das allerdings erst einige Jahre nach Beethovens Tode erschienen ist, aber die Ereignisse von 1814 mit der Lebhaftigkeit unmittelbarer Anschauung schildert. Die Begeisterung für Beethovens Kantate hielt nicht lange an. Als am 2. Dezember 1814 das Konzert in allen seinen Nummern zu Beethovens Gunsten wieder- holt wurde, fand sich nur eine geringe Zuhörerschaft zusammen (nach Thayer). Am 25. Dezember wurde zum Besten eines Spitals ein ähnliches Konzert mit Beethovens „glorreichem Augenblick" gegeben; dieses war besser besucht.

Neben den Werken, die so viel Aufsehen erregt hatten, komponirte Beet- hoven im Jahre 1814 noch einige kleine Gesangsstücke, die Klaviersonate Op. 90 und einige Nummern zu Dunckers Trauerspiel „Leonore Prohaska", in Anbetracht der bewegten Zeit eine reichliche Ausbeute für ein einziges Jahr.

Kaum hatten die Konzerte des Dezember ausgeklungen, so finden wir Beethoven schon wieder mit neuen Plänen und Entwürfen beschäftigt. Eine neue Oper sollte begonnen werden, und zwar war es ein Textbuch von Friedrich Treitschke: „Romulus und Remus", das Beethoven fesselte. Bald nach Beginn der Arbeit erfuhr aber der Komponist, dass der Stoff schon als Oper bearbeitet worden sei (Thayer, zum Theil nach Otto Jahns Papieren). Diese Oper blieb liegen, und so ging es auch mit den übrigen nicht wenigen Opern, die der Künstler noch hat schreiben wollen. Glatt und rasch verlief aber die Arbeit der Polonaise Op. 89, die Beethoven für die Kaiserin von Russland komponirte und ihr auch in einer Audienz überreichen durfte. Bei Gelegenheit eines grossen Festes in der Hofburg, die Kongressmitglieder wollten ja fortwährend unterhalten sein, spielte Beethoven noch einmal öffentlich, um seine „Adelaide" zu begleiten. Der Sänger Wild trug sie vor.

Früher begonnene Arbeiten wurden nun fortgesetzt, wie die Melodien für Thomson; \'erlagsangelegenheiten kamen in Gang, und die Geldfrage bei den Kinskyschen Erben und mit den Gläubigern des Fürsten Lobkowitz wurde in Ordnung gebracht und zwar in einer Weise, mit der Beethoven zufrieden sein konnte und die zeigte, wie vornehm in dieser leidigen Geschichte dem Künstler begegnet worden ist. Unter den Werken, die 1815 vollendet wurden, stechen besonders die 2 Sonaten für Klavier und Violoncell, der Gräfin Erdödy gewidmet, Op. 102, hervor, die A-dur Sonate Op. 101 für Klavier (der Baronin Erdtmann dedizirt) und „Meeresstille und glückliche Fahrt" „dem Verfasser der Gedichte, dem unsterblichen Goethe gewidmet" (Op. 112). Die erste Aufführung des letzteren Werkes fand im Dezember 1815 statt. Damit aber sind wir den Ereignissen vorausgeeilt.

Im Sommer 1815 gab es freundlichen Verkehr mit dem englischen Musiker Charles Neate, der sich dem Meister ungefähr Anfangs Juni in Wien vor- gestellt hatte. In Baden, wo Beethoven dann seinen Sommeraufenthalt gewählt hatte, wohnte Neate nahe bei Beethoven, den er fast täglich sah und der ihm freundschaftlich zugethan war. Auch mit der gräflichen Familie Erdödy gab es 1815 heiteren Verkehr, der den Künstler ab und zu nach Jedlersee bei Wien führte, der aber, im Herbst jenes Jahres durch die Uebersiedlung der Erdöd\\s nach Kroatien sein Ende fand. Mit Neate blieb Beethoven fortan in Verkehr,

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auch nachdem der junge Mann im Herbst 18 Oesterreich verlassen hatte. Neate wirkte später in London für die Verbreitung der Werke Beethovens.

Eine Ironie des Schicksals ist es, dass Beethoven erst durch einige Ge- legenheitsarbeiten von geringem Werth zu allgemeiner Anerkennung gelangen sollte. Nicht die Eroica, nicht die C-moll Symphonie, keines der hochvollendeten Klavierkonzerte oder Quartette, keine der seither so berühmt gewordenen Sonaten hat das vermocht, was die ., Schlacht bei Vittoria" und der „glorreiche Augen- blick" beim Publikum geleistet haben. Freilich hat der ganze Vorgang etwas von dem, was in der Physiologie Summirung der Reize heisst. Ein Ereigniss ist oft längst durch tausend Anregungen vorbereitet, ohne alle Hemmungen überwinden zu können. Schliesslich genügt ein für sich kleiner Anstoss, um das Ereigniss wirklich auszulösen.

Ruine im Helenenthal.

Der letzte Beethoven.

inen bedeutsamen Abschnitt in Beethovens Leben bildet der Tod des Bruders Carl. Die Kränklichkeit des Mannes war keine Ein- bildung, wie es seine Vorgesetzten gemeint hatten. Den unwiderleglichen Beweis für seinen kranken Zustand erbrachte Carl van Beethoven durch sein Ableben. Er starb am 15. November 1815. Der Komponist suchte einen ursächlichen Zusammenhang dieses Todesfalles mit einem unfreundlichen, amtlichen Bescheid vom 23. Oktober jenes Jahres und gab seiner Ueberzeugung in folgenden Worten Ausdruck: „Dies Elende Kameralprodukt brachte meinem Bruder den Tod, da er wirkl(ich) so krank war, dass er, ohne seinen Tod zu beschleunigen, nicht seinen Dienst versehen konnte. Schönes Denkmal dieser rohen Ober-Bedienten. L. van Beethoven." Der famose Bescheid (den ich in der Posonyischen Autographen- sammlung kopirt habe) setzte sich wirklich über ein Krankheitszeugniss und andere beigebrachte Beweise hinweg, um Carl van Beethoven einer besonders strafbaren „Unlust" zum Dienst und „angewöhnter Fahrlässigkeit" zu zeihen. Es wurde dem schwer Leidenden aufgetragen, unfehlbar mit 2 en [statt zweitem] November 1. J. seine Kassiersstelle bey der Bankohauptkassa anzutretten [! ], ordent- lich und ohne Unterbrechung zu frequentiren und seine Amtsverrichtungen .... mit Fleiss und Eifer zu versehen, wiedrigen [!] Falls man sich genöthigt sehen würde, denselben als einen, allen übrigen Kassabeamten zum anstössigen Bei- spiel dienenden Beamten strenge nach den bestehenden Direktiven zu behandeln." Man kann sich des feinfühligen und leicht erregbaren Meisters Stimmung unschwer ausmalen, nachdem er diesen unmenschlichen Wisch gelesen hatte.

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Noch dazu Geldverlegenheiten, die den Künstler veranlassten, ungefähr zu jener Zeit bei Brentanos in Frankfurt eine beträchtliche Summe aufzunehmen. Nach Aussen hin wollte er freilich jetzt mehr als je generös erscheinen und so gab er denn gegen Ende des Jahres eine Akademie zum Vortheil des Wiener Bürger- spitals. Die Ouvertüre in C (Op. 115), sowie „Meeresstille und glückliche Fahrt" wurden damals den Wienern zum ersten Mal vorgeführt. Daneben brachte der Komponist auch sein Oratorium „Christus am Oelberge" wieder zur Aufführung. Die Uneigennützigkeit Beethovens wurde zum Anlass, dass die Stadt Wien dem Komponisten das Ehrenbürgerrecht ertheilte. Schindler bemerkt den trockenen Ton der Urkunde, in der es an jeder warmen Anerkennung der künstlerischen Grösse des neuen Ehrenbürgers mangelt. Es war ein schwacher Nachklang der vielen Ehren, die sich während der Kongresszeit wie Sonnen- blicke über Beethovens Dasein gebreitet hatten.

Nicht zu übersehen ist es, dass in der Zeit um das Ableben des Bruders die Schwerhörigkeit des Künstlers sich entweder stark verschlimmert hat, oder dass sie sich im Umgang mit allerlei fremden Menschen gerade damals besonders unangenehm fühlbar machte. Wie dem auch sei, aus jenen Tagen ist ein Heftchen erhaken geblieben, das beweist, wie Beethoven sich genöthigt sah, nunmehr die Antworten im Gespräch aufschreiben zu lassen, da er sie durchs Ohr nur dann vernehmen konnte, wenn sie ihm aus der Nähe zugeschrieen wurden. Und so befand sich denn Beethoven im Spätherbst 1815 in einer keineswegs beneidenswerthen Lage. Durch den Tod des Bruders wurde ja der Meister, der allen Fragen des praktischen Lebens höchst unbeholfen gegenüber- stand, mit zwingender Gewalt in Verhältnisse gedrängt, denen er in keiner Weise gewachsen war. Wir wissen schon davon, dass Bruder Carl den Komponisten zum Vormund über den jungen Carl gesetzt hatte. Nun bekam der Künstler, ohne dass er beweibt gewesen wäre, die Sorgen um ein heranwachsendes Kind zu verkosten. Diese Sorgen waren bitter genug. Denn die Schwägerin Johanna, dem Künstler geradewegs verhasst, konnte bei der Erziehung des Neffen Carl nicht ganz umgangen werden, so sehr dies auch erwünscht gewesen wäre. Liess es sich doch nicht vertuschen, dass eine üble moralische Anlage die Schwägerin zu allem eher befähigte, als zur Erziehung. Aber Mutter und Sohn standen eben in einem innigeren Verhältniss zu einander, als Onkel und Neffe. Der Meister sah sich fortwährend durch die Vormundschaft in seinem Schaffen gestört. Durch die ödesten und ärgerlichsten Schreibereien wurde ihm der Drang unterdrückt, schlummernde Gedanken zu wecken und sie zu grossen Werken auszubauen. Nur die, über jedes Mittelmass weit hinausreichende Spannkraft des Meisters konnte ihn vor dem künstlerischen Untergange retten. Wo Andere angefangen hätten, leichtflüssige Modesachen auf den Markt zu werfen und das Schaffen in grossem Stil aufzugeben, hielt Beethoven fest an seinem hohen Berufe, und kaum vergehen einige Jahre des Ungemachs, so regt sichs wieder gigantisch in der musikalischen Phantasie des Meisters. Eine Zeitlang aber macht sich allerdings ein Rückschlag gegen die reiche Schaffensperiode von 1814 und 1815 bemerkbar, die mit den herrlichen Sonaten Op. 101 102 ab- geschlossen hatte. In den Jahren 1816 und 1817 ist gar nichts zu Stande gekommen, was so recht des grossen Beethoven w^ürdig gewesen wäre. Ein Oratorium, das er für die Gesellschaft der Musikfreunde schreiben sollte, kam nicht zu Stande. Vermuthlich beabsichtigte Beethoven auch um jene Zeit, ein Requiem zu schreiben, wohl im Zusammenhang mit dem Tode des Bruders.

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Vorübergehend hatte er auch schon früher (1808) an eine solche Trauermusik gedacht. Als Kinsky 1812 gestorben war, scheint die Absicht wieder aufgetaucht zu sein. 1814 sprach man neuerlich von einem beabsichtigten Beethovenschen Requiem, so auch einige Jahre später. Der Tuchhändler Joh. Wolfmayer, der 1814 dem Komponisten in freundlichster Weise entgegengekommen war, bot ihm noch im Frühling 1818 100 Dukaten für den Fall, dass Beethoven das Requiem ausführen wolle. Auch dieser Plan blieb unberührt. Nur kleine Sachen giebt es zu erwähnen, wie Kanons, einige Lieder, darunter allerdings eines „An die Hoffnung aus Tiedges Urania" und der Liederkreis „an die ferne Geliebte" Op. 98. Ferner ist zu nennen eine nicht gerade tief gedachte Kantate für Lob- kowitz, ein Marsch für Militärmusik und ein Männerchor zu Schillers Text aus Wilhelm Teil: „Rasch tritt der Tod den Menschen an". Letztere Komposition ist wieder durch einen Todesfall veranlasst. Wenzel Krumpholz war am 3. Mai 1817 gestorben. Beethoven vermerkte die Veranlassung selbst im Stammbuch von Alois Pouchs. Um jene Zeit übernahm es Beethoven auch, den Sohn des Universitäts-Kalligraphen Hirsch in Klavierspiel und Harmonielehre zu unter- weisen, doch dauerte der Unterricht nur kurze Zeit. Beethoven zog aufs Land, diesmal nach Nussdorf, (das Haus, in welchem er gewohnt hat, wird nebenstehend abgebildet) erquickte und erholte sich wieder, und ein neues grossartiges Schaffen begann. Nun schrieb Beethoven abermals in einem neuen Stile, den man den letzten Stil nennen kann, wenn man damit nicht die Ueberreife oder eine Art Alterserscheinung und keine streng durchgeführte Einschachtelung meint. Durch die Sonaten Op. 102 und 101 war die neue Art schon eingeleitet worden. Sie zeigen schon, dass Beethoven wieder auf die strengen Formen zurückgriff, die er einige Jahre lang bei Seite gelassen hatte. Allerwärts tauchen nun wieder Fugen oder fugirte Sätze auf. Behält Schindler recht, so geschah es, um die Widersacher verstummen zu machen, deren Feldgeschrei es war: Beethoven kann keine Fuge schreiben. Durch das Streichquintett Op. 137, vollendet am 28. November 1817, wird die geschehene W'endung wohl am deutlichsten markirt. Das Ganze ist eben eine Fuge. Beethoven erneuerte noch einmal sein ganzes musikalischen Denken, indem er einerseits wieder auf die grossen Kontrapunktisten zurückging, andererseits sich gegen das hergebrachte Schwelgen in Formeln, besonders in Kadenzen, noch merklicher auflehnte, als bisher; konzertantes Zierwerk wird vermieden. Ab und zu tritt alterthümliche Ornamentik auf, oder Beethoven sucht neuerlich unverbrauchte Gestalten für begleitende Stimmen. In der Wahl seiner Motive bleibt er noch immer einiger- massen wählerisch, wogegen er sich in der Stimmenführung (aus klassischem Gesichtswinkel betrachtet) ein wenig vernachlässigt. Ganz neue Klangwirkungen drängen sich dem innersten Ohre auf, freilich mitunter auf Kosten der Rundheit und Glätte und mit besonderer Bevorzugung verpönter Querstände (berüchtigt ist deshalb Op. 102 No. 2), wodurch in manche Stellen ein eigenthümliches Schwanken zwischen grossen und kleinen Terzen und Sexten kommt, das man mit dem Schillern der Seidenstoffe vergleichen könnte. Das nunmehr oft an- gewendete gleichzeitige Ertönen der Wechselnote in einer Stimme und der dazu gehörigen Grundnote in einer anderen, bedingt Tonverhältnisse, an die man damals noch gar nicht gewöhnt war. (Beispiele in der Cellosonate Op. 102 No. 2 in der Fuge, in der Klaviersonate Op. 101 im Vivace alla Marcia und später in der grossen Messe.) Wie sehr man auch zugestehen muss, dass die logische Weiterentwicklung der Musik auf solche verwickeitere Verhältnisse hindrängte,

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begreift man doch, dass die Philister von den neuen Klängen unangenehm be- rührt wurden und dass zunächst nur ein kleiner Kreis verständnissvolle An- erkennung zollte. Man wusste sich eben die eigenartige Mischung von klassischer Form und romantischer Freiheit in Beethovens letztem Stil nicht sofort zu deuten. Noch in den 50er Jahren eiferte Ulibitscheff gegen den letzten Beethoven. Heute kennt man noch weit schärfere Wirkungen in der Musik.

Kein zufälliges Zusammentreffen dürfte es sein, dass in derselben Lebens- periode, die eine Stilvvandlung in Beethovens Kunst zu verzeichnen hat, auch Beethovens Schrift züge energischer, rücksichtsloser, flüchtiger werden. Die Wesensänderung in jener Zeit findet auch darin ihren Ausdruck, dass die Unter- schrift nunmehr (seit einer Uebergangszeit von 1816 bis 1818) fast regelmässig in flüssiger lateinischer Schrift hingesetzt wird, wogegen sie bis dahin (die Jugend- zeit ausgenommen) mit einiger Beharrlichkeit an den eckigen Formen deutscher Kursive festgehalten hatte. Einige hundert Briefe aus dem letzten Jahrzehnt des Künstler- lebens legen davon Zeugniss ab. Als Beispiel der Handschrift Beethovens aus dieser Periode dient uns ein Brief, der an Boldrini, den Kompagnon Artarias gerichtet und 1820 ge- schrieben ist. Das nebenstehende Facsimile giebt die zweite Seite des Schreibens, das zwar in einer Musikzeitung abgedruckt, aber sonst nur wenig bekannt ist. Besonders be- herzigenswerth ist die Stelle von der Besuchs- karte. Der Künstler ordnet als Wortlaut an einfach: Ludwig van Beethoven. Keinerlei Zusatz. Man hat ja dem grossen Manne in Wien nicht den einfachsten Titel vergönnt. Wie klein sind seitdem die neidischen, miss- günstigen Leutchen neben dem bescheidenen einfachen Ludwig van Beethoven geworden!

Die veränderten Familienverhältnisse, von denen oben die Rede war, erforderten eine ganz neue Lebenseintheilung. Eine Art Ge- wöhnung an das neue LTngemach musste er- zwungen werden, sollte das künstlerische

Schaffen nicht verkommen. Die Lebenskraft siegte allmählich ; der Meister lernte es, in Unfrieden zu leben, hauptsächlich mit seiner Schwägerin, die kein Mittel un- versucht liess, sich der Vormundschaft zu bemächtigen. Dutzende von erhaltenen Beethovenbriefen befassen sich mit dieser widrigen Angelegenheit. Dagegen ge- währte es dem Künstler anfangs sogar ein gewisses Vergnügen, sich nicht nur der allgemeinen Erziehung seines Neffen, sondern auch dessen musikalischer Aus- bildung anzunehmen. Schon aus der Zeit, als Bruder Carl Testament gemacht hatte, sind Andeutungen vorhanden, dass Beethoven auf den Musikunterricht des Kleinen achtete. Nunmehr fühlte sich Beethoven geradewegs verpflichtet, für Unterweisung in der Kunst zu sorgen. Carl Czerny wurde Klavierlehrer des Knaben. (Ein Abbild Czerny's aus späteren Jahren umstehend.) Eine lebhafte Korrespondenz entwickelte sich, die uns auch daran erinnert, dass der Neffe im Februar 1816 in die Erziehungsanstalt Giannatasio del Rio

Beethovenhaus in Nussdorf.

(Kahlenbergerstr. 26.)

Ihothographie des Verlages V. A. Heck in Wien.

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gekommen war. Da gab es denn für Czern}' genug zu bestellen her und hin. Anweisungen, das Klavierspiei betreffend, sind es selten genug, die wir da zu lesen bekommen. Meist handelt es sich um höchst prosaische Dinge, z. B. „sollten sie noch den weg zu Karl machen wollen, so wäre es gut zu hören, von wann also die chokolade bezahlt werden muss". So heisst es in einem Briefchen, das wohl an Czerny oder an den Dichter Bernard gerichtet ist, die sich beide dem Meister dienstbar erwiesen. Da gab es für den Tonmeister zu sorgen, dass die verderbte Mutter keinen Zutritt zu ihrem Sohne erhalte, da musste für Kleidung, Schulbücher und tausend andere Dinge gesorgt werden, nicht zuletzt für die Bezahlung, die Beethoven schwer aufbrachte und nicht immer pünktlich leisten konnte. Eine kleine Operation, die der Neffe im Sommer iSi6 zu überstehen hatte, bereitete manche Sorge. Mit der Häuslichkeit sah es bei Beethoven schlimmer aus, denn je. Frau Nanette Streicher musste an allen Enden ordnend eingreifen, denn das Dienstpersonal, das oft gewechselt wurde, verstand es ja überhaupt nicht, den künstlerischen Werth Beethovens zu schätzen. Für Köchin, Magd, Diener war der grosse Tondichter nur ein

jähzorniger, tauber, misstrauischer, dabei dennoch x'ergesslicher, also höchst unangenehmer Herr, den zu hintergehen nicht schwer fiel und über den man sich gelegentlich lustig machte. Galt er doch seines ungewöhnlichen Benehmens wegen in jener Zeit und auch späterhin vielfach als „Narr". In der That aber verhielt es sich so, wie er im Oktober 1817 an Freund Zmeskall schreibt „in meiner Lage . . bedarf ich überall Nachsicht, denn ich bin ein armer unglück- licher Mann". Seltener als früher bricht die gute Laune wieder durch, namentlich im Verkehr mit Steiner, dem Musikalienverleger, mit Haslinger und mit „Diabolus Diabelli". Steinern pflegte er „Generallieutenant" zu tituliren; Tobias Haslinger wurde zum Adjutanten gemacht; Nachwirkungen der Kriegsjahre und wohl auch eine Reminiscenz an die Scherze bei Gelegenheit der Fahrt nach Mergentheim. Die „Paternoster- gässler", wie sie von Beethoven wegen der Lage ihres Musikladens im Paternoster- gässchen genannt wurden, waren die meist geduldigen Stichblätter Beethovenschen Witzes, denen er auch als „Generalissimus in Donner und Blitz" erschien.

Wie oben schon angedeutet, hatte sich gegen Ende des Jahres 1817 eine Art Gewöhnung an die neuen Verhältnisse in der Familie eingestellt, so dass endlich wieder der grosse Künstler über den gequälten Prosamenschen die Ober- hand gewann. Aeusserliche Gründe zwangen wohl oftmals zu Arbeiten für Geld, aber ein rein äusserlicher Anstoss führte auch zu einem monumentalen Werk, wie es in der Missa solemnis vor uns steht.

Wir wissen längst um den Unterricht, den Beethoven dem Erzherzog Rudolph ertheilte. Theils ehrte und förderte das Verhältniss den Meister, theils hemmte es ihn, so dass er auch in jener Periode es gelegentlich in Augenblicken des Unmuths verwünschte. Im Ganzen war es für den Lehrer ohne Zweifel selbst recht nützlich, einmal im Sinne des „docendo discimus", dann dadurch, dass es ihm äusserlichen Halt verschaffte. Und Anregung zum Schaffen bot

Carl Czerny.

Vorlage aus Herrn Fr. Sic. Manskopfs Jlns/k

historischen ihisewn in Franlfuit u. M.

59

das \'erhältniss zum Erzherzog genug, auch wenn wir bei einigen Sonaten, die dem hohen Gönner gewidmet sind, annehmen könnten, dass sie so wie so ent- standen wären und erst als fertige Werke ihre Widmung empfangen hätten. Op. 106, die grosse B-dur-Sonate, 1818 entstanden, scheint übrigens ganz im Hinblick auf das anerkannt treffliche Klavierspiel des Erzherzogs \-erfasst zu sein. Bei der grossen Messe giebt es keinerlei Bedenken, ihr Entstehen mit dem Erzherzog in \'erbindung zu bringen. Im Frühling 1819 war er rasch nach einander Kardinal und Erzbischof von Olmütz geworden. Die feierliche Einsetzung war für 1820 anberaumt. In einem der Kalender, die Beethoven in jenen Jahren gelegentlich zu Notizen und tagebuchartigen Eintragungen benutzt hat, steht bemerkt: „Installation des Erzherzogs zu Olmütz am 9. März des nächsten Jahres". Beethoven beabsichtigte, seinen hohen Gönner (dessen Abbild neben- stehend zu sehen) durch eine künstlerische Huldigung zu erfreuen, indem er für die Inthronisationsfeier eine grosse Messe komponirte. Bis zum 9. März 1820 sollte das Werk vollendet und einstudirt sein. Das Schaffen des berühmten Mannes aber, der sich dem Fünfziger näherte, \var ein überaus verwickeltes. Allerlei Pläne durch- kreuzten sich. Körperliche Leiden. Ungezählte Störungen durch den Neffen und die Schwägerin, durch das Alltags- leben. Der Unterricht beim Erzherzog gab auch Manches zu schaffen. So komponirte Beethoven um jene Zeit ein Thema „O Hoffnung, 0 Hoffnung", das der Erz- herzog variirte. Diese Variationen mussten nun genau durchgesehen, verbessert, zur Abschrift, zum Verleger und zum Druck befördert werden. Im Frühling 1819 schrieb Beethoven an den Erzherzog über „die meisterhaften \'anationen", in denen er allerdings manche kleine Verstösse verbessert habe. Mit Bezug auf das Thema: o Hoffnung wirft er auch rasch den Gedanken hin: feurig „mögte ich nun von Herzen gern singen, wären

i(hre) K(aiserliche) h(oheit) nur ganz wieder her- gestellt". Schüler und Lehrer waren kränklich, was zu ungezählten Botschaften Anlass gab, da die Lektionen oft verschoben oder abgesagt wurden. Ueber hundert Briefe oder Billete Beethovens an den Erzherzog haben sich erhalten. Die meisten befinden sich im Besitz der Gesellschaft der Musik- freunde in Wien. Der Brief, den ich eben benützt habe, war Anfangs 1900 bei Gilhofer & Ranschburg in Wien und soll sich gegenwärtig in Paris befinden. Auch in Briefen an andere Personen ist vom Unterricht ab und zu die Rede. Beethoven ging zwar rasch an die Arbeit der Messe, doch notirte er mittendrein auch wieder allerlei Gedanken für andere Werke z. B. auch für die IX. Symphonie. Auch ging er bei der Messe zu sehr ins Grosse, um zur be- sfimmten Frist fertig werden zu können, obwohl die Inthronisation des Erzherzogs nicht am 9. März stattfand, wie Beethoven sich notirt hatte, sondern erst am 20. März (1820). Nach Nottebohm ist das Kyrie der Messe frühestens um die Mitte des Jahres 1818 begonnen worden. Das Credo mit der Fuge und das Benedictus wurden 1819 geschrieben, wie Schindler mittheilt, der darüber allerlei Einzelheiten zu erzählen wusste. Beethoven schien in jener Zeit „ganz besessen zu seyn" (es war im Sommer 1819 zu Mödling. Wir bilden das Haus ab, in

Erzherzog Rudolf.

(Vorlage, im Bisiiz der Oenellschuft

der MuxtVfriunde in 'Wien.)

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dem er damals wohnte). „Im Schweisse seines Angesichts schlug er sich Takt für Takt mit Hand und Füssen die Takttheile, ehe er die Noten zu Papier brachte, bey welcher Gelegenheit ihm sein Hausherr die Wohnung aufkündete, indem die andern Parteyen sich beschwerten, dass ihnen Beethoven durch sein Stampfen und Schlagen auf den Tisch, Tag und Nacht keine Ruhe gebe" (Brief Schindlers vom 29. September 1827 an Schotts nach Mainz) Eine Skizze zu „et vitam venturi" findet sich im Konversationsheft 35 ^ (Bl. 34) der Berliner Bibliothek. Ganz frühe Entwürfe zum „Dona nobis pacem" stehen auf einem losen Blatte, das Herr Baron Dr. Heinr. Haerdtl in Wien als Rest eines Skizzenbuches besitzt, Anfangs notirte Beethoven im *U Takt Gedanken wie:

Crucifixus etiam pro nobis, sub Pontio Pilato passiis et sepultus est.

Max Klinger: Pietä.

Copyright 1893 by Pliotogrnphische üust-llscliaft.

(Mit Gettehinigurig der Photoijriqihixdien O'iSfUsdiiift in birliii.)

die dann in der fertigen Partitur schärfer pointirt im % Takt erscheinen:

Andere Skizzen anderwärts. Zwar meldet Beethoven in einem Briefe an Ries schon am lü. November 1819, dass er die Messe beinahe vollendet habe, aber die Vollendung hatte wohl sicher erst im Kopfe des Künstlers stattgefunden; in der Partitur Hess sie noch lange auf sich warten. Die Einsetzungsfeier ging vor sich, ohne dass die versprochene Festmesse hätte dabei gespielt werden können. Noch am 27. Februar 1822, also fast zwei Jahre später, entschuldigt sich Beethoven beim Erzherzog, dass die Messe noch nicht überreicht sei. Fertig war sie damals wohl, aber die mühsame Durchsicht der Abschrift nahm noch

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viele Zeit in Anspruch. Erst am ig. März 1823 (so steht es im handschrift- lichen Musikalienverzeichniss der erzherzoglichen Bibliothek) wurde dem Erz- herzog eine „schön geschriebene" Kopie überreicht, durch Beethoven selbst. Ein Riesenwerk war entstanden. Seit Seb. Bachs H-moll Messe und Cherubinis umfangreichen Messenkompositionen hatte die Welt eine so grossartige Musik zum Gottesdienst nicht gefunden. Zu hören war das Werk nicht sofort, da es der Aufführung ungewöhnliche Schwierigkeiten entgegensetzt. In Wien ist zu Beethovens Lebzeiten die Missa solemnis überhaupt nicht vollständig aufgeführt worden. In dieser Beziehung hat St. Petersburg den Vorrang. Dort fand schon iSl>4 die erste Aufführung des ganzen Werkes statt (nach Lenz). Die Missa solemnis ist so umfangreich, dass sie für kirchliche Zwecke nur selten zu ver- wenden ist, nebenbei bemerkt nur dort, wo es der Gebrauch gestattet, dass auch während der Wandlung Musik erklinge. Beethoven hat ein Interludium, wie ein solches oft auf der Orgel zwischen „Sanctus" und „Benedictus" gespielt wird, sogleich mit komponirt und in die Partitur gesetzt, wie schon Schnerich hervor- gehoben hat.

In den folgenden Jahren bemühte sich Beethoven im\'erein mit seinen Freunden, Abschriften der Messe bei den grossen euro- päischen Höfen und Konzert- instituten abzusetzen, was in einigen Fällen gelang, aber auch viele L'nannehmlichkeiten mit sich brachte. Ein sehr auffallender Erfolg wurde am französischen Hofe erzielt. Der König liess dem Künstler eine schwere goldene Medaille übersenden. (Sie wird in Wien \'erwahrt.) In Wien und in Weimar wurde kein Exemplar der Missa abgesetzt. Die dortigen Höfe hatten keine Einladung zur Zeichnung auf die Messe erhalten. Beethoven rechnete wohl auf die persönliche Verwendung des Erzherzogs Rudolf in Wien und auf Goethes Vermittlung in Weimar.

Zu den Werken, die während der Arbeit an der grossen Messe entstanden sind, gehören auch Beethovens letzte drei Klaviersonaten Op. 109 (dem Fräulein Maximiliane Brentano gewidmet) Op. 1 10 und 111 (letztere auf Veranlassung des Verlegers dem Erzherzog Rudolf dedizirt). Ihre Abfassung fällt in die Zeit zwischen dem Sommer 1819 und dem 13. Januar 1820. Am 18. Februar 1821 ist ein interessantes Stammbuchblatt entstanden, das folgendermassen beginnt:

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mehreren Jahren voll- ständig veröffent- licht. Es befindet sich im Besitze des Herrn Hofsekretärs beim Obersten Rechnungshofe \'ictor Edl. von Marquet in Wien. Der Querstand im 3. Takt ist für den letzten Stil Beetho\ens nicht befremdend, doch zeigt die ganze Komposition eine gewisse

Beethovenhaus in der MödUnger Hauptstrasse.

Ansicht der Hofseite. Beethoven wohnte 1818 u. 1819 im ersten Stockwerk des Flügels nach dem Garten zu.

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Stammbuchblatt Beethoven's (Erste Seite) ('««cÄ dtm Xuioijraph im Iksäz des Herrn Ilofsekretärs Y. Edkn von Marquct in Wien),

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Flüchtigkeit, die sie als Gelegenheitsarbeit kennzeichnet. Ferdinand Priringer hatte Beethoven um ein Autograph für sein Stammbuch angegangen. Dies die \'eranlassung. Dem Jahre 182 2 gehören an: das „Bundeslied" Op. 122, die Ouvertüre ..Zur Weihe des Hauses" Op. 124, die ebenso wie der Schlusschor ^\Vo sich die Pulse jugendlich jagen" durch die Eröffnung des Josephstädter Theaters veranlasst ist. Mehrere Aufführungen fanden Anfangs Oktober 1822 statt. Der Kanon „Gedenket heut an Baden" mag hier erwähnt werden. Im November desselben Jahres entstanden die .,Bagatellen" für Klavier Op. 119 und die Ariette „Ich war bei Chloe ganz allein". Noch Anderes wurde in jenen Jahren zu Papier gebracht, doch verschwindet das Alles neben der grossen Chor- symphonie in D-molI Op. 125, schlechtweg „die Neunte" genannt. Sie ist vielleicht der Gipfel in Beethovens Schaffen, auch wenn Beethoven selbst die grosse Messe für sein ge- lungenstes Werk hielt. Die Neunte ist zugleich das Werk, an dem er am längsten gearbeitet hat. Je nachdem Einer seiner Anlage nach den Eintritt der Singstimmen im letzten Satz als angenehm oder unangenehm aufnimmt, wird die subjektive Schätzung sehr verschieden aus- fallen. Was der Eine als Steige- rung des Ausdrucks wie selbst- verständlich hinnimmt, wird der andere als unliebsames Er- wachen aus einem schönen Traume empfinden. Er wird sich angerufen meinen, um von den instrumentalen Klangfarben Abschied nehmen zu müssen.

Objektiv beurtheilt, also ohne Rücksicht auf Wohlgefallen oder Missfallen, ist's ein ungeheueres, formvollendetes Werk (die Form ist dadurch mit nichten „zersprengt")*). Ein Werk, in welchem Beethoven mehr sagen wollte,

Beethoven's Bildniss nach Schimon's Gemälde. (yach einer Aufnahme dir Photoijropisdun Gesellschaft, Berlin.)

*) Wer im Zergliedern von Sonaten und Symphonien geübt ist, findet in der Neunten bald die bekannten Formen heraus, auch wenn er bemerkt, dass Alles reicher als je vorher gestaltet ist und dass der Hauptsatz des Allegro maestoso bei seiner Wiederholung etwas knapper gefasst ist, als zu Anfang, wo er in einleitender Breite auftritt. Die Form des Molto vivace {^|^ Takt) ist im Wesentlichen die eines Menuetto mit Coda, und zwar einer Coda mit Motiven aus dem Triotheile, also die Reihenfolge I, II, III (wie eins), IV (mit Nachklängen aus II). II und IV sind in 4theiligem Rhythmus gehalten, was dem Satze einen eigenthümlichen Charakter verleiht, wie denn überhaupt die grossartige Rhythmik dieses Satzes ohne Zweifel das Bedeutendste ist, das bis dahin auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Eigenartig ist die Verwendung der

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musste, als sich mit reiner Instrumentalmusik ausdrücken lässt. Er zog das Wort und zwar das gesungene Wort heran, um wenigstens in seiner V'orstellung einmal jene reine Freude zu begrüssen, die er seit seiner Ertaubung in der Wirklichkeit vergebens erwartet hatte. Schillers Ode ,.An die Freude" bot die Worte oder wenigstens zunächst den vStimmungscharakter für den Abschluss des Werkes, das über Alles hinausragt, was bis dahin gehört worden war. Ein lockerer psychologischer Zusammenhang reicht, wie schon angedeutet, bis zum Heiligenstädter Testament zurück, in welchem Beethoven die Vorsehung anruft um einen „reinen Tag der Freude". Ja es ist schon für 1793 nachgewiesen, dass Beethoven damals Schillers Gedicht bearbeiten wollte. Viel später, 1812, finden sich Notirungen zu: „Freude schöner Götterfunken", die zwar zu einer „Ouvertüre" dienen sollten, also mit der IX. Symphonie noch nichts zu schaffen haben, die aber unzweifelhaft den ganzen Gedankenkreis vorbereiten helfen, der dann zur Zeit der eigentlichen Ausarbeitung lebhaft ins Bewusstsein trat. .Schon um 1816 begannen die Gedanken sich zu verdichten und zu ordnen. Was den

Pauken. \'on feinst abgewogener Rundung erweist sich die Klangfarbe der sonst von Beethoven gewählten Instrumentirung. Der Hauptsatz dieses Molto vivace tritt fugirt auf. Der Trio hat einen leichthin pastoralen Charakter, was schon zum Theil dadurch zum Ausdruck kommt, dass sein Hauptgedanke zuerst von den Holzbläsern vorgetragen wird. Das Molto vivace pflegt bei guten Aufführungen das Entzücken des Publikums zu sein, und wenn sich ein Musiker eine frohe Stunde schaffen will, so lese er in diesem Wunderwerke von einer Partitur. Das Adagio molto e cantabile und Andante moderato, mehrmals abwechselnd, bilden den kaum minder vollkommenen dritten Satz der Symphonie, der sich am wenigsten an eine bestimmte Form hält. Immerhin hat man, und das mit Grund, von variirtem zweitheiligem Liedsatze gesprochen. Die Verwendung einmal gewählter Motive ist hier (wie gewöhnlich bei Beethoven) meisterhaft. Die nothwendige relative Ruhe zwischen zwei stürmischen Sätzen kann kaum weihevoller ausgedrückt werden, als in diesem 3. Satze der IX. Symphonie. Der letzte Satz scheint in seiner Einleitung zunächst regellos. Gedanken aus früheren Sätzen werden ohne strengen Formenzusammenhang wiederholt. Prophetisch klingt das Hauptthema (zu: „Freude") durch (Violoncelle und Bässe. Piano. Allegro assai), das den Grundstock des Satzes bilden wird. Entspricht diese Einleitung (mit mehreren Rezitativen; auch keineswegs dem hergebrachten Schema der Symphonieform, so dient sie um so mehr dazu, die Zusammengehörigkeit des Ganzen eindringlichst klar zu machen, jedenfalls eindringlicher als je zuvor, auch wenn die früheren Symphonien Beethovens miteinbezogen werden. Die rasche Einleitung (Presto ^/^ Takt) wird von Beethoven noch ein- mal gebracht, worauf das gesungene Rezitativ „0 Freunde, nicht diese Töne!" folgt. Klare, übersichtliche Formgebung beginnt mit dem Allegro assai im */^ Takt. Von hier an ist der letzte Satz ein grossartig aufgebautes Rondo. Der Hauptsatz tritt drei Mal auf, abgelöst von zwei Seitensätzen. Ein Anhang lässt das Riesenwerk in breitester Weise ausklingen. Von einem Sprengen der Form (wie Vischer und Köstlin meinten und wie es unzählige Mal nach- geplappert worden ist) kann keine Rede sein. Dass eine neunte Symphonie eines Beethoven sich nicht mit den mageren Umrissen der Sonatine begnügen konnte, dass sie nicht zur Suite zurückgreifen wollte, war ja doch von vornherein anzunehmen. Das beigegebene Facsimile nach Beethovens Handschrift des Anfangs der Neunten giebt uns zugleich eine Uebersicht über die Anordnung des grossen Beethovenschen Orchesters. Oben die Holzbläser, darunter die Hörner, dann die Pauken (Timpani; Beethoven schreibt „Timpany"), zu unterst die Streich- instrumente. Die Beischriften, die im Facsimile nicht ganz leicht leserlich sind, lauten : „Violoncelh" (im dritten System von unten) und „sempre pi(anissi)mo" (ganz rechts über dem dritten System). Im weiteren Verlaufe treten auch noch D-Posaunen hinzu. Im letzten Satz werden, man weiss es, Singstimmen eingeführt und Beethoven macht dort auch wieder vom Contrafagott Gebrauch, wie im Fidelio. Die Klangwirkung dieses verhältnismässig seltenen Instruments war Beethoven schon in Bonn bekannt geworden.

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(P'acsimile nach Beethoven's Handschrift im Besitz der Königlichen Bibliothek zu Berlin.)

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ersten Satz der Symphonie betrifft/so finden sich nach Nottebohms Mittheilungen die frühesten Notirungen auf losen Skizzenblättern aus dem Jahre 1817. Die zügige Vollendung erfolgte aber erst in den Jahren 1822 und 1823 nach der Herstellung der Missa solemnis und der letzten Sonaten. Eine äussere Veran- lassung zu beschleunigter Vollendung ist in der Aufforderung der philharmonischen Gesellschaft in London zu erblicken, dass Beethoven für sie eine Symphonie schreiben möge. Die Korrespondenz, darauf Bezug nehmend, spielte sich, vor- bereitende Briefe abgerechnet, im Jahre 1822 ab. 1823 wurde neben der Sym- phonie kaum etwas Anderes vollendet, als die Variationen Op. 120; erforderte doch das Riesenwerk den ganzen Mann. Schindler theilt die interessante That- sache mit, dass Beethoven lange geschwankt hat, ehe er die Worte fand, die den Chor einleiten. Anfangs wollte er es so: „Lasst uns das Lied des unsterb- lichen Schiller singen", dann entschloss er sich für: „O Freunde, nicht diese Töne! sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere". An- spornend, vielleicht auch hie und da verstimmend, mochten auf die Arbeit äussere Umstände einwirken, unter denen vielleicht die steigenden Erfolge Rossinis in Wien am bedeutungsvollsten sind. Denn sie haben viel dazu beigetragen, dass Beethoven im Bewusstsein der Zeitgenossen für einige Zeit zurückgedrängt wurde. Schon seit 1818 eroberten sich Rossinische Arien den Wiener Boden und zwar in raschem Vordringen. Mehrere Jahre hindurch gab es fast keine Akademie ohne Rossinische Arie (nach Hanslick). Der Höhepunkt eines gerade- zu frenetischen Rossinicults wurde aber bei den Aufführungen von 1822 erreicht, als Rossini selbst in Wien war. Der italienische Meister, der von einer Stimme jener Tage der „Lieblingskomponist des jetzigen Europa" genannt wurde, hat sich Mühe gegeben, mit dem schwer zugänglichen Wiener Künstler in Verbindung zu treten. Ohne Zweifel hat Beethoven dem Besuch einige Schwierigkeiten in den Weg gelegt, doch haben sich die zwei berühmten Männer wenigstens überhaupt begrüsst. Dies ist beglaubigt und zwar durch eine per- sönliche Mittheilung Rossinis an Hanslick. Auch sonst gab es Huldigungsbesuche. Für den französischen Violinspieler A. J. Boucher, der 1822 dem Meister seinen Besuch machte, skizzirte Beethoven ein kleines Musikstück. Es ist erst vor wenigen Jahren bekannt geworden und wird hier mitgetheilt.

1822 überreichte Franz Schubert seine Variationen zu vier Händen, die er dem verehrten Meister gewidmet hatte und die eben erschienen waren. Schubert soll bei der Ueberreichung im höchsten Grade verlegen gewesen sein, und zu irgend welchem Gedankenaustausch ist es damals sicher nicht gekommen. Schindler erzählt die Begebenheit so lebhaft, als wäre er Augenzeuge gewesen. Er wird doch nicht Alles aus der Luft gegriffen haben, wie fast ein halbes Jahrhundert später behauptet worden ist. 1822 wohnte doch Schindler bei Beethoven.

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Der kleine Franz Liszt kam 1823 mit seinem Vater zu Beethoven, wurde aber zunächst wenig freundlich aufgenommen. Nachdem ihn Beetho\'en aber hatte spielen gehört, küsste er ihn.

Beim Zusammentreffen mit C. M. v. Weber am 5. Oktober 1823 scheint Beethoven sich witzig und geistreich erwiesen zu haben. Er nahm den jüngeren Meister höchst zuvorkommend auf. Wie C. M. v. Weber um jene Zeit aus- gesehen hat, erweist die beigegebene Abbildung.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich seit der Zeit des Wiener Kon- gresses die Besuche bei Beethoven sehr gehäuft haben. Musiker, Dichter, Ver- leger, neugierige Reisende von Namen verlangten ihn zu sehen. Anselm Hütten- brenner, Cypr. Potter, Dr. Bursy, Marie Pachler Koschak waren 1815 bis 1817 bei ihm gewesen. Atterbom, Schlesinger (aus Berlin) und Zelter besuchten ihn 1819. 1820 kam Dr. C. W. Müller. Louis Schlösser, Rochlitz und Stumpf sind unter den Besuchen bis 1823 noch nennenswerth. Auch Maler und Dilettanten drängten sich an ihn heran, um seine ganz eigenartigen Züge und seine Gestalt im Bilde festzuhalten. Ein Mähler- sches Porträt, die Bildnisse von Klöber, Schimon, Stieler, Lyser, Tejcek und andere sind in jenem Lebensabschnitte entstanden. Die schreitende Figur und der Kopf nach Lysers Zeichnung werden anbei abgebildet, wie wir denn auch einen Beethoven von hinten gesehen (Seite 70) abbilden; Jos. Dan. Boehm ist der Zeichner. Noch andere Bildnisse aus der Lebensperiode, die uns hier beschäftigt, finden sich weiterhin eingestreut.

Zu Anfang der zwanziger Jahre schrieb Beethoven an Schreyvogel (West): „Sehr gern hätte ich wieder etwas für das Theater ge- schrieben. . ." Derselbe Wunsch durchzieht übrigens mehr oder weniger deutlich ausgesprochen die ganze späte Lebens- geit des Meisters. Die Erfolge Rossinis scheinen aber ein besonderer Anreiz zewesen zu sein, ernstlich an eine Komposition für die Bühne zu denken. Aus dem Winter 1822/23 finden sich zahlreiche Eintragungen in den Konversationsheften, die sich auf eine Verbindung mit Grillparzer beziehen. Von diesem wünschte Beethoven ein Textbuch. Nach einigem Zuspruch von ver- schiedenen Seiten sandte Grillparzer die „Melusine". Zwischen Beethoven, der sich für den Dichter schon deshalb inter- essirte, weil er unter der Censur zu leiden hatte, und zwischen dem neuen Librettisten, der für Beethoven grosse Verehrung hegte, entwickelte sich ein kurz dauernder Verkehr. Die Oper wurde aber nicht komponirt. Grillparzer hatte schon als Kind den berühmten Meister der Töne gesehen, kannte viele seiner Eigenheiten und hat in seinen Schriften darauf Bezug genommen. Charakteristisch ist seine Aeusserung gegen Hermann RoUett: „Vor Allem muss man sagen, dass Beethoven, wenn auch ein höchst sonderlicher, doch

X - /

C. M. V. Weber. Zeichnung von W. Hensel a d. Jah.'-e 1822

(Btld aus Gehrmann' s Weber- Biographie.)

Lyser's Beethovenkopf.

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ein wahrhaft guter Mensch war. Wenn er aber gereizt wurde, da war er wie ein wildes Thier."

Wie sehr auch die grosse Masse in jenen Jahren italienischer Musik zu- jubelte, so blieb Beethovens nicht mehr kleine Gemeinde ihm doch treu. An Ehrungen und Huldigungen war kein Mangel. Von einem Antrage der phil- harmonischen Gesellschaft in London haben wir schon vernommen. 1819 hatte die philharmonische Gesellschaft in Laibach und der kaufmännische Verein in Wien den Künstler zum Ehrenmitglied gewählt. 1822 wurde Beethoven zum Ehren- mitglied des Musikvereins in der Steiermark ernannt, die königlich schwedische Akademie sandte ihm gegen Ende jenes Jahres ihr Diplom, das wohl Anfangs 1823 in des Meisters Hände gelangt ist (beide Urkunden seit einiger Zeit im Museum der Stadt Wien). Beethoven, „nie beachtend dergleichen", war von solcher Anerkennung gewiss nicht sehr gerührt, doch hatte er Freude daran. Was er aber brauchte, das waren nicht Diplome, sondern Gelder. Er hatte noch immer Schulden, nicht wenige. Deshalb stand er auch mit dem Grafen Brühl in Verbindung, um durch dessen \'ermittlung die Aufführung der jüngsten zwei Riesenwerke, der Messe in D und der Chorsymphonie, in Berlin zu er- reichen. Das hätte den Finanzen wieder aufgeholfen, die besonders 1819 und 1820 sehr herabgekommen waren. Man erfuhr von dieser Absicht in Wien und dies gab Anlass, dass sich einige Dutzende Wiener Musikfreunde (an der Spitze stand Fürst Lichnowsky!) aufrafften, Beethoven mit einer Adresse zu überraschen. In blüthenreicher Rede wurde auf das Ueberhandnehmen leichter italienischer Musik angespielt und Beethoven ersucht, seine neueste Symphonie selbst den Wienern vorzuführen. Im Februar 1824 wurde das Schrift- stück verfasst und dem Meister überreicht, der es nicht sofort las, sondern erst die Abgesandten ziehen Hess. Wie Schindler, der sich später einfand, versichert, war Beethoven von dieser Ehrung ergriffen. Nun sollten also die neuen grossen V/erke in Wien aufgeführt werden. Eine Akademie wurde vorbereitet. Graf Palffy machte günstige Bedingungen, als Schindler in Beethovens Namen von ihm das Theater an der Wien für die Akademie erbat. Aber der Künstler zeigte sich bei den versuchten Abmachungen bezüglich der Leitung des Orchesters starrsinnig. Palffy steigerte nun seine Forderungen, und Beethoven wählte nach langem Streiten und Unterhandeln für seine Akademie das Kärthner- Thor-Theater. Die „Censur" meinte schliesslich auch noch dareinreden zu sollen, da ihr Anfangs die Aufführung einer Messe im Theater anstössig erschien. Wieder Unannehmlichkeiten und Schreibereien, bis auch dieses Hinderniss besiegt war. Am 7. Mai war endlich die Aufführung, bei der die grosse OuV'erture Op. 124 den Anfang machte und die IX. Symphonie das Hauptstück bildete. Zwischen beiden wurden „drei grosse H^-mnen mit Solo- und Chorstimmen" gebracht. Es waren dies drei Nummern aus der Missa solemnis. „Herr Ludwig van Beethoven selbst wird an der Leitung des Ganzen Antheil nehmen" hiess es auf der Ankündigung, und Schindler, der über die ganze Angelegenheit als sehender und hörender Zeuge wohl unter- richtet war, fügte hinzu, dass Umlauf die Oberleitung inne hatte. Beethoven

Lyser's Beethovenfigur.

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stand ihm „zur rechten Seite und fixirte die Bewegung bei Beginn jedes Satzes. Schuppanzigh dirigirte das Orchester. Die Solos wurden von den Damen Sontag und Ungher und den Herren Haizinger und .Seipelt gesungen. Die Proben waren qualvoll gewesen, da Beethoven so gut wie gar keine Zu- geständnisse an die Singstimmen machte, wie sehr auch die beiden „schönen Hexen" (so nannte Beethoven die reizenden jungen Solistinnen, deren Bildnisse nebenstehend zu sehen sind) darum baten. Bei alledem gelang die Aufführung, und der Beifall war so mächtig, wie er nur je einmal in den ehrwürdigen Räumen getost hatte. Als der Jubel begann, hörte es Beethoven, der dem Publikum den Rücken kehrte, nicht. „Da hatte Caroline Ungher den guten Gedanken, den Meister nach dem Proscenium umzuwenden und ihn auf die Beifallsrufe des Hüte und Tücher schwenkenden Auditoriums aufmerksam zu machen. Durch eine Verbeugung gab er seinen Dank zu erkennen. Dies war das Signal zum Losbrechen eines kaum erhörten, lange nicht enden wollenden Jubels". Dies der eine Theil des Erfolges; ein anderer, nämlich der erhoffte materielle Gewinn, war höchst unbedeutend aus- gefallen; die Erörterungen darüber führten zu Beleidigungen, die Beethoven u. A. auch gegen Schindler wiederholt äusserte, so dass dieser sich für einige Monate von dem verehrten Manne abwendete. Eine Wiederholung der Symphonie, die am 23. Mai im grossen Redoutensaale stattfand, ergab eine noch schlechtere Einnahme. Beethoven wurde durch diesen entschiedenen Misserfolg aufs Tiefste ge- kränkt. Während vieler innerer und äusserer Unruhe (wir hören noch davon) arbeitete Beethoven, hie und da günstige Tage benützend, an dem grossen Streich- quartett, das später die Opuszahl 127 erhielt. Es war das erste der Quartette die er für den Fürsten Nicolaus Boris Galitzin schrieb. Dieser kannte ihn von der Zeit her, als er um 1805 in Wien lebte, und hatte 1822 von Beethoven die Komposition dreier Streichquartette erbeten. Im Januar 1823 hatte dann Beethoven die Arbeit zugesagt gegen ein Honorar von je 50 Dukaten. Das erste dieser „Galitzinquartette" wurde 1824 geschrieben und erlebte am 6. Mai 1825 seine erste Aufführung. Die zwei anderen, Op. 132 und 130, wurden 1825 komponirt. Theils durch Beethovens Schuld, theils durch Zahlungsstockungen von Seiten des Fürsten führten auch diese künstlerisch so hochvollendeten Schöpfungen zu neuen Verdriesslichkeiten. Op. 132 in A-moll wurde privatim im August, öffentlich im November 1825 vorgetragen. Das Riesenquarttet Op. 130 erlebte im März 1826 seine erste Aufführung. Der zweite und vierte Satz wurde mit stürmischem Beifall aufgenommen, wogegen die übrigen auf wenig Ver- ständniss stiessen. Damals schloss das Quartett noch niit der grossen, für Hörer und Spieler schwer ver.ständlichen Fuge. Beethoven trennte sie jedenfalls zum Vortheil der Sache von dem Werke und schrieb im November 1826 ein Finale in freierem Stil an Stelle des fugirten. Die Fuge (man kennt deren originelles, lange für verrückt gehaltenes Thema, das höchst eigenartig eingeführt wird) bildet nun ein Ganzes für sich als Op. 133. Dieser Quartette hat sich der nachher als Joachims Lehrer so berühmt gewordene Geiger Jos. Boehm thätig angenommen. Er brachte diese inhaltschweren Werke, unter Beethovens Auf- sicht durchgeprobt, in seinen Morgenkonzerten im Prater, im ersten Kaffeehause, zur Aufführung. Bei Gelegenheit einer Probe oder Aufführung bat Beethoven die vier Quartettspieler zu einem Gabelfrühstück. Weiche Eier wurden gebracht. Boehm öffnet eines, bemerkt, dass es schlecht ist und sucht es unbemerkt mit einem zweiten zu vertauschen. Auch das zv/eite ist schlecht. Beethoven be-

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merkt Boehms \'erlegenheit, erörtert und erledigt den Fall in der kürzesten Weise, indem er die Eier unter lauten Aeusserungen des Missfallens zum Fenster hinauswirft. Draussen aber sassen andere Gäste, die sich gegen die Beschiessung mit faulen Eiern auflehnten. Ein kleiner Auflauf entsteht, der sich nur dadurch beschwichtigen lässt, dass man sich auf Beethovens berühmten Namen beruft (gut beglaubigte Erzählung, mir durch mehrere Mitglieder der Boehm-Braunendal- schen Familie überliefert. Vergl. die Anm.)

Noch zwei weitere Streichquartette sind unter den bedeutendsten Werken jener Jahre hervorzuheben: das Cis-moll-Quartett Op. 131, ursprünglich dem alten Freunde Joh. Wolfmayer zugedacht, dann aber Baron Stutterheim gewidmet, und das F-dur-Quartett, das erst auf Schindlers Vorschlag bei den Mainzer Ver- legern mit der Widmung an Wolfmayer versehen wurde. Der letzte Satz des Quartetts Op. 135 trägt die Ueberschrift „Der schwer gefasste Entschluss. Es muss seyn!-' Nichts Mvstisches darf hinter diesem Titel gesucht werden.

Henriette Sontag. (Lithographie v. Engelmann }

Caroline Ungher. (Lithographie aus den 30er Jahren.)

Handelte es sich doch bei dem „Es muss seyn!" um das Wochengeld für die Haushälterin. Dem entsprechend ist der Satz auch launig und klar, keineswegs schwärmerisch dämmernd gehalten. Die höchst prosaische Veranlassung zum Schlusssatze des Quartetts Op. 135 führt uns wieder ins gewöhnliche Leben zurück. Und da ist gar Manches zu berichten und nachzuholen.

Wir müssen um einige Jahre zurückgreifen und uns an die zerfahrenen Familienverhältnisse des Künstlers erinnern. Die Erziehung des zwar talent- vollen, aber etwas leichtfertigen Neffen hatte sich unter den uns schon bekannten ungünstigen Umständen recht schwierig gestaltet. Im Januar 1818 war Carl aus dem Institut Del Rio fortgekommen, wo Beethoven zwar in aller Freund- schaft verkehrt hatte, aber doch nicht sicher zu sein glaubte, dass nicht die Schwägerin Johanna sich in die Erziehung mische. In der Familie Del Rio hat sich das Tagebuch des Fräuleins Fann}', der Tochter Giannatasios erhalten, eine Quelle, in welcher viel Beachtenswerthes über Beethoven steht. Auch sonst haben sich in der Familie, besonders über den ungezwungenen Verkehr mit Beethoven, allerlei I7eberlieferungen erhalten, die durch Frau Pessiak-Schmerling veröffentlicht worden sind. Als der Komponist den Töchtern des Hauses seine

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Musik zu Goethes Flohlied vorspielte, machte es ihm ungeheuer viel Spass einzuschalten, wie der Floh getödtet wird: „Jetzt wird er geknaxt, jetzt wird er geknaxt" rief er mehrmals, dabei mit dem Finger über mehrere Tasten rutschend. Beethoven hatte sich in der Nähe des Instituts in der Vorstadt Landstrasse eingemiethet. Ais Carl danach ins Blöchlingersche Erziehungshaus kam, das in der Josephstädterstrasse im Chotekschen Palais eingerichtet war, zog Beethoven wieder in die Nähe des Instituts. Auch dort verkehrte er sehr häufig. Die Ueberlieferungen von Beethovens Besuchen sind mir vom Sohne des Institutsleiters freundlichst mitgetheilt worden. 1819 bis 1822 war der Neffe dort untergebracht. Mit Beethoven hatte man die grösste Nachsicht, auch in Bezug auf Geldangelegenheiten. Ja sogar wendete Blöchlinger durch ein Schweig- geld von 300 fl. Unannehmlichkeiten vom Künstler ab. Einem der Lehrer gegenüber hatte sich Beethoven nämlich geäussert: „Christus ist doch nichts als ein gekreuzigter Jude". Als es bald darauf zu einem Zwist mit diesem Lehrer kam, drohte dieser mit der An- zeige. Blöchlinger legte die Angelegenheit wieder bei. Ge- legentlich soll sich Beethoven bei Blüchlingers ans Klavier ge- setzt haben, und dann spielte und stürmte er, seine Umgebung ganz vergessend so lange, dass die Hausfrau darüber ganz „des- parat" war. In ihrem Zimmei- stand das Klavier, und sie war wohl in ihrer Hausordnung em- pfindlich durch Beethovens An- wesenheit gestört. Wie bei Blöchlingers so hielt Beethoven auch zu Hause wenig auf Ordnung. Alle Quellen kommen darin überein. Besonders zur Zeit eifrigsten Schaffens war an irgend welche regelmässige Zeiteintheilung oder an sauberes Aufräumen nicht zu denken. Richtschnur war die Kunst. Ob er (wie so häufig um 1812) im Gasthause zum Schwan, ob im „Römischen Kaiser" (unge- fähr 18I4 bis 1817) ob im „Fischtrühel", im „Blumenstöckl" im „Jägerhorn" (um 1824) oder in der „Eiche", beim „rothen Igel" oder sonst wo speiste, es gab keine bestimmte Essensstunde. Weinstuben wurden gelegentlich aufgesucht, z. B. die „zum Kameel" in der Bognergasse, von wo er auch Zucker und Kaftee für seine Hauswirthschaft bezog, wenn eine solche überhaupt gerade Bestand hatte. So schrieb er gelegentlich an das „Spezereigeschäftspersonal" zum Kameel „Ausserordentlich Beste! Sendet gefälligst . . österreichischen Weissen . . Zucker . ., Kaffee . . Alles mit einem Staats-Siegel wohl versehen . . eiligst und schleunigst der Eurige-Beethoven". Zu Hause versuchte er es dann, be- sonders den Verbrauch des Kaffee genau zu überwachen. Dass er gelegentlich die Bohnen gezählt hat, i.st beglaubigt. Auch weiss man darum, dass er sich

Beethoven a tergo

(nach einer Zeichnung von Jos. Dan. Boehm).

Beethoven

(nach einer Zeichnung von Jos. Dan. Boehm).

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i825 Notizen über eine Kafteemaschine machte „welche das durch die heissen Dämpfe aufgelösete aroma durch löschpapier mit solche(r) gewalt durchpresst, dass auch nicht ein Atoma mehr in dem ausgelaugte(n) Kaffeepuher Zurück- bleiben könne, wodurch Ersparung an Kaffe und geschwindigkeit gewonnen wird". Tausenden von unbedeutenden Menschen, die gut h()ren und keine grossen Tonwerke schatten, wird die Sorge um derlei Kleinigkeiten abgenommen, der grosse Beethoven aber war gezwungen, Küchenrechnungen zu revidiren und sich bis ins Unbedeutendste um alles Häusliche zu bekümmern, nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen Neffen. Geschäftliche Korrespondenzen wurden ihm ab und zu durch Schindler, den unbesoldeten Geheimsekretär, durch den Bruder Johann und Andere erleichtert. Die Leitung des Ganzen musste aber doch von seinem Kopfe ausgehen. Kein Wunder, dass seit der IX. Symphonie nur noch selten ein bedeutendes Stück vollendet wurde. Die Schwerhörigkeit hatte sich zur vollen Taubheit entwickelt. Ein Leberleiden, dem er schon im Sommer 1821 einen Gelbsuchtsanfall zu verdanken gehabt, machte zusehends P'ortschritte. Leider ist es nicht mehr zweifelhaft, dass der tief unglückliche Mann in jenen Jahren versuchte, seinen Unmuth und Schmerz Weine zu ersticken. Ein junger

Beethoven-Bildnis nach J. Stieler.

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^Musiker Carl Holz war der Verführer. Seit dem Frühling 1824, als Schup- panzigh den neuen Geiger seines Quar- tetts, den Wiener Beamten Holz, bei Beethoven eingeführt hatte, verkehrte der Komponist mit diesem überlebensfrischen, gewandten, aber nicht immer offenen und geraden Manne, der ihm freilich über manche trübe Stunde in den schwersten Jahren hinweggeholfen hat. In den Briefchen Beethovens an Holz lebt wieder Witz und Humor auf, wie er sich kaum

eben so frisch in den Episteln an die „Paternostergässler" (Steiner und Haslinger, deren Laden im Paternostergässchen gelegen war, siehe S. 58) zu zeigen pflegte. Einmal witzelte er über die eigene Krankheit: „Vom ausgehen keine Rede, vielmehr vom eingehen zum ewigen Heil". Holz gewann ungewöhnlichen Ein- fluss auf den sonst so halsstarrigen Künstler, der ihn im Sommer 1826 sogar ermächtigte, sein Biograph zu werden. Der neue junge Freund war dem Trunk ergeben, und so staunen wir denn nicht, wenn sich in seiner Gesellschaft Beethovens angeerbte Schv/äche geltend machte. Rechten wir übrigens nicht mit dem Manne, der seit einem Viertel- Jahrhundert unter dem furchtbaren Be- wusstsein unheilbarer Schwerhörigkeit gelitten und dennoch unverzagt aus- gehalten hatte im Kampf ums Dasein.

Der Neffe hatte dem Meister im Sommer 1824 besonders schwere Sorgen bereitet und weiterhin sollte es fortwährende Quälereien geben, verursacht durch die Obliegenheit, den Neffen zu einem gebildeten Menschen erziehen zu lassen.

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Ein merkwürdiger Widerspruch liegt darin, dass Beethoven einerseits den Neffen in eindringlicher Weise zum Studiren ermahnt, dass er ihn aber andererseits, wenigstens in jenen Sommern zu ungezählten Besorgungen benützt und ihm nicht selten sogar geschäftliche Briefe oder Gänge überträgt. Weder die Er- mahnungen noch die Aufträge dürften den Jüngling besonders gefesselt haben, der noch dazu von seiner Mutter nichts Freundliches über den Oheim vernahm. Den Sommer 1824 verbrachte Beethoven hauptsächlich in Baden. Zu gleicher Zeit hatte er in Wien eine Wohnung in der Vorstadt Landstrasse gemiethet. Anfangs Oktober, als Beethoven daran war, in eine andere Wohnung zu ziehen, die in der Johannesgasse gelegen war, entlief ihm der Neffe Carl, der damals beim Oheim wohnte. Bis der Junge wieder gefunden war, hat es Sorge und Aufregung genug gekostet. „Gott ist mein Zeuge, was ich schon durch ihn [den Neffen] ausstehen musste" schrieb Beethoven damals an Tobias Haslinger (in einem Briefe, der ehedem bei Sophie Pantschoulitscheff gewesen, später zu Louis Lüstner gekommen ist). Dann zog man in die Johannesgasse, wo des Bleibens wieder nicht lange war. Denn dem „Narren" wurde dort sehr bald in Folge lärmender, roher Szenen mit dem Neffen und der Haushälterin die Kündi- gung geschickt, wie dies erst vor einigen Jahren ermittelt worden ist. In jenen Jahren lästiger Wirren brach der Körper allmählich zusammen.

Todesahnungen haben den Muthigen beschlichen. Am 6. März 1823 entwarf er ein Testament, in welchem der Neffe Carl zum alleinigen Erben eingesetzt wurde. Ein anderes Mal suchte er sich in humorvoller Weise die trüben Ge- danken aus dem Sinn zu schlagen. Im

Mai 1825 notirte er im Helenenthal bei Baden für Dr. Braunhofer den musi- kalischen Scherz „Doktor sperrt das Thor dem Tode" und „Note hilft nicht aus der Noth". Letzteres Wortspiel war bei Beethoven sehr beliebt. Bald darauf (im Juni 1825) schreibt er aber dem leichtsinnigen Neffen „0 kränke nicht mehr, der Sensenmann wird ohnehin keine lange Frist mehr geben".

Im Laufe der Jahre 1825 und 1826 häufen sich in Beethovens Briefen die Stellen, in denen er über „schwache Gesundheit", „Gedärmentzündung", Magenschwäche, Nasenbluten und andere Leiden klagt, die nun in ernsterer Weise auftreten als früher. vSein Aeusseres verräth mehr und mehr das Fort- schreiten der tückischen Krankheit. Das Bildniss von Dietrich, das anbei ein- gefügt ist, lässt gegen frühere Porträts einen merklichen Verfall erkennen. Noch auffallender ist dies bei dem allbekannten Abbild nach Deckers Zeichnung, die um mehr als ein Jahr später fallen dürfte. Den kranken Beethoven zeigt uns auch die Schaller'sche Büste, die vermuthlich erst nach B.'s Tod vollendet ist. Einen gewissen Trost fand Beethoven in jenen bösen Jahren an dem Umgange mit Steffen von Breuning und seiner Familie. Dieser Verkehr

Beethoven nach G. F. Waldmüllers Gemälde.

wirkte auf den Kranken, wie eine lindernde Arznei, wogegen man den Umgang mit Holz einem Betäubungsmittel gleichsetzen kann. Bei Breunings fand Beethoven oft die angenehmste Gemüthsruhe und erfreuliche Eindrücke. Waren doch Erinnerungen an die goldene Jugendzeit in Bonn unzertrennlich vom alten F'reunde Steffen. Breunings Frau w&r von liebenswürdiger feiner Art, und der kleine Gerhard sorgte für ungezwungene Heiterkeit, wie sie nur von Kindern ausgehen kann. Da der Junge dem hochgehaltenen Freunde der P\'\milie sehr anhänglich war, erhielt er von Beethoven den Beinamen „Hosen- knopf". Auch „Ariel" wurde er genannt, wenn er Botschaften zu besorgen hatte. Dies im Zusammenhang mit dem luftigen Boten in Shakespeares „Sturm". Die Bekanntschaft mit Steffen war nach jahrelanger Unterbrechung im August 1825 bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Bastei erneuert worden.

Trotz der freundlichen Einwirkung von Seiten der Familie Breuning, eines Ein- flusses, den der Biograph vielleicht überschätzt, da er besonders eindringlich von Gerhard von Breuning selbst überliefert ist, drängten sich doch für Beethovens Denken und Fühlen ohne Zweifel un- erfreuliche Eindrücke immer mehr und mehr an die Ober- fläche. Da nehmen denn die Sorgen um den Neffen einen breiten Raum ein. Denn dieser, leichtsinniger als je, beeinflusst durch einen ver- kommenen Freund N. und durch das Beispiel der Mutter irregeführt, deren moral in- sanity stadtbekannt war, Neffe Carl also betrieb seine Studien nur unregelmässig, kam auf Abwege, und als es einmal bei den Prüfungen besonders schief ging, Hess er sich zu einem Selbstmord\ersuch hinreissen. P2s war Ende Juli 1826. Carl mochte die stürmischen Vorwürfe des leidenschaftlichen Onkels allzu sehr gefürchtet haben. Oder fühlte er sich tief beschämt durch seine Undankbarkeit? Wodurch auch die That veranlasst sein mochte, für Beethoven war sie vielleicht ebenso schmerzlich, wie für den etwa 19jährigen Jüngling, der sich nicht schwer verwundet hatte. Die gesellschaftlichen Folgen eines Selbstmordversuches waren bei den damals massgebenden Grundsätzen höchst unangenehme. Nach der Wiederherstellung musste Carl Wien so rasch als möglich verlassen. Durch Baron von Stutterheims gütige Vermittlung (damit hängt die Widmung des Quartetts zusammen) ergab sich die Möglichkeit, Carl im Dezember 1826 in Iglau beim Militär eintreten zu lassen. Die Zeit bis dahin verbrachte er beim

Beethoven, nach einer Zeichnung des Bildhauers A. Dietrich

aus dem Jahre 1826.

(Die Photogrophie in der Sumnduhr/ des Verfassers.)

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Onkel Johann. Dieser in Linz als Apotheker wohlhabend, ja reich geworden, hatte sich mehrere Jahre vorher ein Gut in der Nähe von Krems gekauft, das Schlösschen Gneixendorf, auf welchem er den Sommer zu verbringen pflegte. Dorthin also wurde der Neffe vorläufig geschickt. Dadurch wurde es offenbar veranlasst, dass Beethoven im Spätsommer jenes Jahres ebenfalls nach Gneixendorf fuhr, wohin zu gehen er einige Jahre vorher sich entschiedenst geweigert hatte, trotz der freundlichen Anträge des Bruders. Erinnern wir uns an den Besuch Beethovens in Linz im Jahre 18 12, um zu verstehen, mit welchem Widerwillen nunmehr der halb Gezwungene in die Kamille seines Bruders eingetreten sein muss. War doch auch die zweite .Schwägerin kein Tugendspiegel gewesen. Demnach überrascht es uns nicht, über den Auf- enthalt des armen Kranken in Gneixen- dorf nichts P'reundliches zu erfahren, obwohl man ihm dort das sonnigste Zimmer eingeräumt hatte und nichts in den Weg legte. Aber das überaus un- gewöhnliche Gebahren des stocktauben Künstlers, sein verwildertes, krankes Aussehen, sein Misstrauen, sein Jähzorn Hessen keinerlei gemüthlichen \'erkehr

Schaller's Beethovenbiiste.

Vortage uns Herrn Fr. \ic. Manskopf's Musikhistorischetn Museum Frankfurt a. JH.

Das (jut Gneixendorf.

Nach einer modernen Aufnahme des gegenwärtigen Gut.shcrren

Dr. V. Schweitzer. Das Kckzimmer rechts im ersten Stockwerk wurde

von Beeihoxen benutzt.

aufkommen. Die auf- räumende Magd verlachte ihn, wenn er taktirend Noten schrieb (ohne Zweifel war es das zweite Finale

zum grossen B-dur- Quartett, das damals kom- ponirt wurde); die Land- leute hielten ihn für ver- rückt, und nur der Diener M. Kren hatte die nöthige Achtung und .Selbstbe- herrschung, den Meister ehrlich und ohne Lachen zu bedienen. Man weiss, dass Beethoven damals körperlich schon sehr heruntergekommen war. An eine ernstliche Besser- ung des bfisen Leberleidens

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war nicht mehr zu denken. \m Herbst aber traten noch Ereignisse ein, die ohne Zweifel den Niedergang beschleunigt haben. Beethoven drängte nach Wien zurück und wollte die bevorstehende Rückkehr des Bruders in die Hauptstadt nicht mehr abwarten. In unzureichendem Fuhrwerk und allzu leicht gekleidet unternahm er die Fahrt bei nasskalter Witterung. Eine Lungenentzündung befiel ihn schon auf der Fahrt. In Wien, in seiner Wohnung im vSchwarzspanierhause traf der Kranke in übelstem Zustande ein, wo sich nunmehr auch die letzten Phasen der Lebererkrankung abspielen sollten. An regelmässige, ergiebige Arbeit war nicht mehr zu denken. Alles blieb liegen, was vor kurz und lang begonnen worden war, so die romantische Oper mit Grillparzers Text, so eine Musik zu Goethes „Faust", zu der 1823 eine Anregung geschehen war, desgleichen blieb unvoll- endet das Oratorium „der Sieg des Kreuzes", das Beethoven nach Bernards Text für die Gesellschaft der Musikfreunde schreiben sollte. Eine Ouvertüre über den Namen: BACH und eine X. Symphonie, für die philharmonische Gesell- schaft nach London bestimmt, blieben bei den ersten Notirungen. Alles nur Andeutungen. Denn Beethoven Stack voller Pläne, die er nach vermeintlicher

Genesung alle auszuführen ge- dachte. Er setzte, wie man aus den Bemerkungen in den Konversations- heften schliessen kann, noch Hoffnung auf einen Kurgebrauch in Baden oder in Pistyan (dem ungarischen Badeorte ). Dann wollte er nach London reisen. Doch wurde es immer trostloser mit Beethovens Leiden, das der Reihe nach mehrere Punktionen erforderte. Breunings, Schindler und manche Andere, nicht zuletzt zwei wackere Dienstleute suchten dem zumeist Bettlägerigen seine Qualen zu erleichtern. Aerzt- liche Kunst war machtlos gegen das veraltete Uebel, und die Vorwürfe, die Gerhard von Breuning, der später Arzt geworden war, gegen Beethovens Aerzte, besonders gegen Wawruch geäussert hat, sind zum Mindesten als übertrieben anzusehen. Mitten in all' dem körper- lichen Leiden bewahrte Beethoven ungeschwächtes Interesse für Musik und Musiker. .Stumpff hatte dem kranken Meister aus London die englische Ge- sammtausgabe der Händeischen W'erke gesendet. Darin blätterte er noch mit Vergnügen. Schubertsche Kompositionen, die man ihm brachte, erweckten be- wundernde Anerkennung. Erfreulich scheinen ihm die Besuche J. N. Hummels und Ferd. Hillers gewesen zu sein. Am meisten wurde er aber bewegt durch eine reichliche Geldsendung der philharmonischen Gesellschaft in London, die von der Bedrängniss und schweren Erkrankung des Künstlers durch diesen selbst erfahren hatte. Beethovens Dankschreiben vom 18. März 1827 ist erhalten. Bald danach nahmen die Kräfte so sehr ab, dass man ein baldiges Ende vor- hersehen konnte. Mit Anstrengung wurde am 23. März ein Codicill vom Hin- scheidenden zu Papier gebracht. Carl, dem schon früher die Erbschaft zugedacht worden war, blieb Universalerbe. (Beethoven's Testamente werden in einem Anhange mitgetheilt). Bruder Johann und seine F'rau sollen es noch bei

Beethoven's Sterbehaus (Schvvarzspanierhaus; in Wien.

Nach einer Photographie von Wendung.

Beethoven's Wohnung befand sich im zweiten .Stockwerk. Von

der Kirche aus gezählt, entsprechen ihr das 5, bis 9. Fenster.

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Beethovens Lebzeiten versucht haben, sich der Baarschaften, auch der lOOO fl., die aus London gekommen waren, zu bemächtigen. Beethovens Freunde warfen sie einfach hinaus. Ob nun diese Angaben, die Schindler bietet, voll- kommen richtig sind oder nicht. Eines ist sicher, dass Beethoven noch während seines Todeskampfes widrige Erörterungen gewahr werden musste, in denen Bruder Johann keine edle Rolle spielt.

Am 24. März empfing Beethoven die letzte Oelung. „Der Pfarrer kam gegen 12 Uhr und die Funktion ging mit der grössten Auferbauung vorüber"; an demselben Tage, sei es, als der Arzt das Zimmer verlassen hatte, sei es als der Geistliche fort war, sagte Beethoven zu Schindler und zum kleinen Gerhard: .,Plaudite amici, comoedia finita est habe ich's nicht immer gesagt, dass es so kommen wird?" Eine Missdeutung, als sei das Plaudite amici auf die Spen- dung des Sakraments zu beziehen, ist dadurch ausgeschlossen, dass Beethoven selbst zugestimmt hatte, als man ihm den Gedanken äusserte, dass der Pfarrer geholt werden solle. Später traf eine Sendung von Schotts in Mainz, den Ver- legern Beethovens, ein, mit einem Kistchen Rheinwein und einem Medikament. Man stellte einige Flaschen Wein und den Heiltrank ans Bett. Beethoven sah sie an und sagte langsam: „Schade!! Schade! zu spät!!" Bald darauf verliessen ihn die Kräfte so sehr, dass er nicht mehr sprechen konnte. Der Todeskampf dauerte aber noch bis zum Nachmittag (^^ö) des 26. März. Ein Schneesturm mit Donner und Blitz tobte über der .Stadt, als der Grosse noch einmal den Arm erhob und die Faust ballte und dann seinen letzten Athem- zug that.

Beethoven starb auf fremder Erde. Eine fremde Hand, die Anselm Hütten- brenners, hat ihm die Augen zugedrückt.

Wiener Beethoven-Monument. Phologrupliie von Fruncktnstein & Co. in Wien.

Einladung Seic6entirgänani^0 1

weünej arn äp. tAGarz, um 3 ^l&Ar y^aÄ-miUaoi) ^tatt nnaen iwra.

tnoin pcrfammelt (i<^ in ^e^ tt)ot>nung ^e9 üerflorbmen im ©(^»arjfpanler s ^auf« ttr. 200/ am ffilacia cor bcm Qtf>ottentl>OK.

IDer 3u9 begibt ftc^ oon ba na(^ 6cc DreyfaltigfdWjSirt^« bfy tan p. p. rninoritftt in bec 2llfcrga(Te.

Di« mufihlifc^eSBett erlitt ben unerfe|ri(&en 93ertu(t be« 6erü()mten Sonbit^jterj am 26- SDfärj 1827 2i5enM3egen6 Ufrt.

^5ectt)at)cn flarb an ben gotgen ber 2Ba(Terfu4>t , im 5Ö. 3ii&« f«n«* 2(tterJ,

nac^ empfangenen (leif. ®acramenten.

Set Sag ber 5rc^uien nitrb nai^ttagfic^ betannt gemacht oon

E. tM8 ewttobrav 93ere;)cetn unb Sceunbcn.

(Ciih Kiirtl KM m Soll, exliioit« lJtiat»iliitl»n|) Pirtfitl. «trtw«! >«» »»««« 61*»«»

F(wWe»»i«rMn^ des Originals aus Herrn Fr. Nie. Uanskopfs Musikhistorischem Museum in Frankfurt a, M.

Nachhall.

Die Kunde, dass Beethoven im Sterben liege, und der wirkliche Hingang des Künstlers rüttelte die ganze Hauptstadt wieder auf, die sich vorher während seiner Krankheit, wenn auch nicht ganz theilnahmslos, so doch etwas stumpf erwiesen hatte. Erst in den letzten Tagen kamen viele theilnehmende Besuche, die nun abgewiesen werden mussten. Als aber der weltberühmte Meister am Nachmittag des 29. März auf dem Währinger Friedhofe bestattet wurde, bildete sich ein so ungeheuerer, nach Tausenden zählender Leichenzug, dass man noch viele Jahre danach von dieser imponirenden Kundgebung erzählte. Nachmittags wurden der Bestattungsfeierlichkeit wegen die Schulen geschlossen (so habe ichs von mehreren alten Leuten erzählen gehört, die sich des Ereignisses klar er- innerten). Eine dichte Menge strömte gegen das Schwarzspanierhaus und gegen die Kirche in der Aiserstrasse, wo der Sarg mit Beethoven eingesegnet wurde. Bauernfeld schrieb in aller Kürze in sein Tagebuch „Am 26. ist Beethoven gestorben, 56 Jahre alt. Heute war sein Leichenbegängniss. Ich ging mit Schubert. Anschütz hielt vor dem Währinger Kirchhof eine Leichenrede von Grillparzer". Damit sind nur Andeutungen gegeben. Die Betheiligung war, be- sonders aus den Kreisen der Ritter \'om Geiste eine ungeheuere. Indes gehen wir nicht näher auf die Einzelheiten der Bestattung ein, wir lassen auch die v'orher geschehene Obduktion bei Seite, durch die Beethovens Antlitz furchtbar verzerrt wurde (deshalb hat die Todtenmaske Beethovens keinen Werth als Bildniss); wir berühren kaum die Angelegenheit der beiden Exhumirungen (der einen 1865 und der anderen in den jüngsten Jahren); an die Denkmäler, die dem Grossen errichtet worden sind, zu Bonn, Heiligenstadt, Boston, Wien, im Helenenthal bei Baden, erinnern wir nur mit wenigen Worten. Auch die zahl-

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reichen Gedichte zu Ehren Beethovens und die vielen modernen Bildnisse, die mit oder ohne Geschick die Züge des Meisters vvidergeben, müssen in einer allgemeinen Erwähnung abgethan werden. Würde es doch einen eigenen Band erfordern, die Dichtungen neuerlich abzudrucken und die neuen Beethoven- bildnisse kritisch durchzunehmen.

Selbst der Hinweis darauf, wie Beethovens Kunst sich die Welt erobert hat, kann nur in bescheidenem Ausmass gegeben werden. Dies ist wohl da- durch gerechtfertigt, dass es heute kaum ein musiktreibendes Kind giebt, das den grossen Namen nicht kennte. Zudem wissen die Musiker wenigstens im Allgemeinen darum, wie eindringlich die Musik Beethovens gerade auf die be- deutendsten seiner Nachfolger eingewirkt hat. Richard Wagner knüpfte haupt- sächlich an die IX. Symphonie an. Brahms, Brückner wären nicht denkbar

ohne den voranschreitenden Beethoven. Mendelssohn, Schumann verehrten ihn ebenso, als sie oft durch den mächtigen Vor- gänger beeinflusst worden sind. Schuberts Muse war innig befreundet mit der Beethovens. Beethoven hat als Klavier- spieler die Behandlung seines Instrumentes- gänzlich umgestaltet. Er drängte dahin, dass die Ausdrucksfähigkeit und der Ton- umfang seines Instrumentes erweitert und die Klangfülle gesteigert werde. Man weiss es, wie Graf, Streicher undBroadwood seinen Anregungen entgegengekommen sind. Und was Beethoven spielte, bot in seinem musikalischen Inhalt ungeheuer viel neue Wirkungen. Die Weitgriffigkeit seiner Klavierkonzerte und einiger Klaviersonaten hat den Romantikern ganz neue Wege ge- wiesen. Seine rhythmischen Eigenheiten, wie die oft wiederholten Synkopen, seine überraschenden Gegensätze in dynamischer Beziehung (in denen er noch weit über Vater Haydns Scherze hinausgeht), sind nicht zu übersehen. Dann seine unübertreffliche Abrundung des Orchesters, in dem er zwar von jedem Instrumente grosse Leistungen verlangt, in welchem er aber auch jede einzelne Klangfarbe eben so sehr dem Ganzen anzupassen, als für irgendwelche Charakteristik im Einzelnen zu benützen versteht, nicht zuletzt seine höchst gefeilte, erfindungs- reiche thematische Arbeit in den grossen Durchführungen der Symphonien (und der formverwandten Sonaten), das sind wichtige Stufen musikalischer Entwicklung. Ueberdies hat er durch seinen Unabhängigkeitssinn dem Musiker eine ganz andere gesellschaftliche Stellung erobert, als sie bis dahin durchschnittlich gekannt war.

Bei alledem war Beethovens Leben streng genommen ein schlichtes, be- scheidenes. Kein prunkender Palast am ('anal grande, keine seidenen Schlaf- röcke, keine grossen Reisen, keine Eindrücke aus ewigen Städten, kein Brausen der Meereswogen, keine blinkenden Gletscher. Ja, es fehlte oft sogar das be- ruhigende Gefühl eines ausreichenden Lebensunterhaltes. Die Maass bei Rotter- dam war das gnisste Wasser, das Beethoven je gesehen hat. Vermuthlich war

Beethoven's englischer Flügel.

Geschenk von Thomas Broadwood.

Vorlage aus Herrn Fr. Nie. Manskopfs Musiklustorischem

Museum in Frankfurt a. M.

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der höchste Berg, den Beethoxen erschaut hat, und das nur aus der Entfernung, der Schneeberg in Xiederc)sterreich, der keineswegs mit ewigem Schnee bedeckt ist. Die höchsten Höhen, die Beethoven erstiegen hat, waren die geringen Erhebungen der Voralpen bei Baden und Mcidling. Unter den Städten, die er kennen gelernt hat, war Wien die grösste. AU' das giebt zu denken. Einerseits das Grandiose der Beethovenschen Kunst, andererseits die Kleinheit, oft Aermlichkeit seiner Lebensumstände. Ein Mendelssohn, der alle Eindrücke verkostet hat, vom Mövengeschrei bei den Hebriden bis zum Durchzittern der Nerven in den Hoch- alpen der Schweiz, der gesellschaftlich von geistreicher freundlicher Umgebung geschoben, getragen wurde, er ist bei aller Grösse nicht eigentlich grossartig geworden. Aehnlich noch viele Andere, die nicht einmal zu Mendelssohns Stufe heraufreichen. Beethoven wurde ein musikalischer Riese ohne jeden äusserlichen Prunk und trotz der widrigsten Umstände, trotz des Entgegenarbeitens der meisten Fachgenossen. Beethovens Leben ist ein Beispiel dafür, wie lange es dauert bis ein genialer, zwar überlegener, aber im Kampfe schwer verwundeter Geist gebraucht, um gegen unverwundete „gesunde" Beschränktheit aufzukommen, die sich an allen Orten dem Vorkämpfenden entgegenstemmt. Naturen von geringerer Zähigkeit reiben sich in solchem Kampfe auf. Beethoven blieb Sieger. Aber auch bei ihm sind Jahrzehnte vergangen, bis er durchdrang; eigentlich hat er es gar nicht mehr voll erlebt, dass kleinliche Nörgler ihre Angriffe aufgegeben hätten. In wiederholten Anläufen aber warf er das meiste Widerstrebende zu Boden durch die Wucht seiner Kunst. Die Bedeutung Beethovens ist heute allgemein an- erkannt, auch wenn subjektiver Geschmack in allen erdenklichen Abstufungen und Verwicklungen sehr verschieden über einzelne Werke Beethovens urtheilen wird. Der künstlerische Gehalt seines Lebenswerkes ist nicht mehr zu verkennen. Tiefe Spuren hat er in der Musikgeschichte zurückgelassen und das im Sinne des Fortschrittes. Beethoven muss den Grössten beigezählt Vv^erden, die wir in der Kulturwelt besitzen.

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Beethoven's Grabmal auf dem Währinger Friedhofe. Nach einer Photograpliie des Verlages V. A. Beck in Wien.

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Ausführungen und Quellennachweise.

Zu Kapitel I.

Ansicht von Bonn. Unsere Abbildung, die der Verzierung des Kapitelanfanges ein- gefügt ist, bietet eine Verkleinerung der Radirung von einem Bonner Offizier Du puis, der 1789 (nach Füsslis Lexikon) eine Reihe von Rheinischen Ansichten herausgab. Rechts unten in einer Lücke der Einfassung steht „Dupuis officier fec". Für die photographische Nachbildung bin ich Frau Josefine von Breuning zu besonderem Dank verpflichtet. Ganz links sieht man das Münster. Von dort bis über die Mitte nach rechts reicht im Bilde das kurfürstliche Schloss, in welchem Beethoven so oft geweilt hat.

Ueber die Kurfürsten Clemens August (1724 1761), Max Friedrich (1761 1784) und Maximilian Franz (1784—1794) haben Thayer und Nohl sehr viel werthvolles Material zu- sammengetragen. Ueber die Musikzustände in Bonn schrieb in leidlich übersichtlicher Weise ,L. Nohl in Beethovens Leben L 61 ff. Zur Einführung Leop. Kaufmann: „Bilder aus dem Rheinland" (1884) S. 223 ff.

Die Familie Beethoven stammt aus den Niederlanden, wo der Name nicht ganz selten ist. Vergl. z. B. Rombouts und Van-Lerius: Liggeren der Antwerpener Malerschule Bd. IL Das Wichtigste über die Vorfahren des Tonkünstlers bei Wegeier und Ries S. 1 ff., bei Fetis und besonders bei Thayer I, 26 ff. und 95 ff., wo auch wichtige Mittheilungen von Otto Jahn und Jacobs verwerthet sind. Seither Werner Hesse in R. Picks „Monatsschrift für die Geschichte West-Deutschlands" 1879 (V.) S. 2(X) ff. und Deiters in der „Allg. musik. Ztg." vom 4. Aug. 1880. Der niederländischen Herkunft entsprechend ist der Name Beethoven zu betonen und ungefähr: fan Beethofen auszusprechen (also nicht Bedowen oder Bethowen). Van bedeutet nicht den Adel. Zum Namen vergl. Wegeier und Ries S. 5 und den Nachtrag. L. Nohl in der „Caecilia", (algemeen muzikaal. tijdschrift van Nederlandj vom 1. Nov. 1884, Kalischer in E. Breslaurs „Klavierlehrer" 1884 S. 3., (Wiener) Neue illustrirte Zeitung vom Ende Juli 1889 Bd. IL No. 43, S. 891 und „Neue Wiener Musikzeitung" IL No. 8 vom 1. Oktober 1890. (Frimmel, Hinweis auf die Betonung Beethoven in der Familie selbst). Frimmel in Robitscheks Deutscher Kunst- und Musik-Zeitung vom 20. November 1891. In Wien wurde der Name schon zu Lebzeiten Beethovens unrichtiger Weise auf der zweiten Silbe betont. Erzherzog Rudolph deklamirte: Lieber Beethoven. Hierzu Frimmel „Beethovens Name" in der „Neuen freien Presse" 23. April 1900.

Beethovens Grossvater. Das in Wien erhaltene Bildnis ist ein Werk des Malers Radoux und kam von einer Tochter des Beethoven'schen Neffen Carl durch Erbschaft an Herrn Oberbuchhalter Paul Weidinger. Eine alte nette Miniatur im Besitz des Herrn Malers Amad. Szekulics in Wien trägt auf der Rückseite in alter Schrift einen Hinweis auf L. v. Beethoven. Indess kann sie, wie eine genaue Vergleichung ergiebt, weder den Grossvater noch den Kom- ponisten darstellen.

Bezüglich der Brüder des Komponisten Caspar Carl und Nicolaus Johann vergl. die Anmerkungen zum IV. Kapitel.

Die Frage nach dem richtigen Geburtshause ist schon durch Wegeier zu Gunsten des Hauses in der Bonngasse entschieden worden. Reichliche Mittheilungen hierüber bei Thayer Bd. I. Seit der Bildung des Vereins „Beethovenhaus" ist Vieles über die ehrwürdige Stätte geschrieben worden, was hier nicht im Einzelnen aufgezählt wird. Nur ist zu erwähnen, dass sich in die „Revue internationale de Musique" vom l. März 1898 doch wieder eine Abbildung des Fischerschen Hauses als des Geburtshauses eingeschlichen hat. Derselbe Irrthum in der Zeitschrift „Die Heimat" (Wien 1880, V, No. 31). Zahlreiche Abbildungen, das Geburtshaus

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und die seil einigen Jahren dort aufgestellte Beethovensammlung betreffend, fanden sich in „the Musical times" (Dezember 1S92), in „Dur und Moll" II. Jahrgg. Heft 'A (Text von Moritz V. Kaiserfeld) und in Reclams „Universum" vom April 1899 (Text von K. Büchner). Zu beachten auch die Jahresberichte und Sammlungsverzeichnisse des Vereins „Beethovenhaus", sowie die reichliche Zeitschriftenliteratur, die sich an die Gründung und die Ausstellungen und Feste desselben Vereines knüpft. In die erste Bonner Beethovenausstellung waren übrigens zwei falsche Bildnisse aufgenommen worden. Das Bildniss der Mutter Beethovens ist ganz und gar nicht beglaubigt.

Die Vorweisung eines Geburtszimmers im Beethovenhause zu Bonn geschieht keineswegs auf Grund irgend welcher Ueberlieferung. Ja sogar der Wahrscheinlichkeitsnachweis ist ein schwacher. Zudem nähern sich derlei Erörterungen überhaupt dem Platten und Geschmacklosen.

Für den Unterricht, den Beethoven genossen, kommen neben Wegelers Nachrichten besonders in Frage: die Fischhofsche Handschrift (Thayer Bd. I. Anhang VII von Hermann Deiters), die Mittheilungen des Philologen Dr. W. C. Müller in der Allgemeinen musikalischen Zeitung von 1827 (Abschrift in der Geisslerschen Sammlung der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), die seither oftmals wieder benutzt sind z. B. bei Nohl in „Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeit- genossen" (S. 3 ff.). Siehe auch „Beethoven als Klavierspieler" in Frimmels „Neue Beethoveniana".

Zu Neefe in erster Linie von Bedeutung seine Autobiographie und die Nachträge dazu von seiner Wittwe in der „allgemeinen musikalischen Zeitung" I. (1799). Thayer I. L. Nohl: Beethovens Leben Bd. I. Nottebohm: Beethovens Studien (L S. 1 ff.), La Mara: Musikerbriefe aus fünf Jahrhunderten (I. S. 280 f., Brief Neefes an Klopstocki, Frimmel in der Wiener illustrirten r.eitung vom Juli 1889 und in H. Pohles „Hamburger Signalen" von 1892, Shedlock „The Pianoforte Sonata" (1895) S. 160 ff. Münchener „Allgemeine Zeitung" Beilage 1896, No. 301, Fritzsch's „Musikalisches Wochenblatt" 1897 No. 8 vom 18. Februar.

Der Name Rovantini kommt auf einem kleinsten Beethovenautograph in meinem Besitz vor in Zusammenhang mit „Würzburg, Crefeld oder bej Coutin Klavier und Orgelbauer". Ohne Zweifel hat sich Beethoven späterhin notirt, wo einer der Verwandten seines ehemaligen Lehrers zu finden wäre. Erklärend hierzu Thayer-Deiters I. S. 334, Anm. Im Februar 1779 war Rovantini mit Beethovens schon so befreundet, dass er als Pathe zur Taufe der Anna Maria Francisca gebeten wurde.

Zur einseitig chromatischen Gegenbewegung sei auch angemerkt, dass sie im Mozartschen B-dur-Konzerte mehrmals vorkommt, ferner mehrmals im Don Juan (Arie, Allegro : Ah fuggi il traditor, dann Sextett: „Sola" (Andante) in Figaros Hochzeit, endlich im „Tuba mirum" des Requiem. Auf mehrere dieser Stellen hat mich vor Jahren freundlichst Herr Dr. Cartellieri aufmerksam gemacht, der auch auf analoge Formeln bei Cherubini und beim alten Antonio Cartellieri feinem Zeitgenossen Beethovens) hinweist. Später hat Mendelssohn in seiner Sommernachtstraum-Ouverture ähnliche Fortschreitungen angewendet. Für Beethoven liegt es am nächsten anzunehmen, dass ihm diese Formel durch Mozarts oder Neefes Musik vermittelt worden sei.

Zum Einfluss Haydn scher Musik auf Beethoven vergl. Bd. III der „Berühmten Musiker" Leop. Schmidt: „Jos. Haydn S. 93. Zum Verhältniss Clement! und Beethoven : Shedlock „The Pianoforte Sonata".

Der Anfang der F-moU-Sonate Op. 2 lässt auch an Mozarts G-moll-Symphonie denken, was Reinecke („Die Beethovenschen Klaviersonaten" S. 30) bemerkt hat. Mozarts Phantasie und Sonate in c-moU hat Beethoven vielfach beeinflusst.

Kompositionen Beethovens in der Bonner Zeit. Wichtig Thayer ,, chronologisches Verzeichniss der Werke Ludwig van Beethovens" (Berlin 1865) und ergänzend dazu mehrere Abschnitte in Thayers „Ludwig van Beethovens Leben" (Berlin I, 1866, II 1872, III 1879), ferner Nottebohm in verschiedenen seiner Arbeiten, besonders aber im „thematischen Ver- zeichniss der im Druck erschienenen Werke von Ludwig van Beethoven" 2. Aufl. (Leipzig 1868) und in den zwei Bänden „Beethoveniana" und „zweite Beethoveniana" (1872 und 1887). Die meisten Jugendwerke Beethovens sind im Supplementbande zur Gesammtausgabe (Leipzig, Breitkopf und Härtel) gedruckt. Die frühen Sonaten (einschliesslich einer später überarbeiteten und einer sehr zweifelhaft echten) kommen auch vor im dritten Bande der „Urtext" -Ausgabe

b

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„herausgegeben auf Veranlassung und unter Verantwortung der königlichen Akademie der Künste zu Berlin" (1898). Zu den früheren Concerten siehe G. Adler in der Vierteljahrschrift für Musikwissenschaft und in den Vorreden zur Publication dieser Concerte bei Breitkopf & Härtel. Zu den Trauerkantaten vergl. E. Kastners „Musikalische Chronik" I, S. 68 f., wo weitere Literatur zu finden. Siehe auch bei Xeefe. Das C-dur-Rondo aus 1783 ist jüngst durch Friedländer im Petersschen Jahrbuch veröffentlicht worden.

Zu den späteren Werken Beethovens sind dieselben allgemeinen Xachschlagebücher zu benützen, überdies W. v. Lenz: „Kritischer Katalog sämmtlicher Werke Ludwig van Beethovens mit Analysen derselben" (2. Aufl. 1860). Zu den Klavierkompositionen: C. Czernys Klavier- schule, 4. Theil. Zu den Klaviersonaten die Literatur von Marx, Eiterlein, Reinecke und viele Andere, die benützt ist im Artikel „Beethovens Klaviersonaten" (Frimmel) in der Beilage zur Münchener AUgem. -Zeitung, Ende 1896, No. 301 und 302). Ueberdies: Tabellarische Ueber- sicht über Beethovens Klaviersonaten, 1887 bei Challier in Berlin erschienen, ein praktisches Heftchen (aber nicht ohne störende Druckfehler"), auf das mich Carl Lüstner freundlichst auf- merksam machte. Vergl. auch einige Abschnitte im Artikel von Alfr. Chr. Kalischer „Die Beethovenautographe der Königl. Bibliothek zu Berlin" in den „Monatsheften für Musikgeschichte" (1895 und 1896). Einige Abschnitte in Ant. Rubinsteins „Die Meister des Klaviers" (Berlin, Har- monie) haben mehr Interesse für die Freunde Rubinsteins, als für die Beethovenforschung. Zur „Mondscheinsonate" (Fis-M>ll, Op. 27, No. 2) sei sogleich hier angemerkt, dass der Name nicht von Beethoven herrührt, sondern auf Rellstab zurückgeht.

In den Werken Beethovens drei Stilarten unterscheiden und streng sondern zu wollen, wie es so oft geschah und noch geschieht, ist eine vergebliche Bemühung. Bei einem schier unablässig thätigen Künstler, wie Beethoven, der noch dazu gar oft alte eigene Arbeiten heran- zog, um sie etwas zu feilen und dann zu veröffentlichen, ist das Eintheilen in Stile ziemlich aussichtslos. Danach betrachte ich es mehr als Redensart, wenn ich hie und da von den Stilen Beethovens gesprochen habe. An die Eintheilung von W. v. Lenz (in „Beethoven et ses trois styles" 1852) schlie.sse ich mich ebenso wenig an, als an spätere Versuche einer Eintheilung. Immerhin lässt es sich nicht leugnen, dass die frühen Werke sämmtlich ungeheuer von den späten abstechen. Die Jahre 1815 bis 1817 bilden ferner wirklich eine Abgrenzung gegen die vorher geschaffenen Kompositionen. Während dieser Periode bildet sich etwas, das man wohl den letzten Stil nennen könnte. Dagegen scheint in der mittleren, fruchtbarsten Zeit des Meisters überhaupt gar nicht ein einziger Stil massgebend zu sein. Die überquellende Erfindung drängte und schob fortwährend. Ein fester Stil konnte sich dabei nicht bilden- Fast für jede Kom- position müsste eine eigene Abtheilung eingerichtet werden. Auch Wasielewski Hess die Ein- theilung der drei Stile fallen.

Zur Familie von Breuning neben Wegeier hauptsächlich Gerhard von Breuning: „Aus dem Schwarzspanierhause" (1874). Einige Berichtigungen bei Thayer und Werner Hesse a. a. 0., L. Nohl in der Wiener illustr. Zeitung 1885 „Beethovens Freund Steffen", Ch. G. Kalischer „Beethovens Ariel und Hosenknopf Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung 1891 No. 23 zu No. 259 Zum Beginn des Verkehrs im Hause Breuning wichtig Carl Wegelers, des Enkels Erörterungen in der Koblenzer Zeitung vom Mai 1890 und danach die Kölnische Zeitung 1890 No. 143 vom 24. Mai 1890. Zu Gerhard v. Breuning vergl. „In Memoriam (G. de Breuning)" Triest 1892 und „Dem Andenken Dr. G. v. Breunings gewidmet von treuer Freundeshand" 1893,

Zum Schattenriss vergl. Wegeier und Ries. S. 52, Frimmel „Neue Beethoveniana" S. 196 ff. und die Nachträge dazu, auch „Hamburger Signale" 1892, No. 11. Die Silhouette ist oft nachgebildet worden, z. B. in der „Rivista musicale italiana" (Turin, Gebrüder Bocca IV, 1897) und in C. Werckmeisters „Das XIX. Jahrhundert in Bildnissen" Lieferung 8, einem Heft, auf das hier sogleich auch bezüglich anderer Beethovenbildnisse (mit Ausnahme des Klöber'scher) hingewiesen sei. Kritische Erörterungen in meinem Buche „Neue Beethoveniana" und in der Besprechung des Carel L. Dakeschen Beethovenbildnisses (Zeitschrift für bildende Kunst Neue Folge IV. S. 18 ff.).

Zu Mozart hauptsächlich Otto Jahn: W. A. Mozart (IIL AuÜ. bearbeitet von Deiters) passim; dort auch über Hummel als Schüler Mozarts. Zu Scheikel vergl. Meusels „Museum für Künstler und Kunstliebhaber", 111. Stück, 1788, S. 27. Ebendort S. 30 heisst es: „Ludwig

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van Beethoven, komponirte und spielte im 11. Jahre." (Artikel von C. L. J(unker.) Ueber L. Kozeluch und die Paradis siehe Hanslick: Geschichte des Konzertwesens in Wien (S. 24 f.\ Zur Frage, ob Beethoven Mozarten habe spielen gehört, vergl. Fr. Kullaks Vorwort zur Steingräberschen Ausgabe der Klavierkonzerte Beethovens (1881), auch Friinmel ,,Neue Beetho- veniana'S 2. Ausgabe, S. 358 f.

Briefe Beethovens sind in grosser Anzahl erhalten. Die wichtigsten Veröffentlichungen sind durch Wegeier und Ries, Schindler, Nohl und Thayer geschehen. Leider sind die zwei Bände mit Briefen Beethovens, die Nohl zusammengestellt hat, in mehr als einer Beziehung an- fechtbar ([. Sammlung 1865, II. 1867). Hierzu ,,Die Grenzboten" 1866 und Ferd. Hiller „Aus dem Tonleben unserer Zeit" L, 306 ff. Andere Briefpublikationen: L. v. Köchel: 83 Briefe an den Erzherzog Rudolf (18o5). Alfr. Schöne: „Briefe von Beethoven an Marie Gräfin Erdödy geb. Gräfin Niszky und Mag. Brauchie" (1867), Frimmel: „Neue Beethoveniana" (1886). Kapitel „Briefe", „La Mara": Musikerbriefe aus zwei Jahrhunderten, II., l 17. Dieselbe: Klassisches und Romantisches (1892, Kapitel ,, ungedruckte Briefe Beethovens"; die meisten waren übrigens längst bei Thayer gedruckt).

Ausserdem sind mehrere Dutzende von Beethovenbriefen in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht, nicht wenige durch Alfr. Chr. Kalischer. Hoch an der Zeit wäre es, eine Gesammt- ausgabe oder wenigstens eine übersichtliche Zusammenstellung der Briefe Beethovens zu ver- anstalten. Wenn im Text nicht jedesmal genau angegeben wurde, aus welchen Briefen die Citate genommen sind, so möge dies des Raummangels wegen entschuldigt werden.

Johann Peter Salomon. Vergl. die Literatur, die bei L. Nohl (Leben Beethovens) und Leop. Schmidt (Jos. Haydn) benutzt ist; ausserdem die Musikerlexika und die Literatur, die sich an Beethovens Briefe knüpft. Salomon ist geboren 1745 zu Bonn, gestorben im November 1815 zu London. Zum Besuch Salomons in Bonn s. Dies' Haydn und Thayers Beethoven.

Zu Kapitel II.

Die Verzierung des Anfangsbuchstaben bringt eine Ansicht des Stefansdomes in Wien.

Ueber die Verhältnisse in Wien zur Zeit, als Beethoven dahin zog, unterrichtet eine reichliche Literatur, von der ich nur Weniges nenne, wie Gottlob Friedr. Krebel: Europäisches genealogisches Handbuch (1792): „Vertraute Briefe zur Charakteristik von Wien" (Görlitz 1793), De Luca: Topographie von Wien (1794), „Sicheres Adress- und Kundschaftsbuch für Einheimische und Fremde" (1796).

Des Besonderen zur Wiener Musik um 1792 Burney (des ,, milzsüchtigen") Reisen, Schön- felds Jahrb. d. Tonk. 1793, Hanslick: Gesch. d. Konzertwesens.

Zur Geschichte des Wiener Kunsthändler zu vergl. Frimmel: Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen L S. 32 ff. Viele dieser Kunsthändler trieben auch mit Musikalien Handel.

Zu Beethovens Studien bei Haydn vergl. besonders Nottebohm: Beethovens Studien I. S. 21 ff., Thayer I, 258 ff. Seyfrieds Angaben sind hier insofern unbrauchbar, als sie auf Miss- verständnissen beruhen. Chr. G. Kalischer in Breslaurs „Klavierlehrer" 1884 (S. 181 f., 194 f.), Leop. Schmidt „Jos. Haydn", S. 89. Was Haydns Wohnungen betrifft, so folge ich den brief- lichen und mündlichen Auskünften, die mir Herr Ohrfandl, Vorstand des Orchestervereins Haydn in Wien, nach Angaben der Grundbücher gegeben hat. Zum Unterricht bei Schenck wichtig: Schindler I. Auflage (1840), S. 31 f. Otto Jahns Auszüge aus Schencks Selbstbiographie, ab- gedruckt bei Thayer II, 410 ff., Nohl: Beethovens Leben II, 30 ff. Zum Unterricht bei Salieri: Nottebohm: Beethovens Studien I; mit Benutzung Mosels. Zur Behandlung der Singstimmen: Schindler II, 81, Wasielewski's Beethoven II, S. 201 f., Nottebohm „Zweite Beethoveniana", S. 297. Zur „Kleinen Singmusik" bei Beethoven, La Mara: Musikerbriefe II, S. 6. Zu Albrechtsberger siehe dessen sämmtliche Schriften, herausgegeben von R. v. Seyfried (III, 214).

Zum Autograph über den Umfang der Singstimmen. Es ist mir durch die Freund- lichkeit des Ethnographen Felix Kanitz und des Hofraths v. Walcher in Wien bekannt geworden.

Zur Reise nach Berlin: Wegeier und Ries, S. 109, und Nachträge S. 18 ff., Thayer II, II ff. und Alfr. Chr. Kalischer „Ludwig v. Beethoven in Berlin" (in „Nord und Süd", No- vember 1886).

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Beethovens ., unsterbliche Geliebte". Der dreitheilige Brief ist wiederholt vollständig abgedruckt worden. Ein Faksimile bei Schindler. Die 4, die Beethoven hier schreibt, ist noch dieselbe, wie sie im Tagebuch von 17Q2 vorkommt. Später, ich habe noch nicht untersucht, seit welchem Jahre, schrieb Beethoven eine andere 4. Zur Frage, an wen der Brief gerichtet sei, vergl. besonders Schindler, Thayer, L. Nohl (Beethovens Leben II, 1 25 ff. u. III, 894, ferner „Eine stille Liebe zu Beethoven" und „Beethovens Brevier", S. 98), Mariam Tenger „Beethovens unsterbliche Geliebte" (I. und 2. Auflage 1890), A. Chr. Kalischer ,,Die unsterbliche Geliebte Beethovens" (in der Sonntagsbeilage zur V^ossischen Zeitung 1891. No. 30 und 31, und einem selbstständig ausgegebenen Hefte), Leipziger „Illustrirte Zeitung" (J. J. Webers Verlag) vom 6. Juni 1891. Frimmel in den Hamburger Signalen 1892 und derselbe in Robitscheks Deutscher Kunst- und Musikzeitung (1895, 15. Februar), wo noch andere Literatur durchgenommen wurde.

Beethovens Taubheit. Wichtig die Briefe Beethovens an Wegeier 1800 und 1801, sowie ein langes Schreiben an Amenda aus 1801 und Steffen von Breunings Schreiben an Wegeier aus 1804 (Wegeier und Ries, Nachträge S. 10). Thayer und Nohls Beethovenbiographien passim. Schindler zeigt das Bestreben, den Zustand Beethovens weniger trostlos darzustellen, als er es thatsächlich war. Beachtenswerth Aloys Fuchs in L. A. Frankls Sonntagsblättern 1845, No. 32 und 34. Nohl: „Eine stille Liebe zu Beethoven", S. 203, 212. In neuerer Zeit wurde das Thema gestreift durch C. G. Kunn in der Wiener medizinischen Wochenschrift, Februar und März 1892.

Die Hörinstrumente, die Beethoven benutzt hat, sind erhalten, befanden sich jahrelang in der Königlichen Bibliothek zu Berlin und sind vor ungefähr 10 Jahren als Geschenk des deutschen Kaisers ans Beethovenhaus in Bonn gelangt. Ein solches Instrument ist auch Eigenthum der Wiener Universität.

Das Heiligenstädter Testament ist kaum in der kleinsten Beethovenbiographie über- sehen. Auch an vollständiger Wiedergabe fehlt es nicht. In L. Nohls Briefsammlung (I) ist es nach der Allg. mus. Zeitung von 1827 abgedruckt, bei Schindler I, 86 ff., Thayer (IT, 193 ff.) nach dem Original. Von anderen mehr oder weniger vollständigen Abdrucken nenne ich nur die bei Marx, bei Langhans in der „Geschichte der Musik" (1887) 11, 217 f., bei Ferd. Hiller ,,Aus dem Tonleben unserer Zeit", Neue Folge 1871 (S. 158 ff.) und in „Schorers Familien- blatt" 1889, No. 46. Die Unrichtigkeiten in L. A. Frankls ,, Sonntagsblättern" II, S. 374, sind widerlegt in H. Pohles Hamburger Signalen 1892.

Das „Pfennigmagazin", Neue Folge I (1843), meldet, dass der Violinvirtuose Ernst damals das Original erwarb. Im Mai 1891 theilte die (Schumann-Brendel-Kahntsche) Neue Zeitschrift für Musik (S. 212 ff.) die Wanderungen des Manuskripts mit, das damals durch Vermächtniss der Frau Jenny Lind-Goldschmidt an die Hamburger Stadtbibliothek gelangt war.

Der Einfluss des Klassizismus auf Beethoven wird besonders markirt durch die Er- wähnung Plutarchs in einem Briefe an Wegeier 1801, in welchem Schreiben auch Antiochus erwähnt wird. Damit war nach Wegeier die Fügersche Komposition gemeint; wie ich vermuthe, war's das A. Geigersche Blatt von 1798 nach Füger, das als Zimmerschmuck sehr verbreitet war. Beethovens Hausrath war ebenfalls im klassizistischen Stil gehalten. Für Wien wird die Blüthe des Klassizismus, der unter Joseph II. einzudringen begann, hauptsächlich betont durch die Errichtung des Christinendenkmals von Canova 1805, durch die Aufstellung des Josephs- denkmals 1807, späterhin durch den Bau des Theseustempels 1822 und des Burgthors 1824. Beethoven machte auch in der Kleidung die klassizistische Mode mit. Auch sei angemerkt, dass er auf Homer, Ovid, Plinius seine Aufmerksamkeit lenkte. Hierzu L. Nohl „Beethovens Brevier" (1870).

Zu Kapitel III.

Das Bildchen beim Anfangsbuchstaben zeigt den Josephsplatz in Wien mit dem Kaiser- monument (1807 errichtet) in der Mitte und dem Gebäude des Redoutensaales zur Rechten, das uns an das grosse Concert zur Zeit des Wiener Congresses erinnern soll.

Zum Fidel io. Das Textbuch von 1805 führt den Titel „Fidelio eine Oper in zwey (!) Aufzügen, frey nach dem Französischen bearbeitet von Joseph Sonnleithner. Die Musik ist von Ludwig van Beethoven. Für das K. K. Theater an der Wien. Wien 1805, gedruckt und ver-

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legt bei Anton Pichler." Der Text selbst weist aber drei Aufzüge auf. Das Heftchen sei denen empfohlen, die eine Monographie über Fidelio schreiben wollen. Bei Thayer (Biographie Beethovens) ist der Anschlagzettel mitgetheilt, aber das Datum verdruckt. Genauere Wiedergabe in Thayers chronolog. Verzeichniss.

Von Wichtigkeit für die Geschichte des Fidelio sind Schindlers, Seyfrieds, G. v. Breunings Angaben. Otto Jahns und Nottebohms Forschungen haben in die verwickelte Ge- schichte der zweimal umgestalteten Oper einiges Licht gebracht. Fast jede grössere Beethoven- biographie bringt einen mehr oder weniger beachtenswerthen Abschnitt über Leonore-Fidelio.

Thayer hat Vieles gesammelt, was er noch von Zeitgenossen Beethovens erfahren konnte, z. B. des Sängers Röckel Erinnerungen, die auch in ausführlicher Weise in der „Gartenlaube" von 1868 mitgetheilt sind (Rudolph Bunge: Fidelio, nach persönlichen Mittheilungen des Herrn Prof. Joseph Röckel). Friedrich Treitschkes Mittheilungen über Fidelio sind benutzt bei Thayer und abgedruckt in L. Nohls „Beethoven nach den Schilderungen eines Zeitgenossen" (S. 77 ff.).

Noch immer brauchbar ist die übersichtliche Darstellung Otto Jahns im Vorwort zum vollständigen Klavierauszug der zweiten ,,Leonore" (Leipzig 1851). Zu den Fidelioskizzen vergl. Thayer passim. Nohl: Beethoven, Liszt und Wagner, S. 78 ff , und besonders Nottebohm: Ein Skizzenbuch Beethovens aus dem Jahre 1803. Ein Skizzenblatt, das erst zu veröffentlichen ist, befindet sich bei Dr. Jurie von Lavandal in Wien. In Bezug auf das langsame Eindringen der Oper ins Verständniss des Pubhkums erinnere ich an Briefe Carl Mar. v. Webers an seinen Bruder. Der eine Brief von Prag ist am 1. Dezember 1814 geschrieben: „Ich habe den 21. Fidelio von Beethoven gegeben, der trefflich ging; es sind wahrhaft grosse Sachen in der Musik, aber sie verstehens nicht man möchte des Teufels werden!" Der zweite Brief mit einer ähnlichen Klage ist ebenfalls in Prag am 18. März 1816 geschrieben. (Vergl. Nohl: Musiker- briefe S 243 und 252.) Die Stelle aus Bauernfelds Tagebuch steht im „Jahrbuch der Grillparzer- gesellschaft" 1895, S. 10. Der bessere Erfolg von 1822 lag sicher nicht allein in der neuen Besetzung Fideho der Schröder anvertraut). Im Mai 1809 wurde der Fidelio wieder einstudirt, doch unter- blieb die Aufführung der unruhigen Zeiten wegen. Geusau: Geschichte von Wien (VI, 119) sagt zum 10. und 11. Mai: „Früh war noch fürs Burgtheater die deutsche Oper Leonore an- geschlagen; später ward aber das Zettel wieder abgerissen. Auch erschien keine Wiener Zeitung."

Bezüglich der Urtheile über die Oper vergl. Thayer II, 292 ff. und 402. (Wiener Auf- führungen.'; In Paris hatte die Oper Anfangs geringen Erfolg. Die erste Aufführung hat dort 1829 in der Salle Favart stattgefunden. Zu den ersten Aufführungen in Berlin (Oktober 1815) lesenswerth Ludwig Geiger: ,, Clemens Brentano und Beethoven" in der Beilage zur Münchener allgemeinen Zeitung, 29. November 1890. Zum Text: J. V. Widmann „Bouillys Leonore und der Text zu Beethovens Fidelio" in der Deutschen Kunst- und Musikzeitung 1895, No. 19 u. 20. Zu den Leonoren-Ou verturen : W. v. Lenz ,, Kritischer Katalog", III. Theil, II. Periode, S. 151 ff, 0. Jahn a. a. O, ferner Alb. Levinsohn in der „Allg. musikah Zeitung" 1882, No. 50, welcher die gesunde Ansicht vertritt, dass die erste Ouvertüre mit "Op. 138 identisch ist (anders Thayer und Nottebohm), nochmals Levinsohn in der „Vierteljahrschrift für Musikfreunde", IX. Bd., 1893. Beachtenswerth auch Alfr. Chr. Kalischer „Die Anzahl der Leonore(Fidelio)-Ouverturen Beethovens" in der Sonntagsbeilage der Vossischen Zeitung 1890, 8. Juni (No. 23 zu No. 261). Ich mache noch aufmerksam auf Schindlers Brief an Schotts vom 29. September 1827.

Zum ganzen Werk noch zu erwähnen: Die Prachtausgabe des Rieter-Biedermannschen Verlages (mit Zeichnungen von Schwind und Gedicht von Paul Heyse), Hallberger-Ricordis Beethovenalbum S. 5 ff. siehe auch Gazette des beaux arts 1899, I, 135 ff. Zu unserem Facsimile vergl. O. Jahn's Ciavierauszug, Einleitung Seite XI und No. 15 und 15a. Der Anfang von 15a entspricht dem Facsimile.

Zum Aufenthalte und zur Szene in Graz im Lichnowskyschen Schlosse vergl. Wegeier und Ries, Seyfried, Thayer, II, S. 312 und 320. Die Weiserschen Erinnerungen sind in der Familie weiter erzählt worden. Der Enkel des Arztes Weiser, Gemeindeausschuss in Payerbach, theilte sie vor Jahren in der Deutschen Zeitung (Wien, 31. August 1873) mit und verschaffte

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mir Einsicht in die Aufschreibungen seines Vaters aus dem Jahre 1867. Die Weiserschen Er- innerungen sind in allem Wesentlichen vollkommen unverdächtig und vertrauenswürdig. Kleine Nebensächlichkeiten, die in meinem Text ganz übergangen sind, sowie das irrthümliche Verweisen der Szene in die Weihnachtszeit von 1807 sind eben Gedächtnissfehler, die sich nach anderen Quellen richtig stellen lassen. Aus einer Mittheilung Varnhagen von Enses (Denkwürdigkeiten, 3 Aufl., 3. Theil, S. 226) scheint hervorzugehen, dass Lichnowsky den Künstler mit Gewalt zum Spielen zwingen wollte. Vergl. auch Nohl: Eine stille Liebe zu Beethoven, S. 87 (nach Beethovens eigener Erzählung).

Zur Erkrankung an der Hand vergl. den Brief Beethovens an Oppersdor'f (undatirt), der abgedruckt ist in B. Senff's Leipziger Signalen 1880, No. 46, und einen Brief Steffen v. Breunings an Wegeier vom März 1808. Wegeier u. Ries, Not., Nachtr. S. 13, und Frimmel ,,Neue Beethoveniana", 2. Ausgabe, S. 361.

Zu Erzherzog Rudolph: Er ist 1788 geboren und starb 1831. Zahlreiche genealogische und biographische Nachschlagebücher geben über ihn Auskunft. Erzherzog Rudolph war ein Sohn Kaiser Leopolds II. Lebensgrosse Bildnisse befinden sich in der fürstbischöflichen Residenz zu Olmütz und im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. In der Wiener Ausstellung für Musik und Theaterwesen von 1892 sah man (im Habsburgersalon) drei Medaillen auf den Erzherzog und ein verhältnissmässig grosses Miniaturbildniss, wie denn auch Proben seiner musikalischen Kompositionen dort zu finden waren.

Zu den Ereignissen von 1809: Hormayrs Geschichte von Wien und in diesem Falle besonders Geusaus entsprechendes Werk vergl. auch E. Wertheimers „Zur Geschichte Wiens im Jahre 1809" im Archiv für Oesterr. Geschichtsquellen Bd. 47. Der Einzug Napoleons in Schönbrunn am 10. Mai 1809, jedenfalls nach den Eindrücken von Augenzeugen abgebildet, in A. de Labordes Voyage pittoresque en Autriche III. Bd.

Zum neuen Theater in Pest: Ueber die Theater in Pest 1807 vergl. u. A. Pückler- Muskaus Reisetagebücher (herausgegeben von Ludmilla Assing) II, 461 ganz abgesehen von der Pester Ortslitteratur. Zur Eröffnung 1812 beachtenswerth „Der Sammler" von 1812, S. 84 (Kotzebue, Beethoven und der Hofarchitekt Aman werden genannt), ferner die K. K. Wiener Zeitung vom 19. Februar und 4. März 1812. Vergl. auch Thayer IIL 170, 180 f., 188.

Briefe an Kotzebue abgedruckt in der (Wiener) Neuen illustrirten Zeitung, 28. Juli 1889. Beethoven fordert den Dichter auf, ihm einen Operntext zu schreiben, möge die Oper „romantisch, ganz ernsthaft, heroisch, komisch, sentimental sein, kurzum, wie es Ihnen gefalle". (Nach W. von Kotzebue „Urtheile der Zeitgenossen .... über Aug. v. Kotzebue" (BerUn, Dresden, W. Baensch 1881).

Beethovens Verhältniss zu Kuffner, behandelt von A. Chr. Kalischer in der Zeitschrift „Euphorion" (herausgegeb. von Aug. Sauer) 1897 (III. Ergänzungsheft).

Bezüglich der Angelegenheit Beethoven und Goethe verweise ich auf meine kleine Monographie (Wien 1883), ferner auf die Nachträge zu meinem Buche „Neue Beethoveniana" (zweite Ausgabe mit zwei Briefen Beethovens an Goethe) endlich auf einen eigenen Artikel in der „neuen Zeitschrift für Musik" 1889 No. 49. Eine besondere Ungezogenheit Beethovens gegen den Hof ist auch aus Baden beglaubigt, aber nicht veröffentlicht.

Zum Aufenthalte Beethovens in Linz a. d. D. hauptsächlich Thayer: Ein kritischer Ver- such, S. 19 und die entsprechenden Abschnitte in Thayers Beethoven-Biographie.

Zu Beethovens Thätigkeit für Graz in Steiermark ist besonders der Briefwechsel mit Rath Varena zu beachten (s. Nohls ßriefsammlungen und Thayer passim). Einiges bei Thayer III. Vergl. auch die ,, Wiener Zeitung" vom 11. April 1812, wo u. A. erwähnt wird, dass der „ruhm- volle Kompositor Hr. Beethoven" sich bereit erklärt habe: ,,dem Künstlervereine für ähnliche wohlthätige Unternehmungen nicht nur immer die neuesten seiner Kompositionen im Manuskript zu übergeben, sondern auch eigene Stücke zu bearbeiten".

Zu Leonhard Mälzl vergl. F. H. Böckh „Wiens lebende Schriftsteller" 1821, S. 385, Hormayrs „.Archiv für Geschichte . ." 1830, S. 354 ff. (Biographie), ferner Jurendes Kalender von 1834, S. 6 f. (nach dem polytechnischen Journal vom April 1832), Besprechung der Metronome von Bienaime und Mälzel. An die Metronome knüpft sich viele Literatur, die nur im .Allgemeinen angedeutet wird. Ueber das Verhältniss Mälzls zu Beethoven schrieb Thayer

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in seinem „Krit. Versuch" S. 10 ff. und in seiner Ikcthovcnbiographic III, 250 ff. WerthvoU sind Schindlers Mittheilungen. Mäizl war selbst Musiker und wie es scheint nicht ohne Talent. Mälzl hat sich viele Mühe gegeben, für den schwerhörigen Meister passende Höhrrohre zu erfinden.

Ueber das Verhältniss Beethovens zum Grafen Ferdinand Palffy gedenke ich eine Sondersludie zu veröffentlichen, da mir ungedrucktes archivalisches Material zur Verfügung steht. Ich verdanke es hauptsächlich der Freundlichkeit des, seither verstorbenen, Geheimraths v. Arneth und den Bemühungen des Herrn Hofraths Dr. Schrauf. Die im Text angeführte Stelle ist aus einem Aktenstück vom 27. November 1814 genommen.

Zum Wiener Kongress: u. A. die gedruckten Protokolle des Kongresses, La Garde „Fetes et souveniers du Congres de Vienne" 1843. Ohne Namen „Feyerlichkeiten bei der Rückkehr S. Maj. des Kaisers von Oesterreich nach Wien" (Wien 1816) Dr. Alois Weissenbach „Meine Reise zum Congress" (Wien, 1816). Weissenbach stand mit Beethoven im Verkehr und war dem Komponisten nicht unlieb, vielleicht da er gleich ihm taub war. Varnhagen von Ense: Denk- würdigkeiten, 3. Auflage, 4. Theil, S. 252. („Alles schwamm in Glanz und Festlichkeit." Prince de Ligne sagte: „Le congres danse bien mais il ne marche pas". Neuestens hat eine ,, Kongressausstellung" im österreichischen Museum für Kunst und Industrie zu Wien die ganze Zeit wieder aufleben gemacht, wie denn auch die Memoiren der Gräfin Elise Bernstorff (Berlin 1896) Manches von jenen glänzenden Tagen erzählen. Ueber die Ausstellung giebt Aufschluss der umfangreiche „Katalog der Wiener Congressausstellung" (Wien 1896) und ein illustrirtes Werk, das 1899 bei Artaria & Cie in Wien erschienen ist. Darin spricht Baron W. Weckbecker auch von Beethovens Leistungen während des Wieners Kongresses.

Zu Kapitel IV.

Der Capitelanfang wird durch eine Ansicht aus der Gegend von Baden bei Wien geziert; die Bergruine ist die des Schlosses Rauhenstein. Beethoven hat viele Sommer in Baden ver- bracht und in dem Thale, dessen Eingang abgebildet ist, sehr oft componirt. 1817 schrieb Beethoven an Frau Nanette Streicher nach Baden: „Kommen sie an die alten Ruinen, so denken sie cass dort Beethoven oft verweilt".

Der Bruder Carl van Beethoven hatte 1806 Johanna Reiss geheirathet, die wohlhabend aber verschwenderisch war. Thayers Beethovenbiographie besonders III, 506 ff", an verschiedenen Stellen, und chronologisches Verzeichniss, Vorwort. Das Söhnchen Carl, der Neffe des Kom- ponisten, wurde 1806 geboren (Thayer II, 310 und III, 513). Ich habe viel Material über sein Leben zur Verfügung, an das sich eine reichliche Literatur knüpft, doch muss ich von ein- gehenden Mittheilungen diesmal absehen. Der amtliche Bescheid für Carl van Beethoven ist vollständig mitgetheilt in der Neuen Zeitschrift für Musik (1889, No. 48).

Die Lebensgeschichte des Bruders Johann van Beethoven ist durch Thayer gewissenhaft studirt worden. Vergl. hauptsächhch: Ein kritischer Beitrag zur Beethovenliteratur. Schindler ist etw^s auffallend bemüht, Joh. van Beethoven in schiefes Licht zu setzen. Indess ist Johanns knickeriges Wesen nicht abzuleugnen. Dahin äusserte sich mir gegenüber noch Frau Caroline van Beethoven, die Wittwe des Neffen Carl ungefähr 1878. Thayer dagegen deutet wieder Alles zu Gunsten Johanns, obwohl dieser ohne jeden Zweifel für Ludwigs Grösse ein rein nur geschäftliches Interesse hatte.

Der Beginn schriftlicher Konversation dürfte bei Beethoven ungefähr in den Spät- herbst 1815 fallen. Das älteste erhaltene Heft, wohl das erste, das Beethoven benützt hat, ent- hält eine Eintragung, die sich nur auf einen Grabstein für Bruder Carl beziehen kann: „eine Marmorplatte in die Wand gemauert mit goldenen Buchstaben als Grabstein deines Bruders, das kostete vor der h(and) nicht so viel . ." (vergl. hierzu meine Erörterungen in der Neuen Zeit- schrift für Musik 1889, No. 47 ). Das erste Heft war noch in grüner Seide gebunden. Die späteren Konversationshefte, deren so viele in der Berliner Bibliothek verwahrt werden, sind nicht mehr so luxuriös ausgestattet. Das grüne Heftchen gelangte in den Besitz der Beet- hovenschen Erben, dann zum Hofkapellmeister Riedel nach Braunschweig und zur Gräfin Amadei nach Wien. Es dürfte nach seinem Inhalt ins Jahr 1816 gehören. Vermuthüch hat

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Beethoven vorher schon geles^entHch sich Anworten auf lose Blätter schreiben lassen. Auf keinen Fall war aber die schriftliche Konversation mit Beethoven vor 1815 die gewöhnliche. Die Konversations- hefte in Berlin sind zuerst von Schindler, später von Thayer geordnet worden. Viele Andere haben sie durchgesehen. Kalischer hat Vieles daraus veröffentlicht. Nohl machte von Einzelnem Gebrauch (vergl. besonders „Beethoven, Liszt und Wagner" S. 114 ff.) Eine vollständige Pubhkation würde zwar nicht in den Salon passen, aber der Beethovenforschung vielen Nutzen gewähren.

Zum Beethovenhause in Nussdorf. Nach einer alten Ueberlieferung in der Familie Zeissl ist an der Identität des Hauses No. 26 in der Kahlenbergerstrasse mit dem Hause, in welchem Beethoven einmal gewohnt hat, nicht zu zweifeln. Nur bezüglich der Jahreszahl reicht die Tradition nicht aus. Die Zeisslschen Erinnerungen gehen viel weiter zurück, als die Aus- künfte, die ich selbst ca. 1886 vom „alten Greiner" erhalten habe. Der „alte Greiner", Besitzer jenes Hauses, seither gestorben, hatte als Kind Beethoven noch gekannt und über ihn allerlei erzählt. Nach Greiners Erinnerung hat Beethoven im Hoftrakt gewohnt. Was Böck-Gnadenau noch 1889 erfahren konnte, ist von diesem mitgetheilt in ,,L. v. Beethoven in Heiligenstadt und Nussdorf". Das Haus, dessen Schauseite wir abbilden, ist ein nettes Rokokogebäude, das sich im Wesentlichen bis heute unverändert erhalten hat.

Zu Beethovens Wohnungen vergl. sonst Schindler, Breuning, Thayer, Nohl, ferner Herrn. Rollet, ,, Beethoven in Baden" (1870), Frimmel, „Beethovens Wohnungen in Wien" in den Berichten und Mittheilungen des Wiener Alterthumsvereines für 1892. R. Heuberger, „Wo unsere grossen Musiker gewohnt haben" (Wiener illustr. E.xtrabtatt, 14. Juli 189.5), J. S. Shedlock: Ludwig van Beethoven in H. Saxe Wyndhams ,,Reference catalogue of british and foreigns Autographs and Manuscripts" (1899, nicht im Handel) und Frimmel in der Neuen freien Presse, 11. August 1899 Einige kleine Nachträge, die mir Herr Prof. Zeissl in Wien freundlichst zur Verfügung gestellt hat, sollen bei Gelegenheit veröffentlicht werden.

Zum beabsichtigten Requiem: Schon 1808 scheint Beethoven einmal an die Abfassung eines solchen gedacht zu haben (Nottebohm! Zweite Beethoveniana). Der einschlägige Brief Wolfmayrs aus dem Frühling 1818 wurde von mir veröffentlicht in Robitscheks deutscher Kunst- und Musikzeitung, XXIl, No. 2, vom 15. Januar 1895. Siehe ausserdem ,, Monatshefte für Musikgeschichte" 1896, No. 2 (Kalischer) und No. 5 (Frimmeli. 1814 besorgte Wolfmayr in Wien Geldangelegenheiten für Beethoven, wie aus mehreren Briefen Beethovens hervorgeht, z. B. aus einem an Dr. Kanka in Prag (Brief aus Baden vom 14. September 1814). Zu Wolfma}^ vergl. Redls Handelsadressbücher aus der angedeuteten Periode. Wolfmayr hat wahr- scheinlich im Wiener kaufmännischen Verein den Anstoss dazu gegeben, dass Beethoven zum Ehrenmitgliede jenes Vereines ernannt wurde (Urkunde vom 1. Oktober 1819 in der Wiener Sammlung Trau). Die Absicht, nach Kinskys Tod ein Requiem zu komponiren, ist beglaubigt durch eine Holz-Linzbauersche Ueberlieferung, mitgetheilt bei Nohl: Beethoven, Liszt, Wagner S. 111. Die Mittheilung aus dem Jahre 1814 geht auf Tomaschek zurück (,,Libussa" 1846). Beethoven zögerte mit der Ausführung, da die Angelegenheit seines Jahresgehalts noch nicht geordnet war.

Zu Beethovens Besuchskarte. Eine solche aus der Zeit gegen 1799 hat sich in der Familie Amenda erhalten. Auch sie bringt nur den Namen, aber mit französischem Vornamen und mit kalligraphischen Zügen umgeben „Louis van Beethoven" (so berichtet Nohl in „Beethoven, Liszt, Wagner" S 93).

Die grosse Messe, Op. 123, ist viel besprochen worden. Vergl. Lenz V, 159. Vieles bei Schindler (in der Beethovenbiographie, auch in ,, Beethoven in Paris" S. 97, endlich in der Polemik mit Dorn aus Anlass einer Probe in Bonn. Lieber die Polemik s. Hirschbachs musikalisch- kritisches Repertorium I, 293, 337, 372), Nohl in Beethovens Leben, ferner in Beethoven, Liszt und Wagner S. 109, 113, 194 und in Nohls Feuilleton „Beethovens letzter Mäcen", Grazer „Tagespost", 27. März 1880. In Form kleiner Monographien erschienen die Programme mehrerer Aufführungen. Ueber die Aufführung von 1892 schrieb Lüstner im ,, Rheinischen Kurier" vom 10. April 1892. Eingehende Besprechung der Komposition bei Wasielewski, S. 195 ff, und bei Mar.x-Behncke IL 341 ff. Das Schreiben, welches Beethoven an die Höfe versendete, ist mit- getheilt in dem Hefte „Ludwig van Beethovens missa solemnis op. 123", Bonn, Henry & Cohen, 1845. Hugues Imbert schrieb für die ,,Independance musicale" (No. 19 vom 15. Januar 1888)

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über die grosse Messe. Beachtenswerth : Alfred Schnerich, „Der Messentypus von Haydn bis Schubert", Wien 1892. An die Analysen von Marcel Remy und Sittard sei erinnert. Aus der Zeitschriftenliteratur nenne ich noch Spiros Artikel in Lessmanns „Allgemeiner Musik-Zeitung" (1885, XII. Jahrgang, Xo. 47). Zur Chronologie und Metronomisirung, Nottebohm : Beethoveniana I und II. Ueberdies „Pressburger Zeitung" 17. Nov. 1891 (Batka) und neuestens Richard Sternfeld „Zur Einführung in Beethovens Missa solemnis." (Verlag der Harmonie, Berlin.)

Zur IX. Symphonie. Schindler (auch in „Beethoven in Paris", S. 42 ff. und 122 f.). Mehrere Aufsätze in der „Caecilia" von 1827, 1828 (C. F. Becker, Fröhlich u. A.), Otto Jahn, Gesammelte .Aufsätze über Musik, S. 226 ff., Richard Wagner, „Bericht über die .Aufführung der neunten Symphonie von Beethoven im Jahre 1846 in Dresden (aus meinen Lebenserinnerungen ausgezogen) nebst Programm dazu" (wiederholt abgedruckt, vergl. besonders „Gesammelte Schriften und Dichtungen" II, S. 66 ff.), Nohl: Beethoven, Liszt und Wagner, S. HOL, 117 ff. Leipziger „Illustrirte Zeitung" (J. J. Weber) vom 17. August 1878. Wiener „Neue illustrirte Zeitung" 1889, S, 894. E. W. Fritzschs „Musikal. Wochenblatt" 1890. Wiener Fremdenblatt vom 25. März 1892 (Frimmel). (Steinfried) „Deutsche Revue" 1898, S. 348 (Kalischer). Breslaurs „Klavierlehrer" vom 15. Dezember 1892. .Am wichtigsten sind wohl Nottebohms .Mittheilungen in den „Beethoveniana".

Zu den Erziehungshäusern Del Rio und Blöchlinger vergl. hauptsächlich „Die Grenzboten" von 1857 und L. Nohl „Eine stille Liebe zu Beethoven", Frau Pessiak-Schmerling in der Wiener Neuen illustr. Zeitung 1889, No. 30, S. 621 f., und Hamburger Signale 1892 S. 125, ferner Frimmel „Neue Mittheilungen über Beethoven" in der Neuen freien Presse, 4. November 1894 (Ueberlieferungen bei Blöchlingers).

Ueber Rossinis Erfolge in Wien vergl. Azevedos Rossinibiographie, Wilders Beethoven- biographie, Hormayrs „Archiv für Geographie, Statistik etc." vom 29. März 1822 „Einige Nach- richten über den Lieblingskomponisten des jetzigen Europas . .", Schindler II, 57, Thayer, Ein kritischer Beitrag S. 24 (Rossinis Absicht, Beethoven zu besuchen), Rochlitz, „Für ruhige Stunden" S. 14, 27 ff., Hanslick „Aus dem Konzertsaal" (1870) und die Notizen über desselben Vortrag im Verein der Literaturfreunde zu Wien, Januar 1888, auch desselben „Geschichte des Konzertwesens in Wien", Kalischer in der Neuen Berliner Musikzeitung, Januar und Februar 1892, Abendblatt der Münchener Allgem. Zeitung vom 18. April 1895 (nach der Vossischen Zeitung), Schumann in den gesammelten Schriften I, 212 ,, Rossinis Besuch bei Beethoven: Der Schmetterling flog dem Adler in den Weg, dieser wich aber aus, um ihn nicht zu zerdrücken mit dem Flügelschlag." Die kleine Beethovenbiographie von Schlosser (1828) erzählt, dass Beethoven mit Vorliebe gegen italienische Sänger geeifert habe. Diese Abneigung dürfte in den Jahren des Rossinitaumels in Wien entstanden sein.

Besuch Franz Schuberts bei Beethoven. Bestimmte und ziemlich eingenende Mit- theilungen darüber bei Schindler II. 176, Kreissles Schubertbiographie (S. 259 ff.) widerspricht den Schindlerschen Angaben. Schubert soll den Meister nicht zu Hause getroffen haben. Viel- leicht haben sich Beethoven und Schubert anderswo getroffen. Persönlich aber waren sie mit einander bekannt. Rochlitz („Für ruhige Stunden" II, S. 38) sagt ausdrücklich, dass Beethoven mit Schubert über Rochlitz gesprochen hat Der Katalog der Wiener Schubertausstellung von 1897 (S. 10) theilt eine handschriftliche Bemerkung J. v. Spauns mit, die nach 1865 erst zu Papier gebracht ist. Danach hätte Schubert nie mit Beethoven gesprochen. Dies Hesse sich recht gut mit Beethovens Taubheit und mit Schindlers Mittheilung zusammenreimen, die ja sagt, dass Schubert in ungewöhnliche Verlegenheit gerathen war. Dass Schubert und Beethoven in demselben Gasthause verkehrt haben, erfährt man übrigens durch Braun v. Braunthal (Nohl III, 682). Zur ganzen Angelegenheit auch Beilage zur Münchener allgem. Zeitung 1898, No. 45 S. 4. Schubert war auch gelegentlich in Steiners Musikalienladen gleichzeitig mit Beethoven anwesend (Hüttenbrenners Mittheilung bei Thayer III, 421).

Zur Bekanntschaft Franz Liszts mit Beethoven sehr beachtenswerth: Bäuerles Theater- zeitung vom 19. April und 7. Juni 1823, Nohl, „Beethoven, Liszt, Wagner" S. 198 ff. Nohl, Beethovenbiographie III, 901. Wichtig Schindler, „Beethoven in Paris" S. 71 f., L. Raman, Fr. Liszt I. S. 45 ff., Polemisches in der Neuen Zeitschrift für Musik von 1891, neuestens Ilka Horowitz-Baranay in der Fleischerschen „Deutschen Revue" Juli 1898, S. 83.

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Carl Maria v. Weber hatte sich über die Eroica 1809 in einem chiftVirten Artikel recht unfreundlich und etwas gedankenlos witzelnd, aber später freundlich über Beethovens , .Christus am Oelberge'', über die „Chorphantasie" und die „Schlachtsymphonie" geäussert. Webers Urtheil über Beethoven aus dem Stuttgarter Morgenblatte von 1809 ist benützt von L. N(ohl) in der kleinen Notiz „Psychiatrisches über Beethoven" (Augsburger AUgem. Ztg.

14. Dez. 1872, Beil. No. 349). Beachtenswerth Schindler, „Beethoven in Paris" S. 120 f., ferner Schindler, Beethovenbiographie, Max M. v. Weber, Weberbiographie II. S. 505 ff. und „Reise- briefe von C. M. V. Weber an seine Gattin Caroline, herausgegeben von seinem Enkel" (1886), R. Kleinecke, „Ausgewählte Schriften von Carl Maria v. Weber", H. Gehrmann's Weber- Biographie (Bd. V der Berühmten Musiker.)

Andere zahlreiche Besuche bei Beethoven in jenem Lebensabschnitte sind besprochen bei L. Nohl, ,, Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen". Vergl. auch Wasielewski I. 338 ff. In beiden Büchern finden sich Quellenangaben, zu denen ich noch hinzufüge: Faust Pachler, „Beethoven und Marie Pachler-Koschak" (Abdruck aus der neuen Berliner Musik- zeitung" 1866). Der Besuch Cyprian Potters ist (nach einer Thayerschen Notiz) erwähnt bei Deiters (S. 240). Vergl. auch „Neue freie Presse" 14. April 1899 (nach H. E. Krehbiel „Music and Manners from Pergolese to Beethoven". Zum Besuch Alexandre Jean Bouchers vergl. „Revue internationale de musique" 1898, No. 1 und „Wiener Abendpost" vom 16. August 1900 (Mittheilung eines Boucher'schen Stammbuchblattes von 1822, in welchem „le Grand Beethoven" erwähnt wird).

Zum Verkehr Grillparzers mit Beethoven vergl. Grillparzers gesammelte Schriften Bd. VII., E. Kastners ,, Wiener musikalische Zeitung" Mai 1887. H. Pohles Hamburger Signale 1892. S. 141. Alfr. Chr. Kalischer, „Grillparzer und Beethoven" in ,,Nord und Süd" 1891.

Beethovens Brief an Grillparzer (nach den Leipziger Signalen) abgedruckt in Nohls erster Briefsammlung.

Das Stammbuchblatt Beethovens aus dem Jahre 1821 ist genau nach dem Original abgedruckt in der deutschen Kunst- und Musikzeitung (herausgegeben von Adolf Robitschek)

15. März 1893 (No. 6), wo ich auch Analogien mit späten Werken Beethovens besprochen habe. Erwähnung desselben geschah im Feuilleton der Münchener AUgem. Zeitung vom 28. März 1893 durch R. Heuberger und um jene Zeit im Wiener Fremdenblatt durch Speidl.

Im Jahre 1818 hatte Beethoven ein derartiges Stammbuchblatt für die Klavierspielerin Sczimanowska niedergeschrieben. Es ist bei Marx-Behnke 1884 und im Ergänzungsbande der Gesammtausgabe abgedruckt (1887).

Beethovens Geldverlegenheiten in jenen Jahren waren offenbar sehr drückend. Schindler erzählt davon. Thayer, der sich grosse Mühe gab, Beethovens Geldverhältnisse genau festzustellen, hat in seinem kritischen Beitrag einiges Nützliche beigebracht. Von Bedeutung für die Angelegenheit ist ein bis in die jüngste Zeit unbekannt gebliebener Brief Steiners an Beethoven vom 29. Dezember 1820. Beethoven machte darauf Vermerke, die be- stimmte Zahlen nennen. Demnach schuldete Beethoven Steinern 2420 Gulden Wiener Währung, wovon die grössere Hälfte ungefähr 1816 oder 1817 aufgenommen worden war. Gegen Ende 1820 hatte Steiner an die Schuld erinnert, wodurch Beethoven ins Gedränge kam. Die Antwort Beethovens ist mir einstweilen unbekannt. Am 29. Dezember drängte Steiner wieder. Die Kenntniss dieses Briefes, der sich seit Kurzem in Wien bei Herrn Dr. Vinc. Miller v. Aichholz befindet, verdanke ich der Freundlichkeit Richard Heubergers. Ein anderer, jüngst ver- öffentlichter Brief, der sich auf Beethovens Geldverlegenheiten bezieht, gehört der Frau Regierungs- räthin Glossy in Wien. (Vergl. N. f. Presse, 23. April 1900.) Der Schneider, den Beethoven bezahlen sollte, hiess Lind. Das Briefchen Beethovens an Lind gehört wohl ins Jahr 1816 oder 1817. Zu beachten auch ein Zettelchen, das Kalischer in den Monatsheften für Musikgeschichte (1896, S. 48) mitgetheilt hat, wo aber ohne Zweifel Lind statt Kind zu lesen ist.

Zu den Akademien von 1824 hauptsächlich Schindlers Beethoven und Schindlers Briefe an Moscheies vom 11. April 1827 (vergl. „Aus Moscheies Leben" 1872, I, 163). Hanslick, Ge- schichte des Wiener Konzertwesens, S. 274, 281, und die dort benutzten Quellen Zu den letzten (Quartetten. Schindler, besonders Lenz, Kritischer Katalog II, 220 ff., und Noh! ,, Beethovens letzter Mäcen" (Feuilleton der Grazer Tagespost vom 25. und 27. März. 1880). Th. Helm im „musikal. Wochenblatt" von E. W. Fritzsch, XII. Nohl „Neue Bilder aus dem

1)1

Leben der Musik und ihrer Meister" (1870), S. 123 f., und Musikalisches Skizzenbuch (1866) S. 268 ff. Nottebohm: „Beethoveniana", nach Register. Zu Jos. Böhm, der 1795 geboren ist und 1816 nach Wien gekommen war, vergl. die Musiklexika, HansUck, „Geschichte des Wiener Konzertwesens" und neuestens Andreas Moser, ,, Joseph Joachim" (1898). Für die freundHche Mittheilung der Ueberiieferungen in der Böhmschen Familie bin ich hauptsächlich der Frau Elisabeth Fleischhacker geb. Edl. von Braunendahl in Wien zu Dank verpflichtet. Sie hat als Kind ihren Onkel Jos. Böhm Manches über Beethoven erzählen hören. Ich gedenke davon anderwärts Mittheilung zu machen.

Zur beabsichtigten X. Symphonie und zu anderen musikahschen Plänen vergl. Schindler in Hirschbachs musik. kritischem Rcpertorium Bd. I (1844) und Xottebohms Beethoveniana. Auch Ferd. Hillers Mittheilungen über Beethovens letzte Lebenstage.

Beethovens Todeskrankheit und Ende. Kabdebos „Kunstchronik" 1880 nennt Leber- cirrhose als Todeskrankheit, womit denn einmal mit dem herkömmlichen Gewäsch von der ,. Wassersucht" gebrochen war. Wassersucht war nur eines der auffallendsten Symptome bei Beethovens Krankheit. Weitere Erörterungen im Feuilleton „Beethovens Leiden und Ende" in der alten Wiener „Presse" vom 8. September 1880. S. auch E. Kastners „Musikahsche Chro- nik" S. 53 und 55 Welcher Form von Leberentartung Beethoven zum Opfer gefallen ist, wird die moderne Medizin zu entscheiden haben. Lenz (I, 77) lässt Beethoven an ,, Undank" sterben. Viel sachgemässer die Bemerkung in George Grove, „Dictionary of music and musiciens" S. 173. „Aus Moscheies Leben" (1872, I, 148 ff.). Briefe von Rau und Schindler aus dem März und April 1827. Zur Chronik jener Tage auch Faust Pachler a. a. 0. und Nohl, Musikalisches Skizzenbuch.

Beethovens letzte Worte werden verschieden angegeben. Schindlers Angaben sind vertrauenswürdig, doch spricht er in der I. Auflage seines Beethoven nicht eigentlich von den letzten Worten, sondern von dem: Plaudite amici (S 189). Erst in den späteren Ausgaben geht er auf die Frage der letzten Worte ein, die er so beantwortet, wie oben im Text an- gedeutet ist. Breuning vensucht es, an Schindlers Angaben zu deuteln. Grazer ,, Tagespost", 23. Oktober 1868 (Brief Hüttenbrenners an A. W. Thayer), mir bekannt durch den Abdruck bei Xohl: Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen S. 268. Vergl auch Alfr. Chr. Kalischer: „Die letzten Worte des sterbenden Beethoven" in der „Unterhaltungsbeilage des Berliner Lokal- Anzeigers" (4. Mai 1894).

Zum Leichenbegängniss: Breuning, Schindler, Mündliche Mittheilungen des alten Klavierstimmers Weiss, der als junger Mensch bei Streichers bedienstet war und Beethoven ge- kannt hat, ferner des Prof. Dr. Carl Wedl in Wien, vergl. auch Schimmer ,, Geschichte der Stadt Wien" (1844) S 297 Noch Anderes bei Nohl in „Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen" (271 ff.), Grillparzer, Sämmtliche Werke (VII, S. 118 ff.).

Den Einfluss Beethovens auf die hervorragendsten Romantiker gedenke ich in einer besonderen Studie zu behandeln. Andeutungen gab ich vor Jahren in einigen Zeitungs- artikeln.

Viele Gedichte, die mit Beethoven zusammenhängen, sind in H. J. Landaus „erstem poetischen Beethoven-Album" (Prag 1872) gesammelt.

Ueber die Bildnisse, die nach Beethovens Tod geschaffen worden sind, ist manches Einzelne (z. B. über das von C. Dake und über das Schwindsche), doch nichts Zusammen- fassendes geschrieben worden. Max Klinger hat seinen Johannesfiguren mit Absicht einen Beethovenkopf gegeben.

Zur Beethovenliteratur.

Die erste gedruckte Erwähnung Ludwig van Beethovens findet sich, soweit bisher bekannt, in Cramers Magazin der Musik von 1783. (Vergl. oben S. 12.) Seither ist die Beethovenliteratur zu einer kleinen Bibliothek angewachsen, die Schriften der verschiedensten Art und von sehr ungleicher Bedeutung und Güte umfasst. Unentbehrlich sind die Quellenschriften von Wegeier , Ries und Schindler. Die „Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven" von F. G. Wegeier und Ferdinand Ries (Koblenz 1838, ein „Nachtrag" erschien 1845) sind für die erste Hälfte des Beethovenschen Lebensganges von grösster Bedeutung. Für die zweite Hälfte ist Anton

92

Schindlers Beethovenbiographie ein wichtiger Wegweiser, dem man freilich ] nicht blindlings folgen dürfte. (Die 1. Auflage erschien 1840, die 4. 1871). Andere Mittneilungen Schindlers über Beethoven finden sich in „Beethoven in Paris" und in zahlreichen Artikeln für Zeitschriften.

Die kleine flüchtig geschriebene Biographie von Joh. Aloys Schlosser, bald nach Beethovens Tode ausgegeben, kann höchstens für einige Einzelheiten aus den letzten Lebens- jahren Beethovens mit einiger Zuversicht benutzt werden.

Ein fiauptwerk ist „Ludwig van Beethovens Leben" von Alex. W. Thayer (nach der englischen Handschrift ins Deutsche übertragen und stellenweise ergänzt von H. Deiters, (1866 1879). Der Autor hat es leider bei seinem Tode unvollendet hinterlassen. Es reicht nur bis in die Zeit des Wiener Kongresses herauf. Wie ich höre, wird es von Anderen vollendet. Thayers Werk enthält eine überaus werthvolle Masse kritisch behandelten Materials, auch wenn man darin keine zusammenhängende Lebensgeschichte des Meisters findet. Ein knapper Auszug aus dem treffiichen Thayerschen Material ist von H. Deiters für ein Heft der Walderseeschen „Sammlung musikalischer \'orträge'' zusammengestellt worden.

Die ehedem viel genannten Arbeiten von Oulibitscheff und die von Lenz verfolgen ganz andere Zwecke als etwa den, Beethovens Leben im Ganzen und im Einzelnen zu über- blicken. Beide Autoren gehen mehr auf ein Abwägen des ästhetischen Werthes an den Kom- positionen Beethovens aus; Lenz bemühte sich überdies um die Zusammenstellung eines kritischen Kataloges der Werke Beethovens.

Der Marxsche Beethoven (in mehreren grossen Auflagen verbreitet und viel gelesen) ist im biographischen Theil etwas schwach und versteigt sich bei der Deutung der Kompositionen in ganz subjektive Erörterungen, die erst in der neuesten Auflage durch G. Behnke einiger- massen gemildert sind. Ludwig Nohl, im Wesentlichen frisch und geistvoll, ein Meister auf der neuromantischen „Phrasenharmonika", hat viel Neues zu Beethovens Lebensbeschreibung beigebracht und zahlreiche Bücher und Aufsätze über unseren Meister veröffentlicht. Nicht Weniges davon ist angefochten worden. Einiges ist werthvoll. Die Nohlsche Biographie Beethovens (1867 1877) müsste heute gänzlich umgegossen werden, sollte sie wieder dem Stande der Forschung entsprechen, die seither nicht geruht hat. Nohl ist aber dahin.

Wasielewski (sein Beethoven ist 1886 erschienen) machte von einigen neuen Funden Gebrauch, schrieb wie ein echter Musiker von der Sache, ohne zu gleicher Zeit ein vorsichtiger Biograph zu sein.

Die Verdienste Nottebohms um die Erforschung des musikalischen Schaffens bei Beethoven sind weit bekannt. Darüber wird Einiges im Verzeichniss der Werke Beethovens mitgetheilt. Auch in den Anmerkungen, besonders S. 81 unten, ist auf Nottebohms Bücher und Hefte des Besonderen Rücksicht genommen. Eine Biographie Beethovens ist von Nottebohm nicht verfasst worden, obwohl er dazu viele Einzelheiten in seinen Arbeiten beigetragen hat.

Damit ist nur einiges Wichtige angedeutet. Die Beethovenliteratur weist noch hunderte von anderen Schriften auf, deren viele in den Anmerkungen des vorliegenden Buches genannt sind. Eine nach^ Möglichkeit vollständige Aufzählung und kritische Würdigung der ganzen Literatur wäre zwar recht nützlich und längst erwünscht, gehört aber nicht hierher. Der Eifrige wird sich indes nach den gegebenen wenigen Anhaltspunkten wohl zurecht finden.

ANHANG.

Beethovens Testamente.

1. Das Heiligenstädter Testament aus dem Jaiire 1802 ist so oft abgedruckt worden, dass wir hier von einer neuerlichen Wiedergabe absehen. Eine Inhaltsangabe wurde im Text gegeben. Literaturnachweise auf S. 84.

2. Beethovens Testament aus dem Jahre 1823 (ein Brief an Dr. J. B. Bach in Wien).

„Wien, am 6ten März 1823." „Werther Verehrter Freund!

„Der Tod könnte kommen, ohne anZufragen, in dem Augenblicke ist keine Zeit ein gerichtl(iches) ^) Testament zu machen, ich zeige ihnen daher durch dieses eigenhändig an, dass ich meinen geliebten Neffen Karl van Beethoven^) zu meinem Universalerben erkläre, u(nd) dass ihm alles ohne Ausnahme^) was nur den Nahmen hat irgend*) eines Besitzes von mir, nach meinem Tode Eigenthümlich zugehören soll. Zu seinem Curator ernenne ich sie u(nd) Sollte kein anderes Testament folgen, als dieses, so sind sie zugleich befugt und gebeten, meinem geliebten Neffen K. v. Beethoven einen Vormund auszusuchen, mit Aus- schluss meines Bruders Johann van Beethoven^) u(nd) ihn nach den hergebrachten gesetzen denselben ZuZugeben. dies Schreiben erkläre ich so gültig für allzeit,^) als wäre es mein letzter Wille Vor meinem Tode ich umarme Sie Von Herzen

ihr wahrer Verehrer und Freund

Ludwig van Beethoven".

Auf der ersten Seite unten steht noch ein besonderer Nachtrag:

„NB an Capitalien finden sich 7 Bankactien, was übrigens sich an Baarschaft noch') findet, wird alles ebenfalls wie B. A das Seine"

Dieser Brief, bei Nohl unvollständig mitgetheilt (im Musikal. Skizzenbuch S. 256 und Neue Briefe Beethovens S. 219), wird hier zum ersten Mal diplomatisch getreu abgedruckt. Das Original befindet sich im Besitz des Herrn Barons Dr. Heinr Härdtl, Hof- und Gerichtsadvokaten in Wien. Es ist ein Quartbogen geschöpften Papiers, von dem zwei Seiten voll beschrieben sind. Eine Ergänzung steht auf der dritten Seite. Als Wasserzeichen bemerkt man den ver- zierten Schild mit dem Hörn an der Schlinge, eine Marke, die um jene Zeit sehr verbreitet war.

Beachtenswerth sind die vielen Nachträge, die Beethoven an zahlreichen Stellen beifügte. Er wollte die Angelegenheit so klar als möglich machen. Die Abneigung gegen den Bruder Johann tritt auch hier deutlich hervor, wie im Testament von 1802.

Durch Schindler (II, 146) und G. v. Breuning (Aus dem Schwarzspanierhause S. 106) erfährt man den Wortlaut eines weiteren (dritten) Testaments, das Beethoven am 3. Januar 1827 abfasste. Dieses Testament erscheint wieder in der Form eines Briefes an

^) „gerichtl" ist über der Zeile nachgetragen.

2) „Karl van Beethoven" über der Zeile nachgetragen.

^) „ohne Ausnahme" im Unterrande nachgetragen.

*) „irgend" über der Zeile nachgetragen.

°) „mit Ausschluss . . . Beethoven" nachgetragen mittels ^ auf der dritten Seite.

^) „allzeit" über der Zeile nachgetragen.

') „noch" über der Zeile nachgetragen.

94

Dr. Bach. Der Neffe blieb Universalerbe, Dr. Bach wurde als Curator beibehalten, und zum Vormund über den Neffen bestimmte Beethoven seinen alten Freund, den Hofrath Stephan V. Breuning.

Wie im Text des vorliegenden Buches erwähnt ist, fügte Beethoven, als er das Ende herankommen sah (am 23. März 1827), noch ein Kodizill bei, in welchem die Erbschaft des Neffen insofern beschränkt wurde, als dieser nur die Nutzniessung des Nachlasses zugesprochen erhielt; das Kapital aber sollte den ,, natürlichen oder testamentarischen Erben" des Neffen Karl gewahrt bleiben. Dieses Kodizill wurde auf Veranlassung des Freundes Breuning abgefasst, der freilich einen anderen Wortlaut gewünscht hatte. Statt der , natürlichen oder testamen- tarischen Erben" hatte er ,,eheHche Nachkommen" vorgeschlagen. (Vergl. auch L. Nohl: Briefe Beethovens, S. 342, und desselben musikalisches Skizzenbuch, S. 287 )

Verzeichnis der Werke Beethovens.

Schon zu Lebzeiten des Meisters war man bemüht, katalogartige Uebersichten über seine Werke anzulegen und zu veröffentlichen. 1819 sind zuerst solche Verzeichnisse erschienen, denen in grossen Zwischenräumen noch andere folgten. Sie sind jetzt alle von der Forschung überholt und bieten heute nur mehr wenig allgemeines Interesse, wie sehr sie auch für den Fachmann von Bedeutung sind. Dann erschien 1851 bei Breitkopf und Härtel ein thematisches Verzeichnis, dessen zweite vermehrte .A.uflage „zusammengestellt und mit chronologisch- bibliographischen Anmerkungen versehen von G. Nottebohm" 1868 in demselben Verlage aus- gegeben wurde. Es ist neben A. W. Thayers Buch ,, Chronologisches Verzeichnis der Werke Ludwig van Beethovens" (Berlin, Ferd. Schneider, 1865) das wichtigste Nachschlagewerk für Beethovens Kompositionen. Nicht zu übersehen ist Wilhelm v. Lenz, ,, Kritischer Katalog sämmtlicher Werke Ludwig van Beethovens" (2. verbesserte Auflage, Hamburg 1860), sowie der 4. Theil der Klavierschule von Carl Czerny. Eine Art Verzeichniss ergiebt sich auch aus der Zusammenstellung am Schluss der einzelnen Kapitel in Thayers Beethovenbiographie (bis 1817). Eine zeitlich geordnete Uebersicht wird auch bei Marx-Behncke (in der IV. Auflage) II, S. 508 ff., gegeben. Durch das Erscheinen des Ergänzungsbandes zur Leipziger Gesammt- ausgabe (1887/88) erfuhren die genannten Bücher sämmtlich nicht unwesentliche Ergänzungen. Auch seither ist manches Neue zu Tage gefördert worden. Demnach kann die folgende Ueber- sicht einige Posten mehr aufweisen, als die älteren Verzeichnisse. Gleich anderen Ueber- sichten über Beethovens Werke hat auch das vorliegende mehrere Zugeständnisse in Bezug auf Strenge der Eintheilung machen müssen. So wurde die Chor-Symphonie nicht bei den Gesangs- werken eingereiht, sondern den Orchesterwerken zugewiesen. Die Chorphantasie steht unter den Klavierwerken. Ich tröste mich in solchen Fällen mit der Ueberzeugung, dass Beethoven nicht dazu komponirt hat, um seine Werke bequem eintheilen zu lassen. Vollständigkeit ist in Bezug auf fertige Werke angestrebt. Einige ganz kleine Gelegenheitsskizzen sind weggeblieben, wie denn auch die Skizzen in Beethovens Notirungsbüchern vom vorliegenden Verzeichniss aus- geschlossen sind. Den Werken ohne Opuszahl ist die Note ,,o. Op." beigegeben.

A. Instrumentalmusik.

I. Orchesterwerke

1. Symphonie

9. (Chorsymphonie')

C-Dur

Op.

21

D-Dur

36

Es-Dur

55

B-Dur

60

C-MoU

67

F-Dur

68

A-Dur

92

F-Dur

93

D-Moll

125

Musik zu einem Ritterballet (Jugendwerk ohne Opuszahl).

Musik zum Ballet „Die Geschöpfe des Pro- metheus" Op. 43.

Musik zu Goethes Egmont Op. 84 (siehe auch bei Gesangsmusik).

Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria Op. 91.

Gratulationsmenuett o. Op.

Triumphmarsch zu „Tarpcja" o. Op.

üö

12 Menuette |

12 deutsche Tänze > o. op. 12 Contretänze '

Ouvertüre (zu Prometheus, siehe oben), zu Coriolan Op. 62. zuLeonore (vermuthlich l)Op. 138.

zuLeonore (vermuthlich 2) Op. 72a.

zu Leonore Xo. 3 Op. 72a.

zu Fidelio (E-Dur) Op. 72b. (zu Egmont, siehe oben). zu den „Ruinen von Athen" Op. 113. „Zur Namensfeier" Op. 115.

zu „König Stefan" Op. 117.

,, zur „Weihe des Hauses" Op. 124.

II. Für Militärmusik.

Marsch in D-Dur, o. Op. Marsch in F-Dur, o. Op. 2 Märsche für Militärmusik (komponiert zu

einem Caroussel in Laxenburg), o. Op. Marsch in C-Dur für Militärmusik, o. Op. Polonaise für Militärmusik, o. Op. Ecossaise in A-Dur für Militärmusik, o. O.

III. Für Orchester mit konzertirenden Instrumenten.

c.) Klavier mit Orchester siehe bei Klavier.

ß) Violine mit Orchester siehe bei Streich- instrumente.

IV. Für Streichinstrumente.

«) Violine und Orchester. Romanze in G-Dur Op. 40. F-Dur Op. 50. Concert in D-Dur Op. 61.

ß) Violine und Klavier. (siehe Klavier).

Y) Violine, Viola und Violoncell. Trio in Es-Dur Op. 3. Drei Trios, G-Dur, D-Dur, C-Moll Op. 9. Serenade in D-Dur Op. 8.

o) Zwei Violinen und Bass. Sechs ländlerische Tänze, o. Op.

a) Zwei Violinen, Viola und Violoncell.

(Streichquartette). Sechs Quartette, F-Dur, G-Dur, D-Dur, C-Moll, A-Dur, B-Dur, Op. 18.

Drei Quartette, F-Dur, E-Moll, C-Dur, Op. 59. Quartett Es-Dur. Op. 74. F-Moll Op. 95.

Es-Dur Op. 127.

B-Dur Op. 130.

Cis-Moll Op. 131.

A-MoU Op. 132.

F-Dur Op. 135. Grosse Fuge in B-Dur Op. 133. [Quartett in F-Dur, nach der Sonate Op. 14 No. 1.]

Q Zwei Violinen, zwei Bratschen und ein Violoncell.

[Quintett in Es-Dur Op. 4 (siehe auch beim

Octett Op. 103) ] Quintett in C-Dur Op. 29. [ in C-Moll Op. 104, nach dem Trio

Op. 1 No. 3.] Fuge in D-Dur Op. 137. Satz in C-Dur zu einem Quintett (siehe bei

Klavier „letzter Gedanke".

r,) Zwei Violinen. Kleine Gelegenheitskomposition für A. Boucher (war bisher ungedruckt siehe oben S. 65). Die Lesung der letzten Noten ist nicht unbedingt sicher.

V. Für Blasinstrumente.

Sextett in Es-Dur für 2 Klarinetten, 2 Hürner

und 2 Fagotte Op. 71. Marsch für 2 Klarinetten, 2 Hörner und

2 Fagotte (o. Op.) Trio in C-Dur für 2 Oboen und 1 Englisch

Hörn Op. 78. Octett in Es-Dur für 2 Oboen, 2 Klarinetten,

2 Hörner und 2 Fagotte Op. 103. (Als

Quintett Op. 4.) Rondino für 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Horner

und 2 Fagotte (o. Op.) 3 Duos für Klarinette und Fagott (o. Op.) 3 Equale für 4 Posaunen (o. Op.)

VI. Für Blasinstrumente und Streich- instrumente.

Septett in Es-Dur für Violine, Viola, Violoncell, Contrabass, Klarinette, Hörn und Fagott Op. 20.

Serenade für Flöte, VioUne und Bratsche Op. 25.

Sextett in Es-Dur für 2 Violinen, Bratsche, Cello und 2 Hörner Op. 81 b.

96 -

VII. Für Klavier.

1. Für Klavier allein.

c/.) Zweihändig.

Drei Sonaten, Es-Dur, F-MoU und D-Dur

(0. Op., 1781). Zwei Sätze einer Sonate in C-Dur (Jugendwerk,

o. Op., ergänzt). Zwei kleine Sonaten, G-Dur und F-dur (ohne

Beglaubigung. Echtheit zweifelhaft). Drei Sonaten in F-Moll, A-Dur und C-Dur

(Op. 2). Sonate in Es-Dur, Op. 7. Drei Sonaten, C-Moll, A-Dur, D-Dur. (Op. 10.) Sonate in C-Moll, (Op. 13). Zwei Sonaten, E-Dur und G-Dur (Op. 14). Sonate in B-Dur (Op. 22).

in As-Dur (Op. 26). Zwei Sonaten, E-Dur und Cis-MoU (Op. 27). Sonate in D-Dur, (Op. 28). Drei Sonaten, G-Dur, D-Moll, Es-Dur (Op. 31). Zwei Sonaten, G-Moll, G-Dur Op. 49). Sonate in C-Dur (Op. 53), F-Dur (Op. 54). F-Moll (Op. 57.) Fis-Dur (Op. 78). G-Dur (Op. 79). Es-Dur (Op. 81a). E-Moll (Op. 90). A-Dur (Op. 101). B-Dur (Op. 106). E-Dur (Op. 109). As-Dur (Op. 110). C-Moll (Op. 111). Sieben Bagatellen (Op. 33). Zwei Präludien (Op. 39, siehe auch bei Orgel). Rondo in C-Dur) ohne Opuszahl, Jugendwerk, zwar nicht urkundlich beglaubigt, aber höchst wahrscheinlich von Beethoven, 1783 (fehlt im Supplementbande der Gesammtaus- gabe). Zwei Rondos, C-Dur und G-Dur (Op. 51). Phantasie in G-Moll (Op. 77). Polonaise in C-Dur (Op. 89). Neue Bagatellen (Op. 119). Sechs Bagatellen (Op. 126). Rondo (,.Die Wuth über den verlorenen

Groschen") in G-Dur (Op. 129). Rondo in A-Dur (Ohne Opuszahl). Menuett in Es-Dur (o. Op.) Präludium in F-Moll (o. Op.) Sechs Menuette (o. Op.) Sieben ländlerische Tänze (o. Op.) Sechs ländlerische Tänze (o. Op.) Bearbeitung.

Andante in F-Dur (o. Op.) Zwei Bagatellen (o. Op.) Gelegenheitskomposition „Für Elise* in A-Moll

(o. Op.) Allegretto in C-Moll (o. Op.) Zwei kleine Klavierstücke (Lustig und Traurig)

(o. Op.) Klavierstück in B-Dur, sog. ,.Derniere pensee

musicale ' (o. Op.) Sechs Ecossaisen (o. Op.) Zwei Walzer, Es-Dur und D-Dur (o. Op.) Zwei Ecossaisen, Es-Dur und G-Dur (o. Op.) Allemande in A-Dur (o. Op.) Stammbuchblatt für F. Piringer (o. Op.; vergl.

das Facsimile in vorliegendem Buche) fehlt

im Supplementbande der Gesammtausgabe. Kadenzen zu Klavierkonzerten (o. Op.) Neun Variationen über einen Marsch v. Dressler

C-Moll (o. Op.) Sechs Variationen über ein eigenes Thema

in F-Dur (Op. 34). Fünfzehn Variationen (mit Fuge) in Es-Dur

(Op. 35). Sechs Variationen über ein eigenes Thema

D-Dur (Op. 76). Dreiunddreissig Variationen über einen Walzer

von DiabelU in C-Dur (Op. 120). 24 Variationen in D-Dur (Vieni amore) (o. Op.) 13 , A-Dur (Es war einmal) (o.Op.)

9 A-Dur (Quant' e piii hello)

(o. Op.) 6 Variationen in G-Dur (Nel cor piü non min)

(o. Op.) 12 Variationen in C-Dur (o. Op.) 12 A-Dur

6 F-Dur (über ein Schweizer- lied. Siehe auch bei Harfe).

8 Variationen in C-Dur (Une fievre brülante). 10 B-Dur (La stessa)

7 F-Dur (Kind, willst du ruhig schlafen).

8 Variationen in F-Dur (Tändeln und Scherzen).

6 ,, ,, G-Dur(eigenes Thema).

7 ,, C-Dur (God save the King). 5 D-Dur(Rule Britania)

32 C-.MoU (eigenes Thema).

8 ,, B-Dur (Ich hab ein kleines Hüttchen).

ß) vierhändig. Sonate in D-Dur (Op. 6). Drei Märsche C-Dur, Es-Dur und D-Dur, Op. 45. Variationen in' C-Dur (Thema vom Grafen

Waldstein) (o. Op.) Variationen D-Dur („Ich denke Dein").

97

2. Für Klavier mit Begleitung, a) Klavier und Orchester. Concert in Es-Dur (o. Üp. Jugendwerk) Satz zu einem Konzert in D-Dur (o. Op. gleichfalls Jugendwerk.)

1. Konzert in C-Dur Op. 15.

2. .. ., B-Dur ,. 19.

3. .. C-Moll ., 37.

4 G-Dur .. 58.

5. ,. Es-Dur .. 73.

Rondo in B-Dur (o. Op. aus dem Nachlasse), ß) Für Klavier, Chor und Orchester. Phantasie C-Moll Op. 80. ■)'> Für Klavier und Blasinstrumente. Quintett in Es Dur (Klavier, Oboe, Klarinette,

Hörn und Fagott Op. 16. Trio für Klavier, Flöte undFagott(Jugendwerk)- Sonate in F-Dur (Klavier und Hörn) Op. 17. Sechs varürte Themen für Klavier allein oder

mit Flöte oder Violine Op. 105. Zehn varürte Themen (ebenso) Op. 107. o) für Klavier und Streichinstrumente. [Drei Quartette für Klavier, Geige, Bratsche

und Violoncell. Es-Dur, D-Dur, C-Dur o. Op.

Aus dem Nachlass]. [Quartett nach dem Quintett Op. 16]. Drei Trios (Klavier, Violine, Violoncell) Es-Dur,

G-Dur, C-Moll Op 1. Zwei Trios, D-Dur, Es-Dur Op. 70 Trio in B-Dur Op. 97. [Trio in Es-Dur Nachlass. Triosatz in B-Dur Nachlass]. 14 Variationen in Es-Dur Op. 44. Variationen in G-Dur (Ich bin der Schneider

Kakadu) Op. 121a. 3) Für Klavier, Klarinette (oder Geige)

und Violoncell. Trio in B-Dur Op. 11. Trio (nach dem Septett Op. 20) in Es-Dur

Op. 38.

;) Für Klavier und Geige.

Drei Sonaten, D-Dur, A-Dur, Ks-Dur, Op. 12.

Sonate in A-MoU Op. 23.

Sonate F-Dur Op. 24.

Drei Sonaten, A-Dur, C-Moll, G-Dur Op. 30.

Sonate A-Dur Op. 47.

G-Dur 96. Varürte Themen Op. 105 und 107, siehe bei:

Klavier und Blasinstrumente. Veriationen in F-Dur (Se vuol ballare) o. Op. Deutscher Tanz o. Op.

-q) für Klavier und Violoncell.

Zwei Sonaten, F-Dur, G-Moll Op. 5. [Sonate A-Dur (nach Op. 59) Op. 69]. Zwei Sonaten, C-Dur, D-Dur Op. 102. Variationen in F-Dur (Ein Mädchen oder

Weibchen) Op 66. Variationen in G-Dur (Thema aus Judas

Maccabäus) (o. Op.) Variationen in Es-Dur (Bei Männern, welche

Liebe fühlen) (o. Op.)

Vm. Für die Orgel.

Zwei Präludien (Op. 39, siehe auch bei den

Klavierwerken). Zweistimmige Fuge (o. Op.).

IX. Für Harfe.

Sechs Variationen über ein Schweizerlied in F-Dur (siehe bei: Klavier).

X. Für Mandoline.

Sonatine (o. Op.) Adagio (o. Op.)

B. Gesangmusik.

Oper: ,,Fidelio" in drei Bearbeitungen Op.

72, 72a und 72b. Messen: Messe in C-Dur Op. 86.

Messe in D-Dur Op. 123. Szene und Arie (Ah! perfido) Op. 65. Lieder zu Goethes Egmont Op. 84. Meeresstille und glückliche Fahrt Op. 112. Die Ruinen von Athen (Nachspiel und Marsch mit Chor Op. 113).

Schlusschor zum Festspiel „Die Weihe des Hauses" (,,Wo sich die Pulse"). Bear- beitung von Op. 113.

Chor auf die verbündeten Fürsten („Ihr weisen Gründer"), o. Op.

Terzett: Tremate Op. 116.

Musik zu König Stephan Op. 117.

Elegischer Gesang (für Pasqualati) Op. 118.

Opferlied (von Matthison) Op. 121b.

Opferlied in zweiter Bearbeitung o. Op.

7

98

Bundeslied (von Goethe) Op. 122.

Cantate: Der glorreiche Augenblick Op. 136.

„Germanias Wiedergeburt" (zu dem Singspiele

„Gute Nachricht") o. Op. „Es ist vollbracht" (zu den „Ehrenpforten") Lobkowitzcantate o. Op. Musik zu Friedr. Dunckers Leonore Prohaska

o. Op. Cantate auf den Tod Kaisers Josef II. o. Op. die ErhebungLeopolds zur Kaiser-

würde o. Op. Zwei Arien für eine Bassstimme mit Orchester- begleitung. Zwei Arien zu Ign. Umlaufs Singspiel „Die

schöne Schusterin". Arie für Sopran: „Primo amore". Abschiedsgesang für drei Männerstimmen. Gesang der Mönche (zu Wilhelm Teil). Musikalischer Scherz für Hauschka: „Ich bin

bereit". Canon: Im Arm der Liebe. Ta ta ta,

Kurz ist der Schmerz (F-MoU). Kurz ist der Schmerz (F-Dur).

Rede, rede. Lerne schweigen. Glück zum neuen Jahr (F-Dur). ,, Hoffmann. O Tobias! Erster aller Tobiasse. Brauchle . . Linke. Petrus war ein Fels. Bernardus war ein Sanct. Ich küsse Sie. Edel sei der Mensch. .Schwenke Dich. Kühl, nicht lau. Signore Abbate. ., Ewig Dein.

Ich bitt' dich. Glück zum neuen Jahr (Es-Dur) (für Pasqualati 1815). Canon : Si non per portas. Te solo adoro. Freundschaft. Glaube und hoffe. Gedenket heute an Baden. F'reu' dich des Lebens. Wir irren allesammt und ein Jeder irret anders. Canon: Es muss sein.

Doktor sperrt das Thor dem Tod. Glück fehl dir vor allem, Gesundheit auch niemalcn.

Canon: ..Hol' euch der Teufel . .".

[Für einen Canon : „Da ist das Werk . ." liegt

kein B.sches Autograph vor ] Volkslieder verschiedener Art in mannigfacher

Bearbeitung. 25 schottische Lieder Op. 108.

25 irische Lieder o. Op. 20 irische Lieder o. Op 12 irische Lieder o. Op.

26 wallisische Lieder o. Op.

12 verschiedene, englische, schottische irische

und italienische Volkslieder. [Duett aus Op 82 siehe bei: Lieder.]

Lieder mit Klavierbegleitung.

(Siehe

An die Hoffnung (von Tiedge) Op. 32.

auch bei Op. 94). Adelaide (von Matthisson) Op 46. Sechs Lieder (von Geliert) Op. 48. Acht Lieder (von verschiedenen Dichtern) Op. 52. Sechs Gesänge (von Goethe, G. A. v. Halm

und Reissig) Op. 75. Vier italienische Arietten und ein Duett (von

Metastasio) Op. 82. Drei Gesänge (von Goethe) Op. 83. Das Glück der Freundschaft Op. 88. An die Hoffnung (von Tiedge) zweite Bear- beitung Op. 94. An die ferne Geliebte (A. Jeitteles) Op. 98. Der Mann von Wort (von Kleinschmid) Op. 99. Merkenstein (von Rupprecht) erste Bearbeitung

o. Op. Merkenstein in zweiter Bearbeitung Op. 100. Der Kuss (von C. F. Weisse) Op. 128. Schilderung eines Mädchens o. Op. An einen Säugling (von Wirths) o. Op. Abschiedsgesang an Wiens Bürger

Friedelberg), o. Op. Kriegslied der Oesterreicher, mit Chor,

Friedelberg) o. Op. Der freie Mann (von G. C. Pfeffel) o. Op. Opferlied (von Matthisson) o. Op. Zärtliche Liebe (von Herrosen). La Partenza (von Metastasio) o. Op. Der Wachtelschlag (von S. F. Sauter) o. Op. Als die Geliebte sich trennen wollte; oder Empfindungen bei Lydiens Untreue (nach dem Französischen von St. v. Breuning). In questa tomba oscursa (von Carpani). Andenken (von Matthison). Sehnsucht, vier Mal, (von Goethe). Fünf Lieder (von Reissig): Lied aus der Ferne, Der Liebende, Der Jüngling in der Fremde, Des Kriegers Abschied, Sehnsucht.

(von

(von

99

An die Geliebte, zwei Mal, (von Stoll).

Der Bardengeist (von Herrmann).

Ruf vom Berge (von Treitschke).

Das Geheimnis (von Wessenberg).

So oder so (von C. Lappe).

Resignation (von Paul Gr. v. Haugwitz).

Abendlied unterm gestirnten Himmel (von

H. Goeble). Seufzer eines Ungeliebten und Gegenliebe

(von Bürger) o. Op. Die laute Klage (von Herder) o. Op. •Gedenke mein! o. Op.

Erlkönig (von Goethe), Rekonstruktion nach

Beethovens Skizze, o. Op. Ich, der mit flatterndem Sinn, o. Op. Der Gesang der Nachtigall, o. Op. Lied (für Frau von Weissenthurm) o. Op. Lied aus der „Olympiade" (von Metastasio)

o. Op. An Minna, o. Op. Trinklied, o. Op. Klage, o. Op. Elegie auf den Tod eines Pudels, o. Op.

Verbesserungen.

In der zweiten Notenzeile auf S. 13 ist die zweite Note der Oberstimme als fis statt f zu lesen.

S. 16 Zeile 23 von oben lies Wald s t e i n statt Waldheim.

Inhalt.

I. Kapitel. Jugendjahre ' 7

Die Familie van Beethoven. Die Kindheit des Tonmeisters. Seine Lehrer. Zusammenhang mit der Musik der Vorgänger. Reise nach Wien 1787. Die letzten Bonner Jahre: Breunings, Graf Waldstein, Haydn in Bonn, Die Reise nach Mergentheim.1

IL Kapitel. Die ersten Jahre in Wien 20

Beethoven kommt nach Wien. Unterricht bei Jos. Haydn, Schenk, Albrechts- berger, Salieri. Erste Opuszahlen. Erfolge des Klaviervirtuosen. Gönner und Bekannte. Die „unsterbliche Geliebte". Taubheit. Heiligenstädter Testament. Erste Symphonien.

III. Kapitel. Fidelio Mittlere Lebenszeit 35.

Fidelio. C-moll- Symphonie. Erlebnisse in den Jahren 1806 bis 1808. Beethoven in Graz. Kleine Erzählungen. Die B-dur Symphonie. Berufung nach Cassel. Beethoven wird an Wien gefesselt. Erzherzog Rudolf. Die Schlacht bei Vittoria und Maelzl. -- Nochmals Fidelio. Der glorreiche Augenblick.

IV. Kapitel. Der letzte Beethoven 54.

Familienangelegenheiten. Tod des Bruders Carl. Vormundschaft über den Neffen. Häusliche Unordnung. - Rückgang im Schaffen. Handschrift. Letzter Stil. Neue Kräfte. Missa solemnis. Die neunte Symphonie. Besuche. Die Akademie des Jahres 1824. Letzte Quartette. Todeskrankheit.

Nachhall 77

Das Leichenbegängniss. Wirlfungen Beethovens auf die Nachwelt. Charak- teristik des Meisters.

Ausführungen und Quellennachweise 80

Zu Kapitel I S. 80

Zu Kapitel II S. 83

Zu Kapitel III S. 84

Zu Kapitel IV S. 87

Zur Beethovenliteratur S. 91

Anhang 93

Beethovens Testamente S. 93

Verzeichnis der Werke Beethovens S. 94

Friiranel, Theodor von Ludwig van Beethoven

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